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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
KLINISCHE
BEltK^CijE
Beiträge zur Klinik
der
Mektionskrankheitenimd
znr Immnnitätsforschimg
(mit Ausschluss der Tuberkulose).
Unter Mitwirkung der Herren:
Aaser- Kristiania; Abderhalden-IIalle; Arneth-MUnster; Azenfeld-Freiburg i. Br.; Bertels-
mann-Kassel; Bmck-Altona; Bmnner-München; De la Camp-Freiburg; Deyckc-Lübeck ,
Flügge - Berlin ; Engen Fraenkel-Hamburg; Fromme* Berlin ; Füllebom - Hamburg; Ham¬
burger-Wien; Henkel-Jena; V. Herflf-Basel; Herzheimer-Wiesbaden; v. Hippel - Halle;
Hirach-Oöttingen ; I. Holmgren-Stockholrn ; A. Holst- Kristiania ; P. Holst- Kristiania ; Kirchner-
Berlin; Krause-Bonn; Kümmell-Harnburg; Küttner-Breslau; Landsteiner-Wien; Nocht-
Hamburg; v. Noorden-Frankfurt a. M. ; Opitz-Giessen; Pässler-Dresden; Payr-Leipzig; Pet-
tersaon -Stockholm ; Rostoski - Dresden; Rumpel - Hamburg ; Sahli-Bern; Schlossmann-
Düsseldorf; Schmidt - Halle ; Schwalbe-Rostock ; Seifert- Würzburg; Sellheim-Halle a. 5%;
Simmonds-Harnburg; Stöckel - Kiel; v. St römpell-Leipzig; Sudeck - Hamburg; Tendeloo-
Leiden; Uffenheimer-Müncben; Unna-Hamburg; v. Wassermann-Berlin;Wenckebach-Wien ;
Winter-Königsberg i. Pr. ; Zangemeister-Marburg; Zieler-Würzburg
Herausgegeben von
Professor Dr. L. Brauer
ärztlichem Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg - Eppendorf.
Redaktion:
Fflr die Originale:
Professor Dr. 1^. SchottmUller Professor Dr. H. Much
(Klinischer und bakteriologischer Teil) (Immunitätswissenschaftlicher Teil)
beide am Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.
Für die Ergebnisse:
Professor Dr. H. Lttdke
in Würzburg.
Band VI.
Mit 1 Tafel, 1 Abbildung und 116 Kurven im Text.
mmmm
WÜRZBURG
Curt Kabitzsch Verlag
1918
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Alle Rechte, iushesoiitlere das Recht der Ühersetziiiig Vorbehalten.
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Druck »lor Küniifl. Univcisitjitsdnirkerei K. Stiirli A. (i.. Wfir/buri'.
Goi'gle
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Inhalt des VI. Bandes.
Originale: S«iU
Arneth. Professor, Stabsarzt und Langer, Dr., Assistenzarzt, über 100 Fälle
von Unterleibstyphus mit besonderer Berücksichtigung der leichteren
Erkrankungen. Mit 18 Kurven im Text. 1
Bingold, Dr. Knrt, Kritisches über Oasbazillen-Infektionen.209
Kimmerle, Dr., Marine-Stabsarzt d. Res., Einige Beobachtungen bei der
Grippe.823
Koch, Dr. Georg und v. Lippmann, Dr« Richard, Klinische Beobach-
tungen Uber RUckfallfieber mit besonderer Berücksichtigung der Neo-
salvarsanbehandlung. Mit 21 Kurven im Text.291
Kollert, Dr. Viktor und Finger, Dr. Albert, Fleckfioberstudien. Mit
6 Kurven im ....43
Küster, Prof. Dr. Dr., Reg.-Rat und v. Holtnm, Dr. med.. Die Bedeu¬
tung der Duodenalsondierung für die Feststellung von Bazillenträgern
und für die Bewertung von Heilverfahren bei Bazillenträgern '. . . 233
Pfeiffer, Dr. Alfred, Myelitis und Tollwutschutzimpfnng.87
Rihm, Dr., Fränkel, Dr. Ernst .und Basch, Dr. Max, Klinische, experi¬
mentelle und pathologisch-anatomische Mitteilungen über Icterus in-
fectiosus (Wei Ische Krankheit). Mit 6 Kurven im Text und 1 far¬
bigen Tafel.254
Sachs, Dr. F., Assistenzarzt d. Res., Beiträge zur Kenntnis des Rückfall¬
fiebers. Mit 1 Abbildung und 7 Kurven im Text.- 306
Sichert, Dr., Marineoberstabsarzt z. D., Klinisches und Epidemiologisches
über Fleckfieber.. . 70
Sterling, Dr. med. phil. Stefan, Die Stauungsreaktion als differential-dia¬
gnostisches Hilfssymptoni beim Fleckfieber. Mit 6 Kurven .... 34
Erge bnisse;
Holler, Dr. G., Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen
(mit besonderer Berücksichtigung der Wirkung der Merk sehen Deu-
teroalbumose. Mit 57 Kurven im Text.. 92
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I <
Ausgegebcn am 15. Juli 1917.
6. Band, Heft 1 und 2. Einzelpreis M. 12.
■■■■■■■ ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■»■
KLINISCHE
Beiträge zur Klinik
der
Infektionskranklieitenimd
zur Immniiitätsforschimg
(mit Husschluss der Tuberkulose).
Unter Mitwirkung der Herren i
AaBer'Krictianift; Abderhalden-Hatle} Arneth-MUnster; Azeofeld-Freiburf^ i, Br.; w, Behring*
Marburg; Bertelsmann - Kassel; Brack-Aitooa; Brunner-München; De la Camp-Freibuig ;
Chiarl • Strassburg; Devcke • Lübeck; Flügge - BeiUo; Fränkel-Hamburg; Fromme* Berlin ;
Füllebom-Hamborg; Hamburger-Wien ; Henkel-Jena; v. Her ff • Base); Hencheimer-Wiea-
baden; v. Hippel-Halle; Birsch-Göttingen; L Holmgren-Stock beim; A. HolBt-Knstlania;
P. Holat-Kristiania; Kircbner-Beiiin; Kocher-Bern; KÜmmell-Hamburg; KÜttner-Breslau;
Landsteiner>Wien; MetebnikofT-Paris; Neisser-Breslau; Noebt-Hamburg; v. Noorden-
Wien; Opitz-Giessen; Päasler-Dresden; Payr-Leipzig; Pettersson-Stockholm; Paul H. ROmer-
Greifswald; RostosU - Dresden; Rumpel-Hamburg; Sahli-Bern; Schlossmann-Düsseldorf*
Schmidt-Halla: Schwalbe-Rostock; Seifert - Würxburg; Sellheim-TUbingen; Simmonds-Harn-
btirg; Stbckel'lGel; v, Strümpell-Leipzig; Sudeck - Hamburg; Tendeloo • Leiden; Uffen-
betmer-München; Unna-Hamburg; Veit-Halle; v. Wasserraaim-Berlin; Wenckebach-Straia-
burg; Winter-Königsbtfg üPr.; Zangemelster-Marbtirg; Zieler*WUrzburg
Herausgegeben von
Professor Dr. L. Brauer
ärztlldism Direktor dea Allgemeinen krankenhsusea Hamburg-Eppendorf.
Redaktion:
FUr die Originale:
Professor Dr. H. SohottmUller Professor Dr. H. Much
(Klinischer und bakteiiplogfscher Teil) (Immunitätswlasenschaftllcher Teil)
beide am Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.
Für die Ergebnissen
Professor Dr. H. LUdke
in Würsburg.
■ ■■■
6. Band, Heft 1 und 2.
■ ■■■
WÜRZBURG
Gurt Kabitzsch Verlag
1917
rsebeinen awonglos io Heften; etwa 30 Bogen (Originale und ErgeboUse zuaammen) unter Berfickaiebtigung einer e
irecbeodeo Anzahl Tafeln bilden einen Band. Der Preis für den Band betragt Mk. 2Ö.—^ Elnielheftc lind nur zu erhüht
Feiten kioflich. Manuskripte werden an das zuständige Redaktionamifglied erbeten, llluatrationsmarerial wird in repro-
dukilODshiblger Ausführung gewünscht. Bel besonders umfsngreichen Arbeiten behält sich der Verlsg eoisprecbende Ver¬
einbarungen vor. Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch bis zu 30 Sonderdrucke unberechnet geliefert. Der Verlsg
behalt lieh dis jäinftltnfiHMIi RMt der Vervielfiltigung, Verbreitung and Oberaetzung der In Er-_ '
LS I rsagenden Orlginalbeiirige innerhalb der gesetzlichen Schutzfr lat
*Alltl^^i9 ^«»iSsitfeB-ABBalims dorch ErBst ScholUs VerlBg.
mVERSITY OF CALIFORNIA
Beiträge zmBK.»inik^ge^^fiKtionskrankheiten und zur ImmunitätsForschung.
' ^3ie
Beiträge zur KliniK der InfeKtionskranRheiten
.. .. und zur Immunitätsforschung
erscheinen in Bänden von etwa 80 Bogen zum Preise von Mk. 20. — und zwar zwang¬
los in Heften, die auch einzeln zu erhöhten Preisen abgegeben werden. Bei Nach¬
bezug der Jbis jetzt vollständig vorliegenden 3 Bände wird ein ermässigter Preis eingeräumt.
Dem Illustrationsmaterial wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Probehefte vermitteln
alle besseren Buchhandlungen, event wende man sich direkt an
Cnrt Kabitzsch Verlag, Würzburg.
Ernst Kratz, Frankfurt a.M.
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Vif-.-
7 /^ ;
47./ i
' /r fl ff il
]r.r''
Inhalt des vorliegenden 1« und 2. Heftes von Band 6:
I. Originale:
Arneth u. Langer, Über IGO Fälle von Unterleibstyphus mit besonderer Berücksichtigung
der leichteren Erkrankungen.
Sterling, Die Stauungsreaktion als differential-diagnostisches Hilfssymptom beim Fleckfieber.
Kollert u. Finger, Flcckficberstudien. Mit 6 Kurven im Text.
Siebert, Klinisches und Epidemiologisches über I^eckfieber.
Pfeiffer, Myelitis und Tollwutschutzimpiung.
XL Ergebnisse:
Holler, Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen (mit besonderer Berück¬
sichtigung der Wirkung der Merkschen Deuteroalbumose). Mil 57 Kurven im Text,
Origiaal from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
über 100 Fälle von Unterleibstyphus mit besonderer
Berücksichtigung der leichteren Erkrankungen').
Von
Stabsarzt Professor Dr. Ameth, Münster Westf.,
B. Zt. im Felde,
und
Assistenzarzt Dr. Langer.
Wir hatten Gelegenheit, in unserem Feldlazarett, das längere
Zeit als Seuchenlazarett im Osten eingesetzt war, eine grössere An¬
zahl von Typhuserkrankungen zu beobachten.
Über 100 Fälle sei im folgenden berichtet.
Die Arbeit wurde mit Unterstützung des ordinierenden Arztes,
Stabsarzt Prof. Dr. Arneth angefertigt. Der von ihm in seinen
Mitteilungen aus dem Felde eingehaltene Gesichtspunkt, immer ein
möglichst lückenlos ziu* Beobachtung gekommenes Krankenmaterial
zu verwerten, ist wiederum beachtet worden. Mit Rücksicht darauf
imd weil an sich die meisten Fälle, die überhaupt auf unserem Front¬
abschnitte vorkamen, unser Lazarett passieren mussten, dürfte sich
im folgenden ein möglichst zuverlässiges Bild von dem da¬
maligen Typhuscharakter gewinnen lassen.
Die bakteriologischen Untersuchungsmethoden,
von denen nach Ausschaltung des W i d a 1, ausser bei den nicht
schutzgeimpften Russen, nur der kulturelle Nachweis der Typhus¬
bazillen in Blut, Stuhl und Urin in Betracht kam, Hessen uns, be¬
sonders zu Beginn der Erkrankung, vielfach ganz im Stiche. Sie
wurden aber doch in jedem Falle versucht. Ira ganzen sind von
den 100 Kranken 93 Blut-, 169 Stuhl- und 52 Urinproben
au die dienstliche bakteriologische Untersuchungsstelle*) eingesandt
worden.
1) Abgeschlossen Dezember 1915.
*) Unter Leitung von Generaloberarzt Prof. Dr. M. H a h n.
Bor Klinik der Infektionekrankheiten. Bd. YI. H. 1 u. 2. 1
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Original from
UNfVERSITY OF CALIFORNIA
O '1 >
2
Ameth und Langer.
[2
Die Diazorcaktion konnte erst späterhin ausgeführt und deshalb nur
teil weise berücksichtigt werden.
Es wurde, wo dies möglich war, immer darauf gesehen, die Blutproben
besonders zu Anfang und auf der Höhe der Kurve zu entnehmen, bei erstmalig
negativem Befund wiederholt.
Stuhl - und Urinproben wurden von der zweiten bis dritten Woche
ab eingesandt.
Vielfach Hessen sich aber diese Gesichtspunkte für die Entnahme des
Untersuchungsmaterials nicht aufrecht erhalten, weil öfter Kranke eingeliefert
wurden, bei denen sich, zumal bei atypischem Verlauf oder aus anderen Gründen,
eine genauere Zeitbestimmung überhaupt nicht machen Hess.
Wir sahen Kraute, die mit ausserordentlicher Willensstärke
gegen jedes Krankheitsgefühl angekämpft hatten und bei der Truppe
verblieben waren, bis sie z. B. erst eine schwerste Darmblutung
oder eine beginnende Perforation (tödlicher Ausgang!) zwang, sich
krank zu melden.
Bei einem derartigen Verhalten unserer Soldaten ist wohl da¬
mit zu rechnen, dass eine Anzahl der leichteren Fälle überhaupt
unbeobachtet blieb, da sich der ärztlichen Kenntnis entziehend, oder
Tabelle la. I. Leichter
a) Abortiv-
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt
Vor ? Tagen
Beginn mit
Zeitweise
Benommenheit')
Zungen-
beschaff enheit *)
Relative Puls¬
verlangsamung
Roseolen*)
1
R., 21 J., 16. X.
3
Durchfall, Kopfschmerz, an¬
geblich Fieber (38,1®—39,5®)
_
+
—
-
-
2
G., 22. X.
5
Schüttelfrost, Kopfschmerz,
seit 10 Tagen Halsschmerz
+
-f
3
M., 42 J., 8. XI.
3
Schüttelfrost, Kopfschmerz
_
4-
4- 4"
4
K., 28 J., 23. X.
4
Schüttelfrost, Kopfschmerz
—
-h
+
? Kratz¬
effekte
5
L., 20 J., 7. XI.
3
Kopfschmerz, Husten
—
4-
4-
?
6
K., 33 J., 8. XI.
2
Schüttelfrost, Kopfschmerz
_
+
4-
4-4-
7
H., 23 J., 28. X.
3
Kopfschmerz, Husten, Schwin¬
del, Durchfall
4-
AnmerkanK. Für alle Tabellen gilltlge Beieiehnongen:
*) Benommenheit: -t- = wenig und zeitweise, -f-i- = stärker und häu¬
figer, = vollständig bis Delirien.
*) Zungenbeschaf fonheit: -f- » trocken, Ränder gerötet, -f-f «Btär-
kerer Belag, trocken, Spitze und Ränder gerötet, -f -f -f = trocken, fuliginöser
Belag.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
3 ]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
3
auch wohl im Revier absolviert wurde. Ein Teil ist vielleicht auch
erst bei späteren Rezidiven, die öfter einen schwereren Verlauf
als die ursprünglichen Erkrankungen darboten, zur Beobachtung
gekommen.
Fast allgemein wird bekanntlich die Durchführung der Schutz¬
impfung als wesentlicher ursächlicher Faktor für diese leich¬
teren Modifikationen der Erkrankung und für den im allgemeinen
milden Verlauf der Seuche in Betracht gezogen.
Die Diagnose muss in vielen solchen leichten Typhen bei
Versagen der bakteriologischen Untersuohungsmethoden natürlich
eine unsichere bleiben. Vielfach ist nur das eine oder andere
der für dieselbe in Betracht konunenden Symptome ausgesprochen
vorhanden, wobei wohl auf die Anwesenheit von Roseolen oder eine
deutliche Milzvergrösserung bisher von den meisten Autoren der
grösste Wert gelegt wurde.
Unter den von uns beobachteten Fällen gehört eine ganze Reihe
in diese Kategorie von Erkrankungen.
Verlauf.
fälle.
Bei Eintritt kein Fieber mehr (Kurve
fehlt daher)
Nach 11 fieberfreien Tagen 3 tägiges
leichtestes Bezidiv
Herpes an Nase und Lippe
Am 24. XI. Schweiss
Am 7. XI. Miliaria crystallina. Bezidiv
späterhin
Am 9. XI. Schweiss
Bezidiv
•) Roseolen: ^vereinzelt, -f-t- =wenig, -f-f-f- =>reichlioh.
*) Milzsch Wellung: = deutliche Resistenz, -f-|- = Spitze gut fühlbar,
-1- -f -f = springt über den Finger.
*) Bronchitis: + aBgering, +-1- »stärker, -|--|--l- »sta^
l*
Bemerkungen, Komplikationen
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Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
4
Ameth nnd Langer.
[4
Kurven zu la.
Fall 1 bot die kürzeste Dauer. Lediglich am Abend des Ein¬
trittstages war noöh eine Temperatur von über 37,0'’ (37,2'’) festzu¬
stellen i). Im ganzen ging nur ein dreitägiges Kranksein voraus.
Der Fall ist deswegen bemerkenswert, weil er späterhin zu einem
Typhusbazillenausscheider wurde.
Bei den anderen Fällen konnten noch mehr oder minder grosse
Kurvenbruchstücke des abgekürzten Verlaufes im Lazarett beobachtet
werden.
Nicht weniger als vier unter den sieben Kranken machten die
Angabe, dass bei ihnen die Erkrankung akut mit Schüttelfrost
einsetzte.
Alle sind weiterhin durch einen kritischen Fieberab¬
fall charakterisiert, der zum Teil von Schweissausbrüchen be¬
gleitet war.
Dem denkbar kürzesten Initial- (Schüttelfrost) und dem denk-
l^ar kürzesten Endstadium (kritische Entfieberung) entsprechend lag
bei diesen Fällen auch eine möglichste Abkürzung dos eigentlichen
Fieljerverlaufes vor, der immer nur ganz wenige Tage betrug. Die
Fieberhöhe selbst erreichte jedoch meist beträchtlichere Grade, be¬
sonders in Fall 2 und 7.
Bei dieser äussersten Zusammendrängung aller Stadien
sehen wir Kurven entstehen, die mit den sonst gewöhnlichen bei
Unterleibstyphus fast nichts mehr gemein haben.
Auffallend ist in Fall 2, 4 und 7 der steilere Verlauf der
Kurven auf .der Höhe.
Am ehesten lässt sich noch l>ei Fall 6 ein Miniaturbild der ge¬
wöhnlichen Tj'^phuskurve mit Anstieg, niedriger Kontinua und Ab¬
stieg erkennen.
1) Die Kurve ist daher nicht wiedergogeben.
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Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
6]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
5
Die sämtlichen Abortivfälle kamen im Vergleich zu unseren
anderen Typhusfällen gewöhnlich früher, meist schon 2—3 Tage
nach Beginn, zur Einlieferung, was wohl eben mit dem be¬
reits erwähnten stürmischeren Einsetzen der Erkrankung und mit
dem, wenn auch im allgemeinen kürzeren, so doch zunächst offen¬
bar stärkeren Ergriffensein zusammenhängt.
In allen Angaben kehrt als konstanteste Beschwerde zu Beginn
der Kopfschmerz wieder, während Durchfall nur zweimal er¬
wähnt ist.
Über die wesentlichsten anderen klinischen Symptome enthalten
die Tabellen nähere Angaben. Es ist da besonders auffällig, dass
trotz des allerleichtesten Verlaufes in nicht weniger als vier Fällen
die Milz so stark vergrössert war, dass sie über die Finger sprang.
Ihre Eückbildung nahm auch nach Eintritt der Fieberfreiheit noch
längere Zeit in Anspruch.
In zwei von den übrigen Fällen, bei denen die Milz nicht ver¬
grössert gefühlt werden konnte, waren genug sichere Roseolen
vorhanden.
Nur in Fall 2 (es handelte sich um einen russischen Gefangenen)
fehlte beides, dagegen waren sowohl die Blutkultur als auch der
W i d a 1 positiv und wurden auch späterhin im Urin noch Typhus¬
bazillen ausgeschieden.
Fall 7 wurde ebenfalls zum Bazillenausscheider im Urin.
Nach allem kann also trotz des abortiven Verlaufes kaum ein
Zweifel bestehen, dass es sich bei sämtlichen Fällen um echte
Typhen handelte, um so mehr, als auch in drei Fällen (2, 5, 7)
typische Rezidive folgten.
Bedeutend häufiger als abortive Tj'phen kamen Fälle zur Be¬
obachtung, die einen einfachen abgekürzten Verlauf dar¬
boten. Nach ihrer geringeren oder etwas längeren Dauer sind sie
in den beiden folgenden Abteilungen getrennt behandelt.
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Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
6
Araeth und Langer.
[6
TabeUe Ib.
b) Leichteste Fälle
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt
Vor ? Tagen |
Beginn mit
Zeitweise
Benommenheit
Zungen-
beschafienheit
Relative Puls-
verlangsamung
Roseolen
8
L., 38 J., 31. X.
3
Kopfweh, Schwindel
—
—
+
+
9
F., 37 J., 21. X.
—
Durchfälle seit längerer Zeit
—
—
—
—
10
K., 27 J.. 12. XI.
3
Kopfschmerz, Kreuzschmerz,
Mattigkeit
—
—
11
R., 29 J., 11. X.
3
Mattigkeit, Rückenschmerz,
Frost, Appetitlosigkeit
—
+
+
4-
12
W.,4öJ., 16. X.
7
Übelsein, Mattigkeit, Kopf¬
schmerz, Durchfall, Leib¬
schmerz
—
+
+
13
B.. 39 J., 31. X.
—
Durchfall seit einigen Tagen
—
+
14
F., 21 J., 18. X.
1
Kopfschmerz, Leibschmerz
rechts unten
—
+
+
4-4-4-
15
R., 29 J., 6. X.
10
Kopfschmerz, Frösteln, Mat¬
tigkeit, Rückenschmerz
—
—
4-
4-
16
K., 20 J., 12. X.
2
Erbrechen,Durchfall, Schmer¬
zen im Leib
1
+
4-
17
K.. 37 J., 4. XI.
6
Appetitlosigkeit, Mattigkeit,
allgemeines Krankheits¬
gefühl
+ + +
■f
+ 4-
18
R., 26 J., 18. X.
4
Leibschmerz rechts unten,
Appetitlosigkeit, Fieber
—
—
4-
—
19
K., 20 J., 4. XI.
4
Schüttelfröste, Durchfall, Fie¬
ber, Schwindel, Kopf¬
schmerz
1
4-
—
20
W., 39 J., 23. X.
6
Durchfall, Leibschmerz, Ma¬
genschmerz
+ + 4-
+
4-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
7]
Über 100 Fälle von UnterJeibstyphu».
7
(ca. 8 tägige Däner).
,1
8
Durchfall
1
1
Blut
Stuhl
Bemerkungen, Komplikationen
—
zeitweise
—
—
—
—
+
anfangs
—
—
Para¬
typhus +
(27. X.)
Fieberfrei bis 11. XI., dann leichtestes
Rezidiv
++ +
—
+
—
Zeitweise Obstipation
+++
—
—
—
—
+ 4-
anfangs
—
—
—
—
+
—
—
+
(22. XI.)
—
Vom 31. X.—19. XI. subfebriler Verlauf,
dann Rezidiv
+ + 4-
vereinzelt
—
—
—
Zu Beginn Blinddarmreizsymptomo
—
—
+
—
—
Nasenbluten
—
anfangs
— •
—
Zu Beginn Schmerzen im Leib beim
Oehen und Stehen. (Peritonoalreiz)
+ 4-4-
—
+
—
—
—
+ + +
—
+
—
—
Zu Beginn Blinddarmreiz^mptome.
Dann Rezidiv. Diazo «« +
+ + +
vor
Eintritt
—
—
Die Angaben in dieser Tabelle beziehen
sich auf das Rezidiv! Seit 18. X.
Ruhrsymptome!
+ + +
1
fehlt
Urin +
(3. XI.
3. xn.)
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9] Über 100 Fälle toq UnterleibBtyphos. 0
Von den meisten Fällen wurde nicht 39,0“, von einzelnen nicht
einmal 38,0“ erreicht oder nur unbedeutend, zumeist 1—2 mal zu
Beginn, überschritten.
Der Fiebercharakter aller Fälle nahm vielmehr meist sofort
den absteigenden Typhuskurvenverlauf an. Das amphibole Stadium
ist dabei fast ebensooft anzutreffen, wie ein mehr lytischer, trepj>en-
förmiger Abfall der Kurve. Schweissausbrüche wurden entsprechend
nicht beobachtet.
Die Abkürzung aller Stadien des Verlaufes ist demnach eine
bedeutende. Bei Berücksichtigung der anamnestischen Angaben über
die Krankheitsdauer vor Eintritt entfällt die Verkürzung relativ
mehr auf das Initial- und Höhestadium als das Stadium der Ent¬
fieberung, dessen genauere Beobachtung meist allein möglich war.
Das bakteriologische Untersuchungsresultat war allein im Fall 9,
dessen Kurve eigentlich nur aus abgekürztem Initial- und End¬
stadium besteht, und in Fall 13 positiv. Bei Fall 20 wurden Typhus¬
bazillen noch späterhin im Urin gefunden.
Die Patienten wurden, wenigstens in der ersten Zeit, zum
grössten Teil 6—10 Tage nach eingetretener Entfieberung ab¬
transportiert. Da aber erfahrungsgemäss ein positiver bakteriologi¬
scher Befund in Stuhl und Urin auch noch geraume Zeit nach Ent¬
fieberung eintreten kann, so darf in den bis zum Abtransport bak¬
teriologisch negativen Fällen die Untersuchung noch nicht als ab¬
geschlossen gelten.
Einzelheiten über Roseolen, Milz, relative Pulsverlangsamung, Zungen¬
beschaffenbeit, Durchfälle, Rezidive usw. sind in den Tabellen enthalten.
Dreimal waren zu Beginn typische Bauohfellreizsym-
ptome in der Blinddarmgegend vorhanden, was in diesen Fällen
trotz der Leichtigkeit der Erkrankungen immerhin auf tiefergreifende
oder wenigstens ausgedehntere typhöse Prozesse in den unteren
Teilen des Ileum schliessen lassen dürfte i).
In diesem Zusammenhang sei vorausgenommen, dass in einem
Fall (Nr. 89) vor Einlieferung von anderer Seite wegen besonders
heftiger Beschwerden eine Blinddarmoperation ausgeführt
worden war. Es konnte bei negativem Befunde aus der hochgradigen
Schwellung der Mesenterialdrüsen die Diagnose Typhus direkt ge¬
stellt werden, die dann auch durch den weiteren Verlauf sich be¬
stätigt zeigte.
1) Vgl. Arncth, D. Arch. f. kl. Med. 1915. Bd. 117.
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
10
Araeth und Langer.
[10
Tabelle zu Ic.
c) Leichte F&Ile
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt
Vor ? Tagen
•
Beginn mit
——_j
Zeitweise
Benommenheit
Zungen¬
beschaffenheit
Relative Puls-
verlangsamung
Roseolen
21
H., 26 J., 7. X.
6
Kopfschmerz, Appetitlosig¬
keit, Mattigkeit, Phuta-
deren
+
—
—
+++
22
H..40J..18.XI.
6
Durchfall, Leib 0 chmerz,Kopf-
schmerz
—
—
+
4-4-
23
K., 23 J., 26.x.
3
Kmfschmerz, Kreuzschmerz,
Verstopfung, zeitweise Ma¬
genschmerz
““
“f
++
24
M., 20 J.. 10. X.
Seit 14 Tagen Durchfälle
und Erbrechen, Leib¬
schmerz, Magenschmerz
-
_
?
+
(28. XI.)
25
16 .x.
4
Schüttelfrost, Kopfschmerz,
Verstopfung
—
—
—
4-4-
26
S., RusBe, 22. X.
3
Schüttelfrost, Kopfschmerz,
Fieber
—
—
4-
4-
27
W..20J.,6.XI.
1
Husten, Stiche auf der Brust
—
_
4-
28
T., 36 J., 13. X.
3
Durchfall, Appetitlosigkeit,
Kopfschmerz
—
—
(+)
+ ?
20
H.,21J.,20.IX.
3
Durcheil, Schüttelfrost,
Kopfschmerz, Mattigkeit,
Appetitlosigkeit
++
+
++
30
v.A.,38J.,12.X.
—
Schwindelanfälle
(+)
+
+
+
31
B., 26 J., 7. XI.
14
Durchfall mit Blut, Leib¬
achmerz, Magenschmerz
(anderes Lazarett)
—
+
+
—
32
C., 40 J., 28. X.
8
Gliederschmerz, Kopf¬
schmerz, Mattigkeit
—
+
+
++
33
G., 18 J., 23. X.
T
AUgemeine Mattigkeit
—
+ +
++
34
B.,Ru88e, 14.XI.
4
2 Tage Schüttelfrost, Kopf¬
schmerz, Mattigkeit
—
+
4-
++
36
H.. 34 J.. 11. XI.
4
Schüttelfrost, Schwindel,
Kopfschmerz, Durchfall,
Rückenschmerz
+
++
36
E., 30 J., 7. X.
7
Kopfschmerz, Rücken¬
schmerz, Mattigkeit, Appe¬
titlosigkeit
+ + +
+ + +
4-
+
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
über 100 Fälle von UnterleibetyphuB.
(ca. 8- bis ca. 14tägige Dauer).
.1
1
•3
1
Blut
Stuhl
Bemerkungen. Komplikationen
3
s
1
n
+ + +
anfangs
—
—
—
Nasenbluten
_
anfangs
__
(23. XI.)
+ + +
—
(+)
—
Diazo s= 4-, Albumen +
reichlich
+(27.XL)
Para-
+
—
—
—
typhus
—
+++
anfangs
+
Diazo == -f-f
+ + +
an&ngs
++
—
—
—
vereinzelt
_
Vorüberffehend Peritonealreiz (16. X.)
und pleuritiaches Reiben
später
+
—
—
—
— !
Trockene Rippenfellentzündung zu Be¬
ginn (bis 23. X.)
+ +
reichlich
—
—
—
Zu Beginn Ruhrsymptome
+ + +
_
Nach 6 Tagen ohne Fieber. 17 tägiges
Rezidiv von mildem Verlauf
+++
anfangs
+ -f
—
—
Leichtes Qeschwür am Kehldeckel
+
—
—
—
—
Nach 7 fieberfreien Tagen 3 tägiges
Rezidiv von leichtestem Verlauf
+ + +
anfangs
—
-+•
—
Anschliessend 4 tägiges leichtestes Re¬
(16. XI.)
zidiv, dann 6 Tage subfebrile Tem¬
peratur. hierauf wiederum 11 tägiges
Kezidiv
+ + +
anfangs
Peritonealreisssymptome vom 13. — 16. X.
Nach 2 Tagen 3 tägiges Rezidiv
Digitized b)
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
12
Arneth und Langer.
[12
Kurven zu Ic.
Digitized by Goiisle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
13]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
13
Gegenüber T^/o lx)i den abortiven und 13o/o bei den leichtesten
Fällen liegt hier ©ine Frequenz von 16o/o vor.
Auffallend ist wieder eine beträchtlichere Zahl initialer Schüttel¬
fröste. Im übrigen kehren an amnestisch fast die gleichen Be¬
schwerden (besonders die Kopfschmerzen) wie bisher zu Beginn
wieder.
Was über Milz und Roseolen und über die sonstigen klinischen
Symptome bei den Vorausgehenden Gruppen gesagt ist, gilt auch
hier, desgleichen bezüglich der bakteriologischen Befunde, die eben¬
falls nur in einzelnen Fällen positiv waren. Zu Rezidiven und leichten
Nachschüben kam es in zwei bzw. drei Fällen.
Unter den Kurven befindet sich eine Anzahl, die einen be¬
sonders unregelmässigen (Fall 21, 33, 34, 3G), und eine Anzahl,
die einen besonders milden Verlauf (niedrige Teinporaturen) dar¬
bietet (Fall 24, 25, 35).
An die letzteren Falle schlitcssen sich dein Charakter nach die
Bcolaachtungen in den nächstfolgenden Abteilungen mit mildem Ver¬
lauf (II) an.
Bei den übrigen Fällen besteht zum Teil schon ein ausge¬
sprocheneres H ö h e s t a d i u m, in F'orm eines mehrtägigen konti¬
nuierlichen oder remittierenden höheren Fiebers (Pall 23, 27, 29,
30, 31, 32). In den anderen Fällen (22, 25, 26, 28) beginnt der
Kurvenverlauf nach Lazarettaufnahme, ähnlich wie bei Gruppe Ic,
sofort mit deren Abfall in steilerer oder mehr staffelförmiger Weise.
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Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
14
Arnetb und Langer.
[14
Bei den Typhuserkrankungen mit leichtem Verlauf (la—c =
36o/o) waren in 12 Fällen zu Beginn Schüttelfröste zu ver¬
zeichnen. Die sonst beliebte diagnostische Regel, bei initialem, stär¬
kerem Schüttelfrost an alles andere eher als an Typhus zu denken,
trifft demnach hier nicht zu.
Vielleicht kann in diesem Verhalten mit Rücksicht auf die leichte
Natur der Erkrankungen ein bis zu einem gewissen Grade pro¬
gnostisch günstiges Zeichwi erblickt werden.
Wie die Durchsicht der Tabellen ergibt, waren in allen leichten
Fällen die Durchfälle seltener; in einer beträchtlichen Anzahl
fehlten sie völlig, in anderen bestand von Anfang an bis zu Ende
Obstipation. Im allgemeinen würde dies Verhalten also ebenfalls
zu der leichten Natur der Erkrankungen passen, wenn schon be¬
kanntlich diesbezüglich beim Typhus durchaus keine Übereinstim¬
mung zu herrschen braucht.
Die bei allen drei Abteilungen der Gruppe I nicht selten vor¬
gekommenen Peritonealreizsymptome (14»/o), die meist in
die rechte Unterbauchseite und häufig etwas höher, rechts vom
Nabel, verlegt wurden, oder auch gleich diffus auftreten konnten,
deuten jedenfalls darauf hin, dass auch in den allerleichtesten Fällen
tief ergehende Veränderungen der Darmwand auftreten können und
daher auch bei diesen die Behandlung vorsichtig geführt
werden muss.
Todesfälle waren in der Gruppe I nicht zu verzeichnen.
Entsprechend dem leichteren Verlauf waren die Komplikationen
recht spärlich und nicht schwerwiegend.
Rezidive und Nachschübe kamen in 10 Fällen hinzu. Viel¬
fach war ihr Charakter ein schwererer als der der urspünglichen
Erkrankung.
Die Disposition zu Rückfällen war also auch bei den leichten
Fällen eine ziemlich beträchtliche.
Eine Milzvergrösserung wurde in 26 unter 36 Fällen
festgestellt; dieselbe war grösstenteils sehr stark (-|- -f- -|-).
Mit Rücksicht darauf, dass die Milzvergrösserungen beim Unter¬
leibstyphus sonst gewöhnlich stärkere Grade nicht zu erreichen
pflegen, ist dies gerade auch bei unseren allerleichtesten Fällen
beobachtete Verhalten bemerkenswert und stellt eine besondere
Eigentümlichkeit derselben dar.
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
16]
Über 100 Fälle Ton Unterieibstyphos.
16
Roseolen, relative Pulsverlangsamung und die übrigen klini¬
schen Symptome zeigten kein besonderes abweichendes Verhalten.
Die bakteriologischen Untersuchungen führten bei der
ganzen Gruppe, wie bereits im einzelnen erwähnt, nur zu we¬
nigen positiven Resultaten. Es ist dies ein gleiches Ver¬
hältnis wie audh bei den anderen Gruppen und darf daher mit der
Leichtigkeit oder Schwere der Fälle an sich nicht in unmittel¬
baren kausalen Zusammenhang gebracht werden (siehe unten).
Im Fall 19 waren typische Ruhr Symptome in einem der
verschiedenen Inkubationszeit entsprechenden Abstande voraus¬
gegangen, so dass eine gleichzeitige Infektion mit Ruhr und Typhus
angenommen werden musste.
Es sei hier auch gleich auf ein ähnliches Verhalten in den
Fällen 31, 46, 64, 85, 87 verwiesen.
Unter dai Fällen mit leichtem Verlauf (Gruppe I) befanden
sich auch drei russische Gefangene (Nr. 2, 26, 34). Da im ganzen
neun l^phen bei gefangenen Russen beobachtet wurden, so steht
bei diesen die Zahl der leicht verlaufende Fälle in nicht ganz
demselben günstigen Verhältnisse zu den schwerer ver¬
laufenden, wie bei unseren an Typhus erkrankten Soldaten.
Bei den Russen war keine Schutzimpfung vorausgegangen. Es
konnte denmach in der Gruppe I auch ein gewisser Unterschied
zwischen dem Typhusverlauf bei Geimpften und Ungeimpften kon¬
statiert werden. Zu einer zuverlässigen Prüfung dieser Frage wird
jedoch das vorliegende Material nicht ausreichen. Wie wir später
sehen werden, verschiebt sich bei den folgenden Gruppen das Ver¬
hältnis der leiditeren zu den schwereren Fällen bei unseren Sol¬
daten und dwi russischen Gefangenen gewaltig in einem für die
Schutzimpfung günstigen Sinne.
Bei den folgenden Gruppen ist von einer aasführlichen graphischen Wieder¬
gabe der Temperaturkurven abgesehen und der Fieberlauf in der letzten
Kolumne der Tabelle immer nur kurz beschrieben worden.
Digitized by
Goi.igle
Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
16
Tabelle II a.
Ameth und Langer. [16
11. Milder Yerlanf. a) Kürzere Daaer
§
4»
s
*©
4 ^
Name,
SP
.s-ä
ä’3
£ 1
Nr.
Alter,
Eintritt
H
M
o
Beginn mit
0) o
© ©
p
n|
«s
Roseolen
>
1
37
G., 38 J., 6. X.
6
Schüttelfrost, Fieber, Appe-
+++
+
+ 4-4-
i
titlosigkeit, Kreuzschmerz,
Durchfall
1
38
D., 27 J., 2. XI.
8
Kopfschmerz, Appetitlosig¬
keit, seit 2 Tagen Durchfall
—
—
+ +
39
W., 43 J., 6. X.
3
Schüttelfrost, Appetitlosig-
++
4-
+++
keit, Husten, Mattigkeit
40
H., 42 J., 2. X.
7
Kopfschmerz, Appetitlosig-
+
++
+
+ + +
keit, Durchfall
(teils hä-
morrha-
gisch)
41
K., 34 J., 29. X.
8
Appetitlosigkeit, Fieber
+++
-f H-4-
42
S., Russe, 17. X.
7
Kopfschmerz, Frost, Hals¬
schmerz, Husten
—
-f
—
43
B., 31 J., 1. X.
6
Appetitlosigkeit, Mattigkeit,
+
+
++
Durchfall
44
W., 20 J., 2. X.
7
Schüttelfrost, Fieber, Appe¬
—
-f
+
+ + +
titlosigkeit, Mattigkeit,
Durchfall
45
S., 44 J., 7. X.
8
Kopfweh, Appetitlosigkeit,
Mattigkeit, Frösteln
—
[
+
+
40
B., 31 J., 8. X.
3
Durchfall, Kopfschmerz
—
+
4-
—
47
M.,22J., 16. IX.
1
Schüttelfrost, Erbrechen
(+)
+ + +
4-
+ + +
48
Sch.,21J.,2.XI.
7
Durchfall, Erbrechen, Fieber,
+
4-
+
Leibschmerz, Appetitlosig¬
keit, Brustschmerz
49
A., 31 J.
Wegen Muskelrheumatismus
_
+
4-
?
und Furunkulose in einem
anderen Lazarett vor Aus¬
(Kratz-
^fekte)
bruch behandelt. 14 Tage
vorher auoh Angina
i
Goi.igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
17
(bis ca. 3 Wochen).
Fieberverlauf, Komplikationen
i
sehr viel
—
—
—
Unregelmässiges Fieber zwischen 36,5®
bis 38,8® 14 Tage lang, dann normal
i+++
länger
+
—
1
10 T^e zwischen 38®—39®, dann 5 Tage
zwischen 37®—38® zur Norm. Diazo
= 4" +
vereinzelt
4-
15 Tage remittierendes Fieber zwischen
37® - 39,4®, meist über 38®, in 4 Tagen
(steilere Kurve) zur Norm
+++
!
reichlich
4-
14 Tage zwischen 37®—39® meist remit¬
tierendes Fieber, dann 3 Tage steilere
Kurve, zur Norm. Epididymitis und
Orchitis links ab 15. X.
1+++^
1
anfangs
kurze
Zeit
1
4-4-
4-
(3. XII.)
1
8 Tage Fieber ausserhalb, 16 Tage
zwischen 37®-38,5®, 5 Tage subfebriler
Verlauf. Hypacusis, leichte trockene
? i anfangs + +(16.X.) (4, XII,
I Para-
I typhus
+ + 9 Tage +
— anfangs -f
— anfangs —* —
— anfangs + -
— reichlich — + —
Para-
typhus
(24. XI.)
-f 4- + anfangs + fehlt -f
1 (21. XI.;
‘ + + + -
Digitizr'B«HrÄ|
XC1.00U Ulitur OlUU,
starke Abmagerung. — Nach 19 Tagen
2 tägiges und nach weiteren 2 Tagen
9 tägiges Rezidiv
) Zunächst bis 38,8®, dann in 13 Tagen
langsam treppenförmiger Abfall bis
37®, 1 Tag Anstieg bis 38,6® und in
2 Tagen (Nasenbluten) zur Norm.
Anschliessend und nach 8 Tagen je
leichtestes Rezidiv (2 Tage)
12 Tage bis 39®, 7 Tage zwischen
37®—38®, dann zur Norm
Unregelmässiges Fieber zwischen 37®
bis 39®, 9 Tage lang, dann zwischen
37,8® - 38® 6 Tage, nach 2 tägigem
Anstieg bis 39® in 2 Tagen rasch
Abfall zur Norm
8 Tage Fieber ausserhalb, dann 8 Tage
zwischen 38®—39,5® in 4 Tagen Ab¬
fall zur Norm
7 Tage Fieber um 39®, dann 6 Tage
um 38®, dann 6 Tage zwischen 37®
bis 38®. Anfangs Ruhrsymptome. Ara
13. X. Peritonealreizsymptome. Am
15. und 17. X. schwere Darmblutung
2 Tage zwischen 38,5®—39,5®, dann 13
Tage fast immer zwischen 38® —39,8®,
dann in 2 Tagen rascher Abfall zur
Norm
Im Lazarett Fieber, meist zwischen
) ^® 39® (4 mal wenig über 39®), dann
in 5 Tagen treppenförmiger Abfall
zur Norm. Diazo = -|-
Zuerst 7 Tage zwischen 37® -38®, dann
9 Tage stark remittierendes und auch
intermittierendes Fieber bis gegen
40®, in 3 Tagen Abfall zur Norm.
Schwereres Rezidiv mit allen ty¬
pischen Symptomen „ . .
fcktionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 u. 2.
Original from
UNIVzRSITY OF CALIFORNIA
18
Arneth und Langer.
[18
Digitized by
Tabelle II b.
b) Längere Dauer
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt,
Beginn mit
a>
0)
OB C3
•o «
^ s
•ti E
© o
N g
gl
«'S
CS3 ü
00
o
. t£)
® C3
li
® s
oö^
«5
Roseolen
fiO
.51
.52
.53
O., .30 J., 27. IX.
W., .37 J., 27. X.
N., ,34 J., 9. X.
R., 40 .1., 28. X.
AllgemeineMattigkei t,Durch-
fall,Rückon8chmerz, Brust¬
schmerz
Kopfschmerz, Mattigkeit,
Appetitlosigkeit
Appetitlosigkeit, Kopf¬
schmerz, angeblich massiges
Fieber
Kopfschmerz, Übelsein, Hu¬
sten, Leibschmerz
- 1 +
+ +
+ f-I- ++ +
r4
50
L. , 39 J., 15. X.
M. , 40 .T., 5. X.
K., 32 .T., 2.5. X.
14
14
57
Ch., 19.T., 4. X.
Kreuzschmerz, Kopfschmerz,
Magenbeschwerden
Schüttelfrost, Kopfschmerz,
Durchfall, Mattigkeit,
Appetitlosigkeit
Kopfschmerz, hohes Fieber,
Schüttelfrost, Mattigkeit,
Appetitlosigkeit
Durchfall
+
+ :+-f+
— +
— ! 4- +
58
K., .30.7., 10. X.
Durclifälle, Hinfälligkeit
-f +
-f
+ +H-
4- ! + +
+
+
-f
4“ "b ^
(4 )
4-4- +
+
( + )
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
19] Über 100 FäDe von Unterleibstyphus. 19
(ca. 3—5 Wochen).
Milz-
Schwellung
Durchfall
Bronchitis
Blut
i
Stuhl
Bemerkungen, Komplikationen
++
i
1
1 i
+
—
—
Anfangs einige Tage hohes Fieber, dann
massiges remittierendes, im ganzen
21 Tage. Leichte Venenthrombose
am rechten Unterschenkel
+ + +
i
1 reichlich
!
—
—
5 Tage Fieber zwischen 37,5®—39,5®,
dann 13 Tage zwischen 37®—39®, zur
Norm. Diazo = -f
++
i
—
—
Fieber zunächst 4 Tage um 39®, dann
sehr langsamer Abfall in 13 Tagen
zur Norm
+
+
+
viel und
lang
i
1 1
+
+
(30. X.)
18 Tage Fieber zwischen 37® — 39,5®,
meist um 38®. Am 13./14. X. Schweiss
(Miliaria crystallina). In Rekon¬
valeszenz kalter Abszess am Hals und
linken Handrücken. Nach 16 fieber¬
freien Tagen 4 tägiges leichtestes Re¬
zidiv, an das sich noch ein 3 tägiges
anschloss
+++!
1 1
1
i ___
i
+
1
14 Tage Fieber zwischen 38®—39,2®,
4 Tage zwischen 37®—38®, dann
normal
1
1
zeitweise
j
++
i —
28 Tage höheres Fieber, dann 16 Tage
bis 39,2®, dann unter 38®. In der
3. Woche Peritoneal reizsymptome
?
Nach Eintritt 6 Tage zwischen 38® bis
etwas über 39®, dann 6 Tage um 38®,
dann 10 Tage zwischen 37®—39®, zur
Norm. Diazo = Peritonealroiz-
symptome vom 1.—8. XI. Nach
17 Tagen fieberfreien Verlaufes leich¬
testes Rezidiv (2 Tage)
1 ?
1
anfangs ;
fohlt
1
Urin +
(4. XII.)
34 Tage Fieber unter 39®, vereinzelt
darüber, langsam abfallend, zuletzt
7 Tage steilere Kurve. In Rekon¬
valeszenz hysterische Lähmung am
rechten Vorderarme. Hysterischer
AnfaU (4. XII.)
1
1
nicht
mehr
1
i
i
1
!
34 Tage Fieber, zu Beginn bis 39,2®,
dann ganz allmählich bis zur Norm
abfallend, zuletzt einige Tage etwas
steilere Kurve. Anfangs Albumen=4-.
Odem an den Unterschenkeln
2*
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Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20
Ameth und Langer.
[20
Die Beobaditiingen der Gruppe II lassen zum grössten Teil
einen typischen Fieberverlauf vermissen. Nur in relativ-
wenig Fällen ist derselbe ein gleichmäßigerer mit geringen Schwan¬
kungen (Fall 52, 56, 57, 58) vind fällt von der grössten Höhe zu
Beginn langsam und gleichmässig bis zur Entfieberung ab.
Meist bestand söhou zu Anfang ein unregelmässiges oder remit¬
tierendes oder auch intermittierendes Fieber, also kein charak¬
teristisches Verhalten. Es trifft dies besonders Ijei den Fällen der
Gruppe II a zu.
Nur das Stadium der steilen Kurven findet sich zumeist
mehr oder weniger angedeutet, am stärksten bei den Fällen II b.
Je länger und schwerer der Verlauf der Erkrankungen wird —
dies gilt auch ähnlich bei der folgenden Gruppe III, insoweit hierüber
aus dem Verhalten der Temperatur überhaupt geurteilt werden
kann —, desto charakteristischer gestaltet sich der Kurvenverlauf,
so dass wir mit den an Schwere zunehmenden klinischen Sym¬
ptomen auch immer häufiger typisdien Typhuskurven b^egnen
werden.
Es fällt auf, dass die Kranken der vorli^enden Gruppe im
allgemeinen später zur Einlieferung kamen, durchschnittlich
(siehe dritte Reihe der Tabellen) erst etwa eine Woche nach Be¬
ginn, was auch mit den subjektiv milderen Initialsympto¬
men in dieser Gruppe im Einklang steht.
Kopfweh, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Glieder- und Kreuz¬
schmerzen waren auch hier die meist geklagten Beschw’erden. Nur
in vier Fällen von II a und in drei von II b war dagegen zu Beginn
Schüttelfrost aufgetreten.
Wenn wir vorweg das Vorkommen von Schüttelfrösten
bei allen Gruppen hier in Vergleich stellen, so ergibt sich:
1. Gruppe (36 Fälle): 12 Schüttelfröste,
2. Gruppe (24 Fälle): 7 Schüttelfröste,
3. Gruppe (40 Fälle): 11 Schüttelfröste,
100 m
Die Fälle der Gruppe 4 sind entsprechend bei 2 und 3 eingereiht worden.
Es ist also eine Abnahme der Häufigkeit der initialen Frost¬
erscheinungen auch l>ci der schwereren Gruppe kaum besonders
ausgesprochen.
In bezug auf das Vorhandensein von Störungen des Sen-
soriums werden wir in den Gruppen I—IV entsprechend eine
zunehmende Häufigkeit derselben antreffen.
Ähnlich verhält es sidli naturgemäss auch mit der Beschaffen¬
heit der Zunge, der Häufigkeit der Bronchitis und der Schwere und
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Goi.igle
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
21 ]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphua.
21
zunehmenden Zahl, sowie charakteristischen Beschaffenheit der
diarrhöischen Entleerungen.
Bezüglich des Verhaltens von Roseolen und des Milz¬
tumors ergeben sich, wie ebenfalls gleich hier vorweggenoramen
sei, im Zusammenhang folgende Verhältnisse;
Tabelle a.
In
Grappe
Keine
Roseolen
Kein
Milz-
tomor
Beides
zugleich
fehlend
Bemei^ungen zur letzten Spalte
la
3
3
1
Fall 2 bakteriologisch positiv.
Ib
4
3
—
—
Io
1
4
—
—
Ila
3
i
6
i
2
Fall 42 bakteriologisch positiv, und
Fall 46 durch schwere Darmblutungen
als Typhus erwiesen.
II b
1
4
3
Fall 67 bakteriologisch positiv. —
Fall 66 und 58 sonst klinisch sicher.
lila
4
' * 7
i
2
Fall 70 bakteriolo^^h positiv und
Fall 66 klinisch sicher.
III b
4
4
—
—
nie
3
2
1
Fall 88 typischer Fieberverlauf.
IV
4
7
3
Milzpalpation z. T. wegen Spannung
nicht möglich.
Somit fehlten in 12 Fällen Roseolen und Milzschwellung. Von
diesen sind drei durch den Tod, bzw. die Sektion erwiesen und vier
bakteriologisch, so dass also nur noch fünf übrig bleiben, bei denen
die Diagnose sich nicht auf das Vorhandensein von Roseolen oder
Milztumor oder beide zusammen stützen konnte. Sie zeichneten
sich aber durch ein sonst charakteristisches klinisches Verhalten aus.
Die Milzvergrösserungen waren oft ungewöhnlich starke und
harte und bildeten sich nur langsam zurück. Eis war dies eine
besondere Eigentümlichkeit des Milztumorverhaltens in allen Grup¬
pen. Bis Anfang 1915 konnte dies von uns nicht in dieser Weise
beobachtet werden.
Auffallend ist dann noch vor allem die mit der sonstigen Er¬
fahrung nicht übereinstimmende, aus der Tabelle hervorgehende
Abnahme der Häufigkeit von Roseolen und palpablen Milztumoren
gerade in den schwereren Gruppen 3 und 4.
In den Gruppen 1 und 2 befinden sich neben einer ungewöhn¬
lich grossen Anzahl von leichtesten Erkrankungen auch eine unge¬
wöhnlich grosse Anzahl von atypischen milden Fällen mit
kürzerer oder längerer Dauer. Wie wir nunmehr bei Gruppe IIl
sehen werden, herrscht jedoch auch dort eine Tendenz zum
milder«! Verlaufe vor.
Digitized by
Go - gle
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
22
Tabelle lila.
Ameth und Langer. [22
III. Mittlerer bis schwerer Verlauf.
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt
Vor ? Tagen |
Beginn mit
Zeitweise
Benommenheit
Zungen¬
beschaffenheit
Relative Puls¬
verlangsamung !
Roseolen
59
W., 30 J., 6, X.
13
Kopfschmerz, Mattigkeit all¬
gemeine Schwäche, Ver¬
stopfung
—
+
++
60
S., 38 J., 28. X.
—
Seit längerer Zeit Husten
—
-f
+
++
61
B.,24J., 10. XI.
—
Stiche in der Brust links
—
4- 4-
+
(+)
62
0., 41 J., 5. X.
12
Fieber, Durchfall
—
+++
W., 26 J.. 9. XI.
3
Mattigkeit, Husten
4-4-4-
1
+
_
64
Th., 20J.,1.XI.
3
Durchfall von neuem, Kopf¬
schmerz, Halsschmerz
—
' 4-4-
+
++
65
T., 20 J., 26. X.
4
Täglich Schüttelfrost, Durch¬
fall, Leibschmerz
—
-f-f
+
+ H-
()6
V., 28 J., 3. X.
16
Fieber, Frösteln, Mattigkeit,
Durchfall, Leibschmorz
-f+ -f
—
+
67
S., 26 J., 16. X.
—
Benommen bei Einlieferung
4-4-4-
+
+ +
68
S., 25 J., 25. X.
8
Kopfschmerz, Mattigkeit,
Schwindel, Durchfall, eit¬
rige Mittelohrentzündung
+ 4"
4-
+
-I- +
1
1
1
69
Sch., 20J., 27.x.
3
Schüttelfrost, Kopfschmerz
-f-f-f
4" -f 4-
+
( + ) 1
70
D., Ruhsc, 16. X.
5
Kopfschmerz, Durchfall, Fie¬
ber
—
+++
+
71
Sch.,36J.,2.XI.
6
Fieber, Husten
4- +
+
+ + +
72
H., 37 J., 27. XI.
5
Schmerzen in Kreuz und
Beinen
4-
4-
+
+ + +
73
W., 18 J., 30. IX.
4
Kopfschmerz, Durchfall, Mat¬
tigkeit, Appetitlosigkeit
4-4-4-
1
4-
+ +
Digitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
23] über 100 Fälle von Unterleibstyphus,
a) ca. 2—3wöchentliche Dauer.
23
Milz-
schwellung
Durchfall
Bronchitis
Blut
Stuhl
1
zeitweise
später
+
—
+++
anfangs
++
—-
-f
—
+
—
++^-
anfangs
_
fehlt
4"
(29. XI.)
Urin
+
(29. XI.)
Stuhl
+ + +
—
-f
—
fort¬
während
-f
+ (8.XI.)
—
anfangs
reichlich
—
—
anfangs
öfter
—
i
reichlich
1
anfangs
' + +
I 1
■ + (7.XI.)
1
+
!
i
1 ++
: i
+ (1.XI.)
1
1
anfangs
! 4" 'I' :
i
+ Widiil
u. Kultur
20 X.
: —
!
—
++
—
- -
1
1
1
—
, 1
—
!
i +
reichlich
1
anfangs
Fiebcrverlauf, Komplikationen
Fieberte schon ausserhalb, im Lazarett
3 Tage Fieber zwischen 39®—40®
dann 7 Tage um 38®—39®, in 2 wei¬
teren Tagen zur Norm. Diazo = -f
7 Tage bis über 39,5®, dann in 5 Tagen
Abfall zur Norm
3 Tage Fieber bis 38®, 5 Tage zwischen
39®—40®, in 7 Tagen treppenförmiger
Abfall zur Norm
Im Lazarett 8 Tage 39®—40®, dann in
6 Tagen (wenig steile Kurve) Abfall
auf um 37® 3 Tage lang, dann mildes
16 tägiges Rezidivs mit 4 tägigem An¬
stieg bis gegen 39® und staffelförmiger
Abfall nach 3 Tagen
4 Tage zwischen 39®—40®, 5 Tage um
39®, in 4 Tagen Abfall zur Norm
Vom 4. X. ab in einem anderen Lazarett
Ruhr überstanden. Nach 4 fieberfreien
Tagen nach Eintritt Anstieg in 3Tagen,
8 Tage ül)er39®-40,2®, dann in 6 Tagen
Abfall in etwas steilererKurve zurNorm
4 Tage Fieber ausserhalb, dann 8 Tage
zwischen 38®—39,4®, 4 Tage um 38®,
in 2 Tagen zur Norm
ca. 14TageFieber ausserhalb, iniLazarett
noch 15 Tage, zuerst 3 Tage zwischen
38®- 39®, dann all mahl. Abfall zur Norm
14 Tage Fieber zwischen 39®--40®, dann
in 5Tagen (steilere Kurve) zurNorm.
Dekubitus, starke Delirien
8 Tage Fieber um 39®, anfangs bis 40®,
dann unter 38®, 3 Tage zur Norm.
Diazo = -f. Zu Beginn eitriger,
perforierender Mittelohrkatarrh
12 Tage über 39®—40.3®, 4 Tage steilere
Kurve, Norm; Diazo = -j-. Zeitweise
Peritoneal reizsymptome
5 Tage Fieber ausserhalb, im Lazarett
6 Tage zwischen 39®—40,6®,dann 4 Tage
zwischen 39®—40®, dann in 5 Tagen
(etwas steilere Kurve) zur Norm
7 Tage um 39® (bis 40® zweimal), 2 Tage
zwischen 38®-39®, dann in 5 Tagen
(etwas steilere Kurve) zur Norm
Nach 3 tägigem kontinuierlichem Fielxii*
zwischen 39®—40®, 8 Tage mittlere
Temperaturen, dann 4 Tage steilen*
Kurve. Unmittelbar anschliessend
Rezidiv von 12 tägiger Dauer. De¬
kubitus, im Anschlüsse daran Erysi[K‘l
(10 Tage) nach Rezidivablauf
12 Tcage Fieber um 38,5®—39,5®, dann in
4 Tagen zur Norm. In Rekonvaleszenz
katarrhalisch-pneumonischer Prozess
m.Ficber (11 Tage). PsychischcDepres-
sion. Am 17. IX. Miliaria crystallina.
Peritonealreizsymptome v. 8.—15. X.
Digitized b]
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
Illb.
Arneth und Langer. [24
b) ca. 3—4 wo eben 11 i c h e
Name,
Alter,
Eintritt
F., 20 J., 8. X.
Sch.,42 J., 25.x.
W.,36J.,27. X.
K. , 23 J., 16. X.
W., 46 J., 29. X.
St.,38J., 16. X.
St.,25J., 19. X.
van H., 40 J.,
12. X.
S., Russe, 21. X.
L. ,33J., 30. IX.
R., 38 J., 21. X.
Z., 36 J., 27. X.
D., 38 J., 5. X.
Vor ? Tagen
Beginn mit
Zeitweise
Benommenheit
Zimgen-
beschaffenheit
Relative Puls¬
verlangsamung
Roseolen
8
Durohfall, Mattigkeit, Appetit¬
losigkeit. Fieber bis ®
—
+
+
1
+ +
14
Kopfschmerz, Fieber, Mattig¬
keit, Appetitlosigkeit
+ + +
+ 4-4-
1
+
+ +
14
Kopfschmerz, Kreuzschmerz,
Durchfall
—
+
+
+ +
7
Durchfall, Mattigkeit
( + )
+ +
+
!
+ + +
7
Fieber, Mattigkeit, Appetit¬
losigkeit
—
+ +
+
—
8
Schüttelfrost (12. X.), Kopf¬
weh, Schwindel, Ver¬
stopfung
—
—
+
i
j
8
Durchfälle
+ + +
+ + j
1 +
i
+
10
Kopfschmerz, Mattigkeit,
Durchfall
+ +
+
—
1
Schüttelfrost
—
+ + +
+
“ 1
1
4
Durchfall, Appetitlosigkeit,
Mattigkeit, Fieber
4 -
+ + +
+
-
Länger unwohl, vor 2 Tagen
Schüttelfrost, Kopfschmerz
--
—
+
++
Vor 3 Wochen Durohfall mit
Blut, Heilung. Jetzt wieder
Durchfall, Kopfschmerz.
+
+
+++
14
Gliederschmerz, Appetitlosig¬
keit, Mattigkeit.
+ + +
+ + +
1
+
+++
;ougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
25]
Daaer.
Über lOü Fälle von Unterleibstyphus.
25
Milz-
schweUung
Durchfall
Blut
Stuhl
Fieborverlauf, Komplikationen
anfangs
-
—
Nach 8 Tagen Fieber bis 38®, 6 Tage
zwischen 38® und 39®, dann über
steilere Kurve in 4 Tagen zur Norm
+++
Darm¬
blutung
+ + +
—
10 Tage um 39® und darüber, dann in
8 Tagen (steilere Kurve) zur Norm.
Bei Eintritt schwere Darmblutung,
ln Rekonvaleszenz Herzschwäche
"
anfangs
8 Tage zwischen 38®—39,4®, dann in
10 Tagen unregelmässig meist unter
38® zur Norm. Diazo = -f
++
reichlich
+++
7 Tage höheres Fieber ausserhalb, bei
Eintritt um 40®, dann in 14 Tagen
sukzessive Abfall zur Norm. Diazo
= -f. Zu Beginn Herpes. Leichte
Schenkelvenenthrombose links
++
anfangs
+ +
7 Tage hohes Fieber ausserhalb, dann
noch 5 Tage im Lazarett, hierauf
6 Tage zwischen 38 ®—39 ®, dann 6 Tage
zwischen 37 ®—38 ®. Diazo = -{- 4-
1
4-
Die 5 ersten Tage bis über 40®, dann
8 Tage um 39®, in 4 Tagen Abfall
(staffelförmig) zur Norm; unmittelbar
mit 1 Tag Intervall an Transport
anschliessendes, 17 tägiges mittel¬
schweres Rezidiv
1 _
anfangs
öfter
10 Tage hohes kontinuierliches Fieber
bis 40,5®, dann 6 Tage steilere Kurve,
zur Norm; etwas Dekubitus. Diazo
= 4-4’
++
anfangs
1
1
i
In 3 Tagen Anstieg bis 40®, 6 Tage zwi¬
schen 39®—40®, in 10 Tagen langsam
zur Norm. Diazo = 4-. Anschliessend
an Transport 3 tägiges Rezidiv
+++
i
anfangs
stark
-f (23.x.)
Widalund
Kultur
14 Tage um 39®, zu Beginn bis 40® und
höher, dann in 5 Tagen rasch zur
Norm. Eitrige perforierende Mittel¬
ohrentzündung (am 12. XI.)
reichlich
fort¬
während
i
10 Tage kontinuierliches Fieber um 39®,
meist etwas darüber, dann 6 Tage
zwischen 38®—39®, 4 Tage um 38®,
4 Tage zwischen 37®—38®, 3 Tage
subfebril
1
! _
11 Tage Fieber zwischen 38®—40®, dann
9 Tage zwischen 37 ®—39 ®, 4 Tage stei¬
lere Kurve, einmal Schweiss, zur Norm
(+)
anfangs,
dann ver¬
stopft
+ (4.XI.)
4-(15.XI)
6 Tage Fieber bis 39,2®, dann 11 Tage
zwischen 39® bis über 40®, in 8 Tagen
z. T. in steilerer Kurve Abfall zur
Norm. Anfangs Ruhrsymptome. Nach
Temperaturabfall unmittel bar Rezidiv
(6 Tage)
zeitweise
i
Länger bereits ausserhalb Fieber, noch
7 Ta^ Fieber zwischen 39®—40®
nach Eintritt; in 6 Tagen (steilere
Kurve) Abfall zur Norm
Digitized by
Goi.igle
Original frem
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
26
Ameth luid Langer.
Digitized by
■ [2(i
Tabelle IIIc. c) über
Nr.
Name,
Alter,
Eintritt
Vor ? Tagen
Beginn mit
Zeitweise
Benommenheit
Zungen¬
beschaffenheit
Relative Puls-
verlangsamung
Roseolen
j
87
B., 42 J., 22. X.
14
Ruhrsymptome, dann Kopf¬
schmerz, Kreuzschmerz
—
+ 4- *
-f
i
j
1
88
G.,21J.,22.XI.
?
Frost, Mattigkeit, Durchfall,
Appetitlosigkeit
i
H-
—
89
B., 18 J., 10. XI.
8
Schwindel, Kopfweh, Mattig¬
keit, Verstopfung, Leib¬
schmerz
!
\
\
! -f
4- '
1
_ [
!
90
G.,34J., 2e.XI.
4
Schüttelfrost, Kopfweh, Ap¬
petitlosigkeit, Mattigkeit,
Verstopfung
“h H-
:
+ 4-
4-
1
1
1
1
i
91
M., 22 J., 1. X.
13
Schüttelfrost, Kopfweh, Ver¬
stopfung, angeblich hohes
Fieber
+ -h
4-
1
+++
1
92
N., 33 J.. 11. X.
5
Kopfweh, Mattigkeit
(+)
+ 4-
4-
1
Im vorausgehemlen ist bereits eine Anzahl für die Gruppe III
in Betracht kommender Punkte mitbe-sprochen worden.
Die Erkrankungen der Gruppe III gleichen am meisten den
gewöhnlichen Schulfällen. Bei allen ist eine mehr oder weniger
typische Fieberkurve vorhanden und w'ird diesellje mit der zu¬
nehmenden Schwere immer ausgesprochener.
Naturgemäss finden sich in dieser Gruppe und in der nächsten
auch die meisten und schwersten Komplikationen. Eine sämt¬
liche Fälle der Arbeit umfassende Übersicht wird daher auch
hier am besten eiugefügt w'oi'den. (S. auf Seite 27.)
Goi.igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
27] Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
4wöchentliche Dauer.
27
o
o
u
s
p
.a
jS
o
2
p
Blut
+ + +
16 Tage -f+ + !
lang I
reichlich
-f -f + ■
-f + +1 zeitweise -h -f —
-f-f
zeitweise ' + —
mehr ' I
verstopft
- i - i+(l.Xl.)
I
Stuhl
Fiebcrverlauf, Komplikationen
4 Tage zwischen 39®—40®, 16 Tage
zwischen 37®—39®, dann in 6 Tagen
zur Norm. 5 Tage später leichtes
Rezidiv (6 Tage), ein zweites ebenso
langes nach weiteren 6 Tagen
5 Tage hohes Fieber, dann 10 Tage
um 39®, dann 9 Tage über 39®, in
5 Tagen ohne steilere Kurve zur Norm.
Herpes nasalis zu Beginn. Meteoris¬
mus und zeitweise Unterleibsempfind¬
lichkeit. Greringer Dekubitus, im An¬
schlüsse daran in Rekonvaleszenz
mittelschweres Erysipel (11 Tage).
Am 27. X. perforierende eitrige akute
Mittelohrentzündung
18 Tage hohes, meist kontinuierliches
Fiel^r (bis 40,7®), dann in 7 Tagen
(teilweise steilere Kurve) zur Norm.
Zu Beginn Blinddarmreizsymptome,
deswegen Operation in einem anderen
LAzarette: Appendix normal befunden,
Mesenterialdrüsen stark geschwellt.
Diazo = -f
14 Tage zwischen 39®—40,5® (kontinu¬
ierlich), dann 8 Tage zwischen 38,5®
bis 39,5®, dann in 7 Tagen unregel¬
mässig Abfall zur Norm. Dekubitus.
Albumen zu Beginn. Rechts Schulter¬
gelenksentzündung Ende 3. Woche,
5 Tage lang
14 Tage hohes kontinuierliches Fieber
bis 40,2®, dann 3 Tage zwischen
38®—39,5®, in weiteren 6 Tagen (stei¬
lere Kurve) zur Norm.
4 Wochen Fieber meist über 39® —40,5®,
dann in 6 Tagen (etwas steilere Kurve)
zur Norm. Diazo = -f; anfangs
etwas Eiweiss
Tabelle b.
In
der
Gruppe
la
Ib
Ic
Ila
Ilb
lila
III b
nie
IV
Digitized by
P
.2 -1.
c5
O
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S S.2
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1
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1
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2 1
1: —
1 i-i-|-^i 1
2 1 —
1 i-i i; :
..ln-
3 . . , ,
Origir j| from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
28
Aniüth uud Langer.
[28
Digitized by
Tabelle IV.
IV. Todes-
0., 24 J., 28. X.
Rezidiv an Transport an¬
schliessend (1 Tag fieberfrei
dazwischen)
- +
i
+
(an¬
fangs)
+
J., 28 J.. 7. X.
3
Schmerzen in Magengrube,
zweimal Erbrechen
+ ! + +
(zu¬
letzt)
1
1
+
1
j
Zu
95
D., 23 J., 1. XL
6
Kopfschmerz, Mattigkeit,
Appetitlosigkeit
-h + +
j + +
1 1
96
L., 38 J., 23. X.
—
Seit 3 Wochen krank, zuletzt
im Revier
+ + +
(zu¬
letzt)
1 '
. +
! 1
97
J., 39 J., 11. X.
5
Benommen eingeliefert
-f+ 4-
i ++
i 1
98
J., Russe, 26. X.
4
Kopfschmerz, Durchfall, W'a-
denkräinpfo
—
1 1
14' -f -f
99
J., Russe, 17. X.
7
Kopfweh, Schüttelfrost
++ i
100
Sch., Russe, 6.
XI.
ö
Erbrechen, Durchfall (acht¬
mal täglich) Schüttelfrost
+ + +
+ + +
+
+++
j -j-
!
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Milz-
schwellung
20 ]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
29
fülle.
=3
.22
'-3
3
o
u
JS
o
d
o
[ ^
PQ
Blut
Stuhl
Fieborverlauf, Komplikationen
Gruppe II.
Gruppe III.
— ! reichlich! — j-f(7. XT.)
viel | +
oft ' + +• + !
reichlich! — -f(27. X.)
Widal
und
Kultur
+ (20.X.)
Widal und
Kultur ‘
fehlt
14 Tage milder Fieberverlauf, im An¬
schlüsse an Transport (Kälte, Panje-
wf^en) unmittelbar Rezidiv, das nach
9 Tagen hohen Fiebers zu Perfora¬
tionsperitonitis und Tod führt.
2 Tage Fieber zwischen 39®—40®,
6 Tage zwischen 37,7®—40,4®. Tod
an Perforationsperitonitis. Sektion:
typischer Typhus, perforiertes Ge¬
schwür.
Fieber 3 Tage zwischen 39®—40®, dann
12 Tage um 39®, am 16. Tage nach
Eintritt Perforationsperitonitis und
Tod am 16. XI.
Sehr schwach und abgemagort. Nach
10 tägigem Fieber zwischen 38®—40,2®
Tod unter Entkräftung und Herz¬
schwäche
Nach 33 tägigem kontinuierlichem hohen
Fieber in den letzten 10 Tagen nur
noch um 39®, Tod an Herzschwäche
Nach 26 tägigem hohen Fieber im
Anschlüsse an beiderseitige Parotitis
und Halslymphdrüsenvereiterung Tod
durch Sepsis
Anhaltendes hohes Fieber bis zum Tode
infolge Herzschwäche am 27. Tage
nach Einlieferung
6. XI. 37,9®. Tod unter furibunden
Dilirien am 8. XI.
6. XI. 39,2®. 7. XI. 38,0®
40,0®. 39.6®
Sektion; schwerste typhöse Darm-
veränderungen
Im Stadium der beginnenden Ver¬
schorfung ^
—
i oft 1
1
++
1
reichlich ‘
++
Digitized by
Got'gle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
30
Ämeth nnd Langer.
[30
3 unter den 8 Fällen erlagen einer Perforationsperitouitis,
3 starben an Herzsöhwäche, einer an allgemeiner Sepsis bei eitriger
Parotitis und Lymphadenitis am Halse, einer auf dem Höhepunkt
der Erkrankung.
Die beobachtete Gesamtmortalität von 8o/o hält sich an
der unteren Grenze der gewöhnlichen (5—15o/o); auf Deutsöhe
allein bezogen beträgt sie nur ca. bo/o. Die Sterblichkeit bei den
nicht schutzgeimpften Küssen war dagegen eine sehr hohe: 3 von
9 = .33V3 %.
Mit Rücksicht darauf, dass die Erkrankungen bei unseren Trup¬
pen in unmittelbarem Anschlüsse an die grosse, sehr anstrengende
Sommeroffensive dos Jahres 1915 vorkamen, darf die beobachtete
Mortalität von b»,'» wohl als eine ungewöhnlich niedrige bezeichnet
werden.
Es liegt natürlich sehr nahe, das so differente Verhalten bei
Deutschen und Russen mit der guten Wirkung der Schutzimpfung
in kausalen Zusammenhang zu bringen.
Bemerkenswert ist der Fall 100.
Es handelte sich um einen russischen Gefangenen, der auf der Höhe der
Erkrankung, offenbar an schwerster Vergiftung durch die Toxine der Typhus¬
bazillen, akut zugrunde ging. Die Sektion (Prot. L ö h 1 e i n) lieferte keinen
anderen Anhaltspunkt. Der Darm war in ungewöhnlich starker Weise über
und über besät mit schwersten, im Stadium der beginnenden Verschorfung
sich befindenden typhösen Veränderungen.
Alles andere ist aus der Talx)lle zu entnehmen.
Dio vorliegenden Typhusbeobachtungen sind ausgezeichnet durch
die grosse Zahl von leichtem und mildem Verlauf (Gruppe
I und II). Auch in der Gruppe lila handelt es sich noch um keine
schwereren Erkrankungen, so dass mit einem Gesamtprozent¬
satz von 73 leichtesten und leichteren Fällen zu rechnen ist.
Die Zahl der Fälle mit ein bis mehreren Rezidiven erreichte
eine beträchtlichere Höhe (24o/o). Sie ist jedoch sicher noch zu
gering, weil zu Anfang eine Reihe von Kranken nach Eintritt der
Fieberfreiheit alsbald abtransportiert werden mußte. Bei denjenigen
Fällen, bei denen Rezidive beobachtet wurden, traten dieselben öfter
zu mehreren nacheinander auf. Der Charakter der Rezidive wechselte;
bald waren sie schwerer, besonders bei den Fällen mit leichtem Ver¬
lauf, meist aber leichter als die ursprüngliche Erkrankung. Einen
begünstigenden Einfluss auf ihre Entstehung sahen wir von längeren
Digitized by
Gocigle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
31]
Über 100 Fälle von Unterleibstyphus.
31
Transporten ausgehen. So schloss sid\ in den Fällen 79, 81,
93 das Rezidiv (unmittelbar an den Transport in nicht misszudeutender
Weise an. Ein längerer Transport fiebernder Typhuskranker oder
solcher, dio das Fieberstadium eben überstanden haben, sollte daher,
wenn nicht absolut notwendig, vermieden werden, zumal wenn der¬
selbe auf Leiterwagen, auf schlechten Strassen und bei grösserer
Kälte erfolgen muss.
Die Erfahrung lehrt überdies, dass bei schwereren Typhuskranken ein
längerer Eisenbahn transport, selbst im Lazarettzuge, offenbar infolge der
ständigen Schüttelbewegungen auch in sehr ungünstiger Weise auf das Herz
einwirken kann.
Öfter sahen wir auch Rezidive auftreten bei Kostzulagen,
die ja im Felde auch nicht immer ganz genau abgestuft werden
können.
Wio erwähnt, befanden sich unter den 100 Typhuskranken
auch 9 russische Gefangene.
Aus der Zusanuneiistellang dieser Fälle (s. folg. Seite) ergibt sich,
wie sdhon oben erwähnt wurde, das& Ijei den nicht schutzgeimpften
russischen Soldaten leichtere Fälle in nicht ganz der
gleichen ;Häufigkeit vorkamen wie bei unsei’en Truppen.
Die relativ viel grössere Anzalil von Todesfällen bei denselben
weist dagegen auf den viel schwereren Charakter des Typhus bei
den Russen in den anderen drei Gruppen hin (3 Todesfälle unter
9 Erkrankten = 33*/3®/o).
In klinischer Hinsicht war besonders auffällig, dass lx*i
ihnen Roseolen fast nie oder nur angedeutet und ein .Milztumor ’)
nur in drei Fällen nachweisbar war.
Auch nach der bakteriologischen Seite boten sie ein
etwas abweichendes Verhalten, indem bei ihnen — im GegensiUz
zu den spärlichen positiven Befunden bei unseren Soldaten — die
bakteriologische Untersuchung meistenteils positiv ausfiel, wie aus
der Tabelle näher ersichtlich ist.
Ob auf Grund dieser Beobachtung eine kausale Beziehung
zwischen der vorausgegangenen Schutzimpfung und dem so häufigen
Fehlen des kulturellen Nachweises der Typhusbazillen, vor allem
im Blute, wo sie doch sonst so leicht und fast immer gelingt, an¬
genommen werden darf, dürfte wohl erst bei einer Prüfung an
grösserem Material entschieden werden können.
Es liegt natürlich sehr nahe, dies mit der durch die Schutz¬
impfung bedingten Antikörperbildung und deren schädigende Ein¬
wirkung auf die Typhusbazillen im Körper in Verbindung zu bringen.
Die positiven Reoktionen bei den Russen betrugen
(6 von 9), bei unseren Soldaten dagegen nur 23''/o (21 von 91). Bei
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
32
Ameth und Langer.
[32
Tabelle c. Tjphas bei
den ersteren war immer die Blutkultur und der Widal positiv, bei
unseren Soldaten die Blutkultur nur 10 mal, das übrige waren posri-
tive Stuhl- und Urinuntersuchungen.
Die in den bakteriologischen Untersuchungsanstalten der Armee
gemachte Beobachtung, wonach mit Blut von schutz^eimpften
Kranken angelegte Kulturen langsamer als ^nst wachsen und sich
auch noch nach zweimal 24 Stunden entwickeln können, würde
in gleichem Sinne auf eine vorausgegangene Schädigung bzw. Ver¬
zögerung der Wachstumsfähigkeit der Bazillen hindeuten.
Digitized by
Got'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
33]
Über 100 FäUe von Unterleibstyphus.
33
russischen Gefangenen.
++ +
anfangs
anfangs
anfangs
stark
— reichlich —
+ -!-+ reichlich —
I reichlich
Bronchitis
Blut
Stuhl
+ m.x.)
4“
Widal
(1; 160)
u. Kultur
(27. XI.)
—
—
—
—
—
—
+
+
(16. XI.)
(22. XL)
(4. XII.)
Paratyphus j
+ +
+ (20.X.)
Widal
(1 :160)
u. Kultur
+ (23.X.)
Widal
(1:160)
u. Kultur
—
+ (20.X.)
Widal
—
(1:160)
u. Kultur
-i-jf^.X.)
Widal
(1:160)
u. Kultur
+ +
fe
ilt
Fieberverlauf, Komplikationen
Nach 7 fieberfreien Tagen 3 tägiges
leichtestes Rezidiv
Zunächst bis 38,8®, dann in 13 Tamn
langsam treppenförmiger Abfall ois
37®, 1 Tag Anstieg bis 38,6®, in 2
Tagen (Nasenbluten) zur Norm
5 Tt^e Fieber ausserhalb, im Lazarett
6 Tage zwischen 39®—40,6®, dann 4
Tage zwischen 39®-40®, in 6 Tagen
(etwas steilere Kurven) zur Norm
14 Tage um 39®, zu Beginn bis 40® und
höher, dann in 5 Tagen rasch zur
Norm. Eitrige perforierende Mittel¬
ohrentzündung (12. XI.)
Anhaltend hohes Fieber bis zum Tode
infolge Herzschwäche am 27. Tage
nach Einlieferung
Nach 26 tägigem hohem Fieber im An¬
schlüsse an beiderseitige eitrige Par¬
otitis und Lymphadenitis am Halse.
Tod durch l^psis
6. XI. 37,9®, 6. XI. 39,7®, 40®, 7. XL
38,6®, 39,6®. Unter furibunden De¬
lirien am 8. XI. Tod. Sektion:
Schwerste typhöse Darmverände¬
rungen im St^ium der beginnenden
Verschorfung
Der leichtere Charakter unserer Erkrankungen stünde damit wohl
wieder in direktem Zusammenhang.
27 mal ergaben die bakteriologischen Untersuchungen ein posi¬
tives Resultat im Sinne von Typhus, viermal darunter für Para¬
typhus B. Demnach ist wohl auch init einem beträchtlicheren Prozent¬
satz von Paratyphus damals an unserer Front zu rechnen gewesen.
S. Arneth, Berl. klin. Wochenschr. 1910. Nr. 29.
B.itrlg. xur KUnik dw Inf.kUonakr.nkli.itoD. Bd. VI. H. 1 o. 2. 3
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Die Stauungsreaktion
als differential*diagnostisches Hilfssymptom
beim Fleckfieber.
Von
Dr. med. et phil. Stefan Sterling, Warschau.
Vor einigen Jahren beschrieben französische Autoren als Stau¬
ungssymptom („signe du lacet“) Petechien, die im Laufe von PeUosis
rheumatica p.uf der Haut einer Extremität erscheinen, wenn man
durch jUnterbindung der letzteren oberhalb des Ellenbogens, sogar
mit einer einfachen Schnur, eine kur 2 ^uemde venöse Stauung her-
vorgerufen hat Je nach der Zahl und Grösse der hervorgetretenen
Petechien wollten die Autoren eine Prognose stellen: wenn die
Petechien in geringerer Anzahl oder gar nicht vorhanden sind,
dann sind die Gefässe relativ gesund und die Krankheit nähert sich
vermutlich ihrem Ende; sind aber die Peteclüen zahlreich, besonders
von grösserem Umfang, dann ist die Krankheit im Stadium der
Entwickelung. Dasselbe Symptom haben auch die deutschen Autoren
(Rumpel-Leede) zur Differenzierung des Scharlach empfohlen
(es soll aber nach Jochmann auch bei Masern zu beobachten
sein), imd es war ein grosses Verdienst von Dr. Piöro, dass er
mir die Stauung auch im Verlaufe des Fleckfiebers zur Differen¬
zierung dieser Krankheit von Unterleibstyphus oder Grippe, also
Krankheiten, die am Anfang am meisten die Diagnose des Fleck¬
fiebers erschweren, vorgeschlagen hat.
Die Technik ist einfach: man unterbindet eine Extremität
(am besten eine obere) mit einer Gummibinde oder — wenn wir
mit einem grösseren Material arbeiten und aus irgend welchen
Gründen eine grössere Anzahl von Gummibinden nicht besitzen —
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2] StannngBreaktion als differential-diagnostisohee Hilfssymptom b. Fleckfieber. 35
mit einem Stüdkchen i^rehter Mullbinde oberhalb des Ellenbogens,
so dass man noch immer den Puls fühlend eine venöse Stauung
hervorruft; nach 15—30 Minuten nimmt man die Binde ab, der
Kranke hebt den Arm nach oben, um .einen Abfluss des Blutes
hervorzurufen, wonach wir dein Arm unterhalb der Unterbindungs¬
stelle untersuchen. Im positiven Falle sieht man mehr oder weniger
zahlreiche Petechien, besonders auf der Flexorenseite, welche in
manchen Fällen nur punktförmig auftreten, in anderen aber grösser
sind, von der Grösse eines Steöknadelkopfes oder noch grösser;
waren vor der Probe auf der Extremität Eoseolen vorhanden, so
sieht man gewöhnlich, wenn man zuvor die Roseolen mit einem
Bleistift umzeichnet, innerhalb der Flecken die Petechien hervor¬
treten. Umgekehrt, war noch kein Exanthem da, so erscheinen an
Stelle der Petechien oft Roseolen. Manchmal treten die Petechien
nicht sofort nach der Abnahme der Binde auf, sondern nach ge¬
wisser Zeit (z. B. erst nach einer halben Stunde); es empfiehlt
sich deswegen, bei einem negativen Ergebnis die Extremität noch
einmal zu untersuchen.
Das Stauungssymptom wandte ich (im Februar und März 1915)
bei fast der Hälfte der Fleckfieberkranken an, die damals durch
mich behandelt wurden, also im ganzen in 200 Fällen, wobei ich
das positive Ergebnis mit (-|-) bezeichnete, wenn die Petechien
nicht zahlreich und punktförmig waren; waren auch grössere Pe¬
techien unter den punktförmigen zu sehen, durch (X); wenn die
Petechien recht 'zahlreich waren, so war das Zeichen (-{- -[-)> je
nach der Zahl der grösseren Petechien (X +) oder (X X) ; war
schliesslich der ganze Arm mit Petechien bedeckt, wie gefleckt,
so bezeichnete ich den Fall mit (-]- -[- -[-), eventuell (X + -f-),
(X X -{-)> (X X X). Das negative Ergebnis bezeichne ich durch (—);
ein zweifelhaftes Ergebnis, Id. h. in welchem nach der Abnahme
der Binde einige punktförmige Petechien auftreten, die vorher auf
dem Arm nicht vorhanden waren, auch auf dem zweiten Arm nicht
zu sehen sind, die jedoch in zu kleiner Anzahl erscheinen, um das
Ergebnis als positiv bezeichnen zu können, wird von mir durch (?)
bezeichnet. Selbstverständlich ist solch ein Ergebnis als positiv ver¬
dächtig.
Von den 200 Fällen, die mittels der Stauungsreaktion untersucht
wurden, ergaben sich in
165 Fällen (-j-) bis (XXX), also 82,5 o'o,
26 Fällen (—) = 13,0o/o,
9 Fällen (?) = 4,5o/o.
3*
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36
Stefan Sterling.
[3
Doch nicht in allen Krankhedtsgeschichten ist der Tag des
Ausschlags und seine Stärke angegeben. In 111 Fällen sind die
Angaben genügend und aus ihnen ist zu sehen, dass in
85 Fällen (+) bis (X X X),
21 Fällen (—),
5 Fällen (?).
Jedoch nach genauerer Untersuchung der 21 Fälle, in deren
klinischem Verlaufe der Ausschlag erschien, manchmal sogar recht
stark, und in denen die Stauungsreaktion negatives Ergebnis lieferte,
zeigte es sich, dass die obengenannte Reaktion am Anfang oder am
Ende der Krankheit ausgeführt wurde, wie es aus der folgenden
Zusammenstellung zu ersehen ist.
1. Kranklieitstiig 3 Fälle
9" 1 ))
10 . 1 „
11 . 1 „
12 . „ 1 „
13. 3 „
14. 7 „
18. „ 3 „
20 . „ 1 „
Das Symptom dag^en — w^ovoii sj)äter die Rede sein wird —
verschwindet nacli gewisser Zeit und tes ist möglich, dass: in einzelnen
Fällen die Reaktion schon in den letzten Tagen der Krankheit (13.
bis 20. Tag) negativ ausfällt.
Ob die Stärke des Symptoms direkt von der Üppigkeit des Aus¬
schlages abhängig ist, kann so leicht nicht entschieden werden;
in vielen Fällen bei sehr starkem Ausschlag war das Ergebnis aus¬
gesprochen positiv, aber es wurden auch mehrere Fälle beobachtet,
in welchen das Ergebnis mit drei Kreuzen bezeichnet werden musste
und der Ausschlag selir dürftig war, und umgekehrt, bei schwach
positivem Ergebnis erschien ein starker Aussclilag; im allgemeinen
aber findet man bei starkem AusSclilag stark positives Ergebnis.
Die Stauungsreaktion gibt positives Ergebnis noch einige Zeit
nach der Krankheit, ungofälir 2—3 Wodlien; in 30o/o der von mir
zum zweiten Male untersuchten Fälle war sie Schon früher negativ.
In der Praxis ist aber die Frage mivergleichlmr bedeutender,
wann das Symptom zum ersten Male hervortritt: ob erst dann,
wann die Krankheit in voller Entwickelung, der Ausschlag sicht¬
bar ist, und die Zunge ihr charakteristisches Aussehen hat usw.,
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4] Stanungsreaktion als düferential-diagnoetischee Hilfssymptom b. Fleokfieber. 37
oder doch früher, wann noch nichts für den Typhus exanth. spricht,
ausser des subjektiven Befindens und manchmal hoher Temperatur;
mit einem Worte, die Hauptfrage ist die, ob man sich der Stan-
ungsreaktion als früh auftretandem Symptom bedienen kann, um das
Fleckfieber von Unterleibstyphus oder Grippe zu differenzieren.
Im Verlauf von Unterleibstyphus (30 Fälle) war das Resultat
dieser Reaktion negativ; auch bei Grippe, eventuell einer kurz¬
dauernden Erkältung, die mit hoher Temperatur, mit Erschei¬
nungen seitens der Atmungsorgane, Kreuzsohmerzen usw. ver¬
läuft — derartige Fälle habe ich genügend im Ambulatorium be¬
obachtet —, erhielt ich negative Ergebnisse. In einzelnen Fällen von
verschiedenen chronischen Krankheiten (z. B. Tuberkulose, Malaria),
welche in Stadien einer Verschlimmerung den Anfang eines Fleck¬
fiebers maskieren »können, vermögen nur die Anamnese und ob¬
jektive Untersuchung die Frage zu entscheiden. So erwies es sich
bei genauer Untersuchung des ersten Krankheitstages — was am
leichtesten natürlich bei erkranktem Pflege-Personal zu erreichen
ist (Ärzte, ‘Pflegerinnen, Sanitäre) —, dasö die Stauungsreaktion um
einen Tag oder mehr vor dem Ausschlag hervortritt. Bei Dr. P i ö r o
und bei mir selbst erkannte ich das Flecfcfieber (ausser allgemeinem
Unwohlsein, 1—2 tägiger Temperatur von 37—38,5) einzig nur auf
Grund der Stauungsreaktion — der AusCchlag trat erst nach 24
bis 36 Stunden später hervor.
Ich zitiere einige F^le, wo der Unterschied zwischen dem Tag,
an dem das Stauungssymptom positive Resultate gab und dem Tag,
an welchem der Ausschlag eiischien, deutlich ang^ben ist;
Krankheits-
geschichte
Positive Ergebnisse am
Krankheitstage
Ausschlag am
Krankheitstage
88
(X X) 3
7
116
(-f) 6
6? 8
127
( + ) 3
4
161
(+) 3
4
225
{+) 2
2? 3
238
(+) 2
3
Positive Ergebnisse am
Krankheitstage
Ausschlagtag
Dr. P.
( + ) 3
4
Dr. S..
(-F) 3
4
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3S
Stefan Sterling.
[5
Ein negatives Ergetmis entscheidet nicht am geringsten, ob
wir in einem Falle mit Pieckfieber zu tun haben; es ist manchmal
vom Krankheitstag abhängig und in einer Zahl von Fällen kann
es überhaupt negativ sein, wie viele Spezifische Reaktionen bei
anderen Krankheiten (z. B. die WassermannsChe Reaktion,
Agglutination, Zellen- und Meiostagminreaktion beim Krebs usw.).
Dagegen ein positives Ergebnis — insbesondere bei Personen,
die aus Gegenden stammen, wo zweifellos Fleckfieber herrscht
— kann bedeutende Folgen nicht nur für eine frühe Diagnose,
sondern auch bei schon ausgesprochener oder auch ihrem Ende
sich nähernden Krankheit haben, um den Kranken in Sicherheit
zu stellen, dass er tatsädilich das Fleckfieber überstanden hat, was
bei unseren jetzigen Verhältnissen grosse praktische Bedeutung hat
(z. B. die Möglichkeit Fleckfieberkranke zu pflegen). Man erhält
zwar positive Ergebnisse auch bei Peüosis rheumatica, wie es vor¬
her angedeutet wurde, in vereinzelten Fällen der sekundären Lues
usw., aber das sind einzelne Fälle und der allgemeine Krankheits-
symptomenkomplex wird die genaue Diagnose des Leidens gestatten.
Bald darauf (November-Dezember 1915) war in A. bei L. eine
kleine Epidemie ausgebrochen, die mir die Möglichkeit gab, meine
Kenntnisse über die Stauungsreaktion zu ergänzen. Die Zahl der
Fälle war nicht gross (101 Fälle), doch hatte ich die Möglichkeit,
persönlich bakteriologische Untersuchimgen auszuführen, wie z. B.
Blutaussaat, Agglutination, Fäzes- und Urinaussaat, die ich in einer
gewissen Zahl der Fälle (28 Fälle) einigemal wiederholte, vor allem,
selbstverständlich, in allen den Fällen, in welchen der klinische
Krankheitsverlauf im Beginn oder auch später gegen das Fleck¬
fieber sprach, oder da, wo die Stauungsreaktion negativ ausfiel.
Und tatsächlich gelang es mir in drei Fällen, den Bac. Eberthi aus
dem Blute zu züchten, in acht Fällen erhielt ich positives Ergebnis
der Widal-Reaktion (auf Typh. abd.) in der Verdünnung des Kranken¬
serums i/jQ—^/looi zweien von den beschriebenen acht Fällen
zeugten Ausschlag, positive Stauungsreaktion und der ganze Krank¬
heitsverlauf für Fleckfieber, so dass sie imgeachtet der positiven
Agglutination zu den Fleckfieberfällen gerechnet werden müssen.
Ausser diesen bleiben noch neun Fälle des Typh. abd., die durch
den klinischen Verlauf und bakteriologisch-serologische Unter¬
suchungen als solcüie bestätigt wurden. Von diesen neun Fällen
trat nur bei einem Kranken wiederholt das Stauungssymptom deut¬
lich hervor; der Krankheitsverlauf war in diasem Falle aussergewöhn-
lich schwer, mit hartnäckigen Rezidiven und, was die Hauptsache
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6] Stauungsreaktion ala differential-diagnostisches Hilfsaymptom b. Fleckfieber. 39
ist, mit starken Subkutanen Blutausgüssen von der Grösse einer
Haselnuss, sogar eines Eies auf der Brust, dem Abdomen und auf dem
Rüöken. Dieses Krankheitsbild nähert sich gewiss zu den letztens be¬
schriebenen — siehe die Arbeit von Walko, „Typhus abdominalis
mit hämorrhagischer Diatheee“ in der Med. Klinik, Nr. 12, 1915 —,
daher ist es nichts Ausseirordentlicihes, wenn die Stauungsreaktion in
diesem Falle immer positive Ergebnisse gab.
In allen anderen 92 Fällen (zwei mit positiver Widal-Reaktion),
in welchen der klinische Verlauf und zum Teil auch die negativen
Resultate der bakteriologischen Untersuchungen (auf IVph. abd. und
Para B) für das Fleckfieber sprachen, trat jedesmal das Stauungs¬
symptom mehr oder weniger deutlich hervor. Es sei daher folgendes
bemerkt:
1. Es bestätigt sich die Spezifität der Stauungsreaktion für die
Frühdiagnose des Kleckfiebers; bei fünf Pflegerinnen, die an Fleck¬
fieber eikrankten, erhielt man schon am dritten Krankheitstage ein
positives Ergebnis der Stauungsreaktion — der Ausschlag trat erst
nach 1—3 Tagen hervor. Die Genauigkeit der Bestimmung der
Krankheitstage unterliegt in diesen .Fällen nicht dem geringsten
Zweifel.
2. Die Reaktion gibt positive Resultate unabhängig vom Alter
der Kranken; so sah ich sie schon bei zweijährigen Kindern auf-
treten (jüngere habe ich. damals nicht behandelt); sehr interessant
in dieser Hinsicht ist die Familie G., in welcher folgende Personen
krank waren: ein 5jähriges Mädchen, ein 7jähriger Knabe, 8jähriges
Mädchen, 17jähriges Mädchen — bei allen gab die Stauungsreaktion
stark positive Resultate. Bei älteren Leuten (über 60 Jahren) —
trotz der Meinung, es könnte die Arteriosklerose von Einfluss sein —
kann das Symptom kaum merkbar sein (in Form von sehr kleinen,
verhältnismässig nicht zahlreichen Petechien).
3. Die Stauungsreaktion hat grosse Bedeutung als Differenzie¬
rungsmittel in solchen Fällen, in welchen in kurzer Frist einige
Glieder derselben Familie erkranken, wobei ein Teil an Typh. abd.,
die anderen an Fleckfieber.
Ich hatte die Gelegenheit, zwei Familien zu beobachten, von
denen eine aus fünf Gliedern bestand, die zweite aus vier. In der
ersteren erkrankten drei Personen an Fleckfieber, zwei an Typh.
abd., in der letzteren zwei an Fleckfieber, zwei an Typh. abd. In
solchen Fällen — besonders wenn keine Möglichkeit einer bakterio¬
logischen Untersuchung des Blutes und Fäzes vorhanden ist —
kann die Stauungsreaktion zur Frühdiagnose des Fleckfiebers riel
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40
Stefan Sterling.
[7
beitragen. Es soll eigentlich nie ausser acht gelassen werden, dass
der ganze Wert der Stauungsreaktion eben in der Erleichterung der
Diagnose des Fleckfiebers in den ersten Tagen dieser Krankheit, event.
in der ersten Woche liegt, also in einer Periode, in welcher IVph-
erst sich zu entwickeln beginnt und wann man die Diagnose nur
auf Grund bakteriologischer Untersuchungen stellen kann.
Es kann hier eine Erscheinung nicht verschwiegen werden,
die 'darin besteht, dass manchmal auf den venös gestauten Extremi¬
täten kleine hellrote Flecke sichtbar werden, die deutlich von der
blauen Farbe der Haut abstechen. Dies© Erscheinung beobachtete
ich in den Fällen der obenerwähnten Epidemie fast immer; indem
ich die Flecke mit einem Bleistift umzeichnete, überzeugte ich mich,
dass in vielen, jedoch nicht in allen, grössere oder kleinere Pe¬
techien erscheinen (wie es scheint unabhängig von der Grösse der
Flecken selbst). Also schon diese Flecken allein sagen bis zu ge¬
wissem Grade ein positives Ergebnis voraus (d. h. das Hervortreten
der Petechien nach Abnahme der Binde), in negativen Fällen sah
ich diese Flecken nicht.
Diese Flecken treten auch dann hervor, wenn der Ausschlag noch
nicht sidhtbar ist; in den Fällen dagegen, wo die Roseolen zahlreich
sind, köimen sie unabhängig von diesen auftreten, d. h. der Fleck
erscheint nicht an der Stelle, wo eine Roseoie sich befindet, und
verschwindet nach Beendigung der Stauung gänzlich wieder,
insofern auf dieser Stelle keine Petechie entstanden und geblieben ist.
Alles resümierend, was oben über die Stauungsreaktion beim
Fleckfieber gesagt /wurde, ist folgendes zu beachten: in bestätigter
Fleckfieberepidemie kann diese Reaktion als bedeutendes Hilfsmittel
bei der Diagnose des Fleckfieberfe dienen und sie muss bei allen
typhusverdächtigen Kranken beim Beginn der Krankheit und im
Laufe derselben ausgeführt werden.
Hier möchte ich noch bemerken, dass im September des ver¬
gangenen Jahres ein Artikel von Dietsch erschien (Münch, med.
Wochenschr. Nr. 36), worin der Autor di© Frage der venösen Stau¬
ung als Hilfssymptom bei der Diagnose von Fleokficber berührt Zu¬
fällig bemerkte einst Dietsch nach der Unterbindung einer Ex¬
tremität zur Blutentnahme, w'elchen Veränderungen durch die Stau¬
ung der Ausschlag unterliegt: die Roseoie wird deutlicher, bekommt
eine dunklere Farbe, wird üppiger und an den Stellen, wo nach
den Petechien nur Pigmentierungen verbleiben, erscheint um die
Pigmentflecke ein© zyanotische Verfärbung, was ihnen das Aus-
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8] Stawingsresktion als differential-diagnostisches Hilfsaymptom b. Fleckfieber. 41
sehen eines Ausschlag’es verleiht und sie von Petechien, die nicht
vom Fleckfieber stammen, zu unterscheiden erlaubt (Insektenstiche,
"Krätze usw.). Auf Grund seiner Beobachtungen kam der Autor zu
der Ansicht, dass der Ausschlag' infolge der venösen Stauung deut¬
licher imd ■üppiger wird, was die differentielle Diagnose quoad
Typh. abd. erleichtert, und dass im Falle der Genesung die venöse
Stauung auf Grund verbliebener Pigmentflecke die vorherige Diagnose
des Flectfiebers zu bestätigen erlaubt, was manchmal v(m grosser
praktischer Bedeutung sein kann.
Wie daraus zu sehen ist, bemerkte DietsCh das Stauungs-
sylmptom überhaupt nicht, da dieses eigentlich in der Erscheinung
der Petechien besteht; dieses wäre gewiss damit zu erklären, dass
Dietsch die Stauung zu kurze Zeit dauern lie^.
Über eigentliche Stauungsreaktion schreibt Baumgarten
(Münch, med. Wochenschr. 1916, Nr. 2), der in 10 Fällen von Pieck¬
fieber schon nach 2—3 Minuten dauernder Stauung sehr zahlreiche
Petechien bemerkte; in Fällen von Typh. abd. mit deutlichem Aus¬
schlag vermochte er keine Petechien hervorzurufen, sah sie aber
in einem Falle von Masern.
Die Beobachtungen deutscher Autoren also, wenn auch über
so geringe Zahl der Fälle, bestätigen den Wert der Stauungsreaktion,
deren klinische Nützüdhkeit sich schon in Hunderten von Fällen
bewährt hat.
Nachtrag.
Dr. Margolis (Gazeta Lekarska, Nr. 19, 1916, polnisch)
wandte im Krankenhaus R. bei L. die Stauimgsreaktion in einer
Reihe von Fällen an (28 Fälle von PleCkfieber, 60 Fälle von Unter¬
leibstyphus) und kam zu folgenden Schlüssen:
1. Die Stauungsreaktion ist für das Fleckfieber charakteristisch
und bei der Diagnose nicht von geringerer Bedeutung als Temperatur,
Puls und Ausschlag.
2. Beim Fleckfieber ist die Stauungsreaktion bei Früh- und
Spätdiagnose von sehr grossem Wert.
3. In Fällen mit starkem Ausschlag ist die Stauungsreaktion bei
Differenzierung des Fleckfiebers vom Unterleibstyphus von grossem
Nutzen.
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42
Stefan Sterling, Stauungsreaktion etc.
[9
4. In Fällen mit starkem Ausschlag hat die Reaktion zwar keine
entscheidende Bedeutung, doch sollte sie als Hilfsmittel bei der
Diagnose angewendet werden. Jedenfalls muss ein positives Er¬
gebnis der Stauungsreaktion Verdacht auf Fleckfieber erwecken.
5. Ein positives Ergebnis beim Unterleibstyphus soll die Auf¬
merksamkeit des Arztes auf den Zirkulationsapparat lenken.
Desgleichen veröffentlichte Dr. Rosiewicz die Ergebnisse
seiner Beobachtungen bei 85 Kranken, bei denen die Stauun^reaktion
ausgeführt wurde. Er schreibt (Gazeta Lekarska, Nr. 23, 1916,
polnisch):
1. Das Stauungssymptom ist bei typischen Fällen von Fleck¬
fieber ständig; Fälle, wo es negative Ergebnisse liefert, gehören zu
den seltensten.
2. In jedem Falle, wo man Verdacht auf Fleckfieber haben kann,
sollte die Stauungsreaktion ausgeführt werden; selbstverständlich die
Möglichkeit von Masern, Scharlach, hämorrhagische Form von
Unterleibstyphus ausgeschlossen.
3. Positives Ergebnis spricht für Fleckfieber, negatives Ergebnis
schliesst doch seine Möglichkeit nicht am mindesten aus.
4. Die Stauungsreaktion darf nicht als Frühsymptom angesehen
werden; gewöhnlich tritt sie erst bei Entwickelung der Krankheit
deutlich hervor.
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Aus einem Epidemiespitsl der k. und k. 4. Armee.
Fleckfieberstudien').
Von
Dr. Viktor Kollert und Dr. Albert Finger.
Mit 6 Kurven im Text.
Die im folgenden ausgeführten Mitteilungen über Fleckfieber
l>eziehen sich auf Erfahrungen, welche wir im Winter und Früh¬
ling 1916 bei einer Epidemie in Wolhynien an ungefähr 160 Fällen
erheben konnten. Bei der Diagnose stützten wir uns nicht nur auf
den klinischen Verlauf, sondern zogen, soweit es im Einzelfalle mög¬
lich war, auch alle anderen Behelfe, nämlich mehrmalige Widal-
reaktionen, den negativen Ausfall der Blut-Gallekulturen, Leuko^ten-
zählungen, den histologischen Befund der intra vitam exzidierten
Roseolen, die Verimpfung von Blut auf Meerschweinchen, endlich
bei ungünstig verlaufenden Fällen auch den Autopsiebefund Und
die mikroskopische Untersuchung 'der Organe zur Sicherstellung der
Diagnose heran.
Die Kranken teilten sich in zwei ziemlich scharf getrennte
Gruppen, die Soldaten und die Zivilisten. Von den ersteren war
die Mehrzahl im (kräftigsten Alter, von guter Konstitution und gleich-
massig ernährt; die letzteren aber gehörten den verschiedensten
Altersklassen und Ständen an. Neben starken Bauemkindern waren
da Städter, die unter sehr unhygienischen Verhältnissen gelebt hatten,
welche die Entbehrungen des Krieges, die unzweokmässige Nalirung,
sowie die hier fast allgemeine Infektion mit Helminthen geschwächt
hatte. So boten die Soldaten, trotzdem sie aus den versclüedensten
Gegenden Österreichs und Russlands stammten, klinisch im grossen
*) Auszugsweise mitgeteilt in der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien
am 26. Mai 1916.
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44
Viktor Kollert und Albert Finger.
12
und ganzen ein viel einheitlidheres Bild als die aus einer Gegend
stammenden Zivilbewohner.
Bei der Bekämpfung der Seuche hatten wir mit der Entlausung
und strengen Isolierung der von der Krankheit befallenen Truppen¬
körper und Insassen von Gefängnissen rasche Erfolge. Schwierig¬
keiten bot anfangs die Eindämmung der Epidemie bei der heimischen
Bevölkerung wegen der grossen Menge des Ungeziefers und des
passiven Widerstandes der Leute gegen die anbefohlenen hygieni¬
schen Vorkehrungen, denen sie sich oft durch Flucht zu entziehen
trachteten, wodurch gelegentlich die Seuche in neue Stadtteile ver-
sdileppt wurde. Doch gelang es endlich durch die systematische
gassenweise durCligeführte Entlausung, durch die in eigenen Isolier-
häusem vorgenommene Kasernierung (Amtlicher Einwohner jedes
Hauses, in dem ein Fall von Pieckfieber konstatiert worden war,
sowie durch das wiederholte Absuchen der Wohnungen nach ver¬
steckten Kranken der Seuche Herr zu werden.
Tabelle L
Chane und Leiser
Eckbeer (Verkehr
mit Fall 5 , klinisch
unklare Fälle).
Bespajaska Czama,
Fall 5 (selbes Haus
wie Galeithe), ar-,
beitete in der Werk¬
stätte.
Glusmann Chane -
(starb auf der
Flucht aus K. mit
Ausschlag, Schwe¬
ster des Galeithe).
Familie Galeithe. <».
(Alle Mitglieder er- ^
krankten allmäh-
> lieh mit Exanthem,
teilweise gleichzei¬
tig Bauch typh US-
Symptome.)
Ives und Ignaz Gur-
^ mann, Fall 1 und 2
(Verkehr mit Glus¬
mann).
t
Leiser Glusmann,
Fall 7. (Im selben
Haus erkrankten
13 Personen, teils
mit Bauchtyphus,
teils mit Fleck-
• lieber, Familien
Glusmann, Buch¬
stein, Kirschner).
t
Goldwag, Fall 29
(enger Verkehr mit
Buchstein).
Moses Buchstein,
(im Dezember mit
Fieber und Aus¬
schlag erkrankt).
i
Fmkelstein, Fall 13
(verwandt mit
Buchstein).
Garetschki, Fall 44
(selbes Haus wie |
Kapzem, verwandt 4 ,
mit Kirschner).
t?
Strohschuh-
Werks tätte.
Schie Katz, Fall 22
(arbeitete in der
Werkstätte).
Dvossa Katz, Fall
20 .
Model Katz, Fall 34.
Hersch Katz, Fall
41.
Ethel Wittes, Fall
27 (arbeitet bei
Galeithe).
Treide Wittes, Fall
26.
Mindel Wittes, Fall
28.
David Wittes, Fall
30.
Chane Wittes, Fall
31.
Nechel Wittes, Fall
43.
KapzemEsther, Fall Zuckermann, Fall
6 (enger Verkehr 14 (verwandt mit
mit Galeithe und Finkeistein).
Buchstein).
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3] Fleckfieberstudien. 45
Übersicht über den Zusammenhang der Fleckfieberfälle
1, 2, 5, 6, 7, 13. 14, 20, 22, 26, 27, 28, 29, 30, 31. 34, 41, 43. 44.
Die Tabelle zeigt, wie kompliziert der Zusammenhang der ein¬
zelnen Fälle in einer solchen Epidemie ist, welch grosse Bolle der
direkte Kontakt spielt und wie manche unklaren Erkrankungen erst
im Zusammenhang mit ihrer Umgebung ihrem Wesen nach gedeutet
werden können.
Die Klinik des Fleckfiebers soll in vorliegender Abhandlung
wegen der in letzter Zeit rasch anwachsenden Literatur darüber,
nicht in ihrem ganzen Umfange erörtert werden, sondern wir möchten
nur jene streng iumsChriebenen Fragestellungen herausheben, l)ei
welchen wir entweder von anderer Seite wenig beobachtete Befunde
erheben oder neue Prüfungsmethoden anwenden konnten.
Was den B^inn der Erkrankung betrifft, so sahen wir bei
unseren täglichen Visiten Ider kontumazierten Familien in den Isolier-
häusem am Tage vor dem Anstieg des Fiebers gelegentlich eine
auffällige Blässe der Leute, welche vermuten lässt, dass der späteren
Vasoparalyse der Hautgefässe eine Periode des gesteigerten Tonus
derselben vorausgehen kann. In sehr seltenen Fällen beobachteten
wir eine einleitende Bronchiolitis und andere influenzaähnliche
Symptome, was deshalb fwidhtig ist, weil durch derartige Misch¬
infektionen das Fleckfieber im klinischen Bilde zurückgedrängt
werden kann. Ähnliche Befunde wurden auch in einer Sitzung des
kaiserlichen Gesundheitsamtes Berlin 1915 sowie von Pal tauf mit¬
geteilt.
Da in der Literatur manchmal die grosse Gleichheit des Krank¬
heitsbildes hervorgehoben und die Verschiedenheiten in den Hinter¬
grund gerückt werden, möchten wir auf die vergleichende Übersicht
der Erkrankungen innerhalb einer Familie hin weisen, welche zeigt,
wieviel benigner und klinisch farbloser die Symptomatologie des
Fleekfiebers bei abnehmendem Alter der einzelnen Fälle werden
kann und wie schwierig dann seine Diagnose ist.
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5]
Fleckfieberstudien.
47
Der älteste Kranke zeigte die typischen klinischen Veränderungen
und wies bei der Autopsie und der histologischen Untersuchung
die dem Fleckfieber charakteristischen Befunde auf. Die drei im
Alter folgenden Fälle hatten gleichfalls Ausschlag, schuppten in
der Eekonvaleszenz und bei zwei von ihnen war die Milz deutlich
tastbar; auch hier war klinisch an der Diagnose kaum «n Zweifel.
Schwierig zu beurteilen waren nur die Kinder, da wir an ihnen
den Ausschlag nicht beobachten konnten, ihre Milzen nicht ver-
grössert waren und wir auch keinerlei deutliche Schuppung in der
Rekonvaleszenz fanden. Da sie aber ungefähr zu gleicher Zeit wie
die Erwachsenen erkrankten und für eine andere Infektion kein
Anhaltspimkt vorlag, sind Zweifel an der Diagnose schwer möglich.
Ähnliche Verhältnisse wie die beschriebenen fanden wir auch in
anderen zusammengehörigen Gruppen. Solche abortive Fälle sind
wohl auch einer der Gründe, warum sich die Seuche in der Zivil¬
bevölkerung so schwer imterdrüdken lässt, da diese Kranken, einzeln
betrachtet, meist als unverdächtig angesehen werden. Trotzdem wir
bei den drei Kindern kein Exanthem sehen konnten, glauben
wir uns doch nicht auf den z. B. von J a k s c h kürzlich ver¬
tretenen Standpunkt eines Exanthematicus sine exanthemate stellen
zu sollen, da wir in anderen Fällen so spärliche und bald vorüber¬
gehende Hauteruptionen fanden, dass deren Nichtvorhandensein
auch bei sorgfältiger klinischer Untersuchimg wohl kaum auszu-
schliessen ist.
Einen Gegensatz zu dem rasch verschwindenden Exanthem der
Kinder bilden manche alten Kranken mit hochgradiger Brüchigkeit
der Gefässe. Hier können die Hautblutungen die Roseolen von vorn¬
herein fast verdecken; wo der Körper aufliegt, ist eine Petechie
neben der anderen, wodurch ein in manchem Detail von der Regel
abweichendes Bild entsteht. Es ist hier der Ort, darauf hinzu weisen,
dass wir ebenso wie Mayrhofer die im Verlaufe des Fleckfiebers
gegenüber der Norm vermehrte Brüchigkeit der Hautgefässe durch
Emporheben einer Hautfalte mit vier Fingern oft nach weisen
konnten und auch zur Feststellung der Art von Pigmentflecken be¬
nutzten; nur müssen wir hervorheben, dass diese Lädierbarkeit der
Hautgefässe auch bei ziemlich universell ausgebreitetem Exanthem
zwischen den verschiedenen Hautpartien eines Kranken in weitem
Masse schwankt. Diese Untersuchungsmethode zeigt sich dann in
ihrem Werte, wenn ein Kranker mit einem angeblich eben abge¬
blassten Ausschlag eingeliefert wird und nun festgestellt werden
• kann, ob die restliche Pigmentierung von dem Exanthem oder von
anderen Umständen herrührt.
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48
Viktor Kollert und Albert Finger.
[6
In bezug auf die Frage des papulösen Frühexanthems müssen
wir vor allem betonen, dass gerade diese Fälle klinisch die grösste
Schwierigkeit im Hinblick auf die Differentialdiagnose gegen Typhus
und Paratyphus ergeben. Als Beispiel diene folgende Kranken¬
geschichte :
Wärter H. ist bei der Entlausung von Fleckfieberkranken beschäftigt.
Bis 18. II. arbeitete der Mann bei vollständigem Wohlbefinden. An diesem
Tage fällt er durch sein schlechtes Aussehen auf, klagt über Kopfschmerzen.
19. II. 39,9^ Temp., 66 Pulse, bettlägerig. Injektion der Konjunktiven. Zunge
belegt; Herz ohne pathologischen Befund. Milz nicht tastbar. Puls gut ge¬
spannt, kein Exanthem. Widal: Typhus 1:40 —, Paratyphus 1:80 —. 22. II.
Vereinzelte Flecke am Stamm und den Armen. 23. II. Exanthem wird dichter.
24. II. Ausschlag besonders am Handrücken noch dichter wie Tags vorher,
einzelne Flecke in der Hohlhand. Auf der Stirne ganz undeutliche Flecke,
25. II. 4 970 000 Erythrozyten, Sahli korrigiert 120, 6300 Leukozyten. 26. II.
Leichte Somnolenz, Brechreiz. Linke Glandula submaxillaris etwas schmerz¬
haft, tastbar. Haut allgemein gerötet. Zahlreiche Effloreszenzen sind pro¬
minent, haben teilweise eine petechiale Umwandlung im Zentrum. Ausser ihnen
sieht man undeutliche, verschwommene, dichtstehende, fast gar nicht erhabene,
ineinander Überfliessende, rote Stellen. Rechts infraklavikular und über der
Fossa supraspinata Schallverkürzung. Über beiden Lungen diffuses Giemen
und nicht konsonierende Rasselgeräusche. Exspirium verlängert. Ziemlich reich¬
liche, eitrige Expektoration. Herz in normalen Grenzen, Töne rein, etwas leise.
Milz perkutorisch einen Querfinger über den Rippenbogen reichend, unterer
Pol in rechter Seitenlage als undeutliche Resistenz tastbar. 40,2^ Temp.,
88 Pulse. 1. III. Sputum rubiginös. Über der Dämpfung konsonierende Rassel¬
geräusche. 11300 ^Leukozyten. Beginn der lytischen Entfieberung. 5. III.
Noch immer bräunlich flache und rötliche, etwas erhabene Effloreszenzen
sichtbar, wenn auch weniger zahlreich als früher. 6. III. Lungenprozess im
Abklingen. 9000 Leukozyten. Entfieberung. 13. III. Linke Pupille heute etwas
grösser als rechte. Milz reicht perkutorisch bis zum Rippenbogen. Deutliche
Schuppung. 7800 Leukozyten, 4 460 000 Erythrozyten. 20. III. Schuppung fast
beendet, Radiergummiphänomen positiv. 25. III. Radiergummiphänomen ne¬
gativ. Milz perkutorisch nicht vergrössert. Witlal: Typhus 1:320+, 1:640 —;
Paratyphus negativ. 20. IV. Widal: Typhus 1:140+, 1:160— Paratyphus
negativ. Histologischer Befund der Hautexzision ergibt: zahlreiche Wand¬
schädigungen im Bereiche der Kapillaren mit Thrombenbildung im Verlaufe
derselben; in den perivaskulären Lymplischeiden und im umgebenden Zell¬
gewebe Infiltration von plasmaähnlichen Zellen sowie vereinzelten Leukozyten.
Für Fle<^lvfiel>er spradi hier die Beschäftigung des Kranken
bei der Entlausung von Fleckfiol>erkranken, der rasdie Beginn, die
initiale Injektion |d!er Konjunktiv-^, das Fehlen der Darmsyraptome,
der reichliche, liäniorrhagische, auch auf die Handrücken sich er¬
streckende Aufschlag. Die leichte Leukozytose ist wegen der gleich¬
zeitigen pulmonalen Affektion wohl kaum verwertbar. Für Bauch¬
typhus sprachen die relative Bradykardie, die etwas erhabenen Ro- •
seolen. Audi das Ansteigen des Agglutinationstiters gegenüber
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7]
Fleokfieberstudien.
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Typhushazillen könnte im Sinne der Typhusdiagnose verwertet
werden, doch war Patient mehrmals gegen Typhus geimpft und
es scheinen, wie später inäher ausgeführt werden soll, beim Fleokfieber
gelegentlich unspezifisdhe Schwankungen des Widaltiters vorzukom¬
men. Die im Laufe von 5 Tagen erfolgte Entfieberung spricht nicht
unbedingt für Typhus, denn wie aihon Cursdhmann ausführte,
ist der Temperaturabstieg um sio lytischer, je gutartiger der Fall ver¬
läuft. Die endgültige Feststellung der Diagnose Pieckfieber gelang
nur durch die histologische Untersnchung der Roseolen. Eine Misch¬
infektion erscheint pach der klinischen Einheitlichkeit des Krank¬
heitsbildes als sehr unwahrscheinlich.
Wie oben erwähnt, zwingt der ansteigende Agglutinationstiter
gegenüber Typhusbazillen gelegentlich bei klinisch anscheinend fast
einwandfreien Fleckfieberfällen die Differentialdiagnose gegen Bauch-
respektive Paratyphus eingehend zu erwägen. Auf solchen Fällen
fussend, zog bekanntlich ßpät weitgehende, seither vielfach be¬
kämpfte und widerlegte Schlüsse. Neuerdings hat auch Habetin
zur Erwägung gestellt, ob nicht das Fledkfieber eine gesetzmässig
auftretende Modifikation d«“* Typhusinfektion infolge von besonderen
Bedingungen sei. Wir fanden unter 80 mehrmals untersuchten
Kranken bei derselben überhaupt keine Veränderung des Widal¬
titers, bei den Restlichen Schwankungen i) meist rasch vorübergehen¬
der Art, welche Vielleicht teilweise mit den von Fleckseder
kürzlich beschriebenen unspezifischen Erhebungen bei anderen In¬
fektionen in Einklang [gebracht werden können; doch sind, wie
einige Beispiele zeigen mögen, die Verhältnisse im Einzelfalle oft
sehr wenig übersichtlich.
So wies ein Kranker auf der Höhe deö Fiebers (15. III.) einen Widal
gegen Typhus 1:120 -j-, 1:140 gegen Paratyphus B 1:60 — auf.
Am 23. III. war die Agglutination sowohl gegen Typhus als auch gegen
Paratyphus vollkommen negativ. Die ausgehobene Krankengeschichte
ergab, dass der Patient an anderer Stelle im Oktober 1915 einen
Bauchtyphus überstanden imd am 7. XI. gegen Typhus bis 1:1280 -\-
agglutiniert hatte. Wenn in diesem Falle das PleCkfieber über¬
haupt einen Einfluss auf den Ablauf der Titerkurve hatte, konnte
es sich nur um eine Beschleunigung des Verschwindens der Agglu-
tinine handeln. — Fall 62 zeigte am 19. II. während des Fiebers
gegen Typhus eine Agglutination von 1:60^, 1:80 —, Paratyphus
1:60 —; nach der Entfieberung am 8. III. gegen Typhus 1:100 -f-
1:120—, Paratyphus 1:60 —; am 17. III. agglutinierte das Serum
*) Viele von ihnen sind wenig ausgiebig, dürften aber doch, da auf die
Technik Sorgfalt verwendet wurde, ausserhalb der Fehlergrenze liegen.
Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 o. 2. 4
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60
Viktor Kollert und Albert Finger.
[8
weder Typhus, noch Paratyphug. Derartige Eeaktionen wurden wegen
der geringen Titerhöhe und des raschen Abfalls als unspezifisch an¬
gesehen, reihen sich aber wohl auch nicht ohne weiteres in die
F leck sed er sehen Fälle ein, da ein Parallelismus zwischen Titer-
höho und Temperatur oft nicht zu finden ist. Bei den meisten in
diese Gruppe gehörigen Beobachtungen blieb die Agglutination gegen
Paratyphus ganz unverändert. Eine Ausnahme hievon bildete
Fall 53. Er agglutinierte am 11. II. gegen Typhus 1; 80 -f-, 1:100
1:120 —; gegen Paratyphus B 1: 80 -|-, 1:100 1:120 —. Am
15. II. war der Titer für Typhus derselbe, für Paratyphus 1:60
1:80+, 1:100 —. Am 2. III. Typhus 1:140 +, 1:160 ±, 1: 320 —.
Paratyphus 1:60 —. Um falschen Deutungen zu begegnen, glauben
wir noch betonen zu müssen, dass die Agglutinationen immer mit
ein und demselben Teststamm durchgeführt wurden, \md in jedem
Falle die Beaktion makroskopisch angesetzt wurde. Zu überl^en
wäre, ob nidit manche solcher auf den ersten Blick schwer ver¬
ständlichen Senkungen des Titers ihren Grund in einer Erschöpfung
des Organismus haben, der zeitweise nicht imstande ist, die früher
bestandene Agglutinationshöhe aufzubringen.
Unser Material erscheint uns bisher zu gering, um allgemeine
Normen über das Verhalten der W i d a 1 sehen Reaktion beim Fleck¬
fieber daraus abzuleiten, aber gross genug um zu zeigen, dass die
oft aus wenigen Fällen abgeleiteten Schlüsse mancher Autoren, welche
auf Grund ähnlicher Titerschwankungen Beziehungen zwischen Fleck¬
fieber und Bauchtyphus suditen, wenig beweisend sein dürften, da
anscheinend verschiedene Einflüsse in dieser Frage eine Rolle spielen.
Von den Untersuchungen über das Verhalten einzelner Organe
im Verlaufe des FleCkfiebers seien zuerst jene des Auges erwähnt.
Bei der Ophthalmoskopie unterstützte uns in liebenswürdiger Weise
Herr Stabsarzt Hein, dem wir hierfür zu Dank verpflichtet sind.
