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Full text of "Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte"

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Beiträge 


bayerischen  Kirchengeschichte 

herausgegeben 


D.  Theodor  Kolde, 

ord.  Prof,  der  Kirchengeschichte  an  der  Universität  Erlangen. 


Erlangen  189g. 

Verlag  von  Fr.  Junge. 


K.  b.  Hof- 


i.  Univ. -Buchdruckerei  von  Fr.  Junge  (Junge  & Sohn),  Erlangen. 


THE  GETW  CENTER 
LIBRARY 


■ 


Inhalts -Verzeichnis  des  V.  Bandes. 


Seite 

E.  Dorn,  Zur  Geschichte  der  Kniebeugungsfrage  und  der  Prozeß 

des  Pfarrers  Volkert  in  Ingoldstadt  . 1 

W.  Dietlen,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Schwaben 

(Schluß) 37 

0.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  histori- 
schen Vereine  in  Bayern  (Fortsetzung)  .........  49 

Zur  Bibliographie  ...................  51 

E.  Dorn,  Zur  Geschichte  der  Kniebeugungsfrage  und  der  Prozeß 

des  Pfarrers  Volkert  in  Ingoldstadt  (Schluß)  .......  53 

R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenbergcr  Pfarreien  ...  75 

S.  Kadner,  Eine  akademische  Rede  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  91 

0.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  histori- 
schen Vereine  in  Bayern  (Fortsetzung)  . 92 

Zur  Bibliographie  95 

Chr.  Geyer,  Kaspar  Kantz  101 

G.  Kawerau,  Über  eine  angeblich  verschollene  Spottschrift  gegen 

Johann  Eck  vom  Augsburger  Reichstage  1530  .......  128 

Merz,  Simonie  im  18.  Jahrhundert.  Miscelle . 135 

Th.  Kolde,  Ein  unbeachteter  Brief  an  Luther  und  Melanchthon  . 138 

0.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  histori- 
schen Vereine  in  Bayern  (Fortsetzung) 141 

Zur  Bibliographie  . 145 

Fr.  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller,  Prä- 
dikanten in  Augsburg 149 

W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Johannes  Hauers.  Zwölf 

Briefe 164 

F.  La  mp  er  t,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenbergcr  Pfarreien  . . 192 

Zur  Bibliographie  192 

Th.  Kolde,  Die  Berufung  des  Kaspar  Greter  als  Stiftsprediger 

nach  Ansbach * . . 197 

K.  Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß 226 

Zur  Geschichte  der  Konfirmation  speziell  in  Oettingen 235 


IV 


0.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  histori- 
schen Vereine  in  Bayern  (Fortsetzung) 238 

Zur  Bibliographie 244 

Richard  Fester,  Die  Entstehungsgeschichte  des  Gerüchtes  der 

Konversion  der  Bayreuther  Schwester  Friedrich  des  Großen  . 245 

Friedrich  Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim  . . . 254 
S.  Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter  . 269 
F.  Herrmann,  Bericht  des  Hieronymus  Rauscher,  Diacon  an  St. 
Lorenz  in  Nürnberg,  über  die  Entlassung  der  interimsfeindlichen 

Geistlichen  im  November  1548 280 

0.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  histori- 
schen Vereine  in  Bayern  (Fortsetzung) 287 

Zur  Bibliographie 290 


Zur  Geschichte  der  Kniebeugungsfrage  und  der  Prozess 
des  Pfarrers  Volkert  in  Ingolstadt. 

Von 

E.  Dorn, 

Hilfsgeistlicher  in  München. 

Fünfzig  Jahre  waren  vor  kurzem  verflossen,  seit  jenes 
Regierungssystem  zusammenbrach,  das  nahezu  ein  Dezennium 
lang  mit  unerhörtem  Druck  auf  unserer  evangelischen  Landes- 
kirche gelegen  war.  Nur  mit  Schmerz  kann  der  Protestant 
Bayerns  dieser  bedrängnisvollen  Epoche  gedenken.  Das  schliesst 
jedoch  nicht  die  Erfüllung  der  Ehrenpflicht  aus,  immer  mehr 
diejenigen  Männer  hervorzusuchen  und  in  der  Erinnerung  fest- 
zuhalten, welche  in  jenen  Tagen  für  die  bedrohten  Rechte  der 
Kirche  mit  echt  evangelischem  Zeugenmut  auf  den  Plan  ge- 
treten sind.  Mancher  von  diesen  Zeugen,  wie  Pfarrer  Reden- 
bacher; Graf  v.  Giech  und  Professor  Harless,  hat  seine  Aner- 
kennung in  der  Geschichte  schon  gefunden;  mancher,  dessen 
Name  auch  verdiente,  aufgezeichnet  zu  werden,  ist  bis  jetzt 
unbekannt  geblieben  oder  vergessen  worden.  Zu  ihnen  gehört 
der  Ingolstädter  Pfarrer  Dr.  Volkert.  Aber  sein  Prozeß  ist 
nur  zu  verstehen  im  Rahmen  der  grossen  Bewegung,  welche 
die  „ Kniebeugungsfrage u in  unserem  engeren  Vaterlande  und 
weit  darüber  hinaus  hervorgerufen  hat.  Und  sie  einmal  im  Zu- 
sammenhänge aktenmäßig  zu  skizzieren,  wird  um  so  angebrachter 
sein,  als  dies  trotz  der  Fülle  der  einschlägigen  Litteratur  und 
des  reichen  Quellenmaterials  bisher  kaum  geschehen  ist,  und  der 
Abstand  der  Zeit  wie  die  Veränderung  der  Verhältnisse  jetzt 
wohl  eine  ruhige  historische  Beurteilung,  wie  ich  sie  allein 
geben  möchte,  ermöglichen. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  1. 


1 


2 


E.  Dom,  Kniebeugungsfrage. 


Quellenangabe. 

Das  wichtigste,  weil  zuverläßigste  Material  boten  zwei  Bände 
Oberkonsistorialratsakten,  überschrieben:  Das  Niederknieen 
der  protest.  Landwehr-  und  Militärpersonen  bei  Akten  und  vor  Objekten 
des  röm.  kath.  Cultus.  B I.  vom  Aug.  1838 — März  1844,  B II.  von 
1844  an.  Von  Bedeutung  waren  ferner  Briefe  und  Aufzeichnungen 
aus  dem  Nachlasse  des  Präsidenten  von  Roth.  Speziell  zur 
Sache  Volkerts  standen  genaue  Personalakten  zu  Gebote,  sowie 
sonstige  briefliche  und  mündliche  Mitteilungen. 

Aus  der  Fülle  der  gedruckten  Geschichtslitteratur,  welche  Auf- 
schluß über  jene  Zeit  giebt,  kam  besonders  in  Betracht: 

Kirche  und  Staat  in  Bayern,  unter  dem  Minister  Abel  und  seinen 
Nachfolgern.  Eine  kirchl.-polit.  Denkschrift.  Schaffhausen  1849.  (Der 
anonyme  Verfasser  ist  Dr.  Michael  Strodl,  ein  Görresschüler).  — 
Materialien  zur  Geschichte  der  neuesten  Politik  von  Fr.  ßohmer. 
Stuttgart  1847.  — Geschichte  der  deutschen  Staaten  von  der  Auf- 
lösung des  Reiches  bis  auf  unsere  Tage  von  Dr.  Joh.  Aug.  Wirth. 
Nach  dessen  Tode  fortgesetzt  von  Wilh.  Zimmermann,  Mitglied  der 
deutschen  Nationalversammlung.  3.  Bd.  Karlsruhe  1850. — Deutsche 
Geschichte  im  19.  Jahrhdt.  von  H.  v.  Treitschke.  5.  Teil.  — Das 
Wiedererwachen  des  evangelischen  Lebens  in  der  luth.  Kirche  Bayerns 
von  Thomasius.  Erlangen  1867. — Betrachtungen  und  Urteile  des 
Generals  der  Infanterie  E.  L.  v.  Aster  über  die  politischen,  kirch- 
lichen und  pädagogischen  Parteibewegungen  unseres  Jahrhdts.,  mit- 
geteilt von  Dr.  Eilers.  Saarbrücken  1858  (I.  S.  122 — 312).  — 
Annalen  der  prot.  Kirche  in  Bayern  von  Karl  Fuchs;  Nene  Folge. 
München.  Von  1839  an. 

Reichhaltig  ist  die  biographische  und  Memoiren  -Litteratur, 
welche  für  unsere  Zwecke  benutzt  werden  konnte;  so  besonders: 
Ludwig  I.,  König  von  Bayern  von  C.  Th.  Heigel.  Leipzig  1872.  — 
Friedr.  Thiersch’s  Leben  von  Heinrich  Thier  sch  II.  Heidel- 
berg u.  Leipzig  1866.  — Görres  und  seine  Zeitgenossen  von  Dr. 
Sepp.  Nördlingen  1877.  — Görres7  gesammelte  Schriften.  Band  9. 
München  1874.  — Bruchstücke  aus  dem  Leben  eines  süddeutschen 
Theologen.  2.  Bielefeld  und  Leipzig  1875.  — Friedr.  Rohmers 
Leben  und  wissenschaftlicher  Entwicklungsgang  von  Dr.  Joh.  Casp. 
Bluntschli.  München  1892.  — Mein  Tagebuch.  Auszüge  aus  Auf- 
schreibungen der  Jahre  1811 — 1861  von  Franz  Frhr.  v.  Andlaw. 
Frankfurt  1862.  — Ringseis,  Erinnerungen.  — Erinnerungen  aus 
vergangenen  Tagen  von  Ernst  Luthardt.  Leipzig  1889.  — Ab- 
handlungen aus  der  Allgem.  Deutsch.  Biographie  üher  F.  v.  Roth, 
Redenbacher,  Abel,  Niethammer  etc.  — Friedr.  Perthes7  Leben 
nach  dessen  schriftlichen  und  mündlichen  Aufzeichnungen  von  CI. 
Th.  Perthes.  Gotha  1896.  — Convertitenbilder  aus  dem  19.  Jahr- 


E.  Dorn,  Kniebeugangsfrage. 


3 


hundert  von  David  Aug.  Rosenthal.  Schaffhausen  1865.  - — Samm- 
lung vermischter  Aufsätze  von  Dr.  Joh.  K.  Passavant.  Frankfurt 
und  Erlangen  1857. 

Den  besten  Einblick  in  jene  sturmbewegte  Zeit  gewährt  eine 
Aufzählung  der  überaus  zahlreichen  Kontroversschriften,  die  nament- 
lich über  die  Kniebeugungsfrage  erschienen  sind.  Es  sind,  soweit 
sie  uns  bekannt  geworden,  folgende:  1.  Die  Kniebeugung  der 
Protestanten  vor  dem  Sanctissimum  der  kathol.  Kirche  in  dem 
bayerischen  Heere  und  in  der  bayerischen  Landwehr.  Materialien 
zur  Beurteilung  dieser  Angelegenheit  vom  Standpunkte  der  Glaubens- 
lehre, des  Staatsrechts  und  der  Geschichte.  Ulm  1841.  Mit  12  ur- 
kundlichen Beilagen.  2.  Verletzt  die  Kriegsministerialordre  vom 
14.  August  1838  ein  Dogma  der  protest.  Kirche?  Materialien  zur 
Beurteilung  dieser  Angelegenheit  von  dem  Pfarrer  J.  Schwind  1, 
oder  auch  ein  Wort  über  die  jüngste  Schrift:  Die  Kniebeugung  der 
Protestanten  vor  dem  Sanctissimum  etc.  etc.  Neuburg  a.  D.  1842. 
3.  Auch  ein  Wort  über  die  in  den  Kammern  besprochene  Knie- 
beugung  vor  dem  Sanctissimum  von  Felix  Breiten  berger,  Dekan 
in  Hofkirchen.  München  1843.  4.  Die  Frage  von  der  Kniebeugung 

der  .Protestanten  von  der  religiösen  und  staatsrechtlichen  Seite  er- 
wogen. 2.  Sendschreiben  an  einen  Landtagsabgeordneten.  München 

1843.  5.  Offene  Antwort  an  den  anonymen  Verfasser  der  2 Send- 

schreiben: Die  Frage  von  der  Kniebeugung  etc.  von  Dr.  Harleß, 
dermaligem  Landtagsabgeordneten.  München  1843.  6.  Der  Prote- 

stantismus in  Bayern  und  die  Kniebeugung.  Sendschreiben  an  Herrn 
Professor  Harleß  von  Döllinger.  Regensburg  1843.  7.  Die  evan- 

gelisch-lutherische Kirche  in  Bayern  und  die  Insinuationen  des  Herrn 
Prof.  Döllinger.  Erlangen  1843.  8.  Simon  v.  Kana.  Synodalvor- 

trag  mit  Vorwort  von  Redenbacher.  3.  März  1843.  9.  Über  Prote- 

stantismus und  Kniebeugung  im  Königreiche  Bayern.  Drei  Send- 
schreiben an  den  Herrn  geistlichen  Rat  und  Professor  Dr.  Ign. 
Döllinger  von  Friedr.  Thier  sch.  Marburg  1844.  10.  Randglossen 

eines  Protestanten  zu  der  Schrift  des  Hern  Hofrat  Friedr.  Thier  sch 
über  Protestantismus  und  Kniebeugung.  Augsburg  1844.  11.  Die 

Kniebeugungsfrage  mit  Rücksicht  auf  die  Döllingersche  Streitschrift 
von  Hermann  Trenkle,  III.  Pfarrer  zn  Weißenburg  a.  S.  Nörd- 
lingen  1844.  12.  Das  Verbot  der  Gustav-Adolf-Stiftung  und  die 

Kniebeugung  der  Protestanten  in  Bayern.  Beitrag  zu  einem  neuen 
Corpus  gravaminum  evangelicorum.  Von  Dr.  Jakobson,  Professor 
der  Rechte  in  Königsberg  Leipzig  1844.  13.  Gründliche  Belehrung 

über  die  Kniebeugung.  Von  einem  evangelischen  Geistlichen.  Leipzig 

1844.  14.  Zweites  offenes  Bedenken,  die  Kniebeugungsfrage,  insbe- 
sondere die  neueste  K.  Entschließung  vom  3.  Nov.  1844  betreffend. 
Mit  2 Beilagen.  Vom  Verfasser  der  Schrift:  „Die  Kniebeugung  des 
Protest,  vor  dem  Sanctissimum  etc.  Ulm  1841 u.  Bayreuth  1845. 

1* 


4 


E.  Dorn,  Kniebeuguugsfrage. 


15.  An  den  Verfasser  der  Schrift  : Zweites  offenes  Bedenken  etc.  — 
Offenes  Sendschreiben  von  einem  Katholiken.  München  1845. 

16.  Antwort  an  den  Verfasser  der  Schrift:  Offenes  Sendschreiben 
von  einen  Katholiken.  Von  dem  Verfasser  dieses  zweiten  offenen 
Bedenkens  Karl  Grafen  v.  Giech.  Mit  2 Beilagen.  Nürnberg  1845. 

17.  Zweites  Sendschreiben  von  Professor  v.  Moy,  die  Kniebeugungs- 

frage  und  Gewissensfreiheit  betreffend,  an  den  Hochgebornen  Herrn 
Grafen  Karl  v.  Giech  1845.  18.  Beleuchtung  des  „Zweiten  Send- 

schreibens von  Prof.  v.  Moy“  von  einem  Freunde  der  Wahrheit  und 
des  Rechts.  Zugleich  Beitrag  zu  den  Verhandlungen  über  die  Knie- 
beugung. Nürnberg  1845.  19.  Die  Beschwerdevorstellungen  der  Mit- 

glieder der  protest.  Generalsynoden  in  Bayern  vom  J.  1844  und 
die  hierauf  ergangenen  allerh.  Entschließungen.  St.  Gallen  u.Bern  1846. 

Zu  Rat  gezogen  wurden  ferner  die  betreffenden  Jahrgänge 
der  1838  gegründeten  und  von  Harleß  redigierten  Zeitschrift  für 
Protestantismus  und  Kirche  sowie  der  „Berliner  Allgem. 
K i r c h e n z eit  un  gw.  Letztere  war  um  deswillen  von  besonderer 
Bedeutung,  weil  in  ihr  von  unterrichteter  Seite  die  bayerischen 
Kirchenverhältnisse  mit  mehr  Freimut  und  Offenheit  besprochen  sind, 
als  in  bayerischen  Kirchenblättern  der  Censur  wegen  möglich  war. 

Nicht  unberücksichtigt  endlich  konnten  die  Nachrichten  der  ver- 
schiedenen Zeitungen  bleiben,  namentlich  die  Berichte  der  „Allgem. 
Zeitung“  über  die  Landtagsverhandlungen  in  beiden  Kammern.  Die 
vom  Präsidenten  v.  Roth  im  Reichsrat  gehaltenen  Reden  erschienen 
1852  in  Separatabdruck,  unter  dem  Titel:  Auswahl  mündlicher  und 
schriftlicher  Äußerungen  des  Präs.  v.  Roth  in  der  ersten  Kammer 
der  bayer.  Stände  Versammlung  1828 — 1847.  München, 

1. 

Geschichtliche  Vorbedingungen. 

Bayern  war  seit  1818  ein  paritätischer  Staat.  Im  Jahre 
1825  hatte  König  Ludwig  I.  den  Thron  bestiegen.  Er  gehörte 
zu  den  angesehensten  Fürsten  Deutschlands,  man  rühmte  seine 
deutsche  Gesinnung  und  pries  ihn  als  den  liberalsten  Protektor 
deutscher  Kunst.  Dabei  war  er  der  Sache  der  Religion  nicht 
im  geringsten  abhold,  sondern  ihrer  Bedeutung  für  das  Leben 
des  Volkes  klar  bewusst.  Bei  Eröffnung  der  ersten  Stände- 
versammlung unter  seiner  Regierung  (17.  November  1827)  er- 
klärte er  für  überflüssig  versichern  zu  müssen,  dass  er  Religion 
als  das  Wesentlichste  ansehe  und  jeden  Teil  bei  dem  ihm  Zu- 
ständigen zu  behaupten  wisse1).  Es  kann  auch 'niemals  gesagt 


1)  Heigel,  König  Ludwig  I.,  S.  237. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


5 


werden,  dass  der  König,  selbst  unter  dem  allmächtigen  Einfluss 
Abels,  den  Willen  gehabt  hätte,  die  evangelische  Landeskirche 
zu  schädigen1);  ihm  persönlich  lag  das  Wohl  derselben  am 
Herzen,  was  freilich  vor  1838  deutlicher  in  die  Augen  sprang 
als  nachher.  So  war  er  grundsätzlicher  Gegner  des  verflachenden 
und  geistlosen  Rationalismus.  Er  wünschte,  dass  die  prote- 
stantische Kirche  vom  Boden  der  Augsburger  Konfession  aus 
geleitet  werde.  Diese  Leitung  zu  übernehmen,  dazu  war  ihm 
kein  Mann  geeigneter  erschienen  als  der  bisherige  Finanzrat 
Friedrich  v.  Roth,  eine  charaktervolle,  aber  automatische 
Natur,  dabei  klassisch  gebildet  und  von  der  Herrlichkeit  der 
lutherischen  Sache  durchdrungen2).  Bezeichnend  hiefür  ist 
seine  Schrift:  „Die  Weisheit  Dr.  Martin  Luthers“,  ein  Auszug 
aus  dessen  Werken,  welcher  1817  zur  Feier  des  Reformations- 
jubiläums erschien.  Später  gab  er  Hamanns  Schriften  in  sieben 
Bänden  heraus  „in  vollster  Sympathie  mit  dem  Bunde  antiken 
und  christlichen  Sinnes,  der  bei  dem  Magus  des  Nordens  so 
charakteristisch  hervortritt“  — wie  Adolf  v.  Stählin,  Roths 
jüngster  Biograph,  in  der  Allgem. Deutsch. Biographie  bemerkt3). 
Dieser  Mann  wurde  von  Ludwig  im  Jahre  1828  an  die  Spitze 
des  protestantischen  Oberkonsistoriums  berufen.  Mit  Weisheit 
und  starker  Energie  trat  er  an  die  Aufgabe  heran,  das  neu- 
erwachende evangelische  Leben  zu  pflegen,  zu  schirmen  und  in 
die  Grenzen  des  kirchlichen  Organismus  einzufassen.  Die 
Mittel  und  Wege,  die  er,  von  der  Regierung  aufs  eifrigste 
unterstützt,  dazu  einschlug,  sind  eingehender  in  dem  schon 
erwähnten  Büchlein  von  Thomasius  geschildert 4).  Die  Be- 


ll Dies  bestätigt  selbst  Harle ss,  Bruchst.  aus  dem  Leben  etc. 
2.  S.  63. 

2)  Zur  Erinnerung  an  Karl  Johann  Friedrich  Roth  u.  s.  w.,  ein  Vor- 
trag zur  Eröffnung  der  16.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer im  Saale  des  Ständehauses  zu  Stuttgart  am  23.  Sept.  1856,  ge- 
halten von  Karl  Ludw.  Roth,  Th.  Dr.  Oberstudienrat,  Gymnasial-Rektor, 
Stuttgart  1856.  — Der  Artikel  über  Roth  in  der  Realencyklopädie  für 
protest.  Theologie  und  Kirche,  1.  Aufl.  XX.  Gotha  1866,  S.  618 — 627; 
2.  Aufl.  XIII.  Leipz.  1884,  S.  71 — 79,  vom  OberkonsistorialratDr.  v.  Burger. 
Thomasius,  das  Wiedererwachen  etc.  Endlich  Notizen  über  Roth  in 
Gotth.  Heinr.  v.  Schuberts:  „Der  Erwerb  aus  einem  vergangenen  und 
die  Erwartungen  von  einem  zukünftigen  Leben“.  3.  B.  Und  H.  Thier  sch, 
S.  592. 

3)  Es  ist  dieser  Aufzatz  auch  als  Seperatabdruck  erschienen. 

4)  S.  197;  ferner  Schubert,  Der  Erwerb  etc.  S.  562 ff. 


6 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Strebungen  des  Oberkonsistoriums1)  reizten  zu  heftigstem  Wider- 
stand auf  Seite  der  rationalistischen  Richtung  und  trugen  ihm, 
besonders  seinem  Präsidenten  Roth,  nicht  geringe  Anfechtungen 
ein.  Man  beschuldigte  den  letzteren  des  kirchlichen  Despotis- 
mus und  der  Unterdrückung  des  Lichts.  Ja,  es  wurden  sogar 
Stimmen  laut,  die  ihn  der  Hinneigung  zum  Pietismus  und 
Katholicismus  ziehen2),  Stimmen,  die  wie  aus  der  von  Krüger 


1)  Roth  zur  Seite  standen  die  Oberkonsistorialräte:  v.  Niethammer, 
Friedr.  Immanuel,  Th.  et  Phil.  Dr.,  geh.  1766  in  Württemberg,  studierte  im 
Stift  zu  Tiibingeu,  dann  seit  Mai  1790  in  Jena,  wo  sich  Schiller  dem 
jüngern  Landsmann  sehr  freundlich  erwies  und  ihn  ermunterte,  sich 
1792  als  Privatdozent  zu  habilitieren.  Niethammer  ward  Schillers  Freund, 
eine  Zeit  lang  sogar  sein  täglicher  Tischgenosse.  Auch  mit  Goethe  ver- 
kehrte er  näher;  ja  Goethe  nahm  im  Jahre  1795,  als  er  in  Jena  weilte, 
bei  ihm  einen  förmlichen  Kurs  in  der  Philosophie.  Später  gab  er  in  Ge- 
meinschaft mit  Fichte  das  „Philosophische  Journal  einer  Gesellschaft 
teutscher  Gelehrten“  heraus.  Wie  seine  schwäbischen  Landsleute  Paulus 
(1803),  Schelling  (1803)  und  Hegel  (1808)  ward  auch  er  nach  Bayern  be- 
rufen, zuerst  als  Professor  und  Konsistorialrat  nach  Würzburg  (1804), 
dann  als  Konsistorial-  und  Kreisschulrat  nach  Bamberg  (1806),  als  Central- 
schul- und  Studienrat  nach  München  (1807)  und  endlich  1829  als  Rat  in 
das  protestische  Oberkonsistorium.  Früher  der  freien  Fichteschen  Auf- 
fassung der  Religion  huldigend  hatte  er  sich  im  Laufe  der  Zeit  zum 
positiven  Glauben  hindurchgerungen.  Er  war  es,  der  in  Verbindung  mit 
Roth,  der  ja  auch  in  den  stürmischen  Jahren  seiner  Jugend  Bewunderer 
eines  Montesquieu,  Voltaire  und  Rousseau  war,  die  Zurückführung  der 
bayrischen  protest.  Kirche  und  Theologie  auf  den  Grund  „des  Bekennt- 
nisses“ konsequent  angestrebt  und  zuletzt  vollständig  zur  Verwirklichung 
gebracht  hat.  Er  starb  drei  Jahre  nach  seinsr  Quiescierung  am  1.  April 
1848.  Siehe  zu  dem  allen  Fr.  Rohmers  Leben  1.  S.  31  ff.,  ferner  die 
Allgem.  Deutsche  Biogr.  23.  S.  689  u.  Neuer  Nekrol.  d.  Deutschen  Jahr-g. 
1848,  S.  291.  — Die  Namen  der  weiter  in  Betracht  kommenden  Räte 
jener  Zeit  sind:  E.  Grupen,  J.  U.  D.  (er  war  der  Verfasser  der  meisten 
Remonstrationen  und  Berichte,  welche  in  diesen  Jahren  von  seiten  des 
Oberkonsistoriums  an  das  Ministerium  ergingen),  Ch.  Kaiser,  Th.  et 
Phil.  D.,  Faber,  Th.  et  Phil.  D.,  k.  Oberkirchen-  und  Schulrat  und  zu- 
gleich erster  Hauptprediger  an  der  Matthäus-Kirche  zu  München,  endlich 
K.  Fuchs,  Th.  D.  zweiter  Hauptprediger.  „Man  darf  kiihnlich  fragen, 
ob  vor  50  Jahren  irgendwo  sonst  im  evaugel.  Deutschland  ein  so  ernster, 
entschiedener,  seines  Ziels  klar  bewußter  kirchlicher  Sinn  sich  geregt 
habe  wie  im  Oberkensistorium  zu  München,  vor  allem  durch  den  Einfluß 
des  edlen  selteneh  Dreigestirns  Roth  und  Niethammer,  im  Bunde 
mit  dem  trefflichen  weltlichen  Rat  Grupen.  Rot  war  der  geistes- 
mächtige, alles  überschauende  Leiter,  Niethammer  der  geniale,  unermüd- 
liche Organisator,  Grupen  der  tapfere,  energische,  alle  Zeit  zur  Verant- 
wortung bereite  Rechtsvertreter  unserer  Kirche,  alle  drei  tief  gewurzelt 
im  evangl.  Glauben,  treu  ergeben  dem  kirchlichen  Bekenntnis.“  — So 
Adolf  v.  Stähl  in  in  einer  Rede,  die  er  bei  dem  50jähr.  Jubiläum  des 
evangel.  Predigerseminars  in  München  am  16.  Sept.  1884  dessen  Gründern 
zu  Ehren  gehalten  hat. 

2)  Nekrolog  der  Deutschen  Jahrg.  1852,  S.  61. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


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herausgegebenen  Kirchengeschichte  Hases  III,  2,  1,  S.  414 
hervorgeht,  ungerechtfertigterweise  heute  noch  nicht  ver- 
stummt sind.  In  Bayern  hat  sich  dies  der  Wirklichkeit 
widersprechende  Urteil  über  Roths  Gesinnung  und  Thätigkeit 
nach  dieser  Seite  hin  nicht  aufrecht  erhalten.  Bedeutende 
Autoritäten  haben  vielmehr  seine  Verdienste  auf  dem  Gebiete 
der  inneren  Ausgestaltung  unserer  evangel.  Landeskirche  all- 
zeit mit  ehrenden  Worten  anerkannt1).  Dass  Roths  kirchen- 
regimentliche  Grundsätze  und  deren  Durchführung  in  der  da- 
maligen Regierung  und  namentlich  bei  dem  katholischen  König 
Ludwig  selbst  Unterstützung  fanden,  dieser  Umstand  konnte 
den  Gegnern  des  positiven  Christentums  einen  willkommenen 
Grund  zu  obigen  Angriffen  und  Auslassungen  abgeben.  Anderer- 
seits ist  freilich  auch  das  nicht  zu  verkennen,  dass  gerade 
dieser  gewiss  an  und  für  sich  schon  gefährliche  Bund  zwischen 
der  katholischen  Staatsregierung  und  dem  protestantischen 
Kirchenregiment  im  Kampf  wider  die  Rationalisten  die  Stellung 
des  Oberkonsistoriums  und  besonders  des  Präsidenten  v.  Roth 
in  dem  andern  Kampf  überaus  erschwerte,  den  es  alsbald  zum 
Schutze  der  Rechte  und  der  Gewissensfreiheit  unserer  Kirche 
gegenüber  einer  in  der  Staatsregierung  herrschend  gewordenen 
Partei  zu  führen  galt. 

Schon  um  die  Mitte  der  dreissiger  Jahre  waren  in  kon- 
fessioneller Beziehung  Schwierigkeiten  aufgetreten.  Römisch- 
klerikaler Einfluss  begann  sich  wieder  mehr  geltend  zu  machen2). 
Dabei  drängte  des  Königs  romantischer  Sinn  selbst  nicht  wenig 
auf  Verwirklichung  der  Idee  hin,  die  Herrlichkeit  der  katho- 
lischen Kirche  in  ihrem  früheren  Glanze  wiederherzustellen. 
Da  trat  auch  nach  aussen  ein  Ereignis  hinzu,  welches  das 
Hervorbrechen  der  bisher  noch  verborgen  gehaltenen  oder 
schlummernden  Gewalten  beschleunigte.  Die  preussische  Regie- 
rung hatte  die  Unnachgiebigkeit  des  Erzbischofs  Clemens  Droste 
von  Vischering  im  bekannten  Kölner  Konflikt  mit  dessen  Ver- 
haftung beantwortet  (1837).  Eine  ungeahnte  Aufregung  ergriff 


1)  Neben  den  bereits  erwähnten  sei  besonders  noch  hingewiesen  auf 
Scheurls  kirchenrechtliche  Erörterung  „Über  die  lutherische  Kirche  in 
Bayern“  Erlangen  1853;  S.  4 ff . und  45. 

2)  J.  Friedrich,  Gesch.  d.  Vatik.  Konzils.  Bonn  1877.  S.  203  ff. 


8 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


die  Katholiken  Deutschlands.  Nun  war  auch  an  der  Isar  für 
die  hierarchisch  gesinnte  Partei  der  Moment  gekommen,  die 
Maske  abzuwerfen.  Der  alte  Gör  res,  einst  wegen  seiner 
Schrift:  „Deutschland  und  die  Revolution“  aus  Preussen  ver- 
trieben und  seit  1827  Professor  der  Geschichte  zu  München, 
stellte  sich  an  die  Spitze  der  Bewegung,  indem  er  seinen  „Atha- 
nasius“ ausgehen  liess1).  Die  Wirkung  dieses  Buches  war  eine 
durchschlagende,  v.  Giovanelli  in  Botzen  schreibt  am  12.  April 
1838  an  Görres : „Seit  dem  Erscheinen  des  Athanasius  steht 
Ihr  Name  bei  uns  in  der  Reihe  der  Kirchenväter.  In  München 
macht  man  jetzt  wieder  gut,  was  man  dort  1804—1809  ge- 
sündigt hat.  Alles,  was  heute  die  Preussen  thun,  und  noch 
mehr,  ist  1807 — 1808  unter  der  gesegneten  Regierung  v.  Mont- 
gelas  in  Tirol  geschehen“2),  ln  einem  Brief  aus  München  an 
Perthes  heisst  es  ferner:  „Der  Athanasius  von  Görres  ist  er- 
schienen und  kehrt  das  Unterste  und  Innerste  der  Zeit  heraus. 
Eine  Sprache  wie  diese  hat  Preussen  noch  nicht  gehört“3). 
Görres  selbst  dünkt  sich  wie  ein  Cyklop  am  Ambos  der  Zeit. 
Er  schreibt  18.  Okt.  1838  an  Greith,  Pfarrer  in  Mörsch wyl: 
„Das  Feuer  ist  entzündet;  die  Bälge  keuchen,  der  Atem  pfeift 
aus  ihnen  mit  Macht  hervor  und  mitten  aus  den  Flammen,  die 
Hämmer  schmieden  und  die  Funken  sprühen  nach  allen  Seiten. 
Der  von  Oben  schaut  dem  Werke  zu  und  scheint  nicht  unzu- 
frieden“4). Der  Antrag  des  preussischen  Gesandten  bei  der 
bayerischen  Regierung  dieses  Buch  zu  beschlagnahmen  wunde 
ohne  weiteres  abgewiesen.  „Der  König  hält  sich  fest,“  teilt 
Görres  am  28.  Jan.  1838  wiederum  seinem  Freund  Giovanelli 
mit,  „und  so  wird  der  Krieg  tapfer  von  hier  aus  gegen  Gog 
und  Magog  geführt“ 5).  Ja,  König  Ludwig  liess  vielmehr  sofort 
der  Presse  die  Zügel  gegen  die  protestantisch-preussische  Staats- 
regierung frei6).  Der  Gedanke,  Bayern  wieder  wie  in  den 


1)  Sepp,  Görres  und  seine  Zeitgenossen.  S.  460  ff. 

2)  Joseph  von  Görres7  Gesammelte  Briefe.  3.  B.  S.  492;  herausge- 
geben von  Franz  Binder,  München  1874. 

3)  Sepp,  a.  a.  0.  S.  464. 

4)  Ges.  Briefe  3.  B.  S.  508. 

5)  Sepp,  a.  a.  0.  S.  463. 

6)  Ebend.  S.  462.  Vornehmlich  waren  es  die  Augsburger  Zeitschrift 

„Sion“  und  die  eben  um  diese  Zeit  von  Görres  gegründeten  „historisch- 
politischen Blätter“,  die  den  Kampf  begannen.  „München  war  überhaupt, 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


9 


Tagen  des  Kurfürsten  Maximilian  I.  zu  einer  katholischen  Schutz- 
macht zu  erheben,  trat  immer  deutlicher  hervor 1).  In  diese 
Zeit  des  erstarkenden  katholischen  Bewusstseins  in  Bayern  und 


wie  Heigel  S.  260  sagt,  das  Asyl  für  alle  bierarischen  Planmacher  ge- 
worden, hier  war  eine  Kongregation  versammelt,  die  sieh  aus  allen 
Ländern  und  allen  politischen  Parteien  rekrutierte.  Das  Häuschen  des 
„Deutschen  O’Connell“,  Joseph  Görres’,  in  der  Schönfelderstrasse  sah  in 
seinen  Räumen  französische  Legitimisten,  radikale  polnische  Emigranten 
und  Schweizer  Jesuiten.  Mit  Strenge  wurde  jeder  Schritt  der  Regierung 
verfolgt,  die  für  die  Alleinherrschaft  des  streng  katholischen  Prinzips 
gefährlich  zu  werden  schien.“  Weniger  gefährlich,  aber  auch  ein  Zeichen 
der  Zeit,  war  der  Kreis,  der  sich  um  das  „fromme  Schweizerfräulein“ 
Emilie  Linder,  eine  später  zum  kathol.  Glauben  konvertierte  kunst- 
begabte Dame,  zu  sammeln  pflegte;  da  verkehrten  ein  Clemens  Brentano, 
Ringseis,  Cornelius,  Schubert,  Lasaulx  u.  a.  Religiöser  Fanatismus  war 
hier  ausgeschlossen ; man  freute  sich  an  dem  feinen  Schmelz  der  Romantik 
im  Katholicismus,  fühlte  sich  aber  gerade  um  deswillen  unendlich  erhaben 
über  den  „leeren  Protestantismus“.  Nicht  selten  wurde  die  Unterhaltung 
auf  konfessionelles  Gebiet  hinübergespielt  und  den  Protestanten  gegen- 
über geflissentlich  das  dem  Katholicismus  Eigentümliche  betont.  Man 
kann  dies  nachlesen  in  Ringseis7  Leben  (E  in  i 1 i a R i n g s e i s,  Erinnerungen 
an  Dr.  Nepomuk  Ringseis,  Regensburg  1886,  2,  242—292).  Vor  kurzem 
erschien  auch  eine  Lebensskizze  über  Emilie  Linder  (Erinnerungen  an 
Emilie  Linder  von  Dr.  Fr.  Binder.  München  1877).  Ygl.  endlich  Schubert, 
Erwerb  etc.  S.  723  ft',  und  Friedrich  Perthes’  Leben  nach  dessen  schriftl. 
u.  miindl.  Mitteilungen.  S.  420  ff.  — Doch  waren  dies  noch  harmlosere  Ver- 
suche, die  kath.  Kirche  zu  erheben,  gegenüber  dem  fanatischen  Übermut,  der 
in  der  Münchener  Kongregation  vorherrschte.  Mit  tiefem  Leide  schaute 
Möhler  diese  Wandlungen,  der  1835  an  die  Universität  München  berufen 
worden  war.  Er  klagt  einmal:  „Man  leistet  uuserer  Kirche  einen  schlimmen 
Dienst,  wenn  man  sie  in  diese  Bahn  des  Kampfes  leitet,  wo  leider,  wie 
wir  alle  Tage  sehen,  alles  Ungeschick  der  Politik,  alle  nötige  oder  über- 
flüssige Reaktion,  alle  Sünden  des  Unverstandes  im  Regimente  auf  die- 
selbe als  vermeintliche  Staatslehrerin  zurückfallen  und  die  heiligsten 

Interessen  des  Menschen  gefährden Und  bliebe  es  dabei  stehen, 

dass  blos  ausgezeichnete  Geister  ohne  herzliche  Anhänglichkeit  an  die 
Kirche  ihr  Thun  einsetzen,  um  durch  die  Kirche  ihre  staatlichen  Theorien 

ins  Leben  einzuführen,  so  wäre  es  noch  zu  verschmerzen 

Aber  es  hangt  sich  an  dies  Beispiel  ein  Schweif  literarischer  Nieder- 
trächtigkeit, der  uns  mit  Ekel  erfüllt “ — Fürstbischof 

Diepenbrock  ferner  schrieb  1842  an  Passava  nt:  „Die  Hitze  der  Partei- 
kämpfe hat  alles  in  die  Extreme  getrieben,  man  will  keine  Vermittlung 
und  Verständigung,  man  will  Krieg  und  Sieg,  und  wer  sich  diesen 
schroffen  Richtungen  nF  ht  anschliesst,  wird  verdächtigt  und  dadurch  um 
die  Möglichkeit  eines  reinen  Wirkens  gebracht.  Das  gilt  von  unserer 
Seite  ebenso  sehr  und  vielleicht  noch  mehr  als  von  der  gegenüber- 
stehenden.“  Vgl.  Gedenkblätter  an  J.  Fr.  Passavant.  Frankf.  a M.  1860. 

1)  Kirche  und  Staat  in  Bayern  unter  dem  Minister  Abel  S.  108;  ferner 
Betrachtungen  u.  Urteile  des  Generals  Aster  S.  225 ; D i e z e 1 , Bayern  u. 
die  Revolution  S.  49.  Döllinger  endlich  sagt  (akad.  Vorträge  II,  S.  185) : 
„Man  meinte  damals,  da  Preussen  die  Schutzmacht  des  Protestantismus 
auf  dem  Kontinent  sei,  so  könne  Bayern  durch  Schutz  und  Pflege  kathol. 
Interessen  in  Deutschland  sich  zu  höherer  politischer  Bedeutung  erheben.“ 


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E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


der  damit  verbundenen  hierarchischen  Gelüste  fällt  die  Er- 
nennung des  Herrn  v.  Abel1)  zum  Minister  des  Innern,  dem 
gleichzeitig  auch  das  Unterrichts-  und  Kultuswesen  unterstand. 
Seit  1827  Ministerialrat  war  er  als  ein  Beamter  von  grosser 
Geschäftsgewandtheit,  glänzender  Rednergabe  und  ungewöhn- 
licher Energie  bekannt,  die  zu  durchfahrender  Brutalität  wer- 
den konnte.  Auch  galt  er  um  diese  Zeit  noch  als  freisinnig, 
wie  er  denn  im  stürmischen  Landtag  1831  als  Regierungs- 
kommissär eine  Lobrede  auf  Pressfreiheit  und  Aufhebung  der 
Oensur  gehalten  hatte2).  Im  folgenden  Jahre  stellte  ihn  das 
Vertrauen  des  Monarchen  als  Rat  dem  jungen  König  Otto  von 
Griechenland  an  die  Seite.  Nach  seiner  Rückkehr  aus  Athen 
(1834)  geschah  es,  dass  er  seiner  Gemahlin  durch  den  Tod  be- 
raubt wurde,  was  ihn  tief  erschütterte.  Dies  sowohl  wie  seine 
Wiedervermählung  mit  einer  katholischfrommen  Dame  v.  Rin- 
ecker rief  eine  religiöse  LTmwandlung  in  seinen  Innern  hervor. 
Von  jetzt  ab  zog  er  sich  immer  mehr  von  seinen  bisherigen 
Freunden  zurück  und  glaubte,  wie  Treitschke  so  treffend  be- 
merkt, „in  der  harten  Autoritätslehre  der  Klerikalen  seinen 
Frieden  zu  finden u.  Bei  grauendem  Morgen,  unbemerkt  von  der 
Welt,  pflegte  er  fortan  täglich  vor  einem  Seitenaltar  der 
St.  Cajetanskirche  zu  knieen3).  Dabei  verfehlte  er  nicht,  den 
stark  ausgeprägten  monarchischen  Gefühlen  sowie  persönlichen 
Neigungen  des  Königs  mit  Eifer  entgegenzukommen.  Besonders 
vertrat  er  in  finanziellen  Fragen  sehr  energisch  die  oft  will- 
kürlichen Forderungen  der  Krone4).  In  ihm  hatte  also  der 
König  wie  die  klerikale  Partei  den  Mann  gefunden,  der  die 
Pläne  durchzuführen  versprach,  die  man  in  München  hegte. 
Über  das  paritätische  Bayernland  freilich  zogen  nun  unerquick- 
liche Zeiten  herein.  H.  Thiersch  sagt  (S.  489):  „Stund  ein 
solcher  Mann  wie  Abel  an  der  Spitze  eines  Staates,  dessen 
Wohl  durch  die  Verfassung  und  durch  die  Gleichberechtigung 
der  Katholiken  und  Protestanten  bedingt  ist,  so  war  zu  er- 


1)  Cf.  Allgem.  Deutsche  Biogr.  I,  S.  14  vonHeigel;  ferner  Stumpf, 
Denkwürdige  Bayern  S.  442. 

2)  Heigel,  König  Ludwig  I.  S 203. 

3)  Siehe  hierzu  Friedr.  Thiersch’s  Leben  II,  S.  487  und  die  Anekdote, 
welche  Lut  har  dt  in  seinen  Erinnerungen  S.  115  erzählt. 

4)  Thiersch,  S.  489  u.  496. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


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warten,  dass  er  sich  bald  auf  jedem  Gebiet  der  Verwaltung  im 
Kampf  mit  dem  bisher  Gütigen  finden  würde“.  — Die  Vorbe- 
dingungen zu  einem  Regierungssystem  waren  gegeben,  das  nicht 
nur  den  protestantischen  Teil  der  bayerischen  Bevölkerung, 
sondern  alle  Recht  und  Gewissensfreiheit  achtenden  Männer 
mit  Befürchtungen  erfüllen  musste.  Aber  die  Wirklichkeit  über- 
traf noch  die  Befürchtung. 


2. 

Der  Kampf  um  die  Kniebeugungsordre. 

I.  14.  Aug.  1838 — Dezember  1842. 

Die  Wirkungen  der  neuen  Richtung  Hessen  nicht  lange 
auf  sich  warten.  Zunächst  wurde  jegliche,  auch  die  berechtigste 
Regung  des  Widerspruchs  in  der  protestantischen  Presse  mit 
strengster  Censur  bestraft,  während  die  klerikale  Presse  und 
Predigt  die  Reformation  und  die  Person  Luthers,  das  Wesen 
und  die  Bestrebungen  unserer  Kirche  mit  Hohn  und  giftiger 
Lästerung  überschütten  durfte1).  Unter  dem  neuen  Ministerium 
begann  man  ferner,  die  Bestimmungen  des  Religionsediktes  im 
Sinne  des  Konkordats  auszulegen;  Missionen  wurden  begünstigt, 
für  fromme  katholische  Zwecke  grosse  Summen  verwendet,  die 
Zahl  der  Klöster  vermehrt,  ihre  Stellung  gehoben,  dagegen2) 
die  Bildung  protestantischer  Gemeinden  auch  da,  wo  das  Be- 
dürfnis durch  Zahlen  nachgewiesen  und  wo  die  Mittel  bereits 
aufgebracht  waren,  in  jeder  Weise  erschwert,  Betsäle,  die  mit 
amtlicher  Erlaubnis  schon  eröffnet  waren,  wieder  geschlossen, 
der  Übertritt  Unmündiger  zur  katholischen  Kirche  begünstigt. 
Sogar  den  Namen  „evangelisch“  bezeichnete  der  Minister  im 
öffentlichen  Gebrauch  als  unzulässig;  sie  solle  sich  die  „prote- 
stantische“ nennen,  so  heisse  sie  in  der  Verfassungsurkunde. 
Die  helfende  Hand  des  1842  gegründeten  Gustav-Adolf-Vereins 


1)  Vgl.  Zeitschrift  für  Prot,  und  Kirche:  1838,  8.  125;  1939,  S.  69; 
1841,  II.  S.  185;  1844,  VIII.  S.  151  und  die  Berl.  Allg.  Kirchenzeitung: 
1839,  S.  34,  46,  93,  137;  1840,  S.  219;  1844,  S.  141  u.  a.,  wo  die  ultra- 
montane  Kampfesweise  gebrandmarkt  wird. 

2)  Siehe  zum  folgenden  die  Beschwerdevorstellungen  der  Mitglieder 
der  protest.  Generalsynoden  in  Bayern  vom  Jahre  1844.  Iu  der  Schweiz 
gedruckt  1846,  sowie  die  Berichte  der  Berliner  Allgem.  Kirchenzeitung 
1839,  S.  259;  1842,  S.  415;  1844,  S.  141  etc. 


12 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


wurde  strenge  verboten1).  Weder  die  Bildung  von  Zweigver- 
einen war  erlaubt,  noch  auch  nur  gestattet,  vom  Gesamtverein 
Gaben  anzunehmen;  ja  es  kam  vor,  dass  Geschenke  und  Unter- 
stützungen des  Vereins  an  bayerische  Gemeinden  mit  Beschlag 
belegt  und  die,  für  welche  sie  bestimmt  waren,  deshalb  zur 
Verantwortung  gezogen  wurden2). 

Die  äusserste,  dieser  Massregeln  war  aber  die  Wiederein- 
führung der  Kniebeugung  vor  dem  Venerabile  für  katholische 
und  protestantische  Militärpersonen.  Und  auf  die  Schil- 
derung des  Kampfes  für  und  wider  dieselbe  wollen 
wir  uns  im  folgenden  hauptsächlich  beschränken. 
Am  14.  August  1838  war  an  alle  Militärstellen  und  Behör- 
den die  Kriegsministerialordre  ergangen3):  „S.  M.  der  König 
haben  allergnädigst  zu  beschliessen  geruht,  dass  bei  katholi- 
schen Militärgottesdiensten  während  der  Wandlung  und  beim 
Segen  wieder  niedergekniet  werden  solle.  Das  gleiche  habe 
zu  geschehen  bei  der  Fronleichnamsprozession  und  auf  der 
Wache,  wenn  das  Hoch  würdigste  vorbeigetragen  und  an  die 
Mannschaften  der  Segen  gegeben  wird.  Das  Kommando  lautete: 
Aufs  Knie! “ In  dem  Reglement,  das  mit  der  Ordre  erlassen 
wurde,  kommt  dieses  Kommandowort  nicht  öfter  als  achtmal 
vor.  — - Es  wird  berichtet4),  König  Ludwig  hätte  von  dem 
feierlichen  Eindruck  gelesen,  den  es  gemacht  haben  soll,  als 
die  französische  Armee  bei  der  Einweihung  einer  Kirche  in 
Algier  im  Augenblick  der  Konsekration  auf  das  Knie  sank. 
Das  habe  den  romantisch  angelegten  König  so  ergriffen,  dass 


1)  Besonders  war  es  hier  König  Ludwig  selbst,  der  starke  Abneigung 
gegen  die  Gustav- Adolf-Stiftung  zeigte;  er  hielt  es  geradezu  für  Landes- 
verrat, einen  Verein  zu  begünstigen,  der  au  den  fremden  Eroberer  Deutsch- 
lands erinnere  (Heigel,  S.  219);  das  Regierungsreskript  vom  31.  August 
1842  welches  das  Verbot  des  Vereins  enthielt,  nannte  denselben  eine 
„Parteiverbindung“  (cf.  Dr.  Jakobson,  das  Verbot  der  Gustav-Adolf- 
Stiftung  in  Bayern).  Die  klerikale  Partei  bezeichnete  ihn  „als  die 
wahre  Spottgeburt  der  Aufklärung  und  der  deutschen  Misseinheit“  (Strodl 
S.  201). 

2)  Jakobson,  S.  32 ff.  und  besonders  die  Beschwerdevorstellungen 
der  Generalsynoden  S.  91  ff. 

3)  Dieser  Regierungsentscheid  wie  die  nächst  folgenden  finden  sich 
gedruckt  unter  den  Beilagen  zu  der  ersten  v.  Giech’schen  Schrift:  Die 
Kniebeugungen  der  Protestanten  vor  dem  Sanktissimum  etc.  Ulm  1841. 
(Wir  zitieren  dieselbe  im  folgenden  mit  Giech,  Ulm  1841.) 

4)  Heigel,  S.  204. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


13 


er  alsobald  den  Entschluss  fasste,  zur  Verherrlichung  der 
katholischen  Kirche  ähnliche  Zeremonien  in  seinem  Heere  ein- 
zuführen. „Ob  er  wohl,  — bemerkt  Treitschke  hierzu  — auch 
daran  gedacht,  welch  widerwärtige  Erinnerungen  der  Wittels- 
bacher Geschichte  damit  wieder  aufgerührt  wurden?“  Durch 
denselben  Kniebeugungszwang  hatte  ja  vor  120  Jahren  der 
Kurfürst  Carl  Philipp  unter  den  reformierten  Pfälzern  so  viel 
böses  Blut  gemacht,  dass  er  sich  schliesslich  genötigt  sah,  seine 
Residenz  zu  Heidelberg  zu  verlassen  und  nach  Mannheim  zu 
verlegen1).  Auch  jetzt  ergriff  die  tiefste  Beunruhigung  die 
protestantische  Bevölkerung,  namentlich  die  Landwehrleute. 
Während  katholische  Blätter  das  Ganze  als  einen  Triumph 
ihrer  Kirche  feierten  und  die  Regierung  in  ihren  Reskripten 
sich  bemühte,  die  Kniebeugung  als  eine  „Salutationsform“  oder 
als  einen  gleichgiltigen  Akt  „militärischer  Ehrenbezeugung“ 
zu  bezeichnen,  fühlte  man  protestantischerseits  gar  wohl,  dass 
die  Ordre  nur  ein  neues  Glied  in  der  zum  Prinzip  gewordenen 
Einschränkung  der  evangelischen  Kirche  und  der  Erhebung 
des  Katholicismus  sei.  So  wurde  die  Angelegenheit  unter  den 
gegebenen  Umständen  zur  Glaubens-  und  Gewissenssache  und 
man  befand  sich  im  Status  eonfessionis2).  Zum  erstenmal  kamen 
die  drückenden  Bestimmungen  in  Anwendung  am  25.  August 
1838  bei  der  grossen  Kirchenparade  zur  Feier  des  Geburts- 
und Namensfestes  des  Königs  sowohl  in  München3)  als  in  den 
übrigen  Städten  Bayerns,  z.  B.  auch  in  dem  fast  ganz  pro- 
testantischen Nürnberg.  Das  erste  Beispiel  eines  mannhaften 


1)  Ausführlich  geschildert  und  vielfach  in  Analogie  mit  unserer  Zeit 
(1838—46)  gestellt  ist  die  Geschichte  dieser  ersten  Kniebeugungszeit  bei 
Eilers  „Betrachtungen  undürteile  des  Generals  Aster  etc.  . . S.  122  ff. 

2)  H.  Thiers ch:  „Diese  Massregel,  welche  unter  anderen  Verhält- 
nissen vielleicht  wenig  Aufsehen  gemacht  hätte,  wurde  im  Zusammen- 
hang mit  den  gleichzeitigen  Beeinträchtigungen  des  Protestantismus  und 
mit  dem  ganzen  System  der  Regierung  bald  als  der  Hauptgegen- 
stand für  die  Klagen  der  Protestanten  hervorgehoben.“  II.  S.  493.  — 
Selbst  der  Jünger  der  Görres’schule  Strodl  sagt  in  dem  schon  öfters  er- 
wähnten Buche  S.  200:  „Sobald  einmal  die  Frage  auf  das  religiöse  Ge- 
biet gebracht  wurde,  musste  den  Forderungen  der  Protestanten  wohl 
Genüge  geschehen,  und  mochten  sie  nun  Recht  oder  Unrecht  haben,  so  hatte 
das  starre  Festhalten  an  jener  Ordre  immer  etwas  an  sich,  was  zum 
wenigsten  nicht  politisch  gewesen  ist.“ 

3)  Ein  interessanter  Bericht  über  die  Kirchenparade  in  München  ist 
bei  Giech,  Ulm  1841  abgedruckt  S.  2. 


14 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Zeugnisses  wieder  die  Ordre  gaben  zwei  protestantische  Generale 
vor  den  Thoren  Augsburgs1).  Als  bei  dem  Übungslager  auf 
dem  Lechfelde  Gottesdienst  gefeiert  wurde  und  während  der 
Messe  nach  dem  Kommando:  Aufs  Knie!  Katholiken  und 
Protestanten  niederknieen  mussten,  haben  sie  beide  allein  ihre 
Kniee  nicht  gebeugt,  sondern  sind  stehen  geblieben  „in  der 
Kraft  des  evangelischen  Glaubens,  in  welchem  einst  vor  300 
Jahren  in  selbiger  Stadt  der  fromme  Markgraf  Georg  von 
Brandenburg- Ansbach,  da  die  evangelischen  Stände  des 
Reichstags  der  Fronleichnamsprozession  beiwohnen  sollten,  in 
die  Worte  ausbrach:  Ehe  ich  wollte  meinen  Gott  und  sein 
Evangelium  verleugnen,  eher  wollte  ich  vor  Ew.  K.  Majestät 
niederknieen  und  mir  den  Kopf  abhauen  lassen.  “ Zu  Ingol- 
stadt war  es  ferner  gegen  Ende  der  dreissiger  Jahre,  dass  ein 
evangelischer  Buchbindermeister  als  Angehöriger  der  Bürger- 
wehr zur  Spalierbildung  am  Fronleichnamsfeste  ausrücken 
musste.  Als  bei  der  Prozession  die  Monstranz  nahte  und  das 
Kommando:  Aufs  Knie!  ertönte,  beugte  alles  ringsumher  die 
Knie.  Nur  der  protestantische  Meister  stand  allein  aufrecht 
da.  Der  Zugführer  jedoch,  ein  biederer  Bürgerwehrhauptmann 
„aus  der  guten  alten  Zeit“,  rief  dem  Stehenden  zu:  Buchbinder, 
hock  dich!  Der  Protestant  gab  alsbald  zurück:  Der  Buchbinder 
hockt  sich  nicht!  Ein  Tag  Gefängnis  ward  dem  mutigen  Be- 
kenner als  Strafe  zudiktiert2).  — 

Inzwischen  waren  von  allen  Seiten  Bittgesuche  um  Ab- 
änderung der  Ordre  bei  den  Kreiskommandos  und  beim  Ober- 
konsistorium eingelaufen3).  Vom  Pfarramt  Kempten  traf  das 
erste  Schreiben  ein  (28.  Aug.  1838).  Nicht  lange  darnach 
folgten  Berichte  von  den  Konsistorien  Ansbach  und  Bayreuth, 
welche  dringend  um  xAbhilfe  baten.  Die  erste  Diöcesansynode, 
die  Vorstellungen  erhob,  hatte  sich  zu  Oettingen  versammelt. 
(8.  Okt.  1838).  Ganz  besonders  fühlten  sich  die  Landwehr- 
männer der  einzelnen  Städte  in  ihrem  Gewissen  bedrückt.  Die 
evangelischen  Offiziere  vom  kgl.  Landwehrregiment  zu  Regens- 

1)  Aster,  S.  156. 

2)  Nach  einer  brieflichen  Mitteilung,  die  mir  von  einem  der  noch 
lebenden  Söhne  genannten  Buchbindermeisters  gemacht  wurde. 

3)  Das  Folgende  meist  aus  den  Oberkonsistorialrats-Akten 
sowie  aus  den  von  Giech  veröffentlichten  Materalien  geschöpft. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


15 


bürg  reichten  darum  schon  am  7.  Okt.  1838  das  ehrerbietigste 
Gesuch  um  Befreiung  von  der  Kniebeugung  ein.  Aber  was 
war  die  endliche  Ministerial- Antwort  vom  19.  Januar  1839: 
„Wer  die  Beobachtung  dieses  Befehls  nicht  mit  seiner  Über- 
zeugung vereinbaren  könue,  dem  stehe  der  Austritt  aus  der 
Landwehr  frei;  und  er  habe  nur  die  gesetzlichen  Geldbeiträge 
zur  Ablösung  der  Dienstleistung  zu  entrichten.“  Entrüstung 
ergriff  allerorts  die  Gemüter.  Über  das  ganze  protestantische 
Deutschland  verbreitete  sich  die  Kunde  von  der  harten,  jed- 
wede weitere  Vorstellung  ausschliessenden  Zurückweisung  vom 
19.  Jan.  1839 1).  22  Oberoffiziere  aber,  34  Unteroffiziere  und 

170  Landwehrmänner  erklärten,  dass  sie  das  Knieen  mit 
ihrem  Gewissen  nicht  vereinbaren  könnten,  daher  von  jenem 
Anerbieten  Gebrauch  machen  müssten.  Es  trat  sofort  die  zu- 
gesicherte Dispensation  vom  Landwehrdienst  ein,  mit  welcher 
zugleich  die  Entlassung  der  Offiziere  von  ihren  bisher  bekleide- 
ten Stellen  verbunden  war2)-  Beim  Oberkonsistorium  waren 
bis  Dezember  1838  noch  von  verschiedenen  Dekanatsbezirken 
Beschwerden  eingegangen.  — 

Erst  am  28.  Dezember  1838,  nachdem  die  Erregung  bereits 
zu  bedenklicher  Höhe  gestiegen  und  von  seiten  des  Ministeriums 
schon  am  3.  Oktober  eine  kleine  Milderung  der  Ordre  insofern 
erfolgt  war,  als  den  Landwehrmännern  gestattet  wurde,  vor 
dem  Eingang  in  die  kath.  Kirchen  sich  wegbegeben  zu  dürfen, 
nahm  die  oberste  Kirchenbehörde  Veranlassung,  die  Staats- 
regierung auf  die  Verletzung  der  Verfassungsurkunde  aufmerk- 
sam zu  machen  und  daran  den  Antrag  auf  Befreiung  aller  protest, 
Militärpersonen  von  der  Ordre  zu  knüpfen.  Die  abweisende 
Antwort  Abels  ist  die  oben  schon  erwähnte,  bei  Giech  ab- 
gedruckte Entschliessung  vom  19.  Januar  1839.  Fortwährend 
einlaufende  Gesuche  von  den  Konsistorien  und  Dekanaten 
nötigten  das  Oberkonsistorium  zu  einer  erneuten  Vorstellung 
vom  6.  Febr.  1839,  die  nach  Hervorhebung  der  innigen  Dankes- 
gefüble  für  die  bisher  erwiesene  königliche  Huld  gegenüber 


1)  Besonders  durch  einen  am  20.  Febr.  1839  aus  Bayern  eingesandten 
Artikel  in  der  „Berliner  Kirchenzeitung“  1839,  S.  74.  Derselbe  findet 
sich  auch  abgedruckt  bei  Eil  er s S.  155. 

2)  Giech,  Ulm  41,  S.  5. 


16 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


den  Einrichtungen  der  evangel.  Kirche  eine  ausführliche  Er- 
örterung aller  wider  die  Ordre  in  Betracht  kommenden  Momente 
dogmatischer,  historischer  und  rechtlicher  Art  enthält.  Es  er- 
folgte darauf  am  13.  Febr.  1839  nicht  nur  eine  noch  schroffere 
Zurückweisung,  sondern  auch  die  Zumutung  „gleichwie  Wir  die 
verfassungsmässigen  Rechte  Unserer  protest.  Unterthanen,  wie 
jener  Unserer  katholischen  in  jeder  Beziehung  mit  gleicher 
Gewissenhaftigkeit  achten,  schützen  und  aufrecht  halten,  also 
möge  auch  das  Oberkonsistorium  den  Protestanten  in  seinem 
Wirkungskreis  ihre  Unterthanspflichten  und  die  Heiligkeit 
unserer  königlichen  Rechte  einprägen,  irrigen  Ansichten  durch 
Belehrung  begegnen  und  alle  diejenigen,  welche  etwa  die 
Soldaten  unseres  Heeres  in  den  Pflichten  der  Subordination 
und  des  Gehorsames  irre  zu  machen  sich  versucht  fühlten,  so 
viel  an  ihm  ist,  vor  den  unvermeidlichen  Folgen  eines  jeden 
solchen  Versuchs  warnen1).“  Diese  letztere  Forderung  war 
dann  doch  zu  weit  gehend,  als  dass  selbst  das  passiv  sich  ver- 
haltende Oberkonsistorium  derselben  genügen  konnte.  Es  er- 
liess  die  blossen  Abschriften  der  beiden  Ministerialreskripte 
vom  19.  Jan.  und  13.  Febr.  1839  an  die  untergeordneten 
Stellen  — ohne  die  verlangte  unevangelische  Belehrung.  Trotz 
der  Bedenken  des  Präsidenten  v.  Roth  setzte  vielmehr  v.  Niet- 
hammer den  Beschluss  durch,  zur  Beruhigung  der  Gemüter 
auch  die  bereits  geschehenen  Gegenmassregeln  des  Oberkonsis- 
toriums der  Geistlichkeit  abschriftlich  mitzuteilen.  Doch  glaubte 
man  unterm  25.  Februar  1839,  „um  einer  möglichen  Verkennung 
vorzubeugen,  allerunterthänigst  anfragen  zu  müssen,  ob  eine 
solche  Mitteilung  allerhöchsten  Orts  Bedenken  finde.“  Gleich- 
zeitig wurde  das  Gesuch  um  gänzliche  Aufhebung  der  Ordre 
erneuert  und  zum  Schluss  der  Antrag  gestellt,  das  Gut- 
achten des  Staatsrats  vernehmen  zu  wollen.  — v.  Abel 
aber  wies  in  anmassender  Sprache  die  Absicht,  genannte  Be- 
richte abschriftlich  hinausgehen  zu  lassen,  nicht  nur  als  der 
Geschäftsbehandlung  zuwiderlaufend  zurück,  sondern  bezeichnete 
solch  ein  Beginnen  sogar  „als  geeignet  Aufregung  und  Zwie- 
spalt hervorzurufen  und  zu  nähren.  Was  ferner  die  Knie- 


1)  Ebend.  Beilage  H. 


E.  Dorn,  Rniebeugungsfrage.  17 

beugung  aiilange,  so  sehe  man  sich  nicht  veranlasst,  von  den 
getroffenen  rein  militärischen  Anordnungen  abzugehen,  bei  denen 
nur  die  Form  der  zu  allen  Zeiten  bestandenen  militärischen 
Salutation  und  die  hiebei  auf  das  Militär-Kommando  zu  neh- 
mende Stellung  verändert,  keineswegs  aber  ein  Anbetungsakt 
vorgeschrieben  worden  sei,  welche  Bedeutung  der  an  manchen 
Höfen  noch  nach  der  Etiquette  vorkommenden  Kniebeugung 
keineswegs  zukomme.  Endlich  — die  Bitte  um  Vernehmung 
des  Staatsrats  betreffend,  habe  S.  Majest.  vor,  derselben  nach 
seiner  Zurückkunft  zu  willfahren.“  Alle  nun  in  der  Folgezeit 
ein  treffenden  Bittgesuche  und  Beschwerdevorstellungen,  da- 
runter besonders  dringende  Eingaben  vom  Dekanat  München 
und  Nürnberg,  vom  Offizierskorps  zu  Augsburg  mit  sämt- 
lichen Namensunterschriften,  endlich  von  Pfälzer  Synoden  wur- 
den dem  Staatsrat  zur  Würdigung  vorgelegt.  Und  was  war 
nach  jährigem  vertrauensvollen  Warten  und  Hoffen  das  Er- 
gebnis?: „Es  liege  nach  dem  im  Staatsrat  erstatteten  Vortrag 
sowie  nach  den  inzwischen  ergangenen  Verfügungen  vom 
19.  Jan.  1839  und  6.  Dezembr.  1839,  wonach  den  nichtkatho- 
lischen Landwehrmännern  das  Aus  rücken  zu  Prozessionen 
erlassen  worden  sei,  kein  hinreichender  Grund  vor,  die  Ordre 
zurückzunehmen  oder  weitere  Modifikationen  derselben  ein- 
treten  zu  lassen.“  — Ministerialerlass  vom  23.  August  1840.  — - 
Doch  nicht  genug!  Bei  den  im  September  desselben  Jahres 
zu  Ansbach  und  Bayreuth  versammelten  Generalsynoden  kam 
es  soweit,  dass  alle  auf  die  Kniebeugung  bezugnehmenden 
Petitionen  von  den  königlichen  Kommissarien  auf  Grund  er- 
teilter Instruktionen  als  zur  Beratung  unzulässig  abgewiesen 
wurden,  trotzdem  evident  am  Tage  lag,  dass  keine  Frage  das 
innere  Leben  der  evangel.  Kirche  mehr  berührte  als  die  Knie- 
beugungsfrage. 

Diesen  Demütigungen  gegenüber  geschahen  von  seiten  des 
Oberkonsistoriums  vorderhand  keine  Schritte.  Es  beobachtete 
bis  zum  Jahr  1843  unausgesetztes  Schweigen.  Auch  die  vom  Ober- 
konsistorialrat  Fuchs  redigierten  „Annalen  der  protest.  Kirche 
im  Königreich  Bayern“,  die  sich  zur  Aufgabe  gestellt  hatten, 
alle  inneren  Angelegenheiten  der  Landeskirche  zu  besprechen, 
haben  jahrelang  der  brennendsten  Angelegenheit  keine  Erwäh- 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengesehichte.  V.  1.  2 


18 


D.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


imng  gethan.  Und  wo  es  zum  erstenmal  nach  drei  Jahrei 
geschieht  (Neue  Folge  III.  Heft  S.  59),  bekommt  der  Lesei 
den  Eindruck,  als  ob  fragliche  Ordre  eine  ganz  harmlose  Ver 
Ordnung  wäre,  bei  der  es  sich  um  die  Hauptfrage  handle:  Is 
das  Niederknieen  vor  dein  Venerabile  bloss  eine  Salutatioi 
oder  ein  Akt  der  Adoration.  Zurückgewiesen  in  energische] 
Weise  wird  die  erstere  Annahme  nicht.  Vielmehr  „seien  in 
folge  der  Zugeständnisse  für  die  Landwehrmänner  alle L)  Be- 
denken beseitigt,  damit  der  Landwehrmann  nicht  mehr  in  Ver- 
legenheit komme,  zwischen  seiner  Glaubenstreue  und  der  ihr 
ehrenden  Befolgung  königlicher  Vorschriften  zu  wählen.“  — 
Mit  Schmerz  wurde  draussen  im  Lande  die  Passivität  dei 
obersten  Kirchenbehörde  wahrgenommen.  Auch  der  preussische 
Gesandte  zu  München  Graf  v.  Dönhoff  schrieb  unterm  2.  Jan 
1840  nach  Berlin,  er  müsse  mit  Bedauern  sehen,  wie  viel  Un- 
bill das  Oberkonsistorium  hinnehme1  2).  Hauptsächlich  wai 
es  Präsident  v.  Koth,  der  konservativste  aller  bayerischen 
Lutheraner  (Treitschke  S.  320),  der  um  diese  Zeit  noch  zu 
weitgehender  Vorsicht  und  Zurückhaltung  riet.  Er  genoss  imj 
höchsten  Masse  das  Vertrauen  des  Königs,  wie  auch  er  es  füi 
seine  heilige  Pflicht  erachtete,  zu  seinem  König  und  dessen 
Verordnungen  in  jedem  Falle  unbegrenztes  Vertrauen  zu  hegen 
und  dasselbe  durch  Bethätigung  eines  unbedingten  Gehorsams! 
zu  bewähren.  Er  selbst  soll  seine  Stellung  öfters  mit  den 


1)  Dem  Verfasser  scheint  dabei  entgangen  zu  sein,  dass  nach  den 
bestehenden  Militärinstruktionen  die  Landwehr  in  die  Lage  kommen 
konnte,  anstatt  des  Linienmilitärs  den  Garnisonsdienst  und  damit  auch! 
alle  für  dasselbe  vorhandenen  Vorschriften  übernehmen  zu  müssen;  wenn 
darum  dem  Landwehrmann  das  Nichtausrücken  bei  Prozessionen  und  das 
Niehteintreten  in  die  kath.  Kirche  durch  die  Regierungsreskripte  vom 
3.  Okt.  1838  und  J9.  Jan.  1889  zugestanden  waren,  so  waren  damit  nicht 
einmal  äusserlich  alle  Bedenken  beseitigt. 

2)  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  V.,  421.  In  diesen  Tagen  ge- 
schah es  auch,  daß  auf  Anregung  des  Ministeriums  ein  Schulgebet  für 
den  König  eingeführt  wurde,  dem  das  Oberkonsistorium  unter  anderm 
folgende  Fassung  gab:  „Laß  uns,  himmlischer  Vater,  in  unserm  König 
stets  Dein  Bild  erkennen,  daß  wir  früh  schon  darnach  trachten,  seine 
Freude  zu  sein  und  ein  getreues  Volk  zu  werden,  das  in  ihm  Dich  ehrt, 
in  seinem  Reiche  dein  Reich  fördert  und  dadurch  würdig  wird,  zur  Fülle 
Deiner  Gnade  zu  gelangen“.  Oder:  „Wir  danken  Dir,  daß  Du  auch  über 
uns  in  Gnaden  einen  König  gesetzt  und  Dich  und  Deinen  Willen  in  ihm 
uns  geoffenbaret  hast.“  Näheres  hiezu  siehe  noch  Allg.  Berliner 
Kirche nz.  1840,  S.  146. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


19 


Worten  charakterisiert  haben:  Ich  bin  Offizier  des  Königs. 
Bäumte  sich  einmal  sein  gerecht  denkendes  Herz  wider  die 
drückenden  Massnahmen  von  oben  auf  und  sprach  er  sich  dann 
offen  dem  Minister  Abel  gegenüber  über  das  Unangenehme 
seiner  Lage  aus,  so  wusste  ihn  dieser  stets  zu  beschwichtigen 
und  seine  Bedenken  zu  dämpfen.  Einiges  Licht  in  dieses  Ver- 
hältnis vermag  ein  Brief  zu  werfen,  den  Abel  nach  einer  vor- 
ausgegangenen Unterredung  an  Roth  richtete  (20.  April  1839)  L: 

„Ich  habe  nicht  verfehlt  — schreibt  wörtlich  der  Minister  — die 
Eröffnungen,  welche  Euer  Hochwohlgeboren  mir  in  Beziehung  auf 
das  Unangenehme  Ihrer  Stellung  auf  dem  nächstkommenden  Land“ 
tage  zu  machen  die  Güte  gehabt  haben,  nach  dero  Wunsch  Sr.  M. 
dem  König  vorzutragen  und  es  ist  mir  hierauf  der  Allerhöchste  Auf- 
trag zugegangen,  zu  erwidern,  dass  die  Gradheit  und  Offenheit,  mit 
der  Ew.  Hochwohlgeboren  sich  ausgesprochen,  Sr.  Maj.  zu  besonderen 
Wohlgefallen  gereicht  haben,  wenn  gleich  Allerhöchst  dieselben  ge- 
wünscht hätten,  es  möchte  dero  Überzeugung  über  die  fragliche  aller- 
höchste Anordnung  bezüglich  der  militärischen  Salutation sform  eine 
andere  sein ; dann  dass  Allerhöchst  dieselben  durch  die  vorgetragenen 
Verhältnisse  sich  nicht  veranlasst  finden,  dermalen  einen  Mann  die 
Ruheversetzung  oder  unbestimmten  Urlaub  zu  bewilligen,  der  bis 
jetzt  seine  strenge  Rechtlichkeit  und  seine  treue  Anhänglichkeit  stets 
erprobt  hat.  Indem  ich  mich  dieses  allerhöchsten  Auftrags  mit  be- 
sonderem Vergnügen  entledige  und  damit  die  Eröffnung  verbinde,  dass 
das  Ernennungsdekret  für  den  Privatdozenten  Dr.  Dollmann1 2)  als 
ausserordentlichen  Professor  an  die  hiesige  Hochschule  der  Expedition 
bereits  übergeben  ist,  benütze  ich  gerne  diese  Gelegenheit,  die  Ver- 
sicherung meiner  innigen,  verehrungsvollen  Hochachtung  zu  erneuern, 
womit  ich  die  Ehre  habe  zu  sein 

Euer  Hochwohlgeboren 

gehorsamer  Diener 

v.  Abel.“ 

v.  Roth  blieb  im  Amte  und  trug  den  Druck  vorerst  noch 
mit  starkem  Gehorsam;  geflissentlich  zeichnete  ihn  der  König 
darauf  im  Jahre  1840,  wo  die  Stände  Versammlung  tagte,  mit 
dem  Grosskreuz  des  Verdienstordens  vom  heil.  Michael  aus;  ja, 
noch  im  Jahre  1842  glaubte  Roth  dem  Wünschen  des  Königs 
soweit  entgegenkommen  zu  müssen,  dass  er  das  Versprechen 
abgab,  sich  bemühen  zu  wollen,  religiöse  Streitgegenstände,  also 


1)  Aus  dein  schriftlichen  Nachlasse  v.  Roths. 

2)  Roth’s  Schwiegersohn. 

2* 


20 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


auch  die  Kniebeugungsaugelegeuheit  vom  kommenden  Landtag 
möglichst  fernzuhalten1),  bis  schliesslich  auch  dem  vertrauens- 
seligen Präsidenten  über  der  Not  seiner  Glaubensgenossen  die 
Augen  aufgingen  und  ihn  diese  eigene  Überzeugung  sowohl  wie 
der  wachsende  Unwille  im  Lande  veranlassten,  entschlossener 
wenn  auch  immer  noch  sehr  massvoll  für  die  Rechte  seiner 
Kirche  einzutreten.  Sein  anfängliches  Verhalten  jedoch  gegen- 
über den  Übergriffen  Abels  wird  wohl  aus  der  Eigentümlich- 
keit seines  Charakters  wie  aus  der  Schwierigkeit  der  Situation 
zu  erklären,  aber  niemals  gänzlich  zu  rechtfertigen  sein.  Das 
wird  auch  von  denen  konstatiert,  die  Roths  Verdienste  um  die 
innere  Organisation  der  bayerischen  Landeskirche  ungeschmälert 
lassen  und  auch  gegen  den  Rationalismus  dem  Oberkonsistorium 
treu  zur  Seite  gestanden  waren2).  Wenn  Ad.  v.  Stählin3)  in 
der  Allgem.  Deutsch.  Biogr.  B.  29  S.  324  ff.  eine  Ausnahme 
macht,  so  ist  er  selbst  nach  Ansicht  seiner  Freunde  damit  im 
Lobe  seines  Helden  zu  weit  gegangen.  Gewiss  hat  hier  seine 
ihm  eigentümliche  optimistische  und  ireniscli  gerichtete  Welt- 
anschauung noch  einen  besonderen  Inhalt  erhalten  durch  die 
pietätsvolle  Erinnerung,  die  er  dem  väterlich  fürsorgenden 
Freund  und  Wohlthäter  seiner  Münchener  Kandidatenjahre 
schuldig  zu  sein  glaubte4). 

Bevor  jedoch  jener  merkliche  Umschwung  in  der  Haltung 
der  obersten  Kirchenbehörde  eintrat,  mussten  im  Lande  noch 
andere  Faktoren  mächtig  werden.  Zunächst  waren  es  40  protest. 
Abgeordnete,  die  während  des  Landtags  1840  eine  gemein- 
schaftliche Eingabe  an  den  König  machten,  worin  „mit  den 
Ausdrücken  des  kindlichsten  Vertrauens  und  der  achtungs- 
wertesten Unterthanengesinnungu  neben  den  andern  Beschwerden 
namentlich  die  Angelegenheit  der  Kniebeugung  zur  Sprache  ge- 


1)  Harle ss,  Bruchstücke  aus  dem  Leben  etc.  S.  55. 

2)  So  sagt  Thomasius  (Wiedererwachendes  ev.  Lebens  etc.  S.201): 
„Dagegen  wird  sich  das  Verhalten  Both’s  in  der  Periode  des  Drucks 
niemals  gänzlich  rechtfertigen,  wenn  auch  aus  seiner  Eigentümlichkeit 
erklären  lassen.“ 

3)  Neben  Dr.  v.  Burger  in  der  Realencyklop.  S.  623 ff.,  wo  Roths 
Stellung  gleichfalls  zu  rechtfertigen  gesucht  wird. 

4)  Vgl.  die  kürzlich  in  München  erschienene  Lebensskizze  über  Ad. 
v.  Stählin  von  Dr.  Otto  Stählin  S.  32  und  33. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


21 


bracht  wurde  x).  Von  einer  förmlichen,  zur  Diskussion  ge- 
langenden Beschwerde  in  der  Kammer  selbst  wurde  diesmal 
noch  Umgang  genommen,  so  dass  dieser  Landtag  ruhig  verlief. 
Unter  den  Unterzeichneten  jener  Vorstellung  an  den  König 
hatte  sich  auch  Professor  Harless  als  Vertreter  der  Erlanger 
Universität  befunden1  2).  Einen  Erfolg  hatte  das  Bittgesuch  der 
Protest.  Abgeordneten  nicht.  Abels  Einfluss  war  noch  zu  stark; 
er  wusste  dem  König  vorzuspiegeln,  hinter  all  diesen  Klagen 
verstecke  sich  nur  die  liberale  Opposition3). 

Als  die  Sache  so  stand,  da  erschien  im  Februar  des  Jahres 
1841  die  erste  protestantische  Streitschrift  wider  den  Knie- 
beugungszwang. In  schwäbisch  Ulm  gedruckt  wurde  das  Büch- 
lein sofort  in  Bayern  verboten,  aber  allüberall  aufs  eifrigste 
gelesen.  In  ruhiger  sachlicher  Weise  wird  darin  vom  Stand- 
punkt der  Glaubenslehre,  des  Staatsrechtes  und  der  Geschichte 
die  von  den  Protestanten  geforderte  Kniebeugung  beurteilt. 
Der  edle  Graf  v.  Giech  war  der  Verfasser  der  Aufsehen 
erregenden  Schrift.  Schon  kurz  nach  dem  Erlass  des  Kriegs- 
ministerial-Ordre  hatte  dieser  tapfere  Mann , damals  noch 
Regierungspräsident  von  Mittelfranken,  in  einem  freimütigen 
Schreiben  für  die  Notlage  seiner  Glaubensgenossen  sich  ver- 
wendet, jedoch  von  Abel  schnöde  abgefertigt  seinen  Ab- 
schied genommen  und  sich  vor  dem  König  durch  eine  ehr- 
erbietige Denkschrift  gerechtfertigt,  die  frei  und  offen  alle 
Sünden  des  Abelschen  Regiments  aufzählte4).  Der  Graf  v.  Giech 
erbte  nachher  von  seinem  Bruder,  dem  Schwiegersöhne  Steins, 
die  Standesherrschaft  Thurnau  und  blieb,  wie  Treitschke,  der 
Meister  in  der  Charakteristik  geschichtlicher  Persönlichkeiten 
sagt,  „fortan  noch  viele  Jahre  lang  eine  Zierde  des  fränkischen 
Adels,  vornehm  zugleich  und  leutselig,  feingebildet  und  lebens- 
kundig, königstreu  und  freimütig u.  Sein  erstes  Büchlein  vom 
Jahre  1841  fand  eine  Erwiderung  durch  den  katholischen  Pfarrer 


1)  Unter  den  Materialien  Giechs,  Ulm  1841  abgedruckt  Beilage  K. 

2)  Bruchstücke  aus  dem  Leben,  S.  49  ff. 

3)  Treitschke  V,  S.  315. 

4)  Dies  alles  ist  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  warm  und  eingehend 
deschildert  in  den  schon  öfters  erwähnten  Betrachtungen  und  Urteilen 
des  Generals  v.  Aster,  woselbst  auch  die  verschiedenen  Schreiben  des 
Grafen  wörtlich  abgedruckt  sind,  I,  S.  122—312. 


22 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Schwindl,  wohl  die  schwächste  Leistung,  die  in  der  ausgedehnten 
litterarischen  Kontroverse  der  Folgezeit  erzeugt  wurde. 

II.  1843-1846. 

Was  diese  Periode  im  Unterschied  von  der  vorhergehenden 
charakterisiert  und  uns  berechtigt,  an  dieser  Stelle  einen  Ein- 
schnitt in  die  geschichtliche  Entwickelung  zu  machen,  ist  eine 
Steigerung  aller  Widerstandskräfte  auf  seiten  der  Bedränger 
wie  der  Bedrängten.  Das  Abelsche  Regiment  leistet  sich  die 
stärksten  Proben  von  Willkür  und  Anmassung 1).  Und  die 
Opposition  unter  den  Protestanten  nimmt  nicht  nur  eine  unge- 
ahnte Ausdehnung,  sondern  auch  eine  grössere  Schärfe  und  eine 
an  Martyrermut  grenzende  Bekenntnisfreudigkeit  an.  Die  Stände- 
versammlung tritt  energischer  für  die  Beschwerden  der  protest. 
Landeskirche  ein.  Der  litterarische  Streit  erreicht  den  Gipfel 
der  Leidenschaftlichkeit.  Die  Pfarrer  fangen  an  wider  die  Ordre 
zu  predigen.  Die  Sprache  der  obersten  Kirchenbehörde  endlich, 
getragen  von  dieser  Stimmung  im  Lande,  wird  nachdrücklicher 

1)  An  dieser  Stelle  sei  auch  erwähnt,  dass  Abel  manchmal  sogar 
seine  Freunde,  die  Klerikalen,  vor  den  Kopf  stiess.  Besonders  wenn  es 
galt,  die  Hilfsquellen  für  den  Fiskus  zu  vermehren,  kannte  er  auch  gegen 
die  Katholiken  keine  Rücksicht.  Gegen  Rechtsverletzungen  dieser  Art 
sprachen  sich  in  der  Ständeversammlung  mit  den  Katholiken  zugleich  ein 
Harless  und  ein  Thon-Dittmer  aus.  So  war  z.  B*  ein  Lieblingsgedanke 
des  Königs,  ein  glänzendes  Hotel  auf  dem  Promenadeplatz,  den  „Bayerischen 
Hof“  errichten  zu  lassen.  Für  diesen  Bau  nahm  Herr  v.  Abel  die  Mess- 
gelder von  Alt-Ötting  in  Anspruch,  mit  geringen  Zinsen  und  ohne  Aus- 
sicht auf  Wiedererstattung  (Thier sch,  S.  49(5).  Daher  kommt  es,  dass 
auch  die  Klerikalen  trotz  ihrer  offenbaren  Bevorzugung  sich  öfters  über 
willkürliche  Eingriffe  Abels  beklagten.  Nur  wurden  diese  ihre  Klagen, 
so  lange  ihnen  Abel  für  viele  andere  Dinge  unentbehrlich  war,  in  öffent- 
lichen Blättern  nicht  laut.  So  haben  die  von  Görres  redigierten  historisch- 
politischen Blätter  neben  den  kühnsten  Angriffen  auf  Protestantismus  und 
die  preussische  Regierung  in  jenem  Jahrzehnt  nichts  über  Bayern  und 
das  Ministerium  Abel  gebracht;  Abels  kirchliche  Massregeln  werden  so 
wenig  erwähnt,  wie  die  Streitfrage,  ob  Bayern  eine  Repräsentativ-Ver- 
fassung  habe  und  wie  die  sog.  „Erübrigungen“  zu  verwenden  seien. 
(Darüber  Debatten  im  Landtag  1840/41.)  Erst  nach  Abels  Sturz  wurden 
auch  auf  der  klerikalen  Seite  Stimmen  laut,  dass  dieser  ihre  Kirche 
tyrannisiert  habe  man  that,  als  ob  man  niemals  viel  mit  ihn  gemein 

gehabt  hätte.  Es  wird  dies  letztere  namentlich  in  jener  anonym  er- 

schienenen Schrift  „Kirche  und  Staat  unter  dem  Minister  Abel“,  deren 
Verfasser  der  Görresschtiler  Strodl  war,  zum  Ausdruck  gebracht.  Es 
muss  darin  zugegeben  werden,  dass  die  Protestanten  unter  Abel  manches 
zu  leiden  hatten ; „nur  seien  diese  Bedrückungen  nie  und  nimmer  zu 

Gunsten  der  Katholiken  geschehen,  Abel  habe  vielmehr  auch  die  Selbst- 

ständigkeit der  katholischen  Kirche  und  Freiheit  wenig  geachtet.“ 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage.  23 

und  entschiedener,  trotz  der  mancherlei  Erniedrigungen,  die 
ihrer  noch  warteten. 

Schon  die  in  den  Jahren  40/41  in  den  verschiedenen  Kon- 
sistorialbezirken  diesseits-  und  jenseits  des  Rheins  abgehaltenen 
Diöcesansynoden  hatten  insgesamt  wiederholte  Vorstellungen  um 
endliche  Aufhebung  der  Kniebeugungsordre  beim  Oberkonsistorium 
eingereicht.  Die  eiulaufenden  Jahresberichte  ferner  aus  den 
einzelnen  Pfarrämtern  betonten  nun  schon,  dass  sich  immer 
mehr  Kummer  in  den  Gemeinden  verbreite  und  die  Geistlichen 
beim  Unterrichte  und  bei  Ausübung  ihres  Seelsorgeramtes  sich 
in  peinlichster  Verlegenheit  befänden,  wie  sie,  ohne  Verletzung 
ihres  der  Kirche  geleisteten  Eides  und  ohne  die  Gemüter  auf- 
zuregen, auf  die  an  sie  gerichteten  Fragen  antworten  sollten. 
Ja,  der  ausgezeichnete  Pfarrer  Redenbacher x)  von  Sulzkirchen 
sah  sich  zu  einer  eigenen  dienstlichen  Erklärung  veranlasst, 
dass  er  seinem  Seelsorgeramte  gemäss  nicht  aufhören  könne, 
gegen  die  Versündigung  der  Kniebeugung  zu  warnen.  Er  hielt 
darauf  als  Dekanatsverweser  in  der  Synode  der  Diöcese  Pyr- 
baum  1842  einen  Vortrag,  worin  er  mit  Beziehung  auf  das 
Urteil  des  milden  und  frommen  Spener  mahnt,  „dass  die  Evan- 
gelischen verbunden  seien  viel  eher  zeitliche  Güter,  Weiber, 
Kinder,  ja  ihre  Leiber  selbst  zu  aller  Marter  und  Pein  zu  über- 
geben, als  sich  auch  von  ihrer  rechtmässigen  Obrigkeit  zwingen 
zu  lassen,  den  äusserlichen  Ceremonien  und  abgöttischen  Gräueln 
des  Papsttums  beizuwohnen“.  Am  3.  März  1843  erschien  dieser 
Vortrag  unter  dem  Titel  „Simon  von  Kana“ 1  2)  in  Druck,  weil, 
wie  es  im  Vorwort  heisst,  alle  gesetzlichen  Wege  und  Mittel 
zur  Abhilfe  erschöpft  seien,  und  von  einer  Motion  bei  dem 
Bundestage  um  so  weniger  etwas  erwartet  werden  könne,  als 
derselbe  anderwärts  zu  erkennen  gegeben  habe,  dass  er  sich 
in  die  innern  Händel  der  einzelnen  deutschen  Staaten  nicht 
mischen  wolle  und  überdem  dort  Österreich  mit  seiner  mächtigen 

1)  Über  seinen  Lebensgang  und  seine  schriftstellerische  Thätigkeit  wird 
berichtet  in  der  Ailg.  D.  Biogr.  XXVII,  S.  517,  ferner  unter  den  biograph. 
Charakteristiken  des  1896  zu  Erlangen  erschienenen  Buches : Die  Erlanger 
Burschenschaft  1816—1833.  Ein  Beitrag  zur  innern  Geschichte  der  Restau- 
rationszeit von  Fried r.  Reuter  S.  327. 

2)  Nach  Math.  1,  4 u.  Act.  1,  14  (2t/uoov  6 ^rjXoyxrjg).  Die  Vorrede  ist 
fast  ihrem  ganzen  Inhalte  naeh  gedruckt  bei  Eile r s „Betrachtungen  und 
Urteile  des  Generals  v.  Aster“  S.  202  ff. 


24 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Stimme  den  Ausschlag;  gebe.  „Sollen  wir  uns  nun  aber  stille 
fügen“,  fährt  er  fort;  „Können  wir  das?  Werden  wir  es  vor 
Gott,  vor  der  gesamten  evangelischen  Kirche  und  vor  unsern 
Nachkommen  verantworten?  Können  wir  dabei  an  das  evan- 
gelische Licht,  an  die  evangelische  Freiheit  denken,  ohne  zu 
erröten?  — Es  ist  jetzt  wahrlich  Zeit,  dass  die  evangelischen 
Soldaten  den  thätigen  Gehorsam  hierin  in  christlicher 
Weise  versagen,  und  — es  ist  nicht  anders  — sie  verläugnen 
ihren  Glauben,  wenn  sie  es  nicht  thun.  Es  ist  jetzt  Zeit,  dass 
wir  Seelsorger  allenthalben  sie  und  die  nachrückende  Jugend 
in  dieser  Beziehung  ernstlich  unterweisen  und  ermahnen,  und 
wir  verletzen  unsere  Seelsorgerpflicht,  wenn  wir  es  unterlassen! 
— Ich  kann  nicht  anders,  ich  kann  die  Sünde  meiner  Glaubens- 
genossen, ich  kann  die  Schmach  meiner  Kirche  nicht  sehen.“ 

Selbst  die  publizistischen  Organe  des  Ministers  v.  Abel 
wurden  durch  solch  eine  Sprache  eingeschüchtert. 

Am  7.  Januar  1843  war  endlich  auch  das  Oberkonsistorium 
nach  dreijährigem  Schweigen  mit  einer  Vorstellung  an  das  Mi- 
nisterium wieder  in  den  Kampf  getreten.  Das  bisherige  Still- 
schweigen wird  damit  gerechtfertigt,  dass  man  erst  die  Wir- 
kung jener  Entschliessung  vom  20.  August  1840  auf  die  Ge- 
müter der  Glaubensgenossen  abwarten  und  einer  etwaigen  wei- 
tern königlichen  Erklärung  auf  diejenigen  Schritte  entgegen- 
sehen wollte,  welche  von  einer  andern  Seite  *)  erfolgt  waren, 
um  die  Zurücknahme  der  drückenden  Ordre  zu  bewerkstelligen. 
Darauf  werden  all  die  von  den  Generalsynoden,  Diöcesansyno- 
den,  Dekanaten  und  Pfarrämtern  inzwischen  eingelaufenen  Be- 
schwerden aufgezählt,  die  zu  weitern  Schritten  auflordern.  Dann 
wird  zum  erstenmal  mit  besonderem  Nachdruck  der  Nachweis 
geführt,  dass  es  nach  dem  evangelischen  Glaubensbewusstsein 
Sünde  sei,  vor  der  geweihten  Hostie  das  Knie  zu  beugen. 
Das  Niederknieen,  heisst  es  unter  anderem,  mag  an  und  für 
sich  betrachtet  eine  ganz  unerhebliche  Sache  sein,  aber  der 
Akt  erhält  eine  hochwichtige  Bedeutung,  sobald  er  an  einen 
bestimmten  Zw~eck  geknüpft  und  demnach  als  sichtbarer  Aus- 
druck einer  inneren  religiösen  Gesinnung  in  Anwendung  ge- 

1)  Oberkonsistorialrat  Faber,  der  dies  in  den  Akten  schreibt,  meint 
die  Bittschrift  der  protest.  Abgeordneten  vom  Landtag  1840/41. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


25 


bracht  werden  will.  Dieser  Fall  ist  aber  hier  gegeben.  Der 
Protestant  kann  sich  also  ohne  Versündigung  nicht  niederknieen. — 
Zur  Unterstützung  dieses  Satzes  kommen  im  weiteren  Verlauf 
der  Eingabe  die  früheren  kirchen-  und  staatsrechtlichen  Mo- 
mente zur  Sprache  und  wird  namentlich  erinnert  an  den  bran- 
denburg-pfälzischen Vertrag  von  1672,  an  den  churfürstlichen 
Befehl  in  der  Pfalz  vom  28.  Okt.  1699  und  an  die  hierauf  er- 
folgten Reklamationen  des  Corpus  evangelicorum,  an  die  chur- 
pfälzische Religionserklärung  von  1705,  worin  die  Stelle  vor- 
kommt: „Ueber  dieses,  so  sollen  jetzt  gedachte  Evangelische 
bei  der  katholischen  Procession,  und  wenn  das  Venerabile  zu 
den  Kranken  getragen  wird,  nicht  gezwungen  werden,  das  Ge- 
wehr zu  präsentieren  oder  niederzuknieen“;  ferner  an  die  Er- 
klärung des  Corpus  evangelicorum  vom  Jahre  1721,  wo  es 
heisst:  ,,Die  Soldateska  betreffend,  so  läuft  es  gegen  die  von 
Sr.  churfürstlichen  Durchlaucht  versprochene  Gewissensfreiheit, 
so  viele  evangelische  Offiziers  zum  Niederknieen  vor  dem  sog. 
Venerabile  zu  nötigen,  ja  Ihre  Verordnung  wäre  nicht  general 
für  alle  Evangelische,  wenn  die  Soldateska  ausgeschlossen  sein 
sollte,  und  von  einem  evangelischen  Lande,  wo  in  anno  regula- 
tivo  kein  katholischer  Gottesdienst,  geschweige  die  Umtragung 
des  Venerabile  gewesen,  lässt  sich  deshalben  auf  keine  anderen 
Exempel  berufen“.  Dieselben  Verhältnisse,  bemerkt  das  Ober- 
konsistorium, finden  jetzt  statt.  Die  erwähnte  Kriegsministerial- 
Entschliessung  fordert  das  Niederknieen  der  Protestanten  nicht 
bloss  für  diejenigen  Provinzen,  in  welchen  die  evangelische  Re- 
ligion nur  die  geduldete  war,  und  für  diejenigen  Regimenter, 
welche  fast  ausschliesslich  aus  Katholiken  bestehen,  sondern 
sie  dehnt  dieselben  auf  alle  Kreise  des  Königreichs,  mithin  auch 
solche  Provinzen  und  Städte  aus,  in  welchen  die  Katholiken 
nur  die  Geduldeten  waren,  in  welchen  die  Linien-Soldaten  vor- 
zugsweise der  protestantischen  Kirche  angehören.  — Ueber- 
haupt  sind  die  militärischen  Anordnungen,  wie  sie  etwa  zu  der 
Zeit  gelten  mochten,  als  Bayern  noch  ein  katholischer  Staat 
war,  in  welchem  die  Protestanten  nur  teilweise  geduldet,  ja 
teilweise  nicht  einmal  geduldet  waren,  sowohl  durch  feierliche 
königliche  Erklärungen,  als  durch  die  bayerische  Verfassungs- 
urkunde aufgehoben  worden.  ,.Da  wir“,  so  schliesst  wörtlich 


26 


E.  Dorn,  Kniebeuguugsfrage. 


das  Oberkonsistorialschreiben,  die  innigste  und  zuversichtlichste 
Ueberzeugung  zu  Ew.  K.  Majest.  vielfach  bewährten  Gerechtig- 
keit und  Gnade  hegen,  uns  selbst  vor  aller  und  jeder  Verant- 
wortung zu  sichern  verpflichtet  sind  und  auf  das  lebhafteste 
wünschen,  es  möge  die  sich  regende  Beunruhigung  der  Ge- 
müter, und  die  weit  selbst  über  die  Grenzen  des  Vaterlandes 
hinaus  verbreitete  Bekümmernis,  deren  Folgen  wir  nicht  zu  be- 
rechnen vermögen,  von  den  beschwerten  Herzen  Ew.  Königl. 
Majest.  getreuer  Unterthanen  genommen  werden:  so  können  wir 
nicht  aufhören,  dringendst  und  ehrfurchtsvoll  unsere  früher 
schon  ausgesprochene  Bitte  allerunterthänigst  dahin  zu  erneuern, 
dass  Ew.  K.  M.  Weisheit  das  geeignete  Mittel  ergreifen  und 
das  gesamte  protest.  Militär  von  dem  Niederknien  vor  der  auf- 
gehobenen oder  umhergetragenen  Hostie  allergnädigst  zu  be- 
freien geruhen  mögen“.  — 

Was  wurde  auf  diese  nach  allen  Seiten  hin  wohlerwogene 
und  mit  theologischer  Wärme  verfasste  Reklamation  dem  Ober- 
konsistorium nach  10  Monaten  eröffnet?  „Es  sei  der  Bericht 
samt  seinen  Beilagen  dem  Kriegsministerium  zu 
comp  etenzmässiger  Würdigung  mitgeteilt  worden. 
22.  Nov.  1843.“  Ja,  als  gegen  diese  neue  Demütigung  und 
offenbare  Hintansetzung  aller  Verfassungsbestimmungen  die 
Kirchenbehörde  in  ruhiger  Weise  sich  verwahrte1),  erfolgte 


1)  „Nachdem  die  beklagenswerte  Angelegenheit“,  heisst  es,  „seit 
5 Jahren  bei  dem  Ministerium  des  Innern  verhandelt  worden  ist  und  von 
hochdemselben  mehrere  Entschliessungen  ergangen  sind,  so  können  wir 
uns  nicht  verhalten,  dass  eine  jetzt  eintretende  einfache  Zuweisung  derer 
Sache  an  das  Kriegsministerium  uns  nicht  wenig  beunruhigt  und  zwar  um 
deswillen,  weil  nicht  letzterem,  sondern  jenem  sowohl  nach  der  2.  Verfass. 
Beil,  als  auch  nach  § 61  der  allerhöchsten  Verordnung  vom  9.  Dez.  1825, 
die  Formation  der  Ministerien  betreffend,  dann  nach  dem  daraufberuhen- 
den § 34  der  allerhöchsten  Verordnung  vom  17.  Dez.  1825,  die  Formation, 
der  Wirkungskreis  und  der  Geschäftsgang  der  obersten  Verwaltungsstellen 
iu  den  Kreisen,  in  höherer  Instanz  die  Aufrechterhaltung  der  Grundbestim- 
mungen der  II.  Beil,  der  Verfass. -Urk.  übertragen  ist,  und  es  sonach  uns  und 
unsere  Glaubensgenossen  nicht  befriedigen  kann,  wenn  die  in  Frage  stehende 
Beschwerde  über  Verletzung  der  Beligions-  und  Gewissensfreiheit  von  dem 
competenten  Ministerio  ohne  weiteren  bestimmten  Antrag  bloss  zur  Wür- 
digung und  Verfügung  an  dasjenige  Ministerium  abgegeben  wird,  gegen 
dessen  Ordre  jene  Beschwerde  geführt  worden  ist. — Wir  können  uns  daher 
nicht  entschlagen,  allerunterthänigst  den  Antrag  zu  stellen,  Ew.  K.  Majest. 
Ministerium  des  Innern  wolle  diese  beklagenswerte  Angelegenheit  nicht 
von  sich  weisen,  vielmehr  in  Anwendung  seiner  Amtszuständigkeit  die 
Hebung  der  fraglichen  Religionsbeschwerdung  beseitigen“. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


27 


nicht  nur  der  abermalige  Bescheid  zurück,  dass  auch  dieser 
neuerliche  Bericht  ans  Kriegsministerium  übergeben 
worden  sei,  sondern  auch  die  brüskirende  Bemerkung,  dass 
einer  untergeordneten  Stelle  in  keiner  Weise  zustehe,  sich  in 
dem  Geschäftsverkehr  nach  dieser  Beziehung  Erinnerungen  zu 
gestatten,  und  man  von  seiten  des  Ministeriums  vertraue,  dass 
dem  Oberkonsistorium  das  Unangemessene  seiner  Bemerkungen 
von  selbst  nicht  entgehen  und  so  das  Ministerium  für  die  Zu- 
kunft der  unangenehmen  Notwendigkeit  sich  enthoben  sehen 
werde,  ähnlichem  Vergessen  der  dienstlichen  Stellung  entgegen- 
zutreten. (Am  5.  Januar  1844). 

Inzwischen  hatte  auch  draussen  der  Kampf  weiter  getobt. 
36  protestantische  Abgeordnete  der  1842/43  einberufenen  Stände- 
versammlung begnügten  sich  diesmal  nicht  mehr  mit  einer  per- 
sönlichen Eingabe  an  den  König,  sondern  brachten  am  16.  Jan. 
1843  den  Antrag  auf  Beseitigung  der  Ordre  zur  öffentlichen 
Diskussion.  Verfasser  und  Referent  war  Harless;  die  Vertre- 
tung in  der  öffentlichen  Sitzung  hatte  Freiherr  v.  Rotenhan1) 
übernommen.  Da  selbst  ein  grosser  Teil  wohlgesinnter  katho- 
lischer Abgeordneter  sich  lebhaft  für  die  Befreiung  des  pro- 
testantischen Militärs  von  der  Beobachtung  der  Kniebeugungs- 
ordre aussprach,  so  ging  der  Antrag  mit  Majorität  durch2).  In 
der  darauf  stattfindenden  Reichsratssitzung  vom  28.  Jan.  1843 
trat  zum  erstenmal  auch  Präsident  v.  Roth  öffentlich  für  die 
bedrohten  Rechte  seiner  Kirche  auf.  In  einer  ebenso  bemesse- 
nen als  wohlbegründeten  Rede  befürwortete  er  den  Antrag  der 
zweiten  Kammer.  „Es  habe  sich  ihm,  führte  er  unter  anderm 
aus,  nun  auch  die  Ueberzeugung  aufgedrungen,  dass  der  schmerz- 
liche Eindruck,  den  jener  Kniebeugungszwang  hervorbringe,  an 
Ansdehnung  und  Tiefe  zugenommen  habe,  ja,  er  bestätige  es 
mit  Bedauern,  aber  mit  Bedacht,  in  Unzufriedenheit  überge- 
gangen sei.  Entfremdung  der  Gemüter  aber  sei  ein  grosses 


1)  Hermann  v.  Rotenhan  (1800 — 1858),  geboren  in  Retweinsdorf  bei 
Bamberg  aus  altem  fränkischem  Geschlecht.  Mit  Harless  und  Thon  Dittmer 
eines  der  bedeutendsten  Glieder  der  Opposition  gegen  Abel.  cf.  Reuter, 
Die  Erlanger  Burschenschaften.  S.  297.  F.  J.  Frommann,  Herrn.  Frhr. 
v.  Rotenhan,  ein  Lebensbild  (1800—1858).  Jena  1882. 

2)  Harless  schildert  den  Hergang  sehr  lebendig  in  seinen  „Bruch- 
stücken aus  dem  Leben  etc.“  II.  S.  63 ff. 


28 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Uebel  zu  jeder  Zeit,  vornehmlich  aber  in  der  unsrigen“1).  — 
Roth’s  Rede  hatte  den  erwünschten  Eindruck  an  massgebender 
Stelle  nicht  hervorzubringen  vermocht2 3 * * * *).  Der  Antrag  fiel 
in  der  ersten  Kammer.  Noch  mussten  andere  Momente  ein- 
treten,  um  die  Hartnäckigkeit  zu  erschüttern,  womit  die  Re- 
gierung an  dem  einmal  erlassenen  Befehl  festhielt. 

Vorerst  hatte  vielmehr  ihre  Taktik  selbst  von  seiten  be- 
deutender Gelehrter  öffentliche  Verteidigung  gefunden.  Professor 
Döllinger  war  plötzlich  im  Jahre  1848  mit  einer  Broschüre,  der 
bald  eine  zweite  folgte,  gegen  den  Landtagsabgeordneten  Har- 
less  auf  den  Plan  getreten.  Leider  blieb  der  damals  noch  alles 
Lutherische  hassende  Gelehrte  nicht  bei  einer  objektiven  Be- 
weisführung stehen 8),  sondern  schlug  bald  einen  Ton  an,  wie 
er  in  den  Tagen  der  Gegenreformation  am  Ende  des  16.  und 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts  üblich  gewesen  ist.  „Er  habe 
sich“,  sagt  er  in  seinem  zweiten  Sendschreiben:  Der  Protestan- 
tismus in  Bayern  etc.,  „seines  Teils  auch  mit  den  Schriften 
des  Wittenberger  Reformators  und  den  übrigen  Erzeugnissen 
dieser  Art  beschäftigt;  doch  niemals  ohne  jene  geistigen  Ver- 
wahrungs-  und  Absperrungsmittel  vorzukehren,  wie  wir  sie 
körperlich  anzuwenden  pflegen,  wenn  wir  unseren  Weg  durch 


1)  Auswahl  mündlicher  und  schriftlicher  Aeusserungen  des  Präsiden- 
ten v.  Roth  in  der  ersten  Kammer  der  bayer.  Ständevers.  1828 — 47. 
München  1852.  S.  142  ff. 

2)  Auch  draussen  im  Lande  verfehlte  die  Rede  bei  vielen  ihre  Wirkung, 
trotzdem  sie  wie  alle  Aeusserungen  Roths  in  gediegener,  an  die  antiken 
Redner  erinnernder  Form  gehalten  war.  — Burger  sagt  darüber  in  der 
Realencyklopädie : „Es  ist  unbedingt  zuzugeben,  dass  ein  jüngerer 
Redner,  namentlich  einer  geistlichen  Standes,  über  den  Punkt  der  Knie- 
beugung sich  lebhafter  ausgesprochen,  stärkerer  Ausdrücke  sich  bedient 
haben  würde;  ob  er  daran  wohl  gethan  hätte,  ob  seine  Redeyveiser,  den 
Verhältnissen  angemessener,  in  Bezug  auf  die  Persönlichkeit,  in  deren 
Entschluss  die  Abhilfe  lag,  besser  durchdacht  und  überlegt  gewesen  wäre, 
lässt  sich  mit  Grund  bezweifeln.  Wahr  ist,  dass  diese  Rede  Roths,  als 
sie  in  weiteren  Kreisen  bekannt  wurde,  vielen  nicht  genügte,  denen  sie 
bei  weitem  nicht  feurig  und  kräftig  genug  erschien.“ 

3)  So  suchte  er  in  der  ersten  anonym  erschienen  Schrift  (siehe  unter 
der  Litteraturangabe  No.  4)  zu  beweisen,  dass  die  Kniebeugung  eine 
Körperbewegung  sei,  ohne  Sinn,  so  lange  der  Knieende  sich  nichts  dabei 

denke.  Für  den  katholischen  Soldaten  verbinde  sich  damit  der  Akt  der 
Anbetung,  weil  er  nicht  bloss  als  ein  Glied  des  Heeres,  sondern  zugleich 

als  ein  Glaubender,  als  Glied  der  kath.  Kirche  zugegen  sei ; der  protest. 

Soldat  hingegen  vollführe  dabei  nur  eine  Salutation,  eine  Bewegung  mit 

dem  Knie,  weil  er  nicht  als  Glaubender,  sondern  nur  als  Soldat  da  sei. 

(S.  31). 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


29 


einen  unsauberen  Ort  oder  eine  stinkende  Pfütze  nehmen  müs- 
sen Gegen  solche  Angriffe  und  Schmähungen  erhoben  sich 
neben  anderen  Vorkämpfern  der  Protestanten  vor  allem  Harless 
und  Fr.  Thiersch,  jener  mit  der  ihm  eigentümlichen  Kraft  und 
Schärfe,  dieser,  der  berühmte  Münchener  Philologe  und  prae- 
ceptor  Bavariae,  in  versöhnender  und  doch  überzeugender  Form 1). 
Allein  auch  solche  Stimmen  verhallten  vorderhand  noch,  ohne 
gehört  und  gewürdigt  zu  werden.  Der  tapferste  und  lauteste 
Bufer  im  Streit  sollte  vielmehr  für  seine  Person  und  Stellung 
die  schlimmsten  Folgen  davon  haben. 

Mittlerweile  aber  hatte  eine  andere  Gewaltthat  des  Abel- 
schen  Regimes  neues  Öl  ins  Feuer  gegossen.  Pfarrer  und 
Dekanatsverweser  Redenbacher  war  wegen  seines  mannhaften 
Zeugnisses  noch  nach  acht  Monaten  in  gerichtliche  Untersuchung 
gezogen  und  im  März  1844  vom  Amte  suspendiert  wmrden.  Ja, 
im  Dezember  desselbigen  Jahres  erfolgte  seine  Verurteilung 
„wegen  Verbrechens  der  Störung  öffentlicher  Ruhe  durch  Miss- 
brauch der  Religion “ zu  einjähriger  Festungshaft.  Damit  war 
ein  Präcedenzfall  geschaffen,  der  namentlich  für  die  Lage  der 
gewissenhaft  und  treu  ihres  evangelischen  Amtes  wartenden 
Pfarrgeistlichkeit  verhängnisvoll  werden  konnte.  Ein  Sturm 
der  Entrüstung  brach  darauf  los,  nicht  bloss  im  protest.  Bayern, 
sondern  in  ganz  Deutschland.  Die  Berliner  theolog.  Fakultät 
trat  in  einem  von  Neander  verfaßten  Gutachten  für  den  verfolg- 
ten Prediger  ein.  Der  König  aber  erliess  demselben  wenigstens 
die  Festungshaft,  aus  Sorge  vor  dem  Groll  der  Protestanten. 

Stärker  denn  irgendwo  regte  sich  die  Erbitterung  in  den 
fränkischen  Dekanatsbezirken.  So  versammelten  am  18.  März 
sich  sämtliche  Geistliche  der  Nürnberger  Diöcese  und  beschlossen 
in  einer  ebenso  dringlichen  als  ehrfurchtsvollen  Eingabe  an  das 
Oberkonsistorium  den  Antrag  zu  stellen:  „Dasselbe  wolle,  ge- 
stützt auf  das  klare  kirchliche  Bekenntnis  im  Namen  der 
Protest.  Landeskirche  gegen  die  Zumutung  der  Kniebeugung 

1)  Für  dieses  mass  volle  und  würdige  Eintreten  dankte  Friedrich 
Wilhelm  IV.  von  Preussen  mit  warmen  Worten:  „ln  Ihrem  Büchlein, 
schreibt  er  an  Thiersch,  einet  sich  die  schöne  Form  der  schönen  Seele, 
das  ist’s,  was  mir  so  unsäglich  wohlgethan,  als  ich  es  gelesen,  was  mich 
zum  Danke  zwingt  und  vor  allem  die  Stelle  gegen  den  Schluss,  wo  Sie 
Döllinger  gegen  Döllinger  in  Schutz  nehmen“.  Aus  Heigel,  König  Lud- 
wig. S.  204. 


30 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


förmlich  protestieren,  die  Protestation  der  untergebenen  Geist- 
lichkeit mitteilen,  und  das  angemessene  Verhalten  derselben 
vorschreiben.  — Denn  welch  ein  ganz  anderer  Anblick  wäre 
es,  eine  ganze  Landeskirche  in  all  ihren  Gliedern  bereit  zu 
sehen,  Strafe  und  Unglück  zu  leiden,  als  wenn,  wie  schon  der 
Fall  ist,  der  Einzelne  unter  müssigem  Zuschauen  der  andern 
den  Händen  der  Justiz  überliefert  wird !“  Dann  folgen  die  Namens- 
unterschriften sämtlicher  Kapitulare.  Diese  Vorstellung  der 
Diöcesanen  wurde  begleitet  von  einem  Schreiben  des  Dekans 
Fickenscher,  das  wir  deswegen  im  Auszug  mitzuteilen  für  ge- 
eignet erachten,  weil  es  am  treffendsten  die  damalige  Stimmung 
unter  der  fränkischen  Geistlichkeit  wiederzugeben  vermag.  Es 
heisst  in  demselben: 

„Die  Staatsregierung  hat  bis  jetzt  die  protestantische  Doktrin 
in  der  Kniebeugungsfrage  nicht  anerkannt,  vielmehr  ignoriert.  Sie 
hat  die  ernste  und  vielseitige  Berufung  der  Geistlichkeit  auf  ihr  Be- 
kenntnis für  ein  Missverständnis  und  Irrtum  erklärt,  sie  hat  die 
Protestation  der  kirchlichen  Organe  für  unbefugte  Einmischung  ge- 
halten, sie  hat  sich  zur  Richterin  über  die  Gewissen  der  Protestanten 
und  ihrer  Glaubenslehre  gemacht.  Sie  hat  den  Protestanten  vom 
Soldaten  scheiden,  Verleugnung  der  protestantischen  Gesinnung  dem 
Soldaten  zur  Pflicht  machen,  den  Generalsynoden  die  Ablegung  eines 
offenen  Zeugnisses  der  Vertreter  der  Kirche  verwehren  wollen.  Da- 
mit ist  aber  die  Rechtsgleichheit  der  Protestanten,  in  Bayern,  die 
Giltigkeit  des  westphälischen  Friedens  und  der  Konstitution,  die 
Anwendbarkeit  der  lutherischen  Lehrformel  in  der  vorwürfigen  Frage 
bestritten.  Und  nun  wird  noch  ein  protestantischer  Geistlicher,  weil 
er  vor  der  kirchlich  gelehrten  Sünde  der  Abgötterei  öffentlich  ge- 
warnt hat,  gerichtlich  processiert.  Man  kann  nicht  verstehen,  wie 
ein  Gerichtshof  die  Spezialuntersuchung  über  Pfarrer  Redenbacher 
verhängen  konnte,  ohne  dass  die  kirchliche  Oberbehörde  ihr  Gut- 
achten über  die  Materie  der  Anklage  abgegeben  hat.  Wahnsinnige 
werden  vom  Gericht  erst  dann  für  wahnsinnig  erklärt,  wenn  das 
ärztliche  Zeugnis  vorliegt:  aber  Geistliche  werden  über  einem  kirch- 
lichen Lehrsatz  für  Verbrecher  angesehen,  ohne  dass  die  kompetente 
Behörde  gefragt  wird,  ob  der  kirchliche  Lehrsatz  Giltigkeit  habe  oder 
nicht.  — Hieraus  ergibt  sich,  dass  für  die  protest.  Kirche  in  Bayern 
ein  Notstand  eingetreten  ist.  Nun  können  auch  die  ruhigsten  Geist- 
lichen nicht  mehr  schweigen.  Darum  sind  ernstliche  Schritte  nötig, 
ehe  das  Übel  ärger  wird.  Auf  dem  von  der  Staatsregierung  be- 
tretenen Wege  sind  Gewaltthaten  zu  besorgen;  die  protest.  Unter- 
thanen  sehen  sich  nicht  mehr  durch  die  Verfassung  gesichert,  dem 
geistlichen  Stande  wird  Not  und  Elend  oder  Verläugnung  der  Wahr- 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


31 


heit  und  Aufopferung  seiner  Wirksamkeit  in  Aussicht  gestellt : der 
Friede  der  Konfessionen  wird  gebrochen  und  aufgehoben  • der  landes- 
herrliche Schutz  der  protest.  Kirche  wird  vermisst;  dem  gerechten 
König  werden  viele  treue  Herzen  fremd  und  ein  Sturm  wird  über 
unser  Vaterland  herein  brechen,  den  zuletzt  keine  Staatsweisheit  mehr 
zerteilen  wird.  — Die  Treue  gegen  den  König  und  die  Anhänglich- 
keit an  seine  heilige  Person  fordert  von  den  Organen  der  Kirche 
Alles  anzuwenden,  dass  Gewaltschritte  entfernt  werden.  Ein  offenes 
Bekenntnis  aller  kirchlichen  Organe  thut  not,  sie  müssen  das  Kleinod 
der  Glaubens-  und  Gewissensfreiheit,  das  Recht  der  Kirche,  die 
Wahrheit  der  Bekenntnisschriften,  das  Seelenheil  der  an  vertrauten 
Gemeindeglieder  in  Schutz  nehmen,  als  Protestanten  müssen  sie 
gegen  Zwang,  Sünde  und  Unrecht  in  der  Kniebeugung  vor  dem 
Venerabile  protestieren,  als  ehrliche  und  um  das  Seelenheil  der  an- 
vertrauten Gemeinde  besorgte  Wächter  müssen  sie  jetzt  Rede  stehen 
auf  die  Frage,  ob  die  protestantischen  Soldaten  Sünde  thun  sollen 
oder  nicht.  — Erfährt  die  Staatsregiernng,  wie  es  in  Wirklichkeit 
um  die  protest.  Kirche  steht,  so  wird  sie  bei  der  guten  Gesinnung 
des  Königs  nicht  den  protestantischen  Glauben  auf  eine  peinliche 
Probe  stellen,  durch  Prozesse  und  Kriminalstrafen  die  Protestanten 
zur  Bewährung  ihres  Glaubens  nicht  nötigen  wollen.  — Aber  sollte 
es,  was  Gott  verhüte,  soweit  kommen,  so  werden  die  Hirten  der 
Gemeinden  demütig  und  ruhig  Zeugnis  geben  und  gehorsamstes 
Dekanat  zweifelt  nicht,  dass  das  kgl.  Oberkonsistorium  mit  dem  ähn- 
lichen Beispiel  voranleuchten  und  mit  den  untergeordneten  Geist- 
lichen in  dem  einen  Herrn  verbunden  unter  unverdienten  Leiden  des 
Tages  harren  wird,  in  welchem  der  treue  Herr  der  Kirche  der  Ge- 
walt und  Bedrückung  ein  Ende  machen  wird.  Die  protestantische 
Wahrheit  bekennen  und  Unglück  leiden  ist  die  einzige  Notwehr,  die 
im  Notstände  erlaubt  ist.  Jeder  soll  sich  aller  menschlichen  Ord- 
nung um  des  Herrn  willen  unterwerfen. u 

In  dem  darauf  erlassenen  Generale  der  obersten  Kirchen- 
behörde vom  4.  April  1844  wurde  zur  Beruhigung  auf  die  bis- 
her geschehenen  Massregeln  hingewiesen,  eine  förmliche  Prote- 
station im  streng  juridischen  Sinne  aber  als  nicht  anschlägig 
erklärt,  weil  nach  bayerischer  Verfassung  der  Beschwerdeweg 
bei  den  Landständen  offen  stehe,  im  Betreff  des  Antrags  endlich, 
das  angemessene  Verhalten  der  Geistlichen  vorzuschreiben,  er- 
widert, dass  eine  diesbezügliche  Vorschrift  nicht  weiter  gehen 
könne,  als  dass  sie  im  Amte,  in  der  Predigt,  im  Unterricht, 
in  der  Seelsorge  dem  Bekenntnis  der  evangelischen  Kirche, 
ohne  Ausschluss  der  Unterscheidungslehren,  treu  bleiben  und 
nach  Aufforderung  des  Gewissens  und  der  Umstände  lehren 


32 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


mögen,  was  nach  diesem  Bekenntnis  unrecht  und  wogegen  also 
zu  warnen  ist.  Der  Veröffentlichung  solcher  Warnung  durch 
Druckschriften  oder  bei  ausserordentlichen  Gelegenheiten  mögen 
sie  sich  enthalten,  übrigens  dabei  in  christlicher  Fassung  den 
weitern  Erfolg  der  fortwährend  gemachten  Reklamationen  gegen 
die  fragliche  Ordre  ruhig  abwarten  und  Gott  bitten,  dass  er 
diese  leidige  Angelegenheit  zu  einem  gesegneten  Ende  führen 
und  die  nun  schon  über  fünf  Jahre  andauernde  Beschwerde  dei 
Protest.  Kirche  in  Bayern  nach  seiner  Weisheit  und  Gnade  der- 
selben abnehmen  wolle.  — Dass  Pfarrer  Redenbacher,  in  dessen 
pflichtmässiger  Gesinnung  und  Treue  gegen  König,  Verfassung 
und  Vaterland  das  Oberkonsistorium  keinen  Zweifel  setzen, 
wegen  seiner  Druckschrift  „Simon  von  Kana“  in  gerichtliche 
Untersuchung  geraten,  gereicht  zu  grosser  Betrübnis.  Die  Auf- 
hebung derselben  kann  jedoch,  nachdem  die  Spezialuntersuchung 
ausgesprochen  ist,  nach  Verf.-Urk.  Tit.  VIII  § 4 nicht  erwirkt 
werden.“ 

Gleichzeitig  erging  von  derselben  Stelle  eine  erneute  dring- 
liche Bitte  ans  Ministerium,  der  kurz  nach  einander  auf  Grund 
fortgesetzter  Beschwerden  aus  den  Dekanaten  weitere  Remon- 
strationen vom  4.  und  15.  Mai  1844  nachfolgten,  insgesamt 
bezugnehmend  auf  die  steigende  Beunruhigung  infolge  des  Falles 
Redenbacher.  Und  auf  all  das  brachte  eine  Entschliessung  vom 
3.  April  44  nur  die  Änderung,  dass  die  protestantischer  Soldaten 
zwar  nicht  mehr  zur  Anhörung  katholischer  Gottes- 
dienste geführt,  dagegen  nach  wie  vor  bei  Spalierbildung 
herbeigezogen  werden  sollten.  Wiederholte  Vorstellungen  vom 
3.  und  10.  Juli,  hervorgerufen  durch  ernstliche  Berichte  aus 
dem  Dekanat  Altdorf  und  dem  Mediatkonsistorium  Thurnau 
wurde  vom  Ministerium  des  Innern  einfach  wieder  dem  Kriegs- 
ministerium zugeschlossen.  Als  hierauf  die  kirchliche  Ober- 
behörde unterm  27.  Juli  1844  beantragte,  dass  seine  Eingaben 
Sr. Majestät  dem  König  unmittelbar  unterbreitet  werden  möch- 
ten, war  die  ganze  Antwort  vom  2.  Aug.  1844  die,  dass  man 
die  Vorstellung  vom  27.  Juli  abermals  dem  Kriegs- 
ministerium zur  zuständigen  Würdigung  mitgeteilt 
habe.  Was  man  endlich  noch  in  diesem  Jahre  erlangte,  war 
nichts,  als  dass  nach  einer  Verfügung  vom  3.  November  1844 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


33 


künftig  alle  vermöge  der  Conscription  dienenden  nicht  katholi- 
schen Soldaten  nicht  mehr  zur  Bildung  von  Spalieren  zu  Fuss  bei 
Procession en,  wo  das  Sanctissimum  vorgetragen  wird,  ge- 
braucht werden  sollen.  — Mit  Recht  wurde  in  einem  zweiten 
offenen  Bedenken  vom  Grafen  v.  Giech  gegen  diesen  letzten 
Erlass  geltend  gemacht:  Die  Fälle  der  Anwendung  jener 
drückenden  Ordre  würden  dadurch  wohl  gemindert,  das  Prinzip 
aber  bleibe  ungeändert;  Freiwillige  und  Offiziere  gerieten  in 
Konflikt  mit  ihrem  Gewissen,  immer  noch  kämen  Fälle  vor, 
wo  auch  Conscribierte  niederknieen  müssten  z.  B.  beim  Vorbei- 
tragen des  Venerabile  vor  der  Wache. 

„Wir  müssen  vielmehr, “ fährt  der  Vertheidiger  der  protestan- 
tischen Sache  fort,  „bekennen,  dass  die  Kniebeugungsfrage,  statt  ihrer 
Lösung  durch  die  neueste  Entscheidung  entgegengeführt  worden  zu 
sein,  durch  dieselbe  schwieriger  und  verwickelter  als  je  zuvor  ge- 
worden ist.  — Darum  ist  es  Pflicht  der  bayerischen  Protestanten 
sowohl  in  Beziehung  auf  das  von  der  Regierung  gegen  sie  konse- 
quent festgehaltene  Prinzip,  als  denen  gegenüber,  die  es  in  übelver- 
standener Nachgiebigkeit  für  kleinlich  oder  eigensinnig  halten,  dass 
jene  von  einer  solchen  scheinbar  bloss  formellen  Sache  so  viel  Auf- 
hebens machen,  während  es  noch  so  viele  Gegenstände  des  innern 
kirchlichen  Lebens  zu  bedenken  gibt,  es  unverhohlen  und  geradezu 
aussprechen,  dass  ihr  Augenmerk  durchaus  kein  anderes  ist,  als  ihr 
unzweifelhaftes  Recht  auf  Gewissensfreiheit  und  eine  vollkommene 
Gleichstellung  der  katholischen  und  protest.  Kirche  in  Bayern  da- 
durch aufrecht  zu  halten.  Möge  man  die  Bestrebungen  der  bayerischen 
Protestanten  nicht  verkennen!  Sie  haben  lange  mit  ihren  katho- 
lischen Mitchristen  in  Frieden  und  Eintracht  gelebt,  sie  wissen  auch 
gar  wohl,  dass  die  Bedrückungen,  welche  ihnen  geschehen,  nicht  aus 
dem  Boden  des  Volkslebens  entsprungen  sind.“ 

Es  war  also  solch  stückweises  Nachgeben  der  Regierung 
nicht  zur  Beruhigung  der  Gemüter,  sondern  vielmehr  dazu 
angethan,  zu  zeigen,  wie  man  sich  nur  bemühe,  unter  den 
künstlichen  Schein  des  Rechts  das  Unrecht  aufrecht  zu  er- 
halten1). Eine  wachsende  Opposition  musste  also  um  so  ge- 

1)  Dies  hat  mit  schonungsloser,  trefflicher  Kritik  der  sonst  so  seltsame, 
unklare  Phantast  Friedr.  Rohmer,  der  bisher  nichts  weniger  als  zu 
der  liberalen  Opposition  gehört,  vielmehr  gerne  in  den  Zirkeln  der  öster- 
reichischen Gesandtschaft  sich  aufgehalten  hatte,  in  seinen  „Materialien 
zur  Geschichte  der  neuesten  Politik“  aufgezeigt.  Seine  Ausführungen 
mussten  um  so  stärker  wirken,  als  sie  aus  dem  Munde  eines  Konservativen 
kommen.  Er  sagt  II  S.  91:  „Hat  eine  Regierung  Recht,  so  muss  sie  ihr 
Recht  behaupten.  Hat  sie  Unrecht,  so  muss  sie  das  Unrecht  so  bald  als 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschiclite.  V.  1.  3 


34 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


rechter  und  notwendiger  erscheinen.  Dieselbe  kam  denn  auch 
in  ihrem  ganzen  Umtange  auf  den  1844  zu  Ausbach  und  Bay- 
reuth tagenden  Generalsynoden  zum  Ausdruck.  Nicht  weniger 
als  97  Petitionen  waren  eingereicht  worden,  welche  die  ver- 
schiedenen Beschwerden  der  bayerischen  Protestanten  betrafen, 
Gleichwohl  konnte  es  abermals  geschehen,  dass  die  königlichen 
Kommissäre,  befugt  einmal  durch  besondere  Instruktionen,  dann 
durch  § 15  einer  dem  Oberkonsistorium  aufgenötigten  Geschäfts- 
ordnung* 1) diese  sämtlichen  Petitionen  von  der  Beratung  aus- 
schlossen. So  weit  war  also  diesmal  die  Erniedrigung  getrieben 
worden,  dass  man  das  Oberkonsistorium  vor  Eröffnung  der 
Generalsynoden  gezwungen  hatte,  einen  Paragraphen  anzu- 
erkennen, der  die  Entscheidung  über  die  zu  beratenden  Gegen- 

möglich fallen  lassen : Das  gefährlichste  von  allem  und  was  jederzeit  das 
Verderben  der  Regierungen  war,  ist:  eine  Sache  eine  Zeit  lang  hindurch 
behaupten  und  spät  endlich  auf  eine  Weise  fallen  zu  lassen,  für  die  ihr 
Niemand  mehr  dankt.  Die  Kniebeogungsordre,  nachdem  sie  der  Anlass 
der  bittersten  Polemik  im  Inlande,  der  heftigsten  litterarischen  Diskussion 
im  Auslande,  der  Gegenstand  einer  Menge  von  Petitionen  und  Erörterungen 
in  den  Kammern,  der  Stein  des  Anstosses  für  die  protest.  Konfession  in- 
und  ausserhalb  Bayerns  geworden  war,  ist  stückweise  preisgegeben  und 
endlich  ganz  aufgehoben  worden.  War  das  Ministerium  im  Recht,  so  hat 
' es  dieses  Recht  geopfert,  ohne  aus  den  unzähligen  Reibungen,  die  es  da- 
für gewagt,  auch  nur  irgend  einen  Gewinn  zu  ziehen.  War  es  im  Un- 
recht, so  hat  es  sieben  Jahre  einem  in  der  That  an  sich  kleinen  und  auf 
die  leichteste  Weise  zu  bessernden  Irrtum  die  wichtigsten  Sympathien 
und  Interessen  preisgegeben.  — Der  Protestant  musste  das  Beharren  auf 
einer  gleichwohl  Stück  für  Stück  preisgegebenen  Sache  aus  keinem  andern 
Grunde  herleiten,  als  aus  einem  beschränkt  katholischen,  mit  der  Stellung 
des  Ministeriums  eines  paritätischen  Staates  unverträglichem  Interesse.“ 

1)  Dieser  Paragraph  lautete;  „Sämtliche  Petitionen  werden  von  dem 
Kommissär  des  Oberkonsistoriums  eröffnet,  und  nach  erfolgter  Billigung 
der  beiden  Kommissäre  dem  Ausschuss  zur  weiteren  Behandlung  übergeben.“ 
Als  später  — am  20.  Nov.  44  — die  Mitglieder  der  beiden  Generalsynoden 
ihre  Beschwerden  über  die  Verletzung  der  verfassungsmässigen  Rechte 
der  Generalsynoden  beim  Könige  selbst  einreichten,  erkannte  das  Ober- 
konsistorium dieselben  als  vollkommen  begründet  an  und  erklärte:  „Ge- 
nannter § 15  enthalte  nicht  den  Ausdruck  seiner  eigenen  freien  Überzeugung, 
sondern  sei  ihm  durch  die  ihm  mitgeteilte  an  den  kgl.  Kommissär 
Ministerialrat  von  Voltz  unterm  19.  Juli  1844  ergangene  allerhöchste  Ent- 
schliessung  gleichsam  diktiert  worden.“  — „Welch  ein  trauriger  Blick 
— so  fährt  der  Verfasser  der  Beschwerdevorstellungen,  wahrscheinlich 
der  Rechtsgelehrte  Frhr.  v.  Tücher,  S.  20  fort,  — eröffnet  sich  damit 
in  die  Zustände  der  protestantischen  Kirche  und  der  sie  vertretenden  ober- 
sten Kirchenbehörde!  Diese  sieht  sich  genötigt,  eine  Beschwerde  gegen 
eine  von  ihr  selbst  erlassene  Verfügung  als  vollkommen  begründet  zu 
erklären  und  einzubekennen,  dass  ihr  diese,  also  von  ihr  selbst  als  gra- 
vierlich  anerkannte,  durch  allerhöchste  Entschliessung  sei  diktiert  wor- 
den!“ Cf.  Beschwerdevorstellungen  S.  20. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


35 


stände  ganz  der  Willkür  der  Abelschen  Diener  preisgab.  Ja, 
als  die  Synodalen  gegen  diese  Verfassungsverletzung  prote- 
stierten, wurde  auch  die  Beschlussfassung  über  diese  Protestation 
versagt.  Da  traten  die  Synodalen  als  Einzelne  zusammen  — 
keiner  von  allen  trat  zurück  — und  beschlossen  in  besondern 
Bittschriften  die  Beschwerden  über  diese  Verletzung  der  ver- 
fassungsmässigen Rechte  der  Generalsynoden  ebenso  wie  alle 
übrigen  Beschwerden  dem  Monarchen  selbst,  zugleich  auch  ihrer 
obersten  Kirchenbehörde  vorzulegen.  Alle  diese  Beschwerden 
wurden  von  letzterer  mit  Ausnahme  unwesentlicher  Nebenpunkte 
für  vollkommen  begründet  erachtet  und  in  einem  Bericht  vom 
20.  Nov.  1844  beim  Ministerium  des  Innern  mit  Nachdruck  ver- 
treten. Es  war  also  der  Fall  gegeben,  dass  die  prote- 
stantische Kirche  Bayerns  in  ihrem  Gesamtwillen  sich 
für  beschwert  erklärte  und  um  Abhilfe  nachsuchte.  — 
— Allein  — was  war  die  Wirkung?  Nicht  bloss,  dass  durch 
Entschliessungen  vom  13.,  23.,  26.,  27.  April  1845  sämtliche 
Beschwerdevorstellungen  nach  einander  als  unbegründet  abge- 
wiesen wurden l),  sondern  Abel  brachte  in  der  Staatsratssitzung 
vom  26.  Febr.  1845,  wo  die  Gegenstände  verhandelt  wurden, 
sogar  den  Vorschlag,  der  König  möge  den  protestantischen 
Synoden  sein  Missfallen  öffentlich  aussprechen2 * * * *).  Damit  war 
freilich  das  Mass  der  Abelschen  Brutalität  voll.  Der  bisher 


1)  Sie  finden  sich  nebst  den  darauf  erfolgten  Regierungsreskripten  ge- 
nau gedruckt  in  der  schon  öfters  erwähnten  Schrift  „Die  Beschwerde- 
vorstellungen der  Mitglieder  der  protest.  Generalsynode  vom  Jahre  1844“, 
welche  am  20.  Dez.  1845  in  der  Schweiz  (St.  Gallen  und  Bern)  erschien 
und  sich  zur  Aufgabe  gestellt  hatte,  die  im  April  1845  erlassenen,  ab- 
weisenden Entschliessungen  des  Ministeriums  zu  entkräften,  sämtliche 
Beschwerden  dagegen  noch  einmal,  namentlich  für  die  eben  tagende 
Ständeversammlung,  kräftiglich  zu  begründen.  Die  Kniebeugungsfrage 
sowie  die  diesbezügliche  Zurückweisung  von  seiten  der  Regierung 
(18.  April  1845)  kommt  deswegen  nicht  zur  Sprache,  weil  dieser  Be- 
schwerdepunkt infolge  der  inzwischen  eingetretenen  Aufhebung  der  Ordre 
aus  der  Diskussion  gefallen  war. 

2)  So  Treitschke  V,  322  auf  Grund  eines  Berichtes  des  Ministerial- 
residenten  v.  Küster  vom  28.  Febr.  1845.  Siehe  auch  Heigel,  a.  a.  0. 

S.  206,  wo  Abels  Rede  mitgeteilt  ist.  Endlich  Heigel,  hist.  Vorträge 
und  Stadion.  3.  S.  348,  wo  erzählt  w7ird,  wie  Kronprinz  Max  in  jener 

denkwürdigen  Sitzung  vom  26.  Febr.  1845,  offen  als  Gegner  Abels  auf- 

trat. Friedrich  Wilhelm  von  Preußen  dankte  ihm  für  diesen  Freimut  mit 

den  Worten:  „Jetzt  weiß  Bayern,  ja  Deutschland,  was  es  von  Dir  zu  er- 

warten hat.“ 


3* 


36 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Allmächtige  konnte  mit  diesem  Vorschlag  nicht  mehr  durch- 
dringen. Sein  alter  Freund  von  Griechenland  her,  der  gelehrte 
Maurer,  trat  ihm  entschieden  entgegen;  desgleichen  der  Kron- 
prinz und  der  junge  Prinz  Luitpold.  Da  erschrak  der  König; 
zum  erstenmal  wurde  er  sich  der  Thatsache  bewusst:  Mit  Abel 
geht  es  nicht  mehr.  Maurer  äusserte  später  in  der  Kammer, 
diese  Staatsratssitzung  habe  den  Grund  zur  Änderung  des 
herrschenden  Systems  gelegt1). 


1)  Heigel,  König  Ludwig  S.  237.  In  der  Presse  gingen  über  jene 
Staatsratssitzung  merkwürdige  Gerüchte  um.  So  schreibt  Nr.  71  des 
Rheinischen  Beobachters:  „München  4.  März  1845.  Sie  werden  aus  der 
Augsburger  Allgemeinen  Zeitung  ersehen  haben,  dass  am  26.  Februar 
und  1.  März  langandauernde  Staatsratssitzungen  stattgefunden  haben, 
denen  der  König  selbst  präsidierte.  Den  Gegenstand  der  Beratung 
bildeten  die  von  den  beiden  Generalsynoden  unmittelbar  bei  der 
Kgl.  Majestät  gemachten  Eingaben  resp.  erhobenen  Beschwerden.  Das 
Referat  hatte  der  Staatsrat  v.  Freyberg  zum  grossen  Schmerze  der 
bayerischen  Protestanten,  denen  die  Ansichten  dieses  Staatsmannes  nicht 
unbekannt  sind.  Dem  ohnerachtet  war  wohl  niemand  darauf  gefasst, 
dass  der  Antrag  des  Referenten,  wie  es  wirklich  der  Fall  war,  dahin 
lauten  würde,  es  seien  sämtliche  Unterzeichner  der  von  der  Ansbacher 
Synode  ausgegangenen  Adresse  des  Hochverrats  anzuklagen  und  der 
Kriminaluntersuchung  zu  unterwerfen.  Diesem  Antrag  stimmten  bei  der 
Minister  des  Innern  v.  Abel  und  der  Staatsrat  v.  Hörmann.  Die  übrigen 
Mitglieder  des  Staatsrats  selbst  die  Protestanten,  schwiegen.  Es  war  eine 
bedeutungsvolle  Minute.  Da  erhob  der  jüngste  der  Anwesenden,  das 
edle  Wittelsbacher  Blut,  Prinz  Luitpold  mit  einer  Wärme,  welche  die 
bayerischen  Protestanten  ihm  nie  vergessen  werden,  die  Stimme  zu  Gunsten 
der  Bedrängten.  Er  setzte  in  klarer  lebendiger  Rede  auseinander,  wie 
er  in  der  Adresse  der  Ansbacher  Synode  keine  Spur  von  Aufreizung  zu 
erkennen  vermögen  und  überhaupt  nichts  erblicken  könne,  als  eine  ehr- 
furchtsvolle Darlegung  der  unter  den  Protestanten  bestehenden  Be- 
schwerden und  Befürchtungen.  Er  sehe  in  dieser  Eingabe  eine  höchst 
wichtige  Thatsache,  — die  faktisch  bestehende  Beunruhigung  der  Prote- 
stanten, die  gründlich  gehoben  werden  müsse,  wenn  nicht  die  Eintracht, 
der  Friede  und  die  Kraft  des  Staates  darunter  leiden  solle.  Die  Rede 
des  Prinzen  soll  auf  alle  Anwesenden  auch  auf  seinen  königlichen  Vater 
tiefen  Eindruck  gemacht  haben.  Ganz  in  Übereinstimmung  mit  seinem 
Bruder,  nur  ruhiger,  votierte  auch  der  Kronprinz.  Der  König  soll  hierauf 
sehr  nachdenklich  und  ernst  geworden  sein.  Seine  Majestät  verschob  die 
Abstimmung  auf  eine  zweite  am  1.  März  zu  haltende  Sitzung  uud  in  dieser 
verwarf  die  Majorität  den  Freybergschen  Antrag  und  überliess  es  dem 
König  im  vollen  Vertrauen  auf  seine  Weisheit  und  Güte  nach  eigenem 
Ermessen  diejenigen  Verfügungen  zu  treffen,  welche  zur  Beruhigung 
seiner  protest.  Unterthanen  dienen  könnten  etc.“  — Die  Wahrheit  dieses 
Berichtes  wurde  am  23.  März  in  der  Allgem.  Zeitung  durch  ein  scharfes 
amtliches  Dementi  in  Abrede  gestellt.  Zimmermann  bemerkt  in  seiner 
Geschichte  der  deutschen  Staaten  S.  923  dazu:  — „Doch  glaubte  man 
allgemein  an  die  Wahrheit  des  Gerüchtes  mit  dem  Hinzufügen,  der  An- 
trag sei  darum  nicht  zur  Ausführung  gekommen,  weil  der  Kronprinz  und 
sein  Bruder  Luitpold  sich  demselben  widersetzt  haben.“  — Für  uns  hat 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


37 


Die  Anmassung  Abels  hatte  ihren  Gipfelpunkt  erreicht. 
Andererseits  aber  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  auch  die  Er- 
regung unter  der  protest.  Bevölkerung  ihre  höchsten  Wellen 
schlug,  jedoch  immer  noch  in  den  Grenzen  christlicher  Ordnung 
und  christlichen  Gehorsams.  Unwille  erfasste  nun  auch  die, 
die  bisher  ihrer  Stellung  oder  sonstiger  Rücksichten  wegen 
sich  zurückgehalten  und  freudiger  Bekenntnismut  solche,  die 
bisher  stille  getragen  hatten.  Ein  siebenjähriges  vertrauens- 
volles Bitten  und  Harren  war  bis  jetzt,  abgesehen  von  einigen 
wenigen  Milderungen,  vergeblich  gewesen.  Offenbar  war  immer 
mehr  geworden,  dass  die  protest.  Kirche  wirklich  nur  eine  ge- 
duldete sein  sollte,  — wenngleich  man  sich  des  andern  wohl  be- 
wusst blieb:  Nicht  des  Königs  Wille  ist  im  letzten  Grunde  die 
Quelle  der  Not,  sondern  der  Wille  des  einen  Mannes,  dem  der 
Monarch  bisher  sein  unbedingtes  Vertrauen  geschenkt  hatte. 

In  diese  Zeit  des  stärksten  Drucks  von  oben  und  des 
tiefsten  Schmerzes,  aber  auch  des  erwachten  Glaubensbewusst- 
seins von  unten  fällt  das  mannhafte  Zeugnis  des  Pfarrers 
Dr.  Volkert  von  Ingolstadt  und  seine  darauf  erfolgte  gericht- 
liche Untersuchung.  (Schluß  folgt.) 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Schwaben. 

Von 

W.  Dietlen, 

Pfarrer  in  Steinbeim. 

(Schluß.) 

Schule  wurde  in  Leipheim  schon  vor  der  Reformation  ge- 
halten. Leo  Rot  in  seinem  Bericht  (vom  28.  Juli  1531)  über 
der  „Heiligen  Einkommen “ gibt  an,  dass  aus  dem  Vermögen 
der  Pfarrkirche  zu  Skt.  Veit  jährlich  etwas  dem  Schulmeister 
zu  einer  Besoldung  gegeben  werde.  Den  Posten  desselben 
versah  damals  der  Stadtschreiber*  1),  — in  welch  ungenügender 


das  Ganze  nur  im  Zusammnnhalt  mit  diesem  von  Zimmermann  konstatierten 
Ausdruck  der  öffentlichen  Meinung  einen  geschichtlichen  Wert,  weil 
daraus  zu  ersehen  ist,  welch  starkes,  von  Wahrheit  und  Unwahrheit  nicht 
mehr  scheidendes  Misstrauen  sich  in  den  Gemütern  festgewurzelt  hatte. 

1)  U.  Arch.  16.  1.  211.  Vielleicht  darf  man  aus  der  Person  des  Leh- 
rers darauf  schließen,  dass  Schreibunterricht  das  Hauptfach  war. 


38 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


Weise,  haben  wir  bei  Gelegenheit,  der  Synode  zur  Genüge  ge- 
hört. Schon  vorher,  als  nach  dem  Abgang  Ulrich  Haselbecks 
der  Spitalpfleger  Claus  Uli  über  das  „Einkommen  der  Pfründ 
bei  dem  heiligen  Geist  im  Spital“  nach  Ulm  berichtete,  hatte 
deshalb  derselbe  zum  Schluss  bemerkt: 

Ist  darauf  der  von  Leipliaim  beger,  juen  ain  predicanten  vnd 
schulmaister  sonderlich  zu  geben,  vnd  das  ein  körnen  diser  pfründ 
von  Korn  jn  das  Spital  zu  ordnen,  das  das  Spital  dagegen  dem 
Schulmeister  oder  pfarrer  bar  gelt  dafür  geb  1). 

