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Beiträge
bayerischen Kirchengeschichte
herausgegeben
D. Theodor Kolde,
ord. Prof, der Kirchengeschichte an der Universität Erlangen.
Erlangen 189g.
Verlag von Fr. Junge.
K. b. Hof-
i. Univ. -Buchdruckerei von Fr. Junge (Junge & Sohn), Erlangen.
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■
Inhalts -Verzeichnis des V. Bandes.
Seite
E. Dorn, Zur Geschichte der Kniebeugungsfrage und der Prozeß
des Pfarrers Volkert in Ingoldstadt . 1
W. Dietlen, Beiträge zur Geschichte der Reformation in Schwaben
(Schluß) 37
0. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histori-
schen Vereine in Bayern (Fortsetzung) ......... 49
Zur Bibliographie ................... 51
E. Dorn, Zur Geschichte der Kniebeugungsfrage und der Prozeß
des Pfarrers Volkert in Ingoldstadt (Schluß) ....... 53
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenbergcr Pfarreien ... 75
S. Kadner, Eine akademische Rede zu Anfang des 17. Jahrhunderts 91
0. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histori-
schen Vereine in Bayern (Fortsetzung) . 92
Zur Bibliographie 95
Chr. Geyer, Kaspar Kantz 101
G. Kawerau, Über eine angeblich verschollene Spottschrift gegen
Johann Eck vom Augsburger Reichstage 1530 ....... 128
Merz, Simonie im 18. Jahrhundert. Miscelle . 135
Th. Kolde, Ein unbeachteter Brief an Luther und Melanchthon . 138
0. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histori-
schen Vereine in Bayern (Fortsetzung) 141
Zur Bibliographie . 145
Fr. Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller, Prä-
dikanten in Augsburg 149
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Johannes Hauers. Zwölf
Briefe 164
F. La mp er t, Zur Geschichte der Schwarzenbergcr Pfarreien . . 192
Zur Bibliographie 192
Th. Kolde, Die Berufung des Kaspar Greter als Stiftsprediger
nach Ansbach * . . 197
K. Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß 226
Zur Geschichte der Konfirmation speziell in Oettingen 235
IV
0. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histori-
schen Vereine in Bayern (Fortsetzung) 238
Zur Bibliographie 244
Richard Fester, Die Entstehungsgeschichte des Gerüchtes der
Konversion der Bayreuther Schwester Friedrich des Großen . 245
Friedrich Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim . . . 254
S. Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter . 269
F. Herrmann, Bericht des Hieronymus Rauscher, Diacon an St.
Lorenz in Nürnberg, über die Entlassung der interimsfeindlichen
Geistlichen im November 1548 280
0. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histori-
schen Vereine in Bayern (Fortsetzung) 287
Zur Bibliographie 290
Zur Geschichte der Kniebeugungsfrage und der Prozess
des Pfarrers Volkert in Ingolstadt.
Von
E. Dorn,
Hilfsgeistlicher in München.
Fünfzig Jahre waren vor kurzem verflossen, seit jenes
Regierungssystem zusammenbrach, das nahezu ein Dezennium
lang mit unerhörtem Druck auf unserer evangelischen Landes-
kirche gelegen war. Nur mit Schmerz kann der Protestant
Bayerns dieser bedrängnisvollen Epoche gedenken. Das schliesst
jedoch nicht die Erfüllung der Ehrenpflicht aus, immer mehr
diejenigen Männer hervorzusuchen und in der Erinnerung fest-
zuhalten, welche in jenen Tagen für die bedrohten Rechte der
Kirche mit echt evangelischem Zeugenmut auf den Plan ge-
treten sind. Mancher von diesen Zeugen, wie Pfarrer Reden-
bacher; Graf v. Giech und Professor Harless, hat seine Aner-
kennung in der Geschichte schon gefunden; mancher, dessen
Name auch verdiente, aufgezeichnet zu werden, ist bis jetzt
unbekannt geblieben oder vergessen worden. Zu ihnen gehört
der Ingolstädter Pfarrer Dr. Volkert. Aber sein Prozeß ist
nur zu verstehen im Rahmen der grossen Bewegung, welche
die „ Kniebeugungsfrage u in unserem engeren Vaterlande und
weit darüber hinaus hervorgerufen hat. Und sie einmal im Zu-
sammenhänge aktenmäßig zu skizzieren, wird um so angebrachter
sein, als dies trotz der Fülle der einschlägigen Litteratur und
des reichen Quellenmaterials bisher kaum geschehen ist, und der
Abstand der Zeit wie die Veränderung der Verhältnisse jetzt
wohl eine ruhige historische Beurteilung, wie ich sie allein
geben möchte, ermöglichen.
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. 1.
1
2
E. Dom, Kniebeugungsfrage.
Quellenangabe.
Das wichtigste, weil zuverläßigste Material boten zwei Bände
Oberkonsistorialratsakten, überschrieben: Das Niederknieen
der protest. Landwehr- und Militärpersonen bei Akten und vor Objekten
des röm. kath. Cultus. B I. vom Aug. 1838 — März 1844, B II. von
1844 an. Von Bedeutung waren ferner Briefe und Aufzeichnungen
aus dem Nachlasse des Präsidenten von Roth. Speziell zur
Sache Volkerts standen genaue Personalakten zu Gebote, sowie
sonstige briefliche und mündliche Mitteilungen.
Aus der Fülle der gedruckten Geschichtslitteratur, welche Auf-
schluß über jene Zeit giebt, kam besonders in Betracht:
Kirche und Staat in Bayern, unter dem Minister Abel und seinen
Nachfolgern. Eine kirchl.-polit. Denkschrift. Schaffhausen 1849. (Der
anonyme Verfasser ist Dr. Michael Strodl, ein Görresschüler). —
Materialien zur Geschichte der neuesten Politik von Fr. ßohmer.
Stuttgart 1847. — Geschichte der deutschen Staaten von der Auf-
lösung des Reiches bis auf unsere Tage von Dr. Joh. Aug. Wirth.
Nach dessen Tode fortgesetzt von Wilh. Zimmermann, Mitglied der
deutschen Nationalversammlung. 3. Bd. Karlsruhe 1850. — Deutsche
Geschichte im 19. Jahrhdt. von H. v. Treitschke. 5. Teil. — Das
Wiedererwachen des evangelischen Lebens in der luth. Kirche Bayerns
von Thomasius. Erlangen 1867. — Betrachtungen und Urteile des
Generals der Infanterie E. L. v. Aster über die politischen, kirch-
lichen und pädagogischen Parteibewegungen unseres Jahrhdts., mit-
geteilt von Dr. Eilers. Saarbrücken 1858 (I. S. 122 — 312). —
Annalen der prot. Kirche in Bayern von Karl Fuchs; Nene Folge.
München. Von 1839 an.
Reichhaltig ist die biographische und Memoiren -Litteratur,
welche für unsere Zwecke benutzt werden konnte; so besonders:
Ludwig I., König von Bayern von C. Th. Heigel. Leipzig 1872. —
Friedr. Thiersch’s Leben von Heinrich Thier sch II. Heidel-
berg u. Leipzig 1866. — Görres und seine Zeitgenossen von Dr.
Sepp. Nördlingen 1877. — Görres7 gesammelte Schriften. Band 9.
München 1874. — Bruchstücke aus dem Leben eines süddeutschen
Theologen. 2. Bielefeld und Leipzig 1875. — Friedr. Rohmers
Leben und wissenschaftlicher Entwicklungsgang von Dr. Joh. Casp.
Bluntschli. München 1892. — Mein Tagebuch. Auszüge aus Auf-
schreibungen der Jahre 1811 — 1861 von Franz Frhr. v. Andlaw.
Frankfurt 1862. — Ringseis, Erinnerungen. — Erinnerungen aus
vergangenen Tagen von Ernst Luthardt. Leipzig 1889. — Ab-
handlungen aus der Allgem. Deutsch. Biographie üher F. v. Roth,
Redenbacher, Abel, Niethammer etc. — Friedr. Perthes7 Leben
nach dessen schriftlichen und mündlichen Aufzeichnungen von CI.
Th. Perthes. Gotha 1896. — Convertitenbilder aus dem 19. Jahr-
E. Dorn, Kniebeugangsfrage.
3
hundert von David Aug. Rosenthal. Schaffhausen 1865. - — Samm-
lung vermischter Aufsätze von Dr. Joh. K. Passavant. Frankfurt
und Erlangen 1857.
Den besten Einblick in jene sturmbewegte Zeit gewährt eine
Aufzählung der überaus zahlreichen Kontroversschriften, die nament-
lich über die Kniebeugungsfrage erschienen sind. Es sind, soweit
sie uns bekannt geworden, folgende: 1. Die Kniebeugung der
Protestanten vor dem Sanctissimum der kathol. Kirche in dem
bayerischen Heere und in der bayerischen Landwehr. Materialien
zur Beurteilung dieser Angelegenheit vom Standpunkte der Glaubens-
lehre, des Staatsrechts und der Geschichte. Ulm 1841. Mit 12 ur-
kundlichen Beilagen. 2. Verletzt die Kriegsministerialordre vom
14. August 1838 ein Dogma der protest. Kirche? Materialien zur
Beurteilung dieser Angelegenheit von dem Pfarrer J. Schwind 1,
oder auch ein Wort über die jüngste Schrift: Die Kniebeugung der
Protestanten vor dem Sanctissimum etc. etc. Neuburg a. D. 1842.
3. Auch ein Wort über die in den Kammern besprochene Knie-
beugung vor dem Sanctissimum von Felix Breiten berger, Dekan
in Hofkirchen. München 1843. 4. Die Frage von der Kniebeugung
der .Protestanten von der religiösen und staatsrechtlichen Seite er-
wogen. 2. Sendschreiben an einen Landtagsabgeordneten. München
1843. 5. Offene Antwort an den anonymen Verfasser der 2 Send-
schreiben: Die Frage von der Kniebeugung etc. von Dr. Harleß,
dermaligem Landtagsabgeordneten. München 1843. 6. Der Prote-
stantismus in Bayern und die Kniebeugung. Sendschreiben an Herrn
Professor Harleß von Döllinger. Regensburg 1843. 7. Die evan-
gelisch-lutherische Kirche in Bayern und die Insinuationen des Herrn
Prof. Döllinger. Erlangen 1843. 8. Simon v. Kana. Synodalvor-
trag mit Vorwort von Redenbacher. 3. März 1843. 9. Über Prote-
stantismus und Kniebeugung im Königreiche Bayern. Drei Send-
schreiben an den Herrn geistlichen Rat und Professor Dr. Ign.
Döllinger von Friedr. Thier sch. Marburg 1844. 10. Randglossen
eines Protestanten zu der Schrift des Hern Hofrat Friedr. Thier sch
über Protestantismus und Kniebeugung. Augsburg 1844. 11. Die
Kniebeugungsfrage mit Rücksicht auf die Döllingersche Streitschrift
von Hermann Trenkle, III. Pfarrer zn Weißenburg a. S. Nörd-
lingen 1844. 12. Das Verbot der Gustav-Adolf-Stiftung und die
Kniebeugung der Protestanten in Bayern. Beitrag zu einem neuen
Corpus gravaminum evangelicorum. Von Dr. Jakobson, Professor
der Rechte in Königsberg Leipzig 1844. 13. Gründliche Belehrung
über die Kniebeugung. Von einem evangelischen Geistlichen. Leipzig
1844. 14. Zweites offenes Bedenken, die Kniebeugungsfrage, insbe-
sondere die neueste K. Entschließung vom 3. Nov. 1844 betreffend.
Mit 2 Beilagen. Vom Verfasser der Schrift: „Die Kniebeugung des
Protest, vor dem Sanctissimum etc. Ulm 1841 u. Bayreuth 1845.
1*
4
E. Dorn, Kniebeuguugsfrage.
15. An den Verfasser der Schrift : Zweites offenes Bedenken etc. —
Offenes Sendschreiben von einem Katholiken. München 1845.
16. Antwort an den Verfasser der Schrift: Offenes Sendschreiben
von einen Katholiken. Von dem Verfasser dieses zweiten offenen
Bedenkens Karl Grafen v. Giech. Mit 2 Beilagen. Nürnberg 1845.
17. Zweites Sendschreiben von Professor v. Moy, die Kniebeugungs-
frage und Gewissensfreiheit betreffend, an den Hochgebornen Herrn
Grafen Karl v. Giech 1845. 18. Beleuchtung des „Zweiten Send-
schreibens von Prof. v. Moy“ von einem Freunde der Wahrheit und
des Rechts. Zugleich Beitrag zu den Verhandlungen über die Knie-
beugung. Nürnberg 1845. 19. Die Beschwerdevorstellungen der Mit-
glieder der protest. Generalsynoden in Bayern vom J. 1844 und
die hierauf ergangenen allerh. Entschließungen. St. Gallen u.Bern 1846.
Zu Rat gezogen wurden ferner die betreffenden Jahrgänge
der 1838 gegründeten und von Harleß redigierten Zeitschrift für
Protestantismus und Kirche sowie der „Berliner Allgem.
K i r c h e n z eit un gw. Letztere war um deswillen von besonderer
Bedeutung, weil in ihr von unterrichteter Seite die bayerischen
Kirchenverhältnisse mit mehr Freimut und Offenheit besprochen sind,
als in bayerischen Kirchenblättern der Censur wegen möglich war.
Nicht unberücksichtigt endlich konnten die Nachrichten der ver-
schiedenen Zeitungen bleiben, namentlich die Berichte der „Allgem.
Zeitung“ über die Landtagsverhandlungen in beiden Kammern. Die
vom Präsidenten v. Roth im Reichsrat gehaltenen Reden erschienen
1852 in Separatabdruck, unter dem Titel: Auswahl mündlicher und
schriftlicher Äußerungen des Präs. v. Roth in der ersten Kammer
der bayer. Stände Versammlung 1828 — 1847. München,
1.
Geschichtliche Vorbedingungen.
Bayern war seit 1818 ein paritätischer Staat. Im Jahre
1825 hatte König Ludwig I. den Thron bestiegen. Er gehörte
zu den angesehensten Fürsten Deutschlands, man rühmte seine
deutsche Gesinnung und pries ihn als den liberalsten Protektor
deutscher Kunst. Dabei war er der Sache der Religion nicht
im geringsten abhold, sondern ihrer Bedeutung für das Leben
des Volkes klar bewusst. Bei Eröffnung der ersten Stände-
versammlung unter seiner Regierung (17. November 1827) er-
klärte er für überflüssig versichern zu müssen, dass er Religion
als das Wesentlichste ansehe und jeden Teil bei dem ihm Zu-
ständigen zu behaupten wisse1). Es kann auch 'niemals gesagt
1) Heigel, König Ludwig I., S. 237.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
5
werden, dass der König, selbst unter dem allmächtigen Einfluss
Abels, den Willen gehabt hätte, die evangelische Landeskirche
zu schädigen1); ihm persönlich lag das Wohl derselben am
Herzen, was freilich vor 1838 deutlicher in die Augen sprang
als nachher. So war er grundsätzlicher Gegner des verflachenden
und geistlosen Rationalismus. Er wünschte, dass die prote-
stantische Kirche vom Boden der Augsburger Konfession aus
geleitet werde. Diese Leitung zu übernehmen, dazu war ihm
kein Mann geeigneter erschienen als der bisherige Finanzrat
Friedrich v. Roth, eine charaktervolle, aber automatische
Natur, dabei klassisch gebildet und von der Herrlichkeit der
lutherischen Sache durchdrungen2). Bezeichnend hiefür ist
seine Schrift: „Die Weisheit Dr. Martin Luthers“, ein Auszug
aus dessen Werken, welcher 1817 zur Feier des Reformations-
jubiläums erschien. Später gab er Hamanns Schriften in sieben
Bänden heraus „in vollster Sympathie mit dem Bunde antiken
und christlichen Sinnes, der bei dem Magus des Nordens so
charakteristisch hervortritt“ — wie Adolf v. Stählin, Roths
jüngster Biograph, in der Allgem. Deutsch. Biographie bemerkt3).
Dieser Mann wurde von Ludwig im Jahre 1828 an die Spitze
des protestantischen Oberkonsistoriums berufen. Mit Weisheit
und starker Energie trat er an die Aufgabe heran, das neu-
erwachende evangelische Leben zu pflegen, zu schirmen und in
die Grenzen des kirchlichen Organismus einzufassen. Die
Mittel und Wege, die er, von der Regierung aufs eifrigste
unterstützt, dazu einschlug, sind eingehender in dem schon
erwähnten Büchlein von Thomasius geschildert 4). Die Be-
ll Dies bestätigt selbst Harle ss, Bruchst. aus dem Leben etc.
2. S. 63.
2) Zur Erinnerung an Karl Johann Friedrich Roth u. s. w., ein Vor-
trag zur Eröffnung der 16. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer im Saale des Ständehauses zu Stuttgart am 23. Sept. 1856, ge-
halten von Karl Ludw. Roth, Th. Dr. Oberstudienrat, Gymnasial-Rektor,
Stuttgart 1856. — Der Artikel über Roth in der Realencyklopädie für
protest. Theologie und Kirche, 1. Aufl. XX. Gotha 1866, S. 618 — 627;
2. Aufl. XIII. Leipz. 1884, S. 71 — 79, vom OberkonsistorialratDr. v. Burger.
Thomasius, das Wiedererwachen etc. Endlich Notizen über Roth in
Gotth. Heinr. v. Schuberts: „Der Erwerb aus einem vergangenen und
die Erwartungen von einem zukünftigen Leben“. 3. B. Und H. Thier sch,
S. 592.
3) Es ist dieser Aufzatz auch als Seperatabdruck erschienen.
4) S. 197; ferner Schubert, Der Erwerb etc. S. 562 ff.
6
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Strebungen des Oberkonsistoriums1) reizten zu heftigstem Wider-
stand auf Seite der rationalistischen Richtung und trugen ihm,
besonders seinem Präsidenten Roth, nicht geringe Anfechtungen
ein. Man beschuldigte den letzteren des kirchlichen Despotis-
mus und der Unterdrückung des Lichts. Ja, es wurden sogar
Stimmen laut, die ihn der Hinneigung zum Pietismus und
Katholicismus ziehen2), Stimmen, die wie aus der von Krüger
1) Roth zur Seite standen die Oberkonsistorialräte: v. Niethammer,
Friedr. Immanuel, Th. et Phil. Dr., geh. 1766 in Württemberg, studierte im
Stift zu Tiibingeu, dann seit Mai 1790 in Jena, wo sich Schiller dem
jüngern Landsmann sehr freundlich erwies und ihn ermunterte, sich
1792 als Privatdozent zu habilitieren. Niethammer ward Schillers Freund,
eine Zeit lang sogar sein täglicher Tischgenosse. Auch mit Goethe ver-
kehrte er näher; ja Goethe nahm im Jahre 1795, als er in Jena weilte,
bei ihm einen förmlichen Kurs in der Philosophie. Später gab er in Ge-
meinschaft mit Fichte das „Philosophische Journal einer Gesellschaft
teutscher Gelehrten“ heraus. Wie seine schwäbischen Landsleute Paulus
(1803), Schelling (1803) und Hegel (1808) ward auch er nach Bayern be-
rufen, zuerst als Professor und Konsistorialrat nach Würzburg (1804),
dann als Konsistorial- und Kreisschulrat nach Bamberg (1806), als Central-
schul- und Studienrat nach München (1807) und endlich 1829 als Rat in
das protestische Oberkonsistorium. Früher der freien Fichteschen Auf-
fassung der Religion huldigend hatte er sich im Laufe der Zeit zum
positiven Glauben hindurchgerungen. Er war es, der in Verbindung mit
Roth, der ja auch in den stürmischen Jahren seiner Jugend Bewunderer
eines Montesquieu, Voltaire und Rousseau war, die Zurückführung der
bayrischen protest. Kirche und Theologie auf den Grund „des Bekennt-
nisses“ konsequent angestrebt und zuletzt vollständig zur Verwirklichung
gebracht hat. Er starb drei Jahre nach seinsr Quiescierung am 1. April
1848. Siehe zu dem allen Fr. Rohmers Leben 1. S. 31 ff., ferner die
Allgem. Deutsche Biogr. 23. S. 689 u. Neuer Nekrol. d. Deutschen Jahr-g.
1848, S. 291. — Die Namen der weiter in Betracht kommenden Räte
jener Zeit sind: E. Grupen, J. U. D. (er war der Verfasser der meisten
Remonstrationen und Berichte, welche in diesen Jahren von seiten des
Oberkonsistoriums an das Ministerium ergingen), Ch. Kaiser, Th. et
Phil. D., Faber, Th. et Phil. D., k. Oberkirchen- und Schulrat und zu-
gleich erster Hauptprediger an der Matthäus-Kirche zu München, endlich
K. Fuchs, Th. D. zweiter Hauptprediger. „Man darf kiihnlich fragen,
ob vor 50 Jahren irgendwo sonst im evaugel. Deutschland ein so ernster,
entschiedener, seines Ziels klar bewußter kirchlicher Sinn sich geregt
habe wie im Oberkensistorium zu München, vor allem durch den Einfluß
des edlen selteneh Dreigestirns Roth und Niethammer, im Bunde
mit dem trefflichen weltlichen Rat Grupen. Rot war der geistes-
mächtige, alles überschauende Leiter, Niethammer der geniale, unermüd-
liche Organisator, Grupen der tapfere, energische, alle Zeit zur Verant-
wortung bereite Rechtsvertreter unserer Kirche, alle drei tief gewurzelt
im evangl. Glauben, treu ergeben dem kirchlichen Bekenntnis.“ — So
Adolf v. Stähl in in einer Rede, die er bei dem 50jähr. Jubiläum des
evangel. Predigerseminars in München am 16. Sept. 1884 dessen Gründern
zu Ehren gehalten hat.
2) Nekrolog der Deutschen Jahrg. 1852, S. 61.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
7
herausgegebenen Kirchengeschichte Hases III, 2, 1, S. 414
hervorgeht, ungerechtfertigterweise heute noch nicht ver-
stummt sind. In Bayern hat sich dies der Wirklichkeit
widersprechende Urteil über Roths Gesinnung und Thätigkeit
nach dieser Seite hin nicht aufrecht erhalten. Bedeutende
Autoritäten haben vielmehr seine Verdienste auf dem Gebiete
der inneren Ausgestaltung unserer evangel. Landeskirche all-
zeit mit ehrenden Worten anerkannt1). Dass Roths kirchen-
regimentliche Grundsätze und deren Durchführung in der da-
maligen Regierung und namentlich bei dem katholischen König
Ludwig selbst Unterstützung fanden, dieser Umstand konnte
den Gegnern des positiven Christentums einen willkommenen
Grund zu obigen Angriffen und Auslassungen abgeben. Anderer-
seits ist freilich auch das nicht zu verkennen, dass gerade
dieser gewiss an und für sich schon gefährliche Bund zwischen
der katholischen Staatsregierung und dem protestantischen
Kirchenregiment im Kampf wider die Rationalisten die Stellung
des Oberkonsistoriums und besonders des Präsidenten v. Roth
in dem andern Kampf überaus erschwerte, den es alsbald zum
Schutze der Rechte und der Gewissensfreiheit unserer Kirche
gegenüber einer in der Staatsregierung herrschend gewordenen
Partei zu führen galt.
Schon um die Mitte der dreissiger Jahre waren in kon-
fessioneller Beziehung Schwierigkeiten aufgetreten. Römisch-
klerikaler Einfluss begann sich wieder mehr geltend zu machen2).
Dabei drängte des Königs romantischer Sinn selbst nicht wenig
auf Verwirklichung der Idee hin, die Herrlichkeit der katho-
lischen Kirche in ihrem früheren Glanze wiederherzustellen.
Da trat auch nach aussen ein Ereignis hinzu, welches das
Hervorbrechen der bisher noch verborgen gehaltenen oder
schlummernden Gewalten beschleunigte. Die preussische Regie-
rung hatte die Unnachgiebigkeit des Erzbischofs Clemens Droste
von Vischering im bekannten Kölner Konflikt mit dessen Ver-
haftung beantwortet (1837). Eine ungeahnte Aufregung ergriff
1) Neben den bereits erwähnten sei besonders noch hingewiesen auf
Scheurls kirchenrechtliche Erörterung „Über die lutherische Kirche in
Bayern“ Erlangen 1853; S. 4 ff . und 45.
2) J. Friedrich, Gesch. d. Vatik. Konzils. Bonn 1877. S. 203 ff.
8
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
die Katholiken Deutschlands. Nun war auch an der Isar für
die hierarchisch gesinnte Partei der Moment gekommen, die
Maske abzuwerfen. Der alte Gör res, einst wegen seiner
Schrift: „Deutschland und die Revolution“ aus Preussen ver-
trieben und seit 1827 Professor der Geschichte zu München,
stellte sich an die Spitze der Bewegung, indem er seinen „Atha-
nasius“ ausgehen liess1). Die Wirkung dieses Buches war eine
durchschlagende, v. Giovanelli in Botzen schreibt am 12. April
1838 an Görres : „Seit dem Erscheinen des Athanasius steht
Ihr Name bei uns in der Reihe der Kirchenväter. In München
macht man jetzt wieder gut, was man dort 1804—1809 ge-
sündigt hat. Alles, was heute die Preussen thun, und noch
mehr, ist 1807 — 1808 unter der gesegneten Regierung v. Mont-
gelas in Tirol geschehen“2), ln einem Brief aus München an
Perthes heisst es ferner: „Der Athanasius von Görres ist er-
schienen und kehrt das Unterste und Innerste der Zeit heraus.
Eine Sprache wie diese hat Preussen noch nicht gehört“3).
Görres selbst dünkt sich wie ein Cyklop am Ambos der Zeit.
Er schreibt 18. Okt. 1838 an Greith, Pfarrer in Mörsch wyl:
„Das Feuer ist entzündet; die Bälge keuchen, der Atem pfeift
aus ihnen mit Macht hervor und mitten aus den Flammen, die
Hämmer schmieden und die Funken sprühen nach allen Seiten.
Der von Oben schaut dem Werke zu und scheint nicht unzu-
frieden“4). Der Antrag des preussischen Gesandten bei der
bayerischen Regierung dieses Buch zu beschlagnahmen wunde
ohne weiteres abgewiesen. „Der König hält sich fest,“ teilt
Görres am 28. Jan. 1838 wiederum seinem Freund Giovanelli
mit, „und so wird der Krieg tapfer von hier aus gegen Gog
und Magog geführt“ 5). Ja, König Ludwig liess vielmehr sofort
der Presse die Zügel gegen die protestantisch-preussische Staats-
regierung frei6). Der Gedanke, Bayern wieder wie in den
1) Sepp, Görres und seine Zeitgenossen. S. 460 ff.
2) Joseph von Görres7 Gesammelte Briefe. 3. B. S. 492; herausge-
geben von Franz Binder, München 1874.
3) Sepp, a. a. 0. S. 464.
4) Ges. Briefe 3. B. S. 508.
5) Sepp, a. a. 0. S. 463.
6) Ebend. S. 462. Vornehmlich waren es die Augsburger Zeitschrift
„Sion“ und die eben um diese Zeit von Görres gegründeten „historisch-
politischen Blätter“, die den Kampf begannen. „München war überhaupt,
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
9
Tagen des Kurfürsten Maximilian I. zu einer katholischen Schutz-
macht zu erheben, trat immer deutlicher hervor 1). In diese
Zeit des erstarkenden katholischen Bewusstseins in Bayern und
wie Heigel S. 260 sagt, das Asyl für alle bierarischen Planmacher ge-
worden, hier war eine Kongregation versammelt, die sieh aus allen
Ländern und allen politischen Parteien rekrutierte. Das Häuschen des
„Deutschen O’Connell“, Joseph Görres’, in der Schönfelderstrasse sah in
seinen Räumen französische Legitimisten, radikale polnische Emigranten
und Schweizer Jesuiten. Mit Strenge wurde jeder Schritt der Regierung
verfolgt, die für die Alleinherrschaft des streng katholischen Prinzips
gefährlich zu werden schien.“ Weniger gefährlich, aber auch ein Zeichen
der Zeit, war der Kreis, der sich um das „fromme Schweizerfräulein“
Emilie Linder, eine später zum kathol. Glauben konvertierte kunst-
begabte Dame, zu sammeln pflegte; da verkehrten ein Clemens Brentano,
Ringseis, Cornelius, Schubert, Lasaulx u. a. Religiöser Fanatismus war
hier ausgeschlossen ; man freute sich an dem feinen Schmelz der Romantik
im Katholicismus, fühlte sich aber gerade um deswillen unendlich erhaben
über den „leeren Protestantismus“. Nicht selten wurde die Unterhaltung
auf konfessionelles Gebiet hinübergespielt und den Protestanten gegen-
über geflissentlich das dem Katholicismus Eigentümliche betont. Man
kann dies nachlesen in Ringseis7 Leben (E in i 1 i a R i n g s e i s, Erinnerungen
an Dr. Nepomuk Ringseis, Regensburg 1886, 2, 242—292). Vor kurzem
erschien auch eine Lebensskizze über Emilie Linder (Erinnerungen an
Emilie Linder von Dr. Fr. Binder. München 1877). Ygl. endlich Schubert,
Erwerb etc. S. 723 ft', und Friedrich Perthes’ Leben nach dessen schriftl.
u. miindl. Mitteilungen. S. 420 ff. — Doch waren dies noch harmlosere Ver-
suche, die kath. Kirche zu erheben, gegenüber dem fanatischen Übermut, der
in der Münchener Kongregation vorherrschte. Mit tiefem Leide schaute
Möhler diese Wandlungen, der 1835 an die Universität München berufen
worden war. Er klagt einmal: „Man leistet uuserer Kirche einen schlimmen
Dienst, wenn man sie in diese Bahn des Kampfes leitet, wo leider, wie
wir alle Tage sehen, alles Ungeschick der Politik, alle nötige oder über-
flüssige Reaktion, alle Sünden des Unverstandes im Regimente auf die-
selbe als vermeintliche Staatslehrerin zurückfallen und die heiligsten
Interessen des Menschen gefährden Und bliebe es dabei stehen,
dass blos ausgezeichnete Geister ohne herzliche Anhänglichkeit an die
Kirche ihr Thun einsetzen, um durch die Kirche ihre staatlichen Theorien
ins Leben einzuführen, so wäre es noch zu verschmerzen
Aber es hangt sich an dies Beispiel ein Schweif literarischer Nieder-
trächtigkeit, der uns mit Ekel erfüllt “ — Fürstbischof
Diepenbrock ferner schrieb 1842 an Passava nt: „Die Hitze der Partei-
kämpfe hat alles in die Extreme getrieben, man will keine Vermittlung
und Verständigung, man will Krieg und Sieg, und wer sich diesen
schroffen Richtungen nF ht anschliesst, wird verdächtigt und dadurch um
die Möglichkeit eines reinen Wirkens gebracht. Das gilt von unserer
Seite ebenso sehr und vielleicht noch mehr als von der gegenüber-
stehenden.“ Vgl. Gedenkblätter an J. Fr. Passavant. Frankf. a M. 1860.
1) Kirche und Staat in Bayern unter dem Minister Abel S. 108; ferner
Betrachtungen u. Urteile des Generals Aster S. 225 ; D i e z e 1 , Bayern u.
die Revolution S. 49. Döllinger endlich sagt (akad. Vorträge II, S. 185) :
„Man meinte damals, da Preussen die Schutzmacht des Protestantismus
auf dem Kontinent sei, so könne Bayern durch Schutz und Pflege kathol.
Interessen in Deutschland sich zu höherer politischer Bedeutung erheben.“
10
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
der damit verbundenen hierarchischen Gelüste fällt die Er-
nennung des Herrn v. Abel1) zum Minister des Innern, dem
gleichzeitig auch das Unterrichts- und Kultuswesen unterstand.
Seit 1827 Ministerialrat war er als ein Beamter von grosser
Geschäftsgewandtheit, glänzender Rednergabe und ungewöhn-
licher Energie bekannt, die zu durchfahrender Brutalität wer-
den konnte. Auch galt er um diese Zeit noch als freisinnig,
wie er denn im stürmischen Landtag 1831 als Regierungs-
kommissär eine Lobrede auf Pressfreiheit und Aufhebung der
Oensur gehalten hatte2). Im folgenden Jahre stellte ihn das
Vertrauen des Monarchen als Rat dem jungen König Otto von
Griechenland an die Seite. Nach seiner Rückkehr aus Athen
(1834) geschah es, dass er seiner Gemahlin durch den Tod be-
raubt wurde, was ihn tief erschütterte. Dies sowohl wie seine
Wiedervermählung mit einer katholischfrommen Dame v. Rin-
ecker rief eine religiöse LTmwandlung in seinen Innern hervor.
Von jetzt ab zog er sich immer mehr von seinen bisherigen
Freunden zurück und glaubte, wie Treitschke so treffend be-
merkt, „in der harten Autoritätslehre der Klerikalen seinen
Frieden zu finden u. Bei grauendem Morgen, unbemerkt von der
Welt, pflegte er fortan täglich vor einem Seitenaltar der
St. Cajetanskirche zu knieen3). Dabei verfehlte er nicht, den
stark ausgeprägten monarchischen Gefühlen sowie persönlichen
Neigungen des Königs mit Eifer entgegenzukommen. Besonders
vertrat er in finanziellen Fragen sehr energisch die oft will-
kürlichen Forderungen der Krone4). In ihm hatte also der
König wie die klerikale Partei den Mann gefunden, der die
Pläne durchzuführen versprach, die man in München hegte.
Über das paritätische Bayernland freilich zogen nun unerquick-
liche Zeiten herein. H. Thiersch sagt (S. 489): „Stund ein
solcher Mann wie Abel an der Spitze eines Staates, dessen
Wohl durch die Verfassung und durch die Gleichberechtigung
der Katholiken und Protestanten bedingt ist, so war zu er-
1) Cf. Allgem. Deutsche Biogr. I, S. 14 vonHeigel; ferner Stumpf,
Denkwürdige Bayern S. 442.
2) Heigel, König Ludwig I. S 203.
3) Siehe hierzu Friedr. Thiersch’s Leben II, S. 487 und die Anekdote,
welche Lut har dt in seinen Erinnerungen S. 115 erzählt.
4) Thiersch, S. 489 u. 496.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
11
warten, dass er sich bald auf jedem Gebiet der Verwaltung im
Kampf mit dem bisher Gütigen finden würde“. — Die Vorbe-
dingungen zu einem Regierungssystem waren gegeben, das nicht
nur den protestantischen Teil der bayerischen Bevölkerung,
sondern alle Recht und Gewissensfreiheit achtenden Männer
mit Befürchtungen erfüllen musste. Aber die Wirklichkeit über-
traf noch die Befürchtung.
2.
Der Kampf um die Kniebeugungsordre.
I. 14. Aug. 1838 — Dezember 1842.
Die Wirkungen der neuen Richtung Hessen nicht lange
auf sich warten. Zunächst wurde jegliche, auch die berechtigste
Regung des Widerspruchs in der protestantischen Presse mit
strengster Censur bestraft, während die klerikale Presse und
Predigt die Reformation und die Person Luthers, das Wesen
und die Bestrebungen unserer Kirche mit Hohn und giftiger
Lästerung überschütten durfte1). Unter dem neuen Ministerium
begann man ferner, die Bestimmungen des Religionsediktes im
Sinne des Konkordats auszulegen; Missionen wurden begünstigt,
für fromme katholische Zwecke grosse Summen verwendet, die
Zahl der Klöster vermehrt, ihre Stellung gehoben, dagegen2)
die Bildung protestantischer Gemeinden auch da, wo das Be-
dürfnis durch Zahlen nachgewiesen und wo die Mittel bereits
aufgebracht waren, in jeder Weise erschwert, Betsäle, die mit
amtlicher Erlaubnis schon eröffnet waren, wieder geschlossen,
der Übertritt Unmündiger zur katholischen Kirche begünstigt.
Sogar den Namen „evangelisch“ bezeichnete der Minister im
öffentlichen Gebrauch als unzulässig; sie solle sich die „prote-
stantische“ nennen, so heisse sie in der Verfassungsurkunde.
Die helfende Hand des 1842 gegründeten Gustav-Adolf-Vereins
1) Vgl. Zeitschrift für Prot, und Kirche: 1838, 8. 125; 1939, S. 69;
1841, II. S. 185; 1844, VIII. S. 151 und die Berl. Allg. Kirchenzeitung:
1839, S. 34, 46, 93, 137; 1840, S. 219; 1844, S. 141 u. a., wo die ultra-
montane Kampfesweise gebrandmarkt wird.
2) Siehe zum folgenden die Beschwerdevorstellungen der Mitglieder
der protest. Generalsynoden in Bayern vom Jahre 1844. Iu der Schweiz
gedruckt 1846, sowie die Berichte der Berliner Allgem. Kirchenzeitung
1839, S. 259; 1842, S. 415; 1844, S. 141 etc.
12
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
wurde strenge verboten1). Weder die Bildung von Zweigver-
einen war erlaubt, noch auch nur gestattet, vom Gesamtverein
Gaben anzunehmen; ja es kam vor, dass Geschenke und Unter-
stützungen des Vereins an bayerische Gemeinden mit Beschlag
belegt und die, für welche sie bestimmt waren, deshalb zur
Verantwortung gezogen wurden2).
Die äusserste, dieser Massregeln war aber die Wiederein-
führung der Kniebeugung vor dem Venerabile für katholische
und protestantische Militärpersonen. Und auf die Schil-
derung des Kampfes für und wider dieselbe wollen
wir uns im folgenden hauptsächlich beschränken.
Am 14. August 1838 war an alle Militärstellen und Behör-
den die Kriegsministerialordre ergangen3): „S. M. der König
haben allergnädigst zu beschliessen geruht, dass bei katholi-
schen Militärgottesdiensten während der Wandlung und beim
Segen wieder niedergekniet werden solle. Das gleiche habe
zu geschehen bei der Fronleichnamsprozession und auf der
Wache, wenn das Hoch würdigste vorbeigetragen und an die
Mannschaften der Segen gegeben wird. Das Kommando lautete:
Aufs Knie! “ In dem Reglement, das mit der Ordre erlassen
wurde, kommt dieses Kommandowort nicht öfter als achtmal
vor. — - Es wird berichtet4), König Ludwig hätte von dem
feierlichen Eindruck gelesen, den es gemacht haben soll, als
die französische Armee bei der Einweihung einer Kirche in
Algier im Augenblick der Konsekration auf das Knie sank.
Das habe den romantisch angelegten König so ergriffen, dass
1) Besonders war es hier König Ludwig selbst, der starke Abneigung
gegen die Gustav- Adolf-Stiftung zeigte; er hielt es geradezu für Landes-
verrat, einen Verein zu begünstigen, der au den fremden Eroberer Deutsch-
lands erinnere (Heigel, S. 219); das Regierungsreskript vom 31. August
1842 welches das Verbot des Vereins enthielt, nannte denselben eine
„Parteiverbindung“ (cf. Dr. Jakobson, das Verbot der Gustav-Adolf-
Stiftung in Bayern). Die klerikale Partei bezeichnete ihn „als die
wahre Spottgeburt der Aufklärung und der deutschen Misseinheit“ (Strodl
S. 201).
2) Jakobson, S. 32 ff. und besonders die Beschwerdevorstellungen
der Generalsynoden S. 91 ff.
3) Dieser Regierungsentscheid wie die nächst folgenden finden sich
gedruckt unter den Beilagen zu der ersten v. Giech’schen Schrift: Die
Kniebeugungen der Protestanten vor dem Sanktissimum etc. Ulm 1841.
(Wir zitieren dieselbe im folgenden mit Giech, Ulm 1841.)
4) Heigel, S. 204.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
13
er alsobald den Entschluss fasste, zur Verherrlichung der
katholischen Kirche ähnliche Zeremonien in seinem Heere ein-
zuführen. „Ob er wohl, — bemerkt Treitschke hierzu — auch
daran gedacht, welch widerwärtige Erinnerungen der Wittels-
bacher Geschichte damit wieder aufgerührt wurden?“ Durch
denselben Kniebeugungszwang hatte ja vor 120 Jahren der
Kurfürst Carl Philipp unter den reformierten Pfälzern so viel
böses Blut gemacht, dass er sich schliesslich genötigt sah, seine
Residenz zu Heidelberg zu verlassen und nach Mannheim zu
verlegen1). Auch jetzt ergriff die tiefste Beunruhigung die
protestantische Bevölkerung, namentlich die Landwehrleute.
Während katholische Blätter das Ganze als einen Triumph
ihrer Kirche feierten und die Regierung in ihren Reskripten
sich bemühte, die Kniebeugung als eine „Salutationsform“ oder
als einen gleichgiltigen Akt „militärischer Ehrenbezeugung“
zu bezeichnen, fühlte man protestantischerseits gar wohl, dass
die Ordre nur ein neues Glied in der zum Prinzip gewordenen
Einschränkung der evangelischen Kirche und der Erhebung
des Katholicismus sei. So wurde die Angelegenheit unter den
gegebenen Umständen zur Glaubens- und Gewissenssache und
man befand sich im Status eonfessionis2). Zum erstenmal kamen
die drückenden Bestimmungen in Anwendung am 25. August
1838 bei der grossen Kirchenparade zur Feier des Geburts-
und Namensfestes des Königs sowohl in München3) als in den
übrigen Städten Bayerns, z. B. auch in dem fast ganz pro-
testantischen Nürnberg. Das erste Beispiel eines mannhaften
1) Ausführlich geschildert und vielfach in Analogie mit unserer Zeit
(1838—46) gestellt ist die Geschichte dieser ersten Kniebeugungszeit bei
Eilers „Betrachtungen undürteile des Generals Aster etc. . . S. 122 ff.
2) H. Thiers ch: „Diese Massregel, welche unter anderen Verhält-
nissen vielleicht wenig Aufsehen gemacht hätte, wurde im Zusammen-
hang mit den gleichzeitigen Beeinträchtigungen des Protestantismus und
mit dem ganzen System der Regierung bald als der Hauptgegen-
stand für die Klagen der Protestanten hervorgehoben.“ II. S. 493. —
Selbst der Jünger der Görres’schule Strodl sagt in dem schon öfters er-
wähnten Buche S. 200: „Sobald einmal die Frage auf das religiöse Ge-
biet gebracht wurde, musste den Forderungen der Protestanten wohl
Genüge geschehen, und mochten sie nun Recht oder Unrecht haben, so hatte
das starre Festhalten an jener Ordre immer etwas an sich, was zum
wenigsten nicht politisch gewesen ist.“
3) Ein interessanter Bericht über die Kirchenparade in München ist
bei Giech, Ulm 1841 abgedruckt S. 2.
14
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Zeugnisses wieder die Ordre gaben zwei protestantische Generale
vor den Thoren Augsburgs1). Als bei dem Übungslager auf
dem Lechfelde Gottesdienst gefeiert wurde und während der
Messe nach dem Kommando: Aufs Knie! Katholiken und
Protestanten niederknieen mussten, haben sie beide allein ihre
Kniee nicht gebeugt, sondern sind stehen geblieben „in der
Kraft des evangelischen Glaubens, in welchem einst vor 300
Jahren in selbiger Stadt der fromme Markgraf Georg von
Brandenburg- Ansbach, da die evangelischen Stände des
Reichstags der Fronleichnamsprozession beiwohnen sollten, in
die Worte ausbrach: Ehe ich wollte meinen Gott und sein
Evangelium verleugnen, eher wollte ich vor Ew. K. Majestät
niederknieen und mir den Kopf abhauen lassen. “ Zu Ingol-
stadt war es ferner gegen Ende der dreissiger Jahre, dass ein
evangelischer Buchbindermeister als Angehöriger der Bürger-
wehr zur Spalierbildung am Fronleichnamsfeste ausrücken
musste. Als bei der Prozession die Monstranz nahte und das
Kommando: Aufs Knie! ertönte, beugte alles ringsumher die
Knie. Nur der protestantische Meister stand allein aufrecht
da. Der Zugführer jedoch, ein biederer Bürgerwehrhauptmann
„aus der guten alten Zeit“, rief dem Stehenden zu: Buchbinder,
hock dich! Der Protestant gab alsbald zurück: Der Buchbinder
hockt sich nicht! Ein Tag Gefängnis ward dem mutigen Be-
kenner als Strafe zudiktiert2). —
Inzwischen waren von allen Seiten Bittgesuche um Ab-
änderung der Ordre bei den Kreiskommandos und beim Ober-
konsistorium eingelaufen3). Vom Pfarramt Kempten traf das
erste Schreiben ein (28. Aug. 1838). Nicht lange darnach
folgten Berichte von den Konsistorien Ansbach und Bayreuth,
welche dringend um xAbhilfe baten. Die erste Diöcesansynode,
die Vorstellungen erhob, hatte sich zu Oettingen versammelt.
(8. Okt. 1838). Ganz besonders fühlten sich die Landwehr-
männer der einzelnen Städte in ihrem Gewissen bedrückt. Die
evangelischen Offiziere vom kgl. Landwehrregiment zu Regens-
1) Aster, S. 156.
2) Nach einer brieflichen Mitteilung, die mir von einem der noch
lebenden Söhne genannten Buchbindermeisters gemacht wurde.
3) Das Folgende meist aus den Oberkonsistorialrats-Akten
sowie aus den von Giech veröffentlichten Materalien geschöpft.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
15
bürg reichten darum schon am 7. Okt. 1838 das ehrerbietigste
Gesuch um Befreiung von der Kniebeugung ein. Aber was
war die endliche Ministerial- Antwort vom 19. Januar 1839:
„Wer die Beobachtung dieses Befehls nicht mit seiner Über-
zeugung vereinbaren könue, dem stehe der Austritt aus der
Landwehr frei; und er habe nur die gesetzlichen Geldbeiträge
zur Ablösung der Dienstleistung zu entrichten.“ Entrüstung
ergriff allerorts die Gemüter. Über das ganze protestantische
Deutschland verbreitete sich die Kunde von der harten, jed-
wede weitere Vorstellung ausschliessenden Zurückweisung vom
19. Jan. 1839 1). 22 Oberoffiziere aber, 34 Unteroffiziere und
170 Landwehrmänner erklärten, dass sie das Knieen mit
ihrem Gewissen nicht vereinbaren könnten, daher von jenem
Anerbieten Gebrauch machen müssten. Es trat sofort die zu-
gesicherte Dispensation vom Landwehrdienst ein, mit welcher
zugleich die Entlassung der Offiziere von ihren bisher bekleide-
ten Stellen verbunden war2)- Beim Oberkonsistorium waren
bis Dezember 1838 noch von verschiedenen Dekanatsbezirken
Beschwerden eingegangen. —
Erst am 28. Dezember 1838, nachdem die Erregung bereits
zu bedenklicher Höhe gestiegen und von seiten des Ministeriums
schon am 3. Oktober eine kleine Milderung der Ordre insofern
erfolgt war, als den Landwehrmännern gestattet wurde, vor
dem Eingang in die kath. Kirchen sich wegbegeben zu dürfen,
nahm die oberste Kirchenbehörde Veranlassung, die Staats-
regierung auf die Verletzung der Verfassungsurkunde aufmerk-
sam zu machen und daran den Antrag auf Befreiung aller protest,
Militärpersonen von der Ordre zu knüpfen. Die abweisende
Antwort Abels ist die oben schon erwähnte, bei Giech ab-
gedruckte Entschliessung vom 19. Januar 1839. Fortwährend
einlaufende Gesuche von den Konsistorien und Dekanaten
nötigten das Oberkonsistorium zu einer erneuten Vorstellung
vom 6. Febr. 1839, die nach Hervorhebung der innigen Dankes-
gefüble für die bisher erwiesene königliche Huld gegenüber
1) Besonders durch einen am 20. Febr. 1839 aus Bayern eingesandten
Artikel in der „Berliner Kirchenzeitung“ 1839, S. 74. Derselbe findet
sich auch abgedruckt bei Eil er s S. 155.
2) Giech, Ulm 41, S. 5.
16
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
den Einrichtungen der evangel. Kirche eine ausführliche Er-
örterung aller wider die Ordre in Betracht kommenden Momente
dogmatischer, historischer und rechtlicher Art enthält. Es er-
folgte darauf am 13. Febr. 1839 nicht nur eine noch schroffere
Zurückweisung, sondern auch die Zumutung „gleichwie Wir die
verfassungsmässigen Rechte Unserer protest. Unterthanen, wie
jener Unserer katholischen in jeder Beziehung mit gleicher
Gewissenhaftigkeit achten, schützen und aufrecht halten, also
möge auch das Oberkonsistorium den Protestanten in seinem
Wirkungskreis ihre Unterthanspflichten und die Heiligkeit
unserer königlichen Rechte einprägen, irrigen Ansichten durch
Belehrung begegnen und alle diejenigen, welche etwa die
Soldaten unseres Heeres in den Pflichten der Subordination
und des Gehorsames irre zu machen sich versucht fühlten, so
viel an ihm ist, vor den unvermeidlichen Folgen eines jeden
solchen Versuchs warnen1).“ Diese letztere Forderung war
dann doch zu weit gehend, als dass selbst das passiv sich ver-
haltende Oberkonsistorium derselben genügen konnte. Es er-
liess die blossen Abschriften der beiden Ministerialreskripte
vom 19. Jan. und 13. Febr. 1839 an die untergeordneten
Stellen — ohne die verlangte unevangelische Belehrung. Trotz
der Bedenken des Präsidenten v. Roth setzte vielmehr v. Niet-
hammer den Beschluss durch, zur Beruhigung der Gemüter
auch die bereits geschehenen Gegenmassregeln des Oberkonsis-
toriums der Geistlichkeit abschriftlich mitzuteilen. Doch glaubte
man unterm 25. Februar 1839, „um einer möglichen Verkennung
vorzubeugen, allerunterthänigst anfragen zu müssen, ob eine
solche Mitteilung allerhöchsten Orts Bedenken finde.“ Gleich-
zeitig wurde das Gesuch um gänzliche Aufhebung der Ordre
erneuert und zum Schluss der Antrag gestellt, das Gut-
achten des Staatsrats vernehmen zu wollen. — v. Abel
aber wies in anmassender Sprache die Absicht, genannte Be-
richte abschriftlich hinausgehen zu lassen, nicht nur als der
Geschäftsbehandlung zuwiderlaufend zurück, sondern bezeichnete
solch ein Beginnen sogar „als geeignet Aufregung und Zwie-
spalt hervorzurufen und zu nähren. Was ferner die Knie-
1) Ebend. Beilage H.
E. Dorn, Rniebeugungsfrage. 17
beugung aiilange, so sehe man sich nicht veranlasst, von den
getroffenen rein militärischen Anordnungen abzugehen, bei denen
nur die Form der zu allen Zeiten bestandenen militärischen
Salutation und die hiebei auf das Militär-Kommando zu neh-
mende Stellung verändert, keineswegs aber ein Anbetungsakt
vorgeschrieben worden sei, welche Bedeutung der an manchen
Höfen noch nach der Etiquette vorkommenden Kniebeugung
keineswegs zukomme. Endlich — die Bitte um Vernehmung
des Staatsrats betreffend, habe S. Majest. vor, derselben nach
seiner Zurückkunft zu willfahren.“ Alle nun in der Folgezeit
ein treffenden Bittgesuche und Beschwerdevorstellungen, da-
runter besonders dringende Eingaben vom Dekanat München
und Nürnberg, vom Offizierskorps zu Augsburg mit sämt-
lichen Namensunterschriften, endlich von Pfälzer Synoden wur-
den dem Staatsrat zur Würdigung vorgelegt. Und was war
nach jährigem vertrauensvollen Warten und Hoffen das Er-
gebnis?: „Es liege nach dem im Staatsrat erstatteten Vortrag
sowie nach den inzwischen ergangenen Verfügungen vom
19. Jan. 1839 und 6. Dezembr. 1839, wonach den nichtkatho-
lischen Landwehrmännern das Aus rücken zu Prozessionen
erlassen worden sei, kein hinreichender Grund vor, die Ordre
zurückzunehmen oder weitere Modifikationen derselben ein-
treten zu lassen.“ — Ministerialerlass vom 23. August 1840. — -
Doch nicht genug! Bei den im September desselben Jahres
zu Ansbach und Bayreuth versammelten Generalsynoden kam
es soweit, dass alle auf die Kniebeugung bezugnehmenden
Petitionen von den königlichen Kommissarien auf Grund er-
teilter Instruktionen als zur Beratung unzulässig abgewiesen
wurden, trotzdem evident am Tage lag, dass keine Frage das
innere Leben der evangel. Kirche mehr berührte als die Knie-
beugungsfrage.
Diesen Demütigungen gegenüber geschahen von seiten des
Oberkonsistoriums vorderhand keine Schritte. Es beobachtete
bis zum Jahr 1843 unausgesetztes Schweigen. Auch die vom Ober-
konsistorialrat Fuchs redigierten „Annalen der protest. Kirche
im Königreich Bayern“, die sich zur Aufgabe gestellt hatten,
alle inneren Angelegenheiten der Landeskirche zu besprechen,
haben jahrelang der brennendsten Angelegenheit keine Erwäh-
Beiträge zur bayer. Kirchengesehichte. V. 1. 2
18
D. Dorn, Kniebeugungsfrage.
imng gethan. Und wo es zum erstenmal nach drei Jahrei
geschieht (Neue Folge III. Heft S. 59), bekommt der Lesei
den Eindruck, als ob fragliche Ordre eine ganz harmlose Ver
Ordnung wäre, bei der es sich um die Hauptfrage handle: Is
das Niederknieen vor dein Venerabile bloss eine Salutatioi
oder ein Akt der Adoration. Zurückgewiesen in energische]
Weise wird die erstere Annahme nicht. Vielmehr „seien in
folge der Zugeständnisse für die Landwehrmänner alle L) Be-
denken beseitigt, damit der Landwehrmann nicht mehr in Ver-
legenheit komme, zwischen seiner Glaubenstreue und der ihr
ehrenden Befolgung königlicher Vorschriften zu wählen.“ —
Mit Schmerz wurde draussen im Lande die Passivität dei
obersten Kirchenbehörde wahrgenommen. Auch der preussische
Gesandte zu München Graf v. Dönhoff schrieb unterm 2. Jan
1840 nach Berlin, er müsse mit Bedauern sehen, wie viel Un-
bill das Oberkonsistorium hinnehme1 2). Hauptsächlich wai
es Präsident v. Koth, der konservativste aller bayerischen
Lutheraner (Treitschke S. 320), der um diese Zeit noch zu
weitgehender Vorsicht und Zurückhaltung riet. Er genoss imj
höchsten Masse das Vertrauen des Königs, wie auch er es füi
seine heilige Pflicht erachtete, zu seinem König und dessen
Verordnungen in jedem Falle unbegrenztes Vertrauen zu hegen
und dasselbe durch Bethätigung eines unbedingten Gehorsams!
zu bewähren. Er selbst soll seine Stellung öfters mit den
1) Dem Verfasser scheint dabei entgangen zu sein, dass nach den
bestehenden Militärinstruktionen die Landwehr in die Lage kommen
konnte, anstatt des Linienmilitärs den Garnisonsdienst und damit auch!
alle für dasselbe vorhandenen Vorschriften übernehmen zu müssen; wenn
darum dem Landwehrmann das Nichtausrücken bei Prozessionen und das
Niehteintreten in die kath. Kirche durch die Regierungsreskripte vom
3. Okt. 1838 und J9. Jan. 1889 zugestanden waren, so waren damit nicht
einmal äusserlich alle Bedenken beseitigt.
2) Treitschke, Deutsche Geschichte V., 421. In diesen Tagen ge-
schah es auch, daß auf Anregung des Ministeriums ein Schulgebet für
den König eingeführt wurde, dem das Oberkonsistorium unter anderm
folgende Fassung gab: „Laß uns, himmlischer Vater, in unserm König
stets Dein Bild erkennen, daß wir früh schon darnach trachten, seine
Freude zu sein und ein getreues Volk zu werden, das in ihm Dich ehrt,
in seinem Reiche dein Reich fördert und dadurch würdig wird, zur Fülle
Deiner Gnade zu gelangen“. Oder: „Wir danken Dir, daß Du auch über
uns in Gnaden einen König gesetzt und Dich und Deinen Willen in ihm
uns geoffenbaret hast.“ Näheres hiezu siehe noch Allg. Berliner
Kirche nz. 1840, S. 146.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
19
Worten charakterisiert haben: Ich bin Offizier des Königs.
Bäumte sich einmal sein gerecht denkendes Herz wider die
drückenden Massnahmen von oben auf und sprach er sich dann
offen dem Minister Abel gegenüber über das Unangenehme
seiner Lage aus, so wusste ihn dieser stets zu beschwichtigen
und seine Bedenken zu dämpfen. Einiges Licht in dieses Ver-
hältnis vermag ein Brief zu werfen, den Abel nach einer vor-
ausgegangenen Unterredung an Roth richtete (20. April 1839) L:
„Ich habe nicht verfehlt — schreibt wörtlich der Minister — die
Eröffnungen, welche Euer Hochwohlgeboren mir in Beziehung auf
das Unangenehme Ihrer Stellung auf dem nächstkommenden Land“
tage zu machen die Güte gehabt haben, nach dero Wunsch Sr. M.
dem König vorzutragen und es ist mir hierauf der Allerhöchste Auf-
trag zugegangen, zu erwidern, dass die Gradheit und Offenheit, mit
der Ew. Hochwohlgeboren sich ausgesprochen, Sr. Maj. zu besonderen
Wohlgefallen gereicht haben, wenn gleich Allerhöchst dieselben ge-
wünscht hätten, es möchte dero Überzeugung über die fragliche aller-
höchste Anordnung bezüglich der militärischen Salutation sform eine
andere sein ; dann dass Allerhöchst dieselben durch die vorgetragenen
Verhältnisse sich nicht veranlasst finden, dermalen einen Mann die
Ruheversetzung oder unbestimmten Urlaub zu bewilligen, der bis
jetzt seine strenge Rechtlichkeit und seine treue Anhänglichkeit stets
erprobt hat. Indem ich mich dieses allerhöchsten Auftrags mit be-
sonderem Vergnügen entledige und damit die Eröffnung verbinde, dass
das Ernennungsdekret für den Privatdozenten Dr. Dollmann1 2) als
ausserordentlichen Professor an die hiesige Hochschule der Expedition
bereits übergeben ist, benütze ich gerne diese Gelegenheit, die Ver-
sicherung meiner innigen, verehrungsvollen Hochachtung zu erneuern,
womit ich die Ehre habe zu sein
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamer Diener
v. Abel.“
v. Roth blieb im Amte und trug den Druck vorerst noch
mit starkem Gehorsam; geflissentlich zeichnete ihn der König
darauf im Jahre 1840, wo die Stände Versammlung tagte, mit
dem Grosskreuz des Verdienstordens vom heil. Michael aus; ja,
noch im Jahre 1842 glaubte Roth dem Wünschen des Königs
soweit entgegenkommen zu müssen, dass er das Versprechen
abgab, sich bemühen zu wollen, religiöse Streitgegenstände, also
1) Aus dein schriftlichen Nachlasse v. Roths.
2) Roth’s Schwiegersohn.
2*
20
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
auch die Kniebeugungsaugelegeuheit vom kommenden Landtag
möglichst fernzuhalten1), bis schliesslich auch dem vertrauens-
seligen Präsidenten über der Not seiner Glaubensgenossen die
Augen aufgingen und ihn diese eigene Überzeugung sowohl wie
der wachsende Unwille im Lande veranlassten, entschlossener
wenn auch immer noch sehr massvoll für die Rechte seiner
Kirche einzutreten. Sein anfängliches Verhalten jedoch gegen-
über den Übergriffen Abels wird wohl aus der Eigentümlich-
keit seines Charakters wie aus der Schwierigkeit der Situation
zu erklären, aber niemals gänzlich zu rechtfertigen sein. Das
wird auch von denen konstatiert, die Roths Verdienste um die
innere Organisation der bayerischen Landeskirche ungeschmälert
lassen und auch gegen den Rationalismus dem Oberkonsistorium
treu zur Seite gestanden waren2). Wenn Ad. v. Stählin3) in
der Allgem. Deutsch. Biogr. B. 29 S. 324 ff. eine Ausnahme
macht, so ist er selbst nach Ansicht seiner Freunde damit im
Lobe seines Helden zu weit gegangen. Gewiss hat hier seine
ihm eigentümliche optimistische und ireniscli gerichtete Welt-
anschauung noch einen besonderen Inhalt erhalten durch die
pietätsvolle Erinnerung, die er dem väterlich fürsorgenden
Freund und Wohlthäter seiner Münchener Kandidatenjahre
schuldig zu sein glaubte4).
Bevor jedoch jener merkliche Umschwung in der Haltung
der obersten Kirchenbehörde eintrat, mussten im Lande noch
andere Faktoren mächtig werden. Zunächst waren es 40 protest.
Abgeordnete, die während des Landtags 1840 eine gemein-
schaftliche Eingabe an den König machten, worin „mit den
Ausdrücken des kindlichsten Vertrauens und der achtungs-
wertesten Unterthanengesinnungu neben den andern Beschwerden
namentlich die Angelegenheit der Kniebeugung zur Sprache ge-
1) Harle ss, Bruchstücke aus dem Leben etc. S. 55.
2) So sagt Thomasius (Wiedererwachendes ev. Lebens etc. S.201):
„Dagegen wird sich das Verhalten Both’s in der Periode des Drucks
niemals gänzlich rechtfertigen, wenn auch aus seiner Eigentümlichkeit
erklären lassen.“
3) Neben Dr. v. Burger in der Realencyklop. S. 623 ff., wo Roths
Stellung gleichfalls zu rechtfertigen gesucht wird.
4) Vgl. die kürzlich in München erschienene Lebensskizze über Ad.
v. Stählin von Dr. Otto Stählin S. 32 und 33.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
21
bracht wurde x). Von einer förmlichen, zur Diskussion ge-
langenden Beschwerde in der Kammer selbst wurde diesmal
noch Umgang genommen, so dass dieser Landtag ruhig verlief.
Unter den Unterzeichneten jener Vorstellung an den König
hatte sich auch Professor Harless als Vertreter der Erlanger
Universität befunden1 2). Einen Erfolg hatte das Bittgesuch der
Protest. Abgeordneten nicht. Abels Einfluss war noch zu stark;
er wusste dem König vorzuspiegeln, hinter all diesen Klagen
verstecke sich nur die liberale Opposition3).
Als die Sache so stand, da erschien im Februar des Jahres
1841 die erste protestantische Streitschrift wider den Knie-
beugungszwang. In schwäbisch Ulm gedruckt wurde das Büch-
lein sofort in Bayern verboten, aber allüberall aufs eifrigste
gelesen. In ruhiger sachlicher Weise wird darin vom Stand-
punkt der Glaubenslehre, des Staatsrechtes und der Geschichte
die von den Protestanten geforderte Kniebeugung beurteilt.
Der edle Graf v. Giech war der Verfasser der Aufsehen
erregenden Schrift. Schon kurz nach dem Erlass des Kriegs-
ministerial-Ordre hatte dieser tapfere Mann , damals noch
Regierungspräsident von Mittelfranken, in einem freimütigen
Schreiben für die Notlage seiner Glaubensgenossen sich ver-
wendet, jedoch von Abel schnöde abgefertigt seinen Ab-
schied genommen und sich vor dem König durch eine ehr-
erbietige Denkschrift gerechtfertigt, die frei und offen alle
Sünden des Abelschen Regiments aufzählte4). Der Graf v. Giech
erbte nachher von seinem Bruder, dem Schwiegersöhne Steins,
die Standesherrschaft Thurnau und blieb, wie Treitschke, der
Meister in der Charakteristik geschichtlicher Persönlichkeiten
sagt, „fortan noch viele Jahre lang eine Zierde des fränkischen
Adels, vornehm zugleich und leutselig, feingebildet und lebens-
kundig, königstreu und freimütig u. Sein erstes Büchlein vom
Jahre 1841 fand eine Erwiderung durch den katholischen Pfarrer
1) Unter den Materialien Giechs, Ulm 1841 abgedruckt Beilage K.
2) Bruchstücke aus dem Leben, S. 49 ff.
3) Treitschke V, S. 315.
4) Dies alles ist auf Grund eigener Erfahrungen warm und eingehend
deschildert in den schon öfters erwähnten Betrachtungen und Urteilen
des Generals v. Aster, woselbst auch die verschiedenen Schreiben des
Grafen wörtlich abgedruckt sind, I, S. 122—312.
22
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Schwindl, wohl die schwächste Leistung, die in der ausgedehnten
litterarischen Kontroverse der Folgezeit erzeugt wurde.
II. 1843-1846.
Was diese Periode im Unterschied von der vorhergehenden
charakterisiert und uns berechtigt, an dieser Stelle einen Ein-
schnitt in die geschichtliche Entwickelung zu machen, ist eine
Steigerung aller Widerstandskräfte auf seiten der Bedränger
wie der Bedrängten. Das Abelsche Regiment leistet sich die
stärksten Proben von Willkür und Anmassung 1). Und die
Opposition unter den Protestanten nimmt nicht nur eine unge-
ahnte Ausdehnung, sondern auch eine grössere Schärfe und eine
an Martyrermut grenzende Bekenntnisfreudigkeit an. Die Stände-
versammlung tritt energischer für die Beschwerden der protest.
Landeskirche ein. Der litterarische Streit erreicht den Gipfel
der Leidenschaftlichkeit. Die Pfarrer fangen an wider die Ordre
zu predigen. Die Sprache der obersten Kirchenbehörde endlich,
getragen von dieser Stimmung im Lande, wird nachdrücklicher
1) An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass Abel manchmal sogar
seine Freunde, die Klerikalen, vor den Kopf stiess. Besonders wenn es
galt, die Hilfsquellen für den Fiskus zu vermehren, kannte er auch gegen
die Katholiken keine Rücksicht. Gegen Rechtsverletzungen dieser Art
sprachen sich in der Ständeversammlung mit den Katholiken zugleich ein
Harless und ein Thon-Dittmer aus. So war z. B* ein Lieblingsgedanke
des Königs, ein glänzendes Hotel auf dem Promenadeplatz, den „Bayerischen
Hof“ errichten zu lassen. Für diesen Bau nahm Herr v. Abel die Mess-
gelder von Alt-Ötting in Anspruch, mit geringen Zinsen und ohne Aus-
sicht auf Wiedererstattung (Thier sch, S. 49(5). Daher kommt es, dass
auch die Klerikalen trotz ihrer offenbaren Bevorzugung sich öfters über
willkürliche Eingriffe Abels beklagten. Nur wurden diese ihre Klagen,
so lange ihnen Abel für viele andere Dinge unentbehrlich war, in öffent-
lichen Blättern nicht laut. So haben die von Görres redigierten historisch-
politischen Blätter neben den kühnsten Angriffen auf Protestantismus und
die preussische Regierung in jenem Jahrzehnt nichts über Bayern und
das Ministerium Abel gebracht; Abels kirchliche Massregeln werden so
wenig erwähnt, wie die Streitfrage, ob Bayern eine Repräsentativ-Ver-
fassung habe und wie die sog. „Erübrigungen“ zu verwenden seien.
(Darüber Debatten im Landtag 1840/41.) Erst nach Abels Sturz wurden
auch auf der klerikalen Seite Stimmen laut, dass dieser ihre Kirche
tyrannisiert habe man that, als ob man niemals viel mit ihn gemein
gehabt hätte. Es wird dies letztere namentlich in jener anonym er-
schienenen Schrift „Kirche und Staat unter dem Minister Abel“, deren
Verfasser der Görresschtiler Strodl war, zum Ausdruck gebracht. Es
muss darin zugegeben werden, dass die Protestanten unter Abel manches
zu leiden hatten ; „nur seien diese Bedrückungen nie und nimmer zu
Gunsten der Katholiken geschehen, Abel habe vielmehr auch die Selbst-
ständigkeit der katholischen Kirche und Freiheit wenig geachtet.“
E. Dorn, Kniebeugungsfrage. 23
und entschiedener, trotz der mancherlei Erniedrigungen, die
ihrer noch warteten.
Schon die in den Jahren 40/41 in den verschiedenen Kon-
sistorialbezirken diesseits- und jenseits des Rheins abgehaltenen
Diöcesansynoden hatten insgesamt wiederholte Vorstellungen um
endliche Aufhebung der Kniebeugungsordre beim Oberkonsistorium
eingereicht. Die eiulaufenden Jahresberichte ferner aus den
einzelnen Pfarrämtern betonten nun schon, dass sich immer
mehr Kummer in den Gemeinden verbreite und die Geistlichen
beim Unterrichte und bei Ausübung ihres Seelsorgeramtes sich
in peinlichster Verlegenheit befänden, wie sie, ohne Verletzung
ihres der Kirche geleisteten Eides und ohne die Gemüter auf-
zuregen, auf die an sie gerichteten Fragen antworten sollten.
Ja, der ausgezeichnete Pfarrer Redenbacher x) von Sulzkirchen
sah sich zu einer eigenen dienstlichen Erklärung veranlasst,
dass er seinem Seelsorgeramte gemäss nicht aufhören könne,
gegen die Versündigung der Kniebeugung zu warnen. Er hielt
darauf als Dekanatsverweser in der Synode der Diöcese Pyr-
baum 1842 einen Vortrag, worin er mit Beziehung auf das
Urteil des milden und frommen Spener mahnt, „dass die Evan-
gelischen verbunden seien viel eher zeitliche Güter, Weiber,
Kinder, ja ihre Leiber selbst zu aller Marter und Pein zu über-
geben, als sich auch von ihrer rechtmässigen Obrigkeit zwingen
zu lassen, den äusserlichen Ceremonien und abgöttischen Gräueln
des Papsttums beizuwohnen“. Am 3. März 1843 erschien dieser
Vortrag unter dem Titel „Simon von Kana“ 1 2) in Druck, weil,
wie es im Vorwort heisst, alle gesetzlichen Wege und Mittel
zur Abhilfe erschöpft seien, und von einer Motion bei dem
Bundestage um so weniger etwas erwartet werden könne, als
derselbe anderwärts zu erkennen gegeben habe, dass er sich
in die innern Händel der einzelnen deutschen Staaten nicht
mischen wolle und überdem dort Österreich mit seiner mächtigen
1) Über seinen Lebensgang und seine schriftstellerische Thätigkeit wird
berichtet in der Ailg. D. Biogr. XXVII, S. 517, ferner unter den biograph.
Charakteristiken des 1896 zu Erlangen erschienenen Buches : Die Erlanger
Burschenschaft 1816—1833. Ein Beitrag zur innern Geschichte der Restau-
rationszeit von Fried r. Reuter S. 327.
2) Nach Math. 1, 4 u. Act. 1, 14 (2t/uoov 6 ^rjXoyxrjg). Die Vorrede ist
fast ihrem ganzen Inhalte naeh gedruckt bei Eile r s „Betrachtungen und
Urteile des Generals v. Aster“ S. 202 ff.
24
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Stimme den Ausschlag; gebe. „Sollen wir uns nun aber stille
fügen“, fährt er fort; „Können wir das? Werden wir es vor
Gott, vor der gesamten evangelischen Kirche und vor unsern
Nachkommen verantworten? Können wir dabei an das evan-
gelische Licht, an die evangelische Freiheit denken, ohne zu
erröten? — Es ist jetzt wahrlich Zeit, dass die evangelischen
Soldaten den thätigen Gehorsam hierin in christlicher
Weise versagen, und — es ist nicht anders — sie verläugnen
ihren Glauben, wenn sie es nicht thun. Es ist jetzt Zeit, dass
wir Seelsorger allenthalben sie und die nachrückende Jugend
in dieser Beziehung ernstlich unterweisen und ermahnen, und
wir verletzen unsere Seelsorgerpflicht, wenn wir es unterlassen!
— Ich kann nicht anders, ich kann die Sünde meiner Glaubens-
genossen, ich kann die Schmach meiner Kirche nicht sehen.“
Selbst die publizistischen Organe des Ministers v. Abel
wurden durch solch eine Sprache eingeschüchtert.
Am 7. Januar 1843 war endlich auch das Oberkonsistorium
nach dreijährigem Schweigen mit einer Vorstellung an das Mi-
nisterium wieder in den Kampf getreten. Das bisherige Still-
schweigen wird damit gerechtfertigt, dass man erst die Wir-
kung jener Entschliessung vom 20. August 1840 auf die Ge-
müter der Glaubensgenossen abwarten und einer etwaigen wei-
tern königlichen Erklärung auf diejenigen Schritte entgegen-
sehen wollte, welche von einer andern Seite *) erfolgt waren,
um die Zurücknahme der drückenden Ordre zu bewerkstelligen.
Darauf werden all die von den Generalsynoden, Diöcesansyno-
den, Dekanaten und Pfarrämtern inzwischen eingelaufenen Be-
schwerden aufgezählt, die zu weitern Schritten auflordern. Dann
wird zum erstenmal mit besonderem Nachdruck der Nachweis
geführt, dass es nach dem evangelischen Glaubensbewusstsein
Sünde sei, vor der geweihten Hostie das Knie zu beugen.
Das Niederknieen, heisst es unter anderem, mag an und für
sich betrachtet eine ganz unerhebliche Sache sein, aber der
Akt erhält eine hochwichtige Bedeutung, sobald er an einen
bestimmten Zw~eck geknüpft und demnach als sichtbarer Aus-
druck einer inneren religiösen Gesinnung in Anwendung ge-
1) Oberkonsistorialrat Faber, der dies in den Akten schreibt, meint
die Bittschrift der protest. Abgeordneten vom Landtag 1840/41.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
25
bracht werden will. Dieser Fall ist aber hier gegeben. Der
Protestant kann sich also ohne Versündigung nicht niederknieen. —
Zur Unterstützung dieses Satzes kommen im weiteren Verlauf
der Eingabe die früheren kirchen- und staatsrechtlichen Mo-
mente zur Sprache und wird namentlich erinnert an den bran-
denburg-pfälzischen Vertrag von 1672, an den churfürstlichen
Befehl in der Pfalz vom 28. Okt. 1699 und an die hierauf er-
folgten Reklamationen des Corpus evangelicorum, an die chur-
pfälzische Religionserklärung von 1705, worin die Stelle vor-
kommt: „Ueber dieses, so sollen jetzt gedachte Evangelische
bei der katholischen Procession, und wenn das Venerabile zu
den Kranken getragen wird, nicht gezwungen werden, das Ge-
wehr zu präsentieren oder niederzuknieen“; ferner an die Er-
klärung des Corpus evangelicorum vom Jahre 1721, wo es
heisst: ,,Die Soldateska betreffend, so läuft es gegen die von
Sr. churfürstlichen Durchlaucht versprochene Gewissensfreiheit,
so viele evangelische Offiziers zum Niederknieen vor dem sog.
Venerabile zu nötigen, ja Ihre Verordnung wäre nicht general
für alle Evangelische, wenn die Soldateska ausgeschlossen sein
sollte, und von einem evangelischen Lande, wo in anno regula-
tivo kein katholischer Gottesdienst, geschweige die Umtragung
des Venerabile gewesen, lässt sich deshalben auf keine anderen
Exempel berufen“. Dieselben Verhältnisse, bemerkt das Ober-
konsistorium, finden jetzt statt. Die erwähnte Kriegsministerial-
Entschliessung fordert das Niederknieen der Protestanten nicht
bloss für diejenigen Provinzen, in welchen die evangelische Re-
ligion nur die geduldete war, und für diejenigen Regimenter,
welche fast ausschliesslich aus Katholiken bestehen, sondern
sie dehnt dieselben auf alle Kreise des Königreichs, mithin auch
solche Provinzen und Städte aus, in welchen die Katholiken
nur die Geduldeten waren, in welchen die Linien-Soldaten vor-
zugsweise der protestantischen Kirche angehören. — Ueber-
haupt sind die militärischen Anordnungen, wie sie etwa zu der
Zeit gelten mochten, als Bayern noch ein katholischer Staat
war, in welchem die Protestanten nur teilweise geduldet, ja
teilweise nicht einmal geduldet waren, sowohl durch feierliche
königliche Erklärungen, als durch die bayerische Verfassungs-
urkunde aufgehoben worden. ,.Da wir“, so schliesst wörtlich
26
E. Dorn, Kniebeuguugsfrage.
das Oberkonsistorialschreiben, die innigste und zuversichtlichste
Ueberzeugung zu Ew. K. Majest. vielfach bewährten Gerechtig-
keit und Gnade hegen, uns selbst vor aller und jeder Verant-
wortung zu sichern verpflichtet sind und auf das lebhafteste
wünschen, es möge die sich regende Beunruhigung der Ge-
müter, und die weit selbst über die Grenzen des Vaterlandes
hinaus verbreitete Bekümmernis, deren Folgen wir nicht zu be-
rechnen vermögen, von den beschwerten Herzen Ew. Königl.
Majest. getreuer Unterthanen genommen werden: so können wir
nicht aufhören, dringendst und ehrfurchtsvoll unsere früher
schon ausgesprochene Bitte allerunterthänigst dahin zu erneuern,
dass Ew. K. M. Weisheit das geeignete Mittel ergreifen und
das gesamte protest. Militär von dem Niederknien vor der auf-
gehobenen oder umhergetragenen Hostie allergnädigst zu be-
freien geruhen mögen“. —
Was wurde auf diese nach allen Seiten hin wohlerwogene
und mit theologischer Wärme verfasste Reklamation dem Ober-
konsistorium nach 10 Monaten eröffnet? „Es sei der Bericht
samt seinen Beilagen dem Kriegsministerium zu
comp etenzmässiger Würdigung mitgeteilt worden.
22. Nov. 1843.“ Ja, als gegen diese neue Demütigung und
offenbare Hintansetzung aller Verfassungsbestimmungen die
Kirchenbehörde in ruhiger Weise sich verwahrte1), erfolgte
1) „Nachdem die beklagenswerte Angelegenheit“, heisst es, „seit
5 Jahren bei dem Ministerium des Innern verhandelt worden ist und von
hochdemselben mehrere Entschliessungen ergangen sind, so können wir
uns nicht verhalten, dass eine jetzt eintretende einfache Zuweisung derer
Sache an das Kriegsministerium uns nicht wenig beunruhigt und zwar um
deswillen, weil nicht letzterem, sondern jenem sowohl nach der 2. Verfass.
Beil, als auch nach § 61 der allerhöchsten Verordnung vom 9. Dez. 1825,
die Formation der Ministerien betreffend, dann nach dem daraufberuhen-
den § 34 der allerhöchsten Verordnung vom 17. Dez. 1825, die Formation,
der Wirkungskreis und der Geschäftsgang der obersten Verwaltungsstellen
iu den Kreisen, in höherer Instanz die Aufrechterhaltung der Grundbestim-
mungen der II. Beil, der Verfass. -Urk. übertragen ist, und es sonach uns und
unsere Glaubensgenossen nicht befriedigen kann, wenn die in Frage stehende
Beschwerde über Verletzung der Beligions- und Gewissensfreiheit von dem
competenten Ministerio ohne weiteren bestimmten Antrag bloss zur Wür-
digung und Verfügung an dasjenige Ministerium abgegeben wird, gegen
dessen Ordre jene Beschwerde geführt worden ist. — Wir können uns daher
nicht entschlagen, allerunterthänigst den Antrag zu stellen, Ew. K. Majest.
Ministerium des Innern wolle diese beklagenswerte Angelegenheit nicht
von sich weisen, vielmehr in Anwendung seiner Amtszuständigkeit die
Hebung der fraglichen Religionsbeschwerdung beseitigen“.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
27
nicht nur der abermalige Bescheid zurück, dass auch dieser
neuerliche Bericht ans Kriegsministerium übergeben
worden sei, sondern auch die brüskirende Bemerkung, dass
einer untergeordneten Stelle in keiner Weise zustehe, sich in
dem Geschäftsverkehr nach dieser Beziehung Erinnerungen zu
gestatten, und man von seiten des Ministeriums vertraue, dass
dem Oberkonsistorium das Unangemessene seiner Bemerkungen
von selbst nicht entgehen und so das Ministerium für die Zu-
kunft der unangenehmen Notwendigkeit sich enthoben sehen
werde, ähnlichem Vergessen der dienstlichen Stellung entgegen-
zutreten. (Am 5. Januar 1844).
Inzwischen hatte auch draussen der Kampf weiter getobt.
36 protestantische Abgeordnete der 1842/43 einberufenen Stände-
versammlung begnügten sich diesmal nicht mehr mit einer per-
sönlichen Eingabe an den König, sondern brachten am 16. Jan.
1843 den Antrag auf Beseitigung der Ordre zur öffentlichen
Diskussion. Verfasser und Referent war Harless; die Vertre-
tung in der öffentlichen Sitzung hatte Freiherr v. Rotenhan1)
übernommen. Da selbst ein grosser Teil wohlgesinnter katho-
lischer Abgeordneter sich lebhaft für die Befreiung des pro-
testantischen Militärs von der Beobachtung der Kniebeugungs-
ordre aussprach, so ging der Antrag mit Majorität durch2). In
der darauf stattfindenden Reichsratssitzung vom 28. Jan. 1843
trat zum erstenmal auch Präsident v. Roth öffentlich für die
bedrohten Rechte seiner Kirche auf. In einer ebenso bemesse-
nen als wohlbegründeten Rede befürwortete er den Antrag der
zweiten Kammer. „Es habe sich ihm, führte er unter anderm
aus, nun auch die Ueberzeugung aufgedrungen, dass der schmerz-
liche Eindruck, den jener Kniebeugungszwang hervorbringe, an
Ansdehnung und Tiefe zugenommen habe, ja, er bestätige es
mit Bedauern, aber mit Bedacht, in Unzufriedenheit überge-
gangen sei. Entfremdung der Gemüter aber sei ein grosses
1) Hermann v. Rotenhan (1800 — 1858), geboren in Retweinsdorf bei
Bamberg aus altem fränkischem Geschlecht. Mit Harless und Thon Dittmer
eines der bedeutendsten Glieder der Opposition gegen Abel. cf. Reuter,
Die Erlanger Burschenschaften. S. 297. F. J. Frommann, Herrn. Frhr.
v. Rotenhan, ein Lebensbild (1800—1858). Jena 1882.
2) Harless schildert den Hergang sehr lebendig in seinen „Bruch-
stücken aus dem Leben etc.“ II. S. 63 ff.
28
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Uebel zu jeder Zeit, vornehmlich aber in der unsrigen“1). —
Roth’s Rede hatte den erwünschten Eindruck an massgebender
Stelle nicht hervorzubringen vermocht2 3 * * * *). Der Antrag fiel
in der ersten Kammer. Noch mussten andere Momente ein-
treten, um die Hartnäckigkeit zu erschüttern, womit die Re-
gierung an dem einmal erlassenen Befehl festhielt.
Vorerst hatte vielmehr ihre Taktik selbst von seiten be-
deutender Gelehrter öffentliche Verteidigung gefunden. Professor
Döllinger war plötzlich im Jahre 1848 mit einer Broschüre, der
bald eine zweite folgte, gegen den Landtagsabgeordneten Har-
less auf den Plan getreten. Leider blieb der damals noch alles
Lutherische hassende Gelehrte nicht bei einer objektiven Be-
weisführung stehen 8), sondern schlug bald einen Ton an, wie
er in den Tagen der Gegenreformation am Ende des 16. und
Anfang des 17. Jahrhunderts üblich gewesen ist. „Er habe
sich“, sagt er in seinem zweiten Sendschreiben: Der Protestan-
tismus in Bayern etc., „seines Teils auch mit den Schriften
des Wittenberger Reformators und den übrigen Erzeugnissen
dieser Art beschäftigt; doch niemals ohne jene geistigen Ver-
wahrungs- und Absperrungsmittel vorzukehren, wie wir sie
körperlich anzuwenden pflegen, wenn wir unseren Weg durch
1) Auswahl mündlicher und schriftlicher Aeusserungen des Präsiden-
ten v. Roth in der ersten Kammer der bayer. Ständevers. 1828 — 47.
München 1852. S. 142 ff.
2) Auch draussen im Lande verfehlte die Rede bei vielen ihre Wirkung,
trotzdem sie wie alle Aeusserungen Roths in gediegener, an die antiken
Redner erinnernder Form gehalten war. — Burger sagt darüber in der
Realencyklopädie : „Es ist unbedingt zuzugeben, dass ein jüngerer
Redner, namentlich einer geistlichen Standes, über den Punkt der Knie-
beugung sich lebhafter ausgesprochen, stärkerer Ausdrücke sich bedient
haben würde; ob er daran wohl gethan hätte, ob seine Redeyveiser, den
Verhältnissen angemessener, in Bezug auf die Persönlichkeit, in deren
Entschluss die Abhilfe lag, besser durchdacht und überlegt gewesen wäre,
lässt sich mit Grund bezweifeln. Wahr ist, dass diese Rede Roths, als
sie in weiteren Kreisen bekannt wurde, vielen nicht genügte, denen sie
bei weitem nicht feurig und kräftig genug erschien.“
3) So suchte er in der ersten anonym erschienen Schrift (siehe unter
der Litteraturangabe No. 4) zu beweisen, dass die Kniebeugung eine
Körperbewegung sei, ohne Sinn, so lange der Knieende sich nichts dabei
denke. Für den katholischen Soldaten verbinde sich damit der Akt der
Anbetung, weil er nicht bloss als ein Glied des Heeres, sondern zugleich
als ein Glaubender, als Glied der kath. Kirche zugegen sei ; der protest.
Soldat hingegen vollführe dabei nur eine Salutation, eine Bewegung mit
dem Knie, weil er nicht als Glaubender, sondern nur als Soldat da sei.
(S. 31).
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
29
einen unsauberen Ort oder eine stinkende Pfütze nehmen müs-
sen Gegen solche Angriffe und Schmähungen erhoben sich
neben anderen Vorkämpfern der Protestanten vor allem Harless
und Fr. Thiersch, jener mit der ihm eigentümlichen Kraft und
Schärfe, dieser, der berühmte Münchener Philologe und prae-
ceptor Bavariae, in versöhnender und doch überzeugender Form 1).
Allein auch solche Stimmen verhallten vorderhand noch, ohne
gehört und gewürdigt zu werden. Der tapferste und lauteste
Bufer im Streit sollte vielmehr für seine Person und Stellung
die schlimmsten Folgen davon haben.
Mittlerweile aber hatte eine andere Gewaltthat des Abel-
schen Regimes neues Öl ins Feuer gegossen. Pfarrer und
Dekanatsverweser Redenbacher war wegen seines mannhaften
Zeugnisses noch nach acht Monaten in gerichtliche Untersuchung
gezogen und im März 1844 vom Amte suspendiert wmrden. Ja,
im Dezember desselbigen Jahres erfolgte seine Verurteilung
„wegen Verbrechens der Störung öffentlicher Ruhe durch Miss-
brauch der Religion “ zu einjähriger Festungshaft. Damit war
ein Präcedenzfall geschaffen, der namentlich für die Lage der
gewissenhaft und treu ihres evangelischen Amtes wartenden
Pfarrgeistlichkeit verhängnisvoll werden konnte. Ein Sturm
der Entrüstung brach darauf los, nicht bloss im protest. Bayern,
sondern in ganz Deutschland. Die Berliner theolog. Fakultät
trat in einem von Neander verfaßten Gutachten für den verfolg-
ten Prediger ein. Der König aber erliess demselben wenigstens
die Festungshaft, aus Sorge vor dem Groll der Protestanten.
Stärker denn irgendwo regte sich die Erbitterung in den
fränkischen Dekanatsbezirken. So versammelten am 18. März
sich sämtliche Geistliche der Nürnberger Diöcese und beschlossen
in einer ebenso dringlichen als ehrfurchtsvollen Eingabe an das
Oberkonsistorium den Antrag zu stellen: „Dasselbe wolle, ge-
stützt auf das klare kirchliche Bekenntnis im Namen der
Protest. Landeskirche gegen die Zumutung der Kniebeugung
1) Für dieses mass volle und würdige Eintreten dankte Friedrich
Wilhelm IV. von Preussen mit warmen Worten: „ln Ihrem Büchlein,
schreibt er an Thiersch, einet sich die schöne Form der schönen Seele,
das ist’s, was mir so unsäglich wohlgethan, als ich es gelesen, was mich
zum Danke zwingt und vor allem die Stelle gegen den Schluss, wo Sie
Döllinger gegen Döllinger in Schutz nehmen“. Aus Heigel, König Lud-
wig. S. 204.
30
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
förmlich protestieren, die Protestation der untergebenen Geist-
lichkeit mitteilen, und das angemessene Verhalten derselben
vorschreiben. — Denn welch ein ganz anderer Anblick wäre
es, eine ganze Landeskirche in all ihren Gliedern bereit zu
sehen, Strafe und Unglück zu leiden, als wenn, wie schon der
Fall ist, der Einzelne unter müssigem Zuschauen der andern
den Händen der Justiz überliefert wird !“ Dann folgen die Namens-
unterschriften sämtlicher Kapitulare. Diese Vorstellung der
Diöcesanen wurde begleitet von einem Schreiben des Dekans
Fickenscher, das wir deswegen im Auszug mitzuteilen für ge-
eignet erachten, weil es am treffendsten die damalige Stimmung
unter der fränkischen Geistlichkeit wiederzugeben vermag. Es
heisst in demselben:
„Die Staatsregierung hat bis jetzt die protestantische Doktrin
in der Kniebeugungsfrage nicht anerkannt, vielmehr ignoriert. Sie
hat die ernste und vielseitige Berufung der Geistlichkeit auf ihr Be-
kenntnis für ein Missverständnis und Irrtum erklärt, sie hat die
Protestation der kirchlichen Organe für unbefugte Einmischung ge-
halten, sie hat sich zur Richterin über die Gewissen der Protestanten
und ihrer Glaubenslehre gemacht. Sie hat den Protestanten vom
Soldaten scheiden, Verleugnung der protestantischen Gesinnung dem
Soldaten zur Pflicht machen, den Generalsynoden die Ablegung eines
offenen Zeugnisses der Vertreter der Kirche verwehren wollen. Da-
mit ist aber die Rechtsgleichheit der Protestanten, in Bayern, die
Giltigkeit des westphälischen Friedens und der Konstitution, die
Anwendbarkeit der lutherischen Lehrformel in der vorwürfigen Frage
bestritten. Und nun wird noch ein protestantischer Geistlicher, weil
er vor der kirchlich gelehrten Sünde der Abgötterei öffentlich ge-
warnt hat, gerichtlich processiert. Man kann nicht verstehen, wie
ein Gerichtshof die Spezialuntersuchung über Pfarrer Redenbacher
verhängen konnte, ohne dass die kirchliche Oberbehörde ihr Gut-
achten über die Materie der Anklage abgegeben hat. Wahnsinnige
werden vom Gericht erst dann für wahnsinnig erklärt, wenn das
ärztliche Zeugnis vorliegt: aber Geistliche werden über einem kirch-
lichen Lehrsatz für Verbrecher angesehen, ohne dass die kompetente
Behörde gefragt wird, ob der kirchliche Lehrsatz Giltigkeit habe oder
nicht. — Hieraus ergibt sich, dass für die protest. Kirche in Bayern
ein Notstand eingetreten ist. Nun können auch die ruhigsten Geist-
lichen nicht mehr schweigen. Darum sind ernstliche Schritte nötig,
ehe das Übel ärger wird. Auf dem von der Staatsregierung be-
tretenen Wege sind Gewaltthaten zu besorgen; die protest. Unter-
thanen sehen sich nicht mehr durch die Verfassung gesichert, dem
geistlichen Stande wird Not und Elend oder Verläugnung der Wahr-
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
31
heit und Aufopferung seiner Wirksamkeit in Aussicht gestellt : der
Friede der Konfessionen wird gebrochen und aufgehoben • der landes-
herrliche Schutz der protest. Kirche wird vermisst; dem gerechten
König werden viele treue Herzen fremd und ein Sturm wird über
unser Vaterland herein brechen, den zuletzt keine Staatsweisheit mehr
zerteilen wird. — Die Treue gegen den König und die Anhänglich-
keit an seine heilige Person fordert von den Organen der Kirche
Alles anzuwenden, dass Gewaltschritte entfernt werden. Ein offenes
Bekenntnis aller kirchlichen Organe thut not, sie müssen das Kleinod
der Glaubens- und Gewissensfreiheit, das Recht der Kirche, die
Wahrheit der Bekenntnisschriften, das Seelenheil der an vertrauten
Gemeindeglieder in Schutz nehmen, als Protestanten müssen sie
gegen Zwang, Sünde und Unrecht in der Kniebeugung vor dem
Venerabile protestieren, als ehrliche und um das Seelenheil der an-
vertrauten Gemeinde besorgte Wächter müssen sie jetzt Rede stehen
auf die Frage, ob die protestantischen Soldaten Sünde thun sollen
oder nicht. — Erfährt die Staatsregiernng, wie es in Wirklichkeit
um die protest. Kirche steht, so wird sie bei der guten Gesinnung
des Königs nicht den protestantischen Glauben auf eine peinliche
Probe stellen, durch Prozesse und Kriminalstrafen die Protestanten
zur Bewährung ihres Glaubens nicht nötigen wollen. — Aber sollte
es, was Gott verhüte, soweit kommen, so werden die Hirten der
Gemeinden demütig und ruhig Zeugnis geben und gehorsamstes
Dekanat zweifelt nicht, dass das kgl. Oberkonsistorium mit dem ähn-
lichen Beispiel voranleuchten und mit den untergeordneten Geist-
lichen in dem einen Herrn verbunden unter unverdienten Leiden des
Tages harren wird, in welchem der treue Herr der Kirche der Ge-
walt und Bedrückung ein Ende machen wird. Die protestantische
Wahrheit bekennen und Unglück leiden ist die einzige Notwehr, die
im Notstände erlaubt ist. Jeder soll sich aller menschlichen Ord-
nung um des Herrn willen unterwerfen. u
In dem darauf erlassenen Generale der obersten Kirchen-
behörde vom 4. April 1844 wurde zur Beruhigung auf die bis-
her geschehenen Massregeln hingewiesen, eine förmliche Prote-
station im streng juridischen Sinne aber als nicht anschlägig
erklärt, weil nach bayerischer Verfassung der Beschwerdeweg
bei den Landständen offen stehe, im Betreff des Antrags endlich,
das angemessene Verhalten der Geistlichen vorzuschreiben, er-
widert, dass eine diesbezügliche Vorschrift nicht weiter gehen
könne, als dass sie im Amte, in der Predigt, im Unterricht,
in der Seelsorge dem Bekenntnis der evangelischen Kirche,
ohne Ausschluss der Unterscheidungslehren, treu bleiben und
nach Aufforderung des Gewissens und der Umstände lehren
32
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
mögen, was nach diesem Bekenntnis unrecht und wogegen also
zu warnen ist. Der Veröffentlichung solcher Warnung durch
Druckschriften oder bei ausserordentlichen Gelegenheiten mögen
sie sich enthalten, übrigens dabei in christlicher Fassung den
weitern Erfolg der fortwährend gemachten Reklamationen gegen
die fragliche Ordre ruhig abwarten und Gott bitten, dass er
diese leidige Angelegenheit zu einem gesegneten Ende führen
und die nun schon über fünf Jahre andauernde Beschwerde dei
Protest. Kirche in Bayern nach seiner Weisheit und Gnade der-
selben abnehmen wolle. — Dass Pfarrer Redenbacher, in dessen
pflichtmässiger Gesinnung und Treue gegen König, Verfassung
und Vaterland das Oberkonsistorium keinen Zweifel setzen,
wegen seiner Druckschrift „Simon von Kana“ in gerichtliche
Untersuchung geraten, gereicht zu grosser Betrübnis. Die Auf-
hebung derselben kann jedoch, nachdem die Spezialuntersuchung
ausgesprochen ist, nach Verf.-Urk. Tit. VIII § 4 nicht erwirkt
werden.“
Gleichzeitig erging von derselben Stelle eine erneute dring-
liche Bitte ans Ministerium, der kurz nach einander auf Grund
fortgesetzter Beschwerden aus den Dekanaten weitere Remon-
strationen vom 4. und 15. Mai 1844 nachfolgten, insgesamt
bezugnehmend auf die steigende Beunruhigung infolge des Falles
Redenbacher. Und auf all das brachte eine Entschliessung vom
3. April 44 nur die Änderung, dass die protestantischer Soldaten
zwar nicht mehr zur Anhörung katholischer Gottes-
dienste geführt, dagegen nach wie vor bei Spalierbildung
herbeigezogen werden sollten. Wiederholte Vorstellungen vom
3. und 10. Juli, hervorgerufen durch ernstliche Berichte aus
dem Dekanat Altdorf und dem Mediatkonsistorium Thurnau
wurde vom Ministerium des Innern einfach wieder dem Kriegs-
ministerium zugeschlossen. Als hierauf die kirchliche Ober-
behörde unterm 27. Juli 1844 beantragte, dass seine Eingaben
Sr. Majestät dem König unmittelbar unterbreitet werden möch-
ten, war die ganze Antwort vom 2. Aug. 1844 die, dass man
die Vorstellung vom 27. Juli abermals dem Kriegs-
ministerium zur zuständigen Würdigung mitgeteilt
habe. Was man endlich noch in diesem Jahre erlangte, war
nichts, als dass nach einer Verfügung vom 3. November 1844
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
33
künftig alle vermöge der Conscription dienenden nicht katholi-
schen Soldaten nicht mehr zur Bildung von Spalieren zu Fuss bei
Procession en, wo das Sanctissimum vorgetragen wird, ge-
braucht werden sollen. — Mit Recht wurde in einem zweiten
offenen Bedenken vom Grafen v. Giech gegen diesen letzten
Erlass geltend gemacht: Die Fälle der Anwendung jener
drückenden Ordre würden dadurch wohl gemindert, das Prinzip
aber bleibe ungeändert; Freiwillige und Offiziere gerieten in
Konflikt mit ihrem Gewissen, immer noch kämen Fälle vor,
wo auch Conscribierte niederknieen müssten z. B. beim Vorbei-
tragen des Venerabile vor der Wache.
„Wir müssen vielmehr, “ fährt der Vertheidiger der protestan-
tischen Sache fort, „bekennen, dass die Kniebeugungsfrage, statt ihrer
Lösung durch die neueste Entscheidung entgegengeführt worden zu
sein, durch dieselbe schwieriger und verwickelter als je zuvor ge-
worden ist. — Darum ist es Pflicht der bayerischen Protestanten
sowohl in Beziehung auf das von der Regierung gegen sie konse-
quent festgehaltene Prinzip, als denen gegenüber, die es in übelver-
standener Nachgiebigkeit für kleinlich oder eigensinnig halten, dass
jene von einer solchen scheinbar bloss formellen Sache so viel Auf-
hebens machen, während es noch so viele Gegenstände des innern
kirchlichen Lebens zu bedenken gibt, es unverhohlen und geradezu
aussprechen, dass ihr Augenmerk durchaus kein anderes ist, als ihr
unzweifelhaftes Recht auf Gewissensfreiheit und eine vollkommene
Gleichstellung der katholischen und protest. Kirche in Bayern da-
durch aufrecht zu halten. Möge man die Bestrebungen der bayerischen
Protestanten nicht verkennen! Sie haben lange mit ihren katho-
lischen Mitchristen in Frieden und Eintracht gelebt, sie wissen auch
gar wohl, dass die Bedrückungen, welche ihnen geschehen, nicht aus
dem Boden des Volkslebens entsprungen sind.“
Es war also solch stückweises Nachgeben der Regierung
nicht zur Beruhigung der Gemüter, sondern vielmehr dazu
angethan, zu zeigen, wie man sich nur bemühe, unter den
künstlichen Schein des Rechts das Unrecht aufrecht zu er-
halten1). Eine wachsende Opposition musste also um so ge-
1) Dies hat mit schonungsloser, trefflicher Kritik der sonst so seltsame,
unklare Phantast Friedr. Rohmer, der bisher nichts weniger als zu
der liberalen Opposition gehört, vielmehr gerne in den Zirkeln der öster-
reichischen Gesandtschaft sich aufgehalten hatte, in seinen „Materialien
zur Geschichte der neuesten Politik“ aufgezeigt. Seine Ausführungen
mussten um so stärker wirken, als sie aus dem Munde eines Konservativen
kommen. Er sagt II S. 91: „Hat eine Regierung Recht, so muss sie ihr
Recht behaupten. Hat sie Unrecht, so muss sie das Unrecht so bald als
Beiträge zur bayer. Kirchengeschiclite. V. 1. 3
34
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
rechter und notwendiger erscheinen. Dieselbe kam denn auch
in ihrem ganzen Umtange auf den 1844 zu Ausbach und Bay-
reuth tagenden Generalsynoden zum Ausdruck. Nicht weniger
als 97 Petitionen waren eingereicht worden, welche die ver-
schiedenen Beschwerden der bayerischen Protestanten betrafen,
Gleichwohl konnte es abermals geschehen, dass die königlichen
Kommissäre, befugt einmal durch besondere Instruktionen, dann
durch § 15 einer dem Oberkonsistorium aufgenötigten Geschäfts-
ordnung* 1) diese sämtlichen Petitionen von der Beratung aus-
schlossen. So weit war also diesmal die Erniedrigung getrieben
worden, dass man das Oberkonsistorium vor Eröffnung der
Generalsynoden gezwungen hatte, einen Paragraphen anzu-
erkennen, der die Entscheidung über die zu beratenden Gegen-
möglich fallen lassen : Das gefährlichste von allem und was jederzeit das
Verderben der Regierungen war, ist: eine Sache eine Zeit lang hindurch
behaupten und spät endlich auf eine Weise fallen zu lassen, für die ihr
Niemand mehr dankt. Die Kniebeogungsordre, nachdem sie der Anlass
der bittersten Polemik im Inlande, der heftigsten litterarischen Diskussion
im Auslande, der Gegenstand einer Menge von Petitionen und Erörterungen
in den Kammern, der Stein des Anstosses für die protest. Konfession in-
und ausserhalb Bayerns geworden war, ist stückweise preisgegeben und
endlich ganz aufgehoben worden. War das Ministerium im Recht, so hat
' es dieses Recht geopfert, ohne aus den unzähligen Reibungen, die es da-
für gewagt, auch nur irgend einen Gewinn zu ziehen. War es im Un-
recht, so hat es sieben Jahre einem in der That an sich kleinen und auf
die leichteste Weise zu bessernden Irrtum die wichtigsten Sympathien
und Interessen preisgegeben. — Der Protestant musste das Beharren auf
einer gleichwohl Stück für Stück preisgegebenen Sache aus keinem andern
Grunde herleiten, als aus einem beschränkt katholischen, mit der Stellung
des Ministeriums eines paritätischen Staates unverträglichem Interesse.“
1) Dieser Paragraph lautete; „Sämtliche Petitionen werden von dem
Kommissär des Oberkonsistoriums eröffnet, und nach erfolgter Billigung
der beiden Kommissäre dem Ausschuss zur weiteren Behandlung übergeben.“
Als später — am 20. Nov. 44 — die Mitglieder der beiden Generalsynoden
ihre Beschwerden über die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte
der Generalsynoden beim Könige selbst einreichten, erkannte das Ober-
konsistorium dieselben als vollkommen begründet an und erklärte: „Ge-
nannter § 15 enthalte nicht den Ausdruck seiner eigenen freien Überzeugung,
sondern sei ihm durch die ihm mitgeteilte an den kgl. Kommissär
Ministerialrat von Voltz unterm 19. Juli 1844 ergangene allerhöchste Ent-
schliessung gleichsam diktiert worden.“ — „Welch ein trauriger Blick
— so fährt der Verfasser der Beschwerdevorstellungen, wahrscheinlich
der Rechtsgelehrte Frhr. v. Tücher, S. 20 fort, — eröffnet sich damit
in die Zustände der protestantischen Kirche und der sie vertretenden ober-
sten Kirchenbehörde! Diese sieht sich genötigt, eine Beschwerde gegen
eine von ihr selbst erlassene Verfügung als vollkommen begründet zu
erklären und einzubekennen, dass ihr diese, also von ihr selbst als gra-
vierlich anerkannte, durch allerhöchste Entschliessung sei diktiert wor-
den!“ Cf. Beschwerdevorstellungen S. 20.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
35
stände ganz der Willkür der Abelschen Diener preisgab. Ja,
als die Synodalen gegen diese Verfassungsverletzung prote-
stierten, wurde auch die Beschlussfassung über diese Protestation
versagt. Da traten die Synodalen als Einzelne zusammen —
keiner von allen trat zurück — und beschlossen in besondern
Bittschriften die Beschwerden über diese Verletzung der ver-
fassungsmässigen Rechte der Generalsynoden ebenso wie alle
übrigen Beschwerden dem Monarchen selbst, zugleich auch ihrer
obersten Kirchenbehörde vorzulegen. Alle diese Beschwerden
wurden von letzterer mit Ausnahme unwesentlicher Nebenpunkte
für vollkommen begründet erachtet und in einem Bericht vom
20. Nov. 1844 beim Ministerium des Innern mit Nachdruck ver-
treten. Es war also der Fall gegeben, dass die prote-
stantische Kirche Bayerns in ihrem Gesamtwillen sich
für beschwert erklärte und um Abhilfe nachsuchte. —
— Allein — was war die Wirkung? Nicht bloss, dass durch
Entschliessungen vom 13., 23., 26., 27. April 1845 sämtliche
Beschwerdevorstellungen nach einander als unbegründet abge-
wiesen wurden l), sondern Abel brachte in der Staatsratssitzung
vom 26. Febr. 1845, wo die Gegenstände verhandelt wurden,
sogar den Vorschlag, der König möge den protestantischen
Synoden sein Missfallen öffentlich aussprechen2 * * * *). Damit war
freilich das Mass der Abelschen Brutalität voll. Der bisher
1) Sie finden sich nebst den darauf erfolgten Regierungsreskripten ge-
nau gedruckt in der schon öfters erwähnten Schrift „Die Beschwerde-
vorstellungen der Mitglieder der protest. Generalsynode vom Jahre 1844“,
welche am 20. Dez. 1845 in der Schweiz (St. Gallen und Bern) erschien
und sich zur Aufgabe gestellt hatte, die im April 1845 erlassenen, ab-
weisenden Entschliessungen des Ministeriums zu entkräften, sämtliche
Beschwerden dagegen noch einmal, namentlich für die eben tagende
Ständeversammlung, kräftiglich zu begründen. Die Kniebeugungsfrage
sowie die diesbezügliche Zurückweisung von seiten der Regierung
(18. April 1845) kommt deswegen nicht zur Sprache, weil dieser Be-
schwerdepunkt infolge der inzwischen eingetretenen Aufhebung der Ordre
aus der Diskussion gefallen war.
2) So Treitschke V, 322 auf Grund eines Berichtes des Ministerial-
residenten v. Küster vom 28. Febr. 1845. Siehe auch Heigel, a. a. 0.
S. 206, wo Abels Rede mitgeteilt ist. Endlich Heigel, hist. Vorträge
und Stadion. 3. S. 348, wo erzählt w7ird, wie Kronprinz Max in jener
denkwürdigen Sitzung vom 26. Febr. 1845, offen als Gegner Abels auf-
trat. Friedrich Wilhelm von Preußen dankte ihm für diesen Freimut mit
den Worten: „Jetzt weiß Bayern, ja Deutschland, was es von Dir zu er-
warten hat.“
3*
36
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Allmächtige konnte mit diesem Vorschlag nicht mehr durch-
dringen. Sein alter Freund von Griechenland her, der gelehrte
Maurer, trat ihm entschieden entgegen; desgleichen der Kron-
prinz und der junge Prinz Luitpold. Da erschrak der König;
zum erstenmal wurde er sich der Thatsache bewusst: Mit Abel
geht es nicht mehr. Maurer äusserte später in der Kammer,
diese Staatsratssitzung habe den Grund zur Änderung des
herrschenden Systems gelegt1).
1) Heigel, König Ludwig S. 237. In der Presse gingen über jene
Staatsratssitzung merkwürdige Gerüchte um. So schreibt Nr. 71 des
Rheinischen Beobachters: „München 4. März 1845. Sie werden aus der
Augsburger Allgemeinen Zeitung ersehen haben, dass am 26. Februar
und 1. März langandauernde Staatsratssitzungen stattgefunden haben,
denen der König selbst präsidierte. Den Gegenstand der Beratung
bildeten die von den beiden Generalsynoden unmittelbar bei der
Kgl. Majestät gemachten Eingaben resp. erhobenen Beschwerden. Das
Referat hatte der Staatsrat v. Freyberg zum grossen Schmerze der
bayerischen Protestanten, denen die Ansichten dieses Staatsmannes nicht
unbekannt sind. Dem ohnerachtet war wohl niemand darauf gefasst,
dass der Antrag des Referenten, wie es wirklich der Fall war, dahin
lauten würde, es seien sämtliche Unterzeichner der von der Ansbacher
Synode ausgegangenen Adresse des Hochverrats anzuklagen und der
Kriminaluntersuchung zu unterwerfen. Diesem Antrag stimmten bei der
Minister des Innern v. Abel und der Staatsrat v. Hörmann. Die übrigen
Mitglieder des Staatsrats selbst die Protestanten, schwiegen. Es war eine
bedeutungsvolle Minute. Da erhob der jüngste der Anwesenden, das
edle Wittelsbacher Blut, Prinz Luitpold mit einer Wärme, welche die
bayerischen Protestanten ihm nie vergessen werden, die Stimme zu Gunsten
der Bedrängten. Er setzte in klarer lebendiger Rede auseinander, wie
er in der Adresse der Ansbacher Synode keine Spur von Aufreizung zu
erkennen vermögen und überhaupt nichts erblicken könne, als eine ehr-
furchtsvolle Darlegung der unter den Protestanten bestehenden Be-
schwerden und Befürchtungen. Er sehe in dieser Eingabe eine höchst
wichtige Thatsache, — die faktisch bestehende Beunruhigung der Prote-
stanten, die gründlich gehoben werden müsse, wenn nicht die Eintracht,
der Friede und die Kraft des Staates darunter leiden solle. Die Rede
des Prinzen soll auf alle Anwesenden auch auf seinen königlichen Vater
tiefen Eindruck gemacht haben. Ganz in Übereinstimmung mit seinem
Bruder, nur ruhiger, votierte auch der Kronprinz. Der König soll hierauf
sehr nachdenklich und ernst geworden sein. Seine Majestät verschob die
Abstimmung auf eine zweite am 1. März zu haltende Sitzung uud in dieser
verwarf die Majorität den Freybergschen Antrag und überliess es dem
König im vollen Vertrauen auf seine Weisheit und Güte nach eigenem
Ermessen diejenigen Verfügungen zu treffen, welche zur Beruhigung
seiner protest. Unterthanen dienen könnten etc.“ — Die Wahrheit dieses
Berichtes wurde am 23. März in der Allgem. Zeitung durch ein scharfes
amtliches Dementi in Abrede gestellt. Zimmermann bemerkt in seiner
Geschichte der deutschen Staaten S. 923 dazu: — „Doch glaubte man
allgemein an die Wahrheit des Gerüchtes mit dem Hinzufügen, der An-
trag sei darum nicht zur Ausführung gekommen, weil der Kronprinz und
sein Bruder Luitpold sich demselben widersetzt haben.“ — Für uns hat
Dietlen, Reformation in Schwaben.
37
Die Anmassung Abels hatte ihren Gipfelpunkt erreicht.
Andererseits aber konnte es nicht ausbleiben, dass auch die Er-
regung unter der protest. Bevölkerung ihre höchsten Wellen
schlug, jedoch immer noch in den Grenzen christlicher Ordnung
und christlichen Gehorsams. Unwille erfasste nun auch die,
die bisher ihrer Stellung oder sonstiger Rücksichten wegen
sich zurückgehalten und freudiger Bekenntnismut solche, die
bisher stille getragen hatten. Ein siebenjähriges vertrauens-
volles Bitten und Harren war bis jetzt, abgesehen von einigen
wenigen Milderungen, vergeblich gewesen. Offenbar war immer
mehr geworden, dass die protest. Kirche wirklich nur eine ge-
duldete sein sollte, — wenngleich man sich des andern wohl be-
wusst blieb: Nicht des Königs Wille ist im letzten Grunde die
Quelle der Not, sondern der Wille des einen Mannes, dem der
Monarch bisher sein unbedingtes Vertrauen geschenkt hatte.
In diese Zeit des stärksten Drucks von oben und des
tiefsten Schmerzes, aber auch des erwachten Glaubensbewusst-
seins von unten fällt das mannhafte Zeugnis des Pfarrers
Dr. Volkert von Ingolstadt und seine darauf erfolgte gericht-
liche Untersuchung. (Schluß folgt.)
Beiträge zur Geschichte der Reformation in Schwaben.
Von
W. Dietlen,
Pfarrer in Steinbeim.
(Schluß.)
Schule wurde in Leipheim schon vor der Reformation ge-
halten. Leo Rot in seinem Bericht (vom 28. Juli 1531) über
der „Heiligen Einkommen “ gibt an, dass aus dem Vermögen
der Pfarrkirche zu Skt. Veit jährlich etwas dem Schulmeister
zu einer Besoldung gegeben werde. Den Posten desselben
versah damals der Stadtschreiber* 1), — in welch ungenügender
das Ganze nur im Zusammnnhalt mit diesem von Zimmermann konstatierten
Ausdruck der öffentlichen Meinung einen geschichtlichen Wert, weil
daraus zu ersehen ist, welch starkes, von Wahrheit und Unwahrheit nicht
mehr scheidendes Misstrauen sich in den Gemütern festgewurzelt hatte.
1) U. Arch. 16. 1. 211. Vielleicht darf man aus der Person des Leh-
rers darauf schließen, dass Schreibunterricht das Hauptfach war.
38
Dietlen, Reformation in Schwaben.
Weise, haben wir bei Gelegenheit, der Synode zur Genüge ge-
hört. Schon vorher, als nach dem Abgang Ulrich Haselbecks
der Spitalpfleger Claus Uli über das „Einkommen der Pfründ
bei dem heiligen Geist im Spital“ nach Ulm berichtete, hatte
deshalb derselbe zum Schluss bemerkt:
Ist darauf der von Leipliaim beger, juen ain predicanten vnd
schulmaister sonderlich zu geben, vnd das ein körnen diser pfründ
von Korn jn das Spital zu ordnen, das das Spital dagegen dem
Schulmeister oder pfarrer bar gelt dafür geb 1).
