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Full text of "Beiträge Zur Kenntniss Des Russischen Reiches 3. Folge, Band 1"

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BEITRAGE 


wy-/ 


ZUR KEMTNISS 

DES RUSSISCHEN REICHES 

UND DER 

ANGRENZENDEN LÄNDER ASIENS. 



DRITTE FOLGE. 

AUF KOSTEN DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

HERAUSGEGEBEN VON 

L. v. SCHHINCK und C. J. MAXIMOWICZ, 

B-AJSTID I. 

Graf D. A. TOLSTOI, das akademische Gymnasium und die akademische 

UNIVERSITÄT IM XVIII. JAHRHUNDERT. 

AUS DKM RUSSISCHEM VON F. VON KÜdELOEN. 


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Printed in W-Germany 

Gesamtherstellung: Proff & Co. KG, Bad Honnef a. Rhein 


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DAS AKADEMISCHE GYMNASIUM 


UND 

DIE AKADEMISCHE UNIVERSITÄT 

IM XVIII. JAHRHUNDERT, 

NACH HANDSCHRIFTLICHEN DOCUMENTEN DES ARCHIVS DER AKADEMIE 

DER WISSENSCHAFTEN. 

VON 

GRAF D. i. TOLSTOI. 

AUS DEM RUSSISCHEN VON 

I?. v. KÜGKLGKN. 



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f/y-7 

V 


Von den Herausgebern 


Indem wir mit dem vorliegenden Bande eine neue, 
dritte Folge der «Beiträge zur Kenntniss des Russischen 
Reiches und der angrenzenden Länder Asiens» eröffnen, 
nachdem die zweite Folge derselben erst vor sieben Jahren 
begonnen wurde und es nicht über neun Bände gebracht 
hat, während die erste Folge deren 25 zählt, halten wir 
uns für verpflichtet, einige Worte zur Erläuterung dessen 
vorauszuschicken, warum es uns nothwendig scheint, nach 
so kurzem Zwischenräume wiederum einen grösseren Ab¬ 
schnitt im Erscheinen der genannten Sammelschrift eintre- 
ten zu lassen. 

Die Veranlassung dazu liegt, wie es auch beim Eröffnen 
der zweiten Folge der Fall war, lediglich im theilweisen 
Wechsel der Herausgeber. Am 6/18 Februar des vergan¬ 
genen Jahres wurde der Akademie eines ihrer ältesten und 
geschätztesten Mitglieder durcli den Tod entrissen, der 
General-Lieutenant der Bergingenieure Gregor von Hel¬ 
mersen, der zugleich einer der Herausgeber der «Beiträge» 
war. Es ist hier nicht der Ort, auf die wissenschaftlichen 


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Leistungen dieses um die Geographie, Geologie und Mon¬ 
tanindustrie Russlands hochverdienten Mannes einzugehen. 
Auch ist dies bereits mehrfach, in der Akademie sowohl 
wie in anderen wissenschaftlichen Instituten und Gesell¬ 
schaften, deren Mitglied er war, geschehen. Hier können 
wir uns aber nicht versagen, sei es auch nur in wenigen 
Worten, auf seine vieljährige Thätigkeit an und in den 
«Beiträgen» hinzuweisen. 

Mit C. E. von Baer hat Gregor von Helmersen im 
Jahre 1839 die «Beiträge zur Kenntniss des Russischen 
Reiches» begründet und in ununterbrochener Reihenfolge 
40 Jahre hindurch herausgegeben, wobei er in denselben 
auch viele eigene Arbeiten veröffentlichte. So enthält gleich 
der II. Band derselben die vom General-Major Gens ge¬ 
sammelten und von Helmersen bearbeiteten «Nachrichten 
über Chiwa, Buchara, Chokand und den nordwestlichen 
Theil des chinesischen Staates»; den Y. und VI. Band füllt 
seine eigene Reise nach dem Ural und der Kirgisensteppe 
in den Jahren 1833 und 1835 und den XIV. Band seine 
Reise nach dem Altai im Jahre 1834 aus; im XVII. Bande 
theilte Helmersen die von ihm nach den hinterlassenen 
Aufzeichnungen Alexander Lehmann’s bearbeitete Reise 
desselben nach Buchara und Samarkand, aus den Jahren 1841 
und 1842, mit; den XXI. Band ferner nehmen Helmers en’s 
und R. Pacht’s Geognostische Untersuchungen im mittle¬ 
ren Russland ein, und auch der XXIV. Band endlich, ge¬ 
mischten Inhalts, hat meist von Helmersen verfasste Ar¬ 
tikel zur Geographie und Geologie Russlands aufzuweisen. 



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Nach dem im November 1876 erfolgten Tode Baer’s 
setzte Helmersen trotz vorgerückten Alters die ihm lieb¬ 
gewordene Arbeit fort, indem er mit einem der Unterzeich¬ 
neten auch die zweite Folge der «Beiträge» herausgab. Und 
auch dieser reihte er eine grössere eigene Arbeit ein, wir 
meinen seine, den Y. Band dieser Folge bildenden «Geologi¬ 
schen und physico-geographischen Beobachtungen im Olo- 
nezer Bergrevier». Zwischen dieser und jenen im Beginn 
der «Beiträge» erschienenen Schriften Helmersen’s liegt 
ein Zeitraum von 43 Jahren, und wie jene oben genannten 
Schriften zu seinen ersten wissenschaftlichen Arbeiten ge¬ 
hörten, so bildet dieses Werk die letzte grössere Arbeit 
unseres verehrten hingeschiedenen Collegen. 

Was nun die jetzt eröffnete dritte Folge der «Beiträge» 
betrifft, so soll, trotz des theilweisen Wechsels der Heraus¬ 
geber, in der Form und überhaupt in der ganzen Art und 
Weise ihres Erscheinens, der zweiten Folge gegenüber, 
keinerlei Veränderung gemacht werden, so dass das vor 
sieben Jahren bei Beginn der letzteren Gesagte vollständig 
auch für die jetzt eröffnete, dritte Folge der «Beiträge» gilt. 

Ein glücklicher Zufall will es, dass wir diese neue 
Folge mit einer Schrift unseres hochverehrten Präsidenten, 
Grafen D. A. Tolstoi, beginnen können, einer Schrift, 
welche die Anfänge der Aufklärung, der Schul- und wissen¬ 
schaftlichen Bildung in Russland behandelt und zugleich 
die Rolle beleuchtet, welche dabei der eben begründeten 
Akademie der Wissenschaften zufiel. Sind geschichtliche 
und culturhistorische Abhandlungen über Russland, wie es 


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schon hei Begründung der «Beiträge» ausgesproclien wurde, 
aus dem Rahmen derselben keineswegs ausgeschlossen, und 
haben die «Beiträge» neben den allerdings stark überwie¬ 
genden Arbeiten geographischen und naturhistorischen In¬ 
halts auch in dieser Richtung Manches Schätzenswerthe 
gebracht, so gehören historische Abhandlungen, die, ihren 
Stoff aus den Archiven der Akademie selbst schöpfend, sich 
unmittelbar auf die Thätigkcit derselben in vergangener 
Zeit beziehen, in ganz gleichem Maasse wie die noch heut¬ 
zutage zur Erforschung Russlands von ihr ausgehenden 
gelehrten Arbeiten, wissenschaftlichen Expeditionen u. s. w., 
recht eigentlich in die auf Kosten der Akademie und 
von Mitgliedern derselben herausgegebenen «Beiträge zur 
Kenntniss des Russischen Reiches». 

L. Y. SCHRENCK. C. J. MAXJMOWICZ 


Mai 1886. 



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DAS AKADEMISCHE GYMNASIUM 

IM XYLII. JAHRHUNDERT. 


Schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war die Ab¬ 
sicht vorhanden in St. Petersburg ein Regierungs-Gymna¬ 
sium zu gründen: in den Acten der Akademie der Wissen¬ 
schaften hat sich ein Manuscript erhalten unter der Ueber- 
schrift «Einrichtung und Abtheilung der Information in dem 
Gymnasio Petrino, anno 1706». Nach diesem Plan sollte 
das Gymnasium aus sechs Classen bestehen und war zum 
Hauptgegenstand die lateinische Sprache bestimmt; von den 
fremden Sprachen waren eingeführt: die deutsche, französi¬ 
sche und italienische, in der dritten Classe auch die schwe¬ 
dische. Dieses Gymnasium ist indessen nicht eröffnet worden. 

Die Gründung des akademischen Gymnasiums fällt mit Inspector des 
der Gründung der Akademie selbst zusammen. Zur Einrich- °Bayer! 1 " 8 
tung und Verwaltung des Gymnasiums wurde aus Preussen 
der Prorector der Königsberger Kathedralschule, Professor 
der Alterthümer Theophil Siegfried Bayer, Orientalist und 
Numismatiker, auch trefflicher Kenner der alten Sprachen, 

Beltr&go z. Kenntnis! d. Rnss. Reiches. Dritte Folge. 1 


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berufen; er beschäftigte sich insbesondere mit der chine¬ 
sischen Geschichte und Literatur; aus seinen ins Russische 
übersetzten Werken war ihrer Zeit die «Geschichte des 
Lebens und der Thaten des Moldauschen Gospodaren Für¬ 
sten Constantin Kantemir» (1783) recht bekannt. Der 
Präsident der Akademie Blumentrost schloss am 3. De- 
cember 1725 mit Bayer einen formellen Contract, laut 
welchem er Bayer anheimstellte, nach dem von ihm vor¬ 
gestellten Project, das Gymnasium einzurichten, es zu ver¬ 
walten und nach seiner eigenen Einsicht zu leiten, die 
Stunden und Unterrichtsgegenstände festzusetzen und die¬ 
jenigen Schullehrbücher und Unterrichtsmethoden einzu¬ 
führen, welche ihm richtig erschienen. Bei einem solchen 
Contract konnte natürlich von irgend einem Statut für das 
Gymnasium auch nicht einmal die Rede sein; es war nur 
die Zeit des Unterrichts, nämlich Vormittag von 9— 11 Uhr 
und Nachmittags von 2—4 Uhr, festgesetzt. Am 3. Sep¬ 
tember 1728 wurde Bayer officiell zum Inspector des 
Gymnasiums ernannt. 

Im Jahre 1726 wurden 112 Schüler ins Gymnasium 
aufgenommen und unter ihnen einige gut vorbereitete, oder 
aber Kinder bekannter Familien: Golizvn, Buturlin, der 
Sohn des Senators, der Prinz Tamir Chan Assanbekow, 
der Sohn des regierenden Fürsten der Gebirgs-Tcherkessen 
u. a. m. 

Die i72c> ins Bei dieser ersten Aufnahme traten auch Adadurow, 
iiufgenomme- Kondoidi und Taubert ins Gymnasium ein, die in der 
nen Schaler. p 0 ]g e re cht bekannt geworden sind. 

Adadurow. Adadurow beschäftigte sich anfangs in der Akademie 
der Wissenschaften mit Uebersetzungen aus dem Deutschen 
ins Russische, übersetzte dann aus dem Deutschen und gab 
1739 heraus das Lehrbuch des Akademikers I< rafft von 


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den Maschinen und 1740 das Euler’sclie Handbuch der 
Arithmetik für das akademische Gymnasium. Seine Specia- 
lität waren die mathematischen Wissenschaften, wesswegen 
er 1733 zum Adjuncten für das Katheder der höheren Ma¬ 
thematik ernannt wurde, in welchem Amte er bis 1741 ver¬ 
blieb. Aber gleichzeitig beschäftigte sich Adadurow auch 
mit der russischen Literatur, was den Grund zu seiner Ernen¬ 
nung als Lehrer der russischen Sprache bei der Grossfürstin 
Katharina Alexejewna abgab und ihn den Staatsmännern 
aus der Zeit der Kaiserin Elisabeth Petrowna bis zu 
dem Grade näher führte, dass er am Ende ihrer Regierung 
wegen Betheiligung an dem bekannten politischen Process 
des Kanzlers Grafen A. P. Bestushew-Rjumin, in wel¬ 
chen die Grossfürstin Katharina Alexejewna verwickelt 
war, aus St. Petersburg als Vice-Gouverneur nach Oren- 
burg entfernt wurde. Nachdem sie den Thron bestiegen, 
eröffnete sich für Adadurow eine umfassendere dienstliche 
Thätigkeit: 1762 wurde er zum Curator der Moskauer 
Universität und zum Präsidenten des in Moskau befindli¬ 
chen Manufactur-Collegiums ernannt. Die Universität dankt 
ihm die Gründung eines Katheders für Anatomie und die 
Einrichtung eines anatomischen Theaters, so wie eine Ver¬ 
ordnung über die Herausgabe von Werken in der juristi¬ 
schen Facultät. Adadurow fuhr fort sich mit der russi¬ 
schen Literatur zu beschäftigen und gab in der Folge im 
Jahre 1768 «Regeln der russischen Orthographie» heraus. 

Kondoi'di (Paul) wurde von seinem Onkel Athanasius Kondoidi. 
Kondo'idi, dem Erzieher des Fürsten Antioch Kantemir, 
der von Peter dem Grossen gleich bei Gründung des 
Synods zum Assessor und später zum Rath desselben er¬ 
nannt worden war, in der Folge Bischof von Wologda und 

später von Susdal war, in das akademische Gymnasium ge- 

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geben. Paul Kondoidi, aus Korfu gebürtig, hatte früher 
in Venedig Unterricht gehabt, ging nach Beendigung seiner 
Bildung an der St. Petersburger Akademie der Wissen¬ 
schaften an die Universität zu Leyden, wo er den Cursus 
der medicinischen Facultät durchmachte; nachdem er dort 
1733 den Grad eines Doctors der Medicin erhalten, kehrte 
er nach St. Petersburg zurück. Zum Feldarzt ernannt, be¬ 
fand er sich 1737 bei der Armee des Feldmarschalls Grafen 
Münnich und wurde im folgenden Jahre zum Generalstabs- 
Doctor befördert. Später wurde er zum Hof-Medicus erho¬ 
ben und 1753 zum Director der Medicinal-Kanzelei er¬ 
nannt, in welch’ wichtigem administrativ-ärztlichen Amte 
er bis zu seinem Tode im Jahre 1760 verblieb und den russi¬ 
schen Medicinal-Institutionen beträchtlichen Nutzen brachte. 

Adadurow und Kondoidi waren im Gymnasium Schü¬ 
ler des bekannten Akademikers und Historiographen Mül¬ 
ler. «Ich verstand ihre Sprache nicht», sagt Müller, 
«so wenig als sie die meinige»; aber da sie einigermaassen 
in der lateinischen Sprache vorbereitet waren, Adadurow 
im iTowgorodschen Seminar, wo er früher unterrichtet wor¬ 
den war, und Kondoidi in seiner Heimath oder in Venedig, 
so erklärte ihnen Müller die schweren Stellen lateinischer 
Schriftsteller «durch bekanntes Latein» und fand, dass diese 
Schwierigkeit ihnen zum Nutzen gereichte. 

Taubert. Taubert war Bibliothekar der öffentlichen Bibliothek, 
beschäftigte sich mit Uebersetzungen und war in der Folge, 
in der Stellung eines Raths der akademischen Kanzelei, 
eine sehr einflussreiche Persönlichkeit in der akademischen 
Administration. 

Nach demZeugniss Miiller’s wurden damals ausser den 
officiell im Gymnasium eingeschriebenen Schülern Kinder 
der besten Familien, unter welchen er Nowossilzew und 


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Adam Wassiljewitsch Olssufjew 1 ), späteren Staatssecretär 
der Kaiserin Katharina, nennt, in einigen Fächern, be¬ 
sonders bei den Lehrern Kramer und Schwanwitz, im 
Gymnasium unterrichtet. 

Auf Grundlage des abgeschlossenen Contracts theilte 
Bayer das Gymnasium in zwei Abtheilungen: die deutsche 
oder Vorbereitungsschule, welche in drei Classen zerfiel, 
und die lateinische, welche aus zwei Classen bestand. Die 
deutsche Schule war desswegen nothwendig, weil die Lehrer 
Deutsche waren und die russische Sprache nicht kannten, 
so dass die Schüler sie nicht verstehen konnten, wenn sie 
nicht Deutsch gelernt hatten. 

Im Jahre 1727 traten schon bei Weitem weniger Schü¬ 
ler ins Gymnasium ein als im Vorjahre, nämlich 58. Unter 
ihnen war der Sohn des Artilleriegenerals Pissarew und 
der Sohn des Contreadmirals Ssinjawin. 

Schon seit Gründung des Gymnasiums nahm man in 
dasselbe Schüler sowohl zur Beendigung des ganzen Gym- 
nasialcursus, als auch zum Studium nur einiger Fächer, 
besonders der neuen fremden Sprachen auf. Dadurch allein 
lässt sich die Aufnahme von Schülern, die in den Jahren 
beträchtlich verschieden waren, erklären, was freilich ge¬ 
wiss nicht pädagogisch war; so waren z. B. die in diesem 
Jahre aufgenommenen Ssinjawin und Delaine 6 Jahr 
alt, während ein gewisser Todorski, neben dessen Namen 
die Bemerkung steht: «gekommen um Deutsch zu lernen», 
24 Jahr alt war. 

Im December 1726 wurde für das Gymnasium eine 
Aufseherin ernannt «zur Aufsicht über die im erwähnten 
Gymnasio befindlichen Kinder». 

1) Müller. Zur Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu 
St. Petersburg. Manuscript. 


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Im Jahre 1728 traten noch weniger Schüler ins Gymna¬ 
sium ein, im Ganzen 26, während viele ohne den Cursus zu 
beendigen austraten. Bayer schrieb an Schumacher: «Die 
Abreise des Kaiserlichen Hofes (Peter II) nach Moskau hat 
dem hiesigen Gymnasio einen Schlag versetzt, weil seine 
Schüler, besonders die aus den Honoratioren, fast alle mit 
ihren Eltern auch dorthin gereist sind». In der Zahl der ins 
Gymnasium Aufgenommenen war der Sohn des Viceadmirals 
Ssinjawin, ein Bruder des bekannten Admirals, der wäh¬ 
rend der Regierung der Kaiserin Katharina II im ersten 
Türken-Kriege die Asowsche Flotte befehligte, und drei 
Söhne des Grafen Karl Skawronski, eines Bruders der Kai¬ 
serin Katharina I, von denen der mittlere, Martin, während 
der Regierung Katharina’s Oberhofmeister war. Die Skaw- 
ronski’s wurden dem Informator Henninger anvertraut. 
Seine Obliegenheiten waren bei der Gründung der Akade¬ 
mie selbst folgendermaassen festgesetzt worden: «die adli¬ 
gen Jünglinge, welche im Hause der Akademie leben, wer¬ 
den zum Aufseher und Leiter ihres Unterrichts Johann 
Conrad Henninger haben; denn es ziemt dem Staate, dass 
diejenigen welche zu den wichtigsten Würden im staatli¬ 
chen Range geboren sind, nicht nur in verschiedenen Wis¬ 
senschaften unterrichtet werden, sondern sich an jegliche 
Höflichkeit und an eine angenehme Art mit den Leuten um¬ 
zugehen gewöhnen». Nach Müller’s Angabe beschränkte 
sich Henninger’s Aufsicht auf die drei Skawronski’s, 
welche nicht lange im Gymnasium blieben. 

Im Jahre 1728 wurde das Gymnasium von einem für 
sein Lehrerpersonal empfindlichen Verluste betroffen: die 
Adjuncten der Akademie Müller, welcher Latein, Ge¬ 
schichte und Geographie gelehrt hatte, und Krafft und 
Weit brecht, welche in der Mathematik unterrichtet hatten, 



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traten aus; sie erhielten eine andere Bestimmung und 
wurden nicht durch Adjuncten, sondern durch Lehrer er¬ 
setzt. 

Im Jahre 1729 war die Aufnahme ins Gymnasium weit 
beträchtlicher, es traten nämlich 74 Knaben ein. Aber dazu 
war eine künstliche Maassregel der Füllung des Gymnasiums 
durch Kinder solcher Eltern ergriffen worden, die für ihre 
Söhne durchaus keiner Gymnasialbildung bedurften; es 
wurden nämlich aufgenommen die Söhne einiger Soldaten, 
eines Tischlers, eines Bauern des Fürsten Menschikow, 
von sieben Zimmerleuten, eines Schmieds, dreier Admira¬ 
litätsaufseher und eines herrschaftlichen Dieners. Solche 
Schüler beendigten grösstentheils den Cursus nicht und bil¬ 
deten für das Gymnasium einen überflüssigen und be¬ 
schwerenden Ballast, indem sie anfingen die Kinder höherer 
Stände von demselben abzuschrecken. Uebrigens traten auch 
später zuweilen Kinder aus gebildeten Familien ins Gym¬ 
nasium ein. So wurde z. B. im folgenden Jahre, 1730, als 
nur 14 Schüler ins Gymnasium eintraten, Iwan Mellessino Meiessino. 
aufgenommen. Sein Name wurde während der Regierung der 
Kaiserin Katharina sehr bekannt: 1763 wurde er zum 
Oberprocurator des Synods ernannt und war von 1771 bis 
zu seinem Tode im Jahre 1795 Curator der Moskauer 
Universität, an welcher er die adlige Pension gründete. 

Am 9. September 1731 brachte Bayer das von ihm ver- Bayer’s 
fasste und eigenhändig geschriebene Gymnasial-Statut unter Statut vom 
dem Titel: «Gegenwärtige Einrichtung des Gymnasiums», zur Jahre 173L 
Wirksamkeit. Durch dieses Statut wurde die bestehende 
Theilung des Gymnasiums in zwei Schulen, die deutsche und 
die lateinische, bestätigt und Johanni-Ferien, bei Anbruch 
der grossen Hitze, auf vier Wochen festgesetzt, während 
welcher am ersten und letzten Wochentage überhaupt kein 


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Unterricht stattfand, an den übrigen Tagen aber nur die 
Hälfte der Lectionen gegeben wurde. 

Inzwischen sank das Gymnasium sowohl der Zahl, als 
dem Bestände der Schüler nach immer mehr. Die Gründung 
des adligen Cadettencorps im Jahre 1731 versetzte ihm 
einen solchen Schlag, dass es sich nie von ihm erholen 
konnte. Das Cadettencorps verlieh denen, die seinen Cursus 
beendigt hatten, Ränge, während das Gymnasium seinen 
Abiturienten keinerlei Dienstrechte gewährte, aus welchem 
Grunde man in das Corps strebte und das Gymnasium mied. 
«Seit Gründung des Cadettencorps», sagt Müller, «musste 
das Gymnasium sich an den Schülern des Mittelstandes allein 
genügen lassen. Die Kinder der Ausländer, welche nicht ins 
Cadettencorps aufgenommen wurden, traten noch in ge¬ 
nügender Zahl ins Gymnasium ein, um sich zum Staats¬ 
dienst vorzubereiten». 

Das vou Baron Keyserling wandte während seines kurzen Prä- 
i 733 S vorgc- sidiums in der Akademie der Wissenschaften seine Aufmerk- 
^erR^r'^samkeit der schlechten Organisation des Gymnasiums zu 
nisation des und trug dem Adjuncten der Akademie Fischer, der früher 

Gymnasiums._ _ „ _ 

Lector am Gymnasium gewesen war, auf, Erwägungen über 
die Verbesserung desselben vorzustellen. 

In seinem am 7. August 1733 eingereichten Memoran¬ 
dum bemüht sich Fischer vor Allem die Bedeutung des 
Gymnasialunterrichts und den Unterschied eines Gymnasi¬ 
ums von einer gewöhnlichen Schule selbst mit lateinischer 
Sprache dahin festzustellen, dass das Gymnasium für die hu¬ 
manistische Bildung bestimmt sei, wesshalb in seinem Cursus 
nothwendigerweise ausser der lateinischen und griechischen 
Sprache auch die Lectüre römischer Dichter und die Regeln 
der Beredsamkeit und Logik eingeführt sein müssen. Ueber- 
haupt zeichnet sich dieses Memorandum durch gesunde pä- 


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dagogische Begriffe aus; so fordert er z. B., dass von den 
alten Schriftstellern nicht viele mit einem Male studirt 
würden, sondern einer nach dem andern, in jedem Fall 
nicht mehr als zwei, aber verschiedenartige, nämlich ein 
Dichter und ein Redner oder Historiker. Er liess im Be¬ 
stände des Gymnasiums auch die deutsche Schule fort- 
bestehen, indem er sagte: «Wenn die russischen Schüler 
sich einigermaassen mit der deutschen Sprache bekannt ge¬ 
macht haben werden, kann man sie in die lateinische Schule 
versetzen». Zur Füllung des Gymnasiums mit verlässlichen 
Schülern sah Fischer kein anderes Mittel, als die Einrich¬ 
tung von mindestens 30 Stipendien an demselben, was nach 
damaligen Preisen dem Fiscus nicht mehr als 1600 Rbl. 
gekostet und grossen Nutzen gebracht hätte, da man aus 
diesen Stipendiaten nicht nur Beamte hätte ausbilden können, 
sondern auch Lehrer für die Schulen, die mit der Zeit un¬ 
ausbleiblich entstehen mussten; und das wäre sehr viel 
billiger und besser gewesen, als zu diesem Zweck Ausländer 
zu berufen. Auch mit dieser neuen Ausgabe hätte der Unter¬ 
halt des Gymnasiums 4000 Rbl. nicht überstiegen. Statt 
der, wie oben erwähnt, vierwöchentlichen Halbferien — 
die Hälfte der Woche lernten die Gymnasiasten — schlug 
er vor, zweiwöchentliche volle Ferien festzusetzen. Das Gym¬ 
nasium befand sich auf Wassili Ostrow und für das Passiren 
der Newa-Brücke wurde Brückenzoll bezahlt, was für die 
grösstentheils armen Gymnasiasten beschwerlich war; daher 
bat Fischer darum, solche von dieser Zahlung zu befreien 
und sie unentgeltlich auf Grund von Billetten, die das Gym¬ 
nasium zu ertheilen hätte, über die Brücke zu lassen. Das 
Gebäude des Gymnasiums war äusserst unbequem: die 
Classen waren Durchgangszimmer, es waren in ihnen Diener 
mit ihren Familien placirt, der dadurch entstehende Lärm 


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und das Geschrei, das Weinen der Kinder störten den Unter¬ 
richt. Auf alles das lenkte Fischer die Aufmerksamkeit des 
Präsidenten; aberBaron Key ser ling bekleidete diesenPosten 
nicht mehr als ein halbes Jahr, im Jahre 1734 ging er zum 
diplomatischen Dienst über, und das Gymnasium blieb in der 
früheren Verfassung. 

Am 14. September 1734 wurde Baron Johann Albrecht 
Korff, der in seinen jungen Jahren auf der Universität 
Jena studirt hatte, zum Präsidenten der Akademie ernannt. 
Die Vorstei- Zur Füllung des Gymnasiums mit Schülern erachtete 
sidenten der Baron Korff, wahrscheinlich auf Anregung desselben 
Ba^onKo^ff Fis eher, ebenfalls den Unterhalt einer gewissen Zahl von 
Verhalt 1 von” Schülern auf Kronskosten für nothwendig. Im Protokoll vom 
Pensionären 24. Januar 1734 ist vermerkt: «Auf Befehl Ihrer Kaiser- 
"sium'auf liehen Majestät befahl in der Akademie der Wissenschaften 
Kionskosten. ^ amvesen( | e Haupt-Commandeur, wirklicher Kammerherr 

Baron von Korff, dem Dirigirenden Senat einen Bericht 
einzureichen und zu erklären: im Jahre 1724 ist laut dem 
von Sr. Kaiserlichen Majestät Peter dem Grossen geseg¬ 
neten Andenkens aufgestellten Project über die Akademie 
der Wissenschaften bestimmt, dass die an derselben befind¬ 
lichen Professoren nicht nur durch ihre eigenen Erfindungen 
die Wissenschaften zu grösserer Vollkommenheit bringen, 
sondern ausserdem auch junge Leute in denselben unterrich¬ 
ten; dass sie die erstere Absicht erfüllt haben, erhellt aus 
den an der Akademie gedruckten Büchern; die Ursache in- 
dess, um deren willen sie den zweiten Theil ihrer Obliegen¬ 
heit nicht zur Ausführung bringen konnten, beruhte darauf, 
dass sie keine fähigen Schüler hatten. Und damit der aller¬ 
höchsten Absicht Ihrer Kaiserlichen Majestät Folge ge¬ 
leistet werde, so müssen an der Akademie anfänglich dreissig 
junge hoffnungsvolle Leute von guten Sitten verschrieben 


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und unterhalten und nicht nur in den ziemlichen, sondern 
auch in den höheren Wissenschaften gemäss der Absicht 
Sr. Kaiserlichen Majestät Peter’s des Grossen so unter¬ 
richtet werden, dass sie dem Staate mit der Zeit nützliche 
Dienste erweisen können. Der Unterhalt derselben wird nach 
der Berechnung auf dreitausend sechshundert acht und 
siebzig Rubel zu stehen kommen. Und sintemalen sehr viel 
davon abhängt, dass die Jugend in guterWeise unterrichtet 
werde, so ist dazu die leichteste und die in trefflich einge¬ 
richteten Schulen am meisten benutzte Methode dem Diri- 
girenden Senat zur Approbation vorzustellen, wobei zu for¬ 
dern ist, dass die oben erwähnte Summe zum Unterhalt be¬ 
sagter Schüler angewiesen werde, da die gegenwärtige aka¬ 
demische Summe, wie dem Dirigenden Senat bekannt, auch 
für die vorkommenden nothwendigen Ausgaben nicht aus¬ 
reicht.» Der Senat bestimmte dazu je 3000 Rubel jährlich und 
befahl 20 Schüler aus der Moskauer Spasski-Klosterschule 
in die Akademie aufzunehmen; aber von dort wurden nur 
12 Mann geschickt. Baron Korff bat den Senat, den Befehl 
zu ertheilen, noch Schüler «aus anderen Klosterschulen», d. h. 
aus den Seminaren, zu schicken, aber das geschah nicht. 

Anfang 1735 wurde Fischer zum Rector des Gymna-Das Rectorat 

• Fisch© r’s u 

siums ernannt und Bayer zum Inspector. Aber Fischer schwan- 
blieb auf diesem Posten nicht lange allein: in den folgenden 
Jahren, 1736 —1738, begegnen wir auf demselben schon 
Schwanwitz, dem früheren Lehrer, dessen Müller er¬ 
wähnt; so sonderbar es scheinen mag, sie waren gleichzeitig 
Rectoren des Gymnasiums. Zum Conrector des Gymnasiums 
wurde 1736 Geliert ernannt, ein Specialist in der Chemie 
und Physik, der in der Folge, nach seiner 1744 erfolgten 
Rückkehr nach Deutschland, dem Bergwesen in Sachsen 
bedeutende Dienste geleistet hat. 


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Aus den Rapporten Schwanwitz’s an die akademische 
Kanzelei ist ersichtlich, dass das Gymnasium 1736 nur 
28 Schüler hatte und dass viele von ihnen dieClassen nicht 
besuchten; solcher gab es bis 12, zuweilen auch bis 20. Der 
Bibliothekar Schumacher beanspruchte nicht selten die 
Gymnasiasten zu Arbeiten in der Druckerei oder benutzte sie 
zu Beschäftigungen in der akademischen Kanzelei. Vom Sep¬ 
tember an bis zum Ende des Jahres hörte der grössere Theil 
der Schüler ganz auf das Gymnasium zu besuchen, so dass in 
denClassen 8—15 Schüler waren. Trotz einer so unbedeu¬ 
tenden Zahl derselben beklagten sich die Rectoren über die 
Enge des Gymnasiallocales und erklärten dadurch, warum 
sie angeblich nicht im Gymnasium unterrichten könnten, 
sondern die Gymnasiasten in ihren eigenen Wohnungen un¬ 
terrichteten, zu deren Beheizung sie Kronsholz erbaten und 
erhielten. Ein interessantes Protokoll der Akademie vom 
27. September 1736 bezieht sich hierauf: «Auf Befehl Ihrer 
Kaiserlichen Majestät befahl der anwesende Hauptcomman- 
deur, wirklicher Kammerherr Baron von Kor ff, den Rec¬ 
toren Martin Schwanwitz und Fischer das ihnen zukom- 
mende Holz im Betrage von 5 Faden zu verabfolgen, dess- 
wegen, weil am 18. September c. Professor Kehr erklärt 
hatte, dass es im Gymnasio wegen Beengung die Schüler 
zu unterrichten unmöglich sei, wesswegen die Rectoren die¬ 
selben in ihren Quartieren unterrichten, und weil nunmehr 
Herbstzeit sei, so sei den Rectoren das erwähnte Holz auch 
zu verabfolgen.» 

Im Jahre 1737 bestand das Gymnasium im Ganzen aus 
19 Schülern, von denen viele nicht in die Classen gingen; 
es kamen Tage vor, an denen sich nur ein einziger Schüler 
im Gymnasium befand, und einmal kam es vor, dass auch 
kein einziger da war. 



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13 


Das Gymnasium verfiel, es war notliwendig es zu reno- 
viren. Zu diesem Zweck wurde 1737 von der Akademie der 
Wissenschaften, während der Präsidentschaft des Baron 
Korff, eine besondere, aus vier Personen bestehende Com¬ 
mission eingesetzt, welche aus dem Justizrath, Akademiker 
für Mathematik Goldbach, der damals erst zum Rath 
der akademischen Verwaltung ernannt, früher aber Er¬ 
zieher des Kaisers Peter II gewesen war und daher den 
Ruf eines gründlichen Pädagogen hatte, und aus den Pro¬ 
fessoren Bayer, Euler und Krafft bestand, denen alle 
Dokumente zur Disposition gestellt wurden, die sich auf 
das Gymnasium bezogen. 

Bayer machte den Vorschlag, das Gymnasium in zweite 1737 zur 
Abtheilungen zu trennen, eine höhere und eine niedere, und Gymnasiums 
letztere nochmals in zwei Unterabtheilungen zu zerlegen, cöllfmissfon 
für Russen und für Deutsche; wenn die Einen Deutsch, die 
Anderen Russisch gelernt haben, würden sie in der höheren 
oder lateinischen Abtheilung den Cursus gemeinsam durch¬ 
machen. Die höhere Abtheilung meinte er aus drei, die 
niedere aus zwei Classen zu bilden und die Dauer des Un¬ 
terrichts in jeder Classe auf zwei Jahre festzusetzen, d. h. 
einen 10-jährigen Cursus einzuführen, mit der Ausnahme, 
dass besonders begabte Schüler auch früher aus einer Classe 
in die andere zu versetzen wären. Besonders umfangreich 
ist das von Euler eingereichte Memorandum. Im Wesent¬ 
lichen stimmen seine Anschauungen mit den Gedanken 
Bayer’s überein: er schlug gleichfalls vor, das Gymnasium 
in zwei Abtheilungen, eine russische und eine deutsche, zu 
theilen und setzte eine ebenso lange Dauer des Cursus fest, 
d. h. eine zehnjährige; für jede Classe veranschlagte er 26 Un¬ 
terrichtsstunden. Euler verfasste auch einen ausführlichen 
Lehrplan für alle Fächer. Mit ihm stimmte Krafft überein. 


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14 — 


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Dieser Commission reichte auch Fischer als Rector des 
Gymnasiums sein Gutachten ein. In seinem Memorandum 
finden wir u. A. auch seine begründete Anschauung über die 
Abtrennung der deutschen Schule vom Gymnasium: «die 
deutsche Sprache», sagt er, «ist so lange nothwendig, als 
die russische Jugend von deutschen Lehrern unterrichtet 
wird; zu dem Zweck könnte man eine besondere deutsche 
Schule einrichten und die begabteren Schüler, welche die 
deutsche Sprache gut gelernt haben, von dort in das Gym¬ 
nasium versetzen». Besonders originell ist aber in seinem 
Memorandum der Unterschied in den Anschauungen von 
der Gymnasialbildung in Russland und in anderen Staaten: 
«Viele Gelehrte», sagt er, «haben an der Aufstellung eines 
Planes für den Volksunterricht gearbeitet; aber ihre Ge¬ 
danken waren leichter auf dem Papier darzulegen, als in 
Ausführung zu bringen. Viele geben ihre Anschauungen als 
unurastössliche Regeln aus, wenn man sie aber genauer an¬ 
sieht, so erweisen sie sich als durchaus nicht zufrieden¬ 
stellend und sogar als pedantisch. Die Umstände von Zeit 
und Ort und die nationalen Besonderheiten sind so ver¬ 
schieden, dass es unmöglich ist in ähnlichen Dingen all¬ 
gemeine Regeln aufzustellen; so wird z. B. das, was in 
Deutschland hochgeschätzt wird, in Russland keineswegs 
ebenso geachtet: in Deutschland blühen die lateinische, 
griechische und hebräische Sprache, die Aristotelische Philo¬ 
sophie, das römische Recht und die speculative Theologie; 
Alles das wird in Russland wenig geschätzt, mit Ausnahme 
der lateinischen Sprache. Hier legt man vornehmlich auf 
praktisches Wesen das Hauptgewicht, besonders auf die 
mathematischen Wissenschaften, welche für das Land in 
Kriegs- und Friedenszeiten nützlich sind. Daher ist es bei 
der Gründung eines Gymnasiums in Russland nothwendig 



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15 


sich besonders mit diesen Anschauungen in Einklang zu 
setzen». Wenn man diese Zeilen liest, so erinnert man sich 
unwillkürlich der zu Beginn der siebziger Jahre stattgehab¬ 
ten Polemik unserer Realisten gegen die klassische Bildung, 
welche ebenfalls behaupteten, dass die russischen Kinder 
für den Unterricht nicht befähigt wären, welche die Jugend 
in anderen Staaten erhält, und dass der russische National¬ 
genius ein ganz besonderer, mehr praktischer sei. Man 
muss bekennen, dass ein gewisser Tlieil der russischen Ge¬ 
sellschaft in anderthalb Jahrhunderten, was seine An¬ 
schauungen über Unterrichtswesen betrifft, nicht weit fort¬ 
geschritten ist, ja sogar Rückschritte gemacht hat, denn 
früher wurde, wie man sieht, in Russland wenigstens der 
Nutzen der lateinischen Sprache von Allen anerkannt, 
während unsere Realisten auch diesen bestreiten. 

Aus den der Commission eingereichten Meinungen und 
Memoranden wurde ein Gymnasialstatut zusammengestellt 
unter dem Titel: «Reglement des Gymnasii bei der Kaiserl. 

Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg»; aber ein 
weiterer Gang wurde der Sache nicht gegeben. 

Im Jahre 1738 starb Bayer am Typhus und an seine Das inspecto- 
Stelle wurde der Akademiker für Physik Kr afft zum In- 1743 * 
spector des Gymnasiums ernannt. Er war bekannt durch die 
von ihm für das Gymnasium verfassten Lehrbücher, nach 
welchen in demselben lange Zeit die mathematische Geogra¬ 
phie und die Geometrie gelehrt wurden, nämlich: 1)Einlei¬ 
tung zur mathematischen und natürlichen Geographie, nebst 
dem Gebrauche der Erdkugeln und Landkarten, zum Nutzen 
der russischen studirenden Jugend, 1738. Die russische 
Uebersetzung wurde 1739 herausgegeben. 2) Einleitung 
zur Geometrie, 1738. Die russische Uebersetzung er¬ 
schien 1762. 


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16 — 


Das von Im Jahre 1738 verfasste Krafft sein Gymnasialstatut 
zusammengc- uiul stellte cs der Akademie vor. Nach diesem Statut 
Msiaisnuut". war ^ as Gymnasium in sechs Classen eingetheilt, in drei 
untere, die russischen, und drei obere, die lateinischen, in 
welchen auch Griechisch gelehrt wurde, und war die Zahl der 
Vorgesetzten vermehrt: ausser dem Rector und Inspector 
treten ein Conrector und ein Prorector auf. Die Zahl der 
Schüler blieb aber wie früher unbedeutend; zu Beginn des 
Jahres 1738 waren ihrer 13, von denen 3—4 die Classen 
besuchten. «Der grössere Tlieil der Admiralitäts-Schüler», 
berichtete Krafft, «besucht das Gymnasium nicht, weil sie 
keine Kleider haben und die Admiralität ihnen schon seit 
neun Monaten keine Gage zahlt». Die allergrösste Schüler¬ 
zahl im Jahre 1739 betrug 33; von ihnen besuchte die 
Hälfte, zuweilen auch mehr, die Classen nicht. Euler ver¬ 
fasste für das Gymnasium und liess 1738 drucken eine 
«Anleitung zur Arithmetik» 1 ). Aber der Lehrer der Mathe¬ 
matik war nicht im Stande die Anleitung des berühmten 
Gelehrten zu benutzen: die Arithmetik lehrte ein Student 
und die Geometrie der Tanzmeister, bis die Kanzelei der 
Akademie diese beiden Fächer im Jahre 1740 dem Adjunc- 
ten Adadurow übertrug. Die französische Sprache lehrte im 
Gymnasium seit 1739 der Akademiker Le Roy. Statt den 
Bestand der Lehrer zu heben, bemühte sich Krafft um die 
Verminderung ihrer Zahl: im Jahre 1742 hob er einen 
Lehrerposten in der deutschen Abtheilung des Gymnasiums 
auf, und 1743 wollte er noch drei Lehrer aus dem Gymna¬ 
sium entlassen: Heinrich Müller (einen Bruder des Histo- 


1) Diese Anleitung wurde vou Adadurow ins Russische übersetzt und 
unter dem Titel gedruckt: «PyKOBOACTBO kt. apHOMCTHKi, ynoTpcßjie- 
nin bt. niMiia3in CI16. AKa^eMiu Haym», cou. r. Dftjiepa; aepeBen. ct> Ht- 
MCUKaro BacHJiifi A xa^y poßi.. 2 h. CfI6. 1750—1760 r ». 


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17 


riographen f 1783), Hermann und Fischer, um sie durch 
Studenten zu ersetzen. «Müller und Hermann», schrieb 
Krafft, «unterrichten im Lateinischen, und es ist nicht 
nöthig, dass zwei in einem Fach thätig sind, und von der 
russischen Sprache verstehen sie nichts, aus welchem 
Grunde dieses Amt, zu besserem Verständniss des russi¬ 
schen Volks, Uebersetzer oder Studenten ausfüllen können, 
wie auch die Projecte Sr. Majestät des Kaisers Peter’s des 
Grossen befehlen... Fischer besitzt ebenfalls die erforder¬ 
liche Geschicklichkeit im Unterrichten des russischen Vol¬ 
kes nicht, kennt auch die russische Sprache wenig, ist dazu 
taub, sieht schlecht und pflegt ausserdem sehr häufig bei 
seiner Arbeit betrunken zu sein, wesswegen die Schüler fast 
immer über ihn spotten». Gegen die Entlassung dieser Lehrer 
aus dem Gymnasium protestirte die akademische Conferenz 
in starken Ausdrücken, und sie blieben auf ihren Plätzen. 

In den ersten 13 Jahren seit Gründung des Gymna¬ 
siums erhielten die orthodoxen Schüler desselben gar keine 
Anweisung in den Dogmen ihres Glaubens, und erst 1739 
dachte man daran, dazu einen Religionslehrer aufzufor¬ 
dern, dem man zw r ei zweistündige Lectionen wöchentlich 
zuwies. Der Synod ernannte zu diesem Amte den Mönchs¬ 
priester Arssenij Mazejewitsch, späteren Metropolit von 
Sibirien und dann von Rostow, der während der Regierung 
der Kaiserin Katharina durch seinen Protest gegen die 
Confiscation von Kirchengütern zu Gunsten des Fiscus so 
bekannt geworden ist. 

Im Jahre 1739 übernahm der Akademiker Fischer, Das Rectorat 
früher Rector des Gymnasiums, eine Reise nach Sibirien, Ma (f 7 n 3 9 ) kl s 
während sein Amt Magnizki übergeben wurde, der es 
nicht mehr als ein Jahr lang bekleidete und durcli den Pro¬ 
rector Moerling ersetzt wurde. 

Beiträge z. Kenntniss d. Ross. Reiches. Dritte Folge. 2 


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18 — 


Moeriing’s Von Moerling lind seiner Thätigkeit am Gymnasium 
( 1739 —°i 74 i).l ia t sich keinerlei Zeugniss erhalten; bekannt ist nur, dass 
er 1736 zum Adjuncten der Akademie und zu gleicher Zeit 
zum Prorector des Gymnasiums ernannt worden war. Nach 
seinen 1737 in der akademischen Druckerei gedruckten 
«Predica» und «Karmena» in schwedischer Sprache lässt 
sich annehmen, dass er ein schwedischer Pastor war. Krafft 
blieb Inspector des Gymnasiums bis 1743 und wurde im 
folgenden Jahre, 1744, zum Professor der Mathematik an 
der Universität Tübingen berufen. 

Le itoy’s Im Gymnasium ersetzte ihn der Akademiker für neuere 
1743 ^ 1748 ).Geschichte Le Roy, der bis 1748 Inspector blieb. 

Die Beziehungen des Präsidenten der Akademie, Grafen 
K. G. Rasumowski, zum akademischen Gymnasium waren 
rein formell. Sie spiegeln sich charakteristisch in folgendem 
Protokoll der Akademie vom 30. Juni 1746 ab. «Auf Befehl 
Ihrer Kaiserlichen Majestät bestimmte der wirkliche Kam¬ 
merherr, der Orden des heiligen Alexander und der heiligen 
Anna Cavalier und der Akademie der Wissenschaften Prä¬ 
sident, Graf Kirilla Grigorjewitsch Rasumowski, nachdem 
er den vom Inspector des Gymnasii und Professor Le Roy 
auf den Namen Sr. Erlaucht unter dem 13. des laufenden 
Monats eingesandten Brief angehört: selbigen Brief ihm, 
Le Roy, durch den Kanzelisten Albom mit der Erklärung 
zurückzusenden, dass er hinfort in Geschäften Ihrer Kai¬ 
serlichen Majestät Sr. Erlaucht Rapports in russischer 
Sprache, auf ganzen Bogen, nicht aber auf halben Bogen 
in Form eines Briefes geschrieben, einsende, denn auch 
ihm, Le Roy, sei mit der Unterschrift Sr. Erlaucht eine 
Ordre und kein Privatbrief gesandt worden. Wenn aber 
er, der Inspector des Gymnasii, oder irgend ein Anderer 
von den Professoren es nöthig hätte in Geschäften Ihrer 


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19 — 


Kaiserlichen Majestät an Sr. Erlaucht Rapports einzu¬ 
reichen, so sei an der Spitze des Rapports auf ganzem 
Bogen folgendermaassen zu schreiben: Ihrer Kaiserlichen 
Majestät wirklichem Kammerherrn, der Orden des heiligen 
Alexander und der heiligen Anna Cavalier und Präsidenten 
der Akademie der Wissenschaften, dem Erlauchten Grafen 
Kirilla Grigorjewistch Rasumowski von dem Professor 
dieses oder jenes Namens Rapport, — aber nicht so, wie 
von ihm, dem Inspector in Form eines Briefes geschrieben 
worden sei. Wovon allen Herren Professoren hierdurch zur 
Nachachtung kund und zu wissen gegeben werde». 

Im Jahre 1747 wurde das Haus der Barone Stroga- 
now auf Wassili-Ostrow auf sechs Jahre als Local für die 
Universität und das Gymnasium gemiethet. 

Knaben der unteren Stände bildeten wie früher das Haupt- 
contingent des akademischen Gymnasiums; so wurden 1731 
acht Söhne von Zimmerleuten, von denen sechs an der Ad¬ 
miralität dienten, aufgenommen; 1735 traten die Söhne eines 
Schreibers, eines Schiffers, eines Bootsmannes, desgleichen 
Söhne von Leibeigenen des Fürsten Kurakin, des Contre- 
admirals Mischukow und des Hofintendanten Moschkow 
ein; 1737 wurden aus der Regiments-Kanzelei des Preo- 
brashenskischen Regiments 19 Cantonnisten ins Gymnasium 
gesandt und 13 Soldatensöhne auf Grund von Bittschriften 
aufgenommen; 1747 wurde der Sohn des Kammerdieners 
des Grafen K. G. Rasumowski ins Gymnasium gegeben, 
und 1748 wurden die Söhne einiger Soldaten, Hofkutscher 
und Stallknechte, eines Wächters, Tischlers, Kochs aufge¬ 
nommen. Es ist zu bemerken, dass 1741 unter den Soldaten¬ 
kindern auch der später als Akademiker bekannte Kotel- 
nikow ins Gymnasium eintrat. 


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— 20 — 


Die Aber aucli Kinder gebildeter Familien hörten inzwischen 

ins Gymna- nicht auf, wenn auch in sehr geringer Zahl, ins Gymnasium 
nommenen" einzutreten; so wurden 1733 der Sohn des Contreadmirals 
Schaler. Ssinjawin und ein Bruder des Akademikers Fischer, 1736 
Dietrich Christian Osterwald, 1739 der Sohn des Post- 
directors Georg Thomas Asch, 1740 der Sohn des Präsi¬ 
denten der Admiralität, des General-Kriegscommissars der 
Flotte Michael Ssoimonow, 1745 drei Söhne des General- 
Rentmeisters in Kleinrussland Skoropadski und der Sohn 
des Kosakenheeres-Aeltesten Chonenko, 1746 der Sohn 
des Raths Peter Bakunin aufgenommen; letzterer trat, weil 
er gut vorbereitet war, in die höhere Classe ein. 

Einige von ihnen wurden in späterer Zeit, während der 
Regierung der Kaiserin Katharina, sehr nützliche Staats¬ 
männer, wesshalb es sich lohnt ihrer zu gedenken und bei 
ihnen zu verweilen. 

Osterwald. Osterwald wurde der Lehrer des Grossfürsten Paul 
Petrowitsch in der Geschichte, in der Geographie, in der 
deutschen und russischen Sprache; später war er Senator. 
Asch. Georg Thomas Asch beendigte 1750 den Cursus der 
medicinischen Facultät an der Universität Göttingen, war 
während der Regierung der Kaiserin Katharina, zur Zeit 
des ersten Türken-Krieges, Generalstabsdoctor der Armee 
und zeichnete sich besonders zur Zeit der Pest in Moskau 
aus; später war er älteres Mitglied des Medicinalcollegiums. 
Er nahm Tlieil an der Commission zur Aufstellung des Pro- 
jects für die neue Uloshenje, namentlich an der Subcom¬ 
mission für das Unterrichtswesen. 

Ssoimonow. Michael Fedorowitsch Ssoimonow war Oberprocu- 
rator des Senats, ihm wurden auch die Geschäfte des Berg¬ 
collegiums anvertraut; 1733 wurde er zum Senator ernannt; 
dann leitete er die Bergschule bis 1766 und abermals von 


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1794—1801. Nachdem Kaiser Paul den Thron bestiegen, 
wurde das von Katharina aufgehobene Bergcollegium 
wieder hergestellt und Ssoimonow mit dem Titel eines 
Hauptdirectors des Berg- und Münzwesens zum Präsidenten 
desselben ernannt. 

Peter Wassilje witsch Bakunin war während der Re- Bakunin. 
gierung Kaiser Peter’s III bevollmächtigter Secretär des 
Grafen Michael Illarionowitsch Woronzow und arbeitete 
nicht selten mit dem Kaiser selbst. Er war mit einer 
leiblichen Nichte des Kanzlers, Anna Ssergejewna Tati- 
schtschew, verheirathet. Während der Regierung der 
Kaiserin Katharina wurde Bakunin als ein Mitglied des 
Collegiums der auswärtigen Angelegenheiten so zu sagen 
die rechte Hand des Kanzlers Grafen Panin. Er führte 
eine schöne Geschäftsfeder und hat die berühmte Declara¬ 
tion über die bewaffnete Neutralität geschrieben, welche 
so viel Lärm in Europa gemacht hat und England so un¬ 
angenehm war. 

Am 24. Juni 1747 wurde das neue Statut der Akademie Der Etat des 
der Wissenschaften bestätigt und am 25. September des- 
selben Jahres auch der Etat des Gymnasiums, in welchem 
ausser dem Rector und Conrector folgende Lehrer fungiren 
sollten: 1) ein Lehrer der ersten Grundlagen der lateinischen 
Sprache, 2) ein Lehrer für Lesen und Schreiben, 3) ein 
Lehrer der deutschen Sprache, 4) ein Lehrer der Arithmetik 
und Geometrie und 5) ein Zeichenlehrer. «Für die Wissen¬ 
schaft hat Niemand von wem es auch sei etwas zu fordern», 
heisst es in diesem Statut, mit anderen Worten, es war un¬ 
entgeltlicher Unterricht festgesetzt; auch sollten im Gym¬ 
nasium 20 Kronsstipendiaten gehalten werden, damit sich 
die Zahl der Studenten immer completiren könnte. Alle 
Lehrer des Gymnasiums mussten in russischer Sprache un- 


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22 


terrichten, auch die lateinische Sprache waren sie verpflichtet 
im Russischen zu lehren, ohne dazu weder das Französische, 
noch das Deutsche zu Hülfe zu nehmen. Von Anfang an er¬ 
wies sich diese Forderung als unerfüllbar, weil es an rus¬ 
sischen Lehrern mangelte, die die alten Sprachen gründlich 
kannten. Am 12. Januar 1749 wurde im Protokoll der aka¬ 
demischen Kanzelei vermerkt: «Obgleich die Kanzelei sich 
auf alle mögliche Weise bemüht hat, geschickte Lehrer auf¬ 
zufinden, die im Stande wären in erwähnter Weise zu un¬ 
terrichten, konnte sie solche nicht ermitteln; desswegen ist 
Sr. Hochgräfllichen Erlaucht dem Präsidenten der Akademie 
vorzustellen, ob er nicht geruhen werde zu befehlen, dass 
man im Gymnasium nach alter Art unterrichte, bis geschickte 
Lehrer ausfindig gemacht werden». Diese Vorstellung er¬ 
hielt nicht die Genehmigung des Präsidenten, aber der Be¬ 
stand der Lehrer und die Unterrichtssprache erhielten sich, 
wie wir unten sehen werden, wie früher. 

Fischer’s Im folgenden Jahre, 1748, stellte der Director des Gym- 

Proiect zur 

Organisation nasiums Fischer ein Project zur Organisation des Gynma- 

^LmThn" siums vor, das er «Einrichtung des Gymnasiums im Jahre 

Jahre 1748. 1748 » betitelte. Nach diesem Project wurde beabsichtigt, 
unter Beibehaltung der früheren Theilung des Gymnasiums 
in zwei Abtheilungen, eine deutsche und eine lateinische 
Schule, in jeder Abtheilung je zwei Classen zu bilden und die 
Dauer des Cursus in der oberen deutschen Classe auf ein Jahr, 
in allen übrigen auf zwei Jahre festzusetzen, so dass der ganze 
Gymnasialcursus sieben Jahre dauern sollte. Eine solche 
Eintheilung des Gymnasiums in vier Classen wurde offenbar 
durch den Mangel an Raum erzwungen, weil in dem von 
Baron Stroganow gemietheten Hause dem Gymnasium nur 
vier Zimmer eingeräumt waren. In seinem Projecte vertheilte 
Fischer ausführlich die Unterrichtsstunden in allen Classen, 


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— 23 — 


indem er den wichtigeren Gegenständen, nämlich der deut¬ 
schen Sprache in der deutschen Schule und der lateinischen 
Sprache in der lateinischen Schule, mehr Stunden anwies 
und diese Stunden sehr pädagogisch für den Vormittag 
ansetzte, weil «sie mehr Nachdenken erfordern».*) 

Am 10. August 1750 erfolgte die «Verordnung in Betreff Die Verord- 
der Universität und des Gymnasiums, unter Unterschrift n fen g Rasu- a 
des Herrn Präsidenten der Akademie der Wissenschaften». Betreff de” 
Nach dieser «Verordnung» war die Oberleitung des Gym- Gymnasiums 
nasiums dem Rector der Universität gemeinsam mit dem i750. 
Gymnasial-Rector übertragen, und zusammen hatten sie die 
Unterrichtsstunden und die Lehrbücher festzusetzen; das 
Gymnasium sollte wie früher aus sechs Classen, d. h. aus 
drei deutschen und drei lateinischen bestehen; wenn sich 
aber fähige Schüler finden, welche ihren Unterricht weiter 
fortzusetzen wünschen, «so ist noch eine lateinische Classe 
einzurichten, in welcher die schwersten Autoren, sowohl 
Prosaiker als Dichter, zu interpretiren sind und auch Unter¬ 
richt in der griechischen Sprache zu ertheilen ist». Aller 
Wahrscheinlichkeit nach erfolgte diese Erlaubniss, im 
Gymnasium noch eine höchste Classe zu gründen, in Folge 
einer 1749 von Müller, dem damaligen Rector der aka¬ 
demischen Universität, gemachten Vorstellung über die Noth- 
wendigkeit, im Gymnasium eine oberste Rectoratsclasse 
hinzuzufügen, wo die Studenten ihre Schulbildung ergänzen 
könnten. Im Gymnasium war es nach wie vor statthaft nur 
diejenigen Fächer zu lernen, die die Schüler oder ihre El¬ 
tern auswählten, während die Vollendung des vollen Gymna- 
sialcursus mit beiden alten Sprachen nur von denen ver¬ 
langt wurde, die sich den höheren Universitätsstudien 


1) Siehe Beilage 1. 


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24 


widmen wollten; das war im § 28 dieser «Verordnung» 
folgendermaassen ausgedrückt: «Wenn Jemand von den 
freiwilligen Schülern Fortschritte in den Wissenschaften 
zu machen und in der Universität die Vorlesungen der 
Professoren zu besuchen wünscht, so soll derselbe, nach 
vorgeschriebener Norm, die lateinische und griechische 
Sprache, Geschichte, Geographie, Arithmetik und Geome¬ 
trie lernen, wenn aber Jemand von der Wissenschaft nicht 
seinen Unterhalt zu haben wünscht, so hat er im Gymnasium 
die Wissenschaften zu lernen, welche seiner Absicht dien¬ 
lich sind». Diese «Verordnung» oder dies Statut wurde vom 
Präsidenten der Akademie Grafen Rasumowski bestätigt. 

Das Rectorat Im Jahre 1750 war Professor Krascheninnikow Rector 

Krasclic- 

uinnikow’sdcs Gymnasiums. Er war in der gelehrten Welt schon als 

U acke°r’s Student durch seine Betheiligung an der zweiten Expe- 

(1750—1755). ( |iti on ßerings nach Kamtschatka, von 1736—1743, be¬ 
kannt geworden. Die von ihm verfasste Beschreibung des 
Landes Kamtschatka, «Orracauie 3 cmjih KaM^axim», wurde von 
Müller 1755 herausgegeben und darauf ins Französische, 
Deutsche und Englische übersetzt. Er hatte auch die «Bota¬ 
nische Beschreibung der Pflanzen in Ingermanland» verfasst, 
«EoTaiuriecKoe oimcanie pac r reniü no HurepMaiuiaHAin», welche 
von Gorter unter dem Titel «Flora ingrica» ins Lateinische 
übersetzt und 1761 herausgegeben wurde. Ausserdem über¬ 
setzte er und Hess 1750 drucken die Geschichte Alexanders 
des Grossen von Quintus Curtius. Im Jahre 1750 wurde 
Krascheninnikow zum Professor der Botanik ernannt. 
Die Ernennung Krascheninnikow’s zum Rector des Gym¬ 
nasiums hinderte die Kanzelei der Akademie nicht noch 
einen zweiten Rector, der die alten Sprachen gründlich 
kannte, zu ernennen, und zu diesem Amte wurde der Ma¬ 
gister Rothacker aus Tübingen berufen. 


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25 


Die Methode das Gymnasium mit Schülern zu füllen, 
änderte sich nicht; im Jahre 1749 bat die akademische 
Kanzelei das Kriegscollegium um die Erlaubniss, aus der 
St. Petersburger Garnisonsschule 15 minderjährige Schüler 
in das Gymnasium zu nehmen, und trug nach erhaltener Ein¬ 
willigung dem Professor Stähl in und dem damaligen Rec¬ 
tor des Gymnasiums Fischer auf, «dass sie sich bemühten, 
so viel als möglich, nach ihrer Einsicht, aus jenen Schülern 
fünfzehn Mann von den fähigen und zum Verständniss der 
Wissenschaften und der Künste besten und zuverlässigsten 
auszuwählen». 