Vor allem fiel uns die häufig etwas träge Lichtreaktion der Pupillen
auf, welche während der Fieberjxjriode in Erscheinung trat und
gewöhnlich in der ersten oder zweiten Woche der Apyrexie wieder
verschwand. Auf dieses Symptom liaben unseres Wissens nur
Graves und 60 Jalire Später CursChmann hingewiesen, welch
letzterer dasselbe als ein prognostisch ernstes Zeichen auffasst. Wenn
wir uns auch dieser letzteren Ansicht nicht unbedingt anschliessen
können, da wir das Phänomen auch bei nüttelschweren Fällen auf-
treten und wieder sdiwinden Sahen, So sclieint es uns doch insofeme
bedeutungsvoll, als es zu jenen Anfällen mit reflektorischer Pupillen¬
starre überleitet, die bei den Intoxikationsformen näher beschrieben
werden sollen. Unter den während des Krieges erschienenen Publi-
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Fleckfieberstudien.
51
9J
kationen erwähnt auch Munk die wenigi ausgiebige Lidhtreaktion
der weiten Pupillen bei schwer psychisch geschädigten Kranken.
Die von Graves als Nadelöhrpupille (pin hole pupil) beschriebene
maximale Miosis sahen wir nur ein einzigesmal bei einem Kranken
in der Defeireszenz, dagegen fiel uns auf, als wir zum Zwecke der
Ausführung der Löwischen Reaktion systematisch die Pupillen
ira Hinblick auf ihre relative Weite untersucSiten, dass um die Zeit
des Abfalles der Temperatur, häufig langsam in ilirer Stärke
wechselnde Anisokorien vorkonmien. Bei BeobaAtung des Augen¬
hintergrundes sahen wir zdemliA oft eine über die Norm hinaus¬
gehende Füllung der V^en, die mehr als daS doppelte Kaliber
der Begleitarterien hatten und anscheinend auch stärker als normal
geschlängelt waren. Wenn “wir auA diesen oft schwer einschätzbaren
Befund vorsichtig werten zu müssen glauben, so scheint doch bei
seiner häufigen Wiederkehr und namentlich bei dem Abklingen
dieser venösen Stase naA der Entfieberung eine Gesetzmässigkeit
vorhanden zu sein. Während Arnold bei mehr als der Hälfte
seiner Fälle eine Neuritis opticia beschreibt, kamen zu uns nur zwei
Kranke mit Klagen über SAstörungen in der späten Rekonvaleszenz.
Bei keinem von ihnen konnte der erhobene Befund mit Sicherheit
auf das überstandene Fledkfieber zurückgeführt werden. Blutungen
am AugeAintergrunde fanden wir auA in jenen Fällen nicht, bei
denen ausgeprägte Hämorrhagien an der Conjunctiva bulbi zu sehen
waren. Symptome einer Retinitis albuminurica wurden niemals be¬
merkt,
EntspreAend dem bei der Autopsie so häufigen Ödem der
Meningen und der (starken DurAfeuchtung der Hirnsubstanz ist auch
die Zerebrospinalflüssigkeit bei den Kranken mit Hirnsymptomen
sAr oft imter erhöhtem DruA, während die Fälle ohne Kopfschmerz
und BenommeAeit meist annähernd normale Verhältnisse aufweisen.
In einem Falle bestand So grosser ÜberdruA, dass die Lumbalflüssig¬
keit nach Anstechen des Diualsackes auf den punktierenden Arzt
spritzte. Das Auftreten von Hauthyperästhesie, Pupillenstörungen
und angedeutet positivem Kernig legte gelegentlich den Verdacht
einer durA andere Erreger bedingten Meningitis nahe, doch blieb
die bakteriologisAe UntensuAung immer negativ. Die Flüssigkeit
war bei der EntnAme stets klar, trübte sich aber gelegentlich in
geringem Grade naA einige ßtunden langem Stehen durch fast
kristallähnliche PartikelAen, deren Bestimmung uns nicht gelang.
In einem Falle mit reiAlichem, teils roseolaartigen, teils petechialen
im Niveau der Haut liegenden imd über den ganzen Körper ausge¬
breiteten Exanthem, mit Detrusorlähmung, träger Reaktion der Pu-
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Viktor Kollert und Albert Finger.
[10
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pillen auf Licht, aiigedeutetem Kernig, aber fehlender Hauthyper¬
ästhesie, ergab die eirste Lumbalpunktion einen unter erhöhtem Druck
stehenden Liquor, welcher nach einiger Zeit eine Membran ähnlich
wie bei Meningitis tuberdulosa ausschied. Bei der mikroskopischen
Untersuöhung fanden adch in einem Fibrinnetz liegende Lympho¬
zyten; Bakterien konnten nicht nadhgewiesen werden. Bei der drei
Tage später wiederholten Pimktion war die Flü^gkeit ungetrübt,
aber immer noch imter erhöhtem Druck. Wegen äusserer Umstände
war die weitere kÜnisohe Beobachtung des Falles sowie die histo¬
logische Untersuchung der exzidierten Roseola nicht möglich, so
dass es dahingestellt bleiben muss, ob es sich überhaupt um einen
Typhus exanthematicus, dem ^^r Ausschlag der Form nach glich,
oder um eine 'Meningitis mit Exanthem handelte. Nach der Art der
Fibrinbildung imd der Lympho^tose wäre allerdings eher an eine
tuberkulöse als an eine epidemische Hirnhautentzündung zu denken.
— Die Diazoreaktion konnten wir mit Liquor nicht erzielen, auch
wenn sie im Urin stark positiv war. — Da bei der eitrigen Hirnhaut¬
entzündung eine vermehrte Durchlässigkeit der Meningen für Jod
von Gerhard beschrieben ist, vermuteten wir ähnliches auch bei
den Fleckfieberkranken mit Himsymptomen, konnten aber in drei
Fällen das Jod im Liquor nicht nachweisen (0,5 g JK intern,
Punktion nach 16, 18, resp. 19 Stunden). — Mit der nadh Abschluss
unserer Versuche ersdhienenen Arbeit von Munk stehen unsere
Liquorbefunde in einigem Widerspruche. So ist vor allem auffällig,
dass Munk die Vermehrung der Ventrikelflüssigkeit infolge eines
entzündlichen Hydrooephalus internus geradezu als typischen
Autopsiebefund bei Fleckfieber hervorhebt, andererseits aber den
Zerebrospinaldruck nicht vermehrt findet, während bei unseren
Kranken mit Syuiptomen von Himschädigung dies meist der Fall
war und uns namentlich das starke Ödem der Meningen auffiel.
Unsere bei ungefähr 50 Punktionen gewonnenen Erfahrungen stim¬
men vielfach mit jenen Liebermanns überein, der ebenso wie
wir von dem Ablassen der Flüssigkeit gelegentlich auffällige Besse¬
rung des Befindens Bah und gleichfalls das früher erwähnte ödem
der Meningen hervorhebt. Auch W a 1 k o sah in den Fällen mit
schweren zerebralen Störungen einen selu* bedeutenden Überdruck
des Liquor. Obwohl die Besserung des Allgemeinzustandes durch die
Lumbalpunktion keine dauernde ist, sb ist doch ihr Erfolg häufig so
ermutigend, dass diese Methode in das therapeutische Rüstzeug auf¬
genommen zu werden Verdient. Audi bei dem manchmal langdauem-
den und quälendeai Kopfsdimerz in der Rekonvaleslzenz bewährt sich
dieser Eingriff.
Goegle
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11 ]
Fleckfieberstudien.
53
Die dynamischen Verhältnisse der Herzaxbeit, die bekanntlich
beim Fleökfieber von fast ausschlaggebender Bedeutung für die Pro¬
gnose des Einiselfalles sein können, wurden bislang nur von Munk
studiert. Munk kam zu bemerkenswerten Kesultaten, welche wir
Kurve II.
im allgemeinen bestätigen können. Br beschäftigte sich hauptsädi-
lioh mit den Veränderungen des systolischen Druckes, dessen Sen¬
kung sich als ein Kardinalsymptom der Krankheit erwies. Wir be¬
dienten uns gleidifallä des Apparates von Riva Rocci mit der
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Viktor Kollert und Albert Finger.
[12
Beck 1 inghausensehen Manschette, bestimmten sowohl den sy¬
stolischen wie den diastolischen Druck nach der Korotkoff sehen
Auskultationsmethode imd prüften aussesrdem einen grossen Teil
der so erhobenen Systolewerte mit der Strassburger sehen Pal-
pationsraethode. Ülx?reinstimmend mit Horn fanden wir den mit
Kurve III.
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Kurve IV.
der Auskultationsmethode festgestellten Wert durchschnittlich um
3—5 mm Hg iiöher als den mit der Palpationsmethode gefundenen.
— Nach unseren Erfalirungen ist in schweren Fällen nicht nur oft
der systolische Druck herabgesetzt, sondern der Diastolewert scheint
auch etwas höher als normal hinaufzuriidken, wodurch der Puls-
drudk weiter verringert wird. Bei welch geringen Werten anschei-
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13]
Fleckfieberstudien.
55
nendi) manche Patienten noch tagelang zu leben vermögen, soll
folgendes Beispiel illustrieren:
Fall 77. 27. II. Pulsdrudk 10 mm Hg (Systole 82, Diastole 72),
112 Pulse. 28. II. Pulsdrucfk 12 mm Hg (S. 82, D. 70). 29.11. 8 Uhr
vormittags Exitus. Diese lange währenden desolaten Druokverhält-
nisse erklären wohl auch teilweise das beim Fleckfieber sich durch
Tage hinziehende Sterben. Einen ähnlichen, aber günstig endigenden
Verlauf nimmt die Kurve 1. Hier war der Pulsdruck auf der Höhe
des Fiebers nur etwa 20 mm Hg, erhöhte sich aber nach Abfall
der Temperatur auf über 40 (normal 60—70 mm Hg). Der. Kranke
erhielt vom 25.—30. III. je zweimal 10 Tropfen Digipurat. Die
zweite Tabelle stammt von einem gleichfalls mit Digitalis behandelten
Patienten, bei dem die Besserung der Zirkulation hauptsächlich
durch die Erhöhung des systolischen Druckes bewirkt wurde. In
gewissem Gegensatz hiezu steht Kurve 3, welche von einem Kranken
herrührt, bei dem das Fleckfieber mit Bronchopneumonie und fibri¬
nöser Pleuritis kompliziert war. Hier war vielleicht die Sen¬
kung der Diastole ein Hilfsmittel des Organismus, ein grösseres
Sekundenvolumen zu bewältigen, so dass man wohl auch in diesem
Falle von einer Besserung der Herzkraft sprechen darf. Tabelle 4
zeigt einen Kranken, bei dem systolischer und diastolischer Druck an¬
nähernd parallel gehen. Eine vorübergehende kardiale Krise finden
wir in Kurve 5 (Komplikation mit rechtsseitiger Bronchopneumonie).
Die letzte Tabelle endlich zeigt das Verfallen der Herzkraft bei
einem Kranken mit Gangrän. Hier schien sich das Herz unter dem
Einfluss der Therapie am 2. und 3. III. noch zu erholen. Am
folgenden Tage begann aber der unaufhaltsame Zusammenbruch.
Am 5. III. war der Pulsdruck anscheinend auf 10 mm Hg gesunken
und war von da an überhaupt nicht mehr bestimmbar. Die Zacken
am letzten Tag' zeigen die Wirkung einer intravenösen Strophantin¬
injektion, die als letzter therapeutischer Versuch neben der übrigen
Herzbehandlung gegeben worden war.
Die systematische Digitalistherapie, in der Weise ausgeführt,
dass man die Höhe der Wirkung um die Zeit der Fieberlösung er¬
warten konnte, gab uns bessere Resultate, als man nach manchen
Publikationen vermuten musste. Da wir bei einigen Autopsiefällen
eine vermehrte Brüchigkeit des Herzmuskels, sowie leichte Mar-
*) Während die Bestimmung des systolischen Druckes selten auf Schwierig¬
keiten stösst, ist die des diastolischen manchmal schwer und unsicher, was
nach der Art, wie die Geräusche zustande kommen, leicht verständlich ist
(geringe Wirbelbewegungen bei verminderter Strömungsgeschwindigkeit des
Blutes).
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66
Viktor Kollert und Albert Finger.
[14
morierung desselben sahen, glauben wir, dass die Ursache des Ver¬
sagens des Herzens ausser in der meist hierfür verantwortlich ge¬
machten Vasoparalyse resp. den zentralen Einflüssen gelegentlich
auch im Muskel selbst liegen kann, doch müssen wir in bezug auf die
Kurve VI.
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15]
Fleckfieberstudien.
57
näheren Details auf den zweiten Teil der Arbeit verweisen, da die
genaue histologische Durcharbeitung des Materials derzeit nicht mög¬
lich ist Auch der Einfluss der Veränderungen des Adrenalinstoff¬
wechsels dürfte, wie später ausgeführt wird, im Einzelfalle gelegent-
lidh für die Dynamik der Herzarbeit bedeutungsvoll sein.
Die Gefahr, welche dem Fleokfieberkranken von seiten der
Nieren drohen kann, scheint oft grösser zu sein als man allgemein
annimmt, auch wenn sich Zeichen einer schweren hämorrhagischen
Nephritis nicht von vornherein dem Kliniker auf drängen. Wohl ist
die Albuminurie — die noch dazu oft grossenteils von in Kälte fäll¬
baren Eiweisskörpem herrührt — fast stets gering; um so mehr ist
man dagegen in manöhen solchen Fällen von der unerwartet grossen
Menge von Zylindern im Sedimente überrascht Auf der Höhe der
Infektion findet man meist grob- und feingranulierte Formen mit
Epithelauflagerungen. Mit d^ Abklingen des Prozesses tritt die
hyaUne Struktur der einzelnen Elemente immer deutlicher hervor,
und meist bald nach der Entfieberung verschwinden sie und die
eventuell vorhanden gewesenen Erythrozyten gänzlich aus dem Sedi¬
ment — Um nun die Frage zu entscheiden, ob diese Albuminurie
der Ausdruck schwerer Stöimngen ist, bedienten wir uns der von
No Orden ausgearbeiteten Jodfunktionsprüfung, wenn wir uns auch
bewusst waren, dass die Verwertbarkeit dieser Methode für akute
Nierenschädigungen von mancher Seite eingeschränkt wird. Man
gibt nach Noorden 0,2 g Jodkalium in Kapseln und prüft fort¬
laufend Speichel und Urin auf ihren Jodgehalt Normalerweise er¬
scheint die Substanz im Speichel nach 8—12 Minuten, im Harne um
3—5 Minuten später und soll im ersteren nicht länger als 24—30
Stunden nachweisbar sein. Wird das Anfangsintervall oder die ge¬
samte Ausscheidungsdauer cvesentlich verlängert, oder ist das Jod
nur mit Unterbrechungen in den Sekreten zu finden, so hat man
einen pathologischen Zustand der Nieren anzunehmen. Als Beispiel
für eine derartige Albuminurie diene folgende Krankengeschichte:
Fall 128. 31 Jahre alt, Dr. jur., akquirierte 1912 Lues. Bricht am 26. III.
beim Marschieren zusammen, klagt über Kopfschmerzen, Durst, Muskelreissen
in allen Gliedern. Abgabe in ein Feldmarodenhaus; daselbst belegte Zunge,
Obstipation, Milztumor gefunden. 3. IV. Eruption zahlreicher Roseolen. Wegen
Fleckfieberverdacht Abgabe in unser Spital. 4. IV. Gesicht gerötet, Schleim¬
haut der Lider injiziert, Ekchymosen beiderseits an der Conjunctiva bulbi;
fibrilläre Zuckungen im Bereiche des Fazialis. Deutliches kleinfleckiges Ery¬
them über Stamm und Extremitäten. An der linken Lungenbasis handbreite
Dämpfung, in ihrem Bereiche Stimmkonsonanz etwas erhöht, bronchovesikuläres
Atmen. Milz perkutorisch etwas vergrössert. 5. IV. Exanthem dichter. Rötung
des Gesichts im Abnehmen, Schwerhörigkeit. Ham: Albumen +» Diazo ~|—|—f-.
Im Sediment zahlreiche grob- und feingranulierte Zylinder mit Epithelauflage-
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58
Viktor Kollert und Albert Finger.
[16
rungen, Leukozyten teils einzeln, teils in Trauben. Spärliche Erythrozyten.
6. IV. Der Kranke klagt über erschwerte Denkfähigkeit. Exanthem sehr dicht.
Starke Schmerzhaftigkeit der Wadenmuskeln. Vormittags beide Pupillen gleich,
nachmittags linke Pupille bedeutend grösser als rechte. Widal gegen Typhus,
Paratyphus A und B negativ. 7. IV. Harnsediment: Sehr zahlreiche grob-
und feingranulierte Zylinder, teilweise mit Epithelauflagerungen. Eine hyaline
Struktur fast nirgends erkennbar. Einzelne freie Nierenepithelien. Nieren¬
funktionsprüfung: 8 Uhr morgens 0,2 g Jodkalium auf nüchternen Magen +
200 g Wasser. Beginn der Ausscheidung im Speichel um 8 Uhr 45 Min., im
Urin um 9 Uhr 10 Min., also Anfangsdifferenz 25 Minuten. Das Jod war im
Speichel durch 79 Stunden 30 Minuten nachweisbar, im Urin durch 97 Stunden.
Die Ausscheidung durch die Nieren erfolgte kontinuierlich, durch den Speichel
mit Unterbrechungen. Allgemeinzustand: Patient klagt über Schlaflosigkeit;
geringe Diarrhöen. Exanthem teilweise hämorrhagisch, etwas livide. Milz unter
dem Rippenbogen tastbar. Stinune ist heiser. 8. IV. Heiserkeit sowie Schwer¬
hörigkeit noch vorhanden, Gesicht blass, Pupillen mittelweit, gleich gut
reagierend. Lungendäinpfung aufgehellt. Exanthemreste teilweise petechial, teil¬
weise bräunlich verfärbt. Harnbefund: Albumen -f-, Diazo -\ —f-, Chloride ver¬
mindert. Sehr zahlreiche granulierte Zylinder mit Epithelauflagerungen, hyaline
Struktur stellenweise sichtbar. Zahlreiche Leukozyten, keine Erythrozyten. 9. IV.
Milz einen Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar. An den Konjunktiven
neuerlich kleine Hämorrhagien. 10. IV. Letzter Tag der Kontinua. Fieber¬
lösung in 2 Tagen. Starke Schwerhörigkeit, Ausschlag abgeblasst. 12. IV. Exan¬
them bis auf einzelne Pigmentflecke geschwunden. 13. IV. afebril. Puls 48.
Milz perkutorisch einen Querfinger oberhalb des Rippenbogens. Albumen in
Spuren. Diazo negativ. Chloride leicht vermindert. Keine Ödeme. 20. IV.
Widal gegen Typhus, Paratyphus A und B negativ. Im Urinsediment bei ge¬
nauem Suchen keine Zylinder, keine Erythrozyten, keine Nierenepithelien.
Albumen negativ. 21. IV. Nierenfunktionsprüfung wie am 7. IV. Anfangsdiffe¬
renz für die Jodausscheidung in Speichel und Urin 10 Minuten, Jod im Speichel
durch 26 Stunden 30 Minuten, im Urin durch 35 Stunden 30 Minuten nachweis¬
bar. Weder bei der Ausscheidung im Speichel, noch im Urin deutliche Unter¬
brechungen.
Wir finden also auf der Höhe der Krankheit eine starke
Zylindrurie, welche nach Abklingen des Fiebers rasch verschwindet.
Die Aussc^heidungsdifferenz im Beginn beträgt bei der ersten Unter¬
suchung 25, bei der zweiten 10 Minuten. Die Ausscheidungsdauer
währt für den Speichel 79 resp. 26 Stunden, für den Urin 97 bzw.
35 Stunden. Die erste Funktionsprüfung ergibt demnach, wenn
man nach N o o r d e n die Anfangsdifferenz als die verwertbarere
Vergleichsmethode in Betracht zieht, eine mittlere, wenn man nach
S c h 1 a y e r melir Gewicht auf die gesamte Ausscheidungsdauer legt,
eine hochgradige Nierenschädigung. Die zweite Prüfung nach Ver¬
schwinden der Nierenerscheinungen zeigt annähernd normale Ver¬
hältnisse. Es scheint also die Funktionsprüfung dieses Falles sowie
mehrerer älmlicher zu lehren, dass die Nierenerscheinungen auf
der Höho der Infektion eine für den Kranken kritische Bedeutung
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17]
Fieckfieberstudien.
59
haben können, dass sie aber, falls die gefährliche Periode überstanden
wird, rasch abklingen. — Der Wasserstoffwechsel war in unseren
mit Nephritis komplizierten Fällen aluCh in jenen, die mit Hämat¬
urie einhergingen — auffällig wenig gestört, während andere Kollegen
bei solchen Kraaken gelegentlich schweren Hydrops sahen. Wir
fanden nur minimale Ödeme an den Tibien und retromalleolar, sowie
häufig Retention der Chloride ßm Ende der Fieberperiode. Wir
haben jedoch einigen Zweifel, ob manche dieser leichten Ödeme
überhaupt mit Nephritis in Zusammenhang stehen, oder nicht viel¬
mehr in jene Gruppe gehören, die Quinke als idiopathische be-
aeichnete und die er unter aaiderem auch im Anschluss an Typhus
und sonstige Infektionskrankheiten fand. Der Grund zu diesem
Zweifel liegt in einem Falle, bei dem im Verlauf von täglich wieder¬
holten Harnuntersuchungen auf Eiweiss und Sediment niemals die
geringsten Störungen, welche auf eine Nierenerkrankung hinwiesen,
zu finden waren, aber doch beim Abfall der Temperatur Ödeme an
den Lidern und retromalleolar nachweisbar wurden. Zugleich traten
eine eigentümliche Benommenheit und anscheinend zerebellare Sym¬
ptome, wie positiver Romberg und Abweichen nach einer Richtung
beim Gehen auf einer Geraden auf. (Befund der Stauungspapille
nicht einwandfrei.) Der Druck der klaren Lumbalflüssigkeit war
wesentlich erhöht. Da diese Symptome gleichzeitig mit den Schwel¬
lungen auftraten und wieder schwanden und der Urinbefund auch
während dieser Zieit negativ blieb, erscheint uns die rein nephrogene
Genese der Ödeme nicht sicher.
Von den übrigen Urinbefunden — bei deren Ausführungen uns
Herr Sanitätsfähnrich 0. Ferliewic'zin weitgehender Weise unter¬
stützte — soll nur ausgeführt werden, dass wir die Diazoreaktion
in allen systematisch untersuchten Fällen zeitweise positiv fanden.
In den meisten günstig endigenden Fällen verschwand sie vor Ab¬
klingen des Fiebers, bei einem Kranken, der in der Apyrexie starb
(Fall der Kurve 6), blieb die Reaktion auch noch mehrere Tage in
der fieberfreien Zeit bestehen. Neben der Diazoreaktion (Paramido'
azetophenonprobe) untersuchten wir auch fortlaufend die W e i s s -
sehe Permanganatreaktion. Es zeigte sidi nun, dass die W e i s s sehe
Probe in gewissem Grade der Diazoreaktion parallel ging, da man
auf der Höhe der Reaktion bedeutend mehr Kalium hy{>ermanganicura
bis zur Trübung der Flü^igkeit^) zusetzen musste, als zur Zeit
*) Sowohl bei negativem wie bei positivem Ausfall der Probe tritt bei Zu¬
satz eines Überschusses von Kaliumpermanganat Trübung auf, bei
ersterem schon nach Zugabe einer so geringen Menge des Mittels, dass der
für die positive Reaktion charakteristische Farbenumschlag bei der vom Autor
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60
Viktor Kollert und Albert Finger.
[18
ihres Abflauens. Bei vielen der fortlaufend untersuchten Harne
ging- die W e i s s sehe Probe der Diaaoreaktion zeitlich etwas voraus,
in dem Sinne, dass sowohl beim Entstehen wie beim Schwinden der
Keaktion das Weisssche Verfahren jenes Resultat zeigte, wie die
Paramidoazetophenonprobe am folgenden Tag.
Da uns eine Reihe klinischer Erscheinungffli beim Fleckfieber,
nämlich das Verhalten der Vasomotoren, die im Vergleich zur Fieber¬
höhe grosse Pulszahl und die Pupillensymptome an eine eventuelle
Beteiligmig des Sympathikus denken liessen, suchten wir uns über
das Verhalten des Adrenalins, als des wichtigsten Aktivators dieses
Nerven einigen Aufschluss zu verschaffen. Zu diesem Zwecke stu¬
dierten wir, da kompliziertere Methoden im Felde nicht ausführbar
waren, das Verhalten der Löwischen imd Csepaischen Reaktion.
Die erste besteht bekanntlich darin, dass unter gewissen Umständen
nach Einträufelung einer l®/o{)igen Adrenalinlösung in den Kon-
junktivalsack innerhalb einer halben bis dreiviertel Stunden eine
starke oder sogar fast maximale Mydriasis auftritt. Es dürfte sich
bei ihrem Zustandekommen meist um einen Zustand der erhöhten Er¬
regung des Sympathikus handeln, mag er nun durch den Ausfall
Sympathikus hemmender Fasern aus dem Pankreas, durch thyreogene
Störungen oder auf andere Weise entstehen. Intaktheit des Horn¬
hautepithels ist eine Prämisse zur Verwertimg der Reaktion. —
Positive C s e p a i sehe Reaktion — bei deren Anstellung man ebenso
wie bei der L ö w i sehen vorgeht — heisst eine Verlängerung der
normalerweise 20 Minuten währenden Anämie der Konjunktiven und
tritt nach Angabe ihres Entdeckers dann auf, wenn Hypofunktion
des öhromaffinen Systems besteht, so dass in gewissem Grade beide
Reaktionen als entgegengesetzt zu deuten wären. Csöpai fand
audh, dass subkutan injiziertes Adrenalin bei positiver Augenreaktion
keine Erhöhung des Blutdruckes bewirkte. Bei der Mehrzahl der
mittels dieser Proben untersuchten Fleckfieberkranken wurden nor¬
male Verhältnisse gefunden. Eine geringe Zahl aber zeigte durch
kurze Zeit, und zwar meistens in den Tagen um die Entfieberung,
ein Positivwerden der Lö wischen Reaktion; nach deren Abklingen
trat in zwei Fällen eine positive Cäepaische Probe auf. Nimfüt
man die oben berührte Deutung der beiden Reak¬
tionen als gegeben an, so würde dieses Verhalten
auf einen p,nfänglich erhöhten Erregungszustand
des Sympatikus hinweisen, dem eine Periode der
Unterfunktion der Nebennieren folgt. In einem Falle
vorgeschriebenen Technik nicht beobachtet werden kann imd sofort die trübe
Verfärbung sichtbar .wird.
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Fleckfieberstudien.
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62
Viktor Kollert und Albert Finger.
[20
wurde schon am 6. Fiebertago eine stark positive Csepaische Probe
gefunden, so dass hier vielleicht von voniherein eine Insuffizienz der
Nebennieren anzunehmen ist. Der obigen Deutung der beiden Proben
widerspricht aber vielleicht der in Tabelle 3 geschilderte Fall.
Es bedeutet darin ein Pluszeicheii in der Rubrik L (Löwi)
Mydriusis, in der Rubrik Cs (Csepai) deutliche Anämie der Kon-
junktiva des unteren Lides im Vergleich zur anderen Seite zur an¬
gegebenen Zeit. Es ist also die Löwi sehe Reaktion positiv, wenn
auch nur ein Pluszeichen vorhanden ist, die Csepai sehe aber nur
dann, wenn die Anämie sich über 20 Minuten ausdehnt. Die Rubrik Z
gibt die Zeiten an, w'ann die Einträufelung erfolgte und wann das Auge
bcoljachtet wurde. Betrachten wir die Ergebnisse der fortgesetzten
Untersuchungen, so sehen wir, dass die Löwi sehe Reaktion in den
ersten Tagen positiv ist und später verschwindet. Die Anämie, die
bei der ersten Prüfung überhaupt nicht gesehen wurde, blieb später
bis 30 Minuten bestehen und ging dann auf noch normale Werte
zurück. Aus dem zeitweise gleichzeitigen Auftreten beider Reak¬
tionen folgt entweder, dass die als pathognostisch zu bewertende
Anämie erst bei einer längeren Dauer zu diagnostizieren ist pls
Csepai annimmt, oder dass eine der beiden Proben anders zu deuten
ist, als in der Literatur angegeben. Zur Klinik des Falles ist zu be¬
merken, dass der Kranke von seinem Exanthematikus am 28. JI.
entfiel>erte und dass er seit vier Jahren an einer fibrösen Tuberkulose
des linken Oberlappens leidet. Die Verw^endboi’keit beider Methoden
für die Analyse der klinischen Erscheinungen von Infektionskrank¬
heiten ist noch in mancher Beziehung unklar, doch dürfte ilir gleich¬
zeitiges Studium bfemerkenstwerte Ergebnisse liefern. Eine wesent¬
liche Stütze unserer wegen der unvollkommenen klinischen Methodik
vielleicht anfechtlKiren Theorie über den Einfluss der Nebennieren-
Uitigkeit auf den A^erlauf des Flc'ckfieljers fanden wir nach Abschluss
der Versuche in der Literatur. Legrain und Fournie weisen
nämlich darauf hin, dass bei dieser Krankheit die akute Entzündung
der Nebennieren häufig den einzigen Obduktionsbefund bilde und
heben die Bedeutung dieser Tatsache für die allgemeine Sympto¬
matologie der Krankheit und für die Art des Sterl^ens dieser Kranken
hervor.
A^on unseren weiteren A'^ersuchen, die das Gebiet des Adrenalin¬
stoffwechsels berüliren, seien noch folgende erwähnt: Da das
Adrenalin eventuell auch als therapeutisches Hilfsmittel bei der
Behandlung von Fleckfieberkranken mit niederem Blutdruck in Be¬
tracht käme und da ferner das Fehlen der Blutdruoksteigerung
nach subkutaner Adronalininjektion für eine Hypofunktion des
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21 ]
Fleckfieberstudicn.
63
chromaffinen Systems sprechen soll, beobachteten wir zunächst das
Verhalten zweier fiebernder Exanthematikuskranker nach Appli¬
kation von 0,0005 Tonogen Richter. Die Dosis ist vielleicht zu
gering, um aus dem Ausbleiben der Druckerhöhung bindende Sdilüsso
zu ziehen, doch wollten wir wegen der Schwere der ,‘allgemeinen
Sciuädigung des Organismus durch das Fleckfieber die Dosis nicht
erhöhen. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei erwähnt, dass
lx?i beiden Kranken die Injektionsstelle sorgfältig massiert wurde,
um eine mangelhafte Resorption möglichst zu venneiden. Bei dem
einen Kranken trat eine Blutdruckerhöhung um 20 mm Hg auf,
beim zweiten blieb jede Reaktion aus. Bei einem dritten, bereits er¬
wähnten Patienten, welcher sechs Tage fieberte, wurde gleichzeitig
C s e p a i sehe Reaktion und subkutane Adrenalinprobe gemacht. Der
kräftig gebaute 30jährige Mann hatte reichlich Roseolen über Stamm
und Extremitäten. Vor dem Versuch betrug sein Blutdruch 101—
61 mm Hgi); um 10 Uhr wurden ihm 0,5 mg Tonogen Richter
injiziert, 10 Uhr 19 Min. Blutdruck 103—60 mm Hg; 11 Uhr
15 Min.: 102—62 mm Hg. Trotz Massi^ge war noch nach 75 Minuten
eine über zwei handtellergrosse anämische Hautpartie an der In¬
jektionsstelle sichtbar. (Nach mündlichen Äusserungen C s e p a i s
für solche Fälle typisch.) Am Nachmittag desselben Tages wurde
die Konjunktivalprobe gemacht. Die Anämie der Bindehaut war
bereits nach zwei Minuten sichtbar und blieb durch 38 Minuten
bestehen, was einer positiven Csepaisehen Reaktion entspricht.
Wir können aus diesem Falle — vorausgesetzt, dass sich die Ko¬
inzidenz beider Erscheinungen weiterhin bestätigt — folgern, dass,
wenn man zur Hebung des Blutdruckes ül>erhaupt bei Fleckfieber¬
kranken subkutan Adrenalin geben will, dies nur bei jenen einen Sinn
hat, bei denen kein Zeichen einer Hypwfunktion des Adrenalsystems
besteht. Über die Frage, wie weit gerade die Verminderung der
Nebennierentätigkeit die Ursache für den erniedrigten Blutdruck ab¬
gibt, ist al>er derzeit noch kein endgültiges Urteil möglich.
Über das Verhalten der Kohlehydrattoleranz stellten wir
keine systematischen Untersuchungen an, doch ist zu erwähnen,
dass bei zwei Kranken passagere spontane Glykosurien während
des Fiebers auftraten. Allerdings wäre dal>ei zu bemerken, dass es
sich um Angehörige der eingeborenen russisch-jüdischen Bevölke¬
rung der Stadt handelte, bei denen Diabetes häufig vorzukommen
scheint. — Der letzte Versuch auf diesem Arbeitsgebiet wurde im
Anschluss an die Publikation Stübers ausgeführt. Dieser Autor
Methodik siehe Kapitel Herztätigkeit.
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64
Viktor Kollert und Albert Finger.
[22
fand, dass bei vasomotorisch labilen (neurastheniscihen) Patienten bei
subkutaner Injektion von 5 ccm einer lOo/oigen Kochsalzlösung, also
eines Sympathikusreizmittels, eine positive G r über-Wi dal sehe
Reaktion hervorgerufen werden könne. Da beim Fleckfieber vaso¬
motorische Störungen zum klinischen Bilde gehören und ferner,
wie vielleicht aus unseren Versuchen hervorgeht, Sympathikus¬
störungen vorzukommen scheinen, injizierten wir zwei fiebernden
Exanthematikus-Kranken Kochsalz, konnten aber weder in bezug
auf den Widaltiter, noch auf die Lö wische Probe irgend eine Ver-
änderimg bemerken.
Das nächste Organ, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuwendeten,
war die Leber. In der Literatur findet man darüber mit Ausnahme
der Bemerkung von parenchymatöser Schädigung sehr wenig i). Wir
sahen ziemlich selten Vergrösserung, dagegen fanden wir häufig
Urobilinurien. Die Arbedt Hildebrandts ist uns leider erst nach
Abschluss der diesbezüglichen Untersuchungen zu Gesicht gekom¬
men, so dass wir keine kurvenmässige Darstellung der Urobilin¬
ausscheidung bringen können. Aus unseren zwar nur qualitativen,
aber fortlaufenden Untersuchungen Scheint hervorzugehen, dass die
Urobilinurien beim Fleckfieber wenigstens in der zweiten Fieber¬
hälfte ziemlich dauernd bestehen können, in ihrer Intensität an den
einzelnen Tagen stark wechseln, sich im allgemeinen in mässigen
Grenzen bewegen Xmd imieist mit der Entfieberung abklingen. In einem
Falle sahen wir sie auch nach dem Sinken der Temperatur einige
Tage hindurch anhalten. Bilirubin fanden wir niemals im Harn.
Einmal stellte Sich sub finem vitae edn deutlicher Ikterus ein, als
dessen wahrscheinliche Ursache sich eine Drüse, die den Ductus
choledoChus komprimierte, bei der Autopsie herausstellte. Da die
Diagnose Fleckfieber histologisch und klinisch festgestellt werden
konnte, Drüsenschwellungen aber nidit zum Krankheitsbild gehören,
wäre an eine Sekundärinfektion zu denken.
In zwei Fällen mit Urobilinurie belasteten wir die Leber mit je
50 g Lävulose, konnten aber mittels der S e 1 i w a n o f f sehen Me¬
thode im Harne keine Kohlehydrate nach weisen.
Die Gerinnungsfähigkeit dos Blutes, nach der einfachen
B ü r k e r sehen Methode bestimmt, war bei 10 Kranken, die zum
Teil im Fiel>erstadium, zum Tedl bereits in der Apyrexie waren,
gegenüber den gesunden Kontrollpersonen herabgesetzt. Dieser Be-
>) Eigentümlich sind die Ausführungen Zlatogoroffs, der bei der
Besprechung kurz bemerkt „die Leber ist nicht vergrössert", dagegen in fast
allen seinen beigegebenen Tabellen Vergrösserung des Organes notiert.
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23]
Fleckfiebers tudien.
65
fund dürfte mit der manohmal spärlichen Kruorbildung in der
Leiche im Zusammenhänge stehen.
In 23 Fällen prüften wir die Reaktion des Speichels und fanden
sie, wie dies auch von anderen fieberhaften Krankheiten bekannt
ist, sauer. Die Rhodanprobe ergab keine eindeutigen Resultate. Der
Versuch, im Speichel Diazokörper nachzuweisen, schlug fehl. In
einer Anzahl von Fällen bemerkten wir Lockerwerden der Zähne,
Retraktion des Zahnfleisches und ein anscheinend rascheres Fort¬
schreiten der Karies, zu welchen Beobachtungen wir durch mehr¬
malige Klagen Genesender geführt wurden.
In der Rekonvaleszenz fanden wir übereinstimmend mit Beolmch-
tungen anderer Autoren gewisse immerwährend wiederkehrende, an¬
scheinend ziemlich typische Erscheinungen. Hierher gehört als be¬
sonders charakteristisch die noch durch Tage die Fieberperiode über¬
dauernde Apathie der Kranken; ferner in ihrer Dauer wechselnde
Bradykardie, deren Fehlen uns als prognostisch unwillkommenes
Moment erschien, da wir bei solchen Fällen mehrmals ein lang¬
sameres Emporraffen des Patienten oder ein Auftreten von Kompli¬
kationen sahen, von denen die wichtigsten Parotitiden, trockener
Brand der Zehen und hypostatische Pneumonie eventuell mit Aus¬
gang in Gangrän waren. Manchmal stehen im Vordergrund des
klinischen Bildes der Erholungsperiode eine wachsartige Blässe der
Kranken, wobei man bei der Untersuchung des Blutes Verminderung
des Hämoglobingehaltes sowie Poikilozytose und Heterochromasie
der Erythrozyten findet.
Dio nervösen und psychischen Störungen, die durch die Fleck-
fiebemoxe hervorgerufen werden, können, wie auch aus den Ar¬
beiten von Hirschberg und Munk hervorgeht, sehr mannigfaltig
sein. Unser bisheriges Beobachtungsmaterial erscheint uns aber zu
gering, um diese Störungen systematisch zu ordnen, w-ir möchten
daher nur einige auffallonde Bilder hervorheben.
Schon in den ersten Tagen dar Erkrankung sind fein-fibrilläre
Zuckungen einzelner Muskel und Muskelgruppen zu beobachten, die
sich bald im Fazialisgebiet, bald am Ober- oder Vorderarme oder an
den unteren Extremitäten finden und mehr oder minder grob- oder
feinschlägige ausfahrende motorisdie Effekte mit sich bringen. Diese
Reizerscheinungen bilden sich in vielen Fällen noch zurück, in
anderen Fällen aber verallgemeinern sie sich zu einem universellen
groben Zittern, w'elches stundenlang bestehen kann. Die Licht¬
reaktion der Pupillen ist während der Anfälle erloaüien, die Sehnen¬
reflexe dagegen fanden wir fast jedesmal gesteigert. Bei einem
Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 u. 2. 5
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66
Viktor Kollert und Albert Finger.
[24
Kranken sahen wir so eigentümliche Reizerscheinungen, dass wir
darüber ausführlicher beriöhten möchten.
Fall 120. 33 Jahre alt. Am 20. III. abends von einem Feldspital wegen
Fleckfieberverdacht eingeliefert. 21. III. Pat. schwer benommen. Gesicht ge¬
rötet, Konjunktiven injiziert. Pupillen stark dilatiert. 38,8^ 116 Pulse. Lunge,
Herz ohne wesentliche Veränderungen, Leber nicht vergrössert. Milz bis zum
Rippenbogen reichend. Patellarreflexe schwer auslösbar. Exanthem reichlich,
im Niveau der Haut, an den meisten Stellen in der Mitte hämorrhagisch, an
der Peripherie bläulichrot. Die emporgehobenen oberen Extremitäten bleiben
längere Zeit in der ihnen gegebenen Stellung, um dann langsam abzusinken.
23. III. Benommenheit hat noch zugenommen, Pat. gibt auf Anruf keine Ant¬
wort. 124 Pulse, systolischer Blutdruck 90, diastolischer 76 mm Hg. Der Kopf
wird rückwärts in die Kissen gebohrt, Schmerzreaktion auf leichtes Drücken
einer Hautfalte. Nachmittags Herzkollaps trotz reichlicher Kardiaka. Abends:
Pupillen dilatiert, Lichtreaktion gut erhalten. Spontane Muskelzuckungen, beim
Beklopfen der Muskulatur kurzdauernde tonische Kontraktionen. Patellarreflexe
sehr lebhaft. Extremitäten kalt, zyanotisch. 24. III. Temp. 37,4^, 128 Pulse,
systolischer Druck 98, diastolischer 78 mm Hg. Gute Lichtreaktion der Pu¬
pillen, starke Hauthyperalgesie. 25. 111. Hyperalgesie noch stärker als Tags
vorher. Zuckungen iin Fazialisgebiet. Exanthem durchgehends petechial, bräun¬
lich verfärbt. Afebril. Partellarreflexe stark gesteigert. Nachmittag beim An¬
legen der Stauungsbinde des Riva Rocci ein etwa eine Minute dauernder
tonischer Krampf der gesamten Muskulatur. Im Anschluss daran kurzdauernde
klonische Krämpfe in Armen und Beinen. Pupillen werden während des An¬
falls maximal weit, reagieren nicht auf Licht. Nach dem Anfall gehen sie zu
einer Mittelstellung zurück, zeigen aber noch träge Lichtreaktion. Mund krampf¬
haft geschlossen, kein Speichelfluss. Hautfarbe blass mit starker Zyanose der
Extremitäten. Während des Anfalles durch etwa eine halbe Minute eigentüm¬
liche Reizerscheinungen an der Augenmuskulatur, damit beginnend, dass das
rechte Auge nach aussen abweicht, dann führen beide Bulhi langsame, von¬
einander unabhängige Bewegungen aus. Nun tritt rechtsseitige Ptose durch
etwa zwei Minuten ein. Nach ihrem Zurückgelien ist der tonische Krampf der
g(‘samten Muskulatur wieder g(‘schwunden und die Augen blicken nun wieder
konjugiert. Der Pat. sinkt ermattet zusammen, Cheyne Stokesches Atmen
Rauchdeckenreflexe erloschen. Links Patellarreflex nicht auslösbar, rechts vor¬
handen. Puls filiform. Kein Zungenbiss. Trismus bleibt in massigem Grade
noch einige Zeit best(‘hen. Nachts Exitus. Therapie bestand in Digipurat,
Kampferölinjektionen, subkutaner Infusion einer Zuckerlösung. Die klinische
Epikrise di(^ses sehr bemerkenswerten Falles kann erst nach der genauen
anatomisch-histologischen Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit erfolgen
In einem Falle traten in der z\veit(?n Hälfte der Fieberperiode
Anfälle, vermutlich hysterischer Natur auf. Es handelte • sich um
einen Mediziner, der fast täglich zur bestimmten Stunde über heftige
Kopfschmerzen in der rechten Scheitelgegend klagte und dabei starken
Tremor der Extremitäten zeigte. Während des Anfalles, der jedes¬
mal ungefähr eine Stunde (kiuerte, war der systolische Druck etwa
20 mm Hg höher als im anfallsfreien Intervall. Die Pupillen
reagierten normal, am Augenlüntergrunde fand Herr Stabsarzt Hein
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25]
Fleckfieberstudien.
67
ausgesprocliene venöse Stase. Die Sehnenreflexe waien erheblich
gesteigert, Komeol- und Pharynxreflex waren erloschen, Störungen
der Hautsensibilität konnten nicht nachgewiesen werden. Diese An¬
fälle hielten bis in die dritte Woche nach der Entfieberung an und
verschwanden dann allmählich. Patient gestand leichten Morphinis¬
mus ein.
Neben den im vorhergehenden beschriebenen nervösen Krank¬
heitssymptomen fanden wir auch noch mehr oder minder ausgeprägte
psychische Störungen. Ein Teil der Kranken war wohl zeitlich und
örtlich orientiert, kam auch den verschiedenen Aufforderungen des
Arztes, wie Zunge zu zeigen, sich auf die Seite zu legen, nach,
sich selbst überlassen, lagen die Kranken die meiste Zeit regungs¬
los im Bett, nahmen keinen oder nur wenig Anteil an den Vorgängen
der Umgebung. Solche Bilder leiteten zu stuporartigem Dahinliegen
über, während welchem die Kranken sich völlig regungslos ver¬
hielten, Ham und Kot unter sich Hessen und nicht mehr ansprechbar
waren. Bei einzelnen Fällen konnten wir auch Andeutung katalepsie-
artiger Symptome (der eraporgehobene Arm verharrt eine Zeit in
dieser Stelle, sinkt dann langsam herab) nachweisen. Solche Er¬
scheinungen entwickelten sich entweder vom Beginn der Krankheit
an langsam, mit fortschreitender Abnahme der psychischen An¬
regbarkeit oder sie wurden durch eine kurze Periode erhöhten Be¬
wegungsdranges, mit Herausdrängen aus dem Bette, eingeleitet,
Bilder, die an amentiaartigc Zustände erinnern und mit vollständiger
Desorientiertheit, lebhaften Sinnestäuschungen des Gehörs und des
Gesichtes, sowie mit starken Angstg^efühlen einhergehen.
Neben den zerebralen Störungen fallen bei mandxen Kranken
auch ataktische Symptome auf, die wir noch bis in die späte Re¬
konvaleszenz nachweisen konnten, wie positiver Romberg, starkes
Schwanken beim Gehen, Abweichen nach einer Richtung beim Gehen
auf einer Geraden. Ein derartiger Fall wurde im Kapitel Nieren¬
störungen etwas näher erörtert, genaue Prüfungen konnten nicht
gemacht werden.
Die Sehnenreflexe waren l>ei unseren Beobachtungen bald er¬
höht, bald gbgeschwächt, ohne dass es ims möglich war, diese
Störungen nach der Art der Fälle oder der Zeit ihres Auftretens ein¬
zuordnen. Nicht gelten klagten die Kranken über Schmerzen im
ganzen Körper, wir konnten in solchen Fällen Druckempfindlichkeit
von Muskeln und Muskelgruppeai vielleicht als Ausdruck leichter
neuritischer Prozesse nachweisen. Höhergradige Atrophien einzelner
Muskelgruppen sind uns nicht begegnet.
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68
Viktor Kollert und Albert Finger.
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Für die Genese dieser verschiedenartigen Störungen kommen
mehrere Möglichkeiten in Betracht: Vor allem ist daran zu denken,
dass die zahllosen mikroskopischen Hirnhorde, wie sie beim Fleck¬
fieber nach den Arbeiten von Popoff, Coelen u. a. Vorkommen,
audi dio verschiedensten lokalen Störungen hervorrufen können.
Weiterhin ist an die Wirkung von Toxinen, an den Einflusis von Zir¬
kulationsstörungen, an Himödem zu denken. Endlich kann auch
die gestörte Funktion anderer Organe, z. B. der Nieren i), dabei eine
Rolle spielen.
Die Verarbeitung unserer 2 ahlreichen verschiedenartigen Tier¬
versuche, sowie der patliologisch-anatomischen Befunde, müssen wir
uns wegen Zeitmangels für eine spätere Zeit als 11. Teil dieser
Arbeit Vorbehalten.
Am Schlüsse ist es uns eine angenehme Pflicht, Herrn General¬
stabsarzt TerenkoCzy sowie Herrn Oberstabsarzt Prof. Ballner
für ihre weitgehende Unterstützung der Arbeit bestens zu danken.
Zusammenfassend möchten wir folgende Sätze als wichtigstes
Ergebnis unserer klinischen Untersuchungen über das Fleckfieber
aufstellen:
1. Am Tage vor dem Fiebaranstieg ist gelegentlich eine auffällige
Blässe der Kranken bemerkenswert.
2. Wie bei allen anderen epidemischen Krankheiten beobachtet
man auch beim Fledkfieber viele atypische Fälle. Die Wahrschein¬
lichkeitsdiagnose ist gelegentlich nur aus der Eruierung der Infek¬
tionsquelle m stellen.
3. Der Nachweis der vermehrten Lädierbarkeit der Hautgefässe
ist, falls das Exanthem durch andere Hautvoränderungen überdeckt
oder aber bereits geschwimden ist, von grosser praktischer Be¬
deutung.
4. Der Agglutinationstiter des Serums gegen Typhus bleibt bei
der Melirzahl der Kranken unverändert. Bei einer Minderzahl treten
geringgradige Schwankungen auf, die auf verschiedene Ursachen
zurückzuführen sein dürften.
5. Am Auge wurden häufig etw'as träge Lichtreaktion der
Pupillen, gelegentlich anfallsweise reflektorische Pupillenstarre,
venöse Stase am Augenhintergrund und wechselnde Anisokorien
beobachtet.
6. Die Lumbalflüssigkeit steht oft unter erhöhtem Druck. Die
Lumbalpunktion wirkt vorübergehend für die Kranken sehr wohl-
*) Nach der Arbeit von H i 11 e 1 wäre bei Inloxikationsformen mit
tetanusähnlichen Bildern auch auf Anzeichen einer gestörten Leberfunklion
zu untersuchen.
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Fleckfieberstudien.
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tätig. Die Memingen werden im Verlaufe des Fledrfiebers für Jod
nicht durchlässig'.
7. Der Pulsdruök ist während der Fieberperiode sehr herab¬
gesetzt und beösert sich in günstig verlaufenden Fällen mit dem
Temperaturabfalla Die Beobaöhtimg des Pulsdruokes gibt dem Arzt
die wichtigsten Hinweisle für die Wertung der Schwere des Falles.
8. Die Funktionsprüfung der Nieren mittels Jodkalium ergibt
rasch vorübergehende, aber gelegentlich sehr schwere Störungen.
9. Das Studium der L ö w i sehen und C s e p a i sehen Reaktion
weist in einer Reihe von Fällen auf eine Stoffwechselstörung hin,
die vermutlich mit dem Adrenalsystem in Zusammenliang stehen
dürfte.
10. Die Gerinnungsfähigkeit des Blutes ist herabgesetzt.
11. Die wichtigsten Störungen im Bereich des Nervensystems
sind: fibrilläre Zuckungen einzelner Muskelgruppen, tonische Krämpfe,
meningeale Reizersdheinungen. In der psychischen Sphäre wurden
Katalepsie und amentiaähnhche Zustände beobachtet.
Literatur.
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Klinisches und Epidemiologisches über
Fleckfieber.
Von
Dr. W. Siebert,
Marineoberstabsarzt z. D.
Mit meinem heutigen Vortrag i) möchte ich unter Berücksich¬
tigung der neueren Literatur anknüpfen an einen solchen, den ich
frülier über Fleckfieber gelialten habe 2).
Zu einem besseren Verstehen der Krankheitsbilder bei Fleckfieber
sei vorweg geschickt, dass alle Übergänge von den schwersten
bis zu den leichtesten Erkrankungen mit unzulänglich ausgeprägten
oder äusserst flüchtigen Erscheinungen Vorkommen, so dass derartige
Kranke sieh öfters nicht einmal zum Aufsuchen des Bettes ver¬
anlasst fühlen. Die verschiedene SCliwere der einzelnen Fälle er¬
klärt sich aus ider Intensität der Intoxikation, den begleitenden Kom¬
plikationen und den Immunitätsverhältnissen. Schwere Opfer for¬
dernden, foudroyant verlaufenden Epidemien stehen solche mit ge¬
ringer Mortalität und weniger stark ausgesprochener Prostration der
Kranken gegenüber. Diese finden sich besonders in Ländern mit
stärkerer Immunität, wo "wir ausser schnell auflodernden Epide¬
mien auch schleichenden, milder verlaufenden Endemien begegnen.
Auf dem Balkan und in manchen Gegenden des Orients, wo letzteres
vielfach der Fall ist, ist die Seuche stellenweise beinahe zu einer
Kinderkrankheit geworden, insofern die Kleinen in erster Linie und
vielfach in leiditer Form erkranken, während die Erwachsenen Ije-
reits immun sind, die sonst gerade eher als die Jüngeren der Geissei
zum Opfer fallen. Ausser der Wandelbarkeit des Genius loci spielen
noch Momente mit, die geeignet sind, die Widerstandsfähigkeit des
einzelnen herabzusetzen, z. B. Strapazen, Entbehrungen, Unteremäh-
1) 6. XII. 1916.
*) Berl. Klinik 1916, Heft 318.
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Kliniaches und Epidemiologisches über Fleckfieber.
71
rung, überhaupt ungünstig^e äxissere Lebensverhältnisse. Axisser-
ordentlich bösartig verlaufen Kriegsepidemieu mit ihren Massen-
anliäufungen von Menschen. Auch die Jahreszeit und Witterungs¬
verhältnisse sind nicht olme Einfluss.
Wir begegnen daher, sowohl bei der Durchmischung von Fleck¬
fieberkranken aus verslöhiedenen Landstrichen wie beim Vergleich
einzelner Epidemien Krankheitsbildem, die unter Umständen den
Eindrudk erwecken, als pb sie nicht desselben ätiologischen Ur¬
sprunges sind. Das Fehlen eines inneren Zusammenhanges ist jedoch
nur scheinbar, insofern es sich in Wirklichkeit nicht um wesens¬
fremde Bilder, sondern um verschiedene Reaktionen des Organismus
auf dasselbe Virus handelt. Das Leiden ist, auch wenn es gelegent¬
lich den Eindrudk der Mannigfaltigkeit macht, ein wohlcharakteri¬
siertes und fest umschriebenes, das sogar trotz scheinbarer Viel¬
gestaltigkeit eine gewisse Gleichförmigkeit aufweist, insofern sich
auch in den leichteren Fällen die schweren wiederspiegeln, nur dass
sich bei ersteren alles sdmeller und leichter abspielL
Als diagnostische Hauptmerkmale des Fleckfiebers, um die sich
die übrigen Erscheinungen herumgruppieren, sind anzusehen: Das
hohe, kontinuierliche Fieber, der Hautausschlag \md die
Zerebralerscheinungen.
Das Fieber leitet das Krankheitsbild, und zwar zuweilen (etwa
in 30—40o/o) mit Schüttelfrost, ein; es steigt in 2—3 Tagen zu einer
Höhe von 39—40® und mehr. Hier hält es sich in der Regel als
Continua 1—2 Wochen, selten länger, um dann meist lytisch und
zwar schneller als beim Typhus abdominalis abzufallen, zuweilen
sogar zu recht niedrigen Graden (35,3—36®). In der zweiten Woche
wird der Fieberverlauf oft etwas unruhiger, da in dieser Zeit Se¬
kundärinfektionen ßioh bemerkbar madhen. Daneben finden sich
natürlich auch Abweichungen, so dass die Kurven zuweilen ganz
unregelmässig verlaufen; im allgemeinen kann jedoch gesagt werden,
dass der Fieberverlauf bei den schwereren Fällen am gleichmässig-
sten und mehr übereinstimmend ist. Auch bei kürzerem Fieber
findet sich vielfadi ein älinUcher Typus der Kurven, nur ist hier
alles mehr zusammengedrängt. Ein kriti^her Abfall ist bei längerer
Krankheit selten und dann meist nicht unbedenklich; lüngegen ist
bei Fällen mit kürzerem Fieberverlauf eine Krisis häufig. Gelegent¬
lich wird in der Literatur das Auftreten einer vorübergehenden
Temperatursenkung zu Beginn des Fiebers erwähnt. Wir halben
derartiges nicht beobachtet.
Das Fieber ist, je nach der Schwere der Erkrankung, von
Beginn an mit mehr oder minder heftigen AllgemeinersChei-
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W. Siebert.
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n u n g e n begleitet; insbesondere gehören hierher Klagen über
Kreuz-, Rücken-, Glieder- und Muskelschmerzen.
Meist besteht schon frühzeitig ein stark ausgesprochenes
Krankheitsgefühl.
Das zweite, und für die Diagnose bedeutungsvollste Symptom ist
der H a u t a u s s c h 1 a g. Er tritt am dritten bis fünften Erkrankungs¬
tage auf, also zu einer Zeit, in der die Temperatur bereits zur Höhe
gesti^en ist und auch weiter auf dieser verharrt. Der Ausschlag
zeigt sich zuerst auf Schulter, Brust und Bauch. Gelegentlich werden
sogar die Arme zuerst befallen. Anfangs besteht er aus spärlichen,
blassroten, stedknadelkopfgrossen Fleckchen, breitet sich daun aber
mit grosser Schnelligkeit, zuweilen sogar in wenigen Stunden, über
den ganzen Körper aus. Rumpf und Extremitäten sind vielfach ziem¬
lich dicht bedeckt. Selbst auf Handflächen und Fusssohlen greift
das Exanthem über, während das Gesicht stets und der Hals meist,
aber nicht immer, freibleibein. Im allgemeinen sind Rumpf .und
Arme am meisten befallen, während dies bei den unteren Extremi¬
täten nicht so ausgesprochen ist. Zu beachten ist, dass die Eruption
wie in einem Zuge ohne Nachschübe erfolgt. Der Ausschlag schim¬
mert anfangs blassbläulich aus der Tiefe der Haut durch und ver¬
leiht dieser zuweilen ein marmoriertes Au^ehen. Allmählich hebt
er sich, wenn auch nur etwas, von der umgebenden Haut ab; dies
lässt sich besonders bei seitlidiem Bück auf den Rumpf erkennen.
Das völlig entwickelte Fleckfieberexanthem ist gegenüber den an¬
fänglich mehr lokalisierten und rundlichen Roseolen diffus, jKickig,
kleinfleckig. Der Körper des Fleckfieberkranken erscheint zuweilen
wie ganz fein mit roter Tinte bespritzt. In schwereren und schwersten
Fällen nimmt der Ausschlag ein bläulich-rotee bis dunkelblaues
Kolorit an, gelegentlich mit richtigen Hautblutungen. Beim vor¬
geschrittenen FleCkfieberausschlag tritt somit eine petechiale Um¬
wandlung der Flecke ein, die in diesem Zustande nicht mehr weg-
drückbar sind, was anfangs der Fall ist. Die papulöse Beschaffenheit
der Roseolen ist besonders bei leisem Befühlen wahniehmbar.
Charakteristisch ist eine beim Abklingen des Ausschlages ein¬
tretende kleienförmige, zuweilen noch feinere, Schuppung, so dass
gelegentlich der Körper wie mit Mehlstaub bedeckt aussieht Auf
dieser Neigung der Haut zur Sdliuppung beruht das Radiergummi¬
phänomen. Die livid verfärbt gewesenen FleCke hinterlassen auf
der Haut eine bräunlichrote Pigmentierung, die sich einige Zeit hält
Letztere, sowie die erwähnte Schuppung sind diagnostisch bedeutungs¬
voll in Fällen, die verspätet zur Beobachtung gelangen.
Als drittes Kardinalsymptom gelten die Zerebralerschei-
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Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber.
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nungen, die vielfach in recht erschreckender Form in den A^order-
grund des klinischen Bildes treten. Frühzeitig wird über rasende
Kopfschmerzen, Sehwindelanfälle mit unsicherem Gang und Benommen¬
heit geklagt. Heftige Erregungszustände mit Konvulsionen und Wahn¬
vorstellungen, die sich bis zu den schwersten Exzitationen und furi-
bunden Delirien steigern, werden beobachtet. Danelwn findet sich,
und zwar vielfach nach derartigen Erregungen, ein mehr depressives
Stadium mit Erscheinungen von leichter Benommenheit bis zum
tiefsten Koma mit allen Zeichen hochgradigster Erschöpfung, aus dem
die Kranken gelegentlich mit einem plötzlichen Schrei emporfahren.
Derartig schwer darniederliegende Kranke siechen vielfach in tiefster
Somnolenz und Teilnahmslosigkeit unter fortschreitendem Kräfte¬
verfall dahin. Diese Erscheinungen seitens des Nervensystems treten
im Gegensatz zu anderen akuten, fielierhaften exanthematischen
Krankheiten oft erst nach dem Auftreten des Ausschlages hervor.
Gelegentlich besteht hartnäckige Schlaflosigkeit Mimische Muskel¬
zuckungen im Gesicht, Trismus, Zittern der Hände und Zunge, sowie
Muskelhemmungen besonders mit Sprach- und Schluckstörungen
treten auf. Vielfach dauern mannigfache nervöse Beschwerden noch
lange Zeit nach der Erkrankung an. Alles weist darauf hin, dass
das Zentralnervensystem durch das Virus besonders schwer geschä¬
digt wird, so daSs das Fleckfieber vielfadi in erster Linie als Him-
krankheit angesprochen wird.
Neben diesen besonders hervorstechenden Krankheitsmerkmalen
findet sich ziemlich regelmässig Konjunktivitis. Sehr häufig
sind auch katarrhalische Erscheinungen der oberen
Luftwege; es handelt sich meist um Bronchialkatarrhe. Die An¬
gaben über begleitende Lungenentzündungen, die oft recht bösartig
sind, schwanken. Gelegentlich treten Speicheldrüsenentzün¬
dungen, Mittelohreiterungen, Perichondritiden und
Gangrän auf. Gangränöse Erkrankungen der peripheren Teile
besonders der Füsse sind vielfach synunetrisch. Durchfälle sind
ausserordentlich selten und finden sich meist nur nach dem Ab¬
klingen des Fiebers. Meteorismus besteht nicht.
Über auffallende Schwellungen von Milz und Leber gehen
die Angaben auseinander. Verschiedene Beobachter weisen jedoch
darauf hin, dass die Milz bereits im Fieberanstiege beträchtlich ver-
grössert ist, sich dann aber wälirend des Fiebers dauernd verkleinert
und bei vorgeschrittenen Fällen allmählich so winzig wird, da.ss
dieser Befund geradezu zum cliarakteristischen Sektionsbilde gehört.
Dies Verhalten der Milz ist daher verschiedentlich als diagnostisch
wertvolles Fleckfiebersymptom angesprochen w^orden, insofern eine
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W. Siebert.
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Milzver^rösserung iu den allersten Tagen der Erkrankung für dieses
Leiden, eine erst später auftretende Vergrösserung gegen Fleckfieber
spricht. Das eigenartige, im Gegensatz zu anderen fieberhaften In¬
fektionserkrankungen stehende Verhalten der Fleckfiebermilz würde
auch die Widersprüche über ein Vorhandensein von Milzschwellung
bei FleckfieWkranken erklären.
Nierenentzündungen werden nur selten beobachtet. Bei manchen
Epidemien sind Ödeme und Höhlenergüsse, die besonders in
postfebriler Zeit auftreten, zahlreich beobachtet worden. Diese Erschei¬
nungen sind vielfach bei Kranken hervorgetreten, die sehr herunter¬
gekommen waren. Es ist unsicher, ob es sieh bei diesen Hydr-
ämien neben den Erscheinungen einer oft bestehenden Kreislauf¬
schwäche um Folgen von allgemeinem Marasmus oder um eine
spezifische Giftwirkung, z. B. durcli entzündliche Veränderungen
in den Gefässwänden und deren Umgebung handelt Anscheinend
kommt ein Zusammenw'irken mehrerer ursächlicher Momente für
diese Erscheinungen in Betracht, ohne dass die Hydrämien zum
eigentlichen Krankheitsbilde des Fleckfiebers gehören. Auch
Muskelatrophien auf neuritischer Grundlage und multiple,
polyneuritische Lähmungen werden beobachtet
Schwerkranke verbreiten zuweilen, besonders in extremis, einen
eigenartigen, modrigen, an Verwesung erinnernden Ge¬
ruch.
Unter den ernsteren Komplikationen stehen im Vordergrund
Störungen seitens des Blutkreislaufes, so ist Kreislaufschwäche
in allen Fällen, die zum Exitus kommen, ül>erwiegend unmittellxire
Todesursache. Das Herz versiegt in der Regel allmählich; vornehm¬
lich in postfebriler Zeit dauert die Herzschwäche oft recht lange
an und verhält sich sehr hartnäckig gegen eine medikamentöse
Beeinflussung. Diese J>rscheinungen am Blutkreislauf mit ausge¬
sprochener Neigung zu Blutdrucksenkungen erinnern ge¬
legentlich an Bilder, wie sie bei der Diphtherie beobachtet w’erden.
Plötzliche Kollapszustände sind selten; am ehesten treten sie noch
auf der Fieberhöho ein und sind dann el)enso wie nach langem Fieber-
vcrlauf, wo sie immerhin einmal Vorkommen, meist recht fatal. Auch
in der Rekonvaleszenz Ix'steht noch längere Zeit ein starkes Schonungs¬
bedürfnis des Herzens als Folge einer vorausgegangenen starken
Beeinflussung des gesamten Kreislaufap])arates. Die toxische Ein¬
wirkung auf den Herzmuskel und die Scliädigmig der Va«)niotoren
ist nach allem eine recht erhebliche.
Ein charakteristisches Verhalten zeigt auch der Puls. Die
Zahl der Schläge des weieheii, wenig gidüllten, zu Unregelmässigkeiten
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Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber.
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neigenden, ^n schweren Fällen fadenförmigen Pulses nimmt sehr
schnell zu und erreicht recht bald beträchtliche Höhen (110—120
und mehr). Auf der Fieberhöhe verläuft die Pulskurve fast parallel
zur Fieberkurve. Auch in postfebriler Zeit mit niedriger Körper¬
wärme bleibt dieses Verhalten bestehen, insofern die Zahl der Puls¬
schläge vielfach bis auf 50—40 sinkt; sogar 30 Pulsschläge sind
bei Kranken in meinem Lager beobachtet worden. Die Pulskurve
zeigt also in der Regel eine anfängliche Tachykardie mit späterer
postfebriler Bradykardie.
Vor dem Ausbruch des Ausschlages (1—3 bzw. 5 Tag) ist die
Diagnose nicht sicher zu stellen, da das Fieber an sich und ferner
die subjektiven Allgemeinenscheinungen keine bestimmten Anhalts¬
punkte geben, höchstens Vermutungen, besonders während einer
Epidemie, zulassen. In dieser Zeit der Erkrankung hat bei unseren
Kranken gelegentlich die Beschaffenheit der Zunge Anhaltspunkte
gegeben. Letztere ^igt beim Fleckfieberkranken vielfach einen ziem¬
lich breiten, glänzenden, rot-bordeauxroten Rand und ein trockenes,
schmierig-grauweisses, rissiges Zentrum. Dieser Zungenbefund, der
im späteren Erkrankungsstadium oft recht charakteristisch ausge¬
bildet war, fand sich zuweilen ächon so frühzeitig angedeutet, dass
der Verdacht auch ohne sicheres Exanthem hier in gewisse Bahnen
gelenkt wurde. Es kann also unter Umständen die Beschaffenheit der
Zunge während einer Epidemie einen Fingerzeig für die wichtige
Frühdiagnose geben. Ich möchte erwähnen, dass nach einer an
mich geriditeten Mitteilung von Prof. Rumpel auch dieser seitens
der Zunge eine ähnliche Beobachtung gemacht hat, insofern in seinen
Fällen besonders die Zungenspitze sich ebenfalls in der geschilderten
Weise durch die Färbung auffällig abhob. Von anderer Seite ist
auf die oben geschilderte frühzeitige Milzschwellung als
bedeutungsvolles Symptom für die Frühdiagnose des Fleckfie1>ers
hingewiesen worden. Wie die Verhältnisse zur Zeit liegen, so ist
jedoch nach allem letztere in exakter Weise vor Ausbruch des
Exanthems sehr schw'er zu stellen.
Allgemein wird die Diagnose durch das Vorkommen abortiver
Formen erschwert, besonders wenn das Fleckfieber sehr schnell
abklingt, das Exanthem äusserst flüchtig und spärlidi ist, und die
Störungen seitens des Zentralnervensystems ebenso wie die sub
jektiven Beschwerden des Kranken sehr geringfügige sind. Ob sogar
Fälle ohne Fieber und Exanthem Vorkommen, wüe behauptet w’ird,
darf wohl bezweifelt werden. Eine frühzeitige, eingehende Reini¬
gung imd Kontrolle der Haut dürften ein Übersehen eines selbst
wenig ausgebildeten Exanthems unmöglich machen, allerdings ist
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W. Sichert.
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letzteres bei dunkler gefärbten Individuen zuweilen schwer zu er¬
kennen. Man wird auf Kranke mit atypischen Symptomen stets ein
besonderes Augenmerk richten, zumal diese aus naheliegenden Grün¬
den eine besondere Gefahr für die Umgebung und Weiterverbreitung
der Seuche bilden. Es scheint auch, als ob zuweilen eine Epidemie
gerade durch gehäuftes Auftreten derartiger Fälle eingeleitet wird.
Gelegentlich setzen abortive Fälle auch mal ziemlich stürmisch ein,
klingen aber trotzdem in wenigen Tagen und meist kritisch ab.
Bieten Hauteffloreszenzen diagnostische Schwierigkeiten,
was besonders bei spärlicher Ausbildung derselben und dem Vor¬
handensein anderer nebenher bestehender Hautveränderungen und
gegenüber Läusebissen und Flohstichen zuweilen der Pall sein kann,
so empfiehlt es sich, exzidierte Stücke der Roseolen einer mikro¬
skopischen Betrachtung zu unterziehen. F r ä n k e 1 hat darauf
hingewiesen, dass im Gebiet der Fleckfieberroseolen typische Ver¬
änderungen der Kapillargefässe auf treten, die in umschriebenen, knöt¬
chenartigen Verdickungen derselben bestehen und an die Verhält¬
nisse bei der Periarteriitis nodosa erinnern. Sie finden sich oft herd¬
förmig und führen durch Stenosierung und Thrombenbildung zu
Nekrosen der Wand, umschriebenen Zirkulationsstörungen und Blu¬
tungen. Ausserdem finden sich noch Anhäufungen mit plasmareichen
Zellen um die Gefässe. Die endovaskulären und perivasku¬
lären Veränderungen lassen sich im Gebiet der kleineren Arterien
aller Organe nachweisen. Diese mikroskopischen Befunde sind all¬
gemein von besonderer Bedeutung, da sie gegenüber den bei einer
Sektion sonst fehlenden, für Fleckfieber typischen Organverände¬
rungen eine spezifische anatomische Grundlage bilden. Die Ver¬
änderungen an den Gefässen mit Ausgang in Endarteriitis pro-
ductiva s. obliterans erklären auch die Gangrän peripherer Teile,
livide Verfärbung der Roseolen, Haut- und sonstige Gewebsblutungen,
die später noch einige Zeit nach dem Krankheitsablauf bestehende
Pigmentation auf der Haut und die seitens der inneren Organe, be¬
sonders des Zentralnervensystems, auftretenden Funktionsstörungen.
Diese müssen bei letzterem Organ infolge seines empfindlichen Baues
besonders hervortreten, zumal derartige anatomische Veränderungen
das Gehirn vielfach sehr dicht durchsetzen und hier im Gebiet
lel>enswichtiger Zentren, z. B. Boden des IV. Ventrikels und Medulla
oblongata, oft besonders stark ausgeprägt sind. Das Virus wird
dui'ch das Blut anfangs im Körper verbreitet und übt dann durch
Prozesse im Gebiet der kleinsten Arterien und deren Folgen seinen
schädigenden Einfluss auf die Organe des Körpers aus. Man geht
daher wohl nicht fehl, die Grundlage für die Krankheitserscheinungen
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g] Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber. 77
beim Fleckfieber im wesentlichea in einer durch das Virus bedingten
anatomisöhen Erkrankung des Systems der kleineren Arterien zu
suchen.
Die atypischen Fälle bereiten naturgemäsS differential¬
diagnostisch erhebliche Schwierigkeiten. Es scheint mir daher auch
zweifelhaft, ob bei Epidemien, die aus verschiedenen Ländern und
Erdteilen beschrieben worden sind und sich gerade durch auffallend
zahlreiche abortive Fälle ausgezeichnet haben sollen, wirklich alles
Fleckfieber gewesen ist, und nicht auch andere Erkrankungen fälsch¬
lich hierunter gerechnet worden sind. Entsprechend geben natürlich
auch wirkliche Fleckfieberfälle leichterer Art und solche ausserhalb
einer eigentliClien Epidemie zur Verwechslung Veranlassung. Es macht
überhaupt den Eindruck, als ob in der Literatur hier und da noch
Widersprüche ,in der Wiedergabe und Umgrenzimg des gesamten
klinischen Fleckfieberbildes bestehen.
Vielfach wird die Diagnose Influenza gestellt, besonders dann,
wenn Kopf-, GliedersClimerzen und katarrhalische Erscheinungen der
oberen Luftwege vorherrschen, das Fieber, wie es bei leichten Fällen
Regel ist, kritisch abfällt und gleichzeitig Influenzaerkrankungen
Vorkommen, wie es in Anbetracht der kälteren Jahreszeit, in der
Fleckfiebei- mit Vorliebe auf tritt, meist der Fall ist.
Eine imter Umständen schwierige Abgrenzung ist die gegen
Typhus und Masern. Verwechslimg mit ersterer Erkrankung liegt
zu Beginn des Leidens sehr nahe, da in dieser Zeit beim Fleckfieber
der Ausschlag noch aus vereinzelten, mehr rundlichen Flecken be¬
steht. Jedoch sdiafft bei ausgesprochenen Fällen die rapide, über
Rumpf und Extremitäten diffus erfolgende Ausbreitung des Fleck-
fieberausschlages imd ebenso der Umstand baldigst Klarheit, dass
Nachschübe wie beim Typhus fehlen. Auch unterscheidet sich der
vollendete Ausschlag durch sein überwiegend zackiges Aussehen
von der mehr rundlichen Roseola typhosa. Die später vor sich
gehende Schuppung, die petechiale Umwandlung und die im An¬
schluss an die livid verfärbt gewesenen Flecke auftretende bräunliche
Pigmentation der Haut sind weitere wesentliche Unterscheidungs¬
merkmale. Wichtige Anhaltspunkte gibt im Zweifelsfalle die Aus¬
schneidung einer fraglichen Roseola, die beim Fleckfieber die ge¬
schilderten, beim Typhus fehlenden endo- und perivaskulären Ver¬
änderungen zeigt, während die Typhusroseola ihrerseits den Nach¬
weis der in ihren Lymphräumen abgelagerten Typhusbazillen durch
Anreicherung in Bouillon zur Unterscheidung gestattet. Auch ist
zu beachten, dass der Fleckfieberausschlag frühzeitig (dritter bis
vierter Krankheitstag) ausbriClit, während die Typhusroseolen sich
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W. Siebert.
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erst in der zweiten Woche bemerkbar machen. Die Effloreszenzen
verschwinden beim Fleckfieber entsprechend ihrem mehr papulösen
Charakter nicht auf Druck im Gegensatz zu denen beim Typhus,
die hyperämischer Natur sind. Ferner erfolgt beim Fleokfieber der
Temperaturanstieg schneller, auch sind die dem Typhus eigentüm¬
lichen steilen Kurven nicht in gleicher Weise ausgeprägt. Die Puls-
kurv^o des Fleckfieberkranken weist während des Fiebers eine aus¬
gesprochene Tachykardie auf gegenüber der beim Typhus geradezu
diagnostisch bedeutungs\'olleu relativen Pulsverlangsamung. Stärkere
Darmerschein ungeu fehlen in der Regel; dort wo sie gelegentlich
beobachtet werden, treten sie meist nadi der Entfieberung besonders
lx)i geschwächten Individuen auf, zeigen aber nicht die Beschaffen¬
heit des T}"phusstuhls. Auch ermöglicht der beim Fleckfieber nega¬
tive Ausfall der bakteriologischen Methoden, insbesondere der
Widal sehen Probe, eine gewisse Klärung. Jedoch ist Widal im
Felde nicht zu verwerten, da die Soldaten sämtlich gegen T.A. ge¬
impft sind. Es v\-ird ferner darauf hingewiceen, dass beim Fleck-
fiel>er, im Gegensatz zu einer Leukopenie beim Typhus, eine Leuko¬
zytose bestehen soll. Die erwähnte Milzschwellung, die beim Fleck¬
fieber zu Beginn des Fiebers am grössten ist und in der Zeit, in der
sie sich beim Typhus erst bemerkbar macht, bereits weder zurück¬
gegangen ist, dürfte differentialdiagnostisch nicht ohne Bedeutung
sein.
Die Fehldiagnose Masern liegt nahe bei Fällen, die Erschei¬
nungen einer Augenbindeliautentzündung und eines Katarrhs der
oberen Luftwege erkennen lassen. Auch verleitet zu diesem Irrtum
das Aussehen des voll entwickelten Fleckfieberausschlages, jedoch
ist zu beachten, dass das Gesicht des Fleckfieberkranken im Gegen¬
satz zu Masern so gut wie stets frei bleibt. Fieberabfall bei Ausbruch
des Exanthems sowie Vorhandensein K o p 1 i c k scher Flecke sprechen
für Masern. Auch ist der Ausschlag bei dieser Krankheit meist
dunkler, zeigt mehr Neigung zur Konfluenz und erscheint ebenso
we derjenige bei T}'phus im allgemeinen prominenter als das Fleck¬
fieberexanthem.
Dio Petechien beim Fleckfieberausschlag erschweren zuweilen
eine L^nterscheidung gegenüber s?ptischen Erkrankungen, besonders
Meningokokkensepsis. Das Exanthem bei letzterer zeigt je¬
doch neben der entzündlichen hämorrhagischen Umwandlung viel¬
fach Eiterpustelbildung. Das Fehlen der geschilderten Fleckfieber-
Gefässveränderungen ist auch hier mitlx'stirnmend.
Als Hilfsmittel für die FleCkfieberdiagnose wird verschiedent¬
lich der W e i 1 - F e 1 i X sehen Reaktion eine ganz Ixisondere Bedeutung-
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Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfiebcr.
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zugesprochen, insofern das Serum Fleckfieberkranker mit einem von
diesen Beobachtern aus dem Ham Fleckfieberkranker gezüchteten
Mikroorganismus agglutiniert. Auch eine Serodiagnostik durch
die Koraplementbindungsreaktion ist angestreM worden, jedoch ist
ihre Bedeutung dadurch beschränkt, dass sie erst am dritten bis
fünften Tage, also mit dem Eintritt dos Exanthems, auftritt.
Bei der Diagnose Fleckfieber gilt es, besonders im Zweifelsfalle,
das Krankheitsbild in seiner Gesamtheit zu prüfen und nicht ein¬
zelnen Syqiptomen allein entscheidenden Wert beizumessen.
Die Mortalität weist entsprechend den Intensitäts- und Immuni¬
tätsschwankungen in den einzelnen Epidemien redit beträchtliche
Unterschiede auf; sie beträgt 3—30o/o, gelegentlich mehr; selbst
öOn/o werden genannt. Die Beobachtungen in dem jetzigen Kriege
zeigen, dass die Ru^en am leichtesten, schwerer die Franzosen, am
schwersten die Deutschen erkrankten. Als kritische Zeit gilt die
Mitte der zweiten Woche, wo der Zustand des Kranken meist eine
ziemlich sichere Voraussage des weiteren Verlaufes gestattet. Ein¬
maliges Überstehen der Seuche verleiht nach vorliegenden Beobach¬
tungen einen hohen Grad von Schutz, vielleidit sogar dauernde
Immunität. Es machte bei unserer Epidemie den Eindnick, als ob
mit der Dauer derselben eine Steigei'ung der Intensität der Intoxi¬
kation erfolgte, insofeni auf der Höhe bzw. gegen das Ende der
Epidemie Todesfälle an Hcrzschuliche im Shidium acmes, also un¬
mittelbar unter 'dem Einfluss der Vergiftung Zunahmen.
Die Angaben über die Inkubation schwanken zwischen
8—21 Tagen; nach unseren Beobachtungen liegt sie zwischen der
zweiten und dritten Woche.
Die Behandlung ist bei dem Fehlen eines spezifischen Mittels
eine rein symptomatische und hat sich in erster Linie auf die Er¬
haltung der Herzkraft mid g^ünstige Beeinflussung der psychischen
Zustände zu erstrecken. Lumbalpunktionen sollen gelegentlich Bes¬
serung der Himsymptonie und Aufhoren dcrsellwn herbeiführen.
Über eine Serumtherapie mit Serum, das von Fleckfieljerrekonvales^
zenten entnommen ist, gehen die Meinungen auseinander. Dem von
Wassermann empfohlenen Nukleo-Hexyl kommt eine spezifische
Wirkung nicht zu.
Die Zahl der alsEr reger des Fleckfieljers beschrieljenen Mikro¬
organismen ist allmählich ziemlicli umfangreich geworden. Experi¬
ment und epidemiologische Beobachtungen haben jetzt die ätiolo¬
gische Forsdiung insofern auf ein umgrenztes Gebiet verwiesen,
als der Laus und zwar in der Eigenschaft als Zwischenwirt eine be¬
deutungsvolle Rolle bei der Vermittlung der Krankheit zuerkannt
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W. Siebert.
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werden muss. In dieser Hinsicht hat auch der jetzige Krieg, der
bezüglich der Frage des Infektionsmodus gleichsam als ein Experi¬
ment in grossem Stile angesehen werden kann, klärend und fördernd
gewirkt.
Mannigfache experimentelle Untersuchungen haben ergeben,
dass die Krankheit durch Blutüberimpfung von Fleckfieberkranken
auf Tiere, besonders Affen und Meerschweinchen übertragen werden
kann und infizierte Läuse, speziell Kleiderläuse, imstande sind, das
Virus diesen Tierön ebenfalls zu übermitteln. Hierbei zeigte sich
auch, dass die Laus nicht gleich nach dem Saugen an fleckfieber¬
krankem Material infektiös wird, sondern erst etwa 4—5 Tage später,
also der Krankheitskeim anscheinend eine Beifung im Innern der
Tiere durchmacht. Es wurde ferner beobachtet, dass das Virus
während des ganzen fieberhaften Verlaufs der Krankheit im Blute
vorhanden ist, während dies in der Inkubationszeit nicht der Fall
ist, ebenso wie es kurz nach der Entfieberung scheinbar verschwindet,
oder, wie da Rocha-Lima glaubt, doch so sipärlich ist, dass sich
Läuse in dieser Zeit in der Regel nicht mehr infizieren können.
Im Blute des Menschen ist das Virus hauptsächlich, vielleicht
ausschliesslich, an die Leukozyten gebunden, in denen von verschie¬
denen Autoren taiikroskopische Gebilde beschrieben worden sind,
deren ätiologische Natur jedoch ebenso wie diejenige von verschie¬
denen anderen Bakterien etc., die sonst noch frei im Blute gesehen
worden sind, bisher noch nicht als erwiesen angesehen werden kann.
Allerdings lassen die von Prowazek in den Leukozyten gefun¬
denen Körperchen ganz besondere Charakteristika erkennen.
Daneben machten mikroskopische Untersuchungen in der
Laus, wie sie u. a. Rike11s und v. Prowazek anstellteu, auf
das Vorhandensein von kokkenähnlichen Gebilden im Darminhalt von
infizierten Läusen aufmerksam. Da Rocha-Lima, der mit Pro¬
wazek zusammenarbeitete, hat die Versuche dieses genialen Proto-
zoologen, der bei seinen Experimenten in diesem Kri^e leider der
Seuche erlag, fortgesetzt und weiter ausgebaut, und die fraglichen
Körperchen zu Ehren der beiden der Fleckfieberforschimg zum Opfer
gefallenen grossen Forscher Rikettsia Prowazeki genannt. Es
gelang ausserdem da Rocha-Lima, in Selmittpräparaten von
Läusen, die an fiebernden Fleckfieberkranken gesogen hatten, und
zwar nur bei solchen Tieren, festzustellen, dass diese Gebilde in die
Epithelzellen des Magendannkanals dieser Tiere eindringen und sich
dort bis ins Ungeheure vermehren, wobei die Epithelzellen aufgebläht
werden, platzen und den Inhalt in das Mageninnere entleeren. Nach
seiner Beobachtung ist die am Flec'kfiel>erkranken angesetzte Laus
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12 ]
Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber.
81
vom 4. Tage ab infektiös, und zwar genügt einmaliges Saugen. Zu¬
sammenfassend ergibt sich aus dMi Untersuchungen von daRocha-
Lima, dass nur das Fleökfieberblut imstande ist, Läuse mit |den
erwähnten Mikroorganismen zu infizieren und zwar zeigen nur die
Tiere, die bei fiebernden Fleckfieberkranken gesogen hatten, die
geschilderte Infektion des Magendarmkanals. Da Roc'ha-Lima
folgert hieraus nicht mit Unrecht, dass der beständige und ausschliess¬
liche Zusammenhang zwischen Fleckfieber und den fraglichen Mikro¬
organismen erwiesen sei. Ferner spricht nach seiner Meinung für
die Rickettsia Prow'azeki als Fleckfiebererreger der Parallelismus
zwischen der Virulenz der Laus xmd dem Vorhandensein der
Rickettsia in ihrem Körper; nur die mit einer Aufschwemmung so
infizierter Läuse gespritzten Meerschweinchen erkrankten, während
dies bei Versuchen mit normalen Läusen nicht der Fall war. Im
Darminhalt infizierter Läuse konnte da Rocha-Lima keine
anderen verdächtigen Gebilde nachweisen, während die Rickettsien
in ungeheuren Mengen vorhanden waren.
Es scheint nicht ausgeschlossen, dass verschiedene der von
früheren Forschem in Fleckfieberläusen gefundenen Mikroorganismen
mit der Rickettsia Prowazeki identisch sind, jedoch war die weitere
Beweisführung ihrer ätiologischen Bedeutung dadurch ins Stocken
geraten, dass sie sich wie viele Bakterien in Ausstrichpräparaten nicht
voneinander unterscheiden lassen. In dieser Hinsicht sind die For¬
schungsergebnisse von da Rocha-Lima insofern ein wesentlicher
Fortschritt, als die von ihm beschriebenen, Hantel- und Biskuitform
zeigenden Mikroorganismen neben ihren morphologischen besondere
biologische Eigenschaften erkennen lassen, und der Nachweis der
Veränderungen im Darmepithel der Laus bei Schnittpräparaten ebenso
wie die intrazelluläre Entwickelung der Rickettsia im Zwischenwirt
wichtige diagnostische und ätiologische Anhaltspunkte gestatten.
Nach neueren Untersuchungen von anderer Seite hat es den
Anschein, als ob audli in Iden für das Fleckfieber spezifischen Hautver¬
änderungen diese Erreger vorhanden sind, jedoch bleibt dies noch
genauer nachzuweisen.
Nach dem augenblicklichen Stande der experimentellen Fleck¬
fieberforschung kann gesagt werden, dass zwar noch nicht alle
Fragen hinsichtlich der Ätiologie gelöst sind, aber nach den beson¬
deren Arbeiten von Prowazek und vornehmlich von da Rocha-
Lima der Erreger in der Laus sowie ein Teil seiner Entwickelung
daselbst bekannt ist. Eine exakte methodische Weiterforschung dürfte
in Kürze den Schleier weiter lüften imd auch darüber Aufklärung
bringen, ob die von Prowazek imd da Rocha-Lima beim
Beiträge eut Klinik der Infektionekrankbeiten. Bd. VI, H. 1 u. 2. 6
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82
W. Siebert.
[13
Fleckfieberkranken nur innerhalb von Leukozyten im Blute gesehenen
Gebilde, die an Gestalt, Grösse xmd Farbe mit der Riökettsia-Prowazeki
im Darm der Laus übereinstimmen, auch wirklich mit ihr identisch
sind. Auch hinsichtlich des von anderer Seite erhobenen Befundes
in den Ilautveränderungen müsste dieser Beweis noch geliefert
werden.
Die Bekämpfung der Läuseplage, die empirisch bisher
als erfolgreichste Waffe gegen das Fleckfieber erkannt worden ist,
dürfte somit auf eine genauere wissenschaftliche Grundlage ge¬
stellt sein.
Nach den experimentellen Untersuchungen ist eine Weiter¬
verbreitung des Virus durch die Laus mittels Stiches erwiesen.
Die Mikroorganismen gelangen also auch in die Speicheldrüsen dieser
Tiere. Daneben kommt jedoch auch die Möglichkeit einer Über¬
tragung durch den Kot der Laus oder durch Freiwerden der Gebilde
beim Zerreiben des Tieresl in Betracht, wie solches beim Zerkratzen
am menschlichen Körper erfolgt. Die Erreger, die auf diese Weise
auf die menschliche Haut gelangen, haben dann reichlich Gelegen¬
heit, durch die mannigfachen Defekte der zerstochenen und izer-
kratzten Haut in den menschlichen Organismus einzudringen oder
sogar durdi Jucken und Scheuern in diese hineingerieben zu werden.
Schliesslich ist denkbar, dass auch aus sonst irgendwie zerstörten
Läusekörpern die Erreger frei werden und auf andere Weise, so z. B.
mit Kleidungsstücken oder fein verstaubt, durch die Luft weiter¬
gefördert werden können. Dies wäre geeignet, unter Aufrechterhal¬
tung der Läusetheorie, auch den Beobachtern, die bei ihren Erfah¬
rungen eine Übertragung durch die Luft nicht immer ausgeschaltet
wissen wollen, eine gewisse Berechtigung ihrer Annahme einzu¬
räumen. Auch die Möglichkeit einer Infektion durch Blutübertragung
oder durch beim Kratzen infizierte Hände scheint nicht aus¬
geschlossen. Diese tlieoretischen Möglichkeiten dürften jedoch in
praxi zurücktreten hinter der natürlichen Übertragung durch den
Stich infizierter Läuse.
Niclit ohne Bedeutung ist auch die Beobachtimg, dass der Er¬
reger in der Laus auf die Eier vererbt uird. Es könnten somit auch
zerstörte Eier in gleicher Weise wie zerstörte Läusekörper oder Läuse
aus diesen Eiern die Infektion weiter vermitteln. Die Experimente
scheinen jedoch darin nicht übereinzustimmen, ob diese Vererbung
regelmässig oder häufig vorkommt Da Rocha-Lima neigt zu
der Anscliauung, dass die Vererbung eher Ausnahme als Regel ist
Die Erfahrung zeigt, dass das Fleckfieber in seinem epidemischen
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14]
Klmischee und Epidemiologischee über F)eckfieber.
83
Auftreten die kalte Jahreszeit bevorzugt. Dies kann seinen Grund
in gewissen Leben^ewohnheiten der Läuse haben, lässt aber au<;h
daran denkw, dass andere Einflüsse, z. B. thermischer und klima¬
tischer Natur mitspielen. Ferner werden hierbei hygienische Mo¬
mente von Bedeutung sein, die sich gerade in den kulturell niedrig
stehenden ländern, die die Brutstätten der Seuche sind, bei einer
an sich schon nicht sehr reinlichen Bevölkerung im Winter noch
ungünstiger, d. h. für die Verbreitung der Krankheit günstiger ge¬
stalten werden. Entsprechend sind Winterfeldzüge durch An¬
häufungen unsauberer, unter unvorteilhaften äusseren Verhältnissen
lebender Menschenmassen vielfach von Fleckfieberepidemien begleitet
gewesen, zumal durch Kriege nicht nur die Sozialen Verhältnisse
im allgemeinen verschlechtert werden, sondern auch die Widerstands¬
fähigkeit des einzelnen Individuums herabgesetzt wird. Daneben ver¬
schwindet jedoch die Seuche auch während der wärmeren Jahreszeit
in den eigentlichen Fleckfiebergegenden nie vollkommen, zeigt aber
jetzt keinen epidemischen Charakter, sondern verläuft mehr unter
dem Bilde sporadischer, vielfach nicht diagnostizierter, endemischer
Erkrankungen leichterer Art. Diese Fälle dürften in erster Linie
für die Verbreitung dar Seuche durch Abgabe des Virus an Läuse
und damit wieder an andere Menschen in Betracht kommen. So dass
auf diese Weise für die Erhaltimg des Giftes während der Sommer¬
monate gesorgt wird.
Auch die Möglichkeit der Vererbung der Fleckfieberinfektion
durch infizierte Nisse käme in Betracht. Dies ist gewiss nicht
gänzlich von der Hand zu weisen, scheint jedoch nach den allerdings
nicht ganz übereinstimmenden experimentellen Untersuchungen für
die Konservierung des Giftes in nichtepidemischen Zeiten nicht von
der ihr 'verschiedentlich zugeschriebenen Bedeutung zu sein. Auch
müsste in Anbetracht der starken Vermelirung der Läuse das Virus
in diesem Falle viele Generationen dieser Tiere überdauern, uvas
fraglich ist, und andererseits die Verbreitung der Seuche eine weit
grössere sein.
Das gleiche gilt auch für die Aimahme, dass das Virus in
einer Dauerform in den Läusen selbst verharrt.
Das Vorkommen gesunder Virusträger ist sehr unwahr¬
scheinlich, da das Gift nach vielfachen Beobachtungen kurz nach der
Entfieberung aus dem Blute des Kranken anscheinend verschwindet.
So gelang es auch da Rocha-Lima niemals, durch Läuse, die
bei Rekonvaleszenten angesetzt waren, Meerschweinchen zu infizieren
oder Rickettsien in diesen Läusen nachzuweisen,
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84
W. Siebert.
[16
Eine weitere Annahme wäre, dass das Gift sich ausserhalb
von Mensch und Laus in einer Dauerformerhält, \md später
imter Einwirkung günstiger epidemiologischer Bedingungen, wie sie
durch die Jahreszeit, klimatische, soziale oder sonstige Verhältnisse ge¬
schaffen werden können, gelegentlich zur verstärkten Virulenz ge¬
langt. Diese Annahme scheint nicht unbegründet, aber in diesem
Falle wäre es nicht ausgeschlossen, dass gelegentlich in sonst fleck¬
fieberfreien Gegenden Fleckfieber als Folge früherer daselbst vor¬
gekommener Erkrankungen auftritt. Nach bisherigen Beobachtungen
hat es sich jedoch in solchen Fällen stets um erneute Einschleppung
aus alten Seucdienherden gehandelt.
Im allgemeinen kann gesagt w^erden, dass die Seuche dort über¬
tragen wird, wo FleCkfieberläuse sind. Sie wird die grösste Ver¬
breitung an den Stellen finden, wo die hierfür günstigsten Immimi-
tätsverhältniSse vorliegen und die Infektion sich unter Massen stark
verlauster Menschen entwickeln kann. Ein Weiterschreiten wird in
diesem Kreise solange erfolgen, bis zunehmende Durchseuchung und
Immunität sowie abnehmende Verlausung und fortschreitende Hygiene
ihr ein Ziel setzen und allmählich ein Erlöschen herbeiführen. Mit
einem mehr explosionartigen Auftreten ist dort zu rechnen, wo
die Krankheit durch zalilreiche, solu: verlauste, aus infizierter Um¬
gebung stammende Menschen, unter vielen, ebenfalls sehr verlausten
Mensche verbreitet wird, zumal das Virus in den Fiel>erläusen
stets in ungeheuren Mengen aufgespeichert ist und somit in w'eit-
gehendster Weise übertragen und verbreitet werden kann, besonders
wenn auch noch durch Entleerung mit dem Läusekot oder durch
Freiwerden aus vernichteten Läusekörpem und durch Eier die In¬
fektion erfolgen kann.
Die Beobachtungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass ein
energischer Kampf gegen Läuse rmd Schutz vor denselben sichere
Aussicht auf Erfolg bei der Eindämmimg dieser Seuche versprechen.
Man wird daher stets anstreben, durch sofortige gründlidie Ent¬
lausung der Kranken, Arzt und Pflegepersonal vor Infektion gu
schützen imd durch Läusefreiheit der Individuen und Behausungen
einen Wall gegen die Weiterverbreitung dieser Seuche zu er¬
richten.
Die beste Bekämpfung ist zur Zeit eine tatkräftig durchgeführte
Prophylaxe, die neben allgemein hygienischen Forderungen, ins¬
besondere die Entlausung des Kranken, der mit ihm in Berührung
gekommenen Personen und der von Fleckfieber- bzw. Ansteokungs-
verdächtigen benutzten Räume, Gegenstände etC., schliesslich über-
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16 ]
Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber.
85
haupt die allgemeine Entlausung zum Ziel hat. Zu Zeiten einer
Epidemie oder der Gefahr des Ausbruchs einer solchen wird man
derartige Massnahmen möglichst weit ausdehnen. Je mehr Menschen
und Räume entlaust bzw. gegen Verlausung geschützt werden, um so
sicherer wird der Entstehung und Verbreitung der Seuche vorgebeugt.
Hierbei ist eine frühzeitige, wiederholte und peinliche Anwendung
des jeweiligen Verfahrens besonders erfolgreich.
Zu einer gründlichen Entlausung des einzelnen gehört neben
körperlicher Reinigimg auch die Enthaarung. Diese muss besonders
dort, wo es sich um stärkere Verlausimg handelt, eine allgemeine
sein und auch auf Kopf- xihd Barthaare sich erstrecken. Allerdings
scheinen sich die Kopfläuse nicht bei der Übertragung des Fleck¬
fiebers zu beteiligen; nur einmal ist, soweit mir bekannt, durch vom
Kopf entnommene Läuse eine Infektion bisher experimentell ge¬
lungen, jedoch ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich hierbei
auch um Kleiderläuse gehandelt hat, da bei stärkerer Verlausung
mit einem Überkriechen von Kleiderläusen auf den Kopf und um¬
gekehrt gerechnet werden muss. Eine gründlidhe Enthaarung ent¬
fernt auch am besten die an den Körperhaaren oft recht festsitzenden
und sehr widerstandsfähigen Nisse.
Die zur Entlausung von Kleidimg^üoken, Wohnräumen etd
dienenden Verfahren, ebenso die Massnahmen zum persönlichen
Schutz dürften allgemein bekannt sein, so dass ich sie hier in An¬
betracht der Kürze der Zeit übergehen kann. Ich möchte nur noch
hervorheben, dass, wie ich sdion in meinem früheren Vortrage
genauer ausgeführt habe, das Tragen kresolierter Unterwäsche in
verlauster Umgebung gegen das Ankriechen und Stechen der Läuse
Schutz gewährt und daher, besonders auch wegen seiner auf mehrere
Wochen sieh erstreckenden Wirkung, als wertvolles persönliches Pro-
phylaktikum gegen Verlausung nur empfohlen werden kann. Über¬
haupt ist Kreosolseifenlösung eines der besten Desinfizientien in der
Läusebekämpfung.
Solange die Frage der Übertragung auf andere Weise als durch
den Stich der Laus, z. B. durch Kontaktinfektion oder durch die Luft,
noch nicht endgültig geklärt ist, wird man bei der Bekämpfung des
Fleckfiebers oder gegenüber Pleckfieberfcranken Massnahmen nicht
unberücksichtigt lassen, die auch in dieser Hinsicht der Abwehr
dienen. Aus diesem Grunde wird man nach alter Weisung für aus¬
giebige Lüftung der Krankenbaradken Sorge tragen, zumal auch
die Läuse bei kühlerer Aussentemperatur sich \mgem von ihrer
Wärmequelle entfernen. Das Wichtigste bleibt jedoch die sofortige
und gründliche Entlausung der Kranken und ihrer Umgebung und
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86 W. Siebert, Klinisches und Epidemiologisches über Fleckfieber. [17
die söhnelle und strenge Absonderung derselben, solange die Ent¬
lausung noch nicht gründlich durchgeführt ist.
Nach den bisherigen Erfahrungen gewähren Vernichtung der
Läuse und persönliche Prophylaxe eide erfolgreiche Bekämpfung
und Eindämmung des Fleckfiebers so wie. persönlichen Schutz, Zwar
wird eine Bekämpfung, besonders wenn sie unter xmgünstigen
Verhältnissen durchgeführt wird, stets schwierig und gefahrvoll sein,
da es sich um einen besonders heimtüökischen Feind handelt, dennoch
hat auöh diese Seuche als Volksgeissel an ihrer Furchtbarkeit ver¬
loren, da wir ihr nicht mehr machtlos gegenüberstehen, sondern auch
sie zu bannen imstande sind.
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Myelitis und Tollwutschutzimpfung.
Von
Dr. Alfred Pfeiffer,
A.88i8tanzarzt d. R. z. Z. Wzrschaa.
Die akuten Paraplegien im Verlaufe der Tollwiitschutzämpfung
sind ein uns Ärzten bekanntes, wenn auch seltenes Vorkommnis;
wenig geklärt ist nur die Art ihrer Entstehung. Der folgende von
mir beobachtete Fall dürfte einen Beitrag zur Klärung dieser Präge
liefern.
Es handelt sich dabei um einen 23 jährigen Pfleger imseres
Lazaretts, der am 11. XII. 1915 von einem Jagdhund in den rechten
Oberschenkel gebissen wurde. Der H\md entlief, es konnte also
nicht festgestellt werden, ob er tollwütig war. Jedenfalls wurde der
Gebissene wegen des Tollwutverdachtes dem Warschauer Wutschutz¬
institut überwiesen, wo er vom 12.—24. XII. täglich zweimal je
2 g der zur Impfung üblichen Kaninchenmarkemulsion erhielt Die
Impfung musste am 24. XII. xmterbroChen werden, da sich der Ge¬
impfte seit dem 21. auffallend matt imd elend fühlte imd an starker
Appetitlosigkeit litt In den folgenden Tagen steigerten sich diese
Beschwerden. Am 25. legte sich der Kranke zu Bett, nahm nur noch
wenig Nahrung zu sich und zeigte ein krankhaftes Schlafbedürfnis.
Vom 27. an konnte er nicht mehr spontan Urin lassen, ebenso war
der Stuhl seit drei Tagen angehalten. Fiebersteigerungen bis zu 39®,
sowie starke Schmer 2 sen in den Beinen, Kopf und Rücken vervollstän¬
digten das Erankheitsbild. Am selben Tage erfolgte die Lazarett-
aufnahme.
Die objektive Untersuchung ergibt bei normalem Organbefund
eine Steigerung der Patellarreflexe, Fehlen der Bauch decken- Und
Kremasterreflexe, geringe Sensibilitätsstörungen und deiuthche Herab-
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88
Alfred Pfeiffer.
[2
Setzung der motorischen Kraft in beiden Beinen. B a bi n s k i ist
negativ.
In den nächsten Tagen nelimen Motilität und Sensibilität der
unteren Extremitäten weiter ab; es treten anfallsweise starke Schmer¬
zen und krampfartige Zuckungen in den Beinen, besonders rechts,
auf; starkes Drängen in der Harnröhre und im Mastdarm macht
sich bemerkbar. Nur mit grosser Mühe gelingt es beim Katheterisieren
den kontrahierten Sphincter vesidae zu passieren.
Vom 3. I. 1916 an ist die aktive Motilität der Beine fast völlig
aufgehoben, die Sehnenreflexe sind kaum noch gesteigert, Babinski
ist positiv. Patient klagt über Kribbelgefühl in Händen und Armen.
Die nachweisbaren Sensibilitätsstörungen erstrecken sich auf die
ganze untere Körperhälfte und lassen sich etwa in der Höhe der
Brustwarzen, also dem 5.—6. Dorsalsegment entsprechend, algrenzen.
Bulbäre Symptome werden jetzt, ebenso wie später, im ganzen Ver¬
laufe der Krankheit nicht festgestellt. In diesen Tagen sind die
Zuckungen des rechten Knies mit besonders starken Schmerzen ver¬
bunden, das Drängen im Mastdarm ist unerträglich; daneben zeigt der
Kranke eine starke psychische Unruhe, die aber nur nach den zur
Bekämpfung der Schmer^nfälle angewandten Morphiuminjektionen
auftrat und dadurch erklärlich ist.
Trotz täglicher Darmeinläufe hat Patient bis ^um 9. I., also
schon 14 Tage lang keinen Stuhlgang, nur ab und zu vereinzelte
Blähimgen. Im Laufe dieses Tages nehmen die Beschwerden von
seiten des Darmes einen bedrohlichen, ileusähnUchen Charakter an,
der Puls ist dabei unregelmässig und zeitweise klein; die Schmerz¬
anfälle von seiten der Extremitäten sind häufiger, aber von kürzerer
Dauer als sonst. Der Kranke liegt meist apathisch mit völlig ge¬
lähmten unteren Extremitäten im Bett. Momente starker Schmerz¬
anfälle und heftiger Unruhe wechseln mit Zeiten Solcher Apathie
ab. Einläufe und Medikamente bleiben ohne Erfolg auf den Zustand.
Am 10. I. erfolgte spwntan Stuhlgang. Von diesem Tage an
setzt gleichzeitig eine Besserung des Allgemeinbefindens ein. Die
Schmerzen in den Beinen werden geringer, die Unruhe lässt nach,
der Patient fühlt sich subjektiv wohler. Die aktive Motilität tritt
zuerst in den Adduktoren, in rascher Polge auch in allen anderen
Muskelgruppen der Unteren Extremitäten wieder auf, die Sensibilität
kehrt zur Norm zurück, Babinski ist kaum noch angedeutet.
Schon am 24. I. kann der Kranke wieder auf seinen Beinen
stehen, um 25. I. die ersten Gehversuche machen. Der am 27. I.
aufgestellte Nervenstatus ergibt wieder im allgemeinen normale Ver¬
hältnisse.
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3]
Myelitis und Tollwutschutzimpfung.
S9
In der Folgezeit litt Patient hauptsächlicli an den Folgen einer
Zystitis und leichten Nephritis. Daneben hatte er eine geringe Geh-
störung zurückbehalten, die in einer gewissen Unsicherheit im Auf¬
setzen des rechten Fusses bestand. Organisch war ausser verstärkten
Patellar- und fehlenden Bauchdeckenreflexen kein pathologischer Be¬
fund festzustellen.
Diese beiden Residuen der Krankheit sind jetzt durch eine Bade¬
kur fast völlig geschwunden; nur nach grösseren Anstrengungen
findet sich im Urin noch Albumen.
Wenn wir das Krankheitsbild diagnostisch und nach der Lokali¬
sation der ihm zugrunde liegenden anatomischen Veränderungen
zum Ausdruck bringen wollen, so dürfte es sich um die Erschei¬
nungen einer Myelitis gehandelt haben, die ihren Sitz etwa im
5. Brustsegment hatte, wie die vorübergehend aufgetretenen Par-
ästhesien in beiden Armen andeuten.
Die Tollwut tritt beim Menschen bekanntlich in zwei Formen auf.
Sie äussert sich entweder ganz ähnlich wie beim Hunde nach voraus¬
gegangenen psychischen Alterationen in einem Irritationsstadium,
bei dem die Krämpfe der Schling- und Atemmuskulatur im Vorder¬
grund stehen. Schon in die^m Stadium kann der Tod durch Er¬
schöpfung eintreten. Meist folgt aber diesem Krampfstadium noch
ein kurzes Stadium der Lähmungen, in dem der Kranke gewöhnlich
in wenigen Stunden zugiunde geht. Bei der anderen, der sogenannten
paralytischen Form, die meist etwas länger dauert, treten die Krampf¬
zustände zurück; es tritt bald eine Lähmung auf, die gewöhnlich
die verletzten Körperteile zuerst befällt, um dann auf sämtliche
Muskelgruppen des Körpers überzugehen. Schliesslich wird auch
das Atemzentrum ergriffen, wodurch dann in fast allen Fällen
ebenfalls der Tod herbeigefülirt wird.
In unserem Falle dürfte es sich jedoch um keine dieser beiden
Arten der echten menschlichen Tollwut, sondeni um einen Fall jener
atypischen Lyssaerkrankungen handeln, wie sie in seltenen Fällen
als eine direkte Folge der Wutschutzimpfung beobachtet worden sind.
Dafür spricht zunächst die Gutartigkeit der Krankheit gegenüber dem
immer tödlichen Verlaufe bei der echten Menschenlyssa und vor
allem der Vergleich der Krankheitserscheinungen bei unseren
Patienten gegenüber denen bei wirklicher Tollwut und zwar: das
frühzeitige Auftreten gegenüber der Inkubation bei der Lyssa, die
relativ strenge Lokalisation und das Fehlen bulbärer Erscheinungen,
besonders der Salivation.
Das Krankheitsbild in unserem Falle entspricht vielmehr mit
merkwürdiger Übereinstimmung dem Symptomenkomplex, wie er von
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90
Alfred Pfeiffer.
[4
anderen Ärzten in einer Anzahl von Fällen beobachtet wurde. In
diesen in der Literatur besdhriebenen Fällen, bei denen ganz die¬
selben Krankheitsersöheinungen im Verlaufe der Wutsdiutzbehand-
lung auftraten, konnte durch mikroskopisidhe Untersuchung des
Hundegehirns pichergestellt werden, dass der Hirnd, von dem der
Biss hernihrte, keine Lyssainfektion aufwies. Auch in unserem Falle
sprechen die Tatsachen mehr gegen als für die Annahme einer
Tollwut des betreffenden Hundes'. Der Kranke hatte die imlöbliche
Angewohnheit, seine Finger zur Reinigimg am rechten Hinterteil
seiner Hose abzuwisohen. Dies geschah auch, wenn er im Dienste
Butterbrote mit Wurst ü. dgl. zu belegen hatte. Dadurch hatte sich
an dieser Stelle seines rechten Hosenbeines eine ganz ansehnliche
Fettschicht angesammelt, die für einen so hungrigen Hund, wie sie
in Warschau in grosser Menge herumlaufen, eine ganz natürliche,
zu einem Bisse einladende Verlockung darstellen musste. Da nun
tatsächlich der Bisis des Hundes, der erst ruhig, ohne zu
beissen, neben dem Manne hergelaufen war, an der Stelle der Fett¬
schicht erfolgte, so ist mit Sicherheit anzimehmen, dass der Hunger
den Hund zu dem Bisse getrieben hat Er brauchte darum noch
keinesw^ tollwütig zu sein, wenn auch in Warschau und Umgegend
die Tollwut bei Hunden keineswegs eine Seltenheit ist Wenn man
aber ausserdem noch berücksichtigt, dass nach einer Statistik von
Kirchner nur 2—3o/o aller Uebissenen an Tollwut erkranken,
so dürfte auch dieöer Fall ein Beitrag zur Auffassung der Autoren
sein, die in diesen atypischen Lyssaerkrankungen nicht etwa eine
durch die Schutzimpfung abgeschwäohte, echte Wuterkrankung, Son¬
dern eine durch die Impfung erfolgte Lyssainfektion, eine Kaninchen¬
lyssa, erblicken.
Der geschilderte Krankheitsfall drängt nun zu der Frage, ob
nicht einer sekimdären Infektion bei der Impfung oder einem Fehler
in der Technik bzw. im Impfmaterial die Schuld an solchen Zufällen
beizumessen ist. Gegen die Sekundärinfektion sprechen die Krank¬
heitserscheinungen und gegen den Vorwurf eines Fehlers in der
Technik der. Umstand, dass solche Fälle vereinzelt unter vielen
gleichzeitig von demselben Arzt Geimpften in den verschiedensten
Tollwutschutzinstituten vorgekommen sind und Vorkommen, bei
denen an der richtigen Ausführmig der Impfung zu zweifeln, nicht
der geringste Grund vorliegt. Auch das Impfmaterial muss als
einwandfrei bezeichnet werden, da im ganzen etwa 45 Personen
und ein Arzt des Instituts mit dem gleichen Impfstoff geimpft wurden,
wie er bei meinem Patienten verwendet wurde. Bei keinem von allen
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6 ]
Myelitis und Tollwutschutzimpfung.
91
Geimpften haben sich aber die geringsten Krankheitserscheinungen
bemerkbar gemaöht
Demnach ist die Ursache der abnormen Reaktion der Wutschutz-
impfimg ebenso wie in den übrigen derartigen Fällen auch bei diesem
Kranken auf eine Eigentümlichkeit seiner Konstitution zurückzu¬
führen. Glücklicherweise gehören diese Zufälle zu den Seltenheiten.
1913 veröffentlichte Sterlingi) zwei ebenfalls im "Warschauer
Wutschutzinstitut behandelte Fälle, von denen besonders der eine
mancherlei Ähnlichkeiten mit unserem Falle aufweist. Bei dieser
Gelegenheit konnte Sterling aus der gesamten Literatur nur
69 derartige atypische Lyssaerkrankungen ausfindig machen, eine
Zahl, die im "Vergleich zu den Hunderttausenden mit gleichen Imp¬
fungen Behandelten zu gering ist, als dass sie die Bedeutung dieser
segensreichen Therapie beeinträchtigen könnte. Dies um so mehr,
als die Prognose als absolut günstig zu bezeichnen ist und die Fälle
meist völlig ausheilen.
Immerhin lehrt der Krankheitsfall, dass die Wutschutzimpfung
nicht immer ein gleichgültiger Eingriff ist. Die Indikation zu dieser
Behandlung muss darum stets mit Bedacht gestellt werden. Hat
freilich die Untersuchung des tollwutverdächtigen Hundekopfes ein
positives Resultat ergeben, so darf uns die Möglichkeit solcher, sehr
seltener Vorkommnisse natürlich nicht hindern, den Gebissenen so¬
fort in spezifische Behandlvmg zu geben.
*) W. Sterling, Ober die akuten Syndrome nach Wutschutzimpfungen,
Zeitschr. f. d. gesamte Neurologie und Psychiatrie. Bd. XVII. Heft 2/.3.
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Aus der K. u. K. Militärbeobachtungsstation in Leipnik (im Betriebe
der K. K. mährischen Statthalterei).
Ergebnisse.
Zar Diagnose and Therapie einiger wichtigen
Kriegssenchen
(mit besonderer Berficksiohtigrun; der Wirkung der Herkschen
Deuteroalbnmose) 1).
Von Dr. G. Holler,
z. Zt. Chefarzt der Abteilung für interne und Infektionskrankheiten in Leipnik.
Mit 57 Kurven im Text.
Mit vorliegender Arbeit beabsichtige ich meine Erfahrungen kurz
zu sammeln, die ich mir auf dem Gebiete moderner Seuchenfragen im
Verlaufe von P/g Jahren reichlich zu erwerben Gelegenheit hatte.
Es standen in unserer Station seit 1. Dezember 1914 bis Mai 1916
von Seuchen in meiner Behandlung:
Typhus abdominalis 670, Paratyphus B 182, Typhus exanthema-
ticus 78, Dysenterie (Kruse und Flexner) 610, Cholera 20, Scharlach 42,
Tetanus 45, Diphtherie 16, Variola vera 14, Meningitis epidemica 6,
Erysipel 56, Malaria tertiana 53 Fälle.
Es hat seit Beginn des Krieges eigentlich nur die Therapie des
Typhus abdominalis durch die Verbreitung der Vakzine-Anwendung eine
Bereicherung erfahren. Bei Tetanus hat die Anwendung des Heilserums,
dessen Nutzen bisher oftmals übertrieben eingeschätzt wurde, nur soweit
entsprochen, dass ich mich heute dieses Mittels einzig und allein zu
prophylaktischen Zwecken bedienen möchte. Einen wirklichen Erfolg
sah ich unter meinen recht zahlreichen Fällen nur ein einziges Mal bei
lokalem Tetanus durch intraneurale Injektion des Mittels. Ausser der
schon seit Behring bekannten guten Wirkimg des Diphtherie-Heil¬
serums und der bisher nicht sehr erfolgreichen Anwendung der Serum-
Therapie der Dysenterie ist bei den übrigen von mir eingangs angegebenen
Infektionskrankheiten die Therapie über ein rein symptomatisch-ex-
spektatives Stadium kaum hinausgekommen.
Die Arbeit war Mitte Mai 1916 abgeschlossen; der Aufenthalt im Kriegs¬
gebiete gestattete mir nur schwer die Publikation.
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2 ]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegseeuchen.
93
Die Erfahrungen, welche ich mir durch ein eingehendes Studium
der Wirkungsweise der verschiedenen Vakzinen bei Typhus erworben
habe, im Vereine mit Anregungen in der Literatur, so z. B. in jüngster
Zeit von Lüdke zur Anwendung der Merkschen Deuteroalbumose bei
Bekämpfung dieser Seuche, deuteten mir die Richtung an, in der weitere
Erfolge möglich schienen.
Was die Diagnose der Infektionskrankheiten anlangt, ist es auch
hier zu keiner wesentlichen Bereicherung während der Kriegszeit bisher
gekommen tmd selbst bei hochvinilenter Infektion, wie z. B. bei Fleck¬
fieber, sind seit der Entdeckung der Gefässverändenmgen durch Franke 1,
seit Provazek imd Jochmann keine bedeutenden Neuerungen zu
nennen, obwohl gerade bei letzterer Infektion eine möglichst frühzeitige
Erkennung zum Schutze der Umgebung indiziert erscheint. Durch ein
eingehendes Studium über das Verhalten der Leukozyten bei den ver¬
schiedenen Infektionen ist es mir gelungen, einige Vorteile zu erringen,
die mir bei zweifelhafter Diagnose im Verein mit dem übrigen klinischen
Bild eine richtige Erkennung ermöglichen. Ich werde im Nachstehenden
Gelegenheit haben, auf Vorteile hinzuweisen, die für den erfahrenen
Hämatologen hier auf diagnostischem wie auf prognostischem Gebiete
bestehen.
In den Vordergrund meiner Ausführungen beabsichtige ich, meine
Erfahrimgen mit Merkscher Deuteroalbumose bei Bekämpfung verschie¬
dener Infektionskrankheiten zu stellen, während auf diagnostischem Ge¬
biete das Verhalten der Leukozyten im Verlauf dieser Infektionen Berück-
sichtigimg finden soll. So kann ich weiters der Frage nähertreten, ob
und in welcher Weise eine durch unsere Injektion hervorgerufene Re¬
aktion der Leukozyten den therapeutischen Erfolg begleitet. Wir sehen
z. B. im Anschlüsse an intravenöse Vakzine-Injektionen nach vorüber¬
gehender Leukopenie hochgradige Leukozytosen auftreten, denen von
vielen Seiten besondere Bedeutung zugeschrieben wurde.
Leider muss ich bei dieser ziemlich umfassenden Arbeit meinem
derzeitigen Aufenthalte im Kriegsgebiete entsprechend auf eingehende
Literaturstudien verzichten. Unser reiches Material bot mir eine weit
grössere Fülle von Eindrücken, als es der Kraft des einzelnen entspricht,
dieselben weitgehendst zu verwerten. Im Nachfolgenden sollen daher
meine Ausführungen einerseits mir selbst als Richtschnm* für weitere
Arbeit dienen, anderseits mögen sie auf weitere Kreise anregend wirken
und speziell solche Leser interessieren, die derzeit, wenn auch nicht
über so reiches Material wie ich, so doch über besteingerichtete Labora¬
torien verfügen. Bei mir macht sich der Mangel an letzteren, besonders
aber der Mangel an Zeit und das Fehlen von geschulten Mitarbeitern
oftmals nur zu empfindlich geltend imd sind mir so trotz der Reich¬
haltigkeit des Materials imter diesen Umständen derzeit unüberbrück¬
bare Schranken gesetzt. Die Einsicht dessen bei der Wichtigkeit, wie
mir scheint, eines weiteren Ausbaues speziell meiner therapeutischen
Erfolge für die dermalige Kriegszeit veranlassen mich, meine vielfach
noch unbeendeten Untersuchungen schon jetzt zu veröffentlichen.
Indem ich die eingangs angeführten Infektionskrankheiten der Reihe
nach an von mir selbst beobachteten geeigneten Fällen durchgehe,
werde ich auf die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Be-
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G. Holler.
[3
d4
helfe hinweisen, die mir bei Bekämpfung der Kriegsseuchen gute Erfolge
brachten.
Typhus abdominalis.
Die Diagnose stützt sich vor allem auf den Nachweis der Erreger,
wobei begreiflicherweise dem Befunde der Typhusbazillen im Blute be¬
sondere Bedeutung zukommt. Das Ansteigen eines zuvor negativen
Widal auf Typhus bis in hohe Werte ist gleichfalls ein sicheres Symptom;
sonst ist der Widal derzeit unter Berücksichtigung der zidetzt vor¬
genommenen Schutzimpfung oftmals wohl nur im Vereine mit anderen
klinisch entscheidenden Symptomen verwertbar. Als solche gelten:
Diazo- und Urochromprobe im Ham, das Auftreten eines Milztumors,
der bis zur Entfieberung zunimmt und oftmals noch Wochen
über die Entfieberung hinaus bestehen bleibt (ein mächtiger
Milztumor gilt mir gleichzeitig als prognostisch günstiges Symptom),
das Auftreten des Exanthems.
Letzteres besteht, wenn besonders tj^isch aus vereinzelten, an¬
nähernd gleich grossen, häufig wenig papulösen, blassroten Fleckchen
am Stamm. Nicht selten sehen wir jedoch auch bei Typhus nicht allein
den Stamm, sondern auch die ExtremitÄten, mit den eben beschriebenen
Fleckchen übersät. In solchen Fällen lege ich dann besonderes Gewicht
auf die Art und Zeit des Auftretens der Fleckchen, sowie ihrer Weiter¬
entwicklung. Das Typhusexanthem ist selten vor Ende der ersten
Krankheitswoche, gewöhnlich erst später zu konstatieren, tritt schub¬
weise auf und die einzelnen Effloreszenzen sind äusserst unbeständig.
Treten bei Typhus Hämorrhagien auf, wie ich bei einigen Fällen kompli¬
ziert durch Staphylokokkensepsis beobachten konnte, so lokalisieren sich
diese nicht ausschliesslich auf das Exanthem, zum grösseren Teile waren
bei meinen Fällen von Effloreszenzen freie Hautstellen betroffen.
Das Verhalten der Temperatur und das Aussehen der Stühle, even¬
tuell noch das Aussehen der Zunge usw. sind zur Genüge bekannt.
Besondere Bedeutung schenke ich dort, wo ein positiver bakterio¬
logischer Befund fehlt, dem Verhalten der Leukozyten. Wer sich die
Mühe nimmt, das Verhalten der Leukozyten während des Verlaufes ver¬
schiedener Infektionskrankheiten systematisch täglich zu kontrollieren,
der wird im Ablauf der Leukozytenbefunde bei Typhus abdominalis
einige diagnostisch gut verwertbare Stützpunkte kennen lernen:
Bei Fieberbeginn besteht bei Typhus abdominalis eine geringgradige
polynukleäre Leukozytose, die in schweren und mittelschweren Fällen
kaum länger als einen Tag anhält und unter raschem Rückgang der
Zahl der poKmukleären Leukozyten in Leukopenie umschlägt. Diese
Leukopenie mit relativer Lymphozytose und dem Fehlen der Eosino¬
philen ist bei Bauchtj^hus bereits seit Widal, Nägeli und Türk be¬
kannt. Ebenso wie die Polynukleären sind auch die Splenozyten ge¬
wöhnlich schon am 3. bis 4. Krankheitstage deutlich zurückgedrängt.
Speziell das spärliche Vorhandensein der Splenozyten ist dia¬
gnostisch gut zu verwerten, doch sehen wir dieses Symptom bei allen
durch heftige Bronchitiden und speziell durch Pleuritiden komplizierten
Fällen fehlen. (Eine Entzündung der serösen Häute macht Spleno-
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4]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
95
jsytosen.) Dieselbe Splenopenie beobachten wir auch unmittelbar im
Anschluss an intravenöse Typhus vakzinein jektionen. Die Mastzellen
bleiben im Gegensatz zu den Eosinophilen hei Typhus abdominalis ge¬
wöhnlich im Blute, sind nur in äusserst schweren Fällen, dann häufig
schon in den ersten Fiebertagen nicht auffindbar. Mit Besserung des
Krankheitsprozesses verschwindet zunächst die Splenopenie; auch die
neutrophilen Polynukleären werden reichlicher, die Mastzellen, falls sie
gefehlt haben, treten wieder auf, am meisten nimmt jedoch die Zahl
der Lymphozyten zu. Die Plasmazellen, die vom Beginn der Fieber¬
periode vereinzelt vorhanden sind, treten besonders in schweren Fällen
1—3 Tage vor der endgültigen Entfieberung, gewöhnlich gleichzeitig mit
einer Vermehnmg der Splenozyten auffallend reichlich auf. Ich konnte so
im amphibolen Stadium Plasmozytosen von bis zu 2000 Zellen im cmm
Blut häufig beobachten. Die Eosinophilen kehren gleichfalls gewöhnlich
wenige Tage vor der Entfieberung wieder zurück, bleiben in Fällen mit
schwerem Verlauf oft noch über die Entfieberung hinaus lange Zeit
spärlich. Äusserst selten überschreitet ihre Zahl bei vorangehendem
leichten Krankheitsverlauf in der Rekonvaleszenz die Norm. Nach
erfolgter Entfieberung nimmt die Zahl der Leukozyten, speziell auf
Kosten der Lymphozyten immer mehr zu und in der Spätrekonvaleszenz
sind Leukozytosen von 8—10 000 Zellen mit bis 60% Lymphozyten imd
mehr keine Seltenheit.