Aber erst das Jahr der Synode brachte die Erfüllung dieser
Wünsche. Jm April 1532 baten drei Mönche aus dem Bene-
diktinerkloster Anhausen im Heidenheimischen — nicht zu ver-
wechseln mit Auhausen bei Oettingen — den Bat zu Ulm um
eine Verwendung in seinen Gebieten. Darauf wurde am Mitt-
woch nach Quasimodogeniti (10. April) beschlossen, sie zu exa-
minieren und den Tauglichsten unter ihnen als Schulmeister
nach Leipheim zu setzen, und hierzu schon am folgenden Tage
Gregor Seybold ausersehen2). Man scheint sie indessen auf die
Dauer doch nicht so sehr geschickt befunden zu haben. Denn
bereits am 31. Mai wird nach Leipheim ein anderer Schulmeister
bestellt, und Gregor Seybold später auf eine Landschulstelle
(Altenstatt) versetzt, während seines Genossen Lienhard Mayer
Bewerbung um den bereits wieder erledigten Leipheimer Schul-
dienst einfach abgelehnt wurde. Offenbar war der Plan, in L.
eine Schule höhern Rangs, zum mindesten das, was man später
eine lateinische Schule nannte, einzurichten. Denn jener Ni-
kolaus Mayer, der am Donnerstag nach Trinitatis dahin berufen
wurde, war allem nach ein junger Mann von hervorragender
Tüchtigkeit und wissenschaftlicher Bildung. Sonst würde er
unter den damaligen Verhältnissen in Ulm schwerlich so bald
Anstellung gefunden haben.
Es heisst von ihm im Protokoll der Verordneten vom
10. April:
Das Cläusslin, so zu Wittenberg ist, könnte man gen Kuchen
als Schulmeister rufen. Weil aber eingerissen, das bemeld Cläusslin
der lutterischen maynung anhang vnd er deshalb dieselb leer wider
1) U. Arch. 16. 1. 197.
2) Yrgl. die Veesenmeyersche Abschrift der Exzerpte aus den Refor-
mationsakten p. 79 — 81 u. Keidel a. a. 0. p. 328 u. 341.
Dietlen, Reformation in Schwaben.
39
ains Rats Haltung praitten vnd anliang machen möcht, ist be-
dacht denselben zu Examinieren vnd so er sich des vnderständ,
das man jn bald binwegthätt.
Das Examen scheint aber wenigstens nach der wissen-
schaftlichen Seite ganz zur Zufriedenheit ausgefallen zu sein.
Denn statt nach Kuchen sandte man ihn, wie schon erwähnt,
nach Leipheim.
Das Cläusslin so von Wittenberg körnen ist — lautet der be-
zügliche Beschluß — soll gen Leipheim geordnet werden, daselbst
schule zu halten, jm ainainkomen von des haselbecks pfriind aus dem
spital geschöpfft vnd den herrschaftpfiegern daselbst bevolhen
werden 1).
Das gelt nemlich die 10 Gulden, so die Gienger dem Cläusslin
dargelihen, sollen die herrsch aftpfleger vom heiligen Skt. Veit zu
Leipheim nehmen, vnd jm das widerumb künfftiglieli vom Stipen-
dium (der Besoldung des CI. Mayer) erstattet werden2).
Mayer kann aber kaum ein paar Wochen in Leipheim ge-
wesen sein, als schon die Herrschaftspfleger (wahrscheinlich aus
Anlass ihrer zweiten Amtsreise für dies Jahr, welche ja bei
Mayers Ernennung augenscheinlich schon sehr nahe bevor-
stand) meldeten, dass Pfarrer und Schulmeister in Zwist seien
zum grossen Aergernis der Gemeinde. „Ihnen scheine man
müsse beide Teile hören, dass nicht Uebel und Unannehmlich-
keit besonders in Rücksicht auf den Kurfürsten von Sachsen
entstünden“. Darauf habe, so wird weiter erzählt3), der Rat
den Pfarrer (Ritymann) gewarnt sich in der Kanzelpolemik gegen
die lutherische Abendmahlslehre der Vorsicht zu befleissigen,
damit nicht der Verteidiger der letzteren, der Schulmeister, den
Handel nach Wittenberg berichte.
Die Sache fand ihre glückliche Lösung dadurch, dass nach
Wolfgang Binthäusers, des „griechischen Schulmeisters“, Ent-
lassung auf Blaurers Vorschlag „dem Cleßle die griechische
1) „Von der spital- und frümeß (Dornbäcker) pfrimden erhält der Schul-
meister 40 fl.“ Bericht L. Rot v. 1540. Auch zahlte nach einer Angabe
dess. Beamten von 1538 der damalige Schulmeister für das von ihm be-
wohnte Pfründhaus — wie alle Bewohner solcher Häuser — Zins (1 $ Heller)
O.-Reg. Käst V Fach 22 Fasz. 4.
2) Bezieht sich auf ihn auch die Quittung eines Wittenberger Bürgers,
die Keidel a. a. 0. p. 342 erwähnt? cf. ibidem 328 Anm. 2.
3) Keim, die Reformation in der Reichsstadt Ulm. p. 311.
40
Dietlen, Reformation in Schwaben.
Lektion zu befehlen“, beschlossen wurde, diesen zur hebräischen
und griechischen Lektion in die Stadt zu bitten“1).
Für die Schulstelle zu Leipheim wurde darauf Jörg Schön
von dort vorgeschlagen.
Dieser war schon im vorhergehenden Jahr examiniert wor-
den, und es heisst von ihm:
Jörg Schön zu Leiphaim, wie jung er ist, haben jn doch die
predicanten ganz geschickt befunden, achten jn taugen lieh zu aim
prediger. Er imbeut sich auch mit predigen oder mit vnderwey-
sung der Kinder aim Ersamen Rat zu dienen2).
Eine Zeit lang suchte man ihn dann als Prediger oder Zu-
sprecher im Ulmer Spital zu verwenden. Zu Anfang des Jahres
1532 scheint er sich aber wieder stellenlos in Leipheim aufge-
halten zu haben, weshalb Wolfgang Ruß ihn damals gerne auf
einen Schuldienst in Memmingen empfohlen gesehen hätte3).
Jetzt im Oktober desselben Jahres sollten die Herrschafts-
pfleger „wenn sie amten, bei denen von Leipheim erfahren, ob
„sie Jörgen Schön zu einem Schulmeister leiden mögen“. WTo
sie einwilligten, soll ihm gesagt werden, sich in Verwesung des
Amtes gegen die Gemeinde und die Kinder freundlich zu halten.
Sie scheinen jedoch nicht eingewilligt zu haben. Denn zunächst
werden wir bald einen andern, auch einen geborenen Leiphei-
mer, als Schulmeister dort antreifen4 5). Allerdings fehlen uns
gerade über die nächsten zwei Jahre so gut wie alle urkund-
lichen Nachrichten, was sich wohl am besten daraus erklärt,
dass während dieser Zeit Pfarrer Ritymann und Benedikt Wider,
der Prediger, im Frieden neben einander wirkten. Nur ein-
mal hören wir — unterm 29. Juli 1533 — , dass die Pfarrer
der sogenannten werdembergischen Herrschaft wegen einer
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen und ihren Amts-
genossen Mörlin in Altheim und Paul Beck in Langenau —
unter Führung des Pfarrers von Leipheim in Ulm er-
schienen1), ohne entscheiden zu können, ob dieser Pfarrer noch
1) Keidel a. a. 0. 333. (Blaurers Vorschlag stammt vom Juli 1532)
340 (Protokoll vom 24. Sept.)
2) U. Arch. 17. 1. 397.
3) Keidel a. a. 0. p. 279. 281 f. W. Rußeus Brief, U. Arch. 16.1. 290.
4) Erst 1543 wird Schön als Schulmeister ausdrücklich genannt.
5) U. Arch. 19. 1. Unterfasz. 5. cf. oben Bd. IV Seite 252 dies. Zeitschr.
Dietlen, Reformation in Schwaben.
4L
Ritymann oder etwa Benedikt Wider gewesen sei. Bloss das
können wir anderwärts ersehen, dass Jakob Ritymann nicht
länger als bis 1534 in Leipheim gewirkt haben kann1). Aber
wir wissen nicht, ob nnn Benedikt Wider ihm auch im Genuss
der Pfarrpfründe folgte, oder nur nach des Pfarrers Abgang
dessen Geschäfte mit besorgte. Die Visitationsakten von 1535
nennen ihm immer nur — was freilich nichts entscheidet —
den Prädikanten; für die Annahme, dass er wirklich Pfarrer
gewesen, spricht aber seine Wahl zum Superattendenten bei
Gelegenheit ebenderselben Visitation.
Ehe ich nnn auf diese näher ein gehe, dürft e es angezeigt
sein, noch ein Wort über die Verwendung des nicht unbedeu-
tenden Leipheimer Kirchenguts bezw. des Einkommens der dor-
tigen Pfründen zu sagen.
Ueber das „ewige Licht“, wozu nach dem Bericht der Herr-
schaftspfleger vom Juli 1532 Hans Vischers zu Leipheim Schwie-
ger einen jährlichen Zins von ;Pj2 fl. gestiftet hatte, und wo-
von nun dieser zu Gunsten der sechs vater- und mutterlosen
Waisen einer Bruderstochter derselben etwas verwenden be-
ziehungsweise den Zins ablösen wollte, ist schon von Pfarrer
Keidel das Wesentliche mitgeteilt2). Ich füge dem noch bei,
dass am Aftermontag nach Exaudi 1537 Leo Rot dem Alt-
bürgermeister nach Ulm berichtet: er habe alles Einkommen
der Pfründen und die Erträgnisse der Jahrtagstiftungen auf-
schreiben lassen, und weil in den letzten Jahren kein Jahrtag
mehr gehalten worden, die Erträgnisse dafür in ..bettelseckel
den armen zugewendet“ 3).
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu der Visitation
von 1535 zurück.
Das Protokoll sagt hierüber bei Leipheim:
Der Yogt Leo Rott: der leer vnd Lebens halben hat er kain
mangel, predigt in der wochen dreymal. hat ain kynderberickt vff
1) Er wird im Jnli 1535 als gewesener Pfarrer Ton Altenstatt auf-
geffthrt, der einmal ein jäh getauftes Kind wieder getauft habe. Ob er
inzwischen verstorben, oder sonst wohin gekommen, wird nicht gesagt.
Auch ist noch von keinem Nachfolger in Altenstatt die Rede. VTürttemb.
Vierteljahrhefte IX. p. 205.
2) a. a. 0. p. 332 u. 341.
3) U. Orts-Registr. Käst. V Fach 22 Fasz. 4.
4‘2
Dietlen, Reformation in Schwaben.
pfiugsten gehalten vnd vff ostern dass nachtmal. Der Schulmeister halt
sich wol, hat etwra byss in die 40 buben. Sy habenn ain gmain
almussen, prediget nit im spital. — Cristau, so die predicatur hat,
gibt nur 15 fl. in den bettelseckel, hat ain gute pfründ, mag im
wrol 100 Gulden getragen1) Weyst sonst nicht.
Der predicant daselbst: Prediget Johannem. in der wochen
epistolam Johannis, hat anzaigt wie herr Crista ns predicatur sollte
vff ain diaconum verwiesen werden, hält den kynderbericht vier-
mal im jar, hat dass nachtmal vff ostern gehalten.
Der vogt halt sich wol, straf die laster waidlich. Hat etlick,
die in die Kirchen gautz nit gand. Peter meyer, Johannes Straub,
Hauss sclieuffelen. Haben ain gmain almussen. Superattenden (sic!)
zu Kaw: philippum, zu Leiphaim: jn selber.
Schulmeister daselbst, Menardus2): Des prcdicanten 1er
halben kan er kain mangel anzaigen. Er ist ain zorlick man.
gang vil intz wirtzhauss, ist ärgerlich vor gemainen man, das
welfflin3) ist vest bey dem zu Leiphaim. Der vogt ist dem wort
Gottes nit ergerlich. Die spitalpfleger füren ain ergerlich wiesen,
verdemplen (?) in des stadtsckreibers hauss mit weib vnd kind,
verthond den armen das yre. — Herr Cristans halben soll bedacht
werden. — Herr Jerg der Gyssen pfaff hat zu Elchingen inner-
halb 4 Wochen mess gehalten.
Clan ss Uli: hat kain mangel an seiner leer, verkünd etwa in
der vrocken ain predig, die vnderlasst er (hier steht ein
unleserliches Wort) wrerden noch desshalb gepraucht. mau hab ab
seinem zechen nit ain wollgefallen. Der Schulmeister halt sich
zimlich wol. wen er nur ain guten locaten hethe, denn er vil buben
hat. Der vogt hält sich wol, die laster straff er hinlessig genug.
Peter Kempff verdacht des eebruchs halb mit Berbla Hosseier,
Peter Betzer mit Paul mayers weib verdacht. Weysst nicht son-
ders von den spitalpflegern 4). An Cristan mayern hat ain gericht
ain missfallen, welthe gern ain andern predicanten an seine statt.
Hans wolg.emut: Er ist vnfleyssig mit studieren, aber fleyssig
mit zechen. — Der Schulmeister ist vleissig genug, aber nit
1) Der frühere Prediger Christian Mayer hatte, trotzdem er aus seiner
seitherigen Pfründe ein Leibgeding von jährl. 30 fl. bezog, wie es scheint
noch eine weitere Pfründe auswärts angenommen. Dass er daneben auch
noch das volle Gehalt von der Pradicaturpfrlinde einziehe, wrar wohl nur
irrige Annahme der Leipheimer.
2) „Menardus (Vogt) von Leiphaim ist tauglich vnd geschickt erfun-
den worden vnd wird jm ain pfarr- oder predigambt wol zu befelhen
„werden, dan er zimlich vnd wol geanttwurttet vff frag vnd fürhalten
„der predicanten“. Arcb. 17. 1. 397 (aus dem Jahre 1531). Ist das der
Menardus, welchen Peter Agrikola 1543 ff. in Heidelberg hörte und der
sein Landsmann genannt wird?
3) Wolff Ruß?
4) Clauss Ul war 1531 selbst Spitalpfleger, vielleicht auch damals noch.
Dietlen, Reformation in Schwaben.
43
vast gelert. — Des Vogts halb: hält sich wol. Peter Kempf wie
vor. Desgleichen der statschreyber mit Veith Schenckens weyb
verdacht. — Der Schlemer ist Leins mit dem anzaigen, nempt
etwan wein vnd schweigt. An Herrn Christans pfriind ergereu s y
sich, die wey 11 er ain ander pfriind hatt.
Jacob Festher: der predicant hält sich wol mit seinem leren,
hält nachtmal vnd kynderbericht, Er gett wol in die wirtzheus-
ser, doch zu erbaren Leutten. Der Vogt, was für in kompt,
straff er. Peter Kempf wie vor. Die spitalpfleger kan er nit
schelten, — pfaff cristan ut supra1).
Im allgemeinen stimmt damit auch, was „Ein gemainer
Außzug auß jüngster Visitation 7. Juli anno D. xxxv
gehalten“ überLeipheim berichtet. Ich gebe, eine Ausnahme
abgerechnet, den Wortlaut mit den beigesetzten Randbemer-
kungen.
Sollen meine herren
die herrschafftpfleger
erfaren vnd die sach
wider anbringen.
Sollen meine herren
die herrschafftpfleger
grund erfaren vnd als-
dan handlen.
Vogt — Ist kain clag von jm ankomen.
Predicant: (subaudi: ist clag) der weyll
etwas mit seim zechen ärgernuss .geb vnd
mit predigen so er etwa thun soll mangel
erzaig.
Item jndem er sich beclagt, er habe kain
helffer. Es wol jm die lenge zu schwer
sein, verhofft anstatt herr cristans, vorigen
predicanten, soll jm ain helffer zugeben
werden, dieweyll meniglich daran sich
ärgert (? zwei Worte sind unleserlich),
das Herr Cristan sonst ain gute pfriind
haben soll vnd den nutz von der predi-
catur nichts minder einnem.
Spitalpfründpfleger — Die sollend
nit on ärgernuss jn des statschreibers hauss
vil zechen. Herr Jerg, der Gyssen
caplan, soll kürzlich zu Elchingen mess
gelesen haben. (Nun folgen die schon be-
kannten 8 wegen Ehebruchs „verdach-
te na d. h. verdächtigen Paare .
Schulmeister. — Soll vleiss genug
haben mit den jungen, allein das er woll
ains helffers bedurfft, dieweil vill Kind jn
die schul gend2 .
1) U. Ortsregistratur Kasten VI Fach 11 Fasz. 1. Zum Teil bei Dr.
Giefel: Ulmer Kirchenvisitationen i. württ.Vierteljahrsh. IX. 209.
2) ü. Arch. 16. 1. 282.
44
Dietlen, Reformation in Schwaben.
Von der im Jahr 1537 abgehaltenen Visitation konnte ich
abgesehen davon, dass in einem allgemeinen Erlass der Leip-
heimer Vogt mit anderen von dem Vorwurf der Völlerei aus-
genommen wird1), nichts weiter auffinden als den Bescheid2):
Soll dem Schulmeister vndersagt werden, das er nit in den chor
mit den jungen stand, sonder herunder in die Kirchen vnd da-
selbst psalliere.
Sonst erfahren wir aus dem Jahre 1537, dass nach Bene-
dikt Widers Wegzug3) nunmehr Johannes Wolkenstein Pfarrer
zu Leipheim gewesen sei4).
Dieser, ein ehemaliger Kleriker (das Verzeichnis von Johann
Dürr nennt ihn bei d. J. 1531 als Prediger zu den Wengen [?])
hatte am 11. August 1531 zugleich mit Konrad Gwinngut als
Prädikant von Geißlingen den vorgeschriebenen Eid geschworen.
Er scheint aber damals für Geißlingen zunächst nur designiert
gewesen zu sein. Denn bis in das folgende Frühjahr hinein
finden wir ihn mehrfach als Prediger zu den Barfüssern in Ulm
bezeichnet und wiederholt neben Sam, Frecht und Michel
Brothag genannt. Einmal werden ihm 10 fl. zur Zahlung seiner
Schulden geschenkt und 5 weitere Gulden vorgestreckt. Dass
dies ohne die sonst in solchem Fall gewöhnlichen Mahnungen
zu grösserer Sparsamkeit geschah, zeugt fast ebenso laut wie
die Zusammenstellung mit Frecht und Sam von dem Vertrauen,
welches Wolkenstein damals in der Stadt genoss5 6). Seit April
1532 war derselbe jedoch wirklich in Geißlingen. Und dort
finden wir ihn auch noch im Jahre 1534°).
1) Dr. Giefel in dem obengenannten Aufsatz über Ulmer Kirchenvisi-
tationen in den Württ. Vierteljahrsheften f. Landesgeschichte. IX. 214.
2) U. Arch. 16. 1. 284b. „Vollgen die Punkten d. Visitation vnd wie
die exequiert worden.“
3) Nach Joh. Diirrs Verzeichnis der Ulmischen evangel. Geistlichen,
p. 7, bez. w. Weyermann’s consignatio — (beide handschriftl. auf d. Ulmer
Stadtbiblioth.) war Wider an Ostern 1536 noch in Leipheim, wurde dann
aber in den Dienst des Herzogs von Württemberg entlassen. Weitere
Angaben über ihn wird Herr D. Bossert in einem Aufsatz über „Refor-
mation in der Herrschaft Heidenheim“ bringen. (Blätter f. württemb.
Kirchengeschichte 1898 Heft 1 u. 2).
4) U. Ortsregistr. Käst. V Fach 22 Fasz. 4.
5) Keidel a. a. 0. p. 295 f. 313 f. 324 u. 329.
6) Auch in Geißlingen, wie man aus Keidel a, a. 0. p. 342 Nr. 200
sieht, währten seine Geldverlegenheiten fort, ebenso später in Leipheim.
Bezieht sich auf ihn vielleicht jener rührende Brief (U. Ortsregistr. Käst. VI
Fach 11 Fasz. 1), in dem eine Geißlinger Prädikantenfrau (?) ohne ihren
Dietlen, Beformation in Schwaben.
45
Da beschwert er sich über seinen Kollegen Sprätter, dass
er die alten Evangelien wie im Papsttum predige und in der
Karwoche die Passion predigen wolle. Auch die Herrschafts-
pfleger W. Ehinger und Bartholomäns Schaurer sehen darin,
einem Schreiben von Donnerstag nach Invokavit zufolge, eine
Gefahr des Rückfalls ins Papsttum, zeigen aber am Samstag
darauf an, dass sie von Sprätter, den sie im Verdacht gehabt
hatten, als wolle er durch sein Vorgehen dem Wolkenstein die
Leute abspannen, einen guten Bescheid erhalten hätten. Trotz-
dem beharrt Wolkenstein in einem Schreiben an die ,.fünfe“
„von nechsten (?) Sonntag ‘ im Jahre 1534 dabei: „uß dem
stettlein erlediget zu werden. Nach Dürrs Verzeichnis wäre
derselbe nun, ehe er nach Leipheim kam, Prediger in Münster
gewesen, doch sind dessen Angaben hier zu wenig klar, als
dass ihnen viel Glaube beigemessen werden könnte. Dagegen
spricht ein Bericht aus dem Jahre 1537 von Johann Wolken-
steins, Pfarrers zu Leipheim, Besoldung* 1).
Mehreres über seine dortige Wirksamkeit besagen die Akten
der Kirchen Visitation von 1539. Es heisst da:
Uff den vierdten tag Junij — Leiphaim, Vogt: dess pre-
dicanten der leer halb zaigt er für mangel au, das er an der
Cantzel das Vatterunser, glauben vnd zehen gepott nit offennlich
vorsprech. — von seinem leben, er sey feyertag vnd wercktag
gern bey den gesöllen jm wirtshauss. — Am andern so hab er
sich seines einkommens halb offt beclagt vnnd das er sondlich der
armen halb ain schweren vberfall hab. - — Vom Schulmeister ge-
richt vnd gmaind kain clag.
Der predicant: hat ab niemand kain clag oder mangel, dann
das er sich die kürchen allain zu versehen zum höchsten beschwert
vnnd pitt zum vleissigsten vmb ainen helffer. Seiner besoldung
halb zaigt er an, das er dieselb dannckbar sey, aber er hab vier
junge kind vnd ain grossen vberfall von armen, all so wan das jar
herumb kom, das er schuldig pleib.
Beed richter (Claus Ul, Hanns Baur) : des predicanten halb
zaigen sie an, wie der vogt^ das er Vatterunser, glawben vnd zehen
gepott nit offennlich an der predig flirsprech. — So gaung er vil
zum wein, sey aber bescheidenlich.
Namen zu nennen, über die Verführung ihres sonst so „guten Mannes“
durch den Vogt klagt und daneben die Hilfe des Bruder Paulus (Beck?)
rühmt? — Zum Streit v. 1534 s. Arch. 19. 1. 5.
1) U. Ortsreg. V. 22. 4.
46
Dietlen, Reformation in Schwaben.
Gemaindsleut (Hanns Straub, Veit Schuster) : Vom predicanten
zaigen sie an, das er sich der arbait vnnd die kürchen allain zu
versehen wol zu beschweren hab. — am andern so halte er das
offen gepett njt. — Zum dritten, das er ain schweren vberfall von
armen hab. — Vom schulmaister : Derselb wöll jetzt von den
frembden 10 fl. jm winter schulgelts haben, da man vor nur 5
geben. So sey er sonst auch langsam vnd hinlessig. — Von der
gmainnd: das im allmussen ettwan nun zuvil vssgeben werd. Dan
ettlich verlassen sich daruff, arbaitten nichts vnd sagen, das gutt
gehör inen zu. — Bedärfft wol einsehens1).
Darauf erging in den: ,,puncten der Visitation anno d. 39 ge-
halten, wie die exequirt vnd vollstreckt worden u, nachstehender Be-
scheid :
Leiphaim: soll dem predicanten das Vatterunser, den glauben
vnd die zehen gepott allweg nach der predig offenlich vorzuspre-
chen vnd daneben weitter gesagt werden, sich in seinem zechen
ettwas messiger zu halten vnd nit all tag bey den gesöllen zu sein2).
Die Bitte um einen Helfer scheint indes Erhörung, anderer-
seits aber auch Wolkensteins eigene Wirksamkeit zu Leipheim
bald ein Ende gefunden zu haben. Das ersehen wir aus einem
Bericht L. Hots vom Jahr 1540, in dem zunächst gesagt wird,
was ich schon droben über die Fundation der Leipheimer
Schulstelle mitgeteilt habe. Nachdem dann noch der Bezüge
Christian Meyers und Diepolt Ritters Erwähnung gethan wor-
den, heisst es:
Weiter so ist vber das alles von obiger pfründen einkomen
Menradt Vogt, dem diakon, geben vnd gemacht worden Skt. Die-
polts piründtgütlen vnd holzenden (?) zu messen, vnd 20 fl. von
der Predicaturpfründ. — dann 7 fl. bey der Pfarr- oder Skt. Veits-
kyrchen pfleger eiuzunehmen. —
Vnd dieweil das jar die pfriind ledig gestanden, das ich in
eurem — des Rats zu Ulm - — namen empfangen vnd eingenomen
vnd verrechnet3).
Auch der Diakon Menardus Vogt ist aber wohl nicht mehr
lange in seiner Vaterstadt geblieben. Bei Gelegenheit der Vi-
1) U. Arch. 16. 1. 282 und fast gleicfljautend damit 17.1 (ohne Num-
mer). Nur nennt hier Wolkenstein seine Besoldung : „zimblich gut“, wäh-
rend die beiden Richter eines Unterschieds in Haltung des Nachtmals
erwähnen, dass der Prediger es 4, der Vogt 2, die Richter 3 mal neh-
men (?) Wenn auch da von den Gemeindeleuten das Vorsprechen des
„offenen Gebets“ vermisst wurde, so hatten sie wohl nur dieses mit den
3 Katechismusstücken verwechselt.
2) Arch. 16. 1. 282.
3) U. Ortsreg. V. 22. 4.
Dietlen, Reformation in Schwaben. 47
sitation von 154-3 sehen wir, dass auch seine Stelle jetzt ein
andrer einnahm.
Gehen wir zn dieser über:
Vogt Leo Rott sagt nach dem Protokoll vom Pfarrer: halt
yetz kain abentpredig, zaigt an vom pfarrer, sey etwass neidig an
seinen predigen, hat ain zedel eingelegt, darin er etlich mengel
vnd feil von dem predicanten anzaigt hat. Der Schulmeister jst
nit vleyssig in der schul. Item der Vogt hat die handlung, so
er und Yincentz uff der binen1) mittenaud gehabt haben, anzaigt
wie ess ergangen sey. Hat darnach anzaigt, wie es mit der hoch-
zeit der bocken halber ergangen sei. Ist hingelegt worden.
Pfarrer Yincentzen Durstberger (nicht Daxberger) vom
vogt : er gang zu morgens vleyssig an die predig, vermeint aber
der vogt sei jm neidig, wiewol er gern mit jme zufriden sein
welthe. Item am sonntag zu mittag gend ettliche auff den Kegel-
blatz vnd schlahen die loderer die thücher auff vnd gend nit an
die predig, hatt die handlung, so auff dem Kornhauss ergangen
ist, auch anzaigt. Zaigt an wie der vogt mit etlichen personen
hurerey halber gantz vast beschreit sey. Doch hab er’s nit selber
gesehen, vom Steffano zaigt er an, das er jn der 1er intiger (sic!)
sey. Aber mit seinem weib hallt er sich ergerlich genug. Schul-
meisters halben: jst er vnfleyssig genug. — Soll Steffano anzaigt
werden, das er, so er theuff, lautt rede, damit es ander auch hören
mige (mögen = mögen). Begert noch x jmi vesen zu geben, dan
er hat zuvor nur 20 jmi.
Diaconus Steffanus n. zaigt an, wie man vnder der mit-
tegigen predig vff den Kegelblatz gennd, auch vordere der Vogt
vnder der predig hinauss jn dass schloss vss der kirchen. Sonst
weyst er nicht vom vogt, den das der vogt hurerey halber be-
schrait sey. Doch wysse er kain grund. — Schulmeister ist nit
sonders vleyssig.
Sc hui mai st er Jerg Schön: Der vogt mitsammbt dem ge-
richt gett kain er zum nachtmal. Dess vogts halber ist ain gmain
geschrai der hurerey halber, weyst aber kain grund. — Der pre-
dicanten halber hat er an der 1er kain mangel, lebenss halber
nicht besonderss.
Clauss Ull richte r: der vogt hallt sich woll, sonderlich mit
straff der laster. Dan allain sei er beschrait hurerey halber, weyst
aber kain grund. Von der predicanten halber hat er an lere vnd
leben kain mangel, dann das der pfarrer jn Straffung der laster
hitzig genug sey, beten die zehen gepott, glauben vnd Vatter-
uuser nit vor. — Schulmeister ist vnvleyssig genug.
1) vff der binen = auf der Bühne, dem Kornboden.
48
Dietlen, Reformation in Schwaben.
Ilans Straub Richter: Item der Vogt hallt woll ob ains
E. Rats Ordnung, ist hurerey halb beschrayt, doch waist er kain
grund. Der pfarrer ist hitzig genug in Straffung der laster. Schul-
maister ist nit vleyssig. Yermaint man sollthe mer in der wochen
predigen.
JeronimusWolff von der gmaind, vom Vogt: hallt woll ob
ains E. Rats Ordnung. Sagt er habe nit vil wandeis beim vogt,
derhalben er nicht sonders von jm anzaigen kann. Der pfarrer
sey gantz hitzig mit reden an der cantzel vnd sonst. Den Steffan
halt er für ain hoffertigen man. Vermaint man sollthe mer in
der wochen predigen. Steffan schiächt offt sein weib, das dan
ergerlicli ist.
Hanns Binder von der gm aind, vom Vogt: was jm anzaigt
wirtt, strafft er redlich, — von den predicanten hat er an 1er
vnd leben kain mangel, dan dass der pfarrer in Straffung der
laster gantz hitzig, betten den glauben, zehen gepott vnd Vatter-
unser nit vor. — Schulmaister lassdt sich nit gern straffen 1)
Hierzu gibt „ain gemainer Ußzug“ nebst Randbemerkungen
nachstehenden Bescheid:
Der Vogt verdacht der hurerey halber.
Der prediger strafft die laster hitzig. Der
Schulmeister ganz vnfleyssig, die gmain
nachredig dem predicanten.
Vnder der predig Kegelplatz gehalten.
Begeren ain [andern]2) Diaconum.
Was vnser Fra wen pfleger exequieren
sollen :
Dem schulmaister sein vnfleiss zu vnder-
sagen. Vnd das er mit seinen Schulkindern
die predig fleissig besuch3).
Es sind recht unerfreuliche Töne, in welche hiermit die uns
vorliegenden Berichte über die Reformation in Leiplieim aus-
klingen. Dass es so kam, daran waren aber sicherlich nicht
persönliche Verhältnisse allein schuld. Gewiss war Leo Rot
weder nach Seite seiner religiösen Stellung noch nach Seite
seiner sittlichen Haltung der Mann dazu, um der evangelischen
1) U. Ortsreg. VI. 11. 1.
2) Das Wort fehlt im Text, muss aber, wenn die Stelle überhaupt
Sinn haben soll, ergänzt werden.
3) Archiv 16. 1. 284b. Der letzte Satz mit andrer Schrift.
Vogt herein zum
Exempel.
Kegeln abstellen.
Herrschaftspfleger :
Schulmaister.
0. Rieder, Aus histor. Zeitschriften.
49
Sache im Städtchen die Förderung angedeihen zu lassen, welche
seine Vorgesetzten von ihm vor allem erwarteten. Gewiss
hatten die verschiedenen Geistlichen, denen wir nacheinander
in Leipheim begegneten, mehr oder minder bedeutende Fehler.
Aber ein gut Teil der gegen sie erhobenen Vorwürfe wird doch
durch die Bemerkung des letzten Visitationsbescheides ent-
kräftet: „Gemeinde nachredig dem Prädikanten“. Und auch
diese Neigung zu übler Nachrede will aus den Verhältnissen
begriffen sein. Denn einerseits wurde sie durch das ganze bei
diesen Visitationen befolgte System der Fragstellung grossge-
zogen. War dasselbe doch geradezu darauf angelegt: „Fehl
und Mängel an den Tag“ zu ziehen, so dass eine der bei solcher
Gelegenheit an die Gemeindevertreter gerichteten Fragen ein-
fach lautete: „an welchen Stücken seiner (des Geistlichen)
Predigten sie sich vornehmlich ärgerten“1). Anderseits müssen
wir bedenken, wie gerade diejenigen Bewohner des Städtchens,
welche am meisten nach evangelischer Predigt verlangt hatten,
am wenigsten sich befriedigt fühlen konnten, weil man ihnen
statt lutherischer Lehrer, worauf sie gehofft, mit der ganzen
Rücksichtslosigkeit jener Zeit, zwinglische Weise aufdrang.
Trotz alledem werden wir nicht verkennen, dass auch in Leip-
heim mit Ernst an der Besserung der Zustände gearbeitet wurde.
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammengestellt von
0. Rieder,
Kgl. Reichsarchivrat in München.
(Fortsetzung.)
Aus Archiv des hist. Vereins von Unterfranken und AschafFenburg.
Scharold, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs Bd. 5 H. B
(1839 ), S. 30 (1. Bitte an den Fürstbischof um Ersatz geraubter
Pfründen-Naturalien. 2. Desgl. zweier Domherren wegen vorent-
haltener Bezüge. 3. u. 4. Klagen und Bitten des Klosters
Mün ster sch warzach. 5. Bitte eines Chorherrn vom Stift Neu-
münster um Wiedereinsetzung in seine Präbende. 6. Huldigungs-
1) Keidel a. a. 0. p. 313.
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V.
4
50
0. Rieder, Aus histor. Zeitschriften.
revers der Dorfschaften des Klosters Bildhausen für den Fürst-
bischof, worin sie volles christliches Verhalten versprechen).
Korrespondenz zwischen Kaiser Karl V., dem Fürstbischöfe
Konrad III. zu Würzburg und deren Räten über die 1538
im deutschen Reiche obgewalteten Religionswirren S. 59.
Reuss, F. A., Korrespondenz der Abtissin Sophia von Neuenburg
zu Kitzingen mit der heil. Hildegard (Brief der Abtissin und
Antwort der Heiligen): S. 109.
Scharold, Würzburger Almosen-Ordnung vom Jahre 1533: S. 136.
Inschriften der ehemals in der Abteikirche zu St. Stephan in
Würzburg vorhandenen Grabsteine S. 161; Grabmal des Bartho-
lomäus Arnoldi von Usingen (des Exerzitienmeisters Luthers
im Augustinerkloster zu Erfurt und seines späteren Wider-
sachers) S. 164.
Reuss, F. A., Prinzessinnen aus dem Hause Zollern in fränkischen
Klöstern S. 168; Mythologische Ortsnamen S. 169; Ver-
besserungen einiger Lesarten in einem althochdeutschen Beicht-
gebete S. 170.
Schar old, Auszüge aus den Urkunden des röm. Königs Ruprecht
in Beziehung auf das ehemalige Fürstbistum Wiirzburg
(1401 — T410; unter Berührung verschiedener Verhältnisse von
Kirchen und Klöstern, namentlich zahlreiche primae preces,
Pfründebriefe): Bd. 6 H. 1 (1840), S. 1. — Desgl. des röm.
Kaisers Friedrich III. (1452—1492): H. 2 (1840), S. 1.
Reuss, F. A., Kaiserurkunden aus fränkischen Archiven Bd. 6 H. 1
S. 96 (III. Urteilsspruch Maximilians I. zur Beilegung der
Streitigkeiten der Stadt Kitzingen mit den dortigen Benediktiner-
nonnen, deren Asylrecht betr., von 1498: S. 98).
L ebnes, G. L., Bischöfliche Bestätigung der von Johann von Helb,
Vikar des Spitals zu Eberu, letztwillig errichteten Stiftung
einer Liberei an der Pfarrkirche daselbst 1463: S. 104.
Heffner, C., Fränkische Regesten (mit Beiträgen zur Kirchen-,
Kloster- und Heiligengeschichte, insbesondere über das Stift
Fulda): 1) 21 v.— 772 n. Chr. S. 108; 2) 774- 815: H. 2
(1840), S. 59; 3) 815 — 824 H. 3 (1841), S. 173.
Schar old, Handschriftliche Reliquien von Karl Theodor Freiherrn
v. Dalberg (y 1817 als Grossherzog von Frankfurt, Fürstprimas
und Erzbischof zu Regensburg) : Bd. 6 H. 1, S. 146 (von Seite 149
an zum Teil Schulsachen behandelnd).
Mannigfaltiges: Inschriften der in der ehemaligen Deutschordens-
kirche zu Würzburg vorhandenen Grabsteine S. 155. Das
ganze Kollegiatstift Haug zu Würzburg wird auf eine Hoch-
zeit nach Waldüren eingeladen 1581 S. 159. Epitaphium eines
Lebendigen (des Domdechanten Gottfried v. Wirsberg zu Eich-
stätt und Domkapitulars zu Würzburg, f 1594) S. 161. Merk-
Zur Bibliographie.
51
würdiges Reskript des Fürstbischofs Franz Ludwig von Würz-
burg an den akademischen Senat der Universität 1787 S. 162.
Reüss, Merkwürdige Bibeln (zwei Hans Lufftsche Ausgaben der
lutherischen Uebersetzung) : S. 169.
Keller, G. J., Die Begräbnismünzen der Regenten von Würzburg:
H. 2 (1840), S. 83.
Wolf, Franz Nikolaus, Geschichtliche Beschreibung der Burg Hohen-
burg ob der Werra S. 83 (Schlosskapelle S. 84; Altar in der
Kirche z. H. S. 96; Reformation zu Hammelburg S. 109).
Fröhlich, Über den Geist der Statuten, welche der grosse Fürst-
bischof Julius zu Würzburg seiner neubegründeten Universität
gab S. 115.
Scharold, K. G., Geschichte und Verfassung des adeligen Damen-
stifts Waizenbach (für Fräulein lutherischer Konfession 1733
gestiftet): S. 174.
Höfling, G., Geschichte der ehemaligen Karthause Ilmbach am
Steigerwalde: H. 3 (1841), S. 65.
Scharold, Kleeblatt alter Würzburger Künstler (Jakob Cay, Oswald
Onghers, Tilmann Riemenschneider und ihre kirchlichen
Schöpfungen): S. 144.
Beitrag zur Biographie des Würzburger Fürstbischofs " Julius
Echter von Mespelbrunn S. 154. — Vergl. Reuss in Bd. 7 H. 3.
Mannigfaltiges: Würzburger Bibliotheken S. 183; W. Stipendien in
Perugia S. 186; Die Salzburger lutherischen Auswanderer nach
Preussen 1732: S. 188.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Bibliographie.*)
* Paulus, Dr. Nikolaus, Kaspar Schatzgeyer. Ein Vorkämpfer der
katholischen Kirche gegen Luther in Süddeutschland (auch
Strassburger Theol. Studien herausgeg. von Alb. Ehrhard und
Eug. Müller III 1. Heft), Strassburg u. Freiburg im Breisgau,
Herdersche Buchhandlung, X u. 152 S. 2,80 M.
Kaspar Schatzgeyer — so hiess er, und diese Schreibart seines Namens
ist nicht, wie man behauptet hat, eine boshafte Umformung seiner Gegner,
und erst später schrieb er sich Schatzger — (geb. c. 1463 zu Landshut,
gest. am 18. Sept. 1527 als Franziskanerguardian in München) ist kein
Unbekannter oder Vergessener, wie so mancher andere Bekämpfer der
Reformation, dem N. Paulus mit Hilfe der reichen bibliographischen Schätze
Münchens den ihm gebührenden Platz zurückerobert hat. Niemand, der
sich mit der Reformationsgeschichte beschäftigte, namentlich mit der
süddeutschen, durfte ihn unbeachtet lassen, und A. v. Druffel hat in
seiner fleissigen Studie „Der Bairische Minorit der Observanz Kaspar
Schatzger und seine Schriften“ (Sitzungsberichte der hist. Klasse der
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
52
Zur Bibliographie.
Bayr. Akad. d. Wissensch. zu München 1890 Bd. II Heft 3 S. 397 ff.) sein
Leben und Wirken in seinen Grundzügen gezeichnet, eine Arbeit, die
freilich immerhin den Wunsch nach einer eingehenden Darstellung
vorrufen konnte. Dieselbe liegt jetzt vor in der mit jener SorgfaL und
Detailkenntnis gearbeiteten Schrift von Dr. Paulus, die man bereits an
ihm kennt. Dass er in der Reformation nur „Revolution“ sieht, von
Luther als dem Wittenberger Klosterstürmer spricht (S. 63), wundert
uns nicht mehr, und im ganzen ist die ruhige Art seiner Berichterstattung an-
zuerkennen, und auch da, wo man seiuem Urteil nicht beistimraen kann
und es bedauern muss, dass der Verf. sich so wenig in Luthers Gedanken-
welt versetzen kann, wie z. B. bei der Frage nach den Gelübden, wird
man es unter Würdigung seines Standpunktes immer zu beachten haben-
und die Vielseitigkeit der Beziehungen Schatzgeyers, in die ihn seine amt-
liche und schriftstellerische Thätigkeit brachte, ich erinnere nur an die
Namen Pellican, Eberlin, Kettenbach, Bucer etc., haben dem Verf. Gelegen-
heit gegeben, manche wertvolle biographische und bibliographische Notizen
einzuflechten, die man zunächst nicht erwartet. Im Vordergrund steht
natürlich der von beiden Seiten mit wenig Feinheit geführte Kampf mit
Luther und Osiander, dann gegen Joh. von Schwarzenberg, worauf eine
positive Darlegung von Schatzgeyers Theologie folgt, die entgegen der
Meinung nicht weniger Zeitgenossen (z. B. in der umstrittenen Frage, ob
die päpstlichen Gebote unter einer Sünde verpflichten S. 141 ff.) nach
dem Urteil des Verfassers kirchlich korrekt ist. Aber vielleicht noch
grösseren Wert möchte ich der Darstellung der Entwicklung Schatz-
geyers vor seinem Streit mit den Reformatoren beilegen, auf deren Be-
deutung schon Druffel nachdrücklich hingewiesen hatte, denn Sch. war
nicht nur ein frommer für seinen Orden begeisterter Ordensmann, wie
manche andere auch, sondern in seinem Eifer für mönchische Strenge, in
seinem Eintreten für die Bevorzugung der klösterlichen Gottesdienste
von seiten der Laien (gegen Staupitz), seiner rücksichtslosen Bekämpfung
und Verdrängung der Conventualen durch die Observanten, seiner spez.
franziskanischen Devotion, seiner Neigung zu einer gewissen Mystik und
Apokalyptik u. s. w. ist er geradezu der Typus eines echten Franziskaners
am Ausgange des Mittelalters, und mit Recht sagt von Druffel a. a. 0.
404: „Die beiden Streitschriften, — die des Provinzials der Pariser Con-
ventualen Bonifatius von Ceva und Schatzgeyers — , bieten reiche Be-
lehrung über die vor der Reformation in den Klöstern herrschenden Zu-
stände. Man könnte auf den Gedanken kommen, für die Schriften jener
protestantischen Angriffe gegen die Mönche hätten die Schriften jener
beiden Ordensvorstände als Vorlage gedient“. — Von Einzelheiten be-
merke ich noch, dass meine in dem Art. „Eberlin“ Protest. Realenc. 3 V,
102, 48 nur zögernd vorgetragene Vermutung, dass unter dem in
Th. Kolde, Analecta Lutherana S. 13 erwähnten Joannes Ulmensis fratres
instituens der bekannte Johannes Eberlin von Günzburg zu verstehen sei,
nach den Ausführungen von Paulus S. 46 wahrscheinlich nicht richtig
ist. Dagegen irrt sich der Verf. wenn er S. 71 schreibt: „Die Minoriten
hatte Eberlin zuerst scharf angegriffen in seiner Verwahrung an den Rat
der löblichen Stadt Ulm (1523)“. Vielmehr richtet sich schon der erste
seiner 14 Bundesgenossen vom Jahre 1521 sehr scharf gegen die Bar-
flisserobservanten. Am Schluss giebt der Verf. eine Zusammenstellung
von Schatzgeyers gedruckten und ungedruckten Schriften und ein sorg-
fältig gearbeitetes Personenregister.
Baumann, Ad., Das bayerische Haudelswesen im 18. Jahrhundert,
speziell unter Kurfürst Max III. Josef. Kaiserslautern. August
Gottholds Verlagsbuchhandlung 1898.
Zur Geschichte der Kniebeugungsfrage und der Prozess
des Pfarrers Volkert in Ingolstadt.
Von
E. Dorn,
Hilfsgeistlicher in München.
(Schluß.)
B.
Pfarrer Dr. Volkert und die Kniebeugungsfrage in Ingolstadt.
Nach Ingolstadt, der alten Donaufestung, führt uns unser
Geschichtsbild. Schon frühe hatte sich daselbst nach dem Ein-
zug unseres Jahrhunderts, besonders infolge der aus den fränki-
schen Provinzen stammenden Militärpersonen, eine stattliche
evangelische Gemeinde gebildet1). Im alten, jetzt als Kaserne
verwendeten Jesuitenkollegium, wo einst die Todfeinde der Re-
formation aus- und eingingen, befand sich der Betsaal. Da er-
scholl allsonntäglich evangelische Predigt und der Gesang
lutherischer Lieder. Immer höher wuchs die Zahl der Seelen,
damit aber auch das Bedürfnis einer eigenen, größeren gottes-
dienstlichen Stätte. Da es jedoch unter der neuen Regierung
Prinzip geworden war, selbst die berechtigtsten Ansprüche
protestantischer Diasporagemeinden zurückzuweisen, so waren
auch für die Ingolstädter Gemeinde Jahre vergeblichen Bittens
und Wartens gekommen. Endlich 1840 wurde der auf tausend
Seelen angewachsenen Gemeinde die Genehmigung zur Er-
bauung einer eigenen Kirche erteilt und ein Staatszuschuß gewährt.
Bis es freilich zur Grundsteinlegung kam, verging unter Über-
windung neuer Hindernisse abermals ein Zeitraum von fünf
Jahren.
1) Entstehung und Entwickelung der Gemeinde wurde von Leidig
(Pfarrer zu Ingolstadt von 1833—1843) geschildert im II. Heft der Annalen
der protest. Kirche in Bayern, neue Folge.
Beiträge zur bayer. Kirchengescliiehte. V. 2. 5
54
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Auf diesen schwierigen Diasporaposten wurde im Jahre ,
1843 Dr. Yolkert als Pfarrer berufen. Vorher Stadtvikar zu i
Erlangen, verband er mit gründlicher theologischer Bildung 1
und ernster Wissenschaftlichkeit die gediegenste Tüchtigkeit
im praktischen Amte. Und wie sehr er von der Herrlichkeit 1
seiner evangelischen Kirche durchdrungen und von brennendem
Eifer für sie erfüllt war, das beweist auch seine Mitarbeiter-
schaft an dem bekannt gewordenen Büchlein: Die heiligen
Märtyrer der evangelischen Kirche, ein Volksbuch für evan-
gelische Christen. Da konnte der sonst so friedsame und liebe-
volle Mann für die vielfach angegriffene und in den Staub ge-
zogene Vergangenheit seiner Kirche mit scharfer Waffe und 1
feurigem Mute eintreten. Daß solch einem Manne die gegen-
wärtige Not seiner Glaubensgenossen schwer auf dem Herzen
lag, leuchtet ein, zumal ihm die Garnisons Verhältnisse gerade
den drückenden Kniebeugungszwang recht nahe vor die Augen
stellten. Doch hatte er bisher wie viele andere stille gehalten,
weil Amt und Beruf noch nicht zum öffentlichen Auftreten Ge-
legenheit gegeben hatten. Da nahte der Palmsonntag des
Jahres 1845 mit seiner vorgeschriebenen Epistel Phil. 2, 5 — 11,
wo von der Erniedrigung und Erhöhung Jesu Christi die Rede
ist, dem Gott einen Namen gegeben hat, der über alle Namen
ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer
Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde
sind u. s. w. Was lag näher, als der vom Evangelium ge-
forderten, echten christlichen Kniebeugung vor dem erhöhten
Sohne Gottes eine durch die Schrift nicht begründete, aber im
Lande von vielen tausend Protestanten verlangte Kniebeugung
gegenüber zu halten? Vom Worte Gottes mit Gewalt auf die
brennende Frage hingewiesen, hielt es der evangelische Pre-
diger für eine seines Amtes unwürdige Menschenfurcht, auch
jetzt noch zu schweigen. So führte er denn im zweiten Teile
seiner Predigt aus:1)
„Das Wort Gottes, mein heiliges Amt und Beruf zwingt mich
hier von einem Gegenstand zu reden, der schon seit Jahren allen
wahrhaft evangelischen Christen unseres Vaterlandes tiefen Kummer,
1) Das folgende aus den Personalakten geschöpft, deren Benützung
ich der Freundlichkeit des Herrn Pfarrers Volk er t von Fürth verdanke.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
55
schweres Leid und große Trauer bereitet bat und noch bereitet. Es
ist nämlich im Jahre 1838 in unserm Lande befohlen worden, daß
künftig das ganze Heer, also auch die evangelischen Soldaten vor
dem sog. hochwürdigen Gute der römischen Kirche ebenso wie die
Katholiken ihre Kniee beugen d. h. dasselbe anbeten sollen. Zwar
ist an dieser Verordnung seitdem manches geändert worden; aber
aufgehoben ward sie nicht. Nun ist es eine bestimmte Lehre unserer
evaugel. Kirche, daß das Brot im heiligen Abendmahl nach der
Einsegnung nicht in den Leib des Herrn verwandelt wird, sondern
Brot bleibt und erst beim Genuß der Leib des Herrn zugleich mit
empfangen wird. Es kann daher dem gesegneten Brot, wenn es
nicht genossen, sondern zur Schau herumgetragen wird, nach der
Lehre unserer Kirche keine Verehrung, keine Anbetung erwiesen
werden, und der Protestant, der es doch thut, begeht dadurch die
I schwere Sünde der Anbetung von etwas Geschaffenem, die Sünde der
Abgötterei. Da aber die Kniebeugung vor dem sog. hochwürdigen
Gute für den Katholiken eine Anbetung ist, so macht sich jeder
I Protestant, welcher gleichfalls davor niederfällt, der Übertretung des
1. Gebots, nach welchem man Gott allein anbeten soll, also der Ab-
götterei schuldig. Man kann sich nicht damit entschuldigen, daß
| man sagt, man bete die Hostie nicht an, man stelle sich nur so,
j indem man dem gegebenen Befehle gehorche. Wer niederfällt und
! sich nur so stellt, wie wenn er an bete, aber es doch nicht thut, der
i verfällt in eine andere Sünde, nämlich in die Sünde der Heuchelei.
I In jedem Falle ist also das Niederknieen vordem sog. hochwürdigen
I Gute für den protest. Soldaten eine schwere Sünde. Aber was ist
j zu thun in diesem Falle? Gott hat geboten, man soll ihn allein an-
I beten, die Obrigkeit befiehlt, man solle auch vor der Hostie der
! Katholiken das Knie beugen. Es ist allerdings hart und schwer,
! daß man etwas thun soll, was die Lehre der Schrift und die Kirche
I als Sünde verwirft. Es gilt in allen Dingen des irdischen Lebens,
was die Schrift sagt: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die
| Gewalt über ihn hat.“ Aber in den Dingen des Glaubens, in dem,
i was der Seelen Seligkeit anlangt, gibt es ein anderes göttlich Ge-
bot, das lautet: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Wäre ich selbst in dieser Lage, ich würde mich nie und
nimmer bewegen lassen vor dem sogenannten hochw.
i Gute des Katholiken niederzuknien; ich würde mich ent-
j setzen, ich würde mich strafen lassen — mit jeglicher
| Strafe; aber die Sünde der Abgötterei würde ich doch
nicht begehen. Es sind manche unter euch, die dem Krieger -
j stände angehören, die vielleicht, ohne daß sie selbst bedacht haben,
was sie thun. diese Sünde schon öfters begangen haben ; manche,
I die vielleicht leichtsinnig genug sind, sie auch in Zukunft zu be-
j gehen. 0 Geliebte! ich ermahne und warne Euch kraft meines
56
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
heiligen Amtes: bedenket wohl, was ihr thut; hütet euch, die e
Sünde der Abgötterei und der Heuchelei zu begehen. Wenn ihr ä
euern Vorgesetzten dadurch, daß ihr euch nach der Lehre der j
Schrift und euerer Kirche haltet, als ungehorsam erscheinet, erduldet
lieber alle und jede Strafe, als daß ihr euer Gewissen mit einer be-
wußten Sünde belastet. Davon müßt ihr einst vor Gottes Richter-
stuhl Rechenschaft geben und ihr habt keine Entschuldigung ; denn 1
es ist euch gesagt worden, daß das Niederknien vor dem sog. hochw. t
Gut für euch, die ihr Protestanten, die ihr evangelische Christen (
seid, in jedem Falle Sünde sei. Vor ihm selbst also, vor ihm, i
unseren erhöhten Heiland und Mittler Jesus Christus, der im Himmel
7 • . i
thront, vor ihm, den der Vater deswegen, weil er sich für uns aufs
tiefste erniedrigt hat, damit er uns erlöse von allen Sünden, vom i1
Tod und von der Gewalt des Teufels, zu seiner Rechten gesetzt hat, I
vor ihm sollen wir unsere Kuiee beugen und bekennen, daß er der
Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters !u —
Es sind einfache, aber klare und freimütige Worte, die
der evangelische Pfarrer damit seiner Gemeinde gesagt hat.
Einige Tage vorher war das Urteil in Sachen Redenbachers
bekannt geworden und hatte berechtigte Bestürzung hervor-
gerufen. Gar deutlich mußten also Volkert die Gefahren eines
ähnlichen Vorgehens vor Augen stehen. Allein Amt und Be-
ruf, Wort Gottes und Gewissen riefen. Auch das Recht hatte
der Zeuge auf seiner Seite. Hatte er ja nur erfüllt, was am
4. April 1844 mit allerhöchster Genehmigung vom Oberkonsi-
storium an die Geistlichen betreff ihres Verhaltens erlassen j
worden war.
Allein was galt in jenen Tag noch das Gewissen eines
evangelischen Christen, was galt noch Recht? Pfarrer Volkert
sollte es in eigener Person aufs bitterste erfahren. —
Zeiten des Drucks sind ein besonders günstiger Boden für
knechtische Gesinnung und überzeugungslosen, blinden Gehor-
sam ; auch die Giftpflanze des Denunziantentums blüht da gerne
auf. So hatte sich dort am Palmsonntag unter den Zuhörern
Volkerts ein protestantischer Offizier befunden, der es für seine
Pflicht erachtete, die Warnung seines Seelsorgers eilends bei
der Vorgesetzten Militärbehörde zur Anzeige zu bringen. Die
Denunziation fand auch sofort offene Ohren. Noch bevor der
April verging, war die ganze Angelegenheit schon beim Mini-
sterium anhängig und bei dem Kreis- und Stadtgericht München
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
57
eine Untersuchung eingeleitet. Zu Ingolstadt selbst wurden
alsbald 10—12 Personen aus dem Militär- und Civilstand ver-
nommen, welche Aussagen über die inkriminierte Predigt machen
sollten. Erst anfangs Juli erhielt Volkert selbst die Aufforderung,
sich beim Landgericht Ingolstadt zu verantworten. Mit Staunen
mußte er hier erfahren, wie entstellt jener Predigtabschnitt über-
bracht worden war. Ja, nicht lange währte es, so vernahm
er zu seinem nicht geringen Schrecken, daß die Untersuchung
bereits nnter dem Titel „wegen Verbrechens der Störung der
öffentlichen Ruhe durch Mißbrauch der Religion“ gegen ihn
obwalte. Und noch hatte die protestantische Kirchenober-
behörde nicht die geringste amtliche Anzeige von dieser
gravierenden Beschuldigung eines ihrer Untergebenen erhalten.
Sofort wandte sich darum Volkert selbst ans Oberkonsistorium
und verantwortete sich in überzeugender Weise gegen genannte
Anklage :
„Er habe trotz genauester Nachfrage nicht erfahren können,
schreibt er, daß nur im mindesten die öffentliche Ruhe gestört wor-
den sei. Und nun gar Störung durch Mißbrauch der Religion !
Sollte das Verhalten eines Geistlichen diese Bezeichnung verdienen,
der mit keinem Wort der Lehre seiner Kirche untreu geworden ist?
Und dazu komme, daß er nicht ein Wort gesprochen, wozu ihn
nicht besonders auch der Erlaß der kirchl. Oberbehörde vom 4. April
1844 ermächtigte. Aber wenn auch das letztere nicht der Fall ge-
wesen wäre, so hätte ihn Amt und Pflicht treiben müssen, so zu
sprechen, wie er gesprochen. Vor Gott und seinem Gewissen wisse
er sich rein von dem Vorwurf des Mißbrauchs der Religion zur
Störung der öffentlichen Ruhe. Er vertraue darum auf eine ent-
schiedene Vertretung seiner Sache.“
Daraufhin erfahren wir von der Untersuchung nichts mehr
bis zum Januar des kommenden Jahres 1846.
Unterdessen waren draußen auf dem Schauplatz der Zeit-
geschichte wichtige Ereignisse eingetreten.
Die Landtagsperiode 1845/46 nahte. Die Wahlen ließen
eine starke Opposition erwarten. Abel fürchtete besonders die
Wiederwahl des Professors Harleß. Da geschah das unerhörte:
Harleß wurde Ende März 1845 nach Bayreuth als zweiter
Konsistorialrat versetzt. Eine Neuwahl von seiten der Uni-
versität war damit für ihn ausgeschlossen. Welch ein Verlust
das für die protestantische Sache im Landtag war, wurde all-
58
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
gemein mit tiefem Schmerz und gerechter Entrüstung wahr-
genommen1). Welch ein Schlag aber diese trotz verschiedener
Vorstellungen festgehaltene Regierungsentschließung für Har-
leß selbst war, liest man nicht ohne Mitgefühl in seiner Auto-
biographie. Er vermochte nicht allzulange in dem seinen
Neigungen widersprechenden Wirkungskreis zu bleiben; schon
im Herbst desselben Jahres folgte er einem Rufe nach Leip-
zig2). — Inzwischen aber waren unausgesetzt aus den ver-
1) Gleichzeitig war die Quieszierung des O.K.R. v. Niethammer
erfolgt. Die Berliner Allg. Kirchenz. (1845, XXIX) bringt hierzu
folgende Korrespondenz aus Bayern: „Die plötzliche Quieszierung des als
Gelehrter wie als Kirchenbeamter gleich riihmlichst bekannten ältesten
geistlichen O.K.R. Dr. v. Niethammer, dem man auf diesem Gebiet
Männer seiner Bedeutung keineswegs bei uns an die Seite zu setzen ver-
mag, war anfangs für alle ein Gegenstand allgemeinen Erstaunens, bis
jetzt die Sache klar wurde; Niethammers Nachfolger wird der Kons.-
Rath Gabler bei dem Prov.-Konsist. Bayreuth, und dessen Stelle erhält
der von der Universitätslaufbahn abgerufene Prof. Dr. Har keß in Er-
langen; dieser ist somit vom nächsten Landtag entfernt. So wird der
Himmel über der protest. Kirche Bayerns immer finsterer,
und man möchte beten: Herr, bleibe bei uns, denn es will
Abend werden, und der Tag hat sich geneiget. Möge der
Allmächtige bald Hilfe senden und bis dahin die Schwer-
gedrückten bewahren vor allen unerlaubten Ausbrüchen
eines nur zu gerechten Schmerzes.“ cf. ferner a. a. 0. XXX,
S. 302.
2) Nach Harleß’ Austritt aus der bayerischen Landeskirche fand
zwischen dem bayerischen Kronprinzen Maximilian, mit dem ersterer
bisher in reger Korrespondenz gestanden (cf. Bruchstücke etc. S. 52),
und dem Präsidenten v. Roth ein Zwiegespräch statt, das durch letzteren
aufgezeichnet einige beleuchtende Ergänzungen zu Harleß’ Selbsterzählung
von S. 53 — 73 zu geben vermag:
„Es war am 31. Aug. 1845“ — so erzählt v. Roth — „Da sprach
der Kronprinz sein lebhaftes Bedauern gegen mich aus, daß Harleß aus
dem Lande geht, schien aber verwundert, daß er es nicht von ihm selbst
erfahren, der früher mehrmals an ihn geschrieben habe. Im Laufe des
Gesprächs erzählte ich aufrichtig, wie ich selbst gewissermaßen Anteil
an der unglücklichen Verwickelung gehabt, deren letzte Folge jener Aus-
tritt sei, daß ich nämlich am 20. Jnnuar 1842, da meine selige Frau am
Sterben war, durch eine Botschaft überrascht worden sei: Harleß solle
mit Zulage bleiben, aber versprechen zum nächsten Landtage nicht zu
kommen (cf. Brachst. S. 54, wonach Harleß seine Berufung nach Rostock
1841 unter der Bedingung ablehnte und dies auch dem Ministerium an-
zeigte, daß ihm eine Aufbesserung des Gehalts zu Teil wurde; letztere
wird hier nun allerdings mit an eine andere Bedingung geknüpft); daß
ich, wie mir aufgetragen worden, alsbald eine Staffete mit einigen Zeilen,
deren Inhalt bei der großen Gemütsbewegung mir nicht im Andenken
geblieben, an Harleß abgesandt habe; — Roth meint hier den S. 55 ge-
druckten Brief in Harleß’ Autobiographie. — Daß mir einige Zeit
darauf. .ein Brief von Harleß zugekommen sei, in dem er klagte, daß
meine Äußerung auf jene Botschaft andern bekannt geworden sei, da ihm
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
59
schiedensten Dekanatsbezirken dringliche, direkt an den König
gerichtete Bittschriften nm endgiltige Aufhebung des drücken-
den Kniebeugungszwangs beim Oberkonsistorium eingelaufen und
auch von letzterem mit besonderer Betonung der schwierigen
Lage der Geistlichkeit aufs lebhafteste vertreten worden. Eine
Beschwerde des Dekanats Nürnberg vom 7. April 1845 sollte
unmittelbar dem Monarchen unterbreitet werden, hatte aber
dem herrschenden Unwillen bereits in solcher Sprache Aus-
druck verliehen, daß das Kirchenregiment dieselbe nicht be-
fürworten konnte. Dagegen reichte das letztere, durch die
Vergeblichkeit erneuter Schritte vom 18. Juni und 28. Juli
nicht müde gemacht und durch die bedenklich gewordene Un-
ruhe unter der Geistlichkeit erschreckt, am 1. Dezember 1845
eine abermalige Vorstellung direkt beim König ein. Ja, —
nun hielt es auch der Präsident v. Roth an der Zeit, seinen
ganzen persönlichen Einfluß aufzubieten und das Vertrauen, das
ihm König Ludwig schenkte, zu gebrauchen. Am 2. Dezember
1845, dem Tag nach der letzten Immediateingabe des Ober-
konsistoriums, wandte er sich in einem Privatschreiben an die
Person des Landesfürsten:
„Ew. K. Maj. gehorsamstes, von der wärmsten Anhänglichkeit
beseeltes protestantisches Oberkonsistorinm hat an Allerhöchstdieselben
unmittelbar die ehrfurchtsvollste Bitte nm gänzliche Entbindung der
prot. Militärpersonen von der Kniebeugung vor dem Sanctissimum
der kath. Kirche gerichtet. Nur die gleiche Anhänglichkeit von
Ew. K. Maj. gekannt und oftmals anerkannt gibt mir den Mut,
dazu noch in eigenem Namen folgendes ehrfurchtsvoll vorzulegen:
Daß die Aufregungen der protest. Unterthanen Ew. K. Maj.
wegen der Verpflichtung der Glaubensgenossen im Heere zu ge-
dachter Kniebeugung fortdauern und sogar im Steigen sind, darüber
lassen die auf den protest. Diöcesan-Synoden neuerdings gefallenen
ein Abgeordneter, den er nicht nannte, die Verpflichtung vorgehalten
habe, seinen Platz im Landtage nicht aufzugeben-, daß ich darauf keine
Antwort gegeben habe; daß der König in der Meinung, Harleß käme
zum Landtage nicht, geblieben sei, diese auch auf der Durchreise in Er-
langen geäußert habe. Auf die Frage des Kronprinzen, ob ich nicht dem
König von jenem Briefe von Harleß an mich Kenntnis gegeben, ant-
wortete ich, daß dazu kein Anlaß noch Gelegenheit gewesen sei (siehe
auch Bruchstücke etc. S. 62 oben). Er wünschte nun, daß ich Harleß
sein großes Bedauern über dessen Austritt und dabei seine zuversicht-
liche Erwartung ausdrücken möchte, daß ihm Bayern niemals würde fremd
werden. “
60
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Äußerungen keinen Zweifel. Namentlich ist diese Aufregung durch
das Straferkenntnis gegen Redenbacher noch vermehrt und besonders
durch eine Stelle in diesem Erkenntniß, wo von den offenen Wegen
der Beschwerde die Rede ist, verschärft worden. Ich habe, ohne die
mir mehrmals vorgehaltene Gefahr eines schmählichen Verdachts zu
scheuen, eifernde Geistliche abgemahnt, aber nie mit einigem Erfolg.
Die Mißstimmung ist deshalb so weitgreifend, weil sie nicht von
einer Seite und von einem Standpunkt, sondern von mehreren zu-
gleich ausgeht und nicht nur von Inuen, sondern auch von Außen
her genährt wird. In ihr kommen Leute überein, die sonst geschie-
den sind. Zufriedene und Unzufriedene, Freunde des Bestehens und
der Neuerung, Anhänger des kirchlichen Lehrbegriffs und Gegner
desselben. Erregt und unterhält bei den einen die Verpflichtung
ihrer Glaubensgenossen zu einer Handlung, worinnen sie die Ver-
leugnung ihres Bekenntnisses sehen, das tiefste Leid, so wird bei
den andern durch die Meinung, welche insbesondere tausende
Stimmen aus dem Auslande immer neu anfachen, das öffentliche
Recht des Protestantismus sei verletzt, ein bitterer Groll erzeugt.
Der Kummer, den mir diese sich unaufhörlich aufdringende
Beobachtung verursacht, wird mich wohl nicht zu Übertreibungen
verleiten, wenn ich als Wirkung jener Mißstimmung eine bedenk-
liche Trennnng fürchte, nicht eine Trennung des Landes, aber der
Gemüter. Um nur eine schon beginnende Erscheinung anzuführen, so
werden protest. Prediger, welche wie Redenbacher auftreten, von den Ge-
richten verurteilt, von den Gemeinden als Märtyrer betrachtet werden.
Noch weiter und schlimmer wird der vorsichtige Eifer von mehr
andern wirken, die anstatt dessen, was den christlichen Glaubens-
bekenntnissen gemeinsam ist, das Unterscheidende davon unter dem
Schutze des Systems und in der ganzen Härte desselben auslegen.
Wenn das Schicksal der einen die Gemüter der Regierung entfremdet,
so erweckt das Thun der andern Abneigungen wieder, die sich
längst gelegt hatten. Was zu allen Zeiten, aber zumeist in dem
jetzigen Zustande Deutschlands von unschätzbarem Werte ist, die
Eintracht der Unterthanen, wird dadurch schwer bedroht.
Ew. K. Maj. haben bereits eine höchst beträchtliche Ver-
minderung der Anlässe, protest. Militärpersonen zur Kniebeugung
anzuhalten, angeordnet. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß
diese Erleichterung nicht so wie bei irgend einer andern Last ge-
fühlt wird. Nur die gänzliche Befreiung der Protestanten von dieser
Verpflichtung kann den Gemütern den Frieden geben. Da aber Ein-
richtungen, wodurch jene Befreiung ohne wreitere Abänderung der
Ordre vom August 1838 möglich 'würde, nicht ausführbar sein
dürften, so stelle ich in der tröstlichen Zuversicht, daß E. K. M.
meiner redlichen und auf das allgemeine Wohl und auf festes Glück
für allerhöchstdero Regierung gerichteten Absicht nicht verkennen
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
61
werden, den ehrfurchtvollsten Antrag, daß „Ew. K. Maj. geruhen
die erwähnte Ordre dergestalt abändern zu lassen, daß protestantische
Militärpersonen in keinem Fall zur Kniebeugung vor dem Sanctissi-
mum angehalten werden.
Noch sei mir vergönnt, gegen ein Bedenken, wenn ich nicht
irre das wichtigste, das sich diesem Antrag entgegenstellen möchte,
ehrerbietigst zu bemerken, daß im Jahre 1831 eine Maßregel, die
nicht nur staatsrechtlich weit minder angreifbar war, sondern auch
minder bedenkliche Verstimmung hervorgerufen hatte, zurückgenommen
wurde, ohne daß dadurch dem königlichen Ansehen der mindeste
Abbruch geschah. Die großen Beweggründe, die Ew. K. M. zu der
Vorkehrung, auf die ich ehrfurchtsvoll antrage, bestimmen dürften,
stehen in solchem Lichte, daß darüber sich oder andere zu täuschen
unmöglich wäre. u
Dem König* war schon seit einiger Zeit die Erkenntnis
aufgegangen, daß er sich bisher über vieles sowohl selbst ge-
täuscht als auch von Abel habe hinwegtäuschen lassen. Be-
vorzugung der katholischen Kirche auf Kosten der Parität oder
gar zur Unterdrückung der protest. Unterthanen war nie seine
Absicht gewesen. Er hat von Anfang an alle Versuche der
klerikalen Partei und namentlich Abels, den Jesuitenorden in
Bayern einzuführen, mit Entschiedenheit zurückgewiesen1).
Nach den widerlichen Vorgängen, die sich bei den Trauer-
feierlichkeiten der protestantischen Königin Mutter Caroline
im Jahre 1841 abspielten2), erklärte der König selbst dem Bi-
schof Riedl zu Regensburg in dem ihm eigenen Briefstil:
„Sie habeu drei würdige Vorgänger; daß Sie vorzüglich Sailer
nackahmen, wünsche ich. Er war wahrhaft apostolischen Geistes.
Was ich fiir’s Beste unserer heil. Kirche getliau, meine in’ s 17. Jahr
gehende Regierung zeigt es. Gegen Fanatismus bin ich, er bewirkt
das Gegenteil dessen, was er bezieh. Fromm sollen meine Bayern
sein, aber keine Kopfhänger. Ich wiederhole es, Sailer sei Ihnen
Vorbild. Obgleich er jetzt in den Staub gezogen wird, war dennoch
der wahre christliche Sinn in ihm und wirkte das Gute“3).
1) Heigel, König L. S. 214.
2) v. And law, Mein Tagebuch. Auszüge aus Aufschreibungen der
Jahre 1811—1861 II. S. 44..
3) Heigel, a. a. 0. S. 216. Hier wird auch im Anschluß an das un-
würdige Auftreten der Klerikalen bei den Trauerfeierlichkeiten Carolinens
ein Erlaß Abels (vom 2. Dez. 1841) erwähnt, dem offenbar die eigenen
Worte des Königs zu Grunde liegen: „Es ist Befehl Sr. Maj. des Königs,
die sämtlichen Erzbischöfe und Bischöfe, darauf aufmerksam zu machen,
wie auch in kirchlichen Sachen jedes Übertreiben den Keim des Todes
62
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Die Kniebeugungsangelegenheit betrachtete er nicht als eine
protestantische Gewissens- oder Dogmen-, sondern als „eine
protestierende Oppositionsfrage \ Außerdem läßt sich verfolgen,
daß gewöhnlich während seiner Abwesenheit von München
politische Kundgebungen erfolgten und auch das Ministerium
besonders verletzende Schritte unternahm, die mit dem Be-
streben des Königs, die Parität zu wahren, in Widerspruch
traten* 1). Über die Stimmung im Lande wurde der König im
Ungewissen gelassen. Zum erstenmal wurden seine Augen über
die zu weit gehende Handlungsweise Abels in jener bekannten
Staatsratssitzung vom Februar 1845 geöffnet. Nun kam noch
der freimütige Bericht des vordem so zurückhaltenden Präsi-
denten v. Roth hinzu. Die darin geschilderte und mit solcher
Sprache geschilderte Lage machte den König betroffen. Daß
die Maßregel der Kniebeugung solch eine Tragweite angenommen,
eine Aufregung von solcher Tiefe und Allgemeinheit gezeitigt
habe, hätte er nicht erwartet. Gerechtigkeit war stets sein
Stolz gewesen2). — Am 12. Dezember 1845 — zehn Tage
in sich trage, und daß im Geiste Sailers, dem echt apostolischen, die
jungen Geistlichen gelehrt und erzogen werden sollen.“ Am 23. Juli 1842
endlich erklärte ein Regierungsreskript, es werde von Staatswegen
den Bemühungen des Klerus zur Wiederbelebung der positiven Glaubens-
lehre der kräftigste Vorschub geleistet, es werde aber nicht geduldet
werden, daß auf den Kanzeln durch böswillige Angriffe der Religions-
friede gestört und der Streit über abweichende Glaubenslehren in das
Gebiet der Parteiwut und Leidenschaft herabgezogen werde.“ — Der aus
Görres* Schule hervorgegangene, anonyme Verfasser von „Kirche und
Staat etc.“ bezeichnet zwar solche von der gerechten Gesinnung des
Königs eingegebenen Erlasse als Ausflüsse „des Gelüstes sogenannter
Souveränitätsrechte über die Kirche“ und führt sie als weitere Beweise
(zu den von uns schon S. 22 Anra. 1 der vorigen Nummer erwähnten)
an, wie die Regierung unter Abels Ministerium auch in die Rechte der
katli. Kirche mit tyrannischer Hand eingegriffen hätte. Ileigel bemerkt
hierzu: Die Ansprüche und Forderungen dieser Partei waren eben ge-
stiegen im Verhältnis mit den ihnen gemachten Zugeständnissen.
1) cf. den oben erwähnten Erlaß Abels vom Februar 1839, ferner den
bei Hei ge 1 a. a. 0. S. 218 erwähnten Befehl an die Generalsynoden
1844.
2) Es ist darum, wie schon Seite 7 dieses Bandes angedeutet wurde,
die Behauptung nicht richtig, die sich Krüger in Giessen in Hases Kirchen-
geschichte gestattet: „In Baiern hat Ludwig I. zur Zeit des eifrig katholi-
schen Ministeriums Abel Friedrich v. Roth, einen würdigen Mann in Luthers
Geist und Glauben, (1828) ausdrücklich deshalb zum Präsidenten des
~ Oberkonsistoriums ernannt, um durch ihn das luth er i sehe Bekennt-
nis zum Katholizismus zurückzuführen und Roth sah dies
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
63
nach Roth’s Briefe — erfolgte die endgiltige Beseitigung
der beschwerendsten Punkte der Ordre. Und noch am
selbigen Tage teilte der König durch ein Handbillet dem Präsi-
denten die getroffene Entscheidung mit:
..Herr Präsident des Oberkonsistoriums v. Roth!
Was ich soeben an Meinen Kriegsminister erlassen habe, teile
ich Ihnen übenanstehend in Abschrift zur Wissenschaft mit.u
An den Kriegsminister Freiherrn v. Gumppenberg!
Sie haben zu erlassen:
S. Maj. der König haben durch allerhöchstes Signat vom
12. Dezember, auf solange Allerhöchst dieselben nicht
anders verfügen, zu befehlen geruht, daß die Ehrenbezeugung
vor dem Hoch würdigsten von allen zu der Linie gehörigen Truppen
in den nachbenannten Fällen künftig wieder nach der vor der
Ordre vom 14. August 1838 vorgeschrieben gewesenen Form
vollzogen werden solle:
1. Wenn von einer Wache zur Begleitung des Hochwürdigsten
Soldaten abgegeben werden.
2. Wenn eine Wache bei dem Vorbeitragen des Hoch würdigsten
auf das Herausrufen der Schildwache unter das Gewehr tritt.
8. Wenn eine im Marsch begriffene Truppenabteiluug dem Hoch-
würdigsten begegnet und im Marsche bleibt.
4. Wenn der Priester, welcher mit dem Hochwürdigsten einer im
Marsch begriffenen Trüppenabteilung begegnet, derselben den
Segen zu erteilen sich anschickt und daher der Marsch unter-
brochen wird.
5. Wenn das Hochwürdigste an Truppen, welche sich in der Auf-
stellung befinden, vorübergetragen oder denselben der Segen
damit erteilt wird.
In allen übrigen Fällen und Beziehungen hat es bei
den zur Zeit bestehenden allerhöchsten Bestimmungen
zu verbleiben.
als seine göttliche Bestimmung an.“ — Am allerwenigsten aber
dürfte der Beweisgrund stichhaltig sein, der weiterhin dafür angeführt
wird: „Seitdem wurde in Erlangen die theologische Fakultät mit ortho-
doxen Professoren besetzt, in München ein Predigerseminar derselben
Richtung eingerichtet.“ Gerade die „orthodoxen“ Professoren, wie Har-
leß und andere waren es, die zu gleicher Zeit, wo Görres in seinen
historisch-politischen Blättern unter dem Schutze des Abel’sc.hen Re-
giments den Kampf wider den Protestantismus eröffnete, in der Zeit-
schrift „Protestantismus und Kirche“ mit scharfer Waffe dagegen die
Verteidigung führten und so die beste Stütze für die bayerischen
Protestanten wurden. Man vergleiche nur die Jahrg. 1838, S. 46, 114,
125, 131; 1839, S. 20, 69; 1840, S. 32, 81; 1841, I 16 und 131, II 185
und 207; 1842, III S. 1, 19, 101; 1843, V S. 77; VI S. 1 u. 48; 1845,
X S. 73; 1846, IX S. 133 u. XII S. 37 u. a.
64
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
So war denn nach einem siebenjährigen Kampf, in welchem
Stück nm Stück das gute Recht abgedrungen werden mußte,
das stärkste Ärgernis beseitigt. Die erschwerendsten Fälle
in der Anwendung der unglückseligen Kniebeugungsordre waren
aufgehoben, wenn gleich der Zusatz „so lange Allerhöchst die-
selben nicht anders zu verfügen geruhen u, sowie der Schluß-
hinweis auf diejenigen Beziehungen, wo es bei der bisherigen
Bestimmung verbleiben solle, das Prinzip, daß der Protestant
ohne Glaubensverleugnung vor dem Venerabile nicht knieen
kann, als solches auch nicht anerkennt, vielmehr die Mög-
lichkeit zuläßt, daß der frühere drückende Zustand wieder
herbeigeführt werde. Dennoch glaubten die oberste Kirchen-
behörde und mit ihr alle Protestanten dem Könige auch dafür
von Herzen dankbar sein zu müssen. Ex officio ist die Auf-
hebung der Kniebeugungsordre in ihrem ganzen Umfange bis
auf diesen Tag noch nicht verfügt, sondern nur durch die still-
geduldete Praxis herbeigeführt worden1)
Zu dem geschilderten Umschwünge Hat außer Roths frei-
mütigem Briefe gewiß nicht wenig die Nähe des neugewählten
Landtags beigetragen, der eine stärkere Opposition als je
zuvor aufwies. Hatte doch Abels Regierungssystem selbst
unter denen den Geist des Widerstandes wachgerufen und all-
mählich gereift, die bisher furchtsam im Hintergrund gestanden.
An der Spitze der Opposition standen wiederum die liberalen
Aristokraten Freiherr v. Thon-Dittmer, Max v. Lerchenfeld,
außerdem der Dekan Bauer und der pfälzische Rechtsanwalt
v. Willich. Zum Präsidenten wurde gewählt Hermann v. Roten-
han, der tapfere protestantische Franke. An Stelle des bis-
herigen Abgeordneten der Erlanger Hochschule Harleß war
der Kirchenrechtslehrer Adolf v. Scheurl getreten. Gleich am
Anfang kam es wegen der Urlaubsverweigerung gegenüber
sieben protestantischen Abgeordneten zu heftigen Auftritten
wider Abel, die sich bei Verhandlung der Beschwerde-
vorstellungen der protestantischen Generalsynoden in den
Monaten April und Mai 1846 noch verschärften. Wiederholt
1) Siehe auch die Ausführungen bei Harleß, Bruchstücke aus dem
Leben etc. S. 66.
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
65
hat y. Scheurl in die Debatten eingegriffen und die Kechte
seiner Kirche gegen Abels Willkür mit Thatkraft und juridischer
Schärfe verfochten1). Als intimer Freund unserers Pfarrers
Volkert stand er mit demselben in lebhaftem Briefwechsel. So
liegt uns aus dieser Zeit ein Schreiben vor, das auch interessante
Streiflichter auf Personen und Zustände jener Tage wirft, am
Schluß aber Volkerts Sache berührt und damit zu unserem
Gegenstand zurückführt :
Nach einigen einleitenden Bemerkungen persönlicher Art schreibt
der Freund: „Die wirkliche Einberufung zum Abgeordnetenhaus,
nachdem ich längst mich sicher geglaubt hatte, erfüllte mich mit
großer Bangigkeit, erschütterte mich durch und durch. Kränklich
zumal ging ich diesem neuen schweren Beruf, der freilich zugleich
auch etwas erhebendes hat, mit einem gewissen Grauen entgegen.
Aber schon bei der Abreise war ich getroster, gestärkt durch eine
unvergeßliche Abendmahlsfeier am ersten Adventssonntage. Hier gab
mir der glückliche Anfang und das Gefühl, der Herr sei mit uns,
viele Freudigkeit.“ — Darauf folgt eine Schilderung der aufgeregten
Kammerverhandl ungen vom 12. und 13. Jan. 1846, wo es sich um
die Urlaubsverweigerung gegen den Rechtsanwalt v. Willich und
dessen Reklamation handelte. Scheurl nahm hierbei aus bestimmten
staatsrechtlichen Gründen den Regierungstandpunkt ein. Er sagt
weiter: „Nach mehr als sechsstündiger Debatte wurde die Sitzung
vom 12. Januar abgebrochen. Ich kam halbtot gegen 4 Uhr nach
Hause, so daß die mich erwartende Nachricht von meines Lehrers
Puchta Tod, einem der herbsten Verluste, die mich treffen konnte,
ganz stumpf fand. Am nächsten Tage gings besonnener her, ich
hatte aber doch große Angst vor dem Sprechen, wozu ich indessen
gleichwohl fest entschlossen war. Ehe ich aber trotz unendlich
vieler Bemühungen zu Wort kommen konnte, wurde der Schluß der
Debatte beschlossen. Aus Abels Rede, die wieder wahrhaft be-
wunderungswürdig war, wie alle Reden dieses heroischen Bösewichts,
merkte ich, daß, wenn die Reklamation angenommen würde, die Auf-
lösung der Ständeversammlung und dann eine unabsehbare Kette von
Unheil gewiß wäre, froh, daß ich mit Überzeugung dagegen stimmen
konnte, schrie ich in meinem Innern zu Gott, er möge einen glück-
lichen Ausgang geben und gegen meine Befürchtung geschah es
1) Über von Scheurls Lebensgang und kirchliche Bedeutung wurde
nach seinem Tode in der Allgem. evangel. lutherischen Kirchenzeitung
1893 S. 403 ff . durch Adolf v. Stählin näheres berichtet. Das Ganze
ist auch als Separatabdruck erschienen. Leipz. 1893. v. Scheurl war
seit 1836 (wie Hofmann) Privatdozent in Erlangen, seit 1845 ordentlicher
Professor des röra. Rechts und Kirchenrechts, 1845 — 49 Landtagsabge-
ordneter und Mitglied der altliberalen Partei.
66
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
also: eine schwache Majorität — daß sie so schwach war, hatte
seine gute Seite — verwarf die Reklamation. Nachher erfuhr man,
daß die Auflösung für den entgegengesetzten Fall fest beschlossen
war. — Ich hege nun wieder die besten Hoffnungen. Die römische
Partei ist unglaublich schwach, ebenso die servile. Abel hat nicht
mehr des Königs volles Vertrauen und die Stände ganz gegen sich.
Mit Besonnenheit und Festigkeit läßt sich jetzt unter Gottes Segen,
der sichtbar mit uns ist, selbst nach bloß menschlichem Ansehen
viel erreichen. Schon kommt eine Konzession nach der andern.
Wir rüsten uns aber zu nachdrücklichen, rücksichtslosen Beschwerden.
Ich hoffe mehr für unsere Kirche, als für das Land; die Knickerei x)
halte ich noch für unbesieglich.
An Mannigfaltigkeit scheints unserer Geistlichkeit nicht zu
fehlen, wenn nicht beim einen oder andern der Lärm der Rede
größer ist als die Standhaftigkeit im Handeln. Bauer und Scholler
sind mir zu geschwätzig, der gute treue Wagner zu hitzig, auch
ist mir bange, daß das Hätscheln der großen Herrn in der ersten
Kammer, welche in ihm ein gutes Werkzeug gegen Abel erblicken,
ihm ein wenig den Kopf verrücken möchte. Für sich hat Abel
durch die Beseitigung von Harleß und Tücher eher verloren als ge-
wonnen, aber für das Land hat sie doch großen Schaden gebracht,
glaube ich. Außer Rotenhan halte ich für die bedeutendsten und
am besten wirkenden Abgeordneten Friedrich und Heinz. Möchte
Briegleb Recht behalten, der von mir nach Erlangen schrieb, er
hoffe, ich werde ein „nützliches Kammerglied “ werden. Glänzen
werde und will ich nicht; aber nützlich zu werden, ist mein auf-
richtiges Streben. —
Am Schluß heißt es: „Deinetwegen darf man nun ganz ruhig
sein ; ich freue mich dessen herzlich. Möge der Herr Dir durch
Segen in stiller Wirksamkeit ersetzen, was Du als unfreiwilliger
Kämpfer erlitten hast. Redenbacher erhielt seine Berufung nach
Preußen in dem Augenblick, als die Beseitigung der Kniebeugung
in Nürnberg bekannt wurde. Es fehlt ihm jetzt an Reisegeld und
er ist endlich bereit, Unterstützung von vermögenden Freunden an-
zunehmen. In Augsburg und hier wird für ihn gesammelt auf Ein-
ladung von Nürnberg aus, um ihm Anerkennung und Hilfe zu ge-
währen. München, den 18. Jan. 1846.“
Die Hoffnungen des edlen Freundes sollten freilich nicht
in Erfüllung gehen. Mitte Januar 1846 war vielmehr vom
Kreis- und Stadtgericht München gegen Volkert die General-
untersuchung eröffnet worden „wegen Verbrechens der
1) Diese schildert auch Sugenheim in der Vorrede zu „Bayerns
Kirchen- und Volkszustände im 16. Jahrhundert“ und Hei ge 1 a. a. 0.
S. 224 ff.
E. Born, Kniebeugungsfrage.
67
Störung öffentlicher Ruhe durch Mißbrauch oder Vor-
wand der Religion.“ Damit war das Ungesetzliche ge-
schehen, daß der Beschuldigte einem Gerichtshöfe zur Unter-
suchung und Verantwortung unterstellt wurde, der gar nicht
kompetent war. Denn klipp und klar lag im Strafgesetzbuch
(VII. Titl. Art. 482) der Satz vor: „Wegen des Amtsver-
brechens eines Staatsbeamten oder anderer öffentlicher Diener
kann die Generaluntersuchung nur von der Vorgesetzten Amts-
behörde eröffnet und vollführt werden.“
Redenbachers Anwalt, Dr. Kraft von Nürnberg, übernahm
auch Volkerts Verteidigung in bereitwilligster Weise. Schon
am 26. Januar ging eine mannhafte und juristich wohl be-
gründete Erklärung an das Kreisgericht ab, worin der Be-
schuldigte sich vor allem dagegen verwahrt, daß ein Kriminal-
gericht ihn wegen einer von ihm gehaltenen Predigt vor seinen
Richterstuhl ziehe, während doch dazu seiner Vorgesetzten Amts-
behörde allein das Recht zustelie.
Von dem allem erstattete darauf Volkert Bericht an seine
Vorgesetzte Behörde. Damit war nach seiner Meinung der
Zeitpunkt gekommen, wo dieselbe nach den mit Redenbacher
gemachten Erfahrungen aufs nachdrücklichste eingreifen und
seine Sache zu der ihrigen machen mußte, was sie um so
leichter thun konnte, da Volkert ja nur nach den Intentionen
des vom Oberkonsistorium selbst gegebenen Erlasses gehandelt
hatte. Doch geschah dies nicht in der von Volkert gewünschten
Entschiedenheit. Auch verbat sich Abel in einem Reskript vom
14. Febr. 1846 jegliche Einmischung von seiten der kirch-
lichen Oberbehörde in die anhängige strafrechtliche Unter-
suchung. v. Scheurl suchte in einem neuen Brief den ent-
täuschten Freund zu beruhigen:
„Nach meiner bestimmten Überzeugung steht es mit Deiner
Sache bei weitem nicht so schlimm, als Du meinst. Ich glaube,
man will sie nur zu einem formellen Abschluß bringen. So weit
wenigstens der Einfluß der Regierung auf das Urteil der Richter
geht, ist gewiß nichts zu besorgen. Nachdem mau in den säuern
Apfel gebissen hat, die Ordre selbst zurückzunehmen, um die Auf-
regung darüber zu beseitigen, wird mau sie nicht durch einen neuen
Richterspruch wieder erwecken wollen. Der Unterschied, daß Du
bloß gepredigt, Redenbacher aber drucken ließ, ist von höchster Be-
68
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
deutung. Die Pflicht so zu predigen, ist sehr leicht, die Pflicht der-
gleichen durch den Druck zu verbreiten, sehr schwer darzuthun. Des-
halb kann auch das Oberkonsistorium Dich unbedingt in Schutz
nehmen Die Beschwerden unserer Kirche, alles umfassend, worüber
die bekannten Bescheide vom April 1845 ergangen sind, hat Bauer
und Langhut eingereicht und sie haben bereits eine Klippe über
Erwarten glücklich überstanden. Den Vortrag darüber im Beschwerde-
ausschuß, welchen ich zu erhalten gehofft hatte, hat Goetz bekommen.
Nachdem es geschehen, danke ich Gott, daß ich eine große Ver-
antwortung weniger habe. Wozu ich dennoch Gelegenheit und An-
laß bekomme, das will ich mit Gottes Hilfe gern und gewissenhaft
für diese Sache thun Gott behüte Dich und die Deiuigen !
Hast Du nicht bei Luthers Todesfeier so recht an Ebr. 11 und 12
gedacht.“ — München, den 23. Febr. 1846.
Freilich sollte es abermals anders kommen, als der Freund
gehofft. Was Volkert selbst im innersten Herzen ahnend be-
fürchtete, trat ein nämlich Erkenntnis auf Spezial-
untersuchung und Suspension vom Amte.
„Wir haben aufs tiefste zu beklagen, daß es zu dieser unglück-
seligen Folge geführt hat, nachdem doch nur eine im Amt geschehene
Handlung in Betracht kam. Das auf Spezialuntersuchung lautende
Erkenntnis wird die kaum beruhigten Gefühle der protest. Be-
völkerung wiederum schmerzlich aufregen, besonders in einem Augen-
blick, wo Berufungen auf das Gewissen gegen die wörtliche Giltig-
keit und Aufrechterhaltung eines bestellenden Verfassungsgesetzes
Schutz finden, den protest. Pfarrer hingegen die Berufung auf
Amtspflicht und Gewissen bisher nicht geschützt hat. . .
So schrieb am 18. Mai 1846 das Oberkonsistorium an das
Ministerium, als es die Suspension über den treuen Seelsorger
aussprechen mußte. Tags darauf erhielt derselbe das Dekret
seiner Amtsentsetzung. Damit war die gesetzliche Bestimmung
verbunden, daß bis zum rechtskräftigen Endurteil ein Drittteil
des Gesamtgehaltes, in diesem Falle 191 11. zurückgehalten
werden müßten.
Zur Besorgung der Amtsfunktionen wurde der Kandidat
Joh. Andr. Rutz aus dem Predigerseminar bestimmt. Tage
nicht geringer Anfechtung und bittern Leids zogen nun in das
evangelische Pfarrhaus zu Ingolstadt ein.
„Wahrlich, es ist der empfindlichste Schlag, so schreibt Volkert
an’s Dekanat, für eineD Mann, der sich vor Gott und seinem Ge-
wissen sagen kann, daß er mit redlichem Eifer in seinem Beruf ge-
arbeitet hat, plötzlich aus seiner Wirksamkeit gerissen zu werden
E. Dorn, Kmebeugungsfrage.
69
und sich nicht blos in Unthätigkeit versetzt zn sehen, sondern auch
als einer qui digito monstretur gegenüber den Widersachern seines
Glaubens und mit dem Schein eines Verbrechens selbst unter denen
wandeln zu müssen, die er mit dem Worte Gottes zu mahnen
verordnet war; und das alles wegen einer That, die nicht nur mit
der heiligen Schrift und seinem Gewissen, sondern auch den Ver-
ordnungen der obersten Kirchenbehörde übereinstimmte. Gleichwohl
wollte er sich, fügt er voll Zeugenmut hinzu, die Lage, in die er
nunmehr versetzt sei, zu sehr nicht anfechten lassen. Habe es doch
je und je in der Kirche Christi für Ehre gegolten, um der Wahr-
heit willen leiden zu dürfen. Er hoffe mit des Herrn Hilfe den
Schmerz zu überwältigen, der ihn getroffen habe. Er habe nichts
anderes gesucht als die Ehre seines Gottes: dieser werde, das hoffe
und bitte er, auch in seiner Anfechtung ihn also stärken, daß auch
in ihr sein Verhalten zu seines Namens Ehre gereichen möge.**
Tn diesem Glauben nahm er denn auch am 24. Mai, dem
Exaudisonntag, Abschied von den teuern Stätten des Altars
und der Kanzel. Der Johannestext vom Zeugengeist (Joh. 15,
26 — 16, 4) sollte der Text seiner letzten Predigt sein. Ohne
seine Angelegenheit ausdrücklich zu erwähnen, war doch die
ganze Predigt ein ergreifendes Selbstbekenntnis. Hier war
einmal das gepredigte Wort Zeugnis und That zugleich. Auch
wer nichts von des Predigers Schicksal weiß, fühlt dies heute
noch beim Lesen der Predigt, welche in dem zu Gunsten
der Landshuter Gemeinde herausgegebenen Predigtbuch ab-
gedruckt wurde1). Welch tiefen Eindruck endlich mag es ge-
macht haben, als der Seelsorger am Schluß des Gottesdienstes
folgende Erklärung abgab:
„Es ist wohl den meisten unter euch bekannt, daß ich am
Palmsonntag des vorigen Jahres eine Predigt gehalten habe, um
deret willen ich verklagt worden bin. In dieser Woche nun ist mir
durch das kgl. Dekanat München ein Erkenntnis des Appellations-
gerichts von Oberbayern eröffnet worden, nach welchem auf mir der
Verdacht ruht, daß ich mit jener Predigt das Verbrechen der Störung
der öffentlichen Kühe durch Mißbrauch der Religion begangen hätte.
Ob dieser Verdacht gegründet ist oder nicht, soll nunmehr unter-
sucht werden. So lauge die Untersuchung dauert, bleibe ich euer
1) Predigten über die Sonn- und Festtags-Evangelien des Kirchen-
jahrs. Von verschiedenen evangelischen Geistlichen Bayerns mitgeteilt
und zum Bosten der protest. Gemeinde Landshut herausgegeben von
Fr. Linde, Konsistorialrat und Pfarrer zu Berndorf und Emil Wagner.
Landtagsabgeordneter und Pfarrer zu Bayreuth. Bayreuth 1847. II. S. 379.
Beiträge zur bayer. Kirchengesehiohte. V. G
70
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
Pfarrer, aber icli werde mein Amt nicht selbst verrichten. Zwar
spricht mich mein Gewissen von der Anschuldigung völlig frei; auch
die Kirche findet keine Schuld an mir: das kgl. Dekanat und Ober-
konsistorium haben erklärt, daß das, was ich gethan habe, nichts
anderes als die Erfüllung der mir gebotenen Pflicht war. Aber als
Christ unterwerfe ich mich mit Ergebung in Gottes Willen dem Be-
fehl der weltlichen Obrigkeit und spreche mit Assaph : Ich muß
das leiden; die rechte Hand des Höchsten kann alles ändern. “
Mit diesem hoffnungsvollen Aufblick zu Gott trat der ver-
folgte Seelsorger die Tage seiner Amtsentsetzung an. Doch
hat es ihm auch an guten Freunden unter den Menschen nicht
gefehlt. Da muß in erster Reihe der edle Dekan Dr. Böckh1)
genannt werden. Wie er bisher nichts versäumt hatte, die
Sache seines Pfarrers mit Nachdruck und Entschiedenheit zu
befürworten, so tröstete er jetzt den hartgeprüften Kollegen
mit zu Herzen gehenden Worten: „Der Herr hat Sie ge-
würdigt, schreibt er an ihn, um seines Namens willen zu
leiden; ich weiß, Sie tragen das mit Geduld und freudigem
Mut. Und wir alle, die wir wissen, daß Sie auf rechtem
Wege gewesen sind, als Sie so und nicht anders predigten,
sind Ihnen nahe mit unsern herzlichen Fürbitten. Grüßen
Sie Ihre liebe Frau! Der Herr sei mit Ihnen beiden!“ — Es
berührt unendlich wohlthuend, in jener Zeit des starren und
kalten Bureaukratismus aus dem Munde eines Vorgesetzten
solche von Liebe und Teilnahme zeugende Worte vernehmen
zu dürfen. — Adolf v. Scheurl ferner ist uns schon im Laufe
der Untersuchung als ein treuer Freund Volkerts begegnet.
Ihm an die Seite reiht sich im folgenden als ebenso opfer-
freudiger und edelmütiger Helfer in der Not der mit einer
Enkelin Niethammer’s vermählte Kreisrat Adolf v. Lupin, der
den Angeklagten nicht nur in fortgesetztem Briefwechsel be-
riet, sondern auch höhern Orts persönlich seinen ganzen
Einfluß einsetzte, um die Sache zu einem günstigen Ausgang zu
bringen. Nur Präsident v. Roth, dazu Onkel von Volkerts Frau2),
1) Auch Luthardt gedenkt seiner in den „Erinnerungen aus ver-
gangenen Tagen.“ S. 111.
2) Volkerts Frau war eine geborene Merkel, Tochter des bekannten,
frommen Bürgermeisters Johann Merkel von Nürnberg; des letzteren
Schwester Katharine Merkel aber war seit 1809 an v. Roth verheiratet.
E. Dorn, Kniebengungsfrage.
71
war letzterem wegen seines Auftretens nichts weniger als
gnädig gesinnt: Seiner eigenen automatischen Natur wie
seiner Auffassung, zu den Regierenden müsse man in jedem
Falle unbegrenztes Vertrauen besitzen, widerstrebte ein Thun,
das Widerspruch gegen Verordnungen von oben in sich trug.
Um so erquickender war für den Angefochtenen die Teilnahme
von seiten genannter Freunde und ganz besonders seiner In-
golstädter Gemeinde; um so erhebender endlich das Bewußt-
sein, Gott und ein gutes Gewissen auf seiner Seite zu haben.
Am 27. Mai 1846 war der „Zwangsvikar“ Rutz ein-
getroffen, um die Besorgung der amtlichen Funktionen zu
übernehmen. Die einzige Amtshandlung, die Volkert während
seiner Suspension verrichten durfte, war die Taufe eines Söhn-
leins, das ihm in schwerer Zeit geboren wurde. Aber in keinem
Gottesdienste, in keiner Christenlehre, die der jüngere Kollege
hielt, fehlte der abgesetzte Pfarrer der Gemeinde, ein Ver-
halten, das sich so tief in die Herzen geprägt hatte, daß heute
noch davon erzählt wird. — Das Nächste, was Volkert in
seiner anhängigen Sache that, war eine Berufung an das Ober-
appellationsgericht gegen den Beschluß des Appellations-
gerichtes. Gleichzeitig gab er den Antrag zu Protokoll: „Der
oberste Gerichtshof wolle seine Angelegenheit durch einen
Senat entscheiden lassen, der entweder ganz oder zur Hälfte
aus Protestanten bestehe. Denn katholischen Richtern könne
kein klares Einsehen in den protestantischen Lehrbegriff zu-
gemutet noch zugetraut werden.“ — So spitzte sich das Ganze
auf die beiden Fragen zu: Wie wird der Senat zusammengesetzt
werden? Und wird dieser Senat die Untersuchung aufheben
oder nicht? Wir können begreifen, in welch bangem Warten
der Angeschuldigte, seine Angehörigen und Freunde schwebten.
— Die erste Nachricht, daß die oberste Kirchenbehörde die
nachgesuchte Verwendung für Volkert betreffs der Zusammen-
setzung des Senats abschlägig beschieden, war kein guter An-
fang. Erfreulicher wirkte die Mitteilung des Kreisrats v. Lupin,
daß die katholische Geistlichkeit Ingolstadts für den Angeklagten
eingetreten sei mit dem Wunsche, ihn auch fernerhin zum Amts-
bruder haben zu wollen. Doch wurde das Fünklein Hoffnung
alsbald wieder ausgetilgt durch die endgiltige, betrübende Kunde,
G*
72
E. Dorn, Eniebeugungsfrage.
daß der Bitte, es möge der Senat wenigstens zur Hälfte aus
Protestanten bestehen, nicht willfahrt wurde. Da ergriff Vol-
kert auf Lupins Rat hin das letzte Mittel. Er reichte beim
Justizministerium ein Bittgesuch ein: „S. Kgl. Majest. wolle
das Präsidium des Oberappellationsgerichtes anweisen, die Unter-
suchung durch einen Referenten aburteilen zu lassen, der ohne-
hin einem zur Hälfte aus Protestanten zusammengesetzten Senat
angehörte.“ Auch dies wurde noch abschlägig beschieden. End-
lich am 14. August — fiel der erste befreiende Lichtstrahl in
das Dunkel der Sachlage. Ein von unbekannter Hand gesandtes
Kouvert enthielt einen schmalen Papierstreifen mit der Freuden-
botschaft: Untersuchung definitiv aufgehoben. — Was durch
Freundeshand angekündigt worden, traf einige Tage darnach
als amtliche Mitteilung ein. Am 17. August hatte der An-
geschuldigte das Schreiben von der Aufhebung seiner Sus-
pension in Händen.
Innige Dankgebete stiegen aus dem Ingolstädter Pfarrhaus
zu Gott empor, um so mehr, als der Ausgang auf Grund näherer
Mitteilungen fast wie ein Wunder erscheinen mußte. Denn,
wie es hieß, hatte der anfangs zum Referenten bestimmte
Schwager Abels, Oberappellationsrat v. Rinecker, abgelehnt;
der an seine Stelle ernannte Oberappellationsrat v. Metz,
Schwiegersohn des Präsidenten v. Hörmann, katholischer Kon-
fession, gab wider Erwarten ein sehr gediegenes Referat für
Volkert ab. Bei der Abstimmung entstand Stimmengleichheit
und wurde nur durch den bestehenden Rechtssatz, daß in
solchen Fällen die mildere Ansicht durchgehen soll, zu
Gunsten des protestantischen Geistlichen entschieden. Der
Oberappellationsrat v. Arnold war der einzige Protestant im
Senat.
Freude erfaßte auch alle diejenigen, die Anteil an Vol-
kerts Mißgeschick genommen hatten. Am 23. August betrat
er zum erstenmal wieder die drei Monate lang versagte Predigt-
stätte und legte seiner dankerfüllten Gemeinde das vorge-
schriebene Evangelium vom Pharisäer und Zöllner mit Vor-
anstellung des Themas aus: Den Hoffärtigen widerstehet Gott,
aber den Demütigen gibt er Gnade. Alsdann ließ er sich von der
Hand des ihm lieb gewordenen jungen Amtsbruders, der heute
E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
73
zum letztenmal anwesend war, vor versammelter Gemeinde das
heil. Abendmahl reichen. —
Tage harter Anfechtung waren nun siegreich überstanden.
Gar mancher mochte sich freilich fragen: Wozu die ganze
Untersuchung? Wozu die monatelange Ängstigung eines pflicht-
getreuen Pfarrers? —
Doch im selbigen Jahre noch sollte Seelsorger und Ge-
meinde all ihr Kämpfen und Zeugen, ihr Dulden und Arbeiten
herrlich gekrönt sehen. Am 15. Nov. 1846 konnte unter über-
aus zahlreicher Beteiligung das lang ersehnte Fest der Ein-
weihung eines eigenen würdigen Gotteshauses gefeiert werden.
Mußte es nicht wie Siegesgeläut tönen, als zum erstenmal
evangelische Glocken über die alte Donaustadt hin erklangen?
— Nicht allzulange darnach — es mag gelegentlich eines Be-
suchs und einer damit verbundenen Besichtigung der neuen
Kirche gewesen sein — kam Volkert mit König Ludwig in
persönliche Berührung. Dabei betonte letzterer, wohl in
Erinnerung an das Vergangene: Subordination muß man pre-
digen! Der protestantische Pfarrer erwiderte: Majestät, ich
werde thun, was meines Amtes ist! Sonst war der König sehr
wohlwollend und gnädig gegen Volkert. —
Ungefähr fünf Jahre noch wirkte der treue unermüdliche
Geistliche an der Ingolstädter Diaspora-Gemeinde, da ergriff
ihn ein altes Leiden mit erneuter Gewalt und ließ ihn nicht
mehr gesund werden. Volkert starb am 7. Januar 1852, in
einem Alter von erst 42 Jahren. — Die wissenschaftliche Zeit-
schrift für Protestantismus und Kirche widmete dem Heim-
gegangenen einen warmen Nachruf (1852, XXIV, pag. 58—64).
Das ehrenvollste Denkmal für ihn aber ist auf dem Kirchhofe
von Iugolstadt errichtet, ein in gotischen Formen ausgeführter
Grabstein, der die Inschrift trägt: ..In seinem Leben, in seinem
Wirken, wie in seinem Tode bestätige sich das Wort: Leben
wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem
Herrn; darum wir leben oder sterben, sind wir des Herrn.
Ihrem entschlafenen Seelsorger die dankbare Gemeinde. Sein
Andenken bleibe unter uns im Segen \x Aber auch in den
Blättern der bayerischen Kirchengeschichte, denke ich, wird
der Name Dr. Volkerts als eines evangelischen Zeugen aus
74 E. Dorn, Kniebeugungsfrage.
den Tagen der Kniebengnng würdig sein, einen Ehrenplatz ein-
znnelimen.
Die inzwischen eingetretenen Ereignisse in Kirche nnd
Staat seien deswegen nur noch kurz berührt, damit wir einen
Abschluß zu unserer Geschichtsperiode gewinnen.
Während des stürmischen Landtags 1846, auf welchem
durch Bauer und Langhut alle noch fortbestehenden Beschwer-
den der Protestanten rücksichtslos zur Sprache kamen1), war
auch Präsident v. Botli noch einmal in einer ihrer Form nach
klassischen Beichsratrede aufgetreten, worin er das Palladium der
Verfassung zu Gunsten der evangelischen Kirche hochhielt und
die Bedeutung des Glaubens an ihre Unantastbarkeit her-
vorhob :
,.Zu keiner Zeit, sagte er unter anderen, ist der unschätzbare
Wert eines Positiven so wie jetzt ins Licht getreten: eines unver-
sehrten. unbestrittenen, ungeschwächten Positiven, das allein Achtung
gebietet, weil es sich durch sein Dasein selbst rechtfertigt, nicht erst
den oft mißlichen Beweis seiner Zweckmäßigkeit und Berechtigung
zu führen hat. Ein Positives dieser Art ist unsere Verfassung, die
noch keinen Stoß, keine Antastung und keine Gewalt durch er-
zwungene Auslegung erlitten hat, ob sie gleich durch die große
Zahl ihrer tief ins Einzelne gehenden Bestimmungen dieser Gefahr
mehr als andere bloß gestellt schien. Jetzt ist sie eine Macht,
unter deren Schutz Rechte und Verhältnisse in Sicherheit bestehen,
die sonst gegen die reißende Gier der Neuerung von oben wie von
unten kein Besitz, kein Andenken, kein Titel schützen würde. Diese
bewahrende Kraft bleibt ihr so lange sie sich selbst bewahrt: sie
entgeht ihr, so bald sie auch nur den kleinsten Eingriff duldet.
Vicht als zöge notwendig ein solcher Eingriff andere noch größere
nach sich: den Glauben stört, ja zerstört er, den Glauben an die
Unantastbarkeit der Verfassung, in welchem allein ihre Stärke be-
ruht. Es ist ein tötender Geist, nicht ein lebendigmachender, der
ein Gebot der Verfassung ihrem Buchstaben zuwider deutet: denn
über den Buchstaben sind notwendig alle einig, über den Geist
kann eine Zwietracht entstehen, die nicht zu stillen ist. Wird einer
solchen Deutung einmal stattgegeben, so wird dadurch eine Lust
1) Vämlich 1. Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Ge-
neralsynoden: 2. die erschwerte Bildung neuer Gemeinden-, 3. die Be-
schränkung des Gottesdienstes zerstreut wohnender Protestanten; 4. der
Konfessionswechsel Minderjähriger; 5. die Erteilung des Unterrichts in
der kathol. Lehre an minderjährige verwaiste schon konfirmierte Prote-
stanten; 6. das Verbot der Gustav- Adolf Stiftung. Cf. S. 35 dieses
Bandes, Anm. 1.
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien. 75
und eine Hoffnung geweckt, die zuvor nicht aufkommen konnte; die
Lust und die Hoffnung, auf dem Wege der Auslegung nach dem
Geiste Neuerungen zu erzielen, die auf dem festen Boden des Buch-
stabens nicht zu erlangen wären. — Die Zeiten wechseln und die
Menschen; ganz das Gegenteil des jetzt Beliebten kann in kurzem
die Oberhand gewinnen; vergeblich wird dann eine Festigkeit, die
man verscherzt hat, angerufen und zurückgewünscht. u
Mit diesen wie weissagenden Worten schloß der Redner.
Schon im nächsten Jahre wurde das Ministerium Abel und mit
ihm das bisherige Regierungssystem gestürzt.
Die ganze Bewegung von 1838—1847 hat der Regierung,
hat der katholischen Kirche geschadet, dagegen der prote-
stantischen genützt. Die evangelische Bevölkerung mit ihren
Geistlichen voran, ist in der Not sich ihrer selbst bewußt ge-
worden. Nicht von oben, sondern von unten erfolgte die Re-
aktion gegen die anmaßenden verfassungswidrigen Aktionen des
Ministeriums Abel. Die evangelische Landeskirche Bayerns
hat durch tapfere Bekenntnistreue ihr Gemeingefühl gekräftigt,
viele Gleichgiltige wiedergewonnen, selbst die Gegner zur
Achtung gezwungen. Gestärkt, vertieft und innerlich ge-
schlossen ging sie aus dem Druck hervor, der jahrelang auf
ihr gelegen1).
Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
Von
Rudolf Herold,
Pfarrer in Uffenheim.
Eine zusammenfassende und erschöpfende Darstellung der Ge-
schichte der Schwarzenb. Pfarreien ist bis jetzt noch nicht vorhanden.
Aus dem 17. Jahrhundert liegt eine anonyme Druckschrift vor, die
den Titel führt: „Wohlbeglaubigte Ausführung sowohl Gräfl. als
1) Nachtrag. Um einem Missverständnis zu begegnen,
sei berichtigend nachgetragen, daß der S. 19 des vorigen Heftes
als Schwiegersohn v. Roths angeführte Dr. Dollmann noch nicht
im Jahre 1839, wie aus jener Anmerkung hervorgehen muß,
sondern erst 15 Jahre später in diesem verwandtschaftlichen
Verhältnis zur Roth’schen Familie gestanden ist.
76 R. Herold, Zur Geschichte der Schwär, zenberger Pfarreien.
auch Freyherrlichen Schwartzenbergischen Stammregisters. Auf Frey-
herrlichen Befehl zu männigliches Wissenschaft öffentlich an Tag
gegeben a. MDCLIX“, und welche schon durch ihren Titel zu er-
kennen gibt, daß sie anderen als kirchengeschichtlichen Interessen
dienen will. Es sind daher die kirchengeschichtlichen Notizen nur
sehr kurz und nebenbei abgethan ; z. B. über die gewaltsame Ein-
führung des neuen Kalenders und die ebenso gewaltsame Vertreibung
der ev. Pfarrer a. 1627 bringt sie nicht mehr als 3 Seiten (S. 55
bis 57). Eine ähnliche Schrift liegt aus dem Anfänge des 18. Jahr-
hundert vor, nämlich „Joannes Henricus Haimb Seslacensis, j. u.
Candidatus : Schwarzenberga Gloriosa Sive Epitome Historica De
Ortu et gestis Serenissimae Gentis Schwartzenbergicae a. 1708“,
110 Oktavseiten. Ihre Nachrichten sind überhaupt sehr summarischer
Art, dienen der Glorifizierung des Schwarzb. Geschlechtes und nur
ganz gelegentlich fällt etwas für die Kirchengeschichte ab. Auch
das 19. Jahrhundert hat es noch zu keiner entsprechenden Geschichts-
darstellung der Schwarzb. Pfarreien gebracht. Zwar die Geschichte
der Schwarzb. Pfarrei Marktbreit in Unterfranken hat eine sehr ein-
gehende Darstellung gefunden durch den vor einigen Jahren dortselbst
verstorbenen ersten Pfarrer Rieh. PI ochmann in seiner „Urkundlichen
Geschichte der Stadt Marktbreit in Unterfranken a. 1864“ (850 Seiten)
und in seinem „Lebensbild des M. J. A. L. Reiz, ev. Pfarrer in
Marktbreit a. 1701 — 1753“ (248 S., a. 1867); aber die Darstellung
handelt eben nur von Einer Schwarzb. Pfarrei, wobei selbst für die
anderen unterfränkischen Pfarreien Schwarzenbergs nur ganz Weniges
abfällt und für die mittelfränkischen gar nichts. Schornbaum in
seiner „Reformationsgeschichte von Unterfranken“ (1880, 228 S.)
bringt nur einige kurze Nachrichten über Marktbreit, welche aus
Ploehmanns Büchern stammen, und hat von den anderen Schwarzb.
