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BEITRAGE
wy-/
ZUR KEMTNISS
DES RUSSISCHEN REICHES
UND DER
ANGRENZENDEN LÄNDER ASIENS.
DRITTE FOLGE.
AUF KOSTEN DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON
L. v. SCHHINCK und C. J. MAXIMOWICZ,
B-AJSTID I.
Graf D. A. TOLSTOI, das akademische Gymnasium und die akademische
UNIVERSITÄT IM XVIII. JAHRHUNDERT.
AUS DKM RUSSISCHEM VON F. VON KÜdELOEN.
JH*
0C1
Of
YflO
JIS
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Printed in W-Germany
Gesamtherstellung: Proff & Co. KG, Bad Honnef a. Rhein
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DAS AKADEMISCHE GYMNASIUM
UND
DIE AKADEMISCHE UNIVERSITÄT
IM XVIII. JAHRHUNDERT,
NACH HANDSCHRIFTLICHEN DOCUMENTEN DES ARCHIVS DER AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
VON
GRAF D. i. TOLSTOI.
AUS DEM RUSSISCHEN VON
I?. v. KÜGKLGKN.
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f/y-7
V
Von den Herausgebern
Indem wir mit dem vorliegenden Bande eine neue,
dritte Folge der «Beiträge zur Kenntniss des Russischen
Reiches und der angrenzenden Länder Asiens» eröffnen,
nachdem die zweite Folge derselben erst vor sieben Jahren
begonnen wurde und es nicht über neun Bände gebracht
hat, während die erste Folge deren 25 zählt, halten wir
uns für verpflichtet, einige Worte zur Erläuterung dessen
vorauszuschicken, warum es uns nothwendig scheint, nach
so kurzem Zwischenräume wiederum einen grösseren Ab¬
schnitt im Erscheinen der genannten Sammelschrift eintre-
ten zu lassen.
Die Veranlassung dazu liegt, wie es auch beim Eröffnen
der zweiten Folge der Fall war, lediglich im theilweisen
Wechsel der Herausgeber. Am 6/18 Februar des vergan¬
genen Jahres wurde der Akademie eines ihrer ältesten und
geschätztesten Mitglieder durcli den Tod entrissen, der
General-Lieutenant der Bergingenieure Gregor von Hel¬
mersen, der zugleich einer der Herausgeber der «Beiträge»
war. Es ist hier nicht der Ort, auf die wissenschaftlichen
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Leistungen dieses um die Geographie, Geologie und Mon¬
tanindustrie Russlands hochverdienten Mannes einzugehen.
Auch ist dies bereits mehrfach, in der Akademie sowohl
wie in anderen wissenschaftlichen Instituten und Gesell¬
schaften, deren Mitglied er war, geschehen. Hier können
wir uns aber nicht versagen, sei es auch nur in wenigen
Worten, auf seine vieljährige Thätigkeit an und in den
«Beiträgen» hinzuweisen.
Mit C. E. von Baer hat Gregor von Helmersen im
Jahre 1839 die «Beiträge zur Kenntniss des Russischen
Reiches» begründet und in ununterbrochener Reihenfolge
40 Jahre hindurch herausgegeben, wobei er in denselben
auch viele eigene Arbeiten veröffentlichte. So enthält gleich
der II. Band derselben die vom General-Major Gens ge¬
sammelten und von Helmersen bearbeiteten «Nachrichten
über Chiwa, Buchara, Chokand und den nordwestlichen
Theil des chinesischen Staates»; den Y. und VI. Band füllt
seine eigene Reise nach dem Ural und der Kirgisensteppe
in den Jahren 1833 und 1835 und den XIV. Band seine
Reise nach dem Altai im Jahre 1834 aus; im XVII. Bande
theilte Helmersen die von ihm nach den hinterlassenen
Aufzeichnungen Alexander Lehmann’s bearbeitete Reise
desselben nach Buchara und Samarkand, aus den Jahren 1841
und 1842, mit; den XXI. Band ferner nehmen Helmers en’s
und R. Pacht’s Geognostische Untersuchungen im mittle¬
ren Russland ein, und auch der XXIV. Band endlich, ge¬
mischten Inhalts, hat meist von Helmersen verfasste Ar¬
tikel zur Geographie und Geologie Russlands aufzuweisen.
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vn
Nach dem im November 1876 erfolgten Tode Baer’s
setzte Helmersen trotz vorgerückten Alters die ihm lieb¬
gewordene Arbeit fort, indem er mit einem der Unterzeich¬
neten auch die zweite Folge der «Beiträge» herausgab. Und
auch dieser reihte er eine grössere eigene Arbeit ein, wir
meinen seine, den Y. Band dieser Folge bildenden «Geologi¬
schen und physico-geographischen Beobachtungen im Olo-
nezer Bergrevier». Zwischen dieser und jenen im Beginn
der «Beiträge» erschienenen Schriften Helmersen’s liegt
ein Zeitraum von 43 Jahren, und wie jene oben genannten
Schriften zu seinen ersten wissenschaftlichen Arbeiten ge¬
hörten, so bildet dieses Werk die letzte grössere Arbeit
unseres verehrten hingeschiedenen Collegen.
Was nun die jetzt eröffnete dritte Folge der «Beiträge»
betrifft, so soll, trotz des theilweisen Wechsels der Heraus¬
geber, in der Form und überhaupt in der ganzen Art und
Weise ihres Erscheinens, der zweiten Folge gegenüber,
keinerlei Veränderung gemacht werden, so dass das vor
sieben Jahren bei Beginn der letzteren Gesagte vollständig
auch für die jetzt eröffnete, dritte Folge der «Beiträge» gilt.
Ein glücklicher Zufall will es, dass wir diese neue
Folge mit einer Schrift unseres hochverehrten Präsidenten,
Grafen D. A. Tolstoi, beginnen können, einer Schrift,
welche die Anfänge der Aufklärung, der Schul- und wissen¬
schaftlichen Bildung in Russland behandelt und zugleich
die Rolle beleuchtet, welche dabei der eben begründeten
Akademie der Wissenschaften zufiel. Sind geschichtliche
und culturhistorische Abhandlungen über Russland, wie es
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schon hei Begründung der «Beiträge» ausgesproclien wurde,
aus dem Rahmen derselben keineswegs ausgeschlossen, und
haben die «Beiträge» neben den allerdings stark überwie¬
genden Arbeiten geographischen und naturhistorischen In¬
halts auch in dieser Richtung Manches Schätzenswerthe
gebracht, so gehören historische Abhandlungen, die, ihren
Stoff aus den Archiven der Akademie selbst schöpfend, sich
unmittelbar auf die Thätigkcit derselben in vergangener
Zeit beziehen, in ganz gleichem Maasse wie die noch heut¬
zutage zur Erforschung Russlands von ihr ausgehenden
gelehrten Arbeiten, wissenschaftlichen Expeditionen u. s. w.,
recht eigentlich in die auf Kosten der Akademie und
von Mitgliedern derselben herausgegebenen «Beiträge zur
Kenntniss des Russischen Reiches».
L. Y. SCHRENCK. C. J. MAXJMOWICZ
Mai 1886.
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DAS AKADEMISCHE GYMNASIUM
IM XYLII. JAHRHUNDERT.
Schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war die Ab¬
sicht vorhanden in St. Petersburg ein Regierungs-Gymna¬
sium zu gründen: in den Acten der Akademie der Wissen¬
schaften hat sich ein Manuscript erhalten unter der Ueber-
schrift «Einrichtung und Abtheilung der Information in dem
Gymnasio Petrino, anno 1706». Nach diesem Plan sollte
das Gymnasium aus sechs Classen bestehen und war zum
Hauptgegenstand die lateinische Sprache bestimmt; von den
fremden Sprachen waren eingeführt: die deutsche, französi¬
sche und italienische, in der dritten Classe auch die schwe¬
dische. Dieses Gymnasium ist indessen nicht eröffnet worden.
Die Gründung des akademischen Gymnasiums fällt mit Inspector des
der Gründung der Akademie selbst zusammen. Zur Einrich- °Bayer! 1 " 8
tung und Verwaltung des Gymnasiums wurde aus Preussen
der Prorector der Königsberger Kathedralschule, Professor
der Alterthümer Theophil Siegfried Bayer, Orientalist und
Numismatiker, auch trefflicher Kenner der alten Sprachen,
Beltr&go z. Kenntnis! d. Rnss. Reiches. Dritte Folge. 1
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berufen; er beschäftigte sich insbesondere mit der chine¬
sischen Geschichte und Literatur; aus seinen ins Russische
übersetzten Werken war ihrer Zeit die «Geschichte des
Lebens und der Thaten des Moldauschen Gospodaren Für¬
sten Constantin Kantemir» (1783) recht bekannt. Der
Präsident der Akademie Blumentrost schloss am 3. De-
cember 1725 mit Bayer einen formellen Contract, laut
welchem er Bayer anheimstellte, nach dem von ihm vor¬
gestellten Project, das Gymnasium einzurichten, es zu ver¬
walten und nach seiner eigenen Einsicht zu leiten, die
Stunden und Unterrichtsgegenstände festzusetzen und die¬
jenigen Schullehrbücher und Unterrichtsmethoden einzu¬
führen, welche ihm richtig erschienen. Bei einem solchen
Contract konnte natürlich von irgend einem Statut für das
Gymnasium auch nicht einmal die Rede sein; es war nur
die Zeit des Unterrichts, nämlich Vormittag von 9— 11 Uhr
und Nachmittags von 2—4 Uhr, festgesetzt. Am 3. Sep¬
tember 1728 wurde Bayer officiell zum Inspector des
Gymnasiums ernannt.
Im Jahre 1726 wurden 112 Schüler ins Gymnasium
aufgenommen und unter ihnen einige gut vorbereitete, oder
aber Kinder bekannter Familien: Golizvn, Buturlin, der
Sohn des Senators, der Prinz Tamir Chan Assanbekow,
der Sohn des regierenden Fürsten der Gebirgs-Tcherkessen
u. a. m.
Die i72c> ins Bei dieser ersten Aufnahme traten auch Adadurow,
iiufgenomme- Kondoidi und Taubert ins Gymnasium ein, die in der
nen Schaler. p 0 ]g e re cht bekannt geworden sind.
Adadurow. Adadurow beschäftigte sich anfangs in der Akademie
der Wissenschaften mit Uebersetzungen aus dem Deutschen
ins Russische, übersetzte dann aus dem Deutschen und gab
1739 heraus das Lehrbuch des Akademikers I< rafft von
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den Maschinen und 1740 das Euler’sclie Handbuch der
Arithmetik für das akademische Gymnasium. Seine Specia-
lität waren die mathematischen Wissenschaften, wesswegen
er 1733 zum Adjuncten für das Katheder der höheren Ma¬
thematik ernannt wurde, in welchem Amte er bis 1741 ver¬
blieb. Aber gleichzeitig beschäftigte sich Adadurow auch
mit der russischen Literatur, was den Grund zu seiner Ernen¬
nung als Lehrer der russischen Sprache bei der Grossfürstin
Katharina Alexejewna abgab und ihn den Staatsmännern
aus der Zeit der Kaiserin Elisabeth Petrowna bis zu
dem Grade näher führte, dass er am Ende ihrer Regierung
wegen Betheiligung an dem bekannten politischen Process
des Kanzlers Grafen A. P. Bestushew-Rjumin, in wel¬
chen die Grossfürstin Katharina Alexejewna verwickelt
war, aus St. Petersburg als Vice-Gouverneur nach Oren-
burg entfernt wurde. Nachdem sie den Thron bestiegen,
eröffnete sich für Adadurow eine umfassendere dienstliche
Thätigkeit: 1762 wurde er zum Curator der Moskauer
Universität und zum Präsidenten des in Moskau befindli¬
chen Manufactur-Collegiums ernannt. Die Universität dankt
ihm die Gründung eines Katheders für Anatomie und die
Einrichtung eines anatomischen Theaters, so wie eine Ver¬
ordnung über die Herausgabe von Werken in der juristi¬
schen Facultät. Adadurow fuhr fort sich mit der russi¬
schen Literatur zu beschäftigen und gab in der Folge im
Jahre 1768 «Regeln der russischen Orthographie» heraus.
Kondoi'di (Paul) wurde von seinem Onkel Athanasius Kondoidi.
Kondo'idi, dem Erzieher des Fürsten Antioch Kantemir,
der von Peter dem Grossen gleich bei Gründung des
Synods zum Assessor und später zum Rath desselben er¬
nannt worden war, in der Folge Bischof von Wologda und
später von Susdal war, in das akademische Gymnasium ge-
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geben. Paul Kondoidi, aus Korfu gebürtig, hatte früher
in Venedig Unterricht gehabt, ging nach Beendigung seiner
Bildung an der St. Petersburger Akademie der Wissen¬
schaften an die Universität zu Leyden, wo er den Cursus
der medicinischen Facultät durchmachte; nachdem er dort
1733 den Grad eines Doctors der Medicin erhalten, kehrte
er nach St. Petersburg zurück. Zum Feldarzt ernannt, be¬
fand er sich 1737 bei der Armee des Feldmarschalls Grafen
Münnich und wurde im folgenden Jahre zum Generalstabs-
Doctor befördert. Später wurde er zum Hof-Medicus erho¬
ben und 1753 zum Director der Medicinal-Kanzelei er¬
nannt, in welch’ wichtigem administrativ-ärztlichen Amte
er bis zu seinem Tode im Jahre 1760 verblieb und den russi¬
schen Medicinal-Institutionen beträchtlichen Nutzen brachte.
Adadurow und Kondoidi waren im Gymnasium Schü¬
ler des bekannten Akademikers und Historiographen Mül¬
ler. «Ich verstand ihre Sprache nicht», sagt Müller,
«so wenig als sie die meinige»; aber da sie einigermaassen
in der lateinischen Sprache vorbereitet waren, Adadurow
im iTowgorodschen Seminar, wo er früher unterrichtet wor¬
den war, und Kondoidi in seiner Heimath oder in Venedig,
so erklärte ihnen Müller die schweren Stellen lateinischer
Schriftsteller «durch bekanntes Latein» und fand, dass diese
Schwierigkeit ihnen zum Nutzen gereichte.
Taubert. Taubert war Bibliothekar der öffentlichen Bibliothek,
beschäftigte sich mit Uebersetzungen und war in der Folge,
in der Stellung eines Raths der akademischen Kanzelei,
eine sehr einflussreiche Persönlichkeit in der akademischen
Administration.
Nach demZeugniss Miiller’s wurden damals ausser den
officiell im Gymnasium eingeschriebenen Schülern Kinder
der besten Familien, unter welchen er Nowossilzew und
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Adam Wassiljewitsch Olssufjew 1 ), späteren Staatssecretär
der Kaiserin Katharina, nennt, in einigen Fächern, be¬
sonders bei den Lehrern Kramer und Schwanwitz, im
Gymnasium unterrichtet.
Auf Grundlage des abgeschlossenen Contracts theilte
Bayer das Gymnasium in zwei Abtheilungen: die deutsche
oder Vorbereitungsschule, welche in drei Classen zerfiel,
und die lateinische, welche aus zwei Classen bestand. Die
deutsche Schule war desswegen nothwendig, weil die Lehrer
Deutsche waren und die russische Sprache nicht kannten,
so dass die Schüler sie nicht verstehen konnten, wenn sie
nicht Deutsch gelernt hatten.
Im Jahre 1727 traten schon bei Weitem weniger Schü¬
ler ins Gymnasium ein als im Vorjahre, nämlich 58. Unter
ihnen war der Sohn des Artilleriegenerals Pissarew und
der Sohn des Contreadmirals Ssinjawin.
Schon seit Gründung des Gymnasiums nahm man in
dasselbe Schüler sowohl zur Beendigung des ganzen Gym-
nasialcursus, als auch zum Studium nur einiger Fächer,
besonders der neuen fremden Sprachen auf. Dadurch allein
lässt sich die Aufnahme von Schülern, die in den Jahren
beträchtlich verschieden waren, erklären, was freilich ge¬
wiss nicht pädagogisch war; so waren z. B. die in diesem
Jahre aufgenommenen Ssinjawin und Delaine 6 Jahr
alt, während ein gewisser Todorski, neben dessen Namen
die Bemerkung steht: «gekommen um Deutsch zu lernen»,
24 Jahr alt war.
Im December 1726 wurde für das Gymnasium eine
Aufseherin ernannt «zur Aufsicht über die im erwähnten
Gymnasio befindlichen Kinder».
1) Müller. Zur Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu
St. Petersburg. Manuscript.
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Im Jahre 1728 traten noch weniger Schüler ins Gymna¬
sium ein, im Ganzen 26, während viele ohne den Cursus zu
beendigen austraten. Bayer schrieb an Schumacher: «Die
Abreise des Kaiserlichen Hofes (Peter II) nach Moskau hat
dem hiesigen Gymnasio einen Schlag versetzt, weil seine
Schüler, besonders die aus den Honoratioren, fast alle mit
ihren Eltern auch dorthin gereist sind». In der Zahl der ins
Gymnasium Aufgenommenen war der Sohn des Viceadmirals
Ssinjawin, ein Bruder des bekannten Admirals, der wäh¬
rend der Regierung der Kaiserin Katharina II im ersten
Türken-Kriege die Asowsche Flotte befehligte, und drei
Söhne des Grafen Karl Skawronski, eines Bruders der Kai¬
serin Katharina I, von denen der mittlere, Martin, während
der Regierung Katharina’s Oberhofmeister war. Die Skaw-
ronski’s wurden dem Informator Henninger anvertraut.
Seine Obliegenheiten waren bei der Gründung der Akade¬
mie selbst folgendermaassen festgesetzt worden: «die adli¬
gen Jünglinge, welche im Hause der Akademie leben, wer¬
den zum Aufseher und Leiter ihres Unterrichts Johann
Conrad Henninger haben; denn es ziemt dem Staate, dass
diejenigen welche zu den wichtigsten Würden im staatli¬
chen Range geboren sind, nicht nur in verschiedenen Wis¬
senschaften unterrichtet werden, sondern sich an jegliche
Höflichkeit und an eine angenehme Art mit den Leuten um¬
zugehen gewöhnen». Nach Müller’s Angabe beschränkte
sich Henninger’s Aufsicht auf die drei Skawronski’s,
welche nicht lange im Gymnasium blieben.
Im Jahre 1728 wurde das Gymnasium von einem für
sein Lehrerpersonal empfindlichen Verluste betroffen: die
Adjuncten der Akademie Müller, welcher Latein, Ge¬
schichte und Geographie gelehrt hatte, und Krafft und
Weit brecht, welche in der Mathematik unterrichtet hatten,
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traten aus; sie erhielten eine andere Bestimmung und
wurden nicht durch Adjuncten, sondern durch Lehrer er¬
setzt.
Im Jahre 1729 war die Aufnahme ins Gymnasium weit
beträchtlicher, es traten nämlich 74 Knaben ein. Aber dazu
war eine künstliche Maassregel der Füllung des Gymnasiums
durch Kinder solcher Eltern ergriffen worden, die für ihre
Söhne durchaus keiner Gymnasialbildung bedurften; es
wurden nämlich aufgenommen die Söhne einiger Soldaten,
eines Tischlers, eines Bauern des Fürsten Menschikow,
von sieben Zimmerleuten, eines Schmieds, dreier Admira¬
litätsaufseher und eines herrschaftlichen Dieners. Solche
Schüler beendigten grösstentheils den Cursus nicht und bil¬
deten für das Gymnasium einen überflüssigen und be¬
schwerenden Ballast, indem sie anfingen die Kinder höherer
Stände von demselben abzuschrecken. Uebrigens traten auch
später zuweilen Kinder aus gebildeten Familien ins Gym¬
nasium ein. So wurde z. B. im folgenden Jahre, 1730, als
nur 14 Schüler ins Gymnasium eintraten, Iwan Mellessino Meiessino.
aufgenommen. Sein Name wurde während der Regierung der
Kaiserin Katharina sehr bekannt: 1763 wurde er zum
Oberprocurator des Synods ernannt und war von 1771 bis
zu seinem Tode im Jahre 1795 Curator der Moskauer
Universität, an welcher er die adlige Pension gründete.
Am 9. September 1731 brachte Bayer das von ihm ver- Bayer’s
fasste und eigenhändig geschriebene Gymnasial-Statut unter Statut vom
dem Titel: «Gegenwärtige Einrichtung des Gymnasiums», zur Jahre 173L
Wirksamkeit. Durch dieses Statut wurde die bestehende
Theilung des Gymnasiums in zwei Schulen, die deutsche und
die lateinische, bestätigt und Johanni-Ferien, bei Anbruch
der grossen Hitze, auf vier Wochen festgesetzt, während
welcher am ersten und letzten Wochentage überhaupt kein
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Unterricht stattfand, an den übrigen Tagen aber nur die
Hälfte der Lectionen gegeben wurde.
Inzwischen sank das Gymnasium sowohl der Zahl, als
dem Bestände der Schüler nach immer mehr. Die Gründung
des adligen Cadettencorps im Jahre 1731 versetzte ihm
einen solchen Schlag, dass es sich nie von ihm erholen
konnte. Das Cadettencorps verlieh denen, die seinen Cursus
beendigt hatten, Ränge, während das Gymnasium seinen
Abiturienten keinerlei Dienstrechte gewährte, aus welchem
Grunde man in das Corps strebte und das Gymnasium mied.
«Seit Gründung des Cadettencorps», sagt Müller, «musste
das Gymnasium sich an den Schülern des Mittelstandes allein
genügen lassen. Die Kinder der Ausländer, welche nicht ins
Cadettencorps aufgenommen wurden, traten noch in ge¬
nügender Zahl ins Gymnasium ein, um sich zum Staats¬
dienst vorzubereiten».
Das vou Baron Keyserling wandte während seines kurzen Prä-
i 733 S vorgc- sidiums in der Akademie der Wissenschaften seine Aufmerk-
^erR^r'^samkeit der schlechten Organisation des Gymnasiums zu
nisation des und trug dem Adjuncten der Akademie Fischer, der früher
Gymnasiums._ _ „ _
Lector am Gymnasium gewesen war, auf, Erwägungen über
die Verbesserung desselben vorzustellen.
In seinem am 7. August 1733 eingereichten Memoran¬
dum bemüht sich Fischer vor Allem die Bedeutung des
Gymnasialunterrichts und den Unterschied eines Gymnasi¬
ums von einer gewöhnlichen Schule selbst mit lateinischer
Sprache dahin festzustellen, dass das Gymnasium für die hu¬
manistische Bildung bestimmt sei, wesshalb in seinem Cursus
nothwendigerweise ausser der lateinischen und griechischen
Sprache auch die Lectüre römischer Dichter und die Regeln
der Beredsamkeit und Logik eingeführt sein müssen. Ueber-
haupt zeichnet sich dieses Memorandum durch gesunde pä-
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dagogische Begriffe aus; so fordert er z. B., dass von den
alten Schriftstellern nicht viele mit einem Male studirt
würden, sondern einer nach dem andern, in jedem Fall
nicht mehr als zwei, aber verschiedenartige, nämlich ein
Dichter und ein Redner oder Historiker. Er liess im Be¬
stände des Gymnasiums auch die deutsche Schule fort-
bestehen, indem er sagte: «Wenn die russischen Schüler
sich einigermaassen mit der deutschen Sprache bekannt ge¬
macht haben werden, kann man sie in die lateinische Schule
versetzen». Zur Füllung des Gymnasiums mit verlässlichen
Schülern sah Fischer kein anderes Mittel, als die Einrich¬
tung von mindestens 30 Stipendien an demselben, was nach
damaligen Preisen dem Fiscus nicht mehr als 1600 Rbl.
gekostet und grossen Nutzen gebracht hätte, da man aus
diesen Stipendiaten nicht nur Beamte hätte ausbilden können,
sondern auch Lehrer für die Schulen, die mit der Zeit un¬
ausbleiblich entstehen mussten; und das wäre sehr viel
billiger und besser gewesen, als zu diesem Zweck Ausländer
zu berufen. Auch mit dieser neuen Ausgabe hätte der Unter¬
halt des Gymnasiums 4000 Rbl. nicht überstiegen. Statt
der, wie oben erwähnt, vierwöchentlichen Halbferien —
die Hälfte der Woche lernten die Gymnasiasten — schlug
er vor, zweiwöchentliche volle Ferien festzusetzen. Das Gym¬
nasium befand sich auf Wassili Ostrow und für das Passiren
der Newa-Brücke wurde Brückenzoll bezahlt, was für die
grösstentheils armen Gymnasiasten beschwerlich war; daher
bat Fischer darum, solche von dieser Zahlung zu befreien
und sie unentgeltlich auf Grund von Billetten, die das Gym¬
nasium zu ertheilen hätte, über die Brücke zu lassen. Das
Gebäude des Gymnasiums war äusserst unbequem: die
Classen waren Durchgangszimmer, es waren in ihnen Diener
mit ihren Familien placirt, der dadurch entstehende Lärm
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und das Geschrei, das Weinen der Kinder störten den Unter¬
richt. Auf alles das lenkte Fischer die Aufmerksamkeit des
Präsidenten; aberBaron Key ser ling bekleidete diesenPosten
nicht mehr als ein halbes Jahr, im Jahre 1734 ging er zum
diplomatischen Dienst über, und das Gymnasium blieb in der
früheren Verfassung.
Am 14. September 1734 wurde Baron Johann Albrecht
Korff, der in seinen jungen Jahren auf der Universität
Jena studirt hatte, zum Präsidenten der Akademie ernannt.
Die Vorstei- Zur Füllung des Gymnasiums mit Schülern erachtete
sidenten der Baron Korff, wahrscheinlich auf Anregung desselben
Ba^onKo^ff Fis eher, ebenfalls den Unterhalt einer gewissen Zahl von
Verhalt 1 von” Schülern auf Kronskosten für nothwendig. Im Protokoll vom
Pensionären 24. Januar 1734 ist vermerkt: «Auf Befehl Ihrer Kaiser-
"sium'auf liehen Majestät befahl in der Akademie der Wissenschaften
Kionskosten. ^ amvesen( | e Haupt-Commandeur, wirklicher Kammerherr
Baron von Korff, dem Dirigirenden Senat einen Bericht
einzureichen und zu erklären: im Jahre 1724 ist laut dem
von Sr. Kaiserlichen Majestät Peter dem Grossen geseg¬
neten Andenkens aufgestellten Project über die Akademie
der Wissenschaften bestimmt, dass die an derselben befind¬
lichen Professoren nicht nur durch ihre eigenen Erfindungen
die Wissenschaften zu grösserer Vollkommenheit bringen,
sondern ausserdem auch junge Leute in denselben unterrich¬
ten; dass sie die erstere Absicht erfüllt haben, erhellt aus
den an der Akademie gedruckten Büchern; die Ursache in-
dess, um deren willen sie den zweiten Theil ihrer Obliegen¬
heit nicht zur Ausführung bringen konnten, beruhte darauf,
dass sie keine fähigen Schüler hatten. Und damit der aller¬
höchsten Absicht Ihrer Kaiserlichen Majestät Folge ge¬
leistet werde, so müssen an der Akademie anfänglich dreissig
junge hoffnungsvolle Leute von guten Sitten verschrieben
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und unterhalten und nicht nur in den ziemlichen, sondern
auch in den höheren Wissenschaften gemäss der Absicht
Sr. Kaiserlichen Majestät Peter’s des Grossen so unter¬
richtet werden, dass sie dem Staate mit der Zeit nützliche
Dienste erweisen können. Der Unterhalt derselben wird nach
der Berechnung auf dreitausend sechshundert acht und
siebzig Rubel zu stehen kommen. Und sintemalen sehr viel
davon abhängt, dass die Jugend in guterWeise unterrichtet
werde, so ist dazu die leichteste und die in trefflich einge¬
richteten Schulen am meisten benutzte Methode dem Diri-
girenden Senat zur Approbation vorzustellen, wobei zu for¬
dern ist, dass die oben erwähnte Summe zum Unterhalt be¬
sagter Schüler angewiesen werde, da die gegenwärtige aka¬
demische Summe, wie dem Dirigenden Senat bekannt, auch
für die vorkommenden nothwendigen Ausgaben nicht aus¬
reicht.» Der Senat bestimmte dazu je 3000 Rubel jährlich und
befahl 20 Schüler aus der Moskauer Spasski-Klosterschule
in die Akademie aufzunehmen; aber von dort wurden nur
12 Mann geschickt. Baron Korff bat den Senat, den Befehl
zu ertheilen, noch Schüler «aus anderen Klosterschulen», d. h.
aus den Seminaren, zu schicken, aber das geschah nicht.
Anfang 1735 wurde Fischer zum Rector des Gymna-Das Rectorat
• Fisch© r’s u
siums ernannt und Bayer zum Inspector. Aber Fischer schwan-
blieb auf diesem Posten nicht lange allein: in den folgenden
Jahren, 1736 —1738, begegnen wir auf demselben schon
Schwanwitz, dem früheren Lehrer, dessen Müller er¬
wähnt; so sonderbar es scheinen mag, sie waren gleichzeitig
Rectoren des Gymnasiums. Zum Conrector des Gymnasiums
wurde 1736 Geliert ernannt, ein Specialist in der Chemie
und Physik, der in der Folge, nach seiner 1744 erfolgten
Rückkehr nach Deutschland, dem Bergwesen in Sachsen
bedeutende Dienste geleistet hat.
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Aus den Rapporten Schwanwitz’s an die akademische
Kanzelei ist ersichtlich, dass das Gymnasium 1736 nur
28 Schüler hatte und dass viele von ihnen dieClassen nicht
besuchten; solcher gab es bis 12, zuweilen auch bis 20. Der
Bibliothekar Schumacher beanspruchte nicht selten die
Gymnasiasten zu Arbeiten in der Druckerei oder benutzte sie
zu Beschäftigungen in der akademischen Kanzelei. Vom Sep¬
tember an bis zum Ende des Jahres hörte der grössere Theil
der Schüler ganz auf das Gymnasium zu besuchen, so dass in
denClassen 8—15 Schüler waren. Trotz einer so unbedeu¬
tenden Zahl derselben beklagten sich die Rectoren über die
Enge des Gymnasiallocales und erklärten dadurch, warum
sie angeblich nicht im Gymnasium unterrichten könnten,
sondern die Gymnasiasten in ihren eigenen Wohnungen un¬
terrichteten, zu deren Beheizung sie Kronsholz erbaten und
erhielten. Ein interessantes Protokoll der Akademie vom
27. September 1736 bezieht sich hierauf: «Auf Befehl Ihrer
Kaiserlichen Majestät befahl der anwesende Hauptcomman-
deur, wirklicher Kammerherr Baron von Kor ff, den Rec¬
toren Martin Schwanwitz und Fischer das ihnen zukom-
mende Holz im Betrage von 5 Faden zu verabfolgen, dess-
wegen, weil am 18. September c. Professor Kehr erklärt
hatte, dass es im Gymnasio wegen Beengung die Schüler
zu unterrichten unmöglich sei, wesswegen die Rectoren die¬
selben in ihren Quartieren unterrichten, und weil nunmehr
Herbstzeit sei, so sei den Rectoren das erwähnte Holz auch
zu verabfolgen.»
Im Jahre 1737 bestand das Gymnasium im Ganzen aus
19 Schülern, von denen viele nicht in die Classen gingen;
es kamen Tage vor, an denen sich nur ein einziger Schüler
im Gymnasium befand, und einmal kam es vor, dass auch
kein einziger da war.
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Das Gymnasium verfiel, es war notliwendig es zu reno-
viren. Zu diesem Zweck wurde 1737 von der Akademie der
Wissenschaften, während der Präsidentschaft des Baron
Korff, eine besondere, aus vier Personen bestehende Com¬
mission eingesetzt, welche aus dem Justizrath, Akademiker
für Mathematik Goldbach, der damals erst zum Rath
der akademischen Verwaltung ernannt, früher aber Er¬
zieher des Kaisers Peter II gewesen war und daher den
Ruf eines gründlichen Pädagogen hatte, und aus den Pro¬
fessoren Bayer, Euler und Krafft bestand, denen alle
Dokumente zur Disposition gestellt wurden, die sich auf
das Gymnasium bezogen.
Bayer machte den Vorschlag, das Gymnasium in zweite 1737 zur
Abtheilungen zu trennen, eine höhere und eine niedere, und Gymnasiums
letztere nochmals in zwei Unterabtheilungen zu zerlegen, cöllfmissfon
für Russen und für Deutsche; wenn die Einen Deutsch, die
Anderen Russisch gelernt haben, würden sie in der höheren
oder lateinischen Abtheilung den Cursus gemeinsam durch¬
machen. Die höhere Abtheilung meinte er aus drei, die
niedere aus zwei Classen zu bilden und die Dauer des Un¬
terrichts in jeder Classe auf zwei Jahre festzusetzen, d. h.
einen 10-jährigen Cursus einzuführen, mit der Ausnahme,
dass besonders begabte Schüler auch früher aus einer Classe
in die andere zu versetzen wären. Besonders umfangreich
ist das von Euler eingereichte Memorandum. Im Wesent¬
lichen stimmen seine Anschauungen mit den Gedanken
Bayer’s überein: er schlug gleichfalls vor, das Gymnasium
in zwei Abtheilungen, eine russische und eine deutsche, zu
theilen und setzte eine ebenso lange Dauer des Cursus fest,
d. h. eine zehnjährige; für jede Classe veranschlagte er 26 Un¬
terrichtsstunden. Euler verfasste auch einen ausführlichen
Lehrplan für alle Fächer. Mit ihm stimmte Krafft überein.
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Dieser Commission reichte auch Fischer als Rector des
Gymnasiums sein Gutachten ein. In seinem Memorandum
finden wir u. A. auch seine begründete Anschauung über die
Abtrennung der deutschen Schule vom Gymnasium: «die
deutsche Sprache», sagt er, «ist so lange nothwendig, als
die russische Jugend von deutschen Lehrern unterrichtet
wird; zu dem Zweck könnte man eine besondere deutsche
Schule einrichten und die begabteren Schüler, welche die
deutsche Sprache gut gelernt haben, von dort in das Gym¬
nasium versetzen». Besonders originell ist aber in seinem
Memorandum der Unterschied in den Anschauungen von
der Gymnasialbildung in Russland und in anderen Staaten:
«Viele Gelehrte», sagt er, «haben an der Aufstellung eines
Planes für den Volksunterricht gearbeitet; aber ihre Ge¬
danken waren leichter auf dem Papier darzulegen, als in
Ausführung zu bringen. Viele geben ihre Anschauungen als
unurastössliche Regeln aus, wenn man sie aber genauer an¬
sieht, so erweisen sie sich als durchaus nicht zufrieden¬
stellend und sogar als pedantisch. Die Umstände von Zeit
und Ort und die nationalen Besonderheiten sind so ver¬
schieden, dass es unmöglich ist in ähnlichen Dingen all¬
gemeine Regeln aufzustellen; so wird z. B. das, was in
Deutschland hochgeschätzt wird, in Russland keineswegs
ebenso geachtet: in Deutschland blühen die lateinische,
griechische und hebräische Sprache, die Aristotelische Philo¬
sophie, das römische Recht und die speculative Theologie;
Alles das wird in Russland wenig geschätzt, mit Ausnahme
der lateinischen Sprache. Hier legt man vornehmlich auf
praktisches Wesen das Hauptgewicht, besonders auf die
mathematischen Wissenschaften, welche für das Land in
Kriegs- und Friedenszeiten nützlich sind. Daher ist es bei
der Gründung eines Gymnasiums in Russland nothwendig
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15
sich besonders mit diesen Anschauungen in Einklang zu
setzen». Wenn man diese Zeilen liest, so erinnert man sich
unwillkürlich der zu Beginn der siebziger Jahre stattgehab¬
ten Polemik unserer Realisten gegen die klassische Bildung,
welche ebenfalls behaupteten, dass die russischen Kinder
für den Unterricht nicht befähigt wären, welche die Jugend
in anderen Staaten erhält, und dass der russische National¬
genius ein ganz besonderer, mehr praktischer sei. Man
muss bekennen, dass ein gewisser Tlieil der russischen Ge¬
sellschaft in anderthalb Jahrhunderten, was seine An¬
schauungen über Unterrichtswesen betrifft, nicht weit fort¬
geschritten ist, ja sogar Rückschritte gemacht hat, denn
früher wurde, wie man sieht, in Russland wenigstens der
Nutzen der lateinischen Sprache von Allen anerkannt,
während unsere Realisten auch diesen bestreiten.
Aus den der Commission eingereichten Meinungen und
Memoranden wurde ein Gymnasialstatut zusammengestellt
unter dem Titel: «Reglement des Gymnasii bei der Kaiserl.
Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg»; aber ein
weiterer Gang wurde der Sache nicht gegeben.
Im Jahre 1738 starb Bayer am Typhus und an seine Das inspecto-
Stelle wurde der Akademiker für Physik Kr afft zum In- 1743 *
spector des Gymnasiums ernannt. Er war bekannt durch die
von ihm für das Gymnasium verfassten Lehrbücher, nach
welchen in demselben lange Zeit die mathematische Geogra¬
phie und die Geometrie gelehrt wurden, nämlich: 1)Einlei¬
tung zur mathematischen und natürlichen Geographie, nebst
dem Gebrauche der Erdkugeln und Landkarten, zum Nutzen
der russischen studirenden Jugend, 1738. Die russische
Uebersetzung wurde 1739 herausgegeben. 2) Einleitung
zur Geometrie, 1738. Die russische Uebersetzung er¬
schien 1762.
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16 —
Das von Im Jahre 1738 verfasste Krafft sein Gymnasialstatut
zusammengc- uiul stellte cs der Akademie vor. Nach diesem Statut
Msiaisnuut". war ^ as Gymnasium in sechs Classen eingetheilt, in drei
untere, die russischen, und drei obere, die lateinischen, in
welchen auch Griechisch gelehrt wurde, und war die Zahl der
Vorgesetzten vermehrt: ausser dem Rector und Inspector
treten ein Conrector und ein Prorector auf. Die Zahl der
Schüler blieb aber wie früher unbedeutend; zu Beginn des
Jahres 1738 waren ihrer 13, von denen 3—4 die Classen
besuchten. «Der grössere Tlieil der Admiralitäts-Schüler»,
berichtete Krafft, «besucht das Gymnasium nicht, weil sie
keine Kleider haben und die Admiralität ihnen schon seit
neun Monaten keine Gage zahlt». Die allergrösste Schüler¬
zahl im Jahre 1739 betrug 33; von ihnen besuchte die
Hälfte, zuweilen auch mehr, die Classen nicht. Euler ver¬
fasste für das Gymnasium und liess 1738 drucken eine
«Anleitung zur Arithmetik» 1 ). Aber der Lehrer der Mathe¬
matik war nicht im Stande die Anleitung des berühmten
Gelehrten zu benutzen: die Arithmetik lehrte ein Student
und die Geometrie der Tanzmeister, bis die Kanzelei der
Akademie diese beiden Fächer im Jahre 1740 dem Adjunc-
ten Adadurow übertrug. Die französische Sprache lehrte im
Gymnasium seit 1739 der Akademiker Le Roy. Statt den
Bestand der Lehrer zu heben, bemühte sich Krafft um die
Verminderung ihrer Zahl: im Jahre 1742 hob er einen
Lehrerposten in der deutschen Abtheilung des Gymnasiums
auf, und 1743 wollte er noch drei Lehrer aus dem Gymna¬
sium entlassen: Heinrich Müller (einen Bruder des Histo-
1) Diese Anleitung wurde vou Adadurow ins Russische übersetzt und
unter dem Titel gedruckt: «PyKOBOACTBO kt. apHOMCTHKi, ynoTpcßjie-
nin bt. niMiia3in CI16. AKa^eMiu Haym», cou. r. Dftjiepa; aepeBen. ct> Ht-
MCUKaro BacHJiifi A xa^y poßi.. 2 h. CfI6. 1750—1760 r ».
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17
riographen f 1783), Hermann und Fischer, um sie durch
Studenten zu ersetzen. «Müller und Hermann», schrieb
Krafft, «unterrichten im Lateinischen, und es ist nicht
nöthig, dass zwei in einem Fach thätig sind, und von der
russischen Sprache verstehen sie nichts, aus welchem
Grunde dieses Amt, zu besserem Verständniss des russi¬
schen Volks, Uebersetzer oder Studenten ausfüllen können,
wie auch die Projecte Sr. Majestät des Kaisers Peter’s des
Grossen befehlen... Fischer besitzt ebenfalls die erforder¬
liche Geschicklichkeit im Unterrichten des russischen Vol¬
kes nicht, kennt auch die russische Sprache wenig, ist dazu
taub, sieht schlecht und pflegt ausserdem sehr häufig bei
seiner Arbeit betrunken zu sein, wesswegen die Schüler fast
immer über ihn spotten». Gegen die Entlassung dieser Lehrer
aus dem Gymnasium protestirte die akademische Conferenz
in starken Ausdrücken, und sie blieben auf ihren Plätzen.
In den ersten 13 Jahren seit Gründung des Gymna¬
siums erhielten die orthodoxen Schüler desselben gar keine
Anweisung in den Dogmen ihres Glaubens, und erst 1739
dachte man daran, dazu einen Religionslehrer aufzufor¬
dern, dem man zw r ei zweistündige Lectionen wöchentlich
zuwies. Der Synod ernannte zu diesem Amte den Mönchs¬
priester Arssenij Mazejewitsch, späteren Metropolit von
Sibirien und dann von Rostow, der während der Regierung
der Kaiserin Katharina durch seinen Protest gegen die
Confiscation von Kirchengütern zu Gunsten des Fiscus so
bekannt geworden ist.
Im Jahre 1739 übernahm der Akademiker Fischer, Das Rectorat
früher Rector des Gymnasiums, eine Reise nach Sibirien, Ma (f 7 n 3 9 ) kl s
während sein Amt Magnizki übergeben wurde, der es
nicht mehr als ein Jahr lang bekleidete und durcli den Pro¬
rector Moerling ersetzt wurde.
Beiträge z. Kenntniss d. Ross. Reiches. Dritte Folge. 2
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18 —
Moeriing’s Von Moerling lind seiner Thätigkeit am Gymnasium
( 1739 —°i 74 i).l ia t sich keinerlei Zeugniss erhalten; bekannt ist nur, dass
er 1736 zum Adjuncten der Akademie und zu gleicher Zeit
zum Prorector des Gymnasiums ernannt worden war. Nach
seinen 1737 in der akademischen Druckerei gedruckten
«Predica» und «Karmena» in schwedischer Sprache lässt
sich annehmen, dass er ein schwedischer Pastor war. Krafft
blieb Inspector des Gymnasiums bis 1743 und wurde im
folgenden Jahre, 1744, zum Professor der Mathematik an
der Universität Tübingen berufen.
Le itoy’s Im Gymnasium ersetzte ihn der Akademiker für neuere
1743 ^ 1748 ).Geschichte Le Roy, der bis 1748 Inspector blieb.
Die Beziehungen des Präsidenten der Akademie, Grafen
K. G. Rasumowski, zum akademischen Gymnasium waren
rein formell. Sie spiegeln sich charakteristisch in folgendem
Protokoll der Akademie vom 30. Juni 1746 ab. «Auf Befehl
Ihrer Kaiserlichen Majestät bestimmte der wirkliche Kam¬
merherr, der Orden des heiligen Alexander und der heiligen
Anna Cavalier und der Akademie der Wissenschaften Prä¬
sident, Graf Kirilla Grigorjewitsch Rasumowski, nachdem
er den vom Inspector des Gymnasii und Professor Le Roy
auf den Namen Sr. Erlaucht unter dem 13. des laufenden
Monats eingesandten Brief angehört: selbigen Brief ihm,
Le Roy, durch den Kanzelisten Albom mit der Erklärung
zurückzusenden, dass er hinfort in Geschäften Ihrer Kai¬
serlichen Majestät Sr. Erlaucht Rapports in russischer
Sprache, auf ganzen Bogen, nicht aber auf halben Bogen
in Form eines Briefes geschrieben, einsende, denn auch
ihm, Le Roy, sei mit der Unterschrift Sr. Erlaucht eine
Ordre und kein Privatbrief gesandt worden. Wenn aber
er, der Inspector des Gymnasii, oder irgend ein Anderer
von den Professoren es nöthig hätte in Geschäften Ihrer
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19 —
Kaiserlichen Majestät an Sr. Erlaucht Rapports einzu¬
reichen, so sei an der Spitze des Rapports auf ganzem
Bogen folgendermaassen zu schreiben: Ihrer Kaiserlichen
Majestät wirklichem Kammerherrn, der Orden des heiligen
Alexander und der heiligen Anna Cavalier und Präsidenten
der Akademie der Wissenschaften, dem Erlauchten Grafen
Kirilla Grigorjewistch Rasumowski von dem Professor
dieses oder jenes Namens Rapport, — aber nicht so, wie
von ihm, dem Inspector in Form eines Briefes geschrieben
worden sei. Wovon allen Herren Professoren hierdurch zur
Nachachtung kund und zu wissen gegeben werde».
Im Jahre 1747 wurde das Haus der Barone Stroga-
now auf Wassili-Ostrow auf sechs Jahre als Local für die
Universität und das Gymnasium gemiethet.
Knaben der unteren Stände bildeten wie früher das Haupt-
contingent des akademischen Gymnasiums; so wurden 1731
acht Söhne von Zimmerleuten, von denen sechs an der Ad¬
miralität dienten, aufgenommen; 1735 traten die Söhne eines
Schreibers, eines Schiffers, eines Bootsmannes, desgleichen
Söhne von Leibeigenen des Fürsten Kurakin, des Contre-
admirals Mischukow und des Hofintendanten Moschkow
ein; 1737 wurden aus der Regiments-Kanzelei des Preo-
brashenskischen Regiments 19 Cantonnisten ins Gymnasium
gesandt und 13 Soldatensöhne auf Grund von Bittschriften
aufgenommen; 1747 wurde der Sohn des Kammerdieners
des Grafen K. G. Rasumowski ins Gymnasium gegeben,
und 1748 wurden die Söhne einiger Soldaten, Hofkutscher
und Stallknechte, eines Wächters, Tischlers, Kochs aufge¬
nommen. Es ist zu bemerken, dass 1741 unter den Soldaten¬
kindern auch der später als Akademiker bekannte Kotel-
nikow ins Gymnasium eintrat.
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Die Aber aucli Kinder gebildeter Familien hörten inzwischen
ins Gymna- nicht auf, wenn auch in sehr geringer Zahl, ins Gymnasium
nommenen" einzutreten; so wurden 1733 der Sohn des Contreadmirals
Schaler. Ssinjawin und ein Bruder des Akademikers Fischer, 1736
Dietrich Christian Osterwald, 1739 der Sohn des Post-
directors Georg Thomas Asch, 1740 der Sohn des Präsi¬
denten der Admiralität, des General-Kriegscommissars der
Flotte Michael Ssoimonow, 1745 drei Söhne des General-
Rentmeisters in Kleinrussland Skoropadski und der Sohn
des Kosakenheeres-Aeltesten Chonenko, 1746 der Sohn
des Raths Peter Bakunin aufgenommen; letzterer trat, weil
er gut vorbereitet war, in die höhere Classe ein.
Einige von ihnen wurden in späterer Zeit, während der
Regierung der Kaiserin Katharina, sehr nützliche Staats¬
männer, wesshalb es sich lohnt ihrer zu gedenken und bei
ihnen zu verweilen.
Osterwald. Osterwald wurde der Lehrer des Grossfürsten Paul
Petrowitsch in der Geschichte, in der Geographie, in der
deutschen und russischen Sprache; später war er Senator.
Asch. Georg Thomas Asch beendigte 1750 den Cursus der
medicinischen Facultät an der Universität Göttingen, war
während der Regierung der Kaiserin Katharina, zur Zeit
des ersten Türken-Krieges, Generalstabsdoctor der Armee
und zeichnete sich besonders zur Zeit der Pest in Moskau
aus; später war er älteres Mitglied des Medicinalcollegiums.
Er nahm Tlieil an der Commission zur Aufstellung des Pro-
jects für die neue Uloshenje, namentlich an der Subcom¬
mission für das Unterrichtswesen.
Ssoimonow. Michael Fedorowitsch Ssoimonow war Oberprocu-
rator des Senats, ihm wurden auch die Geschäfte des Berg¬
collegiums anvertraut; 1733 wurde er zum Senator ernannt;
dann leitete er die Bergschule bis 1766 und abermals von
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1794—1801. Nachdem Kaiser Paul den Thron bestiegen,
wurde das von Katharina aufgehobene Bergcollegium
wieder hergestellt und Ssoimonow mit dem Titel eines
Hauptdirectors des Berg- und Münzwesens zum Präsidenten
desselben ernannt.
Peter Wassilje witsch Bakunin war während der Re- Bakunin.
gierung Kaiser Peter’s III bevollmächtigter Secretär des
Grafen Michael Illarionowitsch Woronzow und arbeitete
nicht selten mit dem Kaiser selbst. Er war mit einer
leiblichen Nichte des Kanzlers, Anna Ssergejewna Tati-
schtschew, verheirathet. Während der Regierung der
Kaiserin Katharina wurde Bakunin als ein Mitglied des
Collegiums der auswärtigen Angelegenheiten so zu sagen
die rechte Hand des Kanzlers Grafen Panin. Er führte
eine schöne Geschäftsfeder und hat die berühmte Declara¬
tion über die bewaffnete Neutralität geschrieben, welche
so viel Lärm in Europa gemacht hat und England so un¬
angenehm war.
Am 24. Juni 1747 wurde das neue Statut der Akademie Der Etat des
der Wissenschaften bestätigt und am 25. September des-
selben Jahres auch der Etat des Gymnasiums, in welchem
ausser dem Rector und Conrector folgende Lehrer fungiren
sollten: 1) ein Lehrer der ersten Grundlagen der lateinischen
Sprache, 2) ein Lehrer für Lesen und Schreiben, 3) ein
Lehrer der deutschen Sprache, 4) ein Lehrer der Arithmetik
und Geometrie und 5) ein Zeichenlehrer. «Für die Wissen¬
schaft hat Niemand von wem es auch sei etwas zu fordern»,
heisst es in diesem Statut, mit anderen Worten, es war un¬
entgeltlicher Unterricht festgesetzt; auch sollten im Gym¬
nasium 20 Kronsstipendiaten gehalten werden, damit sich
die Zahl der Studenten immer completiren könnte. Alle
Lehrer des Gymnasiums mussten in russischer Sprache un-
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terrichten, auch die lateinische Sprache waren sie verpflichtet
im Russischen zu lehren, ohne dazu weder das Französische,
noch das Deutsche zu Hülfe zu nehmen. Von Anfang an er¬
wies sich diese Forderung als unerfüllbar, weil es an rus¬
sischen Lehrern mangelte, die die alten Sprachen gründlich
kannten. Am 12. Januar 1749 wurde im Protokoll der aka¬
demischen Kanzelei vermerkt: «Obgleich die Kanzelei sich
auf alle mögliche Weise bemüht hat, geschickte Lehrer auf¬
zufinden, die im Stande wären in erwähnter Weise zu un¬
terrichten, konnte sie solche nicht ermitteln; desswegen ist
Sr. Hochgräfllichen Erlaucht dem Präsidenten der Akademie
vorzustellen, ob er nicht geruhen werde zu befehlen, dass
man im Gymnasium nach alter Art unterrichte, bis geschickte
Lehrer ausfindig gemacht werden». Diese Vorstellung er¬
hielt nicht die Genehmigung des Präsidenten, aber der Be¬
stand der Lehrer und die Unterrichtssprache erhielten sich,
wie wir unten sehen werden, wie früher.
Fischer’s Im folgenden Jahre, 1748, stellte der Director des Gym-
Proiect zur
Organisation nasiums Fischer ein Project zur Organisation des Gynma-
^LmThn" siums vor, das er «Einrichtung des Gymnasiums im Jahre
Jahre 1748. 1748 » betitelte. Nach diesem Project wurde beabsichtigt,
unter Beibehaltung der früheren Theilung des Gymnasiums
in zwei Abtheilungen, eine deutsche und eine lateinische
Schule, in jeder Abtheilung je zwei Classen zu bilden und die
Dauer des Cursus in der oberen deutschen Classe auf ein Jahr,
in allen übrigen auf zwei Jahre festzusetzen, so dass der ganze
Gymnasialcursus sieben Jahre dauern sollte. Eine solche
Eintheilung des Gymnasiums in vier Classen wurde offenbar
durch den Mangel an Raum erzwungen, weil in dem von
Baron Stroganow gemietheten Hause dem Gymnasium nur
vier Zimmer eingeräumt waren. In seinem Projecte vertheilte
Fischer ausführlich die Unterrichtsstunden in allen Classen,
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indem er den wichtigeren Gegenständen, nämlich der deut¬
schen Sprache in der deutschen Schule und der lateinischen
Sprache in der lateinischen Schule, mehr Stunden anwies
und diese Stunden sehr pädagogisch für den Vormittag
ansetzte, weil «sie mehr Nachdenken erfordern».*)
Am 10. August 1750 erfolgte die «Verordnung in Betreff Die Verord-
der Universität und des Gymnasiums, unter Unterschrift n fen g Rasu- a
des Herrn Präsidenten der Akademie der Wissenschaften». Betreff de”
Nach dieser «Verordnung» war die Oberleitung des Gym- Gymnasiums
nasiums dem Rector der Universität gemeinsam mit dem i750.
Gymnasial-Rector übertragen, und zusammen hatten sie die
Unterrichtsstunden und die Lehrbücher festzusetzen; das
Gymnasium sollte wie früher aus sechs Classen, d. h. aus
drei deutschen und drei lateinischen bestehen; wenn sich
aber fähige Schüler finden, welche ihren Unterricht weiter
fortzusetzen wünschen, «so ist noch eine lateinische Classe
einzurichten, in welcher die schwersten Autoren, sowohl
Prosaiker als Dichter, zu interpretiren sind und auch Unter¬
richt in der griechischen Sprache zu ertheilen ist». Aller
Wahrscheinlichkeit nach erfolgte diese Erlaubniss, im
Gymnasium noch eine höchste Classe zu gründen, in Folge
einer 1749 von Müller, dem damaligen Rector der aka¬
demischen Universität, gemachten Vorstellung über die Noth-
wendigkeit, im Gymnasium eine oberste Rectoratsclasse
hinzuzufügen, wo die Studenten ihre Schulbildung ergänzen
könnten. Im Gymnasium war es nach wie vor statthaft nur
diejenigen Fächer zu lernen, die die Schüler oder ihre El¬
tern auswählten, während die Vollendung des vollen Gymna-
sialcursus mit beiden alten Sprachen nur von denen ver¬
langt wurde, die sich den höheren Universitätsstudien
1) Siehe Beilage 1.
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widmen wollten; das war im § 28 dieser «Verordnung»
folgendermaassen ausgedrückt: «Wenn Jemand von den
freiwilligen Schülern Fortschritte in den Wissenschaften
zu machen und in der Universität die Vorlesungen der
Professoren zu besuchen wünscht, so soll derselbe, nach
vorgeschriebener Norm, die lateinische und griechische
Sprache, Geschichte, Geographie, Arithmetik und Geome¬
trie lernen, wenn aber Jemand von der Wissenschaft nicht
seinen Unterhalt zu haben wünscht, so hat er im Gymnasium
die Wissenschaften zu lernen, welche seiner Absicht dien¬
lich sind». Diese «Verordnung» oder dies Statut wurde vom
Präsidenten der Akademie Grafen Rasumowski bestätigt.
Das Rectorat Im Jahre 1750 war Professor Krascheninnikow Rector
Krasclic-
uinnikow’sdcs Gymnasiums. Er war in der gelehrten Welt schon als
U acke°r’s Student durch seine Betheiligung an der zweiten Expe-
(1750—1755). ( |iti on ßerings nach Kamtschatka, von 1736—1743, be¬
kannt geworden. Die von ihm verfasste Beschreibung des
Landes Kamtschatka, «Orracauie 3 cmjih KaM^axim», wurde von
Müller 1755 herausgegeben und darauf ins Französische,
Deutsche und Englische übersetzt. Er hatte auch die «Bota¬
nische Beschreibung der Pflanzen in Ingermanland» verfasst,
«EoTaiuriecKoe oimcanie pac r reniü no HurepMaiuiaHAin», welche
von Gorter unter dem Titel «Flora ingrica» ins Lateinische
übersetzt und 1761 herausgegeben wurde. Ausserdem über¬
setzte er und Hess 1750 drucken die Geschichte Alexanders
des Grossen von Quintus Curtius. Im Jahre 1750 wurde
Krascheninnikow zum Professor der Botanik ernannt.
Die Ernennung Krascheninnikow’s zum Rector des Gym¬
nasiums hinderte die Kanzelei der Akademie nicht noch
einen zweiten Rector, der die alten Sprachen gründlich
kannte, zu ernennen, und zu diesem Amte wurde der Ma¬
gister Rothacker aus Tübingen berufen.
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Die Methode das Gymnasium mit Schülern zu füllen,
änderte sich nicht; im Jahre 1749 bat die akademische
Kanzelei das Kriegscollegium um die Erlaubniss, aus der
St. Petersburger Garnisonsschule 15 minderjährige Schüler
in das Gymnasium zu nehmen, und trug nach erhaltener Ein¬
willigung dem Professor Stähl in und dem damaligen Rec¬
tor des Gymnasiums Fischer auf, «dass sie sich bemühten,
so viel als möglich, nach ihrer Einsicht, aus jenen Schülern
fünfzehn Mann von den fähigen und zum Verständniss der
Wissenschaften und der Künste besten und zuverlässigsten
auszuwählen».