Das Gymnasium bestand, wie auch früher, hauptsäch¬ 
lich aus völlig unbemittelten Soldatenkindern. Von den 
Schülern des Gymnasiums waren, wie wir gesehen, nur 20 
Stipendiaten, die von der Akademie je einen Rubel den 
Monat erhielten. Bald wurde es augenscheinlich, dass eine 
solche Zahl von Stipendiaten zur Completirung der Univer¬ 
sität unzureichend war. «Jeder Gymnasiast», urtheilte die 
akademische Kanzelei, «wird in noch unmündigen Jahren 
für die Wissenschaft bestimmt, so dass dessen Würdigkeit, 
Begriffsvermögen und Fleiss unmöglich mit einem Mal wahr¬ 
genommen werden können, denn Mancher scheint anfänglich 
scharfsinnig und zuverlässig im Fortschreiten in den Wissen¬ 
schaften zu sein, wird aber dann faul und ganz begriffsstutzig, 
und wenn auch solche durch Strafe von der Faulheit abge¬ 
bracht und zum Begreifen gebracht werden sollen, so hilft das 
doch nicht Jedem, und in solchem Fall ist man gezwungen die 
Faulen und Unbegabten auszuschliessen und an ihre Stelle 
andere, aber ebenso jugendliche zu setzen. Es wäre sehr 
zufriedenstellend, wenn von 20 noch minderjährigen Schülern 
die Hälfte an Verständigen, Guten und zu den höheren Wis¬ 
senschaften Fähigen nachbliebe, was man indess nicht muth- 


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maassen kann». Auf Grund dieser richtigen Ausführungen 
wurde die Zahl der akademischen Stipendiaten im Jahre 
1750 anfangs auf 30 und zu Ende desselben Jahres auf 40 
erhöht. 

Aber auch diese Maassregel wurde als unzureichend an¬ 
erkannt, und zu gleicher Zeit wurde den Stipendiaten «zu 
ihrer Ermunterung, damit sie sich Mühe geben rasch aus 
einer Classe in die andere versetzt zu werden», auf das Gesuch 
Krascheninnikow’s, je nach den Classen eine besondere 
monatliche Gage festgesetzt, die allmählich wuchs: in der 
obersten lateinischen Classe, in der übrigens 1750 kein ein¬ 
ziger Schüler war, betrug sie je 3 Rubel, in der mittleren 
lateinischen Classe, die im Ganzen aus einem Gymnasiasten 
bestand, je 2 Rbl. 50 Cop., in der obersten deutschen Classe, 
wo 9 Schüler waren, je 1 Rbl. 50 Cop. und in der unteren 
deutschen Classe, mit 7 Schülern, je 1 Rubel. 

Ausserdem wurde 1750 das, wie wir gesehen haben, 
schon 1733 von Fischer eingereichte Gesuch um Be¬ 
freiung der armen Gymnasialschüler von der Zahlung des 
Brückenzolls für das Passiren der Newa-Brücke, gleichfalls 
erfolglos, erneuert: Die akademische Kanzelei forderte vom 
Admiralitäts-Collegium die zur Disposition-Stellung von 60 
Gratisbilleten zur Brückenpassage armer Schüler, welche, 
nicht im Stande diesen Zoll zu entrichten, «von der Wis¬ 
senschaft abstehen», aus welchem Grunde sie darum bat, 
dieselben davon zu befreien, «um dadurch die wachsenden 
Wissenschaften nicht zu unterbrechen». 

Die Erfolglosigkeit des akademischen Unterrichts wurde 
auch durch den Umstand befördert, dass die Schüler nicht 
zu bestimmten Fristen, sondern im Laufe des ganzen Jahres 
aufgenommen wurden, woher es kam, dass «sie unaufhör¬ 
lich neu eintreten und Alle Verschiedenes lernen, und zwar 



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Einige zu schreiben, Einige die Grammatik, Einige zu über¬ 
setzen». 

Der Hauptarbeiter im Gymnasium und Verwalter des- Das inspec- 
selben pflegte gewöhnlich nicht der Rector zu sein, der die ^rach’s ° 
allgemeine Aufsicht über dasselbe führte, sondern der Inspec- ( 175 °— 1761 ) 
tor, der der Schule unmittelbar Vorstand. Unter Krasche- 
ninnikow war Inspector des Gymnasiums der Adjunct der 
Akademie Moderach, ein Pädagog, der bei sich eine Pri¬ 
vatpension für adlige Kinder unterhielt und sowohl die rus¬ 
sische, als auch einige fremde Sprachen gut beherrschte. Als 
der Historiograph Müller auf den Gedanken der Gründung 
einer Vorbereitungsschule zur Ausbildung von Uebersetzern 
kam, wies er namentlich auf Moderach hin, als auf einen 
solchen Specialisten auf diesem Gebiet, der im Stande wäre 
sie zu organisiren und zu leiten. «Ich habe oft den Rath er- 
theilt», schrieb er 1767 an Euler, «zum Leiter einer solchen 
Vorbereitungsschule Herrn Professor Moderach zu machen, 
dessen Kenntnisse in der russischen Sprache ausserordent¬ 
lich umfassend sind; dabei wäre er zu verpflichten, dass er 
den Uebersetzern sowohl ihre Fehler, als auch die wirklich 
guten Seiten ihrer Uebersetzungen zeige. Einstmals erfolgte 
sogar eine solche Anordnung, aber vielerlei Umstände schä¬ 
digten den Nutzen derselben. Mein Rath an Sie ist: unter¬ 
reden Sie sich gründlich mit ihm über dieses Thema. Er ist 
ohne Zweifel ein sehr fähiger Mensch, und wenn er gcnöthigt 
würde die Akademie zu verlassen, kann er bald eine Stelle 
im Collegium der auswärtigen Angelegenheiten finden». Graf 
Rasumowski hatte volles Vertrauen zu Moderach und 
trug ihm daher auf, eine Vorstellung über alle Mängel des 
Gymnasiums und die Art ihrer Verbesserung zu machen. 
Moderach fand — und zwar völlig begründet — der Haupt¬ 
organisationsfehler des Gymnasiums liege darin, dass nicht 


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— 28 — 


alle Schüler desselben obligatorisch den ganzen Gymnasial- 
cursus durchzumachen hätten, wie das in ausländischen 
Gymnasien festgesetzt sei, dass eine fast drei Mal so grosse 
Zahl nur zur Erlernung irgend einer Sprache oder eines 
anderen Faches, die ihnen im Leben später nützlich sein 
könnten, ins Gymnasium eintreten, woraus die Theilung 
der Schule in zwei Kategorien entstehe, von denen jede ein¬ 
zelne eine besondere Anordnung des Unterrichts erfordere. 
Das von Mo- Der Bestand des Lehrkörpers konnte nach der richtigen 
gestente Pro-Meinung Moderach’s nur durch die Forderung eines vor- 
•’^i^^^'gängigen Examens der Lehrer in der akademischen Confe- 

uung des renz un d durch die Nichtzulassung von Universitätsstuden- 
Dymnasiums. 

ten zum Unterricht gehoben werden. 

Die Hauptnrsache der geringen Erfolge des grössten 
Theils der Gymnasiasten, die aus dem einfachen Volk ge¬ 
nommen wurden, rührte nach der Bemerkung Moderach’s 
von dem Mangel an Erziehung und Aufsicht seitens ihrer 
Eltern her, die auch das von der Akademie für die Stipen¬ 
diaten ausgesetzte Geld unfruchtbar verausgabten; daher 
hielt er es für nothwendig, Kinder aus den ungebildeten 
Classen mit sorgfältigerer Auswahl ins Gymnasium aufzuneh¬ 
men und das Geld nicht den Eltern in die Hände zu geben, 
sondern für die Stipendiaten am Gymnasium ein Internat ein¬ 
zurichten. Die Hauptmängel des Gymnasiums lagen nach 
der Meinung Moderach’s in der Vermischung der Kinder 
aus guten Familien mit den Kindern aus den unteren Stän¬ 
den, von denen die' ersteren schlechte Gewohnheiten an¬ 
nehmen, woher Personen höheren Standes es vermeiden ihre 
Kinder hinzugeben, sowie ferner auch in der Nachlässigkeit 
der Lehrer, welche entweder überhaupt nicht zu ihren Lec- 
tionen kommen, oder sich verspäten, oder vor Beendigung 
der Stunde fortgehen, worüber viele Eltern Klage führen: 


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— 29 — 


im Herbst und Frühjahr kommen die Kinder, bis an die Kniee 
im Koth, ins Gymnasium und finden keinen Lehrer. Zum 
Schluss wurde Moderach auch wegen der Nothwendigkeit 
der Herausgabe eines Gymnasialstatuts vorstellig, in wel¬ 
chem die Pflichten des Inspectors, der Lehrer und Schüler, 
die Vertheilung der Lehrfächer und Lehrstunden, die Lehr¬ 
bücher und endlich auch die Strafen festgesetzt wären, da¬ 
mit ein Jeder seine Obliegenheiten genau kenne *). 

Alle diese sachlich begründeten Gedanken und Vor¬ 
schläge blieben unausgeführt. Freilich bemühte sich Mode¬ 
rach nach Möglichkeit, seine Stellung im Gymnasium aus¬ 
nutzend, sie praktisch anzuwenden; aber bei der bestehen¬ 
den Einrichtung desselben konnte es ohne radicale Reorga¬ 
nisation unmöglich gehoben werden. Wahrscheinlich erfolgte 
aus solchen Absichten im Jahre 1750 eine Palliativver¬ 
ordnung der akademischen Kanzelei folgenden Inhalts: «Die 
im Gymnasio unterrichteten Kinder aus dem Adel und aus 
anderen angesehenen Rängen sollen an einem besonderen 
Tische sitzen, die Kinder unangesehener Eltern aber sollen 
von ihnen abgesondert werden». 

Bis zu welchem Maasse es erforderlich war, genau die 
Obliegenheiten der Vorgesetzten des Gymnasiums zu be¬ 
stimmen, erwies sich bald aus einer Anordnung des Präsi¬ 
denten der Akademie hinsichtlich des Rectors des Gymna¬ 
siums Rothacker. Im Jahre 1757, als Graf Rasumowski 
in Moskau war, wurden ihm von einigen Edelleuten, deren 
Söhne im Gymnasium unterrichtet wurden, Klagen über die 
Strenge des Rectors gegen die Kinder, besonders beim Un¬ 
terricht in den alten Sprachen, zugesandt. In dieser Veran¬ 
lassung schrieb Graf Rasumowski dem Rath Schumacher: 


1) Siehe Beilage 2. 


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«der Rector Rothacker ist ein erst kürzlich angereister 
Mann, der weder die Sprache, noch die Sitten unserer jun¬ 
gen Leute kennt und daher zur Aufsicht über das Betragen 
und die Gewohnheiten unserer Studenten und Gymnasiasten 
sehr unhefähigt ist. Ausserdem weiss er mit Ausnahme der 
lateinischen, griechischen und hebräischen Sprache nichts, 
was für die adligen Kinder auch nicht nützlich sein kann. Aber 
weil schonKlagen einiger angesehenen Personen, deren Kinder 
im Gymnasio unterrichtet werden, an mich gelangt sind, als 
ob seit meiner Abreise im Gymnasio eine Unordnung ein¬ 
gerissen sei und der Unterricht nicht mehr so viel Frucht 
bringe, so wollen Sie in meinem Namen in der Kanzelei 
anordnen: 1) Herr Rothacker hat als Rector seine obere 
Classe in den Wissenschaften der lateinischen Sprache zu 
unterrichten, in welcher er den auf Kosten der Akademie 
Unterrichteten und Anderen, die es wünschen, in der Reinheit 
der lateinischen Sprache, in der griechischen Sprache, in 
den ersten Grundlagen der Rhetorik und Logik und in der 
Abfassung lateinischer Verse Anleitung zu geben und seine 
Lcctionen in der Weise einzurichten hat, dass aus seinen 
Schülern zum Hören der höheren Wissenschaften fähige 
Studenten hervorgehen könnten. Ihm zur Hülfe kann der 
Conrector mit ihm die Lectionen theilen. Ausser dieser Ar¬ 
beit aber soll er, Rothacker, sich mit keiner anderen be¬ 
fassen und sich um nichts kümmern; denn der Rector des 
St. Petersburger Gymnasiums kann nicht so gestellt sein, 
wie in deutschen Städten, an Kirchen, weil unsere Gym¬ 
nasiasten grösstentheils nur die Sprachen und die adligen 
Wissenschaften zu lernen wünschen. 2) Der Herr Adjunct 
Moderach hat bei seiner früheren Arbeit ohne jegliche 
Abänderung zu verbleiben; übrigens steht er nur unter 
Aufsicht der Kanzelei, und der Rector hat sich um ihn, ab- 



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gesehen von guten Rathschlägen, durch keinerlei Anordnun¬ 
gen zu kümmern, es sei denn was den Unterricht in der 
lateinischen Sprache betrifft, weil Moderach selbst solche 
Meriten besitzt, mit denen er der Akademie nicht minder 
Nutzen und Ehre bringen kann, wie Rothacker, und ein 
Mann in solchem Range und Amte, in welchen er sich be¬ 
findet, eine vorzügliche Geschicklichkeit besitzt». Auf solche 
Weise war der Rector des Gymnasiums zur Stufe eines 
Lehrers der alten Sprachen in der oberen Gymnasialclasse 
degradirt, während der Inspector für unabhängig von der 
obersten Behörde im Gymnasium erklärt wurde. Dieser Brief 
des Grafen Rasumowski charakterisirt vollständig die An¬ 
schauungen der Zeit von dem System der Bildung: bei uns 
in Russland können ja die Gymnasien nicht so eingerichtet 
sein, wie überall in fremden Staaten; bei uns müssen nur 
die armen Schlucker ernstlich lernen, um nachher eine 
höhere Bildung und damit später auch ein Stück Brod zu 
erhalten; wir besitzen gewisse, in andern Ländern unbe¬ 
kannte adligeWissenschaften, die in den neueren Sprachen 
und einigen leichteren, im praktischen Leben anwendbaren 
Fächern bestehen. Kann man sich darnach wundern, dass 
solche pädagogische Ansichten, von Generation zu Generation 
auf dem Wege der Tradition sich forterbend, bis auf unsere 
Zeit gelangt sind und sich so reliefartig im Kampfe der 
Realisten gegen die klassische Bildung ausgesprochen haben? 

Was man auch sagen möge: unsere Realisten standen auf 
historischem Boden: wurde doch mit Ausnahme des Standes- 
princips schon vor 120 Jahren ganz dasselbe gesagt! 

Im Jahre 1751 wurde Krascheninnikow zum Rector Das inspec- 
der Universität ernannt und vom Rector des Gymnasiums schemnni- 
zum Inspector desselben umbenannt; auf diese Weise traten n^^anfmU 
statt zweier Rectoren zwei Inspectoren des Gymnasiums Mo ^ 7 e 5 r ^ ch 


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auf. Zu dieser Zeit war Stänger Conrector des Gymna¬ 
siums. 

Die Lage des in seine obere Classe eingesperrten 
Rothacker wurde kritisch, weil es in dieser Classe keinen 
einzigen Schüler gab, d. h. es war Niemand vorhanden, dem 
er die alten Sprachen hätte lehren können. Dem wurde da¬ 
durch abgeholfen, dass man 12 Studenten der Universität 
in diese Gymnasialclasse zurückversetzte: «Obgleich gegen¬ 
wärtig von den akademischen Gymnasiasten keine vorhanden 
sind, die zum Unterricht in den höheren Autoren der latei¬ 
nischen und griechischen Sprache fähig sind», lesen wir im 
Protokoll vom 31. Mai, «so sind doch, wie aus dem von 
Herrn Professor Krascheninnikow eingereichten Rapport 
ersichtlich, unter den Studenten bis zwölf Liebhaber für 
den Unterricht in der griechischen Sprache, so dass er, 
Rothacker, sie jetzt auch unterrichten soll, und sobald es 
unter den Gymnasiasten dazu fähige Schüler geben wird, 
soll er auch diese gleichermaassen unterrichten.» 

Der Cursus des Gymnasiums wurde ebenso willkürlich 
und zufällig verändert, wie der Bestand der Vorgesetzten 
des Gymnasiums. Im Jahre 1748 wurde im Gymnasium der 
Italiener Godendi zum Lehrer der französischen Sprache 
ernannt und ihm vorgeschrieben: «wenn sich Schüler finden 
werden, so hat er einige Stunden in der Woche auch im Italie¬ 
nischen zu unterrichten». Von dieser Zeit an wurde die zu¬ 
fällig in den Cursus des Gymnasiums gerathene italienische 
Sprache bis ans Ende des vergangenen Jahrhunderts als 
Schulfach beibehalten. Im Jahre 1751 erschien es aus un¬ 
bekannten Gründen nöthig, die Fortification in den Gymna- 
sialcursus einzufügen. «Es ist für den Nutzen der Schüler 
des akademischen Gymnasiums sehr nöthig», heisst es im 
Protokoll vom 12. Januar, «dass sie die Fortification lernen, 



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ein solcher Mensch findet sich aber an der Akademie nicht, 
während der Adjunct der Mathematik am adligen Cadetten- 
corps Heinrich Meirt durch eine auf den Allerhöchsten 
Namen in der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften 
eingereichte Bittschrift erklärt, dass er sich in der Geome¬ 
trie undFortification hinreichend geübt habe, was ihm auch 
in der Kanzelei des Cadettencorps, in Gegenwart der die 
Ingenieurkunst kennenden Herren Officiere, bezeugt wor¬ 
den»; er wurde denn auch zum Lehrer der Fortification er¬ 
nannt. Aber die Fortification blieb nicht lange im Gymna- 
sialcursus; sie wurde 1755 aus demselben ausgeschlossen, 
«gemäss der Einsicht, dass der Unterricht in dieser Wissen¬ 
schaft fürder nicht mehr von Nöthen sei und dass auch nach 
dem akademischen Reglement die Fortification zu lehren 
nicht angeordnet sei». 

Der Religionsunterricht der Gymnasiasten konnte schwer¬ 
lich erfolgreich von statten gehen, weil es keinen betändigen 
Religionsleher am Gymnasium gab, sondern nach Anord¬ 
nung des St.-Petersburger geistlichen Consistoriums zwei 
Messner der Peter-Pauls-Kathedrale, Jahr um Jahr einander 
abwechselnd, Unterricht gaben. 

Der Bestand der Lehrer des Gymnasiums war wie früher 
unbefriedigend. Im Jahre 1750 stellte Krascheninnikc-w 
vor: «In der deutschen und französischen Classe geht der 
Unterricht nicht mit solchem Nutzen von statten, wie erwar¬ 
tet werden müsste, denn der Lehrer Herwart, welcher ge¬ 
genwärtig in der unteren französischen und in der oberen 
deutschen Classe unterrichtet, ist in der französischen Sprache 
nicht nur nicht stark, sondern hat sogar eine sehr schlechte 
Aussprache, und in der deutschen fast ebenso; jedenfalls ist 
es wahr, dass er die Schüler in der deutschen Sprache so 
unordentlich unterrichtet, dass nicht die geringste Hoff- 

Beiträge z, Kenntniss d. Bass. Reiches. Dritte Folge. 3 


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nung vorhanden ist, sie könnten aus seiner Unterweisung 
die Eigentümlichkeit dieser Sprache verstehen lernen; er 
bemüht sich auch nicht darum, dass die Schüler sich an 
eine regelrechte Aussprache der Worte gewöhnen, und aus 
diesem Grunde lesen sie in solcher Weise Deutsch, dass ihre 
Aussprache den Kennern dieser Sprache nicht nur wider¬ 
wärtig, sondern dass auch nicht zu verstehen ist, was sie 
lesen, und das hat den Grund gegeben, dass einige von den 
freiwilligen Schülern des bei solchem Unterricht fruchtlosen 
Zeitverlustes wegen genötigt waren, das Gymnasium zu 
verlassen und sich anderswo, zum Tadel für das Gymnasium, 
für Zahlung unterrichten zu lassen. Und sollte nicht für gut 
erkannt werden, zum grösseren Nutzen der Schüler eine ge¬ 
wisse Veränderung im Gymnasio einzuführen, indem man 
Lehrer der deutschen und französischen Sprache zugiebt». 
In Folge dieser Vorstellung wurde Herwart vom Unterricht 
in der französischen Sprache im Gymnasium enthoben und an 
seine Stelle der Lehrer des Cadettencorps Sougis ernannt; 
den Unterricht in der deutschen Sprache behielt er aber einst¬ 
weilen noch, unter Mithülfe des Informators Oesterlen und 
Moderachs selbst, der den Auftrag erhielt, für dieses Facli 
einen anderen Lehrer ausfindig zu machen. Moderach 
empfahl den aus Gdansk (Danzig) gebürtigen Kosh in für die¬ 
ses Amt, welches derselbe auch erhielt. Die Entfernung Her¬ 
war t’s aus dem Gymnasium wurde durch seinen Streit mit 
Moderach beschleunigt: «Herwart ist wegen seiner Unfä¬ 
higkeit und seines unruhigen Lebens», schrieb Graf Rasu- 
mowski an Schumacher, «besonders aber, weil er, wie ich 
aus einem eigenhändigen Briefe desselben ersehen, Mode- 
rach schriftlich beschimpft und denuncirt, aus der Akademie 
auszuschliessen». Zum anderen Lehrer der deutschen Sprache 
wurde ein gewesener Student der akademischen Universität, 



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der Engländer Booker, ernannt, welcher ein reines Russisch 
sprach und mit Leichtigkeit aus einer Sprache in die andere 
übersetzte. Im Jahre 1753 wurde zum Lehrer der deut¬ 
schen Sprache in der unteren deutschen Classe ein russischer 
Student ernannt, «welches Amt er zu bekleiden im Stande 
ist, denn er versteht von allen Studenten am besten Deutsch». 
In demselben Jahre wurde für die Conrector-Classe (die 
mittlere lateinische) ebenfalls ein Student, Gerassimow, 
ernannt, weil der Conrector Stenger, der in dieser Classe 
unterrichtete, die russische Sprache nicht kannte und seine 
Schüler aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzten; die 
Obliegenheit Gerassimow’s bestand darin, dass er, indem er 
Stenger unterstützte, die Schüler ins Russische übersetzen 
liess, was eine doppelte Uebersetzung, zuerst ins Deutsche 
und nachher ins Russische, veranlasste. «Zum Nutzen des 
Gymnasii ist unumgänglich nothwendig», schrieb Kra- 
scheninnikow, «dass einer von den Studenten die Schüler 
der Stenger’schen Classe ins Russische übersetzen lehre 
und dass er dasselbe zu übersetzen befehle, was sie bei 
Stenger aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzen; 
denn er habe bemerkt, dass die Schüler den Inhalt eines 
lateinischen Autors, wofern er ihnen interpretirt worden, 
vollständig verstehen und ins Deutsche übersetzen, aber 
ins Russische zu übersetzen nicht im Stande sind. Wenn 
ihnen aber ein solcher Mensch beigegeben wird, so werden 
sie erfolgreicher Latein lernen und rechtzeitig sich an 
Uebersetzungen gewöhnen». 

Die Behandlung der Schüler seitens der Lehrer war 
roh. Am deutlichsten spiegelt sich das in den Originalproto¬ 
kollen der akademischen Kanzelei wieder. So ist im Proto¬ 
koll vom 31. October 1752 vermerkt: «Der Universitäts¬ 
professor, Rector und Inspector des Gymnasii, Herr Kra- 

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scheninnikow stellte unter diesem Datum der Kanzelei einen 
Rapport darüber vor, in welcher Weise der Conrector Sten- 
ger bei der Bestrafung mit den Schülern verfuhr, raaassen 
er sie mit dem Stock derart zurichtete, dass einer von ihnen, 
Ilja Awramow, gegen zwei Wochen krank gewesen, worüber 
er mündlich in der Kanzelei berichtet habe, und sei ihm, 
Stenger, ein Verweis desshalb ertheilt und streng verboten 
worden den Rohrstock zu gebrauchen; aber er, Stenger, 
habe am 30. October c. den Schüler Wedenski nicht nur mit 
seinem Rohrstock misshandelt, sondern ihm auch das Auge 
mit demselben gefährlich verletzt. Von solchen Strafen müsse 
aber nicht so sehr eine Besserung der Schüler, als vielmehr 
eine Schädigung erwartet werden, da solche Verletzungen in 
ihnen die Lust zu den Wissenschaften ertödten und der Ge¬ 
sundheit der jungen Kinder unheilbaren Schaden zufügen kön¬ 
nen, zu grosser Beeinträchtigung des von ihnen erwarteten 
Nutzens, um so mehr, als bei ihm, Stenger, die besten von den 
gagirten Schülern Unterricht haben, die nicht nur Arithme¬ 
tik, Geometrie, Trigonometrie und Geographie gelernt, son¬ 
dern auch in der Fortification einige Fortschritte gemacht 
haben und so viel Deutsch verstehen, dass sie in seiner Classe 
vermittelst der deutschen Sprache Latein lernen, denn er, 
Stenger, versteht kein Russisch. Und verlangte der Profes¬ 
sor, dass ihm, Stenger, in solchen tadelnswerthen Eigen¬ 
mächtigkeiten Einhalt gethan und wegen Ungehorsams ge¬ 
gen den Befehl eine Strafe auferlegt würde, damit sowohl 
er, als auch die Anderen sich in Zukunft nicht an Ungehorsam 
gewöhnen. Wenn er aber die ihm auferlegte Strafe nicht zu 
tragen wünsche, so werde der Akademie daraus ein geringer 
Verlust erwachsen, wenn er, Stenger, den Dienst verlasse, 
denn für sein Amt seien viele der würdigsten und ge¬ 
schicktesten russischen Studenten da. Und wurde auf diesen 



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Rapport des Professors in der Kanzelei der Akademie be¬ 
schlossen: den Conrector Stenger in die Kanzelei zu citi- 
ren und ihm einen Verweis zu ertheilen, damit er hinfort 
mit den akademischen und freiwilligen Schülern gut und 
ordentlich verfahre und sie nicht, wie im Rapport des Pro¬ 
fessors angegeben, mit dem Stocke strafe und dadurch 
verunstalte, sondern dieselben hinfort für Verschuldun¬ 
gen, nach Berichterstattung an den Professor, mit Ruthen 
strafe. Wenn er, Stenger, aber in Zukunft dem Professor 
Ungehorsam erweisen und die Schüler in unzulässiger Weise 
strafen sollte, werde er in solchem Falle aus der Akademie 
ausgeschlossen oder nach Maassgabe der Schuld mit einem 
Gagenabzug bestraft werden». Bald erwies es sich, dass man 
auch mit Ruthen die Schüler ebenso schlimm zurichten könne, 
wie mit dem Stock. Im Protokoll vom 24. April 1753 lesen 
wir: «Am 22. dieses Aprils reichte M oderach von sich aus 
einen Bericht ein, in welchem er erklärte, dass Sougis (der 
Lehrer der französischen Sprache) dem vorgeführten Sohn 
des Obersten Gran eine sehr grausame und adligen Kin¬ 
dern durchaus unziemliche Strafe habe angedeihen lassen; 
einer der Ofenheizer habe den besagten Gran, ihm den 
Kopf einklemmend, gehalten, und ein anderer ihn mit einem 
Ruthenbund so unbarmherzig geschlagen, dass er einige 
Tage weder sitzen, noch liegen konnte; aus welchem Grunde 
er, Mo de rach, den Sougis zu sich gerufen und ihm als 
seinem Untergebenen für eine solche Frechheit einen Ver¬ 
weis ertheilt habe, dessen er ihm um so würdiger erschienen 
sei, als vom Herrn Professor Krascheninnikow und von 
ihm (Moderach) den Lehrern am Gymnasio vielfach ein¬ 
geschärft worden, dass sie sich nicht unterständen, ohne ihr 
beiderseitiges Wissen oder ihre Erlaubniss Kinder adliger und 
angesehener Väter zu schlagen. Aber weil einige von den be- 


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sagten Lehrern so unbedachtsam seien, so würde das Gym¬ 
nasium, wenn man ihnen darin freie Hand Hesse, bald leer 
stehen. Zudem hat Sougis nicht nur den Gran allein, 
sondern auch verschiedene andere Schüler durch denselben 
Ofenheizer empfindlich prügeln lassen, den er ausdrücklich 
zum Schlagen anstellt, weil er stark schlägt, wofür Sougis 
selbst ihn öffentlich lobt und ihm, wie seine Schüler erzählen, 
für ein so ansehnliches Verdienst Geld zu Branntwein giebt. 
Ob aber solche Handlungen eines Gymnasiallehrers würdig 
seien und ob aus so unverständiger Bestrafung der Akademie 
nicht ein Tadel erwachsen könne, das bleibe dem Urtheil der 
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften anheim gestellt». 
DerConrector Im Jahre 1753 starb der machtlose Rector desGymna- 
deS sium na siums Rothacker und der Conrector Stenger nahm seinen 
P °(i 7 ° 5 W 3 ) Ski Abschied. 

Krascheninnikow stellte an seiner Stelle den Studenten 
Gerassimow vor und fügte hinzu, «er vertraue darauf, dass 
die russische Jugend rascher Latein lernen werde, weil er 
es in russischer Sprache interpretiren werde, während die 
Kinder bisher Deutsch lernen mussten, um mit Hülfe der 
deutschen Sprache Latein zu lernen». Aber Graf Rasu- 
mowski schrieb: «Zum Conrector des Gymnasii wird der 
Student Nikolai Popowski ernannt». Es war unmöglich eine 
bessere Wahl zu treffen. Popowski war in der russischen 
Literatur ein Schüler Lomonossow’s und zeigte bald seine 
Begabung durch prosaische und metrische Uebersetzun- 
gen aus fremden Sprachen ins Russische. Er übersetzte und 
Hess 1753 erscheinen Horazens Ars poetica und einige sei¬ 
ner Oden. Darauf übersetzte er ebenfalls in Versen aus dem 
Französischen Pope’s «Essay on men» (Versuch über den 
Menschen) und liess die Uebersetzung 1757 drucken; sie 
erlebte sechs Ausgaben. Desgleichen wurde von ihm Locke’s 


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Werk «über Erziehung der Kinder» aus dem Französischen 
übersetzt und im Jahre 1760 herausgegeben. Bald wurde die 
Moskauer Universität eröffnet und Popowski zum Professor 
der Beredsamkeit an derselben ernannt. Er war der erste 
Herausgeber der der Universität gehörenden «Moskauer 
Zeitung» — Mockobcmh B^aomocth. 

Graf Rasumowski erkannte den ungenügenden Zustand 
des Gymnasiums, erinnerte die Lehrer an ihre Pflichten und 
befahl im Jahre 1757 ein Statut für dasselbe zu verfassen. 
In der am 13. Februar dieses Jahres der akademischen 
Kanzelei ertheilten Instruction ist gesagt: «Am Gymnasio 
ist auf alle Weise darauf zu achten, dass die Lehrer fähige 
und eifrige Leute seien und fleissig ihre Obliegenheiten er¬ 
füllen. Ueber solche, welche sich als unfähig erweisen, welche 
faul sind und die zum Unterricht festgesetzten Tage und 
Stunden versäumen, sowie im Allgemeinen über den Zustand 
des Gymnasiums hat der Inspector Moderach, behufs ange¬ 
messener Beschlussfassung, an die akademische Kanzelei zu 
rapportiren, und damit sowohl die Lehrer, als auch die Schüler 
ihrer Pflichten kundig seien, ist das frühere Reglement des 
Gymnasiums durchzusehen und das, was gemäss den jetzi¬ 
gen Umständen in demselben eine Veränderung oder Er¬ 
gänzung fordern sollte, sofort zu verbessern und nachdem es 
auf diese Weise auf eine feste Grundlage gestellt, mir zur 
Approbation zuzuschicken». 

Die auf 40 festgesetzte Zahl der Gymnasialstipendiaten 
wurde 1752 durch den Beschluss erweitert, dass sie ohne 
Bestimmung einer Norm erhöht werden könne, wenn nur 
die akademischen Summen dazu ausreichen. Ungeachtet 
dessen wurden 1758 nur 44 Gymnasiasten auf Kronskosten 
unterhalten. Zur Füllung des Gymnasiums mit Schülern 
wurden Studenten der Universität zum Unterricht in eini- 


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— 40 — 


gen Fächern des Gymnasialcursus übergeführt. So erwies 
sich bei dem 1758 von Stenger, Taubert und Braun 
vorgenommenen Examen der Gymnasiasten, dass in der 
oberen lateinischen Classe nur ein einziger Schüler vor¬ 
handen war; «aber als Ergänzung für ihn», beschloss die 
akademische Kanzelei, «kann man Studenten aus der unteren 
Classe, welche im Lateinischen nicht stark sind, bestimmen». 
Im Jahre 1757 wurden in der oberen deutschen Classe mit 
den Gymnasiasten zusammen auch Studenten der Universi¬ 
tät in der deutschen Sprache unterrichtet. 

Das Hauptcontingent der Gymnasialschüler bestand wie 
früher aus Knaben der unteren Stände, besonders aus Sol¬ 
datenkindern. Es waren damals auch nicht wenige Söhne der 
Dienstleute des Grafen Rasumowski im Gymnasium, und 
auf diese verwandte die Obrigkeit besondere Aufmerksamkeit; 
so wurden im Jahre 1752 im Gymnasium vier Söhne aus 
seinem Gesinde unterrichtet, lernten aber schlecht, und die 
akademische Kanzelei schrieb den Lehrern vor, sich mit 
ihnen zu beschäftigen, «denn es muss von Sr. Hochgräflichen 
Erlaucht eine nicht geringe Reprimande erwartet werden, 
wenn schon die Herren Lehrer den Leuten ihres obersten 
Commandeurs eine solche Vernachlässigung beweisen, wie¬ 
viel würden sie sich um die übrigen Schüler bemühen». 


ScMter, wei- Indessen fuhren auch einige Personen aus bekannten Fa- 
1751 ins Gym- milien fort ihre Söhne ins Gymnasium zu geben; so traten ein: 
U GrTf m Mün- U J a ^ re 1750 Graf Burchard Christoph Münnich, Sohn 
Fürs*! Grigorij ^ es Oberhofmeisters und Enkel des bekannten Feldmar- 
w oikonski. schalls, und der Sohn des Oberprocurators des Hl. Synods 


Fürsten Jakow Petrowitsch Schachowskoi, Fedor, im Jahre 


1751 der Sohn des Kammerherrn Chitrowo und der Sohn des 


Generalproviantmeisters Fürsten Wolkonski, Grigorij, da¬ 
mals ein achtjähriger Knabe, später Generalgouverneur von 



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— 41 


Orenburg (der Grossvater des gegenwärtigen Gehülfen des 
Ministers der Volksaufklärung, Fürsten Michael Ssergeje- 
witsch). 

Im Jahre 1756 wurde das Gymnasium aus dem Hause 
des Barons Stroganow in ein vom Ssergijew’schen Dreifal¬ 
tigkeitskloster gemiethetes Haus in der 15.Linie von Wassili- 
Ostrow übergeführt. 

Am 18. August 1758 vertraute Graf Rasumowski die Die Ueber- 
Verwaltung desLehr- und Unterrichtswesens in der Akademie Haltung des 
Lomonossow an, dem er sowohl die Universität, als auch G y mnasiums 
das Gymnasium vollständig unterstellte. Die akademischen nossow 
Lehranstalten hatten Lomonossow schon längst beschäftigt, ^ 758 ^ 
und er hatte sich schon früher bemüht, Maassregeln zu ihrer 
Hebung zu ersinnen. Im Jahre 1755 wandte er seine Auf¬ 
merksamkeit den schwachen Fortschritten der Schüler und 
ihrer geringen Zahl im Gymnasium zu; er schlug eine Ver- 
grösserung der Zahl der Kronsstipendiaten und die Auf¬ 
nahme von Söhnen solcher Personen ins Gymnasium vor, 
die in die Kopfsteuerlisten eingetragen waren. «Die Schüler 
im Gymnasio», schrieb er, «sind nicht im Verhältniss zu den 
Studenten normirt. Der Autor hatte keinen Begriff vom 
menschlichen Geschlecht, er wusste nicht, l)dass von jungen 
Menschen mehr sterben als von alten, so dass kaum der 
vierzigste Mensch das 30-ste Jahr erlebt, aus welchem 
Grunde schon vielmehr Schüler erforderlich sind als Stu¬ 
denten ; 2) er zog ferner nicht in Erwägung, dass wegen Ver¬ 
schiedenheit des Verständnisses und des Fleisses nicht jeder 
Schüler zum Studenten tauglich ist; 3) obgleich Mancher 
scharfsinnig ist, kann er verschiedener Umstände wegen doch 
nicht weiter kommen. Nach alledem muss die Zahl der 
Schüler grösser angesetzt werden, als die der Studenten. Hin¬ 
gegen sind im Etat an Studenten 30, an Schülern 20 Mann 


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angesetzt. Wenn der Autor an ungagirte Schüler gedacht 
hat, so musste er auch an ungagirte Studenten denken; 
aber die gagirten müssten immer im Verhältniss zu einander 
stehen. Andere europäische Staaten sind angefüllt von ge¬ 
lehrten Leuten jeglichen Standes, doch ist es keinem ein¬ 
zigen Menschen, wer er auch sein möge, verboten, an den 
Universitäten zu studiren, und auf der Universität geniesst 
der Student mehr Achtung, der mehr gelernt hat, wessen Sohn 
er aber ist, darauf kommt es nicht an. Hier im russischen 
Staat giebt es wenig Gelehrte; die Edelleute finden wegen der 
Unordnung in den Rängen wenig Ermunterung; den Kopf¬ 
steuerpflichtigen ist es verboten in der Akademie Unterricht 
zu erhalten. Vielleicht meinte der Autor, dass es dem russi¬ 
schen Reich eine grosse Last wäre, wenn es 40 Dreier im Jahre 
verliere, um einen gelehrten Russen zu gewinnen. Aber wenn 
es auch schade um die 40 Dreier gewesen wäre, um 1800 
Rubel, um einen Ausländer zu verschreiben, wäre es nicht 
leid; worin sind aber diejenigen Kopfsteuerpflichtigen schuld, 
welche einen solchen Wohlstand besitzen, dass sie ihre 
Kinder auf ihre eigenen Unkosten der Wissenschaft widmen 
können? Und warum sind Alle blindlings ausgeschlossen, 
ohne die wackeren Beisassen (Possadskije) von den Leibeigenen 
der Gutsbesitzer zu unterscheiden? Es wäre auch an der 
Ausnahme genug gewesen, die Kinder der Leibeigenen nicht 
aufzunehmen)). Der Akademiker Müller war ganz ent¬ 
gegengesetzter Meinung: er fand, dass das akademische 
Gymnasium dadurch verdorben sei, dass es hauptsächlich 
aus Knaben niederen Standes bestand, und machte den Vor¬ 
schlag, sie gesondert von den adligen Kindern zu unter¬ 
richten. Am 17. Juli 1756 fanden in der akademischen 
Conferenz heisse Debatten darüber statt, die soweit gingen, 
dass Lomonossow, Stählin und Popow den Saal ver- 


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Hessen; die Frage blieb unentschieden. Im Jahre 1758 
reichte Lomonossow dem Grafen Rasumowski eine Vor¬ 
stellung über den schlechten Zustand des Gymnasiums ein. 

Nachdem Lomonossow das Gymnasium in seine volle 
Disposition bekommen hatte, richtete er sofort eine Pension 
für 40 auf Kronskosten unterhaltene Zöglinge an demselben 
ein, was, wie wir gesehen, Mo de rach schon früher vorge¬ 
schlagen hatte, und beabsichtigte später ihre Zahl bis auf 60 
zu erhöhen, was im Jahre 1760 auch geschah. Am 22. Fe¬ 
bruar 17 60 wurde in der russischen Petersburger Zeitung(Pe- 
terburgskija Wjedomosti) eine Bekanntmachung abgedruckt, 
dass die Zahl der im Gymnasium auf Kronskosten unter¬ 
haltenen Zöglinge ums Dreifache vermehrt worden sei und 
die Eltern desshalb aufgefordert werden, ihre Kinder ins 
Gymnasium zu geben. Diese Bekanntmachung über die Zahl 
der Kronsschüler ist nur in Betreff der 20 richtig, die vom 
akademischen Statut des Jahres 1747 festgesetzt waren; aber 
schon 1750 war die Zahl derselben verdoppelt, und 1752 
war, wie wir gesehen, gestattet worden, eine unbegrenzte 
Zahl von Schülern auf Kronskosten aufzunehmen, wenn es 
die Geldmittel der Akademie nur gestatteten. 

Lomonossow richtete im Gymnasium statt der deutschen 
niedere russische Classen ein. Im Jahre 1759 machte 
er eine Eingabe, dass es für die Gymnasiasten der oberen 
Classe nützlich wäre, vor dem Eintritt in die Universität 
einen Begriff von allen Wissenschaften zu erhalten, die dort 
gelehrt würden, um sich eine Facultät zu wählen, und hielt es 
daher für nothwendig, dass ein kurzer Conspectus für jedes 
Fach des Universitätsunterrichts verfasst, und gedruckt 
würde; aufseine Forderung wurde auch vorgeschrieben, «dass 
die Herren Professoren das ohne jegliche Zögerung thun 
sollten». Sie thaten es aber keineswegs, und es lässt sich 


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dies auch kaum bedauern, weil es nur wenig Nutzen gebracht 
hätte 1 ). 

Im selben Jahre 1759 verfasste Lomonossow «Gesetzes¬ 
bestimmungen» für die Schüler im Gymnasium, in welchen 
Regeln darüber dargelegt waren, wie die Schüler sich gegen 
die Lehrer und unter einander zu verhalten hätten. Diese 
Regeln waren nichts mehr als Gemeinplätze, ohne prak¬ 
tische Bedeutung. 

Ebenfalls 1759 wurden von Lomonossow Reglements 
für die Universität und das Gymnasium entworfen, diese 
haben sich aber nicht erhalten. 

Der Bestand der Gymnasiallehrer war wie früher ungenü¬ 
gend ; man wählte sie hauptsächlich aus der Zahl der nicht 


1) N. A. Lawrowski meint, dass Lomonossow dabei eigentlich die 
Zusammenstellung einer Uebersicht über die durcbgenommenen Gymnasial¬ 
wissenschaften im Auge gehabt habe, damit die Gymnasiasten sich des früher 
Gelernten erinnern und hauptsächlich den allgemeinen Sinn und die Ge- 
sammtheit des Inhalts eines jeden Faches, das sie sich früher im Gymnasium 
zueigen gemacht,verstehen könnten.(0 JIoMOHOconh. IIo hobumt» MaTepia- 
■laMt. XaptKOBi>. 1865r. Ucber Lo m o n o s s o w. Nach neuen Materialien. Char¬ 
kow 1865, pag. 200—201.) Wenn dem so gewesen wäre, so wären die vorge¬ 
schlagenen Maassregcln in derThat nützlich gewesen; gegenwärtig finden sie 
auch in der That nach dem Gymnasialstatut von 1870 auf die VIII Classe des 
Gymnasiums Anwendung, die hauptsächlich zur bewussten Wiederholung 
des früher durchgenommenen Cursus bestimmt ist. Aber das war es nicht, 
was Lomonossow einzuführen wünschte: er fand, dass die den Cursus 
beendigenden Gymnasiasten «einen Begriff von allen Wissenschaften 
haben müssten, welche in der Akademie (d. h. auf der Universität) gelehrt 
werden, damit sie, überall ihrer Neigung folgend, sich auswählen könnten, 
worauf sie hauptsächlich ihre Anstrengung richten wollen». Es ist klar, dass 
Lomonossow dabei durchaus nicht eine Wiederholung der von den Gym¬ 
nasiasten erlernten Fächer beabsichtigte, da sehr viele auf der Universität 
gelehrten Wissenschaften ganz und gar nicht zum Cursus des Gymnasiums 
gehören, sondern dass er eine Erleichterung der Auswahl der Facultät für 
dieselben im Auge hatte, was vollständig überflüssig ist, denn jeder er¬ 
wachsene Gymnasiast kennt auch ohnehin den Bestand der Wissenschaften 
der von ihm erwählten Facultät. Ja, auch der Umfang der von Lomonos¬ 
sow geforderten Conspccte lässt den Gedanken an eine so gedrängte Dar¬ 
legung des ganzen durchgenommenen Faches nicht zu: er bestimmte näm¬ 
lich, dass der Ueberblick über jede Wissenschaft nicht länger als einen 
halben Druckbogen sein dürfte. 



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fertig gewordenen Studenten, die natürlich in russsischer 
Sprache unterrichteten, aber die erforderlichen Kenntnisse 
nicht besassen. Im Protokoll vom 12. December 1758 ist Fol¬ 
gendes darüber gesagt: «Der Adjunct der Akademie und In¬ 
spector Herr Moderach reicht einen Rapport darüber ein, 
dass einige von den Studenten sich in der Stellung von Lehrern 
am Gymnasium befinden und in verschiedenen Classen unter¬ 
richten, und zwar: «Ignatij Terentjewin der arithmetischen, 
Ssemjon Wedenski in der mittleren russischen, Iwan Pryt- 
koi in der unteren russischen Classe. Besagte Studenten 
wünschen und bitten, dass man sie aus der Zahl der Stu¬ 
denten ausschliesse und als wirkliche Lehrer mit einer 
Gage im gleichen Yerhältniss wie die übrigen Lehrer am 
Gymnasio anstelle, damit sie dadurch zu um so grösserem 
Eifer und Fleiss bei Erfüllung der ihnen auferlegten Pflich¬ 
ten ermuntert würden. Seiner Meinung nach wäre es gerecht 
und für das Gymnasium nützlicher, dass jene Studenten zu 
Lehrern ernannt würden; auch scheine, was ihre Verhältnisse 
anbetreffe, keine besondere Nothwendigkeit dafür vorzu¬ 
liegen, dass sie länger Studenten blieben, denn von Te- 
rentjew und Prytkoi seien sowohl nach ihren Jahren, 
als auch nach ihrer angeborenen Begabung keine weite¬ 
ren und grossen Fortschritte in den Wissenschaften zu 
erwarten, und Ssemjon Wedenski werde, wenn er auch 
jetzt zum Lehrer ernannt wird, dieses Amt nicht hindern 
sich ferner in den Wissenschaften anzustrengen, zu denen 
er nach der Schärfe seines Verstandes vor Anderen be¬ 
fähigt sei. Nach einer Erkundigung in der akademischen 
Kanzelei befinden sich benannte Studenten an der Akademie: 
Terentjew seit 1748, Wedenski seit 1749, Prytkoi seit 
1748 und wird ihnen die Gage monatlich ausgezahlt. Aber 
weil jene Studenten die vom Herrn Collegienrath und Pro- 


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fessor Lomonossow eingerichteten Classen nothwendiger 
Weise unterrichten sollen, so wurde desshalb beschlossen: 
«dass sie alle drei Lehrer des Gymnasiums sein und aus der 
Zahl der Studenten gestrichen werden sollen». Mit anderen 
Worten: die Studenten, welche wegen mangelnderFähigkeiten 
auf der Universität sitzen geblieben waren, wurden für fähig 
erachtet den Posten von Gymnasiallehrern zu bekleiden. In 
der That erwies es sich, dass der fähigste von diesen drei 
Studenten, Ssemjon Wedenski, durchaus nicht dem Beruf 
eines Gymnasialpädagogen entsprach. «Am 11. December 
1760», heisst es in einem von Lomonossow unterschrie¬ 
benen Protokoll, «wurde auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Maje¬ 
stät von der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften 
befohlen: dem Gymnasiallehrer Ssemjon Wedenski, welcher 
seit dem 28. November dieses Jahres nicht in die Classen 
gegangen ist, den Degen abzunehmen und ihn bis zu weiterer 
Resolution bei der Akademie in Arrest zu halten, und soll 
Herr Professor Moderach an seine Stelle zum Unterrichten 
in seiner Classe einen fähigen Menschen unter den Studenten 
auswählen, worüber Herrn Moderach Ordre zu senden ist, 
dem Fähnrich Hall aber ist über das Halten des Wedenski 
unter strenger Bewachung Befehl zu ertheilen». Die Strafe 
besserte jedoch diesen studentischen Lehrer nicht. In dem 
ebenfalls von Lomonossow, zusammen mitTaubert, unter¬ 
schriebenen Protokoll vom 9. September 1762 lesen wir: 
«Die Akademie der Wissenschaften hörte den Rapport, welcher 
vom Professor und Inspector des Gymnasii Kotelnikow 
eingereicht war, in welchem er vorstellig machte, dass der 
Lehrer Ssemjon Wedenski wegen Trunksucht und Müssig- 
ganges selten in die Classen geht, die Uebersetzungen zur 
Correctur nach Hause nimmt, sie aber nicht nur nicht corri- 
girt, sondern auch die Schülerhefte verliert, worüber sich 



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die Schüler selbst beschweren; auch machen die Schüler 
bei ihm sehr geringe Fortschritte, und auf vielfältige Er¬ 
mahnungen und Verweise hat er nicht die geringste Bes¬ 
serung gezeigt. In der der akademischen Kanzelei von Sr. 
Erlaucht dem Grafen Kirill Grigorjewitsch Rasumowski 
ertheilten Ordre ist aber anbefohlen, zur Ausrottung der 
Trunksucht und des Müssigganges alle möglichen Mittel zu 
gebrauchen und Solche, welche weder durch Ermahnung, noch 
durch Strenge der Strafe gebessert worden, auszuschliessen, 
ohne irgend welche Entschuldigungen oder Fürsprache für sie 
anzunehmen, damit die Uebrigen, wenn sie solche Beispiele 
sehen, ihre Obliegenheiten pünktlicher ausüben. Weil nun 
besagter Wedenski häufig wegen Trunksucht und Müssig¬ 
ganges unter Arrest gewesen, was ihm aber, wie ersichtlich, 
nicht geholfen und ihn nicht von schlechten Handlungen zu¬ 
rückgehalten hat, wesshalb auch die Schüler, statt guter 
Beispiele und der Anweisung zu ehrenhaftem Leben, Nei¬ 
gungen zu allerhand Ungebührlichkeiten von ihm lernen, so 
wurde desswegen befohlen: in Befolgung des Befehls Sr. 
Hochgräflichen Erlaucht besagten Lehrer Ssemjon We¬ 
denski für Trunksucht und Miissiggang und Mangel an 
Fleiss in seinem Amt aus der Akademie auszuschliessen und 
ihn nach Auszahlung der ihm zukommenden Gage zur Be¬ 
stimmung für ein anderes Commando, wozu er sich fähig 
erweisen wird, in Begleitung eines Promemorias ins Herold¬ 
meister-Comptoir zu schicken; und soll Herr Professor Ko- 
telnikow an seine, Wedenski’s, Stelle zum Unterricht in 
seiner Classe einen fähigen Studenten von guter Beschaffen¬ 
heit auswählen, welchem ausser dem auf ihn zu verwendenden 
Unterhalt eine Belohnung zu gewähren ist». 

Es gab im Gymnasium nicht nur einen derartigen Infor¬ 
mator aus den Studenten. Zehn Tage darauf machte der 


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Inspector des Gymnasiums eine Vorstellung, «dass ausser 
dem Lehrer Ssemjon Wedenski noch die Gymnasiallehrer 
Paul Wedenski und Ossip Polidorski wegen unordent¬ 
lichen Besuches der Classen und mehr noch wegen tadelns- 
werthen und Lehrern unziemlichen Betragens, namentlich 
wegen Trunksucht, aus dem Gymnasio zu entlassen und 
an ihre Stelle zum Unterricht der Schüler die Studenten 
Dmitrij Mokejew, Peter Inochodzewund Afanassij Gor in 
zu ernennen seien und ihnen, zur Aufmunterung für ihre 
Arbeiten im Gymnasio eine Belohnung zu bestimmen sei». 

Den im Gymnasium unterrichtenden Studenten wurden 
im Monat je zwei Rubel gezahlt. Sie unterrichteten nicht 
nur in den unteren, sondern auch in den lateinischen Clas¬ 
sen; so wurde im Jahre 1764 beschlossen «zum Unterricht 
in den unteren lateinischen Classen aus den akademischen 
»Studenten eine Wahl zu treffen». 

Im Jahre 1761 wurden den Gymnasiasten, auf Forderung 
Lomonossow’s, aus dem (akademischen) Buchladen Lehr¬ 
bücher verabfolgt und aus dem Auslande verschrieben, «denn 
manchen Schülern sind nicht alle, anderen überhaupt keine 
gegeben worden, wodurch im Unterricht ein nicht geringer 
Aufenthalt stattfindet». 

Lomonossow war hauptsächlich darauf bedacht, das 
verödete Gymnasium mit Schülern zu füllen, während er auf 
die Eigenschaften derselben und, wie wir gesehen, auch 
auf die Vorzüge der Lehrer wenig Aufmerksamkeit ver¬ 
wandte. Im Jahre 1760 waren im Gymnasium im Ganzen 
37 Schüler, darunter 22 Soldatensöhne, die freilich nicht für 
eine höhere Bildung vorausbestimmt waren. Im Jahre 1761 
gab es im Ganzen 46 Gymnasiasten, davon 30 Soldatensöhne. 
Da im akademischen Gymnasium die Absolvirung des ganzen 
Cursus nicht obligatorisch und es möglich war die Unter- 



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richtsfächer auszuwählen, so kann es nicht Wunder neh¬ 
men z. B. auf folgende Bestimmung zu stossen: «Am 3. Sep¬ 
tember des Jahretf 1764 verordnete auf Befehl Ihrer Kai¬ 
serlichen Majestät die Kanzelei der Akademie der Wissen¬ 
schaften nach Anhörung eines Promemorias aus dem Reichs- 
admiralitäts-Collegium: die mit demselbem gesandten 25 
Mann minderjähriger Schreiber im akademischen Gymnasio 
in der Rechtschreibung zu unterrichten». 

Obgleich die Zahl der auf Kronskosten unterhaltenen 
Schüler auf 60 festgesetzt war, wurde sie aus Mangel 
an solchen, welche ins Gymnasium einzutreten wünschten, 
niemals complet: im Jahre 1762 waren 32, 1763 — 34 
Pensionäre vorhanden. Um die Schüler im Gymnasium zu¬ 
rückzuhalten, wurden Zwangsmaassregeln ersonnen: man 
verpflichtete die Eltern ihre Söhne nicht aus dem Gymna¬ 
sium zurückzunehmen, sondern sie der Akademie auf immer 
voll und ganz zu überlassen, die minderjährigen Schüler 
aber wurden vereidigt. Als Beispiel führen wir folgende 
zwei Resolutionen der akademischen Kanzelei an: 1) «Am 
4. September 1764 gab in der Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften der Schijachtitsch polnischer Nationalität Je- 
melian Ssidor’sSohn Chorewski diese Unterschrift darüber, 
dass er seinen minderjährigen Sohn (er war 11 Jahr alt) 
Andrei Jemelianow, der auf seine Bitte ins akademische 
Gymnasium auf Kronskosten zum Unterricht in den fremden 
Sprachen und in den Wissenschaften aufgenommen ist, nach 
dem Unterricht nicht aus der Akademie herausnehmen und 
um seine Ernennung auf einen anderen Posten nicht bitten 
wird, sondern diesen seinen Sohn auf ewig im akademischen 
Dienst lässt und darüber seine Unterschrift giebt». 2) «Am 
1. Februar 1765 gab auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät 
die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften nach An- 

Beiträge z. Konntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 4 


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hörung der Bittschrift des Capitän-Lieutenants Jegor Karp’s 
Sohn Aschbalow in Betreff der Aufnahme auf Krons¬ 
kosten des vom Major Peter Malewizki hinterlassenen 
sechsjährigen Sohnes Benedict, zum Unterricht in den frem¬ 
den Sprachen/ und in den Wissenschaften in dem akademi¬ 
schen Gymnasio, den Befehl: den besagten Majorssohn zum 
Unterricht in den fremden Sprachen und in den Wissen¬ 
schaften ins akademische Gymnasium in die etatmässige Zahl 
der Gymnasiasten aufzunehmen, ihm im Yerhältniss zu den 
übrigen einen Kronsunterhalt auszusetzen und ihn zu ver¬ 
eidigen». 

Bei dem unbefriedigenden Bestände der Lehrer und der 
unzweckmässigen Aushebung von Schülern waren auch die 
Fortschritte der Gymnasiasten schwach; so wurde im Jahre 
1764 ein Examen der Kronsschüler des Gymnasiums ver¬ 
anstaltet, wobei von den 13 Schülern der unteren Classe 
nur drei und von den 10 Schülern der mittleren nur ein 
einziger in die obere Classe versetzt wurden. 

Lomonossow hoffte durch die von ihm ersonnenen 
Maassregeln das Gymnasium zu verbessern. Im Jahre 1760 
schrieb er, und man muss sagen — ohne übermässige Be¬ 
scheidenheit: «Mein einziger Wunsch besteht darin, das 
Gymnasium und die Universität, aus denen zahlreiche Lo¬ 
monossows hervorgehen können, in erwünschten Gang zu 
bringen». Er war sogar überzeugt, dass er das Gymnasium 
in Ordnung gebracht habe; «aus allen Kräften sorge ich für 
gelehrte Russen», schrieb er 1760 an 1.1. Schuwalow, «ich 
habe Reglements verfasst, habe das Gymnasium in Ordnung 
gebracht». Nicht alle Akademiker theilten indess seine Mei¬ 
nung. Im Jahre 1761 schrieb Müller dem einflussreichen 
Secretär des Grafen Rasumowski, Teplow: «Glauben Sie 
mir, verehrter Herr, Lomonossow ist ein Wahnsinniger 


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mit einem Messer in der Hand. Er wird die ganze Akademie 
ruiniren, wenn Se. Erlaucht die Ordnung nicht bald wieder 
herstellt. Wir sehen ein trauriges Beispiel dafür an der 
Universität und am Gymnasio, die er ausschliesslich ver¬ 
waltet: sie waren noch niemals in einem so schlimmen Zu¬ 
stande wie jetzt». 

Wir haben bereits die pädagogischen Anschauungen 
des Inspectors des Gymnasiums Moderach kennen ge¬ 
lernt, der für das Gymnasium ein anderes Lehrercontin- 
gent und einen anderen Bestand von Schülern wünschte. 
Lomonossow, der, wie ersichtlich, anderer Ansicht war, 
stimmte mit M oderach nicht überein, legte ihm den schlech¬ 
ten Zustand des Gymnasiums zur Last, forderte 1761 seine 
Entfernung vom Amt, entliess schliesslich, ohne die Ent¬ 
scheidung des damals von St. Petersburg abwesenden Prä¬ 
sidenten abzuwarten, Moderach des Dienstes und ernannte 
an seine Stelle den Professor Kotelnikow. Zu derZeit lebte 
Graf Rasumowski in Kleinrussland. Er kannte und schätzte 
Mo derach schon längst, konnte aber andererseits, da er das 
Gymnasium Lomonossow zur vollen Verfügung gestellt 
hatte, sich ihm in der Auswahl des Hauptarbeiters an demsel¬ 
ben nicht widersetzen; er zögerte lange mit der Antwort, wil¬ 
ligte zwar endlich in die Vorstellung Lomonossow’s ein, 
aber gleichsam bedingungsweise und wider Willen. Das ist 
aus dem Originalprotokoll der akademischen Kanzelei zu er¬ 
sehen: «Am 6. März c.», heisst es in demselben, «stellte der 
Herr Professor und Inspector des Gymnasii Moderach in 
einer Eingabe an die akademische Kanzelei vor, dass er das 
neunzehnte Jahr im akademischen Dienst stehe, dass sein 
Contract abgelaufen und er jetzt nicht länger an der Aka¬ 
demie zu dienen wünsche und daher bitte, dass man ihn nach 
Verlauf von sechs Monaten, wie im Contract geschrieben 

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oder wie es für richtig befunden werde, aus dem akademi¬ 
schen Dienst entlasse und ihm den Abschied gebe. Der Herr 
Collegienrath Lomonossow legte jedoch der Kanzelei 
schriftlich vor, dass man ihn, Moderach, als Ausländer nach 
Ablauf des Contractes zum akademischen Dienst unmöglich 
zwingen könne, auch sei von ihm bemerkt worden, dass er, 
Moderach, sich trotz der ihm obliegenden Aufsicht um den 
Unterricht und das Betragen der jungen Leute nicht kümmere, 
dass ihm desswegen der Abschied zu geben und an seine Stelle 
zum Inspector des Gymnasii Professor Kotelnikow zu er¬ 
nennen und demselben auch die Aufsicht über die Studenten 
anzuvertrauen sei, so lange die Universität und das Gymna¬ 
sium zusammen bestehen». Erst am 28. Juni erfolgte die Ordre 
des Grafen Rasumowski: «Vielfach ist mir vom Collegien¬ 
rath Herrn Lomonossow vorgestellt worden, dass er beider 
ihm meinerseits aufgetragenen Verwaltung der Petersburger 
Universität bei Professor Moderach, der zum Inspector des 
Gymnasiums ernannt worden sei, den äussersten Mangel an 
Eifer im Dienst bemerkt habe und dass die Nothwendigkeit 
erfordere, ihn rechtzeitig durch einen Anderen zu ersetzen, 
wozu von ihm Professor Kotelnikow vorgeschlagen wor¬ 
den. Freilich habe auch Professor Moderach im Gegensatz 
dazu viele Klagen über Angriffe und Beleidigungen beige¬ 
bracht, die ihm von erwähntem Rath zugefügt worden; aber 
das war nicht an mich unmittelbar geschrieben, sondern 
privatim und beiläufig, inzwischen erwartete ich, dass die 
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften, da sie sah, dass 
Herr Lomonossow, mit Recht oder Unrecht, von schlech¬ 
ten Handlungen des Professors Moderach in seinem Dienst 
Mittheilung machte, in solchem Falle wenigstens die Berech¬ 
tigung des Einen oder des Anderen, da sie Macht genug dazu 
besitzt, durch Unbetheiligte erkunden und mir von diesen 



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Vorfällen Mittheilung machen und mich dadurch aus der Un¬ 
gewissheit herausführen würde, in welcher ich mich befand 
und darum so lange keine Resolution in Betreff der Vorstellung 
des Raths Lomonossow gab. Statt dessen aber erhielt ich 
nur einen von allen Mitgliedern unterschriebenen Rapport 
vom 17. März, in welchem mir vorstellig gemacht wurde, 
dass Professor Moderach nach Beendigung seines Con- 
tractes um seinen Abschied aus der Akademie bitte. Und 
desswegen kann ich jetzt nur darüber eine Resolution er- 
theilen, was mir aus der Vorstellung der Kanzelei bekannt 
ist, nämlich, dass der Rath Hr. Lomonossow den Profes¬ 
sor Moderach wegen Unordnungen, die im Rapport nicht 
gerechtfertigt sind, aus der Universität entlassen und an 
seine Stelle den Professor Kotelnikow ernannt habe, wobei 
es einstweilen bleiben soll. Da aber Professor Moderach, wie 
aus Briefen Unbetheiligter ersichtlich, allein aus Erbitte¬ 
rung um seinen Abschied aus der Akademie bittet, so hat 
man sich dessen bis zu meiner Ankunft in St. Petersburg 
zu enthalten; denn wenn er direct gekränkt worden ist, so 
werde ich selbst nach Einsicht der Sache ihm auch Genug¬ 
tuung schaffen. Einstweilen aber kann ihm die Kanzelei eine 
Arbeit an der Akademie geben, welche sie seinen Fähig¬ 
keiten für wohlangemessen erachtet. Wenn hingegen Pro¬ 
fessor Moderach nichts anderes als seine Entlassung von 
der Akademie wünscht, so ist ihm als einem freien Men¬ 
schen, der auch seinen Contract ausgedient hat, darin kein 
Hinderniss in den Weg zu legen, wesshalb die Kanzelei nach 
dem Beispiel, wie mit anderen Professoren bisher verfahren 
worden, ihm den Abschied zu geben hat». 