Es lohnt sich sehr, das von mir eben beschriebene Verhalten der
Leukozyten während des Ablaufes eines Typhus abdominalis zu dia¬
gnostischen, aber auch zu prognostischen Zwecken zu verwerten. In
diagnostischer Hinsicht erscheint mir das Einsetzen einer Splenopenie
bald nach Beginn der Erkrankimg deshalb besonders wertvoll, weil ich
es bisher in der nämlichen Weise bei keiner anderen Infektionskrankheit
beobachten konnte. Es erwies sich mir bei einer grossen Anzahl von
Fällen als ein absolut sicheres Symptom. Die allmähliche Zunahme der
Zahl der Lymphozyten ist, solange eine Leukopenie besteht, im Vereine
mit letzterer gleichfalls charakteristisch. Das Ausklingen in absolute imd
relative Lymphozytosen im Verlaufe der Heilung ist ebenso wie dem
Bauchtyphus auch anderen Krankheitsprozessen eigen und ist stets als
prognostisch günstiges Zeichen anzusehen; allerdings bestehen bei den
verschiedenen Infektionen hierin in bezug auf die Stärke der Lympho¬
zytose graduelle Unterschiede und ist die Zeit ihres Einsetzens im Ablauf
der Erkrankung eine verschiedene. Der Typhus abdominalis gehört zu
der Gruppe, die in besonders heftige Lymphozytosen ausklingt. Ausser
dem Einsetzen derartiger Lymphozytosen sind bei Typhus noch das
Vorhandensein der Mastzellen, das Reichlicherwerden der Splenozyten,
Plasmozytosen, besonders aber das Wiederauftreten oder gar Vor¬
handenbleiben der Eosinophilen als prognostisch günstige Symptome
zu verwenden.
Differentialdiagnostisch kommen derzeit gegen Typhus abdominalis
vor allem die Paratyphen und das Fleckfieber in Betracht. Erstere,
besonders der Paratyphus B, sind oftmals niu* durch den Nachweis der
Blutkultur von ihm zu trennen, gegen eine Verwechslimg von letzterem
schützt uns vor allem das Verhalten des Exanthems, eine fortlaufend
genaue Beobachtimg der Milz und wieder der Ablauf der Leukozyten-
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G. HoUer.
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befunde, wenn wir uns die Mühe nehmen, denselben fortlaufend, wenn
möglich täglich, bis zur Entscheidimg zu verfolgen. Dass ein positiver
bakteriologischer Befund auf Bauchtyphus im allgemeinen gegen Fleck¬
fieber spricht, ist klar; immerhin müssen wir uns aber vor Augen halten,
dass derzeit bei der hin und wieder starken Verbreitimg beider Seuchen
Mischinfektionen möglich sind. Weiter kommen noch anamnestische
Daten in Betracht. Ich werde auf nähere Details erst bei Besprechung
der genannten Infektionsprozesse eingehen.
Meine Beobachtimgen bei Vakzinetherapie des Typhus abdominalis
habe ich seinerzeit in zwei ausführlichen Arbeiten niedergelegt. Es wird
eine spezifische Wirkung der Tj^husvakzine von vielen Seiten stark
angezweifelt. So haben Kraus und Mazza mit KoliVakzinen dieselben
Erfolge gehabt als mit Typhusvakzinen, ebenso wendet Decastello die
Kolivakzine bei Typhus mit Erfolg an. Die beiden ersten Forscher ver¬
mochten weiter mit Kolivakzinen septische Prozesse günstig zu beein¬
flussen. Trotzdem möchte ich nach meinen heutigen Erfahrungen der
Iso Vakzine eine spezifische Wirkung nicht ganz absprechen, nur ist es
fraglich, wie weit eine solche zur Erreichung eines therapeutischen Er¬
folges nötig ist. Eine Spezifität besteht nach meiner Meinung hier
nicht allein im Sinne der Ehrlichschen Antigen-Antikörpertheorie,
sondern wohl auch auf Grundlage einer Gruppenspezifität tierischer
Abwehrfermente gegen in den Organismus eingeführte körperfremde
Stoffe.
Was die Technik bei der Vakzinetherapie des Typhus abdominalis
anbelangt, so wurde das Mittel bisher teils subkutan, teils intravenös
ein verleibt; ausserdem stehen zwei Anschauungen einander gegenüber,
von denen die eine besseren Erfolg von einer Anwendung des Mittels in
grossen Dösen sieht, während die andere für Verabfolgimg von nur
kleinen Mengen, z. B. bei intravenöser Verabreichung bis höchstens
100 Millionen Keimen Einzeldosis eintritt. Es besteht nach meiner An¬
schauung wohl kein Zweifel, dass unbedingt derjenige besser geht, der
mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit des Mittels, speziell bei intravenöser,
aber auch bei subkutaner Einverleibung in kleinen, ja sogar kleinsten
Mengen vorsichtig dosierend vorgeht. So sollen nach meinen letzten
Erfahnmgen intravenös keinesfalls mehr als 20 bis höchstens 50 Millionen
Keime auf einmal injiziert werden und ist es besser, die Injektionen in
derartig kleinen Dosen zu wiederholen, wenn eine einmalige Einver¬
leibung nicht genügenden Erfolg brachte. Ich stelle mir vor, dass durch
den Abbau der Körpersubstanzen der Bazillen, sowohl der durch unseren
therapeutischen Eingriff eingespritzten, als auch derjenigen, die infolge
des Krankheitsprozesses im Organismus sich befinden, giftige Sub¬
stanzen gebildet werden, die bei höherer Dosierung lebensgefährliche
Erscheinungen her vor rufen. Deshalb ist die intravenöse Methodik wohl
nur dem sehr Erfahrenen mit Aussicht auf Erfolg zu empfehlen. Wir
müssen uns vor Augen halten, dass mit steigender Dosierung stets die
therapeutische, aber auch die toxische Wirkung des Mittels zunimmt.
Die Dosis optima und die Dosis letalis liegen einander sehr nahe.
Bei subkutaner Einverleibung leidet die Exaktheit der Methode
und fällt vor allem das Überraschungsmoment für den Organismus weg,
das nach meiner Meinung eine vielleicht nicht unbedeutende Rolle spielt.
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Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
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Jedenfalls gelangt das Mittel bei subkutaner Injektion nicht so gleich-
massig und unverändert zu den Schutzstoffe produzierenden wichtigsten
Zentren als bei intravenöser Verabfolgung. Die Gefährlichkeit ist dem¬
entsprechend bei subkutaner Einverleibung geringer, so dass ich letztere
allerdings mit Verzicht auf einen prompteren therapeutischen Erfolg
zur Allgemeinanwendung eher empfehlen möchte. Ich habe schon einmal
meine Ansicht dahin geäussert, dass mit der Anwendung von mit Immun¬
serum in ihrer Virulenz abgeschwächten Bazillen praktisch kein wesent¬
licher Fortschritt erzielt worden ist. Wenn es sich hauptsächlich um
eine Fermentwirkung, hervorgerufen dmch Einverleibung eines körper¬
fremden Stoffes handeln sollte, so ist die schädigende Noxe dadurch ab¬
zuschwächen, dass wir an Stelle der Bazillenleiber eine weniger körper¬
fremde Substanz als diese zu unserem therapeutischen Eingriffe ver¬
wenden. Diese Richtung hat ims in neuerer Zeit vor allem Lüdke
durch Anwendimg der Merkschen Deuteroalbumose zur Heilung des
Typhus angegeben. Wenn ich von einer Fermentwirkung spreche, so
tue ich dies in Würdigung der auf diesem Gebiete erschienenen sonstigen
einschlägigen Publikationen; es ist selbstverständlich, dass mit Er-
wähnimg einer Fermentwirkung nicht die ganzen komplizierten Stoff¬
wechselvorgänge erschöpft sind.
In der Tat gelingt es durch parenterale Einverleibung verschiedener
körperfremder Substanzen, die typhöse Erkrankung zu beeinflussen.
Es bestehen hierbei jedoch graduelle Unterschiede; ich möchte hier
gleich vorwegnehmen, dass dies in gleicher Weise auch bei den verschie¬
denen anderen infektiösen Prozessen zu beobachten ist.
Ganz analoge Erscheinungen, wie ich sie seinerzeit nach Vakzine¬
injektionen beschrieben habe, treten auf, wenn wir an Stelle der Bak¬
terienaufschwemmung eine Ovalbuminlösung injizieren. Auch hier be¬
obachten wir Schüttelfröste imd Entfieberung nach vorübergehendem
Temperatmanstiege. Der Ablauf der Leukozytenbefunde entspricht
zum grössten Teil dem nach Vakzineverabfolgung beobachteten. Ich
möchte nur kurz herausgreifen, dass bei T)rphus hier wie dort die
Eosinophilen gewöhnlich 1—D /2 Stunden nach Verabfolgung
der Injektion im Blute auftreten.
Sind die nach Vakzine-, und wie eben erwähnt, auch nach Albumin¬
injektionen auf tretenden Erscheinungen sehr stürmische und, wie der
von mir seinerzeit publizierte Todesfall im Anschluss an eine intravenöse
Vakzineinjektion teweist, sogar lebensgefährliche (weshalb sich diese
Mittel zu einer Allgemeinanwendung absolut nicht eignen), so gilt dies
noch vielmehr für die Anwendung primärer Albumosen. Auch mit
Protoalbumose konnte ich so einen vorübergehend günstigen therapeu¬
tischen Effekt bei einigen Fällen erzielen, doch genügte dieser bei geringer
Dosierung nicht zur vollständigen Erledigimg schwerer Krankheits¬
prozesse und eine höhere Dosierung schien mir wegen der Heftigkeit
der auftretenden Nebenerscheintmgen, die wiederum sehr an das Bild
der Vakzinwirkimg erinnern, nicht angezeigt. Nicht uninteressant ist,
dass hier die Eosinophilen sofort nach Verabfolgung der Injektion
im Blut zu finden sind.
Von subkutanen Jodipininjektionen, in Dosen von einmal 10 bis zwei¬
mal 20 ccm täglich, sah ich bei Typhus abdominalis niemals überzeugen-
B«itrige inr Klinik der Infektionskrankheiten. Bd.VI. H. 1 n. 2. 7
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G. HoUer.
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den Nutzen und die vollständig ausgebrochene Erkrankung wurde durch
das Mittel in einigen Fällen direkt ungünstig beeinflusst.
Dagegen konstatierte ich eine günstige therapeutische Wirkung bei
parenteraler Einverleibung verschiedener anderer Stoffe, so von fort¬
gesetzten subkutanen Adrenalininjektionen, von Neusalvarsan intra¬
venös gespritzt, sowie nach Injektionen von Typhusrekonvaleszenten¬
serum (Methode Harry Königsfeld), von Pferdeserum und sterilen Pleura¬
exsudaten, z. B. nach Lungenschüssen.
Was die zuerst von Engländer angegebene erfolgreiche Anwendung
von Kochsalzlösungen anlangt, möchte ich daran erinnern, dass uns dem¬
entsprechende Reaktionen des Kochsalzes bei Infektionsprozessen nicht
fremd sind. Die lebensrettende Wirkung, besonders der intravenösen
Kochsalzinfusion bei Cholera, die wohl nur zum Teil in einer Retention
von Körpersäften ihre Erklärung fand, rückt so unserem Verständnisse
näher. Gleichfalls vorteilhaft ist uns die Hilfe des Kochsalzes bei tuber¬
kulösen Lungenblutungen. In solchen Fällen werden mit Erfolg 5—10 ccm
einer 10®/oigen Lösung intravenös verabfolgt imd in derselben Dosierung
konnte ich typhöse Darmblutungen stillen, was stets von einer gleich¬
zeitigen Beendigung des Krankheitsprozesses selbst begleitet war.
Obwohl ich praktisch die Proteinkörpertherapie der Anwendung des
Kochsalzes vorziehe, verdient doch aus biologischem Interesse das Stu¬
dium der Kochsalzwirkimg, jenes einfach gebauten Elektrolyten, unsere
besondere Beachtung. Wir können uns vorstellen, dass es nicht schwer
fallen dürfte, durch eine derartige Injektion bei der zur Zeit von Krank¬
heitsprozessen ohnehin bestehenden Labilität der Stoffwechselvorgänge,
im Körper tiefgreifende osmotische Gleichgewichtsstörungen auszulösen,
als deren Ausdruck die von uns beobachteten Reaktionen des betroffenen
Organismus, wie Schüttelfröste, Temperatursturz, Schweissausbrüche
usw. aufzufassen sind.
So kommt es bei parenteraler Einverleibung der verschiedensten
Mittel, wiU man einen therapeutisch günstigen Effekt erzielen, sehr auf
eine zweckentsprechende Dosierung an. Ich verweise hier auf die Ar¬
beiten von W. Weichardt, der bei Tieren nach Einverleibung von Ei¬
weissstoffen in geringer Menge hochgradige Steigenmg der Leistimgs-
fähigkeit nach den verschiedensten Richtimgen hin (der Vorgang wurde
von ihm Protoplasmaaktivierung genannt) erzielen konnte. Bei un¬
richtiger Dosierung bewirkten zu grosse Dosen eine verminderte Lei¬
stungsfähigkeit, bei zu kleinen war der Effekt gleich Null. Zu diesen
vom Autor für das Physiologische ermittelten Regeln möchte ich für
das Pathologische in unserem Falle noch hinzufügen, dass auch Unter¬
dosierung, gleichsam wie ein Reiz auf den Infektionsprozess wirkend,
schaden kann, indem hierdurch der Krankheitsprozess erst recht zum
Ausbruch kommt.
Ich komme nunmehr in meinen Ausführungen auf die Beobachtimgen
zu sprechen, die ich an einem reichen Material bei Anwendung sekun¬
därer Albumosen erworben habe. Als solche benützte ich die von Merk
im Handel erscheinenden Deuteroalbumosen. In der Münch, med.
Wochenschr. Nr. 10,1915, berichtete Lüdke über Erfolge bei Behandlimg
von Typhus abdominalis mit intravenösen Injektionen von „Deutero-
albumose Merk“. Lüdke verwendete 2—4%ige Lösungen. Die Arbeit
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Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
99
Lüdkes erschien mir vor allem deshalb einer eingehenden Überprüfung
wert, da hier eine weniger körperfremde Substanz als Vakzine zu thera¬
peutischen Zwecken Anwendimg fand. Gleichzeitig war es wohl von
vornherein klar, dass, wenn mit Deuteroalbumose bei Typhus abdominalis
eine Wirkung zu erzielen ist, wir eine entsprechende Reaktion auch bei
anderen Infektionsprozessen zu erwarten haben. Nach viel Arbeit an
einem reichen Material gelangte ich schliesslich zu guten Erfolgen bei
intravenöser Anwendung einer lO^/ßigen Deuteroalbumoselösimg.
Die Merksche Deuteroalbumose, wie sie von Lüdke angewandt
wurde, ist kein ganz reines Präparat; sie enthält neben Spuren Proto-
albumose 14—15% Kochsalz. Es wurde von verschiedenen Seiten der
Meinimg Ausdruck gegeben, dass die therapeutische Wirksamkeit des
Präparates vornehmlich durch diese Zusätze bedingt sei. Dem wider¬
sprechen meine Erfahrungen mit einem mir von Merk überlassenen,
vollkommen reinen Deuteroalbumosenpräparate, doch will ich ohne
weiteres zugeben, dass der Kochsalzzusatz ebenso wie die Beimengimg
von Protoalbumose, solange nur Spuren von letzterer vorhanden sind,
die therapeutische Kraft der reinen Deuteroalbumose eventuell nicht un¬
wesentlich imterstützen. Ein Nachteil der Deuteroalbumose (Alt) ist
entschieden, dass die Zusammensetzung nicht immer eine ganz kon¬
stante ist, was sich häufig in einer nach meinen bisherigen Erfahrungen
allerdings nicht sehr ins Gewicht fallenden Ungleichheit ihrer Wirkungs¬
weise äussert.
Ich will vor allem die Erscheinungen besprechen, die wir nach einer
Injektion mit Deuteroalbumose (Alt) beobachten können. Ich verwende
das Mittel jetzt stets in 10%iger Lösung in Wasser mit 0,5% Phenol¬
zusatz und verabfolge es nur intravenös. Zur ersten Injektion nehme
ich nie mehr als 1 ccm dieser Lösimg. Unmittelbar im Anschlüsse an
die Injektion fällt die Temperatur um einige Zehntel Grade, um dann
im Verlaufe von mehreren Stxmden um 1—2 Grade zu steigen. Schüttel¬
fröste treten nicht selten —% Stunden nach Verabfolgung der In¬
jektion, selten auch später, auf; häufiger kommt leichtes Frieren vor.
Manche Patienten fühlen im Anschluss an die ersten Injektionen ein
Kribbeln durch den Körper gehen, dabei tritt gleichzeitig eine leichte
Rötung der Haut des ganzen Körpers auf. Selten steigert sich dieses
Kribbeln zu Jucken, dann gewöhnlich unter Bildung einer heftigen
immer sehr flüchtigen Urtikaria. In zwei Fällen, wo ich als erste Dosis
1^/j und 2 ccm verabfolgte, kam es zu einer heftigen kongestiven Rötimg
des ganzen Körpers, besonders des Kopfes, dabei waren Lippen, Nasen¬
spitze und Extremitätenenden auffallend zyanotisch, Hustenreiz trat
auf, die Patienten waren sichtlich ängstlich, der Puls blieb aber gut und
bei dem einen Falle waren die Erscheinungen im Verlaufe einer halben
Stimde, bei dem anderen im Verlaufe von 10 Minuten abgeklungen.
Wirklich bedrohliche Erscheinungen sah ich im Anschluss an eine Deutero-
albumoseinjektion niemals auf treten. Gewöhnlich beginnt die Tem¬
peratur schon 2—3 Stunden nach Verabfolgung der Injektion, häufig
unter Schweissausbruch, wieder zu sinken, erreicht nach weiteren 4—5
Stxmden ihren tiefsten Stand. Nach 8—10 Stunden waren stets die
letzten Erscheinungen, die wir im Anschlüsse an eine Deuteroalbumose-
injektion beobachten konnten, abgeklungen. Wichtig scheint mir vor
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G. Holler.
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allem, nochmals zu erwähnen, dass der Puls nie schlecht wird, auf der
Höhe der Reaktion wohl beschleunigt, doch kräftig ist und konnte ich
immer wieder konstatieren, dass nach Ablauf der Reaktion ein vorher
schlechter Puls sich sichtlich besserte. Das erinnert sehr an die Proto¬
plasmaaktivierung Weichardts. Es ist selbstverständlich, dass die von
mir eben beschriebenen Erscheinungen nur für eine vorsichtige, zweck¬
entsprechende Dosierimg gelten, und dass wir bei unvorsichtiger Do-
sienmg auch mit Deuteroalbumose, worauf ich schon früher hingewiesen
habe, schaden können.
Verwenden wir für unseren therapeutischen Eingriff das Merksche
Präparat Deuteroalbumose (Neu) gleichfalls in der eben beschriebenen
Dosierung, so können wir konstatieren, dass die daraufhin einsetzenden
Erscheinungen weit mildere sind, während der therapeutische Effekt,
von mir in einer grossen Anzahl von an Scharlach und Typhus Erkrankten
erprobt, ein guter ist. Eventuell müssen wir etwas höher dosieren.
Schüttelfröste sah ich damit bisher nicht auslösen, nur der Temperatur¬
anstieg und -Abfall und der Schweissausbruch sind wie beim alten
Präparate.
Nicht unwesentlich scheint mir für die Beiu*teilung der Wirkimgs-
weise der Deuteroalbumose der Umstand, dass Dosen, die bei einem
kranken Individuum schon deutliche Erscheinungen (wie Schüttelfrost,
Temperaturanstieg usw.), selbst stürmische Reaktionen hervorzurufen
vermögen, bei Gesxmden in dieser Weise gar nicht wirken, und dass bei
fortlaufenden Injektionen in gesteigerter Dosis im Verlauf einer Infektion
mit dem Abklingen der Krankheitserscheinungen trotz der höheren
Dosierung der Organismus weniger reagiert. So traten auch bei den
beiden Fällen, die, wie oben erwähnt, auf die ersten Injektionen mit
der heftigen kongestiven Rötung und Zyanose reagiert hatten, nach der
4. Injektion keinerlei Hautverfärbungen mehr auf.
]^vor ich die von Lüdke angegebene Dosierung (1 ccm einer 2
bis 4^/oigen Lösung) bei meinen Patienten überschritt, spritzte ich mir zu¬
nächst selbst 1^—^2 ccm meiner 10%igen Lösung intravenös ein. Daraufhin
erfolgte keinerlei nachweisbare Reaktion, selbst der Temperaturanstieg
blieb aus. Als ich einige Wochen später, bei Scharlach beschäftigt, an
einer Halsentzündung erkrankte, verabfolgte ich mir wieder 1 ccm.
Diesmal trat Schüttelfrost und Temperaturanstieg auf, ich blieb trotzdem
den ganzen Tag arbeitsfähig und am nächsten Tage waren alle Krank¬
heitserscheinungen verschwunden. Vor Monatsfrist spritzte ich mir
wiederum Deuteroalbumose (Neu) in 10%iger Lösung von 1—4 ccm,
in der früher beschriebenen Weise täglich ansteigend, intravenös ein. Nur
bei den letzten Injektionen stieg die Temperatur um einige Zehntelgrade
über 37®. Im übrigen war der einzig wahrnehmbare Effekt eine daraufhin
einsetzende bedeutende Gewichtszunahme.
Es erübrigt sich mir noch, die Reaktion der Leukozyten auf eine
intravenöse Deuteroalbumoseinjektion kurz zu erwähnen. Unmittelbar
im Anschlüsse daran beobachten wir einige flüchtige Veränderungen im
Blutbilde, die zu besprechen den Rahmen meiner heutigen Arbeit über¬
schreitet. Ich will davon nur anführen, dass wenige Minuten nach intra¬
venöser Verabfolgung von Deuteroalbumose (Alt) die Eosinophilen erst
vermehrt im Blute auftreten, kurze Zeit später jedoch stark zurück-
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Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen«
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gedrängt werden. Mit Deuteroalbumose (Neu) ist vom Anfang an nur
ein Zurückdrängen der Eosinophilen zu beobachten. Vermehrtes Auf¬
treten von Eosinophilen habe ich schon oben nach Injektionen von
Protoalbumose beschrieben und dürfte dies demnach auch bei Deutero¬
albumose (Alt) durch den Protoalbumosengehalt des Präparates bedingt
sein. Es ist zur Frage der Eosinophilen sicher interessant, zu wissen,
dass Protoalbumose Eosinophilien erzeugt, während reine Deutero¬
albumose bestehende Eosinophilien vermindert. Bis längstens 10 Stun¬
den nach Verabfolgung der Injektion sind bei meiner vorsichtigen Do-
sierimg, die durch Deuteroalbumose unmittelbar bedingten Verände¬
rungen im Blutbilde beendet. Verfolgen wir ausserhalb dieser Reaktions¬
zeit die Leukozytenbefimde, so finden wir diese den einzelnen Stadien
des Erankheitsprozesses entsprechend und von Deuteroalbumose nur
insofern beeinflusst, als diese den Infektionsprozess abkürzt.
Nach dieser, an einem reichen Material von derzeit über 700 mit
Deuteroalbumosen behandelten Fällen, die an verschiedenen Infektions¬
krankheiten litten, gemachten Beobachtimg regelte ich meine Therapie.
Die Art der Dosierung und Verabfolgung des Mittels ist bei den verschie¬
denen Erkrankungen in den Hauptsachen dieselbe. Die geringen Unter¬
schiede, die mir bei Behandlung einer oder der anderen Infektion Vor¬
teile zu bieten schienen, werde ich bei Besprechung letzterer hervorheben.
Da^ ich nur intravenös spritze \md eine lO^^ige Lösung verwende, habe
ich bereits erwähnt. Ich beginne dabei mit 1 ccm und steigere die Dosis
bei jeder folgenden Injektion um ccm solange, bis die foankheits-
erscheinungen verschwunden sind. Nur bei chronischen Prozessen, die
übrigens bei Besprechung der Ejiegsseuchen weniger ins Gewicht fallen,
gehe ich langsam dosierend oftmals durch Wochen, ja selbst Monate
bei einer wirksamen Dosis stehen bleibend, vor. Den besten Erfolg
brachte mir bei schweren kurzfristigen, akuten Infektionsprozessen bis¬
her eine Methode, bei der ich, wenigstens im Beginn, um rasch zu einer
wirksamen Dosis zu kommen, 2 Injektionen in Intervallen von mindestens
8—10 Stunden täglich verabfolgte, während bei langdauernden In¬
fektionen, wie Typhus abdom., täglich 1 Injektion zu genügen scheint.
Bei Herstellung der Deuteroalbumoselösungen ist auf folgendes
zu achten:
1. Das von Merk steril erzeugte Präparat löse ich in kaltem, frisch
sterilisierten Wasser auf, welches ich über das steril entnommene Deutero-
albumosepulver in vorher sterilisierten Fläschchen giesse; dann folgt
der Phenolzusatz und die Lösung ist damit gebrauchsfertig.
2. Von einem nachträglichen Sterilisieren empfehle ich Abstand zu
nehmen. Es ist unnötig und man erhält bei nicht genügender Vorsicht,
wie es mir in unserer Apotheke einige Male gemacht wurde, ein weit
unwirksameres Mittel.
3. Ebenso kann ein nachträgliches Abfiltrieren der Lösung besser
unterbleiben. Ich sah dabei folgenden Fehler unterlaufen: es wurde
ohne die vollständige Lösimg des Mittels abzuwarten, abfiltriert und
erhielt ich dadurch ungleiche, schwächer wirkende Lösungen.
4. Da ich von anderer Seite aufmerksam gemacht wurde, dass der
Phenolzusatz die Wirkung abschwächt (selbst habe ich die Beobachtung
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102
G. Holler.
[11
nicht gemacht), rate ich, den Phenolzusatz möglichst genau zu machen,
um nicht ungleich wirksame Lösungen zu erhalten. Der Phenolzusatz
ist notwendig, da die Lösungen sonst zu rasch verderben, während sie
mit Phenol bei vorsichtiger Aufbewahrung unbegrenzt haltbar sind.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen über die Wirkungsweise der
Albumose kehre ich zur Besprechung des Wertes der Albumosentherapie
bei Typhus im speziellen zurück und will an einer Anzahl von Fällen
meine Erfolge bei dieser Krankheit demonstrieren.
Fall 1: J. L.
Ein bakteriologisch und klinisch sichergestellter Tj^phus in der
ersten Woche der Erkrankung.
Kurve 1.
Blutbefimde:^)
Leukozyten;
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
Mastzellen:
Splenozyten:
Plasmazellen:
Lymphozyten:
Leukozyten:
davon sind
Polynukl. (N)
(E)
Mast zellen:
Splenozyten:
Piasmazellen:
Lymphozyten:
am 24. 6.
12 h. m.
3,020
65,4% (1,970)
0,0 „
0.0 „
3,8 „ ( 120)
2,7 „ ( 80)
28,1 „ ( 850)
am 28. 6.
11 h. a. m.
6,370
38,1% (2,420)
0,0 „
0,0 „
4,1 „ ( 270)
1,3( 80)
56,5 „ (3,600)
am 25. 6.
2 h. p. m.
4,180
54,6Vo (2,300)
0,0 „
0,3 „ ( 20)
2,8 „ ( 120 )
4,0., ( 170)
38,3 „ (1,570)
am 29. 6.
7 h. p. m.
3,800
56,2% (2,140)
0,0 „
0,0 „
3,9 „ ( 150)
0,9 „ ( 30)
39,0 „ (1,480)
am 26. 6.
11 h. 30 a. m.
3,300
60,2% (1,990)
0,0 „
0,0 „
6.5 „ ( 180)
1,0 „ ( 30)
33,3 „ (1,100)
am 30. 6.
6 h. 30 p. m.
5,220
67,6% (3,010)
0,0 „
0,0 „
3.5 „ ( 180)
1,9 „ ( 100)
37,0 „ (1,930)
am 27. 6.
12 h. m.
3,970
63,6% (2,520)
0,0 „
0,4 „ ( 20)
3,3 „ ( 130)
1.2 „ ( 50)
31,5,, (1,250)
am 1. 7.
7 h. 10 p. m.
7,770
33,8% (2,620)
0,0 „
0,0 „
2,7 „ ( 220)
5.2 „ ( 400)
58,3 „ (4,530)
^) In den Blutbefunden ist wichtig, vor allem die absoluten Zahlen der ein¬
zelnen Leukozytenformen zu berücksichtigen.
*) Die Pfeile in den Kurven bedeuten die Zeit der Verabfolgung der Deutero-
albumoseinjektionen. Die Kurven sind aus stündlichen Messungen zusammen¬
gezogen.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
12]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
103
am
3.
7.
am 10.
7.
11 h. 15
a. m.
10 h.
a.
m.
Leukozyten:
5.
320
3,230
davon sind:
Polynukl. (N):
38,4®/o
(2,030)
39,3''/o
(1.
,260)
(E):
0,0 „
0,5 „
(
20)
Mastzellen:
0,3 „
(
20)
0,5,,
(
20)
Splenozyten:
plasmazellen:
1.5 „
1.2.,
(
(
80)
70)
5,6 „
0,0 „
(
180)
Lymphozyten:
58,6 „
(3,120)
54,1.,
(1,
,750)
Nach 1 ccm 10®/oiger Deuteroalbiimoselösung (Alt) tritt der Fall
sofort ins amphibole Stadium und heilt mit steilen Kurven, wie sonst
ein unbeeinflusster T 3 rphu 8 aus. Anfangs spritzte ich bei Typhus
abdom. immer nur so lange, bis ich das amphibole Stadium erreicht
hatte; war dieses da, so winde eine weitere Injektion nur dann vor¬
genommen, wenn die Temperatur tagsüber nicht unter 37® sank. Zur
Injektion wurden die Dosen, wie schon eingangs erwähnt, täglich um
ccm gesteigert.
Im Blutbild verweise ich vor allem auf die geringe Zahl der Spleno-
zyten bei allgemeiner Leukopenie. Weiter ist auffallend das vermehrte
Auftreten der Plasmazellen am 1. Juli, das hier wie immer der endgültigen
Entfieberung unmittelbar vorhergeht.
Fall 2: A. R.
Patientin fiebert seit 25. August; am 28. August werden aus dem
Blute Typhusbazillen gezüchtet und ist Widal 1 : 50 komplett positiv.
Klinisch besteht ein grosser, prallelastischer Milztumor, der bis zum Ende
der Erkrankung zunimmt, typische Roseolen, spärlich nur am Stamm,
positiver Diazo. Das Blutbild entspricht am 27. August ganz dem im
Frühstadium eines Typhus, geringgradige polynukleäre Leukozytose mit
gleichfalls noch erhöhter Splenozytenzahl. Dieses Stadium hat der
Krankheitsprozess, wie die folgenden Blutbefunde zeigen, auch nicht
mehr überschritten.
Kurve 2.
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
104
G. Holler.
[13
am 27. 8.
am 28. 8.
am 3. 9.
am 4. 9.
7 h. 15 p. m.
1 h. 40 p. m.
11 h. a. m.
11 h. a. m.
Leukozyten: 7,170
6,620
12,630
7,900
davon sind:
Polynukl. (N): 72,2% (5,180)
78,2% (6,180)
34,3% (4,320)
41,9% (2,300)
9t (E): 0,0,,
0,0 „
0,0 „
0,0,.
Mastzellen: 0,2 „ ( 10)
0,2 „ ( 10)
0,1 „ ( 10)
0,2 „ ( 10)
Splenozyten: 7,6 „ ( 550)
Plasmazellen: 0,0 „
6,8 „ ( 460)
4,6 „ ( 680)
4,6., ( 370)
0,0 „
16,6, (2,100)
4,4.. ( 360)
Lymphozyten: 20,0 „ (1,430)
14,8 „ ( 980)
44,4 „ (6,620)
48,9 „ (3,870)
am 6. 0.
am 8. 9.
4 h. 40 p. m.
6 h. 10 p. m.
Leukozyten:
7,430
7,760
davon sind:
.
Polynukl. (N):
36,7% (2,620)
33,O*/» (2,620)
M (E):
0,2 „ ( 20)
0,4 „ ( 30)
Mastzellen:
0,0 „
0,2 „ ( 20)
Splenozyten:
Plasmozyten:
4,9 „ ( 660)
6,0 „ ( 470)
0,2 „ ( 20)
0.4 „ ( 30)
Lymphozyten:
68,0 „ (4,320)
69,1,, (4,680)
Dieser Fall erhält, wie die Kurve zeigt, 6 Injektionen in der früher
beschriebenen Dosierung, dann noch durch einige Tage steile Kurven
und endgültige Entfieberung. Ich verweise im Blutbefund vom 3. Sept.
wieder auf das aussergewöhnlich reiche Auftreten von Plasmazellen zur
Zeit des Abklingens der Erkrankung.
Fall 3: B. A.
Patient wurde am 26. Sept. mit den klinischen Symptomen eines
Typhus abdom. auf genommen. Ausserdem wurden aus dem Blute am
27. Sept. T 3 ^husbazillen gezüchtet. Widal war am selben Tage noch
negativ. Am 14. Okt. ist Widal auf Typhus schwach positiv, nach Aus¬
heilung der Erkrankung agglutiniert am 26. Okt. das Serum bis zu einer
Verdünnung von 1 : 500.
Kurve 3.
Der Fall stammt aus einer Zeit, in der ich die Albumosentherapie
etwas abgeändert hatte. Ich lasse jetzt nicht mehr im amphibolen
Stadium den Krankheitsprozess von selbst abklingen, sondern injiziere
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
14] Zur Diagnofle und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuohen. 105
jedesmal sofort in gesteigerter Dosis weiter, wenn die Temperatur neuer¬
dings über 37® steigt. Um endgültige Entfieberung zu erzielen, erhielt
dieser Patient so 9 Injektionen (letzte Dosis ccm).
Ich möchte hier anschliessend einiges über das Verhalten des Widal
erwähnen. Dass dieser am 27. Sept. trotz des Vorhandenseins von
Typhusbazillen im Blut negativ war, ist vollkommen erklärlich, da Patient
sich damals erst am 3. Tage seiner Erkrankung befand. Der Widal
tritt auch später auf, sein Titre nimmt gegen das Ende der Erkrankung
zu und bleibt positiv über die Entfieberung hinaus, ein Verhalten,
wie es der Norm vollkommen entspricht. Wir beobachten anderseits
aber nur allzuhäufig ein abnormes Verhalten des Widal schon bei un¬
beeinflussten Erkrankimgen und mir ist es speziell aufgefallen, dass
nach Albumoseinjektionen gleich in den ersten Tagen der Typhus¬
erkrankung bei gleichzeitiger rascher Wirkung ein vorher negativer
Widal häufig negativ bleibt und nicht selten der Titre eines positiven
Widal abnimmt.
FaU 4: K. A.
Ein bakteriologisch und klinisch diagnostizierter Typhus aus der
ersten Zeit meiner Deuteroalbumosentherapie. Nach seiner Angabe
fiebert Patient seit 1. Juli. Auffallend war schon bei der Aufnahme am
25. Juli ein aussergewöhnlich grosser, bis über den Nabel reichender,
prallelastischer Milztumor. Letzterer überdauerte in der eben be¬
schriebenen Grösse das Fieberstadium, ging auch weiterhin nur sehr
langsam zurück \md war noch in der 4. Woche der Rekonvaleszenz
bis 2 Querfinger unter den Rippenbogen reichend palpabel.
Ich habe schon oben angeführt, dass ich mich daran gewöhnt habe,
ein rasches Anwachsen der Milz im Verlaufe* eines Typhus als pro¬
gnostisch günstiges Symptom aufzufassen; anderseits wird beschrieben,
dass Fälle mit derartig grossen Milzen, in denen sich Bazillen noch lange
über die Entfieberung hinaus lebend erhalten, besonders leicht zu Rezi¬
diven neigen. Es ist möglich, dass bei einer weniger vorsichtigen Diät
derartige Beobachtungen zu machen sind; ich selbst habe seit Ausbau
meiner Therapie Rezidive bei Typhus stets nur im Anschlüsse an Diät¬
fehler bei unfolgsamen Patienten gesehen. Reaktionslose Milzen, bei
dann schwerem Krankheitsverlaufe, können durch Deuteroalbumose-
injektionen zum Wachsen gebracht werden und stets ist dieses An¬
wachsen der Milz dann von einer Besserung des Krankheitsprozesses
begleitet.
Auch die Temperaturkurve und besonders die fortlaufend täglich
erhobenen Leukozytenbefunde rechtfertigen bei Fall 4 die Diagnose und
lassen den Verlauf der Erkrankung auf unserer Station erkennen. In
den Blutbefunden verweise ich vor allem am 26. und 27. Juli auf das
geringe Vorhandensein der Splenozyten, am 2. Aug. auf die Plasmo¬
zytose, am 6. Aug. auf die Lymphozytose und das Wiederauftreten der
l^sinophilen.
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Goi.igle
Original frem
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
106
G. Holler.
[15
Kurve 4.
Leukozyten;
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
(B):
Splenozyten:
Plasmaze^^:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
.. (E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
„ (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
am 26. 7. 15.
11 h. 45 a. m.
5,300
56,4% (2,990)
0 , 0 „ ( — )
0,3 „ ( 20)
2,5 „ ( 130)
40,2 „ (2,130)
0,6 „ ( 30)
am 30. 7.
1 h. p. m.
4,850
53,7% (2,690)
0,6 „ ( 30)
0,6 „ ( 30)
6,1 „ ( 300)
38,4 „ (1,870)
0,6., ( 30)
am 6. 8.
4 h. 45 p. m.
0,150
41,6% (2,610)
0,3 „ ( 20)
1.1( 70)
3,3,. ( 200)
63,4,, (3,230)
0,3., ( 20)
am 27. 7.
11 h. 40 a. m.
4.220
57,9% (2,430)
0.0 „ ( — )
0,0 „ ( — )
2,7 „ ( 120)
39,1 „ (1,650)
0,3., ( 20)
am 31. 7.
11 h. 40 a. m.
6,280
63,0% (3,320)
0 , 0 „ ( - )
0,5 „ ( 30)
3.1 „ ( 200)
42,1,, (2,650)
1.3., ( 80)
am 7. 8.
12 h. m.
8.220
38,5®/, (3,160)
1.2 „ ( 100 )
0,2 „ ( 20)
4.2.. ( 360)
65,9 „ (4,600)
0 , 0 ., ( — )
am 28. 7.
11 h. 40 a. m.
3,470
56,2®/, (1,770)
0 , 0 ., ( — )
0.8.. ( 30)
6.8 „ ( 270)
36,2 „ (1,400)
0 , 0 „ ( — )
am 2. 8.
12 h. 45 p. m.
7,320
39,9®/, (2,920)
0 . 0 ,. ( — )
0,2 „ ( 20 )
3.9 „ ( 280)
40.5 „ (2,970)
16.6 „ (1,130)
am 26. 8.
6 h. 35 p. m.
5,770
56,9®/, (3,280)
1.1 „ ( 70)
0,2 „ ( 10 )
2,6 „ ( 160)
39,0 „ (2,260)
0,2 „ ( 10 )
am 29. 7.
8 h. a. m.
5,200
56.2®/, (2,910)
0 , 0 „ ( — )
0 , 0 „ ( — )
7.0,, ( 370)
36,8 „ (1,920)
0 . 0 „ ( — )
am 3. 8.
5 h. 30 p. m.
6,070
49,9®/, (3,020)
0 , 0 ., ( - )
O.O., ( — )
4,6,, ( 280)
43,9,. (2,670)
1 , 6 ,. ( 100 )
am 7. 9.
4 h. 20 p. m.
6,350
43,9®/, (2,790)
2,1 „ ( 130)
0.2 „ ( 20)
3,6 „ ( 230)
60,2 „ (3,180)
0 , 0 „ ( — )
Fall 5: Z. A.
Ein seltenerer Fall, der mit blutigschleimigen Stühlen fiebernd am
22. Okt. eingeliefert wurde. Es wurden aus dem Harne Paratyphtis-
B-Bazillen, aus dem Blute Tj'phusbazillen gezüchtet. Es bestanden so
nach den bakteriologischen Befunden, ebenso nach den klinischen Sym¬
ptomen gleichzeitig 2 infektiöse Prozesse. Beide zeigten leichten Ver¬
lauf, nur die dysenterieartigen Erscheinungen des Paratj'phus waren
etwas hartnäckiger.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsaeuchen. 107
Kurve 5.
FaU 6: K. N. (s. Fall 25 und 68).
Wurde am 3. Okt. mit schwerem Paratyphus B (s. d.) in die Station
eingebracht, erkrankte am 25. Nov. an Scharlach (s. d.), am 1. Jan.
an Typhus abdom. Alle drei Erkrankungen wurden mit Deuteroalbu-
mose behandelt. Patient überstand so im Verlaufe von 4 Monaten drei
schwere Infektionen und wmrde Mitte März vollständig gesund und ge-
kräftigt abgeschoben.
Für die Typhusdiagnose war neben sonstigen klinischen Befunden
(wie Diazo, Erbsenpüree-Stühlen, Roseolen usw.) entscheidend: der
Widal (vorher bei wiederholten Untersuchungen negativ) war am 13. Jan.
bis 1 : 2000 positiv; am 14. Jan. wurden aus dem Stuhle Typhusbazillen
gezüchtet.
Kurve 6.
am 9. 12. 15. am 13. 1. 16. am 20. 1. am 7. 2.
5 h. p. m. 5 h. 55 p. m. 1 b. p. m. 1 h. p. m.
Leukozyten:
8,430
3,(
520
6,'
770
6,050
davon sind:
Polynukl. (N):
54,6%
(4
580)
39,3«/«
(1,420)
44,9«/,
(2,580)
37,6«/,
(2.
270)
„ (E):
2,3,.
(
200)
0,0 „
( - )
0,7 „
( 50)
1.1..
(
70)
„ (B):
0,5,,
(
50)
0,9 „
( 30)
0.2,.
( 10)
0,2 „
(
10)
Splenozyten:
10,2 „
(
870)
19,3 „
( 700)
12.4 „
( 720)
8,5,,
(
520)
Lymphozyten:
32,4,,
(2,
J30)
40.5 „
(1,470)
38,7 „
(2,230)
52,6 „
(3,
180)
Plasmazeilen:
0,0 „
(
- )
0,0.,
( - )
3.1,,
( 180)
0,0 „
(
- )
Digitized
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
108
G. Holler.
[17
Der Leukozytenbefiind am 9. Dez. wurde noch in der Scharlach-
rekonvaleszenz erhoben. Interessant ist der Umschlag im Blutbilde
am 13. Jan.: wir sehen Leukopenie Fehlen der Eosinophilen imd eine
relative Lymphozytose, wie es dem Bauchtyphus entspricht. Die Zahl
der Splenozyten, die in der Scharlachperiode reichlich vorhanden waren,
ist am 3. Tage nach Ausbruch des Typhus wohl etwas zurückgegangen,
doch noch immer stark vermehrt. In diesem Stadium der Erkrankung
beginne ich mit den Deuteroalbumoseinjektionen.
Der durch die vorausgegangenen Krankheitsprozesse noch ge¬
schwächte Organismus wehrt sich nur schwer gegen die neuerliche In¬
fektion. Trotzdem wird schon nach wenigen Injektionen das erst stark
benommene Sensorium frei, der sehr schlechte Puls bessert sich, die
zuvor kaum vergrössert nachzuweisende Milz ist am 17. Jan. palpabel
und am selben Tage (also nach 4 Injektionen) ist der Fall im amphibolen
Stadium, das allerdings trotz täglich verabfolgter weiterer Injektionen
erst nach 12 Tagen beendet ist.
Ich möchte im Anschluss an diesen geeigneten Fall anführen, dass
der Wert der Deuteroalbumosetherapie bei Typhus abdom. zum ge¬
ringeren Teile in einer momentanen Unterbrechxmg oder Abkürzimg des
Krankheitsbildes liegt. Mit Vakzine konnten wir bei intravenöser Ver¬
abfolgung mit einem Schlage eine kritische Entfieberung erzielen, dieser
prompteren Wirkung steht jedoch die Gefährlichkeit des Mittels hindernd
im Wege. Bei Deuteroalbumoseinjektion ist die therapeutische Kom¬
ponente der Vakzinewirkung wohl etwas geringer, die lebensgefährdende
Komponente bei entsprechender Dosierung dafür aufgehoben. Wir be¬
sitzen in der Deuteroalbumose ausserdem ein Mittel, das sich bequem
und exakt dosieren lässt und durch dessen Inj ektion wir den
Körper nicht allein wesentlich im Kampfe gegen die Infektion
selbst unterstützen, sondern auch eine Steigerung physio¬
logischer Stoffwechselvorgänge und damit eine erhöhte
Leistungsfähigkeit des Organis mus erzielen. So sehen wir nach
Albumoseinjektionen die von Weichardt beschriebene Leistungssteige¬
rung in einer allgemeinen Kräftigung des Körpers, Zunahme des Appetites,
Besserung einer schlechten Herzaktion, Freiwerden eines benommenen
Sensoriums usw.
Daneben ist eine Einwirkung auf die Schutzstoffe produzierenden
Zentren, als solche gelten vor allem Milz und Knochenmark nicht zu
verkennen. Ich habe oben erwähnt, dass wir reaktionslose Milzen bei
Typhus durch Deuteroalbumoseinjektionen zum Wachsen bringen können
und ebenso konnte ich besonders dort, wo die Schutzkräfte des Organis¬
mus im Kampfe gegen eine schwere Infektion erschöpft waren, Symptome
konstatieren, die auf eine Reizung des Knochenmarkes hinzuweisen
schienen. Derartige Patienten (so auch Fall 6) geben meist schon im
Anschluss an die ersten Injektionen leichte Knochenschmerzen an;
die langen Röhrenknochen sind gleichzeitig klopfempfindlich, das Brust¬
bein druckschmerzhaft. Zu dementsprechenden Veränderungen im Blut¬
bilde, wie vermehrtem Auftreten unreifer Zellformen, kam es nie.
Wer die Wirkung der Proteinkörpertherapie in dieser Weise an
einem reichen Material, wie ich, zu studieren Gelegenheit hatte, der wird
die Hilfe, die sie uns im Kampfe gegen die Infektionen zu leisten vermag,
Digitized by
Goi.igle
Original frorri
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
18]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
109
richtig einzuschätzen verstehen. Für den weniger Eingeweihten wirken
am überzeugendsten wohl meine später angeführten verschwindend
kleinen Mortalitätsziffern.
Fall 7: Vr. K.
Patient wurde am 13. Febr. mit geringer Temperatursteigerung sehr
entkräftet in imsere Station eingeliefert. Er klagte über Gliederschmerzen
und Stechen in der Milzgegend, hatte anfangs flüssige Stühle mit Schleim
und Bauchschmerzen. Die Milz ist sehr druckschmerzhaft, reicht 3 Quer¬
finger unter den Rippenbogen, ist sehr derb palpabel. Am 16. Febr.
werden aus dem Stuhle ParatjT)hus B-Bazillen gezüchtet; am 17. Febr.
ist Widal auf Typhus und Paratyphus negativ. Ab 18. Febr. ist Patient
fieberfrei und hat normale Stühle, so dass der Paratyphus als geheilt
zu betrachten ist; der Milztumor ist nur wenig geringer geworden.
Am 25. Febr. heftige Gliederschmerzen; der Milztumor wieder
grösser, fast bis in Nabelhöhe reichend; Widal auf Paratyphus negativ,
auf T}T)hus 1 : 600 positiv. Ab 27. Febr. staffelförmiger Temperatur¬
anstieg unter weiterem Wachsen der Milz. Am 1. März reicht diese
zw'ei Querfinger unter den Nabel und ballotiert wie ein Nierentumor.
Im Urin Diazo am selben Tage stark positiv.
Blutbefund vom 2. 3. 16.
Leukozyten: 4,200
davon sind:
Polynukl. (N): 57,0% (2,400)
(E): 0,0 „ ( — )
.. (B); 0,3 „ ( 10)
Splenozyten: 5,9 „ ( 250)
Lymphozyten: 36,5 „ (1,530)
Plasmazellen: 0,3 „ ( 10)
Nach dem Blutbefunde schon stelle ich besonders aus dem Vor¬
handensein der Splenopenie jetzt die Diagnose auf Typhus abdom. und
beginne mit den Injektionen. Vor Verabfolgung der ersten Injektion
wmrde gleichzeitig Blut zur bakteriologischen Untersuchung entnommen.
Der 2 Tage später eingelangte Befund lautet: Widal auf Typhus 1 : 1,5(K)
positiv, auf Paratyphus negativ; aus dem Blute Typhusbazillen.
Den Erfolg der Therapie bei diesem schon stark herabgekommenen
40jährigen Patienten demonstriert die Temperaturkurve.
Kurve 7.
Digitized
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
110
G. Holler.
[19
Fall 8: Wi. B.
Am 12. Febr. aus Objekt 1 in meine Abteilung eingebracht; fiebert
seit 11. Febr.; die bakteriologischen und klinischen Befunde sprechen für
Typhus. Widal ist am 13. Febr. 1 : 1000 positiv. Der Patient wird ab
13. Febr. gespritzt imd nach der Entfieberung ist am 23. Febr. Widal be¬
reits negativ.
Als erste Injektion verabfolgte ich hier versuchsweise 2 ccm einer
10 %igen Lösung; es trat unmittelbar im Anschluss an die Injektion
eine kongestive Rötung des ganzen Körpers auf, Lippe, Nasenspitze imd
Extremitätenenden waren stark zyanotisch; Patient bekam Hustenreiz
und wurde sehr ängstlich. Der Puls war wohl etwas beschleunigt, blieb
jedoch kräftig. Nach einer halben Stunde waren die Erscheinungen ver¬
schwunden. Die folgenden Injektionen am 14. und am 15. Febr., die
gleich dosiert waren, riefen dieselben Erscheinungen in schwächerem *
Grade hervor. Bei einer weiteren Injektion am 17. Febr. wieder in der¬
selben Dosis blieben sie aus.
Kurve 8.
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fSM
fQfOl
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14. 2.
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14. 2.
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16. 2.
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p. m.
10 h. 35 a. m.
11 h.
10 a. m.
10 h. 45 a. m.
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‘ der
20 Min. nach
Injektion
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16.
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17. 2.
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19. 2.
11 h. 35 a. m.
12 h. m.
12 h.
10 p. m
10 h.
a. m.
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6.
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( 700)
12,8,.
(1.130)
Lymphozyten:
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(2,
,120)
37,4 „
(1,930)
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(3,450)
29,8 „
(2.250)
Plasmazeiien :
0,0 „
(
- )
0,6 „
( 30)
4,8 „
( 350)
20,1,.
(1,520)
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Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
20]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
111
am
21.
2.
1 h. 1
5 p
m.
Leukozyten:
6,
870
davon sind:
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44.6»/,
(2
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100)
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0,5 „
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30)
Splenozyten:
11,6„
(
680)
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Plasmazellen:
39.7 „
1,9 „
(2,
(
330)
120)
Die Leukozji/enbefunde zeigen den Ablauf, wie ich ihn als für Typhus
typisch beschrieben habe. Ich verweise noch in den Blutbefunden vom
14. Febr. auf das sofortige Auftreten der Eosinophilen nach Verab¬
folgung der Injektion. Es scheint dies, wie oben erwähnt, der Prot-
albumosengehalt der Merkschen Deuteroalbumose (Alt) zu bewirken.
Fall 9: Ha. H., als Hilfsschwester in unserer Station seit 1. März 1916.
Anamnestisch hat Patientin vor 6 Monaten angeblich einen sehr
schweren Typhus mit 8 wöchentlichem Fieberstadium und kompliziert
durch eine I^eumonie überstanden.
Bei der Aufnahme auf meine Abteilung am 3. März besteht folgender
Befund: hohes Fieber zwischen 39® und 41®, das Sensorium schwer be¬
nommen, Puls sehr beschleunigt, kaum tastbar. Die Milz auch perku¬
torisch nicht vergrössert nachweisbar; die Lungen frei; am C!or ausser
der sehr schlechten Aktion keine organischen Veränderungen nach¬
weisbar. Im Urin Aldehyd + + , Diazo +, Eiweiss +, Blutbefund s. u.;
Widal 1 : 600 auf Typhus positiv, auf Paratyphus negativ; aus dem
Blute vom 3. März werden Typhusbazillen gezüchtet.
Ich hatte aus dem Ablauf der Leukozytenbefunde im Blute (speziell
aus der Splenopenie am 5. März) noch vor Eintreffen des positiven
bakteriologischen Beftmdes die Diagnose auf Typhus gestellt und hatte
sofort mit den Injektionen begonnen.
Am 5. März: Milz noch immer nicht vergrössert nachweisbar. Im
Urin Aldehyd —, Diazo + > Eiweiss -{-. Am 6. März Milz perkutorisch
deutlich vergrössert nachweisbar, Patientin klagt über Knochenschmerzen,
das Brustbein sehr druckempfindlich. Das Sensorium vollständig frei;
Herzaktion wesentlich gebessert. Auftreten eines erst spärlichen Exan¬
thems.
Am 8. März Exanthem sehr reichlich; lokalisiert sich auch auf die
Extremitäten.
Das weitere Verhalten der Milz ist folgendes: Am 8. März reicht
ihre Dämpfung bis fast an den Rippenbogen; am 11. März ist der Pol
des Organes deutlich palpabel. Am 12. März überragt die Milz in tiefem
Inspirium um U /2 Querfinger den Rippenbogen; bleibt in dieser Grösse
bis zum 28. März, um von da ab langsam kleiner zu werden.
Diazo ist bis 16. März positiv, ab 17. März negativ.
Interessant ist auch der Verlauf des Agglutinationstitres:
Am 3. März 1 : 600; am 7. März 1 : 800; am 13. März 1 : 2500;
am 18. März 1 : 3500; am 19. März 1 : 3500; am 24. März 1 : 2000;
am 27. März 1 : 1000; am 30. März 1 : 1000.
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
112
G. HoUer.
[21
Die fortlaufend erhobenen Blutbefunde zeigen dem Erfahrenen
sehr deutlich den Verlauf der Heilung und lassen Rückfälle am 17. und
27. März erkennen.
Wie die Kurve zeigt, hatte ich bei diesem schweren Falle, um rascher
zu einer wirksamen Dosis zu gelangen, anfangs 2 Injektionen täglich ver¬
abfolgt, wobei ich bis zum 9. März die Dosen fortsteigerte. Das Zurück¬
gehen in der Dosierung bringt am 12. März einen Rückfall, weshalb ich
von da ab weiter steigere. Am 26. März halte ich den Krankheitsprozess
für beendigt (auch die Eosinophilen waren tags vorher zum ersten Male
im Blut) und injiziere ich daher nicht mehr weiter; darauf folgt am
27. März der zweite Rückfall. Wie wir sehen, bedarf der erschöpfte
Organismus fort des Reizes der Deuteroalbumose, damit seine Schutz¬
stoffe produzierenden Organe funktionieren. Deshalb entschliesse ich
mich, solange dieselbe Dosis Deuteroalbumose (10 ccm) zu verabfolgen,
bis eine Reaktion auf die Injektion ausbleibt. Ich spritze am 28. und
29. März in fieberfreiem Stadium. Am 29. März ist die einzige Reaktion
auf die Injektion ein ganz unbedeutender Temperaturanstieg. Vorher
traten im Anschluss an jede Injektion schon 10—20 Minuten später sehr
heftige Schüttelfröste auf; am 28. März war nurmehr leichtes Frieren,
am 29. blieb auch dieses aus. Am 30. ist der Kjankheitsprozess endgültig
beendet; wir sehen von da ab die Eosinophilen dauernd im Blute.
Unter den Leukozytenbefunden verweise ich besonders auf das
Fehlen der Mastzellen, das, wie oben ausgeführt, nur bei sehr schweren
Krankheitsprozessen nachzuweisen ist. Ihr Wiederauftreten am 11. März
ist von einer Besserung im Krankheitsprozesse begleitet. Im übrigen
verhalten sich die Leukozyten, wie ich es an den vorausgehenden Fällen
zu demonstrieren Gelegenheit hatte.
Kurve 9.
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0.0 „
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( 50)
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
22 ]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
113
am
11. 3.
am
14. 3.
am
17. 3.
am
19. 3.
10 h.
20 a. m.
10 h. 30 a. m.
10 h. 30 a. m.
10 h. 30 a. m.
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3,420
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9.7 „
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( 320)
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12.4 „
(1.130)
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( 180)
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( 30)
0.9.,
( 40)
am
23. 3.
am
25. 3.
am
27. 3.
am ,
29. 3.
11 h.
10 a. m.
12 h. 20 p. m.
11 h. 50 a. m.
10 h.
a. m.
Leukozyten:
4,650
7,650
6,080
7,120
davon sind:
Polynukl. (N):
32,9»/.
(1,620)
33,2 Vo (2,630)
23,5%
(1,430)
22,9%
(1,630)
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0,0 „
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( 10)
0,0 „
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0.0 „
( - )
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0.2 „
( 10)
0,1 „
( 10)
0,2 „
( 10)
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( 20)
Splenozyten:
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( 400)
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( 670)
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( 500)
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Lymphozyten:
Plasmazellen:
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(2,630)
( 90)
68,7 „
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(4,500)
( 30)
67,9 „
0,2 „
(4,130)
( 10)
70,5 „
0,0 „
(5,020)
( - )
am 30. 3.
am
1. 4.
am
4. 4.
10 h. 30 a. m.
12 h 25 p. m.
1 h. 5
p. m.
Leukozyten:
6,530
6,870
5,800
davon sind:
Polynukl. (N):
26.2%
(1,640)
29.3%
(2,010)
30,4% (1,760)
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( 20)
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( 10)
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0.3.,
( 20)
0.1 „
( 10)
0.2.,
( 10)
Splenozyten:
6,9,.
( 450)
9,8,,
( 670)
6,7 „
{ 330)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
67,3 „
(4,400)
60,7 „
(4,170)
62.6.,
(3,630)
0.0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,0 „
( -)
Ich schiiesse hier noch eine ausführliche Beschreibung des Exan¬
thems an, das in seiner Reichlichkeit und Lokalisation einem Fleck¬
fieberexantheme nicht nachstand und dennoch für den Kenner als
typisches Typhusexanthem nicht zu verwechseln war. Am 7. März
traten zum erstenmal vereinzelt Exanthemfleckchen am Stamm auf
(gleich gross, scharf begrenzt, blassrot, unterdrückbar). An den folgenden
Tagen fort Nachschübe neuer Effloreszenzen, die sich nunmehr auch
auf die Extremitäten, selbst Hand- und Pussrücken lokalisieren. Am
8 . März zeigt das Exanthem eine Reichlichkeit imd Ausbreitung, so dass
auf ein Hautstück von Handtellergrösse am Stamm bis 20 Effloreszenzen
entfallen. Das Typische am Exanthem bisher ist sein schubweises Auf¬
treten, die gleiche Grösse der Effloreszenzen imd die Anordnung in
Gruppen. In tieferen Hautschichten liegende Effloreszenzen, wie sie
Murchison bei Fleckfieber beschrieben hat, fehlen. Die einzelnen
Fleckchen sind sehr flüchtig, die meisten verschwinden schon nach 12-
bis 248tündigem Bestände; andere halten sich etwas länger, nehmen
am 2. Tage an Grösse zu, ihre Kon tim wird gleichzeitig weniger scharf
begrenzt, immerhin fehlt noch viel zur Verschwommenheit der Kontiu*,
wie sie ein Fleckfieberexanthem charakterisiert. Gleichzeitig bleibt die
blassrote dem Fingerdruck weichende Farbe der Flecken bis zum Ver¬
schwinden derselben bestehen. Nur 2 Fleckchen unter der linken Mamma
Beitri^e zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 n. 2. 8
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Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
114
G. Holler.
[23
lassen vorübergehend leichte Blaufärbung erkennen. Gleichzeitig kommt
es zu geringen Grössenimterschieden der Exanthemflecken; dieses selbst
ist durch weitere Nachschübe noch reichlicher geworden. Auch die
länger bestehenden, an Grösse zunehmenden Exanthemflecken ver¬
schwinden nach 2—3 Tagen ohne Hinterlassung von Spuren, dafür
schiessen an anderen Stellen reichlich neue Effloreszenzen auf. In dieser
Reichlichkeit hielt sich das Exanthem durch immer wieder neue Nach¬
schübe bis zum 21. März, von da ab verschwand es rasch, die letzten
Flecken im Verlauf von 24 Stunden.
Interessant ist, dass Typhusbazillen im Blute bis zum 21. März fort
immer nur zur Zeit neuen Temperaturanstieges nachzuweisen waren,
während in fieberfreien Stadien der Nachweis nicht gelang. Ebenso
war zu beobachten, dass das Aufschiessen frischer Exanthemflecke
grösstenteils in die Zeit neuerlichen Temperaturanstieges fiel.
Ich habe diesen lehrreichen Fall etwas ausführlicher besprochen, weil
er uns zeigt, wie ein vollständig erschöpfter Organismus, durch Albu-
moseinjektionen förmlich wieder aufgepulvert, sich einer schweren
Infektion wieder zu erwehren vermag. Ganz überzeugend ist die
Wirkung der Deuteroalbumose allerdings wohl nur für den, der Ge¬
legenheit hat, ihre günstige Wirkung bei so verzweifelten Fällen selbst
zu beobachten.
Fall 10: Ri. An.
Ein bakteriologisch und klinisch diagnostizierter Typhus. Der Fall
stand ganz am Beginn der sehr schwer einsetzenden ICrankheit und
wurde, wie die Temperaturkurve zeigt, im Verlaufe von 10 Tagen durch
Kochsalzinjektionen geheilt.
Am 27. Jan., also 2 Monate nach der Ausheilung des Typhus, be¬
ginnt Patient neuerdings mit täglichen Remissionen zu fiebern. Gleich¬
zeitig klagt er über Schmerzen in der Appendixgegend und ist der
Macburnesche Punkt druckempfindlich. Am 31. Jan. ist in der
Heocökalgegend ein kleinapfelgrosser druckschmerzhafter Tumor pal-
pabel; derselbe wächst bis zum 14. Febr. bis zu Mannsfaustgrösse an
und, da Patient fort septisch fiebert, wird er am 18. Febr. der chirur¬
gischen Abteilung mit der Diagnose Appendicitis chronica subacuta über¬
geben.
Die dort am 23. Febr. vorgenommene Eröffnung des Abdomens
zeigt den Appendix frei, dagegen entsprechend dem Cökum und Reum
tief an der unteren und äusseren Beckenwand gelegen eine durch Ver¬
wachsungen mit der Umgebung, so auch mit dem Netze, unverschieb¬
bar gewordene Geschwulst. Beim Einschneiden entleert sich Eiter und
eine nachträglich unternommene Untersuchung lässt uns die Diagnose
auf einen posttyphösen Abszess mit seltener Lokalisation stellen, mög¬
licherweise ausgehend von einem typhösen Geschwür in der Umgebung
der Beocökalklappe.
Patient wurde gesiind entlassen.
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Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
24]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 10.
115
Fall 11: Ka.
Ein erst klinisch diagnostizierter, nachträglich durch die bakterio¬
logische Untersuchung bestätigter Typhus. Der Fall wurde nach bei¬
liegender Temperaturkurve intravenös mit Äthervakzine gespritzt.
Daraufhin prompte Entfieberung; 3 Tage später unter Einsetzen schwerer
Benommenheit neuerlich Temperaturanstieg. Die Thyreoidea schwillt
gleichzeitig an, wird sehr druckempfindlich. Am 2. April 1915 ist in
der nunmehr bis zu Kleinapfelgrösse angeschwollenen Drüse eine deut¬
lich fluktuierende Stelle nachzuweisen. Die am 5. April vorgenommene
Inzision liefert reichlich Eiter, in dem als Erreger Typhusbazillen nach¬
gewiesen wurden.
Der Fall heilte ohne weitere Komplikationen in wenigen Tagen voll¬
ständig aus.
Kurve 11.
FaU 12: K. S.
Wurde am 5. Sept. 1916 mit den klinischen Symptomen eines Typhus
eingebracht; gleichzeitig bestand eine heftige Bronchitis und waren im
linken Unterlappen klinisch und röntgenologisch bronchopneumonische
Herde nachzuweisen. Der Fall wurde mit Albumose behandelt und
Typhus und Bronchitis heilten in 2 Wochen aus.
Nach kurzem fieberfreien Intervalle bildeten sich jedoch im linken
Unterlappen Abszesse. Ihre Ausbreitung war erst so mächtig, dass
8 *
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116
G. Holler.
[25
das Herz um gut 2 Querfingerbreiten nach rechts verdrängt wurde.
Eine Punktion gelang nicht. Die Grösse der Abszesse stand im Gegensatz
zu den leichten Erscheinungen, die Patient bot. Die Lungenabszesse
heilten auch im Verlaufe von 2 Wochen ohne weiteren therapeutischen
Eingriff aus. Patient wurde vollständig gesund entlassen.
Es ist mir bei einer grossen Anzahl von T 3 ^husfällen, die dmch
Bronchitiden kompliziert waren, aufgefallen, wie rasch letztere auf
Deuteroalbumoseinjektionen hin ausheilen, dagegen scheint es bei in¬
filtrativen Prozessen in der Lunge nicht selten zur Einschmelzung des
entzündeten Gewebes zu kommen. Ich werde noch wiederholt, so auch
bei Besprechung der Tuberkulose auf analoge Befunde zu sprechen
kommen. Jedenfalls ist es wichtig, Beobachtungen, wie sie Fall 12 bietet,
zu sammeln, da möglicherweise derartige infiltrative Prozesse in den
Lungen eine Kontraindikation für die Deuteroalbumosebehandlung be¬
deuten könnten.
Fall 13: S. B.
Wurde mir am 25. Sept. mit einem mächtigen, rechtsseitigen, pleu-
ritischen Exsudate vorgestellt. Die Probepunktion ergab dicken Eiter,
in welchem bakteriologisch Tjrphusbazillen nachgewiesen wurden.
Anamnestisch war von dem Patienten nichts zu erfahren; er heilte nach
Anlegung eines Bilau glatt aus.
Fall 14: L. R.
Kam am 5. Okt. in meine Behandlung mit heftiger Bronchitis,
bronchopneumonischen Herden, verstreut über den Lungen, grossem
Milztumor und Erbsenpüreestühlen; aus dem Stuhle winden T 5 rphus-
bazillen gezüchtet. Die Herzaktion war bei dem Patienten, der nach
seiner Angabe bereits SWochen kontinuierlich fieberte, schon sehr schlecht.
Auf Albumoseinjektionen hin besserte sich der Zustand des zuvor ganz
hinfälligen Patienten sofort. Nach 2^/, Wochen befindet sich Patient
in bester Rekonvaleszenz. Lungenerscheinungen, wie ich sie bei Fall 12
beobachten konnte, traten nicht auf, dafür entwickelte sich unter neuer¬
lichem Temperatmanstieg im rechten Hoden ein Abszess, dessen Er¬
reger T 5 rphusbazillen waren. Der Patient wurde daraufhin der chir¬
urgischen Abteilung übergeben, ist heute gesund und wieder im Feld.
Fall 15: F. T.
Ein durch eine positive Blutkultur diagnostizierter Typhus, der
gleichfalls durch schwere bronchitische Lungenerscheinungen kompli¬
ziert war. Es bestand am Rücken eine grosse, gut 3 Querfinger breite
Narbe von einer vor 3 Jahren erlittenen Verletzung. Nach glatter
Ausheilung des Typhus und der Bronchitis durch Deuteroalbumose ent¬
wickelte sich im Narbengewebe am Rücken eine Phlegmone, die trotz
energischen chirurgischen Eingreifens weiter um sich griff imd schliess¬
lich zum Ausbruch einer allgemeinen Sepsis führte, der Patient eine Woche
später erlag.
Die Obduktion ergab eine miliare Aussaat kleinster Staphylokokken-
abszesschen, besonders in Niere, Lungen imd Leber; im Dünndarm
zeigten sich Narben nach dem überstandenen Typhus. Typhusbazillen
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26]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
117
konnten aus Stuhl und Galle nicht mehr gezüchtet werden, dagegen
gingen aus der Milz noch Typhusbazillenkulturen auf (neben Staphylo¬
kokken).
FaU 16: W. D.
Ebenfalls ein klinisch und bakteriologisch diagnostizierter Typhus,
ganz im Beginn der Erkrankung, der nach 3 Albumoseinjektionen ent-
fiebert war.
In der 3. Woche der Rekonvaleszenz bildet sich am Rücken des
Patienten ein grosser Karbunkel, von dem abermals eine schwere Sepsis
ausging. Patient erhegt derselben in wenigen Tagen. Bei der Obduktion
abermals eine miliare Aussaat von Staphylokokkenabszessen, auch hier
vornehmlich in Nieren und Lunge. Typhusbazillen konnten aus Galle
und Milz gezüchtet werden.
Die Fälle 10 bis 14 zeigen uns seltenere Lokalisationen posttyphöser
Eiterungsprozesse. Abszessbildungen nach Typhus, wie sie die Fälle 15
und 16 zeigen, sind in der Typhusrekonvaleszenz keine Seltenheit; der¬
artige Muskelabszesse lokalisieren sich mit Vorliebe in den Bauchdecken.
Ebenso sind Parotitiden mit nachfolgender Vereiterung der Drüse oft
beschrieben. Die Erreger derartiger septischer Prozesse sind seltener
Typhusbazillen selbst, zum grössten Teil Staphylokokken und weniger
häufig Streptokokken.
Zur Vermeidung derartiger septischer Prozesse verabfolge ich
meinen Patienten prophylaktisch noch während der Fieberperiode und
mindestens 2 Wochen darüber hinaus Urotropin in Dosen von 3—4 mal
0,5 Gramm täglich. Seitdem sehe ich derartige septische Prozesse weit
seltener.
Ich möchte noch wenige Worte zur Frage der Diät bei Typhus¬
kranken anschliessen. Es ist wohl kein Zweifel, dass wir in gut ein¬
gerichteten Spitälern des Hinterlandes mit einer vorsichtig gehand-
habten Emährungstherapie, wie sie von vielen Seiten empfohlen wird,
Erfolge erzielen können. Wer die Verhältnisse in provisorisch eingerich¬
teten Spitälern kennt, der wird ohne weiteres zugeben, dass die Er¬
nährungstherapie hier oftmals auf unüberwindbare Hindernisse stösst.
Akut war die Ernährungsfrage bei Typhus in der Tat nur solange, als
wir es mit Wochen, ja selbst Monate währenden Fieberprozessen zu tun
hatten. Seitdem es uns möglich ist, den Krankheitsprozess abzukürzen,
tritt die Emährungsfrage zur Zeit der Fieberperiode in den Hintergrund.
Ich lasse meinen Patienten, solange sie fiebern und noch 6 Tage darüber
hinaus nicht mehr als 1—U/g Liter Milch, eventuell noch etwas Schleim¬
suppe mit Eidotter oder Stocksche Mixtur, niemals feste Speisen ver¬
abfolgen. Erst in der 2. Woche der Rekonvaleszenz gebe ich vorsichtig
etwas Zwieback zu, um in der 3. Woche mit leichten Fleischspeisen zu
beginnen. Die Patienten erholen sich dabei sehr rasch. Rückfälle
treten überhaupt nicht auf. Abweichungen von diesen Regeln, beson¬
ders bei unfolgsamen Patienten, rächten sich dagegen immer. Nach
meinen Erfahrangen lässt sich weder Vakzine- noch Albumoseverab-
folgung erfolgreich mit Ernährungstherapie bei Typhus kombinieren.
Die von mir angewandte Behandlung des Typhus abdominalis be¬
steht demnach aus folgendem: 1. Deuteroalbumose (Merk), nur intra-
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118
Q. Holler.
[27
venös mit 1 ccm beginnend und so lange täglich um ccm steigernd,
bis endgültige Entfieberung erreicht ist. 2. Urotropin. 3. Blutkohle;
letztere verordne ich bei T 3 T[)hus 3 mal täglich einen gehäuften Esslöffel
(= 3 mal 0,5 g) bei Fällen mit Verstopfung, bei Typhus jedenfalls eine
unangenehme Komplikation, in denselben Dosen Toxodesmin oder neben
Blutkohle Kalomel. 4. Vorsichtige flüssige Diät.
In dieser Weise habe ich nunmehr über 350 Typhusfälle behandelt.
Darmblutungen oder gar Perforationen sah ich überhaupt nicht mehr.
Die längste Fieberperiode war 4 Wochen (bei Fall 9), im Durchschnitt
dauerte das Fieberstadium l^/j—2 Wochen. Je näher dem Beginn der
Erkrankimg wir mit den Injektionen begannen, um so rascher konnten
wir den Krankheitsprozess beenden. Bei Fällen am 2. oder 3. Fiebertag
genügen häufig 1—2 Injektionen. Entscheidend für den Wert meiner
Therapie ist vor allem, wie oben erwähnt, die geringe Mortalität. Die
Fälle 15 und 16, die ausserdem nicht an Typhus selbst, sondern nach¬
träglich an septischen Prozessen in der Hand des Chirurgen starben,
sind unter über 350 klinisch und bakteriologisch nachgewiesenen Typhus¬
fällen meine einzigen Todesfälle. Eine Mortalitätsziffer von also 0,5 ®/q
wurde bei Kriegstyphen bisher wohl durch keine andere Therapie er¬
reicht. Dieses Resultat wäre selbst für Friedenszeiten noch als überaus
günstig zu bezeichnen. Ich bemerke noch, dass sämtliche auf meiner
Station vorkommenden Todesfälle von unserem Bakteriologen xmd
Obduzenten Dr. Schönhof obduziert werden, so dass ein Übersehen
eines Typhustodesfalles als ausgeschlossen zu betrachten ist.
Es scheint mir nach meinen Erfahrungen nicht zweifelhaft, dass
wir durch Albumoseinjektionen den Organismus zu Absonderung von
Schutzstoffen in der Richtung der Blutbahn anregen und diese Schutz¬
stoffe auf die Krankheitserreger selbst, bei Typhus also auf die Typhus¬
bazillen, schädigend wirken. Es brauchen deshalb nicht mit einer In¬
jektion alle Bazillen im Körper zerstört zu werden, aber durch 'wieder¬
holte Injektionen können wir eine Beendigung des Krankheitsprozesses
erzielen. Lüdke gibt an, dass Roseolen, Milzschwellung, Diazoreaktion,
Leukopenie und leichtere Darmerscheinungen von ihm noch tagelang
nach der Entfieberung nachge'wiesen 'wurden. Diese Angaben kann ich
nur in bezug auf die Milzschwellung bestätigen. Was Roseolen, Diazo¬
reaktion und Darmerscheinungen anlangt, so blieben diese nur dann
fortbestehen, wenn der durch die Injektion erzielte Temperaturabfall
kein anhaltender war, sondern ihm nach einigen Tagen oder Stunden ein
neuer, wenn auch niu* unbedeutender Temperaturanstieg folgte. Erst
weitere Injektionen vermochten dann den Krankheitsprozess und damit
stets auch die erwähnten Symptome zu beseitigen.
Wichtig erscheint es mir, auch darauf hinzuweisen, dass bei meinen
350 mit Deuteroalbumose behandelten Tj^hen trotz sorgfältiger Kon¬
trolle Bazillenträger nicht nachzuweisen waren und dass es mir in einigen
Fällen gelang, hartnäckige Bazillenträger diuch fortgesetzte Albumose¬
injektionen bazillenfrei zu bekommen. Es würde zu weit führen, diese
meine Beobachtimgen an Bazillenträgern mit tatsächlichen Befunden
zu belegen; auch bedürfen sie noch einer eingehenden Überprüfung.
Nach meinen bisherigen Resultaten erscheint es mir wohl sehr wahr¬
scheinlich, dass in dieser Weise die Frage der Bazillenträger zu lösen
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28 ]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
119
ist und gedenke ich, nach EIrzielung weiterer einschlägiger Resultate
ausführlich zu berichten.
Paratyphen.
Von Paratyphus A hatte ich in unserer Station nur Gelegenheit,
ganz vereinzelte, leichte Fälle zu sehen und kommt mir infolgedessen
über dieses Krankheitsbild bisher keine grössere Erfahrung zu.
Dagegen steht schon seit Monaten in unserer Station der Paratyphus
B unter allen Infektionen im Vordergrund. Es wurden nicht allein viele
Fälle von der Front bei uns eingeliefert, sondern hatten wir auch Ge¬
legenheit, die Ausbreitung einer Epidemie (Ausgangspunkt Küche) unter
unseren Patienten zu beobachten. Darüber beabsichtigt unser Bak¬
teriologe Dr. S. Schönhof in nächster 2feit zu berichten tind auch ich
hoffe Zeit zu finden, dieser Kriegsseuche, die derzeit unsere ganz beson¬
dere Beachtung verdient, ein eigenes Kapitel zu widmen. Nach unseren
Erfahrungen erscheint es mir besonders wichtig, die Behörden auf die
Gefahren aufmerksam zu machen, die eine Weiterverbreitung des Para¬
typhus B für die Zivilbevölkerung des Hinterlandes, ebenso wie für die
Schlagkraft unserer Armee in sich schliesst. Die Paratyphus B-Er-
krankung ist, wie meine weiteren Ausführungen zeigen werden, durchaus
keine so harmlose Infektion, wie man heute von vielen Seiten anzunehmen
geneigt ist. Hatte ich unter über 350 Typhen nur 2 Todesfälle, wie oben
erwähnt, so starben unter 140 Paratyphus B-Fällen in derselben Zeit
7 Erkrankte. Der Grund dieser höheren Mortalität ist wohl der, dass
Individuen, die eben erst von anderen schweren Erkrankungen genesen
waren, in noch geschwächtem Zustande einen Paratyphus B durch Haus¬
infektion akquirierten. Da, wie ich höre, die Verhältnisse auch an anderen
Orten dementsprechende sind, wäre ein energisches Einschreiten der
Behörden zwecks Verhütung einer systematischen Verseuchimg der
Monarchie sehr erwünscht.
Das Krankheitsbild des Paratyphus B ist entbrechend den in der
Literatur vorhandenen zahlreichen Aufzeichnungen sehr variabel. Schon
Schottmüller unterschied im wesentlichen zweierlei Erkrankungs¬
typen, von denen die eine (als Paratyphus abdominalis beschriebene)
typhusähnlichen Verlauf zeigt, während die andere die Symptome einer
fieberhaften Gastroenteritis bietet, die sich häufig zum Bilde einer
schweren Dysenterie, seltener zu dem einer Cholera nostras steigern.
Neben dieser Einteilung möchte ich nach meinen Erfahrungen noch
eine Unterscheidung in ein akutes und chronisches Stadium gelten lassen.
Zur Diagnose ist vor allem wie beim Typhus der Nachweis der Er¬
reger wichtig. Wir können Paratyphusbazillen aus dem Blute, aus
dem Harne und dem Stuhle des Erkrankten züchten. Wo Abszesse
oder Pleuritiden auftreten, ist ihr Kultivieren aus dem Eiter besonders
aussichtsvoll. Das Exanthem lässt sich von dem des Typhus nicht
unterscheiden, ist häufig allerdings etwas grossfleckiger und sehr reich¬
lich. Ebenso ist das Verhalten der Milz dem bei Typhus entsprechend;
das Organ nimmt auch hier bis zur Beendigung des Krankheitsprozesses
an Grösse zu. Nur bei ganz leichten gastroenteritischen Formen sind
Milztumoren klinisch nicht nachweisbar. Diazo ist bei Paratyphus
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120
G. HoUer.
[20
abdom. gewöhnlich, bei gastroenteritischem Verlauf der Erkrankung
seltener positiv. Die Agglutination des Serums ist bei hohem Titre
gut zu verwerten, doch gibt es anderseits an Paratyphus B Erkrankte,
deren Serum nicht agglutiniert. Urtikaria tritt hin und wieder bei
Parat 3 ^hus auf.
Die Reaktion der Leukozyten während des Ablaufes der Erkrankung
bietet uns auch hier mit einer auch sonst gründlichen klinischen Be¬
obachtung verschiedene diagnostisch wertvolle Stützpunkte. Die Leuko¬
zytenbefunde bei Paratyphus abdominalis haben nur wenig gemeinsam
mit jenen bei Typhus abdominalis. Vor allem fehlte bei allen von mir
bisher beobachteten Paratyphus B-Fällen, die bakteriologisch nach¬
gewiesen waren, die Leukopenie. An ihrer Stelle konstatierten wir
Leukozytosen mit einer Gesamtleukozytenzahl von gewöhnlich 10 bis
20 000 Zellen (seltener weniger). Im allgemeinen kann gelten, dass die
Leukozytose bei reintyphösen Formen um die untere Grenze der eben
angeführten Zahlen schwankt, während durch gleichzeitige Erkrankimg
des Dickdarmes, wie sie bei der Mehrzahl der Fälle zu beobachten ist,
heftigere Leukozytosen ausgelöst werden. Das starke Zurücktreten der
Splenozyten, das, wie früher beschrieben, der Ebertsche Bazillus er¬
zeugt, fehlt hier und ist fast dmchwegs durch Splenozytosen ersetzt.
Die Eosinophilen verschwinden nur bei schweren Erkrankungen aus
dem Blut; das Verhalten der Mastzellen, Plasmazellen und Lymphozyten
ist dem bei Bauchtyphus analog. Auch hier beobachten wir Plasmo¬
zytosen kurz vor der Entfieberung imd ein Ausklingen des Krankheits¬
prozesses in oftmals hochgradige Lymphozytosen.
Bei der gastroenteritischen Form der Erkrankung kommt es zu¬
nächst zu den schon angeführten polynukleären Leukozytosen (gewöhn¬
lich IS—20 000 Zellen), nicht selten im Beginn sogar mit Zurückdrängen
der Lymphozyten und stets reichlichem Vorhandensein der Splenozyten.
Die Eosinophilen fehlen selten ganz, eine Vermehnmg derselben wie
bei Dysenterie konnte ich bisher auch bei leichten Formen nicht beob¬
achten. Die Mastzellen sind stets zu finden. Zu vermehrtem Auftreten
von Plasmazellen wie bei der typhösen Form kommt es selten. Die
polynukleäre Leukozytose hält bei gastroenteritischen Formen oftmals
sehr lange an, doch klingt auch hier das Blutbild mit Verschwinden der
Krankheitserscheinungen allmählich in Lymphozytosen aus.
Sonst gehört noch zum akuten Krankheitsbilde ein plötzlicher
Temperaturanstieg, häufig mit Schüttelfrost oder Frieren; einige Tage
vor Beginn der eigentlichen Erkrankung können als Prodrome Mattig¬
keit, Appetitlosigkeit, Gliederschmerzen oder leichte Diarrhöen voraus¬
gehen. Brechreiz und Erbrechen sind zu Beginn gleichfalls häufig.
Bei der typhösen Form zeigt die Temperaturkurve gewöhnlich tiefe
Remissionen; oftmals bestehen vom Beginn der Erkrankung an steile
Kurven. Wiederholte Schweissausbrüche, Schwächegefühl und Appetit¬
losigkeit vervollständigen das Bild. Der Stuhl ist bei der typhösen Form
nur bei einer geringen Anzahl der Fälle normal.
Die gastroenteritische Form beginnt gewöhnlich ganz akut mit
heftigen Durchfällen. Dabei kommt es schon in den ersten Tagen zu
dysenterieartigen, schleimig-blutigen Stühlen unter sehr heftigen, schnei¬
denden Bauchschmerzen. Die Heftigkeit dieser Schmerzen kennzeichnen
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30]
Zar Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
121
vielleicht am besten Aussprüche der Patienten wie: „Es ist, als ob mir
jemand mit einem Messer im Bauche herumschneide,“ oder ,,ich glaubte
es sei mein letztes Ende.“ Die gastroenteritische Form des Paratyphus
sahen wir häufig in die typhöse übergehen. Ganz reine typhöse Formen
sahen wir selten. Wegen der Häufigkeit der Beteiligung des Dickdarmes
am Krankheitsprozesse finden wir diesen auch bei der typhösen Form
meist druckempfindlich. Die Druckschmerzhaftigkeit lokalisiert sich so
mehr an die Seitenteile des Rumpfes, während beim Bauchtyphus,
wo es seltener zu einem Übergreifen der Entzündungserscheinungen
auf den Dickdarm kommt (Kolotyphus), mehr die zentralen dem Dick¬
darm entsprechenden Teile des Abdomens druckschmerzhaft sind. Sehr
häufig ist das Kolon kontrahiert palpabel.
Besondere Beachtung verdient das Verhalten der Nieren. Pyeli¬
tiden und Zystitiden sind bei uns häufig vorgekommen; bei einem Falle
ergab die Obduktion eine vollständig vereiterte Niere. Ausserdem ge¬
hören begleitende septische Prozesse, vor allem Muskelabszesse, Appen¬
dizitiden und Parotitiden bei Paratyphus B nicht zu den Selten¬
heiten.
Die akute Form der Erkrankung geht leicht in die chronische über,
wenn ein eventuell nur leichte Kxankheitssymptome bietender Patient
nicht rechtzeitig einer energischen diätetischen Therapie unterzogen
wird, oder, wenn für ihn gar dmch weiteren Genuss verdorbener Speisen
die schädigende Noxe fortbesteht. Individuen, die schon seit Wochen
oder Monaten an Paratyphus leiden, klagen vor allem über grosses
Schwächegefühl und Gliederschmerzen, infolge letzterer auch über Schlaf¬
losigkeit. Sehr häufig werden stechende Schmerzen im linken Hypo-
chondrium angegeben und untersucht man, so findet man eine grosse,
prall-elastische, äusserst druckschmerzhafte Milz. Die Leber ist gleich¬
falls häufig gross. Bei vielen Fällen bestehen hartnäckige Durchfälle;
leichte Verdauungsstörungen zumindest gehören zur Regel, vollständig
normale Stühle sind selten.
Die Temperaturen schwanken im chronischen Stadium mit fast
täglichen Remissionen zur Norm zwischen 37 und 38®, doch sind auch
höhere Temperaturen ab und zu zu beobachten. Im Blutbilde besteht
Neigung zu Leukozytosen, bei reichlichem Vorhandensein der Lympho¬
zyten. Die Eosinophilen sind gewöhnlich nur in geringer Zahl vor¬
handen. Paratyphusbazillen können im chronischen Stadium der Er¬
krankung hauptsächlich im Stuhl und Harn nachgewiesen werden;
einige Male gelang es uns, dieselben bei wiederholten Untersuchungen
aus dem Blute zu kultivieren.
Besonders gefährdet sind nach meinen Erfahrungen durch die para¬
typhöse Infektion zuvor schon kranke oder geschwächte Individuen.
So ist bei Rekonvaleszenten der Ausbruch eines Paratyphus stets sehr
ernst aufzufassen xmd tuberkulöse Prozesse speziell werden leicht ver¬
schlechtert. So sahen wir bei zwei, allerdings schweren Lungentuber¬
kulosen im Anschlüsse an den Ausbruch eines Paratyphus von sehr
akuter dysenterischer Form die tuberkulöse Erkrankung auf den Darm
übergreifen. Beide Patienten kamen wenige Wochen später zum Exitus.
Differentialdiagnostisch hatten wir den Paratyphus abdominalis in
unserer Station bisher hauptsächlich von Typhus abdominalis und
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122
G. Holler.
[31
Fleckfieber zu trennen, die Gastroenteritis paratyphosa von Dysenterie.
Seltener kam bei letzterer Form Cholera in Frage.
Bei negativem bakteriologischen Befunde entscheidet nach dem
oben Gesagten eventuell ein hoher Agglutinationstitre auf Paratyphus B,
weiter ist auf das Verhalten der Milz oder eines auf getretenen Exanthems
zur Unterscheidung gegen Fleckfieber zu achten; wo Zeit und genügende
Erfahrung vorhanden ist, wird eine fortlaufende Erhebimg der Leuko¬
zytenbefunde eine bei negativer Blutkultur nicht absolut sichere Dia¬
gnose stützen.
Meine Therapie beschränkt sich wie bei Bauchtyphus hauptsächlich
auf eine flüssige, möglichst nahrhafte Diät, Anwendung der Deutero-
albumose und Blutkohle. Der Verschreibung des Urotropins messe ich
wegen der häufigen Beteiligung der Hamwege am Krankheitsprozess
besondere Bedeutung zu. Sehr häufig können wir bei leichteren, speziell
dysenterischen Formen auf die Hilfe der Deuteroalbumose verzichten.
Bei sehr heftigen Entzündimgsprozessen im Dickdarm brachten uns
gleichzeitige Tannineinläufe gute Erfolge. Ich verordne gewöhnlich
Acid. tannic. 6,0—10,0; Gummi arabic. 50,0; Tinct. op. simpl. gtt. 15;
Aquae ad. 2000,0 und verwende davon zu jedem Einlauf 1 Liter lauwarm.
Das Urotropin verordne ich stets wie bei Typhus auch bei ganz
leichten Krankheitsprozessen prophylaktisch.
Auf einige Verlaufseigentümlichkeiten und Komplikationen der
Paratyphus B-Infektion werde ich bei nachfolgender Demonstration
von geeigneten Krankheitsfällen hin weisen.
Fall 17: Fr. Au.
Wurde am 3. Fiebertage mit typhösen Erscheinungen eingebracht.
Widal war am Tage der Aufnahme auf Typhus negativ, auf einen Para¬
typhus B Stamm bis 1 : 200 positiv. Am 20. Juni ist Widal auch auf
Typhus bis 1 : 50 positiv und werden aus dem Blute Paratyphus B-
Bazillen gezüchtet. Von sonstigen klinischen Symptomen waren vor¬
handen : ein Milztumor, mässige Roseola, stark positiver Diazo imd Erbsen¬
püreestühle.
Die Blutbefunde zeigen das eingangs beschriebene Verhalten der
Leukozyten bei Paratjq)hus B.
Kurve 12.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
32] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 123
am 26. 6. 15.
am
30. 6.
am
1. 7.
am
2. 7.
10 h. 30 a. m.
3 h. 46 p. m.
10 h.
a. m.
11 h. 30 a. m.
Leukozyten:
11,050
10,350
11,170
6,700
davon sind:
Polynukl. (N):
65,70/, (7,240)
46,4%
(4,690)
40,3%
(4,490
48,3«/o
(3,210)
„ (E):
0,1 „ ( 10)
0,1 „
( 10)
0,1,.
( 20]
0,2 „
( 20)
.. (B):
0,6 „ ( 70)
0,3 „
( 30)
0,0 „
( -
0,2 „
( 20)
Splenozyten:
4,3 „ ( 480)
3,0 „
( 320)
3,4 „
( 380)
5,8 „
( 400)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
28,9 „ (3,200)
49,1 „
(6,130)
46,9 „
(5,130
35,6,,
(2,380)
0,4 „ ( 50)
1,1»
( 120)
10,3 „
(1,150)
9,9.,
( 670)
am
3. 7.
am
10. 7.
am
10. 8.
2 h.
p. m.
9 h. 25 a. m.
4 h.
25 p. m.
Leukozyten: 10,950
7,320
10,350
davon sind:
Polynukl. (N): 36,9%
(4,010)
57,8«/o
(4,220)
61,6®/
0 (6,360)
9*
(E): 0,1 „
( 20)
0,9 „
( 70)
1.9 „
( 200)
99
(B): 0,0,.
( — )
0,4 „
( 30)
0,4 „
( 50)
Splenozyten: 5,1 „
( 430)
6,9 „
( 430)
3,3 „
( 360)
Lymphozyten: 56,3 „
Plasmazellen: 1,6 „
(6,280)
34,8
(2,660)
32.8 „
(3,400)
( 180)
0,2 „
( 20)
0,0
( - )
Die Temperaturkurve zeigt den unregelmässigen Verlauf, wie wir
ihn häufig auch bei der typhösen Form der Paratyphuserkrankung
zu sehen gewohnt sind. Deuteroalbumose habe ich bei diesem Falle
in geringen Dosen bis zur Erreichimg des amphibolen Stadiums ge¬
spritzt.
Fall 18: Se. J.
Ein Paratyphus B, der am 2. Aug. bei uns aufgenommen wurde.
Patient beginnt am 7. Aug. zu fiebern, am 10. Aug. werden aus dem
Blute Paratyphus B-Bazillen gezüchtet; am 19. Aug. agglutiniert das
Blutserum auf den eigenen Stamm bis 1 : 2 000. Klinisch bestand bei
dem Patienten ab 13. Aug. ein auffallend grossfleckiges, sehr reichliches
Exanthem am Stamm imd spärlich auch auf den Extremitäten. Dieses
Exanthem zeigte das bei Typhus beschriebene Verhalten; die einzelnen
Effloreszenzen traten schubweise auf, blieben sehr flüchtig bestehen,
wurden nicht blau.
Kurve 13.
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124
G. Holler.
[33
am 18
. 8
15.
am 26.
8.
am
8. 9.
8 h.
P-
m.
11 h.
a.
m.
11 h. 40 a. m.
Leukozyten:
7,380
5,900
13,
600
davon sind:
Polynukl. (N):
63,8»/o
(4,
700)
69.2»/,
(3,
490)
49,9«/,
(6,770)
„ (E):
0,0 „
(
- )
0,2 „
(
10)
1,0.,
( 130)
» (B):
0,0 „
(
- )
0,6 „
(
30)
0,8.,
( 120)
Splenozjrten:
7,4 „
(
650)
9,3 „
(
550)
8,3 „
(1,130)
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
28,4.,
0,4 „
(2,
(
100)
30)
30,8 „
0,0 „
(1,
(
820)
- )
40,0 „
0,0 „
(6,460)
( - )
Gleichzeitig bestand bei dem Patienten eine hereditäre Lues (Wasser¬
mann + + + )•
Fall 19: Kw. J.
Ein Paratyphus typhöser Form mit positivem Bazillenbefund
aus dem Blute. Die Krankheit kam auf eine Erkältung hin gleichzeitig
mit einer Halsentzündung zum Ausbruch. Die Temperaturkurve und
die Blutbefunde demonstrieren den Krankheitsverlauf und die Wirkung
der Deuteroalbumose.
Kurve 14.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
.. (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellcn:
am 14. 12. 15.
5 h. p. m.
10,980
60,5% (6,520)
0,1 „ ( 10 )
0,1 „ ( 10 )
15,9 „ (1,760)
31,5 „ (3,470)
1,9 „ ( 220)
am 1.5. 12.
11 h. a. m.
9,120
56,7% (5,160)
0,1 „ ( 10 )
0,1 „ ( 10 )
12,2 „ ( 1 , 120 )
27,7 „ (2,630)
3,2 „ ( 300)
am 16. 12.
11 h. 20 a. m.
6,900
44,1% (3,030)
0,2 , ( 10 )
0,2 „
17,2 „
37,6 „
0,7 „
am 19. 12.
11 h. 40 a. m.
9,130
36,0«/, (3,270)
0,7( 70)
( 10 ) 0,1 „ ( 10 )
(1,200) 10,2 „ ( 930)
(2,600) 50,7,, (4,630)
( 60) 2,3,, ( 220)
Fall 20: Gy. M.
Ein fiebernder Patient, aus dessen Stuhle Paratyphus B-Bazillen
gezüchtet werden; Widal war atif Typhus nur bis 1 : 200, auf Para¬
typhus B 1 : 2000 positiv.
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
34]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 15.
126
FaU 21: Ba. J.
Eine sehr schwere Erkrankung mit Tv^phusverlauf. Bei dem Pa¬
tienten, der vor seiner Aufnahme in meine Abteilung (am 6. Sept.) be¬
reits längere Zeit mit Remissionen gefiebert hatte, wurden am 9. Sept.
Paratyphus B-Bazillen aus dem Stuhle gezüchtet. Widal war niu' auf
Tv"phus, nicht auf Paratyphus positiv. Von weiteren klinischen Sym¬
ptomen bestand ein Milztumor, positiver Diazo und flüssige, gelbe Stühle
mit Schleimbeimengung.
Patient hatte vor mehreren Jahren eine Lues akquiriert, von der
mit Ausnahme eines positiven Wassermanns keinerlei Erscheinungen
nachzuweisen waren.
Kurve 16.
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am 6. 9. 15.
am
i 8. 9.
am
9. 9.
am
10.
9.
5 h.
, p. m.
4 h.
10 p. m.
4 h. 45 p. m.
6. h 50 p
1 . m.
Leukozyten:
17,960
16,980
11,
,270
11
,070
davon sind:
Polynukl. (N):
69.9«/,
(12,540)
77,2«/,
(13,060)
66,3«/,
(7.450)
67,6«/,
, (7,
,420)
„ (E):
0,2 „
( 30)
0,3 „
( 70)
0,6,.
( 70))
0,6 „
(
100)
. (B):
0,2 „
( 30)
0,3 „
( 70)
0,4,.
( 60)
0,7.,
{
80)
Splenozyten:
10.3 „
( 1,860)
8,4 „
( 1.430)
13.1.,
(1.480)
8,5,,
(
950)
Lymphozyten:
19,4 „
( 3,500)
13,8 „
( 2,350)
19,6 „
(2,220)
22,2,.
(2,
,470)
Plasmazellen:
0,0 „
( - )
0,0.,
( - )
0,0.,
( - )
0,4 „
(
50)
Digitized by
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
126
G. Holler.
[35
Digitized by
am
11. 9.
am
12. 9.
am
14.
9.
6 h. 50 p. m.
6 h.
p. m.
7 h. 30 I
K m.
Leukozyten:
10
00
o
9,
100
8,
330
davon sind:
Polynukl. (N):
68,7«/o
(6,340)
48,4''/o
(4,480)
39,9«/o
(3
,310)
» (E):
6,5 „
( 600)
7,6 „
( 700)
6,0 „
(
500)
„ (B):
0,1 „
( 20)
1,1 „
( 100)
1.0 „
(
80)
Splenozyten:
11,6 „
(1,270)
11.5 „
(1,050)
8.6 „
(
720)
Lymphozyten:
21,7 „
(2,370)
29,1 „
(2,650)
44,5,,
(3,
720)
Plasmazellen:
2,4 „
( 270)
2.3 „
( 120)
0,0 „
(
- )
Bei diesem Falle, der auf Deuteroalbumoseinjektionen hin sehr
schön ausheilte, kam differentialdiagnostisch eventuell Typhus in Frage.
Der positive Befund von Paratyphusbazillen im Stuhl, während Typhus¬
bazillen trotz wiederholter Untersuchung niemals • gefunden wurden,
im Vereine mit dem Ablauf der Leukozytenbefunde rechtfertigen wohl
zur Genüge die Diagnose auf Paratyphus B. Die Blutkultur war stets
negativ, eine Agglutination auf den eigenen Stamm wurde nicht ver¬
sucht.
Fall 22: Ja. P.
Ein Patient, bei dem der Paratyphus mit gastroenteritischen Er¬
scheinungen beginnt, am 30. Jan. unter Einsetzen schwerer Benommen¬
heit und Temperaturanstieg in die typhöse Form übergeht. Para¬
typhus B-Bazillen wurden nach wiederholten Untersuchungen mit nega¬
tivem Resultate erst am 1. Febr. aus dem Blute gezüchtet. Am 31. Jan.
trat bei dem Patienten eine über den ganzen Körper verbreitete sehr
heftige Urtikaria auf. Ausserdem war ein langsames Anschwellen der
Milz zu beobachten, die am 3. Febr. bereits deuthch palpabel war. Ich
beabsichtigte, den Krankheitsprozess von Deuteroalbumose unbeeinflusst
ausklingen zu lassen und verabfolgte nur Blutkohle und Urotropin.
Da jedoch ab 8. März wieder heftigere Krankheitssymptome einsetzten,
spritzte ich doch Deuteroalbumose; zwei Tage später war der Krank¬
heitsprozess beendet.
Kurve 17.
Go< 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
36]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
127
am 7.
2.
16.
5 h.
P*
m.
Leukozyten:
7,1
ä50
davon sind:
Polynukl. (N):
§
o
o
(5,
.170)
„ (E):
2,1,.
(
170)
M (B):
0,6 „
(
50)
Splenozyten:
8.9 „
(
700)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
22,2 „
0,2..
(1,
(
,750)
10)
Fall 23: Schw. lg.
Patient, der vor 6 Wochen einen schweren Scharlach überstanden
hatte, akquirierte in unserer Station einen Paratyphus. Am 21. Dez.
wurde mir der Fall neuerdings hochfiebemd vorgestellt. Bei meiner
Untersuchung konstatierte ich einen Milztumor, positiven Diazo bei
normalem Herz- imd Lungenbefund. Der Stuhl w^ar normal. Aus dem
Stuhle vom 24. Dez. wurden Paratyphus B-Bazillen gezüchtet und auch
der Blutbefund vom selben Tage bekräftigte diese Diagnose. Interessant
ißt der Wechsel der Reaktion der Leukozyten am 29. Nov. noch in der
Scharlachrekonvaleszenz gegen das Verhalten derselben am 24. Dez.
in der Paratyphusperiode.
Kurve 18.
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am 29. 11. 15. am 24. 12. am 19. 1. 16.
1 h. 10 p. m. 4 h. 30 p. m. 12 h. 30 p. m.
Leukozyten: 5,670 14,520 9,900
davon sind:
Polynukl. (N):
27,5''/o
(1,560)
57.7%
(8,370)
50,5%
(5,030)
„ (E):
4,1.,
( 230)
0,0 „
( - )
1.0 „
(
100)
(B):
0,2 „
( 10)
0,3 „
( 50)
0,3,,
(
30)
Splenozyten:
23,8 „
(1,350)
14,0.,
(2,030)
8,7,.
(
820)
Lymphozyten:
Plasmazellen :
44,4 „
(2,520)
28.0 „
(4.070)
39,5,,
(3
1,920)
0,0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,0.,
(
- )
Es handelte sich hier um eine schwere Erkrankung, die einen durch
die vorausgehende Infektion geschwächten Körper traf. Der Patient
wmrde mit Deuteroalbumose (Neu) gespritzt und heilte, wie Kurve xmd
Blutbefunde zeigen, ohne weitere Komplikationen glatt aus.
Digitized by
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
128
G. Holler.
[37
Digitized by
FaU 24: Me. Do.
Wieder ein Patient, der wenige Tage vor Ausbruch des ParatjT)hu8
einen Scharlach überstanden hatte. Eine zur Zeit des Scharlachs unter¬
nommene Untersuchung hatte negativen Beftmd des Widal auf Typhus
und Paratyphus ergeben. Bei meiner Visite am 23. März finde ich den
Patienten wieder fiebernd, gleichzeitig konstatiere ich einen deutlich
palpablen Milztumor, der Stuhl ist angehalten, Diazo negativ, Patient
klagt über Kopfschmerzen. Der früher negative Widal ist am 23. März
auf Typhus negativ, auf einen Paratyphus B-Stamm bis 1 : 1000 positiv.
Diese klinischen und bakteriologischen Befunde gestatten mir, im Verein
mit dem Ablauf der Blutbefunde, trotz negativer bakteriologischer Be¬
funde, die Diagnose auf Paratyphus B mit grosser Wahrscheinlichkeit
zu stellen. Allerdings möchte ich dabei erwähnen, dass der Fall zur Zeit
einer Paratyphus B-Epidemie in unserer Station aufgetreten war. Dass
es sich um ein Scharlachrezidiv nicht handle, beweist der wechselnde
Blutbefund vom 23. März. Die neutrophilen Polynuklearen nehmen
plötzlich stark zu, die Zahl der Eosinophilen und Lymphozyten geht
merklich zurück.
Ich hatte den Fall wenige Stunden nach Beginn des Fieberanstieges
mit Deuteroalbumose gespritzt. Eine einzige Injektion beendigte das
Krankheitsbild. Der Milztumor ging in den folgenden Tagen langsam
ziu'ück, Diazo winde nie positiv. Die Blutbefunde wurden durch die
kurzfristige Paratyphusinfektion nur vorübergehend beeinflusst; wir
sehen am 26. März bereits wieder ein Blutbild, wie es dem Rekonvales¬
zenzstadium des Scharlach entspricht (hierüber später).
am 16
3. 16.
am
23. 3.
am
24. 3.
10 h. 10 a. m.
1 h.
5 p. m.
10 h. J
55 a. m.
Leukozyten:
18,
530
26,860
16
,120
davon sind:
Polynukl. (N):
52.4«/o
(9,660)
85,9%
(23,040)
61,9%
(9,950)
„ (E):
2.8 „
( 530)
0.1 „
( 30)
0,4.,
( 70)
,, (B):
2,1 „
( 400)
1,1,.
( 300)
0,7.,
( 120)
Splenozyten:
6.8 „
(1,270)
3,4 „
( 930)
8.5,.
(1,380)
Lymphozyten:
35.7 „
(6,620)
9,5 „
( 2,560)
28.2 „
(4,550) :
Plasmazellen:
0,2 „
( 50)
0,0 „
( - )
0,3.,
( 50)
am :
29. 3.
am 20. 3.
11 h. 20 a. m.
17,430
1.9,
0,7,
6.9,
25,3,
0 , 2 ,
( 330)
( 130)
( 1 , 220 )
( 4,420)
( 30)
10 h. 50 a. m.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
„ (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
13,280
45,5Vo (6,000)
3.7 „ ( 500)
1,3 „ ( 180)
5.7 „ ( 770)
43,6 „ (5,800)
0,2 „ ( 30)
Fall 25: Ki. Ni.
Der sehr schwer Erkrankte wurde am 3. Okt. in meine Abteilung ein¬
gebracht. Von klinischen Symptomen bestanden bei der Aufnahme:
sehr heftige Bauchschmerzen bei gleichzeitiger hochgradiger Druck¬
empfindlichkeit des Dickdarms, bis 80 schleimig-blutige Stühle täglich,
heftiger Tenesmus. Die Temperaturen schwankten zwischen 37 und 39®;
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
38]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegaseuohen.
129
Diazo war stark positiv, es bestand ein deutlich palpabler, prall-elastischer
Milztumor. Meine Vermutung, dass es sich um einen schweren Para-
t 3 rphus von gastroenteritischer und typhöser Form handle, wurden
durch den Nachweis von Paratyphus B-!^zillen im Stuhle des Erkrankten
bestätigt.
am 15. 10. 15.
am
22. 10.
6 h.
35 p. m.
12 h.
40 p. m.
Leukozyten:
21,000
14,600
davon sind:
Polynukl. (N);
70,6%
(14,790)
78,2%
(11,410)
„ (E):
0,3,,
( 60)
0,2 „
( 30)
» (B):
0,1 „
( 30)
0,2 „
( 30)
Splenozyten:
17,4 „
( 3,660)
11,9 „
( 1,730)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
11.1 „
( 2,330)
9,6 „
( 1.400)
0,6 „
( 130)
0,0 „
( - )
Blutkohleverabreichtmg allein in Dosen bis zu 80 Gramm täglich
besserte das Krankheitsbild nicht, dagegen brachte meine kombinierte
Behandlungsmethode: Blutkohle, Urotropin, Deuteroalbumose und Tan¬
nineinläufe in drei Wochen vollständige (Jenesung.
Fall 26: Pu. M.
Eine Hilfsärztin unserer Station erkrankte am 6. März, nachdem
schon durch Wochen leichtes Unwohlsein tmd Mattigkeit vorhanden war,
an sehr heftigen Durchfällen. Aus dem Stuhle werden Paratyphus B-
Bazillen gezüchtet. Am 6. März schneidende Bauchschmerzen von
grosser Intensität, bereits schleimig-blutige Stühle mit Beimengung von
Schleimhautfetzen und leichte Temperatur. Deutlich palpabler Milz¬
tumor. Bei energischer Therapie wie bei Fall 25 ist der Stuhl in wenigen
Tagen fest, trotzdem bleibt noch durch Wochen eine grosse Empfind¬
lichkeit des Darmes bestehen.
am 6.
3. 16.
am
8.
3.
am
9.
3.
am
12.
3.
7 h. 25 p. m.
12 h.
10
p. m.
2 h.
P-
m.
11 h
. a.
m.
Leukozyten:
8,470
9.
670
U
!,680
7,
570
davon sind:
PolynukL (N):
66,6%
(6,650)
72,9%
(7,040) 77,2%
(10,510)
73.8«/o
1 (5,580)
(E):
1.6 „
( 130)
0,6 „
(
50)
0,2 „
(
30)
1,3 „
(
100)
,, (B):
0.4 „
( 30)
0,6,,
(
50)
0,4,.
(
70)
0.2 „
(
10)
Splenozyten:
10.0.,
( 830)
7,0,.
(
680)
4,8,,
(
670)
8,6 „
(
650)
Lymphozyten:
Plasmazelien:
21,6 „
(1,830)
19,1 „
(1,
,850)
17,0..
( 2
,330)
16,6,.
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.180)
0,0,,
( - )
0,0 „
(
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0.4.,
(
70)
0,6 „
(
50)
am 15. 3.
am
18.
3.
am
21.
3.
am
26.
3.
10 h. 40 a. m.
10 h
. a.
. m.
10 h.
5 a. m.
11 h.
6 a
>. m.
Leukozyten:
8,000
7,
870
10
>,780
11
,350
davon sind:
Pol3mukL (N):
72,8%
(6,810)
69,0%
(4,650)
62,8«/,
, (6
1,780)
69,2»/,
.(7,
»840)
» (E):
0,8 „
( 70)
0,4 „
(
30)
0,6 „
(
70)
0,4.,
(
50)
(B):
1.2.,
( 100)
0,4 „
(
30)
0,7 „
(
80)
0,4 „
(
50)
Splenozyten:
7.6 „
( 600)
10,6 „
(
830)
7,1.,
(
770)
. 6,1 „
(
580)
Lympho^d^n:
Plasmazellen:
16,9 „
(1.270)
29,0 „
(2,280)
28,7 „
(3
1,100)
24,9 „
(2,
,830)
1.8,.
( 160)
0,6 „
(
50)
0,1 „
{
10)
0,0,.
(
- )
B«itrig« inr Klinik d«r Infektiontkrankh*iUn. Bd. VI. H. 1 v. 2. 9
Digitized by
Goi.igle
Original frcm
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
130
Q. Hollen
[39
FaU 27: V. H.
Erkrankte am 27. März an Durchfällen, die sich am nächsten Tage
zum Abgang von schleimig-blutigen Stühlen unter heftigem Tenesmus
steigerten. Die Erkrankung setzte ausserdem mit leichtem Frieren
und Temperaturen bis gegen 38® ein. Ein Milztumor war nicht nach¬
zuweisen. Aus dem Stuhle wurden bei wiederholten Untersuchungen
Paratyphus B-Bazillen gezüchtet. Unter Verabreichung von Blutkohle,
Tannineinläufen und Schleimsuppendiät klingen die Darmerscheinungen
in einer Woche ab.
FaU 28: Ki. P.
Der Patient wurde am 4. Januar mit mässigen Reiswasserstühlen
und Temperaturen bis 38® aufgenommen. Ausserdem bestanden Waden¬
krämpfe, grosse Hinfälligkeit und Erbrechen. Anamnestisch soll er
schon seit einigen Wochen an Durchfällen leiden. Im Harn ist alles
negativ, die Milz ist perkutorisch deutlich vergrössert nachweisbar. Der
Stuhl unterscheidet sich nur durch seinen üblen Geruch von den Reis¬
wasserstühlen bei Cholera. Aus dem Blute vom 4. Jan. werden Para¬
typhus B-BaziUen gezüchtet.
am
4. 1. 16.
am
6.
1.
am
20. 1.
6 h.
40 p. m.
12 h. 48
p. m.
1 h. 15 p. m.
Leukozyten:
15,330
10,070
10
00
davon sind:
PolynukL (N):
75,6»/,
(11,650)
62,7»/.
(5,290)
68,6«/o
(6,330)
» (E):
1.3 „
( 200)
1,6 „
(
170)
1.2.,
( 130)
» (B):
0,1 „
( 20)
0.3.,
(
30)
0,1,.
( 10)
Splenozyten:
6,9 „
( 1,070)
7,4 „
(
750)
7,6 „
( 830)
Lymphozyten:
16.7 „
( 2.420)
37.0,,
(3,730)
32,6,,
(3,530)
Plasmazellen:
0,4 „
( 70)
1.0.,
(
100)
0,0 „
( - )
Auf eine einzige Albumoseinjektion hin bleibt Patient fieberfrei.
Die Darmerscheinungen heilen unter Verabfolgung von Blutkohle und
Tannineinläufen im Verlaufe von 2 Wochen aus.
Fall 29: Schw. J.
Ein mit dem vorhergehenden Fall gleichzeitig eingebrachter und
im Krankheitsverlauf ihm sehr ähnlicher Paratyphus B. Von Krank¬
heitssymptomen konstatierten wir bei diesem Patienten: grosse Hin¬
fälligkeit, wieder massige, choleraartige Stühle und Gliederschmerzen.
Eine Vergrösserung der Milz ist nur perkutorisch nachweisbar; die Harn¬
befunde sind negativ. Patient fieberte während seines Aufenthaltes in
unserer Station nie ; interessant ist, dass trotzdem aus dem Blute vom
4. Jan. Paratyphus B-Bazillen gezüchtet werden konnten. Therapeutisch
wurden Blutkohle und Tannineinläufe verordnet.
am
4.
1. 16.
am
5. 1.
am
26. 1.
am
17. 3.
6 h.
50
p. ra.
12 h.
50 p. m.
10 b. i
55 a. m.
12 h. 20 p. m.
Leukozyten:
19,250
16,580
11
,630
10
,260
davon sind:
PolynukL (N):
79,4«/,
(16,250)
76,0«/„
(1
12,590)
69,1«/,
(8,030)
48.4«/,
(4,960)
» (E):
0,6 „
(
130)
0,8 „
(
130)
0.2 „
( 30)
1,0 „
( 100)
M (B):
0,1,.
(
20)
0,2 „
(
30)
0,2 „
( 30)
0,1 „
( 10)
Splenozyten:
7,2 „
(
1,400)
6,8 „
(
1,130)
9,6.,
(1.120)
6,6,,
( 670)
Lymphozyten:
12,6 „
(
2,430)
16,2 „
(
2,700)
20,9,,
(2,420)
45,0 „
(4.620)
Plasmazellen:
0,1.,
(
20)
0,0.,
(
- )
0,1 „
( - )
0,0 „
( - )
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
40]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
131
Fall 28 und 29 sind so Paratyphusfälle mit Cholera nostras ähn¬
lichem Verlauf, wie wir sie in unserer Station bisher seltener zu sehen
bekamen.
Bezweckte ich mit der Demonstration der bisherigen Paratyphus¬
fälle, Krankheitsverlauf und den Effekt meiner Therapie zu zeigen, so
soll der Verlauf bei den nachfolgenden, durch septische Prozesse kompli¬
zierten Fällen den Leser von der Gefährlichkeit der paratyphösen In¬
fektion überzeugen.
FaU 30: W. R.
Ein Paratyphus (typhöser Form), der am Ende der 2. Woche der
Erkrankung zu uns kam. Aus dem Blute wurden am 23. Juli Paratyphus
B-Bazillen gezüchtet und war Widal auf Typhus negativ, auf Parat 5 rphus
B bis 1 : 1500 positiv. Der Fall zeigte ein ausserordentlich reiches
Exanthem; vereinzelte Flecken auch auf Hand- und Fussrücken.
Der sehr schwere Fall heilte unter Deuteroalbumosetherapie aus,
um 7 Tage später an einer schweren Appendizitis zu erkranken.
am !
25.
7.
am
13.
8.
am
18. 8.
11 h
. a.
m.
6 h.
P-
m.
8 h. 15 p. m.
(im Appendix-
aidall)
Leukozyten:
9,020
6,
830
12,
,760
davon sind:
Polynukl. (N):
64.7«/,
(6.
820)
50,9%
(3,
590)
64,0%
(8,140)
(E):
0,0 „
(
- )
0,5,,
(
20)
0,2 „
( 30)
Mastzellen:
0,0 „
(
- )
1,4 „
(
50)
0,2 „
( 30)
Splenozyten:
plasmazellen:
8,8 „
(
800)
8,3,,
<
560)
8,8 „
(1,130)
0,3,,
(
30)
1,4 „
{
50)
0,0 „
( — )
Ljrmphozyten:
26,2 „
(2,370)
37,5,,
(2,
,560)
26,8,,
(3,430)
Fall 31: De. J.
Ein Paratyphus B, bei dem sich im Anschlüsse an die typhöse Er¬
krankung eine linksseitige eitrige Plemitis entwickelte. Aus dem Eiter
wurden Parat 5 rphus B-Bazillen gezüchtet. Wichtig ist zur Beur¬
teilung der Wirkung der Deuteroalbumose bei diesem Falle
der Umstand, dass durch unsere Injektionen auch der lokale
paratyphöse Prozess im Verlaufe von 9 Tagen ausheilte.
Fall 32: Hei. R.
Wurde am 5. Mai 1915 mit bakteriologisch nachgewiesenem Para¬
typhus B (positive Blutkultur) aufgenommen. Nach der Entfieberung
entwickelte sich am 7. Juni eine Parotitis, die zur Vereiterung der Drüse
führte. Aus dem Eiter wurden Paratyphus B-Bazillen und Staphylo¬
kokken gezüchtet. Therapie: Spaltung des Abszesses \md Drainage.
FaU 33: Be. R.
Ein Offiziersdiener, der als Begleiter seines erkrankten Herren ge¬
sund in unsere Station kam. Er erkrankte 4 Wochen später am 28. Juni
an Paratyphus B. Die Bazillen wurden am 30. Juni aus dem Blute ge¬
züchtet. Nach einer vorübergehenden Bessenmg des Krankheitspro¬
zesses traten sehr stürmische Erscheinungen ein, die in wenigen Tagen
9 *
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
132
G« Holler.
[41
zum Exitus führten. Im Urin war Diazo positiv, Eiweiss nur in Spuren
positiv; Urin klar, ohne Sediment.
Bei der Obduktion zeigte sich eine allgemeine Sepsis; beide Nieren
miteinander verwachsen (Hufeisenniere) und auf der linken Körper¬
seite liegend, die untere Niere vollständig vereitert, ihr Ureter verschlossen.
Aus dem Eiter wurden Paratyphus B-Bazillen gezüchtet.
FaU 34: Bi. J.
Ein Rekonvaleszent nach einer erst überstandenen sehr schweren
Meningitis cerebrospinalis epidemica. Wenige Tage nach der Ausheilung
der Meningitis beginnt der sehr herabgekommene Patient wieder frisch
zu fiebern und klagt über Kopfschmerzen. Der Liquor ist zytologisch
und bakteriologisch untersucht rein. Dagegen können aus Ham und
Stuhl Paratyphus B-Bazillen gezüchtet werden. Der Fall kommt bald
zum Exitus.
Die Obduktion zeigt eine allgemeine Sepsis und Lungenabszesse;
in letzteren wurden als Erreger Parat 3 q)hus B-Bazillen und Staphylo¬
kokken nachgewiesen.
Fall 35: P. K.
Der Patient wurde mir am 3. März abends aus Objekt 1 unserer
Station mit der Fehldiagnose Diphtherie und Pneumonie eingebracht.
Anamnestisch war von dem stark benommenen Patienten nur zu erheben,
dass er vor 2 Monaten an Durchfällen erkrankt war und sich seitdem
sehr elend fühlte. Nach der von mir unternommenen Untersuchung
stellte ich die Diagnose auf mächtige rechtsseitige Lungenabszesse.
Ausserdem klagte Patient über Schmerzen in der rechten Oberbauch¬
gegend, die ich mir als vom Lungenprozess fortgeleitet dachte. Für
Diphtherie bestand keinerlei Anhaltspunkt. Am 5. März erfolgte der
Exitus.
Die Obduktion ergab: eine eitrige Entzündimg der Gallenblase,
die rechte Lunge von mächtigen Abszessen durchsetzt, die Mesenterial¬
drüsen geschwollen Aus dem Eiter der Lungenabszesse wurden Staphylo¬
kokken und Streptokokken, aus den Mesenterialdrüsen Streptokokken
und Paratyphus B-Bazillen gezüchtet.
Fall 36: We. Hr.
Wurde auf der Durchreise in die Heimat, vom nördlichen Kriegs¬
schauplatz kommend, wegen Cholera verdacht am Bahnhof auswaggoniert
und auf meine Abteilung gebracht. Befund bei der Aufnahme am
1. April: schwerst benommen, hochfiebernd, Abdomen stark aufge¬
trieben, druckschmerzhaft; Entleerung choleraartiger Stühle in grossen
Massen; Urinverhaltung, Milztumor. Aus den klinischen Befunden
(auch Verhalten der Leukozyten) stelle ich die Diagnose auf Paratyphus B.
Der Patient, der angeblich erst auf der Herreise vor einem Tage er¬
krankt war, starb bereits 20 Stunden nach der Aufnahme bei uns. Die
Obduktion bestätigte meine Diagnose Paratyphus B. Ausserdem wurden
aus dem Blute Paratyphus B-Bazillen gezüchtet.
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
42]
Zar Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuohen.
133
Die Paratyphen sind bei uns wenig bekannte Erkrankungen und
werden deshalb oftmals übersehen. So ist es mir aufgefallen, dass
Kollegen bei paratyphösen Infektionen mit stark remittierendem Fieber¬
verlaufe als Ursache des Fiebers einen entweder ganz okkulten Spitzen¬
katarrh oder eine gleichzeitig vorhandene Bronchitis annehmen.
Was die Ätiologie der Paratyphus B-Infektion anlangt, so kommen
als Infektionsquellen in erster Linie verdorbene und schlecht zubereitete
Fleischspeisen in Betracht. Bei mangelhafter Aufbewahrung der Fleisch¬
vorräte speziell im Sommer dort, wo Kühlanlagen fehlen, geben einmal
infizierte Fleischstücke einen guten Nährboden zu massenhafter Ver¬
mehrung des Bazillus ab. Die wiederholt in der Literatur verzeichnete
Ansicht, dass der Paratyphus B-Bazillus nach Passage durch einen
Tierkörper an Pathogenität zunimmt, können wir nach Beobachtungen
bestätigen, die wir bei Ausbreitung der Epidemie in unserer Station zu-
machen Gelegenheit hatten.
Zunächst war mir am Beginne der Epidemie aufgefallen, dass unsere
Patienten häufig an leichten, selten länger als 1—3 Tage dauernden
Durchfällen erkrankten, die in mir bis dorthin gar nicht den Gedanken
an eine infektiöse Ätiologie hatten aufkommen lassen. Erst als spo¬
radisch schwere, bakteriologisch nachgewiesene, daher einwandfreie Fälle
paratyphöser Hausinfektionen mit entsprechenden klinischen Symptomen
auftraten, gingen wir nun auch den leichten Fällen nach und konnten
nur zu häufig in Stuhl imd Ham der Erkrankten, unter denen sich auch
Ärzte und Schwestern befanden, die Erreger nachweisen. Weiter drängte
ich im Vereine mit unserem Bakteriologen Dr. Schönhof bei den Be¬
hörden auf Untersuchung des Küchenpersonals. Leider wurde unserem
Verlangen erst nach geraumer Zeit stattgegeben, so dass Wochen und
Monate unbenützt verstrichen, während welcher die Seuche Gelegen¬
heit fand, sich weiter auszubreiten. So traten Fälle mit schweren Er¬
krankungen seit Mitte Dezember vorigen Jahres gehäufter auf. Das
Resultat der schliesslich doch vorgenommenen Untersuchimg des Küchen¬
personals war, dass unter 40 Untersuchten 11 Paratyphus B-Bazillen-
träger sich fanden, bei denen aus Harn und Stuhl bei wiederholten Unter¬
suchungen die Erreger gezüchtet werden konnten. Nach Entfernung
dieser Leute aus der Küche bekamen wir tatsächlich durch einige Wochen
wenigstens keine schweren Paratyphus-Hausinfektionen zu sehen. Seit
einiger Zeit treten solche jedoch wieder häufiger auf, und zwar konnte
ich dabei auf meiner Abteilung die Wahrnehmung machen, dass haupt¬
sächlich immer dieselben Baracken (Nr. 4, 9 und 21) beteiligt waren.
Ich Hess deshalb eine bakteriologische Untersuchung des Personales
meiner ganzen Abteilung vornehmen, durch welche als Bazillenträger
gerade in den 3 Baracken mit dem Austeilen der Speisen beschäftigte
Mädchen gefunden wurden.
Beachtenswert ist, dass sämtliche in unserer Station nachgewiesenen
Bazillenträger angeben, an sich selbst entweder gar keine oder nur ganz
unbedeutende gastrointestinale Störungen beobachtet zu haben, während
sie anderseits, wie mir nicht zweifelhaft scheint, die Infektionsquelle
für schwere Erkranktingen unter unseren Patienten, Ärzten und Pflege¬
personal abgaben. Noch eine von mir wiederholt gemachte Beobach¬
tung möchte ich hier anschliessen, dass bei zuvor gesxmden Bazillen-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
134
G. HoUer.
[43
trägem eine Erkältung nicht selten die Ursache zum Ausbruche der
Erkrankung abgibt. Dies gilt besonders für Gastroenteritis paratyphosa.