Das Gymnasium bestand, wie auch früher, hauptsäch¬
lich aus völlig unbemittelten Soldatenkindern. Von den
Schülern des Gymnasiums waren, wie wir gesehen, nur 20
Stipendiaten, die von der Akademie je einen Rubel den
Monat erhielten. Bald wurde es augenscheinlich, dass eine
solche Zahl von Stipendiaten zur Completirung der Univer¬
sität unzureichend war. «Jeder Gymnasiast», urtheilte die
akademische Kanzelei, «wird in noch unmündigen Jahren
für die Wissenschaft bestimmt, so dass dessen Würdigkeit,
Begriffsvermögen und Fleiss unmöglich mit einem Mal wahr¬
genommen werden können, denn Mancher scheint anfänglich
scharfsinnig und zuverlässig im Fortschreiten in den Wissen¬
schaften zu sein, wird aber dann faul und ganz begriffsstutzig,
und wenn auch solche durch Strafe von der Faulheit abge¬
bracht und zum Begreifen gebracht werden sollen, so hilft das
doch nicht Jedem, und in solchem Fall ist man gezwungen die
Faulen und Unbegabten auszuschliessen und an ihre Stelle
andere, aber ebenso jugendliche zu setzen. Es wäre sehr
zufriedenstellend, wenn von 20 noch minderjährigen Schülern
die Hälfte an Verständigen, Guten und zu den höheren Wis¬
senschaften Fähigen nachbliebe, was man indess nicht muth-
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maassen kann». Auf Grund dieser richtigen Ausführungen
wurde die Zahl der akademischen Stipendiaten im Jahre
1750 anfangs auf 30 und zu Ende desselben Jahres auf 40
erhöht.
Aber auch diese Maassregel wurde als unzureichend an¬
erkannt, und zu gleicher Zeit wurde den Stipendiaten «zu
ihrer Ermunterung, damit sie sich Mühe geben rasch aus
einer Classe in die andere versetzt zu werden», auf das Gesuch
Krascheninnikow’s, je nach den Classen eine besondere
monatliche Gage festgesetzt, die allmählich wuchs: in der
obersten lateinischen Classe, in der übrigens 1750 kein ein¬
ziger Schüler war, betrug sie je 3 Rubel, in der mittleren
lateinischen Classe, die im Ganzen aus einem Gymnasiasten
bestand, je 2 Rbl. 50 Cop., in der obersten deutschen Classe,
wo 9 Schüler waren, je 1 Rbl. 50 Cop. und in der unteren
deutschen Classe, mit 7 Schülern, je 1 Rubel.
Ausserdem wurde 1750 das, wie wir gesehen haben,
schon 1733 von Fischer eingereichte Gesuch um Be¬
freiung der armen Gymnasialschüler von der Zahlung des
Brückenzolls für das Passiren der Newa-Brücke, gleichfalls
erfolglos, erneuert: Die akademische Kanzelei forderte vom
Admiralitäts-Collegium die zur Disposition-Stellung von 60
Gratisbilleten zur Brückenpassage armer Schüler, welche,
nicht im Stande diesen Zoll zu entrichten, «von der Wis¬
senschaft abstehen», aus welchem Grunde sie darum bat,
dieselben davon zu befreien, «um dadurch die wachsenden
Wissenschaften nicht zu unterbrechen».
Die Erfolglosigkeit des akademischen Unterrichts wurde
auch durch den Umstand befördert, dass die Schüler nicht
zu bestimmten Fristen, sondern im Laufe des ganzen Jahres
aufgenommen wurden, woher es kam, dass «sie unaufhör¬
lich neu eintreten und Alle Verschiedenes lernen, und zwar
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Einige zu schreiben, Einige die Grammatik, Einige zu über¬
setzen».
Der Hauptarbeiter im Gymnasium und Verwalter des- Das inspec-
selben pflegte gewöhnlich nicht der Rector zu sein, der die ^rach’s °
allgemeine Aufsicht über dasselbe führte, sondern der Inspec- ( 175 °— 1761 )
tor, der der Schule unmittelbar Vorstand. Unter Krasche-
ninnikow war Inspector des Gymnasiums der Adjunct der
Akademie Moderach, ein Pädagog, der bei sich eine Pri¬
vatpension für adlige Kinder unterhielt und sowohl die rus¬
sische, als auch einige fremde Sprachen gut beherrschte. Als
der Historiograph Müller auf den Gedanken der Gründung
einer Vorbereitungsschule zur Ausbildung von Uebersetzern
kam, wies er namentlich auf Moderach hin, als auf einen
solchen Specialisten auf diesem Gebiet, der im Stande wäre
sie zu organisiren und zu leiten. «Ich habe oft den Rath er-
theilt», schrieb er 1767 an Euler, «zum Leiter einer solchen
Vorbereitungsschule Herrn Professor Moderach zu machen,
dessen Kenntnisse in der russischen Sprache ausserordent¬
lich umfassend sind; dabei wäre er zu verpflichten, dass er
den Uebersetzern sowohl ihre Fehler, als auch die wirklich
guten Seiten ihrer Uebersetzungen zeige. Einstmals erfolgte
sogar eine solche Anordnung, aber vielerlei Umstände schä¬
digten den Nutzen derselben. Mein Rath an Sie ist: unter¬
reden Sie sich gründlich mit ihm über dieses Thema. Er ist
ohne Zweifel ein sehr fähiger Mensch, und wenn er gcnöthigt
würde die Akademie zu verlassen, kann er bald eine Stelle
im Collegium der auswärtigen Angelegenheiten finden». Graf
Rasumowski hatte volles Vertrauen zu Moderach und
trug ihm daher auf, eine Vorstellung über alle Mängel des
Gymnasiums und die Art ihrer Verbesserung zu machen.
Moderach fand — und zwar völlig begründet — der Haupt¬
organisationsfehler des Gymnasiums liege darin, dass nicht
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alle Schüler desselben obligatorisch den ganzen Gymnasial-
cursus durchzumachen hätten, wie das in ausländischen
Gymnasien festgesetzt sei, dass eine fast drei Mal so grosse
Zahl nur zur Erlernung irgend einer Sprache oder eines
anderen Faches, die ihnen im Leben später nützlich sein
könnten, ins Gymnasium eintreten, woraus die Theilung
der Schule in zwei Kategorien entstehe, von denen jede ein¬
zelne eine besondere Anordnung des Unterrichts erfordere.
Das von Mo- Der Bestand des Lehrkörpers konnte nach der richtigen
gestente Pro-Meinung Moderach’s nur durch die Forderung eines vor-
•’^i^^^'gängigen Examens der Lehrer in der akademischen Confe-
uung des renz un d durch die Nichtzulassung von Universitätsstuden-
Dymnasiums.
ten zum Unterricht gehoben werden.
Die Hauptnrsache der geringen Erfolge des grössten
Theils der Gymnasiasten, die aus dem einfachen Volk ge¬
nommen wurden, rührte nach der Bemerkung Moderach’s
von dem Mangel an Erziehung und Aufsicht seitens ihrer
Eltern her, die auch das von der Akademie für die Stipen¬
diaten ausgesetzte Geld unfruchtbar verausgabten; daher
hielt er es für nothwendig, Kinder aus den ungebildeten
Classen mit sorgfältigerer Auswahl ins Gymnasium aufzuneh¬
men und das Geld nicht den Eltern in die Hände zu geben,
sondern für die Stipendiaten am Gymnasium ein Internat ein¬
zurichten. Die Hauptmängel des Gymnasiums lagen nach
der Meinung Moderach’s in der Vermischung der Kinder
aus guten Familien mit den Kindern aus den unteren Stän¬
den, von denen die' ersteren schlechte Gewohnheiten an¬
nehmen, woher Personen höheren Standes es vermeiden ihre
Kinder hinzugeben, sowie ferner auch in der Nachlässigkeit
der Lehrer, welche entweder überhaupt nicht zu ihren Lec-
tionen kommen, oder sich verspäten, oder vor Beendigung
der Stunde fortgehen, worüber viele Eltern Klage führen:
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— 29 —
im Herbst und Frühjahr kommen die Kinder, bis an die Kniee
im Koth, ins Gymnasium und finden keinen Lehrer. Zum
Schluss wurde Moderach auch wegen der Nothwendigkeit
der Herausgabe eines Gymnasialstatuts vorstellig, in wel¬
chem die Pflichten des Inspectors, der Lehrer und Schüler,
die Vertheilung der Lehrfächer und Lehrstunden, die Lehr¬
bücher und endlich auch die Strafen festgesetzt wären, da¬
mit ein Jeder seine Obliegenheiten genau kenne *).
Alle diese sachlich begründeten Gedanken und Vor¬
schläge blieben unausgeführt. Freilich bemühte sich Mode¬
rach nach Möglichkeit, seine Stellung im Gymnasium aus¬
nutzend, sie praktisch anzuwenden; aber bei der bestehen¬
den Einrichtung desselben konnte es ohne radicale Reorga¬
nisation unmöglich gehoben werden. Wahrscheinlich erfolgte
aus solchen Absichten im Jahre 1750 eine Palliativver¬
ordnung der akademischen Kanzelei folgenden Inhalts: «Die
im Gymnasio unterrichteten Kinder aus dem Adel und aus
anderen angesehenen Rängen sollen an einem besonderen
Tische sitzen, die Kinder unangesehener Eltern aber sollen
von ihnen abgesondert werden».
Bis zu welchem Maasse es erforderlich war, genau die
Obliegenheiten der Vorgesetzten des Gymnasiums zu be¬
stimmen, erwies sich bald aus einer Anordnung des Präsi¬
denten der Akademie hinsichtlich des Rectors des Gymna¬
siums Rothacker. Im Jahre 1757, als Graf Rasumowski
in Moskau war, wurden ihm von einigen Edelleuten, deren
Söhne im Gymnasium unterrichtet wurden, Klagen über die
Strenge des Rectors gegen die Kinder, besonders beim Un¬
terricht in den alten Sprachen, zugesandt. In dieser Veran¬
lassung schrieb Graf Rasumowski dem Rath Schumacher:
1) Siehe Beilage 2.
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«der Rector Rothacker ist ein erst kürzlich angereister
Mann, der weder die Sprache, noch die Sitten unserer jun¬
gen Leute kennt und daher zur Aufsicht über das Betragen
und die Gewohnheiten unserer Studenten und Gymnasiasten
sehr unhefähigt ist. Ausserdem weiss er mit Ausnahme der
lateinischen, griechischen und hebräischen Sprache nichts,
was für die adligen Kinder auch nicht nützlich sein kann. Aber
weil schonKlagen einiger angesehenen Personen, deren Kinder
im Gymnasio unterrichtet werden, an mich gelangt sind, als
ob seit meiner Abreise im Gymnasio eine Unordnung ein¬
gerissen sei und der Unterricht nicht mehr so viel Frucht
bringe, so wollen Sie in meinem Namen in der Kanzelei
anordnen: 1) Herr Rothacker hat als Rector seine obere
Classe in den Wissenschaften der lateinischen Sprache zu
unterrichten, in welcher er den auf Kosten der Akademie
Unterrichteten und Anderen, die es wünschen, in der Reinheit
der lateinischen Sprache, in der griechischen Sprache, in
den ersten Grundlagen der Rhetorik und Logik und in der
Abfassung lateinischer Verse Anleitung zu geben und seine
Lcctionen in der Weise einzurichten hat, dass aus seinen
Schülern zum Hören der höheren Wissenschaften fähige
Studenten hervorgehen könnten. Ihm zur Hülfe kann der
Conrector mit ihm die Lectionen theilen. Ausser dieser Ar¬
beit aber soll er, Rothacker, sich mit keiner anderen be¬
fassen und sich um nichts kümmern; denn der Rector des
St. Petersburger Gymnasiums kann nicht so gestellt sein,
wie in deutschen Städten, an Kirchen, weil unsere Gym¬
nasiasten grösstentheils nur die Sprachen und die adligen
Wissenschaften zu lernen wünschen. 2) Der Herr Adjunct
Moderach hat bei seiner früheren Arbeit ohne jegliche
Abänderung zu verbleiben; übrigens steht er nur unter
Aufsicht der Kanzelei, und der Rector hat sich um ihn, ab-
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gesehen von guten Rathschlägen, durch keinerlei Anordnun¬
gen zu kümmern, es sei denn was den Unterricht in der
lateinischen Sprache betrifft, weil Moderach selbst solche
Meriten besitzt, mit denen er der Akademie nicht minder
Nutzen und Ehre bringen kann, wie Rothacker, und ein
Mann in solchem Range und Amte, in welchen er sich be¬
findet, eine vorzügliche Geschicklichkeit besitzt». Auf solche
Weise war der Rector des Gymnasiums zur Stufe eines
Lehrers der alten Sprachen in der oberen Gymnasialclasse
degradirt, während der Inspector für unabhängig von der
obersten Behörde im Gymnasium erklärt wurde. Dieser Brief
des Grafen Rasumowski charakterisirt vollständig die An¬
schauungen der Zeit von dem System der Bildung: bei uns
in Russland können ja die Gymnasien nicht so eingerichtet
sein, wie überall in fremden Staaten; bei uns müssen nur
die armen Schlucker ernstlich lernen, um nachher eine
höhere Bildung und damit später auch ein Stück Brod zu
erhalten; wir besitzen gewisse, in andern Ländern unbe¬
kannte adligeWissenschaften, die in den neueren Sprachen
und einigen leichteren, im praktischen Leben anwendbaren
Fächern bestehen. Kann man sich darnach wundern, dass
solche pädagogische Ansichten, von Generation zu Generation
auf dem Wege der Tradition sich forterbend, bis auf unsere
Zeit gelangt sind und sich so reliefartig im Kampfe der
Realisten gegen die klassische Bildung ausgesprochen haben?
Was man auch sagen möge: unsere Realisten standen auf
historischem Boden: wurde doch mit Ausnahme des Standes-
princips schon vor 120 Jahren ganz dasselbe gesagt!
Im Jahre 1751 wurde Krascheninnikow zum Rector Das inspec-
der Universität ernannt und vom Rector des Gymnasiums schemnni-
zum Inspector desselben umbenannt; auf diese Weise traten n^^anfmU
statt zweier Rectoren zwei Inspectoren des Gymnasiums Mo ^ 7 e 5 r ^ ch
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auf. Zu dieser Zeit war Stänger Conrector des Gymna¬
siums.
Die Lage des in seine obere Classe eingesperrten
Rothacker wurde kritisch, weil es in dieser Classe keinen
einzigen Schüler gab, d. h. es war Niemand vorhanden, dem
er die alten Sprachen hätte lehren können. Dem wurde da¬
durch abgeholfen, dass man 12 Studenten der Universität
in diese Gymnasialclasse zurückversetzte: «Obgleich gegen¬
wärtig von den akademischen Gymnasiasten keine vorhanden
sind, die zum Unterricht in den höheren Autoren der latei¬
nischen und griechischen Sprache fähig sind», lesen wir im
Protokoll vom 31. Mai, «so sind doch, wie aus dem von
Herrn Professor Krascheninnikow eingereichten Rapport
ersichtlich, unter den Studenten bis zwölf Liebhaber für
den Unterricht in der griechischen Sprache, so dass er,
Rothacker, sie jetzt auch unterrichten soll, und sobald es
unter den Gymnasiasten dazu fähige Schüler geben wird,
soll er auch diese gleichermaassen unterrichten.»
Der Cursus des Gymnasiums wurde ebenso willkürlich
und zufällig verändert, wie der Bestand der Vorgesetzten
des Gymnasiums. Im Jahre 1748 wurde im Gymnasium der
Italiener Godendi zum Lehrer der französischen Sprache
ernannt und ihm vorgeschrieben: «wenn sich Schüler finden
werden, so hat er einige Stunden in der Woche auch im Italie¬
nischen zu unterrichten». Von dieser Zeit an wurde die zu¬
fällig in den Cursus des Gymnasiums gerathene italienische
Sprache bis ans Ende des vergangenen Jahrhunderts als
Schulfach beibehalten. Im Jahre 1751 erschien es aus un¬
bekannten Gründen nöthig, die Fortification in den Gymna-
sialcursus einzufügen. «Es ist für den Nutzen der Schüler
des akademischen Gymnasiums sehr nöthig», heisst es im
Protokoll vom 12. Januar, «dass sie die Fortification lernen,
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ein solcher Mensch findet sich aber an der Akademie nicht,
während der Adjunct der Mathematik am adligen Cadetten-
corps Heinrich Meirt durch eine auf den Allerhöchsten
Namen in der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften
eingereichte Bittschrift erklärt, dass er sich in der Geome¬
trie undFortification hinreichend geübt habe, was ihm auch
in der Kanzelei des Cadettencorps, in Gegenwart der die
Ingenieurkunst kennenden Herren Officiere, bezeugt wor¬
den»; er wurde denn auch zum Lehrer der Fortification er¬
nannt. Aber die Fortification blieb nicht lange im Gymna-
sialcursus; sie wurde 1755 aus demselben ausgeschlossen,
«gemäss der Einsicht, dass der Unterricht in dieser Wissen¬
schaft fürder nicht mehr von Nöthen sei und dass auch nach
dem akademischen Reglement die Fortification zu lehren
nicht angeordnet sei».
Der Religionsunterricht der Gymnasiasten konnte schwer¬
lich erfolgreich von statten gehen, weil es keinen betändigen
Religionsleher am Gymnasium gab, sondern nach Anord¬
nung des St.-Petersburger geistlichen Consistoriums zwei
Messner der Peter-Pauls-Kathedrale, Jahr um Jahr einander
abwechselnd, Unterricht gaben.
Der Bestand der Lehrer des Gymnasiums war wie früher
unbefriedigend. Im Jahre 1750 stellte Krascheninnikc-w
vor: «In der deutschen und französischen Classe geht der
Unterricht nicht mit solchem Nutzen von statten, wie erwar¬
tet werden müsste, denn der Lehrer Herwart, welcher ge¬
genwärtig in der unteren französischen und in der oberen
deutschen Classe unterrichtet, ist in der französischen Sprache
nicht nur nicht stark, sondern hat sogar eine sehr schlechte
Aussprache, und in der deutschen fast ebenso; jedenfalls ist
es wahr, dass er die Schüler in der deutschen Sprache so
unordentlich unterrichtet, dass nicht die geringste Hoff-
Beiträge z, Kenntniss d. Bass. Reiches. Dritte Folge. 3
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nung vorhanden ist, sie könnten aus seiner Unterweisung
die Eigentümlichkeit dieser Sprache verstehen lernen; er
bemüht sich auch nicht darum, dass die Schüler sich an
eine regelrechte Aussprache der Worte gewöhnen, und aus
diesem Grunde lesen sie in solcher Weise Deutsch, dass ihre
Aussprache den Kennern dieser Sprache nicht nur wider¬
wärtig, sondern dass auch nicht zu verstehen ist, was sie
lesen, und das hat den Grund gegeben, dass einige von den
freiwilligen Schülern des bei solchem Unterricht fruchtlosen
Zeitverlustes wegen genötigt waren, das Gymnasium zu
verlassen und sich anderswo, zum Tadel für das Gymnasium,
für Zahlung unterrichten zu lassen. Und sollte nicht für gut
erkannt werden, zum grösseren Nutzen der Schüler eine ge¬
wisse Veränderung im Gymnasio einzuführen, indem man
Lehrer der deutschen und französischen Sprache zugiebt».
In Folge dieser Vorstellung wurde Herwart vom Unterricht
in der französischen Sprache im Gymnasium enthoben und an
seine Stelle der Lehrer des Cadettencorps Sougis ernannt;
den Unterricht in der deutschen Sprache behielt er aber einst¬
weilen noch, unter Mithülfe des Informators Oesterlen und
Moderachs selbst, der den Auftrag erhielt, für dieses Facli
einen anderen Lehrer ausfindig zu machen. Moderach
empfahl den aus Gdansk (Danzig) gebürtigen Kosh in für die¬
ses Amt, welches derselbe auch erhielt. Die Entfernung Her¬
war t’s aus dem Gymnasium wurde durch seinen Streit mit
Moderach beschleunigt: «Herwart ist wegen seiner Unfä¬
higkeit und seines unruhigen Lebens», schrieb Graf Rasu-
mowski an Schumacher, «besonders aber, weil er, wie ich
aus einem eigenhändigen Briefe desselben ersehen, Mode-
rach schriftlich beschimpft und denuncirt, aus der Akademie
auszuschliessen». Zum anderen Lehrer der deutschen Sprache
wurde ein gewesener Student der akademischen Universität,
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der Engländer Booker, ernannt, welcher ein reines Russisch
sprach und mit Leichtigkeit aus einer Sprache in die andere
übersetzte. Im Jahre 1753 wurde zum Lehrer der deut¬
schen Sprache in der unteren deutschen Classe ein russischer
Student ernannt, «welches Amt er zu bekleiden im Stande
ist, denn er versteht von allen Studenten am besten Deutsch».
In demselben Jahre wurde für die Conrector-Classe (die
mittlere lateinische) ebenfalls ein Student, Gerassimow,
ernannt, weil der Conrector Stenger, der in dieser Classe
unterrichtete, die russische Sprache nicht kannte und seine
Schüler aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzten; die
Obliegenheit Gerassimow’s bestand darin, dass er, indem er
Stenger unterstützte, die Schüler ins Russische übersetzen
liess, was eine doppelte Uebersetzung, zuerst ins Deutsche
und nachher ins Russische, veranlasste. «Zum Nutzen des
Gymnasii ist unumgänglich nothwendig», schrieb Kra-
scheninnikow, «dass einer von den Studenten die Schüler
der Stenger’schen Classe ins Russische übersetzen lehre
und dass er dasselbe zu übersetzen befehle, was sie bei
Stenger aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzen;
denn er habe bemerkt, dass die Schüler den Inhalt eines
lateinischen Autors, wofern er ihnen interpretirt worden,
vollständig verstehen und ins Deutsche übersetzen, aber
ins Russische zu übersetzen nicht im Stande sind. Wenn
ihnen aber ein solcher Mensch beigegeben wird, so werden
sie erfolgreicher Latein lernen und rechtzeitig sich an
Uebersetzungen gewöhnen».
Die Behandlung der Schüler seitens der Lehrer war
roh. Am deutlichsten spiegelt sich das in den Originalproto¬
kollen der akademischen Kanzelei wieder. So ist im Proto¬
koll vom 31. October 1752 vermerkt: «Der Universitäts¬
professor, Rector und Inspector des Gymnasii, Herr Kra-
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scheninnikow stellte unter diesem Datum der Kanzelei einen
Rapport darüber vor, in welcher Weise der Conrector Sten-
ger bei der Bestrafung mit den Schülern verfuhr, raaassen
er sie mit dem Stock derart zurichtete, dass einer von ihnen,
Ilja Awramow, gegen zwei Wochen krank gewesen, worüber
er mündlich in der Kanzelei berichtet habe, und sei ihm,
Stenger, ein Verweis desshalb ertheilt und streng verboten
worden den Rohrstock zu gebrauchen; aber er, Stenger,
habe am 30. October c. den Schüler Wedenski nicht nur mit
seinem Rohrstock misshandelt, sondern ihm auch das Auge
mit demselben gefährlich verletzt. Von solchen Strafen müsse
aber nicht so sehr eine Besserung der Schüler, als vielmehr
eine Schädigung erwartet werden, da solche Verletzungen in
ihnen die Lust zu den Wissenschaften ertödten und der Ge¬
sundheit der jungen Kinder unheilbaren Schaden zufügen kön¬
nen, zu grosser Beeinträchtigung des von ihnen erwarteten
Nutzens, um so mehr, als bei ihm, Stenger, die besten von den
gagirten Schülern Unterricht haben, die nicht nur Arithme¬
tik, Geometrie, Trigonometrie und Geographie gelernt, son¬
dern auch in der Fortification einige Fortschritte gemacht
haben und so viel Deutsch verstehen, dass sie in seiner Classe
vermittelst der deutschen Sprache Latein lernen, denn er,
Stenger, versteht kein Russisch. Und verlangte der Profes¬
sor, dass ihm, Stenger, in solchen tadelnswerthen Eigen¬
mächtigkeiten Einhalt gethan und wegen Ungehorsams ge¬
gen den Befehl eine Strafe auferlegt würde, damit sowohl
er, als auch die Anderen sich in Zukunft nicht an Ungehorsam
gewöhnen. Wenn er aber die ihm auferlegte Strafe nicht zu
tragen wünsche, so werde der Akademie daraus ein geringer
Verlust erwachsen, wenn er, Stenger, den Dienst verlasse,
denn für sein Amt seien viele der würdigsten und ge¬
schicktesten russischen Studenten da. Und wurde auf diesen
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Rapport des Professors in der Kanzelei der Akademie be¬
schlossen: den Conrector Stenger in die Kanzelei zu citi-
ren und ihm einen Verweis zu ertheilen, damit er hinfort
mit den akademischen und freiwilligen Schülern gut und
ordentlich verfahre und sie nicht, wie im Rapport des Pro¬
fessors angegeben, mit dem Stocke strafe und dadurch
verunstalte, sondern dieselben hinfort für Verschuldun¬
gen, nach Berichterstattung an den Professor, mit Ruthen
strafe. Wenn er, Stenger, aber in Zukunft dem Professor
Ungehorsam erweisen und die Schüler in unzulässiger Weise
strafen sollte, werde er in solchem Falle aus der Akademie
ausgeschlossen oder nach Maassgabe der Schuld mit einem
Gagenabzug bestraft werden». Bald erwies es sich, dass man
auch mit Ruthen die Schüler ebenso schlimm zurichten könne,
wie mit dem Stock. Im Protokoll vom 24. April 1753 lesen
wir: «Am 22. dieses Aprils reichte M oderach von sich aus
einen Bericht ein, in welchem er erklärte, dass Sougis (der
Lehrer der französischen Sprache) dem vorgeführten Sohn
des Obersten Gran eine sehr grausame und adligen Kin¬
dern durchaus unziemliche Strafe habe angedeihen lassen;
einer der Ofenheizer habe den besagten Gran, ihm den
Kopf einklemmend, gehalten, und ein anderer ihn mit einem
Ruthenbund so unbarmherzig geschlagen, dass er einige
Tage weder sitzen, noch liegen konnte; aus welchem Grunde
er, Mo de rach, den Sougis zu sich gerufen und ihm als
seinem Untergebenen für eine solche Frechheit einen Ver¬
weis ertheilt habe, dessen er ihm um so würdiger erschienen
sei, als vom Herrn Professor Krascheninnikow und von
ihm (Moderach) den Lehrern am Gymnasio vielfach ein¬
geschärft worden, dass sie sich nicht unterständen, ohne ihr
beiderseitiges Wissen oder ihre Erlaubniss Kinder adliger und
angesehener Väter zu schlagen. Aber weil einige von den be-
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sagten Lehrern so unbedachtsam seien, so würde das Gym¬
nasium, wenn man ihnen darin freie Hand Hesse, bald leer
stehen. Zudem hat Sougis nicht nur den Gran allein,
sondern auch verschiedene andere Schüler durch denselben
Ofenheizer empfindlich prügeln lassen, den er ausdrücklich
zum Schlagen anstellt, weil er stark schlägt, wofür Sougis
selbst ihn öffentlich lobt und ihm, wie seine Schüler erzählen,
für ein so ansehnliches Verdienst Geld zu Branntwein giebt.
Ob aber solche Handlungen eines Gymnasiallehrers würdig
seien und ob aus so unverständiger Bestrafung der Akademie
nicht ein Tadel erwachsen könne, das bleibe dem Urtheil der
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften anheim gestellt».
DerConrector Im Jahre 1753 starb der machtlose Rector desGymna-
deS sium na siums Rothacker und der Conrector Stenger nahm seinen
P °(i 7 ° 5 W 3 ) Ski Abschied.
Krascheninnikow stellte an seiner Stelle den Studenten
Gerassimow vor und fügte hinzu, «er vertraue darauf, dass
die russische Jugend rascher Latein lernen werde, weil er
es in russischer Sprache interpretiren werde, während die
Kinder bisher Deutsch lernen mussten, um mit Hülfe der
deutschen Sprache Latein zu lernen». Aber Graf Rasu-
mowski schrieb: «Zum Conrector des Gymnasii wird der
Student Nikolai Popowski ernannt». Es war unmöglich eine
bessere Wahl zu treffen. Popowski war in der russischen
Literatur ein Schüler Lomonossow’s und zeigte bald seine
Begabung durch prosaische und metrische Uebersetzun-
gen aus fremden Sprachen ins Russische. Er übersetzte und
Hess 1753 erscheinen Horazens Ars poetica und einige sei¬
ner Oden. Darauf übersetzte er ebenfalls in Versen aus dem
Französischen Pope’s «Essay on men» (Versuch über den
Menschen) und liess die Uebersetzung 1757 drucken; sie
erlebte sechs Ausgaben. Desgleichen wurde von ihm Locke’s
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Werk «über Erziehung der Kinder» aus dem Französischen
übersetzt und im Jahre 1760 herausgegeben. Bald wurde die
Moskauer Universität eröffnet und Popowski zum Professor
der Beredsamkeit an derselben ernannt. Er war der erste
Herausgeber der der Universität gehörenden «Moskauer
Zeitung» — Mockobcmh B^aomocth.
Graf Rasumowski erkannte den ungenügenden Zustand
des Gymnasiums, erinnerte die Lehrer an ihre Pflichten und
befahl im Jahre 1757 ein Statut für dasselbe zu verfassen.
In der am 13. Februar dieses Jahres der akademischen
Kanzelei ertheilten Instruction ist gesagt: «Am Gymnasio
ist auf alle Weise darauf zu achten, dass die Lehrer fähige
und eifrige Leute seien und fleissig ihre Obliegenheiten er¬
füllen. Ueber solche, welche sich als unfähig erweisen, welche
faul sind und die zum Unterricht festgesetzten Tage und
Stunden versäumen, sowie im Allgemeinen über den Zustand
des Gymnasiums hat der Inspector Moderach, behufs ange¬
messener Beschlussfassung, an die akademische Kanzelei zu
rapportiren, und damit sowohl die Lehrer, als auch die Schüler
ihrer Pflichten kundig seien, ist das frühere Reglement des
Gymnasiums durchzusehen und das, was gemäss den jetzi¬
gen Umständen in demselben eine Veränderung oder Er¬
gänzung fordern sollte, sofort zu verbessern und nachdem es
auf diese Weise auf eine feste Grundlage gestellt, mir zur
Approbation zuzuschicken».
Die auf 40 festgesetzte Zahl der Gymnasialstipendiaten
wurde 1752 durch den Beschluss erweitert, dass sie ohne
Bestimmung einer Norm erhöht werden könne, wenn nur
die akademischen Summen dazu ausreichen. Ungeachtet
dessen wurden 1758 nur 44 Gymnasiasten auf Kronskosten
unterhalten. Zur Füllung des Gymnasiums mit Schülern
wurden Studenten der Universität zum Unterricht in eini-
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gen Fächern des Gymnasialcursus übergeführt. So erwies
sich bei dem 1758 von Stenger, Taubert und Braun
vorgenommenen Examen der Gymnasiasten, dass in der
oberen lateinischen Classe nur ein einziger Schüler vor¬
handen war; «aber als Ergänzung für ihn», beschloss die
akademische Kanzelei, «kann man Studenten aus der unteren
Classe, welche im Lateinischen nicht stark sind, bestimmen».
Im Jahre 1757 wurden in der oberen deutschen Classe mit
den Gymnasiasten zusammen auch Studenten der Universi¬
tät in der deutschen Sprache unterrichtet.
Das Hauptcontingent der Gymnasialschüler bestand wie
früher aus Knaben der unteren Stände, besonders aus Sol¬
datenkindern. Es waren damals auch nicht wenige Söhne der
Dienstleute des Grafen Rasumowski im Gymnasium, und
auf diese verwandte die Obrigkeit besondere Aufmerksamkeit;
so wurden im Jahre 1752 im Gymnasium vier Söhne aus
seinem Gesinde unterrichtet, lernten aber schlecht, und die
akademische Kanzelei schrieb den Lehrern vor, sich mit
ihnen zu beschäftigen, «denn es muss von Sr. Hochgräflichen
Erlaucht eine nicht geringe Reprimande erwartet werden,
wenn schon die Herren Lehrer den Leuten ihres obersten
Commandeurs eine solche Vernachlässigung beweisen, wie¬
viel würden sie sich um die übrigen Schüler bemühen».
ScMter, wei- Indessen fuhren auch einige Personen aus bekannten Fa-
1751 ins Gym- milien fort ihre Söhne ins Gymnasium zu geben; so traten ein:
U GrTf m Mün- U J a ^ re 1750 Graf Burchard Christoph Münnich, Sohn
Fürs*! Grigorij ^ es Oberhofmeisters und Enkel des bekannten Feldmar-
w oikonski. schalls, und der Sohn des Oberprocurators des Hl. Synods
Fürsten Jakow Petrowitsch Schachowskoi, Fedor, im Jahre
1751 der Sohn des Kammerherrn Chitrowo und der Sohn des
Generalproviantmeisters Fürsten Wolkonski, Grigorij, da¬
mals ein achtjähriger Knabe, später Generalgouverneur von
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Orenburg (der Grossvater des gegenwärtigen Gehülfen des
Ministers der Volksaufklärung, Fürsten Michael Ssergeje-
witsch).
Im Jahre 1756 wurde das Gymnasium aus dem Hause
des Barons Stroganow in ein vom Ssergijew’schen Dreifal¬
tigkeitskloster gemiethetes Haus in der 15.Linie von Wassili-
Ostrow übergeführt.
Am 18. August 1758 vertraute Graf Rasumowski die Die Ueber-
Verwaltung desLehr- und Unterrichtswesens in der Akademie Haltung des
Lomonossow an, dem er sowohl die Universität, als auch G y mnasiums
das Gymnasium vollständig unterstellte. Die akademischen nossow
Lehranstalten hatten Lomonossow schon längst beschäftigt, ^ 758 ^
und er hatte sich schon früher bemüht, Maassregeln zu ihrer
Hebung zu ersinnen. Im Jahre 1755 wandte er seine Auf¬
merksamkeit den schwachen Fortschritten der Schüler und
ihrer geringen Zahl im Gymnasium zu; er schlug eine Ver-
grösserung der Zahl der Kronsstipendiaten und die Auf¬
nahme von Söhnen solcher Personen ins Gymnasium vor,
die in die Kopfsteuerlisten eingetragen waren. «Die Schüler
im Gymnasio», schrieb er, «sind nicht im Verhältniss zu den
Studenten normirt. Der Autor hatte keinen Begriff vom
menschlichen Geschlecht, er wusste nicht, l)dass von jungen
Menschen mehr sterben als von alten, so dass kaum der
vierzigste Mensch das 30-ste Jahr erlebt, aus welchem
Grunde schon vielmehr Schüler erforderlich sind als Stu¬
denten ; 2) er zog ferner nicht in Erwägung, dass wegen Ver¬
schiedenheit des Verständnisses und des Fleisses nicht jeder
Schüler zum Studenten tauglich ist; 3) obgleich Mancher
scharfsinnig ist, kann er verschiedener Umstände wegen doch
nicht weiter kommen. Nach alledem muss die Zahl der
Schüler grösser angesetzt werden, als die der Studenten. Hin¬
gegen sind im Etat an Studenten 30, an Schülern 20 Mann
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angesetzt. Wenn der Autor an ungagirte Schüler gedacht
hat, so musste er auch an ungagirte Studenten denken;
aber die gagirten müssten immer im Verhältniss zu einander
stehen. Andere europäische Staaten sind angefüllt von ge¬
lehrten Leuten jeglichen Standes, doch ist es keinem ein¬
zigen Menschen, wer er auch sein möge, verboten, an den
Universitäten zu studiren, und auf der Universität geniesst
der Student mehr Achtung, der mehr gelernt hat, wessen Sohn
er aber ist, darauf kommt es nicht an. Hier im russischen
Staat giebt es wenig Gelehrte; die Edelleute finden wegen der
Unordnung in den Rängen wenig Ermunterung; den Kopf¬
steuerpflichtigen ist es verboten in der Akademie Unterricht
zu erhalten. Vielleicht meinte der Autor, dass es dem russi¬
schen Reich eine grosse Last wäre, wenn es 40 Dreier im Jahre
verliere, um einen gelehrten Russen zu gewinnen. Aber wenn
es auch schade um die 40 Dreier gewesen wäre, um 1800
Rubel, um einen Ausländer zu verschreiben, wäre es nicht
leid; worin sind aber diejenigen Kopfsteuerpflichtigen schuld,
welche einen solchen Wohlstand besitzen, dass sie ihre
Kinder auf ihre eigenen Unkosten der Wissenschaft widmen
können? Und warum sind Alle blindlings ausgeschlossen,
ohne die wackeren Beisassen (Possadskije) von den Leibeigenen
der Gutsbesitzer zu unterscheiden? Es wäre auch an der
Ausnahme genug gewesen, die Kinder der Leibeigenen nicht
aufzunehmen)). Der Akademiker Müller war ganz ent¬
gegengesetzter Meinung: er fand, dass das akademische
Gymnasium dadurch verdorben sei, dass es hauptsächlich
aus Knaben niederen Standes bestand, und machte den Vor¬
schlag, sie gesondert von den adligen Kindern zu unter¬
richten. Am 17. Juli 1756 fanden in der akademischen
Conferenz heisse Debatten darüber statt, die soweit gingen,
dass Lomonossow, Stählin und Popow den Saal ver-
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Hessen; die Frage blieb unentschieden. Im Jahre 1758
reichte Lomonossow dem Grafen Rasumowski eine Vor¬
stellung über den schlechten Zustand des Gymnasiums ein.
Nachdem Lomonossow das Gymnasium in seine volle
Disposition bekommen hatte, richtete er sofort eine Pension
für 40 auf Kronskosten unterhaltene Zöglinge an demselben
ein, was, wie wir gesehen, Mo de rach schon früher vorge¬
schlagen hatte, und beabsichtigte später ihre Zahl bis auf 60
zu erhöhen, was im Jahre 1760 auch geschah. Am 22. Fe¬
bruar 17 60 wurde in der russischen Petersburger Zeitung(Pe-
terburgskija Wjedomosti) eine Bekanntmachung abgedruckt,
dass die Zahl der im Gymnasium auf Kronskosten unter¬
haltenen Zöglinge ums Dreifache vermehrt worden sei und
die Eltern desshalb aufgefordert werden, ihre Kinder ins
Gymnasium zu geben. Diese Bekanntmachung über die Zahl
der Kronsschüler ist nur in Betreff der 20 richtig, die vom
akademischen Statut des Jahres 1747 festgesetzt waren; aber
schon 1750 war die Zahl derselben verdoppelt, und 1752
war, wie wir gesehen, gestattet worden, eine unbegrenzte
Zahl von Schülern auf Kronskosten aufzunehmen, wenn es
die Geldmittel der Akademie nur gestatteten.
Lomonossow richtete im Gymnasium statt der deutschen
niedere russische Classen ein. Im Jahre 1759 machte
er eine Eingabe, dass es für die Gymnasiasten der oberen
Classe nützlich wäre, vor dem Eintritt in die Universität
einen Begriff von allen Wissenschaften zu erhalten, die dort
gelehrt würden, um sich eine Facultät zu wählen, und hielt es
daher für nothwendig, dass ein kurzer Conspectus für jedes
Fach des Universitätsunterrichts verfasst, und gedruckt
würde; aufseine Forderung wurde auch vorgeschrieben, «dass
die Herren Professoren das ohne jegliche Zögerung thun
sollten». Sie thaten es aber keineswegs, und es lässt sich
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dies auch kaum bedauern, weil es nur wenig Nutzen gebracht
hätte 1 ).
Im selben Jahre 1759 verfasste Lomonossow «Gesetzes¬
bestimmungen» für die Schüler im Gymnasium, in welchen
Regeln darüber dargelegt waren, wie die Schüler sich gegen
die Lehrer und unter einander zu verhalten hätten. Diese
Regeln waren nichts mehr als Gemeinplätze, ohne prak¬
tische Bedeutung.
Ebenfalls 1759 wurden von Lomonossow Reglements
für die Universität und das Gymnasium entworfen, diese
haben sich aber nicht erhalten.
Der Bestand der Gymnasiallehrer war wie früher ungenü¬
gend ; man wählte sie hauptsächlich aus der Zahl der nicht
1) N. A. Lawrowski meint, dass Lomonossow dabei eigentlich die
Zusammenstellung einer Uebersicht über die durcbgenommenen Gymnasial¬
wissenschaften im Auge gehabt habe, damit die Gymnasiasten sich des früher
Gelernten erinnern und hauptsächlich den allgemeinen Sinn und die Ge-
sammtheit des Inhalts eines jeden Faches, das sie sich früher im Gymnasium
zueigen gemacht,verstehen könnten.(0 JIoMOHOconh. IIo hobumt» MaTepia-
■laMt. XaptKOBi>. 1865r. Ucber Lo m o n o s s o w. Nach neuen Materialien. Char¬
kow 1865, pag. 200—201.) Wenn dem so gewesen wäre, so wären die vorge¬
schlagenen Maassregcln in derThat nützlich gewesen; gegenwärtig finden sie
auch in der That nach dem Gymnasialstatut von 1870 auf die VIII Classe des
Gymnasiums Anwendung, die hauptsächlich zur bewussten Wiederholung
des früher durchgenommenen Cursus bestimmt ist. Aber das war es nicht,
was Lomonossow einzuführen wünschte: er fand, dass die den Cursus
beendigenden Gymnasiasten «einen Begriff von allen Wissenschaften
haben müssten, welche in der Akademie (d. h. auf der Universität) gelehrt
werden, damit sie, überall ihrer Neigung folgend, sich auswählen könnten,
worauf sie hauptsächlich ihre Anstrengung richten wollen». Es ist klar, dass
Lomonossow dabei durchaus nicht eine Wiederholung der von den Gym¬
nasiasten erlernten Fächer beabsichtigte, da sehr viele auf der Universität
gelehrten Wissenschaften ganz und gar nicht zum Cursus des Gymnasiums
gehören, sondern dass er eine Erleichterung der Auswahl der Facultät für
dieselben im Auge hatte, was vollständig überflüssig ist, denn jeder er¬
wachsene Gymnasiast kennt auch ohnehin den Bestand der Wissenschaften
der von ihm erwählten Facultät. Ja, auch der Umfang der von Lomonos¬
sow geforderten Conspccte lässt den Gedanken an eine so gedrängte Dar¬
legung des ganzen durchgenommenen Faches nicht zu: er bestimmte näm¬
lich, dass der Ueberblick über jede Wissenschaft nicht länger als einen
halben Druckbogen sein dürfte.
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fertig gewordenen Studenten, die natürlich in russsischer
Sprache unterrichteten, aber die erforderlichen Kenntnisse
nicht besassen. Im Protokoll vom 12. December 1758 ist Fol¬
gendes darüber gesagt: «Der Adjunct der Akademie und In¬
spector Herr Moderach reicht einen Rapport darüber ein,
dass einige von den Studenten sich in der Stellung von Lehrern
am Gymnasium befinden und in verschiedenen Classen unter¬
richten, und zwar: «Ignatij Terentjewin der arithmetischen,
Ssemjon Wedenski in der mittleren russischen, Iwan Pryt-
koi in der unteren russischen Classe. Besagte Studenten
wünschen und bitten, dass man sie aus der Zahl der Stu¬
denten ausschliesse und als wirkliche Lehrer mit einer
Gage im gleichen Yerhältniss wie die übrigen Lehrer am
Gymnasio anstelle, damit sie dadurch zu um so grösserem
Eifer und Fleiss bei Erfüllung der ihnen auferlegten Pflich¬
ten ermuntert würden. Seiner Meinung nach wäre es gerecht
und für das Gymnasium nützlicher, dass jene Studenten zu
Lehrern ernannt würden; auch scheine, was ihre Verhältnisse
anbetreffe, keine besondere Nothwendigkeit dafür vorzu¬
liegen, dass sie länger Studenten blieben, denn von Te-
rentjew und Prytkoi seien sowohl nach ihren Jahren,
als auch nach ihrer angeborenen Begabung keine weite¬
ren und grossen Fortschritte in den Wissenschaften zu
erwarten, und Ssemjon Wedenski werde, wenn er auch
jetzt zum Lehrer ernannt wird, dieses Amt nicht hindern
sich ferner in den Wissenschaften anzustrengen, zu denen
er nach der Schärfe seines Verstandes vor Anderen be¬
fähigt sei. Nach einer Erkundigung in der akademischen
Kanzelei befinden sich benannte Studenten an der Akademie:
Terentjew seit 1748, Wedenski seit 1749, Prytkoi seit
1748 und wird ihnen die Gage monatlich ausgezahlt. Aber
weil jene Studenten die vom Herrn Collegienrath und Pro-
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fessor Lomonossow eingerichteten Classen nothwendiger
Weise unterrichten sollen, so wurde desshalb beschlossen:
«dass sie alle drei Lehrer des Gymnasiums sein und aus der
Zahl der Studenten gestrichen werden sollen». Mit anderen
Worten: die Studenten, welche wegen mangelnderFähigkeiten
auf der Universität sitzen geblieben waren, wurden für fähig
erachtet den Posten von Gymnasiallehrern zu bekleiden. In
der That erwies es sich, dass der fähigste von diesen drei
Studenten, Ssemjon Wedenski, durchaus nicht dem Beruf
eines Gymnasialpädagogen entsprach. «Am 11. December
1760», heisst es in einem von Lomonossow unterschrie¬
benen Protokoll, «wurde auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Maje¬
stät von der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften
befohlen: dem Gymnasiallehrer Ssemjon Wedenski, welcher
seit dem 28. November dieses Jahres nicht in die Classen
gegangen ist, den Degen abzunehmen und ihn bis zu weiterer
Resolution bei der Akademie in Arrest zu halten, und soll
Herr Professor Moderach an seine Stelle zum Unterrichten
in seiner Classe einen fähigen Menschen unter den Studenten
auswählen, worüber Herrn Moderach Ordre zu senden ist,
dem Fähnrich Hall aber ist über das Halten des Wedenski
unter strenger Bewachung Befehl zu ertheilen». Die Strafe
besserte jedoch diesen studentischen Lehrer nicht. In dem
ebenfalls von Lomonossow, zusammen mitTaubert, unter¬
schriebenen Protokoll vom 9. September 1762 lesen wir:
«Die Akademie der Wissenschaften hörte den Rapport, welcher
vom Professor und Inspector des Gymnasii Kotelnikow
eingereicht war, in welchem er vorstellig machte, dass der
Lehrer Ssemjon Wedenski wegen Trunksucht und Müssig-
ganges selten in die Classen geht, die Uebersetzungen zur
Correctur nach Hause nimmt, sie aber nicht nur nicht corri-
girt, sondern auch die Schülerhefte verliert, worüber sich
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die Schüler selbst beschweren; auch machen die Schüler
bei ihm sehr geringe Fortschritte, und auf vielfältige Er¬
mahnungen und Verweise hat er nicht die geringste Bes¬
serung gezeigt. In der der akademischen Kanzelei von Sr.
Erlaucht dem Grafen Kirill Grigorjewitsch Rasumowski
ertheilten Ordre ist aber anbefohlen, zur Ausrottung der
Trunksucht und des Müssigganges alle möglichen Mittel zu
gebrauchen und Solche, welche weder durch Ermahnung, noch
durch Strenge der Strafe gebessert worden, auszuschliessen,
ohne irgend welche Entschuldigungen oder Fürsprache für sie
anzunehmen, damit die Uebrigen, wenn sie solche Beispiele
sehen, ihre Obliegenheiten pünktlicher ausüben. Weil nun
besagter Wedenski häufig wegen Trunksucht und Müssig¬
ganges unter Arrest gewesen, was ihm aber, wie ersichtlich,
nicht geholfen und ihn nicht von schlechten Handlungen zu¬
rückgehalten hat, wesshalb auch die Schüler, statt guter
Beispiele und der Anweisung zu ehrenhaftem Leben, Nei¬
gungen zu allerhand Ungebührlichkeiten von ihm lernen, so
wurde desswegen befohlen: in Befolgung des Befehls Sr.
Hochgräflichen Erlaucht besagten Lehrer Ssemjon We¬
denski für Trunksucht und Miissiggang und Mangel an
Fleiss in seinem Amt aus der Akademie auszuschliessen und
ihn nach Auszahlung der ihm zukommenden Gage zur Be¬
stimmung für ein anderes Commando, wozu er sich fähig
erweisen wird, in Begleitung eines Promemorias ins Herold¬
meister-Comptoir zu schicken; und soll Herr Professor Ko-
telnikow an seine, Wedenski’s, Stelle zum Unterricht in
seiner Classe einen fähigen Studenten von guter Beschaffen¬
heit auswählen, welchem ausser dem auf ihn zu verwendenden
Unterhalt eine Belohnung zu gewähren ist».
Es gab im Gymnasium nicht nur einen derartigen Infor¬
mator aus den Studenten. Zehn Tage darauf machte der
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Inspector des Gymnasiums eine Vorstellung, «dass ausser
dem Lehrer Ssemjon Wedenski noch die Gymnasiallehrer
Paul Wedenski und Ossip Polidorski wegen unordent¬
lichen Besuches der Classen und mehr noch wegen tadelns-
werthen und Lehrern unziemlichen Betragens, namentlich
wegen Trunksucht, aus dem Gymnasio zu entlassen und
an ihre Stelle zum Unterricht der Schüler die Studenten
Dmitrij Mokejew, Peter Inochodzewund Afanassij Gor in
zu ernennen seien und ihnen, zur Aufmunterung für ihre
Arbeiten im Gymnasio eine Belohnung zu bestimmen sei».
Den im Gymnasium unterrichtenden Studenten wurden
im Monat je zwei Rubel gezahlt. Sie unterrichteten nicht
nur in den unteren, sondern auch in den lateinischen Clas¬
sen; so wurde im Jahre 1764 beschlossen «zum Unterricht
in den unteren lateinischen Classen aus den akademischen
»Studenten eine Wahl zu treffen».
Im Jahre 1761 wurden den Gymnasiasten, auf Forderung
Lomonossow’s, aus dem (akademischen) Buchladen Lehr¬
bücher verabfolgt und aus dem Auslande verschrieben, «denn
manchen Schülern sind nicht alle, anderen überhaupt keine
gegeben worden, wodurch im Unterricht ein nicht geringer
Aufenthalt stattfindet».
Lomonossow war hauptsächlich darauf bedacht, das
verödete Gymnasium mit Schülern zu füllen, während er auf
die Eigenschaften derselben und, wie wir gesehen, auch
auf die Vorzüge der Lehrer wenig Aufmerksamkeit ver¬
wandte. Im Jahre 1760 waren im Gymnasium im Ganzen
37 Schüler, darunter 22 Soldatensöhne, die freilich nicht für
eine höhere Bildung vorausbestimmt waren. Im Jahre 1761
gab es im Ganzen 46 Gymnasiasten, davon 30 Soldatensöhne.
Da im akademischen Gymnasium die Absolvirung des ganzen
Cursus nicht obligatorisch und es möglich war die Unter-
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richtsfächer auszuwählen, so kann es nicht Wunder neh¬
men z. B. auf folgende Bestimmung zu stossen: «Am 3. Sep¬
tember des Jahretf 1764 verordnete auf Befehl Ihrer Kai¬
serlichen Majestät die Kanzelei der Akademie der Wissen¬
schaften nach Anhörung eines Promemorias aus dem Reichs-
admiralitäts-Collegium: die mit demselbem gesandten 25
Mann minderjähriger Schreiber im akademischen Gymnasio
in der Rechtschreibung zu unterrichten».
Obgleich die Zahl der auf Kronskosten unterhaltenen
Schüler auf 60 festgesetzt war, wurde sie aus Mangel
an solchen, welche ins Gymnasium einzutreten wünschten,
niemals complet: im Jahre 1762 waren 32, 1763 — 34
Pensionäre vorhanden. Um die Schüler im Gymnasium zu¬
rückzuhalten, wurden Zwangsmaassregeln ersonnen: man
verpflichtete die Eltern ihre Söhne nicht aus dem Gymna¬
sium zurückzunehmen, sondern sie der Akademie auf immer
voll und ganz zu überlassen, die minderjährigen Schüler
aber wurden vereidigt. Als Beispiel führen wir folgende
zwei Resolutionen der akademischen Kanzelei an: 1) «Am
4. September 1764 gab in der Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften der Schijachtitsch polnischer Nationalität Je-
melian Ssidor’sSohn Chorewski diese Unterschrift darüber,
dass er seinen minderjährigen Sohn (er war 11 Jahr alt)
Andrei Jemelianow, der auf seine Bitte ins akademische
Gymnasium auf Kronskosten zum Unterricht in den fremden
Sprachen und in den Wissenschaften aufgenommen ist, nach
dem Unterricht nicht aus der Akademie herausnehmen und
um seine Ernennung auf einen anderen Posten nicht bitten
wird, sondern diesen seinen Sohn auf ewig im akademischen
Dienst lässt und darüber seine Unterschrift giebt». 2) «Am
1. Februar 1765 gab auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät
die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften nach An-
Beiträge z. Konntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 4
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hörung der Bittschrift des Capitän-Lieutenants Jegor Karp’s
Sohn Aschbalow in Betreff der Aufnahme auf Krons¬
kosten des vom Major Peter Malewizki hinterlassenen
sechsjährigen Sohnes Benedict, zum Unterricht in den frem¬
den Sprachen/ und in den Wissenschaften in dem akademi¬
schen Gymnasio, den Befehl: den besagten Majorssohn zum
Unterricht in den fremden Sprachen und in den Wissen¬
schaften ins akademische Gymnasium in die etatmässige Zahl
der Gymnasiasten aufzunehmen, ihm im Yerhältniss zu den
übrigen einen Kronsunterhalt auszusetzen und ihn zu ver¬
eidigen».
Bei dem unbefriedigenden Bestände der Lehrer und der
unzweckmässigen Aushebung von Schülern waren auch die
Fortschritte der Gymnasiasten schwach; so wurde im Jahre
1764 ein Examen der Kronsschüler des Gymnasiums ver¬
anstaltet, wobei von den 13 Schülern der unteren Classe
nur drei und von den 10 Schülern der mittleren nur ein
einziger in die obere Classe versetzt wurden.
Lomonossow hoffte durch die von ihm ersonnenen
Maassregeln das Gymnasium zu verbessern. Im Jahre 1760
schrieb er, und man muss sagen — ohne übermässige Be¬
scheidenheit: «Mein einziger Wunsch besteht darin, das
Gymnasium und die Universität, aus denen zahlreiche Lo¬
monossows hervorgehen können, in erwünschten Gang zu
bringen». Er war sogar überzeugt, dass er das Gymnasium
in Ordnung gebracht habe; «aus allen Kräften sorge ich für
gelehrte Russen», schrieb er 1760 an 1.1. Schuwalow, «ich
habe Reglements verfasst, habe das Gymnasium in Ordnung
gebracht». Nicht alle Akademiker theilten indess seine Mei¬
nung. Im Jahre 1761 schrieb Müller dem einflussreichen
Secretär des Grafen Rasumowski, Teplow: «Glauben Sie
mir, verehrter Herr, Lomonossow ist ein Wahnsinniger
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mit einem Messer in der Hand. Er wird die ganze Akademie
ruiniren, wenn Se. Erlaucht die Ordnung nicht bald wieder
herstellt. Wir sehen ein trauriges Beispiel dafür an der
Universität und am Gymnasio, die er ausschliesslich ver¬
waltet: sie waren noch niemals in einem so schlimmen Zu¬
stande wie jetzt».
Wir haben bereits die pädagogischen Anschauungen
des Inspectors des Gymnasiums Moderach kennen ge¬
lernt, der für das Gymnasium ein anderes Lehrercontin-
gent und einen anderen Bestand von Schülern wünschte.
Lomonossow, der, wie ersichtlich, anderer Ansicht war,
stimmte mit M oderach nicht überein, legte ihm den schlech¬
ten Zustand des Gymnasiums zur Last, forderte 1761 seine
Entfernung vom Amt, entliess schliesslich, ohne die Ent¬
scheidung des damals von St. Petersburg abwesenden Prä¬
sidenten abzuwarten, Moderach des Dienstes und ernannte
an seine Stelle den Professor Kotelnikow. Zu derZeit lebte
Graf Rasumowski in Kleinrussland. Er kannte und schätzte
Mo derach schon längst, konnte aber andererseits, da er das
Gymnasium Lomonossow zur vollen Verfügung gestellt
hatte, sich ihm in der Auswahl des Hauptarbeiters an demsel¬
ben nicht widersetzen; er zögerte lange mit der Antwort, wil¬
ligte zwar endlich in die Vorstellung Lomonossow’s ein,
aber gleichsam bedingungsweise und wider Willen. Das ist
aus dem Originalprotokoll der akademischen Kanzelei zu er¬
sehen: «Am 6. März c.», heisst es in demselben, «stellte der
Herr Professor und Inspector des Gymnasii Moderach in
einer Eingabe an die akademische Kanzelei vor, dass er das
neunzehnte Jahr im akademischen Dienst stehe, dass sein
Contract abgelaufen und er jetzt nicht länger an der Aka¬
demie zu dienen wünsche und daher bitte, dass man ihn nach
Verlauf von sechs Monaten, wie im Contract geschrieben
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oder wie es für richtig befunden werde, aus dem akademi¬
schen Dienst entlasse und ihm den Abschied gebe. Der Herr
Collegienrath Lomonossow legte jedoch der Kanzelei
schriftlich vor, dass man ihn, Moderach, als Ausländer nach
Ablauf des Contractes zum akademischen Dienst unmöglich
zwingen könne, auch sei von ihm bemerkt worden, dass er,
Moderach, sich trotz der ihm obliegenden Aufsicht um den
Unterricht und das Betragen der jungen Leute nicht kümmere,
dass ihm desswegen der Abschied zu geben und an seine Stelle
zum Inspector des Gymnasii Professor Kotelnikow zu er¬
nennen und demselben auch die Aufsicht über die Studenten
anzuvertrauen sei, so lange die Universität und das Gymna¬
sium zusammen bestehen». Erst am 28. Juni erfolgte die Ordre
des Grafen Rasumowski: «Vielfach ist mir vom Collegien¬
rath Herrn Lomonossow vorgestellt worden, dass er beider
ihm meinerseits aufgetragenen Verwaltung der Petersburger
Universität bei Professor Moderach, der zum Inspector des
Gymnasiums ernannt worden sei, den äussersten Mangel an
Eifer im Dienst bemerkt habe und dass die Nothwendigkeit
erfordere, ihn rechtzeitig durch einen Anderen zu ersetzen,
wozu von ihm Professor Kotelnikow vorgeschlagen wor¬
den. Freilich habe auch Professor Moderach im Gegensatz
dazu viele Klagen über Angriffe und Beleidigungen beige¬
bracht, die ihm von erwähntem Rath zugefügt worden; aber
das war nicht an mich unmittelbar geschrieben, sondern
privatim und beiläufig, inzwischen erwartete ich, dass die
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften, da sie sah, dass
Herr Lomonossow, mit Recht oder Unrecht, von schlech¬
ten Handlungen des Professors Moderach in seinem Dienst
Mittheilung machte, in solchem Falle wenigstens die Berech¬
tigung des Einen oder des Anderen, da sie Macht genug dazu
besitzt, durch Unbetheiligte erkunden und mir von diesen
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Vorfällen Mittheilung machen und mich dadurch aus der Un¬
gewissheit herausführen würde, in welcher ich mich befand
und darum so lange keine Resolution in Betreff der Vorstellung
des Raths Lomonossow gab. Statt dessen aber erhielt ich
nur einen von allen Mitgliedern unterschriebenen Rapport
vom 17. März, in welchem mir vorstellig gemacht wurde,
dass Professor Moderach nach Beendigung seines Con-
tractes um seinen Abschied aus der Akademie bitte. Und
desswegen kann ich jetzt nur darüber eine Resolution er-
theilen, was mir aus der Vorstellung der Kanzelei bekannt
ist, nämlich, dass der Rath Hr. Lomonossow den Profes¬
sor Moderach wegen Unordnungen, die im Rapport nicht
gerechtfertigt sind, aus der Universität entlassen und an
seine Stelle den Professor Kotelnikow ernannt habe, wobei
es einstweilen bleiben soll. Da aber Professor Moderach, wie
aus Briefen Unbetheiligter ersichtlich, allein aus Erbitte¬
rung um seinen Abschied aus der Akademie bittet, so hat
man sich dessen bis zu meiner Ankunft in St. Petersburg
zu enthalten; denn wenn er direct gekränkt worden ist, so
werde ich selbst nach Einsicht der Sache ihm auch Genug¬
tuung schaffen. Einstweilen aber kann ihm die Kanzelei eine
Arbeit an der Akademie geben, welche sie seinen Fähig¬
keiten für wohlangemessen erachtet. Wenn hingegen Pro¬
fessor Moderach nichts anderes als seine Entlassung von
der Akademie wünscht, so ist ihm als einem freien Men¬
schen, der auch seinen Contract ausgedient hat, darin kein
Hinderniss in den Weg zu legen, wesshalb die Kanzelei nach
dem Beispiel, wie mit anderen Professoren bisher verfahren
worden, ihm den Abschied zu geben hat».