Moderach wünschte nicht im Dienste der Akademie, 
in dem er seit 1749 thätig gewesen, zu bleiben und wurde 
von ihr entlassen. Lomonossow beeilte sich ihn aus dem 


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— 54 — 


Kronsquartier zu verjagen, indem er in seiner Eigenschaft 
als Rath der akademischen Kanzelei folgende Vorschrift 
erliess: «wenn Moderach sich widersetzt, sind in solchem 
Falle in den Zimmern, wo er seine Wohnung hat, die Fenster¬ 
rahmen und Thtiren auszuhehen, um ihn dadurch zum Aus¬ 
zug zu zwingen». 

Das inspecto- Kotelnikow war ohne Zweifel ein geschickter, eifriger 

kow’afmi Mann, konnte aber das Gymnasium nicht heben. Er wandte 
— 1766 ). jungst versuchten, unbrauchbaren Mittel an: er jagte 
Schüler aus dem Gymnasium (so wurden 1764 8 Gymna¬ 
siasten ausgeschlossen) und entliess untüchtige studentische 
Lehrer, ersetzte sie aber wieder durch Studenten. So ist 
im Protokoll von 19. August 1765 vermerkt: «Bei der aka¬ 
demischen Universität befindet sich seit 1750 der Student 
Peter Stepanow von den Offiziersdiener-Söhnen des Leib¬ 
garde Ssemjonowschen Regiments; derselbe ist zuerst im 
Gymnasio unterrichtet, dann 1761 zum Studenten befördert 
worden, und hat im gegenwärtigen Jahre 17 6 5 im Mai-Monat 
der Professor und Inspector des Gymnasii Kotelnikow, im 
Verzeichniss der an der Universität befindlichen Studenten, 
unter Anderem auch von ihm, Stepanow, erklärt, dass er 
wegen Trunksucht selten in die Vorlesungen gekommen sei, 
Deutsch und ein wenig Geometrie gelernt habe und dass auf 
Grunddes allgemeinen Professoren-Examens beschlossen wor¬ 
den, ihn aus der Akademie zu entlassen. Er, Stepanow, habe 
aber, nachdem er in einer Eingabe erklärt, dass er keine Nei¬ 
gung und Lust mehr habe die höheren Wissenschaften zu ler¬ 
nen und nicht beabsichtige auf der Universität zu bleiben, dar¬ 
um gebeten, dass er zum Lehrer der Arithmetik oder Geome¬ 
trie im Gymnasio ernannt werde; unter diese Eingabe hat der 
erwähnte Professor Kotelnikow geschrieben: besagter Stu¬ 
dent ist von ihm als zur Trunkenheit geneigt attestirt worden; 


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55 — 


da aber dieses Laster nicht angeboren ist, so ist es möglich, 
dass er sich bessert, und wenn er sich fähig erweist, so ist 
er unter der Bedingung, dass er sich nüchtern und ordentlich 
führt, zum Lehrer zu ernennen, da in der arithmetischen 
und geometrischen Classe imGymnasio Lehrer nöthig sind; 
daher wurde am 17. Juni dieses Jahres durch Beschluss der 
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften dem Stepanow 
befohlen, an Stelle des Studenten Peter Inochodzew, der 
übers Meer gesandt worden, Lehrer der Gymnasiasten in 
der arithmetischen und geometrischen Classe zu sein. Durch 
den gegenwärtig eingereichten Rapport erklärte der obener¬ 
wähnte Professor Kotelnikow, dass besagter Stepanow, ob¬ 
schon er von ihm in der Hoffnung, dass er sich gebessert habe, 
sich gut aufführe und in Zukunft zu guten Hoffnungen be¬ 
rechtige, zum Lehrer in der geometrischen und arithmeti¬ 
schen Classe empfohlen worden, doch wiederum müssig zu 
gehen angefangen habe und wegen Unenthaltsamkeit vom 
Trünke seines Lehreramts unwürdig sei, und schlug vor, dass 
an seine Stelle ein würdiger Lehrer ernannt und inzwischen 
diese Classe einem anderen Studenten an vertraut würde. 

Es wurde befohlen: ihn, Stepanow, wegen Unenthalt¬ 
samkeit vom Trünke auszuschliessen und mit einem Pro- 
memoria an das Heroldmeister-Comptoir des dir. Senats 
zu senden, und hat Professor Kotelnikow an seine Stelle 
zum Unterricht in der arithmethischen und geometrischen 
Classe aus den Studenten von guten und enthaltsamen 
Eigenschaften einen auszuwählen und der Kanzelei zur An¬ 
stellung als Lehrer vorzustellen». 

Im Jahre 1764 bat Kotelnikow um die Ernennung Das Rectorat 
des Conrectors der akademischen Druckerei Kienitz, 
welcher früher in Gdansk Conrector gewesen, zum Rec¬ 
tor des Gymnasiums; der Präsident trug den Professo- 


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ren Fischer, Braun und Kotelnikow auf, Kienitz zu 
examiniren, und er wurde zum Rector des Gymnasiums er¬ 
nannt. 

Auch das Local des Gymnasiums entsprach einer nach 
richtigen Grundsätzen eingerichteten Lehranstalt keines¬ 
wegs. «Die Lehrer des Gymnasii», lautete eine Vorstel¬ 
lung Kotelnikow’s, «geben ihre Lectionen in den Classen 
mit Pelzen bekleidet, indem sie in der Classe auf und ab 
gehen, um sich Bewegung zu machen, und die Schüler, wel¬ 
che nicht mit warmer Kleidung versorgt sind und nicht die 
Freiheit haben von ihren Plätzen aufzustehen, zittern und 
frieren, wodurch am ganzen Körper Blutstockungen stattfin¬ 
den und dann Krämpfe und Skorbut entstehen, um welcher 
Krankheiten willen sie genöthigt sind, den Besuch der Clas¬ 
sen aufzugeben; daher ist es nicht verwunderlich, wenn die 
Fortschritte der Schüler der angewandten Mühe der Leh¬ 
rer nicht entsprechen». 

Das Haus des Dreifaltigkeitsklosters war im Jahre 1756 
anfänglich nur auf ein Jahr für das Gymnasium gemiethet 
worden; statt dessen jedoch blieb das Gymnasium acht 
Jahre in demselben. Endlich gerieth dieses Haus fast in 
vollständigen Verfall, wie das aus dem folgenden Rapport 
Kotelnikow’s an die akademische Kanzelei vom 6. August 
1764 zu ersehen ist: «Seit meinem Eintritt als Inspector 
ins Gymnasium habe ich jedes Jahr immer rechtzeitig Rap¬ 
ports über die Reparatur des Hauses, in welchem das Gym¬ 
nasium sich befindet, der Kanzelei der Akademie der Wiss¬ 
enschaften eingereicht; aber die Reparatur wurde immer 
sehr spät begonnen und kam niemals zum Abschluss, woher 
das Haus unaufhörlich in grösseren Verfall gerieth und die 
in demselben Wohnenden im Winter durch die Kälte Noth 
litten. Häufig waren die Lehrer wegen der unerträglichen 



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Kälte genöthigt, vor Beendigung der Lectionen fortzugehen 
und die Schüler zu entlassen. Die Thüren sind im ganzen 
Hause so alt, dass man sie nicht nur nicht fest zumachen 
und schliessen, sondern auch Schloss und Thürangel nicht 
anschlagen kann. Die Fensterrahmen können ebenfalls ihres 
Alters wegen die Scheiben nicht halten, welche häufig 
herausfallen, wesshalb die Wächter in den Zimmern der 
Schüler und Studenten und ebenso auch in den Classen ge- 
nöthigt sind im Winter die Fenster, die im Sommer offen 
stehen, wie auch jetzt noch zu sehen ist, mit Lumpen und 
Bastmatten zu verhängen. Im Vorhause finden sich nicht 
nur keine Scheiben, sondern auch keine Rahmen; die Thü¬ 
ren sind sehr alt, man kann sie weder zumachen, noch ver- 
schliessen. Unter dem Dach sind in den Bodenfenstern die 
Laden zum Theil schlecht, zum Theil gar nicht vorhanden. 
Im Winter dringt der Schnee herein, sowohl unter das Dach 
auf die Lage, als ins Vorhaus, wodurch bei Thauwetter an 
den Decken der Bewurf durchs Schmelzen verdirbt und 
herunterstürzt. Desgleichen ist auch in den Zimmern der 
Bewurf sehr mangelhaft. Einmal hätte er fast meine Frau 
erschlagen und ein anderes Mal die Kinder. Ueber die 
Remonte der Küche, wo für die Studenten und Schüler ge¬ 
kocht wird, habe ich schon vor drei Jahren einen Rapport 
eingereicht. Sie ist so schlecht, dass im Winter der Teig im 
Backtrog friert». Im Jahre 1764 wurde für das Gymnasium 
das Haus der Barone Stroganow für eine Summe von 
9900 Rubel aus den Einnahmen von den Büchern gekauft. 

Lomonossow dachte und versicherte, dass er das Gym¬ 
nasium dem Bedürfniss entsprechend eingerichtet habe. 
Schon während der Regierung der Kaiserin Katharina 
schrieb er, indem er den Zustand dieser Lehranstalt, in 
welchem er sie gefunden, mit dem verglich, in welchen er 


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sie gebracht: «Wenn auch im Gymnasio nicht wenig Schü¬ 
ler waren, so befanden sie sich doch in sehr ärmlichem 
und nutzlosem Zustande, weil die Gage ihnen in die Hand 
gegeben wurde, welche die Eltern oder Verwandten an sich 
nahmen und mehr für sich selbst als für die Schüler ver¬ 
wandten, so dass diese in Lumpen in die Schule kamen, 
Blosse und Frost litten und es eine Schande war sie frem¬ 
den Leuten zu zeigen. Zudem war ihre Nahrung sehr 
ärmlich und bestand manchmal nur aus Wasser und Brod. 
Unter solchen Umständen ging ihnen wenig Wissenschaft 
in den Kopf. Ja auch dazu hatten sie wenig Zeit, weil sie 
ihrer Armuth wegen zu Hause Vater und Mutter dienen 
mussten und in Folge der weiten Entfernung beim Gange 
ins Gymnasium die besten Stunden verloren und beständig 
Gelegenheit hatten, Unarten zu treiben und die Schule zu 
schwänzen. So darf man sich denn nicht wundern, dass im 
Laufe von sieben Jahren kein Einziger aus dem Gymnasio 
zum Universitätsstudenten befördert worden. Aber nach 
der Uebergabe des Gymnasii zur alleinigen Aufsicht an den 
Rath Lomonossow, sind alle diese Uebelstände abgewandt 
und abgeschnitten, denn die Gymnasiasten sind ebenso wie 
die Studenten im Convict vereint, sind nach Maassgabe der 
ihnen bestimmten Gage mit anständiger Kleidung und ge¬ 
meinsamem, anständigem Tisch versorgt, verlieren keine Zeit 
weder durch den Gang nach Hause, noch durch Dienstlei¬ 
stungen an die Eltern, noch weniger durch ungesehene 
Unarten, da sie dem Inspector des Gymnasii und speciellen 
Informatoren im Hause vor Augen sind». 

Die Akademie sah die von Lomonossow im akademi¬ 
schen Gymnasium gemachten Verbesserungen ganz anders 
an. Im Protokoll vom 21. August 1765 lesen wir: «Im ver¬ 
flossenen Jahre 1760 war durch Resolution Sr. Erlaucht 



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des Herrn Präsidenten der Akademie, Grafen Kirill Grigor- 
jewitch Rasumowski, befohlen worden im akademischen 
Gymnasio 60 Schüler im Convict zu halten, für jeden je 
36 Rubel im Jahre rechnend, kraft welcher Resolution 
auch 45 — 50 Schüler vorhanden waren. Und obgleich seit 
der Zeit verschiedene Versuche zur Sammlung dieser Gym¬ 
nasiasten im Convict gemacht worden sind, so haben sie 
der Absicht doch nicht im Geringsten entsprochen, dass 
aus ihnen Leute hervorgehen, die den Wissenschaften und 
dem Vaterlande einen Nutzen zu bringen fähig wären, 
welcher wenigstens einigermaassen die für sie und für 
den Unterhalt der Lehrer und der anderen Unterbeamten 
aufgewandten Unkosten ersetzen könnte. Da aus den in 
der Kanzelei über den Zustand der Universität und des 
Gymnasiums eingereichten Rapports ersehen worden, dass 
fast die Hälfte der Studenten und Gymnasiasten theils aus 
Säufern, Händelmachern, Faulpelzen bestehe, theils un¬ 
begabt sei und im Unterricht bis jetzt keinerlei Fort¬ 
schritt erwiesen habe, so ist das hauptsächlich daraus 
entstanden: 1) selbige Schüler wurden behufs rascherer 
Completirung der Zahl, ohne dabei auf ihre Jahre, ihre 
Beschaffenheit und ihre Fähigkeiten zu den Wissenschaften 
Rücksicht zu nehmen, angenommen und aus der untersten 
Volksschicht ausgehoben, aus welchem Grunde sie keine 
gute Erziehung besassen, im Convict aber wurde für Besse¬ 
rung dieses Mangels keinerlei Sorge getragen, besonders 
da auch die Informatoren selbst mit allen möglichen Lastern 
behaftete Leute waren. 2) Unter den Gymnasiasten befanden 
sich solche, welche bei ihrer Unfähigkeit und schlechtem 
Betragen schon das 20. Lebensjahr erreicht, ja manche 
dasselbe sogar überschritten hatten, wobei sie den Unter¬ 
richt als einen äussersten Zwang und eine Last für sich 


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ansehen». Unsererseits können wir als Beweis für die Rich¬ 
tigkeit dieser Thatsache anführen: am 25. Mai 1765 wurde 
Andrei Korjatschenko, 25 Jahre alt, in die untere Classe 
des Gymnasiums aufgenommen. 

Im Jahre 1766 schrieb Müller an Euler: «Die Sache 
liegt nicht an der Akademie allein, sondern auch an der 
durchgreifenden Reform der sogenannten Universität und 
des Gymnasii und besonders an der Vervollkommnung des 
letzteren bis zu dem Maasse, dass auch angesehene Eltern 
ihre Kinder zur Erziehung in dasselbe gäben». 

Das war schwer zu erreichen, weil das Gymnasium 
keinerlei Rechte gab und die Eltern hauptsächlich um die 
künftige dienstliche Carriere ihrer Söhne besorgt waren; es 
war also nothwendig, andere Maassregeln zur Hebung des 
Bestandes der Schüler im Gymnasium zu ersinnen. 

Das Beispiel dazu wurde gerade in jener Zeit von J. J. 
Bezki gegeben, welcher fand, dass von den damals in 
Russland bestehenden Lehranstalten «wenig oder gar keine 
wesentlichen Früchte geerntet» würden. Das Erziehungs¬ 
system Bezki’s ist bekannt: er hielt es für nothwendig, 
die Kinder vom allerzartesten Alter an bis zur Volljährig¬ 
keit unausgesetzt der rohen Sphäre ihrer Eltern zu ent¬ 
rücken, sie dadurch vor bösen Gewohnheiten zu bewahren 
und auf diese Weise aus ihnen eine «neue Race» zu schaf¬ 
fen, «oder neue Väter und Mütter, welche ihren Kindern 
dieselben geraden und begründeten Erziehungsregeln in die 
Herzen pflanzen könnten, welche sie selbst erhalten; deren 
Kinder würden sie wieder weiter ihren Kindern überge¬ 
ben und so weiter von Geschlecht zu Geschlecht bis in die 
künftigen Jahrhunderte!» «Diese grosse Absicht auszufüh¬ 
ren», schrieb er, «giebt es kein anderes Mittel, als Er¬ 
ziehungsschulen für Kinder beiderlei Geschlechts einzufüh- 



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ren, die bei ihrer Aufnahme durchaus nicht älter als 5 oder 
6 Jahr sein dürfen... So muss man also für die Erziehung 
der Jugend, indem man, wie oben gezeigt, mit dem 5. bis 
6. Lebensjahre anfängt, bis zum 18. oder 20. Jahr unaus¬ 
gesetzten Aufenthalts in den Schulen mit unermüdlicher 
Arbeit Sorge tragen. Während dieser ganzen Zeit sollen sie 
nicht den geringsten Verkehr mit Anderen haben, so dass 
auch die allernächsten Verwandten, wenn sie sie auch an 
bestimmten Tagen sehen dürfen, sie nicht anders sehen, 
als in der Schule selbst und auch da in Gegenwart der Vor¬ 
gesetzten». Die von Bezki verfasste «GeneralVerordnung 
über die Erziehung der Jugend beiderlei Geschlechts» wurde 
von der Kaiserin am 12. März 1764 bestätigt. 

Im Jahre 1765 gab Graf Rasumowski bei seiner Ab¬ 
reise aus St. Petersburg der akademischen Kanzelei am 
19. April eine Instruction, in welcher gesagt war: «Die 
Universität und das Gymnasium sind mit den zugehörigen 
Professoren, Lehrern, Studenten und Schülern auf der 
Grundlage einzurichten, dass sie mit der Allerhöchsten Ab¬ 
sicht Ihrer Kaiserlichen Majestät über die Erziehung und 
den Unterricht der russischen Jugend» (d. h. mit dem Sy¬ 
stem Bezki) «im Einklang ständen... und dass dabei kei¬ 
nerlei Schwierigkeit wäre, so wird bei der nöthigen Ver¬ 
änderung der früheren Einrichtungen auf die Einsicht der 
Kanzelei vertraut». 

Zwei Wochen früher, nämlich am 4. April war Lomo¬ 
nossow gestorben, «welcher die alleinige Aufsicht über die 
akademischen Studenten und Gymnasiasten gehabt hatte». 

Der Instruction des Präsidenten der Akademie folgend, 
traf Taubert folgende Verfügung: «Entsprechend der Ord¬ 
nung, welche Ihre Majestät in dem publicirten Generalplan 
selbst Allerhöchst vorzuschreiben geruht hat, nach welcher 


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Die Einrich¬ 
tung einer 
minderjähri¬ 
gen Abthei¬ 
lung am Gym¬ 
nasium im 
Jahre 1765. 


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die Erziehung der russischen Jugend beiderlei Geschlechts 
stattzufinden hat, ist auf Grund der von Ihrer Majestät sowohl 
für die Akademie der Künste, als auch für die adligen Jung¬ 
frauen approbirten Reglements an beiden genannten Stellen 
ein glücklicher und für die Zukunft jegliche Hoffnung gewäh¬ 
render Anfang gemacht worden; um desswillen erkennt es 
auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät die akademische Kan¬ 
zelei für ihre Pflicht, an der Akademie zur Erziehung der 
für die "Wissenschaften bestimmten Jugend eine ebensolche 
Einrichtung zu treffen und zwar: 1) aus den gegenwärtig 
im Gymnasio befindlichen siebenundvierzig Schülern dreissig 
der Besten, sowohl in Betracht der Sitten, als auch der Fä¬ 
higkeit für die Wissenschaften, auszusuchen, die Uebrigen 
aber, die schlechten Betragens und über die gehörigen Jahre 
hinaus sind und dabei keinerlei Hoffnung für die Zukunft 
geben, theils ganz auszuschliessen, theils unter die Kunst¬ 
anstalten zu vertheilen, wenn sie dazu Talent zeigen sollten; 
2) auf Grund des Gesetzes der Erziehungsschule an der Aka¬ 
demie der Künste dreissig junge Kinder von fünf bis sechs 
Jahren, keinesfalls aber älter als sieben, von Neuem aus¬ 
zuheben und zu unterhalten, die sowohl aus den armen Edel¬ 
leuten, falls diese es wünschen, als auch aus den Leuten 
ohne persönlichen Adel aufzunehmen sind; über die Aufnahme 
durch ein den Zeitungen beigegebenes gedrucktes Blättchen 
eine Bekanntmachung zu erlassen und in alle Commandos zu 
versenden; inzwischen aber, während diese Aushebung der 
Schüler stattfinden wird, ist ein Etat für ihren Unterhalt 
aufzustellen und Alles für die Bedürfnisse, die sich dazu nöthig 
erweisen sollten, ohne Verzögerung vorzubereiten und auf 
solche Weise auszurichten, dass womöglich zum künftigen 
1. August dieses Jahres zur wirklichen Aufnahme und zum 
Unterhalt dieser zur Erziehung in den Wissenschaften neu 



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aufgenommenen dreissig Schüler Alles bereit stehe und der 
Unterricht zur selben Zeit anfangen könne». Die Publication 
in den Zeitungen fand statt, wobei, in Form eines Beleges 
auch die Regeln über Aufnahme von Kindern in die Akademie 
der Künste beigefügt waren. Es fanden sich 64 Kinder, welche 
in das Gymnasium einzutreten wünschten; nach dreifacher 
Besichtigung derselben durch Taubert, Professor Protas- 
sowund Doctor Iberkampfer wurden 30, welche «Hoffnung 
für den Unterricht gewährten», angenommen und von den sie 
vorstellenden Vätern und Verwandten Unterschriften dar¬ 
über genommen, dass «sie sich ganz von ihnen lossagen 
und sie unter keinem Vorwand in Zukunft zurück verlangen 
werden». Zu ihrem Unterricht im Lesen und Schreiben 
wurden der Unterkanzelist Korjakin und der Schüler des 
geographischen Departements Matwejew ernannt. Diese 
Knaben waren grösstentheils Söhne von Beamten, Schrei¬ 
bern und Soldaten. 

Im August wurde am Gymnasium eine Pension eröffnet, Dje Aufsehe- 
die in zwei, Classendamen anvertraute Abtheilungen, zu je l er und 
15 Kinder in jeder Abtheilung, getheilt war. Diese Classen- Römers - 
damen oder Aufseherinnen wurden nicht privatim ausfindig 
gemacht, sondern ebenfalls durch Publicationen in den Zeitun¬ 
gen aufgerufen. Im Protokoll vom 17. August ist vermerkt: 

«Nach den von der Akademie der Wissenschaften erlassenen 
Publicationen behufs Anstellung an derselben zur Beauf¬ 
sichtigung und zum Unterricht der 30 minderjährigen 
Gymnasiasten, erschienen unter Anderen in der Kanzelei 
der Akademie der Wissenschaften die unten angeführten 
Madames: 1) die Wittwe Sophie Charlotte Millerin, sächsi¬ 
scher Nationalität, 2) die Frau des gewesenen Hofmalers 
Römers, Wittwe Katharina Elisabeth Römers, welche denn 
auch als dazu befähigt anerkannt wurden». 


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Inzwischen wurde der Kaiserin berichtet, dass Taub er t 
ganz ohne zu fragen, eigenmächtig am Gymnasium eine Pen¬ 
sion für minderjährige Kinder von 5 — 6 Jahren «jeglichen 
Ranges, ausgenommen Leibeigene», wie er erklärte, «zur 
Verbesserung des schlechten Zustandes der Universität und 
des Gymnasiums» eingerichtet und «zur Thätigkeit gebracht» 
— «bt> A'fckcTBie npoH3Bejn>» — und in dieselbe 30 minder¬ 
jährige Kinder ohne persönlichen Adel aufgenommen habe. 
Die Kaiserin, welche, wie ersichtlich, Taub er t kannte, 
aber nicht liebte, befahl ihn zu fragen: mit welchem Recht 
er das gethan. Taubert, der den Grafen Rasumowski, 
dessen Anordnung oben mitgetheilt worden, nicht bloss¬ 
stellen wollte, antwortete, dass er das Beispiel der Aka¬ 
demie der Künste, d. h. Bezki’s befolgt habe. Auf sein 
MEmoire schrieb Katharina: «11 est extremement singulier 
de dire wpouaeejii : chacun qui viendra changera ä cet Eta¬ 
blissement tout ce qu’il voudra, parceque l’approbation de 
M. Taubert ne fait pas loi, et que c’est bätir sur le sable 
que d’agir aiusi caMoeo/ibuo (eigenmächtig) et sans appro- 
bation». Indessen blieb die minderjährige Abtheilung am 
Gymnasium während der ganzen Regierung der Kaiserin 
bestehen. 

Bald erwies sich’s, dass die durch Vermittelung der Zei¬ 
tungen und eilends engagirten Aufseherinnen oder, wie sie 
genannt wurden, «Madames» durchaus nicht ihrer Bestim¬ 
mung entsprachen. Am 20. December 1766 kam folgender 
Beschluss der akademischen Kanzelei zu Stande: «In Er¬ 
wägung, dass die bei der Akademie zum Unterricht der 
minderjährigen Gymnasiasten befindlichen Madames Mil¬ 
ler und Römers, so viel bekannt, früher schlechten Be¬ 
tragens gewesen und dass auch jetzt bei ihnen häufige 
Zusammenkünfte und Gesellschaften fremder Leute, auch 



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nächtlicher Weile, stattfinden und dass es darum sehr frag¬ 
würdig ist, ob die minderjährigen Kinder zu guter Auf¬ 
führung und mit erwünschtem Nutzen erzogen und unter¬ 
richtet werden, ist um desswillen beschlossen: 1) selbigen 
Madames zu erklären, dass sie länger als bis zum kommen¬ 
den 1. Januar am Gymnasio keinen Unterhalt erhalten 
werden und dass sie bis zu der Zeit aus dem Kronshause 
ausziehen möchten; 2) dass bis zur Resolution die Lehrer 
Korjakin und Matwejew, welche auch über die Lakaien 
und über die Wärterinnen das Commando haben sollen, die 
Aufsicht über die Kinder führen, während die Hauptauf¬ 
sicht über Alles Inspector Backmeister hat... Damit aber 
eine Frauensperson von den geborenen Russen, welche über 
ihre Aufführung und Eigenschaften zuverlässige Anerken¬ 
nungen besitzt und zur Aufseherin ernannt zu werden 
wünscht, in der Commission erschiene, ist eine Publication 
durch die Zeitungen zu erlassen». 

Dieses Mal hatten die Zeitungspublicationen Erfolg : i>je Aufsehe- 
auf dieselben hin erschien eine sehr würdige Frau, die «Jäger- ( 1767 ). 
meisterin» Maltitz, welcher auch ungetrennt und aus¬ 
schliesslich die ganze minderjährige Abtheilung des Gymna¬ 
siums anvertraut wurde. «Es ist beschlossen», heisst es im 
Protokoll, «dass Inspector Backmeister nach ihrem Ein¬ 
tritt sich in nichts mische... dass die Lehrer Korjakin und 
Matwejew bei ihrem früheren Amt, d. h. beim Unterricht 
der Gymnasiasten im russischen Lesen und Schreiben bleiben, 

t 

und so lange sie dabei sind, sollen sie bei derselben Frau 
Maltitz in vollem Gehorsam stehen und ihr in Allem wohl¬ 
anständige Achtung erweisen». 

Auf diese Zeit muss eine in den Papieren der Akademie 
erhaltene «Instruction für die Frauensperson» bezogen wer¬ 
den, «welcher die Aufsicht über die dreissig minderjährigen 

Beiträge z. Kenntuiss d. Kuss. Reiches. Dritte Folge. 5 


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Kinder an vertrauet wird» 1 ). In dieser Instruction wird 
dargelegt, wie man mit den Kindern umgehen soll, und 
unter Anderem folgende Unterweisung gegeben: «ihr» (der 
Aufseherin) «soll es freistehen die Widerspenstigen nach 
Verdienst zu strafen; doch soll sie sich hüten dieselben 
nicht im Eifer zu ohrfeigen, noch viel weniger mit der Faust 
oder einem Stock zu schlagen, sondern sie soll sich bei der¬ 
gleichen vorkommenden Fällen nur der Ruthe bedienen. 
Auch muss sich dieselbe bei der Correction der Kinder aller 
hässlichen und pöbelhaften Schimpfwörter enthalten». Wahr¬ 
scheinlich unter dem Einfluss des schlechten Betragens der 
früheren Aufseherinnen wurde der Aufseherin vorgeschrie¬ 
ben, «in dem ihr angewiesenen Quartier keine verdächtigen 
Visiten anzunehmen, am allerwenigsten aber nächtliche Com¬ 
pagnien zu halten». 

Frau Maltitz wandte ihre Aufmerksamkeit den Leh¬ 
rern ihrer Abtheilung zu; das ist aus dem Protokoll vom 
16. November 1767 ersichtlich, in welchem es heisst: «dem 
bei den minderjährigen Gymnasiasten befindlichen Lehrer 
Ssergei Matwejew ist unter Unterschrift zu erklären, dass 
er sich der Trunkenheit und schlechter Handlungen enthalte 
und in seinem Amt fleissig sei; wenn er aber hinfort sich 
auch nur eines kleinen Fehlers schuldig machen sollte, so 
wird keinerlei Entschuldigung und Versprechung von ihm 
angenommen und er mit einem ehrlosen Attestat aus der 
Akademie ausgeschlossen werden». Zu den Obliegenheiten 
dieses Lehrers gehörte der Unterricht der Kinder Mittwochs 
und Sonnabends von 9—11 in den Gebeten und im Lesen 
der Kirchenbücher und an den übrigen Tagen von 9—12 
in der Arithmetik und von 3 — 5 im russischen Lesen und 
Schreiben. 

1) Siehe Beilage 3. 



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Im Jahre 1770 waren schon 15 von den minderjähri¬ 
gen Knaben hinreichend vorbereitet und wurden in das 
Gymnasium übergeführt. 

Leider blieb die würdige Aufseherin Frau Maltitz 
nicht lange in dieser Stellung: im Jahre 1770 wurde sie 
völlig unerwartet für die Akademie von der Kaiserin zur Hof¬ 
meisterin über die Fräulein ernannt und zeitweilig durch 
die Frau des Lehrers Antonow ersetzt. Zu dieser Zeit war 
der Director der Akademie, Graf Wladimir Grigorjewitsch 
Orlow, abwesend, und die akademische Kanzelei verfügte 
folgendermaassen: «Damit die minderjährigen Gymnasiasten, 
bis an Stelle der von ihnen geschiedenen Staatsräthin Frau 
Maltitz eine geeignete Aufseherin gesandt wird, nicht nur 
die Kenntnisse nicht vergessen, die sie unter ihrer Leitung 
in der deutschen Sprache, sowie in der Geschichte und Geo¬ 
graphie erworben, sondern auch noch mehr Fortschritte 
machen, ihren Unterricht für die Zeit dem Lehrer Schulz 
vier Tage in der Woche, dazu jeden Tag zwei Stunden des 
Nachmittags in der Woche benutzend, anzuvertrauen... 

Die Aufsicht jedoch über die bei diesen Gymnasiasten ange- 
stellten Lehrer, dass sie ihre Pflicht ordentlich erfüllen, 
ist bis zur Ankunft Sr. Erlaucht, des Herrn Directors der 
Akademie der Wissenschaften, Grafen Wladimir Grigoije- 
witsch Orlow, dem Inspector Backmeister anzuvertrauen». 

Graf Orlow ernannte nach seiner Ankunft in St. Pe- Die Aufsehe- 
tersburg zur Aufseherin der minderjährigen Abtheilung rm (i 77 i) ritZ 
Frau Kabritz, indem er ihr den Lehrern und Kindern 
gegenüber dieselben Rechte überliess, die ihrer Vorgängerin 
zustanden, und den Inspector des Gymnasiums vollständig 
von der Leitung dieser Pension ausschloss. Am 14. Februar 
starb Frau Kabritz, und an ihre Stelle wurde ihre Tochter 
Margarethe Kabritz ernannt. 

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Im Jahre 1773 wurde den Akademikern Kotelnikow 
und Rumowski aufgetragen, ein Examen in der minder¬ 
jährigen Abtheilung abzuhalten, und nach demselben wur¬ 
den sechs Knaben aus dieser Abtheilung ins Gymnasium 
übergeführt. An ihre Stelle wurden sieben Minderjährige 
aufgenommen, «dass aber die Väter obgenannter Kinder», 
wurde hier von Neuem wiederholt, «sie freiwillig und bis 
zu ihrer Entlassung aus der Akademie in kein anderes 
Commando abgeben und sie unter keinerlei Vorwand zu¬ 
rückfordern werden, dafür sind obenerwähnte Väter mit 
ihrer Unterschrift zu verpflichten». In Betreff des Unter¬ 
richts dieser minderjährigen, ins Gymnasium übergeführten 
Knaben in den neuen Sprachen wurde am 1. Mai 1773 folgen¬ 
der Beschluss gefasst: «In Berücksichtigung der unlängst 
zu den Erwachsenen übergeführten sechs Minderjährigen 
und ferner in Berücksichtigung der schon vor einigen Jah¬ 
ren ebenfalls dahin übergeführten 15 anderen Minderjähri¬ 
gen, von welchen indess noch kein Einziger Französisch 
. lernt sondern nur Deutsch, ist auf die Vorstellung des In¬ 
spectors Backmeister, ob die neu übergeführten sechs in der 
französischen, oder in der deutschen Sprache zu unterrichten 
seien und ob auch die früher übergeführten 15 in der fran¬ 
zösischen Sprache zu unterrichten seien, ihm, Backmeister, 
zu eröffnen, dass er nicht nur jene tibergeführten sechs, son¬ 
dern auch die ausserdem noch neu überzuführenden sieben 
von den Minderjährigen in der französischen und deutschen 
Sprache unterrichten solle, je nach dem zu welcher Jeder 
mehr Lust und Neigung zeige, und ausserdem Alle in der 
lateinischen Sprache, ebenso wie auch die früheren 15 in 
der französischen, wenn auch nur wenig; aber die russische 
Sprache ist für Alle auf einige Zeit zu beseitigen». 

Offenbar war man mit Margarethe Kabritz nicht zu- 



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frieden, und im October 1773 wurde sie des Dienstes ent¬ 
lassen und die Aufsicht über die minderjährige Abtheilung 
zeitweilig dem Lehrer Korjakin anvertraut. Zum Lehrer 
der deutschen Sprache, der Arithmetik und Geometrie wurde 
im Jahre 1774 Kien angestellt, mit der Verpflichtung, an 
vier Tagen je drei Stunden, d. h. 12 Stunden wöchentlich 
zu unterrichten. 

Zur Aufseherin über die minderjährige Abtheilung Die Aufsehe- 
wurde Frau Christeneck ernannt, und auf ihre Vorstellung ne^( 1774 ). 
wurden im Jahre 1775 sechs Minderjährige mit der be¬ 
kannten Verpflichtung für die Eltern, sie nicht aus dem 
Gymnasium zu nehmen, aber mit dem Zusatz «bis zum 
18. Lebensjahr», ins Gymnasium übergeführt. Frau Chri¬ 
steneck wurde bald leidend und bat um ihre Entlassung aus 
dem Amt, worauf im Jahre 1775 die minderjährige Abthei¬ 
lung von Neuem dem Lehrer Korjakin anvertraut wurde. 

Frau Christeneck empfahl an ihre Stelle die Frau des Die Aufsehe- 

riii Now£ik 

Gymnasialoeconomen Nowak, welche auch ernannt wurde. ( 1775 ). 
Zugleich wurde ihr vorgeschrieben, «dass sie niemals we¬ 
der die Verwandten, noch die von jenen geschickten Dienst¬ 
boten zum Besuch der unter ihrer Aufsicht stehenden 
minderjährigen Gymnasiasten zulasse, ausser an Feiertagen, 
und dass sie streng darauf aufpasse, dass die zu ihnen kom¬ 
menden Leute keinerlei Lebensmittel mitbrächten; desglei¬ 
chen, dass sie auch den Kindern selbst, wenn es vorkomme, 
dass sie zu den Feiertagen zu den Eltern entlassen würden, 
niemals gestatte, bei ihnen zu übernachten». 

In den Jahren 1776 und 1777 wurden aus der minder¬ 
jährigen Abtheilung je vier Knaben ins Gymnasium überge¬ 
führt. 

Wir haben gesehen, dass nur ein einziges Mal zwei 
Akademiker die Kinder examinirten und die zur Versetzung 


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Original ffom 

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ins Gymnasium Würdigen bezeichneten; gewöhnlich wurden 
sie auf Empfehlung der Aufseherin und nicht selten für 
den Gymnasialcursus ganz unvorbereitet versetzt, wie aus 
folgendem Protokoll vom 26. Januar 1777 zu ersehen: «Se. 
Hochgeboren der Herr Kammerjunker Ihrer Kaiserlichen 
Majestät und Director der Akademie der Wissenschaften, 
Ssergei Gerassimowitsch Domaschnew, hat wahrgenom¬ 
men, dass die nach oben zu den Erwachsenen übergeführten 
minderjährigen Gymnasiasten, in Anbetracht des früheren, 
so lange dauernden Aufenthalts unter der Aufsicht der Auf¬ 
seherin, sehr wenig Fortschritte in ihrem Wissen gemacht 
hatten, so dass sie, nicht zu erwälinen ihrer geringen Kennt¬ 
nisse in den Sprachen, auch bis jetzt fast nicht einmal ordent¬ 
lich zu schreiben verstehen. Und da dieses sicherlich entwe¬ 
der aus Mangel an Eifer seitens der Lehrer, oder von einer 
schlechten Anordnung im Unterricht solcher Knaben her¬ 
rührt, so hat er desshalb befohlen: der Aufseherin Nowak 
darüber eine Mittheilung zu machen und den Lehrern Kien 
und Korjakin anzusagen, dass sie auf den Unterricht alle 
mögliche Mühe verwendeten, im entgegengesetzten Falle 
aber, wenn in Zukunft ebenso geringe Fortschritte bemerkt 
werden sollten, wie bis jetzt es bei besagten Gymnasiasten der 
Fall gewesen, dass sie, Korjakin, Kien und die Nowak aus 
ihren Aemtern würden entlassen werden». 

Im Jahre 1778 wurden neun Knaben aus der minder¬ 
jährigen Abtheilung ins Gymnasium versetzt. 

Am 3. November 1778 übergab der Director der Aka¬ 
demie die minderjährigen Gymnasiasten, von denen der In¬ 
spector bisher ferngehalten worden war, der Disposition des 
Inspectors des Gymnasiums, des Akademikers Lepechin, 
«weil für den Nutzen des ganzen Gymnasiums es nöthig ist, 
rechtzeitiger die Fähigkeit und Eigenschaften der Schüler im 



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— 71 


Voraus zu kennen, wodurch ihm selbst, dem Herrn Akademi¬ 
ker, ihre künftige Leitung in erwachsenem Alter leichter 
werden würde; ausserdem sind fast alle schon aus den Kin¬ 
derjahren heraus und fähig, gründliche Anfangsgründe des 
Unterrichts von Lehrern zu empfangen». Diese Verord¬ 
nung wurde durch Unordnungen hervorgerufen, die in der 
minderjährigen Abtheilung aufgedeckt worden waren: es 
hatte sich erwiesen, dass bei den minderjährigen Gymna¬ 
siasten «eine doppelt so grosse Zahl wie sie selbst an unbe¬ 
kannten, fremden Leuten wohnt», dass es streng genommen 
dort gar keine minderjährigen Kinder mehr gebe, «weil be¬ 
sagte Gymnasiasten alle schon jene Jahre überschritten 
haben, in welchen weibliche Aufsicht über sie nothwendig 
war». Daher wurde Frau Nowak entlassen und die minder¬ 
jährige Abtheilung dem Lehrer Petrass anvertraut, dem 
vorgeschrieben wurde «insbesondere allen Eifer darauf zu 
verwenden, sowohl Lust zu den Wissenschaften, als auch rich¬ 
tige und klare Begrilfe der Jugend einzupflanzen und ihnen 
alle jene Begriffe beizubringen, welche sie ihren Jahren nach 
in sich aufnehmen könnten, wie die ersten Regeln der Arith¬ 
metik, Geschichte, Geographie und Mythologie... Während 
seiner, Petrass’, Anwesenheit in den Classen unten, (d. h. 
im Gymnasium), hat in allen jenen Stunden der Lehrer der 
Schreibeclasse Korjakin bei erwähnten Gymnasiasten sich 
aufzuhalten». Auf diese Weise wurde die minderjährige Ab¬ 
theilung in Form einer Vorbereitungsclasse so Zusagen in 
den Bestand des Gymnasiums aufgenommen, obgleich man 
fortfuhr für diese Kinder Wärterinnen zu halten. 

Kehren wir zum Gymnasium, welches wir im Jahre 
1765 verlassen haben, zurück. 

Damals waren bei Gründung der minderjährigen Abthei¬ 
lung, in welcher man für die Zukunft einzig eine zuverlässige 


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Pflanzschule für das Gymnasium zu finden meinte, von den 
früheren Gymnasiasten, wie oben gesagt, nur 30 der besten 
zurückbehalten worden. Von ihnen war folgende Unterschrift 
verlangt worden: «Im Gefühl der Allerhöchsten Barm¬ 
herzigkeit Ihrer Kaiserlichen Majestät gegen uns und vom 
Wunsch beseelt der Absicht zu entsprechen, welche um unsere 
künftige Wohlfahrt besorgt ist, versprechen wir von nun an 
unser Leben zu bessern und beim äussersten Fleiss im Ler¬ 
nen, indem wir uns von jeglichen Lastern und hässlichen 
Handlungen fern halten, einander zu guten Sitten und 
ehrenhaftem Betragen zu ermuntern. Wenn sich aber unter 
uns ein absichtlicher, durch keine Ermahnungen zu bes¬ 
sernder Verächter dieses unseres Versprechens findet, so 
werden wir selbst darum bitten, dass er, als abschreckendes 
Beispiel für die Anderen, mit öffentlicher Entehrung aus 
unserer Zahl und unserem Convict ausgestossen werde. 
St.-Petersburg den 1. November 1765. In Erfüllung dessen 
unterzeichnen wir uns gemeinsam». (Es folgen 26 Unter¬ 
schriften, darunter auch die der künftigen Adjuncten der 
Akademie, Wassilij Sujew und Michael Golowin). 

Da die Forderungen den Schülern gegenüber straffer wur¬ 
den, war dasselbe auch bei den Lehrern und der Gymnasial¬ 
obrigkeit selbst nothwendig. Kotelnikow wohnte nicht im 
Gymnasium und besuchte es selten; es wurde ihm vorgeschla¬ 
gen, das Gymnasium wenigstens an den Tagen zu besuchen, an 
denen er in der Akademie zu sein pflegte, und ausserdem von 
Zeit zu Zeit dort vorzusprechen. Mit den Lehrern ging man we¬ 
niger zart um: ihnen wurde vorgeschrieben, dem Rector zu ge¬ 
horchen,eine Viertelstunde vor Beginn derStunde in die Classe 
zu kommen und sie nach dem Glockenschlage zu verlassen, von 
ihrer etwaigen Krankheit Anzeige zu machen,ihre Stunden, im 
Fall der Unmöglichkeit ins Gymnasium zu kommen, einem 


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ihrer Collegen zu übertragen; diejenigen, welche diesen An¬ 
ordnungen nicht nachkommen sollten, bedrohte man mit einem 
Gagenabzug. Zum Schluss wurde dem Rector, zusammen mit 
den Lehrern der älteren Classen, die Aufstellung eines neuen 
Lehrplans und eines Stundencatalogs für das Gymnasium auf¬ 
erlegt. Das betreffende Protokoll vom 23. November lautet: 
«Da der Kanzelei bekannt geworden, dass einige Lehrer des 
Gymnasiums nicht pünktlich zu der Zeit, in der sie dort 
sein sollen, in die Classen kommen und einige zuweilen, ohne 
von sich Nachricht zu geben und eine gesetzliche Ursache 
ihrer Yersäumniss anzugeben, sich auch gar nicht einstellen, 
woher die Schüler in ihren Classen müssig sind; da das eine 
angemessene Verbesserung erfordert, um so viel als mög¬ 
lich den Tadel abzulenken, als ob die Akademie keinen Eifer 
für den wirklich erfolgreichen Unterricht der im Gymnasio 
lernenden Jugend habe, so hat um desswillen auf Befehl 
Ihrer Kaiserlichen Majestät die Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften angeordnet: dem Herrn Professor Kotelni- 
kow eine schriftliche Ordre zu senden: 1) den Lehrern des 
Gymnasiums mit Strenge einzuschärfen, dass sie immer eine 
Viertelstunde vor der ihnen vorgeschriebenen Zeit in die 
Classen kommen und sie nach dem Glockenschlage verlassen 
sollen. 2) Wenn es dem Lehrer irgend einer Classe Krank- 
heits halber unmöglich ist in seinen Dienst zu kommen, dass 
er rechtzeitig einen seiner Collegen bitte, seine Schüler zu 
beaufsichtigen; wenn aber die Krankheit dauernd sein kann, 
so ist ohne Verzögerung dem Inspector zu rapportiren, da¬ 
mit er eine entsprechende Anordnung treffe. 3) Dem Pe¬ 
dell zu befehlen, solche Lehrer, welche ihre Abwesenheit 
nicht angezeigt haben, anzuschreiben und allwöchentlich 
Rapports einzureichen, behufs Abzugs aus ihrer Gage, kraft 
der Befehle über Versäumniss. 4) Den Lehrern zu befehlen 


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für den Unterricht sowohl der Krons-, als der freiwilligen 
Schüler die gleiche Sorge zu tragen, denn die Einen wie die 
Anderen lernen mit derselben Absicht, dass sie, in die Jahre 
gekommen, ihrem Yaterlande mit Nutzen dienen. 5) Alle 
Lehrer generaliter müssen unter Aufsicht des Inspectors 
dem Rector des Gymnasii Gehorsam erweisen, wie das über¬ 
all am Gymnasio JBrauch ist. 6) Der Rector des Gymnasii 
Kienitz soll, indem er die Lehrer der oberen Classen zur 
Berathung einladet, einen neuen Lehrplan und Stunden- 
catalog entwerfen, damit er von Neujahr an in Ausführung 
gebracht werde, welcher Plan, nachdem er von Professor 
Kotelnikow durchgesehen worden sein wird, sobald als 
möglich der akademischen Conferenz zur Approbation vor¬ 
zustellen ist. 7) Die akademische Kanzelei erkennt es für 
sehr nothwendig an, dass Herr Professor Kotelnikow zu 
besserem Erfolge alles dessen am Gymnasio und um Leh¬ 
rer wie Schüler dadurch zu grösserem Fleiss zu nöthigen, 
häufiger hingehe, wozu er die Tage benutzen kann, an denen 
er zur Conferenz in die Akademie kommt; aber dabei ist es 
nöthig, dass er abwechselnd zuweilen auch beaufsichtige, in 
welcher Ordnung und mit welchem Eifer Nachmittags der 
Unterricht in den Classen stattfindet; mit einem Wort, es 
wird unwiderruflich gefordert, dass den früheren Mängeln 
im Gymnasio abgeholfen und alle Ursachen zu Klagen so 
viel als möglich beseitigt werden. Nach Anbruch des neuen 
Jahres soll ebenso, wie auch in Betreff der Universität, die 
ganze Unterrichtsordnung in gedruckten Blättern publicirt 
werden, und da bereits wenig Zeit dafür übrig bleibt, so 
muss alles dieses so rasch als möglich angeordnet werden». 
Die Emen- Die akademische Kanzelei rechnete offenbar nicht darauf, 
D meister’s dass ihre strengen, schriftlichen Vorschriften auch wirklich 
Z tor (1766)° aus S e ^hrt würden, und entfernte in den ersten Tagen des Ja- 


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nuar 1766 Kotelnikow, unter dem Vorwände einer ihm be¬ 
vorstehenden wissenschaftlichen Abcommandirung, aus dem 
Amt, zum Inspector des Gymnasiums wurde aber der Pädagog 
Backmeister ernannt. Im Protokoll vom 2. Januar 1766 
steht: «Nachdem jetzt, so viel als möglich war, dem schlech¬ 
ten Zustande der Universität und des Gymnasiums abgeholfen 
und der Unterricht der Studenten und Gymnasiasten, wie 
auch ihre Erhaltung in einem guten und für künftige Fort¬ 
schritte zuverlässigen Zustande wiederhergestellt worden, ist 
unwiderruflich erforderlich, dass zum Hauptaufseher nicht nur 
über den Unterricht, sondern auch über die Handlungen und 
das wohlgesittete Betragen der an der Akademie auf Krons¬ 
kosten lernenden Jugend ein solcher Mann ernannt werde, 
welcher, im selben Hause wohnend, sie ununterbrochen vor 
seinen Augen hätte und die vorkommenden Mängel und 
Unpünktlichkeiten sofort verbessern könnte und ausserdem 
die für sie eingerichtete Oeconomie in immerwährender gu¬ 
ter Ordnung halte. Da aber Professor Kotelnikow, welchem 
das bis jetzt aufgetragen war, erstens in diesem Amt in den 
ihm als Akademiker obliegenden wissenschaftlichen Arbeiten 
ein grosses Hinderniss hatte, zweitens wegen Mangels aus¬ 
reichender Zimmer im Universitätshause mit seiner Familie 
dort nicht wohnen kann und drittens dem Dirigirenden Senat 
zur Besichtigung der projectirten Communication zwischen 
den Flüssen Wolga und Don vorgestellt worden ist, wohin 
er in kurzer Zeit seine Absendung erwartet, so hielt es um 
desswillen die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften, 
auf Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät, in Erwägung, wie 
nothwendig es sei, dass zum Amt eines Inspectors des 
Gymnasii und der zu den Wissenschaften erzogenen Ju¬ 
gend ein Mann ernannt werde, der einzig damit beschäf¬ 
tigt und durch kein anderes Geschäft verpflichtet sei, für 


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unerlässlich nöthig, für das erwähnte Inspector amt bis 
auf weiteren Befehl den ihr empfohlenen und in der Erzie¬ 
hung von Kindern angesehener Eltern schon hinreichend 
erprobten Rechtskundigen, Herrn Ludwig Backmeister zu 
ernennen». 

Die gelehrten Backmeister, aus Mecklenburg gebürtig, war im 

Bai-kmei. Jahre 1762 aus Deutschland nach St.-Petersburg gekom- 
ster’s. men . er war d ama i s 35 Jahr alt. In der gelehrten Welt war 
er damals nur durch die von ihm herausgegebenen Nach¬ 
richten über die früheren Universitäten in Dorpat und 
Pernau bekannt. In der Folge übersetzte er einige gelehrte 
Arbeiten, die sich auf die Geschichte Russlands bezogen, ins 
Deutsche, nämlich: die Geschichte Russlands von Lomonos¬ 
sow (1768), die von Müller geschriebene Biographie des 
Feldmarschalls Grafen Scheremetjew und das Tagebuch 
Peter’s des Grossen (in der Ausgabe unter dem Titel: 
«Beyträge zur Geschichte Peter’s des Grossen 1774— 
1784»). 

Von 1771 bis 1774 gab er heraus «Tonorpa^auecKia 
H3B r kcTia, cjiyjKamia juh no.maro onncania PocciacKoa Hm- 
nepia» (Topographische Nachrichten, die zur vollen Be¬ 
schreibung des russischen Reichs dienen). In einen Gedanken 
der Kaiserin eingehend, welche mit dem Programm zu einer 
Sammlung von Worten für ein vergleichendes Wörterbuch 
aller Sprachen beschäftigt war, liess er 1773 eine selbst¬ 
ständige Arbeit unter dem Titel drucken: «Idea et deside- 
rata de colligendis linguarum speciminibus». Seine bemer- 
kenswertheste Ausgabe wurde 1772 unter dem Titel be¬ 
gonnen: «Russische Bibliothek, zur Kenntniss des gegen¬ 
wärtigen Zustandes der Literatur in Russland». Es war das 
ein gelehrtes Journal, in welchem fast alle hervorragenden 
Werke, die sich auf Russland bezogen, sowohl die in rus- 


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sischer Sprache und in fremden Sprachen erschienenen, als 
auch die ins Russische übersetzten analysirt wurden, was 
bei der geringen Zahl der damals in Russland existirenden 
Druckereien möglich war; solche waren nur an sechs Punk¬ 
ten vorhanden: in St. Petersburg, Moskau, Kijew, Riga, 
Reval und Oberpahlen, in Livland. In dieser Ausgabe wurde 
mit Genauigkeit und Wahrhaftigkeit, ohne alle heissende Kri¬ 
tik, der Inhalt der Werke über die zu jener Zeit so zahlrei¬ 
chen und so bemerkenswerthen gelehrten Reisen, sowie der 
Arbeiten, die sich auf die russische Geschichte und auf die 
Geographie Russlands bezogen, dargelegt; in ihr wurden die 
der Aufmerksamkeit würdigen Beschreibungen verschie¬ 
dener Provinzen, die geographischen Karten der Gouverne¬ 
ments, die Uebersetzungen der besten ausländischen Er¬ 
zeugnisse ins Russische analysirt, wozu die Kaiserin bekannt¬ 
lich eine besondere Commission eingerichtet hatte u. a. m. 
In der «Russischen Bibliothek» fanden beständig Nachrich¬ 
ten über die russischen gelehrten Gesellschaften und Lehr¬ 
anstalten Aufnahme • über die Akademie der Wissenschaften, 
die Freie Oekonomische Gesellschaft, die Akademie der 
Künste, die Moskauer Universität, mit jährlichem Catalog 
der in derselben gelesenen Collegia, über die Moskauer Geist¬ 
liche Akademie (Saikonospasski-Kloster), das Moskauer Fin¬ 
delhaus und selbst über mittlere Lehranstalten zweiten 
Ranges, wie z. B.: überdas griechische Gymnasium in St. Pe¬ 
tersburg, über die Seminare in Twer, Rjasan, Archan- 
gel u. s. w.; desgleichen Nachrichten aus den Ostseepro¬ 
vinzen. Zu Zeiten des Krieges und allgemeiner Volkscalami- 
täten wurden Aufsätze ausgewählt, welche das Publicum 
nach den damaligen politischen Umständen interessiren konn¬ 
ten: so wurden zur Zeit des ersten Türkenkrieges Aufsätze 
publicirt, welche die militärischen Vorgänge oder die Län- 


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der, in denen sie sich abspielten, betrafen; während der Pest 
Bücher, in welchen diese Epidemie beschrieben war u. s. w. 
Mit einem Wort, es gab keine irgend wie bemerkenswerthe 
politische oder literarische Erscheinung in Russland, welche 
nicht in dieser Ausgabe Platz gefunden hätte, und die vom 
Herausgeber im Vorwort ausgesprochene Hoffnung hat sich 
verwirklicht, dass mit der Zeit Alle, die sich mit der Ge¬ 
schichte der Aufklärung in Russland beschäftigen, für diese 
Periode in seiner Arbeit den leitenden Faden finden werden, 
den sie nicht mehr aus den Händen lassen. Die Kaiserin 
ermuthigte den Herausgeber durch Verleihung einer gol¬ 
denen, mit 250 Dukaten gefüllten Tabatiere. An dieser 
Ausgabe betheiligten sich: Arndt (er hatte auch Back¬ 
meister bei der Uebersetzung des Tagebuchs Peter’s des 
Grossen geholfen), die bekannten Akademiker Georgi 
und Güldenstädt, die Pastoren Grot und Hupel, der 
Akademiker Kr afft, der Astronom Lex eil, der Historio¬ 
graph Müller, der berühmte Pallas, die Akademiker 
Stählin, Stritter, Wolff u. A. Im Laufe einer 16-jähri¬ 
gen Existenz wurden in dieser Ausgabe 1100 Werke voll¬ 
kommen kaltblütig und leidenschaftslos analysirt. «Kein ein¬ 
ziger gerechter Leser», sagt Backmeister, «wird sowohl 
jetzt, als auch in der Folgezeit den Nutzen dieser Bibliothek 
leugnen: aus ihr kann man Nachrichten schöpfen über den 
Zustand der Literatur in Russland von 1770 an und über ihr 
allmäliches Wachsthum, über das Wurzelfassen verschie¬ 
dener Zweige des Wissens im Lande, über den grössten 
Tlieil der erschienenen Werke und Broschüren, über die 
Schriftsteller selbst, wie über ihre Arbeiten und über so 
viele andere, der Aufmerksamkeit würdige Gegenstände. 
In dieser Bibliothek sind Daten gesammelt, welche in spä¬ 
terer Zeit schwer zu finden sein werden; selbst jetzt sind 



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einzelne recht bemerkenswerthe literarische Producte ganz 
verschwunden, und vielleicht bleibt in dieser Bibliothek 
allein eine Spur von ihnen nach». Das alles ist ganz richtig. 
Leider musste Backmeister wegen Mangels an Geldmitteln 
seine nützliche Ausgabe einstellen: er brauchte einige hun¬ 
dert Rubel jährlich zum Ankauf der zu kritisirenden Bücher, 
und Niemand kam ihm zu Hülfe. 

Nachdem Backmeister sich mit dem Gymnasium be¬ 
kannt gemacht, stellte er im Jahre 1766 ein Memorandum 
über den Zustand vor, in welchem er dasselbe gefunden 
hatte 1 ). Damals waren 88 Schüler vorhanden, von denen 
30 Pensionäre waren und 58 Externe. Da sie ihrem Alter 
nach ausserordentlich verschieden waren und die sogenann¬ 
ten freiwilligen Schüler sich ausserdem je nach ihrer zu¬ 
künftigen Bestimmung auswählen konnten, was sie lernen 
wollten, so mussten die Classen in den Sprachen in drei 
bis fünf und in den Wissenschaften in zwei bis drei Unter¬ 
abtheilungen getheilt werden. Dem entsprechend mangelte 
es an Lehrern: es gab ihrer im Ganzen 15. Ausserdem 
lebten viele von ihnen weit entfernt vom Gymnasium und 
erhielten fast alle eine unbedeutende Gage: die höchste 
Gage betrug 400 Rubel, aus welchem Grunde die Lehrer 
sich andere bezahlte Beschäftigungen suchen mussten. Das 
Gebäude des Gymnasiums selbst war in dem Maasse eng, 
dass eine Classe im Speisezimmer placirt werden musste. 
Backmeister bat darum, die Zahl der Lehrer zu vergrös- 
sern, ihre Gage zu erhöhen oder ihnen in der Nähe des 
Gymnasiums, wo nur drei Aufseher wohnten, Kronsquartier 
zu geben. Das Gesuch Backmeister’s wurde nicht berück¬ 
sichtigt. 

Dem entsprechend blieb der Cursus des Gymnasiums 

1) Siehe Beilage 4. 


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derselbe. Indessen nahm man in dasselbe einigermaassen 
vorbereitete Schüler auf, die mindestens russisch zu lesen 
und zu schreiben verstanden. Das ist aus folgendem Protokoll 
ersichtlich: «Am 28. Juli dieses Jahres 1765 wurde mit 
einem Befehl Ihrer Kaiserlichen Majestät aus dem Dirigi- 
renden Senat der in die Heroldie vorgestellte unerwachsene 
Warlam Mendelejew in die Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften gesandt, um laut dem namentlichen Befehl 
Ihrer Kaiserlichen Majestät über die Etats vom lö.Decem- 
ber des verflossenen Jahres 1763 in die an der Akademie 
festgesetzte Zahl der auf Kronskosten unterhaltenen Schüler 
aufgenommen zu werden, welcher denn auch zur Probe auf 
zwei Monate ins Gymnasium gesandt wurde. Der Herr Profes¬ 
sor und Inspector Gymnasii Kotelnikow erklärte aber in 
einem Rapport, dass besagter unerwachsener Mendelejew 
nicht russisch zu lesen und zu schreiben gelernt habe, 
während es im Gymnasium solche Classen, wo rus¬ 
sisch zu lesen und zu schreiben gelehrt wird, nicht 
giebt, und stellte vor, dass er zuerst im russischen Lesen 
und Schreiben zu unterrichten und dann seine Fähigkeit 
für andere Sprachen und Wissenschaften zu beobachten sei. 
Demgemäss wurde in die Kanzelei der Factorgehülfe der 
Drückerei FedotNewskoi gerufen und ihm befohlen, dass er 
den Mendelejew, um ihn russisch schreiben und lesen zu 
lehren, desgleichen in Nahrung und Kleidung zu unterhalten, 
unter seine Aufsicht nehme, mit der Bedingung, dass ihm für 
dies Alles drei Rubel im Monat gezahlt würden, womit sich 
Newskoi auch einverstanden erklärte». 