Es dürfte nicht schwer fallen, aus dieser Schilderung über das Ent¬
stehen einer Paratyphusepidemie die sanitär zu treffenden Massregeln
abzuleiten, die geeignet sind, eine Weiterverbreitung der Seuche hintan¬
zuhalten. Zunächst ist auf Reinlichkeit in den Schlachthäusern zu achten,
weiter müssen in grösseren Küchenbetrieben (speziell in Epidemie-
spitälem, wo stets eine gewisse Grefahr der Einschleppung von aussen
besteht) genügend einwandfreie Kühlräume für Fleisch Vorräte vorhanden
sein. ]^ume, die nicht allen Anforderungen in sanitärer Hinsicht ent¬
sprechen, sind absolut hierzu nicht zu verwenden. Das Personal ist
strenge anzuhalten, auf peinlichste Sauberkeit zu achten und vor allem
nicht mit beschmutzten Händen Esswaren zu berühren. Auf den
•Aborten sind zur Reinigung der Hände Waschvorrichtungeii, wenn
möglich mit fliessendem Wasser, anzubringen. Nachgewiesene Bazillen¬
träger sind, solange sie die Erreger ausscheiden, aus Lebensmittelbetrieben
am besten ganz zu entfernen. Um solche Bazillenträger frühzeitig genug
ausmerzen zu können, ist sehr zu empfehlen, systematisch Harn- und
Stuhluntersuchungen beim Küchenpersonale vornehmen zu lassen.
Die Bazillen gehen bei gründlichem Kochen der Speisen sicher zu¬
grunde ; nun besteht aber gerade in grossen Betrieben, wo grosse Fleisch-
stücke auf einmal zugesetzt werden, die Gefahr, dass letztere nicht
gründlich durchkochen und sich so die Bazillen in Partien aus dem Innern
lebend erhalten. Auch darauf ist hinzuweisen.
Es werden sich von Fall zu Fall selbstverständlich auch verschiedene
andere, hier nicht angeführte Übelstände ergeben, die geeignet sind,
der Weiterverbreitung der Paratyphusinfektion Vorschub zu leisten.
Sie werden, wenn wir der Sache mit genügendem Ernst nachgehen,
eventuell zu finden sein; immerhin aber müssen wir bedenken, dass wir
es bei den Paratyphen mit weitverbreiteten Erregern zu tun haben,
gegen die aus diesem Grunde ein Kampf bis zu einem gewissen Grade
als aussichtslos erscheinen mag. Wichtig ist, dass wir die Vermehrung
der Paratyphusbazillen in Nahrungsmitteln nach Möglichkeit hintan¬
halten. Hierzu ist nichts weiter als peinlichste Reinlichkeit er¬
forderlich.
Einer einmal voll ausgebrochenen Paratyphusepidemie können wir
nur schwer und wenn, so nur mit Aufwendung grösster Energie Herr
werden; leichter ist es, durch frühzeitige sanitäre Vorkehrungen ihre
Entstehung zu verhüten.
Dysenterie.
Die klinischen Erscheinungen sind wohl zur Genüge bekannt; die
bakteriologische Untersuchung des Stuhles entscheidet durch den Nach¬
weis der Erreger (am leichtesten am Beginn der Erkrankung) die Diagnose.
Es traten in unserer Station bisher nur Kruse-Shiga- und Flexner-
Dysenterien auf.
Auch das Verhalten der Leukozyten bei Dysenterie will ich kurz
streifen. Ich beobachtete in mittelschweren und leichten Fällen am
Höhestadium der Erkrankung gewöhnlich eine polynukleäre Leukozytose
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44]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
135
von 10—25 000 Zellen mit oft starker Eosinophilie und wenn das Krank¬
heitsbild länger bestand, reichlich Lymphozyten. Die Splenozyten sind
bei Dysenterie stets stark vermehrt. Bei schweren Fällen bestehen
Leukozytosen von 25—40 000 Zellen und nimmt die Zahl der Eosino¬
philen vom Beginn der Erkrankung an rasch ab; ein länger dauerndes
Fehlen der Eosinophilen trotz therapeutischen Eingreifens deutet auf
schlechte Prognose. Bessert sich ein derartig schwerer Krankheits¬
prozess so bleiben trotzdem die Eosinophilen noch lange Zeit spärlich,
die Zahl der neutrophilen Polynukleären nimmt ab, während die Lympho¬
zytenzahl mit fortschreitender Besserimg immer mehr ansteigt. So
kommt es im Rekonvaleszenzstadium nach Dysenterie zu ganz bedeuten¬
den relativen und absoluten Lymphozytosen. Die Eosinophilen sind
in der Spätrekonvaleszenz gleichfalls reichlich vorhanden.
Damit soll nicht das letzte Wort über das Verhalten der Leuko¬
zyten bei Dysenterie gesprochen sein; es erscheint mir nach meinen
bisherigen Erfahrungen nicht unmöglich, graduelle Unterschiede bei
den verschiedenen Dysenteriearten herauszufinden. Derzeit fehlt mir
dazu das Material.
Der Unterschied der Leukozytenreaktion bei Dysenterie und Para-
typhus B dysenterischer Form scheint hauptsächlich dadurch bedingt
zu sein, dass erstere vornehmlich eine lokale Erkrankung ist, während
bei letzterer stets Erscheimmgen bestehen, die auf eine allgemeine In¬
fektion hinweisen. Dafür spricht z. B. bei Paratyphus B der Milztumor,
der bei Dysenterie klinisch selten nachweisbar ist. Im Blutbilde zeigt
den lokalen Prozess bei Dysenterie vor allem das vermehrte Auftreten
der Eosinophilen an, das bei Paratyphus jedenfalls wegen der gleich¬
zeitigen Allgemeinerkrankimg fehlt. Es würde mich nicht wundern,
wenn ich auch einmal bei Paratyphus ohne Allgemeinerscheinungen
auf Eosinophilie stossen würde. Jedenfalls müsste es sich dann um
eine sehr leichte Gastroenteritis parat 3 ^ho 8 a handeln.
Bei Gastroenteritis paratyphosa ist der lokale Darmprozess im Blut¬
bilde, wie schon oben erwähnt, dxu*ch eine oftmals hochgradige poly¬
nukleäre Leukozytose ausgedrückt. Da auch bei der t 3 rphösen Form
der Erkrankung eine Beteiligung des Dickdarmes im Gegensatz zum
Typhus abdominalis, wo dieses selten vorkommt (Kolotyphus), vorhanden
ist, so stossen wir hier auf Leukozytosen. Die Leukopenie würde einer
rein typhösen Form der Erkrankung entsprechen, wie sie mir theore¬
tisch wohl möglich erscheint, die ich aber praktisch trotz meines reichen
Materials nicht zu sehen Grelegenheit hatte.
Dass auch die Dysenterie als Allgemeininfektion verlaufen kann,
beweist der Umstand, dass es verschiedenen Forschern schon gelungen
ist, Dysenterieerreger aus dem Blut der Erkrankten zu züchten. Zwei
Symptome im Blutbilde scheinen mir bei schweren Erkrankungen vor¬
nehmlich dafür zu sprechen: 1. Das Fehlen der Eosinophilen oder ver¬
mindertes Auftreten derselben. 2. Das hin und wieder zu beobachtende
vermehrte Auftreten von Plasmazellen, wie bei Typhus zur Zeit der
Ausheilung.
Differentialdiagnostisch haben wir vor allem an Paratyphus B,
weniger an Cholera zu denken. Ausserdem können tuberkulöse und
karzinomatöse Prozesse des Darmes eine Dysenterie Vortäuschen. Eine
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
136
G. HoUer.
[45
bestehende Eosinophilie im Blute bei Durchfällen spricht sehr für Dysen¬
terie. Im übrigen kann xins bei zweifelhafter Diagnose nur der Nachweis
der Erreger vor Irrtum sicher schützen. Ich möchte auch anführen,
dass bei bestehenden tuberkulösen Prozessen im Körper der Ausbruch
einer Dysenterie die tuberkulöse Infektion des Darmes zu begünstigen
scheint.
Bei Behandlung der Dysenterie muss vor allem auf eine möglichste
Schonung des erkrankten Darmes geachtet werden. Die Verabfolgung
von Schleim- und Mehlsuppen erfüllt nach den bisherigen Erfahrungen
am besten diese Forderimg. Von Behandlung der Ruhr mit Rizinus,
Kalomel und Ipecacuanha und ebenso auch mit Bolus alba sah ich keine
so guten Resultate, als solche mit Blutkohke zu erzielen sind.
Nach meinen Erfahrungen möchte ich bei Dysenterie wie bei allen
Darminfektionen vor allem der Hilfe der Blutkohle absolut nicht ent¬
behren. Vornehmlich die Arbeitender Schule Wiechovski haben uns
in diesem Mittel ein vorzügliches Therapeutikum geschaffen. Leichte
Fälle von Dysenterie, besonders im Beginn der Erkrankung, heilen
auf Blutkohlentherapie und Schleimsuppendiät ohne weiteres aus. Ich
verabfolge die Blutkohle bei Dysenterie in Dosen von 40—80 Gramm
täglich. Bei hartnäckigen Fällen nehme ich Zuflucht zum Serum oder
zur Deuteroalbumose. Das Serum injiziere ich in Dosen von 20 bis
100 ccm je nach der Intensität der Krankheitserscheinungen subkutan,
wiederhole die Injektionen auch 2—3 mal in eintägigen Intervallen. Die
Deuteroalbumose verabfolge ich bei Ruhr nxir einmal täglich imd steigere
die Dosen so lange um ccm, bis der Stuhl vollständig normal ist.
Eventuell bleibe ich durch einige Tage bei einer wirksamen Dosis stehen.
Ich habe in dieser Weise bereits bis 16 ccm von einer 10%igen Lösung
als Einzeldosis erreicht. Enteroklysen mit 0,3—0,5%iger Tannin¬
lösung leisten gleichzeitig gute Dienste.
Fall 37: Pa. G.
Eine mittelschwere Flexnerdysenterie. Patient, der zuvor bis 16
schleimig-blutige Stühle täglich hatte, hat auf 5 Albumoseinjektionen
und Verabreichung von Blutkohle normalen, geformten Stiihl. Die
Blutkohle allein hatte zuvor nicht gewirkt.
Kurve 19.
Fester Stuhl |; flüssiger Stuhl —; breiiger Stuhl /.
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46] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 137
am
9. 9.
am
12. 9.
am
13.
9.
am
14.
9.
7 h. 25 p. m.
1 h. 40 p. m.
11 h.
16 1
i. m.
11 h. :
20 1
i, m.
Leukozyten:
14.
480
12,300
9,
480
6,
860
davon sind:
Polynukl. (N):
49,4%
(7,130)
36,67o
(4,330)
40.3%
, (3,
,830)
28,9%
, (1:
,930)
(E):
2.3 „
( 330)
3,2 „
( 400)
2.4,.
(
230)
1.4 „
(
100)
Mastzellen:
0,4 „
( 70)
0.2,.
( 30)
0,6 „
(
50)
0,7 „
(
50)
Splenozyten:
9,4.,
(1,370)
10,2 „
(1,270)
10,0,.
(
930)
11,1
(
770)
Plasmazellen:
0,0 „
( - )
0,4 „
( 60)
0.1..
(
10)
0,2 „
(
30)
Lymphozyten:
38,5,,
(6,580)
60,6 „
(6,220)
46,7 „
(4,
,430)
67.7,.
(3,
,970)
am
15. 9.
am
16. 9.
am
17. 9.
am
18. 9.
6 h.
p. m.
5 h. 40 p. m.
6 h. 10 p. m.
7 h. 30 p. m.
Leukoz3rten:
10,450
12,500
8,700
12,520
davon sind:
PolynukL (N):
29,87.
(3,050)
37,37.
(4,640)
33,67.
(2,910)
43,47.
(6,300)
(E):
3,1 „
( 330)
3,4 „
( 430)
6,6 „
( 600)
5,3 „
( 670)
Mastzellen:
0,6 „
( 70)
0.9 „
( 120)
0,6 „
( 60)
1,0 „
( 130)
Splenozyten:
9,2 „
( 970)
9.6 „
(1,200)
6,4,.
( 670)
3,9 „
( 600)
Plasmazellen:
3,1 „
( 330)
8,6 „
(1,080)
3,7 „
( 330)
0,0 „
( - )
Lymphozyten:
64,2 „
(5,700)
40,2.,
(5,010)
60,2 „
(4,420)
46,4 „
(5,820)
am :
20. 9.
am 22. 9.
am 3. 10.
11 h.
6 a. m.
10 h.
a. m.
11 h.
a. m.
Leukoz 3 rten:
11,620
11,620
12,630
davon sind:
Polynukl. (N):
42,87.
(4,960)
48,77.
(5,630)
37,67.
(6,780)
»»
(E):
3,7 „
( 430)
2,2 „
( 270)
7,4 „
( 810)
Mastzellen:
0,2,.
( 30)
0.4 „
( 60)
1,2..
( 130)
Splenozyten:
3,4,,
( 400)
4.7 „
( 650)
4,7,.
( 610)
Plasmazellen:
0,0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,0,,
( - )
Lymphozyten:
49,9 „
(6,800)
44,0 „
(6,120)
49.2 „
(6,400)
Die Blutbefunde entsprechen dem Verlaufe einer Dysenterie. Auf¬
fallend war mir hier das vorübergehend vermehrte Auftreten von Plasma¬
zellen, ein Symptom, das ich bei Dysenterie bisher selten tmd nicht so
ausgesprochen zu sehen gewohnt war. Es scheint sich mehr auf All¬
gemeinerkrankungen zu beschränken.
Fall 38: B. lg.
Zeigt einen schweren Fall von Kruse-Dysenterie, der mit Albumose-
injektionen und Blutkohleverabreichung, wie die Temperaturkurve zeigt,
behandelt wurde und ausheilte.
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
138
G. Holler.
[47
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
48] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 139
am
8.
10.
am
9.
10.
am 11. 10.
am 22.
10.
6 h.
15
p. m.
7 h.
40
p. m.
6 h. 15 p. m.
1 h.
P-
m.
Leukozyten;
31,300
20,600
12.
300
7.;
160
davon sind:
Polynukl. (N):
79.6%
(24,910)
74,1%
(15,220)
69,4®/o
(8,530)
26.9«/o
(1,
,990)
» (E):
0,1..
(
30)
0,1 „
(
30)
0.1,.
( 10)
0,9.,
(
60)
Mast zellen:
0,0 „
(
— )
0,0 „
(
- )
0.1..
( 10)
0,9 „
(
60)
Splenozyten:
4,9.,
(
1,530)
5.1..
(
1,060)
8.2..
(1.020)
13,3 „
(
980)
Plasmazellen:
0,1.,
(
30)
0,1..
(
30)
0.0..
( - )
0,9 „
(
60)
Lymphozyten;
15,3 „
(
4,800)
20,6..
(
4,250)
22,2..
(2,730)
57,1.,
(4,
,200)
Fall 39: Eh. J.
Eine leichte Flexner-Dysenterie, die am 12. Nov. in meine Be¬
handlung kam und mit Albumoseinjektionen, Blutkohle und Tannin¬
einläufen rasch ausheilte.
am 16. 9. 15. am 17. 9. am 18. 9. am 19. 9.
6 h. 30 p. m. 5 h. p. m. 6 h. 50 p. m. 2 h. 15 p. m.
8,020 7,550 8,130 17,730
60,0% (4,810) 68,4% (5,150) 62,0% (5,030) 33,2% (5,920)
3,7 „ ( 300) 4,4 „ ( 330) 6,9 „ ( 570) 3,7 „ ( 660)
0,2 „ ( 20) 0,4 „ ( 30) 0,6 „ ( 50) 0,7 „ ( 130)
14,7 „ (1,180) 10,8 „ ( 820) 9,0 „ ( 730) 15,3 „ (2,660)
21,0 „ (1,680) 15,2 „ (1,150) 21,1 „ (1,720) 47,1 „ (8,360)
0,4 „ ( 30) 0,8 „ ( 70) 0,4 „ ( 30) 0,0 „ ( —)
am 20. 9. am 22. 9. am 23. 9. am 25. 9.
10 h. 15 a. m. 12 h. 25 p. m. 11 h. a. m. 6 h. 40 p. m.
11,930 10,870 8,880 11,630
67,2% (7,980) 70,8% (7,670) 64,6% (5,720) 68,5% (8,000)
2.5,, ( 300) 3,6 „ ( 400) 7,5,, ( 670) 5,8 „ ( 630)
0.4., ( 50) 0,6 „ ( 70) 0,5,, ( 50) 0,7 „ ( 80)
11,4,, (1,370) 7,3 „ ( 800) 3,3 „ ( 300) 6,0 „ ( 700)
18,4 „ (2,220) 17,0 „ (1.850) 24,0 „ (2,130) 19,0 „ (2,220)
0,1,, ( 10) 0,7,, ( 80) 0,1 „ ( 10) 0,0,, ( — )
am
30. 9.
am 26. 10.
12 1
1 . m.
9 h. 35 a. m.
Leukozyten:
12,
,830
10,
130
davon sind:
Polynukl. (N):
55,7®/,
(7,120)
39,1®/,
(3,950)
» (E):
5,4 „
( 700)
4,6 „
( 470)
(B):
0,9 „
( 120)
0,3 „
( 30)
Splenozyten ;
4,8 „
( 620)
16,6 „
(1,680)
Lymphozyten;
33,2 „
(4,270)
39,4,,
(4,000)
Plasmazellen :
0,0 „
( - )
0.0 „
( - )
Fall 40: N. An.
Wieder ein Fall mit Flexner-Bazillen im Stuhle. Eingebracht wurde
der Patient am 10. Sept. 1915 mit sehr heftigen blutigschleimigen Durch¬
fällen und Tenesmus. Unter der Wirkung meiner Therapie (Albumose,
Blutkohle und Tannineinläufe) ist am 15. Sept. der Stuhl bereits geformt.
Leukozyten;
davon sind:
Polynukl. (N);
» (E):
** (E)»
Splenozyten;
Lympho^ten:
Plasmazellen:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
o , -
Splenozyten:
Lympho^rten:
Plasmazellen:
Digitized by
Got'gle
Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
140
G. HoUer.
[49
Digitized by
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
» (B):
Splenozyten:
L^phozyten:
PlasmazeUen:
Leukozyten:
davon sind:
PolynuU. (N):
» (E):
c » (B)=
Splenozyten:
L^phozyten:
Plasmazellen:
am 12. 0. 16.
1 h. 20 p. m.
14,020
66.4Vo (7,870)
3,0 „ ( 430)
0,3 „ ( 60)
11.1 „ (1,670)
29.2 „ (4,100)
0 , 0 „ ( - )
am 20. 9.
9 b. 60 a. m.
9,170
67,4Vo (6,260)
3,6 „ ( 330)
0,3 „ ( 30)
10,0 „ ( 920)
28,7 „ (2,630)
0 , 0 „ ( — )
am 13. 9.
11 h. 26 a. m.
7,930
60,1% (4,740)
2.1 „ ( 170)
0,6 „ ( 60)
8.1 „ ( 650)
28,9 „ (2,300)
0,2 „ ( 20 )
am 26. 9.
5 h. 60 p. m.
8,780
47,4% (4,140)
1,8 „ ( 170)
0,1 „ ( 10 )
7,4 „ ( 660)
43,0 „ (3,780)
0,3 „ ( 30)
am 16. 9.
6 h. 10 p. m.
8,880
60,6% (4,480)
3.0,, ( 270)
0.9 „ ( 80)
12,0., (1.070)
32,6 „ (2,900)
0,9 „ ( 80)
am 30. 9.
11 h. 30 a. m.
7,700
67,0% (4,390)
1,7 „ ( 130)
0,2 „ ( 20 )
6,9 „ ( 630)
34,2 „ (2,630)
0 . 0 „ ( — )
am 17. 9.
1 h. 20 p. m.
11,120
42,2% (4,670)
3.0,, ( 330)
0,4,. ( 60)
10,6 „ (1,180)
41.9., (4,670)
1,9., ( 220)
am 26. 10.
10 b. 46 a. m.
10,130
38,2% (3,860)
2,3 „ ( 230)
0.1 „ ( 10 )
19,2 „ (1,960)
40.1., (4,070)
0,1 „ ( 10 )
Fall 41: Ci. G.
Eine Flexner-Dysenterie, die am 15. Sept. mit schleimig-blutigen
Stühlen und heftigem Tenesmus auf meiner Station aufgenommen wurde.
Die Therapie war dieselbe wie bei dem vorhergehenden Falle; bereits
am 17. Sept. ist der Stuhl geformt, doch noch etwas Schleim imd Blut
dabei. Am 19. Sept. vollständig normal.
am 15. 9. 15.
am 16. 9.
am
17. 9.
am
18.
9.
6 h. 20 p. m.
6 b. 26 p. m.
1 h. 40 p. m.
1 h.
P-
m.
Leukozyten:
20
,270
10,360
13
.330
9,
760
davon sind:
Polynukl. (N):
63,3®/.
(12,810)
69.3®/, (7,160)
38.8®/,
(5,160)
41,0®/,
(3
,990)
» (E):
3,6 „
( 730)
2,6 „ ( 270)
2.2 „
( 300)
1,7 „
(
170)
M (B):
0,8 „
( 170)
0.1 „ ( 10)
0,2,.
( 30)
0,3,,
(
30)
Splenozyten:
6,8 „
(1,180)
8.2 „ ( 860)
7,8 „
(1,050)
9,2 „
(
900)
Lvmphozyten:
26,5 „
(6,380)
19,0,, (1,970)
51.0 „
(6,800)
47,7 „
(4.
660)
Plasmazellen:
0.0 „
( - )
0,9 „ ( 100)
0,0 „
( - )
0,1 „
(
10)
am
19. 9.
am 20. 9.
am
22. 9.
am
23.
9.
2 h.
p. m.
9 h. 40 a. m.
12 b.
5 p. m.
10 h. 46 <
%. m.
Leukozyten:
Polynukl. (N):
8
37,9®/,
460
(3,090)
8,630
38,2®/, (3,260)
10
49,6®/,
,130
(6,010)
7,
66,7®/,
920
(4
.460)
M (E):
3,6..
( 300)
1,1 „ ( 100)
2.3.,
( 230)
2,1,.
(
170)
0,5 „
( 50)
0,3., ( 30)
0.1.,
( 10)
0.2.,
(
20)
Splenozjrten:
12,0 „
(1,020)
14,4,, (1,260)
6,9 „
( 700)
10,1,.
(
800)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
46,4 „
0,7 „
(3,920)
( 70)
46,3 „ (3,920)
0,7 „ ( 70)
41,2.,
0,0 „
(4,180)
( - )
30,9 „
0,0,.
(2
(
.470)
- )
am 26. 9.
am 12. 10.
10 h. a. m.
1 h. 20 p. m.
Leukozyten:
11,400
11
,720
davon sind:
Polynukl. (N):
66,8®/, (6,160)
64,6®/,
(7,220)
99
(E):
2,6., ( 300)
2.2.,
( 270)
99
(B):
0,1 „ ( 10)
3,2 „
( 380)
Splenozyten:
10,6,, (1,220)
33.4 „
( 400)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
30,8 „ (3,700)
0,1 „ ( 10)
26,6,,
0.0 „
(3,460)
( - )
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
60] Zur DiagnoBe tind Therapie einiger wichtigen Kriegaseuchen. 141
FaU 42; Ho. Is.
Eine sehr schwere Knise-Shiga-Dysenterie. Der Patient wurde am
16. Juli in sehr schlechtem Zustande eingebracht. Blutkohle, Tannin¬
einläufe und Schleimsuppendiät hatten nur geringe Wirkung. Als ich
am 6. Aug. dem Patienten zum erstenmal 1 ccm einer lO^/Qigen Deutero-
albumoselösung (Alt) intravenös injizierte, war schon am nächsten Tage
die Zahl der Stühle (von 20—30 zuvor) auf 6 gesunken. Ich verabfolgte
nun mit 2 tägigen Intervallen noch 3 mal in gesteigerter Dosis Deutero-
albumose fort. Am 13. Aug. hatte der Patient zum erstenmal vollkommen
geformten Stuhl ohne Blut- und Schleimbeimengung. Von da ab kräf¬
tigte sich Patient, der durch die vorausgegangene lange Durchfallsperiode
stark herabgekommen war, sehr rasch und konnte 6 Wochen später
auf seinen eigenen Wunsch bazillenfrei zum Kader einrücken.
am 5. 8. 15. am 9. 9.
12 h. 30 p. m, 10 h. a. m.
Leukozyten: 20,900 14,700
davcm sind:
Polynukl. (N): 73,1% (15,260) 45,8% (6,700)
„ (E): 0,1 „ ( 10) 1.3,, ( 200)
(B): 0,0 „ ( -) 0,3 „ ( 60)
Splenozyten: 3,9 „ ( 830) 4,7 „ ( 700)
Lymphozyten: 22,9 „ ( 4,800) 47,8 „ (7,030)
Plaamazellen: 0,0 „ ( — ) 0,1 „ ( 20)
Fall 43: Ka. Fr.
Ein Patient, der mit schleimig-blutigen Stühlen und heftigstem
Tenesmus stark abgemagert eingebracht wurde. Therapie: Schleim-
suppendiat, Blutkohle, Serum und Tannineinläufe. Patient, der am
19. Juni in meine Behandlung kam, hatte am 27. Juli normale Stühle.
Aus dem Stuhle waren Kruse-Bazillen gezüchtet worden.
am 23. 8. 15.
10 h. a. m.
(in der Rekon¬
valeszenz)
Leukozyten:
16,
600
davon sind:
Polynukl. (N):
72,6%
(11
,700)
» (E):
1,0 „
(
170)
» (B):
0,6 „
(
80)
Splenozyten:
4,6 „
(
770)
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
21.3 „
0,0 „
( 3.
(
,880)
- )
FaU 44: F. An.
Eine sehr schwere Kruse-Dysenterie. Ich begann bei dem Patienten
am 12. Okt. mit Deuteroalbumoseinjektionen und setzte dieselben in
steigender Dosis, wie früher beschrieben, täglich fort. Nach 8 Tagen
ist bei gleichzeitiger Blutkohleverabreichung, Schleimsuppendiät und
Tannine^äufen der Stuhl zum ersten Male geformt. Leider macht
der unfolgsame Patient einen Diätfehler und bekommt einen leichten
RückfaU. Die neuerdings sehr energisch gehandhabte Therapie heilte
auch diesen nach weiteren 4 Tagen aus.
Digitized by
Got'gle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
142
G. HoUer.
[51
am 15. 10. 15. am 22. 10.
6 b. 35 p. m. 12 h. 50 p. m.
Leukozyten: 28,130 19,600
davon sind:
Polynukl. (N): 77,87o (21,850) 80,1% (15,670)
„ (E): 0,1 „ ( 30) 0,5 „ ( 100)
„ (B): 0,0 „ ( — ) 0,0„ ( — )
Splenozyten: 13,7 „ ( 3,860) 9,1 „ ( 1,800)
Lymphozyten: 8,2 „ ( 2,330) 10,2 „ ( 2,000)
Plasmazeilen: 0,2 „ ( 60) 0,1 „ ( 30)
Die gute Wirkung der Albumosentherapie bei Dysenterie kann ich
nach meinen Erfahrungen, die ich mir durch Behandlung von etwas
über 50 Fällen mit dem Mittel erworben habe, nicht bezweifeln. Trotz¬
dem macht es mir den Eindruck, dass die Hilfe der Albumose bei der¬
artig mehr lokalen Krankheitsprozessen etwas weniger hoch einzu¬
schätzen ist als bei Allgemeinerkrankungen. Auch möchte ich bei
Kruse-Shiga-Dysenterie es weiteren, am Krankenbette zu gewinnenden
Erfahrungen zur Entscheidung überlassen, ob Albumose oder Serum
besseren Erfolg versprechen. Sicher ist, dass wir bei leichten Fällen
und im Beginn der Erkrankung beide entbehren können. Schleim¬
suppendiät, Tanninklysmen und Blutkohle genügen da vollständig.
Nur zu oft musste ich beobachten, dass Kollegen Dysenterie mit Serum
behandelten, ohne die Diät entsprechend zu regeln. Ein Erfolg blieb
selbstverständlich aus. Unter meinen 50 mit Deuteroalbumose behan¬
delten Dysenterien hatte ich 2 Todesfälle. Beide waren in sehr schlechtem
Zustande in die Station eingebracht worden. Der eine starb schon
nach 5 Tagen, während der andere wiederholt feste Stühle hatte, aber
durch fortgesetzte Diätfehler, wie Essen von Brot, das er sich in der
raffiniertesten Weise zu verschaffen wusste, den Erfolg der Therapie
störte. Nach dem 5. in dieser mutwilligen Weise herbeigeführten Rück¬
falle wurde Patient, der von uns mit aller nur möglichen Sorgfalt und
Energie behandelt worden war, ein Opfer seiner eigenen Unfolgsamkeit.
Cliolera asiatica.
Diese Kriegsseuche will ich kurz abtun, da mir selbst bei der ge¬
ringen Zahl der beobachteten Fälle grössere Erfahrung fehlt.
Zur Diagnose ist speziell bei vereinzelt auftretenden Fällen, die
unter den bekannten Choleraerscheinungen erkrankten, der Nachweis
der Erreger unbedingt notwendig. Verwechslungen geschahen in unserer
Station in erster Linie mit Paratyphus B.
Das Blutbild bei voll ausgebrochener Cholera ist eine höchstgradige
polynukleäre Leukozytose. Bei schweren Fällen verschwinden die
Eosinophilen. Mit Besserung der Krankheitserscheinungen klingt das
Blutbild ziemlich rasch in hochgradige relative und absolute Lympho¬
zytose und Eosinophilien aus.
Zxu* Therapie verwendete ich bei meinen Fällen Blutkohle in grossen
Dosen, wie bei Dysenterie bis 80 Gramm täglich und die Gärtnerschen
hypertonischen Kochsalzinfusionen. Letztere verabfolge ich mit Vor¬
liebe intravenös.
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Got'gle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
52] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 143
Nach Besprechung der Darmerkrankungen komme ich in meinen
Ausführungen zur Gruppe der akuten Exantheme. Von den Vertretern
dieser Gruppe wurde seit Kriegsbeginn besonders dem Fleckfieber grosse
Beachtung geschenkt; ausserdem kann ich meine an einem ziemlich
reichen Material gewonnenen Beobachtungen über Scharlach anschliessen.
Ihnen folgen meine Untersuchungsergebnisse bei Variola vera.
Fleckfleber (Typhus exanthematicus).
Die Erkennung der voll ausgebrochenen Erkrankung ist nicht schwer.
Dagegen gibt es Fälle, bei denen auch der sehr Erfahrene oftmals auch
bei gründlicher Beobachtung erst nach Ablauf des Krankheitsprozesses
aus dem ganzen Symptomenensemble eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose
machen kann. Der Umstand, dass es bisher nicht gelungen ist, den
Erreger des Fleckfiebers zu finden und zu züchten, erschwert speziell
in so unklaren Einzelfällen die Diagnose. Das wichtigste Erkennungs¬
zeichen des Fleckfiebers ist ohne Zweifel das Exanthem. Wo ein solches
auftritt, verdient es in erster Linie unsere Aufmerksamkeit. Wer auf
der Haut eines Fleckfieberkranken zu lesen gelernt hat, dem dürfte
nach meinen Erfahrungen eine Verwechslimg mit einem noch so reich¬
lichen Typhusexanthem nicht passieren.
Das Fleckfieberexanthem tritt gewöhnlich früher auf als die Typhus¬
roseola. Schon am 2. bis 3. Fiebertage, selten nach dem 3. Tage der
Erkrankung, sehen wir den Körper des Befallenen mit einem Schlage
allenth-alben mit kleinen, erst blassroten, gleich vom Begirm an verschie¬
dene Grösse zeigenden Fleckchen bedeckt. Lokalisiert sich das Typhus¬
exanthem, wie oben beschrieben, mit Vorliebe am Stamm imd lässt
die Extremitäten meist (nicht immer) frei, so gehört dieses Befallensein
der Extremitäten beim Meckfieber zur Regel. Roseolen an Hand- und
Fusstellem, sowie eine auffallend reichliche Ausbreitung am Halse,
während das Gesicht gewöhnlich frei bleibt, werden als besonders typisch
beschrieben. Die einzelnen Effloreszenzen sind schon unmittelbar nach
ihrem Erscheinen nicht allein durch die Art ihres Auftretens (hier plötz¬
lich mit einem Schlag, bei Bauchtyphus schubweise), sondern auch durch
ihr Aussehen von Typhusroseolen zu unterscheiden. Es kennzeichnet
sie, wie schon erwähnt, gleich von Beginn aus die verschiedene Grösse
und eine unscharfe verschwommene Begrenzung. Bei längerem Be¬
stehen des Exanthems werden diese eben beschriebenen Erkennungs¬
merkmale noch deutlicher und treten ausserdem neue Hautveränderungen
hinzu, die das Meckfieberexanthem weiter charakterisieren. Ist ein
Meckfieberexanthem einmal da, so bleiben die zu Beginn aufgetretenen
Effloreszenzen bis zum Abklingen des Infektionsprozesses bestehen;
Nachschübe neuer Effloreszenzen gehören zu den Ausnahmen. Die
einzelnen Roseolen nehmen bei längerem Bestehen ein wenig an Grösse
zu, werden deutlicher und ihr initiales Blassrot weicht immer mehr
einem graubläulichen, lividen, wie zyanotischen Farbenton. Das Deut¬
licherwerden der in tieferen Hautschichten liegenden, anfangs schwer
sichtbaren Exanthemflecken macht dem ungeübten Beobachter leicht
den Eindruck von Nachschüben. Diese von Murchison zum erstenmal
beschriebenen, aus den tieferen Hautschichten durchscheinenden, steck-
Digitized by
Goi.igle
Original frem
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
144
G. HoUer.
[63
nadel- bis hellergrossen Flecken sind besonders charakterisierend. Die
Murchisonschen Flecken verleihen der Haut speziell bei Betrachtung
aus einiger Entfernung ein marmoriertes Aussehen. Der Geübte vermag
auch die noch blassroten Fleckchen in tieferen Hautschichten zu er¬
kennen. Während die initialblassroten Roseolen auf Fingerdruck ver¬
schwinden, sind diese, einmal blau geworden, nicht mehr vollständig
wegdrückbar. Wir sehen ausserdem speziell im Zentrum derartig blau¬
gewordener Flecken vielfach dunklergefärbte Partien sich bilden, die
deutlich beginnende Hauthämorrhagien erkennen lassen. Bei schwer
verlaufenden Fällen greift diese petechiale Umwandlung des Exanthems
rasch um sich. Bei solchen meist in wenigen Tagen zum Tode führenden
Prozessen (Exanthematicus siderans) sehen wir die Haut von einem überaus
reichlichen Exanthem und flächenhaft ausgebreiteten Blutungen be¬
deckt, so dass freie Stellen kaum mehr zu unterscheiden sind. Die
Petechien bevorzugen die Druckstellen des Körpers. (Ausser diesen
Blutaustritten in die Haut beobachteten wir bei Obduktionen noch
Muskelblutungen, mit Vorliebe in die M. recti abdominis, sowie Hämor-
rhagien in Magen und Darm.) Das Exanthem überdauert stets das
Fieberstadium, blasst jedoch gegen das Ende desselben zu immer mehr
ab; nach dem Verschwinden des Exanthems bleibt bei Fällen mit voraus¬
gegangener petechialer Umwandlung eine verschwommene, schmutzig¬
braune Marmorierung der Haut (bedingt durch Ablagerung von Blut¬
pigment) noch dmch einige Tage bestehen.
Zwei bis drei Tage nach der Entfieberung, manchmal auch später,
selten noch während des Fieberstadiums, finden die bei Fleckfieber zu be¬
obachtenden Hautveränderungen ihren Abschluss in einem feinen,
kleienförmigen Schuppen der Haut des ganzen Körpers. Es schuppen
dabei auch Hautstellen, die zuvor von Exanthem frei waren, so nicht
selten das Gesicht. Die Schuppung kann sehr intensiv werden imd
wochenlang anhalten.
Diese Abschilferung der obersten Epidermislage der Haut kenn¬
zeichnet sich auch durch das sogenannte Badiergummiphänomen einer
künstlich hervorgerufenen Schuppung. Ich messe diesem Symptom
keinen besonderen diagnostischen Wert bei. Es ist am deutlichsten
kurz nach der Entfieberung zu einer Zeit hervorzurufen, wo eine selb¬
ständige Schuppung der Haut noch nicht begonnen hat.
Grosse Bedeutung gebührt dem mikroskopischen Nachweis von
Veränderungen an den Hautgefässen, wie sie von Fränkel beschrieben
wurden. Sie scheinen mir ein Teilsymptom einer klinisch nachweis¬
baren allgemeinen Gefässschädigung zu sein, die in den Hautgefässen
im Bereiche der Roseolen (und überhaupt im Kapillargebiet) besonders
weit vorgeschritten ist. An Fleckfieberleichen finden wir auch grosse
Gefässe, besonders aber das Herz höchstgradig degeneriert und bei
einigen meiner geheilten Fälle sah ich Aortenvitien resultieren. Die
Fränkelschen Hautgefässveränderungen sind in gut eingerichteten In¬
stituten des Hinterlandes diagnostisch jedenfalls gut zu verwerten,
immerhin sind sie kein ganz absolut sicheres Merkmal imd spricht speziell
ein negatives Untersuchungsergebnis nicht gegen die Diagnose Fleck¬
fieber. Ausserdem müssen wir in vorgeschobenen Stationen, denen
Digitized by
Go - gle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
54] Zur Diagnose and Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 145
eine entsprechende Einrichtung fehlt, den Nachweis der Franke Ischen
Hautgefässveränderungen für die Pleckfieberdiagnose entbehren. Der
Eingriff ist für den Patienten weiter unangenehm und wird häufig ver¬
weigert. Wo dennoch Gelegenheit zur Hautresektion besteht, dort
vermeide man Kälteanästhesie und lege sofort in Müller-Formol ein.
Weiter habe ich besondere Aufmerksamkeit den Leukozytenein¬
schlüssen nach Provazek zugewandt. Diese sind bei Fleckfieber meist
aussergewöhnlich reichlich vorhanden, verlieren aber ihre diagnostische
Bedeutung dadurch, dass entsprechende, färberisch nicht unterscheidbare
Veränderungen an den Leukozyten auch bei anderen Infektionsprozessen
nachzuweisen sind.
Gut verwertbar zur Fleckfieberdiagnose ist nach unseren Erfahrungen
weiter die zuerst von Weil angegebene Agglutination des Serums des
Erkrankten auf Proteus. Niedrige Agglutinationswerte auf Proteus
konnten wir allerdings auch bei anderen Infektionsprozessen hin imd
wieder konstatieren, so bei Paratyphus, Scharlach und Blattern; Werte
von 1 : 400 aufwärts dagegen bisher nur bei Fleckfieber. Immerhin
erscheint es mir wichtig, zu untersuchen, ob diese WeiIsche Reaktion
nicht allen akuten Exanthemen mit graduellen Unterschieden eigen
ist. Ein Agglutinationstitre von 1 : 400 und mehr auf Proteus stützt
nach unseren bisherigen Erfahrungen jedenfalls sehr unsere Diagnose
auf Fleckfieber. Leider tritt die Reaktion, die wohl als Mitagglutination
aufzufassen ist, häufig erst in späten Stadien der Erkrankung auf, so
dass sie für die Frühdiagnose bei den meisten der von uns beobachteten
Fälle nicht mehr in Betracht kam. Bei zweifelhaften abortiven Fällen
wrirkte ihr positiver Ausfall im Verein mit einer entsprechenden Reaktion
der Leukozyten im Blute entscheidend.
Zur Diagnose des Fleckfiebers gehört weiter als ein wichtiges Sym¬
ptom das Verhalten der Milz. Diese ist im Beginn der Erkrankimg
stets gross und dann meist palpabel, wird mit Fortschreiten des Krank¬
heitsprozesses (im Gregensatz zu Typhus abdominalis) kleiner. Dieses
Kleinerwerden einer zuvor palpablen Milz vollzieht sich bei schweren
Erkrankungen um das Höhestadium häufig mit einem Ruck. Starb
ein Patient erst nach der Entfieberung, was bei Fleckfieber häufig vor¬
kommt, so fanden wir dem klinischen Befunde entsprechend pathologisch¬
anatomisch wohl einen Milztumor, doch das Organ geschrumpft und auf¬
fallend klein.
Der Ablauf der Leukozytenbefunde bietet uns beim Exanthematikus
einen sehr wichtigen diagnostischen Behelf. Unmittelbar nach Tem¬
peraturanstieg und gewöhSolich noch einige Tage darüber hinaus finden
wir eine Leukozytose von gewöhnlich 10—15 000 Zellen. Zu dieser
Zeit sind die Polynukleären im Blutbilde reichlich, die Splenozyten
noch wenig vermehrt, die Eosinophilen bei schweren Fällen stets voll¬
ständig fehlend. Die Mastzellen sind vorhanden, die Lymphozyten
etwas zurückgedrängt, Plasmazellen treten hin und wieder vereinzelt
auf. Mit dem Auftreten der Hautveränderungen, schon zur Zeit der
noch initial blassroten Roseola, beginnt die Zahl der Splenozyten zu
steigen, um mit dem Blauwerden des Exanthems später ihre Höchst¬
werte zu erreichen. Je schwerer die Hautveränderung, um so mehr
Splenozyten; die höchsten Splenozytosen zeigen Fälle mit starken
B«iirig« nir Klinik d«r Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 n. 2. 10
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146
G. Holler,
[56
Hämorrhagien. Ebenso wie die Vermehrung der Splenozj^ten geht
eine Zunahme der Plasmazellen, die besonders am Höchststadium der
Erkrankung bei schweren Fällen aussergewöhnlich reichlich vorhanden
sind, den Hautveränderungen parallel. Mit Besserung des Krank¬
heitsprozesses kommt es zu einer Vermehrung der Lymphozyten. Be¬
sonders bei hartnäckigen Fällen setzt diese Zunahme der Lymphozyten
mit einem plötzlichen Ruck ein. Mit einem Male finden wir ausser-
gewöhnlich hohe Lymphozytenwerte. Dieses plötzlich vermehrte Auf¬
treten der Lymphozjrten ist für Fleckfieber besonders charakteristisch;
es tritt bei unbeeinflusstem Krankheitsprozesse gewöhnlich zu einer
Zeit auf, wo auch Splenozyten und Plasmazellen ausserordentlich reich¬
lich vorhanden sind, so dass ich als charakteristisches Blutbild für Fleck¬
fieber folgendes beschreiben möchte: hochgradige Leukozytose bis zu
30 000 Zellen und mehr; gleichzeitig heftige Mononukleose (bis zu 80,/^)
durch Vermehrimg der Lymphozyten, Splenozylen und Plasmazellen;
unter den Lymphozyten reichlich grosse jugendliche Formen; die Mast¬
zellen sind in diesem Stewiium stets, die Eosinophilen seltener vorhanden.
Dieses Blutbild, das wir auch bei anderen Infektionsprozessen weniger
ausgesprochen und in anderen Krankheitsstadien zu sehen gewohnt
sind, ist auch bei Fleckfieber in dieser Steigerung aussergewöhnlich
flüchtig. Sein plötzliches Einsetzen habe ich bereits beschrieben; nach
24stündigem Bestände ist die Zahl der Lymphozyten, Splenozyten
und Plasmazellen gewöhnlich schon wieder merklich zurückgegangen,
doch immer noch reichlich. Seltener treten wiederholt derartige flüchtige
Nachschübe mononukleärer Zellen auf. Zur Zeit der Entfieberung sind
die Lymphozyten stets reichlich, die Zahl der Splenozyten bei günstigem
Ausgang gewöhnlich schon weniger hoch, die Plasmazellen nur mehr
vereinzelt, die Mastzellen meist reichlich; die Eosinophilen treten dort,
wo sie bisher fehlten, zunächst noch spärlich auf, bei leichtem und mittel¬
schwerem Krankheitsverlaufe sind letztere häufig schon jetzt recht
reichlich. Bei ungestörter Rekonvaleszenz (Auftreten von Parotitiden,
heftigen Bronchitiden, Pneumonien oder septischen Prozessen ist nach
Fleckfieber nicht selten) nimmt die Zahl der Lymphozyten rasch weiter
zu und erreicht nicht selten Werte von 50—60%. Besonders keim¬
zeichnend für die Fleckfieberrekonvaleszenz sind die hohen Zahlen der
Eosinophilen im Leukozytenbilde (wie ich glaube, von Matthes zum
ersten Male beschrieben).
Von diesen Leukozytenreaktionen im Verlaufe der Erkrankung
sind als prognostisch ungünstig besonders ein längeres Spärlichbleiben
der Lymphozyten, sowie besonders hohe Werte der Splenozyten imd
Plasmazellen aufzufassen. Als günstiges Symptom gilt mir ein früh¬
zeitiges Zunehmen der Lymphozytenzahl, im Gegensätze dazu nicht
allzu hochgradige Splenozytosen und Plasmozytosen, und das Vor¬
handenbleiben oder Wiederauftreten der Eosinophilen. Die Mastzellen
sind bei leichten und mittelschweren Fällen während des ganzen Krank¬
heitsprozesses stets auffindbar, nur bei ganz schweren Prozessen fehlen
sie. Ganz abortiv verlaufende Fälle zeigen schon in den ersten Fieber¬
tagen häufig hohe Zahlen der Lymphozyten und Eosinophilen, während
die Splenozyten dann gewöhnlich weniger stark vermehrt sind.
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56]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kri^sseuchen.
147
Sonst sind von klinischen Beobachtungen bei Fleckfieber noch zu
erwähnen: Nach einige Tage vorhergehenden Prodromen, bestehend in
Müdigkeit, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen, steigt die Temperatiu*
plötzlich an. Häufig ist dieser Temperaturanstieg von Schüttelfrösten
begleitet. Die Temperatm hält sich bei einer Grosszahl der Fälle während
des ganzen Verlaufes der Erkrankung hoch, um dann kritisch abzufallen.
Nicht selten sehen wir einen Fieberverlauf mit fortwährenden Remis¬
sionen bis nahe zur Norm; solche Fälle zeigen dann stets sehr geringe
Hautveränderungen. Sie stellen den Übergang dar zu ganz abortiv ver¬
laufenden Fällen, die häufig 2—3 Tage fiebern und deren Zugehörigkeit
zum Fleckfieber wir wohl nur aus dem Auftreten zur Zeit einer Fleck¬
fieberepidemie erschliessen können. Eine genaue Beobachtung des Ab¬
laufes der Leukozytenbefunde, sowie eine positive Agglutination des
Serums der Erkraiiten auf Proteus kann unsere Vermutung bestätigen.
Die Dauer der Fieberperiode schwankt bei mittelschweren und schweren
Fällen durchschnittlich von 7—18 Tagen.
Im Ham ist in den ersten Fiebertagen Aldehyd positiv, später ge¬
wöhnlich negativ. Ebenso ist Diazo meist schon wenige Tage nach
Fieberbeginn positiv; diese Reaktion erreicht bei schwerem Verlaufe
Farbenintensitäten, wie wir sie bei Abdominaltyphus nicht zu sehen
gewohnt sind. Gegen Ende der Fieberperiode zu nimmt Diazo rasch
ab und wird bald negativ; an seiner Stelle ist Aldehyd wieder bis lange
in die Rekonvaleszenz hinein nachweisbar. Eiweiss tritt bei schweren
Fällen im Harn auf; die Albuminurie ist gering und vorübergehend.
Bleibende Nierenschädigungen sah ich nicht resultieren.
Nach der Entfieberung bleibt noch durch einige Tage, besonders
nach schwerem Verlaufe, doch auch bei ganz leichten Fällen grosse
Mattigkeit und Hinfälligkeit bestehen. Nicht selten sehen wir Fälle
nach der Entfieberung an Herzschwäche sterben. Rheumatische Glie¬
derschmerzen, die die Patienten oftmals sehr belästigen, gehören in der
Rekonvaleszenz fast zur Regel. Bei Fällen mit besonders schwerem
Verlauf treten in der Rekonvaleszenz Erscheinimgen von Himdruck
auf, bei anderen Fällen bildeten sich Aortenvitien aus. Auch bei Abortiv¬
fällen kommt es nach der Entfieberung zu Bradykardien bis zu 40 Schlä¬
gen in der Minute.
Therapeutisch habe ich bei Fleckfieber gleichfalls mit Merkscher
Deuteroalbumose (Alt) gute Erfolge erzielt. Nach meinen Erfahrungen
verabfolgt man das Mittel hier am besten so wie bei Typhus, nur dass ich
bei Fleckfieber, wie bei allen Erkrankungen mit kmzem Verlauf, zwei
Injektionen täglich verabfolge, um rascher die wirksame Dosis zu erreichen.
Nachfolgend demonstrierte Fleckfieberfälle sollen die Wirkungs¬
weise der Deuteroalbumosetherapie zeigen.
Fall 45: Wa. L.
Wurde am 23. Sept. 1915 auf meine Station hochfiebernd unter
Infektionsverdacht eingebracht. Bei der Untersuchung zur Zeit der
Aufnahme bestand ein palpabler Milztumor. Im Urin war Diazo stark
positiv. Eine Blutuntersuchung hatte ich zu dieser Zeit wegen ander¬
weitiger Überbürdung nicht vornehmen können. Der Fall, der mir im
übrigen erst als Bauchtyphus imponierte, wurde vorsichtig gespritzt.
10 *
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148
G. HoUer.
[67
Der bakteriologische Befund auf Tj^hus blieb negativ. Als mir der
Fall ö Tage später neuerdings vorgestellt wurde, fiel mir sofort das rote
gedunsene Gesicht des Patienten auf und ausserdem, dass auf die ersten
niedrig dosierten Albumoseinjektionen kaum eine merkliche Reaktion
auftrat. Auch aus dem Blutbilde vom 30. Sept. wurde ich nicht recht
klar, doch erregte am selben Tage das Auftreten eines Exanthems meine
Aufmerksamkeit. Letzteres lokalisierte sich, mit einem Schub auf¬
tretend, nicht allein am Stamm, sondern auch auf den Extremitäten.
Das Exanthem wurde schon einen Tag später blau. Am 2. Okt. finden
wir das Blutbild, wie ich es eingangs als für Fleckfieber charakteristisch
beschrieben habe. Die Milz war am selben Tage nicht mehr palpabel.
Nach der Entfiebenmg trat sehr heftiges Schuppen auf. Patient blieb
noch durch einige Tage benommen, klagte über Kopfschmerzen; Babinski
wurde beiderseits positiv, die Patellarreflexe waren beiderseits stark
gesteigert. An Stelle des zur Zeit der Fieberperiode stark positiven
Diazo ist jetzt Aldehyd stark positiv.
Kurve 21 (siehe Seite 68).
am
30. 9.
am
2. 10.
am 3. 10.
am
4. 10.
6 h. 20 p. m.
1 h.
p. m.
2 h. p. m.
2 h.
p. m.
Leukozyten:
6.
900
2S
1,300
7,310
6,
300
davon sind:
Polynukl. (N):
31,2%
(2,710)
26,4®/,
, (6,430)
61,7®/, (4,610)
72,4®/.
, (4,660)
„ - (E):
0,2 „
{ 10)
0,3 „
( 90)
0,4,. ( 30)
1,6 „
( 100)
Mastzellen;
0,4.,
( 30)
0,1..
( 30)
O.O., ( - )
0,6 „
( 30)
Splenozyten:
PlasmazeUen:
8,0 „
( 650)
32,3.,
(8,160)
4,6., ( 330)
3,7 „
( 230)
3,3,,
( 230)
6,2,.
(1,660)
8,6 „ ( 630)
0,0,,
( - )
Lymphozyten:
66,9,,
(3,010)
36,7.,
(9,030)
24,8 „ (1,810)
21,9 „
(1,380)
am '
6. 10.
am
6. 10.
am 7. 10.
am
8. 10.
11 h.
a. m.
1 h. i
5 p. m.
1 h. 6 p. m.
11 h. '
40 a. m.
Leukozyten:
V
960
6,
460
8,170
8.
700
davon sind:
Polynukl. (N):
47,6%
(3,760)
69,0®/,
, (3,760)
66,9®/o (4,660)
71.6®/,
, (6.240)
»» (E):
0,4.,
( 30)
0.7..
( 40)
2.0,, ( 170)
3,6 „
( 300)
Mastzellen:
0,2..
( 10)
0,0 „
( — )
0,2 „ ( 10)
0,0 „
( — )
Splenozyten:
Plasmazellen:
6,6 „
0,2 „
( 460)
( 10)
8.6 „
1.2,.
( 470)
( 70)
8,9 „ ( 730)
0 , 0 „ ( — )
6,6 „
0,3 „
( 480)
( 30)
Lymphozyten:
46,0 „
(3,700)
20,6,,
(1,120)
32,0 „ (2,610)
19,0 „
(1,660)
am 11. 10.
am !
14. 10.
am 16. 10.
am 20. 10.
7 h. 20 p. m.
12 h.
16 p. m.
1 h. 36 p. m.
11 h. <
60 a. m.
Leukozyten:
8,i
800
7,
,760
12,400
12
.360
davon sind:
Polynukl. (N);
64,1%
(4,860)
67.4®/.
, (4,660)
64,2®/, (6,720)
04,2®A
, (7,930)
w ” , =
1.6 „
( 130)
0.4.,
( 30)
0.6., ( 70)
0,1..
( 10)
Mastzellen:
1.1,.
( 100)
1.0 „
( 80)
1,0., ( 130)
0,2 „
( 20)
Splenozyten:
PlasmazeUen:
9,6 „
4,1.,
( 850)
( 260)
12.9 „
1.0 „
(1,000)
( 80)
9,8,, (1,220)
0 , 0 „ ( — )
9.7 „
0,0 „
(1,200)
( — )
Lymphozyten:
29,6,,
(2,600)
27,3 „
(2.110)
34,4,, (4,260)
26,8,.
(3,200)
am 24. 10.
am 27. 10.
10 h. 1
50 a. m.
6 h. 60 p. m.
Leukozyten:
8.
570
10,210
davon sind:
Polynukl. (N): 62,7% (6,360) 53,6% (5,470)
., (E): 0,4,. ( 40) 1,9 „ ( 200)
Mastzellen: 1,1 „ ( 100) 0,8 „ ( 80)
Splenozyten: 7,8 „ ( 670) 11,9 „ (1,210)
Plasmazellen: 0,0 „ ( — ) 0,0 „ ( — )
Lymphozyten: 28,0 „ (2,400) 31,8 „ (3,250)
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150
G. Holler.
[59
Der Patient war der erste Fall, den ich mit Albumose behandelte.
Ich verabfolgte damals nur eine Injektion täglich. Die Wirkung war
so, besonders bei schweren Fällen, weniger aus einer Abkürzung des
Krankheiteprozesses zu ersehen, mehr fielen die Besserung des Allge¬
meinzustandes, Freiwerden eines vorher benommenen Sensoriums,
Kräftigung eines schlechten Pulses usw. in die Augen.
Anschliessend an diesen Fall traten noch eine Reihe Fleckfieber¬
erkrankungen auf, die mit demselben Transport angekommen waren
und ausserdem erkrankten vom Pflegepersonal eine Hilfsschwester und
ein Landsturmmann.
Fall 46: Ma. Ni.
Dieser Fall gehört einer zweiten Epidemie an, bei der mit dem¬
selben Transporte vom Felde eingelangte Soldaten, ausserdem ein Arzt
und zwei bei der Aufnahme diensttuende Landsturmleute der Station
erkrankten. Der Patient wurde mir hoch fiebernd und leicht benommen
mit bereits ausgebrochenem Exanthem am 10. Okt. eingebracht.
Kurve 22.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
M (E):
„ (B):
Splenozyten:
Lymphozvten:
Plasmaz.llen:
am 10. 10. 15. am 11. 10. am 12. 10. am 14. 10.
8 h. 30 a. m. 10 h. a. m. 11 h. a. m. 10 h. 30 a. m.
9,670 18,900 12,470 7,930
69.6%
(6
i,710)
60.0%
(9.670)
'64.8Vo
(6,830)
61 . 80/0
(4,210)
0.3..
(
30)
0 . 8 ..
( 170)
2.4.,
( 300)
2,6 „
( 200)
0.1..
(
10)
0.1..
( 30)
0,2,.
( 30)
1 , 0 .,
( 80)
9.6..
(
930)
25.5..
(4.650)
14,7 „
(1,830)
13,2.,
(1,050)
19.8.,
(1
,920)
21.1..
(4.000)
26,3
(3,280)
31.3.,
(2.480)
0.6..
(
70)
2.5..
( 480)
1.6,.
( 200)
0,2.,
( 10)
am 21. 10.
11 b. 15 a. m.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
Splenozyten:
Lvmphozvten:
Plasmazellen:
15,380
22,6% (3,440)
0.4 „ ( 70)
0,6 „ ( 100 )
24,8 „ (3,820)
öl.6„ (7,950)
0 , 0 ,. ( — )
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
60]
Zar Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
151
Der Ablauf der Leukozytenbefunde spricht für eine Erkrankung
mit mittelschwerem Verlaufe. Das charakteristische Blutbild finden
wir vor allem am 11. Oktober.
Die Temperaturkurve zeigt den Erfolg der Therapie."
Fall 47: Lu. Iv.
Wurde mir am 5. Nov. ebenfalls mit bereits ausgebrochenem Exan¬
them eingebracht. Es handelte sich um eine sehr schwere Erkrankung,
bei der ich bereits zwei Injektionen täglich verabfolgte. Der Erfolg
der Therapie war sehr überzeugend.
Kurve 23.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
» (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazeilen:
am 5. 11. 15. am 6. 11. am 19. 11. am 3. 12.
7 h. 40 p. m. 1 h. p. m. 11 h. 45 a. m. 1 h. 15 p. m.
8,450 22,070 14,550 10,370
o
o
00
(6,040)
47 , 30/0
(10,430)
71,7»/o
(10,380)
61.9»/o
(5,370)
0,0 „
(
-)
0,3 „
( 60)
0,9 „
( 130)
6,7
( 700)
0.2 „
(
20)
0.3 „
( 60)
0,6,.
( 100)
0,8 „
( 80)
8.2,.
(
700)
26.6 „
( 6,860)
10,6 „
( 1,660)
8,2 „
( 850)
19,1 „
(1
,620)
26.3 „
( 6,600)
15,6 „
( 2,270)
32,4 „
(3,370)
0.7 „
(
70)
0,3 „
{ 60)
0.8 „
( 120)
0,0,.
( - )
Der Ablauf der Blutbefunde entspricht dem Fleckfieber. Das
charakteristische Blutbild fanden wir bereits am 6. Nov.; ausserdem
verweise ich auf die in der Rekonvaleszenz auftretende hochgradige
Eosinophilie und Lymphozytose.
Fall 48: Ra. L.
War ebenso wie die beiden vorausgehenden Fälle mit dem Transport
vom 12. Okt. in die Station eingebracht worden und kam mit bereits
ausgebrochenem Exanthem am 5. Nov. abends auf meine Abteilung.
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162
G. Holler.
[61
Kurve 24.
am 5. 11. 15. am 6. 11. am 18. 11. am 3. 12.
6 h. 50 p. m. 9 h. 25 a. m. 7 h. p. m. 10 h. a. m.
Leukozyten: 15,270 16,200 14,330 12,580
davon sind:
Polynukl. (N): 63,6o/o (9,710) 46,5% (7,520) 29,8% (4,260) 49,2% (6,170)
„ (E): 0,1 „ ( 10) 0,0 „ ( — ) 0,4 „ ( 60) 6,8 „ ( 870)
., (B): 0,1 „ ( 10) 0,2 „ ( 30) 0,4 „ ( 60) 0,1 „ ( 10)
Splenozyten: 8,0 „ (1,230) 17,6 „ (2,860) 17,9 „ (2,560) 8,2 „ (1,030)
Lymphozyten: 28,0 „ (4,280) 36,5 „ (6,760) 61,1 „ (7,330) 36,7 „ (4,600)
Plasmazellen: 0,2., ( 30) 0,2 „ ( 30) 0,4 „ ( 60) 0,0 „ ( — )
Blutbefunde und Temperaturkurve zeigen den Verlauf des Krank-
heitsprozesses.
Fall 49: Ur. H.
Wurde mir am 6. Nov. vom selben Transporte auf die Abteilimg
eingebracht.
Das Exanthem soll am selben Tage aufgetreten sein, ist sehr typisch,
lokalisiert sich über den ganzen Körper, einzelne Flecken auch aiif den
Handtellern. Der Fall stand zur Zeit der Aufnahme am 3. Fiebertage
und wurde durch zweimal täglich verabfolgte Albumoseinjektionen in
2 Tagen entfiebert.
am 6. 11. 16. am 19. 11. am 4. 12.
11 h. 15 a. m. 12 h. 10 p. m. 12 b. 15 p. m.
Leukozyten: 9,250 12,720 11,100
davon sind:
Polynukl. (N): 71,1% (6,630) 69,0% (8,740) 48,8% (6,400)
„ (E): 0,1 „ ( 10) 1,6 „ ( 200) 5,4 „ ( 600)
(B): 0,0 „ ( — ) 0,3 „ ( 50) 0,4 „ ( 50)
Splenozyten: 12,2 „ (1,130) 6,6 „ ( 720) 16,6 „ (1,850)
Lymphozyten: 16,0 „ (1,480) 23,4 „ (2,980) 28,8 „ (3,200)
Plasmazellen: 0,0 „ ( — ) 0,2 „ ( 30) 0,0 „ ( — )
Unter den Blutbefunden verweise ich auf das reiche Auftreten der
Eosinophilen in der Spätrekonvaleszenz.
Fall 50: Ro. Us.
Wurde wie die vorausgehenden Fälle mit ausgebrochenem Exanthem
am 5. Okt. auf meine Station transferiert.
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62]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 25.
153
am 5.
11. 15.
am
6. 11.
am
19. 11.
am
L
12.
8 h.
p. m.
11 h.
5 a. m.
12 h.
5 p. m.
10 h.
a
m.
Leukozyten:
11
,950
11
,460
26,230
10,
830
davon sind:
Polynukl. (N):
63,7%
(7,580)
69.2%
(6,770)
44,9%
(11,710)
49,6%
(5,350)
„ (E):
0.0 „
( - )
0,0.,
( -)
0,3,,
( 100)
1.8.,
(
200)
(B):
0,4 „
( öO)
0.2 „
( 30)
0.2 „
( 60)
0,3 „
{
30)
Splenozyten:
8,6 „
(1,030)
11.3..
(1,300)
11,0,.
( 2,900)
8,6 „
(
930)
Lymphozvten:
PWnazeUen:
26,0.,
(3,120)
27.6..
(3,160)
43,3,,
(11,360)
39,8,.
(4,320)
1,3.,
( 170)
1,7 „
( 200)
0,3.,
( 100)
0,0 „
(
- )
Fall 51: Sch. J.
Ein Pfleger unserer Station, der sich bei der Aufnahme des Trans¬
portes vom 12. Okt. infiziert hatte. Als Patient am 4. Nov. hoch fiebernd
auf meine Abteilung transferiert wurde, stand er bereits am 4. Fieber¬
tage und war das Exanthem schon ausgebrochen.
Kurve 26.
na
a
a
a
n
aa
aoi
o
o
a
1
Mi
M ■■
! »
n ::
■.■MM«
■■■■■■
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am 4.
11 .
15.
am
5.
11 .
am
6 . 11.
am 19. 11.
2 h. 25 p.
m.
11 h.
iO
a. m.
2 h.
p. m.
11 h. 20 a. m.
Leukozyten:
10 ,
170
9,
470
13
,460
9,520
davon sind:
Polynukl. (N):
79,9%
(8.120)
78,0%
CO
o
71,2«/,
(9,670)
36.8«/,
(3,490)
t* (E):
0 ,0,.
( -
-)
0 ,0,.
(
-)
0 ,0,.
( - )
0,6 „
( 60)
(B):
0,2 „
(
30)
0.3 „
(
30)
0.0 „
( - )
1.7,.
( 170)
Splenozyten:
8,6 „
( 870)
11 .8„
(1,120)
12,8 „
(1,730)
12,9,,
(1.230)
Lymphozvten:
plasmazellen:
11,3 „
(1,160)
9.6,.
(
920)
16.8 „
(2,130)
46,7,.
(4,360)
0 ,0,.
( -
- )
0,3,,
(
30)
0 .2,.
( 30)
2,4 „
( 230)
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
154
G. HoUer.
[63
Leukozyten:
davon sind:
Pol 3 nriukl. (N):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 4. 12.
12 h. 35 p. m.
5,580
45,90/, (2,540)
8,3 „ ( 470)
1,1» ( 70)
13,4 „ ( 750)
31,3 „ (1,750)
0 , 0 „ ( - )
Fall 52: Wo. J. (siehe Fall 70).
Ein bereits 47 jähriger Patient, der am 6. Nov. mit voll ausgebroche¬
nem Exanthem sehr schwer krank eingebracht wurde. Bei der Auf¬
nahme ist die Herzkraft eine sehr schlechte; auf die Albumoseinjektionen
hin bessert sich der Zustand sichtlich und es gelingt, den Patienten noch
zu retten. Ich schätze den Erfolg meiner Therapie bei diesem Falle
besonders hoch ein. Die Blutbefunde entsprechen dem Fleckfieber.
Patient erkrankte 6 Wochen später an Scharlach (s. d.).
Kurve 27.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
(B):
Splenozjrten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 6. 11. 15.
1 h. 50 p. m.
12,300
70 , 70/0 (8,750)
0 , 0 „ ( — )
0,2 „ ( 30)
8,6 „ (1,060)
20,5 „ (2,460)
0 , 0 „ ( - )
am 19. 11.
1 h. 40 p. m.
9,120
48,00/o (4,400)
0,8 „ ( 80)
0,3 „ ( 30)
14.6 „ (1,320)
35.6 „ (3,220)
0,7 „ ( 70)
am 5. 12.
1 h. 40 p. m.
11,180
55,70/0 ( 6 , 200 )
3,5 „ ( 400)
0,7,. ( 80)
5,0 „ ( 570)
35,1 „ (3,930)
0 , 0 „ ( — )
Fall 53: Wei. M.
Ein Patient, der mit anderen Fleckfieberfällen fiebernd direkt vom
Felde in meine Abteilung eingebracht wurde. Am 28. Jan. tritt bei dem
Patienten das typische Exanthem auf. Das Gesicht ist am selben Tage
gedunsen und gerötet, die Konjunktiven injiziert. Am 31. Jan. ist das
Exanthem bereits blau, am 5. Febr. beginnt die Haut zu schuppen.
Die Schuppung betraf in diesem Falle auch das vom Exanthem zuvor
frei gebliebene Gesicht.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
64]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 28.
165
Leukozjrten:
davon sind:
Polynukl. (N);
„ (E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
„ (B):
Splenozyten:
Lymphozvten:
Plasmazellen:
Leukoz 3 rten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
(B):
Splenozyten:
Lvmphozvten:
Plasmazellen:
am 27.
1.
16.
am :
28. 1.
7 h. 54 p.
m.
6 h.
p. m.
12,
220
13
,250
58.0%
(7,070)
59,4%
(7,870)
0,0 „
( -
-)
0.1 „
( 10)
0,1.,
(
10)
0,1 „
( 10)
14,0 „
(1.720)
8,9.,
(1,180)
27,9 „
(3,420)
31,5 „
(4.180)
0,0.,
( -
-)
0,0 „
( - )
am
31. 1.
am
1. 2.
11 h. :
25 a. m.
12 h. 20 p. m.
10
,070
V
550
63,1%
, (5,720)
51,1%
(3.860)
0,1 „
( 10)
0,4..
( 30)
0.7 „
( 700)
0,2 „
( 10)
17,2 „
(1,730)
14,1 „
(1,070)
18.8 „
(1,900)
32.9 „
(2,480)
0,1 „
( 10)
1.3..
( 100)
am
4. 2.
am
6. 2.
1 h. 20 p. m.
1 h.
p. m.
14,
,250
6,
850
43.3%
(6,130)
34,5»/o
(2,360)
1,1 „
( 170)
1,9 „
( 130)
0.3 „
( 50)
0,7 „
( 50)
15.2 „
(2.170)
15.0 „
(1,030)
37,0,.
(5,280)
47,2 „
(3,230)
3,1 „
( 450)
0,7 „
( 50)
am 21. 2.
1 h. 11 p. m.
Leukozyten:
14,
900
davon sind:
Polynukl. (N):
42.8%
(6,340)
» (E):
1.5 „
( 230)
(B):
0,4 „
( 70)
Splenozyten:
9.2..
(1,380)
Lvmphozjden:
PlasmazeUen:
46.1 „
0,0,.
(6,880)
( - )
am 29. 1. am 30. 1.
10 h.
a. m.
11 h.
5 a. m.
10,
480
12,
,750
69,0%
(7,230)
64.7''/„
(8,230)
0,0,.
( - )
0,1,.
( 10)
0,1.,
( 10)
0,3,,
( 50)
10,5 „
(1,100)
9,6..
(1.230)
20,3 „
(2,130)
25,1 „
(3,200)
0,1 „
( 10)
0,2..
( 30)
am
2. 2.
am
3. 2.
1 h. 35 p. m.
1 h. f
1 . m.
9,900
17,
,000
54,7%
(5,400)
49.7%
, (8,440)
0,5,,
( 50)
0,8 „
( 130)
0.0,.
( - )
0.1 „
( 10)
14,1 „
(1.400)
10,7 „
(1,820)
24,5 „
(2.430)
26,2,.
(4,470)
6,2 „
( 620)
12,5..
(2,130)
am
7. 2.
am
12. 2.
1 h. 20 p. m.
12 h. 45 p. m.
12,
.270
10
,600
50,7%
(6
;, 2 oo)
50,2Vo
(5
1,300)
0,5 „
(
70)
0,3,,
(
30)
0.6 „
(
80)
0.6 „
(
70)
6,5 „
(
800)
4.8 „
(
520)
41.7 „
(fi
Sl20)
44,0 „
(4
„670)
0,0 „
(
- )
0.1.,
(
10)
am 4. 3.
4 h. 55 p. m.
14,130
49,0% (6,910)
0,9 „ ( 130)
0,1 „ ( 10 )
8,1 „ (1,160)
41,9 „ (6,930)
0 , 0 „ ( - )
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
156
G. Holler.
[65
Die Erkrankung setzte anfangs sehr schwer ein, wurde aber durch
die zweimal täglich verabfolgte Deuteroalbumoseinjektion sofort ge¬
bessert. Das Sensorium blieb während des Ablaufes der Erkrankung
vollständig frei. In der Rekonvaleszenz traten Gliederschmerzen auf.
Die Blutbefunde entsprechen einer leichteren Erkrankung. Zum Auf¬
treten des von mir als besonders charakteristisch beschriebenen Blut¬
bildes kam es weniger ausgesprochen am 3. Febr. (gleichzeitig sehr viel
Plasmazellen). In der Rekonvaleszenz sind viele Eosinophile.
Fall 54: Sm. S.
Ein sporadisch auf getretener Fleckfieberfall, der erst übersehen
worden war. Am 19. Jan. wurde der Patient auf meiner Infektions¬
abteilung aufgenommen; am 20. Febr. bei der Visite mir vorgestellt.
Am 20. Febr. war bereits ein typisches blaues Exanthem zu sehen mit
besonders deutlicher Entwicklung der Murchisonschen Flecken. Die
Müz war am selben Tage noch deutlich palpabel. Am 22. Jan. ist die
Milz bereits klein.
Kurve 29.
am 20.
1 . 16.
am
24. 1.
am
29.
1 .
am
5. 3.
12 h.
40
p. m.
8 h.
p. m.
10 h. 16 )
i. m.
7 h. 50 p. m.
Leukozyten:
14,400
10
,200
10
.680
10 .
880
davon sind:
Polynukl. (N):
80,l»/o
(11,530)
38,8»/o
(3,960)
29,1%
(3,080)
43,3%
(4,700)
M (E):
0,0 „
(
-)
1,3 „
( 130)
0.6 „
(
70)
2 ,1.,
( 230)
(B):
0,1 „
(
10 )
0,1 „
( 10)
0 ,1,.
(
10 )
0,4 „
( 60)
Splenozyten:
4,8 „
(
700)
11,6 „
(1.180)
8,6 „
(
920)
10,1 „
(1.100)
Lvmphozyten:
Plasmazellcn:
14,9 „
0,1 „
(
(
2,160)
10 )
46,2 „
2,0 „
(4,720)
( 200)
61,7 „
0 ,0.,
(6
(
,600)
- )
44,1,.
0 ,0,,
(4,800)
( — )
Der Ablauf der Blutbefunde entspricht dem Fleckfieber. Die
Agglutination auf Proteus nach Weil war noch am 13. Febr. bis 1 : 400
komplett positiv (1 : 800 Spuren).
Fall 55: Mu. S.
Wurde im selben Wagen mit Fall 53 aus dem Felde eingebracht.
Es war eine sehr schwere Erkrankung, deren Verlauf und therapeutische
Beemflussung die Temperaturkurve und die Blutbefunde demonstrieren.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
66 ]
Zur Diagnoee und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
157
Kurve 30.
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am 2. 2. 16. am 3. 2. am 4. 2. am 6. 2.
8 h. p. m. 12 h. 45 p. m. 1 h. 40 p. m. 12 h. 15 p. m.
Leukozyten; 7,920 9,780 10,930 14,150
davon sind:
Polynukl. (N): 59,2®/* (4,730) 63,2«/o (6,160) 72,1®/, (7,870) 60,6®/, (8,560)
„ (E): 0,0„ ( — ) 0,0„ ( — ) 0,0,, ( — ) O.O., ( — )
„ (B): 0,4 „ ( 30) 0.0,, ( — ) 0.1 „ ( 10) 0.2 „ ( 30)
Splenozyten: 9.7.. ( 730) 7.1.. ( 700) 5.0.. ( 550) 6.2.. ( 880)
Lympho^n: 30.7.. (2.430) 29.2.. (2.870) 22.4.. (2.450) 32.8., (4,650)
PlasmazeUen: 0,0 „ ( — ) 0.5,, ( 50) 0,4 „ ( 50) 0,2 „ ( 30)
am 6. 2. am 7. 2. am 8. 2. am 9. 2.
I h. 15 p. m. 11 h. 45 a. m. 11 h. 30 a. m. 12 h. 10 p. m.
Leukozyten: 31,330 30,730 16,830 14,800
davon sind:
Polynukl. (N): 48,1®/, (15,050) 47,4®/, (14,410) 67,3®/, (10,680) 68,8®/, (10,160)
„ (E); 0,1 „ ( 30) 0,1 „ ( 30) 0.1,, ( 10) 0,1 „ ( 10)
„ (B): 0,4 „ ( 130) 0,1 „ ( 30) 0,1 „ ( 10) 0.1,. ( 10)
Splenozyten: 10,6 „ ( 3,330) 12,2 „ ( 3,800) 10,4 „ ( 2,400) 12,1 „ ( 1,800)
Lymph 02 yten: 38,2 „ (11,960) 35,9,. (11,130) 15,0 „ ( 2,530) 14,6 „ ( 2,170)
PlaamazeUen: 2,6 „ ( 830) 4.3,. ( 1,330) 7,1 „ ( 1,200) 4.3,, ( 650)
am 10. 2. am 11. 2. am 12. 2. am 13. 2.
II h. 45 a. m. 11 h. 20 a. m. 11 h. 30 a. m. 12 h. 15 p. m.
Leukozyten: 18,670 15,020 12,050 7,970
davon sind:
PolynukL (N): 53,7®/, (10,000) 54,0®/, (8,110) 56,9®/, (6,830) 47,8®/, (3,760)
„ (E): 0.2,, ( 50) 0,2 „ ( 30) 0,2 „ ( 30) 0.2,. ( 20)
.. (B); 0,1 „ ( 20) 0,0 „ ( — ) 0,1,, ( 10) 0,0 „ ( — )
Splenozyten: 6,9 „ ( 1,300) 10,2 „ (1,520) 9,3 „ (1,130) 10,8 „ ( 870)
Lymphozyten; 36,7,, ( 6,850) 34,5 „ (5,180) 33,0,, (3,980) 40,9 „ (3,270)
PlasmazeUen: 2,4 „ ( 450) 1,1 „ ( 170) 0,5 „ ( 70) 0,3,, ( 50)
am
16.
2 .
am
21 .
2 .
am
4. 3.
11 h.
30 )
ü. m.
1 h. 15 p
. m.
5 h. 20 p. m.
Leukozyten:
9,
030
8 .
580
8 ,(
[)50
davon sind:
Polynukl. (N):
49,4®/,
(4.
450)
54.5®/,
(4,
650)
41,8®/o
(3,350)
(E):
0,1 „
(
10 )
0.7,.
(
70)
3,7,.
( 300)
(B):
0,1 „
(
10 )
0,2 „
(
20 )
0 .8,.
( 70)
Splenozyten:
9,4,.
(
850)
4.8.,
(
420)
4,9.,
( 400)
P^mazeS^:
40,9 „
(3,
700 )
39,8 „
(3,
420)
48,8 „
(3,930)
0 ,1.,
(
10 )
0 .0,.
(
- )
0,0 „
( - )
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158
G. Holler.
[67
Digitized by
Es war ein brünetter Patient, auf dessen Haut das Exanthem,
speziell solange es blassrot war, schwer zu erkennen war. Am 5. Febr.
wurde das Exanthem blau, am 15. Febr. waren nur mehr die schmutzig¬
braunen Flecken als Überreste des Exanthems zu sehen und begann
Patient zu schuppen.
Unter den Leukoz 3 rtenbefunden verweise ich auf die Leukozyten¬
reaktionen vom 6., 7. und 8. Febr., weiter auf das reichliche Auftreten
der Eosinophilen in der Spätrekonvaleszenz nach vorübergehendem
Spärlichbleiben während der ersten Wochen im Anschlüsse an die Ent¬
fieberung.
Die WeiIsche Proteusagglutination verhielt sich folgendermassen:
am 7. Febr. agglutiniert das Serum des Patienten Proteus bis 1 : 400;
am 8. Febr. bis 1 : 400; am 21. Febr. bis 1 : 200 schwach positiv.
Gleichzeitig mit diesem Patienten wurden unter anderen schweren
Fleckfiebererkrankten noch die folgenden Fälle eingebracht, die ich
nach genauer klinischer Beobachtung imd anamnestischen Angaben als
abortive Fleckfiebererkrankungen diagnostizierte:
Fall 56: Mo. L.
Der Fall bot von klinischen Symptomen plötzlichen Temperatur¬
anstieg mit Schüttelfrost; am 15. Febr. deutlich palpabler Milztumor,
Diazo stark positiv. Zur Ausbildung eines Exanthems ist es nicht ge¬
kommen. Patient entfieberte auf eine einzige Deuteroalbumoseinjektion.
Während der ersten Tage nach der Entfieberung bestand eine hochgradige
Bradykardie
bis 40 Schläge in der Minute.
am 18
2 . 16. am
19. 2.
am 20. 2.
am
21 . 2.
10 b. 10 a. m. 9 h. 30 a. tn.
1 h. 15 p. m.
10 h. 30 a. m.
Leukozyten :
9,830 5,200
6,720
6,700
davon sind:
Polynukl. (N):
56,17o
(5,510) 52,9Vo
(2,760)
49,0«/,
(3,300)
44,6«/,
(2,990)
» (E):
0,5 „
( 50) 1,9.,
( 100 )
5,9 „
( 400)
3,0,,
( 200)
(B):
0,1 „
( 10) 1,0 „
( 60)
0,2 „
( 10 )
0,5 „
( 30)
Splenozyten:
ö,4„
( 530) 11,2 „
( 580)
13,4,.
( 900)
9,0 „
( 600)
Lymphozyten:
37,9,,
(3,730) 32,7 „
(1.700)
31,0 „
(2,080)
42,7 „
(2,870)
Plasmazellen:
0,0,.
( — ) 0,3 „
( 10)
0,5 „
( 30)
0,2 „
( 10)
am 23. 2.
am
26. 2.
am
5. 3.
11 h. a. m.
11 h. 20 a. m.
7 h. 40 p. m.
Leukozyten :
15,680
13,980
7,700
davon sind:
Polynukl. (N):
42,8®/o (6,680)
44,5«/,
(6,200)
49,5«/,
(3,810)
99
(E):
0,6 „ ( 100)
2,3 „
( 330)
4,3 „
( 330)
99
(B);
0,3 „ ( 50)
0,2 „
( 30)
0.2 „
( 10)
Splenozyten:
7,7 „ (1,220)
13,8 „
(1,930)
8,8,,
( 680)
Lymphozyten :
48,4,, (7,600)
38,8 „
(5,430)
37,2.,
(2,870)
Plasraazellen :
0,2 „ ( 30)
0,4 „
( 60)
0,0,.
( - )
Goi.igle
Original frcm
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
68]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
159
Kurve 31.
Die Weilsche Agglutination ist am 18. Febr. bis 1 : 50 positiv
(1 : 100 negativ), am 21. Febr. bis 1 : 100 positiv.
Der Ablauf der Leukozytenbefunde entspricht einem leichten
Exanthematikus.
Fall 57: S. Al.
Ein dem vorausgehenden in den klinischen Erscheinungen analoger
Fall. Bei diesem Patienten besteht ausserdem am 18. Febr. ein typisches
Exanthem, das einen Tag über die Entfieberung hinaus bestehen bleibt,
dann rasch verschwindet. In der Rekonvaleszenz schuppt Patient
sehr stark und klagt über Gliederschmerzen.
Weil ist am 18. Febr. negativ, am 21. Febr. bis 1 : 50 positiv.
am
18. 2.
am
19. 2.
am
19. 2.
am
20. 2.
9 h. 45 p. m.
9 h. 45 a. m.
8 h.
p. m.
12 h.
5 p. m.
Leukozyten:
13
,000
13,
250
10,
050
8,
530
davon sind:
Polynukl. (N):
77,97o
(9,960)
68,8%
(9,100)
62.1%
(6,220)
62.0«/,
(4,440)
(E):
1.0 „
( 130)
1.5.,
( 200)
3,6..
( 370)
3,1,.
( 270)
„ (B):
0,1.,
( 10)
0.6 „
( 80)
0,3,,
( 30)
0,2,.
( 10)
Splenozyten:
7,8..
(1,020)
13,2,.
(1,750)
9,7 „
( 980)
16,8.,
(1,430)
Lymphozyten:
13,2 „
(1,880)
15,9 „
(2,120)
24,0.,
(2,420)
27,7 „
(2,370)
Plasmazellen:
0,0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,3,.
( 30)
0.2.,
( 10)
am
21. 2.
am
26. 2.
am
4. 3.
12 h. 55 p. m.
12 h. 15 p. in.
5 h. fi
> p. m.
Leukozyten:
9,
050
13
,780
7,980
davon sind:
Polynukl. (N):
68,4%
(6,270)
69,6%
(9,660)
63,8»/,
(4,270)
*>
(E):
1,8 „
( 170)
1.9 „
( 270)
3,3,,
( 270)
»»
(B):
0,6 „
( 60)
0,6 „
( 80)
1,2 „
( 100)
Splenozyten:
12,5,.
(1,130)
10,1 „
(1,400)
12,3 „
(1,000)
Lymphozyten:
26,5 „
(2,400)
17,5 „
(2,420)
29,2 „
(2,330)
PlasmazeUen:
0,3 „
( 30)
0,3 „
( 60)
0.2,.
( 10)
Digitized by Goi '«le
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
160
G. HoUer.
[69
Kurve 32.
Fall 58: Ka. J.
Ein Patient, der gleich am Tage des Temperaturanstieges mit
Deuteroalbumose gespritzt wurde. Es war eine sehr schwer einsetzende
Erkrankung. Die klinisch wichtigen Symptome des Fleckfiebers waren
vorhanden, am 30. Januar kam es zum Auftreten des typischen Exan¬
thems. Am 10. Eebr. war die Agglutination auf Proteus noch bis
1 : 100 positiv.
am 29. 1. 16. am 30. 1. am 31. 1. am 2. 2.
9 h. 30 u. m. 10 h. 40 a. m. 11 h. 10 a. m. 6 h. 30 d. m.
Leukozyten: 15,650 11
davon sind:
Polynukl. (N): 81,8®/o (12,770) 71,8%
„ (E): 0,0 „ ( — ) 0,1 „
„ (B): 0,6 „ ( 100) 0,1 „
Splenozyten: 9,7 „ ( 1,530) 8,6 „
Lymphozyten; 7,9 „ ( 1,250) 19,4 „
Plasmazellen: 0,0 „ ( — ) 0,0 „
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Pmsmazeilen:
1,600 12,670 7,430
(14,060) 68,9% (8,710) 34,7% (2,400)
( 20) 0,5 „ ( 70) 3,1 „ ( 230)
( 20) 0,2 „ ( 30) 2,2 „ ( 170)
( 1,680) 11,9 „ (1,520) 12,5 „ (1,100)
( 3,820) 18,4 „ (2,330) 47,5 „ (3,530)
— ) 0,1 „ ( 10 ) 0 , 0 „(-)
am 4. 2.
1 h. 30 p. m.
17,100
47,8% (8,120)
1.6 „ ( 270)
0,3 „ ( 70)
11,0 „ (2,020)
35,0,, (6,000)
3.6 „ ( 620)
Kurve 33.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
70]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
161
Fall 59: Va. Gj.
Dieser Patient wurde mir aus Objekt 1 unserer Station erst am
11. Krankheitstage eingebracht. Der Patient war bei der Aufnahme
schwer benommen und zeigte ein äusserst reichliches typisches Fleck¬
fieberexanthem .
Die Agglutination auf Proteus war am 20. Febr. bis 1 : 100 positiv,
am 22. Febr. bis 1 : 200 positiv (1 : 400 Spurenagglutination), am
29. Febr. 1 : 100 positiv. Der Ablauf der Leukozytenbefunde ist für
Fleckfieber typisch.
am 20
2. 16.
am
21.
2.
am
22. 2.
am
23.
2.
12 h. 20 p. m.
10 h.
20
a. m.
10 h.
35 a. m.
10 h.
30
a. m
Leukozyten:
11,
080
8
730
11
,230
5
,980
davon sind:
Polynukl. (N):
69.8%
(6,630)
69.2"/,
.(6
►040)
63.0®/
0 (7,050)
57.7®/
(3
,450)
(E):
0.3.,
( 30)
0.2..
(
10)
0,2..
( 30)
0,2 „
(
10)
(B):
0,1,.
( 10)
0.0..
(
- )
0.6 „
( 70)
0,2,.
(
10)
Splenozyten:
18.2..
(2,020)
7.4..
(
650)
10.6,.
(1,200)
13.1 „
(
780)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
18.6..
(2,060)
13,7..
(1
►200)
18,5 „
(2,080)
22,2.,
(1
,330)
3.0..
( 330)
9.5..
(
830)
7,1 „
( 800)
6,6 „
(
400)
am 24. 2.
am
25.
2.
am
26. 2.
am
27.
2.
10 h. 25 a. m. 11 h. 10 a. m. 10 h. 30 a. m. 10 h. 35 a. m.
Leukozyten: 7,370 6,270 13,620 7,550
davon sind:
Polynukl. (N): 54,7% (4,010) 58,1% (3,630) 36,8% (4,980) 56,7% (4,270)
„ (E): 0,6v ( 50) 0,7 „ ( 50) 0,3 „ ( 50) 0,8 „ ( 70)
„ (B): 0,0 „ ( — ) 0,2 „ ( 10) 0,4 „ ( 70) 0,2 „ ( 10)
Splenozyten: 19,9 „ (1,470) 19,1 „ (1,200) 30,2 „ (4,120) 10,8 „ ( 820)
Lymphozyten: 19,9 „ (1,470) 16,4 „ (1,030) 21,9 „ (2,980) 22,3 „ (1,680)
Plasmazellen: 4,9 „ ( 370) 5,5 „ ( 350) 10,2 „ (1,420) 9,2 „ ( 700)
am 28. 2. am 4. 3. am 24. 3.
11 h. 35 a. m. 7 h. 20 p. m. 10 h. 25 a. m.
Leukozyten: 9,080 6,180 11,900
davon sind:
Polynukl. (N): 53,2% (4,810) 31,7% (1,950) 54,6% (6,570)
„ (E): 0,7 „ ( 70) 1,0 „ ( 70) 1,9 „ ( 230)
„ (B): 0,1 „ ( 10) 0,8 „ ( 50) 0,5 „ ( 70)
Splenozyten: 12,8 „ (1,170) 7,8 „ ( 480) 5,8 „ ( 600)
Lymphozyten: 31,4 „ (2,850) 58,7 „ (3,630) 37,2 „ (4,430)
Plasmazellen: 1,8 „ ( 170) 0,0 „ ( — ) 0,0 „ ( — )
Kurve 34.
Beitrigo zur Klinik der iDfektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 u. 2. 11
Digitized
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
162
G. Holler.
[71
Bei dem Patienten besserte sich auf Albumoseinjektionen hin der
vorher schlechte Puls rasch und wurde das Sensorium frei.
FaU 60: Gr. Al.
Ein Landsturmmann vom Pflegepersonal unserer Station, der aus
demselben Objekte und am selben Tage mit dem vorausgehenden
Patienten in meine Station kam. Interessant ist, dass der Patient am
14. Febr. bereits Schüttelfrost und Temperaturanstieg hatte und von da
ab, obwohl er fort hoch fieberte, durch 3 Tage noch Dienst machte.
Bereits am 18. Febr. entdeckte Patient selbst das Exanthem an seinem
Körper und meldete sich daraufhin krank. Leider erst am 20. Febr.
erschien der Patient, bei dem das Exanthem noch immer übersehen
wurde, denn doch etwas verdächtig und wurde auf meine Abteilimg
transferiert. Das Exanthem war aussergewöhnlich reichlich und gross¬
fleckig.
Das Exanthem war auf Objekt 1, wie schon erwähnt, übersehen
worden, ausserdem wurde meine Fleckfieberdiagnose anfangs von Un¬
erfahrenen noch deshalb bestritten, weil Patient angeblich zu wenig
benommen war. Ich möchte dazu bemerken, dass speziell bei älteren
Leuten (unser Patient war 43 Jahre alt) das Sensorium bei Fleckfieber
häufig lange Zeit fast frei bleibt. Erst später kommt es bei dann ge¬
wöhnlich letal endigenden Fällen zu starker Trübung des Sensoriums,
gleichzeitig unter Erscheinungen von Herzschwäche und Hirndruck.
Nicht selten übersteht ein derartiger Patient scheinbar leicht die Fieber¬
periode und erst mit der Entfieberung kommt es zum Kollaps.
Bei unserem Patienten, der schon früher an einem Herzfehler und
Lungenemphysem gelitten hatte, war der Fleckfieberprozess, wie die
Veränderungen an der Haut zeigten, bereits sehr weit vorgeschritten.
Schon 2 Tage später, am 22. Febr., ist das Exanthem blau und zeigen
sich in einzelnen Flecken bereits hämorrhagische Stellen.
Mit Rücksicht auf den bereits weit vorgeschrittenen Krankheits-
j)rozess, das Alter imd auf das schlechte Herz stellte ich von Haus aus
eine schlechte Prognose, obwohl der Patient am 20. Febr. dem Nicht¬
kenner speziell mit Rücksicht auf das vollständig freie Sensorium even¬
tuell einen beruhigenden Eindruck machen mochte.
Kurve 35.
Digitized by Goi '«le
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
72]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
163
am 20. 2. 16. am 21. 2. am 22. 2. am 23. 2.
11 h. 15 a. m. 10 h. 10 a. m. 10 h. 20 a. m. 9 h. 50 a. m.
Leukozyten: 5,880 6,030 11,850 26,460
davon sind:
Polynukl. (N):
87,2''/o
(6.120)
69,0®/o
» (E):
0,0 „
( - )
0,0 „
» (B);
0 ,2,.
( 10)
0 .2,.
Splenozyten:
4.6 „
( 270)
19.6 „
Lympho^ten:
7.3,.
( 430)
20,4,.
Plasmazeilen:
0,8 „
( 60)
0,8 „
am 24. 2.
9 h. 46
a. m.
Leukozyten:
19.
130
davon sind:
Polynukl. (N):
47,3%
(9,040)
,• (E):
0,0 „
( - )
„ (B):
0,0 „
( — )
Splenozyten:
6,6 „
(1,260)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
37,1 „
9,0 „
(7.100)
(1,730)
(3,560) 57,3% (6,770) 58,2% (15,240)
( — ) 0 , 0 „ ( — ) 0 , 0 „ ( — )
( 10) 0,2 „ ( 30) 0,1 „ ( 30)
(1,180) 29,5., (3,500) 34,0 „ ( 9,000)
(1,230) 11,6 „ (1,380) 4,1 „ ( 1,230)
( 50) 1,4 „ ( 170) 3,6 „ (. 960)
am
25. 2.
am
26. 2.
10 h.
55 a. m.
9 h. 30 a. m.
16
i,000
18
,960
66 ,6%
, (8,450)
48,6%
, (9,170)
0,0 „
( -)
0,0 „
( — )
0,0 „
( -)
0.0 „
( - )
19.6 „
(2,930)
18,9 „
(3,600)
8,4 „
(1,270)
10 ,1,.
(1,930)
16,6,.
(2,360)
22,4,,
(4,260)
Meine Erfahrungen, die ich mir an einem reichen Material erworben
hatte, wurden auch in diesem Falle bestätigt. Obwohl ich, um wenigstens
ein Fortschreiten des Prozesses nach Kräften aufzuhalten, energisch
mit Deuter oalbumose spritzte und so aus dem Organismus an Schutz-
stoffen herauszuholen versuchte, was zu erreichen war, trat nach vorüber¬
gehender Besserung am 26. Febr. der gefürchtete Kollaps ein und er¬
folgte unter Erscheinungen von Herzschwäche der Exitus.
Agglutination auf Proteus (Weil) verhielt sich am 20. tmd 21. Febr.
negativ, am 23. Febr. bis zu 1 : 50 positiv, mit dem bei der Obduktion
am 26. Febr. entnommenen Blut bis 1 : 400 positiv.
In den Leukozytenbefunden bestätigen die fort hohen Zahlen der
Splenozjrten, im Gegensatz dazu die niedrigen Lymphozytenzahlen die
schlechte Prognose. Die Eosinophilen fehlen fort, ab 24. Febr. auch die
Mastzellen; die Plasmazellen treten ab 23. Febr. besonders reichlich
auf. Nur am 24. Febr. kommt es ganz vorübergehend zu einer sehr
reichlichen Ausschwemmung von Lymphozyten; am selben Tage hatte
sich auch der Zustand des Patienten gebessert.
Bei der Obduktion zeigt sich der Herzmuskel degeneriert, morsch,
Gehimödem, Blutungen in Magen- imd Darmschleimhaut und ein voll¬
ständig rotes Knochenmark.
Was die Deuteroalbumosetherapie bei Fleckfieber anlangt, so
konnte ich mich von ihrer Wirksamkeit bei einer grossen Zahl von Fällen
überzeugen. Sofort unterbrechen können wir den Krankheitsprozess
nur, wenn wir in den ersten 2 Tagen nach Temperaturanstieg bereits
energisch mit den Injektionen einsetzen. Ist das Krankheitsbild einmal
voll ausgebrochen, so können wir durch unsere Injektionen den Krank¬
heitsprozess nur mehr abschwächen und den Organismus kräftigen.
Wieder wird nur der den vollen Wert der Deuteroalbumosetherapie
bei Fleckfieber erkennen, der den Ablauf der Erkrankung bei einer
grösseren Anzahl von Fällen mit und ohne Beeinflussung dmch Deutero-
albumose gesehen hat. Eine Entscheidung bringt weiter wohl auch
der Vergleich der Mortalitätsziffern bei behandelten und unbehandelten
11 *
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
164
G. Holler.
[73
Fällen. Unter 50 mit Deuteroalbumose behandelten Fällen hatte ich
3 Todesfälle. (Alle drei wimden erst sehr spät mit weit vorgeschrittenen
Krankheitsprozessen von anderen Abteilungen eingebracht; von den auf
meiner Station zum Ausbruch gekommenen Erkrankungen, die stets
frühzeitig erkannt und von Anfang an energisch behandelt wurden,
starb kein einziger.) Von 15 unbehandelten Fällen starben dagegen 7.
Zu diesen 65 Fällen, die ich in meine Berechnungen hier aufnehme,
zähle ich nur absolut sichere Fleckfieberfälle, mit bereits ausgebrochenem
Exanthem. Eine besondere Auswahl der Fälle für die Deuteroalbumose-
behandlung wurde nicht getroffen. Die 15 Fälle wurden deshalb nicht
behandelt, weil mir bei den ersten 10 Fällen, die ich sah, die Wirkung
der Albumose nicht bekannt war, während bei den weiteren 5 Fällen
mir im Verlaufe einer kleineren Epidemie das Mittel ausgegangen war
und nicht so schnell nachgeschafft werden konnte.
Ich werde so nach meinen bisher gewonnenen Erfahrungen auch
schwerste, voll ausgebrochene Fleckfieberfälle unbedingt spritzen. Wie
bei Typhus beginne ich mit 1 ccm der 10®/oigen Lösung und steigere
fort um ccm (in besonders dringenden Fällen anfangs auch um 1 ccm),
nur dass ich bei Fleckfieber meist 2 Injektionen in mindest 8—lOstün-
digem Intervalle täglich verabfolge. Wo die Gefässschädigung durch
die Erkrankung bereits zu weit vorgeschritten ist, geht der Patient mit
oder ohne Albumose unbedingt zugrunde. Aber nach meinen Erfah¬
rungen können wir durch eine energische Albumoseverabfolgung den
Krankheitsprozess auch bei Fleckfieber ganz sicher therapeutisch günstig
beeinflussen.
Gefährdet sind durch die Fleckfiebererkrankung vor allem ältere
Leute und Individuen mit krankem Herzen. Kommt es auf meiner
Abteilung bei derartigen Individuen zur Zeit einer Fleckfieberepidemie
zu Erscheinungen, die den Verdacht auf Flecktyphus in höherem Grade
erregen, so habe ich es mir zur Regel gemacht, mit Verzicht auf eine ganz
sichere Diagnose möglichst früh, gleichsam prophylaktisch, zu spritzen.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir durch eine vorsichtig dosierte
Deuteroalbumosebehandlung absolut nicht schaden können, dass wir
nur im Frühstadium den Infektionsprozess rasch unterbrechen können
und dass einmal zu weit vorgeschrittene Gefässschädigungen für ein
zuvor schon krankes Herz einen eventuell imüberwindbaren Wider¬
stand bedeuten. Eine genaue Beobachtung besonders des Ablaufes der
Leukozytenbefunde oder der nachträgliche Nachweis einer anfangs noch
negativen Agglutination auf Proteus kann nachträglich unsere Ver-
mutimgsdiagnose kräftigen.
Von Komplikationen sind bei Fleckfieber Pneumonien, Parotitiden,
seltener andere septische Prozesse zu fürchten. Sie treten mit Vorliebe
kurz vor oder unmittelbar nach Beendigung des Fleckfieberprozesses
selbst auf. Schon Parotitiden können bei dem oft schweren Kxäfte-
verfall sehr verhängnisvoll werden. Ich verabfolge deshalb wie bei
Typhus abdominalis prophylaktisch Urotropin. Zur Vermeidung von
Pneumonien sind Hochlagerung des Patienten, Lüftung des Zimmers,
Umschläge, Abreibungen usw. zu empfehlen.
Die Diät soll eine möglichst leicht verdauliche, dabei gleichzeitig
möglichst kräftige sein.
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
74] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegaseuchen. 165
Ich schätze meine Erfolge mit Deuteroalbumose (Alt) bei Fleck¬
fieber speziell hoch ein und möchte meine Therapie hier, wo bisher
andere annähernd gleich wirksame therapeutische Methoden fehlen, zur
Allgemeinanwendxmg ganz besonders empfehlen.
Was die Ätiologie der Fleckfieberinfektion anlangt, so kam in unserer
Station einzig und allein die Weiterverbreitung durch lüeiderläuse in
Betracht. Hausinfektionen ereigneten sich nur in den Aufnahmehallen
unter dem Personal, das mit der Entlausung der vom Felde eingebrachten
Patienten beschäftigt war; ausserdem kam es einmal zu Infektionen in
Objekt 1. Auch dieses Objekt war damals verlaust und nach Vertilgung
der Läuse traten Neuerkrankungen nicht mehr auf.
Da demnach, wie schon von vielen Seiten nachgewiesen ist, als
praktisch wichtige Infektionsquelle fast nur infizierte Kleiderläuse in
Betracht kommen, hat sich der Kampf gegen die Seuche hauptsächlich
eine Vertilgung der Läuse, wie überhaupt von Ungeziefer, zur Aufgabe
zu machen. Ohne Ungeziefer ist nach meinen Erfahrungen zumindest
eine epidemieartige Ausbreitimg der Seuche undenkbar und, ob praktisch
überhaupt eine andere Infektionsmöglichkeit in Betracht kommt, er¬
scheint mir sehr fraglich.
Nach den klinisch zu beobachtenden Erscheinungen und vor allem
nach der Reaktion der Leukozyten während des Ablaufes der Erkran¬
kung steht das Fleckfieber von anderen Infektionsprozessen wohl am
nächsten den Blattern und dem Scharlach. Die Einreihimg in die Gruppe
der akuten Exantheme besteht demnach zu Recht. Mit dem Typhus
abdominalis hat die Erkrankung nicht viel mehr als am Höhestadium
das kontinuierliche Fieber gemein.
Scharlach (Scarlatina).
Die diagnostisch bekannten Merkmale, wie Exanthem, Schwellung
und Rötung der Rachenorgane usw. kann ich übergehen. Schwieriger
ist die Erkennung der Scarlatina sine exanthemate, die leicht mit
Angina oder Diphtherie zu verwechseln ist. Solche Fälle können leicht
übersehen werden und die Infektionsquelle für schwere Scharlach¬
erkrankungen abgeben. Ihre richtige Erkennung zwecks frühzeitiger
Isolierung ist daher von Wichtigkeit.
Der Verlauf der Leukozytenbefunde bei Scharlach verhält sich
wie folgt:
In den ersten Fiebertagen besteht eine polynukleäre Leukozytose
von 10—20 000 Zellen. Zur selben Zeit sind die Splenozyten bereits
vermehrt, die Lymphozyten fast ausschliesslich zmückgegangen, die
Eosinophilen und Mastzellen stark vermehrt. Mit dem Fortschreiten
des Krankheitsprozesses werden die Mastzellen immer spärlicher und
verschwinden bei schweren Erkrankungen bald ganz aus dem Blute,
während die Zahl der Eosinophilen eine Zeitlang sogar noch zunehmen
kann. So kommt es zur Ausbildung des bei Scharlach ganz besonders
charakteristischen Blutbildes: polynukleäre Leukozytose bei gleich¬
zeitiger Verminderung der absoluten Lymphozytenzahl, die Splenozyten
vermehrt, die Eosinophilen auffallend reichlich und trotz dieser oftmals
hochgradigen Eosinophilie die Mastzellen entweder sehr spärlich oder
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Goi.igle
Original fram
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
166
G. HoUer.
[75
ganz fehlend. Bei besonders schweren speziell durch septische Prozesse
komplizierten Fällen verschwinden die Eosinophilen aus dem Blute,
gleichzeitig fehlen dann stets auch die Mastzellen. Bei Besserung des
Krankheitsprozesses nimmt vor allem die Zahl der Lymphozyten zu,
übersteigt aber zur Zeit des Fieberprozesses höchst selten die Norm;
die Eosinophilen, wo sie fehlten, sind wieder reichlich, die Mastzellen
treten vereinzelt auf, die polynukleären Neutrophilen und die Spleno-
zyten bleiben anhaltend vermehrt. Zur Zeit der Entfieberimg finden wir
das zidetzt beschriebene Blutbild, nur die Mastzellen, wie am Beginn
des Fieberprozesses, wieder sehr stark vermehrt. Die PlasmazeUen fehlen
bei reinen Scharlachfällen während der Fieberperiode im Blute, oder
sind nur ganz vereinzelt vertreten; erst nach der Entfieberung kommt
es besonders bei Fällen, die stark schuppen, zur Ausbildung von Plasmo¬
zytosen. Ich beobachtete Werte von über 3000 Zellen. Parallel mit
den Hautveränderungen geht auch hier wieder die Vermehrung der
Splenozyten und da zur selben Zeit bei ungestörter Rekonvaleszenz
meist die Zahl der Lymphozyten bereits merklich vermehrt ist, sehen
wir das Blutbild, das ich bei Flecktyphus am Höhestadium der Erkran¬
kung als charakteristisch beschrieben habe, bei Scharlach erst nach der
Entfieberung in der Frührekonvaleszenz auftreten (gleichzeitig besteht
hier eine Eosinophilie). Auch bei Scharlach kommt es in der Rekon¬
valeszenz zur Ausbildung von oftmals sehr hochgradigen Lymphozytosen,
nur dass die Zunahme der Lymphozyten hier gewöhnlich langsamer vor
sich geht, als wir bei anderen Infektionsprozessen zu beobachten gewohnt
sind, und dass sie noch lange von einer Zunahme der polynukleären
Leukozytenformen und der Splenozyten begleitet bleibt, so dass die
relative Vermehrung der Lymphozyten meist weniger hochgradig wird.
Die Eosinophilen bleiben bis lange in die Rekonvaleszenz hinein reichlich.
Bei ganz leichten Scharlacherkrankungen, wie z. B. bei Fällen ohne
Exanthem, ist vor allem die charakteristische Vermehrung der Eosino¬
philen da; gleichzeitig bleiben auch die Mastzellen während des ganzen
Ablaufes der Erkranktmg reichlich. Ausserdem besteht auch hier eine
polynukleäre Leukozytose, wobei die Lymphozyten meist weniger stark
zurückgedrängt sind.
Es dürfte nicht schwer fallen, aus dieser Beschreibung über den
Verlauf der Leukozytenbefunde bei Scharlach sich diagnostisch und
prognostisch verwertbare Schlüsse abzuleiten.
Differentialdiagnostisch sind gegen Scharlach vom Darm ausgelöste
toxische Exantheme in erster Linie zu unterscheiden; Scharlachfälle
ohne Exanthem können, wie schon erwähnt, mit einfachen Anginen,
mit Diphtherie, eventuell mit erysipelatösen Entzündungen der Rachen¬
organe verwechselt werden.
Bei toxischen Exanthemen ist die Körperoberfläche vor allem mit
einem weit gleichmässigeren Rot überzogen als bei Scharlach, der bei
genauerer Betrachtung wenigstens an einigen Stellen die Zusammen¬
setzung aus einzelnen Fleckchen erkennen lässt. Weiter ist das Fieber
meist ganz unbedeutend oder fehlt überhaupt, ebenso wie die Schwellung
der Rachenorgane. Exanthemlose, leichte Erkrankungen erkennt man
im Blutbilde, da einfache Anginen und Diphtherie vor allem keine Eosino¬
philien hervorrufen. Dagegen kann es bei umschriebenen erysipelatösen
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
76]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
167
Prozessen gleichfalls znr Vermehrung der Eosinophilen im Blute kommen.
Lokalisiert sich ein Erysipel auf der Rachenschleimhaut, so greift es
wohl meistens weiter durch die Nase auch auf die Haut des Gesichts
über, so dass ein Zweifel in der Diagnose dadmch meist bald entschie¬
den ist.
Von Komplikationen sind nach Scharlach Drüsen Vereiterungen,
Mittelohrentzündungen, Periostitiden usw., vor allem aber Nieren¬
entzündungen zu erwähnen.
Als am besten wirkendes Therapeutikum habe ich auch bei Schar¬
lach, wie bei den vorausbesprochenen Infektionskrankheiten, dieDeutero-
albumose von Merk angewandt. Als Diät ist es wichtig, dass wir trotz
der Abkürzung des iGankheitsprozesses mit Deuteroalbumose noch
lange über die Entfieberung hinaus zur möglichsten Schonung der Niere
nur Milchspeisen geben.
FaU 61: Vy. J.
Eine sehr schwere Erkrankung, die nach 8, täglich einmal verab¬
folgten Injektionen ohne Komplikationen ausheilt. Blutbefimde und
Temperaturkurve versinnbildlichen den Verlauf der Erkrankung.
am 13. 9. 15. am 14. 9. am 14. 9. am 14. 9.
1 h. 35 p. m. 4 h. 25 p. m. 4 h. 50 p. m. 5 h. 7 p. m.
(vor der In- (16’ nach der
jektion) Injektion)
Leukozyten; 15,300 15,180 12,220 13,080
davon sind:
Polynukl. (N):
94.0%
(14
,360)
87,8%
(13
,320)
82.7«/,
(10,800)
87.7«/,
(11
,460)
„ (E):
0,1,.
(
20)
3,2,.
(
500)
6.4 „
(
670)
3,8,,
(
500)
» (B):
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
~ )
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
Splenozjrten:
4,6 „
(
720)
4,8 „
(
730)
7,7 „
(
960)
4,7 „
(
620)
Lympho^rten:
PlasmazeUen:
1.3 „
(
200)
4,2 „
(
630)
4,2 „
(
620)
3,8,,
(
500)
0,0 „
(
- )
0.0 „
(
~ )
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
am :
14.
9.
am
14. 1
9.
am ]
15.
9.
am 15. i
9.
5 h. 30 p.
m.
5 h. 40 p.
m.
9 h. 40 1
i. m.
4 h. 60 p.
m.
Leukozyten:
13,
,900
12,
,000
13,
320
19,
970
davcm sind:
Polynukl. (N):
85,2%
(11
,810)
86,7'»/,
(10
,390)
86,2«/o
(11,320)
82,8«/,
(16
.510)
„ (E):
2,8 „
(
400)
2,7 „
(
330)
4,0 „
(
630)
3,0 „
(
600)
(B):
0,0 „
(
- )
0,1,.
(
10)
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
Splenozyten:
6,1.,
(
720)
7.2 „
(
870)
5,3,,
(
720)
8.1.,
( 1
,630)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
6,9 „
(
970)
3,3,,
(
400)
5,5,,
(
760)
6,1,.
( 1
,230)
0,0 „
(
- )
0,0.,
(
- )
0,0 „
(
- )
0,0,.
(
- )
am
16.
9.
am
17. 1
9.
am '
18.
9.
am ]
19. 1
9.
10 h. 10 a
. m.
9 h. 35 a.
m.
9 h. 40 a. m.
11 h. 40 a
. m.
Leukozyten:
11,
,680
11,
,130
11.
750
12.
300
davon sind:
Polynukl. (N);
79.0%
( 9
1,200)
70.6«/,
1 ( 7
,830)
60,6«/,
(
7,080)
46,0«/,
( 6
;,520)
(E):
4,2 „
(
500)
6,0 „
(
570)
4,6 „
(
530)
4.8 „
(
600)
„ (B):
0.2 „
(
30)
0,1 „
(
10)
0,1 „
(
20)
0,0,,
(
- )
Splenozyten:
9.1,,
( 1
,070)
14.6 „
( 1
,620)
16,2..
(
1,920)
21,0 „
( 2
!,580)
Lymphoswten:
PlasmazeUen:
7.5 „
(
880)
9,4 „
( 1
,050)
16,4 „
(
1,930)
27.6,,
( 3
1,380)
0,0 „
(
- )
0.4.,
(
50)
2.2 „
(
270)
1,7 „
(
220)
Digitized by
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
168
G. Holler.
[77
am 1
20. 9.
am
21. 9.
am 22. 9.
am 24.
9.
1 h. 20 p. m.
11 h. 40 a. m.
6 h.
p. m.
5 h. 15 p.
. m.
Leukozyten:
16,
,960
11
,370
10.
170
9,000
davon sind:
Polynukl. (N):
63.0%
(10,650)
73,3%
, { 8,310) 67,3%
( 6,820)
51,5%
( i
1,620)
(E):
1,9,.
( 330)
3,2,.
( 370)
2.3 „
( 230)
4,0.,
(
370)
„ (B):
0,2 „
( 30)
0,1.,
( 20)
0,1,.
( 20)
0,0,.
{
- )
Splenozyten:
12,5 „
( 2,130)
11,8 „
( 1,350) ]
11,7..
( 1,200)
7,2 „
(
650)
Lymphozyten:
plasmazellen:
22,3 „
( 3,800)
11,6 „
( 1,320) ]
18,6 „
{ 1,900)
37,0 „
( J
J,330)
0,1.,
( 20)
0,0 „
( ~ )
0,0 „
( - )
0.3 „
(
30)
am
26. 9.
am
30. 9.
am i
5. 10.
am 16.
10.
1 h. 10 p. m.
10 h.
10 a. m. ]
L h. 40 p. m.
10 h. 20 8
i. m.
Leukozyten:
9.
570
12
,370
12,
730
11.
850
davon sind:
Polynukl. (N):
63.1%
, ( 5,070)
68,5%
, ( 8,460) 66,7%
( 7,170)
71,0%
( 8,400)
(E):
2.1,,
( 200)
1,8 „
( 230)
1.6.,
( 200)
1.9 „
(
230)
(B):
0,7,.
( 70)
0.2.,
( 30)
0,3,,
( 60)
0.0 „
(
- )
Splenozyten:
7.6.,
( 730)
7.0,,
( 870)
6.4 „
( 700)
7.7,.
(
920)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
30.1,.
( 2,880)
22,5,,
( 2,780) ;
J6,9 „
( 4,680)
19.4,.
( 2,300)
6,4.,
( 620)
0,0,.
( - )
0,2 „
( 30)
0,0..
(
-)
am 27.
10.
10 h. 30
a. m.
Leukozyten:
10,830
davon
sind:
Polynukl
. (N):
70,6% (7,640)
>*
(E):
1,2 „ (
130)
>*
(B):
0.1 „ (
10)
Splenozyten:
7,8 „ (
850)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
20,3,, (2,200)
0 , 0 „ ( — )
Unter den Blutbefunden verweise ich auf das spärliche Vorhanden¬
sein der Eosinophilen zur Zeit der Aufnahme am 13. Sept., während
nach der ersten Injektion Tags darauf die Eosinophilen schon reichlich
vorhanden sind.
Kurve 36.
Fall 62: Sch. J.
Eine Patientin, die leichter erkrankt war und die ich am 2. Tage
nach Fieberbeginn zu spritzen begann. Schon nach der ersten Injektion
verschwindet das Exanthem, nach 2 weiteren Injektionen ist Patientin
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781
Zur Diagnose und Tharapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
169
entfiebert und geht die Schwellung der Tonsillen rasch zurück. In
der Rekonvaleszenz schuppt Patientin nur sehr wenig; Eiweiss trat im
Urin nie auf.
Kurve 37.
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am 4.
0. 15.
am
5. 9.
am
6. 9.
am
7.
9.
12 h. 30 p. m.
10 h. 45 a. m.
10 h.
30 a. m.
11 h.
a.
m.
Leukozyten:
10,
730
9,020
6.
780
5.
230
davon sind:
•
Polynukl. (N):
81.3®/«
(9,690)
64,6®/o
(5,810)
63.9«/,
(4,310)
62,3®/o
(3
,240)
»» (E)*-
2.4.,
( 130)
1,4,.
( 130)
1.4 „
( 100)
1,9 „
(
100)
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0,3 „
( 30)
0,1 „
( 10)
0,2,.
( 20)
0,3,,
{
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Splenozyten:
7,1.,
( 380)
12,7 „
(1,150)
14,7..
(1,000)
15.2 „
{
800)
Lymphozyten:
8.6 „
{ 470)
21,2 „
(1.920)
18,9 „
(1,280)
20,0 „
(1
,050)
Plasmazellen:
0,3,,
( 30)
0,0 „
( - )
0,9.,
( 70)
0,3.,
(
20)
am
8. 9.
am
10. 9.
am
12. 9.
am
16.
9.
11 h.
a. m.
10 h.
a. m.
11 h
a. m.
12 h. 1
tn.
Leukozyten:
6,930
10,
630
14
,380
15,
400
davon sind:
Polynukl. (N):
58,4®/o
(3,440)
64,9®/„
(6,800)
73,l»/o
(10,480)
51.6®/o
(7
,930)
,1 (E):
2,7 „
( 170)
1,5 „
( 170)
0,6 „
( 100)
1,3,.
(
200)
(B):
0.2,.
( 20)
0,1,.
( 10)
0,1 „
( 20)
0,1,.
(
10)
Splenozyten:
12,3,.
( 730)
6,7 „
( 720)
2,7 „
( 400)
7,6 „
(1
.180)
Lymphozvten:
26,4 „
(1,S70)
26,8 „
(2,830)
23,6,,
( 3,380)
39,3 „
(6,070)
Plasmazeilen:
0,0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,0,.
{ - )
0,1,.
(
10)
am :
22. 9.
am 27. 9.
am 15. 10.
9 h. 40 a. m.
1 h. 20 p. m.
10 h. 10 a. m.
Leukozyten:
14,
OOO
12,
170
10,
130
davon sind:
Polynukl. (N):
40,9®/o
(5,720)
58,2®/o
(7,240)
58,0®/o
(5,870)
>»
(E):
0.7 „
( 100)
1,3 „
( 170)
2,0,.
( 200)
»f
(B):
0,1 „
( 10)
0,5 „
( 70)
0.0 „
( - )
Splenozyten :
15,5 „
(2,170)
7,2,.
( 900)
9,6,,
( 970)
Lymph
ozyten:
42,8 „
(6,000)
31.9 „
(3,970)
30.6 „
(3,100)
Plasmazellen:
0,0 „
( - )
0,9 „
( 120)
0,0 „
( - )
Fall 63;
K. A.
Ein sehr schwerer Patient, der mir am 1. Nov. mit konfluierendem
Exanthem und schwerer Angina eingebracht wurde. Ich verabfolgte
w'ieder täglich nur eine Injektion. Schon am 2. Nov. beginnt Patient
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170
G. HoUer.
[79
zu schuppen und gleichzeitig entwickelt sich eine Scarlatina miliaris,
eine Erscheinung, die ich später nach den ersten Injektionen bei schweren
Scharlachfällen noch wiederholt zu machen Gelegenheit hatte. Nach
5 Injektionen ist der Fall ohne weitere Komplikation ausgeheilt.
Kurve 38.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
.. (B):
Splenozy ten:
Lymphozyten:
PlasmazeiJen:
Leukozyten:
davon sind
Pol3niukl. (N)
(E)
(B)
Splenozy ten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 1. 11. 16. am 2. 11. am 3. 11. am 4. 11.
12 h. 20 p. m. 12 h. 55 p. m. 1 h. 40 p. m. 12 h. 35 p. m.
14,750 10,130 13,350 8,600
88,6»/,
, (13,030)
86,5«/,
, (
8,750)
84,5®/o
(11
,250)
76,l«/o
(6
.460)
0,6 „
(
100)
2,3 „
(
230)
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(
600)
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(
630)
0,0 „
(
—)
0,0 „
(
— )
0,0 „
(
- )
0,2,.
(
10)
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(
750)
4,2 „
(
430)
6,9 „
{
930)
8.9 „
(
770)
5,8 „
(
870)
7,0 „
(
720)
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(
670)
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(
720)
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(
- )
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
0,2 „
(
10)
am
5.
11.
am
7.
11.
am 19. 11.
am 29.
11.
10 h.
40
a. m.
11 h.
55
a. m.
6 h. 5
; p.
m.
2 h.
P-
m.
10
,830
12
,460
13,
750
11,
,120
68,6»/o
(
7,410)
52.8»/,
(
6,380)
44,9»/,
(
6,170)
46.8»/,
(5,170)
8,0 „
(
870)
5,9 „
(
730)
1,2,.
(
170)
2,6 „
( 300)
0,0,.
(
- )
0,0 „
(
~ )
0,2 „
(
30)
0,2.,
( 30)
12,1 „
(
1,320)
13,3 „
(
1,660)
10,8..
(
1,480)
10.3 „
(1.150)
11,0,.
(
1,200)
27,1 „
(
3,360)
42,6,.
(
6,860)
40.1 „
(4,470)
0,3 „
(
30)
0,9 „
(
330)
0,3.,
(
60)
0,0 „
( — )
Fall 64: Schw. lg.
Stammt vom selben Transporte wie der vorausgehende Patient
und wurde gleichfalls mit einem universellen Scharlachexanthem und
starker Entzündung der Halsorgane eingebracht. Die Behandlung be¬
stand, wie die Temperatur kurve zeigt, in einmal täglich verabfolgten
Deuteroalbumoseinjektionen in gesteigerter Dosis. Die Unterbrechung
der Injektionen am 7. Okt. gestattete dem Krankheitsprozesse, sich
wieder frisch zu entwickeln; erst durch zwei weitere Injektionen wird
Patient vollständig geheilt.
Ich möchte schon ansclüiessend an diesen Fall bemerken, dass es
bei Scharlach zu empfehlen ist, die Injektionen mit der letzten wirk¬
samen Dosis, auch wemi kein Fieber ist, noch 1—2 Tage fortzusetzen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
80] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 171
Gewöhnlich erkennt man dann die Beendigung des Scharlachprozesses
daran, dass die Dosis Deuteroalbumose, die zuvor noch starke Erschei¬
nungen (Temperaturanstieg, Schüttelfrost usw.) hervorgerufen hat, jetzt
keine oder nur ganz unbedeutende Reaktion auslöst.
Kurve 39.
am 2. 11. 15.
am 3. 11.
am 4.
11.
am 5.
11.
1 h. p. m.
1 h. 50 p. m.
12 h. 15
p. m.
10 h. 30
a. m.
Leukozyten:
11,350
10,680
10,670
10,930
davon sind:
Polynukl. (N):
87,2% (9,890)
81,8% (8,710)
85,7% (9,140)
78,4% (8,550)
(E):
4,4 „ ( 500)
7,1 „ ( 770)
3,1., (
330)
10,3 „ (1,130)
(B):
0,0„ ( — )
0,0., ( — )
0,3,. (
30)
0,0 „ (
—)
Splenozyten:
2,4 „ ( 280)
4,6 „ ( 500)
6,1 „ (
650)
7,4 „ (
820)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
6,0 „ ( 680)
6.5 „ ( 700)
4,8 „ (
520)
3,9 „ (
430)
0,0„ ( — )
0,0 „ ( — )
0,0 „ (
- )
0,0 „ (
- )
am 7.
11. am 19. 11.
am 29. 11.
12 h. 5
p. m. 6 h. 25
p. m.
1 h. 10
p. m.
Leukozyten: 19,000 8,620
5,670
davon sind:
Polynukl. (N): 56,2% (10,640) 56,5% (4,850) 27,5% (1,560)
„ (E): 7,1 „ ( 1,360) 4,2 „ ( 370) 4,1 „ ( 230)
„ (B): 0,0 „ ( — ) 1,1 „ ( 100) 0,2 „ ( 10)
Splenozyten: 15,9 „ ( 3,030) 16,6 „ (1,430) 23,8 „ (1,350)
Lymphozyten: 16,6 „ ( 3,170) 19,3 „ (1,670) 44,4 „ (2,520)
Plasmazellen: -4,2,, ( 800) 2,3 „ ( 200) 0,0 „ ( — )
In den Blutbefunden verweise ich auf das Verhalten der Leuko¬
zytenarten am 2. Nov., 3. Nov. und 5. Nov., wie ich es eingangs für Schar¬
lach als besonders charakteristisch beschrieben habe. Auch die später
erhobenen Blutbefunde lassen speziell an der anhaltenden Eosinophilie
den Scharlach erkennen. 6 Wochen später akquiriert Patient einen
Paratyphus; sofort verschwinden die Eosinophilen aus dem Blute (s.
Fall 23).
Fall 65: Ka. L.
Ein Patient, der mir am 3. Nov. zum ersten Male spät abends in
einem schlecht beleuchteten Saale vorgestellt wurde. Ein Exanthem
w^ar bei der schlechten Beleuchtung nicht zu erkennen. Die Tonsillen
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
172
G. Holler.
[81
Digitized by
waren stark geschwollen und mit einem diphtherieartigen Belag über¬
zogen, der zum Teil auf die hintere Rachenwand Übergriff. Trotzdem
vermochte ich aus dem sofort erhobenen Leukozytenbefxmde mit grosser
Wahrscheinlichkeit die Diagnose auf Scharlach zu stellen und begann
sofort mit den Injektionen. Bei der Visite am 4. Nov. vermochte ich an
den seitlichen Teilen des Rumpfes nunmehr bei Tageslicht ein spärliches,
nicht konfluierendes Scharlachexanthem zu erkennen. Die bakterio¬
logische Untersuchung auf Diphtherie ergab gleichfalls negatives Resultat.