Moderach wünschte nicht im Dienste der Akademie,
in dem er seit 1749 thätig gewesen, zu bleiben und wurde
von ihr entlassen. Lomonossow beeilte sich ihn aus dem
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Kronsquartier zu verjagen, indem er in seiner Eigenschaft
als Rath der akademischen Kanzelei folgende Vorschrift
erliess: «wenn Moderach sich widersetzt, sind in solchem
Falle in den Zimmern, wo er seine Wohnung hat, die Fenster¬
rahmen und Thtiren auszuhehen, um ihn dadurch zum Aus¬
zug zu zwingen».
Das inspecto- Kotelnikow war ohne Zweifel ein geschickter, eifriger
kow’afmi Mann, konnte aber das Gymnasium nicht heben. Er wandte
— 1766 ). jungst versuchten, unbrauchbaren Mittel an: er jagte
Schüler aus dem Gymnasium (so wurden 1764 8 Gymna¬
siasten ausgeschlossen) und entliess untüchtige studentische
Lehrer, ersetzte sie aber wieder durch Studenten. So ist
im Protokoll von 19. August 1765 vermerkt: «Bei der aka¬
demischen Universität befindet sich seit 1750 der Student
Peter Stepanow von den Offiziersdiener-Söhnen des Leib¬
garde Ssemjonowschen Regiments; derselbe ist zuerst im
Gymnasio unterrichtet, dann 1761 zum Studenten befördert
worden, und hat im gegenwärtigen Jahre 17 6 5 im Mai-Monat
der Professor und Inspector des Gymnasii Kotelnikow, im
Verzeichniss der an der Universität befindlichen Studenten,
unter Anderem auch von ihm, Stepanow, erklärt, dass er
wegen Trunksucht selten in die Vorlesungen gekommen sei,
Deutsch und ein wenig Geometrie gelernt habe und dass auf
Grunddes allgemeinen Professoren-Examens beschlossen wor¬
den, ihn aus der Akademie zu entlassen. Er, Stepanow, habe
aber, nachdem er in einer Eingabe erklärt, dass er keine Nei¬
gung und Lust mehr habe die höheren Wissenschaften zu ler¬
nen und nicht beabsichtige auf der Universität zu bleiben, dar¬
um gebeten, dass er zum Lehrer der Arithmetik oder Geome¬
trie im Gymnasio ernannt werde; unter diese Eingabe hat der
erwähnte Professor Kotelnikow geschrieben: besagter Stu¬
dent ist von ihm als zur Trunkenheit geneigt attestirt worden;
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da aber dieses Laster nicht angeboren ist, so ist es möglich,
dass er sich bessert, und wenn er sich fähig erweist, so ist
er unter der Bedingung, dass er sich nüchtern und ordentlich
führt, zum Lehrer zu ernennen, da in der arithmetischen
und geometrischen Classe imGymnasio Lehrer nöthig sind;
daher wurde am 17. Juni dieses Jahres durch Beschluss der
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften dem Stepanow
befohlen, an Stelle des Studenten Peter Inochodzew, der
übers Meer gesandt worden, Lehrer der Gymnasiasten in
der arithmetischen und geometrischen Classe zu sein. Durch
den gegenwärtig eingereichten Rapport erklärte der obener¬
wähnte Professor Kotelnikow, dass besagter Stepanow, ob¬
schon er von ihm in der Hoffnung, dass er sich gebessert habe,
sich gut aufführe und in Zukunft zu guten Hoffnungen be¬
rechtige, zum Lehrer in der geometrischen und arithmeti¬
schen Classe empfohlen worden, doch wiederum müssig zu
gehen angefangen habe und wegen Unenthaltsamkeit vom
Trünke seines Lehreramts unwürdig sei, und schlug vor, dass
an seine Stelle ein würdiger Lehrer ernannt und inzwischen
diese Classe einem anderen Studenten an vertraut würde.
Es wurde befohlen: ihn, Stepanow, wegen Unenthalt¬
samkeit vom Trünke auszuschliessen und mit einem Pro-
memoria an das Heroldmeister-Comptoir des dir. Senats
zu senden, und hat Professor Kotelnikow an seine Stelle
zum Unterricht in der arithmethischen und geometrischen
Classe aus den Studenten von guten und enthaltsamen
Eigenschaften einen auszuwählen und der Kanzelei zur An¬
stellung als Lehrer vorzustellen».
Im Jahre 1764 bat Kotelnikow um die Ernennung Das Rectorat
des Conrectors der akademischen Druckerei Kienitz,
welcher früher in Gdansk Conrector gewesen, zum Rec¬
tor des Gymnasiums; der Präsident trug den Professo-
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ren Fischer, Braun und Kotelnikow auf, Kienitz zu
examiniren, und er wurde zum Rector des Gymnasiums er¬
nannt.
Auch das Local des Gymnasiums entsprach einer nach
richtigen Grundsätzen eingerichteten Lehranstalt keines¬
wegs. «Die Lehrer des Gymnasii», lautete eine Vorstel¬
lung Kotelnikow’s, «geben ihre Lectionen in den Classen
mit Pelzen bekleidet, indem sie in der Classe auf und ab
gehen, um sich Bewegung zu machen, und die Schüler, wel¬
che nicht mit warmer Kleidung versorgt sind und nicht die
Freiheit haben von ihren Plätzen aufzustehen, zittern und
frieren, wodurch am ganzen Körper Blutstockungen stattfin¬
den und dann Krämpfe und Skorbut entstehen, um welcher
Krankheiten willen sie genöthigt sind, den Besuch der Clas¬
sen aufzugeben; daher ist es nicht verwunderlich, wenn die
Fortschritte der Schüler der angewandten Mühe der Leh¬
rer nicht entsprechen».
Das Haus des Dreifaltigkeitsklosters war im Jahre 1756
anfänglich nur auf ein Jahr für das Gymnasium gemiethet
worden; statt dessen jedoch blieb das Gymnasium acht
Jahre in demselben. Endlich gerieth dieses Haus fast in
vollständigen Verfall, wie das aus dem folgenden Rapport
Kotelnikow’s an die akademische Kanzelei vom 6. August
1764 zu ersehen ist: «Seit meinem Eintritt als Inspector
ins Gymnasium habe ich jedes Jahr immer rechtzeitig Rap¬
ports über die Reparatur des Hauses, in welchem das Gym¬
nasium sich befindet, der Kanzelei der Akademie der Wiss¬
enschaften eingereicht; aber die Reparatur wurde immer
sehr spät begonnen und kam niemals zum Abschluss, woher
das Haus unaufhörlich in grösseren Verfall gerieth und die
in demselben Wohnenden im Winter durch die Kälte Noth
litten. Häufig waren die Lehrer wegen der unerträglichen
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Kälte genöthigt, vor Beendigung der Lectionen fortzugehen
und die Schüler zu entlassen. Die Thüren sind im ganzen
Hause so alt, dass man sie nicht nur nicht fest zumachen
und schliessen, sondern auch Schloss und Thürangel nicht
anschlagen kann. Die Fensterrahmen können ebenfalls ihres
Alters wegen die Scheiben nicht halten, welche häufig
herausfallen, wesshalb die Wächter in den Zimmern der
Schüler und Studenten und ebenso auch in den Classen ge-
nöthigt sind im Winter die Fenster, die im Sommer offen
stehen, wie auch jetzt noch zu sehen ist, mit Lumpen und
Bastmatten zu verhängen. Im Vorhause finden sich nicht
nur keine Scheiben, sondern auch keine Rahmen; die Thü¬
ren sind sehr alt, man kann sie weder zumachen, noch ver-
schliessen. Unter dem Dach sind in den Bodenfenstern die
Laden zum Theil schlecht, zum Theil gar nicht vorhanden.
Im Winter dringt der Schnee herein, sowohl unter das Dach
auf die Lage, als ins Vorhaus, wodurch bei Thauwetter an
den Decken der Bewurf durchs Schmelzen verdirbt und
herunterstürzt. Desgleichen ist auch in den Zimmern der
Bewurf sehr mangelhaft. Einmal hätte er fast meine Frau
erschlagen und ein anderes Mal die Kinder. Ueber die
Remonte der Küche, wo für die Studenten und Schüler ge¬
kocht wird, habe ich schon vor drei Jahren einen Rapport
eingereicht. Sie ist so schlecht, dass im Winter der Teig im
Backtrog friert». Im Jahre 1764 wurde für das Gymnasium
das Haus der Barone Stroganow für eine Summe von
9900 Rubel aus den Einnahmen von den Büchern gekauft.
Lomonossow dachte und versicherte, dass er das Gym¬
nasium dem Bedürfniss entsprechend eingerichtet habe.
Schon während der Regierung der Kaiserin Katharina
schrieb er, indem er den Zustand dieser Lehranstalt, in
welchem er sie gefunden, mit dem verglich, in welchen er
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sie gebracht: «Wenn auch im Gymnasio nicht wenig Schü¬
ler waren, so befanden sie sich doch in sehr ärmlichem
und nutzlosem Zustande, weil die Gage ihnen in die Hand
gegeben wurde, welche die Eltern oder Verwandten an sich
nahmen und mehr für sich selbst als für die Schüler ver¬
wandten, so dass diese in Lumpen in die Schule kamen,
Blosse und Frost litten und es eine Schande war sie frem¬
den Leuten zu zeigen. Zudem war ihre Nahrung sehr
ärmlich und bestand manchmal nur aus Wasser und Brod.
Unter solchen Umständen ging ihnen wenig Wissenschaft
in den Kopf. Ja auch dazu hatten sie wenig Zeit, weil sie
ihrer Armuth wegen zu Hause Vater und Mutter dienen
mussten und in Folge der weiten Entfernung beim Gange
ins Gymnasium die besten Stunden verloren und beständig
Gelegenheit hatten, Unarten zu treiben und die Schule zu
schwänzen. So darf man sich denn nicht wundern, dass im
Laufe von sieben Jahren kein Einziger aus dem Gymnasio
zum Universitätsstudenten befördert worden. Aber nach
der Uebergabe des Gymnasii zur alleinigen Aufsicht an den
Rath Lomonossow, sind alle diese Uebelstände abgewandt
und abgeschnitten, denn die Gymnasiasten sind ebenso wie
die Studenten im Convict vereint, sind nach Maassgabe der
ihnen bestimmten Gage mit anständiger Kleidung und ge¬
meinsamem, anständigem Tisch versorgt, verlieren keine Zeit
weder durch den Gang nach Hause, noch durch Dienstlei¬
stungen an die Eltern, noch weniger durch ungesehene
Unarten, da sie dem Inspector des Gymnasii und speciellen
Informatoren im Hause vor Augen sind».
Die Akademie sah die von Lomonossow im akademi¬
schen Gymnasium gemachten Verbesserungen ganz anders
an. Im Protokoll vom 21. August 1765 lesen wir: «Im ver¬
flossenen Jahre 1760 war durch Resolution Sr. Erlaucht
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des Herrn Präsidenten der Akademie, Grafen Kirill Grigor-
jewitch Rasumowski, befohlen worden im akademischen
Gymnasio 60 Schüler im Convict zu halten, für jeden je
36 Rubel im Jahre rechnend, kraft welcher Resolution
auch 45 — 50 Schüler vorhanden waren. Und obgleich seit
der Zeit verschiedene Versuche zur Sammlung dieser Gym¬
nasiasten im Convict gemacht worden sind, so haben sie
der Absicht doch nicht im Geringsten entsprochen, dass
aus ihnen Leute hervorgehen, die den Wissenschaften und
dem Vaterlande einen Nutzen zu bringen fähig wären,
welcher wenigstens einigermaassen die für sie und für
den Unterhalt der Lehrer und der anderen Unterbeamten
aufgewandten Unkosten ersetzen könnte. Da aus den in
der Kanzelei über den Zustand der Universität und des
Gymnasiums eingereichten Rapports ersehen worden, dass
fast die Hälfte der Studenten und Gymnasiasten theils aus
Säufern, Händelmachern, Faulpelzen bestehe, theils un¬
begabt sei und im Unterricht bis jetzt keinerlei Fort¬
schritt erwiesen habe, so ist das hauptsächlich daraus
entstanden: 1) selbige Schüler wurden behufs rascherer
Completirung der Zahl, ohne dabei auf ihre Jahre, ihre
Beschaffenheit und ihre Fähigkeiten zu den Wissenschaften
Rücksicht zu nehmen, angenommen und aus der untersten
Volksschicht ausgehoben, aus welchem Grunde sie keine
gute Erziehung besassen, im Convict aber wurde für Besse¬
rung dieses Mangels keinerlei Sorge getragen, besonders
da auch die Informatoren selbst mit allen möglichen Lastern
behaftete Leute waren. 2) Unter den Gymnasiasten befanden
sich solche, welche bei ihrer Unfähigkeit und schlechtem
Betragen schon das 20. Lebensjahr erreicht, ja manche
dasselbe sogar überschritten hatten, wobei sie den Unter¬
richt als einen äussersten Zwang und eine Last für sich
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ansehen». Unsererseits können wir als Beweis für die Rich¬
tigkeit dieser Thatsache anführen: am 25. Mai 1765 wurde
Andrei Korjatschenko, 25 Jahre alt, in die untere Classe
des Gymnasiums aufgenommen.
Im Jahre 1766 schrieb Müller an Euler: «Die Sache
liegt nicht an der Akademie allein, sondern auch an der
durchgreifenden Reform der sogenannten Universität und
des Gymnasii und besonders an der Vervollkommnung des
letzteren bis zu dem Maasse, dass auch angesehene Eltern
ihre Kinder zur Erziehung in dasselbe gäben».
Das war schwer zu erreichen, weil das Gymnasium
keinerlei Rechte gab und die Eltern hauptsächlich um die
künftige dienstliche Carriere ihrer Söhne besorgt waren; es
war also nothwendig, andere Maassregeln zur Hebung des
Bestandes der Schüler im Gymnasium zu ersinnen.
Das Beispiel dazu wurde gerade in jener Zeit von J. J.
Bezki gegeben, welcher fand, dass von den damals in
Russland bestehenden Lehranstalten «wenig oder gar keine
wesentlichen Früchte geerntet» würden. Das Erziehungs¬
system Bezki’s ist bekannt: er hielt es für nothwendig,
die Kinder vom allerzartesten Alter an bis zur Volljährig¬
keit unausgesetzt der rohen Sphäre ihrer Eltern zu ent¬
rücken, sie dadurch vor bösen Gewohnheiten zu bewahren
und auf diese Weise aus ihnen eine «neue Race» zu schaf¬
fen, «oder neue Väter und Mütter, welche ihren Kindern
dieselben geraden und begründeten Erziehungsregeln in die
Herzen pflanzen könnten, welche sie selbst erhalten; deren
Kinder würden sie wieder weiter ihren Kindern überge¬
ben und so weiter von Geschlecht zu Geschlecht bis in die
künftigen Jahrhunderte!» «Diese grosse Absicht auszufüh¬
ren», schrieb er, «giebt es kein anderes Mittel, als Er¬
ziehungsschulen für Kinder beiderlei Geschlechts einzufüh-
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ren, die bei ihrer Aufnahme durchaus nicht älter als 5 oder
6 Jahr sein dürfen... So muss man also für die Erziehung
der Jugend, indem man, wie oben gezeigt, mit dem 5. bis
6. Lebensjahre anfängt, bis zum 18. oder 20. Jahr unaus¬
gesetzten Aufenthalts in den Schulen mit unermüdlicher
Arbeit Sorge tragen. Während dieser ganzen Zeit sollen sie
nicht den geringsten Verkehr mit Anderen haben, so dass
auch die allernächsten Verwandten, wenn sie sie auch an
bestimmten Tagen sehen dürfen, sie nicht anders sehen,
als in der Schule selbst und auch da in Gegenwart der Vor¬
gesetzten». Die von Bezki verfasste «GeneralVerordnung
über die Erziehung der Jugend beiderlei Geschlechts» wurde
von der Kaiserin am 12. März 1764 bestätigt.
Im Jahre 1765 gab Graf Rasumowski bei seiner Ab¬
reise aus St. Petersburg der akademischen Kanzelei am
19. April eine Instruction, in welcher gesagt war: «Die
Universität und das Gymnasium sind mit den zugehörigen
Professoren, Lehrern, Studenten und Schülern auf der
Grundlage einzurichten, dass sie mit der Allerhöchsten Ab¬
sicht Ihrer Kaiserlichen Majestät über die Erziehung und
den Unterricht der russischen Jugend» (d. h. mit dem Sy¬
stem Bezki) «im Einklang ständen... und dass dabei kei¬
nerlei Schwierigkeit wäre, so wird bei der nöthigen Ver¬
änderung der früheren Einrichtungen auf die Einsicht der
Kanzelei vertraut».
Zwei Wochen früher, nämlich am 4. April war Lomo¬
nossow gestorben, «welcher die alleinige Aufsicht über die
akademischen Studenten und Gymnasiasten gehabt hatte».
Der Instruction des Präsidenten der Akademie folgend,
traf Taubert folgende Verfügung: «Entsprechend der Ord¬
nung, welche Ihre Majestät in dem publicirten Generalplan
selbst Allerhöchst vorzuschreiben geruht hat, nach welcher
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Die Einrich¬
tung einer
minderjähri¬
gen Abthei¬
lung am Gym¬
nasium im
Jahre 1765.
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die Erziehung der russischen Jugend beiderlei Geschlechts
stattzufinden hat, ist auf Grund der von Ihrer Majestät sowohl
für die Akademie der Künste, als auch für die adligen Jung¬
frauen approbirten Reglements an beiden genannten Stellen
ein glücklicher und für die Zukunft jegliche Hoffnung gewäh¬
render Anfang gemacht worden; um desswillen erkennt es
auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät die akademische Kan¬
zelei für ihre Pflicht, an der Akademie zur Erziehung der
für die "Wissenschaften bestimmten Jugend eine ebensolche
Einrichtung zu treffen und zwar: 1) aus den gegenwärtig
im Gymnasio befindlichen siebenundvierzig Schülern dreissig
der Besten, sowohl in Betracht der Sitten, als auch der Fä¬
higkeit für die Wissenschaften, auszusuchen, die Uebrigen
aber, die schlechten Betragens und über die gehörigen Jahre
hinaus sind und dabei keinerlei Hoffnung für die Zukunft
geben, theils ganz auszuschliessen, theils unter die Kunst¬
anstalten zu vertheilen, wenn sie dazu Talent zeigen sollten;
2) auf Grund des Gesetzes der Erziehungsschule an der Aka¬
demie der Künste dreissig junge Kinder von fünf bis sechs
Jahren, keinesfalls aber älter als sieben, von Neuem aus¬
zuheben und zu unterhalten, die sowohl aus den armen Edel¬
leuten, falls diese es wünschen, als auch aus den Leuten
ohne persönlichen Adel aufzunehmen sind; über die Aufnahme
durch ein den Zeitungen beigegebenes gedrucktes Blättchen
eine Bekanntmachung zu erlassen und in alle Commandos zu
versenden; inzwischen aber, während diese Aushebung der
Schüler stattfinden wird, ist ein Etat für ihren Unterhalt
aufzustellen und Alles für die Bedürfnisse, die sich dazu nöthig
erweisen sollten, ohne Verzögerung vorzubereiten und auf
solche Weise auszurichten, dass womöglich zum künftigen
1. August dieses Jahres zur wirklichen Aufnahme und zum
Unterhalt dieser zur Erziehung in den Wissenschaften neu
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aufgenommenen dreissig Schüler Alles bereit stehe und der
Unterricht zur selben Zeit anfangen könne». Die Publication
in den Zeitungen fand statt, wobei, in Form eines Beleges
auch die Regeln über Aufnahme von Kindern in die Akademie
der Künste beigefügt waren. Es fanden sich 64 Kinder, welche
in das Gymnasium einzutreten wünschten; nach dreifacher
Besichtigung derselben durch Taubert, Professor Protas-
sowund Doctor Iberkampfer wurden 30, welche «Hoffnung
für den Unterricht gewährten», angenommen und von den sie
vorstellenden Vätern und Verwandten Unterschriften dar¬
über genommen, dass «sie sich ganz von ihnen lossagen
und sie unter keinem Vorwand in Zukunft zurück verlangen
werden». Zu ihrem Unterricht im Lesen und Schreiben
wurden der Unterkanzelist Korjakin und der Schüler des
geographischen Departements Matwejew ernannt. Diese
Knaben waren grösstentheils Söhne von Beamten, Schrei¬
bern und Soldaten.
Im August wurde am Gymnasium eine Pension eröffnet, Dje Aufsehe-
die in zwei, Classendamen anvertraute Abtheilungen, zu je l er und
15 Kinder in jeder Abtheilung, getheilt war. Diese Classen- Römers -
damen oder Aufseherinnen wurden nicht privatim ausfindig
gemacht, sondern ebenfalls durch Publicationen in den Zeitun¬
gen aufgerufen. Im Protokoll vom 17. August ist vermerkt:
«Nach den von der Akademie der Wissenschaften erlassenen
Publicationen behufs Anstellung an derselben zur Beauf¬
sichtigung und zum Unterricht der 30 minderjährigen
Gymnasiasten, erschienen unter Anderen in der Kanzelei
der Akademie der Wissenschaften die unten angeführten
Madames: 1) die Wittwe Sophie Charlotte Millerin, sächsi¬
scher Nationalität, 2) die Frau des gewesenen Hofmalers
Römers, Wittwe Katharina Elisabeth Römers, welche denn
auch als dazu befähigt anerkannt wurden».
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Inzwischen wurde der Kaiserin berichtet, dass Taub er t
ganz ohne zu fragen, eigenmächtig am Gymnasium eine Pen¬
sion für minderjährige Kinder von 5 — 6 Jahren «jeglichen
Ranges, ausgenommen Leibeigene», wie er erklärte, «zur
Verbesserung des schlechten Zustandes der Universität und
des Gymnasiums» eingerichtet und «zur Thätigkeit gebracht»
— «bt> A'fckcTBie npoH3Bejn>» — und in dieselbe 30 minder¬
jährige Kinder ohne persönlichen Adel aufgenommen habe.
Die Kaiserin, welche, wie ersichtlich, Taub er t kannte,
aber nicht liebte, befahl ihn zu fragen: mit welchem Recht
er das gethan. Taubert, der den Grafen Rasumowski,
dessen Anordnung oben mitgetheilt worden, nicht bloss¬
stellen wollte, antwortete, dass er das Beispiel der Aka¬
demie der Künste, d. h. Bezki’s befolgt habe. Auf sein
MEmoire schrieb Katharina: «11 est extremement singulier
de dire wpouaeejii : chacun qui viendra changera ä cet Eta¬
blissement tout ce qu’il voudra, parceque l’approbation de
M. Taubert ne fait pas loi, et que c’est bätir sur le sable
que d’agir aiusi caMoeo/ibuo (eigenmächtig) et sans appro-
bation». Indessen blieb die minderjährige Abtheilung am
Gymnasium während der ganzen Regierung der Kaiserin
bestehen.
Bald erwies sich’s, dass die durch Vermittelung der Zei¬
tungen und eilends engagirten Aufseherinnen oder, wie sie
genannt wurden, «Madames» durchaus nicht ihrer Bestim¬
mung entsprachen. Am 20. December 1766 kam folgender
Beschluss der akademischen Kanzelei zu Stande: «In Er¬
wägung, dass die bei der Akademie zum Unterricht der
minderjährigen Gymnasiasten befindlichen Madames Mil¬
ler und Römers, so viel bekannt, früher schlechten Be¬
tragens gewesen und dass auch jetzt bei ihnen häufige
Zusammenkünfte und Gesellschaften fremder Leute, auch
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nächtlicher Weile, stattfinden und dass es darum sehr frag¬
würdig ist, ob die minderjährigen Kinder zu guter Auf¬
führung und mit erwünschtem Nutzen erzogen und unter¬
richtet werden, ist um desswillen beschlossen: 1) selbigen
Madames zu erklären, dass sie länger als bis zum kommen¬
den 1. Januar am Gymnasio keinen Unterhalt erhalten
werden und dass sie bis zu der Zeit aus dem Kronshause
ausziehen möchten; 2) dass bis zur Resolution die Lehrer
Korjakin und Matwejew, welche auch über die Lakaien
und über die Wärterinnen das Commando haben sollen, die
Aufsicht über die Kinder führen, während die Hauptauf¬
sicht über Alles Inspector Backmeister hat... Damit aber
eine Frauensperson von den geborenen Russen, welche über
ihre Aufführung und Eigenschaften zuverlässige Anerken¬
nungen besitzt und zur Aufseherin ernannt zu werden
wünscht, in der Commission erschiene, ist eine Publication
durch die Zeitungen zu erlassen».
Dieses Mal hatten die Zeitungspublicationen Erfolg : i>je Aufsehe-
auf dieselben hin erschien eine sehr würdige Frau, die «Jäger- ( 1767 ).
meisterin» Maltitz, welcher auch ungetrennt und aus¬
schliesslich die ganze minderjährige Abtheilung des Gymna¬
siums anvertraut wurde. «Es ist beschlossen», heisst es im
Protokoll, «dass Inspector Backmeister nach ihrem Ein¬
tritt sich in nichts mische... dass die Lehrer Korjakin und
Matwejew bei ihrem früheren Amt, d. h. beim Unterricht
der Gymnasiasten im russischen Lesen und Schreiben bleiben,
t
und so lange sie dabei sind, sollen sie bei derselben Frau
Maltitz in vollem Gehorsam stehen und ihr in Allem wohl¬
anständige Achtung erweisen».
Auf diese Zeit muss eine in den Papieren der Akademie
erhaltene «Instruction für die Frauensperson» bezogen wer¬
den, «welcher die Aufsicht über die dreissig minderjährigen
Beiträge z. Kenntuiss d. Kuss. Reiches. Dritte Folge. 5
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Kinder an vertrauet wird» 1 ). In dieser Instruction wird
dargelegt, wie man mit den Kindern umgehen soll, und
unter Anderem folgende Unterweisung gegeben: «ihr» (der
Aufseherin) «soll es freistehen die Widerspenstigen nach
Verdienst zu strafen; doch soll sie sich hüten dieselben
nicht im Eifer zu ohrfeigen, noch viel weniger mit der Faust
oder einem Stock zu schlagen, sondern sie soll sich bei der¬
gleichen vorkommenden Fällen nur der Ruthe bedienen.
Auch muss sich dieselbe bei der Correction der Kinder aller
hässlichen und pöbelhaften Schimpfwörter enthalten». Wahr¬
scheinlich unter dem Einfluss des schlechten Betragens der
früheren Aufseherinnen wurde der Aufseherin vorgeschrie¬
ben, «in dem ihr angewiesenen Quartier keine verdächtigen
Visiten anzunehmen, am allerwenigsten aber nächtliche Com¬
pagnien zu halten».
Frau Maltitz wandte ihre Aufmerksamkeit den Leh¬
rern ihrer Abtheilung zu; das ist aus dem Protokoll vom
16. November 1767 ersichtlich, in welchem es heisst: «dem
bei den minderjährigen Gymnasiasten befindlichen Lehrer
Ssergei Matwejew ist unter Unterschrift zu erklären, dass
er sich der Trunkenheit und schlechter Handlungen enthalte
und in seinem Amt fleissig sei; wenn er aber hinfort sich
auch nur eines kleinen Fehlers schuldig machen sollte, so
wird keinerlei Entschuldigung und Versprechung von ihm
angenommen und er mit einem ehrlosen Attestat aus der
Akademie ausgeschlossen werden». Zu den Obliegenheiten
dieses Lehrers gehörte der Unterricht der Kinder Mittwochs
und Sonnabends von 9—11 in den Gebeten und im Lesen
der Kirchenbücher und an den übrigen Tagen von 9—12
in der Arithmetik und von 3 — 5 im russischen Lesen und
Schreiben.
1) Siehe Beilage 3.
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Im Jahre 1770 waren schon 15 von den minderjähri¬
gen Knaben hinreichend vorbereitet und wurden in das
Gymnasium übergeführt.
Leider blieb die würdige Aufseherin Frau Maltitz
nicht lange in dieser Stellung: im Jahre 1770 wurde sie
völlig unerwartet für die Akademie von der Kaiserin zur Hof¬
meisterin über die Fräulein ernannt und zeitweilig durch
die Frau des Lehrers Antonow ersetzt. Zu dieser Zeit war
der Director der Akademie, Graf Wladimir Grigorjewitsch
Orlow, abwesend, und die akademische Kanzelei verfügte
folgendermaassen: «Damit die minderjährigen Gymnasiasten,
bis an Stelle der von ihnen geschiedenen Staatsräthin Frau
Maltitz eine geeignete Aufseherin gesandt wird, nicht nur
die Kenntnisse nicht vergessen, die sie unter ihrer Leitung
in der deutschen Sprache, sowie in der Geschichte und Geo¬
graphie erworben, sondern auch noch mehr Fortschritte
machen, ihren Unterricht für die Zeit dem Lehrer Schulz
vier Tage in der Woche, dazu jeden Tag zwei Stunden des
Nachmittags in der Woche benutzend, anzuvertrauen...
Die Aufsicht jedoch über die bei diesen Gymnasiasten ange-
stellten Lehrer, dass sie ihre Pflicht ordentlich erfüllen,
ist bis zur Ankunft Sr. Erlaucht, des Herrn Directors der
Akademie der Wissenschaften, Grafen Wladimir Grigoije-
witsch Orlow, dem Inspector Backmeister anzuvertrauen».
Graf Orlow ernannte nach seiner Ankunft in St. Pe- Die Aufsehe-
tersburg zur Aufseherin der minderjährigen Abtheilung rm (i 77 i) ritZ
Frau Kabritz, indem er ihr den Lehrern und Kindern
gegenüber dieselben Rechte überliess, die ihrer Vorgängerin
zustanden, und den Inspector des Gymnasiums vollständig
von der Leitung dieser Pension ausschloss. Am 14. Februar
starb Frau Kabritz, und an ihre Stelle wurde ihre Tochter
Margarethe Kabritz ernannt.
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Im Jahre 1773 wurde den Akademikern Kotelnikow
und Rumowski aufgetragen, ein Examen in der minder¬
jährigen Abtheilung abzuhalten, und nach demselben wur¬
den sechs Knaben aus dieser Abtheilung ins Gymnasium
übergeführt. An ihre Stelle wurden sieben Minderjährige
aufgenommen, «dass aber die Väter obgenannter Kinder»,
wurde hier von Neuem wiederholt, «sie freiwillig und bis
zu ihrer Entlassung aus der Akademie in kein anderes
Commando abgeben und sie unter keinerlei Vorwand zu¬
rückfordern werden, dafür sind obenerwähnte Väter mit
ihrer Unterschrift zu verpflichten». In Betreff des Unter¬
richts dieser minderjährigen, ins Gymnasium übergeführten
Knaben in den neuen Sprachen wurde am 1. Mai 1773 folgen¬
der Beschluss gefasst: «In Berücksichtigung der unlängst
zu den Erwachsenen übergeführten sechs Minderjährigen
und ferner in Berücksichtigung der schon vor einigen Jah¬
ren ebenfalls dahin übergeführten 15 anderen Minderjähri¬
gen, von welchen indess noch kein Einziger Französisch
. lernt sondern nur Deutsch, ist auf die Vorstellung des In¬
spectors Backmeister, ob die neu übergeführten sechs in der
französischen, oder in der deutschen Sprache zu unterrichten
seien und ob auch die früher übergeführten 15 in der fran¬
zösischen Sprache zu unterrichten seien, ihm, Backmeister,
zu eröffnen, dass er nicht nur jene tibergeführten sechs, son¬
dern auch die ausserdem noch neu überzuführenden sieben
von den Minderjährigen in der französischen und deutschen
Sprache unterrichten solle, je nach dem zu welcher Jeder
mehr Lust und Neigung zeige, und ausserdem Alle in der
lateinischen Sprache, ebenso wie auch die früheren 15 in
der französischen, wenn auch nur wenig; aber die russische
Sprache ist für Alle auf einige Zeit zu beseitigen».
Offenbar war man mit Margarethe Kabritz nicht zu-
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frieden, und im October 1773 wurde sie des Dienstes ent¬
lassen und die Aufsicht über die minderjährige Abtheilung
zeitweilig dem Lehrer Korjakin anvertraut. Zum Lehrer
der deutschen Sprache, der Arithmetik und Geometrie wurde
im Jahre 1774 Kien angestellt, mit der Verpflichtung, an
vier Tagen je drei Stunden, d. h. 12 Stunden wöchentlich
zu unterrichten.
Zur Aufseherin über die minderjährige Abtheilung Die Aufsehe-
wurde Frau Christeneck ernannt, und auf ihre Vorstellung ne^( 1774 ).
wurden im Jahre 1775 sechs Minderjährige mit der be¬
kannten Verpflichtung für die Eltern, sie nicht aus dem
Gymnasium zu nehmen, aber mit dem Zusatz «bis zum
18. Lebensjahr», ins Gymnasium übergeführt. Frau Chri¬
steneck wurde bald leidend und bat um ihre Entlassung aus
dem Amt, worauf im Jahre 1775 die minderjährige Abthei¬
lung von Neuem dem Lehrer Korjakin anvertraut wurde.
Frau Christeneck empfahl an ihre Stelle die Frau des Die Aufsehe-
riii Now£ik
Gymnasialoeconomen Nowak, welche auch ernannt wurde. ( 1775 ).
Zugleich wurde ihr vorgeschrieben, «dass sie niemals we¬
der die Verwandten, noch die von jenen geschickten Dienst¬
boten zum Besuch der unter ihrer Aufsicht stehenden
minderjährigen Gymnasiasten zulasse, ausser an Feiertagen,
und dass sie streng darauf aufpasse, dass die zu ihnen kom¬
menden Leute keinerlei Lebensmittel mitbrächten; desglei¬
chen, dass sie auch den Kindern selbst, wenn es vorkomme,
dass sie zu den Feiertagen zu den Eltern entlassen würden,
niemals gestatte, bei ihnen zu übernachten».
In den Jahren 1776 und 1777 wurden aus der minder¬
jährigen Abtheilung je vier Knaben ins Gymnasium überge¬
führt.
Wir haben gesehen, dass nur ein einziges Mal zwei
Akademiker die Kinder examinirten und die zur Versetzung
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ins Gymnasium Würdigen bezeichneten; gewöhnlich wurden
sie auf Empfehlung der Aufseherin und nicht selten für
den Gymnasialcursus ganz unvorbereitet versetzt, wie aus
folgendem Protokoll vom 26. Januar 1777 zu ersehen: «Se.
Hochgeboren der Herr Kammerjunker Ihrer Kaiserlichen
Majestät und Director der Akademie der Wissenschaften,
Ssergei Gerassimowitsch Domaschnew, hat wahrgenom¬
men, dass die nach oben zu den Erwachsenen übergeführten
minderjährigen Gymnasiasten, in Anbetracht des früheren,
so lange dauernden Aufenthalts unter der Aufsicht der Auf¬
seherin, sehr wenig Fortschritte in ihrem Wissen gemacht
hatten, so dass sie, nicht zu erwälinen ihrer geringen Kennt¬
nisse in den Sprachen, auch bis jetzt fast nicht einmal ordent¬
lich zu schreiben verstehen. Und da dieses sicherlich entwe¬
der aus Mangel an Eifer seitens der Lehrer, oder von einer
schlechten Anordnung im Unterricht solcher Knaben her¬
rührt, so hat er desshalb befohlen: der Aufseherin Nowak
darüber eine Mittheilung zu machen und den Lehrern Kien
und Korjakin anzusagen, dass sie auf den Unterricht alle
mögliche Mühe verwendeten, im entgegengesetzten Falle
aber, wenn in Zukunft ebenso geringe Fortschritte bemerkt
werden sollten, wie bis jetzt es bei besagten Gymnasiasten der
Fall gewesen, dass sie, Korjakin, Kien und die Nowak aus
ihren Aemtern würden entlassen werden».
Im Jahre 1778 wurden neun Knaben aus der minder¬
jährigen Abtheilung ins Gymnasium versetzt.
Am 3. November 1778 übergab der Director der Aka¬
demie die minderjährigen Gymnasiasten, von denen der In¬
spector bisher ferngehalten worden war, der Disposition des
Inspectors des Gymnasiums, des Akademikers Lepechin,
«weil für den Nutzen des ganzen Gymnasiums es nöthig ist,
rechtzeitiger die Fähigkeit und Eigenschaften der Schüler im
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Voraus zu kennen, wodurch ihm selbst, dem Herrn Akademi¬
ker, ihre künftige Leitung in erwachsenem Alter leichter
werden würde; ausserdem sind fast alle schon aus den Kin¬
derjahren heraus und fähig, gründliche Anfangsgründe des
Unterrichts von Lehrern zu empfangen». Diese Verord¬
nung wurde durch Unordnungen hervorgerufen, die in der
minderjährigen Abtheilung aufgedeckt worden waren: es
hatte sich erwiesen, dass bei den minderjährigen Gymna¬
siasten «eine doppelt so grosse Zahl wie sie selbst an unbe¬
kannten, fremden Leuten wohnt», dass es streng genommen
dort gar keine minderjährigen Kinder mehr gebe, «weil be¬
sagte Gymnasiasten alle schon jene Jahre überschritten
haben, in welchen weibliche Aufsicht über sie nothwendig
war». Daher wurde Frau Nowak entlassen und die minder¬
jährige Abtheilung dem Lehrer Petrass anvertraut, dem
vorgeschrieben wurde «insbesondere allen Eifer darauf zu
verwenden, sowohl Lust zu den Wissenschaften, als auch rich¬
tige und klare Begrilfe der Jugend einzupflanzen und ihnen
alle jene Begriffe beizubringen, welche sie ihren Jahren nach
in sich aufnehmen könnten, wie die ersten Regeln der Arith¬
metik, Geschichte, Geographie und Mythologie... Während
seiner, Petrass’, Anwesenheit in den Classen unten, (d. h.
im Gymnasium), hat in allen jenen Stunden der Lehrer der
Schreibeclasse Korjakin bei erwähnten Gymnasiasten sich
aufzuhalten». Auf diese Weise wurde die minderjährige Ab¬
theilung in Form einer Vorbereitungsclasse so Zusagen in
den Bestand des Gymnasiums aufgenommen, obgleich man
fortfuhr für diese Kinder Wärterinnen zu halten.
Kehren wir zum Gymnasium, welches wir im Jahre
1765 verlassen haben, zurück.
Damals waren bei Gründung der minderjährigen Abthei¬
lung, in welcher man für die Zukunft einzig eine zuverlässige
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Pflanzschule für das Gymnasium zu finden meinte, von den
früheren Gymnasiasten, wie oben gesagt, nur 30 der besten
zurückbehalten worden. Von ihnen war folgende Unterschrift
verlangt worden: «Im Gefühl der Allerhöchsten Barm¬
herzigkeit Ihrer Kaiserlichen Majestät gegen uns und vom
Wunsch beseelt der Absicht zu entsprechen, welche um unsere
künftige Wohlfahrt besorgt ist, versprechen wir von nun an
unser Leben zu bessern und beim äussersten Fleiss im Ler¬
nen, indem wir uns von jeglichen Lastern und hässlichen
Handlungen fern halten, einander zu guten Sitten und
ehrenhaftem Betragen zu ermuntern. Wenn sich aber unter
uns ein absichtlicher, durch keine Ermahnungen zu bes¬
sernder Verächter dieses unseres Versprechens findet, so
werden wir selbst darum bitten, dass er, als abschreckendes
Beispiel für die Anderen, mit öffentlicher Entehrung aus
unserer Zahl und unserem Convict ausgestossen werde.
St.-Petersburg den 1. November 1765. In Erfüllung dessen
unterzeichnen wir uns gemeinsam». (Es folgen 26 Unter¬
schriften, darunter auch die der künftigen Adjuncten der
Akademie, Wassilij Sujew und Michael Golowin).
Da die Forderungen den Schülern gegenüber straffer wur¬
den, war dasselbe auch bei den Lehrern und der Gymnasial¬
obrigkeit selbst nothwendig. Kotelnikow wohnte nicht im
Gymnasium und besuchte es selten; es wurde ihm vorgeschla¬
gen, das Gymnasium wenigstens an den Tagen zu besuchen, an
denen er in der Akademie zu sein pflegte, und ausserdem von
Zeit zu Zeit dort vorzusprechen. Mit den Lehrern ging man we¬
niger zart um: ihnen wurde vorgeschrieben, dem Rector zu ge¬
horchen,eine Viertelstunde vor Beginn derStunde in die Classe
zu kommen und sie nach dem Glockenschlage zu verlassen, von
ihrer etwaigen Krankheit Anzeige zu machen,ihre Stunden, im
Fall der Unmöglichkeit ins Gymnasium zu kommen, einem
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ihrer Collegen zu übertragen; diejenigen, welche diesen An¬
ordnungen nicht nachkommen sollten, bedrohte man mit einem
Gagenabzug. Zum Schluss wurde dem Rector, zusammen mit
den Lehrern der älteren Classen, die Aufstellung eines neuen
Lehrplans und eines Stundencatalogs für das Gymnasium auf¬
erlegt. Das betreffende Protokoll vom 23. November lautet:
«Da der Kanzelei bekannt geworden, dass einige Lehrer des
Gymnasiums nicht pünktlich zu der Zeit, in der sie dort
sein sollen, in die Classen kommen und einige zuweilen, ohne
von sich Nachricht zu geben und eine gesetzliche Ursache
ihrer Yersäumniss anzugeben, sich auch gar nicht einstellen,
woher die Schüler in ihren Classen müssig sind; da das eine
angemessene Verbesserung erfordert, um so viel als mög¬
lich den Tadel abzulenken, als ob die Akademie keinen Eifer
für den wirklich erfolgreichen Unterricht der im Gymnasio
lernenden Jugend habe, so hat um desswillen auf Befehl
Ihrer Kaiserlichen Majestät die Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften angeordnet: dem Herrn Professor Kotelni-
kow eine schriftliche Ordre zu senden: 1) den Lehrern des
Gymnasiums mit Strenge einzuschärfen, dass sie immer eine
Viertelstunde vor der ihnen vorgeschriebenen Zeit in die
Classen kommen und sie nach dem Glockenschlage verlassen
sollen. 2) Wenn es dem Lehrer irgend einer Classe Krank-
heits halber unmöglich ist in seinen Dienst zu kommen, dass
er rechtzeitig einen seiner Collegen bitte, seine Schüler zu
beaufsichtigen; wenn aber die Krankheit dauernd sein kann,
so ist ohne Verzögerung dem Inspector zu rapportiren, da¬
mit er eine entsprechende Anordnung treffe. 3) Dem Pe¬
dell zu befehlen, solche Lehrer, welche ihre Abwesenheit
nicht angezeigt haben, anzuschreiben und allwöchentlich
Rapports einzureichen, behufs Abzugs aus ihrer Gage, kraft
der Befehle über Versäumniss. 4) Den Lehrern zu befehlen
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für den Unterricht sowohl der Krons-, als der freiwilligen
Schüler die gleiche Sorge zu tragen, denn die Einen wie die
Anderen lernen mit derselben Absicht, dass sie, in die Jahre
gekommen, ihrem Yaterlande mit Nutzen dienen. 5) Alle
Lehrer generaliter müssen unter Aufsicht des Inspectors
dem Rector des Gymnasii Gehorsam erweisen, wie das über¬
all am Gymnasio JBrauch ist. 6) Der Rector des Gymnasii
Kienitz soll, indem er die Lehrer der oberen Classen zur
Berathung einladet, einen neuen Lehrplan und Stunden-
catalog entwerfen, damit er von Neujahr an in Ausführung
gebracht werde, welcher Plan, nachdem er von Professor
Kotelnikow durchgesehen worden sein wird, sobald als
möglich der akademischen Conferenz zur Approbation vor¬
zustellen ist. 7) Die akademische Kanzelei erkennt es für
sehr nothwendig an, dass Herr Professor Kotelnikow zu
besserem Erfolge alles dessen am Gymnasio und um Leh¬
rer wie Schüler dadurch zu grösserem Fleiss zu nöthigen,
häufiger hingehe, wozu er die Tage benutzen kann, an denen
er zur Conferenz in die Akademie kommt; aber dabei ist es
nöthig, dass er abwechselnd zuweilen auch beaufsichtige, in
welcher Ordnung und mit welchem Eifer Nachmittags der
Unterricht in den Classen stattfindet; mit einem Wort, es
wird unwiderruflich gefordert, dass den früheren Mängeln
im Gymnasio abgeholfen und alle Ursachen zu Klagen so
viel als möglich beseitigt werden. Nach Anbruch des neuen
Jahres soll ebenso, wie auch in Betreff der Universität, die
ganze Unterrichtsordnung in gedruckten Blättern publicirt
werden, und da bereits wenig Zeit dafür übrig bleibt, so
muss alles dieses so rasch als möglich angeordnet werden».
Die Emen- Die akademische Kanzelei rechnete offenbar nicht darauf,
D meister’s dass ihre strengen, schriftlichen Vorschriften auch wirklich
Z tor (1766)° aus S e ^hrt würden, und entfernte in den ersten Tagen des Ja-
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nuar 1766 Kotelnikow, unter dem Vorwände einer ihm be¬
vorstehenden wissenschaftlichen Abcommandirung, aus dem
Amt, zum Inspector des Gymnasiums wurde aber der Pädagog
Backmeister ernannt. Im Protokoll vom 2. Januar 1766
steht: «Nachdem jetzt, so viel als möglich war, dem schlech¬
ten Zustande der Universität und des Gymnasiums abgeholfen
und der Unterricht der Studenten und Gymnasiasten, wie
auch ihre Erhaltung in einem guten und für künftige Fort¬
schritte zuverlässigen Zustande wiederhergestellt worden, ist
unwiderruflich erforderlich, dass zum Hauptaufseher nicht nur
über den Unterricht, sondern auch über die Handlungen und
das wohlgesittete Betragen der an der Akademie auf Krons¬
kosten lernenden Jugend ein solcher Mann ernannt werde,
welcher, im selben Hause wohnend, sie ununterbrochen vor
seinen Augen hätte und die vorkommenden Mängel und
Unpünktlichkeiten sofort verbessern könnte und ausserdem
die für sie eingerichtete Oeconomie in immerwährender gu¬
ter Ordnung halte. Da aber Professor Kotelnikow, welchem
das bis jetzt aufgetragen war, erstens in diesem Amt in den
ihm als Akademiker obliegenden wissenschaftlichen Arbeiten
ein grosses Hinderniss hatte, zweitens wegen Mangels aus¬
reichender Zimmer im Universitätshause mit seiner Familie
dort nicht wohnen kann und drittens dem Dirigirenden Senat
zur Besichtigung der projectirten Communication zwischen
den Flüssen Wolga und Don vorgestellt worden ist, wohin
er in kurzer Zeit seine Absendung erwartet, so hielt es um
desswillen die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften,
auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät, in Erwägung, wie
nothwendig es sei, dass zum Amt eines Inspectors des
Gymnasii und der zu den Wissenschaften erzogenen Ju¬
gend ein Mann ernannt werde, der einzig damit beschäf¬
tigt und durch kein anderes Geschäft verpflichtet sei, für
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unerlässlich nöthig, für das erwähnte Inspector amt bis
auf weiteren Befehl den ihr empfohlenen und in der Erzie¬
hung von Kindern angesehener Eltern schon hinreichend
erprobten Rechtskundigen, Herrn Ludwig Backmeister zu
ernennen».
Die gelehrten Backmeister, aus Mecklenburg gebürtig, war im
Bai-kmei. Jahre 1762 aus Deutschland nach St.-Petersburg gekom-
ster’s. men . er war d ama i s 35 Jahr alt. In der gelehrten Welt war
er damals nur durch die von ihm herausgegebenen Nach¬
richten über die früheren Universitäten in Dorpat und
Pernau bekannt. In der Folge übersetzte er einige gelehrte
Arbeiten, die sich auf die Geschichte Russlands bezogen, ins
Deutsche, nämlich: die Geschichte Russlands von Lomonos¬
sow (1768), die von Müller geschriebene Biographie des
Feldmarschalls Grafen Scheremetjew und das Tagebuch
Peter’s des Grossen (in der Ausgabe unter dem Titel:
«Beyträge zur Geschichte Peter’s des Grossen 1774—
1784»).
Von 1771 bis 1774 gab er heraus «Tonorpa^auecKia
H3B r kcTia, cjiyjKamia juh no.maro onncania PocciacKoa Hm-
nepia» (Topographische Nachrichten, die zur vollen Be¬
schreibung des russischen Reichs dienen). In einen Gedanken
der Kaiserin eingehend, welche mit dem Programm zu einer
Sammlung von Worten für ein vergleichendes Wörterbuch
aller Sprachen beschäftigt war, liess er 1773 eine selbst¬
ständige Arbeit unter dem Titel drucken: «Idea et deside-
rata de colligendis linguarum speciminibus». Seine bemer-
kenswertheste Ausgabe wurde 1772 unter dem Titel be¬
gonnen: «Russische Bibliothek, zur Kenntniss des gegen¬
wärtigen Zustandes der Literatur in Russland». Es war das
ein gelehrtes Journal, in welchem fast alle hervorragenden
Werke, die sich auf Russland bezogen, sowohl die in rus-
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sischer Sprache und in fremden Sprachen erschienenen, als
auch die ins Russische übersetzten analysirt wurden, was
bei der geringen Zahl der damals in Russland existirenden
Druckereien möglich war; solche waren nur an sechs Punk¬
ten vorhanden: in St. Petersburg, Moskau, Kijew, Riga,
Reval und Oberpahlen, in Livland. In dieser Ausgabe wurde
mit Genauigkeit und Wahrhaftigkeit, ohne alle heissende Kri¬
tik, der Inhalt der Werke über die zu jener Zeit so zahlrei¬
chen und so bemerkenswerthen gelehrten Reisen, sowie der
Arbeiten, die sich auf die russische Geschichte und auf die
Geographie Russlands bezogen, dargelegt; in ihr wurden die
der Aufmerksamkeit würdigen Beschreibungen verschie¬
dener Provinzen, die geographischen Karten der Gouverne¬
ments, die Uebersetzungen der besten ausländischen Er¬
zeugnisse ins Russische analysirt, wozu die Kaiserin bekannt¬
lich eine besondere Commission eingerichtet hatte u. a. m.
In der «Russischen Bibliothek» fanden beständig Nachrich¬
ten über die russischen gelehrten Gesellschaften und Lehr¬
anstalten Aufnahme • über die Akademie der Wissenschaften,
die Freie Oekonomische Gesellschaft, die Akademie der
Künste, die Moskauer Universität, mit jährlichem Catalog
der in derselben gelesenen Collegia, über die Moskauer Geist¬
liche Akademie (Saikonospasski-Kloster), das Moskauer Fin¬
delhaus und selbst über mittlere Lehranstalten zweiten
Ranges, wie z. B.: überdas griechische Gymnasium in St. Pe¬
tersburg, über die Seminare in Twer, Rjasan, Archan-
gel u. s. w.; desgleichen Nachrichten aus den Ostseepro¬
vinzen. Zu Zeiten des Krieges und allgemeiner Volkscalami-
täten wurden Aufsätze ausgewählt, welche das Publicum
nach den damaligen politischen Umständen interessiren konn¬
ten: so wurden zur Zeit des ersten Türkenkrieges Aufsätze
publicirt, welche die militärischen Vorgänge oder die Län-
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der, in denen sie sich abspielten, betrafen; während der Pest
Bücher, in welchen diese Epidemie beschrieben war u. s. w.
Mit einem Wort, es gab keine irgend wie bemerkenswerthe
politische oder literarische Erscheinung in Russland, welche
nicht in dieser Ausgabe Platz gefunden hätte, und die vom
Herausgeber im Vorwort ausgesprochene Hoffnung hat sich
verwirklicht, dass mit der Zeit Alle, die sich mit der Ge¬
schichte der Aufklärung in Russland beschäftigen, für diese
Periode in seiner Arbeit den leitenden Faden finden werden,
den sie nicht mehr aus den Händen lassen. Die Kaiserin
ermuthigte den Herausgeber durch Verleihung einer gol¬
denen, mit 250 Dukaten gefüllten Tabatiere. An dieser
Ausgabe betheiligten sich: Arndt (er hatte auch Back¬
meister bei der Uebersetzung des Tagebuchs Peter’s des
Grossen geholfen), die bekannten Akademiker Georgi
und Güldenstädt, die Pastoren Grot und Hupel, der
Akademiker Kr afft, der Astronom Lex eil, der Historio¬
graph Müller, der berühmte Pallas, die Akademiker
Stählin, Stritter, Wolff u. A. Im Laufe einer 16-jähri¬
gen Existenz wurden in dieser Ausgabe 1100 Werke voll¬
kommen kaltblütig und leidenschaftslos analysirt. «Kein ein¬
ziger gerechter Leser», sagt Backmeister, «wird sowohl
jetzt, als auch in der Folgezeit den Nutzen dieser Bibliothek
leugnen: aus ihr kann man Nachrichten schöpfen über den
Zustand der Literatur in Russland von 1770 an und über ihr
allmäliches Wachsthum, über das Wurzelfassen verschie¬
dener Zweige des Wissens im Lande, über den grössten
Tlieil der erschienenen Werke und Broschüren, über die
Schriftsteller selbst, wie über ihre Arbeiten und über so
viele andere, der Aufmerksamkeit würdige Gegenstände.
In dieser Bibliothek sind Daten gesammelt, welche in spä¬
terer Zeit schwer zu finden sein werden; selbst jetzt sind
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einzelne recht bemerkenswerthe literarische Producte ganz
verschwunden, und vielleicht bleibt in dieser Bibliothek
allein eine Spur von ihnen nach». Das alles ist ganz richtig.
Leider musste Backmeister wegen Mangels an Geldmitteln
seine nützliche Ausgabe einstellen: er brauchte einige hun¬
dert Rubel jährlich zum Ankauf der zu kritisirenden Bücher,
und Niemand kam ihm zu Hülfe.
Nachdem Backmeister sich mit dem Gymnasium be¬
kannt gemacht, stellte er im Jahre 1766 ein Memorandum
über den Zustand vor, in welchem er dasselbe gefunden
hatte 1 ). Damals waren 88 Schüler vorhanden, von denen
30 Pensionäre waren und 58 Externe. Da sie ihrem Alter
nach ausserordentlich verschieden waren und die sogenann¬
ten freiwilligen Schüler sich ausserdem je nach ihrer zu¬
künftigen Bestimmung auswählen konnten, was sie lernen
wollten, so mussten die Classen in den Sprachen in drei
bis fünf und in den Wissenschaften in zwei bis drei Unter¬
abtheilungen getheilt werden. Dem entsprechend mangelte
es an Lehrern: es gab ihrer im Ganzen 15. Ausserdem
lebten viele von ihnen weit entfernt vom Gymnasium und
erhielten fast alle eine unbedeutende Gage: die höchste
Gage betrug 400 Rubel, aus welchem Grunde die Lehrer
sich andere bezahlte Beschäftigungen suchen mussten. Das
Gebäude des Gymnasiums selbst war in dem Maasse eng,
dass eine Classe im Speisezimmer placirt werden musste.
Backmeister bat darum, die Zahl der Lehrer zu vergrös-
sern, ihre Gage zu erhöhen oder ihnen in der Nähe des
Gymnasiums, wo nur drei Aufseher wohnten, Kronsquartier
zu geben. Das Gesuch Backmeister’s wurde nicht berück¬
sichtigt.
Dem entsprechend blieb der Cursus des Gymnasiums
1) Siehe Beilage 4.
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derselbe. Indessen nahm man in dasselbe einigermaassen
vorbereitete Schüler auf, die mindestens russisch zu lesen
und zu schreiben verstanden. Das ist aus folgendem Protokoll
ersichtlich: «Am 28. Juli dieses Jahres 1765 wurde mit
einem Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät aus dem Dirigi-
renden Senat der in die Heroldie vorgestellte unerwachsene
Warlam Mendelejew in die Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften gesandt, um laut dem namentlichen Befehl
Ihrer Kaiserlichen Majestät über die Etats vom lö.Decem-
ber des verflossenen Jahres 1763 in die an der Akademie
festgesetzte Zahl der auf Kronskosten unterhaltenen Schüler
aufgenommen zu werden, welcher denn auch zur Probe auf
zwei Monate ins Gymnasium gesandt wurde. Der Herr Profes¬
sor und Inspector Gymnasii Kotelnikow erklärte aber in
einem Rapport, dass besagter unerwachsener Mendelejew
nicht russisch zu lesen und zu schreiben gelernt habe,
während es im Gymnasium solche Classen, wo rus¬
sisch zu lesen und zu schreiben gelehrt wird, nicht
giebt, und stellte vor, dass er zuerst im russischen Lesen
und Schreiben zu unterrichten und dann seine Fähigkeit
für andere Sprachen und Wissenschaften zu beobachten sei.