Der Bestand der Gymnasiallehrer wurde fortgesetzt aus 
den Studenten der Universität completirt, aber zuweilen ver¬ 
pflichteten sie sich dabei ihren Universitätscursus nicht zu 
unterbrechen. So stellte im Januar 1766 der Inspector der 



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Studenten Professor Rumowski vor, dass der Student An- 
tonow «zur Fortsetzung des Studiums der Wissenschaften in 
der Universität keine Lust mehr habe und am Gymnasio Leh¬ 
rer der mathematischen Classe zu sein wünsche, bis es für 
angemessen erachtet werde, ihn zu irgend einem anderen Amt 
zu bestimmen. Student ist er seit 1763. Es wurde befohlen: 
der besagte Student Ssemjon Antonow hat nach Attestirung 
seiner Fähigkeit von den Herren Professoren Kotelnikow 
und Rumowski das Amt eines Lehrers der mathematischen 
Classe zu bekleiden und ist aus der Universität zu entlas¬ 
sen. .. Damit er aber zum Unterricht im Gymnasio in den 
mathematischen Wissenschaften sich um so grössere Fähig¬ 
keit erwerben könne, hat er die mathematischen und phy¬ 
sischen Vorlesungen zu besuchen und sich ausserdem zu 
bemühen, durch eigene Uebung und durch die Lectüre 
nützlicher Bücher über diese Wissenschaften, nach dem 
Rath der Professoren, eine grössere Vollkommenheit darin 
zu erwerben, und wenn er nach einem Jahre sowohl über 
seinen Fleiss und weitere Fortschritte, als auch über sein 
ordentliches Betragen Attestate aufweist, dann soll er zum 
wirklichen Lehrer ernannt werden». 

Backmeister bemühte sich indessen das Lehrerper- Conrector 
sonal des Gymnasiums wenigstens in Betreff der Haupt- S ^i 766 )? r 
fächer, d. h. der philologischen, zu heben und machte nach 
dem Tode des Conrectors des Gymnasiums Gerassimow 
eine Vorstellung über die Notliwendigkeit, «für den Unter¬ 
richt der Jugend in den literärischen Wissenschaften und 
Sprachen aus fremdem Lande einen Conrector mit einer 
Gage von 360 Rubel im Jahr und einem Reisegeld von 
100 Rubel zu verschreiben». Hierüber wurde an Schlözer 
nach Göttingen geschrieben und auf seine Empfehlung 
Stritter zum Conrector ernannt. Aus dem Städtchen 

Beiträge z. Konntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 6 


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— 82 


Die Entlas¬ 
sung Back- 
mei ster’s 
aus dem 
Dienst im 
Jahre 17G7. 


Die Ueber- 
gabe des 
Gymnasiums 
in die Ver¬ 
waltung 
Fische r’s 


Idstein in Nassau-Siegen gebürtig, kam er als ganz junger 
Mann, er war 2G Jahr alt, nach Russland, hatte aber schon 
eine sehr gründliche philologische Bildung an verschie¬ 
denen deutschen Universitäten erworben und sich spe- 
ciell dem Studium der byzantinischen Geschichte gewidmet. 
Von 1771 bis 1779 liess er in St. Petersburg in vier 
starken Bänden sein bemerkenswerthes Werk in lateini¬ 
scher Sprache drucken: «Memoriae populorum olim ad Da- 
nubium, Pontum Euxinum, Paludera Maeotidem, Caucasum, 
Mare Caspium et inde magis ad septentrionem incolentium, 
e scriptoribus historiae byzantinae erutae et digestae ab 
Ioanne Gottlieb Strittero»; ein auf die russische Ge¬ 
schichte bezüglicher Auszug aus diesem Werk wurde in 
russischer Sprache von Sswetow gemacht und 1774 unter 
dem Titel gedruckt: «HsbIsctdi BimnTMCKHX’L hctophkobt> 
oo'LJiciimomiu ncropiio pocciiicKyio ApeminxT» Bpewein» n ne- 
pece.ieuin iiapojOB'B» (Nachrichten byzantinischer Schrift¬ 
steller, welche die russische Geschichte alter Zeiten und die 
Geschichte der Völkerwanderung erläutern). Im Jahre 1779 
wurde Stritter in das Moskauer Archiv des Ausländischen 
Collegiums dienstlich übergeführt und 1783 nach dem 
Tode Müll er’s zum Chef dieses Archivs ernannt. 

Kaum war ein Jahr seit der Ernennung Back meiste r’s 
zum Inspector des Gymnasiums vergangen, als die akade¬ 
mische Kanzelei ihn — es ist unbekannt warum — aus 
dem Dienst ausschloss; im Protokoll vom 6. Februar 1769 
ist lakonisch gesagt, dass einige Lehrer überflüssig waren 
«wesshalb sie zu entlassen sind .. . und zwar: der Inspector 
Backmeister, die Lehrer Michael Studinski, Möller 
und Gotfren». 

Vier Tage später, nämlich am 10. Februar, wurde fol¬ 
gende Verfügung bekannt gemacht: «Zur besseren Anord- 


(1767). 


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nung des Unterrichts hat Herr Professor Fischer im aka¬ 
demischen Gymnasio Hauptinspector zu sein; wesshalb so¬ 
wohl Rector Kienitz, als auch die übrigen Lehrer, ausser 
den entlassenen, sich morgen am Tage in der Frühe alle in 
den Classen zu versammeln haben, wo ihnen die verfasste 
Verordnung, wie sowohl der Rector, als auch die Lehrer 
in Allem sich unwiderruflich zu verhalten und besagtem 
Herrn Fischer gehorsam zu sein haben, mitzutheilen ist». 

Wiederum vier Tage später, am 14. Februar, erging die Vor¬ 
schrift: «Herrn Professor Fischer Ordre zu geben, dass die 
Lehrer nach dem vorgeschriebenen Etat den Unterricht am 
Montag der ersten Woche der grossen Fasten beginnen, wo¬ 
gegen ihnen in der dritten Woche Feiertage gegeben werden 
würden». Was die Ursache dieser ungewöhnlichen, fieberhaf¬ 
ten Thätigkeit der akademischen Kanzelei war, welche sogar 
zu der Zeit, da man sich gewöhnlich zum Abendmahl vor¬ 
bereitete und keine Lectionen stattfanden, zum Lehren und 
Lernen zwang, bleibt unbekannt. Die Kanzelei beeilte sich 
zu gleicher Zeit die Erfordernisse zur Aufnahme ins Gym¬ 
nasium zu verschärfen: «Herrn Professor Fischer», heisst 
es im Protokoll vom 26. Februar, «ist Ordre zu senden, 
durch welche befohlen wird, ins Gymnasium zum Unter¬ 
richt nur solche aufzunehmen, welche nicht nur gut russisch 
zu lesen und zu schreiben verstehen, sondern auch, wenn 
auch nur einigermaassen, eine der fremden Sprachen, d. h. 
lateinisch, deutsch oder französisch lesen können, damit der 
Unterricht mit dem erwünschten Erfolg und Nutzen statt¬ 
finde». 

Am 14. März wurde auch Stritter «von der Aufsicht Die Eutias- 
über die Schüler», d. h. vom Conrectorat entlassen, unter ter’s ( 1767 ). 
dem Vorwände, dass er mit der byzantinischen Geschichte 
vollauf beschäftigt sei. 

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Fischer fing an Ordnung im Gymnasium einzubür¬ 
gern. «Herr Professor Fischer» lesen wir im Protokoll vom 
12. Juni, «machte mündlich in der Commission vorstellig, 
dass die zur Aufsicht bei den erwachsenen Gymnasiasten 
befindlichen Lehrer Schulz und Petrowski sich häufig 
von Hause entfernen, während die Gymnasiasten, ohne Auf¬ 
sicht geblieben, Ungebührlichkeiten und Muthwillen treiben 
und nicht selten fremde Leute zu ihnen kommen. Daher 
wurde in der Commission beschlossen, besagten Lehrern 
durch den Inspector Kienitz einzuschärfen, dass sie nicht 
beide zu gleicher Zeit von Hause gingen und die Studenten 
ohne Aufsicht Hessen; wenn aber einer nothwendiger Weise 
ausgehen müsse, so soll er allein Weggehen und der andere 
zu Hause bleiben und über alle Gymnasiasten die aufmerk¬ 
samste Aufsicht ausüben, damit sie keinerlei Unarten und 
Ungebührlichkeiten treiben und mit Niemandem von frem¬ 
den Leuten Verkehr haben, wovon auch den Gymnasiasten 
Mittheilung zu machen ist». 

Die von Fischer ergriffenen Maassregeln brachten das 
Gymnasium nicht nur nicht in Ordnung, sondern ruinirten 
es nur noch mehr; am 23. October passirte in demselben 
ein Ereigniss, wie es dort noch nicht vorgekommen: die Gym¬ 
nasiasten steckten das Gymnasium in Brand. Im Protokoll 
vom 25. October heisst es folgendermaassen: «Nach den vom 
Rector Kienitz und dem Executor Gerassimow einge¬ 
reichten Rapports über den am 23. October c., d. i. am Diens¬ 
tag gegen Abend im akademischen, Stroganow’schen Hause 
stattgehabten Brande, erwies es sich, dass die Gymnasiasten 
Tichon S ch p i 1 e w ski und Wassilij S a m a r aj e w das Feuer an¬ 
gelegt haben. Es wird beschlossen, besagte Gymnasiasten, so 
wie, falls von ihnen auf andere hingewiesen wird, auch diese 
in der Sitzung zu verhören, und wenn Confrontationen nöthig 



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— 85 — 


sein sollten, auch solche zu veranstalten und dann, einen 
Extract daraus machend, ihn mit dem gehörigen Thatbe- 
stand, mit der Forderung einer Resolution und in Beglei¬ 
tung eines Rapports Sr. Erlaucht dem Grafen Wolodimir 
Grigorjewitsch Orlow zur Durchsicht zu senden. Inzwi¬ 
schen: 1) die erwähnten Gymnasiasten Schpilewski und 
Samarajew unter starker Bewachung bei der Commission 
zu halten und die übrigen, wen es angehen wird, nicht von 
Hause zu lassen, und 2) sowohl zur grösseren Vorsicht behufs 
Vorbeugung einer ähnlichen Uebelthat, als auch um anderer 
Umstände willen ausser der bei der Pforte dieses Hofes 
stehenden "Wache auch eine im Vorhause aufzustellen und 
desswegen dem Executor Befehl zu ertheilen». Die genann¬ 
ten beiden Gymnasiasten und noch drei Schüler wurden aus 
dem Gymnasium ausgeschlossen. 

Die Sittenrohheit der Schüler des Gymnasiums trat 
überall zu Tage: sie zerkratzten einander, zerrissen ihre 
Kleider u. a. m. Die ihnen auferlegten Strafen waren 
ebenso roh, wie ihre Handlungen: man strich sie mit Ru¬ 
then, und eine solche Strafe zu verhängen wurde schliess¬ 
lich jedem einzelnen Aufseher überlassen. Im Protokoll 
vom 16. Januar 1768 heisst es: «An diesem Datum legte der 
Gymnasiallehrer Petrowski in der Sitzung einige zerris¬ 
sene Schafpelze vor, welche neuerdings gemacht und unter die 
erwachsenen Gymnasiasten erst vor drei Wochen, d. h. am 
verflossenen 24. December, vertheilt worden waren, und ver¬ 
langte, dass befohlen werde sie zu repariren. Da aber die 
Commission bemerkte, dass die Schaffelle so zerissen waren, 
dass manche kaum zu repariren möglich war, und dass nach 
Vorforderung der Gymnasiasten, denen die Pelze gehörten, 
es sich erwies, dass auch ihre Gesichter zerkratzt und ihre 
Kleider zerrissen seien, was von nichts Anderem herrührt, 


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als von ihrer ausserordentlichen Unart und Nachlässigkeit, 
woran sowohl sie, als nicht minder auch ihre Lehrer schuld 
seien, weil die Unarten der Gymnasiasten von der schwachen 
und unaufmerksamen Aufsicht über sie herrühren, so wurde 
desswegen beschlossen: erstens alle die Gymnasiasten, 
deren Pelze in so kurzer Zeit zerrissen, vor den übri¬ 
gen versammelten Gymnasiasten mit Ruthen zu bestrafen 
,und ausserdem Jeden drei Tage lang zu Mittag und zum 
Abendbrod bei Wasser und Brod am Straftisch zu halten; 
zweitens wird zur Abwendung künftiger Unarten und un¬ 
ordentlichen Lebens den Lehrern selbst anheiingestellt nach 
Befund der Schuld die Gymnasiasten zu strafen; denn ihnen 
ist, da sie mit ihnen in denselben Zimmern wohnen, ihr 
Betragen fortwährend vor Augen, während der Rector Kie¬ 
nitz unmöglich Alles sehen kann. Den Gymnasiasten ist aber 
zu erklären, dass sie den Lehrern in Allem gehorsam seien 
und nichts ohne ihren Willen thuen; desgleichen ist den 
Lehrern mit einem strengen Verweise zu erklären, dass sie 
über die Gymnasiasten in Allem eine strenge Aufsicht füh¬ 
ren, widrigenfalls sie in Strafe genommen werden würden. 
Hiervon ist sowohl dein Herrn Professor Fischer, als auch 
dem Rector Kienitz zur Kenntnissnahme eine Copie zu 
geben». 

Die Entias- Für alle diese Unordnungen wurde Kienitz des Dien- 
nftz’s*aus stes entlassen. «Den Rector Kienitz», heisst es im Proto- 
llen (n68 t ) 0rat k°H vom 21. Februar, «mit dessen Verfahren im Gymnasio 
die Commission unzufrieden war, beschloss sie aus der Aka¬ 
demie zu entlassen, und erlaubt ihm nicht länger als eine 
Woche im Quartier zu bleiben, für welche Zeit ihm auch 
die Gage zu zahlen ist, ausserdem aber noch für einen Monat. 
Die Aufsicht über die Gymnasiasten sollen die Lehrer Pe- 
trowski und Schulz haben». 


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Fischer wurde ebenfalls von der Verwaltung des Gym¬ 
nasiums entbunden. Man musste sich von Neuem an Back¬ 
meister wenden. 

Backmeister, der nicht wünschte von der Willkür Fischer’s 
der akademischen Commission abzuhängen, die ihn schon un^Back^ 
einmal grundlos des Amtes beraubt hatte, beschloss letz- “bermiige 
teres nicht anders zu übernehmen, als auf Grund eines be- Ernennung 

zum Inspector 

sonderen schriftlichen Contractes. Auf Grund dieses Con- des Gymna- 
tractes waren alle Lehrer und Schüler ausschliesslich dem siums ( 1/68 )- 
Inspector unterstellt, der selbst nur von der Akademie ab¬ 
hing und ausser ihr keinen anderen Vorgesetzten haben 
durfte; Backmeister wurde auch die Organisation des 
Gymnasiums selbst übertragen . l ) 

Backmeister wandte der oberen Classe des Gymnasi- Entsendung 

von Gymna- 

ums eine besondere Aufmerksamkeit zu. Im Jahre 1768 wur- siasten auf 
den 16 Gymnasiasten auf gelehrte Expeditionen gesandt, ^pcdiUonmf 
den Akademikern zur Hilfsleistung, welche eine Untersu- Öll¬ 
eitung des östlichen Reichsgebietes, der Gouvernements Oren- 
burg und Astrachan unternahmen. An der Spitze die¬ 
ser Expeditionen standen die Akademiker Pallas, Lepe- 
chin, Gmelin, Güldenstädt und Falk. Gmelin wurden 
4 Gymnasiasten, den übrigen Akademikern je 3 mitgegeben; 
unter ihnen wurde der in späterer Zeit sehr bemerkens- 
werthe Akademiker Oserezkowski Lepechin zucom- 
mandirt. 

Im Jahre 1770 führte Backmeister für die besten Ein Univer- 

sitätscursus 


Schüler der höchsten Classe Universitätsunterricht in la- 


im Gymna- 


teinischer oder deutscher Sprache ein, der die Anfangs- smm 0Ab¬ 
gründe der Mathematik und ihre angewandten Theile, so wie 
Naturwissenschaften umfasste, und erkannte als fähig zum 


1) Siehe Beilage 5. 


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Anliören dieser den Akademikern auferlegten Vorlesungen 
nur sechs Gymnasiasten an, welche im Gymnasium die la¬ 
teinische Sprache und die Logik [zu studiren fortfahren 
sollten. «Um den vom Inspector Backmeister vorgestell¬ 
ten Gymnasiasten einen allgemeinen Begriff von den Wis¬ 
senschaften zu gewähren, in welchen sie sich künftig an 
der Akademie zu üben haben werden», heisst es im Proto¬ 
koll vom 17. Februar, «sind in lateinischer oder deutscher 
Sprache Vorlesungen einzurichten, in welchen die Anfangs¬ 
gründe der Mathematik, ferner auch ihrer übrigen ange¬ 
wandten Tlieile, wie Mechanik, Optik, im Allgemeinen ge¬ 
nommen, und Astronomie vom Adjuncten Lexell, Natur¬ 
geschichte vom Akademiker Gärtner, Chemie vom Aka¬ 
demiker Wolff zu lehren sind. Diese Vorlesungen sind 
zwei Mal in der Woche fortzusetzen, jede Vorlesung je 
eine Stunde lang. Aber an welchen Tagen und Stunden 
die Vorlesungen stattfinden, darüber haben sie unter¬ 
einander ein Abkommen zu treffen. Dabei haben jedoch 
besagte Gymnasiasten fortzufahren sich in der Reinheit 
der lateinischen Sprache, ferner auch in der Logik, worin 
sie der Inspector Backmeister unterrichtet, unterweisen 
zu lassen. Zum Anhören erwähnter Vorlesungen werden 
folgende Gymnasiasten (6 Familiennamen) für fähig er¬ 
kannt. Aber (7 mit Familiennamen angeführte Gymnasi¬ 
asten) bleiben, weil sie wegen ihrer Schwäche in den er¬ 
wähnten Sprachen jene Vorlesungen noch nicht mit gehö¬ 
rigem Erfolge zu hören im Stande sind, wie bisher noch 
auf einige Zeit zur Erwerbung grösserer Kenntnisse in jenen 
Sprachen und in den übrigen literarischen Wissenschaften 
im Gymnasio». 

Im folgenden Jahre, 1771, wurde beabsichtigt diesen 
Cursus zu erweitern, wesshalb denn Backmeister vor- 



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geschlagen wurde «einen Plan aufzustellen, worin, wann 
und wie viele Stunden sie bei den Akademikern Unterricht 
haben sollen, und denselben in die Commission zur Bestäti¬ 
gung vorzustellen». 

Backmeister reichte folgende Vertheilung der Vorle¬ 
sungen ein: 1) die mathematischen, welche je zwei Mal in der 
Woche, jede Vorlesung zu zwei Stunden, stattfinden soll¬ 
ten, dem Akademiker Lexell anzuvertrauen; 2) die Vorle¬ 
sungen über Naturgeschichte haben die Akademiker Wolff 
oder Laxmann drei Mal in der Woche zu lesen, dazu solche 
Tage in der Woche wählend, an denen die Gymnasiasten 
am Nachmittag keine Stunden haben; zum Unterricht in der 
theoretischen Physik sind, so lange die Instrumente für die 
experimentelle noch nicht fertig, zwei Stunden wöchentlich 
zu verwenden, wenn aber die Instrumente fertig sein werden, 
vier Stunden an zwei Tagen. Physik sollte der Akademiker 
Krafft vortragen. Die akademische Commission bestätigte 
diesen Unterrichtsplan und fügte hinzu: «Die inBetracht je¬ 
ner sechs Gymnasiasten bei der Vertheilung übrig bleibenden 
Stunden in der Woche sind zur Disposition des Inspectors 
Backmeister zu belassen, dem dabei anzusagen ist, dass 
er bei Vertheilung dieser Stunden auf Gymnasialübungen 
am meisten auf die lateinische Sprache und das Zeichnen 
achte, weil die übrigen Arbeiten im Gymnasio für diese sechs 
Gymnasiasten schon nicht mehr so nöthig sind, wie für die 
Uebrigen. Welche Stunden übrigens und zu welchen Uebun- 
gen namentlich er für sie festsetzen werde, darüber hat er 
einen Rapport in die Commission einzureichen». Die Wahl 
der Tage selbst und der Stunden für die Vorlesungen waren 
ebenso wie auch die der Lehrbücher den unterrichtenden 
Akademikern selbst überlassen. Dabei wurde nur eine Be¬ 
merkung hinzugefügt: «In Anbetracht der Vorstellung des 


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Herrn Akademikers Wolff, die Gymnasiasten mit Hülfe von 
Präparaten oder durch die anatomische Praxis selbst zu unter¬ 
richten, ist Herrn Wolff zu erklären, dass er sie nicht in 
besagter Praxis übe, sondern ihnen jetzt nur die theoreti¬ 
schen Anfangsgründe dieser Wissenschaft lehre, ohne in 
ihre weiteren Feinheiten einzugehen; dasselbe sei ihm, Herrn 
Wolff, auch in Betretf der Botanik kund zu geben, d. h. 
dass er die Mühe über sicli nehme, ihnen die ersten Anfangs¬ 
gründe anzuzeigen, damit sie einen guten Begriff von die¬ 
sen Wissenschaften erhalten könnten». 

Diesen sechs Gymnasiasten wurden Degen verliehen, 
wie sie damals die Studenten der Universität trugen: «als 
Zeichen ihrer vor ihren übrigen Cameraden ausgezeichneten 
Kenntniss in den Wissenschaften, ferner auch zu ihrer Er¬ 
munterung zu grösseren Fortschritten in denselben». Ihnen 
wurde im Gymnasium auch ein besonderes Lokal im «Neben¬ 
gebäude» angewiesen, «damit sie sich ruhiger in ihrem Stu¬ 
dium üben könnten». 

Im Jahre 1772 wurde von diesen Gymnasiasten gefor¬ 
dert, dass sie schriftliche Erklärungen einreichten, zu 
welchen von den ihnen vorgetragenen Fächern sie nament¬ 
lich mehr Hinneigung fühlten, und mit welcher Wissen¬ 
schaft sie sich in der Folge zu beschäftigen wünschten, von 
den Professoren aber eine Kundgebung, «wie sie die oben¬ 
erwähnten Gymnasiasten in Betreff ihres Fleisses und ihrer 
Fortschritte in den ihnen vorgetragenen Wissenschaften 
beurtheilen und welche von ihnen zu denselben mehr Fähig¬ 
keiten und Neigung beweisen». 

Inzwischen wurden diese Gymnasiasten von den Matlie- 
raatikstunden im Gymnasium befreit, und damit sie fortfahren 
konnten die lateinische Sprache und das Zeichnen zu lernen, 
deren Unterricht bisweilen mit den Vorlesungen der Profes- 



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soren collidirte, wurden die für letztere bestimmten Stunden 
versetzt. Ueberhaupt hielt sich die akademische Commission 
auch in der Folge streng an die Regel, dass die im Gym¬ 
nasium angesetzten Stunden nicht wegen der Vorlesungen 
versäumt würden, und sagte denjenigen Professoren ab, 
welche ihre Vorlesungen auf Tage und Stunden festzusetzen 
beabsichtigten, die für ihre Zuhörer zu Gymnasialstunden 
bestimmt waren. 

Im Jahre 1773 wurde dem Akademiker Laxmann auf¬ 
getragen, diese Gymnasiasten im Sommer in der Botanik zu 
üben, im Herbst aber und im Winter mussten sie zu dem 
Akademiker Wolff in die anatomischen Vorlesungen gehen. 
K rafft theilte aus den für die Physik angesetzten Stunden 
einige Stunden wöchentlich für Algebra ab, für die, «welche 
im Stande sind sie in lateinischer Sprache zu hören». 

Im Jahre 1775 wurden die mathematischen Vorlesun¬ 
gen dem Akademiker Krafft gelassen, die physischen gin¬ 
gen aber auf den Adjuncten Inochodzow über; im selben 
Jahre, 1775, wurden die Vorlesungen Krafft’s und Ino- 
chodzow’s in öffentliche im Auditorium des Gymnasiums 
umgewandelt, wobei Inochodzow vomDirector Domasch- 
new zur Pflicht gemacht wurde, in französischer Sprache zu 
lesen. Chemie trug der Akademiker Laxmann vor. Lax- 
mann las den Cursus der Botanik nur ein Jahr lang und wurde 
1774 durch Lepechin ersetzt. Zugleich wurde auch der 
botanische Garten Lepechin zu voller Disposition gestellt. 
Im Protokoll vom 30. April heisst es: «Se. Erlaucht der Herr 
wirkliche Kammerherr undDirector der Akademie der Wis¬ 
senschaften, Wolodimer GrigorjewitschOrlow, hat befohlen: 
Das Halten der botanischen Vorlesungen für die Gymna¬ 
siasten, welche zum Anhören derselben Fähigkeit und Lust 
haben, ist dem Herrn Akademiker Lepechin anzuver- 


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trauen. Da aber diese Vorlesungen nothwendiger Weise im 
botanischen Garten selbst gelesen werden müssen und der 
Herr Akademiker Wolff, dessen Aufsicht der Garten zeit¬ 
weilig, bis zur Rückkehr eines der reisenden Herren Pro¬ 
fessoren der Naturgeschichte, unterstellt war, ausser seinem 
eigentlichen Amt durch die Aufsicht über die Kunstkammer, 
über die anatomischen und anderen naturwissenschaftlichen 
Sachen recht angestrengt ist, so ist besagter Garten Herrn 
Akademiker Lepechin mit der Bedingung in volle und 
unmittelbare Aufsicht zu geben, dass er, nachdem er den 
Garten ohne Zögern besichtigt, der Commission vorstelle, 
in welchem Zustande er ihn finde und welche Mittel er für 
die besten halte, ihn zu verbessern und in den gehörigen 
Stand zu setzen». 

Den besten dieser, sozusagen, Gymnasialstudenten, 
welche erklärt hatten, «dass sie sich einzig den Wissen¬ 
schaften zu widmen wünschten», wurde gestattet, nicht den 
ganzen oben skizzirten Cursus zu hören, sondern sich aus 
demselben nach Wunsch ein Fach auszuwählen, und dann 
wurden sie dem Professor dieser Wissenschaft anvertraut; 
so wurde Golowin, der erklärt hatte, «dass er eine beson¬ 
dere Neigung und Lust zur Physik fühle», dem Akademiker 
K rafft übergeben, Flor in ski und Lehmann zum Studium 
der Chemie dem Akademiker Laxmann, Galtschenko, der 
die Absicht hatte, sich der Anatomie zu widmen, dem Akade¬ 
miker Wolff. Zuweilen wurden sie verpflichtet zwei ver¬ 
wandte Wissenschaften zu studiren und die schwächeren 
unter ihnen sogar zu den Stunden ins Gymnasium zu gehen. 

Für diese Gymnasiasten wurde eine besondere Bezeich¬ 
nung ersonnen: man nannte sie Eleven. Im Protokoll vom 
23. October 1773 heisst es: «Dem älteren Gymnasiasten 
Michael Golowin, weil er aus der Gemeinschaft der Gym- 



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nasiasten schon ausgetreten, zum Eleven umzubenennen, und 
soll er sich in Zukunft mit diesem Titel schreiben, und ist 
ihm das kund zu geben». 

Der Eleve Moissejenkow wurde 1774,um sich in der 
Chemie zu vervollkommnen, in die Freiberger Bergakademie 
geschickt. «Der Eleve Moissejenkow», so heisst es im Pro¬ 
tokoll vom 29. September, «ist in Anbetracht seiner besonde¬ 
ren Neigung zur Chemie und hauptsächlich zur metallurgi¬ 
schen, wie auch in Anbetracht der guten Zeugnisse der Herren 
Akademiker, bei denen er bisher Vorlesungen gehört hat, dass 
er, Moissejenkow, nach seiner trefflichen Neigung und Fä¬ 
higkeit für die physischen Wissenschaften, sicherlich in den¬ 
selben eine solche Vollkommenheit, wie erforderlich, erlangen 
wird, nach dem Beispiel der von der Akademie in diesem Som¬ 
mer auf ausländische Facultäten geschickten Studenten, hin¬ 
auszusenden und zwar auf die Freiberger Bergakademie im 
Meissner-Lande, als an einen solchen Platz, der für die Er¬ 
reichung seiner Absicht zunächst als der geeignetste gegen¬ 
über den übrigen anerkannt ist... Nachdem er, Moissejen¬ 
kow, aber in der Freiberger Bergakademie eine genügende 
Grundlage in der metallurgischen Chemie gelegt haben wird, 
mit dem bevollmächtigten Minister des hiesigen Hofes in 
Wien, dem Fürsten Dmitrij Michailowitsch Golizyn inCor- 
respondenz zu treten und Sr. Erlaucht zu bitten, dass er, dem 
Moissejenkow, damit er sich in der metallurgischen Wis¬ 
senschaft eine grössere Vollkommenheit erwerbe, von dem 
dortigen Hof die Erlaubniss erwirke, sich in besagter Wissen • 
schaft in Schemnitz bei Herrn Henkel zu unterrichten». 

Ausser den auf Kronskosten unterhaltenen Gymnasi¬ 
asten wurde auch den freiwilligen Schülern gestattet, die 
Vorlesungen der Professoren zu besuchen, aber es gab nur 
sehr wenige, die sie zu hören wünschten. 


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Ein solcher abgekürzter Universitätscursus konnte, 
auf das Niveau einer mittleren Lehranstalt herabversetzt 
und ausserdem nur für sehr wenige Schüler bestimmt, 
den erforderlichen Nutzen nicht gewähren: er brachte 
keinen einzigen einigermaassen bekannten Gelehrten hervor 
und schadete dem Gymnasium, weil er die ganze Auf¬ 
merksamkeit des Inspectors auf sich concentrirte, der sich 
mit dieser höchsten Classe sehr viel mehr beschäftigte, als 
mit dem Gymnasium selbst. Es lässt sich unmöglich ver¬ 
kennen, dass die eilige Beendigung des Gymnasialunter¬ 
richts für einige Schüler, um ihnen rasch einige encyclo- 
pädische und unvollständige wissenschaftliche Kenntnisse 
beizubringen, wie Anatomie ohne anatomische Präparate 
u. a. m., ein pädagogischer Fehler Backmeister’s war: 
dadurch wurde mit einem Male sowohl der Gymnasialunter¬ 
richt, als der Universitätscursus, am meisten aber, wie schon 
gesagt, das Gymnasium selbst verdorben, auf welches Back¬ 
meister, zumal bei seinen gelehrten literarischen Arbeiten, 
keine Zeit hatte seine volle Kraft, zu verwenden. 

Unzweifelhaft war der Wunsch vorhanden, den Gymna- 
sialcursus zu heben, und zu diesem Zweck wurde in den 
Zeitungen die schon früher erlassene Verordnung publicirt, 
dass ins Gymnasium nur Knaben aufgenommen werden, die 
schon russisch zu lesen und zu schreiben verstehen. Seit 
der Ernennung Backmeister’s zum Inspector des Gymna¬ 
siums wurde den Akademikern aufgetragen, zwei Mal im 
Jahre, im Juni und December, ein Examen der Gymnasiasten 
zu veranstalten, woher denn diese Examina das Winter- und 
das Sommer-Examen genannt wurden.*) 


1) Die Examina veranstalteten die Akademiker: 1769 im Sommer Ko- 
telnikow und Albrecht Euler, im Winter 1769 und 1770 Fischer und 



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Unter Backmeister wurde auch auf die Lehrer Auf¬ 
merksamkeit verwandt. Im Protokoll vom 28.0ctober 1769 
lesen wir: «Dem Inspector Backmeister ist auf seine Vor¬ 
stellung über die Gymnasiallehrer, dass sie, ohne es ihm im 
Voraus mitzutheilen, sich an Schultagen von ihrer Arbeit 
entfernen, zu befehlen, dass er für solche Fälle Monatsta¬ 
bellen einrichte, wie sie früher am Gymnasio bestanden, in 
dieselben diejenigen Lehrer eintrage, welche nicht zur ge¬ 
hörigen Zeit bei ihren Obliegenheiten sind, und besagte Ta¬ 
bellen nach Ablauf jedes Monats der Commission einreiche; 
den Lehrern aber ist inzwischen mitzutheilen, dass mit den¬ 
jenigen unter ihnen, welche ohne dazu im Voraus von Back¬ 
meister Erlaubniss zu erhalten, sich hinfort an Schultagen 
von ihren Arbeiten entfernen werden, welche Gründe sie 
auch haben mögen, nach dem demselben Backmeister von 
der früheren akademischen Kanzelei im Juli-Monat des 
verflossenen Jahres 1766 gegebenen Befehl verfahren wer¬ 
den wird». 

Auch vor dieser Bestimmung der akademischen Com¬ 
mission entfernte man ganz untaugliche Lehrer; so ist im 
Protokoll vom 16.December 1768 vermerkt: «Der Gymna¬ 
siallehrer Iwan Prytkoi ist wegen seines unordentlichen 
Betragens und wegen Ungehorsams gegen die Behörde aus 
der Akademie auszuschliessen, nachdem dieser Grund seiner 

Wolff, «weil sie, als beim letzten Examen der Gymnasiasten anwesend, 
besser über die seit der Zeit von ihnen gemachten Fortschritte ur- 
theilen können». Im Jahre 1771 im Sommer Fischer, Rumowski, 
Wolff und Krafft. Im Jahre 1772 (im Sommer und im Winter) Albrecht 
Euler und Rumowski. Im Jahre 1773 im Sommer Rumowski und 
Lexell, im Winter Kotelnikow, Rumowski, Laxmann und Lexell. 
In den Jahren 1774, 1775, 1776 und 1777 Lepechin, Krafft und Lexell. 
Im Jahre 1777 wurde den Lehrern des Gymnasiums befohlen mitzutheilen, 
dass sie «ihre Methoden, welche sie beim Unterricht ihrer Schüler benutzen», 
der Commission vorstellen. 


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Ausschliessung auch in seinem Abschied verzeichnet wor¬ 
den». Aber der Bestand der Lehrer änderte sich wenig; sie 
wurden grösstentheils wie früher aus den Studenten genom¬ 
men, die ihren Cursus nicht vollendet hatten. 

Die aberma- Conrector des Gymnasiums war Petrowski, nach sei- 
nung^Trft- nem Tode aber wurde im Jahre 1771 abermals Stritter zu 

ter’s zum ( ü esem Posten ernannt. 

Conrector 

(1771). Backmeister bestand auf seiner früheren Vorstellung 
über die Nothwendigkeit, die Zahl der Lehrer zu vergrös- 
sern und ihre Gage zu erhöhen, aber auch dieses Mal ver¬ 
gebens: die akademische Commission fällte eine ausweichende 
und unbefriedigende Entscheidung. «In Erwägung der Vor¬ 
stellung des Inspectors Backmeister», heisst es im Proto¬ 
koll vom 19. Mai 1770, «über die Verbesserung einiger 
Mängel in den Gymnasialclassen, ist sowohl die Aufnahme 
neuer Lehrer, als auch die Gagenzulage an die gegenwär¬ 
tigen unmöglich vor Rückkehr Sr. Erlaucht des Herrn Di- 
rectors der Akademie, Grafen Wladimir Grigorjewitsch 
Orlow. Es sind ihm, Herrn Backmeister, Copien der 
Contracte der gegenwärtigen Lehrer zu senden, damit er 
sie durchsehe: ob er nicht bei diesen Lehrern jetzt freie 
Stunden finde, die sie nach den Contracten zum Unterricht 
der Gymnasiasten benutzen sollen, und ob es nicht möglich 
ist, jene Stunden so zu legen, dass man mit denselben den 
vonHerrn Backmeister angegebenen Mängeln abhilft, und 
dass er dann, nachdem er die Stunden vertheilt, solches der 
Commission zur Durchsicht vorstelle». 

Die neueren fremden Sprachen wurden den Gymnasia¬ 
sten nicht gleichzeitig, sondern eine nach der anderen 
gelehrt und dabei die pädagogische Regel beobachtet, die 
Schüler nicht mit dem Studium mehrerer Sprachen auf ein¬ 
mal zu beschweren und nur dann zu den neueren Sprachen 


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überzugehen, wenn sie sich schon mit der lateinischen 
hinreichend bekannt gemacht haben. Am 22. Juni 1771 be¬ 
schloss die akademische Commission: «Was den Unterricht 
der Gymnasiasten, die noch kein Französisch gelernt haben, 
in dieser Sprache betrifft, so ist ihm (Backmeister) zu be¬ 
fehlen, dass er diejenigen darin unterrichte, die schon eine 
genügende Kenntniss im Deutschen erworben haben, indem 
er die frühere Resolution in Betreff dessen beobachtet, näm¬ 
lich, dass das Gedächtniss der Schüler nicht durch den Unter¬ 
richt von drei Sprachen mit einem Mal überlastet werde». 

Der Unterricht in der Religion fand im Gymnasium, wie 
wir gesehen haben, durch miteinander abwechselnde Reli¬ 
gionslehrer statt; so wurden auch im Jahre 1769 vom St. Pe¬ 
tersburger Geistlichen Consistorium zwei Messner der Peter- 
Pauls-Kathedrale ernannt und ihnen befohlen «je ein Jahr ab¬ 
wechselnd zu unterrichten». Endlich kam am 13. September 
1773 folgender Beschluss zu Stande: «ZumReligionsunter¬ 
richt der Gymnasiasten in der an der Akademie eingerichteten 
Schule und zur Erfüllung anderer Bedürfnisse ist es für die 
Akademie nützlicher einen beständigen Mönchspriester zu 
haben, welcher denselben an Feier- und Festtagen auch 
Gottesdienst halten könnte, als, wie es bis zu dieser Zeit 
der Fall war, nur abwechselnd unterrichtende Geistliche. 
Dazu ist es erforderlich an dieser Schule auch eine Kirche 
zu haben, welche aber die Akademie, da sie nicht genau 
weiss, was dazu nöthig, selbst nicht einrichten kann. Und 
dazu ist zuvor vom Allerheiligsten Synod, zur Ausführung 
aller dieser Dinge, ein kundiger und sanfter Mönchspriester 
zu verlangen, welcher dann auch die Kirche selbst ein¬ 
richten könnte. Da aber die Commission den gegenwärtig 
an der Akademie der Künste befindlichen Hierodiaconus 
Kyrill für befähigt hält, um so mehr als er sich dort im 

Beiträge z. Kenntniss d. Bass. Kelches. Dritte Folge. 7 


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Unterricht minderjähriger Zöglinge geübt und ohne Zweifel 
eine nicht geringe Befähigung dazu erworben hat, so ist 
eine Eingabe an den Allerheiligsten Synod einzureichen, 
dass er, nachdem er besagten Hierodiaconus zum Mönchs¬ 
priester befördert, ihn an der Akademie der Wissenschaften 
zur Ausübung des erwähnten Amtes anstelle». Kyrill 
wurde zum Mönchspriester geweiht und zum Religionslehrer 
im Gymnasium ernannt, wo er auch die Kirche einrichtete. 
Er starb aber bald, und der Synod hatte Schwierigkeit, 
wegen Mangels an theologisch gebildeten Mönchen in 
der Klostergeistlichkeit, in derselben einen Nachfolger für 
ihn zu finden, wesshalb die Akademie darum bat, einen Reli¬ 
gionslehrer, wenn auch aus der Weltgeistlichkeit, zu er¬ 
nennen. «Obgleich der Allerheiligste Synod», heisst es im 
Protokoll vom 29. September- 1774, «auf die schon vor 
sechs Monaten eingereichte und seit dem mehr als einmal 
wiederholte Bitte der Commission, zum Unterricht der an 
der Akademie zu erziehenden Jugend in der Religion und 
zur Erfüllung anderer Amtshandlungen versprochen hat, an 
Stelle des verstorbenen Mönchspriesters Kyrill einen ande¬ 
ren dazu fähigen Mönchspriester zu senden, so hat er doch 
denselben, wegen des jetzigen Mangels an solchen Leuten 
in der Priesterwürde, bis jetzt nicht gesandt, und da sich aus 
demselben Grunde die Sendung desselben, wie ersichtlich, 
noch eine geraume Zeit verzögern kann, inzwischen aber die 
Zöglinge am Gymnasio ohne Religionsunterricht und ohne 
Kirchenbesuch bleiben, so ist an den Allerheiligsten Synod 
von Neuem eine Eingabe zu senden und in derselben zu 
bitten, statt des Mönchspriesters einen dazu fähigen Priester, 
und sei es auch aus der Weltgeistlichkeit, zu senden». Zum 
Religionslehrer wurde der Priester Ssamoilow ernannt. 

Die Lehrstunden an Gymnasium waren, wie wir gese- 


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hen haben, des Morgens im Winter von 8—12 Uhr, im 
Sommer von 7—11 Uhr festgesetzt. Im Jahre 1772 wurde 
der Unterricht von 8 —12, im Sommer wie im Winter, ein¬ 
geführt. 

Der Bestand der Schüler war, wie früher, wenig befrie¬ 
digend; ausser den Kindern der niederen Stände fing man, 
wie in alter Zeit, an, das Gymnasium mit Seminaristen zu 
completiren, besonders aus den Seminaren von Twer und 
Pleskau, nach Bestimmung der örtlichen Bischöfe; am 
14. November 1767 schrieb Graf W. G. Orlow dem Sy- 
nod: «Die Akademie bedarf gegenwärtig junger Leute von 
15—20 Jahren, nicht älter, von guter und löblicher Auf¬ 
führung, der lateinischen Sprache kundig, und bitte ich den 
Allerh. Reg. Synod, ob es ihm nicht genehm sein wird zu 
befehlen, fünf Mann von solchen Qualitäten aus der Ikono- 
spasski-Akademie, zehn aus dem Ssergijewschen Dreifaltig¬ 
keits-Kloster, sieben aus dem Twerschen und fünf aus dem 
Pleskauschen Seminar der Akademie zu geben». Diese Se¬ 
minaristen blieben grösstentheils nicht lange im Gymna¬ 
sium . 

Bei einem solchen Contingent von Schülern hielt es die 
akademische Commission für nothwendig, sie so wachsam als 
möglich zu beaufsichten; desswegcn kam am 2. März 1770 
folgender Beschluss zu Stande: «Dem Inspector Backmei¬ 
ster zu befehlen, dass er die erwachsenen Kronsgymna¬ 
siasten zur Zusammenkunft mit ihren Eltern nicht mehr 
allein und nicht mehr als einmal im Monat von Hause lasse 
und auch nur dann, wenn ihre Eltern selbst nach ihnen kom¬ 
men oder zuverlässige Leute, nur keine leibeigenen Knechte, 
nach ihnen schicken, und wenn die Eltern sie selbst zurück¬ 
bringen oder sie mit denselben zuverlässigen Leuten, mit wel¬ 
chen sie entlassen worden, zurückschicken, nicht aber sie 

7* 


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mit Leibeigenen zu entlassen». Diese für die Gymnasiasten 
sehr beengende Maassregel wurde bald abgeändert. «Vor 
einigen Tagen ist beschlossen worden», heisst es im Proto¬ 
koll vom 13. April, «dass die erwachsenen Gymnasiasten zur 
Zusammenkunft mit ihren Eltern und Verwandten nicht mehr 
allein und nicht mehr als einmal im Monat von Hause gelas¬ 
sen werden sollen. Da aber in Erwägung der vom Inspectoi 
Backmeister vorgestellten Gründe, aus einer so strengen 
Beschränkung bisweilen für die Gymnasiasten schädliche 
Folgen entstehen können, so ist die frühere Bestimmung 
hierüber abzuändern; wer von diesen Gymnasiasten, wann 
und zu welchen Bedürfnissen von Hause zu entlassen ist, 
ist seinem, Backmeister’s, Willen anheimzustellen, und 
soll er darin nach seinem Ermessen verfahren, jedoch mit 
der Einschränkung, dass die jüngsten, die im vergangenen 
Jahre aus den Minderjährigen versetzt sind, in Erwägung 
ihrer Jugend nicht allein zu entlassen sind, sondern immer 
in Begleitung, und dass in solchem Falle von ihren Eltern 
oder Verwandten, zu denen sie zu Besuch gehen möchten, 
zu verlangen ist, sie sollen entweder selbst nachkommen 
und sie wieder zurückbringen, oder von sich aus zuverläs¬ 
sige Leute zur Begleitung nach ihnen schicken». 

Im Jahre 1771 kam eine Entscheidung des Senats zu 
Stande, dass in allen Lehranstalten Conduitenlisten der 
Schüler mit Angabe ihrer Fortschritte in den Wissenschaf¬ 
ten und ihrer Aufführung geführt und ihnen beim Austritt 
Zeugnisse gegeben werden sollen. In Ausführung dieses Be¬ 
fehles schrieb die akademische Commission vor: «Nachdem 
vier weisse Bücher mit Vidimation des Secretärs angefertigt 
worden, sollen zwei von ihnen, unter Beilegung derselben 
Senatsentscheidung, dem Inspector Backmeister ins Gym¬ 
nasium gesandt werden, mit der Vorschrift, dass der Inspector 



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Backmeister in einem der ihm gegebenen Bücher über die 
Kronsschüler, im anderen über die freiwilligen Schüler ein 
richtiges Journal führe, indem er in dasselbe die Zeit des 
Eintritts jedes Schülers ins Gymnasium, was jeder von Ge¬ 
burt sei, mit welchem Verständniss und Fleiss er den 
Unterricht fortsetze, wie lange Zeit er in demselben sich 
geübt habe und worin namentlich, und welche Kenntniss 
er darin erworben; ferner ob er sich während seines ganzen 
Aufenthalts im Gymnasio ordnungsmässig, oder mit welchen 
Fehlern behaftet, betragen habe. Bei der Entlassung der 
Kronsschüler und dem Austritt der freiwilligen aus dem 
Gymnasium sind ihnen nach dem Zeugniss des Inspectors 
Backmeister von der Comission die gehörigen Attestate 
mit Darlegung ihrer gesammten Kenntnisse und ihres Betra¬ 
gens auszustellen. Inzwischen ist aber allen freiwilligen 
Schülern im Gymnasio zu erklären, dass denjenigen, welche 
in Zukunft, von jetzt an, das Gymnasium eigenmächtig ver¬ 
lassen und später um Attestate über ihren früheren Unter¬ 
richt bitten werden, ein solches nicht anders gegeben wer¬ 
den wird, als mit genauer Darlegung ihres Fleisses oder 
Mangels an Eifer und dieser ihrer Eigenmächtigkeit selbst, 
mit der sie ihre Schule verlassen, in welchen Fällen er, 
Backmeister, genau nach dieser Vorschrift ohne irgend 
welche Milderung zu verfahren hat». 

Ungeachtet aller dieser Strenge auf dem Papier blie¬ 
ben viele Gvmnasiasten ohne einen wesentlichen Nutzen 
für ihren Unterricht in den Classen festsitzen. Im Jahre 
1775 machte Backmeister die akademische Commis¬ 
sion darauf aufmerksam, welche am 8. Mai beschloss: 
«Auf Vorstellung des Herrn Inspectors Backmeister in 
Anbetracht der Kronsgymnasiasten eine allgemeine Be¬ 
stimmung zu treffen: wie lange oder bis zu welchem Alter 


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oder bis zu welchem Kenntnissstande ein Gymnasiast im 
Gymnasio sein soll, und welche Kenntniss sowohl diejenigen, 
welche bei der Akademie belassen, als die, welche auf ihre 
Bitte aus der Akademie entlassen werden, haben sollen; 
ferner, was mit denen geschehen soll, die, obgleich noch 
minderjährig, im Laufe von drei Jahren oder mehr mit 
Aufwendung aller Geschicklichkeit als solche erkannt wer¬ 
den, die sowohl zum Erlernen der Sprachen, als auch zu 
den Wissenschaften ganz unfähig sind? Dem Herrn Back¬ 
meister zu erklären, dass in der Commission der Akademie 
für richtig befunden worden, wie hiermit festgesetzt wird: 
in Zukunft keinen einzigen Gymnasiasten, der jünger als 
18 Jahr ist, aus dem Gymnasio zu entlassen. In Anbetracht 
aber derer, welche, obgleich sie minderjährig, von Herrn 
Backmeister vermittelst ausreichender Prüfung als solche 
erkannt werden, die zu den Wissenschaften ganz unfähig 
sind, ist ihm, Herrn Backmeister, zu befehlen, der Com¬ 
mission ohne Zeitverlust eine Vorstellung zu machen». 

Von Zeit zu Zeit wurden Schüler wegen Unfähigkeit 
ausgeschlossen und, wie das von Alters her Sitte war, für die 
Druckerei oder für die akademischen Werkstätten bestimmt. 
So heisst es im Protokoll vom 29. April 1773: «Was die 
Vorstellung des Inspectors Backmeister über die fünf er¬ 
wachsenen Gymnasiasten betrifft..., welche keinerlei Fähig¬ 
keit und Neigung zum Lernen zeigen, wesshalb von ihnen 
grösserer Nutzen bei ihrer Verwendung in den Wissen¬ 
schaften nicht erwartet werden kann, so sind sie auf ihren 
Wunsch zu anderen Geschäften zu bestimmen und zwar die 
ersten drei... für die Typographie zum Setzen... und für 
die mechanische Palate zur Instrumentenmacher-Kunst». 

Gewöhnlich wurden die Gymnasiasten der obersten 
Classe, welche erklärt hatten, dass «sie nicht mehr Lust 



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— 103 


haben bei den Wissenschaften zu bleiben», und desshalb aus 
dem Gymnasium vor Beendigung des Cursus austraten, zu 
Studenten umbenannt und mit diesem Titel in den ihnen 
ausgestellten Attestaten bezeichnet. Dieser Missbrauch fing 
seit 1773 an sich besonders häufig zu wiederholen. 

Im Jahre 1775 wurde Ssergei Gerassimowitsch Do- Das Gymna- 

. . sium zur 

maschnew zum Director der Akademie ernannt. Von An- zeit,alsDo- 
fang an wandte er dem Gymnasium seine Aufmerksamkeit zu. pirector^der 
Bei dem ersten in seiner Gegenwart 1776 veranstalteten Akademie 
Examen der Schüler der obersten Classe schlug er den exa- 1782). 
minirenden Akademikern vor, dass sie den vier besten 
Schülern einen Aufsatz über ein von den Examinatoren ge¬ 
wähltes Thema, in der Sprache, die jeder am besten be¬ 
herrschte, zu schreiben aufgeben und die Aufsätze ihm zu¬ 
stellen. Domaschnew forderte, dass der Inspector des 
Gymnasiums täglich einen Gymnasiasten mit dem Katalog 
der Tageslectionen zu ihm schicke. Zugleich «befahl er», 
von dem Wunsche geleitet, das Gymnasium von schädlichen 
Schülern zu reinigen, wie es im Protokoll vom 5. Juli 
heisst, «die erwachsenen Gymnasiasten, welche schon 12 Jahr 
im Gymnasium gewesen waren, einer Sichtung zu unterwerfen 
und, eines Jeden Fortschritte erwägend, diejenigen, welche 
für die Akademie nöthig sind, aus dem Gymnasio auszu- 
scliliessen und an Plätze zu vertheilen, je nach dem wozu ein 
Jeder fähig erscheint, die übrigen aber, die der Akademie un- 
nöthig sind, aus derselben zu entlassen, damit sie sich zum 
Dienst bei anderen Commandos anstellen lassen». Die Aka¬ 
demie trug diese Sichtung den Akademikern Kotelnikow, 
Rumowski, Protassow und Lepechin unter Einladung 
der Professoren des Universitätscursus am Gymnasium auf. 
Augenscheinlich sympathisirten sie nicht mit der scharfen 
Maassregel, welche Domaschnew zu ergreifen beabsich- 


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tigte, und fanden, nachdem sie sich mit den Fortschritten 
von 10 Schülern der obersten Classe in den Wissenschaften 
bekannt gemacht hatten, dass nur zwei von ihnen den Unter¬ 
richt nicht fortsetzen könnten. Demgemäss beschloss die aka¬ 
demische Commission: «Alle übrigen acht zur Erwerbung 
grösserer Fortschritte in ihren Kenntnissen noch auf ein Jahr 
im Gymnasio zu belassen, damit sie, nach grösserer Festi¬ 
gung in denselben, der Gesellschaft um so nützlicher werden 
könnten und um so befähigter entweder zur Erfüllung ihrer 
Amtspflichten, wenn sie in der Folge in den wirklichen Dienst 
treten, oder aber zum weiteren Genüsse der Anweisungen 
der Herren Akademiker. Inzwischen aber sind vier von ihnen 
(folgen die Familiennamen), als hauptsächlich vor ihren übri¬ 
gen Cameraden durch ihre Fortschritte in den Wissenschaf¬ 
ten ausgezeichnet, zur Ermuthigung und Ermunterung so¬ 
wohl derselben, als auch der übrigen Schüler zu grösserem 
Fleiss in den Wissenschaften, zu Studenten umzubenennen 
und nach früher gewesenen Beispielen mit Verleihung von 
Degen zu belohnen, und damit sie sich ruhig in ihren Wis¬ 
senschaften üben können, ist ihnen, unter Absonderung aus 
dem Convict der übrigen Gymnasiasten, ein besonderes Zim¬ 
mer, aber im Gymnasium selbst zu geben, auch haben sie, 
wie früher, unter Aufsicht des Inspectors zu stehen, und 
wenn die Zeit kommt, ihnen und den übrigen Gymnasiasten 
neue Kleider zu geben, ist ihnen auf denselben eine Ab¬ 
zeichnung von den anderen zu machen». 

Backmei- Die erwachsenen Gymnasiasten rechtfertigten nicht die 

gt er ’g 

Stritter’s Erwartungen der Akademiker; bald machten sie einen gro- 
E aus a dem g b en Scandal: im September 1777 prügelten sie denConrec- 
j2 eM i7T7 ^orStritter. «Zur Untersuchung eines gewissen imGymna- 
Die Emeu- sio zwischen dem Conrector Stritter und den erwachsenen 
nung des (jy mnas j as ^ en vorgekommenen Ereignisses»setzte Domascli- 


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105 — 


new ein besonderes Comite aus den Akademikern R um ow- Akademikers 
ski, Lepechin und Protassow, letzterem alsSecretär, und I^inspec- 
Backmeister ein. Zu gleicher Zeit trug er dieser Commis- ^ium^far* 
sion auf, «die Vertheilung des Unterrichts im Gymnasio zu da 1 s 7 ^ hr 
revidiren, die Ursache des schlechten Fortschritts aller 
Schüler ausfindig zu machen und ihre Meinung über die 
Möglichkeit der Verbesserung vorzustellen». In Folge des¬ 
sen wurde beschlossen, «dass die Herren Akademiker sich 
zu diesem Werk Mittwochs und Sonnabends am Morgen im 
Auditorio des Gymnasii versammeln und nach Prüfung der 
Vertheilung des Unterrichts im Gymnasio ihre Meinung 
darüber abgeben, was die Ursache des schlechten Erfolges 
erwähnter Schüler sei, desgleichen auf welche Weise die 
Herren Akademiker das Gymnasium, zur Erhaltung zuver¬ 
lässigerer Fortschritte, zu verbessern für angemessen aner¬ 
kennen». 

Die Folge der Ermittelungen dieser Commission war 
die Dienstentlassung im December 1777 sowohl Backmei- 
ster’s, als auch Stritter’s, welchem der Unterricht in der 
oberen deutschen Classe anvertraut wurde. «An seine, Back- 
meister’s Stelle», heisst es im Protokoll vom 8. December, 

«ist zur Bekleidung seines früheren Amts am Gymnasio aus 
fremden Ländern ein anderer Mann und zwar von solcher 
Beschaffenheit zu berufen, dass er hauptsächlich die Alter- 
thümer und die lateinische Sprache kenne und den Rector¬ 
posten am Gymnasium antreten, vollständigen Unterricht 
daselbst in lateinischer Sprache, ferner auch im Styl und in 
Aufsätzen geben könne und dabei die Aufsicht über die 
Kronsschüler im Gymnasio habe». Domaschnew gab seine 
Einwilligung dazu nicht und schrieb am 18. December 
1777 auf das Protokoll: «In Berücksichtigung der Fähig¬ 
keit und desEifers des Herrn Akademikers Lepechin, ver- 


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traue icli ihm die Aufsicht über das Gymnasium an, in der 
festen Hoffnung, dass es durch seine Bemühung aus dem 
kläglichen und verderbten Zustande, in welchem es sich be¬ 
findet, herauskommen werde. In Betreff der laufenden An¬ 
gelegenheiten hat er Memoranda an die Commission einzu¬ 
reichen, bei irgend welchen neuen Einrichtungen soll er 
unmittelbar von mir Anweisung fordern». 

Lepechin war im Jahre 1768 zum Adj mieten der Akade¬ 
mie für Naturgeschichte ernannt worden und unternahm 
bald darauf eine wissenschaftliche Reise in das östliche Ge¬ 
biet Russlands, welche ungefähr sechs Jahre dauerte; im 
Jahre 1771 wurde er zum Akademiker befördert und machte 
sich im Jahre 1773 zu einer neuen Reise nach Weiss¬ 
russland und in das Pleskausche Gouvernement auf, von 
der er schon im selben Jahre nach St. Petersburg zurück¬ 
kehrte. 

Nachdem Lepechin das Amt als Inspector des Gymna¬ 
siums angetreten, nahm er in demselben keinerlei wesent¬ 
liche Veränderungen vor; Alles blieb, wie es nach alter 
Art gewesen, und wie früher wurden die Gymnasiasten 
zu Studenten befördert, indem man sie im Gymnasium Hess. 
Es wurden sogar sehr originelle Regeln für die Beförderung 
der Gymnasiasten zu Studenten ersonnen. Sie werden im 
Protokoll vom 23. Juli 1778 dargelegt. «Se. Excellenz, der 
wirkliche Kammerherr des Hofs Ihrer Kaiserlichen Maje¬ 
stät, Herr Director der Akademie der Wissenschaften und 
Cavalier, Ssergei Gerassimowitsch Domaschnew, befahl, 
indem er es für nötliig erachtete ein für alle Mal eine 
sichere Regel für die Beförderung der Gymnasiasten zu 
Studenten festzustellen, in Zukunft in solchen Fällen nach 
der weiter unten folgenden Verordnung Sr. Excellenz zu 
verfahren: 1) Die Gymnasiasten nicht zu Studenten zu be- 



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fördern, bevor sie im Stande sind alle Vorlesungen der Pro¬ 
fessoren in lateinischer Sprache zu hören und richtig aus 
der französischen und deutschen Sprache zu übersetzen. 
2) Studenten sollen sie drei Jahre lang sein, nach Verlauf 
welcher Zeit sie zu Uebersetzern oder zu Lehrern, je nach 
den Bedürfnissen der Akademie und ihrer Fähigkeit, zu er¬ 
nennen sind. 3) Der Student soll in jedem Jahre ein Buch 
übersetzen, wie es ihm gegeben werden wird; damit aber 
darin kein Missbrauch stattfinde, wird für die Grösse des 
Buches eine Grenze festgesetzt und zwar hundert Druck¬ 
bogen in Octavo. Wenn es diese Zahl übersteigt, so wird der 
Ueberschuss aufs folgende Jahr angerechnet. In die Zahl 
der jährlichen Uebersetzungsaufgaben sind auch die kleinen 
Piecen zu rechnen, welche ihnen zur Uebersetzung gegeben 
werden». Aber auch diese sonderbaren Regeln wurden nicht 
immer angewandt, sondern man fuhr fort, wie es auch früher 
geschah, Schüler, die den Gymnasialcursus nicht been¬ 
det hatten und das Gymnasium verliessen, zu Studenten 
umzubenennen; so steht im Protokoll vom 27. März 1783: 
«Auf das Gesuch des Vaters des erwachsenen Gymnasiasten 
Wassilij Michailow, Kosma Wassiljew, wegen Entlas¬ 
sung seines Sohnes aus der Akademie, behufs Eintritts in den 
wirklichen Dienst Ihrer Kaiserlichen Majestät, ist er, Mi¬ 
chailow, nach Umbenennung zum Studenten aus der Aka¬ 
demie zu entlassen». 