Patient war gleichzeitig mit den beiden vorausgehenden Fällen vom
Felde in die Station eingebracht worden. Schon nach 3 Injektionen ist
Patient geheilt.
Kurve 40.
am i
. 11. 15.
am
5. 11.
am
B. 11.
am 19. 11.
7 h.
50 p. m.
10 h.
50 a. m.
12 h. 15 p. m.
6 h. 30 p. m.
Leukozyten;
19,180
10
,950
13
060
13,
480
davon sind:
Pol5mukl. (N):
74,9«/,
(14,330)
63,5®/,
(6,930)
50,2«/„
(6,550)
69.2«/o
(9,300) :
„ (E):
1,0 „
( 200)
5,4 „
( 600)
2,5 „
( 330)
1,2 „
( 170) )
(B);
0,0 „
( - )
0,0 „
( -)
0,0 „
( - )
0,2 „
( 30) ^
Splenozyten:
10,1 „
( 1,950)
13,8 „
(1,520)
18,1 „
(2,360)
7,7 „
(1,050)
Lymphozyten;
13,9 „
( 2,680)
17,3 „
(1,900)
28,0 „
(3,660)
21,0 „
(2,830)
Plasmazellen:
0,1 „
( 20)
0,0 „
( - )
1,2 „
( 160)
0,7 „
( 100)
am 30. 11.
2 h.
p. m.
Leukozyten;
13,
130
davon
sind:
Polynukl. (N);
59,3«/o
(7,780)
1
99
(E):
1,0 „
( 130)
1
99
(B):
0,1 „
( 10)
Splenozyten;
8,8 „
(1,170)
1
Lymphozyten;
30,7 „
(4,030)
1
Plasmazellen;
0,1 „
( 10)
Fall 66: Ku. J.
Ein leicht erkrankter Patient, bei dem das Exanthem ganz rudi¬
mentär an den Seitenteilen des Rumpfes und infraklavikulär zur Ent¬
wicklung kam. Der Verlauf der Leukozytenreaktionen lässt den Schar¬
lach sehr gut erkennen.
Go< ’gle
Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
82]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 41.
173
am 26.
11. 15.
am 27. 11.
am 29.
11.
am 30.
11.
7 h. 10 p. m
1 h. 10 p. m.
10 h. 50 8
k. m.
121
L. m.
Leukozyten:
6,
100
5.1
100
5,530
6,220
davon sind:
Polynukl. (N):
62,2%
(3,170)
49,8%
(2,570)
69,2%
(3
.260)
37.27o
(3
.310)
„ (E):
6,6 „
{ 400)
6,5 „
( 330)
4.8.,
(
270)
10,7 „
(
670)
„ (B):
0.2 „
( 10)
0,3 „
( 10)
0,3 „
(
20)
0,6 „
(
30)
Splenozyten:
16.6 „
(1,020)
13,7 „
( 670)
18,3 „
(1
,020)
16,3 „
(1
020)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
24,5.,
(1,600)
29,7,.
(1,520)
17,4 „
(
970)
35,1 „
(1
180)
0,0 „
( - )
0,0 „
( - )
0,0 „
(
- )
0,2 „
(
10)
am
9. 12.
Ih.
p. m.
Leukozyten:
19,
830
davon
sind:
Polynukl. (N):
42,6%
(8,460)
>*
(E):
1.3 „
( 260)
9f
(B):
0.3,,
( 60)
Splenozyten:
5,8 „
(1.160)
Lymphozyten:
49.2 „
(9,730)
Plasmazellen:
0,8 „
( 160)
Fall 67: Wi. J.
Ein fiebernder Patient, der am 24. Nov. in meine Behandlung kam.
Bei der ersten Visite bestand ein universelles, konfluierendes typisches
Scharlachexanthem. Die Rachenorgane waren zur selben Zeit geschwollen
und gerötet, ausserdem bestand ein deutlich palpabler Milztumor, im
Urin nur Aldehyd; Stuhl breiig.
Der Blutbefimd vom selben Tage lässt mich an das gleichzeitige
Bestehen eines Typhus abdominalis, neben dem sicher zu diagnosti¬
zierenden Scharlach denken. Dazu stimmt auch der Milztumor und die
Ajigabe des Patienten, dass er schon seit einer Woche fiebere, die Rötung
seiner Haut aber erst seit einem Tage bestehe. Tatsächlich konnten dann
aus dem am selben Tage entnommenen Blute des Patienten Typhus¬
bazillen gezüchtet werden.
Ich beginne bei diesem schwer erkrankten Patienten sofort mit
den AJbumoseinjektionen. Das Scharlachexanthem geht sofort zurück,
die Haut beginnt leicht zu schuppen, am 25. Sept. entwickeln sich vorüber¬
gehend Bläschen, wie sie als Scarlatina miliaris beschrieben wurden;
am 26. Nov. die Scharlachfleckchen nur mehr an den Seitenteilen des
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
174
G. Holler.
[83
Rumpfes, in inquine und infraklavikulär; ausserdem war aber jetzt
nach dem Zurückgehen des Scharlachexanthems die ziemlich reichliche
Typhusroseoie am Stamm zu sehen.
Die Blutbefunde lassen dem Erfahrenen deutlich die Reaktion der
Leukozyten auf die Scharlach- und Typhusinfektion erkennen. Im all¬
gemeinen scheint der Typhus zu überwiegen, wie sich aus dem reichlichen
Vorhandensein der Lymphozyten und dem Zurückgedrängtbleiben und
Fehlen der Eosinophilen erkennen lässt. Auch die Splenozyten erreichen
bis zur Entfieberung nicht die für Scharlach charakteristischen hohen
Werte, trotzdem kommt es nicht zu der für den Typhus so sehr charak¬
teristischen Splenopenie. Auch die Gesamtleukozytenzahl bleibt an¬
dauernd etwas vermehrt. Sehr interessant ist hier das Verhalten der
Mastzellen. Wir wissen, dass diese bei Typhus spärlich zu finden sind
und nur bei sehr schwerem Verlaufe aus dem Blute verschwinden. Bei
Scharlach sind die Mastzellen am Beginn und bei Beendigung des Krank¬
heitsprozesses sehr reichlich, fehlen dagegen am Höhestadium der Er¬
krankung gewöhnlich. In unseren Befunden sind die Mastzellen am
24. Nov., am Tage des Auftretens des Scharlachexanthems, etwas reich¬
licher, von da ab werden sie spärlicher, um am 28. Nov. sehr vermehrt
aufzutreten. Ich glaube aus diesem vermehrten Auftreten der Mast¬
zellen die Beendigung der Scharlacherkrankung am 28. Nov. annehmen
zu können. Am selben Tage geht auch die Zahl der Splenozyten ent¬
sprechend dem Weiterfortbestehen des Typhus merklich zurück. Durch
9 weitere Deuteroalbumoseinjektionen in steigender Dosis gelingt es
schliesslich, auch den Typhus zu beenden.
am 24. 11. 16.
am 25. 11.
am 26. 11.
am 27. 11.
7. b. 30 p. m.
12 h. m.
12 h. 20 a. m.
1 h. 20 p. m.
Leukozyten:
9,180
6,800
8,430
7,620
davon sind:
Polynukl. (N):
42,6% (3,890)
41,17.
(2,370)
38,77o
(3,260)
46,87, (3.290)
(E):
0,3 „ ( 30)
0.0 „
( — )
0,4 „
( 30)
0,0„ ( — )
. -
0,6 „ ( 50)
0.2 „
( 10)
0,4 „
( 30)
0,2., ( 10)
Splenozyten:
9,0 „ ( 830)
7.1 „
( 420)
9.4,.
( 800)
9.3 „ ( 700)
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
47,5 „ (4,370)
50,8 „
(2,950)
60,4 „
(4.260)
46.1,, (3,470)
0.1.. ( 10)
0,8.,
( 60)
0.7 „
( 70)
0.6 „ ( 60)
am 28. 11.
am 29. 11.
am 30. 11.
am 3. 12.
12 h. 56 p. m.
10 h 44 a. m.
11 h. 44 a. m.
12 h. 5 p. m.
Leukozyten:
6,600
5,870
6,530
8,380
davon sind:
Polynukl. (N):
46,2»/o (3,040)
48,07o
(2,790)
61,37,
(3,340)
49,27, (4.120)
(E):
0.0., ( — )
0,0 „
( - )
0,2,.
( 10)
0,4,. ( 30)
» (B);
1.6., ( 100)
0.2 „
( 10)
0.2 „
( 10)
0,2., ( 10)
Splenozyten:
4,7 „ ( 320)
9,3,,
( 670)
13,5 „
( 880)
10,3,, ( 870)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
47,4 „ (3,130)
41,4 „
(2,430)
33,1 „
(2,170)
39,9 „ (3,360)
0,2 „ ( 10)
1.1.,
( 70)
1.7 „
( 120)
0.0„ ( — )
am 5. 12.
am 7. 12.
am 14. 12.
11 h. 45 a. m.
12 h. 15 p. m.
11 h.
a. m.
Leukozyten: 7,270
11,920
11,900
davon sind:
Polynukl. (N): 32,4®/o (2,340)
33.17o
(3,910)
67,17.
(6,780)
ft
(E): 0.4.,
( 30)
0,6 „
( 70)
1.1..
( 130)
ft
(B): 0.4,,
( 30)
0,2 „
( 30)
0.8,.
( 100)
Splenozyten: 13,9 „
(1,020)
7,9.,
( 950)
8,2 „
( 980)
Lymphozyten: 52,9 „
PlasmazeUen: 0,0 „
(3,850)
( - )
67.7 „
0,6 „
(6,880)
( 80)
32.7 „
0,1 „
(3,900)
( 10)
Digitized by
Goi.igle
Original frsm
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
84]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 42.
175
Fall 68: Ki. N. (s. Fall 6 und 25).
Der Patient hatte ein Monat zuvor einen schweren Parat 5 T)hus B
überstanden (s. d.). Der Scharlach heilte unter Deuteroalbumosetherapie
in 6 Tagen aus. Interessant ist der Wechsel in der Reaktion der Leuko¬
zyten am 22. Okt. (in der Paratyphusrekonvaleszenz) gegen jene am
27. Nov. (in der Scharlachperiode). Kaum 1 Monat nach Ausheilxmg
des Scharlach erkrankte Patient neuerdings an T 3 T)hus abdominalis (s. d.).
Kurve 43.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
(B):
Splcnozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 22. 10. 15.
12 h. 40 p. m.
(Para typhusrekon-
valeszenz)
14,600
am 27. 11.
2 h. 15 p. m.
10,430
am 29. 11.
10 h. 45 a. m.
7,970
am 30. 11.
11 h. 50 a. m.
7,600
78,2%
(11,410)
76,1%
0
^920)
57,7%
(4,590)
53.7%
(4,030)
0.2 „
(
30)
9.2,.
(
970)
12,5 „
(1,000)
5,1,.
( 400)
0.2 „
(
30)
0,1..
(
10)
0,2 „
( 10)
0.2 „
( 10)
11,9„
(
1,730)
7,1 „
(
750)
15,9.,
(1,270)
19,4 „
(1,500)
9,5,,
(
1,400)
7,5 „
(
780)
13.3,.
(1.070)
21.4..
(1,650)
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
0,4 „
( 30)
0,2 „
( 10)
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
176
G. HoUer.
[85
am 2. 12. am 9. 12.
12 h. 55 p. m. 5 h. p. m.
Leukozyten: 6,950 8,430
davon sind:
Polynukl. (N): 62,1% (3,620) 54,6% (4,680)
„ (E): 4,7 „ ( 330) 2,3 „ ( 200)
„ (B): 0,2 „ ( 10) 0,6 „ ( 50)
Splenoz 3 rten: 17,7 „ (1,230) 10,2 „ ( 870)
Lymphozyten: 24,9 „ (1,730) 32,4 „ (2,730)
PlaamazeUen: 0,4 „ ( 30) 0,0 „ ( — )
Die Infektionsquelle für die Scharlacherkrankung bei diesem Pa¬
tienten gab der folgende Fall ab.
Fall 69: Se. G.
Ein Patient, der aus Objekt 1 unserer Station unter Typhusverdacht
auf meine Abteilimg transferiert worden war. Anamnestisch hatte er
6 Fiebertage hinter sich. Bei uns fieberte er noch 2 Tage, um dann ohne
weitere Therapie andauernd fieberfrei zu bleiben. Der Patient war in
meiner Baracke unmittelbar neben den vorausgehenden Fall gelegt
worden. Als mm letzterer an Scharlach erkrankte erschien mir auf
der Suche nach der Infektionsquelle sein mittlerweile schon einige Tage
fieberfreier Nachbar verdächtig. Neben einem ganz unbedeutenden
Schuppen, das meinem Hilfsarzte zuvor entgangen war, ergab eine jetzt
erhobene Blutuntersuchung folgendes Resultat:
am 28. 11. 15.
2 h. 15 p. m.
Leukozyten: 9,070
davon sind:
Polynukl. (N): 40,9% (3,690)
„ (E): 5,1 „ ( 470)
„ (B): 0,5 „ ( 50)
Splenozyten: 6,2 „ ( 570)
Lymphozyten: 47,2 „ (4,280)
Plasmazellen: 0,1,, ( 10)
Es ist mir danach nicht zweifelhaft, dass dieser Patient einen leichten
Scharlach durchgemacht hatte, um so mehr als Patient auf Befragen
nachträglich angab, er sei, als er noch in Objekt 1 lag, an den Seiten¬
teilen des Rumpfes kirrze Zeit rot gewesen.
Fall 70: Wo. Jo.
Ein Patient, der 6 Wochen vorher einen schweren Typhus exan-
thematicus überstanden hatte (s. d. Fall 52). Infiziert wurde er aut
unserer Station mit Scharlach durch eine Helferin, die heimlich in einer
benachbarten Ortschaft ihr scharlachkrankes Kind besucht hatte. Durch
Albumosetherapie heilte die ziemlich schwer einsetzende Erkrankung
in 5 Tagen aus.
Digitized by
Got'gle
Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
86 ]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
Kurve 44.
177
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N)
„ (E)
(B)
Splenozyten:
Lymphozyten
am 5. 12. 15.
1 h. 40 p. m.
(Exanthemati-
cus-Rekonvales-
zenz)
11,180
am 26. 12.
8 h. 35 p. m.
am 27. 12.
9 h. 45 p. m.
21,800
20,100
am 29. 12.
11 h. 50 a. m.
16,320
Plasmazellen:
65,7»/o (6.200) 72,2«/, (16,710) 76,6«/, (16,360) 63,6«/, (10,360)
3,6 „ ( 400) 1,8 „ ( 400) 2,1 „
0,7 „ ( 80) 0,6 „ ( 130) 0,3,,
6,0 „ ( 670) 6,8 „ ( 1,600) 7,1 „
36,1 „ (3,930) 18,6 „ ( 4,060) 14,0 „
0 , 0 „ ( — ) 0 , 0 „ ( — ) 0 , 0 ,.
430)
60)
1,430)
2,830)
- )
2.6
0,3
8 , 8 ,,
24,3 „
0,4 „
430)
60)
1,460)
3,970)
70)
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 5. 1. 16.
7 h. p m.
18,830
50,8% (9,540)
0,7 „ ( 130)
0,4 „ ( 80)
6,0 „ ( 950)
42,9 „ (8,080)
0,2 „ ( 50)
PaU 71: Or. D.
Wurde am 24. Febr. mit voll zum Ausbruch gekommenem Exanthem
auf meine Abteilung gebracht. Das Exanthem ist am Stamm bereits
vollständig konfluierend, an den Extremitäten sind die einzelnen Fleck¬
chen noch zu erkennen.
Ich verabfolgte bei dem Patienten 2 Injektionen täglich und spritzte
mit der letzten wirksamen Dosis, ohne einen Temperaturanstieg abzu-
warten (wie aus der Temperatiu-kurve zu entnehmen ist), noch 2 Tage
weiter. Auf die 2. Injektion hin trat, obwohl sie gleich dosiert war wie
die beiden vorausgehenden, fast keine Reaktion mehr auf, ein Zeichen,
dass der Krankheitsprozess tatsächlich beendet war.
Beitrige zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 u. 2. 12
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
178
G. Holler.
[87
Digitized by
am 24
2. 16.
am
26. 2.
am
26. 2.
am
27. 2.
11h.
a. m.
llh.l
50 a. m.
12]
ti. m.
2 h.
p. m.
Leukozyten;
16,
080
16
,400
26
,600
16
400
davon sind:
Polynukl. (N);
78.7«/o
(12,640)
76.6®/,
(12,630)
82.1®/,
(21,080)
72,9®/.
(11,260)
M (E);
8.3 „
( 870)
8,7 „
( 1,430)
4,4 „
( 1,130)
7,6 „
( 1,170)
(B):
0.1 „
( 10)
0,1 „
( 20)
0,1 „
( 30)
0.2 „
( 10)
Splenozyten:
6.8 „
( 930)
6.4.,
( 900)
6,8 „
( 1.400)
6,8 „
( 1,050)
Lymphozyten;
PlasmazeUen;
10.1.,
( 1,630)
9.1.,
( 1,600)
7,8,.
( 1,930)
12,4 „
( 1,920)
0.0.,
( - )
0,1,.
{ 20)
0,1 „
( 30)
0,2 „
( 10)
am 28. 2.
am
29. 2.
am
1. 3.
am
2. 3.
11 h.
a. m.
10 h. ;
16 a. m.
10 h. 45 a. m.
1 h. 5 p. m.
Leukozyten;
10.
960
14
,670
16
170
15,
280
davon sind:
Polynukl. (N):
69.6»/,
( 6,600)
63.9®/,
( 7,930)
46.1®/,
( 7,220)
49,7®/,
( 7,550)
(E):
8.2..
( 900)
9,3,.
( 1.370)
8.4 „
( 1,370)
10.2 „
( 1,670)
c -
0.1.,
( 10)
0.2 „
( 10)
0.4 „
( 60)
0,6,.
( 100)
Splenozyten;
11.6 „
( 1.270)
12.3,.
( 1,800)
12,4,.
( 2,020)
10,6 „
( 1.630)
Lympho^rten ;
Plasmazellen;
19.3.,
( 2,120)
16,6 „
( 2,430)
16,1,.
( 2,470)
21.1..
( 3,230)
1.3 „
( 160)
7,7,.
( 1,130)
18.6..
( 3,030)
7.8 „
( 1,200)
am
3. 3.
am
4. 3.
am
6. 3.
am
6. 3.
1 h. 20 p. m.
1 h. 15 p. m.
12 h. 10 p. m.
12 h. 26 p. m.
Leukozyten;
12,000
11,
200
17,
820
29,360
davon sind;
Polynukl. (N);
63,9»/„
( 6,460)
66,l®/o
( 6,270)
60,4®/o
(10,760)
61.1®/,
(18,440)
„ (E):
11.3..
( 1.370)
8,3 „
( 930)
6,1,.
( 1.100)
3,6,,
( 530)
» (B);
0.2,.
( 10)
0,4 „
( 50)
1.0.,
( 170)
0.4 „
( 130)
Splenozyten ;
10,6 „
( 1.270)
10,1,.
( 1,130)
8.3 „
( 1,480)
10,6 „
( 3,100)
Lymphozyten;
22,8,,
( 2,730)
23,8 „
( 2,670)
24.2 „
( 4,320)
24,4,,
( 7,160)
PlasmazeUen;
1.3,.
( 170)
1,3 „
( 160)
0,0 „
( - )
0,0 „
( — )
am
7. 3.
am
9. 3.
am ]
12. 3.
am 23. 3.
11 h. 45 a. m.
11 h. 30 a. m.
11 h. 45 a. m.
1 h. 16 p. m.
Leukozyten;
22,
930
17
930
22,
130
17,
700
davon sind;
Polynukl. (N);
63.9®/,
(16,000)
67,3»/o
(12,050)
72,7»/o
(16,040)
61,0®/o
(10,780)
,, (E);
3,3,,
( 380)
7,4 „
( 1,330)
6,7.,
( 1,600)
6,8 „
( 1,030)
^ » (B)*
0,1,.
( 30)
0.6..
( 100)
0.4 „
( 100)
1,6,.
( 260)
Splenozjrten;
15.1 „
( 3,460)
11,3 „
( 2,030)
8,1,.
( 1,800)
11.6.,
( 2,060)
Lymphozyten;
PlasmazeUen;
17,4
( 4,000)
12.6 „
( 2,260)
11,8.,
( 2,630)
20.1.,
( 3,670)
0,2 „
( 60)
0,9 „
( 160)
03..
( 60)
0,0,.
( — )
Kurve 45.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Gotigle
88 ]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Eiriegsseuchen.
179
Schon nach den ersten Injektionen geht das Exanthem rasch zurück
und beginnt die Hautschuppung. Letztere wird am 29. Febr. ausser-
gewöhnlich heftig. Die hochgradigen Hautveränderungen dokumen¬
tieren sich auch in den Biutbefxmden vom 29. Febr., 1. und 2. März durch
die hochgradigen Splenozytosen. Auch sonst lassen die fortlaufend
erhobenen Leukozytenbefunde den Verlauf und die Ausheilung der
Erkrankung gut erkennen.
FaU 72: Ga. E.
Ein Landsturmmann vom Pflegepersonal aus Objekt 1, der sich
dort jedenfalls gleichzeitig mit den beiden nachfolgend angeführten
Fällen von einer gemeinsamen mir unbekannten Quelle infiziert hatte
oder selbst Ursache für die Erkrankung der beiden letzteren war.
Eingebracht wurde er mit einem universellen, doch noch nicht
konfluierenden Exanthem am 28. Febr. abends. Auch die Rachen¬
organe waren gerötet und geschwollen.
Die Therapie bestand, wie bei den vorhergehenden Fällen, in Deutero-
albumoseinjektionen, die bei diesem leichten Falle nur einmal täglich
solange verabfolgt wurden, bis die Reaktion auf die Injektionen ausblieb.
Kurve 46.
am 28. 2. 16. am 29. 2.
8 h. 40 p. m. 10 h. 45 a. m.
am 1. 3. am 2. 3.
10 h. 40 a. m. 1 h. 10 p. m.
Leukozyten:
davon sind
Polynukl. (N)
„ (E)
o . »
Splenozyten:
I^rmphozyten:
Plasmazellen:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N);
' » (E):
= . » (B)=
öplenozyten:
Lympho^^n:
PlasmeizeUen:
19,430 14,880 11,880 12,270
86 . 6 O /0
(16,810)
82,37o
( 12 , 220 )
75,6®/„
(
8,970)
73 , 70/0
(
9,020)
1.7 „
( 330)
2,6 „
(
400)
6,0 „
(
600)
3,7 „
(
470)
0,1,.
( 30)
0,3 „
(
50)
0,1,,
(
10)
0,1 „
(
10)
5,3 „
( 1,030)
6,2 „
(
930)
8,8,,
(
1,050)
9,6 ,,
(
1.170)
6,3 „
( 1,230)
8,6 „
(
1,280)
10,6 „
(
1,250)
13,0 „
(
1,600)
0,0 „
( - )
0,0 „
(
- )
0,0 „
(
- )
0,0 „
( -)
am
3. 3.
am
4. a
am
5. 3
am
6.
3.
Ih. {
> p. m.
12 h. 30 p.
m.
12 h. 16 p.
m.
12 h. 45]
p. m.
16,
,620
11,
,470
16,
,460
16,
120
67,3«/o
( 9,490)
62,2»/o
( 6
,980)
0
00
( 7,
,360)
46,8«/o
(
7,050)
2,4 „
( 400)
2,9.,
(
330)
1,9 „
(
300)
2,0,.
(
300)
0,1 „
( 10)
0,1 „
(
10)
0,3,,
(
50)
0,6 „
(
80)
11,1,.
( 1,850)
11.4 „
( 1
,320)
10,2,,
( 1,
,580)
10,9 „
(
1,650)
28,6,,
( 4,770)
29,6 „
( 3
.400)
36,4,,
( 6,
,480)
37,4 „
(
5,670)
0,6 „
( 100)
3,8,,
(
430)
4,4,.
(
680)
2.4 „
(
370)
12 *
Digitized by
Goi.igle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
180
G. Holler.
[89
am
7. 3.
am
8. 3. am
9. 3
am
12.
3.
11 h. 55 a. m.
12 h. 35 p. m. 11h. 40 a.
m.
11 h. 55 a.
m.
Leukozyten:
12
,550
16,
680 13,
630
12
,630
davon sind:
PolynukL (N):
60,0®/o
( 7,340)
55.4®/o
( 9,210) 60.9®/o
( 8
,290)
66,4®/,
( 7
,050)
(E):
1,8.,
( 230)
2,3,,
( 400) 2.0,,
(
270)
1.8..
(
230)
(B):
0,2 „
( 30)
0,4 „
( 70) 0,3 „
(
50)
0,6,.
(
70)
Splenozyten:
7.4,.
( 930)
7.0,.
( 1,170) 4,4,,
{
600)
4,2 „
(
530)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
30,2,,
( 3,970)
34.8 „
( 6,820) 32,4 „
( 4
,420)
37,1.,
( 4
,650)
0,4,.
( 50)
0,1,.
( 10) 0,0 „
(
- )
0.0 „
(
- )
am 23. 3.
•
12 b. 55 p. ra.
Leukozyten:
13,180
davon sind:
Pol3mukl.
(N):
41,l®/„ (5,390)
(E):
2.0,, ( 270
»t
(B):
0.2 „ ( 30)
Splenozyten:
5,4 „ ( 720)
Lymphoz]
^ten:
51,3,, (6,770)
Plasmaze)
len:
0.0„ ( — )
Fall 73: D. S.
Wurde am 2. Tage nach Temperaturanstieg mit einem fast kon-
fluierenden Scharlachexanthem und einer heftigen diphtherieartigen
Entzündung der Rachenorgane aus Objekt 1 eingebracht. Die Deutero-
albumoseinjektionen werden täglich einmal verabfolgt; schon die zweite
bewirkt zum erstenmal Entfieberung, die vierte wird von keinerlei nach¬
weisbarer Reaktion mehr gefolgt.
Kurve 47.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
.. (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
PlasmazeUen:
am 1. 3. 16.
6 h. 35 p. m.
6,620
70,3% (4,650)
5,0 „ ( 330)
0.2( 10)
6.2 „ ( 420)
18.!.. (1.200)
0.2., ( 10)
am 2. 3.
12 h. 50 p. m.
9,220
77,4«/„ (7,130)
5,7 „ ( 630)
0 , 1 ,. ( 10 )
6,4 „ ( 600)
11,4,. (1,050)
0 . 0 ,. ( — )
am 3. 3.
12 h. 50 p. m.
8,600
73,4®/o (6,230)
7,8 „ ( 670)
0,0 „ ( — )
7.6,. ( 660)
11,2 „ ( 960)
0.0 „ ( — )
am 4. 3.
12 h. 5 p. m.
8,620
61,8»/o (4,460)
7,7 „ ( 670)
0,2 „ ( 10 )
11 , 6 ,, ( 1 , 000 )
27,8 „ (2,400)
0,9 „ ( 80)
Digitized by
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
90]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
181
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N)
„ (E)
„ (B)
Splenozyten:
P^^mazellen:
am
5.
3.
am
6. 3.
am
7. 3.
am
8. 3.
12 h. m.
12 h. 40 p. m.
11 h. 50 a. m.
12 h. 45 p. m.
6,420
7,220
10,
,720
8,!
960
43.7®/o
(2
,790)
36,2«/,
(2,520)
27,0»/o
(2,870)
47,6»/,
(4,240)
7,7 „
(
600)
8,3,,
( 600)
4,6.,
( 600)
6.9 „
( 630)
0,2.,
{
10)
1.3 „
( 100)
0,3 „
( 30)
1,6 „
( 160)
14,8 „
(
950)
11.6 „
( 830)
9.1.,
( 980)
11,9,.
(1.070)
32.9,.
(2
,120)
39,4 „
(2,850)
66,2 „
(6,920)
32,9 „
(2,960)
0,7 „
(
60)
4,3..
( 320)
3,8,,
( 420)
0.2 „
( 10)
Leukozyten:
davon sind
Polynukl. (N)
(E)
(B)
Splenozyten:
L
Plasmazellen:
am 9. 3. am 12. 3. am 23. 3.
11h. 45 a. m. 11h. 50 a. m. 12 h. 45 p. m.
8,070 7,700 7,380
61,5«/,
(4
,140)
48,4«/o
(3
1,730)
49,6®/o
(3,640)
4,6 „
(
370)
4,3 „
(
330)
3,6 „
(
270)
0,8 „
(
70)
0,4 „
(
30)
0.4 „
(
30)
8,6 „
(
700)
6,9 „
(
530)
6,6 „
(
420)
34,4 „
(2
!,780)
40,0 „
(3,080)
40,9 „
(3,020)
0,2 „
(
10 )
0,0 „
(
—)
0 ,0.,
(
-)
Fall 74: M. D.
Ein Fall, der am 5. März mit einem beginnenden, noch nicht kon-
fluierenden Scharlachexantheme (am heftigsten am Halse, weiter an
den Seitenteilen des Rumpfes, in inquine und an den Beugeseiten der
Extremitäten) eingebracht wurde. Im Vordergrund standen bei diesem
schwerkranken Patienten die Rachenerscheinungen. Die Tonsillen waren
mächtig, fast bis zur Berührung geschwollen, mit einem schmutzig¬
grau weissen Belag und Geschwüren bedeckt. Die nekrotisierende Ent¬
zündung griff weiter auf die Gaumenbögen imd die hintere Rachenwand
über und ausserdem bestand ein sehr heftiger Nasenkatarrh.
Ich verabfolgte bei dieser schweren Erkrankung 2 Injektionen täg¬
lich imd war so imstande, den Patienten im Verlaufe von 5 Tagen zu
heilen; die drei letzten Injektionen verliefen mit unbedeutender Reaktion.
Die Rachenorgane waren am 10. März nur mehr unbedeutend entzündet,
nachdem von dem Belage bereits am 7. März die letzte Spur verschwun¬
den war. In der Rekonvaleszenz schuppte Patient sehr stark; dem¬
entsprechend in den Blutbefunden vom 10., 11. und 12. März wieder die
starken Spleno- und Plasmazytosen.
Kurve 48.
Digitized by Goi '«le
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
182
G. HoUer.
[91
am 5. 3. 16.
am
6. 3.
am
7. 3.
am
8.
3.
12 h. 30 p. m.
12 h. 16 p. m.
11h..
25 a. m.
11h.
a.
m.
Leukozyten:
30,800
24
,800
23
,230
18.
970
davon sind:
Polynukl. (N):
70.0®/o (21,610)
77,6% (19,220)
76,1% (17,660)
66,4%
(12,690)
„ (E):
0,3 „ ( 100)
0,9 „
( 230)
1,3 „
( 300)
1,7.,
(
30)
(B):
0,6 „ ( 200)
0,6 „
( 130)
0.4,.
( 100)
0,6 „
(
120)
Splenozyten:
11,1,, ( 3,430)
11.1..
( 2,760)
11,0,.
( 2.660)
11.3.,
(
2,160)
Lymphozyten:
18,0 „ ( 6,660)
9,9 „
( 2,460)
11,0..
< 2,660)
20,3 „
(
3,860)
PlasmazeUen:
0 , 0 „ ( — )
0,0 „
( -)
0,2,.
( 60)
0,7 „
(
130)
am 9. 3.
am
10. 3.
am
11. 3.
am 12.
3.
11 h. a. m.
12 h. 25 p. m.
11 h. 20 a. m.
11 h. 401
i. m.
Leukozyten:
17,360
11
,660
13
,070
18.
000
davon sind:
Polynukl. (N):
48,3% ( 8,360)
39,0%
( 4,490)
43,0%
( 6,690)
46,1%
(
8,090)
„ (E):
2,5 „•( 430)
3,7 „
( 430)
3,0,,
( 400)
3.1,.
(
670)
(B):
1,0 „ ( 170)
2,6 „
( 300)
1.4,.
( 180)
1,1.,
(
200)
Splenozyten:
12,8 „ ( 2,230)
13,7 „
( 1,680)
11,4 „
( 1,600)
6,2.,
(
1.120)
Lymphozyten:
34,0 „ ( 6,920)
36,2,,
( 4,180)
31,3,.
( 4,100)
41.6.,
(
7,470)
Plasmazellen:
1,4 „ ( 260)
4,9 „
( Ö70)
9,9,,
( 1,300)
3,0,,
(
650)
am
13. 3.
am
16. 3.
11h.
6 a. m.
10 h. ]
10 a. m.
Leukozyten:
13
,680
18
,530
davon sind:
Polynukl. (N):
69,9%
(8,140)
62.4%
(9,660)
„ (E):
3.6 „
( 600)
2,8,.
( 630)
„ (B):
0,8 „
( 120)
2,1 „
( 400)
Splenozyten:
6,9 „
( 820)
6.8 „
(1,270)
Lymphozyten:
28,8,.
(3,960)
36,7 „
(6,620)
PlasmazeUen:
1,0 „
( löO)
0,2 „
( 60)
Ich verabfolge die Deuteroalbumose, wie aus der Demonstration
der Krankheitsfälle hervorgeht, bei mittelschweren und schweren Schar¬
lachfällen zumindest zweimal täglich in steigender Dosis; habe ich einmal
Entfieberung erzielt, so injiziere ich an den folgenden Tagen, ohne einen
neuerlichen Temperaturanstieg abzuwarten, mit der letzten wirksamen
Dosis täglich einmal so lange weiter, bis diese keine oder nur mehr un¬
bedeutende Reaktion hervorruft. Ich habe so mit Deuteroalbumose
bis jetzt 32 Scharlachfälle ohne Todesfall und ohne Komplikationen
ausgeheilt. Der letztere Umstand, besonders, dass Nephritiden trotz
monatelanger genauer Kontrolle bei keinem der Fälle auftraten, spricht
sehr zugunsten meiner Therapie. Wieder liegt der Wert der Merkschen
Deuteroalbumose nicht so sehr in der Abkürzung des ohnehin kurz¬
fristigen Kjankheitsbildes (hier vor allem in der Vermeidung von Kompli¬
kationen) und wieder wird den Vorteil, den uns die Deuteroalbumose-
therapie bei Scharlach bietet, nur der voll einzuschätzen verstehen,
der ihre Wirkung am Krankenbett selbst zu beobachten Gelegenheit
hatte.
Unbedingt müssen wir, wie schon einmal erwähnt, gleichzeitig die
schon seit alters her bekannten Vorschriften in puncto reizloser Diät strenge
einhalten. Ich lasse noch Wochen über die Entfieberung hinaus nur
Milchspeisen verabfolgen und rate den Patienten, sich vor Erkältung
zu hüten.
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Goi.igle
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
92]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
183
Variola Vera.
Die Entwicklung des Blattemausschlages kann ich hier übergehen;
bekanntlich geht dem Ausbruch des eigentlichen Pockenausschlages
gewöhnlich ein scharlachartiges Initialexanthem vorher, das rasch
wieder verschwindet.
Der Ablauf der Leukozytenreaktion bei echten Blattern gleicht
am meisten dem bei Scharlach und Fleckfieber. Gleich nach Beginn
des Temperaturanstieges finden wir in schweren und mittelschweren
Fällen eine polynukleäre Leukozytose von gewöhnlich 8—10 000 2iellen.
Die Eosinophilen sind vorhanden, gewöhnlich schon etwas vermehrt;
bei sehr schwer einsetzenden Fällen spärlich. Die Mastzellen gehen
am Beginn der Erkrankung mit den Eosinophilen. Die Lymphozyten
sind nur bei sehr schweren Erkrankungen am Beginn etwas zurück¬
gedrängt; in mittelschweren Fällen finden wir die Lymphozytenzahl
gewöh^ch schon etwas über der Norm. Die Splenozyten sind stets
vom ersten Krankheitstage an schon vermehrt. Bei der weiteren Ent¬
wicklung der Erkrankung nehmen die Splenozylen parallel der Aus¬
bildung der Hautveränderungen an Zahl immer mehr zu. Je schwerer
der Krankheitsprozess, um so höhere Splenozytenwerte konnten wir
konstatieren. Umgekehrt reagieren auch hier wieder die Lymphozyten:
je leichter die Erkrankung, um so früher und reichlicher vermehrt sind
die Lymphozyten zu finden. Die Plasmazellen sind gewöhnlich während
des ganzen Ablaufes der Erkrankung zu finden. Am reichlichsten am
Beginn des Stadiums suppurationis. Bei leichten und mittelschweren
Krankheitsprozessen kommt es ausserdem zur Entwicklung sehr hoch¬
gradiger Eosinophilien, gewöhnlich gleich von Beginn ab; nur bei ganz
schwerem Verlaufe, kombiniert dann gewöhnlich durch einen septischen
Prozess, werden die Eosinophilen im Suppurationsstadium spärlich
oder verschwinden ganz. Die Mastzellen fehlen (wie bei Scharlach) am
Höhestadium häufig, treten besonders bei Fällen mit gar keinem oder
nur unbedeutendem Resorptionsfieber zur Zeit der Entfieberung ver¬
mehrt auf. Bei Abortivprozessen sind sie mit den Eosinophilen an¬
dauernd reichlich anzutreffen. Nach der Abstossung der Schorfe geht
die Zahl der Splenozyten bald zurück, erreicht aber erst mit vollständiger
Beendigung des Hautprozesses die Norm, dagegen kommt es in der
Rekonvaleszenz zu meist hochgradigen absoluten und relativen Lympho¬
zytosen. Die Eosinophilen finden wir bis spät in die Rekonvaleszenz
hinein, wenn diese ungestört ist, reichlich.
Das für Blattern besonders charakteristische Blutbild, yne wir es
am Höhestadium mittelschwerer und unkomplizierter schwerer Er-
krankimgsprozesse zu sehen bekommen, ist demnach: hochgradige Leuko¬
zytose (bis 30 000 Zellen), die Splenozyten, Plasmazellen, Lymphozyten
und Eosinophilen zuungunsten der neutrophilen Pol 3 niuklcären relativ
und absolut stark vermehrt, die Mastzellen oft spärlich.
Nach Prodromen, bestehend in Mattigkeit, häufig aussergewöhnlich
heftigen Kreuzschmerzen und Kopfschmerzen, steigt meist unter Schüttel¬
frösten die Temperatur rasch an. Eine Steigerung erfährt das Fieber
weiter mit dem Erscheinen des Pockenausschlages, um unmittelbar nach
Entwicklung desselben bei schweren Fällen etwas, ohne die Normal-
Di gitized by
Goi.igle
Original frem
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
184
G. HoUer.
[Ö3
temperatur zu erreichen, bei leichten Fällen auf Normaltemperatur ab¬
zufallen. Eine neuerliche Steigerung der Temperatur tritt besonders
bei reichlicher Entwicklung der Pocken im Stadium suppurationis auf
(Resorptionsfieber). Dies ist auch die Zeit, in der besonders häufig Kom¬
plikationen durch septische Prozesse einsetzen.
Die Milz ist im Beginn der Erkrankung immer perkutorisch ver-
grössert, häufig deutlich palpabel, nimmt mit dem Fortschreiten des
Krankheitsprozesses langsam an Grösse ab. Im Urin ist Diazo negativ,
Aldehyd positiv, Eiweiss ist häufig nachzuweisen.
Ich will noch kurz einige Verlaufseigenttimlichkeiten der Blattern¬
infektion anführen:
Eine leichte Form der Erkrankung, wie sie fast durchwegs bei mit
Erfolg Geimpften oder bei Leuten auftritt, die vor langer Zeit schon
einmal Blattern überstanden haben, ist die Variolois. Diese Erkran¬
kungsform ist ungefährlich, es kommt bei ihr nur zur Entwicklung eines
spärlichen Pockenausschlages, speziell im Gesicht. Unmittelbar nach
Entwicklung desselben sinkt auch schon die Temperatur kritisch zur
Norm ab. Ein Besorptionsfieber fehlt meistens oder ist ganz unbedeutend.
Manchmal verschwindet der Ausschlag, ohne das Knötchenstadium
überschritten zu haben. Die leichteste Form der Erkrankung ist die
Febris variolosa sine exanthemate, wo es überhaupt nicht zur Ausbildung
eines Ausschlages, hin \md wieder zum Auftreten eines leichten Initial¬
exanthems kommt und die Fieberperiode selten länger als 1 —2 Tage
währt. Die Erkrankung ist aus dem Blutbilde besonders dort leicht
zu erkennen, wo anamnestisch Anhaltspunkte für eine Blatteminfektion
bestehen. Das massenhafte Auftreten der Lymphozyten gleich von
Beginn des Fieberstadiums, die Vermehrung der Eosinophilen, Mast¬
zellen und Splenozyten im Leukozytenbilde lassen uns bei solchen Fällen
die Diagnose ziemlich sicher stellen.
Besonders gefährliche Abarten der Variola vera sind: die Variola
confluens mit besonders reichlicher Entwicklung des Ausschlages, so
dass die Pusteln speziell im Gesicht konfluieren; die Variola haemorrhagica,
bei der es zu Blutungen in die Pusteln kommt und die Purpura variolosa,
bei der Hämorrhagien noch vor dem Auftreten des Ausschlages sich
entwickeln. Es wird schon das Initialexanthem häufig hämorrhagisch
oder es erfolgen ausgebreitete Blutungen in die Haat. Zu Blutaus¬
tritten kommt es gleichzeitig auch in den inneren Organen.
Die Wirkung der Deuteroalbumose bei Variola habe ich erst an
einer verschwindend kleinen Zahl von Fällen erprobt und steht mir
daher darüber bisher keine Erfahrtmg zu; bei der Demonstration der
nachfolgenden Krankheitsfälle soll daher hauptsächlich die Reaktion
der Leukozyten während des Ablaufes der Erkrankung Berücksichtigung
finden.
Fall 75: So. Wa.
Wurde mir in meine Abteilung am 18. Juli unter Fleckfieber verdacht
eingebracht. Zur Zeit der Aufnahme bestand ein mässig reichliches
typhusartiges Exanthem an Stamm und Extremitäten. Die Milz ist
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Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen,
perkutorisch deutlich vergrössert, aber nicht palpabel. Am nächsten
Tage (am 19. Juli) wird das Exanthem reichlicher, am 20. treten heftige
Hauthämorrhagien auf, gleichzeitig entleert Patient mit dem Stuhl
grosse Mengen Blut. Die Diagnose schwankt anfangs zwischen Purpura
variolosa und Typhus exanthematicus siderans. Die heftigen Darm¬
blutungen halte ich durch die allgemeine hämorrhagische Diathese be¬
dingt.
Die Wirkung der Deuteroalbumose bei hochvirulenter Infektion
war mir damals noch unbekannt, da ich aber bei Dysenterie eine günstige
Beeinflussung der Darmblutungen durch Albumose gesehen hatte, ver¬
abfolge ich, wie beiliegende Temperaturkurve zeigt, niedrig dosierte
Injektionen. Tatsächlich wird daraufhin die Darmblutung schwächer;
für die Beeinflussung der Blatterninfektion selber waren, wie ich nach
meinen mittlerweile gewonnenen Erfahrungen weiss, die Dosen zu niedrig.
Am 5. Tage nach Beginn des Temperaturanstieges schiessen neben dem
hämorrhagischen Exanthem am ganzen Körper, speziell reichlich im
Gtesicht, Knötchen auf, die sich bald zu Bläschen und Pusteln umbilden.
Die Pusteln sind grösstenteils hämorrhagisch. Nach der Entfieberung,
die sich an das Auftreten der Pusteln anschliesst, erliegt der Patient
dem Krankheitsprozesse.
Bei der Obduktion findet der Obduzent Dr. S. Schönhof neben
der Variola eine schwerste Flexner-Dysenteric; der ganze Dickdarm
nekrotisch, im Dünndarm ausserdem noch Narben von einem laut
Anamnese vor zwei Monaten überstandenen Typhus.
Kurve 49.
am 21. 7. am 23. 7. am 24. 7.
12 h. 45 p. m. 11h. a.m. 8 h. 30 a. m.
Leukozyten: 7,730 6,820 5,900
davon sind:
Polynukl. (N): 60,l®/o (4,630) 27,4»/o (1,870) 34,5®/o (2,020)
„ (E): 2,8 „ ( 220) 3,0 „ ( 200) 1,6 „ ( 100)
Mastzellen: 0,0 „ ( — ) 0,2 „ ( 10) 0,5 „ ( 30)
Splenozyten: 12,0 „ ( 930) 33,0 „ (2,250) 21,1 „ (1,250)
PlasmazeUen: 0,6 „ ( 50) 0,5 „ ( 40) 3,1 „ ( 180)
Lymphozyten: 24,6 „ (1,900) 36,9,, (2,460) 39,2 „ (2,320)
FaU 76: Ur. W.
Eine Variolois bei einem vor drei Monaten mit Erfolg geimpften
Soldaten. Ich sah den Patienten zum ersten Male am 3. Fiebertage
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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186
G. Holler.
[96
im Knötchenstadium. Der Prozess heilt unbeeinflusst aus. Bereits
am 4. Tage kommt es zur Entwicklung kleiner Pusteln und damit zur
kritischen Entfieberung. Das anschliessende Resorptionsfieber war, wie
die Temperaturkurve sehen lässt, unbedeutend.
Kurve 50.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
» (E):
,, (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 18. 11. 16.
6 h. 30 p. m.
13,460
am 22. 11.
11 h. 55 a. m.
13,150
am 22. 11.
12 h. 10 p. m.
8,000
am 24. 11.
11 h. 55 a. m.
7,100
27,1%
(3,660)
63,7%
(7.040)
42,2%
(3,350)
39,9%
(2
!,750)
4,9 „
( 660)
3,0 „
( 400)
6,0 „
(
430)
2,3 „
(
170)
0,0 „
( — )
0,1 „
( 10)
1.4 „
(
120 )
2,1 „
(
150)
27,0 „
(3,630)
16,9 „
(2.100)
11 .2..
(
900)
12.4 „
(
880)
30,9 „
(4,160)
26,8 „
(3,400)
40,2 „
(3
;,200)
43,3,,
(3
1.170)
10,1
(1,360)
1 .6,.
( 200)
0,0 „
(
-)
0,0 „
(
- )
am 28. 11.
11 h. 45 a. m.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
9,020
38,9% (3,510)
2 , 2 ., ( 200 )
1,1 „ ( 100 )
9,2,, ( 830)
48,6,, (4,380)
0,0„ ( - )
Fall 77: L. Lu.
Ein Patient, der angibt, vor einem Monat ohne Erfolg, sonst noch
nie geimpft worden zu sein. Er w\u*de am 26. Nov. auf meine Station
transferiert. Bei der Aufnahme fiebert Patient; an den Seitenteilen
des Rumpfes und an der Innenseite der Oberschenkel besteht ein
scharlachartiges Exanthem. Die Milz perkutorisch etwas vergrössert,
im Urin Aldehyd. Das Blutbild vom 26. Nov. spricht für Blattern.
Am 27. Nov. beginne ich mit den Injektionen. Am 28. treten am ganzen
Körper, besonders reichlich im Grcsicht, Kjiötchen und Flecken auf.
Ich schreite jetzt energisch zur Verabfolgung höherer Dosen Deutero-
albumose weiter. Daraufhin verschwindet der grösste Teil der Knötchen
wieder und nur wenige bilden sich zu Bläschen und Pusteln um. Es
entwickelt sich so das Krankheitsbild einer Variolois; inwieweit durch
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96]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
187
die Wirkung der Deuteroalbumose, kann ich bei Erprobung bei diesem
einen Falle nicht entscheiden. Die Blutbefunde lassen jedenfalls er¬
kennen, dass es sich um einen von Haus aus nicht schweren Kxankheits-
verlauf handelte. Ein Resorptionsfieber blieb aus.
Kurve 51.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
am 26. 11. 15. am 27. 11.
1 h. 15 p. m. 1 h. 30 p. m.
8,400 8,980
am 28. 11.
11 h. 35 a. m.
7,200
am 29. 11.
11 h. 10 a. m.
8,050
«O
00
o
(4,180)
46,6«/o
(4,090)
3,9 „
( 330)
2,9 „
( 270)
0,2 „
( 10)
0,1 „
( 10)
16,2 „
(1.370)
18,1
(1,630)
29,7 „
(2,500)
33,2 „
(2,970)
0,2 „
( 10)
0,1 „
( 10)
am 30. 11.
am
12 h.!
25 p. m.
12 h.-
44,6%
(3,200)
41.2%
(3,300)
3,7 „
( 270)
2,0 „
( 170)
0,7 „
( 50)
0.4 „
( 30)
18,7 „
(1,350)
16,1 „
(1,300)
31,0 „
(2,230)
38,3 „
(3,080)
1,3 „
( 100)
2,0 „
( 170)
, 12.
am
3. 12.
p. m. 12 h. 20 p. m.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
„ (E);
„ (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
10,170
35,9% (3,640)
2,6 „ ( 270)
0,1 „ ( 10 )
17,2 „ (1,750)
43,4 „ (4,420)
0,8 „ ( 80)
10,230
40,1% (4,090)
2,9 „ ( 300)
0,1 „ ( 10 )
17,9 „ (1,830)
37,7 „ (3,780)
1,3 „ ( 130)
7,180
55,0% (3,930)
2.3 „ ( 170)
0,4 „ ( 30)
8.3 „ ( 600)
33,4 „ (2,400)
0,6 „ ( 50)
Fall 78: Si. J.
Patient wurde am 16. April mit Variolaverdacht aus Objekt 1 ein¬
gebracht. Er wurde anfangs Januar ohne Erfolg gegen Blattern geimpft;
vorher war bei ihm eine Vakzination nicht vorgenommen worden. Ana-
nmestisch erfuhr ich: Seit einigen Tagen matt, Kopf - und Kreuzschmerzen;
am 13. April unter wiederholten Schüttelfrösten Temperaturanstieg,
gleichzeitig Entwicklung eines typhusartigen Liitialexanthems.
Bei der Aufnahme besteht ein reichlicher Blatternausschlag (be¬
sonders reichlich im Gesicht und behaarten Kopf) im Knötchenstadium.
Patient ist benommen, klagt besonders über Kopf- und Halsschmerzen.
Letztere sind bedingt durch eine reichliche Entwicklung des Ausschlages
im Mund und Rachen, selbst auf der Zunge. Die Milz palpabel; im
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188
G. Holler.
[97
Urin Aldehyd. Am selben Tage beginne ich mit den Deuteroalbumose-
injektionen, die ich fortab zweimal täglich in rasch steigender Dosis
verabfolge. Am 16. April Status idem; am 17. April die Effloreszenzen
haben an Reichhchkeit nur wenig zugenommen, befinden sich noch
durchwegs im Knötchenstadium. Am 18. April neue Nachschübe von
Knötchen am ganzen Körper; die Milz nicht mehr palpabel. Am 19. April
hat die Reichlichkeit der Effloreszenzen weiter zugenommen, ein Gross¬
teil zeigt bereits Bläschenbildung. Heftigere Halsschmerzen und Schluck¬
beschwerden, bedingt durch Bläschen im Hals. Am 20. April abends:
der Ausschlag sehr reichlich, besonders im Gesicht konfluierend, durch¬
wegs pustulös. Gesicht gleichzeitig stark geschwollen. Die Älilz per¬
kutorisch nicht mehr vergrössert nachweisbar. Die Halsschmerzen und
die Schluckbeschwerden quälen den Patienten sehr. Auf die Deutero-
albumoseinjektionen hin keine besondere Reaktion trotz hoher Dosen.
Patient hat vollständig freies Sensorium, sein Allgemeinzustand ist
auch an den folgenden Tagen im Vergleich zur Schwere des Krankheits¬
prozesses ein auffallend guter. Am 23. April treten auf eine Verab-
folgu^ von Deuteroalbumose leichte Atembeschwerden auf; Ursache
ist ein geringes Glottisödem. Das Fieber ist im Resorptionsstadium
entsprechend der Schwere der Haut Veränderungen hoch.
In den Blutbefunden zeigt das anhaltende Zurückgedrängtbleiben
der Lymphozyten von der Schwere der Erkrankung. Die Eosinophilen
bleiben anhaltend reichlich; ihre Zahl geht erst nach Einstellung der
Deuteroalbumoseinjektionen zmück.
Kurve 52.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
M (E):
» (B):
Splenozyten:
Plasmazellen:
Lymphozyten:
am 15. 4. 16.
8 h. 10 p. m.
(Knötchen-
Stadium)
12,020
79,8% (9,580)
2,2 „ ( 270)
0,1 „ ( 10 )
11,1 „ (1,330)
0,1 „ ( 10 )
6,7 „ ( 820)
am 16. 4.
9 h. 30 a. m.
7,400
73 , 70/0 (ö,460)
1,8 „ ( 130)
0,2 „ ( 10 )
10.1 „ ( 750)
0,0 „ ( — )
14.2 „ (1,050)
am 17. 4.
10 h. 45 a. m.
7,060
66 , 70/0 (4,700)
3,7 „ ( 270)
0,0 „ ( — )
13,9 „ ( 980)
0,2 „ ( 10 )
lö.5„ (1,100)
am 19. 4.
9 h. 10 a. m.
(Bläschen¬
stadium)
13,630
63,20/o (8,590)
5.1 „ ( 700)
0,1 „ ( 10 )
11,2 „ (1,530)
2.2 „ ( 200 )
18,2,. (2.500)
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Go< ’gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
i
98]
Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
189
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
Lymphozyten:
am 20. 4.
11 h. a. m.
(Pustel¬
stadium)
14,100
am 21. 4.
9 h. 50 a. m.
15,900
am 22. 4.
8 h. 45 a. m.
19,900
am 23. 4.
9 h. 50 a. m.
(Beginn des
Resorptions-
Stadiums)
17,530
62,0%
(8,600)
67,0%
(9,060)
68,1%
(11,660)
61.6V,
(10,760)
6,7 „
( 960)
8.4 „
(1,340)
6,9 „
( 1,170)
8.1,,
( 1.430)
0,1.,
( 10)
0.2 „
( 30)
0.1 „
( 10)
0,0 „
( — )
10.1 „
(1,430)
9,3,,
(1.480)
10,7..
( 2.130)
14,7,.
( 2,680)
3,2 „
( 460)
11.2 „
(1,800)
14.6,.
( 2,900)
3,0 „
( 630)
17,9 „
(2,630)
18,9,.
(2,200)
10,7 „
( 2,130)
7,0 „
( 1,600)
am 24. 4. am 25. 4. am 26. 4. am 28. 4.
10 h. 20 a. m. 10 h. 5 a. m. 10 h. 45 a. m. 11h. 15 a. m.
21,300
9,250
6,120
davon sind:
Polynukl. (N):
77,9Vo
(16,580)
76,3Vo
(6,960)
73,lVo
(4,620)
68.3V,
„ (E):
2,9..
( 620)
1.9..
{
180)
2,7 „
(
HO)
3,0 „
„ (B):
0,0 „
( - )
0,0 „
(
~ )
0,0 „
(
- )
0,7..
Splenozyten:
12,2 „
( 2,600)
6,7 „
(
530)
6.7 „
(
350)
9,6 „
Plasmazellen:
0 „
( - )
2,7 „
(
250)
3,0 „
(
190)
0,4.,
Lymphozyten:
12.7,.
( 2,230)
14,4,.
(1
,330)
16,6 „
(
950)
18.1,.
am
6. 6.
am
10. 6.
am
14. 6.
6,800
Leukozyten:
davon sind:
11 h. 5 a. m.
(Abschuppungs-
Stadium)
13,200
12 h. 15 p. m.
Abszesse
15,730
11 h. 40 a. m.
Abszesse
14,900
( 210 )
( öO)
( 650)
( 30)
(1,230)
Polynukl (N): 63,3% (8,350)
„ (E): 1,3 „ ( 180)
„ (B): 0,2 „ ( 30)
Splenozyten: 13,1 „ (1;730)
Plasmazellen: . 3,1 „ ( 400)
Lymphozyten: 19,0 „ (2,510)
60,3V,
(9,320)
69,6V,
(8,880)
2,4.,
( 380)
2,0 „
( 300)
0,8,,
( 130)
0,6 „
( 60)
9,6 „
(1,600)
9,0 „
(1,360)
0,4 „
( 70)
0.2.,
( 20)
27,6,,
(4,330)
28,8 „
(4,300)
Ab 27. April schwankte die Temperatur noch durch zwei Wochen
zwischen 36,8 und 37,8® (während der Abschuppung). Vom 6. bis 8. Mai
bildeten sich an den Extremitäten kleine Hautabszesse, die sehr rasch
ausheilten. Auffallend ist, dass der sehr schwere Fall mit geringer
Narbenbildung ausheilte, wiewohl Tageslicht nicht abgehalten worden war.
Hat bei diesem Falle von schwerer Variola confluens die Intensität
des Krankheitsprozesses die Wirkung der Deuteroalbumose wesentlich
übertroffen, so war doch ihr Einfluss auf die Besserung des Allgemein¬
zustandes deutlich zu erkennen. Was die Bildung des Glottisödems
nach Albumoseinjektion anlangt, werde ich darauf im ELapitel ,,Di-
phtherie^" nochmals zu sprechen kommen.
Die folgenden Fälle, die mir im hiesigen städtischen Krankenhause
zur Beobachtung der Leukozytenreaktionen überlassen waren, führe ich
fast ausschliesslich zur Demonstration des Ablaufes der Leukozyten¬
bilder bei Variola an.
Fall 79: Po. B.
Eine mittelschwere Erkrankung bei einem ungeimpften 4 jährigen
Mädchen. Der erste Leukozytenbefund wurde bereits im Abschuppungs¬
stadium erhoben.
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Goi.igle
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
190
G. Holler.
[99
am 24
. 3. 16.
am
27. 3.
am
30.
3.
am
4. 4.
Ih.
p. m.
1 h. 15 p. m.
9 h.
a.
m.
9 h. 40 a. m.
Leukozyten;
14
250
13
0
0
10
,020
12 ,
0
0
davon sind:
Polynukl. (N):
29,2»/.
(4,110)
33.6«/o
(5,180)
26,6%
(2
,680)
46,0%
(6,630)
(E):
2,7 „
( 400)
3,8,.
( 500)
3.0 „
(
300)
3,8,,
( 470)
(B):
0.1 „
( 20)
0,6,,
( 70)
1,8 „
(
180)
0.1..
( 10)
Splenozyten:
6,1 „
( 730)
4,7 „
( 620)
4,8 „
(
480)
6.6 „
( 780)
P^^azellen:
61,8,.
(8,820)
67.1 „
(6,600)
64,6,,
(6
,460)
43.7,,
(6,280)
1.1 „
( 170)
0,3,,
( öO)
0,3 „
(
30)
0,0 „
( - )
Fall 80: Ne. M,
Wieder eine mittelschwere Erkranknngsform, bei der der erste Blut¬
befund auf der Höhe des Pustelstadiums erhoben wurde. Das Resorp¬
tionsfieber bei diesem Falle war gering. Die Patientin, eine Frau in
mittleren Jahren, war nie geimpft.
am 24. 3. 16.
am 26. 3.
am 29. 3.
am 30. 3.
12 h. 30 a. m.
12 h. 16 p. m.
12 h. 20 p. m.
8 h. 45 a. m.
(Pustel¬
(Eintrocknungs-
stadium)
staditun)
Leukozyten:
10,220
13,820
11,430
8,250
davon sind:
Polynukl. (N):
46,8% (4,620)
64,2% (8,840)
43,7'»/o (4,980)
42,3% (3,460)
(E):
4.6., ( 470)
3,8 „ ( 630)
3,8 „ ( 430)
3,6 „ ( 300)
(B):
0.3 „ ( 30)
0.4 „ ( 70)
1,6 „ ( 180)
0.6,. ( 50)
Splenozyten:
13,3 „ (1,370)
4,2., ( 680)
7,6 „ ( 870)
8,6 „ ( 720)
Lympho^rten:
28,6 „ (2,960)
24,2 „ (3,350)
39,6 „ (4,620)
38,7 „ (3,200)
Plasmazellen:
7,6 „ ( 780)
3.2 „ ( 460)
3,9 „ ( 460)
6,2 „ ( 520)
am 5. 4.
9 h. 30 a. m.
(geheilt)
Leukozyten: 11,770
davon sind: '
Polynukl. (N): 66,5 ö/o (6.630)
„ (E)c 0.8 „ ( 100)
(B): 2,8,, ( 330)
Splenozyten: 3,6 „ ( 430)
Lymphozyten: 35,5 „ (4,180)
Plasmazellen: 0,8 „ ( 100)
Fall 81: Po. E.
Die Patientin ist 2^/^ Jahre alt und eine Schwester vom Fall 79.
War 1^/2 Wochen vor il^er Erkrankung zum erstenmal geimpft. Es
handelt sich hier, wie die Blutbefunde zeigen, um eine leichte Erkrankung
und scheint durch die kurz vorhergegangene Impfung schon ein Schutz
bestanden zu haben, so dass der Fall nach Art einer etwas schwereren
Variolois verlief. Das Fieberstadium betrug eine Woche.
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100] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseucben.
191
am 24. 3. 16. am 25. 3. am 26. 3. am 27. 3.
12 h. 2K)p. m. 11h. a.m. 12 h. a. m. Ih. 5 p. m.
(Knötchen- (Beginn des
Stadium) [^stel-
stadiums)
Leukozyten: 9,170 12,970 11,970 25,360
davon sind:
Polynukl. (N): 50,0% (4,850) 32,6% (4,220) 29,3% (3,480) 24,7®/o ( 6,210)
„ (E): 0,1 „ ( 10) 0,5 „ ( 70) 4,7 „ ( 570) 3,1 „ ( 800)
„ (B): 0,0„ ( — ) 0,0„ ( — ) 0,0,. ( — ) 0,1 „ ( 30)
Splenozyten: 8,2 „ ( 750) 10,8 „ (1,400) 11,0 „ (1,320) 5,6 „ ( 1,430)
Lymphozyten: 40,3,, (3,700) 52,0 „ (6,750) 53,4 „ (6,400) 61,6,, (15,630)
Plasmazellen: 1,4 „ ( 130) 4,1 „ ( 530) 1,6 „ ( 200) 4,9 „ ( 1,260)
am 28. 3. am 29. 3. am 30. 3. am 31. 3.
11h. 20 a. m. 12 h. 30 p. m. 9 h. 25 a. m. 10 h. 20 a. m.
(Beginn des
Eintrocknungs¬
stadiums)
Leukozyten: 28,730 29,460 27,500 23,300
davon sind:
Polynukl. (N): 24,7®/o ( 7,030) 27,4®/o ( 8,040) 25,6®/o ( 6,980) 22,9®/o ( 5,300)
„ (E): 8,1 „ ( 2,330) 9,2 „ ( 2,730) 9,4 „ ( 2,600) 7,4 „ ( 1,730)
,. (B); 0,1 „ ( 30) 0,2 „ ( 60) 0,1 „ ( 30) 0,7,, ( 170)
Splenozyten: 5,4 „ ( 1,570) 6,2 „ ( 1,830) 8,3 „ ( 2,300) 9,2 „ ( 2,170)
Lymphozyten: 59,7 „ (17,170) 50,8 „ (14,970) 51,1 „ (14,060) 55,2 „ (12,870)
PlasmazeUen: 2,0,, ( 600) 6,2 „ ( 1,830) 5,5 „ ( 1,530) 4,6 „ ( 1,060)
am 1. 4. am 4. 4. am 6. 4. am 10. 4.
10 h. 2 a. m. 9 h. 30 a. m. 9 h. 35 a. m. 9 h. 50 a. m. -
(Abschuppungs¬
stadium)
Leukozyten: 34,830 27,800 33,130 14,500
davon sind:
Polynukl. (N): 23,3«/o ( 8,070) 35,9®/o ( 9,940) 35,4®/o (11,670) 31.5 ö/o ( 4.530)
„ (E): 3,7,, ( 1,300) 2,7 „ ( 760) 3,4 „ ( 1,130) 8,7 „ ( 1,270)
„ (B): 0,1,, ( 60) 0,1 „ ( 30) 0,5 „ ( 200) 1,6 „ ( 230)
Splenozyten: 8,3 „ ( 2,900) 6,7 „ ( 1,870) 5,7 „ ( 1,900) 6,6 „ ( 970)
Lymphomarten: 62,4 „ (21,730) 54,0 „ (15,030) 55,0 „ (18,230) 51,0 „ ( 7,400)
Plasmazellen: 2,2 „ ( 770) 0,6 „ ( 170) 0,6 „ ( 170) 0,6 „ ( 100)
FaU 82: Z. Ag.
Ein 12jährig6s Mädchen, das zur Beobachtung aufgenommen
worden war und gleichzeitig mit dem vorausgehenden Fall zu fiebern
begann. Als ich die Patientinnen am 24. März zu sehen bekam, befand
sich bei beiden der Krankheitsprozess im Beginn des Knötchenstadiums.
Der zweite Fall war, wie aus den Blutbefunden ohne weiteres ersichtlich,
der leichtere. Dieser Patientin verabfolgte ich am 24. März zwei Deutero-
albumoseinjektionen in Dosen von ^/4 und ccm der 10%igen Lösung.
Es kam zu keiner weiteren Ausbildung des Ausschlages; schon am nächsten
Tage ist dieser verschwunden und Patientin entfiebert. Dass es sich
um eine leichte Blatternerkrankung gehandelt hat, zeigt dem Einge¬
weihten der Ablauf der Leukozytenreaktionen. Auch diese Patientin
war vor 1% Wochen geimpft worden.
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192
G. HoUer.
[101
am 24. 3. 16.
am 26. 3.
am 26. 3.
am 28. 3.
12 h. 10 p. m.
10 h. 50 a. m.
12 h. m.
11 h. 30 a. m.
Leukozyten:
12,180
8,680
6,980
7,180
davon sind:
PolynukL (N):
32,6% (3,940)
67,8% (5,000)
36,1% (2,600)
30,6% (2,170)
M (E):
3.8 „ ( 470)
3,4 „ ( 300)
3,8 „ ( 270)
4,1 „ ( 300)
M (B):
0.2., ( 30)
0,3 „ ( 30)
0,7 „ ( 60)
0.9,. ( 70)
Splenozyten:
8.8,, (1,080)
10,3 „ ( 900)
6,9 „ ( 480)
4.1,, ( 300)
Lymphozyten:
63,6 „ (6,630)
26,3 „ (2,280)
48,2 „ (3,380)
68,7 „ (4,220)
Plasmazeilen:
1,0 „ ( 130)
1,9., ( 170)
4,3 „ ( 300)
1,6,. ( 120)
Fall 83: Po. L.
Ein Bruder der Fälle 79 und 81, Jahre alt, begann am 24. März
zu fiebern. Der Erkrankxmgsprozess war dem klinischen Verlaufe und
der Reaktion der Leukozyten nach den schweren Formen zuzuzählen.
Das Resorptionsfieber war langwierig und kompliziert durch septische
Prozesse.
am 26. 3. 16.
12 h. m.
am 27. 3.
12 h. 55 p. m.
(Knötohen-
stadium)
am 28. 3.
11 h. 10 a. m.
am 29. 3.
12 h. 40 p. m.
(beginnendes
Ihistelstadium)
Leukozyten:
10,
280
9,'
davon sind:
Polynukl. (N):
69,0%
( 7
,080)
36,8%
„ (E):
0,1,.
(
10)
0,3 „
M (B):
0,1 „
(
10)
0,3,,
Splenozyten:
7.7,.
(
800)
6,3 „
Lymphoiyten:
23.1,,
( 2
,380)
63,1 „
Plasmazeilen:
0,0 „
(
- )
3,2.,
am 30. 3. am
9 h. a. m. 10 h.
) 7,300 8,200
3,550) 32,l®/o ( 2,330) 26,20/o ( 2,160)
30) 0,9 „ ( 70) 2,8 „ ( 230)
30) 0,0 „ ( — ) 0,2„ ( 10)
620) 6,3 „ ( 470) 7,1 „ ( 680)
( 6,150) 67,5 „ ( 4,200) 54,6,, ( 4,480)
( 320) 3,2 „ ( 230) 9,1 „ ( 760)
. 3. am 1. 4. am 4. 4.
a. m. 10 h. 5 a. m. 9 h. 20 a. m.
Leukozyten:
davon sind
PolynukL (N)
.. (E)
» (B)
Splenozyten:
Lymphozyten
imazeilen:
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
M (E):
» (B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazcllen:
10,670 14,130 16,500 20,730
18,0% ( 1,900) 28,6% ( 4,000) 29,8% ( 4,600) 66,0% (11,370)
1,8 „ ( 200) 1,8 „ ( 270) 1,7 „ ( 270) 0.3,, ( 60)
0.0 „ ( — ) 0,2„ ( 30) 0.1,, ( 10) 0,0 „ ( — )
13,7,, ( 1,470) 16,3 „ ( 2,170) 13,1 „ ( 2.030) 9,6,, ( 2,000)
53,9 „ ( 6,760) 46,7 „ ( 6.460) 49,4 „ ( 7,670) 32,6 „ ( 6,770)
12,6 „ ( 1,360) 8,4 „ ( 1,200) 5.9,, ( 920) 2,6 „ ( 630)
am 5. 4. am 6. 4. am 7. 4. am 8. 4.
9 h. 10 a. m. 9 h. 10 a. m. 9 h. 30 a. m. 10 h. 20 a. m.
(Eintrocknungs-
Stadium)
16,
130
37,
630
24,
820
24,500
O
00
(11,100)
69,8%
(22,470)
64,2%
(15,950)
61,9Vo
(16,120)
0.2.,
(
30)
0,1 „
( 30)
0,1,,
( 30)
0,2 „
(
60)
0,6 „
(
100)
0,0 „
( - )
0,1,.
( 30)
0,1 „
(
30)
8,6 „
(
1,300)
8,4 „
( 3,170)
8,3 „
( 2,060)
6,1,.
(
1,500)
20,7 „
{
3,330)
30,4.,
(11,460)
24.9 „
( 6,200)
30,4,,
(
7,460)
1,6,,
(
270)
1,3 „
( 500)
2,4,.
( 600)
1,3.,
(
330)
Goi.igle
Original frcm
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
102] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
193
am 10. 4. am 15. 4.
10 h. 30 a. m. 12 h. 45 p. m.
(Sepsis) (Abschuppimgs-
Stadium,
Sepsis)
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
(E):
(B):
Splenozyten:
Lymphozyten:
Plasmazellen:
32,000
16,230
76,9% (24,570) 52,l®/o ( 8,450)
0 , 1 ,
0 , 1 ,
3.7,
16,5,
2.7,
30)
30)
1 , 200 )
5,300)
870)
0 , 2 ,
0 , 2 ,
11,9,
34,2,
M.
30)
30)
1,930)
5,560)
230)
Fall 84: Ed. von N.
Eine leichtere Erkrankung mit einwöchentlichem Fieber verlauf.
Patientin hatte drei Wochen zuvor Varizellen überstanden. Ich begann
mit der Erhebung der Blutbefunde im ersten Klnötchenstadium.
Leukozyten:
davon sind
Polynukl. (N)
(E)
(B)
Splenozyten
Lymphozyten:
Pi
am 4. 4. 16.
9 h. 5 a. m.
(Knötchen¬
stadium)
16,030
am 5. 4.
9 h. 25 a. m.
27,100
am 6. 4.
9 h. 20 a. m.
(Beginn des
Pustelstadiums)
31,900
am 7. 4.
9 h. 45 a. m.
26,330
51,6% (8,250) 60,9% (16,490) 54,7% (20,150) 55,4% (14,540)
0,6 „
( 100)
1.2,.
( 830)
1.1«
( 360)
2.1,.
(
560)
0.4 „
( 60)
0,1 „
( 30)
0.6 „
( 200)
0,3 „
(
100)
14,1 „
(2,260)
8,6 „
( 2,330)
9,2 „
( 2,930)
14,3..
(
3,770)
28.6 „
(4,600)
24,9 „
( 6,760)
23,2 „
( 7,430)
23,0.,
(
6,060)
4,7,.
( 760)
4,3 „
( 1.160)
11,2..
( 830)
4,9..
{
1,300)
am
8. 4.
am 10. 4.
am 15. 4.
10 h.
6 a. m.
10 h. 10 a. m.
12 h. 15 p. m.
28,500
25,200
(Abschuppungs¬
stadium)
13,900
Leukozyten:
davon sind
Polynukl. (N)
.. (E)
„ (B)
Splenozyten:
Lymphozyten
Plasmazeilen:
Fall 85: Ne. On.
Eine Tochter der Patientin von Fall 80; ausserdem sind noch zwei
Geschwister an schweren Blattern erkrankt. Bei der Patientin selbst
erhebe ich nach einem zweitägigen okkulten Fieberprozesse an den
beiden darauffolgenden fieberfreien Tagen folgende Leukozytenbefunde:
48,6»/o
(13,800)
37,2'>/o
(9,360)
36,6«/,
(4,820)
2.8 „
( 800)
2.6 „
( 660)
1,6..
(
230)
0,4 „
( 130)
0,6 „
( 130)
1,3,,
(
180)
11,1,,
( 3,170)
14.4 „
(3,630)
4,3.,
(
600)
32.9 „
( 9,400)
38,7 „
(9,760)
67,6 „
(8,000)
4,2 „
( 1.200)
6,6 „
(1.670)
0,3 „
(
70)
am 15. 4. 16.
1 h. 20 a. m.
am 16. 4.
11 h. 35 a. m.
Leukoz 3 rten:
13,
120
12,
170
davon sind:
Polynukl. (N):
46.7«/,
(6,120)
66.3«/,
(6,830)
„ (E):
8,1,.
(1.070)
6,2 „
( 630)
„ (B):
1.1,,
( 150)
1,3 „
( 170)
Splenozyten:
6.2,.
( 680)
6.3 „
( 770)
Lymphozyten:
Plasmazellen:
38.2.,
(6,020)
30,4 „
(3,700)
0,7,.
( 80)
0,6 „
( 70)
fi«itrige Eur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 1 n. 2.
13
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Original frcm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
194
G. HoUer.
[103
Mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Anamnese genügen mir
diese Blutbefunde vollständig, um bei diesem Falle, der keinerlei Haut¬
veränderungen zeigte, mit ziemlicher Sicherheit die Diagnose Variola
vera sine exanthemate stellen zu können. Auch solche Fälle gehören für
einige Zeit isoliert.
Fall 86: Schw. Ma.
Ich führe hier einen Blutbefund an, wie wir ihn im Reaktionsstadium
erfolgreicher Blattemschutzimpfungen gewöhnlich sehen. Der Blut¬
befund wiu*de am 6. Tage nach Vornahme der Re Vakzination erhoben.
am 2.
4. 16.
1 h. a
. m.
Leukozyten:
7,500
davon sind:
Polynukl. (N):
64,7»/*
(4,090)
» (E):
1.0 „
( 80)
M (B):
1,3 „
( 100)
Splenozyten:
4,4 „
( 330)
38,6 „
(2,900)
0,0 „
( - )
Interessant ist, dass es nach so leichten Blatternerkrankungen, wie wir
sie durch Vakzination hervorrufen, nicht zur Ausbildung von Eosino¬
philien imd Splenozytosen, wohl aber von Basophilien xmd Lympho¬
zytosen kommt.
Über die Wirkxmg der Deuteroalbumose bei Blattern steht mir,
wie schon erwähnt, infolge der geringen Zahl der damit behandelten
Fälle bisher keine grössere Erfahrung zu. Doch möchte ich nach den
Beobachtungen, die ich an diesen wenigen Fällen zu machen Gelegen¬
heit hatte, die Proteinkörpertherapie bei Variola einer sachgemässen
Überprüfung sehr empfehlen.
Im Verlauf von Blatternepidemien ist bei okkulten Fieberfällen
die Erhebung der Leukozytenbefimde von diagnostischem Werte. Die
Reaktion der einzelnen Leukozytenformen ist, wie schon beschrieben,
speziell bei leichten Blatternerkrankungen eine sehr typische und sind
so blatternverdächtige Erkrankungen, auch wenn es nicht zur Ausbildang
eines Ausschlages kommt, leicht zu eruieren. Ihre Isolierung ist zum
Schutze der Umgebung geboten.
Differentialdiagnostisch ist vor allem Exanthematicus siderans von
Purpura variolosa schwer zu unterscheiden, während Varioloisfälle von
Ungeübten mit Vorliebe mit Varizellen verwechselt werden. Über die
Unterschiede der beiden letztgenannten Krankheitsprozesse finden wir
wohl genügend in Lehrbüchern verzeichnet und ist schon daraus eine
Verwechslung in den meisten Fällen auszuschliessen. Das Verhalten
der Leukozyten bei Varizellen hatte ich bisher noch nicht Gelegenheit
zu überprüfen.
Erysipel.
Das zur Diagnose Wissenswerte ist wohl zur Grenüge bekannt. In
den Blutbildern bestehen zur Zeit des Krankheitsprozesses polynukleäre
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
104] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Eiriegsseuchen.
195
Leukozytosen mit Zurückdrängung, seltener vollständigem Fehlen der
Eosinophilen. Mit der Ausheiliing des Krankheitsprozesses kommt es,
wie bei anderen Infektionen, zu Lymphozytosen. Bei wenig ausge¬
breiteten Erysipelen, z. B. bei Lokalisation nur auf der Rachenschleim¬
haut, sehen wir schon zur Zeit des Fieberprozesses Eosinophilien. Auch
in der Rekonvaleszenz nach schweren Erkrankungen treten Eosinophile
im Blute nicht selten reichlich auf. Eine eingehendere Besprechung der
Leukozytenreaktionen will ich hier weglassen, da sie für diagnostische
Zwecke wohl kaum in Betracht kommen.
Neben den bisher gebräuchlichen therapeutischen Methoden habe
ich auch die Wirkung der Mer kschen Deuteroalbumose bei einer grösseren
Anzahl an Erysipelen Erkrankter erprobt. Unter 32 durchwegs schweren
Fällen heilten sämtliche glatt aus.
Von meinen dabei gemachten Beobachtungen möchte ich einiges,
das zum Verständnis der Wirkungsweise der Albumose besonders bei¬
trägt, hier anführen. Bei sehr ausgebreiteten Erysipelen kommt es
auf Deuteroalbumoseinjektionen hin (ich habe bisher nur das alte Prä¬
parat verwendet) zu besonders heftigen Reaktionserscheinungen. Schüttel¬
fröste und Temperaturanstieg, begleitet nicht selten von Delirien, sind
schon nach den ersten niedrig dosierten Injektionen heftiger, als wir
es bei anderen Infektionsprozessen zu sehen gewohnt sind. Lebens-
gefährhche Erscheintmgen sah ich auch hier nie auftreten. Das Herz
blieb immer gut. Wir dürfen uns auf keinen Fall abhalten lassen, vor¬
sichtig dosierend, zur Verabfolgung höherer Dosen fortzuschreiten. Bei
Einverleibung kleiner Dosen kommt es nicht selten zu einem Wandern
des Erysipels. Bei gleichzeitigem Vorhandensein phlegmonöser Pro¬
zesse kommt es häufig zur Abszessbildung, weshalb ich ausgebreitetere
Phlegmonen von der Deuteroalbumosenbehandlung fortab ausschliesse.
Diphtherie.
Zu einer sicheren Diagnose ist der Nachweis der Erreger nötig.
Schwere Diphtherien verlaufen mit polynukleären Leukozytosen.
Je schwerer der Erkranktmgsprozess, um so höher die Leukozytose und
um so spärlicher die Eosinophilen. Ein Fehlen der Eosinophilen ge¬
stattet schlechte Prognose. Die Mastzellen halten sich bei schweren
Prozessen länger im Blute als die Eosinophilen, reagieren sonst mit
letzteren gemeinsam. Nicht selten finden wir im Frührekonvaleszenz-
Stadium nach Diphtherie die Mastzellen vorübergehend in grösserer
Zahl vorhanden als die Eosinophilen; bald folgt dieser Basophilie die
Eosinophilie, die in der Diphtherierekonvaleszenz nicht selten hohe
Werte erreicht.
Wir können so aus dem Verhalten der Leukozyten die Diphtherie
von anderen akuten infektiösen Entzündungsprozessen des Rachens
und der Tonsillen trennen. Scharlach ohne Exanthem unterscheidet
sich vom Anfang an durch das reiche Auftreten der Eosinophilen; gegen
einfach katarrhalische oder phlegmonöse Entzündungen des Rachens
fällt die Entscheidung allerdings erst in der Rekonvaleszenz, da bei
letzteren die Eosinophilie fehlt und die Lymphozytose fast durchwegs
unbedeutend ist.
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196 G. Holler. [105
Meine Beobachtungen über die Wirkung der Merkschen Deutero-
albumose will ich nach Demonstration einiger Fälle besprechen.
Fall 87: Kl. B.
Eine Pflegerin unserer Station wurde mir am 10. Okt. fiebernd mit
einem starken diphtherischen Belag auf Tonsillen- und Pharynxwand
eingebracht. Im Ausstrich von den Tonsillen Diphtheriebazillen. Pa¬
tientin erhält abends die erste Albumoseinjektion. Am Morgen des
nächsten Tages ist kaum mehr etwas von dem gestern so starken Belag
zu sehen, abends ist auch die letzte Spur verschwunden. Da Patientin
aber noch fiebert, verabfolge ich noch eine Injektion, wodurch der Krank¬
heitsprozess erledigt ist.
Kurve 53.
Fall 88: K. Ed.
Ein analoger Fall mit starkem diphtherischen Belag, der auch schon
nach einer Injektion wie Schnee an der Sonne förmlich wegschmilzt.
Drei Injektionen genügen hier zur vollständigen Entfieberung. Di¬
phtheriebazillen waren nachgewiesen.
Kurve 54.
Fall 89: L. St.
Wurde am 29. Febr. mit Halsschmerzen und subfebrilen Tem¬
peraturen eingebracht. Auf der rechten Tonsille sieht man einen starken
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106] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 197
diphtherischen Belag, der von hier auf den Gaumenbogen übergreift
imd noch die Uvula ganz bedeckt. Aus dem Abstrich von der Tonsille
werden Diphtheriebazillen kultiviert.
Ich verabfolge Deuteroalbumose, wie immer in steigender Dosis.
Wie die Temperaturkurve zeigt, tritt auf die Injektionen erst bei einer
Dosis von 6 ccm eine deutliche Reaktion auf; nach den übrigen Injek¬
tionen waren Schweissausbrüche das einzig Wahrnehmbare. Der di¬
phtherische Belag im Rachen ging auf Albumoseinjektionen hin nur
äusserst langsam zurück. Es handelt sich hier um einen rein lokalen
Prozess, weshalb es erklärlich ist, dass die Allgemeinreaktionen auf die
Deuteroalbumoseinjektionen hin geringer waren.
am 29.
2. 16.
am 1. i
L
am 4
3.
am 7. 3.
5 h. 25
p. m.
11h. 10 a.
m.
12 h. 45
p. m.
1 h. 10 p. m.
Leukozyten:
12,080
8,670
13,580
11,250
davon sind:
PolynuÜ. (N):
67,7»/,
(8,160)
77,1»/, (6,660)
61,8»/,
(6,980)
45,8»/, (5,140)
(E):
0,1 „
( 10)
0.5 „ (
50)
0,3 „
( 60)
0,9 „ ( 100)
(B):
0,2,.
( 30)
0,1 „ (
10)
0,3,,
( 60)
0.1,. ( 10)
Splenozyten:
16,6 „
(1,880)
7,6,, (
670)
14.3,.
(1,950)
9,3 „ (1,050)
Lymphozyten:
16,1..
(1,950)
14,4 „ (1
,250)
33,3,,
(4,550)
42,3 „ (4,770)
Plasmazellen:
0,4 „
( 60)
0,3 „ (
30)
0,0 „
( - )
1.6 „ ( 180)
am 10. 3.
am 13.
3.
am 17. 3.
am 23. 3.
12 h. 4C
p. m.
11 h. a. m.
11 h. 45
a. m.
12 h. m.
Leukozyten:
8,380
11,200
6,950
7,220
davon sind:
Polynukl. (N):
69,2»/,
(4,950)
69,1»/, (7
,730)
47.0»/,
(3,250)
52,4»/, (3,760)
(E):
0,6 „
( 50)
1,1 „ (
130)
3,8 „
( 270)
3,9 „ ( 270)
„ (B):
1,6 „
( 130)
0,8 „ (
100)
0.9 „
( 70)
1.4.. ( 120)
Splenozyten :
6,9 „
( 580)
6,2., (
580)
6,7,.
( 400)
8,2 „ ( 600)
Lymphozyten :
Plasmazellen :
31,8 „
0,0,.
(2,670)
( - )
23,5 „ (2
0,3 „ (
,630)
30)
42,2 „
0,4 „
(2,930)
( 30)
34,1,, (2,470)
0 . 0 „ ( — )
Kurve 55.
Obwohl ich so bei 12 Diphtheriefällen mit Deuteroalbumose (Alt)
gute Erfolge erzielen konnte, glaube ich, eignet sich zm' Allgemeinbe¬
handlung mit Rücksicht auf die bequemere subkutane Einverleibungsart
das Serum besser. Ein Vorteil einer besseren Wirkung koimte ich bis¬
her weder zugunsten der Albumose, noch des Serums konstatieren.
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198
G. HoUer.
[107
Vorsicht ist speziell bei Anwendung der Deuteroalbumose bei bereits
bestehenden stenotischen Erscheinungen geboten. Hier müssen wir
zuvor intubieren. Im Reaktionsstadium auf die Injektion kommt es
zu einer Schwellung der entzündeten Schleimhaut, wodurch die Stenose
eine vollständige werden kann. Ich erinnere hier an den analogen Fall
bei Blattern (s. d.), wo gleichfalls ein Glottisödem sich ausbildete.
Sehr gut wirkt die AJbumose auf einfach katarrhalische und phleg¬
monöse Entzündungen der Tonsillen und ebenso sah ich guten Erfolg
bei einem Falle von Angina ulceromembranosa (Vincenti).
Meningitis epidemica.
Von dieser Seuche konnte ich bisher nur sechs Fälle beobachten,
von denen drei mit Serum intralumbal, drei mit Deuteroalbumose intra¬
venös behandelt wurden. Die drei Albumosebehandelten heilten aus,
von den Serumbehandelten starb einer.
Im Blutbilde konnte ich bei diesen Fällen eine polynukleäre neutro¬
phile Leukozytose beobachten, wobei gleichzeitig bei 4 Fällen die Eosino¬
philen ganz fehlten, bei den anderen beiden spärlich vorhanden w^aren.
Bei Besserung des Krankheitsprozesses stieg die Zahl der Eosinophilen
an und ebenso traten die Lymphozyten reichlicher auf. In der Rekon¬
valeszenz kam es zur Bildung von ganz bedeutenden Lymphozytosen
und leichter Eosinophilie.
Nach meinen Beobachtungen an einem allerdings nicht sehr reich¬
haltigen Material ist die therapeutische Wirkung der Merkschen Deutero¬
albumose bei Meningitis meningococcia eine gute und speziell im Stadium
hydrocephalicum der Serumwirkung überlegen. Ich empfehle, bei
AJbumosetherapie die Probepunktion des Lumbalsackes auf das not¬
wendigste zu beschränken.
Frisch erkrankte Fälle heilten durchschnittlich in 2—3 Wochen
aus, während bei Fällen, die erst in einem späteren Stadium der Er¬
krankung in meine Behandlung kamen, die Injektionen durch Monate
bis zur vollständigen Heilung fortgesetzt werden mussten. Jedes zu
frühe Aussetzen der Injektionen bedingte einen Rückfall. Bei meinen
zuletzt behandelten Fällen stieg ich in der gewohnten Weise (anfangs
2 Injektionen täglich verabfolgend) bis zu einer Einzeldosis von 10 ccm
an und injizierte diese Dosis täglich einmal so lange weiter, bis eine
stärkere Reaktion auf die Injektion hin ausblieb. Damit waren auch
jedesmal die Krankheitserscheinungen verschwunden.
Tetanus.
Die klinischen Erscheinungen der Erkrankung sind zur Genüge be*
kannt und kann ich mich so auf die Besprechung der Wirkung der Merk-
Bchen Deuteroalbumose (Alt) beschränken. Obwohl ich bei Tetanus
bisher noch zu keinem vollständig abschliessenden Urteil über den
therapeutischen Wert der Deuteroalbumose gekommen bin, möchte ich
doch hier gerade klinisch erfalirene Ärzte anregen, meine Methode zu
probieren und, wenn brauchbar, nach Möglichkeit zu verbessern.
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108] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen. 199
Bei Serum- und Magnesium sulfuricum-Therapie betrug die Mor¬
talität der in unserer Station mir zur Behandlung überlassenen schweren
Tetanusfälle lOO^/o- 36 Erkrankte sahen wir so im Verlaufe weniger
Monate hilflos zugrunde gehen. Auf Grund von Erfahrungen, die ich
mir bei Behandlung anderer Infektionskrankheiten erworben hatte, er¬
hoffte ich mir von der Wirkung der Deuteroalbumose auch bei Tetanus
Erfolg. Schon als ich mit kleinen Dosen Albumose die Behandlung
begann, zeigte sich ein solcher und konnte ich die ersten Fälle durch¬
bringen. Allmählich schritt ich zur Anwendung immer grösserer Dosen
mit immer besserem Erfolg. Da ich mm in absehbarer Zeit kaum mehr
neue Fälle in Behandlung bekommen dürfte, übergebe ich jetzt schon
die Methode zur Überprüfung weiter.
Meine bisherigen Versuche skizziere ich kurz in folgendem:
Zunächst behandelte ich 32 Fälle mit Serum in grossen und kleinen
Dosen teils intravenös, teils subkutan, teils intralumbal; eine Grosszahl
der Fälle mit allen drei Einverleibungsmethoden kombiniert. Die Fälle
hatten fast durchwegs kurze Inkubationszeit von 6—8 Tagen, nur drei
hatten 10 Tage, ein Fall 12 tägige Inkubation. Alle sind trotz grosser
Mühe gestorben.
Ich begann nun nach diesem Misserfolg der Serumtherapie vor¬
sichtig mit Deuteroalbumose zu behandeln und stellte, um rascher zu
einem brauchbaren Urteil zu kommen, folgende Gruppen auf:
L Gruppe.
(Zwei Fälle, die in aufeinanderfolgenden Tagen eingebracht wurden.)
FaU 90: L. M.
Inkubationszeit 8 Tage; am Tage nach den ersten Erscheinungen
eingebracht; grosse Weichteilwunde des rechten Vorderarmes; voll¬
ständig ausgebrochener Tetanus. Therapie: 1 ccm Deuteroalbumose
(Alt) intravenös, täghch 1—2 mal durch 4 Wochen und Spülen der Wunde
mit Blutkohle. Geheilt.
Fall 91: S. I.
11 tägige Inkubation; Streifschuss des Fusses; zur Zeit der Auf¬
nahme voll ausgebrochener Tetanus, angeblich am ersten Tag der Er¬
krankung. Therapie: Serum täglich intravenös, subkutan im Bereich
der Wunde und intralumbal in hohen Dosen. Bereits am 4. Tag ge¬
storben.
11. Gruppe.
(Drei Fälle, von denen zwei am selben Tage, einer zwei Tage später ein-
geüefert wurden.)
Fall 92: L. T.
10 tägige Inkubationszeit; Schuss Verletzung des rechten Unter¬
schenkels mit Zertrümmerung beider Knochen und grosser Weichteil¬
wunde; eingebracht am Tage nach Auftreten der ersten Erscheinungen
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m
G. HoUer.
[103
Mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Anamnese genügen mir
diese Blutbefunde vollständig, um bei diesem Falle, der keinerlei Haut-
veränderxmgen zeigte, mit ziemlicher Sicherheit die Diagnose Variola
vera sine exanthemate stellen zu können. Auch solche Fälle gehören für
einige Zeit isoliert.
Fall 86: Schw. Ma.
Ich führe hier einen Blutbefund an, wie wir ihn im Reaktionsstadium
erfolgreicher Blattem 8 chut 2 dmpfungen gewöhnlich sehen. Der Blut¬
befund wurde am 6. Tage nach Vornahme der Revakzination erhoben.
Leukozyten:
davon sind:
Polynukl. (N):
Splenozyten:
Lymphozvten:
Plasmazellen:
am 2. 4. 16.
1 h. a. m.
7,500
54,7% (4,090)
1.0 „ ( 80)
1.3 „ ( 100)
4.4 „ ( 330)
38,6 „ (2,900)
0 , 0 „ { — )
Interessant ist, dass es nach so leichten Blatternerkrankungen, wie wir
sie durch Vakzination hervorrufen, nicht zur Ausbildung von Eosino¬
philien und Splenozytosen, wohl aber von Basophilien und Lympho-
zjrtosen kommt.
Über die Wirkung der Deuteroalbumose bei Blattern steht mir,
wie schon erwähnt, infolge der geringen Zahl der damit behandelten
Fälle bisher keine grössere Erfalnimg zu. Doch möchte ich nach den
Beobachtungen, die ich an diesen wenigen Fällen zu machen Gelegen¬
heit hatte, die Proteinkörpertherapie bei Variola einer sachgemässen
Überprüfung sehr empfehlen.
Im Verlauf von Blattemepidemien ist bei okkulten Fieberfällen
die Erhebung der Leukozytenbefunde von diagnostischem Werte. Die
Reaktion der einzelnen Leukozytenformen ist, wie schon beschrieben,
speziell bei leichten Blatternerkrankungen eine sehr typische und sind
so blatternverdächtige Erkrankungen, auch wenn es nicht z\ir Ausbildung
eines Ausschlages kommt, leicht zu eruieren. Ihre Isolierung ist zum
Schutze der Umgebung geboten.
Differentialdiagnostisch ist vor allem Exanthematicus siderans von
Purpura variolosa schwer zu unterscheiden, während Varioloisfälle von
Ungeübten mit Vorliebe mit Varizellen verwechselt werden. Über die
Unterschiede der beiden letztgenannten Krankheitsprozesse finden wir
wohl genügend in Lehrbüchern verzeichnet und ist schon daraus eine
Verwechslung in den meisten Fällen auszuschliessen. Das Verhalten
der Leukozyten bei Varizellen hatte ich bisher noch nicht (Jelegenheit
zu überprüfen.
Erysipel.
Das zur Diagnose Wissenswerte ist wohl zur Genüge bekannt. In
den Blutbildern bestehen zur Zeit des Krankheitsprozesses polynukleäre
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Leukozytosen mit Zurückdrängxmg, seltener vollständigem Fehlen der
Eosinophilen. Mit der Ausheilung des Krankheitsprozesses kommt es,
wie bei anderen Infektionen, zu Lymphozytosen. Bei wenig ausge¬
breiteten Erysipelen, z. B. bei Lokalisation nur auf der Rachenschleim¬
haut, sehen wir schon zur Zeit des Fieberprozesses Eosinophilien. Auch
in der Rekonvaleszenz nach schweren Erkrankungen treten Eosinophile
im Blute nicht selten reichlich auf. Eine eingehendere Besprechimg der
Leukozytenreaktionen will ich hier weglassen, da sie für diagnostische
Zwecke wohl kaum in Betracht kommen.
Neben den bisher gebräuchlichen therapeutischen Methoden habe
ich auch die Wirkung der Merkschen Deuteroalbumose bei einer grösseren
Anzahl an Erysipelen Erkrankter erprobt. Unter 32 durchwegs schweren
Fällen heilten sämtliche glatt aus.
Von meinen dabei gemachten Beobachtungen möchte ich einiges,
das zum Verständnis der Wirkungsweise der Albumose besonders bei¬
trägt, hier anführen. Bei sehr ausgebreiteten Erysipelen kommt es
auf Deuteroalbumoseinjektionen hm (ich habe bisher nur das alte Prä¬
parat verwendet) zu besonders heftigen Reaktionserscheinungen. Schüttel¬
fröste und Temperaturanstieg, begleitet nicht selten von Delirien, sind
schon nach den ersten niedrig dosierten Injektionen heftiger, als wir
es bei anderen Infektionsprozessen zu sehen gewohnt sind. Lebens¬
gefährliche Erscheinungen sah ich auch hier nie auftreten. Das Herz
blieb immer gut. Wir dürfen uns auf keinen Fall abhalten lassen, vor¬
sichtig dosierend, zur Verabfolgung höherer Dosen fortzuschreiten. Bei
Einverleibung kleiner Dosen kommt es nicht selten zu einem Wandern
des Erysipels. Bei gleichzeitigem Vorhandensein phlegmonöser Pro¬
zesse kommt es häufig zur Abszessbildung, weshalb ich ausgebreitetere
Phlegmonen von der Deuteroalbumosenbehandlung fortab ausschliesse.
Diphtherie.
Zu einer sicheren Diagnose ist der Nachweis der Erreger nötig.
Schwere Diphtherien verlaufen mit polynukleären Leukozytosen.
Je schwerer der Erkrankungsprozess, um so höher die Leukozytose und
um so spärlicher die Eosinophilen. Ein Fehlen der Eosinophilen ge¬
stattet schlechte Prognose. Die Mastzellen halten sich bei schweren
Prozessen länger im Blute als die Eosinophilen, reagieren sonst mit
letzteren gemeinsam. Nicht selten finden wir im Frührekonvaleszenz-
Stadium nach Diphtherie die Mastzellen vorübergehend in grösserer
Zahl vorhanden als die Eosinophilen; bald folgt dieser Basophilie die
Eosinophilie, die in der Diphtherierekonvaleszenz nicht selten hohe
Werte erreicht.
Wir können so aus dem Verhalten der Leukozyten die Diphtherie
von anderen akuten infektiösen Entzündungsprozessen des Rachens
und der Tonsillen trennen. Scharlach ohne Exanthem unterscheidet
sich vom Anfang an durch das reiche Auftreten der Eosinophilen; gegen
einfach katarrhalische oder phlegmonöse Entzündungen des Rachens
fällt die Entscheidung allerdings erst in der Rekonvaleszenz, da bei
letzteren die Eosinophilie fehlt und die Lymphozytose fast durchwegs
unbedeutend ist.
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196 G. Holler. [105
Meine Beobachtungen über die Wirkung der Merkschen Deutero-
albumose will ich nach Demonstration einiger Fälle besprechen.
Fall 87: Kl. B.
Eine Pflegerin unserer Station wurde mir am 10. Okt. fiebernd mit
einem starken diphtherischen Belag auf Tonsillen- und Pharjmxwand
eingebracht. Im Ausstrich von den Tonsillen Diphtheriebazillen. Pa¬
tientin erhält abends die erste Albumoseinjektion. Am Morgen des
nächsten Tages ist kaum mehr etwas von dem gestern so starken Belag
zu sehen, abends ist auch die letzte Spur verschwimden. Da Patientin
aber noch fiebert, verabfolge ich noch eine Injektion, wodurch der Krank¬
heitsprozess erledigt ist.
Kurve 53.
Fall 88: K. Ed.
Ein analoger Fall mit starkem diphtherischen Belag, der auch schon
nach einer Injektion wie Schnee an der Sonne förmlich wegschmilzt.
Drei Injektionen genügen hier zur vollständigen Entfieberung. Di¬
phtheriebazillen waren nachgewiesen.
Kurve 54.
Fall 89: L. St.
Wurde am 29. Febr. mit Halsschmerzen und subfebrilen Tem¬
peraturen eingebracht. Auf der rechten Tonsille sieht man einen starken
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diphtherischen Belag, der von hier auf den Gaumenbogen übergreift
und noch die Uvula ganz bedeckt. Aus dem Abstrich von der Tonsille
werden Diphtheriebazillen kultiviert.
Ich verabfolge Deuteroalbumose, wie immer in steigender Dosis.
Wie die Temperaturkurve zeigt, tritt auf die Injektionen erst bei einer
Dosis von 5 ccm eine deutliche Reaktion auf; nach den übrigen Injek¬
tionen waren Schweissausbrüche das einzig Wahrnehmbare. Der di¬
phtherische Belag im Rachen ging auf Albumoseinjektionen hin nur
äusserst langsam zurück. Es handelt sich hier um einen rein lokalen
Prozess, weshalb es erklärlich ist, dass die Allgemeinreaktionen auf die
Deuteroalbumoseinjektionen hin geringer waren.
am 29.
2.
16.
am 1
. 3.
am 4. 3.
am 7. 3.
5 h. 25
P-
m.
11h. 10
a. m.
12 h. 45 p. m.
1 h. 10 p. m.
Leukozyten:
12,080
8,670
13,580
11,250
davon sind:
Polynukl. (N):
67,77o
(8
,160)
77,l«/„
(6,660)
51,8®/o (6,980)
45,8®/o (5,140)
(E):
0.1 „
(
10)
0,5,,
{ 60)
0.3 „ ( 50)
0,9 „ ( 100)
„ (B):
0,2 „
(
30)
0,1 „
( 10)
0.3 „ ( 50)
0.1., ( 10)
Splenozyten:
16,5 „
(]
,880)
7.6 „
( 670)
14,3 „ (1,950)
9,3 „ (1,050)
Lymphozyten:
16,1 „
(1
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14.4 „
(1,250)
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42,3,, (4,770)
Plasmazellen:
0.4,.
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50)
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1.6 „ ( 180)
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11h. s
i. m.
11 h. 45 a. m.
12 h. m.
Leukozyten:
8,380
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7,220
davon sind:
Polynukl. (N):
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52,4®/o (3,760)
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1,4., ( 120)
Splenozyten:
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(
580)
5,2 „
( 580)
6,7 „ ( 400)
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Lymphozyten:
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1,670)
23,5,,
(2,630)
42,2 „ (2,930)
34,1,, (2,470)
Plasmazellen:
0.0 „
(
- )
0.3 „
( 30)
0,4 „ ( 30)
0 , 0 „ ( — )
Kurve 55.
Obwohl ich so bei 12 Diphtheriefällen mit Deuteroalbumose (Alt)
gute Erfolge erzielen konnte, glaube ich, eignet sich zur Allgemeinbe¬
handlung mit Rücksicht auf die bequemere subkutane Einverleibungsart
das Serum besser. Ein Vorteil einer besseren Wirkung konnte ich bis¬
her w'eder zugunsten der Albumose, noch des Serums konstatieren.
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Vorsicht ist speziell bei Anwendung der Deuteroalbumose bei bereits
bestehenden stenotischen Erscheinungen geboten. Hier müssen wir
zuvor intubieren. Im Reaktionsstadium auf die Injektion kommt es
zu einer Schwellung der entzündeten Schleimhaut, wodurch die Stenose
eine vollständige werden kann. Ich erinnere hier an den analogen Fall
bei Blattern (s. d.), wo gleichfalls ein Glottisödem sich ausbildete.
Sehr gut wirkt die Albumose auf einfach katarrhalische imd phleg¬
monöse Entzündungen der Tonsillen und ebenso sah ich guten Erfolg
bei einem Falle von Angina ulceromembranosa (Vincenti).
Meningitis epidemica.
Von dieser Seuche konnte ich bisher nur sechs Fälle beobachten,
von denen drei mit Serum intralumbal, drei mit Deuteroalbumose intra¬
venös behandelt wurden. Die drei Albumosebehandelten heilten aus,
von den Serumbehandelten starb einer.
Im Blutbilde konnte ich bei diesen Fällen eine polynukleäre neutro¬
phile Leukozytose beobachten, wobei gleichzeitig bei 4 Fällen die Eosino¬
philen ganz fehlten, bei den anderen beiden spärlich vorhanden waren.
Bei Besserung de« Krankheitsprozesses stieg die Zahl der Eosinophilen
an und ebenso traten die Lymphozyten reichlicher auf. In der Rekon¬
valeszenz kam es zur Bildung von ganz bedeutenden Lymphozytosen
und leichter Eosinophilie.
Nach meinen Beobachtungen an einem allerdings nicht sehr reich¬
haltigen Material ist die therapeutische Wirkung der Merkschen Deutero¬
albumose bei Meningitis meningococcia eine gute und speziell im Stadium
hydrocephalicum der Serumwirkung überlegen. Ich empfehle, bei
Albumosetherapie die Probepunktion des Lumbalsackes auf das not¬
wendigste zu beschränken.
Frisch erkrankte Fälle heilten durchschnittlich in 2—3 Wochen
aus, während bei Fällen, die erst in einem späteren Stadium der Er-
krankimg in meine Behandlung kamen, die Injektionen durch Monate
bis zur vollständigen Heilung fortgesetzt werden mussten. Jedes zu
frühe Aussetzen der Injektionen bedingte einen Rückfall. Bei meinen
zuletzt behandelten Fällen stieg ich in der gewohnten Weise (anfangs
2 Injektionen täglich verabfolgend) bis zu einer Einzeldosis von 10 ccm
an und injizierte diese Dosis täglich einmal so lange weiter, bis eine
stärkere Reaktion auf die Injektion hin ausblieb. Damit waren auch
jedesmal die Krankheitserscheinungen verschwunden.
Tetanus.
Die klinischen Erscheinungen der Erkrankung sind zur Genüge be»
kannt xmd kann ich mich so auf die Besprechung der Wirkung der Merk¬
schen Deuteroalbumose (Alt) beschränken. Obwohl ich bei Tetanus
bisher noch zu keinem vollständig abschliessenden Urteil über den
therapeutischen Wert der Deuteroalbumose gekommen bin, möchte ich
doch hier gerade klinisch erfahrene Ärzte anregen, meine Methode zu
probieren und, w^enn brauchbar, nach Möglichkeit zu verbessern.
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108] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
199
Bei Serum- und Magnesium sulfuricum-Therapie betrug die Mor¬
talität der in unserer Station mir zur Behandlung überlassenen schweren
Tetanusfälle 100%. 36 Erkrankte sahen wir so im Verlaufe weniger
Monate hilflos zugrunde gehen. Auf Grund von Erfahrungen, die ich
mir bei Behandlung anderer Infektionskrankheiten erworben hatte, er¬
hoffte ich mir von der Wirkung der Deuteroalbumose auch bei Tetanus
Erfolg. Schon als ich mit kleinen Dosen Albumose die Behandlimg
begann, zeigte sich ein solcher und konnte ich die ersten Fälle diurch-
bringen. Allmählich schritt ich zur Anwendimg immer grösserer Dosen
mit immer besserem Erfolg. Da ich mm in absehbarer Zeit kaum mehr
neue Fälle in Behandlung bekommen düifte, übergebe ich jetzt schon
die Methode zur Überprüfung weiter.
Meine bisherigen Versuche skizziere ich kurz in folgendem:
Zunächst behandelte ich 32 Fälle mit Serum in grossen und kleinen
Dosen teils intravenös, teils subkutan, teils intralumbal; eine Grosszahl
der Fälle mit allen drei Einverleibungsmethoden kombiniert. Die Fälle
hatten fast durchwegs kurze Inkubationszeit von 6—8 Tagen, nur drei
hatten 10 Tage, ein Fall 12 tägige Inkubation. Alle sind trotz grosser
Mühe gestorben.
Ich begann nun nach diesem Misserfolg der Serumtherapie vor¬
sichtig mit Deuteroalbumose zu behandeln und stellte, um rascher zu
einem brauchbaren Urteil zu kommen, folgende Gruppen auf:
I. Gruppe«
(Zwei Fälle, die in aufeinanderfolgenden Tagen eingebracht wurden.)
Fall 90: L. M.
Inkubationszeit 8 Tage; am Tage nach den ersten Erscheinimgen
eingebracht; grosse Weichteilwunde des rechten Vorderarmes; voll¬
ständig ausgebrochener Tetanus. Therapie: 1 ccm Deuteroalbumose
(Alt) intravenös, täglich 1—2 mal durch 4 Wochen und Spülen der Wunde
mit Blutkohle. Geheilt.
FaU 91: S. I.
11 tägige Inkubation; Streifschuss des Fusses; zur Zeit der Auf¬
nahme voll ausgebrochener Tetanus, angeblich am ersten Tag der Er¬
krankung. Therapie: Serum täglich intravenös, subkutan im Bereich
der Wunde und intralumbal in hohen Dosen. Bereits am 4. Tag ge¬
storben.
U. Gruppe.
(Drei Fälle, von denen zwei am selben Tage, einer zwei Tage später ein¬
geliefert wurden.)
Fall 92: L. T.
10 tägige Inkubationszeit; Schuss Verletzung des rechten Unter¬
schenkels mit Zertrümmerung beider Knochen und grosser Weichteil¬
wunde; eingebracht am Tage nach Auftreten der ersten Erscheinungen
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G. Holler.
[109
mit schweren Krämpfen, Trismus und Opisthotonus; behandelt mit
Deuteroalbumose in Dosen von 1 ccm 1—2 mal täglich durch fast
4 Wochen. Geheilt.
FaU 93: R. M.
Inkubationszeit 7 Tage; Genitalschuss, jauchende Wunde; schwerer
Tetanus; am Tage der ersten Erscheinungen eingebracht. Therapie:
Serum in grossen Dosen subkutan, intravenös und intralumbal. Am
5. Tage gestorben.
Fall 94: H. A.
11 tägige Inkubationszeit; linksseitige Oberschenkelschussfraktur,
grosse Weichteilwunde, voll ausgebrochener Tetanus. Kam in meine
Behandlung unmittelbar nach Auftreten der ersten Erscheinungen.
Therapie: Magnesium sulfuricum (15%ige Lösung) mehrmals täglich
10 ccm intravenös. Am 3. Tage gestorben.
ni. Gruppe.
(Zwei Fälle, die am selben Tage in meine Behandlung kamen.)
Fall 95: K. R.
6 tägige Inkubation; unbedeutende Weichteilschussverletzung am
Rücken (linke Lumbalgegend); sehr schwerer, voll ausgebrochener Tetanus
am zweiten Tag der Erkrankung. Therapie: 1 ccm Deuteroalbumose
intravenös 1—2mal täglich. Am 17. Tage gestorben.
FaU 96: H. M.
10 tägige Inkubation; grosse Fleischwunde am rechten Oberschenkel;
eingebracht mit Trismus, Opisthotonus und noch seltenen Krampfan-
fäUen am Tage des Auftretens der ersten Tetanussymptome. Therapie:
Serum subkutan, intravenös und intralumbal, Magnesium sulfuricum
intravenös. Am 3. Tag gestorben.
Alle FäUe erhielten ausserdem Chloral rektal und Morphium sub¬
kutan nach Bedarf. Die Wunden wurden mit Blutkohleaufschwemmung
täglich gespült und mit Blutkohlepulver dick bestreut.
Nachdem ich durch diese Vorversuche den Eindruck gewonnen hatte,
dass die Deuteroalbumose bei Tetanus brauchbar ist, schritt ich zur An¬
wendung höherer Dosen. Ich injizierte wie bei anderen Infektions¬
krankheiten stets nur intravenös und begann mit 1 ccm einer lO^^igen
Lösung. Die Dosis wurde fort bei jeder Injektion um ccm gesteigert
und verabfolgte ich bei Tetanus, um rascher zu einer wirksamen Dosis
zu gelangen, zwei Injektionen täglich. Da —1 Stunde nach der In¬
jektion gewöhnlich heftigere Krämpfe auftreten, verabfolge ich von nun
an gleich im Anschluss daran 10 ccm von einer 15%igen Magnesium
sulfxiricum-Lösung ebenfalls intravenös. Mit den sonst noch gebräuch¬
lichen Hypnoticis, vor allem Chloral und Morphium, zu solchen Zeiten
nicht sparen!
Ich mache darauf aufmerksam, dass nach den ersten niedrig dosierten
Albumoseinjektionen sich der Krankheitsprozess häufig verschlechtert.
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110] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
201
doch darf man sich dadurch nicht abschrecken lassen, energisch zu
höheren Dosen fortzuschreiten. Bei Verabfolgung niedriger Dosen
Deuteroalbumose habe ich gleich wie nach Injektionen antitoxischen
Serums den Eindruck gewoimen, dass diese als zu schwacher Reiz auf
den Kiankheitsprozess wirken und ilm so verschlechtern. Erst diuch
Verabfolgung von fortgesetzt höheren Dosen erreichen wir dann die
therapeutisch wirksame Reizschwelle. Der Kiankheitsprozess klingt
dann gewöhnlich so ab, dass erst die Krämpfe seltener werden, schliess-
hch ganz aufhören, wobei noch eine gewisse Steifheit des Körpers be¬
stehen bleibt, die dann auch rasch zurückgeht. Bei 2 Fällen klang das
Krankheitsbild in einen lokalen Tetanus der verwundeten Extremität aus,
der durch w^eitere Lijektionen auch bald verschwand.
Mit dieser Methode habe ich dann 6 schwere Tetanusfälle hinter¬
einander durchgebracht. Die Inkubationszeiten waren: 2 Fälle 6 Tage;
2 Fälle 7 Tage; 1 Fall 8 Tage; 1 Fall 11 Tage. Alle Erkrankten wurden
sofort nach Auftreten der ersten Symptome in Behandlung genommen.
Die Heilimgsdauer betrug 3—5 Wochen.
Anschliessend demonstriere ich den Verlauf eines derartig mit Merk-
scher Deuteroalbumose (Alt) geheilten Tetanusfalles:
FaU 97: W. L.
Kurve 56.
Der Patient wurde mir am Tage nach Auftreten der ersten Er¬
scheinungen mit einem allgemeinen Tetanus eingebracht. Die Zeit von
der Verwundung (grosse Fleischwunde des linken Vorderarmes) bis zum
Auftreten der ersten Erscheinungen betrug 7 Tage. Bei der Aufnahme
in meine Station am 5. Okt. bestand eine vollständige Steifheit des ganzen
Körpers, heftiger Opisthotonus und Trismus, so dass die Kuppe des
kleinen Fingers zwischen die Zahnreihen nicht eingeführt werden konnte.
Ich zählte zur selben Zeit 7—10 Krampfanfälle in 15 Minuten. Die
Methode meiner Therapie ist aus der beigeschlossenen Temperaturkurve
zu entnehmen.
Vom 6. bis 9. Oktober ist der Krankheitsprozess eher etwas ver¬
schlechtert; ab 10. Okt. nehmen die Kiämpfe an Heftigkeit und Häufig¬
keit ab. Am 14. Okt. w^erden nur mehr 4—6 Krampfanfälle im Verlaufe
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202
G. Holler.
[111
einer Stunde konstatiert. Am 19. Okt. treten ausserhalb der Re¬
aktionszeit auf die Albumoseinjektion keine Krämpfe mehr auf. Aim
20. Okt. hat die Steifheit des Körpers bereits wesentlich nachgelassen,
der Kopf ist beweglich, die Zahnspalte für 2 Finger durchgängig. Am
22. Okt. befindet sich Patient bereits zeitweise ausser Bett, Krämpfe
treten im Anschlüsse an die Injektionen nur mehr im verwundeten Arme
auf. Am 24. und 25. Okt. lösen die Injektionen keinerlei Krampf¬
erscheinungen mehr aus; der ganze Körper ist vollkommen frei beweg¬
lich, der Mund kann unbehindert geöffnet werden.
Gleichzeitig wurde die Wunde täglich mit Blutkohleaufschwemmung
gespült tmd mit Blutkohlepulver bestreut.
Ich habe den hier vorgestellten Fall durch 21 Deuteroalbumose-
injektionen geheilt, die höchste Einzeldosis waren 1572 ccm der 107oigcn
Lösung.
Eine nicht sehr angenehme Komplikation sind für die Albumose-
therapie des Tetanus, wie mir scheint, schwere eiternde Wunden. Der
günstige Einfluss der Deuteroalbumose ist zwar auch auf solche Wunden
unverkennbar, aber es kommt scheinbar aus der Wunde zur Resorption
von giftigen Abbauprodukten, die dem Organismus schaden. Daher
ist es notwendig, solche Wunden breit zu spalten und mit Blutkohle
täglich tüchtig durchzuspülen und zu bestreuen.
Ich habe bisher nur das alte Merksche Präparat bei Tetanus an¬
gewandt und meine vorausgehenden Ausführungen beziehen sich daher
einzig und allein auf Beobachtungen mit diesem Mittel. Dagegen hatte
ich bisher noch keine Gelegenheit, die Deuteroalbumose (Neu) bei Tetanus
zu versuchen.
Schliesslich will ich, obwohl eigentlich ausserhalb des Rahmens
dieser Arbeit stehend, noch ein kurzes Kapitel über meine Beobachtungen
mit Deuteroalbumose bei verschiedenen anderen Erkrankungen an-
schliessen. Es finden sich darunter einige Befunde, die zum Verständ¬
nisse der Wirkungsweise des Mittels nicht unwesentlich beitragen dürften.
Tuberkulose.
Ich hatte schon bei Behandlung der Kriegsseuchen mit Deutero¬
albumose eine günstige Beeinflussung gleichzeitig bestehender tuber¬
kulöser Prozesse konstatieren können. Bei einigen Patienten mit akuten
Spitzenprozessen (zwei davon mit initialer Hämoptoe), die ich an¬
schliessend an diese Beobachtung mit Deuteroalbumose spritzte, gingen
die akuten Erscheinungen sehr rasch zurück. Nach vier Wochen war
über der erkrankten Spitze bei den Patienten nichts mehr als Verkürzung
des Perkussionsschalles und abgeschwächtes, aber reines Atmen zu kon¬
statieren. Sonst habe ich die Wirkung des Mittels noch bei einer Reihe
von Fällen mit weit vorgeschrittenen, unheilbaren, tuberkulösen Pro¬
zessen in Lunge, Kehlkopf und Darm studiert. Eine vorübergehende
Besserung resultierte stets schon nach den ersten Injektionen und zuvor
rasch fortschreitende Prozesse wurden sichtlich aufgehalten. Wir
konnten so den tödlichen Ausgang bei bereits aufgegebenen Fällen um
Monate hinausschieben. Sehr unterstützend wirkt dabei die dm’ch die
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112] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen,
Injektionen bedingte Hebung des Allgemein-
joistandes, vor allem die Besserung des
Appetites, die bald einsetzt. Ein Nachteil
ist wieder die Einschmelzung von stark
entzündeten (Jeweben und dadurch bedingte
mächtige Kavernenbildimg bei ausgebrei¬
teten tuberkulösen Infiltrationen in den
Lungen. Zu einem abschliessenden Urteil
bin ich bei Tuberkulose bisher noch nicht
gekommen und sind vorerst weitere Beob¬
achtungen abzuwarten.
Sehr überzeugend für die Wirkung der
Albumose bei Tuberkulose spricht allerdings
folgender Fall mit Meningitis tuberculosa:
Fall 97: Pr. F.
Ein mir bewusstlos eingebrachter Pe.-
tient, hoch fiebernd, mit den sicheren
Symptomen einer Meningitis. Ich habe
selbst aus dem trüben Lumbalpunktat im
Karbol-Fuchsin-Präparat bei wiederholten
Untersuchungen ziemlich reichlich Tuberkel-
bazillen nach weisen können. Gleichzeitig
war noch eine rechtsseitige chronische Api-
citis ohne akutere Erscheinungen zu kon¬
statieren.
Behandelt wurde Patient, wie aus bei¬
liegender Temperaturkurve zu ersehen ist,
mit Merkscher Deuteroalbumose (Alt):
Kurve 57
Ich war selbst verblüfft, als ich den
Patienten am Tage nach der 3. Albumose-
injektion bei der Morgenvisite vorüber¬
gehend entfiebert und bei vollem Bewusstsein
traf. Wie ich aber 2 Tage mit den Injektionen
aussetzte, verschlimmerte sich der Zustand
sofort wieder. Patient klagte über Kopf¬
schmerzen und war bald wieder bewusstlos.
Nun setzte ich mit den Albumoseinjektionen
neuerdings ein (zweimal spritzte ich auch
intralumbal). Der Krankheitsprozess bes¬
serte sich. Frühmorgens war Patient fast
immer fieberfrei, vollständig bei Bewusstsein
und hatte keine Kopfschmerzen. Nach den
Injektionen traten anfangs wolü als Zeichen
der Wirkung Kopfschmerzen auf. Ich spritzte
den Patienten durch 2 Monate täglich
w'eiter. Sein Zustand wird immer besser
und, wie Kurve zeigt, werden die Reaktionen
auf die einzelnen Injektionen immer ge¬
ringer, um schliesslich ganz auszubleiben.
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204
G. Holler.
[113
Bei einem zweiten Fall mit tuberkulöser Meningitis als Teilsymptom
einer Miliartuberkulose blieb jede nachweisljare Wirkung durch Ver¬
abfolgung von Deutoroalbumose aus.
Auch bei Tuberkulose verabfolgte ich die Merksche Deutero-
albumose (Alt und Neu) in steigender Dosis, nur dass ich bei dieser
chronischen Erkrankung durch Wochen, eventuell Monate bei einer
wirksamen Dosis stehen blieb und erst weiter steigerte, weim diese zu
wirken auf gehört hatte.
Mit dem Zurückgehen der akuten Erscheinungen parallel geht auch
bei Tuberkulose ein Ansteigen der Lymphozytenzahlen im Blutbilde.
Exsudate.
Pleiuale und perikardiale Exsudate sah ich unter dem Einflüsse
von Albumoseinjektionen rasch zur Resorption kommen; doch nur bei
Fällen, bei denen keine andere als eine rheumatoide Ursache für die
Entzündimg angenommen werden konnte, trat unter starker Hamflut
diese Resorption der Exsudate auf. Wo die Ursache für die Entzündung
der Pleuren, wie z. B. ausgebreitete tuberkulöse Prozesse in den Lungen
fortbestand, dort war im Gegenteil ein Ansteigen der Exsudate nicht
selten zu konstatieren.
Hämolytische Anämien.
Ich beobachtete bei drei Fällen eine günstige Wirkung nur ganz
vorübergehend nach den ersten Lijektionen, während durch weitere
Injektionen der Krankheitsprozess eher ungünstig beeinflusst wurde
Maligne Tumoren.
Auf Kai zinonie und Sarkome scheinen wir durch Verabfolgung von
Injektionen Merkscher Deuteroalbumose, zumindest in der von mir
geübten Methode und Dosierung, nicht mehr als einen zu schwachen
Reiz auszuüben, wodurch es zu rascherem Fortschreiten und mächtiger
Metastasenbildung kommt.
Malaria tertiana.
Bei dieser Erkrankung blieb jede Wirkung der Merkschen Deutero¬
albumose aus. 8ehr zu empfehlen ist dagegen die Behandlung mit Neu-
salvarsan. Nach einer einmaligen Lntravenösen Lijektion von 0,45
bis tbÜO Neusalvarsan, am Ix'sten am Höhestadium eines Anfalles ver-
abfvdgt, blieU'U Ivi 42 in dieser Weise von mir behandelten Malaria
lertiana-FaiU n an lien folgenden Tagen die Anfälle aus. Schon am Tage
nach \ erabtolgting der Injektion waren Plasnuxlien Ixd sämtlichen
lallen trotz eifiigen Suehens im Blut nieht mehr auffindbar. Bei erst
Vvu* kmzer Zeit fiiseh Erkrankten gingen i^usserdem bestehende 3>Iilz-
ttinuM'i'u ra^eli ztirüek. Kam es hin und wunler Ixn veralteten Fällen
naeh Woehen zu einem Kuekfalle. so war auch dieser durch eine gleiche
lVv>is Ne\i>al\a'Nan leieht zu koupiertm, Gut wirkt das Salvarsan auch
bei Mahnia Kaeliexitu, Die Metluxie ist vollständig ungefährlich und
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114] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseucben. 205
nach meiner Erfahrung exakter als die stomachale Chininbehandlung.
Meine Erfahrungen beziehen sich dabei nur auf Malaria tertiana.
Am Schlüsse will ich zu den beiden Hauptthemen meiner Arbeit:
,,Reaktion der Leukozyten im Blute und Wirkung der Deu-
teroalbumose (Merk) bei Kriegsseuchen“, aufbauend auf meine
an reichem Material gewonnenen praktischen Erfahrungen^), folgendes
zusammenfassend bemerken:
Wir können schon aus dem Verhalten der einzelnen Leukozyten¬
formen während physiologischer Verdauungsvorgänge auf eine Funk¬
tion der Zellen im Stoffwechsel schliessen und es ist klar, dass Störungen
im physiologischen Stoffwechselmechanismus, wie sie z. B. der Aus¬
bruch und Ablauf einer Infektionskrankheit bedingt, von entsprechen¬
den abnormen Reaktionen der Leukozyten begleitet sein werden.
In der Tat lässt das Verhalten der einzelnen Leukozytenarten im
Blute bei fortlaufender Untersuchung während des Bestehens von In¬
fektionskrankheiten eine Abhängigkeit von der durch den jeweiligen
Infektionsprozess bedingten, daher spezifisch-pathologischen Abän¬
derung der Stoffwechselvorgänge erkennen. Ebenso wie ein zuvor
physiologischer Ablauf der Stoffwechselvorgänge im Organismus durch
das Einsetzen und den Ablauf verschiedener Infektionsprozesse quan¬
titativ und qualitativ verschiedene Abänderungen erfährt und ebenso,
wie allen Infektionen eine gewisse Richtung im Ablauf der Stoffwechsel¬
vorgänge gemeinsam sein dürfte, so finden wir dementsprechend, neben
häufig allerdings niu* geringen quantitativen und qualitativen Unter¬
schieden, auch gemeinsame Reaktionen der Leukozyten im Verlaufe
verschiedener Infektionsprozesse.