Demgemäss wurde in die Kanzelei der Factorgehülfe der
Drückerei FedotNewskoi gerufen und ihm befohlen, dass er
den Mendelejew, um ihn russisch schreiben und lesen zu
lehren, desgleichen in Nahrung und Kleidung zu unterhalten,
unter seine Aufsicht nehme, mit der Bedingung, dass ihm für
dies Alles drei Rubel im Monat gezahlt würden, womit sich
Newskoi auch einverstanden erklärte».
Der Bestand der Gymnasiallehrer wurde fortgesetzt aus
den Studenten der Universität completirt, aber zuweilen ver¬
pflichteten sie sich dabei ihren Universitätscursus nicht zu
unterbrechen. So stellte im Januar 1766 der Inspector der
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Studenten Professor Rumowski vor, dass der Student An-
tonow «zur Fortsetzung des Studiums der Wissenschaften in
der Universität keine Lust mehr habe und am Gymnasio Leh¬
rer der mathematischen Classe zu sein wünsche, bis es für
angemessen erachtet werde, ihn zu irgend einem anderen Amt
zu bestimmen. Student ist er seit 1763. Es wurde befohlen:
der besagte Student Ssemjon Antonow hat nach Attestirung
seiner Fähigkeit von den Herren Professoren Kotelnikow
und Rumowski das Amt eines Lehrers der mathematischen
Classe zu bekleiden und ist aus der Universität zu entlas¬
sen. .. Damit er aber zum Unterricht im Gymnasio in den
mathematischen Wissenschaften sich um so grössere Fähig¬
keit erwerben könne, hat er die mathematischen und phy¬
sischen Vorlesungen zu besuchen und sich ausserdem zu
bemühen, durch eigene Uebung und durch die Lectüre
nützlicher Bücher über diese Wissenschaften, nach dem
Rath der Professoren, eine grössere Vollkommenheit darin
zu erwerben, und wenn er nach einem Jahre sowohl über
seinen Fleiss und weitere Fortschritte, als auch über sein
ordentliches Betragen Attestate aufweist, dann soll er zum
wirklichen Lehrer ernannt werden».
Backmeister bemühte sich indessen das Lehrerper- Conrector
sonal des Gymnasiums wenigstens in Betreff der Haupt- S ^i 766 )? r
fächer, d. h. der philologischen, zu heben und machte nach
dem Tode des Conrectors des Gymnasiums Gerassimow
eine Vorstellung über die Notliwendigkeit, «für den Unter¬
richt der Jugend in den literärischen Wissenschaften und
Sprachen aus fremdem Lande einen Conrector mit einer
Gage von 360 Rubel im Jahr und einem Reisegeld von
100 Rubel zu verschreiben». Hierüber wurde an Schlözer
nach Göttingen geschrieben und auf seine Empfehlung
Stritter zum Conrector ernannt. Aus dem Städtchen
Beiträge z. Konntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 6
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Die Entlas¬
sung Back-
mei ster’s
aus dem
Dienst im
Jahre 17G7.
Die Ueber-
gabe des
Gymnasiums
in die Ver¬
waltung
Fische r’s
Idstein in Nassau-Siegen gebürtig, kam er als ganz junger
Mann, er war 2G Jahr alt, nach Russland, hatte aber schon
eine sehr gründliche philologische Bildung an verschie¬
denen deutschen Universitäten erworben und sich spe-
ciell dem Studium der byzantinischen Geschichte gewidmet.
Von 1771 bis 1779 liess er in St. Petersburg in vier
starken Bänden sein bemerkenswerthes Werk in lateini¬
scher Sprache drucken: «Memoriae populorum olim ad Da-
nubium, Pontum Euxinum, Paludera Maeotidem, Caucasum,
Mare Caspium et inde magis ad septentrionem incolentium,
e scriptoribus historiae byzantinae erutae et digestae ab
Ioanne Gottlieb Strittero»; ein auf die russische Ge¬
schichte bezüglicher Auszug aus diesem Werk wurde in
russischer Sprache von Sswetow gemacht und 1774 unter
dem Titel gedruckt: «HsbIsctdi BimnTMCKHX’L hctophkobt>
oo'LJiciimomiu ncropiio pocciiicKyio ApeminxT» Bpewein» n ne-
pece.ieuin iiapojOB'B» (Nachrichten byzantinischer Schrift¬
steller, welche die russische Geschichte alter Zeiten und die
Geschichte der Völkerwanderung erläutern). Im Jahre 1779
wurde Stritter in das Moskauer Archiv des Ausländischen
Collegiums dienstlich übergeführt und 1783 nach dem
Tode Müll er’s zum Chef dieses Archivs ernannt.
Kaum war ein Jahr seit der Ernennung Back meiste r’s
zum Inspector des Gymnasiums vergangen, als die akade¬
mische Kanzelei ihn — es ist unbekannt warum — aus
dem Dienst ausschloss; im Protokoll vom 6. Februar 1769
ist lakonisch gesagt, dass einige Lehrer überflüssig waren
«wesshalb sie zu entlassen sind .. . und zwar: der Inspector
Backmeister, die Lehrer Michael Studinski, Möller
und Gotfren».
Vier Tage später, nämlich am 10. Februar, wurde fol¬
gende Verfügung bekannt gemacht: «Zur besseren Anord-
(1767).
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nung des Unterrichts hat Herr Professor Fischer im aka¬
demischen Gymnasio Hauptinspector zu sein; wesshalb so¬
wohl Rector Kienitz, als auch die übrigen Lehrer, ausser
den entlassenen, sich morgen am Tage in der Frühe alle in
den Classen zu versammeln haben, wo ihnen die verfasste
Verordnung, wie sowohl der Rector, als auch die Lehrer
in Allem sich unwiderruflich zu verhalten und besagtem
Herrn Fischer gehorsam zu sein haben, mitzutheilen ist».
Wiederum vier Tage später, am 14. Februar, erging die Vor¬
schrift: «Herrn Professor Fischer Ordre zu geben, dass die
Lehrer nach dem vorgeschriebenen Etat den Unterricht am
Montag der ersten Woche der grossen Fasten beginnen, wo¬
gegen ihnen in der dritten Woche Feiertage gegeben werden
würden». Was die Ursache dieser ungewöhnlichen, fieberhaf¬
ten Thätigkeit der akademischen Kanzelei war, welche sogar
zu der Zeit, da man sich gewöhnlich zum Abendmahl vor¬
bereitete und keine Lectionen stattfanden, zum Lehren und
Lernen zwang, bleibt unbekannt. Die Kanzelei beeilte sich
zu gleicher Zeit die Erfordernisse zur Aufnahme ins Gym¬
nasium zu verschärfen: «Herrn Professor Fischer», heisst
es im Protokoll vom 26. Februar, «ist Ordre zu senden,
durch welche befohlen wird, ins Gymnasium zum Unter¬
richt nur solche aufzunehmen, welche nicht nur gut russisch
zu lesen und zu schreiben verstehen, sondern auch, wenn
auch nur einigermaassen, eine der fremden Sprachen, d. h.
lateinisch, deutsch oder französisch lesen können, damit der
Unterricht mit dem erwünschten Erfolg und Nutzen statt¬
finde».
Am 14. März wurde auch Stritter «von der Aufsicht Die Eutias-
über die Schüler», d. h. vom Conrectorat entlassen, unter ter’s ( 1767 ).
dem Vorwände, dass er mit der byzantinischen Geschichte
vollauf beschäftigt sei.
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Fischer fing an Ordnung im Gymnasium einzubür¬
gern. «Herr Professor Fischer» lesen wir im Protokoll vom
12. Juni, «machte mündlich in der Commission vorstellig,
dass die zur Aufsicht bei den erwachsenen Gymnasiasten
befindlichen Lehrer Schulz und Petrowski sich häufig
von Hause entfernen, während die Gymnasiasten, ohne Auf¬
sicht geblieben, Ungebührlichkeiten und Muthwillen treiben
und nicht selten fremde Leute zu ihnen kommen. Daher
wurde in der Commission beschlossen, besagten Lehrern
durch den Inspector Kienitz einzuschärfen, dass sie nicht
beide zu gleicher Zeit von Hause gingen und die Studenten
ohne Aufsicht Hessen; wenn aber einer nothwendiger Weise
ausgehen müsse, so soll er allein Weggehen und der andere
zu Hause bleiben und über alle Gymnasiasten die aufmerk¬
samste Aufsicht ausüben, damit sie keinerlei Unarten und
Ungebührlichkeiten treiben und mit Niemandem von frem¬
den Leuten Verkehr haben, wovon auch den Gymnasiasten
Mittheilung zu machen ist».
Die von Fischer ergriffenen Maassregeln brachten das
Gymnasium nicht nur nicht in Ordnung, sondern ruinirten
es nur noch mehr; am 23. October passirte in demselben
ein Ereigniss, wie es dort noch nicht vorgekommen: die Gym¬
nasiasten steckten das Gymnasium in Brand. Im Protokoll
vom 25. October heisst es folgendermaassen: «Nach den vom
Rector Kienitz und dem Executor Gerassimow einge¬
reichten Rapports über den am 23. October c., d. i. am Diens¬
tag gegen Abend im akademischen, Stroganow’schen Hause
stattgehabten Brande, erwies es sich, dass die Gymnasiasten
Tichon S ch p i 1 e w ski und Wassilij S a m a r aj e w das Feuer an¬
gelegt haben. Es wird beschlossen, besagte Gymnasiasten, so
wie, falls von ihnen auf andere hingewiesen wird, auch diese
in der Sitzung zu verhören, und wenn Confrontationen nöthig
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sein sollten, auch solche zu veranstalten und dann, einen
Extract daraus machend, ihn mit dem gehörigen Thatbe-
stand, mit der Forderung einer Resolution und in Beglei¬
tung eines Rapports Sr. Erlaucht dem Grafen Wolodimir
Grigorjewitsch Orlow zur Durchsicht zu senden. Inzwi¬
schen: 1) die erwähnten Gymnasiasten Schpilewski und
Samarajew unter starker Bewachung bei der Commission
zu halten und die übrigen, wen es angehen wird, nicht von
Hause zu lassen, und 2) sowohl zur grösseren Vorsicht behufs
Vorbeugung einer ähnlichen Uebelthat, als auch um anderer
Umstände willen ausser der bei der Pforte dieses Hofes
stehenden "Wache auch eine im Vorhause aufzustellen und
desswegen dem Executor Befehl zu ertheilen». Die genann¬
ten beiden Gymnasiasten und noch drei Schüler wurden aus
dem Gymnasium ausgeschlossen.
Die Sittenrohheit der Schüler des Gymnasiums trat
überall zu Tage: sie zerkratzten einander, zerrissen ihre
Kleider u. a. m. Die ihnen auferlegten Strafen waren
ebenso roh, wie ihre Handlungen: man strich sie mit Ru¬
then, und eine solche Strafe zu verhängen wurde schliess¬
lich jedem einzelnen Aufseher überlassen. Im Protokoll
vom 16. Januar 1768 heisst es: «An diesem Datum legte der
Gymnasiallehrer Petrowski in der Sitzung einige zerris¬
sene Schafpelze vor, welche neuerdings gemacht und unter die
erwachsenen Gymnasiasten erst vor drei Wochen, d. h. am
verflossenen 24. December, vertheilt worden waren, und ver¬
langte, dass befohlen werde sie zu repariren. Da aber die
Commission bemerkte, dass die Schaffelle so zerissen waren,
dass manche kaum zu repariren möglich war, und dass nach
Vorforderung der Gymnasiasten, denen die Pelze gehörten,
es sich erwies, dass auch ihre Gesichter zerkratzt und ihre
Kleider zerrissen seien, was von nichts Anderem herrührt,
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als von ihrer ausserordentlichen Unart und Nachlässigkeit,
woran sowohl sie, als nicht minder auch ihre Lehrer schuld
seien, weil die Unarten der Gymnasiasten von der schwachen
und unaufmerksamen Aufsicht über sie herrühren, so wurde
desswegen beschlossen: erstens alle die Gymnasiasten,
deren Pelze in so kurzer Zeit zerrissen, vor den übri¬
gen versammelten Gymnasiasten mit Ruthen zu bestrafen
,und ausserdem Jeden drei Tage lang zu Mittag und zum
Abendbrod bei Wasser und Brod am Straftisch zu halten;
zweitens wird zur Abwendung künftiger Unarten und un¬
ordentlichen Lebens den Lehrern selbst anheiingestellt nach
Befund der Schuld die Gymnasiasten zu strafen; denn ihnen
ist, da sie mit ihnen in denselben Zimmern wohnen, ihr
Betragen fortwährend vor Augen, während der Rector Kie¬
nitz unmöglich Alles sehen kann. Den Gymnasiasten ist aber
zu erklären, dass sie den Lehrern in Allem gehorsam seien
und nichts ohne ihren Willen thuen; desgleichen ist den
Lehrern mit einem strengen Verweise zu erklären, dass sie
über die Gymnasiasten in Allem eine strenge Aufsicht füh¬
ren, widrigenfalls sie in Strafe genommen werden würden.
Hiervon ist sowohl dein Herrn Professor Fischer, als auch
dem Rector Kienitz zur Kenntnissnahme eine Copie zu
geben».
Die Entias- Für alle diese Unordnungen wurde Kienitz des Dien-
nftz’s*aus stes entlassen. «Den Rector Kienitz», heisst es im Proto-
llen (n68 t ) 0rat k°H vom 21. Februar, «mit dessen Verfahren im Gymnasio
die Commission unzufrieden war, beschloss sie aus der Aka¬
demie zu entlassen, und erlaubt ihm nicht länger als eine
Woche im Quartier zu bleiben, für welche Zeit ihm auch
die Gage zu zahlen ist, ausserdem aber noch für einen Monat.
Die Aufsicht über die Gymnasiasten sollen die Lehrer Pe-
trowski und Schulz haben».
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Fischer wurde ebenfalls von der Verwaltung des Gym¬
nasiums entbunden. Man musste sich von Neuem an Back¬
meister wenden.
Backmeister, der nicht wünschte von der Willkür Fischer’s
der akademischen Commission abzuhängen, die ihn schon un^Back^
einmal grundlos des Amtes beraubt hatte, beschloss letz- “bermiige
teres nicht anders zu übernehmen, als auf Grund eines be- Ernennung
zum Inspector
sonderen schriftlichen Contractes. Auf Grund dieses Con- des Gymna-
tractes waren alle Lehrer und Schüler ausschliesslich dem siums ( 1/68 )-
Inspector unterstellt, der selbst nur von der Akademie ab¬
hing und ausser ihr keinen anderen Vorgesetzten haben
durfte; Backmeister wurde auch die Organisation des
Gymnasiums selbst übertragen . l )
Backmeister wandte der oberen Classe des Gymnasi- Entsendung
von Gymna-
ums eine besondere Aufmerksamkeit zu. Im Jahre 1768 wur- siasten auf
den 16 Gymnasiasten auf gelehrte Expeditionen gesandt, ^pcdiUonmf
den Akademikern zur Hilfsleistung, welche eine Untersu- Öll¬
eitung des östlichen Reichsgebietes, der Gouvernements Oren-
burg und Astrachan unternahmen. An der Spitze die¬
ser Expeditionen standen die Akademiker Pallas, Lepe-
chin, Gmelin, Güldenstädt und Falk. Gmelin wurden
4 Gymnasiasten, den übrigen Akademikern je 3 mitgegeben;
unter ihnen wurde der in späterer Zeit sehr bemerkens-
werthe Akademiker Oserezkowski Lepechin zucom-
mandirt.
Im Jahre 1770 führte Backmeister für die besten Ein Univer-
sitätscursus
Schüler der höchsten Classe Universitätsunterricht in la-
im Gymna-
teinischer oder deutscher Sprache ein, der die Anfangs- smm 0Ab¬
gründe der Mathematik und ihre angewandten Theile, so wie
Naturwissenschaften umfasste, und erkannte als fähig zum
1) Siehe Beilage 5.
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Anliören dieser den Akademikern auferlegten Vorlesungen
nur sechs Gymnasiasten an, welche im Gymnasium die la¬
teinische Sprache und die Logik [zu studiren fortfahren
sollten. «Um den vom Inspector Backmeister vorgestell¬
ten Gymnasiasten einen allgemeinen Begriff von den Wis¬
senschaften zu gewähren, in welchen sie sich künftig an
der Akademie zu üben haben werden», heisst es im Proto¬
koll vom 17. Februar, «sind in lateinischer oder deutscher
Sprache Vorlesungen einzurichten, in welchen die Anfangs¬
gründe der Mathematik, ferner auch ihrer übrigen ange¬
wandten Tlieile, wie Mechanik, Optik, im Allgemeinen ge¬
nommen, und Astronomie vom Adjuncten Lexell, Natur¬
geschichte vom Akademiker Gärtner, Chemie vom Aka¬
demiker Wolff zu lehren sind. Diese Vorlesungen sind
zwei Mal in der Woche fortzusetzen, jede Vorlesung je
eine Stunde lang. Aber an welchen Tagen und Stunden
die Vorlesungen stattfinden, darüber haben sie unter¬
einander ein Abkommen zu treffen. Dabei haben jedoch
besagte Gymnasiasten fortzufahren sich in der Reinheit
der lateinischen Sprache, ferner auch in der Logik, worin
sie der Inspector Backmeister unterrichtet, unterweisen
zu lassen. Zum Anhören erwähnter Vorlesungen werden
folgende Gymnasiasten (6 Familiennamen) für fähig er¬
kannt. Aber (7 mit Familiennamen angeführte Gymnasi¬
asten) bleiben, weil sie wegen ihrer Schwäche in den er¬
wähnten Sprachen jene Vorlesungen noch nicht mit gehö¬
rigem Erfolge zu hören im Stande sind, wie bisher noch
auf einige Zeit zur Erwerbung grösserer Kenntnisse in jenen
Sprachen und in den übrigen literarischen Wissenschaften
im Gymnasio».
Im folgenden Jahre, 1771, wurde beabsichtigt diesen
Cursus zu erweitern, wesshalb denn Backmeister vor-
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geschlagen wurde «einen Plan aufzustellen, worin, wann
und wie viele Stunden sie bei den Akademikern Unterricht
haben sollen, und denselben in die Commission zur Bestäti¬
gung vorzustellen».
Backmeister reichte folgende Vertheilung der Vorle¬
sungen ein: 1) die mathematischen, welche je zwei Mal in der
Woche, jede Vorlesung zu zwei Stunden, stattfinden soll¬
ten, dem Akademiker Lexell anzuvertrauen; 2) die Vorle¬
sungen über Naturgeschichte haben die Akademiker Wolff
oder Laxmann drei Mal in der Woche zu lesen, dazu solche
Tage in der Woche wählend, an denen die Gymnasiasten
am Nachmittag keine Stunden haben; zum Unterricht in der
theoretischen Physik sind, so lange die Instrumente für die
experimentelle noch nicht fertig, zwei Stunden wöchentlich
zu verwenden, wenn aber die Instrumente fertig sein werden,
vier Stunden an zwei Tagen. Physik sollte der Akademiker
Krafft vortragen. Die akademische Commission bestätigte
diesen Unterrichtsplan und fügte hinzu: «Die inBetracht je¬
ner sechs Gymnasiasten bei der Vertheilung übrig bleibenden
Stunden in der Woche sind zur Disposition des Inspectors
Backmeister zu belassen, dem dabei anzusagen ist, dass
er bei Vertheilung dieser Stunden auf Gymnasialübungen
am meisten auf die lateinische Sprache und das Zeichnen
achte, weil die übrigen Arbeiten im Gymnasio für diese sechs
Gymnasiasten schon nicht mehr so nöthig sind, wie für die
Uebrigen. Welche Stunden übrigens und zu welchen Uebun-
gen namentlich er für sie festsetzen werde, darüber hat er
einen Rapport in die Commission einzureichen». Die Wahl
der Tage selbst und der Stunden für die Vorlesungen waren
ebenso wie auch die der Lehrbücher den unterrichtenden
Akademikern selbst überlassen. Dabei wurde nur eine Be¬
merkung hinzugefügt: «In Anbetracht der Vorstellung des
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Herrn Akademikers Wolff, die Gymnasiasten mit Hülfe von
Präparaten oder durch die anatomische Praxis selbst zu unter¬
richten, ist Herrn Wolff zu erklären, dass er sie nicht in
besagter Praxis übe, sondern ihnen jetzt nur die theoreti¬
schen Anfangsgründe dieser Wissenschaft lehre, ohne in
ihre weiteren Feinheiten einzugehen; dasselbe sei ihm, Herrn
Wolff, auch in Betretf der Botanik kund zu geben, d. h.
dass er die Mühe über sicli nehme, ihnen die ersten Anfangs¬
gründe anzuzeigen, damit sie einen guten Begriff von die¬
sen Wissenschaften erhalten könnten».
Diesen sechs Gymnasiasten wurden Degen verliehen,
wie sie damals die Studenten der Universität trugen: «als
Zeichen ihrer vor ihren übrigen Cameraden ausgezeichneten
Kenntniss in den Wissenschaften, ferner auch zu ihrer Er¬
munterung zu grösseren Fortschritten in denselben». Ihnen
wurde im Gymnasium auch ein besonderes Lokal im «Neben¬
gebäude» angewiesen, «damit sie sich ruhiger in ihrem Stu¬
dium üben könnten».
Im Jahre 1772 wurde von diesen Gymnasiasten gefor¬
dert, dass sie schriftliche Erklärungen einreichten, zu
welchen von den ihnen vorgetragenen Fächern sie nament¬
lich mehr Hinneigung fühlten, und mit welcher Wissen¬
schaft sie sich in der Folge zu beschäftigen wünschten, von
den Professoren aber eine Kundgebung, «wie sie die oben¬
erwähnten Gymnasiasten in Betreff ihres Fleisses und ihrer
Fortschritte in den ihnen vorgetragenen Wissenschaften
beurtheilen und welche von ihnen zu denselben mehr Fähig¬
keiten und Neigung beweisen».
Inzwischen wurden diese Gymnasiasten von den Matlie-
raatikstunden im Gymnasium befreit, und damit sie fortfahren
konnten die lateinische Sprache und das Zeichnen zu lernen,
deren Unterricht bisweilen mit den Vorlesungen der Profes-
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soren collidirte, wurden die für letztere bestimmten Stunden
versetzt. Ueberhaupt hielt sich die akademische Commission
auch in der Folge streng an die Regel, dass die im Gym¬
nasium angesetzten Stunden nicht wegen der Vorlesungen
versäumt würden, und sagte denjenigen Professoren ab,
welche ihre Vorlesungen auf Tage und Stunden festzusetzen
beabsichtigten, die für ihre Zuhörer zu Gymnasialstunden
bestimmt waren.
Im Jahre 1773 wurde dem Akademiker Laxmann auf¬
getragen, diese Gymnasiasten im Sommer in der Botanik zu
üben, im Herbst aber und im Winter mussten sie zu dem
Akademiker Wolff in die anatomischen Vorlesungen gehen.
K rafft theilte aus den für die Physik angesetzten Stunden
einige Stunden wöchentlich für Algebra ab, für die, «welche
im Stande sind sie in lateinischer Sprache zu hören».
Im Jahre 1775 wurden die mathematischen Vorlesun¬
gen dem Akademiker Krafft gelassen, die physischen gin¬
gen aber auf den Adjuncten Inochodzow über; im selben
Jahre, 1775, wurden die Vorlesungen Krafft’s und Ino-
chodzow’s in öffentliche im Auditorium des Gymnasiums
umgewandelt, wobei Inochodzow vomDirector Domasch-
new zur Pflicht gemacht wurde, in französischer Sprache zu
lesen. Chemie trug der Akademiker Laxmann vor. Lax-
mann las den Cursus der Botanik nur ein Jahr lang und wurde
1774 durch Lepechin ersetzt. Zugleich wurde auch der
botanische Garten Lepechin zu voller Disposition gestellt.
Im Protokoll vom 30. April heisst es: «Se. Erlaucht der Herr
wirkliche Kammerherr undDirector der Akademie der Wis¬
senschaften, Wolodimer GrigorjewitschOrlow, hat befohlen:
Das Halten der botanischen Vorlesungen für die Gymna¬
siasten, welche zum Anhören derselben Fähigkeit und Lust
haben, ist dem Herrn Akademiker Lepechin anzuver-
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trauen. Da aber diese Vorlesungen nothwendiger Weise im
botanischen Garten selbst gelesen werden müssen und der
Herr Akademiker Wolff, dessen Aufsicht der Garten zeit¬
weilig, bis zur Rückkehr eines der reisenden Herren Pro¬
fessoren der Naturgeschichte, unterstellt war, ausser seinem
eigentlichen Amt durch die Aufsicht über die Kunstkammer,
über die anatomischen und anderen naturwissenschaftlichen
Sachen recht angestrengt ist, so ist besagter Garten Herrn
Akademiker Lepechin mit der Bedingung in volle und
unmittelbare Aufsicht zu geben, dass er, nachdem er den
Garten ohne Zögern besichtigt, der Commission vorstelle,
in welchem Zustande er ihn finde und welche Mittel er für
die besten halte, ihn zu verbessern und in den gehörigen
Stand zu setzen».
Den besten dieser, sozusagen, Gymnasialstudenten,
welche erklärt hatten, «dass sie sich einzig den Wissen¬
schaften zu widmen wünschten», wurde gestattet, nicht den
ganzen oben skizzirten Cursus zu hören, sondern sich aus
demselben nach Wunsch ein Fach auszuwählen, und dann
wurden sie dem Professor dieser Wissenschaft anvertraut;
so wurde Golowin, der erklärt hatte, «dass er eine beson¬
dere Neigung und Lust zur Physik fühle», dem Akademiker
K rafft übergeben, Flor in ski und Lehmann zum Studium
der Chemie dem Akademiker Laxmann, Galtschenko, der
die Absicht hatte, sich der Anatomie zu widmen, dem Akade¬
miker Wolff. Zuweilen wurden sie verpflichtet zwei ver¬
wandte Wissenschaften zu studiren und die schwächeren
unter ihnen sogar zu den Stunden ins Gymnasium zu gehen.
Für diese Gymnasiasten wurde eine besondere Bezeich¬
nung ersonnen: man nannte sie Eleven. Im Protokoll vom
23. October 1773 heisst es: «Dem älteren Gymnasiasten
Michael Golowin, weil er aus der Gemeinschaft der Gym-
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nasiasten schon ausgetreten, zum Eleven umzubenennen, und
soll er sich in Zukunft mit diesem Titel schreiben, und ist
ihm das kund zu geben».
Der Eleve Moissejenkow wurde 1774,um sich in der
Chemie zu vervollkommnen, in die Freiberger Bergakademie
geschickt. «Der Eleve Moissejenkow», so heisst es im Pro¬
tokoll vom 29. September, «ist in Anbetracht seiner besonde¬
ren Neigung zur Chemie und hauptsächlich zur metallurgi¬
schen, wie auch in Anbetracht der guten Zeugnisse der Herren
Akademiker, bei denen er bisher Vorlesungen gehört hat, dass
er, Moissejenkow, nach seiner trefflichen Neigung und Fä¬
higkeit für die physischen Wissenschaften, sicherlich in den¬
selben eine solche Vollkommenheit, wie erforderlich, erlangen
wird, nach dem Beispiel der von der Akademie in diesem Som¬
mer auf ausländische Facultäten geschickten Studenten, hin¬
auszusenden und zwar auf die Freiberger Bergakademie im
Meissner-Lande, als an einen solchen Platz, der für die Er¬
reichung seiner Absicht zunächst als der geeignetste gegen¬
über den übrigen anerkannt ist... Nachdem er, Moissejen¬
kow, aber in der Freiberger Bergakademie eine genügende
Grundlage in der metallurgischen Chemie gelegt haben wird,
mit dem bevollmächtigten Minister des hiesigen Hofes in
Wien, dem Fürsten Dmitrij Michailowitsch Golizyn inCor-
respondenz zu treten und Sr. Erlaucht zu bitten, dass er, dem
Moissejenkow, damit er sich in der metallurgischen Wis¬
senschaft eine grössere Vollkommenheit erwerbe, von dem
dortigen Hof die Erlaubniss erwirke, sich in besagter Wissen •
schaft in Schemnitz bei Herrn Henkel zu unterrichten».
Ausser den auf Kronskosten unterhaltenen Gymnasi¬
asten wurde auch den freiwilligen Schülern gestattet, die
Vorlesungen der Professoren zu besuchen, aber es gab nur
sehr wenige, die sie zu hören wünschten.
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Ein solcher abgekürzter Universitätscursus konnte,
auf das Niveau einer mittleren Lehranstalt herabversetzt
und ausserdem nur für sehr wenige Schüler bestimmt,
den erforderlichen Nutzen nicht gewähren: er brachte
keinen einzigen einigermaassen bekannten Gelehrten hervor
und schadete dem Gymnasium, weil er die ganze Auf¬
merksamkeit des Inspectors auf sich concentrirte, der sich
mit dieser höchsten Classe sehr viel mehr beschäftigte, als
mit dem Gymnasium selbst. Es lässt sich unmöglich ver¬
kennen, dass die eilige Beendigung des Gymnasialunter¬
richts für einige Schüler, um ihnen rasch einige encyclo-
pädische und unvollständige wissenschaftliche Kenntnisse
beizubringen, wie Anatomie ohne anatomische Präparate
u. a. m., ein pädagogischer Fehler Backmeister’s war:
dadurch wurde mit einem Male sowohl der Gymnasialunter¬
richt, als der Universitätscursus, am meisten aber, wie schon
gesagt, das Gymnasium selbst verdorben, auf welches Back¬
meister, zumal bei seinen gelehrten literarischen Arbeiten,
keine Zeit hatte seine volle Kraft, zu verwenden.
Unzweifelhaft war der Wunsch vorhanden, den Gymna-
sialcursus zu heben, und zu diesem Zweck wurde in den
Zeitungen die schon früher erlassene Verordnung publicirt,
dass ins Gymnasium nur Knaben aufgenommen werden, die
schon russisch zu lesen und zu schreiben verstehen. Seit
der Ernennung Backmeister’s zum Inspector des Gymna¬
siums wurde den Akademikern aufgetragen, zwei Mal im
Jahre, im Juni und December, ein Examen der Gymnasiasten
zu veranstalten, woher denn diese Examina das Winter- und
das Sommer-Examen genannt wurden.*)
1) Die Examina veranstalteten die Akademiker: 1769 im Sommer Ko-
telnikow und Albrecht Euler, im Winter 1769 und 1770 Fischer und
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Unter Backmeister wurde auch auf die Lehrer Auf¬
merksamkeit verwandt. Im Protokoll vom 28.0ctober 1769
lesen wir: «Dem Inspector Backmeister ist auf seine Vor¬
stellung über die Gymnasiallehrer, dass sie, ohne es ihm im
Voraus mitzutheilen, sich an Schultagen von ihrer Arbeit
entfernen, zu befehlen, dass er für solche Fälle Monatsta¬
bellen einrichte, wie sie früher am Gymnasio bestanden, in
dieselben diejenigen Lehrer eintrage, welche nicht zur ge¬
hörigen Zeit bei ihren Obliegenheiten sind, und besagte Ta¬
bellen nach Ablauf jedes Monats der Commission einreiche;
den Lehrern aber ist inzwischen mitzutheilen, dass mit den¬
jenigen unter ihnen, welche ohne dazu im Voraus von Back¬
meister Erlaubniss zu erhalten, sich hinfort an Schultagen
von ihren Arbeiten entfernen werden, welche Gründe sie
auch haben mögen, nach dem demselben Backmeister von
der früheren akademischen Kanzelei im Juli-Monat des
verflossenen Jahres 1766 gegebenen Befehl verfahren wer¬
den wird».
Auch vor dieser Bestimmung der akademischen Com¬
mission entfernte man ganz untaugliche Lehrer; so ist im
Protokoll vom 16.December 1768 vermerkt: «Der Gymna¬
siallehrer Iwan Prytkoi ist wegen seines unordentlichen
Betragens und wegen Ungehorsams gegen die Behörde aus
der Akademie auszuschliessen, nachdem dieser Grund seiner
Wolff, «weil sie, als beim letzten Examen der Gymnasiasten anwesend,
besser über die seit der Zeit von ihnen gemachten Fortschritte ur-
theilen können». Im Jahre 1771 im Sommer Fischer, Rumowski,
Wolff und Krafft. Im Jahre 1772 (im Sommer und im Winter) Albrecht
Euler und Rumowski. Im Jahre 1773 im Sommer Rumowski und
Lexell, im Winter Kotelnikow, Rumowski, Laxmann und Lexell.
In den Jahren 1774, 1775, 1776 und 1777 Lepechin, Krafft und Lexell.
Im Jahre 1777 wurde den Lehrern des Gymnasiums befohlen mitzutheilen,
dass sie «ihre Methoden, welche sie beim Unterricht ihrer Schüler benutzen»,
der Commission vorstellen.
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Ausschliessung auch in seinem Abschied verzeichnet wor¬
den». Aber der Bestand der Lehrer änderte sich wenig; sie
wurden grösstentheils wie früher aus den Studenten genom¬
men, die ihren Cursus nicht vollendet hatten.
Die aberma- Conrector des Gymnasiums war Petrowski, nach sei-
nung^Trft- nem Tode aber wurde im Jahre 1771 abermals Stritter zu
ter’s zum ( ü esem Posten ernannt.
Conrector
(1771). Backmeister bestand auf seiner früheren Vorstellung
über die Nothwendigkeit, die Zahl der Lehrer zu vergrös-
sern und ihre Gage zu erhöhen, aber auch dieses Mal ver¬
gebens: die akademische Commission fällte eine ausweichende
und unbefriedigende Entscheidung. «In Erwägung der Vor¬
stellung des Inspectors Backmeister», heisst es im Proto¬
koll vom 19. Mai 1770, «über die Verbesserung einiger
Mängel in den Gymnasialclassen, ist sowohl die Aufnahme
neuer Lehrer, als auch die Gagenzulage an die gegenwär¬
tigen unmöglich vor Rückkehr Sr. Erlaucht des Herrn Di-
rectors der Akademie, Grafen Wladimir Grigorjewitsch
Orlow. Es sind ihm, Herrn Backmeister, Copien der
Contracte der gegenwärtigen Lehrer zu senden, damit er
sie durchsehe: ob er nicht bei diesen Lehrern jetzt freie
Stunden finde, die sie nach den Contracten zum Unterricht
der Gymnasiasten benutzen sollen, und ob es nicht möglich
ist, jene Stunden so zu legen, dass man mit denselben den
vonHerrn Backmeister angegebenen Mängeln abhilft, und
dass er dann, nachdem er die Stunden vertheilt, solches der
Commission zur Durchsicht vorstelle».
Die neueren fremden Sprachen wurden den Gymnasia¬
sten nicht gleichzeitig, sondern eine nach der anderen
gelehrt und dabei die pädagogische Regel beobachtet, die
Schüler nicht mit dem Studium mehrerer Sprachen auf ein¬
mal zu beschweren und nur dann zu den neueren Sprachen
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überzugehen, wenn sie sich schon mit der lateinischen
hinreichend bekannt gemacht haben. Am 22. Juni 1771 be¬
schloss die akademische Commission: «Was den Unterricht
der Gymnasiasten, die noch kein Französisch gelernt haben,
in dieser Sprache betrifft, so ist ihm (Backmeister) zu be¬
fehlen, dass er diejenigen darin unterrichte, die schon eine
genügende Kenntniss im Deutschen erworben haben, indem
er die frühere Resolution in Betreff dessen beobachtet, näm¬
lich, dass das Gedächtniss der Schüler nicht durch den Unter¬
richt von drei Sprachen mit einem Mal überlastet werde».
Der Unterricht in der Religion fand im Gymnasium, wie
wir gesehen haben, durch miteinander abwechselnde Reli¬
gionslehrer statt; so wurden auch im Jahre 1769 vom St. Pe¬
tersburger Geistlichen Consistorium zwei Messner der Peter-
Pauls-Kathedrale ernannt und ihnen befohlen «je ein Jahr ab¬
wechselnd zu unterrichten». Endlich kam am 13. September
1773 folgender Beschluss zu Stande: «ZumReligionsunter¬
richt der Gymnasiasten in der an der Akademie eingerichteten
Schule und zur Erfüllung anderer Bedürfnisse ist es für die
Akademie nützlicher einen beständigen Mönchspriester zu
haben, welcher denselben an Feier- und Festtagen auch
Gottesdienst halten könnte, als, wie es bis zu dieser Zeit
der Fall war, nur abwechselnd unterrichtende Geistliche.
Dazu ist es erforderlich an dieser Schule auch eine Kirche
zu haben, welche aber die Akademie, da sie nicht genau
weiss, was dazu nöthig, selbst nicht einrichten kann. Und
dazu ist zuvor vom Allerheiligsten Synod, zur Ausführung
aller dieser Dinge, ein kundiger und sanfter Mönchspriester
zu verlangen, welcher dann auch die Kirche selbst ein¬
richten könnte. Da aber die Commission den gegenwärtig
an der Akademie der Künste befindlichen Hierodiaconus
Kyrill für befähigt hält, um so mehr als er sich dort im
Beiträge z. Kenntniss d. Bass. Kelches. Dritte Folge. 7
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Unterricht minderjähriger Zöglinge geübt und ohne Zweifel
eine nicht geringe Befähigung dazu erworben hat, so ist
eine Eingabe an den Allerheiligsten Synod einzureichen,
dass er, nachdem er besagten Hierodiaconus zum Mönchs¬
priester befördert, ihn an der Akademie der Wissenschaften
zur Ausübung des erwähnten Amtes anstelle». Kyrill
wurde zum Mönchspriester geweiht und zum Religionslehrer
im Gymnasium ernannt, wo er auch die Kirche einrichtete.
Er starb aber bald, und der Synod hatte Schwierigkeit,
wegen Mangels an theologisch gebildeten Mönchen in
der Klostergeistlichkeit, in derselben einen Nachfolger für
ihn zu finden, wesshalb die Akademie darum bat, einen Reli¬
gionslehrer, wenn auch aus der Weltgeistlichkeit, zu er¬
nennen. «Obgleich der Allerheiligste Synod», heisst es im
Protokoll vom 29. September- 1774, «auf die schon vor
sechs Monaten eingereichte und seit dem mehr als einmal
wiederholte Bitte der Commission, zum Unterricht der an
der Akademie zu erziehenden Jugend in der Religion und
zur Erfüllung anderer Amtshandlungen versprochen hat, an
Stelle des verstorbenen Mönchspriesters Kyrill einen ande¬
ren dazu fähigen Mönchspriester zu senden, so hat er doch
denselben, wegen des jetzigen Mangels an solchen Leuten
in der Priesterwürde, bis jetzt nicht gesandt, und da sich aus
demselben Grunde die Sendung desselben, wie ersichtlich,
noch eine geraume Zeit verzögern kann, inzwischen aber die
Zöglinge am Gymnasio ohne Religionsunterricht und ohne
Kirchenbesuch bleiben, so ist an den Allerheiligsten Synod
von Neuem eine Eingabe zu senden und in derselben zu
bitten, statt des Mönchspriesters einen dazu fähigen Priester,
und sei es auch aus der Weltgeistlichkeit, zu senden». Zum
Religionslehrer wurde der Priester Ssamoilow ernannt.
Die Lehrstunden an Gymnasium waren, wie wir gese-
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hen haben, des Morgens im Winter von 8—12 Uhr, im
Sommer von 7—11 Uhr festgesetzt. Im Jahre 1772 wurde
der Unterricht von 8 —12, im Sommer wie im Winter, ein¬
geführt.
Der Bestand der Schüler war, wie früher, wenig befrie¬
digend; ausser den Kindern der niederen Stände fing man,
wie in alter Zeit, an, das Gymnasium mit Seminaristen zu
completiren, besonders aus den Seminaren von Twer und
Pleskau, nach Bestimmung der örtlichen Bischöfe; am
14. November 1767 schrieb Graf W. G. Orlow dem Sy-
nod: «Die Akademie bedarf gegenwärtig junger Leute von
15—20 Jahren, nicht älter, von guter und löblicher Auf¬
führung, der lateinischen Sprache kundig, und bitte ich den
Allerh. Reg. Synod, ob es ihm nicht genehm sein wird zu
befehlen, fünf Mann von solchen Qualitäten aus der Ikono-
spasski-Akademie, zehn aus dem Ssergijewschen Dreifaltig¬
keits-Kloster, sieben aus dem Twerschen und fünf aus dem
Pleskauschen Seminar der Akademie zu geben». Diese Se¬
minaristen blieben grösstentheils nicht lange im Gymna¬
sium .
Bei einem solchen Contingent von Schülern hielt es die
akademische Commission für nothwendig, sie so wachsam als
möglich zu beaufsichten; desswegcn kam am 2. März 1770
folgender Beschluss zu Stande: «Dem Inspector Backmei¬
ster zu befehlen, dass er die erwachsenen Kronsgymna¬
siasten zur Zusammenkunft mit ihren Eltern nicht mehr
allein und nicht mehr als einmal im Monat von Hause lasse
und auch nur dann, wenn ihre Eltern selbst nach ihnen kom¬
men oder zuverlässige Leute, nur keine leibeigenen Knechte,
nach ihnen schicken, und wenn die Eltern sie selbst zurück¬
bringen oder sie mit denselben zuverlässigen Leuten, mit wel¬
chen sie entlassen worden, zurückschicken, nicht aber sie
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mit Leibeigenen zu entlassen». Diese für die Gymnasiasten
sehr beengende Maassregel wurde bald abgeändert. «Vor
einigen Tagen ist beschlossen worden», heisst es im Proto¬
koll vom 13. April, «dass die erwachsenen Gymnasiasten zur
Zusammenkunft mit ihren Eltern und Verwandten nicht mehr
allein und nicht mehr als einmal im Monat von Hause gelas¬
sen werden sollen. Da aber in Erwägung der vom Inspectoi
Backmeister vorgestellten Gründe, aus einer so strengen
Beschränkung bisweilen für die Gymnasiasten schädliche
Folgen entstehen können, so ist die frühere Bestimmung
hierüber abzuändern; wer von diesen Gymnasiasten, wann
und zu welchen Bedürfnissen von Hause zu entlassen ist,
ist seinem, Backmeister’s, Willen anheimzustellen, und
soll er darin nach seinem Ermessen verfahren, jedoch mit
der Einschränkung, dass die jüngsten, die im vergangenen
Jahre aus den Minderjährigen versetzt sind, in Erwägung
ihrer Jugend nicht allein zu entlassen sind, sondern immer
in Begleitung, und dass in solchem Falle von ihren Eltern
oder Verwandten, zu denen sie zu Besuch gehen möchten,
zu verlangen ist, sie sollen entweder selbst nachkommen
und sie wieder zurückbringen, oder von sich aus zuverläs¬
sige Leute zur Begleitung nach ihnen schicken».
Im Jahre 1771 kam eine Entscheidung des Senats zu
Stande, dass in allen Lehranstalten Conduitenlisten der
Schüler mit Angabe ihrer Fortschritte in den Wissenschaf¬
ten und ihrer Aufführung geführt und ihnen beim Austritt
Zeugnisse gegeben werden sollen. In Ausführung dieses Be¬
fehles schrieb die akademische Commission vor: «Nachdem
vier weisse Bücher mit Vidimation des Secretärs angefertigt
worden, sollen zwei von ihnen, unter Beilegung derselben
Senatsentscheidung, dem Inspector Backmeister ins Gym¬
nasium gesandt werden, mit der Vorschrift, dass der Inspector
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Backmeister in einem der ihm gegebenen Bücher über die
Kronsschüler, im anderen über die freiwilligen Schüler ein
richtiges Journal führe, indem er in dasselbe die Zeit des
Eintritts jedes Schülers ins Gymnasium, was jeder von Ge¬
burt sei, mit welchem Verständniss und Fleiss er den
Unterricht fortsetze, wie lange Zeit er in demselben sich
geübt habe und worin namentlich, und welche Kenntniss
er darin erworben; ferner ob er sich während seines ganzen
Aufenthalts im Gymnasio ordnungsmässig, oder mit welchen
Fehlern behaftet, betragen habe. Bei der Entlassung der
Kronsschüler und dem Austritt der freiwilligen aus dem
Gymnasium sind ihnen nach dem Zeugniss des Inspectors
Backmeister von der Comission die gehörigen Attestate
mit Darlegung ihrer gesammten Kenntnisse und ihres Betra¬
gens auszustellen. Inzwischen ist aber allen freiwilligen
Schülern im Gymnasio zu erklären, dass denjenigen, welche
in Zukunft, von jetzt an, das Gymnasium eigenmächtig ver¬
lassen und später um Attestate über ihren früheren Unter¬
richt bitten werden, ein solches nicht anders gegeben wer¬
den wird, als mit genauer Darlegung ihres Fleisses oder
Mangels an Eifer und dieser ihrer Eigenmächtigkeit selbst,
mit der sie ihre Schule verlassen, in welchen Fällen er,
Backmeister, genau nach dieser Vorschrift ohne irgend
welche Milderung zu verfahren hat».
Ungeachtet aller dieser Strenge auf dem Papier blie¬
ben viele Gvmnasiasten ohne einen wesentlichen Nutzen
für ihren Unterricht in den Classen festsitzen. Im Jahre
1775 machte Backmeister die akademische Commis¬
sion darauf aufmerksam, welche am 8. Mai beschloss:
«Auf Vorstellung des Herrn Inspectors Backmeister in
Anbetracht der Kronsgymnasiasten eine allgemeine Be¬
stimmung zu treffen: wie lange oder bis zu welchem Alter
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oder bis zu welchem Kenntnissstande ein Gymnasiast im
Gymnasio sein soll, und welche Kenntniss sowohl diejenigen,
welche bei der Akademie belassen, als die, welche auf ihre
Bitte aus der Akademie entlassen werden, haben sollen;
ferner, was mit denen geschehen soll, die, obgleich noch
minderjährig, im Laufe von drei Jahren oder mehr mit
Aufwendung aller Geschicklichkeit als solche erkannt wer¬
den, die sowohl zum Erlernen der Sprachen, als auch zu
den Wissenschaften ganz unfähig sind? Dem Herrn Back¬
meister zu erklären, dass in der Commission der Akademie
für richtig befunden worden, wie hiermit festgesetzt wird:
in Zukunft keinen einzigen Gymnasiasten, der jünger als
18 Jahr ist, aus dem Gymnasio zu entlassen. In Anbetracht
aber derer, welche, obgleich sie minderjährig, von Herrn
Backmeister vermittelst ausreichender Prüfung als solche
erkannt werden, die zu den Wissenschaften ganz unfähig
sind, ist ihm, Herrn Backmeister, zu befehlen, der Com¬
mission ohne Zeitverlust eine Vorstellung zu machen».
Von Zeit zu Zeit wurden Schüler wegen Unfähigkeit
ausgeschlossen und, wie das von Alters her Sitte war, für die
Druckerei oder für die akademischen Werkstätten bestimmt.
So heisst es im Protokoll vom 29. April 1773: «Was die
Vorstellung des Inspectors Backmeister über die fünf er¬
wachsenen Gymnasiasten betrifft..., welche keinerlei Fähig¬
keit und Neigung zum Lernen zeigen, wesshalb von ihnen
grösserer Nutzen bei ihrer Verwendung in den Wissen¬
schaften nicht erwartet werden kann, so sind sie auf ihren
Wunsch zu anderen Geschäften zu bestimmen und zwar die
ersten drei... für die Typographie zum Setzen... und für
die mechanische Palate zur Instrumentenmacher-Kunst».
Gewöhnlich wurden die Gymnasiasten der obersten
Classe, welche erklärt hatten, dass «sie nicht mehr Lust
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haben bei den Wissenschaften zu bleiben», und desshalb aus
dem Gymnasium vor Beendigung des Cursus austraten, zu
Studenten umbenannt und mit diesem Titel in den ihnen
ausgestellten Attestaten bezeichnet. Dieser Missbrauch fing
seit 1773 an sich besonders häufig zu wiederholen.
Im Jahre 1775 wurde Ssergei Gerassimowitsch Do- Das Gymna-
. . sium zur
maschnew zum Director der Akademie ernannt. Von An- zeit,alsDo-
fang an wandte er dem Gymnasium seine Aufmerksamkeit zu. pirector^der
Bei dem ersten in seiner Gegenwart 1776 veranstalteten Akademie
Examen der Schüler der obersten Classe schlug er den exa- 1782).
minirenden Akademikern vor, dass sie den vier besten
Schülern einen Aufsatz über ein von den Examinatoren ge¬
wähltes Thema, in der Sprache, die jeder am besten be¬
herrschte, zu schreiben aufgeben und die Aufsätze ihm zu¬
stellen. Domaschnew forderte, dass der Inspector des
Gymnasiums täglich einen Gymnasiasten mit dem Katalog
der Tageslectionen zu ihm schicke. Zugleich «befahl er»,
von dem Wunsche geleitet, das Gymnasium von schädlichen
Schülern zu reinigen, wie es im Protokoll vom 5. Juli
heisst, «die erwachsenen Gymnasiasten, welche schon 12 Jahr
im Gymnasium gewesen waren, einer Sichtung zu unterwerfen
und, eines Jeden Fortschritte erwägend, diejenigen, welche
für die Akademie nöthig sind, aus dem Gymnasio auszu-
scliliessen und an Plätze zu vertheilen, je nach dem wozu ein
Jeder fähig erscheint, die übrigen aber, die der Akademie un-
nöthig sind, aus derselben zu entlassen, damit sie sich zum
Dienst bei anderen Commandos anstellen lassen». Die Aka¬
demie trug diese Sichtung den Akademikern Kotelnikow,
Rumowski, Protassow und Lepechin unter Einladung
der Professoren des Universitätscursus am Gymnasium auf.
Augenscheinlich sympathisirten sie nicht mit der scharfen
Maassregel, welche Domaschnew zu ergreifen beabsich-
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tigte, und fanden, nachdem sie sich mit den Fortschritten
von 10 Schülern der obersten Classe in den Wissenschaften
bekannt gemacht hatten, dass nur zwei von ihnen den Unter¬
richt nicht fortsetzen könnten. Demgemäss beschloss die aka¬
demische Commission: «Alle übrigen acht zur Erwerbung
grösserer Fortschritte in ihren Kenntnissen noch auf ein Jahr
im Gymnasio zu belassen, damit sie, nach grösserer Festi¬
gung in denselben, der Gesellschaft um so nützlicher werden
könnten und um so befähigter entweder zur Erfüllung ihrer
Amtspflichten, wenn sie in der Folge in den wirklichen Dienst
treten, oder aber zum weiteren Genüsse der Anweisungen
der Herren Akademiker. Inzwischen aber sind vier von ihnen
(folgen die Familiennamen), als hauptsächlich vor ihren übri¬
gen Cameraden durch ihre Fortschritte in den Wissenschaf¬
ten ausgezeichnet, zur Ermuthigung und Ermunterung so¬
wohl derselben, als auch der übrigen Schüler zu grösserem
Fleiss in den Wissenschaften, zu Studenten umzubenennen
und nach früher gewesenen Beispielen mit Verleihung von
Degen zu belohnen, und damit sie sich ruhig in ihren Wis¬
senschaften üben können, ist ihnen, unter Absonderung aus
dem Convict der übrigen Gymnasiasten, ein besonderes Zim¬
mer, aber im Gymnasium selbst zu geben, auch haben sie,
wie früher, unter Aufsicht des Inspectors zu stehen, und
wenn die Zeit kommt, ihnen und den übrigen Gymnasiasten
neue Kleider zu geben, ist ihnen auf denselben eine Ab¬
zeichnung von den anderen zu machen».
Backmei- Die erwachsenen Gymnasiasten rechtfertigten nicht die
gt er ’g
Stritter’s Erwartungen der Akademiker; bald machten sie einen gro-
E aus a dem g b en Scandal: im September 1777 prügelten sie denConrec-
j2 eM i7T7 ^orStritter. «Zur Untersuchung eines gewissen imGymna-
Die Emeu- sio zwischen dem Conrector Stritter und den erwachsenen
nung des (jy mnas j as ^ en vorgekommenen Ereignisses»setzte Domascli-
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new ein besonderes Comite aus den Akademikern R um ow- Akademikers
ski, Lepechin und Protassow, letzterem alsSecretär, und I^inspec-
Backmeister ein. Zu gleicher Zeit trug er dieser Commis- ^ium^far*
sion auf, «die Vertheilung des Unterrichts im Gymnasio zu da 1 s 7 ^ hr
revidiren, die Ursache des schlechten Fortschritts aller
Schüler ausfindig zu machen und ihre Meinung über die
Möglichkeit der Verbesserung vorzustellen». In Folge des¬
sen wurde beschlossen, «dass die Herren Akademiker sich
zu diesem Werk Mittwochs und Sonnabends am Morgen im
Auditorio des Gymnasii versammeln und nach Prüfung der
Vertheilung des Unterrichts im Gymnasio ihre Meinung
darüber abgeben, was die Ursache des schlechten Erfolges
erwähnter Schüler sei, desgleichen auf welche Weise die
Herren Akademiker das Gymnasium, zur Erhaltung zuver¬
lässigerer Fortschritte, zu verbessern für angemessen aner¬
kennen».
Die Folge der Ermittelungen dieser Commission war
die Dienstentlassung im December 1777 sowohl Backmei-
ster’s, als auch Stritter’s, welchem der Unterricht in der
oberen deutschen Classe anvertraut wurde. «An seine, Back-
meister’s Stelle», heisst es im Protokoll vom 8. December,
«ist zur Bekleidung seines früheren Amts am Gymnasio aus
fremden Ländern ein anderer Mann und zwar von solcher
Beschaffenheit zu berufen, dass er hauptsächlich die Alter-
thümer und die lateinische Sprache kenne und den Rector¬
posten am Gymnasium antreten, vollständigen Unterricht
daselbst in lateinischer Sprache, ferner auch im Styl und in
Aufsätzen geben könne und dabei die Aufsicht über die
Kronsschüler im Gymnasio habe». Domaschnew gab seine
Einwilligung dazu nicht und schrieb am 18. December
1777 auf das Protokoll: «In Berücksichtigung der Fähig¬
keit und desEifers des Herrn Akademikers Lepechin, ver-
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traue icli ihm die Aufsicht über das Gymnasium an, in der
festen Hoffnung, dass es durch seine Bemühung aus dem
kläglichen und verderbten Zustande, in welchem es sich be¬
findet, herauskommen werde. In Betreff der laufenden An¬
gelegenheiten hat er Memoranda an die Commission einzu¬
reichen, bei irgend welchen neuen Einrichtungen soll er
unmittelbar von mir Anweisung fordern».
Lepechin war im Jahre 1768 zum Adj mieten der Akade¬
mie für Naturgeschichte ernannt worden und unternahm
bald darauf eine wissenschaftliche Reise in das östliche Ge¬
biet Russlands, welche ungefähr sechs Jahre dauerte; im
Jahre 1771 wurde er zum Akademiker befördert und machte
sich im Jahre 1773 zu einer neuen Reise nach Weiss¬
russland und in das Pleskausche Gouvernement auf, von
der er schon im selben Jahre nach St. Petersburg zurück¬
kehrte.
Nachdem Lepechin das Amt als Inspector des Gymna¬
siums angetreten, nahm er in demselben keinerlei wesent¬
liche Veränderungen vor; Alles blieb, wie es nach alter
Art gewesen, und wie früher wurden die Gymnasiasten
zu Studenten befördert, indem man sie im Gymnasium Hess.
Es wurden sogar sehr originelle Regeln für die Beförderung
der Gymnasiasten zu Studenten ersonnen. Sie werden im
Protokoll vom 23. Juli 1778 dargelegt. «Se. Excellenz, der
wirkliche Kammerherr des Hofs Ihrer Kaiserlichen Maje¬
stät, Herr Director der Akademie der Wissenschaften und
Cavalier, Ssergei Gerassimowitsch Domaschnew, befahl,
indem er es für nötliig erachtete ein für alle Mal eine
sichere Regel für die Beförderung der Gymnasiasten zu
Studenten festzustellen, in Zukunft in solchen Fällen nach
der weiter unten folgenden Verordnung Sr. Excellenz zu
verfahren: 1) Die Gymnasiasten nicht zu Studenten zu be-
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fördern, bevor sie im Stande sind alle Vorlesungen der Pro¬
fessoren in lateinischer Sprache zu hören und richtig aus
der französischen und deutschen Sprache zu übersetzen.
2) Studenten sollen sie drei Jahre lang sein, nach Verlauf
welcher Zeit sie zu Uebersetzern oder zu Lehrern, je nach
den Bedürfnissen der Akademie und ihrer Fähigkeit, zu er¬
nennen sind. 3) Der Student soll in jedem Jahre ein Buch
übersetzen, wie es ihm gegeben werden wird; damit aber
darin kein Missbrauch stattfinde, wird für die Grösse des
Buches eine Grenze festgesetzt und zwar hundert Druck¬
bogen in Octavo. Wenn es diese Zahl übersteigt, so wird der
Ueberschuss aufs folgende Jahr angerechnet. In die Zahl
der jährlichen Uebersetzungsaufgaben sind auch die kleinen
Piecen zu rechnen, welche ihnen zur Uebersetzung gegeben
werden». Aber auch diese sonderbaren Regeln wurden nicht
immer angewandt, sondern man fuhr fort, wie es auch früher
geschah, Schüler, die den Gymnasialcursus nicht been¬
det hatten und das Gymnasium verliessen, zu Studenten
umzubenennen; so steht im Protokoll vom 27. März 1783:
«Auf das Gesuch des Vaters des erwachsenen Gymnasiasten
Wassilij Michailow, Kosma Wassiljew, wegen Entlas¬
sung seines Sohnes aus der Akademie, behufs Eintritts in den
wirklichen Dienst Ihrer Kaiserlichen Majestät, ist er, Mi¬
chailow, nach Umbenennung zum Studenten aus der Aka¬
demie zu entlassen».