Pfarreien in Unterfranken nur die Namen. Auch Medicus in seiner
sonst so gründlichen „Geschichte der ev. Kirche im Königreich
Bayern d. d. Rh.“ (1863, 558 S.) lässt uns bezüglich der Schwarzb.
Pfarreien fast gänzlich im Stiche. Es finden sich bei ihm nur ganz
vereinzelte und zerstreute Notizen und an der Stelle seines Buches,
wo eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Schwarz.
Pfarreien gegeben werden sollte, nur 8 Zeilen mit der Fußnote:
„Mehr als die spärlichen Notizen oben in der ersten Abteilung konnte
der Verfasser leider über die Schwarzb. Geschichte, trotz ausgeschickter
Bitten, nicht finden.“ Weder das gegenwärtige noch die früheren
Jahrhunderte haben es zu einer wissenschaftlich genügenden Dar-
stellung der Geschichte der Schwarzb. Pfarreien gebracht.
Der Grund dieses literarischen Mangels liegt darin, daß das
geschichtliche Material zu einer solchen Darstellung aus den Regi-
straturen und Archiven noch nicht erhoben und zur Bearbeitung
dargeboten ist. Der fürstlich-schwarzb. Archiv-Assessor A. Mörath
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
77
zu Schwarzenberg hat im Nov. 1880 in der Zeitschrift „Kreisarchiv
in Unterfranken“ mit einer Veröffentlichung aus den Schwarzb.
Archiven begonnen: „Neue Beiträge zur Geschichte der rheinischen
Linie des Fürstenhauses Schwarzenberg“ (18 S.\ scheint aber die
Fortsetzung unterlassen zu haben. Es ist das zu bedauern, da aus
den Schwarzb. Archiven gewiß das beste zu holen wäre1).
Umsomehr dürfte verschiedenes Material von Interesse sein,
welches die Registratur des Dekanats Uffenheim betrifft. Dieses
ehemals markgräfliche Dekanat war von den Angelegenheiten der
nahe gelegenen Schwarzb. Pfarreien sehr viel in Anspruch genom-
men und trat stets energisch für dieselben ein. Dicke Aktenbände
sind in diesen Sachen vorhanden; einer derselben, betitelt: „Schwarzen-
bergische Pfarren und Religionswesen ins Gemein“, zählt 350 Hoch-
folioblätter, ein anderer von 134 Seiten: „Schwarzenbergische
Reformationsakten“ behandelt lediglich die gewaltsame Vertreibung
der Pfarrer a. 1627, u. s. w. Aus diesen Aktenbänden ist noch
manches interessante historische Material zu erholen.
Als Anhang des zuletzt genannten Bandes findet sich ein be-
merkenswertes Verzeichnis der ev. Pfarrer und Schulmeister in der
Grafschaft Schwarzenberg v. J. 1589. Nicht bloß sein Alter gibt
diesem Verzeichnisse historischen Wert, sondern noch folgende andere
Umstände. Der Verfasser desselben ist höchst wahrscheinlich M. Jak.
Wegelein, welcher a. 1587 — 1592 ev. Pfarrer in Markt Scheinfeld
und zugleich eine Art von Superintendent der Schwarzb. Pfarrer
war. Er kam a. 1592 als Pfarrer nach Adelhofen im Dekanate
Uffenheim, in dessen Registratur Band II sich über ihn die Bemer-
kung findet: „et reliquorum in comitatu Schwarzenburgico inspector
fuerat.“ Daher die genaue Einsicht in die Verhältnisse der Pfarrer
und Schulmeister und Pfarreien, besonders auch in die persönlichen
Verhältnisse, welche dem Verfasser jenes Verzeichnisses zu Gebote
stand. Dafür, daß der Verfasser seinen Wohnsitz in Markt Schein-
feld hatte, ergibt sich auch aus dem Verzeichnisse selbst ein An-
haltspunkt: bei sämtlichen verzeichneten Pfarreien ist ihre lokale
Entfernung von einem gemeinsamen Mittelpunkte in Meilen an-
gegeben, lediglich bei M. Scheinfeld nicht, hier war der Verfasser
an Ort und Stelle. Was dieses Verzeichnis besonders bemerkens-
wert macht, ist der Umstand, daß es nicht etwa nur eine trockene
Aufzählung von Namen und Jahreszahlen enthält, sondern es bringt
die genauesten Nachrichten über die Herkunft, über den meist
wechselvollen Studiengang, über die Anstellungsverhältnisse, über
die Lebensschicksale der Pfarrer und Schulmeister, desgleichen über
die Besoldungs- und andere Verhältnisse der Pfarreien. Leider ist
1) Einen kleinen Beitrag konnte ich liefern in dem Art.: „der Markt-
breiter Kalenderstreit a. 1697/99“ Bd. II dieser Zeitschrift S. 49—81.
78 R* Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
dies Verzeichnis in einem Zustande, daß es nicht mehr vollständig
reproduziert werden kann. Das Papier ist teilweise zerfetzt, ver-
schimmelt, befleckt, teilweise von einer sorglichen späteren Hand
überpappt und zwar auch an beschriebenen Stellen. Die Schrift ist
stellenweise gänzlich unleserlich, verblaßt und vergilbt, so daß man
auch mit dem Vergrösserungsglas in der Hand seinen Zweck nicht
erreicht. Was entziffert werden konnte, folgt hiemit als erster Bei-
trag zur Geschichte der Schwarz. Pfarreien, dem weitere Beiträge
sich anschließen werden, und zwar möglichst in der originalen
Schreibweise, doch mit Kürzung des Unwesentlichen.
I.
Matrieula
das ist Verzeichniss aller und jeder Pfarr-
herren und Schulmeister inn der Grafifschaft
Schwarzenbergk und angehöriger Herrschaft
Hohenlandspergk. — Ao. 89. (= 1589).
Dieser Ueberschrift folgt die rein namentliche Aufzählung der
Pfarrherren und Schulmeister, welche hier wegbleibt, da sie sich aus
dem Folgenden von selbt ergibst.
Marek Schonfeld.
Pfarrherr.
M. Jacobus Wegelein, von Aycha drey Maylen von Augspurg
in Bajern gelegen, inn patria 8 oder 4 Jar .... Inn Tyr oll zu
Hall bei Inßbruck 5/4 Jar inn die Schul gangen, hernach zu Wien
inn Oster Reich in der particular Schul . . . auch publicas lectiones
gehört. Von Wien gen Nürnbergk kommen, 8 Jar . . . bei S. Se-
bald zwei bei S. Egidien. Inn 18 Jar seyns Alters. Von Nürn-
berg gen Leipzig kommen, und bei S. Tkoma 1 (1/2?) Jar studiert
in particulari. Von Leipzig gen Wittenbergk kommen, 51/2 Jar da-
selbst studirt1) von ejgnen Costen, daselbst inn Magistrum pro einem
Ao. Von dannen gen Erfurt2) und allda 5/4 Jar inn
verharrt . . . wollen auch darbei . . . aber ihn nicht zugelassen,
wayl er anderßwo promoviret. . . . stehe ihm frey. Aber Lektionen
gestatte man ihm nicht. . . . Witteberge privatim gelesen l1/2 Jar.
.... Von Erfurt gen Arnstadt kommen, sich zum Ministerio an-
geben, und allda gehejret des Kirchner und Organisten . . . Tochter.
Von dannen gen Rudolstadt kommen und allda Caplan worden bei
M. Luca Mair Pfarrherrn. Zu Arnstad ordiniret, zu Rudolstad
Caplan zwei Jar. (Ao 68 ordiniret: Randbemerkung). Hernach zu
1) Im Album Viteb. nicht zu finden. (Anm. d. Red.)
2) Vgl. Akten der Universität Erfurt ed. Weissenborn II, 410. Winter-
sein. 1565: Dns Jacobus Wegelein Augustanus mag. Vitebergensis dt. */* Kr.
(Anm. d. Red.)
R_ Herold, Zur Gesdndhte der Jkhw«zcnb«^er Pfaireeiem.
Braumßdorff Pfarrherr worden, nufer dem GraiFem toh Sehwaizen-
bergk. Graff Albreehtem. Lemger dämm zwei Jar allda blieben. Vom
dämmen imß Krilium kommen, weil . . sieb zm Herrn . . . time» kielte
zu Salfeld. Von M. Luco Mair. der ein Synergist war. vertrieben.
Viertkalb -Jar im Exil io gewesen. Nach Anfang des Exilii gen
Wiesemtbayd kommen, zum Pfarrherr daselbst angenommen tand ver-
ordnet worden dmrcli Gra ff Comradcn von Castel. Zwey Jar allda
Pfarrherr gewest. Allda alß die Fuchsin, des Bisehoffs zn Würfcz-
burg Schwester, nicht znr Gevatterschaft zugelassen, Dietrich Echter ?
ihn aufsF der Straßen amgeredt und blutrünstig geschlagen, als er gen
Büdenhaußem gangem. Auch . . . Echter inn Hamfi überfallen wollte,
von dem Fnehs verstricket viertel Ja r. nmd durchs Cammeagerieht er-
ledigt worden, wavl er kain Gewalt über ihn gehabt. Graff Ctamrad
hatt das Mandat angebracht bei dem Cammergerieht. Von dannen
gen Bayseh unter Bernhard von Hutten kommen nmd allda Pfarr-
herr gewest bei 9 Jarem. Vom dannen vociret worden von Graft
Hanßen zn Schwarzenbergk. wird auf Martini künftig zwey Jar. daß
er Prarrkerr worden. Ist Itzumd bey 50 Jarem. hatt drej Kimder.
ein Son der erwachsen ist. und zwo Tochter. Ist im Ministerin
21 Jar. Hatt Formulam Concordiae snbsoibieret. alß er noch zn
Wiesenthayd unter Graff Comradem von Castel gewest. Hatt deren
: daran? kejn Mangel. Bekannte, sich zn derselben Ore et Corde.
Eegt Frag ein: L Von bekannten, kalßstarrigem. versteckten.
. : ' ' . : . • r t-t-oi ; : Ae :::: i“ — A. ' :: :
Nein. H. Von bekannten, aber doch nicht hal ßsf amgeirn. verstock-
ten, nmbnßfertigen. ob die znzulasscn. — Antwort: Ja. 1IF c Un-
leserlich . IV. Ob er Pff. recht getham: daß er ungefähr vor
I Wochen den Secrefarinm von der Tauff abgesebaffk. der hernach
den Pfarrherr zu Schwarzenberg erfordert und tauffem lassen, anch
gedrauet, Ihm Pfairherra durch diesen Fall den gar auß zu machen.
— Antwort: Der Pfarrer hat zu geschwind gehandelt. Sollt den
Secretarium zuvor beschieden und ihm zugeredt haben : dann hatte
er Ursach können nehmen, sich gegen Ihn zu ejn oder anderrn Weg
zu erzeigen. < Randbemerkung : Hatt sich der Secretarins mmterdeß
in sejnem Hauß mit dem h. Abendmahl versehen lassen durch den
Pfairherra zu Gejßelwindj.
Caplan Andreas Dnselins hat den Brauch, daß er zn Weibern
in Kindßmöten gehet, anch nnerfordert. Ham anch bei dem . . . auff
dem Schloß das Kind alß ein Gevatter auß der Tauff gebebt und
selbst getamfit. welches imformblieh.
NB! Fünf Pfairberm die Instruktion zustelleu. wie es mit
den Clagen zu halten zwischen Geistlichen nmd Weltlichen, wo jeder
Thayl clagen soll, in Sch wantzen berg oder Marckgralffkhunih.
Pfarrherrns Besoldung: 110 fl. an Geld. 1 Mltr Dünkel.
1 Mltr Habern. 3 Für Feuerholz. Freye Wohnung.
80
R. Herold, Zur Geschichte der Sch warzenberger Pfarreien.
Eingepfarrte Ort zu Marek Schonfeld: Holweiler, Franckfurt,
Birkach au ff der Heyden, Lachern, Kornhochstadt, Untendaschendorff,
Krappertßhofen, Diirrbergk , Sehnorzenbach 3 Unterthanen , die
Pfarr ist jetzt pappenheimisch, Unter-Arnbach 3, Ober- Arnbach
2 Unterthanen, Hohnbeer. (Die verzeichneten Ortsentfernungen,
welche bis zu ,,1 Mayl Wegs“ d. i. 2 Stunden betragen, sind hier
weggelassen). —
Auf dem Bande dieser halbständig geschriebenen Angaben
finden sich spätere Ergänzungen von der Hand des a. 1627 ver-
triebenen Pfarrers von M. Herrntzheim, Vitus Ulricus, über die
Nachfolger des M. Wegelein: ,,Huic successit Balthasar Biener
gewester Diaconus zu Leutershaußen. Der heit stand bei Manchen
anstössen bis uff endlich erfolgte reformation, Ao 1627. Nachdem
Brandenburg, soviel es könnte, abgewehrt, aber es halff alles nichts,
Grav Georg Ludwig, verleidet durch Johann Heiden x), einen Apo-
staten, führt es mit Gewalt, und starb dieser Hr. Biener seel., ein
exul, in der Neuen statt an der Aiscli. — Unter schwedischer
Reformation kam Mich. Grasser, vor gedachter Reformationszeit
gewester Schulmeister zu Scheinfeld, vom Cantoratsdienst zu Creilß-
heimb zum Pfarrampt zu Scheinfeld, wird aber . . . bald hernach
bei Einbruch kaiserischen Volkes ao. 1634 wieder ausgejagt.“
Ausser diesen Ergänzungen folgt noch hier und bei den folgenden
Pfarreien eine außerordentlich detaillierte Beschreibung des Pfarr-
einkommens, ebenfalls von der Hand des Pfr. Vitus Ulricus, deren
Mitteilung hier und ferner mit Rücksicht auf den beschränkten
Raum dieser Zeitschrift unterbleibt.
Caplan.
Andreas Duselius von Görich (GerachV) inn Stifte Bambergk
bei Baunach gelegen, inn der Jugend zu Rentweinßdorff unter denen
von Rotenhan 2 Jar in die Schul gangen. Von dannen gen Nürn-
bergk inß . . . bei M. Vito . . und Andrea Bohemo zu S. Sebald
und Lorentzen. Von Nürnberg in Oster Reich kommen inß . . .
und zu Wejher Steirischer Obrigkeit .... Von dannen gen Melek
an der Thonau, allda ... in der Schul gewest 1 Jar. Allda
Schlosser (?) und Coeler enturlaubt worden sambt Im wegen des
Evangelii. Von Melek in dieses Land gen Nürnbergk. Hat Ihn
Andreas Bohemus gen Schaberg (?) Commendicrt, daß er paedago-
gus werden solle. Aber nicht geschehen. Von dannen gen Cron
Weissenburg an Rejn, in die Schul gangen 1 Jar lang. Von dannen
gen Basel, daselbst deponirt und inscribirt, 2 Monat allda gewest
Von Basel Schuldienst bekommen zu Bichal unter Julio
von Dingen 3/4 Jar. Von dannen gen Mark Senßhejm kommen in
Schuldienst lenger denn 4 (?) Jahr. Von dannen zum Diaconat
1) War schwarzb. Amtmann.
B. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
81
gefordert gen Marek Schamfeld, zu Onolzbach examinirt und ordi-
nirt. Ist 6 Jar in Dienst. Ist 35 Jar allt. 2 Kinder, sind ihm
fünf gestorben. Hart dialecticam nicht studirt.
©
Besoldung: LXXX fl an Geld. 2 Ml tr Korn. Feuerholz.
Freye Wohnung, wolgebaut. —
Ergänzung von der Hand des Pfr. Vitus Ulricus: „Paulus Winter,
Diaconus zu Marek Schamfeld, wird Pfarrherr zu Ipfykheimb, suc-
cedirt Herrn Job. Christ, der nach Herrn tzheimb kommen, ward
mit anderen äö. 627 vertrieben. — Balthasar Beuerlein, Diaconus
zu M. Sehainfeld, der Zeit, da die Reformation in der Gravschafft
vorging. äö. 627 10. Martii. ward aber hernach Caplan zu Priehsen-
statt. Und ist das Diaconat gantz gefallen und umpracht. Unter
Königl. M. in Schweden wider ein ev Pfarrer daselbst hingesetzt
worden.**
Schulmeister.
Mauritius Piscatorius von Coburg, inß 6. Jar Schulmeister. In
Coburg studirt biß inß 14. Jar. Hernach gen Zeitz kommen, 2 Jar
bei der Schul frecjuentiret. Zu Leipzig deponirt und inscribirt, alß
er zu Zeitz gewest. Von Zeitz gen Freyberg, 2 Jar allda studiret.
Von Freyberg gen Halle, 2 Jar allda: ein paedagogiam gehabt hei
Doctor Unruhe. Von dannen gen Wittenbergk. allda 2 Jar Stipen-
dium Koribergensis Andreae Bohemi gehabt, 20 fl. ein Jar. 1/2 Jar
famuliret. Hernach gen Nürnberg kommen und paedagogus bei
Hanß Georg von Wallenrodt 1 Jar lang. Von dannen gen Ein-
heimb (EnheimV) kommen bei Ochsenfurt und allda dem Pfarrherr
sejn Sohn instituiret l1/^ Jar. Von dannen gen Ueffickhejm und
allda Schulmeister worden, 2 Jar. Von Ueffickhejm gen Marek
Schainfeld. Wird 83 Jar auff Wolfgang. Hart ein Wejh und
kein Kind.
Besoldung: L fl an Geld. 1 Mltr Korn auß gnaden. Holz
für die Schule. Freye Wohnung.
Ist Organist mit. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : „Georg Burk von Klein Lank-
heiinb. Schulmeister zu M. Schainfeld. kommt von denen fort gen
Domheimb uff die Pfarr, da ward er äö 627 vertrieben. — Michael
Grasser. obbesaget (s. S. 5), Schulmeister daselbst ward temp.
reform: äö 627 erstgemeldt vertrieben, ward Cantor zu Creilßheimb.
im Herbste anni ej. endlich aber Pfarrer zu Schainfeld uti dictum. -
Dornheim.
Pfarrherr Maurit. Hecklein. 4 Jar allda, der Geburt von Stein-
feld unter den Truchsessen von Pommersfelden. Zu Steinfeld 3 Jar
inn Schul gangen. Von dannen gen Coburg kommen und VI Jar
allda studiret. Von dannen gen Jena gezogen und V Jar bei der
82 K. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
Universität studiret. Hernach unter Christoph von Di . . . zu
Langenau zu Kirchendienst kommen und zu Leipzig ordinirfet. Ist
allda 21/2 Jar geblieben. Hernach unter den Druchsessen zu Pom-
mersfelden zu Rötenbach Pfarrherr worden und allda fast 3 Jar
geblieben. Von dannen ist er auff die Pfarr Lenckerßhejm im Marck-
grafthumb Brandenburg angenommen worden und allda blieben
XI Jar. Alß er allda wegen sejnes Wejbs plötzlichen (?) Abgang
abgeschafft worden, ist er gen Dornhejm kommen. Ist albereit
47 Jar allt, hatt ejnen Son und drej Töchter, unter denen zwo
ziemblich wol erwachsen. Hatt albereit der Formula Concordiae
unterschrieben, wejl er zu Lenckerßheim gewest. —
Ergänzung durch Pfr. V. Ulricus : „Georg Burk von Klein
Lanckheimb Pfarrer zu Dornheimb ward vom Schuldienst von M.
Schainfeld aus dahin Jransferirt, ward mit andern a. 627 vertrieben,
starb im Elend, zu Helmitzheim Ao. 28 d: 13. Maij begraben.“
Marek Senfsheim.
Nichts eingepfarrt. Pfarrherr Paulus Heinickel, bei Münerstad von
Kleinwenckhaimb. Von dannen gen Hall in Sachsen, 4 Jar in die
Schul gangen, zwei jnnge Knaben ejnes Saltz Junckhern Melchior
. . . inu die Schul geführt. Von dannen gen Jena, 3 Jar studiert
alda, bej . . . Balthasar . . . famulus ein Jahr gewest. Von dannen
gen Münnerstad kommen und . . . bei der Schul gewest 3 Jar lang.
Hernach von Christoff von Maßbach gen Dürrfeld vociret und Pfarr-
herr worden. Ist zu Schweinfurt ordiniret. 1 Jar Pfarrherr gewest.
Drauff wider nach Jena gezogen und studiert und durch Wigandium
. . gen K . . . bej Salfeld, alda Caplan worden bei M. Adam Remp
Pfarrherrn, so jetzund nahe bei Weimar Pfarrherr, 4 Jar alda Pfarr-
herr blieben. Alda sein Wejb genommen. Alda abgesetzt drumb
daß er den Wittebergischen Catechismum nicht unterschrejben wollen.
Drauff 3 Jar im Exilio gewest zu Zell an der Heiden. Bernhard
Hutten alß Pfarrherrn zu Geckenhajm gehabt Melchior Bischoff
genanndt, der hat Jhn hingebracht da er gen Michelfeld zum Pfarr-
herr verordnet, 2 Jar. Vou dannen gen Marek Senßhejm durch
Beförderung Schmiddi (?)... Kaplans zu Maynbernhejm kommen
und Pfarrherr 11 Jar. Inn die 40 Jar allt. Hatt Wejb und
3 Kinder, ein Sohn und zwo Töchter. Platt k ejnen Mangel an der
Formula Concordiae, liatt bej dem Graff Ilanßen albereit privatim
unterschrieben nicht allein mit der Hand sondern auch von ganzem
Herzen. Ist auch bereit zu unterschrejben. Hatt inn die 70 Herd-
stedten.
Besoldung: 100 fl an Geld. 10 Mltr Korn. 2 Gerten Holz,
ein Stamm, 2 Fuderlein. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus: „Deine succedirt, soviel mir
bewußt, Hanß Berger, ein Schweinfurter als ich halte; diesem äö. 626
M. Joli. Suevus, gewester Pfarrer zu Ipfigkheimb, der hernach temp.
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien. 83
offt berhürter reformation vertrieben, endlich äö. 628 im Herbst der
Herrn Graven zu Rüdenhaußen und Castell Superintendens worden,
starb im elend äö. 634 zu Kitzingen, dahin Er mit seinen Herrn
Graven geflohen. Unter reformation König]. Mayest. in Schweden,
da die Cathol ischen Geistlichen geflohen, kam dahin . . Hailman
von Windßheimb, der bald vertriben, Pfarrer endlich zu Ergerßheimb
worden äö. 1636.“
Schulmeister.
Valentinus Conradius von Gnodstad. Zu Kitzingen 6 Jar stu-
diert. Zu Onolzbach unter den pauperibus erzogen. Von dannen
gen Magdeburg, wegen papam (?) wider nach Gnodstad. Hernach
gen Witteberg, 2 Jar studiert philosophiam und theologiam. Ist
28 Jar allt, hatt noch kejn Wejb.
Besoldung: 42 fl an Geld. 3 Mltr Korn. 2 Meß Holz. Kejn
Accidentia.
Hatt kein Mangel an der Formula Concordiae, will subscribiren.
Mangel: Die Schul gering. Schul hauß baufällig, kann für
Regen nicht blejben. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus: „Joan. Christ, der hernach
Pfarrer zu Iphigkheimb worden. — Phil. Frech von Steinßfeld in
der Rotenburger Landwehr, kam gen Reinßbronu, ward daselbst
Pfarrer. — Tileman Ulrich succedirt Deme, verstarb an der Pesti-
lentz äö. 625 daselbsten. — Joan. Armknecht, nahm Vorgedachten
nachgelassene Wittib, ward mit anderen Geistlichen bei Vorgegange-
ner Reformation äö. 27 vertriben, kam unter die Gravschaft Rem-
lingen, ward ein Schulmeister, bald ein Pfarrer, nam ein bös End,
starb in summa dissolutione wegen böser Händel. u
Huttenheim.
Nichts eingepfarrt. M. Paulus Weller von Freyburg, Doctoris
Hieronymi Welleri1) Vetter, sejns Brüdern Son. Hernach von Frey-
burg befördert worden gen Mejßen inn die Fürsten Schul sub Georgio
Fabricio 5 Jar. Von dannen gen Niirnbergk unter die 12 Knaben
aufgenommen 4 Jar lang. Von dannen gen Wittenbergk geschickt
worden mit dem Stipendio ejns patritii, Carl Fierers, järlick 50 fl,
3 Jar lang. Hatt zu Witteberg promoviret äö. 69. Von dannen
wider gen Nürnbergk kommen und gen F . . . bergk (?) zum
Pfarrherr verordnet. Noribergae terminirt, Probepredigt gethan, aber
nicht ordiniert, weyl die zu Nürnberg kejnen ordinieren2), 4 Jar zu
1) Ueber diesen Freund und Schüler Luthers vgl. H. Nobbe, D.
Hier. Weller von Molsdorff, Leipzig 1870. (Anm. d. Red.).
2) In Nürnberg wurde die Ordination erst üblich im Jahre 1583. Vgl.
Th. Kol de, Zur Geschichte der Ordination und Kirchenzucht. Theol.
Stud. u. Kritiken 1894 S. 242 ff. Zu der dort erwähnten Litteratur ist
hinzuzufügen: Waldau, Alinanach für Freunde der theol. Litteratur
etc. aufs Jahr 1781 S. 132 ff. (Anm. der Red.)
84
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
F . . . bergk (?) Pfarrlierr gewest. Von dannen gen Hittenhejm
Pfarrherr worden, allda er nuhmehr 15 Jahr. Hatt zu Nürnberg:
gehajret und3 Söne im Leben, hatt . . . Typographi Tochter. Ist
49 Jar allt, äö. 40 geboren.
Besoldung: 30 Mltr Korn im Sack. 5 Mltr Weytz. 51 0 Mltr
Habern. 7 fl Zinßgeld. 14 Morgen Acker iun drei Feld. 9 Mor-
gen Wießen weniger 1 Viertel. . . . 1 1/2 . . Herdstetten. Neue
Wohnung.
Schulmeister kejne Clag. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : ,.Huic succedirte Herr Joh.
Schefer. vorhin gewester Schulmeister, der ward 70jährig bei der Pfarr
äö. 627 vertrieben, starb im elend zu M. Bernheimb, da er seinen
Pfenning zehrte. — Unter Schwedischer Reformation kam ein . . Rosa
von Obernbrait, ward aber beim Einfall Kaiserl. Soldaten äö. 634
vertrieben und endlich nach langem exilio Pfarrer zu Mönch Sund-
heimb äö. 63 7 .rt
Schulmeister.
Joh. Fischer von Rehau au Am Gebirg 4 Jar Schulmeister, hatt
zu Zeiz inn Meißen 8 Jar studirt bej sejnen praebenden (?). Von
dannen gen Wejßenfelß kommen, 3 Jar frequentiert. Von dannen
. . . gen Nürnberg und allda 1 Jar ver blieben, zu S. Sebald. Von
Nürnberg wider gen Zeiz begeben und allda D. Auenrieden gehöret,
aber in Eb . . is nichts studiert. Von dannen gen Leipzig und
alda studiert bey der Universität 2 Jar propriis sumptibus. Ao. 88
gen Bulenhejm kommen und durch Hülf des Pfarrherrn daselbst . .
Schul stad zu Hiittenhejm bekommen. Ist im 30. Jar. hat ein Wejb
gehayret zu Marek Senßhejm und 2 Kinder. Ist zugleich Gerickt-
schrejber.
Besoldung: 20 fl an Geld, zehen vom Gotteshauß, zehen von
der Gemejn. 1 . . Lejb Brods von den Pfarr hindern. Krautäcker-
lein von der Gemejn. Giebt kejn Schüler für die Lernung nichts.
Accidentia von der Schrejberej etwa 10 fl.
Gehen wenig Kinder Inn der Schul in Sommer, Im Winter
oAt 80 oder 60. —
Ergänzung des PA. V. Ulricus fehlt.
Marek Herrnetsheim.
Nichts eingepfarrt, 70 Herdstedte. Pfarrherr Michel Körtl (?)
von Gerabrunn. Ex patria gen Schwäbischen Hall kommen und
3 Jar in die Schul gangen unter Michael Korner. Von dannen gen
Straßburg gezogen. 6 Jar alda studiert und apud D. M . . . (Mur-
rium?) ein Beneflcium gehabt 6 Schilling an Geld und 6 Lejblein
Brods. Bejm Sch ... in Blawenhauß Knaben zu instituiren gehabt.
Von dannen zu Ludwig von Crailßhejm zu Niderhall kommen und
alda 4 Knaben instruiret 19 Wochen, alß der Jimkher inn Wirtem-
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien. 85
berger Land zogen. Wider gen Hall kommen und dem Georg W . . .
zween Söne instruirt und in die Schul geführt 10 Wochen. Von
dannen auf die Pfarr Stejnach kommen, am Kocher, Deutsch-Herrisch
Lehen, welches er vom Commenthur zu M . . . tal empfangen. Ist
sein Schwager 21 Jahr alda Pfarrherr gewest, liegt nicht wejt von
Morstain, da Hanß und . . . von Crailßheim wohnen, haben die
Ganerben die hohe Obrigkeit, 6 Jar alda Pfarr gewest. Ordiniret zn
Schwäbischen Hall von Joh. Rößler. Alß er bejm Commenthur an-
geben, daß sein Magd Unzucht trieben, ist er enturlaubt und an sejn
statt Georg Herman, so zu W . . . Pfarrherr gewest, verordnet
worden. Ist nach Vertrieb inn die Unterpfalz kommen, zu Rajha
bej Singen Pfarrherr worden, 1 Jar lang alda gewest bis auff Ab-
sterben Pfalzgraff Philips Ludwig. Wegen des Casimiri Edict
sambt andern enturlaubt worden, alß sie darein bewilligen wollen.
Ein Jar im exilio und hernach auff der Superintendentur zu Onolzbach
Commendation von Grafen Hanßen angenommen vor 4 Jaren. Ge-
hejret zu Steinach, hatt 6 Kinder, so im Leben sein, 3 Söne und
3 Töchter. Ist 36 Jar allt.
Besoldung: 80 fl an Geld. 10 Mltr Korn. Mit der gemajn
Holz 1 Meß ... 3 Viertel Wießen und ejnen kleinen Zehenden
. . . . zur Addition.
Bekennt sich zur Aug. Confession und Formula Concordiae, hatt
derselben zu Hejdelberg unterschrieben. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus, der äö. 1625 — 1627 selbst hier
Pfarrer war: ,,M. Georg Conradi, gewester Pfarrer zu Alberhofen,
ward Pfarrer zu M. Herrntzheimb, fast in die 16 Jahr, starb äö. 1625
im Januario. — Derne succedirte Veit Ulrich, gewester Pfarrer zu
Uttenhofen ord. mö. umb Pfingsten, der ward unter der reformation
äö. 627 mit andern vertriben und nach gantzjärigem exilio ward er
Pfarrer zu Mitteldachstetten äö 628 umb Petri, äö. 637 Pfarrer zu
Welbhaußen. — Unter Schwedischer reformation Herr N. Fuchß,
der bald anderß wohin kommen. Derne folget N. N. Pfarrer zu
Michelfeld, der starb bald, nachdem er kaum ein Vierteljahr Pfarrer
gewesen. Derne folget J. Baustein, der ward äö. 634 bei Kaißerl.
Volckes einbruch Vertriben.“
Schulmeister.
Kilian Horn von Rotenburg auff der Tauber. Erst in die
Lateinisch Schul dortselbst gangen. Darnach auff die Rechenschul
gethan 1 Jar. Dahejm zu Rotenburgk vor 14 Jaren: Schulmeister
zu Oberdachstetten gewesen 51/2 Jar. Alß er geringer Besoldung
wegen weggezogen, gen Windelspach kommen und daselbst trivial
Schul gehalten 1 Jar lang. Von dannen gen Hofeld kommen und
1 Viertel Jar bei sejnen Vettern da . . ., sich alda verhejert. Von
dannen gen Marckherrnzhejm kommen, vom Secretario angenommen,
Beiträge zur bayer. Kirchengescliiclite. V. 2. 7
86 R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenbergcr Pfarreien.
der gemajn pflicht gethan. Ist 2 Jahr alda. 35 Jar allt. Katt
zuglejch die Schrejberej im Flecken. . . . Pfarr-, Gotteshauß-
Rechnung muss er schrejben. Hatt 6 Kinder, davon 3 zu . . .,
3 hatt er bei sich.
Besoldung: 12 fl an Geld vom Gotteshauß. 4 Mltr Korn.
1 Meß Holz auß der gemajn. Krautflecken von der gemajn. 56
Kinder den Winter über, aber geben nichts für die Lernung. Von
Läutgarben hat er ... 2 Mltr. Für die Knaben, so in die Schul
gehen, gibt Jeder 1 Vierte ljar 1 Ort, wie auch an andern Orten,
für Holz und Lernung. Das Holz giebt sonst die gemajn.
Uffickheim und Wasserndorff.
Filial Wasserndorff. Pfarrlehen ist des Thumb Capitel zu
Wirtzburgk, hatt aber der Graf njmalß dem Thumb Capitel ejnen
gestellt, sondern allein durch schrifften ersucht, hatt es unter den
Thumbherren ejner umb den andern zu verleihen. Gehören gen
Wasserndorff 27 Herdstedten und 9 mühlen.
60 Herdstedten. M. Johannes Sajz Pfarrherr von Sulzfeld am
Maju halbe Mejl wegs von Kizingen. Von dannen gen Niirnburgk
kommen und daselbst an Jar 4 oder 5 frequentiret. Darauff gen
Leipzig zogen und bej der Universität daselbst studiert 2 Jar pro-
priis sumptibus. Von dannen gen Witteberg zogen und 2 Jar alda
studiert, Ao. 73 alda promoviert. Von Witteberg herauß kommen
und Schulmeister worden zu Marek Schonfeld 21/2 Jar. Hernach
Caplan daselbst worden und ordiniert zu Onolzbach äö. 77, 2 Jar
Caplan gewest. Von Caplanstand befördert worden gen Dornhejm,
alda Pfarrherr worden und gewest 2x/2 Jar. Von Dornheim gen
Uffikhejm transferiert, alda er Inß 6. Jar pfarrherr. Muß das Filial
Wesserndorff ejnen Sonntag umb dem andern wechselswejß versehen
mit predigen und Tractation Catechismi, auch Administration der
Sacrament. Hatt erstlich Erasmi . . . Tochter genommen, Itzund
des Schulmeisters Johann Becken zu Uffenheim Tochter. Hat
2 Kinder, 1 mit der vorigen, das ander mitt der itzigen Hauß-
frauen.
Besoldung: 80 fl an geld, unter denen 20 fl, so von Wassern-
dorff herrühren. 10 Mltr Korn. 1 Ort für (Einlassung der
Leichen?). 1 Meß Holz auß der gemajn. Sonst nichts mehr.
Bekennt sich zur Augßb. Confession und Formula Concordiae,
welcher er subscribirt hatt bei Graff Haiißen seligen neben
andern, ist aber mit der Hand und mit Hertzen zu unterschrejben
erbietig. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : ,,M. Joan. Suevus, so ein exul
unter denen von Bimbach, den Edlen Füchsen, ward Pfarrer zu
Iphickheimb, ward nach Absterben Herrn sei. Bergers äö. 615 nach
M. Sainßheimb transferirt. --- Derne succedirt Hauß Christ, der
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien. 87
kam nach Cnetzheimb, und von da nach Bulnheimb, bei Schwedi-
scher Herrschafft. — Paulus Winter, diaconus zu M. Schainfeld,
succediert Herrn Joh. Christ, ward äö. 627 bei vorgegangener
reformation ausgejaget, wurd diaconus zu Blaufelden.“
Schulmeister.
Joh. Planck von Marek Senßheim, im 27. Jar sejns alters.
Seit Bartolomaei in Dienst. Zuvor zu Thieffstockhejm Schulmeister
gewest 31/2 Jar. Ist ein höckrichter Mensch, der auff Stelzen gehet.
. . . Hatt sonst nirgend studirt denn zu Marek Senßheim ....
Hatt nichts Latejniscli studiert.
Besoldung: 8 Mltr Korns halb gemajn, halb Gotteshauß. 4 fl
von WasserndorfF. 1 th leicht, 1 Buch Papier von der gemajn
Uffickhejm. 2 Fertlein Holz. 1 th_ leicht vom Gotteshauß, aber
kein Papier.
Hatt formulam Concordiae nicht gelesen, versteht sie nicht,
begert derselben nicht zu unterschrejben, wejl er ein . . . Mensch. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus: „Ueber die Pfarr Wessern-
dorfif. Ist äö. 1470 von Erckhingern, Fridrichen und Martin von
Saiußheimb gestillt und dotirt. Und kommt das Jus praesentandi
wechselweiß an das Dhom Capitel Und Schwartzenberg. Und ist
über diese Pfarr wie obbemeld ein Confirmations Brief von Bischof!
Adolphen in Orginali beihanden äö. 1470 und von . . . von Sainß-
heimb gestifft.“
Bulenheim.
Pfarrlehen ist wirzburgisch, aber von der Herrschaft Hohnlands-
perg .... 120 Herdstedten, aber nichts eingepfarrt. Hier. Pfeil-
schmid Pfarrherr von Helmbrechts zwischen Hoff und Culmbach.
Von dannen gen Bamberg kommen zu sejns Vettern 1 Jar. Und
alß sie Ihn zu . . . fodern wollen (das ist zum Studieren bej den
Stiften) ist er davon gezogen. Von dannen gen Culmbach kommen
und 5/4 Jar in die Schul gangen. Zu Niirnbergk l1^ Jar unter
Christiano Hajden bej S. Egjdien. Von dannen gen Frejbergk
kommen, 1 Jar daselbst blieben, propter pestem weggezogen gen
Hoff, alda frequentirt 3 Jar. Von dannen gen Stadstejnacli zum
Cantor verordnet worden, l1/2 Jar da gewest. Von dannen gen
Bulnheim kommen und alda 2 Jar Schulmeister gewest durch Be-
förderung M. Schnebelen zu Kiziugen. Von dannen gen Marek
Schonfeld gefodert und Caplan gewest 2 Jar. Ao. 74 zu Onolz-
bach ordiniert auff Graff Hanßen Schrejben. Von dannen gen
Bulnhejm befodert worden zum Pfarr Ambt. Ist Innß 13 Jar da-
selbst. Zu Stadstejnach . gehejret, aber doch erst zu Bulnhejm zur
Kirch gangen. Hatt 2 lebendige Kinder, die andern alß sieben
sind gestorben. Ist 40 Jar allt.
88 R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
Besoldung: 80 fl an geld. Sind darunter 20 fl, welche Graf
Hanß jährlich addiert, wejl die gemajn unvermöglich. 10 Mltr
Korn. 1 klein Krautgärtlein. Vormalß Holz vor Notdurft gegeben,
Itzt wollen die von der gemajn nicht geben. Sonst nichts. Hatt
4 morgen Weinberg und ejn VYießen erkauffte, sind ejtel ejgen stück.
Bekennt sich zur formula Concordiae. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : ,, Valentin Berger, ein Schwein-
furter, kam nach Herrn Pfeilschmiden, starb aber bald. — Daniel
Vischer, gewester Pfarrer zu Adelhofen, succediert Dem und ward
mit andern Geistlichen Ao. 627 ausgejagt, ward aber diaconus zu
Ehingen. — Joh. Christ, gewester Pfarrer zu Herrntzheimb kam
unter Schwedischer Regierung nach Bulnheimb, starb aber daselbst
an der Pest, ehevor der Kaißerl. einfall geschehen. u
Schulmeister.
Nicolaus Höfelicli von ... im Grapfeld (NB! Von hier an ist
das Original besonders defekt und zerfetzt) .... Hatt wol stu-
diert Inn Latein und Graeca lingua, auch Inn Catechismo und Geist-
licher Lehr inn patriam verordnet ... Von dannen durch
den Tanreuter (?) vertrieben worden, alß er nicht Ransonieren
wollen. Von dannen bej Christoph Truchseßen zu Dundorff paeda-
gogus worden drejer Knaben, 1 1/2 Jahr alda. Hatt sejn Kost und
12 fl an geld gehabt. Von dannen gen Kleinlanghejm kommen und
alda Schuldiener und Gerichtschreiber worden und blieben 2 Jar.
(Gerichtschreiber Tilemannus Hofelich ist sein Bruder zu Kleinlang-
hejm). Von dannen gen Sommerhaußen, alda Schulmeister 4 Jar
gewest und Latejnische Schul gehalten. Von dannen gen Wießen-
brunn, alda die Schul und Gerichtschrejberej gehabt 5/4 Jar. Von
dannen gen Bulnhejm in’s 3. Jar. Ist 41 Jar allt, hatt kein Wejb.
Ist noch ein junger Gesell, bei Leonhard . . . gehet er zu Cost.
Besoldung: 26 fl ... an geld (13 Gotteshauß, 13 Bürger-
meister). 4 Mltr Korn. Von der Gemajn nicht. 1 Krautgarten.
Hatt Gerichtschrejberej darbei, welche Ihm etliche Accidentia trägt.
Im Winter auffs meiste 12 oder 10 Knaben, ler'nung?) deutsch
und nicht Lateynisch.
Hat formulam Concordiae subskribiret Zu Sommerhaußen unter
Schenck Eridrichen von Limpurgk. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : ,, Elias N. N., ein alter eiß-
grauer Mann, ward Schulmeister und Gerichtschreiber zu Bulnheimb,
mußt alters halben den Dienst begeben. — Martin Strölein von
Schalckshaußen kam Dem nach und ward mit andern vertriben
äö. 627, kam nach Martinsheimb, von darauß nacher Ergersheimb.“
Marek Geyseiwind,
Pfarrherr Johannes Rajsch von Gmynda bej Coburgk. Zu
Coburgk x/4 Jar in die Schul gangen. Zu Hilperhaußen 6 Jar
R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien. 89
studiert Graecam et Latinam Grammaticam. Zu Wejmar 2 Jar io
die Schul kommen. Bej Georg Heinzen paedagogiam gehabt dreyer
Kinder alda dialectione piorum librorum. Zu Gotha !/2 Jar studiert.
Zu Eißleben 1 Jar lang Dialecticam et Rhetoricam .... Von
dannen gen Jena zogen und alda 2 Jar studiert propriis sumptibus
. . . . Von dannen zum Altenstejn Schulmeister worden, 6 Jar
geblieben. Gen Hafenbreppach kommen durch Pancratz von Stein
und Pfarrherr worden. Zu Jena ordiniert. Ist 3 Jar pfarrherr alda
blieben. Alß die von Wirzburgk angefangen zu persequiren, ist er
geurlaubt Avorden mit andern acht ministris. Aus dem Exilio,
welches */2 Jahr wehret, Caplan worden zu M. Schonfeld. Von
hjnnen gen Geyseiwind zum pfarrherr geordnet, alda er 6 Jar ist.
Graff Hanß hat Ihm die pfarr gelehen, soll das Lehen gehören gen
Wirzburgk Inß Jägermeister Ambt. Hatt bißher kejn Anfechtung
gehabt. Castel hat nichts zu suchen. Castel hatte 18 Uuterthanen
alda, die hatt Graff Hanß ausgewechselt. Ist unstrittig. Hatt 65
Herdstedten ohne die eingepfarrten.
Besoldung: 20 fl an geld . . . oder Gotteshauß, da er bej der
gemajn nicht ist. 1 Zc hendlein zu (ist weggerissen). 1 Zeh end-
lein zu Hag tragt 8 oder 9 Mltr Habern und Korn . . . .
2 ackerlein und 3 Wießenflecklein. 10 oder 11 F . . . Freyholz,
das man für die thür führet.
Ist ein Nonnen Closter gewest ....
Ist 40 Jar allt, hatt 1 Kind, die andern sind gestorben.
Bekennt sich zur Augßp. Confession, der Apologia und formula
Concordiae. —
Ergänzung des Pfr. V. Ulricus : „Henricus Kräutter von Scliwein-
furt ward mit andern Geistlichen äö. 627 vertriben, kam soviel
mir bewußt nach Repperndorff Kitzinger Capitels, da er abermalß
vertriben worden.“
Schulmeister des Ort.
Johannes Heberlein, von Marek Schonfeld ist alda Gericht-
schrejber gewest 2 1/2 Jar, hernach zu . . ernfeld bei . . Ambtmann
gewest 3 Jar. Von dannen gen Geyseiwind, ist 5/4 Jar (alda?).
Ist 24 (Jar alt?), hatt ejn Wejb und 2 Kinder.
Besoldung: 29 fl an Geld. Holz ... 1 Mltr. ohngefährlich
von den Läutgarben.
Im Winter . . . Knaben und Megdleju.
Weygenheim.
Pfarrherr Georg Sandtritter von Ipßhejm. Von danuen gen
Winßhejm getlian, alda 5 Jar unter den pauperibus unterhalten
worden. Von Winßhejm äö. 53 gen Straßburgk kommen, 3 Jar
lang alda gewest, ... Inn Collegio bei den Wil .... unterhalten.
90 R. Herold, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
Von Straßburg gen Basel gezogen und alda deponiert worden, wider
auff Straßburg gezogen. Gen Hall in Sachsen 3/4 Jar unterhalten
worden von sejnen freunden. Von Hall gen Jena gezogen, 2 Monat
alda geblieben wejl er kejn Unterhaltung gehabt. Von Jena gen
Staff elstein kommen und alda in der Schul Cantor worden, . . Jar
lang dabei verharret. In Staffelstein ist pfarrherr gewest . . .
Rigelstein, der mit Im Zugleich in Straßburg studiert. Derselbig
hat Ihn, pfarrherr Sandtritter, gen Bamberg promoviret und alda
vom Wejbischoff ordinirt worden. Von dannen gen Eltmann Inß
Stadtlein kommen und Caplan worden lx/2 Jar, biß Melchior Zobel
bischoffen worden. Alß Bischoff Friedrich das Land angenommen,
ist er von seinem pfarrherr enturlaubt worden. Im exilio 1/4 Jar.
Von dannen gen Weygenhejm kommen bei leben Herrn Fridrich
Herrn zu Schwarzenbergk, Graff Hanßen Vattern äö. 58. Ist alda
pfarrherr 81 Jar. Ist im 66. Jar sejns Alters, hatt 18 Kinder
tauffen lassen mit sejner Hausfrauen, sind 7 Ihm gestorben, aber
3 Söne sejner frawen leben, ejner 11 Jar, der andere 7 Jar. Hatt
das Pfarrlehen weyland gen Wirzburg gehöret, ist aber unstrittig,
das es jtzund Schwarzenberg zugehöret. Hat 84 Herdstedten, nichts I
eingepfarrt. (Randbemerkung: 7 Bernhard Hutten zugehörig, 8 Creilß-
hejmisch, 1 marggrafisch, 2 pfarr, 1 Senßhejm, 2 (?) Schwarzen- |
bergisch, . . Dhumprobst zu Wirzburg, .... ttenburgisch).
Besoldung: 36 Mltr. Getreid ... 12 Habern. 7 Metzen Waizen. j
4 Mo rgen Inn . . . feld pfarracker, 3 morgen Wießen. . . fl Zinß-
geld • Holzrecht wie ein anderer Häcker, pfarrgütter sind aller !
Zehenden frej. und hatt die pfarr . . . Hintersassen, geben aber j.
kein Handlohn. 5 Eastnachthüner, 2 Sommerhüulein vor der !
Wiesmat.
Ist allbereit formula Concordiae verhalben (?) vom Graff I
Hanß . ., will sie willig und mit freuden unterschrejben.
Schulmeister.
Baltasar Nagel von Rudolßhofen, hatt kejne Schul besucht. Ist I
Innß 23 Jar Schulmeister, hatt die Gerichtschrejberej dabej. Ist
44 Jar allt, hatt 4 Kinder im Leben. Hatt ein Feldgüterlein, j
3 morgen Inn einfeld, davon nährt er sich.
Besoldung: 9 Mltr Korn. 1 fl von der gemajn. 24 |th von j
der Uhr zu stellen. 1 _th von jeder V . . . schafft groß und i
klein. 2 Mltr von den Läutgarben. Jeder Schulknabe und
magdlein 1/2 ort.
Ist ein Hamster . . . Hatt kejn Klag ... —
Soweit das Verzeichnis des M. Wegelein, welches trotz seiner
abgerissenen Sätze durch die Ursprünglichkeit der Darstellung, wie
durch die Genauigkeit der Angaben interessiert und außerdem reich-
liche Ausbeute für die bezüglichen „Pfarrsclireibungen“ darbietet.
S. Kadner, Eine akad. Rede zu Anfang des 17. Jahrhunderts. 91
Eine akademische Rede zu Anfang des
17. Jahrhunderts.
Miscelle
von
S. Kadner,
Pfarrer in Lehenthal.
Der Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn
hatte kurz vor seinem Tode testamentarisch verfügt, daß sein Herz
in der Universitätskirche aufbewahrt werde. Der Universität, die
ganz sein Werk war, gehörte seine Liebe, daher er selbst als
deutende Inschrift das Bibelwort bestimmte: Wo euer Schatz ist,
da ist auch euer Herz. Bei der feierlichen Beisetzung des bischöf-
lichen Herzens nun hielt der jesuitische Universitätsprofessor San-
däus eine akademische Rede, die in der Verwertung von Schrift-
worten, in scholastischer Logik und in der Vergötterung des Bischofs
das Unglaublichste leistet. Sandäus preist überschwänglich das
donarium cordis Julii. Er jauchzt mit dem Sänger des 15. Psalms:
Uns ist ein schön Erbteil worden! Dann sammelt er die Schrift-
stellen, die das Wörtlein „Herz“ enhalten, und citirt z. B. : Der
Herr hat sich gesucht einen Mann nach seinem Herzen ! Oder :
Gib mir mein Sohn dein Herz! Cor nobis suum dedit Julius, so
hebt triumphierend jeder Abschnitt an. Christus hat vom Himmel
seinen Geist gesandt, welcher im Leibe d. i. in der Kirche das Amt
des Herzens verwalten soll. Als der Heiland so mit fast den letzten
Worten sein Herz zu geben versprach, hat er damit seiner unend-
lichen Liebe Unterpfand verheißen. „Ist es nun nicht ein Zeichen
höchster Liebe, daß der Fürst uns sein Herz vermacht hat ? Cor
camera Omnipotentis regis. Hane si nobis donavit Julius, Cor suum
adsignando, naecoelum ipsum dedi s s e p u tan d us est! 0 muni-
ficum benefactorem!“ Wäre der Redner ganz strikte in den Bahnen
seiner Logik geblieben, so hätte er nicht das allgemeinere coelum
substituieren dürfen, sondern folgerichtig sagen müssen: Den allmäch-
tigen König selbst hat uns dieser Bischof gegeben, indem er sein
Herz, die Wohnung dieses Königs, uns zum Weihgeschenk gab !
Auch hier welche kraß sinnlichen Vorstellungen ! Welche
Lästerung ! — In über 50 Abschnitten geht es in ähnlichen Stil
und Sinne weiter. So redeten damals akademische Lehrer! Die
angeführten Proben werden genügen. Wer den lateinischem Text
der schwungvollen Rede nachlesen will, findet ihn bei Gropp:
Collectio novissima Scriptorum et rerum Wirceburgensium, 1741,
Tom I, p. 624f.
92
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammengestellt von
0. Rieder,
Kgl. Reichsarchivrat in München.
(Fortsetzung.)
Aus Archiv des hist, Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg.
Leimes, G. L., Geschichte des Baunach-Grundes in Unterfranken:
Bd. 7 H. 1 (1841), S. 1 (Religion und kirchliche Verfassung
der ersten Bewohner S. 9 ; Ausbreitung des Christentums,
Kirchen und Schulen, Spitäler S. 10. Beilagen: Bischofs-
urkunde über die Pfarrverhältnisse zu Ebern und ,7Wisachu von
1232: S. 182; desgl. über die' Errichtung eines neuen Rural-
kapitels Ebern und dessen Trennung von „Murstadt“ 1524:
S. 188. Reihenfolge der Geistlichen und Lehrer in Baunach
und mehreren andern Orten S. 191).
Scharold, Geschichte der k. schwedischen und herzogl. sachsen-
weimarischen Zwischenregierung inj eroberten Fürstbistume
Wiirzburg, in besonderer Beziehung auf das reformierte Religions-,
Kirchen- und Schulwesen: H. 2 (1842), S. 1 ; H. 3 (1843), S. 1;
Bd. 8 H. 1 (1844), S. 1; H. 2 u. 3 (1845), S. 1.
Zwiespalt der Domkapitel zu Bamberg und Wiirzburg mit
ihrem Fürstbischöfe Peter Philipp von Dernbach (1680) : Bd. 7
H. 2, S. 114.
Gutenäcker, J,, Beiträge zu einer kritischen Geschichte der Salz-
burg S. 135 (über die Gründung des Bischofsitzes zu Würz-
burg). — Vgl. Reininger in Bd. 25 u. Schnell in Bd. 29.
Reuss, Manuskriptenkatalog der vormaligen Dombibliothek zu Würz-
burg (betr. „durch Alter und Inhalt ausgezeichnete Manuskripte,
welche grosse Schätze von mancherlei noch unbekannten
historischen Notizen zur fränkischen Kirchen- und Gelehrten-
Geschichte enthalten“): S. 166.
Gutenäcker, Jos., Das wandernde Steinbild (aus der Pfarrkirche
zu Münnerstadt) S. 182; Die Glasmalereien in der Pfarrkirche
zu Münnerstadt S. 184.
Reuss, Beiträge zur Regierungsgeschichte des Fürstbischofs Julius
(bisher ungedruckte Dokumente über sein eifriges Wirken für
die katholische Kirche): H. 3 (1843), S. 139.
Kurze Beschreibung merkwürdiger altdeutscher Handschriften
in unterfränkischen Bibliotheken Bd. 8 H. 1 (1844), S. 148
(II. und IV. zwei Papierhandschriften des 15. Jahrhunderts
liturgischen und homiletischen etc. Inhalts S. 151 u. 153).
Statuten des Vikarienkollegiums in uns. lieb. Frauenkapelle
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften. 93
zu der goldnen Pforte vulgo fiu stere Kapelle), bei dem Loche
zu Würzburg, vom Jahre 1408: S. 155.
Schar old. K. G.. Klostergeistliche als Steinmetzen: Öffentliche In-
schriften (in der Pfarrkirche) zu Karlstadt a. M. S. 204.
Fröhlich. J.. Biographie des grossen Tonkünstlers namentlich für
katholische Kirchenmusik Abt Georg Joseph Vogler bei Ge-
legenheit der Inauguration des an seinem Geburtshause vom
historischen Vereine gesetzten Denksteines ( mit Porträt ) : Bd. 8
Anhang zu H. 2 u. 3.
Burekbardt, Urkundliche Geschichte der Karthause Ostheim mit
deren älresren Ansicht : Bd. 9 H. 1 1S46\ S. 1 . — Yergl.
Wieland in Bd. 38.
Rost. Über Beguiuen. insbesondere im ehemal. Fürstentum Würz-
bürg. S. 81.
Die alte Ruine zwischen Groß- und Kleinbrach, k. Land-
gerichts Kissingen: S. 146 an der Stelle stand ein dem h.
Dionysius geweihtes Klösterlein: S. 149h
Schar old. K. G., Revers des Abts und Konvents zu Bildhausen
über ihre Rückkehr von der angenommenen lutherischen zur
katholischen Religion (1572 . Beitrag zur Reformations-
Geschichte des Bisthums Würzburg. S. 154.
Die Kreuzgaug Kapelle im ehemaligen abteilichen Kloster
Bildhausen. Die Stadt Ochsenfurt erhält einen neuen Schul-
meister i. J. 1561. S. 159.
Keller. G. J.. Beschreibung und Erklärung einiger Denkmünzen
auf merkwürdige Franken oder auf Begebenheiten, welche
Frauken betreffen: Bd. 9, H. 2 (1847), S. 1 (Kr. 2 auf
Daniel Stibar von Rabeneck, Domherr zu Würzburg, f 1555.
Teilnehmer au dem Religionsgespräche zu Regensburg 1546:
S. 4: 4 und 5. Schaustücke auf den Professor am St. Egidien-
Gymnasium zu Xürnberg Michael Röting. Verfasser griechischer
Briefe an Melanchtlion S. 21: 9. auf den Abt Michael zu St.
Stephan in Würzburg, f 1548: S. 30., 10. Denkmünze auf
den Tod des Grafen Poppo von Henneberg, eines ehemal. Dom-
herrn von Würzburg. 1542 zur Augsburger Konfession über-
getreten. y 1574: S. 31: 22. Medaille auf den k. bayeri-
schen Regierungsrat Dr. Johann Philipp Gregel, vormals Pro-
fessor des Kirchenrechts an der Universität Würzburg, y 1841.
S. 45: 31. Emil Kircbgessnerische Schulprämien S. 64: 34.
Denkmünze auf den Tod des Würzburger Domherrn und Ritters
vom heiligen Grab Michael v. Seinsheim 1529: S. 65: 37 tu
38. Medaillen auf den Ritter Sebastiau v. Rotenhan 1518 u.
1526. Ritter des heiligen Grabes. Herausgeber von Reginos
Ghrouikou. Abts zu Prüm etc. S. 69: 39 — 42. Denkmünzen
auf die Abte Johann (j 1562), Leonard y 1591), Hiero-
94
0. Rieder, Alis historischen Zeitschriften.
uyraus (f 1615) und Johann Dressei (f 1637) von Ebrach:
S. 82 ff.
Heft 3 (1848), S. 1 (Nr. 43: Jubiläums-Medaille des
Mainzer Scholasticus Carl Philipp Freih. v. Greifenklau, Dom-
herrn zu Würzburg und Speyer 1744 (1749 Bischof von Würz-
burg): S. 1: 46. Desgl. des Erzbischofs von Mainz und Bischofs
von Bamberg, Lothar Franz Grafen von Schönborn 1712: S. 5;
50. Contrafaitstück auf den Würzburger Domdechant, Erz-
priester und Generalvikar Johann v. Guttenberg 1526: S. 11;
51. Denkmünze auf die Einweihung der neuerbauten Pfarr-
kirche zu Neustadt an der Saale 1836: S. 15; 65. auf den
Würzburger Dompropst Wolfgang Albert Frh. v. Würzburg 1598
(mit Nachrichten über die Dompropstei und das vom Papste
behauptete Ernenn an gerecht) : S. 48 ; 66. Medaille auf den
letzten Abt von Bildhausen, Nivard Schiimbach 1808 : S. 58).
Denzinger, Ignaz, Geschichte des Schlosses und Rittergutes
Sodenberg: Bd. 9, H. 2, S. 100 (Das ,, heilige Kreuz“, auf
dem Sodenberge und die von ihm gewirkten Wunder S. 101
und 142).
Gutenäcker, Einige Bemerkungen über die Studienschule zu
Thundorf im XVI. und XVII. Jahrhundert: S. 144.
Historisch-literarischer Anzeiger für Unterfrauken und Aschaffenburg
(hierin seit 1840 auch Werke über Kirchenhistorie und kirchliche
Kunstgeschichte, dann theologische und Erbauungsschriften an-
gezeigt und besprochen): Bd. 9, H. 2 (1847), S. 200; H. 3
(1848 \ S. 156: Bd. 10, IL 1 (1849), S. 164; H. 2 und
3 (1850), S. 319; Bd. 11, H. 1 (1850\ S. 202; H. 2 und 3
(1851), S. 393; Bd. 12, H. 1 (1852), S. 229; H. 2 und 3
(1853), S. 312; Bd. 13, H. 1 und 2 (1854', S. 366.
Denzinger, Ignaz, Heinrich Georg Hörde und die Convertiten-
stiftung in Würzburg: Bd. 9, H. 3 (1848), S. 67. — Nach-
trag zu Hörde’ s Biographie Bd. 13, H. 3 (1855), S. 214.
Benkert, Franz Georg, Nachrichten von dem im Anfänge des
XVI. Jahrhunderts ausgestorbenen fränkischen adeligen Ge-
sclilechte der Herren und Frauen von Fladungen (Auszug aus
einem zum Druck bestimmten Manuskripte) : Bd. 9, H. 3,
S. 94 (Notiz über die Pfarrei Fl. S. 98).
Kraus, Johann Adolph, Beschreibung des zu Neustadt am Main in
Unterfrauken gefundenen (antiken) Taufsteins S. 110.
Urkundliche Nachrichten über das Kloster Einsiedel im
Spessart S. 122. — Michelstadt im Odenwalde und Michilun-
statt im Spessart: Bd. 17, H. 1 (1864). S. 140.
Ke stier, J. B., Geschiclits-Abriß des vormaligen Frauenklosters
Unter-Zell: Bd. 10, H. 1 (1849), S. 87. — Nachtrag: Bd. 13,
H. 3 (1855), S. 116.
Zur Bibliographie. 95
Denzinger, Ignaz, Beitrag zur Reformationsgeschichte Wiirzburgs
S. 105.
Reuß, Ans dem Leben des Fürstbischofs Johann Hartmann von
Rosenbach (1609 — 1665, eigenhändig niedergeschrieben):
Bd. 10; H. 1, S. 137.
Denzinger, J., Auszüge aus einer Chronik der Familie Lang-
hans in Zeil (von 1616 bis 1627, mit zahlreichen Nachrichten
über Hexenverfolgungen) : S. 143.
Kiese r, C., Ergänzung des fehlenden Zeitworts auf dem Grabstein
des Bischofs Megingod zu Würzburg (*j* 794): S. 149. —
Vgl. Kraus in Bd. 24.
Denzinger, J., Inschrift unter einem Steine, auf welchem Jupiter,
Juno und Minerva abgebildet sind (errichtet im 16. Jahr-
hundert von einem Kanonikus im Stift Neumünster zu Würz-
burg): S. 157.
Reuß, Nachricht von einigen merkwürdigen Handschriften (über
einen Ketzerprozeß des Jahres 1342 und über die berüchtigte
Wallfahrt zu dem heiligen Pauker nach Niklashausen 1476):
S. 159. — Die Wällfahrt nach N. im Jahr 1476: H. 2 und
3 (1850), S. 300. Vergl. Barack in Bd. 14, H. 2.
Über den Geschlechtsnamen des Bischofs Gottfried I. von
Würzburg (1184 — 90): Bd. 10, H. 1, S. 160.
Kreuzzeichen an den Kleidern S. 161.
Bankert, Franz Georg, die Ruine zum Bischofs (eine Kirchen- und
Klosterruine ! : H. 2 und 3 (1850), S. 1. — „Hergottsthal,“
Nachtrag und Berichtigung hierzu : Bd. 14, H. 3 (1858),
S. 125. — Vergl. Boxberger in Bd. 17.
Denzinger, J., Die Geschichte des Nonnenklosters Mariaburg-
hausen: Bd. 10. H. 2 und 3, S. 44.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Bibliographie.*1
Dr. Martin Giickel, k. Gymnasiallehrer. Beiträge zur Geschichte
der Stadt Forchheim im 16. Jahrhundert. Programm des k.
neuen Gymnasiums in Bamberg für das Schuljahr 1897/98.
Bamberg 1898. 99 S.
Der Verf. hat seinen Stoff aus den im kgl. Kreisarchiv zu Bamberg
reichlich vorhandenen auf die Geschichte Forchheims bezüglichen Akten
geschöpft, und es verstanden, das Interesse des Lesers für die Ver-
gangenheit des alten Königshofes, der späteren bambergisehen Festung
Forchheim zu wecken, so daß zu wünschen wäre, es möchte die fleißige
Arbeit einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden, als dies
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
96 Zur Bibliographie.
bei einem Gymnasialprogramm der Fall ist. S. 15 — 43 behandelt er die
Geschichte Forchheims zur Zeit der Reformation, besonders des Bauern-
krieges, von S. 44 an seine Schicksale im schmalkaldischen und mark-
gräflichen Krieg. Die Parteinahme der unter dem direkten Einfluß der
Bischöfe stehenden Stadt für die Sache der Reformation illustriert ein
Verzeichnis der katholischen Bürger und Bürgerinnen Forchheims d. a.
1594, „welche ja und alzeit der katholischen und allein selig machenden
Religion gewesen und noch dato 1594 seindt,“ in dem deren Zahl nur
auf 267 Mann bei einer Bevölkerung von ca. 2700 Personen angegeben
wird. (S. 38). Zu berichtigen ist im einzelnen: S. 20 muß es statt
Johann Kreuzer Jörg Kreuzer heißen. Forchheim war auch nicht die
erste Gemeinde, in welcher die Bauernunruhen ausbrachen; nicht erst
am 26. Mai 1524, sondern schon am 15. Mai weigerten sich Eggols-
heim, Ebermannstadt, Hallstadt u. a. die Zehnten zu zahlen, und schon
im November 1523 will der Bischof nach Zeil, um die dort enstandene
Empörung zu stillen (S. 20). Als Unterhändler zwischen dem Bischof
und den Aufständischen in Forchheim sind nur die bischöflichen Räte
genannt (S. 23), während auch 3 Abgeordnete aus dem Forchheimer Rat
und 4 aus der Bürgerschaft nach Bamberg zogen. Die Nachricht von
einer Empörung Höchstadts und Herzogenaurachs (S. 21 f.), welche
Hans von Seckendorf aus Bayersdorf nach Ansbach meldete, war gewiß
unrichtig, denn es findet sich davon keine Spur in den Bamberger Akten.
Glaubwürdig dagegen ist die ebenfalls von ihm stammende Erzählung
von der Flucht des Forchheimer Schultheißen Wilhelm von Wießenthau,
obwohl dieser von sich nur sagt, er habe ins Schloß weichen müssen,
,da ich geblieben.“ (S. 22). Ein falscher Schein wiederum wird durch
Seckendorfs Beifügung erweckt, daß „die von Nürnberg diese Aufruhr
und Empörung auf die Bein gebracht,“ wenn der Verf. daraus „unruhige
Elemente aus Nürnberg“ macht (S. 20). Es w^aren nach des Bischofs
eigener Angabe, „etliche Bauern der von Nürnberg und anderer Herr-
schaften in unserm Fürstentum,“ die sich zweimal versammelt und be-
müht hatten, „ob sie unsere Bauern auch zu ihnen hätten bewegen
mögen.“ Noch nach Beendigung der Forchheimer Unruhen standen 700
Bauern zu Kalchreut versammelt. Unzureichend ist S. 31 die Fortsetzung
des Bauernkriegs durch die Bauern begründet. Die Flucht des Banzer
Abtes Johann IV. und seiner Konventualen (S. 32) war mehr eine Folge
ihres Freiheitsdranges als ihrer Bauernfurcht. Den Vorwurf der Intoleranz
gegen Weigand „völlig unbegründet“ zu nennen, geht entschieden zu weit,
da der Bischof, soviel er konnte, an der Absetzung, Einkerkerung und Ver-
bannung der lutherisch Gesinnten arbeitete. Daß Markgraf Kasimir
ihr „großer Protektor“ war, ist doch wohl zu viel gesagt (S. 39). Die
Abgeordneten auf dem Tag zu Forchheim am 26. Juli 1535 sind un-
vollständig angegeben (S. 41). E. in H.
* Stein, Justizrat Dr. und L. Müller, Lehrer. Die Geschichte
von Erlangen in Wort und Bild. Mit zahlreichen Illustrationen
und einem Anhang. I. Akademische Vereine. II. Dichter in
Erlangen. Erlangen 1898. Verlag von Fr. Junge. VIII,
348 und 80 S. geb. Mk. 6.50, brosch. Mk. 5.80.
Die Veranlassung zu der Herausgabe des vorliegenden Werkes, die
der eigensten Initiative des bekannten rührigen Verlegers zu danken ist,
war in erster Linie die Thatsache, daß die Stadt Erlangen in diesem
Jahre das fünfhundertjährige Jubiläum ihres Bestehens als Stadt feiern
konnte, dessen würdige Feier seit Jahren geplant war, von der jedoch
die städtischen Collegien in bedauerlichem Mangel an historischem Sinn
schließlich abgesehen haben. Sodann fehlt es an einer dem Bedürfnis
Zur Bibliographie.
97
entsprechenden Geschichte Erlangens, da die bekannte, ihrer Zeit treff-
liche Arbeit von Lammers, auf die man bisher allein angewiesen war,
schon ziemlich selten geworden, in manchen Punkten auch veraltet ist
und nur bis zur Abtretung an die Krone Bayern reicht. Dem Verleger
ist es gelungen, für die Bearbeitung zwei Männer zu gewinnen, die jeder
in seiner Weise dafür ganz besonders geeignet erscheinen dürfen. Die
drei ersten Abteilungen rühren vom Justizrat Dr. Stein in Schweinfurt
her, der als einer der besten Kenner der Geschichte Frankens durch seine
Geschichte Frankens 2 Bde. 1885)86, durch seine sehr wertvollen Arbeiten
zur Geschichte Schweinfurts (Monurnenta Suinfurtensia, Schweinfurt 1875
etc.) seine Geschichte der Grafen und Herren zu Castell (Schweinfurt 1892),
seine Geschichte Kulmbachs und der Plassenburg (Kulmbach 1893 ff.),
sowie durch manche kleinere Forschungen um die historische Wissen-
schaft sich große Verdienste erworben hat. Den anderen Verfasser
kennt man in Erlanger Kreisen als bekannten Lokalhistoriker und ge-
nauen Chronisten. Herrn Dr. Stein fiel die schwierigere Aufgabe zu,
zunächst die Anfänge Erlangens und die Geschichte seiner ersten Ent-
wicklungzuzeichnen, genauer die naturgemäß geringfügigen Notizen, die
aus den ältesten Zeiten der jahrhundertelang sehr unbedeutenden Nieder-
lassung erhalten sind, kritisch zu beleuchten und unter Benützung der
bald engeren bald weiteren Geschichte des Gebietes, mit dessen Schick-
salen die Stadt verbunden war, das allmähliche Wachsen und Erstarken
des Gemeinwesens, bis es zu einer historischen Bedeutung kam, in an-
schaulichem Bilde zu schildern. Wie zu erwarten, sind auch hier wie so
%häufig die ältesten Quellen kirchliche Notizen. Das Vorhandensein Er-
langens läßt sich zuerst historisch nachweisen aus zwei miteinander in
Beziehung stehenden Urkunden vom Jahre 976 und 1002 (Monurnenta
Boica Bd. XXVIII S. 212 und Bd. XXXI S. 277, wonach Erlangen zu den
Pertinenzen der Martinskirche in Forchheim gehörte, mit dieser dem
Bischof Poppo II. in Würzburg geschenkt *wurde und 1017 dem 1007 neu-
gegründeten Bistum Bamberg zufiel (Ebenda S. 289). Aus den Urkun-
den, welche den kirchlichen Landbesitz betreffen, erfahren wir auch, daß
in Erlangen eine bischöfliche Vogtei bestand, als deren Lehensträger im
Laufe der Zeit die Glieder einer Ritterfamilie, die Ritter von Erlangen
erscheinen, deren Blütezeit das XIV. Jahrhundert war. Durch Verpfän-
dung kam dann Erlangen für die große Summe von 2225 Pfund (vgl.
S. 20) an die Krone Böhmen, der der Ort große Förderung verdankt,
u. a. erst die Erhebung zum Markt, dann 1398 zur Stadt. In diese Zeit
des Aufblühens fällt auch der Bau einer zweiten, auf dem Platze vor
dem Martinsbühler Thore durch den Ritter von Wolfsberg errichteten,
unserer lieben Frau geweihten Kirche, die einstweilen wie die Martins-
bühler Kirche nur Filiale von Forchheim war und erst, nachdem Erlangen
wiederum durch Verpfändung (wahrscheinlich 1402) an die Burggrafen
von Nürnberg gekommen war, im Jahre 1435 als eigene Pfarrei abgetrennt
wurde, doch so, daß dem Martinsstift in Forchheim auch ferner das Be-
setzungsrecht verblieb. Reichlicher als in diesen Anfangszeiten fließen
dann die Quellen für die späteren Abteilungen des Werkes, Erlangen unter
den Hohenzollern, namentlich seitdem der Ort durch die Erbauung von Neu-
stadt Erlangen, durch die Aufnahme der französischen Refugies, endlich
durch die Gründung der Universität in die engste Beziehung zum Fürstenhause
gekommen war, was der Verf. durch manche Vorarbeiten unterstützt in
stets sachkundiger Weise und ansprechender#>Darstellung zu schildern
versteht. Seine Arbeit führt den Leser bis zum Übergang Erlangens an die
Krone Bayern, während der zweite Autor, wie es in der Natur der Sache
liegt, die Aufgabe hatte, mehr chronikartig die für die Stadt und ihre Be-
wohner wichtigen kleinen und großen Begebenheiten der letzten 70 Jahre
zusammenzuseilen, um so das verhältnismäßig rasche Aufblühen des Gemein-
98
Zur Bibliographie.
wesens namentlich in den letzten 30 Jahren erkennen zu lassen. Und
durch alle Zeiten hindurch begleitet den Leser eine mit gutem Verständ-
nis ausgewählte große Anzahl historischer, gut wiedergegebener Bilder,
die die Entwicklung der Stadt und ihres Lebens in dankenswerter Weise
trefflich veranschaulichen, uud die vielen Tausende, die in Erlangen in den
letzten Jahrzehnten aus allen Gauen Deutschlands studiert und mit der
Hochschule Ort und Bürgerschaft liebgewonnen haben, werden sich an
der Hand des in jeder Beziehung geschmackvoll ausgestatteten, inhalt-
reichen Buches gern an alte Zeiten erinnern lassen und werden auch die
originelle Beilage begrüßen, die eine kurze aber trefflich orientierende
Geschichte der einzelnen studentischen Verbindungen und Vereine (von
Mitgliedern derselben verfaßt) liefert und Abbildungen der Verbindungs-
häuser bringt, — auch dies ein Beweis dafür, wie der Verleger keine
Mühe und Kosten gespart hat, um allen Interessen gerecht zu werden.
Möchte das Buch nun auch die verdiente Verbreitung finden.
*Keiper, Dr. Phil., Neue urkundliche Beiträge zur Geschichte des
gelehrten Schulwesens im früheren Herzogtume Zweibrücken,
insbesondere des Zweibrückner Gymnasiums. III. T. Pro-
gramm des Gymnasiums zu Zweibrücken 1897.
In der vorliegenden Arbeit, einer Fortsetzung unter dem gleichen
Titel erschienenen Programme von 1892 und 1893 veröffentlicht der Verf.
die Leges Scholae Hornbacensis (lateinisch und deutsch), die Herzog
Wolfganganläßlich der Eröffnung des von ihm gegründeten Gymnasiums 1559
verordnete. Als ihren Urheber sieht der Verfasser Joh. Sturm von Straß-«
bürg an, wie er aus dem Vergleich mit den von Sturm in den Scholae
Lauinganae mitgeteilten von ihm für die Schule von Lauingen 1565 edier-
ten Leges beweist. Ausführliche Erläuterungen der für die Schulgeschichte
wichtigen Veröffentlichung erleichtern das Verständnis derselben nach
der sprachlichen und historischen Seite.
Ed. Heyck, Die allgemeine Zeitung 1768 — 1898. Beiträge zur
Geschichte der deutschen Presse. München 1898.
W eissenberg er, Burkard Dr. Geschichte des k. humanistischen
Gymnasiums Straubing unter Berücksichtigung der Entwick-
lung des gesamten Gymnasial wesens in Bayern. Straubing
1898. Programm des Gymnasiums.
Buttmann Rud., Geschichte der Gymnasialbibliothek zu Zwei-
brücken. Zwe'ibrücken 1898 Gymnasialprogramm.
*Mummenhoff, Ernst, Archivrat. Der Reichsstadt Nürnberg ge-
schichtlicher Entwicklungsgang. Vortrag, gehalten im grossen
Rathaussaal zu Nürnberg den 13. April 1898 am 5. deutschen
Historikertag. Leipzig 1898.
Es war keine geringe Aufgabe, die man dem Verf. stellte, in einem
kurzen Vortrage clen reichen Entwicklungsgang Nürnbergs vor einer
wesentlich aus Gelehrten bestehenden Versammlung und doch so vorzu-
führen, dass auch der weniger Kundige einen klaren Einblick be-
kam. Dazu gehört die völlige Beherrschung des Stoffes im einzelnen und
der weitgehende historische Blick, der aus der Fülle der Einzelnheiten
die für die Entwicklung bedeutsamen Momente zu erfassen, und ein
künstlerisches Geschick, das sie mit einander zu verknüpfen versteht.
Aber man wusste, wem man diese schwere Aufgabe übertragen durfte,
und dem schon längst um die Geschichte Nürnbergs hochverdienten Verf.,
Zur Bibliographie.
99
dem allzeit hilfsbereiten Vorstände des städtischen Archivs, ist es ge-
lungen, in kleinem Rahmen ein sehr anschauliches Bild des Entwicklungs-
gangs Nürnbergs zu zeichnen, und dabei zugleich, was ich ganz besonders
hochschätze, vor allem in den Anfangszeiten unter kurzer Begründung
durch Fussnoten manche landläufige Irrtümer abzuweisen. Möchte das
Schriftchen recht viele Leser finden!
%Bucbwald, D. Georg, Pfarrer an der Nordkirche zu Leipzig,
Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Kitzingen. Aus den
Urkunden erzählt (mit 18 Illustrationen). Leipzig, Bernhard
Richters Buchhandluug 1898. 152 S. 1.50 M.
Diese Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Kitzingen wird als
eine Gabe für die Gemeinde gewiss von ihr sehr begriisst werden und
empfiehlt sich als solche, zumal sie auch sehr billig ist, nach Ton und
Inhalt für die Verbreitung in derselben. Aber wie dankenswert es auch
für weite Kreise sein mag, dass der Verf. die erbauliche Form der Dar-
stellung gewählt, so kann ich doch zugleich mein Bedauern darüber nicht
unterdrücken, dass er das zum Teil ganz neue von ihm benutzte archi-
valische Material nicht in wissenschaftlich verwertbarerer Weise verarbeitet
hat. Jedenfalls wäre Manches davon besonderer Veröffentlichung wert.
* Schlecht, Dr. Jos., a. o. Professor am kgl. Lyceum zu Preising.
Die Pfalzgrafen Philipp und Heinrich als Bischöfe von Freising.
Festgabe zum feierlichen Einzug des Erzbischofs Dr. Fr. Jos.
von Stein in die Bischofsstadt Freising. Freising 1898.
Dr. Franz Paul Datterer. 47 S. Mk. 1.50.
Der Titel dieser sehr interessanten und gutgeschriebenen Studie ent-
spricht nicht ganz ihrem Inhalt. Das, was man zuerst darin erwarten würde,
eine Darlegung des speziell kirchlichen Regiments der Bischöfe, etwa auch
ihres Kampfes gegen die reformatorischen Bestrebungen, findet sich nicht.
Dafür werden wir eingehend belehrt über den Kampf gegenüber dem
bayerischen Herzogtum um ihre fürstliche Selbständigkeit, woran ja frei-
lich den Kirchenfürsten jener Zeit am meisten lag. Allerdings handelte
es sich bei den Streitigkeiten mit den bayer. Herzogen, die der Verf.
mit ausgiebiger Begründung seit dem Jahre 1530 schildert, nicht bloß
um die fürstl. Selbständigkeit, sondern auch um Eingriffe derselben in
die innerkirchliche Verwaltung und die kirchliche Jurisdiktion, die von
den bayerischen Fürsten doch nicht nur im Interesse der Vermehrung
ihrer Hausmacht oder aus Habsucht, und um ihre Diener billig unter-
zubringen, geübt wurde, sondern die dem in der Zeit liegenden Streben
entsprangen, die geistliche Gewalt über die Unterthanen nach Kräften
auszudehnen; und daß die bayer. Fürsten, obwohl überzeugte Anhänger
der römischen Kirche, unter denen, die nach einer Art landeskirchlichem
Regiment strebten, obenan standen, hätte der Verf. nicht verschweigen
sollen. Aber ihm kam es mehr darauf an, die eifrigen Bestrebungen
der verschiedenen Wittelsbacher Linien, die jüngeren Söhne in den Besitz
von Bistümern zu bringen, zu schildern, namentlich die mancherlei Intriguen,
die gesponnen wurden, den Herzog Heinrich, den Bruder des Bischofs
Philipp von Freising, der 1523 Administrator von Worms ward, dann,
obwohl er niemals die höheren Weihen erhalten, das Bistum Utrecht er-
langt hatte, was er aber an Karl V. verschacherte, erst in Eichstätt und
dann in Freising als Coadjutor anzubringen. Ersteres gelang nicht, da
Bischof Gabriel von Eichstätt, sein Kapitel und seine Stadt, worüber der
Verf. im Anhänge sehr interessante Aktenstücke mitteilt, dem Kaiser zum
Trotz sich sehr energisch dagegen wehrten, und letzteres erst nach vielen
100
Zur Bibliographie.
Jahren, weil lange Zeit nicht nur Rom, sondern auch die bayerischen Vettern
dagegen sich sperrten. Infolgedessen konnte Heinrich erst, als Philipp am
5. Jan. 1541 gestorben war, am 4. Okt. als Nachfolger einziehen, obwohl
die Curie ihn schließlich acceptiert und schon unter dem 26. Aug. 1540
als Coadjutor und Nachfolger bestätigt hatte. Aus dem inzwischen von
W. Friedensburg (Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven
Bd. I Heft 2 S. 22) mitgeteilten, dem Verf. bei der Abfassung seiner
Schrift noch unbekannten Informativprozesse, nach welchem diese Gnade
gegen Zahlung von 3000 Dukaten erteilt wurde (fuit facta gratia pro
tribus mille ducatis, mille pro compositione, mille pro collegis et mille pro
officialibus) müßte man schließen, daß entgegen der Meinung Schlechte
nicht nur das Domkapitel von Freising, sondern auch die bayer. Herzoge
um Heinrich petitioniert hätten, aber die sonstigen Angaben des infor-
mierenden Kardinals, u. a. die doch etwas starke wiederholte Behauptung,
Bischof Philipp habe die größte Mühe mit der Erhaltung seiner Kirchen-
güter gehabt, propter continua bella a perfidis Turcis in illis partibus
illata, wie das, was über die gute Verwaltung der Wormser Kirchengüter
durch Heinrich berichtet wird, lassen dieses Aktenstück als keine zu-
verläßige Quelle erscheinen. — Der Regierung des Administrators Hein-
rich (f 3. Januar 1552) sind nur wenige Blätter gewidmet, aber was
Schlecht darüber zu berichten weiß, ist interessant genug und erweckt
den Wunsch, er möchte diese Verhältnisse ausführlicher und in größerem
Rahmen behandeln. Sicherlich wäre es doch sehr wertvoll, auf Grund
des dem Verfasser, aber wahrscheinlich nicht jedem, zugänglichen Akten-
materials im bischöflichen Archiv zu erfahren, wie sich die innerkirch-
lichen Verhältnisse unter diesem ungeistlichen Herrn, über den der Verf.
mit seinem Urteil allzusehr zurückhält, gestaltet haben.
Seitz, Otto Lic. theol., Die Theologie des Urbanus Rhegius,
speziell sein Verhältnis zu Luther und Zwingli. Ein Beitrag
zur Geschichte des Abendmahlsstreites im Reformationszeitalter.
Gotha 1898. Friedrich Andreas Perthes. Mk. 1.60.
Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche
herausgegeben von Albert Hauck. 8. Aufl. Bd. V enthält fol-
gende die bayerische Kirchengeschichte betreffende Artikel :
Johannes Drakonites f 1566 von Gustav Kawerau. — Paul Eber
f 1569 von Gustav Kawerau. — Johannes Eberlin von Günzburg f c. 1530
von Theodor Kolde. — Christian Ebner f 1356 und Margareta Ebner
f 1351 von Philipp Strauch. — August Ebrard f 1888 (darin vollstän-
diges Verzeichnis seiner Schriften) von Karl Müller. — Johann Eck
f 1543 von (Riggenbach) Enders. — Eichstätt, Bistum von Albert Hauck.
— Ekkehard von Aura f nach 1125 von Wilhelm Altmann. — Elias
Levita (aus Neustadt an der Aisch) f 1549 von Ed. König. — Emmeram
f um 715 von Albert Hauck. — Emser Kongreß 1786, (darin die Errich-
tung einer päpstlichen Nuntiatur in München und der bayerische Zehnten-
streit) von Karl Mirbt. — J. V. v. Engelhardt f 1855 von J. J. Herzog (f).
— Franz Ludwig von Erthal f 1795 von Kerler. — Faber von Augsburg
f um 1530 von Wangenmann. — Friedrich Fabri f 1891 von E. Sachsse.
Kaspar Kantz.
Von
Dr. Christian Geyer.
Kaspar Kantz war bis in die neueste Zeit nnr denen be-
kannt, die sich mit der Xördlinger Keformationsgeschichte be-
schäftigten. Seitdem man aber erfuhr, dass er als Verfasser
der ältesten Evangelischen Messe eine über die Mauern seiner
Vaterstadt reichende Beachtung verdiene, wandte sich ihm das
Interesse weiterer Kreise zu. Ich hoffe daher, manchem Leser
dieser Zeitschrift, namentlich aber denen, die sich für die Ge-
schichte des evangelischen Gottesdienstes interessieren, einen
bescheidenen Dienst zu leisten, wenn ich das Wenige zusam-
menstelle, das ich über ihn, seinen Lebensgang und seine Schriften
in Erfahrung bringen konnte. Ich kann dies nicht thun, ohne
vor allem meinem hochverehrten Lehrer, dem Herrn Heraus-
geber dieser Zeitschrift, den herzlichsten Dank für die auf
die Studienzeit Kantzens in Leipzig und Wittenberg bezüg-
lichen mir gütigst überlassenen Notizen auszusprechen.
Über die frühere Jugendzeit Kantzens fehlen Nachrichten.
Wir erfahren nur, dass er ein geborener Nördlinger war v) und
dürfen vielleicht vermuten, dass er, weil er später Karmeliter-
mönch wurde, die Schule besucht habe, die dieser Orden in
Xördlingen unterhielt1 2).
Wann er Mönch geworden ist, wissen wir nicht, gewiss ist
nur, dass sein Eintritt ins Kloster vor dem Wintersemester
1501 erfolgt sein muss. In dieser Zeit treffen wir nämlich sei-
1) Maister Caspar Kanntz Supplication 1530. „Wil mich hiemit als
einen gebornen gantz genaigten Nördlinger ... beleihen haben-. Nörd-
linger Archiv.
2) Beyschlag. Versuch einer Schulgeschichte der Reichsstadt
Xördlingen. 1. Stück. 1793. S. 10.
Beiträge zur barer. Kirchengeschichte. V. 3.
8
102
Geyer, Kaspar Kautz.
nen Namen in der Matrikel der Universität Leipzig mit der
Bezeichnung „frater“ : frater Casper Canicz de Norlingen (eine
andere Handschrift schreibt „Cantz“ Q. Wenn es gestattet ist,
von dem Beginne seiner Studien auf die Zeit seiner Geburt zu
schliesseu, so dürfen wir in Kantz einen Altersgenossen Luthers
sehen. Über die zwischen 1501 und 1518 liegende Zeit giebt
uns eine Studie Briegers Aufschluss1 2). Wir erfahren nämlich,
dass ein Caspar Kautzch (Kautz.) de Norlingen, fr. ord. Carme-
litorum im Wintersemester 1502 Baccalaureus und im Winter-
semester 1505 Magister wurde3). Dass dieser Caspar Kautz
oder Kautsch identisch ist mit unserem Kantz, kann nicht zwei-
felhaft sein, gleichviel ob in den von Brieger benützten Quellen
in der That Kautz geschrieben steht, oder ob er irrtümlich so
gelesen hat4). Bis zum Jahre 1518 begegnet uns dieser Name
in den Leipziger Universitätsakten. „Anno domini millesimo
quingentesimo undecimo feria sexta que fuit ultima januarij
Receptus est Ad legendum Cursum in Sacra theologia venera-
bilis et religiosus pater et magister Casperus kautz de Norlingen,
ordinis Carmelitarum frater“5 6), und „Anno domini millesimo quin-
gentesimo tercio decimo Sabbato in vigilia oculi Receptus est
ad legendum Sentencias in Sacra theologia venerabilis dominus
magister Caspar kautzsch de Norlingen frater ordinis Carmeli-
tarum5). Man könnte sich wohl denken, dass ein Mönch, der
nach solchen Studien und Erfolgen in die Heimat zurückkehrte,
alsbald von seinen Conventualen zu einer leitenden Stelle be-
rufen worden sei, wie die Nördlinger Chronik berichtet7), allein
eine derartige Notiz darf nur mit Vorbehalt verwendet werden.
Zudem erfahren wir, dass M. Martin Moninger, der zweite
1) Codex diploinaticus Saxoniae Regiae XVI. Die Matrikel der Uni-
versität Leipzig Bd. I, 444.
2) Brieger, die theol. Promotionen auf der Universität Leipzig
1428 — 1584. Leipzig 1890.
3) a. a. 0. S. 49.
4) Auch Seckendorf, Historia Lutheranismi III, 183 ff. schreibt
durchweg Kautz.
5) Brieger a. a. 0. S: 25.
6) a. a. 0. S. 26.
7) Manuscr. in der Fürst! . Wallerstein’schen Bibliothek in Maihingen.
Abschrift in der Stadtbibliothek Nördlingen.
Geyer, Kaspar Kantz.
103
lutherische Stadtpfarrer in Ansbach, der 1498 in Löpsingen bei
Nördlingen geboren und zu Öttingen im Latein unterrichtet
worden war, aus dem Karmeliterkloster zu Nördlingen gestossen
worden sei, weil ihn, den Verehrer von Luthers Schriften, Prior
und Conventualen nicht auf andere Gedanken bringen konnten ;
und erst nach Moningers Vertreibung sei Kantz Prior gewor-
den1). Allein er scheint eher Moningers Leidensgefährte als
sein Nachfolger gewesen zu sein. Der Vicarius des Priorats
wollte auch ihn nicht mehr dulden, sondern aufs schleunigste
austreiben. Die beiden Bürgermeister Widemann und Reuter,
die zugleich Klosterpfleger waren, verwendeten sich für ihn in
einem noch erhaltenen Schreiben vom 11. Juni 1518 bei dem
Provinzial des Carmeliterordens Georg Muffel in Bamberg, dass
man ihm bis Michaelis noch Frist geben möge2). Es ist doch
kaum anzunehmen, dass mehr als diese Bitte sollte gewährt
worden sein. Jedenfalls erfolgte jedoch seine Rehabilitierung
bald wieder; denn 1523 heisst er offiziell3) „priester vnd Munich
zu den CarmelitenL Dass Luther sehr bald in den Kreisen der
Nördlinger Bettelmönche Anhänger fand, ist gewiss4). Wollte
man dies anfänglich nicht dulden, so lernte man doch allmählich,
dass es nicht anging, die frische Lutt der Reformation von dem
Kloster auszuschliessen. Bürger, Geistliche und Mönche wurden
von ihrem Hauch berührt. Die Berufung Diepold Gerlachers,
eines erklärten Anhängers Luthers, zur Predigt der evangeli-
schen Lehre nach Nördlingen und die Wirksamkeit dieses
Mannes daselbst vom 1. Nov. 1522 an wäre undenkbar, wenn
nicht vorher der Boden zubereitet und der Weg geebnet
worden wäre.
Die Seele dieser ersten reformatorischen Bewegung war
aber unstreitig unser Kaspar Kantz. Nur deshalb weil er
sich anfänglich bescheiden zurückhielt und erst, als die dringende
1) Beyschlag, a. a. 0. S. 10: Er beruft sich auf Joh. Andr. Zindel,
Lebensbeschreibung M. Martin Moningers. Zugabe zu dem 2. Bande der
Uffenheimischen Nebenstunden.
2) Briefbuch 1518. Nördlinger Archiv. (Siehe unten im Anhang).
3) Urfehdebuch 1518—33 Fol. 77b. Nördlinger Archiv. (S. Anhang).
4) Beyschlag, a. a. 0. S. 9 Die Geschichte von dem Nördlinger
Mönch, der bei den Barfüßern zu Regensburg wider die Wallfahrten zur
schönen Maria predigt und das Abendmahl unter zweierlei Gestalt darreicht.
8*
104
Geyer, Kaspar Kantz.
Not es erheischte, das Steuer ergriff, ist sein Verdienst ver-
dunkelt geblieben und Diepold G-erlacher genannt Billicanus mit
dem Namen des Reformators Nördlingens geehrt worden, auf
den jener einen früheren und begründeteren Anspruch hat.
Im Jahre 1522 erschien die hochinteressante Schrift Von
der Euangelischen Messz, über die Smend1) ausführlich ge-
handelt hat. Da aber nicht allen Lesern dieser Zeitschrift
Smends vortreffliches Buch zur Hand sein wird, gebe ich nach
der Originalausgabe von 1522 (Münchener Hof- und Staats-
bibliothek Asc. 1335) eine kurze Beschreibung des Schriftchens,
das in klein 8° nur 16 Seiten stark ist (davon die letzte un-
bedruckt).
Das durch eine hübsche, die Gestalten der vier Evange-
listen mit ihren Symbolen und Namen zeigende Einrahmung
gezierte Titelblatt trägt die Aufschrift
Von der Euan | gelischen Mefß. | Mit schonen
Christlichen | Gebetten vor vnd nach | der empfahung
des | Sacraments. j Durch Caspar Kantz |
von Nor düngen. | 1 . 5 2 2. |
Die Rückseite des Titels enthält unter der Aufschrift
( Die Summa Christlicher g e -
rechtigkeit / vnd des glaubens
volkommenhei t.
1) Die evangelischen deutschen Messen bis zu Luthers deutscher
Messe. Güttingen 1896 S. 38 u. 72. Die ganze Messe ist daselbst ab-
gedruckt S. 41—46 und S. 73—78. Ich kann die dort gegebenen Nach-
weise nur um eine Nummer vermehren. In der Münchener Hof- u. Staats-
bibliothek Asc. 4656d findet sich ein defektes Exemplar von folgender
Ausgabe: Won der euä | gelischen Messz. |
Mit schonen christlichen Ge | betten vor vnd nah der j
entpfahung des | Sacraments. |
Durch Cafpar Kantz von | Nordlingen. |
8°, ohne Jahr. Die Titelumrahmung stimmt genau mit der von Ib (Smend
S. 72) überein. Auch die übrigen von Smend angegebenen Merkmale be-
gegnen uns. Wir haben also eine zweite von Secer in Hagenau gedruckte
Ausgabe vor uns. Das Exemplar ist erhalten bis zu den unter der Ueber-
schrift „Prefation oder vorred der Mefß“ stehenden Worten: ,Ja warlich
ist es billich vnd recht auch heylsam | das‘. Abgesehen von der Ortho-
graphie ist es ein Abdruck der Ausgabe von 1522.
Geyer, Kaspar Kantz.
105
den Anfang einer etwas mehr als 3 Seiten füllenden Betrach-
tung. „Wir müssen“, so beginnt dieselbe, „Christum vnsern
herren vnnd säligmacher zu aller zyt / allein in vnß lassen
wircken die Vergebung vnser Sünden-. Im Anschluss an Ezech.
33, Jes. 44, Ps. 105 und 146 werden Belehrungen gegeben über
Gericht, Gerechtigkeit und Vollkommenheit des Glaubens, und
geschlossen: ..Das gericht macht forchtsam. Aber die gerecht ig-
keit des glaubes / vns in Christo erzeigt trost vnd macht frolich.
In de gericht vnnd gerechtigkeit / wirdt der mensch vnnd alle
seine werck gerecht vnd gott angenem.u
Hat diese schlichte Betrachtung den Leser in die rechte
Stimmung für die Sacramentsfeier bringen wollen, so belehrt
ihn das folgende Stück, wie er selbst seine Anliegen Gott vor-
tragen soll.
(| Ein andechtigs gebett darin
sich der mensch selbs erkennet/
vnd gnad begert von gott.
Dieses Gebet ist nach meinem Dafürhalten schöner, als alle
diejenigen Beichtgebete, die bei uns in Bayern gebraucht
werden. Da es eine wahre Zierde jeder Agende bilden würde,
teilen wir es in seinem vollständigen Wortlaut mit in der
Hoffnung, dass es einmal wieder Beachtung und
Verwendung finden möge.
„([0 barmhertziger ewiger gott ich beken vn klag dir
.. alle meine sünd . den ich hab dir allein gesündiget vnnd
„meine sünd richten vnd verdauten mich an allen orten. Wo
-ich bin oder hinflieh / so volgen sye mir nach vnd stond vor
„meinen äuge. 0 mein gütiger gott / wie vil sünd hab ich vor
-dir verbracht / die ich vß schäm vnd forcht / vor keine men-
„ sehen verbracht het. Auch bin ich in Sünde entp fange vnd
-gehöre \nd ist all mein leben thuu vnd lassen nichts den
rsünd. Darzu hab ich dein volck mit meinen Sünden offt be-
leidiget vnd betrübt / darumb ich dich billich fürchten vnd
„flyehen solt als ein gestrenge richter aller boßheit . Aber ich
-weiß das du ein guttiger gott bist umb der sünder willen
. mensch worden bist körnen in dise weit zu beruhen nit die
„gerechte / sonder die arme Sünder zu der büß . Du hast auch
-gesagt . Komendt liar zu mir alle die ir arbeiten vnd be-
106
Geyer, Kaspar Kantz.
„schwärdt seind / ich wil eiich erquicken vnnd helfen . Da-
„rumb fleüßt mein seel in wäckelmütigkeit zwischen der forcht
„vnnd hoffnung / yetzt verzwyfel ich vß forcht der sünd / die
„ich in mir erkenn vnd entpfind / dan werd ich wider getrost
„vnnd erhebt vß hoffnung deiner barmhertzigkeit . Yedoch die
„weil dein barmhertzigkeit grosser ist dann mein dürfftigkeit /
„so will ich allzeit hoffen in dich . Den du allein bist mein gott
„vnd herr / mein saeligmacher vnnd tröster / mein heyland vnd
„einige zuuersicht . Darumb bit ich dich demutigklich vnd
„hertzlich / durch deines leydens willen vnd kostbarliche bluts /
„vmb Vergebung meiner Sünden / vnnd das du seyest mein hoff-
„nung vnd mein sterck / yetzund auch in der stund meines ab-
„scheids . Amen!“
Das folgende Stück „Ein betrach tung oder gebet bey der
heiligen Mefß“ ist dazu bestimmt, während des Sprechens
oder Singens der Einsetzungsworte durch den Priester, in
der Stille gebetet zu werden, und das letzte ist „Ein gebet
vor der entpfahung des hochwirdigen Sacraments“. Zum Be-
weise, dass auch diese Gebete trefflich ihrem Zwecke ent-
sprechen, stehe hier noch der Schluss des letzten Stückes.
Nachdem ausgesprochen war, dass der Beter durch eigene
Beue, Beichte, Busse und andere Werke nicht würdig werden
kann, heisst es weiter: „Darum beger ich von dir meinem
„einigen gott vnd heyland / das du mich barmhertzigklich wol-
lest bereiten vnd würdig mache . Den darumb das ich ein
„armer vn würdiger Sünder bin / wil ich zu dir / aller Sünder
„trost / fliehen vnd dich entpfahen in warem glauben Vff das
„ich allein bey dir vnnd von dir meinem engstlichen gewissen
„mög ruw vnd trost finden / vnd das du in mir bleibend mich
„dir bereitest nach deine göttlichen wolgefallen . Ich zweifei
„auch gar nichtzs / deine krefftige wort werden an mir gentz-
„lich vnnd warlich erfüllet / durch welche ich gantz wol ge-
„ trost / frölich will hin geen zu dir meine gütigen gott . Vnnd
„glaub vestigklich / das du den leib vnnd das blut an dich ge-
„nomen habest mich zu erlösen von dem ewige tod . Darum
„geschech mir nach deinem wort . Amen . Der frid sey mit
„mir . Amen.“
Während die bisher besprochenen vier erbaulichen Stücke
Geyer, Kaspar Kantz.
107
offenbar denjenigen einen Dienst leisten wollen , die ohne
solche evangelische Belehrung der in einer unverständlichen
Sprache gehaltenen Messfeier ohne gemütliche Teilnahme bei-
wohnen würden, wird in dem nun folgenden Hauptteil des
Büchleins ( Von der Euangelischen Mefß
wie man sye halten soll.
eine Anleitung gegeben, wie sich die Feier des h. Abendmahls
nach evangelischen Grundsätzen gestalten müsste. Während
der erste Teil für die Laien bestimmt war, die der römi-
schen Messfeier an wohnen, ist der zweite Teil besonders für
die Geistlichen bestimmt, indem ihnen gezeigt wird, welche
Form der Messe wenn auch nicht sogleich eingeführt, so doch
erstrebt und angebahnt werden müsse.
Der Gang der Abendmahlsfeier nach Kantz wäre folgender :
1. ,.Zum ersten soll der priester oder ein anderer ein er-
manung thun von dem Sacrament / oder sunst etwas trost-
lichs vß dem heiligen Euangelio sagen / wie im der geist
gottes eyngibt etc.“
2. Aufforderung zum Sündenbekenntnis.
3. Absolution.
4. Aufforderung zur Fürbitte für den Priester, dass er seinen
Dienst Gott zu Lobe und der Gemeinde zum Trost aus-'
richten möge.
5. Priester (und Volk) beten: „Kum heiliger geist / erfülle
die hertzen deiner gläubigen“ u. s. w., woran sich eine
kurze Oollecte anschliesst.
6. Die Präfation.
7. Das deutsche Sanctus (vom Priester gesprochen).
( Nun hebt sich erst die Euangelisch Mefß an.
8. Die Consecration (in engem Anschluss an das römische
Messritual, aber natürlich deutsch].
9. Das Vaterunser1).
1) An Stelle der in der Ausgabe III von 1524 (nach Smend a. a. 0.
S. 72. Abgedruckt und von mir beschrieben in Siona XVIII, Heft 5 und
6) angeschlossenen Doxologie „den deyn yst dz reich“ u. s. w. steht 1522:
„Durch vnsern herren Jhesum deinen sun . welcher mit dir vnd dem hey-
ligen geyst ein warer gott lebt vnd herrscht in ewigkeit . Amen“ . Der
Satz, der 1524 auf das Amen der Doxologie folgt: „Hie neme der Priester
108
Geyer, Kaspar Kantz.
10. Agnus dei deutsch.
11. Kurzes Gebet vor der Distribution.
12. Selbstcommunion des Priesters.* 1 2 3 4)
13. Distribution unter beiderlei Gestalt nach vorausgehender
Elevation.
11. Dankgebete (Nunc dimittis deutsch. Te deum deutsch.
Einige andere kurze Dankescollekten).
Zu meiner Ansicht, dass die deutsche Messe Kantzens nur
auf dem Papier stand 2), hat Smend 3) ein Fragezeichen ge-
macht. Vielleicht doch mit Recht. Wer kann sagen, ob nicht
das Formular in solchen geheimen Abendmahlsfeiern sub utraque
benutzt wurde, oder aus ihnen hervorgegangen ist, wie sie uns
aus Regensburg bezeugt sind?4) Nur das möchte ich aufrecht
erhalten, dass von einem offiziellen Gebrauch im eigentlichen
Gottesdienst kaum die Rede wird sein können. Wie sich in
Nördlingen der Gottesdienst allmählich gestaltete und zwar
unter den Augen und späterhin unter der Leitung Kantzens,
suchte ich anderwärts aus den Quellen darzustellen. Der Gottes-
dienst der Kantz’schen Kirchenordnung von 1538 ist ein ganz
anderer, als man nach der Evangelischen Messe vermuten
möchte 5).
Auf diese Erstlingsschrift Kantzens folgt nach kurzer Zeit
ein 20 Blätter klein 8° starkes Büchlein
Wie man den kr an
cken vnd Sterbenden menschen
ermanen / trösten / vnnd Gott befelhen
das brot / vnd breche es / so vill ers bedarff“ u. s. w. findet sich 1522
noch nicht.
1) So jedoch, dass er das Brot selbst nimmt und dann das Volk speist,
und nachher erst den Kelch vor der Austeilung des Weines.
2) Geyer. Die Nördlinger ev. Kirchenordnungen des 16. Jahrh. S. 3.
3) a. a. 0. S. 241.
4) Geschichte der Kirchenreformation in Regensburg. Regensb. 1792.
nach Beyschlag a. a. 0. S. 9: „Wenn dieser (Nördlinger) Mönch pre-
digte, so drängte sich alles zu, und in geheimen Versammlungen reichte
er nebst andern Mönchen das Abendmahl unter zweyerley Gestalten“.
5) Geyer a. a. 0. S. 1—23.
Geyer, Kaspsr Kantz.
109
soll / das er von diser Welt/
seligklich abschaide.
Caspar Kantz.
Apoca . xiiij .
Selig seind die Todtenn /
die in dem Herren sterben.
Darunter eine Zierleiste mit zwei auf Delphinen reitenden
Putten, die einen leeren Schild halten. Titelrückseite bedruckt.
Letzte Seite leer, x^m Ende:
Getruckt / zu Augspurg durch
Narciß Paminger.“ 0. J. D
Nach dem Namen des Druckers zu schliessen, ist diese
Ausgabe aus der Zeit um 1540, es ist jedoch unzweifelhaft,
dass die Schrift schon viel früher herauskam. In dem Sammel-
bande der Münchener Bibliothek, der die Evangelische
Messe von 1522 enthält, findet sich nämlich eine 16 Bl. kl. 8°
starke Schrift: Eyn außerwöltt [ Byechlin wie ein Chri / (
stemensche zum ersten soll | leeruen erkennen vnd wys- | sen
was er von natur sey/ | wz in im sey/ wie er geschaf | fen
sey etc. Mitt schonen | gebeten So eyn mensch dz | Sacrament
empfahen | will / oder sunnstbey | der Mefß ist etc. | ([ Item von
der Ewange- | lischenn Mefß. | ([ Item wie man eyn sterbendten |
menschenn ermannen vnnd | trostenn soll etc. | 1524. | Darunter
geschrieben1 2): C. K. | Ohne Angabe des Druckers. Da am
Schlüsse ein 7 Seiten füllendes Gebet vor der Empfahung des
Sacramentes steht, als dessen Verfasser sich ein Nycolaus
Krumpach3) in einer Vorbemerkung nennt, ist als sicher anzu-
nehmen, dass derselbe das ganze Büchlein zusammengestellt
habe. Denn eine Zusammenstellung und keine originale Arbeit
1) Münchener Hof- u. Staatsbibi. Catech. 466.
2) Smend a. a. 0. S. 39 ist das C. K. als Bestandteil des Titels zu
beseitigen.
3) Dieser Nicolaus Krumpach, Pfarrer von Querfurt, der schon 1522
eine sehr merkwürdige Übersetzung des Johannisevangeliums heraus-
gab, worüber Ried er er, Nachrichten I, 264 berichtet, sollte einmal in
einer besonderen Arbeit behandelt werden (Anm. d. Red.).
110
Geyer, Kaspar Kantz.
ist es; und zwar sind es ebeu die beiden auch auf dem Titel
genannten Schriften Kantzens, welche er im Wesentlichen aus-
geschrieben hat1). Im Jahre 1524 musste demnach auch das
Krankenbüchlein schon gedruckt vorliegen, uud wir erhalten
als Zeit der Abfassung: vor 1524.
Seinem Inhalte nach ist das Büchlein eine in das Evan-
gelische übersetzte Ars moriendi, wie sie am Schlüsse des
Mittelalters neben den Hortuli animae zahlreich begegnen, nur
dass der Bilderschmuck jener fehlt. Man wird heute noch die
schlichten Worte nicht ohne Bewegung lesen. Wir fühlen, wie
ein glaubensstarkes Herz in seelsorgerlicher Liebe den lange
verschlossenen Brunnen göttlichen Trostes öffnet. Eben die
Wasser, welche unsere Kranken und Sterbenden heute noch
laben, quellen in jugendlicher Frische hervor, und es wird uns
wohl ums Herz, wenn wir aus diesem Borne trinken.
Nachdem die Vorrede die Notwendigkeit, im Leiden und
Sterben Gottes Willen zu erkennen, betont und als Zweck des
Büchleins angegeben hat, zu berichten, wie ein Mensch sein
Leben selig enden soll, beginnt das Büchlein selbst mit einer
Belehrung „Von dem Hai ligen Cr eütz, Wasessey, Vnnd
wie es von Gott kombt“. Da Leiden und Sterben der aller-
liebste Wille Gottes ist, soll man nicht bei Zauberern und
Wahrsagern Hilfe suchen. Wer das Leiden von Gott annimmt,
dem wird es leidlich. Das Kreuz ist dem Menschen heilsam,
denn es führt zur Sündenerkenntnis und Busse.
Der zweite Abschnitt behandelt die Anfe ch tun gen, da-
mit die Sterbenden etwan versucht werden, mit ihren Tröstungen.
Der Sterbende, der eilends Weib, Kind, Amt und Geschäfte
verlassen soll, wird damit getröstet, dass Gott die rechte Zeit
weiss und Witwen und Waisen versorgen kann. Der durch
die Erinnerung an seine Sünden Beunruhigte wird auf Christus
gewiesen; aber er soll sich auch die Absolution von einem
1) Nach dem Krumpach’schen Buch spricht z. B. bei der 5. Anfech-
tung der Kranke in seinem Herzen „Ich bin Gottes ereatur er machs mit
mir wie er wil / da lig ich birt berait nach seynem wyllen zu leben oder
sterben / kan mir selbs nitt helfenn / hab auch nit verdient / das er mir
helffenn sol / “. Dies ist wörtlich entlehnt aus Kantzens Trostbüchlein
*Ain sondere ermanung an den Krancken“.
Geyer, Kaspar Kantz.
111
Kirchendiener geben lassen oder, wo dies nicht möglich, sich
mit Sprüchen der heil. Schrift trösten. Bemerkenswert ist der
Satz: „In der Not hat ein jeglicher Mensch Gewalt, den Be-
trübten zn trösten mit Gottes Wort und zn absolvieren“. In
ähnlicher Weise wird dem Kleinmütigen zngesprochen, der durch
die Bitterkeit des Todes Erschreckte daran erinnert, dass die
Todesfurcht oft bitterer ist als der Tod selbst, und die Zweifel,
ob man von Gott erwählt sei, verscheucht Christi Wort. Da-
neben wird gegen diese und andere Anfechtungen der Genuss
des heil. Abendmahls empfohlen. Angefügt ist eine Auswahl
von Trostsprüchen, ,.den Kranken damit im Glauben und
auf Hoffnung zu stärken“: Jes. 55, 6f; Ps. 103, 8ff; Ps. 50, 15;
Ps. 145, 18f; Mtth. 11,28; Joh. 5,24; Joh. 8,41; Joh. 10,27;
Born. 8, Blff ; 1 Thess. 4. 14ff; Ecclesiast. 7, 1. Unter der
Ueberschrift „Ain sondere ermanung an den Krancken“
finden wir eine kurze Zusprache mit Gebet und es folgen nun
zwei Sündenbekenntnisse und zwei Absolutionsformeln, ein Ge-
bet vor dem Empfang des Sacraments und eine Danksagung
nach demselben nebst dem Lobgesang Simeons und einem darauf
bezüglichen Gebete. An das apostolische Glaubensbekennt-
nis reiht sich die Frage an: „Wilt du in disem glauben be-
stendig beleiben / biß an dein ennd . Antwort . Ja mit Gottes
hilff,“ und ein „Trost darauff“. Jedes der sieben Worte vom
Kreuz ist in einem Gebet umschrieben und auf den Kranken an-
gewendet. Die Psalmen 12. 22. 25. 31. 40. 42. 54. 57. 63. 69.
71. 91. 103. 126. 142. 146, dazu die sieben Busspsalmen möge
man dem Kranken vorlesen, dazu auch das Leiden Christi,
namentlich daraus Luc. 23. Eine Krankenlitanei, eine Litanei,
wann der Kranke „in die züg greifft“, eine Aussegnung des
Sterbenden, ein Gebet nach dem Verscheiden und eine Ermah-
nung an die Umstehenden machen den Schluss des Büchleins,
an dessen Ende der Verfasser noch herzlich und dringend zur
Liebe gegen die Kranken und Sterbenden ermahnt: „Dieweil
wir alle ain laib sind in Christo vnnd ainer deß anndern glid
ist: die glider aber sorgen für ain ander: Also / wann ains
leydet / das die anndern alle auch mit im leidenn: Vnnd so ain
Glid wirt herrlich gehalten, die anndern sich mit jm frewen:
Sollen wir vnns frewen mit den frölichen / vnnd wainen mit
112
Geyer, Kaspar Kantz.
den warnenden / wie auch Jesus Syrach schreibt / am Sibenden
Capitel. Laß die warnenden nit one trost / Sonnder traure mit
den traurigenu. Beschwere dich nit Die krancken zubesuchen.
Vnnd beweise auch an den Todten dein wolthat / So wirdst du
geliebt werdenn. Dann dis erfordert die rechte lieb / das wir
in aller not ain ander raten vnd helffen / nach allem vermügenn.