Aber  erst  das  Jahr  der  Synode  brachte  die  Erfüllung  dieser 
Wünsche.  Jm  April  1532  baten  drei  Mönche  aus  dem  Bene- 
diktinerkloster Anhausen  im  Heidenheimischen  — nicht  zu  ver- 
wechseln mit  Auhausen  bei  Oettingen  — den  Bat  zu  Ulm  um 
eine  Verwendung  in  seinen  Gebieten.  Darauf  wurde  am  Mitt- 
woch nach  Quasimodogeniti  (10.  April)  beschlossen,  sie  zu  exa- 
minieren und  den  Tauglichsten  unter  ihnen  als  Schulmeister 
nach  Leipheim  zu  setzen,  und  hierzu  schon  am  folgenden  Tage 
Gregor  Seybold  ausersehen2).  Man  scheint  sie  indessen  auf  die 
Dauer  doch  nicht  so  sehr  geschickt  befunden  zu  haben.  Denn 
bereits  am  31.  Mai  wird  nach  Leipheim  ein  anderer  Schulmeister 
bestellt,  und  Gregor  Seybold  später  auf  eine  Landschulstelle 
(Altenstatt)  versetzt,  während  seines  Genossen  Lienhard  Mayer 
Bewerbung  um  den  bereits  wieder  erledigten  Leipheimer  Schul- 
dienst einfach  abgelehnt  wurde.  Offenbar  war  der  Plan,  in  L. 
eine  Schule  höhern  Rangs,  zum  mindesten  das,  was  man  später 
eine  lateinische  Schule  nannte,  einzurichten.  Denn  jener  Ni- 
kolaus Mayer,  der  am  Donnerstag  nach  Trinitatis  dahin  berufen 
wurde,  war  allem  nach  ein  junger  Mann  von  hervorragender 
Tüchtigkeit  und  wissenschaftlicher  Bildung.  Sonst  würde  er 
unter  den  damaligen  Verhältnissen  in  Ulm  schwerlich  so  bald 
Anstellung  gefunden  haben. 

Es  heisst  von  ihm  im  Protokoll  der  Verordneten  vom 
10.  April: 

Das  Cläusslin,  so  zu  Wittenberg  ist,  könnte  man  gen  Kuchen 
als  Schulmeister  rufen.  Weil  aber  eingerissen,  das  bemeld  Cläusslin 
der  lutterischen  maynung  anhang  vnd  er  deshalb  dieselb  leer  wider 

1)  U.  Arch.  16.  1.  197. 

2)  Yrgl.  die  Veesenmeyersche  Abschrift  der  Exzerpte  aus  den  Refor- 
mationsakten p.  79 — 81  u.  Keidel  a.  a.  0.  p.  328  u.  341. 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


39 


ains  Rats  Haltung  praitten  vnd  anliang  machen  möcht,  ist  be- 
dacht denselben  zu  Examinieren  vnd  so  er  sich  des  vnderständ, 
das  man  jn  bald  binwegthätt. 

Das  Examen  scheint  aber  wenigstens  nach  der  wissen- 
schaftlichen Seite  ganz  zur  Zufriedenheit  ausgefallen  zu  sein. 
Denn  statt  nach  Kuchen  sandte  man  ihn,  wie  schon  erwähnt, 
nach  Leipheim. 

Das  Cläusslin  so  von  Wittenberg  körnen  ist  — lautet  der  be- 
zügliche Beschluß  — soll  gen  Leipheim  geordnet  werden,  daselbst 
schule  zu  halten,  jm  ainainkomen  von  des  haselbecks  pfriind  aus  dem 
spital  geschöpfft  vnd  den  herrschaftpfiegern  daselbst  bevolhen 
werden  1). 

Das  gelt  nemlich  die  10  Gulden,  so  die  Gienger  dem  Cläusslin 
dargelihen,  sollen  die  herrsch aftpfleger  vom  heiligen  Skt.  Veit  zu 
Leipheim  nehmen,  vnd  jm  das  widerumb  künfftiglieli  vom  Stipen- 
dium (der  Besoldung  des  CI.  Mayer)  erstattet  werden2). 

Mayer  kann  aber  kaum  ein  paar  Wochen  in  Leipheim  ge- 
wesen sein,  als  schon  die  Herrschaftspfleger  (wahrscheinlich  aus 
Anlass  ihrer  zweiten  Amtsreise  für  dies  Jahr,  welche  ja  bei 
Mayers  Ernennung  augenscheinlich  schon  sehr  nahe  bevor- 
stand) meldeten,  dass  Pfarrer  und  Schulmeister  in  Zwist  seien 
zum  grossen  Aergernis  der  Gemeinde.  „Ihnen  scheine  man 
müsse  beide  Teile  hören,  dass  nicht  Uebel  und  Unannehmlich- 
keit besonders  in  Rücksicht  auf  den  Kurfürsten  von  Sachsen 
entstünden“.  Darauf  habe,  so  wird  weiter  erzählt3),  der  Rat 
den  Pfarrer  (Ritymann)  gewarnt  sich  in  der  Kanzelpolemik  gegen 
die  lutherische  Abendmahlslehre  der  Vorsicht  zu  befleissigen, 
damit  nicht  der  Verteidiger  der  letzteren,  der  Schulmeister,  den 
Handel  nach  Wittenberg  berichte. 

Die  Sache  fand  ihre  glückliche  Lösung  dadurch,  dass  nach 
Wolfgang  Binthäusers,  des  „griechischen  Schulmeisters“,  Ent- 
lassung auf  Blaurers  Vorschlag  „dem  Cleßle  die  griechische 


1)  „Von  der  spital-  und  frümeß  (Dornbäcker)  pfrimden  erhält  der  Schul- 
meister 40  fl.“  Bericht  L.  Rot  v.  1540.  Auch  zahlte  nach  einer  Angabe 
dess.  Beamten  von  1538  der  damalige  Schulmeister  für  das  von  ihm  be- 
wohnte Pfründhaus  — wie  alle  Bewohner  solcher  Häuser — Zins  (1  $ Heller) 
O.-Reg.  Käst  V Fach  22  Fasz.  4. 

2)  Bezieht  sich  auf  ihn  auch  die  Quittung  eines  Wittenberger  Bürgers, 
die  Keidel  a.  a.  0.  p.  342  erwähnt?  cf.  ibidem  328  Anm.  2. 

3)  Keim,  die  Reformation  in  der  Reichsstadt  Ulm.  p.  311. 


40 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


Lektion  zu  befehlen“,  beschlossen  wurde,  diesen  zur  hebräischen 
und  griechischen  Lektion  in  die  Stadt  zu  bitten“1). 

Für  die  Schulstelle  zu  Leipheim  wurde  darauf  Jörg  Schön 
von  dort  vorgeschlagen. 

Dieser  war  schon  im  vorhergehenden  Jahr  examiniert  wor- 
den, und  es  heisst  von  ihm: 

Jörg  Schön  zu  Leiphaim,  wie  jung  er  ist,  haben  jn  doch  die 
predicanten  ganz  geschickt  befunden,  achten  jn  taugen  lieh  zu  aim 
prediger.  Er  imbeut  sich  auch  mit  predigen  oder  mit  vnderwey- 
sung  der  Kinder  aim  Ersamen  Rat  zu  dienen2). 

Eine  Zeit  lang  suchte  man  ihn  dann  als  Prediger  oder  Zu- 
sprecher im  Ulmer  Spital  zu  verwenden.  Zu  Anfang  des  Jahres 
1532  scheint  er  sich  aber  wieder  stellenlos  in  Leipheim  aufge- 
halten zu  haben,  weshalb  Wolfgang  Ruß  ihn  damals  gerne  auf 
einen  Schuldienst  in  Memmingen  empfohlen  gesehen  hätte3). 
Jetzt  im  Oktober  desselben  Jahres  sollten  die  Herrschafts- 
pfleger „wenn  sie  amten,  bei  denen  von  Leipheim  erfahren,  ob 
„sie  Jörgen  Schön  zu  einem  Schulmeister  leiden  mögen“.  WTo 
sie  einwilligten,  soll  ihm  gesagt  werden,  sich  in  Verwesung  des 
Amtes  gegen  die  Gemeinde  und  die  Kinder  freundlich  zu  halten. 
Sie  scheinen  jedoch  nicht  eingewilligt  zu  haben.  Denn  zunächst 
werden  wir  bald  einen  andern,  auch  einen  geborenen  Leiphei- 
mer,  als  Schulmeister  dort  antreifen4 5).  Allerdings  fehlen  uns 
gerade  über  die  nächsten  zwei  Jahre  so  gut  wie  alle  urkund- 
lichen Nachrichten,  was  sich  wohl  am  besten  daraus  erklärt, 
dass  während  dieser  Zeit  Pfarrer  Ritymann  und  Benedikt  Wider, 
der  Prediger,  im  Frieden  neben  einander  wirkten.  Nur  ein- 
mal hören  wir  — unterm  29.  Juli  1533  — , dass  die  Pfarrer 
der  sogenannten  werdembergischen  Herrschaft  wegen  einer 
Meinungsverschiedenheit  zwischen  ihnen  und  ihren  Amts- 
genossen Mörlin  in  Altheim  und  Paul  Beck  in  Langenau  — 
unter  Führung  des  Pfarrers  von  Leipheim  in  Ulm  er- 
schienen1), ohne  entscheiden  zu  können,  ob  dieser  Pfarrer  noch 


1)  Keidel  a.  a.  0.  333.  (Blaurers  Vorschlag  stammt  vom  Juli  1532) 
340  (Protokoll  vom  24.  Sept.) 

2)  U.  Arch.  17.  1.  397. 

3)  Keidel  a.  a.  0.  p.  279.  281  f.  W.  Rußeus  Brief,  U.  Arch.  16.1.  290. 

4)  Erst  1543  wird  Schön  als  Schulmeister  ausdrücklich  genannt. 

5)  U.  Arch.  19. 1.  Unterfasz.  5.  cf.  oben  Bd.  IV  Seite  252  dies.  Zeitschr. 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


4L 


Ritymann  oder  etwa  Benedikt  Wider  gewesen  sei.  Bloss  das 
können  wir  anderwärts  ersehen,  dass  Jakob  Ritymann  nicht 
länger  als  bis  1534  in  Leipheim  gewirkt  haben  kann1).  Aber 
wir  wissen  nicht,  ob  nnn  Benedikt  Wider  ihm  auch  im  Genuss 
der  Pfarrpfründe  folgte,  oder  nur  nach  des  Pfarrers  Abgang 
dessen  Geschäfte  mit  besorgte.  Die  Visitationsakten  von  1535 
nennen  ihm  immer  nur  — was  freilich  nichts  entscheidet  — 
den  Prädikanten;  für  die  Annahme,  dass  er  wirklich  Pfarrer 
gewesen,  spricht  aber  seine  Wahl  zum  Superattendenten  bei 
Gelegenheit  ebenderselben  Visitation. 

Ehe  ich  nnn  auf  diese  näher  ein  gehe,  dürft  e es  angezeigt 
sein,  noch  ein  Wort  über  die  Verwendung  des  nicht  unbedeu- 
tenden Leipheimer  Kirchenguts  bezw.  des  Einkommens  der  dor- 
tigen Pfründen  zu  sagen. 

Ueber  das  „ewige  Licht“,  wozu  nach  dem  Bericht  der  Herr- 
schaftspfleger vom  Juli  1532  Hans  Vischers  zu  Leipheim  Schwie- 
ger einen  jährlichen  Zins  von  ;Pj2  fl.  gestiftet  hatte,  und  wo- 
von nun  dieser  zu  Gunsten  der  sechs  vater-  und  mutterlosen 
Waisen  einer  Bruderstochter  derselben  etwas  verwenden  be- 
ziehungsweise den  Zins  ablösen  wollte,  ist  schon  von  Pfarrer 
Keidel  das  Wesentliche  mitgeteilt2).  Ich  füge  dem  noch  bei, 
dass  am  Aftermontag  nach  Exaudi  1537  Leo  Rot  dem  Alt- 
bürgermeister nach  Ulm  berichtet:  er  habe  alles  Einkommen 
der  Pfründen  und  die  Erträgnisse  der  Jahrtagstiftungen  auf- 
schreiben lassen,  und  weil  in  den  letzten  Jahren  kein  Jahrtag 
mehr  gehalten  worden,  die  Erträgnisse  dafür  in  ..bettelseckel 
den  armen  zugewendet“  3). 

Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  zu  der  Visitation 
von  1535  zurück. 

Das  Protokoll  sagt  hierüber  bei  Leipheim: 

Der  Yogt  Leo  Rott:  der  leer  vnd  Lebens  halben  hat  er  kain 
mangel,  predigt  in  der  wochen  dreymal.  hat  ain  kynderberickt  vff 


1)  Er  wird  im  Jnli  1535  als  gewesener  Pfarrer  Ton  Altenstatt  auf- 
geffthrt,  der  einmal  ein  jäh  getauftes  Kind  wieder  getauft  habe.  Ob  er 
inzwischen  verstorben,  oder  sonst  wohin  gekommen,  wird  nicht  gesagt. 
Auch  ist  noch  von  keinem  Nachfolger  in  Altenstatt  die  Rede.  VTürttemb. 
Vierteljahrhefte  IX.  p.  205. 

2)  a.  a.  0.  p.  332  u.  341. 

3)  U.  Orts-Registr.  Käst.  V Fach  22  Fasz.  4. 


4‘2 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


pfiugsten  gehalten  vnd  vff  ostern  dass  nachtmal.  Der  Schulmeister  halt 
sich  wol,  hat  etwra  byss  in  die  40  buben.  Sy  habenn  ain  gmain 
almussen,  prediget  nit  im  spital.  — Cristau,  so  die  predicatur  hat, 
gibt  nur  15  fl.  in  den  bettelseckel,  hat  ain  gute  pfründ,  mag  im 
wrol  100  Gulden  getragen1)  Weyst  sonst  nicht. 

Der  predicant  daselbst:  Prediget  Johannem.  in  der  wochen 
epistolam  Johannis,  hat  anzaigt  wie  herr  Crista  ns  predicatur  sollte 
vff  ain  diaconum  verwiesen  werden,  hält  den  kynderbericht  vier- 
mal im  jar,  hat  dass  nachtmal  vff  ostern  gehalten. 

Der  vogt  halt  sich  wol,  straf  die  laster  waidlich.  Hat  etlick, 
die  in  die  Kirchen  gautz  nit  gand.  Peter  meyer,  Johannes  Straub, 
Hauss  sclieuffelen.  Haben  ain  gmain  almussen.  Superattenden  (sic!) 
zu  Kaw:  philippum,  zu  Leiphaim:  jn  selber. 

Schulmeister  daselbst,  Menardus2):  Des  prcdicanten  1er 
halben  kan  er  kain  mangel  anzaigen.  Er  ist  ain  zorlick  man. 
gang  vil  intz  wirtzhauss,  ist  ärgerlich  vor  gemainen  man,  das 
welfflin3)  ist  vest  bey  dem  zu  Leiphaim.  Der  vogt  ist  dem  wort 
Gottes  nit  ergerlich.  Die  spitalpfleger  füren  ain  ergerlich  wiesen, 
verdemplen  (?)  in  des  stadtsckreibers  hauss  mit  weib  vnd  kind, 
verthond  den  armen  das  yre.  — Herr  Cristans  halben  soll  bedacht 
werden.  — Herr  Jerg  der  Gyssen  pfaff  hat  zu  Elchingen  inner- 
halb 4 Wochen  mess  gehalten. 

Clan ss  Uli:  hat  kain  mangel  an  seiner  leer,  verkünd  etwa  in 

der  vrocken  ain  predig,  die  vnderlasst  er (hier  steht  ein 

unleserliches  Wort)  wrerden  noch  desshalb  gepraucht.  mau  hab  ab 
seinem  zechen  nit  ain  wollgefallen.  Der  Schulmeister  halt  sich 
zimlich  wol.  wen  er  nur  ain  guten  locaten  hethe,  denn  er  vil  buben 
hat.  Der  vogt  hält  sich  wol,  die  laster  straff  er  hinlessig  genug. 
Peter  Kempff  verdacht  des  eebruchs  halb  mit  Berbla  Hosseier, 
Peter  Betzer  mit  Paul  mayers  weib  verdacht.  Weysst  nicht  son- 
ders von  den  spitalpflegern 4).  An  Cristan  mayern  hat  ain  gericht 
ain  missfallen,  welthe  gern  ain  andern  predicanten  an  seine  statt. 

Hans  wolg.emut:  Er  ist  vnfleyssig  mit  studieren,  aber  fleyssig 
mit  zechen.  — Der  Schulmeister  ist  vleissig  genug,  aber  nit 

1)  Der  frühere  Prediger  Christian  Mayer  hatte,  trotzdem  er  aus  seiner 
seitherigen  Pfründe  ein  Leibgeding  von  jährl.  30  fl.  bezog,  wie  es  scheint 
noch  eine  weitere  Pfründe  auswärts  angenommen.  Dass  er  daneben  auch 
noch  das  volle  Gehalt  von  der  Pradicaturpfrlinde  einziehe,  wrar  wohl  nur 
irrige  Annahme  der  Leipheimer. 

2)  „Menardus  (Vogt)  von  Leiphaim  ist  tauglich  vnd  geschickt  erfun- 
den worden  vnd  wird  jm  ain  pfarr-  oder  predigambt  wol  zu  befelhen 
„werden,  dan  er  zimlich  vnd  wol  geanttwurttet  vff  frag  vnd  fürhalten 
„der  predicanten“.  Arcb.  17.  1.  397  (aus  dem  Jahre  1531).  Ist  das  der 
Menardus,  welchen  Peter  Agrikola  1543  ff.  in  Heidelberg  hörte  und  der 
sein  Landsmann  genannt  wird? 

3)  Wolff  Ruß? 

4)  Clauss  Ul  war  1531  selbst  Spitalpfleger,  vielleicht  auch  damals  noch. 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


43 


vast  gelert. — Des  Vogts  halb:  hält  sich  wol.  Peter  Kempf  wie 
vor.  Desgleichen  der  statschreyber  mit  Veith  Schenckens  weyb 
verdacht.  — Der  Schlemer  ist  Leins  mit  dem  anzaigen,  nempt 
etwan  wein  vnd  schweigt.  An  Herrn  Christans  pfriind  ergereu  s y 
sich,  die  wey  11  er  ain  ander  pfriind  hatt. 

Jacob  Festher:  der  predicant  hält  sich  wol  mit  seinem  leren, 
hält  nachtmal  vnd  kynderbericht,  Er  gett  wol  in  die  wirtzheus- 
ser,  doch  zu  erbaren  Leutten.  Der  Vogt,  was  für  in  kompt, 
straff  er.  Peter  Kempf  wie  vor.  Die  spitalpfleger  kan  er  nit 
schelten,  — pfaff  cristan  ut  supra1). 


Im  allgemeinen  stimmt  damit  auch,  was  „Ein  gemainer 
Außzug  auß  jüngster  Visitation  7.  Juli  anno  D.  xxxv 
gehalten“  überLeipheim  berichtet.  Ich  gebe,  eine  Ausnahme 
abgerechnet,  den  Wortlaut  mit  den  beigesetzten  Randbemer- 
kungen. 


Sollen  meine  herren 
die  herrschafftpfleger 
erfaren  vnd  die  sach 
wider  anbringen. 


Sollen  meine  herren 
die  herrschafftpfleger 
grund  erfaren  vnd  als- 
dan  handlen. 


Vogt  — Ist  kain  clag  von  jm  ankomen. 

Predicant:  (subaudi:  ist  clag)  der weyll 
etwas  mit  seim  zechen  ärgernuss  .geb  vnd 
mit  predigen  so  er  etwa  thun  soll  mangel 
erzaig. 

Item  jndem  er  sich  beclagt,  er  habe  kain 
helffer.  Es  wol  jm  die  lenge  zu  schwer 
sein,  verhofft  anstatt  herr  cristans,  vorigen 
predicanten,  soll  jm  ain  helffer  zugeben 
werden,  dieweyll  meniglich  daran  sich 
ärgert  (?  zwei  Worte  sind  unleserlich), 
das  Herr  Cristan  sonst  ain  gute  pfriind 
haben  soll  vnd  den  nutz  von  der  predi- 
catur  nichts  minder  einnem. 

Spitalpfründpfleger  — Die  sollend 
nit  on  ärgernuss  jn  des  statschreibers  hauss 
vil  zechen.  Herr  Jerg,  der  Gyssen 
caplan,  soll  kürzlich  zu  Elchingen  mess 
gelesen  haben.  (Nun  folgen  die  schon  be- 
kannten 8 wegen  Ehebruchs  „verdach- 
te na  d.  h.  verdächtigen  Paare  . 

Schulmeister.  — Soll  vleiss  genug 
haben  mit  den  jungen,  allein  das  er  woll 
ains  helffers  bedurfft,  dieweil  vill  Kind  jn 
die  schul  gend2  . 


1)  U.  Ortsregistratur  Kasten  VI  Fach  11  Fasz.  1.  Zum  Teil  bei  Dr. 
Giefel:  Ulmer  Kirchenvisitationen  i.  württ.Vierteljahrsh.  IX.  209. 

2)  ü.  Arch.  16.  1.  282. 


44 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


Von  der  im  Jahr  1537  abgehaltenen  Visitation  konnte  ich 
abgesehen  davon,  dass  in  einem  allgemeinen  Erlass  der  Leip- 
heimer  Vogt  mit  anderen  von  dem  Vorwurf  der  Völlerei  aus- 
genommen wird1),  nichts  weiter  auffinden  als  den  Bescheid2): 

Soll  dem  Schulmeister  vndersagt  werden,  das  er  nit  in  den  chor 
mit  den  jungen  stand,  sonder  herunder  in  die  Kirchen  vnd  da- 
selbst psalliere. 

Sonst  erfahren  wir  aus  dem  Jahre  1537,  dass  nach  Bene- 
dikt Widers  Wegzug3)  nunmehr  Johannes  Wolkenstein  Pfarrer 
zu  Leipheim  gewesen  sei4). 

Dieser,  ein  ehemaliger  Kleriker  (das  Verzeichnis  von  Johann 
Dürr  nennt  ihn  bei  d.  J.  1531  als  Prediger  zu  den  Wengen  [?]) 
hatte  am  11.  August  1531  zugleich  mit  Konrad  Gwinngut  als 
Prädikant  von  Geißlingen  den  vorgeschriebenen  Eid  geschworen. 
Er  scheint  aber  damals  für  Geißlingen  zunächst  nur  designiert 
gewesen  zu  sein.  Denn  bis  in  das  folgende  Frühjahr  hinein 
finden  wir  ihn  mehrfach  als  Prediger  zu  den  Barfüssern  in  Ulm 
bezeichnet  und  wiederholt  neben  Sam,  Frecht  und  Michel 
Brothag  genannt.  Einmal  werden  ihm  10  fl.  zur  Zahlung  seiner 
Schulden  geschenkt  und  5 weitere  Gulden  vorgestreckt.  Dass 
dies  ohne  die  sonst  in  solchem  Fall  gewöhnlichen  Mahnungen 
zu  grösserer  Sparsamkeit  geschah,  zeugt  fast  ebenso  laut  wie 
die  Zusammenstellung  mit  Frecht  und  Sam  von  dem  Vertrauen, 
welches  Wolkenstein  damals  in  der  Stadt  genoss5 6).  Seit  April 
1532  war  derselbe  jedoch  wirklich  in  Geißlingen.  Und  dort 
finden  wir  ihn  auch  noch  im  Jahre  1534°). 

1)  Dr.  Giefel  in  dem  obengenannten  Aufsatz  über  Ulmer  Kirchenvisi- 
tationen in  den  Württ.  Vierteljahrsheften  f.  Landesgeschichte.  IX.  214. 

2)  U.  Arch.  16.  1.  284b.  „Vollgen  die  Punkten  d.  Visitation  vnd  wie 
die  exequiert  worden.“ 

3)  Nach  Joh.  Diirrs  Verzeichnis  der  Ulmischen  evangel.  Geistlichen, 
p.  7,  bez.  w.  Weyermann’s  consignatio  — (beide  handschriftl.  auf  d.  Ulmer 
Stadtbiblioth.)  war  Wider  an  Ostern  1536  noch  in  Leipheim,  wurde  dann 
aber  in  den  Dienst  des  Herzogs  von  Württemberg  entlassen.  Weitere 
Angaben  über  ihn  wird  Herr  D.  Bossert  in  einem  Aufsatz  über  „Refor- 
mation in  der  Herrschaft  Heidenheim“  bringen.  (Blätter  f.  württemb. 
Kirchengeschichte  1898  Heft  1 u.  2). 

4)  U.  Ortsregistr.  Käst.  V Fach  22  Fasz.  4. 

5)  Keidel  a.  a.  0.  p.  295  f.  313  f.  324  u.  329. 

6)  Auch  in  Geißlingen,  wie  man  aus  Keidel  a,  a.  0.  p.  342  Nr.  200 
sieht,  währten  seine  Geldverlegenheiten  fort,  ebenso  später  in  Leipheim. 
Bezieht  sich  auf  ihn  vielleicht  jener  rührende  Brief  (U.  Ortsregistr.  Käst.  VI 
Fach  11  Fasz.  1),  in  dem  eine  Geißlinger  Prädikantenfrau  (?)  ohne  ihren 


Dietlen,  Beformation  in  Schwaben. 


45 


Da  beschwert  er  sich  über  seinen  Kollegen  Sprätter,  dass 
er  die  alten  Evangelien  wie  im  Papsttum  predige  und  in  der 
Karwoche  die  Passion  predigen  wolle.  Auch  die  Herrschafts- 
pfleger W.  Ehinger  und  Bartholomäns  Schaurer  sehen  darin, 
einem  Schreiben  von  Donnerstag  nach  Invokavit  zufolge,  eine 
Gefahr  des  Rückfalls  ins  Papsttum,  zeigen  aber  am  Samstag 
darauf  an,  dass  sie  von  Sprätter,  den  sie  im  Verdacht  gehabt 
hatten,  als  wolle  er  durch  sein  Vorgehen  dem  Wolkenstein  die 
Leute  abspannen,  einen  guten  Bescheid  erhalten  hätten.  Trotz- 
dem beharrt  Wolkenstein  in  einem  Schreiben  an  die  ,.fünfe“ 
„von  nechsten  (?)  Sonntag  ‘ im  Jahre  1534  dabei:  „uß  dem 
stettlein  erlediget zu  werden.  Nach  Dürrs  Verzeichnis  wäre 
derselbe  nun,  ehe  er  nach  Leipheim  kam,  Prediger  in  Münster 
gewesen,  doch  sind  dessen  Angaben  hier  zu  wenig  klar,  als 
dass  ihnen  viel  Glaube  beigemessen  werden  könnte.  Dagegen 
spricht  ein  Bericht  aus  dem  Jahre  1537  von  Johann  Wolken- 
steins, Pfarrers  zu  Leipheim,  Besoldung* 1). 

Mehreres  über  seine  dortige  Wirksamkeit  besagen  die  Akten 
der  Kirchen  Visitation  von  1539.  Es  heisst  da: 

Uff  den  vierdten  tag  Junij  — Leiphaim,  Vogt:  dess  pre- 
dicanten  der  leer  halb  zaigt  er  für  mangel  au,  das  er  an  der 
Cantzel  das  Vatterunser,  glauben  vnd  zehen  gepott  nit  offennlich 
vorsprech.  — von  seinem  leben,  er  sey  feyertag  vnd  wercktag 
gern  bey  den  gesöllen  jm  wirtshauss.  — Am  andern  so  hab  er 
sich  seines  einkommens  halb  offt  beclagt  vnnd  das  er  sondlich  der 
armen  halb  ain  schweren  vberfall  hab.  - — Vom  Schulmeister  ge- 
richt  vnd  gmaind  kain  clag. 

Der  predicant:  hat  ab  niemand  kain  clag  oder  mangel,  dann 
das  er  sich  die  kürchen  allain  zu  versehen  zum  höchsten  beschwert 
vnnd  pitt  zum  vleissigsten  vmb  ainen  helffer.  Seiner  besoldung 
halb  zaigt  er  an,  das  er  dieselb  dannckbar  sey,  aber  er  hab  vier 
junge  kind  vnd  ain  grossen  vberfall  von  armen,  all  so  wan  das  jar 
herumb  kom,  das  er  schuldig  pleib. 

Beed  richter  (Claus  Ul,  Hanns  Baur) : des  predicanten  halb 
zaigen  sie  an,  wie  der  vogt^  das  er  Vatterunser,  glawben  vnd  zehen 
gepott  nit  offennlich  an  der  predig  flirsprech.  — So  gaung  er  vil 
zum  wein,  sey  aber  bescheidenlich. 

Namen  zu  nennen,  über  die  Verführung  ihres  sonst  so  „guten  Mannes“ 
durch  den  Vogt  klagt  und  daneben  die  Hilfe  des  Bruder  Paulus  (Beck?) 
rühmt?  — Zum  Streit  v.  1534  s.  Arch.  19.  1.  5. 

1)  U.  Ortsreg.  V.  22.  4. 


46 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


Gemaindsleut  (Hanns  Straub,  Veit  Schuster) : Vom  predicanten 
zaigen  sie  an,  das  er  sich  der  arbait  vnnd  die  kürchen  allain  zu 
versehen  wol  zu  beschweren  hab.  — am  andern  so  halte  er  das 
offen  gepett  njt.  — Zum  dritten,  das  er  ain  schweren  vberfall  von 
armen  hab.  — Vom  schulmaister : Derselb  wöll  jetzt  von  den 
frembden  10  fl.  jm  winter  schulgelts  haben,  da  man  vor  nur  5 
geben.  So  sey  er  sonst  auch  langsam  vnd  hinlessig.  — Von  der 
gmainnd:  das  im  allmussen  ettwan  nun  zuvil  vssgeben  werd.  Dan 
ettlich  verlassen  sich  daruff,  arbaitten  nichts  vnd  sagen,  das  gutt 
gehör  inen  zu.  — Bedärfft  wol  einsehens1). 

Darauf  erging  in  den:  ,,puncten  der  Visitation  anno  d.  39  ge- 
halten, wie  die  exequirt  vnd  vollstreckt  worden u,  nachstehender  Be- 
scheid : 

Leiphaim:  soll  dem  predicanten  das  Vatterunser,  den  glauben 
vnd  die  zehen  gepott  allweg  nach  der  predig  offenlich  vorzuspre- 
chen vnd  daneben  weitter  gesagt  werden,  sich  in  seinem  zechen 
ettwas  messiger  zu  halten  vnd  nit  all  tag  bey  den  gesöllen  zu  sein2). 

Die  Bitte  um  einen  Helfer  scheint  indes  Erhörung,  anderer- 
seits aber  auch  Wolkensteins  eigene  Wirksamkeit  zu  Leipheim 
bald  ein  Ende  gefunden  zu  haben.  Das  ersehen  wir  aus  einem 
Bericht  L.  Hots  vom  Jahr  1540,  in  dem  zunächst  gesagt  wird, 
was  ich  schon  droben  über  die  Fundation  der  Leipheimer 
Schulstelle  mitgeteilt  habe.  Nachdem  dann  noch  der  Bezüge 
Christian  Meyers  und  Diepolt  Ritters  Erwähnung  gethan  wor- 
den, heisst  es: 

Weiter  so  ist  vber  das  alles  von  obiger  pfründen  einkomen 
Menradt  Vogt,  dem  diakon,  geben  vnd  gemacht  worden  Skt.  Die- 
polts  piründtgütlen  vnd  holzenden  (?)  zu  messen,  vnd  20  fl.  von 
der  Predicaturpfründ.  — dann  7 fl.  bey  der  Pfarr-  oder  Skt.  Veits- 
kyrchen  pfleger  eiuzunehmen.  — 

Vnd  dieweil  das  jar  die  pfriind  ledig  gestanden,  das  ich  in 
eurem  — des  Rats  zu  Ulm  - — namen  empfangen  vnd  eingenomen 
vnd  verrechnet3). 

Auch  der  Diakon  Menardus  Vogt  ist  aber  wohl  nicht  mehr 
lange  in  seiner  Vaterstadt  geblieben.  Bei  Gelegenheit  der  Vi- 

1)  U.  Arch.  16.  1.  282  und  fast  gleicfljautend  damit  17.1  (ohne  Num- 
mer). Nur  nennt  hier  Wolkenstein  seine  Besoldung : „zimblich  gut“,  wäh- 
rend die  beiden  Richter  eines  Unterschieds  in  Haltung  des  Nachtmals 
erwähnen,  dass  der  Prediger  es  4,  der  Vogt  2,  die  Richter  3 mal  neh- 
men (?)  Wenn  auch  da  von  den  Gemeindeleuten  das  Vorsprechen  des 
„offenen  Gebets“  vermisst  wurde,  so  hatten  sie  wohl  nur  dieses  mit  den 
3 Katechismusstücken  verwechselt. 

2)  Arch.  16.  1.  282. 

3)  U.  Ortsreg.  V.  22.  4. 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben.  47 

sitation  von  154-3  sehen  wir,  dass  auch  seine  Stelle  jetzt  ein 
andrer  einnahm. 

Gehen  wir  zn  dieser  über: 

Vogt  Leo  Rott  sagt  nach  dem  Protokoll  vom  Pfarrer:  halt 
yetz  kain  abentpredig,  zaigt  an  vom  pfarrer,  sey  etwass  neidig  an 
seinen  predigen,  hat  ain  zedel  eingelegt,  darin  er  etlich  mengel 
vnd  feil  von  dem  predicanten  anzaigt  hat.  Der  Schulmeister  jst 
nit  vleyssig  in  der  schul.  Item  der  Vogt  hat  die  handlung,  so 
er  und  Yincentz  uff  der  binen1)  mittenaud  gehabt  haben,  anzaigt 
wie  ess  ergangen  sey.  Hat  darnach  anzaigt,  wie  es  mit  der  hoch- 
zeit  der  bocken  halber  ergangen  sei.  Ist  hingelegt  worden. 

Pfarrer  Yincentzen  Durstberger  (nicht  Daxberger)  vom 
vogt : er  gang  zu  morgens  vleyssig  an  die  predig,  vermeint  aber 
der  vogt  sei  jm  neidig,  wiewol  er  gern  mit  jme  zufriden  sein 
welthe.  Item  am  sonntag  zu  mittag  gend  ettliche  auff  den  Kegel- 
blatz vnd  schlahen  die  loderer  die  thücher  auff  vnd  gend  nit  an 
die  predig,  hatt  die  handlung,  so  auff  dem  Kornhauss  ergangen 
ist,  auch  anzaigt.  Zaigt  an  wie  der  vogt  mit  etlichen  personen 
hurerey  halber  gantz  vast  beschreit  sey.  Doch  hab  er’s  nit  selber 
gesehen,  vom  Steffano  zaigt  er  an,  das  er  jn  der  1er  intiger  (sic!) 
sey.  Aber  mit  seinem  weib  hallt  er  sich  ergerlich  genug.  Schul- 
meisters halben:  jst  er  vnfleyssig  genug.  — Soll  Steffano  anzaigt 
werden,  das  er,  so  er  theuff,  lautt  rede,  damit  es  ander  auch  hören 
mige  (mögen  = mögen).  Begert  noch  x jmi  vesen  zu  geben,  dan 
er  hat  zuvor  nur  20  jmi. 

Diaconus  Steffanus  n.  zaigt  an,  wie  man  vnder  der  mit- 
tegigen  predig  vff  den  Kegelblatz  gennd,  auch  vordere  der  Vogt 
vnder  der  predig  hinauss  jn  dass  schloss  vss  der  kirchen.  Sonst 
weyst  er  nicht  vom  vogt,  den  das  der  vogt  hurerey  halber  be- 
schrait  sey.  Doch  wysse  er  kain  grund.  — Schulmeister  ist  nit 
sonders  vleyssig. 

Sc  hui  mai  st  er  Jerg  Schön:  Der  vogt  mitsammbt  dem  ge- 
richt  gett  kain  er  zum  nachtmal.  Dess  vogts  halber  ist  ain  gmain 
geschrai  der  hurerey  halber,  weyst  aber  kain  grund.  — Der  pre- 
dicanten halber  hat  er  an  der  1er  kain  mangel,  lebenss  halber 
nicht  besonderss. 

Clauss  Ull  richte r:  der  vogt  hallt  sich  woll,  sonderlich  mit 
straff  der  laster.  Dan  allain  sei  er  beschrait  hurerey  halber,  weyst 
aber  kain  grund.  Von  der  predicanten  halber  hat  er  an  lere  vnd 
leben  kain  mangel,  dann  das  der  pfarrer  jn  Straffung  der  laster 
hitzig  genug  sey,  beten  die  zehen  gepott,  glauben  vnd  Vatter- 
uuser  nit  vor.  — Schulmeister  ist  vnvleyssig  genug. 


1)  vff  der  binen  = auf  der  Bühne,  dem  Kornboden. 


48 


Dietlen,  Reformation  in  Schwaben. 


Ilans  Straub  Richter:  Item  der  Vogt  hallt  woll  ob  ains 
E.  Rats  Ordnung,  ist  hurerey  halb  beschrayt,  doch  waist  er  kain 
grund.  Der  pfarrer  ist  hitzig  genug  in  Straffung  der  laster.  Schul- 
maister  ist  nit  vleyssig.  Yermaint  man  sollthe  mer  in  der  wochen 
predigen. 

JeronimusWolff  von  der  gmaind,  vom  Vogt:  hallt  woll  ob 
ains  E.  Rats  Ordnung.  Sagt  er  habe  nit  vil  wandeis  beim  vogt, 
derhalben  er  nicht  sonders  von  jm  anzaigen  kann.  Der  pfarrer 
sey  gantz  hitzig  mit  reden  an  der  cantzel  vnd  sonst.  Den  Steffan 
halt  er  für  ain  hoffertigen  man.  Vermaint  man  sollthe  mer  in 
der  wochen  predigen.  Steffan  schiächt  offt  sein  weib,  das  dan 
ergerlicli  ist. 

Hanns  Binder  von  der  gm  aind,  vom  Vogt:  was  jm  anzaigt 
wirtt,  strafft  er  redlich,  — von  den  predicanten  hat  er  an  1er 
vnd  leben  kain  mangel,  dan  dass  der  pfarrer  in  Straffung  der 
laster  gantz  hitzig,  betten  den  glauben,  zehen  gepott  vnd  Vatter- 
unser  nit  vor.  — Schulmaister  lassdt  sich  nit  gern  straffen 1) 
Hierzu  gibt  „ain  gemainer  Ußzug“  nebst  Randbemerkungen 
nachstehenden  Bescheid: 

Der  Vogt  verdacht  der  hurerey  halber. 
Der  prediger  strafft  die  laster  hitzig.  Der 
Schulmeister  ganz  vnfleyssig,  die  gmain 
nachredig  dem  predicanten. 

Vnder  der  predig  Kegelplatz  gehalten. 
Begeren  ain  [andern]2)  Diaconum. 


Was  vnser  Fra  wen  pfleger  exequieren 
sollen : 

Dem  schulmaister  sein  vnfleiss  zu  vnder- 
sagen.  Vnd  das  er  mit  seinen  Schulkindern 
die  predig  fleissig  besuch3). 

Es  sind  recht  unerfreuliche  Töne,  in  welche  hiermit  die  uns 
vorliegenden  Berichte  über  die  Reformation  in  Leiplieim  aus- 
klingen. Dass  es  so  kam,  daran  waren  aber  sicherlich  nicht 
persönliche  Verhältnisse  allein  schuld.  Gewiss  war  Leo  Rot 
weder  nach  Seite  seiner  religiösen  Stellung  noch  nach  Seite 
seiner  sittlichen  Haltung  der  Mann  dazu,  um  der  evangelischen 


1)  U.  Ortsreg.  VI.  11.  1. 

2)  Das  Wort  fehlt  im  Text,  muss  aber,  wenn  die  Stelle  überhaupt 
Sinn  haben  soll,  ergänzt  werden. 

3)  Archiv  16.  1.  284b.  Der  letzte  Satz  mit  andrer  Schrift. 


Vogt  herein  zum 
Exempel. 

Kegeln  abstellen. 

Herrschaftspfleger  : 
Schulmaister. 


0.  Rieder,  Aus  histor.  Zeitschriften. 


49 


Sache  im  Städtchen  die  Förderung  angedeihen  zu  lassen,  welche 
seine  Vorgesetzten  von  ihm  vor  allem  erwarteten.  Gewiss 
hatten  die  verschiedenen  Geistlichen,  denen  wir  nacheinander 
in  Leipheim  begegneten,  mehr  oder  minder  bedeutende  Fehler. 
Aber  ein  gut  Teil  der  gegen  sie  erhobenen  Vorwürfe  wird  doch 
durch  die  Bemerkung  des  letzten  Visitationsbescheides  ent- 
kräftet: „Gemeinde  nachredig  dem  Prädikanten“.  Und  auch 
diese  Neigung  zu  übler  Nachrede  will  aus  den  Verhältnissen 
begriffen  sein.  Denn  einerseits  wurde  sie  durch  das  ganze  bei 
diesen  Visitationen  befolgte  System  der  Fragstellung  grossge- 
zogen. War  dasselbe  doch  geradezu  darauf  angelegt:  „Fehl 
und  Mängel  an  den  Tag“  zu  ziehen,  so  dass  eine  der  bei  solcher 
Gelegenheit  an  die  Gemeindevertreter  gerichteten  Fragen  ein- 
fach lautete:  „an  welchen  Stücken  seiner  (des  Geistlichen) 
Predigten  sie  sich  vornehmlich  ärgerten“1).  Anderseits  müssen 
wir  bedenken,  wie  gerade  diejenigen  Bewohner  des  Städtchens, 
welche  am  meisten  nach  evangelischer  Predigt  verlangt  hatten, 
am  wenigsten  sich  befriedigt  fühlen  konnten,  weil  man  ihnen 
statt  lutherischer  Lehrer,  worauf  sie  gehofft,  mit  der  ganzen 
Rücksichtslosigkeit  jener  Zeit,  zwinglische  Weise  aufdrang. 
Trotz  alledem  werden  wir  nicht  verkennen,  dass  auch  in  Leip- 
heim mit  Ernst  an  der  Besserung  der  Zustände  gearbeitet  wurde. 


Kirchengeschichtliches 

in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammengestellt  von 

0.  Rieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  München. 

(Fortsetzung.) 

Aus  Archiv  des  hist.  Vereins  von  Unterfranken  und  AschafFenburg. 

Scharold,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Bauernkriegs  Bd.  5 H.  B 
(1839  ),  S.  30  (1.  Bitte  an  den  Fürstbischof  um  Ersatz  geraubter 
Pfründen-Naturalien.  2.  Desgl.  zweier  Domherren  wegen  vorent- 
haltener Bezüge.  3.  u.  4.  Klagen  und  Bitten  des  Klosters 
Mün ster sch warzach.  5.  Bitte  eines  Chorherrn  vom  Stift  Neu- 
münster um  Wiedereinsetzung  in  seine  Präbende.  6.  Huldigungs- 

1)  Keidel  a.  a.  0.  p.  313. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V. 


4 


50 


0.  Rieder,  Aus  histor.  Zeitschriften. 


revers  der  Dorfschaften  des  Klosters  Bildhausen  für  den  Fürst- 
bischof, worin  sie  volles  christliches  Verhalten  versprechen). 

Korrespondenz  zwischen  Kaiser  Karl  V.,  dem  Fürstbischöfe 
Konrad  III.  zu  Würzburg  und  deren  Räten  über  die  1538 
im  deutschen  Reiche  obgewalteten  Religionswirren  S.  59. 

Reuss,  F.  A.,  Korrespondenz  der  Abtissin  Sophia  von  Neuenburg 
zu  Kitzingen  mit  der  heil.  Hildegard  (Brief  der  Abtissin  und 
Antwort  der  Heiligen):  S.  109. 

Scharold,  Würzburger  Almosen-Ordnung  vom  Jahre  1533:  S.  136. 
Inschriften  der  ehemals  in  der  Abteikirche  zu  St.  Stephan  in 
Würzburg  vorhandenen  Grabsteine  S.  161;  Grabmal  des  Bartho- 
lomäus Arnoldi  von  Usingen  (des  Exerzitienmeisters  Luthers 
im  Augustinerkloster  zu  Erfurt  und  seines  späteren  Wider- 
sachers) S.  164. 

Reuss,  F.  A.,  Prinzessinnen  aus  dem  Hause  Zollern  in  fränkischen 
Klöstern  S.  168;  Mythologische  Ortsnamen  S.  169;  Ver- 
besserungen einiger  Lesarten  in  einem  althochdeutschen  Beicht- 
gebete S.  170. 

Schar  old,  Auszüge  aus  den  Urkunden  des  röm.  Königs  Ruprecht 
in  Beziehung  auf  das  ehemalige  Fürstbistum  Wiirzburg 
(1401 — T410;  unter  Berührung  verschiedener  Verhältnisse  von 
Kirchen  und  Klöstern,  namentlich  zahlreiche  primae  preces, 
Pfründebriefe):  Bd.  6 H.  1 (1840),  S.  1.  — Desgl.  des  röm. 
Kaisers  Friedrich  III.  (1452—1492):  H.  2 (1840),  S.  1. 

Reuss,  F.  A.,  Kaiserurkunden  aus  fränkischen  Archiven  Bd.  6 H.  1 
S.  96  (III.  Urteilsspruch  Maximilians  I.  zur  Beilegung  der 
Streitigkeiten  der  Stadt  Kitzingen  mit  den  dortigen  Benediktiner- 
nonnen, deren  Asylrecht  betr.,  von  1498:  S.  98). 

L ebnes,  G.  L.,  Bischöfliche  Bestätigung  der  von  Johann  von  Helb, 
Vikar  des  Spitals  zu  Eberu,  letztwillig  errichteten  Stiftung 
einer  Liberei  an  der  Pfarrkirche  daselbst  1463:  S.  104. 

Heffner,  C.,  Fränkische  Regesten  (mit  Beiträgen  zur  Kirchen-, 
Kloster-  und  Heiligengeschichte,  insbesondere  über  das  Stift 
Fulda):  1)  21  v.— 772  n.  Chr.  S.  108;  2)  774-  815:  H.  2 
(1840),  S.  59;  3)  815  — 824  H.  3 (1841),  S.  173. 

Schar  old,  Handschriftliche  Reliquien  von  Karl  Theodor  Freiherrn 
v.  Dalberg  (y  1817  als  Grossherzog  von  Frankfurt,  Fürstprimas 
und  Erzbischof  zu  Regensburg)  : Bd.  6 H.  1,  S.  146  (von  Seite  149 
an  zum  Teil  Schulsachen  behandelnd). 

Mannigfaltiges:  Inschriften  der  in  der  ehemaligen  Deutschordens- 
kirche zu  Würzburg  vorhandenen  Grabsteine  S.  155.  Das 
ganze  Kollegiatstift  Haug  zu  Würzburg  wird  auf  eine  Hoch- 
zeit nach  Waldüren  eingeladen  1581  S.  159.  Epitaphium  eines 
Lebendigen  (des  Domdechanten  Gottfried  v.  Wirsberg  zu  Eich- 
stätt und  Domkapitulars  zu  Würzburg,  f 1594)  S.  161.  Merk- 


Zur  Bibliographie. 


51 


würdiges  Reskript  des  Fürstbischofs  Franz  Ludwig  von  Würz- 
burg an  den  akademischen  Senat  der  Universität  1787  S.  162. 

Reüss,  Merkwürdige  Bibeln  (zwei  Hans  Lufftsche  Ausgaben  der 
lutherischen  Uebersetzung) : S.  169. 

Keller,  G.  J.,  Die  Begräbnismünzen  der  Regenten  von  Würzburg: 
H.  2 (1840),  S.  83. 

Wolf,  Franz  Nikolaus,  Geschichtliche  Beschreibung  der  Burg  Hohen- 
burg ob  der  Werra  S.  83  (Schlosskapelle  S.  84;  Altar  in  der 
Kirche  z.  H.  S.  96;  Reformation  zu  Hammelburg  S.  109). 

Fröhlich,  Über  den  Geist  der  Statuten,  welche  der  grosse  Fürst- 
bischof Julius  zu  Würzburg  seiner  neubegründeten  Universität 
gab  S.  115. 

Scharold,  K.  G.,  Geschichte  und  Verfassung  des  adeligen  Damen- 
stifts Waizenbach  (für  Fräulein  lutherischer  Konfession  1733 
gestiftet):  S.  174. 

Höfling,  G.,  Geschichte  der  ehemaligen  Karthause  Ilmbach  am 
Steigerwalde:  H.  3 (1841),  S.  65. 

Scharold,  Kleeblatt  alter  Würzburger  Künstler  (Jakob  Cay,  Oswald 
Onghers,  Tilmann  Riemenschneider  und  ihre  kirchlichen 
Schöpfungen):  S.  144. 

Beitrag  zur  Biographie  des  Würzburger  Fürstbischofs " Julius 
Echter  von  Mespelbrunn  S.  154.  — Vergl.  Reuss  in  Bd.  7 H.  3. 

Mannigfaltiges:  Würzburger  Bibliotheken  S.  183;  W.  Stipendien  in 
Perugia  S.  186;  Die  Salzburger  lutherischen  Auswanderer  nach 
Preussen  1732:  S.  188. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zur  Bibliographie.*) 

* Paulus,  Dr.  Nikolaus,  Kaspar  Schatzgeyer.  Ein  Vorkämpfer  der 
katholischen  Kirche  gegen  Luther  in  Süddeutschland  (auch 
Strassburger  Theol.  Studien  herausgeg.  von  Alb.  Ehrhard  und 
Eug.  Müller  III  1.  Heft),  Strassburg  u.  Freiburg  im  Breisgau, 
Herdersche  Buchhandlung,  X u.  152  S.  2,80  M. 

Kaspar  Schatzgeyer  — so  hiess  er,  und  diese  Schreibart  seines  Namens 
ist  nicht,  wie  man  behauptet  hat,  eine  boshafte  Umformung  seiner  Gegner, 
und  erst  später  schrieb  er  sich  Schatzger  — (geb.  c.  1463  zu  Landshut, 
gest.  am  18.  Sept.  1527  als  Franziskanerguardian  in  München)  ist  kein 
Unbekannter  oder  Vergessener,  wie  so  mancher  andere  Bekämpfer  der 
Reformation,  dem  N.  Paulus  mit  Hilfe  der  reichen  bibliographischen  Schätze 
Münchens  den  ihm  gebührenden  Platz  zurückerobert  hat.  Niemand,  der 
sich  mit  der  Reformationsgeschichte  beschäftigte,  namentlich  mit  der 
süddeutschen,  durfte  ihn  unbeachtet  lassen,  und  A.  v.  Druffel  hat  in 
seiner  fleissigen  Studie  „Der  Bairische  Minorit  der  Observanz  Kaspar 
Schatzger  und  seine  Schriften“  (Sitzungsberichte  der  hist.  Klasse  der 

*)  Die  mit  * versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


52 


Zur  Bibliographie. 


Bayr.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  München  1890  Bd.  II  Heft  3 S.  397  ff.)  sein 
Leben  und  Wirken  in  seinen  Grundzügen  gezeichnet,  eine  Arbeit,  die 
freilich  immerhin  den  Wunsch  nach  einer  eingehenden  Darstellung 
vorrufen  konnte.  Dieselbe  liegt  jetzt  vor  in  der  mit  jener  SorgfaL  und 
Detailkenntnis  gearbeiteten  Schrift  von  Dr.  Paulus,  die  man  bereits  an 
ihm  kennt.  Dass  er  in  der  Reformation  nur  „Revolution“  sieht,  von 
Luther  als  dem  Wittenberger  Klosterstürmer  spricht  (S.  63),  wundert 
uns  nicht  mehr,  und  im  ganzen  ist  die  ruhige  Art  seiner  Berichterstattung  an- 
zuerkennen, und  auch  da,  wo  man  seiuem  Urteil  nicht  beistimraen  kann 
und  es  bedauern  muss,  dass  der  Verf.  sich  so  wenig  in  Luthers  Gedanken- 
welt versetzen  kann,  wie  z.  B.  bei  der  Frage  nach  den  Gelübden,  wird 
man  es  unter  Würdigung  seines  Standpunktes  immer  zu  beachten  haben- 
und  die  Vielseitigkeit  der  Beziehungen  Schatzgeyers,  in  die  ihn  seine  amt- 
liche und  schriftstellerische  Thätigkeit  brachte,  ich  erinnere  nur  an  die 
Namen  Pellican,  Eberlin,  Kettenbach,  Bucer  etc.,  haben  dem  Verf.  Gelegen- 
heit gegeben,  manche  wertvolle  biographische  und  bibliographische  Notizen 
einzuflechten,  die  man  zunächst  nicht  erwartet.  Im  Vordergrund  steht 
natürlich  der  von  beiden  Seiten  mit  wenig  Feinheit  geführte  Kampf  mit 
Luther  und  Osiander,  dann  gegen  Joh.  von  Schwarzenberg,  worauf  eine 
positive  Darlegung  von  Schatzgeyers  Theologie  folgt,  die  entgegen  der 
Meinung  nicht  weniger  Zeitgenossen  (z.  B.  in  der  umstrittenen  Frage,  ob 
die  päpstlichen  Gebote  unter  einer  Sünde  verpflichten  S.  141  ff.)  nach 
dem  Urteil  des  Verfassers  kirchlich  korrekt  ist.  Aber  vielleicht  noch 
grösseren  Wert  möchte  ich  der  Darstellung  der  Entwicklung  Schatz- 
geyers vor  seinem  Streit  mit  den  Reformatoren  beilegen,  auf  deren  Be- 
deutung schon  Druffel  nachdrücklich  hingewiesen  hatte,  denn  Sch.  war 
nicht  nur  ein  frommer  für  seinen  Orden  begeisterter  Ordensmann,  wie 
manche  andere  auch,  sondern  in  seinem  Eifer  für  mönchische  Strenge,  in 
seinem  Eintreten  für  die  Bevorzugung  der  klösterlichen  Gottesdienste 
von  seiten  der  Laien  (gegen  Staupitz),  seiner  rücksichtslosen  Bekämpfung 
und  Verdrängung  der  Conventualen  durch  die  Observanten,  seiner  spez. 
franziskanischen  Devotion,  seiner  Neigung  zu  einer  gewissen  Mystik  und 
Apokalyptik  u.  s.  w.  ist  er  geradezu  der  Typus  eines  echten  Franziskaners 
am  Ausgange  des  Mittelalters,  und  mit  Recht  sagt  von  Druffel  a.  a.  0. 
404:  „Die  beiden  Streitschriften,  — die  des  Provinzials  der  Pariser  Con- 
ventualen Bonifatius  von  Ceva  und  Schatzgeyers  — , bieten  reiche  Be- 
lehrung über  die  vor  der  Reformation  in  den  Klöstern  herrschenden  Zu- 
stände. Man  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  für  die  Schriften  jener 
protestantischen  Angriffe  gegen  die  Mönche  hätten  die  Schriften  jener 
beiden  Ordensvorstände  als  Vorlage  gedient“.  — Von  Einzelheiten  be- 
merke ich  noch,  dass  meine  in  dem  Art.  „Eberlin“  Protest.  Realenc.  3 V, 
102,  48  nur  zögernd  vorgetragene  Vermutung,  dass  unter  dem  in 
Th.  Kolde,  Analecta  Lutherana  S.  13  erwähnten  Joannes  Ulmensis  fratres 
instituens  der  bekannte  Johannes  Eberlin  von  Günzburg  zu  verstehen  sei, 
nach  den  Ausführungen  von  Paulus  S.  46  wahrscheinlich  nicht  richtig 
ist.  Dagegen  irrt  sich  der  Verf.  wenn  er  S.  71  schreibt:  „Die  Minoriten 
hatte  Eberlin  zuerst  scharf  angegriffen  in  seiner  Verwahrung  an  den  Rat 
der  löblichen  Stadt  Ulm  (1523)“.  Vielmehr  richtet  sich  schon  der  erste 
seiner  14  Bundesgenossen  vom  Jahre  1521  sehr  scharf  gegen  die  Bar- 
flisserobservanten.  Am  Schluss  giebt  der  Verf.  eine  Zusammenstellung 
von  Schatzgeyers  gedruckten  und  ungedruckten  Schriften  und  ein  sorg- 
fältig gearbeitetes  Personenregister. 

Baumann,  Ad.,  Das  bayerische  Haudelswesen  im  18.  Jahrhundert, 
speziell  unter  Kurfürst  Max  III.  Josef.  Kaiserslautern.  August 
Gottholds  Verlagsbuchhandlung  1898. 


Zur  Geschichte  der  Kniebeugungsfrage  und  der  Prozess 
des  Pfarrers  Volkert  in  Ingolstadt. 

Von 

E.  Dorn, 

Hilfsgeistlicher  in  München. 

(Schluß.) 

B. 

Pfarrer  Dr.  Volkert  und  die  Kniebeugungsfrage  in  Ingolstadt. 

Nach  Ingolstadt,  der  alten  Donaufestung,  führt  uns  unser 
Geschichtsbild.  Schon  frühe  hatte  sich  daselbst  nach  dem  Ein- 
zug unseres  Jahrhunderts,  besonders  infolge  der  aus  den  fränki- 
schen Provinzen  stammenden  Militärpersonen,  eine  stattliche 
evangelische  Gemeinde  gebildet1).  Im  alten,  jetzt  als  Kaserne 
verwendeten  Jesuitenkollegium,  wo  einst  die  Todfeinde  der  Re- 
formation aus-  und  eingingen,  befand  sich  der  Betsaal.  Da  er- 
scholl allsonntäglich  evangelische  Predigt  und  der  Gesang 
lutherischer  Lieder.  Immer  höher  wuchs  die  Zahl  der  Seelen, 
damit  aber  auch  das  Bedürfnis  einer  eigenen,  größeren  gottes- 
dienstlichen Stätte.  Da  es  jedoch  unter  der  neuen  Regierung 
Prinzip  geworden  war,  selbst  die  berechtigtsten  Ansprüche 
protestantischer  Diasporagemeinden  zurückzuweisen,  so  waren 
auch  für  die  Ingolstädter  Gemeinde  Jahre  vergeblichen  Bittens 
und  Wartens  gekommen.  Endlich  1840  wurde  der  auf  tausend 
Seelen  angewachsenen  Gemeinde  die  Genehmigung  zur  Er- 
bauung einer  eigenen  Kirche  erteilt  und  ein  Staatszuschuß  gewährt. 
Bis  es  freilich  zur  Grundsteinlegung  kam,  verging  unter  Über- 
windung neuer  Hindernisse  abermals  ein  Zeitraum  von  fünf 
Jahren. 


1)  Entstehung  und  Entwickelung  der  Gemeinde  wurde  von  Leidig 
(Pfarrer  zu  Ingolstadt  von  1833—1843)  geschildert  im  II.  Heft  der  Annalen 
der  protest.  Kirche  in  Bayern,  neue  Folge. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengescliiehte.  V.  2.  5 


54 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Auf  diesen  schwierigen  Diasporaposten  wurde  im  Jahre  , 
1843  Dr.  Yolkert  als  Pfarrer  berufen.  Vorher  Stadtvikar  zu  i 
Erlangen,  verband  er  mit  gründlicher  theologischer  Bildung  1 
und  ernster  Wissenschaftlichkeit  die  gediegenste  Tüchtigkeit 
im  praktischen  Amte.  Und  wie  sehr  er  von  der  Herrlichkeit  1 
seiner  evangelischen  Kirche  durchdrungen  und  von  brennendem 
Eifer  für  sie  erfüllt  war,  das  beweist  auch  seine  Mitarbeiter- 
schaft an  dem  bekannt  gewordenen  Büchlein:  Die  heiligen 
Märtyrer  der  evangelischen  Kirche,  ein  Volksbuch  für  evan- 
gelische Christen.  Da  konnte  der  sonst  so  friedsame  und  liebe- 
volle Mann  für  die  vielfach  angegriffene  und  in  den  Staub  ge- 
zogene Vergangenheit  seiner  Kirche  mit  scharfer  Waffe  und  1 
feurigem  Mute  eintreten.  Daß  solch  einem  Manne  die  gegen- 
wärtige Not  seiner  Glaubensgenossen  schwer  auf  dem  Herzen 
lag,  leuchtet  ein,  zumal  ihm  die  Garnisons Verhältnisse  gerade 
den  drückenden  Kniebeugungszwang  recht  nahe  vor  die  Augen 
stellten.  Doch  hatte  er  bisher  wie  viele  andere  stille  gehalten, 
weil  Amt  und  Beruf  noch  nicht  zum  öffentlichen  Auftreten  Ge- 
legenheit gegeben  hatten.  Da  nahte  der  Palmsonntag  des 
Jahres  1845  mit  seiner  vorgeschriebenen  Epistel  Phil.  2,  5 — 11, 
wo  von  der  Erniedrigung  und  Erhöhung  Jesu  Christi  die  Rede 
ist,  dem  Gott  einen  Namen  gegeben  hat,  der  über  alle  Namen 
ist,  daß  in  dem  Namen  Jesu  sich  beugen  sollen  aller  derer 
Kniee,  die  im  Himmel  und  auf  Erden  und  unter  der  Erde 
sind  u.  s.  w.  Was  lag  näher,  als  der  vom  Evangelium  ge- 
forderten, echten  christlichen  Kniebeugung  vor  dem  erhöhten 
Sohne  Gottes  eine  durch  die  Schrift  nicht  begründete,  aber  im 
Lande  von  vielen  tausend  Protestanten  verlangte  Kniebeugung 
gegenüber  zu  halten?  Vom  Worte  Gottes  mit  Gewalt  auf  die 
brennende  Frage  hingewiesen,  hielt  es  der  evangelische  Pre- 
diger für  eine  seines  Amtes  unwürdige  Menschenfurcht,  auch 
jetzt  noch  zu  schweigen.  So  führte  er  denn  im  zweiten  Teile 
seiner  Predigt  aus:1) 

„Das  Wort  Gottes,  mein  heiliges  Amt  und  Beruf  zwingt  mich 
hier  von  einem  Gegenstand  zu  reden,  der  schon  seit  Jahren  allen 
wahrhaft  evangelischen  Christen  unseres  Vaterlandes  tiefen  Kummer, 


1)  Das  folgende  aus  den  Personalakten  geschöpft,  deren  Benützung 
ich  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Pfarrers  Volk  er t von  Fürth  verdanke. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


55 


schweres  Leid  und  große  Trauer  bereitet  bat  und  noch  bereitet.  Es 
ist  nämlich  im  Jahre  1838  in  unserm  Lande  befohlen  worden,  daß 
künftig  das  ganze  Heer,  also  auch  die  evangelischen  Soldaten  vor 
dem  sog.  hochwürdigen  Gute  der  römischen  Kirche  ebenso  wie  die 
Katholiken  ihre  Kniee  beugen  d.  h.  dasselbe  anbeten  sollen.  Zwar 
ist  an  dieser  Verordnung  seitdem  manches  geändert  worden;  aber 
aufgehoben  ward  sie  nicht.  Nun  ist  es  eine  bestimmte  Lehre  unserer 
evaugel.  Kirche,  daß  das  Brot  im  heiligen  Abendmahl  nach  der 
Einsegnung  nicht  in  den  Leib  des  Herrn  verwandelt  wird,  sondern 
Brot  bleibt  und  erst  beim  Genuß  der  Leib  des  Herrn  zugleich  mit 
empfangen  wird.  Es  kann  daher  dem  gesegneten  Brot,  wenn  es 
nicht  genossen,  sondern  zur  Schau  herumgetragen  wird,  nach  der 
Lehre  unserer  Kirche  keine  Verehrung,  keine  Anbetung  erwiesen 
werden,  und  der  Protestant,  der  es  doch  thut,  begeht  dadurch  die 
I schwere  Sünde  der  Anbetung  von  etwas  Geschaffenem,  die  Sünde  der 
Abgötterei.  Da  aber  die  Kniebeugung  vor  dem  sog.  hochwürdigen 
Gute  für  den  Katholiken  eine  Anbetung  ist,  so  macht  sich  jeder 
I Protestant,  welcher  gleichfalls  davor  niederfällt,  der  Übertretung  des 
1.  Gebots,  nach  welchem  man  Gott  allein  anbeten  soll,  also  der  Ab- 
götterei schuldig.  Man  kann  sich  nicht  damit  entschuldigen,  daß 
| man  sagt,  man  bete  die  Hostie  nicht  an,  man  stelle  sich  nur  so, 
j indem  man  dem  gegebenen  Befehle  gehorche.  Wer  niederfällt  und 
! sich  nur  so  stellt,  wie  wenn  er  an  bete,  aber  es  doch  nicht  thut,  der 
i verfällt  in  eine  andere  Sünde,  nämlich  in  die  Sünde  der  Heuchelei. 

I In  jedem  Falle  ist  also  das  Niederknieen  vordem  sog.  hochwürdigen 
I Gute  für  den  protest.  Soldaten  eine  schwere  Sünde.  Aber  was  ist 
j zu  thun  in  diesem  Falle?  Gott  hat  geboten,  man  soll  ihn  allein  an- 
I beten,  die  Obrigkeit  befiehlt,  man  solle  auch  vor  der  Hostie  der 
! Katholiken  das  Knie  beugen.  Es  ist  allerdings  hart  und  schwer, 

! daß  man  etwas  thun  soll,  was  die  Lehre  der  Schrift  und  die  Kirche 
I als  Sünde  verwirft.  Es  gilt  in  allen  Dingen  des  irdischen  Lebens, 
was  die  Schrift  sagt:  „Jedermann  sei  unterthan  der  Obrigkeit,  die 
| Gewalt  über  ihn  hat.“  Aber  in  den  Dingen  des  Glaubens,  in  dem, 
i was  der  Seelen  Seligkeit  anlangt,  gibt  es  ein  anderes  göttlich  Ge- 
bot, das  lautet:  Man  muß  Gott  mehr  gehorchen  als  den  Menschen. 
Wäre  ich  selbst  in  dieser  Lage,  ich  würde  mich  nie  und 
nimmer  bewegen  lassen  vor  dem  sogenannten  hochw. 
i Gute  des  Katholiken  niederzuknien;  ich  würde  mich  ent- 
j setzen,  ich  würde  mich  strafen  lassen  — mit  jeglicher 
| Strafe;  aber  die  Sünde  der  Abgötterei  würde  ich  doch 
nicht  begehen.  Es  sind  manche  unter  euch,  die  dem  Krieger  - 
j stände  angehören,  die  vielleicht,  ohne  daß  sie  selbst  bedacht  haben, 
was  sie  thun.  diese  Sünde  schon  öfters  begangen  haben ; manche, 

I die  vielleicht  leichtsinnig  genug  sind,  sie  auch  in  Zukunft  zu  be- 
j gehen.  0 Geliebte!  ich  ermahne  und  warne  Euch  kraft  meines 


56 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


heiligen  Amtes:  bedenket  wohl,  was  ihr  thut;  hütet  euch,  die  e 

Sünde  der  Abgötterei  und  der  Heuchelei  zu  begehen.  Wenn  ihr  ä 

euern  Vorgesetzten  dadurch,  daß  ihr  euch  nach  der  Lehre  der  j 

Schrift  und  euerer  Kirche  haltet,  als  ungehorsam  erscheinet,  erduldet 
lieber  alle  und  jede  Strafe,  als  daß  ihr  euer  Gewissen  mit  einer  be- 
wußten Sünde  belastet.  Davon  müßt  ihr  einst  vor  Gottes  Richter- 
stuhl  Rechenschaft  geben  und  ihr  habt  keine  Entschuldigung ; denn  1 
es  ist  euch  gesagt  worden,  daß  das  Niederknien  vor  dem  sog.  hochw.  t 
Gut  für  euch,  die  ihr  Protestanten,  die  ihr  evangelische  Christen  ( 
seid,  in  jedem  Falle  Sünde  sei.  Vor  ihm  selbst  also,  vor  ihm,  i 

unseren  erhöhten  Heiland  und  Mittler  Jesus  Christus,  der  im  Himmel 

7 • . i 

thront,  vor  ihm,  den  der  Vater  deswegen,  weil  er  sich  für  uns  aufs 
tiefste  erniedrigt  hat,  damit  er  uns  erlöse  von  allen  Sünden,  vom  i1 
Tod  und  von  der  Gewalt  des  Teufels,  zu  seiner  Rechten  gesetzt  hat,  I 
vor  ihm  sollen  wir  unsere  Kuiee  beugen  und  bekennen,  daß  er  der 
Herr  sei  zur  Ehre  Gottes  des  Vaters  !u  — 

Es  sind  einfache,  aber  klare  und  freimütige  Worte,  die 
der  evangelische  Pfarrer  damit  seiner  Gemeinde  gesagt  hat. 
Einige  Tage  vorher  war  das  Urteil  in  Sachen  Redenbachers 
bekannt  geworden  und  hatte  berechtigte  Bestürzung  hervor- 
gerufen. Gar  deutlich  mußten  also  Volkert  die  Gefahren  eines 
ähnlichen  Vorgehens  vor  Augen  stehen.  Allein  Amt  und  Be- 
ruf, Wort  Gottes  und  Gewissen  riefen.  Auch  das  Recht  hatte 
der  Zeuge  auf  seiner  Seite.  Hatte  er  ja  nur  erfüllt,  was  am 
4.  April  1844  mit  allerhöchster  Genehmigung  vom  Oberkonsi- 
storium an  die  Geistlichen  betreff  ihres  Verhaltens  erlassen  j 
worden  war. 

Allein  was  galt  in  jenen  Tag  noch  das  Gewissen  eines 
evangelischen  Christen,  was  galt  noch  Recht?  Pfarrer  Volkert 
sollte  es  in  eigener  Person  aufs  bitterste  erfahren.  — 

Zeiten  des  Drucks  sind  ein  besonders  günstiger  Boden  für 
knechtische  Gesinnung  und  überzeugungslosen,  blinden  Gehor- 
sam ; auch  die  Giftpflanze  des  Denunziantentums  blüht  da  gerne 
auf.  So  hatte  sich  dort  am  Palmsonntag  unter  den  Zuhörern 
Volkerts  ein  protestantischer  Offizier  befunden,  der  es  für  seine 
Pflicht  erachtete,  die  Warnung  seines  Seelsorgers  eilends  bei 
der  Vorgesetzten  Militärbehörde  zur  Anzeige  zu  bringen.  Die 
Denunziation  fand  auch  sofort  offene  Ohren.  Noch  bevor  der 
April  verging,  war  die  ganze  Angelegenheit  schon  beim  Mini- 
sterium anhängig  und  bei  dem  Kreis-  und  Stadtgericht  München 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


57 


eine  Untersuchung  eingeleitet.  Zu  Ingolstadt  selbst  wurden 
alsbald  10—12  Personen  aus  dem  Militär-  und  Civilstand  ver- 
nommen, welche  Aussagen  über  die  inkriminierte  Predigt  machen 
sollten.  Erst  anfangs  Juli  erhielt  Volkert  selbst  die  Aufforderung, 
sich  beim  Landgericht  Ingolstadt  zu  verantworten.  Mit  Staunen 
mußte  er  hier  erfahren,  wie  entstellt  jener  Predigtabschnitt  über- 
bracht worden  war.  Ja,  nicht  lange  währte  es,  so  vernahm 
er  zu  seinem  nicht  geringen  Schrecken,  daß  die  Untersuchung 
bereits  nnter  dem  Titel  „wegen  Verbrechens  der  Störung  der 
öffentlichen  Ruhe  durch  Mißbrauch  der  Religion“  gegen  ihn 
obwalte.  Und  noch  hatte  die  protestantische  Kirchenober- 
behörde nicht  die  geringste  amtliche  Anzeige  von  dieser 
gravierenden  Beschuldigung  eines  ihrer  Untergebenen  erhalten. 
Sofort  wandte  sich  darum  Volkert  selbst  ans  Oberkonsistorium 
und  verantwortete  sich  in  überzeugender  Weise  gegen  genannte 
Anklage : 

„Er  habe  trotz  genauester  Nachfrage  nicht  erfahren  können, 
schreibt  er,  daß  nur  im  mindesten  die  öffentliche  Ruhe  gestört  wor- 
den sei.  Und  nun  gar  Störung  durch  Mißbrauch  der  Religion ! 
Sollte  das  Verhalten  eines  Geistlichen  diese  Bezeichnung  verdienen, 
der  mit  keinem  Wort  der  Lehre  seiner  Kirche  untreu  geworden  ist? 
Und  dazu  komme,  daß  er  nicht  ein  Wort  gesprochen,  wozu  ihn 
nicht  besonders  auch  der  Erlaß  der  kirchl.  Oberbehörde  vom  4.  April 
1844  ermächtigte.  Aber  wenn  auch  das  letztere  nicht  der  Fall  ge- 
wesen wäre,  so  hätte  ihn  Amt  und  Pflicht  treiben  müssen,  so  zu 
sprechen,  wie  er  gesprochen.  Vor  Gott  und  seinem  Gewissen  wisse 
er  sich  rein  von  dem  Vorwurf  des  Mißbrauchs  der  Religion  zur 
Störung  der  öffentlichen  Ruhe.  Er  vertraue  darum  auf  eine  ent- 
schiedene Vertretung  seiner  Sache.“ 

Daraufhin  erfahren  wir  von  der  Untersuchung  nichts  mehr 
bis  zum  Januar  des  kommenden  Jahres  1846. 

Unterdessen  waren  draußen  auf  dem  Schauplatz  der  Zeit- 
geschichte wichtige  Ereignisse  eingetreten. 

Die  Landtagsperiode  1845/46  nahte.  Die  Wahlen  ließen 
eine  starke  Opposition  erwarten.  Abel  fürchtete  besonders  die 
Wiederwahl  des  Professors  Harleß.  Da  geschah  das  unerhörte: 
Harleß  wurde  Ende  März  1845  nach  Bayreuth  als  zweiter 
Konsistorialrat  versetzt.  Eine  Neuwahl  von  seiten  der  Uni- 
versität war  damit  für  ihn  ausgeschlossen.  Welch  ein  Verlust 
das  für  die  protestantische  Sache  im  Landtag  war,  wurde  all- 


58 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


gemein  mit  tiefem  Schmerz  und  gerechter  Entrüstung  wahr- 
genommen1). Welch  ein  Schlag  aber  diese  trotz  verschiedener 
Vorstellungen  festgehaltene  Regierungsentschließung  für  Har- 
leß  selbst  war,  liest  man  nicht  ohne  Mitgefühl  in  seiner  Auto- 
biographie. Er  vermochte  nicht  allzulange  in  dem  seinen 
Neigungen  widersprechenden  Wirkungskreis  zu  bleiben;  schon 
im  Herbst  desselben  Jahres  folgte  er  einem  Rufe  nach  Leip- 
zig2). — Inzwischen  aber  waren  unausgesetzt  aus  den  ver- 


1)  Gleichzeitig  war  die  Quieszierung  des  O.K.R.  v.  Niethammer 
erfolgt.  Die  Berliner  Allg.  Kirchenz.  (1845,  XXIX)  bringt  hierzu 
folgende  Korrespondenz  aus  Bayern:  „Die  plötzliche  Quieszierung  des  als 
Gelehrter  wie  als  Kirchenbeamter  gleich  riihmlichst  bekannten  ältesten 
geistlichen  O.K.R.  Dr.  v.  Niethammer,  dem  man  auf  diesem  Gebiet 
Männer  seiner  Bedeutung  keineswegs  bei  uns  an  die  Seite  zu  setzen  ver- 
mag, war  anfangs  für  alle  ein  Gegenstand  allgemeinen  Erstaunens,  bis 
jetzt  die  Sache  klar  wurde;  Niethammers  Nachfolger  wird  der  Kons.- 
Rath  Gabler  bei  dem  Prov.-Konsist.  Bayreuth,  und  dessen  Stelle  erhält 
der  von  der  Universitätslaufbahn  abgerufene  Prof.  Dr.  Har  keß  in  Er- 
langen; dieser  ist  somit  vom  nächsten  Landtag  entfernt.  So  wird  der 
Himmel  über  der  protest.  Kirche  Bayerns  immer  finsterer, 
und  man  möchte  beten:  Herr,  bleibe  bei  uns,  denn  es  will 
Abend  werden,  und  der  Tag  hat  sich  geneiget.  Möge  der 
Allmächtige  bald  Hilfe  senden  und  bis  dahin  die  Schwer- 
gedrückten bewahren  vor  allen  unerlaubten  Ausbrüchen 
eines  nur  zu  gerechten  Schmerzes.“  cf.  ferner  a.  a.  0.  XXX, 
S.  302. 

2)  Nach  Harleß’  Austritt  aus  der  bayerischen  Landeskirche  fand 
zwischen  dem  bayerischen  Kronprinzen  Maximilian,  mit  dem  ersterer 
bisher  in  reger  Korrespondenz  gestanden  (cf.  Bruchstücke  etc.  S.  52), 
und  dem  Präsidenten  v.  Roth  ein  Zwiegespräch  statt,  das  durch  letzteren 
aufgezeichnet  einige  beleuchtende  Ergänzungen  zu  Harleß’  Selbsterzählung 
von  S.  53 — 73  zu  geben  vermag: 

„Es  war  am  31.  Aug.  1845“  — so  erzählt  v.  Roth  — „Da  sprach 
der  Kronprinz  sein  lebhaftes  Bedauern  gegen  mich  aus,  daß  Harleß  aus 
dem  Lande  geht,  schien  aber  verwundert,  daß  er  es  nicht  von  ihm  selbst 
erfahren,  der  früher  mehrmals  an  ihn  geschrieben  habe.  Im  Laufe  des 
Gesprächs  erzählte  ich  aufrichtig,  wie  ich  selbst  gewissermaßen  Anteil 
an  der  unglücklichen  Verwickelung  gehabt,  deren  letzte  Folge  jener  Aus- 
tritt sei,  daß  ich  nämlich  am  20.  Jnnuar  1842,  da  meine  selige  Frau  am 
Sterben  war,  durch  eine  Botschaft  überrascht  worden  sei:  Harleß  solle 
mit  Zulage  bleiben,  aber  versprechen  zum  nächsten  Landtage  nicht  zu 
kommen  (cf.  Brachst.  S.  54,  wonach  Harleß  seine  Berufung  nach  Rostock 
1841  unter  der  Bedingung  ablehnte  und  dies  auch  dem  Ministerium  an- 
zeigte, daß  ihm  eine  Aufbesserung  des  Gehalts  zu  Teil  wurde;  letztere 
wird  hier  nun  allerdings  mit  an  eine  andere  Bedingung  geknüpft);  daß 
ich,  wie  mir  aufgetragen  worden,  alsbald  eine  Staffete  mit  einigen  Zeilen, 
deren  Inhalt  bei  der  großen  Gemütsbewegung  mir  nicht  im  Andenken 
geblieben,  an  Harleß  abgesandt  habe;  — Roth  meint  hier  den  S.  55  ge- 
druckten Brief  in  Harleß’  Autobiographie.  — Daß  mir  einige  Zeit 
darauf. .ein  Brief  von  Harleß  zugekommen  sei,  in  dem  er  klagte,  daß 
meine  Äußerung  auf  jene  Botschaft  andern  bekannt  geworden  sei,  da  ihm 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


59 


schiedensten  Dekanatsbezirken  dringliche,  direkt  an  den  König 
gerichtete  Bittschriften  nm  endgiltige  Aufhebung  des  drücken- 
den Kniebeugungszwangs  beim  Oberkonsistorium  eingelaufen  und 
auch  von  letzterem  mit  besonderer  Betonung  der  schwierigen 
Lage  der  Geistlichkeit  aufs  lebhafteste  vertreten  worden.  Eine 
Beschwerde  des  Dekanats  Nürnberg  vom  7.  April  1845  sollte 
unmittelbar  dem  Monarchen  unterbreitet  werden,  hatte  aber 
dem  herrschenden  Unwillen  bereits  in  solcher  Sprache  Aus- 
druck verliehen,  daß  das  Kirchenregiment  dieselbe  nicht  be- 
fürworten konnte.  Dagegen  reichte  das  letztere,  durch  die 
Vergeblichkeit  erneuter  Schritte  vom  18.  Juni  und  28.  Juli 
nicht  müde  gemacht  und  durch  die  bedenklich  gewordene  Un- 
ruhe unter  der  Geistlichkeit  erschreckt,  am  1.  Dezember  1845 
eine  abermalige  Vorstellung  direkt  beim  König  ein.  Ja,  — 
nun  hielt  es  auch  der  Präsident  v.  Roth  an  der  Zeit,  seinen 
ganzen  persönlichen  Einfluß  aufzubieten  und  das  Vertrauen,  das 
ihm  König  Ludwig  schenkte,  zu  gebrauchen.  Am  2.  Dezember 
1845,  dem  Tag  nach  der  letzten  Immediateingabe  des  Ober- 
konsistoriums, wandte  er  sich  in  einem  Privatschreiben  an  die 
Person  des  Landesfürsten: 

„Ew.  K.  Maj.  gehorsamstes,  von  der  wärmsten  Anhänglichkeit 
beseeltes  protestantisches  Oberkonsistorinm  hat  an  Allerhöchstdieselben 
unmittelbar  die  ehrfurchtsvollste  Bitte  nm  gänzliche  Entbindung  der 
prot.  Militärpersonen  von  der  Kniebeugung  vor  dem  Sanctissimum 
der  kath.  Kirche  gerichtet.  Nur  die  gleiche  Anhänglichkeit  von 
Ew.  K.  Maj.  gekannt  und  oftmals  anerkannt  gibt  mir  den  Mut, 
dazu  noch  in  eigenem  Namen  folgendes  ehrfurchtsvoll  vorzulegen: 

Daß  die  Aufregungen  der  protest.  Unterthanen  Ew.  K.  Maj. 
wegen  der  Verpflichtung  der  Glaubensgenossen  im  Heere  zu  ge- 
dachter Kniebeugung  fortdauern  und  sogar  im  Steigen  sind,  darüber 
lassen  die  auf  den  protest.  Diöcesan-Synoden  neuerdings  gefallenen 


ein  Abgeordneter,  den  er  nicht  nannte,  die  Verpflichtung  vorgehalten 
habe,  seinen  Platz  im  Landtage  nicht  aufzugeben-,  daß  ich  darauf  keine 
Antwort  gegeben  habe;  daß  der  König  in  der  Meinung,  Harleß  käme 
zum  Landtage  nicht,  geblieben  sei,  diese  auch  auf  der  Durchreise  in  Er- 
langen geäußert  habe.  Auf  die  Frage  des  Kronprinzen,  ob  ich  nicht  dem 
König  von  jenem  Briefe  von  Harleß  an  mich  Kenntnis  gegeben,  ant- 
wortete ich,  daß  dazu  kein  Anlaß  noch  Gelegenheit  gewesen  sei  (siehe 
auch  Bruchstücke  etc.  S.  62  oben).  Er  wünschte  nun,  daß  ich  Harleß 
sein  großes  Bedauern  über  dessen  Austritt  und  dabei  seine  zuversicht- 
liche Erwartung  ausdrücken  möchte,  daß  ihm  Bayern  niemals  würde  fremd 
werden.  “ 


60 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Äußerungen  keinen  Zweifel.  Namentlich  ist  diese  Aufregung  durch 
das  Straferkenntnis  gegen  Redenbacher  noch  vermehrt  und  besonders 
durch  eine  Stelle  in  diesem  Erkenntniß,  wo  von  den  offenen  Wegen 
der  Beschwerde  die  Rede  ist,  verschärft  worden.  Ich  habe,  ohne  die 
mir  mehrmals  vorgehaltene  Gefahr  eines  schmählichen  Verdachts  zu 
scheuen,  eifernde  Geistliche  abgemahnt,  aber  nie  mit  einigem  Erfolg. 
Die  Mißstimmung  ist  deshalb  so  weitgreifend,  weil  sie  nicht  von 
einer  Seite  und  von  einem  Standpunkt,  sondern  von  mehreren  zu- 
gleich ausgeht  und  nicht  nur  von  Inuen,  sondern  auch  von  Außen 
her  genährt  wird.  In  ihr  kommen  Leute  überein,  die  sonst  geschie- 
den sind.  Zufriedene  und  Unzufriedene,  Freunde  des  Bestehens  und 
der  Neuerung,  Anhänger  des  kirchlichen  Lehrbegriffs  und  Gegner 
desselben.  Erregt  und  unterhält  bei  den  einen  die  Verpflichtung 
ihrer  Glaubensgenossen  zu  einer  Handlung,  worinnen  sie  die  Ver- 
leugnung ihres  Bekenntnisses  sehen,  das  tiefste  Leid,  so  wird  bei 
den  andern  durch  die  Meinung,  welche  insbesondere  tausende 
Stimmen  aus  dem  Auslande  immer  neu  anfachen,  das  öffentliche 
Recht  des  Protestantismus  sei  verletzt,  ein  bitterer  Groll  erzeugt. 

Der  Kummer,  den  mir  diese  sich  unaufhörlich  aufdringende 
Beobachtung  verursacht,  wird  mich  wohl  nicht  zu  Übertreibungen 
verleiten,  wenn  ich  als  Wirkung  jener  Mißstimmung  eine  bedenk- 
liche Trennnng  fürchte,  nicht  eine  Trennung  des  Landes,  aber  der 
Gemüter.  Um  nur  eine  schon  beginnende  Erscheinung  anzuführen,  so 
werden  protest.  Prediger,  welche  wie  Redenbacher  auftreten,  von  den  Ge- 
richten verurteilt,  von  den  Gemeinden  als  Märtyrer  betrachtet  werden. 
Noch  weiter  und  schlimmer  wird  der  vorsichtige  Eifer  von  mehr 
andern  wirken,  die  anstatt  dessen,  was  den  christlichen  Glaubens- 
bekenntnissen gemeinsam  ist,  das  Unterscheidende  davon  unter  dem 
Schutze  des  Systems  und  in  der  ganzen  Härte  desselben  auslegen. 
Wenn  das  Schicksal  der  einen  die  Gemüter  der  Regierung  entfremdet, 
so  erweckt  das  Thun  der  andern  Abneigungen  wieder,  die  sich 
längst  gelegt  hatten.  Was  zu  allen  Zeiten,  aber  zumeist  in  dem 
jetzigen  Zustande  Deutschlands  von  unschätzbarem  Werte  ist,  die 
Eintracht  der  Unterthanen,  wird  dadurch  schwer  bedroht. 

Ew.  K.  Maj.  haben  bereits  eine  höchst  beträchtliche  Ver- 
minderung der  Anlässe,  protest.  Militärpersonen  zur  Kniebeugung 
anzuhalten,  angeordnet.  Es  liegt  aber  in  der  Natur  der  Sache,  daß 
diese  Erleichterung  nicht  so  wie  bei  irgend  einer  andern  Last  ge- 
fühlt wird.  Nur  die  gänzliche  Befreiung  der  Protestanten  von  dieser 
Verpflichtung  kann  den  Gemütern  den  Frieden  geben.  Da  aber  Ein- 
richtungen, wodurch  jene  Befreiung  ohne  wreitere  Abänderung  der 
Ordre  vom  August  1838  möglich  'würde,  nicht  ausführbar  sein 
dürften,  so  stelle  ich  in  der  tröstlichen  Zuversicht,  daß  E.  K.  M. 
meiner  redlichen  und  auf  das  allgemeine  Wohl  und  auf  festes  Glück 
für  allerhöchstdero  Regierung  gerichteten  Absicht  nicht  verkennen 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


61 


werden,  den  ehrfurchtvollsten  Antrag,  daß  „Ew.  K.  Maj.  geruhen 
die  erwähnte  Ordre  dergestalt  abändern  zu  lassen,  daß  protestantische 
Militärpersonen  in  keinem  Fall  zur  Kniebeugung  vor  dem  Sanctissi- 
mum  angehalten  werden. 

Noch  sei  mir  vergönnt,  gegen  ein  Bedenken,  wenn  ich  nicht 
irre  das  wichtigste,  das  sich  diesem  Antrag  entgegenstellen  möchte, 
ehrerbietigst  zu  bemerken,  daß  im  Jahre  1831  eine  Maßregel,  die 
nicht  nur  staatsrechtlich  weit  minder  angreifbar  war,  sondern  auch 
minder  bedenkliche  Verstimmung  hervorgerufen  hatte,  zurückgenommen 
wurde,  ohne  daß  dadurch  dem  königlichen  Ansehen  der  mindeste 
Abbruch  geschah.  Die  großen  Beweggründe,  die  Ew.  K.  M.  zu  der 
Vorkehrung,  auf  die  ich  ehrfurchtsvoll  antrage,  bestimmen  dürften, 
stehen  in  solchem  Lichte,  daß  darüber  sich  oder  andere  zu  täuschen 
unmöglich  wäre. u 

Dem  König*  war  schon  seit  einiger  Zeit  die  Erkenntnis 
aufgegangen,  daß  er  sich  bisher  über  vieles  sowohl  selbst  ge- 
täuscht als  auch  von  Abel  habe  hinwegtäuschen  lassen.  Be- 
vorzugung der  katholischen  Kirche  auf  Kosten  der  Parität  oder 
gar  zur  Unterdrückung  der  protest.  Unterthanen  war  nie  seine 
Absicht  gewesen.  Er  hat  von  Anfang  an  alle  Versuche  der 
klerikalen  Partei  und  namentlich  Abels,  den  Jesuitenorden  in 
Bayern  einzuführen,  mit  Entschiedenheit  zurückgewiesen1). 
Nach  den  widerlichen  Vorgängen,  die  sich  bei  den  Trauer- 
feierlichkeiten der  protestantischen  Königin  Mutter  Caroline 
im  Jahre  1841  abspielten2),  erklärte  der  König  selbst  dem  Bi- 
schof Riedl  zu  Regensburg  in  dem  ihm  eigenen  Briefstil: 

„Sie  habeu  drei  würdige  Vorgänger;  daß  Sie  vorzüglich  Sailer 
nackahmen,  wünsche  ich.  Er  war  wahrhaft  apostolischen  Geistes. 
Was  ich  fiir’s  Beste  unserer  heil.  Kirche  getliau,  meine  in’ s 17.  Jahr 
gehende  Regierung  zeigt  es.  Gegen  Fanatismus  bin  ich,  er  bewirkt 
das  Gegenteil  dessen,  was  er  bezieh.  Fromm  sollen  meine  Bayern 
sein,  aber  keine  Kopfhänger.  Ich  wiederhole  es,  Sailer  sei  Ihnen 
Vorbild.  Obgleich  er  jetzt  in  den  Staub  gezogen  wird,  war  dennoch 
der  wahre  christliche  Sinn  in  ihm  und  wirkte  das  Gute“3). 


1)  Heigel,  König  L.  S.  214. 

2)  v.  And  law,  Mein  Tagebuch.  Auszüge  aus  Aufschreibungen  der 
Jahre  1811—1861  II.  S.  44.. 

3)  Heigel,  a.  a.  0.  S.  216.  Hier  wird  auch  im  Anschluß  an  das  un- 
würdige Auftreten  der  Klerikalen  bei  den  Trauerfeierlichkeiten  Carolinens 
ein  Erlaß  Abels  (vom  2.  Dez.  1841)  erwähnt,  dem  offenbar  die  eigenen 
Worte  des  Königs  zu  Grunde  liegen:  „Es  ist  Befehl  Sr.  Maj.  des  Königs, 
die  sämtlichen  Erzbischöfe  und  Bischöfe,  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
wie  auch  in  kirchlichen  Sachen  jedes  Übertreiben  den  Keim  des  Todes 


62 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Die  Kniebeugungsangelegenheit  betrachtete  er  nicht  als  eine 
protestantische  Gewissens-  oder  Dogmen-,  sondern  als  „eine 
protestierende  Oppositionsfrage \ Außerdem  läßt  sich  verfolgen, 
daß  gewöhnlich  während  seiner  Abwesenheit  von  München 
politische  Kundgebungen  erfolgten  und  auch  das  Ministerium 
besonders  verletzende  Schritte  unternahm,  die  mit  dem  Be- 
streben des  Königs,  die  Parität  zu  wahren,  in  Widerspruch 
traten* 1).  Über  die  Stimmung  im  Lande  wurde  der  König  im 
Ungewissen  gelassen.  Zum  erstenmal  wurden  seine  Augen  über 
die  zu  weit  gehende  Handlungsweise  Abels  in  jener  bekannten 
Staatsratssitzung  vom  Februar  1845  geöffnet.  Nun  kam  noch 
der  freimütige  Bericht  des  vordem  so  zurückhaltenden  Präsi- 
denten v.  Roth  hinzu.  Die  darin  geschilderte  und  mit  solcher 
Sprache  geschilderte  Lage  machte  den  König  betroffen.  Daß 
die  Maßregel  der  Kniebeugung  solch  eine  Tragweite  angenommen, 
eine  Aufregung  von  solcher  Tiefe  und  Allgemeinheit  gezeitigt 
habe,  hätte  er  nicht  erwartet.  Gerechtigkeit  war  stets  sein 
Stolz  gewesen2).  — Am  12.  Dezember  1845  — zehn  Tage 


in  sich  trage,  und  daß  im  Geiste  Sailers,  dem  echt  apostolischen,  die 
jungen  Geistlichen  gelehrt  und  erzogen  werden  sollen.“  Am  23.  Juli  1842 
endlich  erklärte  ein  Regierungsreskript,  es  werde  von  Staatswegen 
den  Bemühungen  des  Klerus  zur  Wiederbelebung  der  positiven  Glaubens- 
lehre der  kräftigste  Vorschub  geleistet,  es  werde  aber  nicht  geduldet 
werden,  daß  auf  den  Kanzeln  durch  böswillige  Angriffe  der  Religions- 
friede gestört  und  der  Streit  über  abweichende  Glaubenslehren  in  das 
Gebiet  der  Parteiwut  und  Leidenschaft  herabgezogen  werde.“  — Der  aus 
Görres*  Schule  hervorgegangene,  anonyme  Verfasser  von  „Kirche  und 
Staat  etc.“  bezeichnet  zwar  solche  von  der  gerechten  Gesinnung  des 
Königs  eingegebenen  Erlasse  als  Ausflüsse  „des  Gelüstes  sogenannter 
Souveränitätsrechte  über  die  Kirche“  und  führt  sie  als  weitere  Beweise 
(zu  den  von  uns  schon  S.  22  Anra.  1 der  vorigen  Nummer  erwähnten) 
an,  wie  die  Regierung  unter  Abels  Ministerium  auch  in  die  Rechte  der 
katli.  Kirche  mit  tyrannischer  Hand  eingegriffen  hätte.  Ileigel  bemerkt 
hierzu:  Die  Ansprüche  und  Forderungen  dieser  Partei  waren  eben  ge- 
stiegen im  Verhältnis  mit  den  ihnen  gemachten  Zugeständnissen. 

1)  cf.  den  oben  erwähnten  Erlaß  Abels  vom  Februar  1839,  ferner  den 
bei  Hei  ge  1 a.  a.  0.  S.  218  erwähnten  Befehl  an  die  Generalsynoden 
1844. 

2)  Es  ist  darum,  wie  schon  Seite  7 dieses  Bandes  angedeutet  wurde, 
die  Behauptung  nicht  richtig,  die  sich  Krüger  in  Giessen  in  Hases  Kirchen- 
geschichte gestattet:  „In  Baiern  hat  Ludwig  I.  zur  Zeit  des  eifrig  katholi- 
schen Ministeriums  Abel  Friedrich  v.  Roth,  einen  würdigen  Mann  in  Luthers 
Geist  und  Glauben,  (1828)  ausdrücklich  deshalb  zum  Präsidenten  des 

~ Oberkonsistoriums  ernannt,  um  durch  ihn  das  luth er i sehe  Bekennt- 
nis zum  Katholizismus  zurückzuführen  und  Roth  sah  dies 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


63 


nach  Roth’s  Briefe  — erfolgte  die  endgiltige  Beseitigung 
der  beschwerendsten  Punkte  der  Ordre.  Und  noch  am 
selbigen  Tage  teilte  der  König  durch  ein  Handbillet  dem  Präsi- 
denten die  getroffene  Entscheidung  mit: 

..Herr  Präsident  des  Oberkonsistoriums  v.  Roth! 

Was  ich  soeben  an  Meinen  Kriegsminister  erlassen  habe,  teile 
ich  Ihnen  übenanstehend  in  Abschrift  zur  Wissenschaft  mit.u 

An  den  Kriegsminister  Freiherrn  v.  Gumppenberg! 

Sie  haben  zu  erlassen: 

S.  Maj.  der  König  haben  durch  allerhöchstes  Signat  vom 
12.  Dezember,  auf  solange  Allerhöchst  dieselben  nicht 
anders  verfügen,  zu  befehlen  geruht,  daß  die  Ehrenbezeugung 
vor  dem  Hoch  würdigsten  von  allen  zu  der  Linie  gehörigen  Truppen 
in  den  nachbenannten  Fällen  künftig  wieder  nach  der  vor  der 
Ordre  vom  14.  August  1838  vorgeschrieben  gewesenen  Form 
vollzogen  werden  solle: 

1.  Wenn  von  einer  Wache  zur  Begleitung  des  Hochwürdigsten 
Soldaten  abgegeben  werden. 

2.  Wenn  eine  Wache  bei  dem  Vorbeitragen  des  Hoch  würdigsten 
auf  das  Herausrufen  der  Schildwache  unter  das  Gewehr  tritt. 

8.  Wenn  eine  im  Marsch  begriffene  Truppenabteiluug  dem  Hoch- 
würdigsten begegnet  und  im  Marsche  bleibt. 

4.  Wenn  der  Priester,  welcher  mit  dem  Hochwürdigsten  einer  im 
Marsch  begriffenen  Trüppenabteilung  begegnet,  derselben  den 
Segen  zu  erteilen  sich  anschickt  und  daher  der  Marsch  unter- 
brochen wird. 

5.  Wenn  das  Hochwürdigste  an  Truppen,  welche  sich  in  der  Auf- 
stellung befinden,  vorübergetragen  oder  denselben  der  Segen 
damit  erteilt  wird. 

In  allen  übrigen  Fällen  und  Beziehungen  hat  es  bei 
den  zur  Zeit  bestehenden  allerhöchsten  Bestimmungen 
zu  verbleiben. 


als  seine  göttliche  Bestimmung  an.“  — Am  allerwenigsten  aber 
dürfte  der  Beweisgrund  stichhaltig  sein,  der  weiterhin  dafür  angeführt 
wird:  „Seitdem  wurde  in  Erlangen  die  theologische  Fakultät  mit  ortho- 
doxen Professoren  besetzt,  in  München  ein  Predigerseminar  derselben 
Richtung  eingerichtet.“  Gerade  die  „orthodoxen“  Professoren,  wie  Har- 
leß  und  andere  waren  es,  die  zu  gleicher  Zeit,  wo  Görres  in  seinen 
historisch-politischen  Blättern  unter  dem  Schutze  des  Abel’sc.hen  Re- 
giments den  Kampf  wider  den  Protestantismus  eröffnete,  in  der  Zeit- 
schrift „Protestantismus  und  Kirche“  mit  scharfer  Waffe  dagegen  die 
Verteidigung  führten  und  so  die  beste  Stütze  für  die  bayerischen 
Protestanten  wurden.  Man  vergleiche  nur  die  Jahrg.  1838,  S.  46,  114, 
125,  131;  1839,  S.  20,  69;  1840,  S.  32,  81;  1841,  I 16  und  131,  II  185 
und  207;  1842,  III  S.  1,  19,  101;  1843,  V S.  77;  VI  S.  1 u.  48;  1845, 
X S.  73;  1846,  IX  S.  133  u.  XII  S.  37  u.  a. 


64 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


So  war  denn  nach  einem  siebenjährigen  Kampf,  in  welchem 
Stück  nm  Stück  das  gute  Recht  abgedrungen  werden  mußte, 
das  stärkste  Ärgernis  beseitigt.  Die  erschwerendsten  Fälle 
in  der  Anwendung  der  unglückseligen  Kniebeugungsordre  waren 
aufgehoben,  wenn  gleich  der  Zusatz  „so  lange  Allerhöchst  die- 
selben nicht  anders  zu  verfügen  geruhen u,  sowie  der  Schluß- 
hinweis auf  diejenigen  Beziehungen,  wo  es  bei  der  bisherigen 
Bestimmung  verbleiben  solle,  das  Prinzip,  daß  der  Protestant 
ohne  Glaubensverleugnung  vor  dem  Venerabile  nicht  knieen 
kann,  als  solches  auch  nicht  anerkennt,  vielmehr  die  Mög- 
lichkeit zuläßt,  daß  der  frühere  drückende  Zustand  wieder 
herbeigeführt  werde.  Dennoch  glaubten  die  oberste  Kirchen- 
behörde und  mit  ihr  alle  Protestanten  dem  Könige  auch  dafür 
von  Herzen  dankbar  sein  zu  müssen.  Ex  officio  ist  die  Auf- 
hebung der  Kniebeugungsordre  in  ihrem  ganzen  Umfange  bis 
auf  diesen  Tag  noch  nicht  verfügt,  sondern  nur  durch  die  still- 
geduldete Praxis  herbeigeführt  worden1) 

Zu  dem  geschilderten  Umschwünge  Hat  außer  Roths  frei- 
mütigem Briefe  gewiß  nicht  wenig  die  Nähe  des  neugewählten 
Landtags  beigetragen,  der  eine  stärkere  Opposition  als  je 
zuvor  aufwies.  Hatte  doch  Abels  Regierungssystem  selbst 
unter  denen  den  Geist  des  Widerstandes  wachgerufen  und  all- 
mählich gereift,  die  bisher  furchtsam  im  Hintergrund  gestanden. 
An  der  Spitze  der  Opposition  standen  wiederum  die  liberalen 
Aristokraten  Freiherr  v.  Thon-Dittmer,  Max  v.  Lerchenfeld, 
außerdem  der  Dekan  Bauer  und  der  pfälzische  Rechtsanwalt 
v.  Willich.  Zum  Präsidenten  wurde  gewählt  Hermann  v.  Roten- 
han,  der  tapfere  protestantische  Franke.  An  Stelle  des  bis- 
herigen Abgeordneten  der  Erlanger  Hochschule  Harleß  war 
der  Kirchenrechtslehrer  Adolf  v.  Scheurl  getreten.  Gleich  am 
Anfang  kam  es  wegen  der  Urlaubsverweigerung  gegenüber 
sieben  protestantischen  Abgeordneten  zu  heftigen  Auftritten 
wider  Abel,  die  sich  bei  Verhandlung  der  Beschwerde- 
vorstellungen der  protestantischen  Generalsynoden  in  den 
Monaten  April  und  Mai  1846  noch  verschärften.  Wiederholt 


1)  Siehe  auch  die  Ausführungen  bei  Harleß,  Bruchstücke  aus  dem 
Leben  etc.  S.  66. 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


65 


hat  y.  Scheurl  in  die  Debatten  eingegriffen  und  die  Kechte 
seiner  Kirche  gegen  Abels  Willkür  mit  Thatkraft  und  juridischer 
Schärfe  verfochten1).  Als  intimer  Freund  unserers  Pfarrers 
Volkert  stand  er  mit  demselben  in  lebhaftem  Briefwechsel.  So 
liegt  uns  aus  dieser  Zeit  ein  Schreiben  vor,  das  auch  interessante 
Streiflichter  auf  Personen  und  Zustände  jener  Tage  wirft,  am 
Schluß  aber  Volkerts  Sache  berührt  und  damit  zu  unserem 
Gegenstand  zurückführt : 

Nach  einigen  einleitenden  Bemerkungen  persönlicher  Art  schreibt 
der  Freund:  „Die  wirkliche  Einberufung  zum  Abgeordnetenhaus, 
nachdem  ich  längst  mich  sicher  geglaubt  hatte,  erfüllte  mich  mit 
großer  Bangigkeit,  erschütterte  mich  durch  und  durch.  Kränklich 
zumal  ging  ich  diesem  neuen  schweren  Beruf,  der  freilich  zugleich 
auch  etwas  erhebendes  hat,  mit  einem  gewissen  Grauen  entgegen. 
Aber  schon  bei  der  Abreise  war  ich  getroster,  gestärkt  durch  eine 
unvergeßliche  Abendmahlsfeier  am  ersten  Adventssonntage.  Hier  gab 
mir  der  glückliche  Anfang  und  das  Gefühl,  der  Herr  sei  mit  uns, 
viele  Freudigkeit.“  — Darauf  folgt  eine  Schilderung  der  aufgeregten 
Kammerverhandl ungen  vom  12.  und  13.  Jan.  1846,  wo  es  sich  um 
die  Urlaubsverweigerung  gegen  den  Rechtsanwalt  v.  Willich  und 
dessen  Reklamation  handelte.  Scheurl  nahm  hierbei  aus  bestimmten 
staatsrechtlichen  Gründen  den  Regierungstandpunkt  ein.  Er  sagt 
weiter:  „Nach  mehr  als  sechsstündiger  Debatte  wurde  die  Sitzung 
vom  12.  Januar  abgebrochen.  Ich  kam  halbtot  gegen  4 Uhr  nach 
Hause,  so  daß  die  mich  erwartende  Nachricht  von  meines  Lehrers 
Puchta  Tod,  einem  der  herbsten  Verluste,  die  mich  treffen  konnte, 
ganz  stumpf  fand.  Am  nächsten  Tage  gings  besonnener  her,  ich 
hatte  aber  doch  große  Angst  vor  dem  Sprechen,  wozu  ich  indessen 
gleichwohl  fest  entschlossen  war.  Ehe  ich  aber  trotz  unendlich 
vieler  Bemühungen  zu  Wort  kommen  konnte,  wurde  der  Schluß  der 
Debatte  beschlossen.  Aus  Abels  Rede,  die  wieder  wahrhaft  be- 
wunderungswürdig war,  wie  alle  Reden  dieses  heroischen  Bösewichts, 
merkte  ich,  daß,  wenn  die  Reklamation  angenommen  würde,  die  Auf- 
lösung der  Ständeversammlung  und  dann  eine  unabsehbare  Kette  von 
Unheil  gewiß  wäre,  froh,  daß  ich  mit  Überzeugung  dagegen  stimmen 
konnte,  schrie  ich  in  meinem  Innern  zu  Gott,  er  möge  einen  glück- 
lichen Ausgang  geben  und  gegen  meine  Befürchtung  geschah  es 


1)  Über  von  Scheurls  Lebensgang  und  kirchliche  Bedeutung  wurde 
nach  seinem  Tode  in  der  Allgem.  evangel.  lutherischen  Kirchenzeitung 
1893  S.  403  ff . durch  Adolf  v.  Stählin  näheres  berichtet.  Das  Ganze 
ist  auch  als  Separatabdruck  erschienen.  Leipz.  1893.  v.  Scheurl  war 
seit  1836  (wie  Hofmann)  Privatdozent  in  Erlangen,  seit  1845  ordentlicher 
Professor  des  röra.  Rechts  und  Kirchenrechts,  1845 — 49  Landtagsabge- 
ordneter und  Mitglied  der  altliberalen  Partei. 


66 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


also:  eine  schwache  Majorität  — daß  sie  so  schwach  war,  hatte 
seine  gute  Seite  — verwarf  die  Reklamation.  Nachher  erfuhr  man, 
daß  die  Auflösung  für  den  entgegengesetzten  Fall  fest  beschlossen 
war.  — Ich  hege  nun  wieder  die  besten  Hoffnungen.  Die  römische 
Partei  ist  unglaublich  schwach,  ebenso  die  servile.  Abel  hat  nicht 
mehr  des  Königs  volles  Vertrauen  und  die  Stände  ganz  gegen  sich. 
Mit  Besonnenheit  und  Festigkeit  läßt  sich  jetzt  unter  Gottes  Segen, 
der  sichtbar  mit  uns  ist,  selbst  nach  bloß  menschlichem  Ansehen 
viel  erreichen.  Schon  kommt  eine  Konzession  nach  der  andern. 
Wir  rüsten  uns  aber  zu  nachdrücklichen,  rücksichtslosen  Beschwerden. 
Ich  hoffe  mehr  für  unsere  Kirche,  als  für  das  Land;  die  Knickerei x) 
halte  ich  noch  für  unbesieglich. 

An  Mannigfaltigkeit  scheints  unserer  Geistlichkeit  nicht  zu 
fehlen,  wenn  nicht  beim  einen  oder  andern  der  Lärm  der  Rede 
größer  ist  als  die  Standhaftigkeit  im  Handeln.  Bauer  und  Scholler 
sind  mir  zu  geschwätzig,  der  gute  treue  Wagner  zu  hitzig,  auch 
ist  mir  bange,  daß  das  Hätscheln  der  großen  Herrn  in  der  ersten 
Kammer,  welche  in  ihm  ein  gutes  Werkzeug  gegen  Abel  erblicken, 
ihm  ein  wenig  den  Kopf  verrücken  möchte.  Für  sich  hat  Abel 
durch  die  Beseitigung  von  Harleß  und  Tücher  eher  verloren  als  ge- 
wonnen, aber  für  das  Land  hat  sie  doch  großen  Schaden  gebracht, 
glaube  ich.  Außer  Rotenhan  halte  ich  für  die  bedeutendsten  und 
am  besten  wirkenden  Abgeordneten  Friedrich  und  Heinz.  Möchte 
Briegleb  Recht  behalten,  der  von  mir  nach  Erlangen  schrieb,  er 
hoffe,  ich  werde  ein  „nützliches  Kammerglied  “ werden.  Glänzen 
werde  und  will  ich  nicht;  aber  nützlich  zu  werden,  ist  mein  auf- 
richtiges Streben.  — 

Am  Schluß  heißt  es:  „Deinetwegen  darf  man  nun  ganz  ruhig 
sein ; ich  freue  mich  dessen  herzlich.  Möge  der  Herr  Dir  durch 
Segen  in  stiller  Wirksamkeit  ersetzen,  was  Du  als  unfreiwilliger 
Kämpfer  erlitten  hast.  Redenbacher  erhielt  seine  Berufung  nach 
Preußen  in  dem  Augenblick,  als  die  Beseitigung  der  Kniebeugung 
in  Nürnberg  bekannt  wurde.  Es  fehlt  ihm  jetzt  an  Reisegeld  und 
er  ist  endlich  bereit,  Unterstützung  von  vermögenden  Freunden  an- 
zunehmen. In  Augsburg  und  hier  wird  für  ihn  gesammelt  auf  Ein- 
ladung von  Nürnberg  aus,  um  ihm  Anerkennung  und  Hilfe  zu  ge- 
währen. München,  den  18.  Jan.  1846.“ 

Die  Hoffnungen  des  edlen  Freundes  sollten  freilich  nicht 
in  Erfüllung  gehen.  Mitte  Januar  1846  war  vielmehr  vom 
Kreis-  und  Stadtgericht  München  gegen  Volkert  die  General- 
untersuchung eröffnet  worden  „wegen  Verbrechens  der 


1)  Diese  schildert  auch  Sugenheim  in  der  Vorrede  zu  „Bayerns 
Kirchen-  und  Volkszustände  im  16.  Jahrhundert“  und  Hei  ge  1 a.  a.  0. 
S.  224  ff. 


E.  Born,  Kniebeugungsfrage. 


67 


Störung  öffentlicher  Ruhe  durch  Mißbrauch  oder  Vor- 
wand der  Religion.“  Damit  war  das  Ungesetzliche  ge- 
schehen, daß  der  Beschuldigte  einem  Gerichtshöfe  zur  Unter- 
suchung und  Verantwortung  unterstellt  wurde,  der  gar  nicht 
kompetent  war.  Denn  klipp  und  klar  lag  im  Strafgesetzbuch 
(VII.  Titl.  Art.  482)  der  Satz  vor:  „Wegen  des  Amtsver- 
brechens eines  Staatsbeamten  oder  anderer  öffentlicher  Diener 
kann  die  Generaluntersuchung  nur  von  der  Vorgesetzten  Amts- 
behörde eröffnet  und  vollführt  werden.“ 

Redenbachers  Anwalt,  Dr.  Kraft  von  Nürnberg,  übernahm 
auch  Volkerts  Verteidigung  in  bereitwilligster  Weise.  Schon 
am  26.  Januar  ging  eine  mannhafte  und  juristich  wohl  be- 
gründete Erklärung  an  das  Kreisgericht  ab,  worin  der  Be- 
schuldigte sich  vor  allem  dagegen  verwahrt,  daß  ein  Kriminal- 
gericht ihn  wegen  einer  von  ihm  gehaltenen  Predigt  vor  seinen 
Richterstuhl  ziehe,  während  doch  dazu  seiner  Vorgesetzten  Amts- 
behörde allein  das  Recht  zustelie. 

Von  dem  allem  erstattete  darauf  Volkert  Bericht  an  seine 
Vorgesetzte  Behörde.  Damit  war  nach  seiner  Meinung  der 
Zeitpunkt  gekommen,  wo  dieselbe  nach  den  mit  Redenbacher 
gemachten  Erfahrungen  aufs  nachdrücklichste  eingreifen  und 
seine  Sache  zu  der  ihrigen  machen  mußte,  was  sie  um  so 
leichter  thun  konnte,  da  Volkert  ja  nur  nach  den  Intentionen 
des  vom  Oberkonsistorium  selbst  gegebenen  Erlasses  gehandelt 
hatte.  Doch  geschah  dies  nicht  in  der  von  Volkert  gewünschten 
Entschiedenheit.  Auch  verbat  sich  Abel  in  einem  Reskript  vom 
14.  Febr.  1846  jegliche  Einmischung  von  seiten  der  kirch- 
lichen Oberbehörde  in  die  anhängige  strafrechtliche  Unter- 
suchung. v.  Scheurl  suchte  in  einem  neuen  Brief  den  ent- 
täuschten Freund  zu  beruhigen: 

„Nach  meiner  bestimmten  Überzeugung  steht  es  mit  Deiner 
Sache  bei  weitem  nicht  so  schlimm,  als  Du  meinst.  Ich  glaube, 
man  will  sie  nur  zu  einem  formellen  Abschluß  bringen.  So  weit 
wenigstens  der  Einfluß  der  Regierung  auf  das  Urteil  der  Richter 
geht,  ist  gewiß  nichts  zu  besorgen.  Nachdem  mau  in  den  säuern 
Apfel  gebissen  hat,  die  Ordre  selbst  zurückzunehmen,  um  die  Auf- 
regung darüber  zu  beseitigen,  wird  mau  sie  nicht  durch  einen  neuen 
Richterspruch  wieder  erwecken  wollen.  Der  Unterschied,  daß  Du 
bloß  gepredigt,  Redenbacher  aber  drucken  ließ,  ist  von  höchster  Be- 


68 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


deutung.  Die  Pflicht  so  zu  predigen,  ist  sehr  leicht,  die  Pflicht  der- 
gleichen durch  den  Druck  zu  verbreiten,  sehr  schwer  darzuthun.  Des- 
halb kann  auch  das  Oberkonsistorium  Dich  unbedingt  in  Schutz 

nehmen Die  Beschwerden  unserer  Kirche,  alles  umfassend,  worüber 

die  bekannten  Bescheide  vom  April  1845  ergangen  sind,  hat  Bauer 
und  Langhut  eingereicht  und  sie  haben  bereits  eine  Klippe  über 
Erwarten  glücklich  überstanden.  Den  Vortrag  darüber  im  Beschwerde- 
ausschuß, welchen  ich  zu  erhalten  gehofft  hatte,  hat  Goetz  bekommen. 
Nachdem  es  geschehen,  danke  ich  Gott,  daß  ich  eine  große  Ver- 
antwortung weniger  habe.  Wozu  ich  dennoch  Gelegenheit  und  An- 
laß bekomme,  das  will  ich  mit  Gottes  Hilfe  gern  und  gewissenhaft 

für  diese  Sache  thun Gott  behüte  Dich  und  die  Deiuigen  ! 

Hast  Du  nicht  bei  Luthers  Todesfeier  so  recht  an  Ebr.  11  und  12 
gedacht.“  — München,  den  23.  Febr.  1846. 

Freilich  sollte  es  abermals  anders  kommen,  als  der  Freund 
gehofft.  Was  Volkert  selbst  im  innersten  Herzen  ahnend  be- 
fürchtete, trat  ein  nämlich  Erkenntnis  auf  Spezial- 
untersuchung und  Suspension  vom  Amte. 

„Wir  haben  aufs  tiefste  zu  beklagen,  daß  es  zu  dieser  unglück- 
seligen Folge  geführt  hat,  nachdem  doch  nur  eine  im  Amt  geschehene 
Handlung  in  Betracht  kam.  Das  auf  Spezialuntersuchung  lautende 
Erkenntnis  wird  die  kaum  beruhigten  Gefühle  der  protest.  Be- 
völkerung wiederum  schmerzlich  aufregen,  besonders  in  einem  Augen- 
blick, wo  Berufungen  auf  das  Gewissen  gegen  die  wörtliche  Giltig- 
keit und  Aufrechterhaltung  eines  bestellenden  Verfassungsgesetzes 
Schutz  finden,  den  protest.  Pfarrer  hingegen  die  Berufung  auf 
Amtspflicht  und  Gewissen  bisher  nicht  geschützt  hat.  . . 

So  schrieb  am  18.  Mai  1846  das  Oberkonsistorium  an  das 
Ministerium,  als  es  die  Suspension  über  den  treuen  Seelsorger 
aussprechen  mußte.  Tags  darauf  erhielt  derselbe  das  Dekret 
seiner  Amtsentsetzung.  Damit  war  die  gesetzliche  Bestimmung 
verbunden,  daß  bis  zum  rechtskräftigen  Endurteil  ein  Drittteil 
des  Gesamtgehaltes,  in  diesem  Falle  191  11.  zurückgehalten 
werden  müßten. 

Zur  Besorgung  der  Amtsfunktionen  wurde  der  Kandidat 
Joh.  Andr.  Rutz  aus  dem  Predigerseminar  bestimmt.  Tage 
nicht  geringer  Anfechtung  und  bittern  Leids  zogen  nun  in  das 
evangelische  Pfarrhaus  zu  Ingolstadt  ein. 

„Wahrlich,  es  ist  der  empfindlichste  Schlag,  so  schreibt  Volkert 
an’s  Dekanat,  für  eineD  Mann,  der  sich  vor  Gott  und  seinem  Ge- 
wissen sagen  kann,  daß  er  mit  redlichem  Eifer  in  seinem  Beruf  ge- 
arbeitet hat,  plötzlich  aus  seiner  Wirksamkeit  gerissen  zu  werden 


E.  Dorn,  Kmebeugungsfrage. 


69 

und  sich  nicht  blos  in  Unthätigkeit  versetzt  zn  sehen,  sondern  auch 
als  einer  qui  digito  monstretur  gegenüber  den  Widersachern  seines 
Glaubens  und  mit  dem  Schein  eines  Verbrechens  selbst  unter  denen 
wandeln  zu  müssen,  die  er  mit  dem  Worte  Gottes  zu  mahnen 
verordnet  war;  und  das  alles  wegen  einer  That,  die  nicht  nur  mit 
der  heiligen  Schrift  und  seinem  Gewissen,  sondern  auch  den  Ver- 
ordnungen der  obersten  Kirchenbehörde  übereinstimmte.  Gleichwohl 
wollte  er  sich,  fügt  er  voll  Zeugenmut  hinzu,  die  Lage,  in  die  er 
nunmehr  versetzt  sei,  zu  sehr  nicht  anfechten  lassen.  Habe  es  doch 
je  und  je  in  der  Kirche  Christi  für  Ehre  gegolten,  um  der  Wahr- 
heit willen  leiden  zu  dürfen.  Er  hoffe  mit  des  Herrn  Hilfe  den 
Schmerz  zu  überwältigen,  der  ihn  getroffen  habe.  Er  habe  nichts 
anderes  gesucht  als  die  Ehre  seines  Gottes:  dieser  werde,  das  hoffe 
und  bitte  er,  auch  in  seiner  Anfechtung  ihn  also  stärken,  daß  auch 
in  ihr  sein  Verhalten  zu  seines  Namens  Ehre  gereichen  möge.** 

Tn  diesem  Glauben  nahm  er  denn  auch  am  24.  Mai,  dem 
Exaudisonntag,  Abschied  von  den  teuern  Stätten  des  Altars 
und  der  Kanzel.  Der  Johannestext  vom  Zeugengeist  (Joh.  15, 
26 — 16,  4)  sollte  der  Text  seiner  letzten  Predigt  sein.  Ohne 
seine  Angelegenheit  ausdrücklich  zu  erwähnen,  war  doch  die 
ganze  Predigt  ein  ergreifendes  Selbstbekenntnis.  Hier  war 
einmal  das  gepredigte  Wort  Zeugnis  und  That  zugleich.  Auch 
wer  nichts  von  des  Predigers  Schicksal  weiß,  fühlt  dies  heute 
noch  beim  Lesen  der  Predigt,  welche  in  dem  zu  Gunsten 
der  Landshuter  Gemeinde  herausgegebenen  Predigtbuch  ab- 
gedruckt wurde1).  Welch  tiefen  Eindruck  endlich  mag  es  ge- 
macht haben,  als  der  Seelsorger  am  Schluß  des  Gottesdienstes 
folgende  Erklärung  abgab: 

„Es  ist  wohl  den  meisten  unter  euch  bekannt,  daß  ich  am 
Palmsonntag  des  vorigen  Jahres  eine  Predigt  gehalten  habe,  um 
deret willen  ich  verklagt  worden  bin.  In  dieser  Woche  nun  ist  mir 
durch  das  kgl.  Dekanat  München  ein  Erkenntnis  des  Appellations- 
gerichts von  Oberbayern  eröffnet  worden,  nach  welchem  auf  mir  der 
Verdacht  ruht,  daß  ich  mit  jener  Predigt  das  Verbrechen  der  Störung 
der  öffentlichen  Kühe  durch  Mißbrauch  der  Religion  begangen  hätte. 
Ob  dieser  Verdacht  gegründet  ist  oder  nicht,  soll  nunmehr  unter- 
sucht werden.  So  lauge  die  Untersuchung  dauert,  bleibe  ich  euer 


1)  Predigten  über  die  Sonn-  und  Festtags-Evangelien  des  Kirchen- 
jahrs. Von  verschiedenen  evangelischen  Geistlichen  Bayerns  mitgeteilt 
und  zum  Bosten  der  protest.  Gemeinde  Landshut  herausgegeben  von 
Fr.  Linde,  Konsistorialrat  und  Pfarrer  zu  Berndorf  und  Emil  Wagner. 
Landtagsabgeordneter  und  Pfarrer  zu  Bayreuth.  Bayreuth  1847.  II.  S.  379. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengesehiohte.  V.  G 


70 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


Pfarrer,  aber  icli  werde  mein  Amt  nicht  selbst  verrichten.  Zwar 
spricht  mich  mein  Gewissen  von  der  Anschuldigung  völlig  frei;  auch 
die  Kirche  findet  keine  Schuld  an  mir:  das  kgl.  Dekanat  und  Ober- 
konsistorium haben  erklärt,  daß  das,  was  ich  gethan  habe,  nichts 
anderes  als  die  Erfüllung  der  mir  gebotenen  Pflicht  war.  Aber  als 
Christ  unterwerfe  ich  mich  mit  Ergebung  in  Gottes  Willen  dem  Be- 
fehl der  weltlichen  Obrigkeit  und  spreche  mit  Assaph : Ich  muß 
das  leiden;  die  rechte  Hand  des  Höchsten  kann  alles  ändern. “ 

Mit  diesem  hoffnungsvollen  Aufblick  zu  Gott  trat  der  ver- 
folgte Seelsorger  die  Tage  seiner  Amtsentsetzung  an.  Doch 
hat  es  ihm  auch  an  guten  Freunden  unter  den  Menschen  nicht 

gefehlt.  Da  muß  in  erster  Reihe  der  edle  Dekan  Dr.  Böckh1) 

genannt  werden.  Wie  er  bisher  nichts  versäumt  hatte,  die 
Sache  seines  Pfarrers  mit  Nachdruck  und  Entschiedenheit  zu 
befürworten,  so  tröstete  er  jetzt  den  hartgeprüften  Kollegen 
mit  zu  Herzen  gehenden  Worten:  „Der  Herr  hat  Sie  ge- 

würdigt, schreibt  er  an  ihn,  um  seines  Namens  willen  zu 
leiden;  ich  weiß,  Sie  tragen  das  mit  Geduld  und  freudigem 
Mut.  Und  wir  alle,  die  wir  wissen,  daß  Sie  auf  rechtem 

Wege  gewesen  sind,  als  Sie  so  und  nicht  anders  predigten, 
sind  Ihnen  nahe  mit  unsern  herzlichen  Fürbitten.  Grüßen 
Sie  Ihre  liebe  Frau!  Der  Herr  sei  mit  Ihnen  beiden!“  — Es 
berührt  unendlich  wohlthuend,  in  jener  Zeit  des  starren  und 
kalten  Bureaukratismus  aus  dem  Munde  eines  Vorgesetzten 
solche  von  Liebe  und  Teilnahme  zeugende  Worte  vernehmen 
zu  dürfen.  — Adolf  v.  Scheurl  ferner  ist  uns  schon  im  Laufe 
der  Untersuchung  als  ein  treuer  Freund  Volkerts  begegnet. 
Ihm  an  die  Seite  reiht  sich  im  folgenden  als  ebenso  opfer- 
freudiger und  edelmütiger  Helfer  in  der  Not  der  mit  einer 
Enkelin  Niethammer’s  vermählte  Kreisrat  Adolf  v.  Lupin,  der 
den  Angeklagten  nicht  nur  in  fortgesetztem  Briefwechsel  be- 
riet, sondern  auch  höhern  Orts  persönlich  seinen  ganzen 
Einfluß  einsetzte,  um  die  Sache  zu  einem  günstigen  Ausgang  zu 
bringen.  Nur  Präsident  v.  Roth,  dazu  Onkel  von  Volkerts  Frau2), 


1)  Auch  Luthardt  gedenkt  seiner  in  den  „Erinnerungen  aus  ver- 
gangenen Tagen.“  S.  111. 

2)  Volkerts  Frau  war  eine  geborene  Merkel,  Tochter  des  bekannten, 
frommen  Bürgermeisters  Johann  Merkel  von  Nürnberg;  des  letzteren 
Schwester  Katharine  Merkel  aber  war  seit  1809  an  v.  Roth  verheiratet. 


E.  Dorn,  Kniebengungsfrage. 


71 


war  letzterem  wegen  seines  Auftretens  nichts  weniger  als 
gnädig  gesinnt:  Seiner  eigenen  automatischen  Natur  wie 
seiner  Auffassung,  zu  den  Regierenden  müsse  man  in  jedem 
Falle  unbegrenztes  Vertrauen  besitzen,  widerstrebte  ein  Thun, 
das  Widerspruch  gegen  Verordnungen  von  oben  in  sich  trug. 
Um  so  erquickender  war  für  den  Angefochtenen  die  Teilnahme 
von  seiten  genannter  Freunde  und  ganz  besonders  seiner  In- 
golstädter  Gemeinde;  um  so  erhebender  endlich  das  Bewußt- 
sein, Gott  und  ein  gutes  Gewissen  auf  seiner  Seite  zu  haben. 
Am  27.  Mai  1846  war  der  „Zwangsvikar“  Rutz  ein- 
getroffen, um  die  Besorgung  der  amtlichen  Funktionen  zu 
übernehmen.  Die  einzige  Amtshandlung,  die  Volkert  während 
seiner  Suspension  verrichten  durfte,  war  die  Taufe  eines  Söhn- 
leins, das  ihm  in  schwerer  Zeit  geboren  wurde.  Aber  in  keinem 
Gottesdienste,  in  keiner  Christenlehre,  die  der  jüngere  Kollege 
hielt,  fehlte  der  abgesetzte  Pfarrer  der  Gemeinde,  ein  Ver- 
halten, das  sich  so  tief  in  die  Herzen  geprägt  hatte,  daß  heute 
noch  davon  erzählt  wird.  — Das  Nächste,  was  Volkert  in 
seiner  anhängigen  Sache  that,  war  eine  Berufung  an  das  Ober- 
appellationsgericht gegen  den  Beschluß  des  Appellations- 
gerichtes. Gleichzeitig  gab  er  den  Antrag  zu  Protokoll:  „Der 
oberste  Gerichtshof  wolle  seine  Angelegenheit  durch  einen 
Senat  entscheiden  lassen,  der  entweder  ganz  oder  zur  Hälfte 
aus  Protestanten  bestehe.  Denn  katholischen  Richtern  könne 
kein  klares  Einsehen  in  den  protestantischen  Lehrbegriff  zu- 
gemutet noch  zugetraut  werden.“  — So  spitzte  sich  das  Ganze 
auf  die  beiden  Fragen  zu:  Wie  wird  der  Senat  zusammengesetzt 
werden?  Und  wird  dieser  Senat  die  Untersuchung  aufheben 
oder  nicht?  Wir  können  begreifen,  in  welch  bangem  Warten 
der  Angeschuldigte,  seine  Angehörigen  und  Freunde  schwebten. 
— Die  erste  Nachricht,  daß  die  oberste  Kirchenbehörde  die 
nachgesuchte  Verwendung  für  Volkert  betreffs  der  Zusammen- 
setzung des  Senats  abschlägig  beschieden,  war  kein  guter  An- 
fang. Erfreulicher  wirkte  die  Mitteilung  des  Kreisrats  v.  Lupin, 
daß  die  katholische  Geistlichkeit  Ingolstadts  für  den  Angeklagten 
eingetreten  sei  mit  dem  Wunsche,  ihn  auch  fernerhin  zum  Amts- 
bruder haben  zu  wollen.  Doch  wurde  das  Fünklein  Hoffnung 
alsbald  wieder  ausgetilgt  durch  die  endgiltige,  betrübende  Kunde, 

G* 


72 


E.  Dorn,  Eniebeugungsfrage. 


daß  der  Bitte,  es  möge  der  Senat  wenigstens  zur  Hälfte  aus 
Protestanten  bestehen,  nicht  willfahrt  wurde.  Da  ergriff  Vol- 
kert  auf  Lupins  Rat  hin  das  letzte  Mittel.  Er  reichte  beim 
Justizministerium  ein  Bittgesuch  ein:  „S.  Kgl.  Majest.  wolle 
das  Präsidium  des  Oberappellationsgerichtes  anweisen,  die  Unter- 
suchung durch  einen  Referenten  aburteilen  zu  lassen,  der  ohne- 
hin einem  zur  Hälfte  aus  Protestanten  zusammengesetzten  Senat 
angehörte.“  Auch  dies  wurde  noch  abschlägig  beschieden.  End- 
lich am  14.  August  — fiel  der  erste  befreiende  Lichtstrahl  in 
das  Dunkel  der  Sachlage.  Ein  von  unbekannter  Hand  gesandtes 
Kouvert  enthielt  einen  schmalen  Papierstreifen  mit  der  Freuden- 
botschaft: Untersuchung  definitiv  aufgehoben.  — Was  durch 
Freundeshand  angekündigt  worden,  traf  einige  Tage  darnach 
als  amtliche  Mitteilung  ein.  Am  17.  August  hatte  der  An- 
geschuldigte  das  Schreiben  von  der  Aufhebung  seiner  Sus- 
pension in  Händen. 

Innige  Dankgebete  stiegen  aus  dem  Ingolstädter  Pfarrhaus 
zu  Gott  empor,  um  so  mehr,  als  der  Ausgang  auf  Grund  näherer 
Mitteilungen  fast  wie  ein  Wunder  erscheinen  mußte.  Denn, 
wie  es  hieß,  hatte  der  anfangs  zum  Referenten  bestimmte 
Schwager  Abels,  Oberappellationsrat  v.  Rinecker,  abgelehnt; 
der  an  seine  Stelle  ernannte  Oberappellationsrat  v.  Metz, 
Schwiegersohn  des  Präsidenten  v.  Hörmann,  katholischer  Kon- 
fession, gab  wider  Erwarten  ein  sehr  gediegenes  Referat  für 
Volkert  ab.  Bei  der  Abstimmung  entstand  Stimmengleichheit 
und  wurde  nur  durch  den  bestehenden  Rechtssatz,  daß  in 
solchen  Fällen  die  mildere  Ansicht  durchgehen  soll,  zu 
Gunsten  des  protestantischen  Geistlichen  entschieden.  Der 
Oberappellationsrat  v.  Arnold  war  der  einzige  Protestant  im 
Senat. 

Freude  erfaßte  auch  alle  diejenigen,  die  Anteil  an  Vol- 
kerts  Mißgeschick  genommen  hatten.  Am  23.  August  betrat 
er  zum  erstenmal  wieder  die  drei  Monate  lang  versagte  Predigt- 
stätte und  legte  seiner  dankerfüllten  Gemeinde  das  vorge- 
schriebene Evangelium  vom  Pharisäer  und  Zöllner  mit  Vor- 
anstellung des  Themas  aus:  Den  Hoffärtigen  widerstehet  Gott, 
aber  den  Demütigen  gibt  er  Gnade.  Alsdann  ließ  er  sich  von  der 
Hand  des  ihm  lieb  gewordenen  jungen  Amtsbruders,  der  heute 


E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 


73 


zum  letztenmal  anwesend  war,  vor  versammelter  Gemeinde  das 
heil.  Abendmahl  reichen.  — 

Tage  harter  Anfechtung  waren  nun  siegreich  überstanden. 
Gar  mancher  mochte  sich  freilich  fragen:  Wozu  die  ganze 
Untersuchung?  Wozu  die  monatelange  Ängstigung  eines  pflicht- 
getreuen Pfarrers?  — 

Doch  im  selbigen  Jahre  noch  sollte  Seelsorger  und  Ge- 
meinde all  ihr  Kämpfen  und  Zeugen,  ihr  Dulden  und  Arbeiten 
herrlich  gekrönt  sehen.  Am  15.  Nov.  1846  konnte  unter  über- 
aus zahlreicher  Beteiligung  das  lang  ersehnte  Fest  der  Ein- 
weihung eines  eigenen  würdigen  Gotteshauses  gefeiert  werden. 
Mußte  es  nicht  wie  Siegesgeläut  tönen,  als  zum  erstenmal 
evangelische  Glocken  über  die  alte  Donaustadt  hin  erklangen? 
— Nicht  allzulange  darnach  — es  mag  gelegentlich  eines  Be- 
suchs und  einer  damit  verbundenen  Besichtigung  der  neuen 
Kirche  gewesen  sein  — kam  Volkert  mit  König  Ludwig  in 
persönliche  Berührung.  Dabei  betonte  letzterer,  wohl  in 
Erinnerung  an  das  Vergangene:  Subordination  muß  man  pre- 
digen! Der  protestantische  Pfarrer  erwiderte:  Majestät,  ich 
werde  thun,  was  meines  Amtes  ist!  Sonst  war  der  König  sehr 
wohlwollend  und  gnädig  gegen  Volkert.  — 

Ungefähr  fünf  Jahre  noch  wirkte  der  treue  unermüdliche 
Geistliche  an  der  Ingolstädter  Diaspora-Gemeinde,  da  ergriff 
ihn  ein  altes  Leiden  mit  erneuter  Gewalt  und  ließ  ihn  nicht 
mehr  gesund  werden.  Volkert  starb  am  7.  Januar  1852,  in 
einem  Alter  von  erst  42  Jahren.  — Die  wissenschaftliche  Zeit- 
schrift für  Protestantismus  und  Kirche  widmete  dem  Heim- 
gegangenen einen  warmen  Nachruf  (1852,  XXIV,  pag.  58—64). 
Das  ehrenvollste  Denkmal  für  ihn  aber  ist  auf  dem  Kirchhofe 
von  Iugolstadt  errichtet,  ein  in  gotischen  Formen  ausgeführter 
Grabstein,  der  die  Inschrift  trägt:  ..In  seinem  Leben,  in  seinem 
Wirken,  wie  in  seinem  Tode  bestätige  sich  das  Wort:  Leben 
wir,  so  leben  wir  dem  Herrn;  sterben  wir,  so  sterben  wir  dem 
Herrn;  darum  wir  leben  oder  sterben,  sind  wir  des  Herrn. 
Ihrem  entschlafenen  Seelsorger  die  dankbare  Gemeinde.  Sein 
Andenken  bleibe  unter  uns  im  Segen  \x  Aber  auch  in  den 
Blättern  der  bayerischen  Kirchengeschichte,  denke  ich,  wird 
der  Name  Dr.  Volkerts  als  eines  evangelischen  Zeugen  aus 


74  E.  Dorn,  Kniebeugungsfrage. 

den  Tagen  der  Kniebengnng  würdig  sein,  einen  Ehrenplatz  ein- 
znnelimen. 

Die  inzwischen  eingetretenen  Ereignisse  in  Kirche  nnd 
Staat  seien  deswegen  nur  noch  kurz  berührt,  damit  wir  einen 
Abschluß  zu  unserer  Geschichtsperiode  gewinnen. 

Während  des  stürmischen  Landtags  1846,  auf  welchem 
durch  Bauer  und  Langhut  alle  noch  fortbestehenden  Beschwer- 
den der  Protestanten  rücksichtslos  zur  Sprache  kamen1),  war 
auch  Präsident  v.  Botli  noch  einmal  in  einer  ihrer  Form  nach 
klassischen  Beichsratrede  aufgetreten,  worin  er  das  Palladium  der 
Verfassung  zu  Gunsten  der  evangelischen  Kirche  hochhielt  und 
die  Bedeutung  des  Glaubens  an  ihre  Unantastbarkeit  her- 
vorhob : 

,.Zu  keiner  Zeit,  sagte  er  unter  anderen,  ist  der  unschätzbare 
Wert  eines  Positiven  so  wie  jetzt  ins  Licht  getreten:  eines  unver- 
sehrten. unbestrittenen,  ungeschwächten  Positiven,  das  allein  Achtung 
gebietet,  weil  es  sich  durch  sein  Dasein  selbst  rechtfertigt,  nicht  erst 
den  oft  mißlichen  Beweis  seiner  Zweckmäßigkeit  und  Berechtigung 
zu  führen  hat.  Ein  Positives  dieser  Art  ist  unsere  Verfassung,  die 
noch  keinen  Stoß,  keine  Antastung  und  keine  Gewalt  durch  er- 
zwungene Auslegung  erlitten  hat,  ob  sie  gleich  durch  die  große 
Zahl  ihrer  tief  ins  Einzelne  gehenden  Bestimmungen  dieser  Gefahr 
mehr  als  andere  bloß  gestellt  schien.  Jetzt  ist  sie  eine  Macht, 
unter  deren  Schutz  Rechte  und  Verhältnisse  in  Sicherheit  bestehen, 
die  sonst  gegen  die  reißende  Gier  der  Neuerung  von  oben  wie  von 
unten  kein  Besitz,  kein  Andenken,  kein  Titel  schützen  würde.  Diese 
bewahrende  Kraft  bleibt  ihr  so  lange  sie  sich  selbst  bewahrt:  sie 
entgeht  ihr,  so  bald  sie  auch  nur  den  kleinsten  Eingriff  duldet. 
Vicht  als  zöge  notwendig  ein  solcher  Eingriff  andere  noch  größere 
nach  sich:  den  Glauben  stört,  ja  zerstört  er,  den  Glauben  an  die 

Unantastbarkeit  der  Verfassung,  in  welchem  allein  ihre  Stärke  be- 

ruht. Es  ist  ein  tötender  Geist,  nicht  ein  lebendigmachender,  der 
ein  Gebot  der  Verfassung  ihrem  Buchstaben  zuwider  deutet:  denn 
über  den  Buchstaben  sind  notwendig  alle  einig,  über  den  Geist 

kann  eine  Zwietracht  entstehen,  die  nicht  zu  stillen  ist.  Wird  einer 

solchen  Deutung  einmal  stattgegeben,  so  wird  dadurch  eine  Lust 


1)  Vämlich  1.  Verletzung  der  verfassungsmäßigen  Rechte  der  Ge- 
neralsynoden: 2.  die  erschwerte  Bildung  neuer  Gemeinden-,  3.  die  Be- 
schränkung des  Gottesdienstes  zerstreut  wohnender  Protestanten;  4.  der 
Konfessionswechsel  Minderjähriger;  5.  die  Erteilung  des  Unterrichts  in 
der  kathol.  Lehre  an  minderjährige  verwaiste  schon  konfirmierte  Prote- 
stanten; 6.  das  Verbot  der  Gustav- Adolf  Stiftung.  Cf.  S.  35  dieses 
Bandes,  Anm.  1. 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien.  75 


und  eine  Hoffnung  geweckt,  die  zuvor  nicht  aufkommen  konnte;  die 
Lust  und  die  Hoffnung,  auf  dem  Wege  der  Auslegung  nach  dem 
Geiste  Neuerungen  zu  erzielen,  die  auf  dem  festen  Boden  des  Buch- 
stabens nicht  zu  erlangen  wären.  — Die  Zeiten  wechseln  und  die 
Menschen;  ganz  das  Gegenteil  des  jetzt  Beliebten  kann  in  kurzem 
die  Oberhand  gewinnen;  vergeblich  wird  dann  eine  Festigkeit,  die 
man  verscherzt  hat,  angerufen  und  zurückgewünscht. u 

Mit  diesen  wie  weissagenden  Worten  schloß  der  Redner. 
Schon  im  nächsten  Jahre  wurde  das  Ministerium  Abel  und  mit 
ihm  das  bisherige  Regierungssystem  gestürzt. 

Die  ganze  Bewegung  von  1838—1847  hat  der  Regierung, 
hat  der  katholischen  Kirche  geschadet,  dagegen  der  prote- 
stantischen genützt.  Die  evangelische  Bevölkerung  mit  ihren 
Geistlichen  voran,  ist  in  der  Not  sich  ihrer  selbst  bewußt  ge- 
worden. Nicht  von  oben,  sondern  von  unten  erfolgte  die  Re- 
aktion gegen  die  anmaßenden  verfassungswidrigen  Aktionen  des 
Ministeriums  Abel.  Die  evangelische  Landeskirche  Bayerns 
hat  durch  tapfere  Bekenntnistreue  ihr  Gemeingefühl  gekräftigt, 
viele  Gleichgiltige  wiedergewonnen,  selbst  die  Gegner  zur 
Achtung  gezwungen.  Gestärkt,  vertieft  und  innerlich  ge- 
schlossen ging  sie  aus  dem  Druck  hervor,  der  jahrelang  auf 
ihr  gelegen1). 


Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 

Von 

Rudolf  Herold, 

Pfarrer  in  Uffenheim. 

Eine  zusammenfassende  und  erschöpfende  Darstellung  der  Ge- 
schichte der  Schwarzenb.  Pfarreien  ist  bis  jetzt  noch  nicht  vorhanden. 
Aus  dem  17.  Jahrhundert  liegt  eine  anonyme  Druckschrift  vor,  die 
den  Titel  führt:  „Wohlbeglaubigte  Ausführung  sowohl  Gräfl.  als 


1)  Nachtrag.  Um  einem  Missverständnis  zu  begegnen, 
sei  berichtigend  nachgetragen,  daß  der  S.  19  des  vorigen  Heftes 
als  Schwiegersohn  v.  Roths  angeführte  Dr.  Dollmann  noch  nicht 
im  Jahre  1839,  wie  aus  jener  Anmerkung  hervorgehen  muß, 
sondern  erst  15  Jahre  später  in  diesem  verwandtschaftlichen 
Verhältnis  zur  Roth’schen  Familie  gestanden  ist. 


76  R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwär, zenberger  Pfarreien. 


auch  Freyherrlichen  Schwartzenbergischen  Stammregisters.  Auf  Frey- 
herrlichen  Befehl  zu  männigliches  Wissenschaft  öffentlich  an  Tag 
gegeben  a.  MDCLIX“,  und  welche  schon  durch  ihren  Titel  zu  er- 
kennen gibt,  daß  sie  anderen  als  kirchengeschichtlichen  Interessen 
dienen  will.  Es  sind  daher  die  kirchengeschichtlichen  Notizen  nur 
sehr  kurz  und  nebenbei  abgethan ; z.  B.  über  die  gewaltsame  Ein- 
führung des  neuen  Kalenders  und  die  ebenso  gewaltsame  Vertreibung 
der  ev.  Pfarrer  a.  1627  bringt  sie  nicht  mehr  als  3 Seiten  (S.  55 
bis  57).  Eine  ähnliche  Schrift  liegt  aus  dem  Anfänge  des  18.  Jahr- 
hundert vor,  nämlich  „Joannes  Henricus  Haimb  Seslacensis,  j.  u. 
Candidatus : Schwarzenberga  Gloriosa  Sive  Epitome  Historica  De 
Ortu  et  gestis  Serenissimae  Gentis  Schwartzenbergicae  a.  1708“, 
110  Oktavseiten.  Ihre  Nachrichten  sind  überhaupt  sehr  summarischer 
Art,  dienen  der  Glorifizierung  des  Schwarzb.  Geschlechtes  und  nur 
ganz  gelegentlich  fällt  etwas  für  die  Kirchengeschichte  ab.  Auch 
das  19.  Jahrhundert  hat  es  noch  zu  keiner  entsprechenden  Geschichts- 
darstellung der  Schwarzb.  Pfarreien  gebracht.  Zwar  die  Geschichte 
der  Schwarzb.  Pfarrei  Marktbreit  in  Unterfranken  hat  eine  sehr  ein- 
gehende Darstellung  gefunden  durch  den  vor  einigen  Jahren  dortselbst 
verstorbenen  ersten  Pfarrer  Rieh.  PI ochmann  in  seiner  „Urkundlichen 
Geschichte  der  Stadt  Marktbreit  in  Unterfranken  a.  1864“  (850  Seiten) 
und  in  seinem  „Lebensbild  des  M.  J.  A.  L.  Reiz,  ev.  Pfarrer  in 
Marktbreit  a.  1701  — 1753“  (248  S.,  a.  1867);  aber  die  Darstellung 
handelt  eben  nur  von  Einer  Schwarzb.  Pfarrei,  wobei  selbst  für  die 
anderen  unterfränkischen  Pfarreien  Schwarzenbergs  nur  ganz  Weniges 
abfällt  und  für  die  mittelfränkischen  gar  nichts.  Schornbaum  in 
seiner  „Reformationsgeschichte  von  Unterfranken“  (1880,  228  S.) 
bringt  nur  einige  kurze  Nachrichten  über  Marktbreit,  welche  aus 
Ploehmanns  Büchern  stammen,  und  hat  von  den  anderen  Schwarzb. 
Pfarreien  in  Unterfranken  nur  die  Namen.  Auch  Medicus  in  seiner 
sonst  so  gründlichen  „Geschichte  der  ev.  Kirche  im  Königreich 
Bayern  d.  d.  Rh.“  (1863,  558  S.)  lässt  uns  bezüglich  der  Schwarzb. 
Pfarreien  fast  gänzlich  im  Stiche.  Es  finden  sich  bei  ihm  nur  ganz 
vereinzelte  und  zerstreute  Notizen  und  an  der  Stelle  seines  Buches, 
wo  eine  zusammenfassende  Darstellung  der  Geschichte  der  Schwarz. 
Pfarreien  gegeben  werden  sollte,  nur  8 Zeilen  mit  der  Fußnote: 
„Mehr  als  die  spärlichen  Notizen  oben  in  der  ersten  Abteilung  konnte 
der  Verfasser  leider  über  die  Schwarzb.  Geschichte,  trotz  ausgeschickter 
Bitten,  nicht  finden.“  Weder  das  gegenwärtige  noch  die  früheren 
Jahrhunderte  haben  es  zu  einer  wissenschaftlich  genügenden  Dar- 
stellung der  Geschichte  der  Schwarzb.  Pfarreien  gebracht. 