Den ungenügenden Zustand des Gymnasiums schrieb Le-
pechin einzig der unpünktlichen Auszahlung der zu seinem
Unterhalt bestimmten Summen zu. Im Jahre 1782 stellte er
unter Anderem der akademischen Conferenz vor: «Während
der übrigen Zeit lag mir am meisten ob, für Auswirkung von
Geld für den Unterhalt der Gymnasiasten Sorge zu tragen,
denn der Oeconom war durch die Zurückhaltung desselben
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häufig bis aufs Aeusserste gebracht. Diese äusserste Noth
zwang mich bei den Mitgliedern der Conferenz Klage zu
führen, dass die auf Kronskosten unterrichteten Gymna¬
siasten in Noth gerathen, dass ihre geringe Zahl (denn jetzt
sind nur achtundzwanzig Schüler wirklich vorhanden, wäh¬
rend nach dem akademischen Etat fünfzig sein müssten,
ausser den vierzig, welche die Akademie kraft des Aller¬
höchsten namentlichen Befehls in der russischen Recht¬
schreibung, zur Completirung der Behörden mit denselben, zu
erziehen und zu unterrichten verpflichtet ist,) den Erwar¬
tungen nicht entsprechen kann, welche mit Recht von dieser
Schule gefordert werden müssen. Dieser selbe Umstand gab
bei Erwägung der aufgegebenen Fragen dem Herrn Akademi¬
ker Krafft Veranlassung zu bemerken, dass die für die Lö¬
sung dieser Fragen bestimmten Gelder besser zur Verbesse¬
rung, d. h. zum Unterhalt der vollen Zahl der Schüler im
Gymnasio zu verwenden seien, als sie Ausländern zu zahlen».
Der Cursus des Gymnasiums war, so viel sich nach den
sehr wenigen erhaltenen Documenten urtheilen lässt, sehr
unregelmässig, so dass z. B. die sogenanten «Studenten» des
Gymnasiums erst anfingen Griechisch zu lernen; im Proto¬
koll vom 24. August 1780 heisst es: «Die von Herrn Aka¬
demiker Lepechin für die Studenten, welche die griechische
Sprache zu lernen anfangen, geforderten Bücher...» etc.
Domaschnew legte nur auf Uebersetzungen aus neuen
fremdem Sprachen Gewicht. So finden wir im Protokoll
vom 8. Januar 1781, dass «beschlossen wurde, das auf
Allerhöchsten namentlichen Befehl Ihrer Kaiserlichen Maje¬
stät durch Se. Erlaucht den Herrn wirklichen Kammerherrn,
Geheimerath und Cavalier, Grafen Alexander Ssergejewitsch
Stroganow, zur Uebersetzung in die russische Sprache in
die Akademie gesandte Buch «Spectacle de la nature et
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des arts», aus sechs Theilen bestehend, so rasch als möglich
zu übersetzen; dasselbe ist daher unter verschiedene Hände
zu theilen, und zwar: beim Uebersetzungsamt— unter die
Uebersetzer Kowalew und Wolkow und beim Gymnasio
— unter die Studenten Lichowoi, Kirjak, Wassiljew und
Petrow, Jedem je einen Theil, mit der Einschärfung, dass
Jeder den ihm übergebenen Theil unabänderlich in zwei
Monaten übersetze, indem er die ganze von anderen Be¬
schäftigungen freie Zeit nach dem Mittag dazu benutzt».
Die Fürstin Daschkow forderte, nachdem sie 1783 Das Gymna-
das Amt des Directors der Akademie angetreten, von Le- derFürstin
pechin ein Verzeichniss der auf Kronskosten unterhalte-^ 7 ^ 3 ^ 1796 )
nen Gymnasiasten und fing an sich mit dem Gymnasium
zu beschäftigen. Sie war streng und vielverlangend gegen
die Lehrer und zwang sie mehr zu arbeiten. Vor Allem
erhöhte sie die tägliche Unterrichtszeit um eine Stunde;
«der Akademiker Lepechin», schrieb sie am 27. Februar
vor, «hat sowohl den Lehrern als den Schülern zu befeh¬
len, vom 1. des künftigen Märzmonats an um 7 Uhr Mor¬
gens in die Classen zu kommen, und hat Herr Lepechin
diese gewonnene Stunde nach seiner Einsicht zum Nutzen
der Gymnasiasten beim Unterricht zu vertheilen». FürVer-
säumniss von S + unden fing man an den Lehrern Gagenab¬
züge zu machen. «Da der Conrector des Gymnasii Hack¬
mann», finden wir im Protokoll vom 30. September 1784,
«seine contractsmässige Pflicht nicht erfüllt und im Gymna¬
sio keinerlei Informationen giebt, so ist seine Gage vom
1. September dieses Jahres 1784 an zurückzubehalten».
Im Protokoll vom 2. Juli 1795 ist gesagt: «Auf die Rap¬
ports des Inspectors des Gymnasii Kruglaschew ist we¬
gen Fehlens in den Gymnasialclassen an den zum Unter¬
richt der Zöglinge festgesetzten Tagen: des Herrn Profes-
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sors Jakow Sacliarow am 25. April und 20. Juni, des
Herrn Rommel am 24, 26. April und 15. Mai, der Her¬
ren Gronski und Saint-Hilaire am 14. Mai, kraft der
am 9. Mai dieses Jahres beschlossenen Resolution, bei der
gegenwärtigen Gagenauszahlung für jedes Versäumniss je
eine Woche abzuziehen».
Im Cursus des Gymnasiums wurden keinerlei wesent¬
liche Veränderungen getroffen; es wurde nur die englische
Sprache, welche die Fürstin Daschkow völlig beherrschte,
eingeführt. Nach alter Art wurden die Gymnasiasten, seihst
wenn sie den Cursus nicht beendigt hatten, zu Studenten
erhoben. Im Jahre 1783 begegnen wir zwei Beschlüssen
der Art: 1) Vom 24. October: «In Folge des Befehls Ihrer
Erlaucht des Directors der Akademie der Wissenschaften
und Cavaliers, Fürstin Katharina Romanowna Daschkow,
ist der im akademischen Gymnasio befindliche Alexander
Gubin von den aus Moskau gesandten Seminaristen, der
um Ernennung zu einer anderen Behörde bittet, auf seinen
Wunsch als Student aus der Akademie zu entlassen». 2) Vom
30. October: «Die beim akademischen Gymnasio befind¬
lichen Fedor Kamenski und Peter Ssokolow r , von den aus
Moskau gesandten Seminaristen, sind, nachdem sie zu Stu¬
denten umbenannt, auf den von ihnen erklärten Wunsch
zur Ausführung schriftlicher Arbeiten anzustellen, Kamen¬
ski im hiesigen Buchladen und Ssokolow im Bücher-
Magazin... Iwan Florinow, Alexei Schestakow und
Ssergei Lawrow (ebenfalls alle drei aus der Moskauer
Akademie), welche nach Tobolsk gesandt zu werden
wünschen, sind in Uebereinstimmung mit der aus der
dortigen Statthalterkanzelei eingegangenen Mittheilung,
durch welche die Sendung solcher im Ressort der Aka¬
demie befindlicher und daselbst unterrichteter Schüler ge-
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fordert wurde, welche frei und fähig wären zur Anstellung
in dortigen Behörden und zur Erfüllung von Secretärs-,
Kanzelei- und sonstigen Obliegenheiten, nachdem sie zu
Studenten ernannt worden, mit den gehörigen Attestaten
zu versehen».
Im Jahre 1785 wurden vier zu Studenten ernannte
Gymnasiasten, Kononow, Sacharow, Ssewergin und
Pawlow, auf die Universität Göttingen gesandt; die ersten
drei kehrten 1789 zurück und wurden dann zu Adjuncten
der Akademie ernannt, Ssewergin erhielt 1793 den Titel
Akademiker.
Im Jahre 1793 wurde für das Gymnasium in der 7. Li¬
nie ein Haus gebaut und in demselben eine Kirche einge¬
richtet, die am 20. December 1794 eingeweiht wurde.
Die Fürstin Daschkow beschreibt folgendermaassen
den Zustand, in welchem sie das Gymnasium gefunden, und
was sie im Lauf der ersten drei Jahre ihres Directorats für
dasselbe gethan: «Pour encourager et donner de l’ömula-
tion entre les jeunes gens du gymnase, j’ai 6tabli deux
examens par an, oü des prix en livres et mßdailles leurs
sont distribues. Entre les plus avances j’en ai envoye quatre
pour quatre ans ä l’universite de Goettingue aux frais de
l’academie. Au gymnase au lieu de 50 öleves qu’il devait
y avoir, je n’y ai trouvö que 27, dont trois ne donnant au-
cun espoir de progres ont etö pris pour Timprimerie, six
ont 6te renvoyes ä leurs parents h cause d’incapacite; il
n’en resta que 18, bien petit nombre pour un empire aussi
vaste, manquant d6jä de gens sachant lire. L’academie
meine en souffrait, car dans un besoin de gens, eile ne sa-
vait d’oü en tirer. II y a h present ä leur place 89 eleves,
qui, j’ose le dire, sont infiniment mieux nourris, vetus, in-
struits, en un mot mieux entretenus qu’avant. Au lieu des
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maitres nßcessaires qui manquaient, il y avait au gymnase
un musicien, qui recevait 350 roubles pour enseigner ä
jouer du violon; le musicien a 6t6 pay6 et renvoye; j’ai
fait venir ä sa place un r6gent de classe instruit et un
maitre de langue italienne et anglaise».
Wenn man auch den Verdiensten der Fürstin Dasch-
kow um die Akademie und alle ihre Institute, darunter
auch um das Gymnasium, für welches, wie oben gesagt,
später ein Haus gebaut wurde, volle Gerechtigkeit wider¬
fahren lässt, so kann man doch einen gewissen Selbstbe¬
trug in ihren Worten nicht verkennen. Dass die auf Krons¬
kosten unterhaltenen Gymnasiasten unter ihr besser gehal¬
ten wurden — dem kann man Glauben schenken: sie war
eine sorgsame Hausfrau. In allem Uebrigen finden wir im
Gymnasium keinen grossen Unterschied dagegen, was wir
früher in ihm gefunden. Seit der Zeit des Inspectors Back¬
meister wurden in ihm, wie wir gesehen haben, zwei Mal
im Jahr von den Akademikern Examina veranstaltet. Auch
unter Backmeister wurden Gymnasiasten zum Studium an
auswärtige Universitäten gesandt, was seine gute und seine
schlechte Seite hatte: unzweifelhaft konnten junge Leute
auf deutschen Universitäten eine gründlichere Bildung er¬
halten, als damals in St. Petersburg, wie das auch die von
der Fürstin Daschkow entsandten bewiesen; aber damit
wurde die ohnehin leerstehende akademische Universität
endgiltig untergraben. Die Vermehrung der Zahl der Schü¬
ler beweist noch nicht die gute Organisation des Gymna¬
siums; auch früher war schon zeitweilig die Zahl der Ler¬
nenden gestiegen, das Gymnasium war aber davon nicht
besser geworden; Alles hängt von der Qualität der zum
Gymnasialunterricht Zugelassenen ab, und in dieser Hin¬
sicht sehen wir keinen Unterschied vom Althergebrachten.
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Im Bestände der Lehrer, im Unterrichtscursus selbst sind
zur Zeit der Verwaltung der Fürstin Daschkow keinerlei
wesentliche Verbesserungen gemacht worden. Dennoch darf
man ihre Fürsorge für das Gymnasium, im Sinne der Ord¬
nung und seines anständigen Unterhalts, nicht übersehen.
Das akademische Gymnasium war ja seiner Gründung
nach das erste und im Laufe von mehr als einem Viertel¬
jahrhundert das einzige Gymnasium in Russland. Es ist da¬
her nicht erstaunlich, dass sich in seine Organisation und
Verwaltung Mängel einstahlen, die in jedem neuen Werk
gewöhnlich sind, trotz aller Bemühungen seiner Leiter sie
zu vermeiden. Die Akademie der Wissenschaften wandte ihm
beständig ihre Aufmerksamkeit zu: sie gründete Commissio¬
nen zu seiner Verbesserung, sie trug den Akademikern auf
die Gymnasiasten zu examiniren, sie ernannte aus ihrer Mitte
Rectoren und Inspectoren des Gymnasiums. Viele Akademi¬
ker entwarfen Projecte einer besseren Organisation des
Gymnasiums, unterrichteten im Gymnasium, schrieben sogar
Lehrbücher; so verfasste der berühmte Euler ein Lehrbuch
der Arithmetik für die Gymnasiasten. Die Präsidenten und
Directoren der Akademie trugen gleichfalls Sorge für das
Gymnasium: Baron Keyserling trug im Jahre 1733 dem
Akademiker Fischer auf, ein Statut für das Gymnasium zu
verfassen; Baron Kor ff erlangte im Jahre 1735 die Stif¬
tung von Stipendien an demselben; Graf Rasumowski
führte im Jahre 1747 einen Etat des Gymnasiums und im
Jahre 1750 ein kurzes Statut ein und machte es häufig so¬
wohl der akademischen Verwaltung, als auch den dem Gym¬
nasium nahestehenden Personen zur Pflicht, es auf richtigen
Beitrüge s. Kcnutniss d. Buss. Roiclies. Dritte Folge. 8
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Grundlagen Zu organisiren; zu diesem Zweck vertraute er
es im Jahre 1758 Lomonossow an; im Jahre 1765 befahl
er einen Unterrichtsplan für das Gymnasium zu entwerfen;
Fischer, Moderach und Backmeister stellten ihm Pro-
jecte vor, das Gymnasium in Ordnung zu bringen. Do-
mashnew gründete im Jahre 1777 ein besonderes Comite
aus Akademikern zur Verbesserung des Gymnasiums. Die
Fürstin Daschkow sorgte gleichfalls für das Gymnasium,
baute ihm ein Haus und verbesserte den Unterhalt der auf
Kronskosten unterhaltenen Schüler.
Ungeachtet aller dieser Maassregeln blieb das Gymna¬
sium im Laufe des ganzen vorigen Jahrhunderts in un¬
befriedigendem Zustande, weil das Unterrichtswesen in
ihm auf fehlerhafte Grundlagen gestellt war. Seine so Zu¬
sagen organischen Fehler bestanden in der Ernennung un¬
angemessener Lehrer und im schlechten Bestände der Ler¬
nenden. In der ersten Zeit nach Gründung des Gymna¬
siums wurden zur Besetzung der Lehrerstellen in demselben
aus Deutschland gründliche Gelehrte verschrieben, welche
später bekannte Akademiker geworden sind, Müller, Krafft
u. A.; aber sie verstanden kein Russisch, und die Schüler be¬
griffen ihren Unterricht nur in geringem Maasse. Die auslän¬
dischen Lehrer wurden dann grösstentheils durch russische
ersetzt, aber viele von diesen waren nicht ausreichend zum
Unterricht in einer mittleren Lehranstalt vorbereitet: sehr
häufig wurden sie aus den nicht fertig gewordenen Studenten
ernannt. Im Anfang, gleich nach der Gründung des Gymna¬
siums, traten Knaben aus wohlhabenden, verhältnissmässig
gebildeten Familien in dasselbe ein; aber das dauerte nicht
lange. Das Gymnasium fing an sich mit Schülern der unte¬
ren Stände von rohen Sitten und Gewohnheiten zu füllen,
welche ihrer socialen Stellung nach durchaus nicht zur hö-
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heren Bildung bestimmt waren, für die der Gymnasialunter¬
richt als nothwendige Vorstufe dient. Die im Jahre 1765
zu Tage getretene Absicht, den Bestand der Schüler durch
Organisation einer minderjährigen Abtheilung zu verbes¬
sern, wurde ungeschickt verwirklicht und gelang desshalb
nicht.
Die Verwaltung des Gymnasiums war niemals richtig
organisirt. Bei der Gründung wurde es laut Contract
Bayer übergeben, der das Recht erhielt es nach seinem
Wunsch zu organisiren und dieses Recht im Jahre 1731
ausübte, indem er die von ihm selbst verfasste Verordnung
im Gymnasium einführte. Im Jahre 1738 führte Krafft das
von ihm entworfene Statut im Gymnasium ein. Dreissig Jahre
später, 1768, ging das Gymnasium auf Grund eines ähn¬
lichen schriftlichen Contracts, wie er mit Bayer bei der Er¬
öffnung geschlossen worden war, zur vollen Verfügung an den
Inspector Backmeister über, dem es anheimgestellt wurde,
dasselbe nach seiner Einsicht einzurichten, wovon er auch Ge¬
brauch machte. Bei einer solchen Ordnung gab es im Gymna¬
sium niemals einen bestimmten Cursus, und auch die Zahl der
Classen änderte sich beständig, bald wurde die Zahl der¬
selben vermehrt, bald vermindert; willkürlich wurden ver¬
schiedene Unterrichtsfächer eingeführt oder gestrichen. Die
Schüler waren nicht verpflichtet den ganzen Gymnasialcur-
sus durchzumachen, sondern wählten sich nach eigenem
Wunsch oder nach dem Willen ihrer Eltern die Wissen¬
schaften aus. Die Aufnahme ins Gymnasium fand im Laufe
des ganzen Lehrjahres statt, was natürlich den Unterricht
erschwerte. Das Alter der aufzunehmenden Schüler war
nicht bestimmt, wesshalb wir unter ihnen in derselben Classe
fünfjährigen und fünfundzwanzigjährigen begegnen.
Der Vorstand des Gymnasiums war allzu zahlreich: aus-
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ser dem Rector und dem Inspector, gab es noch einen Con-
rector, auch einen, entsprechend der Verbindung zwischen
dem Gymnasium und der Akademie, gewöhnlich aus den Aka¬
demikern ernannten Hauptinspector. Was aber am sonder¬
barsten ist — zuweilen waren im Gymnasium zu gleicher
Zeit zwei Inspectoren oder zwei Rectoren. Ihre Verpflich¬
tungen und gegenseitigen Beziehungen waren nicht positiv
festgestellt; daher begegnen wir auch einem solchen Rector,
wie Rothacker, dem jegliche Gewalt über das Gymnasium
genommen war.
Das akademische Gymnasium hatte niemals ein ord-
nungsmässig bestätigtes Statut; denn das sogenannte Gym¬
nasialstatut des Grafen Rasumowski aus dem Jahre 1750
besteht nur aus einzelnen Artikeln, welche nichts Wesent¬
liches enthalten.
Das pädagogische Werk erfordert mehr als irgend etwas
Anderes Einheit des Gedankens und der Richtung und eine
unabänderliche Beständigkeit in denselben, daher es auch
nur dann erfolgreich fortschreiten kann, wenn es in einer
Hand concentrirt, und wenn das Lehrsystem genau defi-
nirt ist und nicht von der Willkür beliebiger Personen
abhängt. Das eben fehlte in der Organisation des akade¬
mischen Gymnasiums; die Inspectoren disponirten über das
Gymnasium nach ihren Anschauungen, die Directoren der
Akademie nach den ihrigen: Domaschnew maass die
Fortschritte der Schüler nach ihrer Kenntniss der französi¬
schen Sprache, die Fürstin Daschkow, welche vortreff¬
lich englisch sprach, führte die englische Sprache in den
Gymnasialcursus ein. Die Akademie der Wissenschaften gab
gute, sachliche Rathschläge zur Verbesserung des Gymna¬
siums, aber sie konnte ihrem ganzen Wesen nach nicht zur
Verwaltung einer einzelnen mittleren Lehranstalt niederstei-
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gen; für sie war das Gymnasium eine nebensächliche und
darum beschwerliche Zugabe.
Indess hat das akademische Gymnasium trotz all seiner
mangelhaften Einrichtung der russischen Jugend doch
Nutzen gebracht, indem es einige gelehrte und begabte ad¬
ministrative Arbeiter ausgebildet und vielen Hunderten der
in ihm unterrichteten Schüler eine gewisse Bildung ver¬
schafft hat. Und in der Geschichte der Aufklärung Russ¬
lands hat es als das erste im Reich gegründete Gymnasium
eine unzweifelhafte Bedeutung.
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BEILAGE 1.
Einrichtung des St. Petersburger Gymnasii im Jahre 174$.
l.
Das Gymnasium ist besonders für Russen gegründet, damit
sie, in den Sprachen und Wissenschaften unterrichtet, dem
Vaterlande um so grösseren Nutzen bringen könnten.
2 .
Daher ist die Einrichtung desselben von anderen Schulord¬
nungen um soviel unterschieden, als nothwendig ist zur Er¬
reichung erwähnter Absicht.
3.
Die Sprachen und Wissenschaften, welche im Gymnasio ge¬
lehrt werden, sind ausser dem orthodoxen Glauben griechischer
Confession folgende:
1. Deutsche Sprache.
2. Französische Sprache.
3. Lateinische Sprache.
4. Griechische Sprache.
5. Geographie.
6. Geschichte.
7. Arithmetik.
8. Geometrie.
9. Kalligraphie.
10. Zeichnen.
11. Tanzen.
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4 .
Dazu sind erforderlich elf Lehrer, und zwar zwei für die
deutsche Sprache, ebenso viel für Geographie und Geschichte,
einer für die französische Sprache,
drei für die lateinische und griechische Sprache, ebenso viel
für die Geographie und Geschichte,
einer für Arithmetik und Geometrie,
einer für Kalligraphie,
ein Zeichnenlehrer,
ein Tanzlehrer und
einer für den orthodoxen Glauben.
Wenn es solche Leute gäbe, welche in mehreren Sprachen
und nicht bloss in einer, oder in mehreren Wissenschaften
unterrichten könnten, so würde die Zahl der Lehrer sich ver¬
mindern.
5 .
Ueber allen diesen Lehrern steht ein ernannter Rector, dem
sowohl in Betreff der Lehrenden, als der Lernenden aufgetragen
ist, ihr Verständniss, ihren Fleiss, sowie ihr Betragen zu be¬
aufsichtigen und unermüdlich für den Zuwachs des Gymnasii
zu sorgen; dessgleichen ist ihm befohlen, allmonatlich über
den Zustand des Gymnasii der Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften zu rapportiren.
6 .
Die Schüler im Gymnasio sind von zweierlei Art — Russen und
Ausländer; die Russen werden eingetheilt in solche, die auf ei¬
gene Kosten lernen, und in gagirte.
7 .
Die Lehrer unterrichten alle Gymnasialschüler unentgeltlich,
und sind letztere desswegen nicht gezwungen in Zukunft an der
Akademie in Dienst zu treten, sondern können ihr Glück suchen,
wo sie Lust haben; von den Gagirten aber kann man das nicht
sagen, denn diese nimmt man nach Beendigung des Schulunter¬
richts in den akademischen Dienst und giebt ihnen Stellen nach
ihren Verdiensten.
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8 .
Die freiwilligen Schüler können von den Sprachen und Wissen¬
schaften, welche im dritten Artikel erwähnt sind, lernen was sie
wollen; ja man hält sie auch nicht zurück, wenn sie nicht mehr
im Gymnasio lernen wollen, falls sie nur in gehörigerWeise um
ihre Entlassung bitten. Hingegen die Gagirten müssen im Ver¬
gleich zu den Anderen in der lateinischen Sprache, in der Arith¬
metik und Geometrie mit allem Fleisse lernen, damit sie ihren
Unterricht in der Akademie weiter fortsetzen können, denn aus
ihnen sollen mit der Zeit Professoren, Adjuncten und andere aka¬
demische Glieder ernannt werden, wenn sie die gehörige Fähig¬
keit zu diesen Aemtern haben werden.
9 .
Kein Schüler, der älter als zehn Jahr ist und noch nicht zu
lesen und zu schreiben versteht, kann in den akademischen
Dienst aufgenommen werden; falls er aber schon zu lesen und
zu schreiben versteht, einen solchen aufzunehracn ist auch mit
12 Jahren möglich. Wenn er aber älter geworden ist und noch
nichts gelernt hat, so lässt sich unmöglich von seinem künfti¬
gen Fortschritt viel erwarten. Freilich giebt es Beispiele, dass
Einige, obgleich sic spät zu lernen angefangen haben, dennoch
im Unterricht vorwärts gekommen sind; aber das kommt selten
vor und daraus kann man unmöglich auf Andere schliessen.
m
Das Gymnasium wird gemäss den gegenwärtigen Umständen
in zwei Schulen gctheilt, und zwar in eine deutsche und eine la¬
teinische; die deutsche Schule ist in eine untere und eine erste
Classe getheilt.
11 .
In der unteren deutschen Classe werden gelehrt:
Die orthodoxe Confession.
Arithmetik.
Lesen und Schreiben, russisch, deutsch und lateinisch.
Deutsche Vocabcln.
Deutsche Grammatik.
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Leichte Uebersetzuugen aus Lange’s Gesprächen.
Kalligraphie.
Tanzen.
12 .
In der ersten deutschen Classe werden gelehrt:
Die orthodoxe Religion.
Die Arithmetik wird wiederholt, die Geometrie begonnen.
Die Regeln über den Aufsatz werden wiederholt und die
Eigenschaften der deutschen Sprache gelehrt.
Leichte Schriftsteller werden interpretirt und mündlich
aus der deutschen Sprache in die russische und aus
der russischen in die deutsche übersetzt.
Schriftlich wird aus der deutschen Sprache in die rus¬
sische und aus der russischen in die deutsche über¬
setzt nach dem Muster und der Ordnung, die beim
Schreiben gebräuchlich ist.
Man zeigt noch den Gebrauch der Landkarten und lehrt
Geschichte.
Französische Sprache.
Kalligraphie.
Zeichnen.
Tanzen.
13 .
Es könnte aber Jemand erwidern, dass die deutsche Schule
mit sehr vielen Lectioncn belastet ist und dass es passend wäre,
einige von ihnen der lateinischen Schule zu überlassen: meine Ab¬
sicht erstreckt sich jedoch dabei nicht nur auf die gagirten, son¬
dern auch auf die freiwilligen Schüler, von denen manche auch
angesehen sind; und obgleich nicht Alle Lust zur lateinischen
Sprache haben, so wünschen doch Alle alles das zu lernen, was
zu ihrem Nutzen dient. Und in der That, wenn man fragt,
zu welchen Sprachen und Wissenschaften die Kinder dieses
Staates Neigung haben, welche von ihnen sic lieben und zu ler¬
nen Lust haben, so werden zu diesen gerechnet die deutsche
und französische Sprache, die Arithmetik, Geometrie, Kalli¬
graphie, Zeichnenkunst und das Tanzen.
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14 .
Bei der Vertheilung der Stunden auf den Unterricht meine
ich zuvor, dass es für einen Knaben genug ist, wenn er bei
seinen Lehrern 6 oder höchstens 7 Stunden lernt; die übrige
Zeit ist ihm zur Erholung, Ruhe und zur Anfertigung seiner
Lectionen zu lassen. Diese 7 Stunden werden in Stunden nach
Mitternacht und in Stunden nach Mittag getheilt, zum Unter¬
richt nach Mitternacht werden 4 Stunden bestimmt, und zwar
von 9 Uhr nach Mitternacht bis 1 Uhr nach Mittag, zum Unter¬
richt nach Mittag 3 Stunden und zwar von der dritten bis zur
sechsten Stunde.
15 .
Demgemäss werden die Lehrstunden in der unteren Classe
der deutschen Schule folgendermaassen vertheilt:
Nach Mitternacht
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9—11 Uhr
Arithmetik und von 11—1 Uhr Lesen, Schreiben und deutsche
Lectionen, wie davon im Artikel 11 geschrieben;
am Mittwoch und Sonnabend von 9—10 orthodoxe Religion
und von 11—1 Uhr deutsche Lectionen, wie auch an anderen
Tagen.
Nach Mittag
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 3—5 Uhr
deutsche Lectionen und von 5—6 Uhr Kalligraphie;
am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen.
16 .
Hieraus ist ersichtlich, dass der russische Priester die Schü¬
ler vier Stunden in der Woche in der orthodoxen Religion unter¬
richten wird; dem Lehrer der Arithmethik und Geometrie sind in
der deutschen Schule acht Stunden bestimmt; der deutsche Lehrer
wird 20 Stunden unterrichten; der Schreibmeister wird 4 Stun¬
den unterrichten und der Tanzmeister in der Woche zwei Mal,
jedes Mal 3 Stunden lang, im Ganzen 6 Stunden. Der Priester
wird alle russischen Schüler aus allen Classen unterrichten.
Gleicherweise werden der Lehrer der Arithmetik und Geometrie,
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der Schreibmeister und der Tanzmeister alle Schüler im ganzen
Gymnasio unterrichten.
17 .
Die Lehrstunden in der ersten Classe der deutschen Schule
sind so vertheilt:
Nach Mitternacht
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9—11 Uhr
Arithmetik und Geometrie, von 11—1 Uhr deutsche Lectionen,
wie im Artikel 12 gezeigt ist;
am Mittwoch und Sonnabend
von 9—11 Uhr orthodoxe Religion
von 11—1 Uhr Geographie und Geschichte.
Nach Mittag
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag
von 3—4 Uhr französische Sprache
von 4—5 Uhr Zeichnen
von 5—6 Uhr Kalligraphie;
am Mittwoch und Sonnabend
von 3—6 Uhr Tanzen.
18 .
Kraft dieses Katalogs hat der deutsche Lehrer der ersten
Classe, der ausserdem Geschichte und Geographie lehren wird,
nur nach Mitternacht und zwar 12 Stunden in der Woche zu
unterrichten; der französische Lehrer wird ebenso wie der
Zeichnenlehrer alle Schüler im ganzen Gymnasio unterrichten;
jeder von ihnen wird 4 Stunden in der Woche geben, nur zu je
einer Stunde.
19 .
Ich habe die Ordnung der Stunden so vertheilt, dass ich für
die wichtigsten Fächer, welche am meisten Nachdenken erfor¬
dern, die Morgenstunden angesetzt und für die leichtesten, zu de¬
nen die Schüler ohnehin grosse Lust haben, die Nachmittags¬
stunden bestimmt habe, wesshalb ich auch die Zeichnenstunden
auf den Nachmittag gesetzt habe und zwar von 4—5 Uhr, damit
diese Arbeit noch bei Tage geschehe, denn bei Licht zu zeichnen
ist schwer.
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20 .
Die deutschen Lehrer müssen ihren Unterricht so viel als
möglich in deutscher und nicht in russischer Sprache geben,
denn hier handelt cs sich um das Erlernen der deutschen Sprache,
und von dem in deutscher Sprache gebotenen Unterricht
hat der Schüler einen grossen Nutzen und gewöhnt sich all¬
mählich an die deutsche Sprache.
21 .
Die gagirten akademischen Schüler sollen nicht länger als
zwei Jahre in der unteren Classc der deutschen Schule sitzen
und nach Ablauf derselben in die erste Classe der deutschen
Schule versetzt werden, aber auch dort sind sie nicht länger als
ein Jahr zu halten, denn in der Zeit werden sie sicher so viel
gelernt haben, dass sie die Reden des lateinischen Lehrers ver¬
stehen können. Zudem werden sie im Umgänge mit deutschen
Schülern fast mehr Deutsch gelernt haben, als in den deut¬
schen Classen mit ihren russischen Kameraden, welche auf keine
Weise dazu zu bringen sind, dass sie von ihrer Muttersprache
lassen und unter einander in einer fremden Sprache reden, die
sie nur mühsam zur Hälfte verstehen.
22 .
Die lateinische Gymnasialclassc wird ebenso wie die deutsche
in zwei Classen getheilt, und zwar in die untere und die erste.
23 .
In der unteren lateinischen Classc werden die Anfänge der
lateinischen Sprache gelehrt werden. In dieser Classe sind er¬
forderlich an Büchern das Lexicon von Cellarius, eine kurze
Grammatik, Lange’s Gespräche. In dieser Classe sind die Schü¬
ler so weit zu bringen, dass sie die genannten Gespräche gram¬
matikalisch zu analysiren und zu übersetzen im Stande sind.
In derselben werden noch gelehrt:
Arithmetik und Geometrie
Geographie
Französische Sprache
Zeichnen
Kalligraphie
Tanzen.
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24 .
In der ersten lateinischen Classe ist aus der Grammatik der
schöne, figurenreiche Aufsatz zu lehren und zwei Mal in der
Woche der Styl zu üben. In dieser Classe werden folgende
Autoren interpretirt: Cornelius Nepos, Julius Caesar, Terenz,
Cicero’s Episteln an Verschiedene, seine Reden und die Bücher
über die Pflichten; in dieser Classe werden auch die Anfänge
der griechischen Sprache nach der im vorigen Jahre in Kijew er¬
schienenen Grammatik gelehrt.
Ferner werden gelehrt:
Geschichte
Französische Sprache
Zeichnen
Kalligraphie
Tanzen.
25 .
Die Lehrstunden in der unteren Classe der lateinischen
Schule sind folgendermaasen vertheilt:
Nach Mitternacht
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10—1 Uhr
die Anfangsgründe der lateinischen Sprache nach Anweisung
des Artikels 23;
am Mittwoch und Sonnabend
von 9—10 Uhr Arithmetik und Geometrie
von 11—12 Uhr Cellarii Lexicon und Wiederholung
der Grammatik
von 12—1 Uhr Geographie.
Nach Mittag
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag
von 3—4 Uhr französische Sprache
von 4—5 Uhr Zeichnen
von 5—6 Uhr Kalligraphie;
am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen.
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26 .
Kraft dieses Katalogs wird der Lehrer der unteren Classe
16 Stunden in der Woche lateinische Sprache und Geographie
lehren. Der Lehrer der Arithmetik und Geometrie wird ausser
acht Stunden, die er den Schülern in der deutschen Classe
giebt, noch 4 Stunden unterrichten, im Ganzen 12 Stunden.
27 .
In der ersten lateinischen Classe wird unterrichtet:
Nach Mitternacht
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag
von 10—12 Uhr Interpretation der lateinischen Au¬
toren nach Anweisung von Artikel 24,
von 12—1 Uhr Nachmittags griechische Sprache;
am Mittwoch und Sonnabend
von 9—11 Uhr Grammatik und Geometrie
von 11—12 Uhr Styl
von 12—1 Uhr Interpretation von Kurassow’s kur¬
zer Geschichte.
Nach Mittag
am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag
von 3—4 Uhr französische Sprache
von 4—5 Uhr Zeichnen
von 5—6 Uhr Kalligraphie;
am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen.
28 .
In dieser ersten Classe werden zwei Lehrer sein, ein latei¬
nischer und ein griechischer, der lateinische wird 12 Stunden,
der griechische 4 Stunden in der Woche unterrichten.
29 .
Jetzt sind dem Gymnasio im Stroganow’schen Hause vier
Zimmer angewiesen, was auch ausreicht, wenn das Gymnasium
auch in Zukunft so bleibt wie jetzt, ausser dass zum Tanzen
ein besonderes Zimmer nöthig ist, denn die Schulzimmer tau¬
gen dazu nicht, weil sie mit Tischen und Bänken verstellt sind.
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127 —
30 .
In jeder lateinischen Classe haben die Schüler je zwei Jahre
zu lernen, und wenn die Jahre, die sie in den deutschen Classen
lernen, hinzugezählt werden, so sind es im Ganzen sieben Jahre;
in sieben Jahren kann man einen Knaben gut informiren, so
dass er fähig sein wird, seinen Unterricht in der Universität
weiter fortzusetzen, und wenn der Knabe mit 10 oder 11 Jahren
in die Schule kommt und diese Jahre fleissig lernen wird, so
wird er zur Fortsetzung des Unterrichts noch nicht zu alt sein.
31 .
Der Gymnasialrector wird mit dem Professor der Mathe¬
matik drei Mal im Jahre ein Examen veranstalten, und zwar im
Januar, Mai und September, und über die Fortschritte der
Gymnasialschüler, besonders über die der gagirten, der Kanzelei
der Akademie der Wissenschaften rapportiren; ausserdem wird
ein Jahresexamen in Gegenwart des Präsidenten der Akademie,
ihrer Mitglieder und einiger dazu ausgewählter Professoren
stattfinden; darnach sind Diejenigen, welche im Vergleich zu
den Anderen eine grössere Geschicklichkeit zeigen, zur Ermunte¬
rung und künftigen Fortsetzung ihres Fleisses mit Schulbüchern
zu beschenken. Den 3. Mai 1748.
Johann Eberhard Fischer
Professor der Geschichte und des Gymnasii Rector
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BEILAGE 2.
Uumaggeblidje ©ebanfctt bon einigen üllängeln bc8 ©tretet*
burgifdten Gymnasii, unb wie benfetbeu etwa abjuhelfen fei;, in bic
Academische Conference überreizet bon Carl Friedrich Mode¬
rach Adjunct unb Inspector Gymnasii.
üftadjbcnt mir jufolgc bc8 bon ©einer <£>od;gräflid;en (grtauc^t
bem fperrn ^raftbenten ber Academie ber 2öiffenfd;afteit berwicbe*
uen 7 IDtärjj an bie academische Conference ergangenen 23efef>t3
oblieget bon beiten Mängeln beä Gymnasii, unb wie benfetbeu etwa
abjuljelfeu fei), meine ©cbanfeit $u eröffnen: fo ^abc fold;e in mög*
lid;fler Äiirjje abgefaffet um fte bcncti Resp. «$erru Professoribus
unb üJiitglicbern gebadeter Conference ju fernerer 23eprüfung bor*
julegen.
©in Gymnasium heiffet foitfl eine fold;e ©d;ute, woinnen junge
geute in Humanioribus unb aubertt itüglid;en 2öiffenfd>aften unter*
richtet, unb alfo $u Anhörung academischer Lectionen fähig ge*
ntadit werben.
Da aber bet; bem ^teftgen Gymnasio auger benjenigen ©d;ü*
(ent/ Wcld;e auf Soften ber Academie unterhalten Werben, gar we*
nige borhanben flitb, weld;e ftd; beu Stucliis ju wibmeu willens
wären, bie übrigen aber, bereit 9ln$af)l faß bret;ntahl fo fiarf ifl als
jener, alle mit eiitanber baS Gymnasium nur in ber Wbjtdji bc*
fud;eit, um in einer ober ber aitbetn ©prad;e unb 2Biffcufd;aft,
welche ihnen etwa bet; ihrem füuftigen föerufe nöthig ober tt üblich
fehlt ntögte, unterrichtet jtt werben, fo ifl leicht ju ju erfehen, bag
biefeS Gymnasium ttid;t bollfomnteu auf fold;en gug, wie an attbern
Orten eingcrid;tet werben fönne, inbent bie ©dptler beffelbett ftd;
{it jwet; bon einanber gattjj unterfd;iebeue ©taffen theilcn, bereu
jebe in ^Betrachtung beS berfd;iebeuen ©ttbjwecfeS bet; ihrem ßerneu
eine befottbere ©inrid;tuug ber Lectionen erforbert.
Da bie acabemifd;eu ©dpilet junt ©tubireu beflintutet, unb mit
nicht geringen Sofien ber Ärone unterhalten werben; fo ifl es mei*
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neS dradjtenS bornehmlich nofhig babor ©orge gu tragen, bafc bie#
fetben grünblich, in teeriger Drbnung unb mit allem möglichen
gleifje unterrichtet merben. #iergu mirb nun unumgänglich erforbert:
1) SDajj man geriefte Informatores bet)m Gymnasio beflefle,
unb um bon ihrer gähigfeit beflo boüfommener berfid)ert gu fetyn,
jKiemanben mit einem fotzen £)ienffe berfehe, ber nid)t borfjer in
ber acabemifcheit Conference genau examiniret unb attestiret
morben.
2) £alte ich eS nicht bor nü^tief)^ bajj man ©tubenten bie Infor¬
mation in ben (Staffen übertrage, inbem folche baburch an ihrem
©tubieren gehinbert merben, überbem au<b ba fte gemeiniglich bor
otdje Information jährlich nicht mehr als 25 fRubl. flatt einer
Belohnung erhalten, eben nicht fonberlidjen gleijj anmenben, unb
biefe Interims-Information nur als ein fftebenmerf, nicht aber als
eine mefentlichc Pflicht anfehen. SBäre aber ein ober ber anbere
©tubent gur Information gefebieft, unb hülfe ßufl biefelbe gu über#
nehmen, fo fonnte man betffelbcn mit Verlegung eines hinlänglichen
©ehaltS gunt mürflichen Praeceptor bcffetlen, in meld)ent gatte er
feine llrfache hn^en mürbe, feinen Unfleifj unter mancherlei) 93or-
rnanb gu bcfdjönigen.
3) ®ie bornehmffe Ur|ad;e aber, marum bie acabemifd)en ©chüler
bishero fo menig gelernet, feheint mohl biefe gu fepn, bafj jte bep
ihren dltcrn ober Vermanbten ohne alle 9lufftd)t unb in ben
berfdffebcnen $h c Ü en ^i e l* cr meitläuftigen ©tabt bon eittanber ger#
ftreuet mohnen. $>a biefelbeu nun faff alle bon bem 9lbfd)aum beS
fftßbels genommen morben, fo faitn fid> ein jeber leicht borfleUen,
maS ffe bor eine dtgieljung haben, gu maS bor einer fd)onen £c#
benSart jte ffd) bon 3ugenb auf gemöhtten unb mogu bie ©age,
meldje fte bet; ber Academie befommen, bon ihren dlterit meiflen#
theits attgemanbt merbe. ds märe bemnach meiner Meinung nach
hßdffl nöthig 1) bajj man bie 9(itgahl ber acabentifd)en ©chüler,
metd;e ftubiren follett, ein bor allemaht feftfefce; 2) baf} man fo biel
möglich barattf feljc, bamit biefelbe nid)t ohne allen Unterfdjeib unb bon
beut unterften ffJöbel genommen mürben; 3) Vornehmlich aber, bafj
ffe alle frelffa tunten in einem «fraufc unter flrengcr unb genauer 9luf#
ftd>t mohnten, bamit man auf ihre -ganblungen unb ©tubien genau
ad)t geben fonnte; 4) SDlüffe man ihnen bie ©age, bie jie bon ber
Ueitrfige *. Kenutoiss d. Rus.a. Reiches. Dritte Folge. 9
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Academie ermatten, burdjauS nid)t in t^re <£>änbe geben; fonbern
felbige gu ifjrct 33eföfligung unb Stleibung antoenbeu, fo tote foldjeS
in bem ßattb# unb ©eecadeten-Corps gcfd)iel)et. ©S flehet gu ljof*
feit, ba§ toenn fte foldjcr ©eftalt eine getotffe s 2lngaf)l 3ufyre unter
genauer unb guter 9lufftd)t gehalten unb gu einer orbentlicfyen 2e#
benSart unb fleißiger 23eobad)tung iljrcr ^ßflie^ten getoö^net toorben,
man bercinft gute ©tubenten an iljtten Ijaben fömte; baljingcgen bei)
ben je^igen jungen ©tubenten bic bcrberblid)en Sßirfungen iljrer
hörigen ©rgieljung unb SebcnSart ftd) leiber feljr öfters unb unter
toielertep ©cftalten äußern, unb futb fte eben baburdj, bafj man jtc
gu fritlje gu ©tubenten gemadft unb ber ©djulrutljc entgegen, nod)
ttteljr berborben toorben. 3d) falte bemnad) babor, bafj 30 ober
aud) nur 20 auf obbentetbete 9lrt mit ©orgfatt betyfammen ergogene
Gymnasiasten ber Academie beretnfien ntcl)r SSort^eit unb ©Ijre
bringen föttnen, als 50, ober 60 fold)cr, bie anjejjo ftd) felbft gelaffeu
unb nad) i^rent ©eliebeit in ber ©tabt f)eruntfd)toermen unb tu
beren ©cmütljcrn bet) il)ren gegentoärtigen jungen S^ten allerlei
Unarten unb ©ottlofigfeitcn fo tiefe SBurgcl fdftagen, bafj eS l)cr#
na<f> feljr fd)tocr ober beffer gu fagen, unntöglid) fällt biefelben aus#
gurotten.
üftunnteljro toill id) einiger hänget ertoef)iteit, tocld)e baS Gym¬
nasium überhaupt betreffen, unb bem 9lufttcf)men beffelben gar feljr
im SBege flehen.
1) 3d? rechne gu einem bon ben «£>aupt*2J?ängeln beS Ijieftgcn
Gymnasii,bafj bie abelige 3ugettb mit betten Slinberit gattfc getnei#
ner Scute gufammen in einerlei) ©taffen ftjjet unb unterrichtet totrb.
©o lange biefer ©tein beS 9tnftojjeS nid)t aus bem 2Bege geräuntet
toirb, barf man ftd) fafl feine SRecfynung mad)ctt, bafj unfet Gym¬
nasium jemals in blüfjenben 3uftanb fontmen toerbe. ®enn bor#
neunte «^errn, tote audj alle attbere eljrltdje geute, betten bie SBolfart
i^rer Äittber am herjjen liegt, fd)euett ftd) biefelben baf)in gu
fd)i<fen. ©S tfl iljncn foldjeS and) auf feine 9lrt gu berbeitfen, betttt
eS fattn ftdj fftiemattb, als ber cS mit feinen klugen gcfeljcn, boflfont#
men borflellen, toaS bor Sftudjloftgfeit, g rf bel unb Unfug biefe ge#
meinen 3ungcn begehen, unb toie halb föttnen junge Stinber nid)t
burd) fold)e üble ©etfpielc bcrfüljret unb in ©runb berborben toer#
ben. ©leid) toic eS aber ber Academie gu nicht geringer ©Ijre ge#
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4) SDtan fönnte aud) bei? 23erfaffung eines fold)en Reglements
aufjer bcucn bon mir jejjt angeführten fünften nnb öorfchlägen,
benn id) habe — um alle Söeitläufigfeit ju benneiben—mit IBorfaß
nur einige ber miebtigfien aufgejeidptet, fonfl noch alle« baSjenige,
toaS etwa bem Slufnehuten bcS hi c ftg en Gymnasii beförbertid> ober
hinberlicb fcpn fann, einführen uttb betbeffern, ober auch berdnbern
unb abfd)affen, bamit bie IJugcnb hinführo mit bcjjerm ©rfolg unter*
rietet toerbe.
Carl Friedrich Moderach
Adj. unb Insp. Gymnasii.
BEILAGE 3.
Instruction für diejenige Frauens-Person, welcher die Auf¬
sicht über die 30 Academischen Kinder anvertrauet wird.
1. fDfufj biefe grauenS^etfon barauf feheit, bafj bie Äinber tag*
lieh bie Pflichten ihrer Religion genau beobadjten. Sie felbfl muß
benen fclbcn mit gutem (Sjempcl borgehen, ft<h eines tugenbhaften
unb eingejogenen ßebeitö befleißigen, beS unnöthigen 5luSgehenS jtd)
enthalten, aud) in bem ihr angemiefenen Duartier feine berbachtige
Visiten annehmen, am adertoenigflen aber nächtlidjc Compagnien
halten.
2. 2Kuf} biefelbe bie übelgeftttcten gu belfern fud;en, unb ben jit
ßaflcnt geneigten ©cmüthern einen 9lbfdjeu für biefelben ßafler unb
eine 3u«cigung gu ben gegenfeitigen Jugcnben einguflofjen befliffen
fel)n. 3 W biefent dnbgfoecf mujj obbenannte fßerfon ben $inbern
bernünftig gureben unb ftc mit grcunbtidßeit unb burd) ®h r 9 e ^ S u
gewinnen fud)eit. Söann aber biefe gelinben Drittel nicht fruchten
molten, fo foll es ihr freiflehen biefe miberfpenfligen nad; iöerbienft
gu beflrafett. ®od) foll fte fi<h hüten biefelben nicht in difer gu
ohrfeigen, nod; biel foeniger mit ber gaufl ober einem ©toefe gu
fdflagen: fonbern fie foll fld) bep begleichen borfontmenben fallen
nur ber IRuthen bebienen. 5Iuch muß ftch biefelbe bep ber Cor-
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133 —
rection ber Sliitber aller Ija<djen unb pöbelhaften ©chintpfmörter
enthalten.
3. ©oll btefelbe graueng*^crfon auf bie Sluprung ber $inbet
genau Sichtung geben, unb alle SKonathe ber Commission bott biefer
Sluprung gcmiffenhaften unb uitparthepfchen Kapport abfiatteit.
4. HJiuh fie bte fttnber in allen ©tücfen gut Drbnung anhalten.
5. 2Wu§ fie and) für bie Steinigung ber Sfiitbet forgen; fie muh
biefelben alle SBocpen gum mettigflen einmahl unb mo möglich gmep*
mahl fämmen taffen; fie muh Sichtung geben, bah ftch bießinber alle
SOtorgen gebührenb mafchen, orbentlid) anfleiben, alte SBocpe gmep*
mahl tocifje SBäfche attgichen, unb fid; bep bem ©dpffettgehn gehö*
rig mieber auggiehctt. ©ie muh auch bep allen Lectionen gegen*
mcirtig fepit, unb mit bett Jtinbern an einer £afel fpeifen.
6. ©ic muff forgen, bah bie Setten rein gehalten unb Poit 3eit
gur 3*it meih übergogeit merbeit. ©ie muh brep ÜJiägbe gur Sebie-
nitng unb SluSbefferung ber Stleibungäpcfe in ihre £)ieitfie nehmen.
7. ©ie muh auch forgen bah bie ©trumpfe, #emben unb über*
haupt alle Sfleibttngen, meint biefelben gerriffett ober fottfieit ©d)a*
beit gelitten haben, fogletd) mieber auggebeffert merbett. 3)abcp
aber muh fie forgfältig Sicht haben, bah bie ftittber nichts inuth*
millig gerreiffen ober berberbeit. Ueberhaupt muh fie bcn 5liitbertt
attgemöhnen mit bcn Äleibent mohl untgugehen unb biefelben hübfd)
rein gu hatten. $)a auch ber Oeconomus, gitfolge bc8 mit ihm ge*
fchlohenen Contracts, toerbttnbeit ifi bie SBöfcpe biefer brcphig Äin*
ber gu mafdjett, fo mitb biefc aud) fehen febeSntaht bie unfaubere
SBäfdfe bem Oeconomo gu hohlen, uitb fotdje gehöhlt mieber bott
ihm übernehmen, unb gufehett, bah her Oeconomus im SÖafdjen
ber SBafcpc nicht rnuthmiflig toerberbe. ©inb aber einige $leibuitg«*
fiitcfe gättplid) ititbtaitd)bar gemorben, fo fann fie e$ ber Commis¬
sion angeigen, barnit biefelbe ihr ober jentanberi attberg auftragen
fönne neue $leibuitggp<fe an ber abgeituhten ©teile machen gu
laffett. ßg mühen feine Sluggaben ohne Sormiffeu ber Commission
gemacht merben.
8. SBirb biefe fJJetfon ein Sergeidptih bon allen borhanbenen
Jtleibuitgg* unb attberen ©tücfen befommen, bep melchem fie jebeg*
mahl gufdfretben muh, menn etmag abgegangen ober hingugefont*
men ifi.
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9. SDiitß bicfcfbc bic Sltnbet alle borgen $ur regten 3*ü auf*
werfen, ben Jag übet junt gleiß uttb juc Arbeit anf)alten, unb
cnblid) barauf feiert, baß ße beS 2lbenbg $ur gefeßten ©tunbe tute#
bet ju 93ette gelten.
10. 2Kuß ße babor forgen, baß bet Oeconomus benen jtinbern
ifir gehöriges an grüljßürf, Mittag unb 9lbenbbrobt gebe, unb
wenn ße bemerlt, baß ben Ätnbern baö gebüljrenbe enßogen, ober
ungefunbe unb fd)ted)t jugerid)tctc ©peifeit gegeben werben, muß ße
folcßeS, oljne ßd) beSWegcn mit bem Oeconomo ju janfen, bet Com¬
mission anjetgen.
11. hierfür befomntt gcmelbte graueuS^erfou für ßety felbflen
foWofyl als für tfjre brei 21£ägbe freße geuruitg unb freßdffen. üftebft
biefen aber ein anfel)nticfycS ©ct)alt, bamit ße gut ansfommen fann.
INSTRUCTION*)
für die Frauensperson, welcher die Aufsicht über die minderjährigen
Kinder anvertrant wird.
1. Sie muss darauf sehen, dass die Kinder täglich die Pflich¬
ten ihrer Religion genau beobachten; sie muss ihnen in Allem
als gutes Beispiel dienen, sich eines tugendhaften und einge-
zogenen Lebens befleissigen, ohne äusserste Noth sich von ihnen
nicht trennen und verdächtige Leute nicht zu den Kindern
lassen.
2. Sie muss die übelgesitteten zu bessern suchen und den
zu Lastern geneigten Gemüthern einen Abscheu für dieselben
Laster und eine Zuneigung zu den gegenseitigen Tugenden ein-
zuflössen beflissen sein; zu diesem Endzweck muss obbenannte
Person den Kindern vernünftig Zureden und sie mit Freundlich-
* Diese Instruction ist gegen die vorstehende etwas ergänzt.
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keit und durch Ehrgeiz zu gewinnen suchen. Wenn aber diese
gelinden Mittel nicht fruchten wollen, so soll es ihr freistehen
diese Widerspenstigen nach Verdienst zu bestrafen. Doch soll sie
sich hüten dieselben nicht im Eifer zu ohrfeigen, noch viel weniger
mit der Faust oder einem Stock zu schlagen; sondern sie soll
sich bei dergleichen vorkommenden Fällen nur der Ruthen be¬
dienen; auch muss sich dieselbe bei der Correction der Kinder
aller hässlichen und pöbelhaften Schimpfwörter enthalten.
3. Soll dieselbe auf die Aufführung der Kinder genau Ach¬
tung geben und alle Monate der Commission von dieser Auffüh¬
rung gewissenhaften und unparteiischen Rapport abstatten.
4. Muss sie die Kinder in allen Stücken zur Ordnung an-
halten.
5. Muss sie auch für die Reinigung der Kinder sorgen; sie
muss dieselben alle Woche zum wenigsten einmal und wo¬
möglich zweimal kämmen lassen; sie muss Achtung geben, dass
sich die Kinder alle Morgen gebührend waschen, ordentlich an-
kleiden, alle Woche zweimal weisse Wäsche anziehen und sich
bei dem Schlafengehen gehörig wieder ausziehen. Sie muss auch
bei allen Lectionen gegenwärtig sein und mit den Kindern an
einer Tafel speisen.
6. Sie muss sorgen, dass die Betten rein gehalten und die
Ueberzüge und Laken zur rechten Zeit gewechselt werden.
7. Sie hat Sorge zu tragen, dass die zerrissenen Hemden,
Strümpfe und überhaupt Kleidungen sofort ausgebessert werden;
dabei hat sie aber sorgfältig Acht zu geben, dass die Kinder
nicht muthwillig die Kleider zerreissen. Ueberhaupt muss sie
den Kindern angewöhnen, mit den Kleidern wohl umzugehen
und dieselben hübsch rein zu halten.
8. Zur Ausführung aller dieser Arbeiten und jeglicher Kleider¬
reparaturen sind zwei Mägde angestellt, denen sie monatlich
aus der ihr zu kleinen Ausgaben ausgezahlten Summe nach dem
Contract Gage zu zahlen hat.
9. Mit dem Oeconom ist ein Contract zu schliessen, dass er
die Wäsche dieser Kinder für eine Zahlung von 4 Rbl. 80 Cop.
im Jahr für jeden Knaben wasche; dazu muss sie, die Aufseherin,
da sie ihre Wäsche unter ihrer Aufsicht hat, dieselbe ihm, dem
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Oeconom, abgeben und sie von ihm laut Rechnung wieder emp¬
fangen und zusehen, dass beim Oeconom die Wäsche nicht
beim Waschen durch Sorglosigkeit verderbe; ist aber etwas von
der Wäsche ganz vertragen, so soll die Aufseherin darüber der
Commission rapportiren, damit dieselbe ihr oder Jemandem An¬
deren auftragen könne neue Kleidungsstücke zu machen, und ist
das Geld an den Oeconom für die Wäsche vom Commissar zu
zahlen; über das ihr, der Aufseherin, zu kleinen Ausgaben für
die ihrer Aufsicht anvertrauten Kinder ausgezahlte Geld hat sie
richtig Buch zu führen, wozu ihr von der Commission ein Schnur¬
buch gegeben wird.
10. Die Aufseherin wird ein Verzeichniss von allen vorhan¬
denen Kleidungs- und anderen Stücken bekommen, bei welchem
sie jedes Mal zuschrciben muss, wenn etwas abgegangen oder
hinzugekommen ist.
11. Muss sie die Kinder alle Morgen zur rechten Zeit auf¬
wecken, den Tag über zum Fleiss und zur Arbeit anhalten und
endlich darauf sehen, dass sie des Abends zur festgesetzten.
Stunde wieder zu Bette gehen und sich nicht früher von ihnen
trennen, als wenn die Kinder sich schlafen legen.
12. Muss sie dafür sorgen, dass der Oeconom den Kindern
ihr Gehöriges an Frühstück, Mittag und Abendbrod gebe und
wenn sie bemerkt, dass den Kindern das Gebührende entzogen,
oder ungesunde und schlecht zugerichtete Speisen gegeben wer¬
den, muss sie ein solches, ohne sich desswegen mit dem Oeconom
zu zanken, der Commission anzeigen.
13. Ferner muss sie darauf achten, dass die Lehrer zu den
festgesetzten Stunden kommen und ihre Pflicht fleissig erfüllen
und im Fall es nöthig, sie daran erinnern; wenn diese Erinne¬
rungen keinen Erfolg haben, so ist darüber die Commission zu
benachrichtigen; an welchen Tagen und Stunden die Lehrer jetzt
ihren Unterricht zu ertheilen haben, das wird in der beigelegten
Tabelle mitgetheilt.
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BEILAGE 4.
P. M.
über ba$ Gymnasium bet 9tfabemie ber 2Biffenfd)aften.
Da bei beut Gymnasio ber 9lfabentie ber SBiffenfc^afteii, ber#
möge be$ bon ©r. (Srlaudjt beut ipräjtbeuten 1760 berorbueteu
©taateS, fedfSjig ©djiiler auf Sofien ber $ronc crjogeit tretben fol*
len, um aus felbigcn bie UniberfUät mit gefdjicfteit ©tubcuten ju
berfe^eit, fo ftttb tut abgetrtdjeiten I765*teit 3al)re unter beit batna*
Itgeit 5fron8*©d)ü(ern bte untauglichen ltnb übelgeftttctcn auSgefuc^t
tittb treggefdfafft, tutb bagegett einige neue angenommen tnorben,
tnclche mit ben jttrücfgebliebetien jufamnten 30 auSmadjeu. 3 U ^ cu
übrigen 30 ftttb ltad? S3orfd)rift beä auf aUer^ödjflen 23efef)l fntbli*
cirteu allgemeinen (Sr$ief)uttg8*fp(ancg junge Stuabcti au&gefudft,
treibe bon jenen altern ©d)ülerit gauj abgefonbert, erjogett unb tut#
terricfytet merben, mit ber 3cit fämmtlid) in berfelbeu ©teile treten,
unb ettblidj in bie ltniberfitat berfe^t tretbett.