So aber die letste not ( wann der Mennsch mit dem Todt vber-
eylet wirdt) die grössest ist / Soll ain yegklicher seinem nechsten
zuspringen / vnnd nach dem er gnad von Gott empfangen hat /
jn ermanen / trösten / vnd Gott für jn pittenn wie in diesem
Büchlin / für die ainfeltigenn / ain Form gestellt ist. Doch soll
niemand an dise weiß gebunden sein / Sonnder ain yeder wie
jm Got wirdt offenbaren / seinem nächsten berait sein zu die-
nern!: Wir sollenn aber wissenn / Das vnnser zu thun nichts
helffenn wird / Wa Gott sein genad nit darzu gibt. Dann weder
der da pflanntzet / Noch der da begeüßt / ist etwas / Sonder
Gott / der das gedeyenn gibt. Darumb sollenn wir in Gottes
forcht / vnd starckem Glauben / mit vnnserm nechsten handeln
vnd Gott pitten / das er vnsern Dienst fruchtbar mache. Dem
sey eer vnnd preiß / in ewigkayt / Amen.“
Das herzliche und herzstärkende Büchlein ist unverdienter-
weise in Vergessenheit geraten. Ihm gebührt in der Geschichte
der evangelischen Seelsorge eine ähnlich hervorragende Stelle,
wie der Evangelischen Messe in der Geschichte des evange-
lischen Gottesdienstes.
Dem Jahre 1524 gehört die Schrift an:
Ein Schoner Ser- | mon vber das Euä |
gelion . Niemant kan zwei | en herren dienen durch |
den wirdige her | ren Caspar | Cantz zu | Nörlingen ge j
predigt j M . D. xxiiij. ] (Königl. Bibliothek in Berlin). •
Der Titel ist umrahmt; unten halten zwei Engelchen ein Wap-
pen, rechts und links phantastische Säulen, darüber ein tym-
panonartiger Abschluss. 8 Blätter in 4°. Letzte Seite leer.
Auf der Rückseite des Titels steht eine Art kurzer Vorrede in
der die Stelle 1 Tim. 6, zitiert ist ,.So wir fueter vnd deck
haben / sollen wir vns lassen genügen“. Der Sermon ist eine
am 15. Sonntag nach Trinit. gehaltene Predigt mit folgendem
Gedankengang.
Geyer. Kupar Kantz.
113
Zwei Herren werden in dem Evangelium abgemalt, welchen
die Menschen dienen, ein treuer und ein falscher. Gott und der
Mammon. Aeusserlieh kann man keinen Unterschied machen
1 zwischen Gottes und des Mammons Diensten oder Dienern,
denn sie wirken gleich, als mit Fasten. Beten, Kirchengehn u. s. w..
aber das Herz und der Glaube scheidet sie von einander. Gottes
Diener gedenkt also: Mein Herr ist allmächtig, gütig, getreu
und sorgt für mich, so bin ich seine arme Kreatur, die er er-
schaffen und durch seinen Sohn erlöst hat, mir auch befohlen,
ich solle nicht sorgen, sondern meines Amtes und Werkes, dazu
ich von ihm berufen bin. fleissig warten. Drum will ichs mit
Freuden ausrichten. denn ich weiss, dass es ihm gefallt, dass
ich ein Mann. Weib. Knecht oder Magd bin und dieses Amt
oder W erk vollbringen solL Hiebei soll man merken, dass sich
der Glaube kein Werk nehmen und sich an keines binden lässt.
Man muss die Werke des Glaubens nicht zu eng spannen, wie
man bisher gethan, da man allein Beten, Fasten, Feiern,
Almosengeben etc. gute Werke geheissen, auch solche Werke
an eigene Stätten gebunden hat. Man muss sie auch nicht zu
weit ausspannen und etwas für Gottesdienst halten, was Gott
weder geraten noch geboten hat. als Singen, Stiften, Messe-
lesen für die Seelen, Glocken. Orgeln n. s. w. Wer ein rechtes
Herz hat und Gott vertraut, der sieht auf Gottes Willen und
auf sein Amt und thut solches mit fröhlichem Herzen, leidet
auch, was Gott verhängt. Was ein solcher Mensch leidet oder
thut. sind eitel gute Werke, und damit wird Gottes Dienst
ausgerichtet.
Während der Mammon ein Karr ist und darum alle seine
Diener närrisch handeln, lassen Gottes Diener kein zeitliches
Ding ihren Herren sein. Ein Christ spricht zu seinem Gut:
Komm her Mammon, du Gulden, du Groschen oder Pfennig,
ich muss dich da diesem Armen geben, und er dient GolU in-
dem er seinem Nächsten Liebe erweist.
Weiter spricht Christns in diesem Evangelium: Sorget
nicht u. s. w. Damit will er nicht die Arbeit, sondern allein
die Sorge verboten haben. Denn es ist Gottes Wille, dass der
Mensch den Acker baue (Genes. 3). Alle Handwerke auf
Erden treiben den Pflug und müssen ihn helfen treiben. Auch
114
Geyer, Kaspar Kautz.
die Prediger helfen den Pflug treiben, dass es recht und christlich
hergeht, wie Gott will. Denn wo Gott nicht hilft und seinen
Segen gibt, ist alles vergebens. Der Christ lässt Gott walten
und sorgt nicht, denn Gott wird die versorgen, die in seinem
Dienste stehen. Solchen Glauben reizt Christus in dem Evan-
gelium durch zwei Gleichnisse: Sehet an die Vögel und sehet
an die Lilien des Feldes, und den Unglauben straft er mit den
Exempeln : Ist nicht das Leben mehr denn die Speise, und dem
anderen: Wer kann zu seiner Länge eine Ellen lang setzen?
Weil unser himmlischer Vater weiss, was wir bedürfen, sollen
wir als Kinder Gottes nicht sorgen. Wie soll ich aber wissen,
dass ich Gottes Kind und Diener bin? „Bist du eine Magd,
wart fleissig deines Dienstes, thu was dich dein Frau heisst
mit Freuden. Gedenk, dazu hat mich Gott verordnet, so will
ich gern dabei bleiben und in dem Werk den Pflug helfen
treiben, bis mir Gott weiter hilft. Also auch bist du ein Frau,
thu was dich der Mann heisst, w7art der Kinder, koch, wasch
und thu andere Hausarbeit, das will Gott von dir haben, dazu
hat er dich beruft, darum sei willig und leide dich, zweifle
nicht, es gefalle Gott alles wohl, was du in dem Stand tliust
und leidest. So gehst du gewisslich in Gottes Werk und Dienst“.
Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, fährt das Evan-
gelium fort. Das Reich Gottes ist sein Wort, damit er bei
uns herrschet und regieret, das wir täglich hören „durch die
evangelischen Prediger“. Nach dem Reiche Gottes trachten,
das ist darum, allen Fleiss aufwenden, dass sein Wort gepre-
digt und von uns im Glauben aufgenommen wrerde. Die Ge-
rechtigkeit des Reiches Gottes ist der Glaube. Denn warum
wird Gottes Wort gepredigt? Dass wir den Glauben üben und
im Glauben von unsern Sünden gefegt werden, bis endlich die
Gerechtigkeit hervorbricht, die uns Gott schenkt in Christo.
Der Glaube rechtfertigt und macht fromme Leute, das ist: im
Glauben oder durch den Glauben wird uns Gottes Gerechtig-
keit mitgeteilt. Wenn uns Gott seinen Sohn gibt, sollten wir
ihm nicht vertrauen um zeitliche Nahrung? Darum spricht
Christus: Sorget nicht für den andern Tag u. s. w. Gott ver-
trauen, sich ganz auf ihn verlassen, nach seinem Willen leben,
arbeiten, ihn loben und anrufen, nnserm Nächsten raten und
Geyer, Kaspar Kantz.
115
helfen, das heisst recht Gott gedient und Frucht des Glaubens
erzeigen. Das verleihe uns Gott. Amen.
Es ist uns wohl begreiflich, dass in dem Herzen eines
Mannes, der mit solcher Liebe dem wieder entdeckten Evan-
gelium zugethan war, der Wunsch entstand, die Bannerträger
der Reformation selbst kennen zu lernen. Nachdem er „auf
offener Kanzel ‘ verkündigt, er hätte ein Weib genommen, hatte
ihn der Rat am 26. Juni 1523 der Stadt verwiesen 1). So mochte
•sich Wunsch und Not vereinen. Im Sommersemester 1524
liess er sich in Wittenberg immatrikulieren. Der Eintrag
„Gaspar Kantz dioc. Augusten2)“, lässt keinen Zweifel übrig,
dass wir es mit un s er em Kantz zu thun haben. Die auffallende
Thatsache, dass eine ziemlich ungeschickte Oombination der
Kantz’schen Messe mit Luthers Formula missae unter dem
Namen Bugenhagens 1524 in Wittenberg erscheint3), wird be-
greiflicher, wenn man weiss, dass damals Kantz in Wittenberg
weilte und mit den massgebenden Personen in Beziehung trat.
Die Frage nach der Einrichtung des ev. Gottesdienstes ist
offenbar in Fluss gekommen. Leider hat sich eine ganz unbe-
rufene Hand der Sache zu bemächtigen gesucht und in plumper
Weise als Bugenhagens Werk ausgegeben, was ein Produkt
der eigenen Stümperhaftigkeit gewesen ist. Dass sich Bugen -
hagen über diesen Missbrauch seines Namens schwer ärgerte4 5),
ist sehr verständlich; sicherlich wäre Kantz ebensowenig er-
freut gewesen, wenn sein Name auf den Titel der pseudobugen-
hagenschen Messe gesetzt worden wäre. Smend fragt ): „Was
würde Bugenhagen erst gesagt haben, hätte er den unverän-
derten Kantz gekannt!“ Es ist doch höchst wahrscheinlich, dass
er die Kantzsche Messe, wenn er sie früher nicht zu Gesicht
bekam, jetzt, da ihr Verfasser selbst in Wittenberg weilte,
kennen lernte; allein ich glaube, dass die beiden Männer sich
1) Urfehdbuch 1518—33 Fol. 77b. Nördl. Archiv. (S. Anhang).
2) Förstemann, Album Vitebergense Lipsiae 1841. S. 122.
3) Ein Ordnung Christlicher Messen wie gehalten wirdt vö dem Er-
wirdigen herren Johann Bugenhagen auss Pommern, Pfarher zu Witten-
berg.“ Smend a. a. 0. 39 u. 72. Abgedruckt in Löhe, Sammlung lit.
Formulare III S. 37 ff.
4) Belege siehe bei Smend a. a. 0. S. 88.
5) a. a. 0. S. 89.
116
Geyer, Kaspar Kantz.
wohl mit einander verständigen konnten, zumal da Kantz an
eine strikte Durchführung seines Formulars weder jetzt noch
später wird haben denken können. Wir sehen, dass Kantz
nachmals in der Praxis hinter seiner Messe zurückbleibt, und
dass die Wittenberger bald über Luthers formula missae hinaus-
gehen. Es liegt nahe, zu vermuten, dass nach beiden Seiten
hin Kantzens Aufenthalt in Wittenberg nicht ohne Einfluss
gewesen ist.
Während Kantz von Nördlingen ferne war, ging sein
Kloster der Aufhebung entgegen. Innere und äussere Umstände
wirkten zusammen. Die evangelische Lehre war in den Kloster-
mauern heimisch geworden und musste früher oder später deren
Vereinsamung herbeiführen1). Diejenigen Conventualen, die
den neuen Ideen weniger zugänglich waren, machten den anderen
Gesichtspunkt geltend 2), dass es geboten sei, das Kloster selbst
aufzuheben, damit es nicht gewaltsam aufgelöst werde. Auch
die Mönche standen unter dem Einfluss jenes seit einigen Jahren
von Mund zu Mund gehenden und allgemein geglaubten Wortes :
„Wer im 1523. Jahr nicht stirbt, 1524 nicht im Wasser ver-
dirbt, und 1525 nicht wird erschlagen, der mag wohl von Wun-
dern sagen“ 3). Wenn man dem sonst sehr zuverlässigen Dolp
trauen darf, so war auch Kaspar Kantzens Namen unter einer
Klageschrift, welche vor Exaudi 1525 an den Ordensprovinzial
in Bamberg gerichtet wurde, gestanden, womit die chronistische
Nachricht stimmen würde, dass derselbe „muthmasslich noch
1) Dolp a. a. 0. 168.
2) Dolp a. a. 0. Beilage XCIX. Wir sehen, was dem gantzen Rö-
mischen Reich v. allen Ständen in Teutscher Nation von unssert wegen,
sonderlich der Pettelörden, Mühe v. vnart vor der zeit ist zehanden gangen,
v. es noch kain End hat. So wollen wir deß vnrats so an andern orten
ergangen ist, mit merklichem verderplichem Schaden der Brüderschafft,
nit erwarten, nit erpaiten, das vmb vnssern willen leut verderpt werden,
sonder dieweil kein zweifei ist, Kaiser! Majestät hab bald der Münch
vergessen, werd vmb sie nit viel Laid tragen, so haben wir vns selb die
Piird aufgelegt, vnd bey der zeit den vnrat fürkommen“, und später „Nun
waist mänigklich, wie alle Enbörung vmb vnsern willen sey angefangen,
v. fürter gangen, vmb vnsern willen sich auf die stund noch rege, v. von
vns das ganz Volck in allen Dingen erwildet. So ist viel besser, wir
weichen willig, dann ein ganz Volck vngeschlächt bleib oder verderb“.
3) Müller, Beiträge zur Gesch. des Bauernkriegs im Rieß, S. 8.
Geyer, Kaspar Kantz.
117
A. 1525 Helfer bey St. Georgen“ geworden sei. Allein ich
möchte doch seine so bald erfolgte Rehabilitierung bezweifeln;
denn in dem „Verzeichnis der Prediger *1) tritt er erst 1535 in
der Liste der Diakonen auf, namentlich scheint mir aber eine
der wenigen auf Kantz bezüglichen Urkunden nicht recht dazu
zu stimmen, die das Nördlinger Archiv verwahrt. Ein in dem
Fascikel „Personalien der Lehrer“ befindliches Quartblatt mit
der Aufschrift: „ Hais t er Caspar Kanntz Supplication 1530-
enthält eine Bewerbung Kantzens, die ich im Wortlaute mit-
teilen will.
..Ersame Fürsichtige Weyse Liebe Herren. So des Latinischen
Schulmaisters ampt alhie auff die nechst Cottember ledig wirt, Ist
mein vnderthenig vleissig Bitt. Wa mich ewer. E. W. tüchtig
darzu erkenneten, woltenn mich mit sollichem ampt bega-
ben, Wil ich vermiiglichen vleiß fürwenden, vnd mit gottes
hülff, mein vnd der jiigent : so mir befolben wurde : frümmen
darin schaffen. Dann ich meiner voröltern (die sich wol vnd
christlich gehalten haben) tügent vnd frümkeit, beger nachzu-
volgen. Bin auch bereit diesem meinem Vaterland: in lieb vnd
laid: zudienen. Wa mich aber. E E W, von wegen meines
vorigen Stands (den ich wolbedacht vnnd mit guttem gewissen
vbergeben hab) nit kündten annemen, noch dabei erhalten, wil
ich gern miissig steen, oder gütig wider abziehen, aiif das E E W
meiner personhalben, keinen nachtail empfangen. Wil mich
hiemit als einen gebornen gantz genaigten Nördlinger, E E W
vleissig befolhen habenn, Beger einer gütigen Antwort.
Ewer Ersamenn Weißhait vndertheniger
Magister Caspar Kanntz.“
1. Darnach war Kantz im Jahre 1530 stellenlos, denn
andernfalls hätte er sicherlich geltend gemacht, dass er bisher
schon seiner Vaterstadt gedient und seinem Namen einen Titel
beigefügt, auch nicht gesagt, dass er im Falle der Ablehnung
seiner Bitte rnüssig stehen werde. 2. Kantz richtet sein Ge-
such an den Rat wie einer, der entweder auswärts weilt, oder
doch nur vorübergehend nach Nördlingen gekommen ist und
damit rechnet, dass er vielleicht wieder abziehen muss. 3. Kantz
ist, wie wir schon wissen, verehelicht. Nicht wegen Aufgabe
des Mönchsstandes, wohl aber wegen seiner Verheiratung2) war
1) abgedruckt bei Dolp, S. 94 ff.
2) In den Akten des Nördlinger Archivs geschieht wiederholt seiner
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. 3. 9
118
Geyer, Kaspar Kantz.
er der Stadt verwiesen worden, und dieser Ratsentscheid ist
offenbar noch nicht aufgehoben. (Yergl. das Aktenstück im
Anhang).
Wir werden uns dabei bescheiden müssen, dass Kantz 1521
in Wittenberg ist und dass er 1530 wieder in seiner Vater- I
stadt auftaucht. Auch das wissen wir nicht, ob seine Bewer-
bung um die Schulmeisterstelle von Erfolg gekrönt war, denn
die Ratsprotokolle, die darüber Aufschluss geben könnten, sind
verloren gegangen* 1). Sicher war er im Dienste der Kirche
oder Schule verwendet, als er am 21. Juni 1535 des wankel- !
mittigen Predigers Billican2) Nachfolger in dem verantwortungs- I
reichen Amte wurde und an die Spitze des Nördlinger Kirchen-
wesens trat. Ein grosses Verdienst erwarb er sich alsbald
dadurch, dass er 1538 die Aufstellung einer Kirchenordnung j
durchsetzte. Seine Bemühungen in dieser Hinsicht und sei-
nen Erfolg habe ich anderwärts dargestellt, auch das im
Nördlinger Archiv vorhandene Original der Kirchenordnung zum
Abdruck gebracht 3). Es war keine leichte Sache, den Rat zum
Aufgeben seines Grundsatzes „den gaistlichen nicht einzugreifen u i
zu bestimmen, und selbst ein so geduldiger Mann wie Kantz
geriet dabei gelegentlich in Hitze. Neben der kirchlichen Re-
form war er auf Besserung der sittlichen Zustände bedacht4), J
und zur Verbesserung des rel. Jugendunterrichts bot er die
Hand, indem er 1539 neben der sonntäglichen Katechismus- 1
Witwe und seiner Söhne Erwähnung. Der älteste derselben bewirbt sich i:|
im Jahre 1551 um eine erste Anstellung in Nördlingen. Er wird, da sein
sein Vater 1523 geheiratet hat, damals die Mitte der 20 schon tiberschrit- ■
ten gehabt haben. Medikus, Gesch. der ev. K. im Kgr. Bayern. S. 63. |
Die Angabe Müllers, Die Reichsstadt Nördlingen im schmalk. Krieg, S.27,
Kanz habe 1535 um die Erlaubnis sich zu verehelichen gebeten, beruht auf
einem Irrtum, der angef. Ratsentscheid bezieht sich auf ein Gesuch des ; I
Pfarrers Johann Uebel. Vgl. Mayer Die Stadt Nördlingen, S. 216.
1) Erst von 1533 ab sind dieselben erhalten.
2) Ueber ihn vergl. Kolde in Herzogs Realenc. 8. Aufl. III, 232 — 237. I
3) Geyer, die Nördlinger ev. Kirchenordnungen des 16. Jahrh. S. 8 — 23.
1) 1536 wurde auf sein Betreiben das Frauenhaus aufgehoben. Rats-
prot. v. 1536 fol. 58 u. 83.
Geyer, Kaspar Kautz.
119
predigt zwei Wochenpredigten für die Kinder entrichtete, wofür
ihm der Rat eine Gehaltszulage von 12 Gulden gewährte1).
Auch in dieser arbeitsreichen Zeit fand er noch Müsse für
literarische Thätigkeit. Es ist uns ein Buch aus dem Jahre
1538 erhalten, welches sich den uns bekannt gewordenen frühe-
ren Schriften würdig anreiht2).
Die historia des leydes
Jesu Christi nach den vier Euä
gelisten. Ynd auch von der Juden
Osterlaiä mit tröstlicher außlegung. 1538. 3'i
Darunter ein Holzschnitt (Jesus am Kreuz, links davor Johannes
und Maria, rechts im Hintergrund Jerusalem). Ä bis J (72
Blätter klein 8°). Am Ende:
Gedruckt in der Kayserlichen Stat Aug
spurg durch Alexander Weyssenhorn.
In einer Vorbemerkung sagt der Yerf. : ~Dan diser aller
heiligst tod vnser höchst zuuersicht ist gege got vn der groste
trost / in aller vnser schwacheit . Darumb ich das leide vnsers
herre Jesu Christi nach inhalt der vier Euangeliste Auch die
historia von der Juden Osterlamb baide mit tröstlicher auß-
legung (Wie ichs etliche jar her / von getrewen hochgelerten
Predigern auf die Österlichen Zeit gehört / vnnd auch in Gottes
Schriften selbs gelesen hab) nach meinem ringen verstand vnd
beste fleiß auf gezaichnet / vnd in diß buchlin zusamen getragen.
Dieweil es aber meins erachtens / ein grosser theüerr schätz
ist ... . wolt ichs mir nit allain behalte / oder vergraben / son-
der (wie ich dan auch vö etlichen guten freünden gebeten bin
auß brüderlicher liebe allen mensche zu trost in den truck geben.
Bitte hierauf freündtlich / einen jeden leser oder zuhörer wolle
Got allain die eer geben / vnd mit danck annemen was jm
darinnen förderlich oder dienstlich sein wirt zu de ewigen
lebend Am Schlüsse der nun folgenden -Vorred vnd einlay-
tuüg / in das leide vnsers liaylands Jesu christi-, in der aus-
1) Ratsprot. v. 28. Juli 1539. Seine jährl. Besoldung hatte anfangs
80 fl. betragen, war aber im folgenden Jahre auf 100 fl. erhöht worden.
2) Ein Exemplar in der Kgl. Bibliothek zu Berlin.
3) Die historia — bis 1538 in roten Lettern.
120
Geyer, Kaspar Kantz.
geführt wird, wie man des Leidens Christi teilhaftig wird
und wie man dasselbe betrachten soll, leitet der Satz „Dieweil
aber hab fürgenommen / das leiden Jesu Christi auffs kurtzest
zubeschreiben ] wil ich die Salbung / fußwasclmng / vnd was sonst1
mer die Euangelisten vorher setzen vberschreyten / Vnd flugs
mit dem Herren an den ölberg geen / da sich erst das recht
leiden anhebt,“ gleich zu der Stelle über: „Vnd da sie de lob-
sang gesproche heten / gieg Jesus hinauß / nach seiner gewon-
heit vber de bach kidron am ölberg“.
Wer die herzliche Auslegung der Leidensgeschichte heute
liest, wird es begreiflich finden, dass sie grossen Anklang ge-
funden hat. Schon am 2. Januar 1539 hat Kantz die Vorrede
zu einer neuen durch Einfügung der 1538 übergangenen Par- \
tien erweiterten Ausgabe geschrieben, die mir selbst indes nicht
bekannt worden ist. Der auf die Herausgabe des Buches be-
zügliche Passus lautet1): „Dann diser aller / heyligsttodt / vnnser
höchste zuuersicht ist gegen Gott / vnnd der gröste trost inn
vnnser Schwachheit . Darumb hab ich diß Büchlin / auß brüder-
licher liebe / allen betrübten Christen zu tröste inn den truck
geben.“
Von dieser erweiterten Ausgabe ist mir bekannt ein Ab-
druck aus dem Jahre 1555:
Die Historia des
Leydens vnsers Herrn Jesu Christi/
nach den vier Euangelisten / sampt der Hy-
storia von der Juden Osterlamb / beyde mit
kurtzer tröstlicher außlegung / ge-
niert vnd gebessert.
Caspar Kantz. 2)
Darunter ein Holzschnitt (Christus am Kreuz, mit 5 Figuren).
A bis N (98 Blätter klein 8°). Am Ende:
Gedruckt zu Nuren- | berg / durch Volentin | Geyßler. 1555. |
Ausser dem Titelbild enthält das Buch 15 Holzschnitte,
die sämtlich das Zeichen VS [Virgilius Solis]3) tragen. Die
1) nach dem Abdruck von 1555.
2) Die Worte Die Historia — Christi, und dann der Name Caspar Kantz
in roten Lettern.
3) Fiorillo, Gesch. der zeichnenden Künste 1820. Bd< II, S. 380.
Geyer, Kaspar Kantz.
121
Zeichnungen sind keine Originale, sondern skrupellos angefer-
tigte Nachahmungen der schönen Blätter aus Albrecht Dürers
Kleiner Passion von 1510 (nach der Hirth’schen Ausgabe von
1884) No. 25 (Titelbild), 9, 10, 11, 12, 17, 14, 16, 18, 19, 20,
21, 22, 25, 28, 30. Am freiesten ist das Titelbild nachgeahmt,
No 17 ist aus dem Dürer’schen Herodes ein Kaiphas gemacht.
Nach Dolp *), der irrtümlich die Ausgabe von 1539 als die
erste ansieht, hat es eine, von ihm fälschlich für die zweite
gehaltene Ausgabe von 1567 gegeben, die nach Beyschlags
Angabe1 2) wie die eben besprochene mit Figuren und Holz-
schnitten versehen gewesen und bei Valentin Geissler in Nürn-
berg aufgelegt worden sei. Da ihr Umfang mit 12V2 Bogen
angegeben wird, handelt es sich offenbar um einen weiteren
Abdruck der Ausgabe 1555 bezw. 1539. Ich werde im Fol-
genden nach der Ausgabe von 1555 citieren.
Die praktische Auslegung der Leidensgeschichte ist die
Arbeit eines Mannes, dem das Evangelium ganz und gar Herzens-
sache ist. Im Unterschiede von der sonstigen Litteratur des
16. Jahrhunderts ist die Polemik soviel wie ganz vermieden,
die bei Dolp3) abgedruckten, wenigstens ins Polemische spie-
lenden Stellen sind zwar nicht die einzigen dieser Art, denn
es findet sich auch eine gelegentliche Abfertigung der Wieder-
täufer (M2), eine Zurückweisung der Lehre vom Fegfeuer (M5)
und ein Ausfall gegen das unzüchtige Leben der römischen
Geistlichen (M5), allein diese Ausführungen sind nebensächlich
angebracht, dem Verfasser liegt alles daran, die Herzen seiner
Leser zu ergreifen, und es geht ein grosser seelsorgerlicher
Zug durch das ganze Buch. Jesu Leiden und Sterben wird
uns wie ein Spiegel vorgehalten, und wenn auch der Trost, der
uns aus ihm fliesst, nicht vorenthalten wird, so wird doch
die Pflicht, vom Heiland zu lernen und ihm nachzufolgen stärker
betont. Jesus erscheint viel mehr als der zweite Adam, denn
als das Sühnopfer, und so muten uns manche Ausführungen an,
1) a. a. 0. S. 62 Anra.
2) Beiträge zur Kunstgeschichte der Reichsstadt Nördlingen. 2. Stück.
Von der Formschneiderey und Buchdruckerkunst. Nördlingen 1798. S. 17.
3) a. a. 0. S. 62 u. 63 Anno.
122
Geyer, Kaspar Kautz.
als wären sie von einem Theologen oder Seelsorger unserer
Zeit geschrieben. Zu den Worten „Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen“ wird bemerkt, sie seien eine
Anzeigung, dass die Angst wiederkomme, die er am Oelberg
erlitten habe „dieweil er von jedermann so schändlich verspottet
und gelästert wird, welches einem frommen herrlichen Gemüt
über die Massen wehe thut, wenn es so schimpflich verachtet
wird und alles Args um seine Gutthaten leiden muss ....
Er ist aller Kreaturen Hilfe beraubt und ganz trostlos worden,
steht allein in Gottes Hand, zu dem er auch ruft in seiner Not.
Hat uns also überwunden alle menschliche Blödigkeit und Za-
gung, damit wir uns auch auf Gott verlassen möchten, der uns
in seinem lieben Sohn zu Gnaden hat angenommen.“
Mehrmals begegnet uns ein bei dem ehemaligen Bettel-
mönch nicht gerade verwunderlicher demokratischer Zug. Ein-
dringlich warnt er, sich nicht auf Fürsten und Herren zu ver-
lassen und hebt hervor, dass viele grosse Titel, Namen und
Aemter haben und nichts weniger thun, als ihr Stand und Amt
erfordert1), und ein andermal sagt er: „Grosse Herren sehen
viel lieber einen auf dem Seil gehen, oder ander Gaukelwerk
treiben, denn viel von Gott sagen; sie treiben nur das Gespött
daraus. Es gehen wohl auch die grossen Hansen zur Predigt,
vielleicht aus der Ursach, dass sie wollen etwas hören, sich
damit zu belustigen, oder ihren Pracht mit Gottes Wort zu be-
stätigen, dieweil auch das Evangelium die Oberkeit ehret und
ihr heisst gehorsam sein“ 2). Herb ist sein Urteil über die
Fürstenhöfe: „An ihnen ist gemeiniglich ein läppisch, unbillig
Wesen, da die Wahrheit kein Ansehen nach Fürgang hat, son-
dern wer der Leut spotten, heucheln, verraten und sich füllen
kann, der kommt hiefür und ist wert gehalten. In Summa, da
fragt man nichts nach Gott, siehet und höret wenig Guts“ 3).
Nicht selten überrascht uns die treffende Verwendung von Schrift-
worten, gute Bilder machen die Rede interessant, reichlicher
Gebrauch wird von der allegorischen Auslegung gemacht, um
die Texte seelsorgerlich nutzbar zu machen. Dabei bleibt er
1) A 5 und 6.
2) G 7 und 8.
3) E 6.
Geyer, Kaspar Kantz.
123
jedoch immer schlicht. So sagt er, dass Christus, indem er
sich nicht scheut unter den Schächern auszugehen und mitten
unter ihnen zu sterben, zu erkennen gibt, dass er der sei, der
die Sünder und Uebelthäter zu erlösen gekommen war1), oder
er gebraucht die Ueberlieferung Jesu von der Juden in der
Heiden Hände, um darauf hinzuweisen, dass Christus nicht allein
der Juden sondern auch der Heiden Heiland sei2). Wie bei
Luther in seiner späteren Zeit, so treffen wir bei Kantz mehr-
fach auf pessimistische Aeusserungen. Statt vieler sei nur
eine angeführt: „Auch sprechen ihrer viel, es sei kein Glück
noch Fried mehr in der Welt, seither das Evangelium ist an-
gangen, gleich als sollte Gottes Wort, welches an ihm selbst
heilsam ist, die Leut verderben. Die Menschen sind leider vor
verderbt, und gleich wie ein unfruchtbarer Acker, darum schafft
auch der gute Samen des Worts nichts bei ihnen“ 3). Nicht
unerwähnt möchte ich lassen, dass einmal ein deutlicher An-
klang an die Sprache der „Ev. Messe“ begegnet4), sowie an
die des Trostbüchleins5).
Ich weiss sehr wohl, dass die Beschäftigung mit einem
Schriftsteller, der lange Zeit vergessen war, leicht dahin führt,
dass man seine gleichsam neu entdeckten Werke überschätzt.
Ich will darum nur sagen, dass mir die Lektüre der Schriften
Kantzens ein Genuss und eine Freude gewesen ist. Hinter
seinen Worten erblicke ich seine Persönlichkeit und fühle aus
seinen Schriften heraus, dass sein berühmterer Nachfolger Löner
mit Recht in seiner Leichenpredigt ihn als den frömmsten Mann
Nördlingens rühmte. Kantz ist keiner, der sich selbst über-
schätzt; er ist sich der Schranken seiner Begabung bewusst,
aber mit dem, was er hat, arbeitet er in rührender Treue.
Hervorragend mag seine seelsorgerliche Gabe gewesen sein;
was er schreibt, athmet grosse Herzlichkeit und Innerlichkeit.
1) J 4.
2) F 7.
3) L 2.
4) M 2 „seinen zarten Fronleichnam und rosenfarbes Blut“ haben die
Jünger genossen.
5) D 3 „Die Einbildung der Leiden und des künftigen Todes ist
etwan viel heftiger und schwerer, denn der Tod selbst“.
124
Geyer, Kaspar Kantz.
Keine Formel hat es ihm angethan, sondern das lebendige
Evangelium hat sein Herz ergriffen und es drängt ihn, davon !
in schlichter Weise Zeugnis abzulegen. Ohne dass er sich
dessen, was er leistet, bewusst wird, zeigt er in einer an
Kämpfen und theologischen Streitigkeiten reichen Zeit auf dem !
Gebiete des Kultus und der Seelsorge neue Wege. Seine Schriften
gewähren uns einen Blick in die vom Kampfe der Zeit weniger
berührte Tiefe des religiösen Lebens. Wir werden nicht von
der Bewunderung erfüllt, welche uns die kraftvolleren Gestal-
ten des Zeitalters abnötigen, aber unsere Liebe gewinnt der
Mann, dessen ganzem Wirken der Stempel der Liebe aufge-
drückt ist.
Kurz vor seinem Tode im Jahre 1542 ist aus der ersten
Nördlinger Offizin (des Erasmus Scharpf) ein von ihm verfasster
Katechismus hervorgegangen, der nach Dolp 1) mit Luthers !
Katechismus fast gänzlich übereinkam, und darinnen er sonder-
lich die Lehre von der wirklichen Gegenwart des Leibes und
Blutes Christi in dem h. Abendmahl wider alle Einwürfe ver-
fochten hat. Ob sich dieses letzte Werk Kantzens in irgend
einer Bibliothek erhalten hat, weiss ich nicht. Chronistischer !
Ueberlieferung zufolge soll er auch „das Gesang 0 Lamm Gottes
unschuldig“ gemacht haben, welches bekanntlich dem Nicolaus
Decius zugeschrieben wird. Vielleicht hat die Erinnerung an
seine Evangelische Messe diese Notiz verursacht, oder sollte in
der That dieses Lied in Nördlingen unter seinem Namen ge- |
gangen sein ? Es wäre dann allerdings verständlich, wie Löner
in seinem Nördlinger Gesangbüchlein von 1545 unter den Lie-
dern für die Fastenzeit anführt „6. Er Gasper Cantzen Pas-
sion“ 2), wenigstens würde die Bezeichnung auf eine deutsche
Bearbeitung des Agnus wohl passen. Dass Kantz in der That
als Liederdichter sich versuchte, ist bekannt. In Johan Kolers
Hundert Christenliche Haußgesang (1569) findet sich das in
Wackernagels Sammlung aufgenommene3) und bei Goedecke4)
abgedruckte Lied, das wir auch hier mitteilen wollen.
1) a. a. 0. S. 62 Anm.
2) Wacker n agel , Kirchenlied I. S. 422.
3) a. a. 0. Bd. IV No. 778.
4) Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung. 2. Aufl. 1886, |
Bd. II. S. 193.
Geyer, Kaspar Kautz.
125
Ein Geystlich Lied,
im Thon: Ich armer Boss bin gantz verirrt, etc.
1.
Ich armer Gsell leid vngefell allein von diser Welte, Viel-
leicht das ich nit ey gentlieh hab weder gut noch Gelte. Der Welte
pracht wird hoch geacht, dem ich nit nach wil setzen, hoff in mei-
ner noht, der ewig Gott werd mich meius leyds ergetzen.
2.
Der Welt laß ich hie jren pracht mit hochmut stoltzen kallen:
Ob eins schon mir ein Gruben macht, es möcht noch selbs drein
fallen. Die Rach gib ich, sols letzen mich, allein Gott meinem Herren :
was ich jn bit, versagt mirs nit, thut mich allzeit geweren.
3.
Mein hoffnung steht allein auff Gott, den wil ichs lassen walten,
Der mich auff Erd in mancher not lange zeyt hat erhalten, Vil lange
Jar gantz wunderbar, er thut auch noch deßgleichen, was ich jn
bit, versagt mirs nit, thut auch nit von mir weichen.
4.
Ob ich schon hie in diser Welt verspott würd vnd verachte,
Liegts doch nit an gut vnd geld, noch eins ich wol betrachte: Das
ists ewig gut frewt mir mein mut, das mir kein Mensch kan geben,
dann JESu Christ, der für mich ist gestorben, merck mich eben,
5.
Der hat mir durch sein bittern tod des Vatters huld erworben,
Damit gebracht auß aller not, das er für mich ist gstorben: Das
glaub ich vest, ist mir das best, thu auch nit anders begeren dann
das ich far auß der Welt gar zu Christo meinem Herren.
6.
HERR, meinen Geist befehl ich dir, darzu mein leib vnd leben,
Dein Göttlich gnad ich noch täglich spür, wöllst mir noch weitter
geben Dein heiligen Geist, dardurch mich leist, der wöll allzeit mein
walten vnd mich O HErr, nach deinem beger dardurch dein wort
erhalten.
7.
Ich beschleuß hiemit mein gedieht vnd laß beym nechsten blei-
ben, Ich hete wol nach meim bericht noch wol weitters zu schreiben,
Nach dem die Welt mir vil nach gstelt mit vngegriinten Sachen: das
befilh ich Gott in meiner not, der wird alle ding wol machen.
8.
Der ist, der recht kent all geschlecht vnd aller Menschen hertzen,
Der ewig Gott, ich treib kein spott, er lest nit mit jm schertzen :
Das betracht woll, wie es sein sol, des Herren Christi Namen, der
wöl vns gleich ins Vaters Reich genedlich helffen, Amen.
126
Geyer, Kaspar Kantz.
9.
Der dises Liedlein bat gemacht, thets von jm selber dichten.
Ob er schon von der Welt veracht, so lielt ers als für nichten. Ist
wol bekand, also genand vnd thut sich das nit schämen, er ist von
Nörlingen auß der Statt, Caspar Kantz mit seinem Namen.
Im Jahre 1543 erkrankte Kantz und musste ersetzt j
werden. Im Januar 1544 zog sein Nachfolger Löner, der i
von Naumburg kam, in Nördlingen auf. Die unerquicklichen
Zustände, die letzterer daselbst antraf1) und die von Brenz j
in einem Brief an Melanchthon sehr drastisch charakterisiert ;
werden2), sind durch die Steuerlosigkeit des Kirchenwesens, bis .
ein tüchtiger Nachfolger gefunden wurde, hervorgerufen wor-
den3). Kantz durfte noch erleben, wie unter des kraftvollen
Löners Leitung die Ordnung wieder hergestellt und die Refor-
mation zum eigentlichen Abschluss gebracht wurde. In den
ersten Tagen des Januar 1544 ist er gestorben mit Hinter-
lassung einer Witwe und zweier Söhne, von denen der ältere
wie sein Vater Kaspar, der jüngere David hiess. Aus ihren
Stipendiengesuchen4 5) erfahren wir, dass beide nach des Vaters !
Tod „auf frommer Leute Promotion“ zu Dr. Medler in Braun-
schweig und dann zu Dr. Pend nach Wittenberg gekommen I
sind. Am 15. Juli 1551 bietet Kaspar der Vaterstadt seine
Dienste an und hofft, falls keine Stelle frei sei, auf Empfehlung, j
da ihm eben eine Schulmeisterstelle in Göppingen angetragen
worden sei. Das Geschlecht der Kantze hat sich in Nördlingen
nicht erhalten und Bey schlag '), der die sorgfältigsten Auszüge
aus den Nördlinger Kirchenbüchern gemacht hat, thut des Na-
1) Enders, Löners Briefbuch Bd. II. S. 37 dieser Zeitschrift.
2) Corp. Ref. Bd. V. S. 369. Ecclesia Nordlingensis videtur esse,
quod dici solet, scopae dissolutae.
3) In der Chronik ad ann. 1543: „Weilen die Pfaffen auf der Cantzel
einander schmäheten, indem sie kein Haupt hatten, denn der Prediger
Cantz konnte krankheit halber nicht mehr predigen und der neue Super-
intendent war noch nicht hier; auf den alten Pfarrer, der anjetzo Pfarr
Verwalter (Übel), gaben sie nicht viel, also musste Bürgermeister Rötinger
auf E. E. Raths Befehl zwischen ihnen Frieden machen.“
4) Im Nördlinger Archiv unter „Personalien der Lehrer“.
5) Beyträge zur Nördlingischen Geschlechtshistorie 1801.
Geyer, Kaspar Kantz.
127
mens keine Erwähnung* ; allein die Erinnerung an Kaspar Kantz
lebt in seiner Heimatstadt fort. Er verdient es, dass auch
ausserhalb des gesegneten Rieses sein Name pietätvoll ge-
nannt wird.
Anhang.
Vorstehende Arbeit war bereits abgeschlossen, da teilte mir
Herr Gymnasiallehrer Kern in Nördlingen, der neben dem Herrn
Archivar, Hofrat Mayer, in freundschaftlichster Weise meine Studien
förderte, zwei interessante Aktenstücke mit, auf die ich im Texte
noch während des Druckes kurz Bezug nehmen konnte.
1. (Nördlinger Briefbuch ad ann. 1518).
Dem Erwirdigen vnd woigel arten
Herrn Georgen muffel der hailigen
schrifft Baccalaureo Carmeliten
Ordens prouincialj zu Bamberg vnn-
serm lieben herrn vnnd Freundt.
Erwirdiger wolgelarter Herr. Euren Erwirden sagenn vnnser
freuntlich dienst allezeit mit besonderm vleis vorann, Lieber herr,
vnns hat her Caspar Kantz ewrs ordens alhie berichtet, wie er
von dem priorat abgeseczt worden sey. vnnd Ine der vicarius des
priorats alhie zuwone nit mer gedulden Sonder Ine vfs furderlichst
vßtreibenn wolle, das Ime aus etlichen eehafften vrsachenn nit
wenig beschwernus bringe. Mit vleissiger bitt an E. E. Ime
vnnser furschrifft mit zutailen, damit er nit geeilt vnd vngeuar-
lichen bis Michaelis alhie enthalten werde, dieweil Ine dann zu-
furdern wol genaigt seyenn, So ist an E. E. vnser dienstlich vnd
freuntlich bit, Souer (n) es fug haben vnd gesein mag. wollent
Ime von vnsert wegen In seinem begeren gunstlichen wilfaren,
damit er diser vnser furdernus genossen empfinde, das umb E. E.
begern wir allzeit freuntlichen vnnd mit sondern! vleis willigclichen
zuuerdienen Geben den aylften tag des Brachmonats Anno etc. 18
Jacob widenman vnd Hans Reu-
ter baid alt Burgermaister des
Rats vnd geordnet pfleger der (sic!)
Carmeliten Closter.
2. (Nördlinger Urfehdbuch 1518—33 fol. 77 b).
„Caspar Kancz priester vnd Munich zu den Carmeliten
Gab aus an offner Canutzel er het ain waib genommen deßhalben
beschickt Ine ein Rat. Sagt Ime ein Rat trüg sainer handlung mis-
fallen. Und er solte von stund an aus diser Stat geen vnd nit
mer herein körnen, bis mau nach Im schicke. Actum freitag nach
Johannis Baptista a° 1523’* (= 26. Juni 1523 ).
128 G. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks.
Ueber eine angeblich verschollene Spottschrift gegen
Johann Eck vom Augsburger Reichstage 1530.
Von D. Gustav Kawerau.
Melanclitbon schrieb vom Augsburger Reichstage aus an den bei
Luther in Koburg weilenden Freund Veit Dietrich am 22. Mai 1530 :
Ridebis una cum Doctore | Luther] pröpositiones factas contra
Eckii calumnias. Sunt ineptiae. Sed sic ars deluditur arte.1) Offen-
bar hatte er selbst dem Briefe als amüsante Novität diese Eck ver-
spottenden „propositiones“, also eine Thesenreihe, als Beilage ange-
schlossen, ob gedruckt oder handschriftlich, muß zunächst eine offene
Frage bleiben. Wenige Tage danach (30. Mai) schreibt der gleich-
falls in Augsburg beim Reichstage anwesende Joh. Cochläus an Pirk-
heimer in Nürnberg: Vidi propositiones in Eckium de vino,
Vene re et balneo: rogavi quidem illum, ut a nomine tuo absti-
neret, sed forte iam fuerat impressum, quaudo monui. Quaesivit ergo
plagas quas reperit. Mallem tarnen hoc tempore eius autoritatem in
causa fidei non sic elevari. Multus hodie de iis propositionibus in
aula principum sermo erat. Nam cancellarius eas vidit, sed nescit
unde prodeant. Multus igitur fuit risus, licet non legeren tur pro-
positiones2). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß Cochläus hier die-
selben propositiones erwähnt, wie Melanchthon. Er bezeichnet uns
ihren Inhalt näher : wir erkennen deutlich, daß sie den berüchtigten
Lebenswandel Ecks, seine Trunksucht und Sittenlosigkeit, zur Ziel-
scheibe spöttischen Angriffs wählen. Und Cochläus weiß, daß Pirk-
heimer der Verfasser ist und daß dieser damit Schläge an Eck aus-
teilt, die dieser selber provoziert hat, indem er trotz des Abmahnens
des Cochläus in einer eben erschienenen Schrift gegen Pirkheimer
mit Namennennung in einer für diesen sehr fatalen Weise vorge-
gangen war. Wir kennen die Schrift, auf die damit hingewiesen
wird; es sind jene 404 Articuli, die er dem Kaiser noch vor Be-
ginn des Reichstages übersandte und über die er sich zu disputieren
erbot, eine Arbeit, die er schleunigst auch in Druck gab. Hier sind
im Chore der ,, articuli ex scriptis pacem ecclesiae perturbautium
extracti“, einer tendenziösen Blütenlese von Citaten nicht allein aus
den Schriften von Luther und Genossen, sondern auch aus denen
der Zwinglianer und der Schwarmgeister und Wiedertäufer, auch Eras-
mus und Pirkheimer mit einzelnen ihrer Dicta citiert, ersterer in den
Druckausgaben mit Verschweigung seines Namens, letzterer dagegen
mit offener Namennennung — es waren scharfe Erklärungen Pirk-
1) Corp. Ref. II 61f.
2) Heu man ni Documenta literariae p. 80.
G. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks. 129
heimers über die scholastische Transsubstantiationslehre, sowie über
das Umhertragen der Hostie in der Prozession und ihre Anbetung
in der Monstranz1). Wie empfindlich mußte es für Pirkheimer sein,
der schon 1527 gegen Oekolampad erklärt hatte: quam vero Lutherus
meus sit, hinc constat, quod illi integro fere septennio nullum mecum
fuerit commercium 2), jetzt nicht nur mit diesem, sondern auch mit
Zwingli und Oekolampad, ja mit den anrüchigen Häuptern des Ana-
baptismus zusammengeworfen und dem Kaiser denunziert zu werden,
und das gerade in der Abendmahlslehre, in der er, wie Eck wohl
wissen mußte, in seinem unfeinen Streit mit Oekolampad von Luthers
Position immer mehr zu der der römischen Kirche zurückgeglitten war! 3)
So hatte er denn schleunig auf diese Anzapfung mit der Geißel
stachliger Satire geantwortet, und begierig greift man ebenso im
evangelischen wie im katholischen Lager nach den propositiones, die
er nach Augsburg, wie es scheint, gleich in mehreren Exemplaren,
hinübergespielt hatte — auch im eigenen Lager fand Eck so man-
chen, der ihm nicht hold war 4). Cochläus ist offenbar diesen pro-
positiones gegenüber in fataler Lage : er möchte den Vorkämpfer für
den katholischen Glauben geschont wissen, und doch empfindet er,
daß Eck diese Satire, die ihn dem Gelächter preisgiebt, verdient
hat — ob nur durch seine plumpe Provokation des Nürnberger Spöt-
ters, oder auch durch die einem Cochläus sicherlich wohlbekannten
Blößen in seinem sittlichen Verhalten?
Was waren das für propositiones? sind sie uns erhalten ge-
blieben oder verschollen ?
Th. Strobel sprach sich 1791 über sie aus5): sie müßten äußerst
selten sein; in den bibliographischen Verzeichnissen von Hirsch und
v. d. Hardt habe er ihre Spur nicht finden können. Er nahm also
einen Druck derselben an, aber offenbar hatte er einen solchen nie
gesehen. Seidemann redet von ihnen, aber nur nach Strobel; auch
er hatte sie sicher nicht gesehen6). Der Eck-Biograph Wiedemann
erwähnt sie, kennt aber kein Exemplar, nennt sie daher ein Werk-
lein von der größten Seltenheit7). S. Szamatolski stellte 1891 fest,
1) Vgl. Biederer, Nachrichten III. S. 440ff. ; Th. Wie de mann,
Dr. Joh. Eck. Regensbarg 1865 S. 580f.; Plitt, Einleitung in die
Augustana I. S. 526ff. ; Kolde, Die Augsburg. Confession S. 4.
2) BilibaldiPirckheymeride vera Christi carne et vero eius san-
guine adversus convicia Joannis, qui sibi Oecolampadii nomen indidit,
responsio secunda. 1527 Bl. E 8b.
3) Vgl. Drews, Pirkheimers Stellung zur Reformation. Leipzig 1887
S. 89 ff., S. 107.
4) Vgl. M. Spahn, Joh. Cochläus. Berlin 1898 S. 163f.
5) Neue Beiträge zur Litteratur besonders des 16. Jahrhunderts II.
Nürnberg u. Altorf 1791 S. 401; vgl. auch schon desselben Beyträge zur
Litteratur bes. d. 16. Jahrhunderts II. Nürnberg u. Altorf 1786 S. 473 f.
6) Seidemann, Leipziger Disputation, Dresden 1843 S. 68 Anm. 1.
7) A. a. 0. S. 584.
130 G-. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks.
daß sich von ihnen bisher kein Exemplar habe finden lassen. Doch
meinte er zuversichtlich;, er habe sie nun gefunden, sie seien näm-
lich identisch mit der längst bekannten, im Stil der Epistolae viro-
rum obscurorum gehaltenen Eckii dedolati ad caesaream majestatem
magistralis oratio (1530) 1). Dafür ließ sich mancherlei anführen,
nicht allein die Anspielung im Titel auf Pirkheimers alte Spottschrift
gegen Eck (von der freilich Szamatölski gerade annahm, daß Pirk-
heimer mit Unrecht als ihr Verfasser angesehen werde), sondern vor
allem, daß diese Oratio thatsächlich Eck de vino, Venere et balneo
in einer sehr wenig schmeichelhaften Weise reden läßt2 3). Von Wein
und Venus würde freilich wohl jeder, der Eck verspotten wollte,
geredet haben, aber daß auch gerade das balneum als ein drittes
Charakteristikum Eckscher Lebensgewohnheiten angeschlossen ist, das
macht ja freilich stutzig, und läßt irgend welchen Zusammenhang
zwischen den Propositiones und der Oratio vermuten. Gleichwohl
widersprach ich alsbald mit aller Entschiedenheit dieser Hypothese 8),
da die übereinstimmende Bezeichnung der Spottschrift durch Melau ch-
thon wie durch Cochläus als „propositiones“ nach konstantem Sprach-
gebrauch doch nur eine Thesenreihe, nicht aber eine Rede meinen
konnte. Ein glücklicher Fund hat mir jetzt bewiesen, daß ich richtig
geschlossen hatte. Denn die bisher vergeblich gesuchten propositiones
existieren, und zwar, wie zu vermuten war, handschriftlich —
gedruckt sind sie wohl nie vorhanden gewesen.
Die Breslauer Univ. -Bibliothek besitzt in IV Octav 45 eine
Papierhandschrift, die ich untersuchte, da der Katalog mir als ihren
Inhalt Disputationes Lutheri ankündigte. In der That beginnt sie
mit Nachschriften (Reinschriften) mehrerer Wittenberger Disputationen
unter Luthers Vorsitz, so u. a. der des Heinrich Schmedenstede
(Drews, Disputationen Luthers S. 684ff.) ; ferner enthält sie große
Stücke aus der 2. Disputation contra Antinomos (Drews, S. 419 ff.),
die Promotionsthesen des Joh. Macchabäus (Drews S. 637ff.). Ich
bemerke hierüber nur, daß, soweit ich verglichen habe, es sich um
Nachschriften handelt, die völlig unabhängig von den von Drews
benützten Rezensionen sind, und daß sie daher manches Eigentüm-
liche bieten. Ich kann mir nicht versagen, auf einen höchst inter-
essanten Zusatz im Vorübergehen aufmerksam zu machen, der sich in
Schmedenstedes Disputation zu Drews S. 694 hinter Einwand XIII
„Jacobus ait, Abraham ex factis iustificatum esse etc.“ findet. Vor der
Antwort des Promovendus, die Drews bietet, greift Luther selbst ein
mit folgender für ihn höchst charakteristischen Auslassung über den
Jakobusbrief, die ich wörtlich hier einrücken muß :
1) Lateinische Literaturdenkmäler des 15. u. 16. Jahrhunderts 2. Heft.
Eckius dedolatus. Berlin 1891 S. Xlf.
2) A. a. 0. S. 46.
3) Theol. Litteraturzeitung 1891 Sp. 381.
G. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joli. Ecks.
131
,,D. M. L. lila Epistola Jacobi nobis multum facessit negotii.
Eam enim solam amplectuntur reliquis Omnibus omissis papistae.
Ego kactenus solitus sum eam observare [? undeutlich] et inter-
pretari secundum sententiam reliquae scripturae (nam nihil ex
ea contra manifest am scripturam sanctam statuendum est iudi-
cabitis [so]). Si igitur non admittentur meae interpretationes,
tum faciam quoque ex ea vastationem. Ich will schir den
Jeckel in den Offen werffen, wie der pfaff vom Kalenberg1)“.
Dann weiter: M. Heinricus respondit: Jacobus loquitur de
factis etc. wie bei Drews. (Diese Worte tragen deutlich den
Stempel der Echtheit!)
Doch die Handschrift enthält auch noch manches Andere, vor
allem Bl. 376ff. 2) die bisher vergeblich gesuchten propositiones de
vino, Venere et balneo (den Titel siehe hernach). Ihr Inhalt ist
z. T. so lasciv, daß ich ihre vollständige Veröffentlichung gern
einem Liebhaber der Eacetienlitteratur überlasse. Ich begnüge mich
damit, die Thesenreihe de vino vollständig zu reproduzieren, über die
beiden anderen Reihen dagegen nur kurz andeutend zu referieren.
Ihre Provenienz in einem Bande von Wittenberger Disputationen
zeigt uns, daß sie vom Augsburger Reichstage abschriftlich nach
Wittenberg gelangt sind, sodaß sie noch in den 40er Jahren
dort von einem Wittenberger Studenten gelesen und kopiert werden
konnten. Sie zeigen den Grimm, den der alte Pirkheimer noch in
seinem letzten Lebensjahre gegen den Mann bewahrt hatte, der ihm
einst in der fatalen Bannangelegenheit tiefe Demütigung abgenötigt
und ihm soeben einen so gehässigen Streich gespielt hatte3).
[376] Articulos sequentes publice defensurus est Eckius4 5),
non Tngolstadiensis ille, Theologiae et Juris Canonici vir doctis-
simus"), Universitatis Cancellarius et Aistetensis Ecclesiae Ca-
nonicus 6), Sed Eckius dedolatus, Geologiae 7) doctor, Prae-
positus in Narrenheim ac nullius Ecclesiae Cauonicus.
1) In dem Schwankbuch vom Pfaffen vom Kalenberge wird erzählt,
wie dieser seine Stube heizt mit den hölzernen Bildern der 12 Apostel.
Als er das des Jacobus ins Feuer wirft, spricht er : „Bück dich, Jäckel,
du mußt in Ofen“ (vgl. F. H. v. d. Hageu, Narrenbuch. Halle 1811 S. 314).
Vgl. auch Thomas Plätters Autobiographie ed. Fechter S. 37, ed. H.
Boos S. 37.
2) Der Band beginnt jetzt mit Bl. 256, ist also ein Teil einer früher
viel umfänglicheren Handschrift.
3) Bei der Entzifferung einiger schwer leserlichen Stellen hat mir
Herr Prof. Dr. G. Banch freundlich Hülfe geleistet.
4) Anspielung auf den Titel der Articuli 404: Articulos 404 . . . co-
ram divo Caesare Carolo V . . . Joan. Eckius minimus ecclesiae minister,
offert se disputaturum etc.
5) Vir doctissimus heißt er z. B. auf dem Titel seiner Homiliae.
6) Vgl. im Titel seiner Orationes quatuor: studii Auripolitani [d. i.
Ingolstadt] Vicecancellarius et Canonicus Eistettensis.
7) Geologia hier im Gegensatz zu Theologia: er beschäftigt sich
nicht mit göttlichen, sondern mit irdischen Dingen.
132 Gr. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks.
1. Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra,
Sed vitam faciunt balnea, vina, Venus.
2. Ex Omnibus deliciis, quas deus hominibus concessit, nil sua-
vius est vino, venere et balneis. Quia sine iis vita non est vita.
3. Ex tribus his Venus ad propagandum genus humanuni neces- I
saria est, balneum voluptati deservit, sed omnia superat vinum.
VINVM.
4. Vino nil melius nec vulva dulcius ampla.
5. Turcarum Imperator miser est, q[uia vinum non bibit.
6. Moriendum potius mala morte quam vino carendum.
7. Vina graeca et ultramarina optima sunt, sed a vinis superantur
Insulanis, utputa Cretensi et Corsicano.
8. Creticum vinum quamvis sit Optimum, Corsycum tarnen non
multum illius cedit bonitati, praecipue Corsycum amabile 1 )
bone Deus, quam libenter bibi illud Romae!
9. Ex Europae vero vinis principatum tenet Syrmicum, quod nunc ,
vocatur Symmachicum. [376b].
10. Nec multum Ungarico cedit id quod in provincia nascitur Gal-
lica.
11. Sed et vinum, quod haud longe a Janua nascitur et de Taio j
vocatur, primas fere partes fert. Vina haec superant aurum |
et topasium 2).
12. Quin Riuolicum 3), quod in sinu nascitur Adriatico, omnibus |
aliis anteferri potest. Quia licet non sit tarn forte sicut alia, |
nec tarn cito iuebriet, dulcissimum tarnen est et mire palato j
applaudit. Nam id saepe probavi.
13. Sed et Italia vina sua habet nobilissima, velut Tribianum,
Vernaticum 4), Montanum, cum reliquis, quae longum esset !
recitare, quae saepius me recreaverunt.
14. Sciens hic praetereo vina, quae Hispaniae et Galliae mittunt, J
quia licet sint optima, raro tarnen ad nos importantur.
15. Ex Germaniae autem vinis Rheticum, quod Athesinum 5) voca-
tur, praecellit, id me in Italiam euntem et redeuntem saepius
laetae mentis fecit.
16. Hoc sequitur Alsaticum, Austriacum acRhenense: Ha, ha, ha,
tria cordis unguentacula !
17. Franconicum licet aliquando Optimum habeatur, quäle eg o apud
Canonicos bibi Herbipolenses, tarnen ab illis superatur.
18. Vinum Necharinum illis aequiparari nequit, quia quum aquo-
1) Bekannt als vino amabile.
2) Vgl. Vulg. Ps. 118, 127.
3) Revoglio, Reinfall (in Istrien)
4) Vino di monte Venaccia?
5) Wein von der Etsch.
Gr. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks. 133
sum sit, non facile in cerebrmn [377] ascendit nec nt quis
Tille teile loquatur facit.
19. Reliqua vina Gfermaniae potius aceto quam vinis aclnumeraveris
praeter Kelhemense1) et Bavaricum, quod nec acetum est nec
aqua, salva tarnen gratia Bavarica.
20. Quicunque vinum, quod Deus Optimum procreavit, aqua adul-
terare audet, is non solum liquorem illum nobilem corrumpit,
sed Deum ipsum iniuria afficit.
21. Falsum est, quod dici solet, quod vinum sit forte. Nunquam
enim tarn forte bibi, quod fortitudine sua prohibere potuit,
quominus illud exhaurirem.
22. Fictio est, quod vinum adeo forte sit, ut aliquando homines in
merdum proiiciat. Nunquam enim me proiecit, licet saepius
vertigine arreptus ultro cecidi, sed quam primum evomuissem,
melius habui.
23. Nunquam homo sapientior est et eloquentior, quam quum coe-
lesti illo rore madefactus fuerit. Foecundi enim calices quem
non fecere disertum?
24. 2) Nunquam homo fortius dormit quam cum profunda ebrietate
iacet sepultus.
25. Nunquam homo laetior est et ditior quam cum multo mero ma-
defit. Pauper enim tum cornua sumet omnisque cura aufugit
deluiturque mero.
2G. Maledictus sit, qui non sufficienter se ingurgita[377b]re au-
det, nisi per verbum Ich bring dirs invitatus.
27. Benedictus qui ultro et non invitatus ita se ingurgitaverit, ut
non solum sitim extinguat, sed etiam voluptati ita deservit, ut
rursus evoinat, iuxt'a verbum illud Sauff dich vol vnd leg dich
nider, Stell auff vnd spey dich wyder, Imer, Imer Imer vol.
28. Stulti immo iusani sunt, qui cerbereum illum liquorem cervi-
siam | so] vino anteferre audent. Nam licet refrigeret, vinum
tarnen calefacit. Quantum ergo color, qui cuncta producit, fri-
gus exuperat, quod cuncta corrumpit, secundum philosophum3),
tantum et vinum superat cervisiam.
29. Vinum in cerebrum ascendit et cor hominis laetificat4). Cer-
visia vero descendit et testiculos deorsum trahit et pendentes
facit.
30. Summa. Vinum, vinum, vinum supernum vincit et imum.
Vinum vita est suavior et omnibus mundi delicatius rebus.
1) Kelheim unweit Regensburg, damals bekannt wegen seines Weiß-
bieres.
2) Statt 24. 25 hat die Abschrift 26. 27 und wiederholt dann diese
Zahlen.
3) Aristoteles.
4) Vulg. Psalm 103, 15.
Beiträge zur bayer. Kirchengescliiclite. V. 8.
10
134 G-. Kawerau, Eine verschollene Spottschrift Joh. Ecks.
De Yenere.
Es folgen 16 Thesen, beginnend mit dem Satz: Quamvis sua-
vissima venus procreatrix sit generis humani, nulli tarnen sacerdoti
uxorem habere licet pro propria, sed concubina [s] quotquot voluerit
pro libito. Man hüte sich aber vor alten und wähle juuge (Th.
2 — 4), lieber mehrere als nur eine [5]; auch der keuscheste Priester
muß bisweilen renes purgare [6] 1). Die Türken zeigen uns den
Vorteil der Vielweiberei [7]. Der Priester,- der sich keine Concubine
hält, darf an Verheirateten und Unverheirateten sein Ergötzen
suchen, muß es aber sehr vorsichtig machen; der Vorzug ist dabei
den Unverheirateten zu geben [8 — 10]. Grundsatz: Necessitatis tem-
pore omnia sunt licita [ 1 1 J . Kinder aus Concubinaten sind geistig
und körperlich vollkommener als eheliche Kinder [12 — 15]. Wein
und Venus gehören zusammen [16].
De b a 1 n e i s.
15 Thesen: Bäder dienen nicht nur der Reinigung, sondern
auch der Erwärmung und erhöhen daher die Lust und Fähigkeit zum
Trinken (1 — 5). Gemeinsames Baden beider Geschlechter ist löb-
lich u. s. f. Th. 11: Summopere cavendum ne absque flascone ad
balneum eatur, sed flasco tanquam comes assidue sequatur. (Dazu
vergl. in der Oratio [Neudruck S. 46] den Satz, in dem Eck fordert,
daß ubi venirem ad balneum aliquod, ihm der balneator unum bonum
flasconem vini bringen müsse, ut me possem in calore reficere).
Schluß: [379] Disputabuntur ad flasconem die et liora competenti2)
inter burdellos inter cinquanta3) putauas.
Nil mirum si ecclesia
Vacillet sicut ebria,
Ebrius si miseram
Defendere vult ecclesiam.
Die angeführten Parallelen in der Oratio zu diesen Propositiones
machen gewiß, daß der Verfasser der ersteren die Thesen bereits
kannte und durch sie angeregt worden ist. Unwahrscheinlich aber
ist, daß Pirkheimer selbst dem Spott gegen Eck nun auch noch in
der Oratio wie in 2. Auflage sollte haben die Zügel schießen lassen.
Sind diese Thesen sein Werk, was uns Cochläus bezeugt, so wird
für die Oratio ein anderer Verfasser — unter den Reichstagsmit-
gliedern selbst? — zu suchen sein.
1) Vgl. hierzu die Oratio, Neudruck S. 46 Z. 31ff.
2) Anspielung auf Ecks 404 Artikel: Die et hora consensu Caesaris
posterius publicandis; und wieder am Schluß: Dicm et horam disputandi
ad divi Caesaris arbitrium Eckius publicabit.
3) Italienisch statt quinquaginta, veranlaßt durch das folgende putanas.
Merz, Simonie im 18. Jahrhundert.
135
Simonie im 18. Jahrhundert.
Miscelle
von
Pfarrer Merz in Mittelsinn, Unterfranken.
In einem Confitentenregister der Pfarrei Mittelsinn, das im
Jahre 1749 von dem Pfarrer Magister Jacob Ludwig Rudolph an-
gelegt worden ist, findet sich folgender Bericht von der Hand des
genannten Pfarrers über die Umstände, unter welchen er auf die
Pfarrei Mittelsinn gekommen ist. Mag. Rudolph schreibt:
Nachdem ich, M. Jacob Ludwig Rudolp anno 1734 mense Augusti
von der ev.-luth. Gemeinde, nach ihrem wohlhergebrachten Rechte,
I zu Rödelsee, bei Iphofen in Franken, aus der schönen Stadt Groe-
ningen, in den Vereinigten Niederlanden gelegen, woselbst ich als
Inspector des Lutherischen Waisenhauses und Cooperator Ministern
ecclesiast. gegen 4 Jahre lang gestanden, nach erstgedachtem Rödel-
see zu einem Pfarrer und Seelsorger einmiithig berufen und von
I Sr. hochfürstl. Gnaden zu Wirtzburg, dem grossen Friedrich Carl,
aus dem W eltberühmten Geschlecht der Reichs Grafen von Schön-
born, Buchheim und Wolfsthal, den 4. Okober 1734 gnädigst con-
firmiret : hierauf aber auf untertänigstes Bitten der A. C. Gemeinde
zu Kitzingen, nach absterben meines seel. Vaters, M. Christoph
Rudolphs, Pastoris primär, daselbsten, an die Stelle des damahligen
Pastoris adjuncti, M. Job. Friedrich Habbhahns, der meinem seel.
Vater succedirte, von höchstgedachter Sr. hochfürstlichen Gnaden,
als Pastor adjunctus, nach Kitzin gen den 11. Januarii ao. 1748 mein
Amt daselbsten, ohne Anstoß, nach aller Möglichkeit, getreu ver-
richtet. Alleine unter der Regierung Celsissimi Anselmi Francisci,
aus dem hochgräfl. Geschlechte von Ingelheim (der ein herr wäre,
welcher sich nicht nur das Geld sehr lieb seyn, sondern auch dahero
von einigen Jüden, die da beytreiben mußten, samt einem alten so-
genannten Chymico, Koepner, den Meister spielen, und sich quasi
regieren ließe) fügte sich, daß einige im Dominium in der Gemeinde
zu Kitzingen affectirende Männer, vornemlich 5 an der Zahl, deren
Nahmen jedoch mit Stillschweigen übergehe, auf eine abgedroschene
und zusammengestoppelte scheinbare, doch falsche Imputation, die sie
um so lieber glaubten, weil selbige ohnehin meines seel. Vaters ge-
schwohrene Feinde, mitfolglich auch die Meinigen gewesen, bei Cel-
sissimo, mit Vorbeygehung der hochlöbl. Regierung, klagten, und
meiner loszuwerden, heimlich, suchten. Da ich nun über solche gott-
I lose Imputation und teuflische Lästerung, jedoch ohne die mindeste
Rachgierde, ex lege diffamati zu Klagen mich gemüßiget sähe: auch
die hochfürstl. Regierung, rechtlicher Ordnung nach, die gerechteste
Verfügung dießfalls machte: auch meine tlieils verführte Feinde nun
10*
136
Merz, Simonie im 18. Jahrhundert.
wohl sahen, daß es mißlich vor sie, aller angewandten Mühe und
Kosten ohngeachtet, ausgehen mögte; ich gleichwohl inzwischen vor
Chagrin in ein hitziges Gallen-Fieber, recht gefährlich und tödtlich
darnieder gefallen : so fischten meine Feinde im Trüben und wußten
es unter Versicherung, daß Celsissimus ein ansehnliches Stück Geld
dabey ziehen könnte, so weit zu bringen, daß ich ohne vorwissen,
und zur nachmahligen Verwunderung der hochlöbl. Regierung, wie-
wohl mir nicht das mindeste zuvor communiciret, und ich weder
confessus noch convictus gewesen, aus dem NB Cabinet, mit Ver-
weigerung der von mir erbetenen Copie des Cabinet- Decrets, gar
dimittiret worden. Nun verrieth sich zwar meiner Feinde ihr böses
Absehen, da sie als Verwandten und Gevattern einen in hiesiger
Nachbarschaft - stehenden wohlbegüterten Mann, der sich’s über 1000 fl.
wollte kosten lassen, an meine Stelle zu bringen bemühet waren,
und weil dieses, wegen anderer Staats-Ursachen nicht practicabel ge-
wesen seye noch von der hochfürstl. Regierung approbiret worden,
den Pfarrer Seubott in dem hochfreyherrl. Crailsheim. Ort Neuhau ßt
bei Erlang, der sich’s 200 Species-Ducaten, wozu er sich selbst offe-
riret hatte, wollte kosten lassen, nur blos aus Bosheit gegen mich,
mit Widerwillen der übrigen Gemeinde zu Kitzingen, nicht nur in
Vorschlag brachten, sondern auch, indem sie glaubten, es könne
ihnen nicht fehlen, wider die hochfürstl. Jura handelten und ihren
gewißenlosen Seubott (den auch Gott aus ohngezweifelt gerechten
Gericht bald darauf von der Welt genommen; maßen er sich zu Tod:
s. v. gebrochen) zur Probe-Predigt invitirten und als mit Blindheit
geschlagen öffentlich aufstelleten. Alleine dieß gab nicht nur der
hochlöbl. Regierung Anlaß und Gelegenheit Celsissimo den Kitzinger
affectirten Magnaten getriebenen Unfug zu remonstriren, sondern es
übergab auch die gantze übrige Gemeinde eine zahlreich unterschrie-
bene Bittschrift, darinnen sie inständigst-flehentlichst mich bey ihnen
zu lassen anhielten, und über das boshafte eigenmächtige Wesen
meiner Feinde, wie bei Celsissimo, so auch bei hochpreißl. Regierung
klagten. Unterdessen gedachte der damahlige hiesige Pfarrer, Mag.j
Sebastian Wittmann Kitzingensis von der Zeit und Gelegenheit zu
profitiren und mit seinem Geld sich den Weg nach Kitzingen zu
bahnen, brachte es auch bei denen geldgierigen Creaturen zu Zellingen
(bei Würzburg), woselbst der Fürst sich justement aufhielte, so weit,
daß er völlige Hoffnung, auf Kitzingen zu kommen, erhielte. Nach-
dem aber dieses meine Feinde hörten, mitfolglich einsahen, wie ihre
Rechnung und Absicht zu nichte worden, so gingen sie zum hoch-
fürstl. Stadt vogtey- Amt zu Kitzingen, protestirten gegen Mag. Witt-
mann mit der weiteren Ezklärung, daß ehe sie diesen annehmen
könnten, sie lieber wiederum um mich gebetten haben wollten. Hieraui
richtete Mag. Wittmann sein Augenmerk auf Maynstockheim, welche
Pfarrei er auch gegen Erlegung von 100 Louisd’or in die hochfürstl,
Merz, Simonie im 18. Jahrhundert.
137
Chatull zum größten Tort des dasigen ehrlichen Pfarrers Bäuerleins
vermittelst eines Cabinet-Decrets erhielte. Der Pfarr Bäuerlein that
zwar dagegen seine Vorstellung konnte aber weiter nichts ausrichten,
als daß er von Celsissimo gegen 70 — 80 Species Ducaten des Cabinet-
Decret erhielte auf die Pfarrei Buchbronn und Repperndorf. Hier-
durch sah sich nun der Pfarrer Johann Daniel Schmitt zu Buch-
bronn in die größte Verlegenheit gesetzet. Doch wurde er mit dem
gleichmäßigen Cabinet-Decret auf Kitzingen zur Pfarr- Adjuncten-
Function mit der Condition, daferne er 200 Species Ducaten erlegen
würde in die Chatull consoliret. Nun wäre es an mir: Denn gleich-
wie die Gemeinde zu Kitzingen mit oberregter Supplicatiou so wenig
als ich mit vielfältigen Bitten ausrichtete, so mußte mir in christ-
licher Gedult gefallen lassen, was Gott über mich verhänget und zu-
gelassen hatte. Die am ersten vacant gewordene Pfarrei Mittelsinn
ward mir offeriret und wiewohl ich darauf bestünde, daß mir meine
Restitution zuerkannt und ich protegiret werden möchte in Kitzingen :
so erhielte zwar sothaue meine Restitution, NB aus dem Cabinet;
aber mit dem weiteren Verfügen, daß ich die Mutation nach dem
Sinn-Grund annehmen und meine Abschieds-Predigt in Kitzingen
halten sollte. Als ich endlich rebus sic stantibus mich notligedrungen
sähe der kochfürstl. Verordnung mich zu unterwerfen, so kam noch
dieses dazu, daß ich auch erst 100 Species Ducaten zur Chatull
zahlen sollte. Hier hat weder Bitten noch Flehen etwas geholfen.
Kurtzum wollte ich mit Weib und 6 lebendigen Kindern nicht zu
Grunde gehen, so mußte endlich, vornehmlich auf anhaltendes Bitten
meines lieben Ehe- Weibes, mich bequemen, das erpreßte Geld baar
zu bezahlen und das Cabinet-Decret. hierauf eben von der hochfürstl.
Regierung die Praesentation hieker nach dem Sinn-Grund anzuneh-
meu, wie ich dann Dom. 3. Advent bey Volkreicher Versammlung
und unter fast allgemeinen Thränen des Auditorii zu Kitzingen meine
Abschieds-Predigt gehalten, den 21. Dezbr. als Fer. Apost. Thomae
Mittags um 1 Uhr, mich mit meinem ganzen Hauß vor dem Gürtlers-
Thor daselbsten auf das Wasser gesetzet Dom. 4. Advent, den
22. Dezb. aber mit einbrechender Nacht zu Gemünden den Fuß
wieder aus Land gestellt hatte. Den 24. Dezbr. 1748 käme ich
Abends glücklich allliier au und wurde wider die vorherige Gewohn-
heit mit allgemeinen Freuden an- und aufgenommen. Weil ich hin-
gegen von Hessen-Cassel 1) aus nocli nicht gnädigst confirmiret wäre
und daliero leicht geschehen können, daß da ich vor gesuchter und
folglich auch nocli nicht erlangter Confirmation würklich aufgezogen
bin, ich gar wohl Repuls bekommen und fortges'chickt werden mögen :
So handelte ich so vorsichtig, daß ob ich zwar gleich andern Tags
als Feste Nativit. Christi das Amt coucionandi an träte, dennoch des
1) In Mittelsinn 1(548 (resp. 1631) bis 1803 Oondoininium zwischen den
Bischöfen von Würzburg und Ilessen-Cassel (Kurhessen).
138 Kolde, Ein unbeachteter Brief an Luther und Melanchthon.
Abendmahl-Haltens bis nach erfolgter Installation mich freywillig
enthielte.
Endlich nahm der gerechte Gott den Fürst Anselm Frantzen den
9. Februar 1749 plötzlich von der Welt und erfreute das gantze
Land durch die glücklich ausgefallene Wahl mit Sr. hochfürstl. Gna-
den Carl Philipp aus dem alt-adelichen Geschlecht deren Reichs-
Freyherrn von Greifenklaw zu Yollraths. Dieser gerechte Fürst ließe
nicht nur meine Diffamations-Klage reassumiren, sondern auch die
mir abgepreßte Gelder wieder zuspreclien, welche 100 Ducaten dann
mir von der hochgräfl. Ingelheimischen Familie baar vergnüget und
zurück bezahlet worden.
Ein unbeachteter Brief an Luther und Melanchthon.
Mitgeteilt von
I). Th. Kolde in Erlangen.
Der bisher den Sammlern entgangene Brief an Luther und
Melanchthon, auf den unten aufmerksam gemacht werden soll, führt
uns in die Anfänge der reformatorischen Bewegung der auch aus der
allgemeinen Reformationsgeschichte bekannten fränkischen Stadt
Schwabach. In der damaligen Amtsstadt des Fürstentums Ansbach
hatten sich, soviel ist sicher, früh evangelische Regungen gezeigt.
Das Wenige, was wir darüber wissen, ist etwa Folgendes 1): Unter
den ersten, jedenfalls einflußreichsten, die sich zur evangelischen
Lehre wandten, war der Stadtrichter Hans Herbst. Ihr entschiedenster
Gegner war aber der mit ihm verschwägerte Stadtpfarrer Joh. Link,
ein schon älterer Mann, der seine Studien in Heidelberg2) gemacht
hatte und bereits 1499 als Vikar des Wallenrodsclien Altars in der
Pfarrkirche zu St. Johannis erwähnt und nicht lange darauf Pfarrer
geworden sein wird3). Er erhob schon 1523 Klage bei den Mark-
grafen Casimir namentlich gegen den Richter Herbst, der nicht nur
mit den Seinen das Wort Gottes las, sondern es auch Anderen er-
klärte. Der Fürst rescribierte am Samstag nach Simonis und Judä
(31. Oct.) 1523, es sei alles zu unterlassen, was zu Aufruhr dienen
könne. Niemanden weder Priester noch Laien sei es gestattet, einander
in Worten oder Werken unbillige Beleidigung zu thun ; außerhalb der
1) Das Meiste darüber bei E. Engelhardt, Ehrengedächtnis der
Reformation in Franken etc. Nürnberg 1861 S. 54 ff. aber leider wie
immer ohne jede Quellenangabe.
2) Johannes Linck de Swobach dioces. Eystatensis sexta Jnnij 1495.
b. art. 12|5 1497. — Heidelberger Matrikel I, 415.
3) S. H. v. Falkenstein, Chronicon Svobacense. 2. Aufl. Schwa-
bach 1756 S. 205. zu der Wallenrodschen Pfründe vgl. M. Herold,
Kultusbilder aus vier Jahrhunderten Erl. 1896 S. lff.
Kolde, Ein unbeachteter Brief an Luther und Melauchthon. 139
geordneten Seelsorge und abgesehen von den bestellten Predigern
solle niemand aufstehen und predigen1). Das machte wenig Ein-
druck, zumal mau seit demselben Jahre an dem trefflichen Oberamt-
mann Christoph von Wiesenthau2) einen Rückhalt hatte. Die erste
reformatorische That war, daß man vielleicht noch 1523 Luthers
Mahnung befolgend zur Armenpflege und zur Bestreitung sonstiger
kirchlicher Bedürfnisse nach dem Vorgänge von Ansbach und
Kitzingen einen „gemeinen Kasten” errichtete. Darüber berichtet
und bespricht das Für und Wider die erste uns erhaltene refor-
matorische Druckschrift aus Schwabach : „Ein Gespräch von den
gemeinen Schwabacher Kasten, als durch Bruder Heinrich, Knecht
Ruprecht, Kamerin, Spuler, und ihrem Meister, des Handwerks der
Wollentuchmacher. Anno MDCIIII3).“ Ihr folgte eine andere scharfe
Verteidigungsschrift des Stadtrichters Herbst an Joh. Link, die den
Pfarrer als Mietling brandmarkte und das Recht auf das Wort Gottes
darlegte und den ihm gemachten Vorwurf, Aufruhr anzuregen, zu-
rückweist. Sie trägt den charakteristischen Titel : „Eyn Brüderliche
vnd Christeniiche, Heyliger geschrifft gegründte ermanung, von einem
vnterthon vnd schefflin, Seynem Pastor ofler pfarrhern zugeschickt
yn dem er jn seins pastorampts erynnert vnd seine schefflin mit
dem wort Gottes zu weyden, vnd keyn taglöner an sein stadt zu
stellen, Dy von schefflin (so der wulff kumpt) flyehen. Actuum 4.
Ach Herr syh an jr droen vnd gib deinen knechten mit aller
freidikeyt zu reden dein wort. Amen“. (Am Schluss: Datum zu
Schwabach am fyerdten tag Marcij im M 5. 24 jar4)). Da der
Pfarrer das Evangelium nicht predigen wollte, hatte man schon seit
Anfang des Jahres sich eigene Prediger zu verschaffen gesucht.
Als solche werden erwähnt ein Hans N„ der aus Reutlingen ver-
trieben war, dann ein Ulrich Lanzenstiel, die beide nur kurze Zeit
bleiben konnten oder wollten. Nach ihnen begann am Sonntag
Iuvocavit der Augustinermönch Hans Dorsch aus Nürnberg seine
Thätigkeit, erhielt aber schon nach einigen Tagen (Donnerstag nach
Iuvocavit) auf die Klage des Pfarrers einen Befehl die Stadt zu ver-
lassen, „sonsten Ihre hochfürstliche Gnade ihn auf einen Karren
binden und dem Bischoff von Eichstätt zuschicken lassen wollte5).“
Sein Nachfolger wurde wohl seit dem Sonntage Lätare ein Stadt-
kind, der aus dem Franziskanerkloster zu Neustadt an der Aisch
1) v. Falcke n stei n, a. a. 0. S. 119.
2) Vgl. v. Falckenstein, Analecta Nordgaviensia Bd. I. S. 92.
3) Unter dem Titel ein Holzschnitt, die unterredenden Personen in
der Werkstatt des Tuchmachers in ihren Geschäften darstellend. Ab-
gedruckt bei 0. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformations-
zeit. 2. Aufl. 1863 S. 196 ff. 293. Auszugsweise bei Engelhardt a. a. 0.
S. 55 ff.
4) ln der Nürnberger Stadtbibliothek. Abgedruckt bei niederer,
Nachrichten zur Kirchen-, Gelehrten und Büchergeschichtc III, S. 321 ff.
5) Falckenstein, Chronikon S. 204 f.
140 Kolde, Ein unbeachteter' Brief an Luther und Melanclithon.
ausgetretene Burkhard Leikham 1); der der Gemeinde gefiel, den sie
aber noch weiter in der evangelischen Lehre ausbilden wollte, wes-
halb sie ihn mit dem folgenden Briefe 2) an Luther schickte.
„Unser freundlich vnd willig Dienst zuvor, Günstigen lieben
Freund, Herrn und Brüder in Christo! Nachdem die Zeit vor
Augen, daß Gott der Allmechtig sein ewig Wort und Evangelion
in die Hertzen der Menschen seiner Creaturen will scheinen lassen,
das wir zu empfahen mit Hülff und Gabe Gott des heiligen Geistes,
so vern wir Immer mögen, begierig, aber an den Wegwaysern bis-
her großen Mangel gehabt, Ist uns gegenwärtiger Burchardus
Leykham, den (wie wir hoffen) aus dem verdampfen Profeß Frau -
cisi (uns zu pesserung) geuordert, den wir denn ein zeit lang ent-
halten, vnd zu künftigen Ecclesiasten probiret und erwelt, vnd da-
mit wir auch wohl fundirt im heiligen Evaugeli und Wort Gottes
vnderwisen werden, beratli schlagt und beschlossen, denselben Biir-
charden wohl gegründt zu machen, wie wir uns versehen bey
euch zu finden, vnd ist demnach unser freuntlich und Brüderlich
Bitt, Ir wollet Ine um vnser willen, zu Merüng Christenlichs Glau-
bens. günstigen bevohln haben, vnd wo es ihm mangelt, Brüderlich
vnderweysen, damit wir und unser zuegewant zu seiner Wieder-
kunfft vns seiner Lere zu unser Seelen Seeligkeit gepessern mögen.
Das wollen wir, neben der Belouung, so Ir von Gott ewiglich em-
pfahn werdet, vnsers Vermögens allezeit, mit allen Fleiß, verdienen.
Datum am heiligen Oster-Tag Anno 1524.
Wolf Christoph von Wiesenthau, Amtmann, Bürger-
meister, Rath, und Gemain zu S wob ach.
Inscriptio :
Den Erwirdigen und hochgelarten Herrn Martino Luther,
Doctor, und Philippo Melancton Mgro, beiden Larern der Gött-
lichen Schrifft in Wittenberg, vnsern Lieben Freunden Herrn und
Brüdern in Christo.
sämtlich und sonderlich.“
Ob der Brief an seine Adresse gekommen, läßt sich nicht
sagen, auch findet sich Leikham nicht in der Wittenberger Matrikel,
und bald darauf erhielten die Schwabacher mit Erlaubnis des Mark-
grafen Casimir den Nürnberger Augustiner Hans Hofmann als
Prediger, der bis 1529 bei ihnen blieb3).
1) Engelhardt, S. 55 und 58 unterscheidet fälschlich einen von
der Stadt am Sonntag Laetare angenommenen Barfiißermönch aus Neu-
stadt und den Franziskaner Leikham und verwirrt die Daten. Woher er
das Datum Laetare etc. zu S. 55 hat, habe ich nicht ermitteln können.
Beide Männer sind offenbar identisch.
2) Falkenstein S. 191 f.
3) Ebenda S. 205. Ueber die Schicksale desselben, der später Pfarrer
in Altdorf und dann in Fürth war, vgl. meine Notizen in Beitr. z. Bayr.
K.-G. III, 175.
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
141
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammengestellt von
0. Rieder,
Kgl. Reichsarchivrat in München.
(Fortsetzung.)
Aus Archiv des hist. Vereins von Unterfranken und AschafFenburg.
Seufferth, Die Reclamation der im dreißigjährigen Kriege nach
Schweden entführten Bücher und anderer .Literalien der Julius-
Maximilians -Universität Würzburg: S. 206. Vergl. Witt-
mann in Bd. 84.
Denzinger, J., Einige Notizen über den Hof Katzenwicker (in
Würzburg; darin eine Vikarei und Kapelle): S. 264.
Rost, Geschichte der fränkischen Cisterzienserabtei Bildhausen.
Abteilung 1. Historischer Teil: (1158 — 1618) Bd. 11, H. 1
(1850), S. 1; (1618—1808) H. 2 und 8 (1851), S. 109. —
Abteilung II. Topographisch-statistischer Teil und Anhang
I — VI (III. Stand der fränkischen Gisterzien ser-Klöster zur
Zeit der Säkularisation im Jahre 1802: S. 209). — Vergl.
Schnell in Bd. 27 und 80.
Kestler, Keßler, J. B., (fälschlich), Das Schenken - Schloß :
Bd. 11, H. 1, S. 97 (Kapelle mit eigener Vikarie S. 104).
Denzinger, J., Über das sogenannte. Jungferngeld oder die Aus-
steuer armer, ehrbarer Jungfrauen in Würzburg: S. 180 (mit
einem Verzeichnis der an verschiedenen Orten Uuterfrankens
bestehenden Stiftungen und Wohlthätigkeitsanstalten S. 198).
Ruland, Anton, Die Würzburger Handschrift der k. Universitäts-
Bibliothek zu München (Kodex aus der Mitte des 14. Jahr-
hunderts, zum Teil kirchlichen Inhalts): H. 2 und 3 (1851),
S. 1.
Denzinger, Gutachten einer von dem Fürstbischof Johann Philipp
Franz ernannten Commission über einige Gegenstände der
landesherrlichen Administration (1724). Mit .Anmerkungen
des Herausgebers. S. 229 (u. a. über die Würzburger Hoch-
schule, das Gymnasial- und Volksschulwesen, den Unterricht
der Waisenhauskinder, über das Studium der Theologie S. 307;
— auch untermischt mit religionspolizeilichen Vorschriften).
Benkert, F. G., Der ehemalige Hof Hauenstein (mit 12 bisher
ungedruckten Beilagen): Bd. 12, H. 1 (1852), S. 1 (Bezie-
hungen der Ritter v. Bastheim zu Luther und dessen Refor-
mation S. 4).
142 0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
Denzinger, J., Beitrag zur Geschichte der Pfarrei Wolfsmünster
S. 111.
Rul and, Anton, Erasmus Neustetter, der Maecenas des Francisciis
Modius, nach des Letzteren Tagebuch: H. 2 und 3 (1853',
S. 1 (über den Bischof Julius und dessen Spitalbau S. 53).
Benkert, E. G., Das ehemalige Laudcapitel Mellrichstadt beim
Beginne der s. g. Reformation und kurz nach dem Bauern-»
kriege S. 99.
Himmel st ein, F. X., Die Juden in Franken. Ein Beitrag zur
Kirchen- und Rechtsgeschichte Frankens. S. 125.
Denzinger, J., Einige Nachrichten über das St. Dietrichs- und
Aegidius-Spital in Würzburg S. 189.
Reuß, Über einen vormaligen Templerhof zu Würzburg S. 236.
Popp, Th. D., Urkunden, den vormaligen Templerhof zu Moos-
brium betreffend (3 Stück von 1310 bis 1318): S. 243.
Ileffner, Carl, Michael Leyser, Abt zu St. Stephan in Würzburg,
eine Episode aus dem Bauernkriege (mit dessen Bildnis auf
einer Gedächtnismedaille): S. 276.
Stumpf, Pleickard, Biographie des im Jahre 1820 dahier ver-
storbenen Regierungsdirektors Andreas Sebastian Stumpf S. 298
(unter Mitteilung seiner zahlreichen Schriften, teilweise kirclieu-
geschichtlicnen Inhalts S. 306).
Denzinger, Ignaz, Geschichte des Clarissenklosters. zu St. Agnes
in Würzburg: Bd. 13, H. 1 lind 2 (1854), S. 1.
Rul and, Anton, Die Ebracher Handschrift des Michael de Leone
mit Einschaltung der wichtigsten Stücke (auch Kirchen-, Pfarr-
uud Klostergeschichtliches aus dem Hochstift Würzburg ent-
haltend) S. 111.
Benkert, F. G., Die Osterburg am Rhöngebirge und die Oster-
burg an der Werra S. 211 (Gründung des Frauenklosters
Veilsdorf und dessen päpstliche Konfirmation etc. S. 218 ;
seine weiteren Schicksale 230 ; Stiftung für das Spital zu
Bildhausen 226; Exempte Pfarreien 246).
Ke stier, J. B., Die Rabensburg S. 250 (über Bischof Conrad von
Hildesheim, „dann zu Würzburg, 1198 — 1202, und dessen
Ermordung S. 257).
Denzinger, Ignaz, Die Bauern, Schweden und Franzosen im
Carthäuserkloster Tückeihausen S. 276.
Rul and, Das Epitaphium des Geschicht-Schreibers von dem Bischof-
thum Wirz bürg S. 300.
Heffner, Ludwig, Beitrag zur Biographie Christoph Kretzers
(Mörders des Würzburger Fürstbischofs Melchior v. Zobel 1558):
S. 360.
Mooyer, E. F., Nekrologium des Klosters Weißenburg (im Elsaß):
Bd. 13, H. 3 (1855), S. 1.
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften. 143
Nekrologium des straßburgischen Domstifts. Aus der Hand-
schrift mitgeteilt nebst einigen Erläuterungen. S. 68.
Kittel, M. B., Die Letzten der Edlen von Kugelnberg bei Aschaffen-
burg S. 92 (Zur Gütergeschichte der Klöster St. Mariä in
Hagen und Schmerlenbach S. 105, 109, 112).
Kaufmann, Alexander, Kleine Beiträge zur fränkischen Geschichts-
und Sagenforschung:
I. Die Wettenburg, eine einst geweihte Stätte: Bd. 13, H 3,
S. 189.
II. Hasloch und die St. Markuskapelle S. 148.
V. Überfall des Klosters Bronnbach durch Turennische
Truppen im Jahre 1673: Bd. 19, H. 1 (1866), S. 191.
VI. Bruchstücke aus einer Culturgeschichte der Grafschaft
Wertheim: A. Literatur, Wissenschaft und Schule: H. 2
(1867), S. 35 (in den Klöstern Bronnbach, Neustadt und
Triefenstein S. 35 und 66; zur Schulgeschichte der Stadt W.
44, 56, 60; Instruktion für den Hofmeister der jungen Grafen
von Löwenstein 49; Kirchen- und Schulverhältnisse nach dem
30jährigen Kriege S. 56). — B. Das Hofleben in der ältern
Zeit S. 72 (mit Notizen über das religiöse Leben; vagierende
evangelische Kirchen- und Schuldiener S. 88). Nachtrag hier-
zu Bd. 20, H. 1 und 2 (1869), S. 55. — G. Zwei Briefe
des Superintendenten Christ. Schleußner in Wiirzburg an den
Wertheimischen Pfarrer und späteren Superintendenten Jakob
Angelinus von 1633 und 1634 Bd. 19 H. 2, S. 159. — H. Die
wichtigeren Gebäude der Stadt: H. 3 (1868), S. 1 (Stadt-
kirche und mehrere Kapellen; Beguinenhaus S. 8; Häuser im
Besitze würzburgischer Klöster S. 46 ; Höfe der Abtei Broun-
bach, der Karthause Grünau und der Propstei Holzkirchen
S. 53). Nachträge: Bd. 20, H. 1 und 2 (1869), S. 58:
Bd. 20 (1882), S. 399; Bd. 27 (1884), S. 226. — Vergl.
auch Wagner in Bd. 30.
VII. Zum Klosterleben des fünfzehnten Jahrhunderts (Revers
eines unbotmäßigen Klosterbruders in der Karthause Grünau
v. 1443): Bd. 19, H. 3, S. 73.
VIII. Nachgelassene Schriften des Reformators Johann Ebcr-
lin von Günzburg : Bd. 20, II. 1 und 2 (1869', S. 1.
IX. Die Schicksale des Dichters Christian Egenolph auf der
Löwensteiu’schen Pfarrei Laudenbach (evangelischer Pfarrer
daselbst seit 1589): S. 29.
X. Ein Mythus der Edda im Mainthal S. 40.
XIII. E ränkisches aus Cäsarius von Heisterbach: Bd. 21,
H. 1 und 2, S. 81 (Seelenzustände einer Reclusa in der Um-
gegend von Brounbach S. 82).
XIV. Über das wissenschaftliche Lebeu in der Abtei Broun-
bach: Bd. 20 (1882), S. 397.
144
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
XYI. Vergleich zwischen der Karthause Grünau und ihren
armen Leuten (Grundholden) zu Schollbrunn 1355 S. 404.
Heffner, L., Die Ruine von Aura-Trimberg (des ehemaligen
Benediktinerklosters Aura): Bd. 13, H. 3, S. 159.
Denzinger, J., Geschichte des Damenstiftes ad S. Annam zu
Würz bürg S. 164.
Debon, A., Historisch-topographische Skizze der Stadt und des
vormaligen Klosters Amorbach: Bd. 14, II. 1 (1856), S. 1.
Kestler, J. B., Die vormalige Abtei Oberzell (mit der Geschichte
der ihr einverleibten Pfarreien und 2 Urkundenbeilagen von
1170): S. 37.
Mooyer, E. F., Zwei Fragmente von Nekrologien (aus dem 14.,
bezw. 16. Jahrhundert : — auf der k. Universitätsbibliothek
Würzburg): S. 129. — Nachträgliche Bemerkungen zu erste-
rem: Bd. 15, II. 2 und 3 (1861), S. 371.
Denzinger, J., Historisch-topographische Beschreibung der Stadt
Dettelbach: Bd. 14, H. 2 (1857), S. 1 (mit Nachrichten über
die Wallfahrt Maria im Sande, das Frauenkloster zu Kitzingen
und die Klöster Schwarzach und St. Stephan, das Franziskaner-
Hospitium ; Pfarrgeschichte von D. und das Hornische Spital).
Reuß, Die Grabschrift des Fürstbischofs Rudolph von Scherenberg
zu Würzburg (f 1495) : S. 272.
Barack, K. A., Hans Böhm und die Wallfahrt nach Niklashauseu
im Jahre 1476, ein Vorspiel des großen Bauernkrieges, nach
Urkunden und Chroniken bearbeitet (mit XXIX größtenteils
noch unbekannten Dokumenten): H. 3 (1858), S. 1.
Bauer, H., Die Truchsesse von Baldersheim: S. 129 (Regesten
einer Linie derselben, 181 Stück aus den Jahren 1352 — 1572
S. 141, insbesondere mit Nachrichten über Spital und Pfarr-
kirche zu Aub ; Stiftung eines Spitals zu Röttingen 1422:
S. 165). — Bd. 15, H. 2 und 3 (1861), S. 377.
Rul and, Anton, Der Besuch des Nürnberger Arztes Hieronymus
Münzer bei Bischof Rudolph von Scherenberg in Wirzburg
1495 :. Bd. 14, H. 3, S. 215 (kirchengeschichtliche Notizen
über Würzburg und andere fränkische Orte darbietend).
Kittel, Erörterung der historischen Streitfrage über die Lage des
adeligen Frauenklosters im Hagen bei Aschaffenburg S. 227.
Reininger, N., Die Marien- oder Ritterkapelle zu Haßfurt. Ein
Beitrag zur Baugeschichte derselben: Bd. 15, H. 1 (1860),
S. 1. — Aktenstücke dazu: H. 2 und 3 (1861), S. 260.
Wieland, Michael, Historische Darstellung des Stiftes St. ßurkard
zu Würzburg. 1. Abteilung: Das Kloster St. Burkard : Bd. 15,
II. 1, S. 43. — 2. Abteilung: Das Ritterstift St. B.: H. 2 und
3 (1861), S. 1. — Nachtrag: Bd. 16, H. 2 und 3 (1863),
S. 321.
Zur Bibliographie. 145
Himmel st ein. Das Frauenkloster Wechterswinkel : Bd. 15. H. 1,
S. 115.
Denzinger, Ignaz. Das Freiherr!, von Hutten’sche Damenstift (in
erster Linie für fränkische prot. Fräulein gegründet): S. 192.
Himm eiste in, P. Beatus Bishalm, Poeta laureandus (Franzis-
kaner-Minorit und Doktor der Theologie, *j~ 1629 zu Würz-
burg): S 203 (von ihm wird u. a. eine Hymne an den
h. Kilian und eine Psalm-Paraphrase mitgeteilt).
Eminert, Friedrich, Adalbero und das Bisthum Wiirzburg zu seiner
Zeit (1045—1090): H. 2 und 3 1I86I), S. 179.
Kittel, Die Bedeutung der Weisthümer für Geschichte und Reclits-
altertkümer als Einführungs-Notiz unterfränkischer Weisthümer:
S. 295 i Kirchengeschichtliches über Obernheim. seit 1600
gewöhnlich Obernau genannt, S. 299 '.
Schneider, Vermischte historische Notizen über den Laudgerichts-
bezirk Eltmann S. 311 („Zur Glockenkunde“ S. 327).
Kein, Wilhelm, Zella unter Fischberg, Nonnenkloster und Propstei
Würzburger Diöcese S. 332.
Bauer, H., Die ältere Geschichte von Röttiugen S. 357 (Zur Ge-
schichte der Begüterung des Klosters Hirsau. — Stiftung des
Röttinger Spitals S. 369).
Eeininger, N., Die Benedietiner-Abtei Aura an der fränkischen
Saale und der berühmte Geschichts-Schreiber des Mittelalters
Ekkehardus, erster Abt derselben: Bd. 16, H. 1 (1862', S. 1.
— Nachtrag: H. 2 und 3, S. 323.
Schneider. G„ Einige Bemerkungen und Zusätze zu Schopfs
..Johannes Nasus-’ (berühmter Controversprediger, gestorben
als Weihbischof in Brixen): Bd. 16, H. 1. S. 179.
Wieland, Michael, Das Schottenkloster zu St. Jakob in Würz-
lmrg: H. 2 und 3 (1863), S. 1. — Grundriß der noch stehen-
den Gebäude am Ende des Bandes.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Bibliographie.911)
*Rentz, Gustav Adolf. Beiträge zur Geschichte der Schottenabtei
St. Jakob und des Priorats Weih St. Peter in Regensburg.
Stift Reigen 1897. S. A. a. d. Studien u. Mittl. a. d. Bene-
dictiner und Cisterienserorden. In Commission bei Josef Habbel.
Regensburg, 110 S. 2 Mk.
Eine treffliche und sehr beachtenswerte Arbeit. Der Verfasser, der als
Secretär des Historischen Vereins der Oberpfalz das ehemalige Archiv der
immediaten Schottenabtei in Regensburg (583 Pergamenturkunden und
222 Aktenfascikel) neugeordnet hat, hatte, durch diese Arbeit angeregt,
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
146
Zur Bibliographie.
ursprünglich die Absicht; eine Geschichte der Schottenklöster oder des
Wirkens ihrer Insassen in ganz Deutschland, vor allem im deutschen
Süden, wo die Schottenmönche eine so reiche und mannigfaltige Wirk-
samkeit entfaltet haben, zu schreiben. Da sich dies nicht verwirklichen
ließ, weil die beiden schottischen Benedictinerklöster St. Mary’s College
in Blairs bei Aberdeen und St. Benedicts Monastery in Fort Augustus, wo-
hin sehr viele kostbare Bücher und Urkundenschätze nach der Säcula-
risation des letzten deutschen Schottenklosters transferirt worden sind,
leider kein genügendes Verständnis für den deutschen Forschereifer
zeigten, und so das Material lückenhaft blieb, hat der Verf. sich be-
schränkt, wenigstens das Resultat seiner Forschungen für die Geschichte
des Regensburger Schottenklosters bekannt zu geben. Damit ist wenig-
stens im Umriß ein Bild der Wirksamkeit der Schottenmönche in Deutsch-
land gegeben. Denn wie das 1075 entstandene nachmalige Priorat Weih
St. Peter, bezw. das Kloster St. Jakob (entstanden äö. 1090) die erste
klösterliche Ansiedlung schottischer Benedictinermönche in Deutschland
war, so wurde es auch das Mutterkloster der meisten in Deutschland ent-
slandenen Schottenklöster Würzburg. Wien, Nürnberg, Konstanz, Mem-
mingen (St. Nikolas), Eichstätt, Kelheim (Priorat), Erfurt etc. (Vgl. auch
Wattenbach, die Congregation der Schottenklöster in Deutschland in
Quast-Otte Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst 1856).
Und i. J. 1216 wurde der Abt des Regensburger Klosters zum ständigen
Provinzial der zu einer eigenen Congregation verbündeten deutschen Schot-
tenklöser ernannt. Dieses Kloster behielt seine führende Stellung, bis ein
Kloster nach dem andern entweder einging oder andern Mönchen zufiel
und es schließlich im Jahre 1862 als das letzte Schottenkloster in Deutsch-
land aufgehoben ward und seine Räume dem Clerikalseminar zugewie-
sen wurden. Die wechselnden Schicksale des St. Jakobsklosters und teil-
weise der ganzen Congregation schildert nun der Verf. in zusammenge-
drängter Darstellung einleitungsweise und giebt dann, die Jahre 1075 bis
1499 umfassend, nach dem ihn bekannt gewordenen Material eingehende
Regesten. Es wäre dringend zu wünschen, daß er in der gleichen Weise
auch zur Geschichte der andern Schottenklöster Regesten veröffentlichen
wollte. Uebrigens ist zu beachten, daß auch einige Urkunden auf-
genommen sind, die ausschließlich auswärtige Klöster betreffen, wie Eich-
stätt und namentlich Erfurt, soweit sie sich eben im Schottenarchiv in
Regensburg fanden.
Probst, J., Geschichte der Stadt u. Festung Germersheim. Speyer,
Selbstverlag e. Verf. 1898. 8°. VI. 585 S. M. 5.
*Kerler, Dr. Dietrich, Oberbibliothekar. Die Berufung des Ge-
schichtsschreibers M. J. Schmidt an das kaiserl. Haus- und
Staatsarchiv in Wien. Archiv des hist. Vereins für Unter-
franken. Bd. 1 S. 77 ff. '
Schon im 5. Bd. desselben Archiv veröffentlichte H. Hahn, Briefe
an und von Michael Ignaz Schmidt, der als Professor und Bibliothekar
an der Universitätsbibliothek in Würzburg die drei ersten Bände der im
vorigen Jahrhundert hochangesehenen „Geschichte der Deutschen“ (Ulm
1778 ff.) schrieb. Die hier mitgeteilten Briefe, erstens an Fürstbischof
Franz Ludwig von Erthal vom 15. Okt. 1780, in dem er ihm mitteilt,
daß er gelegentlich einer Studienreise nach Wien, ohne noch einmal zu-
rückzukehren, die ihm dort angetragene Oberaufsicht über das kaiser-
liche Haus- und Staatsarchiv angenommen habe, zweitens die gereizte Ant-
wort des Fürsten und ein darauf bezügliches Schreiben an den befreun-
deten geistlichen Rat Oberthür bilden eine wichtige Ergänzung dazu.
* W. v. Langsdorff, Pastor in Rittmitz. D. Adolph von Harleß.
Ein kirchliches Charakterbild allen Freunden der evangelisch-
Zur Bibliographie.
147
lutherischen Kirche insbesondere denen , die sich für ihren
Dienst bilden wollen, dargeboten. Festschrift zur Feier des
50jährigen Bestehens des evangelisch-lutherischen Studenten-
vereins Philadelphia in Leipzig. (Mit einem Bildnis von
Harleß. (Leipzig, Druck und Verlag von Fr. Richter 1898.
VIII. 2. 174 S.-gr. 8. — Mk. 5,-—
Las Beste was wir über ILtrleß haben, ist die schöne, mit großer
Sachkenntnis und mit vieler Liebe geschriebene Skizze von Ad. Stählin
in der protestantischen Realencyklopädie 2. Aufl. Bd. XVIII S. 19 ff. (auch
separat erschienen gemeinsam mit den Artikeln über Löhe und Thomasius).
Aber diese Arbeit wurde durch den Raum beschränkt und vielleicht auch
inhaltlich hier und da beengt durch die Pietätsstellung, in der der Ver-
fasser zu Harlei3 stand. Wie von Langsdorff S. VI berichtet, hat Harleß
einmal scherzhaft bemerkt: „Meine Biographie braucht man einmal nicht
zu schreiben, das habe ich schon selbst besorgt.“ Aber daß seine be-
kannten und in vielen Beziehungen sehr wertvollen „Bruchstücke aus
dem Leben eines süddeutschen Theologen.“ (Bielefeld und Leipzig 1872.
Neue Folge 1875) auch nur für die Jahre, die sie umspannen, — 1845, eine
Biographie ersetzen können, wird im Ernst Niemand behaupten wollen,
der sie gelesen hat, wenigstens kein Historiker, der sogar ihren Quellen -
wert sehr einschränken wird. Gilt von jeder Selbstbiographie, daß sie
mit großer Vorsicht zu benutzen ist, so ganz besonders von der von
Harleß. Ich glaube ihm nicht zu nahe zu treten, wenn ich die Meinung
ausspreche, daß der hervorragende Theologe und Kirchenmann, zu nichts
weniger beanlagt war, als zum objektiven Historiker. Diese scharf
ausgeprägte, selbstgewachsene Persönlichkeit, mit dem ihm von Jugend
auf eigenen, hier und da fast verletzenden Zuge zur Selbständigkeit (vgl.
seine Urteile über alle seine Lehrer) und der Neigung, ich sage nicht,
die Menschen, aber die Verhältnisse, in die er sich gestellt fand, zu be-
herrschen, hatte nicht die Gabe, das, was er erlebte, unbefangen aufzu-
fassen, geschweige denn e3 objektiv darzustellen. Das ist bei allen her-
vorragenden Personen mehr oder weniger der Fall, aber mir will scheinen,
daß bei Harleß, der, wie man aus allen seinen Schriften und Aeußerungen
ersehen kann, gar nicht anders konnte, als zu Allem und Jedem, womit
er in Berührung kam, Stellung zu nehmen, mehr als bei anderen Selbst-
biographen darauf zu achten ist, daß wir zumeist bei ihm nur erfahren,
wie er die Vorgänge angesehen hat, nicht wie sie wirklich verlaufen
sind. Darin liegt nicht zum wenigsten das Anziehende in den „Bruch-
stücken“, aber um zu einer wirklichen Biographie verwendet werden zu
können, werden die darin vorhandenen Bausteine vielfach erst behauen wer-
den müssen. Uebrigens könnte man fragen, ob, wie wünschenswert
sie auch ist, die Biographie eines Mannes wie Harleß, dessen Leben so
eng mit der Zeitgeschichte verflochten ist, und der von den einen ebenso ver-
lästert wurde, wie die anderen ihn verehrten, schon jetzt, wo wir den
Verhältnissen, denen er sein Gepräge aufdrückte, noch so nahe stehen,
mit der nötigen Objektivität und Ruhe geschrieben werden kann. Der
Verfasser der vorliegenden Arbeit hat jedenfalls bescheidentlieh davon
abgesehen. Was er beabsichtigt, ergiebt der Titel. Er will der sich heran-
bildenden Theologenwelt die kraftvolle, theologische, bekenntnistreue
Persönlichkeit als einen echten, kirchlichen Charakter vor Augen stellen.
Und in diesem Sinne wird man auch das Buch begrüßen können, auch
weil sich der Verfasser redlich bemüht hat, das bereits bekannte
Material durch nicht wenig Neues, was der spätere Biograph verwerten
kann, zu vermehren. Eine zusammenhängende, chronologisch fortlaufende
Darstellung des Lebens und seiner Thätigkeit giebt er nicht, vielmehr
148
Zur Bibliographie.
stellt ihm die nach gewissen Gesichtspunkten geordnete Charakteri sti k
im Vordergründe. Den Hauptwert des Buches machen aber seine reichen
Mitteilungen aus Briefen und Aufsätzen aus, die der Verf. mit Geschick aus-
gewählt hat, nur hat er leider nicht immer angegeben, an wen die Briefe ge-
schrieben und unter welchen Voraussetzungen, wodurch ihre richtige Wer-
tungbeeinträchtigt wird. Auch hätte er eine größere Rücksicht, auf die, die er
hauptsächlich als Leser im Auge hat, nehmen sollen. Er setzt da eine viel
zu große Kenntnis der Zeitgeschichte voraus, als sie auch bei Kundigeren
erwartet werden darf. Damit hängt zusammen, daß die von dem Verf.
auf Grund neuer, meistens brieflicher Quellen gegebenen Ergänzungen für
sehr viele Leser leider wenig Wert haben werden, weil ihnen die be-
treffenden Auslassungen, die ergänzt werden sollen, und auf die er viel-
fach nur verweist, ohne sie ihrem Inhalt nach kurz mitzuteilen, nicht zur
Hand sind. — In der Beurteilung des Einzelnen wird man vielfach anderer
Meinung sein können, als der Verf. Ich beschränke mich jedoch darauf,
ein paar Bemerkungen zu machen, die sich auf die Darstellung der Kämpfe,
die Ilarleß in den Jahren 1854— -57 durchzumachen hatte, beziehen. Da
ist die Behauptung, daß die Geistlichen ganz auf seiner Seite waren (S. 148),
zu vielsagend, und die Zustimmung der Synode ist noch kein Beweis da-
für; noch weniger richtig ist es zu sagen: „materiell ist alles erreicht
worden, was Ilarleß wollte“, nicht einmal die Uniformität der Liturgie ist
erreicht worden, geschweige denn, was die berühmten Erlasse vom 2—9 Juli
1856 wollten, und wenn uns auch auch die volle Einsicht in die Geschichte
jener Erlasse fehlt, deren Opportunität doch auch Stählin stark bezweifelt
(a. a. 0. S. 35 f,), so wird man doch wohl sagen können, ohn“e die Pietät
gegen Harleß zu verletzen : durch das rasche, unpädagogische Zufahren,
mit dem sie ausgegeben wurden, ist auf Jahrzehnte hin Manches unmöglich
gemacht worden, hat sich z.B. noch jetzt auch in gut kirchlichen Gemeinden
ein Horror auch nur vor dem Ausdruck „Kirchenzucht“ erhalten, in dem
die letzten Reste derselben dahinwelken. Auch scheint es mir nicht den
thatsächliclien Verhältnissen entsprechend, wenn nur der böse „Fortschritt“
oder die „liberalen Massen“ als die Quelle der Gegnerschaft angesehen
werden. Harleß selbst urteilte freilich so, es ist auch richtig, was der Verfasser
hervorhebt, daß man bei der Beurteilung von Harleß’ politischer Thätig-
keit sich erinnern muß, daß er alles Politische nur vom kirchlichen Stand-
punkte beurteilte, aber lutherisch ist das nicht. Indessen gehörte das zu
den Schranken seines Wesens, wie er sich denn auch nicht denken konnte,
daß politischer Liberalismus noch nichts mit „Antichristentum“ zu thun
zu haben braucht, sondern auch mit dem ausgeprägtesten kirchlichen
Positivismus bestehen kann.
^Blätter für W iir ttemb e rgisch e Kirchen geschi chte. Neue
Folge. Herausgegeben von Friedrich Keidel, Pfarrer. II. Bd.
(Stuttgart 1898 Verlag von Max Holland (vorm. Rud. Roth)
4 Hefte. 192 S. Mk. 3.—
Bossert, Die Herrschaft Heidenheim in der Reformationszeit S. 1 bis
38 u. 85 — 113. — Kolb, Die Jesuiten in der Stuttgarter Stiftskirche
1635 ff. S. 38—44. — Gayler, Behandlung eines „Separatisten nach
Rothenackerschen Grundsätzen“ S. 44 — 46. — Kolb, Zur kirchlichen
Geschichte Stuttgarts im 18. Jahrhundert S. 49 — 85 und 145—163. —
W. E. Köhler, Vom Himmel gefallene Briefe S. 113—119. — Baß ler,
Die ersten Jahre nach dem dreißigjährigen Krieg im Bezirk Maulbronn
S. 119 — 128 und 166 — 173. — Ernst, Melanchthoniana S. 128 — 131. —
Keidel, Der Personalstand der Ulmer Bettelklöster zur Zeit ihrer Auf-
lösung S. 131 — 139. — Th. Schön, Wiirttembergische Kirchengeschichts-
litteratur vom Jahre 1897 S. 140—144. — Bossert, der letzte Stiffs-
herr in Backnang S. 114—166. — Th. Schön, Zur Geschichte der Pfarreien
Wüttenbergs. 2. Waiblingen 173 — 192.
Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller,
Prädikanten in Augsburg.
Von
Fr. Roth in Augsburg.