Der  Grund  dieses  literarischen  Mangels  liegt  darin,  daß  das 
geschichtliche  Material  zu  einer  solchen  Darstellung  aus  den  Regi- 
straturen und  Archiven  noch  nicht  erhoben  und  zur  Bearbeitung 
dargeboten  ist.  Der  fürstlich-schwarzb.  Archiv-Assessor  A.  Mörath 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


77 


zu  Schwarzenberg  hat  im  Nov.  1880  in  der  Zeitschrift  „Kreisarchiv 
in  Unterfranken“  mit  einer  Veröffentlichung  aus  den  Schwarzb. 
Archiven  begonnen:  „Neue  Beiträge  zur  Geschichte  der  rheinischen 
Linie  des  Fürstenhauses  Schwarzenberg“  (18  S.\  scheint  aber  die 
Fortsetzung  unterlassen  zu  haben.  Es  ist  das  zu  bedauern,  da  aus 
den  Schwarzb.  Archiven  gewiß  das  beste  zu  holen  wäre1). 

Umsomehr  dürfte  verschiedenes  Material  von  Interesse  sein, 
welches  die  Registratur  des  Dekanats  Uffenheim  betrifft.  Dieses 
ehemals  markgräfliche  Dekanat  war  von  den  Angelegenheiten  der 
nahe  gelegenen  Schwarzb.  Pfarreien  sehr  viel  in  Anspruch  genom- 
men und  trat  stets  energisch  für  dieselben  ein.  Dicke  Aktenbände 
sind  in  diesen  Sachen  vorhanden;  einer  derselben,  betitelt:  „Schwarzen- 
bergische  Pfarren  und  Religionswesen  ins  Gemein“,  zählt  350  Hoch- 
folioblätter,  ein  anderer  von  134  Seiten:  „Schwarzenbergische 
Reformationsakten“  behandelt  lediglich  die  gewaltsame  Vertreibung 
der  Pfarrer  a.  1627,  u.  s.  w.  Aus  diesen  Aktenbänden  ist  noch 
manches  interessante  historische  Material  zu  erholen. 

Als  Anhang  des  zuletzt  genannten  Bandes  findet  sich  ein  be- 
merkenswertes Verzeichnis  der  ev.  Pfarrer  und  Schulmeister  in  der 
Grafschaft  Schwarzenberg  v.  J.  1589.  Nicht  bloß  sein  Alter  gibt 
diesem  Verzeichnisse  historischen  Wert,  sondern  noch  folgende  andere 
Umstände.  Der  Verfasser  desselben  ist  höchst  wahrscheinlich  M.  Jak. 
Wegelein,  welcher  a.  1587 — 1592  ev.  Pfarrer  in  Markt  Scheinfeld 
und  zugleich  eine  Art  von  Superintendent  der  Schwarzb.  Pfarrer 
war.  Er  kam  a.  1592  als  Pfarrer  nach  Adelhofen  im  Dekanate 
Uffenheim,  in  dessen  Registratur  Band  II  sich  über  ihn  die  Bemer- 
kung findet:  „et  reliquorum  in  comitatu  Schwarzenburgico  inspector 
fuerat.“  Daher  die  genaue  Einsicht  in  die  Verhältnisse  der  Pfarrer 
und  Schulmeister  und  Pfarreien,  besonders  auch  in  die  persönlichen 
Verhältnisse,  welche  dem  Verfasser  jenes  Verzeichnisses  zu  Gebote 
stand.  Dafür,  daß  der  Verfasser  seinen  Wohnsitz  in  Markt  Schein- 
feld hatte,  ergibt  sich  auch  aus  dem  Verzeichnisse  selbst  ein  An- 
haltspunkt: bei  sämtlichen  verzeichneten  Pfarreien  ist  ihre  lokale 
Entfernung  von  einem  gemeinsamen  Mittelpunkte  in  Meilen  an- 
gegeben, lediglich  bei  M.  Scheinfeld  nicht,  hier  war  der  Verfasser 
an  Ort  und  Stelle.  Was  dieses  Verzeichnis  besonders  bemerkens- 
wert macht,  ist  der  Umstand,  daß  es  nicht  etwa  nur  eine  trockene 
Aufzählung  von  Namen  und  Jahreszahlen  enthält,  sondern  es  bringt 
die  genauesten  Nachrichten  über  die  Herkunft,  über  den  meist 
wechselvollen  Studiengang,  über  die  Anstellungsverhältnisse,  über 
die  Lebensschicksale  der  Pfarrer  und  Schulmeister,  desgleichen  über 
die  Besoldungs-  und  andere  Verhältnisse  der  Pfarreien.  Leider  ist 


1)  Einen  kleinen  Beitrag  konnte  ich  liefern  in  dem  Art.:  „der  Markt- 
breiter  Kalenderstreit  a.  1697/99“  Bd.  II  dieser  Zeitschrift  S.  49—81. 


78  R*  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 

dies  Verzeichnis  in  einem  Zustande,  daß  es  nicht  mehr  vollständig 
reproduziert  werden  kann.  Das  Papier  ist  teilweise  zerfetzt,  ver- 
schimmelt, befleckt,  teilweise  von  einer  sorglichen  späteren  Hand 
überpappt  und  zwar  auch  an  beschriebenen  Stellen.  Die  Schrift  ist 
stellenweise  gänzlich  unleserlich,  verblaßt  und  vergilbt,  so  daß  man 
auch  mit  dem  Vergrösserungsglas  in  der  Hand  seinen  Zweck  nicht 
erreicht.  Was  entziffert  werden  konnte,  folgt  hiemit  als  erster  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  Schwarz.  Pfarreien,  dem  weitere  Beiträge 
sich  anschließen  werden,  und  zwar  möglichst  in  der  originalen 
Schreibweise,  doch  mit  Kürzung  des  Unwesentlichen. 

I. 

Matrieula 

das  ist  Verzeichniss  aller  und  jeder  Pfarr- 
herren  und  Schulmeister  inn  der  Grafifschaft 
Schwarzenbergk  und  angehöriger  Herrschaft 
Hohenlandspergk.  — Ao.  89.  (=  1589). 

Dieser  Ueberschrift  folgt  die  rein  namentliche  Aufzählung  der 
Pfarrherren  und  Schulmeister,  welche  hier  wegbleibt,  da  sie  sich  aus 
dem  Folgenden  von  selbt  ergibst. 

Marek  Schonfeld. 

Pfarrherr. 

M.  Jacobus  Wegelein,  von  Aycha  drey  Maylen  von  Augspurg 
in  Bajern  gelegen,  inn  patria  8 oder  4 Jar  ....  Inn  Tyr  oll  zu 
Hall  bei  Inßbruck  5/4  Jar  inn  die  Schul  gangen,  hernach  zu  Wien 
inn  Oster  Reich  in  der  particular  Schul  . . . auch  publicas  lectiones 
gehört.  Von  Wien  gen  Nürnbergk  kommen,  8 Jar  . . . bei  S.  Se- 
bald zwei  bei  S.  Egidien.  Inn  18  Jar  seyns  Alters.  Von  Nürn- 
berg gen  Leipzig  kommen,  und  bei  S.  Tkoma  1 (1/2?)  Jar  studiert 
in  particulari.  Von  Leipzig  gen  Wittenbergk  kommen,  51/2  Jar  da- 
selbst studirt1)  von  ejgnen  Costen,  daselbst  inn  Magistrum  pro  einem 

Ao.  Von  dannen  gen  Erfurt2)  und  allda  5/4  Jar  inn 

verharrt  . . . wollen  auch  darbei  . . . aber  ihn  nicht  zugelassen, 
wayl  er  anderßwo  promoviret.  . . . stehe  ihm  frey.  Aber  Lektionen 
gestatte  man  ihm  nicht.  . . . Witteberge  privatim  gelesen  l1/2  Jar. 
....  Von  Erfurt  gen  Arnstadt  kommen,  sich  zum  Ministerio  an- 
geben, und  allda  gehejret  des  Kirchner  und  Organisten  . . . Tochter. 
Von  dannen  gen  Rudolstadt  kommen  und  allda  Caplan  worden  bei 
M.  Luca  Mair  Pfarrherrn.  Zu  Arnstad  ordiniret,  zu  Rudolstad 
Caplan  zwei  Jar.  (Ao  68  ordiniret:  Randbemerkung).  Hernach  zu 


1)  Im  Album  Viteb.  nicht  zu  finden.  (Anm.  d.  Red.) 

2)  Vgl.  Akten  der  Universität  Erfurt  ed.  Weissenborn  II,  410.  Winter- 
sein. 1565:  Dns  Jacobus  Wegelein  Augustanus  mag.  Vitebergensis  dt.  */*  Kr. 

(Anm.  d.  Red.) 


R_  Herold,  Zur  Gesdndhte  der  Jkhw«zcnb«^er  Pfaireeiem. 


Braumßdorff  Pfarrherr  worden,  nufer  dem  GraiFem  toh  Sehwaizen- 
bergk.  Graff  Albreehtem.  Lemger  dämm  zwei  Jar  allda  blieben.  Vom 
dämmen  imß  Krilium  kommen,  weil  . . sieb  zm  Herrn  . . . time»  kielte 
zu  Salfeld.  Von  M.  Luco  Mair.  der  ein  Synergist  war.  vertrieben. 
Viertkalb  -Jar  im  Exil  io  gewesen.  Nach  Anfang  des  Exilii  gen 
Wiesemtbayd  kommen,  zum  Pfarrherr  daselbst  angenommen  tand  ver- 
ordnet worden  dmrcli  Gra ff  Comradcn  von  Castel.  Zwey  Jar  allda 
Pfarrherr  gewest.  Allda  alß  die  Fuchsin,  des  Bisehoffs  zn  Würfcz- 
burg  Schwester,  nicht  znr  Gevatterschaft  zugelassen,  Dietrich  Echter  ? 
ihn  aufsF  der  Straßen  amgeredt  und  blutrünstig  geschlagen,  als  er  gen 
Büdenhaußem  gangem.  Auch  . . . Echter  inn  Hamfi  überfallen  wollte, 
von  dem  Fnehs  verstricket  viertel  Ja r.  nmd  durchs  Cammeagerieht  er- 
ledigt worden,  wavl  er  kain  Gewalt  über  ihn  gehabt.  Graff  Ctamrad 
hatt  das  Mandat  angebracht  bei  dem  Cammergerieht.  Von  dannen 
gen  Bayseh  unter  Bernhard  von  Hutten  kommen  nmd  allda  Pfarr- 
herr  gewest  bei  9 Jarem.  Vom  dannen  vociret  worden  von  Graft 
Hanßen  zn  Schwarzenbergk.  wird  auf  Martini  künftig  zwey  Jar.  daß 
er  Prarrkerr  worden.  Ist  Itzumd  bey  50  Jarem.  hatt  drej  Kimder. 
ein  Son  der  erwachsen  ist.  und  zwo  Tochter.  Ist  im  Ministerin 
21  Jar.  Hatt  Formulam  Concordiae  snbsoibieret.  alß  er  noch  zn 
Wiesenthayd  unter  Graff  Comradem  von  Castel  gewest.  Hatt  deren 
: daran?  kejn  Mangel.  Bekannte,  sich  zn  derselben  Ore  et  Corde. 

Eegt  Frag  ein:  L Von  bekannten,  kalßstarrigem.  versteckten. 

. : ' ' . : . • r t-t-oi  ; : Ae  ::::  i“  — A.  ' ::  : 

Nein.  H.  Von  bekannten,  aber  doch  nicht  hal  ßsf amgeirn.  verstock- 
ten, nmbnßfertigen.  ob  die  znzulasscn.  — Antwort:  Ja.  1IF  c Un- 
leserlich . IV.  Ob  er  Pff.  recht  getham:  daß  er  ungefähr  vor 
I Wochen  den  Secrefarinm  von  der  Tauff  abgesebaffk.  der  hernach 
den  Pfarrherr  zu  Schwarzenberg  erfordert  und  tauffem  lassen,  anch 
gedrauet,  Ihm  Pfairherra  durch  diesen  Fall  den  gar  auß  zu  machen. 
— Antwort:  Der  Pfarrer  hat  zu  geschwind  gehandelt.  Sollt  den 
Secretarium  zuvor  beschieden  und  ihm  zugeredt  haben : dann  hatte 
er  Ursach  können  nehmen,  sich  gegen  Ihn  zu  ejn  oder  anderrn  Weg 
zu  erzeigen.  < Randbemerkung : Hatt  sich  der  Secretarins  mmterdeß 
in  sejnem  Hauß  mit  dem  h.  Abendmahl  versehen  lassen  durch  den 
Pfairherra  zu  Gejßelwindj. 

Caplan  Andreas  Dnselins  hat  den  Brauch,  daß  er  zn  Weibern 
in  Kindßmöten  gehet,  anch  nnerfordert.  Ham  anch  bei  dem  . . . auff 
dem  Schloß  das  Kind  alß  ein  Gevatter  auß  der  Tauff  gebebt  und 
selbst  getamfit.  welches  imformblieh. 

NB!  Fünf  Pfairberm  die  Instruktion  zustelleu.  wie  es  mit 
den  Clagen  zu  halten  zwischen  Geistlichen  nmd  Weltlichen,  wo  jeder 
Thayl  clagen  soll,  in  Sch  wantzen  berg  oder  Marckgralffkhunih. 

Pfarrherrns  Besoldung:  110  fl.  an  Geld.  1 Mltr  Dünkel. 
1 Mltr  Habern.  3 Für  Feuerholz.  Freye  Wohnung. 


80 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Sch  warzenberger  Pfarreien. 


Eingepfarrte  Ort  zu  Marek  Schonfeld:  Holweiler,  Franckfurt, 
Birkach  au  ff  der  Heyden,  Lachern,  Kornhochstadt,  Untendaschendorff, 
Krappertßhofen,  Diirrbergk , Sehnorzenbach  3 Unterthanen , die 
Pfarr  ist  jetzt  pappenheimisch,  Unter-Arnbach  3,  Ober- Arnbach 
2 Unterthanen,  Hohnbeer.  (Die  verzeichneten  Ortsentfernungen, 
welche  bis  zu  ,,1  Mayl  Wegs“  d.  i.  2 Stunden  betragen,  sind  hier 
weggelassen).  — 

Auf  dem  Bande  dieser  halbständig  geschriebenen  Angaben 
finden  sich  spätere  Ergänzungen  von  der  Hand  des  a.  1627  ver- 
triebenen Pfarrers  von  M.  Herrntzheim,  Vitus  Ulricus,  über  die 
Nachfolger  des  M.  Wegelein:  ,,Huic  successit  Balthasar  Biener 
gewester  Diaconus  zu  Leutershaußen.  Der  heit  stand  bei  Manchen 
anstössen  bis  uff  endlich  erfolgte  reformation,  Ao  1627.  Nachdem 
Brandenburg,  soviel  es  könnte,  abgewehrt,  aber  es  halff  alles  nichts, 
Grav  Georg  Ludwig,  verleidet  durch  Johann  Heiden  x),  einen  Apo- 
staten, führt  es  mit  Gewalt,  und  starb  dieser  Hr.  Biener  seel.,  ein 
exul,  in  der  Neuen  statt  an  der  Aiscli.  — Unter  schwedischer 
Reformation  kam  Mich.  Grasser,  vor  gedachter  Reformationszeit 
gewester  Schulmeister  zu  Scheinfeld,  vom  Cantoratsdienst  zu  Creilß- 
heimb  zum  Pfarrampt  zu  Scheinfeld,  wird  aber  . . . bald  hernach 
bei  Einbruch  kaiserischen  Volkes  ao.  1634  wieder  ausgejagt.“ 
Ausser  diesen  Ergänzungen  folgt  noch  hier  und  bei  den  folgenden 
Pfarreien  eine  außerordentlich  detaillierte  Beschreibung  des  Pfarr- 
einkommens, ebenfalls  von  der  Hand  des  Pfr.  Vitus  Ulricus,  deren 
Mitteilung  hier  und  ferner  mit  Rücksicht  auf  den  beschränkten 
Raum  dieser  Zeitschrift  unterbleibt. 

Caplan. 

Andreas  Duselius  von  Görich  (GerachV)  inn  Stifte  Bambergk 
bei  Baunach  gelegen,  inn  der  Jugend  zu  Rentweinßdorff  unter  denen 
von  Rotenhan  2 Jar  in  die  Schul  gangen.  Von  dannen  gen  Nürn- 
bergk  inß  . . . bei  M.  Vito  . . und  Andrea  Bohemo  zu  S.  Sebald 
und  Lorentzen.  Von  Nürnberg  in  Oster  Reich  kommen  inß  . . . 
und  zu  Wejher  Steirischer  Obrigkeit  ....  Von  dannen  gen  Melek 
an  der  Thonau,  allda  ...  in  der  Schul  gewest  1 Jar.  Allda 
Schlosser  (?)  und  Coeler  enturlaubt  worden  sambt  Im  wegen  des 
Evangelii.  Von  Melek  in  dieses  Land  gen  Nürnbergk.  Hat  Ihn 
Andreas  Bohemus  gen  Schaberg  (?)  Commendicrt,  daß  er  paedago- 
gus  werden  solle.  Aber  nicht  geschehen.  Von  dannen  gen  Cron 
Weissenburg  an  Rejn,  in  die  Schul  gangen  1 Jar  lang.  Von  dannen 
gen  Basel,  daselbst  deponirt  und  inscribirt,  2 Monat  allda  gewest 

Von  Basel  Schuldienst  bekommen  zu  Bichal  unter  Julio 

von  Dingen  3/4  Jar.  Von  dannen  gen  Mark  Senßhejm  kommen  in 
Schuldienst  lenger  denn  4 (?)  Jahr.  Von  dannen  zum  Diaconat 


1)  War  schwarzb.  Amtmann. 


B.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


81 


gefordert  gen  Marek  Schamfeld,  zu  Onolzbach  examinirt  und  ordi- 

nirt.  Ist  6 Jar  in  Dienst.  Ist  35  Jar  allt.  2 Kinder,  sind  ihm 

fünf  gestorben.  Hart  dialecticam  nicht  studirt. 

© 

Besoldung:  LXXX  fl  an  Geld.  2 Ml tr  Korn.  Feuerholz. 
Freye  Wohnung,  wolgebaut.  — 

Ergänzung  von  der  Hand  des  Pfr.  Vitus  Ulricus:  „Paulus  Winter, 
Diaconus  zu  Marek  Schamfeld,  wird  Pfarrherr  zu  Ipfykheimb,  suc- 
cedirt  Herrn  Job.  Christ,  der  nach  Herrn tzheimb  kommen,  ward 
mit  anderen  äö.  627  vertrieben.  — Balthasar  Beuerlein,  Diaconus 
zu  M.  Sehainfeld,  der  Zeit,  da  die  Reformation  in  der  Gravschafft 
vorging.  äö.  627  10.  Martii.  ward  aber  hernach  Caplan  zu  Priehsen- 
statt.  Und  ist  das  Diaconat  gantz  gefallen  und  umpracht.  Unter 
Königl.  M.  in  Schweden  wider  ein  ev  Pfarrer  daselbst  hingesetzt 
worden.** 


Schulmeister. 


Mauritius  Piscatorius  von  Coburg,  inß  6.  Jar  Schulmeister.  In 
Coburg  studirt  biß  inß  14.  Jar.  Hernach  gen  Zeitz  kommen,  2 Jar 
bei  der  Schul  frecjuentiret.  Zu  Leipzig  deponirt  und  inscribirt,  alß 
er  zu  Zeitz  gewest.  Von  Zeitz  gen  Freyberg,  2 Jar  allda  studiret. 
Von  Freyberg  gen  Halle,  2 Jar  allda:  ein  paedagogiam  gehabt  hei 
Doctor  Unruhe.  Von  dannen  gen  Wittenbergk.  allda  2 Jar  Stipen- 
dium Koribergensis  Andreae  Bohemi  gehabt,  20  fl.  ein  Jar.  1/2  Jar 
famuliret.  Hernach  gen  Nürnberg  kommen  und  paedagogus  bei 
Hanß  Georg  von  Wallenrodt  1 Jar  lang.  Von  dannen  gen  Ein- 
heimb  (EnheimV)  kommen  bei  Ochsenfurt  und  allda  dem  Pfarrherr 
sejn  Sohn  instituiret  l1/^  Jar.  Von  dannen  gen  Ueffickhejm  und 
allda  Schulmeister  worden,  2 Jar.  Von  Ueffickhejm  gen  Marek 
Schainfeld.  Wird  83  Jar  auff  Wolfgang.  Hart  ein  Wejh  und 
kein  Kind. 


Besoldung:  L fl  an  Geld.  1 Mltr  Korn  auß  gnaden.  Holz 
für  die  Schule.  Freye  Wohnung. 

Ist  Organist  mit.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus : „Georg  Burk  von  Klein  Lank- 
heiinb.  Schulmeister  zu  M.  Schainfeld.  kommt  von  denen  fort  gen 
Domheimb  uff  die  Pfarr,  da  ward  er  äö  627  vertrieben.  — Michael 
Grasser.  obbesaget  (s.  S.  5),  Schulmeister  daselbst  ward  temp. 
reform:  äö  627  erstgemeldt  vertrieben,  ward  Cantor  zu  Creilßheimb. 
im  Herbste  anni  ej.  endlich  aber  Pfarrer  zu  Schainfeld  uti  dictum. - 

Dornheim. 

Pfarrherr  Maurit.  Hecklein.  4 Jar  allda,  der  Geburt  von  Stein- 
feld unter  den  Truchsessen  von  Pommersfelden.  Zu  Steinfeld  3 Jar 
inn  Schul  gangen.  Von  dannen  gen  Coburg  kommen  und  VI  Jar 
allda  studiret.  Von  dannen  gen  Jena  gezogen  und  V Jar  bei  der 


82  K.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


Universität  studiret.  Hernach  unter  Christoph  von  Di  . . . zu 
Langenau  zu  Kirchendienst  kommen  und  zu  Leipzig  ordinirfet.  Ist 
allda  21/2  Jar  geblieben.  Hernach  unter  den  Druchsessen  zu  Pom- 
mersfelden  zu  Rötenbach  Pfarrherr  worden  und  allda  fast  3 Jar 
geblieben.  Von  dannen  ist  er  auff  die  Pfarr  Lenckerßhejm  im  Marck- 
grafthumb  Brandenburg  angenommen  worden  und  allda  blieben 
XI  Jar.  Alß  er  allda  wegen  sejnes  Wejbs  plötzlichen  (?)  Abgang 
abgeschafft  worden,  ist  er  gen  Dornhejm  kommen.  Ist  albereit 
47  Jar  allt,  hatt  ejnen  Son  und  drej  Töchter,  unter  denen  zwo 
ziemblich  wol  erwachsen.  Hatt  albereit  der  Formula  Concordiae 
unterschrieben,  wejl  er  zu  Lenckerßheim  gewest.  — 

Ergänzung  durch  Pfr.  V.  Ulricus : „Georg  Burk  von  Klein 
Lanckheimb  Pfarrer  zu  Dornheimb  ward  vom  Schuldienst  von  M. 
Schainfeld  aus  dahin  Jransferirt,  ward  mit  andern  a.  627  vertrieben, 
starb  im  Elend,  zu  Helmitzheim  Ao.  28  d:  13.  Maij  begraben.“ 

Marek  Senfsheim. 

Nichts  eingepfarrt.  Pfarrherr  Paulus  Heinickel,  bei  Münerstad  von 
Kleinwenckhaimb.  Von  dannen  gen  Hall  in  Sachsen,  4 Jar  in  die 
Schul  gangen,  zwei  jnnge  Knaben  ejnes  Saltz  Junckhern  Melchior 
. . . inu  die  Schul  geführt.  Von  dannen  gen  Jena,  3 Jar  studiert 
alda,  bej  . . . Balthasar  . . . famulus  ein  Jahr  gewest.  Von  dannen 
gen  Münnerstad  kommen  und  . . . bei  der  Schul  gewest  3 Jar  lang. 
Hernach  von  Christoff  von  Maßbach  gen  Dürrfeld  vociret  und  Pfarr- 
herr worden.  Ist  zu  Schweinfurt  ordiniret.  1 Jar  Pfarrherr  gewest. 
Drauff  wider  nach  Jena  gezogen  und  studiert  und  durch  Wigandium 
. . gen  K . . . bej  Salfeld,  alda  Caplan  worden  bei  M.  Adam  Remp 
Pfarrherrn,  so  jetzund  nahe  bei  Weimar  Pfarrherr,  4 Jar  alda  Pfarr- 
herr blieben.  Alda  sein  Wejb  genommen.  Alda  abgesetzt  drumb 
daß  er  den  Wittebergischen  Catechismum  nicht  unterschrejben  wollen. 
Drauff  3 Jar  im  Exilio  gewest  zu  Zell  an  der  Heiden.  Bernhard 
Hutten  alß  Pfarrherrn  zu  Geckenhajm  gehabt  Melchior  Bischoff 
genanndt,  der  hat  Jhn  hingebracht  da  er  gen  Michelfeld  zum  Pfarr- 
herr verordnet,  2 Jar.  Vou  dannen  gen  Marek  Senßhejm  durch 
Beförderung  Schmiddi  (?)...  Kaplans  zu  Maynbernhejm  kommen 
und  Pfarrherr  11  Jar.  Inn  die  40  Jar  allt.  Hatt  Wejb  und 
3 Kinder,  ein  Sohn  und  zwo  Töchter.  Platt  k ejnen  Mangel  an  der 
Formula  Concordiae,  liatt  bej  dem  Graff  Ilanßen  albereit  privatim 
unterschrieben  nicht  allein  mit  der  Hand  sondern  auch  von  ganzem 
Herzen.  Ist  auch  bereit  zu  unterschrejben.  Hatt  inn  die  70  Herd- 
stedten. 

Besoldung:  100  fl  an  Geld.  10  Mltr  Korn.  2 Gerten  Holz, 
ein  Stamm,  2 Fuderlein.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus:  „Deine  succedirt,  soviel  mir 
bewußt,  Hanß  Berger,  ein  Schweinfurter  als  ich  halte;  diesem äö.  626 
M.  Joli.  Suevus,  gewester  Pfarrer  zu  Ipfigkheimb,  der  hernach  temp. 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien.  83 

offt  berhürter  reformation  vertrieben,  endlich  äö.  628  im  Herbst  der 
Herrn  Graven  zu  Rüdenhaußen  und  Castell  Superintendens  worden, 
starb  im  elend  äö.  634  zu  Kitzingen,  dahin  Er  mit  seinen  Herrn 
Graven  geflohen.  Unter  reformation  König].  Mayest.  in  Schweden, 
da  die  Cathol ischen  Geistlichen  geflohen,  kam  dahin  . . Hailman 
von  Windßheimb,  der  bald  vertriben,  Pfarrer  endlich  zu  Ergerßheimb 
worden  äö.  1636.“ 

Schulmeister. 

Valentinus  Conradius  von  Gnodstad.  Zu  Kitzingen  6 Jar  stu- 
diert. Zu  Onolzbach  unter  den  pauperibus  erzogen.  Von  dannen 
gen  Magdeburg,  wegen  papam  (?)  wider  nach  Gnodstad.  Hernach 
gen  Witteberg,  2 Jar  studiert  philosophiam  und  theologiam.  Ist 
28  Jar  allt,  hatt  noch  kejn  Wejb. 

Besoldung:  42  fl  an  Geld.  3 Mltr  Korn.  2 Meß  Holz.  Kejn 
Accidentia. 

Hatt  kein  Mangel  an  der  Formula  Concordiae,  will  subscribiren. 

Mangel:  Die  Schul  gering.  Schul  hauß  baufällig,  kann  für 
Regen  nicht  blejben.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus:  „Joan.  Christ,  der  hernach 
Pfarrer  zu  Iphigkheimb  worden.  — Phil.  Frech  von  Steinßfeld  in 
der  Rotenburger  Landwehr,  kam  gen  Reinßbronu,  ward  daselbst 
Pfarrer.  — Tileman  Ulrich  succedirt  Deme,  verstarb  an  der  Pesti- 
lentz  äö.  625  daselbsten.  — Joan.  Armknecht,  nahm  Vorgedachten 
nachgelassene  Wittib,  ward  mit  anderen  Geistlichen  bei  Vorgegange- 
ner Reformation  äö.  27  vertriben,  kam  unter  die  Gravschaft  Rem- 
lingen, ward  ein  Schulmeister,  bald  ein  Pfarrer,  nam  ein  bös  End, 
starb  in  summa  dissolutione  wegen  böser  Händel. u 

Huttenheim. 

Nichts  eingepfarrt.  M.  Paulus  Weller  von  Freyburg,  Doctoris 
Hieronymi  Welleri1)  Vetter,  sejns  Brüdern  Son.  Hernach  von  Frey- 
burg befördert  worden  gen  Mejßen  inn  die  Fürsten  Schul  sub  Georgio 
Fabricio  5 Jar.  Von  dannen  gen  Niirnbergk  unter  die  12  Knaben 
aufgenommen  4 Jar  lang.  Von  dannen  gen  Wittenbergk  geschickt 
worden  mit  dem  Stipendio  ejns  patritii,  Carl  Fierers,  järlick  50  fl, 
3 Jar  lang.  Hatt  zu  Witteberg  promoviret  äö.  69.  Von  dannen 
wider  gen  Nürnbergk  kommen  und  gen  F . . . bergk  (?)  zum 
Pfarrherr  verordnet.  Noribergae  terminirt,  Probepredigt  gethan,  aber 
nicht  ordiniert,  weyl  die  zu  Nürnberg  kejnen  ordinieren2),  4 Jar  zu 

1)  Ueber  diesen  Freund  und  Schüler  Luthers  vgl.  H.  Nobbe,  D. 

Hier.  Weller  von  Molsdorff,  Leipzig  1870.  (Anm.  d.  Red.). 

2)  In  Nürnberg  wurde  die  Ordination  erst  üblich  im  Jahre  1583.  Vgl. 

Th.  Kol  de,  Zur  Geschichte  der  Ordination  und  Kirchenzucht.  Theol. 
Stud.  u.  Kritiken  1894  S.  242  ff.  Zu  der  dort  erwähnten  Litteratur  ist 
hinzuzufügen:  Waldau,  Alinanach  für  Freunde  der  theol.  Litteratur 
etc.  aufs  Jahr  1781  S.  132  ff.  (Anm.  der  Red.) 


84 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


F . . . bergk  (?)  Pfarrlierr  gewest.  Von  dannen  gen  Hittenhejm 
Pfarrherr  worden,  allda  er  nuhmehr  15  Jahr.  Hatt  zu  Nürnberg: 
gehajret  und3  Söne  im  Leben,  hatt  . . . Typographi  Tochter.  Ist 
49  Jar  allt,  äö.  40  geboren. 

Besoldung:  30  Mltr  Korn  im  Sack.  5 Mltr  Weytz.  51 0 Mltr 
Habern.  7 fl  Zinßgeld.  14  Morgen  Acker  iun  drei  Feld.  9 Mor- 
gen Wießen  weniger  1 Viertel.  . . . 1 1/2  . . Herdstetten.  Neue 
Wohnung. 

Schulmeister  kejne  Clag.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus : ,.Huic  succedirte  Herr  Joh. 
Schefer.  vorhin  gewester  Schulmeister,  der  ward  70jährig  bei  der  Pfarr 
äö.  627  vertrieben,  starb  im  elend  zu  M.  Bernheimb,  da  er  seinen 
Pfenning  zehrte.  — Unter  Schwedischer  Reformation  kam  ein  . . Rosa 
von  Obernbrait,  ward  aber  beim  Einfall  Kaiserl.  Soldaten  äö.  634 
vertrieben  und  endlich  nach  langem  exilio  Pfarrer  zu  Mönch  Sund- 
heimb  äö.  63 7 .rt 

Schulmeister. 

Joh.  Fischer  von  Rehau  au  Am  Gebirg  4 Jar  Schulmeister,  hatt 
zu  Zeiz  inn  Meißen  8 Jar  studirt  bej  sejnen  praebenden  (?).  Von 
dannen  gen  Wejßenfelß  kommen,  3 Jar  frequentiert.  Von  dannen 
. . . gen  Nürnberg  und  allda  1 Jar  ver blieben,  zu  S.  Sebald.  Von 
Nürnberg  wider  gen  Zeiz  begeben  und  allda  D.  Auenrieden  gehöret, 
aber  in  Eb  . . is  nichts  studiert.  Von  dannen  gen  Leipzig  und 
alda  studiert  bey  der  Universität  2 Jar  propriis  sumptibus.  Ao.  88 
gen  Bulenhejm  kommen  und  durch  Hülf  des  Pfarrherrn  daselbst  . . 
Schul  stad  zu  Hiittenhejm  bekommen.  Ist  im  30.  Jar.  hat  ein  Wejb 
gehayret  zu  Marek  Senßhejm  und  2 Kinder.  Ist  zugleich  Gerickt- 
schrejber. 

Besoldung:  20  fl  an  Geld,  zehen  vom  Gotteshauß,  zehen  von 
der  Gemejn.  1 . . Lejb  Brods  von  den  Pfarr  hindern.  Krautäcker- 
lein von  der  Gemejn.  Giebt  kejn  Schüler  für  die  Lernung  nichts. 
Accidentia  von  der  Schrejberej  etwa  10  fl. 

Gehen  wenig  Kinder  Inn  der  Schul  in  Sommer,  Im  Winter 
oAt  80  oder  60.  — 

Ergänzung  des  PA.  V.  Ulricus  fehlt. 

Marek  Herrnetsheim. 

Nichts  eingepfarrt,  70  Herdstedte.  Pfarrherr  Michel  Körtl  (?) 
von  Gerabrunn.  Ex  patria  gen  Schwäbischen  Hall  kommen  und 
3 Jar  in  die  Schul  gangen  unter  Michael  Korner.  Von  dannen  gen 
Straßburg  gezogen.  6 Jar  alda  studiert  und  apud  D.  M . . . (Mur- 
rium?)  ein  Beneflcium  gehabt  6 Schilling  an  Geld  und  6 Lejblein 
Brods.  Bejm  Sch  ...  in  Blawenhauß  Knaben  zu  instituiren  gehabt. 
Von  dannen  zu  Ludwig  von  Crailßhejm  zu  Niderhall  kommen  und 
alda  4 Knaben  instruiret  19  Wochen,  alß  der  Jimkher  inn  Wirtem- 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien.  85 

berger  Land  zogen.  Wider  gen  Hall  kommen  und  dem  Georg  W . . . 
zween  Söne  instruirt  und  in  die  Schul  geführt  10  Wochen.  Von 
dannen  auf  die  Pfarr  Stejnach  kommen,  am  Kocher,  Deutsch-Herrisch 
Lehen,  welches  er  vom  Commenthur  zu  M . . . tal  empfangen.  Ist 
sein  Schwager  21  Jahr  alda  Pfarrherr  gewest,  liegt  nicht  wejt  von 
Morstain,  da  Hanß  und  . . . von  Crailßheim  wohnen,  haben  die 
Ganerben  die  hohe  Obrigkeit,  6 Jar  alda  Pfarr  gewest.  Ordiniret  zn 
Schwäbischen  Hall  von  Joh.  Rößler.  Alß  er  bejm  Commenthur  an- 
geben, daß  sein  Magd  Unzucht  trieben,  ist  er  enturlaubt  und  an  sejn 
statt  Georg  Herman,  so  zu  W . . . Pfarrherr  gewest,  verordnet 
worden.  Ist  nach  Vertrieb  inn  die  Unterpfalz  kommen,  zu  Rajha 
bej  Singen  Pfarrherr  worden,  1 Jar  lang  alda  gewest  bis  auff  Ab- 
sterben Pfalzgraff  Philips  Ludwig.  Wegen  des  Casimiri  Edict 
sambt  andern  enturlaubt  worden,  alß  sie  darein  bewilligen  wollen. 
Ein  Jar  im  exilio  und  hernach  auff  der  Superintendentur  zu  Onolzbach 
Commendation  von  Grafen  Hanßen  angenommen  vor  4 Jaren.  Ge- 
hejret  zu  Steinach,  hatt  6 Kinder,  so  im  Leben  sein,  3 Söne  und 
3 Töchter.  Ist  36  Jar  allt. 

Besoldung:  80  fl  an  Geld.  10  Mltr  Korn.  Mit  der  gemajn 
Holz  1 Meß  ...  3 Viertel  Wießen  und  ejnen  kleinen  Zehenden 

. . . . zur  Addition. 

Bekennt  sich  zur  Aug.  Confession  und  Formula  Concordiae,  hatt 
derselben  zu  Hejdelberg  unterschrieben.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus,  der  äö.  1625 — 1627  selbst  hier 
Pfarrer  war:  ,,M.  Georg  Conradi,  gewester  Pfarrer  zu  Alberhofen, 
ward  Pfarrer  zu  M.  Herrntzheimb,  fast  in  die  16  Jahr,  starb  äö.  1625 
im  Januario.  — Derne  succedirte  Veit  Ulrich,  gewester  Pfarrer  zu 
Uttenhofen  ord.  mö.  umb  Pfingsten,  der  ward  unter  der  reformation 
äö.  627  mit  andern  vertriben  und  nach  gantzjärigem  exilio  ward  er 
Pfarrer  zu  Mitteldachstetten  äö  628  umb  Petri,  äö.  637  Pfarrer  zu 
Welbhaußen.  — Unter  Schwedischer  reformation  Herr  N.  Fuchß, 
der  bald  anderß wohin  kommen.  Derne  folget  N.  N.  Pfarrer  zu 
Michelfeld,  der  starb  bald,  nachdem  er  kaum  ein  Vierteljahr  Pfarrer 
gewesen.  Derne  folget  J.  Baustein,  der  ward  äö.  634  bei  Kaißerl. 
Volckes  einbruch  Vertriben.“ 

Schulmeister. 

Kilian  Horn  von  Rotenburg  auff  der  Tauber.  Erst  in  die 
Lateinisch  Schul  dortselbst  gangen.  Darnach  auff  die  Rechenschul 
gethan  1 Jar.  Dahejm  zu  Rotenburgk  vor  14  Jaren:  Schulmeister 
zu  Oberdachstetten  gewesen  51/2  Jar.  Alß  er  geringer  Besoldung 
wegen  weggezogen,  gen  Windelspach  kommen  und  daselbst  trivial 
Schul  gehalten  1 Jar  lang.  Von  dannen  gen  Hofeld  kommen  und 
1 Viertel  Jar  bei  sejnen  Vettern  da  . . .,  sich  alda  verhejert.  Von 
dannen  gen  Marckherrnzhejm  kommen,  vom  Secretario  angenommen, 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengescliiclite.  V.  2.  7 


86  R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenbergcr  Pfarreien. 

der  gemajn  pflicht  gethan.  Ist  2 Jahr  alda.  35  Jar  allt.  Katt 
zuglejch  die  Schrejberej  im  Flecken.  . . . Pfarr-,  Gotteshauß- 

Rechnung  muss  er  schrejben.  Hatt  6 Kinder,  davon  3 zu  . . ., 
3 hatt  er  bei  sich. 

Besoldung:  12  fl  an  Geld  vom  Gotteshauß.  4 Mltr  Korn. 

1 Meß  Holz  auß  der  gemajn.  Krautflecken  von  der  gemajn.  56 
Kinder  den  Winter  über,  aber  geben  nichts  für  die  Lernung.  Von 
Läutgarben  hat  er  ...  2 Mltr.  Für  die  Knaben,  so  in  die  Schul 
gehen,  gibt  Jeder  1 Vierte ljar  1 Ort,  wie  auch  an  andern  Orten, 
für  Holz  und  Lernung.  Das  Holz  giebt  sonst  die  gemajn. 

Uffickheim  und  Wasserndorff. 

Filial  Wasserndorff.  Pfarrlehen  ist  des  Thumb  Capitel  zu 
Wirtzburgk,  hatt  aber  der  Graf  njmalß  dem  Thumb  Capitel  ejnen 
gestellt,  sondern  allein  durch  schrifften  ersucht,  hatt  es  unter  den 
Thumbherren  ejner  umb  den  andern  zu  verleihen.  Gehören  gen 
Wasserndorff  27  Herdstedten  und  9 mühlen. 

60  Herdstedten.  M.  Johannes  Sajz  Pfarrherr  von  Sulzfeld  am 
Maju  halbe  Mejl  wegs  von  Kizingen.  Von  dannen  gen  Niirnburgk 
kommen  und  daselbst  an  Jar  4 oder  5 frequentiret.  Darauff  gen 
Leipzig  zogen  und  bej  der  Universität  daselbst  studiert  2 Jar  pro- 
priis  sumptibus.  Von  dannen  gen  Witteberg  zogen  und  2 Jar  alda 
studiert,  Ao.  73  alda  promoviert.  Von  Witteberg  herauß  kommen 
und  Schulmeister  worden  zu  Marek  Schonfeld  21/2  Jar.  Hernach 
Caplan  daselbst  worden  und  ordiniert  zu  Onolzbach  äö.  77,  2 Jar 
Caplan  gewest.  Von  Caplanstand  befördert  worden  gen  Dornhejm, 
alda  Pfarrherr  worden  und  gewest  2x/2  Jar.  Von  Dornheim  gen 
Uffikhejm  transferiert,  alda  er  Inß  6.  Jar  pfarrherr.  Muß  das  Filial 
Wesserndorff  ejnen  Sonntag  umb  dem  andern  wechselswejß  versehen 
mit  predigen  und  Tractation  Catechismi,  auch  Administration  der 
Sacrament.  Hatt  erstlich  Erasmi  . . . Tochter  genommen,  Itzund 
des  Schulmeisters  Johann  Becken  zu  Uffenheim  Tochter.  Hat 

2 Kinder,  1 mit  der  vorigen,  das  ander  mitt  der  itzigen  Hauß- 
frauen. 

Besoldung:  80  fl  an  geld,  unter  denen  20  fl,  so  von  Wassern- 
dorff herrühren.  10  Mltr  Korn.  1 Ort  für  (Einlassung  der 
Leichen?).  1 Meß  Holz  auß  der  gemajn.  Sonst  nichts  mehr. 

Bekennt  sich  zur  Augßb.  Confession  und  Formula  Concordiae, 
welcher  er  subscribirt  hatt  bei  Graff  Haiißen  seligen  neben 
andern,  ist  aber  mit  der  Hand  und  mit  Hertzen  zu  unterschrejben 
erbietig.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus  : ,,M.  Joan.  Suevus,  so  ein  exul 
unter  denen  von  Bimbach,  den  Edlen  Füchsen,  ward  Pfarrer  zu 
Iphickheimb,  ward  nach  Absterben  Herrn  sei.  Bergers  äö.  615  nach 
M.  Sainßheimb  transferirt.  ---  Derne  succedirt  Hauß  Christ,  der 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien.  87 

kam  nach  Cnetzheimb,  und  von  da  nach  Bulnheimb,  bei  Schwedi- 
scher Herrschafft.  — Paulus  Winter,  diaconus  zu  M.  Schainfeld, 
succediert  Herrn  Joh.  Christ,  ward  äö.  627  bei  vorgegangener 
reformation  ausgejaget,  wurd  diaconus  zu  Blaufelden.“ 

Schulmeister. 

Joh.  Planck  von  Marek  Senßheim,  im  27.  Jar  sejns  alters. 
Seit  Bartolomaei  in  Dienst.  Zuvor  zu  Thieffstockhejm  Schulmeister 
gewest  31/2  Jar.  Ist  ein  höckrichter  Mensch,  der  auff  Stelzen  gehet. 

. . . Hatt  sonst  nirgend  studirt  denn  zu  Marek  Senßheim  .... 
Hatt  nichts  Latejniscli  studiert. 

Besoldung:  8 Mltr  Korns  halb  gemajn,  halb  Gotteshauß.  4 fl 
von  WasserndorfF.  1 th  leicht,  1 Buch  Papier  von  der  gemajn 
Uffickhejm.  2 Fertlein  Holz.  1 th_  leicht  vom  Gotteshauß,  aber 
kein  Papier. 

Hatt  formulam  Concordiae  nicht  gelesen,  versteht  sie  nicht, 
begert  derselben  nicht  zu  unterschrejben,  wejl  er  ein  . . . Mensch.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus:  „Ueber  die  Pfarr  Wessern- 
dorfif.  Ist  äö.  1470  von  Erckhingern,  Fridrichen  und  Martin  von 
Saiußheimb  gestillt  und  dotirt.  Und  kommt  das  Jus  praesentandi 
wechselweiß  an  das  Dhom  Capitel  Und  Schwartzenberg.  Und  ist 
über  diese  Pfarr  wie  obbemeld  ein  Confirmations  Brief  von  Bischof! 
Adolphen  in  Orginali  beihanden  äö.  1470  und  von  . . . von  Sainß- 
heimb  gestifft.“ 

Bulenheim. 

Pfarrlehen  ist  wirzburgisch,  aber  von  der  Herrschaft  Hohnlands- 
perg  ....  120  Herdstedten,  aber  nichts  eingepfarrt.  Hier.  Pfeil- 

schmid  Pfarrherr  von  Helmbrechts  zwischen  Hoff  und  Culmbach. 
Von  dannen  gen  Bamberg  kommen  zu  sejns  Vettern  1 Jar.  Und 
alß  sie  Ihn  zu  . . . fodern  wollen  (das  ist  zum  Studieren  bej  den 
Stiften)  ist  er  davon  gezogen.  Von  dannen  gen  Culmbach  kommen 
und  5/4  Jar  in  die  Schul  gangen.  Zu  Niirnbergk  l1^  Jar  unter 
Christiano  Hajden  bej  S.  Egjdien.  Von  dannen  gen  Frejbergk 
kommen,  1 Jar  daselbst  blieben,  propter  pestem  weggezogen  gen 
Hoff,  alda  frequentirt  3 Jar.  Von  dannen  gen  Stadstejnacli  zum 
Cantor  verordnet  worden,  l1/2  Jar  da  gewest.  Von  dannen  gen 
Bulnheim  kommen  und  alda  2 Jar  Schulmeister  gewest  durch  Be- 
förderung M.  Schnebelen  zu  Kiziugen.  Von  dannen  gen  Marek 
Schonfeld  gefodert  und  Caplan  gewest  2 Jar.  Ao.  74  zu  Onolz- 
bach  ordiniert  auff  Graff  Hanßen  Schrejben.  Von  dannen  gen 
Bulnhejm  befodert  worden  zum  Pfarr  Ambt.  Ist  Innß  13  Jar  da- 
selbst. Zu  Stadstejnach  . gehejret,  aber  doch  erst  zu  Bulnhejm  zur 
Kirch  gangen.  Hatt  2 lebendige  Kinder,  die  andern  alß  sieben 
sind  gestorben.  Ist  40  Jar  allt. 


88  R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


Besoldung:  80  fl  an  geld.  Sind  darunter  20  fl,  welche  Graf 
Hanß  jährlich  addiert,  wejl  die  gemajn  unvermöglich.  10  Mltr 
Korn.  1 klein  Krautgärtlein.  Vormalß  Holz  vor  Notdurft  gegeben, 
Itzt  wollen  die  von  der  gemajn  nicht  geben.  Sonst  nichts.  Hatt 
4 morgen  Weinberg  und  ejn  VYießen  erkauffte,  sind  ejtel  ejgen  stück. 

Bekennt  sich  zur  formula  Concordiae.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus  : ,, Valentin  Berger,  ein  Schwein- 
furter, kam  nach  Herrn  Pfeilschmiden,  starb  aber  bald.  — Daniel 
Vischer,  gewester  Pfarrer  zu  Adelhofen,  succediert  Dem  und  ward 
mit  andern  Geistlichen  Ao.  627  ausgejagt,  ward  aber  diaconus  zu 
Ehingen.  — Joh.  Christ,  gewester  Pfarrer  zu  Herrntzheimb  kam 
unter  Schwedischer  Regierung  nach  Bulnheimb,  starb  aber  daselbst 
an  der  Pest,  ehevor  der  Kaißerl.  einfall  geschehen. u 

Schulmeister. 

Nicolaus  Höfelicli  von  ...  im  Grapfeld  (NB!  Von  hier  an  ist 
das  Original  besonders  defekt  und  zerfetzt)  ....  Hatt  wol  stu- 
diert Inn  Latein  und  Graeca  lingua,  auch  Inn  Catechismo  und  Geist- 
licher Lehr inn  patriam  verordnet  ...  Von  dannen  durch 

den  Tanreuter  (?)  vertrieben  worden,  alß  er  nicht  Ransonieren 
wollen.  Von  dannen  bej  Christoph  Truchseßen  zu  Dundorff  paeda- 
gogus  worden  drejer  Knaben,  1 1/2  Jahr  alda.  Hatt  sejn  Kost  und 
12  fl  an  geld  gehabt.  Von  dannen  gen  Kleinlanghejm  kommen  und 
alda  Schuldiener  und  Gerichtschreiber  worden  und  blieben  2 Jar. 
(Gerichtschreiber  Tilemannus  Hofelich  ist  sein  Bruder  zu  Kleinlang- 
hejm). Von  dannen  gen  Sommerhaußen,  alda  Schulmeister  4 Jar 
gewest  und  Latejnische  Schul  gehalten.  Von  dannen  gen  Wießen- 
brunn,  alda  die  Schul  und  Gerichtschrejberej  gehabt  5/4  Jar.  Von 
dannen  gen  Bulnhejm  in’s  3.  Jar.  Ist  41  Jar  allt,  hatt  kein  Wejb. 
Ist  noch  ein  junger  Gesell,  bei  Leonhard  . . . gehet  er  zu  Cost. 

Besoldung:  26  fl  ...  an  geld  (13  Gotteshauß,  13  Bürger- 
meister). 4 Mltr  Korn.  Von  der  Gemajn  nicht.  1 Krautgarten. 
Hatt  Gerichtschrejberej  darbei,  welche  Ihm  etliche  Accidentia  trägt. 

Im  Winter  auffs  meiste  12  oder  10  Knaben,  ler'nung?)  deutsch 
und  nicht  Lateynisch. 

Hat  formulam  Concordiae  subskribiret  Zu  Sommerhaußen  unter 
Schenck  Eridrichen  von  Limpurgk.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus : ,, Elias  N.  N.,  ein  alter  eiß- 
grauer  Mann,  ward  Schulmeister  und  Gerichtschreiber  zu  Bulnheimb, 
mußt  alters  halben  den  Dienst  begeben.  — Martin  Strölein  von 
Schalckshaußen  kam  Dem  nach  und  ward  mit  andern  vertriben 
äö.  627,  kam  nach  Martinsheimb,  von  darauß  nacher  Ergersheimb.“ 

Marek  Geyseiwind, 

Pfarrherr  Johannes  Rajsch  von  Gmynda  bej  Coburgk.  Zu 
Coburgk  x/4  Jar  in  die  Schul  gangen.  Zu  Hilperhaußen  6 Jar 


R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien.  89 


studiert  Graecam  et  Latinam  Grammaticam.  Zu  Wejmar  2 Jar  io 
die  Schul  kommen.  Bej  Georg  Heinzen  paedagogiam  gehabt  dreyer 
Kinder  alda  dialectione  piorum  librorum.  Zu  Gotha  !/2  Jar  studiert. 
Zu  Eißleben  1 Jar  lang  Dialecticam  et  Rhetoricam  ....  Von 
dannen  gen  Jena  zogen  und  alda  2 Jar  studiert  propriis  sumptibus 
. . . . Von  dannen  zum  Altenstejn  Schulmeister  worden,  6 Jar 
geblieben.  Gen  Hafenbreppach  kommen  durch  Pancratz  von  Stein 
und  Pfarrherr  worden.  Zu  Jena  ordiniert.  Ist  3 Jar  pfarrherr  alda 
blieben.  Alß  die  von  Wirzburgk  angefangen  zu  persequiren,  ist  er 
geurlaubt  Avorden  mit  andern  acht  ministris.  Aus  dem  Exilio, 
welches  */2  Jahr  wehret,  Caplan  worden  zu  M.  Schonfeld.  Von 
hjnnen  gen  Geyseiwind  zum  pfarrherr  geordnet,  alda  er  6 Jar  ist. 
Graff  Hanß  hat  Ihm  die  pfarr  gelehen,  soll  das  Lehen  gehören  gen 
Wirzburgk  Inß  Jägermeister  Ambt.  Hatt  bißher  kejn  Anfechtung 
gehabt.  Castel  hat  nichts  zu  suchen.  Castel  hatte  18  Uuterthanen 
alda,  die  hatt  Graff  Hanß  ausgewechselt.  Ist  unstrittig.  Hatt  65 
Herdstedten  ohne  die  eingepfarrten. 

Besoldung:  20  fl  an  geld  . . . oder  Gotteshauß,  da  er  bej  der 
gemajn  nicht  ist.  1 Zc  hendlein  zu  (ist  weggerissen).  1 Zeh  end- 
lein zu  Hag  tragt  8 oder  9 Mltr  Habern  und  Korn  . . . . 
2 ackerlein  und  3 Wießenflecklein.  10  oder  11  F . . . Freyholz, 
das  man  für  die  thür  führet. 

Ist  ein  Nonnen  Closter  gewest  .... 

Ist  40  Jar  allt,  hatt  1 Kind,  die  andern  sind  gestorben. 

Bekennt  sich  zur  Augßp.  Confession,  der  Apologia  und  formula 
Concordiae.  — 

Ergänzung  des  Pfr.  V.  Ulricus  : „Henricus  Kräutter  von  Scliwein- 
furt  ward  mit  andern  Geistlichen  äö.  627  vertriben,  kam  soviel 
mir  bewußt  nach  Repperndorff  Kitzinger  Capitels,  da  er  abermalß 
vertriben  worden.“ 

Schulmeister  des  Ort. 

Johannes  Heberlein,  von  Marek  Schonfeld  ist  alda  Gericht- 
schrejber  gewest  2 1/2  Jar,  hernach  zu  . . ernfeld  bei  . . Ambtmann 
gewest  3 Jar.  Von  dannen  gen  Geyseiwind,  ist  5/4  Jar  (alda?). 
Ist  24  (Jar  alt?),  hatt  ejn  Wejb  und  2 Kinder. 

Besoldung:  29  fl  an  Geld.  Holz  ...  1 Mltr.  ohngefährlich 

von  den  Läutgarben. 

Im  Winter  . . . Knaben  und  Megdleju. 

Weygenheim. 

Pfarrherr  Georg  Sandtritter  von  Ipßhejm.  Von  danuen  gen 
Winßhejm  getlian,  alda  5 Jar  unter  den  pauperibus  unterhalten 
worden.  Von  Winßhejm  äö.  53  gen  Straßburgk  kommen,  3 Jar 
lang  alda  gewest,  ...  Inn  Collegio  bei  den  Wil  ....  unterhalten. 


90  R.  Herold,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 

Von  Straßburg  gen  Basel  gezogen  und  alda  deponiert  worden,  wider 
auff  Straßburg  gezogen.  Gen  Hall  in  Sachsen  3/4  Jar  unterhalten 
worden  von  sejnen  freunden.  Von  Hall  gen  Jena  gezogen,  2 Monat 
alda  geblieben  wejl  er  kejn  Unterhaltung  gehabt.  Von  Jena  gen 
Staff elstein  kommen  und  alda  in  der  Schul  Cantor  worden,  . . Jar 
lang  dabei  verharret.  In  Staffelstein  ist  pfarrherr  gewest  . . . 
Rigelstein,  der  mit  Im  Zugleich  in  Straßburg  studiert.  Derselbig 
hat  Ihn,  pfarrherr  Sandtritter,  gen  Bamberg  promoviret  und  alda 
vom  Wejbischoff  ordinirt  worden.  Von  dannen  gen  Eltmann  Inß 
Stadtlein  kommen  und  Caplan  worden  lx/2  Jar,  biß  Melchior  Zobel 
bischoffen  worden.  Alß  Bischoff  Friedrich  das  Land  angenommen, 
ist  er  von  seinem  pfarrherr  enturlaubt  worden.  Im  exilio  1/4  Jar. 
Von  dannen  gen  Weygenhejm  kommen  bei  leben  Herrn  Fridrich 
Herrn  zu  Schwarzenbergk,  Graff  Hanßen  Vattern  äö.  58.  Ist  alda 
pfarrherr  81  Jar.  Ist  im  66.  Jar  sejns  Alters,  hatt  18  Kinder 
tauffen  lassen  mit  sejner  Hausfrauen,  sind  7 Ihm  gestorben,  aber 

3 Söne  sejner  frawen  leben,  ejner  11  Jar,  der  andere  7 Jar.  Hatt 
das  Pfarrlehen  weyland  gen  Wirzburg  gehöret,  ist  aber  unstrittig, 
das  es  jtzund  Schwarzenberg  zugehöret.  Hat  84  Herdstedten,  nichts  I 
eingepfarrt.  (Randbemerkung:  7 Bernhard  Hutten  zugehörig,  8 Creilß- 
hejmisch,  1 marggrafisch,  2 pfarr,  1 Senßhejm,  2 (?)  Schwarzen-  | 
bergisch,  . . Dhumprobst  zu  Wirzburg,  ....  ttenburgisch). 

Besoldung:  36  Mltr.  Getreid  ...  12  Habern.  7 Metzen  Waizen.  j 

4 Mo  rgen  Inn  . . . feld  pfarracker,  3 morgen  Wießen.  . . fl  Zinß- 

geld  • Holzrecht  wie  ein  anderer  Häcker,  pfarrgütter  sind  aller  ! 
Zehenden  frej.  und  hatt  die  pfarr  . . . Hintersassen,  geben  aber  j. 

kein  Handlohn.  5 Eastnachthüner,  2 Sommerhüulein  vor  der  ! 

Wiesmat. 

Ist  allbereit  formula  Concordiae  verhalben  (?)  vom  Graff  I 
Hanß  . .,  will  sie  willig  und  mit  freuden  unterschrejben. 

Schulmeister. 

Baltasar  Nagel  von  Rudolßhofen,  hatt  kejne  Schul  besucht.  Ist  I 
Innß  23  Jar  Schulmeister,  hatt  die  Gerichtschrejberej  dabej.  Ist 
44  Jar  allt,  hatt  4 Kinder  im  Leben.  Hatt  ein  Feldgüterlein,  j 

3 morgen  Inn  einfeld,  davon  nährt  er  sich. 

Besoldung:  9 Mltr  Korn.  1 fl  von  der  gemajn.  24  |th  von  j 
der  Uhr  zu  stellen.  1 _th  von  jeder  V . . . schafft  groß  und  i 

klein.  2 Mltr  von  den  Läutgarben.  Jeder  Schulknabe  und 
magdlein  1/2  ort. 

Ist  ein  Hamster  . . . Hatt  kejn  Klag  ...  — 

Soweit  das  Verzeichnis  des  M.  Wegelein,  welches  trotz  seiner 
abgerissenen  Sätze  durch  die  Ursprünglichkeit  der  Darstellung,  wie 
durch  die  Genauigkeit  der  Angaben  interessiert  und  außerdem  reich- 
liche Ausbeute  für  die  bezüglichen  „Pfarrsclireibungen“  darbietet. 


S.  Kadner,  Eine  akad.  Rede  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  91 

Eine  akademische  Rede  zu  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts. 

Miscelle 

von 

S.  Kadner, 

Pfarrer  in  Lehenthal. 

Der  Würzburger  Fürstbischof  Julius  Echter  von  Mespelbrunn 
hatte  kurz  vor  seinem  Tode  testamentarisch  verfügt,  daß  sein  Herz 
in  der  Universitätskirche  aufbewahrt  werde.  Der  Universität,  die 
ganz  sein  Werk  war,  gehörte  seine  Liebe,  daher  er  selbst  als 
deutende  Inschrift  das  Bibelwort  bestimmte:  Wo  euer  Schatz  ist, 
da  ist  auch  euer  Herz.  Bei  der  feierlichen  Beisetzung  des  bischöf- 
lichen Herzens  nun  hielt  der  jesuitische  Universitätsprofessor  San- 
däus  eine  akademische  Rede,  die  in  der  Verwertung  von  Schrift- 
worten, in  scholastischer  Logik  und  in  der  Vergötterung  des  Bischofs 
das  Unglaublichste  leistet.  Sandäus  preist  überschwänglich  das 
donarium  cordis  Julii.  Er  jauchzt  mit  dem  Sänger  des  15.  Psalms: 
Uns  ist  ein  schön  Erbteil  worden!  Dann  sammelt  er  die  Schrift- 
stellen, die  das  Wörtlein  „Herz“  enhalten,  und  citirt  z.  B. : Der 
Herr  hat  sich  gesucht  einen  Mann  nach  seinem  Herzen ! Oder : 
Gib  mir  mein  Sohn  dein  Herz!  Cor  nobis  suum  dedit  Julius,  so 
hebt  triumphierend  jeder  Abschnitt  an.  Christus  hat  vom  Himmel 
seinen  Geist  gesandt,  welcher  im  Leibe  d.  i.  in  der  Kirche  das  Amt 
des  Herzens  verwalten  soll.  Als  der  Heiland  so  mit  fast  den  letzten 
Worten  sein  Herz  zu  geben  versprach,  hat  er  damit  seiner  unend- 
lichen Liebe  Unterpfand  verheißen.  „Ist  es  nun  nicht  ein  Zeichen 
höchster  Liebe,  daß  der  Fürst  uns  sein  Herz  vermacht  hat  ? Cor 
camera  Omnipotentis  regis.  Hane  si  nobis  donavit  Julius,  Cor  suum 
adsignando,  naecoelum  ipsum  dedi s s e p u tan d us  est!  0 muni- 
ficum  benefactorem!“  Wäre  der  Redner  ganz  strikte  in  den  Bahnen 
seiner  Logik  geblieben,  so  hätte  er  nicht  das  allgemeinere  coelum 
substituieren  dürfen,  sondern  folgerichtig  sagen  müssen:  Den  allmäch- 
tigen König  selbst  hat  uns  dieser  Bischof  gegeben,  indem  er  sein 
Herz,  die  Wohnung  dieses  Königs,  uns  zum  Weihgeschenk  gab  ! 

Auch  hier  welche  kraß  sinnlichen  Vorstellungen ! Welche 
Lästerung ! — In  über  50  Abschnitten  geht  es  in  ähnlichen  Stil 
und  Sinne  weiter.  So  redeten  damals  akademische  Lehrer!  Die 
angeführten  Proben  werden  genügen.  Wer  den  lateinischem  Text 
der  schwungvollen  Rede  nachlesen  will,  findet  ihn  bei  Gropp: 
Collectio  novissima  Scriptorum  et  rerum  Wirceburgensium,  1741, 
Tom  I,  p.  624f. 


92 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


Kirchengeschichtliches 

in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammengestellt  von 

0.  Rieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  München. 

(Fortsetzung.) 

Aus  Archiv  des  hist,  Vereins  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg. 

Leimes,  G.  L.,  Geschichte  des  Baunach-Grundes  in  Unterfranken: 
Bd.  7 H.  1 (1841),  S.  1 (Religion  und  kirchliche  Verfassung 
der  ersten  Bewohner  S.  9 ; Ausbreitung  des  Christentums, 
Kirchen  und  Schulen,  Spitäler  S.  10.  Beilagen:  Bischofs- 
urkunde  über  die  Pfarrverhältnisse  zu  Ebern  und  ,7Wisachu  von 
1232:  S.  182;  desgl.  über  die' Errichtung  eines  neuen  Rural- 
kapitels Ebern  und  dessen  Trennung  von  „Murstadt“  1524: 
S.  188.  Reihenfolge  der  Geistlichen  und  Lehrer  in  Baunach 
und  mehreren  andern  Orten  S.  191). 

Scharold,  Geschichte  der  k.  schwedischen  und  herzogl.  sachsen- 
weimarischen  Zwischenregierung  inj  eroberten  Fürstbistume 
Wiirzburg,  in  besonderer  Beziehung  auf  das  reformierte  Religions-, 
Kirchen-  und  Schulwesen:  H.  2 (1842),  S.  1 ; H.  3 (1843),  S.  1; 
Bd.  8 H.  1 (1844),  S.  1;  H.  2 u.  3 (1845),  S.  1. 

Zwiespalt  der  Domkapitel  zu  Bamberg  und  Wiirzburg  mit 
ihrem  Fürstbischöfe  Peter  Philipp  von  Dernbach  (1680)  : Bd.  7 
H.  2,  S.  114. 

Gutenäcker,  J,,  Beiträge  zu  einer  kritischen  Geschichte  der  Salz- 
burg S.  135  (über  die  Gründung  des  Bischofsitzes  zu  Würz- 
burg). — Vgl.  Reininger  in  Bd.  25  u.  Schnell  in  Bd.  29. 

Reuss,  Manuskriptenkatalog  der  vormaligen  Dombibliothek  zu  Würz- 
burg (betr.  „durch  Alter  und  Inhalt  ausgezeichnete  Manuskripte, 
welche  grosse  Schätze  von  mancherlei  noch  unbekannten 
historischen  Notizen  zur  fränkischen  Kirchen-  und  Gelehrten- 
Geschichte  enthalten“):  S.  166. 

Gutenäcker,  Jos.,  Das  wandernde  Steinbild  (aus  der  Pfarrkirche 
zu  Münnerstadt)  S.  182;  Die  Glasmalereien  in  der  Pfarrkirche 
zu  Münnerstadt  S.  184. 

Reuss,  Beiträge  zur  Regierungsgeschichte  des  Fürstbischofs  Julius 
(bisher  ungedruckte  Dokumente  über  sein  eifriges  Wirken  für 
die  katholische  Kirche):  H.  3 (1843),  S.  139. 

Kurze  Beschreibung  merkwürdiger  altdeutscher  Handschriften 
in  unterfränkischen  Bibliotheken  Bd.  8 H.  1 (1844),  S.  148 
(II.  und  IV.  zwei  Papierhandschriften  des  15.  Jahrhunderts 
liturgischen  und  homiletischen  etc.  Inhalts  S.  151  u.  153). 

Statuten  des  Vikarienkollegiums  in  uns.  lieb.  Frauenkapelle 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  93 

zu  der  goldnen  Pforte  vulgo  fiu stere  Kapelle),  bei  dem  Loche 
zu  Würzburg,  vom  Jahre  1408:  S.  155. 

Schar  old.  K.  G..  Klostergeistliche  als  Steinmetzen:  Öffentliche  In- 
schriften (in  der  Pfarrkirche)  zu  Karlstadt  a.  M.  S.  204. 

Fröhlich.  J..  Biographie  des  grossen  Tonkünstlers  namentlich  für 
katholische  Kirchenmusik  Abt  Georg  Joseph  Vogler  bei  Ge- 
legenheit der  Inauguration  des  an  seinem  Geburtshause  vom 
historischen  Vereine  gesetzten  Denksteines  ( mit  Porträt  ) : Bd.  8 
Anhang  zu  H.  2 u.  3. 

Burekbardt,  Urkundliche  Geschichte  der  Karthause  Ostheim  mit 
deren  älresren  Ansicht  : Bd.  9 H.  1 1S46\  S.  1 . — Yergl. 

Wieland  in  Bd.  38. 

Rost.  Über  Beguiuen.  insbesondere  im  ehemal.  Fürstentum  Würz- 

bürg.  S.  81. 

Die  alte  Ruine  zwischen  Groß-  und  Kleinbrach,  k.  Land- 
gerichts Kissingen:  S.  146  an  der  Stelle  stand  ein  dem  h. 
Dionysius  geweihtes  Klösterlein:  S.  149h 

Schar  old.  K.  G.,  Revers  des  Abts  und  Konvents  zu  Bildhausen 
über  ihre  Rückkehr  von  der  angenommenen  lutherischen  zur 
katholischen  Religion  (1572  . Beitrag  zur  Reformations- 
Geschichte  des  Bisthums  Würzburg.  S.  154. 

Die  Kreuzgaug  Kapelle  im  ehemaligen  abteilichen  Kloster 
Bildhausen.  Die  Stadt  Ochsenfurt  erhält  einen  neuen  Schul- 
meister i.  J.  1561.  S.  159. 

Keller.  G.  J..  Beschreibung  und  Erklärung  einiger  Denkmünzen 
auf  merkwürdige  Franken  oder  auf  Begebenheiten,  welche 
Frauken  betreffen:  Bd.  9,  H.  2 (1847),  S.  1 (Kr.  2 auf 
Daniel  Stibar  von  Rabeneck,  Domherr  zu  Würzburg,  f 1555. 
Teilnehmer  au  dem  Religionsgespräche  zu  Regensburg  1546: 
S.  4:  4 und  5.  Schaustücke  auf  den  Professor  am  St.  Egidien- 
Gymnasium  zu  Xürnberg  Michael  Röting.  Verfasser  griechischer 
Briefe  an  Melanchtlion  S.  21:  9.  auf  den  Abt  Michael  zu  St. 
Stephan  in  Würzburg,  f 1548:  S.  30.,  10.  Denkmünze  auf 
den  Tod  des  Grafen  Poppo  von  Henneberg,  eines  ehemal.  Dom- 
herrn von  Würzburg.  1542  zur  Augsburger  Konfession  über- 
getreten. y 1574:  S.  31:  22.  Medaille  auf  den  k.  bayeri- 

schen Regierungsrat  Dr.  Johann  Philipp  Gregel,  vormals  Pro- 
fessor des  Kirchenrechts  an  der  Universität  Würzburg,  y 1841. 
S.  45:  31.  Emil  Kircbgessnerische  Schulprämien  S.  64:  34. 
Denkmünze  auf  den  Tod  des  Würzburger  Domherrn  und  Ritters 
vom  heiligen  Grab  Michael  v.  Seinsheim  1529:  S.  65:  37  tu 
38.  Medaillen  auf  den  Ritter  Sebastiau  v.  Rotenhan  1518  u. 
1526.  Ritter  des  heiligen  Grabes.  Herausgeber  von  Reginos 
Ghrouikou.  Abts  zu  Prüm  etc.  S.  69:  39 — 42.  Denkmünzen 
auf  die  Abte  Johann  (j  1562),  Leonard  y 1591),  Hiero- 


94 


0.  Rieder,  Alis  historischen  Zeitschriften. 


uyraus  (f  1615)  und  Johann  Dressei  (f  1637)  von  Ebrach: 
S.  82  ff. 

Heft  3 (1848),  S.  1 (Nr.  43:  Jubiläums-Medaille  des 
Mainzer  Scholasticus  Carl  Philipp  Freih.  v.  Greifenklau,  Dom- 
herrn zu  Würzburg  und  Speyer  1744  (1749  Bischof  von  Würz- 
burg):  S.  1:  46.  Desgl.  des  Erzbischofs  von  Mainz  und  Bischofs 
von  Bamberg,  Lothar  Franz  Grafen  von  Schönborn  1712:  S.  5; 

50.  Contrafaitstück  auf  den  Würzburger  Domdechant,  Erz- 
priester und  Generalvikar  Johann  v.  Guttenberg  1526:  S.  11; 

51.  Denkmünze  auf  die  Einweihung  der  neuerbauten  Pfarr- 
kirche zu  Neustadt  an  der  Saale  1836:  S.  15;  65.  auf  den 
Würzburger  Dompropst  Wolfgang  Albert  Frh.  v.  Würzburg  1598 
(mit  Nachrichten  über  die  Dompropstei  und  das  vom  Papste 
behauptete  Ernenn  an  gerecht) : S.  48 ; 66.  Medaille  auf  den 
letzten  Abt  von  Bildhausen,  Nivard  Schiimbach  1808  : S.  58). 

Denzinger,  Ignaz,  Geschichte  des  Schlosses  und  Rittergutes 
Sodenberg:  Bd.  9,  H.  2,  S.  100  (Das  ,, heilige  Kreuz“,  auf 

dem  Sodenberge  und  die  von  ihm  gewirkten  Wunder  S.  101 

und  142). 

Gutenäcker,  Einige  Bemerkungen  über  die  Studienschule  zu 
Thundorf  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert:  S.  144. 

Historisch-literarischer  Anzeiger  für  Unterfrauken  und  Aschaffenburg 
(hierin  seit  1840  auch  Werke  über  Kirchenhistorie  und  kirchliche 
Kunstgeschichte,  dann  theologische  und  Erbauungsschriften  an- 
gezeigt und  besprochen):  Bd.  9,  H.  2 (1847),  S.  200;  H.  3 
(1848 \ S.  156:  Bd.  10,  IL  1 (1849),  S.  164;  H.  2 und 
3 (1850),  S.  319;  Bd.  11,  H.  1 (1850\  S.  202;  H.  2 und  3 
(1851),  S.  393;  Bd.  12,  H.  1 (1852),  S.  229;  H.  2 und  3 

(1853),  S.  312;  Bd.  13,  H.  1 und  2 (1854',  S.  366. 

Denzinger,  Ignaz,  Heinrich  Georg  Hörde  und  die  Convertiten- 
stiftung  in  Würzburg:  Bd.  9,  H.  3 (1848),  S.  67.  — Nach- 
trag zu  Hörde’ s Biographie  Bd.  13,  H.  3 (1855),  S.  214. 

Benkert,  Franz  Georg,  Nachrichten  von  dem  im  Anfänge  des 
XVI.  Jahrhunderts  ausgestorbenen  fränkischen  adeligen  Ge- 
sclilechte  der  Herren  und  Frauen  von  Fladungen  (Auszug  aus 
einem  zum  Druck  bestimmten  Manuskripte)  : Bd.  9,  H.  3, 
S.  94  (Notiz  über  die  Pfarrei  Fl.  S.  98). 

Kraus,  Johann  Adolph,  Beschreibung  des  zu  Neustadt  am  Main  in 
Unterfrauken  gefundenen  (antiken)  Taufsteins  S.  110. 

Urkundliche  Nachrichten  über  das  Kloster  Einsiedel  im 
Spessart  S.  122.  — Michelstadt  im  Odenwalde  und  Michilun- 
statt  im  Spessart:  Bd.  17,  H.  1 (1864).  S.  140. 

Ke  stier,  J.  B.,  Geschiclits-Abriß  des  vormaligen  Frauenklosters 
Unter-Zell:  Bd.  10,  H.  1 (1849),  S.  87.  — Nachtrag:  Bd.  13, 
H.  3 (1855),  S.  116. 


Zur  Bibliographie.  95 

Denzinger,  Ignaz,  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte  Wiirzburgs 
S.  105. 

Reuß,  Ans  dem  Leben  des  Fürstbischofs  Johann  Hartmann  von 
Rosenbach  (1609  — 1665,  eigenhändig  niedergeschrieben): 
Bd.  10;  H.  1,  S.  137. 

Denzinger,  J.,  Auszüge  aus  einer  Chronik  der  Familie  Lang- 
hans  in  Zeil  (von  1616  bis  1627,  mit  zahlreichen  Nachrichten 
über  Hexenverfolgungen) : S.  143. 

Kiese  r,  C.,  Ergänzung  des  fehlenden  Zeitworts  auf  dem  Grabstein 
des  Bischofs  Megingod  zu  Würzburg  (*j*  794):  S.  149.  — 

Vgl.  Kraus  in  Bd.  24. 

Denzinger,  J.,  Inschrift  unter  einem  Steine,  auf  welchem  Jupiter, 
Juno  und  Minerva  abgebildet  sind  (errichtet  im  16.  Jahr- 
hundert von  einem  Kanonikus  im  Stift  Neumünster  zu  Würz- 
burg):  S.  157. 

Reuß,  Nachricht  von  einigen  merkwürdigen  Handschriften  (über 
einen  Ketzerprozeß  des  Jahres  1342  und  über  die  berüchtigte 
Wallfahrt  zu  dem  heiligen  Pauker  nach  Niklashausen  1476): 
S.  159.  — Die  Wällfahrt  nach  N.  im  Jahr  1476:  H.  2 und 
3 (1850),  S.  300.  Vergl.  Barack  in  Bd.  14,  H.  2. 

Über  den  Geschlechtsnamen  des  Bischofs  Gottfried  I.  von 
Würzburg  (1184 — 90):  Bd.  10,  H.  1,  S.  160. 

Kreuzzeichen  an  den  Kleidern  S.  161. 

Bankert,  Franz  Georg,  die  Ruine  zum  Bischofs  (eine  Kirchen-  und 
Klosterruine ! : H.  2 und  3 (1850),  S.  1.  — „Hergottsthal,“ 
Nachtrag  und  Berichtigung  hierzu : Bd.  14,  H.  3 (1858), 

S.  125.  — Vergl.  Boxberger  in  Bd.  17. 

Denzinger,  J.,  Die  Geschichte  des  Nonnenklosters  Mariaburg- 
hausen: Bd.  10.  H.  2 und  3,  S.  44. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zur  Bibliographie.*1 

Dr.  Martin  Giickel,  k.  Gymnasiallehrer.  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Stadt  Forchheim  im  16.  Jahrhundert.  Programm  des  k. 
neuen  Gymnasiums  in  Bamberg  für  das  Schuljahr  1897/98. 
Bamberg  1898.  99  S. 

Der  Verf.  hat  seinen  Stoff  aus  den  im  kgl.  Kreisarchiv  zu  Bamberg 
reichlich  vorhandenen  auf  die  Geschichte  Forchheims  bezüglichen  Akten 
geschöpft,  und  es  verstanden,  das  Interesse  des  Lesers  für  die  Ver- 
gangenheit des  alten  Königshofes,  der  späteren  bambergisehen  Festung 
Forchheim  zu  wecken,  so  daß  zu  wünschen  wäre,  es  möchte  die  fleißige 
Arbeit  einem  größeren  Publikum  zugänglich  gemacht  werden,  als  dies 

*)  Die  mit  * versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


96  Zur  Bibliographie. 

bei  einem  Gymnasialprogramm  der  Fall  ist.  S.  15 — 43  behandelt  er  die 
Geschichte  Forchheims  zur  Zeit  der  Reformation,  besonders  des  Bauern- 
krieges, von  S.  44  an  seine  Schicksale  im  schmalkaldischen  und  mark- 
gräflichen Krieg.  Die  Parteinahme  der  unter  dem  direkten  Einfluß  der 
Bischöfe  stehenden  Stadt  für  die  Sache  der  Reformation  illustriert  ein 
Verzeichnis  der  katholischen  Bürger  und  Bürgerinnen  Forchheims  d.  a. 
1594,  „welche  ja  und  alzeit  der  katholischen  und  allein  selig  machenden 
Religion  gewesen  und  noch  dato  1594  seindt,“  in  dem  deren  Zahl  nur 
auf  267  Mann  bei  einer  Bevölkerung  von  ca.  2700  Personen  angegeben 
wird.  (S.  38).  Zu  berichtigen  ist  im  einzelnen:  S.  20  muß  es  statt 
Johann  Kreuzer  Jörg  Kreuzer  heißen.  Forchheim  war  auch  nicht  die 
erste  Gemeinde,  in  welcher  die  Bauernunruhen  ausbrachen;  nicht  erst 
am  26.  Mai  1524,  sondern  schon  am  15.  Mai  weigerten  sich  Eggols- 
heim,  Ebermannstadt,  Hallstadt  u.  a.  die  Zehnten  zu  zahlen,  und  schon 
im  November  1523  will  der  Bischof  nach  Zeil,  um  die  dort  enstandene 
Empörung  zu  stillen  (S.  20).  Als  Unterhändler  zwischen  dem  Bischof 
und  den  Aufständischen  in  Forchheim  sind  nur  die  bischöflichen  Räte 
genannt  (S.  23),  während  auch  3 Abgeordnete  aus  dem  Forchheimer  Rat 
und  4 aus  der  Bürgerschaft  nach  Bamberg  zogen.  Die  Nachricht  von 
einer  Empörung  Höchstadts  und  Herzogenaurachs  (S.  21  f.),  welche 
Hans  von  Seckendorf  aus  Bayersdorf  nach  Ansbach  meldete,  war  gewiß 
unrichtig,  denn  es  findet  sich  davon  keine  Spur  in  den  Bamberger  Akten. 
Glaubwürdig  dagegen  ist  die  ebenfalls  von  ihm  stammende  Erzählung 
von  der  Flucht  des  Forchheimer  Schultheißen  Wilhelm  von  Wießenthau, 
obwohl  dieser  von  sich  nur  sagt,  er  habe  ins  Schloß  weichen  müssen, 
,da  ich  geblieben.“  (S.  22).  Ein  falscher  Schein  wiederum  wird  durch 
Seckendorfs  Beifügung  erweckt,  daß  „die  von  Nürnberg  diese  Aufruhr 
und  Empörung  auf  die  Bein  gebracht,“  wenn  der  Verf.  daraus  „unruhige 
Elemente  aus  Nürnberg“  macht  (S.  20).  Es  w^aren  nach  des  Bischofs 
eigener  Angabe,  „etliche  Bauern  der  von  Nürnberg  und  anderer  Herr- 
schaften in  unserm  Fürstentum,“  die  sich  zweimal  versammelt  und  be- 
müht hatten,  „ob  sie  unsere  Bauern  auch  zu  ihnen  hätten  bewegen 
mögen.“  Noch  nach  Beendigung  der  Forchheimer  Unruhen  standen  700 
Bauern  zu  Kalchreut  versammelt.  Unzureichend  ist  S.  31  die  Fortsetzung 
des  Bauernkriegs  durch  die  Bauern  begründet.  Die  Flucht  des  Banzer 
Abtes  Johann  IV.  und  seiner  Konventualen  (S.  32)  war  mehr  eine  Folge 
ihres  Freiheitsdranges  als  ihrer  Bauernfurcht.  Den  Vorwurf  der  Intoleranz 
gegen  Weigand  „völlig  unbegründet“  zu  nennen,  geht  entschieden  zu  weit, 
da  der  Bischof,  soviel  er  konnte,  an  der  Absetzung,  Einkerkerung  und  Ver- 
bannung der  lutherisch  Gesinnten  arbeitete.  Daß  Markgraf  Kasimir 
ihr  „großer  Protektor“  war,  ist  doch  wohl  zu  viel  gesagt  (S.  39).  Die 
Abgeordneten  auf  dem  Tag  zu  Forchheim  am  26.  Juli  1535  sind  un- 
vollständig angegeben  (S.  41).  E.  in  H. 

* Stein,  Justizrat  Dr.  und  L.  Müller,  Lehrer.  Die  Geschichte 
von  Erlangen  in  Wort  und  Bild.  Mit  zahlreichen  Illustrationen 
und  einem  Anhang.  I.  Akademische  Vereine.  II.  Dichter  in 
Erlangen.  Erlangen  1898.  Verlag  von  Fr.  Junge.  VIII, 
348  und  80  S.  geb.  Mk.  6.50,  brosch.  Mk.  5.80. 

Die  Veranlassung  zu  der  Herausgabe  des  vorliegenden  Werkes,  die 
der  eigensten  Initiative  des  bekannten  rührigen  Verlegers  zu  danken  ist, 
war  in  erster  Linie  die  Thatsache,  daß  die  Stadt  Erlangen  in  diesem 
Jahre  das  fünfhundertjährige  Jubiläum  ihres  Bestehens  als  Stadt  feiern 
konnte,  dessen  würdige  Feier  seit  Jahren  geplant  war,  von  der  jedoch 
die  städtischen  Collegien  in  bedauerlichem  Mangel  an  historischem  Sinn 
schließlich  abgesehen  haben.  Sodann  fehlt  es  an  einer  dem  Bedürfnis 


Zur  Bibliographie. 


97 


entsprechenden  Geschichte  Erlangens,  da  die  bekannte,  ihrer  Zeit  treff- 
liche Arbeit  von  Lammers,  auf  die  man  bisher  allein  angewiesen  war, 
schon  ziemlich  selten  geworden,  in  manchen  Punkten  auch  veraltet  ist 
und  nur  bis  zur  Abtretung  an  die  Krone  Bayern  reicht.  Dem  Verleger 
ist  es  gelungen,  für  die  Bearbeitung  zwei  Männer  zu  gewinnen,  die  jeder 
in  seiner  Weise  dafür  ganz  besonders  geeignet  erscheinen  dürfen.  Die 
drei  ersten  Abteilungen  rühren  vom  Justizrat  Dr.  Stein  in  Schweinfurt 
her,  der  als  einer  der  besten  Kenner  der  Geschichte  Frankens  durch  seine 
Geschichte  Frankens  2 Bde.  1885)86,  durch  seine  sehr  wertvollen  Arbeiten 
zur  Geschichte  Schweinfurts  (Monurnenta  Suinfurtensia,  Schweinfurt  1875 
etc.)  seine  Geschichte  der  Grafen  und  Herren  zu  Castell  (Schweinfurt  1892), 
seine  Geschichte  Kulmbachs  und  der  Plassenburg  (Kulmbach  1893 ff.), 
sowie  durch  manche  kleinere  Forschungen  um  die  historische  Wissen- 
schaft sich  große  Verdienste  erworben  hat.  Den  anderen  Verfasser 
kennt  man  in  Erlanger  Kreisen  als  bekannten  Lokalhistoriker  und  ge- 
nauen Chronisten.  Herrn  Dr.  Stein  fiel  die  schwierigere  Aufgabe  zu, 
zunächst  die  Anfänge  Erlangens  und  die  Geschichte  seiner  ersten  Ent- 
wicklungzuzeichnen, genauer  die  naturgemäß  geringfügigen  Notizen,  die 
aus  den  ältesten  Zeiten  der  jahrhundertelang  sehr  unbedeutenden  Nieder- 
lassung erhalten  sind,  kritisch  zu  beleuchten  und  unter  Benützung  der 
bald  engeren  bald  weiteren  Geschichte  des  Gebietes,  mit  dessen  Schick- 
salen die  Stadt  verbunden  war,  das  allmähliche  Wachsen  und  Erstarken 
des  Gemeinwesens,  bis  es  zu  einer  historischen  Bedeutung  kam,  in  an- 
schaulichem Bilde  zu  schildern.  Wie  zu  erwarten,  sind  auch  hier  wie  so 
%häufig  die  ältesten  Quellen  kirchliche  Notizen.  Das  Vorhandensein  Er- 
langens läßt  sich  zuerst  historisch  nachweisen  aus  zwei  miteinander  in 
Beziehung  stehenden  Urkunden  vom  Jahre  976  und  1002  (Monurnenta 
Boica  Bd.  XXVIII  S.  212  und  Bd.  XXXI  S.  277,  wonach  Erlangen  zu  den 
Pertinenzen  der  Martinskirche  in  Forchheim  gehörte,  mit  dieser  dem 
Bischof  Poppo  II.  in  Würzburg  geschenkt  *wurde  und  1017  dem  1007  neu- 
gegründeten Bistum  Bamberg  zufiel  (Ebenda  S.  289).  Aus  den  Urkun- 
den, welche  den  kirchlichen  Landbesitz  betreffen,  erfahren  wir  auch,  daß 
in  Erlangen  eine  bischöfliche  Vogtei  bestand,  als  deren  Lehensträger  im 
Laufe  der  Zeit  die  Glieder  einer  Ritterfamilie,  die  Ritter  von  Erlangen 
erscheinen,  deren  Blütezeit  das  XIV.  Jahrhundert  war.  Durch  Verpfän- 
dung kam  dann  Erlangen  für  die  große  Summe  von  2225  Pfund  (vgl. 
S.  20)  an  die  Krone  Böhmen,  der  der  Ort  große  Förderung  verdankt, 
u.  a.  erst  die  Erhebung  zum  Markt,  dann  1398  zur  Stadt.  In  diese  Zeit 
des  Aufblühens  fällt  auch  der  Bau  einer  zweiten,  auf  dem  Platze  vor 
dem  Martinsbühler  Thore  durch  den  Ritter  von  Wolfsberg  errichteten, 
unserer  lieben  Frau  geweihten  Kirche,  die  einstweilen  wie  die  Martins- 
bühler Kirche  nur  Filiale  von  Forchheim  war  und  erst,  nachdem  Erlangen 
wiederum  durch  Verpfändung  (wahrscheinlich  1402)  an  die  Burggrafen 
von  Nürnberg  gekommen  war,  im  Jahre  1435  als  eigene  Pfarrei  abgetrennt 
wurde,  doch  so,  daß  dem  Martinsstift  in  Forchheim  auch  ferner  das  Be- 
setzungsrecht verblieb.  Reichlicher  als  in  diesen  Anfangszeiten  fließen 
dann  die  Quellen  für  die  späteren  Abteilungen  des  Werkes,  Erlangen  unter 
den  Hohenzollern,  namentlich  seitdem  der  Ort  durch  die  Erbauung  von  Neu- 
stadt Erlangen,  durch  die  Aufnahme  der  französischen  Refugies,  endlich 
durch  die  Gründung  der  Universität  in  die  engste  Beziehung  zum  Fürstenhause 
gekommen  war,  was  der  Verf.  durch  manche  Vorarbeiten  unterstützt  in 
stets  sachkundiger  Weise  und  ansprechender#>Darstellung  zu  schildern 
versteht.  Seine  Arbeit  führt  den  Leser  bis  zum  Übergang  Erlangens  an  die 
Krone  Bayern,  während  der  zweite  Autor,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache 
liegt,  die  Aufgabe  hatte,  mehr  chronikartig  die  für  die  Stadt  und  ihre  Be- 
wohner wichtigen  kleinen  und  großen  Begebenheiten  der  letzten  70  Jahre 
zusammenzuseilen,  um  so  das  verhältnismäßig  rasche  Aufblühen  des  Gemein- 


98 


Zur  Bibliographie. 


wesens  namentlich  in  den  letzten  30  Jahren  erkennen  zu  lassen.  Und 
durch  alle  Zeiten  hindurch  begleitet  den  Leser  eine  mit  gutem  Verständ- 
nis ausgewählte  große  Anzahl  historischer,  gut  wiedergegebener  Bilder, 
die  die  Entwicklung  der  Stadt  und  ihres  Lebens  in  dankenswerter  Weise 
trefflich  veranschaulichen,  uud  die  vielen  Tausende,  die  in  Erlangen  in  den 
letzten  Jahrzehnten  aus  allen  Gauen  Deutschlands  studiert  und  mit  der 
Hochschule  Ort  und  Bürgerschaft  liebgewonnen  haben,  werden  sich  an 
der  Hand  des  in  jeder  Beziehung  geschmackvoll  ausgestatteten,  inhalt- 
reichen Buches  gern  an  alte  Zeiten  erinnern  lassen  und  werden  auch  die 
originelle  Beilage  begrüßen,  die  eine  kurze  aber  trefflich  orientierende 
Geschichte  der  einzelnen  studentischen  Verbindungen  und  Vereine  (von 
Mitgliedern  derselben  verfaßt)  liefert  und  Abbildungen  der  Verbindungs- 
häuser bringt,  — auch  dies  ein  Beweis  dafür,  wie  der  Verleger  keine 
Mühe  und  Kosten  gespart  hat,  um  allen  Interessen  gerecht  zu  werden. 
Möchte  das  Buch  nun  auch  die  verdiente  Verbreitung  finden. 

*Keiper,  Dr.  Phil.,  Neue  urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  des 
gelehrten  Schulwesens  im  früheren  Herzogtume  Zweibrücken, 
insbesondere  des  Zweibrückner  Gymnasiums.  III.  T.  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  zu  Zweibrücken  1897. 

In  der  vorliegenden  Arbeit,  einer  Fortsetzung  unter  dem  gleichen 
Titel  erschienenen  Programme  von  1892  und  1893  veröffentlicht  der  Verf. 
die  Leges  Scholae  Hornbacensis  (lateinisch  und  deutsch),  die  Herzog 
Wolfganganläßlich  der  Eröffnung  des  von  ihm  gegründeten  Gymnasiums  1559 
verordnete.  Als  ihren  Urheber  sieht  der  Verfasser  Joh.  Sturm  von  Straß-« 
bürg  an,  wie  er  aus  dem  Vergleich  mit  den  von  Sturm  in  den  Scholae 
Lauinganae  mitgeteilten  von  ihm  für  die  Schule  von  Lauingen  1565  edier- 
ten Leges  beweist.  Ausführliche  Erläuterungen  der  für  die  Schulgeschichte 
wichtigen  Veröffentlichung  erleichtern  das  Verständnis  derselben  nach 
der  sprachlichen  und  historischen  Seite. 

Ed.  Heyck,  Die  allgemeine  Zeitung  1768 — 1898.  Beiträge  zur 

Geschichte  der  deutschen  Presse.  München  1898. 

W eissenberg  er,  Burkard  Dr.  Geschichte  des  k.  humanistischen 
Gymnasiums  Straubing  unter  Berücksichtigung  der  Entwick- 
lung des  gesamten  Gymnasial  wesens  in  Bayern.  Straubing 
1898.  Programm  des  Gymnasiums. 

Buttmann  Rud.,  Geschichte  der  Gymnasialbibliothek  zu  Zwei- 
brücken. Zwe'ibrücken  1898  Gymnasialprogramm. 
*Mummenhoff,  Ernst,  Archivrat.  Der  Reichsstadt  Nürnberg  ge- 
schichtlicher Entwicklungsgang.  Vortrag,  gehalten  im  grossen 
Rathaussaal  zu  Nürnberg  den  13.  April  1898  am  5.  deutschen 
Historikertag.  Leipzig  1898. 

Es  war  keine  geringe  Aufgabe,  die  man  dem  Verf.  stellte,  in  einem 
kurzen  Vortrage  clen  reichen  Entwicklungsgang  Nürnbergs  vor  einer 
wesentlich  aus  Gelehrten  bestehenden  Versammlung  und  doch  so  vorzu- 
führen, dass  auch  der  weniger  Kundige  einen  klaren  Einblick  be- 
kam. Dazu  gehört  die  völlige  Beherrschung  des  Stoffes  im  einzelnen  und 
der  weitgehende  historische  Blick,  der  aus  der  Fülle  der  Einzelnheiten 
die  für  die  Entwicklung  bedeutsamen  Momente  zu  erfassen,  und  ein 
künstlerisches  Geschick,  das  sie  mit  einander  zu  verknüpfen  versteht. 
Aber  man  wusste,  wem  man  diese  schwere  Aufgabe  übertragen  durfte, 
und  dem  schon  längst  um  die  Geschichte  Nürnbergs  hochverdienten  Verf., 


Zur  Bibliographie. 


99 


dem  allzeit  hilfsbereiten  Vorstände  des  städtischen  Archivs,  ist  es  ge- 
lungen, in  kleinem  Rahmen  ein  sehr  anschauliches  Bild  des  Entwicklungs- 
gangs Nürnbergs  zu  zeichnen,  und  dabei  zugleich,  was  ich  ganz  besonders 
hochschätze,  vor  allem  in  den  Anfangszeiten  unter  kurzer  Begründung 
durch  Fussnoten  manche  landläufige  Irrtümer  abzuweisen.  Möchte  das 
Schriftchen  recht  viele  Leser  finden! 

%Bucbwald,  D.  Georg,  Pfarrer  an  der  Nordkirche  zu  Leipzig, 
Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  zu  Kitzingen.  Aus  den 
Urkunden  erzählt  (mit  18  Illustrationen).  Leipzig,  Bernhard 
Richters  Buchhandluug  1898.  152  S.  1.50  M. 

Diese  Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  zu  Kitzingen  wird  als 
eine  Gabe  für  die  Gemeinde  gewiss  von  ihr  sehr  begriisst  werden  und 
empfiehlt  sich  als  solche,  zumal  sie  auch  sehr  billig  ist,  nach  Ton  und 
Inhalt  für  die  Verbreitung  in  derselben.  Aber  wie  dankenswert  es  auch 
für  weite  Kreise  sein  mag,  dass  der  Verf.  die  erbauliche  Form  der  Dar- 
stellung gewählt,  so  kann  ich  doch  zugleich  mein  Bedauern  darüber  nicht 
unterdrücken,  dass  er  das  zum  Teil  ganz  neue  von  ihm  benutzte  archi- 
valische  Material  nicht  in  wissenschaftlich  verwertbarerer  Weise  verarbeitet 
hat.  Jedenfalls  wäre  Manches  davon  besonderer  Veröffentlichung  wert. 

* Schlecht,  Dr.  Jos.,  a.  o.  Professor  am  kgl.  Lyceum  zu  Preising. 
Die  Pfalzgrafen  Philipp  und  Heinrich  als  Bischöfe  von  Freising. 
Festgabe  zum  feierlichen  Einzug  des  Erzbischofs  Dr.  Fr.  Jos. 
von  Stein  in  die  Bischofsstadt  Freising.  Freising  1898. 
Dr.  Franz  Paul  Datterer.  47  S.  Mk.  1.50. 

Der  Titel  dieser  sehr  interessanten  und  gutgeschriebenen  Studie  ent- 
spricht nicht  ganz  ihrem  Inhalt.  Das,  was  man  zuerst  darin  erwarten  würde, 
eine  Darlegung  des  speziell  kirchlichen  Regiments  der  Bischöfe,  etwa  auch 
ihres  Kampfes  gegen  die  reformatorischen  Bestrebungen,  findet  sich  nicht. 
Dafür  werden  wir  eingehend  belehrt  über  den  Kampf  gegenüber  dem 
bayerischen  Herzogtum  um  ihre  fürstliche  Selbständigkeit,  woran  ja  frei- 
lich den  Kirchenfürsten  jener  Zeit  am  meisten  lag.  Allerdings  handelte 
es  sich  bei  den  Streitigkeiten  mit  den  bayer.  Herzogen,  die  der  Verf. 
mit  ausgiebiger  Begründung  seit  dem  Jahre  1530  schildert,  nicht  bloß 
um  die  fürstl.  Selbständigkeit,  sondern  auch  um  Eingriffe  derselben  in 
die  innerkirchliche  Verwaltung  und  die  kirchliche  Jurisdiktion,  die  von 
den  bayerischen  Fürsten  doch  nicht  nur  im  Interesse  der  Vermehrung 
ihrer  Hausmacht  oder  aus  Habsucht,  und  um  ihre  Diener  billig  unter- 
zubringen, geübt  wurde,  sondern  die  dem  in  der  Zeit  liegenden  Streben 
entsprangen,  die  geistliche  Gewalt  über  die  Unterthanen  nach  Kräften 
auszudehnen;  und  daß  die  bayer.  Fürsten,  obwohl  überzeugte  Anhänger 
der  römischen  Kirche,  unter  denen,  die  nach  einer  Art  landeskirchlichem 
Regiment  strebten,  obenan  standen,  hätte  der  Verf.  nicht  verschweigen 
sollen.  Aber  ihm  kam  es  mehr  darauf  an,  die  eifrigen  Bestrebungen 
der  verschiedenen  Wittelsbacher  Linien,  die  jüngeren  Söhne  in  den  Besitz 
von  Bistümern  zu  bringen,  zu  schildern,  namentlich  die  mancherlei  Intriguen, 
die  gesponnen  wurden,  den  Herzog  Heinrich,  den  Bruder  des  Bischofs 
Philipp  von  Freising,  der  1523  Administrator  von  Worms  ward,  dann, 
obwohl  er  niemals  die  höheren  Weihen  erhalten,  das  Bistum  Utrecht  er- 
langt hatte,  was  er  aber  an  Karl  V.  verschacherte,  erst  in  Eichstätt  und 
dann  in  Freising  als  Coadjutor  anzubringen.  Ersteres  gelang  nicht,  da 
Bischof  Gabriel  von  Eichstätt,  sein  Kapitel  und  seine  Stadt,  worüber  der 
Verf.  im  Anhänge  sehr  interessante  Aktenstücke  mitteilt,  dem  Kaiser  zum 
Trotz  sich  sehr  energisch  dagegen  wehrten,  und  letzteres  erst  nach  vielen 


100 


Zur  Bibliographie. 


Jahren,  weil  lange  Zeit  nicht  nur  Rom,  sondern  auch  die  bayerischen  Vettern 
dagegen  sich  sperrten.  Infolgedessen  konnte  Heinrich  erst,  als  Philipp  am 
5.  Jan.  1541  gestorben  war,  am  4.  Okt.  als  Nachfolger  einziehen,  obwohl 
die  Curie  ihn  schließlich  acceptiert  und  schon  unter  dem  26.  Aug.  1540 
als  Coadjutor  und  Nachfolger  bestätigt  hatte.  Aus  dem  inzwischen  von 
W.  Friedensburg  (Quellen  und  Forschungen  aus  italienischen  Archiven 
Bd.  I Heft  2 S.  22)  mitgeteilten,  dem  Verf.  bei  der  Abfassung  seiner 
Schrift  noch  unbekannten  Informativprozesse,  nach  welchem  diese  Gnade 
gegen  Zahlung  von  3000  Dukaten  erteilt  wurde  (fuit  facta  gratia  pro 
tribus  mille  ducatis,  mille  pro  compositione,  mille  pro  collegis  et  mille  pro 
officialibus)  müßte  man  schließen,  daß  entgegen  der  Meinung  Schlechte 
nicht  nur  das  Domkapitel  von  Freising,  sondern  auch  die  bayer.  Herzoge 
um  Heinrich  petitioniert  hätten,  aber  die  sonstigen  Angaben  des  infor- 
mierenden Kardinals,  u.  a.  die  doch  etwas  starke  wiederholte  Behauptung, 
Bischof  Philipp  habe  die  größte  Mühe  mit  der  Erhaltung  seiner  Kirchen- 
güter gehabt,  propter  continua  bella  a perfidis  Turcis  in  illis  partibus 
illata,  wie  das,  was  über  die  gute  Verwaltung  der  Wormser  Kirchengüter 
durch  Heinrich  berichtet  wird,  lassen  dieses  Aktenstück  als  keine  zu- 
verläßige  Quelle  erscheinen.  — Der  Regierung  des  Administrators  Hein- 
rich (f  3.  Januar  1552)  sind  nur  wenige  Blätter  gewidmet,  aber  was 
Schlecht  darüber  zu  berichten  weiß,  ist  interessant  genug  und  erweckt 
den  Wunsch,  er  möchte  diese  Verhältnisse  ausführlicher  und  in  größerem 
Rahmen  behandeln.  Sicherlich  wäre  es  doch  sehr  wertvoll,  auf  Grund 
des  dem  Verfasser,  aber  wahrscheinlich  nicht  jedem,  zugänglichen  Akten- 
materials im  bischöflichen  Archiv  zu  erfahren,  wie  sich  die  innerkirch- 
lichen Verhältnisse  unter  diesem  ungeistlichen  Herrn,  über  den  der  Verf. 
mit  seinem  Urteil  allzusehr  zurückhält,  gestaltet  haben. 

Seitz,  Otto  Lic.  theol.,  Die  Theologie  des  Urbanus  Rhegius, 
speziell  sein  Verhältnis  zu  Luther  und  Zwingli.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Abendmahlsstreites  im  Reformationszeitalter. 
Gotha  1898.  Friedrich  Andreas  Perthes.  Mk.  1.60. 

Realencyklopädie  für  protestantische  Theologie  und  Kirche 
herausgegeben  von  Albert  Hauck.  8.  Aufl.  Bd.  V enthält  fol- 
gende die  bayerische  Kirchengeschichte  betreffende  Artikel : 

Johannes  Drakonites  f 1566  von  Gustav  Kawerau.  — Paul  Eber 
f 1569  von  Gustav  Kawerau.  — Johannes  Eberlin  von  Günzburg  f c.  1530 
von  Theodor  Kolde.  — Christian  Ebner  f 1356  und  Margareta  Ebner 
f 1351  von  Philipp  Strauch.  — August  Ebrard  f 1888  (darin  vollstän- 
diges Verzeichnis  seiner  Schriften)  von  Karl  Müller.  — Johann  Eck 
f 1543  von  (Riggenbach)  Enders.  — Eichstätt,  Bistum  von  Albert  Hauck. 

— Ekkehard  von  Aura  f nach  1125  von  Wilhelm  Altmann.  — Elias 
Levita  (aus  Neustadt  an  der  Aisch)  f 1549  von  Ed.  König.  — Emmeram 
f um  715  von  Albert  Hauck.  — Emser  Kongreß  1786,  (darin  die  Errich- 
tung einer  päpstlichen  Nuntiatur  in  München  und  der  bayerische  Zehnten- 
streit) von  Karl  Mirbt.  — J.  V.  v.  Engelhardt  f 1855  von  J.  J.  Herzog  (f). 

— Franz  Ludwig  von  Erthal  f 1795  von  Kerler.  — Faber  von  Augsburg 
f um  1530  von  Wangenmann.  — Friedrich  Fabri  f 1891  von  E.  Sachsse. 


Kaspar  Kantz. 

Von 

Dr.  Christian  Geyer. 

Kaspar  Kantz  war  bis  in  die  neueste  Zeit  nnr  denen  be- 
kannt, die  sich  mit  der  Xördlinger  Keformationsgeschichte  be- 
schäftigten. Seitdem  man  aber  erfuhr,  dass  er  als  Verfasser 
der  ältesten  Evangelischen  Messe  eine  über  die  Mauern  seiner 
Vaterstadt  reichende  Beachtung  verdiene,  wandte  sich  ihm  das 
Interesse  weiterer  Kreise  zu.  Ich  hoffe  daher,  manchem  Leser 
dieser  Zeitschrift,  namentlich  aber  denen,  die  sich  für  die  Ge- 
schichte des  evangelischen  Gottesdienstes  interessieren,  einen 
bescheidenen  Dienst  zu  leisten,  wenn  ich  das  Wenige  zusam- 
menstelle, das  ich  über  ihn,  seinen  Lebensgang  und  seine  Schriften 
in  Erfahrung  bringen  konnte.  Ich  kann  dies  nicht  thun,  ohne 
vor  allem  meinem  hochverehrten  Lehrer,  dem  Herrn  Heraus- 
geber dieser  Zeitschrift,  den  herzlichsten  Dank  für  die  auf 
die  Studienzeit  Kantzens  in  Leipzig  und  Wittenberg  bezüg- 
lichen mir  gütigst  überlassenen  Notizen  auszusprechen. 

Über  die  frühere  Jugendzeit  Kantzens  fehlen  Nachrichten. 
Wir  erfahren  nur,  dass  er  ein  geborener  Nördlinger  war v)  und 
dürfen  vielleicht  vermuten,  dass  er,  weil  er  später  Karmeliter- 
mönch wurde,  die  Schule  besucht  habe,  die  dieser  Orden  in 
Xördlingen  unterhielt1  2). 

Wann  er  Mönch  geworden  ist,  wissen  wir  nicht,  gewiss  ist 
nur,  dass  sein  Eintritt  ins  Kloster  vor  dem  Wintersemester 
1501  erfolgt  sein  muss.  In  dieser  Zeit  treffen  wir  nämlich  sei- 

1)  Maister  Caspar  Kanntz  Supplication  1530.  „Wil  mich  hiemit  als 
einen  gebornen  gantz  genaigten  Nördlinger  ...  beleihen  haben-.  Nörd- 
linger Archiv. 

2)  Beyschlag.  Versuch  einer  Schulgeschichte  der  Reichsstadt 
Xördlingen.  1.  Stück.  1793.  S.  10. 

Beiträge  zur  barer.  Kirchengeschichte.  V.  3. 


8 


102 


Geyer,  Kaspar  Kautz. 


nen  Namen  in  der  Matrikel  der  Universität  Leipzig  mit  der 
Bezeichnung  „frater“ : frater  Casper  Canicz  de  Norlingen  (eine 
andere  Handschrift  schreibt  „Cantz“ Q.  Wenn  es  gestattet  ist, 
von  dem  Beginne  seiner  Studien  auf  die  Zeit  seiner  Geburt  zu 
schliesseu,  so  dürfen  wir  in  Kantz  einen  Altersgenossen  Luthers 
sehen.  Über  die  zwischen  1501  und  1518  liegende  Zeit  giebt 
uns  eine  Studie  Briegers  Aufschluss1 2).  Wir  erfahren  nämlich, 
dass  ein  Caspar  Kautzch  (Kautz.)  de  Norlingen,  fr.  ord.  Carme- 
litorum  im  Wintersemester  1502  Baccalaureus  und  im  Winter- 
semester 1505  Magister  wurde3).  Dass  dieser  Caspar  Kautz 
oder  Kautsch  identisch  ist  mit  unserem  Kantz,  kann  nicht  zwei- 
felhaft sein,  gleichviel  ob  in  den  von  Brieger  benützten  Quellen 
in  der  That  Kautz  geschrieben  steht,  oder  ob  er  irrtümlich  so 
gelesen  hat4).  Bis  zum  Jahre  1518  begegnet  uns  dieser  Name 
in  den  Leipziger  Universitätsakten.  „Anno  domini  millesimo 
quingentesimo  undecimo  feria  sexta  que  fuit  ultima  januarij 
Receptus  est  Ad  legendum  Cursum  in  Sacra  theologia  venera- 
bilis  et  religiosus  pater  et  magister  Casperus  kautz  de  Norlingen, 
ordinis  Carmelitarum  frater“5 6),  und  „Anno  domini  millesimo  quin- 
gentesimo tercio  decimo  Sabbato  in  vigilia  oculi  Receptus  est 
ad  legendum  Sentencias  in  Sacra  theologia  venerabilis  dominus 
magister  Caspar  kautzsch  de  Norlingen  frater  ordinis  Carmeli- 
tarum5). Man  könnte  sich  wohl  denken,  dass  ein  Mönch,  der 
nach  solchen  Studien  und  Erfolgen  in  die  Heimat  zurückkehrte, 
alsbald  von  seinen  Conventualen  zu  einer  leitenden  Stelle  be- 
rufen worden  sei,  wie  die  Nördlinger  Chronik  berichtet7),  allein 
eine  derartige  Notiz  darf  nur  mit  Vorbehalt  verwendet  werden. 
Zudem  erfahren  wir,  dass  M.  Martin  Moninger,  der  zweite 


1)  Codex  diploinaticus  Saxoniae  Regiae  XVI.  Die  Matrikel  der  Uni- 
versität Leipzig  Bd.  I,  444. 

2)  Brieger,  die  theol.  Promotionen  auf  der  Universität  Leipzig 
1428 — 1584.  Leipzig  1890. 

3)  a.  a.  0.  S.  49. 

4)  Auch  Seckendorf,  Historia  Lutheranismi  III,  183  ff.  schreibt 
durchweg  Kautz. 

5)  Brieger  a.  a.  0.  S:  25. 

6)  a.  a.  0.  S.  26. 

7)  Manuscr.  in  der  Fürst! . Wallerstein’schen  Bibliothek  in  Maihingen. 
Abschrift  in  der  Stadtbibliothek  Nördlingen. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


103 


lutherische  Stadtpfarrer  in  Ansbach,  der  1498  in  Löpsingen  bei 
Nördlingen  geboren  und  zu  Öttingen  im  Latein  unterrichtet 
worden  war,  aus  dem  Karmeliterkloster  zu  Nördlingen  gestossen 
worden  sei,  weil  ihn,  den  Verehrer  von  Luthers  Schriften,  Prior 
und  Conventualen  nicht  auf  andere  Gedanken  bringen  konnten ; 
und  erst  nach  Moningers  Vertreibung  sei  Kantz  Prior  gewor- 
den1). Allein  er  scheint  eher  Moningers  Leidensgefährte  als 
sein  Nachfolger  gewesen  zu  sein.  Der  Vicarius  des  Priorats 
wollte  auch  ihn  nicht  mehr  dulden,  sondern  aufs  schleunigste 
austreiben.  Die  beiden  Bürgermeister  Widemann  und  Reuter, 
die  zugleich  Klosterpfleger  waren,  verwendeten  sich  für  ihn  in 
einem  noch  erhaltenen  Schreiben  vom  11.  Juni  1518  bei  dem 
Provinzial  des  Carmeliterordens  Georg  Muffel  in  Bamberg,  dass 
man  ihm  bis  Michaelis  noch  Frist  geben  möge2).  Es  ist  doch 
kaum  anzunehmen,  dass  mehr  als  diese  Bitte  sollte  gewährt 
worden  sein.  Jedenfalls  erfolgte  jedoch  seine  Rehabilitierung 
bald  wieder;  denn  1523  heisst  er  offiziell3)  „priester  vnd  Munich 
zu  den  CarmelitenL  Dass  Luther  sehr  bald  in  den  Kreisen  der 
Nördlinger  Bettelmönche  Anhänger  fand,  ist  gewiss4).  Wollte 
man  dies  anfänglich  nicht  dulden,  so  lernte  man  doch  allmählich, 
dass  es  nicht  anging,  die  frische  Lutt  der  Reformation  von  dem 
Kloster  auszuschliessen.  Bürger,  Geistliche  und  Mönche  wurden 
von  ihrem  Hauch  berührt.  Die  Berufung  Diepold  Gerlachers, 
eines  erklärten  Anhängers  Luthers,  zur  Predigt  der  evangeli- 
schen Lehre  nach  Nördlingen  und  die  Wirksamkeit  dieses 
Mannes  daselbst  vom  1.  Nov.  1522  an  wäre  undenkbar,  wenn 
nicht  vorher  der  Boden  zubereitet  und  der  Weg  geebnet 
worden  wäre. 

Die  Seele  dieser  ersten  reformatorischen  Bewegung  war 
aber  unstreitig  unser  Kaspar  Kantz.  Nur  deshalb  weil  er 
sich  anfänglich  bescheiden  zurückhielt  und  erst,  als  die  dringende 

1)  Beyschlag,  a.  a.  0.  S.  10:  Er  beruft  sich  auf  Joh.  Andr.  Zindel, 
Lebensbeschreibung  M.  Martin  Moningers.  Zugabe  zu  dem  2.  Bande  der 
Uffenheimischen  Nebenstunden. 

2)  Briefbuch  1518.  Nördlinger  Archiv.  (Siehe  unten  im  Anhang). 

3)  Urfehdebuch  1518—33  Fol.  77b.  Nördlinger  Archiv.  (S.  Anhang). 

4)  Beyschlag,  a.  a.  0.  S.  9 Die  Geschichte  von  dem  Nördlinger 
Mönch,  der  bei  den  Barfüßern  zu  Regensburg  wider  die  Wallfahrten  zur 
schönen  Maria  predigt  und  das  Abendmahl  unter  zweierlei  Gestalt  darreicht. 

8* 


104 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


Not  es  erheischte,  das  Steuer  ergriff,  ist  sein  Verdienst  ver- 
dunkelt geblieben  und  Diepold  G-erlacher  genannt  Billicanus  mit 
dem  Namen  des  Reformators  Nördlingens  geehrt  worden,  auf 
den  jener  einen  früheren  und  begründeteren  Anspruch  hat. 

Im  Jahre  1522  erschien  die  hochinteressante  Schrift  Von 
der  Euangelischen  Messz,  über  die  Smend1)  ausführlich  ge- 
handelt hat.  Da  aber  nicht  allen  Lesern  dieser  Zeitschrift 
Smends  vortreffliches  Buch  zur  Hand  sein  wird,  gebe  ich  nach 
der  Originalausgabe  von  1522  (Münchener  Hof-  und  Staats- 
bibliothek Asc.  1335)  eine  kurze  Beschreibung  des  Schriftchens, 
das  in  klein  8°  nur  16  Seiten  stark  ist  (davon  die  letzte  un- 
bedruckt). 

Das  durch  eine  hübsche,  die  Gestalten  der  vier  Evange- 
listen mit  ihren  Symbolen  und  Namen  zeigende  Einrahmung 
gezierte  Titelblatt  trägt  die  Aufschrift 

Von  der  Euan  | gelischen  Mefß.  | Mit  schonen 
Christlichen  | Gebetten  vor  vnd  nach  | der  empfahung 
des  | Sacraments.  j Durch  Caspar  Kantz  | 
von  Nor  düngen.  | 1 . 5 2 2.  | 

Die  Rückseite  des  Titels  enthält  unter  der  Aufschrift 
( Die  Summa  Christlicher  g e - 
rechtigkeit  / vnd  des  glaubens 
volkommenhei  t. 


1)  Die  evangelischen  deutschen  Messen  bis  zu  Luthers  deutscher 
Messe.  Güttingen  1896  S.  38  u.  72.  Die  ganze  Messe  ist  daselbst  ab- 
gedruckt S.  41—46  und  S.  73—78.  Ich  kann  die  dort  gegebenen  Nach- 
weise nur  um  eine  Nummer  vermehren.  In  der  Münchener  Hof-  u.  Staats- 
bibliothek Asc.  4656d  findet  sich  ein  defektes  Exemplar  von  folgender 
Ausgabe:  Won  der  euä  | gelischen  Messz.  | 

Mit  schonen  christlichen  Ge  | betten  vor  vnd  nah  der  j 
entpfahung  des  | Sacraments.  | 

Durch  Cafpar  Kantz  von  | Nordlingen.  | 

8°,  ohne  Jahr.  Die  Titelumrahmung  stimmt  genau  mit  der  von  Ib  (Smend 
S.  72)  überein.  Auch  die  übrigen  von  Smend  angegebenen  Merkmale  be- 
gegnen uns.  Wir  haben  also  eine  zweite  von  Secer  in  Hagenau  gedruckte 
Ausgabe  vor  uns.  Das  Exemplar  ist  erhalten  bis  zu  den  unter  der  Ueber- 
schrift  „Prefation  oder  vorred  der  Mefß“  stehenden  Worten:  ,Ja  warlich 
ist  es  billich  vnd  recht  auch  heylsam  | das‘.  Abgesehen  von  der  Ortho- 
graphie ist  es  ein  Abdruck  der  Ausgabe  von  1522. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


105 

den  Anfang  einer  etwas  mehr  als  3 Seiten  füllenden  Betrach- 
tung. „Wir  müssen“,  so  beginnt  dieselbe,  „Christum  vnsern 
herren  vnnd  säligmacher  zu  aller  zyt  / allein  in  vnß  lassen 
wircken  die  Vergebung  vnser  Sünden-.  Im  Anschluss  an  Ezech. 
33,  Jes.  44,  Ps.  105  und  146  werden  Belehrungen  gegeben  über 
Gericht,  Gerechtigkeit  und  Vollkommenheit  des  Glaubens,  und 
geschlossen:  ..Das  gericht  macht  forchtsam.  Aber  die  gerecht ig- 
keit  des  glaubes  / vns  in  Christo  erzeigt  trost  vnd  macht  frolich. 
In  de  gericht  vnnd  gerechtigkeit  / wirdt  der  mensch  vnnd  alle 
seine  werck  gerecht  vnd  gott  angenem.u 

Hat  diese  schlichte  Betrachtung  den  Leser  in  die  rechte 
Stimmung  für  die  Sacramentsfeier  bringen  wollen,  so  belehrt 
ihn  das  folgende  Stück,  wie  er  selbst  seine  Anliegen  Gott  vor- 
tragen soll. 

(|  Ein  andechtigs  gebett  darin 
sich  der  mensch  selbs  erkennet/ 
vnd  gnad  begert  von  gott. 

Dieses  Gebet  ist  nach  meinem  Dafürhalten  schöner,  als  alle 
diejenigen  Beichtgebete,  die  bei  uns  in  Bayern  gebraucht 
werden.  Da  es  eine  wahre  Zierde  jeder  Agende  bilden  würde, 
teilen  wir  es  in  seinem  vollständigen  Wortlaut  mit  in  der 
Hoffnung,  dass  es  einmal  wieder  Beachtung  und 
Verwendung  finden  möge. 

„([0  barmhertziger  ewiger  gott  ich  beken  vn  klag  dir 
..  alle  meine  sünd  . den  ich  hab  dir  allein  gesündiget  vnnd 
„meine  sünd  richten  vnd  verdauten  mich  an  allen  orten.  Wo 
-ich  bin  oder  hinflieh  / so  volgen  sye  mir  nach  vnd  stond  vor 
„meinen  äuge.  0 mein  gütiger  gott  / wie  vil  sünd  hab  ich  vor 
-dir  verbracht  / die  ich  vß  schäm  vnd  forcht  / vor  keine  men- 
„ sehen  verbracht  het.  Auch  bin  ich  in  Sünde  entp  fange  vnd 
-gehöre  \nd  ist  all  mein  leben  thuu  vnd  lassen  nichts  den 
rsünd.  Darzu  hab  ich  dein  volck  mit  meinen  Sünden  offt  be- 
leidiget vnd  betrübt  / darumb  ich  dich  billich  fürchten  vnd 
„flyehen  solt  als  ein  gestrenge  richter  aller  boßheit  . Aber  ich 
-weiß  das  du  ein  guttiger  gott  bist  umb  der  sünder  willen 
. mensch  worden  bist  körnen  in  dise  weit  zu  beruhen  nit  die 
„gerechte  / sonder  die  arme  Sünder  zu  der  büß  . Du  hast  auch 
-gesagt  . Komendt  liar  zu  mir  alle  die  ir  arbeiten  vnd  be- 


106 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


„schwärdt  seind  / ich  wil  eiich  erquicken  vnnd  helfen  . Da- 
„rumb  fleüßt  mein  seel  in  wäckelmütigkeit  zwischen  der  forcht 
„vnnd  hoffnung  / yetzt  verzwyfel  ich  vß  forcht  der  sünd  / die 
„ich  in  mir  erkenn  vnd  entpfind  / dan  werd  ich  wider  getrost 
„vnnd  erhebt  vß  hoffnung  deiner  barmhertzigkeit  . Yedoch  die 
„weil  dein  barmhertzigkeit  grosser  ist  dann  mein  dürfftigkeit  / 
„so  will  ich  allzeit  hoffen  in  dich  . Den  du  allein  bist  mein  gott 
„vnd  herr  / mein  saeligmacher  vnnd  tröster  / mein  heyland  vnd 
„einige  zuuersicht  . Darumb  bit  ich  dich  demutigklich  vnd 
„hertzlich  / durch  deines  leydens  willen  vnd  kostbarliche  bluts  / 
„vmb  Vergebung  meiner  Sünden  / vnnd  das  du  seyest  mein  hoff- 
„nung  vnd  mein  sterck  / yetzund  auch  in  der  stund  meines  ab- 
„scheids  . Amen!“ 

Das  folgende  Stück  „Ein  betrach  tung  oder  gebet  bey  der 
heiligen  Mefß“  ist  dazu  bestimmt,  während  des  Sprechens 
oder  Singens  der  Einsetzungsworte  durch  den  Priester,  in 
der  Stille  gebetet  zu  werden,  und  das  letzte  ist  „Ein  gebet 
vor  der  entpfahung  des  hochwirdigen  Sacraments“.  Zum  Be- 
weise, dass  auch  diese  Gebete  trefflich  ihrem  Zwecke  ent- 
sprechen, stehe  hier  noch  der  Schluss  des  letzten  Stückes. 
Nachdem  ausgesprochen  war,  dass  der  Beter  durch  eigene 
Beue,  Beichte,  Busse  und  andere  Werke  nicht  würdig  werden 
kann,  heisst  es  weiter:  „Darum  beger  ich  von  dir  meinem 
„einigen  gott  vnd  heyland  / das  du  mich  barmhertzigklich  wol- 
lest bereiten  vnd  würdig  mache  . Den  darumb  das  ich  ein 
„armer  vn würdiger  Sünder  bin  / wil  ich  zu  dir  / aller  Sünder 
„trost  / fliehen  vnd  dich  entpfahen  in  warem  glauben  Vff  das 
„ich  allein  bey  dir  vnnd  von  dir  meinem  engstlichen  gewissen 
„mög  ruw  vnd  trost  finden  / vnd  das  du  in  mir  bleibend  mich 
„dir  bereitest  nach  deine  göttlichen  wolgefallen  . Ich  zweifei 
„auch  gar  nichtzs  / deine  krefftige  wort  werden  an  mir  gentz- 
„lich  vnnd  warlich  erfüllet  / durch  welche  ich  gantz  wol  ge- 
„ trost  / frölich  will  hin  geen  zu  dir  meine  gütigen  gott . Vnnd 
„glaub  vestigklich  / das  du  den  leib  vnnd  das  blut  an  dich  ge- 
„nomen  habest  mich  zu  erlösen  von  dem  ewige  tod  . Darum 
„geschech  mir  nach  deinem  wort  . Amen  . Der  frid  sey  mit 
„mir  . Amen.“ 

Während  die  bisher  besprochenen  vier  erbaulichen  Stücke 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


107 


offenbar  denjenigen  einen  Dienst  leisten  wollen , die  ohne 
solche  evangelische  Belehrung  der  in  einer  unverständlichen 
Sprache  gehaltenen  Messfeier  ohne  gemütliche  Teilnahme  bei- 
wohnen würden,  wird  in  dem  nun  folgenden  Hauptteil  des 
Büchleins  ( Von  der  Euangelischen  Mefß 
wie  man  sye  halten  soll. 

eine  Anleitung  gegeben,  wie  sich  die  Feier  des  h.  Abendmahls 
nach  evangelischen  Grundsätzen  gestalten  müsste.  Während 
der  erste  Teil  für  die  Laien  bestimmt  war,  die  der  römi- 
schen Messfeier  an  wohnen,  ist  der  zweite  Teil  besonders  für 
die  Geistlichen  bestimmt,  indem  ihnen  gezeigt  wird,  welche 
Form  der  Messe  wenn  auch  nicht  sogleich  eingeführt,  so  doch 
erstrebt  und  angebahnt  werden  müsse. 

Der  Gang  der  Abendmahlsfeier  nach  Kantz  wäre  folgender : 

1.  ,.Zum  ersten  soll  der  priester  oder  ein  anderer  ein  er- 
manung  thun  von  dem  Sacrament  / oder  sunst  etwas  trost- 
lichs  vß  dem  heiligen  Euangelio  sagen  / wie  im  der  geist 
gottes  eyngibt  etc.“ 

2.  Aufforderung  zum  Sündenbekenntnis. 

3.  Absolution. 

4.  Aufforderung  zur  Fürbitte  für  den  Priester,  dass  er  seinen 
Dienst  Gott  zu  Lobe  und  der  Gemeinde  zum  Trost  aus-' 
richten  möge. 

5.  Priester  (und  Volk)  beten:  „Kum  heiliger  geist  / erfülle 
die  hertzen  deiner  gläubigen“  u.  s.  w.,  woran  sich  eine 
kurze  Oollecte  anschliesst. 

6.  Die  Präfation. 

7.  Das  deutsche  Sanctus  (vom  Priester  gesprochen). 

( Nun  hebt  sich  erst  die  Euangelisch  Mefß  an. 

8.  Die  Consecration  (in  engem  Anschluss  an  das  römische 
Messritual,  aber  natürlich  deutsch]. 

9.  Das  Vaterunser1). 


1)  An  Stelle  der  in  der  Ausgabe  III  von  1524  (nach  Smend  a.  a.  0. 
S.  72.  Abgedruckt  und  von  mir  beschrieben  in  Siona  XVIII,  Heft  5 und 
6)  angeschlossenen  Doxologie  „den  deyn  yst  dz  reich“  u.  s.  w.  steht  1522: 
„Durch  vnsern  herren  Jhesum  deinen  sun  . welcher  mit  dir  vnd  dem  hey- 
ligen  geyst  ein  warer  gott  lebt  vnd  herrscht  in  ewigkeit  . Amen“  . Der 
Satz,  der  1524  auf  das  Amen  der  Doxologie  folgt:  „Hie  neme  der  Priester 


108 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


10.  Agnus  dei  deutsch. 

11.  Kurzes  Gebet  vor  der  Distribution. 

12.  Selbstcommunion  des  Priesters.* 1 2 3  4) 

13.  Distribution  unter  beiderlei  Gestalt  nach  vorausgehender 
Elevation. 

11.  Dankgebete  (Nunc  dimittis  deutsch.  Te  deum  deutsch. 
Einige  andere  kurze  Dankescollekten). 


Zu  meiner  Ansicht,  dass  die  deutsche  Messe  Kantzens  nur 
auf  dem  Papier  stand 2),  hat  Smend 3)  ein  Fragezeichen  ge- 
macht. Vielleicht  doch  mit  Recht.  Wer  kann  sagen,  ob  nicht 
das  Formular  in  solchen  geheimen  Abendmahlsfeiern  sub  utraque 
benutzt  wurde,  oder  aus  ihnen  hervorgegangen  ist,  wie  sie  uns 
aus  Regensburg  bezeugt  sind?4)  Nur  das  möchte  ich  aufrecht 
erhalten,  dass  von  einem  offiziellen  Gebrauch  im  eigentlichen 
Gottesdienst  kaum  die  Rede  wird  sein  können.  Wie  sich  in 
Nördlingen  der  Gottesdienst  allmählich  gestaltete  und  zwar 
unter  den  Augen  und  späterhin  unter  der  Leitung  Kantzens, 
suchte  ich  anderwärts  aus  den  Quellen  darzustellen.  Der  Gottes- 
dienst der  Kantz’schen  Kirchenordnung  von  1538  ist  ein  ganz 
anderer,  als  man  nach  der  Evangelischen  Messe  vermuten 
möchte 5). 

Auf  diese  Erstlingsschrift  Kantzens  folgt  nach  kurzer  Zeit 
ein  20  Blätter  klein  8°  starkes  Büchlein 
Wie  man  den  kr  an 
cken  vnd  Sterbenden  menschen 
ermanen  / trösten  / vnnd  Gott  befelhen 


das  brot  / vnd  breche  es  / so  vill  ers  bedarff“  u.  s.  w.  findet  sich  1522 
noch  nicht. 

1)  So  jedoch,  dass  er  das  Brot  selbst  nimmt  und  dann  das  Volk  speist, 
und  nachher  erst  den  Kelch  vor  der  Austeilung  des  Weines. 

2)  Geyer.  Die  Nördlinger  ev.  Kirchenordnungen  des  16.  Jahrh.  S.  3. 

3)  a.  a.  0.  S.  241. 

4)  Geschichte  der  Kirchenreformation  in  Regensburg.  Regensb.  1792. 
nach  Beyschlag  a.  a.  0.  S.  9:  „Wenn  dieser  (Nördlinger)  Mönch  pre- 
digte, so  drängte  sich  alles  zu,  und  in  geheimen  Versammlungen  reichte 
er  nebst  andern  Mönchen  das  Abendmahl  unter  zweyerley  Gestalten“. 

5)  Geyer  a.  a.  0.  S.  1—23. 


Geyer,  Kaspsr  Kantz. 


109 


soll / das  er  von  diser  Welt/ 
seligklich  abschaide. 


Caspar  Kantz. 

Apoca  . xiiij  . 

Selig  seind  die  Todtenn  / 
die  in  dem  Herren  sterben. 

Darunter  eine  Zierleiste  mit  zwei  auf  Delphinen  reitenden 
Putten,  die  einen  leeren  Schild  halten.  Titelrückseite  bedruckt. 
Letzte  Seite  leer,  x^m  Ende: 

Getruckt  / zu  Augspurg  durch 
Narciß  Paminger.“  0.  J. D 

Nach  dem  Namen  des  Druckers  zu  schliessen,  ist  diese 
Ausgabe  aus  der  Zeit  um  1540,  es  ist  jedoch  unzweifelhaft, 
dass  die  Schrift  schon  viel  früher  herauskam.  In  dem  Sammel- 
bande der  Münchener  Bibliothek,  der  die  Evangelische 
Messe  von  1522  enthält,  findet  sich  nämlich  eine  16  Bl.  kl.  8° 
starke  Schrift:  Eyn  außerwöltt  [ Byechlin  wie  ein  Chri / ( 
stemensche  zum  ersten  soll  | leeruen  erkennen  vnd  wys-  | sen 
was  er  von  natur  sey/  | wz  in  im  sey/  wie  er  geschaf  | fen 
sey  etc.  Mitt  schonen  | gebeten  So  eyn  mensch  dz  | Sacrament 
empfahen  | will  / oder  sunnstbey  | der  Mefß  ist  etc.  | ([  Item  von 
der  Ewange-  | lischenn  Mefß.  | ([  Item  wie  man  eyn  sterbendten  | 
menschenn  ermannen  vnnd  | trostenn  soll  etc.  | 1524.  | Darunter 
geschrieben1 2):  C.  K.  | Ohne  Angabe  des  Druckers.  Da  am 
Schlüsse  ein  7 Seiten  füllendes  Gebet  vor  der  Empfahung  des 
Sacramentes  steht,  als  dessen  Verfasser  sich  ein  Nycolaus 
Krumpach3)  in  einer  Vorbemerkung  nennt,  ist  als  sicher  anzu- 
nehmen, dass  derselbe  das  ganze  Büchlein  zusammengestellt 
habe.  Denn  eine  Zusammenstellung  und  keine  originale  Arbeit 

1)  Münchener  Hof-  u.  Staatsbibi.  Catech.  466. 

2)  Smend  a.  a.  0.  S.  39  ist  das  C.  K.  als  Bestandteil  des  Titels  zu 
beseitigen. 

3)  Dieser  Nicolaus  Krumpach,  Pfarrer  von  Querfurt,  der  schon  1522 
eine  sehr  merkwürdige  Übersetzung  des  Johannisevangeliums  heraus- 
gab, worüber  Ried  er  er,  Nachrichten  I,  264  berichtet,  sollte  einmal  in 
einer  besonderen  Arbeit  behandelt  werden  (Anm.  d.  Red.). 


110 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


ist  es;  und  zwar  sind  es  ebeu  die  beiden  auch  auf  dem  Titel 
genannten  Schriften  Kantzens,  welche  er  im  Wesentlichen  aus- 
geschrieben hat1).  Im  Jahre  1524  musste  demnach  auch  das 
Krankenbüchlein  schon  gedruckt  vorliegen,  uud  wir  erhalten 
als  Zeit  der  Abfassung:  vor  1524. 

Seinem  Inhalte  nach  ist  das  Büchlein  eine  in  das  Evan- 
gelische übersetzte  Ars  moriendi,  wie  sie  am  Schlüsse  des 
Mittelalters  neben  den  Hortuli  animae  zahlreich  begegnen,  nur 
dass  der  Bilderschmuck  jener  fehlt.  Man  wird  heute  noch  die 
schlichten  Worte  nicht  ohne  Bewegung  lesen.  Wir  fühlen,  wie 
ein  glaubensstarkes  Herz  in  seelsorgerlicher  Liebe  den  lange 
verschlossenen  Brunnen  göttlichen  Trostes  öffnet.  Eben  die 
Wasser,  welche  unsere  Kranken  und  Sterbenden  heute  noch 
laben,  quellen  in  jugendlicher  Frische  hervor,  und  es  wird  uns 
wohl  ums  Herz,  wenn  wir  aus  diesem  Borne  trinken. 

Nachdem  die  Vorrede  die  Notwendigkeit,  im  Leiden  und 
Sterben  Gottes  Willen  zu  erkennen,  betont  und  als  Zweck  des 
Büchleins  angegeben  hat,  zu  berichten,  wie  ein  Mensch  sein 
Leben  selig  enden  soll,  beginnt  das  Büchlein  selbst  mit  einer 
Belehrung  „Von  dem  Hai ligen  Cr eütz,  Wasessey,  Vnnd 
wie  es  von  Gott  kombt“.  Da  Leiden  und  Sterben  der  aller- 
liebste Wille  Gottes  ist,  soll  man  nicht  bei  Zauberern  und 
Wahrsagern  Hilfe  suchen.  Wer  das  Leiden  von  Gott  annimmt, 
dem  wird  es  leidlich.  Das  Kreuz  ist  dem  Menschen  heilsam, 
denn  es  führt  zur  Sündenerkenntnis  und  Busse. 

Der  zweite  Abschnitt  behandelt  die  Anfe  ch  tun  gen,  da- 
mit die  Sterbenden  etwan  versucht  werden,  mit  ihren  Tröstungen. 
Der  Sterbende,  der  eilends  Weib,  Kind,  Amt  und  Geschäfte 
verlassen  soll,  wird  damit  getröstet,  dass  Gott  die  rechte  Zeit 
weiss  und  Witwen  und  Waisen  versorgen  kann.  Der  durch 
die  Erinnerung  an  seine  Sünden  Beunruhigte  wird  auf  Christus 
gewiesen;  aber  er  soll  sich  auch  die  Absolution  von  einem 

1)  Nach  dem  Krumpach’schen  Buch  spricht  z.  B.  bei  der  5.  Anfech- 
tung der  Kranke  in  seinem  Herzen  „Ich  bin  Gottes  ereatur  er  machs  mit 
mir  wie  er  wil  / da  lig  ich  birt  berait  nach  seynem  wyllen  zu  leben  oder 
sterben  / kan  mir  selbs  nitt  helfenn  / hab  auch  nit  verdient  / das  er  mir 
helffenn  sol  / “.  Dies  ist  wörtlich  entlehnt  aus  Kantzens  Trostbüchlein 
*Ain  sondere  ermanung  an  den  Krancken“. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


111 


Kirchendiener  geben  lassen  oder,  wo  dies  nicht  möglich,  sich 
mit  Sprüchen  der  heil.  Schrift  trösten.  Bemerkenswert  ist  der 
Satz:  „In  der  Not  hat  ein  jeglicher  Mensch  Gewalt,  den  Be- 
trübten zn  trösten  mit  Gottes  Wort  und  zn  absolvieren“.  In 
ähnlicher  Weise  wird  dem  Kleinmütigen  zngesprochen,  der  durch 
die  Bitterkeit  des  Todes  Erschreckte  daran  erinnert,  dass  die 
Todesfurcht  oft  bitterer  ist  als  der  Tod  selbst,  und  die  Zweifel, 
ob  man  von  Gott  erwählt  sei,  verscheucht  Christi  Wort.  Da- 
neben wird  gegen  diese  und  andere  Anfechtungen  der  Genuss 
des  heil.  Abendmahls  empfohlen.  Angefügt  ist  eine  Auswahl 
von  Trostsprüchen,  ,.den  Kranken  damit  im  Glauben  und 
auf  Hoffnung  zu  stärken“:  Jes.  55,  6f;  Ps.  103,  8ff;  Ps.  50,  15; 
Ps.  145,  18f;  Mtth.  11,28;  Joh.  5,24;  Joh.  8,41;  Joh.  10,27; 
Born.  8,  Blff ; 1 Thess.  4.  14ff;  Ecclesiast.  7,  1.  Unter  der 
Ueberschrift  „Ain  sondere  ermanung  an  den  Krancken“ 
finden  wir  eine  kurze  Zusprache  mit  Gebet  und  es  folgen  nun 
zwei  Sündenbekenntnisse  und  zwei  Absolutionsformeln,  ein  Ge- 
bet vor  dem  Empfang  des  Sacraments  und  eine  Danksagung 
nach  demselben  nebst  dem  Lobgesang  Simeons  und  einem  darauf 
bezüglichen  Gebete.  An  das  apostolische  Glaubensbekennt- 
nis reiht  sich  die  Frage  an:  „Wilt  du  in  disem  glauben  be- 
stendig beleiben  / biß  an  dein  ennd  . Antwort  . Ja  mit  Gottes 
hilff,“  und  ein  „Trost  darauff“.  Jedes  der  sieben  Worte  vom 
Kreuz  ist  in  einem  Gebet  umschrieben  und  auf  den  Kranken  an- 
gewendet. Die  Psalmen  12.  22.  25.  31.  40.  42.  54.  57.  63.  69. 
71.  91.  103.  126.  142.  146,  dazu  die  sieben  Busspsalmen  möge 
man  dem  Kranken  vorlesen,  dazu  auch  das  Leiden  Christi, 
namentlich  daraus  Luc.  23.  Eine  Krankenlitanei,  eine  Litanei, 
wann  der  Kranke  „in  die  züg  greifft“,  eine  Aussegnung  des 
Sterbenden,  ein  Gebet  nach  dem  Verscheiden  und  eine  Ermah- 
nung an  die  Umstehenden  machen  den  Schluss  des  Büchleins, 
an  dessen  Ende  der  Verfasser  noch  herzlich  und  dringend  zur 
Liebe  gegen  die  Kranken  und  Sterbenden  ermahnt:  „Dieweil 
wir  alle  ain  laib  sind  in  Christo  vnnd  ainer  deß  anndern  glid 
ist:  die  glider  aber  sorgen  für  ain  ander:  Also  / wann  ains 
leydet  / das  die  anndern  alle  auch  mit  im  leidenn:  Vnnd  so  ain 
Glid  wirt  herrlich  gehalten,  die  anndern  sich  mit  jm  frewen: 
Sollen  wir  vnns  frewen  mit  den  frölichen  / vnnd  wainen  mit 


112 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


den  warnenden  / wie  auch  Jesus  Syrach  schreibt  / am  Sibenden 
Capitel.  Laß  die  warnenden  nit  one  trost  / Sonnder  traure  mit 
den  traurigenu.  Beschwere  dich  nit  Die  krancken  zubesuchen. 
Vnnd  beweise  auch  an  den  Todten  dein  wolthat  / So  wirdst  du 
geliebt  werdenn.  Dann  dis  erfordert  die  rechte  lieb  / das  wir 
in  aller  not  ain  ander  raten  vnd  helffen  / nach  allem  vermügenn. 
So  aber  die  letste  not  ( wann  der  Mennsch  mit  dem  Todt  vber- 
eylet  wirdt)  die  grössest  ist  / Soll  ain  yegklicher  seinem  nechsten 
zuspringen  / vnnd  nach  dem  er  gnad  von  Gott  empfangen  hat / 
jn  ermanen  / trösten  / vnd  Gott  für  jn  pittenn  wie  in  diesem 
Büchlin  / für  die  ainfeltigenn  / ain  Form  gestellt  ist.  Doch  soll 
niemand  an  dise  weiß  gebunden  sein  / Sonnder  ain  yeder  wie 
jm  Got  wirdt  offenbaren  / seinem  nächsten  berait  sein  zu  die- 
nern!: Wir  sollenn  aber  wissenn  / Das  vnnser  zu  thun  nichts 
helffenn  wird  / Wa  Gott  sein  genad  nit  darzu  gibt.  Dann  weder 
der  da  pflanntzet  / Noch  der  da  begeüßt  / ist  etwas  / Sonder 
Gott  / der  das  gedeyenn  gibt.  Darumb  sollenn  wir  in  Gottes 
forcht  / vnd  starckem  Glauben  / mit  vnnserm  nechsten  handeln 
vnd  Gott  pitten  / das  er  vnsern  Dienst  fruchtbar  mache.  Dem 
sey  eer  vnnd  preiß  / in  ewigkayt  / Amen.“ 

Das  herzliche  und  herzstärkende  Büchlein  ist  unverdienter- 
weise in  Vergessenheit  geraten.  Ihm  gebührt  in  der  Geschichte 
der  evangelischen  Seelsorge  eine  ähnlich  hervorragende  Stelle, 
wie  der  Evangelischen  Messe  in  der  Geschichte  des  evange- 
lischen Gottesdienstes. 

Dem  Jahre  1524  gehört  die  Schrift  an: 

Ein  Schoner  Ser-  | mon  vber  das  Euä  | 
gelion  . Niemant  kan  zwei  | en  herren  dienen  durch  | 
den  wirdige  her  | ren  Caspar  | Cantz  zu  | Nörlingen  ge  j 
predigt  j M . D.  xxiiij.  ] (Königl.  Bibliothek  in  Berlin).  • 
Der  Titel  ist  umrahmt;  unten  halten  zwei  Engelchen  ein  Wap- 
pen, rechts  und  links  phantastische  Säulen,  darüber  ein  tym- 
panonartiger Abschluss.  8 Blätter  in  4°.  Letzte  Seite  leer. 
Auf  der  Rückseite  des  Titels  steht  eine  Art  kurzer  Vorrede  in 
der  die  Stelle  1 Tim.  6,  zitiert  ist  ,.So  wir  fueter  vnd  deck 
haben  / sollen  wir  vns  lassen  genügen“.  Der  Sermon  ist  eine 
am  15.  Sonntag  nach  Trinit.  gehaltene  Predigt  mit  folgendem 
Gedankengang. 


Geyer.  Kupar  Kantz. 