Die öffentlichen 2eljr*©tunbeu beö Gymnasii trerben uid)t allein
bon jenen 30 altern ftron«*@d)üleru, fonbent aud; bon ben foge*
nannten grei#©d)ülertt befud)t, bie nämtid) nad; ber atlererfleit (Sin*
ridjtung be8 Gymnasii nichts lueiter als freien Unterridjt gettieffett,
unb beten Wujafjl ftd) ifjo auf ad;t unb fünfzig beläuft. Da biefc
ad;t unb ad)tjig Ättaben ftch ait Filter unb ©efd;icflid)feit fo feljt
ungleich ftttb, fo müfjen fte auch, bornetnltd) trogen 93crfd)iebentyeit
ihrer gufünftigeit SebenSart unb SBeftimmung, einen berfd>iebetteu
Unterricht befotnmen. ©ö trerben ttt biefen öffentlid)eit ©tunbeti bie
rufftfd)e, lateiitifdfe, beutfdfe unb franjofifdje ©prad^e, baS ©Triften*
t^um, bie 5lritljtnetif unb ©eometrie, -hiflorie, ©eograpl>ie, ba$
3eid)nen unb janjett gelehrt. Die 5lttja^l ber Seiftet beläuft fidj
ijjo mit Sn&egtiff be§ ©eifllidfen, be$ 3 c üh eume ift cr $ unb ^ttj*
meiflerS auf fünfjelfn. Das ^öd)fie ©e^alt ifi 400 IRub. Die nteiflett
haben eine fo geringe ©age, bafj fte genottyiget finb ftd; ttod; auf
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anbere 2lrt etwa« ju Oerbienen. Nur brei ton ihnen, »reit fie bie
9luffid)t übet bie $tron«*©d)ülct haben, wohnen in bent Gymnasio,
bie übrigen fafl alle fefjr »reit batoon. 9lu« allem biefen ergiebt fid?,
baff an biefer öffentlid)cn ©dnitc folgen be« befiberirt wirb, »reld^eS
bi«her wegen be« unjureidjenben gonb« ober anberer Urfadjen nid;t
hat beranflaltct irerbeit fflitnen:
1) Sßcil Knaben Ooit fo fc^r Ocrfd)iebcncin Filter in fo bielerlei
©adjen unterrichtet werben, fo ifl bie gegenwärtige 5lit$aljl ber
ßehrer ju Kein, benn in jeber ©prad)e müfjen 3 bi« 5 (klaffen, nnb
in jeber SBiffenfdjaft 2 bi« 3 fein; nnb in jeber ©tuube muffen fo
biete Staffen gehalten werben, ba& fafl ein jeber ©djülcr eine unter
felbigcn ftnbet, bie et mit S'iu^en befud)cn fann.
2) $)ie ßcljrer follten nahe bei bem Gymnasio wollten, baniit
einer ohne bie $öd;ftc 33cfd)werlid)fcit fowo^t Vormittag« at«
Nachmittag« ßcctionen geben, uitb bei Äranfheiten unb anbern «hin*
bentiffen einer bem anbern ju <§mlfc fontmen fonne.
3) Sin jeber ßehrer foltte einen ©c^att haben, Oou bent er, wo
nid)t anflänbig, bod) uothbiirftig leben fonne, bamit man ihnen
o^nc Unbilligfeit mehrere 3nformation«*@tunben auflegeu fonne;
wetd)e« bod) nid)t Ooit benen ju Ocrflcheit ifl, Wellen man nur eine
geringe 9ln$ahl Oon ©tunben anweifen fann, al« ber Janjineiflcr
it. a. m. Sin XfytU ber Sßcrbefferung bc« ©ehalt« fonnte bartn be*
flehen, baf? man ben ßehrern freie SBohuung in ber Nähe be«
Gymnasii gäbe.
4) (Sollte ber 3uflujj ber greifdpiler, bereu im Anfänge biefe«
3ahrc« etlid^e jwanjig waren, ijjo aber ad)t unb fünfzig ftnb, fort*
bauern, fo werben bie 3iwmer, worin ftc ifco unterrichtet werben,
halb ju fleiu fein. S« mufj fd)on ijjo eine Staffe in bem ©peifefaal
gehalten werben. 2Be«Wcgeu benn in biefer 9lbfid)t cbenfaü« eine
^Inberung gemad)t Werben müfjte.
b. 31. ?lugufl ßubwig 23acfmeiflet
17G6. Inspector bc« Gymnasii.
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BEILAGE 5.
Am 23. Februar. Der frühere Inspector am Gymnasio
Backmeister ist als Aufseher über die Lehrer und Gymna¬
siasten ins Gymnasium aufzunehmen, worin aber genau seine
Pflicht bestehen wird, das ist aus dem hier beigelegten Aufsatz
zu ersehen.
©ie SBebingungen, unter trelcfycn id) erbötig bin ber faifcrlicfyen
9lfabemie ber 2Biffenfd;aften meine Dienfle $n hubmen, finb foG
genbe: •
1) 3d) übernehme bie Snfpection bc§ bon bet 91f«bemic ab^dn*
gigen ®bmnafti (worunter jebocty bie 30 flcineren ©d)iiler nidjt mit
begriffen fiitb), fo bafj bie Einrichtung beffclben, in fo meit fic nid)t
burdj bie 93efel)Ie ber Slfabentie beflimmt mirb, blojj bon meinen
9lttorbnungen abtydngt, treibe fomoljl Center unb ©dp'tler, als 33e<
biente jn befolgen fabelt; wogegen ich felbfl feinem «nbern (d. h.
Fischer) als ben unmittelbaren ©efcljlen ber 91fabemie untertoor*
fen bin.
2) 3d; gebe im ©bmnafio toödjentlid) 6 ©tunben Unterridjt.
Unterschrieben: Snbmig 23a<fmcifler. 25 $eb. 1768. —
Alles Obengeschriebene ist eigenhändig von Backmeistcr ge¬
schrieben.
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n.
DIB AKADEMI S CHE UNIVERSITÄT
IM XVIII. JAHRHUNDERT.
Die bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften
aus dem Auslande berufenen Gelehrten waren auf Grund
der mit ihnen grösstentheils auf fünf Jahre abgeschlosse¬
nen Contracte verpflichttet, Vorlesungen an der zu eben
derselben Zeit an der Akademie gegründeten Universität zu
halten.
Im Jahre 1725 wurden berufen: für das Katheder der Die erste»
Mathematik — Hermann, Daniel Bernoulli, der sich unter den
früher mit Physiologie beschäftigt hatte, und Goldbach,
für Chemie Bürger, für Physik Bülffinger, der seine
akademische Thätigkeit mit Logik und Metaphysik begon¬
nen hatte, für Anatomie und Zoologie Duvernoy, für Me¬
chanik Nikolai Bernoulli, für das Katheder der griechi¬
schen und römischen Alterthümer Bayer, für Logik und
Metaphysik Martini, der anfangs das Katheder der Physik
übernommen hatte, für das Katheder der Beredsamkeit und
Kirchengeschichte Kohl und für das Katheder der Rechts¬
wissenschaft Beckenstein. Tm Jahre 1726 kamen zwei
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Astronomen, Delisle und Leutmann, für das Katheder der
Mechanik und Optik in der Akademie hinzu. Schon vor Er¬
öffnung der Akademie war der Botaniker Buxbaum in
St. Petersburg eingetroffen.
Einige dieser Akademiker genossen bereits eines ge¬
lehrten Hufes. Hermann war schon 1701 auf Vorschlag
von Leibnitz zum Mitglied der Berliner Akademie der
Wissenschaften ernannt worden und war dann Mitglied der
Akademie in Bologna; im Jahre 1707 hatte er, ebenfalls
auf Leibnitz’s Empfehlung, das Katheder der Mathematik
an der Universität zu Padua erhalten. Hermann trat von
den ausländischen Gelehrten zuerst in die Petersburger
Akademie ein und wurde desshalb professor primarius et
Matheseos sublimioris genannt. Daniel Bernoulli, ein her¬
vorragender Mathematiker seiner Zeit, wurde durch das
Werk «Hydrodynamik» oder die Gesetze der Bewegung des
Wassers berühmt, das 1738 gedruckt und Biron gewidmet
wurde. Joseph Delisle, der auf Befehl Kaiser Peter’s be¬
rufen worden, arbeitete in Russland 21 Jahre lang eifrig
auf dem Gebiet der astronomischen Beobachtungen. Bülf-
finger war ein hervorragender Gelehrter auf dem Gebiet
der Physik. Bayer war durch seine ausgebreiteten philolo¬
gischen Kenntnisse, besonders in der Literatur der orientali¬
schen Völker, bekannt. Dem Sachsen Leutmannn hatte schon
Peter der Grosse seine Aufmerksamkeit zugewandt und
ihn cingeladen nach St. Petersburg zu kommen, die sächsi¬
sche Regierung hatte ihn aber damals nicht entlassen; er
kam im Juli 1726 nach St. Petersburg. Buxbaum war
schon 1721 als Botaniker ins medicinische Collegium auf¬
genommen worden und wurde 1724 als Arzt der Gesandt¬
schaft Alexander Iwanowitsch Rumjanzow’s nach Konstan¬
tinopel geschickt, wobei ihm botanische Untersuchungen
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aufgetragen wurden. Der Akademiker Ruprecht sagt von
ihm: «Während seiner kurzen Anwesenheit in der Akademie
hat er ein Werk über 500 neue oder wenig bekannte Pflan¬
zen verfasst, die er auf seinen Reisen sowohl in den Um¬
gebungen Konstantinopels, in Kleinasien und am Kaspi¬
schen Meer, als auch in der Nähe von St. Petersburg ge¬
sammelt». Goldbach war ein guter Pädagog, wesshalb er
auch zum Erzieher des Grossfürsten Peter Alexejewitsch,
in der Folge Kaiser Peter II, ernannt wurde. Von allen
berufenen Gelehrten erwies sich die Wahl Martini’s als
die am wenigsten glückliche, wesshalb auch die ihm über¬
tragenen Fächer gewechselt wurden: anfangs hatte man ihm
das Katheder der Physik gegeben, führte ihn aber dann auf
das Katheder der Logik und Metapysik über; nach Müller’s
Worten war er der Stellung eines Akademikers nicht würdig.
Auch der Astronom Delisle de la Croy£re, der Bruder
Joseph Delisle’s rechtfertigte nicht seine Ernennung. Ni¬
kolai Bernoulli starb bald nach seiner Ankunft in St. Pe¬
tersburg, im Juli 1726.
Auf Anrathen einiger dieser Akademiker wurden ihnen Dip ersten
bekannte, begabte Studenten berufen. Die meisten Recom- A<1 ' UI1( ten '
mandationen gingen von Bülffinger aus, der Professor an
der Universität Tübingen gewesen war. Aus seinen früheren
Schülern wählte er Gmelin und Kr afft aus, und beide
rechtfertigten vollauf seine schmeichelhaften Urtheile über
sie und wurden später selbst Akademiker. Gmelin wurde
1733 als Glied der Kamtschatskischen Expedition nach Sibi¬
rien entsandt, und das Resultat seiner gelehrten Untersuchun¬
gen in Sibirien war sein klassisches Werk: «Flora sibirica sive
historia plantarum Sibiriae», 1747—1769. In diesem Werk
sind die Beschreibungen von 1178 Pflanzen und 300 Zeich¬
nungen enthalten. Linne sagt, dass Gmelin allein so viel
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Pflanzen entdeckt habe, wie die anderen Botaniker zusam¬
men. Daniel Bernoulli verdankt unsere Akademie die
Empfehlung des berühmtesten Mathematikers — Leonhard
Euler’s, der früher Student an der Universität Basel ge¬
wesen, wo Bernoulli Professor war. Euler kam 1727 als
zwanzigjähriger Jüngling nach St. Petersburg und wurde
zum Adjuncten für das Katheder der Mathematik ernannt.
Schon 1723 hatte er den Grad eines Magisters an der Uni¬
versität Basel erhalten. Krafft besass ebenfalls diesen ge¬
lehrten Grad von der Universität Tübingen. Euler hat im
Laufe seines Lebens bis 756 mathematische Abhandlungen
verfasst, und von seinen Schülern haben in der Folge acht
den Rang eines Mitgliedes der Akademie erlangt, nämlich :
AlbrechtEuler,Kotelnikow, Rumowski, Krafft,Lexcl,
Inochodzew, Golowin und Nikolai Fuss.
nie ersten Bei solchen gelehrten Kräften schien es möglich die
neue Universität zu eröffnen. Ihr fehlten aber Zuhörer.
Gymnasien, die zur Universität vorbereiteten, waren nicht
vorhanden; Seminare waren nach willkürlichem Plan nur in
einigen Eparchien eingerichtet und keineswegs dem Typus
einer zur Universität vorbereitenden Schule angepasst wor¬
den ; ausserdem war die Sprache der neuen Lehrer den rus¬
sischen Schülern völlig unverständlich, während die latei¬
nische, in welcher die Vorlesungen gehalten wurden, im
Lande wenig verbreitet war. Es blieb nichts übrig als die
Zuhörer ebenso aus dem Auslande zu verschreiben, wie die
Professoren von dort verschrieben worden waren. Einige
dieser Gelehrten verpflichteten sich durch schriftliche Con-
tracte direct dazu; so sollte Bülffinger laut dem mit ihm
abgeschlossenen Contract einen oder zwei Studenten mit¬
bringen. «Ich habe bemerkt», schrieb im Jahre 1725 der
Akademiker Kohl dem Studenten Müller in Leipzig, «dass
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hier bei der baldigen Eröffnung der Akademie noch einige Stu¬
denten erforderlich sein werden, die die Humaniora getrieben
haben». Aus Deutschland kamen acht Studenten, von denen
vier später Akademiker wurden, nämlich Mayer, Gross,
Weitbrecht und Müller. Mayer und Weitbrecht be-
sassen bereits das Magisterdiplom der Universität Tübingen,
traten aber als Studenten in die neueröffnete Universität
ein. Gross und Mayer blieben übrigens nicht lange Stu¬
denten; am 29. Januar 1726 erfolgte der Beschluss des
Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Blumen¬
trost: «Weil der Student Mayer verschiedene Proben sei¬
ner Geschicklichkeit gegeben hat, so ist desshalb befohlen
worden, ihn in der Akademie der Wissenschaften zum ausser¬
ordentlichen (extraordinarius) Professor der Mathematik zu
ernennen». Am selben Tage wurde der Student Gross zum
«ausserordentlichen Professor der Moralphilosophie» er¬
nannt. Weitbrecht erhielt erst im Jahre 1731 das Kathe¬
der der Physiologie. Müller endlich gewann in der Folge
einen lauten und vollständig verdienten Ruf durch seine
Forschungen und Ausgaben auf dem Gebiet der russischen
Geschichte und erhielt den Titel eines Historiographen 1 ).
«Es kam nun darauf an», sagt Müller, «dass die Akade¬
mie auch Schüler hätte, die von diesen Anstalten Nutzen
haben könnten und wollten. Leider fehlte es daran, wie es
wohl auch nicht anders sein konnte. Niedrige Schulen müs¬
sen einem höheren Unterrichte vorangehen. Und der Befehl
der Kaiserin vom 21. December des verwichenen Jahres,
war noch zu neu, als dass man von demselben sich grosse
Wirkung versprechen konnte. Um doch die Lectionen an dem
1) üeKapcKifi, ÜCTOpia HiinepaTopcKofi AnaxeMiH Hayifb bt> IleTep-
6ypr£, tom-b I, C.-IIeTep6. 1870.
Beiträge z. Kenntniss d. Basa. Reiches. Dritte Folge. 10
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bestimmten Tage anzufaugen, gingen selbst die Professoren
Einer dem Anderen in die Collegia. Die Adjuncten waren
die wirklichen Zuhörer, einige zum Schein, andere aus
vollem Ernste... Denn die als wirkliche Studenten bei der
Akademie sich einschreiben Hessen, waren sehr wenige. Ein
Königsberger, der mit Herrn Professor Bayer ankam, und
ein Holsteiner, der beim Herzoglichen Hofe Beförderung
suchte, blieben nicht lange».*)
Ganz richtig erklärte später der Akademiker Martini,
dass an der akademischen Universität mehr Lehrende als
Lernende waren: oben haben wir gesehen, dass 15 Akade¬
miker vorhanden waren, und bald wurden zwei von den Stu¬
denten zu Professoren ernannt, d. h. an Vortragenden oder
wenigstens an zum Vortrag Verpflichteten gab es damals
17, an Studenten Alles in Allem 8.
Darüber, wie die Aufnahme in diese sogenannte Uni¬
versität stattfand, kann z. B. das akademische Protokoll
vom 5. Februar 1726 einen gewissen Begriff geben, in wel¬
chem verzeichnet ist, dass der Staatsrath Makarow den
Allerhöchsten Befehl eröffnete, Anachin «in die Akademie
der Wissenschaften zu ernennen». Wahrscheinlich war die¬
ser Anachin durchaus nicht auf das Hören der Vorlesungen
der Professoren vorbereitet, indessen wurde er ohne Exa¬
men und mit folgender Vorschrift aufgenommen: «denselben
zur vollkommenen Erlernung der Wissenschaft dem Profes¬
sor Mayer zu übergeben», d. h. demselben jungen Gelehr¬
ten, der eine Woche vordem selbst noch Student gewesen.
Bei einem solchen Mangel an Zuhörern blieb nichts
Anderes übrig, als die Vorlesungen der Professoren in der
Hoffnung in öffentliche zu verwandeln, dass das Publicum
1) Müller, Zur Geschichte der Akademie der Wissenschaften. (Ma-
nuscript.)
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die Audiditorien füllen werde. Aber auch diese Erwartung
schlug fehl.
«Wenn der mündliche Unterricht wegen Mangels der
Zuhörer», sagt Müller, «nicht so, wie man hätte wünschen
mögen, von statten ging, so wurde in den Zeitungen
vom 8. und 12. März eben dieses i727 3ten Jahres angekün¬
digt, dass die Professoren Bülffinger und Duvernoy, drei
Tage die Woche, des Nachmittags eine Stunde lang, Physik
und anatomische Cursus von Experimenten und Demonstra¬
tionen, für alle Liebhaber, die denselben beiwohnen woll¬
ten, öffentlich halten würden... Diese Experimente des Herrn
Bülffinger, wozu alle Instrumente nach S. Gravesand’s
Institutionibus Philosophiae Newtonianae aus Leyden von
Muschenbroek verschrieben waren, hatten noch so ziem¬
lichen Beifall, bis nach einigen Wochen die Lust dazu ver¬
altete. Zu den anatomischen Demonstrationen aber fanden
sich gar wenige Liebhaber ein. Herr Weitbrecht, der
schon im verwichenen Jahre die Hospitairen auf der soge¬
nannten Wiburgerseite fleissig besucht, war fast der einzige,
der davon Nutzen hatte».
Es kam vor, dass man einen jungen Mann diesem oder
jenem Professor so zu sagen zur Lehre übergab; dann stand
er unter dessen vollständiger Gewalt. So lesen wir z. B. im
Protokoll vom 28. März 1729: «Aüf Befehl Sr. Kaiserlichen
Majestät wurde in der Akademie der Wissenschaften be¬
schlossen: «des Herrn Professors Leutmann Schüler von
der Akademie, Mathis Andreas, unbarmherzig mit Stöcken
zu schlagen, weil er ohne Wissen des Leutmann’s sich von
ihm entfernt und getrunken und sechs Tage sich nicht ge¬
zeigt hat, um zu bewirken, dass ihm solches zu thun hinfort
nicht zur Gewohnheit werde».
Man schickte Leute in die Akademie, um Alles zu 1er-
10 *
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nen, selbst solche Wissenschaften, welche in der akademi¬
schen Universität gar nicht vertreten waren; so schickte das
Kriegscollegium einen adligen Jüngling, um ihn inderForti-
fication zu unterrichten; ohne lange nachzudenken gab man
ihn dem akademischen Architecten in die Lehre, wahrschein¬
lich weil dieser Architect im Gymnasium in der Mathema¬
tik unterrichtete. Das Protokoll vom 30. September 1731
enthält darüber folgende Bestimmung: «Auf Befehl Ihrer
Kaiserlichen Majestät wurde in der Akademie der Wissen¬
schaften nach Anhörung des aus dem Comptoir des Staats¬
kriegscollegiums vom 28. September c. gesandten Prome-
morias über die Aufnahme des minderjährigen Edelmannes
aus dem Nowgorodschen Gouvernement, Provinz Pleskau,
Dmitrij Jachontow beschlossen, «in Kraft dieses Prome-
morias besagten Jachontow zum Unterricht in der Fortifi-
cation an den Architecten Schessler mit einem Befehl zu
senden, in welchem zu eröffnen ist, dass er, Schessler,
den Jachontow mit Fleiss und Eifer zu unterrichten und
darüber, wie derselbe lerne, an die akademische Kanzelei
zu rapportiren habe».
Der akademische Rath Schumacher beschwerte sich
beim Präsidenten darüber, dass die Akademiker sich vom
Unterricht fernhalten. «Die Professoren sind verpflichtet
Vorlesungen zu halten», schrieb er ihm 1729, «indessen
tliun das nur Beckenstein, Bernoulli und Mayer; die
Uebrigen denken nicht einmal daran». Es war ungerecht
die Professoren zu beschuldigen, wenn sie keine Zuhörer
hatten, weder Studenten, noch Publicum. «Beckenstein
wäre ein sehr fleissiger und nützlicher Lehrer gewesen»,
sagt Müller, «wenn er nur Zuhörer gehabt hätte», aber diese
Zuhörer bestanden ausschliesslich aus einigen Ausländern.
Müller schreibt, indem er von der Lage der Akademie
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und ihrer Einrichtung im Jahre 1729 erzählt: «Die Klage
der Professoren, dass es ihnen an Zuhörern fehlte, wälirete
immer fort. Im Gymnasio blieben noch vornehmer Leute
Kinder, um Sprachen zu lernen. Den höheren Wissenschaften
sich zu widmen, da fehlte es bei der Akademie an einer
Aussicht, was man aus denen, die gründlich studirt hätten,
machen würde. Sollten sie hernach im Kriegs- oder Civil-
stande von unten auf dienen, das konnte keine Aufmun¬
terung geben. Der Russische Adel will durch Vorzüge der
Ehre, durch Erhöhungen im Range, belohnt sein. Da die
grössesten Gelehrten ohne Rang waren, und das in ei¬
nem Reiche, wo alle Vorzüge nach dem Range bestimmt
sind, wo einer, der keinen Rang hat, bei keiner öffent¬
lichen Gelegenheit erscheinen kann: wer von guter Her¬
kunft wollte sich da entschliessen, bei der Gelehrsamkeit
stehen zu bleiben, ich will sagen, ein Gelehrter von Pro¬
fession zu werden? Ich glaube mich nicht zu irren, wenn
ich diesen Umstand für eines der vornehmsten Hindernisse
des Nutzens, den die Akademie hätte stiften können und
sollen, ansehe. Es ist wahr, Peter der Grosse in seiner
Stiftung und die Kaiserin Katharina in ihrem Befehle vom
21.December 1725, worin sie verordnete, dass Jedermann
seine Kinder in der Akademie sollte unterrichten lassen,
haben weder den Lehrenden, noch denen, die was Gründ¬
liches erlernen würden, einen Rang bestimmt. Allein da die
Erfahrung lehrte, was davon die Folgen waren, so hätten
die Vorsteher der Akademie, wenn sie es nicht ihrer eige¬
nen Ehre wegen thun wollten, wenigstens um die Wohlfahrt
der Nation zu befördern, auf alle Weise den Wissenschaften
Ehre und Ansehen zu erwerben trachten sollen. Es hat alle¬
zeit nur von Seiten der Akademie an einer geziemenden
Vorstellung gefehlt. Man kann denen die am Ruder sassen,
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die Schuld, dass ein so merklicher Mangel niemals in Be¬
trachtung gekommen, nicht beimessen».
Nach Mtiller’s Zeugniss gab es im Jahre 1731 an der
Universität keinen einzigen Studenten; aber wahrscheinlich
war die Universität schon viel früher ohne Studenten, denn
nach dem Jahre 1726, als die aus Deutschland importirten
deutschen Studenten verschiedene Bestimmungen erhalten
hatten, kommt in den akademischen Protokollen weder eine
Erwähnung der Studenten, noch eine Bestimmung über die
Auszahlung von Gagen an dieselben von. Ungeachtet dessen
wurden Programme der Vorlesungen verfasst, um nach
Müller’s Worten zu zeigen, «dass es nicht Schuld der Aka¬
demie sei, wenn sie nicht mittelst mündlichen Unterrichts
Nutzen bringen könne». Ein einziger Professor gab sein Pro¬
gramm heraus. Im folgenden Jahre, 1732, wurden alle Pro¬
gramme der Vorlesungen gedruckt, mit Angabe der Stun¬
den, und hinzugefügt, dass zu diesen Stunden die Profes¬
soren Vorlesungen halten werden, wenn Zuhörer vor¬
handen sein werden.
Gerade das Fehlen dieser Zuhörer machte der Regierung
Sorge. Am 11. September 1731 forderte der Senat auf ei¬
gene Initiative, ohne dass die Akademie durch eine Vor¬
stellung dazu Veranlassung gegeben hätte, von ihr einen
Bericht darüber: «wie viel für dieProfessores,Künstler und
Handwerker Schüler und Lehrlinge nöthig seien, und aus
was für Schulen dieselben zu nehmen?» «Darauf antwortete
Herr Schumacher», fügt Müller hinzu, «ohne die Pro¬
fessoren zu Rathe zu ziehen, Folgendes»: «Es wäre sehr
nützlich, möglichst viel Schüler oben erwähnten Professores,
Künstlern und Handwerkern beizugeben, denn um so mehr
Nutzen sei zu hoffen, dass, wenn dieselben einige Zeit bei
den Professores und Künstlern in Unterricht gewesen sein
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werden, man sowohl zu den Wissenschaften, als zu den
Künsten fähige Leute auswählen könnte, denn nicht alle in
den Wissenschaften Unterrichteten gelingen, weil der Eine
für die eine, der Andere für die andere Sache Eifer und
Verständniss besitzt. Um so mehr wäre es nützlich, dass
alle Schüler, welche zu den Wissenschaften und Künsten
gethan werden sollen, irgend eine fremde Sprache, zum Bei¬
spiel Lateinisch, Französisch oder Deutsch verständen, da¬
mit dieselben sowohl durch den Umgang mit fremden Ge¬
lehrten und Künstlern, als auch durch das Lesen von den
in fremden Sprachen geschriebenen Büchern durch die
Kenntniss der Sprache Nutzen haben könnten. Und wenn es
unmöglich sei die verschriebene, ausreichende Zahl von
Schülern in der Geschwindigkeit zu schicken, so sei vom
Dirigirenden Senat zu fordern, dass er geneigt sein möge
wenigstens jetzt schon zu ernennen: in die mathematische
Classe 25 Mann, für jeden Professor, der sich daselbst
befindet, je 5 Mann, als da sind dem Professor der höheren
Mathematik, beiden Professoren der Astronomie, dem Pro¬
fessor der Mechanik und dem Professor der allgemeinen
Mathematik; in die physikalische Classe ebenfalls 25 Mann,
als da sind dem Professor der Anatomie und Chirurgie, dem
Professor der Botanik, dem Professor der experimentellen
und theoretischen Physik und dem Professor der Physio¬
logie; in die historische Classe 15 Mann, als da sind dem
Professor der Jurisprudenz, dem Professor der Logik und
Metaphysik und dem Professor der Geschichte, und endlich
dem Professor der griechischen und römischen Alterthümer
10 Schüler, welche in der griechischen und lateinischen
Sprache geschickt wären». Auf diese Weise wurde die ge¬
ringste Zahl der für die Universität nothwendigen Studenten
auf 75 Mann berechnet.
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Statt dieser so beschränkten Zahl der von der Akademie
geforderten Studenten sandte der Senat Ende December 1732
zwölf Schüler aus der Moskauschen slavisch-lateinischen
Akademie, aber nicht für die Universität, sondern zur Vor¬
bereitung derselben für die damals in Aussicht genommene
gelehrte Expedition nach Kamtschatka. Sechs von ihnen er¬
hielten den Befehl, täglich bis Mittag im Gymnasium zu ler¬
nen und Nachmittags bis 5 Uhr sich in der Kanzelei der
Akademie in der russischen und lateinischen Sprache unter¬
richten zu lassen. Nur fünf von diesen Schülern konnten zur
Expedition nach Kamtschatka verwandt werden, darunter
der künftige Akademiker Krascheninnikow; in Betreff
der übrigen machte die akademische Kanzelei dem Senat
eine Vorstellung, «dass sie für die Wissenschaften keinen
Verstand gezeigt hätten», und bat daher sie zu Gewerben,
zu «verschiedenen Künsten» zu bestimmen und aus der
Moskauer Akademie 12—15 «gelehrige» Schüler zu senden.
Im Jahre 1735 wurde den Professoren vorgeschlagen,ihre
Programme für den Fall aufzustellen, dass sich Zuhörer finden;
dabei rechnete die Akademie offenbar auf die Möglichkeit
etwa 30 solcher Zuhörer aus dem adligen Cadettencorps l )
zu erhalten, aber diese Hoffnung erwies sich als grundlos.
Im Jahre 1736 wurden aus der Sa'ikonospassker Aka¬
demie 10 Schüler gesandt, und Professor Bayer erhielt den
Auftrag sie zu examiniren; er berichtete, «dass er die aus
Moskau gesandten zehn Schüler attestirt habe und dass nach
seinem Attest besagten Schülern nothwendig sei, noch ei-
1) Im Protokoll der Conferenz der Akademie der Wissenschaften vom
17. Januar 1736 lieisst es: «Die Herren Professores sollen sich erklären,
was und in welchen Stunden sie künftig dociren wollen, wenn auf Ihro
Kaiserliche Majestät Ordre sich discentes in denen allen präparirten au-
ditoriis einfinden werden: allermaassen mit nächstem 30 russische Edel¬
leute den Anfang dazu zu machen beordert werden.
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nige Zeit im Gymnasio zu lernen, damit sie zum Anhören
der Professorenvorlesungen befähigt sein könnten», aus
welchem Grunde sie statt in die Universität ins Gymnasium
aufgenommen wurden.
Inzwischen waren im Bestände der Akademie beträcht- Der Abgang
dßr besten
liehe Veränderungen vorgegangen: gestorben waren die Akademiker
Akademiker Bürger 1726, Mayer 1729 und Leutmann' oa ( { 1 e e ^ ka '
1736, aus der Akademie entlassen 1726 Kohl und 17 2 8( 1731-1737 )-
Martini, übrigens die am wenigsten begabten von den aus
dem Auslande gekommenen Gelehrten, 1729 Buxbaum,
1731 Gross. Als wesentlichen Verlust für die Akademie
muss man aber den Austritt aus derselben so hervorragender
Gelehrten ansehen wie Hermann und Bülffinger, die 1731
aus St. Petersburg abreisten, und wie Daniel Bernoulli,
der 1733 das Katheder der Anatomie und Physiologie an der
Universität Basel erhielt; im Jahre 1737 wurde auch der
ausgezeichnete Philolog Bayer aus der Akademie entlassen.
Mit ihrem Austritt aus der Akademie sank das gelehrte Ni¬
veau derselben wesentlich, und die ihnen folgenden Akade¬
miker hatten in der Mehrzahl der Fälle keinen solchen ge¬
lehrten Ruf wie sie.
Uebrigens blieb eine gelehrte Berühmtheit, Leonhard Leouhard
Euler, noch recht lange an der Akademie. Im Jahre 1727 ^eu^aufge-' 6
war er zum Adjuncten der höheren Mathematik, im Jahre Akademiker
1731 an Stelle Bülffinger’s für das Katheder der Physik(i7Si—1740)
ernannt worden, und im Jahre 1733 erhielt er nach der Ab¬
reise Daniel Bernoulli’s das Katheder der höheren Mathe¬
thematik. Neu aufgenommen in die Akademie wurden:
im Jahre 1731 Winsheim als Adjunct für die Astro¬
nomie, 1735 wurde er zum Professor extraordinarius er¬
nannt; im Jahre 1733 Adadurow als Adjunct für die
höhere Mathematik und der Schweizer Ammann, der nach
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Buxbaum das Katheder der Botanik einnahm; im Jahre
1736 richtete er den botanischen Garten in der zweiten
Linie von Wassili-Ostrow ein, wo jetzt der Garten der
römisch-katholischen geistlichen Akademie sich befindet; im
Jahre 1735 Le Roy, der Lehrer des ältesten Sohnes Bi-
ron’s, als ausserordentlicher Akademiker für neue Ge¬
schichte und Stählin als Adjunct für das Katheder der
Poesie und Rhetorik; im Jahre 1737 erhielt er den Rang
eines ordentlichen Professors der Rhetorik; im Jahre 1736
Wilde als ausserordentlicher Akademiker für Anatomie,
Moula als Adjunct für die höhere Mathematik und Hein-
sius als ausserordentlicher Akademiker für Astronomie, dem
älteren Astronomen Nikolai Joseph Delisle als Beistand;
im Jahre 1740 Crusius als Adjunct und 1747 als Professor
der Alterthümer und der Literärgeschichte, — er stand sei¬
nem Vorgänger Bayer bei Weitem nach, — und Richmann
für das Katheder der Physik; er war Lehrer der Söhne des
Grafen Ostermann, Iwan, später Vicekanzler, und Fedor;
Richmann wurde 1735 als Student aufgenommen, 1740
zum Adjuncten ernannt und erhielt 1741 das Amt eines Pro¬
fessors; er beschäftigte sich hauptsächlich mit der zu jener
Zeit wenig bekannten Electricität und wurde bei einem Ex¬
periment 1753 durch den electrischen Strom getödtet.
Das Halten Im Jahre 1738 fand man, dass einige Schüler desGym-
sungenhn* nasiums im Stande seien, die Vorlesungen der Professoren
Jahre 1738. zu hören, aus welchem Grunde eine Verordnung über Er¬
neuerung der öffentlichen Vorlesungen an der Universität er¬
lassen wurde. Ihre Vertheilung unter den Professoren wurde
im Protokoll der akademischen Kanzelei vom 31. Mai in fol¬
gender Weise vorgenommen: «Weil», heisst es da, «bei dem vor
kurzer Zeit in dem bei der Akademie bestehenden Gymnasio
stattgehabten Examen sich eine nicht geringe Zahl solcher
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Schüler gefunden hat, welche zum Anhören der Vorlesungen
der Professoren ausreichende Befähigung besitzen, so sollen
um desswillen die öffentlichen Vorlesungen vom 1. Juni
dieses Jahres an von Neuem ihren Anfang nehmen und
jeden Tag in der Akademie der Wissenschaften in folgender
Weise fortdauern, nämlich: Morgens von 7—8 Uhr Pro¬
fessor Winsheim mathematische und physische Geogra¬
phie, von 8—9 Uhr Doctor Ammann Botanik und Natur¬
geschichte; der Adjunct Adadurow wird von 8 —11 Uhr
russische Sprache lehren; am Sonnabend wird Professor
Kr afft von 10—11 Uhr Physik und Metaphysik mit den
dazu gehörigen Experimenten vortragen; von 11—12 Uhr
Professor Stählin Sittenlehre; Professor Euler wird Nach¬
mittags von 1 — 2 Uhr Logik und höhere Mathematik publice
lehren; Doctor Duvernoy von 2 — 3 Uhr medicinische
Praxis; Doctor Wilde von 3—4 Uhr Anatomie; Professor
Heinsius von 4—5 Uhr Astronomie; Professor Weit¬
brecht wird Physiologie, Professor Lerche Universal¬
geschichte publice lesen und Professor Delisle auf dem
hiesigen Observatorium bei geeigneter Gelegenheit besagten
Studenten practische Astronomie zeigen. Um dies bekannt
zu machen, sind im Dirigirenden Senat und im Allerhei¬
ligsten Regierenden Synod Berichte darüber einzureichen
und in die Kanzelei des adligen Cadettencorps und der
Hauptartillerie, ins Fortificationscomptoir, in die Expedition
des Admiralitätscollegiums, der Akademie und der Schulen
Promemorias zu senden, denen je ein Exemplar des Katalogs
der Vorlesungen beizulegen ist, dessgleichen auch jedem
der Professoren eins zu übergeben und dazu hundert Exem¬
plare besagter Kataloge zu drucken».
Im Jahre 1740 sandte der Senat acht Schüler der Mos- Studenten
kauer Saikonospassker Akademie, um sie in die akademi- Dinaren
(1740).
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sehe Universität aufzunehmen; sie wurden examinirt, und es
wurde beschlossen, drei von ihnen zu Uebersetzern auszu¬
bilden, vier «in der Mathematik und Astronomie zu unter¬
richten, damit sie in Zukunft Geodiisisten sein könnten», und
einen zum Corrector an der Druckerei zu machen.
Die Vor- In seiner Darlegung der Geschichte der Akademie be-
Jahre ge i 742 ! schreibt Müller das Jahr 1742 folgendermaassen:
«Da die öffentlichen Vorlesungen sowohl für die Studen¬
ten, welche von der Akademie unterhalten wurden, als auch
für andere Zuhörer, die an denselben Theil nehmen wollten,
jetzo wieder anfangen sollten, so wurde am 10. August eine
ausserordentliche Conferenz wegen des zu druckenden Lec-
tions-Catalogi gehalten, in welcher die Herren Schumacher,
Weitbrecht, Krafft, von Winsheim, Le Roy, Hein-
sius, Wilde, Siegesbeck, Geliert, Moula, Crusius,
Teplow und Lomonossow zugegen waren». Es wurde
beschlossen die öffentlichen Vorlesungen am 1 . September
zu beginnen, und die Studenten wurden unter die Professoren
vertheilt. Im Protokoll vom 3. September ist gesagt: «Auf
Befehl Iliro Kaiserlichen Majestät erliess die Akademie der
Wissenschaften den Befehl: laut dem von den in der Ver¬
sammlung anwesenden Herren Professoren Krafft, Wins¬
heim und Heinsius angefertigten Register haben die in
demselben genannten Schüler und Studenten zum Anhören
der Vorlesungen, Jeder, wie aus dem Register erhellt, bei
seinem Professor und Adjuncten zu sein, und ist zur Bekannt¬
machung und Ausführung in der Conferenz wie an Herrn
Professor Winsheim, so auch an den Herrn Unterbiblio¬
thekar Taub ert von der Resolution Copie zu senden und
den Studenten und Schülern hierüber ein allgemeiner
Befehl zu geben, mit Beifügung einer Uebersetzung des
Registers in die russische Sprache, damit Jeder seine Arbeit
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und die Professoren, bei denen er Vorlesungen zu hören
hat, kenne, unter welchen Befehl sie alle desshalb zur Aus¬
führung ihre eigenhändige Unterschrift zu setzen haben».
Aus diesem Register 1 ) ist ersichtlich, dass man für die
12 Vortragenden Professoren und Adjuncten nur 12 Stu¬
denten hat auftreiben können; sieben von ihnen waren, wie
oben gesagt, im Jahre 1740 aus der Saikonospassker Aka¬
demie geschickt worden, drei waren Ausländer und zwei, Pr o-
tassow undKotelnikow, die künftigen Akademiker, hatten
eben erst den Cursus im akademischen Gymnasium beendigt.
Auch mit diesen wenigen Studenten beschäftigten sich die
Akademiker, wie wir gleich sehen werden, nicht wie sicli’s
gehört.
Der die Anatomie Vortragende Akademiker Wilde hatte
im Jahre 1736 erklärt, dass er wegen Mangels an Zuhörern
die ihm ertheilte Instruction in Betreff des Haltens von
Vorlesungen nicht erfüllen könne. Der Astronom Delisle
berichtete am 19. September 1742 dem Comptoir des Senats:
«Obgleich ich gleich von meiner Ankunft an von der Akademie
russische Studenten genügend verlangt habe, habe ich solche
doch nicht erhalten können». Es tauchte abermals der
schon im Jahre 1735 flüchtig berührte Gedanke auf, die
Universität mit den Cadetten des adligen Corps zu comple-
tiren. Der akademische Rath Nartow stellte am 22. Juni
1743 dem Senat vor: «Alle Professoren halten nun schon
nahe an ein Jahr die nach dem Project des Kaisers Peter’s
des Grossen, gesegneten und ewig gepriesenen Andenkens,
eingeführten öffentlichen Vorlesungen nicht, haben keine Ele¬
ven oder Schüler russischer Nation bei sich und geben keinen
1) Siehe Beilage 1.
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Unterricht», aus welchem Grunde er darum bat, der Senat
möge befehlen, «damit sie (die Professoren) nach dem Pro-
ject des Kaisers Peter’s des Grossen, gesegneten und ewig
gepriesenen Andenkens, Eleven oder Schüler russischer Na¬
tion unterrichten, aus dem Cadettencorps sieben oder acht
Mann solcher Cadetten aus dem Adel herzugeben, welche
die deutsche, französische und lateinische Sprache ausrei¬
chend inne haben, um den Unterricht und die Vorlesungen
der Professoren zu verstehen, auf dass sie von Stund au zu
den höheren Wissenschaften übergehen könnten, welche Ca¬
detten man durch ausreichende Gage und das Versprechen
von Rängen ermuthigen könnte». Der Senat jedoch gab der
Universität keine Cadetten.
Inzwischen machten sich die Professoren, wie schon
oben bemerkt worden, von den Beschäftigungen auch mit den
Studenten los, welche ihnen von der akademischen Kanzelei
gesandt wurden. Ausserdem eben angeführten ZeugnissNar-
tow’s reichten die Studenten Protassow und Kotelnikow
im October 1744 der Akademie einen Rapport folgenden
Inhalts in deutscher Sprache ein: «Vermöge des den 18. Oc¬
tober von der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften
erhaltenen Befehls, sind wir zu dem Professor Weitbrecht
gegangen und haben ihm gemeldet, dass wir von der Kan¬
zelei zu ihm geschickt wären, Collegia bei ihm über die
Anatomie zu hören; worauf er uns zur Antwort gegeben,
er sei nicht Professor von der Anatomie und Medicin (er
war Akademiker für das Katheder der Physiologie) und
wäre folglich auch, nicht verbunden über gedachte Wissen¬
schaften zu dociren; würde aber die Akademie der Wissen¬
schaften desfalls mit ihm einen neuen Contract schliessen
wollen, so wäre er bereit über die Anatomie zu lesen, und
er würde auch der Akademie dieserhalb gehörige Vorstel-
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lung tliun !)». Die akademische Kanzelei traf keinerlei Ver¬
fügung, und die angekündigten Professorenvorlesungen ka¬
men nicht zu Stande.
Demnach klagten also die Professoren darüber, dass sie
keine Studenten hätten, und die Studenten darüber, dass
die Professoren ihnen keinen Unterricht ertheilten; sowohl
das Eine, wie das Andere war richtig, und es war erforder¬
lich der Universität ebenso Professoren, wie auch Studenten
zu schaffen. Dies war unter Anderem die Aufgabe des am
25. September 1747 Allerhöchst bestätigten Reglements
der Akademie der Wissenschaften und Künste.
Die Professoren, welche an der so zu sagen studentenlosen Das akade-
Universität zu lesen verpflichtet waren, fühlten sich durch^ent n«!
diesen Umstand, der ihnen die Zeit zu gelehrten, rein akade¬
mischen Beschäftigungen nahm, beengt und Hessen mit Aus¬
nahme einiger, welche sich auf den Kathedern deutscher Uni¬
versitäten an das Unterrichten gewöhnt hatten, diese Pflicht
unerfüllt. Das Reglement theilte die Akademiker in zwei
Kategorien ein: die vom Unterrichten befreiten und die zu
Vorlesungen verpflichteten Professoren. Der darauf bezüg¬
liche Artikel 1 des Reglements ist folgendermaassen gefasst:
«Es ist daher ersichtlich, dass solche Leute (die Akademiker)
durch unermüdliche Arbeit beschäftigt sind, ihre Bemer¬
kungen zu machen, Bücher zu lesen und neue Bücher zu
verfassen; aus welchem Grunde ihnen wenig Zeit dazu bleibt,
Andere öffentlich zu unterrichten. Daher werden besondere
Akademiker ernannt, welche die Akademie bilden und Nie¬
manden unterrichten, ausser die ihnen beigegebenen Ad-
juncten und Studenten, und besondere Professoren, welche
in der Universität unterrichten müssen, über welche bei der
1) Siehe Beilage 2.
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Einrichtung der Universität bestimmt werden wird. Wofern
aber die Noth es fordert und die Zeit es zulässt, soll auch
der Akademiker in der Universität arbeiten; in solchem
Fall wird es der Erwägung des Präsidenten überlassen,
dass er nach Ermessen auch den Akademiker zum Lesen
der erforderlichen Vorlesungen in der Universität bestimmen
kann».
Die Universität blieb wie früher bei der Akademie, was
im Artikel 36 des Reglements ausgesprochen ist. «Russland»,
heisst es in demselben, «kann sich noch nicht damit begnügen,
nur gelehrte Leute zu besitzen, welche schon von ihren
Wissenschaften Frucht tragen, sondern muss immer recht¬
zeitig junge Leute für ihre Stellungen in den Wissenschaften
unterrichten, besonders weil die Akademie bei ihrer Gründung
nicht anders zu Stande gebracht werden konnte, als grössten-
theils durch Berufung von Ausländern, in Zukunft soll sie aber
aus geborenen Russen bestehen; desswegen wird der Aka¬
demie eine andere Abtheilung beigefügt — die Universität».
Die Füllung der menschenleeren Universität mit Studenten
war schon längst, wie wir gesehen haben, Gegenstand der
Sorge der Regierung. Auf das Gymnasium, das im Laufe
seiner zwanzigjährigen Existenz der Universität nur sehr
wenige Zuhörer geliefert hatte, liess sich nicht rechnen,
wenn nicht besondere Maassregeln getroffen wurden, den
Schülerbestand zu sichern. Zu diesem Zweck wurde ein
Convict von dreissig durch die Krone unterhaltenen Stu¬
denten eingerichtet und die Zahl der Stipendiaten im Gym¬
nasium auf zwanzig festgesetzt. «Es ist nothwendig», heisst
es im Artikel 37 des Reglements, «aus den russischen Schü¬
lern, wo der Präsident es für das Beste hält, dreissig fähige
und schon die lateinische Sprache kennende Schüler auszu¬
wählen und dieselben an der Akademie anzustellen, indem
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man ihnen Gage und ein solches Quartier giebt, dass sie alle
in einem Hause leben können; damit aber in Zukunft diese
Zahl der Studenten sich immer completiren könnte, ist ein
Gymnasium einzurichten, an welchem zwanzig junge Leute
auf Kosten der Akademie zu unterhalten sind, die taug¬
lichen sind zu Studenten zu befördern, die untauglichen an
die Akademie der Künste abzugeben».
Die Verfasser des Reglements erkannten indess augen¬
scheinlich an, dass eine so geringfügige Zahl der auf Krons¬
kosten unterhaltenen Studenten und Gymnasiasten die Bil¬
dungsbedürfnisse des gewaltigen Reichs nicht befriedigen
könne. «Wenn solcher Art», heisst es im Artikel 39, «die
Wissenschaften eingeführt sind, so ist bekannt, dass im Staat
fähige Leute sehr nöthig sind, und so werden nicht allein
aus der Universität solche hervorgehen, die das akademische
Corps ergänzen könnten; es würde aber durchaus nicht hin¬
derlich sein, wenn in allen Ständen, im Kriegs- sowohl wie
im Civilstande, im Innern und Aeussern des Reichs gelehrte
russische Leute vorhanden wären». Dazu wurde auch das
Cadettencorps herangezogen, in welchem man auch Zuhörer
für die Vorlesungen der Professoren zu finden hoffte. «Da¬
zu ist es nöthig, aus dem Cadettencorps Diejenigen, welche
auch Civilwissenschaften zu lernen wünschen, zu solchen
Vorlesungen in die Universität zu senden, in denen bei ih¬
nen kein Unterricht stattfindet, damit die Professoren nie¬
mals müssig wären und sich nicht damit entschuldigen
könnten, dass sie keine Schüler haben» (Art. 40). Der Zu¬
gang zur Universität stand Personen aller Stände offen,
ausser den Kopfsteuerpflichtigen. Die Universität verlieh
früher denen, die den Cursus an ihr beendigt hatten, keinerlei
dienstliche Rechte, wie andere höhere Speciallehranstalten,
und dadurch erklärte man den Mangel an Solchen, welche
Beiträge z. Kenntniss d. Ruse. Reiches. Dritto Folge. H
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einzutreten wünschten. Dieses Hinderniss der Completirung
der Universität mit Studenten wurde zum Theil durch fol¬
gende Bestimmung beseitigt: «Wer auf seine eigenen Kosten
studirt hat, den darf die Akademie nicht zurückhalten in ih¬
rem Dienst, und der gehört nicht zum akademischen Corps;
wenn aber solche Leute die höheren Wissenschaften erlernt
haben, so ist über Solche gehörigen Orts eine Vorstellung
zu machen, damit ihnen nach ihren Verdiensten Civilwür-
den verliehen werden, und sind ihnen die Ränge von Ober¬
offizieren der Armee zu geben» (Artikel 42).
Eine genaue Eintheilung der Wissenschaften nach Fa-
cultäten war nicht gemacht worden; es war nur gesagt, dass
«Vorlesungen dreier Classen stattfinden sollen, als mathema¬
tische, physische und Humaniora» (Artikel 38). Artikel 45
zählt die in der Universität vorgetragenen Wissenschaften
auf. «Folgende Wissenschaften», ist in demselben gesagt,
«werden in der Universität getrieben: 1) die lateinische
Sprache durch Vermittelung der russischen, mit ausdrück¬
lichem Ausschluss jeder fremden Sprache, der deutschen
wie der französichen, 2) Prosodie, 3) griechische Sprache,
4) lateinische Beredsamkeit, 5) Arithmetik, 6) Zeichnen,
7) Geometrie und die übrigen Theile der Mathematik, 8) Geo¬
graphie, Geschichte, Genealogie und Heraldik, 9) Logik
und Metaphysik, 10) theoretische und experimentelle Phy¬
sik, 11) Alterthümer und Literärgeschichte, 12) Naturrecht
und practische Philosophie oder Sittenlehre». Für alle diese
Fächer zusammen waren fünf Professoren bestimmt.
Die Recruti- Dass es dem Präsidenten der Akademie überlassen war,
' deuten* aus auf Grundlage des Artikels 37 des Reglements «aus den
nareifim russischen Schulen 30 fähige und schon der lateinischen
Jahre 1748. Sprache mächtige Schüler» für die Universität auszuwählen,
war ein klarer Hinweis auf die geistlichen Lehranstalten, in
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welchen damals allein Latein gelehrt wurde. Daher «wurde
in der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften für gut
befunden», steht im Protokoll vom 7. Februar 1748, «dass
jene Schüler nur aus dem Seminar des Alexander-Newski-
Klosters und aus dem Nowgorodschen Seminar, sowie aus
dem Moskauer Spassker Schulkloster auszuwählen seien, nach
Yerhältniss, wesswegen beschlossen wurde: dem Allerheilig¬
sten Synod einen Bericht einzureichen, in welchem gefordert
wird, dass, wenn von der Akademie Professoren zur Auswahl
jener Schüler ernannt werden, diejenigen Schüler, die dem
Befinden der Professoren nach für die Akademie befähigt
erscheinen, ohne Widerspruch aus jenen Stellen zu ent¬
lassen sind, wobei die Lehrer, bei denen die ausgewählten
Schüler unterrichtet worden, den akademischen Professoren
Attestate über deren Beschaffenheit und Führung geben
sollen». Zur Auswahl von Seminaristen für die akademische
Universität wurden für das Alexander-Newski-Seminar
die Professoren Fischer und Braun und der Adjunct
Teplow ernannt, in die Moskausche slavisch-griechisch-
lateinische Akademie aber und das Nowgorodsche Seminar
wurde Professor Tredjakowski geschickt. Auf diese Weise
sollten die Saikonospassker Akademie, das St. Peters¬
burger und das Nowgoroder Seminar der Universität je
10 Studenten liefern; aber der St.-Petersburger Erzbischof
Feodossij willigte, trotz des Drängens der Akademie, nur
in die Abtretung von vier Schülern aus seinem Seminar ein,
so dass die Gesammtzahl der aus den Seminaristen genom¬
menen Studenten 24 betrug, darunter auch der in der Folge
sehr bekannte Akademiker Rumowski. Die im Alexander-
Newski-Seminar ausgewählten Schüler waren zum Anhören
der Professorenvorlesungen nicht hinreichend vorbereitet,
wesswegen eine Verfügung erlassen wurde, «sie noch einige
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Zeit im Gvmnasio zu unterrichten, denn dieselben sind noch
nicht gerade gut im Stande die Vorlesungen der Professoren
zu fassen»; ausserdem wurde befohlen, noch zwei von den
unter die Studenten geschickten Seminaristen «auf einige
Zeit in das akademische Gymnasium zu schicken, um die
lateinische Sprache zu lernen».
Müiier’s Am 10. November 1747 wurde Müller zum Rector
( 1748 — 1750 ). der Universität ernannt.
Die Verthei- Im März 1748 wurde den Professoren vorgeschlagen,
besungen im ohne Verzug ihre Programme vorzulegen und am 18. April
Jahre 1748. die Vorlesungen zu beginnen; das kam aber nicht zu Stande,
wie aus dem Protokoll vom 19. April zu sehen ist, in wel¬
chem es heisst: «Wenn auch in den aus der Kanzelei der Aka¬
demie der Wissenschaften unter dem 29. des vergangenen
März dieses Jahres an die historische Conferenz*) gesandten
Befehlen gesagt war, dass die Herren Professoren den
Studenten Vorlesungen halten sollen, und zum Beginn der¬
selben der 18. dieses April-Monats festgesetzt worden war,
so ist es, wegen der gegenwärtig schlechten Passage über
den Fluss und wegen des Nichteintreffens der übrigen Stu¬
denten aus dem Newski-Seminar, nicht möglich, zum fest¬
gesetzten Datum die Vorlesungen zu beginnen, was bis auf
künftige Zeit, welche von der Kanzelei festgesetzt werden
wird, abgeändert wird». Ungeachtet dessen wurde durch
das Protokoll vom 19. April folgende Vertheilung der Vor-
1) Am 24. März 1748 war beschlossen worden, dass an der Akademie
«eine besondere Professoren-Conferenz, die historische Conferenz heissen
soll, besteht. In derselben soll alles das verlesen und durchgesehen wer¬
den, was im historischen Departement verfasst wird, ferner auch Aufsätze,
Gedichte, Kritisches, Philosophisches und alle Humaniora und dabei auch
die Verordnungen, welche sich auf die Universität und das Gymnasium be¬
ziehen». Zum Secretär in dieser Conferenz wurde Tredjakowski er¬
nannt.
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lesungen vorgenommen: «Weil kraft des bestätigten und
eigenhändig von Ihrer Kaiserlichen Majestät unterschrie¬
benen Reglements über die Akademie», steht in diesem
Protokoll, «die akademischen Professoren den Studenten die
nöthigen Lectionen geben müssen, ist desshalb beschlos¬
sen worden: 1) dass der Professor Tredjakowski die la¬
teinische Eloquenz lehren, Crusius lateinische Autoren,
Alterthümer und die Reinheit des Styls interpretiren, dabei
auch Lectionen über Literärgeschichte geben, Fischer —
Universalgeschichte und Chronologie, Braun einen philo¬
sophischen, Richmann einen mathematischen Cursus ge¬
ben, Winsheim auf dem Observatorium Liebhabern An¬
leitung zur Astronomie und Geographie ertheilen, Burg-
hardt einen anatomischen, Lomonossow einen chemischen
Cursus lesen, der Adjunct Krascheninnikow in Natur¬
geschichte und Botanik unterrichten, Professor Strübe
Natur- und Völkerrecht erklären, der Rector und Historio¬
graph Müller einen Katalog der Vorlesungen und ein Pro¬
gramm in lateinischer Sprache schreiben soll, welches Pro¬
gramm Professor Lomonossow in die russische Sprache
zu übersetzen hat, worauf dasselbe nach Approbation und
Unterschrift in gesetzlicher Form zu drucken ist. Damit
aber im Russischen Reich bekannt werde, welche Wissen¬
schaften in der Universität an der Akademie in St. Peters¬
burg gelehrt werden, so sind nach Anfertigung einiger
Exemplare solche in den Allerheiligsten Synod, in den Diri-
girenden Senat, in die Collegien, Kanzeleien und Comptoire
zu senden und einige auch den Zeitungen mitzutheilen. Bei
der Vertheilung der Tage und Stunden hat der Rector und
Historiograph Müller darauf zu achten, dass die Stunden
der Akademiker, die ihnen zur Conferenz bestimmt sind,
nicht zu Vorlesungen vergeben werden, gleichermaassen
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ist dasselbe auch in Betreff der Mitglieder der historischen
Conferenz zu beobachten. Dabei ist für die Universitäts¬
professoren festgesetzt, täglich zwei Stunden lang Vorlesun¬
gen zu halten».