Den ungenügenden Zustand des Gymnasiums schrieb Le- 
pechin einzig der unpünktlichen Auszahlung der zu seinem 
Unterhalt bestimmten Summen zu. Im Jahre 1782 stellte er 
unter Anderem der akademischen Conferenz vor: «Während 
der übrigen Zeit lag mir am meisten ob, für Auswirkung von 
Geld für den Unterhalt der Gymnasiasten Sorge zu tragen, 
denn der Oeconom war durch die Zurückhaltung desselben 


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häufig bis aufs Aeusserste gebracht. Diese äusserste Noth 
zwang mich bei den Mitgliedern der Conferenz Klage zu 
führen, dass die auf Kronskosten unterrichteten Gymna¬ 
siasten in Noth gerathen, dass ihre geringe Zahl (denn jetzt 
sind nur achtundzwanzig Schüler wirklich vorhanden, wäh¬ 
rend nach dem akademischen Etat fünfzig sein müssten, 
ausser den vierzig, welche die Akademie kraft des Aller¬ 
höchsten namentlichen Befehls in der russischen Recht¬ 
schreibung, zur Completirung der Behörden mit denselben, zu 
erziehen und zu unterrichten verpflichtet ist,) den Erwar¬ 
tungen nicht entsprechen kann, welche mit Recht von dieser 
Schule gefordert werden müssen. Dieser selbe Umstand gab 
bei Erwägung der aufgegebenen Fragen dem Herrn Akademi¬ 
ker Krafft Veranlassung zu bemerken, dass die für die Lö¬ 
sung dieser Fragen bestimmten Gelder besser zur Verbesse¬ 
rung, d. h. zum Unterhalt der vollen Zahl der Schüler im 
Gymnasio zu verwenden seien, als sie Ausländern zu zahlen». 

Der Cursus des Gymnasiums war, so viel sich nach den 
sehr wenigen erhaltenen Documenten urtheilen lässt, sehr 
unregelmässig, so dass z. B. die sogenanten «Studenten» des 
Gymnasiums erst anfingen Griechisch zu lernen; im Proto¬ 
koll vom 24. August 1780 heisst es: «Die von Herrn Aka¬ 
demiker Lepechin für die Studenten, welche die griechische 
Sprache zu lernen anfangen, geforderten Bücher...» etc. 

Domaschnew legte nur auf Uebersetzungen aus neuen 
fremdem Sprachen Gewicht. So finden wir im Protokoll 
vom 8. Januar 1781, dass «beschlossen wurde, das auf 
Allerhöchsten namentlichen Befehl Ihrer Kaiserlichen Maje¬ 
stät durch Se. Erlaucht den Herrn wirklichen Kammerherrn, 
Geheimerath und Cavalier, Grafen Alexander Ssergejewitsch 
Stroganow, zur Uebersetzung in die russische Sprache in 
die Akademie gesandte Buch «Spectacle de la nature et 



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des arts», aus sechs Theilen bestehend, so rasch als möglich 
zu übersetzen; dasselbe ist daher unter verschiedene Hände 
zu theilen, und zwar: beim Uebersetzungsamt— unter die 
Uebersetzer Kowalew und Wolkow und beim Gymnasio 
— unter die Studenten Lichowoi, Kirjak, Wassiljew und 
Petrow, Jedem je einen Theil, mit der Einschärfung, dass 
Jeder den ihm übergebenen Theil unabänderlich in zwei 
Monaten übersetze, indem er die ganze von anderen Be¬ 
schäftigungen freie Zeit nach dem Mittag dazu benutzt». 

Die Fürstin Daschkow forderte, nachdem sie 1783 Das Gymna- 
das Amt des Directors der Akademie angetreten, von Le- derFürstin 
pechin ein Verzeichniss der auf Kronskosten unterhalte-^ 7 ^ 3 ^ 1796 ) 
nen Gymnasiasten und fing an sich mit dem Gymnasium 
zu beschäftigen. Sie war streng und vielverlangend gegen 
die Lehrer und zwang sie mehr zu arbeiten. Vor Allem 
erhöhte sie die tägliche Unterrichtszeit um eine Stunde; 

«der Akademiker Lepechin», schrieb sie am 27. Februar 
vor, «hat sowohl den Lehrern als den Schülern zu befeh¬ 
len, vom 1. des künftigen Märzmonats an um 7 Uhr Mor¬ 
gens in die Classen zu kommen, und hat Herr Lepechin 
diese gewonnene Stunde nach seiner Einsicht zum Nutzen 
der Gymnasiasten beim Unterricht zu vertheilen». FürVer- 
säumniss von S + unden fing man an den Lehrern Gagenab¬ 
züge zu machen. «Da der Conrector des Gymnasii Hack¬ 
mann», finden wir im Protokoll vom 30. September 1784, 

«seine contractsmässige Pflicht nicht erfüllt und im Gymna¬ 
sio keinerlei Informationen giebt, so ist seine Gage vom 
1. September dieses Jahres 1784 an zurückzubehalten». 

Im Protokoll vom 2. Juli 1795 ist gesagt: «Auf die Rap¬ 
ports des Inspectors des Gymnasii Kruglaschew ist we¬ 
gen Fehlens in den Gymnasialclassen an den zum Unter¬ 
richt der Zöglinge festgesetzten Tagen: des Herrn Profes- 


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sors Jakow Sacliarow am 25. April und 20. Juni, des 
Herrn Rommel am 24, 26. April und 15. Mai, der Her¬ 
ren Gronski und Saint-Hilaire am 14. Mai, kraft der 
am 9. Mai dieses Jahres beschlossenen Resolution, bei der 
gegenwärtigen Gagenauszahlung für jedes Versäumniss je 
eine Woche abzuziehen». 

Im Cursus des Gymnasiums wurden keinerlei wesent¬ 
liche Veränderungen getroffen; es wurde nur die englische 
Sprache, welche die Fürstin Daschkow völlig beherrschte, 
eingeführt. Nach alter Art wurden die Gymnasiasten, seihst 
wenn sie den Cursus nicht beendigt hatten, zu Studenten 
erhoben. Im Jahre 1783 begegnen wir zwei Beschlüssen 
der Art: 1) Vom 24. October: «In Folge des Befehls Ihrer 
Erlaucht des Directors der Akademie der Wissenschaften 
und Cavaliers, Fürstin Katharina Romanowna Daschkow, 
ist der im akademischen Gymnasio befindliche Alexander 
Gubin von den aus Moskau gesandten Seminaristen, der 
um Ernennung zu einer anderen Behörde bittet, auf seinen 
Wunsch als Student aus der Akademie zu entlassen». 2) Vom 
30. October: «Die beim akademischen Gymnasio befind¬ 
lichen Fedor Kamenski und Peter Ssokolow r , von den aus 
Moskau gesandten Seminaristen, sind, nachdem sie zu Stu¬ 
denten umbenannt, auf den von ihnen erklärten Wunsch 
zur Ausführung schriftlicher Arbeiten anzustellen, Kamen¬ 
ski im hiesigen Buchladen und Ssokolow im Bücher- 
Magazin... Iwan Florinow, Alexei Schestakow und 
Ssergei Lawrow (ebenfalls alle drei aus der Moskauer 
Akademie), welche nach Tobolsk gesandt zu werden 
wünschen, sind in Uebereinstimmung mit der aus der 
dortigen Statthalterkanzelei eingegangenen Mittheilung, 
durch welche die Sendung solcher im Ressort der Aka¬ 
demie befindlicher und daselbst unterrichteter Schüler ge- 



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fordert wurde, welche frei und fähig wären zur Anstellung 
in dortigen Behörden und zur Erfüllung von Secretärs-, 
Kanzelei- und sonstigen Obliegenheiten, nachdem sie zu 
Studenten ernannt worden, mit den gehörigen Attestaten 
zu versehen». 

Im Jahre 1785 wurden vier zu Studenten ernannte 
Gymnasiasten, Kononow, Sacharow, Ssewergin und 
Pawlow, auf die Universität Göttingen gesandt; die ersten 
drei kehrten 1789 zurück und wurden dann zu Adjuncten 
der Akademie ernannt, Ssewergin erhielt 1793 den Titel 
Akademiker. 

Im Jahre 1793 wurde für das Gymnasium in der 7. Li¬ 
nie ein Haus gebaut und in demselben eine Kirche einge¬ 
richtet, die am 20. December 1794 eingeweiht wurde. 

Die Fürstin Daschkow beschreibt folgendermaassen 
den Zustand, in welchem sie das Gymnasium gefunden, und 
was sie im Lauf der ersten drei Jahre ihres Directorats für 
dasselbe gethan: «Pour encourager et donner de l’ömula- 
tion entre les jeunes gens du gymnase, j’ai 6tabli deux 
examens par an, oü des prix en livres et mßdailles leurs 
sont distribues. Entre les plus avances j’en ai envoye quatre 
pour quatre ans ä l’universite de Goettingue aux frais de 
l’academie. Au gymnase au lieu de 50 öleves qu’il devait 
y avoir, je n’y ai trouvö que 27, dont trois ne donnant au- 
cun espoir de progres ont etö pris pour Timprimerie, six 
ont 6te renvoyes ä leurs parents h cause d’incapacite; il 
n’en resta que 18, bien petit nombre pour un empire aussi 
vaste, manquant d6jä de gens sachant lire. L’academie 
meine en souffrait, car dans un besoin de gens, eile ne sa- 
vait d’oü en tirer. II y a h present ä leur place 89 eleves, 
qui, j’ose le dire, sont infiniment mieux nourris, vetus, in- 
struits, en un mot mieux entretenus qu’avant. Au lieu des 


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maitres nßcessaires qui manquaient, il y avait au gymnase 
un musicien, qui recevait 350 roubles pour enseigner ä 
jouer du violon; le musicien a 6t6 pay6 et renvoye; j’ai 
fait venir ä sa place un r6gent de classe instruit et un 
maitre de langue italienne et anglaise». 

Wenn man auch den Verdiensten der Fürstin Dasch- 
kow um die Akademie und alle ihre Institute, darunter 
auch um das Gymnasium, für welches, wie oben gesagt, 
später ein Haus gebaut wurde, volle Gerechtigkeit wider¬ 
fahren lässt, so kann man doch einen gewissen Selbstbe¬ 
trug in ihren Worten nicht verkennen. Dass die auf Krons¬ 
kosten unterhaltenen Gymnasiasten unter ihr besser gehal¬ 
ten wurden — dem kann man Glauben schenken: sie war 
eine sorgsame Hausfrau. In allem Uebrigen finden wir im 
Gymnasium keinen grossen Unterschied dagegen, was wir 
früher in ihm gefunden. Seit der Zeit des Inspectors Back¬ 
meister wurden in ihm, wie wir gesehen haben, zwei Mal 
im Jahr von den Akademikern Examina veranstaltet. Auch 
unter Backmeister wurden Gymnasiasten zum Studium an 
auswärtige Universitäten gesandt, was seine gute und seine 
schlechte Seite hatte: unzweifelhaft konnten junge Leute 
auf deutschen Universitäten eine gründlichere Bildung er¬ 
halten, als damals in St. Petersburg, wie das auch die von 
der Fürstin Daschkow entsandten bewiesen; aber damit 
wurde die ohnehin leerstehende akademische Universität 
endgiltig untergraben. Die Vermehrung der Zahl der Schü¬ 
ler beweist noch nicht die gute Organisation des Gymna¬ 
siums; auch früher war schon zeitweilig die Zahl der Ler¬ 
nenden gestiegen, das Gymnasium war aber davon nicht 
besser geworden; Alles hängt von der Qualität der zum 
Gymnasialunterricht Zugelassenen ab, und in dieser Hin¬ 
sicht sehen wir keinen Unterschied vom Althergebrachten. 



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Im Bestände der Lehrer, im Unterrichtscursus selbst sind 
zur Zeit der Verwaltung der Fürstin Daschkow keinerlei 
wesentliche Verbesserungen gemacht worden. Dennoch darf 
man ihre Fürsorge für das Gymnasium, im Sinne der Ord¬ 
nung und seines anständigen Unterhalts, nicht übersehen. 


Das akademische Gymnasium war ja seiner Gründung 
nach das erste und im Laufe von mehr als einem Viertel¬ 
jahrhundert das einzige Gymnasium in Russland. Es ist da¬ 
her nicht erstaunlich, dass sich in seine Organisation und 
Verwaltung Mängel einstahlen, die in jedem neuen Werk 
gewöhnlich sind, trotz aller Bemühungen seiner Leiter sie 
zu vermeiden. Die Akademie der Wissenschaften wandte ihm 
beständig ihre Aufmerksamkeit zu: sie gründete Commissio¬ 
nen zu seiner Verbesserung, sie trug den Akademikern auf 
die Gymnasiasten zu examiniren, sie ernannte aus ihrer Mitte 
Rectoren und Inspectoren des Gymnasiums. Viele Akademi¬ 
ker entwarfen Projecte einer besseren Organisation des 
Gymnasiums, unterrichteten im Gymnasium, schrieben sogar 
Lehrbücher; so verfasste der berühmte Euler ein Lehrbuch 
der Arithmetik für die Gymnasiasten. Die Präsidenten und 
Directoren der Akademie trugen gleichfalls Sorge für das 
Gymnasium: Baron Keyserling trug im Jahre 1733 dem 
Akademiker Fischer auf, ein Statut für das Gymnasium zu 
verfassen; Baron Kor ff erlangte im Jahre 1735 die Stif¬ 
tung von Stipendien an demselben; Graf Rasumowski 
führte im Jahre 1747 einen Etat des Gymnasiums und im 
Jahre 1750 ein kurzes Statut ein und machte es häufig so¬ 
wohl der akademischen Verwaltung, als auch den dem Gym¬ 
nasium nahestehenden Personen zur Pflicht, es auf richtigen 

Beitrüge s. Kcnutniss d. Buss. Roiclies. Dritte Folge. 8 


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Grundlagen Zu organisiren; zu diesem Zweck vertraute er 
es im Jahre 1758 Lomonossow an; im Jahre 1765 befahl 
er einen Unterrichtsplan für das Gymnasium zu entwerfen; 
Fischer, Moderach und Backmeister stellten ihm Pro- 
jecte vor, das Gymnasium in Ordnung zu bringen. Do- 
mashnew gründete im Jahre 1777 ein besonderes Comite 
aus Akademikern zur Verbesserung des Gymnasiums. Die 
Fürstin Daschkow sorgte gleichfalls für das Gymnasium, 
baute ihm ein Haus und verbesserte den Unterhalt der auf 
Kronskosten unterhaltenen Schüler. 

Ungeachtet aller dieser Maassregeln blieb das Gymna¬ 
sium im Laufe des ganzen vorigen Jahrhunderts in un¬ 
befriedigendem Zustande, weil das Unterrichtswesen in 
ihm auf fehlerhafte Grundlagen gestellt war. Seine so Zu¬ 
sagen organischen Fehler bestanden in der Ernennung un¬ 
angemessener Lehrer und im schlechten Bestände der Ler¬ 
nenden. In der ersten Zeit nach Gründung des Gymna¬ 
siums wurden zur Besetzung der Lehrerstellen in demselben 
aus Deutschland gründliche Gelehrte verschrieben, welche 
später bekannte Akademiker geworden sind, Müller, Krafft 
u. A.; aber sie verstanden kein Russisch, und die Schüler be¬ 
griffen ihren Unterricht nur in geringem Maasse. Die auslän¬ 
dischen Lehrer wurden dann grösstentheils durch russische 
ersetzt, aber viele von diesen waren nicht ausreichend zum 
Unterricht in einer mittleren Lehranstalt vorbereitet: sehr 
häufig wurden sie aus den nicht fertig gewordenen Studenten 
ernannt. Im Anfang, gleich nach der Gründung des Gymna¬ 
siums, traten Knaben aus wohlhabenden, verhältnissmässig 
gebildeten Familien in dasselbe ein; aber das dauerte nicht 
lange. Das Gymnasium fing an sich mit Schülern der unte¬ 
ren Stände von rohen Sitten und Gewohnheiten zu füllen, 
welche ihrer socialen Stellung nach durchaus nicht zur hö- 



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— 115 


heren Bildung bestimmt waren, für die der Gymnasialunter¬ 
richt als nothwendige Vorstufe dient. Die im Jahre 1765 
zu Tage getretene Absicht, den Bestand der Schüler durch 
Organisation einer minderjährigen Abtheilung zu verbes¬ 
sern, wurde ungeschickt verwirklicht und gelang desshalb 
nicht. 

Die Verwaltung des Gymnasiums war niemals richtig 
organisirt. Bei der Gründung wurde es laut Contract 
Bayer übergeben, der das Recht erhielt es nach seinem 
Wunsch zu organisiren und dieses Recht im Jahre 1731 
ausübte, indem er die von ihm selbst verfasste Verordnung 
im Gymnasium einführte. Im Jahre 1738 führte Krafft das 
von ihm entworfene Statut im Gymnasium ein. Dreissig Jahre 
später, 1768, ging das Gymnasium auf Grund eines ähn¬ 
lichen schriftlichen Contracts, wie er mit Bayer bei der Er¬ 
öffnung geschlossen worden war, zur vollen Verfügung an den 
Inspector Backmeister über, dem es anheimgestellt wurde, 
dasselbe nach seiner Einsicht einzurichten, wovon er auch Ge¬ 
brauch machte. Bei einer solchen Ordnung gab es im Gymna¬ 
sium niemals einen bestimmten Cursus, und auch die Zahl der 
Classen änderte sich beständig, bald wurde die Zahl der¬ 
selben vermehrt, bald vermindert; willkürlich wurden ver¬ 
schiedene Unterrichtsfächer eingeführt oder gestrichen. Die 
Schüler waren nicht verpflichtet den ganzen Gymnasialcur- 
sus durchzumachen, sondern wählten sich nach eigenem 
Wunsch oder nach dem Willen ihrer Eltern die Wissen¬ 
schaften aus. Die Aufnahme ins Gymnasium fand im Laufe 
des ganzen Lehrjahres statt, was natürlich den Unterricht 
erschwerte. Das Alter der aufzunehmenden Schüler war 
nicht bestimmt, wesshalb wir unter ihnen in derselben Classe 
fünfjährigen und fünfundzwanzigjährigen begegnen. 

Der Vorstand des Gymnasiums war allzu zahlreich: aus- 

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ser dem Rector und dem Inspector, gab es noch einen Con- 
rector, auch einen, entsprechend der Verbindung zwischen 
dem Gymnasium und der Akademie, gewöhnlich aus den Aka¬ 
demikern ernannten Hauptinspector. Was aber am sonder¬ 
barsten ist — zuweilen waren im Gymnasium zu gleicher 
Zeit zwei Inspectoren oder zwei Rectoren. Ihre Verpflich¬ 
tungen und gegenseitigen Beziehungen waren nicht positiv 
festgestellt; daher begegnen wir auch einem solchen Rector, 
wie Rothacker, dem jegliche Gewalt über das Gymnasium 
genommen war. 

Das akademische Gymnasium hatte niemals ein ord- 
nungsmässig bestätigtes Statut; denn das sogenannte Gym¬ 
nasialstatut des Grafen Rasumowski aus dem Jahre 1750 
besteht nur aus einzelnen Artikeln, welche nichts Wesent¬ 
liches enthalten. 

Das pädagogische Werk erfordert mehr als irgend etwas 
Anderes Einheit des Gedankens und der Richtung und eine 
unabänderliche Beständigkeit in denselben, daher es auch 
nur dann erfolgreich fortschreiten kann, wenn es in einer 
Hand concentrirt, und wenn das Lehrsystem genau defi- 
nirt ist und nicht von der Willkür beliebiger Personen 
abhängt. Das eben fehlte in der Organisation des akade¬ 
mischen Gymnasiums; die Inspectoren disponirten über das 
Gymnasium nach ihren Anschauungen, die Directoren der 
Akademie nach den ihrigen: Domaschnew maass die 
Fortschritte der Schüler nach ihrer Kenntniss der französi¬ 
schen Sprache, die Fürstin Daschkow, welche vortreff¬ 
lich englisch sprach, führte die englische Sprache in den 
Gymnasialcursus ein. Die Akademie der Wissenschaften gab 
gute, sachliche Rathschläge zur Verbesserung des Gymna¬ 
siums, aber sie konnte ihrem ganzen Wesen nach nicht zur 
Verwaltung einer einzelnen mittleren Lehranstalt niederstei- 



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— 117 — 


gen; für sie war das Gymnasium eine nebensächliche und 
darum beschwerliche Zugabe. 

Indess hat das akademische Gymnasium trotz all seiner 
mangelhaften Einrichtung der russischen Jugend doch 
Nutzen gebracht, indem es einige gelehrte und begabte ad¬ 
ministrative Arbeiter ausgebildet und vielen Hunderten der 
in ihm unterrichteten Schüler eine gewisse Bildung ver¬ 
schafft hat. Und in der Geschichte der Aufklärung Russ¬ 
lands hat es als das erste im Reich gegründete Gymnasium 
eine unzweifelhafte Bedeutung. 


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BEILAGE 1. 

Einrichtung des St. Petersburger Gymnasii im Jahre 174$. 


l. 

Das Gymnasium ist besonders für Russen gegründet, damit 
sie, in den Sprachen und Wissenschaften unterrichtet, dem 
Vaterlande um so grösseren Nutzen bringen könnten. 


2 . 

Daher ist die Einrichtung desselben von anderen Schulord¬ 
nungen um soviel unterschieden, als nothwendig ist zur Er¬ 
reichung erwähnter Absicht. 


3. 

Die Sprachen und Wissenschaften, welche im Gymnasio ge¬ 
lehrt werden, sind ausser dem orthodoxen Glauben griechischer 
Confession folgende: 

1. Deutsche Sprache. 

2. Französische Sprache. 

3. Lateinische Sprache. 

4. Griechische Sprache. 

5. Geographie. 

6. Geschichte. 

7. Arithmetik. 

8. Geometrie. 

9. Kalligraphie. 

10. Zeichnen. 

11. Tanzen. 


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— 119 — 


4 . 

Dazu sind erforderlich elf Lehrer, und zwar zwei für die 
deutsche Sprache, ebenso viel für Geographie und Geschichte, 
einer für die französische Sprache, 

drei für die lateinische und griechische Sprache, ebenso viel 

für die Geographie und Geschichte, 

einer für Arithmetik und Geometrie, 

einer für Kalligraphie, 

ein Zeichnenlehrer, 

ein Tanzlehrer und 

einer für den orthodoxen Glauben. 

Wenn es solche Leute gäbe, welche in mehreren Sprachen 
und nicht bloss in einer, oder in mehreren Wissenschaften 
unterrichten könnten, so würde die Zahl der Lehrer sich ver¬ 
mindern. 

5 . 

Ueber allen diesen Lehrern steht ein ernannter Rector, dem 
sowohl in Betreff der Lehrenden, als der Lernenden aufgetragen 
ist, ihr Verständniss, ihren Fleiss, sowie ihr Betragen zu be¬ 
aufsichtigen und unermüdlich für den Zuwachs des Gymnasii 
zu sorgen; dessgleichen ist ihm befohlen, allmonatlich über 
den Zustand des Gymnasii der Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften zu rapportiren. 

6 . 

Die Schüler im Gymnasio sind von zweierlei Art — Russen und 
Ausländer; die Russen werden eingetheilt in solche, die auf ei¬ 
gene Kosten lernen, und in gagirte. 

7 . 

Die Lehrer unterrichten alle Gymnasialschüler unentgeltlich, 
und sind letztere desswegen nicht gezwungen in Zukunft an der 
Akademie in Dienst zu treten, sondern können ihr Glück suchen, 
wo sie Lust haben; von den Gagirten aber kann man das nicht 
sagen, denn diese nimmt man nach Beendigung des Schulunter¬ 
richts in den akademischen Dienst und giebt ihnen Stellen nach 
ihren Verdiensten. 


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8 . 

Die freiwilligen Schüler können von den Sprachen und Wissen¬ 
schaften, welche im dritten Artikel erwähnt sind, lernen was sie 
wollen; ja man hält sie auch nicht zurück, wenn sie nicht mehr 
im Gymnasio lernen wollen, falls sie nur in gehörigerWeise um 
ihre Entlassung bitten. Hingegen die Gagirten müssen im Ver¬ 
gleich zu den Anderen in der lateinischen Sprache, in der Arith¬ 
metik und Geometrie mit allem Fleisse lernen, damit sie ihren 
Unterricht in der Akademie weiter fortsetzen können, denn aus 
ihnen sollen mit der Zeit Professoren, Adjuncten und andere aka¬ 
demische Glieder ernannt werden, wenn sie die gehörige Fähig¬ 
keit zu diesen Aemtern haben werden. 


9 . 

Kein Schüler, der älter als zehn Jahr ist und noch nicht zu 
lesen und zu schreiben versteht, kann in den akademischen 
Dienst aufgenommen werden; falls er aber schon zu lesen und 
zu schreiben versteht, einen solchen aufzunehracn ist auch mit 
12 Jahren möglich. Wenn er aber älter geworden ist und noch 
nichts gelernt hat, so lässt sich unmöglich von seinem künfti¬ 
gen Fortschritt viel erwarten. Freilich giebt es Beispiele, dass 
Einige, obgleich sic spät zu lernen angefangen haben, dennoch 
im Unterricht vorwärts gekommen sind; aber das kommt selten 
vor und daraus kann man unmöglich auf Andere schliessen. 

m 

Das Gymnasium wird gemäss den gegenwärtigen Umständen 
in zwei Schulen gctheilt, und zwar in eine deutsche und eine la¬ 
teinische; die deutsche Schule ist in eine untere und eine erste 
Classe getheilt. 

11 . 

In der unteren deutschen Classe werden gelehrt: 

Die orthodoxe Confession. 

Arithmetik. 

Lesen und Schreiben, russisch, deutsch und lateinisch. 

Deutsche Vocabcln. 

Deutsche Grammatik. 



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— 121 — 


Leichte Uebersetzuugen aus Lange’s Gesprächen. 

Kalligraphie. 

Tanzen. 

12 . 

In der ersten deutschen Classe werden gelehrt: 

Die orthodoxe Religion. 

Die Arithmetik wird wiederholt, die Geometrie begonnen. 

Die Regeln über den Aufsatz werden wiederholt und die 
Eigenschaften der deutschen Sprache gelehrt. 

Leichte Schriftsteller werden interpretirt und mündlich 
aus der deutschen Sprache in die russische und aus 
der russischen in die deutsche übersetzt. 

Schriftlich wird aus der deutschen Sprache in die rus¬ 
sische und aus der russischen in die deutsche über¬ 
setzt nach dem Muster und der Ordnung, die beim 
Schreiben gebräuchlich ist. 

Man zeigt noch den Gebrauch der Landkarten und lehrt 
Geschichte. 

Französische Sprache. 

Kalligraphie. 

Zeichnen. 

Tanzen. 

13 . 

Es könnte aber Jemand erwidern, dass die deutsche Schule 
mit sehr vielen Lectioncn belastet ist und dass es passend wäre, 
einige von ihnen der lateinischen Schule zu überlassen: meine Ab¬ 
sicht erstreckt sich jedoch dabei nicht nur auf die gagirten, son¬ 
dern auch auf die freiwilligen Schüler, von denen manche auch 
angesehen sind; und obgleich nicht Alle Lust zur lateinischen 
Sprache haben, so wünschen doch Alle alles das zu lernen, was 
zu ihrem Nutzen dient. Und in der That, wenn man fragt, 
zu welchen Sprachen und Wissenschaften die Kinder dieses 
Staates Neigung haben, welche von ihnen sic lieben und zu ler¬ 
nen Lust haben, so werden zu diesen gerechnet die deutsche 
und französische Sprache, die Arithmetik, Geometrie, Kalli¬ 
graphie, Zeichnenkunst und das Tanzen. 


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14 . 

Bei der Vertheilung der Stunden auf den Unterricht meine 
ich zuvor, dass es für einen Knaben genug ist, wenn er bei 
seinen Lehrern 6 oder höchstens 7 Stunden lernt; die übrige 
Zeit ist ihm zur Erholung, Ruhe und zur Anfertigung seiner 
Lectionen zu lassen. Diese 7 Stunden werden in Stunden nach 
Mitternacht und in Stunden nach Mittag getheilt, zum Unter¬ 
richt nach Mitternacht werden 4 Stunden bestimmt, und zwar 
von 9 Uhr nach Mitternacht bis 1 Uhr nach Mittag, zum Unter¬ 
richt nach Mittag 3 Stunden und zwar von der dritten bis zur 
sechsten Stunde. 

15 . 

Demgemäss werden die Lehrstunden in der unteren Classe 
der deutschen Schule folgendermaassen vertheilt: 

Nach Mitternacht 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9—11 Uhr 
Arithmetik und von 11—1 Uhr Lesen, Schreiben und deutsche 
Lectionen, wie davon im Artikel 11 geschrieben; 

am Mittwoch und Sonnabend von 9—10 orthodoxe Religion 
und von 11—1 Uhr deutsche Lectionen, wie auch an anderen 
Tagen. 

Nach Mittag 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 3—5 Uhr 
deutsche Lectionen und von 5—6 Uhr Kalligraphie; 

am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen. 


16 . 

Hieraus ist ersichtlich, dass der russische Priester die Schü¬ 
ler vier Stunden in der Woche in der orthodoxen Religion unter¬ 
richten wird; dem Lehrer der Arithmethik und Geometrie sind in 
der deutschen Schule acht Stunden bestimmt; der deutsche Lehrer 
wird 20 Stunden unterrichten; der Schreibmeister wird 4 Stun¬ 
den unterrichten und der Tanzmeister in der Woche zwei Mal, 
jedes Mal 3 Stunden lang, im Ganzen 6 Stunden. Der Priester 
wird alle russischen Schüler aus allen Classen unterrichten. 
Gleicherweise werden der Lehrer der Arithmetik und Geometrie, 



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— 123 — 


der Schreibmeister und der Tanzmeister alle Schüler im ganzen 
Gymnasio unterrichten. 

17 . 

Die Lehrstunden in der ersten Classe der deutschen Schule 
sind so vertheilt: 

Nach Mitternacht 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9—11 Uhr 
Arithmetik und Geometrie, von 11—1 Uhr deutsche Lectionen, 
wie im Artikel 12 gezeigt ist; 

am Mittwoch und Sonnabend 
von 9—11 Uhr orthodoxe Religion 
von 11—1 Uhr Geographie und Geschichte. 

Nach Mittag 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 
von 3—4 Uhr französische Sprache 
von 4—5 Uhr Zeichnen 
von 5—6 Uhr Kalligraphie; 

am Mittwoch und Sonnabend 

von 3—6 Uhr Tanzen. 

18 . 

Kraft dieses Katalogs hat der deutsche Lehrer der ersten 
Classe, der ausserdem Geschichte und Geographie lehren wird, 
nur nach Mitternacht und zwar 12 Stunden in der Woche zu 
unterrichten; der französische Lehrer wird ebenso wie der 
Zeichnenlehrer alle Schüler im ganzen Gymnasio unterrichten; 
jeder von ihnen wird 4 Stunden in der Woche geben, nur zu je 
einer Stunde. 

19 . 

Ich habe die Ordnung der Stunden so vertheilt, dass ich für 
die wichtigsten Fächer, welche am meisten Nachdenken erfor¬ 
dern, die Morgenstunden angesetzt und für die leichtesten, zu de¬ 
nen die Schüler ohnehin grosse Lust haben, die Nachmittags¬ 
stunden bestimmt habe, wesshalb ich auch die Zeichnenstunden 
auf den Nachmittag gesetzt habe und zwar von 4—5 Uhr, damit 
diese Arbeit noch bei Tage geschehe, denn bei Licht zu zeichnen 
ist schwer. 


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20 . 

Die deutschen Lehrer müssen ihren Unterricht so viel als 
möglich in deutscher und nicht in russischer Sprache geben, 
denn hier handelt cs sich um das Erlernen der deutschen Sprache, 
und von dem in deutscher Sprache gebotenen Unterricht 
hat der Schüler einen grossen Nutzen und gewöhnt sich all¬ 
mählich an die deutsche Sprache. 

21 . 

Die gagirten akademischen Schüler sollen nicht länger als 
zwei Jahre in der unteren Classc der deutschen Schule sitzen 
und nach Ablauf derselben in die erste Classe der deutschen 
Schule versetzt werden, aber auch dort sind sie nicht länger als 
ein Jahr zu halten, denn in der Zeit werden sie sicher so viel 
gelernt haben, dass sie die Reden des lateinischen Lehrers ver¬ 
stehen können. Zudem werden sie im Umgänge mit deutschen 
Schülern fast mehr Deutsch gelernt haben, als in den deut¬ 
schen Classen mit ihren russischen Kameraden, welche auf keine 
Weise dazu zu bringen sind, dass sie von ihrer Muttersprache 
lassen und unter einander in einer fremden Sprache reden, die 
sie nur mühsam zur Hälfte verstehen. 

22 . 

Die lateinische Gymnasialclassc wird ebenso wie die deutsche 
in zwei Classen getheilt, und zwar in die untere und die erste. 

23 . 

In der unteren lateinischen Classc werden die Anfänge der 
lateinischen Sprache gelehrt werden. In dieser Classe sind er¬ 
forderlich an Büchern das Lexicon von Cellarius, eine kurze 
Grammatik, Lange’s Gespräche. In dieser Classe sind die Schü¬ 
ler so weit zu bringen, dass sie die genannten Gespräche gram¬ 
matikalisch zu analysiren und zu übersetzen im Stande sind. 

In derselben werden noch gelehrt: 

Arithmetik und Geometrie 

Geographie 

Französische Sprache 

Zeichnen 

Kalligraphie 

Tanzen. 



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— 125 — 


24 . 

In der ersten lateinischen Classe ist aus der Grammatik der 
schöne, figurenreiche Aufsatz zu lehren und zwei Mal in der 
Woche der Styl zu üben. In dieser Classe werden folgende 
Autoren interpretirt: Cornelius Nepos, Julius Caesar, Terenz, 
Cicero’s Episteln an Verschiedene, seine Reden und die Bücher 
über die Pflichten; in dieser Classe werden auch die Anfänge 
der griechischen Sprache nach der im vorigen Jahre in Kijew er¬ 
schienenen Grammatik gelehrt. 

Ferner werden gelehrt: 

Geschichte 

Französische Sprache 
Zeichnen 
Kalligraphie 
Tanzen. 

25 . 

Die Lehrstunden in der unteren Classe der lateinischen 
Schule sind folgendermaasen vertheilt: 

Nach Mitternacht 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10—1 Uhr 
die Anfangsgründe der lateinischen Sprache nach Anweisung 
des Artikels 23; 

am Mittwoch und Sonnabend 

von 9—10 Uhr Arithmetik und Geometrie 
von 11—12 Uhr Cellarii Lexicon und Wiederholung 
der Grammatik 
von 12—1 Uhr Geographie. 

Nach Mittag 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 

von 3—4 Uhr französische Sprache 
von 4—5 Uhr Zeichnen 
von 5—6 Uhr Kalligraphie; 

am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen. 


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26 . 

Kraft dieses Katalogs wird der Lehrer der unteren Classe 
16 Stunden in der Woche lateinische Sprache und Geographie 
lehren. Der Lehrer der Arithmetik und Geometrie wird ausser 
acht Stunden, die er den Schülern in der deutschen Classe 
giebt, noch 4 Stunden unterrichten, im Ganzen 12 Stunden. 

27 . 

In der ersten lateinischen Classe wird unterrichtet: 

Nach Mitternacht 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 

von 10—12 Uhr Interpretation der lateinischen Au¬ 
toren nach Anweisung von Artikel 24, 
von 12—1 Uhr Nachmittags griechische Sprache; 
am Mittwoch und Sonnabend 

von 9—11 Uhr Grammatik und Geometrie 
von 11—12 Uhr Styl 

von 12—1 Uhr Interpretation von Kurassow’s kur¬ 
zer Geschichte. 

Nach Mittag 

am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 
von 3—4 Uhr französische Sprache 
von 4—5 Uhr Zeichnen 
von 5—6 Uhr Kalligraphie; 

am Mittwoch und Sonnabend von 3—6 Uhr Tanzen. 


28 . 

In dieser ersten Classe werden zwei Lehrer sein, ein latei¬ 
nischer und ein griechischer, der lateinische wird 12 Stunden, 
der griechische 4 Stunden in der Woche unterrichten. 


29 . 

Jetzt sind dem Gymnasio im Stroganow’schen Hause vier 
Zimmer angewiesen, was auch ausreicht, wenn das Gymnasium 
auch in Zukunft so bleibt wie jetzt, ausser dass zum Tanzen 
ein besonderes Zimmer nöthig ist, denn die Schulzimmer tau¬ 
gen dazu nicht, weil sie mit Tischen und Bänken verstellt sind. 



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127 — 


30 . 

In jeder lateinischen Classe haben die Schüler je zwei Jahre 
zu lernen, und wenn die Jahre, die sie in den deutschen Classen 
lernen, hinzugezählt werden, so sind es im Ganzen sieben Jahre; 
in sieben Jahren kann man einen Knaben gut informiren, so 
dass er fähig sein wird, seinen Unterricht in der Universität 
weiter fortzusetzen, und wenn der Knabe mit 10 oder 11 Jahren 
in die Schule kommt und diese Jahre fleissig lernen wird, so 
wird er zur Fortsetzung des Unterrichts noch nicht zu alt sein. 


31 . 

Der Gymnasialrector wird mit dem Professor der Mathe¬ 
matik drei Mal im Jahre ein Examen veranstalten, und zwar im 
Januar, Mai und September, und über die Fortschritte der 
Gymnasialschüler, besonders über die der gagirten, der Kanzelei 
der Akademie der Wissenschaften rapportiren; ausserdem wird 
ein Jahresexamen in Gegenwart des Präsidenten der Akademie, 
ihrer Mitglieder und einiger dazu ausgewählter Professoren 
stattfinden; darnach sind Diejenigen, welche im Vergleich zu 
den Anderen eine grössere Geschicklichkeit zeigen, zur Ermunte¬ 
rung und künftigen Fortsetzung ihres Fleisses mit Schulbüchern 
zu beschenken. Den 3. Mai 1748. 

Johann Eberhard Fischer 
Professor der Geschichte und des Gymnasii Rector 


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BEILAGE 2. 

Uumaggeblidje ©ebanfctt bon einigen üllängeln bc8 ©tretet* 
burgifdten Gymnasii, unb wie benfetbeu etwa abjuhelfen fei;, in bic 
Academische Conference überreizet bon Carl Friedrich Mode¬ 
rach Adjunct unb Inspector Gymnasii. 

üftadjbcnt mir jufolgc bc8 bon ©einer <£>od;gräflid;en (grtauc^t 
bem fperrn ^raftbenten ber Academie ber 2öiffenfd;afteit berwicbe* 
uen 7 IDtärjj an bie academische Conference ergangenen 23efef>t3 
oblieget bon beiten Mängeln beä Gymnasii, unb wie benfetbeu etwa 
abjuljelfeu fei), meine ©cbanfeit $u eröffnen: fo ^abc fold;e in mög* 
lid;fler Äiirjje abgefaffet um fte bcncti Resp. «$erru Professoribus 
unb üJiitglicbern gebadeter Conference ju fernerer 23eprüfung bor* 
julegen. 

©in Gymnasium heiffet foitfl eine fold;e ©d;ute, woinnen junge 
geute in Humanioribus unb aubertt itüglid;en 2öiffenfd>aften unter* 
richtet, unb alfo $u Anhörung academischer Lectionen fähig ge* 
ntadit werben. 

Da aber bet; bem ^teftgen Gymnasio auger benjenigen ©d;ü* 
(ent/ Wcld;e auf Soften ber Academie unterhalten Werben, gar we* 
nige borhanben flitb, weld;e ftd; beu Stucliis ju wibmeu willens 
wären, bie übrigen aber, bereit 9ln$af)l faß bret;ntahl fo fiarf ifl als 
jener, alle mit eiitanber baS Gymnasium nur in ber Wbjtdji bc* 
fud;eit, um in einer ober ber aitbetn ©prad;e unb 2Biffcufd;aft, 
welche ihnen etwa bet; ihrem füuftigen föerufe nöthig ober tt üblich 
fehlt ntögte, unterrichtet jtt werben, fo ifl leicht ju ju erfehen, bag 
biefeS Gymnasium ttid;t bollfomnteu auf fold;en gug, wie an attbern 
Orten eingcrid;tet werben fönne, inbent bie ©dptler beffelbett ftd; 
{it jwet; bon einanber gattjj unterfd;iebeue ©taffen theilcn, bereu 
jebe in ^Betrachtung beS berfd;iebeuen ©ttbjwecfeS bet; ihrem ßerneu 
eine befottbere ©inrid;tuug ber Lectionen erforbert. 

Da bie acabemifd;eu ©dpilet junt ©tubireu beflintutet, unb mit 
nicht geringen Sofien ber Ärone unterhalten werben; fo ifl es mei* 



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— 129 — 


neS dradjtenS bornehmlich nofhig babor ©orge gu tragen, bafc bie# 
fetben grünblich, in teeriger Drbnung unb mit allem möglichen 
gleifje unterrichtet merben. #iergu mirb nun unumgänglich erforbert: 

1) SDajj man geriefte Informatores bet)m Gymnasio beflefle, 
unb um bon ihrer gähigfeit beflo boüfommener berfid)ert gu fetyn, 
jKiemanben mit einem fotzen £)ienffe berfehe, ber nid)t borfjer in 
ber acabemifcheit Conference genau examiniret unb attestiret 
morben. 

2) £alte ich eS nicht bor nü^tief)^ bajj man ©tubenten bie Infor¬ 
mation in ben (Staffen übertrage, inbem folche baburch an ihrem 
©tubieren gehinbert merben, überbem au<b ba fte gemeiniglich bor 
otdje Information jährlich nicht mehr als 25 fRubl. flatt einer 
Belohnung erhalten, eben nicht fonberlidjen gleijj anmenben, unb 
biefe Interims-Information nur als ein fftebenmerf, nicht aber als 
eine mefentlichc Pflicht anfehen. SBäre aber ein ober ber anbere 
©tubent gur Information gefebieft, unb hülfe ßufl biefelbe gu über# 
nehmen, fo fonnte man betffelbcn mit Verlegung eines hinlänglichen 
©ehaltS gunt mürflichen Praeceptor bcffetlen, in meld)ent gatte er 
feine llrfache hn^en mürbe, feinen Unfleifj unter mancherlei) 93or- 
rnanb gu bcfdjönigen. 

3) ®ie bornehmffe Ur|ad;e aber, marum bie acabemifd)en ©chüler 
bishero fo menig gelernet, feheint mohl biefe gu fepn, bafj jte bep 
ihren dltcrn ober Vermanbten ohne alle 9lufftd)t unb in ben 
berfdffebcnen $h c Ü en ^i e l* cr meitläuftigen ©tabt bon eittanber ger# 
ftreuet mohnen. $>a biefelbeu nun faff alle bon bem 9lbfd)aum beS 
fftßbels genommen morben, fo faitn fid> ein jeber leicht borfleUen, 
maS ffe bor eine dtgieljung haben, gu maS bor einer fd)onen £c# 
benSart jte ffd) bon 3ugenb auf gemöhtten unb mogu bie ©age, 
meldje fte bet; ber Academie befommen, bon ihren dlterit meiflen# 
theits attgemanbt merbe. ds märe bemnach meiner Meinung nach 
hßdffl nöthig 1) bajj man bie 9(itgahl ber acabentifd)en ©chüler, 
metd;e ftubiren follett, ein bor allemaht feftfefce; 2) baf} man fo biel 
möglich barattf feljc, bamit biefelbe nid)t ohne allen Unterfdjeib unb bon 
beut unterften ffJöbel genommen mürben; 3) Vornehmlich aber, bafj 
ffe alle frelffa tunten in einem «fraufc unter flrengcr unb genauer 9luf# 
ftd>t mohnten, bamit man auf ihre -ganblungen unb ©tubien genau 
ad)t geben fonnte; 4) SDlüffe man ihnen bie ©age, bie jie bon ber 

Ueitrfige *. Kenutoiss d. Rus.a. Reiches. Dritte Folge. 9 


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— 130 — 


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Academie ermatten, burdjauS nid)t in t^re <£>änbe geben; fonbern 
felbige gu ifjrct 33eföfligung unb Stleibung antoenbeu, fo tote foldjeS 
in bem ßattb# unb ©eecadeten-Corps gcfd)iel)et. ©S flehet gu ljof* 
feit, ba§ toenn fte foldjcr ©eftalt eine getotffe s 2lngaf)l 3ufyre unter 
genauer unb guter 9lufftd)t gehalten unb gu einer orbentlicfyen 2e# 
benSart unb fleißiger 23eobad)tung iljrcr ^ßflie^ten getoö^net toorben, 
man bercinft gute ©tubenten an iljtten Ijaben fömte; baljingcgen bei) 
ben je^igen jungen ©tubenten bic bcrberblid)en Sßirfungen iljrer 
hörigen ©rgieljung unb SebcnSart ftd) leiber feljr öfters unb unter 
toielertep ©cftalten äußern, unb futb fte eben baburdj, bafj man jtc 
gu fritlje gu ©tubenten gemadft unb ber ©djulrutljc entgegen, nod) 
ttteljr berborben toorben. 3d) falte bemnad) babor, bafj 30 ober 
aud) nur 20 auf obbentetbete 9lrt mit ©orgfatt betyfammen ergogene 
Gymnasiasten ber Academie beretnfien ntcl)r SSort^eit unb ©Ijre 
bringen föttnen, als 50, ober 60 fold)cr, bie anjejjo ftd) felbft gelaffeu 
unb nad) i^rent ©eliebeit in ber ©tabt f)eruntfd)toermen unb tu 
beren ©cmütljcrn bet) il)ren gegentoärtigen jungen S^ten allerlei 
Unarten unb ©ottlofigfeitcn fo tiefe SBurgcl fdftagen, bafj eS l)cr# 
na<f> feljr fd)tocr ober beffer gu fagen, unntöglid) fällt biefelben aus# 
gurotten. 

üftunnteljro toill id) einiger hänget ertoef)iteit, tocld)e baS Gym¬ 
nasium überhaupt betreffen, unb bem 9lufttcf)men beffelben gar feljr 
im SBege flehen. 

1) 3d? rechne gu einem bon ben «£>aupt*2J?ängeln beS Ijieftgcn 
Gymnasii,bafj bie abelige 3ugettb mit betten Slinberit gattfc getnei# 
ner Scute gufammen in einerlei) ©taffen ftjjet unb unterrichtet totrb. 
©o lange biefer ©tein beS 9tnftojjeS nid)t aus bem 2Bege geräuntet 
toirb, barf man ftd) fafl feine SRecfynung mad)ctt, bafj unfet Gym¬ 
nasium jemals in blüfjenben 3uftanb fontmen toerbe. ®enn bor# 
neunte «^errn, tote audj alle attbere eljrltdje geute, betten bie SBolfart 
i^rer Äittber am herjjen liegt, fd)euett ftd) biefelben baf)in gu 
fd)i<fen. ©S tfl iljncn foldjeS and) auf feine 9lrt gu berbeitfen, betttt 
eS fattn ftdj fftiemattb, als ber cS mit feinen klugen gcfeljcn, boflfont# 
men borflellen, toaS bor Sftudjloftgfeit, g rf bel unb Unfug biefe ge# 
meinen 3ungcn begehen, unb toie halb föttnen junge Stinber nid)t 
burd) fold)e üble ©etfpielc bcrfüljret unb in ©runb berborben toer# 
ben. ©leid) toic eS aber ber Academie gu nicht geringer ©Ijre ge# 



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4) SDtan fönnte aud) bei? 23erfaffung eines fold)en Reglements 
aufjer bcucn bon mir jejjt angeführten fünften nnb öorfchlägen, 
benn id) habe — um alle Söeitläufigfeit ju benneiben—mit IBorfaß 
nur einige ber miebtigfien aufgejeidptet, fonfl noch alle« baSjenige, 
toaS etwa bem Slufnehuten bcS hi c ftg en Gymnasii beförbertid> ober 
hinberlicb fcpn fann, einführen uttb betbeffern, ober auch berdnbern 
unb abfd)affen, bamit bie IJugcnb hinführo mit bcjjerm ©rfolg unter* 
rietet toerbe. 

Carl Friedrich Moderach 

Adj. unb Insp. Gymnasii. 


BEILAGE 3. 

Instruction für diejenige Frauens-Person, welcher die Auf¬ 
sicht über die 30 Academischen Kinder anvertrauet wird. 

1. fDfufj biefe grauenS^etfon barauf feheit, bafj bie Äinber tag* 
lieh bie Pflichten ihrer Religion genau beobadjten. Sie felbfl muß 
benen fclbcn mit gutem (Sjempcl borgehen, ft<h eines tugenbhaften 
unb eingejogenen ßebeitö befleißigen, beS unnöthigen 5luSgehenS jtd) 
enthalten, aud) in bem ihr angemiefenen Duartier feine berbachtige 
Visiten annehmen, am adertoenigflen aber nächtlidjc Compagnien 
halten. 

2. 2Kuf} biefelbe bie übelgeftttcten gu belfern fud;en, unb ben jit 
ßaflcnt geneigten ©cmüthern einen 9lbfdjeu für biefelben ßafler unb 
eine 3u«cigung gu ben gegenfeitigen Jugcnben einguflofjen befliffen 
fel)n. 3 W biefent dnbgfoecf mujj obbenannte fßerfon ben $inbern 
bernünftig gureben unb ftc mit grcunbtidßeit unb burd) ®h r 9 e ^ S u 
gewinnen fud)eit. Söann aber biefe gelinben Drittel nicht fruchten 
molten, fo foll es ihr freiflehen biefe miberfpenfligen nad; iöerbienft 
gu beflrafett. ®od) foll fte fi<h hüten biefelben nicht in difer gu 
ohrfeigen, nod; biel foeniger mit ber gaufl ober einem ©toefe gu 
fdflagen: fonbern fie foll fld) bep begleichen borfontmenben fallen 
nur ber IRuthen bebienen. 5Iuch muß ftch biefelbe bep ber Cor- 


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133 — 


rection ber Sliitber aller Ija&ltdjen unb pöbelhaften ©chintpfmörter 
enthalten. 

3. ©oll btefelbe graueng*^crfon auf bie Sluprung ber $inbet 
genau Sichtung geben, unb alle SKonathe ber Commission bott biefer 
Sluprung gcmiffenhaften unb uitparthepfchen Kapport abfiatteit. 

4. HJiuh fie bte fttnber in allen ©tücfen gut Drbnung anhalten. 

5. 2Wu§ fie and) für bie Steinigung ber Sfiitbet forgen; fie muh 
biefelben alle SBocpen gum mettigflen einmahl unb mo möglich gmep* 
mahl fämmen taffen; fie muh Sichtung geben, bah ftch bießinber alle 
SOtorgen gebührenb mafchen, orbentlid) anfleiben, alte SBocpe gmep* 
mahl tocifje SBäfche attgichen, unb fid; bep bem ©dpffettgehn gehö* 
rig mieber auggiehctt. ©ie muh auch bep allen Lectionen gegen* 
mcirtig fepit, unb mit bett Jtinbern an einer £afel fpeifen. 

6. ©ic muff forgen, bah bie Setten rein gehalten unb Poit 3eit 
gur 3*it meih übergogeit merbeit. ©ie muh brep ÜJiägbe gur Sebie- 
nitng unb SluSbefferung ber Stleibungäpcfe in ihre £)ieitfie nehmen. 

7. ©ie muh auch forgen bah bie ©trumpfe, #emben unb über* 
haupt alle Sfleibttngen, meint biefelben gerriffett ober fottfieit ©d)a* 
beit gelitten haben, fogletd) mieber auggebeffert merbett. 3)abcp 
aber muh fie forgfältig Sicht haben, bah bie ftittber nichts inuth* 
millig gerreiffen ober berberbeit. Ueberhaupt muh fie bcn 5liitbertt 
attgemöhnen mit bcn Äleibent mohl untgugehen unb biefelben hübfd) 
rein gu hatten. $)a auch ber Oeconomus, gitfolge bc8 mit ihm ge* 
fchlohenen Contracts, toerbttnbeit ifi bie SBöfcpe biefer brcphig Äin* 
ber gu mafdjett, fo mitb biefc aud) fehen febeSntaht bie unfaubere 
SBäfdfe bem Oeconomo gu hohlen, uitb fotdje gehöhlt mieber bott 
ihm übernehmen, unb gufehett, bah her Oeconomus im SÖafdjen 
ber SBafcpc nicht rnuthmiflig toerberbe. ©inb aber einige $leibuitg«* 
fiitcfe gättplid) ititbtaitd)bar gemorben, fo fann fie e$ ber Commis¬ 
sion angeigen, barnit biefelbe ihr ober jentanberi attberg auftragen 
fönne neue $leibuitggp<fe an ber abgeituhten ©teile machen gu 
laffett. ßg mühen feine Sluggaben ohne Sormiffeu ber Commission 
gemacht merben. 

8. SBirb biefe fJJetfon ein Sergeidptih bon allen borhanbenen 
Jtleibuitgg* unb attberen ©tücfen befommen, bep melchem fie jebeg* 
mahl gufdfretben muh, menn etmag abgegangen ober hingugefont* 
men ifi. 


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9. SDiitß bicfcfbc bic Sltnbet alle borgen $ur regten 3*ü auf* 
werfen, ben Jag übet junt gleiß uttb juc Arbeit anf)alten, unb 
cnblid) barauf feiert, baß ße beS 2lbenbg $ur gefeßten ©tunbe tute# 
bet ju 93ette gelten. 

10. 2Kuß ße babor forgen, baß bet Oeconomus benen jtinbern 
ifir gehöriges an grüljßürf, Mittag unb 9lbenbbrobt gebe, unb 
wenn ße bemerlt, baß ben Ätnbern baö gebüljrenbe enßogen, ober 
ungefunbe unb fd)ted)t jugerid)tctc ©peifeit gegeben werben, muß ße 
folcßeS, oljne ßd) beSWegcn mit bem Oeconomo ju janfen, bet Com¬ 
mission anjetgen. 

11. hierfür befomntt gcmelbte graueuS^erfou für ßety felbflen 
foWofyl als für tfjre brei 21£ägbe freße geuruitg unb freßdffen. üftebft 
biefen aber ein anfel)nticfycS ©ct)alt, bamit ße gut ansfommen fann. 


INSTRUCTION*) 

für die Frauensperson, welcher die Aufsicht über die minderjährigen 

Kinder anvertrant wird. 

1. Sie muss darauf sehen, dass die Kinder täglich die Pflich¬ 
ten ihrer Religion genau beobachten; sie muss ihnen in Allem 
als gutes Beispiel dienen, sich eines tugendhaften und einge- 
zogenen Lebens befleissigen, ohne äusserste Noth sich von ihnen 
nicht trennen und verdächtige Leute nicht zu den Kindern 
lassen. 

2. Sie muss die übelgesitteten zu bessern suchen und den 
zu Lastern geneigten Gemüthern einen Abscheu für dieselben 
Laster und eine Zuneigung zu den gegenseitigen Tugenden ein- 
zuflössen beflissen sein; zu diesem Endzweck muss obbenannte 
Person den Kindern vernünftig Zureden und sie mit Freundlich- 


* Diese Instruction ist gegen die vorstehende etwas ergänzt. 



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— 135 — 


keit und durch Ehrgeiz zu gewinnen suchen. Wenn aber diese 
gelinden Mittel nicht fruchten wollen, so soll es ihr freistehen 
diese Widerspenstigen nach Verdienst zu bestrafen. Doch soll sie 
sich hüten dieselben nicht im Eifer zu ohrfeigen, noch viel weniger 
mit der Faust oder einem Stock zu schlagen; sondern sie soll 
sich bei dergleichen vorkommenden Fällen nur der Ruthen be¬ 
dienen; auch muss sich dieselbe bei der Correction der Kinder 
aller hässlichen und pöbelhaften Schimpfwörter enthalten. 

3. Soll dieselbe auf die Aufführung der Kinder genau Ach¬ 
tung geben und alle Monate der Commission von dieser Auffüh¬ 
rung gewissenhaften und unparteiischen Rapport abstatten. 

4. Muss sie die Kinder in allen Stücken zur Ordnung an- 
halten. 

5. Muss sie auch für die Reinigung der Kinder sorgen; sie 
muss dieselben alle Woche zum wenigsten einmal und wo¬ 
möglich zweimal kämmen lassen; sie muss Achtung geben, dass 
sich die Kinder alle Morgen gebührend waschen, ordentlich an- 
kleiden, alle Woche zweimal weisse Wäsche anziehen und sich 
bei dem Schlafengehen gehörig wieder ausziehen. Sie muss auch 
bei allen Lectionen gegenwärtig sein und mit den Kindern an 
einer Tafel speisen. 

6. Sie muss sorgen, dass die Betten rein gehalten und die 
Ueberzüge und Laken zur rechten Zeit gewechselt werden. 

7. Sie hat Sorge zu tragen, dass die zerrissenen Hemden, 
Strümpfe und überhaupt Kleidungen sofort ausgebessert werden; 
dabei hat sie aber sorgfältig Acht zu geben, dass die Kinder 
nicht muthwillig die Kleider zerreissen. Ueberhaupt muss sie 
den Kindern angewöhnen, mit den Kleidern wohl umzugehen 
und dieselben hübsch rein zu halten. 

8. Zur Ausführung aller dieser Arbeiten und jeglicher Kleider¬ 
reparaturen sind zwei Mägde angestellt, denen sie monatlich 
aus der ihr zu kleinen Ausgaben ausgezahlten Summe nach dem 
Contract Gage zu zahlen hat. 

9. Mit dem Oeconom ist ein Contract zu schliessen, dass er 
die Wäsche dieser Kinder für eine Zahlung von 4 Rbl. 80 Cop. 
im Jahr für jeden Knaben wasche; dazu muss sie, die Aufseherin, 
da sie ihre Wäsche unter ihrer Aufsicht hat, dieselbe ihm, dem 


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Oeconom, abgeben und sie von ihm laut Rechnung wieder emp¬ 
fangen und zusehen, dass beim Oeconom die Wäsche nicht 
beim Waschen durch Sorglosigkeit verderbe; ist aber etwas von 
der Wäsche ganz vertragen, so soll die Aufseherin darüber der 
Commission rapportiren, damit dieselbe ihr oder Jemandem An¬ 
deren auftragen könne neue Kleidungsstücke zu machen, und ist 
das Geld an den Oeconom für die Wäsche vom Commissar zu 
zahlen; über das ihr, der Aufseherin, zu kleinen Ausgaben für 
die ihrer Aufsicht anvertrauten Kinder ausgezahlte Geld hat sie 
richtig Buch zu führen, wozu ihr von der Commission ein Schnur¬ 
buch gegeben wird. 

10. Die Aufseherin wird ein Verzeichniss von allen vorhan¬ 
denen Kleidungs- und anderen Stücken bekommen, bei welchem 
sie jedes Mal zuschrciben muss, wenn etwas abgegangen oder 
hinzugekommen ist. 

11. Muss sie die Kinder alle Morgen zur rechten Zeit auf¬ 
wecken, den Tag über zum Fleiss und zur Arbeit anhalten und 
endlich darauf sehen, dass sie des Abends zur festgesetzten. 
Stunde wieder zu Bette gehen und sich nicht früher von ihnen 
trennen, als wenn die Kinder sich schlafen legen. 

12. Muss sie dafür sorgen, dass der Oeconom den Kindern 
ihr Gehöriges an Frühstück, Mittag und Abendbrod gebe und 
wenn sie bemerkt, dass den Kindern das Gebührende entzogen, 
oder ungesunde und schlecht zugerichtete Speisen gegeben wer¬ 
den, muss sie ein solches, ohne sich desswegen mit dem Oeconom 
zu zanken, der Commission anzeigen. 

13. Ferner muss sie darauf achten, dass die Lehrer zu den 
festgesetzten Stunden kommen und ihre Pflicht fleissig erfüllen 
und im Fall es nöthig, sie daran erinnern; wenn diese Erinne¬ 
rungen keinen Erfolg haben, so ist darüber die Commission zu 
benachrichtigen; an welchen Tagen und Stunden die Lehrer jetzt 
ihren Unterricht zu ertheilen haben, das wird in der beigelegten 
Tabelle mitgetheilt. 



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— 137 — 


BEILAGE 4. 

P. M. 

über ba$ Gymnasium bet 9tfabemie ber 2Biffenfd)aften. 

Da bei beut Gymnasio ber 9lfabentie ber SBiffenfc^afteii, ber# 
möge be$ bon ©r. (Srlaudjt beut ipräjtbeuten 1760 berorbueteu 
©taateS, fedfSjig ©djiiler auf Sofien ber $ronc crjogeit tretben fol* 
len, um aus felbigcn bie UniberfUät mit gefdjicfteit ©tubcuten ju 
berfe^eit, fo ftttb tut abgetrtdjeiten I765*teit 3al)re unter beit batna* 
Itgeit 5fron8*©d)ü(ern bte untauglichen ltnb übelgeftttctcn auSgefuc^t 
tittb treggefdfafft, tutb bagegett einige neue angenommen tnorben, 
tnclche mit ben jttrücfgebliebetien jufamnten 30 auSmadjeu. 3 U ^ cu 
übrigen 30 ftttb ltad? S3orfd)rift beä auf aUer^ödjflen 23efef)l fntbli* 
cirteu allgemeinen (Sr$ief)uttg8*fp(ancg junge Stuabcti au&gefudft, 
treibe bon jenen altern ©d)ülerit gauj abgefonbert, erjogett unb tut# 
terricfytet merben, mit ber 3cit fämmtlid) in berfelbeu ©teile treten, 
unb ettblidj in bie ltniberfitat berfe^t tretbett. 