113 


Zwei  Herren  werden  in  dem  Evangelium  abgemalt,  welchen 
die  Menschen  dienen,  ein  treuer  und  ein  falscher.  Gott  und  der 
Mammon.  Aeusserlieh  kann  man  keinen  Unterschied  machen 
1 zwischen  Gottes  und  des  Mammons  Diensten  oder  Dienern, 
denn  sie  wirken  gleich,  als  mit  Fasten.  Beten,  Kirchengehn  u.  s.  w.. 
aber  das  Herz  und  der  Glaube  scheidet  sie  von  einander.  Gottes 
Diener  gedenkt  also:  Mein  Herr  ist  allmächtig,  gütig,  getreu 
und  sorgt  für  mich,  so  bin  ich  seine  arme  Kreatur,  die  er  er- 
schaffen und  durch  seinen  Sohn  erlöst  hat,  mir  auch  befohlen, 
ich  solle  nicht  sorgen,  sondern  meines  Amtes  und  Werkes,  dazu 
ich  von  ihm  berufen  bin.  fleissig  warten.  Drum  will  ichs  mit 
Freuden  ausrichten.  denn  ich  weiss,  dass  es  ihm  gefallt,  dass 
ich  ein  Mann.  Weib.  Knecht  oder  Magd  bin  und  dieses  Amt 
oder  W erk  vollbringen  solL  Hiebei  soll  man  merken,  dass  sich 
der  Glaube  kein  Werk  nehmen  und  sich  an  keines  binden  lässt. 
Man  muss  die  Werke  des  Glaubens  nicht  zu  eng  spannen,  wie 
man  bisher  gethan,  da  man  allein  Beten,  Fasten,  Feiern, 
Almosengeben  etc.  gute  Werke  geheissen,  auch  solche  Werke 
an  eigene  Stätten  gebunden  hat.  Man  muss  sie  auch  nicht  zu 
weit  ausspannen  und  etwas  für  Gottesdienst  halten,  was  Gott 
weder  geraten  noch  geboten  hat.  als  Singen,  Stiften,  Messe- 
lesen für  die  Seelen,  Glocken.  Orgeln  n.  s.  w.  Wer  ein  rechtes 
Herz  hat  und  Gott  vertraut,  der  sieht  auf  Gottes  Willen  und 
auf  sein  Amt  und  thut  solches  mit  fröhlichem  Herzen,  leidet 
auch,  was  Gott  verhängt.  Was  ein  solcher  Mensch  leidet  oder 
thut.  sind  eitel  gute  Werke,  und  damit  wird  Gottes  Dienst 
ausgerichtet. 

Während  der  Mammon  ein  Karr  ist  und  darum  alle  seine 
Diener  närrisch  handeln,  lassen  Gottes  Diener  kein  zeitliches 
Ding  ihren  Herren  sein.  Ein  Christ  spricht  zu  seinem  Gut: 
Komm  her  Mammon,  du  Gulden,  du  Groschen  oder  Pfennig, 
ich  muss  dich  da  diesem  Armen  geben,  und  er  dient  GolU  in- 
dem er  seinem  Nächsten  Liebe  erweist. 

Weiter  spricht  Christns  in  diesem  Evangelium:  Sorget 
nicht  u.  s.  w.  Damit  will  er  nicht  die  Arbeit,  sondern  allein 
die  Sorge  verboten  haben.  Denn  es  ist  Gottes  Wille,  dass  der 
Mensch  den  Acker  baue  (Genes.  3).  Alle  Handwerke  auf 
Erden  treiben  den  Pflug  und  müssen  ihn  helfen  treiben.  Auch 


114 


Geyer,  Kaspar  Kautz. 


die  Prediger  helfen  den  Pflug  treiben,  dass  es  recht  und  christlich 
hergeht,  wie  Gott  will.  Denn  wo  Gott  nicht  hilft  und  seinen 
Segen  gibt,  ist  alles  vergebens.  Der  Christ  lässt  Gott  walten 
und  sorgt  nicht,  denn  Gott  wird  die  versorgen,  die  in  seinem 
Dienste  stehen.  Solchen  Glauben  reizt  Christus  in  dem  Evan- 
gelium durch  zwei  Gleichnisse:  Sehet  an  die  Vögel  und  sehet 
an  die  Lilien  des  Feldes,  und  den  Unglauben  straft  er  mit  den 
Exempeln : Ist  nicht  das  Leben  mehr  denn  die  Speise,  und  dem 
anderen:  Wer  kann  zu  seiner  Länge  eine  Ellen  lang  setzen? 
Weil  unser  himmlischer  Vater  weiss,  was  wir  bedürfen,  sollen 
wir  als  Kinder  Gottes  nicht  sorgen.  Wie  soll  ich  aber  wissen, 
dass  ich  Gottes  Kind  und  Diener  bin?  „Bist  du  eine  Magd, 
wart  fleissig  deines  Dienstes,  thu  was  dich  dein  Frau  heisst 
mit  Freuden.  Gedenk,  dazu  hat  mich  Gott  verordnet,  so  will 
ich  gern  dabei  bleiben  und  in  dem  Werk  den  Pflug  helfen 
treiben,  bis  mir  Gott  weiter  hilft.  Also  auch  bist  du  ein  Frau, 
thu  was  dich  der  Mann  heisst,  w7art  der  Kinder,  koch,  wasch 
und  thu  andere  Hausarbeit,  das  will  Gott  von  dir  haben,  dazu 
hat  er  dich  beruft,  darum  sei  willig  und  leide  dich,  zweifle 
nicht,  es  gefalle  Gott  alles  wohl,  was  du  in  dem  Stand  tliust 
und  leidest.  So  gehst  du  gewisslich  in  Gottes  Werk  und  Dienst“. 
Trachtet  am  ersten  nach  dem  Reich  Gottes,  fährt  das  Evan- 
gelium fort.  Das  Reich  Gottes  ist  sein  Wort,  damit  er  bei 
uns  herrschet  und  regieret,  das  wir  täglich  hören  „durch  die 
evangelischen  Prediger“.  Nach  dem  Reiche  Gottes  trachten, 
das  ist  darum,  allen  Fleiss  aufwenden,  dass  sein  Wort  gepre- 
digt und  von  uns  im  Glauben  aufgenommen  wrerde.  Die  Ge- 
rechtigkeit des  Reiches  Gottes  ist  der  Glaube.  Denn  warum 
wird  Gottes  Wort  gepredigt?  Dass  wir  den  Glauben  üben  und 
im  Glauben  von  unsern  Sünden  gefegt  werden,  bis  endlich  die 
Gerechtigkeit  hervorbricht,  die  uns  Gott  schenkt  in  Christo. 
Der  Glaube  rechtfertigt  und  macht  fromme  Leute,  das  ist:  im 
Glauben  oder  durch  den  Glauben  wird  uns  Gottes  Gerechtig- 
keit mitgeteilt.  Wenn  uns  Gott  seinen  Sohn  gibt,  sollten  wir 
ihm  nicht  vertrauen  um  zeitliche  Nahrung?  Darum  spricht 
Christus:  Sorget  nicht  für  den  andern  Tag  u.  s.  w.  Gott  ver- 
trauen, sich  ganz  auf  ihn  verlassen,  nach  seinem  Willen  leben, 
arbeiten,  ihn  loben  und  anrufen,  nnserm  Nächsten  raten  und 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


115 


helfen,  das  heisst  recht  Gott  gedient  und  Frucht  des  Glaubens 
erzeigen.  Das  verleihe  uns  Gott.  Amen. 

Es  ist  uns  wohl  begreiflich,  dass  in  dem  Herzen  eines 
Mannes,  der  mit  solcher  Liebe  dem  wieder  entdeckten  Evan- 
gelium zugethan  war,  der  Wunsch  entstand,  die  Bannerträger 
der  Reformation  selbst  kennen  zu  lernen.  Nachdem  er  „auf 
offener  Kanzel  ‘ verkündigt,  er  hätte  ein  Weib  genommen,  hatte 
ihn  der  Rat  am  26.  Juni  1523  der  Stadt  verwiesen  1).  So  mochte 
•sich  Wunsch  und  Not  vereinen.  Im  Sommersemester  1524 
liess  er  sich  in  Wittenberg  immatrikulieren.  Der  Eintrag 
„Gaspar  Kantz  dioc.  Augusten2)“,  lässt  keinen  Zweifel  übrig, 
dass  wir  es  mit  un  s er em  Kantz  zu  thun  haben.  Die  auffallende 
Thatsache,  dass  eine  ziemlich  ungeschickte  Oombination  der 
Kantz’schen  Messe  mit  Luthers  Formula  missae  unter  dem 
Namen  Bugenhagens  1524  in  Wittenberg  erscheint3),  wird  be- 
greiflicher, wenn  man  weiss,  dass  damals  Kantz  in  Wittenberg 
weilte  und  mit  den  massgebenden  Personen  in  Beziehung  trat. 
Die  Frage  nach  der  Einrichtung  des  ev.  Gottesdienstes  ist 
offenbar  in  Fluss  gekommen.  Leider  hat  sich  eine  ganz  unbe- 
rufene Hand  der  Sache  zu  bemächtigen  gesucht  und  in  plumper 
Weise  als  Bugenhagens  Werk  ausgegeben,  was  ein  Produkt 
der  eigenen  Stümperhaftigkeit  gewesen  ist.  Dass  sich  Bugen - 
hagen  über  diesen  Missbrauch  seines  Namens  schwer  ärgerte4 5), 
ist  sehr  verständlich;  sicherlich  wäre  Kantz  ebensowenig  er- 
freut gewesen,  wenn  sein  Name  auf  den  Titel  der  pseudobugen- 
hagenschen  Messe  gesetzt  worden  wäre.  Smend  fragt  ):  „Was 
würde  Bugenhagen  erst  gesagt  haben,  hätte  er  den  unverän- 
derten Kantz  gekannt!“  Es  ist  doch  höchst  wahrscheinlich,  dass 
er  die  Kantzsche  Messe,  wenn  er  sie  früher  nicht  zu  Gesicht 
bekam,  jetzt,  da  ihr  Verfasser  selbst  in  Wittenberg  weilte, 
kennen  lernte;  allein  ich  glaube,  dass  die  beiden  Männer  sich 

1)  Urfehdbuch  1518—33  Fol.  77b.  Nördl.  Archiv.  (S.  Anhang). 

2)  Förstemann,  Album  Vitebergense  Lipsiae  1841.  S.  122. 

3)  Ein  Ordnung  Christlicher  Messen  wie  gehalten  wirdt  vö  dem  Er- 
wirdigen  herren  Johann  Bugenhagen  auss  Pommern,  Pfarher  zu  Witten- 
berg.“ Smend  a.  a.  0.  39  u.  72.  Abgedruckt  in  Löhe,  Sammlung  lit. 
Formulare  III  S.  37  ff. 

4)  Belege  siehe  bei  Smend  a.  a.  0.  S.  88. 

5)  a.  a.  0.  S.  89. 


116 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


wohl  mit  einander  verständigen  konnten,  zumal  da  Kantz  an 
eine  strikte  Durchführung  seines  Formulars  weder  jetzt  noch 
später  wird  haben  denken  können.  Wir  sehen,  dass  Kantz 
nachmals  in  der  Praxis  hinter  seiner  Messe  zurückbleibt,  und 
dass  die  Wittenberger  bald  über  Luthers  formula  missae  hinaus- 
gehen. Es  liegt  nahe,  zu  vermuten,  dass  nach  beiden  Seiten 
hin  Kantzens  Aufenthalt  in  Wittenberg  nicht  ohne  Einfluss 
gewesen  ist. 

Während  Kantz  von  Nördlingen  ferne  war,  ging  sein 
Kloster  der  Aufhebung  entgegen.  Innere  und  äussere  Umstände 
wirkten  zusammen.  Die  evangelische  Lehre  war  in  den  Kloster- 
mauern heimisch  geworden  und  musste  früher  oder  später  deren 
Vereinsamung  herbeiführen1).  Diejenigen  Conventualen,  die 
den  neuen  Ideen  weniger  zugänglich  waren,  machten  den  anderen 
Gesichtspunkt  geltend 2),  dass  es  geboten  sei,  das  Kloster  selbst 
aufzuheben,  damit  es  nicht  gewaltsam  aufgelöst  werde.  Auch 
die  Mönche  standen  unter  dem  Einfluss  jenes  seit  einigen  Jahren 
von  Mund  zu  Mund  gehenden  und  allgemein  geglaubten  Wortes : 
„Wer  im  1523.  Jahr  nicht  stirbt,  1524  nicht  im  Wasser  ver- 
dirbt, und  1525  nicht  wird  erschlagen,  der  mag  wohl  von  Wun- 
dern sagen“ 3).  Wenn  man  dem  sonst  sehr  zuverlässigen  Dolp 
trauen  darf,  so  war  auch  Kaspar  Kantzens  Namen  unter  einer 
Klageschrift,  welche  vor  Exaudi  1525  an  den  Ordensprovinzial 
in  Bamberg  gerichtet  wurde,  gestanden,  womit  die  chronistische 
Nachricht  stimmen  würde,  dass  derselbe  „muthmasslich  noch 

1)  Dolp  a.  a.  0.  168. 

2)  Dolp  a.  a.  0.  Beilage  XCIX.  Wir  sehen,  was  dem  gantzen  Rö- 
mischen Reich  v.  allen  Ständen  in  Teutscher  Nation  von  unssert  wegen, 
sonderlich  der  Pettelörden,  Mühe  v.  vnart  vor  der  zeit  ist  zehanden  gangen, 
v.  es  noch  kain  End  hat.  So  wollen  wir  deß  vnrats  so  an  andern  orten 
ergangen  ist,  mit  merklichem  verderplichem  Schaden  der  Brüderschafft, 
nit  erwarten,  nit  erpaiten,  das  vmb  vnssern  willen  leut  verderpt  werden, 
sonder  dieweil  kein  zweifei  ist,  Kaiser!  Majestät  hab  bald  der  Münch 
vergessen,  werd  vmb  sie  nit  viel  Laid  tragen,  so  haben  wir  vns  selb  die 
Piird  aufgelegt,  vnd  bey  der  zeit  den  vnrat  fürkommen“,  und  später  „Nun 
waist  mänigklich,  wie  alle  Enbörung  vmb  vnsern  willen  sey  angefangen, 
v.  fürter  gangen,  vmb  vnsern  willen  sich  auf  die  stund  noch  rege,  v.  von 
vns  das  ganz  Volck  in  allen  Dingen  erwildet.  So  ist  viel  besser,  wir 
weichen  willig,  dann  ein  ganz  Volck  vngeschlächt  bleib  oder  verderb“. 

3)  Müller,  Beiträge  zur  Gesch.  des  Bauernkriegs  im  Rieß,  S.  8. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


117 


A.  1525  Helfer  bey  St.  Georgen“  geworden  sei.  Allein  ich 
möchte  doch  seine  so  bald  erfolgte  Rehabilitierung  bezweifeln; 
denn  in  dem  „Verzeichnis  der  Prediger  *1)  tritt  er  erst  1535  in 
der  Liste  der  Diakonen  auf,  namentlich  scheint  mir  aber  eine 
der  wenigen  auf  Kantz  bezüglichen  Urkunden  nicht  recht  dazu 
zu  stimmen,  die  das  Nördlinger  Archiv  verwahrt.  Ein  in  dem 
Fascikel  „Personalien  der  Lehrer“  befindliches  Quartblatt  mit 
der  Aufschrift:  „ Hais t er  Caspar  Kanntz  Supplication  1530- 
enthält  eine  Bewerbung  Kantzens,  die  ich  im  Wortlaute  mit- 
teilen  will. 

..Ersame  Fürsichtige  Weyse  Liebe  Herren.  So  des  Latinischen 
Schulmaisters  ampt  alhie  auff  die  nechst  Cottember  ledig  wirt,  Ist 
mein  vnderthenig  vleissig  Bitt.  Wa  mich  ewer.  E.  W.  tüchtig 
darzu  erkenneten,  woltenn  mich  mit  sollichem  ampt  bega- 
ben, Wil  ich  vermiiglichen  vleiß  fürwenden,  vnd  mit  gottes 
hülff,  mein  vnd  der  jiigent : so  mir  befolben  wurde : frümmen 
darin  schaffen.  Dann  ich  meiner  voröltern  (die  sich  wol  vnd 
christlich  gehalten  haben)  tügent  vnd  frümkeit,  beger  nachzu- 
volgen.  Bin  auch  bereit  diesem  meinem  Vaterland:  in  lieb  vnd 
laid:  zudienen.  Wa  mich  aber.  E E W,  von  wegen  meines 
vorigen  Stands  (den  ich  wolbedacht  vnnd  mit  guttem  gewissen 
vbergeben  hab)  nit  kündten  annemen,  noch  dabei  erhalten,  wil 
ich  gern  miissig  steen,  oder  gütig  wider  abziehen,  aiif  das  E E W 
meiner  personhalben,  keinen  nachtail  empfangen.  Wil  mich 
hiemit  als  einen  gebornen  gantz  genaigten  Nördlinger,  E E W 
vleissig  befolhen  habenn,  Beger  einer  gütigen  Antwort. 

Ewer  Ersamenn  Weißhait  vndertheniger 
Magister  Caspar  Kanntz.“ 

1.  Darnach  war  Kantz  im  Jahre  1530  stellenlos,  denn 
andernfalls  hätte  er  sicherlich  geltend  gemacht,  dass  er  bisher 
schon  seiner  Vaterstadt  gedient  und  seinem  Namen  einen  Titel 
beigefügt,  auch  nicht  gesagt,  dass  er  im  Falle  der  Ablehnung 
seiner  Bitte  rnüssig  stehen  werde.  2.  Kantz  richtet  sein  Ge- 
such an  den  Rat  wie  einer,  der  entweder  auswärts  weilt,  oder 
doch  nur  vorübergehend  nach  Nördlingen  gekommen  ist  und 
damit  rechnet,  dass  er  vielleicht  wieder  abziehen  muss.  3.  Kantz 
ist,  wie  wir  schon  wissen,  verehelicht.  Nicht  wegen  Aufgabe 
des  Mönchsstandes,  wohl  aber  wegen  seiner  Verheiratung2)  war 


1)  abgedruckt  bei  Dolp,  S.  94 ff. 

2)  In  den  Akten  des  Nördlinger  Archivs  geschieht  wiederholt  seiner 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  3.  9 


118 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


er  der  Stadt  verwiesen  worden,  und  dieser  Ratsentscheid  ist 
offenbar  noch  nicht  aufgehoben.  (Yergl.  das  Aktenstück  im 
Anhang). 

Wir  werden  uns  dabei  bescheiden  müssen,  dass  Kantz  1521 
in  Wittenberg  ist  und  dass  er  1530  wieder  in  seiner  Vater-  I 
stadt  auftaucht.  Auch  das  wissen  wir  nicht,  ob  seine  Bewer- 
bung um  die  Schulmeisterstelle  von  Erfolg  gekrönt  war,  denn 
die  Ratsprotokolle,  die  darüber  Aufschluss  geben  könnten,  sind 
verloren  gegangen* 1).  Sicher  war  er  im  Dienste  der  Kirche 
oder  Schule  verwendet,  als  er  am  21.  Juni  1535  des  wankel-  ! 
mittigen  Predigers  Billican2)  Nachfolger  in  dem  verantwortungs-  I 
reichen  Amte  wurde  und  an  die  Spitze  des  Nördlinger  Kirchen- 
wesens trat.  Ein  grosses  Verdienst  erwarb  er  sich  alsbald 
dadurch,  dass  er  1538  die  Aufstellung  einer  Kirchenordnung  j 
durchsetzte.  Seine  Bemühungen  in  dieser  Hinsicht  und  sei- 
nen Erfolg  habe  ich  anderwärts  dargestellt,  auch  das  im 
Nördlinger  Archiv  vorhandene  Original  der  Kirchenordnung  zum 
Abdruck  gebracht 3).  Es  war  keine  leichte  Sache,  den  Rat  zum 
Aufgeben  seines  Grundsatzes  „den  gaistlichen  nicht  einzugreifen u i 
zu  bestimmen,  und  selbst  ein  so  geduldiger  Mann  wie  Kantz 
geriet  dabei  gelegentlich  in  Hitze.  Neben  der  kirchlichen  Re- 
form war  er  auf  Besserung  der  sittlichen  Zustände  bedacht4),  J 
und  zur  Verbesserung  des  rel.  Jugendunterrichts  bot  er  die 
Hand,  indem  er  1539  neben  der  sonntäglichen  Katechismus-  1 


Witwe  und  seiner  Söhne  Erwähnung.  Der  älteste  derselben  bewirbt  sich  i:| 
im  Jahre  1551  um  eine  erste  Anstellung  in  Nördlingen.  Er  wird,  da  sein 
sein  Vater  1523  geheiratet  hat,  damals  die  Mitte  der  20  schon  tiberschrit-  ■ 
ten  gehabt  haben.  Medikus,  Gesch.  der  ev.  K.  im  Kgr.  Bayern.  S.  63.  | 
Die  Angabe  Müllers,  Die  Reichsstadt  Nördlingen  im  schmalk. Krieg,  S.27, 
Kanz  habe  1535  um  die  Erlaubnis  sich  zu  verehelichen  gebeten,  beruht  auf 
einem  Irrtum,  der  angef.  Ratsentscheid  bezieht  sich  auf  ein  Gesuch  des  ; I 
Pfarrers  Johann  Uebel.  Vgl.  Mayer  Die  Stadt  Nördlingen,  S.  216. 

1)  Erst  von  1533  ab  sind  dieselben  erhalten. 

2)  Ueber  ihn  vergl.  Kolde  in  Herzogs  Realenc.  8.  Aufl.  III,  232 — 237.  I 

3)  Geyer,  die  Nördlinger  ev.  Kirchenordnungen  des  16.  Jahrh.  S.  8 — 23. 

1)  1536  wurde  auf  sein  Betreiben  das  Frauenhaus  aufgehoben.  Rats- 

prot.  v.  1536  fol.  58  u.  83. 


Geyer,  Kaspar  Kautz. 


119 


predigt  zwei  Wochenpredigten  für  die  Kinder  entrichtete,  wofür 
ihm  der  Rat  eine  Gehaltszulage  von  12  Gulden  gewährte1). 

Auch  in  dieser  arbeitsreichen  Zeit  fand  er  noch  Müsse  für 
literarische  Thätigkeit.  Es  ist  uns  ein  Buch  aus  dem  Jahre 
1538  erhalten,  welches  sich  den  uns  bekannt  gewordenen  frühe- 
ren Schriften  würdig  anreiht2). 

Die  historia  des  leydes 
Jesu  Christi  nach  den  vier  Euä 
gelisten.  Ynd  auch  von  der  Juden 
Osterlaiä  mit  tröstlicher  außlegung.  1538. 3'i 
Darunter  ein  Holzschnitt  (Jesus  am  Kreuz,  links  davor  Johannes 
und  Maria,  rechts  im  Hintergrund  Jerusalem).  Ä bis  J (72 
Blätter  klein  8°).  Am  Ende: 

Gedruckt  in  der  Kayserlichen  Stat  Aug 
spurg  durch  Alexander  Weyssenhorn. 

In  einer  Vorbemerkung  sagt  der  Yerf. : ~Dan  diser  aller 
heiligst  tod  vnser  höchst  zuuersicht  ist  gege  got  vn  der  groste 
trost  / in  aller  vnser  schwacheit  . Darumb  ich  das  leide  vnsers 
herre  Jesu  Christi  nach  inhalt  der  vier  Euangeliste  Auch  die 
historia  von  der  Juden  Osterlamb  baide  mit  tröstlicher  auß- 
legung (Wie  ichs  etliche  jar  her  / von  getrewen  hochgelerten 
Predigern  auf  die  Österlichen  Zeit  gehört  / vnnd  auch  in  Gottes 
Schriften  selbs  gelesen  hab)  nach  meinem  ringen  verstand  vnd 
beste  fleiß  auf  gezaichnet  / vnd  in  diß  buchlin  zusamen  getragen. 
Dieweil  es  aber  meins  erachtens  / ein  grosser  theüerr  schätz 
ist  ...  . wolt  ichs  mir  nit  allain  behalte  / oder  vergraben  / son- 
der (wie  ich  dan  auch  vö  etlichen  guten  freünden  gebeten  bin 
auß  brüderlicher  liebe  allen  mensche  zu  trost  in  den  truck  geben. 
Bitte  hierauf  freündtlich  / einen  jeden  leser  oder  zuhörer  wolle 
Got  allain  die  eer  geben  / vnd  mit  danck  annemen  was  jm 
darinnen  förderlich  oder  dienstlich  sein  wirt  zu  de  ewigen 
lebend  Am  Schlüsse  der  nun  folgenden  -Vorred  vnd  einlay- 
tuüg  / in  das  leide  vnsers  liaylands  Jesu  christi-,  in  der  aus- 


1)  Ratsprot.  v.  28.  Juli  1539.  Seine  jährl.  Besoldung  hatte  anfangs 
80  fl.  betragen,  war  aber  im  folgenden  Jahre  auf  100  fl.  erhöht  worden. 

2)  Ein  Exemplar  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin. 

3)  Die  historia  — bis  1538  in  roten  Lettern. 


120 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


geführt  wird,  wie  man  des  Leidens  Christi  teilhaftig  wird 
und  wie  man  dasselbe  betrachten  soll,  leitet  der  Satz  „Dieweil 
aber  hab  fürgenommen  / das  leiden  Jesu  Christi  auffs  kurtzest 
zubeschreiben  ] wil  ich  die  Salbung  / fußwasclmng  / vnd  was  sonst1 
mer  die  Euangelisten  vorher  setzen  vberschreyten  / Vnd  flugs 
mit  dem  Herren  an  den  ölberg  geen  / da  sich  erst  das  recht 
leiden  anhebt,“  gleich  zu  der  Stelle  über:  „Vnd  da  sie  de  lob- 
sang gesproche  heten  / gieg  Jesus  hinauß  / nach  seiner  gewon- 
heit  vber  de  bach  kidron  am  ölberg“. 

Wer  die  herzliche  Auslegung  der  Leidensgeschichte  heute 
liest,  wird  es  begreiflich  finden,  dass  sie  grossen  Anklang  ge- 
funden hat.  Schon  am  2.  Januar  1539  hat  Kantz  die  Vorrede 
zu  einer  neuen  durch  Einfügung  der  1538  übergangenen  Par-  \ 
tien  erweiterten  Ausgabe  geschrieben,  die  mir  selbst  indes  nicht 
bekannt  worden  ist.  Der  auf  die  Herausgabe  des  Buches  be- 
zügliche Passus  lautet1):  „Dann  diser  aller  / heyligsttodt  / vnnser 
höchste  zuuersicht  ist  gegen  Gott  / vnnd  der  gröste  trost  inn 
vnnser  Schwachheit  . Darumb  hab  ich  diß  Büchlin  / auß  brüder- 
licher liebe  / allen  betrübten  Christen  zu  tröste  inn  den  truck 
geben.“ 

Von  dieser  erweiterten  Ausgabe  ist  mir  bekannt  ein  Ab- 
druck aus  dem  Jahre  1555: 

Die  Historia  des 

Leydens  vnsers  Herrn  Jesu  Christi/ 
nach  den  vier  Euangelisten  / sampt  der  Hy- 
storia  von  der  Juden  Osterlamb  / beyde  mit 
kurtzer  tröstlicher  außlegung  / ge- 
niert vnd  gebessert. 

Caspar  Kantz. 2) 

Darunter  ein  Holzschnitt  (Christus  am  Kreuz,  mit  5 Figuren). 
A bis  N (98  Blätter  klein  8°).  Am  Ende: 

Gedruckt  zu  Nuren-  | berg  / durch  Volentin  | Geyßler.  1555.  | 

Ausser  dem  Titelbild  enthält  das  Buch  15  Holzschnitte, 
die  sämtlich  das  Zeichen  VS  [Virgilius  Solis]3)  tragen.  Die 

1)  nach  dem  Abdruck  von  1555. 

2)  Die  Worte  Die  Historia — Christi,  und  dann  der  Name  Caspar  Kantz 
in  roten  Lettern. 

3)  Fiorillo,  Gesch.  der  zeichnenden  Künste  1820.  Bd<  II,  S.  380. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


121 


Zeichnungen  sind  keine  Originale,  sondern  skrupellos  angefer- 
tigte Nachahmungen  der  schönen  Blätter  aus  Albrecht  Dürers 
Kleiner  Passion  von  1510  (nach  der  Hirth’schen  Ausgabe  von 
1884)  No.  25  (Titelbild),  9,  10,  11,  12,  17,  14,  16,  18,  19,  20, 
21,  22,  25,  28,  30.  Am  freiesten  ist  das  Titelbild  nachgeahmt, 
No  17  ist  aus  dem  Dürer’schen  Herodes  ein  Kaiphas  gemacht. 

Nach  Dolp  *),  der  irrtümlich  die  Ausgabe  von  1539  als  die 
erste  ansieht,  hat  es  eine,  von  ihm  fälschlich  für  die  zweite 
gehaltene  Ausgabe  von  1567  gegeben,  die  nach  Beyschlags 
Angabe1 2)  wie  die  eben  besprochene  mit  Figuren  und  Holz- 
schnitten versehen  gewesen  und  bei  Valentin  Geissler  in  Nürn- 
berg aufgelegt  worden  sei.  Da  ihr  Umfang  mit  12V2  Bogen 
angegeben  wird,  handelt  es  sich  offenbar  um  einen  weiteren 
Abdruck  der  Ausgabe  1555  bezw.  1539.  Ich  werde  im  Fol- 
genden nach  der  Ausgabe  von  1555  citieren. 

Die  praktische  Auslegung  der  Leidensgeschichte  ist  die 
Arbeit  eines  Mannes,  dem  das  Evangelium  ganz  und  gar  Herzens- 
sache ist.  Im  Unterschiede  von  der  sonstigen  Litteratur  des 
16.  Jahrhunderts  ist  die  Polemik  soviel  wie  ganz  vermieden, 
die  bei  Dolp3)  abgedruckten,  wenigstens  ins  Polemische  spie- 
lenden Stellen  sind  zwar  nicht  die  einzigen  dieser  Art,  denn 
es  findet  sich  auch  eine  gelegentliche  Abfertigung  der  Wieder- 
täufer (M2),  eine  Zurückweisung  der  Lehre  vom  Fegfeuer  (M5) 
und  ein  Ausfall  gegen  das  unzüchtige  Leben  der  römischen 
Geistlichen  (M5),  allein  diese  Ausführungen  sind  nebensächlich 
angebracht,  dem  Verfasser  liegt  alles  daran,  die  Herzen  seiner 
Leser  zu  ergreifen,  und  es  geht  ein  grosser  seelsorgerlicher 
Zug  durch  das  ganze  Buch.  Jesu  Leiden  und  Sterben  wird 
uns  wie  ein  Spiegel  vorgehalten,  und  wenn  auch  der  Trost,  der 
uns  aus  ihm  fliesst,  nicht  vorenthalten  wird,  so  wird  doch 
die  Pflicht,  vom  Heiland  zu  lernen  und  ihm  nachzufolgen  stärker 
betont.  Jesus  erscheint  viel  mehr  als  der  zweite  Adam,  denn 
als  das  Sühnopfer,  und  so  muten  uns  manche  Ausführungen  an, 


1)  a.  a.  0.  S.  62  Anra. 

2)  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  der  Reichsstadt  Nördlingen.  2.  Stück. 
Von  der  Formschneiderey  und  Buchdruckerkunst.  Nördlingen  1798.  S.  17. 

3)  a.  a.  0.  S.  62  u.  63  Anno. 


122 


Geyer,  Kaspar  Kautz. 


als  wären  sie  von  einem  Theologen  oder  Seelsorger  unserer 
Zeit  geschrieben.  Zu  den  Worten  „Mein  Gott,  mein  Gott, 
warum  hast  du  mich  verlassen“  wird  bemerkt,  sie  seien  eine 
Anzeigung,  dass  die  Angst  wiederkomme,  die  er  am  Oelberg 
erlitten  habe  „dieweil  er  von  jedermann  so  schändlich  verspottet 
und  gelästert  wird,  welches  einem  frommen  herrlichen  Gemüt 
über  die  Massen  wehe  thut,  wenn  es  so  schimpflich  verachtet 
wird  und  alles  Args  um  seine  Gutthaten  leiden  muss  .... 
Er  ist  aller  Kreaturen  Hilfe  beraubt  und  ganz  trostlos  worden, 
steht  allein  in  Gottes  Hand,  zu  dem  er  auch  ruft  in  seiner  Not. 
Hat  uns  also  überwunden  alle  menschliche  Blödigkeit  und  Za- 
gung,  damit  wir  uns  auch  auf  Gott  verlassen  möchten,  der  uns 
in  seinem  lieben  Sohn  zu  Gnaden  hat  angenommen.“ 

Mehrmals  begegnet  uns  ein  bei  dem  ehemaligen  Bettel- 
mönch nicht  gerade  verwunderlicher  demokratischer  Zug.  Ein- 
dringlich warnt  er,  sich  nicht  auf  Fürsten  und  Herren  zu  ver- 
lassen und  hebt  hervor,  dass  viele  grosse  Titel,  Namen  und 
Aemter  haben  und  nichts  weniger  thun,  als  ihr  Stand  und  Amt 
erfordert1),  und  ein  andermal  sagt  er:  „Grosse  Herren  sehen 
viel  lieber  einen  auf  dem  Seil  gehen,  oder  ander  Gaukelwerk 
treiben,  denn  viel  von  Gott  sagen;  sie  treiben  nur  das  Gespött 
daraus.  Es  gehen  wohl  auch  die  grossen  Hansen  zur  Predigt, 
vielleicht  aus  der  Ursach,  dass  sie  wollen  etwas  hören,  sich 
damit  zu  belustigen,  oder  ihren  Pracht  mit  Gottes  Wort  zu  be- 
stätigen, dieweil  auch  das  Evangelium  die  Oberkeit  ehret  und 
ihr  heisst  gehorsam  sein“ 2).  Herb  ist  sein  Urteil  über  die 
Fürstenhöfe:  „An  ihnen  ist  gemeiniglich  ein  läppisch,  unbillig 
Wesen,  da  die  Wahrheit  kein  Ansehen  nach  Fürgang  hat,  son- 
dern wer  der  Leut  spotten,  heucheln,  verraten  und  sich  füllen 
kann,  der  kommt  hiefür  und  ist  wert  gehalten.  In  Summa,  da 
fragt  man  nichts  nach  Gott,  siehet  und  höret  wenig  Guts“ 3). 
Nicht  selten  überrascht  uns  die  treffende  Verwendung  von  Schrift- 
worten, gute  Bilder  machen  die  Rede  interessant,  reichlicher 
Gebrauch  wird  von  der  allegorischen  Auslegung  gemacht,  um 
die  Texte  seelsorgerlich  nutzbar  zu  machen.  Dabei  bleibt  er 


1)  A 5 und  6. 

2)  G 7 und  8. 

3)  E 6. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


123 


jedoch  immer  schlicht.  So  sagt  er,  dass  Christus,  indem  er 
sich  nicht  scheut  unter  den  Schächern  auszugehen  und  mitten 
unter  ihnen  zu  sterben,  zu  erkennen  gibt,  dass  er  der  sei,  der 
die  Sünder  und  Uebelthäter  zu  erlösen  gekommen  war1),  oder 
er  gebraucht  die  Ueberlieferung  Jesu  von  der  Juden  in  der 
Heiden  Hände,  um  darauf  hinzuweisen,  dass  Christus  nicht  allein 
der  Juden  sondern  auch  der  Heiden  Heiland  sei2).  Wie  bei 
Luther  in  seiner  späteren  Zeit,  so  treffen  wir  bei  Kantz  mehr- 
fach auf  pessimistische  Aeusserungen.  Statt  vieler  sei  nur 
eine  angeführt:  „Auch  sprechen  ihrer  viel,  es  sei  kein  Glück 
noch  Fried  mehr  in  der  Welt,  seither  das  Evangelium  ist  an- 
gangen, gleich  als  sollte  Gottes  Wort,  welches  an  ihm  selbst 
heilsam  ist,  die  Leut  verderben.  Die  Menschen  sind  leider  vor 
verderbt,  und  gleich  wie  ein  unfruchtbarer  Acker,  darum  schafft 
auch  der  gute  Samen  des  Worts  nichts  bei  ihnen“  3).  Nicht 
unerwähnt  möchte  ich  lassen,  dass  einmal  ein  deutlicher  An- 
klang an  die  Sprache  der  „Ev.  Messe“  begegnet4),  sowie  an 
die  des  Trostbüchleins5). 

Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  die  Beschäftigung  mit  einem 
Schriftsteller,  der  lange  Zeit  vergessen  war,  leicht  dahin  führt, 
dass  man  seine  gleichsam  neu  entdeckten  Werke  überschätzt. 
Ich  will  darum  nur  sagen,  dass  mir  die  Lektüre  der  Schriften 
Kantzens  ein  Genuss  und  eine  Freude  gewesen  ist.  Hinter 
seinen  Worten  erblicke  ich  seine  Persönlichkeit  und  fühle  aus 
seinen  Schriften  heraus,  dass  sein  berühmterer  Nachfolger  Löner 
mit  Recht  in  seiner  Leichenpredigt  ihn  als  den  frömmsten  Mann 
Nördlingens  rühmte.  Kantz  ist  keiner,  der  sich  selbst  über- 
schätzt; er  ist  sich  der  Schranken  seiner  Begabung  bewusst, 
aber  mit  dem,  was  er  hat,  arbeitet  er  in  rührender  Treue. 
Hervorragend  mag  seine  seelsorgerliche  Gabe  gewesen  sein; 
was  er  schreibt,  athmet  grosse  Herzlichkeit  und  Innerlichkeit. 


1)  J 4. 

2)  F 7. 

3)  L 2. 

4)  M 2 „seinen  zarten  Fronleichnam  und  rosenfarbes  Blut“  haben  die 
Jünger  genossen. 

5)  D 3 „Die  Einbildung  der  Leiden  und  des  künftigen  Todes  ist 
etwan  viel  heftiger  und  schwerer,  denn  der  Tod  selbst“. 


124 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


Keine  Formel  hat  es  ihm  angethan,  sondern  das  lebendige 
Evangelium  hat  sein  Herz  ergriffen  und  es  drängt  ihn,  davon  ! 
in  schlichter  Weise  Zeugnis  abzulegen.  Ohne  dass  er  sich 
dessen,  was  er  leistet,  bewusst  wird,  zeigt  er  in  einer  an 
Kämpfen  und  theologischen  Streitigkeiten  reichen  Zeit  auf  dem  ! 
Gebiete  des  Kultus  und  der  Seelsorge  neue  Wege.  Seine  Schriften 
gewähren  uns  einen  Blick  in  die  vom  Kampfe  der  Zeit  weniger 
berührte  Tiefe  des  religiösen  Lebens.  Wir  werden  nicht  von 
der  Bewunderung  erfüllt,  welche  uns  die  kraftvolleren  Gestal- 
ten des  Zeitalters  abnötigen,  aber  unsere  Liebe  gewinnt  der 
Mann,  dessen  ganzem  Wirken  der  Stempel  der  Liebe  aufge- 
drückt ist. 

Kurz  vor  seinem  Tode  im  Jahre  1542  ist  aus  der  ersten 
Nördlinger  Offizin  (des  Erasmus  Scharpf)  ein  von  ihm  verfasster 
Katechismus  hervorgegangen,  der  nach  Dolp 1)  mit  Luthers  ! 
Katechismus  fast  gänzlich  übereinkam,  und  darinnen  er  sonder- 
lich die  Lehre  von  der  wirklichen  Gegenwart  des  Leibes  und 
Blutes  Christi  in  dem  h.  Abendmahl  wider  alle  Einwürfe  ver- 
fochten hat.  Ob  sich  dieses  letzte  Werk  Kantzens  in  irgend 
einer  Bibliothek  erhalten  hat,  weiss  ich  nicht.  Chronistischer  ! 
Ueberlieferung  zufolge  soll  er  auch  „das  Gesang  0 Lamm  Gottes 
unschuldig“  gemacht  haben,  welches  bekanntlich  dem  Nicolaus 
Decius  zugeschrieben  wird.  Vielleicht  hat  die  Erinnerung  an 
seine  Evangelische  Messe  diese  Notiz  verursacht,  oder  sollte  in 
der  That  dieses  Lied  in  Nördlingen  unter  seinem  Namen  ge-  | 
gangen  sein  ? Es  wäre  dann  allerdings  verständlich,  wie  Löner 
in  seinem  Nördlinger  Gesangbüchlein  von  1545  unter  den  Lie- 
dern für  die  Fastenzeit  anführt  „6.  Er  Gasper  Cantzen  Pas- 
sion“ 2),  wenigstens  würde  die  Bezeichnung  auf  eine  deutsche 
Bearbeitung  des  Agnus  wohl  passen.  Dass  Kantz  in  der  That 
als  Liederdichter  sich  versuchte,  ist  bekannt.  In  Johan  Kolers 
Hundert  Christenliche  Haußgesang  (1569)  findet  sich  das  in 
Wackernagels  Sammlung  aufgenommene3)  und  bei  Goedecke4) 
abgedruckte  Lied,  das  wir  auch  hier  mitteilen  wollen. 

1)  a.  a.  0.  S.  62  Anm. 

2)  Wacker  n agel , Kirchenlied  I.  S.  422. 

3)  a.  a.  0.  Bd.  IV  No.  778. 

4)  Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung.  2.  Aufl.  1886,  | 

Bd.  II.  S.  193. 


Geyer,  Kaspar  Kautz. 


125 


Ein  Geystlich  Lied, 

im  Thon:  Ich  armer  Boss  bin  gantz  verirrt,  etc. 

1. 

Ich  armer  Gsell  leid  vngefell  allein  von  diser  Welte,  Viel- 
leicht das  ich  nit  ey gentlieh  hab  weder  gut  noch  Gelte.  Der  Welte 
pracht  wird  hoch  geacht,  dem  ich  nit  nach  wil  setzen,  hoff  in  mei- 
ner noht,  der  ewig  Gott  werd  mich  meius  leyds  ergetzen. 

2. 

Der  Welt  laß  ich  hie  jren  pracht  mit  hochmut  stoltzen  kallen: 
Ob  eins  schon  mir  ein  Gruben  macht,  es  möcht  noch  selbs  drein 
fallen.  Die  Rach  gib  ich,  sols  letzen  mich,  allein  Gott  meinem  Herren  : 
was  ich  jn  bit,  versagt  mirs  nit,  thut  mich  allzeit  geweren. 

3. 

Mein  hoffnung  steht  allein  auff  Gott,  den  wil  ichs  lassen  walten, 
Der  mich  auff  Erd  in  mancher  not  lange  zeyt  hat  erhalten,  Vil  lange 
Jar  gantz  wunderbar,  er  thut  auch  noch  deßgleichen,  was  ich  jn 
bit,  versagt  mirs  nit,  thut  auch  nit  von  mir  weichen. 

4. 

Ob  ich  schon  hie  in  diser  Welt  verspott  würd  vnd  verachte, 
Liegts  doch  nit  an  gut  vnd  geld,  noch  eins  ich  wol  betrachte:  Das 
ists  ewig  gut  frewt  mir  mein  mut,  das  mir  kein  Mensch  kan  geben, 
dann  JESu  Christ,  der  für  mich  ist  gestorben,  merck  mich  eben, 

5. 

Der  hat  mir  durch  sein  bittern  tod  des  Vatters  huld  erworben, 
Damit  gebracht  auß  aller  not,  das  er  für  mich  ist  gstorben:  Das 
glaub  ich  vest,  ist  mir  das  best,  thu  auch  nit  anders  begeren  dann 
das  ich  far  auß  der  Welt  gar  zu  Christo  meinem  Herren. 

6. 

HERR,  meinen  Geist  befehl  ich  dir,  darzu  mein  leib  vnd  leben, 
Dein  Göttlich  gnad  ich  noch  täglich  spür,  wöllst  mir  noch  weitter 
geben  Dein  heiligen  Geist,  dardurch  mich  leist,  der  wöll  allzeit  mein 
walten  vnd  mich  O HErr,  nach  deinem  beger  dardurch  dein  wort 
erhalten. 

7. 

Ich  beschleuß  hiemit  mein  gedieht  vnd  laß  beym  nechsten  blei- 
ben, Ich  hete  wol  nach  meim  bericht  noch  wol  weitters  zu  schreiben, 
Nach  dem  die  Welt  mir  vil  nach  gstelt  mit  vngegriinten  Sachen:  das 
befilh  ich  Gott  in  meiner  not,  der  wird  alle  ding  wol  machen. 

8. 

Der  ist,  der  recht  kent  all  geschlecht  vnd  aller  Menschen  hertzen, 
Der  ewig  Gott,  ich  treib  kein  spott,  er  lest  nit  mit  jm  schertzen : 
Das  betracht  woll,  wie  es  sein  sol,  des  Herren  Christi  Namen,  der 
wöl  vns  gleich  ins  Vaters  Reich  genedlich  helffen,  Amen. 


126 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


9. 

Der  dises  Liedlein  bat  gemacht,  thets  von  jm  selber  dichten. 
Ob  er  schon  von  der  Welt  veracht,  so  lielt  ers  als  für  nichten.  Ist 
wol  bekand,  also  genand  vnd  thut  sich  das  nit  schämen,  er  ist  von 
Nörlingen  auß  der  Statt,  Caspar  Kantz  mit  seinem  Namen. 


Im  Jahre  1543  erkrankte  Kantz  und  musste  ersetzt  j 
werden.  Im  Januar  1544  zog  sein  Nachfolger  Löner,  der  i 
von  Naumburg  kam,  in  Nördlingen  auf.  Die  unerquicklichen 
Zustände,  die  letzterer  daselbst  antraf1)  und  die  von  Brenz  j 
in  einem  Brief  an  Melanchthon  sehr  drastisch  charakterisiert  ; 
werden2),  sind  durch  die  Steuerlosigkeit  des  Kirchenwesens,  bis  . 
ein  tüchtiger  Nachfolger  gefunden  wurde,  hervorgerufen  wor- 
den3). Kantz  durfte  noch  erleben,  wie  unter  des  kraftvollen 
Löners  Leitung  die  Ordnung  wieder  hergestellt  und  die  Refor- 
mation zum  eigentlichen  Abschluss  gebracht  wurde.  In  den 
ersten  Tagen  des  Januar  1544  ist  er  gestorben  mit  Hinter- 
lassung einer  Witwe  und  zweier  Söhne,  von  denen  der  ältere 
wie  sein  Vater  Kaspar,  der  jüngere  David  hiess.  Aus  ihren 
Stipendiengesuchen4 5)  erfahren  wir,  dass  beide  nach  des  Vaters  ! 
Tod  „auf  frommer  Leute  Promotion“  zu  Dr.  Medler  in  Braun- 
schweig und  dann  zu  Dr.  Pend  nach  Wittenberg  gekommen  I 
sind.  Am  15.  Juli  1551  bietet  Kaspar  der  Vaterstadt  seine 
Dienste  an  und  hofft,  falls  keine  Stelle  frei  sei,  auf  Empfehlung,  j 
da  ihm  eben  eine  Schulmeisterstelle  in  Göppingen  angetragen 
worden  sei.  Das  Geschlecht  der  Kantze  hat  sich  in  Nördlingen 
nicht  erhalten  und  Bey schlag  '),  der  die  sorgfältigsten  Auszüge 
aus  den  Nördlinger  Kirchenbüchern  gemacht  hat,  thut  des  Na- 


1)  Enders,  Löners  Briefbuch  Bd.  II.  S.  37  dieser  Zeitschrift. 

2)  Corp.  Ref.  Bd.  V.  S.  369.  Ecclesia  Nordlingensis  videtur  esse, 
quod  dici  solet,  scopae  dissolutae. 

3)  In  der  Chronik  ad  ann.  1543:  „Weilen  die  Pfaffen  auf  der  Cantzel 
einander  schmäheten,  indem  sie  kein  Haupt  hatten,  denn  der  Prediger 
Cantz  konnte  krankheit  halber  nicht  mehr  predigen  und  der  neue  Super- 
intendent war  noch  nicht  hier;  auf  den  alten  Pfarrer,  der  anjetzo  Pfarr 
Verwalter  (Übel),  gaben  sie  nicht  viel,  also  musste  Bürgermeister  Rötinger 
auf  E.  E.  Raths  Befehl  zwischen  ihnen  Frieden  machen.“ 

4)  Im  Nördlinger  Archiv  unter  „Personalien  der  Lehrer“. 

5)  Beyträge  zur  Nördlingischen  Geschlechtshistorie  1801. 


Geyer,  Kaspar  Kantz. 


127 


mens  keine  Erwähnung* ; allein  die  Erinnerung  an  Kaspar  Kantz 
lebt  in  seiner  Heimatstadt  fort.  Er  verdient  es,  dass  auch 
ausserhalb  des  gesegneten  Rieses  sein  Name  pietätvoll  ge- 
nannt wird. 

Anhang. 

Vorstehende  Arbeit  war  bereits  abgeschlossen,  da  teilte  mir 
Herr  Gymnasiallehrer  Kern  in  Nördlingen,  der  neben  dem  Herrn 
Archivar,  Hofrat  Mayer,  in  freundschaftlichster  Weise  meine  Studien 
förderte,  zwei  interessante  Aktenstücke  mit,  auf  die  ich  im  Texte 
noch  während  des  Druckes  kurz  Bezug  nehmen  konnte. 

1.  (Nördlinger  Briefbuch  ad  ann.  1518). 

Dem  Erwirdigen  vnd  woigel  arten 
Herrn  Georgen  muffel  der  hailigen 
schrifft  Baccalaureo  Carmeliten 
Ordens  prouincialj  zu  Bamberg  vnn- 
serm  lieben  herrn  vnnd  Freundt. 

Erwirdiger  wolgelarter  Herr.  Euren  Erwirden  sagenn  vnnser 
freuntlich  dienst  allezeit  mit  besonderm  vleis  vorann,  Lieber  herr, 
vnns  hat  her  Caspar  Kantz  ewrs  ordens  alhie  berichtet,  wie  er 
von  dem  priorat  abgeseczt  worden  sey.  vnnd  Ine  der  vicarius  des 
priorats  alhie  zuwone  nit  mer  gedulden  Sonder  Ine  vfs  furderlichst 
vßtreibenn  wolle,  das  Ime  aus  etlichen  eehafften  vrsachenn  nit 
wenig  beschwernus  bringe.  Mit  vleissiger  bitt  an  E.  E.  Ime 
vnnser  furschrifft  mit  zutailen,  damit  er  nit  geeilt  vnd  vngeuar- 
lichen  bis  Michaelis  alhie  enthalten  werde,  dieweil  Ine  dann  zu- 
furdern  wol  genaigt  seyenn,  So  ist  an  E.  E.  vnser  dienstlich  vnd 
freuntlich  bit,  Souer  (n)  es  fug  haben  vnd  gesein  mag.  wollent 
Ime  von  vnsert  wegen  In  seinem  begeren  gunstlichen  wilfaren, 
damit  er  diser  vnser  furdernus  genossen  empfinde,  das  umb  E.  E. 
begern  wir  allzeit  freuntlichen  vnnd  mit  sondern!  vleis  willigclichen 
zuuerdienen  Geben  den  aylften  tag  des  Brachmonats  Anno  etc.  18 

Jacob  widenman  vnd  Hans  Reu- 
ter baid  alt  Burgermaister  des 
Rats  vnd  geordnet  pfleger  der  (sic!) 
Carmeliten  Closter. 

2.  (Nördlinger  Urfehdbuch  1518—33  fol.  77  b). 

„Caspar  Kancz  priester  vnd  Munich  zu  den  Carmeliten 
Gab  aus  an  offner  Canutzel  er  het  ain  waib  genommen  deßhalben 
beschickt  Ine  ein  Rat.  Sagt  Ime  ein  Rat  trüg  sainer  handlung  mis- 
fallen.  Und  er  solte  von  stund  an  aus  diser  Stat  geen  vnd  nit 
mer  herein  körnen,  bis  mau  nach  Im  schicke.  Actum  freitag  nach 
Johannis  Baptista  a°  1523’*  (=  26.  Juni  1523 ). 


128  G.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks. 


Ueber  eine  angeblich  verschollene  Spottschrift  gegen 
Johann  Eck  vom  Augsburger  Reichstage  1530. 

Von  D.  Gustav  Kawerau. 

Melanclitbon  schrieb  vom  Augsburger  Reichstage  aus  an  den  bei 
Luther  in  Koburg  weilenden  Freund  Veit  Dietrich  am  22.  Mai  1530  : 
Ridebis  una  cum  Doctore  | Luther]  pröpositiones  factas  contra 
Eckii  calumnias.  Sunt  ineptiae.  Sed  sic  ars  deluditur  arte.1)  Offen- 
bar hatte  er  selbst  dem  Briefe  als  amüsante  Novität  diese  Eck  ver- 
spottenden „propositiones“,  also  eine  Thesenreihe,  als  Beilage  ange- 
schlossen, ob  gedruckt  oder  handschriftlich,  muß  zunächst  eine  offene 
Frage  bleiben.  Wenige  Tage  danach  (30.  Mai)  schreibt  der  gleich- 
falls in  Augsburg  beim  Reichstage  anwesende  Joh.  Cochläus  an  Pirk- 
heimer  in  Nürnberg:  Vidi  propositiones  in  Eckium  de  vino, 
Vene  re  et  balneo:  rogavi  quidem  illum,  ut  a nomine  tuo  absti- 
neret,  sed  forte  iam  fuerat  impressum,  quaudo  monui.  Quaesivit  ergo 
plagas  quas  reperit.  Mallem  tarnen  hoc  tempore  eius  autoritatem  in 
causa  fidei  non  sic  elevari.  Multus  hodie  de  iis  propositionibus  in 
aula  principum  sermo  erat.  Nam  cancellarius  eas  vidit,  sed  nescit 
unde  prodeant.  Multus  igitur  fuit  risus,  licet  non  legeren tur  pro- 
positiones2). Es  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  Cochläus  hier  die- 
selben propositiones  erwähnt,  wie  Melanchthon.  Er  bezeichnet  uns 
ihren  Inhalt  näher : wir  erkennen  deutlich,  daß  sie  den  berüchtigten 
Lebenswandel  Ecks,  seine  Trunksucht  und  Sittenlosigkeit,  zur  Ziel- 
scheibe spöttischen  Angriffs  wählen.  Und  Cochläus  weiß,  daß  Pirk- 
heimer  der  Verfasser  ist  und  daß  dieser  damit  Schläge  an  Eck  aus- 
teilt, die  dieser  selber  provoziert  hat,  indem  er  trotz  des  Abmahnens 
des  Cochläus  in  einer  eben  erschienenen  Schrift  gegen  Pirkheimer 
mit  Namennennung  in  einer  für  diesen  sehr  fatalen  Weise  vorge- 
gangen war.  Wir  kennen  die  Schrift,  auf  die  damit  hingewiesen 
wird;  es  sind  jene  404  Articuli,  die  er  dem  Kaiser  noch  vor  Be- 
ginn des  Reichstages  übersandte  und  über  die  er  sich  zu  disputieren 
erbot,  eine  Arbeit,  die  er  schleunigst  auch  in  Druck  gab.  Hier  sind 
im  Chore  der  ,, articuli  ex  scriptis  pacem  ecclesiae  perturbautium 
extracti“,  einer  tendenziösen  Blütenlese  von  Citaten  nicht  allein  aus 
den  Schriften  von  Luther  und  Genossen,  sondern  auch  aus  denen 
der  Zwinglianer  und  der  Schwarmgeister  und  Wiedertäufer,  auch  Eras- 
mus und  Pirkheimer  mit  einzelnen  ihrer  Dicta  citiert,  ersterer  in  den 
Druckausgaben  mit  Verschweigung  seines  Namens,  letzterer  dagegen 
mit  offener  Namennennung  — es  waren  scharfe  Erklärungen  Pirk- 


1)  Corp.  Ref.  II  61f. 

2)  Heu  man  ni  Documenta  literariae  p.  80. 


G.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks.  129 

heimers  über  die  scholastische  Transsubstantiationslehre,  sowie  über 
das  Umhertragen  der  Hostie  in  der  Prozession  und  ihre  Anbetung 
in  der  Monstranz1).  Wie  empfindlich  mußte  es  für  Pirkheimer  sein, 
der  schon  1527  gegen  Oekolampad  erklärt  hatte:  quam  vero  Lutherus 
meus  sit,  hinc  constat,  quod  illi  integro  fere  septennio  nullum  mecum 
fuerit  commercium 2),  jetzt  nicht  nur  mit  diesem,  sondern  auch  mit 
Zwingli  und  Oekolampad,  ja  mit  den  anrüchigen  Häuptern  des  Ana- 
baptismus  zusammengeworfen  und  dem  Kaiser  denunziert  zu  werden, 
und  das  gerade  in  der  Abendmahlslehre,  in  der  er,  wie  Eck  wohl 
wissen  mußte,  in  seinem  unfeinen  Streit  mit  Oekolampad  von  Luthers 
Position  immer  mehr  zu  der  der  römischen  Kirche  zurückgeglitten  war!  3) 
So  hatte  er  denn  schleunig  auf  diese  Anzapfung  mit  der  Geißel 
stachliger  Satire  geantwortet,  und  begierig  greift  man  ebenso  im 
evangelischen  wie  im  katholischen  Lager  nach  den  propositiones,  die 
er  nach  Augsburg,  wie  es  scheint,  gleich  in  mehreren  Exemplaren, 
hinübergespielt  hatte  — auch  im  eigenen  Lager  fand  Eck  so  man- 
chen, der  ihm  nicht  hold  war 4).  Cochläus  ist  offenbar  diesen  pro- 
positiones gegenüber  in  fataler  Lage : er  möchte  den  Vorkämpfer  für 
den  katholischen  Glauben  geschont  wissen,  und  doch  empfindet  er, 
daß  Eck  diese  Satire,  die  ihn  dem  Gelächter  preisgiebt,  verdient 
hat  — ob  nur  durch  seine  plumpe  Provokation  des  Nürnberger  Spöt- 
ters, oder  auch  durch  die  einem  Cochläus  sicherlich  wohlbekannten 
Blößen  in  seinem  sittlichen  Verhalten? 

Was  waren  das  für  propositiones?  sind  sie  uns  erhalten  ge- 
blieben oder  verschollen  ? 

Th.  Strobel  sprach  sich  1791  über  sie  aus5):  sie  müßten  äußerst 
selten  sein;  in  den  bibliographischen  Verzeichnissen  von  Hirsch  und 
v.  d.  Hardt  habe  er  ihre  Spur  nicht  finden  können.  Er  nahm  also 
einen  Druck  derselben  an,  aber  offenbar  hatte  er  einen  solchen  nie 
gesehen.  Seidemann  redet  von  ihnen,  aber  nur  nach  Strobel;  auch 
er  hatte  sie  sicher  nicht  gesehen6).  Der  Eck-Biograph  Wiedemann 
erwähnt  sie,  kennt  aber  kein  Exemplar,  nennt  sie  daher  ein  Werk- 
lein von  der  größten  Seltenheit7).  S.  Szamatolski  stellte  1891  fest, 


1)  Vgl.  Biederer,  Nachrichten  III.  S.  440ff. ; Th.  Wie  de  mann, 
Dr.  Joh.  Eck.  Regensbarg  1865  S.  580f.;  Plitt,  Einleitung  in  die 
Augustana  I.  S.  526ff. ; Kolde,  Die  Augsburg.  Confession  S.  4. 

2)  BilibaldiPirckheymeride  vera  Christi  carne  et  vero  eius  san- 
guine  adversus  convicia  Joannis,  qui  sibi  Oecolampadii  nomen  indidit, 
responsio  secunda.  1527  Bl.  E 8b. 

3)  Vgl.  Drews,  Pirkheimers  Stellung  zur  Reformation.  Leipzig  1887 
S.  89  ff.,  S.  107. 

4)  Vgl.  M.  Spahn,  Joh.  Cochläus.  Berlin  1898  S.  163f. 

5)  Neue  Beiträge  zur  Litteratur  besonders  des  16.  Jahrhunderts  II. 
Nürnberg  u.  Altorf  1791  S.  401;  vgl.  auch  schon  desselben  Beyträge  zur 
Litteratur  bes.  d.  16.  Jahrhunderts  II.  Nürnberg  u.  Altorf  1786  S.  473  f. 

6)  Seidemann,  Leipziger  Disputation,  Dresden  1843  S.  68  Anm.  1. 

7)  A.  a.  0.  S.  584. 


130  G-.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks. 

daß  sich  von  ihnen  bisher  kein  Exemplar  habe  finden  lassen.  Doch 
meinte  er  zuversichtlich;,  er  habe  sie  nun  gefunden,  sie  seien  näm- 
lich identisch  mit  der  längst  bekannten,  im  Stil  der  Epistolae  viro- 
rum  obscurorum  gehaltenen  Eckii  dedolati  ad  caesaream  majestatem 
magistralis  oratio  (1530) 1).  Dafür  ließ  sich  mancherlei  anführen, 
nicht  allein  die  Anspielung  im  Titel  auf  Pirkheimers  alte  Spottschrift 
gegen  Eck  (von  der  freilich  Szamatölski  gerade  annahm,  daß  Pirk- 
heimer  mit  Unrecht  als  ihr  Verfasser  angesehen  werde),  sondern  vor 
allem,  daß  diese  Oratio  thatsächlich  Eck  de  vino,  Venere  et  balneo 
in  einer  sehr  wenig  schmeichelhaften  Weise  reden  läßt2 3).  Von  Wein 
und  Venus  würde  freilich  wohl  jeder,  der  Eck  verspotten  wollte, 
geredet  haben,  aber  daß  auch  gerade  das  balneum  als  ein  drittes 
Charakteristikum  Eckscher  Lebensgewohnheiten  angeschlossen  ist,  das 
macht  ja  freilich  stutzig,  und  läßt  irgend  welchen  Zusammenhang 
zwischen  den  Propositiones  und  der  Oratio  vermuten.  Gleichwohl 
widersprach  ich  alsbald  mit  aller  Entschiedenheit  dieser  Hypothese 8), 
da  die  übereinstimmende  Bezeichnung  der  Spottschrift  durch  Melau ch- 
thon  wie  durch  Cochläus  als  „propositiones“  nach  konstantem  Sprach- 
gebrauch doch  nur  eine  Thesenreihe,  nicht  aber  eine  Rede  meinen 
konnte.  Ein  glücklicher  Fund  hat  mir  jetzt  bewiesen,  daß  ich  richtig 
geschlossen  hatte.  Denn  die  bisher  vergeblich  gesuchten  propositiones 
existieren,  und  zwar,  wie  zu  vermuten  war,  handschriftlich  — 
gedruckt  sind  sie  wohl  nie  vorhanden  gewesen. 

Die  Breslauer  Univ. -Bibliothek  besitzt  in  IV  Octav  45  eine 
Papierhandschrift,  die  ich  untersuchte,  da  der  Katalog  mir  als  ihren 
Inhalt  Disputationes  Lutheri  ankündigte.  In  der  That  beginnt  sie 
mit  Nachschriften  (Reinschriften)  mehrerer  Wittenberger  Disputationen 
unter  Luthers  Vorsitz,  so  u.  a.  der  des  Heinrich  Schmedenstede 
(Drews,  Disputationen  Luthers  S.  684ff.)  ; ferner  enthält  sie  große 
Stücke  aus  der  2.  Disputation  contra  Antinomos  (Drews,  S.  419  ff.), 
die  Promotionsthesen  des  Joh.  Macchabäus  (Drews  S.  637ff.).  Ich 
bemerke  hierüber  nur,  daß,  soweit  ich  verglichen  habe,  es  sich  um 
Nachschriften  handelt,  die  völlig  unabhängig  von  den  von  Drews 
benützten  Rezensionen  sind,  und  daß  sie  daher  manches  Eigentüm- 
liche bieten.  Ich  kann  mir  nicht  versagen,  auf  einen  höchst  inter- 
essanten Zusatz  im  Vorübergehen  aufmerksam  zu  machen,  der  sich  in 
Schmedenstedes  Disputation  zu  Drews  S.  694  hinter  Einwand  XIII 
„Jacobus  ait,  Abraham  ex  factis  iustificatum  esse  etc.“  findet.  Vor  der 
Antwort  des  Promovendus,  die  Drews  bietet,  greift  Luther  selbst  ein 
mit  folgender  für  ihn  höchst  charakteristischen  Auslassung  über  den 
Jakobusbrief,  die  ich  wörtlich  hier  einrücken  muß  : 


1)  Lateinische  Literaturdenkmäler  des  15.  u.  16.  Jahrhunderts  2.  Heft. 
Eckius  dedolatus.  Berlin  1891  S.  Xlf. 

2)  A.  a.  0.  S.  46. 

3)  Theol.  Litteraturzeitung  1891  Sp.  381. 


G.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joli.  Ecks. 


131 


,,D.  M.  L.  lila  Epistola  Jacobi  nobis  multum  facessit  negotii. 
Eam  enim  solam  amplectuntur  reliquis  Omnibus  omissis  papistae. 
Ego  kactenus  solitus  sum  eam  observare  [?  undeutlich]  et  inter- 
pretari  secundum  sententiam  reliquae  scripturae  (nam  nihil  ex 
ea  contra  manifest  am  scripturam  sanctam  statuendum  est  iudi- 
cabitis  [so]).  Si  igitur  non  admittentur  meae  interpretationes, 
tum  faciam  quoque  ex  ea  vastationem.  Ich  will  schir  den 
Jeckel  in  den  Offen  werffen,  wie  der  pfaff  vom  Kalenberg1)“. 
Dann  weiter:  M.  Heinricus  respondit:  Jacobus  loquitur  de 
factis  etc.  wie  bei  Drews.  (Diese  Worte  tragen  deutlich  den 
Stempel  der  Echtheit!) 

Doch  die  Handschrift  enthält  auch  noch  manches  Andere,  vor 
allem  Bl.  376ff. 2)  die  bisher  vergeblich  gesuchten  propositiones  de 
vino,  Venere  et  balneo  (den  Titel  siehe  hernach).  Ihr  Inhalt  ist 
z.  T.  so  lasciv,  daß  ich  ihre  vollständige  Veröffentlichung  gern 
einem  Liebhaber  der  Eacetienlitteratur  überlasse.  Ich  begnüge  mich 
damit,  die  Thesenreihe  de  vino  vollständig  zu  reproduzieren,  über  die 
beiden  anderen  Reihen  dagegen  nur  kurz  andeutend  zu  referieren. 
Ihre  Provenienz  in  einem  Bande  von  Wittenberger  Disputationen 
zeigt  uns,  daß  sie  vom  Augsburger  Reichstage  abschriftlich  nach 
Wittenberg  gelangt  sind,  sodaß  sie  noch  in  den  40er  Jahren 
dort  von  einem  Wittenberger  Studenten  gelesen  und  kopiert  werden 
konnten.  Sie  zeigen  den  Grimm,  den  der  alte  Pirkheimer  noch  in 
seinem  letzten  Lebensjahre  gegen  den  Mann  bewahrt  hatte,  der  ihm 
einst  in  der  fatalen  Bannangelegenheit  tiefe  Demütigung  abgenötigt 
und  ihm  soeben  einen  so  gehässigen  Streich  gespielt  hatte3). 

[376]  Articulos  sequentes  publice  defensurus  est  Eckius4 5), 
non  Tngolstadiensis  ille,  Theologiae  et  Juris  Canonici  vir  doctis- 
simus"),  Universitatis  Cancellarius  et  Aistetensis  Ecclesiae  Ca- 
nonicus  6),  Sed  Eckius  dedolatus,  Geologiae 7)  doctor,  Prae- 
positus  in  Narrenheim  ac  nullius  Ecclesiae  Cauonicus. 

1)  In  dem  Schwankbuch  vom  Pfaffen  vom  Kalenberge  wird  erzählt, 
wie  dieser  seine  Stube  heizt  mit  den  hölzernen  Bildern  der  12  Apostel. 
Als  er  das  des  Jacobus  ins  Feuer  wirft,  spricht  er : „Bück  dich,  Jäckel, 
du  mußt  in  Ofen“  (vgl.  F.  H.  v.  d.  Hageu,  Narrenbuch.  Halle  1811  S.  314). 
Vgl.  auch  Thomas  Plätters  Autobiographie  ed.  Fechter  S.  37,  ed.  H. 
Boos  S.  37. 

2)  Der  Band  beginnt  jetzt  mit  Bl.  256,  ist  also  ein  Teil  einer  früher 
viel  umfänglicheren  Handschrift. 

3)  Bei  der  Entzifferung  einiger  schwer  leserlichen  Stellen  hat  mir 
Herr  Prof.  Dr.  G.  Banch  freundlich  Hülfe  geleistet. 

4)  Anspielung  auf  den  Titel  der  Articuli  404:  Articulos  404  . . . co- 
ram  divo  Caesare  Carolo  V . . . Joan.  Eckius  minimus  ecclesiae  minister, 
offert  se  disputaturum  etc. 

5)  Vir  doctissimus  heißt  er  z.  B.  auf  dem  Titel  seiner  Homiliae. 

6)  Vgl.  im  Titel  seiner  Orationes  quatuor:  studii  Auripolitani  [d.  i. 
Ingolstadt]  Vicecancellarius  et  Canonicus  Eistettensis. 

7)  Geologia  hier  im  Gegensatz  zu  Theologia:  er  beschäftigt  sich 
nicht  mit  göttlichen,  sondern  mit  irdischen  Dingen. 


132  Gr.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks. 

1.  Balnea,  vina,  Venus  corrumpunt  corpora  nostra, 

Sed  vitam  faciunt  balnea,  vina,  Venus. 

2.  Ex  Omnibus  deliciis,  quas  deus  hominibus  concessit,  nil  sua- 
vius  est  vino,  venere  et  balneis.  Quia  sine  iis  vita  non  est  vita. 

3.  Ex  tribus  his  Venus  ad  propagandum  genus  humanuni  neces-  I 
saria  est,  balneum  voluptati  deservit,  sed  omnia  superat  vinum. 

VINVM. 

4.  Vino  nil  melius  nec  vulva  dulcius  ampla. 

5.  Turcarum  Imperator  miser  est,  q[uia  vinum  non  bibit. 

6.  Moriendum  potius  mala  morte  quam  vino  carendum. 

7.  Vina  graeca  et  ultramarina  optima  sunt,  sed  a vinis  superantur 
Insulanis,  utputa  Cretensi  et  Corsicano. 

8.  Creticum  vinum  quamvis  sit  Optimum,  Corsycum  tarnen  non 
multum  illius  cedit  bonitati,  praecipue  Corsycum  amabile  1 ) 
bone  Deus,  quam  libenter  bibi  illud  Romae! 

9.  Ex  Europae  vero  vinis  principatum  tenet  Syrmicum,  quod  nunc  , 
vocatur  Symmachicum.  [376b]. 

10.  Nec  multum  Ungarico  cedit  id  quod  in  provincia  nascitur  Gal- 
lica. 

11.  Sed  et  vinum,  quod  haud  longe  a Janua  nascitur  et  de  Taio  j 
vocatur,  primas  fere  partes  fert.  Vina  haec  superant  aurum  | 
et  topasium  2). 

12.  Quin  Riuolicum 3),  quod  in  sinu  nascitur  Adriatico,  omnibus  | 
aliis  anteferri  potest.  Quia  licet  non  sit  tarn  forte  sicut  alia,  | 
nec  tarn  cito  iuebriet,  dulcissimum  tarnen  est  et  mire  palato  j 
applaudit.  Nam  id  saepe  probavi. 

13.  Sed  et  Italia  vina  sua  habet  nobilissima,  velut  Tribianum, 
Vernaticum 4),  Montanum,  cum  reliquis,  quae  longum  esset  ! 
recitare,  quae  saepius  me  recreaverunt. 

14.  Sciens  hic  praetereo  vina,  quae  Hispaniae  et  Galliae  mittunt,  J 
quia  licet  sint  optima,  raro  tarnen  ad  nos  importantur. 

15.  Ex  Germaniae  autem  vinis  Rheticum,  quod  Athesinum  5)  voca- 
tur, praecellit,  id  me  in  Italiam  euntem  et  redeuntem  saepius 
laetae  mentis  fecit. 

16.  Hoc  sequitur  Alsaticum,  Austriacum  acRhenense:  Ha,  ha,  ha, 
tria  cordis  unguentacula ! 

17.  Franconicum  licet  aliquando  Optimum  habeatur,  quäle  eg o apud 
Canonicos  bibi  Herbipolenses,  tarnen  ab  illis  superatur. 

18.  Vinum  Necharinum  illis  aequiparari  nequit,  quia  quum  aquo- 

1)  Bekannt  als  vino  amabile. 

2)  Vgl.  Vulg.  Ps.  118,  127. 

3)  Revoglio,  Reinfall  (in  Istrien) 

4)  Vino  di  monte  Venaccia? 

5)  Wein  von  der  Etsch. 


Gr.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks.  133 

sum  sit,  non  facile  in  cerebrmn  [377]  ascendit  nec  nt  quis 
Tille  teile  loquatur  facit. 

19.  Reliqua  vina  Gfermaniae  potius  aceto  quam  vinis  aclnumeraveris 
praeter  Kelhemense1)  et  Bavaricum,  quod  nec  acetum  est  nec 
aqua,  salva  tarnen  gratia  Bavarica. 

20.  Quicunque  vinum,  quod  Deus  Optimum  procreavit,  aqua  adul- 
terare  audet,  is  non  solum  liquorem  illum  nobilem  corrumpit, 
sed  Deum  ipsum  iniuria  afficit. 

21.  Falsum  est,  quod  dici  solet,  quod  vinum  sit  forte.  Nunquam 
enim  tarn  forte  bibi,  quod  fortitudine  sua  prohibere  potuit, 
quominus  illud  exhaurirem. 

22.  Fictio  est,  quod  vinum  adeo  forte  sit,  ut  aliquando  homines  in 
merdum  proiiciat.  Nunquam  enim  me  proiecit,  licet  saepius 
vertigine  arreptus  ultro  cecidi,  sed  quam  primum  evomuissem, 
melius  habui. 

23.  Nunquam  homo  sapientior  est  et  eloquentior,  quam  quum  coe- 
lesti  illo  rore  madefactus  fuerit.  Foecundi  enim  calices  quem 
non  fecere  disertum? 

24. 2)  Nunquam  homo  fortius  dormit  quam  cum  profunda  ebrietate 
iacet  sepultus. 

25.  Nunquam  homo  laetior  est  et  ditior  quam  cum  multo  mero  ma- 
defit.  Pauper  enim  tum  cornua  sumet  omnisque  cura  aufugit 
deluiturque  mero. 

2G.  Maledictus  sit,  qui  non  sufficienter  se  ingurgita[377b]re  au- 
det,  nisi  per  verbum  Ich  bring  dirs  invitatus. 

27.  Benedictus  qui  ultro  et  non  invitatus  ita  se  ingurgitaverit,  ut 
non  solum  sitim  extinguat,  sed  etiam  voluptati  ita  deservit,  ut 
rursus  evoinat,  iuxt'a  verbum  illud  Sauff  dich  vol  vnd  leg  dich 
nider,  Stell  auff  vnd  spey  dich  wyder,  Imer,  Imer  Imer  vol. 

28.  Stulti  immo  iusani  sunt,  qui  cerbereum  illum  liquorem  cervi- 
siam  | so]  vino  anteferre  audent.  Nam  licet  refrigeret,  vinum 
tarnen  calefacit.  Quantum  ergo  color,  qui  cuncta  producit,  fri- 
gus  exuperat,  quod  cuncta  corrumpit,  secundum  philosophum3), 
tantum  et  vinum  superat  cervisiam. 

29.  Vinum  in  cerebrum  ascendit  et  cor  hominis  laetificat4).  Cer- 
visia  vero  descendit  et  testiculos  deorsum  trahit  et  pendentes 
facit. 

30.  Summa.  Vinum,  vinum,  vinum  supernum  vincit  et  imum. 

Vinum  vita  est  suavior  et  omnibus  mundi  delicatius  rebus. 


1)  Kelheim  unweit  Regensburg,  damals  bekannt  wegen  seines  Weiß- 
bieres. 

2)  Statt  24.  25  hat  die  Abschrift  26.  27  und  wiederholt  dann  diese 
Zahlen. 

3)  Aristoteles. 

4)  Vulg.  Psalm  103,  15. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengescliiclite.  V.  8. 


10 


134  G-.  Kawerau,  Eine  verschollene  Spottschrift  Joh.  Ecks. 


De  Yenere. 

Es  folgen  16  Thesen,  beginnend  mit  dem  Satz:  Quamvis  sua- 
vissima  venus  procreatrix  sit  generis  humani,  nulli  tarnen  sacerdoti 
uxorem  habere  licet  pro  propria,  sed  concubina  [s]  quotquot  voluerit 
pro  libito.  Man  hüte  sich  aber  vor  alten  und  wähle  juuge  (Th. 
2 — 4),  lieber  mehrere  als  nur  eine  [5];  auch  der  keuscheste  Priester 
muß  bisweilen  renes  purgare  [6] 1).  Die  Türken  zeigen  uns  den 
Vorteil  der  Vielweiberei  [7].  Der  Priester,-  der  sich  keine  Concubine 
hält,  darf  an  Verheirateten  und  Unverheirateten  sein  Ergötzen 
suchen,  muß  es  aber  sehr  vorsichtig  machen;  der  Vorzug  ist  dabei 
den  Unverheirateten  zu  geben  [8  — 10].  Grundsatz:  Necessitatis  tem- 
pore omnia  sunt  licita  [ 1 1 J . Kinder  aus  Concubinaten  sind  geistig 
und  körperlich  vollkommener  als  eheliche  Kinder  [12 — 15].  Wein 
und  Venus  gehören  zusammen  [16]. 

De  b a 1 n e i s. 

15  Thesen:  Bäder  dienen  nicht  nur  der  Reinigung,  sondern 
auch  der  Erwärmung  und  erhöhen  daher  die  Lust  und  Fähigkeit  zum 
Trinken  (1 — 5).  Gemeinsames  Baden  beider  Geschlechter  ist  löb- 
lich u.  s.  f.  Th.  11:  Summopere  cavendum  ne  absque  flascone  ad 
balneum  eatur,  sed  flasco  tanquam  comes  assidue  sequatur.  (Dazu 
vergl.  in  der  Oratio  [Neudruck  S.  46]  den  Satz,  in  dem  Eck  fordert, 
daß  ubi  venirem  ad  balneum  aliquod,  ihm  der  balneator  unum  bonum 
flasconem  vini  bringen  müsse,  ut  me  possem  in  calore  reficere). 
Schluß:  [379]  Disputabuntur  ad  flasconem  die  et  liora  competenti2) 
inter  burdellos  inter  cinquanta3)  putauas. 

Nil  mirum  si  ecclesia 
Vacillet  sicut  ebria, 

Ebrius  si  miseram 
Defendere  vult  ecclesiam. 

Die  angeführten  Parallelen  in  der  Oratio  zu  diesen  Propositiones 
machen  gewiß,  daß  der  Verfasser  der  ersteren  die  Thesen  bereits 
kannte  und  durch  sie  angeregt  worden  ist.  Unwahrscheinlich  aber 
ist,  daß  Pirkheimer  selbst  dem  Spott  gegen  Eck  nun  auch  noch  in 
der  Oratio  wie  in  2.  Auflage  sollte  haben  die  Zügel  schießen  lassen. 
Sind  diese  Thesen  sein  Werk,  was  uns  Cochläus  bezeugt,  so  wird 
für  die  Oratio  ein  anderer  Verfasser  — unter  den  Reichstagsmit- 
gliedern selbst?  — zu  suchen  sein. 


1)  Vgl.  hierzu  die  Oratio,  Neudruck  S.  46  Z.  31ff. 

2)  Anspielung  auf  Ecks  404  Artikel:  Die  et  hora  consensu  Caesaris 
posterius  publicandis;  und  wieder  am  Schluß:  Dicm  et  horam  disputandi 
ad  divi  Caesaris  arbitrium  Eckius  publicabit. 

3)  Italienisch  statt  quinquaginta,  veranlaßt  durch  das  folgende  putanas. 


Merz,  Simonie  im  18.  Jahrhundert. 


135 


Simonie  im  18.  Jahrhundert. 

Miscelle 

von 

Pfarrer  Merz  in  Mittelsinn,  Unterfranken. 

In  einem  Confitentenregister  der  Pfarrei  Mittelsinn,  das  im 
Jahre  1749  von  dem  Pfarrer  Magister  Jacob  Ludwig  Rudolph  an- 
gelegt worden  ist,  findet  sich  folgender  Bericht  von  der  Hand  des 
genannten  Pfarrers  über  die  Umstände,  unter  welchen  er  auf  die 
Pfarrei  Mittelsinn  gekommen  ist.  Mag.  Rudolph  schreibt: 

Nachdem  ich,  M.  Jacob  Ludwig  Rudolp  anno  1734  mense  Augusti 
von  der  ev.-luth.  Gemeinde,  nach  ihrem  wohlhergebrachten  Rechte, 

I zu  Rödelsee,  bei  Iphofen  in  Franken,  aus  der  schönen  Stadt  Groe- 
ningen,  in  den  Vereinigten  Niederlanden  gelegen,  woselbst  ich  als 
Inspector  des  Lutherischen  Waisenhauses  und  Cooperator  Ministern 
ecclesiast.  gegen  4 Jahre  lang  gestanden,  nach  erstgedachtem  Rödel- 
see zu  einem  Pfarrer  und  Seelsorger  einmiithig  berufen  und  von 
I Sr.  hochfürstl.  Gnaden  zu  Wirtzburg,  dem  grossen  Friedrich  Carl, 
aus  dem  W eltberühmten  Geschlecht  der  Reichs  Grafen  von  Schön- 
born, Buchheim  und  Wolfsthal,  den  4.  Okober  1734  gnädigst  con- 
firmiret : hierauf  aber  auf  untertänigstes  Bitten  der  A.  C.  Gemeinde 
zu  Kitzingen,  nach  absterben  meines  seel.  Vaters,  M.  Christoph 
Rudolphs,  Pastoris  primär,  daselbsten,  an  die  Stelle  des  damahligen 
Pastoris  adjuncti,  M.  Job.  Friedrich  Habbhahns,  der  meinem  seel. 
Vater  succedirte,  von  höchstgedachter  Sr.  hochfürstlichen  Gnaden, 
als  Pastor  adjunctus,  nach  Kitzin  gen  den  11.  Januarii  ao.  1748  mein 
Amt  daselbsten,  ohne  Anstoß,  nach  aller  Möglichkeit,  getreu  ver- 
richtet. Alleine  unter  der  Regierung  Celsissimi  Anselmi  Francisci, 
aus  dem  hochgräfl.  Geschlechte  von  Ingelheim  (der  ein  herr  wäre, 
welcher  sich  nicht  nur  das  Geld  sehr  lieb  seyn,  sondern  auch  dahero 
von  einigen  Jüden,  die  da  beytreiben  mußten,  samt  einem  alten  so- 
genannten Chymico,  Koepner,  den  Meister  spielen,  und  sich  quasi 
regieren  ließe)  fügte  sich,  daß  einige  im  Dominium  in  der  Gemeinde 
zu  Kitzingen  affectirende  Männer,  vornemlich  5 an  der  Zahl,  deren 
Nahmen  jedoch  mit  Stillschweigen  übergehe,  auf  eine  abgedroschene 
und  zusammengestoppelte  scheinbare,  doch  falsche  Imputation,  die  sie 
um  so  lieber  glaubten,  weil  selbige  ohnehin  meines  seel.  Vaters  ge- 
schwohrene  Feinde,  mitfolglich  auch  die  Meinigen  gewesen,  bei  Cel- 
sissimo,  mit  Vorbeygehung  der  hochlöbl.  Regierung,  klagten,  und 
meiner  loszuwerden,  heimlich,  suchten.  Da  ich  nun  über  solche  gott- 
I lose  Imputation  und  teuflische  Lästerung,  jedoch  ohne  die  mindeste 
Rachgierde,  ex  lege  diffamati  zu  Klagen  mich  gemüßiget  sähe:  auch 
die  hochfürstl.  Regierung,  rechtlicher  Ordnung  nach,  die  gerechteste 
Verfügung  dießfalls  machte:  auch  meine  tlieils  verführte  Feinde  nun 

10* 


136 


Merz,  Simonie  im  18.  Jahrhundert. 


wohl  sahen,  daß  es  mißlich  vor  sie,  aller  angewandten  Mühe  und 
Kosten  ohngeachtet,  ausgehen  mögte;  ich  gleichwohl  inzwischen  vor 
Chagrin  in  ein  hitziges  Gallen-Fieber,  recht  gefährlich  und  tödtlich 
darnieder  gefallen : so  fischten  meine  Feinde  im  Trüben  und  wußten 
es  unter  Versicherung,  daß  Celsissimus  ein  ansehnliches  Stück  Geld 
dabey  ziehen  könnte,  so  weit  zu  bringen,  daß  ich  ohne  vorwissen, 
und  zur  nachmahligen  Verwunderung  der  hochlöbl.  Regierung,  wie- 
wohl mir  nicht  das  mindeste  zuvor  communiciret,  und  ich  weder 
confessus  noch  convictus  gewesen,  aus  dem  NB  Cabinet,  mit  Ver- 
weigerung der  von  mir  erbetenen  Copie  des  Cabinet- Decrets,  gar 
dimittiret  worden.  Nun  verrieth  sich  zwar  meiner  Feinde  ihr  böses 
Absehen,  da  sie  als  Verwandten  und  Gevattern  einen  in  hiesiger 
Nachbarschaft  - stehenden  wohlbegüterten  Mann,  der  sich’s  über  1000  fl. 
wollte  kosten  lassen,  an  meine  Stelle  zu  bringen  bemühet  waren, 
und  weil  dieses,  wegen  anderer  Staats-Ursachen  nicht  practicabel  ge- 
wesen seye  noch  von  der  hochfürstl.  Regierung  approbiret  worden, 
den  Pfarrer  Seubott  in  dem  hochfreyherrl.  Crailsheim.  Ort  Neuhau ßt 
bei  Erlang,  der  sich’s  200  Species-Ducaten,  wozu  er  sich  selbst  offe- 
riret  hatte,  wollte  kosten  lassen,  nur  blos  aus  Bosheit  gegen  mich, 
mit  Widerwillen  der  übrigen  Gemeinde  zu  Kitzingen,  nicht  nur  in 
Vorschlag  brachten,  sondern  auch,  indem  sie  glaubten,  es  könne 
ihnen  nicht  fehlen,  wider  die  hochfürstl.  Jura  handelten  und  ihren 
gewißenlosen  Seubott  (den  auch  Gott  aus  ohngezweifelt  gerechten 
Gericht  bald  darauf  von  der  Welt  genommen;  maßen  er  sich  zu  Tod: 
s.  v.  gebrochen)  zur  Probe-Predigt  invitirten  und  als  mit  Blindheit 
geschlagen  öffentlich  aufstelleten.  Alleine  dieß  gab  nicht  nur  der 
hochlöbl.  Regierung  Anlaß  und  Gelegenheit  Celsissimo  den  Kitzinger 
affectirten  Magnaten  getriebenen  Unfug  zu  remonstriren,  sondern  es 
übergab  auch  die  gantze  übrige  Gemeinde  eine  zahlreich  unterschrie- 
bene Bittschrift,  darinnen  sie  inständigst-flehentlichst  mich  bey  ihnen 
zu  lassen  anhielten,  und  über  das  boshafte  eigenmächtige  Wesen 
meiner  Feinde,  wie  bei  Celsissimo,  so  auch  bei  hochpreißl.  Regierung 
klagten.  Unterdessen  gedachte  der  damahlige  hiesige  Pfarrer,  Mag.j 
Sebastian  Wittmann  Kitzingensis  von  der  Zeit  und  Gelegenheit  zu 
profitiren  und  mit  seinem  Geld  sich  den  Weg  nach  Kitzingen  zu 
bahnen,  brachte  es  auch  bei  denen  geldgierigen  Creaturen  zu  Zellingen 
(bei  Würzburg),  woselbst  der  Fürst  sich  justement  aufhielte,  so  weit, 
daß  er  völlige  Hoffnung,  auf  Kitzingen  zu  kommen,  erhielte.  Nach- 
dem aber  dieses  meine  Feinde  hörten,  mitfolglich  einsahen,  wie  ihre 
Rechnung  und  Absicht  zu  nichte  worden,  so  gingen  sie  zum  hoch- 
fürstl. Stadt vogtey- Amt  zu  Kitzingen,  protestirten  gegen  Mag.  Witt- 
mann mit  der  weiteren  Ezklärung,  daß  ehe  sie  diesen  annehmen 
könnten,  sie  lieber  wiederum  um  mich  gebetten  haben  wollten.  Hieraui 
richtete  Mag.  Wittmann  sein  Augenmerk  auf  Maynstockheim,  welche 
Pfarrei  er  auch  gegen  Erlegung  von  100  Louisd’or  in  die  hochfürstl, 


Merz,  Simonie  im  18.  Jahrhundert. 


137 


Chatull  zum  größten  Tort  des  dasigen  ehrlichen  Pfarrers  Bäuerleins 
vermittelst  eines  Cabinet-Decrets  erhielte.  Der  Pfarr  Bäuerlein  that 
zwar  dagegen  seine  Vorstellung  konnte  aber  weiter  nichts  ausrichten, 
als  daß  er  von  Celsissimo  gegen  70 — 80  Species  Ducaten  des  Cabinet- 
Decret  erhielte  auf  die  Pfarrei  Buchbronn  und  Repperndorf.  Hier- 
durch sah  sich  nun  der  Pfarrer  Johann  Daniel  Schmitt  zu  Buch- 
bronn in  die  größte  Verlegenheit  gesetzet.  Doch  wurde  er  mit  dem 
gleichmäßigen  Cabinet-Decret  auf  Kitzingen  zur  Pfarr- Adjuncten- 
Function  mit  der  Condition,  daferne  er  200  Species  Ducaten  erlegen 
würde  in  die  Chatull  consoliret.  Nun  wäre  es  an  mir:  Denn  gleich- 
wie die  Gemeinde  zu  Kitzingen  mit  oberregter  Supplicatiou  so  wenig 
als  ich  mit  vielfältigen  Bitten  ausrichtete,  so  mußte  mir  in  christ- 
licher Gedult  gefallen  lassen,  was  Gott  über  mich  verhänget  und  zu- 
gelassen hatte.  Die  am  ersten  vacant  gewordene  Pfarrei  Mittelsinn 
ward  mir  offeriret  und  wiewohl  ich  darauf  bestünde,  daß  mir  meine 
Restitution  zuerkannt  und  ich  protegiret  werden  möchte  in  Kitzingen : 
so  erhielte  zwar  sothaue  meine  Restitution,  NB  aus  dem  Cabinet; 
aber  mit  dem  weiteren  Verfügen,  daß  ich  die  Mutation  nach  dem 
Sinn-Grund  annehmen  und  meine  Abschieds-Predigt  in  Kitzingen 
halten  sollte.  Als  ich  endlich  rebus  sic  stantibus  mich  notligedrungen 
sähe  der  kochfürstl.  Verordnung  mich  zu  unterwerfen,  so  kam  noch 
dieses  dazu,  daß  ich  auch  erst  100  Species  Ducaten  zur  Chatull 
zahlen  sollte.  Hier  hat  weder  Bitten  noch  Flehen  etwas  geholfen. 
Kurtzum  wollte  ich  mit  Weib  und  6 lebendigen  Kindern  nicht  zu 
Grunde  gehen,  so  mußte  endlich,  vornehmlich  auf  anhaltendes  Bitten 
meines  lieben  Ehe- Weibes,  mich  bequemen,  das  erpreßte  Geld  baar 
zu  bezahlen  und  das  Cabinet-Decret.  hierauf  eben  von  der  hochfürstl. 
Regierung  die  Praesentation  hieker  nach  dem  Sinn-Grund  anzuneh- 
meu,  wie  ich  dann  Dom.  3.  Advent  bey  Volkreicher  Versammlung 
und  unter  fast  allgemeinen  Thränen  des  Auditorii  zu  Kitzingen  meine 
Abschieds-Predigt  gehalten,  den  21.  Dezbr.  als  Fer.  Apost.  Thomae 
Mittags  um  1 Uhr,  mich  mit  meinem  ganzen  Hauß  vor  dem  Gürtlers- 
Thor  daselbsten  auf  das  Wasser  gesetzet  Dom.  4.  Advent,  den 
22.  Dezb.  aber  mit  einbrechender  Nacht  zu  Gemünden  den  Fuß 
wieder  aus  Land  gestellt  hatte.  Den  24.  Dezbr.  1748  käme  ich 
Abends  glücklich  allliier  au  und  wurde  wider  die  vorherige  Gewohn- 
heit mit  allgemeinen  Freuden  an-  und  aufgenommen.  Weil  ich  hin- 
gegen von  Hessen-Cassel 1)  aus  nocli  nicht  gnädigst  confirmiret  wäre 
und  daliero  leicht  geschehen  können,  daß  da  ich  vor  gesuchter  und 
folglich  auch  nocli  nicht  erlangter  Confirmation  würklich  aufgezogen 
bin,  ich  gar  wohl  Repuls  bekommen  und  fortges'chickt  werden  mögen  : 
So  handelte  ich  so  vorsichtig,  daß  ob  ich  zwar  gleich  andern  Tags 
als  Feste  Nativit.  Christi  das  Amt  coucionandi  an  träte,  dennoch  des 

1)  In  Mittelsinn  1(548  (resp.  1631)  bis  1803  Oondoininium  zwischen  den 
Bischöfen  von  Würzburg  und  Ilessen-Cassel  (Kurhessen). 


138  Kolde,  Ein  unbeachteter  Brief  an  Luther  und  Melanchthon. 

Abendmahl-Haltens  bis  nach  erfolgter  Installation  mich  freywillig 
enthielte. 

Endlich  nahm  der  gerechte  Gott  den  Fürst  Anselm  Frantzen  den 
9.  Februar  1749  plötzlich  von  der  Welt  und  erfreute  das  gantze 
Land  durch  die  glücklich  ausgefallene  Wahl  mit  Sr.  hochfürstl.  Gna- 
den Carl  Philipp  aus  dem  alt-adelichen  Geschlecht  deren  Reichs- 
Freyherrn  von  Greifenklaw  zu  Yollraths.  Dieser  gerechte  Fürst  ließe 
nicht  nur  meine  Diffamations-Klage  reassumiren,  sondern  auch  die 
mir  abgepreßte  Gelder  wieder  zuspreclien,  welche  100  Ducaten  dann 
mir  von  der  hochgräfl.  Ingelheimischen  Familie  baar  vergnüget  und 
zurück  bezahlet  worden. 


Ein  unbeachteter  Brief  an  Luther  und  Melanchthon. 

Mitgeteilt  von 

I).  Th.  Kolde  in  Erlangen. 

Der  bisher  den  Sammlern  entgangene  Brief  an  Luther  und 
Melanchthon,  auf  den  unten  aufmerksam  gemacht  werden  soll,  führt 
uns  in  die  Anfänge  der  reformatorischen  Bewegung  der  auch  aus  der 
allgemeinen  Reformationsgeschichte  bekannten  fränkischen  Stadt 
Schwabach.  In  der  damaligen  Amtsstadt  des  Fürstentums  Ansbach 
hatten  sich,  soviel  ist  sicher,  früh  evangelische  Regungen  gezeigt. 
Das  Wenige,  was  wir  darüber  wissen,  ist  etwa  Folgendes  1):  Unter 
den  ersten,  jedenfalls  einflußreichsten,  die  sich  zur  evangelischen 
Lehre  wandten,  war  der  Stadtrichter  Hans  Herbst.  Ihr  entschiedenster 
Gegner  war  aber  der  mit  ihm  verschwägerte  Stadtpfarrer  Joh.  Link, 
ein  schon  älterer  Mann,  der  seine  Studien  in  Heidelberg2)  gemacht 
hatte  und  bereits  1499  als  Vikar  des  Wallenrodsclien  Altars  in  der 
Pfarrkirche  zu  St.  Johannis  erwähnt  und  nicht  lange  darauf  Pfarrer 
geworden  sein  wird3).  Er  erhob  schon  1523  Klage  bei  den  Mark- 
grafen Casimir  namentlich  gegen  den  Richter  Herbst,  der  nicht  nur 
mit  den  Seinen  das  Wort  Gottes  las,  sondern  es  auch  Anderen  er- 
klärte. Der  Fürst  rescribierte  am  Samstag  nach  Simonis  und  Judä 
(31.  Oct.)  1523,  es  sei  alles  zu  unterlassen,  was  zu  Aufruhr  dienen 
könne.  Niemanden  weder  Priester  noch  Laien  sei  es  gestattet,  einander 
in  Worten  oder  Werken  unbillige  Beleidigung  zu  thun  ; außerhalb  der 


1)  Das  Meiste  darüber  bei  E.  Engelhardt,  Ehrengedächtnis  der 
Reformation  in  Franken  etc.  Nürnberg  1861  S.  54  ff.  aber  leider  wie 
immer  ohne  jede  Quellenangabe. 

2)  Johannes  Linck  de  Swobach  dioces.  Eystatensis  sexta  Jnnij  1495. 
b.  art.  12|5  1497.  — Heidelberger  Matrikel  I,  415. 

3)  S.  H.  v.  Falkenstein,  Chronicon  Svobacense.  2.  Aufl.  Schwa- 
bach 1756  S.  205.  zu  der  Wallenrodschen  Pfründe  vgl.  M.  Herold, 
Kultusbilder  aus  vier  Jahrhunderten  Erl.  1896  S.  lff. 


Kolde,  Ein  unbeachteter  Brief  an  Luther  und  Melauchthon.  139 


geordneten  Seelsorge  und  abgesehen  von  den  bestellten  Predigern 
solle  niemand  aufstehen  und  predigen1).  Das  machte  wenig  Ein- 
druck, zumal  mau  seit  demselben  Jahre  an  dem  trefflichen  Oberamt- 
mann Christoph  von  Wiesenthau2)  einen  Rückhalt  hatte.  Die  erste 
reformatorische  That  war,  daß  man  vielleicht  noch  1523  Luthers 
Mahnung  befolgend  zur  Armenpflege  und  zur  Bestreitung  sonstiger 
kirchlicher  Bedürfnisse  nach  dem  Vorgänge  von  Ansbach  und 
Kitzingen  einen  „gemeinen  Kasten”  errichtete.  Darüber  berichtet 
und  bespricht  das  Für  und  Wider  die  erste  uns  erhaltene  refor- 
matorische  Druckschrift  aus  Schwabach : „Ein  Gespräch  von  den 
gemeinen  Schwabacher  Kasten,  als  durch  Bruder  Heinrich,  Knecht 
Ruprecht,  Kamerin,  Spuler,  und  ihrem  Meister,  des  Handwerks  der 
Wollentuchmacher.  Anno  MDCIIII3).“  Ihr  folgte  eine  andere  scharfe 
Verteidigungsschrift  des  Stadtrichters  Herbst  an  Joh.  Link,  die  den 
Pfarrer  als  Mietling  brandmarkte  und  das  Recht  auf  das  Wort  Gottes 
darlegte  und  den  ihm  gemachten  Vorwurf,  Aufruhr  anzuregen,  zu- 
rückweist. Sie  trägt  den  charakteristischen  Titel : „Eyn  Brüderliche 
vnd  Christeniiche,  Heyliger  geschrifft  gegründte  ermanung,  von  einem 
vnterthon  vnd  schefflin,  Seynem  Pastor  ofler  pfarrhern  zugeschickt 
yn  dem  er  jn  seins  pastorampts  erynnert  vnd  seine  schefflin  mit 
dem  wort  Gottes  zu  weyden,  vnd  keyn  taglöner  an  sein  stadt  zu 
stellen,  Dy  von  schefflin  (so  der  wulff  kumpt)  flyehen.  Actuum  4. 
Ach  Herr  syh  an  jr  droen  vnd  gib  deinen  knechten  mit  aller 
freidikeyt  zu  reden  dein  wort.  Amen“.  (Am  Schluss:  Datum  zu 
Schwabach  am  fyerdten  tag  Marcij  im  M 5.  24  jar4)).  Da  der 
Pfarrer  das  Evangelium  nicht  predigen  wollte,  hatte  man  schon  seit 
Anfang  des  Jahres  sich  eigene  Prediger  zu  verschaffen  gesucht. 
Als  solche  werden  erwähnt  ein  Hans  N„  der  aus  Reutlingen  ver- 
trieben war,  dann  ein  Ulrich  Lanzenstiel,  die  beide  nur  kurze  Zeit 
bleiben  konnten  oder  wollten.  Nach  ihnen  begann  am  Sonntag 
Iuvocavit  der  Augustinermönch  Hans  Dorsch  aus  Nürnberg  seine 
Thätigkeit,  erhielt  aber  schon  nach  einigen  Tagen  (Donnerstag  nach 
Iuvocavit)  auf  die  Klage  des  Pfarrers  einen  Befehl  die  Stadt  zu  ver- 
lassen, „sonsten  Ihre  hochfürstliche  Gnade  ihn  auf  einen  Karren 
binden  und  dem  Bischoff  von  Eichstätt  zuschicken  lassen  wollte5).“ 
Sein  Nachfolger  wurde  wohl  seit  dem  Sonntage  Lätare  ein  Stadt- 
kind, der  aus  dem  Franziskanerkloster  zu  Neustadt  an  der  Aisch 

1)  v.  Falcke n stei n,  a.  a.  0.  S.  119. 

2)  Vgl.  v.  Falckenstein,  Analecta  Nordgaviensia  Bd.  I.  S.  92. 

3)  Unter  dem  Titel  ein  Holzschnitt,  die  unterredenden  Personen  in 
der  Werkstatt  des  Tuchmachers  in  ihren  Geschäften  darstellend.  Ab- 
gedruckt  bei  0.  Schade,  Satiren  und  Pasquille  aus  der  Reformations- 
zeit.  2.  Aufl.  1863  S.  196  ff.  293.  Auszugsweise  bei  Engelhardt  a.  a.  0. 
S.  55  ff. 

4)  ln  der  Nürnberger  Stadtbibliothek.  Abgedruckt  bei  niederer, 
Nachrichten  zur  Kirchen-,  Gelehrten  und  Büchergeschichtc  III,  S.  321  ff. 

5)  Falckenstein,  Chronikon  S.  204  f. 


140  Kolde,  Ein  unbeachteter' Brief  an  Luther  und  Melanclithon. 


ausgetretene  Burkhard  Leikham  1);  der  der  Gemeinde  gefiel,  den  sie 
aber  noch  weiter  in  der  evangelischen  Lehre  ausbilden  wollte,  wes- 
halb sie  ihn  mit  dem  folgenden  Briefe 2)  an  Luther  schickte. 

„Unser  freundlich  vnd  willig  Dienst  zuvor,  Günstigen  lieben 
Freund,  Herrn  und  Brüder  in  Christo!  Nachdem  die  Zeit  vor 
Augen,  daß  Gott  der  Allmechtig  sein  ewig  Wort  und  Evangelion 
in  die  Hertzen  der  Menschen  seiner  Creaturen  will  scheinen  lassen, 
das  wir  zu  empfahen  mit  Hülff  und  Gabe  Gott  des  heiligen  Geistes, 
so  vern  wir  Immer  mögen,  begierig,  aber  an  den  Wegwaysern  bis- 
her großen  Mangel  gehabt,  Ist  uns  gegenwärtiger  Burchardus 
Leykham,  den  (wie  wir  hoffen)  aus  dem  verdampfen  Profeß  Frau  - 
cisi  (uns  zu  pesserung)  geuordert,  den  wir  denn  ein  zeit  lang  ent- 
halten, vnd  zu  künftigen  Ecclesiasten  probiret  und  erwelt,  vnd  da- 
mit wir  auch  wohl  fundirt  im  heiligen  Evaugeli  und  Wort  Gottes 
vnderwisen  werden,  beratli schlagt  und  beschlossen,  denselben  Biir- 
charden  wohl  gegründt  zu  machen,  wie  wir  uns  versehen  bey 
euch  zu  finden,  vnd  ist  demnach  unser  freuntlich  und  Brüderlich 
Bitt,  Ir  wollet  Ine  um  vnser  willen,  zu  Merüng  Christenlichs  Glau- 
bens. günstigen  bevohln  haben,  vnd  wo  es  ihm  mangelt,  Brüderlich 
vnderweysen,  damit  wir  und  unser  zuegewant  zu  seiner  Wieder- 
kunfft  vns  seiner  Lere  zu  unser  Seelen  Seeligkeit  gepessern  mögen. 
Das  wollen  wir,  neben  der  Belouung,  so  Ir  von  Gott  ewiglich  em- 
pfahn  werdet,  vnsers  Vermögens  allezeit,  mit  allen  Fleiß,  verdienen. 
Datum  am  heiligen  Oster-Tag  Anno  1524. 

Wolf  Christoph  von  Wiesenthau,  Amtmann,  Bürger- 
meister, Rath,  und  Gemain  zu  S wob  ach. 

Inscriptio : 

Den  Erwirdigen  und  hochgelarten  Herrn  Martino  Luther, 
Doctor,  und  Philippo  Melancton  Mgro,  beiden  Larern  der  Gött- 
lichen Schrifft  in  Wittenberg,  vnsern  Lieben  Freunden  Herrn  und 
Brüdern  in  Christo. 

sämtlich  und  sonderlich.“ 

Ob  der  Brief  an  seine  Adresse  gekommen,  läßt  sich  nicht 
sagen,  auch  findet  sich  Leikham  nicht  in  der  Wittenberger  Matrikel, 
und  bald  darauf  erhielten  die  Schwabacher  mit  Erlaubnis  des  Mark- 
grafen Casimir  den  Nürnberger  Augustiner  Hans  Hofmann  als 
Prediger,  der  bis  1529  bei  ihnen  blieb3). 


1)  Engelhardt,  S.  55  und  58  unterscheidet  fälschlich  einen  von 
der  Stadt  am  Sonntag  Laetare  angenommenen  Barfiißermönch  aus  Neu- 
stadt und  den  Franziskaner  Leikham  und  verwirrt  die  Daten.  Woher  er 
das  Datum  Laetare  etc.  zu  S.  55  hat,  habe  ich  nicht  ermitteln  können. 
Beide  Männer  sind  offenbar  identisch. 

2)  Falkenstein  S.  191  f. 

3)  Ebenda  S.  205.  Ueber  die  Schicksale  desselben,  der  später  Pfarrer 
in  Altdorf  und  dann  in  Fürth  war,  vgl.  meine  Notizen  in  Beitr.  z.  Bayr. 
K.-G.  III,  175. 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


141 


Kirchengeschichtliches 

in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammengestellt  von 

0.  Rieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  München. 

(Fortsetzung.) 

Aus  Archiv  des  hist.  Vereins  von  Unterfranken  und  AschafFenburg. 

Seufferth,  Die  Reclamation  der  im  dreißigjährigen  Kriege  nach 
Schweden  entführten  Bücher  und  anderer  .Literalien  der  Julius- 
Maximilians -Universität  Würzburg:  S.  206.  Vergl.  Witt- 
mann in  Bd.  84. 

Denzinger,  J.,  Einige  Notizen  über  den  Hof  Katzenwicker  (in 
Würzburg;  darin  eine  Vikarei  und  Kapelle):  S.  264. 

Rost,  Geschichte  der  fränkischen  Cisterzienserabtei  Bildhausen. 
Abteilung  1.  Historischer  Teil:  (1158 — 1618)  Bd.  11,  H.  1 
(1850),  S.  1;  (1618—1808)  H.  2 und  8 (1851),  S.  109.  — 
Abteilung  II.  Topographisch-statistischer  Teil  und  Anhang 
I — VI  (III.  Stand  der  fränkischen  Gisterzien ser-Klöster  zur 
Zeit  der  Säkularisation  im  Jahre  1802:  S.  209).  — Vergl. 
Schnell  in  Bd.  27  und  80. 

Kestler,  Keßler,  J.  B.,  (fälschlich),  Das  Schenken  - Schloß : 
Bd.  11,  H.  1,  S.  97  (Kapelle  mit  eigener  Vikarie  S.  104). 

Denzinger,  J.,  Über  das  sogenannte.  Jungferngeld  oder  die  Aus- 
steuer armer,  ehrbarer  Jungfrauen  in  Würzburg:  S.  180  (mit 
einem  Verzeichnis  der  an  verschiedenen  Orten  Uuterfrankens 
bestehenden  Stiftungen  und  Wohlthätigkeitsanstalten  S.  198). 

Ruland,  Anton,  Die  Würzburger  Handschrift  der  k.  Universitäts- 
Bibliothek  zu  München  (Kodex  aus  der  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts, zum  Teil  kirchlichen  Inhalts):  H.  2 und  3 (1851), 
S.  1. 

Denzinger,  Gutachten  einer  von  dem  Fürstbischof  Johann  Philipp 
Franz  ernannten  Commission  über  einige  Gegenstände  der 
landesherrlichen  Administration  (1724).  Mit  .Anmerkungen 
des  Herausgebers.  S.  229  (u.  a.  über  die  Würzburger  Hoch- 
schule, das  Gymnasial-  und  Volksschulwesen,  den  Unterricht 
der  Waisenhauskinder,  über  das  Studium  der  Theologie  S.  307; 
— auch  untermischt  mit  religionspolizeilichen  Vorschriften). 

Benkert,  F.  G.,  Der  ehemalige  Hof  Hauenstein  (mit  12  bisher 
ungedruckten  Beilagen):  Bd.  12,  H.  1 (1852),  S.  1 (Bezie- 
hungen der  Ritter  v.  Bastheim  zu  Luther  und  dessen  Refor- 
mation S.  4). 


142  0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 

Denzinger,  J.,  Beitrag  zur  Geschichte  der  Pfarrei  Wolfsmünster 
S.  111. 

Rul and,  Anton,  Erasmus  Neustetter,  der  Maecenas  des  Francisciis 
Modius,  nach  des  Letzteren  Tagebuch:  H.  2 und  3 (1853', 
S.  1 (über  den  Bischof  Julius  und  dessen  Spitalbau  S.  53). 

Benkert,  E.  G.,  Das  ehemalige  Laudcapitel  Mellrichstadt  beim 
Beginne  der  s.  g.  Reformation  und  kurz  nach  dem  Bauern-» 
kriege  S.  99. 

Himmel  st  ein,  F.  X.,  Die  Juden  in  Franken.  Ein  Beitrag  zur 
Kirchen-  und  Rechtsgeschichte  Frankens.  S.  125. 

Denzinger,  J.,  Einige  Nachrichten  über  das  St.  Dietrichs-  und 
Aegidius-Spital  in  Würzburg  S.  189. 

Reuß,  Über  einen  vormaligen  Templerhof  zu  Würzburg  S.  236. 

Popp,  Th.  D.,  Urkunden,  den  vormaligen  Templerhof  zu  Moos- 
brium  betreffend  (3  Stück  von  1310  bis  1318):  S.  243. 

Ileffner,  Carl,  Michael  Leyser,  Abt  zu  St.  Stephan  in  Würzburg, 
eine  Episode  aus  dem  Bauernkriege  (mit  dessen  Bildnis  auf 
einer  Gedächtnismedaille):  S.  276. 

Stumpf,  Pleickard,  Biographie  des  im  Jahre  1820  dahier  ver- 
storbenen Regierungsdirektors  Andreas  Sebastian  Stumpf  S.  298 
(unter  Mitteilung  seiner  zahlreichen  Schriften,  teilweise  kirclieu- 
geschichtlicnen  Inhalts  S.  306). 

Denzinger,  Ignaz,  Geschichte  des  Clarissenklosters.  zu  St.  Agnes 
in  Würzburg:  Bd.  13,  H.  1 lind  2 (1854),  S.  1. 

Rul and,  Anton,  Die  Ebracher  Handschrift  des  Michael  de  Leone 
mit  Einschaltung  der  wichtigsten  Stücke  (auch  Kirchen-,  Pfarr- 
uud  Klostergeschichtliches  aus  dem  Hochstift  Würzburg  ent- 
haltend) S.  111. 

Benkert,  F.  G.,  Die  Osterburg  am  Rhöngebirge  und  die  Oster- 
burg an  der  Werra  S.  211  (Gründung  des  Frauenklosters 
Veilsdorf  und  dessen  päpstliche  Konfirmation  etc.  S.  218 ; 
seine  weiteren  Schicksale  230 ; Stiftung  für  das  Spital  zu 
Bildhausen  226;  Exempte  Pfarreien  246). 

Ke  stier,  J.  B.,  Die  Rabensburg  S.  250  (über  Bischof  Conrad  von 
Hildesheim,  „dann  zu  Würzburg,  1198  — 1202,  und  dessen 
Ermordung  S.  257). 

Denzinger,  Ignaz,  Die  Bauern,  Schweden  und  Franzosen  im 
Carthäuserkloster  Tückeihausen  S.  276. 

Rul  and,  Das  Epitaphium  des  Geschicht-Schreibers  von  dem  Bischof- 
thum Wirz  bürg  S.  300. 

Heffner,  Ludwig,  Beitrag  zur  Biographie  Christoph  Kretzers 
(Mörders  des  Würzburger  Fürstbischofs  Melchior  v.  Zobel  1558): 
S.  360. 

Mooyer,  E.  F.,  Nekrologium  des  Klosters  Weißenburg  (im  Elsaß): 
Bd.  13,  H.  3 (1855),  S.  1. 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  143 

Nekrologium  des  straßburgischen  Domstifts.  Aus  der  Hand- 
schrift mitgeteilt  nebst  einigen  Erläuterungen.  S.  68. 

Kittel,  M.  B.,  Die  Letzten  der  Edlen  von  Kugelnberg  bei  Aschaffen- 
burg S.  92  (Zur  Gütergeschichte  der  Klöster  St.  Mariä  in 
Hagen  und  Schmerlenbach  S.  105,  109,  112). 

Kaufmann,  Alexander,  Kleine  Beiträge  zur  fränkischen  Geschichts- 
und  Sagenforschung: 

I.  Die  Wettenburg,  eine  einst  geweihte  Stätte:  Bd.  13,  H 3, 
S.  189. 

II.  Hasloch  und  die  St.  Markuskapelle  S.  148. 

V.  Überfall  des  Klosters  Bronnbach  durch  Turennische 
Truppen  im  Jahre  1673:  Bd.  19,  H.  1 (1866),  S.  191. 

VI.  Bruchstücke  aus  einer  Culturgeschichte  der  Grafschaft 
Wertheim:  A.  Literatur,  Wissenschaft  und  Schule:  H.  2 
(1867),  S.  35  (in  den  Klöstern  Bronnbach,  Neustadt  und 
Triefenstein  S.  35  und  66;  zur  Schulgeschichte  der  Stadt  W. 
44,  56,  60;  Instruktion  für  den  Hofmeister  der  jungen  Grafen 
von  Löwenstein  49;  Kirchen-  und  Schulverhältnisse  nach  dem 
30jährigen  Kriege  S.  56).  — B.  Das  Hofleben  in  der  ältern 
Zeit  S.  72  (mit  Notizen  über  das  religiöse  Leben;  vagierende 
evangelische  Kirchen-  und  Schuldiener  S.  88).  Nachtrag  hier- 
zu Bd.  20,  H.  1 und  2 (1869),  S.  55.  — G.  Zwei  Briefe 
des  Superintendenten  Christ.  Schleußner  in  Wiirzburg  an  den 
Wertheimischen  Pfarrer  und  späteren  Superintendenten  Jakob 
Angelinus  von  1633  und  1634  Bd.  19  H.  2,  S.  159.  — H.  Die 
wichtigeren  Gebäude  der  Stadt:  H.  3 (1868),  S.  1 (Stadt- 
kirche und  mehrere  Kapellen;  Beguinenhaus  S.  8;  Häuser  im 
Besitze  würzburgischer  Klöster  S.  46  ; Höfe  der  Abtei  Broun- 
bach,  der  Karthause  Grünau  und  der  Propstei  Holzkirchen 
S.  53).  Nachträge:  Bd.  20,  H.  1 und  2 (1869),  S.  58: 
Bd.  20  (1882),  S.  399;  Bd.  27  (1884),  S.  226.  — Vergl. 
auch  Wagner  in  Bd.  30. 

VII.  Zum  Klosterleben  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  (Revers 
eines  unbotmäßigen  Klosterbruders  in  der  Karthause  Grünau 
v.  1443):  Bd.  19,  H.  3,  S.  73. 

VIII.  Nachgelassene  Schriften  des  Reformators  Johann  Ebcr- 
lin  von  Günzburg : Bd.  20,  II.  1 und  2 (1869',  S.  1. 

IX.  Die  Schicksale  des  Dichters  Christian  Egenolph  auf  der 
Löwensteiu’schen  Pfarrei  Laudenbach  (evangelischer  Pfarrer 
daselbst  seit  1589):  S.  29. 

X.  Ein  Mythus  der  Edda  im  Mainthal  S.  40. 

XIII.  E ränkisches  aus  Cäsarius  von  Heisterbach:  Bd.  21, 
H.  1 und  2,  S.  81  (Seelenzustände  einer  Reclusa  in  der  Um- 
gegend von  Brounbach  S.  82). 

XIV.  Über  das  wissenschaftliche  Lebeu  in  der  Abtei  Broun- 
bach:  Bd.  20  (1882),  S.  397. 


144 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


XYI.  Vergleich  zwischen  der  Karthause  Grünau  und  ihren 
armen  Leuten  (Grundholden)  zu  Schollbrunn  1355  S.  404. 

Heffner,  L.,  Die  Ruine  von  Aura-Trimberg  (des  ehemaligen 
Benediktinerklosters  Aura):  Bd.  13,  H.  3,  S.  159. 

Denzinger,  J.,  Geschichte  des  Damenstiftes  ad  S.  Annam  zu 
Würz  bürg  S.  164. 

Debon,  A.,  Historisch-topographische  Skizze  der  Stadt  und  des 
vormaligen  Klosters  Amorbach:  Bd.  14,  II.  1 (1856),  S.  1. 

Kestler,  J.  B.,  Die  vormalige  Abtei  Oberzell  (mit  der  Geschichte 
der  ihr  einverleibten  Pfarreien  und  2 Urkundenbeilagen  von 
1170):  S.  37. 

Mooyer,  E.  F.,  Zwei  Fragmente  von  Nekrologien  (aus  dem  14., 
bezw.  16.  Jahrhundert  : — auf  der  k.  Universitätsbibliothek 
Würzburg):  S.  129.  — Nachträgliche  Bemerkungen  zu  erste- 
rem:  Bd.  15,  II.  2 und  3 (1861),  S.  371. 

Denzinger,  J.,  Historisch-topographische  Beschreibung  der  Stadt 
Dettelbach:  Bd.  14,  H.  2 (1857),  S.  1 (mit  Nachrichten  über 
die  Wallfahrt  Maria  im  Sande,  das  Frauenkloster  zu  Kitzingen 
und  die  Klöster  Schwarzach  und  St.  Stephan,  das  Franziskaner- 
Hospitium  ; Pfarrgeschichte  von  D.  und  das  Hornische  Spital). 

Reuß,  Die  Grabschrift  des  Fürstbischofs  Rudolph  von  Scherenberg 
zu  Würzburg  (f  1495) : S.  272. 

Barack,  K.  A.,  Hans  Böhm  und  die  Wallfahrt  nach  Niklashauseu 
im  Jahre  1476,  ein  Vorspiel  des  großen  Bauernkrieges,  nach 
Urkunden  und  Chroniken  bearbeitet  (mit  XXIX  größtenteils 
noch  unbekannten  Dokumenten):  H.  3 (1858),  S.  1. 

Bauer,  H.,  Die  Truchsesse  von  Baldersheim:  S.  129  (Regesten 
einer  Linie  derselben,  181  Stück  aus  den  Jahren  1352 — 1572 
S.  141,  insbesondere  mit  Nachrichten  über  Spital  und  Pfarr- 
kirche zu  Aub ; Stiftung  eines  Spitals  zu  Röttingen  1422: 
S.  165).  — Bd.  15,  H.  2 und  3 (1861),  S.  377. 

Rul  and,  Anton,  Der  Besuch  des  Nürnberger  Arztes  Hieronymus 
Münzer  bei  Bischof  Rudolph  von  Scherenberg  in  Wirzburg 
1495  :.  Bd.  14,  H.  3,  S.  215  (kirchengeschichtliche  Notizen 
über  Würzburg  und  andere  fränkische  Orte  darbietend). 

Kittel,  Erörterung  der  historischen  Streitfrage  über  die  Lage  des 
adeligen  Frauenklosters  im  Hagen  bei  Aschaffenburg  S.  227. 

Reininger,  N.,  Die  Marien-  oder  Ritterkapelle  zu  Haßfurt.  Ein 
Beitrag  zur  Baugeschichte  derselben:  Bd.  15,  H.  1 (1860), 
S.  1.  — Aktenstücke  dazu:  H.  2 und  3 (1861),  S.  260. 

Wieland,  Michael,  Historische  Darstellung  des  Stiftes  St.  ßurkard 
zu  Würzburg.  1.  Abteilung:  Das  Kloster  St.  Burkard  : Bd.  15, 
II.  1,  S.  43.  — 2.  Abteilung:  Das  Ritterstift  St.  B.:  H.  2 und 
3 (1861),  S.  1.  — Nachtrag:  Bd.  16,  H.  2 und  3 (1863), 
S.  321. 


Zur  Bibliographie.  145 

Himmel  st  ein.  Das  Frauenkloster  Wechterswinkel : Bd.  15.  H.  1, 
S.  115. 

Denzinger,  Ignaz.  Das  Freiherr!,  von  Hutten’sche  Damenstift  (in 
erster  Linie  für  fränkische  prot.  Fräulein  gegründet):  S.  192. 

Himm  eiste  in,  P.  Beatus  Bishalm,  Poeta  laureandus  (Franzis- 
kaner-Minorit  und  Doktor  der  Theologie,  *j~  1629  zu  Würz- 
burg): S 203  (von  ihm  wird  u.  a.  eine  Hymne  an  den 
h.  Kilian  und  eine  Psalm-Paraphrase  mitgeteilt). 

Eminert,  Friedrich,  Adalbero  und  das  Bisthum  Wiirzburg  zu  seiner 
Zeit  (1045—1090):  H.  2 und  3 1I86I),  S.  179. 

Kittel,  Die  Bedeutung  der  Weisthümer  für  Geschichte  und  Reclits- 
altertkümer  als  Einführungs-Notiz  unterfränkischer  Weisthümer: 
S.  295  i Kirchengeschichtliches  über  Obernheim.  seit  1600 
gewöhnlich  Obernau  genannt,  S.  299  '. 

Schneider,  Vermischte  historische  Notizen  über  den  Laudgerichts- 
bezirk  Eltmann  S.  311  („Zur  Glockenkunde“  S.  327). 

Kein,  Wilhelm,  Zella  unter  Fischberg,  Nonnenkloster  und  Propstei 
Würzburger  Diöcese  S.  332. 

Bauer,  H.,  Die  ältere  Geschichte  von  Röttiugen  S.  357  (Zur  Ge- 
schichte der  Begüterung  des  Klosters  Hirsau.  — Stiftung  des 
Röttinger  Spitals  S.  369). 

Eeininger,  N.,  Die  Benedietiner-Abtei  Aura  an  der  fränkischen 
Saale  und  der  berühmte  Geschichts-Schreiber  des  Mittelalters 
Ekkehardus,  erster  Abt  derselben:  Bd.  16,  H.  1 (1862',  S.  1. 
— Nachtrag:  H.  2 und  3,  S.  323. 

Schneider.  G„  Einige  Bemerkungen  und  Zusätze  zu  Schopfs 
..Johannes  Nasus-’  (berühmter  Controversprediger,  gestorben 
als  Weihbischof  in  Brixen):  Bd.  16,  H.  1.  S.  179. 

Wieland,  Michael,  Das  Schottenkloster  zu  St.  Jakob  in  Würz- 
lmrg:  H.  2 und  3 (1863),  S.  1.  — Grundriß  der  noch  stehen- 
den Gebäude  am  Ende  des  Bandes. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zur  Bibliographie.911) 

*Rentz,  Gustav  Adolf.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Schottenabtei 
St.  Jakob  und  des  Priorats  Weih  St.  Peter  in  Regensburg. 
Stift  Reigen  1897.  S.  A.  a.  d.  Studien  u.  Mittl.  a.  d.  Bene- 
dictiner  und  Cisterienserorden.  In  Commission  bei  Josef  Habbel. 
Regensburg,  110  S.  2 Mk. 

Eine  treffliche  und  sehr  beachtenswerte  Arbeit.  Der  Verfasser,  der  als 
Secretär  des  Historischen  Vereins  der  Oberpfalz  das  ehemalige  Archiv  der 
immediaten  Schottenabtei  in  Regensburg  (583  Pergamenturkunden  und 
222  Aktenfascikel)  neugeordnet  hat,  hatte,  durch  diese  Arbeit  angeregt, 

*)  Die  mit  * versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


146 


Zur  Bibliographie. 


ursprünglich  die  Absicht;  eine  Geschichte  der  Schottenklöster  oder  des 
Wirkens  ihrer  Insassen  in  ganz  Deutschland,  vor  allem  im  deutschen 
Süden,  wo  die  Schottenmönche  eine  so  reiche  und  mannigfaltige  Wirk- 
samkeit entfaltet  haben,  zu  schreiben.  Da  sich  dies  nicht  verwirklichen 
ließ,  weil  die  beiden  schottischen  Benedictinerklöster  St.  Mary’s  College 
in  Blairs  bei  Aberdeen  und  St.  Benedicts  Monastery  in  Fort  Augustus,  wo- 
hin sehr  viele  kostbare  Bücher  und  Urkundenschätze  nach  der  Säcula- 
risation  des  letzten  deutschen  Schottenklosters  transferirt  worden  sind, 
leider  kein  genügendes  Verständnis  für  den  deutschen  Forschereifer 
zeigten,  und  so  das  Material  lückenhaft  blieb,  hat  der  Verf.  sich  be- 
schränkt, wenigstens  das  Resultat  seiner  Forschungen  für  die  Geschichte 
des  Regensburger  Schottenklosters  bekannt  zu  geben.  Damit  ist  wenig- 
stens im  Umriß  ein  Bild  der  Wirksamkeit  der  Schottenmönche  in  Deutsch- 
land gegeben.  Denn  wie  das  1075  entstandene  nachmalige  Priorat  Weih 
St.  Peter,  bezw.  das  Kloster  St.  Jakob  (entstanden  äö.  1090)  die  erste 
klösterliche  Ansiedlung  schottischer  Benedictinermönche  in  Deutschland 
war,  so  wurde  es  auch  das  Mutterkloster  der  meisten  in  Deutschland  ent- 
slandenen  Schottenklöster  Würzburg.  Wien,  Nürnberg,  Konstanz,  Mem- 
mingen (St.  Nikolas),  Eichstätt,  Kelheim  (Priorat),  Erfurt  etc.  (Vgl.  auch 
Wattenbach,  die  Congregation  der  Schottenklöster  in  Deutschland  in 
Quast-Otte  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und  Kunst  1856). 
Und  i.  J.  1216  wurde  der  Abt  des  Regensburger  Klosters  zum  ständigen 
Provinzial  der  zu  einer  eigenen  Congregation  verbündeten  deutschen  Schot- 
tenklöser  ernannt.  Dieses  Kloster  behielt  seine  führende  Stellung,  bis  ein 
Kloster  nach  dem  andern  entweder  einging  oder  andern  Mönchen  zufiel 
und  es  schließlich  im  Jahre  1862  als  das  letzte  Schottenkloster  in  Deutsch- 
land aufgehoben  ward  und  seine  Räume  dem  Clerikalseminar  zugewie- 
sen wurden.  Die  wechselnden  Schicksale  des  St.  Jakobsklosters  und  teil- 
weise der  ganzen  Congregation  schildert  nun  der  Verf.  in  zusammenge- 
drängter Darstellung  einleitungsweise  und  giebt  dann,  die  Jahre  1075  bis 
1499  umfassend,  nach  dem  ihn  bekannt  gewordenen  Material  eingehende 
Regesten.  Es  wäre  dringend  zu  wünschen,  daß  er  in  der  gleichen  Weise 
auch  zur  Geschichte  der  andern  Schottenklöster  Regesten  veröffentlichen 
wollte.  Uebrigens  ist  zu  beachten,  daß  auch  einige  Urkunden  auf- 
genommen sind,  die  ausschließlich  auswärtige  Klöster  betreffen,  wie  Eich- 
stätt und  namentlich  Erfurt,  soweit  sie  sich  eben  im  Schottenarchiv  in 
Regensburg  fanden. 

Probst,  J.,  Geschichte  der  Stadt  u.  Festung  Germersheim.  Speyer, 
Selbstverlag  e.  Verf.  1898.  8°.  VI.  585  S.  M.  5. 

*Kerler,  Dr.  Dietrich,  Oberbibliothekar.  Die  Berufung  des  Ge- 
schichtsschreibers M.  J.  Schmidt  an  das  kaiserl.  Haus-  und 
Staatsarchiv  in  Wien.  Archiv  des  hist.  Vereins  für  Unter- 
franken. Bd.  1 S.  77  ff.  ' 

Schon  im  5.  Bd.  desselben  Archiv  veröffentlichte  H.  Hahn,  Briefe 
an  und  von  Michael  Ignaz  Schmidt,  der  als  Professor  und  Bibliothekar 
an  der  Universitätsbibliothek  in  Würzburg  die  drei  ersten  Bände  der  im 
vorigen  Jahrhundert  hochangesehenen  „Geschichte  der  Deutschen“  (Ulm 
1778 ff.)  schrieb.  Die  hier  mitgeteilten  Briefe,  erstens  an  Fürstbischof 
Franz  Ludwig  von  Erthal  vom  15.  Okt.  1780,  in  dem  er  ihm  mitteilt, 
daß  er  gelegentlich  einer  Studienreise  nach  Wien,  ohne  noch  einmal  zu- 
rückzukehren, die  ihm  dort  angetragene  Oberaufsicht  über  das  kaiser- 
liche Haus-  und  Staatsarchiv  angenommen  habe,  zweitens  die  gereizte  Ant- 
wort des  Fürsten  und  ein  darauf  bezügliches  Schreiben  an  den  befreun- 
deten geistlichen  Rat  Oberthür  bilden  eine  wichtige  Ergänzung  dazu. 

* W.  v.  Langsdorff,  Pastor  in  Rittmitz.  D.  Adolph  von  Harleß. 
Ein  kirchliches  Charakterbild  allen  Freunden  der  evangelisch- 


Zur  Bibliographie. 


147 


lutherischen  Kirche  insbesondere  denen , die  sich  für  ihren 
Dienst  bilden  wollen,  dargeboten.  Festschrift  zur  Feier  des 
50jährigen  Bestehens  des  evangelisch-lutherischen  Studenten- 
vereins Philadelphia  in  Leipzig.  (Mit  einem  Bildnis  von 
Harleß.  (Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  Fr.  Richter  1898. 
VIII.  2.  174  S.-gr.  8.  — Mk.  5,-— 

Las  Beste  was  wir  über  ILtrleß  haben,  ist  die  schöne,  mit  großer 
Sachkenntnis  und  mit  vieler  Liebe  geschriebene  Skizze  von  Ad.  Stählin 
in  der  protestantischen  Realencyklopädie  2.  Aufl.  Bd.  XVIII  S.  19  ff.  (auch 
separat  erschienen  gemeinsam  mit  den  Artikeln  über  Löhe  und  Thomasius). 
Aber  diese  Arbeit  wurde  durch  den  Raum  beschränkt  und  vielleicht  auch 
inhaltlich  hier  und  da  beengt  durch  die  Pietätsstellung,  in  der  der  Ver- 
fasser zu  Harlei3  stand.  Wie  von  Langsdorff  S.  VI  berichtet,  hat  Harleß 
einmal  scherzhaft  bemerkt:  „Meine  Biographie  braucht  man  einmal  nicht 
zu  schreiben,  das  habe  ich  schon  selbst  besorgt.“  Aber  daß  seine  be- 
kannten und  in  vielen  Beziehungen  sehr  wertvollen  „Bruchstücke  aus 
dem  Leben  eines  süddeutschen  Theologen.“  (Bielefeld  und  Leipzig  1872. 
Neue  Folge  1875)  auch  nur  für  die  Jahre,  die  sie  umspannen,  — 1845,  eine 
Biographie  ersetzen  können,  wird  im  Ernst  Niemand  behaupten  wollen, 
der  sie  gelesen  hat,  wenigstens  kein  Historiker,  der  sogar  ihren  Quellen - 
wert  sehr  einschränken  wird.  Gilt  von  jeder  Selbstbiographie,  daß  sie 
mit  großer  Vorsicht  zu  benutzen  ist,  so  ganz  besonders  von  der  von 
Harleß.  Ich  glaube  ihm  nicht  zu  nahe  zu  treten,  wenn  ich  die  Meinung 
ausspreche,  daß  der  hervorragende  Theologe  und  Kirchenmann,  zu  nichts 
weniger  beanlagt  war,  als  zum  objektiven  Historiker.  Diese  scharf 
ausgeprägte,  selbstgewachsene  Persönlichkeit,  mit  dem  ihm  von  Jugend 
auf  eigenen,  hier  und  da  fast  verletzenden  Zuge  zur  Selbständigkeit  (vgl. 
seine  Urteile  über  alle  seine  Lehrer)  und  der  Neigung,  ich  sage  nicht, 
die  Menschen,  aber  die  Verhältnisse,  in  die  er  sich  gestellt  fand,  zu  be- 
herrschen, hatte  nicht  die  Gabe,  das,  was  er  erlebte,  unbefangen  aufzu- 
fassen, geschweige  denn  e3  objektiv  darzustellen.  Das  ist  bei  allen  her- 
vorragenden Personen  mehr  oder  weniger  der  Fall,  aber  mir  will  scheinen, 
daß  bei  Harleß,  der,  wie  man  aus  allen  seinen  Schriften  und  Aeußerungen 
ersehen  kann,  gar  nicht  anders  konnte,  als  zu  Allem  und  Jedem,  womit 
er  in  Berührung  kam,  Stellung  zu  nehmen,  mehr  als  bei  anderen  Selbst- 
biographen darauf  zu  achten  ist,  daß  wir  zumeist  bei  ihm  nur  erfahren, 
wie  er  die  Vorgänge  angesehen  hat,  nicht  wie  sie  wirklich  verlaufen 
sind.  Darin  liegt  nicht  zum  wenigsten  das  Anziehende  in  den  „Bruch- 
stücken“, aber  um  zu  einer  wirklichen  Biographie  verwendet  werden  zu 
können,  werden  die  darin  vorhandenen  Bausteine  vielfach  erst  behauen  wer- 
den müssen.  Uebrigens  könnte  man  fragen,  ob,  wie  wünschenswert 
sie  auch  ist,  die  Biographie  eines  Mannes  wie  Harleß,  dessen  Leben  so 
eng  mit  der  Zeitgeschichte  verflochten  ist,  und  der  von  den  einen  ebenso  ver- 
lästert wurde,  wie  die  anderen  ihn  verehrten,  schon  jetzt,  wo  wir  den 
Verhältnissen,  denen  er  sein  Gepräge  aufdrückte,  noch  so  nahe  stehen, 
mit  der  nötigen  Objektivität  und  Ruhe  geschrieben  werden  kann.  Der 
Verfasser  der  vorliegenden  Arbeit  hat  jedenfalls  bescheidentlieh  davon 
abgesehen.  Was  er  beabsichtigt,  ergiebt  der  Titel.  Er  will  der  sich  heran- 
bildenden Theologenwelt  die  kraftvolle,  theologische,  bekenntnistreue 
Persönlichkeit  als  einen  echten,  kirchlichen  Charakter  vor  Augen  stellen. 
Und  in  diesem  Sinne  wird  man  auch  das  Buch  begrüßen  können,  auch 
weil  sich  der  Verfasser  redlich  bemüht  hat,  das  bereits  bekannte 
Material  durch  nicht  wenig  Neues,  was  der  spätere  Biograph  verwerten 
kann,  zu  vermehren.  Eine  zusammenhängende,  chronologisch  fortlaufende 
Darstellung  des  Lebens  und  seiner  Thätigkeit  giebt  er  nicht,  vielmehr 


148 


Zur  Bibliographie. 


stellt  ihm  die  nach  gewissen  Gesichtspunkten  geordnete  Charakteri  sti  k 
im  Vordergründe.  Den  Hauptwert  des  Buches  machen  aber  seine  reichen 
Mitteilungen  aus  Briefen  und  Aufsätzen  aus,  die  der  Verf.  mit  Geschick  aus- 
gewählt hat,  nur  hat  er  leider  nicht  immer  angegeben,  an  wen  die  Briefe  ge- 
schrieben und  unter  welchen  Voraussetzungen,  wodurch  ihre  richtige  Wer- 
tungbeeinträchtigt wird.  Auch  hätte  er  eine  größere  Rücksicht,  auf  die,  die  er 
hauptsächlich  als  Leser  im  Auge  hat,  nehmen  sollen.  Er  setzt  da  eine  viel 
zu  große  Kenntnis  der  Zeitgeschichte  voraus,  als  sie  auch  bei  Kundigeren 
erwartet  werden  darf.  Damit  hängt  zusammen,  daß  die  von  dem  Verf. 
auf  Grund  neuer,  meistens  brieflicher  Quellen  gegebenen  Ergänzungen  für 
sehr  viele  Leser  leider  wenig  Wert  haben  werden,  weil  ihnen  die  be- 
treffenden Auslassungen,  die  ergänzt  werden  sollen,  und  auf  die  er  viel- 
fach nur  verweist,  ohne  sie  ihrem  Inhalt  nach  kurz  mitzuteilen,  nicht  zur 
Hand  sind.  — In  der  Beurteilung  des  Einzelnen  wird  man  vielfach  anderer 
Meinung  sein  können,  als  der  Verf.  Ich  beschränke  mich  jedoch  darauf, 
ein  paar  Bemerkungen  zu  machen,  die  sich  auf  die  Darstellung  der  Kämpfe, 
die  Ilarleß  in  den  Jahren  1854— -57  durchzumachen  hatte,  beziehen.  Da 
ist  die  Behauptung,  daß  die  Geistlichen  ganz  auf  seiner  Seite  waren  (S.  148), 
zu  vielsagend,  und  die  Zustimmung  der  Synode  ist  noch  kein  Beweis  da- 
für; noch  weniger  richtig  ist  es  zu  sagen:  „materiell  ist  alles  erreicht 
worden,  was  Ilarleß  wollte“,  nicht  einmal  die  Uniformität  der  Liturgie  ist 
erreicht  worden,  geschweige  denn,  was  die  berühmten  Erlasse  vom  2—9  Juli 
1856  wollten,  und  wenn  uns  auch  auch  die  volle  Einsicht  in  die  Geschichte 
jener  Erlasse  fehlt,  deren  Opportunität  doch  auch  Stählin  stark  bezweifelt 
(a.  a.  0.  S.  35 f,),  so  wird  man  doch  wohl  sagen  können,  ohn“e  die  Pietät 
gegen  Harleß  zu  verletzen : durch  das  rasche,  unpädagogische  Zufahren, 
mit  dem  sie  ausgegeben  wurden,  ist  auf  Jahrzehnte  hin  Manches  unmöglich 
gemacht  worden,  hat  sich  z.B.  noch  jetzt  auch  in  gut  kirchlichen  Gemeinden 
ein  Horror  auch  nur  vor  dem  Ausdruck  „Kirchenzucht“  erhalten,  in  dem 
die  letzten  Reste  derselben  dahinwelken.  Auch  scheint  es  mir  nicht  den 
thatsächliclien  Verhältnissen  entsprechend,  wenn  nur  der  böse  „Fortschritt“ 
oder  die  „liberalen  Massen“  als  die  Quelle  der  Gegnerschaft  angesehen 
werden.  Harleß  selbst  urteilte  freilich  so,  es  ist  auch  richtig,  was  der  Verfasser 
hervorhebt,  daß  man  bei  der  Beurteilung  von  Harleß’  politischer  Thätig- 
keit  sich  erinnern  muß,  daß  er  alles  Politische  nur  vom  kirchlichen  Stand- 
punkte beurteilte,  aber  lutherisch  ist  das  nicht.  Indessen  gehörte  das  zu 
den  Schranken  seines  Wesens,  wie  er  sich  denn  auch  nicht  denken  konnte, 
daß  politischer  Liberalismus  noch  nichts  mit  „Antichristentum“  zu  thun 
zu  haben  braucht,  sondern  auch  mit  dem  ausgeprägtesten  kirchlichen 
Positivismus  bestehen  kann. 

^Blätter  für  W iir  ttemb  e rgisch  e Kirchen  geschi  chte.  Neue 
Folge.  Herausgegeben  von  Friedrich  Keidel,  Pfarrer.  II.  Bd. 
(Stuttgart  1898  Verlag  von  Max  Holland  (vorm.  Rud.  Roth) 
4 Hefte.  192  S.  Mk.  3.— 

Bossert,  Die  Herrschaft  Heidenheim  in  der  Reformationszeit  S.  1 bis 
38  u.  85 — 113.  — Kolb,  Die  Jesuiten  in  der  Stuttgarter  Stiftskirche 
1635 ff.  S.  38—44.  — Gayler,  Behandlung  eines  „Separatisten  nach 
Rothenackerschen  Grundsätzen“  S.  44 — 46.  — Kolb,  Zur  kirchlichen 
Geschichte  Stuttgarts  im  18.  Jahrhundert  S.  49  — 85  und  145—163.  — 
W.  E.  Köhler,  Vom  Himmel  gefallene  Briefe  S.  113—119.  — Baß ler, 
Die  ersten  Jahre  nach  dem  dreißigjährigen  Krieg  im  Bezirk  Maulbronn 
S.  119 — 128  und  166 — 173.  — Ernst,  Melanchthoniana  S.  128 — 131.  — 
Keidel,  Der  Personalstand  der  Ulmer  Bettelklöster  zur  Zeit  ihrer  Auf- 
lösung S.  131 — 139.  — Th.  Schön,  Wiirttembergische  Kirchengeschichts- 
litteratur  vom  Jahre  1897  S.  140—144.  — Bossert,  der  letzte  Stiffs- 
herr  in  Backnang  S.  114—166.  — Th.  Schön,  Zur  Geschichte  der  Pfarreien 
Wüttenbergs.  2.  Waiblingen  173 — 192. 


Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller, 
Prädikanten  in  Augsburg. 

Von 

Fr.  Roth  in  Augsburg. 

Die  Umrisse  der  Persönlichkeit  Michael  Kellers,  der  in 
der  Augsburger  Reformationsgeschichte  eine  so  hervorragende 
Rolle  spielt,  aber  auch  außerhalb  dieses  engeren  Rahmens  be- 
kannt geworden  ist,  sind  erst  allmählich  deutlicher  und  bestimm- 
ter hervorgetreten:  Ein  Mann  von  geringer  Gelehrsamkeit,  hef- 
tiger, herrischer  Gemütsart,  gewaltthätig,  ränkevoll,  ehrsüchtig, 
unzuverlässig,  der  es  aber  verstand,  durch  kräftige  Beredsam- 
keit, radikale  Entschiedenheit  in  der  Lehre  und  volkstümliches 
Auftreten  „den  gemeinen  Mann“  zu  gewinnen,  ansehnliche  und 
reiche  Leute  durch  schmeichelndes  Entgegenkommen  an  sich  zu 
ziehen  oder  sich  gelegentlich  auch  durch  Terrorisierung  gefügig 
zu  machen;  einer  der  verbissensten  Zwinglianer,  deshalb  auch 
von  seinen  lutherischen  Gegnern  stark  angefeindet,  von  manchen 
tötlich  gehaßt. 

Ueber  diese  Dinge  sind  wir  genügend  unterrichtet:  dürftig 
und  auch  unklar  sind  jedoch  die  Notizen,  die  uns  über  seine 
Vergangenheit  bis  zu  seinem  plötzlichen  Auftreten  in  Augsburg 
überliefert  sind. 

Der  erste,  der  uns  darüber  Nachricht  gibt,  ist  der  Bene- 
diktiner Clemens  Sender  von  dem  Kloster  St.  Ulrich  in  Augs- 
burg, ein  Zeitgenosse  Kellers,  der  an  mehreren  Stellen  seiner 
Chronik1)  von  ihm  spricht.  So  weiß  er  von  ihm  zu  erzählen2): 


1)  Gedruckt  in  den  Chroniken  der  deutschen  Städte  Bd.  XXIII 
(Chron.  der  schwäbischen  Städte  — Augsburg  — Bd.  IV). 

2)  L.  c.  S.  178  Var.  zu  Zeile  1.  — Der  Inhalt  dieser  Stelle  findet 
sich  lateinisch  und  in  anderer  Fassung  auch  in  der  aus  Sender  sehen 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  4.  11 


150  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

„Maister  Michael  Keller  ist  zü  Straubingen  von  hertzog 
Wilhalm  von  Bayren  gefangen  worden,  von  wegen  daß  er 
daselben  ist  zugesell  oder  ain  helfer  gewessen  und  das  volck 
fast  verkert  und  irrig  gemacht  mit  seinem  predigen,  und  hat  in 
wellen  zu  Minchen  degradieren  laussen ; da  hat  er  sich  feind- 
lich übel  gehept  und  über  alle  maß  fast  geweinet,  daß  er  die 
räth  hat  erbarmet  und  alle  seine  leer  widerriefft,  sie  [sei]  falsch 
und  ketzerisch  und  on  allen  grund,  und  ist  mit  gantzem  leib  wie 
ein  schwein  vor  dem  hertzog  auff  der  erden  gelegen  und  um 
gnad  gebetten,  und  well  allenthalb  sein  falsche  ketzerische  leer 
offenlich  wiederrieffen  und  sein  leben  lang  diser  leer  widersagen, 
das  bezeug  und  versprech  er  bei  got,  allen  haillgen  und  seiner 
seel  hail.  darauff  haben  die  räth  so  fast  an  hertzog  Wilhalm 
gesetzt,  daß  er  in  inen  hat  ergeben  und  ledig  hat  gelaussen,  da 
er  mit  geschworem  aid  versprochen  habe,  diser  falsche  leer 
miessig  zegan.  und  ist  in  kurtzen  tagen  darnach  mainaid  worden 
und  gen  Augspurg  zogen“  etc.  — Eine  andere  gleichzeitige 
Quelle  ist  Caspar  Huber  oder  Huberinus,  der  in  seiner 
Darstellung  der  Augsburger  Prädikantenstreitigkeiten* 1)  als 
Augen-  undOhrenzeuge  oft  auf  Keller  zu  sprechen  kommt  und 
im  einzelnen  manchen  wertvollen  Zug  zu  dem  Gesamtbilde  bei- 
trägt, aber  — eine  einzige  noch  zu  bezeichnende  Stelle  aus- 
genommen — von  Kellers  Schicksalen  vor  dessen  Eintritt  in 
die  Stadt  nichts  erzählt.  Ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  Bericht 
Hubers  ist  der  des  bekannteren  Johann  Förster2),  der  sich 
noch  eingehender  mit  Keller  befaßt  hat  als  Huber,  aber  sich 
ebenfalls  über  diesen  Punkt  ausschweigt.  Auch  spätere  Autoren 3) 
wissen,  soweit  sie  nicht  aus  Sender  schöpfen,  nichts  hierüber 


Aufzeichnungen  geschöpften  Historica  relatio  de  ortu  et  pro- 
gressu  haeresum  in  Germania,  praesertim  veroAugustae 
Vindelicorum.  Ex  antiquis  annalibus  mss.  cujus  dam  con- 
temporanei  fideliter  descripta  et  nunc  publicijuris  facta. 
Ingolstadii  1654.  (S.  darüber  Städte-Chron.  XXIII  S.  XIV.) 