Die Umrisse der Persönlichkeit Michael Kellers, der in
der Augsburger Reformationsgeschichte eine so hervorragende
Rolle spielt, aber auch außerhalb dieses engeren Rahmens be-
kannt geworden ist, sind erst allmählich deutlicher und bestimm-
ter hervorgetreten: Ein Mann von geringer Gelehrsamkeit, hef-
tiger, herrischer Gemütsart, gewaltthätig, ränkevoll, ehrsüchtig,
unzuverlässig, der es aber verstand, durch kräftige Beredsam-
keit, radikale Entschiedenheit in der Lehre und volkstümliches
Auftreten „den gemeinen Mann“ zu gewinnen, ansehnliche und
reiche Leute durch schmeichelndes Entgegenkommen an sich zu
ziehen oder sich gelegentlich auch durch Terrorisierung gefügig
zu machen; einer der verbissensten Zwinglianer, deshalb auch
von seinen lutherischen Gegnern stark angefeindet, von manchen
tötlich gehaßt.
Ueber diese Dinge sind wir genügend unterrichtet: dürftig
und auch unklar sind jedoch die Notizen, die uns über seine
Vergangenheit bis zu seinem plötzlichen Auftreten in Augsburg
überliefert sind.
Der erste, der uns darüber Nachricht gibt, ist der Bene-
diktiner Clemens Sender von dem Kloster St. Ulrich in Augs-
burg, ein Zeitgenosse Kellers, der an mehreren Stellen seiner
Chronik1) von ihm spricht. So weiß er von ihm zu erzählen2):
1) Gedruckt in den Chroniken der deutschen Städte Bd. XXIII
(Chron. der schwäbischen Städte — Augsburg — Bd. IV).
2) L. c. S. 178 Var. zu Zeile 1. — Der Inhalt dieser Stelle findet
sich lateinisch und in anderer Fassung auch in der aus Sender sehen
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. 4. 11
150 Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
„Maister Michael Keller ist zü Straubingen von hertzog
Wilhalm von Bayren gefangen worden, von wegen daß er
daselben ist zugesell oder ain helfer gewessen und das volck
fast verkert und irrig gemacht mit seinem predigen, und hat in
wellen zu Minchen degradieren laussen ; da hat er sich feind-
lich übel gehept und über alle maß fast geweinet, daß er die
räth hat erbarmet und alle seine leer widerriefft, sie [sei] falsch
und ketzerisch und on allen grund, und ist mit gantzem leib wie
ein schwein vor dem hertzog auff der erden gelegen und um
gnad gebetten, und well allenthalb sein falsche ketzerische leer
offenlich wiederrieffen und sein leben lang diser leer widersagen,
das bezeug und versprech er bei got, allen haillgen und seiner
seel hail. darauff haben die räth so fast an hertzog Wilhalm
gesetzt, daß er in inen hat ergeben und ledig hat gelaussen, da
er mit geschworem aid versprochen habe, diser falsche leer
miessig zegan. und ist in kurtzen tagen darnach mainaid worden
und gen Augspurg zogen“ etc. — Eine andere gleichzeitige
Quelle ist Caspar Huber oder Huberinus, der in seiner
Darstellung der Augsburger Prädikantenstreitigkeiten* 1) als
Augen- undOhrenzeuge oft auf Keller zu sprechen kommt und
im einzelnen manchen wertvollen Zug zu dem Gesamtbilde bei-
trägt, aber — eine einzige noch zu bezeichnende Stelle aus-
genommen — von Kellers Schicksalen vor dessen Eintritt in
die Stadt nichts erzählt. Ungefähr gleichzeitig mit dem Bericht
Hubers ist der des bekannteren Johann Förster2), der sich
noch eingehender mit Keller befaßt hat als Huber, aber sich
ebenfalls über diesen Punkt ausschweigt. Auch spätere Autoren 3)
wissen, soweit sie nicht aus Sender schöpfen, nichts hierüber
Aufzeichnungen geschöpften Historica relatio de ortu et pro-
gressu haeresum in Germania, praesertim veroAugustae
Vindelicorum. Ex antiquis annalibus mss. cujus dam con-
temporanei fideliter descripta et nunc publicijuris facta.
Ingolstadii 1654. (S. darüber Städte-Chron. XXIII S. XIV.)
1) Hubers Relation in dem mir vorliegenden Gothaer cod. chart.
nr. 91, beschrieben bei Germ an n, Dr. Joh. Förster, der Hennebergische
Reformator etc. (Wasungen 1894) S. 49.
2) Seine Erzählung ebenda S. 61 ff.
3) Schelhorn, Beiträge zur Erläuterung der Gesch., besonders der
Gelehrten- und Kirchengeschichte, viertes Stück, Memmingen 1777 S. 159 ff. ;
Uhlhorn, Keim.
Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller. 151
zu berichten. Ob aber die Angaben Senders richtig sind? Ein
Umstand mußte Bedenken erregen. Es spricht nämlich Vitus
Winter1) in seiner „Geschichte der Schicksale der evange-
lischen Lehre in und durch Baiern“, die er aus den bayerischen
Religionsakten geschöpft; von einem Keller , Vikar und Prediger
in Wasserburg; der, wegen seiner lutherischen Gesinnung
bedrängt; aus Bayern nach Augsburg entwichen sei. Doch
weiß er freilich auch an einer anderen Stelle2) von einem Mi-
chael, Gesellpriester in Straubing; zu berichten, der eben-
falls als Lutheraner verfolgt; um sein Leben zu retten; seine
Lehre abgeschworen und sich dann nach Augsburg begeben
habe ; was Uber dessen Lebensumstände noch beigefügt wird;
deutet auf unseren M i c h a e 1 K e 1 1 e r. Durch diese Angaben W i n-
t e r s wird also die Sache erst recht verwirrt.
Einer der Gönner Kellers war der zwinglisch gesinnte, um
die Reformation in Augsburg hochverdiente Bürgermeister
Ulrich Rehlinger, der Besitzer des auf bayerischem Ge-
biet liegenden Schlosses Leder3). Als Keller einmal (1527)
dort als Gast weilte, erschienen Bewaffnete, die das Schloß um-
zingelten und im Namen des Herzogs von Bayern von dem
anwesenden Rehlinger die Auslieferung des Prädikanten ver-
langten 4). Sie mußten aber ohne ihn abziehen, da sie ihn nicht
ausfindig machen konnten, und nun sandte der Herzog an den
Rat eine Anzeige seines Vorgehens gegen Keller nebst den
Gründen hierzu, und dieser forderte wiederum Keller auf, sich
wegen der ihm von Wilhelm zur Last gelegten Vorwürfe zu
rechtfertigen. Das Schriftstück, in welchem Keller diese zu-
rückweist, wurde erst kurz im Original aus den noch nicht ge-
ordneten Beständen des Augsburger Stadtarchives heraus-
1) V. Winter, Geschichte der Schicksale der evangelischen Lehre in
und durch Baiern bewirkt etc. Bd. I (München 1809) S. 202.
2) S. 231. — Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß Winter diese
Notiz ganz oder teilweise aus der erwähnten Relatio historica etc.
entnommen.
3) Leder, südwestlich von Landsberg.
4) S. über diesen Überfall die Rel. hist etc. S. 26; Gasser, Anna-
les etc. Reipublicae Augustensis ad h. a. ; die Notiz in der Weber-
clironik in St. - Chron. XXV (Chron. der sch w. Städte — Augsburg —
Bd. V) S. 244 Anm. 2; Adlzreitter, Annales gentis Boicae Pars II
(Monachi 1662) L. X nr. 30.
11*
152 Roth. Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
gezogen und mir glitigst mitgeteilt. Darin finden sieb nun einige
Nachrichten über sein Vorleben, die, wenigstens der Hauptsache
nach, in willkommener Weise das bisher darüber lagernde Dunkel
erhellen.
Michael Keller ist geboren zu Burgheim (Amtsgericht
Neuburg a/D.), also nicht in Memmingen, wie allgemein angenom-
men wurde. Über seinen Bildungsgang sagt er nur, daß er einmal
die Universität Leipzig besucht habe (1514 oder 1517). Dann wurde
er Pfarrer in Wasserburg a./I., wo er sich bald durch seine
Hinneigung zur evangelischen Lehre verdächtig machte und des-
halb nach München zur Rechtfertigung vor eine aus herzog-
lichen Räten und Geistlichen zusammengesetzte Kommission
vorgeladen wurde. Er erhielt dort die Weisung, wieder nach
Wasserburg auf seine Stelle zurückzukehren, aber sich des
Predigens zu enthalten. Da er aber unter solchen Umständen
nicht bleiben mochte und weitere Belästigungen von seite des
Herzogs befürchtete, verließ er, nachdem er sich von einem der
herzoglichen Räte die Erlaubnis dazu erholt, im Sommer 1524
das Land, in der Absicht, eine Universität zu besuchen, wo die
heilige Schrift gelehrt werde, etwa Leipzig. Zunächst fuhr er
zu Schiffe auf dem Inn, dann auf der Donau nach Krems, wo
einer seiner Brüder hauste, und wanderte dann, als er hörte, daß
dieser jüngst verstorben sei, weiter nach Prag und von da nach
Wittenberg. Dort hielt er sich, ohne sich an der Universität
immatrikulieren zu lassen, den Rest der Sommermonate und den
Herbst über auf. Leider berichtet er mit keinem Wort von dem,
was er dort gesehen und gehört und von persönlichen Beziehungen,
die er etwa angeknüpft. Jedenfalls wurde er schon dort mit der
Karlstadtschen Abendmahlslehre, die sich eben damals ver-
breitete, bekannt1). Im Spätherbst des Jahres wandte er sich
von Wittenberg aus wieder nach Bayern, verweilte un-
behelligt ein paar Tage in München und ging von da nach
1) Keller trat auch unter dem Namen Reuß, Reyß oder Ryß
als einer der ersten gegen die von den Wittenbergern verfochtene
Abendmahlslehre auf (s. Finsler in „Z wingliana“, Mitteilungen zur
Gesch. Zwinglis u. der Ref., Zürich 1897 S. 28 ff.), wurde aber von Luther
trotz des Pseudonyms erkannt. S. Enders, Bd. Y S. 330 mit Anm. 9
auf S. 331, wo statt auf Martin Keller (Cellarius) auf Michael
Keller hätte hingewiesen werden sollen.
ßoth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller. 153
Augsburg, um sich dort nach einem Unterkommen umzuthun. Am
23. Novomber 1524 zog er in diej Stadt ein — ein in der Refor-
mationsgeschichte derselben bedeutsamer Tag! Bald lenkte er
seine Schritte zu dem bekannten Urbanus Rhegius, der seit
kurzem wieder als Prädikant hier wirkte ; er war zufällig heiser
und konnte nicht predigen, und so bat er Keller, der sich ihm
jedenfalls als Anhänger der evangelischen Lehre vorstellte und
sich durch seinen Aufenhalt in Wittenberg empfahl, aushilfs-
weise für ihn einzutreten. Keller that es, scheint als Prediger
gefallen zu haben und wurde vom Rate am Ba rfüßerkloster
angestellt. So hat Rhegius seinem späteren Gegner, der ihm
so viel Sorge machte, selbst ins Predigtamt geholfen.
Dies das Wesentlichste von Kellers Erzählung, die aber
noch manche interessante Einzelheiten enthält und auch für die
Eigenart ihres Verfassers so charakteristisch ist, daß sie die
Veröffentlichung zu verdienen scheint. Sie folgt hier, mit den
gebräuchlichen orthographischen Änderungen, von Wort zu Wort:
Ersame und weiß, gonstige, gepiettendt herren und brüder
in Christo!
Nachdem e. w. glimpfliches und wolbedachts ansinnen d\irch
aineu euren vertrautten dieuer N. an mich gelanget ist. den Handel,
so sich von meinetwegen zu Leder in des ersamen, weißen herren
Ulrich Rechlingers, burgerraaisters alhie, aigengründt. poden
und behausung begeben hat, betreffent, also daß obgenanter herr
Ulrich Rechlinger vouWolffen Dietterich, pfleger zu Fr id-
perg, und N. rentmaister. beide diener des hertzogen Wilhalms
vou Minichen, mit iren verordneten in seiner aignen behausung
haimgesucht und aus fürstlichem bevelch mit sollichen außgedrüeten
Worten von herr Wolfen Diettrichen zurede gestellt ist: ..Lieber
herr burgermaister, ich hab ain ernstlichen bevelch von meinem ge-
nedigen herren hertzogen Wilhalm, und ist das: sein f. g. ist
glaublich angelaugt und bericht, dass einer seiner f. g. feindt und
© © © ©
landtseß, der ime entloffen sei, klipp und aid au im gesprochen
uud ime sonst vil böser stiigk bewisen, der solt sich bei euch ent-
halten, und der sei maister Michel, darnmb sei seiuer f. g. ernst-
lich begeren, daß ir mir den wolt überautwurten“.
Solliche anmuttung fürstlichen bevelchs. mich betreffeudt. e. w.
zu beschaideu uud unterzurichten bin ich von e. w. frliutlich ersucht,
welches ich daun willig und mit höchsten frenden zuthun geuaigt
bin, angesehen daß ich solliches aus aigner bewegung sonst baides
zu der hochberümbten ere gottes uud furdernug seines aller haili-
gisten worts nicht unterlassen souder volkumen e. w. dise gantze
154 Roth, Zur Lebensgeschiclite cles Meisters Michael Keller.
fürstliche ansprach und klag erleutterung mit warhafftiger ablainung
zuzustellen gedacht gewesen bin. hierumb ich dann nun diese fürst-
liche klag, mich belanget, mit warhafftigem beschaidt e. w. berichten
und von mir ablainen will : am ersten nicht als rachgirig meiner
person halben, die doch sonst zum offtermal mit grossem schinehen
von vilen allhie höher und schmechlicher in der unwarhait verleimet
worden ist, sonder allain zu eere dem unuberwintlichen wort
gottes, welches ich als ain arms brechlis gefeß und diener ainer
christenlichen versamlung hie zu Augspurg un vermischt mit christ-
lichem und biblischem verstandt jetz drei gantze jar unwandelber,
niemants zunachteil sonder allain zii aufbauung der allerhöchsten
eere gottes und zum bösten nutz und hail der Seelen, auch zu be-
fridung ainer christlichen pollicei und geroain furgetragen und ver-
kündiget hab, daß ich mich dann offenlich zu digkermal, bedes vor
gott und an offner cantzel vor ainer christenlichen versamlung, be-
zeugt hab, und will michs noch vor e. w. als vor meinen gönstigen
gepietteten herren und mitgelidern in Christo heut bezeugt haben ;
zum anderen daß ich nicht von e. w. oder sonst von jemants e. w.
unterthonen und inwonern diser statt A ugspurg als ainer, der e. w.
und gemainer statt zu nachtail und schaden hie auffgehalten, geacht
werde. Bitt derhalben e. w. umb der barmhertzigkait gottes willen,
ob dise main darthuung, wie die notturfft erzaigt, sich mit Worten
verengeret, kain misfallen darob zutragen, wiewol mir nicht zweifelt,
daß e. w. der wärheit sonst günstige oren zugeben genaigt seien.
So antwurt ich auf die ersten anklag, darin ich als ain feindt
des fürsten von Minichen angezeigt bin, also und bezeug auch
vor dem angesicht gottes und vor e. w., daß ich mich auß den ge-
naden gottes beriemen mag, kain feindschaft weder in meinem hertzen,
mutt, sinn oder wergk gegen seinen g. getragen, gedacht oder er-
zaigt hab, deß ich dann auch warhafftig weder mit wort oder thatt
von kainem menschen auf ertrich bewisen werden kan noch mag,
außgenomen sein f. g. wollt mich unbeschülten als seiner g. feindt
in unwarhait, von ettlichen in sein g. eingepildet und getragen, achten
(das ich mich zu seinen g. nicht versieh), muß ichs beschehen lassen
und gott bevelhen, der do erkennet aller hertzen; will aber sollichs
alles, wie oben steet, mit diser meiner bekentnuß bezeugt haben,
daß ich in seiner genaden fürstenthumb, auch ausserhalb, solliches
nie vermist, bezigen noch erfunden worden bin. daß ich aber seiner
f. g. feindt darumb geacht werden soll, daß sein g. das wort gottes
zupredigen mir verpotten liatt (doch nur allain) in seiner g. landt,
wie ich hernach anzaigen will, und daß ich doch dasselbig wort
gottes alhie zupredigen und zuverkündigen widerumb undernummen
hab, muß ich abermals beschehen lassen und mich mit dem, das
Christo und seinen jüngeren begegnet ist (Math. 26, 27), trösten;
dann Christus must auch den hohenpriesteren der allerhöchst feindt
Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller. 155
sein, ain verfürer des volgks, ain auffrürer im landt, auch wider
den kaiser gehandelt haben, also ist auch allen seinen apostelen
feindtschafft von der Verkündigung des wort gottes vast bei allen
oberkeitten erwachsen, dann in geschickten der apostel (Act. 5. c.)
verpotten sie Petro und anderen jungem, daß sie das volgk in disem
namen des gekreutzigten J esu von Nazareth nicht lernen sollten ;
Petrus aber, auch die anderen antwurten, man muß gott mer ge-
horsam sein dann dem menschen und stunden pald widerumb auff,
nachdem und inen das wort verpotten wardt, und verkhundigten den
namen des gecreutzigten Jesu unerschrogkenlich unangesehen alles
verpott der obergkait, kierauß ich mich dann auch entschuldigt will
haben, so sein f. g. darumb mich für sein feindt achten wolt,
das ich doch nit glaub, so katt mir doch sein g. zupredigen
nicht weitter verpotten dann in seiner g. fürstenthumb, das ich
dann auch gehalten habe, wie menigklich bewust ist. daß ich
aber dasselbig wort gottes, welches ich zu Wasserburg in seiner
g. landt gepredigt und darumb für seiner fürstlichen g. redt gefor-
dert und mit verantwurtung verhört worden bin und nun ausserhalb
seines lands zu verkhundigen widerumb angefangen liab, vermain
nicht ungerecht gehandelt, dann Christus saget zu den seinen (Math. 10,
Lu. 4): „wen sie euch in ainer statt vertreiben, dichtet in die an-
deren, dann das evangelion muß in vilen stetten geprediget werden
zu zeugnus der heiden.“ und zum mereren uberflus hat mir sein
f. g. ausserhalb seiner g. lanndt zupredigen nicht verpotten, welches
ich auch mit kainem gelipp oder aidspflicht nicht zutliun geschworn,
gelobt oder angenomen hab, wie ich unden anzaigen wer ; und ob ichs
schon thon hett, das ich doch nit angemutt worden bin, so stendt
hie mein entschuldigung in den Worten Petri des apostels (Act. 5) :
„man muß gott mer gehorsam sein dan dem menschen“ — nicht
daß ich ainer obergkeit oder jemandt nicht gehorsam sein wolt, son-
der in disen dingen, gottes eere und meiner seele hail betreffend
soll ich gott mer gehorsam sein dann dem menschen, ja aller ober-
gkaiten gepotten, daun es ist hie nicht umb den leib zuthun, welcher
der obergkait auß dem wort gottes unterworfen ist (Ro. 13, Pet. 2),
sonder umb die seel, über welche niemants weder allain gott ber-
schen, gepietten und handelen gewalt hat.
Ich wer auch in diser ersten seiner anklag als seiner f. g.
landtseß angezogen, darauf ich also antwurt, daß mein eitern, vatter,
mutter etc. hinter den fürsten von Minicben nie gesessen sein, dan
ich von Burgkhaim, zwischen Rain und Newburg, an der Tho-
naw gelegen, purtig bin und noch lieutt mein mutter daselbist hab;
Burgkhaim aber ist nie den fürsten von Minichen untherdenig
gemacht worden wie auch Neuburgk, auch in der thailung des
laudts nach dem Bayrischen Krieg1), sonder nach hertzog Jörgen
1) Nach dem Landshuter Erbfolgekriege.
156 Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
löblicher gedechtnuß den pfaltzgraven zugeaignet. so bin ich seiner
f. g. hinderseß auch nit von wegen diser pfründt und lelien,
so mir zu Wasserburg, weil ich pfarrher und prediger was1),
verlihen ist, dann gott, mein herr, durch sein unausprechlich
genaden und durch sein unüberwintlich wort mich von söllichem
greul abgefürt und abgewisen hat, also daß ich Christo und seinem
wort gelaubt und vertraut hab und noch lieutt vertrau und glaub,
daß pfründen besitzen und meß haben und offenlich oder liaim-
lich mit concubinen hausen, mit Versperrung des wort gottes,
der allerhöchst und gröst greul und plasphemia gottes sei, da-
rumb ich mich dann aufs nechst (wie unden anzaigt wirt), nachdem
mir das wort gottes in seiner g. lanndt zupredigen verpotten war,
von pfarren, pfründen, und was mir wider das wort gottes zuge-
standen war und noch zusteen sollt, hindann gethan, ungezwungen
und ungedruogeu, und gott treulich gepetten, mich in ainen standt
nach seinem wort durch sein genadenreiche güttigkeit zufüren, deß
er dann mich genedigklich gezweigen und zum thail erhört hatt,
hoffnung, sein göttliche guad wer mich armen elenden sünder noch
nicht verlassen, in ain unordentlich wider sein wort leben fallen
lassen, dieweil dann mich gott der gnaden so vetterlich von disem,
das ich in seiner f. g. landt wider das göttlich wort besessen solt
haben, abgefiiret hat, und ich das frei und willig (wie mich auch
sein f. g. solches zu besitzen nicht genöttiget hat, auch zubenöttigen
nit gewalt gehabt liett) verlassen und dem beruf gottes nachkomen
bin. so volgt offenlich aus krafts des wort gottes, daß ich seiner
f. g. landtseß nicht bin, noch in diesem fall wie auch in anderen
sein oder geacht werden will, daun in disem meinem beruf ist die
gantz weit mein vatterlandt; dann der sun des menschen, Christus,
hett nit auf disem ertreich, da er sein haupt hinlegen möcht: sein
wir sein jungem und recht potten (Math. 8), die sein allerheiligi-
sten namen in die weit tragen sollen, miessen wir dises auch vehig
sein, anderst wirt nit drauß, dann der junger ist nit über den maister,
also zeuget die schrift (Job. 15).
Auff die anderen clag, darin ich beklagt bin, als sei ich seinem
f. g. entlauffen, aid und glipp an im geprochen, darauf antwurt ich
also : nach dem und ich durch ain geschefft von sein f. g. auf mich
gestelt, vor seinen .g. zu Minichen zuerscheinen und etlich artigkel
zuverantwurten, so ich zu Wasserburg, weil ich daselbist pfarrer
gewest bin, gepredigt solt haben, das ich dann nicht allain seinen g.
sonder einem jedlichen willig zuthun allezeit erpotten und gewesen
bin und noch heut urpiettig bin, wo man ainen. irsal in meiner leer
vermisset, bin auff sollichs geschefft von W asserburg gien Mini-
1) Also nicht in Straubing! Hiermit ist die Identität unseres
Michael Keller mit dem bei Winter S. 202 erwähnten erwiesen.
Roth, Zur Lebensgesebichte des Meisters Michael Keller. 157
ch e n auf gestimpten tag gezogen und nach laut des gescheffts erschinen
in seiner g. gemeinen rattstuben zu hoff, vermeint, es wir sein f. g.
mich armen diener des wort gottes selbst mitsampt seiner g. gelerten
persönlich verhören, ist aber nicht besckehen, dann sein f. g. war
auffs gejaid außgeritten. wie sein g. dann fünf tag auß war, in dem
bin ich von seiner g. anwalten herrn Christof freiherrn von
S ch war t zenburg, lantzhofmaister 1) etc. in beisitzung aines doctor
Caspar Schatzgairs, barfuesser ordens daselbist2), auch aines
doctors N. Capelmairs, Augustiner ordens auch daselbist3), und
in beiwesen baider doctor und probst, ainer von unser frauen, der
ander von Sa net Peter, und sonst aller seiner g. doctor en und
versamleten retten und also über mein anklag manigfaltig mein ant-
wurt beschaidenlich und außgedruckt verhört worden; nachmals in
ain herberg, zum ßamsauer genandt, geschaft, aldo zubeleiben und
die zukunft des fürstenzuwarten; sein die herren von Wasserburg,
so ratts und gemain halben mit mir herauff zogen waren, widerumb
gien Wasserburg haimzogen, ich aber aldo zum gehorsam zum
ßamsauer der zukunft des fürsten gewart und auf gestiempten tag
selbist vor sein f. g. zuerscheinen, bin aber für sein f. g. aigen
person und angesicht nicht gelassen worden, auß was ursach ist mir
nicht bewust, sonder ich bin desselbigen tags auf die zwelften stundt
für die neuen vest genandt zuerscheinen dahin beschaiden und ich
auch erschinen; und nachdem ich lang vor dem thor gewart hab,
kamen herr Christoff v. Schwartzenburgk und doctor Emers-
hoffer, giengen baid in das schlos hinein, mich heraußen aines
abschids zuwarten stien Hessen; und überlang ist herr Christoff
v. Schwartzenburg und mit im doctor Emershoffer und ainer
von Freiburg, ain hoffmaister4) der hertzogin, herausser gangen
und mich zu inen berufft. hatt herr Christoff v. Schwartzen-
burg mich auff ainen ort genomen von aines worts wegen, so im
neuen testament steet im evangelisten Luca im engelischen grüß:
%ol7qe. X£%aQiTCDjuevr]\ (Lu. I,) haist auf teutsch: bis gegrüst vol gena-
den ! und do ich ime beschaid saget, sprach er, wenn man schon
1) S. über ihn (den Sohn des berühmten Johann von Schwarzenberg)
N. Paulus, Christoph von Schwarzenberg, ein katholischer Schriftsteller
und Staatsmann des XVI. Jhdts. in den Hist.-pol. Blättern 1893, Bd. III
S. 10 ff.
2) N. Paulus, Kaspar Schatzgeyer. Ein Vorkämpfer der kath.
Kirche gegen Luther in Süddeutschland, Straßb. und Freib. im Breisgau,
Herdersche Buchhlg. ; A. v. Druffel, Der bair. Minorit der Observanz
Kaspar Schatzger u. seine Schriften in den Sitz.-Ber. der hist. Classe d.
Akad. d. W. München 1890, Bd. II. Heft 3 S. 397 ff.
3) P. Wolfgang Capellmair (auch Ostermair), viele Jahre Prior
und Prediger des Münchener Augustiner Eremitenklosters, gest. 1531.
4) Georg von Freib erg, „Hofmeister zu München im Frauen-
zimmer“, gest. 1531.
158 Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
aiu ding nicht so spitzig machet, man ließ wol auffs schlecht be-
leihen; was im antwurt, hatt hie nicht statt zuschreiben, nach dem
flirt er mich widerumb zu den anderen herauß gesanten und tieng
an also zu reden: „maister Michel, ich hett nicht thausent gülden
genommen und wer an eur statt gestanden, aber weß sich mein ge-
nediger herr besunnen hatt, ist mir nicht wissen; das ist aber seiner
g. maiuung und bevelch, ir solt liaim ziehen gien Wasserburg
auf eur pfrundt, aber das predigen solt ir abstien, dann sein g. will
dise leer in seiner g. .landt nicht dulden “. in disem hebt auch an
zureden cloctor Einer sh off er und spricht: ,.ja, maister Michel,
ir solt euch, so ir söllichs thutt, ain genedigen fürsten zuhaben
versehen, und so weitter etwas ledig würde, euch verfügen, so weret
ir vor anderen zu sollichem zugelassen“, sagt der v. Schwartzen-
burg: „dise genad ist euch bewisen“. darauf antwurt ich also: „ge-
pietet herrn, so es ain gnad ist, so bedanngk ich mich derer, aber
das wort gottes soll man und muß an vil orten predigen.“ und bin
also abgeschaiden one alle pflicht, aid oder glipp oder urfee (sic!),
auch kain Verschreibung oder zeugnus oder bürgschafft über mich
gegeben, es ist auch der kaines von mir begert worden 1). und also bin
ich widerumb gien Wasserburg gezogen und aldo ain monat und
ettlich wochen beliben, aber nit geprediget, wie mir dann im landt
zupredigen verbotten war, doch mit kainem aid oder gelipp zuthun
angenommen, bins auch nit angemut worden weder vom fürsten
noch seinen gesanten. nachdem und ich aber gott treulich anrufft,
er solt mich armen sünder aus disem unordentlichem leben (als
oben gesagt ist) - — meß halten, das wort gottes, die unuber wintlich
warhait verschweigen, mit concubinen hausen — erlesen und mein
arm elendt gewissen von disem greul freimachen durch sein genadt,
das er dann nach langem hitzigem gepett vetterlich thon hatt, mir
muth und sinn geben, solch greul und seelmördung blos und nagket
zuverlassen, auch darneben angesehen den grossen schaden der
frommen Wasserbürger, der inen mit sampt mir auß meiner
lenger erharrung erwachsen wer, dann sie hetten den geschmagk des
wort gottes ain wenig entpfangen, darnach sie dann noch hitziger
wurden ; so wüst ich, so ich dar belib, so würden sie mich hin und
her laden oder mit ladtschafften mich in meiner behausung und
1) Das klingt freilich anders als der von uns mitgeteilte Bericht
Senders. Wie kommt Sender dazu? Vielleicht hat er — voraus-
gesetzt, daß es mit dem aus Straubing nach Augsburg gekommenen
Michael seine Richtigkeit hat — unsern Keller mit diesem Michael
verwechselt. Sollte dieser Micha el mit dem in Augsburg schon früh
als Prädikant verwendeten Dr. Michael Weinmair identisch sein?
(Er wird z. B. genannt von Christen, Besondere und ausführliche Nach-
richten von der evangelischen Barfüßer- und St. Jakobskirchen in Augs-
burg etc. Augsburg 1733 S. 31). Doch ist dies vorläufig nur eine durch
nichts als den Namen gestützte Vermutung.
Koth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller. 159
pfründthauß haimsuchen alle tag, wie sie schon angefangen hetten
und nichs dest weniger bericht der heiligen schrifft haben wollen;
hett ichs inen nicht abeschlagen mögen, so hett das gefolgt, daß
ich auffs allernechst widerumb gien Mini che n gefodert wer worden
dann dozumal mein mitgenossen, die pfafPen, waren mir abgonstig
von des wort gottes wegen, und die lettsten ding umb mich erger
worden dann die erste, die von Wasserburg aber, mein geliebste
fründt und brüder im herren, weren von sollicher meiner haim-
suchung des worts halben groß gestrafft worden, dann ain vermög-
lich volgk daselbist ist. das gab mir gott auch inen zugutt fürzu-
sehen und sie vor solchem schaden zu verhütten: darumb ich dann
bei mir beschlos, in kainen weg lenger zubeleiben und sinnet söllichs
zu Wasserburg etlichen an, baiden inners lind eussers ratts, hielt*
ine dise scheden, wie oben, für. und fuel mir ein, warlich gott
hatt michs gehaissen, ich solle doch vor noch gien Minichen ziehen
und mich doch bei ainem des fürsten rett, die mir den abschid geben
haben, befragen, wie ich doch das haimziehen gien Wasserburg,
im abschid also geben, vernemen soll, ob ich auch hinwegk dürff
ziehen, dieweil ich weder aid noch glipp, auch kain urfech oder
bürgschaft über mich gegeben hett. und zoch hinauf gien Mini-
chen nach monats frist ungeverlich und fraget doctor Emers-
h'offer in seiner aigner behausung umb disen beschaid; sagt er:
„wer wolt es euch weren, dann ainem jeglichen ist sein nhutz und
fromen, doch on schaden des nechsten, ungespert zusuchen.“ ich
sagt im wol, ich gedecht zustudiren und etwan ain universitet zu-
suchen alsLeips, da ich dann vor zehn jar gestanden war1), oder
ain andere mir gelegen, do man die hallige schrift lese und handlet,
und bin also noch ettlich tag zu Minichen darnach beliben mit
vil meinen verwanten ain friintlich gesprech gehalten, sonderlich mit
maister Cunradt, prediger und helfer zu unser frauen, dem, wel-
chem der fürst mein pfründt zu Wasserburg geben hatt, und mit
maister Jörgen Sc hech erlein, auch etwan predicant, vil sprüch
der schrift ains mals in ainem garten beE Hann s[en* Sc!hinagel,
buchbinder daselbist, gehandelt haben, und nach dem allen bin ich
widerumb gien Wasserburg zogen und ettlich tag aldo beliben
und doch in meinem fiirnemen fürgefaren, pfründtj und^allen mein
pettel verlassen, in einem schlechten groen rogk^ mitsampt meinem
diener Hansen Sparber von Wolffertzhausen2), den ich auch
hieher mit mir pracht hab und nun ain weber worden ist, und
sein auff das wasser, der In genandt, gesessen offenlicli, unver-
1) In der Matrikel der Leipziger Universität (Cod. dipl. Saxoniae
Kegiae, zweiter Hauptteil, XVI. Bd.) fand ich keinen Michael Keller,
um diese Zeit, wohl aber einen Johannes Keller, Neoburgius, bacc.
Ingolstadiensis (anno 1517).
2) Wolfrathshausen, zwischen Münch en und Tölz an der Isar.
160 Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
porgen zu Wasserburg an der lendt, bei welchem meinem ab-
schidt auch gewesen unter anderen vilen N. Saltzinger, dotzumol
des fürsten zolner auf dem zolhauß, und der gegenschreiber, die
gott eben darzu gefürt hatt, daß ich sie jetz zu zeigen anzichen
mög, die mir warlich dozumal tödtlich feindt waren von des wort
gottes wegen, und hetten sie von ainigerlai glipp oder aid gewust,
das ich gethon solt haben, im landt oder der statt Wasserburg
zubeleiben, ich wer von iren henden nit kliomen. und bin also in
ain schiff gesessen, ainem kauffman zu Wien zugehörig mit namen
jungker Marxen, der auch mitsampt uns biß gien Krems gefaren
ist; und zu Krembs bin ich abgestanden und mit meinem diener
auf ain statt, haist behemisch Waidhoffen1) gezogen, do hab ich
ainen meiner brüder, der do ain puchsenmaister gewesen ist, gesucht
aber nicht funden, dann er neulich mit todt abgangen was. diser mein
leiplich bruder ist mir auch ain ursach gewest, daß ich das wasser
so weitt hinab gefaren bin, uud bin also nachmals vollet durch Be-
hem hindurch zogen biß gien Prag, do vast ain monat von wegen
erfarnuß vilerlai gehaimnus bei den juden, die hailige schrift be-
langent, alle tag bei inen in iren Synagogen gewest, gehört, wie sie
die schrift und die prophetten im mißverstaudt handlen, auch sonnst
anderlai irriger secten erfarnus genomen. in dem hatt mir gott un-
gefarlich ettlich magister und Studenten von Wittenberg in die
hendt pracht, die mir von Witten b erg sovil beschaid und gelegen-
hait sagten, daß ich mit inen dahin zoch zu beschauen, wie es Mar*
tinus Luther mit den seinen halt, und was bericht und ordenung
nach lautt der schrift sie daselbist halden 2). und hab aldo den
gantzen sumer verharret, sties mich auch ain fieber an, möcht nit
weitter. in dem ist das der fürst herzog Wilhalm innen worden,
wie ich erst hernach erfaren hab, daß ich gien Wittenberg auf
die ketzerschul gezogen sei3), dann also nennen sie es, und bin als
pald in Ungnaden kliumen, ist mir söllichs nit bewust gewest, dann
auff den herbst, als jetzundt eben drei jar wirt, ich widerumb
herauß zog, des willens mich etwa in ainen handel zuschigken, mein
brott auß dem schwais meines angesicht zusuchen, und bin also
widerumb gien Minichen khomen und aldo ettlich tag gewesen,
dergleichen zuFreising, uud vonFreising widerumb gien Minichen
1) Nordwestlich von Krems.
2) Keller war also in Wittenberg, ohne jedoch an der Universität
immatrikuliert zu sein (S. Enders VII, S. 378 Anm. 20). Dies wird be-
stätigt von Huber (Bl. 8a), der davon spricht, daß Keller von Witten-
berg nach Augsburg gekommen; ebenso von Justus Jonas (an
Luther, 12. Juni 1530 bei Enders, VII nr. 1657 S. 375): Michael, qui
aliquandiu egit Vittenbergae et e nobis exivit, sed e nobis non fuit.
3) Den Bayerischen Unterthanen war der Besuch der Universität
Wittenberg verboten.
Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller. 161
zogen und zu wartzaichen mit drei oder vier saltzfertigern von
Augspurg, derer namen ich nicht aller waiß, aber ainer haist der
Sumperer, sein von Minichen mit mir außgeritten und mit mir
alhie her khomen, mitwoch vor Katherine anno 1524, wirt Ka-
therine schierst khünftig dreu jar1), willens ain tag oder zwen hie
mit ettlichen meinen bekanten von vilen Sachen mich besprechen
und nachmals in das bürg zu ainem ritter, der hie nicht von notten
zu nennen ist, zu ziehen, seiner ettlichen süne zuchtmaister und
preceptor zusein, wie dann ich noch brief beihenndig hab2). aber
gott wolt mich dieweil anderst prauchen, also daß ich auch must
haimsuchen mein geliebsten bruder im herren, doctor Urban3), und
do ich zu im kham, war er haiser und also gantz sprachlos, solt
an zwai orten hie, zu St. Anna und bei den B arfüs sern, predigen,
möcht aber söllichs mer dann in sechs wochen an khainem ort
thun4); es war hart nach diser hanndlung, so sich zwischen aines
parfüsser min ich, dozumol hie bei den barfuessern predicant, begeben
hett5). war man ains predicanten daselbist hin vast nottürftig, redet
mit mir doctor Urban, ich solt ettlich sermon thun gott zu eere
und nutz und fromen des nechsten, auch zu Stillung den rauchen
pöfell, die nach dem minich, der gepredigt hett, noch schrieen, deß
ich mich verwilliget, wiwol ich mich ungesckigkt darzu befunde, und
doch nicht abeschlahen mocht noch wolt. also ist mit mir nach-
mals, on zweifei nicht un wissen e. w., weitter gehandelet worden,
und also ich armes gefeß und diener de« herren wort bißher euch
alhie das lautter wort gottes biß dato dises brieffs verkündiget hab.
also haben e. w. meinen abschid von dem fürsten von Minichen
aigenklich und beschaidenlich von wort, person, zeit und ort war-
hafftig außgedrugkt und anzaigt, darauß ich dann e. w. zu ermessen
1) Alles, was von einem früheren Aufenthalte Kellers in Augsburg
berichtet wird — etwa von 1522 an — ist also unrichtig.
2) Ist Onufrius von F reib erg gemeint? Jener Onufrius von
Freiberg, auf dessen Schlosse Hohenaschau nach der Sage sich
Luther nach seiner Flucht aus Augsburg einige Tage aufgehalten
haben soll? Bekannt konnte Keller mit ihm sein, denn F reib erg war
seit 1520 Pfleger in Wasserburg. Die Söhne desselben waren der
bekannte Pankraz von Frei b erg (geb. 1508), Wilhelm, Christoph
Georg und Hans Sigmund. S. Preger, Pankraz von Freiberg auf
Hohenaschau (Sehr. d. Ver. f. Ref.-Gesch. 1893) S. 10.
3) Der bekannte Urbanus Rhegius, der seit dem August 1524
zum zweitenmale in Augsburg als Prediger wirkte, und zwar, diesmal
vom Rate berufen, zu St. Anna; außerdem predigte er auch in der
Barfüßerkirche. S. Uhlhorn, Urbanus Rhegius. Leben und aus-
gewählte Schriften, Elberfeld 1861. S. 61.
4) Rhegius scheint öfter von diesem Leiden betroffen gewesen zu
sein. S. z. B. Uhlhorn S. 140.
5) S. über den durch den Barfüßermönch Joh. Schilling veranlaßten
Aufstand, von dem hier die Rede ist: Roth, Augsburgs Ref.-Gesch. S. 118.
162 Roth, Zur Lebensgeschichte des Meisters Michael Keller.
geben will haben, ob doch pillich dise klag von dem hertzogen
Wilhalm auf mich gestellt sei als seiner g. hiuderseß, der ime ent-
loffen sei, glipp und aid an im geprochen etc., so doch diser puncten
khainer in der wahrhafftigen zeugnus bestien mag ; und ist gentzlich
zuvermutten ainem jedlichen klain verstendigen, so sein g. aingerlai
ansprach oder klag über mich gehabt, hett söllichs pillich in disen
drei jaren geantet, sonnd erlich im reichstag und bundstag, do auch
Ferdiuandus hie was 1), solt billich söllichs an e. w. haben langen
lassen, mich seinen g. zu purgirung von söllichen stugken nach
punds ordenung rechtlich zugehalten haben und sein klag, die jetz
zu Leder auf mich gestelt ist, dort fürtragen sein worden, so wolt
ich seinen g. eben, wie ich jetz e. w. antwurt und beschaidt gib,
auch dotzumal geben haben.
Auff die dritten und die letzten klag, so ich bezigen und be-
klagt bin als ainer, der seiner f. g. vil böser stiigk bewisen hab,
antwurt ich also wie oben und bedarf mich auch söllichs aus den
gnaden gottes ruemen, daß ich in und ausserhalb seiner g. fürsten-
thumb weder seiner g. noch seiner g. untherthan ainigerlai pöß geredt,
erzaigt oder bewisen hab, auch seinen g. oder seiner g. unterdon
nichts entpfrendt oder entpfirt oder sonnst in ainigerlai weiß, das
ainem bösen stügk gemeß oder vergleichet werden möge, das beruff
ich mich auf dise Örter und stett, do ich in seiner g. fürstenthumb
gewesen bin, und auch ausserhalb söllichs zuerkhundigen (doch bei
warhafftig kundschafftern), wirt man mit kainer warhait nimer mer
bei mögen bringen, daß ich ain böß stugk seiner g. oder seiner g.
unterdonen je bewisen hab. ich trag auch nit zweifei, hett ich söllichs
gethon oder in der warhait sich mögen finden, hab so vil abgonstiger
des wort gotts halben, sie hetten söllichs langest aufs weittest jeder -
man außgeprait und khundtgemacht, allain zu schmach dem unzer-
genglichen wort gottes und zu verklainerung des worts diener. das
kan ich mich riemen vor den menschen, vor gott aber bin ich ain
armer sünder, will auch den under äugen ansehen, der mich in ainem
ainigen bösen stugk (wie hie geweltig auf mich getrochen) begreifien
möge, böse stugk ieben ist nit ain klains, aber noch ain grössers,
mit der unwarheit aines söllichen bösen stugks ain unschuldigen
zubeklagen ; es hab den sein g. disen lugenmeulern und zuthuttler,
als wir auch wol hie zu Augspurg haben, oren gebeu, die mich
bezeuchen, wie mich glaublich angelangt ist, als solt ich kain predig
hinlassen, darin ich sein fürstlich g. nit stupfet und antet, also daß
jederman versten möge, daß ich sein g. maine. ich soll auch, höre
ich sagen, seinen f. g. eingepildet sein, daß ich sein f. g. zum
1) Ferdinand weilte vom Dec. 1525 bis in den März 1526 in
Augsburg. S. Senders Chron., 1. c. S. 172. — Von den Reichstagen
können gemeint sein der zu Augsburg 1525/26 u. der zu Spei er 1526.
Roth, Zur Lebeusgeschichte des Meisters Michael Keller. 163
offtermal den ti rannen jenhalb desLechs nenne in meiner predig,
was soll ich antwurten : „es ist die unwarhait?“ laugen ich, so glaubt
mans nit, will leicli eben das antwurten, das Christus antwurtete den
obristen, so sie ihnen beclagt betten, als verpett er, dem kaiser den
zinßpfenning zugeben (Math. 22.); von wegen daß er den namen
kaiser genendt hett und vom zinßpfenning geredt , must er flux
wider den kaiser geredet haben uud lugen daraus werden, er hett
dem kaiser den zinßpfenning verpotten, und sagt nur zu inen also:
„gebt dem kaiser, was dem kaiser zugehört“ etc. also ist mir auch
beschelien ; ob sich villeicht in meinen predigen in der materi von
tyrannen zu reden in genere und gemain begeben hat, soll man dan
auch so flux ain lugen daraus machen und sagen, er hat den her-
tzogen von Minichen gemain dt, er hatt auf in geredt und aufs
aller unverscliamp st liegen und sagen, er hatt vom tyrannen jenhalbs
Lechs gepredigt und ine auch also genendt. pfui der schänden,
daß wir Christen mit dem laster auch begriffen werden, das hie
Christus an dem ort straft, die laster soll man in der gemain
straffen, es treff kaiser, könig, fürsten, herrn etc., hoch oder nider,
aber nicht speciviciren uud auf die person drügken.
Nun was muß ich noch zu antwurt geben? ich will leich die
wort Christi sagen, do er wurde gefragt, ob er söllichs gepredigt het,
oder was sein leer wer, antwurt er und sagt: „was fragt ir mich
darumb? sag ich euch die warheit, so glaubt irs nit: fragt die da-
rumb, die mich alle tag haben hören predigen, die werden euch be-
scheiden.“ es sein auch vil aus e. w., die meiner predig wenig
versaumpt haben; wer das war, daß ichs gesagt hett, sie hetten mir
söllichs untersagt, so sie mir wol geringere ding untersagt haben.
Will derhalbeu e. w. durch die barmhertzigkait gottes ge-
petten haben, wollen disen Sachen im besten nachsinnen, dann
wie ichs e. w. hie anzaigt hab, also ist es, das helf mir gott, die
unüberwintlich warhait! wollet auch darneben e. w., wie euch von
gott ampts halben gepotten ist, mich armen willigen diener des wort
gottes befohlen lassen sein, den elenden schützen, den nidergeschlagenen
auffrichten uud also im willigen wergk der lieb wandien, hiermit wir
entlieh selig werden. Amen.
Dat. dinstag nach Hilaria (13. Aug.) zu Augspurg. Im XXVII.
E. W.
Untherdeu iger Michael Keller.
164
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
Zur Korrespondenz Johannes Haners.
Zwölf Briefe, mitgeteilt von
Walter Friedensburg in Rom.
Von dem Leben Johannes Haners ist wenig überliefert1). Wir
wissen von ihm kaum mehr, als dass er in Nürnberg — wohl ge-
gen das Ende des 15. Jahrhunderts — geboren wurde und in die
Dienste des Bischofs von Würzburg, Konrad von Thüngen (1519 bis
1540) trat, den er aber im Jahre 1526 verließ und zwar, nach
seiner eigenen Augabe, weil der Bischof ein Gegner des Evangeliums
sei. Unter Ablehnung eines Rufes, den Landgraf Philipp von Hessen
an ihn ergehen ließ, kehrte Han er in seine Vaterstadt Nürnberg
zurück und scheint in der Folge einen gewissen Anteil an den Ver-
gleichsverhandlungen zwischen Lutheranern und Zwinglianern ge-
nommen zn haben. Allein nach kurzer Zeit wandte sich Haner
wieder von der Reformation ab und begann sogar, etwa vom Jahre
1532 ab, schriftstellerisch für den Katholicismus thätig zu sein.
Unter diesen Umständen war seines Bleibens in Nürnberg nicht
mehr2); vielfach angefeindet verließ er zu Anfang 1535 seine
Vaterstadt und wandte sich nach Bamberg, wo er noch im Jahre
1544 als Domprediger erwähnt wird3).
Zu diesen dürftigen Leben snachrichten enthalten die nachstehend
veröffentlichten Korrespondenzen Haners mit Aleander, Vergerio,
Kardinal Alessandro Farnese und Papst Paul III. mehrfache Er-
gänzungen ; speziell geben sie wertvolle Fingerzeige über die Ab-
wendung Haners vom Katholicismus wie über seine Wiedergewinnung
für diesen. Zunächst aber ist bemerkenswert eine Notiz im Briefe
Nr. 12, wonach Haner während der Regierung Papst Leos X. in
Rom gewesen ist und diesem seine Schriften überreicht hat — eine
Angabe freilich, die ganz vereinzelt dasteht. Näheres über Zeit und
Anlaß dieser Romfahrt noch über den Inhalt der dem Papst über-
reichten Schriften ist nicht bekannt4). Was dann aber später den
Fortgang Haners aus Würzburg betrifft, so deutet dieser in Nr. 2 an,
daß es der bekannte Bartholomäus Arnoldi, gewöhnlich nach seinem
Heimatsort Usingen genannt, gewesen ist, der durch seine ,malae
1) Vgl. Döllinger, die Reformation I. S. 125 ff; Räss, die Convertiten
. S. 185 ff. ; Streber in Wetzer u. Weltes Kirchenlexikon V. S. 1495 f.
2) Das Nähere s. in unserem Brief Nr. 7.
3) S. weiter unten.
4) Vielleicht waren sie mehr humanistischen als theologischen Inhalts ;
von seiner Beschäftigung mit bonae litterae spricht H. im Briefe Nr. 2.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Hauers.
165
artes’ ihm den Aufenthalt in Würzburg verleidete1 2 . Dazu trat
allerdings auch die ,severitas et implacabilis duricies’ des Bischofs
von Würzburg, Ausdrücke, welche wohl schwerlich auf das Verhalten
Konrads gegen Hauer selbst zu deuten sind : vielmehr liegt es nahe,
sie, zumal in Verbindung mit der anschließenden Bemerkung,
daß das Thun des Prälaten der Sache der Kirche nicht genützt
habe, auf die Grausamkeit zu deuten , mit der der Bischof
i. J. 1525 die besiegten Bauern verfolgte und bestrafte. Es würde
mit der friedlichen, den Extrenen abgeneigten Sinnesart Hauers nur
in Einklang stehen, anzunehmen dass ihm der Bischof, der seine
Hände so tief in Blut getaucht, ein Gegenstand des Abscheus
wurde: überhaupt mag die Unbarmherzigkeit, mit welcher die sieg-
reichen Fürsten die Bauern bestraften, und die nach dem Siege
eintretende Reaktion beigetragen haben, Haner von der Sache des
Katholicismus zu entfernen. Eine tiefe, innere Erfassung der evan-
gelischen Lehre ist bei Haner überhaupt wohl nicht anzunehmen:
wir dürfen vermuten, dass er auf dem Boden der katholischen
Weltauffassung stehen blieb, woraus sich dann um so eher die
später erfolgende Rückkehr zur alten Kirche erklären würde.
Zweifellos sind aber auch für den letzteren Schritt die Spaltungen
innerhalb der evangelischen Kirche ins Gewicht gefallen. Dazu kam
als entscheidendes Moment das Eingreifen eines der fähigsten Ver-
treter der römischen Kurie, nämlich Aleanders, welcher 1581 zum
zweitenmal als päpstlicher Nuntius nach Deutschland kam und im
folgenden Jahre dem Regensburger Reichstag beiwohnte.
Aus Regensburg nun schreibt Aleander am I. Juni 1582 fol-
gendes an Sanga: „Mit -Gottes Hilfe habe ich einen großen Lutheraner
bekehrt, der in Nürnberg lebt: er schreibt bereits für uns und ich
schicke Euch den Brief, den er an mich gerichtet hat. Der Arme
wurde von allen arg verfolgt. Ich werde ihn hierher kommen lassen.
Bewahrt mir den Brief sorgfältig auf. damit er nicht verloren gehe ').**
Ferner heißt es in einer Depesche des nämlichen Aleander vom
29. Juli: ..Mein Nürnberger Lutheraner, den ich bekehrt habe, hat
1) Usingen, Augustiner in Erfurt, kam nach seiner Vertreibung von
dort 1526 zu Bischof Konrad von Würzburg, den er noch 1580 auf den
Augsburger Reichstag begleitete. Sein Erscheinen in Würzburg mag eine
schärfere Betonung des katholischen Prinzips zur Folge gehabt haben,
durch die sich, scheint es, Haner beeinträchtigt fühlte.
2) S. den Wortlaut bei Lämmer, Monumenta Vaticana pag. 120. In
der nämlichen Depesche heißt es noch, was Lämmer ausläßt: la lettera
di questo olim Lutherano ha cento charatteri difficili a legger, ma cum
pocco di pratica si intende. nel scriver di libri e molto accurato et stretto.
se V. S. non vol pigliar fatica in legger la sua lettera, tuttavia pur mi
lo salvi; ma se la poträ legger, vedrä ciö che importa carezzar gli here-
tici, presertim dove loro habbino qualche prima impressione buona. Arch.
Vat. Nunziatura di Germania vol. 51 fol. 162 a.
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. 4.
12
166
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
nach dieser Konkordie, eine Schrift darüber verfaßt, in welcher er
erörtert wie man sich auf dem künftigen Konzil der Artikel, welche
noch zwischen uns und den Lutheranern kontrovers bleiben, ver-
gleichen möge. Gestern überreichte er mir diese Schrift mit einer
Vorrede an den Kaiser, dem er im Namen aller für den in Deutsch-
land aufgerichteten Frieden dankt“ u. s. w.1)
Und noch eine dritte Stelle in den Depeschen Aleanders von jener
Nuntiatur bezieht sich auf den nämlichen Bekehrten. „Ich schicke
Euch, schreibt der Nuntius am 21. August, Abschrift eines Teils eines
Briefes, den mir aus Nürnberg jener ehemalige Lutheraner geschrieben,
der jetzt mit Gottes Hilfe und durch meine Bemühungen einer der
Unsrigen geworden und gegen die Ketzer schriftstellerisch thätig ist.
Daraus wird Seine Heiligkeit ersehen, wie mit jedem Tage mehr die
Ketzer sich von der Wahrheit entfernen, und das ist nicht schlimm,
vielmehr gut für uns, daß stets neue Richtungen aufkommen, denn
ein Reich, das in sich selbst uneins wird, das wird wüst 2).
Wer ist nun dieser bekehrte Lutheraner? Sicherlich kein
anderer als unser Johannes Hauer. Abgesehen davon, daß wir von
niemandem wissen, auf den sonst die Angaben Aleanders zutreffen
könnten, gewähren unsere Briefe auch positive Anhaltspunkte. Im
ersten Brief nämlich berichtet Haner an Aleander, er sei am 2. August
wieder in der Heimat eingetroffen und habe dort gewisse Aufträge
des Nuntius ausgerichtet : augenscheinlich also kehrt er soeben von
einer Zusammenkunft mit dem letzteren zurück. Nun hörten wir, daß
der bekehrte Nürnberger am 28. Juli Aleander eine Schrift überreicht
hat. Das ist ein sehr bemerkenswertes Zusammentreffen, welches an
der Identität des anonymen Nürnbergers und Haners kaum noch
zweifeln läßt. Um aber auch die letzten Bedenken zu zerstreuen,
kommt hinzu, daß unser Brief Nr. 2, welcher am 8. August geschrieben
und, wie das Praesentatum Aleanders zeigt, diesem am 18. zuge-
kommen ist, von den Spaltungen unter den Protestanten und den
neuen Richtungen handelt, die bei diesen aufgekommen sind. Wenn
also der Nuntius am 21. August Abschrift eines von jenem Nürnberger
erhaltenen Briefes von entsprechendem Inhalt nach Rom schickt, so
ergibt sich wohl mit Evidenz, daß Haner und der durch Aleander Be-
kehrte eine Person sind.
Zu bedauern ist der Verlust des in der Depesche vom 1. Juni
1) Quello mio Lutherano di Norimberga, che io havea redotto, gia
dopoi questa concordia ne ha composto un libro, nel quäl disputa come si
potriano aecordar nel futuro concilio quelli articuli che resteno in contro-
versia tra noi et Lutherani, et heri me presentö detto libro con una pre-
fattion a Cesare, regratiandolo nomine publico di la universal pace, quäl
Sua Maestä la fatto in Germania, u. s. w. 1. 1. fol. 206 b.
2) Lämmer 1. 1. pag. 145.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 167
erwähnten ersten Briefes Haners, auf den Aleander so großes Gewicht
zu legen scheint ; er mag die Bekehrungsgeschichte jenes enthalten
haben und ist wohl bei dem kurz darnach erfolgten Tode des Em-
pfängers, Giovanni Battista Sanga, verloren gegangen ; bei den Papieren
Aleanders findet er sich nicht. Auch die aus Anlaß des Nürnberger
Religionsfriedens an den Kaiser gerichtete Schrift Haners ist an-
scheinend verloren gegangen. Überhaupt waltet ein Unstern über
den Produkten der publizistischen Thätigkeit des Nämlichen ; nach
unseren Briefen muß dieser ein recht fruchtbarer Schriftsteller ge-
wesen sein, doch hat er nur wenig zum Druck bringen können und
der größere Teil seiner Schriften ist bis heute unbekannt geblieben
und vermutlich verloren.
Gleich nach seinem Rücktritt zum Katholicismus sehen wir Haner
sein Augenmerk auf Bamberg als Zufluchtsort richten1) ; auch seinem
ehemaligen Herrn, Bischof Konrad von Würzburg, wünschte er sich
wieder zu nähern2); doch trat er nicht in dessen Dienste zurück,
sondern, so weit die von uns veröffentlichten Korrespondenzen reichen,
ist er in Bamberg seßhaft, anscheinend in keiner glänzenden Lage :
seine Briefe sind angefüllt mit Klagen und 'mehr als einmal sieht er
seine Hoffnung zu einträglichen Benefizien zu kommen, vereitelt.
Nach einer Angabe Kaspar Schwenkfelds lebte Haner noch Ende des
Jahres 1544 in Bamberg, und zwar als Domprediger; das bezügliche Zitat
ist mir nicht zugänglich, doch kommt der Angabe Schwenkfelds eine
von 0. Erhard, die Reformation der Kirche in Bamberg unter Bischof
Weigand (Fr. Junge, Erlangen 1898) mitgeteilte Notiz aus einem Rezeß-
buch des Domkapitels zu Hilfe, wonach i. J. 1542 „Hans Haner (Magister
Gallus)“ die Stelle eines Dompredigers in Bamberg angetreten habe
(S. 70); jener Latinisierung seines Namens scheint sich allerdings,
soviel ich zu sehen vermag, Haner selbst nie bedient zu haben ; aber
man wird darum doch kaum berechtigt sein, die Identität jenes
Dompredigers mit unserem Haner zu bezweifeln. Da nach der
nämlichen Stelle bei Erhard im Jahre 1545 ein anderer Domprediger
sein Amt antritt, so darf man wohl schließen, daß Haner damals
gestorben sei.
1. Haner an Aleander: Rückkehr nach Nürnberg. Besprechung
mit Georg Hartmann über Aufträge Aleanders. Bitte um Zusendung
eines Empfehlungsbriefes an den Bischof von Bamberg. Hoffnung
auf eine Pension. Ein Werk Haners, welches Aleander prüfen und
eventuell dem Kaiser vorlegen soll. Gruß an Bischof Giberti.
Frühere Schriften Haners. 1532 August 3 Nürnberg.
1) Brief Nr. 1.
2) Brief Nr. 2.
12*
168
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
Aus Cod. Yatic. 6199 fol. 98 eigenh. Original, mit Präsen-
tation svermerk von Aleanders Hand: Ratisponae 8 augusti1).
Rme pater juxtaque praesul clementissime. redii domum 2) Deo
bene fortunante altera augusti sub ipsam vesperam; postera die
convenit me Georgius Hartmannus3), cui Clementie Tue mandata
offitiose renunciavi. negat se minutias, nisi magno circumferentiae
ambitu, comprehendere posse estque in ea sententia, tarn exacta seu
anxia potius distributione instrumenta non egere ; satis esse, si
nullus error circa graduum sectiones intervenerit. quod ad transmissum
Astrolabium attinet, respondit propemodum eadem quae ego coram,
in perforatione centri facile in unam partem, quod vix caveri possit,
ad transversum aliquem pilum declinari posse. haec commentamus
coram; modo Tuae Clementiae erit renunciare quid illum in bac
expeditione, in qua artes silent, curare velis. ego pro paterno ac
propensissimo Clementie Tue in me animo nihil vel laboris vel studii
intermissurus sum unquam, modo sciam ac possim Tue in hoc
Clementie gratificari.
Commendaticiae ad reverendum dominum Bambergensem 4),
modo pre valetudine et per occupatioues liceat, ad me, nisi forte
Clementie Tue aliud visum sit, mittantur; ita enim parcetur
Clementie Tue expensis et forte a me captata occasione offerri
possunt commodius. interim de libello meo 5) Clementia Tua
decernat quid judicaverit publicis commodis con venire, de pensione
adsignanda non dubito Clementia Tua pro Han er o solicite vigilabit.
quemadmodum autem abiens, ita modo absens Clementiam Tuam
reverenter exoro, Cesaris familie, et si libellus meus dignus qui in
lucem prodeat judicetur, etiam Cesari ipsi Clementia Tua insinuare
me velit; hinc enim sperarem multiplex commodi rediturum non
solum ad me, sed et forte ad meam patriam, cui ut semper optime
volui, ita in hisce efficacibus illusionibus cupio et melius et sanius
consuli. superest ut Hanerum, quem semel in Clementie Tue patro-
1) Über diesen Kodex vgl. Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. XYI
S. 473.
2) Vom Regensburger Reichstage, wo er mit Aleander zusammen-
getroffen war (vgl. die vorstehenden Lebensnachrichten).
3) Vikar an der Sebalduskircke, einer der berühmtesten Mechaniker
der Zeit; vgl. Joh. Voigt, Blicke in das Kunst- und gewerbliche Leben
der Stadt Nürnberg S. 37.
4) Wigand von Redwitz 1522—1556.
5) Unter diesem Werk, von dem auch in den folgenden Stücken die
Rede ist, haben wir wohl das polemische Hauptwerk Haners zu verstehen :
Prophetia vetus ac nova, hoc est vera scripturae interpretatio de syncera
cognitione Christi deque recta in illum tide. Vgl. Döllinger, die Refor-
mation I 126 ff. Oder sollte an die oben erwähnte (unbekannte) Ab-
handlung zu denken sein, die Haner aus Anlaß des Religionsfriedens an
den Kaiser richtete?
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
169
cinium assumpsisti, tuo nutu, gratia atque favore non destituas. eg o
non liberalitatem modo ac beneficentiam Glementie Tue expertus, sed
et insuper animi tui inclinationem coram persentiens, neque Clementie
Tue desiderium deponere neque studiis meis tarn magno tuo in me,
quod vehementer doleo, animo, pro meritis respondere possum. opto
autem ut utrumque mihi contingat et aliquando donetur, nempe ut
Clementie Tue aura frui possim et aliquid ea dignum contra repen-
dere, nec dubito quin se horum justa aliquando offeret occasio. Rev.
domino Veronensi 1) cupio Tue Clementie verbis commendari. daturus
aliquando snm ad Tuam Clementiam libellorum meorum catalogum,
modo contingat Clementiam Tuam ab his publicis occupationibus
non nihil feriari, ubi tarn in edendo quam in patronis eis parandis
Tue Clementie juditio ac calculo utar. vale, presul literis, humanitate,
mansuetudine, liberalitate ac beneficentia ornatissime, cui non imme-
rito pontificia celsitudo non ut Scipioni, sed infracte cuidam atque
immote columne tuto nec sine majestatis ac sanctitatis sue assertione
iunititur . . .
E Neroburgo tercia augusti 82.
2. Haner anAleander: Ankunft eines Briefes des Erzbischofs
von York, der ein ihm übersandtes Werk Haners lobt und diesen
auf dem betretenen Wege fortzufahren mahnt. Rückblicke Haners
auf sein früheres, verfehltes Leben. Usingen und Bischof Konrad
von Würzburg. Thomas More gestürzt. Schriften Servets und
Campanus’. Ketzerische Irrlehren. Haners Werk ; seine Anliegen.
1532 August 8 Nürnberg.
Aus Cod. Vatic. 6199 fol. 94 a eigenh. Original, mit dem
Präsentationsvermerk von Aleanders Hand: Ratisponae 18 augusti.
Heri, ornatissime presul ac patrone colendissime, bine mihi
littere ex Anglia, ab Eboracensi archiepiscopo 2), veteri quidem
amico, nunc autem et patri et domino in Christo mihi reverenter
colendo, venerunt : prioris benevolentie illius in me indices ac plene
insuper bone alicujus spei; tarn nihil hec dignitatis accessio de animo
mutavit ; quod libuit Tuae Clementiae significare, non quod propterea
remissius ageres super Haneri commodis, quin magis ut veterem
amicum novus patronus vinceres, utque intelligeres Hanerum Edo-
vardo Leeo, cujus eruditio et virtus jam olim orbi perspecta est et
Clementiam Tuam latere non potuit, inter charos amicos numerari.
transmisi nuper Sue Rme Paternitati studiorum meorum gustum
aliquem, qui mire fecit ad palatum, etsi jam olim mea tenuitas illi
1) Giovanni Matteo Giberti, Bischof von Verona 1524—1543.
2) Eduard Lee 1531—1544; als Gönner Haners erwähnt diesen Prä-
laten Cochlaeus in einem Briefe an Aleander aus d. J. 1534 (gedr. Zeitschr.
für Kirchengesch. XVIII S. 247f.).
170
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
satis superque cognita fuerit. multis ergo me onerat preconiis, que
illius pocius in me amori quam juditio tribuo, nec cessat insuper
me hortari ut cursum in hoc stadio absolvam. talis ac tui perquam
similis, clementissime presul, si mihi in Germania contigisset gregis
dominici speculator et episcopus, certe pro mea virili rem juvassem
ecclesie, cum contra unius morositas fecit ut Epimenidis somnium
dormierim et propemodum bonis litteris bellum perpetuum indixerim.
quod si non potior apud me fuisset cum veritatis, tum insuper
publica ecclesie ac populi Dei caussa, quam emulorum ac privatorum
quorumdam odium, certe pythagoricum silentium tenuissem et (quod
dici solet) magis mutus fuissem quam piscis. et certe primum
Usingi male artes, deinde eciam Herbipolensis severitas et implaca-
bilis duricies summopere studiis meis nocuerunt, cum tarnen ipsi inte-
rim ecclesie caussam ne pilum quidem latum promoverint atque
utinam suo studio et conatu ex bona caussa non fecerint deteriorem.
ego sepe soleo sortem meam tacitus ipse mecum deplorare, qui cum
gentilibus convenire non potui, cum exteris possem, si modo per
valetudinem liceret. quae ideo pl uribus ad Tuam Clementiam egi,
ut te redderem inique mee fortune conscium. sed hoc hactenus.
Rmus dominus Eboracensis nihil ex Anglia novi renunciat nisi quod
et apud eos varia hominum ingenia et juditia sunt, ceterum quae in
diem magis et compescantnr et coerceantur. ego hic narrando audivi
Thomam Morum a rege omni submotum offitio et honore exutum
esse, quod mihi nondum fit credibile. de conventus nostri placitis
deque transacta pace nihil licuit expiscari amplius quam quod coram
retuli; dicitur tarnen capita et conditiones publice esse invulganda.
Serveti libellos1) non dubito quin Clementia Tua viderit. inte-
rim pervenit ad manus meas alius et recens editus cujusdam Joannis
Campani, qui duas tantummodo in divinis hypostases ponit2). com-
municatus mihi quoque libellus est Arnoldi Legii3) mortalitatem
anime astruentis, quem confutandum in manus accepi. scribitur pre-
terea mihi, in Thuringia exortam esse novam herisim carnis resurrec-
tionem et futurum juditium abnegantium, esseque in Moravia Os-
valdum quemdam, qui sabbatum judaicum de necessitate salutis esse
dicit. preterea, quando sic cepi, placuit Clementiam Tuam horrendis
nunciis obtundere. narratur in Slesia esse Jacobus Kautius4), qui
eternam in Christo divinitatem publice docendo abnegat. que singula,
quamlibet multis prodigiis sint monstruosiora, nihil tarnen admira-
tionis apud me habent ; necesse enim est eo promovere impietatem,
1) Wohl De trinitatis erroribus libri VII, erschienen zu Hagenau 1531,
und Dialogi über den nämlichen Gegenstand (ebendort 1532).
2) Vgl. Allgem. Deutsche Biogr. Bd. 3 S. 730.
3) Logii?
4) Jakob Kautz (Cucius) s. Allgem. deutsche Biogr. Bd. 15 S. 510 f.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 171
scilicet transpositis terminis patrum, et fieri non potest nt hac liber-
tatis fenestra sic manente aperta sit vel insaniendi vel errandi aut
modus aut finis. de quibus omnibus tue et aliorum eure incumbit
prospicere, ne vel serpant latius aut vires contrahant eundo. in
quod et ego pro mea virili operam meam Tue Clemeutie despondeo;
tantum quod cepisti perfitias Hanerique studiis et ocio consule.
De libello meo cupio Clementie Tue juditium accipere. est quidem
is tumultuario labore a me precipitatus pocius quam absolutus, ce-
terum qui non minus propterea habet in cortice boni cupio ergo
et, si quid orando possum, Clementiam Tuam reverenter exoro, tam-
tum fastidii devorare velis atque hunc cum juditio relegere, modo
tantum tibi a publicis curis vacet. etsi neque hic puto Clementiam
Tuam bonas boras male colloeaturam. pociora totius scripture loca,
super quibus saltem bodie controversia est, a me bic sedulo ac dili-
genter tractantur. nec te libelli vel ruditas vel brevitas absterreat,
non enim caret unctione ac spiritu, quamlibet nil bumane persua-
sionis babeat; deinde eciam plus ille in recessu habet quam a fronte
promittat. non quod cupiam illum, nescio quo titulo, apnd Tuam
Clementiam vendere1 2), sed ut te ad accuratam illius lectionem pel-
liceam. si enim me ratio et sententia non fallit. potiora lutberane
factionis dogmata bic potenter subruuntur, de quo esto Clementie
Tue juditium. ego Clementie Tue Studio atque industria Cesaris
familie ascribi et illius patrocinio seu alis defendi cupio. quod si
quid contra in me est. quod bonores illius augere aut rempublieam
juvare potest^ nihil ejus- detrectabor unquam, quin hylariter eciam
me ipsum superimpendam. vale, pater reverendissime, Han er i tui ac
nominis tui observandissimi perpetuo memor.
E Xeroburgo 8 augusti 82.
Litturis et currenti calamo Clementia Tua veniam det: nuncio-
rum enim festinautia omnia precipitat.
3. Haner an Aleander: Übermittlung eines Geschenkes Hart-
manns für Aleander. Eigene Anliegen. Besorgnis, daß sein Manuskript
verloren gehen könnte. Wuuscb, dem Kardinal Medici empfohlen zu
werden. Erinnerung ihm eine Pension zu verschaffen. Der Druck
des Nürnberger Religionsfriedens. 1532 August 23 Nürnberg.
Aus Cod. Yatic. 6199 fol. 95 eigenh. Orig., mit dem Präsen-
tationsvermerk von Aleanders Hand: Ratisponae 27 augusti.
Quod ego Clementie Tue, pater Rme, tarn per litteras quam
per nuncios molestior sum, partim propria solicitudo, partim alieni
Stimuli faciunt. quod enim ad me attinet, cupio inter tot curas et
1) Sic?
2) Sic?
172
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
negotia, quibus Clementia Tua in diem obruitur, Haneri memoriam
recentem tibi esse; quod vero ad alienum offitium spectat, Hartmann i
studia sunt quibus ipse industriam suam Clementie Tue perspectam
esse cupit. is rogavit me ut leve suum munus meis adeo verbis
apud Tuam Clementiam commendarem. scripsit is nuper Joanni
bibliopole, se cum meis litteris Clementie Tue Astrolabium typis
excusum, tanquam laborum suorum aliquem fructum et ingenii fetu-
ram, magis in observantie signum quam muneris loco, vix enim no-
men mereri ptitat, missnrum. id cum proximo nuncio (quantum ex
Wagneri, qui bas Clementie Tue reddet, litteris didici) Rma Pater-
nitas Tua factum esse putavit ; sed nondum quicquam ab Hartmanno
acceperam, modo autem expostulavi cum homine ut promissam fidem
et eam quidem obstrictam liberaret. fecit hylariter quod antea se
facturum obtulerat : Tue Clementie nunc erit munusculum non ex
sua vilitate, sed ex donantis animo estimare.
Redeo nunc rursus ad me ipsum atque Clementiam Tuam reverenter
atque observanter exoro ut Hanerum, quem semel provebendum suscepi-
sti, tuo studio et patrocinio non deseras. non quod ego de Tue Clementie
animi candore et dexteritate dubitem; id quod metuam, ne curarum et
negotiorum plaustra te alio avebant. proinde Clementia Tua boni
queso consulat, si ego scribendo et solicitando fuero crebrior ac
forte eciam molestior. de litteris commendaticiis quid Clementia Tua
penes se statuerit, nescio, totum tarnen illud situm esto in Clementie
Tue arbitrio. libelli mei censuram et eam quidem liberam Clementie
Tue permitto ac juditium insuper tuum super eo expecto, qui quo-
niam in pbyllaras et scbedas sparsus est, metuere nonnibil cepi, ne
qua ejus cbarta perderetur. fecerit igitur Clementia Tua rem gratam
mibi, si jusserit a familiari quopiam bunc filo aut cbordula ligari;
et quamlibet id cautum esse tua prudentia non dubitem, ne quid
ejus pereat, eo quod mibi libelli copia nulla sit, quia tarnen sepe
multa affert Casus, que providentia cavet: ideo banc curam deponere
non potui.
Reliquum est ut, quoniam pontificis legatus advenit 1), Clementia
Tua Haneri apud illum bonorifice meminerit. cuperem illius
Rme Paternitati studia mea testaciora facere, modo se offerret
opportuna occasio, super qua oro Clementia Tua velit dispicere.
interim Clementia Tua super pensione assignanda lapidem omnem
moveat, et si quid contra in me vel studii vel laboris positum est,
id omne proprietatis jure sibi yendicet.. vale, pater reverendissime,
et balbutientem Hanerum negotiis tuis obstrepentem dementer ferto,
Yeronensique ac doctis Omnibus commenda. rursus vale.
E Neroburgo 23 augusti 32.
T Kardinal Ippolito de Medici, der am 12. August in Regensburg
eintraf. Pieper, Entstebungsgesch. der ständigen Nuntiaturen S. 80.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
173
Interposita a Cesare pax et inita concordia typis, 11t audio,
invulgabitur: eam proximis litteris Clementie Tue mittam.1)
4. Aleander an Haner: Empfang von Briefen dieses. Die Aus-
breitung der Ketzereien. Urteil über Haners Werk. Dessen Wünsche.
Grüße an Hieronymus Baumgärtner und Georg Hartmann. 1532
August 25 Regensburg.
Aus Cod. Vat. 8075 fol. 80a— 81a Abschrift2).
Laconice ad te ut scribam, publieae faciunt curae. tu ad me
ut asiatice, non solum majoris tui ocii ratio exigit, sed et aesiderium
illud ingens quo teneor legendi tuas literas, jure merito te incitare
potest. proinde scribe ad me (si me amas) et frequentes et copiosas
litteras, quibus mihi nihil potest esse jucundius, cujusmodi mihi
visae sunt binae hae quas ad me proxime dedisti 3).
De novis haeresibus quod scribis, scias tanto magis debilitari
earum vires quanto inter se magis fuerint diversae: ea propter si e
malis solatii aliquid accipi potest. letandum magis quam dolendum
est tarn multiplicem fieri quotidie istam hydram4), quam non optem
ut alter Hercules excidat, sed Christus dominus et Deus noster faxit
ut, pacatis seditionibus, in unum caput rursus coeamus!
Libellum tuum nondum perlegi, neque enim licuitper occupationes,
habeo tarnen in manibus et quantum hactenus e capite de operibus gustum
cepi (ad hunc enim locum statim adcurri, utpote omnium nostra hac
tempestate maxime necessarium), usque adeo mihi satisfacis ut vix
quemquam meminerim melius de hac se tractasse : de peccato vero
originali (ut ingenue fatear) nequaquam tecum sentio; sed contineo
tarnen interim tantisper judicium, donec totum libellum perlegero.
id ubi factum fuerit, scribam libere sententiam meam, postquam ita
cupis ipse et officium meum sic postulat. non cesso interim diversa
retia tendere quibus tibi viaticum aliquod aucuper, quo te quoque
possis tollere humo et non solum matrem, dum vivit, sed et consan-
guineos educare possis et senectutem molliter transigere. verum, mi
Hanere, quum nihil repente fiat et dura sit temporum conditio (non
usque adeo tarnen quin sperem posse nostro Studio emolliri), bono
interim et constanti animo sis oportet, ne prae dolore nimio succum-
1) Über den Wunsch Aleanders, den Nürnberger Religionsfrieden im
Wortlaut zu erhalten, s. seine Depesche vom 15. August (Lämmer Mon.
Vat. p. 145 Nr. 112); mit der , persona che io cognoschi’, von welcher er
das Dokument zu erhalten hofft, wird Haner gemeint seiu.
2) Über diesen Kodex vgl. Nuntiaturberichte aus Deutschland I Ab-
teil. (1533—1559) Bd. III S. 29 Anm. 1.
3) Unsere Nrr. 1 und 2 (vgl. zu Anfang des Briefes Nr. 5).
4) Vgl. Aleanders zitierte Depesche vom 21. August: 6 men male,
anci bene che sempre cresci qualche novitä tra gli heretici, quia regnum
divisum desolabitur.
174
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
bas — eXmdeg ev £ coölol — , nec dubito quin yoti tandem compotes
evadamus ; tu modo quod cepisti facere pergas.
Scribam ad episcopum tuum, quum plusculum quid ocii nactus
fuero et meliuscule mecum cum valetudine agetur, cum qua nondum
potui redire in gratiam. tune et procurabo si qua possimus te in
clientelam Caesaris inducere. nunc quia abest et ita tumultuamur
omnes belli causa 4), ne si bene quidem yalerem, id procurare pos-
sem. salutes velim meo nomine virum clarissimum dominum Hiero-
nymum Bomgartner1 2), qui nuper in hoc conventu oratorem pro pa-
tria agebat, quem quia audio esse et integra, vita virum et hominem
graece latineque doctissimum, vix credas quam cupiam esse mihi non
minus amicitia quam nomine conjunctum. speravi id quidem fieri,
quum liic esset, et ad hanc rem se veluti proxenetam pollicitus est
decanus Wormatiensis, sed nescio quo pacto haec felicitas mihi
temere praeterfluxit, dum omnes variis hinc inde curis distinemur et
rem majoris commoditatis spe protrahimus. verum quum vera ami-
citia a virtute animi proficiscatur, qui neque oculis neque attactu
corporis indiget, quamlibet inter nos corpore disjuncti et absentes,
animo tarnen et mutv.a voluntate jungi et litteris (qui dulcis animi
fructus est) ex absentibus presentes semper fieri poterimus, si modo
id habeat animi Hieronymus jam mens quo erga me affectum eum
esse decanus faciebat fidem. salutes item velim et dominum Geor-
gium Hartmannum, qui si nos aliquando visere dignatus fuisset, et
fecissem ego libenter hujus viatici sumptum et non vulgari a me
munere donatus rediiset, non quod ipse meis fortunis indigeat, quem
audio et corpore et opibus non minus quam bonis litteris habiliorem
factum, sed ut haberet . . .3 4) aliquod et pignus amoris summi erga
se mei : sed et dedissem ei negocium non absque bono ipsius lucro,
nonnulla mathematica organa mihi fabricandi. vide quo me rapiat
immensus amor tui: quum enim principio decrevissem brevibus scri-
bere et calamum quoad ejus fieri poilset in laconismon comprimo,
ita me delectat quocumque possum modo tecum loqui, ut factus siun4)
vel Asiaticis ipsis profusior. vale.
Ratisponae 25 augusti 1532.
5. Aleander an Haner: dankt für das Astrolabium Hart-
manns [nach 1582 August 27 Regensburg.]
Aus Cod. Vat. 8075 fol. 80a.
1) D. i. der Krieg gegen die Türken, zu dem der Kaiser und der
römische König im August 1532 von Regensburg aus sich in Bewegung
setzten. .. Ranke IV6 S. 306 ff.
2) Über Hieronymus Baumgartner s. Allgein. Deutsche Biogr. II S. 168f.
3) Es folgt ein von Aleander eingefügtes griechisches Wort, welches
durch Überkleben unleserlich geworden ist.
4) Sic!
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 175
Commodum obsignaveram alteram epistolam, expectans tabella-
rium qui istuc iret, quum mihi redditae sunt literae tuae1), una et
Astrolabium excusum Hartmanni nostri, quod eo mihi charius visum
est quia ex amicissimo animo sponte venit. ego quid contra nunc
rependam, prae manibus non habeo, sed quia mihi adhuc aliquod
tempus est in Germania commorandum, dabitur occasio qua cognos-
cat vir optimus et in hoc studiorum genere eminentissimus, me et
munus et virtutes ejus et amicitiam nunc primum inter nos initam,
vel, ni fallar, jampridem Romae ceptam et nunc renovatam, non
minimi facere. respondissem fortasse nonnihil ad tuas litteras, sed
quia hic nuncius, qui mihi eas una cum Astrolabio reddendas curavit,
jamjam discessurus dicitur, finemfacio; alioquin nihil fere vel paulo
amplius habeo quod ad te scribam, quam id quod in altera epistola
scriptum est. vale et bono animo esto.
G. Haner anAleander: Neujahrswünsche. Aleanders Weggang
aus Deutschland ; Bitte, ihn nicht zu vergessen. Einsendung eines
Empfehlungsbriefes des Cochlaeus. Baumgärtner. Nürnberg und
das Luthertum. 1533 Januar 29 Nürnberg.
Aus Cod. Vat. 6199 fol. 96a eigenh. Original, dem die Adresse
fehlt, mit Präsentationsvermerk von Aleanders Hand: Bononiae
8 martii 1533.
Pro cepti hujus anni felicibus auspiciis cum ad praesens nihil
habeam amplius, praesul Rme, saltem prompta ac pia mea obsequia
animumque perpetuo Clementiae Tuae obstrictum et ad omnia vota
propensum proclinatissimumque strene loco offero, ac juxta Deum
impense precor ut laeta ac secunda omnia hoc toto ac perpetuo anno
Clementiae Tuae obveniant.
Rme pater, post tuum e Ratisbona discessum, cum Matthias
Cal ab er bona fide libellum meum mihi reddidisset seque ita mox
Clementiae Tuae vestigia insequuturum significasset, non passus
sum pro mea observantia hunc litteris ad te vacuum abire:
eas non dubito Clementiae Tuae redditas esse, interim dum ego
eventum Turcici belli, pariter et Matthie reditum una cum
Clementiae Tuae litteris expecto, certior alicunde reddor, Cle-
mentiam Tuam a pontifice evocatam Germanie fines excessisse 2) ; qui
rumor cum a me primum vanus haberetur, tandem ubi invaluit, non
nihil animum meum turbavit, eo quod benevolentissimo presule pa-
riter et optimo patrono ante tempus orbarer. firmavi tarnen animum
syncera tua in me propensione, quam certus sum nulla locorum
1) Nr. 3.
2) Vgl. Nuntiaturberichte aus Deutschland Abt. I Bd. III S. 36; Ale-
ander befand sich damals in Bologna im Gefolge des Papstes, der dort
seine zweite Zusammenkunft mit Karl V. hatte.
176
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
intercapedo labefactabit. proinde nihil de Clementiae Tuae in me
animo dubitans, hactenus certissima spe vixi Han er i memoriam mi-
nime tibi excidisse. et tarnen cum negotia tua, quibus in horas
distringeris, consydero, ancius sepe fui, Clementiam rFuam in diversa
sic rapi ut in Hanero recogitando morula quaedam intercedere pos-
set. quo etiam factum est ut super occasione crebro dispexerim
Clementiam Tuam commode per litteras salutandi. et ecce cum haec
sepe mecum reputo, venerunt ad me Co c lei litterae, quo sequestro
tantum in Clementia Tua patronum nactus sum, qui mihi non solum
calcar admovit Clementiam Tuam salutandi, sed et preterea locum
indicavit, ubi modo pontificis legatum ageres. deinde etiam litteras
mihi ad te transmisit, in quibus si honorificam mei facit mencionem *),
amici facit offitium, eo majore gratia a me pensandum, quando per
se hoc fecit, cum interim non ausus fuerim id ipsum postulare. mitto
ergo Clementie Tue, pater ac patrone colendissime, optimi amici
litteras, quibus meas preterea addere libuit, non modo ut Han er i
memoriam tibi refricarem, sed ut meam quoque perpetuam in Clemen-
tiam Tuam observantiam ac propensum Studium significarem. proinde,
clementissime presul, si Hanerus aduc animo tuo heret, si successi-
bus illius studes, si denique memor es ultime tue, et quam loco vale
mihi misisti, obtestationis, fac ut cum honesta aliqua pensione Haneri
memineris et studia mea, alioqui Clementie Tue dedicata, omnifariam
tibi devincies.
Baumgartn er us olim in se recepit Clementiam Tuam reve-
renter salutandi, et non dubito factum esse. Lutheranismus
novam apud nos parturiit ordinationem, cui eg o me constanter
objeci et profeci non nihil, etsi amplior fuisset spes, de qua tarnen
nondum excidi; brevi tarnen Clementiam Tuam de omnibus certiorem
reddam. vale, pater ac patrone colendissime, Haneri gratiose memor.
E Neroburgo 29 januarii 33.
7. Haner an Aleander: Verwunderung über dessen Schweigen
seit seinem Fortgang aus Deutschland. Veröffentlichung der Axio-
mata de syncera cognitione Christi durch Cochlaeus; dadurch wider
Haner heraufbeschworene Gefahren. Schwierigkeit seiner Stellung
in Nürnberg. Bitte um eine Unterstützung, die ihm ermögliche,
anderswo unbehelligt zu leben. Bedrängnisse des römischen Königs.
.1534 Mai 27 Nürnberg.
Aus Cod. Vatic. 6199. fol. 97 eigcnh. Orig., mit Präsentations-
vermerk von Aleanders Hand : Venetiis 13 augusti.
1) Der betr. Brief des Cochlaeus hat sich nicht erhalten, wohl aber
die Antwort Aleanders vom 29. August 1533, in der er bedauert, daß er
für Haner die erhoffte Unterstützung nicht habe auswirken können-, s.
Zeitschiv f. Kirchengesch. Bd. 18 S. 240.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
177
Etsi pro perpetua mea observantia, pater atque arcbipresul
Rme, sepe alias ad Clementiam Tuam litteras dederim, tantum ne
meo deessem offitio utque perpetuo testatam haberet semel obstricte
fidei mee rationem, nunquam tarnen contra ab eo tempore quo e
Ratisbona digressus es, rescire mihi licuit animi tni in me significa-
tionem. quid autem in caussa fuerit, quod Clementia Tua hactenus
nulla me responsione dignavit, certum non habeo. equidem de
Clementie Tue veteri in me animo nondum dubitare potui, utpote
tanta propensione olim mihi, non declarato modo, sed et preterea
sponsione quadam sancta jurato. quod si hactenus legationis tue1)
quottidiana inquietudo atque negotiorum, quibus Rma Paternitas Sua
in horas singulas premitur, moles Clementiam Tuam propter innu-
meras occupationes rescribere non sivit, presens tarnen temporis ra-
tio et negotium hoc ingens, quod mihi facessitur hodie, si modo ulla
Haneri consyderatio in animo tuo sedet, Clementiam Tuam, pater
Rme, diutius tacere non sinet.
Annus propemodum nunc integer labitur quando ego libellum
quendam meum de syncera cognitione Christi deque recta in illum
tide, brevibus aphorismis absolutum, illustrissimo ac piissimo principi
Saxoniae Georgio privatis usibus habendum vel eciam, si ita vide-
retur, publico donandum transmisi. is hactenus apud principem de-
sedit privatus, ut spes nulla mihi fuerit hunc publici juris aliquaDdo
futurum, contigit autem paucis ante hasce proximas Francoford ien-
sium nundinas diebus ut me eximius doctor Cochleus hujus editionis
per litteras certiorem redderet qualiterque idem ille libellus, suis
adeo expensis, Lipsiae excuderetur2), principe forte hoc hominis Stu-
dium non curante admodum vel dissimulante potius. ego, qui sine
principis patrocinio libellum in publicum extrudi, presertim in tarn
turbulentissimo hoc Germaniae nostre statu, non volui, non perinde
aequanimiter hanc editionem tuli. nihil tarnen per litteras respondi
aliud quam intempestiva hac sua festinatione atque opera se ingens
negotium facturum Hanero, in quo animus certe meus me minime
fefellit. quamprimum enim unum atque alterum exemplar e nundinis
allatum est, statim ita mox pessime apud m ultos audire cepit Hane-
rus juxtaque quorundam animi sic in me irritati atque exasperati
sunt, ut certe si non causse ipsius bouitas ac veritas, deinde eciam
conscientiae meae testimonium atque innocentia vitae me retinuissent,
de emigraudo ac de solo vertendo cogitassem. sed resederunt tan-
1) Aleander war seit 1533 Nuntius in Venedig; Nuntiaturbericht a.
a. 0. S. 37.
2) Vgl. Cochlaeus’ Schreiben an Vergerio vom 24. Dezember 1533,
in Zeitschr. f. Kirchengesch. I3d. 18 S. 242. — Gleichzeitig bemühte sich
Cochlaeus, Haner in Mainz ein Unterkommen zu verschaffen : ebendaselbst
S. 247 u. 248.
178 W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
. I
dem, Deo ingentes sint gratie, turbulentissimae liae procellae studio I
et opera eorum qui plus veritati quam sectarum studiis favent, quos i
insignes et eos quidem non paucos urbs nostra habet. crudescit
tarnen in me adversariorum odium et non modo occulta in me ex-
estuat ira, sed et preterea impotentibus immoderati animi inditiis se J
palam erexit1), ut de quiete propemodum desperatum sit mihi, et !
ne quid deesset molestiarum, adversarius quoque mihi contigit2), qui
me aculeatis suis scriptis egregie traduxit in publicum, homo certe !
facundulus, nihil tarnen minus quam theologus. ejus ego calumnias :
et ignorantias uno propemodum spiritu retudi, sed scriptura privata,
exortae enim tempestatis metu nondum quicquam audeo in publicum,
ne scilicet exulceratis in me animis acetum iufundam atque per hoc |
forte omnem reliquam ocii atque studiorum meorum quietem inter-
turbem. cogor ergo, velim nolim, in angulo mussitare ac mea om-
nia eatenus certe premere, donec tandem per patronos ac fidos ami-
cos commodum alicubi studiorum meorum latibulum paretur. inter quos
ut Clementia Tua honorificentissimo loco est atque in ea denique
cum dignitatis, tum et fortune insuper arce posita, ut potior certe
studiorum meorum et ratio et commoditas hinc mihi speranda sit.
iccirco Rmam Paternitatem Tuam per communem Christum, cujus
caussam ago, perque ipsissimam veritatem, cujus patrocinium ipse in
me recepi, eciam atque eciam supplex oro ut Clementia Tua presen-
tis turbe ac periculorum in quibus versor respectu, deinde eciam in-
terturbati atque alligati studii mei consyderatione habita velit Haneri
tarn tandem dementer meminisse, sic ut is honesta vite ratione ac
calamo denique libero oppressam veritatem tueri possit : id quod
cum a Rma Paternitate Tua pensione quadam mediocri vel undecum-
que decisa levi negotio curari ac prestari possit, certissime mihi
persuadeo me studiorum meorum fructum aliquem Tue Clementie
benignitate brevi admodum capessituriun, maxime quando hec pre-
sens in quo versor discriminis ratio postulare videtur. meminerit
ergo Clementia queso Tua presentis mee necessitatis, et ego tarn
ero collati in me benefitii memor ac gratus, ut non modo ejus Cle-
mentiam Tuam non peniteat, sed et vix in quemquam collocatum
esse possit melius, libelli mei exemplaria quedam dominus Cochleus
Clementie Tue transmittit, que ut a piis omnibus obviis excepta
sunt manibus, ita non dubito quoque ad Clementie Tue palatum ea
facere.
Germania nostra non uno loco tumultuatur et serenissimi
regis nostri caussa ducum vel imprudentia vel perfidia, ut dici-
1) Orig.: exerit.
2) Dies war Thomas Yenatorius, ebenfalls ein Niinberger, der noch
i. J. 1534 die Gegenschrift veröffentlichte : Epistola apologetiea de sola
fiöe justificante nos in oculis Deis ad J. Hanerum. Ygl. Allg. Deutsche
Biogr. X S. 512-, XXXIX S 600.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 179
ttir. in summurn adducta est discrimen 1), de quo tarnen is proenl
dubio respirabit atque emerget. nt multorum est spes, licet rerum
facies alind pre se ferat, vale, pater ac patrone clementissime, at-
que Hanerum, ut semel cepisti. perpetua clementie ac benignitatis
tue dignatione prosequere.
E Neroburgo 27 maji 34.
8. Haner an Pietro Paolo Vergerio: Freude über das Kom-
men des letzteren. Hoffnung auf seine Gönnerschaft. Übersendung
einer Abhandlung zur Konzilsfrage, [etwa Anfang August 1585] 2 .
Ans Venedig Bibi. Marciana cod. lat. cl. IX Nr. 66 fol. 89
eigenh. Original.
Empfindet große Freude über daslange erwartete Kommen [ad ventus]
des Vergerio : spero enim Rmam Paternitatem Vestram post Deum casum
huuc meum, quem religionis ergo atque reipublice Christiane caussa
feci, sua praesentia ac moderatione instauraturam fore reparaturam-
que. nam qua me animi propensione Rma Paternitas Vestra prose-
qui ceperit atque eciamnum dignata sit, non modo ex clementissimi
praesulis Viennensis, domini mei colendissimi 3), privatis litteris di-
dici, sed et gravi insuper gratiae atque beneficentiae argumento
expertus sum4). eam ergo gratiae atque concepti in me favoris signi-
ficationem qua me Rma Vestra Paternitas semel dignata est. perpetuo
supplex ac reverenter oro mihi servet et ad operis tandem fructum
aliquem in studiorum meorum ocium, solatium atque quietem promo-
veat, et pro virili mea adnitar ut laboranti pro mea mediocritate
non defuturus sim ecclesiae neque item Rmae Paternitatis Vestrae
vota frustraturus. quin pocius hoc sedulo agam, ne Rmam Paterni-
tatem Vestram propense sue in me dignationis atque insuper collate
in me gratie ac beneficii peuitentia occupatnra sit ulla. offero
autem una cum praesentibus Rme Paternitati Vestre pium meum
super foelici concilii sucessu votum5), ad cujus eciam calcem Rma
1) Nämlich durch das Unternehmen des Landgrafen Philipp von Hessen
zur Wiedereinsetzung Herzogs Ulrich in Württemberg. Vgl. J. Wille,
Philipp d. Grossm. u. d. Restitution Ulrichs von Württemberg. Tüb. 1882.
2) Der Brief scheint in der Erwartung der Ankunft Yergerios in
Bamberg (wohin Haner Anfang 1535 aus Nürnberg entwichen war) ge-
schrieben zu sein, die am 7. oder 8. Anglist 1535 erfolgte (vgl. den
folgenden Brief).
3) Johann Fabri, Bischof von Wien 1530 — 1541.
4) Dies ist wohl eine Anspielung auf die Verleihung einer Bamberger
Pfründe durch Vergerio. Nach Nr. 10 von 7. Novbr. 1537 besaß Haner
die Anwartschaft auf diese Pfründe damals seit fast 3 Jahren 5 die Ver-
leihung mag demnach aus dem Anfang 1535 datieren, also aus der Zeit als
Haner Nürnberg verließ und sich nach Bamberg wandte, letzteres viel-
leicht eben in Folge mit dieser Verleihung.
5) Die Schrift, auf welche Haner sich hier bezieht, eine Abhandlung
180
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haneis.
Paternitas Vestra duram meam sortem et desideriorum meorum ra-
tionarium atque elencbum habet* 1), ea venerabundus peto serena
fronte et benevolente animo Rma Paternitas Vestra suscipere ac solitasua
clementia ac pietate prosequi velit; et quod ecclesiae utile atque Ha-
nero commodum futurum est prospicere. quae sub primum Rmae
Paternitatis Vestrae accessum obtrudere libuit, ut per haec aditus
mihi pateret liberior utque Rma Paternitas Vestra habeat non modo
studiorum meorum gustum; sed et aerunnarum mearum memoriale.
cui eciam si quando per occasionem et opportunitatem licet? post-
quam scilicet Rma Paternitas Vestra hunc itineris sudorem absterserit
et feriationem a publicis negotiis fuerit nacta, studia mea propius
cognita facturus sum . . .
9. Haner an Vergerio: Weggang des Nuntius aus Bamberg.
Wunsch durch seine Vermittlung Zugang zur Dombibliothek zu er-
halten. Sonstige Anliegen ; Pfründensachen ; Empfehlungen. Bitte
ihm einen sicheren und ausreichenden Unterhalt zu beschaffen.
1535 August 13 Bamberg.
Aus Venedig Bibi. Marciana cod. lat. cl. IX Nr. 66 fol. 38
eigenh. Orig.
Rme pater, etsi optassem eg o Rmam Paternitatem Tuam unam
aduc diutius atque alteram denique diem nobiscum diversatum fuisse2),
malo tarnen tarn meo illo desiderio quasi propriis et privatis item
commodis carere quam sanctissimum hoc cogendi concilii votum et
institutum vel uno momento differri. unum tarnen in desideriis ha-
buissem maxime, si modo per crebras occupationes Rmae Paternitatis
Tuae hoc facere licuisset, ut per ocium scilicet bibliothecam cathe-
dralis ecclesiae ejusque libros antiquae venerationis ac vetustatis
item adorande lustrasset. mihi non contigit neque eciam datum est
hactenus illam vel procul videre, taceo quod permissus forem libros
ejus excutere. malunt enim nostri morosi hypocrite — hos noto
qui huic praesunt — eos oppletos esse digitalibus pulveribus potius
multo quam ut studiosorum manibus hos attrectandos donent. eg o
semel in elenchum, inquam librorum hujus bibliothecae indicem, in-
cidq ex quo item notavi pleraque, maxime quae in perturbatissimo
hoc ecclesiae statu atque tempore rescire haud puto esset iuutile.
Rma erg0 Paternitas Tua, ubi cum primo nuncio ad presulem nos-
trum literas dederit, oro haue facultatem mihi impetret eam bibliothe-
cam libere adeundi ejusque singulos libros diligenter excutiendi et
über das Konzil, befindet sich im Autograph auf der Marcusbibliothek in
Venedig als Cod. lat. cl. III Nr. 107.
1) Der Schluß ist im Autograph abgerissen.
2) Über Vergerios Aufenthalt in Bamberg (c. 8 — 10 August 1535) s.
Nuntiaturberichte Bd. I S. 574 ff.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 181
quicquid in rem omnium et communem quoque ecclesiae ipsius futu-
rum est obiterque vestiganti mihi in eis occurrerit, summo certe
studio et quam brevissime ipse possum aunotabo. apperiat itaque
mihi Rma Paternitas Tua hoc ostium, ut ad hunc secretioris cogni-
tionis thezaurum mihi über sit aditus, et spero me plus fructus inde
relaturum esse paucis diebus quam sit factum a nostris ociosis ali-
quot retro saeculis.
De typographo eximius doctor Othonellus1) referet. cupio enim
hoc unum scire quid cum exemplaribus me facere oporteat, de quo
significabit Rma Paternitas Tua cum proximo tabellario. in hoc
enim totus sum ut Rme Paternitatis hic jussionibus per omnia cupiam
obsequi.
Venerabundus autem Rmam Paternitatem Tuam suppliciter exoro
ut commissionem caussae meae, cujus exemplar informe Rma Pater-
nitas Tua secum tulit, rite atque legittime descriptam quamprimum
ad me mittere velit, maxime in adversariorum terrorem et ut nego-
tium per eam his faciam qui Rmae Paternitati Tuae parum integre
favent ; novit Rma P. Tua quos signem; certo prodentur hinc quo-
rundam parum syncera studia.
Quoniam vero Rma P. Tua me gratia expectativa canonicatus
collegiatae ecclesiae extra muros in Haugis Herbipolensis civitatis
dignata est; ut hujus ego gratiae fructum precocem et maturum sen-
tiam, per Deum oro Rma Paternitas Tua eciam primarias suas preces
per nuncium — nam ut per sb faciat, postulare non sum ausus —
apud hujus ecclesie capitulum insuper addat.
Cupio etiam per Rmam P. Tuam optimo olim principi meo2), si
modo se ejus opportuna obtulerit occasio, reconciliari. alienavit
hunc principem mihi non voluntas certe, sed aemulorum perversitas.
Praeterea ubi Rma P. Tua archiepiscopum Moguntinum3) in
hoc itinere convenerit, faciat obsecro vel unico huic studiosorum
Maecenati me commendatissimum. ego si modo mihi per fortunam
licebit, dedicaturus illi sum meum de novae legis sacrifitio libellum
satis justum et praemunitum.
Opto quoque illustrissimo atque piissimo principi Georg io Saxo-
niae duci per Rmam Paternitatem Tuam arctius insinuari, maxime
quod propter dicatum Suae Magnificentiae libellum meum in has
erunnas, quibus nunc angor et discrutior, protrusus sim.
Et ut semel finiam, quoniam me annose matris tarn pietas quam
desiderium proprieque valetudinis parum justa ratio ac integritas
perpetuo anxium et solicitum habet, Rmam Paternitatem Tuam per
1) Ottonello Vida, Auditor des Vergerio.
2) D. i. der Bischof von Würzburg (s. o. Nit. 2 u. 4), nach dessen
Residenz Vergerio eben jetzt unterwegs war.
3) Kardinal Albrecht von Brandenburg 1514—1545.
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. 4.
13
182
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Hauers.
communem Christum oro ut in hac omni profectione sua dignam
Han er i rationem habere velit, maxime sicubi se offerret honesta vi-
tae conditio et studiis meis accommodata. poterit, si non per aliorum
voluntatem, saltem per suam auctoritatem Rma Paternitas Tua Han er o
prospicere, de quo quaeso patriam solicitudinem atque curam Rma
Paternitas Tua nolit quaeso projicere, et ego non solum pro collata
in me gratia proque donato mihi benfitio, sed et insuper pro incli-
nata et propensa mea in Rmam Paternitatem Tuam observantia et
fide nihil certe studii operis laboris atque obsequii insuper Rme
Tue Paternitati negaturus sum, sed facturus omnia quae vel Rma
Paternitas Tua imperare mecum audet vel ego pro mea virili pre-
stare possum, servitiis ac ministeriis Rmae Paternitatis Tuae eciam im-
mori paratus.
Vale, pater Rme, atque hasce ex me literas Rma P. Tua monu-
menti atque memorialis vice apud se habeat omniaque sibi de Hanero
alacriter promittat, tamquam de eo qui nominis famae honoris atque
dignitatis hujus tuae sicientissimus atque item observantissimus est.
E Bamberga currente ac festinante calamo 13 augusti 35 1). .
10. Haner an Aleander: Dank für einen Brief und eine Ver-
leihung. Klagen über seine Neider/ die ihn nicht in den Besitz der
ihm von Vergerio verliehenen Pfründen kommen lassen. Bitte um
Aleanders Beistand. Briefe an Kardinal Farnese und den Papst.
Werk über die Rechtfertigungslehre. Bitte um Zuwendung einer
Pfründe aus dem Nachlaß des Johannes Zeiss. 1537 November 7
Bamberg.
Aus Cod. Vatic. 6199 fol. 161 — 162, eigenh. Original (mit
dem Präsentationsvermerk von Aleanders Hand: Romae 12 dec.)
Litere tue, Rme pater, quas primuni ad duodecimum kalenda-
rum novembrium diem2) accepi, mihi gratissime simul atque jucun-
dissime fuerunt. gratissime propterea quod a te, incomparabili pa-
trono honorisque ac commodi mei amantissimo, profecte sint ; jucun-
dissime vero iccirco quod nunciarunt scilicet rem mee inopie ac te-
nuitati letissimam3) et quo nulla mea vel vota vel desyderia exten-
1) Ein fernerer Brief Hauers an Vergerio vom 7. Sept. 1535 (d. d.
Bamberg) liegt im gleichen Kodex fol. 40 — 41 vor, worin sehr weitläufig
die Streitsache Haners gegen den Dekan Neydecker zu Bamberg um eine
gewisse Pfründe auseinandergesetzt wird, mit der Haner providiert worden
war, während Neydecker sie sich in Rom übertragen ließ, mit dringender
Bitte des ersteren an Vergerio ihm beim Papst und auf allen Wegen zu
seinem Recht zu verhelfen. — Über die von Vergerio Haner verheissenen
Pfründen vgl. auch den nächstfolgenden Brief.
2) 21. Oktober.
3) Es handelte sich um die Anweisung einer Pension aus den Gefällen
der reichen Würzburger Dompropstei: vgl. Nuntiaturberichte Bd. 4 S. 172
Anm. 1 und S. 174 Z. 31.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 183
derunt. nihil enim minus vel cogitavi vel speravi unquam, ut mihi
ejus Deus testis est et haec mea ab omni fuco et impostura aliena
conscientia. verum quo haec inexpectatiora mihi, eo plus gratiarum
cumulatissimarum quidem et maximarum Clementie Tue debeo, qui
me tua commendatione et interventu ad hunc fortune gradum, nullo
meo merito intercedente, promovisti. satis abunde Clementia Tua
seit *) quiequid a die inite inter nos amicitie, immo quiequid a tem-
pore prompte hylariterque oblate tue benevolentie, tempprum horum
injuria preter amborum votum, huc usque dilatum fuit. sed quod
ego pro tarn ingenti et immenso in me benefitio Clementie Tue de-
beam, non est quod verbis apud te exprimam. re potius, si dabitur,
prestitero, id quod et gravi inditio facturus sum, nisi me fugax hec
vita ante tempus destituat; nam que ego molior, non modo Clementie
Tue votis responsura fore spero adque exactum illius gustum factura,
sed et preterea ad tocius hodierni in religione conflictus certam vic-
toriam et perpetuum tropheum, quorum eciam pars aliqua sub Cle-
mentie Tue tarn nomine quam patrocinio publicabitur orbi atque sub
omnium conspectum et manus, quam primum scilicet per opportu-
nitatem et commoditatem dabitur, veniet. ego certe ut ex hoc in-
opinatissimo benignioris fortune respectu, hoc est, ex hac larga et
benefica Dei manu, multum alacritatis ac melioris item spei in ani-
mo concepi, ita sunt ex amicis et inimicis multi qui partim dolent
hunc bolum1 2) ereptum eis, partim vero merent et uruntur hac aliena
fratris felicitate. experior autem nunc nimis sero, majorem scilicet
fidem habendam ac multo plura me debere illis qui procul a me
dissiti sunt ac juxta tarnen presentem mei memoriam habuerunt,
quam qui presto et ad manum positi suamque operam verbis in
omnem eventum polliciti, re hactenus nihil prestiterunt, quando po-
cius felitiorem fortune cursum studiose inter verterunt. tempero mihi
hic ab eorum nominibus, qui ut me hactenus spe lactaverunt inani,
ita hodie egerrime ferunt vel studiorum meorum rationem ab aliis
habitam vel certe lianc portionem decisam esse eis, que in me Rmi
atque Illmi cardinalis ac principis A.Farnesio3) domini mei clemen-
tissimi liberalitate munificentissime collata est. verum ut ego ingens
hoc Dei benefitium ac vite commodum me ab bis emulis recepisse
penitus non aguosco, ita neque gratiam bis osoribus pro hoc refero;
nam cui post Deum lianc gratiam debeam, preter Rmum dominum
cardinalem ac principem A. Farnesio et Tuam Clementiam, alium
prorsus neminem liabeo : vobis ergo patronis meis clementissimis ac-
ceptum fero quiequid benefitii ex hac pensionis in me translatione
tuli.
1) Im Orig. sarsit[?]
2) Glückswurf, guter Bissen.
3) So!
13*
184
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
Sensi kactenus, clementissime pater, diu nimis iratam fortunam,
idque non tarn averso aut parum propitio Deo, quam pessimis ho-
minibus male mihi facientibus. taceo nunc qua arte mihi prereptus
sit canonicatus Ratisbonensis per Rmum dominum patrem Paulum
Yergerium mihi assignatus; hoc referre libet, mihi per eundem Sue
Sanctitatis nuncium et legatum pro tradita et concessa sibi potestate
gratiam proxime vacaturi in collegiata Haugen si ecclesia apud Her-
bipolenses factam fuisse, adeoque ita se mox commode obtulisse pre-
bendam in mense pontificio vacantem, cathedre docendique in ecclesia
munus ac provinciam annexam habentem , a qua certe emulorum
machinatione prohibitus fui neque hactenus admissus, alio quopiam
Götzio preter jus fasque eandern possesionem occupante.
Idem propemodum mihi contigit in prebenda collegiate hic apud
nos B amberge sancti Stephani ecclesie, que per obitum et mortem
domini Stephani Gauchen steyners vacavit, quam mihi idem Rmus
dominus legatus ad interpellationem clementissimi domini mei episcopi
Yiennensis satis liberaliter contulit, verum a cujus possessione ego
nunc triennium prope perpetuo prohibeor, caussante ejusdem ecclesie
decano domino Caspare Mayn se potius jus ex preventione habere,
cetermn cum prioritatis prerogativa valerem in impetratione benefi-
tiorum domini Henrici Ney deckers, adversum me allegabatur colla-
toris libertas, in cujus arbitrio situm esset utri vacantia conferre
vellet; hic vero cum me legati defenderet autoritas, id unum audire
fui coactus me esse preventum. sic omnia staut pro arbitrio
eoruin qui pontificis et legatornm suorum autoritate pessime abutun-
tur. sed si rigor juris equaliter servaretur, vel si regularum can-
cellarie firmitas perpetuo stabilis foret, nihil prorsus juris haberet
dictus decanus ad eam cujus jam proxime memini prebendam. si
enim tides habenda est tarn literis quam testibus, constat eundem
decanum eam ipsam prebendam non semel, sed sepius ac proinde, ut
suspitio est, non solum post, sed et ante obitum ultimi possessoris
impetrasse, cujus rei indubiam et certam fidem Clementie Tue facere
potest clarissimus vir Ambrosius a Gumpenberg1), cujus literas vidi
nunciantes eam prebendam prefato decano haud semel fuisse assig-
natam. quod si velit plus veritati quam vel amicitie aut affectibus
tribuere, ut mihi de hominis integritate nulla prorsus suspitio est,
procul dubio ad Clementie Tue interrogationem fatebitur quae juri
meo patrocinari haud leviter videbuntur. cum enim ipso -vigilante
hec prebenda dicto decano non semel assignata fuit post obitum,
vehementer presummitur et ante obitum idem factum esse, quo com-
perto prefatus decanus propter votum captande mortis inidoneus red-
1) Über Ambrosius von Gumppenberg vgl. Gregorovius, Ein Deut-
scher Bericht über die Eroberung Roms, in Münchener Sitzungsberichte
histor. Classe 1877 S. 329 ff.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 185
deretur et inabilis ad eandem prebendam posterius obtinendam. que
omnia idcirco Clementie Tue pluribus significavi, ut hinc proprius
tibi cognita fieret misera mea et infelix sors, non solum in hoc quod
ab his quorum copia, multis quidem nominibus, meam supplere de-
beret inopiam, non juvor, sed et preterea in eo quod in quesiti ju-
ris mei prosecutione cogor deficere, ejus scilicet tuicione ac defen-
sione mei defensionem nomine in se recipiente, deserente me.
Verum quoniam mihi de propensa Clementie Tue in me volun-
tate animus prorsus non heret certusque sum Clementiam Tuam
quacumque occasione commoda mea pro virili curaturam, supplices
mee preces sunt ut Clementia Tua in meam graciam velit reverendo
domino preposito in Haugis scribere, ut facti eorum rationem apud
te reddant. deinde eciam per fidum familiärem secretum datarii
librum, in quo ejusmodi extraordinarie signature adnotantur, diligen-
ter lustrari ac scrutari facere, maxime per pontificios menses janua-
rium scilicet anni 34 et septembrem atque novembrem anni 33: ubi
si inventum (ut spes certa est) fuerit hanc domini Stephani Gau-
chensteyners prebendam prefato domino Caspari Mayn decano in
nominatis jam mensibus, vel eciam in quinque primis mensis martii
anni 34 diebus (sexta enim ejus mensis primum Gauchensteyner
obiit) assignatam fuisse, certa mihi spes est obtinende prebende.
oro igitur Clementiam Tuam per I)eum velit et hoc jus meum pro-
sequendum benigne in se assumere, et quando sic constaret, mox
citacionem in Andream Neydecker, prebende hujus occupatorem, mihi
cum primo nuncio transmittere, ne scilicet triennium quiete possessi-
onis mihi cum juris mei prejuditio temere elabatur. eg o hactenus
a litis tarn expensis quam molestiis abhorrui; ceterum juxta juris
mei votum ac desyderium deponere non potui. quocies enim juris
mei integritatem cogito, non volens certe patior hoc mihi per cujus-
quam impotenciam violenter eripi. de quibus omnibus Clementie
Tue consilium pariter atque auxilium reverenter ac supplex imploro.
terminus completi triennii ad proximam sextam appetentis martii est,
ne hoc quoque Clementiam Tuam fugiat. ne frustrentur autem mea
desyderia, in literis omnibus Clementia obsecro Tua seduloque sin-
gula cum per literas tum per familiärem perquiri faciat, quo sic
mihi de jure aut meo aut adversariorum liquidius constet, ne vel
malam caussam prosequar aut deseram bonam, a qua anxia et quae
me plurimum solicitum habet animi cura Clementia Tua cum sua
tum familiaris sui opera et diligentia me facile liberabit. det autem
veniam oro mihi, qui in perscribendis illis fui prolixior. interim
enim quo spes aliqua superest legittimi juris, ejus desyderium in me
ardet neque facile deponitur ; quod si vero constaret mihi nullum
prorsus in his jus esse, mox animum ab hac cura et solicitudine
serenarem. verum de hiis plura quam ab initio institueram.