Die Professoren begannen ihre Vorlesungen dennoch
nicht, und die Studenten blieben ohne Beschäftigung; nur
Tredjakowski und Crusius hatten ihreCurse vorbereitet,
wesshalb ihnen auch vorgeschlagen wurde die ihnen über¬
tragenen Fächer zu lehren. «Weil um einiger Raisons wil¬
len», heisst es im Protokoll vom 11. Mai, «es unmöglich ist,
schon alle Vorlesungen an der Universität zu beginnen, die
aus Moskau und Nowgorod gesandten Studenten aber mittler¬
weile ihre Zeit umsonst verlieren könnten, ist um desswegen
in der Kanzelei beschlossen worden: dass Herr Professor
Tredjakowski vom fünfzehnten dieses Monats an seine
Vorlesungen über den Styl und die Reinheit der lateinischen
Sprache beginnen und Herr Professor Crusius die klassi¬
schen Autoren und die Literärgeschichte in Verbindung mit
den Alterthümern interpretiren soll; Herr Tredjakowski
hat seine Vorlesungen allen zwanzig Studenten Nachmittags
von 2 bis 5 Uhr und Crusius, ebenfalls allen Studenten,
Morgens von 9—12 Uhr zu halten. Besagte Vorlesungen
sollen in dieser Ordnung Montags, Dienstags, Donnerstags,
Freitags und Sonnabends so lange fortdauern, bis die allge¬
meine Vertheilung für die übrigen Professoren und ihre
Vorlesungen gemacht ist. Welche Autoren und nach wel¬
cher Methode in besagten Vorlesungen die Professoren
Tredjakowski und Crusius zu tractiren gesonnen sind,
darüber haben sie an die Kanzelei zu rapportiren».
Aus den Acten der akademischen Kanzelei ist nicht er¬
sichtlich, dass die von ihr festgestellte Vertheilung der
Vorlesungen unter den Professoren irgend wann zur Aus-
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führung gebracht worden wäre. Inzwischen wurde einer von
den beiden Vortragenden Professoren schleunig entlassen.
Im Protokoll vom 27. April 1749 finden wir: «Durch Be¬
fehl Ihrer Kaiserlichen Majestät, erhalten aus Moskau vom
Hauptcomptoir der Akademie der Wissenschaften unter dem
20. dieses Aprils, ist befohlen: den Professor Crusius sei¬
ner sehr schlechten und der Akademie anstössigen Hand¬
lungen wegen aus dem akademischen Dienst zu entlassen
und ihm die Gage nur bis zum 1. Mai dieses Jahres, 1749,
auszuzahlen, dem Professor Fischer aber zu befehlen, in
der Universität Eloquenz und dem Historiographen Müller
Geschichte zu lehren, ausserdem aber ohne Verzug einen
anderen fähigen und im lateinischen Styl kunstreichen Mann
zu verschreiben». Allein Fischer kam dem nicht nach:
«obgleich dem Professor Fischer», heisst es im Protokoll
vom 18. Juni 1750, «befohlen worden, die Vorlesungen des
Professors Crusius fortzusetzen, so hat er das bis jetzt
unter dem Vorwände noch nicht gethan, dass die Aufsicht
über die Studenten und das Rectorat im Gymnasio ihm so
viel Mühe verursachen».
Schon vor der Entlassung von Crusius, nämlich im
Februar, waren die Vorlesungen Tredjakowski’s über die
Schönheit der lateinischen Sprache eingestellt worden, um
den Studenten mehr Zeit zur Beschäftigung mit den neuen
fremden Sprachen zu lassen.
Die Studenten waren nach dem akademischen Regle- Das inspec-
ment verpflichtet in einem Hause zu wohnen; die Aufsicht
über sie war dem Professor Fischer übertragen, dem in j^studen-
demselben Hause ein Quartier angewiesen wurde. «Weil die tenconvict
akademischen Studenten», steht im Protokoll vom 3. August
1748, «ihre Wohnung im Hause der Barone Stroganow
haben und ein solcher Aufseher für dieselben, der sie unter
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seiner beständigen Aufsicht haben könnte, noch nicht er¬
nannt ist, während für nöthig erachtet worden ist, alle Stu¬
denten Herrn Professor und Rector Gymnasii Fischer zur
Beaufsichtigung anzuvertrauen, so muss um desswillen der
Herr Professor selbst wegen der Nähe und immerwähren¬
den Aufsicht über sie, in demselben Hause eine Wohnung
haben». Man beabsichtigte die Studenten vollständig auf
Kronsunterhalt zu nehmen, doch hielt es die akademische
Kanzelei für nöthig, sie anfangs selbst zu fragen, ob sie da¬
mit einverstanden seien. «Weil die akademische Kanzelei»,
heisst es im Protokoll vom 15. October, «die Absicht hat,
alle akademischen Studenten sowohl an Nahrung, als an
Kleidung und Schuhzeug und allem Uebrigen auf Krons¬
kosten zu unterhalten, eine solche Gage aber, wie Jeder
jetzt erhält, nicht zu zahlen, und es noch unbekannt ist, ob
die Studenten das für wünschenswerth halten, so ist um dess¬
willen beschlossen worden: dem Professor Fisch er eine Ordre
zu schicken, dass er, alle Studenten versammelnd, sie ab¬
stimmen Hesse: ob sie in solchem Kronsunterhalt zu stehen
wünschten, oder Alle bei der gegenwärtigen Gage bleiben
möchten». Die Studenten schlugen den Kronsunterhalt aus,
und der Gedanke an die Einrichtung eines Internats wurde
aufgegeben. Im Protokoll vom 26. Mai 1749 heisst es:
«Weil im vergangenen Jahre, 1748, die akademische Kan¬
zelei die Absicht hatte, alle akademischen Studenten auf
Kronstractament und Provision zu halten, so wurde desswe-
gen der Sohn des verstorbenen Hofofenheizers Afanassij Ja-
kowlew, Alexei Afanassjew, mit einer Gage von 50 Rubel
jährlich als Koch angestellt, worüber am 10. August 1748
eine Verfügung getroffen wurde, aber am 24. October wurde
dieselbe wegen der Abneigung der Studenten, auf Krons¬
tractament zu leben, durch eine Kanzeleiresolution wieder
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aufgehoben, da Niemand vorhanden, bei dem erwähnter
Alexei Afanassjew Koch sein könnte».
Die Studenten fühlten sich offenbar durch das Zu¬
sammenleben beengt und waren unter verschiedenen Vor¬
wänden bemüht, sich, wenn auch nur zeitweilig, von dem¬
selben zu befreien; so fingen sie an sich zur Abendmesse
frei zu bitten; «In der Kanzelei der Akademie der Wissen¬
schaften», ist im Protokoll vom 10. Mai 1749 gesagt,
«wurde vom Professor und Rector Gymnasii Fischer ein
Rapport über die Studenten vorgestellt, dass sie um Er¬
laubnis bitten zum Vespergottesdienst zu gehen, an wel¬
chen Tagen, darüber lege er ein Register bei, die Erlaub¬
nis könne er ihnen aber von sich aus ohne die Kanzelei
nicht geben. Und hierauf ist ihm eine Ordre zu eröffnen,
dass dieses Werk für etwas sehr Nützliches und dem christ¬
lichen Gesetz Wohlgefälliges angesehen wird, in Betreff sol¬
chen Wunsches und Eifers derselben zum Gottesdienst wird
nicht nur an Feiertagen, sondern auch an Sonntagen ge¬
stattet, Solche, die es wünschen, zum Abendgottesdienst
und zur gottesdienstlichen Lithurgie zu entlassen; nur ist
strenge darüber zu wachen, dass sie nach Beendigung des
Abendgottesdienstes und der Messe (was Jedem bekannt ist,
wie viel Zeit zu diesen Gottesdiensten gebraucht wird) alle
zusammen zur rechten Stunde wieder heimkehren und in
ihren Wohnungen sind. Es ist ausserordentlich darauf Acht
zu haben, dass nicht Jemand von ihnen unter dem Vorwände
des Abendgottesdienstes oder der Messe irgend eine andere
Gelegenheit benutze; wenn aber Jemand wider Erwarten
statt ih die Kirche zu gehen, einen anderen Ort besuchen
wird und betrunken oder sonst ungehöriger Weise erscheint,
so ist über Solche auf jeden Fall an die Kanzelei zu be¬
richten».
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Die akademische Obrigkeit hatte, weil sie schon früher
von der schlechten Aufführung vieler Studenten wusste,
Grund, ihrer besonderen Religiosität zu misstrauen und sich
auf ihre Wohlanständigkeit nicht zu verlassen. So ist im
Protokoll vom 8. Februar 1749 vermerkt: «Am 5. August
des verflossenen Jahres 1748 wurde auf Beschluss der Kan¬
zelei der Akademie der Wissenschaften dem Rector Gymnasii
und Professor Fischer eine Ordre gesandt, in welcher unter
Anderem vorgeschrieben war, über die Studenten eine fleis-
sige Aufsicht auszuüben, damit sie in der von Vorlesungen
freien Zeit immer in ihren Quartiren seien, und strengstens
darauf zu achten, dass unter ihnen keine Trunkenheit statt¬
finde und dass sie in der Wohnung sich wohlanständig auf¬
führten. Weil aber jetzt die Kanzelei benachrichtigt wor¬
den, dass die Studenten in den Nächten sich herumtreiben
und saufen und in verdächtige Häuser gehen, wodurch sie ge¬
fährliche Krankheiten bekommen und dadurch ihren Unter¬
richt versäumen, so ist dem erwähnten Herrn Fischer zur
Bekräftigung eine Ordre zu senden, dass er die frühere
Ordre mit allem Fleiss ausführe und in den Nächten in den
Wohnungen aller Studenten selbst nachsehe, ohne sich darin
auf die älteren Studenten zu verlassen, und dem Aufseher
Bock ebenfalls eine Ordre zu senden, dass er im Hause der
Stroganow’s das Thor und das zum Demidowschen Hause
führende Pförtchen, ebenso auch die Thür zur Treppe aus
dem Hausflur nach dem Fluss zu fest abschliesse, damit es
gar keinen Durchgang für wen immer gebe und nur durch
die Pforte allein gegangen werden könne; auf dem Hofe aber,
im Vorhause, sei eine Schildwache aufzustellen und ihr streng
anzubefehlen, dass sie des Tages, besonders aber in der Nacht,
keinen einzigen Studenten herausliesse, es sei denn, dass sie
vom Professor Fischer seinetwegen einen Befehl erhalten»
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Fischer war heftig und ausserordentlich reizbar, was
der Akademie nach seinem wiederholentlich während der
sibirischen Reise hervorgetretenen excentrischen Benehmen
nicht unbekannt sein konnte. Er konnte mit den 20 Studenten
nicht zurechtkommen und forderte strenge Maassregeln
gegen dieselben. «Vom Professor und Rector Fischer», ist
im Protokoll vom 7. April 1749 eingetragen, «ist ein Rap¬
port eingegangen, in welchem er erklärt, dass die Studenten
sich von Tag zu Tag allstündlich schlechter aufführen und die¬
selben ohne grossen Zwang zu bändigen nicht mehr möglich
sei, und desshalb bittet er sechs bis acht Mann Soldaten in
die Universität zu geben, welche unter seinem Commando
ständen. Weil aber die bei der Akademie befindlichen
Wachtsoldaten so vertheilt sind, dass es unmöglich ist auch
nur einen von ihnen an einen anderen Platz abzucomman-
diren, und um der anbrechenden Campagne willen (damals
wurden Vorbereitungen für den Fall eines Krieges mit
Schweden getroffen) eine Vermehrung derselben nicht er¬
hofft werden kann, so beschliesst die Kanzelei der Akademie
der Wissenschaften: auf den ersten Punkt, erstens Fischer
aus den akademischen Soldaten als Ordonnanz Astafij Taby-
rew zu geben, der unausgesetzt bei ihm zu sein und alle
seine auf Kronsbedürfnisse bezüglichen Befehle ohne jede
Widerrede zu erfüllen hat; zweitens dem akademischen
wachthabenden Unteroffizier zu befehlen, dass, wenn Pro¬
fessor Fischer durch die ihm beigegebene Ordonnanz Solda¬
ten fordert und befehlen wird Jemand zu arretiren, Solches
auszuführen ohne vorher die Kanzelei zu fragen und am an¬
deren Tage darüber an die Kanzelei zu rapportiren, wie es
Professor Fischer ebenfalls zu thun habe; auf den zwei¬
ten Punkt — soll er, Fischer, zwei gewissenhafte und nüch¬
terne Leute ausfindig machen, auf welche er sich verlassen
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könnte, und sie der Kanzelei vorstellen, welche dieselben, wenn
sie sie angenommen hat, ihm übergeben wird; auf den drit¬
ten Punkt — weil ihm im ersten Punkt eine Ordonnanz er¬
nannt worden, so ist ihm ein besonderer Mensch nicht mehr
nöthig; auf den vierten Punkt — er soll hierüber ohne Ver¬
zug seine Meinung in der Kanzelei einreichen, worauf eine
Resolution desshalb erfolgen wird; auf den fünften Punkt —
dass die Schildwache nicht am Thore, sondern auf der Treppe
stehen soll; dem wachthabenden Unteroffizier ist Ordre zu
senden, dass er den Schildwachen strengen Befehl gebe,
Studenten nicht vom Hof zu lassen und dafür kein Löse¬
geld von ihnen zu nehmen, welche aber dessen überführt
werden, sollen nach militärischer Ordnung dafür hart be¬
straft werden».
Wahrscheinlich beschwerte sich Fischer zu gleicher
Zeit auch beim Präsidenten der Akademie Grafen Rasu-
mowski, der sich damals in Moskau befand, über die Stu¬
denten, denn im Protokoll vom 19. April hat sich folgende
Bestimmung erhalten: «Durch den Befehl Ihrer Kaiser¬
lichen Majestät, gesandt aus Moskau von der Hauptkanzelei *)
der Akademie der Wissenschaften (d. h. von Teplow, dem
Secretär des Präsidenten) vom 6. dieses Aprils sub JV° 58,
hier eingetroffen am 12. April, ist befohlen: die Studenten
Alexei Protassow, Wassilij Teplow und Anton Barssow,
weil sie am verflossenen 28. Februar den Studenten Kosle-
nizki geschlagen, ins Karzer zu setzen und sie dort bei
Wasser und Brod zwei Wochen lang zu halten, an Geld aber
ihnen nicht mehr auszuzahlen, als die nöthige Zahl wäh-
1) Im December 1748 hatte Graf Rasumowski, indem er sich zur Be¬
gleitung der Kaiserin nach Moskau begab, zwei akademische Kanzeleien
eingerichtet: die St. Petersburger unter Verwaltung Schumacher’s und
die Moskauer Hauptkanzelei, deren Vorstand Teplow war.
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rend ihres Sitzens und nach ihrer Befreiung — nach Pro¬
portion, und in Zukunft die Studenten nach Maassgabe der
Verschuldungen bis zur Bestätigung des Universitätsregle-
ments nach Erwägung der hiesigen St. Petersburger Kan¬
zelei der Akademie der Wissenschaften zu strafen».
Die Studenten, welche Seminaristen gewesen, kannten Die Beschaf-
die neuen fremden Sprachen nicht; Einige von ihnen wünsch- ^studenteiT
ten Französisch und Deutsch zu lernen, wesshalb Rector ( 1749 )-
Müller eine Vorstellung über ihren Unterricht in diesen
Fächern seitens der Gymnasiallehrer machte, und dies
wurde auch gestattet. «Durch Befehl Ihrer Kaiserlichen
Majestät aus der Hauptkanzelei der Wissenschaften», heisst
es im Protokoll vom 23. Februar 1749, «ist befohlen wor¬
den: auf den Rapport des Professors Müller, dass die
Studenten in der Universität die deutsche und französische
Sprache, ohne deren Verständniss ein guter Fortgang in
den Wissenschaften nicht wohl stattfinden kann, zu den von
ihm, Herrn Müller, festgesetzten Stunden lernen sollen,
ist den Studenten, die es wünschen, darin freie Hand
zu geben, und ist fürs Erste, weil freie nicht vorhanden,
befohlen worden, zwei Lehrer aus dem Gymnasio dazu^
zu bestimmen und zwar Herwart für die Anfangsgründe
der französischen Sprache und Müller für die deutsche
Sprache». Die fleissigsten von den Studenten erkannten
selbst ihre unzureichende Vorbereitung in der lateinischen
Sprache und in anderen Fächern und baten, ihnen die Mög¬
lichkeit zu geben, «sich in ihnen weiter auszubilden». Müller
fand, es sei am besten, dazu am Gymnasium eine oberste
oder Rectorclasse zu gründen, bis dahin aber einem der Pro¬
fessoren aufzutragen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das ist
im Protokoll vom 11. October 1749 dargelegt: «Auf den vom
Rector und Historiographen Müller vom 6. dieses Octo-
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bers eiügereichten Bericht, in welchem er vorstellt, dass,
wegen der Unzulänglichkeit einiger Universitätsstudenten
in der lateinischen Sprache und anderen Schulwissen¬
schaften und auf die Bitte einiger Studenten, und zwar
(es folgen zehn Familiennamen, darunter Stepan Ru-
mowski), dass man Sorgfalt anwende, sie in den obener¬
wähnten Schul Wissenschaften zu unterrichten, es unum¬
gänglich nothwendig sei, eine oberste Rectorclasse am
Gymnasio zu gründen, in welcher solche Studenten zu¬
sammen mit den Studenten des Gymnasiums unterrichtet
werden sollen, so lange das aber noch nicht geschehen, Je¬
manden von den Professoren zu ernennen, welcher ihnen
die grammatikalischen und rhetorischen Regeln interpre-
tire und ihnen verschiedene Exercitien zu componiren auf¬
gebe, die sich auf den Styl und die Rhetorik beziehen, und
solche Exercitien mit umständlicher Erläuterung corrigire,
weil ohne solche Grundlage alle ihre Arbeiten in den höheren
Wissenschaften umsonst sein und der Akademie in Zukunft
zum Tadel gereichen würden, — wurde um desswillen in der
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften beschlossen: dar¬
über dem Professor und Rector Gymnasii Fischer zu schrei¬
ben und von ihm seine Meinung und Angabe der Mittel zu
verlangen, wie die erwähnten Studenten bis zur Einrichtung
einer obersten Rectorclasse im Styl unterrichtet werden
sollen, damit sie in ihrem Unterricht keinen Aufenthalt er¬
litten». Es ist unmöglich die volle Berechtigung der Mei¬
nung Müller’s zu verkennen, dass die jungen Leute zur
bewussten Aneignung des Universitätscursus nothwendig
vorher eine ernste Gymnasialschule durchmachen müssten,
was viele seiner Zeitgenossen nicht erkannten und welche
Meinung leider auch zu unserer Zeit nicht von Allen ge-
theilt wird.
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Die besser als die übrigen vorbereiteten Studenten
unterrichteten ihre Kameraden, und der Präsident benutzte
sie unter Anderem, um die Studenten während der Ferien
zu beschäftigen. Das ist verzeichnet im Protokoll vom
2. August 1749. «Weil Se. Erlaucht der Herr Präsident
der Akademie der Wissenschaften, Graf Kirill Grigorje-
witsch Rasumowski, vom 17. des verflossenen Juli schrift¬
lich befohlen hat, dass die Studenten in der Ferienzeit nicht
ganz müssig gehen sollen, haben um desswillen die Studenten
Kotelnikow und Kusnezow, ferner auch die Lehrer Her¬
wart und Schöning ihre gewöhnlichen Lectionen fortzu¬
setzen; ausserdem hat aber der Lehrer Andrei Grekow in der
Woche je vier Mal in der Zeichnenkunst zu unterrichten
und an den übrigen Tagen sollen die Studenten die Rede des
Herrn Professors Müller, aus zwanzig Blättern bestehend,
und die Beschreibung Kamtschatka’s, welche vomAdjuncten
Steller verfasst worden ist, aus fünf Buch Papier bestehend,
abschreiben». (Steller war Adjunct für das Katheder der
Naturgeschichte; er reiste von dem Jahre 1737 an in Sibi¬
rien und starb auf dem Rückwege von dort in Tjumen im
Jahre 1746. Die von ihm verfasste Beschreibung Kam¬
tschatka’s wurde im Jahre 1774 in deutscher Sprache her¬
ausgegeben.)
Einige Studenten unterrichteten im Gymnasium, was
ihren Universitätsstudien hinderlich sein musste; Müller
wies darauf hin, aber erfolglos. Im Protokoll vom 18. Mai
1750 heisst es: «Die Studenten Wolkow, Ssafonow und
Barssow geben einige Stunden des Nachmittags Unterricht
in der Arithmetik, doch muss aus dem nach dem Examen
eingereichten Rapport des Herrn Professors Müller ge¬
schlossen werden, dass sie, damit beschäftigt, einen Auf¬
enthalt in ihrem eigentlichen Studium erleiden. Weil aber
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die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften in keiner
Weise gesonnen ist zuzulassen, dass den Studenten, in
welcher Art es auch sei, ein solches Hinderniss in ihrem
Studium verursacht werden könnte, so wird um desswegen
dem Herrn Professor Fischer hiermit der Befehl gegeben,
zu dieser Arbeit Freiwillige auszuwählen, welche schriftlich
erklärten, dass eine solche Arbeit zu leisten sie in ihren
Studien nicht störe und dass sie sich solcher Mühe frei¬
willig um der Belohnung willen unterzögen, und hierüber
der Kanzelei ohne Verzug zu rapportiren; demgemäss be¬
stimmt die Kanzelei denjenigen, welche einen solchen Unter¬
richt übernehmen, ausser ihrer eigentlichen Gage eine Be¬
lohnung bis 24 Rubel». Wahrscheinlich verlockt durch eine
solche Vergütung und überredet vom Rector Gymnasii,
willigten diese Studenten ein, die Stunden am Gymnasium
fortzusetzen; im Protokoll vom 31. Juni ist verzeichnet:
«in einem Rapport vom 22. dieses Mai stellte Professor Fi¬
scher vor, dass die Studenten selbst gern Unterricht zu
geben wünschen; Barssow, Ssafonow und Wolkow geben
auch schon, die ihnen versprochene Belohnung beziehend,
Unterricht».
Die Ferien Im Laufe von drei Jahren seit Bestätigung des akade-
m versität 11 mischen Reglements erfolgte hinsichtlich der Professoren
( 174 9). (j er Universität nur eine einzige Verordnung des Präsi¬
denten, welche die Ferien betraf. Graf Rasumowski wollte
eine Zeit für dieselben bestimmen, es erwies sich aber, dass
die Professoren sich selbst schon früher eine Ferienzeit
festgesetzt hatten und Gebrauch von derselben machten.
Das Protokoll vom 10. August 1749 beschreibt das fol-
gendermaassen: «In dem am 9. dieses August aus Moskau
eingetroffenen Briefe vom Assessor Herrn Teplow an den
Ratb Herrn Schumacher steht geschrieben: Se. Erlaucht
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der Herr Präsident hatte in der Hoffnung, dass die Herren
Professoren, in genügendem Verständniss für die Geltung
des akademischen Reglements, was ihr Amt betrifft, von sich
aus ohne Befehl des Präsidenten nichts tliun würden, um
desswillen Erlaubniss gegeben, vom 12. des vergangenen
Monats bis zum 5. September Ferien zu haben. Weil sie
aber, ungeachtet der Machtvollkommenheit des Präsidenten,
sich selbst freie Tage vom 12. Juli bis zum 12. August
festgesetzt und dies in Ausführung gebracht haben, hat Se.
Erlaucht befohlen zu eröffnen, dass die frühere Ordre über
die Ferien ganz zu vernichten sei; und haben sie vom
13. August an unabänderlich ihre Arbeit anzutreten; auf
welchen Befehl aber und auf welchen Punkt des akademi¬
schen Reglements hin sie sich selbst, ohne den Willen ihres
höchsten Chefs, freie Tage festsetzten, wie sie das schon
mehrfach gethan haben, darüber ist unverzüglich von der
St. Petersburger Kanzelei eine Antwort mit ihrer Unter¬
schrift einzufordern; denn wenn in dem akademischen
Reglement nichts von freien Tagen erwähnt und das bis
zum Universitätsreglement auf sich beruhen gelassen wor¬
den ist, so ist es um so mehr ihre Pflicht, entweder eine
besondere Resolution über solche Ferien zu verlangen, oder
abzuwarten, dass ihnen eine Ordre darüber eröffnet werde;
das darf aber nicht geschehen, dass sie mit ihren Beschlüs¬
sen den Befehlen des Präsidenten zuvorkommen. Um dess¬
willen ist beschlossen: in die akademische und historische
Conferenz, in die Akademie der Künste, in die Universität
an die Professoren Befehle nebst einer Abschrift alles oben
Erwähnten zu senden, damit die Herren Professoren das
unverzüglich in Ausführung brächten».
Durch das akademische Reglement war es dem Präsi- Die Verord-
denten der Akademie überlassen, aus eigener Machtvoll- nimg u 1
Beiträge z. Kenutniss d. Boss. Reiches. Dritte Folge. 12
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die Universi- komraenlieit das Statut für die Universität zu bestätigen,
tat (l/oO). ß asu]nows ] i j trug die Abfassung dieses Statuts Mül¬
ler als dem Rector der Universität auf. «Weil der Herr
Professor und Historiograph Müller zum Rector der Uni¬
versität an der Akademie der Wissenschaften ernannt ist»,
heisst es im Protokoll vom 13. Juni 1748, «und kraft des
akademischen, mit Ihrer Kaiserlichen Majestät eigenhändi¬
gen Unterschrift confirmirten Reglements dieser Universität
im Namen des Präsidenten ein besonderes Reglement vor¬
geschrieben werden soll, nach welchem die Lehrenden und
die Lernenden sich zu verhalten hätten, so ist um dess-
willen beschlossen worden: dass der erwähnte Herr Rector
Müller mit aller Umsicht solche regulae für die Universität
abfassen, welche sowohl den Wissenschaften, als der guten
Führung der Lernenden förderlich sein könnten, und sie
nach der Abfassung in der Kanzelei zur Approbation ein¬
reichen solle». Als man zur Ausführung dieses Projects
schritt, überzeugte man sich, dass keine Möglichkeit sei ein
Universitätsstatut abzufassen, weil eine eigentliche Univer¬
sität in Wirklichkeit nicht existirte und sowohl wegen Man¬
gels an Professoren, als auch wegen der so geringen Zahl
von Studenten nichts da war, woraus sie zu bilden; daher
wurde statt des Statuts eine zeitweilige Instruction verfasst.
Graf Rasumowski machte darüber am 10. August in fol¬
genden Ausdrücken eine Eröffnung: «Weil im akademischen
Reglement, im Punkt 44 geschrieben steht, das Alle, sowohl
Professoren und Lehrer, als Studenten und Schüler, welche
von der Akademie unterhalten werden oder sich selbst
unterhalten, dem Reglement unterworfen sind, das vom
Präsidenten verfasst werden soll, in welcher Weise und zu
welcher Zeit nach dem Beispiel europäischer Universitä¬
ten zu lernen und zu unterrichten ist, weil ferner sowohl
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Lehrende als Lernende bis jetzt sich noch nicht in einem
solchen Zustande befinden, in welchem es möglich wäre,
ein vollständiges Universitätsreglement zu erlassen, und
damit darin keinerlei Unterlassung stattfände, habe ich für
gut befunden: bis zur Abfassung des Reglements eine In¬
struction oder zeitweilige Verordnung über die Universität
und das Gymnasium zu erlassen».
Diese (Verordnung über die Universität und das Gym¬
nasium» ist nichts Anderes als eine Zusammenstellung von
Disciplinarregeln, die sich sowohl auf die Professoren, als auch
insbesondere auf die Studenten beziehen. Ueber die Pro¬
fessoren ist im Artikel 25 gesagt: «Weil ich mit Erstaunen
erfahre, dass einige von den Universitätsprofessoren ohne
wichtige Ursachen entweder garnicht, oder doch zu spät zu
ihren Vorlesungen kommen, so wird es für unumgänglich
erforderlich erachtet, solche Säumige mit einem Gagen
abzug als Strafe zu belegen und zwar für eine Stunde eine
Tagesgage vom etatmässigen Gehalt abzuziehen». Die Be¬
strafungen der Studenten sind im Artikel 6 folgendermaassen
ausführlich erörtert: «Er (der Rector der Universität) hat
Aufsicht über die gagirten Studenten (welche Unterhalt er¬
hielten oder Kronsstipendiaten waren) zu führen und darauf
zu achten, dass sie ein ordentliches Leben führen und sich
auch in den Wissenschaften, wie siclis gehört, üben. Wenn
aber Jemand eine Schuld begeht, so hat er nach Durch¬
sicht der Sache den Befehl zu geben ihn zu strafen und bei
der Bestrafung wie folgt zu verfahren: 1) Wenn Jemand
einen Ungehorsam gegen das akademische Obercommando
begeht, oder sonst Missachtung an den Tag legt, so ist über
ihn sofort an die Kanzelei zu rapportiren, damit nicht aus¬
ser Acht gelassen würde mit ihm nach Befehl zu verfahren,
und ist er bis zur Resolution unter Arrest zu geben. 2) Wenn
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Jemand wider den Rector oder dessen Adjmieten (sc. Ungehor¬
sam oder Missachtung erweist), so kommt er für den Rector auf
zwei Wochen bei Wasser und Brod in den Karzer, für den
Adjuncten auf eine Woche. 3) Wenn wider die Professoren
und Lehrer — für die Professoren auf eine Woche in den
Karzer, für die Lehrer auf drei Tage. 4) Wenn Jemand die
Kameraden oder sonst Jemand mit Worten beleidigt — einen
Tag Karzer, wenn thätlich — so ist an die Kanzelei zu
rapportiren. 5) Wenn Jemand sich betrinkt, so kommt er
das erste Mal auf eine Woche in den Karzer, das zweite
Mal auf zwei Wochen, das dritte Mal ist an die Kanzelei
zu rapportiren. 6) Wenn Jemand ohne Wissen des Rectors
oder seines Adjuncten von Hause geht, so ist er das erste
Mal nach Ermessen des Rectors in den Karzer zu setzen,
das zweite Mal auf die doppelte Zeit, das dritte Mal ist zu
rapportiren. 7) Wenn Jemand nicht zu Hause nächtigt, so
ist er das erste Mal auf eine Woche in den Karzer zu setzen,
das zweite Mal auf die doppelte Frist, das dritte Mal ist zu
rapportiren. 8) Wenn Jemand nicht zur Vorlesung kommt,
so ist er das erste Mal auf eine Woche in den grauen Kaf¬
tan zu stecken, das zweite Mal auf zwei, das dritte Mal auf
drei Wochen, und so weiter. 9) Wenn Jemand die aufgege¬
bene Aufgabe nicht lernt, so kommt er das erste Mal’ auf
einen Tag in den grauen Kaftan, das zweite Mal auf zwei
Tage, das dritte Mal auf drei, und so fort. 10) Wenn Je¬
mand des Diebstahls überwiesen wird, so ist darüber an die
Kanzelei zu rapportiren und er bis zur Resolution unter
Arrest zu geben. 11) Um desswillen sind an der Universität
fünf zu dem Zweck angefertigte graue Kaftane zu halten und
darauf zu achten, dass die Bestraften in den grauen Kaf¬
tanen ebenfalls keinerlei öffentliche Vorlesungen ver¬
säumen)).
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Schon vor der Bestätigung der «Verordnung über die Das Rectorat
Universität», nämlich im Juni, war Müller als Rector ent- nhinikow’s
lassen und Fischer von der Aufsicht über die Studenten U gp e c t a 0 s r at'
befreit, zum Rector der Universität aber Professor Kra- Moderach’s
(1750-1755).
scheninnikow ernannt worden, «und ist ihm», ist im
Protokoll vom 18. Juni hinzugefügt, «als Adjunct Herr
Moderach in der Weise beizugeben, dass er in Abwesen¬
heit des Professors, unter seiner Aufsicht, Alles ausführe,
was der Professor wünschen müsse».
Bei Einführung der neuen Regeln für die Studenten be¬
fahl Graf Rasumowski, in dem Wunsche sie zu ermun¬
tern, an die 12 Besten unter ihnen (darunter auch Ru-
mowski war) Degen zu vertheilen, was im Protokoll vom
6. September folgendermaassen vermerkt ist: «Se. Hoch-
gräfliche Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der
Wissenschaften hat geruht den untenverzeichneten akade¬
mischen Studenten (es folgen ihre Namen) für fleissiges
Lernen und gutes Betragen Degen zu verleihen, und sind
diese Degen an diesem 6. September während der öffent¬
lichen Assemblee in der Akademie übergeben worden».
Dahingegen wirkte der neue Rector der Universität
sowohl in Betreff der Professoren, als auch der Studenten
durch Maassregeln der Strenge.
Vor Allem fiel er über Müller her, dessen Unterge¬
bener er als Student während der sibirischen Reise gewe¬
sen war; um sich mit Müller’s eigenen Worten auszu¬
drücken, Krascheninnikow «hatte unter seiner Fuchtel
gestanden». Den Professoren war bestimmt worden, ihre
Lectionenam 10. September zu beginnen, und das Katheder
der Geschichte war Müller angewiesen; er weigerte sich
dessen, weil er schon 18. Jahre keinerlei Vorlesungen ge¬
halten. In Folge dessen kam am 13. September folgender
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Beschluss der akademischen Kanzelei zu Stande: «Weil für
den Professor der Geschichte nach der neugeschriebenen
Verordnung über Universität und Gymnasium vom 10. Au¬
gust dieses Jahres 1750 nach Artikel 15 angeordnet ist,
Montags, Dienstags, Mittewochs, Donnerstags und Freitags
um 12 Uhr Vorlesungen zu halten und Universalgeschichte
mit Chronologie, europäische Geschichte und politische
Geographie zu interpretiren, welche Verordnung an die Uni¬
versität und die übrigen Behörden, die es angeht, auch zur
Ausführung versandt worden ist, und den Herren Profes¬
soren am 7. dieses Septembers durch ein Memorandum er¬
öffnet worden, dass sie ihre Vorlesungen am 10. eben dieses
Septembers beginnnen sollen, hat Professor Müller auf dem¬
selben Memorandum eigenhändig verzeichnet, dass er laut
Contract von Vorlesungen in der Universität befreit sei; und
obgleich in seinem, am 20. November 1747 abgeschlossenen
Contract, im 4. Punkt in derThat geschrieben steht, dass er
von Vorlesungen befreit sei, so sollte er statt dessen das Rec¬
toramt an der Universität versehen, das er schon nicht mehr
versieht; im seihen Contract steht im zweiten Punkt ge¬
schrieben, dass er jedes Jahr je ein Buch der sibirischen
Geschichte herauszugeben hat, er hat aber seit Unterzeich¬
nung des Contracts, bisher in beinahe drei Jahren, nur
ein Buch der sibirischen Geschichte herausgegeben, und
auch dieses gewährt nicht solche Befriedigung, wie es sein
müsste, während er die Gage vom Beginn des Contracts an
voll empfangen hat; die Vorlesungen sind ihm jetzt aber
an Stelle dessen bestimmt worden, wozu er sich durch den
Contract verpflichtet hat; jetzt führt er das aber nicht aus.
In der obenerwähnten Verordnung über die Universität
steht nun, dass einige von den Universitätsprofessoren ohne
wichtige Ursachen entweder gar nicht, oder doch zu spät in
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ihre Vorlesungen kommen, wesswegen es für ein unumgäng¬
liches Bedürfniss erachtet wird, solche Säumige mit einem
Gagenabzug als Strafe zu belegen und zwar für eine Stunde
eine Tagesgage vom etatmässigen Gehalt abzuziehen. Um
desswillen wurde kraft besagter Verordnung beschlossen:
diesem Professor Müller wegen seines Nichterscheinens
auf jeder Vorlesung, vom 10. September an gerechnet, für
jede Stunde eine Tagesgage von seinem Gehalt abzuziehen,
und wofern er die Collegia nicht lesen würde, hat Professor
Krascheninnikow darüber an die Kanzelei Rapport ein¬
zureichen; dem entsprechend ist ihm, Müller, für dieses
September-Tertial die Gage ohne besonderen Befehl nicht
auszufolgen, und damit er, Müller, davon unterrichtet und
dem Willen des obersten Chefs gehorsam sei und das befoh¬
lene Werk fleissig ausführe, ist ihm das in der Kanzelei zu
eröffnen».
Müller fügte sich dieser Bestimmung nicht und wollte
keine Collegia lesen. Darauf wurde von der Kanzelei
beim Präsidenten über ihn Klage geführt, in welcher seine
verschiedenen Verschuldigungen aufgezählt wurden, die
meistentheils auf persönlicher Missstimmung einflussreicher
Personen in der akademischen Verwaltung gegen ihn begrün¬
det waren, und Graf Rasumowski degradirte den Historio¬
graphen Müller vom Akademiker zum Adjuncten. Diese
Strafe dauerte jedoch nicht lange: «Weil der Adjunct Müller»,
schrieb Graf Rasumowski am 21. Februar 1751, «nach
seinem eigenen Bekenntniss, das er in einem eigenhändi¬
gen Bittgesuch an mich vom 21. dieses abgelegt, dass er
sich der Strafe schuldig fühle, zu welcher er durch sein
Benehmen selbst Anlass gegeben, so wird ihm dieserhalb,
in der Hoffnung seiner Unentbehrlichkeit in der Akademie
und in Erwartung vieler Arbeiten von ihm, auf welche
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Ihre Kaiserliche Majestät bereits nicht geringe Kosten ver¬
wandt hat, sein früherer Professoren-Rang und Würde
wieder zurüchgegeben und ist ihm die Professorengage von
tausend Rubel im Jahr, angefangen von diesem 21. Februar,
auszuzahlen und er von allen Arbeiten zu befreien, unter
Belassung allein bei Abfassung der sibirischen Geschichte;
so viel er von derselben in deutscher Sprache geschrieben
haben wird, hat er dann zur Uebersetzung in die russische
Sprache in der Kanzelei einzureichen».
Im October 1750 beschwerte sich Krascheninnikow,
dass einige Professoren ihre Vorlesungen verabsäumten. Da¬
rüber steht Folgendes im Protokoll vom 31. October: «Nach
der neu unterschriebenen Verordnung über Universität und
Gymnasium vom 10. August dieses Jahres 1750 ist im Pa¬
ragraph 25 für das Nichterscheinen der Professoren zu den
Vorlesungen eine Strafe durch Gagenabzug festgesetzt und
zwar für eine Stunde eine Tagesgage nach dem Etat, und
in derselben Verordnung im Paragraphen 31 ist geschrieben:
weder Professoren, noch Lehrer sollen andere Feiertage
haben, ausser den vom Heilig. Dirigirenden Synod in der
dem Kalender beigegebenen Tabelle festgesetzten. Aber an
diesem 29. October rapportirt Herr Professor Krasche¬
ninnikow: der Unterricht in der Universität findet laut der
Verordnung statt, nur fehlte am 29. September der Profes¬
sor Fischer wegen des Feiertags des heiligen Erzengels
Michael nach deutschem Kalender, die übrigen Professoren
Ri chmann, Braun und Kratzenstein haben nicht gelesen;
von ihnen entschuldigte sich Richmann in einer Erklärung
vom 29. mit Krankheit, die übrigen haben wegen ihres
Fehlens keine Erklärung gegeben, und der damalige Profes¬
sor, jetzige Adjunct Müller hat während des ganzen Sep¬
tembers, vom 10. an gerechnet, keine Vorlesungen gehalten.
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Um desswillen ist in der Kanzelei der Akademie der Wissen¬
schaften beschlossen: den Professoren Fischer, Braun und
Kratzenstein (ausser Professor Rieh mann, welcher wegen
Krankheit gefehlt) eine Ordre zur Eröffnung zu schicken
und in derselben mitzutheilen, dass sie in den Feiertagen
sich nach dem russischen und nicht nach dem deutschen
Kalender richteten, und dass wenn Jemand auf den Vor¬
lesungen fehle, ohne gesetzliche Gründe mitzutheilen, dem
kraft der Verordnung, ohne irgend welche Entschuldigungen
anzunehmen, ein Abzug gemacht werden wird. Was den
Adjuncten Müller betrifft, so sind ihm kraft der Verord¬
nung für den September 13 Tage abzuziehen. Und ist um
desswegen von dieser Resolution eine Copie in die Rech¬
nungsabtheilung zu geben, damit bei der Gagenzahlung
im Verzeichniss nach dem vom Professor Krascheninnikow
eingereichten Rapport ein Vermerk gemacht werde.»
Im August 1751 machte Krascheninnikow wegen der
von den Professoren versäumten Vorlesungen eine neue Vor¬
stellung und theilte der akademischen Kanzelei mit, dass sie
dieselben nach den Ferien nicht wieder aufgenommen hätten.
Das ist im Protokoll vom 19. August folgendermaassen aus¬
einandergesetzt: «Vom vergangenen 9. Juni bis zu diesem 12.
August hat Herr Professor Krascheninnikow in Rapporten
vorgestellt: erstens, dass einige Herren Professoren im Juni-
Monat nicht auf den Vorlesungen gewesen: Fischer —
am 11., 15., 18., 25., im Ganzen fünf Tage; Braun — am
10., 11., im Ganzen zwei Tage; Rector Rothacker (Rector
des Gymnasiums) — am 7., 18., 19., 20., 28., im Ganzen
fünf Tage; zweitens: im vergangenen Juli dauerte der Unter¬
richt in der Universität bis zum Anfang der Ferien fort,
seit dieser Zeit aber hat Niemand von den Herren Professoren
seine Vorlesungen gehalten; vom 1. bis zum 12. Juli
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fehlten in ihren Obliegenheiten die Herren Professoren:
Fischer — am 3., 10. und 11., im Ganzen drei Tage;
Braun—am 1. und 2. im Ganzen zwei Tage; Kratzenstein
hielt von Beendigung seines Cursus an bis jetzt keine Vor¬
lesungen; Rector Rothacker fehlte nur einen Tag, nämlich
am 2. Juli. Warum aber diese Herren Professoren und
Rectoren gefehlt haben, die Ursachen ihres Nichterscheinens,
haben sie nicht erklärt.» Die Kanzelei beschloss: «dass ihnen
das erste Mal verziehen werde, aber in Zukunft, wenn
Jemand auf den Universitätsvorlesungen fehle, ohne eine
gesetzliche Ursache oder Krankheit anzuzeigen, wesshalb
es ihm unmöglich sei, werde Solchen wegen Ungehorsams,
kraft der von Sr. Erlaucht erlassenen Verordnung, ohne
Nachsicht ein Abzug gemacht werden».
Indessen veranlassten alle diese Drohungen und Nöthi-
gungen die Professoren nicht, ihre Obliegenheiten zu erfüllen;
so finden wir im Protokoll vom 23. September 1753 folgende
Erklärung: «an der Universität finden keinerlei Vorlesungen
statt, ausser den Vorlesungen des Professors Herrn Braun».
Mit den Studenten verfuhr Krascheninnikow in der
rohesten Weise: da er fand, dass die Einsperrung in den
Karzer und die Bekleidung mit dem grauen Kaftan sie nicht
ausreichend bessere, machte er den Vorschlag, sie vor ihren
Kameraden mit Ruthen zu prügeln, und erhielt auch die Er¬
laubnis dazu. Eine Erzählung darüber finden wir in einigen
akademischen Protokollen. So ist in das Protokoll vom
23. März 1751 Folgendes eingetragen: «Se. Hochgräfliche
Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der Wissen¬
schaften hörte den von dem Herrn Professor und Rector
der Universität Krascheninnikow in die Kanzelei der
Akademie der Wissenschaften eingereichten Rapport an, in
welchem vorgestellt wird: am 10. dieses Monats sah er
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einige Studenten, welche aus der Universität in die Kirche
entlassen worden waren, zur Zeit des Gottesdienstes auf den
Strassen sich umhertreiben, wesswegen er befahl, sie in den
Karzer zu setzen; und aus dieser Zahl ging Iwan Barkow
(ein später recht bekannter erotischer Schriftsteller, j 1768)
ohne Erlaubniss aus der Universität fort, kam zu ihm,
Krascheninnikow, mit äusserster Frechheit und Unhöf¬
lichkeit ins Haus, machte ihm sehr grobe und ärgerliche
Vorwürfe mit Drohungen, als strafe er ihn ohne Grund,
warf endlich, nachdem er ihm gesagt, er sei froh, im
Karzer zu sitzen, nur werde er über ihn schreiben, die
Thüre so zu, dass sie sperrangelweit aufsprang, und ging
dann fort; ohne sich mit dieser Frechheit zu begnügen, lief er
zu einigen von den Herren Professoren und verleumdete ihn,
den Herrn Professor, und seine Kameraden. Und wenn ihm
diese Tliat ohne Strafe durchginge, so würde das Anderen
Anlass zu grösseren Frechheiten geben, der Karzer und der
graue Kaftan, mit denen sie bestraft werden, hielten sie nicht
im Geringsten davon ab. Und in Erwägung dieser Vorstel¬
lung, dass die Studenten von der Strafe des Karzersitzens
und der Bekleidung mit dem grauen Kaftan nicht im Ge¬
ringsten von schlechten Handlungen zurückgehalten würden,
geruhte der Herr Präsident zu befehlen: den beregten
Studenten Barkow für eine solche von ihm verübte Frech¬
heit, den Anderen zur Abschreckung, vor allen versam¬
melten Studenten mit Ruthen zu streichen; und auch hinfort,
wenn Jemand von den Studenten sich eben so schlechter
Handlungen schuldig mache, ihn ebenso mit Ruthen zu
strafen, welchen Alters er auch sei. Ueber die Bestrafung
des erwähnten Studenten Barkow ist dem oben angeführten
Professor Krascheninnikow eine schriftliche Ordre zu
senden, dass er hinfort über Studenten, welche sich Frech-
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heiten schuldig machen, die einer solchen Bestrafung würdig
sind, der Kanzelei, von wo über die Verhängung dieser Strafe
Ordre zu senden sei, Vorstellung mache, ohne Wissen
der Kanzelei aber Niemanden mit dieser Strafe belege.»
Im Protokoll vom 18. Januar 1752 ist eingetragen: «Am
15. Januar dieses Jahres 1752 rapportirte Professor Kra-
scheninnikow: Am 13. Januar war befohlen worden zwei
Studenten, nämlich. Fadei Ochtenski und Peter Dobro-
tworski, dafür in den Karzer zu setzen, dass Ochtenski
spät und sinnlos betrunken in die Universität gekommen sei,
und Dobrotworski, indem er sich krank meldet, die Vor¬
lesungen nicht besuche, aber ohne Erlaubniss und Wissen fast
täglich von Hause gehe; beide erwähnten Studenten erwiesen
sich aber als ungehorsam und so frech, dass Ochtenski,
nachdem er Herrn Moderach beschimpft, sagte, er werde
den Ersten, der ihn arretiren wolle, erstechen, während
Dobrotworski sich imLazareth einsperrte und nicht in den
Karzer ging, Nachts aber von Hause ging und es unbekannt
sei, wo er gewesen. Und für solche schlechte und wider das
Commando gerichtete Handlungen besagter Studenten wurde
beschlossen: «sie den Anderen zur Abschreckung, kraft der
von Sr. Erlaucht dem Herrn Präsidenten der Akademie der
Wissenschaften eröffneten Bestimmung, in der Universität
vor allen versammelten Studenten, in Gegenwart des Herrn
Krascheninnikow und des Adjuncten Herrn Moderach,
unbarmherzig mit Ruthen zu streichen...., wenn sie aber
wieder in irgend welche Frechheiten verfallen sollten, sie
nach grausamster Bestrafung in den Matrosendienst zu
schicken». Im Protokoll vom 10. Juni 1753 steht: «Der
(Student) Jaremski ist wegen Rufens nach der Wache,
wegen Trunkenheit und Prügelei in Gegenwart aller ver¬
sammelten Studenten unbarmherzig mit Ruthen zu streichen».
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Am 12. Juli 1754 stellte die akademische Kanzelei dem
Grafen Rasumowski vor: «Professor Krascheninnikow
reichte am 20. September 1753 einen Rapport ein, dass
Bratkowski (Student) einige Nächte nicht in der Univer¬
sität zugebracht und in der Trunkenheit seinen Degen ver¬
loren, wofür er aus der Universität ausgeschlossen und in
das geographische Departement versetzt wurde, wo er einige
Tage nicht zu seiner Arbeit gekommen sei und die Krons¬
uniform vertrunken habe, wofür er mit Ruthen gestrichen
und geraume Zeit unter Arrest gehalten wurde». Ausser¬
dem verfiel Krascheninnikow auf den Gedanken, den
Studenten, welche sich versündigt hatten, die Uniformen
und Mäntel wegzunehmen, was im Protokoll vom 23. Sep¬
tember 1752 folgendermaassen dargelegt ist: «Herr Profes¬
sor Krascheninnikow rapportirte: Am 16. dieses Sep¬
tembers sei ihm vom Adjuncten Herrn Moderach mitge-
theilt worden, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. c. ein
Streit zwischen den Studenten Polidorski und Ochtenski
stattgefunden habe, welche, wie man denken könne, betrunken
waren; indessen sei der Urheber des Streits Polidorski
gewesen, weil er Ochtenski, der schon im Schlaf war, eine
Ohrfeige gegeben; ihm, dem Professor, sei befohlen worden,
über solche Fälle schriftlich zu berichten, und ausserdem
bitte er, Polidorski aus der Universität auszuschliessen,
weil er keine Vorlesungen besuche und nur durch sein
schlechtes Leben die Anderen verderbe. Für die Studenten,
welche häufig der Trunkenheit und anderer Laster über¬
führt werden, werde es seiner Meinung nach eine empfind¬
lichere Strafe sein, wenn ihnen bis zur Besserung die Uni¬
formen und Mäntel weggenommen werden. Je unzureichen¬
der sie mit Kleidung versehen wären, um so rascher würden
sie zuversichtlicher Weise sich bessern, denn er habe bemerkt,
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dass der Karzer zu ihrer Besserung nicht ausreiche. Wenn die
Kanzelei das approbire, so bitte er, ihm einen Befehl oder
eine Ordre desshalb zu ertheilen. Auf Grund dieses Rapports
des Professors beschloss die Kanzelei der Akademie der Wis¬
senschaften: den Studenten Polidorski, welcher sich jetzt
im geographischen Departement befindet, aus der Universität
auszuschliessen und ihn unter keinerlei Vorwand wieder dort
zuzulassen, dafür aber, dass er sich so schlechter Handlungen
schuldig gemacht, ihm die Gage zu vermindern.... Was das
Verfahren mit den übrigen Studenten aniangt, so soll Herr
Professor Krascheninnikovv sie nach Prüfung ihrer Ver¬
schuldung, kraft der Bestimmung Sr. Hochgräflichen Erlaucht
des Herrn Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, mit
Ruthen, mit Karzerhaft strafen, desgleichen auch, wie er vor¬
gestellt hat, ihnen die Uniformen und Mäntel wegnehmen».
Obgleich alle diese, für die Studenten erniedrigenden Be¬
strafungen im Namen des Präsidenten der»Akademie bestätigt
wurden, lässt sich doch annehmen, dass Graf Rasumowski
nicht mit ihnen sympathisirte und einen besseren Begriff
von der Jugend hatte. «Tn Betreff der Studenten und ihres
Studiums», schrieb er am 1. August 1751 an Schumacher
aus Gluchow, «wollen Sie so viel Eifer als möglich aufwenden,
weil dieses Institut die beste Frucht der akademischen Ar¬
beiten ist. Wenn keine Professoren aus ihnen werden, so
können aus ihnen gute und pünktliche Uebersetzer oder
Gymnasiallehrer der lateinischen Sprache für die ersten Clas-
sen werden. Was ihre Unarten im Leben betrifft, so muss man
darin, in Erwägung ihrer jungen Jahre, nicht ganz verzwei¬
feln und sich so viel als möglich um ihre Besserung mühen, da
schon nicht geringeUnkosten undZeit an sie verloren worden».
Hinsichtlich der Studien der Studenten wurden unter
Krascheninnikow einige Anordnungen getroffen. Bestätigt
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wurde der von Müller eingeführte Unterricht derselben
in den neuen fremden Sprachen, aber nicht — was sich als
unpraktisch erwiesen hatte — im Gymnasium, wie früher,
sondern bei besonderen Lehrern. Das Protokoll vom 15. Juli
1751 legt das wie folgt dar: «Am 9. Juli stellt der Professor,
Rector der Universität und Inspector Gymnasii Herr Kra-
scheninnikow in einem Rapport vor: Da für die Studenten
die Nothwendigkeit vorliegt, die deutsche und französische
Sprache zu erlernen, was sie auch selbst wünschen, sollte
es da nicht für genehm befunden werden, weil sie des Mor¬
gens, durch die Vorlesungen der Professoren beschäftigt,
nicht in die Classen (nämlich des Gymnasiums) gehen kön¬
nen, des Nachmittags aber im Gymnasium kein Sprachunter¬
richt stattfindet, in den erwähnten Sprachen besondere Lehrer
für sie ausfindig zu machen oder den akademischen Infor¬
matoren, welche dazu befähigt sind, unter Verhcissung einer
Entschädigung, zu befehlen, sie des Nachmittags zu unter¬
richten. Und weil die akademischen Lehrer Ko sh in in der
deutschen Sprache, Sougis in der französischen Sprache
(beide waren Gymnasiallehrer) Lust haben den Unterricht
solcher Studenten zu übernehmen und nach Citation in die
Kanzelei erklärten, dass ihnen für diesen Unterricht, als
über ihr Amt hinausgehend, eine schickliche Entschädi¬
gung gegeben werde und die Stunden festgesetzt werden
mögen, so wurde um desswillen beschlossen: Koshin — für
die deutsche Sprache, Montags und Donnerstags je zwei
Stunden, die fünfte und die sechste, Sougis — für die
französische Sprache, Mittwochs und Freitags dieselben Nach¬
mittagsstunden, anzustellen und ihnen für diese überzählige
Arbeit ausser ihrer Gymnasialgage Jedem je sechs Rubel im
Monat zu geben ...., wie aber diese Informatoren bei dem
Unterricht der Studenten verfahren werden und ob mit
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gutem Erfolge, darüber hat der Universitätsprofessor, Rec¬
tor und Inspector Gymnasii Krascheninnikow allmonat¬
lich an die Kanzelei zu rapportiren». Krascheninnikow
hatte ferner bemerkt, dass die Mehrzahl der Studenten
in der russischen Sprache schwach sei, und hielt es für noth-
wendig, sie in russischen Aufsätzen und Uebersetzungen zu
üben, was er selbst übernahm. Im Protokoll von demselben
15. Juli wird gesagt. «Am 8. Juli c. stellte der Professor,
Rector derUniversitätundlnspectorGymnasiiHerrKrasche-
ninnikow in einem Rapport an die Kanzelei vor: Weil er
beobachtet habe, dass der grösste Tlieil der Studenten besser
Latein als Russisch schreibe und obgleich er einen latei¬
nischen Autor vollständig verstehe, seine Kraftstellen doch
nicht in der Muttersprache wiedergeben könne, möge es für
gut befunden werden, diese Studenten einige Stunden in der
Woche im russischen Styl und in Uebersetzungen zu unter¬
richten; weil aber Niemand da sei, der zu diesem Amt bestellt
werden könne, so übernehme er, Herr Krascheninnikow,
freiwillig den Unterricht im russischen Styl und in Ueber¬
setzungen, Montags und Freitags, die neunte und zehnte
Stunde. Desswegen wurde beschlossen: dass er, der Herr
Professor, im russischen Styl und Uebersetzungen zu den
angegebenen Tagen und Stunden Unterricht .ertheile». Auch
Tanzunterricht wurde eingeführt, «welcher für sie unumgäng¬
lich nöthig ist, damit sie verständen, in welcher Weise sie
sich unter den Leuten zu zeigen haben»; «um desswillen»,
heisst es im Protokoll vom 10. October 1750, «ist zum Nutzen
der Studenten und Gymnasiasten und zum Ruhm der Aka¬
demie ein geschickter Tanzlehrer ausfindig zu machen, dem
im neuen Catalog zwei Tage wöchentlich zu geben sind».
Anfangs wurde der Tanzlehrer des adligen Cadettencorps
Nesterow aufgefordert, bald ersetzte man ihn aber durch
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den Hoftanzmeister Litrow. Die Studenten beschäftigten
sich auch mit einander, einige von ihnen fuhren fort ihren
Kameraden Vorlesungen zu halten. Die besten von den Stu¬
denten hatten die Erlaubniss den Professorenconferenzen
beizuwohnen, «hinter den Sesseln zu sitzen und ihre (der
Professoren) Gespräche zu gemessen», wie im Protokoll vom
12. December 1750 gesagt ist.
Im Januar 1753 wurden die Vorträge unter den Pro- Die Verthei-
fessoren und Studenten in folgender Weise vertheilt: 1) «Herr lu ° r lge r im° r
Krascheninnikow hat einige der Studenten der ersten Jahre 1753-
Classe auszuwählen, welche den Studenten der unteren Classe
in ihrer Wissenschaft Vorlesungen halten könnten; 2) Herr
Professor Braun hat der ersten Classe philosophische Vor¬
träge zu halten und die Geschichte der Philosophie fortzu¬
setzen; dagegen haben sie (d. h. die Studenten der ersten
Classe) die anderen Studenten in den ersten Grundlagen der
Philosophie zu unterweisen; 3) Herr Professor Fischer
hat den Plautus mit denen zu lesen, die sich hauptsächlich
für die Humaniora und die Poesie bestimmt und schon gute
Fortschritte in der lateinischen Sprache bewiesen haben, die¬
jenigen aber, die in dieser Sprache nicht so befriedigend sind,
oder zu den erwähnten Wissenschaften Lust haben, sollen den
Styl der lateinischen Sprache beim Rector Herrn Rothacker
in seiner Classe (d. h. im Gymnasium) so lange lernen, bis
es für ihre Absicht genügend ist; 4) bei dem gegenwärtigen
Zustand der Akademie ist es den Studenten unmöglich sich
der Medicin zu widmen, denn die Herren Professoren der
anderen Classe, in welcher gewöhnlich auch Mediciner sind,
kann man unmöglich als Aerzte ansehen, ausser dem Ana¬
tomen; aber dieser hat keine Lust Vorlesungen in der Me¬
dicin zu halten, wozu er kraft seines Contractes nicht ver¬
pflichtet zu sein meint; 5) der Professor HerrKraschenin-
Beiträge z. Kenntniss d. Basa. Reiches. Dritte Folge. 13
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nikow hat einen der Studenten, welcher in der Ueber-
setzung geschickter als die anderen ist, auszuwählen und ihn
in die Stenger’scheClasse (die Conrectorclasse im Gymna¬
sium) zu designiren, damit er mit ihm, Stenger, zusammen
arbeite und die Schüler in der russischen Uebersetzung un¬
terrichte». Diese Vertheilung der Vorlesungen wurde indess
in Wirklichkeit nicht ausgeführt, und einige Monate später
fanden überhaupt keine Vorlesungen statt.