1)  Hubers  Relation  in  dem  mir  vorliegenden  Gothaer  cod.  chart. 
nr.  91,  beschrieben  bei  Germ  an n,  Dr.  Joh.  Förster,  der  Hennebergische 
Reformator  etc.  (Wasungen  1894)  S.  49. 

2)  Seine  Erzählung  ebenda  S.  61  ff. 

3)  Schelhorn,  Beiträge  zur  Erläuterung  der Gesch.,  besonders  der 
Gelehrten- und  Kirchengeschichte,  viertes  Stück,  Memmingen  1777  S.  159  ff. ; 
Uhlhorn,  Keim. 


Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  151 

zu  berichten.  Ob  aber  die  Angaben  Senders  richtig  sind?  Ein 
Umstand  mußte  Bedenken  erregen.  Es  spricht  nämlich  Vitus 
Winter1)  in  seiner  „Geschichte  der  Schicksale  der  evange- 
lischen Lehre  in  und  durch  Baiern“,  die  er  aus  den  bayerischen 
Religionsakten  geschöpft;  von  einem  Keller , Vikar  und  Prediger 
in  Wasserburg;  der,  wegen  seiner  lutherischen  Gesinnung 
bedrängt;  aus  Bayern  nach  Augsburg  entwichen  sei.  Doch 
weiß  er  freilich  auch  an  einer  anderen  Stelle2)  von  einem  Mi- 
chael, Gesellpriester  in  Straubing;  zu  berichten,  der  eben- 
falls als  Lutheraner  verfolgt;  um  sein  Leben  zu  retten;  seine 
Lehre  abgeschworen  und  sich  dann  nach  Augsburg  begeben 
habe ; was  Uber  dessen  Lebensumstände  noch  beigefügt  wird; 
deutet  auf  unseren  M i c h a e 1 K e 1 1 e r.  Durch  diese  Angaben  W i n- 
t e r s wird  also  die  Sache  erst  recht  verwirrt. 

Einer  der  Gönner  Kellers  war  der  zwinglisch  gesinnte,  um 
die  Reformation  in  Augsburg  hochverdiente  Bürgermeister 
Ulrich  Rehlinger,  der  Besitzer  des  auf  bayerischem  Ge- 
biet liegenden  Schlosses  Leder3).  Als  Keller  einmal  (1527) 
dort  als  Gast  weilte,  erschienen  Bewaffnete,  die  das  Schloß  um- 
zingelten und  im  Namen  des  Herzogs  von  Bayern  von  dem 
anwesenden  Rehlinger  die  Auslieferung  des  Prädikanten  ver- 
langten 4).  Sie  mußten  aber  ohne  ihn  abziehen,  da  sie  ihn  nicht 
ausfindig  machen  konnten,  und  nun  sandte  der  Herzog  an  den 
Rat  eine  Anzeige  seines  Vorgehens  gegen  Keller  nebst  den 
Gründen  hierzu,  und  dieser  forderte  wiederum  Keller  auf,  sich 
wegen  der  ihm  von  Wilhelm  zur  Last  gelegten  Vorwürfe  zu 
rechtfertigen.  Das  Schriftstück,  in  welchem  Keller  diese  zu- 
rückweist, wurde  erst  kurz  im  Original  aus  den  noch  nicht  ge- 
ordneten Beständen  des  Augsburger  Stadtarchives  heraus- 


1)  V.  Winter,  Geschichte  der  Schicksale  der  evangelischen  Lehre  in 
und  durch  Baiern  bewirkt  etc.  Bd.  I (München  1809)  S.  202. 

2)  S.  231.  — Allerdings  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  Winter  diese 
Notiz  ganz  oder  teilweise  aus  der  erwähnten  Relatio  historica  etc. 
entnommen. 

3)  Leder,  südwestlich  von  Landsberg. 

4)  S.  über  diesen  Überfall  die  Rel.  hist  etc.  S. 26;  Gasser,  Anna- 
les  etc.  Reipublicae  Augustensis  ad  h.  a. ; die  Notiz  in  der  Weber- 
clironik  in  St.  - Chron.  XXV  (Chron.  der  sch w.  Städte  — Augsburg  — 
Bd.  V)  S.  244  Anm.  2;  Adlzreitter,  Annales  gentis  Boicae  Pars  II 
(Monachi  1662)  L.  X nr.  30. 


11* 


152  Roth.  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

gezogen  und  mir  glitigst  mitgeteilt.  Darin  finden  sieb  nun  einige 
Nachrichten  über  sein  Vorleben,  die,  wenigstens  der  Hauptsache 
nach,  in  willkommener  Weise  das  bisher  darüber  lagernde  Dunkel 
erhellen. 

Michael  Keller  ist  geboren  zu  Burgheim  (Amtsgericht 
Neuburg  a/D.),  also  nicht  in  Memmingen,  wie  allgemein  angenom- 
men wurde.  Über  seinen  Bildungsgang  sagt  er  nur,  daß  er  einmal 
die  Universität  Leipzig  besucht  habe  (1514  oder  1517).  Dann  wurde 
er  Pfarrer  in  Wasserburg  a./I.,  wo  er  sich  bald  durch  seine 
Hinneigung  zur  evangelischen  Lehre  verdächtig  machte  und  des- 
halb nach  München  zur  Rechtfertigung  vor  eine  aus  herzog- 
lichen Räten  und  Geistlichen  zusammengesetzte  Kommission 
vorgeladen  wurde.  Er  erhielt  dort  die  Weisung,  wieder  nach 
Wasserburg  auf  seine  Stelle  zurückzukehren,  aber  sich  des 
Predigens  zu  enthalten.  Da  er  aber  unter  solchen  Umständen 
nicht  bleiben  mochte  und  weitere  Belästigungen  von  seite  des 
Herzogs  befürchtete,  verließ  er,  nachdem  er  sich  von  einem  der 
herzoglichen  Räte  die  Erlaubnis  dazu  erholt,  im  Sommer  1524 
das  Land,  in  der  Absicht,  eine  Universität  zu  besuchen,  wo  die 
heilige  Schrift  gelehrt  werde,  etwa  Leipzig.  Zunächst  fuhr  er 
zu  Schiffe  auf  dem  Inn,  dann  auf  der  Donau  nach  Krems,  wo 
einer  seiner  Brüder  hauste,  und  wanderte  dann,  als  er  hörte,  daß 
dieser  jüngst  verstorben  sei,  weiter  nach  Prag  und  von  da  nach 
Wittenberg.  Dort  hielt  er  sich,  ohne  sich  an  der  Universität 
immatrikulieren  zu  lassen,  den  Rest  der  Sommermonate  und  den 
Herbst  über  auf.  Leider  berichtet  er  mit  keinem  Wort  von  dem, 
was  er  dort  gesehen  und  gehört  und  von  persönlichen  Beziehungen, 
die  er  etwa  angeknüpft.  Jedenfalls  wurde  er  schon  dort  mit  der 
Karlstadtschen  Abendmahlslehre,  die  sich  eben  damals  ver- 
breitete, bekannt1).  Im  Spätherbst  des  Jahres  wandte  er  sich 
von  Wittenberg  aus  wieder  nach  Bayern,  verweilte  un- 
behelligt ein  paar  Tage  in  München  und  ging  von  da  nach 


1)  Keller  trat  auch  unter  dem  Namen  Reuß,  Reyß  oder  Ryß 
als  einer  der  ersten  gegen  die  von  den  Wittenbergern  verfochtene 
Abendmahlslehre  auf  (s.  Finsler  in  „Z wingliana“,  Mitteilungen  zur 
Gesch.  Zwinglis  u.  der  Ref.,  Zürich  1897  S.  28  ff.),  wurde  aber  von  Luther 
trotz  des  Pseudonyms  erkannt.  S.  Enders,  Bd.  Y S.  330  mit  Anm.  9 
auf  S.  331,  wo  statt  auf  Martin  Keller  (Cellarius)  auf  Michael 
Keller  hätte  hingewiesen  werden  sollen. 


ßoth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  153 


Augsburg,  um  sich  dort  nach  einem  Unterkommen  umzuthun.  Am 
23.  Novomber  1524  zog  er  in  diej  Stadt  ein  — ein  in  der  Refor- 
mationsgeschichte  derselben  bedeutsamer  Tag!  Bald  lenkte  er 
seine  Schritte  zu  dem  bekannten  Urbanus  Rhegius,  der  seit 
kurzem  wieder  als  Prädikant  hier  wirkte ; er  war  zufällig  heiser 
und  konnte  nicht  predigen,  und  so  bat  er  Keller,  der  sich  ihm 
jedenfalls  als  Anhänger  der  evangelischen  Lehre  vorstellte  und 
sich  durch  seinen  Aufenhalt  in  Wittenberg  empfahl,  aushilfs- 
weise für  ihn  einzutreten.  Keller  that  es,  scheint  als  Prediger 
gefallen  zu  haben  und  wurde  vom  Rate  am  Ba rfüßerkloster 
angestellt.  So  hat  Rhegius  seinem  späteren  Gegner,  der  ihm 
so  viel  Sorge  machte,  selbst  ins  Predigtamt  geholfen. 

Dies  das  Wesentlichste  von  Kellers  Erzählung,  die  aber 
noch  manche  interessante  Einzelheiten  enthält  und  auch  für  die 
Eigenart  ihres  Verfassers  so  charakteristisch  ist,  daß  sie  die 
Veröffentlichung  zu  verdienen  scheint.  Sie  folgt  hier,  mit  den 
gebräuchlichen  orthographischen  Änderungen,  von  Wort  zu  Wort: 

Ersame  und  weiß,  gonstige,  gepiettendt  herren  und  brüder 
in  Christo! 

Nachdem  e.  w.  glimpfliches  und  wolbedachts  ansinnen  d\irch 

aineu  euren  vertrautten  dieuer  N.  an  mich  gelanget  ist.  den  Handel, 

so  sich  von  meinetwegen  zu  Leder  in  des  ersamen,  weißen  herren 

Ulrich  Rechlingers,  burgerraaisters  alhie,  aigengründt.  poden 

und  behausung  begeben  hat,  betreffent,  also  daß  obgenanter  herr 

Ulrich  Rechlinger  vouWolffen  Dietterich,  pfleger  zu  Fr id- 

perg,  und  N.  rentmaister.  beide  diener  des  hertzogen  Wilhalms 

vou  Minichen,  mit  iren  verordneten  in  seiner  aignen  behausung 

haimgesucht  und  aus  fürstlichem  bevelch  mit  sollichen  außgedrüeten 

Worten  von  herr  Wolfen  Diettrichen  zurede  gestellt  ist:  ..Lieber 

herr  burgermaister,  ich  hab  ain  ernstlichen  bevelch  von  meinem  ge- 

nedigen  herren  hertzogen  Wilhalm,  und  ist  das:  sein  f.  g.  ist 

glaublich  angelaugt  und  bericht,  dass  einer  seiner  f.  g.  feindt  und 
© © © © 

landtseß,  der  ime  entloffen  sei,  klipp  und  aid  au  im  gesprochen 
uud  ime  sonst  vil  böser  stiigk  bewisen,  der  solt  sich  bei  euch  ent- 
halten, und  der  sei  maister  Michel,  darnmb  sei  seiuer  f.  g.  ernst- 
lich begeren,  daß  ir  mir  den  wolt  überautwurten“. 

Solliche  anmuttung  fürstlichen  bevelchs.  mich  betreffeudt.  e.  w. 
zu  beschaideu  uud  unterzurichten  bin  ich  von  e.  w.  frliutlich  ersucht, 
welches  ich  daun  willig  und  mit  höchsten  frenden  zuthun  geuaigt 
bin,  angesehen  daß  ich  solliches  aus  aigner  bewegung  sonst  baides 
zu  der  hochberümbten  ere  gottes  uud  furdernug  seines  aller  haili- 
gisten  worts  nicht  unterlassen  souder  volkumen  e.  w.  dise  gantze 


154  Roth,  Zur  Lebensgeschiclite  cles  Meisters  Michael  Keller. 

fürstliche  ansprach  und  klag  erleutterung  mit  warhafftiger  ablainung 
zuzustellen  gedacht  gewesen  bin.  hierumb  ich  dann  nun  diese  fürst- 
liche klag,  mich  belanget,  mit  warhafftigem  beschaidt  e.  w.  berichten 
und  von  mir  ablainen  will : am  ersten  nicht  als  rachgirig  meiner 
person  halben,  die  doch  sonst  zum  offtermal  mit  grossem  schinehen 
von  vilen  allhie  höher  und  schmechlicher  in  der  unwarhait  verleimet 
worden  ist,  sonder  allain  zu  eere  dem  unuberwintlichen  wort 
gottes,  welches  ich  als  ain  arms  brechlis  gefeß  und  diener  ainer 
christenlichen  versamlung  hie  zu  Augspurg  un vermischt  mit  christ- 
lichem und  biblischem  verstandt  jetz  drei  gantze  jar  unwandelber, 
niemants  zunachteil  sonder  allain  zii  aufbauung  der  allerhöchsten 
eere  gottes  und  zum  bösten  nutz  und  hail  der  Seelen,  auch  zu  be- 
fridung  ainer  christlichen  pollicei  und  geroain  furgetragen  und  ver- 
kündiget hab,  daß  ich  mich  dann  offenlich  zu  digkermal,  bedes  vor 
gott  und  an  offner  cantzel  vor  ainer  christenlichen  versamlung,  be- 
zeugt hab,  und  will  michs  noch  vor  e.  w.  als  vor  meinen  gönstigen 
gepietteten  herren  und  mitgelidern  in  Christo  heut  bezeugt  haben ; 
zum  anderen  daß  ich  nicht  von  e.  w.  oder  sonst  von  jemants  e.  w. 
unterthonen  und  inwonern  diser  statt  A ugspurg  als  ainer,  der  e.  w. 
und  gemainer  statt  zu  nachtail  und  schaden  hie  auffgehalten,  geacht 
werde.  Bitt  derhalben  e.  w.  umb  der  barmhertzigkait  gottes  willen, 
ob  dise  main  darthuung,  wie  die  notturfft  erzaigt,  sich  mit  Worten 
verengeret,  kain  misfallen  darob  zutragen,  wiewol  mir  nicht  zweifelt, 
daß  e.  w.  der  wärheit  sonst  günstige  oren  zugeben  genaigt  seien. 

So  antwurt  ich  auf  die  ersten  anklag,  darin  ich  als  ain  feindt 
des  fürsten  von  Minichen  angezeigt  bin,  also  und  bezeug  auch 
vor  dem  angesicht  gottes  und  vor  e.  w.,  daß  ich  mich  auß  den  ge- 
naden gottes  beriemen  mag,  kain  feindschaft  weder  in  meinem  hertzen, 
mutt,  sinn  oder  wergk  gegen  seinen  g.  getragen,  gedacht  oder  er- 
zaigt hab,  deß  ich  dann  auch  warhafftig  weder  mit  wort  oder  thatt 
von  kainem  menschen  auf  ertrich  bewisen  werden  kan  noch  mag, 
außgenomen  sein  f.  g.  wollt  mich  unbeschülten  als  seiner  g.  feindt 
in  unwarhait,  von  ettlichen  in  sein  g.  eingepildet  und  getragen,  achten 
(das  ich  mich  zu  seinen  g.  nicht  versieh),  muß  ichs  beschehen  lassen 
und  gott  bevelhen,  der  do  erkennet  aller  hertzen;  will  aber  sollichs 
alles,  wie  oben  steet,  mit  diser  meiner  bekentnuß  bezeugt  haben, 
daß  ich  in  seiner  genaden  fürstenthumb,  auch  ausserhalb,  solliches 
nie  vermist,  bezigen  noch  erfunden  worden  bin.  daß  ich  aber  seiner 
f.  g.  feindt  darumb  geacht  werden  soll,  daß  sein  g.  das  wort  gottes 
zupredigen  mir  verpotten  liatt  (doch  nur  allain)  in  seiner  g.  landt, 
wie  ich  hernach  anzaigen  will,  und  daß  ich  doch  dasselbig  wort 
gottes  alhie  zupredigen  und  zuverkündigen  widerumb  undernummen 
hab,  muß  ich  abermals  beschehen  lassen  und  mich  mit  dem,  das 
Christo  und  seinen  jüngeren  begegnet  ist  (Math.  26,  27),  trösten; 
dann  Christus  must  auch  den  hohenpriesteren  der  allerhöchst  feindt 


Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  155 

sein,  ain  verfürer  des  volgks,  ain  auffrürer  im  landt,  auch  wider 
den  kaiser  gehandelt  haben,  also  ist  auch  allen  seinen  apostelen 
feindtschafft  von  der  Verkündigung  des  wort  gottes  vast  bei  allen 
oberkeitten  erwachsen,  dann  in  geschickten  der  apostel  (Act.  5.  c.) 
verpotten  sie  Petro  und  anderen  jungem,  daß  sie  das  volgk  in  disem 
namen  des  gekreutzigten  J esu  von  Nazareth  nicht  lernen  sollten  ; 
Petrus  aber,  auch  die  anderen  antwurten,  man  muß  gott  mer  ge- 
horsam sein  dann  dem  menschen  und  stunden  pald  widerumb  auff, 
nachdem  und  inen  das  wort  verpotten  wardt,  und  verkhundigten  den 
namen  des  gecreutzigten  Jesu  unerschrogkenlich  unangesehen  alles 
verpott  der  obergkait,  kierauß  ich  mich  dann  auch  entschuldigt  will 
haben,  so  sein  f.  g.  darumb  mich  für  sein  feindt  achten  wolt, 
das  ich  doch  nit  glaub,  so  katt  mir  doch  sein  g.  zupredigen 
nicht  weitter  verpotten  dann  in  seiner  g.  fürstenthumb,  das  ich 
dann  auch  gehalten  habe,  wie  menigklich  bewust  ist.  daß  ich 
aber  dasselbig  wort  gottes,  welches  ich  zu  Wasserburg  in  seiner 
g.  landt  gepredigt  und  darumb  für  seiner  fürstlichen  g.  redt  gefor- 
dert und  mit  verantwurtung  verhört  worden  bin  und  nun  ausserhalb 
seines  lands  zu  verkhundigen  widerumb  angefangen  liab,  vermain 
nicht  ungerecht  gehandelt,  dann  Christus  saget  zu  den  seinen  (Math.  10, 
Lu.  4):  „wen  sie  euch  in  ainer  statt  vertreiben,  dichtet  in  die  an- 
deren, dann  das  evangelion  muß  in  vilen  stetten  geprediget  werden 
zu  zeugnus  der  heiden.“  und  zum  mereren  uberflus  hat  mir  sein 
f.  g.  ausserhalb  seiner  g.  lanndt  zupredigen  nicht  verpotten,  welches 
ich  auch  mit  kainem  gelipp  oder  aidspflicht  nicht  zutliun  geschworn, 
gelobt  oder  angenomen  hab,  wie  ich  unden  anzaigen  wer ; und  ob  ichs 
schon  thon  hett,  das  ich  doch  nit  angemutt  worden  bin,  so  stendt 
hie  mein  entschuldigung  in  den  Worten  Petri  des  apostels  (Act.  5) : 
„man  muß  gott  mer  gehorsam  sein  dan  dem  menschen“  — nicht 
daß  ich  ainer  obergkeit  oder  jemandt  nicht  gehorsam  sein  wolt,  son- 
der in  disen  dingen,  gottes  eere  und  meiner  seele  hail  betreffend 
soll  ich  gott  mer  gehorsam  sein  dann  dem  menschen,  ja  aller  ober- 
gkaiten  gepotten,  daun  es  ist  hie  nicht  umb  den  leib  zuthun,  welcher 
der  obergkait  auß  dem  wort  gottes  unterworfen  ist  (Ro.  13,  Pet.  2), 
sonder  umb  die  seel,  über  welche  niemants  weder  allain  gott  ber- 
schen, gepietten  und  handelen  gewalt  hat. 

Ich  wer  auch  in  diser  ersten  seiner  anklag  als  seiner  f.  g. 
landtseß  angezogen,  darauf  ich  also  antwurt,  daß  mein  eitern,  vatter, 
mutter  etc.  hinter  den  fürsten  von  Minicben  nie  gesessen  sein,  dan 
ich  von  Burgkhaim,  zwischen  Rain  und  Newburg,  an  der  Tho- 
naw  gelegen,  purtig  bin  und  noch  lieutt  mein  mutter  daselbist  hab; 
Burgkhaim  aber  ist  nie  den  fürsten  von  Minichen  untherdenig 
gemacht  worden  wie  auch  Neuburgk,  auch  in  der  thailung  des 
laudts  nach  dem  Bayrischen  Krieg1),  sonder  nach  hertzog  Jörgen 


1)  Nach  dem  Landshuter  Erbfolgekriege. 


156  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

löblicher  gedechtnuß  den  pfaltzgraven  zugeaignet.  so  bin  ich  seiner 
f.  g.  hinderseß  auch  nit  von  wegen  diser  pfründt  und  lelien, 
so  mir  zu  Wasserburg,  weil  ich  pfarrher  und  prediger  was1), 
verlihen  ist,  dann  gott,  mein  herr,  durch  sein  unausprechlich 
genaden  und  durch  sein  unüberwintlich  wort  mich  von  söllichem 
greul  abgefürt  und  abgewisen  hat,  also  daß  ich  Christo  und  seinem 
wort  gelaubt  und  vertraut  hab  und  noch  lieutt  vertrau  und  glaub, 
daß  pfründen  besitzen  und  meß  haben  und  offenlich  oder  liaim- 
lich  mit  concubinen  hausen,  mit  Versperrung  des  wort  gottes, 
der  allerhöchst  und  gröst  greul  und  plasphemia  gottes  sei,  da- 
rumb  ich  mich  dann  aufs  nechst  (wie  unden  anzaigt  wirt),  nachdem 
mir  das  wort  gottes  in  seiner  g.  lanndt  zupredigen  verpotten  war, 
von  pfarren,  pfründen,  und  was  mir  wider  das  wort  gottes  zuge- 
standen war  und  noch  zusteen  sollt,  hindann  gethan,  ungezwungen 
und  ungedruogeu,  und  gott  treulich  gepetten,  mich  in  ainen  standt 
nach  seinem  wort  durch  sein  genadenreiche  güttigkeit  zufüren,  deß 
er  dann  mich  genedigklich  gezweigen  und  zum  thail  erhört  hatt, 
hoffnung,  sein  göttliche  guad  wer  mich  armen  elenden  sünder  noch 
nicht  verlassen,  in  ain  unordentlich  wider  sein  wort  leben  fallen 
lassen,  dieweil  dann  mich  gott  der  gnaden  so  vetterlich  von  disem, 
das  ich  in  seiner  f.  g.  landt  wider  das  göttlich  wort  besessen  solt 
haben,  abgefiiret  hat,  und  ich  das  frei  und  willig  (wie  mich  auch 
sein  f.  g.  solches  zu  besitzen  nicht  genöttiget  hat,  auch  zubenöttigen 
nit  gewalt  gehabt  liett)  verlassen  und  dem  beruf  gottes  nachkomen 
bin.  so  volgt  offenlich  aus  krafts  des  wort  gottes,  daß  ich  seiner 
f.  g.  landtseß  nicht  bin,  noch  in  diesem  fall  wie  auch  in  anderen 
sein  oder  geacht  werden  will,  daun  in  disem  meinem  beruf  ist  die 
gantz  weit  mein  vatterlandt;  dann  der  sun  des  menschen,  Christus, 
hett  nit  auf  disem  ertreich,  da  er  sein  haupt  hinlegen  möcht:  sein 
wir  sein  jungem  und  recht  potten  (Math.  8),  die  sein  allerheiligi- 
sten  namen  in  die  weit  tragen  sollen,  miessen  wir  dises  auch  vehig 
sein,  anderst  wirt  nit  drauß,  dann  der  junger  ist  nit  über  den  maister, 
also  zeuget  die  schrift  (Job.  15). 

Auff  die  anderen  clag,  darin  ich  beklagt  bin,  als  sei  ich  seinem 
f.  g.  entlauffen,  aid  und  glipp  an  im  geprochen,  darauf  antwurt  ich 
also : nach  dem  und  ich  durch  ain  geschefft  von  sein  f.  g.  auf  mich 
gestelt,  vor  seinen  .g.  zu  Minichen  zuerscheinen  und  etlich  artigkel 
zuverantwurten,  so  ich  zu  Wasserburg,  weil  ich  daselbist  pfarrer 
gewest  bin,  gepredigt  solt  haben,  das  ich  dann  nicht  allain  seinen  g. 
sonder  einem  jedlichen  willig  zuthun  allezeit  erpotten  und  gewesen 
bin  und  noch  heut  urpiettig  bin,  wo  man  ainen.  irsal  in  meiner  leer 
vermisset,  bin  auff  sollichs  geschefft  von  W asserburg  gien  Mini- 


1)  Also  nicht  in  Straubing!  Hiermit  ist  die  Identität  unseres 
Michael  Keller  mit  dem  bei  Winter  S. 202  erwähnten  erwiesen. 


Roth,  Zur  Lebensgesebichte  des  Meisters  Michael  Keller.  157 

ch  e n auf  gestimpten  tag  gezogen  und  nach  laut  des  gescheffts  erschinen 
in  seiner  g.  gemeinen  rattstuben  zu  hoff,  vermeint,  es  wir  sein  f.  g. 
mich  armen  diener  des  wort  gottes  selbst  mitsampt  seiner  g.  gelerten 
persönlich  verhören,  ist  aber  nicht  besckehen,  dann  sein  f.  g.  war 
auffs  gejaid  außgeritten.  wie  sein  g.  dann  fünf  tag  auß  war,  in  dem 
bin  ich  von  seiner  g.  anwalten  herrn  Christof  freiherrn  von 
S ch  war  t zenburg,  lantzhofmaister 1)  etc.  in  beisitzung  aines  doctor 
Caspar  Schatzgairs,  barfuesser  ordens  daselbist2),  auch  aines 
doctors  N.  Capelmairs,  Augustiner  ordens  auch  daselbist3),  und 
in  beiwesen  baider  doctor  und  probst,  ainer  von  unser  frauen,  der 
ander  von  Sa  net  Peter,  und  sonst  aller  seiner  g.  doctor en  und 
versamleten  retten  und  also  über  mein  anklag  manigfaltig  mein  ant- 
wurt  beschaidenlich  und  außgedruckt  verhört  worden;  nachmals  in 
ain  herberg,  zum  ßamsauer  genandt,  geschaft,  aldo  zubeleiben  und 
die  zukunft  des  fürstenzuwarten;  sein  die  herren  von  Wasserburg, 
so  ratts  und  gemain  halben  mit  mir  herauff  zogen  waren,  widerumb 
gien  Wasserburg  haimzogen,  ich  aber  aldo  zum  gehorsam  zum 
ßamsauer  der  zukunft  des  fürsten  gewart  und  auf  gestiempten  tag 
selbist  vor  sein  f.  g.  zuerscheinen,  bin  aber  für  sein  f.  g.  aigen 
person  und  angesicht  nicht  gelassen  worden,  auß  was  ursach  ist  mir 
nicht  bewust,  sonder  ich  bin  desselbigen  tags  auf  die  zwelften  stundt 
für  die  neuen  vest  genandt  zuerscheinen  dahin  beschaiden  und  ich 
auch  erschinen;  und  nachdem  ich  lang  vor  dem  thor  gewart  hab, 
kamen  herr  Christoff  v.  Schwartzenburgk  und  doctor  Emers- 
hoffer,  giengen  baid  in  das  schlos  hinein,  mich  heraußen  aines 
abschids  zuwarten  stien  Hessen;  und  überlang  ist  herr  Christoff 
v.  Schwartzenburg  und  mit  im  doctor  Emershoffer  und  ainer 
von  Freiburg,  ain  hoffmaister4)  der  hertzogin,  herausser  gangen 
und  mich  zu  inen  berufft.  hatt  herr  Christoff  v.  Schwartzen- 
burg mich  auff  ainen  ort  genomen  von  aines  worts  wegen,  so  im 
neuen  testament  steet  im  evangelisten  Luca  im  engelischen  grüß: 
%ol7qe.  X£%aQiTCDjuevr]\  (Lu.  I,)  haist  auf  teutsch:  bis  gegrüst  vol  gena- 
den ! und  do  ich  ime  beschaid  saget,  sprach  er,  wenn  man  schon 


1)  S.  über  ihn  (den  Sohn  des  berühmten  Johann  von  Schwarzenberg) 
N.  Paulus,  Christoph  von  Schwarzenberg,  ein  katholischer  Schriftsteller 
und  Staatsmann  des  XVI.  Jhdts.  in  den  Hist.-pol.  Blättern  1893,  Bd.  III 
S.  10  ff. 

2)  N.  Paulus,  Kaspar  Schatzgeyer.  Ein  Vorkämpfer  der  kath. 
Kirche  gegen  Luther  in  Süddeutschland,  Straßb.  und  Freib.  im  Breisgau, 
Herdersche  Buchhlg. ; A.  v.  Druffel,  Der  bair.  Minorit  der  Observanz 
Kaspar  Schatzger  u.  seine  Schriften  in  den  Sitz.-Ber.  der  hist.  Classe  d. 
Akad.  d.  W.  München  1890,  Bd.  II.  Heft  3 S.  397  ff. 

3)  P.  Wolfgang  Capellmair  (auch  Ostermair),  viele  Jahre  Prior 
und  Prediger  des  Münchener  Augustiner  Eremitenklosters,  gest.  1531. 

4)  Georg  von  Freib  erg,  „Hofmeister  zu  München  im  Frauen- 
zimmer“, gest.  1531. 


158  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

aiu  ding  nicht  so  spitzig  machet,  man  ließ  wol  auffs  schlecht  be- 
leihen; was  im  antwurt,  hatt  hie  nicht  statt  zuschreiben,  nach  dem 
flirt  er  mich  widerumb  zu  den  anderen  herauß  gesanten  und  tieng 
an  also  zu  reden:  „maister  Michel,  ich  hett  nicht  thausent  gülden 
genommen  und  wer  an  eur  statt  gestanden,  aber  weß  sich  mein  ge- 
nediger  herr  besunnen  hatt,  ist  mir  nicht  wissen;  das  ist  aber  seiner 
g.  maiuung  und  bevelch,  ir  solt  liaim  ziehen  gien  Wasserburg 
auf  eur  pfrundt,  aber  das  predigen  solt  ir  abstien,  dann  sein  g.  will 
dise  leer  in  seiner  g.  .landt  nicht  dulden “.  in  disem  hebt  auch  an 
zureden  cloctor  Einer  sh  off  er  und  spricht:  ,.ja,  maister  Michel, 
ir  solt  euch,  so  ir  söllichs  thutt,  ain  genedigen  fürsten  zuhaben 
versehen,  und  so  weitter  etwas  ledig  würde,  euch  verfügen,  so  weret 
ir  vor  anderen  zu  sollichem  zugelassen“,  sagt  der  v.  Schwartzen- 
burg: „dise  genad  ist  euch  bewisen“.  darauf  antwurt  ich  also:  „ge- 
pietet  herrn,  so  es  ain  gnad  ist,  so  bedanngk  ich  mich  derer,  aber 
das  wort  gottes  soll  man  und  muß  an  vil  orten  predigen.“  und  bin 
also  abgeschaiden  one  alle  pflicht,  aid  oder  glipp  oder  urfee  (sic!), 
auch  kain  Verschreibung  oder  zeugnus  oder  bürgschafft  über  mich 
gegeben,  es  ist  auch  der  kaines  von  mir  begert  worden  1).  und  also  bin 
ich  widerumb  gien  Wasserburg  gezogen  und  aldo  ain  monat  und 
ettlich  wochen  beliben,  aber  nit  geprediget,  wie  mir  dann  im  landt 
zupredigen  verbotten  war,  doch  mit  kainem  aid  oder  gelipp  zuthun 
angenommen,  bins  auch  nit  angemut  worden  weder  vom  fürsten 
noch  seinen  gesanten.  nachdem  und  ich  aber  gott  treulich  anrufft, 
er  solt  mich  armen  sünder  aus  disem  unordentlichem  leben  (als 
oben  gesagt  ist)  - — meß  halten,  das  wort  gottes,  die  unuber wintlich 
warhait  verschweigen,  mit  concubinen  hausen  — erlesen  und  mein 
arm  elendt  gewissen  von  disem  greul  freimachen  durch  sein  genadt, 
das  er  dann  nach  langem  hitzigem  gepett  vetterlich  thon  hatt,  mir 
muth  und  sinn  geben,  solch  greul  und  seelmördung  blos  und  nagket 
zuverlassen,  auch  darneben  angesehen  den  grossen  schaden  der 
frommen  Wasserbürger,  der  inen  mit  sampt  mir  auß  meiner 
lenger  erharrung  erwachsen  wer,  dann  sie  hetten  den  geschmagk  des 
wort  gottes  ain  wenig  entpfangen,  darnach  sie  dann  noch  hitziger 
wurden ; so  wüst  ich,  so  ich  dar  belib,  so  würden  sie  mich  hin  und 
her  laden  oder  mit  ladtschafften  mich  in  meiner  behausung  und 


1)  Das  klingt  freilich  anders  als  der  von  uns  mitgeteilte  Bericht 
Senders.  Wie  kommt  Sender  dazu?  Vielleicht  hat  er  — voraus- 
gesetzt, daß  es  mit  dem  aus  Straubing  nach  Augsburg  gekommenen 
Michael  seine  Richtigkeit  hat  — unsern  Keller  mit  diesem  Michael 
verwechselt.  Sollte  dieser  Micha  el  mit  dem  in  Augsburg  schon  früh 
als  Prädikant  verwendeten  Dr.  Michael  Weinmair  identisch  sein? 
(Er  wird  z.  B.  genannt  von  Christen,  Besondere  und  ausführliche  Nach- 
richten von  der  evangelischen  Barfüßer-  und  St.  Jakobskirchen  in  Augs- 
burg etc.  Augsburg  1733  S.  31).  Doch  ist  dies  vorläufig  nur  eine  durch 
nichts  als  den  Namen  gestützte  Vermutung. 


Koth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  159 

pfründthauß  haimsuchen  alle  tag,  wie  sie  schon  angefangen  hetten 
und  nichs  dest  weniger  bericht  der  heiligen  schrifft  haben  wollen; 
hett  ichs  inen  nicht  abeschlagen  mögen,  so  hett  das  gefolgt,  daß 
ich  auffs  allernechst  widerumb  gien  Mini  che  n gefodert  wer  worden 
dann  dozumal  mein  mitgenossen,  die  pfafPen,  waren  mir  abgonstig 
von  des  wort  gottes  wegen,  und  die  lettsten  ding  umb  mich  erger 
worden  dann  die  erste,  die  von  Wasserburg  aber,  mein  geliebste 
fründt  und  brüder  im  herren,  weren  von  sollicher  meiner  haim- 
suchung  des  worts  halben  groß  gestrafft  worden,  dann  ain  vermög- 
lich  volgk  daselbist  ist.  das  gab  mir  gott  auch  inen  zugutt  fürzu- 
sehen und  sie  vor  solchem  schaden  zu  verhütten:  darumb  ich  dann 
bei  mir  beschlos,  in  kainen  weg  lenger  zubeleiben  und  sinnet  söllichs 
zu  Wasserburg  etlichen  an,  baiden  inners  lind  eussers  ratts,  hielt* 
ine  dise  scheden,  wie  oben,  für.  und  fuel  mir  ein,  warlich  gott 
hatt  michs  gehaissen,  ich  solle  doch  vor  noch  gien  Minichen  ziehen 
und  mich  doch  bei  ainem  des  fürsten  rett,  die  mir  den  abschid  geben 
haben,  befragen,  wie  ich  doch  das  haimziehen  gien  Wasserburg, 
im  abschid  also  geben,  vernemen  soll,  ob  ich  auch  hinwegk  dürff 
ziehen,  dieweil  ich  weder  aid  noch  glipp,  auch  kain  urfech  oder 
bürgschaft  über  mich  gegeben  hett.  und  zoch  hinauf  gien  Mini- 
chen nach  monats  frist  ungeverlich  und  fraget  doctor  Emers- 
h'offer  in  seiner  aigner  behausung  umb  disen  beschaid;  sagt  er: 
„wer  wolt  es  euch  weren,  dann  ainem  jeglichen  ist  sein  nhutz  und 
fromen,  doch  on  schaden  des  nechsten,  ungespert  zusuchen.“  ich 
sagt  im  wol,  ich  gedecht  zustudiren  und  etwan  ain  universitet  zu- 
suchen alsLeips,  da  ich  dann  vor  zehn  jar  gestanden  war1),  oder 
ain  andere  mir  gelegen,  do  man  die  hallige  schrift  lese  und  handlet, 
und  bin  also  noch  ettlich  tag  zu  Minichen  darnach  beliben  mit 
vil  meinen  verwanten  ain  friintlich  gesprech  gehalten,  sonderlich  mit 
maister  Cunradt,  prediger  und  helfer  zu  unser  frauen,  dem,  wel- 
chem der  fürst  mein  pfründt  zu  Wasserburg  geben  hatt,  und  mit 
maister  Jörgen  Sc hech erlein,  auch  etwan  predicant,  vil  sprüch 
der  schrift  ains  mals  in  ainem  garten  beE Hann s[en*  Sc!hinagel, 
buchbinder  daselbist,  gehandelt  haben,  und  nach  dem  allen  bin  ich 
widerumb  gien  Wasserburg  zogen  und  ettlich  tag  aldo  beliben 
und  doch  in  meinem  fiirnemen  fürgefaren,  pfründtj  und^allen  mein 
pettel  verlassen,  in  einem  schlechten  groen  rogk^  mitsampt  meinem 
diener  Hansen  Sparber  von  Wolffertzhausen2),  den  ich  auch 
hieher  mit  mir  pracht  hab  und  nun  ain  weber  worden  ist,  und 
sein  auff  das  wasser,  der  In  genandt,  gesessen  offenlicli,  unver- 


1)  In  der  Matrikel  der  Leipziger  Universität  (Cod.  dipl.  Saxoniae 
Kegiae,  zweiter  Hauptteil,  XVI.  Bd.)  fand  ich  keinen  Michael  Keller, 
um  diese  Zeit,  wohl  aber  einen  Johannes  Keller,  Neoburgius,  bacc. 
Ingolstadiensis  (anno  1517). 

2)  Wolfrathshausen,  zwischen  Münch  en  und  Tölz  an  der  Isar. 


160  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

porgen  zu  Wasserburg  an  der  lendt,  bei  welchem  meinem  ab- 
schidt  auch  gewesen  unter  anderen  vilen  N.  Saltzinger,  dotzumol 
des  fürsten  zolner  auf  dem  zolhauß,  und  der  gegenschreiber,  die 
gott  eben  darzu  gefürt  hatt,  daß  ich  sie  jetz  zu  zeigen  anzichen 
mög,  die  mir  warlich  dozumal  tödtlich  feindt  waren  von  des  wort 
gottes  wegen,  und  hetten  sie  von  ainigerlai  glipp  oder  aid  gewust, 
das  ich  gethon  solt  haben,  im  landt  oder  der  statt  Wasserburg 
zubeleiben,  ich  wer  von  iren  henden  nit  kliomen.  und  bin  also  in 
ain  schiff  gesessen,  ainem  kauffman  zu  Wien  zugehörig  mit  namen 
jungker  Marxen,  der  auch  mitsampt  uns  biß  gien  Krems  gefaren 
ist;  und  zu  Krembs  bin  ich  abgestanden  und  mit  meinem  diener 
auf  ain  statt,  haist  behemisch  Waidhoffen1)  gezogen,  do  hab  ich 
ainen  meiner  brüder,  der  do  ain  puchsenmaister  gewesen  ist,  gesucht 
aber  nicht  funden,  dann  er  neulich  mit  todt  abgangen  was.  diser  mein 
leiplich  bruder  ist  mir  auch  ain  ursach  gewest,  daß  ich  das  wasser 
so  weitt  hinab  gefaren  bin,  uud  bin  also  nachmals  vollet  durch  Be- 
hem  hindurch  zogen  biß  gien  Prag,  do  vast  ain  monat  von  wegen 
erfarnuß  vilerlai  gehaimnus  bei  den  juden,  die  hailige  schrift  be- 
langent,  alle  tag  bei  inen  in  iren  Synagogen  gewest,  gehört,  wie  sie 
die  schrift  und  die  prophetten  im  mißverstaudt  handlen,  auch  sonnst 
anderlai  irriger  secten  erfarnus  genomen.  in  dem  hatt  mir  gott  un- 
gefarlich  ettlich  magister  und  Studenten  von  Wittenberg  in  die 
hendt  pracht,  die  mir  von  Witten  b erg  sovil  beschaid  und  gelegen- 
hait  sagten,  daß  ich  mit  inen  dahin  zoch  zu  beschauen,  wie  es  Mar* 
tinus  Luther  mit  den  seinen  halt,  und  was  bericht  und  ordenung 
nach  lautt  der  schrift  sie  daselbist  halden 2).  und  hab  aldo  den 
gantzen  sumer  verharret,  sties  mich  auch  ain  fieber  an,  möcht  nit 
weitter.  in  dem  ist  das  der  fürst  herzog  Wilhalm  innen  worden, 
wie  ich  erst  hernach  erfaren  hab,  daß  ich  gien  Wittenberg  auf 
die  ketzerschul  gezogen  sei3),  dann  also  nennen  sie  es,  und  bin  als 
pald  in  Ungnaden  kliumen,  ist  mir  söllichs  nit  bewust  gewest,  dann 
auff  den  herbst,  als  jetzundt  eben  drei  jar  wirt,  ich  widerumb 
herauß  zog,  des  willens  mich  etwa  in  ainen  handel  zuschigken,  mein 
brott  auß  dem  schwais  meines  angesicht  zusuchen,  und  bin  also 
widerumb  gien  Minichen  khomen  und  aldo  ettlich  tag  gewesen, 
dergleichen  zuFreising,  uud  vonFreising  widerumb  gien  Minichen 


1)  Nordwestlich  von  Krems. 

2)  Keller  war  also  in  Wittenberg,  ohne  jedoch  an  der  Universität 
immatrikuliert  zu  sein  (S.  Enders  VII,  S.  378  Anm.  20).  Dies  wird  be- 
stätigt von  Huber  (Bl. 8a),  der  davon  spricht,  daß  Keller  von  Witten- 
berg nach  Augsburg  gekommen;  ebenso  von  Justus  Jonas  (an 
Luther,  12.  Juni  1530  bei  Enders,  VII  nr.  1657  S.  375):  Michael,  qui 
aliquandiu  egit  Vittenbergae  et  e nobis  exivit,  sed  e nobis  non  fuit. 

3)  Den  Bayerischen  Unterthanen  war  der  Besuch  der  Universität 
Wittenberg  verboten. 


Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  161 

zogen  und  zu  wartzaichen  mit  drei  oder  vier  saltzfertigern  von 
Augspurg,  derer  namen  ich  nicht  aller  waiß,  aber  ainer  haist  der 
Sumperer,  sein  von  Minichen  mit  mir  außgeritten  und  mit  mir 
alhie  her  khomen,  mitwoch  vor  Katherine  anno  1524,  wirt  Ka- 
therine  schierst  khünftig  dreu  jar1),  willens  ain  tag  oder  zwen  hie 
mit  ettlichen  meinen  bekanten  von  vilen  Sachen  mich  besprechen 
und  nachmals  in  das  bürg  zu  ainem  ritter,  der  hie  nicht  von  notten 
zu  nennen  ist,  zu  ziehen,  seiner  ettlichen  süne  zuchtmaister  und 
preceptor  zusein,  wie  dann  ich  noch  brief  beihenndig  hab2).  aber 
gott  wolt  mich  dieweil  anderst  prauchen,  also  daß  ich  auch  must 
haimsuchen  mein  geliebsten  bruder  im  herren,  doctor  Urban3),  und 
do  ich  zu  im  kham,  war  er  haiser  und  also  gantz  sprachlos,  solt 
an  zwai  orten  hie,  zu  St.  Anna  und  bei  den  B arfüs  sern,  predigen, 
möcht  aber  söllichs  mer  dann  in  sechs  wochen  an  khainem  ort 
thun4);  es  war  hart  nach  diser  hanndlung,  so  sich  zwischen  aines 
parfüsser  min  ich,  dozumol  hie  bei  den  barfuessern  predicant,  begeben 
hett5).  war  man  ains  predicanten  daselbist  hin  vast  nottürftig,  redet 
mit  mir  doctor  Urban,  ich  solt  ettlich  sermon  thun  gott  zu  eere 
und  nutz  und  fromen  des  nechsten,  auch  zu  Stillung  den  rauchen 
pöfell,  die  nach  dem  minich,  der  gepredigt  hett,  noch  schrieen,  deß 
ich  mich  verwilliget,  wiwol  ich  mich  ungesckigkt  darzu  befunde,  und 
doch  nicht  abeschlahen  mocht  noch  wolt.  also  ist  mit  mir  nach- 
mals, on  zweifei  nicht  un wissen  e.  w.,  weitter  gehandelet  worden, 
und  also  ich  armes  gefeß  und  diener  de«  herren  wort  bißher  euch 
alhie  das  lautter  wort  gottes  biß  dato  dises  brieffs  verkündiget  hab. 
also  haben  e.  w.  meinen  abschid  von  dem  fürsten  von  Minichen 
aigenklich  und  beschaidenlich  von  wort,  person,  zeit  und  ort  war- 
hafftig  außgedrugkt  und  anzaigt,  darauß  ich  dann  e.  w.  zu  ermessen 


1)  Alles,  was  von  einem  früheren  Aufenthalte  Kellers  in  Augsburg 
berichtet  wird  — etwa  von  1522  an  — ist  also  unrichtig. 

2)  Ist  Onufrius  von  F reib  erg  gemeint?  Jener  Onufrius  von 
Freiberg,  auf  dessen  Schlosse  Hohenaschau  nach  der  Sage  sich 
Luther  nach  seiner  Flucht  aus  Augsburg  einige  Tage  aufgehalten 
haben  soll?  Bekannt  konnte  Keller  mit  ihm  sein,  denn  F reib  erg  war 
seit  1520  Pfleger  in  Wasserburg.  Die  Söhne  desselben  waren  der 
bekannte  Pankraz  von  Frei b erg  (geb.  1508),  Wilhelm,  Christoph 
Georg  und  Hans  Sigmund.  S.  Preger,  Pankraz  von  Freiberg  auf 
Hohenaschau  (Sehr.  d.  Ver.  f.  Ref.-Gesch.  1893)  S.  10. 

3)  Der  bekannte  Urbanus  Rhegius,  der  seit  dem  August  1524 
zum  zweitenmale  in  Augsburg  als  Prediger  wirkte,  und  zwar,  diesmal 
vom  Rate  berufen,  zu  St.  Anna;  außerdem  predigte  er  auch  in  der 
Barfüßerkirche.  S.  Uhlhorn,  Urbanus  Rhegius.  Leben  und  aus- 
gewählte Schriften,  Elberfeld  1861.  S.  61. 

4)  Rhegius  scheint  öfter  von  diesem  Leiden  betroffen  gewesen  zu 
sein.  S.  z.  B.  Uhlhorn  S.  140. 

5)  S.  über  den  durch  den  Barfüßermönch  Joh.  Schilling  veranlaßten 
Aufstand,  von  dem  hier  die  Rede  ist:  Roth,  Augsburgs  Ref.-Gesch.  S.  118. 


162  Roth,  Zur  Lebensgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller. 

geben  will  haben,  ob  doch  pillich  dise  klag  von  dem  hertzogen 
Wilhalm  auf  mich  gestellt  sei  als  seiner  g.  hiuderseß,  der  ime  ent- 
loffen  sei,  glipp  und  aid  an  im  geprochen  etc.,  so  doch  diser  puncten 
khainer  in  der  wahrhafftigen  zeugnus  bestien  mag  ; und  ist  gentzlich 
zuvermutten  ainem  jedlichen  klain  verstendigen,  so  sein  g.  aingerlai 
ansprach  oder  klag  über  mich  gehabt,  hett  söllichs  pillich  in  disen 
drei  jaren  geantet,  sonnd erlich  im  reichstag  und  bundstag,  do  auch 
Ferdiuandus  hie  was  1),  solt  billich  söllichs  an  e.  w.  haben  langen 

lassen,  mich  seinen  g.  zu  purgirung  von  söllichen  stugken  nach 

punds  ordenung  rechtlich  zugehalten  haben  und  sein  klag,  die  jetz 
zu  Leder  auf  mich  gestelt  ist,  dort  fürtragen  sein  worden,  so  wolt 
ich  seinen  g.  eben,  wie  ich  jetz  e.  w.  antwurt  und  beschaidt  gib, 
auch  dotzumal  geben  haben. 

Auff  die  dritten  und  die  letzten  klag,  so  ich  bezigen  und  be- 
klagt bin  als  ainer,  der  seiner  f.  g.  vil  böser  stiigk  bewisen  hab, 

antwurt  ich  also  wie  oben  und  bedarf  mich  auch  söllichs  aus  den 
gnaden  gottes  ruemen,  daß  ich  in  und  ausserhalb  seiner  g.  fürsten- 
thumb  weder  seiner  g.  noch  seiner  g.  untherthan  ainigerlai  pöß  geredt, 
erzaigt  oder  bewisen  hab,  auch  seinen  g.  oder  seiner  g.  unterdon 
nichts  entpfrendt  oder  entpfirt  oder  sonnst  in  ainigerlai  weiß,  das 
ainem  bösen  stügk  gemeß  oder  vergleichet  werden  möge,  das  beruff 
ich  mich  auf  dise  Örter  und  stett,  do  ich  in  seiner  g.  fürstenthumb 
gewesen  bin,  und  auch  ausserhalb  söllichs  zuerkhundigen  (doch  bei 
warhafftig  kundschafftern),  wirt  man  mit  kainer  warhait  nimer  mer 
bei  mögen  bringen,  daß  ich  ain  böß  stugk  seiner  g.  oder  seiner  g. 
unterdonen  je  bewisen  hab.  ich  trag  auch  nit  zweifei,  hett  ich  söllichs 
gethon  oder  in  der  warhait  sich  mögen  finden,  hab  so  vil  abgonstiger 
des  wort  gotts  halben,  sie  hetten  söllichs  langest  aufs  weittest  jeder - 
man  außgeprait  und  khundtgemacht,  allain  zu  schmach  dem  unzer- 
genglichen  wort  gottes  und  zu  verklainerung  des  worts  diener.  das 
kan  ich  mich  riemen  vor  den  menschen,  vor  gott  aber  bin  ich  ain 
armer  sünder,  will  auch  den  under  äugen  ansehen,  der  mich  in  ainem 
ainigen  bösen  stugk  (wie  hie  geweltig  auf  mich  getrochen)  begreifien 
möge,  böse  stugk  ieben  ist  nit  ain  klains,  aber  noch  ain  grössers, 
mit  der  unwarheit  aines  söllichen  bösen  stugks  ain  unschuldigen 
zubeklagen ; es  hab  den  sein  g.  disen  lugenmeulern  und  zuthuttler, 
als  wir  auch  wol  hie  zu  Augspurg  haben,  oren  gebeu,  die  mich 
bezeuchen,  wie  mich  glaublich  angelangt  ist,  als  solt  ich  kain  predig 

hinlassen,  darin  ich  sein  fürstlich  g.  nit  stupfet  und  antet,  also  daß 

jederman  versten  möge,  daß  ich  sein  g.  maine.  ich  soll  auch,  höre 

ich  sagen,  seinen  f.  g.  eingepildet  sein,  daß  ich  sein  f.  g.  zum 


1)  Ferdinand  weilte  vom  Dec.  1525  bis  in  den  März  1526  in 
Augsburg.  S.  Senders  Chron.,  1.  c.  S.  172.  — Von  den  Reichstagen 
können  gemeint  sein  der  zu  Augsburg  1525/26  u.  der  zu  Spei  er  1526. 


Roth,  Zur  Lebeusgeschichte  des  Meisters  Michael  Keller.  163 

offtermal  den  ti  rannen  jenhalb  desLechs  nenne  in  meiner  predig, 
was  soll  ich  antwurten : „es  ist  die  unwarhait?“  laugen  ich,  so  glaubt 
mans  nit,  will  leicli  eben  das  antwurten,  das  Christus  antwurtete  den 
obristen,  so  sie  ihnen  beclagt  betten,  als  verpett  er,  dem  kaiser  den 
zinßpfenning  zugeben  (Math.  22.);  von  wegen  daß  er  den  namen 
kaiser  genendt  hett  und  vom  zinßpfenning  geredt , must  er  flux 
wider  den  kaiser  geredet  haben  uud  lugen  daraus  werden,  er  hett 
dem  kaiser  den  zinßpfenning  verpotten,  und  sagt  nur  zu  inen  also: 
„gebt  dem  kaiser,  was  dem  kaiser  zugehört“  etc.  also  ist  mir  auch 
beschelien ; ob  sich  villeicht  in  meinen  predigen  in  der  materi  von 
tyrannen  zu  reden  in  genere  und  gemain  begeben  hat,  soll  man  dan 
auch  so  flux  ain  lugen  daraus  machen  und  sagen,  er  hat  den  her- 
tzogen  von  Minichen  gemain  dt,  er  hatt  auf  in  geredt  und  aufs 
aller  unverscliamp st  liegen  und  sagen,  er  hatt  vom  tyrannen  jenhalbs 
Lechs  gepredigt  und  ine  auch  also  genendt.  pfui  der  schänden, 
daß  wir  Christen  mit  dem  laster  auch  begriffen  werden,  das  hie 
Christus  an  dem  ort  straft,  die  laster  soll  man  in  der  gemain 
straffen,  es  treff  kaiser,  könig,  fürsten,  herrn  etc.,  hoch  oder  nider, 
aber  nicht  speciviciren  uud  auf  die  person  drügken. 

Nun  was  muß  ich  noch  zu  antwurt  geben?  ich  will  leich  die 
wort  Christi  sagen,  do  er  wurde  gefragt,  ob  er  söllichs  gepredigt  het, 
oder  was  sein  leer  wer,  antwurt  er  und  sagt:  „was  fragt  ir  mich 
darumb?  sag  ich  euch  die  warheit,  so  glaubt  irs  nit:  fragt  die  da- 
rumb,  die  mich  alle  tag  haben  hören  predigen,  die  werden  euch  be- 
scheiden.“ es  sein  auch  vil  aus  e.  w.,  die  meiner  predig  wenig 
versaumpt  haben;  wer  das  war,  daß  ichs  gesagt  hett,  sie  hetten  mir 
söllichs  untersagt,  so  sie  mir  wol  geringere  ding  untersagt  haben. 

Will  derhalbeu  e.  w.  durch  die  barmhertzigkait  gottes  ge- 
petten  haben,  wollen  disen  Sachen  im  besten  nachsinnen,  dann 
wie  ichs  e.  w.  hie  anzaigt  hab,  also  ist  es,  das  helf  mir  gott,  die 
unüberwintlich  warhait!  wollet  auch  darneben  e.  w.,  wie  euch  von 
gott  ampts  halben  gepotten  ist,  mich  armen  willigen  diener  des  wort 
gottes  befohlen  lassen  sein,  den  elenden  schützen,  den  nidergeschlagenen 
auffrichten  uud  also  im  willigen  wergk  der  lieb  wandien,  hiermit  wir 
entlieh  selig  werden.  Amen. 

Dat.  dinstag  nach  Hilaria  (13.  Aug.)  zu  Augspurg.  Im  XXVII. 

E.  W. 

Untherdeu  iger  Michael  Keller. 


164 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


Zur  Korrespondenz  Johannes  Haners. 

Zwölf  Briefe,  mitgeteilt  von 

Walter  Friedensburg  in  Rom. 

Von  dem  Leben  Johannes  Haners  ist  wenig  überliefert1).  Wir 
wissen  von  ihm  kaum  mehr,  als  dass  er  in  Nürnberg  — wohl  ge- 
gen das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  — geboren  wurde  und  in  die 
Dienste  des  Bischofs  von  Würzburg,  Konrad  von  Thüngen  (1519  bis 
1540)  trat,  den  er  aber  im  Jahre  1526  verließ  und  zwar,  nach 
seiner  eigenen  Augabe,  weil  der  Bischof  ein  Gegner  des  Evangeliums 
sei.  Unter  Ablehnung  eines  Rufes,  den  Landgraf  Philipp  von  Hessen 
an  ihn  ergehen  ließ,  kehrte  Han  er  in  seine  Vaterstadt  Nürnberg 
zurück  und  scheint  in  der  Folge  einen  gewissen  Anteil  an  den  Ver- 
gleichsverhandlungen zwischen  Lutheranern  und  Zwinglianern  ge- 
nommen zn  haben.  Allein  nach  kurzer  Zeit  wandte  sich  Haner 
wieder  von  der  Reformation  ab  und  begann  sogar,  etwa  vom  Jahre 
1532  ab,  schriftstellerisch  für  den  Katholicismus  thätig  zu  sein. 
Unter  diesen  Umständen  war  seines  Bleibens  in  Nürnberg  nicht 
mehr2);  vielfach  angefeindet  verließ  er  zu  Anfang  1535  seine 
Vaterstadt  und  wandte  sich  nach  Bamberg,  wo  er  noch  im  Jahre 
1544  als  Domprediger  erwähnt  wird3). 

Zu  diesen  dürftigen  Leben snachrichten  enthalten  die  nachstehend 
veröffentlichten  Korrespondenzen  Haners  mit  Aleander,  Vergerio, 
Kardinal  Alessandro  Farnese  und  Papst  Paul  III.  mehrfache  Er- 
gänzungen ; speziell  geben  sie  wertvolle  Fingerzeige  über  die  Ab- 
wendung Haners  vom  Katholicismus  wie  über  seine  Wiedergewinnung 
für  diesen.  Zunächst  aber  ist  bemerkenswert  eine  Notiz  im  Briefe 
Nr.  12,  wonach  Haner  während  der  Regierung  Papst  Leos  X.  in 
Rom  gewesen  ist  und  diesem  seine  Schriften  überreicht  hat  — eine 
Angabe  freilich,  die  ganz  vereinzelt  dasteht.  Näheres  über  Zeit  und 
Anlaß  dieser  Romfahrt  noch  über  den  Inhalt  der  dem  Papst  über- 
reichten Schriften  ist  nicht  bekannt4).  Was  dann  aber  später  den 
Fortgang  Haners  aus  Würzburg  betrifft,  so  deutet  dieser  in  Nr.  2 an, 
daß  es  der  bekannte  Bartholomäus  Arnoldi,  gewöhnlich  nach  seinem 
Heimatsort  Usingen  genannt,  gewesen  ist,  der  durch  seine  ,malae 


1)  Vgl.  Döllinger,  die  Reformation  I.  S.  125  ff;  Räss,  die  Convertiten 
. S.  185  ff. ; Streber  in  Wetzer  u.  Weltes  Kirchenlexikon  V.  S.  1495  f. 

2)  Das  Nähere  s.  in  unserem  Brief  Nr.  7. 

3)  S.  weiter  unten. 

4)  Vielleicht  waren  sie  mehr  humanistischen  als  theologischen  Inhalts ; 
von  seiner  Beschäftigung  mit  bonae  litterae  spricht  H.  im  Briefe  Nr.  2. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Hauers. 


165 


artes’  ihm  den  Aufenthalt  in  Würzburg  verleidete1 2  . Dazu  trat 
allerdings  auch  die  ,severitas  et  implacabilis  duricies’  des  Bischofs 
von  Würzburg,  Ausdrücke,  welche  wohl  schwerlich  auf  das  Verhalten 
Konrads  gegen  Hauer  selbst  zu  deuten  sind : vielmehr  liegt  es  nahe, 
sie,  zumal  in  Verbindung  mit  der  anschließenden  Bemerkung, 
daß  das  Thun  des  Prälaten  der  Sache  der  Kirche  nicht  genützt 
habe,  auf  die  Grausamkeit  zu  deuten , mit  der  der  Bischof 
i.  J.  1525  die  besiegten  Bauern  verfolgte  und  bestrafte.  Es  würde 
mit  der  friedlichen,  den  Extrenen  abgeneigten  Sinnesart  Hauers  nur 
in  Einklang  stehen,  anzunehmen  dass  ihm  der  Bischof,  der  seine 
Hände  so  tief  in  Blut  getaucht,  ein  Gegenstand  des  Abscheus 
wurde:  überhaupt  mag  die  Unbarmherzigkeit,  mit  welcher  die  sieg- 
reichen Fürsten  die  Bauern  bestraften,  und  die  nach  dem  Siege 
eintretende  Reaktion  beigetragen  haben,  Haner  von  der  Sache  des 
Katholicismus  zu  entfernen.  Eine  tiefe,  innere  Erfassung  der  evan- 
gelischen Lehre  ist  bei  Haner  überhaupt  wohl  nicht  anzunehmen: 
wir  dürfen  vermuten,  dass  er  auf  dem  Boden  der  katholischen 
Weltauffassung  stehen  blieb,  woraus  sich  dann  um  so  eher  die 
später  erfolgende  Rückkehr  zur  alten  Kirche  erklären  würde. 
Zweifellos  sind  aber  auch  für  den  letzteren  Schritt  die  Spaltungen 
innerhalb  der  evangelischen  Kirche  ins  Gewicht  gefallen.  Dazu  kam 
als  entscheidendes  Moment  das  Eingreifen  eines  der  fähigsten  Ver- 
treter der  römischen  Kurie,  nämlich  Aleanders,  welcher  1581  zum 
zweitenmal  als  päpstlicher  Nuntius  nach  Deutschland  kam  und  im 
folgenden  Jahre  dem  Regensburger  Reichstag  beiwohnte. 

Aus  Regensburg  nun  schreibt  Aleander  am  I.  Juni  1582  fol- 
gendes an  Sanga:  „Mit -Gottes  Hilfe  habe  ich  einen  großen  Lutheraner 
bekehrt,  der  in  Nürnberg  lebt:  er  schreibt  bereits  für  uns  und  ich 
schicke  Euch  den  Brief,  den  er  an  mich  gerichtet  hat.  Der  Arme 
wurde  von  allen  arg  verfolgt.  Ich  werde  ihn  hierher  kommen  lassen. 
Bewahrt  mir  den  Brief  sorgfältig  auf.  damit  er  nicht  verloren  gehe  ').** 
Ferner  heißt  es  in  einer  Depesche  des  nämlichen  Aleander  vom 
29.  Juli:  ..Mein  Nürnberger  Lutheraner,  den  ich  bekehrt  habe,  hat 


1)  Usingen,  Augustiner  in  Erfurt,  kam  nach  seiner  Vertreibung  von 
dort  1526  zu  Bischof  Konrad  von  Würzburg,  den  er  noch  1580  auf  den 
Augsburger  Reichstag  begleitete.  Sein  Erscheinen  in  Würzburg  mag  eine 
schärfere  Betonung  des  katholischen  Prinzips  zur  Folge  gehabt  haben, 
durch  die  sich,  scheint  es,  Haner  beeinträchtigt  fühlte. 

2)  S.  den  Wortlaut  bei  Lämmer,  Monumenta  Vaticana  pag.  120.  In 
der  nämlichen  Depesche  heißt  es  noch,  was  Lämmer  ausläßt:  la  lettera 
di  questo  olim  Lutherano  ha  cento  charatteri  difficili  a legger,  ma  cum 
pocco  di  pratica  si  intende.  nel  scriver  di  libri  e molto  accurato  et  stretto. 
se  V.  S.  non  vol  pigliar  fatica  in  legger  la  sua  lettera,  tuttavia  pur  mi 
lo  salvi;  ma  se  la  poträ  legger,  vedrä  ciö  che  importa  carezzar  gli  here- 
tici,  presertim  dove  loro  habbino  qualche  prima  impressione  buona.  Arch. 
Vat.  Nunziatura  di  Germania  vol.  51  fol.  162  a. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  4. 


12 


166 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


nach  dieser  Konkordie,  eine  Schrift  darüber  verfaßt,  in  welcher  er 
erörtert  wie  man  sich  auf  dem  künftigen  Konzil  der  Artikel,  welche 
noch  zwischen  uns  und  den  Lutheranern  kontrovers  bleiben,  ver- 
gleichen möge.  Gestern  überreichte  er  mir  diese  Schrift  mit  einer 
Vorrede  an  den  Kaiser,  dem  er  im  Namen  aller  für  den  in  Deutsch- 
land aufgerichteten  Frieden  dankt“  u.  s.  w.1) 

Und  noch  eine  dritte  Stelle  in  den  Depeschen  Aleanders  von  jener 
Nuntiatur  bezieht  sich  auf  den  nämlichen  Bekehrten.  „Ich  schicke 
Euch,  schreibt  der  Nuntius  am  21.  August,  Abschrift  eines  Teils  eines 
Briefes,  den  mir  aus  Nürnberg  jener  ehemalige  Lutheraner  geschrieben, 
der  jetzt  mit  Gottes  Hilfe  und  durch  meine  Bemühungen  einer  der 
Unsrigen  geworden  und  gegen  die  Ketzer  schriftstellerisch  thätig  ist. 
Daraus  wird  Seine  Heiligkeit  ersehen,  wie  mit  jedem  Tage  mehr  die 
Ketzer  sich  von  der  Wahrheit  entfernen,  und  das  ist  nicht  schlimm, 
vielmehr  gut  für  uns,  daß  stets  neue  Richtungen  aufkommen,  denn 
ein  Reich,  das  in  sich  selbst  uneins  wird,  das  wird  wüst 2). 

Wer  ist  nun  dieser  bekehrte  Lutheraner?  Sicherlich  kein 
anderer  als  unser  Johannes  Hauer.  Abgesehen  davon,  daß  wir  von 
niemandem  wissen,  auf  den  sonst  die  Angaben  Aleanders  zutreffen 
könnten,  gewähren  unsere  Briefe  auch  positive  Anhaltspunkte.  Im 
ersten  Brief  nämlich  berichtet  Haner  an  Aleander,  er  sei  am  2.  August 
wieder  in  der  Heimat  eingetroffen  und  habe  dort  gewisse  Aufträge 
des  Nuntius  ausgerichtet : augenscheinlich  also  kehrt  er  soeben  von 
einer  Zusammenkunft  mit  dem  letzteren  zurück.  Nun  hörten  wir,  daß 
der  bekehrte  Nürnberger  am  28.  Juli  Aleander  eine  Schrift  überreicht 
hat.  Das  ist  ein  sehr  bemerkenswertes  Zusammentreffen,  welches  an 
der  Identität  des  anonymen  Nürnbergers  und  Haners  kaum  noch 
zweifeln  läßt.  Um  aber  auch  die  letzten  Bedenken  zu  zerstreuen, 
kommt  hinzu,  daß  unser  Brief  Nr.  2,  welcher  am  8.  August  geschrieben 
und,  wie  das  Praesentatum  Aleanders  zeigt,  diesem  am  18.  zuge- 
kommen ist,  von  den  Spaltungen  unter  den  Protestanten  und  den 
neuen  Richtungen  handelt,  die  bei  diesen  aufgekommen  sind.  Wenn 
also  der  Nuntius  am  21.  August  Abschrift  eines  von  jenem  Nürnberger 
erhaltenen  Briefes  von  entsprechendem  Inhalt  nach  Rom  schickt,  so 
ergibt  sich  wohl  mit  Evidenz,  daß  Haner  und  der  durch  Aleander  Be- 
kehrte eine  Person  sind. 

Zu  bedauern  ist  der  Verlust  des  in  der  Depesche  vom  1.  Juni 


1)  Quello  mio  Lutherano  di  Norimberga,  che  io  havea  redotto,  gia 
dopoi  questa  concordia  ne  ha  composto  un  libro,  nel  quäl  disputa  come  si 
potriano  aecordar  nel  futuro  concilio  quelli  articuli  che  resteno  in  contro- 
versia  tra  noi  et  Lutherani,  et  heri  me  presentö  detto  libro  con  una  pre- 
fattion  a Cesare,  regratiandolo  nomine  publico  di  la  universal  pace,  quäl 
Sua  Maestä  la  fatto  in  Germania,  u.  s.  w.  1.  1.  fol.  206  b. 

2)  Lämmer  1.  1.  pag.  145. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  167 

erwähnten  ersten  Briefes  Haners,  auf  den  Aleander  so  großes  Gewicht 
zu  legen  scheint ; er  mag  die  Bekehrungsgeschichte  jenes  enthalten 
haben  und  ist  wohl  bei  dem  kurz  darnach  erfolgten  Tode  des  Em- 
pfängers, Giovanni  Battista  Sanga,  verloren  gegangen ; bei  den  Papieren 
Aleanders  findet  er  sich  nicht.  Auch  die  aus  Anlaß  des  Nürnberger 
Religionsfriedens  an  den  Kaiser  gerichtete  Schrift  Haners  ist  an- 
scheinend verloren  gegangen.  Überhaupt  waltet  ein  Unstern  über 
den  Produkten  der  publizistischen  Thätigkeit  des  Nämlichen ; nach 
unseren  Briefen  muß  dieser  ein  recht  fruchtbarer  Schriftsteller  ge- 
wesen sein,  doch  hat  er  nur  wenig  zum  Druck  bringen  können  und 
der  größere  Teil  seiner  Schriften  ist  bis  heute  unbekannt  geblieben 
und  vermutlich  verloren. 

Gleich  nach  seinem  Rücktritt  zum  Katholicismus  sehen  wir  Haner 
sein  Augenmerk  auf  Bamberg  als  Zufluchtsort  richten1) ; auch  seinem 
ehemaligen  Herrn,  Bischof  Konrad  von  Würzburg,  wünschte  er  sich 
wieder  zu  nähern2);  doch  trat  er  nicht  in  dessen  Dienste  zurück, 
sondern,  so  weit  die  von  uns  veröffentlichten  Korrespondenzen  reichen, 
ist  er  in  Bamberg  seßhaft,  anscheinend  in  keiner  glänzenden  Lage  : 
seine  Briefe  sind  angefüllt  mit  Klagen  und  'mehr  als  einmal  sieht  er 
seine  Hoffnung  zu  einträglichen  Benefizien  zu  kommen,  vereitelt. 
Nach  einer  Angabe  Kaspar  Schwenkfelds  lebte  Haner  noch  Ende  des 
Jahres  1544  in  Bamberg,  und  zwar  als  Domprediger;  das  bezügliche  Zitat 
ist  mir  nicht  zugänglich,  doch  kommt  der  Angabe  Schwenkfelds  eine 
von  0.  Erhard,  die  Reformation  der  Kirche  in  Bamberg  unter  Bischof 
Weigand  (Fr.  Junge,  Erlangen  1898)  mitgeteilte  Notiz  aus  einem  Rezeß- 
buch des  Domkapitels  zu  Hilfe,  wonach  i.  J.  1542  „Hans  Haner  (Magister 
Gallus)“  die  Stelle  eines  Dompredigers  in  Bamberg  angetreten  habe 
(S.  70);  jener  Latinisierung  seines  Namens  scheint  sich  allerdings, 
soviel  ich  zu  sehen  vermag,  Haner  selbst  nie  bedient  zu  haben ; aber 
man  wird  darum  doch  kaum  berechtigt  sein,  die  Identität  jenes 
Dompredigers  mit  unserem  Haner  zu  bezweifeln.  Da  nach  der 
nämlichen  Stelle  bei  Erhard  im  Jahre  1545  ein  anderer  Domprediger 
sein  Amt  antritt,  so  darf  man  wohl  schließen,  daß  Haner  damals 
gestorben  sei. 

1.  Haner  an  Aleander:  Rückkehr  nach  Nürnberg.  Besprechung 
mit  Georg  Hartmann  über  Aufträge  Aleanders.  Bitte  um  Zusendung 
eines  Empfehlungsbriefes  an  den  Bischof  von  Bamberg.  Hoffnung 
auf  eine  Pension.  Ein  Werk  Haners,  welches  Aleander  prüfen  und 
eventuell  dem  Kaiser  vorlegen  soll.  Gruß  an  Bischof  Giberti. 
Frühere  Schriften  Haners.  1532  August  3 Nürnberg. 


1)  Brief  Nr.  1. 

2)  Brief  Nr.  2. 

12* 


168 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


Aus  Cod.  Yatic.  6199  fol.  98  eigenh.  Original,  mit  Präsen- 
tation svermerk  von  Aleanders  Hand:  Ratisponae  8 augusti1). 

Rme  pater  juxtaque  praesul  clementissime.  redii  domum 2)  Deo 
bene  fortunante  altera  augusti  sub  ipsam  vesperam;  postera  die 
convenit  me  Georgius  Hartmannus3),  cui  Clementie  Tue  mandata 
offitiose  renunciavi.  negat  se  minutias,  nisi  magno  circumferentiae 
ambitu,  comprehendere  posse  estque  in  ea  sententia,  tarn  exacta  seu 
anxia  potius  distributione  instrumenta  non  egere ; satis  esse,  si 
nullus  error  circa  graduum  sectiones  intervenerit.  quod  ad  transmissum 
Astrolabium  attinet,  respondit  propemodum  eadem  quae  ego  coram, 
in  perforatione  centri  facile  in  unam  partem,  quod  vix  caveri  possit, 
ad  transversum  aliquem  pilum  declinari  posse.  haec  commentamus 
coram;  modo  Tuae  Clementiae  erit  renunciare  quid  illum  in  bac 
expeditione,  in  qua  artes  silent,  curare  velis.  ego  pro  paterno  ac 
propensissimo  Clementie  Tue  in  me  animo  nihil  vel  laboris  vel  studii 
intermissurus  sum  unquam,  modo  sciam  ac  possim  Tue  in  hoc 
Clementie  gratificari. 

Commendaticiae  ad  reverendum  dominum  Bambergensem 4), 
modo  pre  valetudine  et  per  occupatioues  liceat,  ad  me,  nisi  forte 
Clementie  Tue  aliud  visum  sit,  mittantur;  ita  enim  parcetur 
Clementie  Tue  expensis  et  forte  a me  captata  occasione  offerri 
possunt  commodius.  interim  de  libello  meo 5)  Clementia  Tua 
decernat  quid  judicaverit  publicis  commodis  con venire,  de  pensione 
adsignanda  non  dubito  Clementia  Tua  pro  Han  er  o solicite  vigilabit. 
quemadmodum  autem  abiens,  ita  modo  absens  Clementiam  Tuam 
reverenter  exoro,  Cesaris  familie,  et  si  libellus  meus  dignus  qui  in 
lucem  prodeat  judicetur,  etiam  Cesari  ipsi  Clementia  Tua  insinuare 
me  velit;  hinc  enim  sperarem  multiplex  commodi  rediturum  non 
solum  ad  me,  sed  et  forte  ad  meam  patriam,  cui  ut  semper  optime 
volui,  ita  in  hisce  efficacibus  illusionibus  cupio  et  melius  et  sanius 
consuli.  superest  ut  Hanerum,  quem  semel  in  Clementie  Tue  patro- 


1)  Über  diesen  Kodex  vgl.  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  Bd.  XYI 
S.  473. 

2)  Vom  Regensburger  Reichstage,  wo  er  mit  Aleander  zusammen- 
getroffen war  (vgl.  die  vorstehenden  Lebensnachrichten). 

3)  Vikar  an  der  Sebalduskircke,  einer  der  berühmtesten  Mechaniker 
der  Zeit;  vgl.  Joh.  Voigt,  Blicke  in  das  Kunst-  und  gewerbliche  Leben 
der  Stadt  Nürnberg  S.  37. 

4)  Wigand  von  Redwitz  1522—1556. 

5)  Unter  diesem  Werk,  von  dem  auch  in  den  folgenden  Stücken  die 
Rede  ist,  haben  wir  wohl  das  polemische  Hauptwerk  Haners  zu  verstehen : 
Prophetia  vetus  ac  nova,  hoc  est  vera  scripturae  interpretatio  de  syncera 
cognitione  Christi  deque  recta  in  illum  tide.  Vgl.  Döllinger,  die  Refor- 
mation I 126 ff.  Oder  sollte  an  die  oben  erwähnte  (unbekannte)  Ab- 
handlung zu  denken  sein,  die  Haner  aus  Anlaß  des  Religionsfriedens  an 
den  Kaiser  richtete? 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


169 


cinium  assumpsisti,  tuo  nutu,  gratia  atque  favore  non  destituas.  eg o 
non  liberalitatem  modo  ac  beneficentiam  Glementie  Tue  expertus,  sed 
et  insuper  animi  tui  inclinationem  coram  persentiens,  neque  Clementie 
Tue  desiderium  deponere  neque  studiis  meis  tarn  magno  tuo  in  me, 
quod  vehementer  doleo,  animo,  pro  meritis  respondere  possum.  opto 
autem  ut  utrumque  mihi  contingat  et  aliquando  donetur,  nempe  ut 
Clementie  Tue  aura  frui  possim  et  aliquid  ea  dignum  contra  repen- 
dere,  nec  dubito  quin  se  horum  justa  aliquando  offeret  occasio.  Rev. 
domino  Veronensi 1)  cupio  Tue  Clementie  verbis  commendari.  daturus 
aliquando  snm  ad  Tuam  Clementiam  libellorum  meorum  catalogum, 
modo  contingat  Clementiam  Tuam  ab  his  publicis  occupationibus 
non  nihil  feriari,  ubi  tarn  in  edendo  quam  in  patronis  eis  parandis 
Tue  Clementie  juditio  ac  calculo  utar.  vale,  presul  literis,  humanitate, 
mansuetudine,  liberalitate  ac  beneficentia  ornatissime,  cui  non  imme- 
rito  pontificia  celsitudo  non  ut  Scipioni,  sed  infracte  cuidam  atque 
immote  columne  tuto  nec  sine  majestatis  ac  sanctitatis  sue  assertione 
iunititur  . . . 

E Neroburgo  tercia  augusti  82. 

2.  Haner  anAleander:  Ankunft  eines  Briefes  des  Erzbischofs 
von  York,  der  ein  ihm  übersandtes  Werk  Haners  lobt  und  diesen 
auf  dem  betretenen  Wege  fortzufahren  mahnt.  Rückblicke  Haners 
auf  sein  früheres,  verfehltes  Leben.  Usingen  und  Bischof  Konrad 
von  Würzburg.  Thomas  More  gestürzt.  Schriften  Servets  und 
Campanus’.  Ketzerische  Irrlehren.  Haners  Werk ; seine  Anliegen. 
1532  August  8 Nürnberg. 

Aus  Cod.  Vatic.  6199  fol.  94  a eigenh.  Original,  mit  dem 
Präsentationsvermerk  von  Aleanders  Hand:  Ratisponae  18  augusti. 

Heri,  ornatissime  presul  ac  patrone  colendissime,  bine  mihi 
littere  ex  Anglia,  ab  Eboracensi  archiepiscopo 2),  veteri  quidem 
amico,  nunc  autem  et  patri  et  domino  in  Christo  mihi  reverenter 
colendo,  venerunt : prioris  benevolentie  illius  in  me  indices  ac  plene 
insuper  bone  alicujus  spei;  tarn  nihil  hec  dignitatis  accessio  de  animo 
mutavit ; quod  libuit  Tuae  Clementiae  significare,  non  quod  propterea 
remissius  ageres  super  Haneri  commodis,  quin  magis  ut  veterem 
amicum  novus  patronus  vinceres,  utque  intelligeres  Hanerum  Edo- 
vardo  Leeo,  cujus  eruditio  et  virtus  jam  olim  orbi  perspecta  est  et 
Clementiam  Tuam  latere  non  potuit,  inter  charos  amicos  numerari. 
transmisi  nuper  Sue  Rme  Paternitati  studiorum  meorum  gustum 
aliquem,  qui  mire  fecit  ad  palatum,  etsi  jam  olim  mea  tenuitas  illi 


1)  Giovanni  Matteo  Giberti,  Bischof  von  Verona  1524—1543. 

2)  Eduard  Lee  1531—1544;  als  Gönner  Haners  erwähnt  diesen  Prä- 
laten Cochlaeus  in  einem  Briefe  an  Aleander  aus  d.  J.  1534  (gedr.  Zeitschr. 
für  Kirchengesch.  XVIII  S.  247f.). 


170 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


satis  superque  cognita  fuerit.  multis  ergo  me  onerat  preconiis,  que 
illius  pocius  in  me  amori  quam  juditio  tribuo,  nec  cessat  insuper 
me  hortari  ut  cursum  in  hoc  stadio  absolvam.  talis  ac  tui  perquam 
similis,  clementissime  presul,  si  mihi  in  Germania  contigisset  gregis 
dominici  speculator  et  episcopus,  certe  pro  mea  virili  rem  juvassem 
ecclesie,  cum  contra  unius  morositas  fecit  ut  Epimenidis  somnium 
dormierim  et  propemodum  bonis  litteris  bellum  perpetuum  indixerim. 
quod  si  non  potior  apud  me  fuisset  cum  veritatis,  tum  insuper 
publica  ecclesie  ac  populi  Dei  caussa,  quam  emulorum  ac  privatorum 
quorumdam  odium,  certe  pythagoricum  silentium  tenuissem  et  (quod 
dici  solet)  magis  mutus  fuissem  quam  piscis.  et  certe  primum 
Usingi  male  artes,  deinde  eciam  Herbipolensis  severitas  et  implaca- 
bilis  duricies  summopere  studiis  meis  nocuerunt,  cum  tarnen  ipsi  inte- 
rim ecclesie  caussam  ne  pilum  quidem  latum  promoverint  atque 
utinam  suo  studio  et  conatu  ex  bona  caussa  non  fecerint  deteriorem. 
ego  sepe  soleo  sortem  meam  tacitus  ipse  mecum  deplorare,  qui  cum 
gentilibus  convenire  non  potui,  cum  exteris  possem,  si  modo  per 
valetudinem  liceret.  quae  ideo  pl  uribus  ad  Tuam  Clementiam  egi, 
ut  te  redderem  inique  mee  fortune  conscium.  sed  hoc  hactenus. 

Rmus  dominus  Eboracensis  nihil  ex  Anglia  novi  renunciat  nisi  quod 
et  apud  eos  varia  hominum  ingenia  et  juditia  sunt,  ceterum  quae  in 
diem  magis  et  compescantnr  et  coerceantur.  ego  hic  narrando  audivi 
Thomam  Morum  a rege  omni  submotum  offitio  et  honore  exutum 
esse,  quod  mihi  nondum  fit  credibile.  de  conventus  nostri  placitis 
deque  transacta  pace  nihil  licuit  expiscari  amplius  quam  quod  coram 
retuli;  dicitur  tarnen  capita  et  conditiones  publice  esse  invulganda. 

Serveti  libellos1)  non  dubito  quin  Clementia  Tua  viderit.  inte- 
rim pervenit  ad  manus  meas  alius  et  recens  editus  cujusdam  Joannis 
Campani,  qui  duas  tantummodo  in  divinis  hypostases  ponit2).  com- 
municatus  mihi  quoque  libellus  est  Arnoldi  Legii3)  mortalitatem 
anime  astruentis,  quem  confutandum  in  manus  accepi.  scribitur  pre- 
terea  mihi,  in  Thuringia  exortam  esse  novam  herisim  carnis  resurrec- 
tionem  et  futurum  juditium  abnegantium,  esseque  in  Moravia  Os- 
valdum  quemdam,  qui  sabbatum  judaicum  de  necessitate  salutis  esse 
dicit.  preterea,  quando  sic  cepi,  placuit  Clementiam  Tuam  horrendis 
nunciis  obtundere.  narratur  in  Slesia  esse  Jacobus  Kautius4),  qui 
eternam  in  Christo  divinitatem  publice  docendo  abnegat.  que  singula, 
quamlibet  multis  prodigiis  sint  monstruosiora,  nihil  tarnen  admira- 
tionis  apud  me  habent ; necesse  enim  est  eo  promovere  impietatem, 


1)  Wohl  De  trinitatis  erroribus  libri  VII,  erschienen  zu  Hagenau  1531, 
und  Dialogi  über  den  nämlichen  Gegenstand  (ebendort  1532). 

2)  Vgl.  Allgem.  Deutsche  Biogr.  Bd.  3 S.  730. 

3)  Logii? 

4)  Jakob  Kautz  (Cucius)  s.  Allgem.  deutsche  Biogr.  Bd.  15  S.  510  f. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  171 

scilicet  transpositis  terminis  patrum,  et  fieri  non  potest  nt  hac  liber- 
tatis  fenestra  sic  manente  aperta  sit  vel  insaniendi  vel  errandi  aut 
modus  aut  finis.  de  quibus  omnibus  tue  et  aliorum  eure  incumbit 
prospicere,  ne  vel  serpant  latius  aut  vires  contrahant  eundo.  in 
quod  et  ego  pro  mea  virili  operam  meam  Tue  Clemeutie  despondeo; 
tantum  quod  cepisti  perfitias  Hanerique  studiis  et  ocio  consule. 

De  libello  meo  cupio  Clementie  Tue  juditium  accipere.  est  quidem 
is  tumultuario  labore  a me  precipitatus  pocius  quam  absolutus,  ce- 
terum  qui  non  minus  propterea  habet  in  cortice  boni  cupio  ergo 
et,  si  quid  orando  possum,  Clementiam  Tuam  reverenter  exoro,  tam- 
tum  fastidii  devorare  velis  atque  hunc  cum  juditio  relegere,  modo 
tantum  tibi  a publicis  curis  vacet.  etsi  neque  hic  puto  Clementiam 
Tuam  bonas  boras  male  colloeaturam.  pociora  totius  scripture  loca, 
super  quibus  saltem  bodie  controversia  est,  a me  bic  sedulo  ac  dili- 
genter  tractantur.  nec  te  libelli  vel  ruditas  vel  brevitas  absterreat, 
non  enim  caret  unctione  ac  spiritu,  quamlibet  nil  bumane  persua- 
sionis  babeat;  deinde  eciam  plus  ille  in  recessu  habet  quam  a fronte 
promittat.  non  quod  cupiam  illum,  nescio  quo  titulo,  apnd  Tuam 
Clementiam  vendere1 2),  sed  ut  te  ad  accuratam  illius  lectionem  pel- 
liceam.  si  enim  me  ratio  et  sententia  non  fallit.  potiora  lutberane 
factionis  dogmata  bic  potenter  subruuntur,  de  quo  esto  Clementie 
Tue  juditium.  ego  Clementie  Tue  Studio  atque  industria  Cesaris 
familie  ascribi  et  illius  patrocinio  seu  alis  defendi  cupio.  quod  si 
quid  contra  in  me  est.  quod  bonores  illius  augere  aut  rempublieam 
juvare  potest^  nihil  ejus-  detrectabor  unquam,  quin  hylariter  eciam 
me  ipsum  superimpendam.  vale,  pater  reverendissime,  Han  er  i tui  ac 
nominis  tui  observandissimi  perpetuo  memor. 

E Xeroburgo  8 augusti  82. 

Litturis  et  currenti  calamo  Clementia  Tua  veniam  det:  nuncio- 
rum  enim  festinautia  omnia  precipitat. 

3.  Haner  an  Aleander:  Übermittlung  eines  Geschenkes  Hart- 
manns für  Aleander.  Eigene  Anliegen.  Besorgnis,  daß  sein  Manuskript 
verloren  gehen  könnte.  Wuuscb,  dem  Kardinal  Medici  empfohlen  zu 
werden.  Erinnerung  ihm  eine  Pension  zu  verschaffen.  Der  Druck 
des  Nürnberger  Religionsfriedens.  1532  August  23  Nürnberg. 

Aus  Cod.  Yatic.  6199  fol.  95  eigenh.  Orig.,  mit  dem  Präsen- 
tationsvermerk von  Aleanders  Hand:  Ratisponae  27  augusti. 

Quod  ego  Clementie  Tue,  pater  Rme,  tarn  per  litteras  quam 
per  nuncios  molestior  sum,  partim  propria  solicitudo,  partim  alieni 
Stimuli  faciunt.  quod  enim  ad  me  attinet,  cupio  inter  tot  curas  et 


1)  Sic? 

2)  Sic? 


172 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


negotia,  quibus  Clementia  Tua  in  diem  obruitur,  Haneri  memoriam 
recentem  tibi  esse;  quod  vero  ad  alienum  offitium  spectat,  Hartmann i 
studia  sunt  quibus  ipse  industriam  suam  Clementie  Tue  perspectam 
esse  cupit.  is  rogavit  me  ut  leve  suum  munus  meis  adeo  verbis 
apud  Tuam  Clementiam  commendarem.  scripsit  is  nuper  Joanni 
bibliopole,  se  cum  meis  litteris  Clementie  Tue  Astrolabium  typis 
excusum,  tanquam  laborum  suorum  aliquem  fructum  et  ingenii  fetu- 
ram,  magis  in  observantie  signum  quam  muneris  loco,  vix  enim  no- 
men  mereri  ptitat,  missnrum.  id  cum  proximo  nuncio  (quantum  ex 
Wagneri,  qui  bas  Clementie  Tue  reddet,  litteris  didici)  Rma  Pater- 
nitas  Tua  factum  esse  putavit ; sed  nondum  quicquam  ab  Hartmanno 
acceperam,  modo  autem  expostulavi  cum  homine  ut  promissam  fidem 
et  eam  quidem  obstrictam  liberaret.  fecit  hylariter  quod  antea  se 
facturum  obtulerat : Tue  Clementie  nunc  erit  munusculum  non  ex 
sua  vilitate,  sed  ex  donantis  animo  estimare. 

Redeo  nunc  rursus  ad  me  ipsum  atque  Clementiam  Tuam  reverenter 
atque  observanter  exoro  ut  Hanerum,  quem  semel  provebendum  suscepi- 
sti,  tuo  studio  et  patrocinio  non  deseras.  non  quod  ego  de  Tue  Clementie 
animi  candore  et  dexteritate  dubitem;  id  quod  metuam,  ne  curarum  et 
negotiorum  plaustra  te  alio  avebant.  proinde  Clementia  Tua  boni 
queso  consulat,  si  ego  scribendo  et  solicitando  fuero  crebrior  ac 
forte  eciam  molestior.  de  litteris  commendaticiis  quid  Clementia  Tua 
penes  se  statuerit,  nescio,  totum  tarnen  illud  situm  esto  in  Clementie 
Tue  arbitrio.  libelli  mei  censuram  et  eam  quidem  liberam  Clementie 
Tue  permitto  ac  juditium  insuper  tuum  super  eo  expecto,  qui  quo- 
niam  in  pbyllaras  et  scbedas  sparsus  est,  metuere  nonnibil  cepi,  ne 
qua  ejus  cbarta  perderetur.  fecerit  igitur  Clementia  Tua  rem  gratam 
mibi,  si  jusserit  a familiari  quopiam  bunc  filo  aut  cbordula  ligari; 
et  quamlibet  id  cautum  esse  tua  prudentia  non  dubitem,  ne  quid 
ejus  pereat,  eo  quod  mibi  libelli  copia  nulla  sit,  quia  tarnen  sepe 
multa  affert  Casus,  que  providentia  cavet:  ideo  banc  curam  deponere 
non  potui. 

Reliquum  est  ut,  quoniam  pontificis  legatus  advenit 1),  Clementia 
Tua  Haneri  apud  illum  bonorifice  meminerit.  cuperem  illius 
Rme  Paternitati  studia  mea  testaciora  facere,  modo  se  offerret 
opportuna  occasio,  super  qua  oro  Clementia  Tua  velit  dispicere. 
interim  Clementia  Tua  super  pensione  assignanda  lapidem  omnem 
moveat,  et  si  quid  contra  in  me  vel  studii  vel  laboris  positum  est, 
id  omne  proprietatis  jure  sibi  yendicet..  vale,  pater  reverendissime, 
et  balbutientem  Hanerum  negotiis  tuis  obstrepentem  dementer  ferto, 
Yeronensique  ac  doctis  Omnibus  commenda.  rursus  vale. 

E Neroburgo  23  augusti  32. 


T Kardinal  Ippolito  de  Medici,  der  am  12.  August  in  Regensburg 
eintraf.  Pieper,  Entstebungsgesch.  der  ständigen  Nuntiaturen  S.  80. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


173 


Interposita  a Cesare  pax  et  inita  concordia  typis,  11t  audio, 
invulgabitur:  eam  proximis  litteris  Clementie  Tue  mittam.1) 

4.  Aleander  an  Haner:  Empfang  von  Briefen  dieses.  Die  Aus- 
breitung der  Ketzereien.  Urteil  über  Haners  Werk.  Dessen  Wünsche. 
Grüße  an  Hieronymus  Baumgärtner  und  Georg  Hartmann.  1532 
August  25  Regensburg. 

Aus  Cod.  Vat.  8075  fol.  80a— 81a  Abschrift2). 

Laconice  ad  te  ut  scribam,  publieae  faciunt  curae.  tu  ad  me 
ut  asiatice,  non  solum  majoris  tui  ocii  ratio  exigit,  sed  et  aesiderium 
illud  ingens  quo  teneor  legendi  tuas  literas,  jure  merito  te  incitare 
potest.  proinde  scribe  ad  me  (si  me  amas)  et  frequentes  et  copiosas 
litteras,  quibus  mihi  nihil  potest  esse  jucundius,  cujusmodi  mihi 
visae  sunt  binae  hae  quas  ad  me  proxime  dedisti 3). 

De  novis  haeresibus  quod  scribis,  scias  tanto  magis  debilitari 
earum  vires  quanto  inter  se  magis  fuerint  diversae:  ea  propter  si  e 
malis  solatii  aliquid  accipi  potest.  letandum  magis  quam  dolendum 
est  tarn  multiplicem  fieri  quotidie  istam  hydram4),  quam  non  optem 
ut  alter  Hercules  excidat,  sed  Christus  dominus  et  Deus  noster  faxit 
ut,  pacatis  seditionibus,  in  unum  caput  rursus  coeamus! 

Libellum  tuum  nondum  perlegi,  neque  enim  licuitper  occupationes, 
habeo  tarnen  in  manibus  et  quantum  hactenus  e capite  de  operibus  gustum 
cepi  (ad  hunc  enim  locum  statim  adcurri,  utpote  omnium  nostra  hac 
tempestate  maxime  necessarium),  usque  adeo  mihi  satisfacis  ut  vix 
quemquam  meminerim  melius  de  hac  se  tractasse : de  peccato  vero 
originali  (ut  ingenue  fatear)  nequaquam  tecum  sentio;  sed  contineo 
tarnen  interim  tantisper  judicium,  donec  totum  libellum  perlegero. 
id  ubi  factum  fuerit,  scribam  libere  sententiam  meam,  postquam  ita 
cupis  ipse  et  officium  meum  sic  postulat.  non  cesso  interim  diversa 
retia  tendere  quibus  tibi  viaticum  aliquod  aucuper,  quo  te  quoque 
possis  tollere  humo  et  non  solum  matrem,  dum  vivit,  sed  et  consan- 
guineos  educare  possis  et  senectutem  molliter  transigere.  verum,  mi 
Hanere,  quum  nihil  repente  fiat  et  dura  sit  temporum  conditio  (non 
usque  adeo  tarnen  quin  sperem  posse  nostro  Studio  emolliri),  bono 
interim  et  constanti  animo  sis  oportet,  ne  prae  dolore  nimio  succum- 


1)  Über  den  Wunsch  Aleanders,  den  Nürnberger  Religionsfrieden  im 
Wortlaut  zu  erhalten,  s.  seine  Depesche  vom  15.  August  (Lämmer  Mon. 
Vat.  p.  145  Nr.  112);  mit  der  , persona  che  io  cognoschi’,  von  welcher  er 
das  Dokument  zu  erhalten  hofft,  wird  Haner  gemeint  seiu. 

2)  Über  diesen  Kodex  vgl.  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland  I Ab- 
teil. (1533—1559)  Bd.  III  S.  29  Anm.  1. 

3)  Unsere  Nrr.  1 und  2 (vgl.  zu  Anfang  des  Briefes  Nr.  5). 

4)  Vgl.  Aleanders  zitierte  Depesche  vom  21.  August:  6 men  male, 
anci  bene  che  sempre  cresci  qualche  novitä  tra  gli  heretici,  quia  regnum 
divisum  desolabitur. 


174 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


bas  — eXmdeg  ev  £ coölol  — , nec  dubito  quin  yoti  tandem  compotes 
evadamus ; tu  modo  quod  cepisti  facere  pergas. 

Scribam  ad  episcopum  tuum,  quum  plusculum  quid  ocii  nactus 
fuero  et  meliuscule  mecum  cum  valetudine  agetur,  cum  qua  nondum 
potui  redire  in  gratiam.  tune  et  procurabo  si  qua  possimus  te  in 
clientelam  Caesaris  inducere.  nunc  quia  abest  et  ita  tumultuamur 
omnes  belli  causa  4),  ne  si  bene  quidem  yalerem,  id  procurare  pos- 
sem.  salutes  velim  meo  nomine  virum  clarissimum  dominum  Hiero- 
nymum  Bomgartner1 2),  qui  nuper  in  hoc  conventu  oratorem  pro  pa- 
tria  agebat,  quem  quia  audio  esse  et  integra,  vita  virum  et  hominem 
graece  latineque  doctissimum,  vix  credas  quam  cupiam  esse  mihi  non 
minus  amicitia  quam  nomine  conjunctum.  speravi  id  quidem  fieri, 
quum  liic  esset,  et  ad  hanc  rem  se  veluti  proxenetam  pollicitus  est 
decanus  Wormatiensis,  sed  nescio  quo  pacto  haec  felicitas  mihi 
temere  praeterfluxit,  dum  omnes  variis  hinc  inde  curis  distinemur  et 
rem  majoris  commoditatis  spe  protrahimus.  verum  quum  vera  ami- 
citia a virtute  animi  proficiscatur,  qui  neque  oculis  neque  attactu 
corporis  indiget,  quamlibet  inter  nos  corpore  disjuncti  et  absentes, 
animo  tarnen  et  mutv.a  voluntate  jungi  et  litteris  (qui  dulcis  animi 
fructus  est)  ex  absentibus  presentes  semper  fieri  poterimus,  si  modo 
id  habeat  animi  Hieronymus  jam  mens  quo  erga  me  affectum  eum 
esse  decanus  faciebat  fidem.  salutes  item  velim  et  dominum  Geor- 
gium  Hartmannum,  qui  si  nos  aliquando  visere  dignatus  fuisset,  et 
fecissem  ego  libenter  hujus  viatici  sumptum  et  non  vulgari  a me 
munere  donatus  rediiset,  non  quod  ipse  meis  fortunis  indigeat,  quem 
audio  et  corpore  et  opibus  non  minus  quam  bonis  litteris  habiliorem 
factum,  sed  ut  haberet  . . .3 4)  aliquod  et  pignus  amoris  summi  erga 
se  mei : sed  et  dedissem  ei  negocium  non  absque  bono  ipsius  lucro, 
nonnulla  mathematica  organa  mihi  fabricandi.  vide  quo  me  rapiat 
immensus  amor  tui:  quum  enim  principio  decrevissem  brevibus  scri- 
bere  et  calamum  quoad  ejus  fieri  poilset  in  laconismon  comprimo, 
ita  me  delectat  quocumque  possum  modo  tecum  loqui,  ut  factus  siun4) 
vel  Asiaticis  ipsis  profusior.  vale. 

Ratisponae  25  augusti  1532. 

5.  Aleander  an  Haner:  dankt  für  das  Astrolabium  Hart- 
manns [nach  1582  August  27  Regensburg.] 

Aus  Cod.  Vat.  8075  fol.  80a. 


1)  D.  i.  der  Krieg  gegen  die  Türken,  zu  dem  der  Kaiser  und  der 
römische  König  im  August  1532  von  Regensburg  aus  sich  in  Bewegung 
setzten. ..  Ranke  IV6  S.  306 ff. 

2)  Über  Hieronymus  Baumgartner  s.  Allgein.  Deutsche  Biogr.  II  S.  168f. 

3)  Es  folgt  ein  von  Aleander  eingefügtes  griechisches  Wort,  welches 
durch  Überkleben  unleserlich  geworden  ist. 

4)  Sic! 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  175 

Commodum  obsignaveram  alteram  epistolam,  expectans  tabella- 
rium  qui  istuc  iret,  quum  mihi  redditae  sunt  literae  tuae1),  una  et 
Astrolabium  excusum  Hartmanni  nostri,  quod  eo  mihi  charius  visum 
est  quia  ex  amicissimo  animo  sponte  venit.  ego  quid  contra  nunc 
rependam,  prae  manibus  non  habeo,  sed  quia  mihi  adhuc  aliquod 
tempus  est  in  Germania  commorandum,  dabitur  occasio  qua  cognos- 
cat  vir  optimus  et  in  hoc  studiorum  genere  eminentissimus,  me  et 
munus  et  virtutes  ejus  et  amicitiam  nunc  primum  inter  nos  initam, 
vel,  ni  fallar,  jampridem  Romae  ceptam  et  nunc  renovatam,  non 
minimi  facere.  respondissem  fortasse  nonnihil  ad  tuas  litteras,  sed 
quia  hic  nuncius,  qui  mihi  eas  una  cum  Astrolabio  reddendas  curavit, 
jamjam  discessurus  dicitur,  finemfacio;  alioquin  nihil  fere  vel  paulo 
amplius  habeo  quod  ad  te  scribam,  quam  id  quod  in  altera  epistola 
scriptum  est.  vale  et  bono  animo  esto. 

G.  Haner  anAleander:  Neujahrswünsche.  Aleanders Weggang 
aus  Deutschland ; Bitte,  ihn  nicht  zu  vergessen.  Einsendung  eines 
Empfehlungsbriefes  des  Cochlaeus.  Baumgärtner.  Nürnberg  und 
das  Luthertum.  1533  Januar  29  Nürnberg. 

Aus  Cod.  Vat.  6199  fol.  96a  eigenh.  Original,  dem  die  Adresse 
fehlt,  mit  Präsentationsvermerk  von  Aleanders  Hand:  Bononiae 
8 martii  1533. 

Pro  cepti  hujus  anni  felicibus  auspiciis  cum  ad  praesens  nihil 
habeam  amplius,  praesul  Rme,  saltem  prompta  ac  pia  mea  obsequia 
animumque  perpetuo  Clementiae  Tuae  obstrictum  et  ad  omnia  vota 
propensum  proclinatissimumque  strene  loco  offero,  ac  juxta  Deum 
impense  precor  ut  laeta  ac  secunda  omnia  hoc  toto  ac  perpetuo  anno 
Clementiae  Tuae  obveniant. 

Rme  pater,  post  tuum  e Ratisbona  discessum,  cum  Matthias 
Cal  ab  er  bona  fide  libellum  meum  mihi  reddidisset  seque  ita  mox 
Clementiae  Tuae  vestigia  insequuturum  significasset,  non  passus 
sum  pro  mea  observantia  hunc  litteris  ad  te  vacuum  abire: 
eas  non  dubito  Clementiae  Tuae  redditas  esse,  interim  dum  ego 
eventum  Turcici  belli,  pariter  et  Matthie  reditum  una  cum 
Clementiae  Tuae  litteris  expecto,  certior  alicunde  reddor,  Cle- 
mentiam  Tuam  a pontifice  evocatam  Germanie  fines  excessisse  2) ; qui 
rumor  cum  a me  primum  vanus  haberetur,  tandem  ubi  invaluit,  non 
nihil  animum  meum  turbavit,  eo  quod  benevolentissimo  presule  pa- 
riter et  optimo  patrono  ante  tempus  orbarer.  firmavi  tarnen  animum 
syncera  tua  in  me  propensione,  quam  certus  sum  nulla  locorum 


1)  Nr.  3. 

2)  Vgl.  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland  Abt.  I Bd.  III  S.  36;  Ale- 
ander  befand  sich  damals  in  Bologna  im  Gefolge  des  Papstes,  der  dort 
seine  zweite  Zusammenkunft  mit  Karl  V.  hatte. 


176 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


intercapedo  labefactabit.  proinde  nihil  de  Clementiae  Tuae  in  me 
animo  dubitans,  hactenus  certissima  spe  vixi  Han  er  i memoriam  mi- 
nime tibi  excidisse.  et  tarnen  cum  negotia  tua,  quibus  in  horas 
distringeris,  consydero,  ancius  sepe  fui,  Clementiam  rFuam  in  diversa 
sic  rapi  ut  in  Hanero  recogitando  morula  quaedam  intercedere  pos- 
set.  quo  etiam  factum  est  ut  super  occasione  crebro  dispexerim 
Clementiam  Tuam  commode  per  litteras  salutandi.  et  ecce  cum  haec 
sepe  mecum  reputo,  venerunt  ad  me  Co c lei  litterae,  quo  sequestro 
tantum  in  Clementia  Tua  patronum  nactus  sum,  qui  mihi  non  solum 
calcar  admovit  Clementiam  Tuam  salutandi,  sed  et  preterea  locum 
indicavit,  ubi  modo  pontificis  legatum  ageres.  deinde  etiam  litteras 
mihi  ad  te  transmisit,  in  quibus  si  honorificam  mei  facit  mencionem  *), 
amici  facit  offitium,  eo  majore  gratia  a me  pensandum,  quando  per 
se  hoc  fecit,  cum  interim  non  ausus  fuerim  id  ipsum  postulare.  mitto 
ergo  Clementie  Tue,  pater  ac  patrone  colendissime,  optimi  amici 
litteras,  quibus  meas  preterea  addere  libuit,  non  modo  ut  Han  er  i 
memoriam  tibi  refricarem,  sed  ut  meam  quoque  perpetuam  in  Clemen- 
tiam Tuam  observantiam  ac  propensum  Studium  significarem.  proinde, 
clementissime  presul,  si  Hanerus  aduc  animo  tuo  heret,  si  successi- 
bus  illius  studes,  si  denique  memor  es  ultime  tue,  et  quam  loco  vale 
mihi  misisti,  obtestationis,  fac  ut  cum  honesta  aliqua  pensione  Haneri 
memineris  et  studia  mea,  alioqui  Clementie  Tue  dedicata,  omnifariam 
tibi  devincies. 

Baumgartn er us  olim  in  se  recepit  Clementiam  Tuam  reve- 
renter  salutandi,  et  non  dubito  factum  esse.  Lutheranismus 
novam  apud  nos  parturiit  ordinationem,  cui  eg o me  constanter 
objeci  et  profeci  non  nihil,  etsi  amplior  fuisset  spes,  de  qua  tarnen 
nondum  excidi;  brevi  tarnen  Clementiam  Tuam  de  omnibus  certiorem 
reddam.  vale,  pater  ac  patrone  colendissime,  Haneri  gratiose  memor. 

E Neroburgo  29  januarii  33. 

7.  Haner  an  Aleander:  Verwunderung  über  dessen  Schweigen 
seit  seinem  Fortgang  aus  Deutschland.  Veröffentlichung  der  Axio- 
mata  de  syncera  cognitione  Christi  durch  Cochlaeus;  dadurch  wider 
Haner  heraufbeschworene  Gefahren.  Schwierigkeit  seiner  Stellung 
in  Nürnberg.  Bitte  um  eine  Unterstützung,  die  ihm  ermögliche, 
anderswo  unbehelligt  zu  leben.  Bedrängnisse  des  römischen  Königs. 
.1534  Mai  27  Nürnberg. 

Aus  Cod.  Vatic.  6199.  fol.  97  eigcnh.  Orig.,  mit  Präsentations- 
vermerk von  Aleanders  Hand  : Venetiis  13  augusti. 


1)  Der  betr.  Brief  des  Cochlaeus  hat  sich  nicht  erhalten,  wohl  aber 
die  Antwort  Aleanders  vom  29.  August  1533,  in  der  er  bedauert,  daß  er 
für  Haner  die  erhoffte  Unterstützung  nicht  habe  auswirken  können-,  s. 
Zeitschiv  f.  Kirchengesch.  Bd.  18  S.  240. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


177 


Etsi  pro  perpetua  mea  observantia,  pater  atque  arcbipresul 
Rme,  sepe  alias  ad  Clementiam  Tuam  litteras  dederim,  tantum  ne 
meo  deessem  offitio  utque  perpetuo  testatam  haberet  semel  obstricte 
fidei  mee  rationem,  nunquam  tarnen  contra  ab  eo  tempore  quo  e 
Ratisbona  digressus  es,  rescire  mihi  licuit  animi  tni  in  me  significa- 
tionem.  quid  autem  in  caussa  fuerit,  quod  Clementia  Tua  hactenus 
nulla  me  responsione  dignavit,  certum  non  habeo.  equidem  de 
Clementie  Tue  veteri  in  me  animo  nondum  dubitare  potui,  utpote 
tanta  propensione  olim  mihi,  non  declarato  modo,  sed  et  preterea 
sponsione  quadam  sancta  jurato.  quod  si  hactenus  legationis  tue1) 
quottidiana  inquietudo  atque  negotiorum,  quibus  Rma  Paternitas  Sua 
in  horas  singulas  premitur,  moles  Clementiam  Tuam  propter  innu- 
meras  occupationes  rescribere  non  sivit,  presens  tarnen  temporis  ra- 
tio  et  negotium  hoc  ingens,  quod  mihi  facessitur  hodie,  si  modo  ulla 
Haneri  consyderatio  in  animo  tuo  sedet,  Clementiam  Tuam,  pater 
Rme,  diutius  tacere  non  sinet. 

Annus  propemodum  nunc  integer  labitur  quando  ego  libellum 
quendam  meum  de  syncera  cognitione  Christi  deque  recta  in  illum 
tide,  brevibus  aphorismis  absolutum,  illustrissimo  ac  piissimo  principi 
Saxoniae  Georgio  privatis  usibus  habendum  vel  eciam,  si  ita  vide- 
retur,  publico  donandum  transmisi.  is  hactenus  apud  principem  de- 
sedit  privatus,  ut  spes  nulla  mihi  fuerit  hunc  publici  juris  aliquaDdo 
futurum,  contigit  autem  paucis  ante  hasce  proximas  Francoford  ien- 
sium  nundinas  diebus  ut  me  eximius  doctor  Cochleus  hujus  editionis 
per  litteras  certiorem  redderet  qualiterque  idem  ille  libellus,  suis 
adeo  expensis,  Lipsiae  excuderetur2),  principe  forte  hoc  hominis  Stu- 
dium non  curante  admodum  vel  dissimulante  potius.  ego,  qui  sine 
principis  patrocinio  libellum  in  publicum  extrudi,  presertim  in  tarn 
turbulentissimo  hoc  Germaniae  nostre  statu,  non  volui,  non  perinde 
aequanimiter  hanc  editionem  tuli.  nihil  tarnen  per  litteras  respondi 
aliud  quam  intempestiva  hac  sua  festinatione  atque  opera  se  ingens 
negotium  facturum  Hanero,  in  quo  animus  certe  meus  me  minime 
fefellit.  quamprimum  enim  unum  atque  alterum  exemplar  e nundinis 
allatum  est,  statim  ita  mox  pessime  apud  m ultos  audire  cepit  Hane- 
rus  juxtaque  quorundam  animi  sic  in  me  irritati  atque  exasperati 
sunt,  ut  certe  si  non  causse  ipsius  bouitas  ac  veritas,  deinde  eciam 
conscientiae  meae  testimonium  atque  innocentia  vitae  me  retinuissent, 
de  emigraudo  ac  de  solo  vertendo  cogitassem.  sed  resederunt  tan- 


1)  Aleander  war  seit  1533  Nuntius  in  Venedig;  Nuntiaturbericht  a. 
a.  0.  S.  37. 

2)  Vgl.  Cochlaeus’  Schreiben  an  Vergerio  vom  24.  Dezember  1533, 
in  Zeitschr.  f.  Kirchengesch.  I3d.  18  S.  242.  — Gleichzeitig  bemühte  sich 
Cochlaeus,  Haner  in  Mainz  ein  Unterkommen  zu  verschaffen : ebendaselbst 
S.  247  u.  248. 


178  W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 

. I 

dem,  Deo  ingentes  sint  gratie,  turbulentissimae  liae  procellae  studio  I 
et  opera  eorum  qui  plus  veritati  quam  sectarum  studiis  favent,  quos  i 
insignes  et  eos  quidem  non  paucos  urbs  nostra  habet.  crudescit 
tarnen  in  me  adversariorum  odium  et  non  modo  occulta  in  me  ex- 
estuat  ira,  sed  et  preterea  impotentibus  immoderati  animi  inditiis  se  J 
palam  erexit1),  ut  de  quiete  propemodum  desperatum  sit  mihi,  et  ! 
ne  quid  deesset  molestiarum,  adversarius  quoque  mihi  contigit2),  qui 
me  aculeatis  suis  scriptis  egregie  traduxit  in  publicum,  homo  certe  ! 
facundulus,  nihil  tarnen  minus  quam  theologus.  ejus  ego  calumnias  : 
et  ignorantias  uno  propemodum  spiritu  retudi,  sed  scriptura  privata, 
exortae  enim  tempestatis  metu  nondum  quicquam  audeo  in  publicum, 
ne  scilicet  exulceratis  in  me  animis  acetum  iufundam  atque  per  hoc  | 
forte  omnem  reliquam  ocii  atque  studiorum  meorum  quietem  inter- 
turbem.  cogor  ergo,  velim  nolim,  in  angulo  mussitare  ac  mea  om- 
nia  eatenus  certe  premere,  donec  tandem  per  patronos  ac  fidos  ami- 
cos  commodum  alicubi  studiorum  meorum  latibulum  paretur.  inter  quos 
ut  Clementia  Tua  honorificentissimo  loco  est  atque  in  ea  denique 
cum  dignitatis,  tum  et  fortune  insuper  arce  posita,  ut  potior  certe 
studiorum  meorum  et  ratio  et  commoditas  hinc  mihi  speranda  sit. 
iccirco  Rmam  Paternitatem  Tuam  per  communem  Christum,  cujus 
caussam  ago,  perque  ipsissimam  veritatem,  cujus  patrocinium  ipse  in 
me  recepi,  eciam  atque  eciam  supplex  oro  ut  Clementia  Tua  presen- 
tis  turbe  ac  periculorum  in  quibus  versor  respectu,  deinde  eciam  in- 
terturbati  atque  alligati  studii  mei  consyderatione  habita  velit  Haneri 
tarn  tandem  dementer  meminisse,  sic  ut  is  honesta  vite  ratione  ac 
calamo  denique  libero  oppressam  veritatem  tueri  possit : id  quod 
cum  a Rma  Paternitate  Tua  pensione  quadam  mediocri  vel  undecum- 
que  decisa  levi  negotio  curari  ac  prestari  possit,  certissime  mihi 
persuadeo  me  studiorum  meorum  fructum  aliquem  Tue  Clementie 
benignitate  brevi  admodum  capessituriun,  maxime  quando  hec  pre- 
sens  in  quo  versor  discriminis  ratio  postulare  videtur.  meminerit 
ergo  Clementia  queso  Tua  presentis  mee  necessitatis,  et  ego  tarn 
ero  collati  in  me  benefitii  memor  ac  gratus,  ut  non  modo  ejus  Cle- 
mentiam  Tuam  non  peniteat,  sed  et  vix  in  quemquam  collocatum 
esse  possit  melius,  libelli  mei  exemplaria  quedam  dominus  Cochleus 
Clementie  Tue  transmittit,  que  ut  a piis  omnibus  obviis  excepta 
sunt  manibus,  ita  non  dubito  quoque  ad  Clementie  Tue  palatum  ea 
facere. 

Germania  nostra  non  uno  loco  tumultuatur  et  serenissimi 
regis  nostri  caussa  ducum  vel  imprudentia  vel  perfidia,  ut  dici- 

1)  Orig.:  exerit. 

2)  Dies  war  Thomas  Yenatorius,  ebenfalls  ein  Niinberger,  der  noch 
i.  J.  1534  die  Gegenschrift  veröffentlichte : Epistola  apologetiea  de  sola 
fiöe  justificante  nos  in  oculis  Deis  ad  J.  Hanerum.  Ygl.  Allg.  Deutsche 
Biogr.  X S.  512-,  XXXIX  S 600. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  179 

ttir.  in  summurn  adducta  est  discrimen  1),  de  quo  tarnen  is  proenl 
dubio  respirabit  atque  emerget.  nt  multorum  est  spes,  licet  rerum 
facies  alind  pre  se  ferat,  vale,  pater  ac  patrone  clementissime,  at- 
que Hanerum,  ut  semel  cepisti.  perpetua  clementie  ac  benignitatis 
tue  dignatione  prosequere. 

E Neroburgo  27  maji  34. 

8.  Haner  an  Pietro  Paolo  Vergerio:  Freude  über  das  Kom- 
men des  letzteren.  Hoffnung  auf  seine  Gönnerschaft.  Übersendung 
einer  Abhandlung  zur  Konzilsfrage,  [etwa  Anfang  August  1585] 2 . 

Ans  Venedig  Bibi.  Marciana  cod.  lat.  cl.  IX  Nr.  66  fol.  89 
eigenh.  Original. 

Empfindet  große  Freude  über  daslange  erwartete  Kommen  [ad ventus] 
des  Vergerio  : spero  enim  Rmam  Paternitatem  Vestram  post  Deum  casum 
huuc  meum,  quem  religionis  ergo  atque  reipublice  Christiane  caussa 
feci,  sua  praesentia  ac  moderatione  instauraturam  fore  reparaturam- 
que.  nam  qua  me  animi  propensione  Rma  Paternitas  Vestra  prose- 
qui  ceperit  atque  eciamnum  dignata  sit,  non  modo  ex  clementissimi 
praesulis  Viennensis,  domini  mei  colendissimi 3),  privatis  litteris  di- 
dici,  sed  et  gravi  insuper  gratiae  atque  beneficentiae  argumento 
expertus  sum4).  eam  ergo  gratiae  atque  concepti  in  me  favoris  signi- 
ficationem  qua  me  Rma  Vestra  Paternitas  semel  dignata  est.  perpetuo 
supplex  ac  reverenter  oro  mihi  servet  et  ad  operis  tandem  fructum 
aliquem  in  studiorum  meorum  ocium,  solatium  atque  quietem  promo- 
veat,  et  pro  virili  mea  adnitar  ut  laboranti  pro  mea  mediocritate 
non  defuturus  sim  ecclesiae  neque  item  Rmae  Paternitatis  Vestrae 
vota  frustraturus.  quin  pocius  hoc  sedulo  agam,  ne  Rmam  Paterni- 
tatem Vestram  propense  sue  in  me  dignationis  atque  insuper  collate 
in  me  gratie  ac  beneficii  peuitentia  occupatnra  sit  ulla.  offero 
autem  una  cum  praesentibus  Rme  Paternitati  Vestre  pium  meum 
super  foelici  concilii  sucessu  votum5),  ad  cujus  eciam  calcem  Rma 


1)  Nämlich  durch  das  Unternehmen  des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 
zur  Wiedereinsetzung  Herzogs  Ulrich  in  Württemberg.  Vgl.  J.  Wille, 
Philipp  d.  Grossm.  u.  d.  Restitution  Ulrichs  von  Württemberg.  Tüb.  1882. 

2)  Der  Brief  scheint  in  der  Erwartung  der  Ankunft  Yergerios  in 
Bamberg  (wohin  Haner  Anfang  1535  aus  Nürnberg  entwichen  war)  ge- 
schrieben zu  sein,  die  am  7.  oder  8.  Anglist  1535  erfolgte  (vgl.  den 
folgenden  Brief). 

3)  Johann  Fabri,  Bischof  von  Wien  1530 — 1541. 

4)  Dies  ist  wohl  eine  Anspielung  auf  die  Verleihung  einer  Bamberger 
Pfründe  durch  Vergerio.  Nach  Nr.  10  von  7.  Novbr.  1537  besaß  Haner 
die  Anwartschaft  auf  diese  Pfründe  damals  seit  fast  3 Jahren  5 die  Ver- 
leihung mag  demnach  aus  dem  Anfang  1535  datieren,  also  aus  der  Zeit  als 
Haner  Nürnberg  verließ  und  sich  nach  Bamberg  wandte,  letzteres  viel- 
leicht eben  in  Folge  mit  dieser  Verleihung. 

5)  Die  Schrift,  auf  welche  Haner  sich  hier  bezieht,  eine  Abhandlung 


180 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haneis. 


Paternitas  Vestra  duram  meam  sortem  et  desideriorum  meorum  ra- 
tionarium  atque  elencbum  habet* 1),  ea  venerabundus  peto  serena 
fronte  et  benevolente  animo  Rma Paternitas  Vestra  suscipere  ac  solitasua 
clementia  ac  pietate  prosequi  velit;  et  quod  ecclesiae  utile  atque  Ha- 
nero  commodum  futurum  est  prospicere.  quae  sub  primum  Rmae 
Paternitatis  Vestrae  accessum  obtrudere  libuit,  ut  per  haec  aditus 
mihi  pateret  liberior  utque  Rma  Paternitas  Vestra  habeat  non  modo 
studiorum  meorum  gustum;  sed  et  aerunnarum  mearum  memoriale. 
cui  eciam  si  quando  per  occasionem  et  opportunitatem  licet?  post- 
quam  scilicet  Rma  Paternitas  Vestra  hunc  itineris  sudorem  absterserit 
et  feriationem  a publicis  negotiis  fuerit  nacta,  studia  mea  propius 
cognita  facturus  sum  . . . 

9.  Haner  an  Vergerio:  Weggang  des  Nuntius  aus  Bamberg. 
Wunsch  durch  seine  Vermittlung  Zugang  zur  Dombibliothek  zu  er- 
halten. Sonstige  Anliegen  ; Pfründensachen  ; Empfehlungen.  Bitte 
ihm  einen  sicheren  und  ausreichenden  Unterhalt  zu  beschaffen. 
1535  August  13  Bamberg. 

Aus  Venedig  Bibi.  Marciana  cod.  lat.  cl.  IX  Nr.  66  fol.  38 
eigenh.  Orig. 

Rme  pater,  etsi  optassem  eg o Rmam  Paternitatem  Tuam  unam 
aduc  diutius  atque  alteram  denique  diem  nobiscum  diversatum  fuisse2), 
malo  tarnen  tarn  meo  illo  desiderio  quasi  propriis  et  privatis  item 
commodis  carere  quam  sanctissimum  hoc  cogendi  concilii  votum  et 
institutum  vel  uno  momento  differri.  unum  tarnen  in  desideriis  ha- 
buissem  maxime,  si  modo  per  crebras  occupationes  Rmae  Paternitatis 
Tuae  hoc  facere  licuisset,  ut  per  ocium  scilicet  bibliothecam  cathe- 
dralis  ecclesiae  ejusque  libros  antiquae  venerationis  ac  vetustatis 
item  adorande  lustrasset.  mihi  non  contigit  neque  eciam  datum  est 
hactenus  illam  vel  procul  videre,  taceo  quod  permissus  forem  libros 
ejus  excutere.  malunt  enim  nostri  morosi  hypocrite  — hos  noto 
qui  huic  praesunt  — eos  oppletos  esse  digitalibus  pulveribus  potius 
multo  quam  ut  studiosorum  manibus  hos  attrectandos  donent.  eg o 
semel  in  elenchum,  inquam  librorum  hujus  bibliothecae  indicem,  in- 
cidq  ex  quo  item  notavi  pleraque,  maxime  quae  in  perturbatissimo 
hoc  ecclesiae  statu  atque  tempore  rescire  haud  puto  esset  iuutile. 
Rma  erg0  Paternitas  Tua,  ubi  cum  primo  nuncio  ad  presulem  nos- 
trum  literas  dederit,  oro  haue  facultatem  mihi  impetret  eam  bibliothe- 
cam libere  adeundi  ejusque  singulos  libros  diligenter  excutiendi  et 


über  das  Konzil,  befindet  sich  im  Autograph  auf  der  Marcusbibliothek  in 
Venedig  als  Cod.  lat.  cl.  III  Nr.  107. 

1)  Der  Schluß  ist  im  Autograph  abgerissen. 

2)  Über  Vergerios  Aufenthalt  in  Bamberg  (c.  8 — 10  August  1535)  s. 
Nuntiaturberichte  Bd.  I S.  574  ff. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  181 

quicquid  in  rem  omnium  et  communem  quoque  ecclesiae  ipsius  futu- 
rum est  obiterque  vestiganti  mihi  in  eis  occurrerit,  summo  certe 
studio  et  quam  brevissime  ipse  possum  aunotabo.  apperiat  itaque 
mihi  Rma  Paternitas  Tua  hoc  ostium,  ut  ad  hunc  secretioris  cogni- 
tionis  thezaurum  mihi  über  sit  aditus,  et  spero  me  plus  fructus  inde 
relaturum  esse  paucis  diebus  quam  sit  factum  a nostris  ociosis  ali- 
quot retro  saeculis. 

De  typographo  eximius  doctor  Othonellus1)  referet.  cupio  enim 
hoc  unum  scire  quid  cum  exemplaribus  me  facere  oporteat,  de  quo 
significabit  Rma  Paternitas  Tua  cum  proximo  tabellario.  in  hoc 
enim  totus  sum  ut  Rme  Paternitatis  hic  jussionibus  per  omnia  cupiam 
obsequi. 

Venerabundus  autem  Rmam  Paternitatem  Tuam  suppliciter  exoro 
ut  commissionem  caussae  meae,  cujus  exemplar  informe  Rma  Pater- 
nitas Tua  secum  tulit,  rite  atque  legittime  descriptam  quamprimum 
ad  me  mittere  velit,  maxime  in  adversariorum  terrorem  et  ut  nego- 
tium per  eam  his  faciam  qui  Rmae  Paternitati  Tuae  parum  integre 
favent ; novit  Rma  P.  Tua  quos  signem;  certo  prodentur  hinc  quo- 
rundam  parum  syncera  studia. 

Quoniam  vero  Rma  P.  Tua  me  gratia  expectativa  canonicatus 
collegiatae  ecclesiae  extra  muros  in  Haugis  Herbipolensis  civitatis 
dignata  est;  ut  hujus  ego  gratiae  fructum  precocem  et  maturum  sen- 
tiam,  per  Deum  oro  Rma  Paternitas  Tua  eciam  primarias  suas  preces 
per  nuncium  — nam  ut  per  sb  faciat,  postulare  non  sum  ausus  — 
apud  hujus  ecclesie  capitulum  insuper  addat. 

Cupio  etiam  per  Rmam  P.  Tuam  optimo  olim  principi  meo2),  si 
modo  se  ejus  opportuna  obtulerit  occasio,  reconciliari.  alienavit 
hunc  principem  mihi  non  voluntas  certe,  sed  aemulorum  perversitas. 

Praeterea  ubi  Rma  P.  Tua  archiepiscopum  Moguntinum3)  in 
hoc  itinere  convenerit,  faciat  obsecro  vel  unico  huic  studiosorum 
Maecenati  me  commendatissimum.  ego  si  modo  mihi  per  fortunam 
licebit,  dedicaturus  illi  sum  meum  de  novae  legis  sacrifitio  libellum 
satis  justum  et  praemunitum. 

Opto  quoque  illustrissimo  atque  piissimo  principi  Georg  io  Saxo- 
niae  duci  per  Rmam  Paternitatem  Tuam  arctius  insinuari,  maxime 
quod  propter  dicatum  Suae  Magnificentiae  libellum  meum  in  has 
erunnas,  quibus  nunc  angor  et  discrutior,  protrusus  sim. 

Et  ut  semel  finiam,  quoniam  me  annose  matris  tarn  pietas  quam 
desiderium  proprieque  valetudinis  parum  justa  ratio  ac  integritas 
perpetuo  anxium  et  solicitum  habet,  Rmam  Paternitatem  Tuam  per 


1)  Ottonello  Vida,  Auditor  des  Vergerio. 

2)  D.  i.  der  Bischof  von  Würzburg  (s.  o.  Nit.  2 u.  4),  nach  dessen 
Residenz  Vergerio  eben  jetzt  unterwegs  war. 

3)  Kardinal  Albrecht  von  Brandenburg  1514—1545. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  4. 


13 


182 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Hauers. 


communem  Christum  oro  ut  in  hac  omni  profectione  sua  dignam 
Han  er  i rationem  habere  velit,  maxime  sicubi  se  offerret  honesta  vi- 
tae  conditio  et  studiis  meis  accommodata.  poterit,  si  non  per  aliorum 
voluntatem,  saltem  per  suam  auctoritatem  Rma  Paternitas  Tua  Han  er  o 
prospicere,  de  quo  quaeso  patriam  solicitudinem  atque  curam  Rma 
Paternitas  Tua  nolit  quaeso  projicere,  et  ego  non  solum  pro  collata 
in  me  gratia  proque  donato  mihi  benfitio,  sed  et  insuper  pro  incli- 
nata  et  propensa  mea  in  Rmam  Paternitatem  Tuam  observantia  et 
fide  nihil  certe  studii  operis  laboris  atque  obsequii  insuper  Rme 
Tue  Paternitati  negaturus  sum,  sed  facturus  omnia  quae  vel  Rma 
Paternitas  Tua  imperare  mecum  audet  vel  ego  pro  mea  virili  pre- 
stare  possum,  servitiis  ac  ministeriis  Rmae  Paternitatis  Tuae  eciam  im- 
mori  paratus. 

Vale,  pater  Rme,  atque  hasce  ex  me  literas  Rma  P.  Tua  monu- 
menti  atque  memorialis  vice  apud  se  habeat  omniaque  sibi  de  Hanero 
alacriter  promittat,  tamquam  de  eo  qui  nominis  famae  honoris  atque 
dignitatis  hujus  tuae  sicientissimus  atque  item  observantissimus  est. 

E Bamberga  currente  ac  festinante  calamo  13  augusti  35  1).  . 

10.  Haner  an  Aleander:  Dank  für  einen  Brief  und  eine  Ver- 
leihung. Klagen  über  seine  Neider/  die  ihn  nicht  in  den  Besitz  der 
ihm  von  Vergerio  verliehenen  Pfründen  kommen  lassen.  Bitte  um 
Aleanders  Beistand.  Briefe  an  Kardinal  Farnese  und  den  Papst. 
Werk  über  die  Rechtfertigungslehre.  Bitte  um  Zuwendung  einer 
Pfründe  aus  dem  Nachlaß  des  Johannes  Zeiss.  1537  November  7 
Bamberg. 

Aus  Cod.  Vatic.  6199  fol.  161 — 162,  eigenh.  Original  (mit 
dem  Präsentationsvermerk  von  Aleanders  Hand:  Romae  12  dec.) 

Litere  tue,  Rme  pater,  quas  primuni  ad  duodecimum  kalenda- 
rum  novembrium  diem2)  accepi,  mihi  gratissime  simul  atque  jucun- 
dissime  fuerunt.  gratissime  propterea  quod  a te,  incomparabili  pa- 
trono  honorisque  ac  commodi  mei  amantissimo,  profecte  sint ; jucun- 
dissime  vero  iccirco  quod  nunciarunt  scilicet  rem  mee  inopie  ac  te- 
nuitati  letissimam3)  et  quo  nulla  mea  vel  vota  vel  desyderia  exten- 

1)  Ein  fernerer  Brief  Hauers  an  Vergerio  vom  7.  Sept.  1535  (d.  d. 
Bamberg)  liegt  im  gleichen  Kodex  fol.  40 — 41  vor,  worin  sehr  weitläufig 
die  Streitsache  Haners  gegen  den  Dekan  Neydecker  zu  Bamberg  um  eine 
gewisse  Pfründe  auseinandergesetzt  wird,  mit  der  Haner  providiert  worden 
war,  während  Neydecker  sie  sich  in  Rom  übertragen  ließ,  mit  dringender 
Bitte  des  ersteren  an  Vergerio  ihm  beim  Papst  und  auf  allen  Wegen  zu 
seinem  Recht  zu  verhelfen.  — Über  die  von  Vergerio  Haner  verheissenen 
Pfründen  vgl.  auch  den  nächstfolgenden  Brief. 

2)  21.  Oktober. 

3)  Es  handelte  sich  um  die  Anweisung  einer  Pension  aus  den  Gefällen 
der  reichen  Würzburger  Dompropstei:  vgl.  Nuntiaturberichte  Bd.  4 S.  172 
Anm.  1 und  S.  174  Z.  31. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  183 

derunt.  nihil  enim  minus  vel  cogitavi  vel  speravi  unquam,  ut  mihi 
ejus  Deus  testis  est  et  haec  mea  ab  omni  fuco  et  impostura  aliena 
conscientia.  verum  quo  haec  inexpectatiora  mihi,  eo  plus  gratiarum 
cumulatissimarum  quidem  et  maximarum  Clementie  Tue  debeo,  qui 
me  tua  commendatione  et  interventu  ad  hunc  fortune  gradum,  nullo 
meo  merito  intercedente,  promovisti.  satis  abunde  Clementia  Tua 
seit *)  quiequid  a die  inite  inter  nos  amicitie,  immo  quiequid  a tem- 
pore prompte  hylariterque  oblate  tue  benevolentie,  tempprum  horum 
injuria  preter  amborum  votum,  huc  usque  dilatum  fuit.  sed  quod 
ego  pro  tarn  ingenti  et  immenso  in  me  benefitio  Clementie  Tue  de- 
beam,  non  est  quod  verbis  apud  te  exprimam.  re  potius,  si  dabitur, 
prestitero,  id  quod  et  gravi  inditio  facturus  sum,  nisi  me  fugax  hec 
vita  ante  tempus  destituat;  nam  que  ego  molior,  non  modo  Clementie 
Tue  votis  responsura  fore  spero  adque  exactum  illius  gustum  factura, 
sed  et  preterea  ad  tocius  hodierni  in  religione  conflictus  certam  vic- 
toriam  et  perpetuum  tropheum,  quorum  eciam  pars  aliqua  sub  Cle- 
mentie Tue  tarn  nomine  quam  patrocinio  publicabitur  orbi  atque  sub 
omnium  conspectum  et  manus,  quam  primum  scilicet  per  opportu- 
nitatem  et  commoditatem  dabitur,  veniet.  ego  certe  ut  ex  hoc  in- 
opinatissimo  benignioris  fortune  respectu,  hoc  est,  ex  hac  larga  et 
benefica  Dei  manu,  multum  alacritatis  ac  melioris  item  spei  in  ani- 
mo  concepi,  ita  sunt  ex  amicis  et  inimicis  multi  qui  partim  dolent 
hunc  bolum1 2)  ereptum  eis,  partim  vero  merent  et  uruntur  hac  aliena 
fratris  felicitate.  experior  autem  nunc  nimis  sero,  majorem  scilicet 
fidem  habendam  ac  multo  plura  me  debere  illis  qui  procul  a me 
dissiti  sunt  ac  juxta  tarnen  presentem  mei  memoriam  habuerunt, 
quam  qui  presto  et  ad  manum  positi  suamque  operam  verbis  in 
omnem  eventum  polliciti,  re  hactenus  nihil  prestiterunt,  quando  po- 
cius  felitiorem  fortune  cursum  studiose  inter verterunt.  tempero  mihi 
hic  ab  eorum  nominibus,  qui  ut  me  hactenus  spe  lactaverunt  inani, 
ita  hodie  egerrime  ferunt  vel  studiorum  meorum  rationem  ab  aliis 
habitam  vel  certe  lianc  portionem  decisam  esse  eis,  que  in  me  Rmi 
atque  Illmi  cardinalis  ac  principis  A.Farnesio3)  domini  mei  clemen- 
tissimi  liberalitate  munificentissime  collata  est.  verum  ut  ego  ingens 
hoc  Dei  benefitium  ac  vite  commodum  me  ab  bis  emulis  recepisse 
penitus  non  aguosco,  ita  neque  gratiam  bis  osoribus  pro  hoc  refero; 
nam  cui  post  Deum  lianc  gratiam  debeam,  preter  Rmum  dominum 
cardinalem  ac  principem  A.  Farnesio  et  Tuam  Clementiam,  alium 
prorsus  neminem  liabeo : vobis  ergo  patronis  meis  clementissimis  ac- 
ceptum  fero  quiequid  benefitii  ex  hac  pensionis  in  me  translatione 
tuli. 


1)  Im  Orig.  sarsit[?] 

2)  Glückswurf,  guter  Bissen. 

3)  So! 

13* 


184 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


Sensi  kactenus,  clementissime  pater,  diu  nimis  iratam  fortunam, 
idque  non  tarn  averso  aut  parum  propitio  Deo,  quam  pessimis  ho- 
minibus  male  mihi  facientibus.  taceo  nunc  qua  arte  mihi  prereptus 
sit  canonicatus  Ratisbonensis  per  Rmum  dominum  patrem  Paulum 
Yergerium  mihi  assignatus;  hoc  referre  libet,  mihi  per  eundem  Sue 
Sanctitatis  nuncium  et  legatum  pro  tradita  et  concessa  sibi  potestate 
gratiam  proxime  vacaturi  in  collegiata  Haugen si  ecclesia  apud  Her- 
bipolenses  factam  fuisse,  adeoque  ita  se  mox  commode  obtulisse  pre- 
bendam  in  mense  pontificio  vacantem,  cathedre  docendique  in  ecclesia 
munus  ac  provinciam  annexam  habentem , a qua  certe  emulorum 
machinatione  prohibitus  fui  neque  hactenus  admissus,  alio  quopiam 
Götzio  preter  jus  fasque  eandern  possesionem  occupante. 

Idem  propemodum  mihi  contigit  in  prebenda  collegiate  hic  apud 
nos  B amberge  sancti  Stephani  ecclesie,  que  per  obitum  et  mortem 
domini  Stephani  Gauchen  steyners  vacavit,  quam  mihi  idem  Rmus 
dominus  legatus  ad  interpellationem  clementissimi  domini  mei  episcopi 
Yiennensis  satis  liberaliter  contulit,  verum  a cujus  possessione  ego 
nunc  triennium  prope  perpetuo  prohibeor,  caussante  ejusdem  ecclesie 
decano  domino  Caspare  Mayn  se  potius  jus  ex  preventione  habere, 
cetermn  cum  prioritatis  prerogativa  valerem  in  impetratione  benefi- 
tiorum  domini  Henrici Ney deckers,  adversum  me  allegabatur  colla- 
toris  libertas,  in  cujus  arbitrio  situm  esset  utri  vacantia  conferre 
vellet;  hic  vero  cum  me  legati  defenderet  autoritas,  id  unum  audire 
fui  coactus  me  esse  preventum.  sic  omnia  staut  pro  arbitrio 
eoruin  qui  pontificis  et  legatornm  suorum  autoritate  pessime  abutun- 
tur.  sed  si  rigor  juris  equaliter  servaretur,  vel  si  regularum  can- 
cellarie  firmitas  perpetuo  stabilis  foret,  nihil  prorsus  juris  haberet 
dictus  decanus  ad  eam  cujus  jam  proxime  memini  prebendam.  si 
enim  tides  habenda  est  tarn  literis  quam  testibus,  constat  eundem 
decanum  eam  ipsam  prebendam  non  semel,  sed  sepius  ac  proinde,  ut 
suspitio  est,  non  solum  post,  sed  et  ante  obitum  ultimi  possessoris 
impetrasse,  cujus  rei  indubiam  et  certam  fidem  Clementie  Tue  facere 
potest  clarissimus  vir  Ambrosius  a Gumpenberg1),  cujus  literas  vidi 
nunciantes  eam  prebendam  prefato  decano  haud  semel  fuisse  assig- 
natam.  quod  si  velit  plus  veritati  quam  vel  amicitie  aut  affectibus 
tribuere,  ut  mihi  de  hominis  integritate  nulla  prorsus  suspitio  est, 
procul  dubio  ad  Clementie  Tue  interrogationem  fatebitur  quae  juri 
meo  patrocinari  haud  leviter  videbuntur.  cum  enim  ipso  -vigilante 
hec  prebenda  dicto  decano  non  semel  assignata  fuit  post  obitum, 
vehementer  presummitur  et  ante  obitum  idem  factum  esse,  quo  com- 
perto  prefatus  decanus  propter  votum  captande  mortis  inidoneus  red- 


1)  Über  Ambrosius  von  Gumppenberg  vgl.  Gregorovius,  Ein  Deut- 
scher Bericht  über  die  Eroberung  Roms,  in  Münchener  Sitzungsberichte 
histor.  Classe  1877  S.  329  ff. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  185 

deretur  et  inabilis  ad  eandem  prebendam  posterius  obtinendam.  que 
omnia  idcirco  Clementie  Tue  pluribus  significavi,  ut  hinc  proprius 
tibi  cognita  fieret  misera  mea  et  infelix  sors,  non  solum  in  hoc  quod 
ab  his  quorum  copia,  multis  quidem  nominibus,  meam  supplere  de- 
beret  inopiam,  non  juvor,  sed  et  preterea  in  eo  quod  in  quesiti  ju- 
ris  mei  prosecutione  cogor  deficere,  ejus  scilicet  tuicione  ac  defen- 
sione  mei  defensionem  nomine  in  se  recipiente,  deserente  me. 

Verum  quoniam  mihi  de  propensa  Clementie  Tue  in  me  volun- 
tate  animus  prorsus  non  heret  certusque  sum  Clementiam  Tuam 
quacumque  occasione  commoda  mea  pro  virili  curaturam,  supplices 
mee  preces  sunt  ut  Clementia  Tua  in  meam  graciam  velit  reverendo 
domino  preposito  in  Haugis  scribere,  ut  facti  eorum  rationem  apud 
te  reddant.  deinde  eciam  per  fidum  familiärem  secretum  datarii 
librum,  in  quo  ejusmodi  extraordinarie  signature  adnotantur,  diligen- 
ter  lustrari  ac  scrutari  facere,  maxime  per  pontificios  menses  janua- 
rium  scilicet  anni  34  et  septembrem  atque  novembrem  anni  33:  ubi 
si  inventum  (ut  spes  certa  est)  fuerit  hanc  domini  Stephani  Gau- 
chensteyners  prebendam  prefato  domino  Caspari  Mayn  decano  in 
nominatis  jam  mensibus,  vel  eciam  in  quinque  primis  mensis  martii 
anni  34  diebus  (sexta  enim  ejus  mensis  primum  Gauchensteyner 
obiit)  assignatam  fuisse,  certa  mihi  spes  est  obtinende  prebende. 
oro  igitur  Clementiam  Tuam  per  I)eum  velit  et  hoc  jus  meum  pro- 
sequendum  benigne  in  se  assumere,  et  quando  sic  constaret,  mox 
citacionem  in  Andream  Neydecker,  prebende  hujus  occupatorem,  mihi 
cum  primo  nuncio  transmittere,  ne  scilicet  triennium  quiete  possessi- 
onis mihi  cum  juris  mei  prejuditio  temere  elabatur.  eg o hactenus 
a litis  tarn  expensis  quam  molestiis  abhorrui;  ceterum  juxta  juris 
mei  votum  ac  desyderium  deponere  non  potui.  quocies  enim  juris 
mei  integritatem  cogito,  non  volens  certe  patior  hoc  mihi  per  cujus- 
quam  impotenciam  violenter  eripi.  de  quibus  omnibus  Clementie 
Tue  consilium  pariter  atque  auxilium  reverenter  ac  supplex  imploro. 
terminus  completi  triennii  ad  proximam  sextam  appetentis  martii  est, 
ne  hoc  quoque  Clementiam  Tuam  fugiat.  ne  frustrentur  autem  mea 
desyderia,  in  literis  omnibus  Clementia  obsecro  Tua  seduloque  sin- 
gula  cum  per  literas  tum  per  familiärem  perquiri  faciat,  quo  sic 
mihi  de  jure  aut  meo  aut  adversariorum  liquidius  constet,  ne  vel 
malam  caussam  prosequar  aut  deseram  bonam,  a qua  anxia  et  quae 
me  plurimum  solicitum  habet  animi  cura  Clementia  Tua  cum  sua 
tum  familiaris  sui  opera  et  diligentia  me  facile  liberabit.  det  autem 
veniam  oro  mihi,  qui  in  perscribendis  illis  fui  prolixior.  interim 
enim  quo  spes  aliqua  superest  legittimi  juris,  ejus  desyderium  in  me 
ardet  neque  facile  deponitur ; quod  si  vero  constaret  mihi  nullum 
prorsus  in  his  jus  esse,  mox  animum  ab  hac  cura  et  solicitudine 
serenarem.  verum  de  hiis  plura  quam  ab  initio  institueram. 