So ist das Ausklingen in Lymphozytosen allen infektiösen Erkran¬
kungen eigen, während z. B. die Splenopenie für Typhus abdominalis,
Eosinophilie zur Zeit der Fieberperiode für Scharlach und Blattern,
das Einsetzen solcher Eosinophilien erst in der Rekonvaleszenz für Fleck¬
fieber charakteristisch ist.
Diese durch die Verschiedenheit des Ablaufes der Stoffwechsel¬
vorgänge, wenn auch häufig nur geringen Unterschiede in der Reaktion
der Leukozyten bei verschiedenen Infektionsprozessen können, wie ich
in dieser Arbeit an einer grossen Zahl von genau beobachteten Fällen
gezeigt habe, von Erfahrenen zu diagnostischen Zwecken sehr gut ver¬
wertet werden. Jedenfalls erfährt die Symptomatologie der Infektions¬
krankheiten, besonders solcher, bei denen der Erreger noch nicht bekannt
ist (z. B. Fleckfieber), durch die Kenntnis über die Reaktionsweise der
Leukozyten im Blute eine nicht unwesentliche Bereicherung.
Es ist selbstverständlich, dass auch durch Albumoseinjektionen
(wie überhaupt bei der Herbeiführung körperfremder Mischungsver¬
hältnisse) im Stoffwechsel vorübergehend Verschiebungen auftreten,
als deren Ausdruck entsprechende Reaktionen der Leukozyten im
Blute zu finden sind. Bei gleichzeitigem Bestehen infektiöser Prozesse
im Körper geht dies mit einer Beeinflussung letzterer Hand in Hand.
*) Es wurden gegen 4000 Leukozytenbefunde bei Infektionskrankheiten
erhoben und über 700 FäUe mit Albumose behandelt.
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206
G. HoUer.
[115
Was die Wirkung der Merkschen Deuteroalbumose anlangt, so
dürfte ihr Wert bei der Therapie der Kriegsseuchen durch meine bis¬
herigen Ausführungen zur Genüge illustriert sein. Dagegen ist die Art
ihrer Wirkung nicht so leicht mit Sicherheit zu erkennen. Jedenfalls
ist eine direkte Beeinflussung des Krankheitsprozesses durch das Prä¬
parat auszuschliessen und hat die Annahme viel Berechtigung, dass wir
diurch Einverleibung von Deuteroalbumosen, wie überhaupt körper¬
fremder Substanzen, den Organismus zur Absonderung von Schutz¬
stoffen anregen, die bei gleichzeitigem Bestehen von Infektionsprozessen
im Kampfe gegen diese benützt werden. Sicher handelt es sich nach
meinen Erfahrungen um keine Scheinwirkung, wie Kollaps, Lähmung
des Temperaturzentrums usw., sondern um eine Zerstörung der In¬
fektionserreger selbst. Dass durch Verabfolgung von Deuteroalbumose
vermehrte Hyperämie und Transsudation auftritt, kann ihre Wirkung
bei lokalen Prozessen erklären; bei Allgemeinerkrankungen müssen
jedenfalls noch andere Reaktionen des Organismus eine Rolle spielen.
Die Hervorrufung von Leukozytosen ist nach meiner Erfahrxmg zur
Wirkimg nicht nötig. Demnach bietet auch die Anwendung von Leuko¬
zytose erregenden Mitteln (wie z. B. der Nukleinsätire) keine Vorteile.
Einen Fortschritt sehe ich in der Albumosetherapie gegenüber der
Vakzinetherapie darin, dass wir das Mittel besser dosieren können
und dass bei vorsichtiger Therapie die lebensgefährlichen Erscheinungen
der Vakzinewirkung ausbleiben. Dabei wirkt allerdings Vakzine intra¬
venös einverleibt prompter. Es ist aber nicht nötig, dass durch eine
einzige Injektion sämtliche Infektionserreger auf einmal zerstört werden.
Im Gregenteil, die Zerstörung nur eines Teiles der Erreger mit jeder
Injektion bedeutet eventuell noch einen Vorteil, wenn wir bedenken,
dass auch durch den Abbau der Körpersubstanzen der Bazillen, welche
infolge des Bestehens des Infektionsprozesses im Körper vorhanden
sind, vorübergehend giftige Substanzen gebildet werden. Bei gleich¬
zeitiger Zerstörung sämtlicher Erreger oder eines zu grossen Teiles der¬
selben könnte es zu einer zu heftigen Giftwirkung durch die Masse der
freiwerdenden Giftstoffe kommen. Damit lässt sich vielleicht auch der
Unterschied der Wirkung der Deuteroalbumose bei Gesunden und In¬
fektionskranken erklären. Ich habe schon oben ausgeführt, dass intra¬
venös einverleibte Dosen von Deuteroalbumose, die bei Infektions¬
kranken schon heftige Erscheinungen hervorrufen, bei Gesunden ohne
nachweisbare Wirkimg bleiben. Nicht unmöglich ist es, dass dieser
Umstand auch dazu beiträgt, dass Dosen über 1 ccm von der 10®/oigen
Deuteroalbumoselösung als erste Injektion zu therapeutischen Zwecken
bei infektiösen Prozessen verabfolgt, oftmals beängstigende Erschei¬
nungen hervorrufen, während auf die gleichen Dosen an den folgenden
Tagen, an denen der Krankheitsprozess bereits abgeschwächt ist, weit
schwächere Reaktionen auftreten.
Schon nach dem derzeitigen Stande der Deuteroalbumosetherapie
haben wir in ihr eine exakte und ungefährliche Methode zur Bekämpfung
der Kriegsseuchen. Der durch intravenöse Injektionen von Merk scher
Deuteroalbumose zu erzielende therapeutische Erfolg lässt sich mit
geringen Unterschieden in der Intensität ihrer Wirkung bei verschie¬
denen Infektionskrankheiten erzielen. Gerade deshalb kommt dem
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116] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
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Präparate für die jetzige Kriegszeit ein besonderer Wert zu. Um einen
guten Erfolg zu erreichen, kommt allerdings sehr viel auf die Leistimgs-
fähigkeit und Energie des Arztes und des Pflegepersonales an. So sah
ich häufig Typhusfälle, die trotz Anwendung der Deuteroalbumose nicht
entfiebert werden koimten; stets waren diese Kranken in wenigen Tagen
geheilt, wenn ich sie selbst in Behandlung nahm. Hauptursache für
das Misslingen sind Diätfehler, ferner Fehler bei der Herstellung der
Lösungen des Präparates (wie ich oben beschrieben habe) und Unexakt¬
heit bei der Ausführung der intravenösen Injektionen. Immer und
immer wieder wird bei nicht genügender Aufmerksamkeit neben die
Vene gespritzt. Dann ist aber das Mittel subkutan in zu geringer Dosis
einverleibt und wirkt, wie schon wiederholt erwähnt, als zu geringer
Reiz auf den Krankheitsprozess, so dass sich dieser verschlechtert. Die
exakte Ausführung einer intravenösen Injektion muss gelernt sein,
sonst scheitert daran der Erfolg dieser wirksamen Therapie.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen möchte ich bei Behandlung
der Kriegsseuchen von den gebräuchlichen Therapeuticis vor allem drei
nicht entbehren müssen: Blutkohle, Merksche Deuteroalbumose und
Urotropin.
Am Schlüsse meiner Arbeit spreche ich meinen besonderen Dank
aus: unserem Bakteriologen Dr. S. Schönhof für die exakte Durch¬
führung und Überlassung der Befunde, cand. med. Marie Pucholt
und der reichsdeutschen Organisationsschwester Else Schmidt für die
Mühe, die sie für Beobachtung und Pflege der Patienten durch über
1 Jahr auf wandten.
Literatur.
Therapeutischer Teil.
1. Kraus und Mazza, Deutsche med. Wochenschr. 1914, Nr. 31.
2. Derselbe, Wien. klin. Wochenschr. 1914, Nr. 45.
3. Biedl, Prag. med. Wochenschr. 1915, Nr. 6.
4. V. Korannyi, Wien. klin. Wochenschr. 1915, Nr. 4.
5. V. Gröer, Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 39.
6. Lüdke, Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 10; Beitr. z. Klin. d. Infektions-
krankh. Bd. 4, H. 3 und Deutsch. ArcL f. klin. Med. Bd. 98, 1910.
7. Schmidt, Prag. med. Wochenschr. 1915, Nr. 4 und Med. Klin. 1916, Nr. 7.
8. Schmidt und Kaznelson, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 83, H. 1. u. 2.
9. Kaznelson, Zeitschr. f. klin. Med. H. 3 u. 4.
10. Holler, Med. Klin. 1915, Nr. 23 u. 24; Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 81, H. 5 u. 6
und Wien. klin. Wochenschr. 1916, Nr. 7, v. d. i. d. wissenschaftl. Gesellsch.
deutscher Ärzte Böhmens am 12. Nov. 1915 gehaltenem Vortrage (Referat).
11. Chantmesse, Soc. de Biolog. 1897, p. 96.
12. Rodet, Wolf-Eisner, Handb. d. Seruratherapie.
13. Kraus und v. Stenitzer, Handb. d. Technik u. Methodik d. Immunitäts¬
forsch., Jena, G. Fischer,
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G. HoUer.
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Bei einem zweiten Fall mit tuberkulöser Meningitis als Teilsymptom
einer Miliartuberkulose blieb jede nachweisl^are Wirkung durch Ver¬
abfolgung von Deuteroalbumose aus.
Auch bei Tuberkulose verabfolgte ich die Merksche Deutero-
albumose (Alt und Neu) in steigender Dosis, nur dass ich bei dieser
chronischen Erkrankung durch Wochen, eventuell Monate bei einer
wirksamen Dosis stehen blieb und erst weiter steigerte, wenn diese zu
wirken auf gehört hatte.
Mit dem Zmückgehen der akuten Erscheinungen parallel geht auch
bei Tuberkulose ein Ansteigen der Lymphozytenzahlen im Blutbilde.
Exsndate.
Pleurale und perikardiale Exsudate sah ich unter dem Einflüsse
von Albumoseinjektionen rasch zur Resorption kommen; doch nur bei
Fällen, bei denen keine andere als eine rheumatoide Ursache für die
Entzündung angenommen werden konnte, trat unter starker Hamflut
diese Resorption der Exsudate auf. Wo die Ursache für die Entzündung
der Pleuren, wie z. B. ausgebreitete tuberkulöse Prozesse in den Lungen
fortbestand, dort war im Gegenteil ein Ansteigen der Exsudate nicht
selten zu konstatieren.
Hämolytische Anämien.
Ich beobachtete bei drei Fällen eine günstige Wirkung nur ganz
vorübergehend nach den ersten Injektionen, während durch weitere
Injektionen der Krankheitsprozess eher imgünstig beeinflusst wurde
Maligne Tumoren.
Auf Karzinome und Sarkome scheinen wir durch Verabfolgung von
Injektionen Merkscher Deuteroalbumose, zumindest in der von mir
geübten Methode und Dosierxmg, nicht mehr als einen zu schwachen
Reiz auszuüben, wodurch es zu rascherem Fortschreiten und mächtiger
Metastasenbildung kommt.
Malaria tertiana.
Bei dieser Erkrankung blieb jede Wirkung der Merkschen Deutero¬
albumose aus. Sehr zu empfehlen ist dagegen die Behandlung mit Neu-
salvarsan. Nach einer einmaligen intravenösen Injektion von 0,45
bis 0,90 Neusalvarsan, am besten am Höhestadium eines Anfalles ver¬
abfolgt, blieben bei 42 in dieser Weise von mir behandelten Malaria
tertiana-Fällen an den folgenden Tagen die Anfälle aus. Schon am Tage
nach Verabfolgung der Injektion waren Plasmodien bei sämtlichen
Fällen trotz eifrigen Suchens im Blut nicht mehr auffindbar. Bei erst
vor kurzer Zeit frisch Erkrankten gingen ausserdem bestehende Milz¬
tumoren rasch zurück. Kam es hin und wieder bei veralteten Fällen
nach Wochen zu einem Rückfalle, so war auch dieser durch eine gleiche
Dosis Neusalvarsan leicht zu koupieren. Gut wirkt das Salvarsan auch
bei Malaria-Kachexien, Die Methode ist vollständig ungefährlich und
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114] Zar Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseucben.
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nach meiner Erfahrung exakter als die stomachale Chininbehandlung.
Meine Erfahrungen begehen sich dabei nur auf Malaria tertiana.
Am Schlüsse will ich zu den beiden Hauptthemen meiner Arbeit:
„Reaktion der Leukozyten im Blute und Wirkung der Deu-
teroalbumose (Merk) bei Kriegsseuchen“, aufbauend auf meine
an reichem Material gewonnenen praktischen Erfahiungen^), folgendes
zusammenfassend bemerken:
Wir können schon aus dem Verhalten der einzelnen Leukozyten¬
formen während physiologischer Verdauungsvorgänge auf eine Funk¬
tion der Zellen im Stoffwechsel schliessen und es ist klar, dass Störungen
im physiologischen Stoffwechselmechanismus, wie sie z. B. der Aus¬
bruch und Ablauf einer Infektionskrankheit bedingt, von entsprechen¬
den abnormen Reaktionen der Leukozyten begleitet sein werden.
In der Tat lässt das Verhalten der einzelnen Leukozytenarten im
Blute bei fortlaufender Untersuchung während des Bestehens von In¬
fektionskrankheiten eine Abhängigkeit von der durch den jeweiligen
Infektionsprozess bedingten, daher spezifisch-pathologischen Abän¬
derung der Stoffwechselvorgänge erkennen. Ebenso wie ein zuvor
physiologischer Ablauf der Stoffwechselvorgänge im Organismus durch
das Einsetzen und den Ablauf verschiedener Infektionsprozesse quan¬
titativ und qualitativ verschiedene Abänderungen erfährt und ebenso,
wie allen Infektionen eine gewisse Richtung im Ablauf der Stoffwechsel¬
vorgänge gemeinsam sein dürfte, so finden wir dementsprechend, neben
häufig allerdings nur geringen quantitativen imd qualitativen Unter¬
schieden, auch gemeinsame Reaktionen der Leukozyten im Verlaufe
verschiedener Infektionsprozesse.
So ist das Ausklingen in Lymphozytosen allen infektiösen Erkran¬
kungen eigen, während z. B. die Splenopenie für Typhus abdominalis,
Eosinophilie zur Zeit der Fieberperiode für Scharlach und Blattern,
das Einsetzen solcher Eosinophilien erst in der Rekonvaleszenz für Fleck¬
fieber charakteristisch ist.
Diese durch die Verschiedenheit des Ablaufes der Stoffwechsel¬
vorgänge, wenn auch häufig nur geringen Unterschiede in der Reaktion
der Leukoz 3 rten bei verschiedenen Infektionsprozessen können, wie ich
in dieser Arbeit an einer grossen Zahl von genau beobachteten Fällen
gezeigt habe, von Erfahrenen zu diagnostischen Zwecken sehr gut ver¬
wertet werden. Jedenfalls erfährt die Symptomatologie der Infektions¬
krankheiten, besonders solcher, bei denen der Erreger noch nicht bekannt
ist (z. B. Fleckfieber), durch die Kenntnis über die Reaktionsweise der
Leukozyten im Blute eine nicht unwesentliche Bereicherung.
Es ist selbstverständlich, dass auch durch Albumoseinjektionen
(wie überhaupt bei der Herbeiführung körperfremder Mischungsver¬
hältnisse) im Stoffwechsel vorübergehend Verschiebungen auf treten,
als deren Ausdruck entsprechende Reaktionen der Leukozyten im
Blute zu finden sind. Bei gleichzeitigem Bestehen infektiöser Prozesse
im Körper geht dies mit einer Beeinflussimg letzterer Hand in Hand.
^) Es wurden gegen 4000 Leukoz 3 rtenbefunde bei Infektionskrankheiten
erhoben und über 700 Fälle mit Albiunose behandelt.
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206
G. HoUer.
[115
Was die Wirkung der Merkschen Deuteroalbumose anlangt, so
dürfte ihr Wert bei der Therapie der Kriegsseuchen durch meine bis¬
herigen Ausführungen zur Genüge illustriert sein. Dagegen ist die Art
ihrer Wirkung nicht so leicht mit Sicherheit zu erkennen. Jedenfalls
ist eine direkte Beeinflussung des Krankheitsprozesses durch das Prä¬
parat auszuschliessen und hat die Annahme viel Berechtigung, dass wir
durch Einverleibung von Deuteroalbumosen, wie überhaupt körper¬
fremder Substanzen, den Organismus zur Absonderung von Schutz¬
stoffen anregen, die bei gleichzeitigem Bestehen von Infektionsprozessen
im Kampfe gegen diese benützt werden. Sicher handelt es sich nach
meinen Erfahrungen um keine Scheinwirkimg, wie Kollaps, Lähmung
des Temperaturzentrums usw., sondern um eine Zerstörung der In¬
fektionserreger selbst. Dass durch Verabfolgung von Deuteroalbumose
vermehrte Hyperämie und Transsudation auftritt, kann ihre Wirkung
bei lokalen Prozessen erklären; bei Allgemeinerkrankimgen müssen
jedenfalls noch andere Reaktionen des Organismus eine Rolle spielen.
Die Hervorrufung von Leukozytosen ist nach meiner Erfahrung zur
Wirkung nicht nötig. Demnach bietet auch die Anwendung von Leuko¬
zytose erregenden Mitteln (wie z. B. der Nukleinsäure) keine Vorteile.
Einen Fortschritt sehe ich in der Albumosetherapie gegenüber der
Vakzinetherapie darin, dass wir das Mittel besser dosieren können
und dass bei vorsichtiger Therapie die lebensgefährlichen Erscheimmgen
der Vakzinewirkung ausbleiben. Dabei wirkt allerdings Vakzine intra¬
venös einverleibt prompter. Es ist aber nicht nötig, dass durch eine
einzige Injektion sämtliche Infektionserreger auf einmal zerstört werden.
Im Gegenteil, die Zerstörung nur eines Teiles der Erreger mit jeder
Injektion bedeutet eventuell noch einen Vorteil, wenn wir bedenken,
dass auch durch den Abbau der Körpersubstanzen der Bazillen, welche
infolge des Bestehens des Infektionsprozesses im Körper vorhanden
sind, vorübergehend giftige Substanzen gebildet werden. Bei gleich¬
zeitiger Zerstörung sämtlicher Erreger oder eines zu grossen Teiles der¬
selben köimte es zu einer zu heftigen Giftwirkung durch die Masse der
freiwerdenden Giftstoffe kommen. Damit lässt sich vielleicht auch der
Unterschied der Wirkung der Deuteroalbumose bei Gesunden und In¬
fektionskranken erklären. Ich habe schon oben ausgeführt, dass intra¬
venös einverleibte Dosen von Deuteroalbumose, die bei Infektions¬
kranken schon heftige Erscheinungen hervorrufen, bei Gesunden ohne
nachweisbare Wirkung bleiben. Nicht unmöglich ist es, dass dieser
Umstand auch dazu beiträgt, dass Dosen über 1 ccm von der lO^igen
Deuteroalbumoselösung als erste Injektion zu therapeutischen Zwecken
bei infektiösen Prozessen verabfolgt, oftmals beängstigende Erschei¬
nungen hervorrufen, während auf die gleichen Dosen an den folgenden
Tagen, an denen der Krankheitsprozess bereits abgeschwächt ist, weit
schwächere Reaktionen auftreten.
Schon nach dem derzeitigen Stande der Deuteroalbumosetherapie
haben wir in ihr eine exakte und ungefährliche Methode zur Bekämpfung
der Kriegsseuchen. Der durch intravenöse Injektionen von Merkscher
Deuteroalbumose zu erzielende therapeutische Erfolg lässt sich mit
geringen Unterschieden in der Intensität ihrer Wirkimg bei verschie¬
denen Infektionskrankheiten erzielen. Gerade deshalb kommt dem
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116] Zur Diagnose und Therapie einiger wichtigen Kriegsseuchen.
207
Präparate für die jetzige Kriegszeit ein besonderer Wert zu. Um einen
guten Erfolg zu erreichen, kommt allerdings sehr viel auf die Leistimgs-
fähigkeit und Energie des Arztes und des Pflegepersonales an. So sah
ich häufig TyphusfäUe, die trotz Anwendung der Deuteroalbumose nicht
entfiebert werden konnten; stets waren diese Kranken in wenigen Tagen
geheilt, wenn ich sie selbst in Behandlung nahm. Hauptursache für
das Misslingen sind Diätfehler, ferner Fehler bei der Herstellung der
Lösungen des Präparates (wie ich oben beschrieben habe) und Unexakt¬
heit bei der Ausführung der intravenösen Injektionen. Immer und
immer wieder wird bei nicht genügender Aufmerksamkeit neben die
Vene gespritzt. Dann ist aber das Mittel subkutan in zu geringer Dosis
einverleibt und wirkt, wie schon wiederholt erwähnt, als zu geringer
Reiz auf den Kxankheitsprozess, so dass sich dieser verschlechtert. Die
exakte Ausführung einer intravenösen Injektion muss gelernt sein,
sonst scheitert daran der Erfolg dieser wirksamen Therapie.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen möchte ich bei Behandlung
der Kriegsseuchen von den gebräuchlichen Therapeuticis vor allem drei
nicht entbehren müssen: Blutkohle, Merksche Deuteroalbumose und
Urotropin.
Am Schlüsse meiner Arbeit spreche ich meinen besonderen Dank
aus: unserem Bakteriologen Dr. S. Schönhof für die exakte Durch¬
führung und Überlassung der Befunde, cand. med. Marie Pucholt
und der reichsdeutschen Organisationsschwester Else Schmidt für die
Mühe, die sie für Beobachtung und Pflege der Patienten durch über
1 Jahr aufwandten.
Literatur.
Therapeutischer Teil.
1. Kraus und Mazza, Deutsche med. Wocbenschr. 1914, Nr. 31.
2. Derselbe, Wien. klin. Wocbenschr. 1914, Nr. 45.
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4. V. Korannyi, Wien. klin. Wocbenschr. 1915, Nr. 4.
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9. Kaznelson, Zeitschr. f. klin. Med. H. 3 u. 4.
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Wassermann, Aufl. 2, Bd. 2, 1914; Zeitschr. f. d. gesamte NeuroL 22, 1914,
Heft 4/5 u. Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 45.
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2. Türk, Hämatologie, 2. 1., Braunmüller, Wien 1898 und Wien. klin. Wochen¬
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3. Müller und Jochmann, Münch, med. Wochenschr. 1906, Nr. 29, 31 u. 41.
4. Jochmann und Ziegler, Münch, med. Wochenschr. 1906, Nr. 42.
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8. Studer, s. Referat, Fol. haemat. 1, 3, 1904.
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10. Hirschfeld, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 102, Heft 5 u. 6.
11. Hartung, Wiener klin. Wochenschr. 1895, Nr. 40 u. 41.
12. Neusser, Wiener klin. Wochenschr. 1892, Nr. 3 u. 4.
13. Ziegler und Schlecht, Arch. f. klin. Med. 1908, Bd. 92.
14. Nägeli, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte 1899, Nr. 18 und Deutsch. Arch.
f. klin. Med. Bd. 47, S. 279, 1900 und Blutkrankheiten und Blutdiagnostik,
Leipzig, Veit 1912.
15. Rieder, Beitr. z. Kenntnis d. Leukozytose. Leipzig, Vogel 1892.
16. Schindler, Zeitschr. f. klin. Med. 1904, Bd. 54.
17. Römer, Beitr. z. Klin. d. Infektionskrankh. Bd. 4, Heft 1.
18. Benzler, Beitr. z. Klin. d. Infektionskrankh. Bd. 4, Heft 3.
19. Ickert, Beitr. z. Klin. d. Infektionskrankh. Bd. 4, Heft 2.
20. Rusca, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 103, 1911.
21. Sch atz mann, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte 1913, Nr. 46.
22. Kämmerer, Arch. f. klin. Med. Bd. 99, H. 3 u. 4.
23. V. Pirquet, Klin. Studimn über Vaccinalia. F. Deuticke, 1907.
24. Ryoichiro Hagiwara, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte 1915, Nr. 28.
25. Stieve, Deutsch. Arch. f. kUn. Med. 1915, Bd. 117, Heft 4 u. 5.
26. Walter Fischer, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1915, Bd. 19, Nr. 11.
27. Rosenthal, Berl. klin. Wochenschr. 1914, Nr. 8.
28. Lipp, Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 16.
29. Brauer-Moldavan, Würzburg, Curt Kabitzsch 1916, 2. Aufl.
30. Provazek, Zeitr. z. Klin. d. Infektionskrankh. Bd. 4, Heft 1.
31. Schatzmann, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 58, Heft 3 u. 4.
32. Nocht und Werner, Deutsch, med. Wochenschr. 1910, Nr. 84.
33. Werner, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1914, 18. Bd. Nr. 20.
34. Fleckseder, Wiener klin. Wochenschr. 1910, Nr. 36.
35. Lieb mann, Zentralbl. f. inn. Med. Jahrg. 36. 1915, Nr. 24.
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Dieses D oppelheft bildet den Schluss des 6. Bandes. Titel und Inhalteverzeichnis llecen bei. 4“
6. Bandy Heft S u. 4. Ausgegeben am 15. Januar 1918. Einzelpreis M. 10.—
Beiträge zur Klinik
der
Infektionskrankheiten nnd
znr Immnnitätsforschung
(mit Ausschluss der Tuberkulose). /
Unter Mitwirkung der Herren«
Aaser- Ktistiania; Abderbaldea-Hanet ArncUt-MOiuter- ATenfcM Pr««».,, t t» = .
v"*Nwr7en.FSrt'Ä!’“opttz.G“"^ = . **°**‘‘-
tersson-Stockbolm; Rostoskl-Dreaien; Ramp^Hir^e-
Düaeldorf; Schmidt- Halle; Schwalbi-Ro^fT Sdfert-
Slmmonda-Himburg; Stöckel • Kiel; v. Strlimoelt Lemziir- ^*^^^tjn-H^le a. S.;
I^Men, V"“^H*"b«ntlv.Wa«LmannÄ!^äibi“Ä^
Wiiiter*K£nigfberg uPr.; Zan^emelster^Marburig^; Zieler*Würsburg *
Herausgegeben von
Professor Dr. L> Brauer
firz(lld\ein Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg -Eppendorf.
Redaktion:
Für die Originale:
Professor Dr. H. SchottmUller Professpr Or. H. Much ^
(KllnUdier und baklerlologl^^^ nmmunKJewlMenMhaWidier TeUl '
beide am Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf. ' ^
Für die Ergebnisse:
Professor Dr. H. Lüdke
In WQrsburg.
■ ■■■
6. Band, Heft 3 und 4.
■ ■■■
WÜRZBURG
Cupt Kabitzsch Verlast
1918
W. Die Herren Aoiorea erhalten auf Wunsch bla lu 30 Sonderdruck/ k^**^ ** «nwprechende Ver
'^u .i.b dM^>.|e.rtlcl.e Rcrt.« -wVe,;ieim,;«un*! V^rbiial.^ng“ f
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w - TM , Tw T rcrorcirung uno uoeraetxung der In dlea
ra feit ijrpjden OHginalbcliräge innerhslb der fcserxlichen ScbufsfrfstflP
M^^s.lMn-AmnallM durch Ernst Schnitz« ?«rlad« OldenkMlJ^
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Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten und zur Immunitätsforschung.
Die
Beiträge zur KliniK der InfeKtionsKrankheiten
und zur Immunitätsforschung •
erscheinen In Bänden von etwa 30 Bogen zum Preise von Mk. 20. — und zwar zwang¬
los in Heften, die auch einzeln zu erhöhten Preisen abgegeben werden. Bei Nach¬
bezug der bis jetzt vollständig vorliegenden 3 Bände wird ein ermässigter Preis eingeräumt.
Dem Illustrationsmaterial wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Probehefte vermiitcrln
alle besseren Buchhandlungen, event. wende man sich direkt an
Gurt Kabitzsch Verlag, Wflrzburg.
Inhalt des vorliegenden 3. und 4. Heftes von Band 6:
Bingold, Kritisches über Gasbazillen-Infekdonen.
Küster u. v. Holtum, Die Bedeutung der Duodcnalsondierung iür die Feststellung von"
Bazillenträgern und für die Bewertung von Heilverfahren bei Bazillenträgern.
Rihm, Fränkel u. Busch, Klinische, experimentelle und pathologiscb-anatomischc Mitteilungen
über Icterus infectiosus (Weilsche Krankheit). 6 Kurven im Text und 1 farbige TafcL
Koch u. V. Lippmann, Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber mit besonderer Berück¬
sichtigung der Neosalvarsanbehandlung. Mit 21 Kurven im Text
Sachs, Beiträge zur Kenntnis des Rückfallfiebers. Mit 1 Abbildung und 7 Kurven ira Text.
Kimmerle, Einige Beobachtungen bei der Grippe.
Ernst Kratz, Frankfurt a.M.
F abrik für C hirurgie - Instrumente
empfiehlt als Neuheit
Injektions-Nadel
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Name und Packung gesetzlich geschützt.
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0C5t.Tft\. .
' . OVÄtXE
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A*
«■»
säe
Nach einem eigenartigen Reduzierver-
e BWiigig gg/atraM fahren ohne Verschraubung und ohne
Verlötung hergestellt, daher grösste Ge¬
währ gegen Bruch und Rostbildung
an der Verbindungsstelle.
In Stahl, Reinnickel und Platina.
ErbälUlch in den einschlfigigen Instrumenten- und BandagengeschSften.
mm
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Kritisches über Gasbazillen-lnfektionen‘).
Von
Dr. Kart Bingold.
I.
Nach den ersten und immer noch besten Abhandlungen Eugen
Fraenkels (8) über die Gasiphlegmone möchte man meinen, dass
wenigstens klinisch-diagnostisch dieses Krankheitsbild keine Schwie¬
rigkeiten machen würde. Polsterartige Schwellimg, Knistergefühl,
eigenartiges Hautkolorit, Schmerzen usw. sind ja Erscheinungen,
die kaum den Sinnen des Untersuohers entgehen sollten. Wie
schwierig ^ jedoch manchmal ist, mit Sicherheit eine (Jasbrand-
erkrankung festzusteUen, hat jeder, der mit schweren Verwundungen
im Kriege zu tun hatte, zu fühlen bekommen. Man war deshalb
ernstlich bestrebt, auch noch andere diagnostische Hilfsmittel heran¬
zuziehen und versuchte besonders im Röntgenbild imd mit bak¬
teriologischen Methoden schon frühzeitig sich ein Bild vom Emst
und von der Art der Erkrankung zu schaffen. Ganz ohne Zweifel
bietet auch die Bakteriologie dem mit anaeroben Kulturmethoden
vertrauten Bakteriologen am Krankenbett eine wertvolle Be¬
reicherung für die Diagnosestellung. Aber auch die bakteriologische
Diagnose kann zu Täusdliungen Anlass geben. Ein Fall, den ich
hier mitteile, soll kundtun, wie vorsichtig man nach dem bakterio¬
logischen Befunde weittragende Indikationen stellen soll.
Es handelte sich damals um eine Unterschenkelverwundung.
Die ganze untei’e Extremität war erheblich geschwollen, fast puls¬
los, sie fühlte sich kalt an, aus der Wundöffnung entleerte
__ t
1) Abgeschlossen 21. April 1917.
Beitrige zur Klinik dor Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 3 u. 4. 14
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1
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210
Kurt Bingold.
[2
sich rötlich gefärbte, nicht stinkende Flüssigkeit. Das Allgemein¬
befinden des Patienten war äusserst ernst. Kultur aus der fleisch-
waaserähnlichen Flüssigkeit ergab Fraenkelsehe GasbajüUen (Tier¬
versuch positiv) neben Streptokokken. Der Patient verstarb am
gleichen Tage der Eüilieferung. Blut kurz nach dem Exitus ent¬
nommen, ergab el>enfalls in Reinkultur Fraenkelsöhe Gas¬
bazillen. Man hätte nun denken sollen, die Diagnose Gasbrand
(mit GasbaziUen-Bakteriämie) sei ganz einwandsfrei und doch bot
der pathologisch-anatomische Befund die überraschende Enttäuschung,
tlass weder im Muskel noch sonst irgendwo im Gewebe audh nur die
geringsten Erscheinungen vorhanden waren, die für Gasbrand —
wenigstens anatomisch — so typisch sind.
Es ist dies freilich nur ein Ausnahmefall, denn füi’ gewöhn¬
lich fanden sich dort, wo ich bei schweren Verwundungen aus dem
Blute Gasbazillen züchten konnte, erhebliche gasbrandartige Erschei¬
nungen im Muskel oder Bindegewebe vor. Ohne Zweifel mahnt uns
aber dieser Fall zur Vorsicht in der klinischen Diagnose. Denn er
zeigt, dass eine Infektion mit FraenkelscJien Gasbazillen vor¬
liegen kann ohne das sonst so charakteristische klinische und patho¬
logisch-anatomische Bild des klassischen Gasbrands.
Um Aschoffs Worte zu gebrauchen, hatte mau sich seit
Fraenkels ersten Veröffentlichungen mehr oder weniger daran
gewöhnt, in dem W elCh - Fraen kel sChen Bazillus den wesent¬
lichen Erreger der Gasphlegmone zu sehen, so dass der Befund
grampositiver, anaerob wachsender Bazillen manchem zur Identi¬
fizierung genügte.
Es musste daher überraschen, als Conradi und Bieling in
ihrer ersten Veröffentlichung „Zur Ätiologie und Pathogenese des
Gasbrandes“ (5) die Mitteilung machen konnten, „in sämÜiChen
53 Fällen von Gasbrand, die zur Untersuchung gelangten, fand sich
ein in allen morphologischen und biologischen Eigenschaften über¬
einstimmender, also einheitlicher wohl charakteristischer Mikroorga¬
nismus, den wir Gasbrandbazillus' G.B. (Bacillus saroemphysematodes
hominis) bezeichneten.“ — Fenier Ixihauptet Aschoff (1), dass
er „bei den von ihm untersuchten Wundinfektionen, die patho¬
logisch-anatomisch alle Übergänge von Gasphlegmone zum malignen
Odem erkennen liessen“, mit seinen Mitarbeitern zusammen Bak-
foriei’.Stämme isolieren konnte, „die sich in allen wesentlichen
Pimkten gleich verhielten.“ —
Es sei hier bereits verwieg bemerkt, dass loeide Autorep ihre als
lebhaft bew^eglich beschrielxmen Bazillen allein durch dieses
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3]
Kritiischc3 über Gasbazillen-Infektionen,
211
Artmerkmal von dem als absolut unbeweglich bekaiuiteu
r r a e n k e 1 sehen Gasbozülus trennen konnten.
Wenn man das namhafte Material der beiden Autoren ins Auge
fasst, könnte man fast glaubedi, dass der E. F raeiikel sehe Bazillus
tatsächlich nur in seltenen oder nur sporadisch auftretenden Friedens-
lällen als Gasbranderreger in Frage komme. Denn A s c h o f f er¬
wähnt nirgends, ihn auch nur in einem seiner untersuchten Fälle
angctroffen zu haben und Conradi-Bieling negieren, wenig¬
stens in den beiden ersten Veröffentlichungen, kategorisch seine
Anwesenheit bei Gasbrandfällen. C o n r a d i sagt z. B.: „Nachdem
erkannt wurde, dass diese Wundinfektion wenigstens in unserem
Beoljachtungsgebiete von einem ehiheitlicheu spezifischen Keim ver¬
ursacht wird“, — und an anderer Stelle: „in den Muskelteileu aus
der Nachbarschaft des Krankheitsherdes bei unmittelbarer Unter¬
suchung konstant rein ohne Beimischung zum Teil in spärlicher
Menge“ — in seiner zw^eiten Veröffentlichung (6): ,,inzwischen
haben sich die Befunde auf 90 erhöht, Mischiufektion zwischen Bao.
sarceraph. hominis imd Bac. phleg. emph. (Fraenkel) wurden
auch seither nicht ermittelt. — — — Auf jeden Fall konnte der
als xml>eweglich und als sporenfrei geltende BaC. phleg. emph.
Fraenkel von vornherein ausgeschlossen werden. — In unserem
Beobachtungsgebiete sind wir diesem letzteren Keime bischer wenig¬
stens — abgesehen von einem Falle von Schaumleber — nicht be¬
gegnet, obsChon wir die Aufmerksamkeit darauf richteten. — —
Unsere seitherigen bakteriologischen Ergebnisse geben somit keineai
Anhaltspimkt, dass innerhalb unseres Beolmdhtungsgebietes noch ein
anderer als G.B. Gasbranderkrankungen hervorruft usw.“
F'assen wir diese Angaben zusammen, so müssen wir annehmen,
dass nicht ein einziger Gasbrandfall im Bereich des Forschungs-
gebi^^tPs der beiden Autoren durch den F raen k elsehen Bazillus
hervorgerufen wurde. Man mu® also — zumal G o n r a d i gerade
auf die Arteigenschaften des Fraenkelsehen Bazillus ausdrück¬
lich hin weist —, glauben, da^ die beiden Autoren niemals einen,
unbeweglichen grampositiven gasbildenden Bazillus bei 90 unter¬
suchten Gasbrandfällen zu Gesicht bekamen. Um so interessanter
muss es uns erscheinen, dass Conradi und Bieling in ihrer
dntten Veröffentlichung (7) dem von ihnen als unbew’eglichen, mit
Mangel an Geissein und Sporen gekennzeidlineten Formenkreis A
(= F'raenkel-Bazillus) eine ganz besondere Stellung hinsichtlich der
Pathogenität und des Vorkommens beim Auftreten von Gasbrand-
fällen einräumen. Sie beriditen z. B.: ,,Die reine A-Form des G'as-
brandlazillus fanden wir zunächlist in frischen Wunden, die aber
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212
Kurt Bingold.
[4
nicht zu Gasbranderkraukungen führten, und zwar fanden sidi 12 mal
Gasliandbazillen, 4 Wunden enthielten keine Anaerobier.-In
zwei anderen Fällen von starker Muskelzertrümmerung durch Quer¬
schläger bzw. Granatwirkung" wurden Gasbrandbazillen im A-Kreis
in der frischen Wunde aufgefunden, erst später stellte sich dann
Gasbrand ein. Weiterhin konnte der Gasbrandbazillus in der A-Form
unmittelbar nach Auftreten der ersten Erankheit^rscheinungen des
Gasbrandes im Wundinhalt nachgewiesen werden. B-Formen fehlten
in diesem Frühstadium gänzlich. — — — Von einer Gasbrand¬
infektion herrührende Muskelstücke enthalten 24 Stunden nach der
Sektion lediglich unbewegliche Stäbchen, eine hiervon angelegte
Traubenzuc'kerkultur ergibt morphologisch dasselbe Bild wie der
A-Kreis.“
„Der vegetative Formenkreis besitzt stets einen beträchtlichen
Virulenzgrad, — — es erfolgt Ansiedelung der Keime in A-Form,
Entstehung bakteriogener Gifte, — — der Gewebstod in der un¬
mittelbaren Nadibarsöhaft dJer Invasionssitätte des Gasbrandes
wird alsC durch die bakteriogenen nekrotisierenden Gifte des
Formenkreises A herbeigeführt — — — Bei der akuten Form
des Gasbrandprozessee wird dementsprechend überwiegend gleich¬
falls der A-Formenkreis angetroffen.-Der vegetative Formen¬
kreis ist also äusserst agressiv usw. usw.“
Ich sehe zunächst von einer kritischen Betrachtimg des Über¬
gangs Vom C 0 n r a d i sdlien A-Formenkreis zum öporc^enen B-Pormen-
kreis ab und wende mich zur Mitteilung meiner schon früher ver¬
öffentlichten Untersuchungsergebnissie(6), die ich an frischen Wunden
direkt am Krankenbett bei Granatverletzten erheben konnte. Es
handelte sich meist um ganz frisch Verwundete, die oft Schon
eine halbe Stunde nadi der Verwundung zur Aufnahme ins Feld¬
lazarett gelangten. Die Wunden boten das bekannte Bild: Mehr
oder weniger kleine Einschussöffnung, grössere Zerreissungen in
der Tiefe, häufig TuClifetzen beherbergend. Die bakteriologisfChe
Untersuchung ergab nun in selir vielen Fällen schon bei dem ersten
Kulturversuch, auch wenn natürlich äusserlich keinerlei Infektions-
zeiehen vorhanden waren, anaerobe gasbildende, grampositive un¬
bewegliche und teils bewegliche Stäbchenkolonien, hie und da nel>en
anaeroljen Streptokokken und Staphylokokken. Aerob fand sich die
ganze Reihe von Wundinfektionserregern, die dem klinischen Bakterio¬
logen schon im Frieden bekannt war, so vor allem Bacillus pyo-
cyaneus. Erysipelstreptokokken, StrcptoCocCus viridans, anliämolj-
tisciie Streptokokken, Staphylokokken, Bacterium coli und derg'leichen.
Die Ditferenziernng maclite auf den Blutagarplatten, die zur
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5]
Kritisches über Gasbazillen-Infektionen.
213
aeroleu Kultur verwandt wurden, keine besonderen Sdiwierigkeiten.
Gelegentlich wurden zur genaueren Feststellung der Streptokokken-
stämme noch die Virulenzprüfungsversuche herangezogen, die uns
Schottmüller (16) gezeigt hat. Einzelbefunde hier anzuführen,
halte ich nicht für nötig, sie sind in meiner früheren Arbeit aus¬
führlich mitgeteüt. Auf Mischinfektionen werde ich noch später
zu spreohm kommen. Hier sei lediglich angeführt, dass ich stets
den Eindruck hatte, dass zu Anfang der Wunderkrankung in der
Wunde die unbeweglichen grampositiven Stäbchen vorherrschten,
und dass im Verlauf der Heilung die Wunde mehr bewegliche
Stäbchen neben den Aerobiern beherbergte. Ich schrieb dazumal:
„Selbstverständlich handelt es sich bei den gezüchteten Gasbildnem
nicht ausschliesslich um Fraenkelsche Bazillen, es ergaben sich
bei frisch untersuchten Wunden nicht selten schon in den ersten
Tagen nach der Verwundung lebhaft bewegliche Stäbchen, zum Teil
in Ketten von drei bis vier Glietlem, zum Teil schlanke und grössere
Stäbchen, die in frischen Kulturen stets gramposdtiv waren.“ Das
waren kurz die Befunde bei bakteriologisdier Untersuchung der
Wundhöhle, Es sei bemerkt, dass die Kultivierung aus der Wunde
fast bei jedem Verbandwechsel wiederholt wimde, in einzelnen Fällen
war dies nahezu täglich der Fall. Bei klinisch als Gasbrand
imponierenden Erkrankungen fand ich den Fraenkelsehen Gas-
bazillus' in da. 15 Fällen, den Ödembazillus neben Aerobiern in
vier Fällen in anaerober Reinkultur. In den meisten Fällen wurden
jedoch bewegliche und unbewegliche Gasbildner zusammen festge¬
stellt. Dass ich zur Identifizierung der Stämme Tierversuch, hängen¬
den Tropfen etC. horanzog, brauche ich w'ohl nicht erst zu er¬
wähnen.
Wie lassen sich nun solche Aschoff und Conradi so ent¬
gegengesetzten Untersuehungsresulüite deuten? Die eine Erkläruaig
könnte darin gesucht w'ertlen, dass wir drei bakteriologischen Unter¬
sucher in ganz verschiedenen Amieebereichen arljeiteten, und dass je
nach den lokalen Verhältnissen verschiedenartige Erreger ein und
dasselbe Krankheitsbild hervorriefen. Wissen wir ja von Ghon
und Sachs (13) bereits, dass es klinisch als Gasbrand imponierende
Erkrankxmgon gibt, die durch maligne Ödembazillen hervorgerufen
werden. — Die andere Erklärung könnte man daraus ableiton, dass
ich — da ich in den meisten Fällen nur Abstrichkulturen, aller¬
dings aus den verschiedensten vom Krankheitsprozess befallenen
Wundgegenden und -Nischen anlegte (oft wurden bis zu 20 ver¬
schiedene Abstriche bei Verwundungen verarbeitet) — die Wuchs¬
formen in der Tiefe der Muskulatur unberücksiditigt gelassen hätte.
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214
Kurt Bingold.
L6
Der vegetative A-Kreis (also der unbeweglidhe, geissellose, gas¬
bildende Bazillus, der als solcJier die Artmerkmale des vou El.
Fraenkel bescbriobene Bad. phleg. emph. trägt) bildet ja nach
Conradi den Ausgangspunkt der Erkrankung, er siedelt sidh am
den Wunden an und wurde dort audh von Conradi, nachdem er
allerdings von ihm — naoh den beiden ersten Veröffentliohimgen
zu sehliessen — zuerst stets vermisst wurde, späterhin audh ge¬
funden. Meine eigenen Befunde könnten also eventuell nur als Be-
- stätigung für Conradis ForscüiungSresultate auf gefasst werden.
Denn Conradi kommt zu folgendem Schluss: „Unsere Beobach¬
tungen haben gelehrt, das® während der Gasbranderkrankung genau
wie im Laboratoriumexperiment die eine Entwickelungsphase des
Erregers in die andere übergeht — — — aus diesen zentralen
sowie peripheren Zonen des Gasbrandes hal>en wir nun anaerobe
Kulturen angelegt und für deren erste Generationen festgestellt,
dass die plumpen und sporenlo.s!en Stäbchen der Randzone A-Typ,
dio schlanken und sporenhaJtigen Bazillen des zeaitraleu Brand¬
herdes dem B-Typ angehörton. — — Ferner beobacliteten wir hier
alle Übergänge vom Extrem des A-Kreises zum Extrem des B-Kreises,
wie im Röigenzglas.-— Je älter der Brandherd, um so mehr
B-Formen. Jeder Mu«kel, der A-Porm hatte, wird bei Fortdauer des
Krankheitsproze^es ihn in der sporogenen B-Forin als bewegliches
sporenhaltiges schlankes Stäbchen zeigen.“ Und an anderer Stelle
sagt Conradi: „Es ist unmüglieh, aus menschlichem Gasbrand
herrührende Stämme, wenn sie in der A-Form verkommen, als
Bac. phleg. emph., wenn sie in der B-Form verkommen, als Bao. oed.
maligni zu bezeiolmon. Denn beide Male gelingt es ohne w'eiteres,
den einen Formenkreis in den anderen überzuführen.“ —
Diese von Conradi auf gestellten Behauptungen haben ja wohl
etwas Bestechendes, denn wie schon oben ausgeführt, ist auch mir
aufgefallen, dass bei länger verzögertem Krankheitsverlauf bei gas-
bazillären Erkrankungen, die zu Anfang ausschliesslich unbeweg¬
liche Stäbchen beherbergten, nach einiger Zeit eine sehr reich¬
haltige Flora von beweglichen gasbildenden Bazillen mit den ver¬
schiedensten Formenimterschieden vorgefunden wurden.
Kritisch zu Conradis bakteriologischen Resultaten Stellimg
zu nehmen, wird man nur berechtigt sein, wenn man imstande ist,
mit den von Conradi angegebenen Untersuchungsmethoden, Be¬
brütung im Muskel etc., Nachprüfungen anzustellen. Wenn aber
Conradi die Erklärimg für das zeitlich gleichzeitige Auftreten
von beweglidien und unl>ew^eglichen Gasbazillen in der Metamor¬
phose von einem Formenkreis zum anderen für ausreichend hält.
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7]
Kritisches über Gasbazillen-Infektionen.
215
wie wir es aus seiner Behauptung entnehmen müssen; „es gelänge
ohne weiteres, den A-Formenkreis in die geisseltragende B-Form
auch ausserhalb des Körpers überzuführen“, — so muss iöh dem
auf Grund eigener Erfahrung grösste Zweifel entgegensetzen.
Kurz nach Ankunft unseres Feldlazarettes im selben Armoe-
gebiete, in dem Conradi seine Fälle zur Untersuchmig be¬
kam, wurden mir Muskelteile von zwei verschiedenen Gas-
brandfällen zur bakteriologischen Untersuchung zugewiesen. Bei dem
einen Falle handelte es sich um einen Weiohteilstreifschuss durch
Granatsplitter in der linken Kniekehle. Wegen einer einsetzenden
Gasphlegmone musste zur Alisetzung des Unterschenkels geschritten
werden. Der andere Muskel stammte von einer Gasgangrän, die sich
nach Gesässsteckschuss entwickelt hatte.
Bei beiden Fällen bekam ich in Reinkultur einen grampositiven,
stark gasbildenden Bazillus, der im hängenden Tropfen niemals
die dem malignen Ödembazillus oder RauscÜibrandbazillus eigene
Beweglichkeit zeigte. Geisselfärbung nadi Peppier ergab negatives
Resirltat für Geissei. Über den Tierversuch spreche ich noch an
anderer Stelle. Die Stämme schickte ich auch E. Fraenkel zu,
der sie zwar mit Leichtigkeit dmCh eigene Metliodik in die sporo-
gene Form überzuführen vermochte, gelungen ist es aber bis
heute noch nicht, .sie zur Bewegliclikeit zu veranlassen. Geissel¬
färbung konnte weder von Fraenkel noch von Plaut, noch von
mir bei gleidizeitiger positivcT Färbung anderer sicher begeisselter
Bakterien auf dem gleidien Objektträger erzielt werden. Bei zwei
weiteren klinisch mid besonders anatomisch eiuwandsfreien Gas-
brandfälleu gelang es mir, nidit niu* aus den Wunden und zer-
.schnittenen Muskel teilen einen unwandelbaren,'den Tier¬
versuch mehrmals ein wandsfrei ergebenden Fraenkel scheu Gas-
bazillus zu züchten, es glückte mir auch bei einem der beiden
Fälle in vivo in ungeheurer Anzahl den Fraeiikelsöhen
Bazillus aus dem Blute zu gewinnen. Die E. Fra enkal
überschic'kten Stämme genügten in ihren kleinsten Einzelheiten den
Anforderungen ihres Entdeckers.
Nun spridit also C o n r a d i davon, dass eine Metamorphose
eines Angehörigen des Fonnenkreises A (also von dem imbeweg-
• liehen, nicht sporenhaltigen, nnbegeisselten Fraenkel-Bazillus in
das Entwickelung^tadium des Fonnenkreises B hinein regelmässig
bei Eiweisskost rasdi von statten geht. — — „Allerdings vollzieht
sich diese ITmwandlung nur dann, wenn üppiges Wachstum auf
Kohlehydmten voransgeg^angon ist.“ —■ — An anderer Stelle sagt
er. „Zu einer scharfen Trennung der A- und B-Form ist der Meer-
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216
Kurt Bingold.
schweinöhenversTich schon deswegen nicht geeignet, weil sich, wie
spätei’ noch zw erörtern sein wird, die Wuchsform des Gasbazillus
im Organismus im Laufe der Erkrankung verändert“
Der Vorwurf, dass die einschlägigen Mitteilungen über Bakterien-
befimde, die beim Eiweissi-Abbau entstehenden Wuchsformen un-
berücJksichtigt und so die Stellung der Stämme im System der
Anaeroben unerklärt las^n, sowie späterhin, — dass „Fraenkel
nur die Kohlehydratflora, nicht die EiweiSsflora seines Bazillus be¬
schrieben habe“, kann ohne weiteres als nichtig erklärt werden.
Erstens hat, wie aus der Fraenkel sehen Monographie und seinen
späteren Abhandlungen hervorgeht, Fraenkel seinen Bazillus auch
auf eiweisshaltigen Nährböden erschöpfend geprüft, andererseits sei
hier betont, dass es mir des öfteren gelimgen ist, in vivo schon
aus dem Blute mit Gasbazillen infizierter Verwun¬
deter den unbeweglichen Fraenkel-Bazillus zu
züchten, nie ist mir dabei aufgefallen, dass der Bao. phl^. emph.
in alten, also gewiss eiweissreiöhen Kulturen oder
beim Weiterzüohten oder im Tierversuch plötzlich Be¬
weglichkeit angenommen hätte. Eine entgegengesetzte Be¬
obachtung ist auch, soweit mir noch in Erinnerung ist, auch an der
Schottmüll ersehen Krankenabteilung nicht gemacht worden, wo
es schon im Frieden in mindestens über 60 Fällen
gelungen ist, den Gasbazillus aus dem Blute zu
züchten. Ausserdem sei festgestellt, dass iCh zu Kulturzwecken
sehr häufig Blutagarsdiüttelröhrchen benützte imd in ihnen — in
entsprechenden Fällen — ebenfalls nur unbewegliche Stämme er¬
hielt. In einem Falle, wo ich in der Wunde lebhaft beweg¬
liche grampositive gasbüdende Bakterien kulturell vorfand, konnte
ich auch aus dem Blute ausschliesslich bewegliche gram-
pcisitive Stäbchen züchten.
Was den Tierversuch anljetrifft, so habe ich auch gerade hier
und zwar bei Dutzenden von Fällen bei Einverleibung der unbeweg¬
lichen Gasbazillen immer und immer wieder und zwar aus den ver¬
schiedensten körpergegenden — mit der Sicherheit des Experi¬
ments — nur unbewegliche, in allen Einzelheiten wieder
dem F r a e n k e 1 sChen Bazillus gleichende Stäbchen züchten können. •
Erwähnt sei, dass ich zu Lebzeiten und bei den kurz vor dem
als sicher zu erwartenden Exitus getöteten Tieren stets aus dem
Blute unbewegliche, grampositive Fraenkelsche Bazillen
in Reinkultur züdhten konnte. Nie war mir, wo ich Tiere zur
tekteriologischen Diagnose heranzielien musste, der Tierversuch be-
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9]
Kritisches über Oasbarillen-Infektionen.
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weiskräftiger und befriedigender erschienen, als bei der Infektion
mit Fraenkelstämmen.
Man könnte nun annehmen, dass C o n r a d i und B i e 1 i n g bei
dev Beschreibung des Formenkreises A doch einen anderen Stamm
meinten als den von E. Fraenkel beschriebenen, zumal ja Con¬
rad i in den beiden ersten Mitteilungen strikte behauptet, er hätte
den als unbew^lich beschriebenen Fraenkelstamm nie in seinem
Beobachtungsigebiete gezüchtet, ja sogar sagt — doch wohl in Ver¬
kennung der Pathogenität des Fraenkelsehen Bazillus — „die
Fraenkel sehen Bazillen konnten ausgeschaltet werden, da die
von ihnen gesetzten pathologischen Veränderungen andersartig sind,
indem nämlich bei Verstuchstieren nur ein serösies Exudat, beim
Menschen Schaumleber entsteht.“ Es muss daher wiederum betont
werden, dass Conradi deutlich an anderer Stelle zum Ausdruck
bringt, „jetzt erst wird klar, dass die von E. Fraenkel als BaC.
phleg. emph. gekennzeichnete Form lediglich das v^etative Ent¬
wickelungsstadium des BaC. sarc. emphysematodes darstellt.“
Wie kommt es nun, dass Conradi in der ersten Zeit seiner
Untersuchungen niemals von seinem unbeweglichen sporen- und
geisseUosen A-Kreis spricht und da.ss er ihn, wie doch anzunehmen
ist, nie aufgefunden hat. Conradi-Bieling haben uns später
darüber keine Aufklärung gegeben. Ich kann dabei nur daran
denken, dass sie bei dem Versuch, den Krankheitserreger rein aus
dem befallenen Gewebe zu erhalten, und bei dem Wunsche, eine
Anreicherimg des Gasbranderregers in natürlichem Nährboden zu
bekommen, gerade das Gegenteil erreichten, nämlich eine Uberwuche¬
rung der sporogenen, beweglidien Form über den unljeweglichen
A-Formenkreis. • Conradi bekam Muskelstücke aus mehr oder
weniger weit vom Laboratorium entlegenen Gegenden zur Beforsehung
zugeschickt. Zur Vermeidung von Verunreinigungen, die ihm um
•SO erwünschter erschien, als Fraenkel-Bazillen — „nicht selten auch
als Nebenbefund in menschlichen Leichen festgestellt wurden“ und
zur besonderen Boolxiclitung von Versiehtsmassregeln, die, wde C o n -
rudi und Bieling sagen, „besonders wichtig sind, da sowohl
Odem- wie Fraenkel-Bazillen häufige und leicht zu verwechselnde
Darmschmarotzer sind“, wurden die Muskelstücke in 1 o'o ige Sul>
limatlösung 24 Stunden im Brutsdirank bei 37 gehalten. Es wunde
didwi nach der ersten Veröffentlichung in allen Fällen eine Stäb¬
chenart gefunden, die, wenn wir die von Conradi und Bieling
geschilderten Artmerkmale betrachten, in ims doch nicht ohne
w'eiteres den Eindruck erw'ecken kann, als ob es sich um eine g-anz
und gar einheitliche Art handelte. Als feststehend ward seine zienilich
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Kurt Bingold.
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lebhafte Beweglielikeit aiigegoten, jedoch aeigt srich schon ein
wechsielndes Verhalten gegenüber Gram, es finden sich alle Über¬
gänge vom plumpen, kurzen, zum langen, sJChlanken Stäbchen, bei
der sporogeneii Form findet man end- und mittelständige Sporen
und demeiitsprecliend Keulen- und Wetzsteinform. Es gibt als cliarak-
teristiseh für den Giusbazillus beschriebene InvolutionsfQrmen, sog.
Sclindrkel- und Fadeiiformtii, Doppelstäbchen usw., ausserdem
werd(‘ii — ohne auf die sonstigen Eigenscliaften des Gasbazillus
iiocdi näher einzugehen — mit Gasbazillen in vivo infizierte mensch-
licho Organe, ,,die nach Exzision vor Ausseninfektion geschützt bei
37in Suhdimat gehalten werden, allmählich unter Entwickelung
übelriexiheiuh'r Gase zerlegt und verflüssigt“. — Gerade diese Fäul¬
niswirkung stimmt mit dem in vivo sich darbietendeu Bild des Gas¬
brandes sieher niclit überein, wie jeder Kliniker zugeben wird. Man
muss daher annehmen, dass doch Misclibakterien mit in den Organen
vorlianden warem. Es lässt sieh wohl kaum vermeiden, dass mit dem
die Gashazilkn Ixdierbergenden Schmutz, der bei der Verwendung in
die Wunde kommt, niclit auch andere pathogene Erreger eindringen
und auf dem zeitrümmerteii Muskel als günstiges Kulturmedium eben¬
falls ihre Infektinn auslösen können. Bei Beforsciiung der Genese
einer Krankheit ist es gewiss nicht gut, andere Mikroorganismen ein¬
fach ausser acht zu lassen. Dass bei Befolgung der Methodik Con-
ra dis andere Erreger sicli von seinem gew^iss leicht zu züchtenden
Anaerobier audi ülierwuchern laasen, ist mir wenigstens für den
nnl>cweglic‘hen Fraenkel-Bazillus durchaus nicht unerklärlich. Tat¬
sache ist, dass der Bac. phleg. einpli., wenn er sporenlos ist, ein
selir begrenztes Wachstum führt, so gehen Agarstichkultui’en, die
nicht unter H-Atmosphäre gehalten worden, rogelmässig nach
drei bis fünf Tagen, bisweilen ohne nacliweisbaren Grund auch
schon fiäihcr, zugnimle, auch wenn es sich um Reinkulturen
handelt. Auch icli hal>e die Erfahrung gemacht, dass sich toi
frischen Wunden in der Abstrichkultur in den ersten 24 Stunden fast
ausschliesslicdi unbewegliche Fraenkelsche Bazillen züchten liessen,
die isoliert, ihr Artmerkmal im Tierversuch und beim Weiterimpfen
wochenlang beibehielteii, wälirend die alte Originalkultur nach 48
bis 72 Stunden in der Mehrzahl tonvegliche Anaerobier zeigte, ohne
daiiS Kultuqiassagen oder tosenderer Eiweisszusatz für die Um¬
formung in l)ew'(>glicho Stäl)dien nötig gewesen wären. Es handelte
sich nach meinem Beotochtung im gegebenen Falle um Überwuche¬
rung. Eine snlcho Gefahr durch andere Anaerobier kennen übrigens
auch C 0 n r a d i und B i e 1 i n g an, wx^nn sie sagen-„denn toi
den üblichen Ver.suelistieren enthielten schon bald nach dem Tode
Gogle
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11 ]
Kritisches über Gasbazilien-Infektionen.
219
Muskeln und Organe Kadaverbazilleu vom Typus des malignen
Ödems, die durch Überwucherung eine vorausgegaugene Infektion
mit Gasbazillen versdbleiem und deren Isolierung ersöhweren
konnten.
Überlegen wir uns noch einmal die Resultate der C o n r a d i -
sdien Untersuchungen, so erhalten wir folgendes Bild;
1'. vegetative Form = unbeweglicher Fraenkel-Bazillus in
der Wunde, grossenteils zu Beginn der Erkrankung,
2. sporogene Form = beweglicJier geisseltragender Gasbrand-
Bazillus (Bac'. sai'C. emphysematodes) als Endglied eines
Entwickelungsstadiums.
Beide Formen sollen sowohl im Tierkörper wie auch bei ge¬
eigneten Kulturmethoden im Reagenzglas ineinander übergelien.
Wir bestreiten, wie schon oben gesagt, diese Metamorphose
wenigstens im Kulturverhüiren für den E. Fraenkelsehen Bazillus
und halten diesen, nach wie vor, für einen scharf charak¬
terisierten, seine Charaktermerkmale in jedem
Falle beibehaltenden, unbeweglichen gramposi¬
tiven gasbildonden Bazillus, und erkennen an den Mit¬
teilungen Conradis und Bie 1 ings nur an, dass die Autoren,
falls sie, wie öftere erwähnt, ilue vegetative Form für den Eugen
Fraenkelsclien Bazillus halten — woran kein Zweifel sein kann —
bei ihren Untersuchungen zwei Gasbrand-Bazillentypen fanden:
1. einen unbeweglichen, geissellosen Gasbilduer, dem sie
bakterielle = parasitäre Eigenschaften, äusserste Aggres¬
sivität, ausgedelmtes Invasionsvermögen etd znerkennen,
2. einen beweglichen, sporen- und geissei tragenden Gas¬
bildner, saprophytären Charakters, der eine intravitale
Fäulnis horbeizuführen befähigt ist.
Sow^ohl Conradis wie meine Resultate stehen nxm im Wider¬
spruch zu denen von A s c h o f f und seinen Mitarbeitern. Denn
wenn Conradi und Bieling in ihrer zw^eiten Veröffentlichung
noch davon sprechen, dass diejenigen Untersucher, die mit exakten
Methoden \md erschöpfend die bei Gaslbrand aufgefimdenen Anaeroben
bestimmt haben, „unsere Befunde nur bestätigt haben“ (AsChoff
zusammen mit Ernst Fränkel, Köuigsfeld und Pranken¬
thal) (11), so wird diese Feststellung doch wohl durch ihre dritte
Veröffentlidhimg hinfällig. Ich lese aus den Arbeiten Aschoffs nur
heraus^ dass sie — wenigstens nach ihrer Ansicht — einen ein¬
heitlichen Bakterienstamm gezüchtet haben.
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220
Kurt Bingold.
[12
Nach meiner Auffassung’ ist allerdings dieser
Stamm ebenfalls nur ■wenig sdharf umgrenzt. Es han¬
delt sich um:
morphologisch plumpe Stäbchen, zum Teil in Diploformen,
zum Teil in Ketten, gelegentlich Fadenbildung.
Gramfärbimg positiv, wechselnd bis negativ.
Beweglichkeit meist (!) nur vereinzelter Exemplare, gelegent¬
lich aber lebhaft.
Sporenbildvmg: wechselnd in ihren Bedingungen, ;iber immer
vorlianden.
Kulturell: anaerobes Wachstum, Gasbildung in Agar, ver¬
gärt Traubenzucker, Milchgerinnung von wechselnder
Stärke, Himnährböden nicht geschwärzt, Gelatine meist (!)
verflüssigt, Kulturen meist (!) geballt und aufgefasert, bei
Wachstum im Agar schärfer abgegrenzt.
Geruch: beim Tier geruchloses Ödem, auf Zuckemälirlxiden
saurer Geruch (Buttersäure), s()nst fader (fäulnisartiger)
Geruch in Kulturen.
Tierversudi: pathogen für Mensch, Pferd, Rind, Kaninchen,
Meerscdiweinchen, Ratte, Maus, Schwankungen in der
Pathogenität für Versuchstiere usw.
Ich kann mich, wie gesagt, von der absoluten Einheitlichkeit
des Asdho ff sehen RoziUus nicht überzeugen. Allein bezüglich
des wediselnden Verlialtens gegenüber der Gramfärbung möchte
ich an dieser Stelle feststellen, dass es mir in den w'enigen Fällen,
bei denen idi im mikroskopischen Bild grampositive und grani-
negjitive Bazillen nebeneinander vorfand, stets zweierlei verschiedene
Stämme isedieren konnte.
II.
Die pathogenetische Einheitlichkeit der verseiliedenen Gasbrand-
errtger schwebt auch v. Wassermann (15) vor Augen, einen
Beweis hierfür bleibt er uns aber absolut in seiner Arbeit „Experi-
mentcU-therapeutisehe Studien aus der Gruppe der Gasbranderreger“
sdiuldig. Denn auch seine Bemerkung: „damit ist der Mechanismus,
wie der Rausc'librandprozess und damit angesichts der vollständigen
Analogie auch der Gasbrandproze^s beim Menschern von der Eingangs¬
pforte auf gesundes Gewel>e fortzuschreiten vermag, geklärt“, entbehrt
der ex {HU’i men teilen E:itsdieidung. Wir können uns, wenn wir als
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13]
Kritisches über Gasbazilleii>Infektionen.
221
Kliniker zahlreidhe reine Gasbrandfälle zu Geeäoht bekommen haben,
nidht zur Ansdöht des experimentellen Therapeuten bekennen, dem
zunächst am Krankheitsbild auffallt, dass es, „laienhaft ausgedrüokt,
in einer richtigen Fäulnis des Wundgewebes bei lebendigem Leibe“
besteht. Unter Fäulnis verstehen wir nach Kolle-Hetsoh „eine
Zerlegung der Eiweisskörper in ihre Bausteine und anorganischen
Endprodukte. Die gleichen Vorgänge des Abbaues der Eiweisskörper
lassen sich autih durch Kochen mit Säuren oder Alkalien sowie
durch tryptisohe Fermente der tierischen Verdauungssäfte erzielen.
Aber bei Idiesen Prozessen fehlt die nur bei natürlicher, durch Mikro¬
organismen bedingte Fäulnis vorhandene Bildung von Stinkstoffen.
— — — Bei der Verwesxmg hand.elt es sich im Gegensatz zur
Fäulnis um einen Oiydationsprozess, wobei aus den höchst kom¬
plizierten Eiweissverbindungen durch zahllose Zwischenstufen die
allereinfachsten chemischen Verbindungen, Nitrate, Sulfate und
Kohlensäure hervorgehen.“ — Die Lebensäusserung des GasbazUlus,
der die Struktur des Gewebes zerstört, imd im Gewebe Selbst Gas
bildet, können wir daher nicht als Fäulnisvorgang auffassen. Folgen
wir nun den Untersudhungen Conradi-Bielings, so erkennen
wir den ersten Untei^hied in der Gruppe der Gasbranderreger sfchon
darin, dass der Formenkreis A (BaziUus E. Fraenkel) infolge
bakteriogener Gifte eine Zerlegung der Kohlehydrate zur Folge hat.
Das Eiweiss bleibt intakt, die Wirkung ist also wesentlich nekro¬
tisierend.
V. Wassermann sieht nun das Wesen des Gasbrandes ge¬
geben in einem Krankheitsbild, das gekennzeichnet ist in einer —
„stürmisch fortschreitenden Zerstörmig hauptsächlich des Muskel-
und Bindegewebes, welches eine faulige Einschmelzung erleidet. —
Der Geruch, die Einschmelzung des Gewebes, die Auftreibung durch
Gas, die Verfärbxmg und blutige Inhibition ähnelt vollkommen dem,
was bei der gewöhnlichen Fäulnis tierisdien und menschlichen Ge¬
webes ein tritt.“
Wir müssen auf Grund des zahlreichen uns zu Gesicht ge¬
kommenen Materials zur Überzeugung kommen, dass das reine ana¬
tomische Bild der Gasgangrän charaktersiert ist durch das Auf¬
treten von Gasblasen in dem zunderartig — manchmal zwetsohgen-
musartig — mit blutig verfärbter Flüssigkeit durchsetzten Muskel¬
oder Unterhautgewebe. Reine Gasbrandfälle, die vollkommen frei
von anderen Bakterien sind, zeigen selten Eiter, nie aber Geruch.
Bei dem malignen Ödem entwidkelt sich ein über grössei'e Flächen
sich ausdehnendf^ Ödem, in dem man hie und da kleinste Gasbläs¬
chen erkennt.
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222
Kurt Bingold.
[14
Die Gewebsveränderungen süid, um mit Fraenkelzu sprechen,
ebenso wie die sich geltend machenden schweren Störungen des
Allgemeinbefindens als direkte Lebensäusiserungen der in
den Organismus eingefülirten Bazillen anzusehen. Diese Tatsache
geht klar aus dem Tierversmch hervor. Injiziere ich eine Fraenkel-
scho Gasbazillenkultur einem Meerschweinchen imter die Haut, so
entstehen eben die klixssisChen Symptome des Gasbrandes. Es ist
nicht anzunchnien, dass das Gewebe durdh einen einzigen Nadelstich,
so beschädigt ist, dass sieh auf den so geschädigten Partien die
Entwickelung der Gaslxizillen entfalten könnte. Analog sind genug
Fälle beschrielx;n, w'o sich nach einer Injektion von Medikamenten
eine Gasphlegmone ausbroitete. Es musis verw'underlieh erscheinen,
wie V. Wassermann zu dem Schluss kommen kann, „ich muss
mich vielmehr als Laboratoriumsarbeiter damit begnügen, auf Grund
meiner Experimente dem Chirurgen zu sagen, dass Ijei den Infektionen
aus der Gruppe des Gasbrandesi der lel>eude Erreger als solcher ein
einfacher Fäulniskeim und daher von vorneherein nicht pathogen
ist“. Die Bedingungen jedenfalls, die v. Wassermann von einem
strengen Parasiten verlangt, der als solcher „in minimalsten Quanti¬
täten in das gesimde, bis dahin unveränderte Gewebe eingedrungen,
sich dort vermehren und seine Krankheit auszulösen vermag“, er¬
füllt, der Gasbazillus — ich spreche vom Fraenkelsehen l^p —
mit derselben Beweiskraft wie der virulenteste Streptokokkus. Ibid
wenn zum Fortsehreiten ilcr Krankheit von dem lokalen Herd auf
das gesunde Gew'ebo „die in der primären Wunde durch die faulige
Zersetzung des vom Trauma mortifizierten Gewebes seitens der sapro-
phytischen Gasbianderreger gebildeten fermentativen Substanzen er¬
forderlich wären, die in der Ödemflüssigkeit vorhanden sind“, so
ist eben der Infektionsprozessi auf eine kikterieUe Wirkungsäusserung,
auf eine Infektion durdi Gasbazillen zurückzuführen. Auch hier ist
die Intoxikation nur Teilersoheinung der Infektion.
Den Bew'eis, dass Gasbranden'cger als echte Fäulniskeime nur
in toten resp. lel>ensgesehädigten, nicht aber in intakt vitalen Ge-
websstoffen leben können, Inilte idi» durch die Wassermann-
sehen Untersuchimgen nicht für erbracht. Zugegeben nämlich, dass
es sich bei dem gewöhnlichen Gasbrand mn eine rein örtliche In¬
fektion handelt — diesCvAnsicht wurde ja bereits im Frieden ver-
tieten —, so kann ich doch zAveierlei Dingo nicht trennen, nämlich
lokale Infektion und Intoxikation, wenn ich letztere als Resorption
von Giften vom lokalen Krankheitsprozess her auffasse. Denn auch
wenn jemand diese Gifte im Blute nachgowiesen hätte, so könnte
cs docli noch möglich «00, dass sie auch durch Bakteriämie im
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15]
Kritisches über Gasbazillen-Infektionen.
223
Blute selbst entstanden sind. Andererseits dedken sich die durch
toxische, aus Gasbrandkulturen gewonnenen Stof^e erzeugten Ver-
giftungsersdieinungen des Versiuchstieres keineswegs mit dem kli¬
nischen Bild, das wir beim gasbranderkrankten Menschen vorfinden.
Der Begriff Intoxikation resip. Fäulnis würde sich aber auch bei der
Gasgangrän an edne Infektion von lebendem Gen’ebe binden (S dho 11-
müller) und zAvar an eine Infek-tion von pathogenen Keimen,
die ganz ausgesprochen virulente Eigensdhaften Ijesitzen. Das Wesen
der Infektion besteht ja im allgemeinen darin, dass Bakterien oder
andere Parasiten mit dem menschlichen Körper derart in Berührung
kommen (und zwar im Saftstrom), dass von seiten des Organismus
eine Reaktion darauf erfolgt. Die Reaktion sind die objektiven und
subjektiven Krankheitsersdheinungen, mögen sie auch noch so gering
sein (Schottmüller). Auch der krankheitsauslösende Effekt von
Kulturen ist lediglich an die Anwesenheit der lebenden Gasbazillen
geknüpft. Abgetötete Kulturen bringen nicht Gasbrand hervor.
Wenn wir also von Gasbazülen-Infektion sprechen, so können
darunter die verschiedensten Folgeerscheinungen nach dem Ein¬
dringen und der Vermehrung der Gasbazillen im Körper darunter
zu verstehen sein.
r
Die klinischen Bilder sind, soAveit sie mit Sicherheit uns be¬
kannt sind, folgende:
1. Die Ga sbazi llen in f ek t i o n der Extremitäten
nach Eröffnung der Hautdecken. Sie kann sich an der
offenen Wundhöhle bemerkbar machen, kann im Subkutangewebe,
unter der Faszie und vor allem in der Muskulatur zu gangränes-
zierenden Erkrankungen Veranlassung geben. Sie ist meist eine
lokale Erkrankung — auch der sog. Gasbrand —; Avarum sie lokal
bleibt, darüber können wir ims vorläufig noch nicht ohne weiteres
eine genügende Antwort geben. Diese müssen Avir uns auch versagen,
wenn Avir uns die Frage vorlegen, Avarum sich nicht an jede lokale
Streptokokkenlympliangitis die gefürchtete sdiAvere Streptokokken-
phlegmone anschliesst. Dass Keime dabei in die Blutbahn
trotz lokal bleibenderlnfektion übertreten können,
habe ich dSs öfteren gefunden. Ein negatives Blutresultat
schliesst eine Gasbazillenbakteriämie nicht aus. Auch bei dem ex¬
perimentell Ijei MeerschAveincheu durch Fraenkelsche Gasbazillen
verursachten Gasbrand habe ich den GasbaziUuS kulturell in jedem
Falle vital aus dem Blute gezüchtet. Wenn C o n r a d i sagt,
„während bei einfacher Gangrän die demarkierende Entzündung
einen Schutzwall gegen die lang:sam entstehemlen Zersefzungsstoffe
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224
Kurt Biugold.
[ 1 «
des Verwesungsherdes bildet, tind so dem Körper vor der putriden
Intoxikation des iölutes bewahrt, werden beim Qasbrand die rasch
und stetig produzierten Gewebssäfte ungehemmt der Zirkulation
überantwortet“, so können wir uns höchstens fragen, warum die in
imgeheuren Massen im Infektionsherd Torhandenen Gasbazillen nicht
ebenfalls in 'die Zirkulation übertreten sollen.
2. Die lokale Gasbazillen-Infektion der Uterus¬
höhle resp. der puerperalen Uterussöhleimhaut. - Auch sie
kann unter Umständen Söhwere Krankheitsbilder verursachen, wird
aber häufig durch Ausräumung oder Auskratzung unserer Therapie
zugänglich. Die Fälle gehen meist in Heilung aus.
3. Ansiedluffg der Gasbazillen in der Bihöhle,
dadurch trommelartige Auftreibuög des Uterus (lympania Uteri).
Nach künstlicher Entleerung der Luftansammlung und Ausräumung
des Uterus sclxAvinden die oft schweren Folgeerscheinungen.
4. Ansiedlung der Gasbazillen in den Lymph-
wegen, Plücgrnone der Lymphgänge und -spalten des parametraneu
Bindegewebes. Die GasbaziUen können dabei ständig ins Blut über¬
treten imd sind daun ständig im Blute nachzuweiseu. Es handelt
sieh dabei um die an der Sch o ttmü Iler sehen Krankenabteilung
häufig beobaditeten Fälle, die idi in meiner Arbeit „Das klinische
Bild der puerperalen Infektion durch Bao. phleg. emph.“ (2) näher
angeführt habe. Der Verlauf dieses Krankheitsbildes ist ein äusserst
charakteristischer. Das anatomische Bild ist nach K Fraenkel
gegeben in einer Invasion des GashaziUus in die Lymphspalten des
Uterus, die Gasbildung im Gewelae verursacht. Unter deren Einfluss
wird die Uterusmuskulatur in grosser Ausdehnung auseinander¬
gerissen, so dass nur dünne Fasern den Zusammenhang der ein¬
zelnen Muskellagen uuterlialten. Die Muskulatur stirbt ab und der
ganze Uterus wandelt sich in ein morsches, von gashaltigen Hohl¬
räumen durchsetztes Gewebe um. Die UterusAvand macht dabei den
Eindruck, als ob sie verdickt wäre. Aber diese bisweilen mit buckel-
artigen Vorwölbungen einhergehende Verdickung ist nur eine schein¬
bare auf Reclmung der gashaltigen Spalten und der mit ihnen im
Zusammenhang stehenden Auseinanderdrängung der ifüskelsohichten,
sowie der bisweilen nicht uiibetiächtUchen Blutextravasate zu
setzende.
Das klinische Bild ist in den meisten Fällen sehr klar: Ängst¬
licher Gesiclit^ausdruck, Nasenflügelatinen, Zyanose und starker
Ikterus der Haut xind Schleindiäuto, starke Atemnot, häufig Euphorie.
Axif dor Höhe der Erlaankung Entleerung mahagonibraunen Urins,
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17]
225
t
Kritisches über (Jasbazillen-Infcktionen.
das Blutserum träg;t niöht selten genau die gleidie Farix;. Spektro-
skopise’h gelingt im Urin und im Blutserum der Nachweis von
Hämatin. Im Blut und Urin sind, tt-ie schon oben erwähnt, zu jeder
Zeit der ausgebrochenen Erkrankung Gasbazillen nachzuweiseii. Mir
ist ein Fall (4) in Erinnerung, bei dem sidt im Verlauf einer Ga.s-
Gangrän an der Brust nach Granatschuss schwerster Ikterus mit
Hämatinurie resp. Hämoglobinurie einstellte. Auf den Ikterus bei
Gasbrand und Aussdieidung eines blutigen Turins halx>n audi andere
Forscher hingewiesen.
5. Peritonitis aduta durch Gasbazillen. Schweies
Krtuikheitsbild, das sich vv'onig von dem durch Streptokokken ver¬
ursachten unterscheidet. Die Gasbazillen-Infektion fülirt nur zu
blutig seröser Exsudatiou und zu fibrinösen Auflagerungen. Aus
letzteren lassen sidi schon unter dem Mikroskop die Gasbazillen
erkennen. p
6. Thrombophlebitis durch Gasbazillen. Während
Fraenkel die Propagation der Gasl>azilleii nur auf dem Lymph-
strome beschreibt, hat Sdhottmüller zuerst auf die durch Gas-
baziUen hervorgerufene Throml>ophlebitis hingewiesen. An der
Sdhottmüllerschen Krankenabteilung konnten zahlreiche ana¬
tomisch sichere Fälle von Thrombophlebitis mit reiner Gasbazillen¬
bakteriämie (2) festgestellt werden. Au(h im Kriege haben manche
Autoren auf diese Form aufmerksam gemacht.
Wenn es auch nicht immer sicher ist, den Ausgangspunkt fiü'
eine Bakterien in vasion ins Blut festzustellen, so glaube ich doch,
dass das Zustandekommen von Gasbrandmetastasen, wie sie von
Welch, Fraenkel, Payr, Kausdh, Fründ, Hanasie-
wicz, Ru pp. Rauft u. a. beschrieben wurden, in erster Linie
auf das Ix)slösen von Thromben zurüchzuführen ist.
Ich hatte itn Felde zwei Fälle lange Zeit in Beobachtung (3),
bei denen ich zim Zeit von Schüttelfrösten. meh rma 1 s Gas¬
bazillen aus dem Blute züchten konnte. Es handelte
sich um zwei wegen ausgesprochener Gas-Gangrän Amputierter, Ix»!
denen sich bei ausgezeiclmet aussehendem Amputatioiisstumpf ein
langdauemdes Kranklieitsbild entwickelte.
Das Typische der Thromlxjphlebitis ist ja klinisch das Auf¬
treten von Schüttelfrösten. Allgemein gesprochen gelangen die Bak¬
terien dabei nicht kontinuierlich ins Blut, wie wir es z. B. bei der
lymphangitischen Sepsis sehen, sondern nur schubweise. Eine dem¬
entsprechende Reaktion, Schüttelfrost oder hohe Fieberzjicke ist die
Beitr&ge zur Klinik der Infektionskrankheiten. 6d. VI. H. 3 u. 4. 15
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226 Kurt Bingold [18
Folge. Die im Lymphgefässsystem massenhaft sidi vermehrenden
Bakterien strömen dagegen dauernd dem Blute zu.
Wenn also ein Erreger solche Krankheitsbilder verursachen
kann, wenn seine Lebensäusserung nicht nur eingeengt ist in die
Fähigkeit, Fäulnis zu verursachen, und allein durch die Fäulnis
eine Intoxikation resp. eine Saprämie hervorzurufen, wenn er ag¬
gressiv tätig sein kann, lebendes Gewebe zerstört und w'enn sein
Fortkommen nicht nur vom toten Gewebe abhängig ist, so werden
wir einem solchen Erreger nicht gut parasitäre Eigenschaften ab¬
sprechen können. Zum mindesten müssten wir den Fraenkelsehen
GasbaziUus aus der Gruppe der anderen Gasbranderreger, denen
V. W'assermann rein saprophy täre Eigenschaften zuzuschreiben
sich berechtigt glaubt, herausgreifen. Die parasitäre Eigenschaft
des A-Formenkreises (Fraenkelscher Gasbazillus) erkennt nach
seiner dritten VeröffentKchmig auch Conradi-Bieling an.
Wir dürfen aber daher auch den als Typ der lokalen Gasbazillen-
Infektion festgelegten Gasbrand nicht so eng umgrenzen, wie es
Conrad-Bieling, AsChoff und seine Mitarbeiter, v. Wasser¬
mann etc. tun. Selbstverständlich handelt es sich um
einen lokalen Infektionsherd beim Gasbrand,trotz¬
dem können Gasbazillen in das Blut übertreten, wie
ich mehrere Male feststellen konnte. Es ist sehr wohl verständlich,
dass aus dem lokalen Herd ein Sepsis-Entwicke¬
lungsherd (Söhottmüller) oder kurz Sepsisherd
Averden kann, genau wie bei anderen infizierten Wunden. Es
fragt sich nur, was wir unter dem Ausdruck Sepsis verstehen wollen.
Ko Ile und Hetsoh sagen in (}er neuesten Auflage ihres I^ehr-
buches (Experimentelle Bakteriologie): „Wenn Infektionserr^er in
der Blutbahn sich vermehren, wenn das Blut also nicht nur vorüber¬
gehend Transportmittel, sondern für längere Zeit Vermehrung^ätte,
gewisserraassen das Kulturmedium von Krankheitskeimen ist, so
nennen wir diesen Zustand Septikämie.“
Von Bakteriämie dagegen sprechen wir nach dem Vorgänge von
Kocher und T a v e 1, „wenn es sich um ein vorübergehendes
Kreisen von Bakterien im Blute handelt“
In dieser Form lassen sich diese Unterschiede sicher nicht
trennen, denn der Beweis, dass die Keimstätte von
Bakterien auch im Blute zu suchen sein könnte, ist
einwandfrei nicht erbracht worden. Schottmüller
kommt auf Grund zjihlloser experimenteller Untersuchungen am
Krankenix'tt Ixü septisch erkrankten Menschen — und zwar auf
Grund von mehreren Tausend angelegien Blutkulturen — zu dem
Gogle
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19 ]
KritiBches über Gaebazillen-Infektionen.
227
Schluss, dass selbst bei Infektionen durch Erreger, denen die höchste
Virulenz zugesehrieben werden muss, z. B. durch Milzbrand, Pest¬
bazillen, von Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken etd., von einer
Keimvermehrung im strömenden Blute nicht die Rede sein könne.
Es würde zu weit führen, auf Einzelheiten dabei näher einzugehen,
ich muss vielmehr auf die Arbeit Sdhottmüllers (15, 16, 17)
(Das Problem der Sepsis) und auf die Arbeit Römers (14) (Über
Bakteriämie bei Aborten und ihre Bedeutung in klinischer und
theoretischer Beziehung) verweisen.
Nach meinen Ausführungen und besonders nach den angezogenen
Krankheitsfällen steht soviel fest, dass der FraenkeIsche Gas-
baziUus der Schottmül 1ersehen Definition, „eine Sepsis li^t
dann vor, wenn sich innerhalb des Körpers ein Herd gebildet hat,
von dem aus konstant oder periodisch pathogene Bakterien in den
Blutkreislauf gelangen, derart, dass durch diese Invasion subjektiv
und objektiv Krankheitserscheinungen ausgelöst \\"erden“, vollkom¬
men gerecht wird.
Das Eindringen der Gasbazillen in die Blutbahn bestimmt auch
hier nicht unwesentlich die Folgeerscheinungen der lokalen Infek¬
tion. Nur müssen wir dabei weniger von einer Blutinfektion als von
einer Blutvergiftung sprechen. Die Gasbazillen werden im
Blute abgetötet, vor oder zu Beginn eines Schüttelfrostes findet man
z. B. Gasbazillen im Blute durch Kultur. Einige Stunden nachher
sind sie selbst mit den feinsten [Methoden nicht mehr im Blute naph-
zuweisen. Ihre Wirkung im Blute kann sich in typischer Weise
bemerkbar machen. So ist uns von der Schottmüller sehen
Krankenabteilung her die auflösende Kraft auf rote Blut¬
körperchen (3) bekannt. Diese kann so intensiv sein, dass uns
das Bild der Kali chloridira-Vergiftung vorgetäuscht wird. Von dem
Auftreten des Ikterus, der Methämoglobinämie reSp. Hämatinämie
imd der Hämoglobinurie habe ich tChon gesprochen. Übrigens
sJchreibt auch Aschoff seinen lebenden GaSbazillen eine ziem¬
lich beträchtliche Wirkung auf die Blutkörperchen von Mensch,
Meerschweinchen und Kaninchen zu. Bei den toten Bakterien fand
er die hämolytische Wirlamg erheblich geringer.
Was für einen Einfluss auf das Krankheitsbild haben nun die
Mischinfektionen ?
Wie schon oben erwühnt, finden sich ja Gasbazillen nur selten
allein in der W\mde vor, in den allermeisten Fallen handelt es sieh
noch um Anwesenheit von anderen Aerobiern und Anaerobdem.
Conradi sagt: „FJs erscheint nicht zweifelhaft, dass auch der mit
Roduktionsprozessen einhergehende Stoffwechsel der aeroben Haut-
15 *
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Kurt Bingold,
[20
Erd- und sonstige Begleitkeime, die regelmässig in den Wundtascäien
ixadigewiesen werden, dem Anwachsen und der Anreicherung des
Gasbrandes Vorschub leistet — — —, indem so aerobe, an sich
nicht pathogene Wimdkeime dem Gasbazillus innerhalb der Wund-
höhlo vorarbeiteten und ihn gegen das natürliche Schutzmittel des
Sauerstoffes festigen. — — — Gehört somit die Elimination der
aeroben, au sieh harmlosen, aber ein anaerobes Milieu bildenden
Wundkeime“ usw.
In seiner dritten Veröffentliöhung sagt Couradi: „Die Ijei
dem Leukozytenverfall entstehenden reduzierenden Stoffwechsel¬
produkte, sowohl wie die Symbiose mit den sauerstoffzehrenden
aeroben Eitererregern stellen erst nachträglich die Bedingungen her,
unter denen der Gasbazillus gedeihen kann. Der ursprünglidi mir
gegen die Eitererreger gebildete hyperämisehe Entzündungswall ver¬
hindert jedoch infolge seiner reiClihchen Blutzufuhr auch die Pro¬
gression des Gasbrandbazillus und engt so frühzeitig den Gas¬
abszess ein.“
V. Wassermann (18) sagt:*,,In anderen Fällen sfind es gleich¬
zeitig miteindringende mischinfizierende Bakterien, welche eine solche
primäre Gewebstediäxligimg setzen, auf deren Boden nur der gas¬
brandige Fäulnisvorgang einsetzt“
A s d h 0 f f schreibt: „Ob diese Mischinfektionen von irgend¬
welcher Bedeutung für das Angehen der Gasödeminfektion oder
deren Verlauf sind, muss meltr als zweifelhaft bleiben. Denn Misch¬
infektionen finden sich stets auch in Wunden mancher Erkrankten,
in denen Gasödembazillen durch Auftrieb und Kultur nachgewieseu
werden konnten.“
Wie wir sehen, lx«teht also auch hierüljer keine einheitliche
Ansicht.
Vom Stiuidpunkte dos Klinikers aus muss ich sagen, dass ich
gerade bei Misdhinfektionen mit Aerobiern immer wieder einen mil¬
deren Verlauf der Infektion gesehen habe. Idi schrieb schon früher
in einer meiner Arbeiten (3): „Der mildere Verlauf der Misohinfektion
mit Aerobiern, glaube ich, ist auf die Selbstreinigung der Wimde
dadurch zurückzuführen, dass die Sekretion auch aus den tiefsten
Buchten angeregt wird, selljstverständlich müssen dabei günstigste
Abflussixidingungen geschuffen sein. Vielleicht liegen hier ähnliche
Vorhültnisse vor, wie wir sie mit der W r i g h t sehen Lymphspül-
therapie oder mit Bi er scher Stauung zu erreichen versuchen.“ Als
prognostisch günstiges Zeichen konnte ich, das haben mich mannig¬
fachste Beolxichtmigen gelehrt, für die Wundheilimg nahezu in
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21 ]
Kritisches über Gasbaziilen-lnfektionen.
229
jedem Falle das Einsetzen einer reichlicrh einsetzenden Pyozyaneus-
Eiterabsouderung auffassen. Das gleiche galt für Staphylokokken-
und Koli-Eiterung. Je reichlicher sich die eitrige Durchtränkung
des Verbandes bemerkbar machte, desto rascher und reaktionsloser
ersc'liien der Wundverlauf. Eine ernstere Prognose gibt schon der
Erysipel-Streptokokkus und für sehr dubios muss, auch nach den
Eirfahrungen, die an der S c h o 11 m ü 11 e r sehen Krankenabteilung
bei puerperal Infizierten gemacht wurden, die Symbiose des Gas¬
bazillus mit dem Anaerobeu StreptoöoCcus putridus (Schott-
müller) gehalten werden. Dieser Streptokokkus stellt besonders
in seiner Fähigkeit, Thrombophlebitis zu erzeugen, ein günstiges
Ausbreitungsfeld für den Gasljazillus dar. Er hat die Fähigkeit
auf menschlichem Eiweiss stark fötiden Geruch zu erzeugen. Sicher
sind viele Fälle von putrider Wundinfektion seiner 'Tätigkeit zuzu-
sclireil;,‘n.
III.
Wäre die Behauptung Conradis, „malignes Ödem, malignes
Emphysem, Physometra, Gasphlegmone und Gasabszess werden hier¬
mit klinische Unterbegriffe der ätiologischen Einheit des Gasbrandes,
ihm gehören wohl auch die Tierkrankheiten, Rauschbrand, sowie
malignes Ödem an“, richtig, so könnte allerdings diese einheitliche
Auffassung des Gasbrandes die Grundlage zu einer einheitlichen
Bekämpfung dieser Wundinfektionskrankheit bilden. Wie weit ent¬
feint wir von einer solchen einheitlichen Auffassung jedoch sind,
glaube ich in meinen Ausführungen dargelegt zu haben.
EugenFraenkeI(9) trennt ausserdem auch heute noch schart
die Begriffe Gasbrand und malignes Ödem. F r a e n k e 1 geht dabei
sogar so weit, nur dann von Gasbrand zu sprechen, wenn der ge¬
fundene Erreger beim Versuchstier das gleiche Krankheitsbild her-
vorrufen kann. Und auch das klinische Bild des malignen Ödems
teilt Fraenkel noch in zwei Fonnen ein, von denen die eine in
nichts anderem besteht, als „in einer Ansammlung eines die Sub-
kutis und das Untermuskelgewelie durdisetzenden, nur serösen oder
rötlich gefärbten Flüssigkeit und solche, bei denen am Kranken¬
bett die Erscheinungen überwiegen, wie wir sie vom menschlichen
Gasbrand her kennen“. — AsChoff spricht von Gasödem, sagt
aber dal>ci: „Eis ist unmöglich, nach den so wechselnden Sektions¬
befunden — — irgemd eine Grenze zwisciien sog. malignem Ödem
und Gas'phlegmone beim Menschen zu ziehen.“ —
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230
Kurt Bingold.
[22
Das Studium der Ätiologie des KraukheitsbildeQ ist zu den ver¬
schiedensten Resultaten gelang! Aschof f findet bei seiner Erkran¬
kung immer den gleichen Erreger, der sich schon allein in seiner
Beweglichkeit vom Fraenkel-Bazillus unterscheide! Pfeiffer findet
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle den Fraenkel-Bazillus,
Klose (14) findet ihn in einem Drittel seiner Fälle. Ich habe in
15 Gasbrandfällen den Fraenkelsehen, in vier Fällen den Ödem¬
bazillus rein vorgefunden. Conradi-Bieling finden zwei ver¬
schiedene Formenkreise, die sie ineinander überführen können und
halten den Fraenkel-Bazillus für mutationsfahig zum beweglichen,
menschlichen Typ des Rauschbrandbazillus. Fraenkel und andere
bestreiten aufs strikteste die Fähigkeit einer solchen MetaraorfAose
auf Grund glaubhafter Experimente.
Dazu kommen die verschiedenen Bewertungen der Tierversuche.
So sagt A s c h 0 f f: „Aus alledem geht hervor, dass selbst nach einem
Tierv’ersuCh am Meerschweinchen, wenn er nicht den klassischen
Forderungen Fraenkels entspricht, noch keine Entscheidung ge¬
troffen werden kann, ob der Fraenkel-Bazillus oder der Ödembazillus
vorliegt“, und bezüglich des Tierversuches selbst: „In der Regel
erzeugt er beim Meerschweinchen ein rötlich gefärbtes Ödem, in
welchem nur spärliclie, oft gar keine Gasbläschen zu finden waren,
in anderen Fällen, die mit dem gleichen Stamme geimpft waren,
fand sich Gas so reichlich, dass man es schon durch Betasten nach-
weisen konnte — — je schneller das Tier durch die Infektion ge¬
tötet wird, um so geringer ist die Gasbildung bzw. fehlend.“
Ich selbst habe mit einem aus einem Gasbrandfalle gewonnenen,
sicheren, von E. Fraenkel bestätigten Stamm von BaC. phleg. emph.
durch übermässig hohe Kulturdosis gewaltiges Ödem erzeugen
können *), Ixam anderen Versuchstier mit der normalen Dosis, das
klassische Bild des Gasbrandes. Audi bei einem Kaninchen trat bei
inträmuskulärer Applikation der Kulturdosis schweres' Ödem ein.
das alx'r in Heilimg ausging, intravital Hess sich der Fraenkel-
Bazillus dabei aus dem Blute züchten.
1) Anmerkung der Schriftleitung: Es empfiehlt sich nicht, der¬
artige übertriebene Kulturniengen zu injizieren, üas hat Fraenkel nie getan.
Bei Einverleibung der üblichen Kulturdosis hat weder Fraenkel noch ich
jemals beim Meerschw<‘in etwas anderes als das klassische Bild des Gasbrandes
gesehen. Wenn B i n g o 1 d durch übermässig hohe Kulturdosis beim Meer¬
schweinchen starkes Ödem bervoiKerufen hat, so ist das Tier vermutlich zugrunde
gegangen, ehe der Prozess zutn Bilde des echten Gasbrandes gediehen war.
S c h o 11 m ü 11 e. r.
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23 ]
Kritisohes ttber GasbazUleQ-Infektionen.
231
Conrädi-Bieling! erzeugen mit dem ihres A-Formen-
kreises (also dem Fraenkelsehen Bazillus) ein Sektionsbild, das
ein von der InjektionsisteUe ausgehendes, bis in die Achselhöhle
reichendes, von zahlreiöhen Gasbläschen durchsetztes ödem des Unter-
hautzellgewebeö, Verdauung des Muskels an der Injektionsstelle,
sewie „an den inneren Organen die früher geschilderten Erschei¬
nungen“ bietet. — — „Die im Sublimatbad verbleibenden gas¬
brandigen Muskeln zeigen na>dh 48 Stunden Bebrütung sehr zahlreiche
bewegliche Sporenstäbchen“ usw.
Soweit ich die Literatur üljersehen kann, sind solche Meer-
sdhweinchenbefunde nicht wieder beschrieben worden.
V. Wassermann glaubt nach seinen Tierexperimenten, dass
das „völlig gesunde lebensfähige Gewebe nicht von den Gasbrand¬
erregem angegriffen werden kann“. Br nimmt an, dass, da in der
Flüssigkeit des Gasbrandherdes diejenigen Stoffe sind, welche zuerst
auf das gesunde Gewebe eingewirkt haben müssen, ehe es für die
Keime angreifbar wird, auf mechanischem Wege durch Adsorption
genügend befriedigende Resultate für die Therapie eräelt werden
könnten. Er verspricht sich diese guten Heilungsaussichten „durch
Einführung steriler Gase, die mit einem dicken Brei von sterilem
Karbovent getränkt ist.“
Über die Erfolge einer solchen Therapie, bei der jede Lücke
der Wundhöhle verstopft ist, möchte ich den Chirurgen reden lassen.
Nach meinen Erfahrungen, die teilweise schon im Frieden an
der Schottmüller sehen Krankenabteilung gesammelt sind,
handelt es sich wenigstens beim Fraen kel - Bazillus keineswegs
um den harmlosen Saprophyten, für den ihn v. Wassermann
- hält, sondern um einen hoohvirulenten Erreger, der auch nach Gas-
• brand zu einer septischen Allgemeinerkrankung Anlass geben kann.
Klinisch können wir sehr häufig dos Bild des Gasbrandes von
dem des malignen Ödems nicht unterscheiden. In sehr vielen Fällen
handelt es sich im Kriege auch um eine Miscliinfektion mit echten
Gasbrand- und malignen Ödeml^azillen.
Dgr Wunsdh, Krankheitsbild und die einzelnen Gasbazillen-Typen
auf eine einheitliche Form zu bringen, hat sich, so erklärlich er
uns für eine einheitlich dtuchzuführende Therapie erscheint, nicht
erfüllt und wird sich nicht erfüllen lassen, da klinische Symptome
von Gasbrand durch streng voneinander zu trennende Anaerobier
hervorgerufen werden können. Der echte Gasbrand aber wird
lediglich durch den F raeii k e 1 sehen Gasbazillus verursacht.
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232
Kurt Bingold, Kritisches übi»r Gasbazillen-Infektionen.
[24
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Literatur.
1. Asch off, Dcutsclic med. WocIkmiscIif. 1916. Nr. 16/17.
2. Bingold, Beitr. z. Klinik d. Inf.-Krankh. Bd. III. H. 1 u. 2. (Festhand.)
3. Derselbe, Ebenda Bd. IV. H. 4.
4. Derselbe, Deutsche med. Wochenschr. 1915. Nr. 7.
5. Cgnradi-Bieling, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 4.
(). Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 28.
7. Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 44.
8. Eugen Fraenkel, Monographie (Voss) 1893.
9. Derselbe, Deutsche mecl. Wochenschr. 1916. Nr. 50.
10. Derselbe, Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr. 46.
11. Frankel, Ernst, Königsfeld, Frankenthal, Deutsche med. Wochenschr.
1916. Nr. 26/27.
12. Ghou und Sachs, Zentralbl. f. Bakt. Nr. 34 u. 36.
13. Klose, Münch, med. Wochenschr. 1916. H. 20.
14. Römer, Beiträge z. Klinik d. Inf.-Krankh. Bd. I. H. 3.
15. S c h o 11 m ü 11 e r, Ebenda Bd. III. H. 1 u. 2 (Festband).
16. Derselbe, Festschrift dem Eppendorfer Krankenhaus zur Feier scdnes
25 jährigen Bestehens gewidmet von den Oberärzten und leitenden .Ärzten
der Anstalt. Leipzig u. Hamburg. Verlag von Leopold Voss.
17. Derselbe, Wesen und Behandlung der Sepsis. Referat. Verhandl. des
deutschen Kongr, f. innere Medizin. Wiesbaden 1914. Verlag Bergmann.
18. V. Wassermann, Med. Klinik 1916. Nr. 17.
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Aus dem Festiuigslazarett XIV K51ii and dem Hygienisclieii Institut
der Akademie KSln.
Die Bedeutung der Duodenalsondierung für die
Feststellung von Bazillenträgern und für die
Bewertung von Heilverfahren hei Bazillenträgern.
Von
Reg.'Rat. Prof. Dr. Dr. Küster,
bjgieniaeher BeirAty
und
Dr. med. y. Holtum,
Augasta-Hofpital der Stadt Köln.
Obgleich schon 1908 A. Weber das Ölfrühstück zum Nach¬
weis einer Typhusbazilleninfektion der Gallenblase und ebenso 1915
Stepp die Anwendung der Duodena Isonde zum Nachweis der l^phus-
baziUen in der Galle von Typhusrekonvaleszenten eindringlich emp¬
fohlen hatten, hat bisher, offenbar infolge Mangels an geeignetem
Patientenmaterial keine dahin gehende Untersuchung in grösserem
Umfange stattgefunden.
Durch die Einrichtung eines Seuchenlazaretts in der Festung
Köln, welches mit Bazillenträgern der verschiedenen Darminfektionen
belegt wurde und belegt wird, w'aren wir in der Lage, uns der
Klärung dieser so ausserordentlich wichtigen Frage zuzuwenden.
Da zweifellos die Verwendung der Duodenalsondierung der Ver¬
wendung des Ölfrühstücks zur bakteriologischen Untersuchung der
Gallo überlegen sein muss, zogen wdr nur die Anwendung der. ersteren
in das Bereich unserer Untersuchungen.
Bezüglich der Technik der Duodenalsondiening wird in der
Literatur gew'öhnlich auf die Veröffentlichungen von Einliurn,
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2d4
Küster und v. Holtum.
p
Bondi, Medak und Pribram verwiesen. Diese Ldteratur ist
besonders unter den jetsägen Verhältnisse nicht allgemein zugäng¬
lich; sodann strebt die dort angeführte Technik in erster Linie die
Gewinnung von chemisch - physiologischem Untersuchungsmaterial
(Galle, Duodenalsaft, Pankreassaft) an. Wir geben daher die von
uns geübte Technik ausführlich wieder, welche wir unter Zugrunde-
legimg der Angaben obiger Autoren mit besonderer Berücksichtigung
der bakteriologischen Anforderimgen entwickelt haben.
Bau der Sonde: Als Sonde verwenden wir einen 1,50 m
langen Gummischlauch von 2 nmi lichtem und 4 mm Gesamtdurch¬
messer. Wir bevorzugen demnach einen verhältnismässig stark-
wandigen Gummischlauch, weil dieser eine grössere Sicherheit gegen
Durchreissen und Zuklemmen in Schlund und Magen bietet. Der
Gummischlauch wird an einem Ende mit einem olivenförmigen
Sondenknopf von d = 5 mm, 1 = 15 mm ausgerüstet, welcher von
einem 2 mm weiten Zentralkanal ausgehend sechs 0,5 mm-Durch-
bohrungen nach aussen auf weist und mit seinem - verjüngten Ende
in den Gummischlauch mittels Seidenfaden eingebunden wird. Dieser
Sondenknopf kann von jedem Feinmechaniker aus Messing mit Ver¬
nickelung leicht hergestellt werden. Aufschraubbaxkeit des Sonden¬
knopfes, wie sie bei dem Einhorn sehen Düodeaalsondenknopf vor¬
gesehen ist, erwies sich uns als überflüssig. Eine besondere Dauer-
ftiarkierung des Gummischlauches ist zwecklos, da sie bei der Sterili¬
sierung der Sonde doch sehr bald verloren geht. Wir bezeiohneten
uns die verschiedenen Längen xmmittelbar vor der Verw’endung der
Sonde durch einen Fettstiftstrich; sollte der eine oder andere Strich
zufällig einmal verwischt werden, so kann man axis den erhalten ge¬
bliebenen sehr rasch sich zurechtfinden, oder von dem Ende der
Sonde mit Hilfe eines Lineals zurückmessen. Wir kennzeiehneten
die Entfernung 50 und dann von 5 zu 5 cm weitergehend bis zu-
1,20 m; die übrigbleibenden 30 cm sind für die Sondierung selbst,
auch bei sehr grossen Personen, nicht notwendig, da man mit 1,20 m
auch bei im Magen gewunden liegender Sonde die Vater sehe
Papille erreicht.
Die Sterilisierung der Sonde erfordert besondere Auf¬
merksamkeit, um Ijei sicherer Entkeimung möghohst das schwer zu¬
gängliche, gute Gummimaterial zu schonen und Schwierigkeiten durch
Abreissen einer brüchig gewordenen Sonde zu entgehen. Eine Sterili¬
sierung der Sonde unmittelbar nach Gebrauch ist notwendig, da
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3] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Basillenträgem etc. 235
innn mit einer starken Infizierung derselben durch lebenskräftiges,
hochyirulentee Material rechnen muss.
Bei der Entfernung der Sonde befeuchten wir die Hände mit
1 ®/oo Sublimatlösung und ziehen die Sonde vorsichtig langsam zurück,
um ein sonst leicht eintretendes Verspritzen des anhaftenden Grallen-
saftee zu vermeiden. Man fühlt bei dem Zurückziehen deutlich den
Widerstand, den die Sonde in der Kardia findet und beobachtet
häufig eine stärkere Würg- und Brechbewegung, wenn der Sonden¬
knopf die oberen Schlundteile durchgleitet. Einige Male war das
Zurückziehen der Sonde dadvurCh etwas erschwert, dass sich ein
Knoten in dem Magenteil der Sonde geschlungen hatte (3 mal). In
einem Falle hatte sich sogar ein doppelter Knoten gebildet; das
Durchziehen eines solchen Knotens durch den Schlund hat an und
für sich keine Schwierigkeiten, wenn auch natürlich ein grösserer
Widerstand sich bietet und die Sonde leichter bed dem notwendig
stärkeren Ziehen mit einem Ruck imd dem entsprechenden Ver¬
spritzen von Magen- und Gallensaft herausbefördert wird. Das Ab-
reissen einer brüchigen Sonde könnte dadurch allerdings sehr be¬
günstigt werden. Man verwende deswegen nur tadellos erhaltene
Sonden. Für Friedenszeiten würde es sich empfehlen, unzerreissbare
Sonden dmch Seideneinlage in die Sonden wand'herstellen zu lassen,
denn auf die Längenelastizität der Sonden kann man gern verzichten.
Nach der Herausnahme wird die Sonde sofort in 2,5<yoige Lysol-
lösimg eingelegt tmd in dieser mittels Spritze durchspült; die Hände
des Untersuchenden und Untersuchten werden mit Sublimatlösung
desinfiziert; der Sondierte spült und gurgelt ausserdem den Mund
mit einer 1—2o/oigen Wasserstoffsuperoxydlösung. Nachdem die
Sonde eine halbe Stunde lang in der Lysollösung verblieben und da¬
durch sicher entkeimt ist, wird sie herausgenommen, für eine weitere
halbe Stimde durch unmittelbares Ansetzen an die Wasserleitung
gründlich von der Lysollösxmg wieder befreit, getrocknet tmd iu
einem GlaSdeckelgefäss trocken aufbewahrt.
Bei der Sondierung muss der Magen und Zwölffingerdarm des
Patienten frei von Speisebrei sein, da dieser sonst die feinen Bohr¬
öffnungen der Sondenolive verstopft. Man sondiert deswegen den
Patienten in nüchternem Zustand. Gegen einen vorherigen Genuss
von Kaffee ohne Milch oder von klarer Fleischbrühe ist nichts ein¬
zuwenden. Milch darf vorher nicht getrunken werden, weil die im
Magen sich bildenden Koagula stören. Aus dem gleichen Grunde
erwies sich uns auch der Vorschlag von Einhorn — zur Fest¬
stellung, ob die Sonde im Magen liegt oder bereits in den Darm
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r
236 Küster und v. Holtum. [4
gewandert ist —, Milch trinken zu lassen oder durch die Sonde
einzuführen, als unbrauchbar. Muss die Sondierung bei ambulanter
Behandlung an Patienten mit gefülltem Magen vorgenommen werden,
90 ist man genötigt, eine gründliche Magenwaschung mit Trichter
und Magensonde vorausgehen zu lassen.
Der Sondenknopf wird vor dem Schlucken durch Einhalten in
Wasser von 40® erwärmt, weil die Erfahrung uns lehrte, dass der
kalte Sondenknopf viel stärkere Würgbew'egungen auslöst als der
körperwarme. Irgendwelches Gleitmittel für den Sondenknopf und
Schlauch verw^enden wir nicht. Die Sonde wird nur mit Wasser
benetzt geschluckt. Der Patient setzt sich, legt den Kopf hintenüber
und öffnet den Mtund weit. Der Untersucher lässt die Sonde so in
in den Mund gleiten, dass der Sondenknopf erst den Zungengrund
berührt und fordert den Patienten auf, kräftig zu schlucken, während
er selbst soviel Sondenschlauch nachgibt, dass keine Spannung des
Schlauches eintritt. Zu reichliche Eingabe von Schlauch in den
Mund des Patienten ist zu vermeiden, weil dadurch das Abschlucken
erschwert und eine Knotenbildung in der Sonde begünstigt wird.
Gewöhnlich geht die erste und zweite Sc'hluckbewegung gut, aber
sobald der Sondenkuopf etwa in der Mitte des Schlundes in die
Gegend der Bifurkationsstelle der Trachea gelangt ist, treten Würg¬
bewegungen auf. Jetzt muss man durch eindringliches Zureden den
Patienten veranlassen, der Brechneigmig nicht nachzugeben, sondern
weiter zu schlucken. Sobald etwa 40—50 cm geschluckt sind, hört
jeder Brechreiz auf. Nur ganz ausnahmsweise und bei überempfind¬
lichen Patienten ist man genötigt, vor der Sondierung die Rachen¬
teile durch Kokainspray oder den Schlund diuch Al>schluckcn eines
Teelöffels voll 0,5ooiger Kokainlösung unempfindlich zu machen. Von
dem Eintritt des Sondenknopfes in den ^fagen kann man sich da¬
durch überzeugen, dass man durch den Sondenschlauch etwa 2 bis
5 ccin Luft mit kräftigem Stoss eingespritzt. Geivöhnlich hört man
dann die Luft in den Mlagen eintreten mid der Patient gibt an, dass
er das Ausströmen im Magen spürt. Wir lassen nunmehr den Pa¬
tienten iin Zimmer hin- imd hergehen \md langsam in 5 Minuten
etwa 5 cm Sonde weiterschlucken. Gewöhnlich sieht man dann sehr
bald aus dem offenen Sondenende ohne w'eiteres Hinzutun Magensaft
in das gleich von Anfang unterzuhaltende Reagenzglas austräufeln.
Nunmehr legt man den Patienten auf einen Liegesituhl oder ein Bett
auf die rechte Seite und lässt wie oben bis etwa 70 dm weiter
schlucken. Jetzt tritt zunächst Magensaft mit Galle vermischt aus
(an der Resiktion und an der Gelbfärbung erkenntlich) imd nach
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S] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 237
10—15 Minuten läuft klare, fadenaiehende, alkalische Galla Bleibt
das Ausfliessen von Ma^ndarmsaft aus oder versiegt es' wieder, so
spritzt man einige Kubikzentimeter Luft oder auch abgekocihtes
Wasser durch die Sonde ein und versucht danach vorsichtig anzu¬
saugen. Sobald die Sonde den Pylorus durchwandert hat und im
Duodehtun angekommen ist, spürt der Patient das Einblasen von Luft
nicht mehr. Zuweilen bleibt der GallenfluSs trotz längerem Zuw’arten
bei offener Sonde axisi, es fliesst nur Magensaft, und man kann fest-
steilen, dass die Sonde, obwohl 70 cm verschluckt sind, noch voll¬
ständig im Magen liegt. Verhilft jetzt weiteres Abschluoken von
10—15 cm nicht zu dem gewünschten Ziele, so lässt man einige
Schluck Wasser trinken. Hierdurch wird die Magenperistaltik an¬
geregt imd die Sonde wandert weiter. Man kanri sich auch dadurch
zu helfen versuchen, dass man die Sonde wieder bis zur Marke 50
zurückzieht und nochmals langsam nachschluCken lässt Nur ganz
ausnahmsweise gelingt die Sondierung (infolge von Pylorusspasmus ?)
beim ersten Versuch nicht und man muss dann an einem folgenden
Tag wiederholen. Patienten, bei denen trotz wiederholter Versuche
die Sondierung überhaupt nicht zum Ziele führte, haben wir bisher
nicht beobachtet
Bei den ersten etwa 50 Duodenalsondierungeu pflegten wdr den
ausfliessenden Saft zur bakteriologischen Untersuchung dann zu
sammeln, wenn er klar und deutlich gallig verfärbt erschien, auch
wenn die Reaktion sauer war. Wir sättigten in diesem Falle die
Säure vor Anlegung der Kulturen alsbald durch tropfenweisen Zu¬
satz von lOo/oiger Sodalösung ab. Da wir bei diesem Vorgehen ge¬
legentlich bei Patienten, die regelmässig Typhusbazillen mit dem
Stuhl ausschieden und klinisch überdies noch Anzeichen von Gallen¬
blasenerkrankung boten, wider Erwarten keine Typhusbazillen im
Duodenalsaft fanden, nahmen wir die Möglichkeit einer bakterien¬
hemmenden bzw. bakteriziden Wirkung im Magen- und Duodenal¬
saft an.
Wir untersuchten im ganzen 23 mit der Duodenalsonde ent¬
nommene Magensäfte auf ihr Verhalten gegen eingeimpfte Typhus¬
bazillen.
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238
Küster und v. Holtum.
[6
Das Verhalten eingeimpfter Typhusbazillen.
Nr.
Tag
Freie Salzsäure
Gresamt-Säure
In natürlich sau>
rem Magensaft bei
Abimpfung einer
Platinöse in ein
Röhrchen Nähr¬
bouillon nach
Minuten:
In dem mit Vio
NaOH neutrali¬
sierten Magensaft.
Abimpfung wie in
Spalte V
In ph 3 rsiologi 8 cher
NaCl-Lösung mit
entsprechendem
Säurezusatz.
Abimpfung wie in
Spalte V.
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I.
II.
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IV.
V.
VI.
VII.
Auf GiTiiid dieser Untersuchungsbefunde müssen wir annehinen,
dass für die Bakterizidie des Magensaftes der Gehalt an freier Sal^z-
säuio ausschlaggebend ist. In Versuch Nr. 29 starben bei 4,5 freier
Salzsäure die T}"phus1>azillen noch in 1 Minute ab. Der neutralisierte
Magensaft ergibt in unserer Versuchsbreite keine bakterizide Wir¬
kung. Kochsalzlösung, welcher entsprechend dem Gehalt an freier
Salzsäure i/,o n. reine Salzsäure und daun bis zur Erreichung der
Gesamtakzidität n. Milchsäure zugegeben war, ersdlieint unsicherer
in ihrer Bakterienvernichtung als der Originalmagensaft, so dass
auiser der .Säurewirkung auch noch andere laakterizide Kräfte ini
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7] Bedeutung d. Duodenalsondienmg f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc 239
Magensaft vorhanden sein könnten. Jedenfalls beweisen die Ver¬
suche, dass man bei der Duodenalsondienmg zwecks Feststellung
von Bakteriengehalt der Galle eitrigst bemüht sein muss, eine Bei¬
mengung von Magensaft zu vermeiden, weil durch den Magensaft
auch bei kurzdauernder Einwirkung das Kulturergebnis vernichtet
werden kann. Sogar die durch Duodenalsiondierung gewonnene
alkalische, dickflüssige Gallenflüssigkeit kann unter Umständen
bakterienhemmende bzw. bakterizide Wirkung besitzen.
Die Einwirkung verschiedener durch Duodenalsondierung ge¬
wonnener menschlicher Gallen auf Typhusbazillen ist aus der Ta¬
belle II ersichtlich.
In dieser Untersuchimgsreihe konnten natürlich nur solche
Duodmalgallen Verwendung finden, die bei der ersten Untersuchung
auf Wachstum von spezifischen Keimen sich als negativ erwiesen
hatten. Die Gallenflüssigkeit wurde jeweils, soweit dies durch
ständige Kontrolle von Farbe, Konsistenz und Reaktion möglich ist,
ohne Magensaftbeimengung aufgefangen, frisch mit 1/3 Nährbouillon
versetzt, 12—16 Stunden bei 37® bebrütet und dann auf Endo- und
Lackmusmilchzuckeragar verimpft. Wuchsen auf den Plattenaus¬
saaten (Spalte III) keine krankmachenden Darmbakterien, so wurde
der Duodenalgallenbouillon eine Öse frisch gewadlisener Typhus-
t‘azilleu zugeimpft und nach wiederum 12—16 stündigem Verw'eilen
im Brutschrank bei 37® eine zweite Abirapfung vorgenommen, deren
Ergebnisse aus Spalte V zu ersehen sind.
Aus der Tabelle II ergibt sich, dass 11 mal unter 31 Fällen*
das Absterben von Typhusbazillen in Duodenalgallenbouillon be¬
obachtet wurde, und z^var 2 mal in Duodenalgallen, die überhaupt
kein Keimwachstum zeigten, imd 9 mal in Duodenalgallen, in denen
nichtspezifische Keime in verschiedener Anzahl wuchsen. Dass in
letzteren Fällen nicht etwa die apathogenen Keime durch Über¬
wucherung das Wachstum der eingeimpften Tj’^phusbozillen ver¬
nichteten, — eine Annahme, die bei der Menge der eingeimpften
Typhusbazillen und der geringen Dauer der Bebrütung an sich un¬
wahrscheinlich ist, — ergibt sich daraus, dass in den 20 Fällen, in
denen es gelang, die Typhusbazillen aus der Duodenalgallenbouillon
wieder zu züchten, gar nicht selten die ursprünglich vorhandenen
nichtspezifischen Keime von den nachgeimpften Typhusbazillen bei
der zweiten Bebrütung vollständig zurückgedrängt w’urden. Wir
müssen annehnien, dass unter Umständen die mensch¬
liche Galle sehr wohl anti septische Eigenschaften
gegen spezifische Keime entwickeln kann und er-
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240
[B
Küster und v. Holtum.
Wachstum in Duodenalgalle
Nummer
der
Sondie¬
rung
Reaktion
des
Duodenalsaftes
nach Zusatz von
Nährbouillon 1:3
auf
1
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o
nach Zusatz von
Nährbouillon 1:3
und Typhusbazillen
auf
Endergebnis
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4-
4-
I.
II.
III.
IV.
V.
Zeichenerklärung: + gutes Wachstum; geringes Wachstum; P
geringes Wachstum; —fehlendes Wachstum. Spalte II und IV: oberes ^ohen
5 = Wa^stum überhaupt, imteres Zeichen = Wachstum verdächtiger Keime.
Digitizedby + Typhusbazillen gewachsen, —Typhusba^Jlen nicht gewachsenen^
O ^ '\i z ^ U K NIA
Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 241
blicken hierin ein günstiges Vorzeichen für die Möglichkeit einer
spezifischen Therapie der Gallenbazillenträger i).
Worauf die antiseptische Wirkung der Galle in den von uns
unter^chten Fällen zurückzuführen ist, entzieht sich vorerst unserer
Kenntnis. Es lag der Gedanke nahe, dieselbe auf die Bildung spe¬
zifischer Antikörper zurückzuführen. Da für das Vorhandensein von
Antikörpern überhaupt der Nachweis von Agglutininen hier den
gangbarsten Weg darstellt, untersuchten wir die Duodenalgalle von
41 Bazillenträgern auf ihre agglutinierenden Eigenschaften.
Bei 25 darunter befindlichen Typhusbazillenträgern zeigte die
Galle 18 mal keine Agglutination, sie agglutinierte 3 mal bis 1:10,
2 mal bis 1: 20 und 2 mal bis 1:40. Die Galle von 14 Paratyphus-B-
Bazillenträgern agglutinierte in 9 Fällen nicht, 3 mal war eine Agglu¬
tination positiv gegen Paratyphus-B, 1: 10, 1 mal 1: 20 und 1 mal
1:40 zu verzeiclmen. 1 Paratyphus-B-Bazilleuträger agglutinierte
keine Paratyphus-B-Bazillen, alxir Typhusbazillen bis zur Verdünnung
1: 40. 1 Paratyphus-A-Bazillenträger und 1 Dysenteriebazillenträger
besassen keine spezifische Agglutination. Unter den genannten 41 Pa¬
tienten war keiner, der klinische Zeichen von Cholezystitis bot. Da
in dem nicht entzündlich veränderten Gallensaft höclistens Spuren
von Eiweiss vorhanden sind, so war auch keine grosse Agglutination
zu erwarten, wahrscheinlich hal>en aus dep gleichen Gründen aber
auch Antikörper überhaupt für die Bakterizidie der Galle und für
das Ausheilen der Bazillenansiedelung in der Galle nur geringe Be¬
deutung. Es dürfte nicht schwer halten, unter Heranziehung der
Düodenalsondierung bei künstlicher spezifischer Immunisierung dar¬
über sichere Aufklärung zu schaffen.
Von Stepp (Münchener med. Wochenschr. 1915, Nr. 49) wird
vorgeschlagen, die tluodenalsonde nach ihrer Einführung reichlich
mit abgekochtem Wasser zu durchspülen, um den Duodehalinhalt
ohne Verunreinigung von aussen zu erhalten. Wir haben dafür
keinen zwingenden Bedarf gefunden, wohl aber muss man während
des Auffangens der Galle zu Kulturzwecken ständig den Sekretfluss
beaufsichtigen; denn es kommt nicht selten vor, dass, nachdem
schon reine Galle ausgelaufen ist, plötzlich wieder sauerer Magen¬
saft austritt, ohne dass die Sonde zurückgezogen wurde. Es handelt
sich in diesem Falle offenbar um Magensaft, der sich durch den
Reiz der Sonde in grösserer Menge im Magen gesammelt hat und
nun in das Duodenum übergetreten ist. Bei Patienten mit sehr starker
*) cf. Fornet, Arch. f. Hyg. Bd. 60 und Pies, Arch. f. Hyg. Bd. 62.
Beiträge rur Klinik der Infektionskrenkheiten. Bd. VI. H. 3 u. 4. 16
Digitized by
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242
Küster und v. Holtiun.
[10
Magensaftsekretion kann man nur anf minutenlanges Laufen reiner
Galle rechnen.
Über die absolute Länge, bis zu der die Sonde geechludkt
werden muss, lassen sich keine bestinuntMi Zahlen angeben. Die
erforderliche Länge ist verschieden nach der Grösse des Patienten
und je nachdem die Sonde glatt durch den Magen durchgegangen
ist oder Schleifen in demselben gebildet hat.^ Gewöhnlich ist die
Einführung von 70—80 cm Sondenschlauch erforderlich. In einigen
Fällen hal^n wir aber auch bis 120 dm schlucken lassen, ehe Galle
atfloss. Es ist nicht zwedkmässig, nach dem Eintretwi von reinem
Gallenfluss noch weiter Schlauch abschluoken zu lassen, weil sonst
der Gallenfluss versi^t und nur Duodenal- bzw. Pankreassaft ab¬
läuft
Wir führten schon im Laufe des letzten halben Jahres bei 124 Pa¬
tienten 428 Sondierungen aus, imd zwar bei 15 TyphusbozillenträgOTi,
4 Paratyphus - A-, 66 Paratyphus - B - Bazillenausscheidern, 4 Ruhr¬
kranken, 5 l^husi- bzw. Paratyphuskranken und 30 nicht darm¬
kranken Personen.