Redeo nunc ad Clementie Tue literas. quibus me plane sub id
J 86 W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
temporis beavit, in quibus post declarata benevolentissime in me 1
propensionis studia officiaque, hortaris me tandem ad grati animi !
significationem perpetuumque mee in Sanmum Dominum Nostrum
ejusque R,mum nepotem *) observantie eximie testimonium, quod licet
utrumque eciam non monitus mea sponte facturus eram, multo tarnen
alacrius nunc id ipsum tuo scilicet percitus stimulo facio, quod spe-
ravi per Clementie Tue commendationem mul tarn adeo graciam lite-
ris meis accessuram. mitto ergo nunc ad Clementiam Tuam hasce
colligatas literas, quas oro Clementia Tua meo nomine Rmo cardinali
A. Farnesio presentet suaque commendatione ac honesta denique
mei commemoratione gratiores acceptioresque efficiat.
Scripsi et ad Sanmum Dominum Nostrum que in rem fore com-
munem putavi excitate scilicet hujus in ecclesia tragedie iterum so-
piende, quas literas tuis aliis insertas cum proximo nuncio ad lega-
tum apostolicum Yiennam 2) amandabo, in quibus (quemadmodum et
in hisce ad Rmum Cardinal em) spem certam summo pontifici feci ob-
tinende per me victorie in summo et maximo justificationis articulo:
id quod ausus certe nunquam fuissem ad suppremum in ecclesia
principem perscribere, si non me hujus palme certa fidutia maneret.
tarn multa enim sunt et tarn pregnantia quae me gloriosi hujus
triumphi certificaut, quorum omnium illabefacta cum veritas tum et
authoritas insuper certe me non fallet, ut dubitare de victoria non
possim. testimonio ergo spiritus audentior factus haue fidei me
plerophoriam non solum authoritate verbi et scripture subnixam,
sed et preterea piorum omnium calculo ac sentencia approbatam,
quam primum per commoditatem licebit multa fidutia in publicum
dabo, certus antea celum ruiturum ac terram mari misceri posse
antiquumque chaos cum religionis ac rerum omnium confusione prius
rediturum, quam me mee rationes in hoc articulo deficient. stat
quidem veterum promissionum veritas in assumpte a verbo carnis
sacramento; ceterum novi ac potioris testamenti sponsio in promissi
spiritus gratie veritate posita est, cujus utriusque finis et complemen-
tum Christus cum sit, omnis scilicet divine in nos dignationis alplia
et omega adeoque principium et finis, facile hinc apparet quam fede
labantur et errent hii qui neglecta aut contempta dispensatione spiri-
tus solam assumpte carnis dispensationem et expletum pro temporis
ratione ministerium urgent. hii enim ex Christo idolum faciunt
pocioraque ac meliora Dei in eo et per eum promissa pro sua in
rebus divinis crassitie nimis suppine negligunt, de quibus non est
nunc disertandi tempus.
1) Der oben- und hernach genannte Kardinal Alessandro Farnese.
2) Giovanni Morone, damals Nuntius bei König Ferdinand; vgl. Nun-
tia Gurberichte Bd. II. Nach ebendort S. 246 hat Morone die Briefe Haners
in der That weiterbefördert.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 187
Ego in Galatis Paulinis1) sic versor, ut sperem me scrupum2)
ac hesitationem in hac controversia omnem omnium adeo mentibus
dilucida atque eadem facili opera, adempturum. interea autem quo
ego hec ipsa mecum parturio, Clementie Tue erit studia illa mea
tarn pontifici summo quam et illustrissimo ejus nepoti commenda-
tiora facere juxtaque in omnem occasionem intentam esse, si qua se
forte uberior commodandi mihi ratio peroportune offeret. nam quod
ad me attinet, dabo pro mea virili operam ut de acceptis vestris in
me benefitiis grati animi declarationem non verbis modo, sed et re
insuper prestem, taleque specimen de me memoris animi edam ut
in me ornando facultatibusque insuper et honoribus cumulando
nulli operi parcituros, nulli etiam occasioni vos defuturos sperem.
Vale, pater ac patrone clementissime, Haneri perpetuo sic memor
ut quem Clementia Tua a rebus deploratis ad spem melioris fortune
vocavit, sua quoque commendatione provehere non desinat.
E Bamberga 7 novembris 37.
Cum eram jam has ad Clementiam Tuam literas obsignaturus,
forte fortuna affertur ex Herbipoli ad nos nuncium, JoannemZeyss
vita functum quinta hujus mensis, hoc est nonis novembribus. lia-
buit is canonicatum in Haugis Herbipoli, canonicatum item ad sanc-
tum Gaugolphum hic B amberge et (ni fallor) eciam canonicatum in
Forcheym, deinde eciam vicariam in Hasfurth3), preter alia benefitia
quorum noticia ad me non pervenit. horum igitur nomine Clemen-
tiam Tuam suppliciter oro ut velit pro me apud summum pontificem
intercedere. quod si vero veredariorum cita ac veloci opera preven-
tus essem (quod non spero), aut si has meas literas iniqua vel tem-
porum horum aut hominum studia remorata fuissent (quod valde
metuo), succurratur queso mihi alio legittimo, vel anticipationis dati
vel reservationis pectoralis benefitio4). cum enim benefitiorum colla-
tio libera esse debeat nullo astricta vinculo, modo in dignum con-
feratur: utrumque potest pontifex nulla preventionis prerogativa ob-
stante, nisi quam Sanmus Dominus Noster suo consensu confirmat.
faciet autem Clementia Tua in hoc rem fortune mee commodis atque
honori insuper meo convenientissimam.
Det obsecro Clementia Tua celeri ac festinanti calamo veniam,
deinde eciam tumultuariam et inelaboratam epistolam apud Rmum
excuset.
1) Schon i. J. 1536 arbeitete Haner an einem Kommentar über den
Galaterbrief, der aber nie veröffentlicht wurde: Allgem. Deutsche Bio-
graphie a. a. 0.
2) So! für scrupulum.
3) Städtchen am Main, zum Würzburger Bistum gehörig.
4) Hierzu bemerkt Aleander am Rande: hoc nequaquam est fa-
ciendum.
188
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Haners.
11. Haner an Kardinal Alessandro Farnese: Anrufung der
Gönnerschaft Farneses, nachdem Contarini gestorben. Tod Johann
Ecks; Mahnung, für einen würdigen Nachfolger zu sorgen und bei
der Vergebung der Benefizien des Verstorbenen, ihn, Haner, nicht
leer ausgehen zu lassen. 1548 Februar 15 Bamberg.
Parma, Arch. di Stato Carteggio Farnesiano, eigenh. Orig.
Rme domine, juxta atque illustrissime princeps. quod Clemen-
tiam Tuam hactenus nullis meis litteris oneravi, honestus pudor
fecit simul et tui reverentia, ne quid gravioribus Clementie Tue
curis obstreperem. hactenus ergo aliorum privata opera familiariter
usus, maxime Rmi ac doctissimi viri domini Contareni, quem nobis
invida fata rapuerunt 1), Clementie Tue molestior meis litteris esse
non volui. verum quando vir ille eterna memoria dignus multo
etiam ecclesie incommodo nobis ereptus est, cogor rursus ad
Illme Clementie Tue presidia ac veterem illam in me animi pro-
pensionem recurrere. nec dubito Clementiam Tuam patrocinium siium
alacriter mihi prestaturam, de qua re proximis ad Clementiam
Tuam litteris pluribus agam. modo non perinde letum nuncium
mitto, nempe egregium virum dominum Joannem Echium proxima
sabbati die 2) apoplexia tactum debitum universe carnis solvisse,
cujus mors ut acerba est multis, ita ferenda est communis necessitas,
simul et diligens adhibeuda cura ut quis huic propugnatori, qui
hostium congressum eque non timeat, suffitiatur, quod sacratissimo
vestro ordini exacte consultandum erit. hujus benefitia, que multa
habuit, cum sint affecta et dispositioni summi pontificis reservata,
supplices mee preces sunt ut eorum unum aut alterum Clementie
Tue interventu in me conferatur. oro autem non meo, sed tocius
ecclesie nomine, ut in conferendis beuefitiis alia semel ineatur ratio,
ut scilicet ea conferantur in eos qui laboranti ecclesie su’s studiis
opem aliquam ferre possuut, utque potior sit consyderatio ejus qui
meritus est, quam qui preeurrit. hic cum preventioni perpetuo erit
locus, melior semper conditio erit eorum qui veredariorum opera
utuntur, pejor autem semper qui librum incubant3) ac postremi de
morte alicujus ceriiores redduntur. puto autem hic me nihil desipere,
si quod res est in commune consulere, et non dubito quin Iima
Dominatio Tua consilium hoc meum sit approbatura; non quod ego
me censeam inter eos qui eruditione et doctriua alios anteeunt, sed
quia hoc ecclesie commodis, presertim in hoc tnrbulentissimo rerum
statu, profuturum esse reor.
1) Contarini war am 24. August 1542 gestorben. Über eine Pfründe,
die Haner ihm verdankte, s. das nächste Stück.
2) B. i. am 10. Februar 1543 (s. den Schluss dieses Briefes).
3) So!
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners.
189
Vale, pater ac princeps Rme, Hanerumque jam antea totum
tuum ad Clementie Tue patrocinium confugientem benigne suscipe
atque tua intercessione orna ac provehe. rursus vale felicissime.
E Bamberga 15 februarii 48.
Sabbati die, que fuit 10 februarii, corpus terre man datum ac
sepulture traditum fuit, attactum antea.
12. Haner an Papst Paul III: ruft die Päpste Leo X. und
Clemens VIT., sowie Aleander, Contarini, Morone und Vorst als
Zeugen für seine Thätigkeit zu Gunsten der Kirche auf: bittet, daß
Paul ihm den Besitz einer durch Contarini ihm zugewiesenen Pfründe
verschaffe: wünscht Abstellung der bei der Pfründenbesetzung ob-
waltenden Misbräuche. Hofft auf eine weitere Pfründe aus dem
Nachlaß Ecks. 1548 Februar 27 Bamberg.
Parma, Arch. di Stato Carteggio Famesiano, eigenh. Orig.
Beatissime pater, quae mea hactenus fuerunt pia in ecclesiam
studia, Leo ejus nominis X me praesente ac Clemens VII per litte-
ras, ambo beatae memoriae Sanctitatis Tuae antecessores, ex me acce-
pere. quibus si mea sentencia plus trihutum fuisset quam quorum-
dam vehementioribus auimis, minus certe et turbarum et periculi Roman a
modo haberet ecclesia, cujus eciam rei testes mihi esse possent Rmi ac
doctissimi felicis recordationis viri, dominus Aleander Brundusinus
et dominus Gasparus Coutarenus, ambo orbis ac sacri insuper se-
natus tui cardines spectatissimi, si non uterque fidele animae sue
depositum Deo reddidisset. supervivit tarnen, ni fallor, Rev. dominus
Paulus Vorstius M? similiter et Rmus dominus Mutinensis, quem
proxime Sanctitas Tua in cardinalium ordinem ac numerum coop-
tavit et allegit1 2), quibus clarissimis viris studia haec mea non pro-
prius modo cognita, verum etiam plane perspecta sunt, quos eciam
non dubito quin honestam propterea mei mentionem apud Sanctita-
tem Tuam fecerint. liinc enim factum scio quod Beatissima Sanc-
titas Tua sua gratia et favore clementissime me sit amplexa, quam
et Sanctitas Tua, vixdum elapso anno, gravissimo mihi argumento
ostendit: per inierventum enim Rri domini Contareni sanctae memo-
riae viri, cujus mihi oblivionem nulla certe subducet aetas, Beatissi-
ma Sanctitas Tua parochiam mihi in Scheslitz3), per mortem do-
mini Gasparis May n4) vacantem, liberaliter ac propense consignavit;
1) Vielmehr Petrus Vorstius, Bischof von Acqui, 1536—1537 Nuntius
in Deutschland (vgl. über ihn Nüntiaturberichte Bd. II S. 42 ff.).
2) Der oben erwähnte Morone, 1542 zum Kardinal erhoben.
3) Schesslitz bei (riech, zum Bistum Bamberg gehörend.
4) Dekan in Bamberg, s. o. Nr. 10.
190 W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Job. Hauers.
cui quidem gratiose Sanctitatis Tue in me ostensioni gratias ago
immensas ac juxta me omnia illi debere ingenue fateor.
Verum, beatissime pater, ut fuerunt hactenus quibus sana pro
ecclesiae consilia probata non sunt, ita reperiuntur plerique, qui
eorum, qui ecclesiae vel optime consultum volunt, commodis studiose
intercurrunt eaque omni industria intervertere contendunt ; quorum
ego et artes et opera nunc quoque experior. nam postquam impe-
trate parocbie litteras a Rm0 Contareno accepi, quibus eciam signifi-
cabat se a Tua Sanctitate legatum Bononiensem creatum 1), mox pro
signatura in urbe insto, multis eam litteris frustra solicitans, quod
illa propter Contareni absentiam premi ceperit. verum cum non ita
multo post invida mors hunc nobis abstulisset, audio non solum
hanc quorumdam studio occultari, verum eciam abolitionem in eam
meditare nonnullos. hic ego, beatissime pater, pronus ad Sanctitatis
Tuae pedes provolvor Sanctitatemque Tuam, per ostensam mihi
gratiam perque propensam animi in me significationem ac preterea
per Rmi Contareni manes et conscientiae tuae (non enim Sanctitatem
Tuam haec impetracio latet) testimonium supplex ac devotus exoro
ut semel in me collatum benefitium stabiliat, sycopliantarum artes et
studia comprimat ac non paciatur me ab adepto per Tuam Sanctita-
tem jure ullius vel astu vel dolis deijci; jube atque signatam
meam supplicationem proferri in lucem et ad me transmitti aliaque
fieri que vel pro tuendo meo jure aut pro pellendo intruso opus
habuero. maximopere autem peto ut Sanctitas Tua in commune
malis quorumdam in hoc artibus occurrat atqua eos modos in pertur-
batissimo hoc seculo statuat inque benefitiorum collatione eas secum
rationes ineat que presentibus malis mederi, non autem exasperare
ea possint. quarum potissima, si non fallor, haec est, si non alia,
quod dignitatis, hoc est honestatis scilicet et eruditionis in conferen-
dis benefitiis consyderatio habeatur. proinde, beatissime pater, Tua
Sanctitas in hoc incumbat ut uni dignitati suus maneat honos, hoc
est ut benefitiorum et onus et commodum in eos tantum conferautur
qui ad hoc ministerium sunt digni. hinc enim, preter alia commoda,
eciam plus virium, per pios scilicet et eruditos, accrescet ecclesiae,
plus eciam vulgari ac publici applausus Tuae Sanctitatis accedet,
quin et autoritas insuper tua in omnium certe et oculis et animis
augescet in diem amplius. felix decrementum fisci est, si hoc du-
plex, opinionis scilicet et autoritatis, commodum sarcit. sed sum
forte in hoc prolixior. ego ne Sanctitatis Tue aures pluribus ob-
tundam, hoc solum modo humilis ac supplex Sanctitatem Tuam oro,
ut gratiam quam in me ad Emi domini Contareni preces benigne
contulit, dementer coufirmet meque adversus emulorum studia sua
1) Im Januar 1542.
W. Friedensburg, Zur Korrespondenz Joh. Haners. 191
autoritate defendat, neque me diutius meo jure privari sinat: alioqui
intruso feliciter currit quieta possessio atque ego interim parochiae
fructibus, parochia vero digno ministerio fraudatur, quod Sanctitatem
Tuam pro concredita ecclesiarum cura proque ingenita dexteritate
facturam esse certissime mihi persuadeo. vale, pater beatissime.
E Bamberga 27 februarii 1548 1).
Puto Beatitudinem Tuam mortem clarissimi viri domini doctoris
Joannis Eckii ex aliis nunc rescivisse. significavi eam mox Rmo
domino protocancellario 2 ) ; cujus viri benifitia cum sint Sanmae tuae
sedi affecta (si non fallor) et a Beatitudinis Tuae dispensatione
pendeant, spero Rmi domini protocancellarii interventu me aliquid
eorum Sanctitatis Tuae gratiosissima collatione esse consequuturum.
1) Am gleichen Tage schrieb Haner in großer Ausführlichkeit über
die nämliche Angelegenheit an den Nepoten Pauls, Kardinal Ales-
sandro Farnese. Per Brief befindet sich in späterer, schlechter Abschrift
im Arch. Yat. Lettere di principi vol. 14a fol. 335a— 336a. Aber auch
noch im Anfang des Jahres 1544 kam Haner in 2 Briefen an den
Papst auf diese Pfründenangelegenheit zurück: am 6. Januar (nicht vor-
handen) und wieder am 8. Januar (d. d. Bamberg-, Orig, in Parma), wo
er die sich bietende Gelegenheit sicherer Beförderung benutzt, um den
Inhalt des früheren Briefes zu wiederholen. Contarini, heißt es hier, habe
ihm am 1. Februar 1542 geschrieben „quod meo nomine Sanctitati Tuae
supplicem obtulerit chartam signaturamque dicte parochie acceperit, nihil-
que restare nisi ut litteras expedirem, in qua re opere Caroli Gualterutii
Fanensis juvari possem Nach Contarinis Tod (f 15. August 1542) s.ei
dann aber [Jodokus] Hoetfilter [Kanonikus von Osnabrück, nachmals Bischof
von Lübeck], der bis dahin gänzlich geschwiegen, mit dem Anspruch auf
Nachfolge in alle Benefizien Mayns aufgetreten, während der nobilis do-
minus Sittichius Marschalk, Sänger am Dom zu Würzburg und Domherr
zu Bamberg, als intrusus die Pfarrei Schesslitz fast zwei Jahre lang that-
sächlich innegehabt habe. Der am 4. Januar kund gewordene Tod des
letzteren gibt nun Haner den Anlaß, sich nochmals nach Rom zu wenden,
wo er den Papst bittet, die erforderlichen Erhebungen über jene
durch Contarini bewirkte Verleihung in Kanzlei und Datarie anstellen
zu lassen.
2) D. i. der vorgenannte Farnese, Vizekanzler der römischen Kirche.
In einer Nachschrift zum Briefe der vorigen Anm. heißt es: obitum doc-
toris Eckii prioribus, quas raptim ad Illmam Clementiam Tuam dedi, signi-
ficavi; eas haud dubito redditas esse ac votis meis satisfactum.
192 Lampert, Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
Zur Geschichte der Schwarzenberger Pfarreien.
In Bd. Y Heft 2 dieser Zeitschrift hat Herr Pfarrer Herold
eine sehr schätzenswerte und interessante Mitteilung über Schwarzen-
berger Pfarreien gebracht. In dem dem Herrn Verfasser vorliegenden
Manuskript finden sich nach seiner Angabe manche Lücken oder
unleserliche Stellen. Diese zu ergänzen setzt mich eine in meinem
Privatbesitz befindliche Kopie jenes ursprünglichen Textes in die
Lage, welche zwar nicht die altertümliche Schreibart dieses, sonst
aber, wie mir scheint, ihn vollständig wiedergibt. Sie führt den
Titel : „Matricula, das ist Verzeichnis aller und jeder Pfarrherren
und Schulmeister in der Grafschaft Schwarzenberg und angehöriger
Herrschaft Hohenlandsberg, anno 1589, zusammen geschrieben,
welcher hernach beigefügt worden die weiteren Successores in
Pfarr- und Schuldiensten, bis auf die anno 1627 vorgegangene
gewaltsame Würzburg. Reformation und Ausstoßung aller Evan-
gelischen Schwarzenbergischen Kirchen- und Schuldiener mit Be-
zeugung, wo darauf ein und der andere hinkommen. Hiebey be-
findet sich auch eine Beschreibung aller Besoldungen und Einkünfte
der Pfarrherren und Schuldiener in ermeldter Grafschaft Schwarzenberg
mit allem Fleiß von neuem wieder abgeschrieben (der Nachwelt
solche Urkunden zu erhalten) von G. S. Z.1). Im Jahr Christi 1719. “
Eine nochmalige Reproduktion dieses ergänzten Manuskripts würde
mir nicht zustehen, aber vielleicht haben doch manche unserer Leser
ein Interesse für dasselbe, und ihnen über diese Ergänzungen allen-
falls gewünschte Mitteilungen zu machen bin ich gern erbötig.
Ippesheim. F. Lampert.
Zur Bibliographie.* *)
* Rom stock, F. S., Licealprofessor etc. Die Jesuitennullen Prantls
an der Universität Ingolstadt und ihre Leidensgenossen. Eine
bibliographische Studie. Eichstätt 1898. Kommissions-Verlag
der Pli. Brönnerschen Buchhandlung (A. Hornik) VIII und
521 S. Mk. 10.—.
Der auffallende Titel dieser umfangreichen Publikation erklärt sich
aus der Thatsache, daß Prantl in seinem großen Werke: Geschichte der
1) Georg Samuel Ziegler, Pfarrer in Einersheim.
*x) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Zur Bibliographie.
193
Ludwig-Maximilians-Universität, München 1872 eine große Anzahl der
vielen Jesuiten, welche oft nur ganz kurze Zeit in Ingolstadt lehrten,
wegen mangelnder litterarischer Leistungen als -Jesuitennullen“, „bloße
Figuranten des Ordens“, „leere Namen* etc. bezeichnete, und Max Haus-
hofer (die Ludwig-Maximilians-Universität zu Ingolstadt. Landshut und
München in Vergangenheit und Gegenwart. München 1890) seinem Urteil
sich anschloß und der Prantlschen Universitätsgeschichte das höchste
Lob zu teil werden ließ. Dagegen findet Komstöck, daß Prantls Kenntnis
der literarischen Leistungen der Ingolstädter Jesuiten sehr mangelhaft ist
und beschuldigt ihn maßloser Parteinahme gegen die Gesellschaft Jesu
und deren Mitglieder. Zur Ehrenrettung der Geschmähten hat er es des-
halb unternommen, hauptsächlich auf Grund der inzwischen erschienenen
wertvollen Hilfsmittel, der beiden Werke von Sommervogel, „Biblio-
theque des Ecrivains de la Compagnie de Jesus“ etc. Louvain et Lyon
1876 und Dictionnaire des Ouvrages Anonymes et Pseudonymes Publies
par des Religieux de la Compagnie de Jesus. Paris, Bruxelles et Geneve
1884, unter Hinzufügnng kurzer Lebensskizzen die litterarische Thätig-
keit der von Prantl zur „Nullität“ Verurteilten zu verzeichnen. Und da es
ihm gelungen ist, viele Hunderte von Büchertiteln zu eruieren, so wird
man die fleißige Arbeit, die ich im einzelnen auf ihre Genauigkeit
freilich nicht kontrollieren kann, als einen sehr wertvollen Beitrag zur
Geschichte der literarischen Thätigkeit in Bayern bezeichnen dürfen.
Und in formeller Beziehung hat er bei nicht wenigen den Ungrund der
Prantlschen Anschuldigungen erwieseD, ich gehe sogar noch weiter und
bedaure das Schablonenhafte der Prantlschen Klassifizierung, aber ob
Prantl nicht gleichwohl in materieller Beziehung Recht hat, ist eine andere
Frage. Schon ein flüchtiger Ueberblick über die hier verzeichnete Litera-
tur läßt mit Sicherheit annehmen, daß das meiste davon, asketische, er-
bauliche Schriften etc. dann, wenn es gilt, die wissenschaftlichen
Leistungen zu charakterisieren, und darauf konnte es Prantl doch nur
ankommen, überhaupt nicht in Betracht kommt, und wer nur einigermaßen
mit der Geschichte der theologischen Wissenschaft vertraut ist, der er-
kennt sofort, dass diesen Männern, die schwerlich auch nur ihrer Zeit als
auf der Höhe stehend erschienen sind, kein Unrecht geschehen ist, wenn
eine Darstellung der wissenschaftlichen Thätigkeit an der Universität
Ingolstadt über sie hinweggeht. Das scheint auch der Verfasser selbst
gefühlt zu haban. Denn in dem Abschnitt: „Unsere Würdigung der
Prantlschen Qualifikationen“ sucht er nach Stimmen von Zeitgenossen
und Späteren, die ein Wort der Anerkennung für seine Schützlinge haben,
weiß aber doch nur für sehr wenige ein solches zu finden, und teilweise
sind seine Autoritäten recht anfechtbar, und mir will scheinen, daß viel-
leicht nur Christoph Rassler. f 1723, den Keusch in der Geschichte der
Moral Streitigkeiten ausführlich gewürdigt hat, und etwa noch Enric-us
Pirrhing f 1679 und Lorenz Veit j 1796 eine größere wissenschaftliche
Bedeutung gehabt haben, als Prantl sie ihnen beimißt, hiernach würde
das harte Urteil über diesen nicht gerechtfertigt erscheinen ; gleichwohl
wird man das sehr fleißige Werk als ein sehr dankenswertes bio- und
bibliographisches Hilfsbuch bezeichnen dürfen. —
Lic. Vogt, Pastor in Weitenhagen, veröffentlicht in Baltische
Studien 1899 S. 1 ff . drei Briefe, die in die Nürnberger
Kirchengeschichte einschlagen. 1. Hieronymus Baumgartner
an Jakob Runge 12. Aug. 1556. Jakob Runge an Hieronymus
Besold 28. Sept. 1556 und Jakob Runge an Hieronymus
Besold Worms 3. Dez. 1557, von denen die beiden ersteren
194
Zur Bibliographie.
die Berufung des damaligen Greifswalder Professor Jakob
Runge nach Nürnberg betreffen, der letztere Nachrichten über
das Kolloquium in Worms bringt.
Halm, Ph. M., Die Kreuzwegstationen zu Bamberg und Adam
Krafft. Ztschr. für bildende Kunst. Neue Folge. Heft 3.
X.- Jahrg. Dezember 1898. (Macht wahrscheinlich, daß die
Bamberger Kreuzwegstationen, deren Abhängigkeit von den
Nürnbergern unverkennbar ist, bei Ad. Krafft bestellt waren
und zwar nicht von ihm selbst herrühren, aber doch aus seiner
Werkstatt hervorgingen.)
Daun, Dr. Berthold. Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit.
Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Nürnbergs. Mit achtundvierzig
Lichtdruckbildern nebst zehn Tafeln. Berlin 1897. 143 S.
Weizsäcker, Heinrich. Veit Stoß als Maler. Jahrb. der kgl.
preußischen Kunstsammlungen. XVI1L Bd. S. 61 bis 71.
Berlin 1897. (Enthält u. a. eine Urkunde zur Geschichte der
Augustinerkirche in Miinnerstadt.)
Schmidt, Gustav, Stammbaum des Hauses Wittelsbach. Fürth
und Nürnberg 1899. 62 S. 0,90 Mk.
^Friedrich, J., Ignaz von Döllinger. Sein Leben auf Grund
seines schriftlichen Nachlasses dargestellt. Erster Teil. Von
der Geburt bis zum Ministerium Abel 1799 — 1837. München
1899 C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung. Oskar Beck VII
und 506 S. Mk. 8.-.
Wenn es galt, eine wirklich wissenschaftliche Biographie Döllingers
zu schreiben, war wohl niemand geeigneter als J. Friedrich, der Schüler
und Freund und spätere Kampf- und Leidensgenosse Döllingers. Daß in
diesem engen Verhältnisse auch eine gewisse Gefahr für den Biographen
liegt, dessen ist sich der Verfasser offenbar bei der Uebernahme der
großen Aufgabe voll bewußt gewesen, aber, soweit der vorliegende Band
reicht, hat Friedrich eine weitgehende Objektivität geübt, die jeder am
erkennen muß. Seine ungekünstelte, einfache Darstellung ist eine sehr
ausführliche, die sich durch Einflechtung von Briefen und Fragmenten solcher
noch erweitert, aber niemand wird gerade diese Dokumente missen mögen.
Er holt ziemlich weit aus, indem er den Leser in das Haus des Vaters
und Großvaters nach Bamberg und Würzburg führt, aber der Entschuldi-
gung dieses Verfahrens, die der Verfasser in derVorrede ausspricht, hätte
es kaum bedurft. Die Schilderungen des Gelehrtenlebens in Bamberg
am Ende des vorigen und Anfang des 19. Jahrhunderts, des wissenschaft-
lichen Ringens der kraftvollen Persönlichkeit des Vaters, der mit den
beschränktesten Mitteln arbeitend, durch seine bahnbrechenden For-
schungen auf dem Gebiete der Entwicklungslehre in der Geschichte der
Medicin sich für immer einen ehrenvollen Platz erworben hat, gehören zu
den köstlichsten Partien des Buches. Und wie in diesen Anfangskapiteln
hat der Verfasser natürlich auch später die ganze Umgebung, in die sich
Döllinger gestellt sah, oder wie man sich jetzt auszudrücken beliebt, das
Milieu, in den Kreis seiner Darstellung gezogen, und da Döllinger bald
Zur Bibliographie.
195
nach Beginn seiner Münchner Thätigkeit an dem öffentlichen Leben regen
Anteil nahm und neben Görres bald einer der Führer der literarischen
Kämpfe der kirchlichen Partei war. mußte die Biographie sich teilweise zu
einer Schilderung des geistigen oder des literarischen Lebens Münchensund
Bayerns wie der politischen und kirchlichen Verhältnisse des ganzen
Landes erweitern, die auch dem, der aus den mancherlei vorhandenen
Memoiren, Biographien etc. der führenden Persönlichkeiten, die Zeit zu
kennen meint, nicht weniges Neue bieten wird.
Als ein Ergebnis des vorliegenden 1. Bandes stellt der Verf. (S. VI)
selbst fest, „daßDöllinger nie Kurialist oder Papalist war, nie die jesuiti-
sche Doktrin und Gläubigkeit“ vertrat. Das ist richtig, wenn man diese
Begriffe pointiert, und darnach läge seine schliessliche Stellung lediglich
auf der Linie der Konsequenz. Wichtiger für das Verständnis seiner
Entwicklung und des Hervorhebens wert scheint mir Anderes zu sein.
Die Unregelmäßigkeit seines Studienganges, die früh hervortretende
Neigung, bald dies bald jenes zu treiben, macht ihn schon in jungen
Tagen zum angehenden Polyhistor, der seine Kräfte zersplittert, bei dem
ein Plan den andern verdrängt, und der nur selten dazu gekommen ist,
größere litterarische Arbeiten ernstlich zu Ende zu führen. Und noch
bedeutsamer für das Verständnis der Persönlichkeit ist ein Zweites. Man
sollte meinen, wer wider den Wunsch des Vaters sich der Theologie zu-
wendet und katholischer Priester werden will, bei dem müsste man vor
allen Dingen eine flammende Begeisterung entweder für eine besondere
Heiligkeit oder die Kirche und den Priesterberuf voraussetzen. Davon
ist bei Döllinger nichts vorhanden. Es ist, was sicher vieles in seinem
Leben erklärt, nicht ein religiöses, sondern ein rein intellektualistisches
Interesse, was seine Berufswahl entscheidet. Er hat selbst darüber
niedergeschrieben: „Fast allen anderen war die Theologie nur das Mittel
zum Zweck. Mir war dagegen die Theologie (oder die auf Theologie ge-
gründete Wissenschaft überhaupt) der Zweck, und die Wahl des Standes
nur das Mittel“. Dabei verweist er u. a. auf das berühmte Wort Goethes:
„Das eigentliche und tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte,
dem alle übrigen untergeordnet sind, bleibt doch der Konflikt des Glaubens
I und Unglaubens“. Und mit Recht sagt Friedrich S. 91: „Sein Gedanke
war also dem eigentlichsten und tiefsten Thema der Welt- und Menschen-
geschichte nachzugehen und als den geeignetsten Weg dazu erkannte er
die Theologie oder die auf sie gegründete Wissenschaft“. Aber noch
mehr. Er hielt es auch für seine Pflicht gegen das, was er als Unglauben
ansah, mit Entschiedenheit zu kämpfen. Der junge Mann stürzt sich
sofort in den Streit der Parteien. „Der Unglaube“ war ihm mit zuerst in der
Form des Protestantismus entgegengetreten. Seitdem ihm Luther dadurch
zuerst bekannt geworden, dass man ihm die von katholischer Seite zum
Reformationsjubiläum wieder abgedruckte Schrift „Wider das Papsttum
zu Rom vom Teufel gestiftet“ in die Hand gegeben, war es sein Bestreben,
„dem beinahe tot geglaubten Protestantismus den Todesstoß zu geben“.
Seine schriftstellerische Thätigkeit entspringt nicht dem Wunsch, ein
wissenschaftliches Problem zu lösen, oder eine bisher noch unklare
Wahrheit ans Licht zu stellen, sondern die Lehre der Kirche — bei den
Katholiken keine Veränderung, bei den Evangelischen nur Veränderung,
ist die ihn beherrschende Grundthese — und die katholische Religion zu
begründen (S. 168). Mit dieser Tendenz trat er mit seiner ersten Schrift
„Die Eucharistie in den ersten drei Jahrhunderten Mainz 1826 auf den Plan.
Und je nachdem er den Begriff „Unglauben“ anders fasst oder er ihm
in anderer Form entgegentritt, differenziert sich das Objekt seiner litte-
rarischen Kämpfe. Ohne sich, was auch von Friedrich S. 170 anerkannt
wird, über den Unterschied zwischen „Historiker“ und Verteidiger klar
196
Zur Bibliographie.
zu werden, hat er in der Meinung, in ersterer Eigenschaft zu arbeiten,
Jahrzehnte lang die Rolle des letzteren gespielt, und erst sehr spät sich
zu der Höhe erhoben, die Wissenschaft um ihrer selbst willen zu treiben.
Zu diesen allgemeinen Bemerkungen, die, wie ich meine, Döllingers
Persönlichkeit zwar nicht größer, aber verständlicher erscheinen lassen
als bisher, berechtigt schon der erste Teil des Werkes, dessen Lektüre
mein Interesse in höherem Grade gefesselt hat, als das seit lange bei
einem Buche der Fall war. Möchte die Fortsetzung, die hoffentlich auch
ein gutes Register haben wird, nicht lange auf sich warten lassen.
*von Tannenberg, russ. Major, Die Zustände der Fürstbistümer
Würzburg und Bamberg* zu Anfang dieses Jahrhunderts ge-
schildert in 22 im Jahre 1803 in Frankfurt erschienenen
Briefen. Druck und Verlag der Ilandelsdruckerei in Bamberg
v. J. (1898?). 110 8. Mk. 1.50.
Der Titel der Schrift, deren Neudruck von frei maurerischer Seite ver-
anlaßt worden ist, lautete ursprünglich: Beobachtungen ohne Brille über
die Säkularisation der geistlichen Bistümer und Besitzungen besonders
Würzburg und Bamberg. Von einem Einwohner dieser Länder. 1803.
Kein Historiker wird die Einzelheiten der teilweise sehr boshaften und
sicher immer einseitigen Schilderungen, die der Verf. von den Zuständen
der geistlichen Fürstentümer gibt, als Quelle benützen, aber gleichwohl
sind sie wertvoll als Beispiel der Art, wie inan in gewissen Illuminaten-
kreisen die Zustände auffaßte,, über Regierung, Kirche und Religion dachte,
auch weil sie die Strömungen erkennen lassen, die den Säkularisations-
bestrebungen der Regierungen entgegenkamen, und in diesem Sinne ist
die Schrift auch schon bisher gewürdigt worden. Hielt man einen Neu-
druck für notwendig, dann hätte man kritische und ergänzende An-
merkungen hinzufügen und zum mindesten diejenigen Namen, deren
Anfangsbuchstaben nur gegeben sind, ergänzen sollen.
* Blank, J., Pfarrer, Geschichte der Pfarrgemeinde Geroda-Platz,
kgl. bayer. Bezirksamts Brückenau. Druck von Ernst Wolf.
Brückenau 1898. 56 S.
Aus dieser kleinen frischgeschriebenen Schrift kann man wieder ersehen,
wie viel Interessantes selbst die Geschichte einer kleinen Landgemeinde
bietet und wie viel Material dafür noch zu finden ist, wenn man es
richtig anzufangen weiß. Der Verf. hat offenbar keine Mühe und Arbeit
gescheut, um den Stoff auch von entfernteren Archiven zusammen zu
bekommen, hatte freilich auch den Vorteil, dass seine Pfarrregistratur
reicher zu sein scheint als manche andere. Aber seine Mühe ist auch
belohnt worden, und auch der, der an der kleinen Marktgemeinde und
jener Gegend kein persönliches Interesse hat, wird die Geschichte
dieser alten Kirchgemeinde, die 1345 zur selbständigen Pfarrei erhoben
und in der 1545 von den Herrn von Bibra die Reformation eingeführt
wurde, nicht ohne Belehrung lesen können. Berichtigend möchte ich
bemerken, daß nach Ilauck, Kirchengeschichte Deutschlands II, 525 vgl.
S. 737 die Gründung Schlüchterns vielleicht der Zeit Karls des Grossen
angehört, ferner, daß die Meinung, Luther habe „um 1530 einen Teil des
fränkischen Adels besucht“ S. 12 Anm. 4 jeder historischen Begrün-
dung entbehrt.
lfi£8ChiC; - .
* •' - . . . T
Die Berufung des Kaspar Greter als Stiftsprediger
nach Ansbach.
Von
D. Th. Kolde in Erlangen.
Um Pfingsten 1542 war der um die Einführung der Refor-
mation in Franken hochverdiente, treffliche Johann Eurer, Stifts-
prediger am Gumbertusstift in Ansbach, von seinem Fürsten tief-
betrauert, gestorben. Auch auswärts wußte man, wieviel darauf
ankäme, wer sein Nachfolger würde. Da war es Bernhard
Wurtzelmann lj, der angesehene Prediger der Reichsstadt Din-
1) In Ergänzung des von L. Enders, Beitr. II, 301 mitgeteilten, be-
merke ich Folgendes: Bernhard Wurtzelmann (Ritzander, der Sohn des
Bürgermeisters in Wimpfen, durch seine Schwester Schwager von Erhard
Schnepf, sein Bruder war 1533 Stadtschreiber in Schwäbisch -Hall , vgl.
Press el, Anecd. Brentiana Tüb. 1868 S. 223 u. Bessert, Briefe und
Akten zur Geschichte der fränkischen Reformation in theol. Studien aus
Württemberg 1886. Bd. VII, S. 16 ff.) studierte in Heidelberg (Bernhardus
Wurtzelmann de Wimpina Wormac. Dioc. XXIII die Sept. 1510 bei Töpke,
Heidelb. Matrikel I, 477), wo er sich im Frühjahr 1512 (quinta feria post
Keminiscere ebenda, 433) den Magistergrad erwarb. Später erhielt er
ein Kanonikat am Stift im Thal zu Wimpfen, was er aber, weil er an
der Predigt des Evangeliums gehindert wurde, aufgab. Hierauf wurde
er Pfarrer in der Nähe von Heilbronn in dem den Herrn von Neipperg
gehörigen Städtchen Schwaigern im Kraichgau (Bossert, Theol. Studien
aus Württemberg 1886. Bd. VII S. 12 ff.), und als man in Dinkelsbühl
daran gingt evangelischen Gottesdienst einzuführen, wurde er auf Em-
pfehlung von Adam Weiß in Crailsheim und Brenz (Über ihr Zusammen-
gehen in der Abendsmahlsfrage die Notiz bei J. Hartmann, Erhard
Schnepf. Tübingen 1870. S. 148) dorthin als Pfarrer berufen. Im De-
zember 1533 trat er die neue Stelle an und schaffte am 5. Januar 1534
die Messe in der Georgskirche ab (St eich eie, Das Bistum Augsburg
3, 260, der ihn übrigens fälschlich schon 1544 sterben läßt). Hier wirkte
Beiträge zur bayer. Kirchengefichichte. V. 5. 14
198 Th* Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
kelsbiihl, der nicht ohne persönliches Interesse den ihm bisher
persönlich unbekannten markgräflichen Kanzler Sebastian Heller
auf einen schwäbischen Freund aufmerksam machte, der, wie wir
jetzt wissen, in der That in jener Zeit neben Brenz und Schnepf
zu den besten kirchlichen Kräften des Schwabenlau des gehörte.
Kaspar Greter *) (wie er sich immer schreibt, nicht Graeter)
wurde um 1501 zu Grundelsheim am Neckar unweit Heilbronn und
Wimpfen geboren, besuchte 1520 die Universität Heidelberg,
die er mit der Würde eines Baccalaureus* 1 2), aber ohne seine
Studien abgeschlossen zu haben, schon nach zwei Jahren ver-
ließ, um Hauslehrer bei Dietrich von Gemmingen auf Gutten-
berg am Neckar zu werden, wo er bis zu dessen Tode, Ende
1526, geblieben sein wird. In die Zeit darauf werden wir den
Aufenthalt im Hause des Brenz zu Schwäbisch-Hall zu setzen
haben, von dem dieser in dem unten mitgeteilten Briefe
(Nr. IV) berichtet. Dann finden wir den in den alten Sprachen,
auch im Hebräischen wohlbewanderten jungen Mann als Lehrer
in Heilbronn. Hier schrieb er 1529 seine Katechesis etc., d.h.
den Heilbronner Katechismus, den man lange Zeit fälschlich
dem Prediger Johann Lachmann, der nur die Anregung dazu
er dreizehn Jahre (vgl. Luthers Brief an ihn über die Behandlung einer
angeblich Besessenen De Wette IV, 646), bewog durch sein Gutachten
seine Stadt, dem schmalkaldischen Bunde beizutreten (Moninger in
Blätter für bayer. Kirchengesch. II. 1888, S. 107 ff.), mußte aber nach
dem Siege des Kaisers bei Giengen 1546 in die Verbannung gehen. Von
Nürnberg aus, wohin er sich wendete (Anecdota Brentiana 261), ver-
suchten Andreas Osiander und Veit Dietrich vergeblich ihn in Nördlingen
unterzubringen (vgl. Dolp, Griindl. Bericht von Nördlingen etc. Nörd-
lingen 1738, Anhang Nr. LII). Später 1549 wurde er Katechist in Ben-
ningen in Württemberg (Boss er t, Das Interim in Württemberg, Sehr,
d. V. f. RG. Nr. 42, S. 113).
1) Von diesem Manne hat man bisher nur sehr wenig gewußt, und
es ist Bosserts Verdienst, seine Bedeutung ins rechte Licht gestellt zu
haben, wozu die unten folgenden Briefe einen weiteren Beitrag liefern.
Vgl. Bessert Art. Kaspar Graeter in der Protest. Realencyklopädie 3. Auf!,
und die weitere Ausführung, die er in den Blättern f. Württemb. Kirchen-
gesch. folgen lassen wird. Von Beidem durfte ich durch die Güte des
Verfassers noch vor dem Druck Einsicht nehmen.
2) Caspar Greth ex Gundelszheim dioc. Herpipol. 2a Junii (1520). — -
b. art. v. ant. 17/6, 1522, bei Töpke, Heidelberger Matrikel I, 623.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
199
gegeben hatte1), zugesclirieben hat, eine xÄrbeit, die er dann
1580 in verbesserter Gestalt herausgab. In demselben Jahre
ließ er eine Flugschrift ausgehen: „Das der Christlich Glaub
der eiuich, gerecht vnd warhafftig sei“ (Nürnberg, Peypus 1530),
die einen interessanten Einblick in das kirchliche Parteitreiben
in Heilbronn gewährt, und das Jahr darauf veröffentlichte er:
„Drey schon Psalmen / Neulich in gesangweysz gestlet, / Nem-
lich Ein danck Psalm für das haylich Sacrament des / Nach-
mals. / Der Ander Ein trostpsalm wi-/der allerley Anfechtung. /
Der dryt / Ein Trostpsalm wider die gott- / losen tyrannen. //
Gasper Gretter Gun: // Ein Kirchen Gebet hinzu getruckt
für / die Oberkeyt vnd allerley an-/fechtung ec. wie im brauch/
das gantz jar gehalten / würt yn Heilbprunn. // MDXXXI2).
Im Herbst 1533 verließ er Heilbronn und besuchte, obwohl
verheiratet, wie es scheint, als pädagogischer Begleiter eines
vornehmen Studenten noch einmal die Universität Heidelberg,
promovierte dort am 10. Februar 1534 als Magister3) und
scheint sich mit der Absicht getragen zu haben, juristische
Studien zu treiben; wenigstens ließ er sich am 16. März in
die Matrikel alumnorum iuris aufnehmen4). Aber schon im
Herbst desselben Jahres übernahm er die Pfarrstelle in Herren-
berg bei Tübingen, wo er einen neuen Katechismus herausgab
und bald als einer der hervorragendsten Theologen des Landes
galt. Ende 1537 oder Anfang 1538 wurde er Pfarrer in Can-
statt und seit 1540, nach dem Tode Konrad Oettingers 5), als
1) Abgedruckt in modernisierter Form bei J. Hart mann, Älteste
katechetische Denkmale der evangelischen Kirche etc. Stuttgart 1844.
S. 79 ff.
2) Am Ende: Getruckt zu Ettlingen bey Vel-/ten Kobian vff den
dreyund / zweintzigten / Augusti. // MDXXXI. — Das früher in der
Straßburger Bibliothek befindliche Schriftchen scheint jetzt nur noch aus
Wackernagels Beschreibung in Bibliographie des Kirchenlieds, Frankfurt
am Main 1855 Nr. 307 bekannt zu sein.
3) Anno 1534° quarto Idus Februarii: Casparus Gretar de Gundels-
heim bei Töpke II, 449.
4) M. Gaspar Gretterus Gundelshemius dioc. Herbipol. 17. Kal. Apr.
anno 1534 bei Töpke II, 480.
5) Vgl. Veesenmeyer, Kleine Beiträge zur Geschichte des Reichs-
tags zu Augsburg. Nürnberg 1830. S. 91 f. und unten Nr. V.
200 Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
Hofprediger des Herzogs Ulrich in Stuttgart. Da war es eine
im Frühjahr 1542 in der Predigt gethane, ihrem Inhalt nach
unbekannte, Äusserung, die einen derartigen Unwillen, vielleicht
nicht so sehr des Fürsten als der Hofleute gegen den Prediger
heraufbeschwor, daß dieser, wie es scheint, allzu ängstlich der
Meinung war, sich durch schleunige Flucht vor dem drohenden
Sturm retten zu müssen. (S. unten cNr. VI). Bei den alten
Gönnern, den Herren von Gemmingen fand er Zuflucht, dies-
mal in Neckarmühlbach.
In dieser Zeit war es, daß Wurtzelmann die Aufmerksam-
keit des Ansbacher Hofes auf ihn lenkte. Heller scheint sofort
auf die Kandidatur eingegangen zu sein, der Markgraf aber,
der, obwohl ihm Greter im Jahre 1532 eine Übersetzung eines
Traktates von Brenz über Ehesachen (s. unten Nr. VI) ge-
widmet hatte, nichts von Greter wußte, beschloß erst Er-
kundigungen einzuziehen. Der Stadtpfarrer Martin Moninger1)
hatte nur eine dunkle Erinnerung an eine früher gelesene
Schrift Greters, hielt aber die Anregung Wurtzelmanns für
Gottes Schickung und riet, „es wäre dann das er verhafft
were mit schwermerey einen solchen Mann nit dahin den zu
lassen “ zumal nicht viel brauchbare Leute im Fürstentum
seien (vgl. unten Nr. II). Auch der Pfarrer von Crailsheim2),
Simon Schneeweiß, riet dazu, nur sollte man ihn erst eine
Zeit lang predigen hören (Nr. V), und Joh. Brenz, auf dessen
Rat Markgraf Georg, neben dem der Wittenberger immer den
meisten Wert legte, stellte ihm nach jeder Hinsicht das beste
Zeugnis aus, erklärte ihn für durchaus geeignet, Eurer zu er-
setzen, und war der festen Zuversicht, daß Greter dem Fürsten
eine genügende Erklärung für seine Flucht vom Württem-
1) Siehe über seinen Lebenslang unten zu Nr. II.
2) Er war früher Hofprediger in Ansbach gewesen (Th. Kolde,
Andreas Althamer. Erlangen 1895 S. 125), wurde später wohl als un-
mittelbarer Nachfolger des am 25. Sept. 1534 verstorbenen Adam Weiß
Pfarrer in Crailsheim, erschien im Aufträge seines Fürsten auf dem Tage
zu Schmalkalden 1537 und unterschrieb dort Luthers Artikel (vgl. die
Schmalkaldischen Artikel vom Jahre 1537 ed. K. Zangeraeister, Heidel-
berg 1883, S. 79, und war in Begleitung des Markgrafen Georg auf dem
Reichstag zu Regensburg 1541 (s. unten Nr. V).
Th. Kolde, Kaspar Greters BerafuDg nach Ansbach.
201
bergischen Hofe geben würde. Nr. IV). Da auch das Stift
zustimmte. erhielt Heller den Auftrag, durch Wurtzelmann mit
I Greter zu verhandeln: er möge nach Ansbach kommen, um
dort bei freiem Unterhalt drei bis vier Wochen zu predigen
und sich selbst die Verhältnisse anzusehen. Dann setzt er
hinzu: -es hat noch bissher, Gotlob. mit Ihrer f. g. Predigern
vnd Pfarrern die gelegenheit gehabt, wann einer ainmal be-
stelt vnd angenommen worden, däs sich alsdann wenig anderung
! zugetragen, sonder gemainlich bis in ir absterben verharret
vnd plieben sind, wie es dann das freundlichst vnd best ist,
| das beiderseits nit viel enderung gegen ainander gesucht werde-.
(Nr. VH).
Inzwischen hatte sich Wurtzelmann auf Grund der ersten
zustimmenden Nachricht des Kanzlers mit Greter direkt in
Verbindung gesetzt. Dieser war über dessen Mitteilungen
hocherfreut und antwortete schon am 1. <?i Juni in einem sehr
| eilig und flüchtig geschriebenen Briefe, daß es ihm sehr lieb
sei, daß der Kanzler, um sich über ihn in Stuttgart zu erkun-
digen, vierzehn Tage Frist erbeten habe, denn er hätte um
1 dasselbe bitten müssen, weil die Herren von Wimpfen, die ge-
I gen aller Erwarten jetzt nach der Gerechtigkeit hungern und
dürsten, ihn dringend zu ihrem Prediger begehrten, während
der Herr von Geinmingen ihn durchaus bei sich behalten wollte,
i Daneben läßt der ganze Brief doch erkennen, daß er nicht
abgeneigt ist. nach Ansbach zu kommen, indem er von seinen
Schriften, der Anerkennung, die er bei Melauchthon und An-
dern erfahren etc. berichtet und sich bemüht, die Bedenken
wegen seiner Flucht zu verscheuchen. Leider erfahren wir
nicht genau, welche Bewandtnis es eigentlich damit gehabt
hat1}. Wir hören nur, daß er, entgegen der Meinung des
Kanzlers, den Schritt nicht bereute; er habe fliehen müssen,
um größeres kirchliches Ärgernis zu verhüten; seine Stellung
am Hofe wäre eine derartige gewesen, daß es für ihn gegolten,
entweder zu fliehen und den Hof zu verlassen, oder zum
1) Daß es sich dabei um ein strafendes Wort gegenüber dem Fürsten
gehandelt hat, ergeben aber die Bemerkungen von Wurtzelmann in seinem
Briefe vom 13. Juni (Nr. VIII).
202 Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
Schaden des Amtes weiter zu predigen *), weshalb er es vor-
gezogen, lieber an seinem Leibe als an seiner Seele Schaden
zu leiden (Nr. VI).
Dieses Schreiben kam mit einem Begleitbriefe von Wurtzel-
mann am 14. Juni nach Ansbach, und jetzt griff der Fürst
selbst ein. Entgegen der Meinung seines Kanzlers wollte er
in seiner graden, vertrauensvollen Weise von weiteren Nach-
forschungen in Stuttgart nichts wissen. Nachdem Brenz und
Wurtzelmann den Greter empfohlen hatten, war er überzeugt,
in diesem den richtigen Mann gefunden zu haben. „Dieweil,
schreibt er an Wurtzelmann, wir bisher den gebrauch gehabt,
wer vns von dem herrn Doctor Lutter, Philipp, vnd herrn
Brencio gelobt wurdet, das wir diselbigen für lobwirdig achten
vnd halten". Und jetzt setzt er auch alles daran, den ge-
wünschten Mann zu erhalten. Er schickt nicht nur an Greter
selbst sofort am 14. Juni mit einem sehr gnädigen Schreiben
einen reitenden Boten, der eine Fuhre besorgen und Greter
sogleich auf seine Kosten mitbringen soll, sondern schreibt
auch an Wurtzelmann und Brenz mit der dringenden Bitte,
jenen zur Annahme des Rufes zu bewegen. Die ganze Ange-
legenheit wird ihm zur Herzenssache: „Dann dieweil sich die
Sachen, schreibt er an Brenz, vnsern vnd seinthalben vnbe-
wust dermassen angefangen vnd zugetragen, so wollen wir es
eben für ain Gottes Schickung achten vnd halten, mit wun-
schung vnd bit zu derselben gütlichen gnaden, was hieriu zu
seinem lob vnd eher auch vnser vnderthanen vnd seinem selbst
fronten nutz vnd wolfhart sein mag, das es Gott gnediglich
schicken wolle, dann vns ist an solcher Geistlicher Embter
bestellung etwas vil hohes merers dann anderen gelegen“. Aus
Sorge, daß Greter ob seiner Erfahrungen eine Scheu vor den
Fürstenhöfen haben könnte, betont er, daß es sich nicht um
die Hofprediger- sondern Stiftspredigerstelle handele und jener
mit dem Hofe nichts zu thun haben werde. Und seine ganze herz-
liche und fromme Art leuchtet daraus, hervor, wenn er ihm
sagen läßt: „Er soll sich auch gar nichts bekomern noch an-
1) So verstehe ich die nicht ganz leserliche Stelle: Ant cum . . .
etiam Ministerii periculo docendum, quare malui corporis quam animi
iacturam facere.
Th. Kolcle, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
203
fechten lassen, dann vnser gemuth ist bisher gestanden vnd
noch, darumb wir auch Gott fnrthin getreulich bitten wollen, das
wir zur fnrderung Gottes worts auch vnser vnd der vnsern seelen
seligkait, fromen rechtgeschaffen vnd Christlichen gelerten be-
schaiden predigern, zu vnserm vermugen gnad vnd alles guts
beweisen, geneigt gewest, vnd mit Gottes hilf bis zu beschlus
vnsers lebens sein wollen. Darum wollet nit vnterlassen, solchs
zum fleissigsten zu furderrD. (Nr. X).
Aber die Werbung des Fürsten wie der Freunde war er-
folglos. Der Bote kam unverrichteter Dinge heim und über-
brachte nur einen Brief Greters vom 17. Juni, in dem er sich
seines Ausbleibens wegen mit den gegenüber Wimpfen einge-
gangenen Verpflichtungen, die er nicht so plötzlich lösen könne,
entschuldigt und um acht Tage Bedenkzeit bittet, zumal in
Abwesenheit seines „Junkherren,“ des Herrn von Gemmingen
niemand da wäre, mit dem er sich beraten könne. Diese Bitte
wurde von einem Briefe des Brenz an den Markgrafen vom
18. Juni unterstützt. Darüber vergingen vier Wochen, und man
fing in Ansbach mit Recht an, etwas ungeduldig zu werden.
Gleichwohl gab der Fürst die Hoffnung, den ihm so gut em-
pfohlenen Mann noch gewinnen zu können, nicht auf. Als er
Mitte Juli seine Residenz verließ, gab er seinen Räten den
Auftrag, noch einmal mit Greter zu verhandeln. Dem kamen
sie nach mit einem Schreiben vom 18. Juli, in dem sie den
Prediger ersuchten, sein „entlieh gemueth“ zu erkennen zu
geben, dabei aber von neuem den dringenden Wunsch des Mark-
grafen wie des Stifts aassprachen, daß er der Berufung nach
Ansbach Folge leisten möge (Nr. XIV.) Was Greter darauf
geantwortet, wissen wir nicht. Mit jenem Briefe der ausbachi-
schen Räte schließen die auf diese Angelegenheit bezüglichen
Aktenstücke. Das Nächtsliegende ist offenbar, zu meinen, daß
Greter den Ruf nach Wimpfen vorgezogen hat oder seine dort
eiugegangenen Verpflichtungen nicht mehr lösen konnte. Aber
eine Thätigkeit Greters in Wimpfen läßt sich nicht nach-
weisen D. Die Nachricht, daß dort ein vollständiger Umschwung
1) So D. Bossert unter Berufung auf die mir nicht zugängliche
Schrift von Fronhaeuser, Geschichte der Reichsstadt Wimpfen. S. 155.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
204
der Stimmung' zu Gunsten des Evangeliums eingetreten wäre,
wird sich als irrig erwiesen haben, und erst einige Jahre
später änderten sich thatsächlich die Verhältnisse in dieser
Reichsstadt. Und Greter findet sich nach kurzer Zeit M wieder
in Stuttgart. Wahrscheinlich sind die Bemühungen des Statt-
halters Georg von Ow, den Zwischenfall beizulegen, von denen
schon Wurtzelmann in seinem ersten Briefe schreibt, über Er-
warten schnell von Erfolg gekrönt gewesen, und Greter über-
wand seine Scheu, wieder an den Hof zurückzukehren. Seit-
dem besaß er das nie wieder erschütterte Vertrauen seines
Fürsten, und seine Flucht wie sein Konflikt mit dem Hofe
wurde so schnell vergessen, daß außer den Mitteilungen in den
unten folgenden seither unbekannten Briefen sich keine Kunde
davon erhalten zu haben scheint. Jedenfalls war der treffliche
Mann, von dessen Tüchtigkeit und Energie für die noch sehr
ungeordneten kirchlichen Verhältnisse in den brandenburgischen
Landen großer Segen zu erwarten gewesen wäre1 2 * * *), für Ans-
bach verloren.
Aber wer wurde nun eigentlich Rurers Nachfolger? Da-
rüber herrscht große Unklarheit, wie denn überhaupt eine Ge-
schichte des Ansbacher Gumbertusstiftes, die dringend wün-
schenswert wäre, nicht vorhanden ist. Die alte kleine Arbeit
von Strebei, Kurzgef. Begriff des St. Gumbertusstifts 1730 S. 12
gibt nur an, daß nach Rurer, den der Verfasser fälschlich
1535 Stiftsprediger werden läßt, Jakob Stratner und Georg
Eschinger als Stiftsprediger Vorkommen. Bei Jakob Stratner
könnte man nun meinen, daß es sich um eine häufig vor-
kommende Verwechselung mit der Hofpredigerstelle handelte,
welche dieser früher bekleidete, und um so mehr, als wir wissen,
daß er 1537 mit Andreas Althamer8) von seinem Fürsten
dem Markgrafen Hans von Küstrin zur Einführung der Re-
1) So weit ich sehe, ist seine Thätigkeit in Stuttgart allerdings
nach zu weisen erst durch eine vor dem Herzog Ulrich in Nürtingen
am 4. Sonntag nach Trinitatis 1544 gehaltene Predigt. (Bossert P. B.E.)
2) Er starb am 21. April 1557.
8) Vgl. Th. Kolde, Andreas Althamer, Beitr. zur bayer. K.-G. 1
S. 126 und Erlangen 1895 S. 75. Vgl. Luthers Briefe an Stratner bei
De Wette S. 319 f. 327 ff.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
205
formation in der Neumark zeitweilig überlassen wurde, dann
in die Dienste des Kurfürsten Joachim II. trat und erster
Generalsuperintendent in der Mark wurde. Und die letzte Re-
formationsgeschichte der Mark Brandenburg läßt ihn in der
That 1543 als Generalsuperintendent sterben, worauf dann der
bekannte Johann Agricola in seine Stelle eingerückt sei1 2 .
Indessen liegt die Sache nach Akten des Nürnberger Kreis-
archivs ganz anders. Stratner ist allerdings unter ausnehmend
günstigen Bedingungen, die auch die Zukunft seiner Frau und
seiner Kinder nach seinem Tode sicher stellten, von dem Kur-
fürsten Joachim II. als Generalsuperintendent und Hofprediger
angestellt worden - und hat die Stelle wahrscheinlich auch an-
getreten, aber er konnte sie nicht behalten. Denn als er zum
zweitenmal3) nach der Mark gehen sollte, diesmal um dem
Kurfürsten zu dienen, erteilten die Markgrafen Georg und
Albrecht, wohl um seine Wiederkehr zu sichern, am 22. Febr.
1539 dem -Jakob Stratner, ain zeit lang vnser hofprediger
gewest vnd noctrf eine neue Bestallung auf Lebenszeit
und versprachen ihm darin zugleich, auch für seine Söhne,
wenn sie zum Studium tüchtig wären, zu sorgen, dafür mußte
er sich in einem Revers vom gleichen Tage verpflichten, den
Markgrafen nun auch lebenslänglich zu dienen4). Somit war
1) J. Hei de man n, Die Reformation in der Mark Brandenburg, Berlin
1889, S. 262. Übrigens haben wir noch immer nicht eine genügende Ein-
sicht in die Vorgänge bei der Brandenburger Reformation.
2) Siehe die leider undatierte Bestallung unten Nr. XV.
3) Daß die bisherige Tradition , Stratner wäre einfach aus den
provisorischen Diensten des Markgrafen Hans in die des Kurfürsten
übergegangen, falsch ist und Stratner inzwischen wieder zurückge-
kehrt war, ergiebt eine Stelle in einem Briefe des Stadtpfarrers Mo-
ninger in Ansbach an den Grafen Ludwig von Oettingen, worin es heißt:
Vber das so hat der Churturst zu Brandenburg mein gn hr Margraff
Georg erbotten, das sein gnaden wolle Ime seinen prediger zu geben das
er in der Mark das Evangelium anrichte, vnd seind wir schon in berat-
schlagung wie ers anrichten solle. Bei Karrer, Geschichte der luther.
Kirche von Oettingen in Zeitschrift f. luth. Theol. Bd. 14 (1853) S. 673.
4) Onolzbach am tag Cathedra Petri nach Christi vnsers lieben herrn
gebürt XVC vnd in XXVII1I Jare. (Markgräfliches Gemeinbuch Nr. 8 im
Kreisarchiv zu Nürnberg) fol. 142 u. 143.
206
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
er gebunden, und die wohl gehegte Hoffnung, seiner Verpflich-
tungen entledigt zu werden, erfüllte sich nicht. Er mußte
zurückkehren. Man übertrug ihm aber jetzt die sehr viel besser
dotierte Stiftsprediger stelle. Und während an seiner Stelle
in Berlin Joh. Agricola trat, war er am 20. April 1543 wieder
in Ansbach, um, nachdem die Vakanz beinah ein Jahr lang
gewährt hatte, Rurers Nachfolger zu werden 1). Das neue Amt
hat er noch sieben Jahre inne gehabt, in Wildbad, wohin
er sich zur Kräftigung seiner schon lange geschwächten Ge-
sundheit begeben, ist er im Herbst 1550 gestorben2).
Ich lasse nun die einschlagenden Briefe, die nach vielen
Richtungen ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen
dürfen, im Wortlaute folgen3). Sie sind (abgesehen von dem
letzten Schriftstücke) sämtlich einem im Konsistorialarchiv in
Ansbach befindlichen Konvolut entnommen, welches die Auf-
schrift hat „Acta die Hof- und Stiftspredigerstelle zu Onolz-
bacli betr. Vol. I 1431 — 1747“, und es sei mir auch an dieser
1) Das geht hervor aus der Entgegnung der Stiftsherren auf die
Klage seiner Witwe wegen ihr angeblich vorenthaltener Einkünfte ihres
Mannes. Da heißt es: Das nach absterben weiland Johan Rurers seligen,
Ir herr auch seliger zum predigtstuhl berueffen vnd die Nutzung aller-
erst Georgii angegangen sei, ist war. Dann sobald Ir herr seliger am
freitag nach Jubilate den 20. Aprilis des 43ten Jars hieher khomen vnd
presentirt worden etc. Acta des St. Gumbrechtsstifts etc. 1524 — 61 fol. 349.
Und in einem undatierten Bittschreiben an die markgräflichen Räte, dem
sie die unten abgedruekte Kopie der kurfürstlichen Bestallung beifügt,
schreibt „Anna hern Jacob Stradners Stiftpredigers allhye seligen ver-
lassene arme krancke vnd betrübte Wittibu unter Hinweis auf die vorteil-
hafte Stellung in Berlin: sollichen erlichen vnd hochfürstendigen Dienst,
hat mein herr mit nichten erwegen noch angesehen, sonder auf gnediges
anlangen vnd ersuchen des durchleuchtigen hochgebornen fürsten vnd
hern herrn Görgen Marggraffen zu Brandenburg hochloblichen gedechtnus
M. G. F. vnd h. dieselbige condition doch aus gnecliger Vergünstigung
hochermelts churfürsten zurückgeschlagen vnd sich hyeher gethon vnd
alda das Styfftpredigampt angenomen etc. Ebenda fol. 358.
2) Nach einem Schreiben der Regenten und Markgräflichen Räte zu
Augsburg an die zu Ansbach vom 16. Sept. 1550. Ebenda fol. 345.
3) Die Schreibweise ist nach den jetzt für Wiedergabe
der Aktenstücke aus neuerer Zeit fast allgemein angenom-
menen Grundsätzen des verstorbenen Prof. F. Stieve ver-
einfacht worden.
Tb. Kold*. Kaspar Gieten ßemfng nach Ässhaeh.
Tb, Koide. Kaspar Grettn Berafaig nach Ansbach. 207
stelle gestattet, fnr die Liebenswürdigkeit. mit der mir das
hohe Konsistorium die Benützung des Aktenm&teräL« gewährte,
meinen wärmsten Dank anszosprechen.
L
B. W nrtzelmauiü an Sei». Heller.
DinkelsbuhL 29. Mai 1 542.
Empfiehlt auf die Kunde, dam Jäh. Eurer gestorben, den früheren
mürttewibergimhm Hafprediger Mag. Katqsjtr Grtter.
Gnad mild fried iu Christo Jesu unsenn Heben berm und hey-
larnd. Würdiger hoebgelerter weyser herr. Nachdem E. würde hoch-
berambt und weit beruffen. das ir aus gnaden gotte« eyn sunderl scher
liebhaber des heiligen göttlichen woits seiet deshalben vleis dorrauf
wendet, domit das löblich fhrstenthumb brandenbuig. ehristenlich
und reilieh (!) mit duehtigen kirebendienera versehen werde welches
dan zur heüigung des göttlichen namens und zur seien heil vieler
mensehen nodtwendig vnd forderlich. Sollicbs werek wird gewieb-
lieh. gott der herr mit r ei lieh ein segen euch beloneny dan der gott
den hern eret den eret er widderumb hie zeitlich und in jenem
leben ewicklich. Dem nach, ob ich gleichwoll E. wirde unbekaadt.
hab ich mich doch nit entsetz an euch zu schreiben* in Sachen
gotte« glori und Erhe belangen, auch vieler ewige Seligkeit. Non
bin ich aber berieebt wie das Eurer im hem verschieden sey. Die-
weil dan vermelter stand erledige, kann ich E. W. nit bergen, das
meynster caspar Gretther. so des hertzogen von wirttenberg
predicant gewesen, eyn vast woll beredter man ist der krieebiseben
und bebrayschen spräche erfabrn auch mit den rügenden geziert
die Paulus in einem Bischof erfordert. Non ist er aber von ge-
dachtem seinem gnedigen herren aus keiner andern ursach hinweg-
kamen, dan da« dem fürsten ein predig, so er M. casper getbon,
nit aller ding gefallen hat. Non hat aber der gut man deßhalben
ime selbig höher ungnad und Unwillen seyns gnedigen hems für-
gebildet- dan er siech in der Wahrheit het dürfen besorgest das dan den
fürsten nachmals vertrösten, das er also zu seiner fürstlichen gnaden
Verkleinerung und von wegen unzeitlicher auch unnodtwendiger foreht
aus dem fhrstenthumb gewiechen were. ist er aber von den rädten
geliebt und der furst ist ime sunderlich mit gnaden geneigt gewesen,
also das auch der stadthalter kürzlich ime geschrieben, das er sich
wiedderumb zu hoff begehen sollt- deshalb er mit dem forsten wolldt
reden. Es ist ime aber beschwerlich, auch wiedderadtens ime
treffendtlich leutt. Dem allen nach hab ich ime geschrieben, wie
ich glaub Meyn gnädiger herr Markgraf Jorg, so er seinen fürst-
lichen gnaden word angezeigt, er solt berufen werdden und im ge-
dachten fursteuthurnh nit wenig nutz schaffen7 dieweil dan ime mein«
208
Th. Kohle, Kaspar Ureters Berufung nach Ansbach.
gnedichsten herns, des marekgraffen gottseligkeit und liebe zum
euaugelio wie allendthalben wolbekaudt ist, zweifei ich ganz nicht,
er wurdt sich berufen lassen. Ich kan viel gedachten maynster
caspar n E. W. nit höher rummen, dan das meyn gnedichster furst
und her in höret. Er ist nit ein alt mau, irgendt über 30 Jar,
hat zeitlich in geschrifften, so von ime ausgangen, genungsam an-
gezeigt, was aus ime werden wurdt. Sollichs hab ich zu fordersten
Gott zu ereil und zu underthenigem wollgefallen meins gnedichsten
lierrns, auch zu ewigem nutz und wolfart der furstenthumbs E. w. nit
unangeziget wollen lassen, und so man in horn wollt, so lasset es
mich wiesseu, auf das ich ime das mog auzeigen. Es must die sacli
nit verzogen werden, dan er selbs besorgt, wo er nit wurdt künden
auzeigen, das er schon eyn beruff hett augenummen, das er wid-
derumb ins furstenthumb wirttenberg must kumen. E. W. woll
mir mein eiufeltig schreiben vor glitt haben, dan ich meyn es gutt,
das weiß gott, der woll euch stercken vnd erhalten bei seinen
gnaden. Amen, geben zu Dunckelsbueh eil auf den andern pfingstag,
Im Jar 1542.
E. W.
w ill i ger Be r n li a r d t
Wurtzelmann
pfarherr zü Dunk eis buch eil.
Aufschr. 1 )em wirdigen und hochgelerten Ernhafften und weysseu
herrn 1 )octor N. II e 11 e r marck grafischen Cantzlern meinem besun-
dern lieben hern.
(Original).
II.
Martin Moninger*'), Pfarrer zu Ausbach
an
den Canzler Sebastian Heller.
Ansbach Anfang Juni*'*).
Rät dringend dazu, den sicherlich treugenieinten Rat Wurtzelnianns,
den Gott schicke , nicht ausser acht zu lassen, denn beide Predikaturen
*) Auf Grund von: Epicedia continentia integram vitae historiam
duoruin Clarissimorum : Beverendi D. Martini Moningeri, Pastoris et Su-
])erintendentis Onolsbacensis : Reverendi D. Johannis Serrani Rosfeldensis
pietatis et amoris ergo scripta a Joliannne Moningero. Wittenbergae 1556
berichtet über Moninger am eingehendsten .1. A Zindel in Georgis Uffen-
heimischen Nebenstnnden Bd. II, Schwabach 1754 S. 733, kann aber in
manchen Punkten ergänzt werden. Geboren wurde Moninger zu Löpfingen
(falsch die Vermutung Karrers, Gesell, der luth. Kirche von Oettingen,
Zeitschrift für luth.Theol. 14. Bd. 1853 S. 660, daß er aus Munuingen bei
Oettingen stammte) am 26. Dez. 1498, besuchte die Schule zu Oettingen
und trat dann ins Karmeliterkloster zu Nördlingen, wurde aber früh
durch Luthers Schriften für die evangelische Lehre gewonnen und als
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung mach Arnsbach ~V*9
sm rerseken. sei ihm mtM mägiktn. der Mangel am gnlen Kräften im
Lande gross die. Doth solle man sieh erkundigen^ e&> Greter nitM
etwa mit „Schwärmerei heim fiel.“
Ich hat* des phamers zu Dunkelspuhel brief ai E. ge-
lesen. und tan mit anders gedendkeo. dam das ers treulich und
treiotlieh meinet mit mrnsenn g. hem. Und wie ich uneins verstand'
die sach bedencke. kan ich mit anderst rechnen, dann das solehs
umserm g. h. unser hergot zuschicke. Dann ich vera Damen inner
zwen tagen, wie her Jacob1} mit komme und uns die arfeait
beder predieatrar zu schwer sein wirt. und unser g. her auch keines
Ke:: . : s. :: s m K'.:s:e: Zrs:-:^rz . . se .
Kautz schon 1518. siehe Geyer. C. Kautz oben Seite M! Hinauf kam
er in den Dienst des Grafen Ludwig von Oeningen. angeblich zunächst
im weltlicher Eigenschaft als Hausverwalter, Ms er dämm beim Zuge ge-
gen die Bauern sein Hof- und Feldprediger wurde und durch seine evan-
gelische Predigt in die äußerste Lebensgefahr kam. was die Vita in etwas
romanhafter Weise darstellt. Zuruekgekehrr verheiratete er sich umd
nahm nicht lange darauf mach derselben Quelle als Kollege Kaspar
Loners und Nik Medlers ein Pretögtamt in Hof am. wobei ich bemerke,
daß diese Hofer Wirksamkeit m. W. sonst nirgends bezeugt ist. und sie
mir um so zweifelhafter ist. als Montnger, als er 1538 nach Wittenberg
kam, dort als Prediger des Grafen Ludwig von Oetümgem bezeichne: wird.
Als solcher hatte er. was bisher nicht beachtet worden ist. Luther die
Mitteilung zu machen, daß sein Landesherr beabsichtige, Luthers Bücher
in VIII ordentliche tomos drucken zu lassen vgl. die dem Grafen von
J. Jonas in Luthers Auftrag gegebene Astwort vom Sonntag nach Michaelis
1533 bei Karrer a a. 0. S. *571. nicht bei Kawexau. Jonasbriefe). Sein
~ .. . ioo e: . . e Erst zach
einiger Zeit, wahrscheinlich nachdem er sich gegen die ursprüngliche Ab-
sicht s. Brief des Jonas) entschlossen, länger zu bleiben und seine Frau
hatte nachkommen lassen, wurde er inskribiert (Martinas Moninger.
Örringensis. 8. Junij 1534. Album Viteberg. 8. 153 und erwarb sich im
Jahre 1535 die Magisterwürde. (VgL J. K stlin, Die Baccalaurei und
Magistri etc. 1L Halle 1888 8. ±K Von Wittenberg soll er direkt nach
Aasbach berufen worden sein, anfänglich mit dem Titel eines Hofkaplans,
als Aushilfe für den viel in Rehgionsangelegenheit beschäftigten Eurer
(Zindel a.. a. Ö. S. 747 . der aber Sriftsprediger war Sicher ist nur', da-
er 1538 Althaxners Nachfolger als Stadtpfarrer wurde, Als solcher schreibt
er schon am 39. April 1539, indem er eine Berufung des Grafen von
Oeningen in die Heimat ablehnt (Kauer S. <(571 ff, und da er von sich
selbst in einem zweiten Brief vom 31. Juli 1538 sagt, daß er „in an-
rieh rang des Evangelijj vnd der Ceremonien der kirehen gebrauch ain
wenig erfhien, als Visitator vnd Examinator* sei (S. 675), wird man
allerdings schon an eine längere Tbatägkeit in Ansbach denken müssen.
Er starb am 36. Oktober 155g.
**) E»aß das undatierte Schreiben unmittelbar nach dem Briefe Wurtzel-
manns zu setzen ist. ergib# die Bezugnahme auf seine Sorge wegen
Schwärmerei und die Frage nach Greters Büchern in dem folgenden Briefe
des Markgrafen Georg au Joh. Brenz.
1) Jakob Strmtuer siehe oben S. 205. Es schwebten hiernach wohl
damals schon Verhandlungen mit ihm wegen seiner Absicht in Berlin
zu bleiben.
210
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
geraten kann, darzu nit vil gebreuchlicher (absit verbo inuidia) Mi-
nistri mer im furstenthumb sein. Ist mein gut beduncken das mau
solchen man, wo er unserm g. h. werden kan, nit möcht dahinden lasse,
sonder ine, auffs furderlichst es sein kan, erfordere, vnd wie wol
ich ine von angesicht nit kenne, so ist er mir doch durch schrillt,
als einer der vil erfaren, bekant, die ich vor 12 Jaren gelesen, aber
yetzo in eil nit können suchen. Doch wann, ine unser g. h. höret,
kan man ine nach gelegenhait versehen, es sey gott hoff, ins stifft,
und ob es unser g. h. haben wolt, auch zum pfarrer allbie, des
ich nit zu wider sein will, oder ist anderst Pangracz en Salczmans,
oder Hans Clausen Canonicat noch verledigt, mit der einem ein
zeitlaug versehen wurde, biß man ine unterbringe, damit das fursten-
thumb nit exhaurirt werde, wie es sich schon anlest. Es were
dann das er verhaft were mit Sch wer merey L), des mir nit
bewust, aber solchs kan man -verhütten, wann man dem pfarrer zu
Dunkelspul schreibet etc. In disem aber wirt unser gn. h. auch
E. herligkeit woll wissen zu handeln pro dignitate personarum,
doctrine, locorum, meritorum. E. w.
(Orig.) Mart. Moninger.
111.
Markgraf Georg von Brandenburg an Joh. Brenz in
Schwäbisch Hall und Simon Schneeweiß.
Ansbach den 3. Juni 1542.
Bittet die Adressaten um umgehende Auskunft über das, was sie von
Greters Leben und Lehre wissen.
Unsern gunstlichen grus zuvor, wirdiger hochgelehrter, besonder
lieber, nachdem herr Johann Rur rer seliger, mit tod abgegangen,
des seelen und uns allen der Allmechtiger Gott durch seinen Sun,
Jhesum Christum gnedig und barmherzig sein wolle, des warlich
wir und unser Landschaft, sonderlich bekommernus empfangen, und
aiu solchen Mann nit gern verloren haben, auch nichts liebers wün-
schen wolten, dann das uns Gott widerumb seins gleichen gnedig-
lich zukomen lassen wolt, Also mögen wir euch gnediger und ver-
treulicher mainung nit pergen, das unserm Cantzier von dem herrn
pfarherrn zu Dinkelspuhel, ains mans halben, Casparn Gretner
genant schreiben und auzaigung gescheen ist, wie ir ab inligender
Copien zu vernemen. Die weil aber nun desselben person, leer oder
wandel alhie, sonders niemaudts kent, dann allain was der herr
pfarrherr1 2) alhie angetzaigt, das er etwa vor etzlichen jaren ausge-
gangene buchlein, unter solchem namen gesehen, der er aber nit
1) Durch ganz große Schrift ausgezeichnet.
2) Moninger, siehe oben seinen Brief.
Th. Kolde, Kaspar Ureters Berufung’ nach Ansbach.
211
sonderliche gedechtnus behalten, so laugt an euch, als der ir un-
gretzweiuelt seins tlions und wesens wissens haben werdet, unser ganz
gnedigs ersuchen uud anlangen, Ir wollet uns seintlialben euer ver-
treuliche unterricht, auch rat und gut bedenucken mitthailen, dann
ir wist, wie es etwo in Württemberg, mit etzliclien wider wertigen
leeren des sacraments und anders halben ain gestalt gehabt. So
können wir nit wissen wie, welcher gestalt oder warumb er haimb-
licli abgeschieden, Dieweil doch Württemberg auch unter den
religious verwanten stenden begriffen, also das wir gern wolten
widerum ain solchen mau an dem ort haben, der herr J oh an
Rurrer seligen ersetzen möcht, dieweil es die gelegenhait hat, das
ain er der ende (sic) allen andern gaistlichen vorsteen helffen soll.
Bitten derwegen aus dem sondern vertrauen, so wir zu euer person
haben und tragen, uns vertreulich euer unterricht, rat und gut be-
duncken mitzuthailen, Wie wir gar- nit zweiuelu, das ir dasselbig zu
furderung Gottes eher und. unser der menschen seelen seligkait mit
getreuem vleis vnd herzlichem wolmainen thon werdet, ob wir und
unser landschafft dieses inans halben, beede der leer und wandeis
halben, zu solchem standt notturftigiich möchten versehen und ver-
sorgt sein, dieweil ir Johan Rurrern seelig wol gekennet, wie
christenlich feiner leer und sonder gescliickliclikait zum predigen
von Gott begnadet dartzu auch, wie ains gar erbarn wesen und
wandeis er gewest ist. Das wollen wir widerum b in allem gutem
gegen euch erkennen vnd beschulden. Gewarten hierauf bei gegen-
wertigem bothen euer widerschrift. Datum Onnoltzbach Sambs-
tags nach dem hailigen ptiugstag Anno xlij.
An H. Johann Brentz, Predigern zu Schwebisch Hall.
Item mut. müt.
An den Pfarrer zu Crailsheim.
(Coucept.)
IV.
Joh. Brenz an Markgraf Georg von Brandenburg.
Schwäbisch Hall, 6. Juni 1542.
Empfiehlt Casp. Greter, unter Mitteilung dessen . uris er von seiner
Vergangenheit iveifs.
Durchleuchtiger hochgeboruer furst, Gottes gnad durch Jesum
Christum, mit erbietuug meins alzeit gehorsamen und schuldigen
dienst zu vor. Gnediger fürst vnd herr, E. F. G. schrift, den töd-
lichen abgaug Herrn Johan Rurers seeligen, auch M. Casparn
Gretern, so E. f. G. von dem pfarhern zu Dinckelspühell, zu
einen predicanten angezeigt belangendt, hab icli vndertheniglich ent-
pfangen, uud ist mir kein zweifei, nachdem her Johan Ru rer
selig, das Euangelion Christi uff das getreulichst gepredigt, und
212
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung- nach Ansbach.
Jesum Christum, den rechten heilandt, tröstlich bekant, er geniesse
schon albereit deren himmelischen guter, so den gläubigen durchs
Euangelion verheissen, und werde mit allen heiligen, uff jenen
tag, der keins wegs aussbleiben wurd, seliglich yfferstehen. So ist
sich auch mehr zu freuen, das E. f. G. ein solchen frummeh gots-
fürchtigen predicanten gehabt, dann zutrawren, das er aus gottis
beruff von diser weit abgeschieden ist. Was aber M. Caspar
Gr et er n belangt, hat es diese gstalt, das er onguerlich vor xiiij
oder xv Jareu bei mir zu hall, in meiner behaussung ein zeitlang
gewonet und mit allem Heiss, auch eerlichem gutem wandel, in den
sprachen, und in der heiligen schrift studirt, hernach, als er, in der
Vniversität heidelberg Magister worden, hat er sich zu dem pre-
digt ampt, wie er dahin von iugent auf erzogen, getlian vnd darzu
durch gottes gnad mit solchem Heiss angehalten, das er der kyrche
nicht allein mit leeren vff der Cantzel, sondern auch mit schreiben,
nützlich worden ist. So ist er auch, meins erfahrens, von den irri-
gen leeren des sacraments, und andern, also unbefleckt, das er wider
solche schuermerey öffentlich gehandelt und geschriben hatt, wie das
zum teil sein Catechismus, den er im truck hatt aussgeen lassen 1),
erweisset. Er hat sich auch zu seinem predigampt so eins red-
lichen wandeis gefliessen, und noch, das er dem selben ampt zier-
lich ist, und ich nicht .anderst ye von im hab hören sagen. Wie
er aber aus Wirtemberg abgeschieden, hab ich mir anzeigen
lassen, dass es ganz keiner schwermerey oder untugent halben,
sonder allein von wegen ettlichen onguerlicher wort, so sich, in der
predig in beysein Meins gnedigen f. und hern lierzog VI ric hen etc.
zugetragen, gescheen sei, und verhoffe gentzlich, so E. f. G. in,
Casparn Gretern selbs verhören, er werde E. f. G. seius ab-
schieds auss Wirtemberg dermassen bericht thun. das sie ein gut
gnedig beniigen daran hoben werde. Dann seins leerens vnd lebens
halben, acht ich in den herrn Eurer seligen, zu ersetzen, ganz be-
quem und tauglich, mit diser Zuversicht, Gott werde in mit seiner
gnad, in angefangeneu und geübten tugenten erhalten, auch die
selben mehren. Yedocli, nach dem ich oft erfareu, das E. f. G.,
mein thorheit genediglicli uffnimpt, kan ich nicht uuderlassen,
E. f. G. des alten hochgierten vnd weitberümpten philosophi Pla-
tonis Comendacion zu recitiren. Dann, als Plato dem könig Dionysio
ein feinen man, Heliconen commendirt, sagt er, das Helicon sei ein
frumer eerlicher vnd redlicher man, hengt aber hinden daran. Das
1) Ein deutlicher Beweis dafür, was man allerdings schon aus der
Greterschen Vorrede hätte entnehmen können, daß der treffliche soge-
nannte Laclnnannsche Katechismus (J. Hartmann, Aelteste katecheti-
sche Denkmale der evangelischen Kirche, Stuttg. 1849 S. 79 ff.) mit Un-
recht Lachmann zugeschrieben wird, vielmehr, wenn auch jener nach der
Vorrede die Anregung dazu gegeben hat, ein Werk Greters ist.
Th. Kolde, Kaspar Ureters Berufung nach Ansbach.
schreib ich spricht er nicht als von einem Gott, der nn wandelbar-
lieh ist, sondern als von einem mensehen, der do ist von arr ein
wandelbar lieh thier1). Also wie woll ich den allmechtigeu vertraue,
er werde den vülgenanten Casparn Gretern anch rnieh nnd an-
dern unser mitgesellen im enangelio forohin gnediglich biss ans endt
nnsträfflich erhalten. yedoch könte ich für mich selbs ufr das künf-
tig nicht bürg werden, das mir kein fass entschlüpfen wurde. Gott
wolle uns alle für dem übell behüten. Amen. Das habe E. f. G.
ich undertheniglieh berichten wollen.
Dann E. f. G. gehorsamen dienst zu erzeigen, erkenne ich
mich allwegen schuldig. Gott wolle E. £ G. was in irem glück
und heil, zeitlich nnd ewig dienstlich, gnediglich verleihen. Amen.
Datum zu schwebisehen hall Dienstag nach dem Sontag trinitatis,
Auno etc. XXXXII.
E. f. G.
alzeit gehorsamer
Johan Brentz, prediger
zu schwebisehen hall.
Aufschrift :
Dem durchleuchtigen hochgebomen forsten und herm, herrn
Georgen Marggraffen zu Brandenburg etc. In «Schlesien zu
ßatibor hertzogen etc. meinen gnedigen forsten nnd herrn.
( Original. )
V.
Simon Schneeweiß an Markgraf Georg.
Crailsheim d. 6. Juni 1542.
Keimt Greter persönlich nicht, hat aber durch Erhard Schncpf auf
dem Reichstag zu Regensburg nur Gutes von ihm gehört und empfiehlt,
dm zu berufen und selbst iu hören.
Durchlenchtiger Hochgebomer Fürst Gnediger E. F. G. seindt
mein schuldig, willig, unterthenige dienst sambt meinem andechtigem
gebete zu Gott, alle zeit bevor, Gnediger Herr E. F. G. schreiben
hab ich mit gepurender ehr nnd reuerentz empfangen, darinnen
dieselben E. F. G. begeren von mir unterricht Caspar Gretners
halben, der ein zeitlang herumb des Hertzogen zu Wirttemberg
Predicaut gewest, ytzt aber auss was Ursachen ist nit wissendt
heimlich abgewieheu. welcher E. F. G. von Herr Bernharden
Wurtzelmann Pfarhern zu Dinkelspuhel gefudert wirdt zu
1) Stammt aus Plutareh Moral 533 B . llaj.tr 6 IRmair *EJbdam m
K\\txtjr(o bthorz .Tooc Aiorvoor kxunolrjr kjrrjrtoer avror ojc k xiftxij sem
ftizoior, tixa xoogeyoatpe r ij exusmijj TFJLEVtdtatj . . dann am Schluß: ygatpM
bi ckh zavra .t sgi ärdotaxov, £tbov yvoei FVftsTaßäj.ov.
Beiträge rar l»*yer. Kire.Len jeeeii i .-Lie. V. 15
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
‘214
lodern und anzunehmen an stat Herr Johann Rurers seligen etc.
Diesem E. F. G. bewelch hin ich willig gantz untertheniglicli volg
zutliun, und ist dis mein unterricht. Erstlich das ich dieses Caspar
Gr e tu er s kein sonderliche kuntschaft kab, denn nur so viel mir
mein lieber Herr und Brueder M. Erhardus Schnepf auf dein
jungst verschinen reichstag zu Regenspurg von im gesagt1), do
ich ihn fraget, was Hertzog Ulrich ytzt für ein hofprediger kab,
nachdem Herr Conrad Otting er, der ein zeitlaug S. F. G. hoff-
prediger gewesen, mit todt abgegangen were 2) und er Schnepf
mir geantwortet, S. G. H. kette zu einem hoffprediger einen feinen
jungen Magistrum, mit narnen Caspar um Gretner, der were in
sprachen geleret, und teutsch wol beredt. Das hat mir von Caspar
Gretner gesagt Erhardus Schnepff. Sonst kenn ich in nicht,
liab ihn auch mit wissen nie mein leben lang gesehen, noch seiner
Buechlein keins gelesen* Mir ist auch onbewuste wie und warainb
Er Caspar Gretner von Hertzogen Vlrichen abkomen. Denn
ich, ehe ich E. F. G. schreiben empfangen, nicht anders gemeint,
er sey noch bei gedachtem Hertzogen. Aber mir zweifelt nicht,
bin auch der guten Zuversicht, zu Herr Bernharden Wurtzel-
mann Pfarher zu Dinkelspuk el , er wurde gedachten Gretner
E. F. G. Cantzier, meinem gunnstigen Herrnn, nicht angezaigt haben,
wo er Wurtzelman vermeinet, das E. F. G. mit gemeltem Caspar
Gretner nicht solt versorget sein. Derhalben ist mein gutbedunken
das E. F. G. oiftgemelten Pfarher zu Dinkelspuhel schreibe,
und den offtgenannten Caspar Gretner beruhen lasse, ihn sehe
und höre. Alsdan werden sich E. F. G. des bas wissen zu richten.
Dass is mein einfeltig, und unterthenig auff E. F. G. begern un-
terricht, Doch alles E. F. G. reicherm bedencken keimgestellet, und
bevilch mich in aller untertkenigkeit derselben. E. F. G. Die wolle
der Almechtige bewaren zu furderung seines Göttlichen worts und
der unterthanen wolfakrt. Amen. Dat. Crailsheim, Dinstag nach
Trinitatis Im xlijten Jar etc.
E. F. G.
Gehorsamer
Simon Schneeweiss
Pfarher zu Crailsheim.
(Original.)
1) Demnach hat Schneeweiss den Markgrafen auf den Reichstag
nach Regensburg 1540/41 begleitet. Auch Rurer war in Regensburg,
denn er gehört mit Simon Schneeweiss zu den von Caspar Bruschius
in Versen gefeierten Besuchern des Reichstags vgl. Horawitz, Ad..
Caspar Bruschius. Prag und Wien 1874. S. 245.
2) Er starb 1540. Vgl. Veesenmayer, Kl. Beiträge zur Geschichte
des Reichstags zu Augsburg 1530. Nürnberg 1830, S. 91 f.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
215
VI.
Caspar Greter an B. Wurtzelmann.
Mühlbach, 1. Juni 1542.
Erfreute Antwort auf einen nicht erhaltenen Brief Wurtzehnanns , der
ihm Mitteilung gemacht, dafs Kanzler Heller sich über ihn in Stutt-
gart erkundigen wolle. Berichtet aber auch, dafs er mit den Herrn in
Wimpfen wegen Übernahme einer Stelle . in Verhandlungen stehe, die
beinahe abgeschlossen wären, äufsert sich über die Gründe seiner
Flucht und erwähnt mehrere seiner Schriften.
S. In Christo Jesu. Dici non potest, quantum me literae' tuae,
frater in Christo dilectissime, exliilarauerint, non tarn eo nomine,
quod animum tuum in me declarant studiosissimum, quam quod
venerint a te literae mihi dilectissimo. Verum vt ad multa paucis
respondeam. Ambiunt euangelicum concionatorem cives tui Wim-
pinenses. Quid obstupescis mi frater, id quod res est loquor,
Wimpinenses inquam tui tanto ardore sitiunt ac esuriunt iusti-
ciam, vt mihi de ipsis plurimum pollicear. Nouus homo est & ad
miraculum usque conuersus Sebastianus ille Linkius quod facile &
a fratre tuo audire potuisti. Hic hic (sic!) in se omnium Sena-
torum ora de euangelio magnifice loquens in Senatum conuertit.
Quid multis? Jam ita mecum agunt & tanta grauitate, vt non dubitem,
quum omnis res ad futuram diem Lunae processura sit foeliciter et
prospero flatu Spiritus saucti ad bonum et desideratissimum portum
Ventura.
Et si quid obstiterit, solus Regulus meus obsistet, qui paruulo
quodam affectu apud se vel nolentem et inuitum me retinere cona-
tur. Hoc inquam hic agitur apud nos et presertim Wimpinenses,
vnde diuino consilio factum esse intelligo, vt Principis Georgii
Archigrammateus quatordecim dierum inducias petierit, nam et has ego
petiturus eram. Et ex re fortasse mea est quod illi ex aulicis nemo
me agnouerit, quum ita notus sim Magistro in quantum sum Mar-
schalco (si modo is est quem puto nimirum Gerardus a Bödicken1),
nam hunc esse quidam mihi domi mee dixerunt) vt notior esse non
possim. Preterea quod Brentii discipulus fuerim, Brentius autem
Principi georgio non vulgariter sit charus, ex eo citius et vitam
et fortunam meam didicissent, quam ex Stutgardiensibus, maluissem
ego etiam Principis Vdalrici senteutiam peti quam aulicorum illorum
xokax cbv, cum enim me magis amant quam Er har dum nostrum.
1) Gerhard Bodigkheim, der nicht Hofmarschall, sondern damals Amt-
mann in Feuchtwangen war (siehe weiter unten die Nachschrift in dem
Brief des Markgrafen an Wurtzelmann Nr. 10). Derselbe fehlt in der
Liste der Amtmänner bei Jacobi, Geschichte der Stadt und des ehe-
maligen Stifts Feuchtwangeu. Nürnberg 1833. S. 217.
l'>*
216
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
Et quid Cancellarius de fuga mea ex imbecillitate facta scribit, mi
frater, talis est; ut eius nec constantissimum poeuitere possit ; fugi
ego quidem, sed vbi fuge mee caussam ipsi Schnepfio & Stathaltero
exposuissenq fugi ; sed ita vt maius scandalum ecclesie prebere
poteram (?), si mansissenq adeo vt eius fuge me non pudeat, apud
cordatissimos quosque, qui cur fugerim caussam norunt, de qua aliqua
apud te pluribus, nunc nolo iam ita excusare, vt quid amarulentius
in Principem meum dicere videar.
Breviter. Talis erat mea conditio in illa aula, vt aut mihi
fugiendum esset & aula deserenda, aut cum etiam ministerij periculo
docendum, quare malui corporis quam animi iacturam facere. Vnde
etiamnum ad aule solum nomen horrescerem. Attamen volun-
tati diuine me non subtraho quodcunque voluerit ipse; fiat. Interim
quodcumque factum fuerit tibi luculenter indicabo. Yale in Christo
Jesu et me vt soles ama.
Mulbacliij, l.(?)Junij Anno XLij.
M. Gaspar greterus
ex animo tuo
Litel’as Cancellarij ad te Wimpinensibus ostendam & breui
vna cum meis ad te remittam.
Quid ad ulteriorem mej noticiam apud Cancellarium facere possit.
Exhibitus est über quidam1) a me conscriptus ex iussu principis
mej in Comitijs postremis Schmalkalden sibus per d. philipp um
Lang2) pie memoire qui ita Melanchtlioni placuit ut exemplar
secum Wittembergam duxerit et vt et Schnepfij etc. Preterea
libellum Brentij de caussis matrimoniaübus lätiuum reddidi atque
olim Principi Georgio dedicani, quem tarnen mendosissime Valen-
tiuus Cobio (sic) Ettünger excusit3) ita vt et ego ipsum amplius
non cognoscam ete.
Aufschr. Ornatissimo viro d. Bernhardo d. Bernhardo
Wurtzelmanno artium ac philosophie magistro ecclesie in
dinckelsbuhel pastori vigilantissimo domino suo in Christo Jesu
majori.
(Original.)
1) Gemeint ist vielleicht das bei Hey d, Ulrich Herzog von Württem-
berg III (1844) S. 219 f. angezogene Schriftstück: Der sechs Praedikanten
des Furstenthums Bedenken über die augsburgische Confession und ge-
folgte Apologie Anno 1540 act. am 16. Febr. Jedenfalls gehörte Greter
zu den sechs Prädikanten. (Auch D. Bossert teilt diese Vermutung).
2) Vertrauter Rat Herzogs Ulrich, der 1541 auf dem Reichstag zu
Regensburg starb. Vgl. J. Hartman, Erhard Schnepf. S. 60, Anm. 73.
3) Traetatus casuum quorundam matrimonialium Joan. Brentio authore.
Anno M. D. XXXII. — Am Schluß Impressum Ettelingae apud Valen-
tinurn Kobian. — Die Widmung Greters an den Markgrafen Georg vom
19. August 1531.
Th. Kol de, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
217
VII.
Der Kanzler Heller an Bernhard Wurtzelmann.
Ansbach, 9. Juni 1542.
Auftrag mit C. Greter zu unterhandeln, der auf drei bis vier Wochen
kommen solle, um zu predigen und die Ansbacher Verhältnisse kennen
zu lernen.
Gottes gnad sambt meinen freuntlichen willigen diensten zu-
vor. Würdiger lieber herr Pfarrer. Uff das wie Ir mir negst ge-
schrieben vnd ich euch widerumb antwort gegeben, so ist meins
gn. hr. Marggf Georgen, auch der herrn stiffts allhie, gnediger
und guetlicher ersuch, das Ir mit herr Caspar n Gretern handlen
wolt, das er unbeschwerd seiu woll hieher zukommen, und ain
Wochen drei oder vier ungeverlich allhier zu predigen, da er auch
I alle notturfftige und haltung haben soll. So kau er alle gelegen-
hait hie erfaren, und indess auch ferner mit ime gehandlt werden.
Dann es hat noch bissherr, Gottlob, mit Irer f. g Predigern und
Pfarrern die gelegenhait gehabt. Wann ain er ain mal bestelt und
augenomen worden, das sich alsdaun wenig enderung zugetragen,
sonder gemainlich bis in ir absterben verharret und plieben sind,
wie es dann auch des freundlichst und best ist, das beederseits uit
vil enderung gegen ainander gesucht werde. Wann dann gemelter
herr prediger hieher kombt, soll er sich bei den rethen antzaigen
und beschaid suchen. Damit Gottes gnaden beuolhen. Dat. Frei-
tags nach Corporis Christi Anno 42.
Aufschr. Dem wirdigen herrn Bernharten Wurzelmann
Pfarrer zu Dinkelspuhel meinem lieben herrn und freund.
(Concept.) Canntzler.
VIII.
B. Wurtzelmann an den Kanzler Heller.
Dinkelsbühl, 13. Juni 1542.
Schickt ihm Greters Brief, spricht seine Meinung über dessen Ver-
hältnis zum Herzog von Württemberg aus und emfiehlt jenen noch-
mals cds Stiftsprediger.
Gottes gnadt sampt meinen gehorsamen willigen diensten
i zuuor. Wirdiger hochgelerter ernhaffter weisser herr Cantzier, E. w.
erst schreiben an mich gethan meinstern Caspar grether belangen
hab ich syns inhalts vernummen, und zu fürder ung des heiligen
j göttlichen worts Sachen, gedachten meinster Caspar euwer schreyben
mit eigener bottschafft zugeschickt, der dau nit bei uns suudern auf
12 meyl weg under Wimpffen von uns wonet. So hab ich inen
meinster caspar ausserhalb seins wiessens gegen E. w. gefordert
und commendirt, doch keiner andern ursack halben, dan das ich
218 Th. Kolcle, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
glaube, gottes glori vnd erhe, auch des löblichen christlichen fürsten
und irrer fürstlichen gnaden furstentliumb seelen heil, nutz und wol-
fart, dordurch zu fordern, was aber M caspar auf mein schreiben
geantwortt, wurdt E. w. aus dem zuschreiben, so er an mich ge-
than auch hiemitt eingeschlossen genung vernummen1). Das aber,
E. w. bott zu lang ist auffgehallten worden, ist die ursach, das ich
auf mein auszgesandten botten gewartet, dan ausserhalb meinster
Caspars zuschreiben wüst ich nit auff ewer schriftlich beger
genungsame antwort zugeben. So hett ich auch hoffenung, der bott
sollt zeitlicher ankummen sein. Es ist aber von mir Euerm botten
endtriechtung bescheen, des so er hei uns verzert hatt und über
seinen willen aus notturfft der Sachen zu gut aufgehallten worden.
Das aber M. caspar vertrauter meinung in seinem schreyben sich
endtschuldiget, das er nit on billiche vnd nodtweudige Ursachen aus
dem furstenthumb gewichen, ist mir vast woll wiessendt gewesen.
Mir hat aber nit wollen geburen, der weil die sach ein fürsten be-
langt, dorvon zuschreiben. So weysz ich auch woll, das viel
frommer gotzfurchtiger leutt bey innen selbs des schmertzen haben,
das ettlich fürsten und hern mit gottes wortt sich nit wollen
züchtigen lassen, Dorzu die do sollten ein fürsten billich von solli -
ehern thon abweyssen, underlassen es doch, etlich aus forcht, etlicli
do mit der herrn gnadt und gunst zu erlangen. Ferners so er selb
M. caspar 14 tag zu eynem bedacht genummen ab oder zu zu-
schreiben, auch anttwurtt gewerttig zu seyn, die weyll dan meyn
gnediger her gesindt. Das seyn fürstlich gnadt an den ort gern
haben wollt eyn gotzforchtigen gelertten klugen und sittigen man,
zweyffel ich gar nit, Ir gnadt sollt an M. caspar ein sollichen
haben wurdden. Demnach were mein einfelltig bedencken und woll-
meynung, E. w. schicket on Verzug ein botten zu meinster Cas-
par, da es noch vnuerseumbt were und so der bott on das zu
Diuckelsbuehell must durchgen, so wollt ich auch der Sachen
zu gutt M. casparn schreiben, dan ich ihe gern nichts an mir
wollt erwinden lassen, das zu furderung sollicher gottseliger Sachen
mocht dienstlich seyn, dan underthenige willige dienst meynem gn.
hern auch E. w. zu erzeygen bin ichs auffs höchst geneigt, geben
zu Dinckelsbuehell auff den 13. Juny Im Jar et. 1542.
E. w.
gehorsamer capellan Bernhardt
W urtzel mann.
Aufschr. : Dem wirdigen hochgelerten ernhafften und meynen
hern Doctor Sebastiano heller fürstlichen Cantzier Meynem
günstigen herrn.
(Original.)
1) Siehe oben Nr. V.
Th. Kolde. Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
219
IX.
Markgraf Georg an C. Greter.
Ansbach. 14. Juni 1542.
Wünscht ihn als Stiftsprediger zu gewinnen und fordert ihn auf, in
Begleitung des zu ihm gesandten reitenden Boten sich nach Ansbach
zu verfügen und sich die dortigen Verhältnisse anzusehen .
Unsem grmstlichen gras zuvor, würdiger hochgelerter besonder
lieber, wie unsers verstehens vnd verhoffens, ans Gottes sondern
gnaden vnd Schickung, enrer person halben an uns anlangen ge-
seheen. Da wir auch derwegen dem wirdigen Hochgelerten nnserm
insonders geliebten H. Johan Brentio, predigern zu Schwebisch
Hall, eueren thalben umb unterricht geschrieben, also haben wir aus
desselben und auch des h. Pfarherrs zu Dinckespuhel erstlich
anzaigmnr, sovil verstanden, das wir begirig und genaigt sind, wo
es Gott also gefellig, euer person, bei uns, und zu unserer stat
alhie. für ain Stiftsprediger zu haben und zuhalten. Demselben
nach haben wir nit unterlassen mögen, euch auch disen unsern
reitend hotten in eil zuzuschicken gantz gnediglich und gütlich euch
ersuchen dt, ir wollet unbesch werdt sein, euch mit demselben den
negsten hieher zu uns zuverfugen, wie dann gemelter unser both von
uns beuelch hat zu Bestellung ainer fhur vnd anderer Verrichtung
mit euer Anweisung vnd hilf vleis zuthon, dem ir auch euer per-
son wol vertrauen mögt, alls der auf' euch warten und mit hieher
bringen soll, und in solchen wollet euch das herz nit schwer sein
lassen, dann wir handeln gar gerne mit solcher leut rath in der-
gleichen embter bestellnng, zu denen wir den sondern vertrauen
bissher biHieh gehabt und noch haben sollen vnd wollen, welch
zeugnus dann genugsam ainen jeden, so sich solcher Sachen sein
seel seligkait betreffend, bekomm ert, bekant sein sollen. Es ist uns
auch vil lieber, aller gelegenhait gnugsame erfarung zu nemen. dan
uns oder die unsern oder einen andern, auf ain ungewis und ver-
enderung zusetzen. Damit wollen wir uns und den unsem. auch
euch und den enern anders nichts wünschen, dan was zu Gottes
lob. durch seines sun unsem hailandt Jhesurn Christum und unser
aller Seelen seligkait und wolfhart dinstlich und forderlich sein mag,
und gewarteu euer mit und neben gegenwärtigen unserm reitenden
bothen.
Dat. Onolzbach. Mittwoehs nach Corporis Christi Anno etc. xlij.
Dem wirdigen und gelerten unserm besond erlich h. Caspar
Greter o Magistro vnd Predicanten.
(CöDcept. i
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
220
X.
Markgraf Georg an Bernhard Wurtzelmann.
Ansbach d. 14. Juni 1542.
Hat auf seiner und Brenz Empfehlung beschlossen, C. Greter zu be-
rufen : sendet zu gleicher Zeit an diesen, um ihn abzuholen , einen
Boten, dem Wurtzelmann zu dessen Auffindung behül flieh sein wolle.
Unsem gunstlichen Gmss zuvor, wirdiger besonder lieber, auf
euer schreiben, so ir unserm Canzler gethan1), welches ime heut
znkomen und auch was der wirdig und hochgelert uns besonder lieber
Magister Caspar Greterus euch geschrieben, ersuchen wir euch,
ganz gnedigs und gutlichs vleis bittendt, dieweil uns gemelter
Herr Caspar von euch und andern, hoch berumbt wurdet, wie wir
dann seinthalben dem wirdigen und hochgelerten unserm insonders
geübten herrn Johan Brencio predigern zu Schwäbisch hall
umb erkundigung und unterricht geschrieben und sonsten gar nirgent
an andern orten, nachforschung gehabt. Dieweil wir bisheer den
gebrauch gehabt, wer uns von dem herrn Doetor Lutter, philipp
vnd herrn Brencio gelobt wurdet, das wir diselbigen für lob wirdig
achten und halten, ir wollet genanten herrn Caspar, dem wir in-
sonderheit auch sampt dem herrn Brencio schreiben thon, von
unsemt wegen auch schreiben vnd bitten, das er sich demnegst auf
unsem costen mit ainer bestellten fhur zu uns hieher verfüge und
begebe und sich anderswo nirgent verspreche. Er soll sich auch
gar nichts bekomern noch anfechten lassen, dann unser gemuth ist
bisheer gestanden und noch, darumb wir auch Gott furthin getreu-
lich bitten wollen, das wir zu fnrderung Gottes worts auch unser
und unsem seelen seligkait. Ironien recht geschaffen und christlichen
gelerten beschaiden predigern zu unserm vermugen gnad und alles
guts beweisen, genaigt gewest, und mit Gottes hilf bis zu beschlus
vnsers lebens sein wollen. Darumb wollet nit unterlassen, solches
zum vleissigisten zu fordern. Das wollen wir widerumb gegen euch
in allem gutem erkennen und beschuldigen. Es hat auch diser
unser reitend both etzlich unsernt halben furgestreckt gelt euch
wider zu geben, und daneben beuelch. demnegsten mit eurem und
unserm briefen zu dem herrn Brencio furter gein Wimpffen oder
wo herr Caspar anzutreffen, darinnen wir bitten, das ir denselben
an Weisung geben wollt, zureichen, damit Gottes gnad und schütz
beuohlen. Dat Mitwochs den virzeh enden tag des Monats junij. ♦
Anno et XXXXII.
Dem wirdigen unserm besonder Heben herrn Bernharten
Wurzelmann pfarherm zu Dinkelspuhel.
Cedula.
1) Nr. YII.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
221
Es ist auch Gerhardt von Bodigkhaim, dauon lierr Caspar
meldung seiner kuntschaft thut, nit unser Hofmarschalks, sonder
unser Amptman zu Feuchtwang, da wir auch den geringsten
gedauken nit gehabt, denselben derwegen anzusprechen oder umb
unterricht zu fragen, wie wir auch solchen Sachen nur gern der fur-
nembsten geiertesten rath pflegen und erkundigung nemen, haben
wir euch dan nocht auch zu unterrichten nit verhalten mögen
Act. uts.
(Concept).
XI.
Markgraf Georg an Brenz.
Ansbach, 14. Juni 1542.
Meldet , dass er Greter holen lasse und bittet dabei behülflich zu seiny
dessen etwaige Bedenken zu zerstreuen und zu seiner Gewinnung mit-
zuwirken, ivobei er betont, dafs jener mit dem Dienst am Hofe nichts
zu thun haben werde .
Wirdiger hochgelehrter, in sonders geliebter, auf euer wider-
schrift und unterricht uns des wirdigen hern Magister Caspars
Greteri person, leer, wesens und wandeis halben gethan, schreiben
und ersuchen wir denselben hiemit bej gegen wertigen unserm reiten-
den bothen sich unverzüglich demnegst mit demselben auf unsern
cost mit bestellung ainer fhur und aller ausrichtigung zu uns hieher
zu uerfugen und sich an kain ander ort zu uersprechen, dieweil er
aber mit euch dermassen herkomen, das er ungezwieuelt ain sonder-
lich hertzlich vertrauen zu euer person hat und tregt, und wir uns
aus etzlichen Schriften beduncken lassen, das er vielleicht umb voriger
begegnus willen, anderer fürsten hove auch scheu trag, dieweil wir
aber euch und ir widerumb uns ain lange gute zeit heer erkennet,
darzu auch her Johan Rur er seliger, nit unser hof sonder Stiffts-
prediger alhie gewest, der mit unserm hof jnsonderhait nichts zu
schicken oder zu schaffen gehabt anders, dan Avas er furfallender
unser vnd des gantz lands notturft, etwo zu reichs und andern tegen
und handlungen, in religions Sachen gebraucht Avorden, Avie dann ir
auch für euer person uns wol zu soliderer Avilfharung zu furderung
GottesAvorts guet und dinstwillig erschienen, so ersuchen und bitten
wir euch gancz gutliclis vleis, ir wollet genantem herrn Ca spar n
Aron unserntAvegen jn sonderliait auch schreiben, und getreue furdrung
tlion, das er sich zu uns begebe und mit unserm reitenden bothen
deßmals hieher zu körnen, nit unterlasse. Dan dieweil sich die Sachen
unsern und seinthalben unbewust dermassen angefangen und zuge-
tragen, so wollen wir es eben (?) für ain Gottes Schickung achten
und halten, mit wunschung und bit zu derselben götlichen gnaden,
Avas hierin zu seinem lob und eher auch unserer underthanen und
222
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ausbach.
seinem selbst fromen, nutz und wohlfkart sein mag, dass es Gott
gnediglich schicken wolle, dann uns ist an solcher gaistlicher embter
bestellung etwas vil höh er s und merers dann anderm gelegen. Da-
mit wünschen wir euch und uns zuvorderst Gottes gnad, und be-
uelken uns und die unsern allerseits mitsampt gemainer christenhait
denselben schütz und schirm. Datum etc. Mitwochs den 14. tag des
monats junij Anno xlij.0.
Dem wirdigen und hochgelerten unsern insonders geliebten
Johan Brentio predigern zu Schwebisch Hall.
Cito.
(ConceptD
XII.
Caspar Greter an Markgraf Georg.
Mühlbach d. 17. Juni 1542.
Hat die Aufforderung des Fürsten erhalten , kann aber, da er sich
mit denen von Wimpfen eingelassen, nicht ohne Weiteres kommen
und bittet, xumal sein Patron (Junkher), den er um Bat fragen könnte,
nicht daheim wäre, um 8 Tage Aufschub.
Durchleuchtiger hoehgeborner furst gnediger herr, e. f. g. seye
meyn gantz willig dienst zu vor. Gnediger furst und herr uff
e. f. gn. gnedigs ansuchen, were derselben hochgedachten e. f. gn.
zu wilfaren und selbs persönlich zu erscheinen onangesehenn, daß
die vocation von e. f. g. mir gnediglichen angebotten zu hob und
dapfer und ich mich bsorg, solcher furzusteen weyt zu gering und
ontuchtig seyn, gantz willig vnd gehorsam gewesen, wo ich
nit, ongeferlichenn vor eynem monat, mich so weyt mit denen
von Wimpfen dieseshalb eyngelassen hett, daß zu furchten ich
kund on sunderlich nachtheyl meynes glimpfs vnd erenn, on ir
weytersz ansinnen vnnd vorwissen, mich so schnell an andere ort
nit begeben, oder niderlassen, Dieweyll dann dem also und meyn
Junkher nit eynheimisch auch sunst niemand umb mich, deß rhadis,
weß mir am erlichsten und furnemsten zuthun, da mit gottes ehr
gefordert und uff allen seyten ergernisz verhütt und verkomen
werde, ich mich so blötzlichen hette zu getrosten. So ist an e. f. gn.
meyn gantz liohHeissig und demütigst bitten, sie wolten mir mein
ußbleiben uff diß mol nit in vngnaden uffo einen, und uff acht tag
gnediglich geduld mit mir tragen, will ich mich in mitteler zeit
keinß fleiß tauren lassen, auch mit meyn armen gebetten gegen
den allmechtigen ankalten, obs durch seyne gotlicke Schickung dahin
körnen möckt, Denn e. f. g. alß einem berumpten christenlichen
gotseligen forsten und herrn zu dienen were mir allezeit eyn sun-
Th. Kol de. Kaspar Greters Berufung nach Ansbach. 223
derliche frend uff erdenn, hiemit sey e. f. g. dem allmechtigen be-
folhen. Da.tnm Mnlbach sampstags den 17. Juni Anno etc. xlij.