Redeo  nunc  ad  Clementie  Tue  literas.  quibus  me  plane  sub  id 


J 86  W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 

temporis  beavit,  in  quibus  post  declarata  benevolentissime  in  me  1 
propensionis  studia  officiaque,  hortaris  me  tandem  ad  grati  animi  ! 
significationem  perpetuumque  mee  in  Sanmum  Dominum  Nostrum 
ejusque  R,mum  nepotem  *)  observantie  eximie  testimonium,  quod  licet 
utrumque  eciam  non  monitus  mea  sponte  facturus  eram,  multo  tarnen 
alacrius  nunc  id  ipsum  tuo  scilicet  percitus  stimulo  facio,  quod  spe- 
ravi  per  Clementie  Tue  commendationem  mul  tarn  adeo  graciam  lite- 
ris  meis  accessuram.  mitto  ergo  nunc  ad  Clementiam  Tuam  hasce 
colligatas  literas,  quas  oro  Clementia  Tua  meo  nomine  Rmo  cardinali 
A.  Farnesio  presentet  suaque  commendatione  ac  honesta  denique 
mei  commemoratione  gratiores  acceptioresque  efficiat. 

Scripsi  et  ad  Sanmum  Dominum  Nostrum  que  in  rem  fore  com- 
munem  putavi  excitate  scilicet  hujus  in  ecclesia  tragedie  iterum  so- 
piende,  quas  literas  tuis  aliis  insertas  cum  proximo  nuncio  ad  lega- 
tum  apostolicum  Yiennam 2)  amandabo,  in  quibus  (quemadmodum  et 
in  hisce  ad  Rmum  Cardinal em)  spem  certam  summo  pontifici  feci  ob- 
tinende  per  me  victorie  in  summo  et  maximo  justificationis  articulo: 
id  quod  ausus  certe  nunquam  fuissem  ad  suppremum  in  ecclesia 
principem  perscribere,  si  non  me  hujus  palme  certa  fidutia  maneret. 
tarn  multa  enim  sunt  et  tarn  pregnantia  quae  me  gloriosi  hujus 
triumphi  certificaut,  quorum  omnium  illabefacta  cum  veritas  tum  et 
authoritas  insuper  certe  me  non  fallet,  ut  dubitare  de  victoria  non 
possim.  testimonio  ergo  spiritus  audentior  factus  haue  fidei  me 
plerophoriam  non  solum  authoritate  verbi  et  scripture  subnixam, 
sed  et  preterea  piorum  omnium  calculo  ac  sentencia  approbatam, 
quam  primum  per  commoditatem  licebit  multa  fidutia  in  publicum 
dabo,  certus  antea  celum  ruiturum  ac  terram  mari  misceri  posse 
antiquumque  chaos  cum  religionis  ac  rerum  omnium  confusione  prius 
rediturum,  quam  me  mee  rationes  in  hoc  articulo  deficient.  stat 
quidem  veterum  promissionum  veritas  in  assumpte  a verbo  carnis 
sacramento;  ceterum  novi  ac  potioris  testamenti  sponsio  in  promissi 
spiritus  gratie  veritate  posita  est,  cujus  utriusque  finis  et  complemen- 
tum  Christus  cum  sit,  omnis  scilicet  divine  in  nos  dignationis  alplia 
et  omega  adeoque  principium  et  finis,  facile  hinc  apparet  quam  fede 
labantur  et  errent  hii  qui  neglecta  aut  contempta  dispensatione  spiri- 
tus solam  assumpte  carnis  dispensationem  et  expletum  pro  temporis 
ratione  ministerium  urgent.  hii  enim  ex  Christo  idolum  faciunt 
pocioraque  ac  meliora  Dei  in  eo  et  per  eum  promissa  pro  sua  in 
rebus  divinis  crassitie  nimis  suppine  negligunt,  de  quibus  non  est 
nunc  disertandi  tempus. 


1)  Der  oben-  und  hernach  genannte  Kardinal  Alessandro  Farnese. 

2)  Giovanni  Morone,  damals  Nuntius  bei  König  Ferdinand;  vgl.  Nun- 
tia Gurberichte  Bd.  II.  Nach  ebendort  S.  246  hat  Morone  die  Briefe  Haners 
in  der  That  weiterbefördert. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  187 

Ego  in  Galatis  Paulinis1)  sic  versor,  ut  sperem  me  scrupum2) 
ac  hesitationem  in  hac  controversia  omnem  omnium  adeo  mentibus 
dilucida  atque  eadem  facili  opera,  adempturum.  interea  autem  quo 
ego  hec  ipsa  mecum  parturio,  Clementie  Tue  erit  studia  illa  mea 
tarn  pontifici  summo  quam  et  illustrissimo  ejus  nepoti  commenda- 
tiora  facere  juxtaque  in  omnem  occasionem  intentam  esse,  si  qua  se 
forte  uberior  commodandi  mihi  ratio  peroportune  offeret.  nam  quod 
ad  me  attinet,  dabo  pro  mea  virili  operam  ut  de  acceptis  vestris  in 
me  benefitiis  grati  animi  declarationem  non  verbis  modo,  sed  et  re 
insuper  prestem,  taleque  specimen  de  me  memoris  animi  edam  ut 
in  me  ornando  facultatibusque  insuper  et  honoribus  cumulando 
nulli  operi  parcituros,  nulli  etiam  occasioni  vos  defuturos  sperem. 

Vale,  pater  ac  patrone  clementissime,  Haneri  perpetuo  sic  memor 
ut  quem  Clementia  Tua  a rebus  deploratis  ad  spem  melioris  fortune 
vocavit,  sua  quoque  commendatione  provehere  non  desinat. 

E Bamberga  7 novembris  37. 

Cum  eram  jam  has  ad  Clementiam  Tuam  literas  obsignaturus, 
forte  fortuna  affertur  ex  Herbipoli  ad  nos  nuncium,  JoannemZeyss 
vita  functum  quinta  hujus  mensis,  hoc  est  nonis  novembribus.  lia- 
buit  is  canonicatum  in  Haugis  Herbipoli,  canonicatum  item  ad  sanc- 
tum  Gaugolphum  hic  B amberge  et  (ni  fallor)  eciam  canonicatum  in 
Forcheym,  deinde  eciam  vicariam  in  Hasfurth3),  preter  alia  benefitia 
quorum  noticia  ad  me  non  pervenit.  horum  igitur  nomine  Clemen- 
tiam Tuam  suppliciter  oro  ut  velit  pro  me  apud  summum  pontificem 
intercedere.  quod  si  vero  veredariorum  cita  ac  veloci  opera  preven- 
tus  essem  (quod  non  spero),  aut  si  has  meas  literas  iniqua  vel  tem- 
porum  horum  aut  hominum  studia  remorata  fuissent  (quod  valde 
metuo),  succurratur  queso  mihi  alio  legittimo,  vel  anticipationis  dati 
vel  reservationis  pectoralis  benefitio4).  cum  enim  benefitiorum  colla- 
tio  libera  esse  debeat  nullo  astricta  vinculo,  modo  in  dignum  con- 
feratur:  utrumque  potest  pontifex  nulla  preventionis  prerogativa  ob- 
stante,  nisi  quam  Sanmus  Dominus  Noster  suo  consensu  confirmat. 
faciet  autem  Clementia  Tua  in  hoc  rem  fortune  mee  commodis  atque 
honori  insuper  meo  convenientissimam. 

Det  obsecro  Clementia  Tua  celeri  ac  festinanti  calamo  veniam, 
deinde  eciam  tumultuariam  et  inelaboratam  epistolam  apud  Rmum 
excuset. 


1)  Schon  i.  J.  1536  arbeitete  Haner  an  einem  Kommentar  über  den 
Galaterbrief,  der  aber  nie  veröffentlicht  wurde:  Allgem.  Deutsche  Bio- 
graphie a.  a.  0. 

2)  So!  für  scrupulum. 

3)  Städtchen  am  Main,  zum  Würzburger  Bistum  gehörig. 

4)  Hierzu  bemerkt  Aleander  am  Rande:  hoc  nequaquam  est  fa- 
ciendum. 


188 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Haners. 


11.  Haner  an  Kardinal  Alessandro  Farnese:  Anrufung  der 
Gönnerschaft  Farneses,  nachdem  Contarini  gestorben.  Tod  Johann 
Ecks;  Mahnung,  für  einen  würdigen  Nachfolger  zu  sorgen  und  bei 
der  Vergebung  der  Benefizien  des  Verstorbenen,  ihn,  Haner,  nicht 
leer  ausgehen  zu  lassen.  1548  Februar  15  Bamberg. 

Parma,  Arch.  di  Stato  Carteggio  Farnesiano,  eigenh.  Orig. 

Rme  domine,  juxta  atque  illustrissime  princeps.  quod  Clemen- 
tiam  Tuam  hactenus  nullis  meis  litteris  oneravi,  honestus  pudor 
fecit  simul  et  tui  reverentia,  ne  quid  gravioribus  Clementie  Tue 
curis  obstreperem.  hactenus  ergo  aliorum  privata  opera  familiariter 
usus,  maxime  Rmi  ac  doctissimi  viri  domini  Contareni,  quem  nobis 
invida  fata  rapuerunt 1),  Clementie  Tue  molestior  meis  litteris  esse 
non  volui.  verum  quando  vir  ille  eterna  memoria  dignus  multo 
etiam  ecclesie  incommodo  nobis  ereptus  est,  cogor  rursus  ad 
Illme  Clementie  Tue  presidia  ac  veterem  illam  in  me  animi  pro- 
pensionem  recurrere.  nec  dubito  Clementiam  Tuam  patrocinium  siium 
alacriter  mihi  prestaturam,  de  qua  re  proximis  ad  Clementiam 
Tuam  litteris  pluribus  agam.  modo  non  perinde  letum  nuncium 
mitto,  nempe  egregium  virum  dominum  Joannem  Echium  proxima 
sabbati  die 2)  apoplexia  tactum  debitum  universe  carnis  solvisse, 
cujus  mors  ut  acerba  est  multis,  ita  ferenda  est  communis  necessitas, 
simul  et  diligens  adhibeuda  cura  ut  quis  huic  propugnatori,  qui 
hostium  congressum  eque  non  timeat,  suffitiatur,  quod  sacratissimo 
vestro  ordini  exacte  consultandum  erit.  hujus  benefitia,  que  multa 
habuit,  cum  sint  affecta  et  dispositioni  summi  pontificis  reservata, 
supplices  mee  preces  sunt  ut  eorum  unum  aut  alterum  Clementie 
Tue  interventu  in  me  conferatur.  oro  autem  non  meo,  sed  tocius 
ecclesie  nomine,  ut  in  conferendis  beuefitiis  alia  semel  ineatur  ratio, 
ut  scilicet  ea  conferantur  in  eos  qui  laboranti  ecclesie  su’s  studiis 
opem  aliquam  ferre  possuut,  utque  potior  sit  consyderatio  ejus  qui 
meritus  est,  quam  qui  preeurrit.  hic  cum  preventioni  perpetuo  erit 
locus,  melior  semper  conditio  erit  eorum  qui  veredariorum  opera 
utuntur,  pejor  autem  semper  qui  librum  incubant3)  ac  postremi  de 
morte  alicujus  ceriiores  redduntur.  puto  autem  hic  me  nihil  desipere, 
si  quod  res  est  in  commune  consulere,  et  non  dubito  quin  Iima 
Dominatio  Tua  consilium  hoc  meum  sit  approbatura;  non  quod  ego 
me  censeam  inter  eos  qui  eruditione  et  doctriua  alios  anteeunt,  sed 
quia  hoc  ecclesie  commodis,  presertim  in  hoc  tnrbulentissimo  rerum 
statu,  profuturum  esse  reor. 


1)  Contarini  war  am  24.  August  1542  gestorben.  Über  eine  Pfründe, 
die  Haner  ihm  verdankte,  s.  das  nächste  Stück. 

2)  B.  i.  am  10.  Februar  1543  (s.  den  Schluss  dieses  Briefes). 

3)  So! 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners. 


189 


Vale,  pater  ac  princeps  Rme,  Hanerumque  jam  antea  totum 
tuum  ad  Clementie  Tue  patrocinium  confugientem  benigne  suscipe 
atque  tua  intercessione  orna  ac  provehe.  rursus  vale  felicissime. 

E Bamberga  15  februarii  48. 

Sabbati  die,  que  fuit  10  februarii,  corpus  terre  man  datum  ac 
sepulture  traditum  fuit,  attactum  antea. 

12.  Haner  an  Papst  Paul  III:  ruft  die  Päpste  Leo  X.  und 
Clemens  VIT.,  sowie  Aleander,  Contarini,  Morone  und  Vorst  als 
Zeugen  für  seine  Thätigkeit  zu  Gunsten  der  Kirche  auf:  bittet,  daß 
Paul  ihm  den  Besitz  einer  durch  Contarini  ihm  zugewiesenen  Pfründe 
verschaffe:  wünscht  Abstellung  der  bei  der  Pfründenbesetzung  ob- 
waltenden Misbräuche.  Hofft  auf  eine  weitere  Pfründe  aus  dem 
Nachlaß  Ecks.  1548  Februar  27  Bamberg. 

Parma,  Arch.  di  Stato  Carteggio  Famesiano,  eigenh.  Orig. 

Beatissime  pater,  quae  mea  hactenus  fuerunt  pia  in  ecclesiam 
studia,  Leo  ejus  nominis  X me  praesente  ac  Clemens  VII  per  litte- 
ras,  ambo  beatae  memoriae  Sanctitatis  Tuae  antecessores,  ex  me  acce- 
pere.  quibus  si  mea  sentencia  plus  trihutum  fuisset  quam  quorum- 
dam  vehementioribus  auimis,  minus  certe  et  turbarum  et  periculi  Roman a 
modo  haberet  ecclesia,  cujus  eciam  rei  testes  mihi  esse  possent  Rmi  ac 
doctissimi  felicis  recordationis  viri,  dominus  Aleander  Brundusinus 
et  dominus  Gasparus  Coutarenus,  ambo  orbis  ac  sacri  insuper  se- 
natus  tui  cardines  spectatissimi,  si  non  uterque  fidele  animae  sue 
depositum  Deo  reddidisset.  supervivit  tarnen,  ni  fallor,  Rev.  dominus 
Paulus  Vorstius  M?  similiter  et  Rmus  dominus  Mutinensis,  quem 
proxime  Sanctitas  Tua  in  cardinalium  ordinem  ac  numerum  coop- 
tavit  et  allegit1 2),  quibus  clarissimis  viris  studia  haec  mea  non  pro- 
prius  modo  cognita,  verum  etiam  plane  perspecta  sunt,  quos  eciam 
non  dubito  quin  honestam  propterea  mei  mentionem  apud  Sanctita- 
tem  Tuam  fecerint.  liinc  enim  factum  scio  quod  Beatissima  Sanc- 
titas Tua  sua  gratia  et  favore  clementissime  me  sit  amplexa,  quam 
et  Sanctitas  Tua,  vixdum  elapso  anno,  gravissimo  mihi  argumento 
ostendit:  per  inierventum  enim  Rri  domini  Contareni  sanctae  memo- 
riae viri,  cujus  mihi  oblivionem  nulla  certe  subducet  aetas,  Beatissi- 
ma Sanctitas  Tua  parochiam  mihi  in  Scheslitz3),  per  mortem  do- 
mini Gasparis  May n4)  vacantem,  liberaliter  ac  propense  consignavit; 


1)  Vielmehr  Petrus  Vorstius,  Bischof  von  Acqui,  1536—1537  Nuntius 
in  Deutschland  (vgl.  über  ihn  Nüntiaturberichte  Bd.  II  S.  42  ff.). 

2)  Der  oben  erwähnte  Morone,  1542  zum  Kardinal  erhoben. 

3)  Schesslitz  bei  (riech,  zum  Bistum  Bamberg  gehörend. 

4)  Dekan  in  Bamberg,  s.  o.  Nr.  10. 


190  W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Job.  Hauers. 

cui  quidem  gratiose  Sanctitatis  Tue  in  me  ostensioni  gratias  ago 
immensas  ac  juxta  me  omnia  illi  debere  ingenue  fateor. 

Verum,  beatissime  pater,  ut  fuerunt  hactenus  quibus  sana  pro 
ecclesiae  consilia  probata  non  sunt,  ita  reperiuntur  plerique,  qui 
eorum,  qui  ecclesiae  vel  optime  consultum  volunt,  commodis  studiose 
intercurrunt  eaque  omni  industria  intervertere  contendunt ; quorum 
ego  et  artes  et  opera  nunc  quoque  experior.  nam  postquam  impe- 
trate  parocbie  litteras  a Rm0  Contareno  accepi,  quibus  eciam  signifi- 
cabat  se  a Tua  Sanctitate  legatum  Bononiensem  creatum  1),  mox  pro 
signatura  in  urbe  insto,  multis  eam  litteris  frustra  solicitans,  quod 
illa  propter  Contareni  absentiam  premi  ceperit.  verum  cum  non  ita 
multo  post  invida  mors  hunc  nobis  abstulisset,  audio  non  solum 
hanc  quorumdam  studio  occultari,  verum  eciam  abolitionem  in  eam 
meditare  nonnullos.  hic  ego,  beatissime  pater,  pronus  ad  Sanctitatis 
Tuae  pedes  provolvor  Sanctitatemque  Tuam,  per  ostensam  mihi 
gratiam  perque  propensam  animi  in  me  significationem  ac  preterea 
per  Rmi  Contareni  manes  et  conscientiae  tuae  (non  enim  Sanctitatem 
Tuam  haec  impetracio  latet)  testimonium  supplex  ac  devotus  exoro 
ut  semel  in  me  collatum  benefitium  stabiliat,  sycopliantarum  artes  et 
studia  comprimat  ac  non  paciatur  me  ab  adepto  per  Tuam  Sanctita- 
tem jure  ullius  vel  astu  vel  dolis  deijci;  jube  atque  signatam 
meam  supplicationem  proferri  in  lucem  et  ad  me  transmitti  aliaque 
fieri  que  vel  pro  tuendo  meo  jure  aut  pro  pellendo  intruso  opus 
habuero.  maximopere  autem  peto  ut  Sanctitas  Tua  in  commune 
malis  quorumdam  in  hoc  artibus  occurrat  atqua  eos  modos  in  pertur- 
batissimo  hoc  seculo  statuat  inque  benefitiorum  collatione  eas  secum 
rationes  ineat  que  presentibus  malis  mederi,  non  autem  exasperare 
ea  possint.  quarum  potissima,  si  non  fallor,  haec  est,  si  non  alia, 
quod  dignitatis,  hoc  est  honestatis  scilicet  et  eruditionis  in  conferen- 
dis  benefitiis  consyderatio  habeatur.  proinde,  beatissime  pater,  Tua 
Sanctitas  in  hoc  incumbat  ut  uni  dignitati  suus  maneat  honos,  hoc 
est  ut  benefitiorum  et  onus  et  commodum  in  eos  tantum  conferautur 
qui  ad  hoc  ministerium  sunt  digni.  hinc  enim,  preter  alia  commoda, 
eciam  plus  virium,  per  pios  scilicet  et  eruditos,  accrescet  ecclesiae, 
plus  eciam  vulgari  ac  publici  applausus  Tuae  Sanctitatis  accedet, 
quin  et  autoritas  insuper  tua  in  omnium  certe  et  oculis  et  animis 
augescet  in  diem  amplius.  felix  decrementum  fisci  est,  si  hoc  du- 
plex, opinionis  scilicet  et  autoritatis,  commodum  sarcit.  sed  sum 
forte  in  hoc  prolixior.  ego  ne  Sanctitatis  Tue  aures  pluribus  ob- 
tundam,  hoc  solum  modo  humilis  ac  supplex  Sanctitatem  Tuam  oro, 
ut  gratiam  quam  in  me  ad  Emi  domini  Contareni  preces  benigne 
contulit,  dementer  coufirmet  meque  adversus  emulorum  studia  sua 


1)  Im  Januar  1542. 


W.  Friedensburg,  Zur  Korrespondenz  Joh.  Haners.  191 

autoritate  defendat,  neque  me  diutius  meo  jure  privari  sinat:  alioqui 
intruso  feliciter  currit  quieta  possessio  atque  ego  interim  parochiae 
fructibus,  parochia  vero  digno  ministerio  fraudatur,  quod  Sanctitatem 
Tuam  pro  concredita  ecclesiarum  cura  proque  ingenita  dexteritate 
facturam  esse  certissime  mihi  persuadeo.  vale,  pater  beatissime. 

E Bamberga  27  februarii  1548 1). 

Puto  Beatitudinem  Tuam  mortem  clarissimi  viri  domini  doctoris 
Joannis  Eckii  ex  aliis  nunc  rescivisse.  significavi  eam  mox  Rmo 
domino  protocancellario 2 ) ; cujus  viri  benifitia  cum  sint  Sanmae  tuae 
sedi  affecta  (si  non  fallor)  et  a Beatitudinis  Tuae  dispensatione 
pendeant,  spero  Rmi  domini  protocancellarii  interventu  me  aliquid 
eorum  Sanctitatis  Tuae  gratiosissima  collatione  esse  consequuturum. 


1)  Am  gleichen  Tage  schrieb  Haner  in  großer  Ausführlichkeit  über 
die  nämliche  Angelegenheit  an  den  Nepoten  Pauls,  Kardinal  Ales- 
sandro  Farnese.  Per  Brief  befindet  sich  in  späterer,  schlechter  Abschrift 
im  Arch.  Yat.  Lettere  di  principi  vol.  14a  fol.  335a— 336a.  Aber  auch 
noch  im  Anfang  des  Jahres  1544  kam  Haner  in  2 Briefen  an  den 
Papst  auf  diese  Pfründenangelegenheit  zurück:  am  6.  Januar  (nicht  vor- 
handen) und  wieder  am  8.  Januar  (d.  d.  Bamberg-,  Orig,  in  Parma),  wo 
er  die  sich  bietende  Gelegenheit  sicherer  Beförderung  benutzt,  um  den 
Inhalt  des  früheren  Briefes  zu  wiederholen.  Contarini,  heißt  es  hier,  habe 
ihm  am  1.  Februar  1542  geschrieben  „quod  meo  nomine  Sanctitati  Tuae 
supplicem  obtulerit  chartam  signaturamque  dicte  parochie  acceperit,  nihil- 
que  restare  nisi  ut  litteras  expedirem,  in  qua  re  opere  Caroli  Gualterutii 
Fanensis  juvari  possem  Nach  Contarinis  Tod  (f  15.  August  1542)  s.ei 
dann  aber  [Jodokus]  Hoetfilter  [Kanonikus  von  Osnabrück,  nachmals  Bischof 
von  Lübeck],  der  bis  dahin  gänzlich  geschwiegen,  mit  dem  Anspruch  auf 
Nachfolge  in  alle  Benefizien  Mayns  aufgetreten,  während  der  nobilis  do- 
minus Sittichius  Marschalk,  Sänger  am  Dom  zu  Würzburg  und  Domherr 
zu  Bamberg,  als  intrusus  die  Pfarrei  Schesslitz  fast  zwei  Jahre  lang  that- 
sächlich  innegehabt  habe.  Der  am  4.  Januar  kund  gewordene  Tod  des 
letzteren  gibt  nun  Haner  den  Anlaß,  sich  nochmals  nach  Rom  zu  wenden, 
wo  er  den  Papst  bittet,  die  erforderlichen  Erhebungen  über  jene 
durch  Contarini  bewirkte  Verleihung  in  Kanzlei  und  Datarie  anstellen 
zu  lassen. 

2)  D.  i.  der  vorgenannte  Farnese,  Vizekanzler  der  römischen  Kirche. 
In  einer  Nachschrift  zum  Briefe  der  vorigen  Anm.  heißt  es:  obitum  doc- 
toris Eckii  prioribus,  quas  raptim  ad  Illmam  Clementiam  Tuam  dedi,  signi- 
ficavi; eas  haud  dubito  redditas  esse  ac  votis  meis  satisfactum. 


192  Lampert,  Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 


Zur  Geschichte  der  Schwarzenberger  Pfarreien. 

In  Bd.  Y Heft  2 dieser  Zeitschrift  hat  Herr  Pfarrer  Herold 
eine  sehr  schätzenswerte  und  interessante  Mitteilung  über  Schwarzen- 
berger Pfarreien  gebracht.  In  dem  dem  Herrn  Verfasser  vorliegenden 
Manuskript  finden  sich  nach  seiner  Angabe  manche  Lücken  oder 
unleserliche  Stellen.  Diese  zu  ergänzen  setzt  mich  eine  in  meinem 
Privatbesitz  befindliche  Kopie  jenes  ursprünglichen  Textes  in  die 
Lage,  welche  zwar  nicht  die  altertümliche  Schreibart  dieses,  sonst 
aber,  wie  mir  scheint,  ihn  vollständig  wiedergibt.  Sie  führt  den 
Titel : „Matricula,  das  ist  Verzeichnis  aller  und  jeder  Pfarrherren 
und  Schulmeister  in  der  Grafschaft  Schwarzenberg  und  angehöriger 
Herrschaft  Hohenlandsberg,  anno  1589,  zusammen  geschrieben, 
welcher  hernach  beigefügt  worden  die  weiteren  Successores  in 
Pfarr-  und  Schuldiensten,  bis  auf  die  anno  1627  vorgegangene 
gewaltsame  Würzburg.  Reformation  und  Ausstoßung  aller  Evan- 
gelischen Schwarzenbergischen  Kirchen-  und  Schuldiener  mit  Be- 
zeugung, wo  darauf  ein  und  der  andere  hinkommen.  Hiebey  be- 
findet sich  auch  eine  Beschreibung  aller  Besoldungen  und  Einkünfte 
der  Pfarrherren  und  Schuldiener  in  ermeldter  Grafschaft  Schwarzenberg 
mit  allem  Fleiß  von  neuem  wieder  abgeschrieben  (der  Nachwelt 
solche  Urkunden  zu  erhalten)  von  G.  S.  Z.1).  Im  Jahr  Christi  1719. “ 
Eine  nochmalige  Reproduktion  dieses  ergänzten  Manuskripts  würde 
mir  nicht  zustehen,  aber  vielleicht  haben  doch  manche  unserer  Leser 
ein  Interesse  für  dasselbe,  und  ihnen  über  diese  Ergänzungen  allen- 
falls gewünschte  Mitteilungen  zu  machen  bin  ich  gern  erbötig. 

Ippesheim.  F.  Lampert. 


Zur  Bibliographie.* *) 

* Rom  stock,  F.  S.,  Licealprofessor  etc.  Die  Jesuitennullen  Prantls 
an  der  Universität  Ingolstadt  und  ihre  Leidensgenossen.  Eine 
bibliographische  Studie.  Eichstätt  1898.  Kommissions-Verlag 
der  Pli.  Brönnerschen  Buchhandlung  (A.  Hornik)  VIII  und 
521  S.  Mk.  10.—. 

Der  auffallende  Titel  dieser  umfangreichen  Publikation  erklärt  sich 
aus  der  Thatsache,  daß  Prantl  in  seinem  großen  Werke:  Geschichte  der 


1)  Georg  Samuel  Ziegler,  Pfarrer  in  Einersheim. 

*x)  Die  mit  * versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Zur  Bibliographie. 


193 


Ludwig-Maximilians-Universität,  München  1872  eine  große  Anzahl  der 
vielen  Jesuiten,  welche  oft  nur  ganz  kurze  Zeit  in  Ingolstadt  lehrten, 
wegen  mangelnder  litterarischer  Leistungen  als  -Jesuitennullen“,  „bloße 
Figuranten  des  Ordens“,  „leere  Namen*  etc.  bezeichnete,  und  Max  Haus- 
hofer (die  Ludwig-Maximilians-Universität  zu  Ingolstadt.  Landshut  und 
München  in  Vergangenheit  und  Gegenwart.  München  1890)  seinem  Urteil 
sich  anschloß  und  der  Prantlschen  Universitätsgeschichte  das  höchste 
Lob  zu  teil  werden  ließ.  Dagegen  findet  Komstöck,  daß  Prantls  Kenntnis 
der  literarischen  Leistungen  der  Ingolstädter  Jesuiten  sehr  mangelhaft  ist 
und  beschuldigt  ihn  maßloser  Parteinahme  gegen  die  Gesellschaft  Jesu 
und  deren  Mitglieder.  Zur  Ehrenrettung  der  Geschmähten  hat  er  es  des- 
halb unternommen,  hauptsächlich  auf  Grund  der  inzwischen  erschienenen 
wertvollen  Hilfsmittel,  der  beiden  Werke  von  Sommervogel,  „Biblio- 
theque  des  Ecrivains  de  la  Compagnie  de  Jesus“  etc.  Louvain  et  Lyon 
1876  und  Dictionnaire  des  Ouvrages  Anonymes  et  Pseudonymes  Publies 
par  des  Religieux  de  la  Compagnie  de  Jesus.  Paris,  Bruxelles  et  Geneve 
1884,  unter  Hinzufügnng  kurzer  Lebensskizzen  die  litterarische  Thätig- 
keit der  von  Prantl  zur  „Nullität“  Verurteilten  zu  verzeichnen.  Und  da  es 
ihm  gelungen  ist,  viele  Hunderte  von  Büchertiteln  zu  eruieren,  so  wird 
man  die  fleißige  Arbeit,  die  ich  im  einzelnen  auf  ihre  Genauigkeit 
freilich  nicht  kontrollieren  kann,  als  einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur 
Geschichte  der  literarischen  Thätigkeit  in  Bayern  bezeichnen  dürfen. 
Und  in  formeller  Beziehung  hat  er  bei  nicht  wenigen  den  Ungrund  der 
Prantlschen  Anschuldigungen  erwieseD,  ich  gehe  sogar  noch  weiter  und 
bedaure  das  Schablonenhafte  der  Prantlschen  Klassifizierung,  aber  ob 
Prantl  nicht  gleichwohl  in  materieller  Beziehung  Recht  hat,  ist  eine  andere 
Frage.  Schon  ein  flüchtiger  Ueberblick  über  die  hier  verzeichnete  Litera- 
tur läßt  mit  Sicherheit  annehmen,  daß  das  meiste  davon,  asketische,  er- 
bauliche Schriften  etc.  dann,  wenn  es  gilt,  die  wissenschaftlichen 
Leistungen  zu  charakterisieren,  und  darauf  konnte  es  Prantl  doch  nur 
ankommen,  überhaupt  nicht  in  Betracht  kommt,  und  wer  nur  einigermaßen 
mit  der  Geschichte  der  theologischen  Wissenschaft  vertraut  ist,  der  er- 
kennt sofort,  dass  diesen  Männern,  die  schwerlich  auch  nur  ihrer  Zeit  als 
auf  der  Höhe  stehend  erschienen  sind,  kein  Unrecht  geschehen  ist,  wenn 
eine  Darstellung  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  an  der  Universität 
Ingolstadt  über  sie  hinweggeht.  Das  scheint  auch  der  Verfasser  selbst 
gefühlt  zu  haban.  Denn  in  dem  Abschnitt:  „Unsere  Würdigung  der 
Prantlschen  Qualifikationen“  sucht  er  nach  Stimmen  von  Zeitgenossen 
und  Späteren,  die  ein  Wort  der  Anerkennung  für  seine  Schützlinge  haben, 
weiß  aber  doch  nur  für  sehr  wenige  ein  solches  zu  finden,  und  teilweise 
sind  seine  Autoritäten  recht  anfechtbar,  und  mir  will  scheinen,  daß  viel- 
leicht nur  Christoph  Rassler.  f 1723,  den  Keusch  in  der  Geschichte  der 
Moral  Streitigkeiten  ausführlich  gewürdigt  hat,  und  etwa  noch  Enric-us 
Pirrhing  f 1679  und  Lorenz  Veit  j 1796  eine  größere  wissenschaftliche 
Bedeutung  gehabt  haben,  als  Prantl  sie  ihnen  beimißt,  hiernach  würde 
das  harte  Urteil  über  diesen  nicht  gerechtfertigt  erscheinen ; gleichwohl 
wird  man  das  sehr  fleißige  Werk  als  ein  sehr  dankenswertes  bio-  und 
bibliographisches  Hilfsbuch  bezeichnen  dürfen.  — 

Lic.  Vogt,  Pastor  in  Weitenhagen,  veröffentlicht  in  Baltische 
Studien  1899  S.  1 ff . drei  Briefe,  die  in  die  Nürnberger 
Kirchengeschichte  einschlagen.  1.  Hieronymus  Baumgartner 
an  Jakob  Runge  12.  Aug.  1556.  Jakob  Runge  an  Hieronymus 
Besold  28.  Sept.  1556  und  Jakob  Runge  an  Hieronymus 
Besold  Worms  3.  Dez.  1557,  von  denen  die  beiden  ersteren 


194 


Zur  Bibliographie. 


die  Berufung  des  damaligen  Greifswalder  Professor  Jakob 
Runge  nach  Nürnberg  betreffen,  der  letztere  Nachrichten  über 
das  Kolloquium  in  Worms  bringt. 

Halm,  Ph.  M.,  Die  Kreuzwegstationen  zu  Bamberg  und  Adam 
Krafft.  Ztschr.  für  bildende  Kunst.  Neue  Folge.  Heft  3. 
X.-  Jahrg.  Dezember  1898.  (Macht  wahrscheinlich,  daß  die 
Bamberger  Kreuzwegstationen,  deren  Abhängigkeit  von  den 
Nürnbergern  unverkennbar  ist,  bei  Ad.  Krafft  bestellt  waren 
und  zwar  nicht  von  ihm  selbst  herrühren,  aber  doch  aus  seiner 
Werkstatt  hervorgingen.) 

Daun,  Dr.  Berthold.  Adam  Krafft  und  die  Künstler  seiner  Zeit. 
Ein  Beitrag  zur  Kunstgeschichte  Nürnbergs.  Mit  achtundvierzig 
Lichtdruckbildern  nebst  zehn  Tafeln.  Berlin  1897.  143  S. 

Weizsäcker,  Heinrich.  Veit  Stoß  als  Maler.  Jahrb.  der  kgl. 
preußischen  Kunstsammlungen.  XVI1L  Bd.  S.  61  bis  71. 
Berlin  1897.  (Enthält  u.  a.  eine  Urkunde  zur  Geschichte  der 
Augustinerkirche  in  Miinnerstadt.) 

Schmidt,  Gustav,  Stammbaum  des  Hauses  Wittelsbach.  Fürth 
und  Nürnberg  1899.  62  S.  0,90  Mk. 

^Friedrich,  J.,  Ignaz  von  Döllinger.  Sein  Leben  auf  Grund 
seines  schriftlichen  Nachlasses  dargestellt.  Erster  Teil.  Von 
der  Geburt  bis  zum  Ministerium  Abel  1799 — 1837.  München 
1899  C.  H.  Becksche  Verlagsbuchhandlung.  Oskar  Beck  VII 
und  506  S.  Mk.  8.-. 

Wenn  es  galt,  eine  wirklich  wissenschaftliche  Biographie  Döllingers 
zu  schreiben,  war  wohl  niemand  geeigneter  als  J.  Friedrich,  der  Schüler 
und  Freund  und  spätere  Kampf-  und  Leidensgenosse  Döllingers.  Daß  in 
diesem  engen  Verhältnisse  auch  eine  gewisse  Gefahr  für  den  Biographen 
liegt,  dessen  ist  sich  der  Verfasser  offenbar  bei  der  Uebernahme  der 
großen  Aufgabe  voll  bewußt  gewesen,  aber,  soweit  der  vorliegende  Band 
reicht,  hat  Friedrich  eine  weitgehende  Objektivität  geübt,  die  jeder  am 
erkennen  muß.  Seine  ungekünstelte,  einfache  Darstellung  ist  eine  sehr 
ausführliche,  die  sich  durch  Einflechtung  von  Briefen  und  Fragmenten  solcher 
noch  erweitert,  aber  niemand  wird  gerade  diese  Dokumente  missen  mögen. 
Er  holt  ziemlich  weit  aus,  indem  er  den  Leser  in  das  Haus  des  Vaters 
und  Großvaters  nach  Bamberg  und  Würzburg  führt,  aber  der  Entschuldi- 
gung dieses  Verfahrens,  die  der  Verfasser  in  derVorrede  ausspricht,  hätte 
es  kaum  bedurft.  Die  Schilderungen  des  Gelehrtenlebens  in  Bamberg 
am  Ende  des  vorigen  und  Anfang  des  19.  Jahrhunderts,  des  wissenschaft- 
lichen Ringens  der  kraftvollen  Persönlichkeit  des  Vaters,  der  mit  den 
beschränktesten  Mitteln  arbeitend,  durch  seine  bahnbrechenden  For- 
schungen auf  dem  Gebiete  der  Entwicklungslehre  in  der  Geschichte  der 
Medicin  sich  für  immer  einen  ehrenvollen  Platz  erworben  hat,  gehören  zu 
den  köstlichsten  Partien  des  Buches.  Und  wie  in  diesen  Anfangskapiteln 
hat  der  Verfasser  natürlich  auch  später  die  ganze  Umgebung,  in  die  sich 
Döllinger  gestellt  sah,  oder  wie  man  sich  jetzt  auszudrücken  beliebt,  das 
Milieu,  in  den  Kreis  seiner  Darstellung  gezogen,  und  da  Döllinger  bald 


Zur  Bibliographie. 


195 


nach  Beginn  seiner  Münchner  Thätigkeit  an  dem  öffentlichen  Leben  regen 
Anteil  nahm  und  neben  Görres  bald  einer  der  Führer  der  literarischen 
Kämpfe  der  kirchlichen  Partei  war.  mußte  die  Biographie  sich  teilweise  zu 
einer  Schilderung  des  geistigen  oder  des  literarischen  Lebens  Münchensund 
Bayerns  wie  der  politischen  und  kirchlichen  Verhältnisse  des  ganzen 
Landes  erweitern,  die  auch  dem,  der  aus  den  mancherlei  vorhandenen 
Memoiren,  Biographien  etc.  der  führenden  Persönlichkeiten,  die  Zeit  zu 
kennen  meint,  nicht  weniges  Neue  bieten  wird. 

Als  ein  Ergebnis  des  vorliegenden  1.  Bandes  stellt  der  Verf.  (S.  VI) 
selbst  fest,  „daßDöllinger  nie Kurialist  oder  Papalist  war,  nie  die  jesuiti- 
sche Doktrin  und  Gläubigkeit“  vertrat.  Das  ist  richtig,  wenn  man  diese 
Begriffe  pointiert,  und  darnach  läge  seine  schliessliche  Stellung  lediglich 
auf  der  Linie  der  Konsequenz.  Wichtiger  für  das  Verständnis  seiner 
Entwicklung  und  des  Hervorhebens  wert  scheint  mir  Anderes  zu  sein. 
Die  Unregelmäßigkeit  seines  Studienganges,  die  früh  hervortretende 
Neigung,  bald  dies  bald  jenes  zu  treiben,  macht  ihn  schon  in  jungen 
Tagen  zum  angehenden  Polyhistor,  der  seine  Kräfte  zersplittert,  bei  dem 
ein  Plan  den  andern  verdrängt,  und  der  nur  selten  dazu  gekommen  ist, 
größere  litterarische  Arbeiten  ernstlich  zu  Ende  zu  führen.  Und  noch 
bedeutsamer  für  das  Verständnis  der  Persönlichkeit  ist  ein  Zweites.  Man 
sollte  meinen,  wer  wider  den  Wunsch  des  Vaters  sich  der  Theologie  zu- 
wendet und  katholischer  Priester  werden  will,  bei  dem  müsste  man  vor 
allen  Dingen  eine  flammende  Begeisterung  entweder  für  eine  besondere 
Heiligkeit  oder  die  Kirche  und  den  Priesterberuf  voraussetzen.  Davon 
ist  bei  Döllinger  nichts  vorhanden.  Es  ist,  was  sicher  vieles  in  seinem 
Leben  erklärt,  nicht  ein  religiöses,  sondern  ein  rein  intellektualistisches 
Interesse,  was  seine  Berufswahl  entscheidet.  Er  hat  selbst  darüber 
niedergeschrieben:  „Fast  allen  anderen  war  die  Theologie  nur  das  Mittel 
zum  Zweck.  Mir  war  dagegen  die  Theologie  (oder  die  auf  Theologie  ge- 
gründete Wissenschaft  überhaupt)  der  Zweck,  und  die  Wahl  des  Standes 
nur  das  Mittel“.  Dabei  verweist  er  u.  a.  auf  das  berühmte  Wort  Goethes: 
„Das  eigentliche  und  tiefste  Thema  der  Welt-  und  Menschengeschichte, 
dem  alle  übrigen  untergeordnet  sind,  bleibt  doch  der  Konflikt  des  Glaubens 
I und  Unglaubens“.  Und  mit  Recht  sagt  Friedrich  S.  91:  „Sein  Gedanke 
war  also  dem  eigentlichsten  und  tiefsten  Thema  der  Welt-  und  Menschen- 
geschichte nachzugehen  und  als  den  geeignetsten  Weg  dazu  erkannte  er 
die  Theologie  oder  die  auf  sie  gegründete  Wissenschaft“.  Aber  noch 
mehr.  Er  hielt  es  auch  für  seine  Pflicht  gegen  das,  was  er  als  Unglauben 
ansah,  mit  Entschiedenheit  zu  kämpfen.  Der  junge  Mann  stürzt  sich 
sofort  in  den  Streit  der  Parteien.  „Der  Unglaube“  war  ihm  mit  zuerst  in  der 
Form  des  Protestantismus  entgegengetreten.  Seitdem  ihm  Luther  dadurch 
zuerst  bekannt  geworden,  dass  man  ihm  die  von  katholischer  Seite  zum 
Reformationsjubiläum  wieder  abgedruckte  Schrift  „Wider  das  Papsttum 
zu  Rom  vom  Teufel  gestiftet“  in  die  Hand  gegeben,  war  es  sein  Bestreben, 
„dem  beinahe  tot  geglaubten  Protestantismus  den  Todesstoß  zu  geben“. 
Seine  schriftstellerische  Thätigkeit  entspringt  nicht  dem  Wunsch,  ein 
wissenschaftliches  Problem  zu  lösen,  oder  eine  bisher  noch  unklare 
Wahrheit  ans  Licht  zu  stellen,  sondern  die  Lehre  der  Kirche  — bei  den 
Katholiken  keine  Veränderung,  bei  den  Evangelischen  nur  Veränderung, 
ist  die  ihn  beherrschende  Grundthese  — und  die  katholische  Religion  zu 
begründen  (S.  168).  Mit  dieser  Tendenz  trat  er  mit  seiner  ersten  Schrift 
„Die  Eucharistie  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  Mainz  1826  auf  den  Plan. 
Und  je  nachdem  er  den  Begriff  „Unglauben“  anders  fasst  oder  er  ihm 
in  anderer  Form  entgegentritt,  differenziert  sich  das  Objekt  seiner  litte- 
rarischen  Kämpfe.  Ohne  sich,  was  auch  von  Friedrich  S.  170  anerkannt 
wird,  über  den  Unterschied  zwischen  „Historiker“  und  Verteidiger  klar 


196 


Zur  Bibliographie. 


zu  werden,  hat  er  in  der  Meinung,  in  ersterer  Eigenschaft  zu  arbeiten, 
Jahrzehnte  lang  die  Rolle  des  letzteren  gespielt,  und  erst  sehr  spät  sich 
zu  der  Höhe  erhoben,  die  Wissenschaft  um  ihrer  selbst  willen  zu  treiben. 
Zu  diesen  allgemeinen  Bemerkungen,  die,  wie  ich  meine,  Döllingers 
Persönlichkeit  zwar  nicht  größer,  aber  verständlicher  erscheinen  lassen 
als  bisher,  berechtigt  schon  der  erste  Teil  des  Werkes,  dessen  Lektüre 
mein  Interesse  in  höherem  Grade  gefesselt  hat,  als  das  seit  lange  bei 
einem  Buche  der  Fall  war.  Möchte  die  Fortsetzung,  die  hoffentlich  auch 
ein  gutes  Register  haben  wird,  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen. 

*von  Tannenberg,  russ.  Major,  Die  Zustände  der  Fürstbistümer 
Würzburg  und  Bamberg*  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  ge- 
schildert in  22  im  Jahre  1803  in  Frankfurt  erschienenen 
Briefen.  Druck  und  Verlag  der  Ilandelsdruckerei  in  Bamberg 
v.  J.  (1898?).  110  8.  Mk.  1.50. 

Der  Titel  der  Schrift,  deren  Neudruck  von  frei  maurerischer  Seite  ver- 
anlaßt worden  ist,  lautete  ursprünglich:  Beobachtungen  ohne  Brille  über 
die  Säkularisation  der  geistlichen  Bistümer  und  Besitzungen  besonders 
Würzburg  und  Bamberg.  Von  einem  Einwohner  dieser  Länder.  1803. 
Kein  Historiker  wird  die  Einzelheiten  der  teilweise  sehr  boshaften  und 
sicher  immer  einseitigen  Schilderungen,  die  der  Verf.  von  den  Zuständen 
der  geistlichen  Fürstentümer  gibt,  als  Quelle  benützen,  aber  gleichwohl 
sind  sie  wertvoll  als  Beispiel  der  Art,  wie  inan  in  gewissen  Illuminaten- 
kreisen  die  Zustände  auffaßte,,  über  Regierung,  Kirche  und  Religion  dachte, 
auch  weil  sie  die  Strömungen  erkennen  lassen,  die  den  Säkularisations- 
bestrebungen  der  Regierungen  entgegenkamen,  und  in  diesem  Sinne  ist 
die  Schrift  auch  schon  bisher  gewürdigt  worden.  Hielt  man  einen  Neu- 
druck für  notwendig,  dann  hätte  man  kritische  und  ergänzende  An- 
merkungen hinzufügen  und  zum  mindesten  diejenigen  Namen,  deren 
Anfangsbuchstaben  nur  gegeben  sind,  ergänzen  sollen. 

* Blank,  J.,  Pfarrer,  Geschichte  der  Pfarrgemeinde  Geroda-Platz, 
kgl.  bayer.  Bezirksamts  Brückenau.  Druck  von  Ernst  Wolf. 
Brückenau  1898.  56  S. 

Aus  dieser  kleinen  frischgeschriebenen  Schrift  kann  man  wieder  ersehen, 
wie  viel  Interessantes  selbst  die  Geschichte  einer  kleinen  Landgemeinde 
bietet  und  wie  viel  Material  dafür  noch  zu  finden  ist,  wenn  man  es 
richtig  anzufangen  weiß.  Der  Verf.  hat  offenbar  keine  Mühe  und  Arbeit 
gescheut,  um  den  Stoff  auch  von  entfernteren  Archiven  zusammen  zu 
bekommen,  hatte  freilich  auch  den  Vorteil,  dass  seine  Pfarrregistratur 
reicher  zu  sein  scheint  als  manche  andere.  Aber  seine  Mühe  ist  auch 
belohnt  worden,  und  auch  der,  der  an  der  kleinen  Marktgemeinde  und 
jener  Gegend  kein  persönliches  Interesse  hat,  wird  die  Geschichte 
dieser  alten  Kirchgemeinde,  die  1345  zur  selbständigen  Pfarrei  erhoben 
und  in  der  1545  von  den  Herrn  von  Bibra  die  Reformation  eingeführt 
wurde,  nicht  ohne  Belehrung  lesen  können.  Berichtigend  möchte  ich 
bemerken,  daß  nach  Ilauck,  Kirchengeschichte  Deutschlands  II,  525  vgl. 
S.  737  die  Gründung  Schlüchterns  vielleicht  der  Zeit  Karls  des  Grossen 
angehört,  ferner,  daß  die  Meinung,  Luther  habe  „um  1530  einen  Teil  des 
fränkischen  Adels  besucht“  S.  12  Anm.  4 jeder  historischen  Begrün- 
dung entbehrt. 


lfi£8ChiC;  - . 

* •'  - . . . T 


Die  Berufung  des  Kaspar  Greter  als  Stiftsprediger 

nach  Ansbach. 

Von 

D.  Th.  Kolde  in  Erlangen. 

Um  Pfingsten  1542  war  der  um  die  Einführung  der  Refor- 
mation in  Franken  hochverdiente,  treffliche  Johann  Eurer,  Stifts- 
prediger am  Gumbertusstift  in  Ansbach,  von  seinem  Fürsten  tief- 
betrauert, gestorben.  Auch  auswärts  wußte  man,  wieviel  darauf 
ankäme,  wer  sein  Nachfolger  würde.  Da  war  es  Bernhard 
Wurtzelmann  lj,  der  angesehene  Prediger  der  Reichsstadt  Din- 


1)  In  Ergänzung  des  von  L.  Enders,  Beitr.  II,  301  mitgeteilten,  be- 
merke ich  Folgendes:  Bernhard  Wurtzelmann  (Ritzander,  der  Sohn  des 
Bürgermeisters  in  Wimpfen,  durch  seine  Schwester  Schwager  von  Erhard 
Schnepf,  sein  Bruder  war  1533  Stadtschreiber  in  Schwäbisch -Hall , vgl. 
Press el,  Anecd.  Brentiana  Tüb.  1868  S.  223  u.  Bessert,  Briefe  und 
Akten  zur  Geschichte  der  fränkischen  Reformation  in  theol.  Studien  aus 
Württemberg  1886.  Bd.  VII,  S.  16  ff.)  studierte  in  Heidelberg  (Bernhardus 
Wurtzelmann  de Wimpina  Wormac.  Dioc.  XXIII  die  Sept.  1510  bei  Töpke, 
Heidelb.  Matrikel  I,  477),  wo  er  sich  im  Frühjahr  1512  (quinta  feria  post 
Keminiscere  ebenda,  433)  den  Magistergrad  erwarb.  Später  erhielt  er 
ein  Kanonikat  am  Stift  im  Thal  zu  Wimpfen,  was  er  aber,  weil  er  an 
der  Predigt  des  Evangeliums  gehindert  wurde,  aufgab.  Hierauf  wurde 
er  Pfarrer  in  der  Nähe  von  Heilbronn  in  dem  den  Herrn  von  Neipperg 
gehörigen  Städtchen  Schwaigern  im  Kraichgau  (Bossert,  Theol.  Studien 
aus  Württemberg  1886.  Bd.  VII  S.  12  ff.),  und  als  man  in  Dinkelsbühl 
daran  gingt  evangelischen  Gottesdienst  einzuführen,  wurde  er  auf  Em- 
pfehlung von  Adam  Weiß  in  Crailsheim  und  Brenz  (Über  ihr  Zusammen- 
gehen in  der  Abendsmahlsfrage  die  Notiz  bei  J.  Hartmann,  Erhard 
Schnepf.  Tübingen  1870.  S.  148)  dorthin  als  Pfarrer  berufen.  Im  De- 
zember 1533  trat  er  die  neue  Stelle  an  und  schaffte  am  5.  Januar  1534 
die  Messe  in  der  Georgskirche  ab  (St eich  eie,  Das  Bistum  Augsburg 
3,  260,  der  ihn  übrigens  fälschlich  schon  1544  sterben  läßt).  Hier  wirkte 
Beiträge  zur  bayer.  Kirchengefichichte.  V.  5.  14 


198  Th*  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 

kelsbiihl,  der  nicht  ohne  persönliches  Interesse  den  ihm  bisher 
persönlich  unbekannten  markgräflichen  Kanzler  Sebastian  Heller 
auf  einen  schwäbischen  Freund  aufmerksam  machte,  der,  wie  wir 
jetzt  wissen,  in  der  That  in  jener  Zeit  neben  Brenz  und  Schnepf 
zu  den  besten  kirchlichen  Kräften  des  Schwabenlau  des  gehörte. 
Kaspar  Greter *)  (wie  er  sich  immer  schreibt,  nicht  Graeter) 
wurde  um  1501  zu  Grundelsheim  am  Neckar  unweit  Heilbronn  und 
Wimpfen  geboren,  besuchte  1520  die  Universität  Heidelberg, 
die  er  mit  der  Würde  eines  Baccalaureus* 1  2),  aber  ohne  seine 
Studien  abgeschlossen  zu  haben,  schon  nach  zwei  Jahren  ver- 
ließ, um  Hauslehrer  bei  Dietrich  von  Gemmingen  auf  Gutten- 
berg  am  Neckar  zu  werden,  wo  er  bis  zu  dessen  Tode,  Ende 
1526,  geblieben  sein  wird.  In  die  Zeit  darauf  werden  wir  den 
Aufenthalt  im  Hause  des  Brenz  zu  Schwäbisch-Hall  zu  setzen 
haben,  von  dem  dieser  in  dem  unten  mitgeteilten  Briefe 
(Nr.  IV)  berichtet.  Dann  finden  wir  den  in  den  alten  Sprachen, 
auch  im  Hebräischen  wohlbewanderten  jungen  Mann  als  Lehrer 
in  Heilbronn.  Hier  schrieb  er  1529  seine  Katechesis  etc.,  d.h. 
den  Heilbronner  Katechismus,  den  man  lange  Zeit  fälschlich 
dem  Prediger  Johann  Lachmann,  der  nur  die  Anregung  dazu 


er  dreizehn  Jahre  (vgl.  Luthers  Brief  an  ihn  über  die  Behandlung  einer 
angeblich  Besessenen  De  Wette  IV,  646),  bewog  durch  sein  Gutachten 
seine  Stadt,  dem  schmalkaldischen  Bunde  beizutreten  (Moninger  in 
Blätter  für  bayer.  Kirchengesch.  II.  1888,  S.  107  ff.),  mußte  aber  nach 
dem  Siege  des  Kaisers  bei  Giengen  1546  in  die  Verbannung  gehen.  Von 
Nürnberg  aus,  wohin  er  sich  wendete  (Anecdota  Brentiana  261),  ver- 
suchten Andreas  Osiander  und  Veit  Dietrich  vergeblich  ihn  in  Nördlingen 
unterzubringen  (vgl.  Dolp,  Griindl.  Bericht  von  Nördlingen  etc.  Nörd- 
lingen  1738,  Anhang  Nr.  LII).  Später  1549  wurde  er  Katechist  in  Ben- 
ningen in  Württemberg  (Boss er t,  Das  Interim  in  Württemberg,  Sehr, 
d.  V.  f.  RG.  Nr.  42,  S.  113). 

1)  Von  diesem  Manne  hat  man  bisher  nur  sehr  wenig  gewußt,  und 
es  ist  Bosserts  Verdienst,  seine  Bedeutung  ins  rechte  Licht  gestellt  zu 
haben,  wozu  die  unten  folgenden  Briefe  einen  weiteren  Beitrag  liefern. 
Vgl.  Bessert  Art.  Kaspar  Graeter  in  der  Protest.  Realencyklopädie  3.  Auf!, 
und  die  weitere  Ausführung,  die  er  in  den  Blättern  f.  Württemb.  Kirchen- 
gesch. folgen  lassen  wird.  Von  Beidem  durfte  ich  durch  die  Güte  des 
Verfassers  noch  vor  dem  Druck  Einsicht  nehmen. 

2)  Caspar  Greth  ex  Gundelszheim  dioc.  Herpipol.  2a  Junii  (1520).  — - 
b.  art.  v.  ant.  17/6,  1522,  bei  Töpke,  Heidelberger  Matrikel  I,  623. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


199 


gegeben  hatte1),  zugesclirieben  hat,  eine  xÄrbeit,  die  er  dann 
1580  in  verbesserter  Gestalt  herausgab.  In  demselben  Jahre 
ließ  er  eine  Flugschrift  ausgehen:  „Das  der  Christlich  Glaub 
der  eiuich,  gerecht  vnd  warhafftig  sei“  (Nürnberg,  Peypus  1530), 
die  einen  interessanten  Einblick  in  das  kirchliche  Parteitreiben 
in  Heilbronn  gewährt,  und  das  Jahr  darauf  veröffentlichte  er: 
„Drey  schon  Psalmen  / Neulich  in  gesangweysz  gestlet,  / Nem- 
lich  Ein  danck  Psalm  für  das  haylich  Sacrament  des  / Nach- 
mals. / Der  Ander  Ein  trostpsalm  wi-/der  allerley  Anfechtung.  / 
Der  dryt  / Ein  Trostpsalm  wider  die  gott- / losen  tyrannen.  // 
Gasper  Gretter  Gun:  //  Ein  Kirchen  Gebet  hinzu  getruckt 
für  / die  Oberkeyt  vnd  allerley  an-/fechtung  ec.  wie  im  brauch/ 
das  gantz  jar  gehalten  / würt  yn  Heilbprunn.  //  MDXXXI2). 
Im  Herbst  1533  verließ  er  Heilbronn  und  besuchte,  obwohl 
verheiratet,  wie  es  scheint,  als  pädagogischer  Begleiter  eines 
vornehmen  Studenten  noch  einmal  die  Universität  Heidelberg, 
promovierte  dort  am  10.  Februar  1534  als  Magister3)  und 
scheint  sich  mit  der  Absicht  getragen  zu  haben,  juristische 
Studien  zu  treiben;  wenigstens  ließ  er  sich  am  16.  März  in 
die  Matrikel  alumnorum  iuris  aufnehmen4).  Aber  schon  im 
Herbst  desselben  Jahres  übernahm  er  die  Pfarrstelle  in  Herren- 
berg bei  Tübingen,  wo  er  einen  neuen  Katechismus  herausgab 
und  bald  als  einer  der  hervorragendsten  Theologen  des  Landes 
galt.  Ende  1537  oder  Anfang  1538  wurde  er  Pfarrer  in  Can- 
statt  und  seit  1540,  nach  dem  Tode  Konrad  Oettingers 5),  als 


1)  Abgedruckt  in  modernisierter  Form  bei  J.  Hart  mann,  Älteste 
katechetische  Denkmale  der  evangelischen  Kirche  etc.  Stuttgart  1844. 
S.  79  ff. 

2)  Am  Ende:  Getruckt  zu  Ettlingen  bey  Vel-/ten  Kobian  vff  den 
dreyund  / zweintzigten  / Augusti.  //  MDXXXI.  — Das  früher  in  der 
Straßburger  Bibliothek  befindliche  Schriftchen  scheint  jetzt  nur  noch  aus 
Wackernagels  Beschreibung  in  Bibliographie  des  Kirchenlieds,  Frankfurt 
am  Main  1855  Nr.  307  bekannt  zu  sein. 

3)  Anno  1534°  quarto  Idus  Februarii:  Casparus  Gretar  de  Gundels- 
heim  bei  Töpke  II,  449. 

4)  M.  Gaspar  Gretterus  Gundelshemius  dioc.  Herbipol.  17.  Kal.  Apr. 
anno  1534  bei  Töpke  II,  480. 

5)  Vgl.  Veesenmeyer,  Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Reichs- 
tags zu  Augsburg.  Nürnberg  1830.  S.  91  f.  und  unten  Nr.  V. 


200  Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 

Hofprediger  des  Herzogs  Ulrich  in  Stuttgart.  Da  war  es  eine 
im  Frühjahr  1542  in  der  Predigt  gethane,  ihrem  Inhalt  nach 
unbekannte,  Äusserung,  die  einen  derartigen  Unwillen,  vielleicht 
nicht  so  sehr  des  Fürsten  als  der  Hofleute  gegen  den  Prediger 
heraufbeschwor,  daß  dieser,  wie  es  scheint,  allzu  ängstlich  der 
Meinung  war,  sich  durch  schleunige  Flucht  vor  dem  drohenden 
Sturm  retten  zu  müssen.  (S.  unten  cNr.  VI).  Bei  den  alten 
Gönnern,  den  Herren  von  Gemmingen  fand  er  Zuflucht,  dies- 
mal in  Neckarmühlbach. 

In  dieser  Zeit  war  es,  daß  Wurtzelmann  die  Aufmerksam- 
keit des  Ansbacher  Hofes  auf  ihn  lenkte.  Heller  scheint  sofort 
auf  die  Kandidatur  eingegangen  zu  sein,  der  Markgraf  aber, 
der,  obwohl  ihm  Greter  im  Jahre  1532  eine  Übersetzung  eines 
Traktates  von  Brenz  über  Ehesachen  (s.  unten  Nr.  VI)  ge- 
widmet hatte,  nichts  von  Greter  wußte,  beschloß  erst  Er- 
kundigungen einzuziehen.  Der  Stadtpfarrer  Martin  Moninger1) 
hatte  nur  eine  dunkle  Erinnerung  an  eine  früher  gelesene 
Schrift  Greters,  hielt  aber  die  Anregung  Wurtzelmanns  für 
Gottes  Schickung  und  riet,  „es  wäre  dann  das  er  verhafft 
were  mit  schwermerey  einen  solchen  Mann  nit  dahin  den  zu 
lassen  “ zumal  nicht  viel  brauchbare  Leute  im  Fürstentum 
seien  (vgl.  unten  Nr.  II).  Auch  der  Pfarrer  von  Crailsheim2), 
Simon  Schneeweiß,  riet  dazu,  nur  sollte  man  ihn  erst  eine 
Zeit  lang  predigen  hören  (Nr.  V),  und  Joh.  Brenz,  auf  dessen 
Rat  Markgraf  Georg,  neben  dem  der  Wittenberger  immer  den 
meisten  Wert  legte,  stellte  ihm  nach  jeder  Hinsicht  das  beste 
Zeugnis  aus,  erklärte  ihn  für  durchaus  geeignet,  Eurer  zu  er- 
setzen, und  war  der  festen  Zuversicht,  daß  Greter  dem  Fürsten 
eine  genügende  Erklärung  für  seine  Flucht  vom  Württem- 


1)  Siehe  über  seinen  Lebenslang  unten  zu  Nr.  II. 

2)  Er  war  früher  Hofprediger  in  Ansbach  gewesen  (Th.  Kolde, 
Andreas  Althamer.  Erlangen  1895  S.  125),  wurde  später  wohl  als  un- 
mittelbarer Nachfolger  des  am  25.  Sept.  1534  verstorbenen  Adam  Weiß 
Pfarrer  in  Crailsheim,  erschien  im  Aufträge  seines  Fürsten  auf  dem  Tage 
zu  Schmalkalden  1537  und  unterschrieb  dort  Luthers  Artikel  (vgl.  die 
Schmalkaldischen  Artikel  vom  Jahre  1537  ed.  K.  Zangeraeister,  Heidel- 
berg 1883,  S.  79,  und  war  in  Begleitung  des  Markgrafen  Georg  auf  dem 
Reichstag  zu  Regensburg  1541  (s.  unten  Nr.  V). 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  BerafuDg  nach  Ansbach. 


201 


bergischen  Hofe  geben  würde.  Nr.  IV).  Da  auch  das  Stift 
zustimmte.  erhielt  Heller  den  Auftrag,  durch  Wurtzelmann  mit 
I Greter  zu  verhandeln:  er  möge  nach  Ansbach  kommen,  um 
dort  bei  freiem  Unterhalt  drei  bis  vier  Wochen  zu  predigen 
und  sich  selbst  die  Verhältnisse  anzusehen.  Dann  setzt  er 
hinzu:  -es  hat  noch  bissher,  Gotlob.  mit  Ihrer  f.  g.  Predigern 
vnd  Pfarrern  die  gelegenheit  gehabt,  wann  einer  ainmal  be- 
stelt  vnd  angenommen  worden,  däs  sich  alsdann  wenig  anderung 
! zugetragen,  sonder  gemainlich  bis  in  ir  absterben  verharret 
vnd  plieben  sind,  wie  es  dann  das  freundlichst  vnd  best  ist, 

| das  beiderseits  nit  viel  enderung  gegen  ainander  gesucht  werde-. 
(Nr.  VH). 

Inzwischen  hatte  sich  Wurtzelmann  auf  Grund  der  ersten 
zustimmenden  Nachricht  des  Kanzlers  mit  Greter  direkt  in 
Verbindung  gesetzt.  Dieser  war  über  dessen  Mitteilungen 
hocherfreut  und  antwortete  schon  am  1.  <?i  Juni  in  einem  sehr 
| eilig  und  flüchtig  geschriebenen  Briefe,  daß  es  ihm  sehr  lieb 
sei,  daß  der  Kanzler,  um  sich  über  ihn  in  Stuttgart  zu  erkun- 
digen, vierzehn  Tage  Frist  erbeten  habe,  denn  er  hätte  um 
1 dasselbe  bitten  müssen,  weil  die  Herren  von  Wimpfen,  die  ge- 
I gen  aller  Erwarten  jetzt  nach  der  Gerechtigkeit  hungern  und 
dürsten,  ihn  dringend  zu  ihrem  Prediger  begehrten,  während 
der  Herr  von  Geinmingen  ihn  durchaus  bei  sich  behalten  wollte, 
i Daneben  läßt  der  ganze  Brief  doch  erkennen,  daß  er  nicht 
abgeneigt  ist.  nach  Ansbach  zu  kommen,  indem  er  von  seinen 
Schriften,  der  Anerkennung,  die  er  bei  Melauchthon  und  An- 
dern erfahren  etc.  berichtet  und  sich  bemüht,  die  Bedenken 
wegen  seiner  Flucht  zu  verscheuchen.  Leider  erfahren  wir 
nicht  genau,  welche  Bewandtnis  es  eigentlich  damit  gehabt 
hat1}.  Wir  hören  nur,  daß  er,  entgegen  der  Meinung  des 
Kanzlers,  den  Schritt  nicht  bereute;  er  habe  fliehen  müssen, 
um  größeres  kirchliches  Ärgernis  zu  verhüten;  seine  Stellung 
am  Hofe  wäre  eine  derartige  gewesen,  daß  es  für  ihn  gegolten, 
entweder  zu  fliehen  und  den  Hof  zu  verlassen,  oder  zum 


1)  Daß  es  sich  dabei  um  ein  strafendes  Wort  gegenüber  dem  Fürsten 
gehandelt  hat,  ergeben  aber  die  Bemerkungen  von  Wurtzelmann  in  seinem 
Briefe  vom  13.  Juni  (Nr.  VIII). 


202  Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 

Schaden  des  Amtes  weiter  zu  predigen  *),  weshalb  er  es  vor- 
gezogen, lieber  an  seinem  Leibe  als  an  seiner  Seele  Schaden 
zu  leiden  (Nr.  VI). 

Dieses  Schreiben  kam  mit  einem  Begleitbriefe  von  Wurtzel- 
mann  am  14.  Juni  nach  Ansbach,  und  jetzt  griff  der  Fürst 
selbst  ein.  Entgegen  der  Meinung  seines  Kanzlers  wollte  er 
in  seiner  graden,  vertrauensvollen  Weise  von  weiteren  Nach- 
forschungen in  Stuttgart  nichts  wissen.  Nachdem  Brenz  und 
Wurtzelmann  den  Greter  empfohlen  hatten,  war  er  überzeugt, 
in  diesem  den  richtigen  Mann  gefunden  zu  haben.  „Dieweil, 
schreibt  er  an  Wurtzelmann,  wir  bisher  den  gebrauch  gehabt, 
wer  vns  von  dem  herrn  Doctor  Lutter,  Philipp,  vnd  herrn 
Brencio  gelobt  wurdet,  das  wir  diselbigen  für  lobwirdig  achten 
vnd  halten".  Und  jetzt  setzt  er  auch  alles  daran,  den  ge- 
wünschten Mann  zu  erhalten.  Er  schickt  nicht  nur  an  Greter 
selbst  sofort  am  14.  Juni  mit  einem  sehr  gnädigen  Schreiben 
einen  reitenden  Boten,  der  eine  Fuhre  besorgen  und  Greter 
sogleich  auf  seine  Kosten  mitbringen  soll,  sondern  schreibt 
auch  an  Wurtzelmann  und  Brenz  mit  der  dringenden  Bitte, 
jenen  zur  Annahme  des  Rufes  zu  bewegen.  Die  ganze  Ange- 
legenheit wird  ihm  zur  Herzenssache:  „Dann  dieweil  sich  die 
Sachen,  schreibt  er  an  Brenz,  vnsern  vnd  seinthalben  vnbe- 
wust  dermassen  angefangen  vnd  zugetragen,  so  wollen  wir  es 
eben  für  ain  Gottes  Schickung  achten  vnd  halten,  mit  wun- 
schung  vnd  bit  zu  derselben  gütlichen  gnaden,  was  hieriu  zu 
seinem  lob  vnd  eher  auch  vnser  vnderthanen  vnd  seinem  selbst 
fronten  nutz  vnd  wolfhart  sein  mag,  das  es  Gott  gnediglich 
schicken  wolle,  dann  vns  ist  an  solcher  Geistlicher  Embter 
bestellung  etwas  vil  hohes  merers  dann  anderen  gelegen“.  Aus 
Sorge,  daß  Greter  ob  seiner  Erfahrungen  eine  Scheu  vor  den 
Fürstenhöfen  haben  könnte,  betont  er,  daß  es  sich  nicht  um 
die  Hofprediger-  sondern  Stiftspredigerstelle  handele  und  jener 
mit  dem  Hofe  nichts  zu  thun  haben  werde.  Und  seine  ganze  herz- 
liche und  fromme  Art  leuchtet  daraus,  hervor,  wenn  er  ihm 
sagen  läßt:  „Er  soll  sich  auch  gar  nichts  bekomern  noch  an- 

1)  So  verstehe  ich  die  nicht  ganz  leserliche  Stelle:  Ant  cum  . . . 
etiam  Ministerii  periculo  docendum,  quare  malui  corporis  quam  animi 
iacturam  facere. 


Th.  Kolcle,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


203 


fechten  lassen,  dann  vnser  gemuth  ist  bisher  gestanden  vnd 
noch,  darumb  wir  auch  Gott  fnrthin  getreulich  bitten  wollen,  das 
wir  zur  fnrderung  Gottes  worts  auch  vnser  vnd  der  vnsern  seelen 
seligkait,  fromen  rechtgeschaffen  vnd  Christlichen  gelerten  be- 
schaiden  predigern,  zu  vnserm  vermugen  gnad  vnd  alles  guts 
beweisen,  geneigt  gewest,  vnd  mit  Gottes  hilf  bis  zu  beschlus 
vnsers  lebens  sein  wollen.  Darum  wollet  nit  vnterlassen,  solchs 
zum  fleissigsten  zu  furderrD.  (Nr.  X). 

Aber  die  Werbung  des  Fürsten  wie  der  Freunde  war  er- 
folglos. Der  Bote  kam  unverrichteter  Dinge  heim  und  über- 
brachte nur  einen  Brief  Greters  vom  17.  Juni,  in  dem  er  sich 
seines  Ausbleibens  wegen  mit  den  gegenüber  Wimpfen  einge- 
gangenen Verpflichtungen,  die  er  nicht  so  plötzlich  lösen  könne, 
entschuldigt  und  um  acht  Tage  Bedenkzeit  bittet,  zumal  in 
Abwesenheit  seines  „Junkherren,“  des  Herrn  von  Gemmingen 
niemand  da  wäre,  mit  dem  er  sich  beraten  könne.  Diese  Bitte 
wurde  von  einem  Briefe  des  Brenz  an  den  Markgrafen  vom 
18.  Juni  unterstützt.  Darüber  vergingen  vier  Wochen,  und  man 
fing  in  Ansbach  mit  Recht  an,  etwas  ungeduldig  zu  werden. 
Gleichwohl  gab  der  Fürst  die  Hoffnung,  den  ihm  so  gut  em- 
pfohlenen Mann  noch  gewinnen  zu  können,  nicht  auf.  Als  er 
Mitte  Juli  seine  Residenz  verließ,  gab  er  seinen  Räten  den 
Auftrag,  noch  einmal  mit  Greter  zu  verhandeln.  Dem  kamen 
sie  nach  mit  einem  Schreiben  vom  18.  Juli,  in  dem  sie  den 
Prediger  ersuchten,  sein  „entlieh  gemueth“  zu  erkennen  zu 
geben,  dabei  aber  von  neuem  den  dringenden  Wunsch  des  Mark- 
grafen wie  des  Stifts  aassprachen,  daß  er  der  Berufung  nach 
Ansbach  Folge  leisten  möge  (Nr.  XIV.)  Was  Greter  darauf 
geantwortet,  wissen  wir  nicht.  Mit  jenem  Briefe  der  ausbachi- 
schen  Räte  schließen  die  auf  diese  Angelegenheit  bezüglichen 
Aktenstücke.  Das  Nächtsliegende  ist  offenbar,  zu  meinen,  daß 
Greter  den  Ruf  nach  Wimpfen  vorgezogen  hat  oder  seine  dort 
eiugegangenen  Verpflichtungen  nicht  mehr  lösen  konnte.  Aber 
eine  Thätigkeit  Greters  in  Wimpfen  läßt  sich  nicht  nach- 
weisen  D.  Die  Nachricht,  daß  dort  ein  vollständiger  Umschwung 


1)  So  D.  Bossert  unter  Berufung  auf  die  mir  nicht  zugängliche 
Schrift  von  Fronhaeuser,  Geschichte  der  Reichsstadt  Wimpfen.  S.  155. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


204 


der  Stimmung'  zu  Gunsten  des  Evangeliums  eingetreten  wäre, 
wird  sich  als  irrig  erwiesen  haben,  und  erst  einige  Jahre 
später  änderten  sich  thatsächlich  die  Verhältnisse  in  dieser 
Reichsstadt.  Und  Greter  findet  sich  nach  kurzer  Zeit  M wieder 
in  Stuttgart.  Wahrscheinlich  sind  die  Bemühungen  des  Statt- 
halters Georg  von  Ow,  den  Zwischenfall  beizulegen,  von  denen 
schon  Wurtzelmann  in  seinem  ersten  Briefe  schreibt,  über  Er- 
warten schnell  von  Erfolg  gekrönt  gewesen,  und  Greter  über- 
wand seine  Scheu,  wieder  an  den  Hof  zurückzukehren.  Seit- 
dem besaß  er  das  nie  wieder  erschütterte  Vertrauen  seines 
Fürsten,  und  seine  Flucht  wie  sein  Konflikt  mit  dem  Hofe 
wurde  so  schnell  vergessen,  daß  außer  den  Mitteilungen  in  den 
unten  folgenden  seither  unbekannten  Briefen  sich  keine  Kunde 
davon  erhalten  zu  haben  scheint.  Jedenfalls  war  der  treffliche 
Mann,  von  dessen  Tüchtigkeit  und  Energie  für  die  noch  sehr 
ungeordneten  kirchlichen  Verhältnisse  in  den  brandenburgischen 
Landen  großer  Segen  zu  erwarten  gewesen  wäre1 2 * * *),  für  Ans- 
bach verloren. 

Aber  wer  wurde  nun  eigentlich  Rurers  Nachfolger?  Da- 
rüber herrscht  große  Unklarheit,  wie  denn  überhaupt  eine  Ge- 
schichte des  Ansbacher  Gumbertusstiftes,  die  dringend  wün- 
schenswert wäre,  nicht  vorhanden  ist.  Die  alte  kleine  Arbeit 
von  Strebei,  Kurzgef.  Begriff  des  St.  Gumbertusstifts  1730  S.  12 
gibt  nur  an,  daß  nach  Rurer,  den  der  Verfasser  fälschlich 
1535  Stiftsprediger  werden  läßt,  Jakob  Stratner  und  Georg 
Eschinger  als  Stiftsprediger  Vorkommen.  Bei  Jakob  Stratner 
könnte  man  nun  meinen,  daß  es  sich  um  eine  häufig  vor- 
kommende Verwechselung  mit  der  Hofpredigerstelle  handelte, 
welche  dieser  früher  bekleidete,  und  um  so  mehr,  als  wir  wissen, 
daß  er  1537  mit  Andreas  Althamer8)  von  seinem  Fürsten 
dem  Markgrafen  Hans  von  Küstrin  zur  Einführung  der  Re- 


1)  So  weit  ich  sehe,  ist  seine  Thätigkeit  in  Stuttgart  allerdings 
nach  zu  weisen  erst  durch  eine  vor  dem  Herzog  Ulrich  in  Nürtingen 
am  4.  Sonntag  nach  Trinitatis  1544  gehaltene  Predigt.  (Bossert  P.  B.E.) 

2)  Er  starb  am  21.  April  1557. 

8)  Vgl.  Th.  Kolde,  Andreas  Althamer,  Beitr.  zur  bayer.  K.-G.  1 

S.  126  und  Erlangen  1895  S.  75.  Vgl.  Luthers  Briefe  an  Stratner  bei 

De  Wette  S.  319  f.  327  ff. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


205 

formation  in  der  Neumark  zeitweilig  überlassen  wurde,  dann 
in  die  Dienste  des  Kurfürsten  Joachim  II.  trat  und  erster 
Generalsuperintendent  in  der  Mark  wurde.  Und  die  letzte  Re- 
formationsgeschichte  der  Mark  Brandenburg  läßt  ihn  in  der 
That  1543  als  Generalsuperintendent  sterben,  worauf  dann  der 
bekannte  Johann  Agricola  in  seine  Stelle  eingerückt  sei1 2  . 

Indessen  liegt  die  Sache  nach  Akten  des  Nürnberger  Kreis- 
archivs ganz  anders.  Stratner  ist  allerdings  unter  ausnehmend 
günstigen  Bedingungen,  die  auch  die  Zukunft  seiner  Frau  und 
seiner  Kinder  nach  seinem  Tode  sicher  stellten,  von  dem  Kur- 
fürsten Joachim  II.  als  Generalsuperintendent  und  Hofprediger 
angestellt  worden  - und  hat  die  Stelle  wahrscheinlich  auch  an- 
getreten, aber  er  konnte  sie  nicht  behalten.  Denn  als  er  zum 
zweitenmal3)  nach  der  Mark  gehen  sollte,  diesmal  um  dem 
Kurfürsten  zu  dienen,  erteilten  die  Markgrafen  Georg  und 
Albrecht,  wohl  um  seine  Wiederkehr  zu  sichern,  am  22.  Febr. 
1539  dem  -Jakob  Stratner,  ain  zeit  lang  vnser  hofprediger 
gewest  vnd  noctrf  eine  neue  Bestallung  auf  Lebenszeit 
und  versprachen  ihm  darin  zugleich,  auch  für  seine  Söhne, 
wenn  sie  zum  Studium  tüchtig  wären,  zu  sorgen,  dafür  mußte 
er  sich  in  einem  Revers  vom  gleichen  Tage  verpflichten,  den 
Markgrafen  nun  auch  lebenslänglich  zu  dienen4).  Somit  war 


1)  J.  Hei  de  man  n,  Die  Reformation  in  der  Mark  Brandenburg,  Berlin 
1889,  S.  262.  Übrigens  haben  wir  noch  immer  nicht  eine  genügende  Ein- 
sicht in  die  Vorgänge  bei  der  Brandenburger  Reformation. 

2)  Siehe  die  leider  undatierte  Bestallung  unten  Nr.  XV. 

3)  Daß  die  bisherige  Tradition , Stratner  wäre  einfach  aus  den 
provisorischen  Diensten  des  Markgrafen  Hans  in  die  des  Kurfürsten 
übergegangen,  falsch  ist  und  Stratner  inzwischen  wieder  zurückge- 
kehrt war,  ergiebt  eine  Stelle  in  einem  Briefe  des  Stadtpfarrers  Mo- 
ninger  in  Ansbach  an  den  Grafen  Ludwig  von  Oettingen,  worin  es  heißt: 
Vber  das  so  hat  der  Churturst  zu  Brandenburg  mein  gn  hr  Margraff 
Georg  erbotten,  das  sein  gnaden  wolle  Ime  seinen  prediger  zu  geben  das 
er  in  der  Mark  das  Evangelium  anrichte,  vnd  seind  wir  schon  in  berat- 
schlagung  wie  ers  anrichten  solle.  Bei  Karrer,  Geschichte  der  luther. 
Kirche  von  Oettingen  in  Zeitschrift  f.  luth.  Theol.  Bd.  14  (1853)  S.  673. 

4)  Onolzbach  am  tag  Cathedra  Petri  nach  Christi  vnsers  lieben  herrn 
gebürt  XVC  vnd  in  XXVII1I  Jare.  (Markgräfliches  Gemeinbuch  Nr.  8 im 
Kreisarchiv  zu  Nürnberg)  fol.  142  u.  143. 


206 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


er  gebunden,  und  die  wohl  gehegte  Hoffnung,  seiner  Verpflich- 
tungen entledigt  zu  werden,  erfüllte  sich  nicht.  Er  mußte 
zurückkehren.  Man  übertrug  ihm  aber  jetzt  die  sehr  viel  besser 
dotierte  Stiftsprediger  stelle.  Und  während  an  seiner  Stelle 
in  Berlin  Joh.  Agricola  trat,  war  er  am  20.  April  1543  wieder 
in  Ansbach,  um,  nachdem  die  Vakanz  beinah  ein  Jahr  lang 
gewährt  hatte,  Rurers  Nachfolger  zu  werden  1).  Das  neue  Amt 
hat  er  noch  sieben  Jahre  inne  gehabt,  in  Wildbad,  wohin 
er  sich  zur  Kräftigung  seiner  schon  lange  geschwächten  Ge- 
sundheit begeben,  ist  er  im  Herbst  1550  gestorben2). 

Ich  lasse  nun  die  einschlagenden  Briefe,  die  nach  vielen 
Richtungen  ein  allgemeines  Interesse  in  Anspruch  nehmen 
dürfen,  im  Wortlaute  folgen3).  Sie  sind  (abgesehen  von  dem 
letzten  Schriftstücke)  sämtlich  einem  im  Konsistorialarchiv  in 
Ansbach  befindlichen  Konvolut  entnommen,  welches  die  Auf- 
schrift hat  „Acta  die  Hof-  und  Stiftspredigerstelle  zu  Onolz- 
bacli  betr.  Vol.  I 1431 — 1747“,  und  es  sei  mir  auch  an  dieser 

1)  Das  geht  hervor  aus  der  Entgegnung  der  Stiftsherren  auf  die 
Klage  seiner  Witwe  wegen  ihr  angeblich  vorenthaltener  Einkünfte  ihres 
Mannes.  Da  heißt  es:  Das  nach  absterben  weiland  Johan  Rurers  seligen, 
Ir  herr  auch  seliger  zum  predigtstuhl  berueffen  vnd  die  Nutzung  aller- 
erst Georgii  angegangen  sei,  ist  war.  Dann  sobald  Ir  herr  seliger  am 
freitag  nach  Jubilate  den  20.  Aprilis  des  43ten  Jars  hieher  khomen  vnd 
presentirt  worden  etc.  Acta  des  St.  Gumbrechtsstifts  etc.  1524 — 61  fol.  349. 
Und  in  einem  undatierten  Bittschreiben  an  die  markgräflichen  Räte,  dem 
sie  die  unten  abgedruekte  Kopie  der  kurfürstlichen  Bestallung  beifügt, 
schreibt  „Anna  hern  Jacob  Stradners  Stiftpredigers  allhye  seligen  ver- 
lassene arme  krancke  vnd  betrübte  Wittibu  unter  Hinweis  auf  die  vorteil- 
hafte Stellung  in  Berlin:  sollichen  erlichen  vnd  hochfürstendigen  Dienst, 
hat  mein  herr  mit  nichten  erwegen  noch  angesehen,  sonder  auf  gnediges 
anlangen  vnd  ersuchen  des  durchleuchtigen  hochgebornen  fürsten  vnd 
hern  herrn  Görgen  Marggraffen  zu  Brandenburg  hochloblichen  gedechtnus 
M.  G.  F.  vnd  h.  dieselbige  condition  doch  aus  gnecliger  Vergünstigung 
hochermelts  churfürsten  zurückgeschlagen  vnd  sich  hyeher  gethon  vnd 
alda  das  Styfftpredigampt  angenomen  etc.  Ebenda  fol.  358. 

2)  Nach  einem  Schreiben  der  Regenten  und  Markgräflichen  Räte  zu 
Augsburg  an  die  zu  Ansbach  vom  16.  Sept.  1550.  Ebenda  fol.  345. 

3)  Die  Schreibweise  ist  nach  den  jetzt  für  Wiedergabe 
der  Aktenstücke  aus  neuerer  Zeit  fast  allgemein  angenom- 
menen Grundsätzen  des  verstorbenen  Prof.  F.  Stieve  ver- 
einfacht worden. 


Tb.  Kold*.  Kaspar  Gieten  ßemfng  nach  Ässhaeh. 


Tb,  Koide.  Kaspar  Grettn  Berafaig  nach  Ansbach.  207 

stelle  gestattet,  fnr  die  Liebenswürdigkeit.  mit  der  mir  das 
hohe  Konsistorium  die  Benützung  des  Aktenm&teräL«  gewährte, 
meinen  wärmsten  Dank  anszosprechen. 


L 

B.  W nrtzelmauiü  an  Sei».  Heller. 


DinkelsbuhL  29.  Mai  1 542. 

Empfiehlt  auf  die  Kunde,  dam  Jäh.  Eurer  gestorben,  den  früheren 
mürttewibergimhm  Hafprediger  Mag.  Katqsjtr  Grtter. 

Gnad  mild  fried  iu  Christo  Jesu  unsenn  Heben  berm  und  hey- 
larnd.  Würdiger  hoebgelerter  weyser  herr.  Nachdem  E.  würde  hoch- 
berambt  und  weit  beruffen.  das  ir  aus  gnaden  gotte«  eyn  sunderl scher 
liebhaber  des  heiligen  göttlichen  woits  seiet  deshalben  vleis  dorrauf 
wendet,  domit  das  löblich  fhrstenthumb  brandenbuig.  ehristenlich 
und  reilieh  (!)  mit  duehtigen  kirebendienera  versehen  werde  welches 
dan  zur  heüigung  des  göttlichen  namens  und  zur  seien  heil  vieler 
mensehen  nodtwendig  vnd  forderlich.  Sollicbs  werek  wird  gewieb- 
lieh.  gott  der  herr  mit  r ei  lieh  ein  segen  euch  beloneny  dan  der  gott 
den  hern  eret  den  eret  er  widderumb  hie  zeitlich  und  in  jenem 
leben  ewicklich.  Dem  nach,  ob  ich  gleichwoll  E.  wirde  unbekaadt. 
hab  ich  mich  doch  nit  entsetz  an  euch  zu  schreiben*  in  Sachen 
gotte«  glori  und  Erhe  belangen,  auch  vieler  ewige  Seligkeit.  Non 
bin  ich  aber  berieebt  wie  das  Eurer  im  hem  verschieden  sey.  Die- 
weil dan  vermelter  stand  erledige,  kann  ich  E.  W.  nit  bergen,  das 
meynster  caspar  Gretther.  so  des  hertzogen  von  wirttenberg 
predicant  gewesen,  eyn  vast  woll  beredter  man  ist  der  krieebiseben 
und  bebrayschen  spräche  erfabrn  auch  mit  den  rügenden  geziert 
die  Paulus  in  einem  Bischof  erfordert.  Non  ist  er  aber  von  ge- 
dachtem seinem  gnedigen  herren  aus  keiner  andern  ursach  hinweg- 
kamen,  dan  da«  dem  fürsten  ein  predig,  so  er  M.  casper  getbon, 
nit  aller  ding  gefallen  hat.  Non  hat  aber  der  gut  man  deßhalben 
ime  selbig  höher  ungnad  und  Unwillen  seyns  gnedigen  hems  für- 
gebildet-  dan  er  siech  in  der  Wahrheit  het  dürfen  besorgest  das  dan  den 
fürsten  nachmals  vertrösten,  das  er  also  zu  seiner  fürstlichen  gnaden 
Verkleinerung  und  von  wegen  unzeitlicher  auch  unnodtwendiger  foreht 
aus  dem  fhrstenthumb  gewiechen  were.  ist  er  aber  von  den  rädten 
geliebt  und  der  furst  ist  ime  sunderlich  mit  gnaden  geneigt  gewesen, 
also  das  auch  der  stadthalter  kürzlich  ime  geschrieben,  das  er  sich 
wiedderumb  zu  hoff  begehen  sollt-  deshalb  er  mit  dem  forsten  wolldt 
reden.  Es  ist  ime  aber  beschwerlich,  auch  wiedderadtens  ime 
treffendtlich  leutt.  Dem  allen  nach  hab  ich  ime  geschrieben,  wie 
ich  glaub  Meyn  gnädiger  herr  Markgraf  Jorg,  so  er  seinen  fürst- 
lichen gnaden  word  angezeigt,  er  solt  berufen  werdden  und  im  ge- 
dachten fursteuthurnh  nit  wenig  nutz  schaffen7  dieweil  dan  ime  mein« 


208 


Th.  Kohle,  Kaspar  Ureters  Berufung  nach  Ansbach. 


gnedichsten  herns,  des  marekgraffen  gottseligkeit  und  liebe  zum 
euaugelio  wie  allendthalben  wolbekaudt  ist,  zweifei  ich  ganz  nicht, 
er  wurdt  sich  berufen  lassen.  Ich  kan  viel  gedachten  maynster 
caspar n E.  W.  nit  höher  rummen,  dan  das  meyn  gnedichster  furst 
und  her  in  höret.  Er  ist  nit  ein  alt  mau,  irgendt  über  30  Jar, 
hat  zeitlich  in  geschrifften,  so  von  ime  ausgangen,  genungsam  an- 
gezeigt, was  aus  ime  werden  wurdt.  Sollichs  hab  ich  zu  fordersten 
Gott  zu  ereil  und  zu  underthenigem  wollgefallen  meins  gnedichsten 
lierrns,  auch  zu  ewigem  nutz  und  wolfart  der  furstenthumbs  E.  w.  nit 
unangeziget  wollen  lassen,  und  so  man  in  horn  wollt,  so  lasset  es 
mich  wiesseu,  auf  das  ich  ime  das  mog  auzeigen.  Es  must  die  sacli 
nit  verzogen  werden,  dan  er  selbs  besorgt,  wo  er  nit  wurdt  künden 
auzeigen,  das  er  schon  eyn  beruff  hett  augenummen,  das  er  wid- 
derumb  ins  furstenthumb  wirttenberg  must  kumen.  E.  W.  woll 
mir  mein  eiufeltig  schreiben  vor  glitt  haben,  dan  ich  meyn  es  gutt, 
das  weiß  gott,  der  woll  euch  stercken  vnd  erhalten  bei  seinen 
gnaden.  Amen,  geben  zu  Dunckelsbueh  eil  auf  den  andern  pfingstag, 
Im  Jar  1542. 

E.  W. 

w ill i ger  Be r n li a r d t 
Wurtzelmann 

pfarherr  zü  Dunk  eis  buch  eil. 

Aufschr.  1 )em  wirdigen  und  hochgelerten  Ernhafften  und  weysseu 
herrn  1 )octor  N.  II  e 11  e r marck grafischen  Cantzlern  meinem  besun- 
dern  lieben  hern. 

(Original). 

II. 

Martin  Moninger*'),  Pfarrer  zu  Ausbach 
an 

den  Canzler  Sebastian  Heller. 

Ansbach  Anfang  Juni*'*). 

Rät  dringend  dazu,  den  sicherlich  treugenieinten  Rat  Wurtzelnianns, 
den  Gott  schicke , nicht  ausser  acht  zu  lassen,  denn  beide  Predikaturen 


*)  Auf  Grund  von:  Epicedia  continentia  integram  vitae  historiam 
duoruin  Clarissimorum : Beverendi  D.  Martini  Moningeri,  Pastoris  et  Su- 
])erintendentis  Onolsbacensis : Reverendi  D.  Johannis  Serrani  Rosfeldensis 
pietatis  et  amoris  ergo  scripta  a Joliannne  Moningero.  Wittenbergae  1556 
berichtet  über  Moninger  am  eingehendsten  .1.  A Zindel  in  Georgis  Uffen- 
heimischen  Nebenstnnden  Bd.  II,  Schwabach  1754  S.  733,  kann  aber  in 
manchen  Punkten  ergänzt  werden.  Geboren  wurde  Moninger  zu  Löpfingen 
(falsch  die  Vermutung  Karrers,  Gesell,  der  luth. Kirche  von  Oettingen, 
Zeitschrift  für  luth.Theol.  14. Bd.  1853  S.  660,  daß  er  aus  Munuingen  bei 
Oettingen  stammte)  am  26.  Dez.  1498,  besuchte  die  Schule  zu  Oettingen 
und  trat  dann  ins  Karmeliterkloster  zu  Nördlingen,  wurde  aber  früh 
durch  Luthers  Schriften  für  die  evangelische  Lehre  gewonnen  und  als 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  mach  Arnsbach  ~V*9 


sm  rerseken.  sei  ihm  mtM  mägiktn.  der  Mangel  am  gnlen  Kräften  im 
Lande  gross  die.  Doth  solle  man  sieh  erkundigen^  e&>  Greter  nitM 
etwa  mit  „Schwärmerei  heim  fiel.“ 

Ich  hat*  des  phamers  zu  Dunkelspuhel  brief  ai  E.  ge- 
lesen. und  tan  mit  anders  gedendkeo.  dam  das  ers  treulich  und 
treiotlieh  meinet  mit  mrnsenn  g.  hem.  Und  wie  ich  uneins  verstand' 
die  sach  bedencke.  kan  ich  mit  anderst  rechnen,  dann  das  solehs 
umserm  g.  h.  unser  hergot  zuschicke.  Dann  ich  vera  Damen  inner 
zwen  tagen,  wie  her  Jacob1}  mit  komme  und  uns  die  arfeait 
beder  predieatrar  zu  schwer  sein  wirt.  und  unser  g.  her  auch  keines 


Ke::  . : s. :: s m K'.:s:e:  Zrs:-:^rz  . . se  . 

Kautz  schon  1518.  siehe  Geyer.  C.  Kautz  oben  Seite  M!  Hinauf  kam 
er  in  den  Dienst  des  Grafen  Ludwig  von  Oeningen.  angeblich  zunächst 
im  weltlicher  Eigenschaft  als  Hausverwalter,  Ms  er  dämm  beim  Zuge  ge- 
gen die  Bauern  sein  Hof-  und  Feldprediger  wurde  und  durch  seine  evan- 
gelische Predigt  in  die  äußerste  Lebensgefahr  kam.  was  die  Vita  in  etwas 
romanhafter  Weise  darstellt.  Zuruekgekehrr  verheiratete  er  sich  umd 
nahm  nicht  lange  darauf  mach  derselben  Quelle  als  Kollege  Kaspar 
Loners  und  Nik  Medlers  ein  Pretögtamt  in  Hof  am.  wobei  ich  bemerke, 
daß  diese  Hofer  Wirksamkeit  m.  W.  sonst  nirgends  bezeugt  ist.  und  sie 
mir  um  so  zweifelhafter  ist.  als  Montnger,  als  er  1538  nach  Wittenberg 
kam,  dort  als  Prediger  des  Grafen  Ludwig  von  Oetümgem  bezeichne:  wird. 
Als  solcher  hatte  er.  was  bisher  nicht  beachtet  worden  ist.  Luther  die 
Mitteilung  zu  machen,  daß  sein  Landesherr  beabsichtige,  Luthers  Bücher 
in  VIII  ordentliche  tomos  drucken  zu  lassen  vgl.  die  dem  Grafen  von 
J.  Jonas  in  Luthers  Auftrag  gegebene  Astwort  vom  Sonntag  nach  Michaelis 
1533  bei  Karrer  a a.  0.  S.  *571.  nicht  bei  Kawexau.  Jonasbriefe).  Sein 
~ ..  . ioo  e:  . . e Erst  zach 

einiger  Zeit,  wahrscheinlich  nachdem  er  sich  gegen  die  ursprüngliche  Ab- 
sicht s.  Brief  des  Jonas)  entschlossen,  länger  zu  bleiben  und  seine  Frau 
hatte  nachkommen  lassen,  wurde  er  inskribiert  (Martinas  Moninger. 
Örringensis.  8.  Junij  1534.  Album  Viteberg.  8.  153  und  erwarb  sich  im 
Jahre  1535  die  Magisterwürde.  (VgL  J.  K stlin,  Die  Baccalaurei  und 
Magistri  etc.  1L  Halle  1888  8.  ±K  Von  Wittenberg  soll  er  direkt  nach 
Aasbach  berufen  worden  sein,  anfänglich  mit  dem  Titel  eines  Hofkaplans, 
als  Aushilfe  für  den  viel  in  Rehgionsangelegenheit  beschäftigten  Eurer 
(Zindel  a..  a.  Ö.  S.  747  . der  aber  Sriftsprediger  war  Sicher  ist  nur',  da- 
er  1538  Althaxners  Nachfolger  als  Stadtpfarrer  wurde,  Als  solcher  schreibt 
er  schon  am  39.  April  1539,  indem  er  eine  Berufung  des  Grafen  von 
Oeningen  in  die  Heimat  ablehnt  (Kauer  S.  <(571  ff,  und  da  er  von  sich 
selbst  in  einem  zweiten  Brief  vom  31.  Juli  1538  sagt,  daß  er  „in  an- 
rieh rang  des  Evangelijj  vnd  der  Ceremonien  der  kirehen  gebrauch  ain 
wenig  erfhien,  als  Visitator  vnd  Examinator*  sei  (S.  675),  wird  man 
allerdings  schon  an  eine  längere  Tbatägkeit  in  Ansbach  denken  müssen. 
Er  starb  am  36.  Oktober  155g. 

**)  E»aß  das  undatierte  Schreiben  unmittelbar  nach  dem  Briefe  Wurtzel- 
manns  zu  setzen  ist.  ergib#  die  Bezugnahme  auf  seine  Sorge  wegen 
Schwärmerei  und  die  Frage  nach  Greters  Büchern  in  dem  folgenden  Briefe 
des  Markgrafen  Georg  au  Joh.  Brenz. 

1)  Jakob  Strmtuer  siehe  oben  S.  205.  Es  schwebten  hiernach  wohl 
damals  schon  Verhandlungen  mit  ihm  wegen  seiner  Absicht  in  Berlin 
zu  bleiben. 


210 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


geraten  kann,  darzu  nit  vil  gebreuchlicher  (absit  verbo  inuidia)  Mi- 
nistri  mer  im  furstenthumb  sein.  Ist  mein  gut  beduncken  das  mau 
solchen  man,  wo  er  unserm  g.  h.  werden  kan,  nit  möcht  dahinden  lasse, 
sonder  ine,  auffs  furderlichst  es  sein  kan,  erfordere,  vnd  wie  wol 
ich  ine  von  angesicht  nit  kenne,  so  ist  er  mir  doch  durch  schrillt, 
als  einer  der  vil  erfaren,  bekant,  die  ich  vor  12  Jaren  gelesen,  aber 
yetzo  in  eil  nit  können  suchen.  Doch  wann,  ine  unser  g.  h.  höret, 
kan  man  ine  nach  gelegenhait  versehen,  es  sey  gott  hoff,  ins  stifft, 
und  ob  es  unser  g.  h.  haben  wolt,  auch  zum  pfarrer  allbie,  des 
ich  nit  zu  wider  sein  will,  oder  ist  anderst  Pangracz en  Salczmans, 
oder  Hans  Clausen  Canonicat  noch  verledigt,  mit  der  einem  ein 
zeitlaug  versehen  wurde,  biß  man  ine  unterbringe,  damit  das  fursten- 
thumb nit  exhaurirt  werde,  wie  es  sich  schon  anlest.  Es  were 
dann  das  er  verhaft  were  mit  Sch  wer  merey L),  des  mir  nit 
bewust,  aber  solchs  kan  man  -verhütten,  wann  man  dem  pfarrer  zu 
Dunkelspul  schreibet  etc.  In  disem  aber  wirt  unser  gn.  h.  auch 
E.  herligkeit  woll  wissen  zu  handeln  pro  dignitate  personarum, 
doctrine,  locorum,  meritorum.  E.  w. 

(Orig.)  Mart.  Moninger. 

111. 

Markgraf  Georg  von  Brandenburg  an  Joh.  Brenz  in 
Schwäbisch  Hall  und  Simon  Schneeweiß. 

Ansbach  den  3.  Juni  1542. 

Bittet  die  Adressaten  um  umgehende  Auskunft  über  das,  was  sie  von 
Greters  Leben  und  Lehre  wissen. 

Unsern  gunstlichen  grus  zuvor,  wirdiger  hochgelehrter,  besonder 
lieber,  nachdem  herr  Johann  Rur  rer  seliger,  mit  tod  abgegangen, 
des  seelen  und  uns  allen  der  Allmechtiger  Gott  durch  seinen  Sun, 
Jhesum  Christum  gnedig  und  barmherzig  sein  wolle,  des  warlich 
wir  und  unser  Landschaft,  sonderlich  bekommernus  empfangen,  und 
aiu  solchen  Mann  nit  gern  verloren  haben,  auch  nichts  liebers  wün- 
schen wolten,  dann  das  uns  Gott  widerumb  seins  gleichen  gnedig- 
lich  zukomen  lassen  wolt,  Also  mögen  wir  euch  gnediger  und  ver- 
treulicher  mainung  nit  pergen,  das  unserm  Cantzier  von  dem  herrn 
pfarherrn  zu  Dinkelspuhel,  ains  mans  halben,  Casparn  Gretner 
genant  schreiben  und  auzaigung  gescheen  ist,  wie  ir  ab  inligender 
Copien  zu  vernemen.  Die  weil  aber  nun  desselben  person,  leer  oder 
wandel  alhie,  sonders  niemaudts  kent,  dann  allain  was  der  herr 
pfarrherr1 2)  alhie  angetzaigt,  das  er  etwa  vor  etzlichen  jaren  ausge- 
gangene buchlein,  unter  solchem  namen  gesehen,  der  er  aber  nit 


1)  Durch  ganz  große  Schrift  ausgezeichnet. 

2)  Moninger,  siehe  oben  seinen  Brief. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Ureters  Berufung’  nach  Ansbach. 


211 


sonderliche  gedechtnus  behalten,  so  laugt  an  euch,  als  der  ir  un- 
gretzweiuelt  seins  tlions  und  wesens  wissens  haben  werdet,  unser  ganz 
gnedigs  ersuchen  uud  anlangen,  Ir  wollet  uns  seintlialben  euer  ver- 
treuliche  unterricht,  auch  rat  und  gut  bedenucken  mitthailen,  dann 
ir  wist,  wie  es  etwo  in  Württemberg,  mit  etzliclien  wider  wertigen 
leeren  des  sacraments  und  anders  halben  ain  gestalt  gehabt.  So 
können  wir  nit  wissen  wie,  welcher  gestalt  oder  warumb  er  haimb- 
licli  abgeschieden,  Dieweil  doch  Württemberg  auch  unter  den 
religious  verwanten  stenden  begriffen,  also  das  wir  gern  wolten 
widerum  ain  solchen  mau  an  dem  ort  haben,  der  herr  J oh  an 
Rurrer  seligen  ersetzen  möcht,  dieweil  es  die  gelegenhait  hat,  das 
ain  er  der  ende  (sic)  allen  andern  gaistlichen  vorsteen  helffen  soll. 
Bitten  derwegen  aus  dem  sondern  vertrauen,  so  wir  zu  euer  person 
haben  und  tragen,  uns  vertreulich  euer  unterricht,  rat  und  gut  be- 
duncken  mitzuthailen,  Wie  wir  gar-  nit  zweiuelu,  das  ir  dasselbig  zu 
furderung  Gottes  eher  und.  unser  der  menschen  seelen  seligkait  mit 
getreuem  vleis  vnd  herzlichem  wolmainen  thon  werdet,  ob  wir  und 
unser  landschafft  dieses  inans  halben,  beede  der  leer  und  wandeis 
halben,  zu  solchem  standt  notturftigiich  möchten  versehen  und  ver- 
sorgt sein,  dieweil  ir  Johan  Rurrern  seelig  wol  gekennet,  wie 
christenlich  feiner  leer  und  sonder  gescliickliclikait  zum  predigen 
von  Gott  begnadet  dartzu  auch,  wie  ains  gar  erbarn  wesen  und 
wandeis  er  gewest  ist.  Das  wollen  wir  widerum b in  allem  gutem 
gegen  euch  erkennen  vnd  beschulden.  Gewarten  hierauf  bei  gegen- 
wertigem bothen  euer  widerschrift.  Datum  Onnoltzbach  Sambs- 
tags  nach  dem  hailigen  ptiugstag  Anno  xlij. 

An  H.  Johann  Brentz,  Predigern  zu  Schwebisch  Hall. 

Item  mut.  müt. 

An  den  Pfarrer  zu  Crailsheim. 

(Coucept.) 

IV. 

Joh.  Brenz  an  Markgraf  Georg  von  Brandenburg. 

Schwäbisch  Hall,  6.  Juni  1542. 

Empfiehlt  Casp.  Greter,  unter  Mitteilung  dessen . uris  er  von  seiner 
Vergangenheit  iveifs. 

Durchleuchtiger  hochgeboruer  furst,  Gottes  gnad  durch  Jesum 
Christum,  mit  erbietuug  meins  alzeit  gehorsamen  und  schuldigen 
dienst  zu  vor.  Gnediger  fürst  vnd  herr,  E.  F.  G.  schrift,  den  töd- 
lichen abgaug  Herrn  Johan  Rurers  seeligen,  auch  M.  Casparn 
Gretern,  so  E.  f.  G.  von  dem  pfarhern  zu  Dinckelspühell,  zu 
einen  predicanten  angezeigt  belangendt,  hab  icli  vndertheniglich  ent- 
pfangen,  uud  ist  mir  kein  zweifei,  nachdem  her  Johan  Ru  rer 
selig,  das  Euangelion  Christi  uff  das  getreulichst  gepredigt,  und 


212 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung-  nach  Ansbach. 


Jesum  Christum,  den  rechten  heilandt,  tröstlich  bekant,  er  geniesse 
schon  albereit  deren  himmelischen  guter,  so  den  gläubigen  durchs 
Euangelion  verheissen,  und  werde  mit  allen  heiligen,  uff  jenen 
tag,  der  keins  wegs  aussbleiben  wurd,  seliglich  yfferstehen.  So  ist 
sich  auch  mehr  zu  freuen,  das  E.  f.  G.  ein  solchen  frummeh  gots- 
fürchtigen  predicanten  gehabt,  dann  zutrawren,  das  er  aus  gottis 
beruff  von  diser  weit  abgeschieden  ist.  Was  aber  M.  Caspar 
Gr  et  er  n belangt,  hat  es  diese  gstalt,  das  er  onguerlich  vor  xiiij 
oder  xv  Jareu  bei  mir  zu  hall,  in  meiner  behaussung  ein  zeitlang 
gewonet  und  mit  allem  Heiss,  auch  eerlichem  gutem  wandel,  in  den 
sprachen,  und  in  der  heiligen  schrift  studirt,  hernach,  als  er,  in  der 
Vniversität  heidelberg  Magister  worden,  hat  er  sich  zu  dem  pre- 
digt ampt,  wie  er  dahin  von  iugent  auf  erzogen,  getlian  vnd  darzu 
durch  gottes  gnad  mit  solchem  Heiss  angehalten,  das  er  der  kyrche 
nicht  allein  mit  leeren  vff  der  Cantzel,  sondern  auch  mit  schreiben, 
nützlich  worden  ist.  So  ist  er  auch,  meins  erfahrens,  von  den  irri- 
gen leeren  des  sacraments,  und  andern,  also  unbefleckt,  das  er  wider 
solche  schuermerey  öffentlich  gehandelt  und  geschriben  hatt,  wie  das 
zum  teil  sein  Catechismus,  den  er  im  truck  hatt  aussgeen  lassen  1), 
erweisset.  Er  hat  sich  auch  zu  seinem  predigampt  so  eins  red- 
lichen wandeis  gefliessen,  und  noch,  das  er  dem  selben  ampt  zier- 
lich ist,  und  ich  nicht  .anderst  ye  von  im  hab  hören  sagen.  Wie 
er  aber  aus  Wirtemberg  abgeschieden,  hab  ich  mir  anzeigen 
lassen,  dass  es  ganz  keiner  schwermerey  oder  untugent  halben, 
sonder  allein  von  wegen  ettlichen  onguerlicher  wort,  so  sich,  in  der 
predig  in  beysein  Meins  gnedigen  f.  und  hern  lierzog  VI ric hen  etc. 
zugetragen,  gescheen  sei,  und  verhoffe  gentzlich,  so  E.  f.  G.  in, 
Casparn  Gretern  selbs  verhören,  er  werde  E.  f.  G.  seius  ab- 
schieds  auss  Wirtemberg  dermassen  bericht  thun.  das  sie  ein  gut 
gnedig  beniigen  daran  hoben  werde.  Dann  seins  leerens  vnd  lebens 
halben,  acht  ich  in  den  herrn  Eurer  seligen,  zu  ersetzen,  ganz  be- 
quem und  tauglich,  mit  diser  Zuversicht,  Gott  werde  in  mit  seiner 
gnad,  in  angefangeneu  und  geübten  tugenten  erhalten,  auch  die 
selben  mehren.  Yedocli,  nach  dem  ich  oft  erfareu,  das  E.  f.  G., 
mein  thorheit  genediglicli  uffnimpt,  kan  ich  nicht  uuderlassen, 
E.  f.  G.  des  alten  hochgierten  vnd  weitberümpten  philosophi  Pla- 
tonis  Comendacion  zu  recitiren.  Dann,  als  Plato  dem  könig  Dionysio 
ein  feinen  man,  Heliconen  commendirt,  sagt  er,  das  Helicon  sei  ein 
frumer  eerlicher  vnd  redlicher  man,  hengt  aber  hinden  daran.  Das 


1)  Ein  deutlicher  Beweis  dafür,  was  man  allerdings  schon  aus  der 
Greterschen  Vorrede  hätte  entnehmen  können,  daß  der  treffliche  soge- 
nannte Laclnnannsche  Katechismus  (J.  Hartmann,  Aelteste  katecheti- 
sche  Denkmale  der  evangelischen  Kirche,  Stuttg.  1849  S.  79  ff.)  mit  Un- 
recht Lachmann  zugeschrieben  wird,  vielmehr,  wenn  auch  jener  nach  der 
Vorrede  die  Anregung  dazu  gegeben  hat,  ein  Werk  Greters  ist. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Ureters  Berufung  nach  Ansbach. 


schreib  ich  spricht  er  nicht  als  von  einem  Gott,  der  nn wandelbar- 
lieh  ist,  sondern  als  von  einem  mensehen,  der  do  ist  von  arr  ein 
wandelbar  lieh  thier1).  Also  wie  woll  ich  den  allmechtigeu  vertraue, 
er  werde  den  vülgenanten  Casparn  Gretern  anch  rnieh  nnd  an- 
dern unser  mitgesellen  im  enangelio  forohin  gnediglich  biss  ans  endt 
nnsträfflich  erhalten.  yedoch  könte  ich  für  mich  selbs  ufr  das  künf- 
tig nicht  bürg  werden,  das  mir  kein  fass  entschlüpfen  wurde.  Gott 
wolle  uns  alle  für  dem  übell  behüten.  Amen.  Das  habe  E.  f.  G. 
ich  undertheniglieh  berichten  wollen. 

Dann  E.  f.  G.  gehorsamen  dienst  zu  erzeigen,  erkenne  ich 
mich  allwegen  schuldig.  Gott  wolle  E.  £ G.  was  in  irem  glück 
und  heil,  zeitlich  nnd  ewig  dienstlich,  gnediglich  verleihen.  Amen. 
Datum  zu  schwebisehen  hall  Dienstag  nach  dem  Sontag  trinitatis, 
Auno  etc.  XXXXII. 

E.  f.  G. 

alzeit  gehorsamer 

Johan  Brentz,  prediger 
zu  schwebisehen  hall. 

Aufschrift : 

Dem  durchleuchtigen  hochgebomen  forsten  und  herm,  herrn 
Georgen  Marggraffen  zu  Brandenburg  etc.  In  «Schlesien  zu 
ßatibor  hertzogen  etc.  meinen  gnedigen  forsten  nnd  herrn. 

( Original. ) 


V. 


Simon  Schneeweiß  an  Markgraf  Georg. 
Crailsheim  d.  6.  Juni  1542. 


Keimt  Greter  persönlich  nicht,  hat  aber  durch  Erhard  Schncpf  auf 
dem  Reichstag  zu  Regensburg  nur  Gutes  von  ihm  gehört  und  empfiehlt, 
dm  zu  berufen  und  selbst  iu  hören. 

Durchlenchtiger  Hochgebomer  Fürst  Gnediger  E.  F.  G.  seindt 
mein  schuldig,  willig,  unterthenige  dienst  sambt  meinem  andechtigem 
gebete  zu  Gott,  alle  zeit  bevor,  Gnediger  Herr  E.  F.  G.  schreiben 
hab  ich  mit  gepurender  ehr  nnd  reuerentz  empfangen,  darinnen 
dieselben  E.  F.  G.  begeren  von  mir  unterricht  Caspar  Gretners 
halben,  der  ein  zeitlang  herumb  des  Hertzogen  zu  Wirttemberg 
Predicaut  gewest,  ytzt  aber  auss  was  Ursachen  ist  nit  wissendt 
heimlich  abgewieheu.  welcher  E.  F.  G.  von  Herr  Bernharden 
Wurtzelmann  Pfarhern  zu  Dinkelspuhel  gefudert  wirdt  zu 


1)  Stammt  aus  Plutareh  Moral  533  B . llaj.tr  6 IRmair  *EJbdam  m 

K\\txtjr(o  bthorz  .Tooc  Aiorvoor  kxunolrjr  kjrrjrtoer  avror  ojc  k xiftxij  sem 
ftizoior,  tixa  xoogeyoatpe  r ij  exusmijj  TFJLEVtdtatj  . . dann  am  Schluß:  ygatpM 
bi  ckh  zavra  .t sgi  ärdotaxov,  £tbov  yvoei  FVftsTaßäj.ov. 

Beiträge  rar  l»*yer.  Kire.Len jeeeii i .-Lie.  V.  15 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


‘214 

lodern  und  anzunehmen  an  stat  Herr  Johann  Rurers  seligen  etc. 
Diesem  E.  F.  G.  bewelch  hin  ich  willig  gantz  untertheniglicli  volg 
zutliun,  und  ist  dis  mein  unterricht.  Erstlich  das  ich  dieses  Caspar 
Gr  e tu  er  s kein  sonderliche  kuntschaft  kab,  denn  nur  so  viel  mir 
mein  lieber  Herr  und  Brueder  M.  Erhardus  Schnepf  auf  dein 
jungst  verschinen  reichstag  zu  Regenspurg  von  im  gesagt1),  do 
ich  ihn  fraget,  was  Hertzog  Ulrich  ytzt  für  ein  hofprediger  kab, 
nachdem  Herr  Conrad  Otting  er,  der  ein  zeitlaug  S.  F.  G.  hoff- 
prediger  gewesen,  mit  todt  abgegangen  were 2)  und  er  Schnepf 
mir  geantwortet,  S.  G.  H.  kette  zu  einem  hoffprediger  einen  feinen 
jungen  Magistrum,  mit  narnen  Caspar  um  Gretner,  der  were  in 
sprachen  geleret,  und  teutsch  wol  beredt.  Das  hat  mir  von  Caspar 
Gretner  gesagt  Erhardus  Schnepff.  Sonst  kenn  ich  in  nicht, 
liab  ihn  auch  mit  wissen  nie  mein  leben  lang  gesehen,  noch  seiner 
Buechlein  keins  gelesen*  Mir  ist  auch  onbewuste  wie  und  warainb 
Er  Caspar  Gretner  von  Hertzogen  Vlrichen  abkomen.  Denn 
ich,  ehe  ich  E.  F.  G.  schreiben  empfangen,  nicht  anders  gemeint, 
er  sey  noch  bei  gedachtem  Hertzogen.  Aber  mir  zweifelt  nicht, 
bin  auch  der  guten  Zuversicht,  zu  Herr  Bernharden  Wurtzel- 
mann  Pfarher  zu  Dinkelspuk el , er  wurde  gedachten  Gretner 
E.  F.  G.  Cantzier,  meinem  gunnstigen  Herrnn,  nicht  angezaigt  haben, 
wo  er  Wurtzelman  vermeinet,  das  E.  F.  G.  mit  gemeltem  Caspar 
Gretner  nicht  solt  versorget  sein.  Derhalben  ist  mein  gutbedunken 
das  E.  F.  G.  oiftgemelten  Pfarher  zu  Dinkelspuhel  schreibe, 
und  den  offtgenannten  Caspar  Gretner  beruhen  lasse,  ihn  sehe 
und  höre.  Alsdan  werden  sich  E.  F.  G.  des  bas  wissen  zu  richten. 
Dass  is  mein  einfeltig,  und  unterthenig  auff  E.  F.  G.  begern  un- 
terricht, Doch  alles  E.  F.  G.  reicherm  bedencken  keimgestellet,  und 
bevilch  mich  in  aller  untertkenigkeit  derselben.  E.  F.  G.  Die  wolle 
der  Almechtige  bewaren  zu  furderung  seines  Göttlichen  worts  und 
der  unterthanen  wolfakrt.  Amen.  Dat.  Crailsheim,  Dinstag  nach 
Trinitatis  Im  xlijten  Jar  etc. 

E.  F.  G. 

Gehorsamer 
Simon  Schneeweiss 
Pfarher  zu  Crailsheim. 

(Original.) 


1)  Demnach  hat  Schneeweiss  den  Markgrafen  auf  den  Reichstag 
nach  Regensburg  1540/41  begleitet.  Auch  Rurer  war  in  Regensburg, 
denn  er  gehört  mit  Simon  Schneeweiss  zu  den  von  Caspar  Bruschius 
in  Versen  gefeierten  Besuchern  des  Reichstags  vgl.  Horawitz,  Ad.. 
Caspar  Bruschius.  Prag  und  Wien  1874.  S.  245. 

2)  Er  starb  1540.  Vgl.  Veesenmayer,  Kl.  Beiträge  zur  Geschichte 
des  Reichstags  zu  Augsburg  1530.  Nürnberg  1830,  S.  91  f. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


215 


VI. 

Caspar  Greter  an  B.  Wurtzelmann. 

Mühlbach,  1.  Juni  1542. 

Erfreute  Antwort  auf  einen  nicht  erhaltenen  Brief  Wurtzehnanns , der 
ihm  Mitteilung  gemacht,  dafs  Kanzler  Heller  sich  über  ihn  in  Stutt- 
gart erkundigen  wolle.  Berichtet  aber  auch,  dafs  er  mit  den  Herrn  in 
Wimpfen  wegen  Übernahme  einer  Stelle  . in  Verhandlungen  stehe,  die 
beinahe  abgeschlossen  wären,  äufsert  sich  über  die  Gründe  seiner 
Flucht  und  erwähnt  mehrere  seiner  Schriften. 

S.  In  Christo  Jesu.  Dici  non  potest,  quantum  me  literae'  tuae, 
frater  in  Christo  dilectissime,  exliilarauerint,  non  tarn  eo  nomine, 
quod  animum  tuum  in  me  declarant  studiosissimum,  quam  quod 
venerint  a te  literae  mihi  dilectissimo.  Verum  vt  ad  multa  paucis 
respondeam.  Ambiunt  euangelicum  concionatorem  cives  tui  Wim- 
pinenses.  Quid  obstupescis  mi  frater,  id  quod  res  est  loquor, 
Wimpinenses  inquam  tui  tanto  ardore  sitiunt  ac  esuriunt  iusti- 
ciam,  vt  mihi  de  ipsis  plurimum  pollicear.  Nouus  homo  est  & ad 
miraculum  usque  conuersus  Sebastianus  ille  Linkius  quod  facile  & 
a fratre  tuo  audire  potuisti.  Hic  hic  (sic!)  in  se  omnium  Sena- 
torum  ora  de  euangelio  magnifice  loquens  in  Senatum  conuertit. 
Quid  multis?  Jam  ita  mecum  agunt  & tanta  grauitate,  vt  non  dubitem, 
quum  omnis  res  ad  futuram  diem  Lunae  processura  sit  foeliciter  et 
prospero  flatu  Spiritus  saucti  ad  bonum  et  desideratissimum  portum 
Ventura. 

Et  si  quid  obstiterit,  solus  Regulus  meus  obsistet,  qui  paruulo 
quodam  affectu  apud  se  vel  nolentem  et  inuitum  me  retinere  cona- 
tur.  Hoc  inquam  hic  agitur  apud  nos  et  presertim  Wimpinenses, 
vnde  diuino  consilio  factum  esse  intelligo,  vt  Principis  Georgii 
Archigrammateus  quatordecim  dierum  inducias  petierit,  nam  et  has  ego 
petiturus  eram.  Et  ex  re  fortasse  mea  est  quod  illi  ex  aulicis  nemo 
me  agnouerit,  quum  ita  notus  sim  Magistro  in  quantum  sum  Mar- 
schalco  (si  modo  is  est  quem  puto  nimirum  Gerardus  a Bödicken1), 
nam  hunc  esse  quidam  mihi  domi  mee  dixerunt)  vt  notior  esse  non 
possim.  Preterea  quod  Brentii  discipulus  fuerim,  Brentius  autem 
Principi  georgio  non  vulgariter  sit  charus,  ex  eo  citius  et  vitam 
et  fortunam  meam  didicissent,  quam  ex  Stutgardiensibus,  maluissem 
ego  etiam  Principis  Vdalrici  senteutiam  peti  quam  aulicorum  illorum 
xokax  cbv,  cum  enim  me  magis  amant  quam  Er  har  dum  nostrum. 


1)  Gerhard  Bodigkheim,  der  nicht  Hofmarschall,  sondern  damals  Amt- 
mann in  Feuchtwangen  war  (siehe  weiter  unten  die  Nachschrift  in  dem 
Brief  des  Markgrafen  an  Wurtzelmann  Nr.  10).  Derselbe  fehlt  in  der 
Liste  der  Amtmänner  bei  Jacobi,  Geschichte  der  Stadt  und  des  ehe- 
maligen Stifts  Feuchtwangeu.  Nürnberg  1833.  S.  217. 

l'>* 


216 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


Et  quid  Cancellarius  de  fuga  mea  ex  imbecillitate  facta  scribit,  mi 
frater,  talis  est;  ut  eius  nec  constantissimum  poeuitere  possit ; fugi 
ego  quidem,  sed  vbi  fuge  mee  caussam  ipsi  Schnepfio  & Stathaltero 
exposuissenq  fugi ; sed  ita  vt  maius  scandalum  ecclesie  prebere 
poteram  (?),  si  mansissenq  adeo  vt  eius  fuge  me  non  pudeat,  apud 
cordatissimos  quosque,  qui  cur  fugerim  caussam  norunt,  de  qua  aliqua 
apud  te  pluribus,  nunc  nolo  iam  ita  excusare,  vt  quid  amarulentius 
in  Principem  meum  dicere  videar. 

Breviter.  Talis  erat  mea  conditio  in  illa  aula,  vt  aut  mihi 
fugiendum  esset  & aula  deserenda,  aut  cum  etiam  ministerij  periculo 
docendum,  quare  malui  corporis  quam  animi  iacturam  facere.  Vnde 
etiamnum  ad  aule  solum  nomen  horrescerem.  Attamen  volun- 
tati  diuine  me  non  subtraho  quodcunque  voluerit  ipse;  fiat.  Interim 
quodcumque  factum  fuerit  tibi  luculenter  indicabo.  Yale  in  Christo 
Jesu  et  me  vt  soles  ama. 

Mulbacliij,  l.(?)Junij  Anno  XLij. 

M.  Gaspar  greterus 
ex  animo  tuo 

Litel’as  Cancellarij  ad  te  Wimpinensibus  ostendam  & breui 
vna  cum  meis  ad  te  remittam. 

Quid  ad  ulteriorem  mej  noticiam  apud  Cancellarium  facere  possit. 
Exhibitus  est  über  quidam1)  a me  conscriptus  ex  iussu  principis 
mej  in  Comitijs  postremis  Schmalkalden sibus  per  d.  philipp um 
Lang2)  pie  memoire  qui  ita  Melanchtlioni  placuit  ut  exemplar 
secum  Wittembergam  duxerit  et  vt  et  Schnepfij  etc.  Preterea 
libellum  Brentij  de  caussis  matrimoniaübus  lätiuum  reddidi  atque 
olim  Principi  Georgio  dedicani,  quem  tarnen  mendosissime  Valen- 
tiuus  Cobio  (sic)  Ettünger  excusit3)  ita  vt  et  ego  ipsum  amplius 
non  cognoscam  ete. 

Aufschr.  Ornatissimo  viro  d.  Bernhardo  d.  Bernhardo 
Wurtzelmanno  artium  ac  philosophie  magistro  ecclesie  in 
dinckelsbuhel  pastori  vigilantissimo  domino  suo  in  Christo  Jesu 
majori. 

(Original.) 


1)  Gemeint  ist  vielleicht  das  bei  Hey  d,  Ulrich  Herzog  von  Württem- 
berg III  (1844)  S.  219  f.  angezogene  Schriftstück:  Der  sechs Praedikanten 
des  Furstenthums  Bedenken  über  die  augsburgische  Confession  und  ge- 
folgte Apologie  Anno  1540  act.  am  16.  Febr.  Jedenfalls  gehörte  Greter 
zu  den  sechs  Prädikanten.  (Auch  D.  Bossert  teilt  diese  Vermutung). 

2)  Vertrauter  Rat  Herzogs  Ulrich,  der  1541  auf  dem  Reichstag  zu 
Regensburg  starb.  Vgl.  J.  Hartman,  Erhard  Schnepf.  S.  60,  Anm.  73. 

3)  Traetatus  casuum  quorundam  matrimonialium  Joan.  Brentio  authore. 
Anno  M.  D.  XXXII.  — Am  Schluß  Impressum  Ettelingae  apud  Valen- 
tinurn  Kobian.  — Die  Widmung  Greters  an  den  Markgrafen  Georg  vom 
19.  August  1531. 


Th.  Kol  de,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


217 


VII. 

Der  Kanzler  Heller  an  Bernhard  Wurtzelmann. 

Ansbach,  9.  Juni  1542. 

Auftrag  mit  C.  Greter  zu  unterhandeln,  der  auf  drei  bis  vier  Wochen 
kommen  solle,  um  zu  predigen  und  die  Ansbacher  Verhältnisse  kennen 

zu  lernen. 

Gottes  gnad  sambt  meinen  freuntlichen  willigen  diensten  zu- 
vor. Würdiger  lieber  herr  Pfarrer.  Uff  das  wie  Ir  mir  negst  ge- 
schrieben vnd  ich  euch  widerumb  antwort  gegeben,  so  ist  meins 
gn.  hr.  Marggf  Georgen,  auch  der  herrn  stiffts  allhie,  gnediger 
und  guetlicher  ersuch,  das  Ir  mit  herr  Caspar n Gretern  handlen 
wolt,  das  er  unbeschwerd  seiu  woll  hieher  zukommen,  und  ain 
Wochen  drei  oder  vier  ungeverlich  allhier  zu  predigen,  da  er  auch 
I alle  notturfftige  und  haltung  haben  soll.  So  kau  er  alle  gelegen- 
hait  hie  erfaren,  und  indess  auch  ferner  mit  ime  gehandlt  werden. 
Dann  es  hat  noch  bissherr,  Gottlob,  mit  Irer  f.  g Predigern  und 
Pfarrern  die  gelegenhait  gehabt.  Wann  ain  er  ain  mal  bestelt  und 
augenomen  worden,  das  sich  alsdaun  wenig  enderung  zugetragen, 
sonder  gemainlich  bis  in  ir  absterben  verharret  und  plieben  sind, 
wie  es  dann  auch  des  freundlichst  und  best  ist,  das  beederseits  uit 
vil  enderung  gegen  ainander  gesucht  werde.  Wann  dann  gemelter 
herr  prediger  hieher  kombt,  soll  er  sich  bei  den  rethen  antzaigen 
und  beschaid  suchen.  Damit  Gottes  gnaden  beuolhen.  Dat.  Frei- 
tags nach  Corporis  Christi  Anno  42. 

Aufschr.  Dem  wirdigen  herrn  Bernharten  Wurzelmann 
Pfarrer  zu  Dinkelspuhel  meinem  lieben  herrn  und  freund. 

(Concept.)  Canntzler. 

VIII. 

B.  Wurtzelmann  an  den  Kanzler  Heller. 
Dinkelsbühl,  13.  Juni  1542. 

Schickt  ihm  Greters  Brief,  spricht  seine  Meinung  über  dessen  Ver- 
hältnis zum  Herzog  von  Württemberg  aus  und  emfiehlt  jenen  noch- 
mals cds  Stiftsprediger. 

Gottes  gnadt  sampt  meinen  gehorsamen  willigen  diensten 
i zuuor.  Wirdiger  hochgelerter  ernhaffter  weisser  herr  Cantzier,  E.  w. 
erst  schreiben  an  mich  gethan  meinstern  Caspar  grether  belangen 
hab  ich  syns  inhalts  vernummen,  und  zu  fürder ung  des  heiligen 
j göttlichen  worts  Sachen,  gedachten  meinster  Caspar  euwer  schreyben 
mit  eigener  bottschafft  zugeschickt,  der  dau  nit  bei  uns  suudern  auf 
12  meyl  weg  under  Wimpffen  von  uns  wonet.  So  hab  ich  inen 
meinster  caspar  ausserhalb  seins  wiessens  gegen  E.  w.  gefordert 
und  commendirt,  doch  keiner  andern  ursack  halben,  dan  das  ich 


218  Th.  Kolcle,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 

glaube,  gottes  glori  vnd  erhe,  auch  des  löblichen  christlichen  fürsten 
und  irrer  fürstlichen  gnaden  furstentliumb  seelen  heil,  nutz  und  wol- 
fart, dordurch  zu  fordern,  was  aber  M caspar  auf  mein  schreiben 
geantwortt,  wurdt  E.  w.  aus  dem  zuschreiben,  so  er  an  mich  ge- 
than  auch  hiemitt  eingeschlossen  genung  vernummen1).  Das  aber, 
E.  w.  bott  zu  lang  ist  auffgehallten  worden,  ist  die  ursach,  das  ich 
auf  mein  auszgesandten  botten  gewartet,  dan  ausserhalb  meinster 
Caspars  zuschreiben  wüst  ich  nit  auff  ewer  schriftlich  beger 
genungsame  antwort  zugeben.  So  hett  ich  auch  hoffenung,  der  bott 
sollt  zeitlicher  ankummen  sein.  Es  ist  aber  von  mir  Euerm  botten 
endtriechtung  bescheen,  des  so  er  hei  uns  verzert  hatt  und  über 
seinen  willen  aus  notturfft  der  Sachen  zu  gut  aufgehallten  worden. 
Das  aber  M.  caspar  vertrauter  meinung  in  seinem  schreyben  sich 
endtschuldiget,  das  er  nit  on  billiche  vnd  nodtweudige  Ursachen  aus 
dem  furstenthumb  gewichen,  ist  mir  vast  woll  wiessendt  gewesen. 
Mir  hat  aber  nit  wollen  geburen,  der  weil  die  sach  ein  fürsten  be- 
langt, dorvon  zuschreiben.  So  weysz  ich  auch  woll,  das  viel 
frommer  gotzfurchtiger  leutt  bey  innen  selbs  des  schmertzen  haben, 
das  ettlich  fürsten  und  hern  mit  gottes  wortt  sich  nit  wollen 
züchtigen  lassen,  Dorzu  die  do  sollten  ein  fürsten  billich  von  solli - 
ehern  thon  abweyssen,  underlassen  es  doch,  etlich  aus  forcht,  etlicli 
do  mit  der  herrn  gnadt  und  gunst  zu  erlangen.  Ferners  so  er  selb 
M.  caspar  14  tag  zu  eynem  bedacht  genummen  ab  oder  zu  zu- 
schreiben, auch  anttwurtt  gewerttig  zu  seyn,  die  weyll  dan  meyn 
gnediger  her  gesindt.  Das  seyn  fürstlich  gnadt  an  den  ort  gern 
haben  wollt  eyn  gotzforchtigen  gelertten  klugen  und  sittigen  man, 
zweyffel  ich  gar  nit,  Ir  gnadt  sollt  an  M.  caspar  ein  sollichen 
haben  wurdden.  Demnach  were  mein  einfelltig  bedencken  und  woll- 
meynung,  E.  w.  schicket  on  Verzug  ein  botten  zu  meinster  Cas- 
par, da  es  noch  vnuerseumbt  were  und  so  der  bott  on  das  zu 
Diuckelsbuehell  must  durchgen,  so  wollt  ich  auch  der  Sachen 
zu  gutt  M.  casparn  schreiben,  dan  ich  ihe  gern  nichts  an  mir 
wollt  erwinden  lassen,  das  zu  furderung  sollicher  gottseliger  Sachen 
mocht  dienstlich  seyn,  dan  underthenige  willige  dienst  meynem  gn. 
hern  auch  E.  w.  zu  erzeygen  bin  ichs  auffs  höchst  geneigt,  geben 
zu  Dinckelsbuehell  auff  den  13.  Juny  Im  Jar  et.  1542. 

E.  w. 

gehorsamer  capellan  Bernhardt 
W urtzel  mann. 

Aufschr. : Dem  wirdigen  hochgelerten  ernhafften  und  meynen 
hern  Doctor  Sebastiano  heller  fürstlichen  Cantzier  Meynem 
günstigen  herrn. 

(Original.) 


1)  Siehe  oben  Nr.  V. 


Th.  Kolde.  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


219 


IX. 

Markgraf  Georg  an  C.  Greter. 

Ansbach.  14.  Juni  1542. 

Wünscht  ihn  als  Stiftsprediger  zu  gewinnen  und  fordert  ihn  auf,  in 
Begleitung  des  zu  ihm  gesandten  reitenden  Boten  sich  nach  Ansbach 

zu  verfügen  und  sich  die  dortigen  Verhältnisse  anzusehen . 

Unsem  grmstlichen  gras  zuvor,  würdiger  hochgelerter  besonder 
lieber,  wie  unsers  verstehens  vnd  verhoffens,  ans  Gottes  sondern 
gnaden  vnd  Schickung,  enrer  person  halben  an  uns  anlangen  ge- 
seheen.  Da  wir  auch  derwegen  dem  wirdigen  Hochgelerten  nnserm 
insonders  geliebten  H.  Johan  Brentio,  predigern  zu  Schwebisch 
Hall,  eueren thalben  umb  unterricht  geschrieben,  also  haben  wir  aus 
desselben  und  auch  des  h.  Pfarherrs  zu  Dinckespuhel  erstlich 
anzaigmnr,  sovil  verstanden,  das  wir  begirig  und  genaigt  sind,  wo 
es  Gott  also  gefellig,  euer  person,  bei  uns,  und  zu  unserer  stat 
alhie.  für  ain  Stiftsprediger  zu  haben  und  zuhalten.  Demselben 
nach  haben  wir  nit  unterlassen  mögen,  euch  auch  disen  unsern 
reitend  hotten  in  eil  zuzuschicken  gantz  gnediglich  und  gütlich  euch 
ersuchen  dt,  ir  wollet  unbesch  werdt  sein,  euch  mit  demselben  den 
negsten  hieher  zu  uns  zuverfugen,  wie  dann  gemelter  unser  both  von 
uns  beuelch  hat  zu  Bestellung  ainer  fhur  vnd  anderer  Verrichtung 
mit  euer  Anweisung  vnd  hilf  vleis  zuthon,  dem  ir  auch  euer  per- 
son wol  vertrauen  mögt,  alls  der  auf'  euch  warten  und  mit  hieher 
bringen  soll,  und  in  solchen  wollet  euch  das  herz  nit  schwer  sein 
lassen,  dann  wir  handeln  gar  gerne  mit  solcher  leut  rath  in  der- 
gleichen embter  bestellnng,  zu  denen  wir  den  sondern  vertrauen 
bissher  biHieh  gehabt  und  noch  haben  sollen  vnd  wollen,  welch 
zeugnus  dann  genugsam  ainen  jeden,  so  sich  solcher  Sachen  sein 
seel  seligkait  betreffend,  bekomm ert,  bekant  sein  sollen.  Es  ist  uns 
auch  vil  lieber,  aller  gelegenhait  gnugsame  erfarung  zu  nemen.  dan 
uns  oder  die  unsern  oder  einen  andern,  auf  ain  ungewis  und  ver- 
enderung  zusetzen.  Damit  wollen  wir  uns  und  den  unsem.  auch 
euch  und  den  enern  anders  nichts  wünschen,  dan  was  zu  Gottes 
lob.  durch  seines  sun  unsem  hailandt  Jhesurn  Christum  und  unser 
aller  Seelen  seligkait  und  wolfhart  dinstlich  und  forderlich  sein  mag, 
und  gewarteu  euer  mit  und  neben  gegenwärtigen  unserm  reitenden 
bothen. 

Dat.  Onolzbach.  Mittwoehs  nach  Corporis  Christi  Anno  etc.  xlij. 

Dem  wirdigen  und  gelerten  unserm  besond erlich  h.  Caspar 
Greter  o Magistro  vnd  Predicanten. 

(CöDcept.  i 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


220 


X. 

Markgraf  Georg  an  Bernhard  Wurtzelmann. 

Ansbach  d.  14.  Juni  1542. 

Hat  auf  seiner  und  Brenz  Empfehlung  beschlossen,  C.  Greter  zu  be- 
rufen : sendet  zu  gleicher  Zeit  an  diesen,  um  ihn  abzuholen , einen 
Boten,  dem  Wurtzelmann  zu  dessen  Auffindung  behül flieh  sein  wolle. 

Unsem  gunstlichen  Gmss  zuvor,  wirdiger  besonder  lieber,  auf 
euer  schreiben,  so  ir  unserm  Canzler  gethan1),  welches  ime  heut 
znkomen  und  auch  was  der  wirdig  und  hochgelert  uns  besonder  lieber 
Magister  Caspar  Greterus  euch  geschrieben,  ersuchen  wir  euch, 
ganz  gnedigs  und  gutlichs  vleis  bittendt,  dieweil  uns  gemelter 
Herr  Caspar  von  euch  und  andern,  hoch  berumbt  wurdet,  wie  wir 
dann  seinthalben  dem  wirdigen  und  hochgelerten  unserm  insonders 
geübten  herrn  Johan  Brencio  predigern  zu  Schwäbisch  hall 
umb  erkundigung  und  unterricht  geschrieben  und  sonsten  gar  nirgent 
an  andern  orten,  nachforschung  gehabt.  Dieweil  wir  bisheer  den 
gebrauch  gehabt,  wer  uns  von  dem  herrn  Doetor  Lutter,  philipp 
vnd  herrn  Brencio  gelobt  wurdet,  das  wir  diselbigen  für  lob  wirdig 
achten  und  halten,  ir  wollet  genanten  herrn  Caspar,  dem  wir  in- 
sonderheit auch  sampt  dem  herrn  Brencio  schreiben  thon,  von 
unsemt  wegen  auch  schreiben  vnd  bitten,  das  er  sich  demnegst  auf 
unsem  costen  mit  ainer  bestellten  fhur  zu  uns  hieher  verfüge  und 
begebe  und  sich  anderswo  nirgent  verspreche.  Er  soll  sich  auch 
gar  nichts  bekomern  noch  anfechten  lassen,  dann  unser  gemuth  ist 
bisheer  gestanden  und  noch,  darumb  wir  auch  Gott  furthin  getreu- 
lich bitten  wollen,  das  wir  zu  fnrderung  Gottes  worts  auch  unser 
und  unsem  seelen  seligkait.  Ironien  recht  geschaffen  und  christlichen 
gelerten  beschaiden  predigern  zu  unserm  vermugen  gnad  und  alles 
guts  beweisen,  genaigt  gewest,  und  mit  Gottes  hilf  bis  zu  beschlus 
vnsers  lebens  sein  wollen.  Darumb  wollet  nit  unterlassen,  solches 
zum  vleissigisten  zu  fordern.  Das  wollen  wir  widerumb  gegen  euch 
in  allem  gutem  erkennen  und  beschuldigen.  Es  hat  auch  diser 
unser  reitend  both  etzlich  unsernt  halben  furgestreckt  gelt  euch 
wider  zu  geben,  und  daneben  beuelch.  demnegsten  mit  eurem  und 
unserm  briefen  zu  dem  herrn  Brencio  furter  gein  Wimpffen  oder 
wo  herr  Caspar  anzutreffen,  darinnen  wir  bitten,  das  ir  denselben 
an  Weisung  geben  wollt,  zureichen,  damit  Gottes  gnad  und  schütz 
beuohlen.  Dat  Mitwochs  den  virzeh enden  tag  des  Monats  junij.  ♦ 
Anno  et  XXXXII. 

Dem  wirdigen  unserm  besonder  Heben  herrn  Bernharten 
Wurzelmann  pfarherm  zu  Dinkelspuhel. 

Cedula. 


1)  Nr.  YII. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


221 


Es  ist  auch  Gerhardt  von  Bodigkhaim,  dauon  lierr  Caspar 
meldung  seiner  kuntschaft  thut,  nit  unser  Hofmarschalks,  sonder 
unser  Amptman  zu  Feuchtwang,  da  wir  auch  den  geringsten 
gedauken  nit  gehabt,  denselben  derwegen  anzusprechen  oder  umb 
unterricht  zu  fragen,  wie  wir  auch  solchen  Sachen  nur  gern  der  fur- 
nembsten  geiertesten  rath  pflegen  und  erkundigung  nemen,  haben 
wir  euch  dan  nocht  auch  zu  unterrichten  nit  verhalten  mögen 
Act.  uts. 

(Concept). 


XI. 

Markgraf  Georg  an  Brenz. 

Ansbach,  14.  Juni  1542. 

Meldet , dass  er  Greter  holen  lasse  und  bittet  dabei  behülflich  zu  seiny 
dessen  etwaige  Bedenken  zu  zerstreuen  und  zu  seiner  Gewinnung  mit- 
zuwirken, ivobei  er  betont,  dafs  jener  mit  dem  Dienst  am  Hofe  nichts 
zu  thun  haben  werde . 

Wirdiger  hochgelehrter,  in  sonders  geliebter,  auf  euer  wider- 
schrift  und  unterricht  uns  des  wirdigen  hern  Magister  Caspars 
Greteri  person,  leer,  wesens  und  wandeis  halben  gethan,  schreiben 
und  ersuchen  wir  denselben  hiemit  bej  gegen  wertigen  unserm  reiten- 
den bothen  sich  unverzüglich  demnegst  mit  demselben  auf  unsern 
cost  mit  bestellung  ainer  fhur  und  aller  ausrichtigung  zu  uns  hieher 
zu  uerfugen  und  sich  an  kain  ander  ort  zu  uersprechen,  dieweil  er 
aber  mit  euch  dermassen  herkomen,  das  er  ungezwieuelt  ain  sonder- 
lich hertzlich  vertrauen  zu  euer  person  hat  und  tregt,  und  wir  uns 
aus  etzlichen  Schriften  beduncken  lassen,  das  er  vielleicht  umb  voriger 
begegnus  willen,  anderer  fürsten  hove  auch  scheu  trag,  dieweil  wir 
aber  euch  und  ir  widerumb  uns  ain  lange  gute  zeit  heer  erkennet, 
darzu  auch  her  Johan  Rur  er  seliger,  nit  unser  hof  sonder  Stiffts- 
prediger  alhie  gewest,  der  mit  unserm  hof  jnsonderhait  nichts  zu 
schicken  oder  zu  schaffen  gehabt  anders,  dan  Avas  er  furfallender 
unser  vnd  des  gantz  lands  notturft,  etwo  zu  reichs  und  andern  tegen 
und  handlungen,  in  religions  Sachen  gebraucht  Avorden,  Avie  dann  ir 
auch  für  euer  person  uns  wol  zu  soliderer  Avilfharung  zu  furderung 
GottesAvorts  guet  und  dinstwillig  erschienen,  so  ersuchen  und  bitten 
wir  euch  gancz  gutliclis  vleis,  ir  wollet  genantem  herrn  Ca  spar  n 
Aron  unserntAvegen  jn  sonderliait  auch  schreiben,  und  getreue  furdrung 
tlion,  das  er  sich  zu  uns  begebe  und  mit  unserm  reitenden  bothen 
deßmals  hieher  zu  körnen,  nit  unterlasse.  Dan  dieweil  sich  die  Sachen 
unsern  und  seinthalben  unbewust  dermassen  angefangen  und  zuge- 
tragen, so  wollen  wir  es  eben  (?)  für  ain  Gottes  Schickung  achten 
und  halten,  mit  wunschung  und  bit  zu  derselben  götlichen  gnaden, 
Avas  hierin  zu  seinem  lob  und  eher  auch  unserer  underthanen  und 


222 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ausbach. 


seinem  selbst  fromen,  nutz  und  wohlfkart  sein  mag,  dass  es  Gott 
gnediglich  schicken  wolle,  dann  uns  ist  an  solcher  gaistlicher  embter 
bestellung  etwas  vil  höh  er  s und  merers  dann  anderm  gelegen.  Da- 
mit wünschen  wir  euch  und  uns  zuvorderst  Gottes  gnad,  und  be- 
uelken  uns  und  die  unsern  allerseits  mitsampt  gemainer  christenhait 
denselben  schütz  und  schirm.  Datum  etc.  Mitwochs  den  14.  tag  des 
monats  junij  Anno  xlij.0. 

Dem  wirdigen  und  hochgelerten  unsern  insonders  geliebten 
Johan  Brentio  predigern  zu  Schwebisch  Hall. 

Cito. 

(ConceptD 


XII. 

Caspar  Greter  an  Markgraf  Georg. 

Mühlbach  d.  17.  Juni  1542. 

Hat  die  Aufforderung  des  Fürsten  erhalten , kann  aber,  da  er  sich 
mit  denen  von  Wimpfen  eingelassen,  nicht  ohne  Weiteres  kommen 
und  bittet,  xumal  sein  Patron  (Junkher),  den  er  um  Bat  fragen  könnte, 
nicht  daheim  wäre,  um  8 Tage  Aufschub. 