Die Ergebnisse der Sondierung sind aus dem Folgenden er¬
sichtlich :
A. Typhnsbazillenträger.
Unter diesen befanden sich 12 lyphusstuhlbazillenau^cheider,
3 Typhusurinbazillenausscheider. Die 3
scheider waren bei allen Duodenalsondieiungen frei von Typhus¬
bazillen in der Galle. (Nr. 630, 628, 640.)
I. Übereinstimmende bakteriologische Befunde in Stuhl und
' Duodenalsaft.
Bei den Typhusstuhlbazillenausscheidem ergab sich auf Grund
des bakteriologischen Gallenbefundes als Gruppmainteilung:
1. a) 5 Typhusstuhlbazillenausscheider ergaben in Stuhl und
Galle im wesentlichen übereinstimmende positive Befunde.
Nr. 472. Stuhl 2mal positiv; Galle 2mal positiv.
Nr. 771. In 2monatigen Untersuchimgen war Stuhl 3 mal
positiv, 4 mal negativ; Galle 4 mal negativ, 7 mal positiv. 6 von
diesen positiven Gallensondierungen wurden an 6 aufeinanderfolgen-
Anmerkung; Die agglutinatorische Kraft der Gallen von zwei wegen
Cholezystitis operit-rlon l’aratyplius - B-Bazillenträgern konnten wir ehemals
(Küster-Günzler, Zur Behandlung der Typhushazillenausscheider, Zeitschr.
f. Hyg. und lnf(*ktionskrankheiten, Bd. 81, 1916, S. 465) zu 800 und 500 gegen
Paratyphus- B Bazillen feststellen.
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11] Bedeutung d. Duodonalsondierung f. d. Festetellimg von Bazillenträgern etc. 243
den Tagen ausgeführt, um die Annahme einer schubweisen Bazillen-
ausscheidimg aus der Glalle aufzuklären.
Nr, 458, Sttihl 2 mal positiv, 1 mal negativ; Galle 3 mal positiv.
Nr. 479. Stuhl 4mal positiv, 5mal negativ; Galle 4mal positiv,
2 mal negativ.
Nr. 774. Stuhl 5 mal positiv, 4 mal negativ; Galle 6 mal positiv,
2 mal negativ.
Da es sich um zweifellose Dauerausscheider handelt und die
Technik dei: üntersuchimg bei allen Untersuchungen unverändert
blieb — Ausstrich auf Endoplatte —, darf man die Gesamtergebnisse
gegeneinander bewerten: Es stehen von 39 Stuhlimtersuchungen
18 positive 22 positiven Untersuchungsbefunden bei 38 Duodenal¬
gallenuntersuchungen gegenüber.
I. b) 2 Patienten gingen uns als l^husstuhlbazillenausscheider
zu, waren früher auswärts wiederholt im Stuhl positiv gefunden wor¬
den und waren hier bei allen Untersuchungen in Stuhl und Galle
negativ. (Nr. 648; 734.)
I. c) 3 Patienten gingen als Typhu^tuhlbozillenträger zu, waren
hier anfangs im Stuhl wiederholt positiv i) und später in allen Stuhl-
und Gallenuntersuchungen negativ, sind also als inzwischen ab¬
geheilte Typhusbazillenträger aufzufassen. (Nr. 642, 644, 539.)
II. Abweichende bakteriologische Befunde in Stuhl und
Duodenalsaft.
Nr. 647 ergab bei den bakteriologischen Stuhlimtersuchungen
bezüglich Vorhandensein von Typhusbazillen einen schwankenden,
meist negativen Befund. Stuhl 2 mal positiv, 4 mal negativ. Die
Galle war in 4 Untersuchungen frei von Typhusbazillen, doch fielen
diese Untersuchungen in eine Zeit, in der wir mit der Ausarbeitung
der für die bakteriologische Untersuchung geeignetsten Technik der
Duodenalsondierung noch beschäftigt waren. Sondierungsraaterial 1
wurde von Staphylokokken überwuchert. Sondierungsmaterial 2, 3
und 4 waren sauer infolge Beimischung von Magensaft. Alle 4 Be¬
funde können daher für die wissenschaftliche Bewertung kaum in
Betracht kommen.
Nr, 653 ergab bei der bakteriologischen Stuhluntersuchung eben¬
falls schwankenden Befund. Stuhl 3 mal positiv, 3 mal negativ. Die
Galleountersuchung war 4 mal negativ bei alkalischer Reaktion des
Duodenalgallensaftes. In allen 4 Untersuchungen wuchsen nicht¬
spezifische Keime, 1 mal reichlich Kokken, 2 mal reichlich nicht-
’) Duodonalsüftuntersuclnmgon wurden damals noch nicht vorgenommen.
16*
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244
Küster und y, Holtum.
[12
spezifische Stäbchen, 1 mal wenig© nichtspezäfische Stäbchen. Eine
Überwucherung von Typhusbazillen in Duodenalgallenbouillon durch
Kokken haben wir bisher nicht gesehen, auch nicht experimentell
hervorrufen können. Bei der zweiten und dritten Sondierung könnte
eine Überwucherung stattgefunden haben.
Zusammenfassung: Es stimmte also in 10 Befimden das
Ergebnis der Duodenalsondierung mit der Stuhluntersuchung im
wesentlichen überein, während in 2 Fällen eine gewisse Differenz
vorliegt.
B. Paratyphns-A-Bazillenaosscheider.
Bei einem Paratyphus A-Urinbozillenausscheider waren 4 Duo-
denalgallenunterSuchungen frei von Paratyphus A-Bazillen. (Nr. 777.)
Von den 3 Paratyphus A-Stuhlbazillenausscheidem ging uns
Nr. 814 als Dauerausscheider zu, wurde aber in 4 Duodenalgalle-
und 9 Stuhluntersuchungen frei von spezifischen Keimen gefunden.
Nr. 815 wies bei 5 Stuhluntersuchungen 1 mal Paratyphus A-
Bazillen auf, während die Duodonalgalle bei 5 Sondierungen Frei¬
sein von Paratyphus A-Bazillen ergab. Bei der ersten dieser Son¬
dierungen wurde saurer Duodenalsaft erhalten, während die 4 fol¬
genden sicher alkalische Gallen lieferten. Im Kulturverfahren
blieben 3 dieser Duodenalsäfte keimfrei, während in einem wenige
• Kokken, in dem anderen Kokken in mittlerer Zahl gezüchtet wurden.
Bei Nr. 849 stehen beim Abschluss dieser Arbeit (15. III.)
5 negative Stuhlbeftmde einem positiven gegenüber, während beide
Gallensondierungen positiven Befund von Paratyphus A-Bazillen er¬
gaben.
^5. I. 1917. Stuhl: neg.; 6. II. Stuhl: Paratyphus A -f-; 10. II.
Stulil: neg.; 22. II. Stuhl: neg.; 22. II. Galle: Paratyphus A -f-;
2. III. Stulil: neg.; 3. III. Galle: Paratyphus A +; 15. III. Stuhl:
negativ.
Nachtrag: Da bei Patient Nr. 814 und 815 nach Abschluss
dieser Arbeit am 15. III. nachträglich wesentliche Ändenmgen des
Befundes eintraten, seien diese hier nachtragen.
Nr. 814: Am 16. IE. und 23. III. G: —; am 30. IE. G: +.
Sofort nach der Entfernung der Sonde wurde dem Pat 10 g Tier¬
kohle in Wasser in den leeren Magen ©ingegeben und zur bak¬
teriologischen Stuhluntersuchung beim Erscheinen der kohlen¬
haltigen Fäzessäule unmittelbar vor und unmittelbar nach dieser
eine Probe entnomnien. Die bakteriologisch© Untersuchung auf spe¬
zifische Darmbakterien fiel negativ aus, ebenso eine Stuhlunter-
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13] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 245
suchuiig am 30. III. und 10. IV. Der Patient ist demnach gallen¬
infiziert, obwohl er hier im ganzen in 9 vorhergehenden Stuhl¬
untersuchungen und 6 vorherhergehenden Gallenuntersuchungen, so¬
wie in 2 nachfolgenden Stuhluntersiuchungen frei befunden wurde.
Nr. 815; Wurde später im Stuhl noch wiederholt positiv ge¬
funden, auch in dem Duodenalgallensaft fanden sich Blaukeime,
die kulturell Paratyphu.s-A entsprachen, aber inagglutinadel waren.
Da Patient während dieser Zeit sich in spezifischer Behandlung
befand, so wird an anderer Stelle noch ausführlich darauf zurück¬
zukommen sein.
ParstypliuS'B-Bazillenstuhlausscheider.
Die Untersuchung erstreckte sich auf insgesamt 66 Patienten.
Im wesentlichen übereinstimmende Befunde wurden in 46 Fällen
erhoben, und zwar:
I. Bei 21 Patienten war der Befund im Stuhl bei insgesamt
71 Untersuchungen und in der Galle bei insgesamt 51 Untersuchungen
stets negativ. Es handelt sich hier um Patienten, die uns auf Grund
der früheren auswärts gemachten Untersuchimgen als Paratyphus-B-
Bazillendauerausscheider zugingen und ausheilteu.
548, 634, 767, 768, 769, 770, 776, 781, 782, 786, 793, 816,
817, 823, 825, 831, 835, 8.39, 840, 842, 845.
II. Bei 25 Patienten wurde bei wiederholten Untersuchungen
des Stuhls und des Duodenalgallensaftes schliesslich ein positiver
Befund erhoben, \md zwar:
a) Bei 9 Patienten wurde im Stuhl häufiger ein negativer als
positiver Befund festgestellt: Es stehen 21 positive Stuhlbefunde
36 negativen gegenüber, während bei den Duodenalgallenunter¬
suchungen ein günstigeres Gesamtergebnis vorliegt, insofern, als
15 positive Befunde 13 nt^ativeu gegen überstehen.
J.-Nr.
Stuhl positiv
Stuhl negativ
Galle positiv
Galle negativ
614
2
5
1
1
785
1
4
2
2
605
4
5
1
0
818
]
3
1
2
820
2
3
2
2
832
2
2
2
2
8.34
1
.3
2
2
8.38
.3
3
3
1
404
5
8
1
1
21
36
15
13
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
236
Küster und v. Holtum.
r
[*
gewandert ist —, Milch trinken zu lassen oder durch die Sonde
einzuführen, als unbrauchbar. Muss die Sondierung bei ambulanter
Behandlung an Patienten mit gefülltem Magen vorgenommen werden,
so ist man genötigt, eine gründliche Magenwaschung mit Trichter
und Magensonde vorausgehen zu lassen.
Der Sondenknopf wird vor dem Schlucken durch Einhalten in
Wasser von 40^ erwärmt, weil die Erfahrung uns lehrte, dass der
kalte Sondenknopf viel stärkere Würgljewegungen auslöst als der
körperwarme. Irgendwelches Gleitmittel für den Sondenknopf und
Schlauch verwenden wir nicht. Die Sonde w’ird nur mit Wasser
benetzt geschluckt. Der Patient setzt sich, legt den Kopf hintenüber
und öffnet den Mund w'eit. Der Untersucher lässt die Sonde so in
in den Mund gleiten, dass der Sondenknopf erst den Zungengrund
berührt und fordert den Patienten auf, kräftig zu schlucken, während
er selbst soviel Sonden schlauch nachgibt, dass keine Spannung des
Schlauches eintritt. Zu reichliche Eingabe von Schlauch in den
Mund des Patienten ist zu vermeiden, weil dadurch das Abschlucken
erschw’ert und eine Knotenbildung in der Sonde begünstigt wird.
Gewöhnlich geht die erste und zweite Sc'hluckbewegung gut, aber
sobald der Sondenknopf etwa in der Mitte des Schlundes in die
Gegend der Bifurkationsstelle der Trachea gelangt ist, treten Würg¬
bewegungen auf. Jetzt muss man durch eindringliches Zureden den
Patienten veranlassen, der Brechneigmig nicht nachzugeben, sondern
weiter zu schlucken. Sobald etwa 40—50 cm geschluckt sind, hört
jeder Brechreiz auf. Nur ganz ausnahmsweise und bei überempfind¬
lichen Patienten ist man genötigt, vor der Sondierung die Rachen¬
teile durch Kokainspray oder den Schlimd durch Abschluckcn eines
Teelöffels voll 0,5« oiger Kokainlösung unempfindlich zu machen. Von
dem Eintritt des Sondenknopfes in den Magen kann man sich da¬
durch überzeugen, dass man durch den Soudenschlauch etwa 2 bis
5 ccUi Luft mit kräftigem Stoss eingespritzt. Gewöhnlich hört man
dann die Luft in den Magen eintreten und der Patient gibt an, dass
er das Ausströmen im Magen spürt. Wir lassen nunmehr den Pa¬
tienten im Zimmer hin- und hergehen und langsam in 5 Minuten
etwa 5 cm Sonde weitersichlucken. Gewöhnlich sieht man dann selir
btild aus dem offenen Sondenende ohne weiteres Hiuzutun Magensaft
in das gleich von Anfang unterzulialtende Reagenzglas austräufeln.
Nunmehr legt man den Patienten auf einen Liegestuhl oder ein Bett
auf die rechte Seite und lässt wie oben bis etwa 70 cim weiter
schlucken. Jetzt tritt zunächst Magensaft mit Galle vermischt aus
(an der Kf^aktion und an der Gelbfärbung erkenntlich) und nach
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5] Bedeutung d. Duodenalsondierong f. d. Feststellung von Bazilienträgera etc. 237
10—15 Minuten läuft klare, fadenaiehende, alkalische Galla Bleibt
das Ausfliessen von Magendarmsaft aus oder versiegt es' wieder, so
spritzt man einige Kubikzentimeter Luft oder auch abgekochtee
Wasser durch die Sonde ein imd versucht danach vorsichtig anzu¬
saugen. Sobald die Sonde den Pylorus durchwandert hat und im
Duodenum angekommen ist, spürt der Patient das Binblasen von Luft
nicht mehr. Zuv^eilen bleibt der Gallenflu^ trotz längerem Zuwarten
bei offener Sonde auä, es fliesst nur Magensaft, und man kann fee^^t-
stellen, dass die Sonde, obwohl 70 cm verschluckt sind, noch voll¬
ständig im Magen liegt. Verhilft jetzt weiteres Aljschluokefn von
10—15 cm nicht zu dem gewünschten Ziele, so lässt man einige
Schluck Wasser trinken. Hierdurch vörd die Magenperistaltik an¬
geregt imd die Sonde wandert weiter. Man kanri sich auch dadurch
zu helfen versuchen, dass man die Sonde wieder bis zur Marke 50
zurückzieht und nochmals langsam nachschludken lässt. Nur ganz
ausnahmsweise gelingt die Sondierung (infolge von Pylorusspasmus ?)
beim ersten Versuch nicht und man muss dann an einem folgenden
Tag wiederholen. Pati&nten, bei denen trotz wiederholter Versuche
die Sondierung überhaupt nicht zum Ziele führte, haben wir bisher
nicht beobachtet.
Bei den ersten etwa 50 Duodenalsondieningen pflegten wir den
ausfliessen den Saft zur bakteriologischen Untersuchung dann zu
sammeln, wenn er klar und deutlich gallig verfärbt erschien, auch
wenn die Reaktion sauer war. Wir sättigten in diesem Falle die
Säure vor Anlegung der Kulturen alsbald durch tropfenweisen Zu¬
satz von lOo/oiger Sodalösung ab. Da w'ir bei diesem Vorgehen ge¬
legentlich bei Patienten, die regelmässig Typhusbazillen mit dem
Stuhl ausschieden und klinisch überdies noch Anzeichen von Gallen¬
blasenerkrankung boten, wider Erw'arten keine Typhusbazillen im
Duodenalsaft fanden, nahmen wir die Möglichkeit einer bakterien¬
hemmenden bzw. bakteriziden Wirkung im Magen- und Duodenal¬
saft an.
Wir untersuchten iin ganzen 23 mit der Duodenalsonde ent¬
nommene Magensäfte auf ihr Verhalten gegen eingeimpfte T^phus-
bazillen.
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238
Küster und v. Holtum.
[6
Das Verhalten eingeimpfter Typhusbazillen.
Nr.
Tag
Freie Salzsäure j
Gesamt-Säure
1
In natürlich sau¬
rem Magensaft bei
Abimpfung einer
Platinöse in ein
Röhrchen Nähr¬
bouillon nach
Minuten:
In dem mit Vio n*
NaOH neutrali¬
sierten Magensaft.
Abimpfung wie in
Spalte V
In physiologischer
NaCl-Lösung mit
entsprechendem
Säurezusatz.
Abimpfung wie in
Spalte V.
!•
3 5
10
15
1
3
5
10
15
1
3
5
10
15
20
1
13.
III.
41
52
—
1
j
—
—
+
1
+ i +
+
+
+
—
—
—
—
6
2.
III.
41
51
>>
ff
»*
21
13.
III.
35
46
ff
ff
28
22.
III.
24
46
>>
ff
—
—
—
—
—
1
23.
II.
18,5
33,5
»♦
ff
+
+
—
—
27
21.
IIL
14
32
ff
—
—
—
—
26
21.
III.
14
28
ff
ff
+
+
+
—
—
14
9.
III.
6,6
23
+
— —
—
—
ff
—
—
—
—
15
9.
III.
6
20
+
—
—
ff
—
—
—
—
25
15.
III.
7
20
—
—
—
+
+
+
—
—
+
+
-f
—
—
29
22.
III.
4,5
15
—
” 1 ””
—
—
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+
+
+
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—
—
16!
12.
III.
0
15
4 -
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+
+
+
+
+
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12.
III.
0
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III.
0
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III.
0
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2.
III.
0
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+
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—
8
5.
III.
0
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24
15.
III.
0
6
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ff
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III.
0
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15.
III.
0
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IIL
0
2,5
ff
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23
15.
III.
0
2
ff
ff
ff
13
8.
III.
0
1,8
ff
f*
ff
I.
II.
III. 1
1
IV.
V.
VI.
VII.
Auf Grund dieser Untersuchungsbefunde müssen wir annehrae«!,
dass für die Bakterizidie des Magensaftes der Gehalt an freier Salz¬
säure ausschlaggebend ist. In Versuch Nr. 29 starben bei 4,5 freier
Salzsäure die Typhusljazillen noch in 1 Minute ab. Der neutralisierte
Magensaft ergibt in unserer Versuchsbreite keine bakterizide Wir¬
kung. Kochsalzlösung, welcher entsprechend dem Gehalt an freier
Salzsäure i/,o n. reine Salzsäure und dann bis zur Erreichung der
Gesamtakzidität n. ^01chsäure zugegeben tvar, erscheint unsicherer
in ihrer Bakterienveniichtung als der Originalmagensaft, so dass
ausser der Säurewirkung auch noch andere bakterizide Kräfte im
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7] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc 239
Magensaft vorhanden sein könnten. Jedenfalls beweisen die Ver¬
suche, dass man bei der Duodenalsondierung zwecks Feststellung
von Bakteriengehalt der Galle eitrigst bemüht sein muss, eine Bei¬
mengung von Magensaft zu vermeiden, weil durch den Magensaft
auch bei kurzdauernder Einwirkung dasi Kulturergebnis vernichtet
werden kann. Sogar die durch Duodenalsondierung gewonnene
alkalische, dickflüssige Gallenflüssigkeit kann unter Umständen
bakterienhemmende bzw. bakterizide Wirkung besitzen.
Die Einwirkung verschiedener durch Duodenalsondierung ge¬
wonnener menschlicher Gallen auf Typhusbazillen ist aus der Ta¬
belle II ersichtlich.
In dieser Untersuchtmgsreihe konnten natürlich nur solche
Duodenalgallen Verwendung finden, die bei der ersten Untersuchung
auf Wachstum von spezifischen Keimen sich als negativ erwiesen
hatten. Die Gallenflüssigkeit wurde jeweils, soweit dies durch
ständige Kontrolle von Farbe, Konsistenz und Reaktion möglich ist,
ohne Magensaftbeimengung auf gefangen, frisch mit 1/3 Nährbouillon
versetzt, 12—16 Stunden bei 37® bebrütet und dann auf Endo- und
Laekmusmilchzuckeragar verimpft. Wuchsen auf den Plattenaus¬
saaten (Spalte III) keine krankmachenden Darmbakterien, so wurde
der Duodenalgallenbouillon eine Öse frisch gewachsener Typhus¬
bazillen zugeimpft und nach wiederum 12—IGstündigera Verweilen
im Brutschrank bei 37® eine zweite Abimpfung vorgenommen, deren
Ergebnisse aus Spalte V zu ersehen sind.
Aus der Tabelle II ergibt sich, dass 11 mal unter 31 Fällen'
das Absterben von Typhusbazillen in Duodenalgallenbouillon be-
oljachtet wurde, und zwar 2 mal in Duodenalgallen, die überhaupt
kein Keimwachstum zeigten, und 9 mal in Duodenalgallen, in denen
nichtspezifische Keime in verschiedener Anzahl wuchsen. Dass in
letzteren Fällen nicht etwa die apathogenen Keime durch Über¬
wucherung das Wachstum der eingeimpften Typhusbazillen ver¬
nichteten, — eine Annahme, die bei der Menge der eingeimpften
Typhusbazillen und der geringen Dauer der Bebrütung an sich un¬
wahrscheinlich ist, — ergibt sich daraus, dass in den 20 Fällen, in
denen es gelang, die Typhusbazillen aus der Duodenalgallenlwuillon
wieder zu züchten, gar nicht selten die ursprünglich vorhandenen
nichtspezifischen Keime von den nachgeimpften Typhusbazillen bei
der zweiten Bebrütung vollständig zurückgedrängt wurden. Wir
müssen annehmen, dass unter Umständen die mensch¬
liche Galle sehr wohl antiseptische Eigenschaften
gegen spezifische Keime entwickeln kann und er-
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Küster und y. Holtum.
[8
Wachstum in Duodenalgalle
Nummer
der
Sondie-
Reaktion
des
Duodenalsaftes
nach Zusatz von
Nährbouillon 1: 3
auf
.a
o
TJ
nach Zusatz von
Nährbouillon 1:3
und Typhusbazillen
auf
OD
*2
o
'O
rung
Endo-
agar
Lackmus-
agar
c
Endo-
agar
Lackmus-
agar
15
alk.
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T
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16
99
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4:
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c
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17
99
—
—
—
—
—
—
19
stark sauer mit
Sodalösung
neutralisiert
■
L
L
C
20
alk.
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4
4
21
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II
C
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c
C
—
23
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—
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24
sauer, mit
Sodalösung
neutralisiert
+
4
c
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4-
25
alk.
L
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—
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L
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4
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4-
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4
4-
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C
4
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C
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4-
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±
4
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4-
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alk.
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4-
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L
4-
41
99
±
1 +
1
4
L
+
4-
L
II.
III.
IV.
V.
Zeichenerklärung; + gutes Wachstum; [_ geringes Wachstum; f” sehr
geringes Wachstum; —fehlendes Wachstum. Spalte II und IV: oberes Zmohen
= Wachstum überhaupt, unteres Zeichen = Wachstum verdächtiger Keime.
-f Typhusbazillen gewachsen, — Typhusbazillen nicht igewa<^hsen.
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= wacnsi
*9] Bedeutung d. Duodenalsondierung f, d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 241
blicken hierin ein günstiges Vorzeichen für die Möglichkeit einer
spezifischen Therapie der Gallenbazillonträger i).
Worauf die antiseptische Wirkung der Galle in den von uns
untersuchten Fällen zurückzuführen ist, entzieht sich vorerst unserer
Kenntnis. Es lag der Gedanke nahe, dieselbe auf die Bildung spe¬
zifischer Antikörper zurückzuführen. Da für das Vorhandensein von
Antikörpern überhaupt der Nachw'eis von Agglutininen hier den
gangbarsten Weg darstellt, untersuchten wir die Duodenalgalle von
41 Bazillenträgern auf ihre agglutinierenden Eigenschaften.
Bei 25 darunter befindlichen Typhusbazillenträgern zeigte die
Galle 18 mal keine Agglutination, sie agglutinierte 3 mal bis 1:10,
2 mal bis 1: 20 und 2 mal bis 1:40. Die Galle von 14 Paratyphus-B-
Bazillenträgern agglutinierte in 9 Fällen nicht, 3 mal war eine Agglu¬
tination positiv gegen Paratyphus-B, 1:10, 1 mal 1:20 und 1 mal
1:40 zu verzeiclmeii. 1 Paratyphus-B-Bazillenträger agglutinierte
keine Paratyphus-B-Bazillen, a1x;r Typhusl>azillen bis zur Verdünnung
1: 40. 1 Paratyphus-A-Bazillenträger und 1 Dysenteriebazillenträger
hesassen keine spezifische Agglutination. Unter den genannten 41 Pa¬
tienten war keiner, der klinische Zeichen von Cholezystitis bot. Da
in dem nicht entzündlich veränderten Gallensaft höchstens Spuren
von Eiweiss vorhanden sind, so war auch keine grosse Agglutination
zu erwarten, wahrscheinlich haben aus dep gleichen Gründen aber
auch Antikörper überhaupt für die Bakterizidie der Galle und für
das Ausheilen der Bazillenansiedelung in der Galle nur geringe Be¬
deutung. Es dürfte nicht schwer halten, imter Heranziehung der
Düodenalsondierung bei künstlicher spezifischer Immunisierung dar¬
über sichere Aufklärung zu schaffen.
Von Stepp (Münchener med. Wochenschr. 1915, Nr. 49) wird
vorgeschlagen, die puodenalsonde nach ihrer Einführung reichlich
mit abgekochtem Wasser zu durchspülen, um den Duodeüalinhalt
ohne Verunreinigung von aussen zu erhalten. Wir haben dafür
keinen zwingenden Bedarf gefunden, wohl aber muss man während
des Auffangens der Galle zu Kulturzwecken ständig den Sekretfluss
beaufsichtigen; denn es kommt nicht selten vor, dass, nachdem
schon reine Galle ausgelaufen ist, plötzlich wieder sauerer Magen¬
saft austritt, ohne dass die Sonde zurückgezogen wurde. Es handelt
sich in diesem Falle offenbar um Magensaft, der sich dimch den
Reiz der Sonde in grösserer Menge im Magen gesammelt hat und
nun in das Duodenum übergetreten ist. Bei Patienten mit sehr starker
‘) cf. Fornct, Arch. f. Hyg. Bd. 60 und Pies, Arch. f. Hyg. Bd. 62.
Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H. 3 u. 4. 16
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
242
Küster und v. Holtum.
[10
Hag'eagaftsekretion 1r3>.nn man niir auf imnutenlaiig<es Laufen reiner
GaUe rechnen.
Über die absolute Länge, bis zu der die Sonde geechluc^
werden muss, lassen sich keine bestimmbea Zahlen angeben. Die
erforderliche Länge ist verschieden nach der Grösse des Patienten
und je nachdem die Sonde g-latt durdh den Magen durchgegangeo
ist oder Schleifen in demselben gebildet hat.^ Gewöhnlich ist die
Einführung von 70—80 cm Sondenschlauch erforderlich. In einigMi
Fällen haben wir aber auch bis 120 dm schlucken lassen, ehe Galle
abfloss. Es ist nicht zwedkmässig, nach dem Eintret^ von reinem
Gall^fluss noch weiter Schlauch abschlucfeen zu lassen, weil sonst
der Gallenfluss versi^ und nur Duod«ial- bzw. Pankreassaft ab¬
läuft
Wir führten schon im Laufe des letzten halben Jahres bei 124 Pa¬
tienten 428 Sondierungen aus, und zwar bei 15 l^phusbozillenträgMU,
4 Paratyphus-A-, .66 Paratyphus - B - Bazillenausscheidem, 4 Ruhr¬
kranken, 5 T^phusi- baw. Paratyphuskranken und 30 nicht darm-
kranken Personen.
Die Ergebnisse der Sondierung sind aus dem Folgenden er¬
sichtlich :
A. Typhnsbazillenträger.
Unter diesen befanden sich 12 Typhusstuhlbazillenausscheider,
3 Typhusurinbazillenausscheider. Die 3 Typhukurinbazillenaus¬
scheider waren bei allen Duodenalsondierungen fi^i von Typhus¬
bazillen in der Galle. (Nr. 630, 628, 640.)
I. Übereinstimmende bakteriologische Befunde in Stuhl und
' Duodenalsaft
Bei den Typhusstuhlbozillenausscheidem ergab sich auf Grund
des bakteriologischen Gallenbefundes als Gruppeneinteilung:
I. a) 5 Typhusstuhlbazillenausscheider ergaben in Stuhl und
Galle im wesentlichen übereinstimmende positive Befunde.
Nr. 472. Stuhl 2 mal positiv; Galle 2 mal positiv.
Nr. 771. In 2monatigen Untersuchungen war Stuhl 3 mal
positiv, 4 mal negativ; Galle 4 mal negativ, 7 mal positiv. 6 von
diesen positiven Gallensondierungen wurden an 6 aufeinanderfolgen-
Anmerkung: Die agglutinatorische Kraft der Gallen von zwei wegen
Cholezystitis operierten Paratyphus - B-Bazillenträgern konnten wir ehemals
(Küster-Günzler, Zur Behandlung der Typhusbazillenausscheider, Zeitschr.
f. Hyg. und Infektionskrankheiten, Bd. 81, 1916, S. 465) zu 800 und 500 gegen
Paratyphus- B Bazillen feststellen.
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
11] Bedeutung d. Duodonalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 243
den Tagen ausgeführt, um die Annahme einer schubweisen Bazillen-
ausscheidung aus der Balle aufzuklären.
Nr. 458. Stuhl 2 mal positiv, 1 mal n^tiv; Galle 3 mal positiv.
Nr. 479. Stuhl 4 mal positiv, 5 mal negativ; Galle 4 mal positiv,
2 mal negativ.
Nr. 774. Stuhl 5 mal positiv, 4 mal negativ; Galle 6 mal positiv,
2 mal negativ.
Da es sich um zweifellose Dauerausscheider handelt und die
Technik dei: Untersucänmg bei allen Untersuchung«! tmvarändert
blieb — Ausstrich auf Endoplatte —, darf man die Gesamtergebnisse
gegeneinander bewerten: Es stehen von 39 Stuhlimtersuchungen
18 positive 22 positiven Untersuchungsbefunden bei 38 Duodenal-
gallenuntersuchungen gegenüber.
I. b) 2 Patienten gingen uns als Typhusstuhlbazillenausscheider
zu, waren früher auswärts wiederholt im Stuhl positiv gefunden wor¬
den und waren hier bei all«i Untersuchimgen in Stuhl imd Galle
n^tiv. (Nr. 648; 734.)
I. c) 3 Patienten gingen als lyphusstuhlbazillentr^er zu, waren
hier anfangs im Stuhl wiederholt positiv i) und später in allen Stuhl-
imd GallenTmtersuchungen negativ, sind also als inzwischen ab¬
geheilte Typhusbazillenträger aufzufassen. (Nr. 642, 644, 5.39.)
II. Abweichende bakteriologische Befunde in Stuhl und
Duodenalsaft.
Nr. 647 ergab bei den bakteriologischen Stuhlimtersuohungen
bezüglich Vorhandensein von Typhusbazillen einen schwankenden,
meist negativen Befund. Stuhl 2 mal positiv, 4 mal negativ. Die
Galle war in 4 Untersuchungen frei von Typhusbozdllen, doch fielen
diese Untersuchungen in eine Zeit, in der wir mit der Ausarbeitung
der für die bakteriologische Untersuchung geeignetsten Technik der
Duodenalsondierung noch beschäftigt waren. Sondierungsmaterial 1
wurde von Staphylokokken überwuchert. Sondierungslmaterial 2, 3
und 4 waren sauer infolge Beimischxmg von Magensaft. Alle 4 Be¬
funde können daher für die wissenschaftliche Bewertung kaum in
Betracht kommen.
Nr. 653 ergab bei der bakteriologischen Stuhluntersuchung eben¬
falls schwankenden Befund. Stuhl 3 mal positiv, 3 mal negativ. Die
Gallenuntersuchung war 4 mal negativ bei alkalischer Reaktion des
Duodenalgallonsaftes. In allen 4 Untersuchungen wuchsen nicht¬
spezifische Keime, 1 mal reichlich Kokken, 2 mal reichlich nicht-
Duodunalsafturitersuclningen wurden damals noch nicht vorgenommen.
16 *
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
244
Küster und v. Holtum.
[12
sipezifische Stäbchen, 1 mal wenig© nichtspezdfisch© Stäbchen. Eine
Übel wucherung von Typhusbazillen in Duodenalgallenbouillon durch
Kokken haben wir bislier nicht gesehen, auch nicht experimentell
hervorrufen können. Bei der zweiten und dritten Sondierung könnte
eine Überwucherung stattgefunden haben.
Zusammenfassung: Es stimmte also in 10 Befunden das
Ergebnis der Duodenalsondierung mit der Stuhluntersuchung im
wesentlichen überein, während in 2 Fällen ©ine gewisse Differenz
vorliegt.
B. Paratyphns-A-Bazillenansscheider.
Bei einem Paratyphus A-Urinbozillenausscheider waren 4 Duo-
denalgallenxmtersUchungen frei von Paratyphus A-Bazillen. (Nr. 777.)
Von den 3 Paratyphus A-Stuhlbazillenausscheidem ging uns
Nr. 814 als Dauerausscheider zu, wurde aber in 4 Duodenalgalle-
und 9 Stuhluntersuchungen frei von spezifischen Keimen gefunden.
Nr. 815 wies bei 5 Stuhluntersuchungen 1 mal Paratyphus A-
Bazillen auf, während die Duodenalgalle bei 5 Sondierungen Frei¬
sein von Paratyphus A-Bazillen ergab. Bei der ersten dieser Son¬
dierungen wurde saurer Duodenalsaft erhalten, während die 4 fol¬
genden sicher alkalische Gallen lieferten. Im Kulturverfahren
blieben 3 dieser Duodenalsäfte keimfrei, während in einem wenige
• Kokken, in dem anderen Kokken in mittlerer Zahl gezüchtet wurden.
Bei Nr. 849 stehen beim Abschluss dieser Arbeit (15. III.)
5 negative Stuhlbefimde einem positiven gegenüber, während beide
Gallensondierungen positiven Befund von Paratyphus A-Bazillen er¬
gaben.
^5. I. 1917. Stuhl: neg.; 6. II. Stuhl: Paratyphus A ; 10. II.
Stuhl: neg.; 22. II. Stuhl: neg.; 22. II. Galle: Paratyphus A -f-;
2. III. Stuhl: neg.; 3. III. Galle: Paratyphus A -j- ; 15. III. Stuhl:
negativ.
Nachtrag: Da bei Patient Nr. 814 und 815 nach Abschluss
dieser Arbeit am 15. III. nachträglich wesentliche Ändenmgen des
Befundes eintraten, seien diese hier nachtragen.
Nr. 814: Am 16. ID. und 23. III. G: —; am 30. IH. G: +.
Sofort nach der Entfernimg der Sonde wurde dem Pat 10 g Tier¬
kohle in Wasser in den leeren Magen ©ingegeben imd 2 !ur bak¬
teriologischen Stuhluntersuchung beim Erscheinen der kohlen¬
haltigen Fäzcssäule unmittelbar vor und unmittelbar nach dieser
eine Probe entnommen. Die bakteriologische Untersuchung auf spe¬
zifische Darmlxtktericn fiel negativ aus, ebenso ©ine Stuhlunter-
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Goi.igle
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
13] Bedeutung d. Duodenalsondicrung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 245
suchung am 30. III. und 10. IV. Der Patient ist demnach gallen-
iiifiziert, obwohl er hier im ganzen in 9 vorhergehenden Stuhl¬
untersuchungen und 6 vorherhergehenden Gallenuntersuchungen, so¬
wie in 2 nachfolgenden Stuhluntersuchungen frei befunden wurde.
Nr. 81.5: Wurde später im Stuhl noch wiederholt positiv ge¬
funden, auch in dem Duodenalgallensaft fanden sich Blaukeime,
die kulturell Paratyphus-A entsprachen, aber inagglutinadel waren.
Da Patient während dieser Zeit sich in spezifischer Behandlung'
befand, so wird an anderer Stelle noch ausführlich darauf zurück-
ztikommen sein.
Paratyplius«U«BaziIlenstulilausscheider.
Die Untersuchung erstreckte sich auf insgesamt 66 Patienten.
Im wesentlichen übereinstimmende Befunde wurden in 46 Fällen
erhoben, und zwar:
I. Bei 21 Patienten war der Befund im Stuhl bei iusgelsamt
71 Untersuchungen und in der Galle bei insgesamt 51 Untersuchungen
stets negativ. Es handelt sich hier um Patienten, die uns auf Grund
der früheren auswärts gemachten Untersuchimgen als Paratyphus-B-
Bazillendauerausscheider zugingen und ausheilteu.
548, 634, 767, 768, 769, 770, 776, 781, 782, 786, 793, 816,
817, 823, 825, 831, 835, 8.39, 840, 842, 845.
ß
II. Bei 25 Patienten wurde bei wiederholten Untersuchungen
d^ Stuhls und des Duodenalgallensaftes schliesslich ein positiver
Befund erhoben, und zwar:
a) Bei 9 Patienten wurde im Stuhl häufiger ein negativer als
positiver Befund festgestellt: Es stehen 21 positive Stuhlbefunde
36 negativen gegenüber, während bei den Duodenalgallenunter¬
suchungen ein günstigeres Gesamtergebnis vorliegt, insofern, als
15 positive Befunde 13 negativen gegenüberstehen.
J.-Nr. Stuhl positiv Stuhl negativ Galle positiv Galle negativ
614 2 5 1 1
785 1 4 2 2
605 4 5 1 0
818 1 3 1 2
820 2 3 2 2
832 2 2 2 2
8.34 1 .3 2 2
8.38 3 3 3 1
404 5 8 1 1
21 .36 15 13
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Got'gle
Original from
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
'246
Küster und v. Holtum.
[14
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b) Bei 12 Patienten wurde im Stuhl häufiger ein positiver als
negativer Befimd erhoben; es stehen hier 61 positive Stuhlhefunde
21 negativen gegenüber, während bei der Galle 29 positive Unter¬
suchungen auf 28 negative kommen.
J.-Nr. Stuhl positiv Stuhl negativ Qalle. positiv QaOe negativ
388
493
646
653
672
773
775
788
791
792
824
826
6
5
12
4
9
1
3
4
5
3
4
5
5
2
3
0
4
0
2
0
3
1
1
0
1
1
1
1
2
2
4
1
9
3
1
3
1
2
0
1
1
1
4
5
6
1
5
1
61 21 29 28
c) Bei 3 Patienten war der Stuhlbefund schwankend, zuweilen
negativ, die Galle stets positiv, und zwar waren 11 Stuhlimter-
Suchungen
positiv.
4 negativ, 11
Gallenimtersuchimgen sämÜidi
positiv.
J.-Nr.
Stuhl positiv
Stuhl negativ Galle positiv
828
3
2 3
836
4
1 4
843
4
1 4
d) Bei einem Patienten 847 wurde in Stuhl imd Galle bei je¬
weils 4 maliger Untersuchung ein positives Ergebnis erzielt.
UI. Bei 19 Patienten war der Stuhlbefimd schwankend, während
bei keiner Gallen Untersuchung spezifische Bakterien gefunden werden
konnten.
a) Bei 12 von diesen Patienten konnte aus besonderen Gründen
(baldige Entlassung) die Duodenalgalle nur 1—2 mal untersucht
werden.
Goi.igle
Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
16] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von BaziUentiHgem etc. 247
J.-Nr.
Stuhl positiv I
Stuhl negativ Galle negativ
465
2
9
2
508
1
11
1
531
6
4
1
587
2
8
1
590
1
7
1
635
2
13
1
638
2
15
1
641
1
• 7
1
643
1
3
1
645
3
10
1
654
6
11
2
779
2
1
2
29
99
15
Es wurden 29 mal im Stuhl Paratyphus-B-Bazillen gefunden,
während sie in 99 Stuhlxmtersuchungen vermisst wurden. Die Galle
war in allen 15
Untersuchxmgen frei von
spezifischen Baktesrieia.
Diese Gruppe von
Patienten kann mit Eücksidht auf die geringe An-
saihl der GallMiunterskichungen nicht sicher bewertet werden. Immer¬
hin könnte man sie dahin deuten, dass es sich um eine massige An-
siedelung von Paratyphus-B-Bazillen
nur im
Darmkanal handelt
b) Bei 7 Patienten wurde ebenfalls im 1
Stuhl ein schwankender
Befund bezüglich des Vorkommens
von Paratyphus-B-Bazillen er;
hoben. Die Duodenalgalle wurde bei ihnen
aber auch bei wieder-
holten Untersuchungen stets frei von
Paratyphus B-Bazillen gefunden.
J.-Nr.
Stuhl positiv Stuhl negativ Galle negativ
534
7
18
4
766
1
3
4
772
6
1
6
778
1
1
4
783
1
2
3
794
1
4
3
822
1
3
4
18
32
28
Da in dieser Gruppe 18 positive Stuhluntersuchungen 32 ne¬
gativen gegenüberstehen, die Galle aber 28 mal frei von Paratyphus-
B-Bazillenwachstum blieb, dürfte man veranlasst sein, hier eine
Darmansiedelung der Paratyphus-B-Bazillen ohne
gleichzeitige Gallen Infektion anzunehmen.
Um dem Einwand zu begegnen, dass hier etwa misslungene
Sondierungen das negative Kulturergebnis der Duodenalgallenunter¬
suchungen gezeitigt hal)en könnten, führe ich die ednzelnen Unter-
suchimgisprotokolle an:
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Gov Igle
Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
248
Küster und v. Holtum.
[16
Menge
Zugabe von:
Nr.
Tag
Reaktion
Soda¬
lösung 10%
1 Nähr-
1 bouillon
Wachstum
Ergebnis
534
8. X
52
sauer
8 gtt.
10
Steril
neg.
9f
15. XL
45
alkaL
—
10
L StaphyL
tf
t»
20. XI.
40
ff
—
10
L Coocenu. Spor. Bac.
•9
99
24. XL
25
ff
—
10
Steril
ft
767
6. XII.
50
ff
— •
10
L Staphyl.
f9
99
20. XII.
70
ff
—
15
Steril
f*
99
1. I. 17.
120
9f
—
50
+
ff
772
9. XII.
40
9f
—
10
-f Coli
f9
99
16 . xn.
70
ff
50
-f Coli, Coccen
f9
99
28 . xn.
200
•
ff
—
50
-f- Proteus
ff
99
9. I.
120
ff
50
-f CoU
ff
99
20. I.
100
ff
—
50
L Coli
ff
99
8. 11.
90
ff
—
50
-b Coli
ff
778
7. XII.
50
ff
—
10
L Coccen
ff
9»
23. xn.
90
ff
—
50
4- Coli, Coccen
ff
99
30. xn.
130
ff
—
50
L StaphyL
ff
99
5. I.
50
ff
50
|_ Stäbchen, Coccen
•9
783
9. xn.
70
ff
_ 1
15
-f Staphyl. Proteus
99
99
23. xn.
90
ff
—
50
L Coli
4-
99
2. I.
80
ff
— i
50
L Staphyl.
»•
794
6. xn.
10
ff
—
5
|_ Coli, Coccen,
»»
99
21 . xn.
80
ff
“ i
15
Steril
ff
99
1.1.
150
ff
—
50
—
ff
822
19. I.
50
ff
—
50
4- Coli
*f
99
14. n.
45
99
i
15
4- Coli
*f
99
22. 11.
40
ff
‘ —
50
-b Coli
fS
9»
3. in.
110
ff
—
50
4- Coli
ff
>»
9. in.
30
ff
—
50
4- Coli
ff
t»
16. III.
40
ff
—
50
4- Stäbchen grampos.
ff
Zeichenerklärung: -f VVachstum, L geringes, — fehlendes Wachs¬
tum. In der VII. Spalte gibt das Men gen Zeichen vor St^hylococccn usw. die
G Dichtigkeit des Kolonien wachs tu ms dieser nichtspezifischen Beimengungen an, das
AhingMpJißhen darunter bezieht sich auf das Wachstum verdächtiger Kolonien.
Ö UNIVERSITY OF CALIFORNIA
17] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Festi^tellung von Bazillenträgern etc. 249
IV. Bei einem Patienten Nr. 841 wurde endlich der Stuhl 8 mal
frei von Paratyphus-B-Bazillen gefunden, während in der Galle
4 mal ein negativer, 2 mal ein positiver Befund erhoben wurde.
Der gewonnene Duodenalsaft bestand in allen Fällen aus alkalischer
Galle. Erste Entnahme reichlich Lactis aerogenes, dritte Entnahme
wenige Staphylokokken, fünfte Entnahme w'enige Staphylokokken
und Streptokokken, sechste Entnahme Proteus überwuchert, zweite
und vierte Entnahme Paratyph\is-B-Bazillen. Hier liegt also eine
Galleninfektion vor, bei der aber die Paratyphus-B-Bazillen auf
ihrem Weg durch den Darm vernichtet werden und normalerweise
nicht zur Avisscheidung gelangen.
Zur Kontrolle sondierten wir auch 4 Ruhrpatienten und 30 nicht
darmkranke Personen. In keinem Falle wurden spezifische Keime
in dem Gallensaft gefunden.
Darmkranke typhusi- bzw. paratyphvisverdächtige Patienten zu
sondieren, hatten wir bisher nur in 5 Fällen Gelegenheit.
Fall 9, 1916, erkrankte klinisch an einem typischen Typhus;
3 Stuhluntersuchungen waren frei von Typhusbazillen, die Blut¬
kultur blieb steril, die W i d a 1 sehe Reaktion betrug 1: 200 -]-. Die
Gallenuntersuchung ergab 3 Wochen nach Beginn der Erkrankung
Vorhandensein von Typhusbazillen. Eine Woche nach der Entfiebe¬
rung war die Galle frei von Typhusbazillen.
Nr. 813 erkrankte vmter Fieber und Kopfschmerz ohne typische
Fieberkurve; keine 'Pulsverlangsamung, keine Durchfälle. Die erste
Duodenalsondierung ergab sofort das Vorhandensein von Para¬
typhus-A-Bazillen.
Typhuspatient Nr. 673, der in der zweiten Woche der Erkran-
kvmg in Stuhl imd Urin mit Typhusbazillen infiziert gefunden wurde,
ergab 8 Wochen nach Beginn der Erkrankung Ivazillenfreie Duo-
denalgalle.
Nach Erledigung von rund 450 bakteriologischen Untersuchungen
des Duodenalgallen Saftes vmd noch weit mehr bakteriologischen ent¬
sprechenden Stuhluntersuchungen dürfte es wohl gestattet sein, ein
Urteil über die Bedeutung der Duodenalgalleusaftuntersuchung zu
fällen.
Von allen Duodenalgallensaftuntersuchungen ergaben bei
sicheren Stuhlbazillenausscheidem 27 o/o einen positiven Befund, wäh¬
rend bei den Stuhluntersuchungen 42o/o ein positives Ergebnis hatten.
Dieser Befund könnte eine Überlegenheit der Stuhluntersuchungen
Vortäuschen, aber wenn man aus der Zahl der Untersuchungen die¬
jenigen Paratyphus-B-Bazillenstuhlausscheider ausSchaltet, bei denen
eine vorwiegende oder alleinvorliegende Darminfektinn ange-
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UNtVERSITY OF CALIFORNIA
250
Küster und v. Holtum.
[lg
nommen werden mu:^ (Gruppe lila und IIIb), so stehen nunm^ir
52 o/o positive Stuhlrintersiuchungen 51 o/o positiven Gallenunter¬
suchungen gegenüber. Da wir während unserer Unterauchungen erst
die günstigste Technik herausfinden mussten und die Zahl der posi¬
tiv«! Duodenalgallenunterguchungen in der zweiten Versuchsreihe
entschieden verhältnismässig zugenommen hat, so ist mit Sicherheit
zu erwarten, dass in Zukunft die Zahl der positiven bakteriologischen
Untersuchungen eher zu- als abnehmen wird. Wir dürf«i aber
heute schon die bakteriologische Untersuchung des Duodenalgallen-
saftes, absolut genommen, der bakteriologischen Stuhluntersuchung
gleichwertig erachten.
Die zur Zeit geübte Technik der Duodenalgallensondierung ist
so einfach und die erforderliche Sonde so billig zu beschaffen, dass
die Ausführung der Sondierung und die bakteriologische Unter-
suchimg des Duodenalgallensaftes allgemein in Konkurrenz mit der
bakteriologischen Stuhluntersuchung treten kann.
Die Duodenalsondierang dürfte von vielen, besonders gebildeteren
Patienten wesentlich ästhetischer empfunden werden, als die Fäaes-
abgabe und daher leichter Zu erreichen Sein. Sie kann jederzeit
im Laboratorium vorgenommen werden, am besten vormittags im
nüchternen Zitötand.' 'iMan kann aber auch etwa im Magen vor¬
handene Speisereste rasch durch eine Magenspülung entfernen. Der
Widerstand gegen das Schlucken des Sondenschlauches schwindet
erfahnmgsgemäss nach der ersten Sondierung.
Man sollte die Duodenalsondierung auch bei T^phusrekonvales-
zenten, deren Stuhl in wiederholten Untersuchungen bazillenfrei
gefund«! worden ist, vornehmen, denn die Typhusbazillwi könnten
auf ihrem Wege durch den Darmkanal abgestorben sein. Man würde
sicherlich auf diese Weise noch eine Reihe von Dauerausscheidern
frühzeitig feststellen.
Die bakteriologische Duodenalgallenimtersuchung bietet voll¬
kommene Sicherheit gegen betrügerische Handlungen des Patienten,
sei es, dass er durch Unterschiebung positiver Untersuchung^
materialien sich einen Vorteil zu verschaffen sucht, sei es, dass
er durch Abgabe von negativem Material (fremde normale oder be¬
handelte eigene Stühle) sich Unannehmlichkeiten zu entziehen sucht
Beide Machenschaften sind bisher durchaus nicht selten beobachtet
Eine Verhütung ist einwandsfrei nur dadurch mögUoh, dass der
Arzt selbst sich der höchst unangenehmen Aufgabe unterzieht, die
Defäkation und die Materialentnahme zu überwachen. Zwedflem an
der Richtigkeit dieser Behauptung können vir mit Erfalirungen aus
der Praxis dienen.
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Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
19] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 251
Die bakteriologisiche üntersuohung' des Duodenalgalleasaftes
stellt für die Untersuchungsstelle eine Entlastung und Vereinfachung
dar. Eine Überwucherung der spezifischen Keime während der Ver¬
sendung (Auffangen in aDralischer Nährbouillon I) und bei der Platten¬
aussaat ist viel unwahrscheinlicher als bei Stuhlproben.
Die Beimengung von bakterizidem sauerem Magensaft zur Duo-
denalgalle lässt sich fast stets vermeiden. Die spontane antiseptische
Wirkung mancher Gallen beeinträchtigt ‘ wohl den absoluten Wert
der bakteriologischen Qallenimtersuchung, setzt ihn aber gleichwohl
bei Durchschnittsberechnimg nicht \mter den Wert der bakteriologi¬
schen Stuhluntersuohung. Nur mit Hilfe der Duodenalgallensaftuntar-
suchung ist man imstande, eine Galleninfektion einerseits \md eine
reine oder vorwiegende Darmansiedelung andererseits mit Sicherheit
zu erkennen.
Die hypothetische schubweise Entleerung spezifischer Bazillen
aus dem Gallengangsystem konnten wir bei besonderer Untersuchxmg
von 2 Patienten, dem Typhusbazillenträger Nr. 771 und dem Para-
typhus-B-Baaillenträger Nr. 791, die sich besonders leicht sondieren
Hessen, nicht bestätigen; 'beide Patienten vnirden an 6 aufeinander¬
folgenden Tagen im Laboratorium duodenalsondiert und in jedem
Duodenalgallensaft ein positiver Befund erhoben. Weitere Unter¬
suchungen sollen folgen, weil bisher die Gesamtheit unserer Unter-
suchimgen für eine schubweise Entleerung spricht. Sie wurde viel¬
fach aus dem schubweisen Vorkommen der spezifischen Keime in
den Fäzes gefolgert, obwohl bekanut ist, dass der Gehalt der Fäzes
an bodenständigen und zufällig vorhandenen Darmkeimen das Unter-
suchungsergebnis, auch des besten Untersuchers in \mübersehbarer
Weise beeinflusst. Von der Bedeutimg der Darmbakterien für die
Vernichtung spezifischer Keime kann man sich nach der Methode
von Nissle zur Bestimmung des antagonistischen Koli-Index so leicht
überzeugen, dass eine Schlussfolgerung aus dem negativen Fäkal-
unterZuchungsbefund auf die Beimengung spezifischer Keime im
oberen Darmabschnitt xmhaltbar erscheint.
Nur wenn Fäzes und Duodenalgalle bei wiederholten Unter¬
suchungen frei von krankmachenden Keimen gefunden sind, darf
ein Bazillenausscheider für geheilt erachtet werden. Alle früheren
nur auf StuhlimterSuchungen gegründeten Urteile sind durCh eine
derartige Nachuntersuchung auf ilire Stichhaltigkeit zu prüfen.
Die Duodenalgallenuntersuchung ist auch dazu berufen, die Heil¬
behandlung der Bazillenausscheider zu leiten und zu fördern. Bei
Darmansiedelimg der krankmachenden Keime wird eine darm-anti-
septische, diemo-therapeutisclie und biologische (Nissle) Behänd-
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252
Küst^T und V. Holtum.
[20
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lung' am Platze sein und Aussicht auf Erfolg bieten. Bei Gallen-
infektion kann nur eine Beliandlung mit solchen Mitteln zum Ziele
führen, die der Galle selbst bakterizide Eigenschaften verleihen. Die
grosse Mehrzahl der Bazillenausscheider wird zweifellos als Gallen¬
ausscheider erkannt werden und die Heilbehandlung der Galle wird
über die Heilung der Bazillenträger entscheiden.
Während man bisher zur Beurteilung einer Tlierapia der Ba¬
zillenträger auf den Umweg der bakteriologischen Stuhluntersuchung
angewiesen war, kaim man mit Hilfe der Untersuchung von Ihiodenal-
gallensaft direkt die chemische oder biologische Wirkung feststellen;
man kann analytisch nachweisen, ob ein Mittel überhaupt in die
Galle übergeht (wir fanden es bisher für Formalinderivate, Salizyl,
Kupronat und Quecksilber) und man kann die Wirkung auf die
Gallenbazillen, sowie das Auftreten bakterizider Stoffe überhaupt
kulturell und serologisch verfolgen. Hiermit ist eine gesichert© Grund¬
lage für die Bazillenträgerbehandlung geschaffen. Freilich wird noch
manche Sonde geschluckt werden müssen, ehe der ausgelobte Preis
für erfolgreiche Behandlung zugesprochen werden kann. Aber die
Bemühungen auf diesem Gebiet© müssen zum Ziele führen: Auf
Grund von Leichenrmtersuchungen nimmt man an, dass in jedem
T}’^phusfall die Galle mit Bazillen infiziert wird. 5 o/o der Typhus¬
fälle werden auf Grund der bakteriologischen Stuliluntersucihuugen
zu Bazillenträgern. Die Richtigkeit dieser beiden Annalimen voraus¬
gesetzt, beweist sie günstige natürliche Bedingungen für die Aus¬
heilung einer Galleninfektion und widerspricht — schwere histolo¬
gische Veränderungen des Gallensystems und Gallensteinbildtmg aus¬
genommen — der Berechtigung einer ablehnenden Haltung, die heute
so vielfach der Heilbarkeit der Galleninfektion entgegengebracht
wird. Die Galle kann, wüe nachgewiesen, natürücherwedse anti¬
septische Eigenschaften annehmen und ist ebenso sicher für medika¬
mentös angewandte antiseptische Mittel ©rredchbar.
Jede DuodenaJgallensOndierung bietet für den Bazillenträger, für
die Umgebung und für di© ärztliche Wissenschaft Vorteile. Für
die ärztliche Wislsenscliaft durch Förderung unseres Wissens über
das Wesen und die Heilbarkeit der Galleninfektion, für den Bazillen¬
träger durch Entfernimg von angehäuftem Ansteckungsstoff, An¬
regung des ausspülend wirkenden Gallenflusses und Unteirstützung
der Ijodenständigen Darmkeim© in ihrem Bestreben, all© fremden
Anmerkung: Zur Zeit sind diesseits Versuche im Gange, um durch
Einführung von Kohlepulver durch die Duodtmalsonde nach der Gallenentnahme
festzustellen, welches Schicksal spezifische Keime auf ihrem Weg durch den
Darmkanal erleiden.
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21] Bedeutung d. Duodenalsondierung f. d. Feststellung von Bazillenträgern etc. 253
Keime zu überwuchern und endlich für die Allgemeinheit durch
Verminderung der Bazillenausstreuung.
Nachtrag bei der Korrektur. Während wir mit oben¬
stehenden Untersuchimgeu beschäftigt waren, erschienen zwei Ver-
öffentlichimgen über Duodenalsondierung bei Typhus von Bossert
und Leichtentritt (Deutsche med. Wochenschr. 1917) und
Retzlaeff (Med. Klinik 1917).
. Bossert und Leichtentritt stellten durch vergleichende
Stuhl- und Duodenalsaftuntersuchungen bei einem Typhuspatienteo
fest, dass die Typhusbazillen in dem Stuhl länger als in der Galle
nachweisbar waren tmd führten di^ Erscheinung auf eine Pause
in der Ausscheidung der Bazillen durch die Galle zurück. Der Be^
fund könnte sich u. El auch so erklären, dass die Galleninfektion
bereits ausgeheilt war, während die Bazillen aus dem Darm noch
nicht verschwunden waren.
Retzlaeff konnte bei der Untersuchung von 106 Patienten
nur 5 mal einen positiven Befund in dem Duodenalgallensaft er¬
heben ; seine Untersuchimgen ergaben ein wesentlich schlechteres
Resultat als die imsrigen. Retzlaeff glaubt durch seine Befunde
die Annahme, dass in der überwiegenden Melirzahl der Fälle die
Gallenblase der Ansiedlungsort der Typhusbazillen sei, nicht stützeai
zu können. Wir müssen dieseh Schluss als durch unsere Unter¬
suchungen widerlegt erachten ünd befinden uns in dieser Beziehung
in Übereinstimmung mit den pathologisch-anatomischen Erhebungen.
V. K.
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Klinische, experimentelle und pathologisch-ana¬
tomische Mitteilungen über Icterus infectiosus
(Weil sehe Krankheit).
Von
Dr. Rihm, Dr. Emst Frinkel and Dr. Max Busch.
Mit 6 Karren im Text nnd 1 farbigen TafeL
I.
Klinisehe Befunde und Epidemiologie von Dr. Rihm
und Dr. Ernst FränkeL
Die Veröffentlichungen über Icterus infectiosus (Weilsehe
Krankheit), die im Laufe des letzten Jahres erschienen sind, geben
uns Veranlassung, unsere Beobachtungen über dieses E^rankheitsbild
in folgendem mitzuteilen.
Wir haben im ganzen 11 Fälle von Weilsöher Krankheit be¬
obachtet, davon fallen 3 ins Jahr 1915 und 8 ins Jahr 1916. Die
1915 zur Beobachtung gekommenen Fälle traten alle drei in den
Sommermonaten Mai, August und Se{)tember auf. Alle kamen aus
derselben Gegend in Zugang.
Der erste Fall erkrankte am 20. IV. 1915, nachdem er sich
schon einige Tage vorher unwohl gefühlt hatte, plötzlich an Kopf¬
schmerzen, Schwindelgefühl und Blutspucken. Am 1. V. wurde der
Patient wegen Typliusverdachtes dem Lazarett überwiesen.
Aufnahmebefund; Temp, 39,3®, Puls 106, Herpes labialis, sub-
ikterische Verfärbung der Haut und der Konjunktiven. 10. Krank¬
heitstag : Am Bauch und an den Beinen mehrere punktförmige Haut¬
blutungen. Lunge, Herz o. B., Leib etwas aufgetrieben, Leber und
Milz druckschmerzhaft und perkutorisch vergrössert. Die Beinmusku¬
latur, besonders die Waden, etenfalls sehr druckempfindlich. Urin;
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2] Klinische, experim. u. pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectioaus. 255
Spuren von Eiweiss und Gall^farbstoffen. Bakteriologisch Stuhl
und Urin negativ für Typhus \md Paratyphus.
3. V. Lytischer Abfall der Temperatur, Zunahme des Ikterus,
Nasenbluten imd ErbrechMi von gallig gefärbter Flüssigkeit Am
Rumpf und au den Oberschenkeln grossfleckiges, blaurotes Exanthem.
Patient klagt über heftige Kopfschmerzen. Urin: Eiweiss- tmd gallen¬
farbstoffhaltig.
6. V. Temperatur normal, Allgemeinbefinden gebessert, das
Exanthem ist geschwunden, die Gelbfärbung geht zurück. Leuko¬
zytenzahl 15 700.
14. V. Erneuter Temperaturanstieg auf 88,5®. Leber ver-
grössert, druckschmerzhaft. Am 19. V. Entfieberung, seitdem
bleibt der Patient fieberfrei. Es trat also nach der ersten ■ fieber¬
haften Periode (bis 15. Krankheitstag) ein fieberfreies Intervall von
6 Tagen (15.—21. Krankheitstag) und dann ein Rezidiv von 6 Tag^
(21.—27. Krankheitstag) mit Temperatur bis 38,5® auf.
Der zweite Fall wurde am 9. VIII. 1915, ebenfalls unter Typhus¬
verdacht eingeliefert, nachdem er schon seit dem 1. VIII. an Durch¬
fall und Kopfschmerzen erkrankt war.
Aufnahmebefund: Temperatur 39,3®, Puls 108, Leib eingezogen,
druckempfindlich, Leberdämpfung normal, Milz perkutorisch ver-
grössert
Am 10. VIII. traten heftige Schmerzen in der Beinmuskulatur,
NadcOTsteifigkeit, Kernigsches Symptom und Kopfschmerzen auf.
Am 11. VIII. hatten die Gehirnsymptome imter Temperatursteige¬
rung bis 40® so zugenommen, dass eine Lumbalpunktion vorgenommen
wurde. Der bakteriologische Befund der Lumbalflüssigkeit war ne¬
gativ für Meningokokken. Blut und Stuhl negativ für Typhus und
Paratyphus. Vom 11. bis 14. entfiebert der Patient lytisch auf 36,8®.
Am 14. VIII. trat ein allgemeiner Ikterus der Haut und der
Schleimhäute auf. 14. Krankheitstag: Milz und Leber sind perku¬
torisch vergrössert und druckempfindlich. Le;ikozytenzahl 13 000.
Am 16. VIII. tritt eine starke Herabsetzung der Urinmenge auf
(900 ccm in 24 Stunden). Allgemeinzustand unverändert. Im Urin
Gallenfarbstoff und Eiweiss. Hämoglobingehalt 78o/o. Blutaussaat
auf Platten steril. Vom 17. VIII. bleibt Patient völlig fieberfrei,
die ikterische Verfärbung der Haut geht zurück. Am 27. VIII.
Ikterus völlig geschwunden. Urin frei von Gallenfarbstoff und Ei¬
weiss. Von da ab ungestörte Genesung. Ein Rezidiv trat in diesem
Falle nicht auf.
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256 Rihm, E^st Frankel und Max Busch. [3
Der dritte Fall wurde am 27. VIII. 1915 eingeliefert und war
am 19. VIII. plötzlich mit Schwindelgefühl, Brechreiz und Dtirch-
fall erkrankt. Bei der Aufnahme am 25. betrug die Temperatur 39,8“
und blieb daselbst stark remittierend, zwischen 37 und 38“. Keine
Muskelschmerzen. Bei der Aufnalime im hiesigen Lazarett am
27. VIII. klagt der Patient über Schmerzen im Kopf, Schwindel-
gefühl und Gliederreissen.
Aufnahmebefund: Temperatur .36,7“, Puls 64, Leber imd Milz
perkutorisch leicht vergrösSert. Muskulatur beider Oberschenkel stark
druckempfindlich. Durchfall ohne Blut und Schleim.
Am 29. VIII. tritt eine plötzliche Temperatursteigerung auf 40“
ohne neuen objektiven Befund ein. Blut und Stuhl negativ für
Typhus und Paratyphus. Am 31. VIII. lytischer Temperaturabfall
auf 36“. Am 1. IX. bei normaler Temperatur zeigt sich eine ikterische
Verfärbung der Haut und der AugenbindehauL Der Urin, der bis
jetzt normal w’ar, weist eine positive Eiweissprobe auf. 10. IX. Der
Ikterus hat sich bis heute noch verstärkt unter Abnahme der sub¬
jektiven Beschwerden. 18. IX. Der Ikterus ist fast völlig geschwunden,
Patient steht auf, Urin und Temperatur bleiben normal bis zur
Entlassung. Bemerkensw^ert sind die starken Remissionen im Fieber¬
anfall und das Ausbleiben eines Rezidivs.
Allen drei Fällen ist das Auftreten von Sym¬
ptomen gemeinsam, die auf eine akute Allgemein¬
infektion hinweisen, eine fieberhafte Periode von
einigen Tagen, lytische Entfieberung oder starke
Remissionen beim Abklingen des Fiebers und Auf¬
treten eines allgemeinen Ikterus. Beim ersten Fall
trat nach einer fieberfreien Periode von 6 Tagen
ein Rezidiv auf, das eine zweite Fieberperiode von
etwa 10 Tagen umfasste. Bei den beiden anderen
Fällen fehlt das ausgesprochene Rezidiv. Am auf¬
fallendsten war das Auftreten eines allgemeinen
Ikterus um den 10. Krankheitstagherum. DieKrank-
heit beginnt mit Fiebererscheinungen und Sym¬
ptomen von seiten des Zentralnervensystems, wie
Kopfschmerzen, Schwindelgefühl usw., mitSchmer-
zen in der Muskulatur, besonders in der Wadenmus¬
kulatur, mit Vergrösserung und Schmerzhaftigkeit
von Leber und Milz und einer Hyperleukozytose
von 13 000 bis 15 000 Leukozyten. Verstopfung oder
Durchfall deuten auf Schädigung des Darms, das
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4] Klinische, experim. u. pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 257
Auftreten von Eiweiss und die Verminderung der
Harnmenge auf eine Schädigung der Nieren hin.
Während des Ikterus ist Gallenfarbstoff im Urin
nachweisbar. Die Rekonvaleszenz erstreckt sich
auf eine lange Zeit, während welcher die .Patienten
noch häufig über Mattigkeit und Kopfschmerzen
klagen.
Ein weiterer Fall, welcher aber nicht mit Sicherheit zu dieser
Krankheitsgruppe zu rechnen ist, wurde am 13. XI. 1915 bei uns
aufgenommen. Der Ikterus war schon am 4. XI. aufgetreten, die
Temperatursteigerung jedoch nxir geringfügig. Im Urin wurde Gallen¬
farbstoff nachgewiesen, aber kein Eiweiss. Der weitere Verlauf dieser
Krankheit bot nichts Bemerkenswertes.
Seitdem traten keine weiteren verdächtigen Fälle mehr auf bis
zum Juli 1916.
Fall 1. Beginn der Erkrankung am 16. VII. 1916. Bei der
Aufnahme am 19. VII. bestand Schwäche in den Gliedern, Kopf-
und Leibschmerzen und Durchfall. Der Leib ist druckempfindlich,
die Leber kaum vergrössert. Allgemeiner Ikterus der Haut und
Schleimliäute. 4. Krankheitstag: Temperatur 37,6®. Vom 24. an lang-^
samer Anstieg der Temperatur bis 38,4®. Am 26. VII. perikardiales
Reiben, Herzdämpfung nach links verbreitert. Urin frei von Eiweiss
und Gällenfarbstoffen. W^en Verdachtes auf infektiösen Ikterus
nach einem anderen Lazarett verlegt. Hier wird neben dem Ikterus,
dem Herzbefund und der Lebervergrösserung ein Milztuipor festge¬
stellt Im Urin findet man Eiweiss, Bilirubin und Urobilin. Letiko-
zytenzahl 12 600. Stuhl enthält Gallenfarbstoffe. Am 29. VII. Milz
deutlich palpabel, Ikterus und Leberschwellung zurückgegangen. Im
Urin notdi Spuren von Eiweiss. Am 2. VIII. war Patient kritisch
entfiebert. Urin frei. Am 6. VIII. tritt erneute Temperatursteigerung
auf 38® ein. Nachdem am 9. VIII. nochmals eine Temperatursteigerung
auf 37,4® ohne Lokalsymptome aufgetreten war, bleibt die Temperatur
bis 20. VIII. normal, wo zugleich mit dem Einsetzen von Durch¬
fällen und Schmerzen in der Nabelgegend eine geringe Steigerung
zu verzeichnen war. Von da ab ungestörte Rekonvaleszenz. Ent¬
lassung am 26. IX. Am 15. VIII. war eine serologische Blutunter¬
suchung (Oberstabsarzt Professor Dr. Kuhn) vorgenommen worden,
die ein positives Resultat für Weil sehe Krankheit ergab (durch
Nachweis von Schutzkörpem im Serum).
Fall 2. Der zweite in diesem Sommer beobachtete Fall erkrankte
Vährend seines Urlaubs am 4. VIIL, nachdem er sich schon auf der
BeitrSge zur Klinik der Infektionskrankheiten. Bd. VI. H 3 u. 4.
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«
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258 Rihm, Elmst Frankel und Max Busch. [5
Reise un\^hl gefühlt hat, mit Ohnmachtsanfällen. Am 6. Ylll.
treten Durchfälle, Ikterus und heftiges Nasenbluten auf, das während
der ganzen Beobachtungszeit bestehen blieb.
Aufnahmebefund: Temperatur 37,4®, Puls 106. Starker Ikterus
der Haut und der Skleren, Herz, Lunge o. B. Der Leib war etwas
tympanitisch aufgetrieben, Leber und Milz perkutorisch vergrössert.
Die Wadenmuskulatur äusserst schmerzhaft Im Urin Eiweiss, Blut
und Gallenfarbstoffe nachweisbar (Lexikozytenzahl 9300). Im Urin¬
sediment keine Zylinder, vereinzelt rote und wedsse Blutkörperchen.
Esbac^i 0,7 o/o. Am 9. VIII. Temperatur 38,5®, Puls 92, Allgemein¬
zustand unverändert. Am Unterleib mehrere punktförmige Haut¬
blutungen. Verimpfung von 1 dem venösen Blutes intraperitoneal
auf ein Meerschweinchen verläuft negativ. Die bakteriologische
Untersuchung von Blut und Stuhl auf Typhus und Paratyphus er¬
gibt ebenfalls ein negatives Resultat. Am 10. VIII. war die Wasser¬
mann-Reaktion zweifelhaft Am 11. Temperaturabsturz auf
35,6®, Puls 74. Der Patient ist leicht benommen. Die Nasenblutung
steht nur auf Tamponade. Zunahme des Ikterus xmd der nephriti-
schen Erscheinungen, Urinmengen 500 in 24 Stunden. Blutdruck 150.
Am 13. VIU. Exitus (10. Krankheitstag). Sektionsbefund folgt an
^anderer Stelle. Spirochätennachweis in Nieren schnitten: positiv!
Fall 3. Am 15. VIII. mit Gliederschmerzen plötzlich erkrankt.
Im ersten Lazarett Temperatur um 38®. Am 18. VIIL Auftreten eines
allgemeinen Ikterus. Aufnahmebefund: Temperatur 38,9®. Haut am
ganzen Körper ikterisch gefärbt An der Brust imd in der Leisten¬
beuge mehrere stecknadelkopfgrosse Hautblutungen. Milz und Leber
deutlich vergrössert, druckempfindlich. Urin enthält Spuren von Ei¬
weiss, Gallenfarbstoff, kein Blut Leukozyten 10900. Im Urinsedi¬
ment zahlreiche Leukozyten, vereinzelt granulierte Zylinder. Am
19. VIII. Tierversuch (1 ccm Blut intraperitoneal an einem Meer¬
schweinchen) negativ. 21. VIII. Patient hat lytisch entfiebert. All¬
gemeinzustand unverändert Urinmenge 800 cdm. Urinbefund un¬
verändert Blut, Stuhl und Urin negativ für Typhus, Ruhr und Para¬
typhus. Am 23. VIII. Urin frei von Eiweiss, noch gallenfarbstoff¬
haltig. Blutaussaat in Bouillon steril. Ungestörter Verlauf der Re¬
konvaleszenz.
Bei den nächsten vier Fällen, deren Krankheits¬
verlauf kurz folgt, ergab der Tierversuch ein posi¬
tives Resultat. .
Fall 4. Plötzlicher Beginn mit Schüttelfrost am 30. Vin. imd
Schmerzen in den Beinen. Am 2. IX. Auftreten von Ikterus. Am
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6] Kliniache, experim. u. pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 259
4. IX. Aufnahme im Lazarett. Befund: Temperatur 37,2®. Ikterus,
Leber und Milz vergrössert. Urin: Eiweiss 3o/o und gallenfarbstoff¬
haltig; für Blut negativ. Im Sediment Leukozyten imd granulierte
Zylinder. Leukozytenzahl 9300. Am 4. IX. Tierversuöh positiv.
(6. Krankheitstag.) Am 8. IX. stieg die Temperatur, die seit 3. nor¬
mal war, auf 38,6°. Befund unverändert. Während der Ikterus und
die subjektiven Beschwerden zurückgingen, blieb die Temperatur
vom 10. bis 23. normal. Vom 24. IX. bis zum 3. X. Fieberperioden
mit starken Remissionen ohne objektiven Befund. Ikterus ge¬
schwunden, Urin frei. Leber rmd Milz noch leicht vergrössert
Wassermann negativ. Ungestörte Rekonvaleszenz.
Fall 5. Am 13. X. erkrankte der Patient mit Kopf- und’Waden-
schmerzen. Am 15. X. Krankmeldung. Temperatur 39®. Blutiger
AusTi\Tirf. Aufnahmebefund am 17. X.: Allgemeiner Ikterus, Herpes,
Leber und Milz perkutorisch vergrössert. Nasenbluten. Im Urin
Eiweiss, Blut und Gallenfarbstoffe. Leukozytenzahl 8900. Am 19. X.
Tierversuch positiv. Am 20. X. lytische Entfieberung. Im Urin
Spuren yon Eiweiss, kein Blut, reichlich Gallenfarbstoff. Injektion
von 10 ccm sterilem Rekonvaleszentenserum intravenös. 23. X. Auf¬
treten eines urtikariaähnlichen Ausschlags. 28. X. Seit 21. X. fieber¬
frei. Zweite Injektion von 10 ccm Serum. Am 2. XI. Temperatur¬
anstieg auf 38® ohne besonderen objektiven Befund. Milz und Leber
noch leicht vergrössert. Im Urin noch Spuren von Eiweiss. Die
Temperatur bleibt subfebril bis 24. XI. Ikterus hat während dieser
Zeit deutlich abgenommen. Urin frei, imgestörte Rekonvaleslzeinzi.
Fall 6. Beginn der Erkrankung am 27. X. mit Kopf- und Wadein¬
schmerzen, bronchitische Erscheinungen. Am 30. X. starke Gelb¬
färbung des ganzen Körpers. Aufnahmebefund am 31. X.: Ikterus,
Leber und Milz vergrössert, stark druckempfindlich, Muskelschmerzen,
Temperatur 39®. Leichtes ödem der Unterschenkel. Im Urin Spuren
von Eiweiss, Gallenfarbstoffe, kein Blut, Menge stark herabgesetzt
(200 ccm).
Datum des Blutausstrichs: 31. X. 2. XI. 3. XI. 4. XI.
Leukozyten
710/0
790/0
730/0
730/0
grosse Lymphozyten
190/0
■7V2°/o
lio/o'
60/0
kleine Lymphozyten
50/0
6 0/0
90/0
120/0
Eosinophile
—
—
20/0
10/0
MyelozytMi
5 0/0
50/0
80 / 0 '
Am 1. XI. starkes Nasenbluten. Am 2. XI. kritischer Tempe¬
raturabfall auf 37®. Leukozytenzalil 10 600. Anurio. Intravenöse
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260 Rihm, Ernst Frankel und Max Busch. [7
Injektion von 10 ccm Rekonvaleszentensermn. Am 3. XI. Tempe¬
ratur fällt staffelförmig ab bis zur Norm. Eascher Kräfteverfall.
Anurie besteht weiter. Durch Katheter werden 5 ccm trüben Urins
entleert. Am 4. X. ausgedehnte Ödeme am Rücken und Fussrücken,
blutige Durchfälle; am 5. XI. Exitus.
Fall 7. Der Patient erkrankte am 27. X. mit Halsschmerzen und
Schmerzen in den Gliedern. Am 30. X. rostfarbiger Auswurf, Tempe¬
ratur 39,5°. Am 31. X. Ikterus, Aufnahme im Lazarett, Leber und
Milz vergrössert, druckschmerzliaft, leichtes Ödem der Unterschenkel.
Im Urin Spuren von Eiweiss; Gallenfarbstoffe, kein Blut Temperatur
38,2°. Am 1. XI. starkes Nasenbluten. Am 2. XL lytischer Tempe¬
raturabfall von 39 auf 37°. Intravenöse Injektion von 10 dem Re¬
konvaleszentenserum. Am 4. XI. Temperatur normal, allgemeines
Wohlbefinden. Leukozytenzahl 4800.
Blutausstrich am:
31, X.
2. XI.
3. XI.
4. XI.
Leukozyten
66°/o
58%
22%
,460/0
grosse Lymphozyten
200/0
150/0
140/0
130/0
kleine Lymphozyten
7%
120/0
290/0
30 0/0
Eosinophile
30/0
110/0
40/0
Myelozyten
40/0
150/0
240/0
70/0
Urinbefuhd normal. Ungestörter Verlauf der Genesung.
Fall 8. Es folgt ein letzter Fall, der am 9. XI. plötzlich mit
Schüttelfrost und Erbrechen erkrankte. Während des Aufenthaltes
ira Lazarett Temperatur zwischen 39° und 40°, Delirien. Kritische
Entfieberung am 14. XI.
Aufnahme in unserem Lazarett: Ikterus, Waden- und Kopf¬
schmerzen, Milz und Leber vergrössert, druckschraerzhaft. Urin
positiv für Eiweiss und Gallenfarbstoffe. Vom 16. bis 17. Temperatur
leicht erhöht, Befinden unverändert. Während die Temperatur bis¬
lang um 37° herum war, stieg sie plötzlich erneut auf 40° an.
Am Rumpf mehrere frische Hautblutungen. Tierversuch negativ.
Am 26. XL Temperatur kontinuierlich mn 39°, Zunahme des Ikterus.
Im Urin Spuren von Eiweiss und Gallenfarbstoffe; kein Blut Am
4. XII. lytische Entfieberung, die Nierenerscheinungen bestehen noch
weiter. Der Patient ist seit 6. XII. lieber- und beschwerdefrei. Mit
der Entfieberung trat eine ausgiebige Diurese auf. Der Urinbefund
ist nonnal. Leber- und Milzvergrössening nicht mehr nachweisbar.
Der Ikterus geht deutlich zurück. Der Patient befindet sich auf
dem Wege der Besserung.
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8] Klinische, experim. u. psthoL-anatom. Mitteilungen Uber Icterus infectiosus. 261
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Kurve 5. Fall 7. 1916. Kurve 4, Fall 6. 1916.
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Rihm, Emst Fränkel und Max Busch,
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10] Klinische, experim. u. pathol.-anatom. Mitteilungen übcricterusinfectiosus. 263
Bei den beiden tödlich verlaufenen Fällen er¬
folgte der Tod am 10. Tage unter urämischen Erschei¬
nungen im Koma am Ende der ersten Fieberperiode.
Während bei einer Anzahl der Fälle nur eine
einmalige Fieberperiode beobachtet wurde, sehen
wir als besonders bemerkenswerten Befund bei den
anderen Fällen, dass nach der ersten Fieberperiode,
nach der Entfieberung am 8. bis lü. Krankheitstage,
eine etwa 10tägige fieberfreie Zeit folgt, an die
sich eine zweite mehr oder tveniger lange Fieber¬
periode anschliesst (z. B. Fall 5, 7 und 8 und Fall 1 vom
Jahre 1915), auf die dann entweder eine ungestörte
Rekonvaleszenz oder nochmals eine oder zwei kurze
Fiebersteigerungen folgen. Diese Pällenähern sich
also noch mehr dem klassischen Bilde der von Weil
beschriebenen Infektionskrankheit auf der einen
Seite und dem Gelbfieber auf der anderen Seite.
Wenn wir uns trotzdem für berechtigt halten,
auch diejenigen Fälle zum gleichen Krankheits¬
bilde hinzuzureebnen, die nicht genau den gleichen
Verlauf zeigen, so ist dies teils zurüCkzuführeii
auf das Vorhandensein der wesentlichsten Sym¬
ptome, teils auf das Ergebnis unserer ätiologischen
und experimentellen Untersuchungen, auf die wir
später noch zurückkommen.
Für wesentlich halten wir den Beginn mit den Symptomen
einer akuten Infektionski'ankheit, mit Störungen von seiten
des Zentralnervensystems und des Magen-Darmkanals, das
Auftreten einer 5 bis 10 tägigen Fieberperiode mit ein- oder
mehrmaligem Rezidiv nach 8 bis 11 Tagen, das Vorhandensein
von Schmerzen in der Muskulatur, Vergrösserung von Leber
undMilz, das Auftreten eines meist schweren Ikterus während
oder nach der ersten Fieberperiode, mit mehr oder weniger
acholischen Stühlen und grösserem oder geringerem Gallen¬
farbstoffgehalt im Urin. Die Lenkozytenzahlen sind meist
eiHiöht, Hämoglobingehalt meist vermindert.
Die Differentialzälilung der Leukozyten ergab
anfangs normale Werte, zum Teil Verminderung
der eosinophilen. Später trat eine relative Lympho¬
zytose und eine Vermehrung der eosinophilen auf
bei allen günstig verlaufenden Fällen. Diese Blut¬
krise, die auf einen erheblichen Reizzusta’nd des
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Rihm, Emst Frankel und Max Busch.
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blutbildenden Apparates hindeutet, fiel etwa auf
den 10. Tag und fehlte bei einem der tödlich ver¬
laufenen Fälle. Die weiteren Untersuchungen
müssen zeigen, ob die Veränderungen als repara-
torisch und prognostisch günstiger Vorgang auf¬
gefasst werden können.
Für diagnostisch wichtig halten wir die bei fast allen
Fällen beobachteten Blutungen an Haut und Schleimhaut,
die in Form von Petechien, Nasenbluten, blutigem
Aus Wurf, Darmblutungen und Blut im Urin auf¬
traten, als Ausdruck einer toxischen Schädigung
der Kapillaren. Der Puls entspricht anfangs der
Temperatur, ist aber nach Auftreten des Ikterus
verlangsamt Im Urin finden wir neben mehr oder
weniger Eiweiss, granulierte und hyaline Zylinder, rote
und weisse Blutkörperchen. Die Urinmenge war in den
meisten Fällen während der Fieberperiode stark
herabgesetzt, bei den tödlichen Fällen bis zur
Anurie vermindert Zweimal wurde ein Herpes la¬
bialis bei Beginn der Erkrankung beobachtet In¬
teressant ist es, dass die Wassermann-Reaktion
mehrfach negativ ausfiel, trotzdem es sich um eine
Spirochätenerkrankung handelt. Nur in einem Falle
(Nr. 2, 1916) war am 7. Kr an k h ei ts tage (3 Tage vor dem
Tode) eine schwache Hemmung nachweisbar.
Die Therapie war meist symptomatisch auf Regelung des
Stuhlgangs und Schonung der Nieren bedacht Diät, Regulierung
der Flüssigkeitszufuhr und Bettruhe sind bei der langen und auf¬
fallend schweren Rekonvaleszenz eine längere Zeit hindurch anzu¬
ordnen. Ob Arsenikalien als spezifische Tlierapie und zur Anregung
des blutbildenden Apparates nicht wegen der schweren Lel)erschädi-
gung kontraindiziert sind, lässt sich noch nicht sagen. Das gleiche
gilt von den Salizylpräparaten mit Rücksicht auf die Nieren. In
einigen Fällen wurden ohne sichtbare Einwirkung 10 ccm Rekoo-
vale.szentenscrum intravenös nach dem Vorschläge von Uhlen-
huth eingespritzt. Die Anwendung ist wohl nur im Beginn der
Krankheit empfehlenswert, weil ohnehin der Zerfall der Spirochäten
im späteren Stadium durch Freiwerden der Toxine Leber und Niere
erhelTieh zu schädigen und dadurch das Lel>en zu bedrohen scheint.
Die ersten Erkrankungen in imserer Gegend wurden 1915 im
Hochsommer beolxichtet, der letzte sichere Fall im September 1915.
Bis 16. Juli 1916 wurden dann keine derartigen Fälle mehr gesehen.
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12] Klinische, experim. u. pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 265
Die 8 Fälle dieses Jahres traten auch vorwiegend im August, Sep¬
tember und Oktober, ein Fall noch im November auf. Bis auf
2 Fälle kamen alle aus derselben Gegend, ohne dass sich nähere
Zusammenhänge finden Hessen. Die 2 Fälle traten auf bei 2 Pa¬
tienten derselben Kompagnie, 3 Tage nachdem sie von einem an¬
deren Kampfgebiet hierher transportiert waren, wo sie daueand in
einem feuchten, ^hlammigen Gelände im Freien sich hatten auf¬
halten müssen. Gemeinsam mit den von anderer Seite (Schott)
beschriebenen Erkrankungsgruppen hat die imserige das Auftreten
im Spätsommer, während von anderer Seite (Müller) gerade Winter¬
epidemien beobachtet wurden. Ob die Fälle von Ickert (Februar
1915 bis Mai 1916) und die von BenCzur (Juli bis Winter j 915)
in die gleiche Krankheitsgruppe gehören, lässt sich wegen des Fehlens
der ätiologischen Feststellungen nicht mit Sicherheit sagen. Be¬
merkenswert ist, da^ auch alle 4 von Weil beschriebenen Fälle
im Juni und Juli begonnen haben. Hecker und Otto beschrieben
Winter- und Sommerepidemien. Sie glauben, dass die Krankheit
hauptsächlich beim Baden übertragen wird imd könnten durch Bade¬
verbot die Verbreitung derselben verhindern. Die Zukunft muss
zeigen, ob es sich bei dem „Icterus infectiosus“ (Hecker, Otto,
K n a u t h und Müller), bei der Weil sehen Krankheit (W eil,
Schott) und beim „Icterus epidemicus“ (Ickert, Benczur,
Hennig etc.) um die ätiologisch gleiche Erkrankung handelt, wie
es nach der Gleichartigkeit der Symptome wahrscheinlich ist. Auch
wird die Zukunft zeigen müssen, ob nicht in dieselbe Krankheits¬
gruppe das Gelbfieber der tropischen Gegenden hineingehört, das
in jeder Beziehung die grösste Ähnlichkeit im Verlauf und der Über¬
tragungsweise zu haben scheint. Die Übertragung der Krankheit ge¬
schieht nach Ansicht der meisten Autoren durch Insekten; speziell
glaubt Reiter, dass eine Fliegenart (Hämotopota), wie Experimente
gezeigt haben, für die Übertragung der Krankheit in Betracht kommt.
Jedoch könnten auch andere stechende Insekten als Zwischenträger
eine Rolle spielen, was die Häufung der Erkrankung im Spätsommer
nnd die Infektionsgelegenheit beim Baden erklären würde. Sicher¬
lich bestehen aber noch andere Möglichkeiten der Übertragung, z. B.
dnreh Wunden (Göbel bei Labor. Ipfektion) oder durch den Kon-
takt (Uhlenhuth und Fromme im Tierversuch), möglicherweise
auch per os oder durch unverletzte Haut und Schleimhäute^). Ob
'n einem Zwischenträger (Insekt) ein Entwickelungszyklus des Er-
ff'Rers anzunehmen ist, ist noch nicht erwiesen. Beim Menschen
Anm. So eine leider tödlich verlaufene Infektion durch die Konjunktiva
«Einern bekannten Forscher.
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Ribiu, Ernst Frankel und Max Busch.
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gelingt, wie beim Gelbfieber, die Übertragung des Err^ers nur in
den ersten Krankheitstagen, wo er im Blute kreist Später ist er
als Spirochäte nicht mehr anzutreffen. Es ist fraglich, ob andere
Formen zu finden sind. Wir sahen gelegentlich in diesem Stadium
inalariaähnliche Einschlüsse im Blut Nach der Feststellung von
Uhlenhuth und Fromme, Hübener xmd Reiter wurde der
Erreger fast in allen Organen in den ersten Krankheitstagen beim
Tier angetroffen. Wir haben üm in Übereinstimmung mit den ge¬
nannten Autoren im Urin der Patienten durch den 'Tierversuch
nachweisen können. Die Inkubationszeit beim 'Tier beträgt 4 bis
10 Tage. Der Tod mit Ikterus tritt peist plötzlich zwischen dem
7. und 10. Tage auf. Auch beim Menschen scheint die Inkubationst-
zeit und 1. Krankheitsperiode eine ähnliche Dauer zu haben. Auch
hier ist am 10. Tage eine mitunter tödliche Krise zu beobachten,
dann kann auch beim scheinbar entfieberten Falle ein rekurrens-
älmliches Rezidiv mit erneutem Fieberanstieg oder sonstigen Er¬
krankungssymptomen nach weiteren 5 bis 10 Tagen Intervall ein-
treten. Bis jetzt ist in diesem Rezidiv der Nachweis des Erregers
noch nicht gelimgen, ebenso nicht die Übertragung auf die 'Tiere.
Auch hier sehen wir wieder Analogien zum Gelbfieber.
Krumbein und Frieling beschreiben das Vorkommen der
Erkrankung bei Hunden und daran anschliessende Infektion von
Monsdien. Ob sonstige Haustiere daran erkranken können, ist nicht
bekannt. Beim Affen und beim Kaninchen liess sich eine ohne GeJb-
sucht auftretende Erkrankung experimentell erzeugen, bei der durch
die Rückimpfung von Blut auf Meerschweinchen das typische Krank¬
heitsbild mit Nachweis des Erregers erzeugt werden konnte. Da
auch Göbel bei seinen beiden Laboratoriums-Infektionen keinen
Ikterus beobachtet hat und doch bei Verimpfung auf Meerschweinchen
Ikterus und .Spirochäten fand, sf> ist anzunehmen, dass eine Reihe
von Infektionen ohne Ikterus ätiologisch zu derselben Krankheits¬
gruppe gehören, und wohl erst durch die experimentelle und ätio¬
logische I''orschung als solche aufgedeckt werden können. Hierbei
wird in den ersten Krankheitstagen der positive Impfversuch am
Meerscliweinchen und der Nachweis von Spirochäten, in der späteren
Zeit der serologische Nachweis von Antikörpern im Blute des Pa¬
tienten wertvolle Hilfe leisten. Die Wichtigkeit der Feststellung für
die Prophylaxe erhellt daraus, dass die Krankheit eine erhebliche
Storbliehkoit aufweisen kann, Ix'i anderen Autoren bis zu 13o/o, bei
uns 18*Vo (2 von 11 Fällen), und da.ss die Erkrankung schwer, die
Rekonvaleszenz langwierig ist und Komplikationen häufig sind, ferner
daraus, dass die Erkrankung einen erheblichen Umfang annehmen
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14] Eliiiische, experim. u. pathoI.-anatoin. Mitteilungen über Icterusinfectioeus. 267
kann (Benczur berichtet über hunderte von Fällen). Im Kriege
1870—71 erkrankten von einem bayerischen Korps 21 / 2 ®/» des Mann¬
schaftsbestandes, im amerikanischen Sezessionskriege viele tausend
Mann. Von besonderer Wichtigkeit wäre die Prophylaxe auch, wenn
sich herausstellen sollte, dass die Erkrankung mit dem Gelbfieber in
ätiologischem Zusammenhang steht, was nicht unwahrscheinhch ist.
Dann würden sich zugleich auch wertvolle Gesichtspunkte für die
Prophylaxe ergeben. In erster Linie ist es natürlich notwendig,
ebenso wie sonst bei infektiösen Krankheiten, die Erkrankten sofort
zu isolieren, und zwur so, dass sie auch vor Insektenstichen durch
Moskitonetze oder Gazefenster und Türen geschützt sind. Es ist
weiter notwendig, die Ex- und Sekrete der Kranken zu vernichten
und an Ort und Stelle zu desinfizieren, da der Urin als sicher in¬
fektiös erwiesen ist. Sollte sich mit Sicherheit heraussteilen, dass
eine Insektenart als Ülx'rtriiger in Betracht kommt, so muss eine
energische Bekämpfung dereslten eingeleitet werden. Durch diese
Massnahme allein gelang es Alves und Oswalde Kruz in
Brasilien und den Amerikanern auf Kuba eine vollständige Sanierung
der vom Gelbfieljer 'schwer heimgesuchten Länder herlxizuführen
und die Krankheit vollständig auszurotten. Wir haben durch die
neuere Kenntnis von der Übertragbarkeit imd Ätiologie des Icterus
infectiosus hoffentlich auch die Mittel und Wege zu seiner energi-
sciien Bekämpfung in die Hand bekommen.
Zusammenfassung.
I. Es wurde im Mai bis Juli 1915 und im Juli bis
Oktober 1916 eine Anzahl von Fällen beobachtet, bei
denen die Diagnose „W ei Ische Krankheit“ gestellt
wurde.
n. In allen Fällen handelte es sich um eine akut
auftretende Infektionskrankheit mitmehrtägigerFieber-
periode, beginnend mit Wadenschmerzen, Milz- und
Leber schmerzhaftigkeitoder Schwellung und Auftreten
eines starken Ikterus in derersten oder zweiten Krank¬
heitswoche. In fast allen Fällen waren nephritische
Symptome vorhanden, bei einer grossen Anzahl Stö¬
rungen des Zentralnervensystems. Auch trat in
einigen Fällen nach einer fieberfreien Periode
von 6 bis 10 Tagen ein fieberhaftes Rezidiv von einigen
Tagen Dauer auf.
Häufig traten Blutungen der Schleimhäute oder der
Haut auf (heftiges Nasenbluten, Darmblutungen, Petechien, blutiger
Auswurf etc,).
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268 Riimi, Emst Frankel und Mix Busch. [15
in. ZweivondenFäll en starben umden 10. Krank¬
heitstag herum unter urämischen Erscheinungen,
ungefähr am Zeitpunkt der ersten kritischen Ent¬
fieberung.
IV. Bei 4 Fällen konnte durch den positiven Tier¬
versuch und den Nachweis der Spirochaete icterogenes
(nodosa) (Uhlenhuth und Fromme und Hübener und
Reiter) mit Patientenblnt, in einem Falle auch mit Urin
die Diagnose bestätigt werden. In einem Falle wurde
in der Rekonvaleszenz serologisch durch den Nach¬
weis von spezifischen Schutzkörpern die DiagnosÄ
bestätigt; in einem fünften Falle nach dem Tode
die Spirochäte in Nierensöhnitten nachgewiesen.
In einem tödlich endenden Falle war eine sdhwach
positive Wassermann-Reaktion nachweisbar.
Neuerdings (Sommer 1917) erhielten wir anderwärts ein positives
Impfresultat bei der Verimpfung von Urin eines mit Ikterus ver¬
dächtig erkrankten, kriegsgefangenen Russen, während die mit Blut ge¬
impften Tiere nicht erkrankten. Ähnüches ist t'on Klose und von
französischen Autoren bereits berichtet (Garnier und Reil ly).
V. Die Blutuntersuchung ergab häufig eine
massige Leukozytose von 13 bis 15 000 Leukozyten,
und bei günstig verlaufenden Fällen um die Zeit
der Krise eine relative Lymphozytose und Zunahme
der Eosinophilen. Bei einem letal verlaufenden
Fall blieb die Veränderung des Blutbildes aus.
VI. Das sporadische Auftreten der Fälle, die
meist aus etw’a derselben Gegend kamen, lässt an
eine Übertragung durch Insekten (Schnaken oder Fli^en)
denken (Reiter). Blut und Urin des Kranken sind infektiös;
eine Kontaktinfektion ist also möglich.
VII. Die Prophylaxe muss besonders die Ver¬
nichtung der Überträger ins Auge fassen, die bei
dem ausserordentlich ähnlichen Gelbfieber in den
Tropen glänzende Erfolge gezeitigt hat.
VIII. Es ist anzunehmen, dass die Weilsche
Krankheit, der Icterus infoctiosus und der Icterus
epidemicus, vielleicht auch das Gelbfieber ätio¬
logisch einheitliche oder einander nahestehende
Krankheitsformen sind.
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16] Klinische, experim. u.pathoL-anatom.MittciiungeB über Icterus infectiosus. 269
• n.
Experimentelle und ätiologisehe Untersuehungen von
Dr. Ernst Fränkel (Heidelberg).
Während bei den Fällen des Jahres 1915 die ätiologische
;md bakteriologische Kontrolle sich darauf beschränkte, das Fehlen
einer andersartigen Infektion (Typhus, Meningitis etd ?) nachzu¬
weisen, waren wir gleich bei den ersten Fällen des Jahres 1916
darauf bedacht, die Diagnose durch das Tierexperiment imd durch
den Nachweis der spezifischen Erreger zu stützen, die inzwischen
durch die grundlegenden, gleichzeitigen und voneinander unab¬
hängigen Untersuchimgsbefunde von Uhlenhuth imd Fromme
einerseits, sowie von Hüben er imd Reiter andererseits bekannt
geworden waren. Erwähnt seien daneben die Befunde von Martin
\md Pettit bei 2 Fällen aus dem französischen Heere, darunter
eine Laboratoriumsinfektion bei einem Arzte. Die Befunde decken
sieh völlig mit denen der deutschen Autoren. Martin und Pettit
erwähnen 52 Fälle bei den Entente-Armeen und nehmen die Priorität
für die Entdeckung des Erregers und seiner Übertragbarkeit für die
Japaner Ido und Ina da in Anspruch. Die Franzosen bezeichnen
nunmehr die Erkrankung nach der Ätiologie und den wesentlichen
beiden Symptomen — Blutungen und Ikterus — recht zutreffend
.als Spirochaetosis icterohaemorrhagica.
Da der erste Fall erst in der Rekonvaleszenz zu unserer
Kenntnis gelangte, so wurde nur Blut zum serologischen Nachweis
der Krankheit entnommen und zur Prüfung auf Schutzkörper gegen
das Virus der Weilsdlion Krankheit an Herrn Oberstabsarzt Prof.
Dr. Kuhn eingesandt. Das Ergebnis war positiv, d. h. eine sonst
tödliche Menge von Virusblut wurde durch 1 ccm Patientenserum
so abgeschwächt, dass das Tier nur leicht erkrankte, aber rasch
wieder gesund wurde, während die Kontrolltiere und die mit kleineren
Dosen des Patientenserums gespritzten Tiere am 5. bis 12. Tage
prompt eingingen. Der Versuch beweist das Vorhandensein einer,
wenn auch schwachen Schutzwirkung in der 9. Woche nach Beginn
der Erkrankung.
Bei dem zweiten Patienten, der am 10. Krankheitstage
starb, wurde am 5. Krankheitstage, 2 Lige nach Auftreten des
Ikterus, 1 ccm Venenblut entnommen und einem Meerschweinchen
intraperitoneal eingespritzt. Es wurden bei dem Tiere keine sicheren
Krankheitssynjptome beobachtet Das Tier blieb am* Leben.
Ebenso fiel eine am 5. Krankheitstage vorgenommene Verimpfung
von 1 ccm Venenblut des dritten Patienten am 4. Tage der
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Rihm, Emst Frankel und Max Busch.
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Erkrankung (19. VIIL) negativ aus. ‘Ansclieinend war bei beiden
Patienten die Menge des verimpften Blutes oder die Zahl der ver¬
wendeten Impftiere zu gering, wie die folgenden Untersudhungen
zeigten.
Bei dem vierten Patienten wurden am 5. KrankheitsUige,
2 Tage nach dem Auftreten dos Ikterus, 10 Meerschweinchen mit
je 1 bis U/o ccm Blut intraperitoneal gespritzt. Das Blut wurde
frisch ohne irgendwelche Zutaten sofort nach der Entnahme ver-
impft. Bei 2 von den Impftieren trat am 14. und am 24. Tage nach
der Impfung Ikterus und plötzlicher Tod ein, nachdem in den Tagen
vorher eine Gewichtsabnahme von 30—45 g eingetreten war. Bei
einigen Tieren beobachtete man vor dem Tode Haarausfall, Ab¬
magerung, Nasenbluten, Blut im Stuhl und Urin. Im Urin wurde
auch Gallenfarbstoff und Eiweiss nachgewiesen. Die Sektion der
Tiere ergab folgenden Befund:
MS. .5. Geimpft am 4. IX. 1916 mit 1 ccm Patientenblut i. p.
Gewicht 340 g. Die Haut, die Schleimhäute und die Skleren sind
quittegelb gefärbt. In der Haut punktförmige Blutungen. Nasen¬
bluten. Blutung und Infiltration der Impfstelle an der Bauchliaut
mid den beiderseitigen Ingninaldrüsen. In der Lunge Blutungen und
eitrige Infiltration. Die Leber gelb mid stark vergrössert. Milz weich
und vergrössert. Die Nebennieren stark vergrössert und gerötet.
MS. 8. Impfung mit 1 ccm Patientenblut i. p. am 4. IX. 1916.
Farbe der äusseren Haut und des subkutanen Fettgewebes quittegelb
bis ockergelb. In der Gegend der Inguinaldrüseu Blutungen. Aszites
goldgelb gefärbt. Die Lymphdrüsen geschwollen. Lungenblutung und
pneumonische Herde, Blutungen im Perikard. Blutung und Injektion
von Nieren und Nebennieren. Die Farbe der Leber gelbbraun. In
dersellxm feinste, hellgelbe pimktförmige Herde. Blutung an der
Serosa des Zwerchfells. Die Milz vergrössert.
Von MS. 5 w’urde ccm Herzblut und ebensoviel von einer
Kochsalzaufschwemmung desi Leberbreies einem zweiten Tiere
(Nr. 50) injiziert, das am 10. Krankheitstage (am 28. IX.) unter den
gleichen Erscheinungen starb wie MS. 5.
Sektionsbefund: Stark quittegelbe Farbe des spärlichen Unter¬
hautzellgewebes, Blutungen in der Inguinaldrüsengegend. GelU
färbimg der Muskulatur und der Knochen. Die Lunge gelb gefärbt
mit Blutaspirationen ünd pneumonischen Herden. Leber ockergelb.
Magen stark gebläht und lufthaltig. Blutungen in der leicht zer-
rcisslichon Schleimhaut. Im ganzen Bereich von Dünn- und Dick¬
darm streifenförmige Blutungen. Die Nieren ockergelb gefärbt. Die-
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18] ELlinische, experim. jl pathoL -anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 271
selben weisen ebenfalls Blutungen auf. Milz ist vergrössert, Tier
ist gravide. El>en 9 o starb am 10. Tage ein zweites mit 1 dem Leber¬
brei geimpftes Tier, das folgenden Befimd bot:
MS. 51. Gelbe bis quittengelbe Farbe der Haut und des Unter¬
hautzellgewebes. Blutungen in der Inguinaldrüsengegend. Musku¬
latur zeigt gelbe Farbe mit einem Stich ins Grünbraune. In der
Lunge Blutungen und Aspirationsherde. Exsudat in der Pleura.
Leber gelbbraun gefärbt und weich. Milz etwas vergrössert. Nelmi-
nieren ebenfalls etwas vergrössert. In den Nieren feinste Blutungen.
Am Darm beginnende Fäulniserscheinungen. Von den überlebenden
Tieren der ersten Generation, die am 4. IX. mit je 1 ccm Patieoiten-
blut behandelt waren, wurde Nr. 6 am 18. IX. nochmals mit 0,5 ccm
Leberbrei von MS. 5 intraperitoneal gespritzt. Das Tier blieb am
Leben und wurde am 28. IX. nochmals ebenso wie MS. 9 und MS. 58
mit 1 bis 1,5 dem Leberbrei von MS. 8 intraperitoneal gespritzt. Von
diesen 3 Tieren erkrankte keins. Dies spricht dafür, dass ähnlich
wie beim Menschen bei längerer Krankheitsdauer (das Tier starb
am 24. Krankheitstag) die Infektiosität verschwindet.
Im Leberabstrich von MS. 5 wurden mit Giemsafärbung Gebilde
gefunden, die als Spirochaeta iCterogenes (nodosa) (Hübener,
Reiter, Uhlenhuth und Fromme) aufzufassen waren. Das
Tier 8 wurde in toto aufgehoben, bei Tier 5 fanden sich wie bei den
späteren Fällen teils im Abstrich nach G i e m s a, teils im Schnitt
nach Levadititfärbung in Leber und Niere die Spirochäten (siehe farbige
Tafel). Die Spirochäten zeigten nicht die schönen steilen Windungen wie
die Spirochaeta pallida, vielmehr waren es häufig nur zarte, hakenförmig
gekrümmte (xler aufgerollte Gebilde, zum Teil solche mit flachen
Windungen in geringerer Anzahl (3 bis 4). Mitunter waren deutlich
die knötchenfönnigen Verdickungen zu sehen, manchmal lagen zwei
mit den Längsseiten zusammen, wie man dies auch bei der Spiro¬
chaeta pallida sieht. Eine Beobachtung der Bewegung im Dunkel¬
feld war uns leider aus äusseren Gründen nicht möglich.
Eine am 4. September bei demselben Patienten Nr. 4) zur sero¬
logischen Untersuchrmg vorgenommene Blutentnahme ergab nach
Mitteilung von Herrn Oberstabsarzt Prof. Dr. Kuhn ein negatives
Resultat, was auch zu erwarten war, da der Patient sich erst am
5. Krankheitstage befand. Bemerkenswert ist, dass die Infektion der
Meerschweinchen in der 2. Generation prompter und auch früher
anging (Tod am 10. Tage) als bei der direkten Verimpfung vom
Patienten (14. und 24. Tag).
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272
Rihni, Emst Frankel lud Max Busch.
[19
Am 19. X. (6. Kraakheitstag), ©inen Tag nach dem Auftreten
des Ikterus, wurde bei einem fünften Patienten Blut und Urin
steril entnommen xmd auf 10 Meerschweinchen verimpft, und zwar
wurden 7 Tier© mit 1 bis 1,5 ccm Venenblut, 3 Tier© mit 2 bis
5 ccm Urin i. p. gespritzt. Von den Impftieren blieb eines (Nr. 79)
am Leben (2,5 cbm Urin i. p.), ©ins (Nr. 78) starb am 4. Tag nach
der Impfung unter den Erscheinungen einer Pyämie, ohne dass
Zeichen von Weil scher Krankheit makroskopisch xmd histologisch
gefimden werden konnten, xmd ohne dass die Erreger in den Organen
nachweisbar waren. Die übrigen 8 Tiere dagegen starben am 8. bis
10. Krankheitstage unter den Erscheinimgen der Weil sehen Krank¬
heit mit mehr oder weniger stark au^prägtem Ikterus, mit Blutungen
in Haut und Unterhautzellgewebe, in Nieren, Lunge xmd Muskulatur
und gelegentlich auch mit geringem, gelbgefärbtem Aszites. Beob¬
achtet wxirde auch ©ine Schwellung der Pey er sehen Plaques xmd
der Darmlymphdrüsen, Hyperämie und Blutxmgen an den Darm-
gefässen, sowie eine Schwellmig xmd Hyperämie der Nebennieren,
ähnlich wie bei dem Diphtherietoxintod der Meerschweinchen. Auf
einige therapeutische Versuche an den Meerschweinchen kommen
wir später zurück. Di© Tiere zeigten sämtlich eine stark© Gewichts¬
abnahme bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes, xmd nur das
überlebende Tier Nr. 79 nahm vom etwa 11. Kiankbeitst^e an
wieder an Gewicht zu. Von dem Lebermaterial des MS. 82 (geet.
am 27. X., geimpft mit .1 ccm Patientenblut) wurden 1 bis 1,5 ccm
Aufschwemmxmg auf 2 vorbehandelte Meerschweinchen verimpft (56
xmd 58), die mit 1 ccm Leberbrei von MS. 8 (Fall 4) am 28. IX.
resp. mit 1,5 Ccm desselben Leberbreies am 28. IX. sowie am 4. IX.
mit 1 ccm Blut von Patient 4 xmd mit 0,5 ccm Leberbrei von MS. 5
(am 18. IX.) vorbehandelt waren. Beide Tiere starben nach 6 Tagen
xmter den Erscheinxmgen der Weil sehen Krankheit, dagegen blieb
ein anderes Tier (Nr. 97), das mit Leber xmd Herz von MS. 58 ge¬
füttert wurde, gesund und am Leben. Es war also bei dem letzten
Tiere eine Infektion per os nicht erzielt worden. Der grösste Teil
der Tiere wurde histologisch dxirchxmtersucht, bei einem Teil der¬
selben im Ausstrich nach Erregern gefahndet. Bei 6 Tieren fanden
sich im Schnitt nach der Levaditifärbung in Leber, Niere oder Neben¬
niere mehr oder xveniger reidiliche Spirochäten von der Form, wie
sie von Uhlenhuth und Fromme, sowie von Hüben er xmd
R © i t e r aLs Spirocliaete icterogenes (nodosa) beschrieben worden sind.
Auch im Axisstrich von den Organen xvurden die charakteristischen
Spirochäten melir oder weniger reidilich mit Hilf© der Gierasafärbxmg
nachgewiesen. Der Versuch mx MS. 56 xmd 58 deutet vielleicht
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20] Klinische, experim. u. pathol.-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 273
darauf hin, da^ die aküve und passive Immunität, die nach Uhlen-
huth und Fromme sowie Hübener xmd Reiter zu erzielen
ist, keinen langdauemden Schutz gibt.
Am 31. X. wurden von einem sechsten Patienten 2 bis
3 ccm Blut auf 3 Meerschweinchen verimpft, die sämtlich am 8. bis
10. Krankheitstage mit typischen Erscheinungen starben, xmd bei
denen sämtlich im Schnitt oder im Ausstrich Spirochäten in I.(eber
und Niere nachgewiesen wurden. Die Impfung mit dem Patienten-
blut erfolgte am 6. Krankheitstag, der Patient starb am 10. Krank¬
heitstag unter urämischen Erscheinungen. Bemerkenswert ist, dass bei
einem der Meerschweinchen äusserlich kein Ikterus wahrzunehmen
war (Nr. 90), bei der Sektion jedoch noch ein schwacher Ikterus
des Unterhautzellgowebes sich zeigte. Bei MS. 89 fielen Blutungen
in der vollständig leeren Harnblase auf. Sonst waren die Befunde
genau die gleichen wie bei den früheren Fällen. Von MS. 91 wnirde
Leberbrei auf 2 weitere Tiere (Nr. 100 und 101) verimpft, die gleich¬
falls am 7. bis 8. Krankheitstage unter den typischen Erscheinungen
starben. Dagegen blieb ein weiteres am Lebeu, das etwa 12 Stunden
nach dem Tode desi Patienten mit 2 ccm von seinem Herzblut intra-
peritoneal geimpft worden war.
Am 31. X. wurde fernerhin von einem weiteren Patienten (Fall
Nr. 7), der am gleichen Tage in derselben Kompagnie erkrankt war,
eine Blutübertragung von je 2,5 ccm Venenblut auf 2 Meerschw'ein-
chen vorgenommen. Die Tiere starben am 12. Tage nach der Imp¬
fung unter den vorher geschilderten Krankheitssymptomen. In lieber
und Niere waren im Schnitt nach Levaditi und im Ausstrich
nach G i e m s a die Spirochäten nachweisbar.
Am 16. XI. wurden wieder 5 Tiere mit dem Blute vom achten
Patienten geimpft. Von diesen Tieren starb eins am 7. Tage
nach der Impfung (23. XI.) nach starker Abmagerung ohne Ikterus
zu zeigen. Bei der Sektion zeigte sich, dass noch subkutan an der
Impfstelle Blutgerinnsel vorhanden waren, so dass man annehmen
muss, dass die Injektion nicht intraperitoneal, sondern subkutan er¬
folgt ist. Es bestand eine starke Schwellung der inguinalen Lymph-
drüsen und Blutungen zu beiden Seiten der Wirl>elsäule unterhalb
der Nieren, wie bei den anderen Impftieren. Dagegen war in den
anderen Organen makroskopisch nichts von den typischen Verände¬
rungen zu finden. Auch Ikterus bestand nicht. Die Harnblase war
mit hellem, klaren Urin gefüllt, in dem weder Gallenfarbstoffe noch
Blut naChgewiesen wurde. Der Stuhl war frei von Blut, dagegen w'ar
die Gallenblase prall mit rötlicher Flüssigkeit gefüllt. Im Ausstrich
Beiträge lur Klinik der Iiifoktionskrankiieiten. Bd. VI. H. 3 u. 4. 18
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Rihm, Ernst Frankel und Max Busch.
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Am 19. X. (6. Krankheitstag), einen Tag nach dem Auftreten
des Ikterus, wurde bei einem fünften Patienten Blut und Urin
steril entnommen und auf 10 Meerschweinchen verimpft, und zwar
wurden 7 Tiere mit 1 bis 1,5 ccm Venenblut, 3 Tiere mit 2 bis
5 ctem Urin i. p. gespritzt. Von den Impftieren blieb eines (Nr. 79)
am Leben (2,5 dem Urin i. p.), eins (Nr. 78) starb am 4. Tag nach
der Impfung unter den Erscheinungen einer Pyämie, ohne dass
Zeichen von Weil scher Krankheit makroskopisch und histologisch
gefunden werden konnten, imd ohne dass die Erreger in den Organen
nachweisbar waren. Die übrigen 8 Tiere dagegen starben am 8. bis
10. Krankheitstage unter den Erscheinungen der Weil sehen Krank¬
heit mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem Ikterus, mit Blutungen
in Haut und Unterhautzellgewebe, in Nieren, Lunge imd Muskulatur
und gelegentlich auch mit geringem, gelbgefärbtem Aszites. Beob¬
achtet wurde auch eine Schwellung der P e y e r sehen Plaques und
der Darmlymphdrüsen, Hyperämie und Blutimgen an den Darm-
gefässen, sowie eine Schwellung imd Hyperämie der Nebennieren,
ähnlich wie bei dem Diphtherietoxintod der Meerschweinchen. Auf
einige therapeutische Versuche an den Meeirschweinchen kommen
wir später zurübk. Die Tiere zeigten sämtlich eine starke Gewichts¬
abnahme bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes, und nur das
überlebende Tier Nr. 79 nahm vom etwa 11. Krankheitstage an
wieder an Gewicht zu. Von dem Lebermaterial des MS. 82 (gest.
am 27. X., geimpft mit .1 ccm Patientenblut) wurden 1 bis 1,5 ccm
Aufschwemmimg auf 2 vorbehandelte Meerschweinchen verimpft (56
und 58), die mit 1 <x;m Leberbrei von MS. 8 (Fall 4) am 28. IX.
resp. mit 1,5 ccm desselben Leberbreies am 28. IX. sowie am 4. IX.
mit 1 ccm Blut von Patient 4 und mit 0,5 ccm Leberbrei von MS. 5
(am 18. IX.) vorbehandelt waren. Beide Tiere starben nach 6 Tagen
unter den Erscheintmgen der Weil sehen Krankheit, dagegen blieb
ein anderes Tier (Nr. 97), das mit Leber und Herz von MS. 58 ge¬
füttert wurde, gesund und am Leben. Es war also bei dem letzten
Tiere eine Infektion per os nicht erzielt worden. Der grösste Teil
der Tiere wurde histologisch durch untersucht, bei einem Teil der¬
selben im Ausstrich nach Erregern gefahndet. Bei 6 Tieren fanden
sich im Schnitt nach der Levaditifärbung in Leber, Niere oder Neben¬
niere mehr oder weniger reichliche Spirochäten von der Form, wie
sie von U h 1 e n h u t h und Fromme, sowie von H ü b e n e r und
Reiter als Spirochaete icterogenes (nodosa) beschrieben worden sind.
Auch ira Ausstrich von den Organen vuirden die charakteristischen
Spirochäten mehr oder weniger reiClilieh mit Hilfe der Giemsafärbung
nachgewiesen. Der Versuch lui MS. 56 tuid 58 deutet vielleicht
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20] Klinische, experim. u. pathol.-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 273
darauf hin, dass die aktive und passive Inuntmität, die nach Uhlen-
huth und Fromme sowie Hübener und Reiter zu erzielen
ist, keinen langdauemden Schutz gibt
Am 31. X. wurden von einem sechsten Patienten 2 bis
3 ccm Blut auf 3 Meerschweinchen verimpft, die sämtlich am 8. bis
10. Kraukheitstage mit typischen Erscheinungen starben, und bei
denen sämtlich im Schnitt oder im Ausstrich Spirochäten in I.)eber
und Niere nachgewiosen wurden. Die Impfung mit dem PaÜentein-
blut erfolgte am 6. Krankheitstag, der Patient starb am 10. Krank¬
heitstag unter urämischen Erscheinungen. Bemerkenswert ist, dass bei
einem der Meerschweinchen äusserlich kein Ikterus wahrzunehmen
war (Nr. 90), bei der Sektion jedoch noch ein schwacher Ikterus
des Unterhautzellgewebes sich zeigte. Bei MS. 89 fielen Blutungen
in der vollständig leeren Harnblase auf. Sonst waren die Befimde
genau die gleichen wie bei den friüieren Fällen. Von MS. 91 unirde
Leberbrei auf 2 weitere Tiere (Nr. 100 und 101) verimpft, die gleich¬
falls am 7. bis 8. Krankheitstage unter den typischen Erscheinungen
starben. Dagegen blieb ein weiteres am Leben, das etwa 12 Stunden
nach dem Tode des Patienten mit 2 ccm von seinem Herzblut intra-
peritoneal geimpft worden war.
Am 31. X. wurde fernerhin von einem weiteren Patienten (Fall
Nr. 7), der am gleichen Tage in derselben Kompagnie erkrankt war,
eine Blutübertragung von je 2,5 ccm Venenblut auf 2 Meerschwein¬
chen vorgenommen. Die Tiere starben am 12. Tage nach der Imp¬
fung unter den vorher geschilderten Krankheitssymptomen. In lieber
und Niere waren im Schnitt nach Levaditi und im Ausstrich
nach Giemsa die Spirochäten nachweisbar.
Am 16. XI. wurden wieder 5 Tiere mit dem Blute vom achten
Patienten geimpft. Von diesen Tieren starb eins am 7. Tage
nach der Impfung (23. XI.) nach starker Abmagerung ohne Ikterus
zu zeigen. Bei der Sektion zeigte sich, dass noch subkutan an der
Impfstelle Blutgerinnsel vorhanden waren, so dass man annehmen
muss, dass die Injektion nicht intraperitoneal, sondern subkutan er¬
folgt ist. Es bestsind eine starke Schwellung der inguinalen Lymph-
drüsen und Blutungen zu beiden Seiten der Wirl^elsäule unterhalb
der Nieren, wie bei den anderen Impftieresi. Dagegen war in den
anderen Organen makroskopisch nichts von den typischen Verände¬
rungen zu finden. Auch Ikterus bestand nicht. Die Harnblase war
mit hellem, klaren Urin gefüllt, in dem weder Gallenfarbstoffe noch
Blut nachgewiesen ivurde. Der Stuhl war frei von Blut, dagegen war
die Gallenblase prall mit rötlicher Flü^igkeit gefüllt. Im Ausstrich
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Am 19. X. (6. Kraakheitstag'), einen Tag nach dem Auftreten
des Ikterus, wurde bei einem fünften Patienten Blut und Urin
steril entnommen imd auf 10 Meerschweinchen verimpft, und zwar
wurden 7 Tiere mit 1 bis 1,5 ocm Venenblut, 3 Tiere mit 2 bis
5 ctm Urin i. p. gespritzt. Von den Impftieren bUeb eines (Nr. 79)
am Leben (2,5 ctem Urin i. p.), eins (Nr. 78) starb am 4. Tag nach
der Impfung unter den Erscheinxmgen einer Pyämie, ohne dass
Zeichen von Weil scher Krankheit makroskopisch und histologisch
gefunden werden konnten, und ohne dass die Erreger in den Organen
nachweisbar waren. Die übrigen 8 Tiere dagegen starben am 8. bis
10. Krankheitstage unter den Erscheinungen der Weil sehen Krank¬
heit mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem Ikterus, mit Blutungen
in Haut und Unterhautzellgewebe, in Nieren, Lunge und Muskulatur
und gelegentlich auch mit geringem, gelbgefärbtem Aszites. Beob¬
achtet wurde auch eine Schwllung der Pey er sehen Plaques und
der Darmlymphdrüsen, Hyperämie und Blutungen an den Darm-
gefässen, sowie eine Schwellung und Hyperämie der Nebennieren,
ähnlich wie bei dem Diphtherietoxintod der Meerschweinchen. Auf
einige therapeutische Versuche an den Meerschweinchen kommen
wir später zurüdk. Die Tiere zeigten sämtlich eine starke Gewichts¬
abnahme bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes, imd nur das
überlebende Tier Nr. 79 nahm vom etwa 11. Krankheitstage an
wieder an Gewicht zu. Von dem Lebermaterial des MS. 82 (gest.
am 27. X., geimpft mit .1 ccm Patientenblut) wxirden 1 bis 1,5 CHjm
Aufschwemmrmg auf 2 vorbehandelte Meerschweinchen verimpft (56
und 58), die mit 1 cCm Leberbrei von MS. 8 (Fall 4) am 28. IX.
resp. mit 1,5 ccm desselben Leberbreies am 28. IX. sowie am 4. IX.
mit 1 ocm Blut von Patient 4 imd mit 0,5 ccm Leberbrei von MS. 5
(am 18. IX.) vorbehandelt waren. Beide Tiere starben nach 6 Tagen
unter den Erscheinungen der Weil sehen Krankheit, dag^en blieb
ein anderes Tier (Nr. 97), das mit Leber und Herz von MS. 58 ge¬
füttert wurde, gesund und am Leben. Es war also bei dem letzten
Tiere eine Infektion per os nicht erzielt worden. Der grösste Teil
der Tiere wurde histologisch durch untersucht, bei einem Teil der¬
selben im Ausstrich nach Erregern gefahndet. Bei 6 Tieren fanden
sich im Schnitt nach der Levaditifärbung in Leber, Niere oder Neben¬
niere mehr oder weniger reichliche Spirochäten von der Form, wie
sie von U h 1 e n h u t h und Fromme, sowie von H ü b e n e r und
R e i t e r als Spirochaete icterogenes (nodosa) beschrieben worden sind.
Auch im Ausstrich von den Orgiuien \vurden die charakteristischen
Spirochäten melir oder wimiger reidilich mit Hilfe der Giemsafärbung
nachgewiesen. Der Versuch an MS. 56 tmd 58 deutet vielleicht
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20] Klinische, experim. u. pathol. -anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 273
darauf hin, dass die aktive und passive Immunität, die nach Uh len-
huth und Fromme sowie Hübener und Reiter zu erzielen
ist, keinen langdauemden Schutz gibt.
Am 31. X. wiu-den von einem sechsten Patienten 2 bis
3 ccm Blut auf 3 Meerschweinchen verimpft, die sämtlich am 8. bis
10. Krankheitstage mit typischen Erscheinungen starben, und bei
denen sämtlich im Schnitt oder im Ausstrich Spirochäten in lieber
und Niere nachgewiesen wurden. Die Impfung mit dem Patienten-
blut erfolgte am 6. Krankheitstag, der Patient starb am 10. Krank¬
heitstag unter urämischen Erscheinungen. Bemerkeaiswert ist, dass bei
einem der Meerschweinchen äusserlich kein Ikterus wahrzunehmen
war (Nr. 90), bei der Sektion jedoch noch ein schwacher Ikterus
des Unterhautzellgewebes sich zeigte. Bei MS. 89 fielen Blutungen
in der vollständig leeren Harnblase auf. Sonst waren die Befunde
genau die gleichen wie bei den früheren Fällen. Von MS. 91 wnirde
Leberbrei auf 2 weitere Tiere (Nr. 100 und 101) verimpft, die gleich¬
falls am 7. bis 8. Krankheitstage unter den typischen Erscheinungen
starben. Dagegen blieb ein weiteres am Leben, das etwa 12 Stunden
nach dem Tode des Patienten mit 2 ccm von seinem Herzblut intra-
peritoneal geimpft worden war.