Die öffentlichen 2eljr*©tunbeu beö Gymnasii trerben uid)t allein 
bon jenen 30 altern ftron«*@d)üleru, fonbent aud; bon ben foge* 
nannten grei#©d)ülertt befud)t, bie nämtid) nad; ber atlererfleit (Sin* 
ridjtung be8 Gymnasii nichts lueiter als freien Unterridjt gettieffett, 
unb beten Wujafjl ftd) ifjo auf ad;t unb fünfzig beläuft. Da biefc 
ad;t unb ad)tjig Ättaben ftch ait Filter unb ©efd;icflid)feit fo feljt 
ungleich ftttb, fo müfjen fte auch, bornetnltd) trogen 93crfd)iebentyeit 
ihrer gufünftigeit SebenSart unb SBeftimmung, einen berfd>iebetteu 
Unterricht befotnmen. ©ö trerben ttt biefen öffentlid)eit ©tunbeti bie 
rufftfd)e, lateiitifdfe, beutfdfe unb franjofifdje ©prad^e, baS ©Triften* 
t^um, bie 5lritljtnetif unb ©eometrie, -hiflorie, ©eograpl>ie, ba$ 
3eid)nen unb janjett gelehrt. Die 5lttja^l ber Seiftet beläuft fidj 
ijjo mit Sn&egtiff be§ ©eifllidfen, be$ 3 c üh eume ift cr $ unb ^ttj* 
meiflerS auf fünfjelfn. Das ^öd)fie ©e^alt ifi 400 IRub. Die nteiflett 
haben eine fo geringe ©age, bafj fte genottyiget finb ftd; ttod; auf 


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anbere 2lrt etwa« ju Oerbienen. Nur brei ton ihnen, »reit fie bie 
9luffid)t übet bie $tron«*©d)ülct haben, wohnen in bent Gymnasio, 
bie übrigen fafl alle fefjr »reit batoon. 9lu« allem biefen ergiebt fid?, 
baff an biefer öffentlid)cn ©dnitc folgen be« befiberirt wirb, »reld^eS 
bi«her wegen be« unjureidjenben gonb« ober anberer Urfadjen nid;t 
hat beranflaltct irerbeit fflitnen: 

1) Sßcil Knaben Ooit fo fc^r Ocrfd)iebcncin Filter in fo bielerlei 
©adjen unterrichtet werben, fo ifl bie gegenwärtige 5lit$aljl ber 
ßehrer ju Kein, benn in jeber ©prad)e müfjen 3 bi« 5 (klaffen, nnb 
in jeber SBiffenfdjaft 2 bi« 3 fein; nnb in jeber ©tuube muffen fo 
biete Staffen gehalten werben, ba& fafl ein jeber ©djülcr eine unter 
felbigcn ftnbet, bie et mit S'iu^en befud)cn fann. 

2) $)ie ßcljrer follten nahe bei bem Gymnasio wollten, baniit 
einer ohne bie $öd;ftc 33cfd)werlid)fcit fowo^t Vormittag« at« 
Nachmittag« ßcctionen geben, uitb bei Äranfheiten unb anbern «hin* 
bentiffen einer bem anbern ju <§mlfc fontmen fonne. 

3) Sin jeber ßehrer foltte einen ©c^att haben, Oou bent er, wo 
nid)t anflänbig, bod) uothbiirftig leben fonne, bamit man ihnen 
o^nc Unbilligfeit mehrere 3nformation«*@tunben auflegeu fonne; 
wetd)e« bod) nid)t Ooit benen ju Ocrflcheit ifl, Wellen man nur eine 
geringe 9ln$ahl Oon ©tunben anweifen fann, al« ber Janjineiflcr 
it. a. m. Sin XfytU ber Sßcrbefferung bc« ©ehalt« fonnte bartn be* 
flehen, baf? man ben ßehrern freie SBohuung in ber Nähe be« 
Gymnasii gäbe. 

4) (Sollte ber 3uflujj ber greifdpiler, bereu im Anfänge biefe« 
3ahrc« etlid^e jwanjig waren, ijjo aber ad)t unb fünfzig ftnb, fort* 
bauern, fo werben bie 3iwmer, worin ftc ifco unterrichtet werben, 
halb ju fleiu fein. S« mufj fd)on ijjo eine Staffe in bem ©peifefaal 
gehalten werben. 2Be«Wcgeu benn in biefer 9lbfid)t cbenfaü« eine 
^Inberung gemad)t Werben müfjte. 

b. 31. ?lugufl ßubwig 23acfmeiflet 

17G6. Inspector bc« Gymnasii. 



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BEILAGE 5. 

Am 23. Februar. Der frühere Inspector am Gymnasio 
Backmeister ist als Aufseher über die Lehrer und Gymna¬ 
siasten ins Gymnasium aufzunehmen, worin aber genau seine 
Pflicht bestehen wird, das ist aus dem hier beigelegten Aufsatz 
zu ersehen. 

©ie SBebingungen, unter trelcfycn id) erbötig bin ber faifcrlicfyen 
9lfabemie ber 2Biffenfd;aften meine Dienfle $n hubmen, finb foG 
genbe: • 

1) 3d) übernehme bie Snfpection bc§ bon bet 91f«bemic ab^dn* 
gigen ®bmnafti (worunter jebocty bie 30 flcineren ©d)iiler nidjt mit 
begriffen fiitb), fo bafj bie Einrichtung beffclben, in fo meit fic nid)t 
burdj bie 93efel)Ie ber Slfabentie beflimmt mirb, blojj bon meinen 
9lttorbnungen abtydngt, treibe fomoljl Center unb ©dp'tler, als 33e< 
biente jn befolgen fabelt; wogegen ich felbfl feinem «nbern (d. h. 
Fischer) als ben unmittelbaren ©efcljlen ber 91fabemie untertoor* 
fen bin. 

2) 3d; gebe im ©bmnafio toödjentlid) 6 ©tunben Unterridjt. 

Unterschrieben: Snbmig 23a<fmcifler. 25 $eb. 1768. — 

Alles Obengeschriebene ist eigenhändig von Backmeistcr ge¬ 
schrieben. 


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n. 

DIB AKADEMI S CHE UNIVERSITÄT 

IM XVIII. JAHRHUNDERT. 


Die bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften 
aus dem Auslande berufenen Gelehrten waren auf Grund 
der mit ihnen grösstentheils auf fünf Jahre abgeschlosse¬ 
nen Contracte verpflichttet, Vorlesungen an der zu eben 
derselben Zeit an der Akademie gegründeten Universität zu 
halten. 

Im Jahre 1725 wurden berufen: für das Katheder der Die erste» 
Mathematik — Hermann, Daniel Bernoulli, der sich unter den 
früher mit Physiologie beschäftigt hatte, und Goldbach, 
für Chemie Bürger, für Physik Bülffinger, der seine 
akademische Thätigkeit mit Logik und Metaphysik begon¬ 
nen hatte, für Anatomie und Zoologie Duvernoy, für Me¬ 
chanik Nikolai Bernoulli, für das Katheder der griechi¬ 
schen und römischen Alterthümer Bayer, für Logik und 
Metaphysik Martini, der anfangs das Katheder der Physik 
übernommen hatte, für das Katheder der Beredsamkeit und 
Kirchengeschichte Kohl und für das Katheder der Rechts¬ 
wissenschaft Beckenstein. Tm Jahre 1726 kamen zwei 


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Astronomen, Delisle und Leutmann, für das Katheder der 
Mechanik und Optik in der Akademie hinzu. Schon vor Er¬ 
öffnung der Akademie war der Botaniker Buxbaum in 
St. Petersburg eingetroffen. 

Einige dieser Akademiker genossen bereits eines ge¬ 
lehrten Hufes. Hermann war schon 1701 auf Vorschlag 
von Leibnitz zum Mitglied der Berliner Akademie der 
Wissenschaften ernannt worden und war dann Mitglied der 
Akademie in Bologna; im Jahre 1707 hatte er, ebenfalls 
auf Leibnitz’s Empfehlung, das Katheder der Mathematik 
an der Universität zu Padua erhalten. Hermann trat von 
den ausländischen Gelehrten zuerst in die Petersburger 
Akademie ein und wurde desshalb professor primarius et 
Matheseos sublimioris genannt. Daniel Bernoulli, ein her¬ 
vorragender Mathematiker seiner Zeit, wurde durch das 
Werk «Hydrodynamik» oder die Gesetze der Bewegung des 
Wassers berühmt, das 1738 gedruckt und Biron gewidmet 
wurde. Joseph Delisle, der auf Befehl Kaiser Peter’s be¬ 
rufen worden, arbeitete in Russland 21 Jahre lang eifrig 
auf dem Gebiet der astronomischen Beobachtungen. Bülf- 
finger war ein hervorragender Gelehrter auf dem Gebiet 
der Physik. Bayer war durch seine ausgebreiteten philolo¬ 
gischen Kenntnisse, besonders in der Literatur der orientali¬ 
schen Völker, bekannt. Dem Sachsen Leutmannn hatte schon 
Peter der Grosse seine Aufmerksamkeit zugewandt und 
ihn cingeladen nach St. Petersburg zu kommen, die sächsi¬ 
sche Regierung hatte ihn aber damals nicht entlassen; er 
kam im Juli 1726 nach St. Petersburg. Buxbaum war 
schon 1721 als Botaniker ins medicinische Collegium auf¬ 
genommen worden und wurde 1724 als Arzt der Gesandt¬ 
schaft Alexander Iwanowitsch Rumjanzow’s nach Konstan¬ 
tinopel geschickt, wobei ihm botanische Untersuchungen 



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— 143 


aufgetragen wurden. Der Akademiker Ruprecht sagt von 
ihm: «Während seiner kurzen Anwesenheit in der Akademie 
hat er ein Werk über 500 neue oder wenig bekannte Pflan¬ 
zen verfasst, die er auf seinen Reisen sowohl in den Um¬ 
gebungen Konstantinopels, in Kleinasien und am Kaspi¬ 
schen Meer, als auch in der Nähe von St. Petersburg ge¬ 
sammelt». Goldbach war ein guter Pädagog, wesshalb er 
auch zum Erzieher des Grossfürsten Peter Alexejewitsch, 
in der Folge Kaiser Peter II, ernannt wurde. Von allen 
berufenen Gelehrten erwies sich die Wahl Martini’s als 
die am wenigsten glückliche, wesshalb auch die ihm über¬ 
tragenen Fächer gewechselt wurden: anfangs hatte man ihm 
das Katheder der Physik gegeben, führte ihn aber dann auf 
das Katheder der Logik und Metapysik über; nach Müller’s 
Worten war er der Stellung eines Akademikers nicht würdig. 

Auch der Astronom Delisle de la Croy£re, der Bruder 
Joseph Delisle’s rechtfertigte nicht seine Ernennung. Ni¬ 
kolai Bernoulli starb bald nach seiner Ankunft in St. Pe¬ 
tersburg, im Juli 1726. 

Auf Anrathen einiger dieser Akademiker wurden ihnen Dip ersten 
bekannte, begabte Studenten berufen. Die meisten Recom- A<1 ' UI1( ten ' 
mandationen gingen von Bülffinger aus, der Professor an 
der Universität Tübingen gewesen war. Aus seinen früheren 
Schülern wählte er Gmelin und Kr afft aus, und beide 
rechtfertigten vollauf seine schmeichelhaften Urtheile über 
sie und wurden später selbst Akademiker. Gmelin wurde 
1733 als Glied der Kamtschatskischen Expedition nach Sibi¬ 
rien entsandt, und das Resultat seiner gelehrten Untersuchun¬ 
gen in Sibirien war sein klassisches Werk: «Flora sibirica sive 
historia plantarum Sibiriae», 1747—1769. In diesem Werk 
sind die Beschreibungen von 1178 Pflanzen und 300 Zeich¬ 
nungen enthalten. Linne sagt, dass Gmelin allein so viel 


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— 144 — 


Pflanzen entdeckt habe, wie die anderen Botaniker zusam¬ 
men. Daniel Bernoulli verdankt unsere Akademie die 
Empfehlung des berühmtesten Mathematikers — Leonhard 
Euler’s, der früher Student an der Universität Basel ge¬ 
wesen, wo Bernoulli Professor war. Euler kam 1727 als 
zwanzigjähriger Jüngling nach St. Petersburg und wurde 
zum Adjuncten für das Katheder der Mathematik ernannt. 
Schon 1723 hatte er den Grad eines Magisters an der Uni¬ 
versität Basel erhalten. Krafft besass ebenfalls diesen ge¬ 
lehrten Grad von der Universität Tübingen. Euler hat im 
Laufe seines Lebens bis 756 mathematische Abhandlungen 
verfasst, und von seinen Schülern haben in der Folge acht 
den Rang eines Mitgliedes der Akademie erlangt, nämlich : 
AlbrechtEuler,Kotelnikow, Rumowski, Krafft,Lexcl, 
Inochodzew, Golowin und Nikolai Fuss. 
nie ersten Bei solchen gelehrten Kräften schien es möglich die 
neue Universität zu eröffnen. Ihr fehlten aber Zuhörer. 
Gymnasien, die zur Universität vorbereiteten, waren nicht 
vorhanden; Seminare waren nach willkürlichem Plan nur in 
einigen Eparchien eingerichtet und keineswegs dem Typus 
einer zur Universität vorbereitenden Schule angepasst wor¬ 
den ; ausserdem war die Sprache der neuen Lehrer den rus¬ 
sischen Schülern völlig unverständlich, während die latei¬ 
nische, in welcher die Vorlesungen gehalten wurden, im 
Lande wenig verbreitet war. Es blieb nichts übrig als die 
Zuhörer ebenso aus dem Auslande zu verschreiben, wie die 
Professoren von dort verschrieben worden waren. Einige 
dieser Gelehrten verpflichteten sich durch schriftliche Con- 
tracte direct dazu; so sollte Bülffinger laut dem mit ihm 
abgeschlossenen Contract einen oder zwei Studenten mit¬ 
bringen. «Ich habe bemerkt», schrieb im Jahre 1725 der 
Akademiker Kohl dem Studenten Müller in Leipzig, «dass 


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— 145 — 


hier bei der baldigen Eröffnung der Akademie noch einige Stu¬ 
denten erforderlich sein werden, die die Humaniora getrieben 
haben». Aus Deutschland kamen acht Studenten, von denen 
vier später Akademiker wurden, nämlich Mayer, Gross, 
Weitbrecht und Müller. Mayer und Weitbrecht be- 
sassen bereits das Magisterdiplom der Universität Tübingen, 
traten aber als Studenten in die neueröffnete Universität 
ein. Gross und Mayer blieben übrigens nicht lange Stu¬ 
denten; am 29. Januar 1726 erfolgte der Beschluss des 
Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Blumen¬ 
trost: «Weil der Student Mayer verschiedene Proben sei¬ 
ner Geschicklichkeit gegeben hat, so ist desshalb befohlen 
worden, ihn in der Akademie der Wissenschaften zum ausser¬ 
ordentlichen (extraordinarius) Professor der Mathematik zu 
ernennen». Am selben Tage wurde der Student Gross zum 
«ausserordentlichen Professor der Moralphilosophie» er¬ 
nannt. Weitbrecht erhielt erst im Jahre 1731 das Kathe¬ 
der der Physiologie. Müller endlich gewann in der Folge 
einen lauten und vollständig verdienten Ruf durch seine 
Forschungen und Ausgaben auf dem Gebiet der russischen 
Geschichte und erhielt den Titel eines Historiographen 1 ). 
«Es kam nun darauf an», sagt Müller, «dass die Akade¬ 
mie auch Schüler hätte, die von diesen Anstalten Nutzen 
haben könnten und wollten. Leider fehlte es daran, wie es 
wohl auch nicht anders sein konnte. Niedrige Schulen müs¬ 
sen einem höheren Unterrichte vorangehen. Und der Befehl 
der Kaiserin vom 21. December des verwichenen Jahres, 
war noch zu neu, als dass man von demselben sich grosse 
Wirkung versprechen konnte. Um doch die Lectionen an dem 


1) üeKapcKifi, ÜCTOpia HiinepaTopcKofi AnaxeMiH Hayifb bt> IleTep- 
6ypr£, tom-b I, C.-IIeTep6. 1870. 

Beiträge z. Kenntniss d. Basa. Reiches. Dritte Folge. 10 


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bestimmten Tage anzufaugen, gingen selbst die Professoren 
Einer dem Anderen in die Collegia. Die Adjuncten waren 
die wirklichen Zuhörer, einige zum Schein, andere aus 
vollem Ernste... Denn die als wirkliche Studenten bei der 
Akademie sich einschreiben Hessen, waren sehr wenige. Ein 
Königsberger, der mit Herrn Professor Bayer ankam, und 
ein Holsteiner, der beim Herzoglichen Hofe Beförderung 
suchte, blieben nicht lange».*) 

Ganz richtig erklärte später der Akademiker Martini, 
dass an der akademischen Universität mehr Lehrende als 
Lernende waren: oben haben wir gesehen, dass 15 Akade¬ 
miker vorhanden waren, und bald wurden zwei von den Stu¬ 
denten zu Professoren ernannt, d. h. an Vortragenden oder 
wenigstens an zum Vortrag Verpflichteten gab es damals 
17, an Studenten Alles in Allem 8. 

Darüber, wie die Aufnahme in diese sogenannte Uni¬ 
versität stattfand, kann z. B. das akademische Protokoll 
vom 5. Februar 1726 einen gewissen Begriff geben, in wel¬ 
chem verzeichnet ist, dass der Staatsrath Makarow den 
Allerhöchsten Befehl eröffnete, Anachin «in die Akademie 
der Wissenschaften zu ernennen». Wahrscheinlich war die¬ 
ser Anachin durchaus nicht auf das Hören der Vorlesungen 
der Professoren vorbereitet, indessen wurde er ohne Exa¬ 
men und mit folgender Vorschrift aufgenommen: «denselben 
zur vollkommenen Erlernung der Wissenschaft dem Profes¬ 
sor Mayer zu übergeben», d. h. demselben jungen Gelehr¬ 
ten, der eine Woche vordem selbst noch Student gewesen. 

Bei einem solchen Mangel an Zuhörern blieb nichts 
Anderes übrig, als die Vorlesungen der Professoren in der 
Hoffnung in öffentliche zu verwandeln, dass das Publicum 

1) Müller, Zur Geschichte der Akademie der Wissenschaften. (Ma- 
nuscript.) 



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die Audiditorien füllen werde. Aber auch diese Erwartung 
schlug fehl. 

«Wenn der mündliche Unterricht wegen Mangels der 
Zuhörer», sagt Müller, «nicht so, wie man hätte wünschen 
mögen, von statten ging, so wurde in den Zeitungen 
vom 8. und 12. März eben dieses i727 3ten Jahres angekün¬ 
digt, dass die Professoren Bülffinger und Duvernoy, drei 
Tage die Woche, des Nachmittags eine Stunde lang, Physik 
und anatomische Cursus von Experimenten und Demonstra¬ 
tionen, für alle Liebhaber, die denselben beiwohnen woll¬ 
ten, öffentlich halten würden... Diese Experimente des Herrn 
Bülffinger, wozu alle Instrumente nach S. Gravesand’s 
Institutionibus Philosophiae Newtonianae aus Leyden von 
Muschenbroek verschrieben waren, hatten noch so ziem¬ 
lichen Beifall, bis nach einigen Wochen die Lust dazu ver¬ 
altete. Zu den anatomischen Demonstrationen aber fanden 
sich gar wenige Liebhaber ein. Herr Weitbrecht, der 
schon im verwichenen Jahre die Hospitairen auf der soge¬ 
nannten Wiburgerseite fleissig besucht, war fast der einzige, 
der davon Nutzen hatte». 

Es kam vor, dass man einen jungen Mann diesem oder 
jenem Professor so zu sagen zur Lehre übergab; dann stand 
er unter dessen vollständiger Gewalt. So lesen wir z. B. im 
Protokoll vom 28. März 1729: «Aüf Befehl Sr. Kaiserlichen 
Majestät wurde in der Akademie der Wissenschaften be¬ 
schlossen: «des Herrn Professors Leutmann Schüler von 
der Akademie, Mathis Andreas, unbarmherzig mit Stöcken 
zu schlagen, weil er ohne Wissen des Leutmann’s sich von 
ihm entfernt und getrunken und sechs Tage sich nicht ge¬ 
zeigt hat, um zu bewirken, dass ihm solches zu thun hinfort 
nicht zur Gewohnheit werde». 

Man schickte Leute in die Akademie, um Alles zu 1er- 

10 * 


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nen, selbst solche Wissenschaften, welche in der akademi¬ 
schen Universität gar nicht vertreten waren; so schickte das 
Kriegscollegium einen adligen Jüngling, um ihn inderForti- 
fication zu unterrichten; ohne lange nachzudenken gab man 
ihn dem akademischen Architecten in die Lehre, wahrschein¬ 
lich weil dieser Architect im Gymnasium in der Mathema¬ 
tik unterrichtete. Das Protokoll vom 30. September 1731 
enthält darüber folgende Bestimmung: «Auf Befehl Ihrer 
Kaiserlichen Majestät wurde in der Akademie der Wissen¬ 
schaften nach Anhörung des aus dem Comptoir des Staats¬ 
kriegscollegiums vom 28. September c. gesandten Prome- 
morias über die Aufnahme des minderjährigen Edelmannes 
aus dem Nowgorodschen Gouvernement, Provinz Pleskau, 
Dmitrij Jachontow beschlossen, «in Kraft dieses Prome- 
morias besagten Jachontow zum Unterricht in der Fortifi- 
cation an den Architecten Schessler mit einem Befehl zu 
senden, in welchem zu eröffnen ist, dass er, Schessler, 
den Jachontow mit Fleiss und Eifer zu unterrichten und 
darüber, wie derselbe lerne, an die akademische Kanzelei 
zu rapportiren habe». 

Der akademische Rath Schumacher beschwerte sich 
beim Präsidenten darüber, dass die Akademiker sich vom 
Unterricht fernhalten. «Die Professoren sind verpflichtet 
Vorlesungen zu halten», schrieb er ihm 1729, «indessen 
tliun das nur Beckenstein, Bernoulli und Mayer; die 
Uebrigen denken nicht einmal daran». Es war ungerecht 
die Professoren zu beschuldigen, wenn sie keine Zuhörer 
hatten, weder Studenten, noch Publicum. «Beckenstein 
wäre ein sehr fleissiger und nützlicher Lehrer gewesen», 
sagt Müller, «wenn er nur Zuhörer gehabt hätte», aber diese 
Zuhörer bestanden ausschliesslich aus einigen Ausländern. 

Müller schreibt, indem er von der Lage der Akademie 



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und ihrer Einrichtung im Jahre 1729 erzählt: «Die Klage 
der Professoren, dass es ihnen an Zuhörern fehlte, wälirete 
immer fort. Im Gymnasio blieben noch vornehmer Leute 
Kinder, um Sprachen zu lernen. Den höheren Wissenschaften 
sich zu widmen, da fehlte es bei der Akademie an einer 
Aussicht, was man aus denen, die gründlich studirt hätten, 
machen würde. Sollten sie hernach im Kriegs- oder Civil- 
stande von unten auf dienen, das konnte keine Aufmun¬ 
terung geben. Der Russische Adel will durch Vorzüge der 
Ehre, durch Erhöhungen im Range, belohnt sein. Da die 
grössesten Gelehrten ohne Rang waren, und das in ei¬ 
nem Reiche, wo alle Vorzüge nach dem Range bestimmt 
sind, wo einer, der keinen Rang hat, bei keiner öffent¬ 
lichen Gelegenheit erscheinen kann: wer von guter Her¬ 
kunft wollte sich da entschliessen, bei der Gelehrsamkeit 
stehen zu bleiben, ich will sagen, ein Gelehrter von Pro¬ 
fession zu werden? Ich glaube mich nicht zu irren, wenn 
ich diesen Umstand für eines der vornehmsten Hindernisse 
des Nutzens, den die Akademie hätte stiften können und 
sollen, ansehe. Es ist wahr, Peter der Grosse in seiner 
Stiftung und die Kaiserin Katharina in ihrem Befehle vom 
21.December 1725, worin sie verordnete, dass Jedermann 
seine Kinder in der Akademie sollte unterrichten lassen, 
haben weder den Lehrenden, noch denen, die was Gründ¬ 
liches erlernen würden, einen Rang bestimmt. Allein da die 
Erfahrung lehrte, was davon die Folgen waren, so hätten 
die Vorsteher der Akademie, wenn sie es nicht ihrer eige¬ 
nen Ehre wegen thun wollten, wenigstens um die Wohlfahrt 
der Nation zu befördern, auf alle Weise den Wissenschaften 
Ehre und Ansehen zu erwerben trachten sollen. Es hat alle¬ 
zeit nur von Seiten der Akademie an einer geziemenden 
Vorstellung gefehlt. Man kann denen die am Ruder sassen, 


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die Schuld, dass ein so merklicher Mangel niemals in Be¬ 
trachtung gekommen, nicht beimessen». 

Nach Mtiller’s Zeugniss gab es im Jahre 1731 an der 
Universität keinen einzigen Studenten; aber wahrscheinlich 
war die Universität schon viel früher ohne Studenten, denn 
nach dem Jahre 1726, als die aus Deutschland importirten 
deutschen Studenten verschiedene Bestimmungen erhalten 
hatten, kommt in den akademischen Protokollen weder eine 
Erwähnung der Studenten, noch eine Bestimmung über die 
Auszahlung von Gagen an dieselben von. Ungeachtet dessen 
wurden Programme der Vorlesungen verfasst, um nach 
Müller’s Worten zu zeigen, «dass es nicht Schuld der Aka¬ 
demie sei, wenn sie nicht mittelst mündlichen Unterrichts 
Nutzen bringen könne». Ein einziger Professor gab sein Pro¬ 
gramm heraus. Im folgenden Jahre, 1732, wurden alle Pro¬ 
gramme der Vorlesungen gedruckt, mit Angabe der Stun¬ 
den, und hinzugefügt, dass zu diesen Stunden die Profes¬ 
soren Vorlesungen halten werden, wenn Zuhörer vor¬ 
handen sein werden. 

Gerade das Fehlen dieser Zuhörer machte der Regierung 
Sorge. Am 11. September 1731 forderte der Senat auf ei¬ 
gene Initiative, ohne dass die Akademie durch eine Vor¬ 
stellung dazu Veranlassung gegeben hätte, von ihr einen 
Bericht darüber: «wie viel für dieProfessores,Künstler und 
Handwerker Schüler und Lehrlinge nöthig seien, und aus 
was für Schulen dieselben zu nehmen?» «Darauf antwortete 
Herr Schumacher», fügt Müller hinzu, «ohne die Pro¬ 
fessoren zu Rathe zu ziehen, Folgendes»: «Es wäre sehr 
nützlich, möglichst viel Schüler oben erwähnten Professores, 
Künstlern und Handwerkern beizugeben, denn um so mehr 
Nutzen sei zu hoffen, dass, wenn dieselben einige Zeit bei 
den Professores und Künstlern in Unterricht gewesen sein 



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werden, man sowohl zu den Wissenschaften, als zu den 
Künsten fähige Leute auswählen könnte, denn nicht alle in 
den Wissenschaften Unterrichteten gelingen, weil der Eine 
für die eine, der Andere für die andere Sache Eifer und 
Verständniss besitzt. Um so mehr wäre es nützlich, dass 
alle Schüler, welche zu den Wissenschaften und Künsten 
gethan werden sollen, irgend eine fremde Sprache, zum Bei¬ 
spiel Lateinisch, Französisch oder Deutsch verständen, da¬ 
mit dieselben sowohl durch den Umgang mit fremden Ge¬ 
lehrten und Künstlern, als auch durch das Lesen von den 
in fremden Sprachen geschriebenen Büchern durch die 
Kenntniss der Sprache Nutzen haben könnten. Und wenn es 
unmöglich sei die verschriebene, ausreichende Zahl von 
Schülern in der Geschwindigkeit zu schicken, so sei vom 
Dirigirenden Senat zu fordern, dass er geneigt sein möge 
wenigstens jetzt schon zu ernennen: in die mathematische 
Classe 25 Mann, für jeden Professor, der sich daselbst 
befindet, je 5 Mann, als da sind dem Professor der höheren 
Mathematik, beiden Professoren der Astronomie, dem Pro¬ 
fessor der Mechanik und dem Professor der allgemeinen 
Mathematik; in die physikalische Classe ebenfalls 25 Mann, 
als da sind dem Professor der Anatomie und Chirurgie, dem 
Professor der Botanik, dem Professor der experimentellen 
und theoretischen Physik und dem Professor der Physio¬ 
logie; in die historische Classe 15 Mann, als da sind dem 
Professor der Jurisprudenz, dem Professor der Logik und 
Metaphysik und dem Professor der Geschichte, und endlich 
dem Professor der griechischen und römischen Alterthümer 
10 Schüler, welche in der griechischen und lateinischen 
Sprache geschickt wären». Auf diese Weise wurde die ge¬ 
ringste Zahl der für die Universität nothwendigen Studenten 
auf 75 Mann berechnet. 


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Statt dieser so beschränkten Zahl der von der Akademie 
geforderten Studenten sandte der Senat Ende December 1732 
zwölf Schüler aus der Moskauschen slavisch-lateinischen 
Akademie, aber nicht für die Universität, sondern zur Vor¬ 
bereitung derselben für die damals in Aussicht genommene 
gelehrte Expedition nach Kamtschatka. Sechs von ihnen er¬ 
hielten den Befehl, täglich bis Mittag im Gymnasium zu ler¬ 
nen und Nachmittags bis 5 Uhr sich in der Kanzelei der 
Akademie in der russischen und lateinischen Sprache unter¬ 
richten zu lassen. Nur fünf von diesen Schülern konnten zur 
Expedition nach Kamtschatka verwandt werden, darunter 
der künftige Akademiker Krascheninnikow; in Betreff 
der übrigen machte die akademische Kanzelei dem Senat 
eine Vorstellung, «dass sie für die Wissenschaften keinen 
Verstand gezeigt hätten», und bat daher sie zu Gewerben, 
zu «verschiedenen Künsten» zu bestimmen und aus der 
Moskauer Akademie 12—15 «gelehrige» Schüler zu senden. 

Im Jahre 1735 wurde den Professoren vorgeschlagen,ihre 
Programme für den Fall aufzustellen, dass sich Zuhörer finden; 
dabei rechnete die Akademie offenbar auf die Möglichkeit 
etwa 30 solcher Zuhörer aus dem adligen Cadettencorps l ) 
zu erhalten, aber diese Hoffnung erwies sich als grundlos. 

Im Jahre 1736 wurden aus der Sa'ikonospassker Aka¬ 
demie 10 Schüler gesandt, und Professor Bayer erhielt den 
Auftrag sie zu examiniren; er berichtete, «dass er die aus 
Moskau gesandten zehn Schüler attestirt habe und dass nach 
seinem Attest besagten Schülern nothwendig sei, noch ei- 

1) Im Protokoll der Conferenz der Akademie der Wissenschaften vom 
17. Januar 1736 lieisst es: «Die Herren Professores sollen sich erklären, 
was und in welchen Stunden sie künftig dociren wollen, wenn auf Ihro 
Kaiserliche Majestät Ordre sich discentes in denen allen präparirten au- 
ditoriis einfinden werden: allermaassen mit nächstem 30 russische Edel¬ 
leute den Anfang dazu zu machen beordert werden. 



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nige Zeit im Gymnasio zu lernen, damit sie zum Anhören 
der Professorenvorlesungen befähigt sein könnten», aus 
welchem Grunde sie statt in die Universität ins Gymnasium 
aufgenommen wurden. 

Inzwischen waren im Bestände der Akademie beträcht- Der Abgang 

dßr besten 

liehe Veränderungen vorgegangen: gestorben waren die Akademiker 
Akademiker Bürger 1726, Mayer 1729 und Leutmann' oa ( { 1 e e ^ ka ' 
1736, aus der Akademie entlassen 1726 Kohl und 17 2 8( 1731-1737 )- 
Martini, übrigens die am wenigsten begabten von den aus 
dem Auslande gekommenen Gelehrten, 1729 Buxbaum, 

1731 Gross. Als wesentlichen Verlust für die Akademie 
muss man aber den Austritt aus derselben so hervorragender 
Gelehrten ansehen wie Hermann und Bülffinger, die 1731 
aus St. Petersburg abreisten, und wie Daniel Bernoulli, 
der 1733 das Katheder der Anatomie und Physiologie an der 
Universität Basel erhielt; im Jahre 1737 wurde auch der 
ausgezeichnete Philolog Bayer aus der Akademie entlassen. 

Mit ihrem Austritt aus der Akademie sank das gelehrte Ni¬ 
veau derselben wesentlich, und die ihnen folgenden Akade¬ 
miker hatten in der Mehrzahl der Fälle keinen solchen ge¬ 
lehrten Ruf wie sie. 

Uebrigens blieb eine gelehrte Berühmtheit, Leonhard Leouhard 
Euler, noch recht lange an der Akademie. Im Jahre 1727 ^eu^aufge-' 6 
war er zum Adjuncten der höheren Mathematik, im Jahre Akademiker 
1731 an Stelle Bülffinger’s für das Katheder der Physik(i7Si—1740) 
ernannt worden, und im Jahre 1733 erhielt er nach der Ab¬ 
reise Daniel Bernoulli’s das Katheder der höheren Mathe¬ 
thematik. Neu aufgenommen in die Akademie wurden: 
im Jahre 1731 Winsheim als Adjunct für die Astro¬ 
nomie, 1735 wurde er zum Professor extraordinarius er¬ 
nannt; im Jahre 1733 Adadurow als Adjunct für die 
höhere Mathematik und der Schweizer Ammann, der nach 


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Buxbaum das Katheder der Botanik einnahm; im Jahre 
1736 richtete er den botanischen Garten in der zweiten 
Linie von Wassili-Ostrow ein, wo jetzt der Garten der 
römisch-katholischen geistlichen Akademie sich befindet; im 
Jahre 1735 Le Roy, der Lehrer des ältesten Sohnes Bi- 
ron’s, als ausserordentlicher Akademiker für neue Ge¬ 
schichte und Stählin als Adjunct für das Katheder der 
Poesie und Rhetorik; im Jahre 1737 erhielt er den Rang 
eines ordentlichen Professors der Rhetorik; im Jahre 1736 
Wilde als ausserordentlicher Akademiker für Anatomie, 
Moula als Adjunct für die höhere Mathematik und Hein- 
sius als ausserordentlicher Akademiker für Astronomie, dem 
älteren Astronomen Nikolai Joseph Delisle als Beistand; 
im Jahre 1740 Crusius als Adjunct und 1747 als Professor 
der Alterthümer und der Literärgeschichte, — er stand sei¬ 
nem Vorgänger Bayer bei Weitem nach, — und Richmann 
für das Katheder der Physik; er war Lehrer der Söhne des 
Grafen Ostermann, Iwan, später Vicekanzler, und Fedor; 
Richmann wurde 1735 als Student aufgenommen, 1740 
zum Adjuncten ernannt und erhielt 1741 das Amt eines Pro¬ 
fessors; er beschäftigte sich hauptsächlich mit der zu jener 
Zeit wenig bekannten Electricität und wurde bei einem Ex¬ 
periment 1753 durch den electrischen Strom getödtet. 

Das Halten Im Jahre 1738 fand man, dass einige Schüler desGym- 
sungenhn* nasiums im Stande seien, die Vorlesungen der Professoren 
Jahre 1738. zu hören, aus welchem Grunde eine Verordnung über Er¬ 
neuerung der öffentlichen Vorlesungen an der Universität er¬ 
lassen wurde. Ihre Vertheilung unter den Professoren wurde 
im Protokoll der akademischen Kanzelei vom 31. Mai in fol¬ 
gender Weise vorgenommen: «Weil», heisst es da, «bei dem vor 
kurzer Zeit in dem bei der Akademie bestehenden Gymnasio 
stattgehabten Examen sich eine nicht geringe Zahl solcher 


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Schüler gefunden hat, welche zum Anhören der Vorlesungen 
der Professoren ausreichende Befähigung besitzen, so sollen 
um desswillen die öffentlichen Vorlesungen vom 1. Juni 
dieses Jahres an von Neuem ihren Anfang nehmen und 
jeden Tag in der Akademie der Wissenschaften in folgender 
Weise fortdauern, nämlich: Morgens von 7—8 Uhr Pro¬ 
fessor Winsheim mathematische und physische Geogra¬ 
phie, von 8—9 Uhr Doctor Ammann Botanik und Natur¬ 
geschichte; der Adjunct Adadurow wird von 8 —11 Uhr 
russische Sprache lehren; am Sonnabend wird Professor 
Kr afft von 10—11 Uhr Physik und Metaphysik mit den 
dazu gehörigen Experimenten vortragen; von 11—12 Uhr 
Professor Stählin Sittenlehre; Professor Euler wird Nach¬ 
mittags von 1 — 2 Uhr Logik und höhere Mathematik publice 
lehren; Doctor Duvernoy von 2 — 3 Uhr medicinische 
Praxis; Doctor Wilde von 3—4 Uhr Anatomie; Professor 
Heinsius von 4—5 Uhr Astronomie; Professor Weit¬ 
brecht wird Physiologie, Professor Lerche Universal¬ 
geschichte publice lesen und Professor Delisle auf dem 
hiesigen Observatorium bei geeigneter Gelegenheit besagten 
Studenten practische Astronomie zeigen. Um dies bekannt 
zu machen, sind im Dirigirenden Senat und im Allerhei¬ 
ligsten Regierenden Synod Berichte darüber einzureichen 
und in die Kanzelei des adligen Cadettencorps und der 
Hauptartillerie, ins Fortificationscomptoir, in die Expedition 
des Admiralitätscollegiums, der Akademie und der Schulen 
Promemorias zu senden, denen je ein Exemplar des Katalogs 
der Vorlesungen beizulegen ist, dessgleichen auch jedem 
der Professoren eins zu übergeben und dazu hundert Exem¬ 
plare besagter Kataloge zu drucken». 

Im Jahre 1740 sandte der Senat acht Schüler der Mos- Studenten 
kauer Saikonospassker Akademie, um sie in die akademi- Dinaren 

(1740). 


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sehe Universität aufzunehmen; sie wurden examinirt, und es 
wurde beschlossen, drei von ihnen zu Uebersetzern auszu¬ 
bilden, vier «in der Mathematik und Astronomie zu unter¬ 
richten, damit sie in Zukunft Geodiisisten sein könnten», und 
einen zum Corrector an der Druckerei zu machen. 

Die Vor- In seiner Darlegung der Geschichte der Akademie be- 
Jahre ge i 742 ! schreibt Müller das Jahr 1742 folgendermaassen: 

«Da die öffentlichen Vorlesungen sowohl für die Studen¬ 
ten, welche von der Akademie unterhalten wurden, als auch 
für andere Zuhörer, die an denselben Theil nehmen wollten, 
jetzo wieder anfangen sollten, so wurde am 10. August eine 
ausserordentliche Conferenz wegen des zu druckenden Lec- 
tions-Catalogi gehalten, in welcher die Herren Schumacher, 
Weitbrecht, Krafft, von Winsheim, Le Roy, Hein- 
sius, Wilde, Siegesbeck, Geliert, Moula, Crusius, 
Teplow und Lomonossow zugegen waren». Es wurde 
beschlossen die öffentlichen Vorlesungen am 1 . September 
zu beginnen, und die Studenten wurden unter die Professoren 
vertheilt. Im Protokoll vom 3. September ist gesagt: «Auf 
Befehl Iliro Kaiserlichen Majestät erliess die Akademie der 
Wissenschaften den Befehl: laut dem von den in der Ver¬ 
sammlung anwesenden Herren Professoren Krafft, Wins¬ 
heim und Heinsius angefertigten Register haben die in 
demselben genannten Schüler und Studenten zum Anhören 
der Vorlesungen, Jeder, wie aus dem Register erhellt, bei 
seinem Professor und Adjuncten zu sein, und ist zur Bekannt¬ 
machung und Ausführung in der Conferenz wie an Herrn 
Professor Winsheim, so auch an den Herrn Unterbiblio¬ 
thekar Taub ert von der Resolution Copie zu senden und 
den Studenten und Schülern hierüber ein allgemeiner 
Befehl zu geben, mit Beifügung einer Uebersetzung des 
Registers in die russische Sprache, damit Jeder seine Arbeit 


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und die Professoren, bei denen er Vorlesungen zu hören 
hat, kenne, unter welchen Befehl sie alle desshalb zur Aus¬ 
führung ihre eigenhändige Unterschrift zu setzen haben». 
Aus diesem Register 1 ) ist ersichtlich, dass man für die 
12 Vortragenden Professoren und Adjuncten nur 12 Stu¬ 
denten hat auftreiben können; sieben von ihnen waren, wie 
oben gesagt, im Jahre 1740 aus der Saikonospassker Aka¬ 
demie geschickt worden, drei waren Ausländer und zwei, Pr o- 
tassow undKotelnikow, die künftigen Akademiker, hatten 
eben erst den Cursus im akademischen Gymnasium beendigt. 
Auch mit diesen wenigen Studenten beschäftigten sich die 
Akademiker, wie wir gleich sehen werden, nicht wie sicli’s 
gehört. 

Der die Anatomie Vortragende Akademiker Wilde hatte 
im Jahre 1736 erklärt, dass er wegen Mangels an Zuhörern 
die ihm ertheilte Instruction in Betreff des Haltens von 
Vorlesungen nicht erfüllen könne. Der Astronom Delisle 
berichtete am 19. September 1742 dem Comptoir des Senats: 
«Obgleich ich gleich von meiner Ankunft an von der Akademie 
russische Studenten genügend verlangt habe, habe ich solche 
doch nicht erhalten können». Es tauchte abermals der 
schon im Jahre 1735 flüchtig berührte Gedanke auf, die 
Universität mit den Cadetten des adligen Corps zu comple- 
tiren. Der akademische Rath Nartow stellte am 22. Juni 
1743 dem Senat vor: «Alle Professoren halten nun schon 
nahe an ein Jahr die nach dem Project des Kaisers Peter’s 
des Grossen, gesegneten und ewig gepriesenen Andenkens, 
eingeführten öffentlichen Vorlesungen nicht, haben keine Ele¬ 
ven oder Schüler russischer Nation bei sich und geben keinen 


1) Siehe Beilage 1. 


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Unterricht», aus welchem Grunde er darum bat, der Senat 
möge befehlen, «damit sie (die Professoren) nach dem Pro- 
ject des Kaisers Peter’s des Grossen, gesegneten und ewig 
gepriesenen Andenkens, Eleven oder Schüler russischer Na¬ 
tion unterrichten, aus dem Cadettencorps sieben oder acht 
Mann solcher Cadetten aus dem Adel herzugeben, welche 
die deutsche, französische und lateinische Sprache ausrei¬ 
chend inne haben, um den Unterricht und die Vorlesungen 
der Professoren zu verstehen, auf dass sie von Stund au zu 
den höheren Wissenschaften übergehen könnten, welche Ca¬ 
detten man durch ausreichende Gage und das Versprechen 
von Rängen ermuthigen könnte». Der Senat jedoch gab der 
Universität keine Cadetten. 

Inzwischen machten sich die Professoren, wie schon 
oben bemerkt worden, von den Beschäftigungen auch mit den 
Studenten los, welche ihnen von der akademischen Kanzelei 
gesandt wurden. Ausserdem eben angeführten ZeugnissNar- 
tow’s reichten die Studenten Protassow und Kotelnikow 
im October 1744 der Akademie einen Rapport folgenden 
Inhalts in deutscher Sprache ein: «Vermöge des den 18. Oc¬ 
tober von der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften 
erhaltenen Befehls, sind wir zu dem Professor Weitbrecht 
gegangen und haben ihm gemeldet, dass wir von der Kan¬ 
zelei zu ihm geschickt wären, Collegia bei ihm über die 
Anatomie zu hören; worauf er uns zur Antwort gegeben, 
er sei nicht Professor von der Anatomie und Medicin (er 
war Akademiker für das Katheder der Physiologie) und 
wäre folglich auch, nicht verbunden über gedachte Wissen¬ 
schaften zu dociren; würde aber die Akademie der Wissen¬ 
schaften desfalls mit ihm einen neuen Contract schliessen 
wollen, so wäre er bereit über die Anatomie zu lesen, und 
er würde auch der Akademie dieserhalb gehörige Vorstel- 



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lung tliun !)». Die akademische Kanzelei traf keinerlei Ver¬ 
fügung, und die angekündigten Professorenvorlesungen ka¬ 
men nicht zu Stande. 

Demnach klagten also die Professoren darüber, dass sie 
keine Studenten hätten, und die Studenten darüber, dass 
die Professoren ihnen keinen Unterricht ertheilten; sowohl 
das Eine, wie das Andere war richtig, und es war erforder¬ 
lich der Universität ebenso Professoren, wie auch Studenten 
zu schaffen. Dies war unter Anderem die Aufgabe des am 
25. September 1747 Allerhöchst bestätigten Reglements 
der Akademie der Wissenschaften und Künste. 

Die Professoren, welche an der so zu sagen studentenlosen Das akade- 
Universität zu lesen verpflichtet waren, fühlten sich durch^ent n«! 
diesen Umstand, der ihnen die Zeit zu gelehrten, rein akade¬ 
mischen Beschäftigungen nahm, beengt und Hessen mit Aus¬ 
nahme einiger, welche sich auf den Kathedern deutscher Uni¬ 
versitäten an das Unterrichten gewöhnt hatten, diese Pflicht 
unerfüllt. Das Reglement theilte die Akademiker in zwei 
Kategorien ein: die vom Unterrichten befreiten und die zu 
Vorlesungen verpflichteten Professoren. Der darauf bezüg¬ 
liche Artikel 1 des Reglements ist folgendermaassen gefasst: 

«Es ist daher ersichtlich, dass solche Leute (die Akademiker) 
durch unermüdliche Arbeit beschäftigt sind, ihre Bemer¬ 
kungen zu machen, Bücher zu lesen und neue Bücher zu 
verfassen; aus welchem Grunde ihnen wenig Zeit dazu bleibt, 

Andere öffentlich zu unterrichten. Daher werden besondere 
Akademiker ernannt, welche die Akademie bilden und Nie¬ 
manden unterrichten, ausser die ihnen beigegebenen Ad- 
juncten und Studenten, und besondere Professoren, welche 
in der Universität unterrichten müssen, über welche bei der 


1) Siehe Beilage 2. 


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Einrichtung der Universität bestimmt werden wird. Wofern 
aber die Noth es fordert und die Zeit es zulässt, soll auch 
der Akademiker in der Universität arbeiten; in solchem 
Fall wird es der Erwägung des Präsidenten überlassen, 
dass er nach Ermessen auch den Akademiker zum Lesen 
der erforderlichen Vorlesungen in der Universität bestimmen 
kann». 

Die Universität blieb wie früher bei der Akademie, was 
im Artikel 36 des Reglements ausgesprochen ist. «Russland», 
heisst es in demselben, «kann sich noch nicht damit begnügen, 
nur gelehrte Leute zu besitzen, welche schon von ihren 
Wissenschaften Frucht tragen, sondern muss immer recht¬ 
zeitig junge Leute für ihre Stellungen in den Wissenschaften 
unterrichten, besonders weil die Akademie bei ihrer Gründung 
nicht anders zu Stande gebracht werden konnte, als grössten- 
theils durch Berufung von Ausländern, in Zukunft soll sie aber 
aus geborenen Russen bestehen; desswegen wird der Aka¬ 
demie eine andere Abtheilung beigefügt — die Universität». 
Die Füllung der menschenleeren Universität mit Studenten 
war schon längst, wie wir gesehen haben, Gegenstand der 
Sorge der Regierung. Auf das Gymnasium, das im Laufe 
seiner zwanzigjährigen Existenz der Universität nur sehr 
wenige Zuhörer geliefert hatte, liess sich nicht rechnen, 
wenn nicht besondere Maassregeln getroffen wurden, den 
Schülerbestand zu sichern. Zu diesem Zweck wurde ein 
Convict von dreissig durch die Krone unterhaltenen Stu¬ 
denten eingerichtet und die Zahl der Stipendiaten im Gym¬ 
nasium auf zwanzig festgesetzt. «Es ist nothwendig», heisst 
es im Artikel 37 des Reglements, «aus den russischen Schü¬ 
lern, wo der Präsident es für das Beste hält, dreissig fähige 
und schon die lateinische Sprache kennende Schüler auszu¬ 
wählen und dieselben an der Akademie anzustellen, indem 



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man ihnen Gage und ein solches Quartier giebt, dass sie alle 
in einem Hause leben können; damit aber in Zukunft diese 
Zahl der Studenten sich immer completiren könnte, ist ein 
Gymnasium einzurichten, an welchem zwanzig junge Leute 
auf Kosten der Akademie zu unterhalten sind, die taug¬ 
lichen sind zu Studenten zu befördern, die untauglichen an 
die Akademie der Künste abzugeben». 

Die Verfasser des Reglements erkannten indess augen¬ 
scheinlich an, dass eine so geringfügige Zahl der auf Krons¬ 
kosten unterhaltenen Studenten und Gymnasiasten die Bil¬ 
dungsbedürfnisse des gewaltigen Reichs nicht befriedigen 
könne. «Wenn solcher Art», heisst es im Artikel 39, «die 
Wissenschaften eingeführt sind, so ist bekannt, dass im Staat 
fähige Leute sehr nöthig sind, und so werden nicht allein 
aus der Universität solche hervorgehen, die das akademische 
Corps ergänzen könnten; es würde aber durchaus nicht hin¬ 
derlich sein, wenn in allen Ständen, im Kriegs- sowohl wie 
im Civilstande, im Innern und Aeussern des Reichs gelehrte 
russische Leute vorhanden wären». Dazu wurde auch das 
Cadettencorps herangezogen, in welchem man auch Zuhörer 
für die Vorlesungen der Professoren zu finden hoffte. «Da¬ 
zu ist es nöthig, aus dem Cadettencorps Diejenigen, welche 
auch Civilwissenschaften zu lernen wünschen, zu solchen 
Vorlesungen in die Universität zu senden, in denen bei ih¬ 
nen kein Unterricht stattfindet, damit die Professoren nie¬ 
mals müssig wären und sich nicht damit entschuldigen 
könnten, dass sie keine Schüler haben» (Art. 40). Der Zu¬ 
gang zur Universität stand Personen aller Stände offen, 
ausser den Kopfsteuerpflichtigen. Die Universität verlieh 
früher denen, die den Cursus an ihr beendigt hatten, keinerlei 
dienstliche Rechte, wie andere höhere Speciallehranstalten, 
und dadurch erklärte man den Mangel an Solchen, welche 

Beiträge z. Kenntniss d. Ruse. Reiches. Dritto Folge. H 


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einzutreten wünschten. Dieses Hinderniss der Completirung 
der Universität mit Studenten wurde zum Theil durch fol¬ 
gende Bestimmung beseitigt: «Wer auf seine eigenen Kosten 
studirt hat, den darf die Akademie nicht zurückhalten in ih¬ 
rem Dienst, und der gehört nicht zum akademischen Corps; 
wenn aber solche Leute die höheren Wissenschaften erlernt 
haben, so ist über Solche gehörigen Orts eine Vorstellung 
zu machen, damit ihnen nach ihren Verdiensten Civilwür- 
den verliehen werden, und sind ihnen die Ränge von Ober¬ 
offizieren der Armee zu geben» (Artikel 42). 

Eine genaue Eintheilung der Wissenschaften nach Fa- 
cultäten war nicht gemacht worden; es war nur gesagt, dass 
«Vorlesungen dreier Classen stattfinden sollen, als mathema¬ 
tische, physische und Humaniora» (Artikel 38). Artikel 45 
zählt die in der Universität vorgetragenen Wissenschaften 
auf. «Folgende Wissenschaften», ist in demselben gesagt, 
«werden in der Universität getrieben: 1) die lateinische 
Sprache durch Vermittelung der russischen, mit ausdrück¬ 
lichem Ausschluss jeder fremden Sprache, der deutschen 
wie der französichen, 2) Prosodie, 3) griechische Sprache, 
4) lateinische Beredsamkeit, 5) Arithmetik, 6) Zeichnen, 
7) Geometrie und die übrigen Theile der Mathematik, 8) Geo¬ 
graphie, Geschichte, Genealogie und Heraldik, 9) Logik 
und Metaphysik, 10) theoretische und experimentelle Phy¬ 
sik, 11) Alterthümer und Literärgeschichte, 12) Naturrecht 
und practische Philosophie oder Sittenlehre». Für alle diese 
Fächer zusammen waren fünf Professoren bestimmt. 

Die Recruti- Dass es dem Präsidenten der Akademie überlassen war, 

' deuten* aus auf Grundlage des Artikels 37 des Reglements «aus den 
nareifim russischen Schulen 30 fähige und schon der lateinischen 
Jahre 1748. Sprache mächtige Schüler» für die Universität auszuwählen, 
war ein klarer Hinweis auf die geistlichen Lehranstalten, in 


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welchen damals allein Latein gelehrt wurde. Daher «wurde 
in der Kanzelei der Akademie der Wissenschaften für gut 
befunden», steht im Protokoll vom 7. Februar 1748, «dass 
jene Schüler nur aus dem Seminar des Alexander-Newski- 
Klosters und aus dem Nowgorodschen Seminar, sowie aus 
dem Moskauer Spassker Schulkloster auszuwählen seien, nach 
Yerhältniss, wesswegen beschlossen wurde: dem Allerheilig¬ 
sten Synod einen Bericht einzureichen, in welchem gefordert 
wird, dass, wenn von der Akademie Professoren zur Auswahl 
jener Schüler ernannt werden, diejenigen Schüler, die dem 
Befinden der Professoren nach für die Akademie befähigt 
erscheinen, ohne Widerspruch aus jenen Stellen zu ent¬ 
lassen sind, wobei die Lehrer, bei denen die ausgewählten 
Schüler unterrichtet worden, den akademischen Professoren 
Attestate über deren Beschaffenheit und Führung geben 
sollen». Zur Auswahl von Seminaristen für die akademische 
Universität wurden für das Alexander-Newski-Seminar 
die Professoren Fischer und Braun und der Adjunct 
Teplow ernannt, in die Moskausche slavisch-griechisch- 
lateinische Akademie aber und das Nowgorodsche Seminar 
wurde Professor Tredjakowski geschickt. Auf diese Weise 
sollten die Saikonospassker Akademie, das St. Peters¬ 
burger und das Nowgoroder Seminar der Universität je 
10 Studenten liefern; aber der St.-Petersburger Erzbischof 
Feodossij willigte, trotz des Drängens der Akademie, nur 
in die Abtretung von vier Schülern aus seinem Seminar ein, 
so dass die Gesammtzahl der aus den Seminaristen genom¬ 
menen Studenten 24 betrug, darunter auch der in der Folge 
sehr bekannte Akademiker Rumowski. Die im Alexander- 
Newski-Seminar ausgewählten Schüler waren zum Anhören 
der Professorenvorlesungen nicht hinreichend vorbereitet, 

wesswegen eine Verfügung erlassen wurde, «sie noch einige 

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Zeit im Gvmnasio zu unterrichten, denn dieselben sind noch 
nicht gerade gut im Stande die Vorlesungen der Professoren 
zu fassen»; ausserdem wurde befohlen, noch zwei von den 
unter die Studenten geschickten Seminaristen «auf einige 
Zeit in das akademische Gymnasium zu schicken, um die 
lateinische Sprache zu lernen». 

Müiier’s Am 10. November 1747 wurde Müller zum Rector 
( 1748 — 1750 ). der Universität ernannt. 

Die Verthei- Im März 1748 wurde den Professoren vorgeschlagen, 
besungen im ohne Verzug ihre Programme vorzulegen und am 18. April 
Jahre 1748. die Vorlesungen zu beginnen; das kam aber nicht zu Stande, 
wie aus dem Protokoll vom 19. April zu sehen ist, in wel¬ 
chem es heisst: «Wenn auch in den aus der Kanzelei der Aka¬ 
demie der Wissenschaften unter dem 29. des vergangenen 
März dieses Jahres an die historische Conferenz*) gesandten 
Befehlen gesagt war, dass die Herren Professoren den 
Studenten Vorlesungen halten sollen, und zum Beginn der¬ 
selben der 18. dieses April-Monats festgesetzt worden war, 
so ist es, wegen der gegenwärtig schlechten Passage über 
den Fluss und wegen des Nichteintreffens der übrigen Stu¬ 
denten aus dem Newski-Seminar, nicht möglich, zum fest¬ 
gesetzten Datum die Vorlesungen zu beginnen, was bis auf 
künftige Zeit, welche von der Kanzelei festgesetzt werden 
wird, abgeändert wird». Ungeachtet dessen wurde durch 
das Protokoll vom 19. April folgende Vertheilung der Vor- 


1) Am 24. März 1748 war beschlossen worden, dass an der Akademie 
«eine besondere Professoren-Conferenz, die historische Conferenz heissen 
soll, besteht. In derselben soll alles das verlesen und durchgesehen wer¬ 
den, was im historischen Departement verfasst wird, ferner auch Aufsätze, 
Gedichte, Kritisches, Philosophisches und alle Humaniora und dabei auch 
die Verordnungen, welche sich auf die Universität und das Gymnasium be¬ 
ziehen». Zum Secretär in dieser Conferenz wurde Tredjakowski er¬ 
nannt. 


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lesungen vorgenommen: «Weil kraft des bestätigten und 
eigenhändig von Ihrer Kaiserlichen Majestät unterschrie¬ 
benen Reglements über die Akademie», steht in diesem 
Protokoll, «die akademischen Professoren den Studenten die 
nöthigen Lectionen geben müssen, ist desshalb beschlos¬ 
sen worden: 1) dass der Professor Tredjakowski die la¬ 
teinische Eloquenz lehren, Crusius lateinische Autoren, 
Alterthümer und die Reinheit des Styls interpretiren, dabei 
auch Lectionen über Literärgeschichte geben, Fischer — 
Universalgeschichte und Chronologie, Braun einen philo¬ 
sophischen, Richmann einen mathematischen Cursus ge¬ 
ben, Winsheim auf dem Observatorium Liebhabern An¬ 
leitung zur Astronomie und Geographie ertheilen, Burg- 
hardt einen anatomischen, Lomonossow einen chemischen 
Cursus lesen, der Adjunct Krascheninnikow in Natur¬ 
geschichte und Botanik unterrichten, Professor Strübe 
Natur- und Völkerrecht erklären, der Rector und Historio¬ 
graph Müller einen Katalog der Vorlesungen und ein Pro¬ 
gramm in lateinischer Sprache schreiben soll, welches Pro¬ 
gramm Professor Lomonossow in die russische Sprache 
zu übersetzen hat, worauf dasselbe nach Approbation und 
Unterschrift in gesetzlicher Form zu drucken ist. Damit 
aber im Russischen Reich bekannt werde, welche Wissen¬ 
schaften in der Universität an der Akademie in St. Peters¬ 
burg gelehrt werden, so sind nach Anfertigung einiger 
Exemplare solche in den Allerheiligsten Synod, in den Diri- 
girenden Senat, in die Collegien, Kanzeleien und Comptoire 
zu senden und einige auch den Zeitungen mitzutheilen. Bei 
der Vertheilung der Tage und Stunden hat der Rector und 
Historiograph Müller darauf zu achten, dass die Stunden 
der Akademiker, die ihnen zur Conferenz bestimmt sind, 
nicht zu Vorlesungen vergeben werden, gleichermaassen 


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ist dasselbe auch in Betreff der Mitglieder der historischen 
Conferenz zu beobachten. Dabei ist für die Universitäts¬ 
professoren festgesetzt, täglich zwei Stunden lang Vorlesun¬ 
gen zu halten». 

Die Professoren begannen ihre Vorlesungen dennoch 
nicht, und die Studenten blieben ohne Beschäftigung; nur 
Tredjakowski und Crusius hatten ihreCurse vorbereitet, 
wesshalb ihnen auch vorgeschlagen wurde die ihnen über¬ 
tragenen Fächer zu lehren. «Weil um einiger Raisons wil¬ 
len», heisst es im Protokoll vom 11. Mai, «es unmöglich ist, 
schon alle Vorlesungen an der Universität zu beginnen, die 
aus Moskau und Nowgorod gesandten Studenten aber mittler¬ 
weile ihre Zeit umsonst verlieren könnten, ist um desswegen 
in der Kanzelei beschlossen worden: dass Herr Professor 
Tredjakowski vom fünfzehnten dieses Monats an seine 
Vorlesungen über den Styl und die Reinheit der lateinischen 
Sprache beginnen und Herr Professor Crusius die klassi¬ 
schen Autoren und die Literärgeschichte in Verbindung mit 
den Alterthümern interpretiren soll; Herr Tredjakowski 
hat seine Vorlesungen allen zwanzig Studenten Nachmittags 
von 2 bis 5 Uhr und Crusius, ebenfalls allen Studenten, 
Morgens von 9—12 Uhr zu halten. Besagte Vorlesungen 
sollen in dieser Ordnung Montags, Dienstags, Donnerstags, 
Freitags und Sonnabends so lange fortdauern, bis die allge¬ 
meine Vertheilung für die übrigen Professoren und ihre 
Vorlesungen gemacht ist. Welche Autoren und nach wel¬ 
cher Methode in besagten Vorlesungen die Professoren 
Tredjakowski und Crusius zu tractiren gesonnen sind, 
darüber haben sie an die Kanzelei zu rapportiren». 