Durchleuchtiger  hoehgeborner  furst  gnediger  herr,  e.  f.  g.  seye 
meyn  gantz  willig  dienst  zu  vor.  Gnediger  furst  und  herr  uff 
e.  f.  gn.  gnedigs  ansuchen,  were  derselben  hochgedachten  e.  f.  gn. 
zu  wilfaren  und  selbs  persönlich  zu  erscheinen  onangesehenn,  daß 
die  vocation  von  e.  f.  g.  mir  gnediglichen  angebotten  zu  hob  und 
dapfer  und  ich  mich  bsorg,  solcher  furzusteen  weyt  zu  gering  und 
ontuchtig  seyn,  gantz  willig  vnd  gehorsam  gewesen,  wo  ich 
nit,  ongeferlichenn  vor  eynem  monat,  mich  so  weyt  mit  denen 
von  Wimpfen  dieseshalb  eyngelassen  hett,  daß  zu  furchten  ich 
kund  on  sunderlich  nachtheyl  meynes  glimpfs  vnd  erenn,  on  ir 
weytersz  ansinnen  vnnd  vorwissen,  mich  so  schnell  an  andere  ort 
nit  begeben,  oder  niderlassen,  Dieweyll  dann  dem  also  und  meyn 
Junkher  nit  eynheimisch  auch  sunst  niemand  umb  mich,  deß  rhadis, 
weß  mir  am  erlichsten  und  furnemsten  zuthun,  da  mit  gottes  ehr 
gefordert  und  uff  allen  seyten  ergernisz  verhütt  und  verkomen 
werde,  ich  mich  so  blötzlichen  hette  zu  getrosten.  So  ist  an  e.  f.  gn. 
meyn  gantz  liohHeissig  und  demütigst  bitten,  sie  wolten  mir  mein 
ußbleiben  uff  diß  mol  nit  in  vngnaden  uffo  einen,  und  uff  acht  tag 
gnediglich  geduld  mit  mir  tragen,  will  ich  mich  in  mitteler  zeit 
keinß  fleiß  tauren  lassen,  auch  mit  meyn  armen  gebetten  gegen 
den  allmechtigen  ankalten,  obs  durch  seyne  gotlicke  Schickung  dahin 
körnen  möckt,  Denn  e.  f.  g.  alß  einem  berumpten  christenlichen 
gotseligen  forsten  und  herrn  zu  dienen  were  mir  allezeit  eyn  sun- 


Th.  Kol  de.  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach.  223 

derliche  frend  uff  erdenn,  hiemit  sey  e.  f.  g.  dem  allmechtigen  be- 
folhen.  Da.tnm  Mnlbach  sampstags  den  17.  Juni  Anno  etc.  xlij. 

E.  f.  g. 

gantz  williger  vnnd 

(Orig.)  gehorsamer 

Gaspar  greter. 


xin. 

Job.  Brenz  an  Maikgraf  Georg. 

Schwäbisch  Hall  d.  18.  Jnni  1542. 

Teilt  mM , weshalb  Order  nicht  sofort  kommen  könne. 

Dnrchlencbüger  hochgebomer  für  st.  Gottes  gnad  durch  Jesnm 
Christ.  mit  erbietnng  meins  alzeit  gehorsamen  Diensts  znvor,  Gne- 
diger  Fürst  vnd  Herr.  Yff  E.  £ G.  beger  hab  ich  meister  Casparn 
Gr  etter  mit  heiss  geschrieben,  nnd  zweifelt  mir  nicht,  so  er  aller- 
dings ledig  were,  er  wurde  von  stnnd  an  zn  E,  f.  G.  sich  nnder- 
theniglich  verfügt  haben.  Er  hat  mir  aber  schriftlich  zn  verneinen 
geben,  das  er  sich  mit  denen  von]  Wimpffen  etwas  eingelassen, 
anch  sein  Jnnckher,  von  dem  er  viel!  gnts  empfangen,  yetz  nicht  an- 
heimisch, nnd  derohalben  von  E.  £ G.  ettlich  tag  ein  bedacht  nn- 
dertheniglich  gebetten.  Daranff  verhoff  ich,  wie  er  mir  zn  erkennen 
geben,  so  es  im  mit  gnttern  gewissen  mnglieh,  sonst  sich  zn  ent- 
ledigen. er  werde  E.  £ G.  nnderthenigen  willen  erzeigen.  Das  hab 
E.  £ G.  ich  gehorsamer  meinnng  nieht  verhalten  wollen,  dann 
E,  £ G.  zn  dienen,  erkenne  ich  mich  schuldig. 

Zn  schwebischen  hall  Sonntags  nach  Viti  Anno  XXXX1I . 

E.  £ G. 

nn  derth  enigen 
diener 

Job  an  Brentz 
prediger  zn 

(Orig,  j hall. 

XIV. 

Die  M arkgräfli  eben  Bäte  an  Caspar  Greter. 

Ansbach.  18.  Jnli  1542. 

Nachdem  der  Fürst  bisher  vergebens  auf  weitere  Nachricht  gewartet^ 
kommen  seine  Bäte  den  ihnen  vom  Markgrafen  bei  seinem  Ausreiten 
gegebenen  Befehl-  nach  und  ersuchen  Greter , ihnen  durch  den  Ueber- 
brimger  des  Briefes  ent  gütige  Mitteilung  über  seine  Absichten  %/u 
macform.  Zugleich  sprechen  sie  noch  einmal  ihre  grofse  Hoffnung  auf 
ihn  und  ihrem  Wunsch  aus , dafs  er  der  Berufung  Folge  leisten  möchte . 

Unser  frenntlich  dinst  zuvor.  Erwirdiger,  besonders  lieber  her 
vnd  frenn d.  Anf  das  schreiben,  so  der  dnrchlenehtig  hochgeborn 


224 


Tb.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung  nach  Ansbach. 


furst  und  her  herr  Georg  Marggraf  zu  Brandenburg  etc.  unser 
g.  h.  euch  hievor  gethan,  und  euer  seiner  f.  g.  darauf  gegebene 
antwort,  die  sich  auf  ungeuerlich  acht  tag  euers  gebetten  vnd  be- 
gehrten bedachts  erstreckt,  haben  ir  f.  g.  derselben  biß  anhir  ge- 
wartet, dieweil  aber  denselben  uocli  kain  schreiben  von  euch  zu- 
komen,  nit  konen  die  wissen,  was  die  vrsacli  der  Verhinderung  oder 
vertzug  sein  mag,  So  liab  ir  f.  g.  zu  jetzigem  irem  aus  dem  haus 
verreithen  uus  beuolhen,  euch  widerumb  ain  aigen  bothen  zuzusenden 
und  voriger  schrift  und  widerschrift  zu  erinnern,  Demselben  nacli 
langt  an  euch,  an  stat  und  von  wegen  irer  f.  g.  unser  gutlichs  er- 
suchen, für  uns  selbst  freuntlich  bit,  ir  wollet  uns  bey  gegenwer- 
tigem bothen  dem  genommen  bedacht  nach  euer  entlieh  gemueth  und 
gelegenliait  zuerkennen  geben,  denn  ir  f.  g.  haben  gleichwol  etwo 
auderswo  auch  wol  sovil  anlangeus  gehabt,  das  die  hett  mögen  zu 
des  stiffts  predicatur  leutli  bekomen,  dieweil  aber  nach  gehabter  nach- 
forschung  an  den  orten,  dahin  ir  f.  g.  und  nit  unbillich  den  vertrauen 
stellen,  demselben  sovil  bericlits  zukomen,  das  die  ain  sondere  gnedige 
Zuversicht  und  vertrauen  zu  euer  person  haben  und  tragen,  ir  auch 
dieselben  vor  andern  bevolhen  sein  lassen,  und  derwegen  auch 
niemands  vor  euch  stat  geben  wollen,  wo  es  nun  euernthalben  imer 
mer  mit  fugen  sein  und  gescheeu  konth,  möchten  wir  wol  leiden 
auch  gern  sehen  und  wünschen,  wie  ir  f.  g.  auf  solchen  empfangen 
bericht,  ain  sondere  naigung  zu  euer  person  haben,  das  auch  widerumb 
mit  Gottes  gnedigem  willen  und  Schickung  derselben  begeren  zu  Gottes 
eher  und  des  gautzen  lands  aufferung  und  wolfhart  Verfolgung  (sic) 
widerfure,  und  begegnet,  dann  wie  wir  nach  des  fromen  Gotts- 
forchtigen  und  gelerten  mans  hern  Jo  hau  Eurers  seligen  absterben 
allerley  gelegenliait  befunden,  wollten  wir  ja  gern,  wo  es  mit  Gottes 
gnaden  und  willen  seiu  könte,  das  desselben  stat  möcht  zum  besten 
ersetzt  werden,  wir  halten  auch  dafür,  das  ir  sollicher  predicatur 
einkomens  und  underhaltung  halben  nit  mangel  haben  noch  befinden 
sollt,  als  die  jerlich  zu  gemaynen  jaren  ordentlicher  nutzung  ausser- 
halb freyer  behausung  bis  in  zwaj  hundert  gülden  tregt,  und  bitten 
dißmals  nit  meer,  dann  ob  und  wo  ir  euch  hieher  begeben  wolt,  das 
ir  uns  dasselbig  auch  wie  wan  und  welcher  gestalt  ir  begert,  euch 
mit  den  euern  und  was  euch  Gott  bescheert,  hieherzufuren  und  zu- 
bringen, bej  gegenwertigen  bothen  zu  erkennen  geben  wolt,  dann  wir 
befinden,  auf  euerer  person  halben  bescheene  comandation  nit  allein 
unsern  g.  li.  sondern  auch  die  herrn  des  stiffts  zu  allem  euerm 
guten  genaigt,  was  wir  dann  auch  für  unser  person  daneben  euch 
angenemer  wilfharung  und  furderung  beweisen  kunten,  sollt  ir  uns 
willig  haben,  damit  was  Gottes  gnediger  will  und  wolgefallen  auch 
beederseits  nucz  und  besserung  sein  mag,  gewarten  hierauf  euer 
euerentliche  beschribne  antwort.  Datum  Ol  (Onolzbach)  Dinstags 
nach  diuisionis  Apostolorum  Anno  etc.  xlij0. 


Th.  Kolde,  Kaspar  Greters  Berufung’  nach  Ansbach. 


225 


Aufschr.  Dem  Erwirdigen  Magistern  Caspar  Gretern  predigen 
etc.  jetzo  zu  oder  umb  Wumpffen,  unserm  besondern  lieben  h. 
vnd  freundt. 

Cito. 

zu  Wimpffen  oder  Mülbach. 

(Concept.j 

XV. 

Bestallung  des  Hofpredigers  Jacob  Stratner  von  Ansbach 
als  General  Superintendent  und  Hofprediger  im  Stift  zu 
Cölln  an  der  Spree,  (s.  o.) 

Wir  Joachim  etc.  bekennen  hyernit  und  thun  kiind  vor  uns 
und  unser  Erben  un  nachkomen,  das  wir  dem  wirdigen  unserm  lioflF- 
prediger  und  lieben  getrewen  Ern  Jacob  St r ad n er  zu  unserm 
Superintendenten  und  prediger  die  zeit  seins  lebens  bestalt,  ange- 
nommen, und  ime  dauon  wye  hernach  geseczt  gnedigklicben  ver- 
scbriben  und  zugesagt  haben,  bestellen  und  nehmen  ine  an  hiemit 
in  kraft  diss  briefs  anf  sein  lebenlangk,  also  das  er  unser  Super- 
intendent vnd  hoffprediger  in  vnserm  styfft  allhije  zu  Co  ln  an  der 
Sprew  sein  und  Göttis  wort  rein  lautter  ond  cristlich  predigen,  sich 
auch  in  sollichem  ampt  vnwegerlich  gebrauchen  lassen  soll,  dafür 
gereden  wir  ime  j erlich  iijC  fl.  soldes  unserer  landswerung  auß  unser 
kammer  zu  reychen  und  volgen  lassen,  dessgleichen  auch  alwege 
auf  das  dritte  jar  ein  seyden  ehrkleyd  zugeben,  ob  sichs  aber  zu- 
trüge, das  er  mit  alter  befallen  und  also  das  predigampt  nit  mer 
verwesen  kondt,  sollen  wir  unser  erben  und  nachkommen,  ime  gleich- 
wol  nichtsweniger  ] erlich  hundert  guldin  die  zeyt  seins  lebens  lassen 
geben.  Wir  haben  ime  auch  darüber  das  haus,  darinn  er  jeczo 
wohnet,  vor  aigens  vor  sich  sein  weyb  und  erben  erblich  zubesyczen, 
zu  haben  und  zu  halten  und  als  mit  seinem  guthe  damit  zugevarhen, 
das  er  auch  magk  verkauffen  und  zu  seiner  gelegenheyt  in  unsern 
stetten  Berlin  oder  Co  ln  ein  anders  kaufft,  darin  wir  ine  auch 
gnedigklicben  befördern  wollen,  damit  er  dan  sollichs  seines  diensts 
bey  onß  dester  mehr  geuiessen  möge,  haben  wir  ime  darüber  noch 
die  drey  pfarrhufen  so  zu  der  kirchen  geliorn,  Neukamer  vor  unser 
stat  Nauen  gelegen  gehörigk  vor  sich  sein  weyb  und  erben  erblich 
veraigendt  und  voraygens  ime  die  hiemit  in  kraflt  diess  briefls,  damit 
auch  als  mit  dem  seinen  zu  thun  vnd  zulasseu.  Trage  sich  dann  zu, 
das  er  nach  dem  willen  Gottes  verstürbe  und  seiu  weib  oder  kinder 
verlassen  würde,  so  sollen  und  wollen  wir  uud  unser  erben  seinem 
weyb  die  zeyt  ihres  lebens  jerlich  50  f.  zum  leybgeding,  so  lang 
sye  lebt  jerlich  auß  unser  kamer  reychen,  desgleychen  auch  einem 
jeden  seiner  kinder,  es  weren  sone  oder  tochter  zur  zeit  irer  ehe- 
lichen ausheyrung  ijC  fl.  geben  und  folgen  lassen,  dagegen  uns  111er 
gemelter  Er  Jacob  widerumb  versprochen  uud  zugesagt,  die  zeytt 


226  Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 

seyns  lebens  unser  prediger  also  wie  obgesagt  zu  sein  und  zu  pre- 
digen, sich  auch  bey  sollichem  dienst  treulichen  und  christlichen 
brauchen  und  am  ime  keins  teyls  mangel  sein  zu  lassen,  des  er  uns 
auch  ferner1)  geben  vnd  treuliche  zusagung  getlion,  alles  treulich 
und  vngeuerlich  des  zu  urkundt.  etc. 

Undatierte  Copie  von  der  Hand  der  Witwe  Stratners  in  Acta  des 
St.  Gumprechtsstifts  1524 — 1571  fol.  357  im  Kreisarchiv  zu  Nürnberg. 


Zum  Briefwechsel  des  Crailsheimer  Pfarrers 
Adam  Weiss. 

Von 

Karl  Schornbaum,  Pfarrvikar. 

Von  den  Lebensumständen  der  um  die  Einführung  der  Re- 
formation in  Franken  hochverdienten  Männer  Joh.  Rurer,  Adam 
Weiß,  Georg  Vogler,  K.  Löhner  etc.  ist  uns  bis  jetzt  herzlich 
wenig  bekannt.  So  klagt  doch  schon  der  schwäbische  Forscher 
Veesenmeyer 2),  daß  niemand  es  unternommen  habe,  die  Lebens- 
geschichte des  auf  dem  Reichstag  von  Augsburg  1530  gegenwärtigen 
Joh.  Rurers  darzustellen,  und  die  Gestalt  des  markgräf lieben  Kanz- 
lers Voglers,  der  wohl  die  Seele  der  ganzen  Politik  Casimirs  und 
Georgs  gewesen  ist,  beginnt  jetzt  erst  in  deutlicherer  Weise  her- 
vorzutreten, nachdem  E.  J.  Jörg3),  obwohl  ihm  archivalisches 
Material  reichlich  zu  Gebote  stand,  nur  „einen  gewissenlosen  Intri- 
ganten, durch  Ähnlichkeit  des  Charakters  und  gleichen  tötlichen  Haß 
gegen  die  alte  Kirche  mit  dem  Nürnberger  L.  Spengler  befreundet,“ 
in  ihm  hatte  finden  können,  ein  Urteil,  welches  sich  wohl  selber 
richtet.  Schuld  daran  war  wt)hl  einerseits  der  Umstand,  daß  die 
Akten  des  hochfürstlichen  Brandenburgischen  Staatsarchives  zu  Onolz- 
bach  und  die  des  Hausarchives  auf  der  Plassenburg  seit  von  der  Lith 
und  Lang  daraufhin  von  keinem  mehr  benutzt  worden  zu  sein 
scheinen 4)  herein  bis  in  die  achtziger  Jahre  unsers  Jahrhunderts, 
andrerseits,  daß  die  wohl  am  meisten  Aufschluß  gebenden  Brief- 

1)  Hier  fehlt  ein  Wort,  vielleicht  Sicherung,  welches  die  Abschreiberin, 
die  Witwe  Anna  Strätner,  nicht  hat  lesen  können  und  wofür  sie  ein  nichts- 
sagendes Zeichen  gemacht  hat. 

2)  G.  Veesenmeyer,  kleine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Reichs- 
tags von  Augsburg.  1530.  Nürnberg  1830  sub  Rurer  S.  93  f. 

3)  E.  J.  Jörg,  Deutschland  in  der  Revolutionsperiode.  1851. 
S.  613.  614. 

4)  Ed.  Engelhardt,  Ehrengedächtnis  der  Reformation  in  Franken. 
Neue  Ausgabe.  Nürnberg  1869.  S.  156,  wußte  wohin  die  Ansbacher  Re- 
formationsakten gekommen  waren,  aber  benützt  hat  er  sie  nicht.  Erst 
Bossert  (cf.  Jahresbericht  des  historischen  Vereins  von  Mittelfranken, 
1880,  Nr.  40,  S.  62)  scheint  sie  zum  erstenmal  wieder  nach  dieser  Seite 
hin  einsresehen  zu  haben. 


Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß.  227 

Sammlungen  dieser  Männer  uns  verloren  gegangen  zu  sein  scheinen. 
Und  doch  besaß  man  noch  im  vorigen  Jahrhundert  dieselben  und 
war  ihres  Wertes  wohl  bewußt.  So  besaß  Longolius  den  Brief- 
wechsel Althamers,  gesehen  hat  er  die  Briefe  Rurers1).  Die  vor 
allem  wichtige  Correspondenz  G.  Voglers  lag  vor  Beyschlag2),  auch 
der  Briefwechsel  von  A.  Weiss  befand  sich  im  Besitz  des  Nürn- 
berger Predigers  Negelein.  Während  nun  die  im  Besitze  des  Lon- 
golius gewesenen  Briefe  sich  vielleicht  heute  noch  linden  lassen,  die 
Briefe  Voglers  in  die  Hände  Veeseumeyers  gekommen  sind,  fehlen 
uns  alle  Mittel,  um  Nachforschungen  anstellen  zu  können  über  den 
Verbleib  der  Briefe  von  Adam  Weiß3).  Deshalb  hat  Bossert  in  den 
Theologischen  Studien  aus  Württemberg  begonnen,  die  zerstreuten 
Reste  derselben  zusammenzustellen.  Zwei  kleine  Nachträge  sollen 
im  folgenden  geboten  werden. 

I. 

Ad.  Weiß  an  Job.  Kölin,  Pfarrer  zu  Gammersfeld. 

Crailsheim,  6.  Oktober  1525. 

Adam  Weiß  ersucht  den  Prokurator  der  Pfarrer  in  der  Roten  - 
burger  Landwehr  Joh.  Kölin,  Pfarrer  zu  Gammannsfeld,  den  ihm 
unterstellten  Pfarrern  den  Befehl  zu  eröffnen,  zwischen  Burckhardt 
und  Lucae  Ev.  Tag  nach  Crailsheim  zu  ihm  zu  kommen,  um  dort 
die  Ordnung  des  Markgrafen  Kasimir  zu  vernehmen,  nach  der  hin- 
fort gepredigt  und  gelehrt  werden  sollte. 

Salutem  a Domino,  würdiger  Herr  pfarher.  In  kurtz  verschinen 
tagen  ist  mir  ain  ernstlicher  befelh  von  unserm  gnedigen  Herrn  den 

1)  P.  D.  Longolius,  sichere  Nachrichten  von  Braudenburg-Culmbach. 
Hof  1754,  Teil  IV,  S.  104  u.  Teil  V,  S.  422.  Auch  Veesenmeyer  hatte 
Briefe  Rurers;  1.  c.  S.  95;  zu  Althamers  Briefwechsel  cf.  auch  J.  A. 
Ballen städt,  A.  Althameri  Vita.  Wolfenbüttel  1740,  welcher  30  Briefe 
an  ihn  und  2 von  ihm  abdruckt.  Die  Briefe  Althamers,  welche  im  Be- 
sitze des  Longolius  waren,  befinden  sich  im  Bamb.  Kreisarchiv  M S.  VI 
N 31  (enthält  100  Briefe  an  und  von  ihm)  [davon  wußte  man  in  Bam- 
berg nichts,  als  ich  meine  Schrift  über  Althamer  schrieb.  Th.  Kolde]. 

2)  Beyschlag  in  seinem  sylloge  variorum  opusculorum  1719  f.  druckt 
manches  ab  aus  dem  Nachlaß  Voglers;  durch  Vergleichung  mit  dem  von 
Veesenmeyer  1.  c.  als  in  seinem  Besitz  erwähnten  Briefen  Voglers,  ergibt 
sich,  daß  das  Beyschlag  vorliegende  wenigstens  teilweise  in  seinen  Be- 
sitz gekommen  ist;  der  zweite  Teil  von  B.  sylloge  scheint  übrigens  sehr 
selten  geworden  zu  sein;  da  ihn  weder  die  Bibliotheken  Münchens  noch 
Nürnbergs,  wo  er  doch  erschienen  ist,  besitzen. 

3)  Die  Bedeutung  von  A.  Weiß  ist  zuerst  wieder  von  G.  Bossert 
(Prot.  Realenz.  18,  S. 414) hervorgehoben  worden ; doch  hat  er  ihn  unserer 
Meinung  nach  überschätzt;  wenigstens  in  der  Zeit  Casimirs  waren  doch 
— was  freilich  hier  nicht  näher  bewiesen  werden  kann  — Vogler  und 
J.  v.  Schwarzenberg,  der  seit  S.  Cantate  1524  (=  24.  IV.)  in  markgräf- 
lichen Diensten  stand,  die  eigentlichen  Beförderer  aller  reformatorischen 
Schritte  M.  Casimirs;  die  Briefe  von  A.  Weiß  in  den  Theol.  Studien  aus 
Würtemberg  1882,  S.  314  f.;  1883  S.  30f.;  1885  S.  Gif. 


228 


Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 


Marggraven,  alle  pfarrherrn  des  Capitels  Crailsheim  zu  mir  zu  for- 
dern zugeschickt.  Inen  daselbst,  die  christlich  Satzung  vnd  Ordnung, 
so  in  iren  gnaden  furstentumben  vnd  landen,  mit  predigenn  vnd 
anderm  gehalten  soll  werden,  anzuzaigen.  Ist  derhalb  an  stat  meiner 
gnedigen  kerrn,  an  euch,  als  einen  procuratoren  der  pfarrher  inn 
Landtgraben  vnsers  Capitels,  mein  mainung  vnd  befelh,  wollent  allen 
derhalben  euch  verwanten  pfarrherrn  solichen  befelh  anzaigen,  vnd 
si  herein  gen  Crailsheim  zu  mir  beschaiden,  nemlich  von  burckardi 
an  nechst  kunfftig  bis  vff  den  tag  Lucae  Evangelist,  welche  tag 
darz wischen  ir  iedem  gelegen  ist  vnausbleiblich  zu  erscheinen,  vnd 
allda  fürstlichen  christlichen  befelh,  geschefft  vnd  Ordnung  euch  vud 
inen  hören  furhalten.  Als  hab  euch  vnd  inen  sey  schwer  vngnad 
unser  gnedigen  Herrn  zu  vermeiden.  Dan  ewer  billich  gehorsame, 
oder  der  ich  mich  nit  versehe  ungehorsame,  wurd  vnd  muss  ich 
iren  fürstlichen  gnaden  wider  anzaigen.  Hierumb  gebet  bey  disem 
botten  ewr  sehrifftlich  antwort. 

Datum  annders  tags  nach  Francisci  anno  XXV. 

Adam  Weiss  Lic  pfarherr  zu  Crailsheim. 

Inscr . : Dem  wirdigen  Herrn  Johan  Kölin  pfarhern  zu Gamanns- 
feldt.  zu  aigner  Handt.  Canzleivermerk:  Adam  Weiss  citiert  den 
würdigen  Herrn  Johann  Kolin  pfarhern  zu  Gammannfeldt  nach 
Crailsheim  der  Markgr.  Kirchenordnung  halben. 

Original  im  Nürnberger  Kreisarchiv.  Bothenburger  Consistorial- 
akten  T.  I (S.  23  R 2/1)  fol.  192.  — 

Die  Haltung  des  Markgrafen  Casimir  in  der  Sache  Luthers  ver- 
ursachte seinen  Zeitgenossen  schon  ebensoviel  Kopfzerbrechen  wie 
den  heutigen  Forschern:  im  Lande  aber,  besonders  bei  den  für  die 
Ausbreitung  des  Evangelium  äußerst  thätigen  Predigern  wie  Johann 
Eurer  und  A.  Weiß1 * * * S.),  auch  bei  den  für  das  Evangelium  gewonnenen 


1)  In  den  Ansbacher  Religionsakten  (N.  Kr.  S.  12  R.  1/5  T.  I6  fol. 

151 — 156)  mit  irreführenden  Titel:  „Bericht  A.  Weiß  an  M.  Georg,  die 

evangelische  Predigt  betreffend,  sowie  auch,  was  er  vormals  an  M.  Casi- 
mir geschrieben  hat“:  abgedruckt  bei  J.  L.  Hocker,  supp  leinen  ta  zu 

dem  Heilsbronner  Antiquitätenschatz,  Nürnberg  1739, 

S.  159  ff.;  erwähnt  auch  bei  v.  d.  Lith,  Erläuterung  der  Re- 
formationshistorie Schwa  bach  17  33,  S.  115;  Muck,  Ge- 
schichte des  Kloster  Heilsbronn  1879,  1880,  I.  S.  320.  Die 
Datierung  bei  Lith  1.  c.  ist  falsch;  ein  Brief  Kasimirs  vom  28.  März  1526 
(N.  Kr.  Rel.  A.  II  fol.  165.  d.  d.  Ansbach,  Mittwoch  nach  Palmarum)  gibt 
sich  nach  den  Eingangsworten  „Euer  Schreiben  vnd  Ermanung  vns  dieser 
Tag,  in  unser  Hand  gethan“  deutlich  als  Antwort  auf  obiges  Ermahnungs- 
schreiben; abgedruckt  ist  dieser  Brief  bei  Hocker  1.  c.  S.  167.  Bossert 
irrt  sich,  wenn  er  meint,  daß  dieses  Ermahnungsschreiben  Schopper  zur 
Begutachtung  zugesandt  worden  wäre.  (Realenz.  18,  S.  414).  Welches 
Schreiben  Schreiben  Schopper  zugesandt  wurde,  und  aus  welchem  Anlaß 

— 1528  bei  Gelegenheit  der  Vorberatungen  über  die  Kirchenvisitation 

— siehe  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  I,  H.  3,  S.  100,  A.  3.  Original  in  den 


Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 


229 


Katen  wie  Haus  von  Waldenfels  *),  selbst  bei  seinen  eignen  Brüdern 
Georg  und  Albrecht  die  ärgsten  Besorgnisse,,  wie  z.  B.  ein  von 
A.  Weiß  an  den  Markgrafen  um  die  Fastenzeit  1526  gesandtes  Er- 
mahnungsschreiben  beweist* 1  2).  Der  Markgraf  hatte  sich  offen  zu 
wehren  gegen  den  Vorwurf,  als  ob  er  den  „teuf liehen  Aufstand u 
wohl  bekämpft,  aber  das  Evangelium  dabei  niedergeschlagen  habe. 
So  erließ  er  am  Donnerstag  nach  Ulrici  (=  6.  Juli)  1525  an  den 
Amtmann  zu  Kitzingen  Ludwig  von  Hutten,  Kästner,  Vogt  und 
Bürgermeister  daselbst  den  Befehl,  auf  allen  Kanzeln  des  Amtes 
Kitzingen  iedermaun  davor  warnen  zu  lassen,  fernerhin  noch  solche 
Reden  im  Munde  zu  führen:  ieder,  der  sich  dessen  schuldig  machte, 
sollte  gefänglich  eingenommen  und  bis  auf  ferneren  Bescheid  des 
Markgrafen  verwahret  werden  (L. Bö  lim,  der  Bauernkrieg  in  Kitzingen 
im  Archiv  für  Unterfranken  Bd.  36:  1893,  S.  114,  115).  Diese 
Klagen  mußten  um  so  mehr  Besorgnis  bei  dem  Markgrafen  Casimir 
erregen,  als  er  immer  seinen  Städten  und  Unterthanen  die  Weisung 
hatte  zukommen  lassen,  wenn  ihnen  die  aufrührerischen  Bauern  die 
Predigt  des  reinen  Wortes  Gottes  versprächen,  darauf  zu  antworten, 
daß  sie  damit  schon  längst  versehen  wären3).  Auch  hatte  er  am 


in  den  Ansb.  Rel.  A.  t.  Ib  fol.  140 — 150;  abgedruckt  beiBossert,  Theol. 
Studien  aus  Würtemberg  1882,  S.  85  f. 

1)  Vergleiche  den  Brief  desselben  an  G.  Vogler,  d.  d.  Samst.  nach 
Corp.  Chr.  (=  2.  Juni)  26.  N.  Kr.  Ausb.  Rel.  A.  t.  II  fol.  168,  bei  v.  d. 
Lith  abgedruckt  S.  157—161. 

2)  cf.  für  das  Jahr  1526:  P.  Tschackert,  Urkundenbuch  zur  Re- 
formationsgeschichte in  Preußen  1890,  II,  Nr.  332,  429,  430,  456,  492 
f.  Albrecht;  für  Georg  s.  Spieß,  Aufklärungen  in  der  Geschichte  und 
Diplomatik  S.  67  ff.  (das  eine  Schreiben  vom  9.  Juni  vielfach  gedruckt;  so 
bei  Longolius  1.  c.  V S.  417  ff.;  Scultet,  annales  ad.  an n.  XXVI.  p.109; 
Schülin,  Leben  des  Markgrafen  Georg  1729,  S.50ff.;  auch  schou  1526  cf. 
Weller  Rep.  3972,  3973.  Georg  beklagte  sich  darüber  bei  seinem  Bruder 
(Fragment  eines  Briefes  im  N.  Kr.  A.  Rel.  A.  tom.  Suppl.  I fol.  16  aus 
dem  Jahre  1527). 

3)  In  einem  Erlaß  vom  20.  März  1525  bezeichnet  er  das  Vorgeben 
der  Bauern,  nur  für  das  Evangelium  kämpfen  zu  wollen,  als  erlogen;  in 
seinem  Lande  wäre  daran  kein  Mangel  zu  finden.  (Jäger,  Markgraf 
Casimir  und  der  Bauernkrieg  in  den  südlichen  Grenzämtern  des  Fürsten- 
tums unterhalb  des  Gebirgs.  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte 
Nürnbergs.  Bd.  IX,  S.  29).  Vergl.  auch  die  Antwort  auf  eine  Bitte  Roths 
um  evangelische  Predigt,  „er  habe  allenthalben  in  dem  Fürstentum  das 
reine  Wort  Gottes  predigen  lassen,  und  sei  ferner  geneigt,  bei  demselben 
zu  bleiben.“  d.  d.  Onolzbach,  4.  Juni  1525.  (Jahresberichte  des  histori- 
schen Vereins  von  Mittelfranken  1871/72.  Nr.  38,  S.  156,  157;  cf.  auch 
den  Bescheid  an  die  Crailsheimer,  Jäger  1.  c.  S.  47  vom  28.  April  1525). 
Auch  die  in  diesem  Jahre  mit  Sachsen  gepflogenen  Verhandlungen  geben 
von  diesem  Standpunkt  des  Markgrafen  deutlich  Kenntnis;  So  redet 
Casimir  davon,  auf  dem  Tag  zu  Salfeld  (6.  August  1525),  daß  es  nicht 
zum  Aufruhr  gekommen  wäre,  wenn  der  Reichstag  von  Speier  zustande 
gekommen  wäre  und  die,  welche  das  Wort  Gottes  nicht  gerne  unter- 
drücken, sich  unterredet  hätten.  An  Akten  über  diesen  Tag  findet  sich 

Beiträge  zur  bayer.  Kireliongcaehicbtc.  V.  5.  16 


230  Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 

7.  April  1525  (So.  nach  Judica)  ein  Edikt  ausgehen  lassen,  welches 
die  rechte  Lehrnorm  und  Predigtnorm  für  das  Land  „das  reine  Wort 
Gottesf<  enthalten  sollte.  Sowohl  das  Ausführuugsedikt  als  die 
Predigt  sind  im  Druck  erschienen.  Letztere  unter  dem  Titel:  Ein 
christlich  Predigt  wider  die  unchristliche  Empörung  und  Ungehorsam 
etlicher  Untertkan,  so  sie  ietzt  unter  dem  Schein  des  Evangeliums 
und  christlicher  Freiheit  on  Grund  wider  sein  heiliges  Wort  und 
ihr  selbst  Ehre,  Gelübde  und  Eid  fürnehmen.  (Weller  Rep.  8615 
Nachtrag:  das  Edikt  in  Querfolio  Nachtrag  Nr.  359.  Aus  dem 
Kitzinger  Stadtbuch  im  Archiv  für  Unterfranken  Band  36;  1893, 
S.  26:  ein  Abdruck,  vielleicht  einer  der  letzten,  die  noch  erhalten 
sind,  in  der  Erl.  Univ.-Bibl.  In  Nürnberg,  wie  Weller  an  gibt,  nicht 
zu  finden);  auch  N.  Kr.  A.  Rel.  A.  t.  Ib  fol.  9 — 15.  Dieses  Aus- 
schreiben hatte  nur  dazu  dienen  sollen,  vorläufig  den  Gebrauch  der 
rechten  christlichen  Freiheit  zu  zeigen.  Nach  Schluß  des  Bauern- 
krieges erfolgte  eine  neue  Lehranweisung,  die  zeigen  sollte,  wie  die 
Empörung  aus  ungeschickten  Predigten  meistens  entstanden  wäre 
und  wie  hinfort  in  den  markgräflichen  Landen  von  festem  wahrem 
Glauben  und  wahrer  christlicher  Freiheit  des  Geists  gepredigt  wer- 
den sollte.  Der  Erlaß  erging  am  30.  Aug.  1525  (Mittwoch  nach 
Bartholomaei).  Im  Nürnb.  Kreisarchiv  R.  Rel.  A.  t.  II,  fol.  7 ; das 
Edikt  fol.  13 — 16.  Auch  im  Druck  erschienen:  Weller  Rep.  3269,  3270. 
Der  einen  Ausgabe  ist  das  Einführungsedikt  in  Querfolio  beigegeben. 
(N.  Kr.  S.  16  R.  4/3.  Stift  Feuchtwang.  Tit.  22  N.  90  a);  der 
„Underricht“  in  den  Akten  des  Stifts  Gumbertus  (N.  Kr.  S.  12 
R.  3/2  N.  96.  Stift  Gumbertus:  Reformation  in  sacris  ecclesiis. 
1524—1561.  Tit.  XXIX  fol.  78  Pr.  N.  17) x).  Dieser  Abriß  einer 


merkwürdigerweise  nur  eine  allerdings  sehr  genaue  Relation  von  Voglers 
Hand  unter  Sachen  von  andern  Tagen  Georgs  mit  Sachsen  de  anno  1529 
ganz  versteckt.  (N.  Kr.  Ansb.  Rel.  E.  VI,  fol.  316  ff.).  Ob  Zufall?  Auch 
das  äußerst  interessante  Landtagsprotokoll  von  1524,  welches  die  Mei- 
nungen aller  Praelaten,  Räte  und  Prediger  nach  einem  Stenogramm 
Voglers  enthält,  ist  ganz  unkenntlich  ohne  Jahr  und  Datum;  Lith  hat 
aber  seine  Bedeutung  wohl  schon  erkannt.  Es  befindet  sich  in  den  Bei. 
A.  tom  II,  fol.  102  ff.  mit  Hieroglyphen  ähnlichen  Zügen  geschrieben. 

1)  Dieser  kurze  „Underricht“  hat  aber  eine  noch  interessantere  Vor- 
geschichte. Wie  hier  nicht  bewiesen  werden  kanu,  verfolgte  M.  Ka- 
simir immer  mehr  seit  1524  den  Plan,  ganz  Deutschland  zu  einigen  durch 
einen  Bund  aller  weltlichen  Fürsten,  die  mit  einander  allen  geistlichen 
Fürsten  und  allen  Reichsstädten  den  Garaus  machen  sollten.  Als  Eini- 
gungsmittel betrachtete  er  die  neue  Lehre.  Den  ersten  Schritt  dazu 
unternahm  er  eigentlich  auf  dem  bis  jetzt  in  seiner  Bedeutung  für  Kasimir 
noch  nicht  gewürdigten  Kreistag  von  Forchheim  (11.  und  12.  Juli  1525). 
Während  es  den  Anschein  hatte,  als  sollte  nur  wegen  der  Bundeshilfe 
des  Schwäbischen  Bundes  und  der  Verhütung  ferneren  Aufruhrs  gehan- 
delt werden,  gedachte  er  die  Städte  des  fränkischen  Kreises  ganz  an 
sein  Interesse  zu  fesseln  durch  gemeinsames  Vorgehen  in  der  Sache  der 
neuen  Lehre  — der  kurze  Underricht  sollte  die  Lehreinheit  bilden,  — 


Schornbaum.  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weil]. 


231 


im  Markgraftum  gültigen  Lehre  wurde  nun  auch  au  Ad.  Weiß  ge- 
sandt, mit  dem  Befehl,  die  Pfarrer  seines  Kapitels  zu  sieh  zu  for- 
dern und  ernstlich  befehlen,  demselben,  der  nur  das  reine  Wort 
Gottes  enthielten,  sich  gemäß  zu  halten,  ^d.  d.  Onolzbach.  Montag 
nach  Nat.  Mariae  25  ==  11.  Sept.  1525 ) 1 . Weil  nun  M.  Georg 
im  Jahre  1524  sieben  Pfarreien  in  der  Kotenburger  Landwehr  sich 
vollkommen  zu  bemächtigen  gewusst  hatte,  so  konnten  auch  diese 
durch  den  oben  angeführten  Brief  nach  Crailsheim  von  A.  Weiß  be- 
schiedeu  werden  (cf.  v.  d.  Lith.  1.  c.  S.  91).  Wer  ist  nun  aber 
der  Verfasser  desselben?  Bossert  hat  vermutet  Weiß  selbst  (EL  Real.- 
enc.  18  S.  414).  Dann  dürfte  man  doch  annehmeu,  daß  in  dem 
Briefe  eine  Hinweisung  darauf  enthalten  wäre.  Weiß  selbst  ist 
unter  Kasimir  selten  hervorgetreten : aus  dem  Studium  der  Keligions- 
Acta  sowie  der  dieselben  ergänzenden  Klosteracta  ergibt  sich  viel- 
mehr die  Tliatsache,  daß  nicht  sowohl  die  Prediger  als  die  von  frühe 
an  für  das  Evangelium  gewonnenen  G.  Vogler  ( schon  auf  dem  Reichs- 
tag 1521  vou  Worms  gibt  er  seiner  evangelischen  Überzeugung 
Ausdruck,  cf.  den  Brief  an  den  Landschreiber  Wilhelm  Dettelhach 
in  den  Deutschen  Reichstagsakten,  jüngere  Reihe  II.  S.  853  A.  cf. 
S.  560  A.2  aus  Meusel,  histor.  - litter.  - statisches  Magazin  I.  207  ff.. 
Zürich  1802:  „Ich  hätte  auch  viel  zu  schreiben,  was  guter  gott- 
seliger Reden  er  mit  mir  und  andern  geredet,  und  wie  ein  hold- 
selige Person  er  ist“  19.  IV.  1521).  Das  Original  im  Germ.  Mu- 
seum zu  Nürnberg,  wohin  die  Neustädter  Kirchenbibliothek,  aus  der 


während  die  Prälaten  durch  rasches  Handeln  zum  Anschluß  gewonnen 
werden  sollten;  er  wollte  ihnen  die  Größe  desselben  gar  nicht  zum  Be- 
wußtsein kommen  lassen:  der  Tag  scheiterte  an  dem  zögernden  Ver- 
halten Nürnbergs  und  der  sofortigen  Abreise  des  Bischofs  von  Würzburg. 
Dei  Abschied  dieses  Tages  in  den  Nürnberger  Kreisakten  des  Kön.  K. 
Nürnberg  (S.20  Rep.  4 1 1. 1 fol.  7 . Die  Proposition  Kasimirs,  welche  eben 
den  „Underricht-  vorlegt,  ebd.  13  b.  ff.,  sie  enthält  ein  vollkommenes  Re- 
formationsprogramm. Bis  jetzt  ist  über  diesen  Tag  zu  vergleichen: 
W.  Friedensburg,  Zur  Vorgeschichte  des  Gotha -Torgauischen  Bünd- 
nisses. Marburg  1884.  S.  35.  36.  J.  E.  Jörg  1.  e.  S.  625.  627.  J.  Jans- 
sen,  Geschichte  des  deutschen  Volkes  3 S.  25.  Freiburg  1881.  Jörg  hat 
wohl  die  Bedeutung  des  Unterrichts  erkannt,  doch  muß  er  natürlich  auch 
denselben  verzerren,  cf.  S.  631.  Der  Unterricht  ist  abgedruckt  bei  v.  d. 
Lith,  der  von  der  Bedeutung  uud  Herkunft  desselben  nichts  weiß,  weil 
er  nur  die  Religionsakten  und  Reichstagsakten  vor  sich  hatte:  vielleicht 
ist  er  auch  durch  seinen  allzufrühen  Tod  an  der  weiteren  Durchforschung 
des  ihm  vollständig  zu  Gebote  stehenden  Archives  zu  Ausbach  gehindert 
worden.  Er  starb  ja  wenige  Tage  (14.  III.  1733),  nachdem  er  sein  Werk 
„die  Erläuterung“  beendet  hatte  (11.  3.  33).  S.  132 — 13S.  cf.  Jörg  1.  e 
S.  826.  W.  Friedensburg  1.  c.  S.  24  A.  3.  Lang,  Neuere  Geschichte 
von  Bavreuth  1798.  I.  8.  205.  J.  J aussen  III.  8.  27.  C.  F.  Hagen, 
Deutschlands  litterarische  und  religiöse  Zustände  im  Reformationszeit- 
alter III,  S.  147—149. 

1)  Aus  den  A.  Rel.  A.  II  fol.  19.  21  abgedruekt  bei  J.  L.  Hocker. 
1.  c.  S.  159. 


16* 


232 


Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 


die  Briefe  stammen,  teilweise  gekommen  ist)  und  Job.  v.  Schwarzen- 
berg. Allein  Eurer  scheint  noch  eine  Rolle  gespielt  zu  haben 
wohl  wegen  seiner  Beziehungen  zum  Hof.  Ist  er  doch  bevor  er 
Stadtpfarrer  wurde  20  Jahre  im  Dienste  der  Markgrafen  gestanden, 
zuletzt  als  Hofprediger 1).  Dieser  ist  es  nun  auch,  welcher  in  einer 
Bittschrift  an  die  Räte  (praesentata  Freitag  nach  Valent.  27  = 
15.  Fehl*.  1527)  ihn  aus  Gewissensgründen  von  der  Einhaltung  des 
durch  gemeinschaftlichen  Befehls  Georgs  und  Kasimirs  eingeführten 
(d.  d.  Wien  20.  Jan.  1527;  mit  eigenhändiger  Unterschrift  der  Mark- 
grafen) und  durch  die  Räte  allen  Ämtern  zugesaudten  Landtags- 
abschiedes von  1526  (d.  d.  Mi.  nach.  April  1527  = 14.  II.)  zu 
befreien,  ausdrücklich  erwähnt,  „wie  wenig  Lust  und  Gefallen  er  an 
Aufruhr  habe,  wolle  er  mit  seinen  fleissigen  vielfältigen  Predigten 
auch  mit  seinem,  seinem  Herrn  überantworteten  und  in  Druck  aus- 
gegangenen Sermon  oder  Predigt  wider  die  aufrührerischen  Bauern 
bezeugt  und  erwiesen  haben.“  (N.  Kr.  Rel.  A.  II  fol,  272  ff.).  Da 
er  aber  hier  von  einem  Sermon  oder  Predigt  spricht,  so  wird  da- 
runter die  sub  Freitag  nach  Judica  1525  (7.  IV.  1525)  an  alle 

1)  Woher  stammt  Eurer?  Etwa  aus  Schwabach,  von  wo  S.  S.  1481 
und  W.  S.  1488/84  ein  Job.  Rorer  de  Schwabach  in  Leipzig  immatrikuliert 
wurde  (G.  Erl  er,  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig.  I.  1895);  in 
einem  Streit  mit  dem  Stift  St.  Gumbertus,  welches  ihm  und  seinen  bei- 
den Kaplänen  die  nötige  Kompetenz  verweigerte,  erwähnt  er:  daß  er 
nun  bald  20  Jahre  unter  dieser  löblichen  Herrschaft  gewesen.  (N.  Kr. 
Acta  des  Stifts  Gumbertus;  ref.  in  sacris  eccles.  1524 — 61.  S.  XII  R.  2/1 
Tit.XXlX  N.  96  fol.  46).  Gewöhnlich  nimmt  man  an,  daß  er  1524  Stadt- 
pfarrer geworden  wäre;  aber  in  einem  eben  in  derselben  Sache  ergange- 
nen Schreiben  des  Stadthalters,  Hofmeisters  und  der  Räte  an  den  Mark- 
grafen erwähnen  sie:  „Dieweil  Herr  Hans  Eurer  ein  jahr  lang  Pfarr  ge- 
wesen ist“.  (1.  c.  fol.  48  ff.).  Da  nun  dieser  Streit  in  die.  Zeit  der 
Abwesenheit  Casimirs  von  Ansbach  fällt,  derselbe  aber  Ende  Oktober 
bis  Anfang  Dezember  1524  nach  Sachsen,  Dresden,  wo  eine  Konferenz 
mit  Georg  sta’ttfinden  sollte,  gereist  war  (N.  Kr.  S.  X R.  1/3  N.  668 
Bestand  R.  A.  Akten  137),  so  ist  wohl  1523  als  Jahr  der  Berufung  des 
Joh.  Eurer  auf  die  Stadtpfarrei  anzunehmen.  Die  Akten,  die  diesen 
Streit  betreffen,  befinden  sich  in  den  Rel.  A.  tom.  Ib  fol.  63.  67. 
St.  Gumbertus  Akten  l.c.  fol.  10 — 77.  (12  Produkte)  sowie  Rel.  A.  Suppl.  III. 
Eine  andre  Nachricht  meldet,  daß  J.  Eurer  aus  Bamberg  stamme;  dies 
teilt  mit  S.  Strebei,  der  hochfürstliche  Brandenburgische  Archivar, 
der  sicher  auf  archivalischer  Quelle  fußt.  Im  Jahre  1741  gab  nämlich 
der  Pfarrer  G.S.Esenbeck  eine  „Erneutes  Gedächtnis  der  altberühmten 
Gumbertus  Stifts-Kirche“  heraus  (Will,  bibl.  Ncr.  Niirnb.  Stadtbibi.  I.  705), 
welchem  Streb el  anfügte:  „Kurzgefaßter  Begriff  der  Historie  des 
St.  Gumbertus  Stifts  zu  Onolzbach  zu  gefälligen  Gebrauch  bei  vorstehen- 
der Einweihung  der  ueuerbauten  Stiftskirche,  aufgesetzt  von  Joh.  S. 
Strebei,  Hof-  und  Regierungs-,  auch  Konsistorialrat  und  Archivar,  Mense 
Junii  1738“.  Diese  Schrift,  welche  viele  Einzelheiten  oft  nur  ahnen 
läßt,  ist  von  J.  Meyer,  Die  Einführung  der  Reformation  in  Franken, 
Ansbach  1893,  gehörig,  wenn  auch  ohne  Ängabe  benützt  worden.  (Arehi- 
valisches  von  1524/27,  was  unbekannt  wäre,  hat  Meyer  nicht  beigebracht) ; 
die  Notiz  -über  Rurers  Herkunft  § 14  S.  13. 


Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß.  233 

Ämter  gesandte  Predigt  gemeint  sein,  welche  ja  ebenfalls  gedruckt 
ist.  Man  hat  bisher  dieselbe  Osiander  zugeschrieben:  so  F.  Roth, 
Einführung  der  Reformation  in  Nürnberg.  1885.  S.  165  u.  Anm.  4 
nach  dem  Vorgang  von  G.  Th.  Strobel,  Beiträge  zur  Litteratur 
besonders  des  16.  Jahrhunderts.  I.  Nürnberg- Altdorf  1784  S.  68. 
Aber  vergeblich  sucht  man  nach  den  „guten  Gründen“.  Es  wäre 
doch  sonderbar,  wenn  Markgraf  Kasimir  sich  von  Nürnberg  erst 
eine  Predigt  hätte  kommen  lassen,  nachdem  ihm  Rurer  eine  solche 
überreicht  hatte,  zumal  da  er  ja  mit  Nürnberg  gerade  in  der  Zeit 
des  Bauernkrieges  nicht  besonders  freundlich  stand.  Er  meinte  ja, 
daß  sie  im  Geheimen  die  Pläne  der  Bauern  stützten  und  förderten. 
Schrieben  doch  Wilhelm  und  Joli.  Albrecht  an  ihren  Bruder  Kasimir 
am  7.  Mai  1525,  er  möge  sich  mit  den  Dinkelsbühlern  vergleichen, 
da  man  nicht  wisse,  ob  nicht  andere  „die  Nürnberger“  sich  zu 
ihnen  schlagen  würden.  (J  äger,  M.,  Casimir  und  der  Bauernkrieg. 
J.  des  V.  f.  Gesch.  Nürnbergs.  IX.  S.  73).  So  wird  denn  die  Pre- 
digt „ein  christlich  Predigt“  wohl  von  Rurer  verfasst  sein,  mit 
dessen  sonstigen  Schriften  sie  auch  übereinstimmt.  Ungewiss  ist  es 
dagegen,  von  wem  der  Unterricht  vom  11.  Juli  beziehungsweise 
30.  August  1525  verfaßt  ist. 

II. 

Ada  m Weiß  an  Georg  Vogler. 

Crailsheim  3.  Juni  1528. 

A.  Weiß  dankt  zunächst  für  die  Überlassung  eines  Fässleius 
Bier:  wegen  der  Größe  desselben  will  er  sich  noch  mit  Vogler  per- 
sönlich unterreden;  er  bittet  ihn  auch,  dem  Hans  Klingler,  Chor- 
herren in  Feuchtwangen  zu  befehlen,  seine  Pfründe  in  Crailsheim 
seinem  armen  geschickten  Pfäfflein  zu  überlasseu,  den  auch  Rat  und 
Gemeinde  wünsche;  er  sei  dessen  dringend  bedürftig,  weil  er  in 
seiner  Abwesenheit  Unter  all  seinen  Pfarrern  keinen  tauglichen  Stell- 
vertreter habe.  Bitten  wegen  des  Markgrafen,  um  Übersendung  von 
Schriften  und  Grüsse. 

Gottes  gnade  zuvor! 

Erbarer  hochachtbar  besünder  lieber  Herr  und  Bruder. 

Als  ich  neclist  freitag  vergangen,  von  Onoltzbach  abschid,  be- 
kam mir  vff  dem  weg  ain  kercher,  der  da  ledig  wider  her  gen 
Creilsheim  fahren  wolt,  befal  ich  im,  ain  veßlin  bier,  wie  ir  denn 
entlieh  mir  vergunet,  bey  euch  uffzuladön.  Aber  ich  gedacht,  es 
wer  irgent  ain  clain  veßlin,  ich  hett.  es  suust  nit  begert,  deshalben 
ist  mein  vleissig  bitt,  mir  solchs  nit  zu  verargen ; dan  zu  der  bc- 
zaluug  will  ichs  mit  grossem  dank  umb  euch,  womit  icli  vermag, 
beschulden. 

Auch  wissent  lieber  Herr,  das  Herr  Hans  CI  ingier,  Chorherr 
zu  Feuchtwang,  sein  pfrundlin  zu  Creilsheim  dem  armen  ge- 


234  Schornbaum,  Zum  Briefwechsel  des  Adam  Weiß. 

schickten  pfefflin,  den  ich  bey  mir  jetzo  erhalt,  nit  wurdt  zulassen, 
es  sey  denn,  das  ir  meine  g.  H.  die  Stathalter  vnd  die  Retlie,  im 
solchs  zu  thun  schrifftlich  vnd  ernstlich  befehlt;  es  ist  so  ein  hals- 
sterrig  mendlin  vnd  sunderliclier  feind  aller  verkundiger  gottlichs 
wort,  als  ich  in  erfaren  hab,  er  hat  sich  lassen  hören,  sein  pfrund 
sei  nur  uff  meß  halten  gestifft  vnd  sollt  es  hundert  gülden  kosten, 
so  soll  im  der  ketzer  nit  uff  sein  pfrund,  das  volk  acht  weder  gött- 
licher wort  noch  menschlicher  Gehorsam,  nun  bedarf  ich  ja  ge- 
schickter person  zu  versehung  einer  solchen  grossen  pfarr,  vnd  hab 
vnder  all  mein  meßpriestern  nit  ain,  der  mich  in  mein  ab  wesen  mit 
einer  predigt  mögt  vertretten,  noch  will  der  gut  herr  Hans,  weder 
euch  meinen  Herrn  noch  mir  zu  gefallen  — es  het  in  auch  Vogt, 
Bürgermeister  vnd  Rathe  darumb  schrifftlich  vnd  mündlich  ersucht 
vnd  gebeten 1)  — vnd  einer  ganzen  Gemeind  hie  zu  gut  ön  allen 
sein  schaden  des  gering  pfrundlin  nit  lassen  gedeyen  dem  frommen 
pfefflin.  Befilh  es  gott  vnd  euch  etc. 

Ich  thu  möglichen  Vleiß,  nach  ewren  befelh  in  unserer  sach; 
es  bedorfft  wol  zeit  solch  dapfere  sach,  nach  gepur  zu  handeln. 

Das  gott  nur  bewar,  in  allem  unsern  frommen  fürsten  bey  dem 
tyraunen;  ich  sorg  ser,  vil  mer  ist  zu  bitten;  des  hausvogts  bruder 
hat  mir  diessen  brieff  an  euch  zugeschickt,  ob  es  möglich  wer,  be- 
gert  ich  ufifs  höchst,  den  abtruck  der  gottlosen  Vereinigung  Pilati 
vnd  Herodis  wider  Christum,  woll  in  von  stund  an  wider  schicken, 
uns  bedunkt  der  landgrave  lig  zu  lang  in  armbrost,  aber  der  her 
weis  sein  zeit  wohl,  es  sein  nur  unnutze  menschliche  gedanken,  hiemit 
gott  befohlen,  cum  uxore.  Mittwochs  nach  Pfingsten  im  XXVIII  jar. 

E.  gantzwilliger  Adam  Weys. 

Inscriptio:  DemErbarn  vnd  Hochachtbarn  Hern  Georgen  Voglern 
Obersten  Marggrevischen  Secretariern  vnd  Vicecancellarien  meinem 
gepietenden  Herrn  und  Bruder. 

Nü.  Kgl.  Kreisarchiv.  S.  XVI.  R.  4/3.  (Alt:  Stift  Feuchtwang 
Tit.  XXII  N.  1)  Rep.  159  fol.  89. 

Dieser  Brief  versetzt  uns  in  die  Zeit  des  Jahres  1528,  in 
welcher  man  an  eine  Neuordnung  der  religiösen  Verhältnisse  des 
Markgraftums  Brandenburg  ging.  Gemäß  dem  Befehle  von  Mark- 
graf Georg  (Sonntag  nach  Antoni:  Hänlein  und  Kretschmann, 
Staatsarchiv  der  Kgl.  Preuß.  Fürstentümer  I,  S.  393  = 18.  Mai  28)  j 
verfaßten  Althamer,  Schopper,  Weiß,  eine  Visitationsordnung  (cf. 

H.  Westermayer,  Die  Braudenburgisch-Nürnbergische  Kirchen- 
ordnung und  Kirchenvisitation  1528' — 33,  Erl.  1894  S.  4.  Beiträge 
zur  bayer.  Kirchengeschichte  I.  S.  101).  Aus  diesem  Briefe  er- 
fahren wir  den  Termin,  an  dem  diese  Reratungen  ein  Ende  hatten, 
da  ja  am  29.  Mai  Weiß  wieder  nach  Crailsheim  zurückkehrte,  ln- 


1)  Die  Worte  von  „es  het  — gebeten“  am  Rand. 


Zur  Geschichte  der  Konfirmation  speziell  in  Oettingen.  235 

zwischen  war  ja  ein  neuer  Befehl  (23.  Mai)  ausgegangen,  daß  Räte 
und  Prediger  in  Scliwabach  über  die  gemeinsam  mit  den  Nürnbergern 
vorzunelimende  Neuordnung  sich  mit  den  Nürnberger  Abgesandten 
unterreden  sollten.  Deswegen  bittet  er  so  dringend,  um  die  Ver- 
leihung der  Pfründe  in  Crailsheim  an  das  arme  geschickte  pfefflin, 
weil  er  sich  auf  eine  längere  Abwesenheit  gerichtet  hielt;  darauf 
deutet  wohl  hin  auch  die  Bemerkung  von  der  „dapferen  Sach.“ 
Der  ganze  Brief  gibt  ein  Zeugnis  von  dem  nahen  Verhältnis,  in 
dem  der  Kanzler  Vogler  zu  den  Predigern  stand,  und  in  welchem 
Sinne  sie  das  Werk  der  Kirchenvisitation  betrieben. 


Zur  Geschichte  der  Konfirmation1)  speziell  in 

Öttingen. 

In  unserm  Oettingisclien  Land  haben  wir  sie  seit  62  Jahren 
auch  mit  allen  Feierlichkeiten.  Man  unterrichtete  zwar  schon  vor- 
her und  insonderheit  seit  dem  30jähr.  Krieg  in  der  Fastenzeit  die 
Kinder,  welche  man  am  Palmsonntag  zum  hl.  Abendmahl  lassen 
wollte,  allein  sie  wurden  nie  öffentlich  konfirmiert.  Graf  Gottfried 
und  sein  gottseliger  Nachfolger  in  der  Regierung  waren  zwar  schon 
darauf  bedacht,  die  öffentliche  Vorstellung  einzuführen;  allein  ihr 
Vorhaben  kam  nicht  eher  zu  stand,  bis  auf  die  Zeit  da  Fürst  Al- 
brecht  Ernst  II.,  um  eine  völlige  Gleichheit  in  Kirchensachen  in 
seinem  Lande  zu  bewirken,  eine  eigene  Kirchenordnung  verfertigen 
ließ.  Es  geschah  dies  in  den  Jahren  1706  und  1707  durch  den 
damaligen  Generalsuperintendenten  Gg.  Andreas  Steiner,  welcher  auf 
gnädigen  Befehl  auch  die  Konfirmationshandlung  in  dieselbe  setzte, 
und  bei  der  Einrichtung  derselben  hauptsächlich  die  wolfenbüttelsche 
Art  zu  konfirmieren  vor  Augen  hatte.  Den  13.  März  1707  fing 
man  im  ganzen  Lande  au,  sich  nach  der  neuen  Kirchen  Ordnung  zu 
richten  und  das  Jahr  darauf  1708  am  Palmsonntag  konfirmierte  man 
nach  derselben  die  Kinder  das  erstemal  feierlich.  Seit  dieser  Zeit 


1)  In  einem  kleinen  Aufsatz  unter  diesem  Titel  in  diesen  Beitr. 
Bd.  IV  S.  192  hatte  der  Herausgeber  darauf  hingewiesen,  daß  nach  einer 
Notiz  bei  Michel,  Beiträge  zur  Öttingischen  Geschichte  I,  47  in  den 
Öttinger  „Wöchentlichen  Blättern  zum  Unterricht  und  zur  Erbauung  ge- 
meiner Christeu“  13.  St.  ein  Aufsatz  sich  fände:  „Von  der  Konfirmation 
der  Kinder“,  diese  Zeitschrift  ihm  aber  nicht  zugänglich  sei.  Herr  Pfarrer 
F.  Braun  in  München  hat  darauf  die  Güte  gehabt,  den  Aufsatz  nach 
einem  im  Archiv  zu  Memmingen  (Schubl.  350,  9)  befindlichen  Exemplar 
abschriftlich  dem  Herausgeber  mitzuteilen.  Da  die  Zeitschrift  sehr  selten 
ist  und  die  Beschreibung  der  Konfirmationshandlung  von  hohem  histori- 
schen Interesse  ist,  dürfte  ihr  Wiederabdruck  gerechtfertigt  sein. 


236  Zur  Geschichte  der  Konfirmation  speziell  in  Oettingen. 

beobachtet  man  diese  Konfirmation  jährlich  am  Palmtag'  im  gan- 
zen Land. 

Acht  ganze  Wochen  vor  dem  Palmtag  unterrichtet  man  so- 
wohl die  Kinder,  welche  für  dieses  Jahr  konfirmiert  werden  sollen, 
als  auch  die,  welche  man  über  1 Jahr  konfirmiert,  und  die,  welche 
schon  das  vorige  Jahr  konfirmiert  worden  sind,  täglich  wenigstens 
1 Stunde  in  dem  Haus  ihres  Beichtvaters,  so  dass  jedes  Kind  3 Jahr 
nach  einander  den  Unterricht  besuchet.  Es  müssen  ganz  besondere 
Umstände  vorfallen,  wenn  man  sie  eher  zur  Konfirmation  annimmt, 
als  bis  sie  13 — 14  Jahr  alt  sind.  Den  Sonnabend  vor  dem  Palmtag 
lässt  man  die  Tüchtigen  zur  Beicht  gehen.  Am  Palmsonntag  selbst 
aber  werden  sie  nach  dem  ordentlichen  Gottesdienst  vor  der  ganzen 
Gemeine  um  den  Altar  gestellt,  in  welchem  die  3 Geistlichen  sich 
befinden.  Der  Generalsuperintendent,  welcher  die  Handlung  ver- 
richtet, hält  nun  eine  kurze  Rede  an  die  Gemeine,  in  welcher  er 
ihr  vornehmlich  die  Wichtigkeit  der  Religion,  des  Taufbundes  und 
der  Erneuerung  desselben  vorstellt,  sie  zum  Gebet  für  die  Kinder 
ermahnet,  sie  an  ihre  eigene  Konfirmation  erinnert,  und  andere  des- 
gleichen schickliche  Dinge  mit  möglichem  Nachdruck  vorträgt.  Daun 
fordert  er  die  Kinder  feierlich  auf,  ihren  allerheiligsten  Glauben,  in 
dem  man  sie  unterwiesen  hat,  itzt  öffentlich  vor  Gott  und  der 
christlichen  Kirche  zu  bekennen,  worauf  er  sie  wirklich  auf  eine 
große  Anzahl  Fragen,  welche  auf  die  vornehmsten  Wahrheiten  der 
Religion  gehen,  antworten  läßt,  und  die  ganze  christliche  Lehre 
nach  dem  Katechismus  kurz  mit  ihnen  durchgehet.  Ist  dies  ge- 
schehen, so  müssen  sie  das  Lied:  „Ach  Gott  im  Wesen  eins“  mit 
einer  Stimme  hersagen,  welches  ein  wiederholtes  Glaubensbekenntnis 
ist,  weil  in  demselben  alle  Artikel  der  Augsburgischen  Konfession 
enthalten  sind.  Bei  der  letztem  Konfirmation  haben  wir  die  Kinder 
überdies  noch  ein  recht  erweckliches  Glaubensbekenntnis  ablegen 
hören.  Sie  mussten  alles,  was  ihre  Taufpathen  bei  der  Taufe  an 
ihrer  Statt  versprochen,  selbst  öffentlich  versprechen,  und  auf  alle 
die  Fragen  antworten,  die  man  jenen  damals  vorgelegt  hat.  Sie 
mußten  feierlich  widersagen  dem  Teufel  und  allem  seinem  Wesen 
und  Werken  und  nach  dem  apostolischen  Glaubensbekenntnis  be- 
kennen, daß  sie  glauben  an  Gott  Vater,  Sohn  und  hl.  Geist.  Wenn 
sie  auf  diese  Weise  ihre  Wissenschaft  von  der  Religion  gezeigt  ha- 
ben, so  fragt  sie  der  Kirchendiener  auf  ihre  Seele  und  Verantwor- 
tung: Wollt  ihr  nun  euren  Glauben,  den  ihr  itzt  selber,  wie  vor- 
hin durch  eure  Doden,  bei  der  Taufe  angelobt,  niemals  verleugnen 
und  euch  weder  Gutes  noch  Böses,  weder  große  Verheißungen,  noch 
heftige  Bedrohungen  davon  abwendig  machen  lassen?  worauf  sie  an 
Eides  Statt  einmütig  antworten:  Nein,  da  behüte  uns  Gott  für.  Die 
zweite  Frage,  die  man  ihnen  vorlegt  ist:  Wollt  ihr  aber  euren 
Glauben,  dazu  ihr  euch  vor  Gott  und  seiner  Kirche  itzt  öffentlich 


Zur  Geschichte  der  Konfirmation  speziell  in  Oettingen.  237 

bekennt,  auch  insonderheit  all  dasjenige,  was  eure  Doden  bei  eurer 
Taufe  in  eurem  Namen  Gott  zugesagt,  nunmehr  auf  eure  eigne 
Seele  und  Gewissen  nehmen  und  alle  miteinander  und  jedes  insonder- 
heit bis  an  das  Ende  behalten?  Hierauf  sprechen  sie  abermalen 
mit  einem  Munde:  Ja,  durch  die  Gnade  des  Allmächtigen,  die  wir 
von  Herzen  begehren  und  von  Gott  bitten. 

Nach  diesem  redet  der  Geistliche  aufs  neue  zu  der  Gemeine, 
empfiehlt  die  Kinder  ihrem  Gebet,  ermuntert  sie,  zum  Dank  für  die 
Gnade,  die  Gott  denselben  geschenket,  vermahnet  sie  dieselben  nicht 
zu  ärgern,  sondern  ihnen  mit  gutem  Exempel  vorzugehen,  und  for- 
dert sie  zur  Andacht  bei  dem  gleich  folgenden  Gesang  und  Gebet 
auf.  Denn  nun  singt  die  Gemeine:  Komm  heiliger  Geist,  Herre 
Gott  u.  s.  w.  Nach  geendigtem  Gesang  fallen  die  vor  dem  Altar 
stehenden  Kinder  auf  die  Knie  nieder,  sämtliche  Lehrer  breiten  die 
Hände  über  sie  aus;  es  wird  von  dem;  der  konfirmiert,  ein  beson- 
ders dazu  verfertigtes  Gebet  nach  der  Kirchenordnung  zu  Gott  über 
die  Kinder  verrichtet  und  der  gewöhnliche  Kirchensegen  über  sie 
gesprochen.  Die  Handlung  beschließt  man  zuletzt  mit  einem  Lied, 
worauf  die  Kinder  mit  den  übrigen  Kommunikanten  das  Abend- 
mahl empfangen. 

Was  man  mit  dieser  Handlung  eigentlich  haben  will  und  was 
sie  bedeutet?  Man  will  dadurch  Jungen  und  Alten  ihre  Religion 
recht  wichtig  machen  ; den  Kindern  auf  ihr  ganzes  Leben  ein  un- 
vergängliches Denkmal  setzen.  Man  will  sie  auf  eine  nachdrück- 

liche Weise  ihres  Taufbundes  erinnern  und  ihnen  öffentlich  sagen, 
daß  sie  getauft  seien,  daß  sie  zur  christlichen  Kirche  gehören  und 
alle  Rechte  derselben  zu  genießen  haben,  daß  sie  nun  als  erwach- 
sene Glieder  derselben  wandeln  und  immer  zunehmen  sollen  an  Er- 
kenntnis und  Heiligkeit.  Man  will  sie  feierlich  beschwören,  daß 

sie  ihren  Glauben  niemals  verleugnen  sollen  etc.  Wir  erwarten  bei 
dieser  Handlung  keine  unmittelbare  Gaben  des  Geistes  und  schrei- 
ben ihr  keine  außerordentliche  Kraft  zu,  sondern  halten  sie  für  eine 
vortreffliche,  erweckliche  und  eindriugende  Ceremonie  der  Kirche, 
die  wir  aus  christlicher  Freiheit  zur  allgemeinen  Erbauung  be- 
obachten. 

Und  dies  ist  sie  auch  in  der  Tliat.  Sie  ist  so  rührend,  daß, 
wie  wir  schon  gesehen  haben,  bei  derselben,  wenn  sie  mit  heiligem 
Ernst  vorgenommen  wird,  der  halben  Gemeine  die  Augen  voll 
Thränen  stunden ; so  rührend,  daß  gesetzten  Männern  schon  oft  das 
Herz  weich  wurde.  Wär  es  denn  nun  -nicht  zu  wünschen,  daß 
eine  so  erbauliche  Handlung  in  allen  evangelischen  Kirchen  vor- 
genommen würde?  Den  Vorstehern  wäre  es  leicht  sie  anzuordnen, 
und  die  Pfarrkinder  würden  es  nicht  lang  als  eine  Neuerung  an- 
sehen,  sondern  ihnen  bald  mit  vielen  Lobsprüchen  dafür  danken. 


238 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


Kirchengeschichtliches 

in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammengestellt  von 

0.  Rieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  München. 

(Fortsetzung.) 

Aus  Archiv  des  hist.  Vereins  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg. 

Heffner,  Carl,  Die  ehemaligen  Domherrnhöfe  in  Würzburg  Bd.  IG 
S.  183. 

Wegei e,  Inventar  des  Kirchen-  und  Bücherschatzes  des  Stiftes 
Neumünster  zu  Würzburg  aus  dem  Jahre  1238:  S.  245. 

Ki,ttel,  M.  B.,  Weisthum  über  Brises  oder  Priesclioß  im  Freigerichte J 
und  Notizen  über  die  Geschichte  dieser  verschwundenen  Ort- j 
schaft : S.  258  (mit  Beiträgen  zur  Gütergeschichte  des-  Frauen-j 
klosters  Altenmünster  in  Mainz  und  des  Klosters  Seligenstadt).j 

Rein,  Wilhelm,  Ungedruckte  Regesten  zur  Geschichte  Frankens 
aus  sächsischen  Archiven:  S.  277  (von  1112  bis  16o2,j 
insbesondere  mit  Nachrichten  zur  Geschichte  der  fränkischen 
Klöster). 

Heffner,  Carl,  Das  Schöffenmahl  im  ehemaligen  Ebracher  Kloster- 
hofe zu  Würzburg  (ursprünglich  am  Morgen  des  Ostertags, 
aus  der  Zeit  von  1525  bis  1653):  S.  303. 

Rein,  Willi.,  Ein  unbekanntes  Kloster  in  Ostlieim  vor  der  Rhön 
Würzburger  Diöcese:  S.  318. 

Weigand,  P.  Wigand,  Entwurf  einer  Geschichte  der  Verfassung 
der  Kreishauptstadt  Würzburg  von  ihrer  Entstehung  bis  zun 
Ende  des  sechzehnten  Jahrhunderts,  herausgegeben  voi 
Anton  Ruland:  Bd.  17,  H.  1 |l864),  S.  1 (Die  Einleitung 
behandelt  des  Verfassers,  der  eine  Zeit  lang  Prior  in  der  ehe 
maligen  Abtei  Ebrach  war,  Leben  sgang  und  historische  Ar 
beiten  über  Ebrach  etc.;  „ Von  der  bischöflichen  Regierun| 
mit  Rücksicht  auf  die  Stadt-Verwaltung“  S.  43). 

Kittel,  Weisthümer,  mit  urkundlichen  Bemerkungen  und  Beilagen 
‘ S.  86  (Weistümer  von  Pleichfeld  und  Oberbessenbach,  beid 
Orte  im  Besitze  des  vormaligen  Kollegiatstifts  Peter  um 
Alexander  in  Aschaffenburg,  wobei  einige  kirchliche  und  pfan 
liehe  Verhältnisse  desselben  besprochen  werden). 

Boxberger,  Carl,  Die  Ruine  zum  Bischoffs  S.  124.  Mit  Gruudril 

lief  fn  er,  Über  die  Baderzunft  im  Mittel-Alter  und  später,  besoi 
ders  in  Franken:  S.  155  (Einschlägige  Ordnung  im.  Katharinei 
spital  zu  Bamberg  S.  246). 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  239 

Boxberger,  Carl,  Geschichte  des  Dorfes  Niidlingen : H.  2 und  3 
(1865),  S.  1 (Kirchliche  Verhältnisse:  S.  7,  37,  52,  71,  87 ; 
Güterverhältnisse  verschiedener  Klöster,  Pfarreien  und  Spitäler: 
S.  32,  50,  67,  70,  83;  Sage  von  dem  Pfingstgeläute  in  N. 

S.  91). 

Kittel,  Geschichte  der  freiherrlichen  Familie  von  und  zu  Erthal: 
S.  97  (über  Friedrich  Karl  Joseph,  Kurfürst  zu  Mainz  S.  195; 
Franz  Ludwig,  Fürstbischof  von  Bamberg  und  Würzburg, 
S.  219). 

Reininger,  N.,  Die  Weihbischöfe  von  Würzburg.  Ein  Beitrag 
zur  fränkischen  Kirchengeschichte:  Bd.  18  (1865).  Ergän- 
zungen s.  bei  Boss  er t in  Bd.  34. 

Boxberger,  Carl,  Geschichte  des  Schlosses  und  Amtes  Boden- 
lauben und  seiner  Besitzer:  Bd.  19  H.  1 (1866),  S 1 (Grün- 
dung des  Klosters  Frauenroda  und  Schankungen  an  dasselbe 
S.  30  und  63;  Kirchliche  Beziehungen  S.  73  und  144;  Filiale, 
dann  Pfarrei  Amshausen,  sowie  Sagen  über  die  benachbarte 
Wallfahrtskapelle  Derzenbrünnlein  S.  151). 

Kittel,  Über  den  Grad  der  Zuverlässigkeit  der  Weisthümer  nebst 
zweien  dahin  einschlagenden  Weisthümern  : S.  170  (wobei  u.  a. 
die  Propstei  Peter  und  Alexander  in  Aschaffenburg  beteiligt 
erscheint). 

Weisthümer  aus  dem  Bachgaue:  Bd.  23  (1876),  S.  162 
(Hexenprozesse  daselbst  S.  167). 

Reininger,  N.,  Beitrag  zur  Geschichte  der  Wallfahrtskirche  und 
ehemaligen  Beguinenklause  auf  dem  Kirchberge  bei  Volkacli: 
Bd.  19,  H.  1,  S.  199. 

Stein,  Friedrich,  Die  älteren  Verhältnisse  der  Stadt  Lohr  S.  204 
(mit  einigen  Notizen  über  Burgkapelle,  Kirche  und  Kapuziner- 
kloster). 

Hörnes,  Joseph,  Die  Kirchenmusik  in  Franken  im  sechzehnten  und 
siebzehnten  Jahrhundert.  Unter  Benützung  bis  jetzt  nicht  ver- 
öffentlichter Notizen  aus  den  Würzburger  Rathsprotokollen.  H.  2 
(1867),  S.  1. 

Will,  Cornelius,  Jubiläum  Herrn  Johanns  graven  vnd  hemm  zu 
Rieueck,  so  er  gehalten  1528  d.  12.  Nov.  mit  anzeiguug,  wer 
darauf  und  darbei  gewesen,  was  jeder  darauff  verehret,  wer  er- 
schienen von  herrn,  frawen  u.  jungfrawen,  was  u.  wie  viel 
man  gerieht  gespeißet  u.  was  für  eosten  darauff  gangen  sey 
S.  211.  (Der  Jubilar  war  Domherr  zu  Köln,  Straßburg  und 
Würzburg  und  Propst  des  Stifts  Haug  zu  Würzburg). 

Kallenbach,  Die  Grafen  von  Loon  und  Ryneck:  II.  3 (1868), 
S.  79  (Gründung  des  Hirsauer  Klosters  Scbönrain  S.  86,  so- 


240 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


wie  der  Nonnenklöster  Schönau  und  Himmelthal  S.  89  u.  96, 
Zerstörung- von  Schönau  und  Schönrain  im  16.  Jahrhundert  125, 
Selbständigmachung  der  Filiale  Rieneck  108,  Schlosskapellen 
daselbst  116,  Reformation  in  den  gräflichen  Pfarreien  123). 

Kraus,  Johann  Adolph,  Urkundliche  Nachrichten  über  die  Wall- 
fahrtskirche Fährbrück  S.  139. 

Urkunden  (meist  aus  dem  Würzburger  Stadtarchiv,  16  Stück  von 
1300  bis  1650,  jedoch  ohne  Inhaltsangabe)  S.  162  (1.  Er- 
nennung eines  Prokurators  am  römischen  Hofe  seitens  des 
Würzburger  Domkapitels  1300;  3.  u.  4.  Ablaßbriefe  behufs 
Reparatur  der  Würzburger  Mainbrücke  1322  u.  1439;  6.  Bann- 
spruch gegen  mehrere  Freigrafen  wegen  ihrer  Urteile  gegen 
den  Bischof  und  seine  Diöcese  1448;  9.  Revers  der  Karmeliter 
zu  Würzburg  über  eine  Stiftung  für  ihr  Kloster  1462 ; 10.  Die 
Pfarrei  Prosselsheim  mit  der  Filiale  Dettelbach  betr.  1465). 

Wieland,  Michael,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen,  Grafschaft, 
Burg  und  Stadt  Rieneck:  Bd.  20,  H.  1 u.  2,  S.  61  (Partei- 
nahme Graf  Philipps  für  Luther  S.  111:  Burgkapellen  131; 
Schule  147  u.  198;  Kirchliche  Gebäude  151 ; Klöster  Schönau 
und  Oberzell  daselbst  begütert  160;  Kirchliche  Verhältnisse 
183;  Filiale  Schaippach  200;  Regesten  von  800  bis  1715, 
mit  vielen  kirchen-,  kloster-  und  pfarrgeschichtlichen  Notizen 
203;  Abbildungen  aus  der  Turmkapelle  etc.  am  Schlüsse). 

Hörn  es,  Jos.,  Die  Rathscapelle  im  Grafeneckhard  mit  ihrer  Vicarie 
ad  sanctum  Felicem  et  Adauctum.  Ein  Beitrag  zur  Kultur- 
und  Entwicklungs-Geschichte  der  Stadt  Würzburg  (mit  Grund- 
imd  Aufriss):  S.  369. 

Stein,  F.,  Die  Reichslande  Rineck  und  die  übrigen  Besitzungen 
ihres  Dynastengeschlechtes.  Eine  historisch  - staatsrechtliche 
Skizze.  H.  3 (1870\  S.  1 (Schirmvogtei  in  geistlichen  Reichs- 
stiften S.  21  ; Stift  Aschaffenburg  36  ; Reichslehen  und  Schirm- 
vogtei zu  Mainz  38 ; Reformation  121). 

Kaufmann,  Alexander,  Nachträge  zu  ,,Alex.  Kaufmann,  Quellen- 
angaben und  Bemerkungen  zu  Karl  Simrock’s  Rheinsagen  und 
A.  Kaufmannes  Mainsagen,  Köln  1862u:  S.  137  (Die  Hexe 
von  Stalfelstein  S.  144;  Das  Irrglöckleiu  von  Seßlach  145; 
Der  schöne  Mönch  167  ; Das  Haslocher  Thal  168;  Das  Templer- 
kreuz 183). 

Stein,  F.,  Wo  befand  sich  das  Kloster  der  heiligen  LiobaV  Bd.  20, 
H.  3.  S.  232.  Vergl.  Link  und  Kittel  in  Bd.  23  (1876). 

Der  fränkische  Saalgau  nach  den  Kloster  Fuldischen Traditions- 
urkunden: Bd.  21,  IJ.  1 u.  2 (1871)  S.  10  (mit  Nachrichten 
über  Kirchen  und  Klöster,  namentlich  in  8.  Besitz  geist- 
licher Stifte u S.  37). 


0.  Kieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  241 

Kühles,  J.,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Spitals  in  Aub  S.  39 
(Regesten  von  1355  bis  1627). 

Liber  mortuorum  Monasterii  Brunubacensis  S.  91  (mit  einer 
Abbildung  des  Klosters  Bronnbach  am  Anfang  und  4 Tafeln 
mit  Wappen  der  Stifter  und  der  Abte  am  Schlüsse). 

St  ein,  F..  Beiträge  zur  Geschichte  des  Königs  Konrad  I.  und  seines 
Hauses  S.  231  (Gründung  des  Klosters  Kettenbach  an  der 
Aar  und  des  Kollegiatstifts  Gemtinden  S.  290  und  318). 

Birlinger.  A.,  Etwas  Sprachliches  S.  401  (Bemerkungen  zu  Ben- 
sens Hospital  im  Mittelalter  1853  S.  402  b 

Kühles,  J..  Das  Stifthauger  Dekanatsbuch  (Kopialbuch  über  Ur- 
kunden, welche  ..bis  in  die  Gründungszeit  des  Kollegiatstifts 
hinaufreichen4*):  H.  3 (1871),  S.  1 (Regesten  hieraus  von 
1017  bis  1774). 

Heffner,  Carl.  Würzburgisch-Fräukische  Siegel  S.  73  (Beschrei- 
bung der  fürstbischöflichen  Siegel  bis  Julius  Echter  v.  Mespel- 
brunn  S.  93:  Abbildungen  am  Schlüsse  des  Bandes,  Taf.  I — XI  ). 

Stein,  F.,  Regesta  Franconica  aus  der  Zeit  der  ostfränkischen 
echten  Karolinger  mit  einleitenden  Bemerkungen  über  Herstel- 
lung einer  Geschichte  des  bayerischen  Frankens:  Bd.  22  (1874), 
S.  189  (176  Regesten  von  833  bis  888.  mit  vielen  kirchen- 
und  klostergeschichtlichen  Notizen). 

Döll,  Geschichtliche  und  statistische  Nachrichten  über  die  Stadt 
Hammelbnrg  und  Schloß  Saaleck  S.  263  (mit  kirchengeschicht- 
lichen etc.  Beiträgen,  insbesondere:  Die  Zeit  der  Reformation 
S.  348:  Kirchliche  Sitten  und  Gebräuche  446:  Die  Latein- 
schule und  das  ehemalige  Gymnasium  457:  Wohlthätigkeits- 
Stiftungen  462 : Pfarrkirche  und  sogen,  neue  Kirche  488, 
Bürgerspital  496:  Schulhaus  498,  Kapelle  Steinthal  518: 
Kloster  Altstadt  522). 

Müller.  Ludwig.  Gült-  und  Zinsbücher  des  Deutschordenshauses  zu 
Schweinfurt  aus  den  Jahren  1313  und  1337.  Nebst  einer  ge- 
schichtlichen Einleitung  ,.  Das  deutsche  Haus  zu  Schweinfurt  4 
von  Dr.  Stein  mit  einer  Tafel  Abbildungen  S.  553. 

Reininger,  N.,  Geschichte  der  Pfarrei  Ebersbach  im  Landkapitel 
Neustadt  au  der  Saale.  Mit  3 Beilagen.  Bd.  23  (1876)  S.  113. 

Schäffler,  August,  Tod  und  Bestattung  des  Wirzburger  Fürst- 
bischofes Melchior  Zobel  (y  1558):  S.  193. 

Stein,  F.,  Mittheiluugen  aus  Handschriften  der  k.  Bibliothek  in 
Dresden  zur  Geschichte  der  oberdeutschen  und  insbesondere 
unterfränkischen  Karmeliterklöster  S.  233. 

Link,  Widerlegung  der  Behauptung,  dass  das  Kloster  der  hl.  Lioba 
nicht  in  Tauberbischofsheim,  sondern  vielmehr  in  Bischofsheim 
vor  der  Rhön  war:  S.  246, 


242 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


Kittel,  Notiz  über  die  Lage  des  Klösterleins  der  hl.  Lioba  S.  249. 

Geschichte  der  Stadt  Obernburg  im  Regierungsbezirke  Unter- 
franken und  Aschalfenburg  S.  255  (0.  im  Besitze  des  Stiftes 
zu  Aschalfenburg  S.  286;  Schulwesen  802;  Geistliche  und 
Gottesdienst  im  dreissigjährigen  Kriege  387 ; Geschichte  der 
Pfarrei  384;  Reihenfolge  der  Pfarrer  405). 

Schäffler,  August,  Die  Aufzeichnungen  des  Heinrich  Steinruck 
über  Ereignisse  aus  den  Jahren  1430  bis  1462:  S.  475  (über 
Johann  Capistranus  S.  484). 

Kraus,  Johann  Adolph,  Megingaud,  zweiter  Bischof  von  Wirzburg, 
ein  fränkischer  Graf  (753  — 785):  Bd.  24  (1880),  S.  I— XII. 

Schäffler,  August,  und  J.  E.  Br  an  dl,  Das  älteste  Lehenbuch 
des  Hochstiftes  Wirzburg  (14.  Jahrhundert).  Mit  Einleitung, 
Register  und  Erläuterungen.  S.  1 (Nachweis  der  Lage  ver- 
schiedener Würzburger  Klöster  etc.  S.  275) 

Kurze  systematische  Übersicht  des  Kreisarchives  Würzburg  (Ab- 
druck aus  der  Archivalischen  Zeitschrift  V,  118 — 125):  S.329 
(Kirchen-,  Schul-  und  Stiftungssachen  im  Hochstift  Würzburg 
S.  331 ; Geistliche  u.  weltliche  Yerwaltungssachendes  Domkapitels, 
Stifte  und  Klöster  inner-  und  ausserhalb  Bayerns  332 ; Erz- 
stift Mainz,  insonderheit  Kirchen-,  Schul-  und  Stiftungsange- 
legenheiten, Stifte  und  Klöster  335;  Reichsstadt  Schweinfurt, 
Kirchen-,  Schul-  und  Stiftungssachen  337). 

Reininger,  N.,  Die  Kaiserburg  Salzburg  bei  Neustadt  an  der  frän- 
kischen Saale:  Bd.  25,  S.  1 (Die  Anfänge  des  Christenthums 
in  Ostfranken,  die  heilige  Bilhildis  und  die  Missionäre  St.  Ki- 
lian und  Willibrord  S.  1 ; Gottesdienst  nach  der  Augsburger 
Konfession  25;  Missionsthätigkeit  des  Bonifatius,  dessen 
Bischofsweihe  und  Concil  auf  der  Salzburg,  Dotation  des  Bis- 
thums Würzburg  36  u.  212;  Berathung  und  Ordnung  kirch- 
licher Verhältnisse  77  ; Übergabe  der  Salzburg  und  des  Königs- 
hofes an  die  Würzburger  Kirche  102;  Die  Juden  Synagoge  auf 
der  Salzburg  174,  Errichtung  einer  Kapelle  im  Schlosse  Neu- 
haus 179,  Christenlehre  daselbst  und  in  der  Kirche  zu  Dürn- 
hof  181,  Verzeichnis  der  Voite  von  Salzburg,  welche  sich  dem 
geistlichen  Stande  gewidmet  199;  die  heilige  Claußnerin 
Liutbirgis  209  ; Grundriss  des  Schlosses  nach  S.  256). 

Ergänzungen  dazu  s.  bei  Schnell  in  Bd.  29. 

Rezension  über  WillJs  Bearbeitung  der  Böhmer’schen  Regesta  archiepis- 
coporum  Maguntinensium,  Bd.  I (742 — 1160):  Bd.  25,  S.  249. 

Bibra,  Wilhelm  v.,  Das  Burggrafen- Amt  des  vormaligen  Hochstiftes 
Würzburg  S.  257  (von  S.  309  an  Regesten  1—367  von  1033 
bis  1534,  welche  zahlreiche  kirchen-,  pfarr-  und  vornehmlich 
klostergeschichtliche  Notizen  aufweisen). 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  243 

Schnell,  Otto,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Marktfleckens  Burg- 
windheim S.  359  (Pfarrkirche  S.  392;  Kapelle  396:  Säkula- 
risation der  Abtei  Ebrach  405;  Eronleichnamsprozession  407; 
St.  Urban  409,  Pfarrei  412;  Reihenfolge  der  Pfarrer  etc.  418: 
Auszug  aus  dem  Pfarrbuch,  die  Kirchenpfleger  betr.,  440). 

Hörn  es,  Joseph,  und  Johann  Adolph  Kraus,  Die  Ruine  Schön- 
rain bei  Gemünden.  Mit  Abbildungen.  S.  449  (Benediktiner- 
Priorat  daselbst  S.  457 ; Klosterkirche  S.  498  ; 4 Urkunden- 
beilagen von  1139  bis  1456:  S.  501). 

Amrhein,  Aug.,  Die  Prälaten  u.Canomker  des  ehemal. Collegiatstiftes 
St.  Peter  und  Alexander  zu  Aschaffenburg  Bd.  26  (1882),  S.  1. 

Kraus,  Johann  Adolph,  Wo  lag  das  vormalige  Kloster  Einfirst  a. 
d.  S.?  S.  415. 

Eubel,  P.  Konrad,  Die  in  der  Franziskaner-Minoritenkirche  zu 
Würzburg  Bestatteten  aus  dem  Adels-  und  Bürgerstande:  Bd.  27 
(1884),  S.  1. 

Amrhein,  A.,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Archidiakonates  Aschaffen- 
burg und  seiner  Landkapitel  S.  84. 

Gams,  P.  Pius  B.,  O.  S.  B.,  Personalstand  der  s.  g.  „ständigen“ 
Klöster  (bei  welchen  „stabilitas  loci“  herrschte)  im  Bist.hum 
Wiirzburg  zur  Zeit  ihrer  Aufhebung  im  J.  1802 — 3:  S.  165. 

Amrhein,  A.,  Personalstand  des  Klosters  Bildhausen  im  Jahre 
1324  : S.  212. 

Schnell,  Otto,  Zur  Geschichte  der  Abtei  Bildhausen  (Visitations- 
bescheid von  1774):  S.  215. 

Bossert,  Georg,  Das  Datum  der  Urkunde  Nr.  LXXI,  Mon.  Boic. 
37,  S.  30  f.  (eines  Schankungsbriefes  auf  St.  Pantaleons-Altar 
in  Würzburg)  : S.  301. 

Literarischer  Anzeiger  Bd.  27  S.  315  (Jubiläumsschriften  der  Würz- 
burger Universität).  — Bd.  28  (1885),  S.  377  (Weberis 
Schrift  über  Bildhauer  Dill  Riemen  schneid  er  — 2.  Aufl. : Bd. 
31,  S.  143  — ; Bockenheimeris  Restauration  der  Mainzer  Hoch- 
schule 1784:  Roth’s  Einführung  der  Reformation  iu  Nürnberg 
1517—1528).  — Bd.  30  (1887),  S.  285  (Eubel’e  Geschichte 
der  oberdeutschen  Minoriten -Provinz  S.  288).  — Bd.  31  (1888), 
S.  147  (Etliche  einschlägige  Artikel  aus  der  „Arcliival-i sehen 
Zeitschrift“).  — Bd.  34  (1891),  S.  223  (Festschriften  zum 
1200jährigen  Kilians- Jubiläum).  — Bd.  36,  Ergänzungs-Heft 
(4894),  S.  13  ff.  (Franz  Ludwig  v.  Erthal,  Fürstbischof  von 
Bamberg  und  Wiirzburg,  ein  Charakterbild;  Württembergisclie 
Geschichtsquelleu,  Bd.  1,  worin  auch  Pfarrgeschichtliehes).  — 
Bd.  37  (1895),  S.  276 ff.  (Die  Augustinerklöster  zu  Königs- 
berg i.  Fr.  und  Wiirzburg;  Württemb.  Geschichtsquellen,  Bd.  2). 
— Bd.  38  (1896),  S.  281  (Schriften  über  den  hl.  Kilian, 
Franconia  sacra,  verschiedene  fränkische  Klöster  etc.). 

(Fortsetzung  folgt.) 


244 


Zur  Bibliographie. 


Zur  Bibliographie.*) 


^Seeberger,  Georg,  Pfarrer  und  Dekan  in  Bamberg.  Handbuch 
der  Amtsführung  für  die  protestantischen  Geistlichen  des  König- 
reichs Bayern  diesseits  des  Rheins.  München,  J.  Schweitzers 
Verlag  (Arthur  Sellier).  1899.  1101  S.  Preis  Mk.  16.50. 

Sehr  gerne  komme  ich  der  Aufforderung  nach,  auch  an  dieser  Stelle 
auf  das  mit  ganz  ungewöhnlicher  Sachkenntnis  und  ausgezeichnetem 
Fleiß  gearbeitete,  sehr  dankenswerte  Werk  zu  verweisen  *?  gehört  es  auch 
nicht  gerade  in  die  Kirchengeschichte  Bayerns,  so  enthält  es  doch  eine 
große  Fülle  Materials  zur  kirchlichen  Statistik  im  weiteren  Sinne.  Übrigens 
werden  unsere  Nachkommen  staunen,  wenn  sie  lesen,  was  ein  bayrischer 
Pfarrer  am  Endo  des  neunzehnten  Jahrhunderts  bei  seiner  Amtsführung 
alles  beachten  mußte.  Da  ist  denn  doch  das  Neue  Bürgerliche  Gesetzbuch 
mit  seinen  2385  Paragraphen  der  reinste  Pappenstil  dagegen.  Und  dabei 
soll  doch  der  Pfarrer  — man  wäre  fast  versucht  zu  sagen  — nicht  blos 
Amtmannn  sein,  sondern  vor  allen  Dingen  Diener  am  Wort.  Tritt  hier 
nicht  bald  eine  Reaktion  ein,  dann  läuft  die  Kirche  Gefahr,  daß  das 
Studium  der  hl.  Schrift  und  der  Theologie  durch  die  jährlich  wachsenden 
Formalien  des  Dienstes  immer  mehr  in  den  Hintergrund  gedrängt  wird. 
Schon  gilt  ja  eine  Vorlesung  über  Kirchenrecht  als  theologische  Vor- 
lesung, und  ein  Student,  der  diese  Vorlesung  hört,  zählt  als  Theologie- 
studierender, auch  wenn  er  in  dem  betreffenden  Semester  sich  um  keine 
theologische  Vorlesung  kümmert,  was  bei  der  Wichtigkeit,  die  man  der 
rechtlichen  Seite  der  Kirche  heute  beilegt,  ja  sehr  begreiflich  ist.  Um 
so  dankbarer  wird  jeder  sein  müssen  für  die  große  Erleichterung,  welche 
das  vorliegende  Werk  bei  der  Orientierung  über  alle  Einzelfragen  ge- 
währt. 


E.  Frh.  von  Oefele,  Briefe  von  und  an  Konrad  Peutinger.  j 
Sitzungsber.  der  philosophisch-philologischen  und  der  historischen 
Klasse  d.  K.  b.  Akademie  der  Wissenschaften.  1898.  S.  441.  ! 

Unter  den  hier  mitgeteilten  Briefen  dürfte  für  die  Leser  dieser  Zeit-  ! 
Schrift  namentlich  der  an  Johann  Eck  vom  19.  Dez.  1514  von  Interesse 
sein,  der  uns  in  die  Bemühungen  des  von  Jacob  Fugger  beeinflußten 
Kreises  einführt,  für  Eck  die  Erlaubnis  zu  verschaffen,  seine  Thesen  über  den 
Wucher  allenthalben  verteidigen  zu  dürfen.  Es  ist  richtig  und  längst  ; 
anerkannt,  daß  wie  Verfasser  bemerkt,  es  sich  dabei  nicht  um  Wucher 
im  heutigen  Sinne  handelte , aber  um  Ecks  Handlungsweise  richtig  zu  | 
würdigen,  muß  man  nach  der  damaligen  Beurteilung  der  Sache  fragen 
und  nach  den  Motiven  Ecks,  dem  es  dabei  sicherlich  nicht  darauf  ankam, 
der  gerechten  Sache  zum  Siege  zu  verhelfen. 

S.  Riezler,  Bayern  und  Frankreich  während  des  Waffenstillstands 
von  1647.  Ebenda.  S.  493. 

Endres,  Dr.  J.  A.,  Professor  der  Philosophie  am  k.  Lyceum  zu 
Regensburg.  Korrespondenz  der  Mauriner  mit  den  Emmeramern 
und  Beziehungen  der  letzteren  zu  den  wissenschaftlichen  Be- 
wegungen des  18.  Jahrhunderts.  Stuttgart  und  Wien,  Jos. 
Rotsche  Verlagshandluug.  1899.  102  S.  3 Mark. 


*)  Die  mit  * versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Die  Entstehungsgeschichte 
des  Gerüchtes  der  Konversion  der  Bayreuther 
Schwester  Friedrich  des  Grossen. 

Von 

Professor  Dr.  Richard  Fester  in  Erlangen. 

Karl  Brunner  hat  in  Jahrgang  1898  dieser  Zeitschrift, 
Band  IV,  97 ff.  mit  Zugrundelegung  der  politischen  Korrespon- 
denz Friedrich  des  Großen  erörtert,  welche  Schritte  preussischer- 
seits  gethan  wurden,  das  Gerücht  zu  unterdrücken,  Markgraf 
Friedrich  von  Brandenburg-Bayreuth  und  seine  Gemahlin 
Friederike  Wilhelmine  Sophie,  die  Schwester  des  Königs,  seien 
in  Avignon  zum  Katholicismus  übergetreten.  Wenn  Brunner 
die  politische  Korrespondenz  zugleich  durch  die  Mitteilung 
eines  königlichen  Reskriptes  an  den  preussischen  Reichstags- 
gesandten vom  1.  März  1755  zu  ergänzen  glaubte,  so  hat  schon 
die  Redaktion  auf  S.  194  darauf  hingewiesen,  dass  jenes 
Schreiben  keineswegs  unbekannt  wTar.  Die  Acta  historico- 
ecclesiastica  haben  es  bereits  im  Herbst  1755  in  ihrem  109.  Teile 
Seite  20  fg.  veröffentlicht.  Das  Fehlen  des  Aktenstückes  im 
Berliner  Archive1)  mag  vielleicht  mit  jener  frühzeitigen  Publi- 
zierung  Zusammenhängen.  Mit  den  Weisungen  des  Königs  an 
seine  Gesaudten  im  Haag,  in  Dresden,  London  und  Regens- 
burg zusammengehalten,  illustriert  sie  die  Energie  des  preussi- 
schen Dementi. 

Wie  aber  verhält  es  sich  mit  der  Entstehung  des  Gerüchtes? 
Ist  es  wirklich  in  Dresden  zuerst  aufgetaucht,  hat  es  von  da 
aus  auf  dem  Umwege  über  das  große  europäische  Nachrichten- 
bureau,  über  Holland,  seinen  Weg  in  die  Welt  gefunden?  Hat 


1)  Vgl.  M.  Lehmann,  Preussen  und  die  katholische  Kirche  3,  355. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichle.  V.  G.  17 


246  Fester,  Die  augebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth. 


es  der  Utrechter  Zeitungsschreiber  in  der  Korrespondenz  aus 
Nürnberg  und  Utrecht  vom  18.  Februar  1755  zum  erstenmale 
an  die  große  Glocke  gehängt?  Ich  denke,  das  alles  werden 
die  Nächstinteressierten  uns  noch  besser  beantworten  können 
als  der  König  von  Preussen.  Da  zeigt  sich  nun  freilich  eine 
Lücke,  die  ich  vorläufig  noch  nicht  ausfüllen  kann.  Die  Aus- 
gabe des  Briefwechsels  Friedrichs  II.  mit  seinen  Geschwistern 
und  Freunden  in  den  Oeuvres  läßt  bekanntlich  ausserordentlich 
viel  zu  wünschen  übrig.  Preuss  hat  von  den  Briefen  Wilhel- 
mines an  ihren  Bruder  überhaupt  nur  einen  kleinen  Bruchteil 
veröffentlicht.  Bei  der  Auswahl  scheint  mehr  die  Bequemlich- 
keit des  Herausgebers,  etwa  das  Vorhandensein  des  genaueren 
in  der  Regel  fehlenden  Datums  als  irgend  welcher  wissen- 
schaftliche Gesichtspunkt  maßgebend  gewesen  zu  sein.  Sämt- 
liche Briefe  Wilhelmines  aus  Südfrankreich  und  Italien 
harren  noch  des  Herausgebers.  Erst  nach  ihrer  Rückkehr,  in 
einem  Briefe  aus  Bayreuth  vom  22.  August  1755  läßt  Preuss 
sie  wieder  zu  Worte  kommen.  Was  sie  auf  das  Schreiben 
Friedrichs  vom  24.  Februar  1755  (Oeuvres  27,  259)  geantwortet 
hat,  wissen  wir  nicht.  Nur  soviel  ist  aus  Friedrichs  Schreiben 
ersichtlich,  dass  ihr  Briefwechsel  sich  bis  dahin  mit  dem  Ge- 
rüchte noch  nicht  beschäftigt  hatte.  Der  König  selbst  hat  es 
soeben  erst  erfahren,  hat  augenblicklich  an  den  Etatsminister 
von  Podewils  entsprechende  Weisung  ergehen  lassen  und  teilt 
es  noch  an  demselben  24.  Februar  seiner  Schwester  als  Neuig- 
keit mit.  Die  Versicherung,  dass  er  nicht  daran  glaube,  hält 
er  für  überflüssig.  Die  Geschwister  kennen  sich  beide  zu  gut. 
Jedes  Wort  über  diesen  Punkt  wäre  unangebracht  und  taktlos. 
Friedrich  beschränkt  sich  daher  auf  die  Bitte,  „de  faire  quelque 
momerie  calviniste,  et  de  la  faire  inserer  dans  les  gazettes“. 
Wenn  in  den  Zeitungen  zu  lesen  ist,  dass  die  Markgräfin  unter- 
wegs in  Marseille  oder  anderswo  eine  calvinistische  Kirche  be- 
sucht hat,  sind  „die  Übelgesinnten“  zum  Schweigen  gebracht. 

Man  sieht,  der  Brief  schliesst  in  keiner  Weise  aus,  dass 
Wilhelmine  und  ihr  Gemahl  schon  vor  seinem  Eintreffen  an 
ihrem  Aufenthaltsorte  von  dem  Gerüchte  unterrichtet  waren. 
In  der  Tliat  wird  die  Wahrscheinlichkeit  Gewißheit,  wenn  wir 
die  Bayreuther  Akten  zu  Rate  ziehen.  Das  Münchener  Reichs- 


Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  von  Bayreuth.  247 

archiv  enthält  unter  der  Rubrik:  Brandenburg,  Literalien  ein 
Faszikel  mit  der  Aufschrift:  Acta  des  falschen  Gerücht  wegen 
der  Religionsveränderung  serenissimi  nostri  und  dero  Frauen 
Gemahlin  k.  Hoheit  betreffend  1754 — 5“.  Es  sind  nur  wenige 
Aktenstücke  darin  vereinigt,  aber  sie  genügen,  wenn  ich  nicht 
irre,  um  den  Schlüssel  zur  Genesis  des  Geredes  finden  zu  lassen. 
In  Bayreuth  hat  man  schon  Anfangs  Dezember  1754  Anlaß 
gehabt,  Schritte  zu  thun.  Markgraf  Friedrich  und  seine  Ge- 
mahlin waren  Anfangs  Oktober  nach  Montpellier  abgereist. 
Am  2B.  Oktober  treffen  wir  das  Paar  in  Colmar,  wo  sie  Voltaire 
begrüßen1),  Mitte  November  in  Lyon2).  Am  26.  Dezember  hat 
König  Friedrich  einen  Brief  seiner  Schwester  aus  Avignon. 
Das  Gerücht  aber  wartet  nicht,  bis  die  hohen  Reisenden  die 
mittelalterliche  Papstresidenz  erreicht  haben.  Der  Regierung 
in  Bayreuth  kommt  zu  Ohren,  der  Professor  der  Theologie 
Huth  in  Erlangen  habe  „in  einer  vor  etlichen  Wochen  ge- 
haltenen Predigt  die  indiskrete  Unbedachtsamkeit  begangen, 
von  einer  besorglicken  Religionsveränderung  an  Seiten  unserer 
und  unserer  Frauen  Gemahlin  Hoheit  und  Liebden  auf  der- 
malig  unternommener  Reise  etwas  mit  einfließen  zu  lassen“. 
Der  Geheimerat  Adam  Anton  von  Meyern  wird  daher  unterm 
16.  Dezember  1754  aufgefordert,  Huth  zu  verhören  und  Bericht 
einzusenden. 

Adam  Anton  v.  Meyern  war  bis  1752  Kanzler  der  Univer- 
sität gewesen3).  In  welcher  Eigenschaft  er  jetzt  herangezogen 
wurde,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  In  seinem  Bericht  aus 
Erlangen  vom  BO.  Dezember  1754  gab  er  an,  dass  er  sich  zu- 
nächst bei  Huths  fleißigen  Hörern,  besonders  bei  Diaconus 
Magister  Wießner  erkundigt  habe.  Danach  könne  nur  die 
Adventspredigt  Huths  gemeint  sein4),  worin  „von  der  Kreuz- 
kirche Christi  und  dem  Abfall  der  Großen  geredet  worden“. 
Meyern  trug  daraufhin  Bedenken,  mit  Huth  zu  sprechen  und 

1)  Des  noiresterres,  Voltaire  5,  51. 

2)  Am  2.  Dezember  1754  hat  Friedrich  einen  Brief,  der  Wilhelmines 
Ankunft  in  Lyon  meldet.  Oeuvres  27,  252.  Der  vorhergehende  Brief 
nr.  282  ist  von  Preuss  falsch  datiert. 

3)  Vgl.  Behling,  Daniel  v.  Superville  128. 

4)  1754  fiel  der  erste  Adventssonntag  auf  den  1.  Dezember. 

17* 


‘248  Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth. 


schickte  die  korrekteste  der  von  einigen  Bürgern  und  Studenten 
gemachten  Nachschriften  ein.  Diese  Nachschrift  liegt  heute 
noch  bei  den  Akten.  Der  Schreiber  kann  die  Predigt  unmög- 
lich, so  wie  sie  vorliegt,  aus  dem  Gedächtnis  nachträglich  zu 
Papier  gebracht  haben.  Auch  lassen  v.  Meyerns  Worte  kaum 
eine  andere  Deutung  zu,  als  daß  es  damals  in  Erlangen  Mode 
war,  in  der  Kirche  während  des  Gottesdienstes  die  Predigt 
wörtlich  nachzuschreiben.  Uber  die  von  Mevern  zitierten  All- 
gemeinheiten ist  der  Adventsprediger  nirgends  hinausgegangen. 
Der  Landesherr  und  seine  Reise  werden  mit  keinem  Worte 
erwähnt. 

Nichtsdestoweniger  enthält  der  Bericht  einen  Fingerzeig. 
Ob  Huth  eine  Anspielung  beabsichtigt  hat  oder  nicht,  „der  Ab- 
fall der  Großen“  ist  als  solche  in  der  Markgrafschaft  gedeutet 
worden.  Wenn  das  Gerücht  nicht  einschlief,  wenn  es  von 
Franken  nach  Dresden  hin  übersprang,  wenn  es  aus  dem  beab- 
sichtigten nach  der  Ankunft  in  Avignon  den  vollzogenen  Über- 
tritt machte,  dürfen  wir  uns  wohl  nach  einem  Leiter  der  öffent- 
lichen Meinung  umsehen,  dürfen  wir  fragen,  wer  ein  Interesse 
daran  hatte,  den  partikularistischen  Klatsch  in  einen  euro- 
päischen Skandal  zu  verwandeln.  Da  finden  wir  denn,  dass 
bereits  die  noch  bevorstehende  Reise  der  Bayreuther  Herr- 
schaften zu  einer  Kabale  benutzt  worden  ist.  In  einer  an 
Podewils  gerichteten  Denkschrift  vom  29.  September  1757  hatte 
der  Ansbachische  Etatsminister  Christoph  Ludwig  Johann  von 
Seckeudorff  Preussen  aufgefordert,  mit  Ansbach  zusammen 
Schritte  zur  Rettung  der  Bayreuther  Lande  vom  Untergange 
zu  thun1).  Wenn  es  sich  in  Wahrheit  so  verhielt,  wie  Secken- 
dorff  die  Sache  darstellte,  hatten  die  nächsten  brandenburgischen 
Agnaten  allerdings  alle  Ursache,  weiterer  Verschleuderung  ihrer 
Bayreuther  Eventualerbschaft  Einhalt  zu  thun.  Zur  Schulden- 
tilgung sei,  so  behauptet  er,  nicht  das  Mindeste  geschehen,  ob- 
wohl täglich  neue  Steuern  ausgeschrieben  würden.  Man  eigne 
sich  unbedenklich  Staats-  und  Waisengelder  an,  habe  bereits 
die  für  den  Neubau  des  abgebrannten  Bayreuther  Scliloßes  be- 
willigte Summe  zu  anderen  Zwecken  verwendet  und  dem 


1)  Politische  Korrespondenz  10,  437. 


Fester.  Die  augebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth.  249 


Deutschorden  ein  beträchtliches  Gebiet  verkauft.  Der  Hof  aber 
wolle  seine  Verschwendung  auf  die  Spitze  treiben  und  dem- 
nächst auf  neun  Monate  nach  Frankreich  reisen. 

Wir  kennen  die  innere  Geschichte  der  brandenburgischen 
Markgrafschaften  leider  noch  viel  zu  wenig,  um  Seckendorfs 
Anklagen  einer  detaillierten  Prüfung  unterwerfen  zu  können. 
Thatsache  ist,  daß  die  an  und  für  sich  recht,  bescheidene  Hof- 
haltung auf  das  kleine  Land  drückte,  daß  Markgraf  Friedrich 
zeitlebens  an  der  von  seinem  Vater  geerbten  Schuldenlast  la- 
borierte. Aber  ebenso  sicher  ist,  daß  der  Ansbachische  Minister 
maßlos  übertrieb.  Erst  im  Sommer  war  König  Friedrich  in 
Bayreuth  zu  Besuch  gewesen.  Wie  es  dort  stand,  wusste  ei- 
ganz  genau,  aber  ebenso  genau  war  ihm  die  Rivalität  der 
fränkischen  Vettern,  vor  allem  die  intriguante  Art  des  Ans- 
bachers bekannt.  Wir  sehen  heute  in  Seckendorfs  Denkschrift 
einen  Beweis  dafür,  daß  die  Schilderung  des  Ansbacher  Regi- 
mentes in  den  Memoiren  der  Markgräfin  doch  viel  weniger 
karrikiert  ist,  als  man  denken  sollte.  Dem  Bruder  Wilhel- 
mines aber  hat  schon  der  Name  Seckendoilf  gehässige  Erinne- 
rungen geweckt.  Wer  wüßte  nicht,  welches  Herzeleid  die 
Ohrenbläsereien  eines  Seckendorf  über  den  preußischen  Kron- 
prinzen gebracht  haben.  Wie  der  Oheim1)  als  Spion  Österreichs 
Friedrich  Wilhelm  I gegen  den  Sohn  aufgehetzt  hatte,  suchte 
jetzt  der  Ansbacher  Neffe  den  Bruder  gegen  die  Schwester 
auszuspielen.  Am  9.  Oktober  1754  hatten  die  Staatsminister 
Podewils  und  Finckenstein  die  von  dem  Ansbach ischen  Resi- 
denten Lyncker  überreichte  Denkschrift  Seckendorfs  nach 
Potsdam  eingeschickt.  Am  10.  befahl  ihnen  der  König,  an  den 
Ansbachischen  Minister  eine  Kopie  der  beigeschlossenen  Ant- 
wort zu  schicken.  Am  12.  Oktober  ist  diese  in  der  Tliat  nach 
Ausbach  abgegangen,  unter  den  unvermuteten  von  Friedrich 
verabreichten  kalten  Sturzbädern  eines  der  ergötzlichsten.  ..Ich 
bin  sehr  erstaunt  — schrieb  der  König  an  seine  Minister  über 
den  lächerlichen  Brief,  den  Seckendorf  an  euch  geschrieben 
hat;  ich  wundere  mich,  daß  ihn  der  Markgraf  von  Ansbach 
nicht  an  kleine  Höfe  (aux  petites-maisons)  geschickt  hat.  Secken- 


1)  Vgl.  Polit.  Korrespondenz  10,  3i>2  Amn.  3. 


250  Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth. 

dorff  hat  gewiß  alle  Ursache,  über  die  schlechte  Bayreuther 
Verwaltung  zu  reden,  während  sein  Herr  vor  dem  Bankerott 
steht,  allein  dieser  Hallunke  (faquin)  will  die  beiden  Mark- 
grafen entzweien,  und  ihr  müßt  ihm  begreiflich  machen,  dass 
er  mich  in  seinen  elenden  Anschlag  nie  mithin  einziehen  wird. 
Ich  wünschte  nur,  dem  Markgrafen  von  Ansbach  wäre  der 
Charakter  dieses  Elenden  bekannt:  ein  Getreuer  würde  ihm 
vorgestellt  haben,  daß  die  von  meiner  Schwester  aus  Gesund- 
heitsrücksichten geplante  Reise  für  ihn  selbst  wünschenswert 
sei.  Denn  der  Bayreuther  kann  sich  wieder  verheiraten, 
wenn  meine  Schwester  stirbt,  und  dann:  adieu  Erbschaft!  Ein 
Bösewicht  von  Minister  aber  redet  wie  Seckendorlf.  Sprecht 
mir  nicht  mehr  von  dieser  Sache,  und  wenn  ihr  wieder  so 
hirnlose  Briefe  erhalten  solltet,  hütet  euch,  sie  mir  zugehen 
zu  lassen“. 

Wer  der  Schlange  den  Kopf  zertritt,  wird  von  ihr  in  die 
Ferse  gestochen.  Gewiß,  nachdrücklicher  hätte  Seckendorlf  an 
den  Unterschied  zwischen  Großstaat  und  Kleinstaat,  König  und 
Zaunkönig,  Politik  und  Kabale  nicht  erinnert  werden  können. 
Aber  sollte  sich  ein  Intriguant  von  seinem  Schlage  dabei  be- 
ruhigt haben?  Was  wollten  die  Gifttropfen  jener  Denkschrift 
an  Podewils  gegen  ein  Gerücht  besagen,  das  dem  großen  König 
bei  seinen  in  Ansbach  wohlbekannten  Gesinnungen  besonders 
widerwärtig  sein  mußte1).  Der  Verdacht  drängt  sich  unwill- 
kürlich auf,  daß  Seckendorlf  das  Gerücht  wenn  auch  nicht  er- 


1)  Brunner  findet  die  Zeit  der  Erholungsreise  „ungewöhnlich“,  irrt 
aber,  wenn  er  auch  Friedrich  den  Großen  Bedenken  darüber  äußern  läßt. 
Abgesehen  davon,  daß  die  Winterreise  eines  Kranken  nach  dem  Süden 
nichts  Befremdliches  hat,  giebt  Brunner  dem  Schreiben  des  Königs  an 
seinen  Gesandten  in  Stockholm  vom  26.  November  1754  eine  falsche 
Deutung.  Die  von  ihm  angeführten  Worte  Friedrichs  beziehen  sich  auf 
die  Absicht  Ulrikes  von  Schweden,  die  Reise  ihrer  Schwester  nach  Frank- 
reich für  ihre  politischen  Zwecke  zu  benützen.  (Zur  Sache  vgl.  Arnheim, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  nordischen  Frage.  Deutsche  Zeitschrift  für  Ge- 
schichtswissenschaft 2,  416).  Der  König  zeigt  sich  ängstlich  besorgt, 
von  Wilhelmine  jede  Störung  ihrer  Erholungsreise  fernzuhalten.  Wenn 
er  etwas  auszusetzen  fand,  war  es  allein  der  Umstand,  dass  seine 
Schwester  bei  der  strengen  Winterkälte  nicht  von  vornherein  weiter  nach 
dem  Süden  ging. 


Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth.  251 

fun den,  so  doch  wenigstens  dirigiert  hat.  Ob  wir  die  Kanäle  der 
ganzen  Intrigue  einmal  völlig  bloßlegen  können,  lässt  sich 
natürlich  nicht  sagen.  Verdacht  ist  kein  Beweis.  Aber  die 
Richtung  jeder  künftigen  Untersuchung  scheint  mir  in  Erwägung 
aller  angeführten  Momente  nicht  mehr  zweifelhaft.  Der  Über- 
tritt des  Erbprinzen  von  Hessen-Kassel  wurde  seit  dem  November 
an  allen  Höfen  eifrig  besprochen1 2).  Warum  sollte  man  nicht 
einer  Fürstin  das  Nämliche  Zutrauen,  die  so  unvorsichtig  war, 
den  singenden  Bischof  von  Tournai  auf  dem  Spinett  zu  be- 
gleiten, die  man  in  Lyon  mit  Jesuitenpatres  verkehren  sah3)! 
Was  brauchte  es  da  noch  mehr,  als  die  Nachricht,  dass  die 
Markgräfin  in  Avignon  eingetroffen  sei,  um  in  Umlauf  gesetzte 
Andeutungen  zur  Thatsache  werden  zu  laßen.  Die  Vermutungen 
der  preussischen  Agenten  mögen  richtig  sein.  Der  Funke  ist 
wohl  von  Dresden  nach  Holland  hinübergesprungen.  Nach 
Dresden  aber  wird  er  von  Ansbach  her  gelangt  sein. 

Obwohl  die  Münchner  Akten  darüber  nichts  enthalten,  ver- 
steht es  sich  von  selbst,  daß  die  Bayreuther  Regierung  den 
Markgraf  alsbald  von  dem  Gerede  in  Kenntnis  setzte.  Ehe 
noch  der  Brief  seines  königlichen  Schwagers  geschrieben  war, 
im  Februar  1755,  machte  sich  Markgraf  Friedrich  auf  den 
Weg.  Ein  Gewaltritt  brachte  ihn  binnen  wenigen  Tagen  nach 
Bayreuth  zurück4).  Schon  am  1.  März  wußte  man  in  Berlin, 
daß  er  in  seiner  Residenzstadt  an  einer  öffentlichen  Abend- 
mahlfeier teilgenommen  habe5).  Am  11.  März  lief  in  Bayreuth 
ein  Bericht  des  Bayreuther  Reichstagsgesandten  v.  Rothkirch 


1)  Vgl.  Friedrichs  Schreiben  an  'den  Prinzen  von  Preussen  vom 
13.  November  1754.  Polit.  Korrespondenz  10,  469. 

2)  Friedrich  an  Wilhelmine  21.  Dezbr.  (nicht  Nov.)  1754.  Oeuvres 
27,  251:  „Je  ne  connais  point  l’eveque  de  Tournai  que  vous  avez  accom- 
pagne  du  clavecin  ; c’est  peut-etre  dommage  qu’il  ne  soit  pas  un  Ste- 
fanino  (ein  öfter  genannter,  damals  in  Berlin  auftretender  Kastrat) 
il  en  chanterait  une  octave  plus  haut“. 

3)  Oeuvres  27,  252. 

4)  Hein  ritz,  Die  Lebensjahre  des  Markgrafen  Friedrich.  Archiv 
für  Gesch.  des  Ober-Mainkreises  II  2,  Heft  3 (1836)  S.  9.  Eine  für  lo- 
kale Dinge  recht  ergiebige  Bayreuther  Chronik.  Leider  sagt  der  Ver- 
fasser nicht,  woher  seine  Notizen  stammen. 

5)  Der  letzte  Sonntag  im  Februar  1755  fiel  auf  den  23. 


252  Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth. 

vom  8.  März  ein,  wonach  der  preussische  Gesandte  v.  Plotho 
ihm  die  beiliegende  Abschrift  des  Reskriptes  vom  1.  März  ge- 
geben hatte  mit  dem  Hinzufügen,  daß  er  es  überall  bekannt 
machen  werde,  „obwolen  das  darinnen  erwehnte  faux  bruit  seit 
einigen  Wochen  wiederum  von  selbst  zu  cessiren  angefangen“. 
Der  König  von  Preussen  war  noch  schneller  gewesen  als  sein 
Schwager.  Ein  weiterer  Schritt  der  Bayreuther  Regierung 
schien  jetzt  eigentlich  überflüssig.  Mit  kleinstaatlicher  Be- 
dächtigkeit hatte  man  sich  14  Tage  Zeit  gelassen  zur  Aus- 
arbeitung eines  Reskriptes  an  die  Bayreuther  Komitialgesandt- 
schaft.  Wenn  es  auch  auf  Rothkirchs  Bericht  hin  noch  ab- 
geschickt wurde,  ging  man  offenbar  von  der  Erwägung  aus, 
daß  man  in  Regensburg  eine  # Erklärung  des  Markgrafen  ver- 
mißt hätte  und  das  Nachhinken  der  minderen  Glieder  des  hei- 
ligen römischen  Reiches  schon  gewöhnt  war.  Markgraf  Fried- 
rich reiste  nach  Genehmigung  des  Entwurfes  noch  am  11.  März 
wieder  ab,  um  sich  mit  seiner  Gemahlin,  vermutlich  in  Mar- 
seille1 2), wieder  zu  vereinigen.  Erst  im  Hochsommer  nach  zehn- 
monatlicher Reise  kehrten  beide  aus  Italien  nach  der  Residenz 
am  roten  Maine  zurück.  Jener  Entwurf  aber  wurde  am 
16.  März  1755  von  dem  Minister  von  Lauterbach  und  dem 
Kammerpräsidenten  Philipp  Andreas  von  Ellrod  unterzeichnet 
und  ausgefertigt.  Der  Markgraf  erklärte  darin,  mit  Befremden 
gehört  zu  haben,  daß  die  Reise,  die  er  mit  seiner  Gemahlin 
zur  Wiederherstellung  ihrer  schon  geraume  Zeit  „sehr  mißlich 
geschienenen  Gesundheitsumstände“  in  die  wärmerenGegenden 
von  Frankreich  unternommen  habe,  den  Anlaß  zur  Ausbreitung 
des  sogar  in  öffentlichen  Zeitungen  erwähnten  Gerüchtes  ihres 
Übertrittes  gab.  „Nun  haben  wir  zwar  anfänglich  — fährt 
das  Reskript  fort  — ein  dergleichen  ungegründetes,  vermutlich 
aus  boshaften  Absichten  hergeflossenes  Spargiment  mit  einer 
großmütigen  Verachtung  anzusehen  den  Entschluß  um  so  mehr 
gefaßt  gehabt,  als  wir  uns  versichert  gehalten,  vernünftige 
Leute,  welche  über  die  portee  des  leichtgläubigen  Pöbels  sind, 
würden  solcherlei  Erdichtungen  ohnehin  keinen  Glauben  bei- 

1)  Heinitz  a.  a.O.  S.  10. 

2)  Am  3.  April  hat  Wilhelmine  von  dort  aus  an  ihren  Bruder  ge- 
schrieben. Oeuvres  27,  263. 


Fester,  Die  angebliche  Konversion  Wilhelmines  v.  Bayreuth.  253 


messen.  Nachdem  wir  aber  wahrzunehmen  gehabt,  daß  man 
sonderlich  in  einigen  benachbarten  Gegenden  sich  ein  eigenes 
Geschäft  daraus  mache,  ein  solch  falsches  bruit  zu  unterhalten, 
um  nur  das  Publikum  irr  zu  machen  und  dem  gemeinen  nach 
ungleichen  Begriffen  urteilenden  Volk  fehlerhafte  Ideen  von 
unserer  unternommenen  Reise  beizubringen,  auch  hier  und  da, 
wo  man  davon  nicht  wohl  informieret,  Ombrage  zu  machen, 
so  haben  wir  uns  länger  nicht  entbrechen  können,  diese  aus- 
gesprengte falsche  Zeitung  aller  Orten  auf  das  nachdrücklichste 
widersprechen  und  vor  eine  Calumnie  declarieren  zu  lassen. 
Es  gehet  dannenhero  an  Euch  unser  gnädigster  Befehl,  solches 
bei  aller  Gelegenheit  und  sonderlich  bei  denen  evangelischen 
Gesandtschaften  mit  demjenigen  Eifer  zu  thun,  welchen  wir 
wider  den  Autoren,  falls  er  zu  erforschen  sein  sollte,  durch 
eine  empfindliche  Ahndung  vorzukehren  gewißlich  nicht  ent- 
stehen würden“. 

In  Bayreuth  durfte  man  mit  diesem  Reskript  die  Angelegen- 
heit als  erledigt  ansehen.  Wir  aber  entnehmen  dem  Aktenstücke, 
dem  letzten  des  Münchener  Faszikels,  zweierlei : die  Thatsac.he, 
daß  in  den  Nachbargegenden  der  Markgrafschaft,  das  heißt  in 
Ansbach  und  Nürnberg,  am  meisten  von  der  angeblichen  Kon- 
version gesprochen  wurde,  und  den  Argwohn,  daß  hinter  der 
Verleumdung  ein  Verleumder  stehe.  Ob  man  in  Bayreuth  auf 
Seckendorff  geraten  hat,  erfahren  wir  vielleicht  einmal  aus  einer 
vollständigen  Ausgabe  der  Briefe  der  Markgräfin.  Was  mich 
dazu  geführt  hat,  Seckendorff  mit  dem  Gerücht  in  Verbindung 
zu  bringen,  war  am  Bayreuther  Hofe  natürlich  unbekannt.  Denn 
der  Philosoph  von  Sanssouci  hat  von  der  sauberen  Denkschrift 
des  ansbachischen  Ministers  seiner  Schwester  und  seinem 
Schwager  gegenüber  um  des  lieben  Friedens  willen  ganz  ge- 
wiß nichts  verlauten  lassen.  Wir  sind  heute  so  daran  gewöhnt, 
Tag  für  Tag  durch  die  Presse  lügenhafte  Gerüchte  ausgespreugt 
zu  sehen,  daß  wir  nur  zu  leicht  den  symptomatischen  Charak- 
ter der  geschilderten  Vorgänge  übersehen.  Den  Kulturhistoriker 
aber  erinnern  sie  daran,  daß  Friedrich  Schiller  im  „Geister- 
seher“ und  in  „Kabale  und  Liebe“  die  Schattenseite  des  Jahr- 
hunderts der  „Aufklärung“  getreulich  geschildert  hat.  Schillers 
Landesherr  Herzog  Karl  Eugen  von  Württemberg  war  der 


254 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


Schwiegersohn  der  Markgräfin,  und  Wilhelmine  hat  schon  bald 
nach  der  Vermählung  ihrer  sehr  jungen  Tochter  tiefbekümmert 
mit  ihrem  Bruder  erwogen,  wie  man  den  der  Herzogin  nahe- 
gelegten Übertritt  zu  dem  katholischen  Bekenntnis  ihres  Gatten 
verhüten  möge1).  Auch  hier  ist  der  Briefwechsel  lückenhaft, 
doch  reicht  das  Bekannte  völlig  hin,  uns  „eine  sichere  An- 
schauung über  das  persönliche  Verhältnis  der  Fürstin  zur  Kirche 
gewinnen“  zu  lassen. 


Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 

Von 

Pfarrer  Friedrich  Lampert,  in  Ippesheim. 

Für  wenige  Pfarrbeschreibungen  fließen  vielleicht  die  urkundlichen 
Quellen  spärlicher  als  für  die  meinige.  Was  vorhanden  war,  ist 
möglicherweise  zerstreut  in  den  Archiven  der  oft  wechselnden  Herr- 
schaften Ippesheims,  oder  zu  Grunde  gegangen,  als  im  Jahre  1634 
nach  der  Schlacht  von  Nördlingen,  kaiserliche  Völker  den  größten 
Teil  des  Ortes,  darunter  Schloß  und  Kirche,  zusammenbrannten. 
Nur  das  steht  fest,  daß  früher  die  Bischöfe  von  Würzburg,  der 
Deutschorden  und  die  Hohenlohe  hier  Besitzungen  hatten.  Auf  letztere 
folgten  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  die  Herren  von  Lichtenstein, 
das  nun  ausgestorbene,  reichbegüterte  oberfränkische  Geschlecht,  dem 
jedenfalls  auch  die  Einführung  der  Reformation  auf  seinen  Be- 
sitzungen zu  danken  ist  und  das  während  des  ganzen  16.  und 
17.  Jahrhunderts  hier  Besitz  behauptete,  selten  aber  persönlich  sich 
zeigte,  sondern  durch  seine  „Vögte“  die  Jurisdiktion  üben  ließ. 
Erst  im  letzten  Jahre  des  17.  Jahrhunderts  wechselte  Ippesheim 
wieder  seinen  Herrn,  indem  es  an  die  Grafen  von  Castell  überging, 
von  denen  es  aber  schon  1733  an  die  Hutten  auf  Frankenberg 
verkauft  wurde,  um  nun  den  Hauptort  von  deren  ausgedehnter 
Herrschaft  zu  bilden,  bis  es  1796  unter  preussische  Landeshoheit 
und  mit  dem  ganzen  Markgrafentum  1806  an  die  Krone  Bayern  kam. 

Daß  aber  Ippesheim  eine  wenn  auch  nicht  gerade  ältere  Ge- 
schichte, so  doch  eine  viel  ältere  Herkunft  hat,  das  darf  man 
vielleicht  schon  aus  seinem  Namen  schließen,  welcher,  von  dem  an 
seiner  Westseite  fließenden  Bachs  Iph  oder  Iff  genommen,  es  jedenfalls 
zu  dem  alten  Iffigau  zählte,  daun  aber  auch  aus  der  Tradition  ent- 
nehmen, die,  weithinauf  nachweisbar,  vererbt  hat,  daß  das  Dorf  einst 


1)  Briefe  Friedrichs  vom  17.  Juni,  14.  und  26.  Juli  1749.  Oeuvres 
27,  190  ff. 


Lampert,  Zur  Pfarr geschieh te  von  Ippesheim. 


255 


weiter  südwärts,  dort  wo  eine  uralte  Quelle,  die  „Bonifaciusquelle**, 
in  altes  Gestein  gefaßt,  ihren  klaren  Born  zeigt,  gestanden  und  daß 
diese  Quelle  selbst  sein  Mittelpunkt  gewesen  sei.  Wohin  der  Name 
Bonifacius  deutet,  braucht  nicht  gesagt  zu  werden,  aber,  da  der 
„Apostel  der  Deutschen“  mit  seiner  Mission  nicht  bis  hierher  vor- 
gedrungen, sondern  in  unseren  Gegenden  der  der  Franken,  Kilian 
vorausgearbeitet  hatte,  so  haben  wir  in  dem  Namen  dieses  obk suren 
Brünnleins  wohl  einen  neuen  Beweis  für  die  Thatsache,  wie  die 
spätere  römische  Kurie,  wo  sie  konnte,  das  was  die  Vorgänger  des  Bo- 
nifacius gethan.  diesen  abzustreiten  und  in  die  Ruhmeskrone  des  von 
ihr  viel  höher  geschätzten,  weil  ihr  ergebeneren  päpstlichen  Dienst- 
mannes einzuflechten  suchte.  So  hat  man  auch  diese  Quelle,  welche 
gewiß  die  Erinnerung  an  die  erste  Christianisierung  dieser  Gegenden 
lebendig  erhalten  sollte,  aber  eben  so  gewiß  nicht  den  Namen  des 
Bonifacius  trug,  trotzdem  auf'  ihn  umgetauft.  Aber  damit  haben  wir 
auch  den  Beweis  für  die  Wahrscheinlichkeit  jener  Tradition  von  dem 
höheren  Altar  Ippenheims,  welcher  noch  durch  ein  architektonisches 
Zeugnis  unterstützt  wird,  den  schönen  schlanken  Turm  der  Kirche 
nämlich,  welcher  in  den  Septembertagen  1634  von  den  diese  ver- 
heerenden Flammen  verschont  blieb  und  heute  noch  in  seinen 
Rundbogenfensteru  den  reinsten,  auch  weit  hinauf  reichenden  roma- 
nischen Stil  unverkünnnert  aufzeigt. 

Auch  ein  Regen wetter  kann  dem  historischen  Spürsinn  zu  Hilfe 
kommen1).  Da  finde  ich  in  einer  alten  Chronik,  deren  sonstige 
Angaben  mir  keinen  Zweifel  an  der  Richtigkeit  aller  aufkommeu 
ließen:  „in  Ippesheim  hat  a.  D.  1525  Markgraf  Casimir  15  Bauern 
die  Köpfe  abschlagen  lassen.“  Daß  dies  wirklich  vorgekommen,  war 
mir  sehr  wahrscheinlich,  warum  sollte  ein  solches  Blut-  und  Straf- 
gericht des  rachedürstend  umherziehenden  Bauernrichters  hier  unmög- 
lich gewesen  sein,  wenn  ich  es  auch  in  den  Spezialgeschichten  des  Bauern- 
kriegs nicht  erwähnt  fand?  Da  hatten  wir  einen  ziemlich  regne- 
rischen Sommer : heftige  Gewittergüsse  weichten  das  Erdreich  auf 
dem  Platz  zwischen  Kirche  und  Schulhaus  auf.  Einst  gehörte  dieser 
zum  Gottesacker,  welcher,  gleich  der  Kirche  Avohlbefestigt,  diesen 
unmittelbar  umzog.  So  gerade  in  den  zwanziger  Jahren  des 
16.  Jahrhunderts  mochte  der  neue  Friedhof  außerhalb  des  Ortes 
augelegt  worden  seiu.  An  den  alten,  längst  vergessenen  erinnerte 
nichts  mehr.  Aber  an  einem  jener  Regentage  wachten  seine  Geister 
auf:  zufällig  bemerkte  ich  nach  wieder  solch  einem  Guß  weg- 
geschwemmten Boden  und  zu  Tage  liegendes  Gebein.  Sorgfältig 
legte  ich  durch  Abräumen  der  es  nur  noch  locker  bedeckenden 
übrigen  Erdschicht  dieses  vollends  bloß.  Ich  hatte  ein  vollständiges 


1)  Vgl.  für  das  Folgende  F.  Lampert  im  36.  Jahresbericht  des  histo- 
rischen Vereins  von  Mittelfranken  (1868)  S.  62  ff, 


256 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  in  Ippesheim. 


Gerippe  eines  Mannes  vor  mir ; ich  schürfte  weiter  und  neben  dem 
ersten  lag  ein  zweites,  und  so  fort  bis  zum  sechsten,  siebenten.  Und 
allen  diesen  Begrabenen  fehlte  — der  Kopf,  d.  h.  au  jener  Stelle, 
wo  er  bei  normalmäßig  in  die  Erde  Gelegten  gewöhnlich  zu  sitzen 
pflegt:  hier  war  bei  jedem  der  Schädel  abgetrennt  und  unter  den 
Arm  gelegt.  Mein  Chronist  war  gerechtfertigt  — gewöhnliche  Misse- 
thäter,  die  Meister  Hämmerlings  Schwert  gerichtet,  waren  jene  Be- 
grabenen nicht,  denn  solchen  gönnte  man  keine  geweihte  Stätte, 
aber  „die  Bauern“,  die  der  strafende  Markgraf  köpfen  ließ,  die  hatte 
er,  nachdem  er  sein  Mütchen  au  den  Armen  gekühlt,  gnädigst  hier 
in  den  Kirchhofacker  einscharren  laßen,  ohne  Sarg  und  Hülle,  denn 
von  nichts  dergleichen  fand  sich  eine  Spur,  nicht  einmal  genügend 
mit  Erde  bedeckt  — so  konnte  bei  der  allmählichen  Senkung  und 
Verflachung  des  Kirckhofbodens  auf  einmal  der  Induktionsbeweis  für 
eine  Thatsaehe  zu  Tage  treten,  die  mir  Urkunden  und  Geschichts- 
bücher nicht  genug  erhärtet  hatten. 

Doch  auch  au  solchen  Zeugnissen  alter  Zeit  fehlt  mirs  wenigstens  . 
nicht  gänzlich.  Zwar  ist  das  jetzt  älteste  „Pfarrbuch“  erst  1652 
angelegt,  aber  doch  fand  .mein  Vor-Vorgänger  im  Amte  Muck  in 
einem  unbedeutenden  Faszikel  der  ehemaligen  hiesigen  Amtsregistra- 
tur einige  Notizen  über  das  Pfarrwesen  von  jener  Zeit.  Allerdings 
eröffnet  der  erste  so  urkundlich  erwähnte  Pfarrer  die  Eeihe  seiner 
Amtsgenossen  nicht  gerade  auf  rühmliche  Weise.  Es  war  ein  ge- 
wisser Steffan,  gegen  den  die  Gemeinde  „dat.  Sonntags  p.  divisionem 
apostolorum  a.  D.  MDLII  eine  Beschwerdeschrift  bei  dem  „Edlen 
uud  Ernvollen  Veythen  von  Lichtenstein  tzum  Geversberg,  unserm 
gnedigen  und  günstigen  lieben  Jungkherrn  ••  einreichte,  worauf  dieser 
durch  ..  Christoph  Emes.  seiner  Edlen  konstituierten  Anwalt  allhier“ 
auch  wirklich  dem  angeschuldigten  Pfarrer  „der  Kondition  zu  priviren 
und  zu  Urlauben“  sich  vermüßigt  sah. 

Die  Klagenden  hatten  ausgeführt,  daß  sie  ..ganz  willig  und  gern 
tzu  thun  geneigt“,  dem  Pfarrer,  „all  provant  und  einkomen  all  weg 
tzur  bestirnten  tzeitt  zu  verreichen“  — allein  daß  sie  „auch  jedes- 
mall ihn  der  Kirchen  mitt  predigen,  täuffen  und  was  dan  zur  solchem 
Ampt  gehörig,  versichert  und  vorsehn  waren,  welches  layder  übel 
genug  ein  Zeit  langher  und  tzurvor  öftermals  bei  yetzigem  unserm 
Pfarrherrn  vorsorgt  worden,  darob  deren  ein  gemein  ein  sonderlich 
beschwerd  und  mißfallen  gehabt. Dann  bedankt  sich  die  Gemeinde 
für  die  Erfüllung  ihrer  Bitte  und  bringt  bei  ihrem  „gnedigen  Jungk - 
hern“  eine  zweite  vor  „für  gegenwärtigen  Brieffzeiger,  Andreas 
Pfeiffer,  jetzo  Vorsteher  der  gemein  Delheim,  Wirzburger  Bisthumbs“, 
von  dem  sie  rühmt,  daß.  „er  aus  dem  Papsttum  getreten,  erbarlich, 
fromm,  tugendlich  und  wohl  in  allem  seinen  Thun  und  Laßen  seinem 
alten  Dienst  wohl  vorgestanden  und  seine  Statt  wisse  zu  vertreten.“ 
Auch  sei  Pfeiffer  „willig,  sich  dem  Examiui  tzur  subjicieren,  wohin 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


257 


er  vozirt  worit,  auch  die  pfarr-  und  veltgüter  selbst  tzur  seiner 
Händen  zu  nehmen,  dieselben  in  pawlichem  Wesen  zu  erhalten  und 
dermaßen  vorzustellen  und  tzur  warten,  daß  sie  vielmehr  gebessert 
und  nit  gebösert,  wie  den  bisher  geschehn,  werden  sollen,  also 
daß  E.  E.  und  meniglich  ein  Wohlgefallen  darob  trugen  mußten. “ 

Ob  dieser  also  belobte  Mann  der  Gemeinde  zugekommeu,  findet 
sich  nicht.  Erst  1586  wird  wieder  ein  Pfarrer:  Johann  Kellner, 
„der  Aeltere“,  genannt.  Von  ihm  ist  das  ,, seinen  beiden  gebietenden 
Junkern  von  Lichtenstein  mit  Handgebender  Treu  angelobte  und 
zugesagte“  „Juramen tum“  erhalten,  in  welchem  er  u.  a.  auch  ver- 
spricht, sich  Wirtshäuser,  auch  anderer  leichtfertiger  Gesellschaft  zu 
enthalten,  auch  ohne  Vor  wissen  der  (junkerlichen)  Befehlshaber  all- 
hiero  keine  Nacht  aus  dem  Flecken  zu  bleiben,  damit  niemand  in 
Krankheiten  oder  Kindstaufen  verkürzt  werden  möchte.“ 

Wie  lange  dieser  Kellner  seines  Amts  in  1.  waltete,  ob  viel- 
leicht sein  Sohn  sein  Nachfolger  geworden,  wie  mau  aus  jener  Be- 
zeichnung des  , .Aelteren“  schließen  könnte,  läßt  sich  nicht  ermitteln. 
Im  Jahr  1612  war  ein  Pfarrer  hier,  der  eine  andere  Stelle  suchte 
und  dessen  Entlassungsgesuch  der  damalige  „gnädige“  Jungklier 
sehr  ungnädig  aufnahm  und  in  folgendem  Dekret  besckied: 

,,Unsern  günstigen  Gruß  zuvor!  Würdiger,  wohlgelehrter,  be- 
sonders guter  Freund:  Wir  haben  Euer  Schreiben  empfangen  und 
nicht  mit  geringer  Befremdung  daraus  vernommen,  daß  Ihr  ohne 
unsere  Begrüßung  und  Vor  wissen  Eure  anbefohlene  Kircli  und 
Pfarrkinder  in  diesen  gefährlichen  Läufen,  nur  allein  um  des 
schändlichen  Geizes  und  Bauchsorge  willen  (inmaßen  Eur  Schreiben 
genugsam  an  den  Tag  geben)  verlaßen  und  Euch  eine  andere  und 
bessere  Pfarr  nicht  nur  heimlicher  Weis  bestellt,  sondern  Eureu 
Pflichten  zuwider  dieselbe  gänzlich  und  allerdings  angenommen.  Und 
ob  Wir  zwar  Euch  wider  Euren  Willen  nicht  aufzuhalten  noch  Euch 
an  Eurer  Wohlfahrt  zu  hindern  gemeint,  wie  große  Ursache  wir 
auch  dazu  hätten,  so  lassen  wir  es  doch  Euch  bei  Gott  verant- 
worten, wie  Ihr  die  Heerde  Christi,  so  Euch  anbefohlen,  solcher- 
gestalt recht  geweidet,  und  ob  Ihr  dieselbe  mit  gutem  Gewissen 
in  jeglicher  Gefahr,  einem  rechten  Miethling  gleich,  verlassen 
könnt  oder  Eure  Pflichten  gegen  Gott  und  uns  deshalb  bedacht, 
wollen  aber,  ungeacht  wir  Euch  ein  mehreres  anvertraut,  und  Uns 
wegen  der  kurzen  Zeit  sehr  beschwerlich  verfüllt,  geschehen  und 
dahin  gestellt  sein  lassen:  der  Hoffnung,  unser  lieber  Gott  werde 
uns  wiederum  eine  gelehrte  und  tüchtige  Person,  die  ihr  hohes 
Amt  und  Unserer  Unterthanen  Seelenheil  besser  als  von  Euch  be- 
beschieht,  angelegen  sein  lassen,  bescheeren.  So  wir  Euch  dann 
wie  sonsten  zu  Gunsten  gewogen,  nicht  »vollen  verhalten.  „Hiemit 
Gott  befohlen! 

Datum  GV»burg  den  5.  Februar  1612. 


258 


Lamport,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


Daß  aber  die  Jungkherrn  von  Lichtenstein,  so  besorgt  sie,  wie 
aus  vorstehendem  und  sonstigen  Zeugnissen  erhellt,  sich  um  das 
Kirchenwesen  aunahmeu,  auch  nach  der  Entlassung  jenes  „Mietklingsu 
mit  der  Besetzung  ihrer  Ippenheimer  Pfarrei  nicht  besonders  glück- 
lich waren,  erweist  ein  Schreiben  des  „ Vogtes “ Hoefel  an  seinen 
Herrn  vom  1.  November  1628,  woraus  hervorgeht  : 

1.  daß  1624,  also  im  Nonnaljahr,  hier  ein  Pfarrer  Johann 
Schwab  gewesen,  aber  1628  abgesetzt  worden  sei: 

2.  sich  nach  seiner  Absetzung  hier  noch  aufgehalten  habe  und 
den  Vogt  beschuldigte,  daß  dieser  ihn  mit  seinen  Lügen  vom  Dienste 
gebracht  hätte. 