E. f. g.
gantz williger vnnd
(Orig.) gehorsamer
Gaspar greter.
xin.
Job. Brenz an Maikgraf Georg.
Schwäbisch Hall d. 18. Jnni 1542.
Teilt mM , weshalb Order nicht sofort kommen könne.
Dnrchlencbüger hochgebomer für st. Gottes gnad durch Jesnm
Christ. mit erbietnng meins alzeit gehorsamen Diensts znvor, Gne-
diger Fürst vnd Herr. Yff E. £ G. beger hab ich meister Casparn
Gr etter mit heiss geschrieben, nnd zweifelt mir nicht, so er aller-
dings ledig were, er wurde von stnnd an zn E, f. G. sich nnder-
theniglich verfügt haben. Er hat mir aber schriftlich zn verneinen
geben, das er sich mit denen von] Wimpffen etwas eingelassen,
anch sein Jnnckher, von dem er viel! gnts empfangen, yetz nicht an-
heimisch, nnd derohalben von E. £ G. ettlich tag ein bedacht nn-
dertheniglich gebetten. Daranff verhoff ich, wie er mir zn erkennen
geben, so es im mit gnttern gewissen mnglieh, sonst sich zn ent-
ledigen. er werde E. £ G. nnderthenigen willen erzeigen. Das hab
E. £ G. ich gehorsamer meinnng nieht verhalten wollen, dann
E, £ G. zn dienen, erkenne ich mich schuldig.
Zn schwebischen hall Sonntags nach Viti Anno XXXX1I .
E. £ G.
nn derth enigen
diener
Job an Brentz
prediger zn
(Orig, j hall.
XIV.
Die M arkgräfli eben Bäte an Caspar Greter.
Ansbach. 18. Jnli 1542.
Nachdem der Fürst bisher vergebens auf weitere Nachricht gewartet^
kommen seine Bäte den ihnen vom Markgrafen bei seinem Ausreiten
gegebenen Befehl- nach und ersuchen Greter , ihnen durch den Ueber-
brimger des Briefes ent gütige Mitteilung über seine Absichten %/u
macform. Zugleich sprechen sie noch einmal ihre grofse Hoffnung auf
ihn und ihrem Wunsch aus , dafs er der Berufung Folge leisten möchte .
Unser frenntlich dinst zuvor. Erwirdiger, besonders lieber her
vnd frenn d. Anf das schreiben, so der dnrchlenehtig hochgeborn
224
Tb. Kolde, Kaspar Greters Berufung nach Ansbach.
furst und her herr Georg Marggraf zu Brandenburg etc. unser
g. h. euch hievor gethan, und euer seiner f. g. darauf gegebene
antwort, die sich auf ungeuerlich acht tag euers gebetten vnd be-
gehrten bedachts erstreckt, haben ir f. g. derselben biß anhir ge-
wartet, dieweil aber denselben uocli kain schreiben von euch zu-
komen, nit konen die wissen, was die vrsacli der Verhinderung oder
vertzug sein mag, So liab ir f. g. zu jetzigem irem aus dem haus
verreithen uus beuolhen, euch widerumb ain aigen bothen zuzusenden
und voriger schrift und widerschrift zu erinnern, Demselben nacli
langt an euch, an stat und von wegen irer f. g. unser gutlichs er-
suchen, für uns selbst freuntlich bit, ir wollet uns bey gegenwer-
tigem bothen dem genommen bedacht nach euer entlieh gemueth und
gelegenliait zuerkennen geben, denn ir f. g. haben gleichwol etwo
auderswo auch wol sovil anlangeus gehabt, das die hett mögen zu
des stiffts predicatur leutli bekomen, dieweil aber nach gehabter nach-
forschung an den orten, dahin ir f. g. und nit unbillich den vertrauen
stellen, demselben sovil bericlits zukomen, das die ain sondere gnedige
Zuversicht und vertrauen zu euer person haben und tragen, ir auch
dieselben vor andern bevolhen sein lassen, und derwegen auch
niemands vor euch stat geben wollen, wo es nun euernthalben imer
mer mit fugen sein und gescheeu konth, möchten wir wol leiden
auch gern sehen und wünschen, wie ir f. g. auf solchen empfangen
bericht, ain sondere naigung zu euer person haben, das auch widerumb
mit Gottes gnedigem willen und Schickung derselben begeren zu Gottes
eher und des gautzen lands aufferung und wolfhart Verfolgung (sic)
widerfure, und begegnet, dann wie wir nach des fromen Gotts-
forchtigen und gelerten mans hern Jo hau Eurers seligen absterben
allerley gelegenliait befunden, wollten wir ja gern, wo es mit Gottes
gnaden und willen seiu könte, das desselben stat möcht zum besten
ersetzt werden, wir halten auch dafür, das ir sollicher predicatur
einkomens und underhaltung halben nit mangel haben noch befinden
sollt, als die jerlich zu gemaynen jaren ordentlicher nutzung ausser-
halb freyer behausung bis in zwaj hundert gülden tregt, und bitten
dißmals nit meer, dann ob und wo ir euch hieher begeben wolt, das
ir uns dasselbig auch wie wan und welcher gestalt ir begert, euch
mit den euern und was euch Gott bescheert, hieherzufuren und zu-
bringen, bej gegenwertigen bothen zu erkennen geben wolt, dann wir
befinden, auf euerer person halben bescheene comandation nit allein
unsern g. li. sondern auch die herrn des stiffts zu allem euerm
guten genaigt, was wir dann auch für unser person daneben euch
angenemer wilfharung und furderung beweisen kunten, sollt ir uns
willig haben, damit was Gottes gnediger will und wolgefallen auch
beederseits nucz und besserung sein mag, gewarten hierauf euer
euerentliche beschribne antwort. Datum Ol (Onolzbach) Dinstags
nach diuisionis Apostolorum Anno etc. xlij0.
Th. Kolde, Kaspar Greters Berufung’ nach Ansbach.
225
Aufschr. Dem Erwirdigen Magistern Caspar Gretern predigen
etc. jetzo zu oder umb Wumpffen, unserm besondern lieben h.
vnd freundt.
Cito.
zu Wimpffen oder Mülbach.
(Concept.j
XV.
Bestallung des Hofpredigers Jacob Stratner von Ansbach
als General Superintendent und Hofprediger im Stift zu
Cölln an der Spree, (s. o.)
Wir Joachim etc. bekennen hyernit und thun kiind vor uns
und unser Erben un nachkomen, das wir dem wirdigen unserm lioflF-
prediger und lieben getrewen Ern Jacob St r ad n er zu unserm
Superintendenten und prediger die zeit seins lebens bestalt, ange-
nommen, und ime dauon wye hernach geseczt gnedigklicben ver-
scbriben und zugesagt haben, bestellen und nehmen ine an hiemit
in kraft diss briefs anf sein lebenlangk, also das er unser Super-
intendent vnd hoffprediger in vnserm styfft allhije zu Co ln an der
Sprew sein und Göttis wort rein lautter ond cristlich predigen, sich
auch in sollichem ampt vnwegerlich gebrauchen lassen soll, dafür
gereden wir ime j erlich iijC fl. soldes unserer landswerung auß unser
kammer zu reychen und volgen lassen, dessgleichen auch alwege
auf das dritte jar ein seyden ehrkleyd zugeben, ob sichs aber zu-
trüge, das er mit alter befallen und also das predigampt nit mer
verwesen kondt, sollen wir unser erben und nachkommen, ime gleich-
wol nichtsweniger ] erlich hundert guldin die zeyt seins lebens lassen
geben. Wir haben ime auch darüber das haus, darinn er jeczo
wohnet, vor aigens vor sich sein weyb und erben erblich zubesyczen,
zu haben und zu halten und als mit seinem guthe damit zugevarhen,
das er auch magk verkauffen und zu seiner gelegenheyt in unsern
stetten Berlin oder Co ln ein anders kaufft, darin wir ine auch
gnedigklicben befördern wollen, damit er dan sollichs seines diensts
bey onß dester mehr geuiessen möge, haben wir ime darüber noch
die drey pfarrhufen so zu der kirchen geliorn, Neukamer vor unser
stat Nauen gelegen gehörigk vor sich sein weyb und erben erblich
veraigendt und voraygens ime die hiemit in kraflt diess briefls, damit
auch als mit dem seinen zu thun vnd zulasseu. Trage sich dann zu,
das er nach dem willen Gottes verstürbe und seiu weib oder kinder
verlassen würde, so sollen und wollen wir uud unser erben seinem
weyb die zeyt ihres lebens jerlich 50 f. zum leybgeding, so lang
sye lebt jerlich auß unser kamer reychen, desgleychen auch einem
jeden seiner kinder, es weren sone oder tochter zur zeit irer ehe-
lichen ausheyrung ijC fl. geben und folgen lassen, dagegen uns 111er
gemelter Er Jacob widerumb versprochen uud zugesagt, die zeytt
226 Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
seyns lebens unser prediger also wie obgesagt zu sein und zu pre-
digen, sich auch bey sollichem dienst treulichen und christlichen
brauchen und am ime keins teyls mangel sein zu lassen, des er uns
auch ferner1) geben vnd treuliche zusagung getlion, alles treulich
und vngeuerlich des zu urkundt. etc.
Undatierte Copie von der Hand der Witwe Stratners in Acta des
St. Gumprechtsstifts 1524 — 1571 fol. 357 im Kreisarchiv zu Nürnberg.
Zum Briefwechsel des Crailsheimer Pfarrers
Adam Weiss.
Von
Karl Schornbaum, Pfarrvikar.
Von den Lebensumständen der um die Einführung der Re-
formation in Franken hochverdienten Männer Joh. Rurer, Adam
Weiß, Georg Vogler, K. Löhner etc. ist uns bis jetzt herzlich
wenig bekannt. So klagt doch schon der schwäbische Forscher
Veesenmeyer 2), daß niemand es unternommen habe, die Lebens-
geschichte des auf dem Reichstag von Augsburg 1530 gegenwärtigen
Joh. Rurers darzustellen, und die Gestalt des markgräf lieben Kanz-
lers Voglers, der wohl die Seele der ganzen Politik Casimirs und
Georgs gewesen ist, beginnt jetzt erst in deutlicherer Weise her-
vorzutreten, nachdem E. J. Jörg3), obwohl ihm archivalisches
Material reichlich zu Gebote stand, nur „einen gewissenlosen Intri-
ganten, durch Ähnlichkeit des Charakters und gleichen tötlichen Haß
gegen die alte Kirche mit dem Nürnberger L. Spengler befreundet,“
in ihm hatte finden können, ein Urteil, welches sich wohl selber
richtet. Schuld daran war wt)hl einerseits der Umstand, daß die
Akten des hochfürstlichen Brandenburgischen Staatsarchives zu Onolz-
bach und die des Hausarchives auf der Plassenburg seit von der Lith
und Lang daraufhin von keinem mehr benutzt worden zu sein
scheinen 4) herein bis in die achtziger Jahre unsers Jahrhunderts,
andrerseits, daß die wohl am meisten Aufschluß gebenden Brief-
1) Hier fehlt ein Wort, vielleicht Sicherung, welches die Abschreiberin,
die Witwe Anna Strätner, nicht hat lesen können und wofür sie ein nichts-
sagendes Zeichen gemacht hat.
2) G. Veesenmeyer, kleine Beiträge zur Geschichte des Reichs-
tags von Augsburg. 1530. Nürnberg 1830 sub Rurer S. 93 f.
3) E. J. Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode. 1851.
S. 613. 614.
4) Ed. Engelhardt, Ehrengedächtnis der Reformation in Franken.
Neue Ausgabe. Nürnberg 1869. S. 156, wußte wohin die Ansbacher Re-
formationsakten gekommen waren, aber benützt hat er sie nicht. Erst
Bossert (cf. Jahresbericht des historischen Vereins von Mittelfranken,
1880, Nr. 40, S. 62) scheint sie zum erstenmal wieder nach dieser Seite
hin einsresehen zu haben.
Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß. 227
Sammlungen dieser Männer uns verloren gegangen zu sein scheinen.
Und doch besaß man noch im vorigen Jahrhundert dieselben und
war ihres Wertes wohl bewußt. So besaß Longolius den Brief-
wechsel Althamers, gesehen hat er die Briefe Rurers1). Die vor
allem wichtige Correspondenz G. Voglers lag vor Beyschlag2), auch
der Briefwechsel von A. Weiss befand sich im Besitz des Nürn-
berger Predigers Negelein. Während nun die im Besitze des Lon-
golius gewesenen Briefe sich vielleicht heute noch linden lassen, die
Briefe Voglers in die Hände Veeseumeyers gekommen sind, fehlen
uns alle Mittel, um Nachforschungen anstellen zu können über den
Verbleib der Briefe von Adam Weiß3). Deshalb hat Bossert in den
Theologischen Studien aus Württemberg begonnen, die zerstreuten
Reste derselben zusammenzustellen. Zwei kleine Nachträge sollen
im folgenden geboten werden.
I.
Ad. Weiß an Job. Kölin, Pfarrer zu Gammersfeld.
Crailsheim, 6. Oktober 1525.
Adam Weiß ersucht den Prokurator der Pfarrer in der Roten -
burger Landwehr Joh. Kölin, Pfarrer zu Gammannsfeld, den ihm
unterstellten Pfarrern den Befehl zu eröffnen, zwischen Burckhardt
und Lucae Ev. Tag nach Crailsheim zu ihm zu kommen, um dort
die Ordnung des Markgrafen Kasimir zu vernehmen, nach der hin-
fort gepredigt und gelehrt werden sollte.
Salutem a Domino, würdiger Herr pfarher. In kurtz verschinen
tagen ist mir ain ernstlicher befelh von unserm gnedigen Herrn den
1) P. D. Longolius, sichere Nachrichten von Braudenburg-Culmbach.
Hof 1754, Teil IV, S. 104 u. Teil V, S. 422. Auch Veesenmeyer hatte
Briefe Rurers; 1. c. S. 95; zu Althamers Briefwechsel cf. auch J. A.
Ballen städt, A. Althameri Vita. Wolfenbüttel 1740, welcher 30 Briefe
an ihn und 2 von ihm abdruckt. Die Briefe Althamers, welche im Be-
sitze des Longolius waren, befinden sich im Bamb. Kreisarchiv M S. VI
N 31 (enthält 100 Briefe an und von ihm) [davon wußte man in Bam-
berg nichts, als ich meine Schrift über Althamer schrieb. Th. Kolde].
2) Beyschlag in seinem sylloge variorum opusculorum 1719 f. druckt
manches ab aus dem Nachlaß Voglers; durch Vergleichung mit dem von
Veesenmeyer 1. c. als in seinem Besitz erwähnten Briefen Voglers, ergibt
sich, daß das Beyschlag vorliegende wenigstens teilweise in seinen Be-
sitz gekommen ist; der zweite Teil von B. sylloge scheint übrigens sehr
selten geworden zu sein; da ihn weder die Bibliotheken Münchens noch
Nürnbergs, wo er doch erschienen ist, besitzen.
3) Die Bedeutung von A. Weiß ist zuerst wieder von G. Bossert
(Prot. Realenz. 18, S. 414) hervorgehoben worden ; doch hat er ihn unserer
Meinung nach überschätzt; wenigstens in der Zeit Casimirs waren doch
— was freilich hier nicht näher bewiesen werden kann — Vogler und
J. v. Schwarzenberg, der seit S. Cantate 1524 (= 24. IV.) in markgräf-
lichen Diensten stand, die eigentlichen Beförderer aller reformatorischen
Schritte M. Casimirs; die Briefe von A. Weiß in den Theol. Studien aus
Würtemberg 1882, S. 314 f.; 1883 S. 30f.; 1885 S. Gif.
228
Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
Marggraven, alle pfarrherrn des Capitels Crailsheim zu mir zu for-
dern zugeschickt. Inen daselbst, die christlich Satzung vnd Ordnung,
so in iren gnaden furstentumben vnd landen, mit predigenn vnd
anderm gehalten soll werden, anzuzaigen. Ist derhalb an stat meiner
gnedigen kerrn, an euch, als einen procuratoren der pfarrher inn
Landtgraben vnsers Capitels, mein mainung vnd befelh, wollent allen
derhalben euch verwanten pfarrherrn solichen befelh anzaigen, vnd
si herein gen Crailsheim zu mir beschaiden, nemlich von burckardi
an nechst kunfftig bis vff den tag Lucae Evangelist, welche tag
darz wischen ir iedem gelegen ist vnausbleiblich zu erscheinen, vnd
allda fürstlichen christlichen befelh, geschefft vnd Ordnung euch vud
inen hören furhalten. Als hab euch vnd inen sey schwer vngnad
unser gnedigen Herrn zu vermeiden. Dan ewer billich gehorsame,
oder der ich mich nit versehe ungehorsame, wurd vnd muss ich
iren fürstlichen gnaden wider anzaigen. Hierumb gebet bey disem
botten ewr sehrifftlich antwort.
Datum annders tags nach Francisci anno XXV.
Adam Weiss Lic pfarherr zu Crailsheim.
Inscr . : Dem wirdigen Herrn Johan Kölin pfarhern zu Gamanns-
feldt. zu aigner Handt. Canzleivermerk: Adam Weiss citiert den
würdigen Herrn Johann Kolin pfarhern zu Gammannfeldt nach
Crailsheim der Markgr. Kirchenordnung halben.
Original im Nürnberger Kreisarchiv. Bothenburger Consistorial-
akten T. I (S. 23 R 2/1) fol. 192. —
Die Haltung des Markgrafen Casimir in der Sache Luthers ver-
ursachte seinen Zeitgenossen schon ebensoviel Kopfzerbrechen wie
den heutigen Forschern: im Lande aber, besonders bei den für die
Ausbreitung des Evangelium äußerst thätigen Predigern wie Johann
Eurer und A. Weiß1 * * * S.), auch bei den für das Evangelium gewonnenen
1) In den Ansbacher Religionsakten (N. Kr. S. 12 R. 1/5 T. I6 fol.
151 — 156) mit irreführenden Titel: „Bericht A. Weiß an M. Georg, die
evangelische Predigt betreffend, sowie auch, was er vormals an M. Casi-
mir geschrieben hat“: abgedruckt bei J. L. Hocker, supp leinen ta zu
dem Heilsbronner Antiquitätenschatz, Nürnberg 1739,
S. 159 ff.; erwähnt auch bei v. d. Lith, Erläuterung der Re-
formationshistorie Schwa bach 17 33, S. 115; Muck, Ge-
schichte des Kloster Heilsbronn 1879, 1880, I. S. 320. Die
Datierung bei Lith 1. c. ist falsch; ein Brief Kasimirs vom 28. März 1526
(N. Kr. Rel. A. II fol. 165. d. d. Ansbach, Mittwoch nach Palmarum) gibt
sich nach den Eingangsworten „Euer Schreiben vnd Ermanung vns dieser
Tag, in unser Hand gethan“ deutlich als Antwort auf obiges Ermahnungs-
schreiben; abgedruckt ist dieser Brief bei Hocker 1. c. S. 167. Bossert
irrt sich, wenn er meint, daß dieses Ermahnungsschreiben Schopper zur
Begutachtung zugesandt worden wäre. (Realenz. 18, S. 414). Welches
Schreiben Schreiben Schopper zugesandt wurde, und aus welchem Anlaß
— 1528 bei Gelegenheit der Vorberatungen über die Kirchenvisitation
— siehe in dieser Zeitschrift Bd. I, H. 3, S. 100, A. 3. Original in den
Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
229
Katen wie Haus von Waldenfels *), selbst bei seinen eignen Brüdern
Georg und Albrecht die ärgsten Besorgnisse,, wie z. B. ein von
A. Weiß an den Markgrafen um die Fastenzeit 1526 gesandtes Er-
mahnungsschreiben beweist* 1 2). Der Markgraf hatte sich offen zu
wehren gegen den Vorwurf, als ob er den „teuf liehen Aufstand u
wohl bekämpft, aber das Evangelium dabei niedergeschlagen habe.
So erließ er am Donnerstag nach Ulrici (= 6. Juli) 1525 an den
Amtmann zu Kitzingen Ludwig von Hutten, Kästner, Vogt und
Bürgermeister daselbst den Befehl, auf allen Kanzeln des Amtes
Kitzingen iedermaun davor warnen zu lassen, fernerhin noch solche
Reden im Munde zu führen: ieder, der sich dessen schuldig machte,
sollte gefänglich eingenommen und bis auf ferneren Bescheid des
Markgrafen verwahret werden (L. Bö lim, der Bauernkrieg in Kitzingen
im Archiv für Unterfranken Bd. 36: 1893, S. 114, 115). Diese
Klagen mußten um so mehr Besorgnis bei dem Markgrafen Casimir
erregen, als er immer seinen Städten und Unterthanen die Weisung
hatte zukommen lassen, wenn ihnen die aufrührerischen Bauern die
Predigt des reinen Wortes Gottes versprächen, darauf zu antworten,
daß sie damit schon längst versehen wären3). Auch hatte er am
in den Ansb. Rel. A. t. Ib fol. 140 — 150; abgedruckt beiBossert, Theol.
Studien aus Würtemberg 1882, S. 85 f.
1) Vergleiche den Brief desselben an G. Vogler, d. d. Samst. nach
Corp. Chr. (= 2. Juni) 26. N. Kr. Ausb. Rel. A. t. II fol. 168, bei v. d.
Lith abgedruckt S. 157—161.
2) cf. für das Jahr 1526: P. Tschackert, Urkundenbuch zur Re-
formationsgeschichte in Preußen 1890, II, Nr. 332, 429, 430, 456, 492
f. Albrecht; für Georg s. Spieß, Aufklärungen in der Geschichte und
Diplomatik S. 67 ff. (das eine Schreiben vom 9. Juni vielfach gedruckt; so
bei Longolius 1. c. V S. 417 ff.; Scultet, annales ad. an n. XXVI. p.109;
Schülin, Leben des Markgrafen Georg 1729, S.50ff.; auch schou 1526 cf.
Weller Rep. 3972, 3973. Georg beklagte sich darüber bei seinem Bruder
(Fragment eines Briefes im N. Kr. A. Rel. A. tom. Suppl. I fol. 16 aus
dem Jahre 1527).
3) In einem Erlaß vom 20. März 1525 bezeichnet er das Vorgeben
der Bauern, nur für das Evangelium kämpfen zu wollen, als erlogen; in
seinem Lande wäre daran kein Mangel zu finden. (Jäger, Markgraf
Casimir und der Bauernkrieg in den südlichen Grenzämtern des Fürsten-
tums unterhalb des Gebirgs. Mitteilungen des Vereins für Geschichte
Nürnbergs. Bd. IX, S. 29). Vergl. auch die Antwort auf eine Bitte Roths
um evangelische Predigt, „er habe allenthalben in dem Fürstentum das
reine Wort Gottes predigen lassen, und sei ferner geneigt, bei demselben
zu bleiben.“ d. d. Onolzbach, 4. Juni 1525. (Jahresberichte des histori-
schen Vereins von Mittelfranken 1871/72. Nr. 38, S. 156, 157; cf. auch
den Bescheid an die Crailsheimer, Jäger 1. c. S. 47 vom 28. April 1525).
Auch die in diesem Jahre mit Sachsen gepflogenen Verhandlungen geben
von diesem Standpunkt des Markgrafen deutlich Kenntnis; So redet
Casimir davon, auf dem Tag zu Salfeld (6. August 1525), daß es nicht
zum Aufruhr gekommen wäre, wenn der Reichstag von Speier zustande
gekommen wäre und die, welche das Wort Gottes nicht gerne unter-
drücken, sich unterredet hätten. An Akten über diesen Tag findet sich
Beiträge zur bayer. Kireliongcaehicbtc. V. 5. 16
230 Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
7. April 1525 (So. nach Judica) ein Edikt ausgehen lassen, welches
die rechte Lehrnorm und Predigtnorm für das Land „das reine Wort
Gottesf< enthalten sollte. Sowohl das Ausführuugsedikt als die
Predigt sind im Druck erschienen. Letztere unter dem Titel: Ein
christlich Predigt wider die unchristliche Empörung und Ungehorsam
etlicher Untertkan, so sie ietzt unter dem Schein des Evangeliums
und christlicher Freiheit on Grund wider sein heiliges Wort und
ihr selbst Ehre, Gelübde und Eid fürnehmen. (Weller Rep. 8615
Nachtrag: das Edikt in Querfolio Nachtrag Nr. 359. Aus dem
Kitzinger Stadtbuch im Archiv für Unterfranken Band 36; 1893,
S. 26: ein Abdruck, vielleicht einer der letzten, die noch erhalten
sind, in der Erl. Univ.-Bibl. In Nürnberg, wie Weller an gibt, nicht
zu finden); auch N. Kr. A. Rel. A. t. Ib fol. 9 — 15. Dieses Aus-
schreiben hatte nur dazu dienen sollen, vorläufig den Gebrauch der
rechten christlichen Freiheit zu zeigen. Nach Schluß des Bauern-
krieges erfolgte eine neue Lehranweisung, die zeigen sollte, wie die
Empörung aus ungeschickten Predigten meistens entstanden wäre
und wie hinfort in den markgräflichen Landen von festem wahrem
Glauben und wahrer christlicher Freiheit des Geists gepredigt wer-
den sollte. Der Erlaß erging am 30. Aug. 1525 (Mittwoch nach
Bartholomaei). Im Nürnb. Kreisarchiv R. Rel. A. t. II, fol. 7 ; das
Edikt fol. 13 — 16. Auch im Druck erschienen: Weller Rep. 3269, 3270.
Der einen Ausgabe ist das Einführungsedikt in Querfolio beigegeben.
(N. Kr. S. 16 R. 4/3. Stift Feuchtwang. Tit. 22 N. 90 a); der
„Underricht“ in den Akten des Stifts Gumbertus (N. Kr. S. 12
R. 3/2 N. 96. Stift Gumbertus: Reformation in sacris ecclesiis.
1524—1561. Tit. XXIX fol. 78 Pr. N. 17) x). Dieser Abriß einer
merkwürdigerweise nur eine allerdings sehr genaue Relation von Voglers
Hand unter Sachen von andern Tagen Georgs mit Sachsen de anno 1529
ganz versteckt. (N. Kr. Ansb. Rel. E. VI, fol. 316 ff.). Ob Zufall? Auch
das äußerst interessante Landtagsprotokoll von 1524, welches die Mei-
nungen aller Praelaten, Räte und Prediger nach einem Stenogramm
Voglers enthält, ist ganz unkenntlich ohne Jahr und Datum; Lith hat
aber seine Bedeutung wohl schon erkannt. Es befindet sich in den Bei.
A. tom II, fol. 102 ff. mit Hieroglyphen ähnlichen Zügen geschrieben.
1) Dieser kurze „Underricht“ hat aber eine noch interessantere Vor-
geschichte. Wie hier nicht bewiesen werden kanu, verfolgte M. Ka-
simir immer mehr seit 1524 den Plan, ganz Deutschland zu einigen durch
einen Bund aller weltlichen Fürsten, die mit einander allen geistlichen
Fürsten und allen Reichsstädten den Garaus machen sollten. Als Eini-
gungsmittel betrachtete er die neue Lehre. Den ersten Schritt dazu
unternahm er eigentlich auf dem bis jetzt in seiner Bedeutung für Kasimir
noch nicht gewürdigten Kreistag von Forchheim (11. und 12. Juli 1525).
Während es den Anschein hatte, als sollte nur wegen der Bundeshilfe
des Schwäbischen Bundes und der Verhütung ferneren Aufruhrs gehan-
delt werden, gedachte er die Städte des fränkischen Kreises ganz an
sein Interesse zu fesseln durch gemeinsames Vorgehen in der Sache der
neuen Lehre — der kurze Underricht sollte die Lehreinheit bilden, —
Schornbaum. Zum Briefwechsel des Adam Weil].
231
im Markgraftum gültigen Lehre wurde nun auch au Ad. Weiß ge-
sandt, mit dem Befehl, die Pfarrer seines Kapitels zu sieh zu for-
dern und ernstlich befehlen, demselben, der nur das reine Wort
Gottes enthielten, sich gemäß zu halten, ^d. d. Onolzbach. Montag
nach Nat. Mariae 25 == 11. Sept. 1525 ) 1 . Weil nun M. Georg
im Jahre 1524 sieben Pfarreien in der Kotenburger Landwehr sich
vollkommen zu bemächtigen gewusst hatte, so konnten auch diese
durch den oben angeführten Brief nach Crailsheim von A. Weiß be-
schiedeu werden (cf. v. d. Lith. 1. c. S. 91). Wer ist nun aber
der Verfasser desselben? Bossert hat vermutet Weiß selbst (EL Real.-
enc. 18 S. 414). Dann dürfte man doch annehmeu, daß in dem
Briefe eine Hinweisung darauf enthalten wäre. Weiß selbst ist
unter Kasimir selten hervorgetreten : aus dem Studium der Keligions-
Acta sowie der dieselben ergänzenden Klosteracta ergibt sich viel-
mehr die Tliatsache, daß nicht sowohl die Prediger als die von frühe
an für das Evangelium gewonnenen G. Vogler ( schon auf dem Reichs-
tag 1521 vou Worms gibt er seiner evangelischen Überzeugung
Ausdruck, cf. den Brief an den Landschreiber Wilhelm Dettelhach
in den Deutschen Reichstagsakten, jüngere Reihe II. S. 853 A. cf.
S. 560 A.2 aus Meusel, histor. - litter. - statisches Magazin I. 207 ff..
Zürich 1802: „Ich hätte auch viel zu schreiben, was guter gott-
seliger Reden er mit mir und andern geredet, und wie ein hold-
selige Person er ist“ 19. IV. 1521). Das Original im Germ. Mu-
seum zu Nürnberg, wohin die Neustädter Kirchenbibliothek, aus der
während die Prälaten durch rasches Handeln zum Anschluß gewonnen
werden sollten; er wollte ihnen die Größe desselben gar nicht zum Be-
wußtsein kommen lassen: der Tag scheiterte an dem zögernden Ver-
halten Nürnbergs und der sofortigen Abreise des Bischofs von Würzburg.
Dei Abschied dieses Tages in den Nürnberger Kreisakten des Kön. K.
Nürnberg (S.20 Rep. 4 1 1. 1 fol. 7 . Die Proposition Kasimirs, welche eben
den „Underricht- vorlegt, ebd. 13 b. ff., sie enthält ein vollkommenes Re-
formationsprogramm. Bis jetzt ist über diesen Tag zu vergleichen:
W. Friedensburg, Zur Vorgeschichte des Gotha -Torgauischen Bünd-
nisses. Marburg 1884. S. 35. 36. J. E. Jörg 1. e. S. 625. 627. J. Jans-
sen, Geschichte des deutschen Volkes 3 S. 25. Freiburg 1881. Jörg hat
wohl die Bedeutung des Unterrichts erkannt, doch muß er natürlich auch
denselben verzerren, cf. S. 631. Der Unterricht ist abgedruckt bei v. d.
Lith, der von der Bedeutung uud Herkunft desselben nichts weiß, weil
er nur die Religionsakten und Reichstagsakten vor sich hatte: vielleicht
ist er auch durch seinen allzufrühen Tod an der weiteren Durchforschung
des ihm vollständig zu Gebote stehenden Archives zu Ausbach gehindert
worden. Er starb ja wenige Tage (14. III. 1733), nachdem er sein Werk
„die Erläuterung“ beendet hatte (11. 3. 33). S. 132 — 13S. cf. Jörg 1. e
S. 826. W. Friedensburg 1. c. S. 24 A. 3. Lang, Neuere Geschichte
von Bavreuth 1798. I. 8. 205. J. J aussen III. 8. 27. C. F. Hagen,
Deutschlands litterarische und religiöse Zustände im Reformationszeit-
alter III, S. 147—149.
1) Aus den A. Rel. A. II fol. 19. 21 abgedruekt bei J. L. Hocker.
1. c. S. 159.
16*
232
Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
die Briefe stammen, teilweise gekommen ist) und Job. v. Schwarzen-
berg. Allein Eurer scheint noch eine Rolle gespielt zu haben
wohl wegen seiner Beziehungen zum Hof. Ist er doch bevor er
Stadtpfarrer wurde 20 Jahre im Dienste der Markgrafen gestanden,
zuletzt als Hofprediger 1). Dieser ist es nun auch, welcher in einer
Bittschrift an die Räte (praesentata Freitag nach Valent. 27 =
15. Fehl*. 1527) ihn aus Gewissensgründen von der Einhaltung des
durch gemeinschaftlichen Befehls Georgs und Kasimirs eingeführten
(d. d. Wien 20. Jan. 1527; mit eigenhändiger Unterschrift der Mark-
grafen) und durch die Räte allen Ämtern zugesaudten Landtags-
abschiedes von 1526 (d. d. Mi. nach. April 1527 = 14. II.) zu
befreien, ausdrücklich erwähnt, „wie wenig Lust und Gefallen er an
Aufruhr habe, wolle er mit seinen fleissigen vielfältigen Predigten
auch mit seinem, seinem Herrn überantworteten und in Druck aus-
gegangenen Sermon oder Predigt wider die aufrührerischen Bauern
bezeugt und erwiesen haben.“ (N. Kr. Rel. A. II fol, 272 ff.). Da
er aber hier von einem Sermon oder Predigt spricht, so wird da-
runter die sub Freitag nach Judica 1525 (7. IV. 1525) an alle
1) Woher stammt Eurer? Etwa aus Schwabach, von wo S. S. 1481
und W. S. 1488/84 ein Job. Rorer de Schwabach in Leipzig immatrikuliert
wurde (G. Erl er, Die Matrikel der Universität Leipzig. I. 1895); in
einem Streit mit dem Stift St. Gumbertus, welches ihm und seinen bei-
den Kaplänen die nötige Kompetenz verweigerte, erwähnt er: daß er
nun bald 20 Jahre unter dieser löblichen Herrschaft gewesen. (N. Kr.
Acta des Stifts Gumbertus; ref. in sacris eccles. 1524 — 61. S. XII R. 2/1
Tit.XXlX N. 96 fol. 46). Gewöhnlich nimmt man an, daß er 1524 Stadt-
pfarrer geworden wäre; aber in einem eben in derselben Sache ergange-
nen Schreiben des Stadthalters, Hofmeisters und der Räte an den Mark-
grafen erwähnen sie: „Dieweil Herr Hans Eurer ein jahr lang Pfarr ge-
wesen ist“. (1. c. fol. 48 ff.). Da nun dieser Streit in die. Zeit der
Abwesenheit Casimirs von Ansbach fällt, derselbe aber Ende Oktober
bis Anfang Dezember 1524 nach Sachsen, Dresden, wo eine Konferenz
mit Georg sta’ttfinden sollte, gereist war (N. Kr. S. X R. 1/3 N. 668
Bestand R. A. Akten 137), so ist wohl 1523 als Jahr der Berufung des
Joh. Eurer auf die Stadtpfarrei anzunehmen. Die Akten, die diesen
Streit betreffen, befinden sich in den Rel. A. tom. Ib fol. 63. 67.
St. Gumbertus Akten l.c. fol. 10 — 77. (12 Produkte) sowie Rel. A. Suppl. III.
Eine andre Nachricht meldet, daß J. Eurer aus Bamberg stamme; dies
teilt mit S. Strebei, der hochfürstliche Brandenburgische Archivar,
der sicher auf archivalischer Quelle fußt. Im Jahre 1741 gab nämlich
der Pfarrer G.S.Esenbeck eine „Erneutes Gedächtnis der altberühmten
Gumbertus Stifts-Kirche“ heraus (Will, bibl. Ncr. Niirnb. Stadtbibi. I. 705),
welchem Streb el anfügte: „Kurzgefaßter Begriff der Historie des
St. Gumbertus Stifts zu Onolzbach zu gefälligen Gebrauch bei vorstehen-
der Einweihung der ueuerbauten Stiftskirche, aufgesetzt von Joh. S.
Strebei, Hof- und Regierungs-, auch Konsistorialrat und Archivar, Mense
Junii 1738“. Diese Schrift, welche viele Einzelheiten oft nur ahnen
läßt, ist von J. Meyer, Die Einführung der Reformation in Franken,
Ansbach 1893, gehörig, wenn auch ohne Ängabe benützt worden. (Arehi-
valisches von 1524/27, was unbekannt wäre, hat Meyer nicht beigebracht) ;
die Notiz -über Rurers Herkunft § 14 S. 13.
Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß. 233
Ämter gesandte Predigt gemeint sein, welche ja ebenfalls gedruckt
ist. Man hat bisher dieselbe Osiander zugeschrieben: so F. Roth,
Einführung der Reformation in Nürnberg. 1885. S. 165 u. Anm. 4
nach dem Vorgang von G. Th. Strobel, Beiträge zur Litteratur
besonders des 16. Jahrhunderts. I. Nürnberg- Altdorf 1784 S. 68.
Aber vergeblich sucht man nach den „guten Gründen“. Es wäre
doch sonderbar, wenn Markgraf Kasimir sich von Nürnberg erst
eine Predigt hätte kommen lassen, nachdem ihm Rurer eine solche
überreicht hatte, zumal da er ja mit Nürnberg gerade in der Zeit
des Bauernkrieges nicht besonders freundlich stand. Er meinte ja,
daß sie im Geheimen die Pläne der Bauern stützten und förderten.
Schrieben doch Wilhelm und Joli. Albrecht an ihren Bruder Kasimir
am 7. Mai 1525, er möge sich mit den Dinkelsbühlern vergleichen,
da man nicht wisse, ob nicht andere „die Nürnberger“ sich zu
ihnen schlagen würden. (J äger, M., Casimir und der Bauernkrieg.
J. des V. f. Gesch. Nürnbergs. IX. S. 73). So wird denn die Pre-
digt „ein christlich Predigt“ wohl von Rurer verfasst sein, mit
dessen sonstigen Schriften sie auch übereinstimmt. Ungewiss ist es
dagegen, von wem der Unterricht vom 11. Juli beziehungsweise
30. August 1525 verfaßt ist.
II.
Ada m Weiß an Georg Vogler.
Crailsheim 3. Juni 1528.
A. Weiß dankt zunächst für die Überlassung eines Fässleius
Bier: wegen der Größe desselben will er sich noch mit Vogler per-
sönlich unterreden; er bittet ihn auch, dem Hans Klingler, Chor-
herren in Feuchtwangen zu befehlen, seine Pfründe in Crailsheim
seinem armen geschickten Pfäfflein zu überlasseu, den auch Rat und
Gemeinde wünsche; er sei dessen dringend bedürftig, weil er in
seiner Abwesenheit Unter all seinen Pfarrern keinen tauglichen Stell-
vertreter habe. Bitten wegen des Markgrafen, um Übersendung von
Schriften und Grüsse.
Gottes gnade zuvor!
Erbarer hochachtbar besünder lieber Herr und Bruder.
Als ich neclist freitag vergangen, von Onoltzbach abschid, be-
kam mir vff dem weg ain kercher, der da ledig wider her gen
Creilsheim fahren wolt, befal ich im, ain veßlin bier, wie ir denn
entlieh mir vergunet, bey euch uffzuladön. Aber ich gedacht, es
wer irgent ain clain veßlin, ich hett. es suust nit begert, deshalben
ist mein vleissig bitt, mir solchs nit zu verargen ; dan zu der bc-
zaluug will ichs mit grossem dank umb euch, womit icli vermag,
beschulden.
Auch wissent lieber Herr, das Herr Hans CI ingier, Chorherr
zu Feuchtwang, sein pfrundlin zu Creilsheim dem armen ge-
234 Schornbaum, Zum Briefwechsel des Adam Weiß.
schickten pfefflin, den ich bey mir jetzo erhalt, nit wurdt zulassen,
es sey denn, das ir meine g. H. die Stathalter vnd die Retlie, im
solchs zu thun schrifftlich vnd ernstlich befehlt; es ist so ein hals-
sterrig mendlin vnd sunderliclier feind aller verkundiger gottlichs
wort, als ich in erfaren hab, er hat sich lassen hören, sein pfrund
sei nur uff meß halten gestifft vnd sollt es hundert gülden kosten,
so soll im der ketzer nit uff sein pfrund, das volk acht weder gött-
licher wort noch menschlicher Gehorsam, nun bedarf ich ja ge-
schickter person zu versehung einer solchen grossen pfarr, vnd hab
vnder all mein meßpriestern nit ain, der mich in mein ab wesen mit
einer predigt mögt vertretten, noch will der gut herr Hans, weder
euch meinen Herrn noch mir zu gefallen — es het in auch Vogt,
Bürgermeister vnd Rathe darumb schrifftlich vnd mündlich ersucht
vnd gebeten 1) — vnd einer ganzen Gemeind hie zu gut ön allen
sein schaden des gering pfrundlin nit lassen gedeyen dem frommen
pfefflin. Befilh es gott vnd euch etc.
Ich thu möglichen Vleiß, nach ewren befelh in unserer sach;
es bedorfft wol zeit solch dapfere sach, nach gepur zu handeln.
Das gott nur bewar, in allem unsern frommen fürsten bey dem
tyraunen; ich sorg ser, vil mer ist zu bitten; des hausvogts bruder
hat mir diessen brieff an euch zugeschickt, ob es möglich wer, be-
gert ich ufifs höchst, den abtruck der gottlosen Vereinigung Pilati
vnd Herodis wider Christum, woll in von stund an wider schicken,
uns bedunkt der landgrave lig zu lang in armbrost, aber der her
weis sein zeit wohl, es sein nur unnutze menschliche gedanken, hiemit
gott befohlen, cum uxore. Mittwochs nach Pfingsten im XXVIII jar.
E. gantzwilliger Adam Weys.
Inscriptio: DemErbarn vnd Hochachtbarn Hern Georgen Voglern
Obersten Marggrevischen Secretariern vnd Vicecancellarien meinem
gepietenden Herrn und Bruder.
Nü. Kgl. Kreisarchiv. S. XVI. R. 4/3. (Alt: Stift Feuchtwang
Tit. XXII N. 1) Rep. 159 fol. 89.
Dieser Brief versetzt uns in die Zeit des Jahres 1528, in
welcher man an eine Neuordnung der religiösen Verhältnisse des
Markgraftums Brandenburg ging. Gemäß dem Befehle von Mark-
graf Georg (Sonntag nach Antoni: Hänlein und Kretschmann,
Staatsarchiv der Kgl. Preuß. Fürstentümer I, S. 393 = 18. Mai 28) j
verfaßten Althamer, Schopper, Weiß, eine Visitationsordnung (cf.
H. Westermayer, Die Braudenburgisch-Nürnbergische Kirchen-
ordnung und Kirchenvisitation 1528' — 33, Erl. 1894 S. 4. Beiträge
zur bayer. Kirchengeschichte I. S. 101). Aus diesem Briefe er-
fahren wir den Termin, an dem diese Reratungen ein Ende hatten,
da ja am 29. Mai Weiß wieder nach Crailsheim zurückkehrte, ln-
1) Die Worte von „es het — gebeten“ am Rand.
Zur Geschichte der Konfirmation speziell in Oettingen. 235
zwischen war ja ein neuer Befehl (23. Mai) ausgegangen, daß Räte
und Prediger in Scliwabach über die gemeinsam mit den Nürnbergern
vorzunelimende Neuordnung sich mit den Nürnberger Abgesandten
unterreden sollten. Deswegen bittet er so dringend, um die Ver-
leihung der Pfründe in Crailsheim an das arme geschickte pfefflin,
weil er sich auf eine längere Abwesenheit gerichtet hielt; darauf
deutet wohl hin auch die Bemerkung von der „dapferen Sach.“
Der ganze Brief gibt ein Zeugnis von dem nahen Verhältnis, in
dem der Kanzler Vogler zu den Predigern stand, und in welchem
Sinne sie das Werk der Kirchenvisitation betrieben.
Zur Geschichte der Konfirmation1) speziell in
Öttingen.
In unserm Oettingisclien Land haben wir sie seit 62 Jahren
auch mit allen Feierlichkeiten. Man unterrichtete zwar schon vor-
her und insonderheit seit dem 30jähr. Krieg in der Fastenzeit die
Kinder, welche man am Palmsonntag zum hl. Abendmahl lassen
wollte, allein sie wurden nie öffentlich konfirmiert. Graf Gottfried
und sein gottseliger Nachfolger in der Regierung waren zwar schon
darauf bedacht, die öffentliche Vorstellung einzuführen; allein ihr
Vorhaben kam nicht eher zu stand, bis auf die Zeit da Fürst Al-
brecht Ernst II., um eine völlige Gleichheit in Kirchensachen in
seinem Lande zu bewirken, eine eigene Kirchenordnung verfertigen
ließ. Es geschah dies in den Jahren 1706 und 1707 durch den
damaligen Generalsuperintendenten Gg. Andreas Steiner, welcher auf
gnädigen Befehl auch die Konfirmationshandlung in dieselbe setzte,
und bei der Einrichtung derselben hauptsächlich die wolfenbüttelsche
Art zu konfirmieren vor Augen hatte. Den 13. März 1707 fing
man im ganzen Lande au, sich nach der neuen Kirchen Ordnung zu
richten und das Jahr darauf 1708 am Palmsonntag konfirmierte man
nach derselben die Kinder das erstemal feierlich. Seit dieser Zeit
1) In einem kleinen Aufsatz unter diesem Titel in diesen Beitr.
Bd. IV S. 192 hatte der Herausgeber darauf hingewiesen, daß nach einer
Notiz bei Michel, Beiträge zur Öttingischen Geschichte I, 47 in den
Öttinger „Wöchentlichen Blättern zum Unterricht und zur Erbauung ge-
meiner Christeu“ 13. St. ein Aufsatz sich fände: „Von der Konfirmation
der Kinder“, diese Zeitschrift ihm aber nicht zugänglich sei. Herr Pfarrer
F. Braun in München hat darauf die Güte gehabt, den Aufsatz nach
einem im Archiv zu Memmingen (Schubl. 350, 9) befindlichen Exemplar
abschriftlich dem Herausgeber mitzuteilen. Da die Zeitschrift sehr selten
ist und die Beschreibung der Konfirmationshandlung von hohem histori-
schen Interesse ist, dürfte ihr Wiederabdruck gerechtfertigt sein.
236 Zur Geschichte der Konfirmation speziell in Oettingen.
beobachtet man diese Konfirmation jährlich am Palmtag' im gan-
zen Land.
Acht ganze Wochen vor dem Palmtag unterrichtet man so-
wohl die Kinder, welche für dieses Jahr konfirmiert werden sollen,
als auch die, welche man über 1 Jahr konfirmiert, und die, welche
schon das vorige Jahr konfirmiert worden sind, täglich wenigstens
1 Stunde in dem Haus ihres Beichtvaters, so dass jedes Kind 3 Jahr
nach einander den Unterricht besuchet. Es müssen ganz besondere
Umstände vorfallen, wenn man sie eher zur Konfirmation annimmt,
als bis sie 13 — 14 Jahr alt sind. Den Sonnabend vor dem Palmtag
lässt man die Tüchtigen zur Beicht gehen. Am Palmsonntag selbst
aber werden sie nach dem ordentlichen Gottesdienst vor der ganzen
Gemeine um den Altar gestellt, in welchem die 3 Geistlichen sich
befinden. Der Generalsuperintendent, welcher die Handlung ver-
richtet, hält nun eine kurze Rede an die Gemeine, in welcher er
ihr vornehmlich die Wichtigkeit der Religion, des Taufbundes und
der Erneuerung desselben vorstellt, sie zum Gebet für die Kinder
ermahnet, sie an ihre eigene Konfirmation erinnert, und andere des-
gleichen schickliche Dinge mit möglichem Nachdruck vorträgt. Daun
fordert er die Kinder feierlich auf, ihren allerheiligsten Glauben, in
dem man sie unterwiesen hat, itzt öffentlich vor Gott und der
christlichen Kirche zu bekennen, worauf er sie wirklich auf eine
große Anzahl Fragen, welche auf die vornehmsten Wahrheiten der
Religion gehen, antworten läßt, und die ganze christliche Lehre
nach dem Katechismus kurz mit ihnen durchgehet. Ist dies ge-
schehen, so müssen sie das Lied: „Ach Gott im Wesen eins“ mit
einer Stimme hersagen, welches ein wiederholtes Glaubensbekenntnis
ist, weil in demselben alle Artikel der Augsburgischen Konfession
enthalten sind. Bei der letztem Konfirmation haben wir die Kinder
überdies noch ein recht erweckliches Glaubensbekenntnis ablegen
hören. Sie mussten alles, was ihre Taufpathen bei der Taufe an
ihrer Statt versprochen, selbst öffentlich versprechen, und auf alle
die Fragen antworten, die man jenen damals vorgelegt hat. Sie
mußten feierlich widersagen dem Teufel und allem seinem Wesen
und Werken und nach dem apostolischen Glaubensbekenntnis be-
kennen, daß sie glauben an Gott Vater, Sohn und hl. Geist. Wenn
sie auf diese Weise ihre Wissenschaft von der Religion gezeigt ha-
ben, so fragt sie der Kirchendiener auf ihre Seele und Verantwor-
tung: Wollt ihr nun euren Glauben, den ihr itzt selber, wie vor-
hin durch eure Doden, bei der Taufe angelobt, niemals verleugnen
und euch weder Gutes noch Böses, weder große Verheißungen, noch
heftige Bedrohungen davon abwendig machen lassen? worauf sie an
Eides Statt einmütig antworten: Nein, da behüte uns Gott für. Die
zweite Frage, die man ihnen vorlegt ist: Wollt ihr aber euren
Glauben, dazu ihr euch vor Gott und seiner Kirche itzt öffentlich
Zur Geschichte der Konfirmation speziell in Oettingen. 237
bekennt, auch insonderheit all dasjenige, was eure Doden bei eurer
Taufe in eurem Namen Gott zugesagt, nunmehr auf eure eigne
Seele und Gewissen nehmen und alle miteinander und jedes insonder-
heit bis an das Ende behalten? Hierauf sprechen sie abermalen
mit einem Munde: Ja, durch die Gnade des Allmächtigen, die wir
von Herzen begehren und von Gott bitten.
Nach diesem redet der Geistliche aufs neue zu der Gemeine,
empfiehlt die Kinder ihrem Gebet, ermuntert sie, zum Dank für die
Gnade, die Gott denselben geschenket, vermahnet sie dieselben nicht
zu ärgern, sondern ihnen mit gutem Exempel vorzugehen, und for-
dert sie zur Andacht bei dem gleich folgenden Gesang und Gebet
auf. Denn nun singt die Gemeine: Komm heiliger Geist, Herre
Gott u. s. w. Nach geendigtem Gesang fallen die vor dem Altar
stehenden Kinder auf die Knie nieder, sämtliche Lehrer breiten die
Hände über sie aus; es wird von dem; der konfirmiert, ein beson-
ders dazu verfertigtes Gebet nach der Kirchenordnung zu Gott über
die Kinder verrichtet und der gewöhnliche Kirchensegen über sie
gesprochen. Die Handlung beschließt man zuletzt mit einem Lied,
worauf die Kinder mit den übrigen Kommunikanten das Abend-
mahl empfangen.
Was man mit dieser Handlung eigentlich haben will und was
sie bedeutet? Man will dadurch Jungen und Alten ihre Religion
recht wichtig machen ; den Kindern auf ihr ganzes Leben ein un-
vergängliches Denkmal setzen. Man will sie auf eine nachdrück-
liche Weise ihres Taufbundes erinnern und ihnen öffentlich sagen,
daß sie getauft seien, daß sie zur christlichen Kirche gehören und
alle Rechte derselben zu genießen haben, daß sie nun als erwach-
sene Glieder derselben wandeln und immer zunehmen sollen an Er-
kenntnis und Heiligkeit. Man will sie feierlich beschwören, daß
sie ihren Glauben niemals verleugnen sollen etc. Wir erwarten bei
dieser Handlung keine unmittelbare Gaben des Geistes und schrei-
ben ihr keine außerordentliche Kraft zu, sondern halten sie für eine
vortreffliche, erweckliche und eindriugende Ceremonie der Kirche,
die wir aus christlicher Freiheit zur allgemeinen Erbauung be-
obachten.
Und dies ist sie auch in der Tliat. Sie ist so rührend, daß,
wie wir schon gesehen haben, bei derselben, wenn sie mit heiligem
Ernst vorgenommen wird, der halben Gemeine die Augen voll
Thränen stunden ; so rührend, daß gesetzten Männern schon oft das
Herz weich wurde. Wär es denn nun -nicht zu wünschen, daß
eine so erbauliche Handlung in allen evangelischen Kirchen vor-
genommen würde? Den Vorstehern wäre es leicht sie anzuordnen,
und die Pfarrkinder würden es nicht lang als eine Neuerung an-
sehen, sondern ihnen bald mit vielen Lobsprüchen dafür danken.
238
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammengestellt von
0. Rieder,
Kgl. Reichsarchivrat in München.
(Fortsetzung.)
Aus Archiv des hist. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg.
Heffner, Carl, Die ehemaligen Domherrnhöfe in Würzburg Bd. IG
S. 183.
Wegei e, Inventar des Kirchen- und Bücherschatzes des Stiftes
Neumünster zu Würzburg aus dem Jahre 1238: S. 245.
Ki,ttel, M. B., Weisthum über Brises oder Priesclioß im Freigerichte J
und Notizen über die Geschichte dieser verschwundenen Ort- j
schaft : S. 258 (mit Beiträgen zur Gütergeschichte des- Frauen-j
klosters Altenmünster in Mainz und des Klosters Seligenstadt).j
Rein, Wilhelm, Ungedruckte Regesten zur Geschichte Frankens
aus sächsischen Archiven: S. 277 (von 1112 bis 16o2,j
insbesondere mit Nachrichten zur Geschichte der fränkischen
Klöster).
Heffner, Carl, Das Schöffenmahl im ehemaligen Ebracher Kloster-
hofe zu Würzburg (ursprünglich am Morgen des Ostertags,
aus der Zeit von 1525 bis 1653): S. 303.
Rein, Willi., Ein unbekanntes Kloster in Ostlieim vor der Rhön
Würzburger Diöcese: S. 318.
Weigand, P. Wigand, Entwurf einer Geschichte der Verfassung
der Kreishauptstadt Würzburg von ihrer Entstehung bis zun
Ende des sechzehnten Jahrhunderts, herausgegeben voi
Anton Ruland: Bd. 17, H. 1 |l864), S. 1 (Die Einleitung
behandelt des Verfassers, der eine Zeit lang Prior in der ehe
maligen Abtei Ebrach war, Leben sgang und historische Ar
beiten über Ebrach etc.; „ Von der bischöflichen Regierun|
mit Rücksicht auf die Stadt-Verwaltung“ S. 43).
Kittel, Weisthümer, mit urkundlichen Bemerkungen und Beilagen
‘ S. 86 (Weistümer von Pleichfeld und Oberbessenbach, beid
Orte im Besitze des vormaligen Kollegiatstifts Peter um
Alexander in Aschaffenburg, wobei einige kirchliche und pfan
liehe Verhältnisse desselben besprochen werden).
Boxberger, Carl, Die Ruine zum Bischoffs S. 124. Mit Gruudril
lief fn er, Über die Baderzunft im Mittel-Alter und später, besoi
ders in Franken: S. 155 (Einschlägige Ordnung im. Katharinei
spital zu Bamberg S. 246).
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften. 239
Boxberger, Carl, Geschichte des Dorfes Niidlingen : H. 2 und 3
(1865), S. 1 (Kirchliche Verhältnisse: S. 7, 37, 52, 71, 87 ;
Güterverhältnisse verschiedener Klöster, Pfarreien und Spitäler:
S. 32, 50, 67, 70, 83; Sage von dem Pfingstgeläute in N.
S. 91).
Kittel, Geschichte der freiherrlichen Familie von und zu Erthal:
S. 97 (über Friedrich Karl Joseph, Kurfürst zu Mainz S. 195;
Franz Ludwig, Fürstbischof von Bamberg und Würzburg,
S. 219).
Reininger, N., Die Weihbischöfe von Würzburg. Ein Beitrag
zur fränkischen Kirchengeschichte: Bd. 18 (1865). Ergän-
zungen s. bei Boss er t in Bd. 34.
Boxberger, Carl, Geschichte des Schlosses und Amtes Boden-
lauben und seiner Besitzer: Bd. 19 H. 1 (1866), S 1 (Grün-
dung des Klosters Frauenroda und Schankungen an dasselbe
S. 30 und 63; Kirchliche Beziehungen S. 73 und 144; Filiale,
dann Pfarrei Amshausen, sowie Sagen über die benachbarte
Wallfahrtskapelle Derzenbrünnlein S. 151).
Kittel, Über den Grad der Zuverlässigkeit der Weisthümer nebst
zweien dahin einschlagenden Weisthümern : S. 170 (wobei u. a.
die Propstei Peter und Alexander in Aschaffenburg beteiligt
erscheint).
Weisthümer aus dem Bachgaue: Bd. 23 (1876), S. 162
(Hexenprozesse daselbst S. 167).
Reininger, N., Beitrag zur Geschichte der Wallfahrtskirche und
ehemaligen Beguinenklause auf dem Kirchberge bei Volkacli:
Bd. 19, H. 1, S. 199.
Stein, Friedrich, Die älteren Verhältnisse der Stadt Lohr S. 204
(mit einigen Notizen über Burgkapelle, Kirche und Kapuziner-
kloster).
Hörnes, Joseph, Die Kirchenmusik in Franken im sechzehnten und
siebzehnten Jahrhundert. Unter Benützung bis jetzt nicht ver-
öffentlichter Notizen aus den Würzburger Rathsprotokollen. H. 2
(1867), S. 1.
Will, Cornelius, Jubiläum Herrn Johanns graven vnd hemm zu
Rieueck, so er gehalten 1528 d. 12. Nov. mit anzeiguug, wer
darauf und darbei gewesen, was jeder darauff verehret, wer er-
schienen von herrn, frawen u. jungfrawen, was u. wie viel
man gerieht gespeißet u. was für eosten darauff gangen sey
S. 211. (Der Jubilar war Domherr zu Köln, Straßburg und
Würzburg und Propst des Stifts Haug zu Würzburg).
Kallenbach, Die Grafen von Loon und Ryneck: II. 3 (1868),
S. 79 (Gründung des Hirsauer Klosters Scbönrain S. 86, so-
240
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
wie der Nonnenklöster Schönau und Himmelthal S. 89 u. 96,
Zerstörung- von Schönau und Schönrain im 16. Jahrhundert 125,
Selbständigmachung der Filiale Rieneck 108, Schlosskapellen
daselbst 116, Reformation in den gräflichen Pfarreien 123).
Kraus, Johann Adolph, Urkundliche Nachrichten über die Wall-
fahrtskirche Fährbrück S. 139.
Urkunden (meist aus dem Würzburger Stadtarchiv, 16 Stück von
1300 bis 1650, jedoch ohne Inhaltsangabe) S. 162 (1. Er-
nennung eines Prokurators am römischen Hofe seitens des
Würzburger Domkapitels 1300; 3. u. 4. Ablaßbriefe behufs
Reparatur der Würzburger Mainbrücke 1322 u. 1439; 6. Bann-
spruch gegen mehrere Freigrafen wegen ihrer Urteile gegen
den Bischof und seine Diöcese 1448; 9. Revers der Karmeliter
zu Würzburg über eine Stiftung für ihr Kloster 1462 ; 10. Die
Pfarrei Prosselsheim mit der Filiale Dettelbach betr. 1465).
Wieland, Michael, Beiträge zur Geschichte der Grafen, Grafschaft,
Burg und Stadt Rieneck: Bd. 20, H. 1 u. 2, S. 61 (Partei-
nahme Graf Philipps für Luther S. 111: Burgkapellen 131;
Schule 147 u. 198; Kirchliche Gebäude 151 ; Klöster Schönau
und Oberzell daselbst begütert 160; Kirchliche Verhältnisse
183; Filiale Schaippach 200; Regesten von 800 bis 1715,
mit vielen kirchen-, kloster- und pfarrgeschichtlichen Notizen
203; Abbildungen aus der Turmkapelle etc. am Schlüsse).
Hörn es, Jos., Die Rathscapelle im Grafeneckhard mit ihrer Vicarie
ad sanctum Felicem et Adauctum. Ein Beitrag zur Kultur-
und Entwicklungs-Geschichte der Stadt Würzburg (mit Grund-
imd Aufriss): S. 369.
Stein, F., Die Reichslande Rineck und die übrigen Besitzungen
ihres Dynastengeschlechtes. Eine historisch - staatsrechtliche
Skizze. H. 3 (1870\ S. 1 (Schirmvogtei in geistlichen Reichs-
stiften S. 21 ; Stift Aschaffenburg 36 ; Reichslehen und Schirm-
vogtei zu Mainz 38 ; Reformation 121).
Kaufmann, Alexander, Nachträge zu ,,Alex. Kaufmann, Quellen-
angaben und Bemerkungen zu Karl Simrock’s Rheinsagen und
A. Kaufmannes Mainsagen, Köln 1862u: S. 137 (Die Hexe
von Stalfelstein S. 144; Das Irrglöckleiu von Seßlach 145;
Der schöne Mönch 167 ; Das Haslocher Thal 168; Das Templer-
kreuz 183).
Stein, F., Wo befand sich das Kloster der heiligen LiobaV Bd. 20,
H. 3. S. 232. Vergl. Link und Kittel in Bd. 23 (1876).
Der fränkische Saalgau nach den Kloster Fuldischen Traditions-
urkunden: Bd. 21, IJ. 1 u. 2 (1871) S. 10 (mit Nachrichten
über Kirchen und Klöster, namentlich in 8. Besitz geist-
licher Stifte u S. 37).
0. Kieder, Aus historischen Zeitschriften. 241
Kühles, J., Beiträge zur Geschichte des Spitals in Aub S. 39
(Regesten von 1355 bis 1627).
Liber mortuorum Monasterii Brunubacensis S. 91 (mit einer
Abbildung des Klosters Bronnbach am Anfang und 4 Tafeln
mit Wappen der Stifter und der Abte am Schlüsse).
St ein, F.. Beiträge zur Geschichte des Königs Konrad I. und seines
Hauses S. 231 (Gründung des Klosters Kettenbach an der
Aar und des Kollegiatstifts Gemtinden S. 290 und 318).
Birlinger. A., Etwas Sprachliches S. 401 (Bemerkungen zu Ben-
sens Hospital im Mittelalter 1853 S. 402 b
Kühles, J.. Das Stifthauger Dekanatsbuch (Kopialbuch über Ur-
kunden, welche ..bis in die Gründungszeit des Kollegiatstifts
hinaufreichen4*): H. 3 (1871), S. 1 (Regesten hieraus von
1017 bis 1774).
Heffner, Carl. Würzburgisch-Fräukische Siegel S. 73 (Beschrei-
bung der fürstbischöflichen Siegel bis Julius Echter v. Mespel-
brunn S. 93: Abbildungen am Schlüsse des Bandes, Taf. I — XI ).
Stein, F., Regesta Franconica aus der Zeit der ostfränkischen
echten Karolinger mit einleitenden Bemerkungen über Herstel-
lung einer Geschichte des bayerischen Frankens: Bd. 22 (1874),
S. 189 (176 Regesten von 833 bis 888. mit vielen kirchen-
und klostergeschichtlichen Notizen).
Döll, Geschichtliche und statistische Nachrichten über die Stadt
Hammelbnrg und Schloß Saaleck S. 263 (mit kirchengeschicht-
lichen etc. Beiträgen, insbesondere: Die Zeit der Reformation
S. 348: Kirchliche Sitten und Gebräuche 446: Die Latein-
schule und das ehemalige Gymnasium 457: Wohlthätigkeits-
Stiftungen 462 : Pfarrkirche und sogen, neue Kirche 488,
Bürgerspital 496: Schulhaus 498, Kapelle Steinthal 518:
Kloster Altstadt 522).
Müller. Ludwig. Gült- und Zinsbücher des Deutschordenshauses zu
Schweinfurt aus den Jahren 1313 und 1337. Nebst einer ge-
schichtlichen Einleitung ,. Das deutsche Haus zu Schweinfurt 4
von Dr. Stein mit einer Tafel Abbildungen S. 553.
Reininger, N., Geschichte der Pfarrei Ebersbach im Landkapitel
Neustadt au der Saale. Mit 3 Beilagen. Bd. 23 (1876) S. 113.
Schäffler, August, Tod und Bestattung des Wirzburger Fürst-
bischofes Melchior Zobel (y 1558): S. 193.
Stein, F., Mittheiluugen aus Handschriften der k. Bibliothek in
Dresden zur Geschichte der oberdeutschen und insbesondere
unterfränkischen Karmeliterklöster S. 233.
Link, Widerlegung der Behauptung, dass das Kloster der hl. Lioba
nicht in Tauberbischofsheim, sondern vielmehr in Bischofsheim
vor der Rhön war: S. 246,
242
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
Kittel, Notiz über die Lage des Klösterleins der hl. Lioba S. 249.
Geschichte der Stadt Obernburg im Regierungsbezirke Unter-
franken und Aschalfenburg S. 255 (0. im Besitze des Stiftes
zu Aschalfenburg S. 286; Schulwesen 802; Geistliche und
Gottesdienst im dreissigjährigen Kriege 387 ; Geschichte der
Pfarrei 384; Reihenfolge der Pfarrer 405).
Schäffler, August, Die Aufzeichnungen des Heinrich Steinruck
über Ereignisse aus den Jahren 1430 bis 1462: S. 475 (über
Johann Capistranus S. 484).
Kraus, Johann Adolph, Megingaud, zweiter Bischof von Wirzburg,
ein fränkischer Graf (753 — 785): Bd. 24 (1880), S. I— XII.
Schäffler, August, und J. E. Br an dl, Das älteste Lehenbuch
des Hochstiftes Wirzburg (14. Jahrhundert). Mit Einleitung,
Register und Erläuterungen. S. 1 (Nachweis der Lage ver-
schiedener Würzburger Klöster etc. S. 275)
Kurze systematische Übersicht des Kreisarchives Würzburg (Ab-
druck aus der Archivalischen Zeitschrift V, 118 — 125): S.329
(Kirchen-, Schul- und Stiftungssachen im Hochstift Würzburg
S. 331 ; Geistliche u. weltliche Yerwaltungssachendes Domkapitels,
Stifte und Klöster inner- und ausserhalb Bayerns 332 ; Erz-
stift Mainz, insonderheit Kirchen-, Schul- und Stiftungsange-
legenheiten, Stifte und Klöster 335; Reichsstadt Schweinfurt,
Kirchen-, Schul- und Stiftungssachen 337).
Reininger, N., Die Kaiserburg Salzburg bei Neustadt an der frän-
kischen Saale: Bd. 25, S. 1 (Die Anfänge des Christenthums
in Ostfranken, die heilige Bilhildis und die Missionäre St. Ki-
lian und Willibrord S. 1 ; Gottesdienst nach der Augsburger
Konfession 25; Missionsthätigkeit des Bonifatius, dessen
Bischofsweihe und Concil auf der Salzburg, Dotation des Bis-
thums Würzburg 36 u. 212; Berathung und Ordnung kirch-
licher Verhältnisse 77 ; Übergabe der Salzburg und des Königs-
hofes an die Würzburger Kirche 102; Die Juden Synagoge auf
der Salzburg 174, Errichtung einer Kapelle im Schlosse Neu-
haus 179, Christenlehre daselbst und in der Kirche zu Dürn-
hof 181, Verzeichnis der Voite von Salzburg, welche sich dem
geistlichen Stande gewidmet 199; die heilige Claußnerin
Liutbirgis 209 ; Grundriss des Schlosses nach S. 256).
Ergänzungen dazu s. bei Schnell in Bd. 29.
Rezension über WillJs Bearbeitung der Böhmer’schen Regesta archiepis-
coporum Maguntinensium, Bd. I (742 — 1160): Bd. 25, S. 249.
Bibra, Wilhelm v., Das Burggrafen- Amt des vormaligen Hochstiftes
Würzburg S. 257 (von S. 309 an Regesten 1—367 von 1033
bis 1534, welche zahlreiche kirchen-, pfarr- und vornehmlich
klostergeschichtliche Notizen aufweisen).
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften. 243
Schnell, Otto, Beiträge zur Geschichte des Marktfleckens Burg-
windheim S. 359 (Pfarrkirche S. 392; Kapelle 396: Säkula-
risation der Abtei Ebrach 405; Eronleichnamsprozession 407;
St. Urban 409, Pfarrei 412; Reihenfolge der Pfarrer etc. 418:
Auszug aus dem Pfarrbuch, die Kirchenpfleger betr., 440).
Hörn es, Joseph, und Johann Adolph Kraus, Die Ruine Schön-
rain bei Gemünden. Mit Abbildungen. S. 449 (Benediktiner-
Priorat daselbst S. 457 ; Klosterkirche S. 498 ; 4 Urkunden-
beilagen von 1139 bis 1456: S. 501).
Amrhein, Aug., Die Prälaten u.Canomker des ehemal. Collegiatstiftes
St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg Bd. 26 (1882), S. 1.
Kraus, Johann Adolph, Wo lag das vormalige Kloster Einfirst a.
d. S.? S. 415.
Eubel, P. Konrad, Die in der Franziskaner-Minoritenkirche zu
Würzburg Bestatteten aus dem Adels- und Bürgerstande: Bd. 27
(1884), S. 1.
Amrhein, A., Beiträge zur Geschichte des Archidiakonates Aschaffen-
burg und seiner Landkapitel S. 84.
Gams, P. Pius B., O. S. B., Personalstand der s. g. „ständigen“
Klöster (bei welchen „stabilitas loci“ herrschte) im Bist.hum
Wiirzburg zur Zeit ihrer Aufhebung im J. 1802 — 3: S. 165.
Amrhein, A., Personalstand des Klosters Bildhausen im Jahre
1324 : S. 212.
Schnell, Otto, Zur Geschichte der Abtei Bildhausen (Visitations-
bescheid von 1774): S. 215.
Bossert, Georg, Das Datum der Urkunde Nr. LXXI, Mon. Boic.
37, S. 30 f. (eines Schankungsbriefes auf St. Pantaleons-Altar
in Würzburg) : S. 301.
Literarischer Anzeiger Bd. 27 S. 315 (Jubiläumsschriften der Würz-
burger Universität). — Bd. 28 (1885), S. 377 (Weberis
Schrift über Bildhauer Dill Riemen schneid er — 2. Aufl. : Bd.
31, S. 143 — ; Bockenheimeris Restauration der Mainzer Hoch-
schule 1784: Roth’s Einführung der Reformation iu Nürnberg
1517—1528). — Bd. 30 (1887), S. 285 (Eubel’e Geschichte
der oberdeutschen Minoriten -Provinz S. 288). — Bd. 31 (1888),
S. 147 (Etliche einschlägige Artikel aus der „Arcliival-i sehen
Zeitschrift“). — Bd. 34 (1891), S. 223 (Festschriften zum
1200jährigen Kilians- Jubiläum). — Bd. 36, Ergänzungs-Heft
(4894), S. 13 ff. (Franz Ludwig v. Erthal, Fürstbischof von
Bamberg und Wiirzburg, ein Charakterbild; Württembergisclie
Geschichtsquelleu, Bd. 1, worin auch Pfarrgeschichtliehes). —
Bd. 37 (1895), S. 276 ff. (Die Augustinerklöster zu Königs-
berg i. Fr. und Wiirzburg; Württemb. Geschichtsquellen, Bd. 2).
— Bd. 38 (1896), S. 281 (Schriften über den hl. Kilian,
Franconia sacra, verschiedene fränkische Klöster etc.).
(Fortsetzung folgt.)
244
Zur Bibliographie.
Zur Bibliographie.*)
^Seeberger, Georg, Pfarrer und Dekan in Bamberg. Handbuch
der Amtsführung für die protestantischen Geistlichen des König-
reichs Bayern diesseits des Rheins. München, J. Schweitzers
Verlag (Arthur Sellier). 1899. 1101 S. Preis Mk. 16.50.
Sehr gerne komme ich der Aufforderung nach, auch an dieser Stelle
auf das mit ganz ungewöhnlicher Sachkenntnis und ausgezeichnetem
Fleiß gearbeitete, sehr dankenswerte Werk zu verweisen *? gehört es auch
nicht gerade in die Kirchengeschichte Bayerns, so enthält es doch eine
große Fülle Materials zur kirchlichen Statistik im weiteren Sinne. Übrigens
werden unsere Nachkommen staunen, wenn sie lesen, was ein bayrischer
Pfarrer am Endo des neunzehnten Jahrhunderts bei seiner Amtsführung
alles beachten mußte. Da ist denn doch das Neue Bürgerliche Gesetzbuch
mit seinen 2385 Paragraphen der reinste Pappenstil dagegen. Und dabei
soll doch der Pfarrer — man wäre fast versucht zu sagen — nicht blos
Amtmannn sein, sondern vor allen Dingen Diener am Wort. Tritt hier
nicht bald eine Reaktion ein, dann läuft die Kirche Gefahr, daß das
Studium der hl. Schrift und der Theologie durch die jährlich wachsenden
Formalien des Dienstes immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird.
Schon gilt ja eine Vorlesung über Kirchenrecht als theologische Vor-
lesung, und ein Student, der diese Vorlesung hört, zählt als Theologie-
studierender, auch wenn er in dem betreffenden Semester sich um keine
theologische Vorlesung kümmert, was bei der Wichtigkeit, die man der
rechtlichen Seite der Kirche heute beilegt, ja sehr begreiflich ist. Um
so dankbarer wird jeder sein müssen für die große Erleichterung, welche
das vorliegende Werk bei der Orientierung über alle Einzelfragen ge-
währt.
E. Frh. von Oefele, Briefe von und an Konrad Peutinger. j
Sitzungsber. der philosophisch-philologischen und der historischen
Klasse d. K. b. Akademie der Wissenschaften. 1898. S. 441. !
Unter den hier mitgeteilten Briefen dürfte für die Leser dieser Zeit- !
Schrift namentlich der an Johann Eck vom 19. Dez. 1514 von Interesse
sein, der uns in die Bemühungen des von Jacob Fugger beeinflußten
Kreises einführt, für Eck die Erlaubnis zu verschaffen, seine Thesen über den
Wucher allenthalben verteidigen zu dürfen. Es ist richtig und längst ;
anerkannt, daß wie Verfasser bemerkt, es sich dabei nicht um Wucher
im heutigen Sinne handelte , aber um Ecks Handlungsweise richtig zu |
würdigen, muß man nach der damaligen Beurteilung der Sache fragen
und nach den Motiven Ecks, dem es dabei sicherlich nicht darauf ankam,
der gerechten Sache zum Siege zu verhelfen.
S. Riezler, Bayern und Frankreich während des Waffenstillstands
von 1647. Ebenda. S. 493.
Endres, Dr. J. A., Professor der Philosophie am k. Lyceum zu
Regensburg. Korrespondenz der Mauriner mit den Emmeramern
und Beziehungen der letzteren zu den wissenschaftlichen Be-
wegungen des 18. Jahrhunderts. Stuttgart und Wien, Jos.
Rotsche Verlagshandluug. 1899. 102 S. 3 Mark.
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Die Entstehungsgeschichte
des Gerüchtes der Konversion der Bayreuther
Schwester Friedrich des Grossen.
Von
Professor Dr. Richard Fester in Erlangen.
Karl Brunner hat in Jahrgang 1898 dieser Zeitschrift,
Band IV, 97 ff. mit Zugrundelegung der politischen Korrespon-
denz Friedrich des Großen erörtert, welche Schritte preussischer-
seits gethan wurden, das Gerücht zu unterdrücken, Markgraf
Friedrich von Brandenburg-Bayreuth und seine Gemahlin
Friederike Wilhelmine Sophie, die Schwester des Königs, seien
in Avignon zum Katholicismus übergetreten. Wenn Brunner
die politische Korrespondenz zugleich durch die Mitteilung
eines königlichen Reskriptes an den preussischen Reichstags-
gesandten vom 1. März 1755 zu ergänzen glaubte, so hat schon
die Redaktion auf S. 194 darauf hingewiesen, dass jenes
Schreiben keineswegs unbekannt wTar. Die Acta historico-
ecclesiastica haben es bereits im Herbst 1755 in ihrem 109. Teile
Seite 20 fg. veröffentlicht. Das Fehlen des Aktenstückes im
Berliner Archive1) mag vielleicht mit jener frühzeitigen Publi-
zierung Zusammenhängen. Mit den Weisungen des Königs an
seine Gesaudten im Haag, in Dresden, London und Regens-
burg zusammengehalten, illustriert sie die Energie des preussi-
schen Dementi.
Wie aber verhält es sich mit der Entstehung des Gerüchtes?
Ist es wirklich in Dresden zuerst aufgetaucht, hat es von da
aus auf dem Umwege über das große europäische Nachrichten-
bureau, über Holland, seinen Weg in die Welt gefunden? Hat
1) Vgl. M. Lehmann, Preussen und die katholische Kirche 3, 355.
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichle. V. G. 17
246 Fester, Die augebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth.
es der Utrechter Zeitungsschreiber in der Korrespondenz aus
Nürnberg und Utrecht vom 18. Februar 1755 zum erstenmale
an die große Glocke gehängt? Ich denke, das alles werden
die Nächstinteressierten uns noch besser beantworten können
als der König von Preussen. Da zeigt sich nun freilich eine
Lücke, die ich vorläufig noch nicht ausfüllen kann. Die Aus-
gabe des Briefwechsels Friedrichs II. mit seinen Geschwistern
und Freunden in den Oeuvres läßt bekanntlich ausserordentlich
viel zu wünschen übrig. Preuss hat von den Briefen Wilhel-
mines an ihren Bruder überhaupt nur einen kleinen Bruchteil
veröffentlicht. Bei der Auswahl scheint mehr die Bequemlich-
keit des Herausgebers, etwa das Vorhandensein des genaueren
in der Regel fehlenden Datums als irgend welcher wissen-
schaftliche Gesichtspunkt maßgebend gewesen zu sein. Sämt-
liche Briefe Wilhelmines aus Südfrankreich und Italien
harren noch des Herausgebers. Erst nach ihrer Rückkehr, in
einem Briefe aus Bayreuth vom 22. August 1755 läßt Preuss
sie wieder zu Worte kommen. Was sie auf das Schreiben
Friedrichs vom 24. Februar 1755 (Oeuvres 27, 259) geantwortet
hat, wissen wir nicht. Nur soviel ist aus Friedrichs Schreiben
ersichtlich, dass ihr Briefwechsel sich bis dahin mit dem Ge-
rüchte noch nicht beschäftigt hatte. Der König selbst hat es
soeben erst erfahren, hat augenblicklich an den Etatsminister
von Podewils entsprechende Weisung ergehen lassen und teilt
es noch an demselben 24. Februar seiner Schwester als Neuig-
keit mit. Die Versicherung, dass er nicht daran glaube, hält
er für überflüssig. Die Geschwister kennen sich beide zu gut.
Jedes Wort über diesen Punkt wäre unangebracht und taktlos.
Friedrich beschränkt sich daher auf die Bitte, „de faire quelque
momerie calviniste, et de la faire inserer dans les gazettes“.
Wenn in den Zeitungen zu lesen ist, dass die Markgräfin unter-
wegs in Marseille oder anderswo eine calvinistische Kirche be-
sucht hat, sind „die Übelgesinnten“ zum Schweigen gebracht.
Man sieht, der Brief schliesst in keiner Weise aus, dass
Wilhelmine und ihr Gemahl schon vor seinem Eintreffen an
ihrem Aufenthaltsorte von dem Gerüchte unterrichtet waren.
In der Tliat wird die Wahrscheinlichkeit Gewißheit, wenn wir
die Bayreuther Akten zu Rate ziehen. Das Münchener Reichs-
Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines von Bayreuth. 247
archiv enthält unter der Rubrik: Brandenburg, Literalien ein
Faszikel mit der Aufschrift: Acta des falschen Gerücht wegen
der Religionsveränderung serenissimi nostri und dero Frauen
Gemahlin k. Hoheit betreffend 1754 — 5“. Es sind nur wenige
Aktenstücke darin vereinigt, aber sie genügen, wenn ich nicht
irre, um den Schlüssel zur Genesis des Geredes finden zu lassen.
In Bayreuth hat man schon Anfangs Dezember 1754 Anlaß
gehabt, Schritte zu thun. Markgraf Friedrich und seine Ge-
mahlin waren Anfangs Oktober nach Montpellier abgereist.
Am 2B. Oktober treffen wir das Paar in Colmar, wo sie Voltaire
begrüßen1), Mitte November in Lyon2). Am 26. Dezember hat
König Friedrich einen Brief seiner Schwester aus Avignon.
Das Gerücht aber wartet nicht, bis die hohen Reisenden die
mittelalterliche Papstresidenz erreicht haben. Der Regierung
in Bayreuth kommt zu Ohren, der Professor der Theologie
Huth in Erlangen habe „in einer vor etlichen Wochen ge-
haltenen Predigt die indiskrete Unbedachtsamkeit begangen,
von einer besorglicken Religionsveränderung an Seiten unserer
und unserer Frauen Gemahlin Hoheit und Liebden auf der-
malig unternommener Reise etwas mit einfließen zu lassen“.
Der Geheimerat Adam Anton von Meyern wird daher unterm
16. Dezember 1754 aufgefordert, Huth zu verhören und Bericht
einzusenden.
Adam Anton v. Meyern war bis 1752 Kanzler der Univer-
sität gewesen3). In welcher Eigenschaft er jetzt herangezogen
wurde, vermag ich nicht zu sagen. In seinem Bericht aus
Erlangen vom BO. Dezember 1754 gab er an, dass er sich zu-
nächst bei Huths fleißigen Hörern, besonders bei Diaconus
Magister Wießner erkundigt habe. Danach könne nur die
Adventspredigt Huths gemeint sein4), worin „von der Kreuz-
kirche Christi und dem Abfall der Großen geredet worden“.
Meyern trug daraufhin Bedenken, mit Huth zu sprechen und
1) Des noiresterres, Voltaire 5, 51.
2) Am 2. Dezember 1754 hat Friedrich einen Brief, der Wilhelmines
Ankunft in Lyon meldet. Oeuvres 27, 252. Der vorhergehende Brief
nr. 282 ist von Preuss falsch datiert.
3) Vgl. Behling, Daniel v. Superville 128.
4) 1754 fiel der erste Adventssonntag auf den 1. Dezember.
17*
‘248 Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth.
schickte die korrekteste der von einigen Bürgern und Studenten
gemachten Nachschriften ein. Diese Nachschrift liegt heute
noch bei den Akten. Der Schreiber kann die Predigt unmög-
lich, so wie sie vorliegt, aus dem Gedächtnis nachträglich zu
Papier gebracht haben. Auch lassen v. Meyerns Worte kaum
eine andere Deutung zu, als daß es damals in Erlangen Mode
war, in der Kirche während des Gottesdienstes die Predigt
wörtlich nachzuschreiben. Uber die von Mevern zitierten All-
gemeinheiten ist der Adventsprediger nirgends hinausgegangen.
Der Landesherr und seine Reise werden mit keinem Worte
erwähnt.
Nichtsdestoweniger enthält der Bericht einen Fingerzeig.
Ob Huth eine Anspielung beabsichtigt hat oder nicht, „der Ab-
fall der Großen“ ist als solche in der Markgrafschaft gedeutet
worden. Wenn das Gerücht nicht einschlief, wenn es von
Franken nach Dresden hin übersprang, wenn es aus dem beab-
sichtigten nach der Ankunft in Avignon den vollzogenen Über-
tritt machte, dürfen wir uns wohl nach einem Leiter der öffent-
lichen Meinung umsehen, dürfen wir fragen, wer ein Interesse
daran hatte, den partikularistischen Klatsch in einen euro-
päischen Skandal zu verwandeln. Da finden wir denn, dass
bereits die noch bevorstehende Reise der Bayreuther Herr-
schaften zu einer Kabale benutzt worden ist. In einer an
Podewils gerichteten Denkschrift vom 29. September 1757 hatte
der Ansbachische Etatsminister Christoph Ludwig Johann von
Seckeudorff Preussen aufgefordert, mit Ansbach zusammen
Schritte zur Rettung der Bayreuther Lande vom Untergange
zu thun1). Wenn es sich in Wahrheit so verhielt, wie Secken-
dorff die Sache darstellte, hatten die nächsten brandenburgischen
Agnaten allerdings alle Ursache, weiterer Verschleuderung ihrer
Bayreuther Eventualerbschaft Einhalt zu thun. Zur Schulden-
tilgung sei, so behauptet er, nicht das Mindeste geschehen, ob-
wohl täglich neue Steuern ausgeschrieben würden. Man eigne
sich unbedenklich Staats- und Waisengelder an, habe bereits
die für den Neubau des abgebrannten Bayreuther Scliloßes be-
willigte Summe zu anderen Zwecken verwendet und dem
1) Politische Korrespondenz 10, 437.
Fester. Die augebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth. 249
Deutschorden ein beträchtliches Gebiet verkauft. Der Hof aber
wolle seine Verschwendung auf die Spitze treiben und dem-
nächst auf neun Monate nach Frankreich reisen.
Wir kennen die innere Geschichte der brandenburgischen
Markgrafschaften leider noch viel zu wenig, um Seckendorfs
Anklagen einer detaillierten Prüfung unterwerfen zu können.
Thatsache ist, daß die an und für sich recht, bescheidene Hof-
haltung auf das kleine Land drückte, daß Markgraf Friedrich
zeitlebens an der von seinem Vater geerbten Schuldenlast la-
borierte. Aber ebenso sicher ist, daß der Ansbachische Minister
maßlos übertrieb. Erst im Sommer war König Friedrich in
Bayreuth zu Besuch gewesen. Wie es dort stand, wusste ei-
ganz genau, aber ebenso genau war ihm die Rivalität der
fränkischen Vettern, vor allem die intriguante Art des Ans-
bachers bekannt. Wir sehen heute in Seckendorfs Denkschrift
einen Beweis dafür, daß die Schilderung des Ansbacher Regi-
mentes in den Memoiren der Markgräfin doch viel weniger
karrikiert ist, als man denken sollte. Dem Bruder Wilhel-
mines aber hat schon der Name Seckendoilf gehässige Erinne-
rungen geweckt. Wer wüßte nicht, welches Herzeleid die
Ohrenbläsereien eines Seckendorf über den preußischen Kron-
prinzen gebracht haben. Wie der Oheim1) als Spion Österreichs
Friedrich Wilhelm I gegen den Sohn aufgehetzt hatte, suchte
jetzt der Ansbacher Neffe den Bruder gegen die Schwester
auszuspielen. Am 9. Oktober 1754 hatten die Staatsminister
Podewils und Finckenstein die von dem Ansbach ischen Resi-
denten Lyncker überreichte Denkschrift Seckendorfs nach
Potsdam eingeschickt. Am 10. befahl ihnen der König, an den
Ansbachischen Minister eine Kopie der beigeschlossenen Ant-
wort zu schicken. Am 12. Oktober ist diese in der Tliat nach
Ausbach abgegangen, unter den unvermuteten von Friedrich
verabreichten kalten Sturzbädern eines der ergötzlichsten. ..Ich
bin sehr erstaunt — schrieb der König an seine Minister über
den lächerlichen Brief, den Seckendorf an euch geschrieben
hat; ich wundere mich, daß ihn der Markgraf von Ansbach
nicht an kleine Höfe (aux petites-maisons) geschickt hat. Secken-
1) Vgl. Polit. Korrespondenz 10, 3i>2 Amn. 3.
250 Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth.
dorff hat gewiß alle Ursache, über die schlechte Bayreuther
Verwaltung zu reden, während sein Herr vor dem Bankerott
steht, allein dieser Hallunke (faquin) will die beiden Mark-
grafen entzweien, und ihr müßt ihm begreiflich machen, dass
er mich in seinen elenden Anschlag nie mithin einziehen wird.
Ich wünschte nur, dem Markgrafen von Ansbach wäre der
Charakter dieses Elenden bekannt: ein Getreuer würde ihm
vorgestellt haben, daß die von meiner Schwester aus Gesund-
heitsrücksichten geplante Reise für ihn selbst wünschenswert
sei. Denn der Bayreuther kann sich wieder verheiraten,
wenn meine Schwester stirbt, und dann: adieu Erbschaft! Ein
Bösewicht von Minister aber redet wie Seckendorlf. Sprecht
mir nicht mehr von dieser Sache, und wenn ihr wieder so
hirnlose Briefe erhalten solltet, hütet euch, sie mir zugehen
zu lassen“.
Wer der Schlange den Kopf zertritt, wird von ihr in die
Ferse gestochen. Gewiß, nachdrücklicher hätte Seckendorlf an
den Unterschied zwischen Großstaat und Kleinstaat, König und
Zaunkönig, Politik und Kabale nicht erinnert werden können.
Aber sollte sich ein Intriguant von seinem Schlage dabei be-
ruhigt haben? Was wollten die Gifttropfen jener Denkschrift
an Podewils gegen ein Gerücht besagen, das dem großen König
bei seinen in Ansbach wohlbekannten Gesinnungen besonders
widerwärtig sein mußte1). Der Verdacht drängt sich unwill-
kürlich auf, daß Seckendorlf das Gerücht wenn auch nicht er-
1) Brunner findet die Zeit der Erholungsreise „ungewöhnlich“, irrt
aber, wenn er auch Friedrich den Großen Bedenken darüber äußern läßt.
Abgesehen davon, daß die Winterreise eines Kranken nach dem Süden
nichts Befremdliches hat, giebt Brunner dem Schreiben des Königs an
seinen Gesandten in Stockholm vom 26. November 1754 eine falsche
Deutung. Die von ihm angeführten Worte Friedrichs beziehen sich auf
die Absicht Ulrikes von Schweden, die Reise ihrer Schwester nach Frank-
reich für ihre politischen Zwecke zu benützen. (Zur Sache vgl. Arnheim,
Beiträge zur Gesch. der nordischen Frage. Deutsche Zeitschrift für Ge-
schichtswissenschaft 2, 416). Der König zeigt sich ängstlich besorgt,
von Wilhelmine jede Störung ihrer Erholungsreise fernzuhalten. Wenn
er etwas auszusetzen fand, war es allein der Umstand, dass seine
Schwester bei der strengen Winterkälte nicht von vornherein weiter nach
dem Süden ging.
Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth. 251
fun den, so doch wenigstens dirigiert hat. Ob wir die Kanäle der
ganzen Intrigue einmal völlig bloßlegen können, lässt sich
natürlich nicht sagen. Verdacht ist kein Beweis. Aber die
Richtung jeder künftigen Untersuchung scheint mir in Erwägung
aller angeführten Momente nicht mehr zweifelhaft. Der Über-
tritt des Erbprinzen von Hessen-Kassel wurde seit dem November
an allen Höfen eifrig besprochen1 2). Warum sollte man nicht
einer Fürstin das Nämliche Zutrauen, die so unvorsichtig war,
den singenden Bischof von Tournai auf dem Spinett zu be-
gleiten, die man in Lyon mit Jesuitenpatres verkehren sah3)!
Was brauchte es da noch mehr, als die Nachricht, dass die
Markgräfin in Avignon eingetroffen sei, um in Umlauf gesetzte
Andeutungen zur Thatsache werden zu laßen. Die Vermutungen
der preussischen Agenten mögen richtig sein. Der Funke ist
wohl von Dresden nach Holland hinübergesprungen. Nach
Dresden aber wird er von Ansbach her gelangt sein.
Obwohl die Münchner Akten darüber nichts enthalten, ver-
steht es sich von selbst, daß die Bayreuther Regierung den
Markgraf alsbald von dem Gerede in Kenntnis setzte. Ehe
noch der Brief seines königlichen Schwagers geschrieben war,
im Februar 1755, machte sich Markgraf Friedrich auf den
Weg. Ein Gewaltritt brachte ihn binnen wenigen Tagen nach
Bayreuth zurück4). Schon am 1. März wußte man in Berlin,
daß er in seiner Residenzstadt an einer öffentlichen Abend-
mahlfeier teilgenommen habe5). Am 11. März lief in Bayreuth
ein Bericht des Bayreuther Reichstagsgesandten v. Rothkirch
1) Vgl. Friedrichs Schreiben an 'den Prinzen von Preussen vom
13. November 1754. Polit. Korrespondenz 10, 469.
2) Friedrich an Wilhelmine 21. Dezbr. (nicht Nov.) 1754. Oeuvres
27, 251: „Je ne connais point l’eveque de Tournai que vous avez accom-
pagne du clavecin ; c’est peut-etre dommage qu’il ne soit pas un Ste-
fanino (ein öfter genannter, damals in Berlin auftretender Kastrat)
il en chanterait une octave plus haut“.
3) Oeuvres 27, 252.
4) Hein ritz, Die Lebensjahre des Markgrafen Friedrich. Archiv
für Gesch. des Ober-Mainkreises II 2, Heft 3 (1836) S. 9. Eine für lo-
kale Dinge recht ergiebige Bayreuther Chronik. Leider sagt der Ver-
fasser nicht, woher seine Notizen stammen.
5) Der letzte Sonntag im Februar 1755 fiel auf den 23.
252 Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth.
vom 8. März ein, wonach der preussische Gesandte v. Plotho
ihm die beiliegende Abschrift des Reskriptes vom 1. März ge-
geben hatte mit dem Hinzufügen, daß er es überall bekannt
machen werde, „obwolen das darinnen erwehnte faux bruit seit
einigen Wochen wiederum von selbst zu cessiren angefangen“.
Der König von Preussen war noch schneller gewesen als sein
Schwager. Ein weiterer Schritt der Bayreuther Regierung
schien jetzt eigentlich überflüssig. Mit kleinstaatlicher Be-
dächtigkeit hatte man sich 14 Tage Zeit gelassen zur Aus-
arbeitung eines Reskriptes an die Bayreuther Komitialgesandt-
schaft. Wenn es auch auf Rothkirchs Bericht hin noch ab-
geschickt wurde, ging man offenbar von der Erwägung aus,
daß man in Regensburg eine # Erklärung des Markgrafen ver-
mißt hätte und das Nachhinken der minderen Glieder des hei-
ligen römischen Reiches schon gewöhnt war. Markgraf Fried-
rich reiste nach Genehmigung des Entwurfes noch am 11. März
wieder ab, um sich mit seiner Gemahlin, vermutlich in Mar-
seille1 2), wieder zu vereinigen. Erst im Hochsommer nach zehn-
monatlicher Reise kehrten beide aus Italien nach der Residenz
am roten Maine zurück. Jener Entwurf aber wurde am
16. März 1755 von dem Minister von Lauterbach und dem
Kammerpräsidenten Philipp Andreas von Ellrod unterzeichnet
und ausgefertigt. Der Markgraf erklärte darin, mit Befremden
gehört zu haben, daß die Reise, die er mit seiner Gemahlin
zur Wiederherstellung ihrer schon geraume Zeit „sehr mißlich
geschienenen Gesundheitsumstände“ in die wärmerenGegenden
von Frankreich unternommen habe, den Anlaß zur Ausbreitung
des sogar in öffentlichen Zeitungen erwähnten Gerüchtes ihres
Übertrittes gab. „Nun haben wir zwar anfänglich — fährt
das Reskript fort — ein dergleichen ungegründetes, vermutlich
aus boshaften Absichten hergeflossenes Spargiment mit einer
großmütigen Verachtung anzusehen den Entschluß um so mehr
gefaßt gehabt, als wir uns versichert gehalten, vernünftige
Leute, welche über die portee des leichtgläubigen Pöbels sind,
würden solcherlei Erdichtungen ohnehin keinen Glauben bei-
1) Heinitz a. a.O. S. 10.
2) Am 3. April hat Wilhelmine von dort aus an ihren Bruder ge-
schrieben. Oeuvres 27, 263.
Fester, Die angebliche Konversion Wilhelmines v. Bayreuth. 253
messen. Nachdem wir aber wahrzunehmen gehabt, daß man
sonderlich in einigen benachbarten Gegenden sich ein eigenes
Geschäft daraus mache, ein solch falsches bruit zu unterhalten,
um nur das Publikum irr zu machen und dem gemeinen nach
ungleichen Begriffen urteilenden Volk fehlerhafte Ideen von
unserer unternommenen Reise beizubringen, auch hier und da,
wo man davon nicht wohl informieret, Ombrage zu machen,
so haben wir uns länger nicht entbrechen können, diese aus-
gesprengte falsche Zeitung aller Orten auf das nachdrücklichste
widersprechen und vor eine Calumnie declarieren zu lassen.
Es gehet dannenhero an Euch unser gnädigster Befehl, solches
bei aller Gelegenheit und sonderlich bei denen evangelischen
Gesandtschaften mit demjenigen Eifer zu thun, welchen wir
wider den Autoren, falls er zu erforschen sein sollte, durch
eine empfindliche Ahndung vorzukehren gewißlich nicht ent-
stehen würden“.
In Bayreuth durfte man mit diesem Reskript die Angelegen-
heit als erledigt ansehen. Wir aber entnehmen dem Aktenstücke,
dem letzten des Münchener Faszikels, zweierlei : die Thatsac.he,
daß in den Nachbargegenden der Markgrafschaft, das heißt in
Ansbach und Nürnberg, am meisten von der angeblichen Kon-
version gesprochen wurde, und den Argwohn, daß hinter der
Verleumdung ein Verleumder stehe. Ob man in Bayreuth auf
Seckendorff geraten hat, erfahren wir vielleicht einmal aus einer
vollständigen Ausgabe der Briefe der Markgräfin. Was mich
dazu geführt hat, Seckendorff mit dem Gerücht in Verbindung
zu bringen, war am Bayreuther Hofe natürlich unbekannt. Denn
der Philosoph von Sanssouci hat von der sauberen Denkschrift
des ansbachischen Ministers seiner Schwester und seinem
Schwager gegenüber um des lieben Friedens willen ganz ge-
wiß nichts verlauten lassen. Wir sind heute so daran gewöhnt,
Tag für Tag durch die Presse lügenhafte Gerüchte ausgespreugt
zu sehen, daß wir nur zu leicht den symptomatischen Charak-
ter der geschilderten Vorgänge übersehen. Den Kulturhistoriker
aber erinnern sie daran, daß Friedrich Schiller im „Geister-
seher“ und in „Kabale und Liebe“ die Schattenseite des Jahr-
hunderts der „Aufklärung“ getreulich geschildert hat. Schillers
Landesherr Herzog Karl Eugen von Württemberg war der
254
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
Schwiegersohn der Markgräfin, und Wilhelmine hat schon bald
nach der Vermählung ihrer sehr jungen Tochter tiefbekümmert
mit ihrem Bruder erwogen, wie man den der Herzogin nahe-
gelegten Übertritt zu dem katholischen Bekenntnis ihres Gatten
verhüten möge1). Auch hier ist der Briefwechsel lückenhaft,
doch reicht das Bekannte völlig hin, uns „eine sichere An-
schauung über das persönliche Verhältnis der Fürstin zur Kirche
gewinnen“ zu lassen.
Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
Von
Pfarrer Friedrich Lampert, in Ippesheim.
Für wenige Pfarrbeschreibungen fließen vielleicht die urkundlichen
Quellen spärlicher als für die meinige. Was vorhanden war, ist
möglicherweise zerstreut in den Archiven der oft wechselnden Herr-
schaften Ippesheims, oder zu Grunde gegangen, als im Jahre 1634
nach der Schlacht von Nördlingen, kaiserliche Völker den größten
Teil des Ortes, darunter Schloß und Kirche, zusammenbrannten.
Nur das steht fest, daß früher die Bischöfe von Würzburg, der
Deutschorden und die Hohenlohe hier Besitzungen hatten. Auf letztere
folgten zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Herren von Lichtenstein,
das nun ausgestorbene, reichbegüterte oberfränkische Geschlecht, dem
jedenfalls auch die Einführung der Reformation auf seinen Be-
sitzungen zu danken ist und das während des ganzen 16. und
17. Jahrhunderts hier Besitz behauptete, selten aber persönlich sich
zeigte, sondern durch seine „Vögte“ die Jurisdiktion üben ließ.
Erst im letzten Jahre des 17. Jahrhunderts wechselte Ippesheim
wieder seinen Herrn, indem es an die Grafen von Castell überging,
von denen es aber schon 1733 an die Hutten auf Frankenberg
verkauft wurde, um nun den Hauptort von deren ausgedehnter
Herrschaft zu bilden, bis es 1796 unter preussische Landeshoheit
und mit dem ganzen Markgrafentum 1806 an die Krone Bayern kam.
Daß aber Ippesheim eine wenn auch nicht gerade ältere Ge-
schichte, so doch eine viel ältere Herkunft hat, das darf man
vielleicht schon aus seinem Namen schließen, welcher, von dem an
seiner Westseite fließenden Bachs Iph oder Iff genommen, es jedenfalls
zu dem alten Iffigau zählte, daun aber auch aus der Tradition ent-
nehmen, die, weithinauf nachweisbar, vererbt hat, daß das Dorf einst
1) Briefe Friedrichs vom 17. Juni, 14. und 26. Juli 1749. Oeuvres
27, 190 ff.
Lampert, Zur Pfarr geschieh te von Ippesheim.
255
weiter südwärts, dort wo eine uralte Quelle, die „Bonifaciusquelle**,
in altes Gestein gefaßt, ihren klaren Born zeigt, gestanden und daß
diese Quelle selbst sein Mittelpunkt gewesen sei. Wohin der Name
Bonifacius deutet, braucht nicht gesagt zu werden, aber, da der
„Apostel der Deutschen“ mit seiner Mission nicht bis hierher vor-
gedrungen, sondern in unseren Gegenden der der Franken, Kilian
vorausgearbeitet hatte, so haben wir in dem Namen dieses obk suren
Brünnleins wohl einen neuen Beweis für die Thatsache, wie die
spätere römische Kurie, wo sie konnte, das was die Vorgänger des Bo-
nifacius gethan. diesen abzustreiten und in die Ruhmeskrone des von
ihr viel höher geschätzten, weil ihr ergebeneren päpstlichen Dienst-
mannes einzuflechten suchte. So hat man auch diese Quelle, welche
gewiß die Erinnerung an die erste Christianisierung dieser Gegenden
lebendig erhalten sollte, aber eben so gewiß nicht den Namen des
Bonifacius trug, trotzdem auf' ihn umgetauft. Aber damit haben wir
auch den Beweis für die Wahrscheinlichkeit jener Tradition von dem
höheren Altar Ippenheims, welcher noch durch ein architektonisches
Zeugnis unterstützt wird, den schönen schlanken Turm der Kirche
nämlich, welcher in den Septembertagen 1634 von den diese ver-
heerenden Flammen verschont blieb und heute noch in seinen
Rundbogenfensteru den reinsten, auch weit hinauf reichenden roma-
nischen Stil unverkünnnert aufzeigt.
Auch ein Regen wetter kann dem historischen Spürsinn zu Hilfe
kommen1). Da finde ich in einer alten Chronik, deren sonstige
Angaben mir keinen Zweifel an der Richtigkeit aller aufkommeu
ließen: „in Ippesheim hat a. D. 1525 Markgraf Casimir 15 Bauern
die Köpfe abschlagen lassen.“ Daß dies wirklich vorgekommen, war
mir sehr wahrscheinlich, warum sollte ein solches Blut- und Straf-
gericht des rachedürstend umherziehenden Bauernrichters hier unmög-
lich gewesen sein, wenn ich es auch in den Spezialgeschichten des Bauern-
kriegs nicht erwähnt fand? Da hatten wir einen ziemlich regne-
rischen Sommer : heftige Gewittergüsse weichten das Erdreich auf
dem Platz zwischen Kirche und Schulhaus auf. Einst gehörte dieser
zum Gottesacker, welcher, gleich der Kirche Avohlbefestigt, diesen
unmittelbar umzog. So gerade in den zwanziger Jahren des
16. Jahrhunderts mochte der neue Friedhof außerhalb des Ortes
augelegt worden seiu. An den alten, längst vergessenen erinnerte
nichts mehr. Aber an einem jener Regentage wachten seine Geister
auf: zufällig bemerkte ich nach wieder solch einem Guß weg-
geschwemmten Boden und zu Tage liegendes Gebein. Sorgfältig
legte ich durch Abräumen der es nur noch locker bedeckenden
übrigen Erdschicht dieses vollends bloß. Ich hatte ein vollständiges
1) Vgl. für das Folgende F. Lampert im 36. Jahresbericht des histo-
rischen Vereins von Mittelfranken (1868) S. 62 ff,
256
Lampert, Zur Pfarrgeschichte in Ippesheim.
Gerippe eines Mannes vor mir ; ich schürfte weiter und neben dem
ersten lag ein zweites, und so fort bis zum sechsten, siebenten. Und
allen diesen Begrabenen fehlte — der Kopf, d. h. au jener Stelle,
wo er bei normalmäßig in die Erde Gelegten gewöhnlich zu sitzen
pflegt: hier war bei jedem der Schädel abgetrennt und unter den
Arm gelegt. Mein Chronist war gerechtfertigt — gewöhnliche Misse-
thäter, die Meister Hämmerlings Schwert gerichtet, waren jene Be-
grabenen nicht, denn solchen gönnte man keine geweihte Stätte,
aber „die Bauern“, die der strafende Markgraf köpfen ließ, die hatte
er, nachdem er sein Mütchen au den Armen gekühlt, gnädigst hier
in den Kirchhofacker einscharren laßen, ohne Sarg und Hülle, denn
von nichts dergleichen fand sich eine Spur, nicht einmal genügend
mit Erde bedeckt — so konnte bei der allmählichen Senkung und
Verflachung des Kirckhofbodens auf einmal der Induktionsbeweis für
eine Thatsaehe zu Tage treten, die mir Urkunden und Geschichts-
bücher nicht genug erhärtet hatten.
Doch auch au solchen Zeugnissen alter Zeit fehlt mirs wenigstens .
nicht gänzlich. Zwar ist das jetzt älteste „Pfarrbuch“ erst 1652
angelegt, aber doch fand .mein Vor-Vorgänger im Amte Muck in
einem unbedeutenden Faszikel der ehemaligen hiesigen Amtsregistra-
tur einige Notizen über das Pfarrwesen von jener Zeit. Allerdings
eröffnet der erste so urkundlich erwähnte Pfarrer die Eeihe seiner
Amtsgenossen nicht gerade auf rühmliche Weise. Es war ein ge-
wisser Steffan, gegen den die Gemeinde „dat. Sonntags p. divisionem
apostolorum a. D. MDLII eine Beschwerdeschrift bei dem „Edlen
uud Ernvollen Veythen von Lichtenstein tzum Geversberg, unserm
gnedigen und günstigen lieben Jungkherrn •• einreichte, worauf dieser
durch .. Christoph Emes. seiner Edlen konstituierten Anwalt allhier“
auch wirklich dem angeschuldigten Pfarrer „der Kondition zu priviren
und zu Urlauben“ sich vermüßigt sah.
Die Klagenden hatten ausgeführt, daß sie ..ganz willig und gern
tzu thun geneigt“, dem Pfarrer, „all provant und einkomen all weg
tzur bestirnten tzeitt zu verreichen“ — allein daß sie „auch jedes-
mall ihn der Kirchen mitt predigen, täuffen und was dan zur solchem
Ampt gehörig, versichert und vorsehn waren, welches layder übel
genug ein Zeit langher und tzurvor öftermals bei yetzigem unserm
Pfarrherrn vorsorgt worden, darob deren ein gemein ein sonderlich
beschwerd und mißfallen gehabt. Dann bedankt sich die Gemeinde
für die Erfüllung ihrer Bitte und bringt bei ihrem „gnedigen Jungk -
hern“ eine zweite vor „für gegenwärtigen Brieffzeiger, Andreas
Pfeiffer, jetzo Vorsteher der gemein Delheim, Wirzburger Bisthumbs“,
von dem sie rühmt, daß. „er aus dem Papsttum getreten, erbarlich,
fromm, tugendlich und wohl in allem seinen Thun und Laßen seinem
alten Dienst wohl vorgestanden und seine Statt wisse zu vertreten.“
Auch sei Pfeiffer „willig, sich dem Examiui tzur subjicieren, wohin
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
257
er vozirt worit, auch die pfarr- und veltgüter selbst tzur seiner
Händen zu nehmen, dieselben in pawlichem Wesen zu erhalten und
dermaßen vorzustellen und tzur warten, daß sie vielmehr gebessert
und nit gebösert, wie den bisher geschehn, werden sollen, also
daß E. E. und meniglich ein Wohlgefallen darob trugen mußten. “
Ob dieser also belobte Mann der Gemeinde zugekommeu, findet
sich nicht. Erst 1586 wird wieder ein Pfarrer: Johann Kellner,
„der Aeltere“, genannt. Von ihm ist das ,, seinen beiden gebietenden
Junkern von Lichtenstein mit Handgebender Treu angelobte und
zugesagte“ „Juramen tum“ erhalten, in welchem er u. a. auch ver-
spricht, sich Wirtshäuser, auch anderer leichtfertiger Gesellschaft zu
enthalten, auch ohne Vor wissen der (junkerlichen) Befehlshaber all-
hiero keine Nacht aus dem Flecken zu bleiben, damit niemand in
Krankheiten oder Kindstaufen verkürzt werden möchte.“
Wie lange dieser Kellner seines Amts in 1. waltete, ob viel-
leicht sein Sohn sein Nachfolger geworden, wie mau aus jener Be-
zeichnung des , .Aelteren“ schließen könnte, läßt sich nicht ermitteln.
Im Jahr 1612 war ein Pfarrer hier, der eine andere Stelle suchte
und dessen Entlassungsgesuch der damalige „gnädige“ Jungklier
sehr ungnädig aufnahm und in folgendem Dekret besckied:
,,Unsern günstigen Gruß zuvor! Würdiger, wohlgelehrter, be-
sonders guter Freund: Wir haben Euer Schreiben empfangen und
nicht mit geringer Befremdung daraus vernommen, daß Ihr ohne
unsere Begrüßung und Vor wissen Eure anbefohlene Kircli und
Pfarrkinder in diesen gefährlichen Läufen, nur allein um des
schändlichen Geizes und Bauchsorge willen (inmaßen Eur Schreiben
genugsam an den Tag geben) verlaßen und Euch eine andere und
bessere Pfarr nicht nur heimlicher Weis bestellt, sondern Eureu
Pflichten zuwider dieselbe gänzlich und allerdings angenommen. Und
ob Wir zwar Euch wider Euren Willen nicht aufzuhalten noch Euch
an Eurer Wohlfahrt zu hindern gemeint, wie große Ursache wir
auch dazu hätten, so lassen wir es doch Euch bei Gott verant-
worten, wie Ihr die Heerde Christi, so Euch anbefohlen, solcher-
gestalt recht geweidet, und ob Ihr dieselbe mit gutem Gewissen
in jeglicher Gefahr, einem rechten Miethling gleich, verlassen
könnt oder Eure Pflichten gegen Gott und uns deshalb bedacht,
wollen aber, ungeacht wir Euch ein mehreres anvertraut, und Uns
wegen der kurzen Zeit sehr beschwerlich verfüllt, geschehen und
dahin gestellt sein lassen: der Hoffnung, unser lieber Gott werde
uns wiederum eine gelehrte und tüchtige Person, die ihr hohes
Amt und Unserer Unterthanen Seelenheil besser als von Euch be-
beschieht, angelegen sein lassen, bescheeren. So wir Euch dann
wie sonsten zu Gunsten gewogen, nicht »vollen verhalten. „Hiemit
Gott befohlen!
Datum GV»burg den 5. Februar 1612.
258
Lamport, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
Daß aber die Jungkherrn von Lichtenstein, so besorgt sie, wie
aus vorstehendem und sonstigen Zeugnissen erhellt, sich um das
Kirchenwesen aunahmeu, auch nach der Entlassung jenes „Mietklingsu
mit der Besetzung ihrer Ippenheimer Pfarrei nicht besonders glück-
lich waren, erweist ein Schreiben des „ Vogtes “ Hoefel an seinen
Herrn vom 1. November 1628, woraus hervorgeht :
1. daß 1624, also im Nonnaljahr, hier ein Pfarrer Johann
Schwab gewesen, aber 1628 abgesetzt worden sei:
2. sich nach seiner Absetzung hier noch aufgehalten habe und
den Vogt beschuldigte, daß dieser ihn mit seinen Lügen vom Dienste
gebracht hätte.
8. Der Vogt beklagt ihn deshalb, hauptsächlich aber, weil „Ehrn
Schwab in das gemein Kirchenbuch, da allerlei geistliche Aktus, be-
sonders unter andern die Kindstaufen ad perpetuam rei memoriam
pflegen inseriert zu werden“ die Niederkunft einer Magd des Vogtes
mit folgenden zweideutigen Worten eingetragen hatte: „Gertraud
N. von Saalfeld aus Thüringen, eine putativa virgo, bei Friedrich
Hoefel einen Sohn geboren und drinnen im Siechhaus in Uffenheim
nach etlichen Tagen erst getauft, weil sie keinen gewißen Vater zu
nennen gewußt, und Wolfgang genannt worden.“ —
Unter dieses Schwabs Nachfolger Gundermann löste sich in der
Not des Unglücksj ahres 1684 das ganze Pfarrwesen auf. Die ver-
armte Gemeinde konnte keinen Seelsorger mehr ernähren. Gunder-
mann siedelte nach dem benachbarten Gollhofen über, von wo aus
er 16 Jahre lang, 1685 — 1650, seine bisherige Pfarrei als „Vica-
rius“ versah und seine Predigten auf einem 1751 abgebrannten
Thorhause hielt. Noch folgten zwei solcher „Vicarii“, Michael
Grasser, auch von Gollhofen aus, und Antonius Mayer, früherer
schwedischer Feldprediger, in Keusch, bis endlich wieder 1658 in
Georg Rosenfeld Ippesheim einen eigenen Pfarrer erhielt. Doch
schon 1662 vertauschte dieser seine hiesige Stelle mit Nenzenheim
und an seiner statt wurde von der Herrschaft der Prediger von
Kloster Gnadenthal, Johann Wolf aus Künzelsau berufen, der
32 Jahre lang seines Amtes walten durfte.
Sage man nicht, unsern Vor vordem habe es an historischem
Sinn gemangelt. Um die große Welt- und Völkergeschiehte war es
ihnen vielleicht weniger zu thun. Aber um das Kleine, die Orts-
und Lokalgeschichte mühte mau sich. Unsere alten Kirchenbücher
zumal sind Bestätigung dafür. Der alte Pfarrer hat sie nicht als
trockene, nur Namen und Zahlen enthaltende „Standesregister“ be-
trachtet, sondern, wenn er, besonders bei den Sterbfällen, einen
Namen hin schrieb, so stand ihm genau das Lebensbild des betreffen-
den vor Augen und aus den Notizen, die er daun noch anfügt,
können wir uns prächtig ein ganzes Stück alter Zeiten lebendig
machen.