Aus den Acten der akademischen Kanzelei ist nicht er¬ 
sichtlich, dass die von ihr festgestellte Vertheilung der 
Vorlesungen unter den Professoren irgend wann zur Aus- 



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führung gebracht worden wäre. Inzwischen wurde einer von 
den beiden Vortragenden Professoren schleunig entlassen. 
Im Protokoll vom 27. April 1749 finden wir: «Durch Be¬ 
fehl Ihrer Kaiserlichen Majestät, erhalten aus Moskau vom 
Hauptcomptoir der Akademie der Wissenschaften unter dem 
20. dieses Aprils, ist befohlen: den Professor Crusius sei¬ 
ner sehr schlechten und der Akademie anstössigen Hand¬ 
lungen wegen aus dem akademischen Dienst zu entlassen 
und ihm die Gage nur bis zum 1. Mai dieses Jahres, 1749, 
auszuzahlen, dem Professor Fischer aber zu befehlen, in 
der Universität Eloquenz und dem Historiographen Müller 
Geschichte zu lehren, ausserdem aber ohne Verzug einen 
anderen fähigen und im lateinischen Styl kunstreichen Mann 
zu verschreiben». Allein Fischer kam dem nicht nach: 
«obgleich dem Professor Fischer», heisst es im Protokoll 
vom 18. Juni 1750, «befohlen worden, die Vorlesungen des 
Professors Crusius fortzusetzen, so hat er das bis jetzt 
unter dem Vorwände noch nicht gethan, dass die Aufsicht 
über die Studenten und das Rectorat im Gymnasio ihm so 
viel Mühe verursachen». 


Schon vor der Entlassung von Crusius, nämlich im 
Februar, waren die Vorlesungen Tredjakowski’s über die 
Schönheit der lateinischen Sprache eingestellt worden, um 
den Studenten mehr Zeit zur Beschäftigung mit den neuen 
fremden Sprachen zu lassen. 


Die Studenten waren nach dem akademischen Regle- Das inspec- 
ment verpflichtet in einem Hause zu wohnen; die Aufsicht 
über sie war dem Professor Fischer übertragen, dem in j^studen- 


demselben Hause ein Quartier angewiesen wurde. «Weil die tenconvict 
akademischen Studenten», steht im Protokoll vom 3. August 


1748, «ihre Wohnung im Hause der Barone Stroganow 


haben und ein solcher Aufseher für dieselben, der sie unter 



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seiner beständigen Aufsicht haben könnte, noch nicht er¬ 
nannt ist, während für nöthig erachtet worden ist, alle Stu¬ 
denten Herrn Professor und Rector Gymnasii Fischer zur 
Beaufsichtigung anzuvertrauen, so muss um desswillen der 
Herr Professor selbst wegen der Nähe und immerwähren¬ 
den Aufsicht über sie, in demselben Hause eine Wohnung 
haben». Man beabsichtigte die Studenten vollständig auf 
Kronsunterhalt zu nehmen, doch hielt es die akademische 
Kanzelei für nöthig, sie anfangs selbst zu fragen, ob sie da¬ 
mit einverstanden seien. «Weil die akademische Kanzelei», 
heisst es im Protokoll vom 15. October, «die Absicht hat, 
alle akademischen Studenten sowohl an Nahrung, als an 
Kleidung und Schuhzeug und allem Uebrigen auf Krons¬ 
kosten zu unterhalten, eine solche Gage aber, wie Jeder 
jetzt erhält, nicht zu zahlen, und es noch unbekannt ist, ob 
die Studenten das für wünschenswerth halten, so ist um dess¬ 
willen beschlossen worden: dem Professor Fisch er eine Ordre 
zu schicken, dass er, alle Studenten versammelnd, sie ab¬ 
stimmen Hesse: ob sie in solchem Kronsunterhalt zu stehen 
wünschten, oder Alle bei der gegenwärtigen Gage bleiben 
möchten». Die Studenten schlugen den Kronsunterhalt aus, 
und der Gedanke an die Einrichtung eines Internats wurde 
aufgegeben. Im Protokoll vom 26. Mai 1749 heisst es: 
«Weil im vergangenen Jahre, 1748, die akademische Kan¬ 
zelei die Absicht hatte, alle akademischen Studenten auf 
Kronstractament und Provision zu halten, so wurde desswe- 
gen der Sohn des verstorbenen Hofofenheizers Afanassij Ja- 
kowlew, Alexei Afanassjew, mit einer Gage von 50 Rubel 
jährlich als Koch angestellt, worüber am 10. August 1748 
eine Verfügung getroffen wurde, aber am 24. October wurde 
dieselbe wegen der Abneigung der Studenten, auf Krons¬ 
tractament zu leben, durch eine Kanzeleiresolution wieder 



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aufgehoben, da Niemand vorhanden, bei dem erwähnter 
Alexei Afanassjew Koch sein könnte». 

Die Studenten fühlten sich offenbar durch das Zu¬ 
sammenleben beengt und waren unter verschiedenen Vor¬ 
wänden bemüht, sich, wenn auch nur zeitweilig, von dem¬ 
selben zu befreien; so fingen sie an sich zur Abendmesse 
frei zu bitten; «In der Kanzelei der Akademie der Wissen¬ 
schaften», ist im Protokoll vom 10. Mai 1749 gesagt, 
«wurde vom Professor und Rector Gymnasii Fischer ein 
Rapport über die Studenten vorgestellt, dass sie um Er¬ 
laubnis bitten zum Vespergottesdienst zu gehen, an wel¬ 
chen Tagen, darüber lege er ein Register bei, die Erlaub¬ 
nis könne er ihnen aber von sich aus ohne die Kanzelei 
nicht geben. Und hierauf ist ihm eine Ordre zu eröffnen, 
dass dieses Werk für etwas sehr Nützliches und dem christ¬ 
lichen Gesetz Wohlgefälliges angesehen wird, in Betreff sol¬ 
chen Wunsches und Eifers derselben zum Gottesdienst wird 
nicht nur an Feiertagen, sondern auch an Sonntagen ge¬ 
stattet, Solche, die es wünschen, zum Abendgottesdienst 
und zur gottesdienstlichen Lithurgie zu entlassen; nur ist 
strenge darüber zu wachen, dass sie nach Beendigung des 
Abendgottesdienstes und der Messe (was Jedem bekannt ist, 
wie viel Zeit zu diesen Gottesdiensten gebraucht wird) alle 
zusammen zur rechten Stunde wieder heimkehren und in 
ihren Wohnungen sind. Es ist ausserordentlich darauf Acht 
zu haben, dass nicht Jemand von ihnen unter dem Vorwände 
des Abendgottesdienstes oder der Messe irgend eine andere 
Gelegenheit benutze; wenn aber Jemand wider Erwarten 
statt ih die Kirche zu gehen, einen anderen Ort besuchen 
wird und betrunken oder sonst ungehöriger Weise erscheint, 
so ist über Solche auf jeden Fall an die Kanzelei zu be¬ 
richten». 


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Die akademische Obrigkeit hatte, weil sie schon früher 
von der schlechten Aufführung vieler Studenten wusste, 
Grund, ihrer besonderen Religiosität zu misstrauen und sich 
auf ihre Wohlanständigkeit nicht zu verlassen. So ist im 
Protokoll vom 8. Februar 1749 vermerkt: «Am 5. August 
des verflossenen Jahres 1748 wurde auf Beschluss der Kan¬ 
zelei der Akademie der Wissenschaften dem Rector Gymnasii 
und Professor Fischer eine Ordre gesandt, in welcher unter 
Anderem vorgeschrieben war, über die Studenten eine fleis- 
sige Aufsicht auszuüben, damit sie in der von Vorlesungen 
freien Zeit immer in ihren Quartiren seien, und strengstens 
darauf zu achten, dass unter ihnen keine Trunkenheit statt¬ 
finde und dass sie in der Wohnung sich wohlanständig auf¬ 
führten. Weil aber jetzt die Kanzelei benachrichtigt wor¬ 
den, dass die Studenten in den Nächten sich herumtreiben 
und saufen und in verdächtige Häuser gehen, wodurch sie ge¬ 
fährliche Krankheiten bekommen und dadurch ihren Unter¬ 
richt versäumen, so ist dem erwähnten Herrn Fischer zur 
Bekräftigung eine Ordre zu senden, dass er die frühere 
Ordre mit allem Fleiss ausführe und in den Nächten in den 
Wohnungen aller Studenten selbst nachsehe, ohne sich darin 
auf die älteren Studenten zu verlassen, und dem Aufseher 
Bock ebenfalls eine Ordre zu senden, dass er im Hause der 
Stroganow’s das Thor und das zum Demidowschen Hause 
führende Pförtchen, ebenso auch die Thür zur Treppe aus 
dem Hausflur nach dem Fluss zu fest abschliesse, damit es 
gar keinen Durchgang für wen immer gebe und nur durch 
die Pforte allein gegangen werden könne; auf dem Hofe aber, 
im Vorhause, sei eine Schildwache aufzustellen und ihr streng 
anzubefehlen, dass sie des Tages, besonders aber in der Nacht, 
keinen einzigen Studenten herausliesse, es sei denn, dass sie 
vom Professor Fischer seinetwegen einen Befehl erhalten» 



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Fischer war heftig und ausserordentlich reizbar, was 
der Akademie nach seinem wiederholentlich während der 
sibirischen Reise hervorgetretenen excentrischen Benehmen 
nicht unbekannt sein konnte. Er konnte mit den 20 Studenten 
nicht zurechtkommen und forderte strenge Maassregeln 
gegen dieselben. «Vom Professor und Rector Fischer», ist 
im Protokoll vom 7. April 1749 eingetragen, «ist ein Rap¬ 
port eingegangen, in welchem er erklärt, dass die Studenten 
sich von Tag zu Tag allstündlich schlechter aufführen und die¬ 
selben ohne grossen Zwang zu bändigen nicht mehr möglich 
sei, und desshalb bittet er sechs bis acht Mann Soldaten in 
die Universität zu geben, welche unter seinem Commando 
ständen. Weil aber die bei der Akademie befindlichen 
Wachtsoldaten so vertheilt sind, dass es unmöglich ist auch 
nur einen von ihnen an einen anderen Platz abzucomman- 
diren, und um der anbrechenden Campagne willen (damals 
wurden Vorbereitungen für den Fall eines Krieges mit 
Schweden getroffen) eine Vermehrung derselben nicht er¬ 
hofft werden kann, so beschliesst die Kanzelei der Akademie 
der Wissenschaften: auf den ersten Punkt, erstens Fischer 
aus den akademischen Soldaten als Ordonnanz Astafij Taby- 
rew zu geben, der unausgesetzt bei ihm zu sein und alle 
seine auf Kronsbedürfnisse bezüglichen Befehle ohne jede 
Widerrede zu erfüllen hat; zweitens dem akademischen 
wachthabenden Unteroffizier zu befehlen, dass, wenn Pro¬ 
fessor Fischer durch die ihm beigegebene Ordonnanz Solda¬ 
ten fordert und befehlen wird Jemand zu arretiren, Solches 
auszuführen ohne vorher die Kanzelei zu fragen und am an¬ 
deren Tage darüber an die Kanzelei zu rapportiren, wie es 
Professor Fischer ebenfalls zu thun habe; auf den zwei¬ 
ten Punkt — soll er, Fischer, zwei gewissenhafte und nüch¬ 
terne Leute ausfindig machen, auf welche er sich verlassen 


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könnte, und sie der Kanzelei vorstellen, welche dieselben, wenn 
sie sie angenommen hat, ihm übergeben wird; auf den drit¬ 
ten Punkt — weil ihm im ersten Punkt eine Ordonnanz er¬ 
nannt worden, so ist ihm ein besonderer Mensch nicht mehr 
nöthig; auf den vierten Punkt — er soll hierüber ohne Ver¬ 
zug seine Meinung in der Kanzelei einreichen, worauf eine 
Resolution desshalb erfolgen wird; auf den fünften Punkt — 
dass die Schildwache nicht am Thore, sondern auf der Treppe 
stehen soll; dem wachthabenden Unteroffizier ist Ordre zu 
senden, dass er den Schildwachen strengen Befehl gebe, 
Studenten nicht vom Hof zu lassen und dafür kein Löse¬ 
geld von ihnen zu nehmen, welche aber dessen überführt 
werden, sollen nach militärischer Ordnung dafür hart be¬ 
straft werden». 

Wahrscheinlich beschwerte sich Fischer zu gleicher 
Zeit auch beim Präsidenten der Akademie Grafen Rasu- 
mowski, der sich damals in Moskau befand, über die Stu¬ 
denten, denn im Protokoll vom 19. April hat sich folgende 
Bestimmung erhalten: «Durch den Befehl Ihrer Kaiser¬ 
lichen Majestät, gesandt aus Moskau von der Hauptkanzelei *) 
der Akademie der Wissenschaften (d. h. von Teplow, dem 
Secretär des Präsidenten) vom 6. dieses Aprils sub JV° 58, 
hier eingetroffen am 12. April, ist befohlen: die Studenten 
Alexei Protassow, Wassilij Teplow und Anton Barssow, 
weil sie am verflossenen 28. Februar den Studenten Kosle- 
nizki geschlagen, ins Karzer zu setzen und sie dort bei 
Wasser und Brod zwei Wochen lang zu halten, an Geld aber 
ihnen nicht mehr auszuzahlen, als die nöthige Zahl wäh- 


1) Im December 1748 hatte Graf Rasumowski, indem er sich zur Be¬ 
gleitung der Kaiserin nach Moskau begab, zwei akademische Kanzeleien 
eingerichtet: die St. Petersburger unter Verwaltung Schumacher’s und 
die Moskauer Hauptkanzelei, deren Vorstand Teplow war. 



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rend ihres Sitzens und nach ihrer Befreiung — nach Pro¬ 
portion, und in Zukunft die Studenten nach Maassgabe der 
Verschuldungen bis zur Bestätigung des Universitätsregle- 
ments nach Erwägung der hiesigen St. Petersburger Kan¬ 
zelei der Akademie der Wissenschaften zu strafen». 

Die Studenten, welche Seminaristen gewesen, kannten Die Beschaf- 
die neuen fremden Sprachen nicht; Einige von ihnen wünsch- ^studenteiT 
ten Französisch und Deutsch zu lernen, wesshalb Rector ( 1749 )- 
Müller eine Vorstellung über ihren Unterricht in diesen 
Fächern seitens der Gymnasiallehrer machte, und dies 
wurde auch gestattet. «Durch Befehl Ihrer Kaiserlichen 
Majestät aus der Hauptkanzelei der Wissenschaften», heisst 
es im Protokoll vom 23. Februar 1749, «ist befohlen wor¬ 
den: auf den Rapport des Professors Müller, dass die 
Studenten in der Universität die deutsche und französische 
Sprache, ohne deren Verständniss ein guter Fortgang in 
den Wissenschaften nicht wohl stattfinden kann, zu den von 
ihm, Herrn Müller, festgesetzten Stunden lernen sollen, 
ist den Studenten, die es wünschen, darin freie Hand 
zu geben, und ist fürs Erste, weil freie nicht vorhanden, 
befohlen worden, zwei Lehrer aus dem Gymnasio dazu^ 
zu bestimmen und zwar Herwart für die Anfangsgründe 
der französischen Sprache und Müller für die deutsche 
Sprache». Die fleissigsten von den Studenten erkannten 
selbst ihre unzureichende Vorbereitung in der lateinischen 
Sprache und in anderen Fächern und baten, ihnen die Mög¬ 
lichkeit zu geben, «sich in ihnen weiter auszubilden». Müller 
fand, es sei am besten, dazu am Gymnasium eine oberste 
oder Rectorclasse zu gründen, bis dahin aber einem der Pro¬ 
fessoren aufzutragen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das ist 
im Protokoll vom 11. October 1749 dargelegt: «Auf den vom 
Rector und Historiographen Müller vom 6. dieses Octo- 


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bers eiügereichten Bericht, in welchem er vorstellt, dass, 
wegen der Unzulänglichkeit einiger Universitätsstudenten 
in der lateinischen Sprache und anderen Schulwissen¬ 
schaften und auf die Bitte einiger Studenten, und zwar 
(es folgen zehn Familiennamen, darunter Stepan Ru- 
mowski), dass man Sorgfalt anwende, sie in den obener¬ 
wähnten Schul Wissenschaften zu unterrichten, es unum¬ 
gänglich nothwendig sei, eine oberste Rectorclasse am 
Gymnasio zu gründen, in welcher solche Studenten zu¬ 
sammen mit den Studenten des Gymnasiums unterrichtet 
werden sollen, so lange das aber noch nicht geschehen, Je¬ 
manden von den Professoren zu ernennen, welcher ihnen 
die grammatikalischen und rhetorischen Regeln interpre- 
tire und ihnen verschiedene Exercitien zu componiren auf¬ 
gebe, die sich auf den Styl und die Rhetorik beziehen, und 
solche Exercitien mit umständlicher Erläuterung corrigire, 
weil ohne solche Grundlage alle ihre Arbeiten in den höheren 
Wissenschaften umsonst sein und der Akademie in Zukunft 
zum Tadel gereichen würden, — wurde um desswillen in der 
Kanzelei der Akademie der Wissenschaften beschlossen: dar¬ 
über dem Professor und Rector Gymnasii Fischer zu schrei¬ 
ben und von ihm seine Meinung und Angabe der Mittel zu 
verlangen, wie die erwähnten Studenten bis zur Einrichtung 
einer obersten Rectorclasse im Styl unterrichtet werden 
sollen, damit sie in ihrem Unterricht keinen Aufenthalt er¬ 
litten». Es ist unmöglich die volle Berechtigung der Mei¬ 
nung Müller’s zu verkennen, dass die jungen Leute zur 
bewussten Aneignung des Universitätscursus nothwendig 
vorher eine ernste Gymnasialschule durchmachen müssten, 
was viele seiner Zeitgenossen nicht erkannten und welche 
Meinung leider auch zu unserer Zeit nicht von Allen ge- 
theilt wird. 



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— 175 — 


Die besser als die übrigen vorbereiteten Studenten 
unterrichteten ihre Kameraden, und der Präsident benutzte 
sie unter Anderem, um die Studenten während der Ferien 
zu beschäftigen. Das ist verzeichnet im Protokoll vom 
2. August 1749. «Weil Se. Erlaucht der Herr Präsident 
der Akademie der Wissenschaften, Graf Kirill Grigorje- 
witsch Rasumowski, vom 17. des verflossenen Juli schrift¬ 
lich befohlen hat, dass die Studenten in der Ferienzeit nicht 
ganz müssig gehen sollen, haben um desswillen die Studenten 
Kotelnikow und Kusnezow, ferner auch die Lehrer Her¬ 
wart und Schöning ihre gewöhnlichen Lectionen fortzu¬ 
setzen; ausserdem hat aber der Lehrer Andrei Grekow in der 
Woche je vier Mal in der Zeichnenkunst zu unterrichten 
und an den übrigen Tagen sollen die Studenten die Rede des 
Herrn Professors Müller, aus zwanzig Blättern bestehend, 
und die Beschreibung Kamtschatka’s, welche vomAdjuncten 
Steller verfasst worden ist, aus fünf Buch Papier bestehend, 
abschreiben». (Steller war Adjunct für das Katheder der 
Naturgeschichte; er reiste von dem Jahre 1737 an in Sibi¬ 
rien und starb auf dem Rückwege von dort in Tjumen im 
Jahre 1746. Die von ihm verfasste Beschreibung Kam¬ 
tschatka’s wurde im Jahre 1774 in deutscher Sprache her¬ 
ausgegeben.) 

Einige Studenten unterrichteten im Gymnasium, was 
ihren Universitätsstudien hinderlich sein musste; Müller 
wies darauf hin, aber erfolglos. Im Protokoll vom 18. Mai 
1750 heisst es: «Die Studenten Wolkow, Ssafonow und 
Barssow geben einige Stunden des Nachmittags Unterricht 
in der Arithmetik, doch muss aus dem nach dem Examen 
eingereichten Rapport des Herrn Professors Müller ge¬ 
schlossen werden, dass sie, damit beschäftigt, einen Auf¬ 
enthalt in ihrem eigentlichen Studium erleiden. Weil aber 


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die Kanzelei der Akademie der Wissenschaften in keiner 
Weise gesonnen ist zuzulassen, dass den Studenten, in 
welcher Art es auch sei, ein solches Hinderniss in ihrem 
Studium verursacht werden könnte, so wird um desswegen 
dem Herrn Professor Fischer hiermit der Befehl gegeben, 
zu dieser Arbeit Freiwillige auszuwählen, welche schriftlich 
erklärten, dass eine solche Arbeit zu leisten sie in ihren 
Studien nicht störe und dass sie sich solcher Mühe frei¬ 
willig um der Belohnung willen unterzögen, und hierüber 
der Kanzelei ohne Verzug zu rapportiren; demgemäss be¬ 
stimmt die Kanzelei denjenigen, welche einen solchen Unter¬ 
richt übernehmen, ausser ihrer eigentlichen Gage eine Be¬ 
lohnung bis 24 Rubel». Wahrscheinlich verlockt durch eine 
solche Vergütung und überredet vom Rector Gymnasii, 
willigten diese Studenten ein, die Stunden am Gymnasium 
fortzusetzen; im Protokoll vom 31. Juni ist verzeichnet: 
«in einem Rapport vom 22. dieses Mai stellte Professor Fi¬ 
scher vor, dass die Studenten selbst gern Unterricht zu 
geben wünschen; Barssow, Ssafonow und Wolkow geben 
auch schon, die ihnen versprochene Belohnung beziehend, 
Unterricht». 

Die Ferien Im Laufe von drei Jahren seit Bestätigung des akade- 

m versität 11 mischen Reglements erfolgte hinsichtlich der Professoren 
( 174 9). (j er Universität nur eine einzige Verordnung des Präsi¬ 
denten, welche die Ferien betraf. Graf Rasumowski wollte 
eine Zeit für dieselben bestimmen, es erwies sich aber, dass 
die Professoren sich selbst schon früher eine Ferienzeit 
festgesetzt hatten und Gebrauch von derselben machten. 
Das Protokoll vom 10. August 1749 beschreibt das fol- 
gendermaassen: «In dem am 9. dieses August aus Moskau 
eingetroffenen Briefe vom Assessor Herrn Teplow an den 
Ratb Herrn Schumacher steht geschrieben: Se. Erlaucht 


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— 177 — 


der Herr Präsident hatte in der Hoffnung, dass die Herren 
Professoren, in genügendem Verständniss für die Geltung 
des akademischen Reglements, was ihr Amt betrifft, von sich 
aus ohne Befehl des Präsidenten nichts tliun würden, um 
desswillen Erlaubniss gegeben, vom 12. des vergangenen 
Monats bis zum 5. September Ferien zu haben. Weil sie 
aber, ungeachtet der Machtvollkommenheit des Präsidenten, 
sich selbst freie Tage vom 12. Juli bis zum 12. August 
festgesetzt und dies in Ausführung gebracht haben, hat Se. 

Erlaucht befohlen zu eröffnen, dass die frühere Ordre über 
die Ferien ganz zu vernichten sei; und haben sie vom 
13. August an unabänderlich ihre Arbeit anzutreten; auf 
welchen Befehl aber und auf welchen Punkt des akademi¬ 
schen Reglements hin sie sich selbst, ohne den Willen ihres 
höchsten Chefs, freie Tage festsetzten, wie sie das schon 
mehrfach gethan haben, darüber ist unverzüglich von der 
St. Petersburger Kanzelei eine Antwort mit ihrer Unter¬ 
schrift einzufordern; denn wenn in dem akademischen 
Reglement nichts von freien Tagen erwähnt und das bis 
zum Universitätsreglement auf sich beruhen gelassen wor¬ 
den ist, so ist es um so mehr ihre Pflicht, entweder eine 
besondere Resolution über solche Ferien zu verlangen, oder 
abzuwarten, dass ihnen eine Ordre darüber eröffnet werde; 
das darf aber nicht geschehen, dass sie mit ihren Beschlüs¬ 
sen den Befehlen des Präsidenten zuvorkommen. Um dess¬ 
willen ist beschlossen: in die akademische und historische 
Conferenz, in die Akademie der Künste, in die Universität 
an die Professoren Befehle nebst einer Abschrift alles oben 
Erwähnten zu senden, damit die Herren Professoren das 
unverzüglich in Ausführung brächten». 

Durch das akademische Reglement war es dem Präsi- Die Verord- 
denten der Akademie überlassen, aus eigener Machtvoll- nimg u 1 

Beiträge z. Kenutniss d. Boss. Reiches. Dritte Folge. 12 



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— 178 


die Universi- komraenlieit das Statut für die Universität zu bestätigen, 
tat (l/oO). ß asu]nows ] i j trug die Abfassung dieses Statuts Mül¬ 
ler als dem Rector der Universität auf. «Weil der Herr 
Professor und Historiograph Müller zum Rector der Uni¬ 
versität an der Akademie der Wissenschaften ernannt ist», 
heisst es im Protokoll vom 13. Juni 1748, «und kraft des 
akademischen, mit Ihrer Kaiserlichen Majestät eigenhändi¬ 
gen Unterschrift confirmirten Reglements dieser Universität 
im Namen des Präsidenten ein besonderes Reglement vor¬ 
geschrieben werden soll, nach welchem die Lehrenden und 
die Lernenden sich zu verhalten hätten, so ist um dess- 
willen beschlossen worden: dass der erwähnte Herr Rector 
Müller mit aller Umsicht solche regulae für die Universität 
abfassen, welche sowohl den Wissenschaften, als der guten 
Führung der Lernenden förderlich sein könnten, und sie 
nach der Abfassung in der Kanzelei zur Approbation ein¬ 
reichen solle». Als man zur Ausführung dieses Projects 
schritt, überzeugte man sich, dass keine Möglichkeit sei ein 
Universitätsstatut abzufassen, weil eine eigentliche Univer¬ 
sität in Wirklichkeit nicht existirte und sowohl wegen Man¬ 
gels an Professoren, als auch wegen der so geringen Zahl 
von Studenten nichts da war, woraus sie zu bilden; daher 
wurde statt des Statuts eine zeitweilige Instruction verfasst. 
Graf Rasumowski machte darüber am 10. August in fol¬ 
genden Ausdrücken eine Eröffnung: «Weil im akademischen 
Reglement, im Punkt 44 geschrieben steht, das Alle, sowohl 
Professoren und Lehrer, als Studenten und Schüler, welche 
von der Akademie unterhalten werden oder sich selbst 
unterhalten, dem Reglement unterworfen sind, das vom 
Präsidenten verfasst werden soll, in welcher Weise und zu 
welcher Zeit nach dem Beispiel europäischer Universitä¬ 
ten zu lernen und zu unterrichten ist, weil ferner sowohl 


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Lehrende als Lernende bis jetzt sich noch nicht in einem 
solchen Zustande befinden, in welchem es möglich wäre, 
ein vollständiges Universitätsreglement zu erlassen, und 
damit darin keinerlei Unterlassung stattfände, habe ich für 
gut befunden: bis zur Abfassung des Reglements eine In¬ 
struction oder zeitweilige Verordnung über die Universität 
und das Gymnasium zu erlassen». 

Diese (Verordnung über die Universität und das Gym¬ 
nasium» ist nichts Anderes als eine Zusammenstellung von 
Disciplinarregeln, die sich sowohl auf die Professoren, als auch 
insbesondere auf die Studenten beziehen. Ueber die Pro¬ 
fessoren ist im Artikel 25 gesagt: «Weil ich mit Erstaunen 
erfahre, dass einige von den Universitätsprofessoren ohne 
wichtige Ursachen entweder garnicht, oder doch zu spät zu 
ihren Vorlesungen kommen, so wird es für unumgänglich 
erforderlich erachtet, solche Säumige mit einem Gagen 
abzug als Strafe zu belegen und zwar für eine Stunde eine 
Tagesgage vom etatmässigen Gehalt abzuziehen». Die Be¬ 
strafungen der Studenten sind im Artikel 6 folgendermaassen 
ausführlich erörtert: «Er (der Rector der Universität) hat 
Aufsicht über die gagirten Studenten (welche Unterhalt er¬ 
hielten oder Kronsstipendiaten waren) zu führen und darauf 
zu achten, dass sie ein ordentliches Leben führen und sich 
auch in den Wissenschaften, wie siclis gehört, üben. Wenn 
aber Jemand eine Schuld begeht, so hat er nach Durch¬ 
sicht der Sache den Befehl zu geben ihn zu strafen und bei 
der Bestrafung wie folgt zu verfahren: 1) Wenn Jemand 
einen Ungehorsam gegen das akademische Obercommando 
begeht, oder sonst Missachtung an den Tag legt, so ist über 
ihn sofort an die Kanzelei zu rapportiren, damit nicht aus¬ 
ser Acht gelassen würde mit ihm nach Befehl zu verfahren, 

und ist er bis zur Resolution unter Arrest zu geben. 2) Wenn 

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Jemand wider den Rector oder dessen Adjmieten (sc. Ungehor¬ 
sam oder Missachtung erweist), so kommt er für den Rector auf 
zwei Wochen bei Wasser und Brod in den Karzer, für den 
Adjuncten auf eine Woche. 3) Wenn wider die Professoren 
und Lehrer — für die Professoren auf eine Woche in den 
Karzer, für die Lehrer auf drei Tage. 4) Wenn Jemand die 
Kameraden oder sonst Jemand mit Worten beleidigt — einen 
Tag Karzer, wenn thätlich — so ist an die Kanzelei zu 
rapportiren. 5) Wenn Jemand sich betrinkt, so kommt er 
das erste Mal auf eine Woche in den Karzer, das zweite 
Mal auf zwei Wochen, das dritte Mal ist an die Kanzelei 
zu rapportiren. 6) Wenn Jemand ohne Wissen des Rectors 
oder seines Adjuncten von Hause geht, so ist er das erste 
Mal nach Ermessen des Rectors in den Karzer zu setzen, 
das zweite Mal auf die doppelte Zeit, das dritte Mal ist zu 
rapportiren. 7) Wenn Jemand nicht zu Hause nächtigt, so 
ist er das erste Mal auf eine Woche in den Karzer zu setzen, 
das zweite Mal auf die doppelte Frist, das dritte Mal ist zu 
rapportiren. 8) Wenn Jemand nicht zur Vorlesung kommt, 
so ist er das erste Mal auf eine Woche in den grauen Kaf¬ 
tan zu stecken, das zweite Mal auf zwei, das dritte Mal auf 
drei Wochen, und so weiter. 9) Wenn Jemand die aufgege¬ 
bene Aufgabe nicht lernt, so kommt er das erste Mal’ auf 
einen Tag in den grauen Kaftan, das zweite Mal auf zwei 
Tage, das dritte Mal auf drei, und so fort. 10) Wenn Je¬ 
mand des Diebstahls überwiesen wird, so ist darüber an die 
Kanzelei zu rapportiren und er bis zur Resolution unter 
Arrest zu geben. 11) Um desswillen sind an der Universität 
fünf zu dem Zweck angefertigte graue Kaftane zu halten und 
darauf zu achten, dass die Bestraften in den grauen Kaf¬ 
tanen ebenfalls keinerlei öffentliche Vorlesungen ver¬ 
säumen)). 



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— 181 — 


Schon vor der Bestätigung der «Verordnung über die Das Rectorat 

Universität», nämlich im Juni, war Müller als Rector ent- nhinikow’s 

lassen und Fischer von der Aufsicht über die Studenten U gp e c t a 0 s r at' 

befreit, zum Rector der Universität aber Professor Kra- Moderach’s 

(1750-1755). 

scheninnikow ernannt worden, «und ist ihm», ist im 
Protokoll vom 18. Juni hinzugefügt, «als Adjunct Herr 
Moderach in der Weise beizugeben, dass er in Abwesen¬ 
heit des Professors, unter seiner Aufsicht, Alles ausführe, 
was der Professor wünschen müsse». 

Bei Einführung der neuen Regeln für die Studenten be¬ 
fahl Graf Rasumowski, in dem Wunsche sie zu ermun¬ 
tern, an die 12 Besten unter ihnen (darunter auch Ru- 
mowski war) Degen zu vertheilen, was im Protokoll vom 
6. September folgendermaassen vermerkt ist: «Se. Hoch- 
gräfliche Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der 
Wissenschaften hat geruht den untenverzeichneten akade¬ 
mischen Studenten (es folgen ihre Namen) für fleissiges 
Lernen und gutes Betragen Degen zu verleihen, und sind 
diese Degen an diesem 6. September während der öffent¬ 
lichen Assemblee in der Akademie übergeben worden». 

Dahingegen wirkte der neue Rector der Universität 
sowohl in Betreff der Professoren, als auch der Studenten 
durch Maassregeln der Strenge. 

Vor Allem fiel er über Müller her, dessen Unterge¬ 
bener er als Student während der sibirischen Reise gewe¬ 
sen war; um sich mit Müller’s eigenen Worten auszu¬ 
drücken, Krascheninnikow «hatte unter seiner Fuchtel 
gestanden». Den Professoren war bestimmt worden, ihre 
Lectionenam 10. September zu beginnen, und das Katheder 
der Geschichte war Müller angewiesen; er weigerte sich 
dessen, weil er schon 18. Jahre keinerlei Vorlesungen ge¬ 
halten. In Folge dessen kam am 13. September folgender 


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Beschluss der akademischen Kanzelei zu Stande: «Weil für 
den Professor der Geschichte nach der neugeschriebenen 
Verordnung über Universität und Gymnasium vom 10. Au¬ 
gust dieses Jahres 1750 nach Artikel 15 angeordnet ist, 
Montags, Dienstags, Mittewochs, Donnerstags und Freitags 
um 12 Uhr Vorlesungen zu halten und Universalgeschichte 
mit Chronologie, europäische Geschichte und politische 
Geographie zu interpretiren, welche Verordnung an die Uni¬ 
versität und die übrigen Behörden, die es angeht, auch zur 
Ausführung versandt worden ist, und den Herren Profes¬ 
soren am 7. dieses Septembers durch ein Memorandum er¬ 
öffnet worden, dass sie ihre Vorlesungen am 10. eben dieses 
Septembers beginnnen sollen, hat Professor Müller auf dem¬ 
selben Memorandum eigenhändig verzeichnet, dass er laut 
Contract von Vorlesungen in der Universität befreit sei; und 
obgleich in seinem, am 20. November 1747 abgeschlossenen 
Contract, im 4. Punkt in derThat geschrieben steht, dass er 
von Vorlesungen befreit sei, so sollte er statt dessen das Rec¬ 
toramt an der Universität versehen, das er schon nicht mehr 
versieht; im seihen Contract steht im zweiten Punkt ge¬ 
schrieben, dass er jedes Jahr je ein Buch der sibirischen 
Geschichte herauszugeben hat, er hat aber seit Unterzeich¬ 
nung des Contracts, bisher in beinahe drei Jahren, nur 
ein Buch der sibirischen Geschichte herausgegeben, und 
auch dieses gewährt nicht solche Befriedigung, wie es sein 
müsste, während er die Gage vom Beginn des Contracts an 
voll empfangen hat; die Vorlesungen sind ihm jetzt aber 
an Stelle dessen bestimmt worden, wozu er sich durch den 
Contract verpflichtet hat; jetzt führt er das aber nicht aus. 
In der obenerwähnten Verordnung über die Universität 
steht nun, dass einige von den Universitätsprofessoren ohne 
wichtige Ursachen entweder gar nicht, oder doch zu spät in 



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ihre Vorlesungen kommen, wesswegen es für ein unumgäng¬ 
liches Bedürfniss erachtet wird, solche Säumige mit einem 
Gagenabzug als Strafe zu belegen und zwar für eine Stunde 
eine Tagesgage vom etatmässigen Gehalt abzuziehen. Um 
desswillen wurde kraft besagter Verordnung beschlossen: 
diesem Professor Müller wegen seines Nichterscheinens 
auf jeder Vorlesung, vom 10. September an gerechnet, für 
jede Stunde eine Tagesgage von seinem Gehalt abzuziehen, 
und wofern er die Collegia nicht lesen würde, hat Professor 
Krascheninnikow darüber an die Kanzelei Rapport ein¬ 
zureichen; dem entsprechend ist ihm, Müller, für dieses 
September-Tertial die Gage ohne besonderen Befehl nicht 
auszufolgen, und damit er, Müller, davon unterrichtet und 
dem Willen des obersten Chefs gehorsam sei und das befoh¬ 
lene Werk fleissig ausführe, ist ihm das in der Kanzelei zu 
eröffnen». 

Müller fügte sich dieser Bestimmung nicht und wollte 
keine Collegia lesen. Darauf wurde von der Kanzelei 
beim Präsidenten über ihn Klage geführt, in welcher seine 
verschiedenen Verschuldigungen aufgezählt wurden, die 
meistentheils auf persönlicher Missstimmung einflussreicher 
Personen in der akademischen Verwaltung gegen ihn begrün¬ 
det waren, und Graf Rasumowski degradirte den Historio¬ 
graphen Müller vom Akademiker zum Adjuncten. Diese 
Strafe dauerte jedoch nicht lange: «Weil der Adjunct Müller», 
schrieb Graf Rasumowski am 21. Februar 1751, «nach 
seinem eigenen Bekenntniss, das er in einem eigenhändi¬ 
gen Bittgesuch an mich vom 21. dieses abgelegt, dass er 
sich der Strafe schuldig fühle, zu welcher er durch sein 
Benehmen selbst Anlass gegeben, so wird ihm dieserhalb, 
in der Hoffnung seiner Unentbehrlichkeit in der Akademie 
und in Erwartung vieler Arbeiten von ihm, auf welche 


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Ihre Kaiserliche Majestät bereits nicht geringe Kosten ver¬ 
wandt hat, sein früherer Professoren-Rang und Würde 
wieder zurüchgegeben und ist ihm die Professorengage von 
tausend Rubel im Jahr, angefangen von diesem 21. Februar, 
auszuzahlen und er von allen Arbeiten zu befreien, unter 
Belassung allein bei Abfassung der sibirischen Geschichte; 
so viel er von derselben in deutscher Sprache geschrieben 
haben wird, hat er dann zur Uebersetzung in die russische 
Sprache in der Kanzelei einzureichen». 

Im October 1750 beschwerte sich Krascheninnikow, 
dass einige Professoren ihre Vorlesungen verabsäumten. Da¬ 
rüber steht Folgendes im Protokoll vom 31. October: «Nach 
der neu unterschriebenen Verordnung über Universität und 
Gymnasium vom 10. August dieses Jahres 1750 ist im Pa¬ 
ragraph 25 für das Nichterscheinen der Professoren zu den 
Vorlesungen eine Strafe durch Gagenabzug festgesetzt und 
zwar für eine Stunde eine Tagesgage nach dem Etat, und 
in derselben Verordnung im Paragraphen 31 ist geschrieben: 
weder Professoren, noch Lehrer sollen andere Feiertage 
haben, ausser den vom Heilig. Dirigirenden Synod in der 
dem Kalender beigegebenen Tabelle festgesetzten. Aber an 
diesem 29. October rapportirt Herr Professor Krasche¬ 
ninnikow: der Unterricht in der Universität findet laut der 
Verordnung statt, nur fehlte am 29. September der Profes¬ 
sor Fischer wegen des Feiertags des heiligen Erzengels 
Michael nach deutschem Kalender, die übrigen Professoren 
Ri chmann, Braun und Kratzenstein haben nicht gelesen; 
von ihnen entschuldigte sich Richmann in einer Erklärung 
vom 29. mit Krankheit, die übrigen haben wegen ihres 
Fehlens keine Erklärung gegeben, und der damalige Profes¬ 
sor, jetzige Adjunct Müller hat während des ganzen Sep¬ 
tembers, vom 10. an gerechnet, keine Vorlesungen gehalten. 



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Um desswillen ist in der Kanzelei der Akademie der Wissen¬ 
schaften beschlossen: den Professoren Fischer, Braun und 
Kratzenstein (ausser Professor Rieh mann, welcher wegen 
Krankheit gefehlt) eine Ordre zur Eröffnung zu schicken 
und in derselben mitzutheilen, dass sie in den Feiertagen 
sich nach dem russischen und nicht nach dem deutschen 
Kalender richteten, und dass wenn Jemand auf den Vor¬ 
lesungen fehle, ohne gesetzliche Gründe mitzutheilen, dem 
kraft der Verordnung, ohne irgend welche Entschuldigungen 
anzunehmen, ein Abzug gemacht werden wird. Was den 
Adjuncten Müller betrifft, so sind ihm kraft der Verord¬ 
nung für den September 13 Tage abzuziehen. Und ist um 
desswegen von dieser Resolution eine Copie in die Rech¬ 
nungsabtheilung zu geben, damit bei der Gagenzahlung 
im Verzeichniss nach dem vom Professor Krascheninnikow 
eingereichten Rapport ein Vermerk gemacht werde.» 

Im August 1751 machte Krascheninnikow wegen der 
von den Professoren versäumten Vorlesungen eine neue Vor¬ 
stellung und theilte der akademischen Kanzelei mit, dass sie 
dieselben nach den Ferien nicht wieder aufgenommen hätten. 
Das ist im Protokoll vom 19. August folgendermaassen aus¬ 
einandergesetzt: «Vom vergangenen 9. Juni bis zu diesem 12. 
August hat Herr Professor Krascheninnikow in Rapporten 
vorgestellt: erstens, dass einige Herren Professoren im Juni- 
Monat nicht auf den Vorlesungen gewesen: Fischer — 
am 11., 15., 18., 25., im Ganzen fünf Tage; Braun — am 
10., 11., im Ganzen zwei Tage; Rector Rothacker (Rector 
des Gymnasiums) — am 7., 18., 19., 20., 28., im Ganzen 
fünf Tage; zweitens: im vergangenen Juli dauerte der Unter¬ 
richt in der Universität bis zum Anfang der Ferien fort, 
seit dieser Zeit aber hat Niemand von den Herren Professoren 
seine Vorlesungen gehalten; vom 1. bis zum 12. Juli 


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fehlten in ihren Obliegenheiten die Herren Professoren: 
Fischer — am 3., 10. und 11., im Ganzen drei Tage; 
Braun—am 1. und 2. im Ganzen zwei Tage; Kratzenstein 
hielt von Beendigung seines Cursus an bis jetzt keine Vor¬ 
lesungen; Rector Rothacker fehlte nur einen Tag, nämlich 
am 2. Juli. Warum aber diese Herren Professoren und 
Rectoren gefehlt haben, die Ursachen ihres Nichterscheinens, 
haben sie nicht erklärt.» Die Kanzelei beschloss: «dass ihnen 
das erste Mal verziehen werde, aber in Zukunft, wenn 
Jemand auf den Universitätsvorlesungen fehle, ohne eine 
gesetzliche Ursache oder Krankheit anzuzeigen, wesshalb 
es ihm unmöglich sei, werde Solchen wegen Ungehorsams, 
kraft der von Sr. Erlaucht erlassenen Verordnung, ohne 
Nachsicht ein Abzug gemacht werden». 

Indessen veranlassten alle diese Drohungen und Nöthi- 
gungen die Professoren nicht, ihre Obliegenheiten zu erfüllen; 
so finden wir im Protokoll vom 23. September 1753 folgende 
Erklärung: «an der Universität finden keinerlei Vorlesungen 
statt, ausser den Vorlesungen des Professors Herrn Braun». 

Mit den Studenten verfuhr Krascheninnikow in der 
rohesten Weise: da er fand, dass die Einsperrung in den 
Karzer und die Bekleidung mit dem grauen Kaftan sie nicht 
ausreichend bessere, machte er den Vorschlag, sie vor ihren 
Kameraden mit Ruthen zu prügeln, und erhielt auch die Er¬ 
laubnis dazu. Eine Erzählung darüber finden wir in einigen 
akademischen Protokollen. So ist in das Protokoll vom 
23. März 1751 Folgendes eingetragen: «Se. Hochgräfliche 
Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der Wissen¬ 
schaften hörte den von dem Herrn Professor und Rector 
der Universität Krascheninnikow in die Kanzelei der 
Akademie der Wissenschaften eingereichten Rapport an, in 
welchem vorgestellt wird: am 10. dieses Monats sah er 



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einige Studenten, welche aus der Universität in die Kirche 
entlassen worden waren, zur Zeit des Gottesdienstes auf den 
Strassen sich umhertreiben, wesswegen er befahl, sie in den 
Karzer zu setzen; und aus dieser Zahl ging Iwan Barkow 
(ein später recht bekannter erotischer Schriftsteller, j 1768) 
ohne Erlaubniss aus der Universität fort, kam zu ihm, 
Krascheninnikow, mit äusserster Frechheit und Unhöf¬ 
lichkeit ins Haus, machte ihm sehr grobe und ärgerliche 
Vorwürfe mit Drohungen, als strafe er ihn ohne Grund, 
warf endlich, nachdem er ihm gesagt, er sei froh, im 
Karzer zu sitzen, nur werde er über ihn schreiben, die 
Thüre so zu, dass sie sperrangelweit aufsprang, und ging 
dann fort; ohne sich mit dieser Frechheit zu begnügen, lief er 
zu einigen von den Herren Professoren und verleumdete ihn, 
den Herrn Professor, und seine Kameraden. Und wenn ihm 
diese Tliat ohne Strafe durchginge, so würde das Anderen 
Anlass zu grösseren Frechheiten geben, der Karzer und der 
graue Kaftan, mit denen sie bestraft werden, hielten sie nicht 
im Geringsten davon ab. Und in Erwägung dieser Vorstel¬ 
lung, dass die Studenten von der Strafe des Karzersitzens 
und der Bekleidung mit dem grauen Kaftan nicht im Ge¬ 
ringsten von schlechten Handlungen zurückgehalten würden, 
geruhte der Herr Präsident zu befehlen: den beregten 
Studenten Barkow für eine solche von ihm verübte Frech¬ 
heit, den Anderen zur Abschreckung, vor allen versam¬ 
melten Studenten mit Ruthen zu streichen; und auch hinfort, 
wenn Jemand von den Studenten sich eben so schlechter 
Handlungen schuldig mache, ihn ebenso mit Ruthen zu 
strafen, welchen Alters er auch sei. Ueber die Bestrafung 
des erwähnten Studenten Barkow ist dem oben angeführten 
Professor Krascheninnikow eine schriftliche Ordre zu 
senden, dass er hinfort über Studenten, welche sich Frech- 


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heiten schuldig machen, die einer solchen Bestrafung würdig 
sind, der Kanzelei, von wo über die Verhängung dieser Strafe 
Ordre zu senden sei, Vorstellung mache, ohne Wissen 
der Kanzelei aber Niemanden mit dieser Strafe belege.» 
Im Protokoll vom 18. Januar 1752 ist eingetragen: «Am 
15. Januar dieses Jahres 1752 rapportirte Professor Kra- 
scheninnikow: Am 13. Januar war befohlen worden zwei 
Studenten, nämlich. Fadei Ochtenski und Peter Dobro- 
tworski, dafür in den Karzer zu setzen, dass Ochtenski 
spät und sinnlos betrunken in die Universität gekommen sei, 
und Dobrotworski, indem er sich krank meldet, die Vor¬ 
lesungen nicht besuche, aber ohne Erlaubniss und Wissen fast 
täglich von Hause gehe; beide erwähnten Studenten erwiesen 
sich aber als ungehorsam und so frech, dass Ochtenski, 
nachdem er Herrn Moderach beschimpft, sagte, er werde 
den Ersten, der ihn arretiren wolle, erstechen, während 
Dobrotworski sich imLazareth einsperrte und nicht in den 
Karzer ging, Nachts aber von Hause ging und es unbekannt 
sei, wo er gewesen. Und für solche schlechte und wider das 
Commando gerichtete Handlungen besagter Studenten wurde 
beschlossen: «sie den Anderen zur Abschreckung, kraft der 
von Sr. Erlaucht dem Herrn Präsidenten der Akademie der 
Wissenschaften eröffneten Bestimmung, in der Universität 
vor allen versammelten Studenten, in Gegenwart des Herrn 
Krascheninnikow und des Adjuncten Herrn Moderach, 
unbarmherzig mit Ruthen zu streichen...., wenn sie aber 
wieder in irgend welche Frechheiten verfallen sollten, sie 
nach grausamster Bestrafung in den Matrosendienst zu 
schicken». Im Protokoll vom 10. Juni 1753 steht: «Der 
(Student) Jaremski ist wegen Rufens nach der Wache, 
wegen Trunkenheit und Prügelei in Gegenwart aller ver¬ 
sammelten Studenten unbarmherzig mit Ruthen zu streichen». 



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Am 12. Juli 1754 stellte die akademische Kanzelei dem 
Grafen Rasumowski vor: «Professor Krascheninnikow 
reichte am 20. September 1753 einen Rapport ein, dass 
Bratkowski (Student) einige Nächte nicht in der Univer¬ 
sität zugebracht und in der Trunkenheit seinen Degen ver¬ 
loren, wofür er aus der Universität ausgeschlossen und in 
das geographische Departement versetzt wurde, wo er einige 
Tage nicht zu seiner Arbeit gekommen sei und die Krons¬ 
uniform vertrunken habe, wofür er mit Ruthen gestrichen 
und geraume Zeit unter Arrest gehalten wurde». Ausser¬ 
dem verfiel Krascheninnikow auf den Gedanken, den 
Studenten, welche sich versündigt hatten, die Uniformen 
und Mäntel wegzunehmen, was im Protokoll vom 23. Sep¬ 
tember 1752 folgendermaassen dargelegt ist: «Herr Profes¬ 
sor Krascheninnikow rapportirte: Am 16. dieses Sep¬ 
tembers sei ihm vom Adjuncten Herrn Moderach mitge- 
theilt worden, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. c. ein 
Streit zwischen den Studenten Polidorski und Ochtenski 
stattgefunden habe, welche, wie man denken könne, betrunken 
waren; indessen sei der Urheber des Streits Polidorski 
gewesen, weil er Ochtenski, der schon im Schlaf war, eine 
Ohrfeige gegeben; ihm, dem Professor, sei befohlen worden, 
über solche Fälle schriftlich zu berichten, und ausserdem 
bitte er, Polidorski aus der Universität auszuschliessen, 
weil er keine Vorlesungen besuche und nur durch sein 
schlechtes Leben die Anderen verderbe. Für die Studenten, 
welche häufig der Trunkenheit und anderer Laster über¬ 
führt werden, werde es seiner Meinung nach eine empfind¬ 
lichere Strafe sein, wenn ihnen bis zur Besserung die Uni¬ 
formen und Mäntel weggenommen werden. Je unzureichen¬ 
der sie mit Kleidung versehen wären, um so rascher würden 
sie zuversichtlicher Weise sich bessern, denn er habe bemerkt, 


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— 190 — 

dass der Karzer zu ihrer Besserung nicht ausreiche. Wenn die 
Kanzelei das approbire, so bitte er, ihm einen Befehl oder 
eine Ordre desshalb zu ertheilen. Auf Grund dieses Rapports 
des Professors beschloss die Kanzelei der Akademie der Wis¬ 
senschaften: den Studenten Polidorski, welcher sich jetzt 
im geographischen Departement befindet, aus der Universität 
auszuschliessen und ihn unter keinerlei Vorwand wieder dort 
zuzulassen, dafür aber, dass er sich so schlechter Handlungen 
schuldig gemacht, ihm die Gage zu vermindern.... Was das 
Verfahren mit den übrigen Studenten aniangt, so soll Herr 
Professor Krascheninnikovv sie nach Prüfung ihrer Ver¬ 
schuldung, kraft der Bestimmung Sr. Hochgräflichen Erlaucht 
des Herrn Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, mit 
Ruthen, mit Karzerhaft strafen, desgleichen auch, wie er vor¬ 
gestellt hat, ihnen die Uniformen und Mäntel wegnehmen». 

Obgleich alle diese, für die Studenten erniedrigenden Be¬ 
strafungen im Namen des Präsidenten der»Akademie bestätigt 
wurden, lässt sich doch annehmen, dass Graf Rasumowski 
nicht mit ihnen sympathisirte und einen besseren Begriff 
von der Jugend hatte. «Tn Betreff der Studenten und ihres 
Studiums», schrieb er am 1. August 1751 an Schumacher 
aus Gluchow, «wollen Sie so viel Eifer als möglich aufwenden, 
weil dieses Institut die beste Frucht der akademischen Ar¬ 
beiten ist. Wenn keine Professoren aus ihnen werden, so 
können aus ihnen gute und pünktliche Uebersetzer oder 
Gymnasiallehrer der lateinischen Sprache für die ersten Clas- 
sen werden. Was ihre Unarten im Leben betrifft, so muss man 
darin, in Erwägung ihrer jungen Jahre, nicht ganz verzwei¬ 
feln und sich so viel als möglich um ihre Besserung mühen, da 
schon nicht geringeUnkosten undZeit an sie verloren worden». 

Hinsichtlich der Studien der Studenten wurden unter 
Krascheninnikow einige Anordnungen getroffen. Bestätigt 



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— 191 — 


wurde der von Müller eingeführte Unterricht derselben 
in den neuen fremden Sprachen, aber nicht — was sich als 
unpraktisch erwiesen hatte — im Gymnasium, wie früher, 
sondern bei besonderen Lehrern. Das Protokoll vom 15. Juli 
1751 legt das wie folgt dar: «Am 9. Juli stellt der Professor, 
Rector der Universität und Inspector Gymnasii Herr Kra- 
scheninnikow in einem Rapport vor: Da für die Studenten 
die Nothwendigkeit vorliegt, die deutsche und französische 
Sprache zu erlernen, was sie auch selbst wünschen, sollte 
es da nicht für genehm befunden werden, weil sie des Mor¬ 
gens, durch die Vorlesungen der Professoren beschäftigt, 
nicht in die Classen (nämlich des Gymnasiums) gehen kön¬ 
nen, des Nachmittags aber im Gymnasium kein Sprachunter¬ 
richt stattfindet, in den erwähnten Sprachen besondere Lehrer 
für sie ausfindig zu machen oder den akademischen Infor¬ 
matoren, welche dazu befähigt sind, unter Verhcissung einer 
Entschädigung, zu befehlen, sie des Nachmittags zu unter¬ 
richten. Und weil die akademischen Lehrer Ko sh in in der 
deutschen Sprache, Sougis in der französischen Sprache 
(beide waren Gymnasiallehrer) Lust haben den Unterricht 
solcher Studenten zu übernehmen und nach Citation in die 
Kanzelei erklärten, dass ihnen für diesen Unterricht, als 
über ihr Amt hinausgehend, eine schickliche Entschädi¬ 
gung gegeben werde und die Stunden festgesetzt werden 
mögen, so wurde um desswillen beschlossen: Koshin — für 
die deutsche Sprache, Montags und Donnerstags je zwei 
Stunden, die fünfte und die sechste, Sougis — für die 
französische Sprache, Mittwochs und Freitags dieselben Nach¬ 
mittagsstunden, anzustellen und ihnen für diese überzählige 
Arbeit ausser ihrer Gymnasialgage Jedem je sechs Rubel im 
Monat zu geben ...., wie aber diese Informatoren bei dem 
Unterricht der Studenten verfahren werden und ob mit 


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gutem Erfolge, darüber hat der Universitätsprofessor, Rec¬ 
tor und Inspector Gymnasii Krascheninnikow allmonat¬ 
lich an die Kanzelei zu rapportiren». Krascheninnikow 
hatte ferner bemerkt, dass die Mehrzahl der Studenten 
in der russischen Sprache schwach sei, und hielt es für noth- 
wendig, sie in russischen Aufsätzen und Uebersetzungen zu 
üben, was er selbst übernahm. Im Protokoll von demselben 
15. Juli wird gesagt. «Am 8. Juli c. stellte der Professor, 
Rector derUniversitätundlnspectorGymnasiiHerrKrasche- 
ninnikow in einem Rapport an die Kanzelei vor: Weil er 
beobachtet habe, dass der grösste Tlieil der Studenten besser 
Latein als Russisch schreibe und obgleich er einen latei¬ 
nischen Autor vollständig verstehe, seine Kraftstellen doch 
nicht in der Muttersprache wiedergeben könne, möge es für 
gut befunden werden, diese Studenten einige Stunden in der 
Woche im russischen Styl und in Uebersetzungen zu unter¬ 
richten; weil aber Niemand da sei, der zu diesem Amt bestellt 
werden könne, so übernehme er, Herr Krascheninnikow, 
freiwillig den Unterricht im russischen Styl und in Ueber¬ 
setzungen, Montags und Freitags, die neunte und zehnte 
Stunde. Desswegen wurde beschlossen: dass er, der Herr 
Professor, im russischen Styl und Uebersetzungen zu den 
angegebenen Tagen und Stunden Unterricht .ertheile». Auch 
Tanzunterricht wurde eingeführt, «welcher für sie unumgäng¬ 
lich nöthig ist, damit sie verständen, in welcher Weise sie 
sich unter den Leuten zu zeigen haben»; «um desswillen», 
heisst es im Protokoll vom 10. October 1750, «ist zum Nutzen 
der Studenten und Gymnasiasten und zum Ruhm der Aka¬ 
demie ein geschickter Tanzlehrer ausfindig zu machen, dem 
im neuen Catalog zwei Tage wöchentlich zu geben sind». 
Anfangs wurde der Tanzlehrer des adligen Cadettencorps 
Nesterow aufgefordert, bald ersetzte man ihn aber durch 



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den Hoftanzmeister Litrow. Die Studenten beschäftigten 
sich auch mit einander, einige von ihnen fuhren fort ihren 
Kameraden Vorlesungen zu halten. Die besten von den Stu¬ 
denten hatten die Erlaubniss den Professorenconferenzen 
beizuwohnen, «hinter den Sesseln zu sitzen und ihre (der 
Professoren) Gespräche zu gemessen», wie im Protokoll vom 
12. December 1750 gesagt ist. 

Im Januar 1753 wurden die Vorträge unter den Pro- Die Verthei- 
fessoren und Studenten in folgender Weise vertheilt: 1) «Herr lu ° r lge r im° r 
Krascheninnikow hat einige der Studenten der ersten Jahre 1753- 
Classe auszuwählen, welche den Studenten der unteren Classe 
in ihrer Wissenschaft Vorlesungen halten könnten; 2) Herr 
Professor Braun hat der ersten Classe philosophische Vor¬ 
träge zu halten und die Geschichte der Philosophie fortzu¬ 
setzen; dagegen haben sie (d. h. die Studenten der ersten 
Classe) die anderen Studenten in den ersten Grundlagen der 
Philosophie zu unterweisen; 3) Herr Professor Fischer 
hat den Plautus mit denen zu lesen, die sich hauptsächlich 
für die Humaniora und die Poesie bestimmt und schon gute 
Fortschritte in der lateinischen Sprache bewiesen haben, die¬ 
jenigen aber, die in dieser Sprache nicht so befriedigend sind, 
oder zu den erwähnten Wissenschaften Lust haben, sollen den 
Styl der lateinischen Sprache beim Rector Herrn Rothacker 
in seiner Classe (d. h. im Gymnasium) so lange lernen, bis 
es für ihre Absicht genügend ist; 4) bei dem gegenwärtigen 
Zustand der Akademie ist es den Studenten unmöglich sich 
der Medicin zu widmen, denn die Herren Professoren der 
anderen Classe, in welcher gewöhnlich auch Mediciner sind, 
kann man unmöglich als Aerzte ansehen, ausser dem Ana¬ 
tomen; aber dieser hat keine Lust Vorlesungen in der Me¬ 
dicin zu halten, wozu er kraft seines Contractes nicht ver¬ 
pflichtet zu sein meint; 5) der Professor HerrKraschenin- 

Beiträge z. Kenntniss d. Basa. Reiches. Dritte Folge. 13 


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nikow hat einen der Studenten, welcher in der Ueber- 
setzung geschickter als die anderen ist, auszuwählen und ihn 
in die Stenger’scheClasse (die Conrectorclasse im Gymna¬ 
sium) zu designiren, damit er mit ihm, Stenger, zusammen 
arbeite und die Schüler in der russischen Uebersetzung un¬ 
terrichte». Diese Vertheilung der Vorlesungen wurde indess 
in Wirklichkeit nicht ausgeführt, und einige Monate später 
fanden überhaupt keine Vorlesungen statt. 