8.  Der  Vogt  beklagt  ihn  deshalb,  hauptsächlich  aber,  weil  „Ehrn 
Schwab  in  das  gemein  Kirchenbuch,  da  allerlei  geistliche  Aktus,  be- 
sonders unter  andern  die  Kindstaufen  ad  perpetuam  rei  memoriam 
pflegen  inseriert  zu  werden“  die  Niederkunft  einer  Magd  des  Vogtes 
mit  folgenden  zweideutigen  Worten  eingetragen  hatte:  „Gertraud 
N.  von  Saalfeld  aus  Thüringen,  eine  putativa  virgo,  bei  Friedrich 
Hoefel  einen  Sohn  geboren  und  drinnen  im  Siechhaus  in  Uffenheim 
nach  etlichen  Tagen  erst  getauft,  weil  sie  keinen  gewißen  Vater  zu 
nennen  gewußt,  und  Wolfgang  genannt  worden.“  — 

Unter  dieses  Schwabs  Nachfolger  Gundermann  löste  sich  in  der 
Not  des  Unglücksj ahres  1684  das  ganze  Pfarrwesen  auf.  Die  ver- 
armte Gemeinde  konnte  keinen  Seelsorger  mehr  ernähren.  Gunder- 
mann siedelte  nach  dem  benachbarten  Gollhofen  über,  von  wo  aus 
er  16  Jahre  lang,  1685  — 1650,  seine  bisherige  Pfarrei  als  „Vica- 
rius“  versah  und  seine  Predigten  auf  einem  1751  abgebrannten 
Thorhause  hielt.  Noch  folgten  zwei  solcher  „Vicarii“,  Michael 
Grasser,  auch  von  Gollhofen  aus,  und  Antonius  Mayer,  früherer 
schwedischer  Feldprediger,  in  Keusch,  bis  endlich  wieder  1658  in 
Georg  Rosenfeld  Ippesheim  einen  eigenen  Pfarrer  erhielt.  Doch 
schon  1662  vertauschte  dieser  seine  hiesige  Stelle  mit  Nenzenheim 
und  an  seiner  statt  wurde  von  der  Herrschaft  der  Prediger  von 
Kloster  Gnadenthal,  Johann  Wolf  aus  Künzelsau  berufen,  der 
32  Jahre  lang  seines  Amtes  walten  durfte. 

Sage  man  nicht,  unsern  Vor  vordem  habe  es  an  historischem 
Sinn  gemangelt.  Um  die  große  Welt-  und  Völkergeschiehte  war  es 
ihnen  vielleicht  weniger  zu  thun.  Aber  um  das  Kleine,  die  Orts- 
und Lokalgeschichte  mühte  mau  sich.  Unsere  alten  Kirchenbücher 
zumal  sind  Bestätigung  dafür.  Der  alte  Pfarrer  hat  sie  nicht  als 
trockene,  nur  Namen  und  Zahlen  enthaltende  „Standesregister“  be- 
trachtet, sondern,  wenn  er,  besonders  bei  den  Sterbfällen,  einen 
Namen  hin  schrieb,  so  stand  ihm  genau  das  Lebensbild  des  betreffen- 
den vor  Augen  und  aus  den  Notizen,  die  er  daun  noch  anfügt, 
können  wir  uns  prächtig  ein  ganzes  Stück  alter  Zeiten  lebendig 
machen. 


Lampert,  Zur  Ptarrgeschiclite  von  Ippesheim. 


259 

Da  fallt  aus  dem  kleinen  Oberstübchen  des  Pfarrhauses  ein 
schwacher  Lichtschein  in  die  Nacht  hinaus.  Die  armen  Bewohner 
des  Dorfes  sind  längst  schlafen  gegangen.  Aber  ihr  ehrwürdiger 
Hirte,  Herr  Johann  Wolf,  sitzt  noch  wachend  bei  dem  spärlichen 
Ollämpchen  und  schreibt  mit  fester  Hand  in  sein  Kirchenbuch  von 
den  Zeiten  schwerer  Not,  wie  sie  noch  immer  auf  seiner  Gemeinde 
lastet,  die  sich  noch  nicht  erholt  hat  von  der  Kriegsdrangsal : wie 
fremdes  bewaffnetes  Volk  noch  immer  die  Gegend  unsicher  macht, 
so  daß  sich  der  Pfarrer  nicht  getraut,  einem  Gestorbenen  ein  öffent- 
liches Leichenbegängnis  zu  halten,  sondern  dieser  auf  einem  Schub- 
karren zum  Friedhof  gefahren  wird  und  dass  einen  Monat  später,  wie 
es  wieder  stiller  und  sicherer  geworden,  die  Leichenpredigt  über  den 
71.  Psalm  nachfolgt. 

Dann  aber  hat  Herr  Wolf  doch  wieder  auch  einen  Freudentag: 
er  kann  die  neue  Kirche,  für  die  aber  die  Gemeinde  das  Geld  hat 
„bis  nach  Polen  hinauf“  zusammenbett  ein  müssen,  einweihen  und  — 
a.  D.  1676  am  23.  Juli  wars  — in  gewaltiger  Predigt  auf  Grund 
vom  1.  Mos.  28,  22  „einen  Dank-  und  Deukstein  dieser  Erbauung"* 
vorstellen,  wie  er  denn  nach  besten  Kräften  auch  noch  manch  anderes 
Bausteinlein  zum  Reich  Gottes  zugetragen  haben  mag,  so  daß  sie 
doch  wohl  mit  Recht  auf  seinen  eigenen  Leichenstein  den  Spruch 
gegraben  haben : 

„Hier  liegt  ein  Wolf,  der  doch  ein  treurer  Hirt  daneben: 

Obschon  der  Name  könnt  ein  andre  Deutung  geben, 

So  war  er  doch  bedacht,  zu  weiden  seine  Heerd, 

Und  bei  derselben  auch  zu  liegen  in  der  Erd.“ 

Johann  Wolfs  Nachfolger  waren  sein  Sohn  Johann  Eberhard 
Wolf,  bisher  Pfarrer  in  Albertshausen,  1694 — 1708,  und  sein  Toch- 
termann Johann  Erhard  Zwanziger,  der  am  kürzesten  hier  ver- 
bliebene Geistliche,  indem  er  schon  1712  mit  dem  Pfarrer  von 
Billingshausen,  Johann  Leipold,  Amt  und  Stelle  tauschte.  Auch 
Leipold  erscheint  als  Schilderer  trauriger,  unheilvoller  Zeit.  Mit 
einem  gering  aussehenden,  zinnernen  Kelch  wandert  er  von  Haus  zu 
Haus,  niemand  wird  mehr  später  aus  dem  Gefäße  trinken  — es  dient 
zur  Kommunion  der  Pestkranken.  Von  Regensburg  her  hat  ein 
Ortsbewohner,  der  fuhrwerkte  und  Handelsschaft  trieb,  die  furchtbare 
Seuche  eingeschleppt.  Vom  August  1713  bis  zum  Januar  des  fol- 
genden Jahres  wütete  sie,  33  Personen  jeglichen  Alters  sich  zum 
Opfer  holend.  Wie  ein  Lauffeuer  durchdringt  ganz  Franken  die 
Nachricht,  daß  in  Ippesheim  die  Pest  ausgebroehen.  Der  Kreistag 
in  Nürnberg  beschäftigt  sich  mit  Maßnahmen  gegen  die  Krankheit, 
der  Kurfürst  von  Mainz  fordert  von  der  medizinischen  Fakultät  in 
Wiirzburg  ein  Gutachten  über  sie  ein  und  diese  erklärt  sie  sachge- 
mäß als  rfebris  maligna  pestentialis“.  Man  will  erst  das  ganze 
Dorf  verpall i sad iereu,  um  die  nötige  Absperrung  herzustellen,  aber 


260 


Lamport-,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


das  kostet  doch  zuviel  Holz,  also  rückt  ein  Kommando  Kreistruppen 
heran  und  zieht  einen  Kordon  um  den  unglücklichen  Ort,  der  so 
streng  geliandhabt  wird,  daß  keiner  der  Bewohner,  auch  nachdem 
seit  Monaten  die  Seuche  erloschen  ist,  nur  auf  sein  Feld  gehen,  noch 
weniger  es  bebauen  darf.  Wie  zur  Kriegszeit  liegen  wieder  Acker 
und  Weinberge  brach  und  öde.  Lebens-  und  Arzeueimittel  wurden 
von  auswärts  herzugebracht  und  von  den  sperrenden  Truppen  au 
einen  bestimmten  Ort  gelegt,  wo  sie  die  Gefangenen  abholen  konnten 
— die  „Schild wacht“  heißt  man  heute  noch  den  Platz. 

Aber  auch  auf  einem  andern  schweren  Gang  begegnen  wir  Herrn 
Leipold  noch.  Das  Armesünderglöcklein  läutet.  Eine  Missethäterin  wird 
zum  Hochgericht  geführt.  Das  Dorf  hat  zwei  Richtplätze:  Galgen 
und  Schaffot.  Die  Herrn  des  Ortes,  die  Hutten  auf  Franckenberg,  wachen 
streng  über  ihr  hochnotpeinliches  Strafrecht.  Als  die  Grafen  von 
Castell  einmal  um  leihweise  Abtretung  des  Galgens  für  einen  un- 
seligen ,,Gau-  und  Wilddieb“  baten,  antworteten  die  Hutten  stolz: 
,,Der  Galgen  gehört  nur  für  uns  und  unsere  Kinder.4,  Auch  das 
..Annemodele“  haben  sie  auf  ihrem  Grund  und  Boden  köpfen  lassen : 
war  eine  Metzgersfrau,  die  ihren  Ehemann  „unter  dem  Vorwände, 
daß  solches  ablegende  und  stärkende  Arzneien  wären,  mit  Scheide- 
wasser und  anderen  purgautien  “ in  die  andere  Welt  gesckickt. 
„Freitags  vor  Trinitatis  1739“,  schreibt  Pfarrer  Leipold.  ..gab  ihr 
der  Scharfrichter,  obwohl  mit  einem  mißlungenen  Streich,  den  Lohn 
ihrer  Werke.“ 

Wir  können  uns  wirklich  schwer  in  jene  Zeiten  denken,  wo 
Menschenleben  so  wohlfeil  waren,  wo  man  so  rücksichtslos  mit  den- 
selben verfuhr,  Galgen,  Schwert  und  Rad  zu  den  notwendigsten 
Attributen  einer  Obrigkeit,  die  nur  irgendwie  auf  Reputation  und 
Ansehen  hielt,  zu  gehören  schienen.  So  lesen  wir  kurz  nachdem  von 
dem  um  die  Gesundheit  seines  Eheherrn  so  befliesseueu  „Annemodele“ 
Bericht  gethau,  wieder  von  einer  „Execution“,  so  au  einen  „Jäger- 
pursehen“ vollzogen  worden,  der  auf  den  traurigen  Einfall  gekommen 
war,  einmal  nicht  nur  für  andere  Leute  zu  jagen,  sondern  ein  armes 
Häslein  für  sich  auf  die  Seite  zu  bringen.  Ohne  Gnade  und  Barm- 
herzigkeit wurde  er  gehenkt.  „Nach  der  ihm  geschehenen  Todes- 
anküudigung  hat  er  sich  anfänglich  sehr  ungebärdig  gestellt,  drohte 
auch  vorher  noch  in  dein  Gefängnisse  etlichemal  sich  selbst  umzu- 
bringen,* durch  Gottes  Gnade  wurde  er  aber  doch  noch  dahin  ge- 
bracht. daß  er  seine  Missethat  bußfertig  bereute  und  die  Vergebung 
in  der  Absolution  und  dem  h.  Nachtmahl  wehmütig  suchte,  welches 
ihm  auch  nach  vorher  abgelegter  Beicht  den  Abend  vor  dem  Exe- 

cutionstag  mitgeteilt  worden“  — meldet  das  Pfarrbnch. Johann 

Leipold  war  der  einzige  der  Ippesheimer  Pfarrer,  der  unter  ihnen 
die  von  Johann  Wolf  an  bis  auf  den  Schreiber  dieses  sich  fort- 
setzeude  verwandtschaftliche  Reihe  derselben  unterbrach.  Denn 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


261 


sein  Nachfolger  Johann  Konrad  Schlez,  ein  Schulmeisterssohn  von 
Geckenheim  und  von  1739  — 1747  Schloßprediger  auf  Frankenberg, 
war  wieder  ein  Enkel  Eberhards,  also  ein  Urenkel  Johann  Wolfs. 
Er  starb  als  Senior  der  huttenischen  Geistlichkeit  1788  am  20.  No- 
vember, 76  Jahre  alt,  und  ward  nach  seinen  Wunsch  in  das  Grab 
seines  oben  genannten  Großvaters  begraben,  auf  dessen  Grabstein  er 
auch  seinen  Namen  und  die  Inschrift  zu  setzen  befahl: 

„Zwei  Freunde,  die  sich  nie  gekannt  auf  Erden 

Und  wollen  erst  bekannt  in  jenem  Leben  werden.“ 

Auch  er  hat  seine  lange,  36jährige  Amts  Wirksamkeit  hier  treulich 
genützt  und  ist  seiner  Gemeinde  von  Segen  gewesen,  bis  ihn  in 
seinen  letzten  8 Lebensjahren  körperliche  Leiden  auch  geistig  so 
hinfällig  machten,  daß  ihm  1781  sein  Sohn  Johann  Ferdinand  Schlez 
als  „Collaborator“  beigesetzt  werden  mußte  und  1783  nach  Emeri- 
tierung seines  Vaters  dessen  wirklicher  Nachfolger  wurde1). 

Im  gleichen  Jahre  mit  dem  später  mit  seinem  ganzen  Zauber  auf 
ihn  ein  wirkenden  Dichter,  mit  Schiller,  geboren:  mit  großen,  ja 
eminenten  Geistesgaben  ausgerüstet,  in  jugendlichem  Feuereifer  voll 
scharfer,  sichtender  Kritik,  mit  einem  warmen  Herzen  für  des  Volkes 
Wohl  und  hingebender  Begeisterung  für  das  was  ihm  Wahrheit  war, 
stand  Johann  Ferdinand  Schlez,  der  Pfarrer  mit  vierundzwanzig 
Jahren,  an  der  Schwelle  der  neuen  Zeit,  die  mit  dem  Gewittersturm 
der  französischen  .Revolution  für  die  Welt  heraufzog.  Der  mächtig 
sie  durchwehende  Hauch  ergriff  auch  ihn  durch  und  durch.  Konnte 
er  es  nicht  auf  einem  größeren  Gebiet,  so  wollte  er  sich  wenigstens 
im  kleineren,  seinem  engeren  Wirkungskreise  die  Welt  neu  schaffen. 
Der  krasse  in  vielen  Beziehungen  wirklich  leib-  und  seelenverderbe- 
rische  Aberglaube,  die  gänzliche  Bildungslosigkeit  des  damaligen 
Volkes  schienen  ihm  die  Mauern,  in  die  er  Bresche  zu  legen  habe. 
Volksbildung  im  wahrsten  und  edelsten  Sinne  war  das  Ziel,  dem  er 
nachstrebte  und  in  dessen  Erreichung  er  schöner  Erfolge  sich  erfreut 
hat.  Durch  Wort  und  Schrift,  durch  Vorbild  und  Beispiel  kämpfte 
er  für  sein  Ideal.  Seine  in  Einzelnheften  erscheinenden  „fliegenden 
Blätter  für  das  Volk“  waren  die  ersten  Anfänge  einer  besseren,  ge- 
schmackvolleren Volkslitteratur,  mächtige  Bahnbrecher  und  Hebel 
einer  gesunden  Aufklärung,  Hinwegräumer  abergläubischer  Vorur- 
teile; sein  „Dörfchen  Traubenheim“  der  erste  und  neben  Pesta- 
lozzis „Lienhard  und  Gertrud“  der  bedeutendste  Volksroman  jener  Zeit. 


1)  Der  hervorragende  Pädagoge  und  Volksschriftsteller  gab  eine 
(bis  zum  35.  Lebensjahre  reichende  Selbstbiographie  im  1.  Heft  von 
„Deutschlands  Volksschriftsteller  in  Bildnissen  und  Biographien.  Nürn- 
berg 1795.  Eine  kurze  Lebensskizze  schrieb  Albert  Richter  in  „Neudrucke 
pädagogischer  Schriften.“  H.  2.  Leipzig  1890.  Vergl.  auch  den  Artikel 
Binderin  der  Deutschen  Allgemeinen  Biographie  Bd.  31  S.  481  ff.  — Anm. 
der  Redaktion. 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengescbicbte.  V. 


18 


262 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


Welch  ein  Unterschied  zwischen  jenen  Anfängen  einer  erst 
aufkeimenden  und  sich  entwickelnden  Volkslitteratur  und  dem  über- 
reichen Gebiete,  das  diese  heute  beherrscht!  Die  mit  allen  Mitteln 
der  Typographie  ausgestatteten  Bände  unserer  Volksbibliotheken  und 
jene  grobgedruckten  Flugblätter  mit  den  steifen,  geradezu  ent- 
setzlichen Holzschnitten  auf  dem  Titelblatt ! Aber,  wie  gesagt,  ge- 
wirkt und  genützt  haben  diese  Bilder  und  diese  mit  packender 
Popularität  geschriebenen  Aufsätze  und  Erzählungen,  die  von  der 
„ordentlichen  Hausfrau“,  „dem  besckrieenen  Kind“,  dem  „aufrichtigen 
Israeliten“,  den  „Scheintoten“,  dem  Aderlaßmännlein “ u.  s.  w.  - 
mehr  vielleicht  als  heute  manche  mit  viel  mehr  Aufwand  von  Wissen- 
schaft und  gleich  guter  Absicht  verfaßte  Volksschrift. 

Darf  mau  sich  wumdern,  daß  ein  solcher  Geist,  gehoben  von 
solch  eigenen  Bewegungen  und  empfänglich  wie  nur  irgend  einer  für 
das  von  außen  an  ihn  drängende  Treiben  neuer  Anschauungen  und 
Meinungen,  mit  diesen  auch  manches  einsog,  was  er  und  seine  Zeit 
„Aufklärung“,  „Verbesserung“,  „Reform“  nannten,  was  aber  eigentlich 
ein  eigenmächtiges  Eingreifen  in  für  die  christliche  Gemeinde  un- 
antastbare Dinge  war?  Daß  er  über  dem  Groll  gegen  die  vielfach 
so  verknöcherte  Orthodoxie  seiner  Studienjahre  des  wahre  religiöse 
Leben  da  suchte,  wo  es  wahrlich  nicht  zu  finden  war?  Und  so  ist 
sein  Thun  und  Handeln  auch  manchen  Irrweg  gegangen.  Aber  wie 
er  später  selbst  das  mannigfach  erkannt  hat  und  wir  zwischen  dem 
feurigen  jungen  Mann,  welcher  der  „Aufklärung“  auch  u.  a.  da- 
durch zu  dienen  glaubte,  daß  er  zwei  Jahrgänge  „landwirtschaftliche 
Predigten“  hielt  und  herausgab,  und  dem  Greise,  der  an  seinem 
Lebensabend  einem  vornehmen  Apostaten,  seinem  eigenen  Patronatsherrn, 
männlich  ernst  und  mit  christlicher  Entschiedenheit  sein  evangelisches 
Bekenntnis  verteidigend,  entgegentrat,  ein  großer  Abstand  ist,  ■ — 
so  war  Schlez  durch  und  durch  ein  ganzer  Mensch  und  was  ihm 
Wahrheit  war.  dafür  ist  er  mit  seiner  ganzen  vollen  Ueberzeugung 
und  seinem  ganzen  vollen  Leben  eingestanden  und  so  rechnet  das 
Pfarrhaus  Ippesheim  das  zu  einem  der  schönsten  Blätter  seiner 
Chronika,  das  von  dem  Jugendstreben  dieses  Mannes  in  ihm  berichtet. 

Daß  ein  solches,  manchem  wie  die  helle  Revolution  vor- 
kommendes, reformierendes  Treiben  des  jungen  Pfarrers  von  I.  in 
der  Nähe  und  Ferne  auch  hier  und  da  Anstoß  erregte,  läßt  sich 
nicht  verwundern.  Die  Bauern  schüttelten  die  Köpfe,  als  ihre  großen 
und  kleinen  Schreihälse  nicht  mehr  in  den  Christenlehren  die  Psalmen 
..herunterleiern“  sollten,  als  der  Pfarrer  aufhörte  die  Liturgie  zu 
singen,  und  mit  dem  Amtmann  das  gefährliche  „Gewitterläuten“ 
abstellte;  und  die  benachbarten  Herrn  Confratres  schickten  Aufpasser 
in  die  Kirche  nach  I.,  um  sich  Gewißheit  zu  erholen,  ob  wirklich 
der  kaum  flügge  Kollege  so  keck  sei,  das  „Tücklein“  beim  h.  Abend- 
mahl den  Kommunikanten  nicht  mehr  vorzuhalten,  ob  er  in  der 


Lampert,  Zur  Pfarrgescliichte  von  Ippesheim.  263 

That  das  weiße  gefaltete  „Chorhemd“  abgelegt,  oder  ob  ihm  der 
böse  Feind  wirklich  eingegeben,  den  Kindern  in  der  Katechese  bei- 
zubringen, wie  sie  anständig  Hände  und  Fuße  halten  sollten. 

Daß  dergleichen  Bedenklichkeiten  und  Anfechtungen  unserem 
Pfarrer  wenig  anhatten,  ist  leicht  denkbar ; auch  seinen  Hausge- 
nossen scheint  sich  seine  Streitlust  mitgeteilt  zu  haben.  Wenigstens 
trat  manchmal  am  Gemeindebrunnen,  der  ja  meist  der  Mittelpunkt 
ländlicher  öffentlicher  Verhandlungen  ist,  sogar  die  Magd  des  Pfarr- 
hauses für  die  Autorität  ihres  Herrn  ein,  indem  sie  den  grollenden 
Bauern  versicherte:  „wenn  der  sich  in  seine  Studierstube  setzt,  so 
verdient  er  mit  seinem  Bücherschreiben  in  ein  paar  Tagen  mehr  als 
eure  Pfarrei  in  einem  ganzen  Jahr  einträgt.“  Recht  konnte  sie 
haben,  wenn  dazumal  auch  die  Verleger  noch  etwas  zurück- 
haltender in  ihren  Honoraren  gewesen  sein  mögen,  das  Ein- 
kommen eines  zeitigen  Pfarrers  war  nichts  weniger  als  glänzend 
und  Schlez  schrieb  wirklich  so  viel,  daß  er  sich  in  der  That 
etwas  erschreiben  mußte.  Namentlich  auf  das  pädagogische  Gebiet 
erstreckte  sich  nächst  dem  der  schon  erwähnten  Volksschrift- 
stellerei seiner  litterarische  Thätigkeit.  Hier  reiht  sich  Schlez  den 
größten  Förderern  des  so  im  Argen  gelegenen  deutschen  Volks- 
schulwesens des  vorigen  Jahrhunderts  an.  Schüler  und  Lehrer  ver- 
dankten ihm  die  trefflichsten  Bücher,  letztere  namentlich  das  vor- 
zügliche öbändige  „Handbuch  für  Volksschullehrer“.  Sein  „Gregorius 
Schlaghart  und  Lorenz  Richard“,  die  Gegenüberstellung  des  Volks- 
schullehrers, wie  er  meist,  fast  ohne  Ausnahme  damals  war  und 
wie  er  nach  dem  Ideal  jener  Reformatoren  werden  sollte,  kann  heute 
noch  mit  Interesse  und  Nutzen  gelesen  werden.  Ganz  besonders  be- 
deutsam aber  und  hauptsächlich  den  pädagogischen  Ruhm  Schlez’s 
begründend  war  die  Herausgabe  des  „Denk  fr  eunde  s“,  eines 
Realienbuches,  das  epochemachend,  oftmals  von  neuem  aufgelegt, 
auf  das  Schulwesen  in  Deutschland  einen  nachhaltigen,  den  Unterricht 
in  der  Volksschule  wesentlich  fördernden  und  belebenden  Einfluß 
geübt  hat. 1) 

Zur  Eigenart  Schlez’  mochte  es  gehören,  daß  ihm  der  Wirkungs- 
kreis in  Ippesheim  zu  eng  und  klein  erschien.  Er  verlangte  nach 
größerem  und  weiterem,  ohne  aber  sich  selbst  klar  zu  sein,  wo  und 
wie  er  ihn  finden  sollte.  Da  hatten  seine  Bücher  für  ihn  geworben. 
Sie  hatten  den  damals  „regierenden“  Grafen  Karl  von  Schlitz,  ge- 
nannt von  Görz,  auf  den  jungen  strebsamen  Pfarrer  in  Franken 
aufmerksam  gemacht  uud  veranlaßt,  ihn  nach  Erledigung  der  ersten 
Pfarrei  in  Schlitz  in  Hessen  dorthin  als  ersten  Geistlichen,  Inspektor 
der  Kirchen  und  Schulen  der  Grafschaft  uud  Konsistorialrat  zu  be- 
rufen. Mit  Freuden  ward  diese  ehrenvolle  Berufung  angenommen 


1)  S.  unten  die  Schriften  Schlez’s. 


18* 


264 


Lamport,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


und  im  zweiten  Monat  des  ersten  Jahres  des  neuen  Jahrhunderts  in 
die  neue  Heimat  übergesiedelt,  in  welcher  Schlez  bis  zum  Jahre 
1839  segensreich  wirkte,  und  in  der  zuerst  sein  Schwiegersohn  und 
dann  sein  Enkel,  der  als  theologischer  Schriftsteller  und  als  Dichter 
sinniger  Kinderlieder  weithin  bekannte  und  verehrte  Kirchenrat 
Dr.  tlieol.  Christian  Dieffenbach,  seine  Nachfolger  geworden  sind. 

Aber  auch  hier  in  Ippesheim  sollte  ein  ihm  nahe  verwandter 
und  geistesebenbürtiger  Mann  sein  Amtserbe  werden.  Die  jüngste 
Schwester  Schlez  war  Pfarrerin  in  dem  Dörfchen  Euerbach  bei  Schweip- 
furt  geworden  und  ihr  Gatte,  Friedrich  Albrecht  Muck,  mein  Groß- 
vater mütterlicherseits,  war  nun  der,  den  die  Patronatsherrschaft 
zur  Nachfolge  seines  Schwagers  berief.  Er  war  auch  ein  Pfarrers- 
sohn, in  Forheim  im  Ries  geboren.  „Auch  aus  seiner  Familienchronik 
liegen  mir  alte  vergilbte  Blätter  vor,  die  Interessantes  erzählen,  eine 
jener  Geschichten,  die  berichten,  wie  die  Weissagung  des  Propheten: 
„er  soll  die  Starken  zum  Raube  haben “ immer  wieder  in  Erfüllung 
gellt.  Die  Großmutter  meines  Großvaters  war  nämlich  eine  Bekehrte 
aus  Israel  und  auch  der  Mann,  dem  das  in  frühester  Jugend  schon 
dem  Heiland  gewonnene  Judenmädchen  später  vermählt  wurde,  der 
Pfarrer  Ernst  Wilhelm  Christfels  in  Oberwechingen,  stammte  aus 
ihrem  Volke.  Doch  kann  hier  hierauf  nicht  eingegangen  werden.1) 

Auch  meines  Großvaters  Bild,  wie  das  seiner  Wirksamkeit  in 
Kirche  und  Schule,  steht  lebendig  vor  meinem  Auge;  denn  zu  der 
überkommenen  Tradition  fügt  sich  noch  die  persönliche  Erinnerung 
aus  meiner  Knaben  zeit  an  ihn.  Aus  seinem  ganzen  Wesen  strömte 
etwas  aus,  was  unwiderstehlich  an  ihn  fesselte.  Er  hat  den  päda- 
gogischen Genius  seines  Vorgängers  mehr  noch  als  dieser  praktisch 
bethätigt  und  das  Ippesheimer  Pfarrhaus  zuerst  zur  Bildungsstätte 
für  andere  gemacht,  die  es,  wie  unter  ihm,  so  unter  seinem  Nach- 
folger Jahre  lang  geblieben  ist.  Nicht  nur,  daß  ihm  aus  den  ver- 
schiedensten, auch  hochadeligen,  Gesellschaftskreisen  junge  Leute  zur 
Erziehung  anvertraut  wurden,  sondern  vor  allem  und  namentlich  als 
Bildner  junger  Schullehrer,  von  der  preußischen  Regierung  eigens 
dazu  aufgestellt  und  den  Wirkungskreis  der  heutigen  Seminarien 
ausfüllend,  wobei  ihn  auch  seine  hervorragenden  musikalischen  Kennt- 
niße  unterstützen,  war  Muck  thätig.  Viele  tüchtige  Lehrer  sind 
aus  seiner  Schule  hervorgegangen. 

Im  Jahre  1806,  als  Preußen  das  Markgrafentum  Ansbach  an 
Bayern  abtreten  mußte,  berührten  die  neuen  Verhältnisse  auch  un- 
mittelbar den  Pfarrer  zu  Ippesheim.  In  der  nun  auch  mediatisierten 
Reichsstadt  Rothenburg  bedurfte  das  neue  Regiment  eines  tüchtigen 
Mannes,  den  alten  Schlendrian  im  Kirchen-  und  Schulwesen  dort 


1)  Vergl.  J.  Lampert:  „Aus  meiner  Familiengeschichte“  in  „Saat  auf 
Hoffnung“  IV.  Jahrgang  3.  Heft  1866. 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim 


265 


auszufegen:  die  Wahl  konnte  kaum  auf  einen  tauglicheren  fallen 
und  so  wurde  Muck  1808  als  Dekan,  Hauptprediger  und  Distrikts- 
schulinspektor nach  Rothenburg  berufen,  wo  er,  bis  ins  hohe  Greisen- 
alter,  gleich  seinem  Schwager  Schlez,  unermüdlich  thätig,  ein  paar 
Monate  nach  diesem  am  4.  November  1889  im  Frieden  heimging. 

1809  trat  Mucks  Schwiegersohn,  mein  Vater  Johann  Friedrich 
Wilhelm  Lampert  (geboren  1784  in  Lippachhauseu,  wo  seine  Familie 
der  Gemeinde  drei  Pfarrer  gab),  in  seine  Nachfolge  dahier.  Ein 
halbes  Jahrhundert  ist  er  seiner  Erstlings-  und  einzigen  Gemeinde 
treu  geblieben,  hat  er  redlich  und  gewissenhaft  sein  Hirtenamt  in 
und  an  ihr  verwaltet.  Auch  er,  mit  einem  reichen  Wissensschatz 
ausgerüstet,  namentlich  in  alten  und  neuen  Sprachen  heimisch,  hat 
als  tüchtiger  Pädagog  gewirkt,  viele  Zöglinge  aus  der  Nähe  und 
Ferne,  auch  aus  dem  Auslande,  herangebildet  und  auch  die  Schule 
durch  die  Vorbereitung  künftiger  Lehrer  sich  zu  Dank  verpflichtet. 
Litterarisch  war  er  ungemein  thätig:  30  größere  und  kleinere  Bücher 
und  Schriften,  die  seinen  Namen  tragen,  zeugen  davon1  . Der  Abend, 
der  diesem  arbeitsfreudigen-  und  reichen  Leben  und  Wirken  ein 
Ziel  setzte,  kam  ihm  früher  als  der  Tod.  Fünf  Jahre  vor  diesem 
ließ  des  Alters  Gebrechen,  die  bald  auch  den  so  helleu  und  regen 
Geist  in  Mitleidenschaft  zogen,  ihm  wünschenswert  erscheinen,  die 
Amtslast  auf  jüngere  Schultern  zu  legen,  mit  vollen  Bewußtsein  aus 
seinem  Arbeitsfeld  zu  scheiden.  Er  kam  um  seine  Emeritierung  ein 
und  sein  einziger  Sohn  wurde  sein  Nachfolger.  Noch  durfte  er 
1860  das  Fest  der  goldnen  Hochzeit  feiern,  dann  kamen  schwere 
Tage  über  ihn:  ein  Stück  der  Lebenskraft  schwand  nach  dem  andern 
und  es  war  Erlösung  im  vollsten  Sinn  des  Wortes,  als  der  Herr  am 
31.  Januar  1861  den  teuern  Greis  sanft  und  selig  entschlummern  ließ. 

Ich  bin  zu  Ende  mit  meinem  pfarrgeschichtlichen  Exkurs.  Der 
Leser  möge  verzeihen,  wenn  er  ihm  vielleicht  etwas  zu  stark 
familiengeschichtlich  gefärbt  erscheint.  Allein  das  mag  in 
den  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  geschilderten  Persönlich- 
keiten  seine  am  Ende  nicht  unberechtigte  Erklärung  finden,  und 
daun  wird  sich  wohl  auch  in  keiner  Gemeiude  des  Landes  wieder- 
holen, daß.  wie  in  der  meinigen,  im  Laufe  eines,  eben  des  zu  Ende 
gehenden,  Jahrhunderts  nur  drei  Geistliche  in  ihr  thätig  gewesen  sind. 

o c O 

Beilage  I. 

Die  Schriften  von  Joli.  Ferdinand  Schlez2). 

Wir  geben  nachstehend  eine  Übersicht  der  sämtlichen  Werke 
und  Schriften  Schlez’s  und  folgen  dabei  den  Anführungen  des  Ver- 
fassers selbst: 

1)  Ihre  Titel  s.  Beilage  II. 

2)  Das  Verzeichnis  der  Schriften  von  J.  F.  Schlez  wie  von  L.  Fr.  Wil- 
helm Lampert  wurde  auf  ausdrücklichen  Wunsch  der  Redaktion  beigefügt. 


266 


Lainpert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


I.  für  die  Jugend. 

I.  Die  A.B.C. -Schule  oder  große  Waudfibel  zum  gemeinschaft 
liehen  Gebrauche  in  der  Schule.  Gießen  1825.  — 2.  Der  A.B.C.- 
Scliüler,  Handfibel  zur  A.B.C. -Schule.  1.  Aufl.  1825.  6.  Aufl.  1838. 

3.  Der  A.B.C. -Schüler,  1804  (nicht  in  den  Buchhandel  gekommen).  — 

4.  Bilder-Fibel  zur  Beförderung  der  Lautmethode.  Ein  Versuch  die 
Absicht  des  A.B.C.-Bilderwesens  durch  eine  neue  Anwandlung  des- 
selben besser  zu  erreichen.  Mit  16.  Kupfern.  Gießen  1812.  — 

5.  Der  Kinderfreund.  Ein  Lehrbuch  für  Landschulen  von  J.  E.  von 

Bocherd.  Neu  bearbeitet  bes.  für  Franken.  Nürnberg  1789. 
7.  Aufl.  1798  und  später.  — 6.  Der  Kinderfreund,  ein  lehrreiches 
Lehrbuch.  Gießen  1813.  4.  Aufl.  1834.  (Ins  holländische  über- 

setzt). — 7.  Der  Denk  freund.  Ein  lehrreiches  Lehrbuch  für 
Volksschulen.  Gießen  1.  Aufl.  1871.  — 12.  Aufl.  1837.  Nach  dem 
Tode  des  Verf.  noch  öfter  aufgelegt.  — 8.  Kleines  Lesebuch  zur 
Veredlung  und  Belebung  des  Lesetons.  In  6 Auflagen  erschienen. 
Ins  holländische  übersetzt.  — 9.  Sittenlehren  in  Beispielen.  Ein 
Lehrbuch  für  Mädchenschulen.  Gießen  1.  Aufl.  1806.  4.  Aufl.  1824. — 
10.  Der  Schreibschüler  oder  Vorübungen  zum  Briefschreiben  und  in 
anderen  bürgerlichen  Aufsätzen  zum  Gebrauche  in  Landschulen. 
Nürnberg  1.  Aufl.  1790.  5.  Aufl.  1822.  — 11.  Briefmuster  für 

das  gemeine  Leben,  bes.  für  Bürgerschulen.  1.  Aufl.  1793.  7.  Aufl. 

1893.  — 12.  Leitfaden  beim  ersten  Unterricht  in  der  christlichen 
Religion.  Nürnberg  1.  Aufl.  1795.  2.  Aufl.  1796.  — 13.  Lieder- 

deklamationen bei  Schulprüfungen  und  Familienfesten.  Gießen 
1.  Aufl.  1809.  2.  Aufl.  1824.  — 

II.  Zunächst  für  Lehrer. 

14.  Gregorius  Schlaghart  und  Lorenz  Richard  oder  die  Dorf- 
schulen von  Langenhausen  und  Traubenheim.  Nürnberg  1.  Aufl.  1795. 

з.  Aufl.  1813 1).  — 15.  Lorenz  Richard.  Unterhaltungen  mit  seiner 
Schuljugend  über  den  Kinderfreund  des  Herrn  v.  Rocliow.  Ein  Bei- 
trag zur  Katechetik,  bes.  für  Schullehrer.  2 Bände.  Nürnberg  1796 

и.  97.  — 16.  Katechetisches  Handbuch  oder  Lehrgespräche  über 
ausgewählte  Stücke  des  Rochow-Schlezschen  Kinderfreundes.  Gießen 
1828.  — 17.  Handbuch  für  Volksschullehrer.  5.  Bände.  Gießen 
1815  — 1826. 

III.  Volksschriften. 

18.  Geschichte  des  Dörfleins  Traubenheim,  fürs  Volk  und  für 
Volksfreunde.  1.  Aufl.  Nürnberg  1791.  3.  Aufl.  Gießen  1817.  - — 
19.  Fliegende  Volksblätter  zur  Verdrängung  schädlicher  oder  doch 


1)  Unter  dem  Titel : Geogorius  Schlaghart  oder  die  Dorfschule  zu 
Langenhausen  von  Johann  Ferdinand  Schlez  wiederabgedruckt  in  „Neu- 
drucken pädagogischer  Schriften“  herausgegeben  von  Albert  Richter  II.  Hft. 
Leipzig  1890.  (Anm.  d.  Redaktion). 


Lamport.  Zu  Pfangesehiehte  von  Ippesheim. 


Jb*  ~ 

geschmackloser  VolkslesereieiL.  1.  Band  1799.  — 20.  1.V  r Yolks- 
firenud  Eine  Monafeschrift,,  denen  Aufsätze;  auch  einzelne  als  FJog- 
: — rlen  1.  izl  2.  in:  171* 

3.  and  i.  Band.  Nürnberg  1799.  5.  Band  1809.  Ins  Dänische 

übersetzt.  — 21.  Kleine  romantische  Yolkssdrifiten  2 Binde.  Ileil- 
hronn  1802.  — 22.  Oswald  unter  seinen  Hausfreunden  and  Kindern. 
V.  - . ' : . •.  . . : : 1 . . • : ' ' _ — _ ' - ' _ - 

ordnete  and  gemeinnützige  Naturgeschichte  rar  unkundige  Liebhaber 
derselben.  2 Binde.  Heilbronn  1804.  1807.  — 24.  Des  jungen 
Wilhelm  Denkers  Haust  alemd  er  rar  seine  lieben  Xachbarsleute 
17  c*  2 — l7r- — . 21  Irr  .v; ZlsZZsiZs  I 

betitelt).  Ein  Y olksfcalender.  Dannstadt  1823 — 1828.  — 

IV.  Für  kirchlichen  Gebrauch. 

26.  Schützer  Gesangbuch  1.  And.  Behlitz  1801.  — 17.  Bei- 
träge zu  einer  gründlichen  Verbesserung  der  protestantischen  Liturgie. 
Nürnberg  1796.  — 28.  Evangelische  Kirehenagende.  Gießen  1834- 
I-.  Litt  1 w-irtsoii  art.i:  ir  Pr^tirtri.  Z:"  z eitrig  z~_r 
wirtschaftlichem  Wohlfahrt  unter  LandLe-uteu.  Number  _■  1788.  _ . All. 

l”r-  — : . • ;r_ss~~  irsz.  _ _ • 

Fehler  und  Mißbrauch,  in  Betstunden  dem  V Ike  gehalten-  Nürn- 
berg 1786.  — 3L  Buehoniens  Bekehrung  zum  Christentum.  mit 
Nachrichten  von  der  Gründung  and  dem  merkwürdigstem  Schicksalen 
der  Stadtkirche  zu  Schlitz.  Yerbereitungspiedigt  zw  Müllem  arfeier 
dieser  Kirche.  Schlitz  und  Gießen  1812.  32.  Formular  bei  öffent- 
licher Vorstellung  eines  Kirchen  ältestem.  Schlitz  IS  7.  — 

V.  Gedichte. 

33.  Salomos  Lieder,  metrisch  übersetzt..  Arnsbach  1792.  — 

34.  Gedichte  1.  And.  Ansbach  1796.  2.  And.  Nürnberg  1793.  — 

35.  Fabeln  und  Sinngedichte.  Marktbreit  1787.  ((Nicht  in  den 
Buehhandel  gekommen)*.  — 36.  Parabeln.  Gießen  1822.  2.  And. 

1835.  — 

VI.  Biographien. 

37.  SeJbstbiographie  im  1.  Heil  von  Deutschlands  Volksscbrift- 
stellero  in  Bildnissen  und  Biographien.  Nürnberg  1795.  Nur  bis 
zum  35.  Lebensjahre  reichend.)  — 38.  Johann  Adams  Sehmerlers 
Lebensgeschichte.  Nürnberg  1795.  — Daznkommeu  Beiträge  zu 
mehreren  Zeitschrift  ein  «'meist  zu  Guts-Muths-BiblZthek  der  pädago- 
gischen Litteratnr  . 

Beilage  II. 

Schriften  v »n  Fr.  Wilhelm  Lampert. 

1.  Liturgische  Blätter  aus  meiner  Amtsführung.  Ausbach. 
Gassezt  1819.  — 2.  Betstunden  in  einzelnen  religiösen  Betrachtungen 


268 


Lampert,  Zur  Pfarrgeschichte  von  Ippesheim. 


mit  besonderer  Beziehung  auf  feierliche  Zeitverhältnisse.  Erster  Band 
Marktbreit,  Knencia  1821.  Zweiter  Band  Hildburghausen,  Kessel- 
ring 1826.  — 3.  Mischlinge,  eine  Versgabe,  Freunden  geboten. 
Nürnberg.  Monath  und  Kessler  1824.  — 4.  Tapho-liturgische 
Blätter  in  Reden,  Entwürfen  und  Gebeten  an  Gräbern  für  häuslichen 
und  kirchlichen  Gebrauch.  Nürnberg,  Kiegel  u.  Wießner  1826.  — 
5.  Sphinx,  Fragen,  Rätsel  und  Aufgaben  aus  Sprachlehre,  Natur- 
und  Völkergeschichte  und  Endbeschreibung.  Neustadt  a.  Orla, 
Wagner  1827.  — 6.  Evangelische  Bilder  in  religiösen  Betrachtungen 
aus  der  neutestamentlichen  Geschichte  für  öffentliche  und  häusliche 
Erbauung  bearbeitet.  Hildburghausen,  Kesselring  1828.  — 7.  Denk- 
worte der  christlichen  Glaubens-  und  Sittenlehre  nach  der  Bibel  und 
nach  dem  Gesangbuch.  Nürnberg,  Biegel  und  Wießner  1828.  Zwei 
Auflagen.  — 8.  Kleine  Vor-  und  Neben  schule  in  religiös- sittlichen 
Denksprüchen  und  geographisch-geschichtlichen  Reimen.  Nürnberg, 
Friedrich  Campe  1828.  - — 9.  Strahlen  aus  Clios  Lichtkreisen.  Hild- 
burghausen Kesselring  1828.  10.  Veilchenkranz,  100  fromme  Sprüche 
für  * Schule  und  Haus.  Nürnberg  Joh.  Adam  Stein  1829.  — 

11.  Materialien  zum  Lehren  und  Lernen.  Eine  Zeitschrift  für  Schul- 
lehrer in  zwanglosen  Heften.  Marktbreit,  Ant.  Höreth  1831.  — 

12.  An-,  Mit-  und  Nachklänge  zum  Jubelton  des  Secularfestes  1830. 

Nürnberg  Friedrich  Campe  1831.  — 13.  Feierklänge.  Nürnberg 
Friedr.  Campe  1832.  — 14.  Christlicher  Haussegen.  Kitzingen. 
Döderleiu  1833.  - — 15.  Morgen-  und  Abendopfer.  Rothenburg 
T.  Beck  1833.  — 16.  Skizzen  in  religiösen  Betrachtungen  aus 

den  alttestamentischen  Schriften  für  Betstunden,  Kinderlehren  und 
häusliche  Erbauung.  Hildburghansen  Kesselring  1834.  — 17.  Palm- 
blätter, Zusprache  zum  Herzen  denkender  Konfirmanden.  Hildburg- 
hausen, Kesselring  1835.  — 18.  Gesänge  zur  Einweihung  des  neuen 
Friedhofs  in  Ippesheim  1835.  — 19.  Fidos  Juliustage,  humoristische 
Reimereien  aus  dem  Wildbad  Burgbernheim.  Marktbreit  Höreth  1836. 

- 20.  Gräberweihe  in  Liederhomilien  und  Leichengesängen.  Nürn- 
berg Friedr.  Campe  1838.  — 21.  Sonntags-Brevier  für  Geistliche 
und  Geistige.  Stuttgart,  Griesinger  u.  Co.  1840.  — 22.  Winter- 
grün, Sonntagsschulblätter.  Rothenburg  Beck  1847.  — 23.  Markt 
Ippesheim  in  50  schmucklosen  Liedern.  Windsheim,  Bischof!  1 852.  — 
24.  Der  Landmann,  25  schmucklose  Lieder.  Windsheim,  Bischof! 
1854.  — 25.  Christlich  biblische  Schulsprüche.  Windsheim,  Bischof! 
1854.  — 26.  Christenspiegel  für  Kranke.  Windsheim,  Bischof!  1855. — 

27.  Christliche  Weihestunden  in  Betrachtungen  für  die  Hauptfeste 
des  Jahres  mit  Zugabe  einer  Gebetswoche.  Nürnberg  v.  Ebner  1855.  — 

28.  Der  Friedhof,  Texte,  Entwürfe  und  metrische  Gebete  an  Christen- 
gräbern.  Nürnberg  v.  Ebner,  ohne  Jahresangabe.  — 29.  Ohne 
Jahresaugabe:  Denktafeln  für  Konfirmanden,  christliche  Eheleute, 
Auswanderer.  — 30.  Einzelne  Predigten.  Viele  Beiträge  zum  ,,prak- 


Kadner,  Zar  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julias  Echter.  9139 


tischen  Prediger**  und  die  Allgemeine  Darmstädter  Kirchen zeitimg. 
sowie  zu  den  Andachtsbüchern  von  Friedrich-Frankfurt  und  Lösch- 

Nürnberg.  — 


Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter. 

Yon  S.  Kadner,  Pfarrer  in  Lehen thal. 

Janssen1)  sagt  von  dem  Würzburger  Bischof  Julius  Echter, 
er  habe  bei  Freund  und  Feind  für  einen  der  gewaltigsten  Vorkämpfer 
des  Papsttums  gegolten,  und  die  Jesuiten  seien  seine  unverdrossen- 
sten Helfer  gewesen.  Gewiß,  die  Jesuiten  nicht  die  Leiter,  sondern 
die  brauchbarsten  Helfer  des  geborenen  Autokraten,  der  -nicht  bloß 
die  Leiber,  sondern  auch  die  Seelen**  seiner  Unterthanen  beherrschen, 
nicht  „halbe,  sondern  ganze  Unterthanen“  haben  wollte  und  wirklich 
in  seinem  Stolze  sich  verletzt  fühlte,  wenn  dem  Volke  seine  Beli- 
gion  -nicht  gut  genug"  war. 

Bei  andern  Bischöfen  und  Fürsten  war  der  Eifer  in  der  Gegen- 
reformation lediglich  ein  Produkt  der  Angst  vor  den  Jesuiten 
und  ihrem  Einfluß  in  Born.  So  bei  Neidhart  von  Thüngen, 
dem  Bamberger  Bischof.  Als  den  sein  Kapital  auff orderte,  im  Werk 
reformationis  religionis  behutsamer  vorzugehen,  und  auf  Würzburg 
hinwies,  wo  man  damit  auch  gemach  und  ziemlich  langsam  umbgangen 
und  erst  dann  energischer  vorgegangen  sei.  nachdem  die  Stifts- 
schulden allbereits  bezahlt  gewesen,  da  erwiderte  Neidhardt:  -Ein 
Ehrw.  Domkapitel  möchte  doch  bedenken,  wie  Sie  der  Confirmation 
und  anders  halber,  so  Sie  zu  Born  suchen  lassen,  bishero  am  Creutz 
gehengt,  und  daß  Sie  deßwegen  wol  ein  gesehrey  machen 
müssen,  dieweil  Sie  sonsten  gewißlich  nimmermehr 
wären  konfirmirt  worden^.  ( Bamberger  Beceßbücher.  Sitzung 
vom  i.  Dez.  1592  und  17.  Mai  1596). 

Das  also  war  das  entscheidende  Motiv ! Erfreulich  daran  ist 
nur,  daß  man  es  aktenmäßig  konstatieren  kann.  Auch  das  Würz- 
burger Domkapitel  war  nicht  frei  von  Jesuiten  furcht.  Als  der  Abt 
Balthasar  von  Fulda  die  Kapitelsherren  als  collatores  der  Pfarrei 
Hainmelbnrg  aufforderte,  mit  ihm  über  die  Einsetzung  eines  katho- 
lischen Pfarrers  in  Hammelburg  zu  verhandeln,  willigten  sie  ein. 
nur  damit  -hochpedachter  Herr  Abt.  welcher  durch  die  Jesuiten  zu 
Bom  in  ein  groß  ansehen  gebracht,  desto  weniger  Ursach  habe,  ein 
ehrw.  Capittel  ausznschreyen  “ Würzburger  Domkapitelprotokolle  1576, 
2.  Juni  p.  109).  Bischof  Julius  hat  wohl  auch  einmal,  um  beim 
Kapitel  die  „Addition  der  Jesuiten“  d.  i.  eine  Vermehrung  ihrer 
Einkünfte  durchzusetzen,  dies  Argument  gebraucht:  -Die  Herren 


1)  Siehe  seine  Geschichte  des  deutschen  Volkes  V,  p.  215 — 220. 


270  Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter. 


Jesuiteu  würden  ihn  ausschreyen,  als  hielte  man  nicht,  was  ihnen 
zugesagt “ (W.  D.  K.  Prt.  1578,  13.  L)ez.);  aber  er  tliat  es  eben, 
um  eine  Pression  auf  das  Kapitel  auszuüben.  Er  mußte  die  uner- 
sättlichen Ordensleute  für  seine  Zwecke  bei  guter  Laune  und  Willig- 
keit erhalten.  In  seinem  Herzen  war  er  keineswegs  ihr  Freund. 
Versichert  er  doch,  sie  seien  zu  rigid i,  vertrieben  die  Leutt,  man 
könne  ihnen  nicht  volgen,  sei  auch  kein  nutz  dabei,  daß  man  ihnen 
das  Seminar  übergebe  (L).  K.  Pr.  1581,  6.  Juni).  Aus  seiner 
Korrespondenz  mit  Johann  Paul  Castellinius  (1581,  82)  ergibt  sich, 
daß  er  in  dem  Streit  zwischen  Franziskanern  und  Jesuiten  heimlich 
die  Sache  jener  unterstützen  wollte2). 

Keinesfalls  war  Julius  nur  das  Werkzeug  der  Jesuiten.  Sein 
eiserner  Wille  blieb  der  dominierende,  und  wenn  die  Bekehrungs- 
versuche der  jesuitischen  geistlichen  Räte  mißlangen,  so  wurde  der 
Fürst  selbst  zu  Hilfe  gerufen : „es  werde  ohne  Gegenwart  S.  F. 
Gnaden  wenig  fruchtbarlichs  ferner  auszurichten  sein.“  Da  schreibt 
einer  aus  Neustadt  a.  M. : „Es  geht  nicht  vorwärts  (sc.  mit  der  Be- 
kehrung der  Protestanten),  weiß  nit,  ob  wir  Verstands  halber  zu 
dieser  Handlung  zu  schlicht  und  fromm  sind  oder  zu  viel  sanftmiittig 
oder  ob  ein  anders  schuld  were  ...  es  würd  das  rathsambste  sein, 
E.  F.  Gn.  nemen  die  Sachen  der  biirgerschaft  zu  gutten  selbst  in  die 
handt“  (Kr.  A.  W.  Mise.  34,  I). 

Von  Sanftmut  war  der  Fürst  allerdings  am  weitesten  entfernt. 
Er  heuchelte  sie  wohl  zuerst,  wenn  er  die  „Ungehorsamen“  einzeln 
vor  sich  lud  und  ihnen  persönlich  zusetzte.  Da  wußte  er  alle 
Gefühlsregister  zu  ziehen  und  eine  außergewöhnliche  Beredsamkeit 
zu  entfalten.  Aber  lange  vermochte  er  seine  gewalthätige  Natur  nie- 
mals zu  verbergen. 

Es  ist  ein  Kabinettstücklein  jesuitischer  Geschichts- 
darstellung, wenn  Scherer  sagt:  „Jedermann,  so  in  der 
Religion  einige  Beschwer  und  Anfechtung  gehabt,  hat 
Julius  für  sich  geladen  und  gnädige  Audienz  gegeben! 
Natürlich  hat  Janssen  diesen  Ausspruch  zitiert.  Ob  er  wohl  selbst 
die  Naivität  besaß,  zu  glauben,  die  armen  wiirzburgischen  Unter- 
thanen  hatten  bei  dem  geistlichen  Rat  und  Zuspruch  gesucht,  der 
ihnen  „in  der  Religion  Beschwer  und  Anfechtung“  verursachte? 
Wem  Julius  „gnädige  Audienz“  gab,  der  wußte,  daß  es  nun  heiße:  Ent- 
weder zurück  zur  katholischen  Kirche  oder  hinaus  aus  dem  Land, 
der  durfte,  wenn  er  standhaft  blieb,  auf  eine  wenig  glimpfliche 
Behandlung  sich  gefaßt  machen.  Hat  man  doch  in  einer  Kapitels- 
sitzung (1581,  p.  343  K.  Pr.)  sich  beschwert,  daß  Julius  sogar 
„die  Prälaten  an  schnarre  und  alles  nach  seinem  Kopfe 


2)  S.  Kreisarchiv  Würzburg,  Korresp.,  Mise.  68  u.  831. 


Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter.  271 


machen  wolle;  man  habe  die  alten  Bischove  vexiert,  dieser 
Herr  vexiere  ein  ehrw.  Domkapitel  und  andre  leutt.“ 

Obgleich  die  Regierungszeit  des  Bischofs  Julius  im  Äußern 
friedlich  verlief,  so  war  doch  sein  ganzes  Leben  mit  Streit  erfüllt. 
Er  selbst  vergleicht  sich  einmal  mit  einem  ,,  Wetzstein,  do  jedermann 
anschleuffe. 44  Zieht  man  sein  Naturell  und  die  ganze  Wildheit  seiner 
Zeit  in  Betracht,  so  versteht  man,  daß  es  unaufhörlich  zu  Reibungen 
und  Kämpfen  kommen  mußte. 

Dafür  sollen  nun  im  Folgenden  mehrere  neue  Proben  gegeben 
werden,  um  die  rücksichtslohe  Energie  und  Gewaltthätigkeit  des  Fürst- 
bischofs zu  illustrieren. 

Zuvörderst  sei  auf  das  Verhältnis  zu  den  geistlichen  Nachbar- 
fürsten verwiesen.  Mit  Mainz  kamen  zahllose  „Irrungen“  vor,  die 
zuweilen  einen  bedrohlichen  Charakter  annahmen.  Der  Erzbischof 
Wolfgang  hat  wiederholt  in  Würzburg  Beschwerde  geführt,  z.  B. 
in  einem  Schreiben  vom  21.  Okt.  1585  abschriftlich  im  fstl. 
Leiningenschen  Archiv  zu  Amorbach).  Wir  erfahren  daraus:  Julius 
hatte  als  geistlicher  Ordinarius  beschlossen,  den  von  den  Hartheim- 
schen  Vormündern  eingezogenen  Pfarrherrn  zu  Bretzigheim  zu  er- 
ledigen und  abholen  zu  lassen,  und  die  Einwilligung  von  Mainz  er- 
halten, dessen  zehntbarliche  Obrigkeit  bei  der  Abholung  zu  be- 
rühren. 

Aber  der  würzburgische  Keller  zu  Lauda  war  nachts  mit 
ca.  400  Mann  eingerückt,  hatte  nicht  allein  den  Pfarrer  abgeholt,  sondern 
auch  die  Kirche  ,.zu  Verwehrung  Glockenstreiches“  umringen  und 
in  des  alteü  Hartheimischen  Vogts  Behausung,  die  auf  Meintzischer 
zehntbarl.  Obrigkeit  gelegen,  mit  Verwüstung  vielen  Hausgeraidts 
ziemlichen  Übermut  und  ohnfug“  verüben  lassen.  Über  diesen 
..groben  Mißbrauch  der  nachbarlichen  Einwilligung  und  onziemlichen 
frevel  und  Mutwill  4 führt  der  Erzbischof  in  jenem  Briefe  Klage. 
In  einem  andern  (vom  21.  Mai  1593)  geht  er  auf  den  Wunsch  des 
Julius  ein,  durch  die  beiderseitigen  Beamten  den  von  Christoph  von 
Rosenberg  rechtmäßig  zu  Kuprichshausen  bestellten  evang.  Pfarrer 
Andreas  Episkopius  abschaffen  und  einen  kathol.  Priester  instituieren 
zu  lassen,  fügt  aber  die  Weisung  an  seinen  Amtmann  hinzu:  „Über 
solche  Verrichtung  habt  ihr  euch  mit  den  Würzburgischen  in  vernere 
uunottige  Disputation  oder  Weitläufigkeit  nit  einzulassen;  da  sie 
sich  vielleicht  ainige  fernere  gerechtsame  . . . aumaßen  oder  uff  die 
Ban  zu  bringen  unterstehen  sollten,  hattet  ihr  daselbst  nit  einzu- 
räumen.“ Solches  Mißtrauen  war  gewiß  durch  mehr  denn  eine 
schlimme  Erfahrung  geweckt  worden.  ~ 

Bekannt  ist,  wie  Julius  einen  andern  Nachbar,  den  bekehrungs^ 
wütigen  Abt  Balthasar  von  Fulda,  zur  Absetzung  gezwungen  und 
dessen  Stift  eingenommen  hat  (1576)  — ein  Gewaltstreich  keckster 


272  Kaclner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter. 

Art,  über  den  die  Akten  noch  nicht  geschlossen  sind1).  Gewiß  ist 
nur,  daß  er  nicht  im  Interesse  der  protest.  Ritterschaft  Fuldas  unter- 
nommen wurde,  sondern  dem  „Willen  zur  Macht“  entsprang.  Das 
Kreisarchiv  Würzburg  verwahrt  ein  „Bedenken,  wie  der  Stifft  Fulda 
in  bessre  Versicherung  zu  bringen“,  welches  das  Vorgehen  des  Julius 
verständlicher  machen,  wenn  auch  nicht  entschuldigen  kann.  Da 
heißt  es  u.  a.  im  hochpolitischen  Ton:  „Dieweil  die  Weltlichen  nit 
unterlassen,  die  Stifft  wider  ihren  Willen  einzuziehen,  warum  sollt 
denn  den  gaistlichen  nit  auch  erlaubt  sein,  sich  so  stark  zu- 
sammenzuthun  und  einander  einzulaiben?“  Freilich  wird 
da  zum  Schluß  vorgeschlagen : wenn  einer  von  beiden  (der  von 

Würzburg  oder  der  von  Fulda)  mit  Tod  abgehen  sollte,  würde  der 

andre  beider  Stifte  Herr  sein.  Deß  aber  wollte  Julius  nicht  ge- 

warten,  er  griff  zu,  mußte  jedoch  bald  den  Raub  zurückgeben. 

Weniger  bekannt  sind  die  heftigen  Streitigkeiten  mit  Bamberg. 
Sie  erreichten  ihren  Höhepunkt  unter  Bischof  Johann  Philipp. 
Dieser  beklagt  sich  z.  B.  beim  Kapitel  in  Wiirzburg  (Juli  1607): 
Julius  habe  den  Abt  von  Stephan  etliche  Jahre  lang  ins  exilium 
verjagt,  hause  sonsten  übel  mit  seinen  Klöstern,  rantionire  und 
Prandschaze  dieselben  . . . er,  Johann  Philipp,  ließe  sich  den  un- 
ruhigen Bischöfen  zu  Würz  bürg  und  dessen  vermeinte  be- 
schwerungen,  darzu  er  jederzeit  provozirt  und  Ursach  geben,  nicht 
ihrren.  Ebenso  im  Sept.  1607:  Die  Streitigkeiten  hätten  sich  ge- 
mehrt, sintemal  Julius  durch  alle  ergrübleten  Mittel  von  tag  zu  tag 
des  Stifts  Abbruch  nicht  allein  gesucht,  sondern  solch  Vorhaben  mit 
gewalt  fortzusetzen  sich  unterfangen.  Julius  hinwiederum  beschwert 
sich  wider  den  Bamberger,  daß  er  sich  erlaubt  habe,  „eine  unserm 
Stift  verderbliche  bewahrte  Creißexekution  anzuordnen  vor  den  Grafen 
von  Leoustein  und  also  einer  solchen  thetlichkeit  sich  underfangen, 
dergleichen  wol  bei  aller  Menschen  Lebzeiten  von  einem  geistlichen 
Stand  wider  den  andern  nie  mehr  gehört  worden. u Bamberg  handelte 
liier  übrigens  im  Auftrag  des  fränkischen  Kreises.  Im  August  1606 
Avar  auf  dem  Kreistag  zu  Nürnberg  die  Exekution  beschlossen 
worden,  da  ex  parte  Wirtzburg  gegen  Wertheim  ein  Exzeß  geschehen 
sei,  und  nach  dem  Landfrieden  keiner  den  andern  eigens  Gewalts 
bevehden,  überziehen,  an  land  und  leutten  schedigen  und  mit  be- 
wehrter handt  überfallen“  dürfe.  Doch  wurden  erst  beide  Teile 
nochmals  aufgefordert,  die  Thätlichkeiten  einzustellen.  Wie  wenig 
Julius  darauf  achtete,  das  gaben  die  darauf  ervolgten  gewalthetigen 
acta  zu  erkhenen,  denn  den  verschienen  Herbst  hätte  Bischof  Julius 
etliche  100  wolbewerter  zu  roß  und  fuß  abgefertigt  und  das  Geleidt 
mit  gewalt  führen  lassen,  desgleichen  im  verschienen  Julio  bei  3000 
(oder,  wie  ein  würzb.  Diener  selbst  bekannt,  6000  Manu)  sich  des 


1)  cf.  E g 1 o ff  s t e i n : Fürstabt  Balthasar  von  Dermbach  München  1890. 


Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter.  273 

Zehends  zu  Dertnigen  zu  Unterfangen  ausgeschickt,  die  hätten  sich, 
als  sie  auf  Dertinger  Markung  kommen,  von  der  Straßen  abgewendt 
und  des  Schultheisen  Haus  geplündert:  bei  der  Ernte  waren  wieder 
300  mit  fliegenden  fahnen  und  Drommeten  eingefallen  tyrannischer, 
barbarischer  Weis,  hätten  offen,  thiir  u.  fenster  eingeschlagen,  kisten 
und  kästen  geöffnet,  daß  auch  der  Türck  nicht  fe  indl  ich  er  und 
tyrannischer  hatte  hausen  und  toben  können.  Der  Augen- 
schein habe  das  Alles  bestätigt1).“  Darauf  eine  neue  Ab- 
ordnung an  Julius,  er  solle  abstehen,  der  Vaterlosen  sich  annehmen 
und  Schadenersatz  leisten.  Aber  was  halfen  die  Worte!  Die  Exe- 
kution, worüber  er  sich  gegen  den  Bamberger  in  so  bitterem  Tone 
und  mit  der  Miene  des  unschuldig  Gekränkten  beklagt,  ist  ,, stecken 
geblieben“.  Der  mehrjährige  Raubkrieg  gegen  Wertheim  ist  wohl 
der  größte  Schandfleck  der  Regierung  J ulius  Echters  und  ein  trauriges 
Zeichen  der  in  den  letzten  Dezennien  vor  dem  30jährigen  Krieg 
immer  mehr  zunehmenden  Verrottung  der  öffentlichen  Zustände  und 
Verrohung  der  Gemüter.  — 

J.  hat  recht  wohl  gewußt,  daß  ihm  als  einem  Bischof  die 
„armirten  einfeil“  nicht  wohl  ansteben,  gleichwohl  hat  er,  um 
seinen  unbeugsamen  Willen  durchzusetzen,  bis  in  seine  letzten  Jahre 
häufig  von  diesem  Mittel  Gebrauch  gemacht.  Er  wäre  auch  Bam- 
berg gegenüber  dazu  fähig  gewesen,  wie  man  aus  seinem  folgenden 
Schreiben  an  das  Bamb.  Kapitel  ersehen  kaun : „Die  leutte  in  den 
Cennten  Eltmann  und  Ebern  sind  (von  Bamberg)  angewiesen,  daß 
sie  das  wenigste  mehr  in  unsre  Centen  bringen,  die  in  der  geist- 
lichen Oberkeit  gesessenen  werden  angehalten,  nicht  vor  unser  Con- 
sistorium  zu  gehen  etc.  Gott  Lob,  zum  tuiren  des  Stifts 
finden  wir  die  mittel  noch  wol  und  leichtlick.  Bisher 
haben  wir  die  mittel  gebraucht,  welche  geistlichen  Personen  besser 
austehn  alß  armirte  einfeil  . . . Ein  ehrw.  Capitell  möge  den  Bi- 
schof zu  mehrerer  beschaidenheit  erinnern,  sonst  würden  wir  uns 
mit  mehrerem  ernst  der  Sachen  annemen" 2 ?.  Es  war  ein  Glück,  daß 
der  energische  Job.  Philipp  schon  1609  verstarb.  - — Das  haupt- 
sächlichste Streitobjekt  zwischen  B.  u.  W.  war  das  Kloster  Bauz. 
Hier  hatte  Bamberg  die  hohe  Obrigkeit,  das  Gericht  mußte  sowohl 
im  Namen  des  Bischofs  als  des  Prälaten  von  Banz  gehest  werden, 
des  Klosters  Unterthanen  hatten  Steuer  und  Umgeld  nach  B.  zu 
entrichten,  dieses  hatte  auf  dem  Kloster  „Atzung  und  Oeffnung.“ 
Julius  war  der  Ordinarius.  An  ihn  als  den  Mächtigeren  schloß  sich 
der  Abt  enger  an  und  ward  von  ihm  wiederholt  zum  Widerstand 
gegen  die  Ansprüche  Bambergs  ermuntert.  Wenn  Bamberg  das 
Jagen  und  Schießen  in  des  Klosters  Gehölzen  verbietet,  ermahnt 


1)  Siehe  die  Sitzungsprotokolle  des  Würzburger  Domkapitels  vom 
Sept.  1G07. 

2)  Siehe  Bamb.  Receßbiicher,  Jahrgang  1607. 


274  Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter. 


Würzburg,  Bauz  solle  das  Jagen  viel  mehr  als  zuvor  besuchen  und 
gebrauchen  und  sich  solch  ufkhunden  im  wenigsten  nit  irren  lassen. 
Wenn  der  Abt  Thomas  eine  Summe  zur  Ablösung  der  bambergischen 
Stiftsscliulden  bewilligt,  so  fordert  Julius  sofort,  dass  die  ganz  gleiche 
Summe  auf  seine  Kammer  erlegt  werde  (Kreisarchiv  Bamberg, 
Missivbuch  des  Abts  Thomas,  unterm  27.  März  1602). 

Die  Briefsammlung  dieses  Abtes  enthält  — zwischenein  be- 
merkt — mancherlei  für  die  Charakteristik  des  J.  wertvolles  Mate- 
rial. Ich  verweise  nur  auf  einen  Brief  des  Abtes  an  J.,  d.  d. 
4.  Aug.  1588,  dieses  Inhalts:  B.  Julius  habe  versprochen,  ihm  zum 
Wiederaufbau  Locorum  Conventualium  die  halbe  Türkensteuer  nach- 
zulassen; nun  möge  er  das  Versprechen  erfüllen,  nachdem  das  Werk 
auf  sein  Betreiben  hin  unternommen  sei.  Gelegentlich  eines  Be- 
suches bei  der  Rückkehr  von  Wien  (a.  1577)  habe  er,  der  Bischof, 
„ihn  der  Kleinmütigkeit  beschuldigt  und  vermeldet,  man  müßte 
unsern  Herrn  Gott  nit  stettigs  hinter  der  thiir  stehen 
laßen,  sed  in  primis  Regnum  Dei  esse  promovendum“,  mit  dem 
Bau  sollte  fortgefahren  werden,  so  würden  andre  Sachen  desto  glück- 
licher nachher  gehn.  Nach  der  Mahlzeit  beim  Abschied  habe  er  ihm 
nochmals  zugerufen,  ja  nicht  zu  feiern. 

Mau  sieht  auch  hieraus,  welcher  Eifer  zur  Beförderung  des 
katholischen  Kirchenwesens  den  Bischof  schon  in  den  ersten  Jahren 
seiner  Regierung  beseelte.  „Feiern“  war  seine  Sache  nicht.  Zu- 
gleich aber  verrät  dies  Schreiben,  dass  er  zwar  gerne  Geldunter- 
stützungen in  Aussicht  stellte,  aber,  wenns  drauf  ankam,  sich  doch 
sehr  zurückhaltend  zeigte.  J aussen  (a.  a.  0.)  behauptet  noch, 
Julius  habe  die  Spitäler  seines  Stifts  etc.  auf  seine  Kosten  ge- 
baut, nachdem  doch  schon  Buchinger  (in  seiner  Biographie  des  J. 
p.  266)  zugegeben  hat,  dass  „die  Herstellungskosten  der  Gemeinde- 
und  Kirchengebäude  größtenteils  aus  den  Mitteln  der  betreffenden 
Gemeinden  und  Kirchen  bestritten  wurden/4 

Was  dazu  fürstlicherseits  beigesteuert  ward,  stammte  entweder 
von  eingezogenen  Klöstern  her  oder  war  von  den  Protestanten  er- 
preßtes „Strafgeld“1).  Bemerkenswert  erscheint  hier  auch  die  Klage 
des  Kapitels  (1617):  Der  Bischof  mahne  immer  zur  Bestellung  der 
schlecht  dotierten  Pfarreien,  die  guten  hingegen,  „die  besetzen  S. 
F.  Gn.  teils  mit  alumuis,  den  geben  Sie  etwas  uff  ein  Gäuleiu,  das 
Uebrige  nemeu  S.  F.  G.  Zu  Iren  handen,  wo  mit  dem- 
selben Sie  aber  hinkommen,  sei  unbewußt.“  Doch  weiteres 


1)  Februar  1588  läßt  J.  im  Kapitel  anbringen:  Der  Stift  sei  durch 
Gottes  Hilfe  wieder  zum  kath.  Glauben  gebracht.  Es  wäre 
zu  bedenken,  ob  die  Pfarrn  vom  gefallenen  straffgeld  zu 
bessern  sein  sollen.  1578  (28.  Febr.)  konstatiert,  das  Kapitel,  daß  der 
jetzige  Fürst  in  die  8 oder  9 Klöster  habe. 


Kadner,  Zur  Cliarakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter.  275 


über  seine  Finauzgebalirung,  die  gleichfalls  des  Gewaltthätigeu  und 
Eigenmächtigen  genug;  au  sich  hat.  gehört  nicht  hierher. 

o o o o o 

Wir  -wenden  uns  zu  den  Kämpfen  des  Bischofs  zurück  und  heben 
noch  die  mit  dem  Abt  von  Ebrach,  dann  vor  allen  mit  der  Ritter- 
schaft und  dem  Domkapitel  hervor. 

In  der  Kapitelssitzuug  vom  1.  Okt.  1589  wird  über  den  Streit 
mit  Ebrach  berichtet:  Julius  ließ  den  Richter  des  Klosters  durch 
etliche  Reisige  nächtlicher  Weil  in  dessen  Haus  verhaften,  unter  dem 
Vorwand,  derselbe  habe  ihn  in  seiner  zentbarlichen  Jurisdiktion  viel- 
fältig perturbiert.  Der  Abt  selbst  war  gewarnt  worden  und  entflohen. 
Späterhin  ward  auch  sein  Schultheiß  zu  Siegendorf  in  Ketten  ge- 
schlossen, weil  er  einen  würzburgischen  Taglöhner,  der  einen  Ebe- 
richen  Untertliauen  bestohlen,  in  den  Turm  nach  Ebrach  geliefert 
habe. 

Das  Kapitel  legt  Fürsprache  für  den  Abt  ein.  man  solle  ihn 
außer  Sorge  sein  lassen,  zumal  viel  üble  Nachrede  entstehen  würde. 
Kaltblütig  antwortet  der  Fürst:  „Der  Abt  gehöre  in  sein  Kloster, 
und  habe  er  nie  begehrt,  ihn  zu  fangen,  wozu  er  Gelegenheit  genug 
gehabt“,  und  — verlangt  seinerseits  nur  zu  wissen,  wer  von  den 
Domherrn  den  Abt  gewarnt  habe. 

Jedenfalls  gehörte  nach  alledem  Bischof  Julius  nicht  zu  den 
getreuen,  friedfertigen  Nachbarn. 

Besonders  heftig  war  sodann  sein  Streit  mit  der  Ritterschaft 
des  Hochstifts,  angefacht  zumeist  durch  seine  Protestantenverfolgungen 
und  im  Zusammenhang  damit  durch  seine  Versuche,  den  Adeligen 
das  Recht  der  Pfarrbestellung  zu  nehmen,  aber  auch  durch  die.Riick- 
siclitslosigkeit.  womit  er  „die  verabsäumten  oder  sonst  verwirkten 
Leheu  mit  Ausschließung  der  Magnaten  als  allerdings  apart  und  ver- 
mant  eiuzog.“  Auf  die  hierdurch  veranlaßten  Beschwerden  verfaßte 
Julius  a.  1581  eine  schriftliche  Antwort  (s.  Domkap. -Protokoll  v. 
2.  Febr.).  Darin  versichert  er  die  Ritterschaft,  dass  er  sich 
nicht  fürchte,  sondern  mit  Patientz  und  Manheit  der  Sachen  be- 
gegnen würde.  Es  sei  ein  abscheulich  Ding,  dass  ein  Diener  und 
Lehenmann  seinem  Herrn  unter  Augen  stehe  in  Glaubenssachen,  da 
ihm  mit  nichten  gebührt  zu  reformiren,  welches  also  erst  dann  zu 
geschehen  hingehen  möcht,  wenn  er.  der  Bischof,  apostatire  und 
lutherisch  wurde.  Er  fürchte  sich  gar  nichts,  auch  davor 
nicht,  dass  die  Ritter  mit  der  Landschaft  einen  Verstand  sollten 
haben.“  Er  wollte  bald  ein  häufen  volks  ins  Land  pringen,  welches  sie 
uuderhalten  und  zalen  müßten,  denn  obschon  die  Saue  grunzen, 
so  hat  man  doch  uit  bald  gehört,  dass  sie  Iren  hirtteu 
gefressen  haben.“ 

Aus  dieser  Antwort  ließ  der  Fürst  auf  den  Rat  des  Kapitels 
zwar  etliche  ,,Scherpff‘  heraus,  aber  es  blieb  noch  genug  darin,  u. 


276  Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter. 


der  Streit  zog  sich  durch  seine  ganze  Regierungszeit  hindurch1). 
Kaiser  Rudolph  II.  mischte  sich  ein  und  ermahnte  schriftlich  (Origi- 
nal in  Würzburg,  Hoheitss.  28)  die  fränkische  Ritterschaft,  sie  solle 
des  Bischofs  Andacht  in  Verrichtung  ihres  Amtes  ferner  un verhindert 
lassen  und  die  Unterthanen  weder  durch  sich  selbst  noch  durch 
andre  Hilf  zu  Ungehorsam  steifen  (3.  Okt.  1586). 

Aber  dass  der  Bischof  an  den  Kaiser  ging,  hat  die  Ritterschaft 
nur  noch  mehr  erbittert.  Sie  erhob  1586  neue  Klagen,  die  jener 
nicht  unbeantwortet  ließ.  Dem  Kapitel  teilte  er  mit  (s.  Dornk.- 
Prot.  1586  p.  146^,  er  wolle  der  Ritterschaft  wieder  eine  Antwort 
geben,  weil  die  Sache  die  alte  Religion  belange  und  damit  der 
Unterthanen  glück,  hayl  und  wolfarth  gesucht  würde,  dernhalben  er 
nicht  gern  gar  zu  leis  gehen  wollte. 

Wenn  Julius  sagt,  er  hasse  das  Leisetreten,  er  wolle  „manus 
imponiere“  und  nicht  zu  denen  gehören,  die  „ungeschmalzen  und 
ungesalzen“  oder,  „nachdem  sie  an  lutherischen  Universitäten  das 
Gift  eingesaugt  hätten,  weder  fisch  noch  fleisch  wären“,  so 
liefert  er  damit  eine  treffliche  Selbstcharakteristik.  Was  er  war,  das 
war  er  ganz,  was  er  wollte,  setzte  er  hartnäckig  durch.  Auch  die 
Ritterschaft  vermochte  ihm  nichts  anzuhaben.  Als  1610  der  alte, 
streitbare  Plans  von  Steinau  zu  neuem  Angriff  überging  (Hoheitss. 
fase.  1,  Kr.-Arch.  W.)  und  dem  Bischoff  öffentlich  vorwarf,  er' gehe 
mit  dem  Adel  um  wie  sonst  kein  Fürst  im  Reich,  ein  gemein  Ge- 
schrei sei  über  ihn  in  ganz  Deutschland;  er  wolle  „durch  machiaf. 
fellische  griefif“  des  Adels  Güter  nehmen,  habe  schon  viel  100  000 
gulten  werthguter  aus  der  Edelleut  Hand  an  sich  gebracht,  ein 
Armer  vom  Adel  könne  des  Rechts  Ausgang  nicht  erleben;  „durch 
den  blutrat  der  Jesuiten  sei  der  meiste  teil  der  christ- 

lichen Erdbodt  in  allen  christlichen  Königreichen  mit 
blut  überzogen  worden“  . . . , da  wurde  der  Ritter  wegen 

Felonie  verklagt  und  mußte  Abbitte  leisten. 

So  wußte  Julius  auch  den  härtesten  Widerstand  seines  eignen 
Kapitels  zu  brechen 2),  und  hier  war  er  häufig  im  Recht,  denn  er 
hatte  den  weiteren  Blick.  Die  Gründung  seines  Spitals  wie  seiner 

Universität  vollzog  sich  unter  dem  fortgesetzten  Protest  der  Dom- 

herren. Der  Streit  erreichte  im  J.  1581  seinen  Höhepunkt.  Der 
Domdekan  ist  wütend,  dass  J.  sich  nichts  einreden  lasse  (was  doch 
auch  Kaisern  und  Königen  geschehe)  und  das  Stift  immer  tiefer  in 


1)  Buchinger  sagt  „der  Streit  endete  mit  allmählicher  Versöhnung.“ 
Davon  wissen  die  Akten  nichts.  Die  Beschwerden  über  Julius  wieder- 
holen sich  immer,  noch  im  J.  1618  werden  sie  dem  Nachfolger,  Johann 
Gottfried,  vorgetragen  (s.  Buchinger:  Julius  Echter  von  Mespelbrunn. 
Würzburg  1843). 

2)  Näheres  bei  Wegele,  Geschichte  der  Universität  Würzburg,  II, 
118  ff.  (Wiirzburg  1882). 


Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter.  277 


Schulden  stürze:  er  meine,  er  sei  das  fac  totum  allein.  Der  Fürst 
begütigt  erst:  er  wolle  die  Sache  „schon  geschmeidig  an- 
greifen“; aber  als  man  erwidert,  zwischen  ihm  und  den  luthe- 
rischen Fürsten,  die  auch  die  Klöster  einziehen  und  Schulen 
bauen,  sei  kein  Unterschied,  die  alten  Fürsten  hätten  ex  pa- 
trimonio  genommen  etc.,  da  braust  er  auf:  er  sei  „injuriose  an 
ehrn  unpillig  angedaßt  worden“,  und  verlangt  eine  kategorische  Er- 
klärung, ob  man  in  den  Seminarbau  willige.  Das  Kapitel  stellt 
Bedingungen,  in  erster  Linie  die  Abschaffung  des  geistlichen  Rates ’). 
Aber  Julius  lehnt  alles  ab  und  will  sich  „nicht  länger  auf  halten 
lassen,  weile  auch  die  weltlichen  als  der  Markgraf  und  die  von 
Nürnberg  Schule  bawen  und  ihre  Religion  fortzu pflanzen  sich 
b eflissen.“ 

So  riefen  alle  größeren  Unternehmungen  sozusagen  Verfassungs- 
konflikte hervor,  aber  immer  lautete  des  Kapitels  Weisheit  und 
Macht  letzter  Schluß  also : „Ist  nun  soweit,  dass  nicht  mehr  viel 
einredens  helfen  werde;  ist  votiert,  diesen  Punkt  ersitzen  zu  lassen.“ 

Doch  wir  haben  noch  auf  ein  Arbeitsfeld  des  Würzburger  Bi- 
schofs hinzuweisen,  wo  seine  Gewaltthätigkeit  und  Grausamkeit  den 
weitesten  Spielraum  fanden,  auf  seine  Bekämpfung  des  Protestantis- 
mus. Nur  einige  Episoden  sollen  hier  Platz  finden. 

Die  Würzburger  Protestanten  besaßen  seit  1546  einen  eigenen 
Friedhof  vor  der  Stadt.  Sie  wollten  denselben  1583  besser  in  stand 
setzen.  Aber  Julius  beschloß,  keinerlei  bauliche  Veränderungen  zu 
dulden  und  verwies  ihnen  „solchen  freveln  Baw  und  fürnehmen  mit 
ernst“.  Der  Strafe  halben  ließ  er  sie  „am  Creuz  hängen,  daß  sie 
nicht  wissen  sollten,  was  er  ferner  gegen  Ihnen  fürzunehmen  gesinnt.“ 
Feierlich  hat  er  ihnen  erklärt:  Er  fürchte  sich  nicht  vor  den 
ITnterthanen  und  plinzle  nicht  viel  mit  ihnen.  Man  sei  der 
leute  noch  mächtig.  Ihm  sei  es  hoch verklein erlich,  ein  solches  an 
seinem  Hofläger  uud  Capitelsresidenz  zu  gestatten  (Würzb.  Ratsprotoc. 
Dez.  1583). 

So  beganneu  die  Versuche,  die  Widerspenstigen  allmählich  mürbe 
zu  machen.  In  Zell,  wo  die  Truchsess  von  jeher  die  Pfarrbestellung 
hatten,  haben  die  geistlichen  Räte  des  Julius  dem  evangelischen 
Pfarrer  (der  22  Jahre  dort  amtiert)  aufgekündigt  und  befohlen,  die 
Pfarr-Register  dem  Keller  zu  Haßfurt  zuzustellen.  Als  sie  Widerspruch 
fanden,  sind  sie  mit  Bütteln,  Schlossern  tmd  Zimmerleuten  auf  den 
Pfarrherrn  und  Schulmeister  mit  Gewalt  gedrungen,  haben  nach 
Oeffnung  der  Kirche  den  Kaplan  von  Haßfurt  predigen  und  diese 
daun  wieder  versperren  lassen.  In  ähnlicher  Weise,  mit  Zuhilfenahme 

1)  Man  sagt  dem  jesuitischen  geistl.  Rat  u.  a.  nach,  dass  er  partei- 
isch handle,  item  in  alle  Testament  und  andre  Sachen  greife, 
wo  etwas  ist,  und  dasselbe  einesteils  in  seinen  Privatnutzen  a ndern  - 
teils  in  das  neue  Spital  ziehe  (Domkapitelsprotokolle  1578  p.  114). 

Beiträge  zur  bayer.  Kirchengeschichte.  V.  G 19 


278  Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Eiirstbischofs  Julius  Echter. 


„einer  guten  Anzahl  bewaffneten  Volks “,  wurden  viele  Pfarreien 
wieder  mit  katholischen  Priestern  „besetzt“,  zuweilen  unter  dem 
lauten  Weinen  der  Gemeinden  (cf.  Kr.  A.  W.  Fase.  CXXIII 
Nr.  3084)  1). 

Da  mit  sanfter  Gewalt  in  der  Regel  keine  Bekehrungen  erzielt 
wurden,  wurde  zu  Geld-  und  Gefängnisstrafen  geschritten.  Die  Taufe 
bei  einem  Prädikanten  kam  teuer  zu  stehen.  Viele  Bürger  verarmten 
durch  die  „stattlicheu  Summen  straffgelds“,  die  Gefängnisse 
waren  (zumal  im  J.  1588)  überfüllt.  Das  letzte  Mittel  aber  war 
das  „bisher  im  Reich  Teutscher  Nation  unerhörte  Austreiben“,  und 
die  Art,  wie  dies  Mittel  angewendet  wurde,  zeugt  noch  am  meisten 
von  barbarischer  Ungerechtigkeit  und  Grausamkeit.  Umsonst  wandte 
sich  die  Ritterschaft2)  an  Julius  mit  der  Bitte,  er  solle  doch 
wenigstens  den  Ausgewiesenen  „eine  solche  Frist  verstatten,  wie  er 
im  Niederland  (als  kaiserlicher  Commissar)  selbsten  gemittelt  und 
fürgeschlagen  habe“  (nämlich  3 Jahre  zur  Emigration  und  Trans- 
lation der  Güter).  Man  hat  den  Standhaften  eine  Frist  von  nur 
3 oder  8 Tagen  bewilligt  und  den  sofortigen  Verkauf  ihrer  Güter 
gefordert.  Aber  es  lässt  sich  denken,  daß  es  sehr  häufig  an  der 
Gelegenheit  zum  Verkauf  fehlte  wie  andrerseits  an  der  Möglichkeit, 
die  Kaufsumme  einzutreiben.  Da  und  dort  ließen  die  „Inwohner“, 
die  ein  Gut  angekauft  hatten,  die  Zahlungsfristen  verfallen,  und  wenn 
die  Ausgewanderten  um  Amtshilfe  nachsuchten,  wurdeu  sie  abge- 
wiesen (einer  erzählt,  man  habe  ihn  mit  Fauststreichen  fortgeschickt). 
Fast  alle  klagen  sie  darüber,  daß  sie  von  den  zerschlagenen  Fristen 
und  dem  Zinsgeld  noch  Reichssteuer  dem  Bischof,  ihrem  früheren 
Landesherrn,  erlegen  mußten,  vor  allem  aber  darüber,  daß  man 
Güter,  die  nicht  gleich  Käufer  fänden,  „zum  Teil  ohne  Wissen  der 
Eigentümer,  zum  Teil  wider  ihren  Willen“  einfach  von  amtswegen 
„im  ganz  geringen  Werte“  abschätzte.  „So  wurde  vieles  einem  In- 
wohner heimgeschatzt“  (Kr.  A.  W.  V.  8383).  Nach  Aussage  eines 
Kitzinger  Bürgers  haben  die  Karlstadter  Schätzer  seinen  Weingarten 
zu  Karlstadt,  der  „gern  200  fl.  gegolten“,  um  35  fl.  abgeschätzt. 
Ein  andrer  ist  11  Tage  eingesperrt  worden,  weil  er  nicht  drein 
willigen  wollte,  als  man  ihm  seine  Güter  ganz  gering  taxierte. 
„Unbillige  Arresta,  auch  zu  Ungebühr  abgenommene  Handtlohn“ 
waren  an  der  Tagesordnung  (in  einer  Beschwerdeschrift  sind 
20  Fälle  aufgeführt). 

Kam  trotz  geringen  Preises  ein  Kauf  nicht  zu  stände,  so 
waren  die  Verluste  der  Vertriebenen  erst  recht  bedeutend.  Denn  es 
erging  der  fürstliche  Befehl,  daß  „ihnen  die  Güter  selbst  zu  bauen 


1)  Etliche  Bilder  aus  der  Gegenreformation  im  Fürstbistum  Würzbnrg 
habe  ich  auch  in  Nr.  2 des  Würzb.  evangel.  Gemeindeblattes  1898  ver- 
öffentlicht. 

2)  17.  Juni  86,  K.  A.  W.  Mise.  34. 


Kadner,  Zur  Charakteristik  des  Fürstbischofs  Julius  Echter.  279 

gar  nicht  zugelassen  werde,  sondern  daß  sie  solches  durch  Inwoner 
umb  die  gebuer  bestellen,  bis  sich  käuffer  darzu  finden“.  Keinem 
Ausgezogenen  durfte  durch  „Pündtner“  gearbeitet  (sc.  bei  der  Wein- 
ernte)1) oder  „andre  nachbarliche  Dienst  erwiesen  werden“.  Ein 
ehemaliger  Carlstädter  versucht,  seinen  Wein  nach  Frankfurt  zu 
fahren.  Er  wird  in  das  Gefängnis  gesteckt,  andern  Tags  heim- 
geschickt und  muß  noch  dem  Büttelknecht  Schlafgeld  zahlen.  Will 
ein  Vertriebener  die  Stadt  Miinnerstadt  wieder  betreten,  muß  er  sich 
erst  durch  die  Thor  Wächter  anmelden  lassen  und  sich  „mit  ihnen 
ihrer  mühe  halben  vergleichen“  — man  stelle  sich  alle  die  großen 
und  kleinen  Chikanen  vor ! Leute  aus  Gerolzhofen,  die  in  Prichsenstadt 
Aufnahme  gefunden  hatten,  überschicken  dem  Fürsten  8 Gravamina2) 
z.  B.  Düngung  betreffend:  „Dem  lieben  erdtreich  werde  sein  not- 
turft  abgestrickt.  Die  ließ  man  tungen,  die  ihres  nutzens  halben 
weggezogen  waren,  aber  die  Exulanten,  die  mit  unüberwindlichen 
Schäden  ausziehen  müssen,  wolle  man  abhalten,  wie  können  sie  den 
frohn  und  Steuer  Zu  geben  schuldig  sein?“  Es  könnte  geschlossen 
werden,  daß  die  Ausschaffung  nit  allein  der  Religion 
sondern  auch  umb  gelts  willen  der  Cammer  zu  Steuer 
für  gangen  were.  Oder:  den  Vertriebenen  werde  durch  die  Inge- 
sessenen böslich  gebaut  etc. 

Und  dies  alles,  obwohl  nach  den  Bestimmungen  des  Religions- 
friedens der  freie  Ab-  und  Zuzug,  auch  Verkauf  der  Hab  und  Güter 
zu  bewilligen  war.  Aber  Julius  war  ärgerlich,  daß  „solche  leutte,  die 
Exulanten  nämlich,  soviel  Unnotwendigsanlauffens  machten,“ 
und  urteilte,  daß  „in  ihren  reden  und  schreiben  Ihre  frechheit  mehr 
als  beschaidenheit  offenbar  geworden“  sei.  So  waren  denn  die  Be- 
schwerdeschriften so  gut  wie  völlig  umsonst.  Nicht  minder  die 
„Fürschriften“  der  protest.  Grafen  und  Fürsten.  Buchinger  (1.  c. 
p.  179)  schreibt:  Julius  wich  bescheiden  aus!! 

Zum  Schluß  noch  ein  Beispiel  dafür,  daß  der  Bischof  in  seinem 
Religionswerk  schlechthin  gar  keine  Halbheit  duldete  und,  soweit 
seine  Herrschaft  reichte,  „ein  Ganzes  machte“,  mit  einer  Gründlichkeit 
und  Energie,  der  man  nur  die  Leitung  durch  eine  andere  Idee 
hätte  wünschen  mögen.  Leonhard  Schmidt,  halb  Brunhausischer 
halb  Würzburger  Unter than,  hat  sich  bisher  in  Religionssachen 
ungehorsam  erzeigt.  Pfarrer  und  Keller  sollen  ihn  mit  bester  Be- 
scheidenheit zur  katholischen  Religion  bringen,  mit  dem  Vermelden, 


1)  J.  schreibt  Okt  1588  an  die  Grafen  von  Eberstein:  „Daß  die  Aus- 
gezogenen ihr  Weingewächs  in  unser  Statt  Karlstatt  abkeltern  und  ein- 
legen,  kann  ich  ferner  nicht  gestatten.“  (Die  Grafen  hatten  Fürsprache 
eingelegt):  Er  entblödet  sich  nicht  beizufügen:  „Man  soll  uns  dafür  nicht 
halten,  da  wir  jemand  Vorbescheiden  lassen,  daß  wir  gegen  denselben 
etwas  beschwerlichs  begehren  fürzunehmen!“ 

2)  In  dem  genannten  Samraelakt  V.  8383  (v.  J.  1589). 

19  * 


280  F.  Herrmahn,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg. 


daß  der  Bischof  für  seinen  Teil  solchen  Ungehorsam  nicht  verstatten 
könnte  und  eventuell  mehr  Ernst  fürnehinen  und  gebrauchen  müßte1). 
Was  will  besagter  Schmidt  t'hun?  Er  muß  seine  würzburgischen 
Güter,  die  auf  des  Bischofs  Befehl  nur  einen  katholischen  Be- 
sitzer dulden,  verkaufen,  da  es  solch  armen  Unterthanen  doch 
schwerlich  gelingen  mag,  seinen  Besitzverhältnissen  entsprechend 
hinsichtlich  der  Religion  sein  Wesen  zu  teilen. 


Bericht  des  Hieronymus  Rauscher, 

Diacon  an  St.  Lorenz  in  Nürnberg,  über  die  Entlassung  der  inte- 
rimsfeindlichen Geistlichen  im  November  1548. 

Mitgeteilt  von  F.  Herrmann,  Repetent  in  Giessen. 

Das  unten  abgedruckte  Schriftstück  fand  ich  im  vergangenen 
Jahre  auf  der  Kirchenbibliothek  zu  Schotten  (Oberhessen) 
unter  alten  Rechnungen.  Wie  es  dorthin  kam,  ist  bei  dem  Fehlen 
der  Adresse  nicht  mehr  zu  sagen.  Der  Schreiber  selbst,  der  Dia- 
conus  an  der  Lorenzkirche  in  Nürnberg  Hieronymus  Rauscher, 
hat  wohl  kaum  Beziehungen  zu  Hessen  gehabt2).  Da  ein  grosser 
Teil  der  genannten  Bibliothek  ein  Vermächtnis  des  aus  Schotten 
stammenden  Pfarrers  Dr.  Joh.  Conr.  Kissner  ist,  der  um  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  in  Daudenzell  und  Breiten brunn  in  Baden 
stand,  darf  man  vielleicht  die  Vermutung  wagen,  daß  der  Brief  mit 
dessen  Büchern  nach  Hessen  verschleppt  wurde. 

Der  Adressat  ist  wohl  in  Süddeutschland  zu  suchen.  Dort  hatte 
man,  zumal  in  den  Städten,  ein  ganz  besonderes  Interesse  an  den 
Interimsverhandlungen  in  Nürnberg,  und  der  Eingang  unseres  Briefes 
(quae  nobis  proposita  etc.)  scheint  ja  auch  auf  eine  regelmässige  Be- 
richterstattung au  einen  Geistlichen  hinzudeuten,  der  durch  seine 


1)  Kr.  A.  W.  G.  5435. 

2)  Rauscher  stammte,  wie  er  in  seinem  Briefe  auch  andeutet,  aus  Niirn. 
berg,  studierte  seit  1535  in  Wittenberg  (Förste mann,  Album  Acad- 
Vit.  I 156),  wurde  dort  Apr.  15.  38  Baccalaureus  und  Feb.  1539  Magister 
(Köstlin,  die  Bacc.  und  Mag.  der  Wittenb.  Philos.  Fac.  1538 — 46,  5 bezw. 
11)  und  kam,  nachdem  er  am  21.  Mai  1544  durch  Bugenhagen  zunächst 
für  ein  Predigtamt  in  Schweiufurt  ordiniert  worden  war  (Wittenb.  Ordi- 
nandenregister  ed.  Buchwald  I 38),  und  ein  paar  Jahre  daselbst  als  Dia- 
conus  gewirkt  hatte  (Vgl.  J.  M.  8 ixt,  Reformatiousgeschichte  der  Stadt 
Schweinfurt,  Schweinf.  1794  223  und  226,  und  T sch  ackert  Magister 
Johann  Sutel,  Braunschweig  1897  100),  1548  als  Diaconus  an  die  Lorenz- 
kirche  in  Nürnberg.  Nach  seiner  Entlassung  war  er  Prediger  in  Neu- 
markt und  Kemnat  und  starb  1569  als  Hofprediger  in  Amberg  (Allg.  D. 
Biogr.  XXVII  447  f.) 


F.  Hermann,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg.  281 


Obrigkeit  demnächst  in  die  gleiche  Lage  kommen  konnte,  wie  der 
Schreiber.  Auch  die  Rumores,  das  consilium  Brentii  und  die  aus 
Furcht  vor  den  Folgen  einer  Entdeckung  geforderte  Rücksendung 
des  Briefes  führen  auf  die  gleiche  Spur. 

Von  dem  in  dem  Schreiben  erwähnten  und  abschriftlich  ange- 
hängten Ratschlag  des  Joh.  Brenz  in  Interimssachen  findet  sich  bei 
Pressei,  Anecdota  Brentiana  p.  294  nach  einer  unvollständigen  und 
ungenauen  Abschrift  aus  dem  Stuttgarter  Archiv  der  kleinere  Teil  unter 
der  Ueberschrift:  Brentii  epistola  adversus  conciliationem  Evangelii 
et  libri  Augustani  1548.  Vollständig  geben  ihn  nach  einer  Mitteilung 
aus  dem  Archiv  zu  Gotha  Hartmann  und  Jäger  in  Johann  Brenz, 
II.  520 f.1)  unter  der  falschen  Adresse:  Brenz  an  Melanchthon:  sie 
bezeichnen  ihn  jedoch  p.  168  richtig  als  Brief  an  einen  „unbekannten 
Freund  aus  einer  Reichsstadt“.  Daß  er  nicht,  wie  Hartmann  und 
Jäger  aunehmen,  im  Anfang  des  Jahres  1549,  sondern  spätestens  im 
Nov.  1548  geschrieben  ist.  beweist  seine  Erwähnung  in  unserem 
Nürnberger  Briefe  vom  21.  November. 

Ueber  den  Gegenstand  des  Rauscherschen  Schreibens,  die  Ver- 
handlungen des  Nürnbergischen  Rates  mit  den  interimsfeindlichen 
Geistlichen,  sind  wir  durch  Hirsch,  Geschichte  des  Interims  in 
Nürnberg,  1750,  und  besonders  durch  Heide,  Beitr.  zur  Geschichte 
Nürnbergs  in  der  Reformationszeit  (2.  Das  Interim  in  Nürnberg)  in 
Räumers  Hist.  Taschenbuch,  6.  Folge,  Jahrg.  11,  1892,  ziemlich 
genau  unterrichtet.  Doch  dürfte  die  Darstellung  eines  Beteiligten 
vielleicht  nicht  unwillkommen  sein.  Rauscher  schreibt  lebendig,  an- 
schaulich und  voll  Entrüstung,  wenn  er  auch  die  eigene  Person  wohl 
etwas  zu  sehr  in  den  Vordergrund  rückt.  Der  äussere  Verlauf  der 
Ereignisse  war  nach  seinem  Bericht  folgender:  Nachdem  die  auf 
Grund  der  markgräflich  ansbachischen  Formulierung  vom  Rate  am 
29.  Oktober  an  die  Nürnbergischen  Kirchendiener  erlassene  „newe  Ord- 
nung“ bekannt  gegeben  und  dazu  am  2.  November  eine  Verfügung  er- 
lassen worden  war,  nach  welcher  die  Privatabsolution  am  darauf- 
folgenden Samstag  und  Sonntag  beginnen  sollte  (Heide  217 f. ), 
traten  die  Kapläne  aller  Nürnbergischen  Kirchen  am  5.  Nov.  zu 
einer  Besprechung  zusammen,  der  auch  2 Deputierte  des  Rates  bei- 
wohnten. Diese  verlangen  die  Bildung  eines  Ausschusses,  dem  je 
2 Kapläne  von  jeder  Kirche  angehören  sollen.  In  der  am  6.  November 
im  Aegidien-Kloster  abgehaltenen  Ausschusssitzung  bitten  diese  um 
Aufschub.  Am  folgenden  Tage  lässt  der  Rat  je  8 Kapläne  aus  den 
einzelnen  Kirchen  aufs  Rathaus  entbieten  und  schlägt  ihnen  den 
erbetenen  Aufschub  ab : wer  sich  nicht  fügen  wolle,  möge  dies  am 


1)  Dort  ist  zu  lesen  p.  520  Z.  18  v.  o.  statt  sint:  sit;  Z.  9 v.  u.  con- 
tumelia  Christi;  p.  521  Z.  12  v.  o.  gravissima;  Z.  8 v.  u.  nostrae. 


282  F.  Herrmann,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg'. 


8.  November  auzeigen  (naclrHei  de  219  f.  wäre  die  erwähnte  Ratssitzung 
am  8.  und  der  zur  endgiltigeu  Entscheidung  bestimmte  Tag  der 

9.  November  gewesen).  Am  8.  November  erscheinen  5 Kapläne  und 
geben  ihren  Protest  zu  Protokoll;  darunter  Rauscher  in  der  unten  mitge- 
teilten längeren  Erklärung. 

Schliesslich  noch  ein  Wort  über  die  dem  Briefe  voranstehende 
Me ss -Liturgie.  Der  Rat  hatte  in  der  Sitzung  vom  7.  November  er- 
klären lassen,  er  müsse  die  neue  Ordnung  spätestens  am  Martinstag 
„ins  Werk  bringen“.  In  der  That  wurde,  wie  unser  Schreiben  be- 
weist, dieser  Termin  eingehalten.  Die  Skizzierung  Rauschers  ent- 
spricht im  allgemeinen  der  vom  Rate  am  29.  Oktober  geforderten  Form 
der  Messe  (Hirsch,  57  Aum.  c1).  WTas  darin  besonders  anstößig 
erschien,  war  die  lateinische  Verlesung  von  Epistel  und  Evangelium 
neben  der  deutschen  und  die  wiedereingeführte  Elevation.  Die  aus- 
drücklich erwähnte  Auslassung  des  Canons  war  zwar  nicht  nach  der 
Nürnbergischen,  wohl  aber  nach  der  Ansbacher  Ordnung  erlaubt 
(Hirsch  98:  So  aber  die  Herren  Theologi  des  kleinen  oder  großen 
Canons  Bedenken  haben,  möchten  sie  an  derselben  statt  Psalmen 
oder  ander  geistlich  Gebet  thun,  für  alle  geistlich  und  weltliche 
Christliche  ordentliche  Oberkeit  und  alle  Ständ  der  ganzen  Christen- 
heit, auch  für  Ungläubige,  Rotten  und  Sekten,  und  insgemein  für 
alles  Anliegen  der  heil.  Christi.  Kirchen  ctc.).  — 

Die  verschiedenen  Auslassungen  in  dem  Abdruck  des  Schreibens 
Rauschers  erklären  sich  aus  dem  Zustand  des  Briefes.  Derselbe 
(Papier;  folio)  hat  durch  Wasser  sehr  gelitten  und  ist  vielfach  nur 
schwer  zu  entziffern2).  Das  Fehlen  der  Adresse  sowie  der  Anrede 
scheint  darauf  hinzudeuten,  dass  das  uns  vorliegende  Manuskript 
nicht  das  Original  ist. 

Wie  man  zu  Nurmberg  vf  Martini  zu  S.  Lorenzen  hat  Messe 

gehalten. 

Erstlich  hat  man  gesungen  den  Introitum  de  saucta  Trinitate, 
darnach  das  Kirie  eleison  vnd  das  Et  in  terra  etc.  Nachdem  lieset 
der  Priester  die  Collekten  deutzsch,  die  Epistel  vber  dem  Altar  la- 
teinisch, nachuolgends  deutzsch  von  der  Cantzel.  Darnach  das  Alleluia 
de  Trinitate,  darauf  das  Evangelium  latine  mit  gewöhnlichem  Accent 
vnd  dan  auch  deutzsch  vom  predigtstuel,  darauf  das  patrem  latine. 
Darnach  singt  der  priester  die  praefation  de  Trinitate  latine.  Do 
thut  man  ein  sermon  vom  Sakrament.  Darauf  singt  man:  Erhalt 


1)  Vgl.  auch  die  „Nürnbergische  Interimsagende“  von  1549,  Hirsoh, 
Beil.  H.,  insbes.  166  ff. 

2)  Für  die  Entzifferung  mehrerer  Stellen  sowie  für  Nachweise  über 
die  Person  Rauschers  bin  ich  Herrn  Prof.  D.  Kawerau  in  Breslau  zu 
grossem  Dank  verpflichtet. 


F.  Herrmann,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg.  283 

uns  her  bey  deinem  wort.  Darnach  das  Sanctus  latine,  aber  keinen 
Canon  liset  er.  Verba  consecrationis  singt  er  deutzsch  vnd  eleuirt 
beide,  brot  vnd  wein.  Darnach  singt  er  das  pater  n oster.  Darnach 
das  Agnus  dej.  Darunter  communicirt  man  vnter  beder  gestalt:  nach 
der  Communion  die  Dancksagung  deutzsch.  Darnach  gibt  er  den 
segen  mit  kurtzen  Worten  vnd  einem  kurtzen  Creutz.  Darauf  der 
priester  das  Benedicamus,  der  Chor  deo  gratias. 

Quae  nobis  proposita  sint  2.  Nouembris  et  quae  acta  sint  quinta 

Nouembris  nuper  uobis : nunc  reliqua  accipite,  ex 

quibus  discere  poteritis,  quae  uobis  in  eadem  caussa  facienda 
erunt. 

Nachdem  die  Oberkeit  erfahrenn.  wie  wir  Ministri  beisammen 
gewesenn  vnd  vns  ob  der  nween  Ordnung  beredt,  habenn  sie  zwue 
personen  aus  dem  Eath  verordnet,  die  mit  vns  redenn  solten  vnd 
die  Ordnung  declarirn,  wue  wir  sie  nit  verstundenn.  Dieselben  haben 
zwue  personen  aus  jeder  Kirchen  begert,  do  bin  ich  von  meiner 
Kirchen  auch  einer  verordent  gewesen.  Do  seint  wir  nu  den 
VI.  Xouembris  im  closter  zu  S.  Egidij  zusamen  körnen  vnd  ire 
declaration  angekort,  auch  vnser  beuelh  fürbracht  vnd  in  diesenn 
Sachen  ein  dilation  begert.  Do  sie  aber  die  ne  wen  Ordnung  sehr 
lobten  vnd  sich  wunderten,  warumb  wir  vns  derselbenn  beschwertkenn, 
fing  ich  an  vnd  sprach:  Es  seint  zwei  stuck,  die  vns  solche  sack 
schwer  machenn.  Das  erst,  das  grosse  ergernus,  das  aus  solchen 
Ceremonien,  quae  antea  in  Papatu  coniunctam  habuemnt  idolatriam, 
volgenn  wurde.  Zum  andern,  das  wir  wissenn.  das  diese  stuck  der 
anfang  des  Interims  sein,  vnd  wir  dadurch  dem  gantzen  Babstnmb 
den  weg  bereiten.  Hic  sermo  omnino  displicebat  illis.  Sagten,  sie 
woltenn  das  babstnmb  dadurch  abschneidenn. 

Denn  VII.  Nouembris  seint  drev  personen  aus  jeder  kirchenn 
vfs  Kathaus  gefordert  vnd  drey  aus  dem  Eath  zu  vns  verordnet, 
mit  vns  zu  handeln.  Die  haben  vns  angetzeigt:  Es  sey  vnmoglich, 
vns  ein  Dilation  in  diesenn  sachenn  zu  gebenn.  Ein  erbar  Eath  habe 
trefliche  vrsach,  dardurch  sie  gezwungen  werden,  solchs  vf  den  tagk 
Martinj  in  das  werck  zu  brengen.  vnd  ob  schon  etliche  person  vnter 
vns  sein,  die  solchs  zuuor  nit  gebraucht,  so  seint  doch  bey  jeder 
kirchenn  souiel  alter  personen,  die  es  wol  können,  die  sollens  an- 
fahenn,  vnd  in  acht  tagen  soUens  die  andern  lernen  vnd  auch  ins 
werck  bringen.  Ob  aber  etliche  personen  vnter  vns  wheren,  die 
sich  zu  diesenn  sachenn  nit  wolten  brauchen  lassen,  die  solten  den 
andern  tagk  frue  vfs  Eath  aus  kommen  vnd  ire  vrsach  antzeigen, 
warumb  sie  es  nit  thuenn  wollen. 

Den  VIII.  Nouembris  seint  aus  allen  Kapellanen,  welcher  doch 
in  die  sechs  vnd  dreissig  hin,  vnser  fünf  erschienen,  die  ire  vrsach 


284  F.  Herrmann,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg. 

angetzeigt1).  vnter  denen  bin  ich  der  erst  gewest.  Do  hat  mau 
mich  in  die  Cantzley  gefurt  vnd  einen  Cantzel Schreiber  an  die  seiten 
gesetzt;  der  excipiren  solt  alles,  was  ich  redt.  Do  hab  ich  mit  Gotes 
hilf  also  angefangenn  zu  redenn:  E.  W.  Hern!  dieweil  ein  erbar 
Rath  vonn  mir  begert,  vrsach  antzutzeigenn,  warumb  ich  mich  zu  der 
newen  Ordnung  nit  wolle  brauchen  lassen,  welche  nichts  anders  wirt 
sein,  dan  ein  frey  öffentlich  Bekentuus  meines  Glaubens,  so  bit  ich 
im  anfang,  man  wolle  mein  wort  nit  bitter  aufnehmen  odder  vbel 
deuten,  als  gescheen  sie  aus  einem  hochmut  oder  mutwillen,  sondern 

als  sie  aus  einem  christlichen  gewissen  kommen, nis 

meines  glaubens  dringt,  vnd  sagt  erstlich  also : Es  ist  offenbar,  das 
Key.  Mt.  zu  Augsburg  einen  Radtschlag  gemacht  hat,  wie  mau  sich 
iu  der  Religion  halten  solle;  den  hab  ich  gelesen  vnd  darüber  auch 
vieler  hochgelerter  christlicher  prediger  bedenken  gesehen  vnd  befind 
nach  meinem  geringen  verstände,  das  alles  (?),  so  in  diesem  Rath- 
schlage begrieffenn,  abgotische,  verfurische  irrlere  seint,  es  schein 
gleich  so  schon,  als  es  wolle.  Vnd  ob  wol  der  Artickel  jastifi- 
cationis  geschmückt  ist  mit  glaten  Worten,  so  ist  er  doch  auch  nit  rein. 
Welche  in  aber  für  rein  halten,  die  geben  zuuerstelien,  das  sie  den- 
selben Artickel  nit  recht  verstehen. 

Item  ob  wol  vtraque  species  Sacramenti  zugelassen  wirdt  vnd 
die  priesterehe,  so  steht  docli  öffentlich  dar  innen,  das  die  Messe 
ein  opffer  sey.  Dartzu  hilft  die  Eleuation,  die  jetzt  widder  augericht 
wirdt.  Vnd  vber  das  alles  so  zeigt  der  Tittell  dieses  buchs  au, 
das  nichts  guts  darinnen  ist,  dan  es  heist  Interim,  das  ist:  ein  Zeit 
lang  sol  es  wheren,  bis  mau  vns  nerrischen  Deutzschen  das  seil  vber 
die  Hörner  brengt.  Ich  mus  aber  ein  stete  gewiese  lehr  haben,  die 
allezeit  whert . Darnach  referirt  siclis  vf  ein  Christlich  Concilium;  do  ist 
kein  bessers  zugewarten,  dan  das  jetzig  teufelisch  abgotisch  zu  Trient 
gewesen  ist,  do  gewieslich  niemants  zugelassen  wirt,  dan  die  feinde 
Christi  vnnd  der  rechtenn  lehre. 

Solchen  Rathschlag  Key.  Mt.,  darinnen  nichts  guts  ist,  hat  E. 
W.  nit  allein  angenhommen,  sonder  auch  vf  dem  Cantzel  loben  lassenu, 
vnnd  darneben  lassenu  antzeigenn,  das  solche  stuck,  so  ietzt  ins  wergk 
gebracht,  der  anfangk  des  Interims  sollen  sein.  Weiter  so  ist  ge- 
wies,  das  Key.  Mt.  sich  nit  am  annehmen  des  Interims  begnügen 
wirt  lassenn,  sonder  er  wil  das  gantz  Interim  ins  werck  gebracht 
haben,  wie  dan  ein  gewiese  Zeit,  in  welcher  das  Interim  sol  an- 
gericht  werden,  im  Reichsabschied  bestimbt  ist,  vnd  zwar  die  jetzige 
handlung  solchs  auch  betzeugen.  Dan  dieweil  ein  E.  Rath  so  not- 
wendige vrsachen  haben,  die  sie  dringen  vnd  zwingen,  mit  den 


1)  Es  waren  außer  dem  Schreiber:  seine  Kollegen  von  St,  Lorenz 
Joh.  Voit  und  Phil.  Vischer,  ferner  vom  Spital  Ulrich  Vischer 
und  von  St.  Aegidien  Joh.  Lederer.  Vgl.  Heide,  220. 


. F.  Herrmanu,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg. 


285 


jetzigen  stucken  fortzufaren,  vnd  wollen  vns  nit  einen  tagk  Dilation 
geben,  gleich  dieselbige  vrsach  wirt  sie  auch  vf  ein  ander  mhal 
zwingen,  das  sie  etwas  -weiteres  aus  dem  Interim  müssen  anrichten, 
das  sie  vielleicht  jetzt  nit  im  sinne*  haben.  Dieweil  nun  diesem 
also  ist,  so  antwort  ich  erstlich  in  genere  also:  Dieweil  die  Cere- 
monien,  sie  seint  per  se  so  gut  als  sie  wollen,  zuuor  im  babstumb 
adiunctam  Idolatriam  gehabt  haben  vnd  bey  vns  seint  abgebracht 
vnd  jetzunt  kein  ander  vrsach  haben,  darumb  sie  wider  werden  an- 
gericht,  dan  das  sie  der  Anfang  des  Interims  sollenn  sein,  vnd 
können  auch  ohn  grosse  tref liehe  ergernus  nit  wider  angericht 
werden,  So  gedenk  ich  des  teufels  vorlauffer  nit  zu  sein,  vnd  wil 
mich  weder  zum  Anfang  noch  zum  mittel  noch  zum  ende*  des  Inte- 
rims biauchen  lassen.  Dan  ich  hab  sunde  für  mich  genug,  darf 
mich  nit  frembder  sunde  theilhaftig  machenn. 

In  specie  ist  kurtzlich  das  mein  vrsach:  Ir  wolt  in  ewer  Ord- 
nung publicam  et  priuatam  absolutionem  zugleich  haben  vnd  last 
vns  nur  potestatem  absoluendi  vnd  nhemet  vns  potestatem  ligandi; 
das  ist  nit  recht.  Item  ir  wolt,  das  mau  einer  jeden  person  sol 
Messe  halten  vnd  also  die  Ministros  zu  entpfahung  des  Sakraments 
zwingen,  wan  sie  schon  dazu  vngeschickt,  wolt  also  die  priuat 
Messe  wider  auf  die  ban  brengen.  Item  man  sol  kein  verdechtige 
person  ausprechen,  keinem  menschen  das  Sakrament  versagen,  wer 
kan  das  thun?  Weiter  so  hat  jetzt  bei  vns  die  hieuor  abgeschafte 
vund  wider  aufgerichto  Eleuation  vnd  praefation  malam  speciem.  So 
doch  Paulus  sagt:  ab  omni  mala  specie  abstinete.  Vber  das  bekennet 
ir  selbst,  das  ir  vns  nit  vorgewiessen  könnt,  das  wir  bei  diesen 
artickeln  pleiben  sollen,  sonder  sagt  nur,  ir  wollet  vns  nichts  wider 
gotes  wort  odder  widder  das  gewissen  auflegenu.  Do  spilt  man  nu 
mit  Gotes  Wort  vnd  gewissen,  wie  man  bey  zwantzig  jaren  mit  dem 
wort  Religion  gespilt  hat.  Versehe  mich  nu,  ich  habe  vrsach  gnug 
augetzeigt,  warumb  ich  mich  in  solchen  Sachen  nit  brauchen  lassenn 
wolle.  Wiewol  ich  bekenne,  das  mir  viel  guts  von  E.  W.  von 
Jugent  auf  gescheen  ist,  bin  ich  doch  nit  aus  dieser  vrsach  gegen 
Wittemberg  geschickt,  das  ich  ein  Interimist  soll  werden,  souder  das 
ich  die  reine  lehr  Christi  lernen  solt.  Das  hab  ich  für  mein  ver- 
mogenn  vnd  alter  gethann,  gedenck  auch  bei  solcher  lehr,  die  ich 
aldo  gefast  habe,  mit  gotes  hilf  bestendig  zu  beharrenn  bis  an  mein 
ende. 

Den  IX.  Nouerabris  ist  mir  die  Antwort  worden:  wiewol  ein  E. 

W.  Rath  der  vorstendigkeit sie  solche  meine  argumenta 

wol  zu  refutiren  wüsten,  wolten  sie  sich  doch  mit  mir  in  Disputation  nit 
einlassen.  Ich  konte  aber  dencken,  dieweil  ich  solchs  nit  thun  wolte, 
das  sie  einen  andern  an  mein  stath  musten  aunhemenn,  solt  mich 
derhalbenu  von  stunt  au  aller  kirchenn  empter  enthalten.  Die  ant- 
wort nam  ich  an,  allein  ich  bat,  dieweil s winter  where  vnd  ich  mit 


286  F.  Hermann,  H.  Rauscher  über  das  Interim  in  Nürnberg. 


weih  vnd  kint.  nit  fort  künde,  man  solt  mir  das  Haus  noch  ein  weil 
lassen,  vnd  darneben  eiu  schrieftlichen  Abschiedt  geben,  warumb  ich 
hie  geurlaubt  vnd  hinweck  zöge.  Darauf  habe  ich  noch  kein  aut- 
wort  bekommen  1). 

Unter  diesenn  fünf  personen  obuermeldet  hat  mau  drey  mit 
guten  Worten  vnd  gelde  abpracticirt,  das  sie  sich  zu  aufricktung  ab- 
goterey  wollen  brauchen  lassenn,  vnd  seint  vnser  noch  zwen2),  vnd 
bin  ich  meins  Ambts  ledig,  weis  nit,  wo  aus  oder  ein,  liab  kein 
trost,  dan  Got  allein;  ille  est  scrutator  cordium  vnd  weis,  warumb 
ich  solchs  gethann  habe,  nemlich  propter  sanctificationem  nominis 
illius.  Ich  liab  viel  spitziger  Wort  müssen  leiden  in  der  handlung, 
sonderlich  das  sich  die  geschicktem!  vom  Rath  frei  hören  Hessen, 
sie  betten  macht,  in  diesem  zu  gebieten  vnnd  zu  ordnen,  wir  solten 
gehorsam  sein,  quod  ego  fortiter  negabam.  Daraus  zu  mercken,  was 
werden  wil,  das  politicus  Magistratus  wil  regnum  Christi  regiren. 

D.  Osiander  hat  vrlaub  begert,  der  ist  im  von  stund  an 
worden:  ist  im  nie  gedanckt  worden  für  die  sieben  vnd  zwentzig  jar. 
die  er  inen  gedient  hat,  noch  ein  Verbum  honoris  gescheen,  das  er 
ein  ander  mal  widerkomen  solt.  Sein  Eidam  M.  Jeronimus 
peselt  kan  seins  vrlaubs  halben  noch  kein  antwort  bekommen3). 

Es  predigen  jetzt  allliie  drey  vngelerte  Bachanten,  die  heucheln 
weidlich,  Avollen  das  Babstumb  verteidingen,  schelten  Osiandrum  vnd 
vns  aufrurer,  böse  hirtenn,  die  das  Creutz  fliehen:  ach  sie  gehen  in 
gotes  wort  vmb  wie  ein  Saw  in  einem  Rubenacker.  So  seint  econ- 
tra  noch  allhie  zwen  rechtgeschaffene  prediger,  illi  nos  defendunt, 
reprehendunt  Magistratum  et  illos  beanos  clamantes  contra  couscien- 
tiam.  Et  sic  turbata  est  nostra  ecclesia  et  inclinat  maior  pars  ad 
Papatum.  Haec,  quae  scribo,  sunt  certa,  alios  rnmores  nolite  curare. 
Diabolus  varia  spargit  mendacia.  Mitto  uobis  consilium  Brentij  in 
simili  causa.  Orate  diligenter  pro  me  et  rescribite  quam  primiun 
poteritis,  et  mihi  hoc  meum  scriptum,  si  tuto  fieri  potest,  remittite. 
Datum  21.  Nouembris.  HR. 

Folgt  das  Gutachten  von  Brenz  über  die  rechte  Stellung  zum 
Interim. 


1)  Die  Bitte  wurde  gewährt,  vgl.  Heide,  220. 

2)  Rauscher  und  Ulrich  Fischer,  vgl.  Heide  220. 

3)  Hier.  Besold  entschloß  sich  nach  Unterhandlungen  mit  dem 
Rath  schließlich  doch  wieder  zum  Bleiben,  vgl.  Heide  223. 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


287 


Kirchengeschichtliches 

in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

znsammengestellt  von 

0.  Rieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  München. 

(Fortsetzung.) 

Aus  Archiv  des  hist.  Vereins  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg. 

Reininger,  N.,  Die  Archidiacone,  Offiziale  und  Generalvicare  des 
Bisthums  Würzbttrg.  Ein  Beitrag  zur  Diözesangeschicbte. 
Bd.  28  (1885),  S.  1. 

Yergl.  liiezu  Bossert  im  folgenden  Bande. 

Kraus,  Johann  Adolph,  Persönliche  Verhältnisse  des  Kauonikus 
Allwalach  in  Franken  (um  780):  S.  267. 

Schnell,  Otto,  Geschichte  der  Salzburg  an  der  fränk.  Saale.  Mit 
besonderer  Rücksicht  auf  die  Zeit  von  der  Übergabe  der  Burg 
an  Bischof  Heinrich  von  Würzburg  bis  auf  den  heutigen  Tag : 
Bd.  29  (1886),  S.  1 (St.  Bonifatius  in  der  Salzburg  S.  5 f . : 
Grundriss  der  Burg  19:  Bau  der  Schlosskapelle  in  Neuhaus 
105  und  der  Bonifatius kapelle  auf  der  Salzburg  115). 

Wieland,  Michael.  Beiträge  zu  einer  Geschichte  von  Hofheim  und 
seiner  Filialen  S.  129  (Pfarr-  und  Frühmesshaus  144:  Pfarr- 
kirche 152,  Kreuzkapelle  160;  Geschichte  der  Pfarrei  171; 
Meßstiftungen  181:  Schule  184:  Pfarrfilialen  185;  Urkunden- 
regesten von  1170  bis  1808:  S.  217). 

Ullrich,  Philipp  Emil,  Liber  regulae  ecclesiae  Haugensis  (Calen- 
darium  mit  Jahrtagsstiftungen  von  1002  bis  1600,  zugleich 
erläutert.  Nebst  alphabetischem  Namens-  u.  Sachregister)  : S.  249. 

Bossert,  Gustav,  Zur  Geschichte  der  Archidiakone  und  General- 
vikare der  Diöcess  Würzburg  S.  345  (Nachtrag  zu  Re  ini  ng  e r 
in  Bd.  28). 

Ullrich,  Phil.  Emil,  Statuta  ecclesiae  collegiatae  ad  St.  Joannem 
Baptistam  et  Joannem  Evangelistam  in  Hange  Herbipoli  existen- 
tis  (abgefasst  nach  dem  Konzil  zu  Trient:  mit  Inhaltsüber- 
sicht): Bd.  30  (1887),  S.  1. 

Mortuarium  Haugense  (enthaltend  die  1693 — 1818  verstor- 
benen Stiftsherren  zu  St.  Haug.  Mit  alphabetischem  Personen- 
index) : S.  85. 

Schnell,  Otto,  Personalstand  der  Cistercienser-  Abtei  Bildhausen 
während  der  Zeit  ihres  Bestandes  S.  135. 

Grundriss  der  Klostergebäude  von  Bildhausen  nach  dem  Stand 
von  1788  nebst  Erläuterungen  S.  173  (mit  einer  grossen 
kolorirten  Ansicht  am  Ende  des  Bandes). 


0.  Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften. 


288 

Pöhlmann,  Carl.  Der  Dom  zu  Würzburg.  Kunstgeschichtlielie 
Studie  S.  187  (mit  Tafel  I — V)- 

Wagner,  K;.  Graf  Johann  HI.  v.  Wertheim  S.  265  (Marienkirche 
und  Kilianskapelle  zu  W.  S.  267). 

Bossert,  Gustav.  Die  Kirchenheiligen  der  Würzburger  Diöcese  in 
württeinbergisch  Franken:  Bd.  31(1888),  S.  1. 

Wieland,  Michael,  Registrum  literarum  et  privilegiorum,  quae  in 
capitulo  et  custoria  maioris  ecclesiae  Herbipolensis  continentur. 
Mit  einem  Orts-.  Personen  und  Sachverzeichnis.  S.  13. 

Ullrich,  Phil.  Emil.  Reihenfolge  der  Kapitulare  und  Vikare  des 
Stiftes  Haug  zu  Würzburg  vom  Jahre  1691 — 1808:  S.  109 
(Mit  Personenregister). 

Amrhein,  August,  Reihenfolge  der  Mitglieder  des  adeligen  Dom- 
stiftes zu  Wirzburg.  St.  Kilians-Brüder  genannt,  von  seiner 
Gründung  bis  zur  Säkularisation.  1.  Abtheilung  (742 — 1491): 
Bd.  32  (1889),  S.  1 (Beilagen  S.  283).  2.  Abtk.  (1491  bis 
1803):  Bd.  33  (1890),  S.  1 (Beilagen:  Series  der  Wirzburger 
Bischöfe  S.  317 : der  Dompröpste,  Domdekane  etc.  32-5;  Ver- 
zeichnis der  in  höheren  kirchlichen  Würden  stehenden  Dom- 
herrn 335;  alphabetisches  Namensregister  über  das  Ganze  339). 

Stein,  Schweinfurt  in  der  karolingischen  Zeit:  Bd.  34  (1891), 
S.  1 (Kirchengut  S.  7). 

Boss  ert,  Gustav,  ZurGeschichte  der  Würzburger  Weihbischöfe  S.  15. 

Haupt,  H.,  Zur  Geschichte  der  revolutionären  Bewegungen  in 
Würzburg  unter  Bischof  Gerhard  von  Schwarzburg  (1372  bis 
1400:  Beitrag  zur  Papst-  und  Kirchengeschichte  dieser 
Zeit) :‘  S.  23. 

Wieland,  Michael,  Geschichte  des  Marktfleckens  Euerdorf  und 
der  zu  dieser  Pfarrei  sonst  und  jetzt  gehörigen  Filialorte 
S.  33  (Pfarrkirche  45:  Willibrords-Kapelle  51:  Geistliche 
Korporationen  52  * Geschichte  der  Pfarrei  mit  ihren  Filialen  60  ). 

Wittmann.  Pius,  Würzburger  Bücher  *in  der  k.  schwedischen 
Universitätsbibliothek  zu  Upsala  S.  111:  Redaktionsbemerkung 
hiezu  S.  233. 

Würzburger  Bücher  in  der  Domkirchen-Bibliothek  zu  Streng- 
näs  S.  161. 

Weikert.  Vineenz,  Eine  gestörte  Jagdpartie  1669  und  Rechts- 
streit deswegen  bis  zum  Jahre  1674  zwischen  dem  Hochstifte 
Würzburg  und  dem  Kloster  Schwarzach.  Kulturbild  aus  dem 
17.  Jahrhundert.  S.  163. 

Schnell,  Otto.  Das  ehemalige  Carmelitenkloster  in  Neustadt  a Saale 
(mit  Grundriss):  S.  181. 

Sixt,  Friedrich,  Chronik  der  Stadt  Gerolzhofen  in  Unterfranken. 
Mit  Stadtplan,  mehreren  Abbildungen  und  sonstigen  Beilagen. 
I.  Theil:  Denkwürdiges  von  Stadt  und  Markung.  Bd.  35 


0.  Bieder.  Ana  historischen  Zeitschriften. 


289 


(1892)8.  33  (Pfarrkirche  and  Kapelle  oder  das  „Beinhans“  55: 
Spital  mit  Kirche  64:  Nann  enklosfcer  70:  -Gotteshaus-  und 
Pfarrei-Geschichte“  1Ö7  : Schulwesen  im  15.,  16.  und  17.  Jahr- 
:::  ' : : 119  8 ' . - " o . ’ ' _ ' ' 1445  8 123  — voll- 

ständiger und  richtiger  in  Bd.  3.  H.  1.  8.  158  mitgeteilt); 
II.  Theil:  Darstellung  des  äusseren  politischen  Lebens  wie  des 
. - r St  ' 141  . - K 

gut  des  Stiftes  Fulda  141 ; als  Stifts  Stadt  des  Bisthnms  Würz- 
bnrg  146:  Zerstörung  des  Nonnenklosters  im  Banernkriege  161: 
strenge  Massregeln  der  Würzburger  Bischöfe  zur  Gegenrefor- 
mation in  G.  tmd  Verweisung  der  Lutheraner  ans  Stadt  nnd 
Stift  169  n.  174:  Hexen  Verfolgungen  im  Stifte  Würzburg, 
G.  ein  Hanptriehtplatz  der  Hexen  nnd  Unholdinnen  175:  Ver- 
zeichnis der  Pfarrer  2 02). 

Stamminger,  .J.  B..  Würzburgs  Knnstleben  im  18.  .Jahrhnndert 
S.  209  (Erwähnung  verschiedener  kirchlicher  Bauten.  Bildne- 
reien  und  Gemälde  etc.). 

Böhm,  Ludwig,  Kitzingen  ond  der  Bauernkrieg.  Nach  den  Ori- 
ginalakten  des  Kitzinger  Stadtarchivs.  Bd.  36  1898).  8.  1 

i Einführung  der  Beformation  8.  5 : christliche  Predigt  wider 
die  nnchristliehen  Empörer  27  n.  129:  Fürbitte  des  Pfarrers 
Meglin  fhr  die  armen  Geblendeten  117:  Dr.  Karlstadt  180: 
Pfarrer  Meglin  169;  Orts-  nnd  Personenregister  173). 

Maverhofer.  J ohannes , Kleine  Beiträge  znr  Geschichte  des  Klosters 
St.  Stephan  in  Wnrzbnrg  S.  187. 

Kerle  r.  Znm  Gedieh  miss  des  Fürstbischofs  Franz  Lndwig  v.  Erthal. 
Mittheilnngen  ans  Oberthürs  handschriftlichem  Nachlass  nnd 
anderen  zeitgenössischen  Quellen  Mit  Porträt),  Bd.  87 
(1895),  S.  1. 

Päpstliche  Urknnden  für  das  St.  Stephans-Kloster  zn  Würz- 
et _ ans  .7;...; 1-28  — 1452  8.  7c*. 

Bessert.  Gustav,  Der  Besitz  des  Klosters  Weissenbnrg  (im  Elsaß) 
in  Ostfranken  S.  98. 

F.  v.  B.y  Wnrzbmg  zn  Anfang  des  vorigen  Jahrhundert'  17  2 2.  ans 
M : • • . Z-:t  8 268  8 

Domkapelle  nnd  Jnlinshospital  264:  Sehottenklosr-  268 

Wielandr  M ..  Die  Karthanse  Ostheim  and  ihre  Bewohner : Bd.  38 
(1896).  8.  1 mit  einer  Abbildung  auf  S.  11.  welche  der  in 
Bd.  9,  II.  1 mitgeteilten  ganz  gleich  ist). 

Amrhein,  Ä..  Geschichte  des  ehemaligen  Benediktinerklosters  Holz- 
kirehen  (Bezirksamts  Marktheidenfeldi : S.  37. 

Beitrag  znr  Geschichte  des  Schlosses  Homburg  (Hohenburg) 
a.  M.  8.  183  (Kloster  Hohenbnrg  nnd  Neustadt  etc.  137  : Ka- 
pelle zn  Ehren  des  hl.  Torpes  183). 


290 


Zur  Bibliographie. 


Zur  Bibliographie.*) 

Müller,  Emil,  Pf.  in  Quirnbach.  Zur  Geschichte  des  höheren 
Schulwesens.  1.  Die  Kameral schule  in  Kaiserslautern  (1774- 
1784).  II.  Die  Verhandlungen  über  die  Errichtung  einer 
theologischen  Akademie  in  Zweibrücken  (1803  — 1812).  Auf 
Grund  archivali scher  Studien  dargestellt.  Kaiserslautern.  Eugen 
Crusius  Verlag  1899.  — 1,20  Mk. 

Specht,  Thomas,  das  Projekt  der  Ueberlassung  der  Universität 
Dillingen  an  den  Orden  der  Benedictiner  und  Fideisten  am 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts.  Jahrb.  des  historischen  Vereins 
Dillingen . XI.  Jahrg.  1898.  1 Mk. 

Schild,  Fr.  X.,  Rückführung  d.  Stadt  Lauingen  zur  katho- 
lischen Religionsübung  nach  handschriftlichen  Quellen  im 
dortigen  Archiv  bearbeitet  ebendas.  X.  Jahrg.  1897.  S.  98 ff. 
XI.  1898  S.  115  ff. 

(Ke Iber,  Julius,  Oberkonsistorialrat),  Geheimrat  Dr.  1).  von  Bucli- 
rucker.  Allg.  Evaug.  Lutherische  Kirchenzeitung  1899  Nr.  8. 
24.  Febr.  S.  177  ff 

G.  Holzhäuser,  D.  von  Buchruckers  N.  kl.  Zeitschrift  1899 
Heft  1. 

C.  Burger,  D.  v.  Buchrucker.  Sein  Leben  und  seine  Werke  ebd. 
1899  Heft  5. 

^Eckstein  Dr.  A.,  Distriktsrabbiner,  Geschichte  der  Juden  im 
ehemaligen  Fürstentum  Bamberg,  bearbeitet  auf  Grund  von 
Archivalien  nebst  urkundlichen  Beilagen  Bamberg  o.  J.  (1898). 
Druck  und  Verlag  des  Handelsdruckerei.  — 326  S.  5 Mk. 

Es  liegt  in  der  ganzen  Entwicklung  begründet,  daß  die  Geschichte 
des  Judentums  eines  Gebietes  in  der  Regel  ein  Correlat  seiner  Kirchen- 
geschichte ist,  und  das  ist  noch  in  höherem  Grade  der  Fall,  wenn  es  sich 
um  ein  geistliches  Gebiet  handelt.  Deshalb  wird  man  eine  Spezialge- 
schichte wie  die  vorliegende  auch  vom  kirchenhistorischen  Standpunkte 
begrüßen  dürfen.  Im  allgemeinen  beweist  sie  die  bekannte  Thatsache,  daß 
trotz  zeitweiliger  Verfolgungen  die  Juden  nirgends  ungehinderter  lebten 
als  unter  den  geistlichen  Fürsten,  die  sie  dafür  auch  besser  zu  brand- 
schatzenverstanden, als  die  weltlichen  Regierungen,  übrigens  auch  dies,  was 
nicht  für  alle  geistliche  Gebiete  zutrifft,  daß  die  Macht  der  Juden  schon 
im  16.  Jahrh.  im  Bambergischen  eine  derartige  war,  daß  verschiedene 
Ausweisungsbefehle  völlig  wirkungslos  blieben.  Bei  der  dadurch  ermög- 
lichten Sesshaftigkeit  fließt  auch  das  Material  für  der  Geschichte  der  Barn- 
berger  Judenschaft,  ihrer  Verfassung,  ihres  Rechts,  ihrer  gottesdienst- 
lichen und  gesellschaftlichen  Entwicklung  reicher  als  das  sonst  der  Fall 
ist,  und  der  Verf.,  der  keine  Mühe  gescheut  hat,  hat  ungemein  viele, 
namentlich  kulturhistorisch  wichtige  Nachrichten  zusammengetragen,  auch 
viele  Urkunden  mitgeteilt,  aber  der  Schriftsteller,  der  hin  und  wieder  etwas 
breit  ist,  macht  es  dem  Leser  nicht  gerade  leicht,  sich  über  den  Zustand 


*)  Die  mit  * verseheneu  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlägigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Znr  Bibliographie. 


M 


der  Juden sehaft  in  einer  bestimmten  Epoche,  über  das  V erhältnis  der  Chri- 
sten zu  ilinen,  ihre  Gerechtsame  ete.  zu  orientieren,  da  er  keine  fortlaufende 
chronologische  Darstellung:  giebt,  sondern  seinen  Stoff  nach  sachlichen 
Gesichtspunkten  unter  eine  Beike  yon  Eubriken  yerteilt.  Im  einzelnen 
wird  der  christliche  Leser  manches  anders  beurteilen.  Pie  Aufzählung 
der  zu  hohem  Ansehen  gelangten  ge tanften  Juden  aus  Bamberg  macht  keinen 
schönen  Eindruck.  Und  die  Bemerkungen  über  den  ursprünglich  jüdischen 
Stammbaum  eines  jetzt  in  Bamberg  lebenden,  angesehenen  Industriellen 
haben  eiuenrecht  hässlichen  Beigeschmack  S.  *2vi  . Pie  mir  interessante  No  dz 
derselben  Seite,  daß  ein  Hof  jude  des  Kurfürsten  Max  Joseph,  der  mit  ihm  nach 
München  gezogen,  dort  getauft  worden  sei  und  als  erster  Protestant  das 
Münchner  Bürgerrecht  erhalten  habe,  kann  ich  nicht  kontrollieren.  End- 
lich möchte  ich  bemerken,  dass  ein  Jude  die  Datierung  „im  Jahre  des 
Heils*  ($..  97  . die  doch  wie  Hohn  in  seinem  Munde  klingt,  lieber  unter- 
lassen sollte. 

P.  Emmeram  Heindl,  O.  S.  B.  in  Andechs.  Das  Pfarrdorf  Er- 
ling bei  Andechs  in  seiner  Vergangenheit  und  Gegenwart. 
Ergänzung  nnd  2.  Teil  zu  des  Verfassers  Buch:  »der  heilige 
Berg  Andechs-.  Mit  Titelbild  und  1 Abbildung  im  Text. 
München  1899.  Verlag  der  J.  J.  Lentnerschen  Buchhandlung. 
E.  Stahl  jun.  106  S.  2 Mk. 

Theobald.  EL  Beiträge  zur  Geschichte  Ludwig  des  Baiem.  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  Mannheim.  1S98.  4°.  51  S. 

F.  L.  Banmann.  Die  Eidgenossen  nnd  der  deutsche  Bauernkrieg. 
Sitzungsber.  d.  phHosophisch-philologisehen  und  der  historischen 
Klasse  d.  k.  b.  Akademie  d.  Wissenschaften  zu  München  1899. 
Heft  1 8.  37  ff. 

Realeneyklopädie  für  protestantische  Theologie  und  Kirche  heraus- 
sreseben  yon  Albert  Hauck  3.  Auft.  Bd.  VI  enthält  folgende. 

<2  <2  kJ 

die  bayerische  Kirchen  geschieht  e betreffende  Artikel:  Förster. 

~ 1 r W Germane  — Fron:k  Secasriar. 

jj*  1542  od.  1543  yon  A.  Hegler.  — Franck,  Franz  f 1894 
yon  E.  Beeberg.  — Freising  yon  A.  Hauck.  — Frösch el,  Seba- 
stian aus  Arnberg  j 1570  yon  Germann.  — Funck,  Johann 
y 1566  yon  Tschackert.  — Georg.  Markgraf  von  Brandenburg 
f 1543  von  Erdmann.  — Gerhoh  y.  Eeiehersberg  f 1169 
von  E.  EochoU.  — GloeL  Joh.  j 1891  von  W.  Caspari.  — 
Görres,  Joh.  Jos.  | 1848  von  Mirbt.  — 

Piffrader.  die  bayrischen  Hluminaten  nnd  der  Clerus  im  Burg- 
grafenamte  und  Vintschgan  während  des  J.  1806 — 1809.  Vach 
Jos.  Ladurners  Unterlassenen  Schriften.  Innsbruck  Vereins- 
Inckli.  ni.  182  S.  gr.  8 — 1,80  Mk. 

* Mitteilungen  des  Alsertnmsyereins  für  Zwickau  und  Umgegend. 
VI.  Heft.  Zwickau  1899.  Enthaltend  Lie.  Dr.  Otto  Clemen. 
J.'katitirs  S/Prius  — Pr::.  Fr.  Erz?:  FP:::,  Pie 

Einführung  des  Buchdrucks  in  Zwickau  1523.  Mit  2 Vach- 
trägen: 1.  Die  Familie  Schönsberger : 2.  Georg  Gastel  und  ur- 
kundliche Beiträge  aus  dem  Zwickauer  Eatsarchiy  der  Zwick- 


292 


Zur  Bibliographie. 


auer  Ratsscliulbibliothek : 1.  Beiträge  Haus  Schönsberger  und 
die  Zwickauer  Druckerei  betreffend:  2.  Beiträge  (Briefe)  Jörg 
Gastei  betreffend:  3.  Die  ältesten  Zwickauer  Drucke  (ein 
sehr  wertvolles,  typographisch  genaues  Verzeichnis  von  92 
für  die  Reformationsgeschichte  sehr  wichtigen  Zwickauer 
Drucken  aus  den  Jahren  1523 — 26). 

Wolfram,  Di*.  Ludwig,  Gymnasiallehrer,  Dje  Illuminaten  in  Bayern 
und  ihre  Verfolgung.  Auf  Grund  aktenmäßigen  Befundes  dar- 
gestellt. I.  Teil.  Programm  des  humanistischen  Gymnasiums 
in  Erlangen.  1899. 

*Roth,  Christian,  Dr.  jur.,  Rechtspraktikant,  Sonntagsfeier  und  Sonn- 
tagsruhe in  Bayern  unter  Berücksichtigung  der  einschlägigen 
Gesetze  und  Verordnungen  etc.  München,  J.  Schweitzer.  Ver- 
lag (Arthur  Sellier)  1899.  VIII  u.  176  S.  8°.  kartoniert. 

Obwohl  Seeberger,  Handbuch  der  Amtsführung,  die  betreffende  Ma- 
terie natürlich  auch  ausführlich  behandelt,  wird  die  vorliegende  Arbeit 
gewiß  auch  vielen  Geistlichen  sehr  willkommen  sein.  Wertvoll  erscheint 
mir  namentlich  die  historische  Einleitung  über  die  Verminderung,  die  so- 
genannte „Abwürdigung“  der  Feiertage  in  Bayern,  die  Feier  des  Landes- 
und Diözesanpatrozinien  sowie  überhaupt  über  die  Geschichte  der  ein- 
schlägigen Gesetzgebung.  Nicht  ganz  klar  ist  die  Aufzählung  auf  S.  33, 
die  schwerlich  unter  die  Rubrik  „allgemeine  Bestimmungen“  gehört,  und 
zum  mindesten  wäre  wünscheuswert  gewesen,  die  sicher  nur  sehr  wenigen 
Orte,  an  denen  protestantiseherseits  Mariä  Lichtmeß,  Mariä  Verkündigung, 
Johannes  der  Täufer  und  Peter  und  Paul  gefeiert  wird,  anzugeben.  Einen 
deutlicheren  Beweis  dafür,  daß  von  wirklicher  Parität  in  Bayern  immer 
noch  nicht  die  Rede  sein  kann,  gibt  es  übrigens  kaum  als  die  Ablehnung 
des  Wunsches  der  Generalsynode  1873  der  Gleichstellung  des  allgemeinen 
Buß-  und  Bettages  und  des  Reformationsfestes  mit  den  katholischen 
Feiertagen  hinsichtlich  der  öffentlichen  Lustbarkeiten  S.  93.  Das  ist  ein 
Punkt,  auf  den  nicht  genug  aufmerksam  gemacht  werden  kann,  und  der 
immer  wieder  auf  die  Tagesordnung  kommen  muß. 

*Jung,  Hermann,  kgl.  Dekan,  Das  Gymnasium  zu  Zweibrücken 
und  die  Zweibrückener  Kirckensckaffnei.  Eine  historische  Skizze 
und  eine  Rechtsfrage.  Zweibrücken  1899.  19  S. 

Enthält  eine  kurze  Geschichte  der  Hornbacher  Schule  und  des  daraus 
hervorgegangenen  Gymnasiums  zu  Zweibrücken,  die  entgegen  den  neuer- 
dings  gemachten  Versuchen,  den  Konfessionsstand  des  betreffenden  Gym- 
nasiums zu  alterieten,  den  stiftungsgemäß  protestantischen  Charakter  der 
Anstalt  feststellt. 

*Dr.  Philipp  Keiper  und  Rudolf  Buttmann,  Kanzleiordnung 
des  Herzogs  Wolfgang  von  Zweibrücken  vom  2.  Januar  1559. 
Separatabdruck  aus  Heft  XXIII  der  Mitteilungen  des  histori- 
schen Vereines  der  Pfalz.  Speier  1399. 

Die  Herausgabe  dieser  augenscheinlich  mit  großer  Sorgfalt  auf 
Grund  einer  Göttinger  und  einer  Neuburger  Handschrft,  unter  Hinzu- 
nahme der  etwas  umgearbeiteten  Kanzleiordnung  des  Herzogs  Johann  I. 
vom  27.  Januar  1586  (Zweibrückener  Handschrift)  gearbeitete,  mit  kurzen 
Erläuterungen  versehene,  erste  Druckausgabe  der  umfassenden  Kanzlei- 
ordnung des  Herzogs  Wolfgang  von  Zweibrücken,  ist  in  erster  Linie 
natürlich  für  die  Geschichte  der  Behördenorganisation  von  Wichtigkeit, 
erteilt  aber  wie  die  Herausgeber  mit  Recht  sagen  (S.  139),  auch  manchen 
interessanten  Aufschluß  überden  Geist,  in  dem  daskleineLandregiert  wurde. 


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