Lampert, Zur Ptarrgeschiclite von Ippesheim.
259
Da fallt aus dem kleinen Oberstübchen des Pfarrhauses ein
schwacher Lichtschein in die Nacht hinaus. Die armen Bewohner
des Dorfes sind längst schlafen gegangen. Aber ihr ehrwürdiger
Hirte, Herr Johann Wolf, sitzt noch wachend bei dem spärlichen
Ollämpchen und schreibt mit fester Hand in sein Kirchenbuch von
den Zeiten schwerer Not, wie sie noch immer auf seiner Gemeinde
lastet, die sich noch nicht erholt hat von der Kriegsdrangsal : wie
fremdes bewaffnetes Volk noch immer die Gegend unsicher macht,
so daß sich der Pfarrer nicht getraut, einem Gestorbenen ein öffent-
liches Leichenbegängnis zu halten, sondern dieser auf einem Schub-
karren zum Friedhof gefahren wird und dass einen Monat später, wie
es wieder stiller und sicherer geworden, die Leichenpredigt über den
71. Psalm nachfolgt.
Dann aber hat Herr Wolf doch wieder auch einen Freudentag:
er kann die neue Kirche, für die aber die Gemeinde das Geld hat
„bis nach Polen hinauf“ zusammenbett ein müssen, einweihen und —
a. D. 1676 am 23. Juli wars — in gewaltiger Predigt auf Grund
vom 1. Mos. 28, 22 „einen Dank- und Deukstein dieser Erbauung"*
vorstellen, wie er denn nach besten Kräften auch noch manch anderes
Bausteinlein zum Reich Gottes zugetragen haben mag, so daß sie
doch wohl mit Recht auf seinen eigenen Leichenstein den Spruch
gegraben haben :
„Hier liegt ein Wolf, der doch ein treurer Hirt daneben:
Obschon der Name könnt ein andre Deutung geben,
So war er doch bedacht, zu weiden seine Heerd,
Und bei derselben auch zu liegen in der Erd.“
Johann Wolfs Nachfolger waren sein Sohn Johann Eberhard
Wolf, bisher Pfarrer in Albertshausen, 1694 — 1708, und sein Toch-
termann Johann Erhard Zwanziger, der am kürzesten hier ver-
bliebene Geistliche, indem er schon 1712 mit dem Pfarrer von
Billingshausen, Johann Leipold, Amt und Stelle tauschte. Auch
Leipold erscheint als Schilderer trauriger, unheilvoller Zeit. Mit
einem gering aussehenden, zinnernen Kelch wandert er von Haus zu
Haus, niemand wird mehr später aus dem Gefäße trinken — es dient
zur Kommunion der Pestkranken. Von Regensburg her hat ein
Ortsbewohner, der fuhrwerkte und Handelsschaft trieb, die furchtbare
Seuche eingeschleppt. Vom August 1713 bis zum Januar des fol-
genden Jahres wütete sie, 33 Personen jeglichen Alters sich zum
Opfer holend. Wie ein Lauffeuer durchdringt ganz Franken die
Nachricht, daß in Ippesheim die Pest ausgebroehen. Der Kreistag
in Nürnberg beschäftigt sich mit Maßnahmen gegen die Krankheit,
der Kurfürst von Mainz fordert von der medizinischen Fakultät in
Wiirzburg ein Gutachten über sie ein und diese erklärt sie sachge-
mäß als rfebris maligna pestentialis“. Man will erst das ganze
Dorf verpall i sad iereu, um die nötige Absperrung herzustellen, aber
260
Lamport-, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
das kostet doch zuviel Holz, also rückt ein Kommando Kreistruppen
heran und zieht einen Kordon um den unglücklichen Ort, der so
streng geliandhabt wird, daß keiner der Bewohner, auch nachdem
seit Monaten die Seuche erloschen ist, nur auf sein Feld gehen, noch
weniger es bebauen darf. Wie zur Kriegszeit liegen wieder Acker
und Weinberge brach und öde. Lebens- und Arzeueimittel wurden
von auswärts herzugebracht und von den sperrenden Truppen au
einen bestimmten Ort gelegt, wo sie die Gefangenen abholen konnten
— die „Schild wacht“ heißt man heute noch den Platz.
Aber auch auf einem andern schweren Gang begegnen wir Herrn
Leipold noch. Das Armesünderglöcklein läutet. Eine Missethäterin wird
zum Hochgericht geführt. Das Dorf hat zwei Richtplätze: Galgen
und Schaffot. Die Herrn des Ortes, die Hutten auf Franckenberg, wachen
streng über ihr hochnotpeinliches Strafrecht. Als die Grafen von
Castell einmal um leihweise Abtretung des Galgens für einen un-
seligen ,,Gau- und Wilddieb“ baten, antworteten die Hutten stolz:
,,Der Galgen gehört nur für uns und unsere Kinder.4, Auch das
..Annemodele“ haben sie auf ihrem Grund und Boden köpfen lassen :
war eine Metzgersfrau, die ihren Ehemann „unter dem Vorwände,
daß solches ablegende und stärkende Arzneien wären, mit Scheide-
wasser und anderen purgautien “ in die andere Welt gesckickt.
„Freitags vor Trinitatis 1739“, schreibt Pfarrer Leipold. ..gab ihr
der Scharfrichter, obwohl mit einem mißlungenen Streich, den Lohn
ihrer Werke.“
Wir können uns wirklich schwer in jene Zeiten denken, wo
Menschenleben so wohlfeil waren, wo man so rücksichtslos mit den-
selben verfuhr, Galgen, Schwert und Rad zu den notwendigsten
Attributen einer Obrigkeit, die nur irgendwie auf Reputation und
Ansehen hielt, zu gehören schienen. So lesen wir kurz nachdem von
dem um die Gesundheit seines Eheherrn so befliesseueu „Annemodele“
Bericht gethau, wieder von einer „Execution“, so au einen „Jäger-
pursehen“ vollzogen worden, der auf den traurigen Einfall gekommen
war, einmal nicht nur für andere Leute zu jagen, sondern ein armes
Häslein für sich auf die Seite zu bringen. Ohne Gnade und Barm-
herzigkeit wurde er gehenkt. „Nach der ihm geschehenen Todes-
anküudigung hat er sich anfänglich sehr ungebärdig gestellt, drohte
auch vorher noch in dein Gefängnisse etlichemal sich selbst umzu-
bringen,* durch Gottes Gnade wurde er aber doch noch dahin ge-
bracht. daß er seine Missethat bußfertig bereute und die Vergebung
in der Absolution und dem h. Nachtmahl wehmütig suchte, welches
ihm auch nach vorher abgelegter Beicht den Abend vor dem Exe-
cutionstag mitgeteilt worden“ — meldet das Pfarrbnch. Johann
Leipold war der einzige der Ippesheimer Pfarrer, der unter ihnen
die von Johann Wolf an bis auf den Schreiber dieses sich fort-
setzeude verwandtschaftliche Reihe derselben unterbrach. Denn
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
261
sein Nachfolger Johann Konrad Schlez, ein Schulmeisterssohn von
Geckenheim und von 1739 — 1747 Schloßprediger auf Frankenberg,
war wieder ein Enkel Eberhards, also ein Urenkel Johann Wolfs.
Er starb als Senior der huttenischen Geistlichkeit 1788 am 20. No-
vember, 76 Jahre alt, und ward nach seinen Wunsch in das Grab
seines oben genannten Großvaters begraben, auf dessen Grabstein er
auch seinen Namen und die Inschrift zu setzen befahl:
„Zwei Freunde, die sich nie gekannt auf Erden
Und wollen erst bekannt in jenem Leben werden.“
Auch er hat seine lange, 36jährige Amts Wirksamkeit hier treulich
genützt und ist seiner Gemeinde von Segen gewesen, bis ihn in
seinen letzten 8 Lebensjahren körperliche Leiden auch geistig so
hinfällig machten, daß ihm 1781 sein Sohn Johann Ferdinand Schlez
als „Collaborator“ beigesetzt werden mußte und 1783 nach Emeri-
tierung seines Vaters dessen wirklicher Nachfolger wurde1).
Im gleichen Jahre mit dem später mit seinem ganzen Zauber auf
ihn ein wirkenden Dichter, mit Schiller, geboren: mit großen, ja
eminenten Geistesgaben ausgerüstet, in jugendlichem Feuereifer voll
scharfer, sichtender Kritik, mit einem warmen Herzen für des Volkes
Wohl und hingebender Begeisterung für das was ihm Wahrheit war,
stand Johann Ferdinand Schlez, der Pfarrer mit vierundzwanzig
Jahren, an der Schwelle der neuen Zeit, die mit dem Gewittersturm
der französischen .Revolution für die Welt heraufzog. Der mächtig
sie durchwehende Hauch ergriff auch ihn durch und durch. Konnte
er es nicht auf einem größeren Gebiet, so wollte er sich wenigstens
im kleineren, seinem engeren Wirkungskreise die Welt neu schaffen.
Der krasse in vielen Beziehungen wirklich leib- und seelenverderbe-
rische Aberglaube, die gänzliche Bildungslosigkeit des damaligen
Volkes schienen ihm die Mauern, in die er Bresche zu legen habe.
Volksbildung im wahrsten und edelsten Sinne war das Ziel, dem er
nachstrebte und in dessen Erreichung er schöner Erfolge sich erfreut
hat. Durch Wort und Schrift, durch Vorbild und Beispiel kämpfte
er für sein Ideal. Seine in Einzelnheften erscheinenden „fliegenden
Blätter für das Volk“ waren die ersten Anfänge einer besseren, ge-
schmackvolleren Volkslitteratur, mächtige Bahnbrecher und Hebel
einer gesunden Aufklärung, Hinwegräumer abergläubischer Vorur-
teile; sein „Dörfchen Traubenheim“ der erste und neben Pesta-
lozzis „Lienhard und Gertrud“ der bedeutendste Volksroman jener Zeit.
1) Der hervorragende Pädagoge und Volksschriftsteller gab eine
(bis zum 35. Lebensjahre reichende Selbstbiographie im 1. Heft von
„Deutschlands Volksschriftsteller in Bildnissen und Biographien. Nürn-
berg 1795. Eine kurze Lebensskizze schrieb Albert Richter in „Neudrucke
pädagogischer Schriften.“ H. 2. Leipzig 1890. Vergl. auch den Artikel
Binderin der Deutschen Allgemeinen Biographie Bd. 31 S. 481 ff. — Anm.
der Redaktion.
Beiträge zur bayer. Kirchengescbicbte. V.
18
262
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
Welch ein Unterschied zwischen jenen Anfängen einer erst
aufkeimenden und sich entwickelnden Volkslitteratur und dem über-
reichen Gebiete, das diese heute beherrscht! Die mit allen Mitteln
der Typographie ausgestatteten Bände unserer Volksbibliotheken und
jene grobgedruckten Flugblätter mit den steifen, geradezu ent-
setzlichen Holzschnitten auf dem Titelblatt ! Aber, wie gesagt, ge-
wirkt und genützt haben diese Bilder und diese mit packender
Popularität geschriebenen Aufsätze und Erzählungen, die von der
„ordentlichen Hausfrau“, „dem besckrieenen Kind“, dem „aufrichtigen
Israeliten“, den „Scheintoten“, dem Aderlaßmännlein “ u. s. w. -
mehr vielleicht als heute manche mit viel mehr Aufwand von Wissen-
schaft und gleich guter Absicht verfaßte Volksschrift.
Darf mau sich wumdern, daß ein solcher Geist, gehoben von
solch eigenen Bewegungen und empfänglich wie nur irgend einer für
das von außen an ihn drängende Treiben neuer Anschauungen und
Meinungen, mit diesen auch manches einsog, was er und seine Zeit
„Aufklärung“, „Verbesserung“, „Reform“ nannten, was aber eigentlich
ein eigenmächtiges Eingreifen in für die christliche Gemeinde un-
antastbare Dinge war? Daß er über dem Groll gegen die vielfach
so verknöcherte Orthodoxie seiner Studienjahre des wahre religiöse
Leben da suchte, wo es wahrlich nicht zu finden war? Und so ist
sein Thun und Handeln auch manchen Irrweg gegangen. Aber wie
er später selbst das mannigfach erkannt hat und wir zwischen dem
feurigen jungen Mann, welcher der „Aufklärung“ auch u. a. da-
durch zu dienen glaubte, daß er zwei Jahrgänge „landwirtschaftliche
Predigten“ hielt und herausgab, und dem Greise, der an seinem
Lebensabend einem vornehmen Apostaten, seinem eigenen Patronatsherrn,
männlich ernst und mit christlicher Entschiedenheit sein evangelisches
Bekenntnis verteidigend, entgegentrat, ein großer Abstand ist, ■ —
so war Schlez durch und durch ein ganzer Mensch und was ihm
Wahrheit war. dafür ist er mit seiner ganzen vollen Ueberzeugung
und seinem ganzen vollen Leben eingestanden und so rechnet das
Pfarrhaus Ippesheim das zu einem der schönsten Blätter seiner
Chronika, das von dem Jugendstreben dieses Mannes in ihm berichtet.
Daß ein solches, manchem wie die helle Revolution vor-
kommendes, reformierendes Treiben des jungen Pfarrers von I. in
der Nähe und Ferne auch hier und da Anstoß erregte, läßt sich
nicht verwundern. Die Bauern schüttelten die Köpfe, als ihre großen
und kleinen Schreihälse nicht mehr in den Christenlehren die Psalmen
..herunterleiern“ sollten, als der Pfarrer aufhörte die Liturgie zu
singen, und mit dem Amtmann das gefährliche „Gewitterläuten“
abstellte; und die benachbarten Herrn Confratres schickten Aufpasser
in die Kirche nach I., um sich Gewißheit zu erholen, ob wirklich
der kaum flügge Kollege so keck sei, das „Tücklein“ beim h. Abend-
mahl den Kommunikanten nicht mehr vorzuhalten, ob er in der
Lampert, Zur Pfarrgescliichte von Ippesheim. 263
That das weiße gefaltete „Chorhemd“ abgelegt, oder ob ihm der
böse Feind wirklich eingegeben, den Kindern in der Katechese bei-
zubringen, wie sie anständig Hände und Fuße halten sollten.
Daß dergleichen Bedenklichkeiten und Anfechtungen unserem
Pfarrer wenig anhatten, ist leicht denkbar ; auch seinen Hausge-
nossen scheint sich seine Streitlust mitgeteilt zu haben. Wenigstens
trat manchmal am Gemeindebrunnen, der ja meist der Mittelpunkt
ländlicher öffentlicher Verhandlungen ist, sogar die Magd des Pfarr-
hauses für die Autorität ihres Herrn ein, indem sie den grollenden
Bauern versicherte: „wenn der sich in seine Studierstube setzt, so
verdient er mit seinem Bücherschreiben in ein paar Tagen mehr als
eure Pfarrei in einem ganzen Jahr einträgt.“ Recht konnte sie
haben, wenn dazumal auch die Verleger noch etwas zurück-
haltender in ihren Honoraren gewesen sein mögen, das Ein-
kommen eines zeitigen Pfarrers war nichts weniger als glänzend
und Schlez schrieb wirklich so viel, daß er sich in der That
etwas erschreiben mußte. Namentlich auf das pädagogische Gebiet
erstreckte sich nächst dem der schon erwähnten Volksschrift-
stellerei seiner litterarische Thätigkeit. Hier reiht sich Schlez den
größten Förderern des so im Argen gelegenen deutschen Volks-
schulwesens des vorigen Jahrhunderts an. Schüler und Lehrer ver-
dankten ihm die trefflichsten Bücher, letztere namentlich das vor-
zügliche öbändige „Handbuch für Volksschullehrer“. Sein „Gregorius
Schlaghart und Lorenz Richard“, die Gegenüberstellung des Volks-
schullehrers, wie er meist, fast ohne Ausnahme damals war und
wie er nach dem Ideal jener Reformatoren werden sollte, kann heute
noch mit Interesse und Nutzen gelesen werden. Ganz besonders be-
deutsam aber und hauptsächlich den pädagogischen Ruhm Schlez’s
begründend war die Herausgabe des „Denk fr eunde s“, eines
Realienbuches, das epochemachend, oftmals von neuem aufgelegt,
auf das Schulwesen in Deutschland einen nachhaltigen, den Unterricht
in der Volksschule wesentlich fördernden und belebenden Einfluß
geübt hat. 1)
Zur Eigenart Schlez’ mochte es gehören, daß ihm der Wirkungs-
kreis in Ippesheim zu eng und klein erschien. Er verlangte nach
größerem und weiterem, ohne aber sich selbst klar zu sein, wo und
wie er ihn finden sollte. Da hatten seine Bücher für ihn geworben.
Sie hatten den damals „regierenden“ Grafen Karl von Schlitz, ge-
nannt von Görz, auf den jungen strebsamen Pfarrer in Franken
aufmerksam gemacht uud veranlaßt, ihn nach Erledigung der ersten
Pfarrei in Schlitz in Hessen dorthin als ersten Geistlichen, Inspektor
der Kirchen und Schulen der Grafschaft uud Konsistorialrat zu be-
rufen. Mit Freuden ward diese ehrenvolle Berufung angenommen
1) S. unten die Schriften Schlez’s.
18*
264
Lamport, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
und im zweiten Monat des ersten Jahres des neuen Jahrhunderts in
die neue Heimat übergesiedelt, in welcher Schlez bis zum Jahre
1839 segensreich wirkte, und in der zuerst sein Schwiegersohn und
dann sein Enkel, der als theologischer Schriftsteller und als Dichter
sinniger Kinderlieder weithin bekannte und verehrte Kirchenrat
Dr. tlieol. Christian Dieffenbach, seine Nachfolger geworden sind.
Aber auch hier in Ippesheim sollte ein ihm nahe verwandter
und geistesebenbürtiger Mann sein Amtserbe werden. Die jüngste
Schwester Schlez war Pfarrerin in dem Dörfchen Euerbach bei Schweip-
furt geworden und ihr Gatte, Friedrich Albrecht Muck, mein Groß-
vater mütterlicherseits, war nun der, den die Patronatsherrschaft
zur Nachfolge seines Schwagers berief. Er war auch ein Pfarrers-
sohn, in Forheim im Ries geboren. „Auch aus seiner Familienchronik
liegen mir alte vergilbte Blätter vor, die Interessantes erzählen, eine
jener Geschichten, die berichten, wie die Weissagung des Propheten:
„er soll die Starken zum Raube haben “ immer wieder in Erfüllung
gellt. Die Großmutter meines Großvaters war nämlich eine Bekehrte
aus Israel und auch der Mann, dem das in frühester Jugend schon
dem Heiland gewonnene Judenmädchen später vermählt wurde, der
Pfarrer Ernst Wilhelm Christfels in Oberwechingen, stammte aus
ihrem Volke. Doch kann hier hierauf nicht eingegangen werden.1)
Auch meines Großvaters Bild, wie das seiner Wirksamkeit in
Kirche und Schule, steht lebendig vor meinem Auge; denn zu der
überkommenen Tradition fügt sich noch die persönliche Erinnerung
aus meiner Knaben zeit an ihn. Aus seinem ganzen Wesen strömte
etwas aus, was unwiderstehlich an ihn fesselte. Er hat den päda-
gogischen Genius seines Vorgängers mehr noch als dieser praktisch
bethätigt und das Ippesheimer Pfarrhaus zuerst zur Bildungsstätte
für andere gemacht, die es, wie unter ihm, so unter seinem Nach-
folger Jahre lang geblieben ist. Nicht nur, daß ihm aus den ver-
schiedensten, auch hochadeligen, Gesellschaftskreisen junge Leute zur
Erziehung anvertraut wurden, sondern vor allem und namentlich als
Bildner junger Schullehrer, von der preußischen Regierung eigens
dazu aufgestellt und den Wirkungskreis der heutigen Seminarien
ausfüllend, wobei ihn auch seine hervorragenden musikalischen Kennt-
niße unterstützen, war Muck thätig. Viele tüchtige Lehrer sind
aus seiner Schule hervorgegangen.
Im Jahre 1806, als Preußen das Markgrafentum Ansbach an
Bayern abtreten mußte, berührten die neuen Verhältnisse auch un-
mittelbar den Pfarrer zu Ippesheim. In der nun auch mediatisierten
Reichsstadt Rothenburg bedurfte das neue Regiment eines tüchtigen
Mannes, den alten Schlendrian im Kirchen- und Schulwesen dort
1) Vergl. J. Lampert: „Aus meiner Familiengeschichte“ in „Saat auf
Hoffnung“ IV. Jahrgang 3. Heft 1866.
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim
265
auszufegen: die Wahl konnte kaum auf einen tauglicheren fallen
und so wurde Muck 1808 als Dekan, Hauptprediger und Distrikts-
schulinspektor nach Rothenburg berufen, wo er, bis ins hohe Greisen-
alter, gleich seinem Schwager Schlez, unermüdlich thätig, ein paar
Monate nach diesem am 4. November 1889 im Frieden heimging.
1809 trat Mucks Schwiegersohn, mein Vater Johann Friedrich
Wilhelm Lampert (geboren 1784 in Lippachhauseu, wo seine Familie
der Gemeinde drei Pfarrer gab), in seine Nachfolge dahier. Ein
halbes Jahrhundert ist er seiner Erstlings- und einzigen Gemeinde
treu geblieben, hat er redlich und gewissenhaft sein Hirtenamt in
und an ihr verwaltet. Auch er, mit einem reichen Wissensschatz
ausgerüstet, namentlich in alten und neuen Sprachen heimisch, hat
als tüchtiger Pädagog gewirkt, viele Zöglinge aus der Nähe und
Ferne, auch aus dem Auslande, herangebildet und auch die Schule
durch die Vorbereitung künftiger Lehrer sich zu Dank verpflichtet.
Litterarisch war er ungemein thätig: 30 größere und kleinere Bücher
und Schriften, die seinen Namen tragen, zeugen davon1 . Der Abend,
der diesem arbeitsfreudigen- und reichen Leben und Wirken ein
Ziel setzte, kam ihm früher als der Tod. Fünf Jahre vor diesem
ließ des Alters Gebrechen, die bald auch den so helleu und regen
Geist in Mitleidenschaft zogen, ihm wünschenswert erscheinen, die
Amtslast auf jüngere Schultern zu legen, mit vollen Bewußtsein aus
seinem Arbeitsfeld zu scheiden. Er kam um seine Emeritierung ein
und sein einziger Sohn wurde sein Nachfolger. Noch durfte er
1860 das Fest der goldnen Hochzeit feiern, dann kamen schwere
Tage über ihn: ein Stück der Lebenskraft schwand nach dem andern
und es war Erlösung im vollsten Sinn des Wortes, als der Herr am
31. Januar 1861 den teuern Greis sanft und selig entschlummern ließ.
Ich bin zu Ende mit meinem pfarrgeschichtlichen Exkurs. Der
Leser möge verzeihen, wenn er ihm vielleicht etwas zu stark
familiengeschichtlich gefärbt erscheint. Allein das mag in
den verwandtschaftlichen Beziehungen der geschilderten Persönlich-
keiten seine am Ende nicht unberechtigte Erklärung finden, und
daun wird sich wohl auch in keiner Gemeiude des Landes wieder-
holen, daß. wie in der meinigen, im Laufe eines, eben des zu Ende
gehenden, Jahrhunderts nur drei Geistliche in ihr thätig gewesen sind.
o c O
Beilage I.
Die Schriften von Joli. Ferdinand Schlez2).
Wir geben nachstehend eine Übersicht der sämtlichen Werke
und Schriften Schlez’s und folgen dabei den Anführungen des Ver-
fassers selbst:
1) Ihre Titel s. Beilage II.
2) Das Verzeichnis der Schriften von J. F. Schlez wie von L. Fr. Wil-
helm Lampert wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Redaktion beigefügt.
266
Lainpert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
I. für die Jugend.
I. Die A.B.C. -Schule oder große Waudfibel zum gemeinschaft
liehen Gebrauche in der Schule. Gießen 1825. — 2. Der A.B.C.-
Scliüler, Handfibel zur A.B.C. -Schule. 1. Aufl. 1825. 6. Aufl. 1838.
3. Der A.B.C. -Schüler, 1804 (nicht in den Buchhandel gekommen). —
4. Bilder-Fibel zur Beförderung der Lautmethode. Ein Versuch die
Absicht des A.B.C.-Bilderwesens durch eine neue Anwandlung des-
selben besser zu erreichen. Mit 16. Kupfern. Gießen 1812. —
5. Der Kinderfreund. Ein Lehrbuch für Landschulen von J. E. von
Bocherd. Neu bearbeitet bes. für Franken. Nürnberg 1789.
7. Aufl. 1798 und später. — 6. Der Kinderfreund, ein lehrreiches
Lehrbuch. Gießen 1813. 4. Aufl. 1834. (Ins holländische über-
setzt). — 7. Der Denk freund. Ein lehrreiches Lehrbuch für
Volksschulen. Gießen 1. Aufl. 1871. — 12. Aufl. 1837. Nach dem
Tode des Verf. noch öfter aufgelegt. — 8. Kleines Lesebuch zur
Veredlung und Belebung des Lesetons. In 6 Auflagen erschienen.
Ins holländische übersetzt. — 9. Sittenlehren in Beispielen. Ein
Lehrbuch für Mädchenschulen. Gießen 1. Aufl. 1806. 4. Aufl. 1824. —
10. Der Schreibschüler oder Vorübungen zum Briefschreiben und in
anderen bürgerlichen Aufsätzen zum Gebrauche in Landschulen.
Nürnberg 1. Aufl. 1790. 5. Aufl. 1822. — 11. Briefmuster für
das gemeine Leben, bes. für Bürgerschulen. 1. Aufl. 1793. 7. Aufl.
1893. — 12. Leitfaden beim ersten Unterricht in der christlichen
Religion. Nürnberg 1. Aufl. 1795. 2. Aufl. 1796. — 13. Lieder-
deklamationen bei Schulprüfungen und Familienfesten. Gießen
1. Aufl. 1809. 2. Aufl. 1824. —
II. Zunächst für Lehrer.
14. Gregorius Schlaghart und Lorenz Richard oder die Dorf-
schulen von Langenhausen und Traubenheim. Nürnberg 1. Aufl. 1795.
з. Aufl. 1813 1). — 15. Lorenz Richard. Unterhaltungen mit seiner
Schuljugend über den Kinderfreund des Herrn v. Rocliow. Ein Bei-
trag zur Katechetik, bes. für Schullehrer. 2 Bände. Nürnberg 1796
и. 97. — 16. Katechetisches Handbuch oder Lehrgespräche über
ausgewählte Stücke des Rochow-Schlezschen Kinderfreundes. Gießen
1828. — 17. Handbuch für Volksschullehrer. 5. Bände. Gießen
1815 — 1826.
III. Volksschriften.
18. Geschichte des Dörfleins Traubenheim, fürs Volk und für
Volksfreunde. 1. Aufl. Nürnberg 1791. 3. Aufl. Gießen 1817. - —
19. Fliegende Volksblätter zur Verdrängung schädlicher oder doch
1) Unter dem Titel : Geogorius Schlaghart oder die Dorfschule zu
Langenhausen von Johann Ferdinand Schlez wiederabgedruckt in „Neu-
drucken pädagogischer Schriften“ herausgegeben von Albert Richter II. Hft.
Leipzig 1890. (Anm. d. Redaktion).
Lamport. Zu Pfangesehiehte von Ippesheim.
Jb* ~
geschmackloser VolkslesereieiL. 1. Band 1799. — 20. 1.V r Yolks-
firenud Eine Monafeschrift,, denen Aufsätze; auch einzelne als FJog-
: — rlen 1. izl 2. in: 171*
3. and i. Band. Nürnberg 1799. 5. Band 1809. Ins Dänische
übersetzt. — 21. Kleine romantische Yolkssdrifiten 2 Binde. Ileil-
hronn 1802. — 22. Oswald unter seinen Hausfreunden and Kindern.
V. - . ' : . •. . . : : 1 . . • : ' ' _ — _ ' - ' _ -
ordnete and gemeinnützige Naturgeschichte rar unkundige Liebhaber
derselben. 2 Binde. Heilbronn 1804. 1807. — 24. Des jungen
Wilhelm Denkers Haust alemd er rar seine lieben Xachbarsleute
17 c* 2 — l7r- — . 21 Irr .v; ZlsZZsiZs I
betitelt). Ein Y olksfcalender. Dannstadt 1823 — 1828. —
IV. Für kirchlichen Gebrauch.
26. Schützer Gesangbuch 1. And. Behlitz 1801. — 17. Bei-
träge zu einer gründlichen Verbesserung der protestantischen Liturgie.
Nürnberg 1796. — 28. Evangelische Kirehenagende. Gießen 1834-
I-. Litt 1 w-irtsoii art.i: ir Pr^tirtri. Z:" z eitrig z~_r
wirtschaftlichem Wohlfahrt unter LandLe-uteu. Number _■ 1788. _ . All.
l”r- — : . • ;r_ss~~ irsz. _ _ •
Fehler und Mißbrauch, in Betstunden dem V Ike gehalten- Nürn-
berg 1786. — 3L Buehoniens Bekehrung zum Christentum. mit
Nachrichten von der Gründung and dem merkwürdigstem Schicksalen
der Stadtkirche zu Schlitz. Yerbereitungspiedigt zw Müllem arfeier
dieser Kirche. Schlitz und Gießen 1812. 32. Formular bei öffent-
licher Vorstellung eines Kirchen ältestem. Schlitz IS 7. —
V. Gedichte.
33. Salomos Lieder, metrisch übersetzt.. Arnsbach 1792. —
34. Gedichte 1. And. Ansbach 1796. 2. And. Nürnberg 1793. —
35. Fabeln und Sinngedichte. Marktbreit 1787. ((Nicht in den
Buehhandel gekommen)*. — 36. Parabeln. Gießen 1822. 2. And.
1835. —
VI. Biographien.
37. SeJbstbiographie im 1. Heil von Deutschlands Volksscbrift-
stellero in Bildnissen und Biographien. Nürnberg 1795. Nur bis
zum 35. Lebensjahre reichend.) — 38. Johann Adams Sehmerlers
Lebensgeschichte. Nürnberg 1795. — Daznkommeu Beiträge zu
mehreren Zeitschrift ein «'meist zu Guts-Muths-BiblZthek der pädago-
gischen Litteratnr .
Beilage II.
Schriften v »n Fr. Wilhelm Lampert.
1. Liturgische Blätter aus meiner Amtsführung. Ausbach.
Gassezt 1819. — 2. Betstunden in einzelnen religiösen Betrachtungen
268
Lampert, Zur Pfarrgeschichte von Ippesheim.
mit besonderer Beziehung auf feierliche Zeitverhältnisse. Erster Band
Marktbreit, Knencia 1821. Zweiter Band Hildburghausen, Kessel-
ring 1826. — 3. Mischlinge, eine Versgabe, Freunden geboten.
Nürnberg. Monath und Kessler 1824. — 4. Tapho-liturgische
Blätter in Reden, Entwürfen und Gebeten an Gräbern für häuslichen
und kirchlichen Gebrauch. Nürnberg, Kiegel u. Wießner 1826. —
5. Sphinx, Fragen, Rätsel und Aufgaben aus Sprachlehre, Natur-
und Völkergeschichte und Endbeschreibung. Neustadt a. Orla,
Wagner 1827. — 6. Evangelische Bilder in religiösen Betrachtungen
aus der neutestamentlichen Geschichte für öffentliche und häusliche
Erbauung bearbeitet. Hildburghausen, Kesselring 1828. — 7. Denk-
worte der christlichen Glaubens- und Sittenlehre nach der Bibel und
nach dem Gesangbuch. Nürnberg, Biegel und Wießner 1828. Zwei
Auflagen. — 8. Kleine Vor- und Neben schule in religiös- sittlichen
Denksprüchen und geographisch-geschichtlichen Reimen. Nürnberg,
Friedrich Campe 1828. - — 9. Strahlen aus Clios Lichtkreisen. Hild-
burghausen Kesselring 1828. 10. Veilchenkranz, 100 fromme Sprüche
für * Schule und Haus. Nürnberg Joh. Adam Stein 1829. —
11. Materialien zum Lehren und Lernen. Eine Zeitschrift für Schul-
lehrer in zwanglosen Heften. Marktbreit, Ant. Höreth 1831. —
12. An-, Mit- und Nachklänge zum Jubelton des Secularfestes 1830.
Nürnberg Friedrich Campe 1831. — 13. Feierklänge. Nürnberg
Friedr. Campe 1832. — 14. Christlicher Haussegen. Kitzingen.
Döderleiu 1833. - — 15. Morgen- und Abendopfer. Rothenburg
T. Beck 1833. — 16. Skizzen in religiösen Betrachtungen aus
den alttestamentischen Schriften für Betstunden, Kinderlehren und
häusliche Erbauung. Hildburghansen Kesselring 1834. — 17. Palm-
blätter, Zusprache zum Herzen denkender Konfirmanden. Hildburg-
hausen, Kesselring 1835. — 18. Gesänge zur Einweihung des neuen
Friedhofs in Ippesheim 1835. — 19. Fidos Juliustage, humoristische
Reimereien aus dem Wildbad Burgbernheim. Marktbreit Höreth 1836.
- 20. Gräberweihe in Liederhomilien und Leichengesängen. Nürn-
berg Friedr. Campe 1838. — 21. Sonntags-Brevier für Geistliche
und Geistige. Stuttgart, Griesinger u. Co. 1840. — 22. Winter-
grün, Sonntagsschulblätter. Rothenburg Beck 1847. — 23. Markt
Ippesheim in 50 schmucklosen Liedern. Windsheim, Bischof! 1 852. —
24. Der Landmann, 25 schmucklose Lieder. Windsheim, Bischof!
1854. — 25. Christlich biblische Schulsprüche. Windsheim, Bischof!
1854. — 26. Christenspiegel für Kranke. Windsheim, Bischof! 1855. —
27. Christliche Weihestunden in Betrachtungen für die Hauptfeste
des Jahres mit Zugabe einer Gebetswoche. Nürnberg v. Ebner 1855. —
28. Der Friedhof, Texte, Entwürfe und metrische Gebete an Christen-
gräbern. Nürnberg v. Ebner, ohne Jahresangabe. — 29. Ohne
Jahresaugabe: Denktafeln für Konfirmanden, christliche Eheleute,
Auswanderer. — 30. Einzelne Predigten. Viele Beiträge zum ,,prak-
Kadner, Zar Charakteristik des Fürstbischofs Julias Echter. 9139
tischen Prediger** und die Allgemeine Darmstädter Kirchen zeitimg.
sowie zu den Andachtsbüchern von Friedrich-Frankfurt und Lösch-
Nürnberg. —
Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter.
Yon S. Kadner, Pfarrer in Lehen thal.
Janssen1) sagt von dem Würzburger Bischof Julius Echter,
er habe bei Freund und Feind für einen der gewaltigsten Vorkämpfer
des Papsttums gegolten, und die Jesuiten seien seine unverdrossen-
sten Helfer gewesen. Gewiß, die Jesuiten nicht die Leiter, sondern
die brauchbarsten Helfer des geborenen Autokraten, der -nicht bloß
die Leiber, sondern auch die Seelen** seiner Unterthanen beherrschen,
nicht „halbe, sondern ganze Unterthanen“ haben wollte und wirklich
in seinem Stolze sich verletzt fühlte, wenn dem Volke seine Beli-
gion -nicht gut genug" war.
Bei andern Bischöfen und Fürsten war der Eifer in der Gegen-
reformation lediglich ein Produkt der Angst vor den Jesuiten
und ihrem Einfluß in Born. So bei Neidhart von Thüngen,
dem Bamberger Bischof. Als den sein Kapital auff orderte, im Werk
reformationis religionis behutsamer vorzugehen, und auf Würzburg
hinwies, wo man damit auch gemach und ziemlich langsam umbgangen
und erst dann energischer vorgegangen sei. nachdem die Stifts-
schulden allbereits bezahlt gewesen, da erwiderte Neidhardt: -Ein
Ehrw. Domkapitel möchte doch bedenken, wie Sie der Confirmation
und anders halber, so Sie zu Born suchen lassen, bishero am Creutz
gehengt, und daß Sie deßwegen wol ein gesehrey machen
müssen, dieweil Sie sonsten gewißlich nimmermehr
wären konfirmirt worden^. ( Bamberger Beceßbücher. Sitzung
vom i. Dez. 1592 und 17. Mai 1596).
Das also war das entscheidende Motiv ! Erfreulich daran ist
nur, daß man es aktenmäßig konstatieren kann. Auch das Würz-
burger Domkapitel war nicht frei von Jesuiten furcht. Als der Abt
Balthasar von Fulda die Kapitelsherren als collatores der Pfarrei
Hainmelbnrg aufforderte, mit ihm über die Einsetzung eines katho-
lischen Pfarrers in Hammelburg zu verhandeln, willigten sie ein.
nur damit -hochpedachter Herr Abt. welcher durch die Jesuiten zu
Bom in ein groß ansehen gebracht, desto weniger Ursach habe, ein
ehrw. Capittel ausznschreyen “ Würzburger Domkapitelprotokolle 1576,
2. Juni p. 109). Bischof Julius hat wohl auch einmal, um beim
Kapitel die „Addition der Jesuiten“ d. i. eine Vermehrung ihrer
Einkünfte durchzusetzen, dies Argument gebraucht: -Die Herren
1) Siehe seine Geschichte des deutschen Volkes V, p. 215 — 220.
270 Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter.
Jesuiteu würden ihn ausschreyen, als hielte man nicht, was ihnen
zugesagt “ (W. D. K. Prt. 1578, 13. L)ez.); aber er tliat es eben,
um eine Pression auf das Kapitel auszuüben. Er mußte die uner-
sättlichen Ordensleute für seine Zwecke bei guter Laune und Willig-
keit erhalten. In seinem Herzen war er keineswegs ihr Freund.
Versichert er doch, sie seien zu rigid i, vertrieben die Leutt, man
könne ihnen nicht volgen, sei auch kein nutz dabei, daß man ihnen
das Seminar übergebe (L). K. Pr. 1581, 6. Juni). Aus seiner
Korrespondenz mit Johann Paul Castellinius (1581, 82) ergibt sich,
daß er in dem Streit zwischen Franziskanern und Jesuiten heimlich
die Sache jener unterstützen wollte2).
Keinesfalls war Julius nur das Werkzeug der Jesuiten. Sein
eiserner Wille blieb der dominierende, und wenn die Bekehrungs-
versuche der jesuitischen geistlichen Räte mißlangen, so wurde der
Fürst selbst zu Hilfe gerufen : „es werde ohne Gegenwart S. F.
Gnaden wenig fruchtbarlichs ferner auszurichten sein.“ Da schreibt
einer aus Neustadt a. M. : „Es geht nicht vorwärts (sc. mit der Be-
kehrung der Protestanten), weiß nit, ob wir Verstands halber zu
dieser Handlung zu schlicht und fromm sind oder zu viel sanftmiittig
oder ob ein anders schuld were ... es würd das rathsambste sein,
E. F. Gn. nemen die Sachen der biirgerschaft zu gutten selbst in die
handt“ (Kr. A. W. Mise. 34, I).
Von Sanftmut war der Fürst allerdings am weitesten entfernt.
Er heuchelte sie wohl zuerst, wenn er die „Ungehorsamen“ einzeln
vor sich lud und ihnen persönlich zusetzte. Da wußte er alle
Gefühlsregister zu ziehen und eine außergewöhnliche Beredsamkeit
zu entfalten. Aber lange vermochte er seine gewalthätige Natur nie-
mals zu verbergen.
Es ist ein Kabinettstücklein jesuitischer Geschichts-
darstellung, wenn Scherer sagt: „Jedermann, so in der
Religion einige Beschwer und Anfechtung gehabt, hat
Julius für sich geladen und gnädige Audienz gegeben!
Natürlich hat Janssen diesen Ausspruch zitiert. Ob er wohl selbst
die Naivität besaß, zu glauben, die armen wiirzburgischen Unter-
thanen hatten bei dem geistlichen Rat und Zuspruch gesucht, der
ihnen „in der Religion Beschwer und Anfechtung“ verursachte?
Wem Julius „gnädige Audienz“ gab, der wußte, daß es nun heiße: Ent-
weder zurück zur katholischen Kirche oder hinaus aus dem Land,
der durfte, wenn er standhaft blieb, auf eine wenig glimpfliche
Behandlung sich gefaßt machen. Hat man doch in einer Kapitels-
sitzung (1581, p. 343 K. Pr.) sich beschwert, daß Julius sogar
„die Prälaten an schnarre und alles nach seinem Kopfe
2) S. Kreisarchiv Würzburg, Korresp., Mise. 68 u. 831.
Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter. 271
machen wolle; man habe die alten Bischove vexiert, dieser
Herr vexiere ein ehrw. Domkapitel und andre leutt.“
Obgleich die Regierungszeit des Bischofs Julius im Äußern
friedlich verlief, so war doch sein ganzes Leben mit Streit erfüllt.
Er selbst vergleicht sich einmal mit einem ,, Wetzstein, do jedermann
anschleuffe. 44 Zieht man sein Naturell und die ganze Wildheit seiner
Zeit in Betracht, so versteht man, daß es unaufhörlich zu Reibungen
und Kämpfen kommen mußte.
Dafür sollen nun im Folgenden mehrere neue Proben gegeben
werden, um die rücksichtslohe Energie und Gewaltthätigkeit des Fürst-
bischofs zu illustrieren.
Zuvörderst sei auf das Verhältnis zu den geistlichen Nachbar-
fürsten verwiesen. Mit Mainz kamen zahllose „Irrungen“ vor, die
zuweilen einen bedrohlichen Charakter annahmen. Der Erzbischof
Wolfgang hat wiederholt in Würzburg Beschwerde geführt, z. B.
in einem Schreiben vom 21. Okt. 1585 abschriftlich im fstl.
Leiningenschen Archiv zu Amorbach). Wir erfahren daraus: Julius
hatte als geistlicher Ordinarius beschlossen, den von den Hartheim-
schen Vormündern eingezogenen Pfarrherrn zu Bretzigheim zu er-
ledigen und abholen zu lassen, und die Einwilligung von Mainz er-
halten, dessen zehntbarliche Obrigkeit bei der Abholung zu be-
rühren.
Aber der würzburgische Keller zu Lauda war nachts mit
ca. 400 Mann eingerückt, hatte nicht allein den Pfarrer abgeholt, sondern
auch die Kirche ,.zu Verwehrung Glockenstreiches“ umringen und
in des alteü Hartheimischen Vogts Behausung, die auf Meintzischer
zehntbarl. Obrigkeit gelegen, mit Verwüstung vielen Hausgeraidts
ziemlichen Übermut und ohnfug“ verüben lassen. Über diesen
..groben Mißbrauch der nachbarlichen Einwilligung und onziemlichen
frevel und Mutwill 4 führt der Erzbischof in jenem Briefe Klage.
In einem andern (vom 21. Mai 1593) geht er auf den Wunsch des
Julius ein, durch die beiderseitigen Beamten den von Christoph von
Rosenberg rechtmäßig zu Kuprichshausen bestellten evang. Pfarrer
Andreas Episkopius abschaffen und einen kathol. Priester instituieren
zu lassen, fügt aber die Weisung an seinen Amtmann hinzu: „Über
solche Verrichtung habt ihr euch mit den Würzburgischen in vernere
uunottige Disputation oder Weitläufigkeit nit einzulassen; da sie
sich vielleicht ainige fernere gerechtsame . . . aumaßen oder uff die
Ban zu bringen unterstehen sollten, hattet ihr daselbst nit einzu-
räumen.“ Solches Mißtrauen war gewiß durch mehr denn eine
schlimme Erfahrung geweckt worden. ~
Bekannt ist, wie Julius einen andern Nachbar, den bekehrungs^
wütigen Abt Balthasar von Fulda, zur Absetzung gezwungen und
dessen Stift eingenommen hat (1576) — ein Gewaltstreich keckster
272 Kaclner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter.
Art, über den die Akten noch nicht geschlossen sind1). Gewiß ist
nur, daß er nicht im Interesse der protest. Ritterschaft Fuldas unter-
nommen wurde, sondern dem „Willen zur Macht“ entsprang. Das
Kreisarchiv Würzburg verwahrt ein „Bedenken, wie der Stifft Fulda
in bessre Versicherung zu bringen“, welches das Vorgehen des Julius
verständlicher machen, wenn auch nicht entschuldigen kann. Da
heißt es u. a. im hochpolitischen Ton: „Dieweil die Weltlichen nit
unterlassen, die Stifft wider ihren Willen einzuziehen, warum sollt
denn den gaistlichen nit auch erlaubt sein, sich so stark zu-
sammenzuthun und einander einzulaiben?“ Freilich wird
da zum Schluß vorgeschlagen : wenn einer von beiden (der von
Würzburg oder der von Fulda) mit Tod abgehen sollte, würde der
andre beider Stifte Herr sein. Deß aber wollte Julius nicht ge-
warten, er griff zu, mußte jedoch bald den Raub zurückgeben.
Weniger bekannt sind die heftigen Streitigkeiten mit Bamberg.
Sie erreichten ihren Höhepunkt unter Bischof Johann Philipp.
Dieser beklagt sich z. B. beim Kapitel in Wiirzburg (Juli 1607):
Julius habe den Abt von Stephan etliche Jahre lang ins exilium
verjagt, hause sonsten übel mit seinen Klöstern, rantionire und
Prandschaze dieselben . . . er, Johann Philipp, ließe sich den un-
ruhigen Bischöfen zu Würz bürg und dessen vermeinte be-
schwerungen, darzu er jederzeit provozirt und Ursach geben, nicht
ihrren. Ebenso im Sept. 1607: Die Streitigkeiten hätten sich ge-
mehrt, sintemal Julius durch alle ergrübleten Mittel von tag zu tag
des Stifts Abbruch nicht allein gesucht, sondern solch Vorhaben mit
gewalt fortzusetzen sich unterfangen. Julius hinwiederum beschwert
sich wider den Bamberger, daß er sich erlaubt habe, „eine unserm
Stift verderbliche bewahrte Creißexekution anzuordnen vor den Grafen
von Leoustein und also einer solchen thetlichkeit sich underfangen,
dergleichen wol bei aller Menschen Lebzeiten von einem geistlichen
Stand wider den andern nie mehr gehört worden. u Bamberg handelte
liier übrigens im Auftrag des fränkischen Kreises. Im August 1606
Avar auf dem Kreistag zu Nürnberg die Exekution beschlossen
worden, da ex parte Wirtzburg gegen Wertheim ein Exzeß geschehen
sei, und nach dem Landfrieden keiner den andern eigens Gewalts
bevehden, überziehen, an land und leutten schedigen und mit be-
wehrter handt überfallen“ dürfe. Doch wurden erst beide Teile
nochmals aufgefordert, die Thätlichkeiten einzustellen. Wie wenig
Julius darauf achtete, das gaben die darauf ervolgten gewalthetigen
acta zu erkhenen, denn den verschienen Herbst hätte Bischof Julius
etliche 100 wolbewerter zu roß und fuß abgefertigt und das Geleidt
mit gewalt führen lassen, desgleichen im verschienen Julio bei 3000
(oder, wie ein würzb. Diener selbst bekannt, 6000 Manu) sich des
1) cf. E g 1 o ff s t e i n : Fürstabt Balthasar von Dermbach München 1890.
Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter. 273
Zehends zu Dertnigen zu Unterfangen ausgeschickt, die hätten sich,
als sie auf Dertinger Markung kommen, von der Straßen abgewendt
und des Schultheisen Haus geplündert: bei der Ernte waren wieder
300 mit fliegenden fahnen und Drommeten eingefallen tyrannischer,
barbarischer Weis, hätten offen, thiir u. fenster eingeschlagen, kisten
und kästen geöffnet, daß auch der Türck nicht fe indl ich er und
tyrannischer hatte hausen und toben können. Der Augen-
schein habe das Alles bestätigt1).“ Darauf eine neue Ab-
ordnung an Julius, er solle abstehen, der Vaterlosen sich annehmen
und Schadenersatz leisten. Aber was halfen die Worte! Die Exe-
kution, worüber er sich gegen den Bamberger in so bitterem Tone
und mit der Miene des unschuldig Gekränkten beklagt, ist ,, stecken
geblieben“. Der mehrjährige Raubkrieg gegen Wertheim ist wohl
der größte Schandfleck der Regierung J ulius Echters und ein trauriges
Zeichen der in den letzten Dezennien vor dem 30jährigen Krieg
immer mehr zunehmenden Verrottung der öffentlichen Zustände und
Verrohung der Gemüter. —
J. hat recht wohl gewußt, daß ihm als einem Bischof die
„armirten einfeil“ nicht wohl ansteben, gleichwohl hat er, um
seinen unbeugsamen Willen durchzusetzen, bis in seine letzten Jahre
häufig von diesem Mittel Gebrauch gemacht. Er wäre auch Bam-
berg gegenüber dazu fähig gewesen, wie man aus seinem folgenden
Schreiben an das Bamb. Kapitel ersehen kaun : „Die leutte in den
Cennten Eltmann und Ebern sind (von Bamberg) angewiesen, daß
sie das wenigste mehr in unsre Centen bringen, die in der geist-
lichen Oberkeit gesessenen werden angehalten, nicht vor unser Con-
sistorium zu gehen etc. Gott Lob, zum tuiren des Stifts
finden wir die mittel noch wol und leichtlick. Bisher
haben wir die mittel gebraucht, welche geistlichen Personen besser
austehn alß armirte einfeil . . . Ein ehrw. Capitell möge den Bi-
schof zu mehrerer beschaidenheit erinnern, sonst würden wir uns
mit mehrerem ernst der Sachen annemen" 2 ?. Es war ein Glück, daß
der energische Job. Philipp schon 1609 verstarb. - — Das haupt-
sächlichste Streitobjekt zwischen B. u. W. war das Kloster Bauz.
Hier hatte Bamberg die hohe Obrigkeit, das Gericht mußte sowohl
im Namen des Bischofs als des Prälaten von Banz gehest werden,
des Klosters Unterthanen hatten Steuer und Umgeld nach B. zu
entrichten, dieses hatte auf dem Kloster „Atzung und Oeffnung.“
Julius war der Ordinarius. An ihn als den Mächtigeren schloß sich
der Abt enger an und ward von ihm wiederholt zum Widerstand
gegen die Ansprüche Bambergs ermuntert. Wenn Bamberg das
Jagen und Schießen in des Klosters Gehölzen verbietet, ermahnt
1) Siehe die Sitzungsprotokolle des Würzburger Domkapitels vom
Sept. 1G07.
2) Siehe Bamb. Receßbiicher, Jahrgang 1607.
274 Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter.
Würzburg, Bauz solle das Jagen viel mehr als zuvor besuchen und
gebrauchen und sich solch ufkhunden im wenigsten nit irren lassen.
Wenn der Abt Thomas eine Summe zur Ablösung der bambergischen
Stiftsscliulden bewilligt, so fordert Julius sofort, dass die ganz gleiche
Summe auf seine Kammer erlegt werde (Kreisarchiv Bamberg,
Missivbuch des Abts Thomas, unterm 27. März 1602).
Die Briefsammlung dieses Abtes enthält — zwischenein be-
merkt — mancherlei für die Charakteristik des J. wertvolles Mate-
rial. Ich verweise nur auf einen Brief des Abtes an J., d. d.
4. Aug. 1588, dieses Inhalts: B. Julius habe versprochen, ihm zum
Wiederaufbau Locorum Conventualium die halbe Türkensteuer nach-
zulassen; nun möge er das Versprechen erfüllen, nachdem das Werk
auf sein Betreiben hin unternommen sei. Gelegentlich eines Be-
suches bei der Rückkehr von Wien (a. 1577) habe er, der Bischof,
„ihn der Kleinmütigkeit beschuldigt und vermeldet, man müßte
unsern Herrn Gott nit stettigs hinter der thiir stehen
laßen, sed in primis Regnum Dei esse promovendum“, mit dem
Bau sollte fortgefahren werden, so würden andre Sachen desto glück-
licher nachher gehn. Nach der Mahlzeit beim Abschied habe er ihm
nochmals zugerufen, ja nicht zu feiern.
Mau sieht auch hieraus, welcher Eifer zur Beförderung des
katholischen Kirchenwesens den Bischof schon in den ersten Jahren
seiner Regierung beseelte. „Feiern“ war seine Sache nicht. Zu-
gleich aber verrät dies Schreiben, dass er zwar gerne Geldunter-
stützungen in Aussicht stellte, aber, wenns drauf ankam, sich doch
sehr zurückhaltend zeigte. J aussen (a. a. 0.) behauptet noch,
Julius habe die Spitäler seines Stifts etc. auf seine Kosten ge-
baut, nachdem doch schon Buchinger (in seiner Biographie des J.
p. 266) zugegeben hat, dass „die Herstellungskosten der Gemeinde-
und Kirchengebäude größtenteils aus den Mitteln der betreffenden
Gemeinden und Kirchen bestritten wurden/4
Was dazu fürstlicherseits beigesteuert ward, stammte entweder
von eingezogenen Klöstern her oder war von den Protestanten er-
preßtes „Strafgeld“1). Bemerkenswert erscheint hier auch die Klage
des Kapitels (1617): Der Bischof mahne immer zur Bestellung der
schlecht dotierten Pfarreien, die guten hingegen, „die besetzen S.
F. Gn. teils mit alumuis, den geben Sie etwas uff ein Gäuleiu, das
Uebrige nemeu S. F. G. Zu Iren handen, wo mit dem-
selben Sie aber hinkommen, sei unbewußt.“ Doch weiteres
1) Februar 1588 läßt J. im Kapitel anbringen: Der Stift sei durch
Gottes Hilfe wieder zum kath. Glauben gebracht. Es wäre
zu bedenken, ob die Pfarrn vom gefallenen straffgeld zu
bessern sein sollen. 1578 (28. Febr.) konstatiert, das Kapitel, daß der
jetzige Fürst in die 8 oder 9 Klöster habe.
Kadner, Zur Cliarakteristik des Fürstbischofs Julius Echter. 275
über seine Finauzgebalirung, die gleichfalls des Gewaltthätigeu und
Eigenmächtigen genug; au sich hat. gehört nicht hierher.
o o o o o
Wir -wenden uns zu den Kämpfen des Bischofs zurück und heben
noch die mit dem Abt von Ebrach, dann vor allen mit der Ritter-
schaft und dem Domkapitel hervor.
In der Kapitelssitzuug vom 1. Okt. 1589 wird über den Streit
mit Ebrach berichtet: Julius ließ den Richter des Klosters durch
etliche Reisige nächtlicher Weil in dessen Haus verhaften, unter dem
Vorwand, derselbe habe ihn in seiner zentbarlichen Jurisdiktion viel-
fältig perturbiert. Der Abt selbst war gewarnt worden und entflohen.
Späterhin ward auch sein Schultheiß zu Siegendorf in Ketten ge-
schlossen, weil er einen würzburgischen Taglöhner, der einen Ebe-
richen Untertliauen bestohlen, in den Turm nach Ebrach geliefert
habe.
Das Kapitel legt Fürsprache für den Abt ein. man solle ihn
außer Sorge sein lassen, zumal viel üble Nachrede entstehen würde.
Kaltblütig antwortet der Fürst: „Der Abt gehöre in sein Kloster,
und habe er nie begehrt, ihn zu fangen, wozu er Gelegenheit genug
gehabt“, und — verlangt seinerseits nur zu wissen, wer von den
Domherrn den Abt gewarnt habe.
Jedenfalls gehörte nach alledem Bischof Julius nicht zu den
getreuen, friedfertigen Nachbarn.
Besonders heftig war sodann sein Streit mit der Ritterschaft
des Hochstifts, angefacht zumeist durch seine Protestantenverfolgungen
und im Zusammenhang damit durch seine Versuche, den Adeligen
das Recht der Pfarrbestellung zu nehmen, aber auch durch die.Riick-
siclitslosigkeit. womit er „die verabsäumten oder sonst verwirkten
Leheu mit Ausschließung der Magnaten als allerdings apart und ver-
mant eiuzog.“ Auf die hierdurch veranlaßten Beschwerden verfaßte
Julius a. 1581 eine schriftliche Antwort (s. Domkap. -Protokoll v.
2. Febr.). Darin versichert er die Ritterschaft, dass er sich
nicht fürchte, sondern mit Patientz und Manheit der Sachen be-
gegnen würde. Es sei ein abscheulich Ding, dass ein Diener und
Lehenmann seinem Herrn unter Augen stehe in Glaubenssachen, da
ihm mit nichten gebührt zu reformiren, welches also erst dann zu
geschehen hingehen möcht, wenn er. der Bischof, apostatire und
lutherisch wurde. Er fürchte sich gar nichts, auch davor
nicht, dass die Ritter mit der Landschaft einen Verstand sollten
haben.“ Er wollte bald ein häufen volks ins Land pringen, welches sie
uuderhalten und zalen müßten, denn obschon die Saue grunzen,
so hat man doch uit bald gehört, dass sie Iren hirtteu
gefressen haben.“
Aus dieser Antwort ließ der Fürst auf den Rat des Kapitels
zwar etliche ,,Scherpff‘ heraus, aber es blieb noch genug darin, u.
276 Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter.
der Streit zog sich durch seine ganze Regierungszeit hindurch1).
Kaiser Rudolph II. mischte sich ein und ermahnte schriftlich (Origi-
nal in Würzburg, Hoheitss. 28) die fränkische Ritterschaft, sie solle
des Bischofs Andacht in Verrichtung ihres Amtes ferner un verhindert
lassen und die Unterthanen weder durch sich selbst noch durch
andre Hilf zu Ungehorsam steifen (3. Okt. 1586).
Aber dass der Bischof an den Kaiser ging, hat die Ritterschaft
nur noch mehr erbittert. Sie erhob 1586 neue Klagen, die jener
nicht unbeantwortet ließ. Dem Kapitel teilte er mit (s. Dornk.-
Prot. 1586 p. 146^, er wolle der Ritterschaft wieder eine Antwort
geben, weil die Sache die alte Religion belange und damit der
Unterthanen glück, hayl und wolfarth gesucht würde, dernhalben er
nicht gern gar zu leis gehen wollte.
Wenn Julius sagt, er hasse das Leisetreten, er wolle „manus
imponiere“ und nicht zu denen gehören, die „ungeschmalzen und
ungesalzen“ oder, „nachdem sie an lutherischen Universitäten das
Gift eingesaugt hätten, weder fisch noch fleisch wären“, so
liefert er damit eine treffliche Selbstcharakteristik. Was er war, das
war er ganz, was er wollte, setzte er hartnäckig durch. Auch die
Ritterschaft vermochte ihm nichts anzuhaben. Als 1610 der alte,
streitbare Plans von Steinau zu neuem Angriff überging (Hoheitss.
fase. 1, Kr.-Arch. W.) und dem Bischoff öffentlich vorwarf, er' gehe
mit dem Adel um wie sonst kein Fürst im Reich, ein gemein Ge-
schrei sei über ihn in ganz Deutschland; er wolle „durch machiaf.
fellische griefif“ des Adels Güter nehmen, habe schon viel 100 000
gulten werthguter aus der Edelleut Hand an sich gebracht, ein
Armer vom Adel könne des Rechts Ausgang nicht erleben; „durch
den blutrat der Jesuiten sei der meiste teil der christ-
lichen Erdbodt in allen christlichen Königreichen mit
blut überzogen worden“ . . . , da wurde der Ritter wegen
Felonie verklagt und mußte Abbitte leisten.
So wußte Julius auch den härtesten Widerstand seines eignen
Kapitels zu brechen 2), und hier war er häufig im Recht, denn er
hatte den weiteren Blick. Die Gründung seines Spitals wie seiner
Universität vollzog sich unter dem fortgesetzten Protest der Dom-
herren. Der Streit erreichte im J. 1581 seinen Höhepunkt. Der
Domdekan ist wütend, dass J. sich nichts einreden lasse (was doch
auch Kaisern und Königen geschehe) und das Stift immer tiefer in
1) Buchinger sagt „der Streit endete mit allmählicher Versöhnung.“
Davon wissen die Akten nichts. Die Beschwerden über Julius wieder-
holen sich immer, noch im J. 1618 werden sie dem Nachfolger, Johann
Gottfried, vorgetragen (s. Buchinger: Julius Echter von Mespelbrunn.
Würzburg 1843).
2) Näheres bei Wegele, Geschichte der Universität Würzburg, II,
118 ff. (Wiirzburg 1882).
Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter. 277
Schulden stürze: er meine, er sei das fac totum allein. Der Fürst
begütigt erst: er wolle die Sache „schon geschmeidig an-
greifen“; aber als man erwidert, zwischen ihm und den luthe-
rischen Fürsten, die auch die Klöster einziehen und Schulen
bauen, sei kein Unterschied, die alten Fürsten hätten ex pa-
trimonio genommen etc., da braust er auf: er sei „injuriose an
ehrn unpillig angedaßt worden“, und verlangt eine kategorische Er-
klärung, ob man in den Seminarbau willige. Das Kapitel stellt
Bedingungen, in erster Linie die Abschaffung des geistlichen Rates ’).
Aber Julius lehnt alles ab und will sich „nicht länger auf halten
lassen, weile auch die weltlichen als der Markgraf und die von
Nürnberg Schule bawen und ihre Religion fortzu pflanzen sich
b eflissen.“
So riefen alle größeren Unternehmungen sozusagen Verfassungs-
konflikte hervor, aber immer lautete des Kapitels Weisheit und
Macht letzter Schluß also : „Ist nun soweit, dass nicht mehr viel
einredens helfen werde; ist votiert, diesen Punkt ersitzen zu lassen.“
Doch wir haben noch auf ein Arbeitsfeld des Würzburger Bi-
schofs hinzuweisen, wo seine Gewaltthätigkeit und Grausamkeit den
weitesten Spielraum fanden, auf seine Bekämpfung des Protestantis-
mus. Nur einige Episoden sollen hier Platz finden.
Die Würzburger Protestanten besaßen seit 1546 einen eigenen
Friedhof vor der Stadt. Sie wollten denselben 1583 besser in stand
setzen. Aber Julius beschloß, keinerlei bauliche Veränderungen zu
dulden und verwies ihnen „solchen freveln Baw und fürnehmen mit
ernst“. Der Strafe halben ließ er sie „am Creuz hängen, daß sie
nicht wissen sollten, was er ferner gegen Ihnen fürzunehmen gesinnt.“
Feierlich hat er ihnen erklärt: Er fürchte sich nicht vor den
ITnterthanen und plinzle nicht viel mit ihnen. Man sei der
leute noch mächtig. Ihm sei es hoch verklein erlich, ein solches an
seinem Hofläger uud Capitelsresidenz zu gestatten (Würzb. Ratsprotoc.
Dez. 1583).
So beganneu die Versuche, die Widerspenstigen allmählich mürbe
zu machen. In Zell, wo die Truchsess von jeher die Pfarrbestellung
hatten, haben die geistlichen Räte des Julius dem evangelischen
Pfarrer (der 22 Jahre dort amtiert) aufgekündigt und befohlen, die
Pfarr-Register dem Keller zu Haßfurt zuzustellen. Als sie Widerspruch
fanden, sind sie mit Bütteln, Schlossern tmd Zimmerleuten auf den
Pfarrherrn und Schulmeister mit Gewalt gedrungen, haben nach
Oeffnung der Kirche den Kaplan von Haßfurt predigen und diese
daun wieder versperren lassen. In ähnlicher Weise, mit Zuhilfenahme
1) Man sagt dem jesuitischen geistl. Rat u. a. nach, dass er partei-
isch handle, item in alle Testament und andre Sachen greife,
wo etwas ist, und dasselbe einesteils in seinen Privatnutzen a ndern -
teils in das neue Spital ziehe (Domkapitelsprotokolle 1578 p. 114).
Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte. V. G 19
278 Kadner, Zur Charakteristik des Eiirstbischofs Julius Echter.
„einer guten Anzahl bewaffneten Volks “, wurden viele Pfarreien
wieder mit katholischen Priestern „besetzt“, zuweilen unter dem
lauten Weinen der Gemeinden (cf. Kr. A. W. Fase. CXXIII
Nr. 3084) 1).
Da mit sanfter Gewalt in der Regel keine Bekehrungen erzielt
wurden, wurde zu Geld- und Gefängnisstrafen geschritten. Die Taufe
bei einem Prädikanten kam teuer zu stehen. Viele Bürger verarmten
durch die „stattlicheu Summen straffgelds“, die Gefängnisse
waren (zumal im J. 1588) überfüllt. Das letzte Mittel aber war
das „bisher im Reich Teutscher Nation unerhörte Austreiben“, und
die Art, wie dies Mittel angewendet wurde, zeugt noch am meisten
von barbarischer Ungerechtigkeit und Grausamkeit. Umsonst wandte
sich die Ritterschaft2) an Julius mit der Bitte, er solle doch
wenigstens den Ausgewiesenen „eine solche Frist verstatten, wie er
im Niederland (als kaiserlicher Commissar) selbsten gemittelt und
fürgeschlagen habe“ (nämlich 3 Jahre zur Emigration und Trans-
lation der Güter). Man hat den Standhaften eine Frist von nur
3 oder 8 Tagen bewilligt und den sofortigen Verkauf ihrer Güter
gefordert. Aber es lässt sich denken, daß es sehr häufig an der
Gelegenheit zum Verkauf fehlte wie andrerseits an der Möglichkeit,
die Kaufsumme einzutreiben. Da und dort ließen die „Inwohner“,
die ein Gut angekauft hatten, die Zahlungsfristen verfallen, und wenn
die Ausgewanderten um Amtshilfe nachsuchten, wurdeu sie abge-
wiesen (einer erzählt, man habe ihn mit Fauststreichen fortgeschickt).
Fast alle klagen sie darüber, daß sie von den zerschlagenen Fristen
und dem Zinsgeld noch Reichssteuer dem Bischof, ihrem früheren
Landesherrn, erlegen mußten, vor allem aber darüber, daß man
Güter, die nicht gleich Käufer fänden, „zum Teil ohne Wissen der
Eigentümer, zum Teil wider ihren Willen“ einfach von amtswegen
„im ganz geringen Werte“ abschätzte. „So wurde vieles einem In-
wohner heimgeschatzt“ (Kr. A. W. V. 8383). Nach Aussage eines
Kitzinger Bürgers haben die Karlstadter Schätzer seinen Weingarten
zu Karlstadt, der „gern 200 fl. gegolten“, um 35 fl. abgeschätzt.
Ein andrer ist 11 Tage eingesperrt worden, weil er nicht drein
willigen wollte, als man ihm seine Güter ganz gering taxierte.
„Unbillige Arresta, auch zu Ungebühr abgenommene Handtlohn“
waren an der Tagesordnung (in einer Beschwerdeschrift sind
20 Fälle aufgeführt).
Kam trotz geringen Preises ein Kauf nicht zu stände, so
waren die Verluste der Vertriebenen erst recht bedeutend. Denn es
erging der fürstliche Befehl, daß „ihnen die Güter selbst zu bauen
1) Etliche Bilder aus der Gegenreformation im Fürstbistum Würzbnrg
habe ich auch in Nr. 2 des Würzb. evangel. Gemeindeblattes 1898 ver-
öffentlicht.
2) 17. Juni 86, K. A. W. Mise. 34.
Kadner, Zur Charakteristik des Fürstbischofs Julius Echter. 279
gar nicht zugelassen werde, sondern daß sie solches durch Inwoner
umb die gebuer bestellen, bis sich käuffer darzu finden“. Keinem
Ausgezogenen durfte durch „Pündtner“ gearbeitet (sc. bei der Wein-
ernte)1) oder „andre nachbarliche Dienst erwiesen werden“. Ein
ehemaliger Carlstädter versucht, seinen Wein nach Frankfurt zu
fahren. Er wird in das Gefängnis gesteckt, andern Tags heim-
geschickt und muß noch dem Büttelknecht Schlafgeld zahlen. Will
ein Vertriebener die Stadt Miinnerstadt wieder betreten, muß er sich
erst durch die Thor Wächter anmelden lassen und sich „mit ihnen
ihrer mühe halben vergleichen“ — man stelle sich alle die großen
und kleinen Chikanen vor ! Leute aus Gerolzhofen, die in Prichsenstadt
Aufnahme gefunden hatten, überschicken dem Fürsten 8 Gravamina2)
z. B. Düngung betreffend: „Dem lieben erdtreich werde sein not-
turft abgestrickt. Die ließ man tungen, die ihres nutzens halben
weggezogen waren, aber die Exulanten, die mit unüberwindlichen
Schäden ausziehen müssen, wolle man abhalten, wie können sie den
frohn und Steuer Zu geben schuldig sein?“ Es könnte geschlossen
werden, daß die Ausschaffung nit allein der Religion
sondern auch umb gelts willen der Cammer zu Steuer
für gangen were. Oder: den Vertriebenen werde durch die Inge-
sessenen böslich gebaut etc.
Und dies alles, obwohl nach den Bestimmungen des Religions-
friedens der freie Ab- und Zuzug, auch Verkauf der Hab und Güter
zu bewilligen war. Aber Julius war ärgerlich, daß „solche leutte, die
Exulanten nämlich, soviel Unnotwendigsanlauffens machten,“
und urteilte, daß „in ihren reden und schreiben Ihre frechheit mehr
als beschaidenheit offenbar geworden“ sei. So waren denn die Be-
schwerdeschriften so gut wie völlig umsonst. Nicht minder die
„Fürschriften“ der protest. Grafen und Fürsten. Buchinger (1. c.
p. 179) schreibt: Julius wich bescheiden aus!!
Zum Schluß noch ein Beispiel dafür, daß der Bischof in seinem
Religionswerk schlechthin gar keine Halbheit duldete und, soweit
seine Herrschaft reichte, „ein Ganzes machte“, mit einer Gründlichkeit
und Energie, der man nur die Leitung durch eine andere Idee
hätte wünschen mögen. Leonhard Schmidt, halb Brunhausischer
halb Würzburger Unter than, hat sich bisher in Religionssachen
ungehorsam erzeigt. Pfarrer und Keller sollen ihn mit bester Be-
scheidenheit zur katholischen Religion bringen, mit dem Vermelden,
1) J. schreibt Okt 1588 an die Grafen von Eberstein: „Daß die Aus-
gezogenen ihr Weingewächs in unser Statt Karlstatt abkeltern und ein-
legen, kann ich ferner nicht gestatten.“ (Die Grafen hatten Fürsprache
eingelegt): Er entblödet sich nicht beizufügen: „Man soll uns dafür nicht
halten, da wir jemand Vorbescheiden lassen, daß wir gegen denselben
etwas beschwerlichs begehren fürzunehmen!“
2) In dem genannten Samraelakt V. 8383 (v. J. 1589).
19 *
280 F. Herrmahn, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg.
daß der Bischof für seinen Teil solchen Ungehorsam nicht verstatten
könnte und eventuell mehr Ernst fürnehinen und gebrauchen müßte1).
Was will besagter Schmidt t'hun? Er muß seine würzburgischen
Güter, die auf des Bischofs Befehl nur einen katholischen Be-
sitzer dulden, verkaufen, da es solch armen Unterthanen doch
schwerlich gelingen mag, seinen Besitzverhältnissen entsprechend
hinsichtlich der Religion sein Wesen zu teilen.
Bericht des Hieronymus Rauscher,
Diacon an St. Lorenz in Nürnberg, über die Entlassung der inte-
rimsfeindlichen Geistlichen im November 1548.
Mitgeteilt von F. Herrmann, Repetent in Giessen.
Das unten abgedruckte Schriftstück fand ich im vergangenen
Jahre auf der Kirchenbibliothek zu Schotten (Oberhessen)
unter alten Rechnungen. Wie es dorthin kam, ist bei dem Fehlen
der Adresse nicht mehr zu sagen. Der Schreiber selbst, der Dia-
conus an der Lorenzkirche in Nürnberg Hieronymus Rauscher,
hat wohl kaum Beziehungen zu Hessen gehabt2). Da ein grosser
Teil der genannten Bibliothek ein Vermächtnis des aus Schotten
stammenden Pfarrers Dr. Joh. Conr. Kissner ist, der um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts in Daudenzell und Breiten brunn in Baden
stand, darf man vielleicht die Vermutung wagen, daß der Brief mit
dessen Büchern nach Hessen verschleppt wurde.
Der Adressat ist wohl in Süddeutschland zu suchen. Dort hatte
man, zumal in den Städten, ein ganz besonderes Interesse an den
Interimsverhandlungen in Nürnberg, und der Eingang unseres Briefes
(quae nobis proposita etc.) scheint ja auch auf eine regelmässige Be-
richterstattung au einen Geistlichen hinzudeuten, der durch seine
1) Kr. A. W. G. 5435.
2) Rauscher stammte, wie er in seinem Briefe auch andeutet, aus Niirn.
berg, studierte seit 1535 in Wittenberg (Förste mann, Album Acad-
Vit. I 156), wurde dort Apr. 15. 38 Baccalaureus und Feb. 1539 Magister
(Köstlin, die Bacc. und Mag. der Wittenb. Philos. Fac. 1538 — 46, 5 bezw.
11) und kam, nachdem er am 21. Mai 1544 durch Bugenhagen zunächst
für ein Predigtamt in Schweiufurt ordiniert worden war (Wittenb. Ordi-
nandenregister ed. Buchwald I 38), und ein paar Jahre daselbst als Dia-
conus gewirkt hatte (Vgl. J. M. 8 ixt, Reformatiousgeschichte der Stadt
Schweinfurt, Schweinf. 1794 223 und 226, und T sch ackert Magister
Johann Sutel, Braunschweig 1897 100), 1548 als Diaconus an die Lorenz-
kirche in Nürnberg. Nach seiner Entlassung war er Prediger in Neu-
markt und Kemnat und starb 1569 als Hofprediger in Amberg (Allg. D.
Biogr. XXVII 447 f.)
F. Hermann, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg. 281
Obrigkeit demnächst in die gleiche Lage kommen konnte, wie der
Schreiber. Auch die Rumores, das consilium Brentii und die aus
Furcht vor den Folgen einer Entdeckung geforderte Rücksendung
des Briefes führen auf die gleiche Spur.
Von dem in dem Schreiben erwähnten und abschriftlich ange-
hängten Ratschlag des Joh. Brenz in Interimssachen findet sich bei
Pressei, Anecdota Brentiana p. 294 nach einer unvollständigen und
ungenauen Abschrift aus dem Stuttgarter Archiv der kleinere Teil unter
der Ueberschrift: Brentii epistola adversus conciliationem Evangelii
et libri Augustani 1548. Vollständig geben ihn nach einer Mitteilung
aus dem Archiv zu Gotha Hartmann und Jäger in Johann Brenz,
II. 520 f.1) unter der falschen Adresse: Brenz an Melanchthon: sie
bezeichnen ihn jedoch p. 168 richtig als Brief an einen „unbekannten
Freund aus einer Reichsstadt“. Daß er nicht, wie Hartmann und
Jäger aunehmen, im Anfang des Jahres 1549, sondern spätestens im
Nov. 1548 geschrieben ist. beweist seine Erwähnung in unserem
Nürnberger Briefe vom 21. November.
Ueber den Gegenstand des Rauscherschen Schreibens, die Ver-
handlungen des Nürnbergischen Rates mit den interimsfeindlichen
Geistlichen, sind wir durch Hirsch, Geschichte des Interims in
Nürnberg, 1750, und besonders durch Heide, Beitr. zur Geschichte
Nürnbergs in der Reformationszeit (2. Das Interim in Nürnberg) in
Räumers Hist. Taschenbuch, 6. Folge, Jahrg. 11, 1892, ziemlich
genau unterrichtet. Doch dürfte die Darstellung eines Beteiligten
vielleicht nicht unwillkommen sein. Rauscher schreibt lebendig, an-
schaulich und voll Entrüstung, wenn er auch die eigene Person wohl
etwas zu sehr in den Vordergrund rückt. Der äussere Verlauf der
Ereignisse war nach seinem Bericht folgender: Nachdem die auf
Grund der markgräflich ansbachischen Formulierung vom Rate am
29. Oktober an die Nürnbergischen Kirchendiener erlassene „newe Ord-
nung“ bekannt gegeben und dazu am 2. November eine Verfügung er-
lassen worden war, nach welcher die Privatabsolution am darauf-
folgenden Samstag und Sonntag beginnen sollte (Heide 217 f. ),
traten die Kapläne aller Nürnbergischen Kirchen am 5. Nov. zu
einer Besprechung zusammen, der auch 2 Deputierte des Rates bei-
wohnten. Diese verlangen die Bildung eines Ausschusses, dem je
2 Kapläne von jeder Kirche angehören sollen. In der am 6. November
im Aegidien-Kloster abgehaltenen Ausschusssitzung bitten diese um
Aufschub. Am folgenden Tage lässt der Rat je 8 Kapläne aus den
einzelnen Kirchen aufs Rathaus entbieten und schlägt ihnen den
erbetenen Aufschub ab : wer sich nicht fügen wolle, möge dies am
1) Dort ist zu lesen p. 520 Z. 18 v. o. statt sint: sit; Z. 9 v. u. con-
tumelia Christi; p. 521 Z. 12 v. o. gravissima; Z. 8 v. u. nostrae.
282 F. Herrmann, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg'.
8. November auzeigen (naclrHei de 219 f. wäre die erwähnte Ratssitzung
am 8. und der zur endgiltigeu Entscheidung bestimmte Tag der
9. November gewesen). Am 8. November erscheinen 5 Kapläne und
geben ihren Protest zu Protokoll; darunter Rauscher in der unten mitge-
teilten längeren Erklärung.
Schliesslich noch ein Wort über die dem Briefe voranstehende
Me ss -Liturgie. Der Rat hatte in der Sitzung vom 7. November er-
klären lassen, er müsse die neue Ordnung spätestens am Martinstag
„ins Werk bringen“. In der That wurde, wie unser Schreiben be-
weist, dieser Termin eingehalten. Die Skizzierung Rauschers ent-
spricht im allgemeinen der vom Rate am 29. Oktober geforderten Form
der Messe (Hirsch, 57 Aum. c1). WTas darin besonders anstößig
erschien, war die lateinische Verlesung von Epistel und Evangelium
neben der deutschen und die wiedereingeführte Elevation. Die aus-
drücklich erwähnte Auslassung des Canons war zwar nicht nach der
Nürnbergischen, wohl aber nach der Ansbacher Ordnung erlaubt
(Hirsch 98: So aber die Herren Theologi des kleinen oder großen
Canons Bedenken haben, möchten sie an derselben statt Psalmen
oder ander geistlich Gebet thun, für alle geistlich und weltliche
Christliche ordentliche Oberkeit und alle Ständ der ganzen Christen-
heit, auch für Ungläubige, Rotten und Sekten, und insgemein für
alles Anliegen der heil. Christi. Kirchen ctc.). —
Die verschiedenen Auslassungen in dem Abdruck des Schreibens
Rauschers erklären sich aus dem Zustand des Briefes. Derselbe
(Papier; folio) hat durch Wasser sehr gelitten und ist vielfach nur
schwer zu entziffern2). Das Fehlen der Adresse sowie der Anrede
scheint darauf hinzudeuten, dass das uns vorliegende Manuskript
nicht das Original ist.
Wie man zu Nurmberg vf Martini zu S. Lorenzen hat Messe
gehalten.
Erstlich hat man gesungen den Introitum de saucta Trinitate,
darnach das Kirie eleison vnd das Et in terra etc. Nachdem lieset
der Priester die Collekten deutzsch, die Epistel vber dem Altar la-
teinisch, nachuolgends deutzsch von der Cantzel. Darnach das Alleluia
de Trinitate, darauf das Evangelium latine mit gewöhnlichem Accent
vnd dan auch deutzsch vom predigtstuel, darauf das patrem latine.
Darnach singt der priester die praefation de Trinitate latine. Do
thut man ein sermon vom Sakrament. Darauf singt man: Erhalt
1) Vgl. auch die „Nürnbergische Interimsagende“ von 1549, Hirsoh,
Beil. H., insbes. 166 ff.
2) Für die Entzifferung mehrerer Stellen sowie für Nachweise über
die Person Rauschers bin ich Herrn Prof. D. Kawerau in Breslau zu
grossem Dank verpflichtet.
F. Herrmann, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg. 283
uns her bey deinem wort. Darnach das Sanctus latine, aber keinen
Canon liset er. Verba consecrationis singt er deutzsch vnd eleuirt
beide, brot vnd wein. Darnach singt er das pater n oster. Darnach
das Agnus dej. Darunter communicirt man vnter beder gestalt: nach
der Communion die Dancksagung deutzsch. Darnach gibt er den
segen mit kurtzen Worten vnd einem kurtzen Creutz. Darauf der
priester das Benedicamus, der Chor deo gratias.
Quae nobis proposita sint 2. Nouembris et quae acta sint quinta
Nouembris nuper uobis : nunc reliqua accipite, ex
quibus discere poteritis, quae uobis in eadem caussa facienda
erunt.
Nachdem die Oberkeit erfahrenn. wie wir Ministri beisammen
gewesenn vnd vns ob der nween Ordnung beredt, habenn sie zwue
personen aus dem Eath verordnet, die mit vns redenn solten vnd
die Ordnung declarirn, wue wir sie nit verstundenn. Dieselben haben
zwue personen aus jeder Kirchen begert, do bin ich von meiner
Kirchen auch einer verordent gewesen. Do seint wir nu den
VI. Xouembris im closter zu S. Egidij zusamen körnen vnd ire
declaration angekort, auch vnser beuelh fürbracht vnd in diesenn
Sachen ein dilation begert. Do sie aber die ne wen Ordnung sehr
lobten vnd sich wunderten, warumb wir vns derselbenn beschwertkenn,
fing ich an vnd sprach: Es seint zwei stuck, die vns solche sack
schwer machenn. Das erst, das grosse ergernus, das aus solchen
Ceremonien, quae antea in Papatu coniunctam habuemnt idolatriam,
volgenn wurde. Zum andern, das wir wissenn. das diese stuck der
anfang des Interims sein, vnd wir dadurch dem gantzen Babstnmb
den weg bereiten. Hic sermo omnino displicebat illis. Sagten, sie
woltenn das babstnmb dadurch abschneidenn.
Denn VII. Nouembris seint drev personen aus jeder kirchenn
vfs Kathaus gefordert vnd drey aus dem Eath zu vns verordnet,
mit vns zu handeln. Die haben vns angetzeigt: Es sey vnmoglich,
vns ein Dilation in diesenn sachenn zu gebenn. Ein erbar Eath habe
trefliche vrsach, dardurch sie gezwungen werden, solchs vf den tagk
Martinj in das werck zu brengen. vnd ob schon etliche person vnter
vns sein, die solchs zuuor nit gebraucht, so seint doch bey jeder
kirchenn souiel alter personen, die es wol können, die sollens an-
fahenn, vnd in acht tagen soUens die andern lernen vnd auch ins
werck bringen. Ob aber etliche personen vnter vns wheren, die
sich zu diesenn sachenn nit wolten brauchen lassen, die solten den
andern tagk frue vfs Eath aus kommen vnd ire vrsach antzeigen,
warumb sie es nit thuenn wollen.
Den VIII. Nouembris seint aus allen Kapellanen, welcher doch
in die sechs vnd dreissig hin, vnser fünf erschienen, die ire vrsach
284 F. Herrmann, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg.
angetzeigt1). vnter denen bin ich der erst gewest. Do hat mau
mich in die Cantzley gefurt vnd einen Cantzel Schreiber an die seiten
gesetzt; der excipiren solt alles, was ich redt. Do hab ich mit Gotes
hilf also angefangenn zu redenn: E. W. Hern! dieweil ein erbar
Rath vonn mir begert, vrsach antzutzeigenn, warumb ich mich zu der
newen Ordnung nit wolle brauchen lassen, welche nichts anders wirt
sein, dan ein frey öffentlich Bekentuus meines Glaubens, so bit ich
im anfang, man wolle mein wort nit bitter aufnehmen odder vbel
deuten, als gescheen sie aus einem hochmut oder mutwillen, sondern
als sie aus einem christlichen gewissen kommen, nis
meines glaubens dringt, vnd sagt erstlich also : Es ist offenbar, das
Key. Mt. zu Augsburg einen Radtschlag gemacht hat, wie mau sich
iu der Religion halten solle; den hab ich gelesen vnd darüber auch
vieler hochgelerter christlicher prediger bedenken gesehen vnd befind
nach meinem geringen verstände, das alles (?), so in diesem Rath-
schlage begrieffenn, abgotische, verfurische irrlere seint, es schein
gleich so schon, als es wolle. Vnd ob wol der Artickel jastifi-
cationis geschmückt ist mit glaten Worten, so ist er doch auch nit rein.
Welche in aber für rein halten, die geben zuuerstelien, das sie den-
selben Artickel nit recht verstehen.
Item ob wol vtraque species Sacramenti zugelassen wirdt vnd
die priesterehe, so steht docli öffentlich dar innen, das die Messe
ein opffer sey. Dartzu hilft die Eleuation, die jetzt widder augericht
wirdt. Vnd vber das alles so zeigt der Tittell dieses buchs au,
das nichts guts darinnen ist, dan es heist Interim, das ist: ein Zeit
lang sol es wheren, bis mau vns nerrischen Deutzschen das seil vber
die Hörner brengt. Ich mus aber ein stete gewiese lehr haben, die
allezeit whert . Darnach referirt siclis vf ein Christlich Concilium; do ist
kein bessers zugewarten, dan das jetzig teufelisch abgotisch zu Trient
gewesen ist, do gewieslich niemants zugelassen wirt, dan die feinde
Christi vnnd der rechtenn lehre.
Solchen Rathschlag Key. Mt., darinnen nichts guts ist, hat E.
W. nit allein angenhommen, sonder auch vf dem Cantzel loben lassenu,
vnnd darneben lassenu antzeigenn, das solche stuck, so ietzt ins wergk
gebracht, der anfangk des Interims sollen sein. Weiter so ist ge-
wies, das Key. Mt. sich nit am annehmen des Interims begnügen
wirt lassenn, sonder er wil das gantz Interim ins werck gebracht
haben, wie dan ein gewiese Zeit, in welcher das Interim sol an-
gericht werden, im Reichsabschied bestimbt ist, vnd zwar die jetzige
handlung solchs auch betzeugen. Dan dieweil ein E. Rath so not-
wendige vrsachen haben, die sie dringen vnd zwingen, mit den
1) Es waren außer dem Schreiber: seine Kollegen von St, Lorenz
Joh. Voit und Phil. Vischer, ferner vom Spital Ulrich Vischer
und von St. Aegidien Joh. Lederer. Vgl. Heide, 220.
. F. Herrmanu, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg.
285
jetzigen stucken fortzufaren, vnd wollen vns nit einen tagk Dilation
geben, gleich dieselbige vrsach wirt sie auch vf ein ander mhal
zwingen, das sie etwas -weiteres aus dem Interim müssen anrichten,
das sie vielleicht jetzt nit im sinne* haben. Dieweil nun diesem
also ist, so antwort ich erstlich in genere also: Dieweil die Cere-
monien, sie seint per se so gut als sie wollen, zuuor im babstumb
adiunctam Idolatriam gehabt haben vnd bey vns seint abgebracht
vnd jetzunt kein ander vrsach haben, darumb sie wider werden an-
gericht, dan das sie der Anfang des Interims sollenn sein, vnd
können auch ohn grosse tref liehe ergernus nit wider angericht
werden, So gedenk ich des teufels vorlauffer nit zu sein, vnd wil
mich weder zum Anfang noch zum mittel noch zum ende* des Inte-
rims biauchen lassen. Dan ich hab sunde für mich genug, darf
mich nit frembder sunde theilhaftig machenn.
In specie ist kurtzlich das mein vrsach: Ir wolt in ewer Ord-
nung publicam et priuatam absolutionem zugleich haben vnd last
vns nur potestatem absoluendi vnd nhemet vns potestatem ligandi;
das ist nit recht. Item ir wolt, das mau einer jeden person sol
Messe halten vnd also die Ministros zu entpfahung des Sakraments
zwingen, wan sie schon dazu vngeschickt, wolt also die priuat
Messe wider auf die ban brengen. Item man sol kein verdechtige
person ausprechen, keinem menschen das Sakrament versagen, wer
kan das thun? Weiter so hat jetzt bei vns die hieuor abgeschafte
vund wider aufgerichto Eleuation vnd praefation malam speciem. So
doch Paulus sagt: ab omni mala specie abstinete. Vber das bekennet
ir selbst, das ir vns nit vorgewiessen könnt, das wir bei diesen
artickeln pleiben sollen, sonder sagt nur, ir wollet vns nichts wider
gotes wort odder widder das gewissen auflegenu. Do spilt man nu
mit Gotes Wort vnd gewissen, wie man bey zwantzig jaren mit dem
wort Religion gespilt hat. Versehe mich nu, ich habe vrsach gnug
augetzeigt, warumb ich mich in solchen Sachen nit brauchen lassenn
wolle. Wiewol ich bekenne, das mir viel guts von E. W. von
Jugent auf gescheen ist, bin ich doch nit aus dieser vrsach gegen
Wittemberg geschickt, das ich ein Interimist soll werden, souder das
ich die reine lehr Christi lernen solt. Das hab ich für mein ver-
mogenn vnd alter gethann, gedenck auch bei solcher lehr, die ich
aldo gefast habe, mit gotes hilf bestendig zu beharrenn bis an mein
ende.
Den IX. Nouerabris ist mir die Antwort worden: wiewol ein E.
W. Rath der vorstendigkeit sie solche meine argumenta
wol zu refutiren wüsten, wolten sie sich doch mit mir in Disputation nit
einlassen. Ich konte aber dencken, dieweil ich solchs nit thun wolte,
das sie einen andern an mein stath musten aunhemenn, solt mich
derhalbenu von stunt au aller kirchenn empter enthalten. Die ant-
wort nam ich an, allein ich bat, dieweil s winter where vnd ich mit
286 F. Hermann, H. Rauscher über das Interim in Nürnberg.
weih vnd kint. nit fort künde, man solt mir das Haus noch ein weil
lassen, vnd darneben eiu schrieftlichen Abschiedt geben, warumb ich
hie geurlaubt vnd hinweck zöge. Darauf habe ich noch kein aut-
wort bekommen 1).
Unter diesenn fünf personen obuermeldet hat mau drey mit
guten Worten vnd gelde abpracticirt, das sie sich zu aufricktung ab-
goterey wollen brauchen lassenn, vnd seint vnser noch zwen2), vnd
bin ich meins Ambts ledig, weis nit, wo aus oder ein, liab kein
trost, dan Got allein; ille est scrutator cordium vnd weis, warumb
ich solchs gethann habe, nemlich propter sanctificationem nominis
illius. Ich liab viel spitziger Wort müssen leiden in der handlung,
sonderlich das sich die geschicktem! vom Rath frei hören Hessen,
sie betten macht, in diesem zu gebieten vnnd zu ordnen, wir solten
gehorsam sein, quod ego fortiter negabam. Daraus zu mercken, was
werden wil, das politicus Magistratus wil regnum Christi regiren.
D. Osiander hat vrlaub begert, der ist im von stund an
worden: ist im nie gedanckt worden für die sieben vnd zwentzig jar.
die er inen gedient hat, noch ein Verbum honoris gescheen, das er
ein ander mal widerkomen solt. Sein Eidam M. Jeronimus
peselt kan seins vrlaubs halben noch kein antwort bekommen3).
Es predigen jetzt allliie drey vngelerte Bachanten, die heucheln
weidlich, Avollen das Babstumb verteidingen, schelten Osiandrum vnd
vns aufrurer, böse hirtenn, die das Creutz fliehen: ach sie gehen in
gotes wort vmb wie ein Saw in einem Rubenacker. So seint econ-
tra noch allhie zwen rechtgeschaffene prediger, illi nos defendunt,
reprehendunt Magistratum et illos beanos clamantes contra couscien-
tiam. Et sic turbata est nostra ecclesia et inclinat maior pars ad
Papatum. Haec, quae scribo, sunt certa, alios rnmores nolite curare.
Diabolus varia spargit mendacia. Mitto uobis consilium Brentij in
simili causa. Orate diligenter pro me et rescribite quam primiun
poteritis, et mihi hoc meum scriptum, si tuto fieri potest, remittite.
Datum 21. Nouembris. HR.
Folgt das Gutachten von Brenz über die rechte Stellung zum
Interim.
1) Die Bitte wurde gewährt, vgl. Heide, 220.
2) Rauscher und Ulrich Fischer, vgl. Heide 220.
3) Hier. Besold entschloß sich nach Unterhandlungen mit dem
Rath schließlich doch wieder zum Bleiben, vgl. Heide 223.
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
287
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
znsammengestellt von
0. Rieder,
Kgl. Reichsarchivrat in München.
(Fortsetzung.)
Aus Archiv des hist. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg.
Reininger, N., Die Archidiacone, Offiziale und Generalvicare des
Bisthums Würzbttrg. Ein Beitrag zur Diözesangeschicbte.
Bd. 28 (1885), S. 1.
Yergl. liiezu Bossert im folgenden Bande.
Kraus, Johann Adolph, Persönliche Verhältnisse des Kauonikus
Allwalach in Franken (um 780): S. 267.
Schnell, Otto, Geschichte der Salzburg an der fränk. Saale. Mit
besonderer Rücksicht auf die Zeit von der Übergabe der Burg
an Bischof Heinrich von Würzburg bis auf den heutigen Tag :
Bd. 29 (1886), S. 1 (St. Bonifatius in der Salzburg S. 5 f . :
Grundriss der Burg 19: Bau der Schlosskapelle in Neuhaus
105 und der Bonifatius kapelle auf der Salzburg 115).
Wieland, Michael. Beiträge zu einer Geschichte von Hofheim und
seiner Filialen S. 129 (Pfarr- und Frühmesshaus 144: Pfarr-
kirche 152, Kreuzkapelle 160; Geschichte der Pfarrei 171;
Meßstiftungen 181: Schule 184: Pfarrfilialen 185; Urkunden-
regesten von 1170 bis 1808: S. 217).
Ullrich, Philipp Emil, Liber regulae ecclesiae Haugensis (Calen-
darium mit Jahrtagsstiftungen von 1002 bis 1600, zugleich
erläutert. Nebst alphabetischem Namens- u. Sachregister) : S. 249.
Bossert, Gustav, Zur Geschichte der Archidiakone und General-
vikare der Diöcess Würzburg S. 345 (Nachtrag zu Re ini ng e r
in Bd. 28).
Ullrich, Phil. Emil, Statuta ecclesiae collegiatae ad St. Joannem
Baptistam et Joannem Evangelistam in Hange Herbipoli existen-
tis (abgefasst nach dem Konzil zu Trient: mit Inhaltsüber-
sicht): Bd. 30 (1887), S. 1.
Mortuarium Haugense (enthaltend die 1693 — 1818 verstor-
benen Stiftsherren zu St. Haug. Mit alphabetischem Personen-
index) : S. 85.
Schnell, Otto, Personalstand der Cistercienser- Abtei Bildhausen
während der Zeit ihres Bestandes S. 135.
Grundriss der Klostergebäude von Bildhausen nach dem Stand
von 1788 nebst Erläuterungen S. 173 (mit einer grossen
kolorirten Ansicht am Ende des Bandes).
0. Rieder, Aus historischen Zeitschriften.
288
Pöhlmann, Carl. Der Dom zu Würzburg. Kunstgeschichtlielie
Studie S. 187 (mit Tafel I — V)-
Wagner, K;. Graf Johann HI. v. Wertheim S. 265 (Marienkirche
und Kilianskapelle zu W. S. 267).
Bossert, Gustav. Die Kirchenheiligen der Würzburger Diöcese in
württeinbergisch Franken: Bd. 31(1888), S. 1.
Wieland, Michael, Registrum literarum et privilegiorum, quae in
capitulo et custoria maioris ecclesiae Herbipolensis continentur.
Mit einem Orts-. Personen und Sachverzeichnis. S. 13.
Ullrich, Phil. Emil. Reihenfolge der Kapitulare und Vikare des
Stiftes Haug zu Würzburg vom Jahre 1691 — 1808: S. 109
(Mit Personenregister).
Amrhein, August, Reihenfolge der Mitglieder des adeligen Dom-
stiftes zu Wirzburg. St. Kilians-Brüder genannt, von seiner
Gründung bis zur Säkularisation. 1. Abtheilung (742 — 1491):
Bd. 32 (1889), S. 1 (Beilagen S. 283). 2. Abtk. (1491 bis
1803): Bd. 33 (1890), S. 1 (Beilagen: Series der Wirzburger
Bischöfe S. 317 : der Dompröpste, Domdekane etc. 32-5; Ver-
zeichnis der in höheren kirchlichen Würden stehenden Dom-
herrn 335; alphabetisches Namensregister über das Ganze 339).
Stein, Schweinfurt in der karolingischen Zeit: Bd. 34 (1891),
S. 1 (Kirchengut S. 7).
Boss ert, Gustav, ZurGeschichte der Würzburger Weihbischöfe S. 15.
Haupt, H., Zur Geschichte der revolutionären Bewegungen in
Würzburg unter Bischof Gerhard von Schwarzburg (1372 bis
1400: Beitrag zur Papst- und Kirchengeschichte dieser
Zeit) :‘ S. 23.
Wieland, Michael, Geschichte des Marktfleckens Euerdorf und
der zu dieser Pfarrei sonst und jetzt gehörigen Filialorte
S. 33 (Pfarrkirche 45: Willibrords-Kapelle 51: Geistliche
Korporationen 52 * Geschichte der Pfarrei mit ihren Filialen 60 ).
Wittmann. Pius, Würzburger Bücher *in der k. schwedischen
Universitätsbibliothek zu Upsala S. 111: Redaktionsbemerkung
hiezu S. 233.
Würzburger Bücher in der Domkirchen-Bibliothek zu Streng-
näs S. 161.
Weikert. Vineenz, Eine gestörte Jagdpartie 1669 und Rechts-
streit deswegen bis zum Jahre 1674 zwischen dem Hochstifte
Würzburg und dem Kloster Schwarzach. Kulturbild aus dem
17. Jahrhundert. S. 163.
Schnell, Otto. Das ehemalige Carmelitenkloster in Neustadt a Saale
(mit Grundriss): S. 181.
Sixt, Friedrich, Chronik der Stadt Gerolzhofen in Unterfranken.
Mit Stadtplan, mehreren Abbildungen und sonstigen Beilagen.
I. Theil: Denkwürdiges von Stadt und Markung. Bd. 35
0. Bieder. Ana historischen Zeitschriften.
289
(1892)8. 33 (Pfarrkirche and Kapelle oder das „Beinhans“ 55:
Spital mit Kirche 64: Nann enklosfcer 70: -Gotteshaus- und
Pfarrei-Geschichte“ 1Ö7 : Schulwesen im 15., 16. und 17. Jahr-
::: ' : : 119 8 ' . - " o . ’ ' _ ' ' 1445 8 123 — voll-
ständiger und richtiger in Bd. 3. H. 1. 8. 158 mitgeteilt);
II. Theil: Darstellung des äusseren politischen Lebens wie des
. - r St ' 141 . - K
gut des Stiftes Fulda 141 ; als Stifts Stadt des Bisthnms Würz-
bnrg 146: Zerstörung des Nonnenklosters im Banernkriege 161:
strenge Massregeln der Würzburger Bischöfe zur Gegenrefor-
mation in G. tmd Verweisung der Lutheraner ans Stadt nnd
Stift 169 n. 174: Hexen Verfolgungen im Stifte Würzburg,
G. ein Hanptriehtplatz der Hexen nnd Unholdinnen 175: Ver-
zeichnis der Pfarrer 2 02).
Stamminger, .J. B.. Würzburgs Knnstleben im 18. .Jahrhnndert
S. 209 (Erwähnung verschiedener kirchlicher Bauten. Bildne-
reien und Gemälde etc.).
Böhm, Ludwig, Kitzingen ond der Bauernkrieg. Nach den Ori-
ginalakten des Kitzinger Stadtarchivs. Bd. 36 1898). 8. 1
i Einführung der Beformation 8. 5 : christliche Predigt wider
die nnchristliehen Empörer 27 n. 129: Fürbitte des Pfarrers
Meglin fhr die armen Geblendeten 117: Dr. Karlstadt 180:
Pfarrer Meglin 169; Orts- nnd Personenregister 173).
Maverhofer. J ohannes , Kleine Beiträge znr Geschichte des Klosters
St. Stephan in Wnrzbnrg S. 187.
Kerle r. Znm Gedieh miss des Fürstbischofs Franz Lndwig v. Erthal.
Mittheilnngen ans Oberthürs handschriftlichem Nachlass nnd
anderen zeitgenössischen Quellen Mit Porträt), Bd. 87
(1895), S. 1.
Päpstliche Urknnden für das St. Stephans-Kloster zn Würz-
et _ ans .7;...; 1-28 — 1452 8. 7c*.
Bessert. Gustav, Der Besitz des Klosters Weissenbnrg (im Elsaß)
in Ostfranken S. 98.
F. v. B.y Wnrzbmg zn Anfang des vorigen Jahrhundert' 17 2 2. ans
M : • • . Z-:t 8 268 8
Domkapelle nnd Jnlinshospital 264: Sehottenklosr- 268
Wielandr M .. Die Karthanse Ostheim and ihre Bewohner : Bd. 38
(1896). 8. 1 mit einer Abbildung auf S. 11. welche der in
Bd. 9, II. 1 mitgeteilten ganz gleich ist).
Amrhein, Ä.. Geschichte des ehemaligen Benediktinerklosters Holz-
kirehen (Bezirksamts Marktheidenfeldi : S. 37.
Beitrag znr Geschichte des Schlosses Homburg (Hohenburg)
a. M. 8. 183 (Kloster Hohenbnrg nnd Neustadt etc. 137 : Ka-
pelle zn Ehren des hl. Torpes 183).
290
Zur Bibliographie.
Zur Bibliographie.*)
Müller, Emil, Pf. in Quirnbach. Zur Geschichte des höheren
Schulwesens. 1. Die Kameral schule in Kaiserslautern (1774-
1784). II. Die Verhandlungen über die Errichtung einer
theologischen Akademie in Zweibrücken (1803 — 1812). Auf
Grund archivali scher Studien dargestellt. Kaiserslautern. Eugen
Crusius Verlag 1899. — 1,20 Mk.
Specht, Thomas, das Projekt der Ueberlassung der Universität
Dillingen an den Orden der Benedictiner und Fideisten am
Ende des vorigen Jahrhunderts. Jahrb. des historischen Vereins
Dillingen . XI. Jahrg. 1898. 1 Mk.
Schild, Fr. X., Rückführung d. Stadt Lauingen zur katho-
lischen Religionsübung nach handschriftlichen Quellen im
dortigen Archiv bearbeitet ebendas. X. Jahrg. 1897. S. 98 ff.
XI. 1898 S. 115 ff.
(Ke Iber, Julius, Oberkonsistorialrat), Geheimrat Dr. 1). von Bucli-
rucker. Allg. Evaug. Lutherische Kirchenzeitung 1899 Nr. 8.
24. Febr. S. 177 ff
G. Holzhäuser, D. von Buchruckers N. kl. Zeitschrift 1899
Heft 1.
C. Burger, D. v. Buchrucker. Sein Leben und seine Werke ebd.
1899 Heft 5.
^Eckstein Dr. A., Distriktsrabbiner, Geschichte der Juden im
ehemaligen Fürstentum Bamberg, bearbeitet auf Grund von
Archivalien nebst urkundlichen Beilagen Bamberg o. J. (1898).
Druck und Verlag des Handelsdruckerei. — 326 S. 5 Mk.
Es liegt in der ganzen Entwicklung begründet, daß die Geschichte
des Judentums eines Gebietes in der Regel ein Correlat seiner Kirchen-
geschichte ist, und das ist noch in höherem Grade der Fall, wenn es sich
um ein geistliches Gebiet handelt. Deshalb wird man eine Spezialge-
schichte wie die vorliegende auch vom kirchenhistorischen Standpunkte
begrüßen dürfen. Im allgemeinen beweist sie die bekannte Thatsache, daß
trotz zeitweiliger Verfolgungen die Juden nirgends ungehinderter lebten
als unter den geistlichen Fürsten, die sie dafür auch besser zu brand-
schatzenverstanden, als die weltlichen Regierungen, übrigens auch dies, was
nicht für alle geistliche Gebiete zutrifft, daß die Macht der Juden schon
im 16. Jahrh. im Bambergischen eine derartige war, daß verschiedene
Ausweisungsbefehle völlig wirkungslos blieben. Bei der dadurch ermög-
lichten Sesshaftigkeit fließt auch das Material für der Geschichte der Barn-
berger Judenschaft, ihrer Verfassung, ihres Rechts, ihrer gottesdienst-
lichen und gesellschaftlichen Entwicklung reicher als das sonst der Fall
ist, und der Verf., der keine Mühe gescheut hat, hat ungemein viele,
namentlich kulturhistorisch wichtige Nachrichten zusammengetragen, auch
viele Urkunden mitgeteilt, aber der Schriftsteller, der hin und wieder etwas
breit ist, macht es dem Leser nicht gerade leicht, sich über den Zustand
*) Die mit * verseheneu Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlägigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Znr Bibliographie.
M
der Juden sehaft in einer bestimmten Epoche, über das V erhältnis der Chri-
sten zu ilinen, ihre Gerechtsame ete. zu orientieren, da er keine fortlaufende
chronologische Darstellung: giebt, sondern seinen Stoff nach sachlichen
Gesichtspunkten unter eine Beike yon Eubriken yerteilt. Im einzelnen
wird der christliche Leser manches anders beurteilen. Pie Aufzählung
der zu hohem Ansehen gelangten ge tanften Juden aus Bamberg macht keinen
schönen Eindruck. Und die Bemerkungen über den ursprünglich jüdischen
Stammbaum eines jetzt in Bamberg lebenden, angesehenen Industriellen
haben eiuenrecht hässlichen Beigeschmack S. *2vi . Pie mir interessante No dz
derselben Seite, daß ein Hof jude des Kurfürsten Max Joseph, der mit ihm nach
München gezogen, dort getauft worden sei und als erster Protestant das
Münchner Bürgerrecht erhalten habe, kann ich nicht kontrollieren. End-
lich möchte ich bemerken, dass ein Jude die Datierung „im Jahre des
Heils* ($.. 97 . die doch wie Hohn in seinem Munde klingt, lieber unter-
lassen sollte.
P. Emmeram Heindl, O. S. B. in Andechs. Das Pfarrdorf Er-
ling bei Andechs in seiner Vergangenheit und Gegenwart.
Ergänzung nnd 2. Teil zu des Verfassers Buch: »der heilige
Berg Andechs-. Mit Titelbild und 1 Abbildung im Text.
München 1899. Verlag der J. J. Lentnerschen Buchhandlung.
E. Stahl jun. 106 S. 2 Mk.
Theobald. EL Beiträge zur Geschichte Ludwig des Baiem. Pro-
gramm des Gymnasiums Mannheim. 1S98. 4°. 51 S.
F. L. Banmann. Die Eidgenossen nnd der deutsche Bauernkrieg.
Sitzungsber. d. phHosophisch-philologisehen und der historischen
Klasse d. k. b. Akademie d. Wissenschaften zu München 1899.
Heft 1 8. 37 ff.
Realeneyklopädie für protestantische Theologie und Kirche heraus-
sreseben yon Albert Hauck 3. Auft. Bd. VI enthält folgende.
<2 <2 kJ
die bayerische Kirchen geschieht e betreffende Artikel: Förster.
~ 1 r W Germane — Fron:k Secasriar.
jj* 1542 od. 1543 yon A. Hegler. — Franck, Franz f 1894
yon E. Beeberg. — Freising yon A. Hauck. — Frösch el, Seba-
stian aus Arnberg j 1570 yon Germann. — Funck, Johann
y 1566 yon Tschackert. — Georg. Markgraf von Brandenburg
f 1543 von Erdmann. — Gerhoh y. Eeiehersberg f 1169
von E. EochoU. — GloeL Joh. j 1891 von W. Caspari. —
Görres, Joh. Jos. | 1848 von Mirbt. —
Piffrader. die bayrischen Hluminaten nnd der Clerus im Burg-
grafenamte und Vintschgan während des J. 1806 — 1809. Vach
Jos. Ladurners Unterlassenen Schriften. Innsbruck Vereins-
Inckli. ni. 182 S. gr. 8 — 1,80 Mk.
* Mitteilungen des Alsertnmsyereins für Zwickau und Umgegend.
VI. Heft. Zwickau 1899. Enthaltend Lie. Dr. Otto Clemen.
J.'katitirs S/Prius — Pr::. Fr. Erz?: FP:::, Pie
Einführung des Buchdrucks in Zwickau 1523. Mit 2 Vach-
trägen: 1. Die Familie Schönsberger : 2. Georg Gastel und ur-
kundliche Beiträge aus dem Zwickauer Eatsarchiy der Zwick-
292
Zur Bibliographie.
auer Ratsscliulbibliothek : 1. Beiträge Haus Schönsberger und
die Zwickauer Druckerei betreffend: 2. Beiträge (Briefe) Jörg
Gastei betreffend: 3. Die ältesten Zwickauer Drucke (ein
sehr wertvolles, typographisch genaues Verzeichnis von 92
für die Reformationsgeschichte sehr wichtigen Zwickauer
Drucken aus den Jahren 1523 — 26).
Wolfram, Di*. Ludwig, Gymnasiallehrer, Dje Illuminaten in Bayern
und ihre Verfolgung. Auf Grund aktenmäßigen Befundes dar-
gestellt. I. Teil. Programm des humanistischen Gymnasiums
in Erlangen. 1899.
*Roth, Christian, Dr. jur., Rechtspraktikant, Sonntagsfeier und Sonn-
tagsruhe in Bayern unter Berücksichtigung der einschlägigen
Gesetze und Verordnungen etc. München, J. Schweitzer. Ver-
lag (Arthur Sellier) 1899. VIII u. 176 S. 8°. kartoniert.
Obwohl Seeberger, Handbuch der Amtsführung, die betreffende Ma-
terie natürlich auch ausführlich behandelt, wird die vorliegende Arbeit
gewiß auch vielen Geistlichen sehr willkommen sein. Wertvoll erscheint
mir namentlich die historische Einleitung über die Verminderung, die so-
genannte „Abwürdigung“ der Feiertage in Bayern, die Feier des Landes-
und Diözesanpatrozinien sowie überhaupt über die Geschichte der ein-
schlägigen Gesetzgebung. Nicht ganz klar ist die Aufzählung auf S. 33,
die schwerlich unter die Rubrik „allgemeine Bestimmungen“ gehört, und
zum mindesten wäre wünscheuswert gewesen, die sicher nur sehr wenigen
Orte, an denen protestantiseherseits Mariä Lichtmeß, Mariä Verkündigung,
Johannes der Täufer und Peter und Paul gefeiert wird, anzugeben. Einen
deutlicheren Beweis dafür, daß von wirklicher Parität in Bayern immer
noch nicht die Rede sein kann, gibt es übrigens kaum als die Ablehnung
des Wunsches der Generalsynode 1873 der Gleichstellung des allgemeinen
Buß- und Bettages und des Reformationsfestes mit den katholischen
Feiertagen hinsichtlich der öffentlichen Lustbarkeiten S. 93. Das ist ein
Punkt, auf den nicht genug aufmerksam gemacht werden kann, und der
immer wieder auf die Tagesordnung kommen muß.
*Jung, Hermann, kgl. Dekan, Das Gymnasium zu Zweibrücken
und die Zweibrückener Kirckensckaffnei. Eine historische Skizze
und eine Rechtsfrage. Zweibrücken 1899. 19 S.
Enthält eine kurze Geschichte der Hornbacher Schule und des daraus
hervorgegangenen Gymnasiums zu Zweibrücken, die entgegen den neuer-
dings gemachten Versuchen, den Konfessionsstand des betreffenden Gym-
nasiums zu alterieten, den stiftungsgemäß protestantischen Charakter der
Anstalt feststellt.
*Dr. Philipp Keiper und Rudolf Buttmann, Kanzleiordnung
des Herzogs Wolfgang von Zweibrücken vom 2. Januar 1559.
Separatabdruck aus Heft XXIII der Mitteilungen des histori-
schen Vereines der Pfalz. Speier 1399.
Die Herausgabe dieser augenscheinlich mit großer Sorgfalt auf
Grund einer Göttinger und einer Neuburger Handschrft, unter Hinzu-
nahme der etwas umgearbeiteten Kanzleiordnung des Herzogs Johann I.
vom 27. Januar 1586 (Zweibrückener Handschrift) gearbeitete, mit kurzen
Erläuterungen versehene, erste Druckausgabe der umfassenden Kanzlei-
ordnung des Herzogs Wolfgang von Zweibrücken, ist in erster Linie
natürlich für die Geschichte der Behördenorganisation von Wichtigkeit,
erteilt aber wie die Herausgeber mit Recht sagen (S. 139), auch manchen
interessanten Aufschluß überden Geist, in dem daskleineLandregiert wurde.
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