Im Januar 1753 wurden alle 20 Studenten einem Examen 
unterzogen. Sieben von ihnen wurde zuerkannt, dass sie 
den Cursus beendigt hätten, darunter auch Rumowski. 
Die Akademie fand, dass von den Ausstudirten diejenigen, 
die sich den mathematischen und physischen Wissenschaften 
widmen, zu Adjuncten, diejenigen aber, welche sich den phi¬ 
losophischen Wissenschaften und der Literatur zu widmen 
gedenken, zu Magistern ernannt werden können. Lange traf 
die Erlaubniss dazu vom Präsidenten nicht ein; im Septem¬ 
ber reichte Krascheninnikow von Neuem ein Gesuch dess- 
wegen ein, und erst im December wurde endlich die Einwilli¬ 
gung des Grafen Rasumowski eröffnet. «Am 18. dieses 
Decembers ist mit einer Ordre von Sr. Hochgräflichen Er¬ 
laucht das Gutachten der Kanzelei hierher zurück einge¬ 
troffen, auf welchem Se. Hoch gräfliche Erlaucht seine Ap¬ 
probation zu unterzeichnen geruht hat, mit der Raison, dass 
dasselbe mehr mit dem akademischen Reglement überein¬ 
stimmt, nach welchem die Kanzelei zu verfahren hat. Um 
desswillen ist in Ausführung des Befehls Sr. Hochgräflichen 
Erlaucht an diesem 23. December befohlen worden, die 
Studenten Barssow, Jaremski (in der Zwischenzeit 
zwischen seiner Vorstellung und Bestätigung, im Juni hatte 
derselbe, wie oben bemerkt, Ruthen bekommen), Popowski 
und Konstantinow zu Magistern zu ernennen, Ssofronow 



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aber undRumowski zu Adjuncten; und ist jetzt kraft dieses 
Befehls Sr. Hochgräflichen Erlaucht beschlossen worden: 
dass die Studenten Grigorij Pawinski und Iwan Fedorowski 
bei der Uebersetzung gelehrter Angelegenheiten angestellt 
werden, Michael Stadinski aber im Gymnasio anstelle des 
Studenten und gegenwärtigen Magisters Barssow Lehrer in 
der arithmetischen Classe sei». 

Im Jahre 1759 wurde Ssofronow vom Adjuncten zum 
Studenten degradirt. Darüber ist im Protokoll Folgendes 
vermerkt: «Am 1. September 1759 befahl die Kanzelei der 
Akademie der Wissenschaften auf Befehl Ihrer Kaiserlichen 
Majestät: den Adjuncten Michael Ssofronow wegen seines 
ganz maasslosen Saufens, welchem er sich seit langer Zeit 
hingiebt und das er nach mehrfacher Mahnung nicht lässt, 
wodurch er der Akademie nicht nur Schande macht, sondern 
selbst Ehrlosigkeit, aus der Zahl der Adjuncten auszu- 
schliessen, bis er sich bessert und das unordentliche Betragen 
aufgiebt, und ihn unter die Studenten mit einer Gage von 
hundert Rubel im Jahre einzuschreiben und dies dem Sso¬ 
fronow mit der allerstrengsten Einschärfung, dass er das 
Saufen lasse und sich unter Befürchtung grösserer Strafe 
ordentlich aufführe, zu eröffnen». 

Inzwischen hatte zu Ende des Jahres 1753 in der obersten 
Classe des Gymnasiums ein Examen stattgefunden und waren 
auf Vorstellung Krascheninnikow’s acht Gymnasiasten als 
Studenten in die Universität aufgenommen worden, darunter 
Poljenow (der künftige Jurist). «Sie verstehen so viel 
Deutsch», schrieb Krascheninnikow, «dass sie ein Buch 
verstehen und sprechen können, sie kennen die Arithmetik, 
die Geometrie, die Trigonometrie und einen Theil der For- 
tification, haben in der geometrischen Praxis und im Forti- 
ficationszeichnen eine ansehnliche Kunstfertigkeit, wie aus 

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den vorgelegten Plänen und den jetzt mitgetheilten Zeich¬ 
nungen zu ersehen ist; die lateinische Sprache aber kennen 
sie fast ebenso, wie sie die in verschiedenen Städten ausgeho¬ 
benen Studenten kannten, welches Namens die Gymnasiasten 
um so würdiger sind, als die Ausgehobenen ausser der ge¬ 
ringen Grundlage in der lateinischen Sprache sonst nichts 
verstanden». 

Ausser ihnen bezeichnete Krascheninnikow noch 
einige Schüler des Gymnasiums, welche in kurzer Zeit in 
die Universität aufgenommen werden könnten. «Was aber die 
übrigen Schüler anlangt», fügte er hinzu, «so bieten sich 
nach einem halben Jalir oder höchstens nach einem Jahr 
bis 15 Mann und mehr dar, die zu Studenten tauglich sind». 
Einige von ihnen wurden vorläufig unter Belassung im Gym¬ 
nasium zu Studenten erhoben, im Grunde zur Yergrösserung 
ihrer Gage, denn der Student erhielt mehr an sogenannter 
Gage als der Gymnasiast. Unter Berufung darauf fing man 
an, auf derselben Grundlage auch von aussen her Leute ins 
Gymnasium aufzunehmen, d. h. man nannte solche Gymna¬ 
siasten Studenten. So hat sich z. B. folgendes Document er¬ 
halten. «Am 1. April dieses Jahres 1755 bat der Kleinrusse 
Fedor Koselski in einer der Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften eingereichten untertänigsten Bittschrift um 
seine Aufnahme in die akademische Universität als auf Gage 
stehender Student, und ist derselbe in der akademischen und 
historischen Conferenz in seinen Wissenschaften geprüft 
worden und erwies sich als für die Universitätsvorlesungen 
unzureichend und mit denen gleichstehend, die im Jahre 1753 
befohlen wurde zu Studenten zu erheben und die noch jetzt 
imGymnasio unterrichtet werden; um desswillen wurde ihm, 
Koselski, von der Kanzelei eröffnet: wenn er imGymnasio 
unterrichtet zu werden wünsche, so wird er in die Akade- 



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mie ernannt werden; darauf erklärte er, dass er im Gym- 
nasio unterrichtet zu werden wünsche, wenn er nur zum 
Studenten mit einer Gage, wie die Studenten erhalten, er¬ 
nannt würde. Desswegen wurde beschlossen: dass besagter 
Kleinrusse FedorKoselskiStudent sein und im akademischen 
Gymnasio fremde Sprachen und andere Fächer lernen solle, und 
dass ihm Ihrer Kaiserlichen Majestät Gage im Verhältniss zu 
den oben erwähnten Studenten mit 42 Rubel auszuzahlen sei». 

Am 25. Februar 1755 starb Krascheninnikow, und 
Universität und Gymnasium wurden dem Adjuncten Mo¬ 
der ach «zur Aufsicht an vertraut». 

In der Universität fanden längst keine Vorlesungen mehr Die Verthei- 
statt. Im 6. Punkt der vom Grafen Rasumowski am 111 “^^^ 0 " 
13. Februar 1757 der akademischen Kanzelei gegebenen Jahre 1757- 
Instruction heisst es. «Weil seit langer Zeit kein einziger 
Professor in der Universität Vorlesungen hält und die aka¬ 
demischen Studenten sich ohne allen Unterricht befinden, 
ist um desswillen in der allgemeinen Conferenz der Aka¬ 
demiker und Professoren ein Catalog der -Vorlesungen auf¬ 
zustellen, in welchem zu bestimmen ist, an welchen Tagen in 
der Woche und zu welchen Stunden jeder der zur Universi¬ 
tät gehörenden Professoren Vorlesungen im Univertätshause 
halten solle. Das Gleiche ist auch von den Akademikern zu 
verstehen, die den ihnen zugeordneten Studenten gleicher- 
maassen ordentliche Vorlesungen halten und ihnen jegliche 
Anweisung und Unterricht geben sollen.Besagter Catalog aber 
ist zuerst mir zur Approbation zu schicken, und vom ersten 
Mai dieses Jahres an haben die erwähnten Vorlesungen un¬ 
abänderlich anzufangen. Ueber solche Akademiker und Pro¬ 
fessoren, welche darin ihre Pflicht nicht erfüllen und sich 
auf solche Weise dem Reglement und meiner Resolution 
widersetzlich erweisen werden, ist mir zu rapportiren und 


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ist ihnen inzwischen von der Kanzelei die Gage nicht aus¬ 
zuzahlen». 

Indem die Kanzelei dem Grafen Rasumowski die Ver¬ 
keilung der Vorlesungen vorstellte, schrieb sie: «1) Ueber 
Herrn Professor Braun. Weil der grösste Theil der zu den 
Professorenvorlesungen bestimmten Studenten die früheren 
Theile der Philosophie, vor demjenigen, welchen derHerrPro- 
fessor Braun jetzt anzufangen und fortzusetzen gesonnen 
ist, noch nicht gehört hat, sollte es da nicht genehm sein, 
den Befehl zu geben, dass er von Neuem den Cursus der 
Philosophie anfange, denn es ist wahrscheinlich, dass 
wegen langen Ausfalls der Vorlesungen auch die älteren 
Studenten viel davon, was sie gehört, vergessen haben. 
2) Von Herrn Fischer, dass er die ihm aufgetragene Abfas¬ 
sung eines Extractes aus der sibirischen Geschichte wie 
früher fortsetze, aber statt über Alterthüraer Vorträge über 
Beredsamkeit halte und dabei den Studenten allerlei häus¬ 
liche Ausarbeitungen aufgebe und dazu eben so viel Stunden 
verwende wie die übrigen Universitätsprofessoren. 3) Von 
Herrn Straube, dass er statt der bürgerlichen Rechte zu¬ 
erst anfange die Naturrechte zu interpretiren. 4) Von Herrn 
Tredjakowski, dass er von Vorträgen zu befreien und 
statt dessen ausschliesslich zu Uebersetzungen zu verwenden 
sei, oder dass ihm, wenn er Vorträge halten solle, die Inter¬ 
pretation der Alterthümer und der neuen Geschichte aufgetra¬ 
gen werde, die er auch in russischer Sprache vortragen könne. 
5) Von Herrn Popow, dass er einen astronomischen Cursus 
in russischer Sprache anfange, damit ausser unseren Studenten 
auch Zuhörer aus anderen Anstalten, wie aus der Marine- 
Akademie und aus dem Cadettencorps, seines Unterrichts ge¬ 
messen könnten. 6) Von Herrn Zeiger, dass er, gemäss sei¬ 
ner Kunstfertigkeit im Gebrauch von Instrumenten und da die 



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Experimentalphysik einen nicht geringen Theil der Mecha¬ 
nik einschliesst, während der sommerlichen Hälfte des Jah¬ 
res zweimal wöchentlich die erwähnte Experimentalphysik 
demonstrire». Graf Rasumowski bestätigte diese Vorstel¬ 
lung. Im September desselben Jahres wurden diese Vorträge 
durch eine Vorschrift der akademischen Kanzelei ergänzt: 
1) «Herrn Epinus, dass er den Studenten Vorträge nach de r 
abgekürzten Wolffschen Experimentalphysik halte. 2) Herrn 
Zeiger, dass er nach Krafft’s Experimenten Vorträge 
halte, denn nach diesen Büchern sind früher von hiesigen 
Professoren Vorträge gehalten worden und die angemesse¬ 
nen Instrumente sind für dieselben in Bereitschaft. Welche 
Instrumente aber als Ergänzung erforderlich seien und was 
zu repariren nöthig sei, darüber ist nach Durchsicht der¬ 
selben in der Kanzelei ein Rapport einzureichen. 3) Herrn 
Ssalchow, dass er mit dem Laborator Klementjew 
zusammen chemische Experimente mache. Dass aber die 
Studenten diese Professoren zu den Vorträgen besuchen, 
dazu hat sie Herr Adjunct Moderach anzuhalten. 

Die Disciplinarmaassregeln in Betreff der Studenten än¬ 
derten sich nicht, nur kam eine neue hinzu; man begann 
die Studenten zu Gymnasiasten zu degradiren, mit dem 
Zweck ihr Stipendium zu vermindern, jedoch mit der Ver¬ 
bindlichkeit wie früher die Vorträge der Professoren zu 
hören. So finden wir im Protokoll vom 17. November 1757: 
«Es wurde beschlossen: die Studenten Wedenski und Te- 
rentjew wegen ihrer oben beschriebenen Frechheiten (Trun¬ 
kenheit und Unfug) bis auf weitere Erwägung, wie sie sich 
als gebessert erweisen werden, mit einem Gagenabzug um 
die Hälfte des Betrages, so dass Wedenski nur 1 Rubel 
75 Kopeken, Terentjew je 3 Rubel monatlich vom 1. dieses 
Novembers an auszuzahlen sind, unter die Schüler des Gym- 


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nasiums einzuschreiben und sie vor allen versammelten Studen¬ 
ten mit Ruthen unbarmherzig zu prügeln...., und haben sie 
mit den übrigen Studenten wie früher die Professorenvor¬ 
lesungen zu besuchen und niedriger als Alle zu sitzen. Damit 
sie sich aber von Trunkenheit und schlechten Handlungen in 
Zukunft zurückhielten, ist ihnen aufs Strenste einzuschärfen, 
dass sie, wenn sie sich irgend wie schuldig erweisen soll¬ 
ten, ohne irgend welche Rücksicht und Nachsicht auf ewig 
in den Matrosendienst verschickt werden». 

Nach erhaltengebliebenen Mittheilungen waren in derUni- 
versität: 1751—18 Studenten, 1752—20, 1753—8, 1758 
—16. Es ist unmöglich, nicht mit Lomonossow übereinzu¬ 
stimmen, dass «an der Akademie der Wissenschaften nicht nur 
keine eigentliche Universität existirte, sondern nicht einmal 
das Bild oder das Gleichniss einer Universität zu sehen war». 


Die Ueber- Am 21. März 1758 vertraute der Präsident die Ver- 
derüniver 8 - waltung der Universität Lomonossow an. «Kraft des allge- 
Verwahung rae i nen ^ e gl eraen ^ s undnachmeinerBestimmung», schriebGraf 
Lomonos- Rasumowski, «sind die verschiedenen akademischen Depar- 
8 °— 1765 )^ 8 tements zur besonderen Beaufsichtigung unter die Herren 
Kanzeleimitglieder vertheilt worden, unter welchen die die 
Wissenschaften betreffenden Angelegenheiten dem Herrn Col- 
legienrath Lomonossow anvertraut sind». Zu gleicher Zeit 
trug Graf Rasumowski auf Lomonossow’s Initiative ihm 
auf, Projecte zu Statuten (Reglements) für die Universität und 
das Gymnasium zu entwerfen. Die von ihm verfassten Pro¬ 
jecte wurden 1759 einer aus Akademikern und Professoren, 
Müller, Fischer, Braun und Moderach, bestehenden 
Commission zur Durchsicht übergeben; aber ohne ihre Be¬ 
schlussfassung und Bestätigung dieser Projecte abzuwarten 


(die auch niemals erfolgt ist), wurde Lomonossow anheim¬ 
gestellt, sie einzuführen. Ihm fiel das um so leichter, als im 



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— 201 


Jahre 1760 der Präsident ihm die Universität völlig zur Dis¬ 
position stellte. «Weil ich in Folge verschiedener "Versuche 
eingesehen habe», schrieb Graf Rasumowski im Januar 
1760 der akademischen Kanzelei, «dass der Einrichtung und 
Ordnung und besonders der Abfassung von Reglements des 
Gymnasii und derUniversität aus derUneinigkeit der verschie¬ 
denen Meinungen, ferner auch der gehörigen Entfaltung dieser 
Departements eine Verzögerung erwächst und schon viele 
Jahre ohne den Erfolg und Nutzen verflossen sind, die ge¬ 
rechter Weise erwartet werden mussten; und weil ausser¬ 
dem die Summe, welche für die Universität ausgesetzt ist, 
bis jetzt grösstentheils auf andere Ausgaben verwandt 
worden ist, so dass das akademische Commissariat der Uni¬ 
versität schon viele Tausende schuldig geworden ist, so 
gab ich um desswillen im verflossenen Jahre 1758 dem Herrn 
Collegienrath Lomonossow Ordre, dass er Reglements für 
die Universität und das Gymnasium verfasse, welche er ver¬ 
fasst hat und welche auf meine Ordre zur allgemeinen Prüfung 
und um mir zur Approbation überreicht zu werden, an die 
Kanzelei übergeben worden sind. Da ich aber noch sehe, 
dass diese Angelegenheit durch uneinige Meinungen Aufent¬ 
halt erleidet und Herr Lomonossow mittlerweile nach 
dem von ihm verfassten Reglement das Gymnasium, mit 
meiner Erlaubnis handelnd, durch seinen Eifer in einen 
viel besseren Zustand wie früher versetzt hat, vertraue ich 
desswegen, laut der mir von Ihrer Kaiserlichen Majestät 
übergebenen Machtbefugnis, die Einrichtung und Ordnung 
der Universität und des Gymnasiums, auf Grund der von 
ihm verfassten Reglements, einzig dem Herrn Rath Lomo¬ 
nossow allein an, indem ich mich auf seine Kenntniss und 
seinen Eifer verlasse, dass er mit allem Fleiss und Eifer, 
gemäss der Pflicht eines Sohnes des Vaterlandes handeln 


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werde, bis er jene beiden Departements in einen blühenden 
Zustand gebracht haben wird. Und demgemäss hat die aka¬ 
demische Kanzelei ihm bei Erfüllung dieser ihm allein auf¬ 
erlegten Obliegenheit alle Willfährigkeit zu erweisen, damit 
in diesem für das Wachsen der Wissenschaften im Vater¬ 
lande so notliwendigen Werk kein weiterer Aufenthalt statt¬ 
finde und damit insbesondere die für die Universität aus- 
gesetzten Summen nicht nur nicht auf irgend welche andere 
Ausgaben verwandt werden, sondern auch die Restantien 
im Fall des Bedürfnisses der erwähnten Institution in Raten 
aus der akademischen Etatsumme oder aus den Bücher¬ 
läden in verschiedenen Terminen auszuzahlen sind, so dass 
die Ausgabe für die Universität in zwölf Jahren mit den 
übrigen Departements im Verhältnis des Etats ins Gleich¬ 
gewicht komme. Besagter Herr Lomonossow hat mir nach 
jedem Tertial über die ganze Entwickelung dieser Angele¬ 
genheit zu rapportiren, damit ich den Lauf und Erfolg die¬ 
ses Werks sehen kann». 

Lomonossow bestand nicht allein darauf, dass die ganze, 
für die Universität und das Gymnasium ausgesetzte Summe 
zur Auszahlung gelangte, sondern erwirkte auch im Jahre 
1760 eine Vergrösserung derselben um 5000 Rubel; seit 
dieser Zeit wurden nämlich statt der früher assignirten 
10,300 Rubel, 15,248 Rubel für dieselben festgesetzt. 
Im selben Jahre 1760 wurde auf seine Vorstellung die Zahl 
der auf Kronskosten unterhaltenen Studenten um 10 Mann 
vermehrt (statt 20 wurde bestimmt 30 zu unterhalten), und 
alle wurden sie in Nahrung und Kleidung vollständig auf 
Kronsunterhalt genommen, unter Anweisung von 100 Rubel 
im Jahr für Jeden. Das Gymnasium und die Universität 
wurden aus dem Hause des Dreifaltigkeitsklosters fortge¬ 
bracht, das Haus der Stroganow’s im Jahre 1764 für sie 



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gekauft und in diesem Hause auf Lomonossow’s Dringen 
nicht die verschiedenen akademischen Institute placirt, son¬ 
dern diesen beiden Lehranstalten das ganze Haus eingeräumt. 
«An diesem 13. September», heisst es im Protokoll, «befahl 
Se. Erlaucht der Herr Präsident der Akademie der Wissen¬ 
schaften, Graf Kirill Grigorjewitsch Rasumowski, in der 
vollen Sitzung der Mitglieder der akademischen Kanzelei, 
das für die Akademie angekaufte Haus der Stroganow’s, 
um der in der Vorstellung des Staatsraths Lomonossow 
verzeichneten Raisons willen, für die Universität und das 
Gymnasium zu bestimmen und darüber eine umständliche 
Resolution zu erlassen. Die in besagter Vorstellung des Herrn 
Lomonossow angeführten Raisons aber, um welcher willen 
jenes Haus für das Gymnasium und die Universität erforder¬ 
lich und unumgänglich nothwendig ist, sind folgende: l)dass 
wegen der Nähe der Akademie die Hauptcommandeure über 
diese beiden Departements eine bequemere Aufsicht haben 
können; 2) dass das Dreifaltigkeitsklosterhaus sehr eng und 
von der Akademie abgelegen ist, was der Aufsicht und dem 
Lesen der Collegia hinderlich ist; 3) dass selbiges Klosterhaus 
sehr verfallen ist und im anbrechenden Winter die Univer¬ 
sität und das Gymnasium dort unmöglich bleiben können». 

Die Studenten wurden erst nach demTodeLomonossow’s, 
nämlich im September 1765 in das neu angekaufte Haus 
übergeführt. Im Protokoll vom 13. September steht ge¬ 
schrieben: «Aus dem Hause des heiligen Ssergiew’schen Drei¬ 
faltigkeitsklosters sind sowohl die Studenten, als auch die 
dort befindlichen Gymnasiasten, ausser den zur Entlassung 
bestimmten, mit ihren Classen in das Stroganow’sche Haus 
überzuführen und die Studenten im mittleren Appartement, 
die Gymnasiasten im unteren, die Classen aber im Flügel 
einzuquartieren». 


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Die von Lomonossow verfassten sogenannten Regle¬ 
ments für die Universität und das Gymnasium haben sich nicht 
erhalten; geringe Spuren derselben sind nur in den Entgeg¬ 
nungen des Akademikers Fischer übrig geblieben, welcher 
sich wider die Zulassung von Personen, die in die Kopfsteuer¬ 
register eingetragen waren, in diese Lehranstalten erhob, den 
Grund zu einer Yergrösserung der Zahl der von der Krone un¬ 
terhaltenen Gymnasiasten und Studenten nicht einsah und die 
für den Gymnasialcursus, insbesondere für die lateinische 
Sprache angewiesene Zeit für unzureichend hielt. Auf alle 
diese Einwände antwortete Lomonossow in folgender, mit 
äusserster Erbitterung geschriebener Replik: «Se. Erlaucht 
der Herr Präsident der Akademie der Wissenschaften hat, 
wohl wissend, wie grosse und nutzlose Uneinigkeiten und 
lärmende Verhandlungen in den akademischen Conferenzen 
stattgefunden haben, als er kraft des akademischen Regle¬ 
ments befohlen hatte, in den Professorenconferenzen ein 
Reglement für das Gymnasium und die Universität aufzu¬ 
stellen, geruht, dem Herrn Collegienrath Lomonossow die 
Abfassung desselben anzuvertrauen, damit in Folge unbe¬ 
gründeter und parteiischer Mittel nicht darin wie früher 
Hindernisse und Verlust von Zeit erfolgen, in welcher die rus¬ 
sische Jugend einer guten Einrichtung beider genannten De¬ 
partements geniessen könnte. So hat er denn nach den besten 
Beispielen von Universitäten und Gymnasien und angemessen 
der Würde unseres Vaterlandes, mit möglichstem Eifer und 
Aufmerksamkeit solche Reglements verfasst und sie Sr. Er¬ 
laucht vorgestellt, welche auf Ordre Sr. Erlaucht den übrigen 
Mitgliedern in der Kanzelei befohlen worden, gemeinsam 
mit ihm, dem Herrn Rath, durchzusehen; auf den Rath der¬ 
selben wurde ausserdem befohlen, dass die Herren Professoren 
Müller, Fischer, Braun und Moderach Bemerkungen 



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zu denselben Reglements machen sollten. Besagte Herren 
haben auf die ihnen aus der Kanzelei der Akademie der 
Wissenschaften ertheilten Befehle Folgendes gethan: Herr 
Müller hat durch einen Rapport über die von ihm früher 
verfassten, eben solchen Reglements geantwortet; die Herren 
Braun und Moderach haben in richtiger und würdiger 
Weise Bemerkungen eingereicht, von denen einige der Auf¬ 
merksamkeit werth sind. Herr Fischer hat, obgleich er auch 
taugliche Bemerkungen eingereicht hat, sich nicht so sehr 
um wahrhaft nützliche Verbesserungen oder Zusätze bemüht, 
als bei vielen Punkten Gelegenheit gesucht, grobe und 
beissende Spöttereien anzubringen, von denen hier einige 
Beispiels halber beigefügt werden: 1) Erstens ist es der 
Verwunderung werth, dass Herrn Fischer, als Einem, der 
Latein versteht, nicht Horatius und andere gelehrte und ange¬ 
sehene Leute in Rom in den Sinn gekommen sind, welche aus 
der Sclaverei Freigelassene waren, wenn er so verächtlich die 
freigelassenen Leibeigenen der Gutsbesitzer vom Gymnasio 
zurückweist. Er hat sich dessen nicht erinnert, dass sie in 
Rom nicht nur in den Schulen mit den jungen Edelleuten, 
sondern auch mit deren Vätern an einem Tische sassen, mit 
den Herrschern bei Vergnügungen Gemeinschaft pflogen 
und in angesehenen Geschäften Vollmacht hatten. Von 
solchen und neuerlichen Beispielen wollte er offenbar nichts 
wissen. Indessen durfte er durchaus nicht übersehen, was 
im § 4 des Gymnasialreglements vom Dienst der Edelleute 
in der Armee zusammen mit früheren Leibeigenen ge¬ 
schrieben ist. Aber ohne bei diesem Punkte seiner übrigen 
leeren und höhnischen, überflüssigen Abschweifungen zu ge¬ 
denken, kann ich den Tadel gegen die russischen Edelleute 
nicht mit Stillschweigen übergehen, die er — in einer Be¬ 
hörde und noch dazu schriftlich — im Allgemeinen unauf- 


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geklärt oder ungelehrtes Volk nennt, ohne zu erwägen, durch 
wie vielFürsorgePeter’sund seinerNachfolger,und besonders 
gegenwärtig, der russische Adel Aufklärung erworben hat. 
2) Sechzig Gymnasiasten und dreissig Studenten erachtet er 
für eine überflüssige Last für den Fiscus und fragt um so 
mehr: wohin soll man mit ihnen? Hat er dafür Sorge zu 
tragen? Ihm war befohlen das Reglement zu prüfen, nicht 
den Etat. Ist es etwa seine Sache über die akademische 
Summe zu verfügen? Und hat er danach zu fragen, wohin 
man mit den Gymnasiasten und Studenten solle? DafürSorge 
zu tragen, giebt es auch ohne ihn welche. Wir wissen auch 
ohne ihn, wozu man in anderen Staaten solche Leute gebraucht, 
und gleichfalls, wozu man sie in Russland gebrauchen kann. 
Das ist ein klarer Beweis seiner Unaufmerksamkeit in Betreff 
der Prüfung des Reglements und dass er sich bloss bemüht 
hat in Erwägungen einzutreten, wo er sich zur Erweisung 
seines Spottes anhäkeln könnte. 3) An vielen Stellen hat er 
den Sinn schlecht verstanden und an manchen nutzlos falsche 
Schlussfolgerungen gemacht und zum Stoff selbst und der 
directen Sache nicht gehörige Spässe angeführt. Zum Bei¬ 
spiel sind die Examina und Versetzungen in den Classen für 
jedes Jahr zweimal angesetzt und aus der obersten Classe 
unter die Studenten einmal (wo er fälschlich hinzugeschrieben 
hat, als ob auch die Versetzung aus der obersten Classe zu 
den Studenten zweimal stattfände). Ferner ist beabsichtigt 
in der obersten Classe kurze Grundlagen der Beredsamkeit, 
der Philosophie, der Universalgeschichte zu lehren und latei¬ 
nische Autoren zu interpretiren und ist Alles nach Maassgabe 
einer Jahresfrist vertheilt, so dass ein junger Mensch von 
scharfem Verstände in dieser Zeit sich einen guten allge¬ 
meinen Begriff von den Wissenschaften erwerben kann, denn 
zum eigentlichen Studium bleiben die Studentenjahre und 



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die Vollkommenheit können sie noch als Adjuncten erreichen. 
Wenn aber Jemand nicht genügend begabt ist, soll er noch 
ein Jahr in der oberen Classe bleiben, was auch von den 
übrigen Classen zu verstehen ist. Aber Herr Fischer hat 
den augenscheinlich falschen Schluss gezogen, als ob im 
Reglement bestimmt und vorausgesetzt würde, von denen, 
welche anfangen Latein zu lernen, einige in anderthalb Jahren 
unter die Studenten zu versetzen. Dabei hat er, um die ver¬ 
meintliche Nachlässigkeit bei der Abfassung zu zeigen, viele 
Namen von Fächern und Autoren verzeichnet, als ob im 
Reglement bestimmt wäre, sie alle durch die Bank gründlich 
zu interpretiren. Diese falschen Folgerungen und Erfindungen 
hat er desswegen gemacht, um folgenden schimpflichen Spott 
über die russische Jugend schriftlich, ohne Rücksicht aut 
die Behörde, anzubringen: «Wenn das möglich ist, so beglück¬ 
wünsche ich Russland, in welchem Wunder geschehen, die 
in andern Ländern unmöglich sind. Wenigstens hat sich das 
bis jetzt noch nicht gezeigt: die Gymnasiasten, welche die 
nächste Hoffnung hatten Studenten zu sein, haben, nachdem 
sie im Gymnasio acht Jahre verbracht, noch nicht viel ver¬ 
gessen». (Haben sie etwa seinen spöttischen Styl gelernt?) 
Solche heissende Worte zur Erwägung anheimstellend, muss 
daran erinnert werden, dass Herr Fischer sich vorstellen 
soll, wie viel Informatoren, die ihm an Hurtigkeit ähnlich 
sind, fertig bringen können, den Lernenden aber keine Schuld 
aufbürden. An diesen drei Beispielen ist es genug zum Be¬ 
weise, dass Herr Fischer absichtlich und mit Willen sich 
bemüht hat, beschimpfende Spöttereien zu treiben, ohne nach 
der Ordre und nach der Pflicht auf das nöthige Werk zu 
achten, sondern höhnisch über den Adel und das Fassungs¬ 
vermögen der russischen Jugend spottend. Und weil er in 
so unwürdiger und spöttischer Weise seiner Vorgesetzten 


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Behörde zur Antwort darüber geschrieben, was er in Anbe¬ 
tracht des ihm von derselben gegebenen Befehls mit schul¬ 
diger Achtung in Betreff der wirklichen Sache selbst hätte 
beantworten sollen: desswegen muss das Obenverzeichnete 
in Erwägung gezogen werden, damit auch Andere sich in 
Zukunft nicht ähnlicher Handlungen erkühnten». 

Bei Aufstellung des Universitätsreglements bemühte 
sich Lomonossow am meisten verschiedene Vorzüge und 
Dienstrechte für die Lehrenden und Lernenden auszuwirken 
und der Eröffnung der nach seinem Plane geschaffenen Uni¬ 
versität vermittelst der sogenannten Inauguration eine beson¬ 
dere Feierlichkeit zu verleihen. Officiell hatte die Univer¬ 
sität schon 3 5 Jahre existirt, also war auch kein Grund vor¬ 
handen, sie zu eröffnen; in Wirklichkeit aber existirte sie 
nicht, denn drei, vier Professoren, die zeitweilig Vorlesungen 
hielten, und 20 Studenten konnten noch keine, inFacultäten 
getheilteUniversität bilden. Der Augenschein wies darauf hin, 
dass vor allen Dingen für die Universität Lehrer und für die 
Lehrer Schüler geschafft werden mussten. Statt dessen sann 
Lomonossow nur darauf, für die Professoren «angemessene 
Hänge und nach der allgemeinen Rangtabelle Adelsdiplome», 
sowie Pensionen, für die Studenten, die den Cursus beendet, 
Dienstrechte zu erhalten, für die Magister den Rang eines 
Lieutenants, für dieDoctoren denjenigen einesCapitäns u.s. w. 
Noch mehr aber machte ihm offenbar der Gedanke Sorge, wie 
der Verkündigung dieser der Universität verliehenen Privile¬ 
gien grössere Feierlichkeit zu verleihen sei. Er war so über¬ 
zeugt davon, dass diese Privilegien verliehen werden würden, 
dass er schon Vorbereitungen zu einer solchen Feierlichkeit 
traf; im Protokoll der akademischen Kanzelei, die er damals als 
deren Rath beherrschte, steht am 11. Jan. 1760 verzeichnet: 
«in der Conferenz der Künste sind für das vorbereitete Privi- 



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legium der akademischen Universität der Wissenschaften an¬ 
gemessene Projecte auf vier Seiten anzufertigen und, sobald 
sie gezeichnet sind, mit einem Rapport in der Kanzelei ein¬ 
zureichen, und ist hierüber der Conferenz ein Befehl einzu¬ 
senden». Die Inauguration sollte in folgender Weise statt¬ 
finden: «Vorbereitung: 1) öffentliches Gymnasial-Examen 
der Gymnasiasten der obersten Classe zur Ueberführung 
unter die Studenten, 2) Gradual-Examen (d. h. zu gelehrten 
Graden), 3) Wahl des Prorectors und hierauf bezügliche 
Dispute und Reden, 4) das Programm, 5) Vertheilung der 
Plätze. Handlung: 1)Messe mit Concert und Predigt, 2)Vor¬ 
lesung der Privilegien, 3) Dankgebet mit Kanonendonner 
und Musik, 4) Dankrede an Ihre Kaiserliche Majestät, 5) Er¬ 
nennung des Prorectors und der Decane, 6) Beförderung zu 
den Graden, 7) Diner mit Kanonendonner und Musik. 
Schluss: 1) Druck der ganzen Action, 2) Beglückwünschung 
in den Wohnungen, 3) Versendung von Copien der Privi¬ 
legien und des Uebrigen an alle Universitäten». Sehr be¬ 
gründet entgegnete Müller: 1) dass es nötliig sei, vor den 
Privilegien das Universitätsreglement zu bestätigen, weil 
in den Privilegien von demselben die Rede sei, als ob es 
schon approbirt wäre ; 2) dass man sich vor der Inauguration 
bemühen müsse, die Universität mit einer hinreichenden 
Anzahl von Professoren in allen Facultäten zu versorgen, 
weil beabsichtigt sei in allen Facultäten Grade zu verleihen; 
dass man sich um die Vermehrung der Zahl der Studenten be¬ 
mühen und besonders eine solche Einrichtung treffen müsse, 
dass auch der Adel Lust bekommen könne, seine Söhne zur Er¬ 
lernung gelehrter Sprachen und Wissenschaften in die Uni¬ 
versität zu geben; 3) bevor die Universität in einem solchen 
Zustande ist, denke ich nicht, dass eine Inauguration veran¬ 
staltet werden soll, weil sie die Vollendung der vollen Uni- 

Beiträge z. Kenntniss d. Russ. Reiches. Dritte Folge. 14 


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versität bedeutet». Indem Lomonossow alle diese Privile¬ 
gien für die nur dem Namen nach existirende Universität 
erbat, rechnete er auf die Protection I. I. Schuwalow’s 
und war des Erfolges so sicher, dass er schon eine Rede für 
die feierliche Conferenz verfasste; aber die Kaiserin Elisa¬ 
beth starb, und das Project wurde fallen gelassen. 

Im Lehrwesen der Universität wurden während der Ver¬ 
waltung Lomonossow’s keinerlei Verbesserungen gemacht; 
Alles ging nach alter Art, ungeachtet dessen, dass ihm vom 
Präsidenten, wie oben erwähnt, anheimgestellt worden war, 
das von ihm verfasste Statut, obgleich es noch nicht be¬ 
stätigt war, einzuführen, wovon er auch Gebrauch machte. 
Er theilte die Universität in dreiFacultäten, die juristische, 
medicinische und philosophische, aber in allen diesen Facul- 
täten lasen nur fünf Professoren Collegia: Fischer, Braun, 
Epinus, Kotelnikow und Kosizki. Einige von ihnen 
lasen niemals in der Universität, sondern veranlassten die 
Studenten zu sich ins Haus zu kommen; so wurde am 
29. Februar 1760 befohlen, dass die Universitätsstuden¬ 
ten, welche bei Herrn Professor Fischer Collegia hören, 
wegen seiner Krankheit zu ihm, Herrn Fischer, ins Haus 
gehen, bis er gesund wird». DieZahl der Studenten vergrösserte 
sich auch nicht: ihrer waren im Ganzen 18, grösstentheils 
Soldatensöhne. Diese vermeintliche Universität wurde vor 
dem Publicum als wirkliche ausgegeben. «Am 14. Novem¬ 
ber 1760», steht im Protokoll, «befahl die Kanzelei der Aka¬ 
demie der Wissenschaften auf Befehl Ihrer Kaiserlichen 
Majestät: in der akademischen Universität hat am 18. De- 
cember eine öffentliche Disputation stattzufinden und ist 
dafür, nachdem die Herren Professoren Braun und Mode¬ 
rach die besten Studenten ausgesucht , ein Privatexerci- 
tium zu veranstalten, und im Gymnasio hat ein oratorisches 



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Exercitium öffentlich stattzufinden, wozu sich zur selben 
Zeit der Adjunct Kosizki vorbereiten soll». 

Die Inspection über die Studenten wurde im Jahre 1761, Das inspec- 
als Moderach entlassen worden, dem Professor Kotei- nikow’s 5 
nikow anvertraut. ( 1761 — 1766 ). 

Ungeachtet dessen, dass die Universität der unmittelbaren 
Verfügung Lomonossow’s überlassen worden war, be¬ 
schränkte der Präsident doch zuweilen seine Machtbefug- 
niss in Betreff der Studenten. So hatte Lomonossow im 


Jahre 1760 zwei Studenten, Lobyssewitsch und Djewo- 
witsch, dafür ausgeschlossen, dass sie die Collegia nicht be¬ 
suchten. Die ausgeschlossenen Studenten beschwerten sich 
beim Grafen Rasumowski, und er schickte aus Batalino fol¬ 
gende Ordre: «Die akademischen Studenten Lobyssewitsch 
und D j e w o w i t sc li richteten vor meiner Abreise ausSt.Peters- 
burg unter Beilegung vieler ihrer Atteste eine Bittschrift an 
mich,weil sie bei der Beförderung gegen Andere zurückgesetzt 
worden. Ich befahl, da ich die Gerechtigkeit ihrer Beschwerde 
sah, mündlich dem Herrn Rath Lomonossow, ihnen eine ge¬ 
rechte Befriedigung zu gewähren. Und jetzt haben sie mir 
einen Bericht eingesandt, den ich beifolgend im Original 
der Kanzelei zuschicke, und hat diese, nachdem sie ihnen, 
nicht auf Rechnung ihrer Gage, die gehörigen Fahrgelder aus¬ 
gezahlt, beide zu mir nach Gluchow zu schicken. Inzwischen 
aber ist Herrn Lomonossow zu eröffnen, dass ich sehr 
erstaunt bin, auf wessen Veranstaltung, wider meinen Willen, 
eine solche Entlassung aus dem akademischen Dienst ohne 
meine Approbation, ja, wie ich sehe, auch ohne Wissen der 
Kanzelei stattgefunden hat, um so mehr eine Entlassung 
solcher Leute, welche auf meine eigene Bestimmung in die 
Akademie aufgenommen worden und deren Attestate über 
ihre Fortschritte mir selbst genugsam bekannt sind. Soviel mir 

14 * 



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und einer wurde zum Lehrer des Gymnasiums ernannt. «Am 
2 9. Mai dieses Jahres 1765 erklären die weiter unten genannten 
9 Mann akademischer Studenten in Berichten, die sie der Kan¬ 
zelei der Akademie der Wissenschaften eingereicht, dass sie 
ohne Neigung, die Wissenschaften weiter zu studiren, darum 
bitten, sie aus der Universität auszuschliessen und in den 

unten angeführten Aemtern anzustellen_Der Student Peter 

Stepanow bittet in seinem Bericht, dass er am Gymnasio, an 
Stelle des gewesenen Studenten Inochodzew, zum Unterricht 
der Schüler in der Arithmetik, Geometrie und Trigonome¬ 
trie ernannt werde; unter welchen Bericht Professor Kotel- 
n i k o w geschrieben hat, dass er, wenn fähig, unter der Beding¬ 
ung anzustellen sei, dass er sich nüchtern und ordentlich auf¬ 
führe, Lehrer aber seien in der angeführten Classe nöthig.... 

Es wurde beschlossen: Stepanow hat auf seinen Wunsch und 
nach dem Attestat Kotelnikow’s am Gymnasio beim Unter¬ 
richt der Gymnasiasten in der arithmetischen Classe zu sein». 

In demselben Jahre 1765 wurden zwei Studenten, Sswe- 
tow und Wenedictow, zum Studium unter Schlözer’s 
Leitung an die Universität Göttingen geschickt. Graf Ra- 
sumowski befahl, zuvor Erkundigungen über sie einzu¬ 
ziehen, «ob sie sich wohlanständig im Betragen aufführten 
und ob keinerlei Leidenschaften an ihnen bemerkt worden», 
desgleichen «was jeder von ihnen in Sprachen und Wissen¬ 
schaften für Kenntnisse habe und ob es in Betracht ihrer 
Wissenschaften möglich sei, sie zur Beendigung derselben 
über Meer zu senden». Die Instruction für sie wurde von 
Schlözer verfasst 1 ). 

Nach dem Tode Lomonossow’s entwarf Taub er t den Die Verthei- 

lunff der Vor- 

Plan für die Arbeiten der Studenten und die Vertheilung träge im 
der Collegien und legte sie den Professoren Fischer, Jahre 1765, 

1) Siehe Beilage 3. 


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Braun, Popow, Kotelnikow und Protassow zur Durch¬ 
sicht vor, welche sie bestätigten. Das Protokoll vom 25. No¬ 
vember 1765 legt das folgendermaassen dar: «An diesem 
Datum reichte der Herr Staatsrath Taubert in der Kanze¬ 
lei der Akademie der Wissenschaften einen Vorschlag ein, 
dass in Betreif des Unterrichts der gegenwärtig an der Aka¬ 
demie übrig gebliebenen Studenten eine andere Ordnung 
eingeführt werde, damit 1) die auf Kronsunterhalt stehen¬ 
den Studenten ihre Zeit nicht nutzlos verlören, sondern 
durch die eifrige Fürsorge der Akademie für sie ilirem Vater¬ 
lande nützliche Leute werden könnten, und 2) damit auch 
die freiwilligen Studenten, wenn welche sich finden sollten, 
dadurch Lust bekämen, der Anweisungen der Herren Uni¬ 
versitätsprofessoren zu gemessen; dabei erklärte er, dass 
dieser sein Vorschlag in der ausserordentlichen (Konferenz 
der Herren Universitätsprofessoren am 25. dieses Novem¬ 
bers verlesen und von ihnen unterschrieben worden sei. 
Vorschlag an die Herren Universitätsprofessoren: es ist un¬ 
umgänglich erforderlich, dass in Betreff des Unterrichts der 
gegenwärtig an der Akademie übrig gebliebenen Studenten 
eine andere Ordnung eingeführt werde, damit erstens die 
auf Kronsunterhalt stehenden Studenten ihre Zeit nicht 
nutzlos verlören, sondern durch die eifrige Fürsorge der 
Akademie für sie ihrem Vaterlande nützliche Leute werden 
könnten, und zweitens auch die freiwilligen Studenten, wenn 
welche sich finden sollten, dadurch Lust bekämen, der An¬ 
weisungen der Herren Universitätsprofessoren zu gemessen. 
Dazu ist aber, nach meiner Meinung nöthig: 1) Vor Beendi¬ 
gung der Vorlesungen des gegenwärtigen Jahres, jeden der 
Studenten nicht leichter Hand, sondern mit gehöriger Strenge 
in Allem, was jeder in die Universität tretende Student 
wissen muss und was er nach Eintritt in die Universität 



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zugelernt hat, vor der akademischen Ccnferenz in der Weise 
zu examiniren, dass er nicht nur die ihm von jedem Exa¬ 
minator gestellten mündlichen Fragen beantworte, sondern 
auch ohne alle Nebenhülfe kleine schriftliche Ausarbeitungen 
mache, um sich dadurch unzweifelhaft ihrer Fähigkeiten zu 
vergewissern und auf dieser Grundlage, nachdem eine richtige 
Anleitung für ihren künftigen Unterricht in den Wissenschaf¬ 
ten aufgestellt worden, einen Catalog für die Vorlesungen des 
künftigen ersten Halbjahrs zu verfassen. 2) Jeder der Herren 
Professoren, die in der Universität Collegia gelesen, muss 
schriftlich einreichen: a) zu welchen Tagen und Stunden er im 
gegenwärtigen Halbjahr Collegia liest und ob genau ebenso, 
wie im gedruckten Catalog vorgeschrieben, und aus welchem 
Grunde etwas verändert worden; b) nach welchem Autor er 
liest und welche Methode er dabei an wendet; c) welche Theile 
seiner Wissenschaft jeder der oben benannten Kronsstuden¬ 
ten beendigt und welche Fortschritte er darin gemacht hat, 
damit man danach das Examen einrichte. 3) Statt dessen, 
dass die Herren Universitätsprofessoren bisher nur je eine 
Stunde am Tage lasen, müssen sie jetzt je zwei Stunden 
lesen, indem sie einen Theil dieser Zeit auf eine kurze 
Wiederholung der vorigen Vorlesung durch Fragen jedes 
Studenten und die übrige Zeit auf eine neue Vorlesung ver¬ 
wenden. 4) Die Autoren zu bestimmen, nach welchen die 
Herren Universitätsprofessoren lesen sollen, damit die 
Studenten sich mit denselben Büchern versehen könnten. 

5) Jeder Theil der Wissenschaft ist in solcher Weise zu ver¬ 
theilen, dass er ordentlich in einem Halbjahr, wie in allen 
anderen Universitäten üblich ist, abgeschlossen werden kann. 

6) Die Herren Professoren müssen ihre Vorträge in der Ord¬ 
nung und nach den Autoren halten, die jedem von ihnen 
von der gesammtenConferenz werden vorgeschrieben werden, 


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und nicht so, wie jeder selbst will. 7) Die jetzigen Studenten 
sind, nicht zu gedenken einer Fortsetzung des Unterrichts 
in der deutschen und französischen Sprache, sehr unzuläng¬ 
lich auch in Aufsätzen und Uebersetzungen in ihrer Mutter¬ 
sprache; da ihnen aber, ausser der lateinischen, auch in 
diesen drei Sprachen eine fleissige Uebung sehr von Nöthen 
ist, so schlage ich vor: 8) dass Herr Professor Fedoro- 
witsch (Jurist, entlassen im Jahre 1770) ihnen ausser den 
historischen Vorträgen Unterweisung in der deutschen 
Sprache, zweimal wöchentlich, je zwei Stunden gebe; 9) im 
russischen Styl und in Uebersetzungen — Herr Protassow, 
ebenfalls zwei Mal wöchentlich, zu je zwei Stunden, ausser 
seinen akademischen Vorträgen; 10) in der französischen 
Sprache und im Styl — der akademische Uebersetzer Poy- 
seau, welcher gemäss seiner Kenntniss der lateinischen 
Sprache dazu als vollständig befähigt anerkannt ist. 11) Unter 
einander Einen zum Amt des Rectors der Universität zu 
wählen, welcher nach jedem Halbjahr ersetzt werden oder 
bleiben kann und auf die gehörige Ordnung in Allem achtet, 
was die Pflicht eines Jeden in Betreff der Universität betrifft. 
12) Bei der Universität wird, damit die Studenten die ge¬ 
hörten Vorlesungen wiederholen und ein eingehendstes Ver¬ 
ständnis gewinnen könnten, besonders auch Gelegenheit 
hätten, beim Lesen nützlicher Bücher ihre Zeit verbringend, 
ihre Kenntnisse zu erweitern, eine kleine Bibliothek einge¬ 
richtet werden». 

Diese Regeln, welche augenscheinlich aus deutschen Uni¬ 
versitäten übernommen waren, konnten, so streng sie auch 
gegen die Lehrer und die Schüler, so begründet sie in ihren 
Forderungen in Betreff der Studenten waren, aber doch 
kaum zeitgemäss und nicht übel-flüssig sein, da es zu jener 
Zeit auf der Universität im Ganzen nur 9 Studenten gab. 



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217 — 


Zum Rector der Universität wurde Professor Braun er¬ 
wählt, welcher auch den Entwurf der Programme für die 
Vorlesungen übernahm. Das Examen der Studenten wurde 
auf den 12. December festgesetzt. 

Seit dieser Zeit finden wir bis zum Ende des Jahrhunderts 
in den Protokollen der Akademie weder irgend welche Ver¬ 
ordnungen über die Universität, noch auch eine Vertheilung 
der Professorenvorträge für die Studenten. 

Die Fürstin Daschkow fand, als sie das Amt des Die Univer- 
Directors der Akademie antrat, nur zwei Studenten in der der Fürstin 
Universität vor, und auch die der Art, fügt sie hinzu, dass (^83^1796). 
sie nichts aus fremden Sprachen, nicht einmal aus dem 
Deutschen, übersetzen konnten. Sie selbst übernahm es sie 
zu unterrichten, wie man aus ihrer ersten Verfügung 
schliessen kann: «Im Befehl Ihro Erlaucht», im Protokoll 
vom 30. Januar 1783, steht geschrieben: «inBetreff der Stu¬ 
denten ist anzuordnen, dass wöchentlich Einer bei mir dejou- 
rire, damit ich dadurch die Fähigkeiten und Aufführung jedes 
erkennen könne. Als Pflicht ist ihnen fürs Erste Folgendes zu 
eröffnen: jeden Morgen um 8 Uhr bei mir zu erscheinen 
und mit Schreiben oder Uebersetzen bei mir beschäftigt zu 
sein, wie ich befehlen werde; bis 2 Uhr Nachmittags und 
von 4 Uhr Nachmittags bis 7 Uhr die von mir ertheilten 
Ordres mit der Ordonnanz zu versenden und dafür Sorge zu 
tragen, dass sie in die zur Ausführung derselben bestimm¬ 
ten Hände gelangen. Von den Ordres sind zur selben Zeit 
Copien in meine Kanzelei, bis zur Einrichtung derselben 
aber zu mir persönlich zu bringen». Darauf beschränkten 
sich auch alle Maassregeln, welche von der Fürstin in Be¬ 
treff der Universität und der Studenten getroffen wurden. 

Die Thätigkeit der Professoren war auf das Halten öffent¬ 
licher Vorlesungen gerichtet. Vom Jahre 1785 an hielten 


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im Laufe einiger Jahre öffentliche Vorlesungen: Kotelnikow 
— mathematische, der Adjunct Ssokolow — chemische 
und Oserezkowski — naturgeschichtliche. 

Am Ende des Directorats der Fürstin Daschkow blieben 
an der Universität im Ganzen drei Studenten. Die Univer¬ 
sität erlosch .... Nicht ohne Grund sagte Tatischtschew 
zu Blumentrost: «Umsonst sucht Ihr Saaten, wenn der 
Boden, in welchen gesäet werden soll, noch nicht vorbereitet 
ist». Richtig ist auch die Meinung Boltin’s: «Sie wollten 
das in einigen Jahren machen, wozu Jahrhunderte nöthig 
sind; sie begannen das Gebäude unserer Aufklärung auf 
Sand zu bauen, ohne vorher ein zuverlässiges Fundament 
gelegt zu haben». 



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BEILAGE 1. 


Register der Studenten und Schüler, welche an der Akade¬ 
mie der Wissenschaften Vorlesungen zu hören haben. 


Minj 

Schischkarew 

Tschadow 

Kowrin 

Staressow 


Sie haben Herrn Pro¬ 
fessor Hein sius 
und Herrn M o u 1 a in 
Astronomie und Geo¬ 
graphie zu hören. 


bei Professor Heinsius, 
Kr afft und Moula. 

Professor Winsheim, Profes¬ 
sor Richmann. 


Lebedew 

Golubzow 

Popow 

Freigang 


! Sie haben Herrn Crusius und 
Geliert zu hören; Golub¬ 
zow geht ausserdem we- 

_ o gen der Vorlesungen zu 

ji Professor Heinsius und 
| Moula. 


Kleinfelds 


Protassow 

Kotelnikow 


> bei der Anatomie 


Er hat die Herren Doctoren 
Weitbrecht undWild und 
den Adjuncten Lomonos¬ 
sow zu hören. 


sind noch nirgends 
hin bestimmt. 


I Sie haben wegen der Vorlesun¬ 
gen zu den Adjuncten Tep- 
low, Crusius und zu den 
I Professoren Leroy und 
| Richmann zu gehen. 


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BEILAGE 2. 

Acad. Cancel. Rapoiten. 1746. 

Im October 1744 stellten die Herren Protassow und Ko¬ 
tei nikow folgenden Rapport an die Akademie vor: „Scrmöge 
bed beu 18»tcu October ton ber feaucelcp ber Slcabemte berSöiffen* 
fd)aftcn erhaltenen Befehls, ftiib mir ju bem ^rof. SBeitbrecht ge# 
gangen, itnb halben ihm gcmelbet, bafe mir ton ber Qiancelcp ju ihm 
gefchicft mären Collegia bep ihm über bie Anatomie jn hören; mor* 
auf er und $ur Wutmort gegeben, er fcp nid)t iprofeffor ton bereuet* 
tomic unb SPicbicin, uub märe folglid? auch nicht terbunben über ge# 
bad)te 2Bi)Tenfd)aft ju bociren; mürbe aber bie Wcabentie ber SBiffen* 
fehaften bedfalld mit ihm einen neuen Contract fchlie&cn mollen, fo 
märe er bereit über bie Anatomie ju lefen, uub er mürbe and; ber 
5lcabemie bicferhalb gehörige iöorflellung thun. 2Bel<hed mir alfo 
hicniit ber (Sancelep ber Wcabemie ber 2Biffenf<haften h^ben rap* 
portiren mollen/' 


BEILAGE 3. 

Instruction für die zwei, zur Fortsetzung ihrer Studien an 
die Universität Göttingen gesandten Studenten: 

Regula, ad quam ut studia sua in Universitate Göttingensi 
dirigant Basilius Swetow atque Basilius Venedictov, Philo- 
logiae Historiarumque stiuliosi, jussit Academia Scientiarum Im- 
perialis Petropolitana. Petropoli d. Maii 1765. 

I. 

Hoc agite Basili Swetow et Basili Venedictov; huc con- 
vertite omnem curam cogitationemque vestram, ut ad spem ex- 



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pectationemque Academiae, quae vos eduxit, quae itineri, quod 
nunc studiorum causa ad exteros instituitis, sumtus suggerit 
haud illiberaliter, eventus respondeat. Quocirca in historiarum 
scientiam, quam non nostra vobis auctoritate injunctam, sed 
vestro ipsorum delectam judicio, colere spopondistis, ea animi 
contentione atque Constantia incumbite, quae grata Academiae 
sit, honoraria vobis, patriaeque universae olim fructuosa. 

Tres annos vertentes licebit vobis Musarum Göttingensium 
consuetudine frui. Non est per se exiguum hocce studiorum 
curriculum, quod vobis circumscribit Academia: verum date ope- 
ram, ut industria vestra illud etiam extendatis. Jam ea estis 
aetate, quae non desidiam modo, sed ne languorem quidem fert. 
Praeterea ad eam Universitatem ablegamini, ubi certe non Cam¬ 
pus, non materia deerit, in qua se exerceat ostendatque virtus 
vestra. Reliquum est, ut duo adhibeatis, diligentiam ac Consi¬ 
lium: primum diligentiam, ne effluere vobis absque linea, quod 
aiunt, non menses, non hebdomades, sed ne dies quidem patia- 
mini, plurium enim dierum jacturae paulatim in summam ex- 
crescunt; deinde consilium , ut ordinis atque rationis via procedat 
diligentia vestra, sitque tota ad lianc Regulam directa, quam hic 
vobis rite praescribimus. 

Princeps Studium ponctis in Historia. At cum nequeat illa per- 
cipi sine linguarum adminiculis, neque debeat perdisci alio fine, 
quam ut ad usum vitae agendique prudentiam omnis referatur: 
necesse habebitis, et Historiam, et Philologiam, et Philosophiam 
pari studio et diligentia aeque dispertita colere. 

I. Historiae ipsius amplissimus campus est. Universe in anti- 
quam dividitur atque recentiorem: quarum utraque aut origines 
resque gestas imperiorum perpetua continentique narratione 
tradit (Historia proprie sic dicta), aut formam eorum ac statum 
docet, cum quo modo constituta sint (Jus publicum), tum qua 
ratione administrentur ( Statistica ). Qui historiam antiquam pro- 
fitentur, solent haec omnia iisdem acroasibus conjuncta propo- 
nere, nisi quod interdum a reliquo historiae corpore eam partem 
sejungunt, quae de forma rerum publicarum antiquarum ac de 
consuetudinibus populorum privatis exponit ( Antiquitates ). Pari 
modo ab utriusque historiae, tarn antiquae quam recentioris, 


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corpore litterarum atque religionis fata divellunt, unde Litteraria 
historia cxistit atque Ecclesiastica. 

II. Linguarum multarum facultas non honoraria tantum 
Historiarum consulto est, verum quoque prorsus necessaria. Ac 
vetustatis quidem memoria monimentis graecis atque latinis con- 
tinetur: yraece igitur ac latine doctus historicus sit. Qui populi 
vero nunc Europae regna tenent, hi omnes fere perscripserunt 
historias suas eo sermone, qui cuique genti patrius est. Horum 
igitur ut historiae ita quoque linguae perdiscendae sunt, si non 
omnium, at eorum certe, quorum in gcnere historico Studium 
maxime eminuit, tamquam Gcrmanonm, Gallorum atque An- 
ylorum. 

III. Philosophia historiae finis est. Acta enim generis humani 
annalibus condita sunt, atque ex iis cognoscuntur, non propter 
solam delectationem, sed ad vitae tum privatae tum civilis usum. 
Informare homincm debet historia primo ut sapiens ( Philosophia 
moraUs ), dein nt justus (Jus naturae ), postremo ut bonus civis 
sit ( Politica ). 

Has scientias omnes oportet vos non cursim, non tumultu. 
ario Studio colere, sed tota mente omnique animi impetu in 
eas incumbere. Neque tarnen est, quod earum numerus vos 
perterrefaciat: trium enim annorum, pensa a vobis exigimus. Ex 
omnibus scicntiis, quas commemoravimus, nulla fere est, cujus 
initia semestri spatio non absolvant doctores Göttingenses. 
Jam cum vehementer ignavum oportet eum esse, qui quatuor 
aut quinque auditiones obire singulis diebus, recuset: facillime 
poteritis triennio quatuor et viginti scientiarum elementa per- 
cipere. 

IL 

Ante omnia vobis germanicac atque latinae linguae pa- 
randa facultas est, quo colere cum fructu auditiones publicas 
possitis. Quod ad Germanicam attinet, simul ac tangetis Ger- 
maniam, ipsa hominum consuetiulo vobis vice magistri erit, 
pracsertim si accesserit diligens lectio librorum. Latinae linguae 
facultatem adjuvabunt maxime collegia disputatoria, quae pluri- 
bus ex causis longe utilissima vobis futura, ita frequentabitis, 



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ut primo anno alios tantum disputantes audiatis, postea vero, in 
litteris aliquando confirmatiores, ipsi disputando vestri faciatis 
periculum. 

Cum spes sit, fore, ut extremo Junio, adeoque tres menses 
ante hybernarum auditionum initium, Göttingae adveniatis: de- 
bebitis juxta germanicae atque latinae linguae Studium omne 
illud tempus Geographiae impendere. Ea enim carere in historia 
nemo potest; at scholarum relieta subselliis a Professoribus Göt¬ 
tingae non traditur. 

Ab bis praesidiis instructi poteritis Octobri mense ipsum 
studiorum Aeademieorum curriculum ingredi, atque deinceps eas 
auditiones obire, quas vobis hic annumeramus. 

Semestri I hiberno 1765—1766. 

duce Achenwall... 1 Historia recentior 

2 Antiquitates romanae 

Duce Heyne... ... 3 Lingua latina 

4 Lingua germanica. 

Semestri II acstivo 1766. 

Duce Murray ..... 1 Historia recentior iterum 

_ Beckmann... 2 Logica 

3 lingua latina 

4 lingua graeca. 

Semestri III hiberno 1766—1767. 


Gatterer. 1 Historia antiqua 

Putter . 2 Historia Germaniae 


3 Philosophia moralis 

4 Lingua graeca 

5 Lingua gallica. 

Semestri IV acstivo 1767. 

Duce Achenwall... 1 Statistica 

....Achen wall... 2 Historia recentior tertio 
.... Beckmann... 3 Jus naturae 

4 Lingua gallica. 


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Semestri V hiberno 1767 — 1768. 


Achen wall. 1 Politica 

Piitter. 2 Jus publicum Germaniae 

Walch. 3 Historia Ecclesiastica 

4 Heraldica , Numismatica et Diplomatien 

Semestri VI aestivo 1768. 

Hamberger. 1 Historia litteraria 

Büsching ... 2 Statistica 

3 Lingua Anglica 
Heyne. 4 Lingua graeca. 



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