Im Januar 1753 wurden alle 20 Studenten einem Examen
unterzogen. Sieben von ihnen wurde zuerkannt, dass sie
den Cursus beendigt hätten, darunter auch Rumowski.
Die Akademie fand, dass von den Ausstudirten diejenigen,
die sich den mathematischen und physischen Wissenschaften
widmen, zu Adjuncten, diejenigen aber, welche sich den phi¬
losophischen Wissenschaften und der Literatur zu widmen
gedenken, zu Magistern ernannt werden können. Lange traf
die Erlaubniss dazu vom Präsidenten nicht ein; im Septem¬
ber reichte Krascheninnikow von Neuem ein Gesuch dess-
wegen ein, und erst im December wurde endlich die Einwilli¬
gung des Grafen Rasumowski eröffnet. «Am 18. dieses
Decembers ist mit einer Ordre von Sr. Hochgräflichen Er¬
laucht das Gutachten der Kanzelei hierher zurück einge¬
troffen, auf welchem Se. Hoch gräfliche Erlaucht seine Ap¬
probation zu unterzeichnen geruht hat, mit der Raison, dass
dasselbe mehr mit dem akademischen Reglement überein¬
stimmt, nach welchem die Kanzelei zu verfahren hat. Um
desswillen ist in Ausführung des Befehls Sr. Hochgräflichen
Erlaucht an diesem 23. December befohlen worden, die
Studenten Barssow, Jaremski (in der Zwischenzeit
zwischen seiner Vorstellung und Bestätigung, im Juni hatte
derselbe, wie oben bemerkt, Ruthen bekommen), Popowski
und Konstantinow zu Magistern zu ernennen, Ssofronow
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aber undRumowski zu Adjuncten; und ist jetzt kraft dieses
Befehls Sr. Hochgräflichen Erlaucht beschlossen worden:
dass die Studenten Grigorij Pawinski und Iwan Fedorowski
bei der Uebersetzung gelehrter Angelegenheiten angestellt
werden, Michael Stadinski aber im Gymnasio anstelle des
Studenten und gegenwärtigen Magisters Barssow Lehrer in
der arithmetischen Classe sei».
Im Jahre 1759 wurde Ssofronow vom Adjuncten zum
Studenten degradirt. Darüber ist im Protokoll Folgendes
vermerkt: «Am 1. September 1759 befahl die Kanzelei der
Akademie der Wissenschaften auf Befehl Ihrer Kaiserlichen
Majestät: den Adjuncten Michael Ssofronow wegen seines
ganz maasslosen Saufens, welchem er sich seit langer Zeit
hingiebt und das er nach mehrfacher Mahnung nicht lässt,
wodurch er der Akademie nicht nur Schande macht, sondern
selbst Ehrlosigkeit, aus der Zahl der Adjuncten auszu-
schliessen, bis er sich bessert und das unordentliche Betragen
aufgiebt, und ihn unter die Studenten mit einer Gage von
hundert Rubel im Jahre einzuschreiben und dies dem Sso¬
fronow mit der allerstrengsten Einschärfung, dass er das
Saufen lasse und sich unter Befürchtung grösserer Strafe
ordentlich aufführe, zu eröffnen».
Inzwischen hatte zu Ende des Jahres 1753 in der obersten
Classe des Gymnasiums ein Examen stattgefunden und waren
auf Vorstellung Krascheninnikow’s acht Gymnasiasten als
Studenten in die Universität aufgenommen worden, darunter
Poljenow (der künftige Jurist). «Sie verstehen so viel
Deutsch», schrieb Krascheninnikow, «dass sie ein Buch
verstehen und sprechen können, sie kennen die Arithmetik,
die Geometrie, die Trigonometrie und einen Theil der For-
tification, haben in der geometrischen Praxis und im Forti-
ficationszeichnen eine ansehnliche Kunstfertigkeit, wie aus
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den vorgelegten Plänen und den jetzt mitgetheilten Zeich¬
nungen zu ersehen ist; die lateinische Sprache aber kennen
sie fast ebenso, wie sie die in verschiedenen Städten ausgeho¬
benen Studenten kannten, welches Namens die Gymnasiasten
um so würdiger sind, als die Ausgehobenen ausser der ge¬
ringen Grundlage in der lateinischen Sprache sonst nichts
verstanden».
Ausser ihnen bezeichnete Krascheninnikow noch
einige Schüler des Gymnasiums, welche in kurzer Zeit in
die Universität aufgenommen werden könnten. «Was aber die
übrigen Schüler anlangt», fügte er hinzu, «so bieten sich
nach einem halben Jalir oder höchstens nach einem Jahr
bis 15 Mann und mehr dar, die zu Studenten tauglich sind».
Einige von ihnen wurden vorläufig unter Belassung im Gym¬
nasium zu Studenten erhoben, im Grunde zur Yergrösserung
ihrer Gage, denn der Student erhielt mehr an sogenannter
Gage als der Gymnasiast. Unter Berufung darauf fing man
an, auf derselben Grundlage auch von aussen her Leute ins
Gymnasium aufzunehmen, d. h. man nannte solche Gymna¬
siasten Studenten. So hat sich z. B. folgendes Document er¬
halten. «Am 1. April dieses Jahres 1755 bat der Kleinrusse
Fedor Koselski in einer der Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften eingereichten untertänigsten Bittschrift um
seine Aufnahme in die akademische Universität als auf Gage
stehender Student, und ist derselbe in der akademischen und
historischen Conferenz in seinen Wissenschaften geprüft
worden und erwies sich als für die Universitätsvorlesungen
unzureichend und mit denen gleichstehend, die im Jahre 1753
befohlen wurde zu Studenten zu erheben und die noch jetzt
imGymnasio unterrichtet werden; um desswillen wurde ihm,
Koselski, von der Kanzelei eröffnet: wenn er imGymnasio
unterrichtet zu werden wünsche, so wird er in die Akade-
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mie ernannt werden; darauf erklärte er, dass er im Gym-
nasio unterrichtet zu werden wünsche, wenn er nur zum
Studenten mit einer Gage, wie die Studenten erhalten, er¬
nannt würde. Desswegen wurde beschlossen: dass besagter
Kleinrusse FedorKoselskiStudent sein und im akademischen
Gymnasio fremde Sprachen und andere Fächer lernen solle, und
dass ihm Ihrer Kaiserlichen Majestät Gage im Verhältniss zu
den oben erwähnten Studenten mit 42 Rubel auszuzahlen sei».
Am 25. Februar 1755 starb Krascheninnikow, und
Universität und Gymnasium wurden dem Adjuncten Mo¬
der ach «zur Aufsicht an vertraut».
In der Universität fanden längst keine Vorlesungen mehr Die Verthei-
statt. Im 6. Punkt der vom Grafen Rasumowski am 111 “^^^ 0 "
13. Februar 1757 der akademischen Kanzelei gegebenen Jahre 1757-
Instruction heisst es. «Weil seit langer Zeit kein einziger
Professor in der Universität Vorlesungen hält und die aka¬
demischen Studenten sich ohne allen Unterricht befinden,
ist um desswillen in der allgemeinen Conferenz der Aka¬
demiker und Professoren ein Catalog der -Vorlesungen auf¬
zustellen, in welchem zu bestimmen ist, an welchen Tagen in
der Woche und zu welchen Stunden jeder der zur Universi¬
tät gehörenden Professoren Vorlesungen im Univertätshause
halten solle. Das Gleiche ist auch von den Akademikern zu
verstehen, die den ihnen zugeordneten Studenten gleicher-
maassen ordentliche Vorlesungen halten und ihnen jegliche
Anweisung und Unterricht geben sollen.Besagter Catalog aber
ist zuerst mir zur Approbation zu schicken, und vom ersten
Mai dieses Jahres an haben die erwähnten Vorlesungen un¬
abänderlich anzufangen. Ueber solche Akademiker und Pro¬
fessoren, welche darin ihre Pflicht nicht erfüllen und sich
auf solche Weise dem Reglement und meiner Resolution
widersetzlich erweisen werden, ist mir zu rapportiren und
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ist ihnen inzwischen von der Kanzelei die Gage nicht aus¬
zuzahlen».
Indem die Kanzelei dem Grafen Rasumowski die Ver¬
keilung der Vorlesungen vorstellte, schrieb sie: «1) Ueber
Herrn Professor Braun. Weil der grösste Theil der zu den
Professorenvorlesungen bestimmten Studenten die früheren
Theile der Philosophie, vor demjenigen, welchen derHerrPro-
fessor Braun jetzt anzufangen und fortzusetzen gesonnen
ist, noch nicht gehört hat, sollte es da nicht genehm sein,
den Befehl zu geben, dass er von Neuem den Cursus der
Philosophie anfange, denn es ist wahrscheinlich, dass
wegen langen Ausfalls der Vorlesungen auch die älteren
Studenten viel davon, was sie gehört, vergessen haben.
2) Von Herrn Fischer, dass er die ihm aufgetragene Abfas¬
sung eines Extractes aus der sibirischen Geschichte wie
früher fortsetze, aber statt über Alterthüraer Vorträge über
Beredsamkeit halte und dabei den Studenten allerlei häus¬
liche Ausarbeitungen aufgebe und dazu eben so viel Stunden
verwende wie die übrigen Universitätsprofessoren. 3) Von
Herrn Straube, dass er statt der bürgerlichen Rechte zu¬
erst anfange die Naturrechte zu interpretiren. 4) Von Herrn
Tredjakowski, dass er von Vorträgen zu befreien und
statt dessen ausschliesslich zu Uebersetzungen zu verwenden
sei, oder dass ihm, wenn er Vorträge halten solle, die Inter¬
pretation der Alterthümer und der neuen Geschichte aufgetra¬
gen werde, die er auch in russischer Sprache vortragen könne.
5) Von Herrn Popow, dass er einen astronomischen Cursus
in russischer Sprache anfange, damit ausser unseren Studenten
auch Zuhörer aus anderen Anstalten, wie aus der Marine-
Akademie und aus dem Cadettencorps, seines Unterrichts ge¬
messen könnten. 6) Von Herrn Zeiger, dass er, gemäss sei¬
ner Kunstfertigkeit im Gebrauch von Instrumenten und da die
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Experimentalphysik einen nicht geringen Theil der Mecha¬
nik einschliesst, während der sommerlichen Hälfte des Jah¬
res zweimal wöchentlich die erwähnte Experimentalphysik
demonstrire». Graf Rasumowski bestätigte diese Vorstel¬
lung. Im September desselben Jahres wurden diese Vorträge
durch eine Vorschrift der akademischen Kanzelei ergänzt:
1) «Herrn Epinus, dass er den Studenten Vorträge nach de r
abgekürzten Wolffschen Experimentalphysik halte. 2) Herrn
Zeiger, dass er nach Krafft’s Experimenten Vorträge
halte, denn nach diesen Büchern sind früher von hiesigen
Professoren Vorträge gehalten worden und die angemesse¬
nen Instrumente sind für dieselben in Bereitschaft. Welche
Instrumente aber als Ergänzung erforderlich seien und was
zu repariren nöthig sei, darüber ist nach Durchsicht der¬
selben in der Kanzelei ein Rapport einzureichen. 3) Herrn
Ssalchow, dass er mit dem Laborator Klementjew
zusammen chemische Experimente mache. Dass aber die
Studenten diese Professoren zu den Vorträgen besuchen,
dazu hat sie Herr Adjunct Moderach anzuhalten.
Die Disciplinarmaassregeln in Betreff der Studenten än¬
derten sich nicht, nur kam eine neue hinzu; man begann
die Studenten zu Gymnasiasten zu degradiren, mit dem
Zweck ihr Stipendium zu vermindern, jedoch mit der Ver¬
bindlichkeit wie früher die Vorträge der Professoren zu
hören. So finden wir im Protokoll vom 17. November 1757:
«Es wurde beschlossen: die Studenten Wedenski und Te-
rentjew wegen ihrer oben beschriebenen Frechheiten (Trun¬
kenheit und Unfug) bis auf weitere Erwägung, wie sie sich
als gebessert erweisen werden, mit einem Gagenabzug um
die Hälfte des Betrages, so dass Wedenski nur 1 Rubel
75 Kopeken, Terentjew je 3 Rubel monatlich vom 1. dieses
Novembers an auszuzahlen sind, unter die Schüler des Gym-
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nasiums einzuschreiben und sie vor allen versammelten Studen¬
ten mit Ruthen unbarmherzig zu prügeln...., und haben sie
mit den übrigen Studenten wie früher die Professorenvor¬
lesungen zu besuchen und niedriger als Alle zu sitzen. Damit
sie sich aber von Trunkenheit und schlechten Handlungen in
Zukunft zurückhielten, ist ihnen aufs Strenste einzuschärfen,
dass sie, wenn sie sich irgend wie schuldig erweisen soll¬
ten, ohne irgend welche Rücksicht und Nachsicht auf ewig
in den Matrosendienst verschickt werden».
Nach erhaltengebliebenen Mittheilungen waren in derUni-
versität: 1751—18 Studenten, 1752—20, 1753—8, 1758
—16. Es ist unmöglich, nicht mit Lomonossow übereinzu¬
stimmen, dass «an der Akademie der Wissenschaften nicht nur
keine eigentliche Universität existirte, sondern nicht einmal
das Bild oder das Gleichniss einer Universität zu sehen war».
Die Ueber- Am 21. März 1758 vertraute der Präsident die Ver-
derüniver 8 - waltung der Universität Lomonossow an. «Kraft des allge-
Verwahung rae i nen ^ e gl eraen ^ s undnachmeinerBestimmung», schriebGraf
Lomonos- Rasumowski, «sind die verschiedenen akademischen Depar-
8 °— 1765 )^ 8 tements zur besonderen Beaufsichtigung unter die Herren
Kanzeleimitglieder vertheilt worden, unter welchen die die
Wissenschaften betreffenden Angelegenheiten dem Herrn Col-
legienrath Lomonossow anvertraut sind». Zu gleicher Zeit
trug Graf Rasumowski auf Lomonossow’s Initiative ihm
auf, Projecte zu Statuten (Reglements) für die Universität und
das Gymnasium zu entwerfen. Die von ihm verfassten Pro¬
jecte wurden 1759 einer aus Akademikern und Professoren,
Müller, Fischer, Braun und Moderach, bestehenden
Commission zur Durchsicht übergeben; aber ohne ihre Be¬
schlussfassung und Bestätigung dieser Projecte abzuwarten
(die auch niemals erfolgt ist), wurde Lomonossow anheim¬
gestellt, sie einzuführen. Ihm fiel das um so leichter, als im
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Jahre 1760 der Präsident ihm die Universität völlig zur Dis¬
position stellte. «Weil ich in Folge verschiedener "Versuche
eingesehen habe», schrieb Graf Rasumowski im Januar
1760 der akademischen Kanzelei, «dass der Einrichtung und
Ordnung und besonders der Abfassung von Reglements des
Gymnasii und derUniversität aus derUneinigkeit der verschie¬
denen Meinungen, ferner auch der gehörigen Entfaltung dieser
Departements eine Verzögerung erwächst und schon viele
Jahre ohne den Erfolg und Nutzen verflossen sind, die ge¬
rechter Weise erwartet werden mussten; und weil ausser¬
dem die Summe, welche für die Universität ausgesetzt ist,
bis jetzt grösstentheils auf andere Ausgaben verwandt
worden ist, so dass das akademische Commissariat der Uni¬
versität schon viele Tausende schuldig geworden ist, so
gab ich um desswillen im verflossenen Jahre 1758 dem Herrn
Collegienrath Lomonossow Ordre, dass er Reglements für
die Universität und das Gymnasium verfasse, welche er ver¬
fasst hat und welche auf meine Ordre zur allgemeinen Prüfung
und um mir zur Approbation überreicht zu werden, an die
Kanzelei übergeben worden sind. Da ich aber noch sehe,
dass diese Angelegenheit durch uneinige Meinungen Aufent¬
halt erleidet und Herr Lomonossow mittlerweile nach
dem von ihm verfassten Reglement das Gymnasium, mit
meiner Erlaubnis handelnd, durch seinen Eifer in einen
viel besseren Zustand wie früher versetzt hat, vertraue ich
desswegen, laut der mir von Ihrer Kaiserlichen Majestät
übergebenen Machtbefugnis, die Einrichtung und Ordnung
der Universität und des Gymnasiums, auf Grund der von
ihm verfassten Reglements, einzig dem Herrn Rath Lomo¬
nossow allein an, indem ich mich auf seine Kenntniss und
seinen Eifer verlasse, dass er mit allem Fleiss und Eifer,
gemäss der Pflicht eines Sohnes des Vaterlandes handeln
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werde, bis er jene beiden Departements in einen blühenden
Zustand gebracht haben wird. Und demgemäss hat die aka¬
demische Kanzelei ihm bei Erfüllung dieser ihm allein auf¬
erlegten Obliegenheit alle Willfährigkeit zu erweisen, damit
in diesem für das Wachsen der Wissenschaften im Vater¬
lande so notliwendigen Werk kein weiterer Aufenthalt statt¬
finde und damit insbesondere die für die Universität aus-
gesetzten Summen nicht nur nicht auf irgend welche andere
Ausgaben verwandt werden, sondern auch die Restantien
im Fall des Bedürfnisses der erwähnten Institution in Raten
aus der akademischen Etatsumme oder aus den Bücher¬
läden in verschiedenen Terminen auszuzahlen sind, so dass
die Ausgabe für die Universität in zwölf Jahren mit den
übrigen Departements im Verhältnis des Etats ins Gleich¬
gewicht komme. Besagter Herr Lomonossow hat mir nach
jedem Tertial über die ganze Entwickelung dieser Angele¬
genheit zu rapportiren, damit ich den Lauf und Erfolg die¬
ses Werks sehen kann».
Lomonossow bestand nicht allein darauf, dass die ganze,
für die Universität und das Gymnasium ausgesetzte Summe
zur Auszahlung gelangte, sondern erwirkte auch im Jahre
1760 eine Vergrösserung derselben um 5000 Rubel; seit
dieser Zeit wurden nämlich statt der früher assignirten
10,300 Rubel, 15,248 Rubel für dieselben festgesetzt.
Im selben Jahre 1760 wurde auf seine Vorstellung die Zahl
der auf Kronskosten unterhaltenen Studenten um 10 Mann
vermehrt (statt 20 wurde bestimmt 30 zu unterhalten), und
alle wurden sie in Nahrung und Kleidung vollständig auf
Kronsunterhalt genommen, unter Anweisung von 100 Rubel
im Jahr für Jeden. Das Gymnasium und die Universität
wurden aus dem Hause des Dreifaltigkeitsklosters fortge¬
bracht, das Haus der Stroganow’s im Jahre 1764 für sie
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gekauft und in diesem Hause auf Lomonossow’s Dringen
nicht die verschiedenen akademischen Institute placirt, son¬
dern diesen beiden Lehranstalten das ganze Haus eingeräumt.
«An diesem 13. September», heisst es im Protokoll, «befahl
Se. Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der Wissen¬
schaften, Graf Kirill Grigorjewitsch Rasumowski, in der
vollen Sitzung der Mitglieder der akademischen Kanzelei,
das für die Akademie angekaufte Haus der Stroganow’s,
um der in der Vorstellung des Staatsraths Lomonossow
verzeichneten Raisons willen, für die Universität und das
Gymnasium zu bestimmen und darüber eine umständliche
Resolution zu erlassen. Die in besagter Vorstellung des Herrn
Lomonossow angeführten Raisons aber, um welcher willen
jenes Haus für das Gymnasium und die Universität erforder¬
lich und unumgänglich nothwendig ist, sind folgende: l)dass
wegen der Nähe der Akademie die Hauptcommandeure über
diese beiden Departements eine bequemere Aufsicht haben
können; 2) dass das Dreifaltigkeitsklosterhaus sehr eng und
von der Akademie abgelegen ist, was der Aufsicht und dem
Lesen der Collegia hinderlich ist; 3) dass selbiges Klosterhaus
sehr verfallen ist und im anbrechenden Winter die Univer¬
sität und das Gymnasium dort unmöglich bleiben können».
Die Studenten wurden erst nach demTodeLomonossow’s,
nämlich im September 1765 in das neu angekaufte Haus
übergeführt. Im Protokoll vom 13. September steht ge¬
schrieben: «Aus dem Hause des heiligen Ssergiew’schen Drei¬
faltigkeitsklosters sind sowohl die Studenten, als auch die
dort befindlichen Gymnasiasten, ausser den zur Entlassung
bestimmten, mit ihren Classen in das Stroganow’sche Haus
überzuführen und die Studenten im mittleren Appartement,
die Gymnasiasten im unteren, die Classen aber im Flügel
einzuquartieren».
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Die von Lomonossow verfassten sogenannten Regle¬
ments für die Universität und das Gymnasium haben sich nicht
erhalten; geringe Spuren derselben sind nur in den Entgeg¬
nungen des Akademikers Fischer übrig geblieben, welcher
sich wider die Zulassung von Personen, die in die Kopfsteuer¬
register eingetragen waren, in diese Lehranstalten erhob, den
Grund zu einer Yergrösserung der Zahl der von der Krone un¬
terhaltenen Gymnasiasten und Studenten nicht einsah und die
für den Gymnasialcursus, insbesondere für die lateinische
Sprache angewiesene Zeit für unzureichend hielt. Auf alle
diese Einwände antwortete Lomonossow in folgender, mit
äusserster Erbitterung geschriebener Replik: «Se. Erlaucht
der Herr Präsident der Akademie der Wissenschaften hat,
wohl wissend, wie grosse und nutzlose Uneinigkeiten und
lärmende Verhandlungen in den akademischen Conferenzen
stattgefunden haben, als er kraft des akademischen Regle¬
ments befohlen hatte, in den Professorenconferenzen ein
Reglement für das Gymnasium und die Universität aufzu¬
stellen, geruht, dem Herrn Collegienrath Lomonossow die
Abfassung desselben anzuvertrauen, damit in Folge unbe¬
gründeter und parteiischer Mittel nicht darin wie früher
Hindernisse und Verlust von Zeit erfolgen, in welcher die rus¬
sische Jugend einer guten Einrichtung beider genannten De¬
partements geniessen könnte. So hat er denn nach den besten
Beispielen von Universitäten und Gymnasien und angemessen
der Würde unseres Vaterlandes, mit möglichstem Eifer und
Aufmerksamkeit solche Reglements verfasst und sie Sr. Er¬
laucht vorgestellt, welche auf Ordre Sr. Erlaucht den übrigen
Mitgliedern in der Kanzelei befohlen worden, gemeinsam
mit ihm, dem Herrn Rath, durchzusehen; auf den Rath der¬
selben wurde ausserdem befohlen, dass die Herren Professoren
Müller, Fischer, Braun und Moderach Bemerkungen
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zu denselben Reglements machen sollten. Besagte Herren
haben auf die ihnen aus der Kanzelei der Akademie der
Wissenschaften ertheilten Befehle Folgendes gethan: Herr
Müller hat durch einen Rapport über die von ihm früher
verfassten, eben solchen Reglements geantwortet; die Herren
Braun und Moderach haben in richtiger und würdiger
Weise Bemerkungen eingereicht, von denen einige der Auf¬
merksamkeit werth sind. Herr Fischer hat, obgleich er auch
taugliche Bemerkungen eingereicht hat, sich nicht so sehr
um wahrhaft nützliche Verbesserungen oder Zusätze bemüht,
als bei vielen Punkten Gelegenheit gesucht, grobe und
beissende Spöttereien anzubringen, von denen hier einige
Beispiels halber beigefügt werden: 1) Erstens ist es der
Verwunderung werth, dass Herrn Fischer, als Einem, der
Latein versteht, nicht Horatius und andere gelehrte und ange¬
sehene Leute in Rom in den Sinn gekommen sind, welche aus
der Sclaverei Freigelassene waren, wenn er so verächtlich die
freigelassenen Leibeigenen der Gutsbesitzer vom Gymnasio
zurückweist. Er hat sich dessen nicht erinnert, dass sie in
Rom nicht nur in den Schulen mit den jungen Edelleuten,
sondern auch mit deren Vätern an einem Tische sassen, mit
den Herrschern bei Vergnügungen Gemeinschaft pflogen
und in angesehenen Geschäften Vollmacht hatten. Von
solchen und neuerlichen Beispielen wollte er offenbar nichts
wissen. Indessen durfte er durchaus nicht übersehen, was
im § 4 des Gymnasialreglements vom Dienst der Edelleute
in der Armee zusammen mit früheren Leibeigenen ge¬
schrieben ist. Aber ohne bei diesem Punkte seiner übrigen
leeren und höhnischen, überflüssigen Abschweifungen zu ge¬
denken, kann ich den Tadel gegen die russischen Edelleute
nicht mit Stillschweigen übergehen, die er — in einer Be¬
hörde und noch dazu schriftlich — im Allgemeinen unauf-
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geklärt oder ungelehrtes Volk nennt, ohne zu erwägen, durch
wie vielFürsorgePeter’sund seinerNachfolger,und besonders
gegenwärtig, der russische Adel Aufklärung erworben hat.
2) Sechzig Gymnasiasten und dreissig Studenten erachtet er
für eine überflüssige Last für den Fiscus und fragt um so
mehr: wohin soll man mit ihnen? Hat er dafür Sorge zu
tragen? Ihm war befohlen das Reglement zu prüfen, nicht
den Etat. Ist es etwa seine Sache über die akademische
Summe zu verfügen? Und hat er danach zu fragen, wohin
man mit den Gymnasiasten und Studenten solle? DafürSorge
zu tragen, giebt es auch ohne ihn welche. Wir wissen auch
ohne ihn, wozu man in anderen Staaten solche Leute gebraucht,
und gleichfalls, wozu man sie in Russland gebrauchen kann.
Das ist ein klarer Beweis seiner Unaufmerksamkeit in Betreff
der Prüfung des Reglements und dass er sich bloss bemüht
hat in Erwägungen einzutreten, wo er sich zur Erweisung
seines Spottes anhäkeln könnte. 3) An vielen Stellen hat er
den Sinn schlecht verstanden und an manchen nutzlos falsche
Schlussfolgerungen gemacht und zum Stoff selbst und der
directen Sache nicht gehörige Spässe angeführt. Zum Bei¬
spiel sind die Examina und Versetzungen in den Classen für
jedes Jahr zweimal angesetzt und aus der obersten Classe
unter die Studenten einmal (wo er fälschlich hinzugeschrieben
hat, als ob auch die Versetzung aus der obersten Classe zu
den Studenten zweimal stattfände). Ferner ist beabsichtigt
in der obersten Classe kurze Grundlagen der Beredsamkeit,
der Philosophie, der Universalgeschichte zu lehren und latei¬
nische Autoren zu interpretiren und ist Alles nach Maassgabe
einer Jahresfrist vertheilt, so dass ein junger Mensch von
scharfem Verstände in dieser Zeit sich einen guten allge¬
meinen Begriff von den Wissenschaften erwerben kann, denn
zum eigentlichen Studium bleiben die Studentenjahre und
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die Vollkommenheit können sie noch als Adjuncten erreichen.
Wenn aber Jemand nicht genügend begabt ist, soll er noch
ein Jahr in der oberen Classe bleiben, was auch von den
übrigen Classen zu verstehen ist. Aber Herr Fischer hat
den augenscheinlich falschen Schluss gezogen, als ob im
Reglement bestimmt und vorausgesetzt würde, von denen,
welche anfangen Latein zu lernen, einige in anderthalb Jahren
unter die Studenten zu versetzen. Dabei hat er, um die ver¬
meintliche Nachlässigkeit bei der Abfassung zu zeigen, viele
Namen von Fächern und Autoren verzeichnet, als ob im
Reglement bestimmt wäre, sie alle durch die Bank gründlich
zu interpretiren. Diese falschen Folgerungen und Erfindungen
hat er desswegen gemacht, um folgenden schimpflichen Spott
über die russische Jugend schriftlich, ohne Rücksicht aut
die Behörde, anzubringen: «Wenn das möglich ist, so beglück¬
wünsche ich Russland, in welchem Wunder geschehen, die
in andern Ländern unmöglich sind. Wenigstens hat sich das
bis jetzt noch nicht gezeigt: die Gymnasiasten, welche die
nächste Hoffnung hatten Studenten zu sein, haben, nachdem
sie im Gymnasio acht Jahre verbracht, noch nicht viel ver¬
gessen». (Haben sie etwa seinen spöttischen Styl gelernt?)
Solche heissende Worte zur Erwägung anheimstellend, muss
daran erinnert werden, dass Herr Fischer sich vorstellen
soll, wie viel Informatoren, die ihm an Hurtigkeit ähnlich
sind, fertig bringen können, den Lernenden aber keine Schuld
aufbürden. An diesen drei Beispielen ist es genug zum Be¬
weise, dass Herr Fischer absichtlich und mit Willen sich
bemüht hat, beschimpfende Spöttereien zu treiben, ohne nach
der Ordre und nach der Pflicht auf das nöthige Werk zu
achten, sondern höhnisch über den Adel und das Fassungs¬
vermögen der russischen Jugend spottend. Und weil er in
so unwürdiger und spöttischer Weise seiner Vorgesetzten
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Behörde zur Antwort darüber geschrieben, was er in Anbe¬
tracht des ihm von derselben gegebenen Befehls mit schul¬
diger Achtung in Betreff der wirklichen Sache selbst hätte
beantworten sollen: desswegen muss das Obenverzeichnete
in Erwägung gezogen werden, damit auch Andere sich in
Zukunft nicht ähnlicher Handlungen erkühnten».
Bei Aufstellung des Universitätsreglements bemühte
sich Lomonossow am meisten verschiedene Vorzüge und
Dienstrechte für die Lehrenden und Lernenden auszuwirken
und der Eröffnung der nach seinem Plane geschaffenen Uni¬
versität vermittelst der sogenannten Inauguration eine beson¬
dere Feierlichkeit zu verleihen. Officiell hatte die Univer¬
sität schon 3 5 Jahre existirt, also war auch kein Grund vor¬
handen, sie zu eröffnen; in Wirklichkeit aber existirte sie
nicht, denn drei, vier Professoren, die zeitweilig Vorlesungen
hielten, und 20 Studenten konnten noch keine, inFacultäten
getheilteUniversität bilden. Der Augenschein wies darauf hin,
dass vor allen Dingen für die Universität Lehrer und für die
Lehrer Schüler geschafft werden mussten. Statt dessen sann
Lomonossow nur darauf, für die Professoren «angemessene
Hänge und nach der allgemeinen Rangtabelle Adelsdiplome»,
sowie Pensionen, für die Studenten, die den Cursus beendet,
Dienstrechte zu erhalten, für die Magister den Rang eines
Lieutenants, für dieDoctoren denjenigen einesCapitäns u.s. w.
Noch mehr aber machte ihm offenbar der Gedanke Sorge, wie
der Verkündigung dieser der Universität verliehenen Privile¬
gien grössere Feierlichkeit zu verleihen sei. Er war so über¬
zeugt davon, dass diese Privilegien verliehen werden würden,
dass er schon Vorbereitungen zu einer solchen Feierlichkeit
traf; im Protokoll der akademischen Kanzelei, die er damals als
deren Rath beherrschte, steht am 11. Jan. 1760 verzeichnet:
«in der Conferenz der Künste sind für das vorbereitete Privi-
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legium der akademischen Universität der Wissenschaften an¬
gemessene Projecte auf vier Seiten anzufertigen und, sobald
sie gezeichnet sind, mit einem Rapport in der Kanzelei ein¬
zureichen, und ist hierüber der Conferenz ein Befehl einzu¬
senden». Die Inauguration sollte in folgender Weise statt¬
finden: «Vorbereitung: 1) öffentliches Gymnasial-Examen
der Gymnasiasten der obersten Classe zur Ueberführung
unter die Studenten, 2) Gradual-Examen (d. h. zu gelehrten
Graden), 3) Wahl des Prorectors und hierauf bezügliche
Dispute und Reden, 4) das Programm, 5) Vertheilung der
Plätze. Handlung: 1)Messe mit Concert und Predigt, 2)Vor¬
lesung der Privilegien, 3) Dankgebet mit Kanonendonner
und Musik, 4) Dankrede an Ihre Kaiserliche Majestät, 5) Er¬
nennung des Prorectors und der Decane, 6) Beförderung zu
den Graden, 7) Diner mit Kanonendonner und Musik.
Schluss: 1) Druck der ganzen Action, 2) Beglückwünschung
in den Wohnungen, 3) Versendung von Copien der Privi¬
legien und des Uebrigen an alle Universitäten». Sehr be¬
gründet entgegnete Müller: 1) dass es nötliig sei, vor den
Privilegien das Universitätsreglement zu bestätigen, weil
in den Privilegien von demselben die Rede sei, als ob es
schon approbirt wäre ; 2) dass man sich vor der Inauguration
bemühen müsse, die Universität mit einer hinreichenden
Anzahl von Professoren in allen Facultäten zu versorgen,
weil beabsichtigt sei in allen Facultäten Grade zu verleihen;
dass man sich um die Vermehrung der Zahl der Studenten be¬
mühen und besonders eine solche Einrichtung treffen müsse,
dass auch der Adel Lust bekommen könne, seine Söhne zur Er¬
lernung gelehrter Sprachen und Wissenschaften in die Uni¬
versität zu geben; 3) bevor die Universität in einem solchen
Zustande ist, denke ich nicht, dass eine Inauguration veran¬
staltet werden soll, weil sie die Vollendung der vollen Uni-
Beiträge z. Kenntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 14
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versität bedeutet». Indem Lomonossow alle diese Privile¬
gien für die nur dem Namen nach existirende Universität
erbat, rechnete er auf die Protection I. I. Schuwalow’s
und war des Erfolges so sicher, dass er schon eine Rede für
die feierliche Conferenz verfasste; aber die Kaiserin Elisa¬
beth starb, und das Project wurde fallen gelassen.
Im Lehrwesen der Universität wurden während der Ver¬
waltung Lomonossow’s keinerlei Verbesserungen gemacht;
Alles ging nach alter Art, ungeachtet dessen, dass ihm vom
Präsidenten, wie oben erwähnt, anheimgestellt worden war,
das von ihm verfasste Statut, obgleich es noch nicht be¬
stätigt war, einzuführen, wovon er auch Gebrauch machte.
Er theilte die Universität in dreiFacultäten, die juristische,
medicinische und philosophische, aber in allen diesen Facul-
täten lasen nur fünf Professoren Collegia: Fischer, Braun,
Epinus, Kotelnikow und Kosizki. Einige von ihnen
lasen niemals in der Universität, sondern veranlassten die
Studenten zu sich ins Haus zu kommen; so wurde am
29. Februar 1760 befohlen, dass die Universitätsstuden¬
ten, welche bei Herrn Professor Fischer Collegia hören,
wegen seiner Krankheit zu ihm, Herrn Fischer, ins Haus
gehen, bis er gesund wird». DieZahl der Studenten vergrösserte
sich auch nicht: ihrer waren im Ganzen 18, grösstentheils
Soldatensöhne. Diese vermeintliche Universität wurde vor
dem Publicum als wirkliche ausgegeben. «Am 14. Novem¬
ber 1760», steht im Protokoll, «befahl die Kanzelei der Aka¬
demie der Wissenschaften auf Befehl Ihrer Kaiserlichen
Majestät: in der akademischen Universität hat am 18. De-
cember eine öffentliche Disputation stattzufinden und ist
dafür, nachdem die Herren Professoren Braun und Mode¬
rach die besten Studenten ausgesucht , ein Privatexerci-
tium zu veranstalten, und im Gymnasio hat ein oratorisches
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Exercitium öffentlich stattzufinden, wozu sich zur selben
Zeit der Adjunct Kosizki vorbereiten soll».
Die Inspection über die Studenten wurde im Jahre 1761, Das inspec-
als Moderach entlassen worden, dem Professor Kotei- nikow’s 5
nikow anvertraut. ( 1761 — 1766 ).
Ungeachtet dessen, dass die Universität der unmittelbaren
Verfügung Lomonossow’s überlassen worden war, be¬
schränkte der Präsident doch zuweilen seine Machtbefug-
niss in Betreff der Studenten. So hatte Lomonossow im
Jahre 1760 zwei Studenten, Lobyssewitsch und Djewo-
witsch, dafür ausgeschlossen, dass sie die Collegia nicht be¬
suchten. Die ausgeschlossenen Studenten beschwerten sich
beim Grafen Rasumowski, und er schickte aus Batalino fol¬
gende Ordre: «Die akademischen Studenten Lobyssewitsch
und D j e w o w i t sc li richteten vor meiner Abreise ausSt.Peters-
burg unter Beilegung vieler ihrer Atteste eine Bittschrift an
mich,weil sie bei der Beförderung gegen Andere zurückgesetzt
worden. Ich befahl, da ich die Gerechtigkeit ihrer Beschwerde
sah, mündlich dem Herrn Rath Lomonossow, ihnen eine ge¬
rechte Befriedigung zu gewähren. Und jetzt haben sie mir
einen Bericht eingesandt, den ich beifolgend im Original
der Kanzelei zuschicke, und hat diese, nachdem sie ihnen,
nicht auf Rechnung ihrer Gage, die gehörigen Fahrgelder aus¬
gezahlt, beide zu mir nach Gluchow zu schicken. Inzwischen
aber ist Herrn Lomonossow zu eröffnen, dass ich sehr
erstaunt bin, auf wessen Veranstaltung, wider meinen Willen,
eine solche Entlassung aus dem akademischen Dienst ohne
meine Approbation, ja, wie ich sehe, auch ohne Wissen der
Kanzelei stattgefunden hat, um so mehr eine Entlassung
solcher Leute, welche auf meine eigene Bestimmung in die
Akademie aufgenommen worden und deren Attestate über
ihre Fortschritte mir selbst genugsam bekannt sind. Soviel mir
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und einer wurde zum Lehrer des Gymnasiums ernannt. «Am
2 9. Mai dieses Jahres 1765 erklären die weiter unten genannten
9 Mann akademischer Studenten in Berichten, die sie der Kan¬
zelei der Akademie der Wissenschaften eingereicht, dass sie
ohne Neigung, die Wissenschaften weiter zu studiren, darum
bitten, sie aus der Universität auszuschliessen und in den
unten angeführten Aemtern anzustellen_Der Student Peter
Stepanow bittet in seinem Bericht, dass er am Gymnasio, an
Stelle des gewesenen Studenten Inochodzew, zum Unterricht
der Schüler in der Arithmetik, Geometrie und Trigonome¬
trie ernannt werde; unter welchen Bericht Professor Kotel-
n i k o w geschrieben hat, dass er, wenn fähig, unter der Beding¬
ung anzustellen sei, dass er sich nüchtern und ordentlich auf¬
führe, Lehrer aber seien in der angeführten Classe nöthig....
Es wurde beschlossen: Stepanow hat auf seinen Wunsch und
nach dem Attestat Kotelnikow’s am Gymnasio beim Unter¬
richt der Gymnasiasten in der arithmetischen Classe zu sein».
In demselben Jahre 1765 wurden zwei Studenten, Sswe-
tow und Wenedictow, zum Studium unter Schlözer’s
Leitung an die Universität Göttingen geschickt. Graf Ra-
sumowski befahl, zuvor Erkundigungen über sie einzu¬
ziehen, «ob sie sich wohlanständig im Betragen aufführten
und ob keinerlei Leidenschaften an ihnen bemerkt worden»,
desgleichen «was jeder von ihnen in Sprachen und Wissen¬
schaften für Kenntnisse habe und ob es in Betracht ihrer
Wissenschaften möglich sei, sie zur Beendigung derselben
über Meer zu senden». Die Instruction für sie wurde von
Schlözer verfasst 1 ).
Nach dem Tode Lomonossow’s entwarf Taub er t den Die Verthei-
lunff der Vor-
Plan für die Arbeiten der Studenten und die Vertheilung träge im
der Collegien und legte sie den Professoren Fischer, Jahre 1765,
1) Siehe Beilage 3.
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Braun, Popow, Kotelnikow und Protassow zur Durch¬
sicht vor, welche sie bestätigten. Das Protokoll vom 25. No¬
vember 1765 legt das folgendermaassen dar: «An diesem
Datum reichte der Herr Staatsrath Taubert in der Kanze¬
lei der Akademie der Wissenschaften einen Vorschlag ein,
dass in Betreif des Unterrichts der gegenwärtig an der Aka¬
demie übrig gebliebenen Studenten eine andere Ordnung
eingeführt werde, damit 1) die auf Kronsunterhalt stehen¬
den Studenten ihre Zeit nicht nutzlos verlören, sondern
durch die eifrige Fürsorge der Akademie für sie ilirem Vater¬
lande nützliche Leute werden könnten, und 2) damit auch
die freiwilligen Studenten, wenn welche sich finden sollten,
dadurch Lust bekämen, der Anweisungen der Herren Uni¬
versitätsprofessoren zu gemessen; dabei erklärte er, dass
dieser sein Vorschlag in der ausserordentlichen (Konferenz
der Herren Universitätsprofessoren am 25. dieses Novem¬
bers verlesen und von ihnen unterschrieben worden sei.
Vorschlag an die Herren Universitätsprofessoren: es ist un¬
umgänglich erforderlich, dass in Betreff des Unterrichts der
gegenwärtig an der Akademie übrig gebliebenen Studenten
eine andere Ordnung eingeführt werde, damit erstens die
auf Kronsunterhalt stehenden Studenten ihre Zeit nicht
nutzlos verlören, sondern durch die eifrige Fürsorge der
Akademie für sie ihrem Vaterlande nützliche Leute werden
könnten, und zweitens auch die freiwilligen Studenten, wenn
welche sich finden sollten, dadurch Lust bekämen, der An¬
weisungen der Herren Universitätsprofessoren zu gemessen.
Dazu ist aber, nach meiner Meinung nöthig: 1) Vor Beendi¬
gung der Vorlesungen des gegenwärtigen Jahres, jeden der
Studenten nicht leichter Hand, sondern mit gehöriger Strenge
in Allem, was jeder in die Universität tretende Student
wissen muss und was er nach Eintritt in die Universität
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zugelernt hat, vor der akademischen Ccnferenz in der Weise
zu examiniren, dass er nicht nur die ihm von jedem Exa¬
minator gestellten mündlichen Fragen beantworte, sondern
auch ohne alle Nebenhülfe kleine schriftliche Ausarbeitungen
mache, um sich dadurch unzweifelhaft ihrer Fähigkeiten zu
vergewissern und auf dieser Grundlage, nachdem eine richtige
Anleitung für ihren künftigen Unterricht in den Wissenschaf¬
ten aufgestellt worden, einen Catalog für die Vorlesungen des
künftigen ersten Halbjahrs zu verfassen. 2) Jeder der Herren
Professoren, die in der Universität Collegia gelesen, muss
schriftlich einreichen: a) zu welchen Tagen und Stunden er im
gegenwärtigen Halbjahr Collegia liest und ob genau ebenso,
wie im gedruckten Catalog vorgeschrieben, und aus welchem
Grunde etwas verändert worden; b) nach welchem Autor er
liest und welche Methode er dabei an wendet; c) welche Theile
seiner Wissenschaft jeder der oben benannten Kronsstuden¬
ten beendigt und welche Fortschritte er darin gemacht hat,
damit man danach das Examen einrichte. 3) Statt dessen,
dass die Herren Universitätsprofessoren bisher nur je eine
Stunde am Tage lasen, müssen sie jetzt je zwei Stunden
lesen, indem sie einen Theil dieser Zeit auf eine kurze
Wiederholung der vorigen Vorlesung durch Fragen jedes
Studenten und die übrige Zeit auf eine neue Vorlesung ver¬
wenden. 4) Die Autoren zu bestimmen, nach welchen die
Herren Universitätsprofessoren lesen sollen, damit die
Studenten sich mit denselben Büchern versehen könnten.
5) Jeder Theil der Wissenschaft ist in solcher Weise zu ver¬
theilen, dass er ordentlich in einem Halbjahr, wie in allen
anderen Universitäten üblich ist, abgeschlossen werden kann.
6) Die Herren Professoren müssen ihre Vorträge in der Ord¬
nung und nach den Autoren halten, die jedem von ihnen
von der gesammtenConferenz werden vorgeschrieben werden,
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und nicht so, wie jeder selbst will. 7) Die jetzigen Studenten
sind, nicht zu gedenken einer Fortsetzung des Unterrichts
in der deutschen und französischen Sprache, sehr unzuläng¬
lich auch in Aufsätzen und Uebersetzungen in ihrer Mutter¬
sprache; da ihnen aber, ausser der lateinischen, auch in
diesen drei Sprachen eine fleissige Uebung sehr von Nöthen
ist, so schlage ich vor: 8) dass Herr Professor Fedoro-
witsch (Jurist, entlassen im Jahre 1770) ihnen ausser den
historischen Vorträgen Unterweisung in der deutschen
Sprache, zweimal wöchentlich, je zwei Stunden gebe; 9) im
russischen Styl und in Uebersetzungen — Herr Protassow,
ebenfalls zwei Mal wöchentlich, zu je zwei Stunden, ausser
seinen akademischen Vorträgen; 10) in der französischen
Sprache und im Styl — der akademische Uebersetzer Poy-
seau, welcher gemäss seiner Kenntniss der lateinischen
Sprache dazu als vollständig befähigt anerkannt ist. 11) Unter
einander Einen zum Amt des Rectors der Universität zu
wählen, welcher nach jedem Halbjahr ersetzt werden oder
bleiben kann und auf die gehörige Ordnung in Allem achtet,
was die Pflicht eines Jeden in Betreff der Universität betrifft.
12) Bei der Universität wird, damit die Studenten die ge¬
hörten Vorlesungen wiederholen und ein eingehendstes Ver¬
ständnis gewinnen könnten, besonders auch Gelegenheit
hätten, beim Lesen nützlicher Bücher ihre Zeit verbringend,
ihre Kenntnisse zu erweitern, eine kleine Bibliothek einge¬
richtet werden».
Diese Regeln, welche augenscheinlich aus deutschen Uni¬
versitäten übernommen waren, konnten, so streng sie auch
gegen die Lehrer und die Schüler, so begründet sie in ihren
Forderungen in Betreff der Studenten waren, aber doch
kaum zeitgemäss und nicht übel-flüssig sein, da es zu jener
Zeit auf der Universität im Ganzen nur 9 Studenten gab.
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Zum Rector der Universität wurde Professor Braun er¬
wählt, welcher auch den Entwurf der Programme für die
Vorlesungen übernahm. Das Examen der Studenten wurde
auf den 12. December festgesetzt.
Seit dieser Zeit finden wir bis zum Ende des Jahrhunderts
in den Protokollen der Akademie weder irgend welche Ver¬
ordnungen über die Universität, noch auch eine Vertheilung
der Professorenvorträge für die Studenten.
Die Fürstin Daschkow fand, als sie das Amt des Die Univer-
Directors der Akademie antrat, nur zwei Studenten in der der Fürstin
Universität vor, und auch die der Art, fügt sie hinzu, dass (^83^1796).
sie nichts aus fremden Sprachen, nicht einmal aus dem
Deutschen, übersetzen konnten. Sie selbst übernahm es sie
zu unterrichten, wie man aus ihrer ersten Verfügung
schliessen kann: «Im Befehl Ihro Erlaucht», im Protokoll
vom 30. Januar 1783, steht geschrieben: «inBetreff der Stu¬
denten ist anzuordnen, dass wöchentlich Einer bei mir dejou-
rire, damit ich dadurch die Fähigkeiten und Aufführung jedes
erkennen könne. Als Pflicht ist ihnen fürs Erste Folgendes zu
eröffnen: jeden Morgen um 8 Uhr bei mir zu erscheinen
und mit Schreiben oder Uebersetzen bei mir beschäftigt zu
sein, wie ich befehlen werde; bis 2 Uhr Nachmittags und
von 4 Uhr Nachmittags bis 7 Uhr die von mir ertheilten
Ordres mit der Ordonnanz zu versenden und dafür Sorge zu
tragen, dass sie in die zur Ausführung derselben bestimm¬
ten Hände gelangen. Von den Ordres sind zur selben Zeit
Copien in meine Kanzelei, bis zur Einrichtung derselben
aber zu mir persönlich zu bringen». Darauf beschränkten
sich auch alle Maassregeln, welche von der Fürstin in Be¬
treff der Universität und der Studenten getroffen wurden.
Die Thätigkeit der Professoren war auf das Halten öffent¬
licher Vorlesungen gerichtet. Vom Jahre 1785 an hielten
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im Laufe einiger Jahre öffentliche Vorlesungen: Kotelnikow
— mathematische, der Adjunct Ssokolow — chemische
und Oserezkowski — naturgeschichtliche.
Am Ende des Directorats der Fürstin Daschkow blieben
an der Universität im Ganzen drei Studenten. Die Univer¬
sität erlosch .... Nicht ohne Grund sagte Tatischtschew
zu Blumentrost: «Umsonst sucht Ihr Saaten, wenn der
Boden, in welchen gesäet werden soll, noch nicht vorbereitet
ist». Richtig ist auch die Meinung Boltin’s: «Sie wollten
das in einigen Jahren machen, wozu Jahrhunderte nöthig
sind; sie begannen das Gebäude unserer Aufklärung auf
Sand zu bauen, ohne vorher ein zuverlässiges Fundament
gelegt zu haben».
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BEILAGE 1.
Register der Studenten und Schüler, welche an der Akade¬
mie der Wissenschaften Vorlesungen zu hören haben.
Minj
Schischkarew
Tschadow
Kowrin
Staressow
Sie haben Herrn Pro¬
fessor Hein sius
und Herrn M o u 1 a in
Astronomie und Geo¬
graphie zu hören.
bei Professor Heinsius,
Kr afft und Moula.
Professor Winsheim, Profes¬
sor Richmann.
Lebedew
Golubzow
Popow
Freigang
! Sie haben Herrn Crusius und
Geliert zu hören; Golub¬
zow geht ausserdem we-
_ o gen der Vorlesungen zu
ji Professor Heinsius und
| Moula.
Kleinfelds
Protassow
Kotelnikow
> bei der Anatomie
Er hat die Herren Doctoren
Weitbrecht undWild und
den Adjuncten Lomonos¬
sow zu hören.
sind noch nirgends
hin bestimmt.
I Sie haben wegen der Vorlesun¬
gen zu den Adjuncten Tep-
low, Crusius und zu den
I Professoren Leroy und
| Richmann zu gehen.
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BEILAGE 2.
Acad. Cancel. Rapoiten. 1746.
Im October 1744 stellten die Herren Protassow und Ko¬
tei nikow folgenden Rapport an die Akademie vor: „Scrmöge
bed beu 18»tcu October ton ber feaucelcp ber Slcabemte berSöiffen*
fd)aftcn erhaltenen Befehls, ftiib mir ju bem ^rof. SBeitbrecht ge#
gangen, itnb halben ihm gcmelbet, bafe mir ton ber Qiancelcp ju ihm
gefchicft mären Collegia bep ihm über bie Anatomie jn hören; mor*
auf er und $ur Wutmort gegeben, er fcp nid)t iprofeffor ton bereuet*
tomic unb SPicbicin, uub märe folglid? auch nicht terbunben über ge#
bad)te 2Bi)Tenfd)aft ju bociren; mürbe aber bie Wcabentie ber SBiffen*
fehaften bedfalld mit ihm einen neuen Contract fchlie&cn mollen, fo
märe er bereit über bie Anatomie ju lefen, uub er mürbe and; ber
5lcabemie bicferhalb gehörige iöorflellung thun. 2Bel<hed mir alfo
hicniit ber (Sancelep ber Wcabemie ber 2Biffenf<haften h^ben rap*
portiren mollen/'
BEILAGE 3.
Instruction für die zwei, zur Fortsetzung ihrer Studien an
die Universität Göttingen gesandten Studenten:
Regula, ad quam ut studia sua in Universitate Göttingensi
dirigant Basilius Swetow atque Basilius Venedictov, Philo-
logiae Historiarumque stiuliosi, jussit Academia Scientiarum Im-
perialis Petropolitana. Petropoli d. Maii 1765.
I.
Hoc agite Basili Swetow et Basili Venedictov; huc con-
vertite omnem curam cogitationemque vestram, ut ad spem ex-
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pectationemque Academiae, quae vos eduxit, quae itineri, quod
nunc studiorum causa ad exteros instituitis, sumtus suggerit
haud illiberaliter, eventus respondeat. Quocirca in historiarum
scientiam, quam non nostra vobis auctoritate injunctam, sed
vestro ipsorum delectam judicio, colere spopondistis, ea animi
contentione atque Constantia incumbite, quae grata Academiae
sit, honoraria vobis, patriaeque universae olim fructuosa.
Tres annos vertentes licebit vobis Musarum Göttingensium
consuetudine frui. Non est per se exiguum hocce studiorum
curriculum, quod vobis circumscribit Academia: verum date ope-
ram, ut industria vestra illud etiam extendatis. Jam ea estis
aetate, quae non desidiam modo, sed ne languorem quidem fert.
Praeterea ad eam Universitatem ablegamini, ubi certe non Cam¬
pus, non materia deerit, in qua se exerceat ostendatque virtus
vestra. Reliquum est, ut duo adhibeatis, diligentiam ac Consi¬
lium: primum diligentiam, ne effluere vobis absque linea, quod
aiunt, non menses, non hebdomades, sed ne dies quidem patia-
mini, plurium enim dierum jacturae paulatim in summam ex-
crescunt; deinde consilium , ut ordinis atque rationis via procedat
diligentia vestra, sitque tota ad lianc Regulam directa, quam hic
vobis rite praescribimus.
Princeps Studium ponctis in Historia. At cum nequeat illa per-
cipi sine linguarum adminiculis, neque debeat perdisci alio fine,
quam ut ad usum vitae agendique prudentiam omnis referatur:
necesse habebitis, et Historiam, et Philologiam, et Philosophiam
pari studio et diligentia aeque dispertita colere.
I. Historiae ipsius amplissimus campus est. Universe in anti-
quam dividitur atque recentiorem: quarum utraque aut origines
resque gestas imperiorum perpetua continentique narratione
tradit (Historia proprie sic dicta), aut formam eorum ac statum
docet, cum quo modo constituta sint (Jus publicum), tum qua
ratione administrentur ( Statistica ). Qui historiam antiquam pro-
fitentur, solent haec omnia iisdem acroasibus conjuncta propo-
nere, nisi quod interdum a reliquo historiae corpore eam partem
sejungunt, quae de forma rerum publicarum antiquarum ac de
consuetudinibus populorum privatis exponit ( Antiquitates ). Pari
modo ab utriusque historiae, tarn antiquae quam recentioris,
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corpore litterarum atque religionis fata divellunt, unde Litteraria
historia cxistit atque Ecclesiastica.
II. Linguarum multarum facultas non honoraria tantum
Historiarum consulto est, verum quoque prorsus necessaria. Ac
vetustatis quidem memoria monimentis graecis atque latinis con-
tinetur: yraece igitur ac latine doctus historicus sit. Qui populi
vero nunc Europae regna tenent, hi omnes fere perscripserunt
historias suas eo sermone, qui cuique genti patrius est. Horum
igitur ut historiae ita quoque linguae perdiscendae sunt, si non
omnium, at eorum certe, quorum in gcnere historico Studium
maxime eminuit, tamquam Gcrmanonm, Gallorum atque An-
ylorum.
III. Philosophia historiae finis est. Acta enim generis humani
annalibus condita sunt, atque ex iis cognoscuntur, non propter
solam delectationem, sed ad vitae tum privatae tum civilis usum.
Informare homincm debet historia primo ut sapiens ( Philosophia
moraUs ), dein nt justus (Jus naturae ), postremo ut bonus civis
sit ( Politica ).
Has scientias omnes oportet vos non cursim, non tumultu.
ario Studio colere, sed tota mente omnique animi impetu in
eas incumbere. Neque tarnen est, quod earum numerus vos
perterrefaciat: trium enim annorum, pensa a vobis exigimus. Ex
omnibus scicntiis, quas commemoravimus, nulla fere est, cujus
initia semestri spatio non absolvant doctores Göttingenses.
Jam cum vehementer ignavum oportet eum esse, qui quatuor
aut quinque auditiones obire singulis diebus, recuset: facillime
poteritis triennio quatuor et viginti scientiarum elementa per-
cipere.
IL
Ante omnia vobis germanicac atque latinae linguae pa-
randa facultas est, quo colere cum fructu auditiones publicas
possitis. Quod ad Germanicam attinet, simul ac tangetis Ger-
maniam, ipsa hominum consuetiulo vobis vice magistri erit,
pracsertim si accesserit diligens lectio librorum. Latinae linguae
facultatem adjuvabunt maxime collegia disputatoria, quae pluri-
bus ex causis longe utilissima vobis futura, ita frequentabitis,
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ut primo anno alios tantum disputantes audiatis, postea vero, in
litteris aliquando confirmatiores, ipsi disputando vestri faciatis
periculum.
Cum spes sit, fore, ut extremo Junio, adeoque tres menses
ante hybernarum auditionum initium, Göttingae adveniatis: de-
bebitis juxta germanicae atque latinae linguae Studium omne
illud tempus Geographiae impendere. Ea enim carere in historia
nemo potest; at scholarum relieta subselliis a Professoribus Göt¬
tingae non traditur.
Ab bis praesidiis instructi poteritis Octobri mense ipsum
studiorum Aeademieorum curriculum ingredi, atque deinceps eas
auditiones obire, quas vobis hic annumeramus.
Semestri I hiberno 1765—1766.
duce Achenwall... 1 Historia recentior
2 Antiquitates romanae
Duce Heyne... ... 3 Lingua latina
4 Lingua germanica.
Semestri II acstivo 1766.
Duce Murray ..... 1 Historia recentior iterum
_ Beckmann... 2 Logica
3 lingua latina
4 lingua graeca.
Semestri III hiberno 1766—1767.
Gatterer. 1 Historia antiqua
Putter . 2 Historia Germaniae
3 Philosophia moralis
4 Lingua graeca
5 Lingua gallica.
Semestri IV acstivo 1767.
Duce Achenwall... 1 Statistica
....Achen wall... 2 Historia recentior tertio
.... Beckmann... 3 Jus naturae
4 Lingua gallica.
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Semestri V hiberno 1767 — 1768.
Achen wall. 1 Politica
Piitter. 2 Jus publicum Germaniae
Walch. 3 Historia Ecclesiastica
4 Heraldica , Numismatica et Diplomatien
Semestri VI aestivo 1768.
Hamberger. 1 Historia litteraria
Büsching ... 2 Statistica
3 Lingua Anglica
Heyne. 4 Lingua graeca.
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