Am 31. X. wurde fernerhin von einem weiteren Patienten (Fall
Nr. 7), der am gleichen Tage in derselben Kompagnie erkrankt war,
eine Blutübertragung von je 2,5 ccm Venenblut auf 2 Meerschwein¬
chen vorgenommen. Die Tiere starben am 12. Tage nach der Imp¬
fung unter den vorher geschilderten Krankheitssymptomen. In Ivel>er
und Niere waren im Schnitt nach Levaditi und im Ausstrich
nach Giernsa die Spirochäten nachweisbar.
Am 16. XI. wurden wieder 5 Tiere mit dem Blute vom achten
Patienten geimpft. Von diesen Tieren starb eins am 7. Tage
nach der Impfung (23. XI.) nach starker Abmagerung ohne Ikterus
zu zeigen. Bei der Sektion zeigte sich, dass noch subkutan an der
Impfstelle Blutgerinnsel vorhanden w'aren, so dass man annehmen
muss, dass die Injektion nicht intraperitoneal, sondern subkutan er¬
folgt ist. Es bestand eine starke Schwellung der inguinalen Lymph-
drüsen und Blutungen zu beiden Seiten der Wirbelsäule unterhalb
der Nieren, wie bei den anderen Impftieren. Dagegen war in den
anderen Organen makroskopisch nichts von den typischen Verände¬
rungen zu finden. Auch Ikterus bestand nicht. Die Harnblase war
mit hellem, klaren Urin gefüllt, in dem weder GaIlenfarl>stoffe noch
Blut naChgewiesen wurde. Der Stuhl war frei von Blut, diigogen war
die Gallenblase prall mit rötlicher Flüssigkeit gefüllt. Im Ausstrich
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nac-h G i e m s a wurden in Leber und Niere keine Spirochäten ge¬
funden. Vielleicht handelt es sieh tun eine besonders schwache
Infektion bei der subkutanen Impfung; oder um blosse Giftwirkung.
Wir möchten noch erwähnen, dass neben den Spirochäten auch
häufig mit Giemsafärbung Gebilde im Ausstrich gesehen wurden,
die den von Hüben er und Reiter besöhriebenen entsprachen.
Wir sahen sowohl kleine mit rötlichen, strichförmigen Kernen
versehenen Körperchen, als auch grössere Gebilde, die vielleicht
zum Entwickelungszyklus der Spirochäten gehören. Auch Ein¬
schlüsse in weissen Blutzellen (Lymphozyten!) imd in Erythro¬
zyten mit blauem Protoplasma und roten Körperchen, sowie Aniso-
eytose, Polychromatophilie und basophile Tüpfelung als Reaktion
der roten Blutkörperchen wurden mehrfach bei den Impftieren ge¬
sehen.
Fassen wir das Resultat unserer Impfversuche
mit Krankenblut zusammen, so ergibt sieh, dass
eine sichere Verimpfung des Erregers und der
Nachweis der Spirochäten im Tier uns in 4 Fällen
gelungen ist, während sie im 5. Falle zweifelhaft
war und zweimal bei Anwendung ungenügender
Mengen negativ ausfiel. Bei einem Falle Hess sich
die Erkrankung durch Verimpfung von 2—5 ccm Urin
auf 2 von 3 geimpften Tieren übertragen (Fall 5). Die
Verimpfung auf das Tier gelang bei dem Patienten
Nr. 4 am 5. Krankheitstage. Von den 10 mit Blut ge¬
impften Tieren erkrankten 2 am 14. und 24. Tage naCh
der Impfung. In einer zweiten Generation wieder¬
um 2 Tiere am 10. Impftage. Spirochäten wurden in
der Leber im Ausstrich nach Giemsa nachgewiesen.
Beim Patienten Nr. 5 gelang die Verimpfung auf
Tiere am 10. Krankheitstage. Von 7 mit Blut ge¬
impften Tieren starben 6 am 8. bis 10. Krankheits¬
tage mit den typischen Symptomen, von 3 mit Urin
geimpften 2. Spirochäten wurden bei einer grossen
Anzahl der Tiere im Ausstrich in Leber und Niere,
im Schnitt auch in anderen Organen gefunden. Bei
einer Verimpfung in der zweiten Generation starben
2 Tiere am 6. Tage nach der Impfung, bei denen eben-
falls Spirochäten nachgewiesen wurden. Von dem
Patienten Nr. 6, der am 10. Tage starb, wurden am
6. Krankheitstage 3 Tiere mit 2 bis 3 Ccm Blut ge¬
impft, die am 8. bis 10. Krankheitstage starben, und
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22] Klinische, experim. u.pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectioeus. 275
bei denen die Spirochäten im Ausstrich nachge¬
wiesen wurden. In der zweiten Generation geimpfte
Meersch*weinchen starben am 7. bis 8. Krankheits¬
tage. Nach dem Tode des Patienten wurden 2 ccm
Herzblut von der Leiche intraperitoneal auf Meer¬
schweinchen verimpft. Ausser einer Gewichtsab¬
nahme von 65 g, die sich periodisch nach Gewichts¬
zunahme am 8. Tage wiederholte, zeigte das Tier
keine Krankheitssymptome und blieb am'Leben.
Von dem Patienten Nr. 7 wurde am 5. Krankheits¬
tage verimpft. Trotzdem es wahrscheinlich ist,
dass er seine Erkrankung derselben Infektions¬
quelle verdankt wie Nr. 6, verlief die Erkrankung
bei ihm leicht. Die zwei mit Blut geimpften Tiere
starben am 10. Tage nach der Impfung.
Von dem Patienten Nr. 8 wurde am 6. Krankheits¬
tage Blut intraperitoneal auf 5 Meerschweinchen
verimpft. Ein Tier starb am 7. Krankheitstage, mit
Abmagerung ohne Ikterus, mit Blutungen in Gallen¬
blase und Iliopsoas. Spirochäten wurden im Aus¬
strich nicht nachgewiesen. Eine Infektion per os
durch Verfütterung von virushaltigem Material
(Herz und Leber) führte nur zu einer periodischen Ge¬
wichtsabnahme von ca, 30 bis 50 g am 5. und 10. Tage
ohne sonstige Symptome.
Es wurde versucht, an der Hand des Impfmaterials einige Fragen
der Immunität zu lösen. So erhielt eines von den Tieren, die am
4. IX. mit 1 ccm Patientenblut geimpft waren, am 18. IX. eine In¬
jektion von infektiösem Meerschweinchenleberbrei, ohne zu er¬
kranken, während 2 nicht vorbehandelte Tiere erkrankten. Es schien
also eine gewisse (aktive oder passive) Immunität erzielt zu sein.
Eine absolute länger dauernde Immimität bestand jedoch nicht, da
das Tier einen Monat später bei Verimpfung von infektiösem Blut
eines zweiten Patienten (Fall 4) nach 8 Tagen unter den typischen
Erscheinungen starb. Ein zweites Tier, das mit Leberbrei von
schwacher Virulenz geimpft war, erkrankte einen Monat später nach
erneuerter Impfung mit infektiösem Material nach 6 Tagen, was
gegen den Erfolg einer aktiven Immunisierung zu sprechen scheint.
Dass Leberbrei von einem erst am 24. Krankheitstage an infek¬
tiösem Ikterus gestorbenen Tier bei der Weiterverimpfung auf drei
andere (davon ein mit Blut, ein mit Blut rmd Leberbrei vorbehan-
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Rihm, Ernst Frankel und Max Busch.
nach Giemsa wurden in Leber und Niere keine Spirochäten ^
funden. Vielleicht handelt es sich um eine besonders schwär
Infektion bei der subkutanen Impfung*; oder um blosse Giftwirlnr
Wir möchten noch erwähnen, dass neben den Spirochäten a
häufig mit Giemsafärbung Gebilde im Ausstrich gesehen wui
die den von Hüben er und Reiter besdhriebenen entspra-
Wir sahen sowohl kleine mit rötlichen, strichförmigen
versehenen Körperchen, als auch grössere Gebilde, die vi*
zum Entwickelungszyklus der Spirochäten gehören. Auel)
schlösse in weissen Blutzellen (Lymphozyten!) und in E
zyten mit blauem Protoplasma und roten Körperchen, sowie
eytose, Polychromatophilie und basophile Tüpfelung als i
der roten Blutkörperöhen wurden mehrfach bei den Impfti
sehen.
Fassen wir das Resultat unserer Impfve
mit Krankenblut zusammen, so ergibt sic
eine sidhere Verimpfung des Erregers i
Nachweis der Spirochäten im Tier uns in •
gelungen ist, während sie im 5. Falle zw<
war und zweimal bei Anwendung ungei
Mengen negativ ausfiel. Bei einem Falle 1
die Erkrankung durch Verimpfung von 2—
auf 2 von 3 geimpften Tieren übertragen (’
Verimpfung auf das Tier gelang bei dem
Nr. 4 am 5. Krankheitstage. Von den 10 m
impften Tieren erkrankten 2 am 14. und 24
der Impfung. In einer zweiten Generati
um 2 Tiere am 10. Impftage. Spirochäte:
der Leber im Ausstrich nach (Jiemsa na
Beim Patienten Nr. 5 gelang die Veri
Tiere am 10. Krankheitstage. Von 7
impften Tieren starben 6 am 8. bis 10.
tage mit den typischen Symptomen, v
geimpften 2. Spirochäten wurden bei
Anzahl der Tiere im Ausstrich in Lei
im Schnitt auch in anderen Organen
einer Verimpfung in der zweiten Gen»
2 Tieream 6. Tagenaohderlmpfung, 1
falls Spirochäten nachgewiesen wo
Patienten Nr. 6, der am 10. Tage st;
6. Krankheitstage 3 Tiere mit 2 bi?
impft, die am 8. bis 10. Krankheitst:
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RUun, Ernst Fränkel und Max Busch.
[23
deltes) keine Erkiankungi erzeugte, bestätigt die anoh anderweitig ge¬
machte Erfahrung, dasls bei langer Dauer der Erkrankung die In¬
fektiosität des Virus abgesohwächt ist Kurz erwähnt seien einige
therapeutische Versuche. Zwei kranken Tieren wurden am letzten
Lebenstag 0,6 dem Rekonvaleszentenserum von Patient Nr. 4 injiziert,
jedoch ohne Erfolg. Ebensowenig Erfolg hatten wir gegen Krank-
heitsende bei den Tieren mit der Anwendimg von Trypanfarbetoffen
per OS oder subkutan und mit der Anwendung von Kuprosalvarsan i).
Die Vergehe, welche weiter fortgesetzt werden, beweisen nur,
dass eine spezifische Therapie, wenn sie Erfolg haben soll, eher ein-
setzen muss als an den kritischen (8. bis 10.) letzten Krankheitstagen,
an denen der Tod der Tiere wahrscheinlich vor allem durch die
Giftwirkung' der zugrunde gehenden Spirochäten plötzlich erfolgt
Darauf deutet auch hin, dass häufig um so weniger Spirochäten in
der Leber gefunden werden, je später im Verlauf der Krankheit
imterSucht Man findet sie dann mitunter nur noch in den Nieren,
wo der Körper bestrebt ist, sie auszuscheiden. Bei den Tieren, die
geimpft wurden, ohne dass Gelbsucht oder Tod eintrat, wurde häufig
beobachtet, dass in den ersten 8 Tagen eine Gewichtsabnahme mn
, 50 bis 60 g auftrat Nachher nahmen die Tiere wieder an Gewidit
zu, 'um später ■unter Umständen nochmals eine derartige periodische
Abnahme zu zeigen. Ob es sich dabei um Vorgänge handelt, die mit
der Infektion oder einem Rezidiv derselben Zusammenhängen, wie
esickertbei seinen Impftieren von Fällen mit Icterus epidemiCus
bei 6 tägigen Intervallen für charakteristisch hält, sei dahingestellt.
Wir möchten Gewichtsschwankungen beim Meerschweinchen, die
wohl auch auf sonstige Ursachen (Ernährung etd.) zurückgeführt
werden können, kein entscheidendes Ge'wicht beilegen. Für ganz
ausgeschlossen halten ■wir es jedoch nicht, dass sowohl bei unseren
Fällen wie bei denen von Ickert eine schwache Infektion vorlag,
die nicht zum Ausbruch des Ikterus •und zum Tode des Tieres führte.
Wii halten dies auch deshalb für möglich, weil wir in Übereinstim¬
mung mit anderen Autoren bei einem Meersch'weinchen beobaohtetei,
dass die Krankheit ohne Ikterus zum Tode führte, 'und ausser der
Gewichtsabnahme nur leichte Blutungen gefunden ■wurden. Es han¬
delte sich um das versehentlich nicht intraperitoneal, sondern sub¬
kutan gespritzte Tier 3 (Fall 8).
‘) Die Mittel zu diesen und anderen chemotherapeutischen Versuchen
wurden uns von den Cassollafarbwerken durch Vermittlung von Herrn Geheimr.
von Weinberg zur Verfügung gestellt. Auch wurden wir von Herrn
Dt. Benda mit Präparaten und wertvollen Ratschlägen unterstützt. Den ge¬
nannten Herren sei an dieser Stelle unser besonderer Dank ausgesprochen.
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24] Klinische, experim. u. patbol.-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 277
Znsammenfassang.
1. Bei 4 Fällen von Weilscher Krankheit g-elang
es, durch intraperitoneale Verimpfung von 1 bis
2 ccm Patientenblut am 5. bis 9. Krankheitstage bei
Meerschweinchen eine Erkrankung zu erzeugen,
die der des Patienten im wesentlichen entsprach.
Die Tiere gingen mit Blutungen und Ikterus am 6.
bis 24. Tage (meist ani 8. bis 10. Tage) nach der erfolgten
Beimpfung zugrunde.
2. Beieinemö. Falletraten nurgerin gfügigeBlu-
tungen ohne Ikterus bei dem am 7. Tage gestorbenen
Impftiere auf.
3. Durch Verimpfung von Urin eines Patienten
Hess sich bei Meerschweinchen das gleiche Krank¬
heitsbild erzeugen. Ebenso später mit dem Urin eines er¬
krankten Russen bei negativem Bhitbefund.
4. Bei einer grossen Anzahl der Tiere wurde in Leber,
Niere oder Nebenniere im Ausstrich nach Giemsa oder im
Schnitt nach Levaditi die Spirochaeta icterogenes (nodosa)
gefunden.
5. Verimpfung im Rezidiv, Verimpfung von
Leichenblut und Infektion per os ergaben beimns*
in einigen Versuchen negative Resultate.
6. Die Verimpfung gelang prompt von Tier auf
Tier. In der zweiten Generation ging die Erkran¬
kung rascher an, die Tiere starben am 5. bis 10. Tage
unter denselben Er s c h ei n u n g en i).
7. Einige sero- und chemotherapeutische Ver¬
suche gegen Ende der Erkrankung blieben bis jetzt
beim Tier erfolglos.
8. Dagegen schien eine vorhergehende erfolg¬
lose Impfung mit Patientenblut einen gewissen
kurzdauernden Schutz zu verleihen.
9. Periodische Gewichtsschwankungen wurden
bei den nicht tödlich erkrankten Impftieren ohne
Ikterus beobachtet.
10. In Übereinstimmung mit Httbener, Reiter, Uhlen-
huth und Fromme halten wir demnach für erwiesen,
dass sich der Erreger der Weil sehen Krankheit durch
Patientenblut und Urin auf Meerschweinchen übertragen
1) Aus Mangel an Tieren wurde die Passage hier nicht weitergeführt.
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Original frum
UNtVERSITY OF CALIFORNIA
278
Rihm, Emst Frankel und Max Busch.
[25
lässt, bei diesen eine der menscblichen analoge Erkrankung
verursacht, und als Spirochaeta icterogenes (nodosa) in ihnen
nachgewiesen werden kann.
m.
Pathologisch-anatomische Befunde bei Weil scher
Krankheit (Icterus infectiosus) von Dr. Max Busch.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen von zwei zur Sektion
gekommenen Fällen von W eil scher Krankheit (Fall 11/16 und VI/16 des
klinischen Teiles der Arbeit von Rihm und Fränkel) stimmen in
allen Punkten so vollständig mit den von Beitzke beschrieb^en
Fällen überein, dass von einer ausführlichen Wiedergabe der Sek¬
tionsprotokolle abgesehen werden kann. Es genügt vollauf, die auf
die Krankheit zu beziehenden Veränderungen xmter Hinweis auf
imsere Fälle an Organen und Organsystemen kurz zusammeimistellein
tmd damit das pathologisch-anatomische Bild der W eilsöhen Krank¬
heit zu umreissen.
Der Tod ist bei beiden Fällen am 10. Krankheitstage erfolgt,
während die klinischen Hauptsymptome noch bestanden imd eine
schwere Nierenerkrankung das Bild beherrschte. Bezüglich des Ver¬
laufet der Krankheit verweise ich auf die Ausführungrai im klini¬
schen Teil dieser Arbeit (Rihm).
Beide Leichen zeigen starke Gelbsucht der Haut und der sicht¬
baren Schleimhäute, und zwar hält sich die Hautfarbe zwischen
tiefem Cliromgelb bis Braungelb. Hautblutungen zeigt nur Nr. 1
(Fall II, 1916), und zwar bis zu Linsengrösse an den Seiten des
Rumpfes in reicher Zalil. Wälirend bei Nr. 1 nur geringfügige Ödeme
über dem Kreuzbein ünd an den Knöcheln bestellen, sind sie bei Nr. 2
(Fall VII, 1916) stark ausgeprägt im Gesicht, am Rücken und den
Unterschenkeln. Bei ihm ist auf Schnitten das ganze Unterhaut-
zeUgewebe saftreicher und auch in den Körperhöhlein findet sicäi
freie Flüssigkeit: in den Brusthöhlen jo 50 ccm einer galligbraunen,
klaren Flüssigkeit, in der Bauchhöhle annähernd 1 Liter. Bei Nr. 1
finden sich nur einige IVopfen in den Köi'perhöhlen vor. Die ikteonsche
Färbung Ix'trifft alle Gewebe, auch die Knorpel. Nur die wedsse
Hirnsiihsümz scheint frei davon, und nur durch den reichen Gehalt
an gelblicher Hiniflüssigkeit auch leicht geHilich gefärbt.
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26] KliiU8che,experim.u.pathol.-anatoin. Mitteilungen Uber Icterus infectiosus. 279
Das Gehirn und Rückenmark bieten ausser grösserem
Feuchtigkeits- und Blutgehalte keine erkennbaren Veränderungen,
keine Blutungen oder sonstigen Herderkrankungen. Auch die peri¬
pheren fJerven sind von gewöhnlicher Beschaffenheit. Dagegen findet
TTiAJi scheinbar regelmässig vmd scheinbar wahllos über die ganze •
Körpermuskulatur zerstreut besonders in den Waden feinste
Blutungen, die bei dünneren Faserbündeln als zarter Blutschleier
durch die Muskelhüllen (Perimysium) durchschimmem. An den
Schleimhäuten der Atmungswege sind jeweils feine Blutaus¬
tritte zu bemerken. Auch findet sddi neben einer allgemeinen Auf¬
lockerung in mancbeü Fällen recht beträchtliche ödematöse Durch¬
tränkung, wie bei Fall 1, wo Zäpfchen, weicher Gauinen, Rachen- •
wand, Kehldeckelfalten und Stimmbänder recht bedeutend geschwol¬
len waren. Hier kam es bei längerem Bestehen und dadurch viel¬
leicht hervorgerufenen Emähxuügsstönmgen — wie bei anderen
schweren Erkrankungen — zu Geschwürsbildung an der hinteren
Kehlkopfwand, die als Druckgeschwür gedeutet werden muss. Bei
Nr. 1 findet sich daselbst ein einmarkstüdkgrosses, wallartig ge-
randetes Geschwür mit graurotein, blutigbelegtera Grunde. Auch
die LuftröhrenschleiraJiaut ist gerötet Am auffallendsten sind je¬
doch die Lungen Veränderungen.
Schon durchs Lungenfell schimmern in marmorierter Zeich¬
nung an den meist geblähten Limgen schwarz- und braunrote Herde
durch, die in ihren Randpartien in feinste rote Sprenkelung des
Gewebes auslaufen, als üb die kleinen Lungenbläschen mit Blut ge¬
füllt seien. Ausserdem sieht man im Lungenfell noch reichliche
Blutaustritte. Auf Schnitten erweist sich das Lungengewebe tat¬
sächlich von Blutungen durchsetzt, nicht so derb wie bei Infar-
zienmgen, sondern noch flaumig-weich. Es handelt sich um kugelige
Herde mit dunkelroter Mitte, die nach den Seiten hin blasser werden.
In den Luftröhrenzweigen ist blutiger Saft oder Schaum, wie
überhaupt das ganze Lungengewebe sehr blut- und saftreich er¬
scheint. Verdichtungen entzündlicher Art fallen nicht auf.
Die Kreislauforgane zeigen makroskopisch wenig Eigen¬
artiges. In den Blutadern hält sich reichlich schwarzrotes, häufig
flügges Blut. Im Herzen findet sich links teils flüssiges, teils locker
und dunkelgeronnenes Blut mit spärlichen Speckgerinnseln, rechts
mehr feuchte, weiche Spedkgerinnsel, denen der Gallenfarbstoff eine
tief braungelbe Färbung verleiht. Die Herzen der beiden liier be¬
obachteten Fälle sind gross, gi-össer als die Leichenfaust, und muskel-
reich, 340 und 350 g sclnver. Das Fleisch ist steif, von grünlich¬
braunroter Farbe glänzend, auf Schnitten vielleicht etwas über-
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280 Rihm, Ernst Frankel und Max Busch. [27
quellend. Eine geringe gelbliche Flectung imd Verdickung der Innen¬
wand in Aorta, Karotiden und Kranzschlagadem sei nur nebenbei
erwähnt. Frischere Entartungsherde sind nidit zu sehen. Zu er¬
wähnen sind hier noch zusaxnmenfassend die in Haut und Scfhleim.-
• häuten, in Miiskeln, Lungen und Nieren beobachteten kleineren
kapillären Blutungen.
Die inneren Drüsen bieten auch keine besonderen Verände-
rimgen; Blutungen oder frischere Sehwellungszustände oder auch
nur stärkere Blutfüllung sind weder an Thymus, Thyreoidea, Hoden,
noch an den Nebennieren zu sehen. Auch die Himanhänge sind frei
davon. Die Epithelkörperchen haben ihre bräunliche Farbe tmd
* weiche Beschaffenheit An den Nebennieren sind in den hiesigen
Fällen die Rinden rötlichgraugelb und nur stellenweise von der
trockengelben, den Idpoidstoffen eigenen Farba
Die Verdauungswerkzeuge scheinen stets in irgend einer
Weise beteiligt zu sein. Man findet Schwellung und Auflockerung
der Magendarmschleimhaut, vorzüglich in der Ileocökalgegend, dazu
Hyperämie imd Blutungen einzelner Schleimhautfalten, die häiifig
auf einzelne Bezirke begrenzt sind, so bei beiden im Zwölffingerdarm
und Magen, bei Nr^. 1 im Magengrunde sehr ausgedehnt, so dass dort
die ganze Schleimhaut düsterrot erscheint; bei beidea i^ sie am
ausgesprochensten im IleoCökum und Anfang des Colon ascendena
Bei Nr. 1 besteht ausserdem schwarzgestippte, narbige Verflachung
der Payersehen Haufen im unteren Ileum und axi^edehnter Be¬
zirke im Cökum (Typhusnarben?). Die Darmlymphdrüsen sind nicht
geschwellt, dagegen findet sich bei Nr. 1 Follikelschwellung der
ganzen Darmschleimhaut
Die Leber scheint in dem Stadium, wo der Tod eintritt, stets
vergrössert zu sein. Sie überragt in den hier beobachteten Fällen
bei einem gewöhnlichen Zwerchfellstand (3. bis 4. Rippe) den Rippen¬
bogen um 3 Querfinger. Leber I wiegt z. B. 2200, Leber II
2340 g, letztere misst 26:22:9 cm. Sie ist stets steif anzufühlen
und erhält durch den Gallenfarbstoffgehalt eine grünbraune Färbung.
Irgend ein besonderer Fettgehalt macht sich nicht bemerkbar. Sie
ist feucht und glänzend, ihre Schnittfläche glatt, die Zeichnung
deutlich; die Blutgefässe halten nicht sonderlich viel Blut Atro¬
phische Zustände sind nicht zu erkennen. Die Wände der zu- und
abführenden Blutgefässe sind ganz zart.
Die Gallenweg 0 sind gewöhnlich weit, die Ausführungs-
gänge leicht zu sondieren. Die Papilla Vateri ohne wesentliche
Schwellung, von Schloimansanirnlimgen nichts zu sehen. Der Galle-
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28] Klinische, experim. u. pathoL-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 281
gehalt der Gallenblase ist gering, bei Nr. 1 = 20 cötn, bei Nr. 2
= 30 ccin. Die Farbe scheint wechseln zu können; so ist eie im
Fall 1 dunkelgrünbraun schleimig, während bei Fall 2 trüb geU>
braun imd dicklicb. An der Gallenblasenwand sieht man gewöhn¬
liche Verhältnisse. Die Schleimhaut ist nicht geschwollen, nicht
gerötet. Steinbildung ist nicht gefunden worden.
Die Milz scheint sich verschieden verhalten zu können, wie
sie ja auc6 im klinischen Bilde nicht ganz gleicliartig zu sein pflegt.
Bei Nr. 1 ist sie recht beträchtlich vergrössert;. Bei einem Gewicht
von 370 g misst sie 13:7:5,5 cm. Ihre Kapsel ist gespannt, ihr
Gewebe weich und trüib-graurot und leicht überquellend. Die Mal-
pighi sehen Körperchen treten noch ziemlich deutlich hervor. Bei
Nr. 2 wiegt sie nur 150 g bei 13: 8,5:2 cm. Hier ist sie sehr schlaff,
welk und teigig-weich; ihre Kapsel gerunzelt, ihre Farbe eigenartig
lehmgelb bis graimot, die Masse auch etwas üb^quellend. Die Milz-
gefässe haben zarte Innenwände.
Die deutlichsten Veränderungen zeigen die Nieren, wodurch
sie auch anatomisch in den Vordergründ des Krankheitsbildes ge¬
stellt werden. Auch hier gibt es gradweise Unterschiede, aber das
allgemeine Aussehen lässt sie sogleich schwer krank erscheinen.
Hochgradige Schwellung und Rundung des Organs bekunden sich
in Mass und Gewicht. Bei
Nr. 1: R. 12:5:4 cm; 250 g. Nr. 2: R. 12:6,5:5 cm; 240 g.
L. 13:4,5: 5 cm; 310 g. L. 12: 5,5: 5,5 Cm; 240 g.
Bei Nr. 1 hat scheinbar die Schwellung zu tiefen Einrissen der
Rinde geführt. Die Risse verlaufen quer über Vorder- und Hinter-
flächo bis zu 4 cm Länge, 0,5 cm Tiefe. Sie klaffen auf 3 imm, sind
aber durch geronnenes Blut ausgefüllt. Die Blutung hat sich unter
der Fettkapsel fortgesetzt und ist, nachdem sie diese weitgehend
durchsetzt hat, in das weitere umgebende Gewebe vorgedrungen,
nach abwärts bis fast zum kleinen Becken hin. Das Nierengewebe
selbst ist im Rindenteil trübe grünüchgelbbraun mit feinen, streifigen
und punktförmigen Blutungen durchsetzt. Die M a 1 p i g h i sChen
Körperchen springen auf Sclmitten rötlich vor, wie auch das ganze
Rindengewebe die Markstralilen überragen. Auch diese wirken trübe
und sind von dunkelgraugrüner Farbe und rötlich gestreift.
Die Nierenbeckenschleimhaut ist gerötet und mit
punktförmigen und streifigen 'Blutaustritten versehen, die sich am
Ausgang und Ureteranfang derart häufen, dass sich wulstige Blut¬
falten vorwölben. Es hat den Anschein, als ob die durch Schwellung
genäherten Nierenpole Stauungsblutungen verursacht hätten. In den
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Rihm» Kni»t Frankel und Max Busch.
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Nieren bei Nr. 1 finden sich als besondere Eigentümlidhkedt griess-
artige Konkremente in den Beckenkeldhea um die Papillenspitsjen
gelagert, von bräunlichgelber Farbe.
Die Blase bei Nr. 1 enthält nur wenige Tropfen trüben gelben
Harns. Ihre Schleimhaut ist locker, aber blassgelb. Bei Nr. 2 ist eie
ebenfalls fast leer, enthält nur Tropfen milchig-trüben gelben Saftes.
Ihre Schleimhaut ist aber stark ödematös und polsterartig vorge-
wulstet und mit kleinen Blutau^ritten versehen. Gegenüber der Ham-
röhrenöffnung an der hinteren Wand ist eine von Blutungen durch¬
setzte Verwölbung zu sehen. Die beiden Harnleiter sind trotzdem
leicht zu sondieren. Das lockere Beckenzellgewebe ist in diesem
Falle stark ödematös durchtränkt
An den Geschlechtsteilen sind krankhafte Veränderungen
nicht aufgefallen.
Uistologische Befunde.
1. Leber. Im frischen Präparat nimmt man als auffallendstes
die Galleanhäufung in den Leberzellen wahr, und zwar vorwiegend
um die Venae centrales. Die Zellen, deren Plasma nicht zu sehr von
Galle überlagert ist, sind fein gekörnt. Nur bei Nr. 1 sind in ein¬
zelnen Bezirken grössere Fettkugeln zentroazinär zu sehen. Die
Kerne sind in einzelnen Zellen sehr gross und blasig. DetuÜicher
sieht man das Verhalten der Kenie im gefärbten Präparat Währeaid
das Plasma nichts Besonderes erkennen lässt, sieht man neben
grösseren und kleineren, meist hellen blasigen Kernen fast in jedem
Gesichtsfelde pyknotische Kerne und — bei Nr. 2 wesentlich mehr
als bei Nr. 1 — Kemteilungsfiguren in allen Stadien der üitwicke-
lung. Es ist dies ein Umstand, auf den mich Herr Geheimrat
Aschoff im Anschluss an einen von ihm untersuchten Fall auf¬
merksam machte, was ich bei meinen Fällen bestätigen konnta Die
färberisch nach Weigert dargestellten Gallenkapillareo sind (am
gehärteten Organ) nirgends besonders verengt zu finden, sie erscheinen
stellenweise weit, auch ausgebuchtet Eine stärkere Füllung mit
Gallenbestandteilen ist mir auch am frischen Präparat mit Farbetoff-
reaktion nicht aufgefallen, was bei der Unsicherheit und geringein
Beweiskraft dieser Methode allerdings nicht ins Gewicht fallen dürfte.
Die kapillären Bluträume sind nicht erweitert oder blutübwfüllt,
jedoch scheinen die zwischen den Zellbalken gelegenen Gewebe durch
Ödem breiter als unter gew'öhnlichen Verhältnissen. Entzündliche
Reaktionen von auffallender Intensität sind nicht anzutreffen. An
manchen Stellen hat es den Anschein, als ob im periportaleai Binde-
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30] Klinische, experim. u. pathol.-anatom. Mitteilungen über Icterus infectiosus. 283
gewebe, wie auch Beitake berichtet, in der Nachbarschaft der
kleinen Gallengänge eine aellige Infiltration ausi Eundaellen und ver-
einaelten Leukozyten begtünde, jedoch ist es beim Menschen schwer
au sagen, ob sie das bed anderen Lebern gefundene Maas übersteigt.
Es sei darauf hier nur im Vergleich zu den beim Meerschweinchen
erhobenen Befunden hingewiesen, auf die w'eiter unten einzugehen ist.
Nach Sudan färbUng sieht man fast untemormale Mengen von
Fett, wenigstens im Falle 2. Bei Pall 1 sind in einzelnen Zellen
gröbere und feinere Tröpfchen in der cliarakteristischein Weise ge¬
färbt. Auch mir sind, wie Beitzke, verfettete Eupffersche
Stemzellen aufgefallen.
Die Eisenreaktion fällt schwach positiv an spärlichen Zellkörn¬
chen aus.
Die Nieren sind auch mikroskopisch am stärksten erkrankt.
Das Interstitium ist locker und söheinbar durch ödematöse Fül¬
lung der Saftspalten verbreitert. Sowohl in den B o w m a n n sehen
Eiapeieln als auch in den gewundenen Harnkanälchen sieht man
flockige, häufig mit Gallenfarbstoff gemischte Niederschläge. Die
Gefäßsschlingen der Glomeruli erscheinen wie gequollen. Die Kapsel-
endothelien sind hie und da wie im Fall 5 von Beitzke vorwiegend
gegenüber dem Gefässstiel gequollen und vermehrt. Das Epithel der
gewimdenen Kanälchen ist trübe wie gequollen; die Kerne sind
blasig, die Zellgrenzen noch erkennbar. In allen Kanälchenepithelien
sieht man mehr oder weniger gallige Imbibition. In den tieferen Ab¬
schnitten ordnet sich der Inhalt der Kanälchen zu regelrechten
ZyUndem, imd zwar so, dass Gallenfarbstoffzylinder überwiegen,
hyaline zurücktreten, aiisgesprochen zeitige sieht man selten. Ntjt
hie imd da sind schon in den Glomeruli Blutaustiitte zu sehen und
dann in den zugehörigen Kanälchen rote — Blutkörperchen —
Zylinder. Die geraden Kanälchen sind stellenw'eise weit, andern¬
orts eng.
Ganz typisch und in allen Fällen scheinbar gleichartig äussert
sich die Reaktion des blutgefässführenden Zwischengewebes. In der
Nähe grosser und kleiner Gefässäste, vorwiegend auch um die
GlomeruUstiele finden sich kleine'Infiltrationsherde, die sich,
wie Beitzke bei seinen Fällen beschrieb, aus kleinen Rundzellen,
einigen Leukozyten, auch Eosinophilen, und vorwiegend plasma¬
reichen gross- und blasigkemigen Zellen zusammen setzen. Die
Kapillaren sind in der Nähe solcher Herde mit den gleichein Zellen
reichlicher gefüllt. Auch im Zwisfehengewebe beobachtet man kleine
Blutaustritte. Die erwälinten Infiltrate sind am reichlichsten in den
Markkegeln anzutreffen. Der Fettgehalt der Epithelien ist gering.
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Bihm, Emst Frankel und Max Busch.
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im Interstitiura scheinen Kapillarendothelien der Verfettung zu ver¬
fallen.
Während nun in der Leber die Suche nach spezifischen Er¬
regern mit Hilfe der Levaditischen Versilberungsmethode stets
negativ ausfiel, konnten in zahlreichen Nierensdhnitten
beider Fälle immer wieder in einzelnen Kanälchen,
in gewundenen sowohl wie in geraden, ab und zu
anch zwischen den Epithelzellen schön schwarz
gefärbte „Spirochäten“ gefunden werden; wenn in einem
längsgetroffenen Kanälchen eine gesehen wurde, fanden sich weiter¬
hin meistauch mehrere im gleichen Kanälchen. Von einem Spirochäten¬
reichtum kann allerdings nicht die Rede sein. Im Interstitium, etwa
in den Infiltrationsherden, habe ich keine entdecken können.
Ehe ich zu den pathologisch-anatomischen Veränderungen, die
an geimpften imd erkrankten und dann gestorbenen Meerschwein¬
chen übergehe, sei noch erwähnt, dass auch im Herzmxiskel kleine
zellige Infiltrate verkommen; dass die Skelettmuskeln (Waden- und
Rumpfmuskeln und die Glutaei) an Stellen der Blutungen stets gleiche
Veränderungen zeigen können: hyaline, schollige Entartung in der
Umgebung ganz gesunder Fasern mit allen Folgeerscheintuigen des
Zerfalls und Resorption der abgestorbenen Massen; im Zwischen¬
gewebe sind mehr oder weniger ausgedehnte Blutungen zu sehen.
Sonstige spezifische Veränderungen sind an anderen Organen
nicht aufgefallen; Spirochäten daselbst nicht gefunden.
Es ist für die Beurteilung der Ätiologie der Er¬
krankung wesentlich, dass die pathologisch-ana¬
tomischen Veränderungen beim mit Patientenblut
oder Urin intraperitoneal gespritzten, und unter
den Erscheinungen des Icterus infectiosus gestor¬
benen Meerschweinchen fast in allen Zügen mit
dem menschlichen Bilde übereinstimmen.
Ikterus, Leber- und Milzschwellung, Haut-, Schleimhaut-, Serosa-,
Lungen- und Muskelblutungen und nicht zuletzt die schwere Nieren¬
schwellung und Degeneration, die sich makroskopisch schon fest-
steilen lassen, werden bei fast allen zu Tode kommeaiden Tieren in
schwerster Form gefunden. Aber auch mikroskopisch lassen sich
Befunde erheben, die die Verwandtschaft, um nicht Zu sagen Wesens¬
gleichheit, der Erkrankungsvorgänge beweisen.
Bei der Leber kann man noch mit viel mehr Recht als
beim Menschen von einer Pericholangitis reden, wo die zellige In¬
filtration um die Gallengänge gegenüb(*r dem Normaltier beeonders
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32] Klinische, experim. u. pathol. -anatom. Mitteilungen über Icterus infeotiosus. 285
■ stark ins Auge fällt, so dass das Nichtvorhandensoin dieser Verände¬
rung' bei einem an interkurrenter Pyämie vorzeitig gestorbenen Tiere
die Behauptung erlaubte, dass eine Infektion mit Spirillen noch nicht
wirkäam geworden sei.
'Ganz die gleichen Verhältnisse treffen bei den Nieren zu: Wo
die Infektion zxim Tode führt, findet man eine kleinherdige Ent¬
zündung mit Epithelentartung. Und in Nieren und Leber gleich¬
sinnig : Fehlen einer irgendwie erwähnenswerten Beladung des Paren¬
chyms mit Fetttropfen. Nur auf einen Unterschied soll hingewiesen
werden: Beim Tier sieht man stets eine.hochgradige Hyperämie
der Nebennieren, die auch zu Blutungen kleineren Umfangs führen
kann, imd stets zu starker Schwellting des Organs führt Beim
Menschen vermisst Tnan diese Veränderung. Wohl ist die Rinde
feucht und leicht gerötet, aber einen bemerkenswerten Grad er¬
reicht die Blutfüllung nicht
Auch die M’uskel- und Lungenblutungen, sowie die Haut- und
Schleimhautblutungen stellen sich im mikroskopischen Bilde bei
Mensch imd Tier in gleicher Weise dar.
Der Spirochätenbefund—■ zunächst wurde immer die von Leva-
d i t i angegebene Methode benützt, später die stets zum Ziele führende
Schnellmethode von Nakano oder auch die von Yamamoto —
ist beim Tier durchweg so reichlich, dass ein genaueres Studium
hier ermöglicht wird. In den rasch zu Tode kommenden Fällen ist
die Leber der Hauptfundort, und für diagnostische Zwecke genügt
der positive Leberbefimd. Da der Erreger im kreisenden Blute ge¬
funden wird, gelingt seine DarstellTmg auch in den übrigen Organen,
aber nie so reichlich wie in der Leber. Hier liegen einige Exem¬
plare und oft zusammengeknäiielt mehrere zwischen den Leberzellen,
in feiner Schlängelung, mit stark abgebogenen Enden (PeitsChen-
schnur ähnlich), ähnlich den sich windenden Oxyuren. Man sieht
auch scheinbar knötchenförmige Schwellungen am Ende oder im
Leib selbst. Es ist schwer zu bestimmen, ob sie nicht auch oder
vielleicht vorwiegend in den Gallenkapillaren liegen. Sie aind meist
in grossen Massen vorhanden, so dass kamn eine Zelle nicht in Be¬
rührung mit einer Spirochäte ist. In den Gallengängen sind mir Spiro¬
chäten nicht begegnet. In Blutgefässen trifft man sie seltener an. Analog
den Befunden beim Menschen sind auch in den Nieren stets die Spiro¬
chäten darzustellen, allerdings in wechselnden Mengen. Manchmal
sehr reichlich, manchmal spärlicher, einzeln und zusamraengeknäuelt.
Eine Gesetzmässigkeit ist noch nicht zu- geben. Doch hat es den
Anschein, als ob in Fällen, wo sie in der Leber zu verschwinden bo-
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Rihm, Emst Fränkel und Max Busch.
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ginnen, genauer gesagt, wenn dort weniger gefunden werden, sie in
der Niere reichlidher auftreten, und umgekehrt, je reichlicher in
der Leber, desto weniger in der Niera
Man findet sie schon in den Gefassknäueln; reichlicher in den
gewundenen, am reichlichsten aber in den absteigenden Harnkanäl¬
chen, im Lum’en sowohl wie zwischen den Epithelzellen. Und da,
wo der letztere Befund erhoben wird, auch im Zwisidbenge|webe.
In der Nähe der Infiltrate kann man sie nicht zahlreicher antreffem
als an Stellen, die frei von Eakzündungsherden sind. Von sonstigen
Organen waren in einzelnen Fällen die blutreichen Nebennieren
besondeüTS spirill^ihaltig.
Die Deutung, die nach den pathologisch-anatomischen Verände-
nmgen die klinischen Symptome erfahren können, beschränkt sich
im wesentlichen auf die Gelbsucht und die Nierenentzündung als
die beiden schwerwiegendsten Erscheinungen.
Nach den tierexperimentellen Untersuchungen, den gleichartigen
Veränderungen bei Tier xmd Mensch, dem Befund von Spirillen in
tierischen und menschlichen Organen, kann als sicher feststehend
angenommen werden, dass die von Hüben er imd Reiter imd
Uhlenhuth und Fromme beschriebene Spirochäte das einzige als
Erreger in Frage kommende Virus ist ■und dass die Leber den Ort
der Wahl für Vermehrung imd Stätte des Zerfalls bedeutet
Es ist naheliegend, anzunehmen, dass der Entwickelungsprozess
und das Wirken der Spirochäte in der Leber als dem Orte der Wahl
eine Leberzellenveränderung erzeugt oder den Stoffwechsel der Leber
derart beeinflusst, dass der normale Gallebildxmgsprozess oder der
Abtransport gestört wird, mid die Gallebestandteile ins Blut über¬
gehen. Grobe Gallenstauungen — ein mechanischer Ikterus —
kommt, wie schon Beitzke betont, nicht in Frage; man müsste
denn annehmen, dass das Gallenkapillarensystem infolge Verstopfung
durch die Spirochäten oder dxirCh ein toxisch entzündliches Leber-
ödem derart beengt ■wird, dass es zur Parapedese der Galle (M i n -
k 0 w s k i s Bezeichnung für derartige Zustände) kommt, oder nach
Pick: Zur Paradholie oder dem Liebermeistersc)ien Diffu-
sionsikterus. (Dieselbe Art yvürde bedingt durch eine toxische Schä¬
digung der Leberzellen.) Diese Frage ist hier nicht endgültig zu
entscheiden. Ebensoiivenig wie die, ob ptwa nur gesteigerter Blut¬
zerfall als Folge der Infektion bzw. Intoxikation genügt, den schweren
Ikterus zu erklären. Die Anwesenheit der Spirochäten in der Leber
scheint das eine sicherzustellen, dass örtliche Leberschädigungen,
bei der Entsteluuig dos Iktenis ein wesentliches Moment abgeben.
Google
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34] Klinische.experim.u.pathoL-anatom.Mitteilungen übericterus infectiosus. 287
Dafür lässt sich auch der histologische Befund der Kern- und
Zellteilung in der menschlichen Leber ins Feld führen, die zum
mindesten als Folge eines Reizes in regenerativem Sinne gedeutet
werdlh kann nach Parenchymschädigung. Für den gesteigerten Blut¬
zerfall andererseits spricht der Blutbefund am Lebenden, dem man,
wenn auch die Befunde bislier nur spärlich erhoben worden sind,
die Bedeutung eines Reizzustandes nicht absprechen kann: als Kom¬
pensation gesteigerten Zerfalls, wie es die vorstehenden Abhand-
Irmgen von Rihm und Ernst Frankel zeigen.
Ferner soll auch hier auf die Verwandtschaft mit dem Gelb¬
fieber hingewiesen werden, bei dem weit stärkere Leberschädigrmgen
gefunden werden, die an gelbe Atrophien grenzen.
Die Schwellung und Schmerzhaftigkeit dürfte sich aus dem
toxischen Ödem ergeben. Erklären sich manche Krankheitszeichen
vielleicht als Begleitsymptome des Ikterus, so muss man wenigstens
bei den zahlreichen Blutungen doch wohl an eine primäre, mit dem
Virus direkt zusammenhängende Schädigung der Kapillaren denken,
ebenso bei der Schädigung des Zentralnervensystems. Welcher Art
das produzierte Gift ist, kann vorläufig nicht bestimmt werden.
Toxikologische Versuche sind meines Wissens mit aus Erregern
gewonnenen Substanzen bis jetzt nicht veröffentlicht worden.
Immerhin lassen sich die Kapillarschädigungen als
toxisch bedingt sehr wohl auffassen. Der Blutverlust ist nicht
unbeträchtlich. Er- wird neben der Nierenentzündung vom Kliniker
für den tödlichen Ausgang hie und da verantw'ortlich gemacht (Fall 2
von B e i t z k e und Nr. 2 der hiesigen Fälle). Als Folge der Nephritis
allein können die Blutungen nicht gedeutet werden, wenn auch die
schwersten Blutimgen nur bei Fällen mit sonstigen schweren Sym¬
ptomen gefunden zu werden pflegen. Auch hier werden sich die
ursächlich in Frage kommenden Momente unterstützen: Cholämie,
Urämie, Intoxikation. Die Wirkung der Erreger und ihrer Toxine
auf den Körper tritt am deutlichsten an den Nieren zutage. Die
Kapillarschädigung führt zu infiltrativen Prozessen, nachdem viel¬
leicht eine degenerative Phase den Erkrankungsvorgang eingeleitet
hat Ob hier, wie Ribbert neuerdings annimmt, die Rückresorption
der Toxine zur entzündlichen Infiltration den Anstoss gibt, ob die
vermehrte Toxinausscheidung in den Nieren allein genügt, ob schliess¬
lich doch der Err^er selbst ins Gewebe gelangt etwa nachdem er
in den oberen Exkretionswegen ausgeschioden und in den tieferen
Teilen in das Interstitium einzuwandem vermag und dann dort lokale
Reaktion hervorruft, diese Vorgänge sind auch an der Hand der
vorliegenden Infektionskrankheit nicht zu erklären.
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Rihm, Emi t Frankel und Max Bu^ch.
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Wir haben es mit einer akuten exsudativen und
deg enerativen Form der Nierenschädigung zu tun,
die wohl in der Hauptsache Folge der spezifischen
Iniektionist. 0
Auf die von Carrol bezüglich desl Gelbfiebers aufgeworfene
Frage, inwieweit das Pehlen anderer Produkte des Leberstoffwechsels,
die normalerweise in den Ham übergehen, bzw. das Vorhandensein
nicht genügend abgebauter Körper zur Nierenschädigung Anlass
gelen könnten, kann wegen der physiologisch nicht genügend klär¬
baren Verhältnisse nicht eingegangen werden.
Für die Behandlung der Oligurie und Anurie der Schwersten
Fälle könnte sich daraus ein Fingerzeig ergeben, wann man dem
Harnstoff normalerweise die Bedeutung eines sekretorischen Reiz¬
mittels zubilligt und etwa seinem durch die Leberschädigung be¬
dingten Fehlen oder Vermindertsein die Wasserretention zum Teil
zuschreiben wollte.
Die Muskelschmerzen finden ihre Erklärung wohl in den Ent¬
artungen und Blutungen, wenigstens wird man für beides ein und
dieselbe Ursache annehmeu dürfen.
Die Verteilung der Schmerzen über den ganzen Körper, wenn
sie auch mit Vorliebe in den Waden Vorkommen, zeigt, dass das
Krankheitsgift die verschiedenen Organe primär oder sekundär in
wechselndem Masse schädigen kann. Es ist wohl anzunehmen, dass
dementsprechend an allen Geweben pathologisch-anatomische Ver¬
änderungen gefiuiden werden können, wechselnd mit dem klinischen
Bilde. Dafür sprechen auch die nach Niederschrift dieser Arbeit
erschienenen Veröffentlichungen von Hart imd Pick.
Schlusssätze.
1. Die beiden an Weilscher Krankheit gestor¬
benen Fälle hatten gleichartige und, wie es
scheint, typische pathologisch-anatomische Ver¬
änderungen: Ikterus, Blutungen in Haut und
Schleimhäuten und. den serösen Häuten, in Mus¬
keln, Lungen und Nieren, ausserdem Leber- und
zum Teil auch M i 1 z s c h w e 11 u n g und s c h w e r e S c h w e 1 -
lung und Entzündung der Nieren, Veränderungen,
die auch bei den mit Pa t i en t e n blu t oder Urin ge¬
spritzten Meerschweinchen gefunden werden.
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36] KUnisohe.experim. u.pathol.-aaatom. Mitteilungen Uber Icterus infectiosus. 289
2. Von mikroskopischen Veränderungen ver¬
dienen besonders hervorgehoben zu werden: Odem
der Leber und Kernteilung in Leberzellen; klein-
herdige Entzündung der Nieren neben parenchyma¬
töser Entartung und Blutungen, Muskel d egen er a-
tionen und -Blutungen; bei Tieren noch die peri-
cholangitisöhen Prozessa
3. Beim Versuchstier fanden sich besonders
reichlich in der Leber und spärlicher in anderen
Organen die von Hübener und Reiter und Uhlenhuth
und Fromme beschriebenen Spirochäten, und zwar
scheinbar in der Leber um so reichlicher, je früher
der Tod erfolgt. Je später er eintritt, desto reich¬
licher enthielten die Nieren die spezifisöhen Er¬
reger.
4. Beim Menschen fanden sich die Spirochäten in
mehreren Exemplaren nur in Nierenschnitten, viel¬
leicht als der letzten Etappe bei ihrer Passage
durch den Körper.
5. Der Tod erfolgte bei unseren Fällen am Ende
der ersten Fieberperiode, und zwar in beiden Fällen
am 10. Krankheitstage; beim Versuchstier meistens
am 8. bis 10. Tage, hie und da früher oder später.
6. Als Todesursache kommt in unseren Fällen
neben der Allgemeinintoxikation im wesentlichen
die Nierenschädigung in Betradht.
Literatur.
Pathologie.
1. Beitzke, Berl. klin. Wochenschr. 1916. Nr. 8.
2. Herxheimer, Borl. klin. Wochenschr. 1915. Nr. 15. 1. c.
Ätiologie.
1. Hübener ii. Reiter, D(*ulsche ined. Wochenschr. 1915, Nr. 43; 1916,
Nr. 1 u. 5.
2. Reiter u. Ramme, Deutsche mcul. Wochenschr. 1916, Nr. 42.
Beiträge zur Klinik der Infektionakrankbeiten. Bd. VJ. H. 3 u. 4. 19
Digitized b]
Goi-igle
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290 Rihm, Emst Fränkelu. Max Busch, Klinische, experim. u. path.-anat. Mitteil. [37
3. Uhlenhuth u. Fromme, Med. Klin. 1915, Nr. 45, 46 und 50. Berl.
klin. Wochenschr. 1916, Nr. 11.
4. Ungermann, Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr. 15.
5. M a r l i n u. P e t i t, Presse m6d. 1916, Nr. 69.
Klinik und Epidemiologie.
1. Bäum 1 er, Münch, med. Wochenschr. 1916, Nr. 42.
2. V. Benczur, Deutsche med. Wochenschr. 1916, Nr. 16.
3. Fiedler, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1888, Nr. 42.
4. Go e bei, Med. Klin. 1916, Nr. 15.
5. Goldschmidt, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1887, Nr. 40.
6. Hecker u. Otto, Veröffentl. a. d. G. d. Milit.San.-Wesen, H. 46. Deutsche
med. Wochenschr. 1911, Nr. 18 u. 42.
7. I c k e r t, Br. Beitr. z. klin. Inf. Kr. V. Bd. H. 1.
8. Krumbein u. Frieling, Deutsche med. Wochenschr. 1916, Nr. 19.
9. Mense II., Tropenkrankheiten. Carrol. S. 108. (1915.)
10. Müller, Deutsche med. Wochenschr. 1916, Nr. 17.
11. Schott, Münch, med. Wochenschr. 1916, Nr. 43.
12. Weil, Deutsches Archiv f. klin. Med. 1886, Nr. 39. Deutsche med. Wochen¬
schr. 1916, Nr. 5.
Nachtrag: Ätiologie Nr. 3. Uhlenhuth u. Fromme, Zeitschr.
f. Immun.-Forsch. Bd. 25. Nr. 5/6. Die umfangreiche Monographie gelangte erst
während der Korrektur zu unserer Kenntnis. Ebenso die Arbeiten von:
Pick, Berl. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 19 u. 20.
L. Arzt, Wien. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 4 u. 6: (Ref. Deutsclio med.
Wochenschr. 1917. Nr. 20.)
Emmerich, Wien. med. Klin. 1917. Nr. 20.
Klose, Münch, med. Wochenschr. 1917. Nr. 21.
Hart, Berl. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 12. S. 285.
Trembur u. Schallert, Med. Klinik. 1915. Nr. 16.
Schäfer, Med. Klinik. 1917. Nr. 22.
Hoffmann u. Habermann, Deiilsclie med. Wochenschr. Bonn, März 1917.
Nr. 23.
Garnier u. Reil ly, Presse medicale. Nr. 31. S. 324.
8. Vorträge von Uhlenhuth, Hertel, Busch, Strassburg, Januar 1917;
Ernst Fränkel, Heidelberg, Januar 1917.
Abgeschlos.sen: Januar 1917.
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Tafel L
Beiträge zur Klinik der Infektionskrankhciten
und zur Immunitätsforschung. Bd. VI.
Leber MS. 83. Spirochäten bei W ei Isolier Krankheit, Levaditi-Färbung.
Lcitz Mikr. V12 Okular 3.
Rihm, Fränkel und Busch. Klinische, experimentelle und pathologisch-anatomische
Mitteilungen über Ikterus infectiosus (Weilsehe Krankheit).
Curt Kabitzsch Verlag, Würzburg.
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Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber mit
besonderer Berücksichtigung der Neosalvarsan-
behandlung.
Von
Dr. Georg Koch, Wiesbaden
und
Dr. Richard t. Lippmann, Frankfurt a. M.,
landatnrmpflichtigeD Ärzten bei einer KriegalmuuretUbteilang.
Mit 21 Kurven im Text.
Von den beiden Krieg^s-seucben, die durch Läuse übertragen
werden, dem Rüekfallfieber und dem Fledkfieber, ist die erstgenaimte
Krankheit die bei weitem ungefährlichere. Denn einmal nimmt sie
viel seltner einen migünstigen Ausgang, zweitens aber besitzen wir
für ihre Bekämpfung im Salvarsan bzw. Neosalvarsan eine Waffe,
wie sie uns an Wirksamkeit kaum bei einer anderen Infektionskrank-,
heit zu Gebote steht.
Iverseni) Iiat 1910 festgcstellt, dass das Salvarsan imstande
ist, an einem beliebigen Tage eines beliebigen Anfalls eingespritzt,
innerhalb 7—14, spätestens aber in 24 Stimden, in 92 o/o der Fälle
die Krankheit zu kupieren und einen weiteren Anfall zu verhüten.
Prüssian-) hat 1916 dieselben günstigen Erfahrungen mit
dem Neosalvarain gemadht.
Auch wir haben zur Behandlung des Rüdkfallfiebers das Neo¬
salvarsan verwendet. (Tedmik; Lösung in 10 dem frisch sterilisierten
destillierten Wassers; intravenöse Injektion.) Seinen Einfluss auf
Zitiert nach J o c h ni a n n , t.ciirhuch der Infektionskrankheiten. 1914.
S. 257. ’
*) Münch, med. Wochenschr. 191(). S. 344 ff.
19*
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292
Koch und v. Lippmann.
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den Ablauf der Erkraakung' zu sdhildern, ist neben der Darlegung
klinisöher Beobachtungen der Zweck unserer Mitteilung.
Fälle von Rüdkfallfiebar sind bei deutschen Truppen nur in
ganz vereinzelten Fällen aufgetreten, xmd zwar sowohl zu Anfang
1916 wie im Beginn des laufenden Jahres. In beiden Jahren haben
wir die den einheimisohen Ärzten geläufige epidemiologische Be¬
obachtung geraadlit, dass mit dem Nachlassen des RüokfaUiiebers die
ersten FleCkfieberfälle auftauchen.* Häufiger waren die Erkran¬
kungen an RüCkfallfieber dagegCn in diesem Jahre bei Kriegs¬
gefangenen, imd unsere Beobachtungen sind fast ausschliesslich
an solchen angestellt worden.
Zirni Nachweise der Spirochäten ist die auch bei Malaria
jetzt allgemein übliche Dick - Tropfenmethode mit Färbung nach
G-iemsa angewendet worden i). Handelt es sich um den ersten An¬
fall, so gelingt der Nachweis meist sehr leicht, ausgenommen am
letzten Tage kurz vor der kritischen Entfieberung. Am ersten Tage
des zweiten Anfalles sind Spirocliäten häufig überhaupt nicht nach¬
weisbar gewesen, während sie bei erneuter Untersuchung am nächsten
Tage gefunden, werden, aber auch dann nur in bedeutend geringerer
Zahl als beim ersten Anfalle.
Der klinische Verlauf der Erkrankung wird natürlich
durch den Kräftezustand beeinflusst, in dem sich der von der Infektion
Befallene befindet. Doch haben wir auch gewisse, vom Allgemein¬
zustande des Kranken tmabhängige Abweichimgen des Krankheits¬
bildes gesehen.
Beim ersten Anfall kommt ohne therapeutisdie Einwirkimg in
vereinzelten Fällen statt des kontinuierlichen Fiebers remittierendes
oder sogar intermittierendes Fieber vor (vgl. Kurve 1 und 2).
Als weiteres, bisher weniger beschriebenes Symptom haben wir
des öfteren Konjunktivitis festgestellt, wie sie sich auch bei anderen
an Kriegsteilnehmem beobachteten Infektionskrankheiten findet, z. B.
FleCkfieber und Pappatacifieber.
Die Milzschwellimg war nie so beträchtlich, wie sie in den Lehr¬
büchern als besonders pathognomonisches Symptom angeführt wird.
Beim ersten Anfall war die Milz unter 66 besonders sorgfältig per-
kus.sorisCh und palpatorisch untersuchten Fällen 49 mal vergrössert
(— 74,2o/o), 17 mal (= 25,8o/o) nicht als vergrössert nachweisbar.
Beim zweiten Anfall dagegen besteht ein Milztumor immer.
Zu den selteneren Erscheinungen gehören nach unseren Be¬
obachtungen auch Herpes labialis, sowie Ikterus und Leberschwellung.
_ _ 0
M ü h 1 e n s , Münch, mod. Wochenschr. 1916. S. 36.
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3]
Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc.
293
Komplikationen haben wir häufiger bei vorher schon Ge¬
schwächten und in ihrem Ernährungszustände Herabgekommenen
beobachtet. Hierher gehören schwere Bronchitis, katarrhalische und
lobäre Pneumonie, ferner Nephritis, profuse Durchfälle und ruhr¬
artige Darrakatarrhe, sowie petechiale Hautblutungen. Inwieweit diese
Zustände auf die Wirkung der Spirochäten und deren Endotoxine
oder auf MisChinfektion zu rüdezuführen sind, lässt sich im einzelnen
Falle nicht immer beurteilen.
Mit grösster Walirscheinlichkeit handelt es sich bei der Nephritis
immer um eine direkte Schädigung durch die Spirochäten. Denn nach
erfolgter Neosalvarscinwirkung schwinden die Symptome von seiten
der Nieren bald. Unter 58 Fällen hat die auf der Höhe des Fiebers
vorgenomraene Urinuntersuchung 1.3 mal Eiweiss ohne Formelemente
(= 22 , 40 / 0 ) ergeben, 10 mal Eiweiss mit roten und weissen Blut¬
körperchen sowie hyalinen und vielen granulierten Zylindern
(= 27 , 50 / 0 ); 27 mal (= 4(),5o/o) war der Urin frei von Eiweiss.
Die meisten Nephritiden sind nach Ablauf des Fiebers in 1 bis
2 Wochen abgeheilt.
Enteritis und hämorrhagische Kolitis sind wohl gleichfalls oft
Folgen der Giftwirkung der Spirochäten, da auch sie auf Neo-
salvarsan sofort aufhören, ähnlich wie bei der Malaria derartige
Darmerkrankungt>n durch Chinin rasch zum Schwinden gebracht
werden. Streng abzutrennen sind Mischinfektionen mit Rulir; sie
werden durch Neos;dvarsim nicht beeinflusst und stellen eine ernste
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294,
Koch und v. Ldppmaim.
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Eomplikatioa dar, worauf bei Bespredhxuig' der Todesfälle 2arüok-
zukommen ist
Die erwähnten Lxmgenkomplikationen kommen bei den allerver-
echiedensten Infektionskrankheiten so häufig vor, dass sie wohl kaum
auf die von den Spirochäten ausgehende Giftwirkung allein beaogen
werden können. Hiergegen spricht auch, dass eine Beeinflussung
der Lungenprozesse durch das Neosalvarsan nicht nachweisbar ge¬
wesen ist
Die Hautblutungen haben wir bei einer kleinen Anzahl Kranker
in Gestalt von kleinen Petechien gesehen, hauptsächlich über die
Beine verstreut, wo ede oft an die Haarfollikel gebimden waren.
Sie sind für die Prognose ohne Belang, aber von Bedeutung insofern,
als sie bei zahlreicherem Auftreten an Rumpf und Armen zu dif-
ferentialdiagnostisiohen Erwägungen mit Fledkfieber Veranlassung
geben. In zweifelhaften Fällen haben wir durch den negativen
Ausfall der Weil-Felixäöhen Reaktion und das Fehlen der von
Bugen Fränkel entdeckten Gefäsaveränderungen in einem exzi-
dierten Hautstückchen Fleckfieber ausschliessen können.
Von besonderem Interesse für den Ablauf des Rückfallfiebers
ist der Einfluss des Neosalvarsans. Prüssian hat diesen
vor einem Jahre durch Gegenüberstellung von 30 unbeJiandelten und
97 behandelten Fällen ausführlich geschildert. Mit einer einmaligen
intravenösen Einspritzung von 0,45 Neosalvarsan hat er 94,4o/o Dauer¬
heilungen erzielt Auch wir haben in der weitaus überwiegenden
Mehrzahl unserer Fälle Erfolge im Sinne von EhrliChs Therapia
magna sterilisians gesehen, und zwar sowohl mit Gaben von 0,45, als
mit 0,6 und 0,9 Neosalvarsan. ■
Kurve 3.
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5j Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc. 295
Im folgenden bilden wir zunädist Temperaturkurven ab, die
Besonderheiten des Fieberverlaufes zeigen, wie sie sowohl naöh Neo-
salvarsangaben Vorkommen als audh ohne diese.
Kurve 3 zeigt eine Pseudokrise bei einem unbehandelten
Falle. Nach steilem Fieberabsturz bis zur Norm schnellt die Tempe¬
ratur binnen kurzem wieder auf 40,4“ empor. Im Blute werden nach
der Pseudokrise Spirocliäten gefunden. (Der negative Ausfall der
Blutuntersuchung vor der Pseudokrise dürfte darauf zurückzuführen
sein, dass bei diesem Falle nur Blutausstriche und nicht auch dicke
Tropfen untersucht worden sind.)
Kurve 4.
Kurve 4 stellt eine Psieudokrise dar, deren tiefster Punkt
23 Stunden nach der Einspritzung von 0,45 Neosalvarsan erreicht
ist. 2 Stunden später ist die Temperatur schon wieder auf 40® ge¬
stiegen, um erst nach weiteren 14 Stunden endgültig zur Norm ab¬
zufallen. Der Kmnke bleibt dauemd fieberfrei, abgesehen von leichten
Temperaturerhöhungen am 10. imd 15. Krankheitstage, auf deren
Bedeutung wür bei Besprechung der folgenden Fieljertafeln ein-
gehen.
Es kommen nämlich 'sowohl nach sponüuier wie durch Neo¬
salvarsan herbeigefühlter kritischer Entfiebermig, meist 2—3 Tage
später, leichte Temperaturerhöhungen vor, die sich über 1—2 Tage
erstrecken können. Wir wollen sie als „Nach sc h wa n k u ngen“
bezeichnen. Ein derartiges Beispiel zeigt die Kmwe 5. Das am 10.
und 11. Krankheitstago auftretende Fielier als Relaps anzuspreclien.
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Koch und v. Lippmann.
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dürfte aus dem Grunde nicht angängig sein, weil ein Relaps mit Spiro¬
chätenbefund tatsächlich sechs Tage später eintritt. Die Dauer dieses
Intervalls spricht andererseits dafür, dass die Nachschwankung zum
1. Anfälle gehört; vielleicht wird sie durch die Giftwirkung nach¬
träglich zerfallender Spirochäten hervorgerufen. Jede vom Schema
Kurve 5.
Kurve 6.
abweichende Fieberzacke als Kelaps zu deuten, wie dies Prüssian
zur Erklärung seiner K\in'e 47 tut, iialten wir demnach nicht für
angängig. — Die Kurve 6 zeigt eine' derartige Nachschwankung
50 Stunden naCli einer durch 0,6 N(H)salvarsan herbeigeführten
Krise.
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7]
Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc.
297
Nun gehen wir zu Besonderheiten des Fieberver¬
laufes über, wie sie nach unserer Beobachtung ausschliesslich im
Gefolge von Neosalvarsangaben verkommen.
Kurve 7.
Kurve 8.
Hierher gehören zunächst Relapse, die wir auch nach Injek¬
tion von 0,6 selbst von 0,9 Noosalvarsan gesehen halxm. Ihr Auftretem
wird entschieden bgünstigt. wenn Neosalvarsan erst nach Beendigung
des Anfalles gegelxm wird. Wie aus den Kurv'en 7, 8 und 9 her¬
vorgeht, wird in diesen Fällen der Eintritt des Kelapses durch die
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298
Koch und v. Lippmann.
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vorausgehende Neosalvarsaninjektion verzögert; auch findet man dann
meist keine Spirochäten mehr.
Aber auch wenn das Neosalvarsan auf der Höhe des Fiebers
gegeben wird, können Relapse auftreten; eine prompte Neosalvaxsan-
Kurve 9.
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Kurve 10.
Wirkung wird diuin stets verinii^t, der Fieberabfall tritt vielmehr
erst 24—36 Stunden nadi der Einspritzung auf. Die Art dieser
Relapse war verschieden: entweder salien wir nach dem gewöhn¬
lichen Intervall von 4—6 Tagen einen leichten Relaps ohne nach¬
weisbare Spirotdiäten (Kim'e 10 Und 11), oder der Rückfall tiut
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Klinische Beobachtungen über RückfoUfieber etc.
299
S]
erst nadh 9—14 Tagen auf, erlitt also eine bedeutende Verspätung,
ging dann aber mit hohem Fieber und positivem Spirochätenbefunde
einher (Kurve 12 imd 13).
Kurve 11.
Kurve 12.
Versucht man, zu einer Erklärung für die verschiedene Inten¬
sität dieser Relapse und die Unterschiede in ilirein zeitlichen Auf¬
treten zu gelangen, so kaim man zunächst die Höhe der Neosalvarsan-
dosis als Ursache ausschliessen. Denn wr haben jede Art der ge¬
schilderten Rückfälle sowohl nach kleineren als nach grossen Gaben
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300
Koch und v. Lippmann.
[10
des Mittels ^gesehen. Eine bedeutsamere Rolle spielt schon der Zeib
punkt der Einspritzung, denn in den meisten Fällen tritt eben rasch
die kritische Entfieberung ein, sobald das Neosalvarsan an einem
der Krankheitstage gegebei^ wird, an denen das Fieber auf der
Kurve 13.
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Kurve 14.
Höhe ist. Aber auch das zeitliche Moment kann nicht das ausschlag¬
gebende sein, denn wie gesiigt, haben wir in einer Minderzahl auch
bei Injektion auf der FielKU’höhe Relapse erlebt. So bleibt nur die
Annahme übrig, dass es sich bei diesen Rückfällen um Spirochäten¬
stämme von ganz besonders grosser Resistenz gegen Arsen gehandelt
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11 ]
Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc.
301
hat Die Kenntnis solcher arsenfesten Stämme ist uns bei Trypano¬
somen aus Ehrliöhs Studien über die Schlafkrankheit bekannt.
Die zuletzt beschriebene Hinauseohiebung des Rückfalles durch
Neosalvarsan, auf die auch Prüssian aufmerksam macht, zeigt
Kurve 15.
Kurve 16.
ims eine Modifikation des Krankheitsbildes durch das angewandte
Heilmittel. Noch auffälliger ist eine solche Veränderung des Krank-
heitsablaufee bei den folgenden Fällen, in denen es zu einer lyti¬
schen Entfieberung kommt. Auf Neosalvarsan haben wir diese
Verlaufsart nur in 4,.3o/o gesehen. Bei unbehandelten Fällen ist
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302
Koch und v. Lippmann.
[12
sie uns nicht zu Gesicht gekommen, imd in der uns zugänglichen
Literatur finden wir sie nicht erwähnt
In fünf von diesen Fällen (Kurve 14—18) hat sieli der Ablauf
in folgender Weise vollzogen: nadh der Injektion tritt nach 12—24,
Kurve 17.
Kurve 18.
meist erst in 36 Stunden eine Pseudokrise edn. Innerhalb 24
bis 36 Stunden kommt esi dann m erneutem beträchtlichen Fieber,
worauf die Temperatur unter geringen Remissionen in 3—6 Tagen
lytisch zur Norm abfällt. Nur in einem dieser Fälle (Kurve 17) ist
es uns gelungen, während des Fieberanstieges nach der Pseudokrise
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13]
ELLinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc.
303
noch -einmal Spirochäten zu finden. Kurve 18 zeigt, dass edne noch¬
malige Neosalvarsangabe auf den lytischen Ablauf keinen Ein¬
fluss hat.
Kurve 19.
Im 6. Falle (Kurve 19) traten 4 Tage nach erneutem Pieber-
anstiege allgemeine Krämpfe mit Bewusstlosigkeit auf. Ara nächsten
Tage ergab die Untersuchung des Nervensystems eine rechtsseitige
Kurve 20.
Abduzens- und Fazialisparese, schlaffe Lähmimg des rechten Armes,
und beiderseits Babinski; Lächtreaktion der Pupillen war prompt,
der Augenhintergrund beiderseits normal (Sbibsarzt Dr. A g r i o o 1 a).
Der Kranke reagierte nicht auf Anruf, nahm keine Nahrung, liess
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304
Koch und v. Lippmann.
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Stuhl imd Urin luiter sich. Die Lumbalpuiiktion ergab unter nor¬
malem Drucke stehenden wasserhellen Liquor ohne Zellvermehrung,
ohne Bakterien und ohne Spirochäten. Am zweiten Tage des sopo¬
rösen Zustandes wurde nochmals 0,45 Neosalvarsan gegeben. Zwei
Tage später war das Bewusstsein zurückgekehrt imd nach weiteren
zwei Tagen die Lähmung versdiwunden. Mehrfache Blutunter-
audhungen nach Wiedereintritt d.es Fiebers haben Spirochäten nicht
ergeben. Die Ursache dieser Gehirnsymptome ist wohl in einer durch
Spirochätenwirkung hervorgerufenen Gtefässverstopfung oder in ent¬
zündlichen Veränderungen der Gehimsubstanz selbst zu suchen.
Im 7. Falle (Kurve 20) ist ira Gegensütz zu den vorigen das
Neosalvarsan erst gegeben worden, nachdem .sich im Anschlüsse
an eine Pseudokrise erneut hohes Fieber eingestellt hatte; nach der
Einspritzung ist nicht kritische, sondern lytische Entfieberung ein¬
getreten.
Kurve 21.
Ob zur Erklärung des lytischen Fieberabfalles ausser einer be¬
sonders hohen Arsenfestigkeit der ypirochäten noch edne abnorme
Reaktion des Erkrankten auf die Gifte der Erreger anzunehmen ist,
muss nnentschiedcin bleiben. Jedenfalls haben besondere kompli-
zierendo Organerkraiikung’en bei diesen Fällen nicht Vorgelegen, auch
blieben in Bouillon und in Gallo angelegte Blutkulturen steril. Beim
8. Falle dieser Gruppe (Kirrvo 21), bei dem die Krankheit während
der lytischen Entfieberung zum Tode führte, hat aucüi die von sach¬
verständiger Seite ausgeführte Sektion ansser einem Milztumor
(20:11,4:5,8 cm; ohne Follikelseh well ung) keine sonstige Verände¬
rung innerer Organe ergeben.
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15]
Klinische Beobachtungen über Rückfallfieber etc.
305
Im ganzen kamen 4,3o/o Todesfälle vor. Nach den Obduk¬
tionsergebnissen bildeten schwere Lungenentzündungen oder ausge¬
dehnte ulzerös-diphtheroide Dickdarmentzündungen die Todesürsaohe.
Erstere Komplikationen führten im unmittelbaren Anschlüsse an dein
Rekurrensanfall zum Tode. Die unter dem klinischen Bilde der Ruhr
Gestorbenen erlagen der Erkrankung erst 1—2 Wochen nach ab¬
gelaufenem RückfalLfieber. Die Ruhr war also durch die Neo-
salvarsanbehandlimg nicht beeinflusst worden, sie unterschied^ sich
demnach deutlich von der oben besprochenen Rekurrens-Dysenterie,
die auf Neosalvarsan gleichzeitig mit dem Fieberabsturze schwindet.
Zum Sclilusse soll noch kurz auf die in der Rekonvaleszenz vor¬
kommenden Ödeme eingegaugen werden. Wir haben sie nur in einer
kleinen Anzalil von Fällen beobaditet. Sie sind im allgemeinen
auf Füsse, Knöchel und Untersclieukel beschränkt, nur vereinzelt
kommt daneben Baudidedken- und Gesichtsödem vor. Der Urin
enthält kein Eiweiss und keine Formelemente, ist blassgelb, fast
wasserhell, seine Tagesmenge ist auf 2—^3 Liter und mehr erhöht.
Diese Angaben zeigen, dass der Zustand nidit mit der früher be¬
schriebenen Nephritis verwechselt werden darf. Auch eine spezi¬
fische Nachkrankheit desi Rüdkfallfiebers stellt er nicht dar. Zweifel¬
los treten die Ödeme nadi Rekiurens öfter auf als nach anderen
Infektionskrankheiten, aber wir haben sie doch auch nach Fleck;
fieber, Ruhr und Typhns beobachtet; bei den beiden letzten Krank¬
heiten sind sie auch mit der erw'ähnten Polyurie verbunden ge¬
wesen.
Anmerkungen zu den Fiebertafeln.
Die ausgezogenen Kurven geben die Temperatur T, die punktierten die
Pulszahl P an.
R -|- bedeutet: Rekurrensspirochäten im Blute.
Ro „ keine Rekurrensspirochäten im Blute.
Mo „ keine Malariaplasmodien im Blute.
n«Uräge zur Klinik der Inlektionskrenkbeiten. Bd. Vf. H. 3 u. 4. 20
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Beiträge zur Kenntnis des Rückfallsfiebers').
Von
Assistenz-Arzt d. R. Dr. F. Saehs, Leipzig,
z. Zt. im Feld*.
Mit 1 Abbildung nnd 7 Kurven im Text.
Als Arzt eines Kriegsgefangenen-Krankenlagers batte ich Gelegen¬
heit, bei rnmäniscben Gefangenen eine grosse Anzahl Fälle von Rück¬
fallfieber genau klinisch und mikroskopisch zu untersuchen nnd längere
Zeit zu beobachten. Das Krankheitsbild des Rückfallfiebers ist im
Verlaufe des Krieges wohl den meisten Ärzten entweder persönlich
oder durch Veröffentlichungen hinlänglich bekannt geworden, so dass
ich davon absehen kann, es noch einmal io toto zu schildern. Ich
möchte im folgenden nur auf ein Begleitsymptom eingehen, das mit
dem Rückfallfieber in genetischen Zusammenhang gebracht wurde,
und untersuchen, wie weit eine innere Abhängigkeit zu Recht besteht.
Ausserdem will ich meine Erfahrung mit der Salvarsan-Therapie mit*
teilen, die durchaus nicht mit den bisherigen Anschauungen überein¬
stimmt.
I.
Im ersten nnd zweiten Kriegsjahre wurde in der Literatur wieder¬
holt auf rätselhafte Ödeme hingewiesen, die bei Kriegsgefangenen
anftraten. Rumpel (1) war der erste, der auf den Zusammenhang
zwischen Rekurrens und Ödemen hinwies und bei den von ihm unter¬
suchten Fällen ' Rekurrensspirochäten fand. Seine Befunde wurden
bald von anderen Autoren bestätigt. Levy (2), Reiche (3), Walko (4),
Weltmann (5), Knack (6). Dagegen lehnt Jürgens (7) das Rück-
falifieber als direkte Ursache der Ödemkrankheit strikte ab und er¬
blickt in ihm nur das indirekte, auslösende, also ga,nz unspezifische
Moment, während er als die eigentliche schädigende Ursache Unter¬
ernährung (event. partielle) und in deren Gefolge eine Stoffwechsel-
’) Abgeschlossen im März 1917-
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2 ]
Beiträge zur Kenntnis des RUckfallsfiebers.
307
Störung ansieht. N o c h t (8) steht auf ähnlichem Standpunkt.
Brauer (9).räumt nach der zweiten, 1916 erschienenen Auflage seiner
Monographie den Ernährungsschädigungen bei dem Zustandekommen
der Rekurrensödeme eine ursächliche Bedeutung ein. Schilling (10)
schreibt in seiner Bearbeitung des Rückfallfiebers über die Ödeme:
„als ein Zeichen, dass die Herzfunktion stark beeinträchtigt ward,
bleiben in manchen Fällen leichte Ödeme, besonders der unteren
Extremitäten, zurück“. Levy (2) steht auf demselben Standpunkt.
In der Monographie bei Nothnagel sieht Eggebrecht (11) das
Ödem als regelmässiges Begleitsymptom und nicht als Komplikation
des Rückfallfiebers an. Jochmann (12) meint, dass die auffällige
Neigung des Rückfallfiebers zu Ödemen nicht mit Zirkulationsschwäche
Zusammenhänge, sondern auf abnormer Durchlässigkeit der Kapillar¬
wände beruhe. Die Ansichten der Autoren über die. Genese der
Ödeme bei Rückfallfieber sind also durchaus geteilt, sowohl hinsicht¬
lich der Zugehörigkeit zu der Infektionskrankheit überhaupt, als auch
in bezug auf die innere Ursache.
Von' den von mir beobachteten Kranken hatten gut 25®/» öde-
matöse Anschwellungen. Die Ödeme traten entweder während des
fieberfreien Stadiums, einige Zeit nach der Salvarsaninjektion, in
Erscheinung, oder die Patienten wurden fieberfrei mit Ödemen ein¬
geliefert,' bekamen dann nabh einiger Zeit ihreu Relaps mit positivem
Spirochätenbefund. Die Lokalisation erstreckte sich in den meisten
Fällen auf Füsse und Schienbeine, nicht allzu selten waren die Augen¬
lider befallen, ab untl zu auch die Oberschenkel, Penis und Skrotum.
(Siehe Abb.). \
Wenn man sich die Frage nach der Entstehungsursache vorlegt,
hat man folgende Faktoren zu berücksichtigen:
1. Herz,
2. Nieren,
3. Lokale Gefässschädigungen,
4. Ernährungsscbädigungen und Kachexie.
Meine Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen:
Die Herzgrenzen waren stets normal, die Töne, abgesehen von
alten Vitien und anämischen Geräuschen, auf der Höhe des Fiebers
stets rein, doch meist leise. Der Spitzenstoss war oft nicht fühlbar,
bot im übrigen nichts Abnormes. Der Puls war während des Fiebers
meist klein und weich, etwas beschleunigt, stets regulär und äqual.
In der Apyrexie machte die vorher etwas erhöhte Frequenz einer
ausgesprochenen Bradykardie Platz. Pulszahlen bis zu 40 waren
keine Seltenheit. Dabei waren Höhe und Spannung des Pulses ent-
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308
F. Sachs.
[3
weder normal oder noch unter der Norm. Irgend welche Anzeichen
für stärkere akute Veränderungen am Endo- oder Myokard, wie Ver¬
breiterung, Geräusche, Arrhythmie, fehlten vollkommen. Bilder, wie
man sie bei anderen Infektionskrankheiten sieht, die mit Schädi¬
gungen des Herzens einhergehen, z. B. der Diphtherie, habe ich nie
beobachtet. Man kann also den Befund am Herzen für die Ent¬
stehung der Ödeme nicht verantwortlich machen.
Das Verhalten der Nieren schien mir in der ersten Zeit kein
einheitliches. Manchmal war der Urin frei von Albumen und Nieren¬
elementen, in anderen Fällen fanden sich massenhaft Eiweiss und
Zylfnder. Erst fortlaufende Untersuchungen brachten Klarheit. In
der Literatur ist angegeben, dass der Urin meist frei von pathologi¬
schen Bestandteilen sei. Jarno (13) stellt fest, dass während des
Fieberanfalles Eiweiss und granulierte Zylinder zu finden sind, die
in der fieberfreien Zeit verschwinden, bei dem neuen Anfall, wenn
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4] Beiträge zur Kenntnis des Rflckfallsfiebers. 309
auch in geringerer Menge, wieder in Erscheinung treten. Auch ich
habe im Fieberanfall stets Eiweiss und Zylinder gefunden. Der Zu¬
sammenhang zwischen Anfall, Nierenschädigung und Ödemen stellt
sich mir folgendermassen dar: Zn Beginn des Anfalles, während der
Anwesenheit von Fieber und Spirochäten, enthält der Urin regel¬
mässig sehr viel Albnmen. Bei der mikroskopischen Untersuchung
des Sedimentes findet man das Gesichtsfeld bedeckt mit granulierten
Zylindern, dazwischen liegen massenhaft Nierenepithelien und Epithel¬
zylinder und Erythrozyten in wechselnder Menge. Nach dem Fieber¬
abfall, in meinen Fällen meist durch die Therapie bedingt, ver¬
schwinden nach Verlauf von drei bis vier Tagen die pathologischen
Hambestandteile im allgemeinen vollkommen. Nierenschädigungen,
die auf Salvarsan zurückznführen gewesen wären, auch bei Dosen
von 0,9 Neosalvarsan, habe ich nie gesehen. Ich werde darauf später
noch zurückkommen. Ödeme sind während dieses Stadiums der Nieren¬
reizung in frischen Fällen nicht zu sehen. Das eigentliche Rekurrens-
ödem, von dem bei allen Autoren die Rede ist, tritt gewöhnlich während
der Apyrexie auf. Der Harn ist zu dieser Zeit wieder frei von Eiweiss
und pathologischen Nierenbestandteilen. Eine Nierenschädigung kann
also schlechterdings nicht als Ursache für die Wasseransanwnlnng ange¬
sehen werden. In unbehandelten Fällen beim folgenden Fieberanstieg,
oder da, wo trotz Salvarsan ein Rezidiv eintritt, erscheinen während
des Fiebers Albumen und Zylinder von neuem, doch meist in kleinerer
Menge. Besteht zu dieser Zeit, das Rekurrensödem noch, so kann
eine einmalige Untersuchung des Harnes leicht zu falschen Schlüssen
führen. Erst nach Abfall des Fiebers findet man auch hier wieder
ein Ödem ohne Nierenbeteiligung. Nun gibt es aber auch Fälle, wo
sich aus der Nierenreizung des Fieberstadimns eine regelrechte Ne- *
phritis, teils hämorrhagischen Charakters, entwickelt. Das Fünftage¬
fieber, das nach seinem ganzen klinischen Verlauf und nach den
neuesten Untersuchungen von Riemer ( 14 ) ebenfalls als durch Spiro¬
chäten bedingt anzusehen ist, verhält sich, wie ich ( 15 ) im Gegen¬
satz zu anderen Autoren mitgeteilt habe, in bezug auf Nierenstörung
ähnlich. Bei Rekurrens ist im Fieberstadium eine Entscheidung, ob
eine Nephritis entstehen wird, nicht möglich. Bleiben nach Abfall
des Fiebers aber Albnmen und Zylinder bestehen, nehmen die Erythro-,
zyten an Zahl zu, dann muss man die Diagnose Nierenentzündung
anssprechen. Bald stellen sich Ödeme ein, die sich durch ihre
grössere Ausdehnung aber meist von den eigentlichen Rekurrens-
ödemen unterscheiden. Bezüglich der Konsistenz möchte ich mir
kein sicheres Urteil erlauben. Wahrscheinlich handelt es sich auch
oft um eine Kombination beider, der Ätiologie nach verschiedenen
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310
F. Sachs.
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Wasseransammlungen. Hierfür würde das regelmässig starke Mit-
befallensein der unteren Extremitäten sprechen. Ich verfüge über
Fälle, wo alle diese Erscheinungen in buntem Wechsel nacheinander
Kurve 1. D. C.
und nebeneinander auftreten, z. B. im ersten Anfall Eiwefss und
Zylinder ohne Ödeme, im darauffolgenden fieberfreien Stadium Ödeme •
ohne pathologische Hambestandteile (Kurve Nr. 1), dann Verschwinden
der Ödeme, der Urin dauernd ohne Befund, bei einem darauffolgenden
• Rezidiv wieder Albumen pid Nierenelemente (Kurve Nr. 2). In anderen
Fällen Auftreten von Ödemen, diesmal mit sehr yiel Eiweiss und
Kurve 3. H. T.
allen übrigen Anzeichen der akuten Nierenentzündung. Die Reihen¬
folge der Erscheinungen kann auch eine andere sein, es können
Kombinationen verschiedenster Art auftreten. Ein- oder mehrmalige
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[6
Beiträge zur Kenntnis des Rfickfsllsfiebers.
311
Harnuntersuchung kann also leicht zu Irrtümem führen. Anhangs¬
weise möchte ich darauf hinweisen, dass öfter im Anschlnss an die
fieberhafte Nierenreizung eine Zystitis, angezeigt durch massenhafte
Leukozyten und Koli, entsteht (Kurve Nr. 3). Für die typische, ge¬
wöhnlich als Rekurrensödem bezeichnete Anschwellung im fieberfreien
Stadium kann eine Nierenschädigung nach vorstehendem im allgemeinen
nicht als Ursache anerkannt werden.
Alsdann wäre die Frage zu untersuchen, ob lokalen Gefäss-
Schädigungen, bedingt durch die Spirochäten oder deren Toxine, eine
Bedeutung beim Zustandekommen der Ödeme beizumessen ist. Fak¬
toren, welche bei der Entstehung der Ödeme eine Rolle spielen und
hier in Fragö kommen können, sind nach Sterling (16):
1. Vermehrter Kapillardruck infolge Vasodilatation,
2. gesteigerte Durchlässigkeit der Gefässe infolge Schädigung
durch zirkulierende Gifte,
3. Störung des Abflusses durch Verschliessung der abführenden
Wege.
Reiche (3) ist geneigt, Nr. 3 als Ursache der Ödeme anzu-
nebmen. Er schreibt: „Es handelt sich bei ihnen anscheinend um
eine unvermeidliche Folgeerscheinung der Salvarsanzufuhr, des mo¬
mentanen Unterganges der massenhaften, in jedem Blutstropfen
wimmelnden, im Ausstricbpräparat oft zu dichten Knäueln verfilzten
Spirochäten.so liegt es nahe, die zahllosen abgetöteten und
zerfallenden Spironemen als den die Ödeme bedingenden Faktor
heranzuziehen, vielleicht weniger im Sinne einer entzündlichen oder
toxischen Reizung der feinsten Gefässe, als einer mechanischen Zirkn-
lationsbehinderung in ihnen.Diese Theorie hat etwas Bestechendes,
wenn man selbst einmal die oft zu dichten Knäueln von der Grösse
mehrerer roten Blutkörperchen zusammengeballten Spirochätenhaufen
gesehen bat. Reiche teilt als Bekräftigung seiner Annahme zwei
Fälle von Glaskörpertrübungen mit, die mit der Salvarsanbehandlung
nichts zu tun hatten. Auch ich habe einen ähnlichen Fall gesehen.
Spirochäten konnte ich in der Ödemflüssigkeit trotz häufiger Unter¬
suchungen nie feststellen.
Eine grössere Bedeutung kommt meiner Auffassung nach der
gesteigerten Durchlässigkeit der Gefässe, besonders in Verbindung mit
einem vermehrten Kapillardruck infolge Vasodilatation, zu. Direkte
Beweise dafür, dass lokale Gefässschädigungen als Ursache der Ödeme
in Betracht kommen, lassen sich schlecht erbringen. Anatomische
Veränderungen wie beim Fleckfieber sind meines Wissens bei Re-
kurrens bis jetzt nicht nachgewiesen. Aber andere, für Rückfallfieber
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312
' F. Sachs.
[7
ftle charakteristisch anerkannte Symptome würden indirekt die An¬
nahme von Gefässalterationen gestatten. Als Begleiterscheinung oder
Komplikation wird von fast allen Autoren die. hämorrhagische Diathese
angeführt. Hierher gehören Hautblutungen, Blutungen unter das
Periost, Nasenbluten, Nieren- und Darmblutungen. Ich habe alle
diese Symptome in reicher Auswahl zu Gesicht bekommen. Ausge¬
dehnte Hautblutungen, wie man sie bei der Purpura sieht, habe ich
nicht häufig gefunden. Dagegen dokumentierte sich mir die abnorme
Durchlässigkeit der Gefässe öfter durch artifizielle Hautblutungen nach
Stauung am Unterarm zwecks Salvarsaninjektion. Nierenschädigungen
von teilweise hämorrhagischem Charakter habe ich schon erwähnt.
Auch die Darmerscheinungen machen mehr den Eindruck einer durch
Giftwirkung bedingten Darmblutung, als den eines hämorrhagischen
Dickdarmkatarrhes. Um andere Uisachen auszuschliessen, habe ich
mehrmals Untersuchungen auf Dysenterie anstellen lassen. Alle waren,
wie erwartet, negativ. Bei zwei mit Darmblutungen Gestorbenen ergab
die Obduktion makroskopisch keine entzündlichen Veränderungen der
Darmschleimhaut. Alle sonst bei Kolitiden wirksamen Mittel, wie
Karlsbader Salz, Kohle, Bismut. subgallic., Tannalbin usw., sowie ent¬
sprechende Diät, blieben meist ohne sichtbaren Erfolg. Die öfter
im Anschluss an Salvarsaninjektionen sich einstellenden, nur kurz
dauernden Durchfälle haben hiermit wohl kaum etwas zu tun, sondern
sind durch die Arsenwirkung bedingt.
Der Zeit ihres Auftretens nach muss man alle diese hämor¬
rhagischen Erscheinungen auf die Wirkung der beim Spirocbäten-
zerfall freiwerdenden Endotoxine zurückführen.
Schliesslich muss ich noch eine Komplikation erwähnen, die ich
bei meinen Gefangenen öfter beobachtet habe, und bei der der Ge¬
danke an einen genetischen Zusammenhang mit dem Rückfallfieber
und den hierdurch bedingten Gefässschädigungen in Erwägung ge¬
zogen werden muss, nämlich symmetrische Gangrän der Zöhen. Selbst¬
verständlich wird man hierbei zuerst an Frostscbädigungen denken.
Bei so anämischen Menschen, wie meine Kranken meist waren, ge¬
nügt ja auch geringe Kältewirkung. Die Gefangenen waren auch der
Ansicht, sie hätten sich die Füsse erfroren. Die Untersuchung stellte
symmetrische Blau- oder Schwarzfärbung an einer oder mehreren
Zehen beider Füsse fest, der nach einiger Zeit die übliche Demar¬
kation folgte. Oft war auch nur eine Blaumarmorierung und gleich¬
zeitige Druckempfindlichkeit mehrerer Zehen jeden Fusses zu kon¬
statieren. Auf die anamnestischen Erhebungen bezüglich des Zeit¬
punktes der Entstehung war bei der Indolenz der Leute wenig Wert
zu legen. Ich verfüge aber über einige Fälle, wo Blaufärbung und
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8 ]
Beiträge zur Kenntnis des Rflckfallsfiebera.
313
Drnckempfindlichkeit erst nach mehrwöchentlichem Lazarettanfenthalt
in gut gebeizten Krankenzelten bei relativ mildem (mazedonischem)
Winter anfgetreten sind. Jedenfalls ist der Gedanke nicht von der
Hand zu weisen, dass sich hier Frost und Spirochätentoxine in ihrer
Wirkung auf die Gefässe gegenseitig unterstützt haben. Fleckfieber
war dnrch den weiteren Krankheitsverlauf und negative Weil-
Felixscbe Reaktion auszuschliessen.
Nach alledem halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass Ge-
fässschädignngen auch beim Zustandekommen der Ödeme als unter¬
stützendes Moment eine Rolle spielen. Vielleicht kommt daneben
auch einer peripheren, dnrch Vasodilatation bedingten Blntdruck-
senkung Bedeutung zu. Der oft gerade während des Ödemstadinms
weiche Puls bei relativ guter Herzfunktion würde hierfür sprechen.
Bei aktiver Vasodilatation ohne gleichzeitige Erweiterung der Kapil¬
laren käme es zu einer Steigerung des Kapillardruckes, der dem
Blute oder einem Teile seiner Bestandteile den Anstritt aus den ge¬
schädigten Gelassen gestatten würde.
Bei der Annahme von Gefässschädigungen als mitwirkendem
Faktor bei der Entstehung der Ödeme kann man auch physikalischen
und chemischen Blutverändemngen eine unterstützende Rolle zubilligen.
Oligochromämie und Hydrämie können nach den Untersuchungen von
Magnus (17) nur bei Beteiligung von Gefässschädigungen Ödeme
bedingen. Anämien, auch höheren Grades, waren aber bei fast allen
Kranken die Regel.
Diese Erwägungen leiten über zu dem 4. Punkte der möglichen
Entstehnngsursachen der Ödeme, den Ernährungsstörungen und der
sie begleitenden Kachexie. Der grösste Teil meiner Kranken war
erst kurze Zeit vorher in Gefangenschaft geraten und durch auf¬
reibenden Bewegungskrieg und Rückzug mit ihren Strapazen, besonders
mangelnder Ernährung, stark heruntergekommen. Dabei ist der rumä¬
nische Bauer und Zigeuner von Hause aus sicher nicht der wider¬
standsfähigste -Menschenschlag. Schliesslich batte die Infektion das
ihre dazu beigetragen, den Allgemeinzustand noch weiter zu ver¬
schlechtern. So waren denn die meisten Kranken stark abgemagert
und anämisch. Anfänglich war ich aber trotz aller dieser Tatsachen
geneigt, einer Ernährnngsschädigung keine ausschlaggebende Bedeu¬
tung beim Zustandekommen der Ödeme zuzusprecben. Verschiedene,
später aber als nicht mehr stichhaltig erkannte Gründe batten mich
hierzu veranlasst. So verschwanden viele der Ödeme nach kurzem
Aufenthalt im Lazarett, bevor die bessere Krankenernäbrung eigent¬
lich recht in Wirkung getreten sein konnte. Auch waren unter
meinen Ödemkranken sowohl einige, die kräftig gebaut und annähernd
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314
F. Sachs.
[9
normal ernährt waren, wie.auch Leute, die erst nach längerem Auf¬
enthalt im Lazarett, wo sie Ruhe, gute Unterkunft und ausreichende
Nahrung hatten, nach einem Relaps oder Rezidiv, ihre Ödeme be¬
kamen. Und doch musste ich erkennen, dass ich anfänglich durch
die Einseitigkeit meines Materials getäuscht worden war. In dem
Masse, wie die Läuse im Gefangenenlager, ans dem der grösste Teil
der Kranken stammte, durch systematische Bekämpfung abnahraen,
ging die Zahl der Neuerkrankungen an Rekurrens zurück. Jetzt ist
die Epidemie so gut wie ganz erloschen. Die Ödemkrankheit ist,
wenn auch an Ausdehnung kleiner geworden, noch nicht ver¬
schwunden. Es kommen täglich noch Fälle zur Beobachtung, bei
denen die sorgfältigste Anamnese, auch unter Berücksichtigung der
Indolenz vieler Patienten, nichts von Fieberanfall oder anderen Re-
knrrenssymptomen feststellen konnte. Diese Kranken stammten meist
aus einem Betriebe, wo sie anstrengende körperliche Arbeit zu ver¬
richten hatten. Weiterhin war auffällig, dass bei kräftig gebauten
und normal ernährt aussehenden Rekurrenskranken Ödeme doch
relativ selten waren und dass stärker abgemagerte fast alle Ödeme
bekamen.
Aus diesen nicht wegzuleugnenden Tatsachen muss ich trotz
der oben angeführten Gegenargumente mit Jürgens den Schluss
ziehen, dass im allgemeinen der Rekurrensanfall der unspezifische
Faktor ist, der das bis dahin gerade aufrecht erhaltene Stoffwechsel¬
gleichgewicht aus der Balance bringt und indirekt zum Auftreten
der Ödeme Veranlassung gibt. Bei den Kranken, bei denen die
Ödeme nach kurzem Lazarettaufenthalt verschwanden, hat weniger
die bessere Ernährung, deren Einwirkungsdauer als zu kurz erachtet
wurde, als die absolute Ruhe den Umschwung in der Stoffwechsel-
bilanz hervorgerufen. Andere, die erst nach längerem Aufenthalte
im Lazarett, gelegentlich eines späteren Relapses oder Rezidivs,
ihre Anschwellungen bekamen, waren anscheinend dem ersten An¬
falle, nicht mehr aber nach der durch diesen verursachten Kräfte-
konsumption einem weiteren gewachsen. Bei den Ödemkranken ohne
nachweisbaren Rekurrensanfall, die sich, wie erwähnt, hauptsächlich
aus den Schwerarbeitern rekrutierten, war die Verschiebung im Stoff¬
wechselhaushalt auch ohne Infektion infolge starken Nährstoffver¬
brauches eingetreten.
Die Frage, bei welchen der zum Leben nötigen Nahrungsbestand¬
teile eine Unterbilanz eintreten muss, um Ödeme zu erzeugen, lässt
sich ohne entsprechende Stoffwechselversuche nicht entscheiden.
Grössere Bedeutung als dem Eiweiss, Fett, den Kohlehydraten und
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10 ]
Beitrige zur Renntuis des RQckfallsfiebers..
315
Salzen wurde von einem Teil der oben zitierten For&cher dem Fehlen
der Vitamine zugesprochen.
Frische Gemüse, Obst, Milch und dergleichen fehlen jetzt zur Win¬
terszeit allerdings fast ganz im Küchenzettel der Gefangenen, ebenso
Kartoffeln. Dafür gibt es Hülsenfrücbte, Teigwaren und Fleisch in
reicher Abwechslung. In der Tat ähnelt unser Krankheitsbild in
vielen Punkten manchen Avitaminosen, dem Skorbut, der Barlowschen
Krankheit und der Beriberi, wenn man letztere auch hierher rechnen
will. Störungen von seiten des Nervensystems waren zum Unterschiede
gegen Beriberi nie vorhanden. Gegen die Annahme einer Avitaminose
spricht aber ein Umstand, den ich näher erläutern möchte. Vom
Barlow, einer typischen Avitaminose, wissen wir, dass er bei aus¬
schliesslicher Darreichung von Milchkonserven entsteht, dagegen durch
Beigabe kleinster Mengen ungekochter Nahrungsmittel experiment¬
artig zu bekämpfen ist, dass aber diese unter allen Umständen zur
Heilung nötig sind und durch nichts ersetzt werden können. Eine
Nahrung, bei der der Barlow zur Ausheilung kommt, kann
ihn unmöglich bedingt haben. Und gerade so müssen die Ver¬
hältnisse bei der Ödemkrankbeit liegen, falls man sie als Avitaminose
auffassen wollte. Da im Gefangenenlager die Nahrung qualitativ genau
dieselbe ist, wie im Lazarett (abgesehen von besonderen Diätverord-
nnngen), da ferner ein Teil der Ödeme erst nach längerem Aufent¬
halt im Lazarett entstanden ist, dagegen alle Ödeme ohne jeg¬
liche Nahrnngsänderung im Lazarett zur Ausheilung
kamen, kann das Ödem unmöglich als Avitaminose gedeutet werd^.
Störungen im Lipoidstoffwechsel, wie sie Rumpel (18) für seine nach
chronischer Dysenterie anfgetretenen Ödeme bei russischen Kriegs¬
gefangenen als Ursache annimmt, sind vielleicht auch hier das wesent¬
liche Moment.
II.
Die Salvarsan-Therapie des Rückfallfiebers wurde zuerst von
IVersen in Petersburg an einem grösseren Krankenmateriale durch¬
geführt und gilt seit dieser Zeit allgemein als ideale Tberapiasterilisans
magna. Vergleiche Brauer (9), Schilling (10), Walko (4), Sim-
monds (19). Reiche (3) hatte unter 21 mit 0,3 Neosalvarsan intra¬
venös behandelten Fällen ein Rezidiv mit positivem Spirocbätenbefund.
Papendieck (20) teilt eine Krankengeschichte mit, wo trotz 0,6 Neo¬
salvarsan im zweiten Anfalle drei Rückfälle zu verzeichnen waren.
Prüssian (21) berichtet in einer sehr exakten Arbeit über 127 teils
unbehandelter, teils injizierter Rekurrensfälle und sucht Aufschluss
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316
F. Sach«.
[11
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über die Ursache der Rezidive zu geben. Unter 97 Patienten hat
er bei einmaliger intravenöser Gabe von 0,45 Neosalvarsan in 94 ^/o
Dauerheilnng erzielt.
Die Erfahrungen, die ich an meinem bei weitem grösseren Ma¬
teriale gesammelt habe, decken sich nicht ganz mit den bisherigen
Anschauungen. Meine Fälle blieben mindestens 3, meistens sogar
4 und 5 Wochen im Lazarett, wurden regelmässig gemessen, bei der
Aufnahme absolut einwandfrei entlaust und waren während der ganzen
Beobachtungszeit garantiert läusefrei. Die Salvarsaninjektionen wurden
auf der Höhe des Fieberanfalles bei positivem Spirochätenbefund
intravenös, stets lege artis verlaufend, vorgenommen. Die übrigen
zahlreichen Fälle, die ich in Behandlung hatte, habe ich bei meiner
Zusammenstellung nicht verwertet, da sie nicht lange genug beob¬
achtet wurden. Zu Beginn meiner Tätigkeit im Gefangenen-Lazarett
habe ich abwechselnd 0,45 und 0,6 Neosalvarsan verabfolgt, späterhin
auch Dosen von 0,9. Wenn ich nur solche Fälle als Rezidiv zähle,
bei denen der Spirochätenbefund im Blute nach der Injektion wieder
positiv war, bekam ich Rückfälle:
bei 0,45 in 35**/«
bei 0,6 in 20®/o
bei 0,9 in 0*/o.
Rechne ich als Rezidive auch die Fälle hinzu, bei denen der Fieber¬
kurve nach von einem neuen Rezidiv gesprochen werden konnte, ob¬
wohl im Blute keine Spirochäten aufgefunden wurden, so habe ich
Rückfälle zu verzeichnen:
bei 0,45 in 54®/o
bei 0,6 in 45 "/o
bei 0,9 in 10 “/o.
Anrecht auf absolute Genauigkeit hat keine der beiden Methoden.
Rechnet man nur die Rezidive mit positivem Blutbefnnd, so ist ent-
gegenzuhalten, dass meiner Erfahrung nach keine noch so exakt aus¬
geführte mikroskopische Untersuchung auf Spirochäten, wenn sie
negativ ansfällt, Anspruch auf absolute Richtigkeit erheben kann.
Ich habe jetzt über 1000 Präparate untersucht (dicke Tropfenmethode,
nach Giemsa gefärbt), und immer wieder die Beobachtung machen
können, dass oft in einem Präparate nur eine Spirochäte zu finden
war, selbst wenn man es systematisch auf dem verschiebbaren Objekt¬
tisch abgesucbt hat. Weitere Präparate, die zur gleichen Zeit vom
selben Patienten angefertigt wurden, waren oft völlig negativ. Gerade
bei den Rezidiven nach vorheriger Therapie ist dieser spärliche Spiro¬
chätenbefund oft anzutreffen. Nach Ansicht mancher Autoren werden
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12 ]
Beitrftge znr Eeantnis des ROckfallafiebers.
317
diese Temperatarerhebungen darch granulaartige Daaerformen oder
mikroskopisch nicht mehr nachweisbare Spirochäten hervorgerafen
(Hata [22]). Milz-und Leberpunktionen, die ich öfter bei klinischem
Rezidiv mit negativem Blutbefund vorgenommen habe, in der An¬
nahme, dass die Spirochäten aus dem peripheren Blute verschwunden
seien, in inneren Organen aber noch festsitzen könnten, waren stets
ergebnislos. Berücksichtigt man also nur Fälle mit positivem Blut¬
befunde, so wird die Zahl zu klein. Rechnet man andererseits als
Rückfall alle Temperaturerhebungen über die Norm (andere greifbare
Ursachen selbstverständlich ausgeschlossen), und rechnet man auch'
eintägige Zacken von 1 Grad mit, so wird man sicher bei der Statistik
etwas zu hoch kommen. Denn wenn man sich zu dieser Methode
entschliesst, muss man auch die kleinsten eintägigen Temperatur¬
anstiege mitzählen. In einzelnen Fällen fand ich auch bei ihnen
Spirochäten im Blute. Ein Mittel zwischen den von mir für jede der
beiden Berechnnngsmethoden angeführten Zahlen dürfte wohl der
Wirklichkeit am nächsten kommen. Ich kann bei den von mir er¬
zielten Elrfolgen mit Neosalvarsan, wenn ich nur die bis jetzt üblichen
Dosen von 0,45 und 0,6 berücksichtige, nicht gut von einer idealen
Tberapia sterilisans magna sprechen.'
Die Frage nach der Ursache der Rezidive hat Prüssian schon
eingehend erörtert. Er hält drei Möglichkeiten für gegeben:
1. Das Vorhandensein arsenfester Stämme.
2. Nicht genügend grosse Salvarsandosen.
3. Verfehlen des richtigen Momentes für den Ictus immunisatorius.
Hierzu ist zu bemerken: ad 1: Wenn Arsenfestigkeit vorliegt, so
kann diese innerhalb der zulässigen Dosen nur relativ, nicht absolut
sein. Dies beweist die der Salvarsanmenge entgegengesetzt pro¬
portionale Prozentzahl der Rezidive, ad 2: Die Höhe der Salvarsan-
dose spielt zweifellos eine nicht zu unterschätzende Rolle, ad 3: Der
Zeitpunkt, an dem die Injektion vorgenommen wird, ist ebenfalls von
Einfluss auf das Auftreten von Rückfällen. Verschiedene der oben
zitierten Autoren (Iversen,Walko, Reiche) halten es für gleich¬
gültig, ob während des Anfalles oder im Intervall Salvarsan verabfolgt
wird. Ich glaube, dass dies durchaus nicht den Tatsachen entspricht. Ver¬
schiedene von mir gemachte Beobachtungen sprechen jedenfalls dagegen.
. Wie schon erwähnt, habe ich solche im Intervall gespritzten Fälle in meine
Statistik nicht aufgenommen. Ob Unterschiede im Dauererfolge auf-
• treten, wenn man statt zu Beginn des Anfalles erst am 3. oder 4. Tage
injiziert, vermag ich aus Mangel an Unterlagen nicht zu beurteilen.
Es ist denkbar, dass in diesem Umstande auch eine der Ursachen
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F. Sachs.
[13
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für das verschiedene Resultat der Prüssianschen Therapie und der
meinigen zu suchen isi. Dieser Autor sah seine Epidemie in seinem
Lazarett entstehen, während mir die Patienten aus dem Lager und
von durchreisenden Transporten zugeführt wurden. Ich musste also
injizieren, sobald Fieber und Spirochäten festgestellt waren, einerlei,
ob es nun der erste oder letzte Tag des Anfalles war. Wie schon
erwähnt, waren meine Patienten meist recht indolent und meldeten
sich lange nicht immer am ersten Fiebertage krank. Aber auch die
anamnestischen Erhebungen liessen nur in den seltensten Fällen er¬
kennen, wie lange der Patient schon Fieber hatte. Ich habe diesen
Faktor daher bei meiner Zusammenstellung nicht berücksichtigen
können. Für die Praxis verliert deshalb meine Statistik nicht an
Wert. Denn einmal lagen die Verhältnisse bei allen Kranken gleich,
die Grösse der Salvarsandose wurde ohne Rücksicht hierauf tageweise
geändert. Ihr Einfluss auf die Häufigkeit der Rezidive wird also
hierdurch nicht berührt. Zum anderen aber werden die äusseren Um¬
stände in der Praxis meist den meinen ähnlich sein, besonders bei
jeder Kriegsepidemie. Man wird stets genötigt sein, sofort zu in¬
jizieren, wenn Fieber und Spirochäten vorhanden sind.
Bisher war nur die Rede vom Tage des Anfalles. Vielleicht wird
es auch nicht gleichgültig sein, ob beim ersten oder einem späteren
Anfall injiziert wird. Prüssian stellt sich auf den Standpunkt, dass
um so seltener Rezidive nach der Injektion auftreten, ein je späterer
Anfall bei Verabreichung des Salvarsans vorliegt, man sogar beim
zweiten oder dritten Anfalle nicht mehr sagen könne, ob der Erfolg
post oder propter hoc eingetreten sei. Letzteres Argument ist zweifellos
richtig. Gegen das erstere liessen sich aber auch theoretische Bedenken
anführen. Material zur Klärung der Frage konnte ich wegen der Un¬
zuverlässigkeit meiner Krankenaussagen nicht sammeln.
Dagegen verfüge ich über einige Beobachtungen, die einen Ein¬
blick in die Arsenfestigkeit einzelner Spirochätenstämme geben.
#
Kurve 4. N. W.
Goi.igle
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14]
BeitrBge zur Kenntnis des Rflckfalisfiebera.
31»
Wie aas Kurve 4 ersicbtlicb ist, vrnrden am 11. 2. im Blute
Spirochäten gefunden. Am 12. 2. wurde 0,6 Neosalvarsan injiziert.
Die Injektion ist einwandfrei gelangen, da Gegenteiliges nicht notiert.
Da das Fieber nicht abfiel, wurde am 15. ein neuer Blutabstrich ge¬
macht, wieder mit positivem Befunde.
Dass ein deutliches Rezidiv bei diesem Falle später nicht auf¬
trat, ist entweder auf die nochmalige Salvarsanzufubr zurückzufübren,
oder, was mir wahrscheinlicher dünkt, auf eine inzwischen erworbene
natürliche Immunität. Denn es war mindestens der zweite Anfall.
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Kurve Nr. 5.
Kurve 5. C. K.
Am 12. 3. morgens wurde injiziert, diesmal sogar 0,9 Neosalvarsan,
am nächsten Tage abends 6 Uhr noch positiver Spirochätenbefund,
allerdings nur 2 Spirochäten im Präparate. Alle weiteren Abstriche
waren negativ. Ob ein Rezidiv eintritt, ist zur Zeit noch nicht zu
erkennen. Patient gibt an, schon einen Monat krank zu sein. Im
ganzen besitze ich 5 Kurven ähnlicher Art. Systematische, mehrmals
täglich vorgenommene Blatantersnchungen nach verschieden grossen
Salvarsaninjektionen sind geplant, waren mir bis jetzt aus Zeitmangel
aber noch nicht möglich.
Die Abhängigkeit der Rezidivhänfigkeit von der Höhe der Salvarsan-
dose würde sich durch die Annahme arsenfester Stämme gut erklären
lassen. Denn die Arsenfestigkeit ist, wie schon erwähnt, nur eine
relative. Je grösser die Arsenmenge, desto kleiner wird die Zahl
der von ihr nicht beeinflussbaren Spirochätenstämme. Auch die Tat¬
sache, dass das Rezidiv nach Salvarsanzufubr gewöhnlich später ein¬
setzt wie der normale Relaps (Kurve Nr. 6), lässt sich mit der An¬
nahme der Arsenfestigkeit gut in Einklang bringen. Wenn die be¬
treffenden Spirochäten auch von Arsen nicht ganz abgetötet werden,
so wird entweder doch ihre Fortpflanzungsfähigkeit gestört, es dauert
länger als gewöhnlich, bis genügend neue Spirochäten entstanden sind,
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320
F. Sachs.
[15
um die Symptome des neuen Anfalles hervorzurufen, oder es handelt
sich bei den das Rezidiv erzeugenden Spirochäten schon um die dritte
Generation nach dem vorhergehenden Anfalle. Denn in den meisten
meiner Fälle tritt das Rezidiv zwischen 14. und 20. Tage in Erschei¬
nung. Man könnte sich verstellen, dass die sich ans der salvarsan-
Kurve 6. J. J.
nicht imstande war, das Bild des Relapses hervorznmfen, und dass
erst die dritte Generation ihre alte Lebenskraft wieder erlangt bat.
Kurve Nr. 7 könnte in diesem Sinne gedeutet werden.
Kurve 7. C. J.
Als praktische Schlussfolgerung ergibt sich ans meinen Unter¬
suchungen die Forderung, möglichst frühzeitig, während des Fieber-
antalles. möglichst grosse Salvarsandosen zu verabfolgen. Da ich nach
Gaben von 0.9 Neosalvarsan keine Schädigungen gesehen habe, spezieJ
nicht der Nieren, im Gegenteil die durch den Anfall bedingten Nieren-
eleiuente und Eiweiss rasch verschwanden, empfehle ich da, wo keine
besonderen Kontraindikationen vorliegen, die Dosis nicht kleiner als
0.9 zu nehmen.
Zum Schlüsse noch ein paar Worte über die Übertragungsmög-
liohkeit des Rückfalltiebers. Töpfer i23' nimmt an, dass die Über¬
tragung durch Läuse nicht durch deren Biss, sondern durch Zerquetschen
der Läuse beim Kratzen und Einreiben der Spirochäten zustande komme.
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16]
Beiträge zur EeuntnU des Rflckfalifiebers.
321
Prüssian (24) äussert sich dazu zustimmend in einer kurzen Ab¬
handlung und „sieht darin eine exakte Erklärung für den Umstand,
dass, im Gegensatz zu Fleckfieber, ein langdauemdes Haften der
Zwischenträger am menschlichen Körper zum Zustandekommen der
Rekurrensinfektion notwendig ist". Da diese Auffassung zu Unvor¬
sichtigkeit führen könnte, möchte ich kurz folgende Tatsache er¬
wähnen, die genau das Gegenteil beweist. Assistenzarzt Dr. F., mein
Vorgänger am Gefangenenkrankenlager, erkrankte nach kurzer Tätig¬
keit dort an Rekurrens. Er gibt mit Bestimmtheit an, nie eine Laus
an sich gefunden zu haben. Von totaler Verlausung, wie sie Prüssian
anscheinend zur Infektion für nötig hält, konnte jedenfalls nicht die
Rede sein.
Zusammenfassung.
Die bei rekurrenskranken Kriegsgefangenen in einem grossen
Prozentsätze der Fälle beobachteten Ödeme können im allgemeinen
•weder durch Herz- noch durch Nierenaifektionen erklärt werden. Sie
sind hervorgerufen durch Ernährungsschädigungen, und zwar durch
eine vom Rekurrensanfall ausgelöste Störung des Stoffwechselgleich¬
gewichtes. Als Avitaminose ist die Ödemkrankheit nicht aufzufassen.
Beim Rückfallfieber sind lokale, durch Spirocbatenendotoxine erzeugte
Gefässschädigungen vielleicht als unterstützendes Moment für das
Zustandekommen der Ödeme anzusehen.
Bei der Salvarsantherapie mit bisher üblichen Dosen traten in
grösserem Prozentsätze, als bis jetzt bekannt, Rezidive auf, für deren
Entstehung wahrscheinlich arsenfeste Spirochätenstämme verantwort¬
lich zu machen sind. Die Arsenfestigkeit ist nur eine relative, denn
je grösser die Salvarsandose war, desto seltener traten Rückfälle auf.
Mit intravenösen Gaben von 0,9 Neosalvarsan wurden die besten
Resultate erzielt. Arsenscbädigungen wurden nicht beobachtet.
Boiträge zur Klinik der Infoktionskranklieiten. Bd. VI. H. 3 u. 4. 21
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
322
F. Sachs, Beiträge zur Kenntnis des RQckfallsfiebers.
£17
Literatur.
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2. Levy, Münch, med. Wochenschr. 1915. Nr. 37.
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8. Nocht, Münch, med. Wochenschr. 1915. Nr. 28.
9. Brauer,'Die Erkennung und Verhütung des Fleckfiebers und Rückfall*
fiebers, 2. Auflage.
10. Mohr-Staehelin, Handbuch der inneren Med. 1. Bd. 1911. S. 970.
11. Nothnagel, Handbuch der inneren Med. III. Bd. S. 252.
12. Joch mann, Lehrbuch der Infektionskrankheiten.
13. L. Jarno-Ruma, Wien. klin. Wochenschr. 1915. Nr. 16.
14. Riemer, Münch, med. Wochenschr. 1917. Nr. 3.
15. Sachs, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 46.
16. Sterling, zit nach Sahli. Klinische Untersuchungsmethoden. I. Bd.
S. 85.
17. Magnus, zit. nach Sahli. Klinische Untersuchungsmethoden. I. Bd.
S. 40.
18. Rumpel und Knack, Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr. 44—47.
19. Simons, Münch, med. Wochenschr. 1915. Nr. 28.
20. Papendieck, Münch, med. Wochenschr. 1915. Nr. 16.
21. Prüssian, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 10.
22. Hata, zit. nach Prüssian, 1. c.
23. Töpfer, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 44.
24. Prüssian, Münch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 47.
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Einige Beobachtungen bei der Grippe.
Von
Mar .-Stabsarzt d. Res. Dr. Kimmerle,
kommandiert an ein Feldlaaarett im Westen.
Während des Krieges haben wir wieder des öfteren von einer
Krankheit gehört, die zwar nichts Neues darstellt, die man aber in
den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch nicht in so gehäuftem
Masse auftreten sah. Es handelt sich um die Grippe oder Influenza.
Ich hatte Gelegenheit, an Feldlazaretten im W'esten eine ziemlich be¬
trächtliche Anzahl solcher Fälle zu sehen; es ist mir unter diesem
Material vieles aufgefallen, was mir der Mitteilung wert erscheint.
Zunächst möchte ich einmal näher auf die Definition der Grippe ein-
gehen, vor allem was das klinische Bild betrifift. Die letzten grösseren
Epidemien von Influenza waren in den Jahren 1889/1890 (Herbst,
Winter, Frühjahr) und 1900. Seit dieser Zeit ist die Influenza nicht mehr
gänzlich verschwunden; vereinzelte Fälle wurden immer wieder beob¬
achtet; es kam da und dort auch zu kleineren Endemien. Dass wir nun
jetzt, namentlich im Felde, die Grippe wieder in etwas stärkerem Grade
auftreten sehen, hängt wohl damit zusammen, dass unsere Soldaten
im Kriege in viel höherem Masse als irgend ein Beruf zu Friedenszeiten
den ungünstigen äusseren klimatischen Verhältnissen ausgesetzt sind.
Und gerade während der Monate Oktober bis April, während welcher
Zeit in unseren Breiten das feuchtkalte Wetter vorherrscht, konnte
man das vermehrte Auftreten der Grippe beobachten. Nach meinen
Beobachtungen sind es auch nicht nur einzelne Truppenteile, welche
besonders viele Fälle lieferten, sondern ich habe gesehen, dass von
allen möglichen Truppenteilen und -gattungen die Kranken kamen;
die meisten Kranken kamen wohl aus den Stellungen oder vom Marsche ^
bei Truppenverschiebungen; viele kamen aber auch aus den Quartieren.
Da die Truppen ihre Stellungen und Quartiere stets von Zeit zu Zeit
wechseln, so ist es auch leicht zu verstehen, wenn die Krankheit
immer wieder neue Truppenteile ergreift.
21 *
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324
Kimmerle.
[2
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Bei der Diagnose Grippe habe ich mich stets an das klinische
Bild gehalten; wie oft ist es mir begegnet, dass ich von .Kollegen mit
einem leicht ungläubigen oder ironischen Gesiebt gefragt wurde: „Ja,
was Sie so Grippe nennen“, oder „Was verstehen Sie unter Grippe,
haben Sie Bazillen nachgewiesen?“ Bakteriologische Untersuchungen
habe ich allerdings nicht angestellt; dazu hatte ich meist auch gar
keine Zeit und nicht den nötigen Apparat. Ich gebe zu, dass bei
dem grossen Material manches Interessante wohl bei einer systemati¬
schen bakteriologischen Durebuntersnehung der Fälle heranskommen
würde. Aber so einfach wie z. B. der Typhusbazillns lässt sich der
Influenzabazillus nicht nachweisen und züchten. Durch den Nachweis
des Influenzabazillus würde man allerdings eine Bestätigung dafür
finden, ob das klinische Krankheitsbild zur Diagnose vollauf genügte
oder nicht, vorausgesetzt, dass wir in einem viel grösseren Prozent¬
sätze, als dies bei früheren Epidemien der Fall war, die Bazillen
nachweisen können. Bei einigen Fällen, wo es sich um ganz frische
Erkrankungen handelte, habe ich versucht ans dem Blute die Bazillen
nachzuweisen, doch ist mir dies nie gelungen. Nach den Forschungen
der letzten 20—25 Jahre ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass
zu der Diagnose Influenza der Nachweis des Pfeifferschen Bazillus
nicht unbedingt notwendig ist. Es gibt eben Inflnenzafälle, bei welchen
man die Bazillen nicht nachweisen kann, ebenso wie man bei einem
Menschen Influenzabazillen gelegentlich feststellen kann, ohne dass er
eine Influenza hat. Die Untersuchungen aus den letzten Influenza¬
epidemien haben ergeben, dass nur bei einem kleinen Teil der Er¬
krankten der Bazillus gezüchtet werden konnte. Es ist ferner bekannt,
d^ss der Influenzabazillns auch bei einer Reihe anderer Krankheiten
gefunden wurde, so bei Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach, Masern,
Lnngentubertülose. Jochmann gibt an, dass er bei Keuchhusten
den Inflnenzabazillus stets gefunden haben will, wie denn Joch mann
und Rosenthal den Pfeifferschen Bazillus bei manchen Fällen
nur als einen einfachen Sapropbyten anseben. Joch mann meint
auch, dass der Pfeiffersche Bazillus nicht einmal der alleinige Er¬
reger der Grippe sei. Diese Ansicht findet auch ihre Bestätigung
durch eine Arbeit aus der Leipziger Klinik, wo bei einer epidemie¬
artigen , influenzaähnlichen Erkrankung der Diplococcus mucosus
Leipzig beschrieben wurde. Es stehen sich also in der Frage der
Bedeutung des Bazillennachw'eises für die Diagnose Grippe oder In¬
fluenza die Meinungen der Forscher noch gegenüber. Solange die
Ansichten darüber nicht geklärt sind, ist man berechtigt, in erster Linie
das klinische Krankheitsbild zu Rate zu ziehen, besonders wo dieses
ein ziemlich charakteristisches ist. Ein einfacher Bronchialkatarrh,
Goi.igle
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3]
Einige Beobachtnngen bei der Grippe.
325
ein Schnupfen, die landesübliche „nur Erkältung“, welch letztere
übrigens auch noch näher zu definieren wäre, fangen eben nicht mit
einem Schüttelfrost an, bedingen nicht so hohes Fieber und rufen
nicht das schwere Krankheitsgefühl hervor, die beträchtlichen Kreuz-
und Gliederschmerzen, das Gefühl von Zerschlagensein, wie wir dies
bei der Grippe sehen. Allerdings, wenn der Kranke erst am 4. oder
5. Krankheitstage in unsere Behandlung kommt, das Fieber höchstens
am Abend noch einmal bis 39 oder 38,5 ansteigt, die Gliederschmerzen,
Angenschmerzen, der Stirnkopfschmerz nachgelassen haben und sich
uns nur noch das Bild eines in „Lösung begriffenen Schnupfens“
bietet, dann mag man dazu geneigt sein, die Erkrankung nur als
eine leichte harmlose Erkältung anzusehen. Rekonstruiert man sich
aber gewissenhaft die Fiebertafel (meist geben die Leute selbst sehr zu¬
verlässig an, wieviel Fieber festgestellt worden sei oder bringen, wenn sie
einige Tage im Revier gelegen haben, vom Truppenarzt Aufzeichnungen
über die Fieberbewegung mit) und erhebt eine genaue Vorgeschichte,
so findet man stets die typischen Anhaltspunkte für seine Diagnose
unschwer zusammen. Dann können wir meist sehen, dass unter
Schüttelfrost die Temperatur bis zu 39,5 und 40 gestiegen ist, 2 bis
3 Tage mit Remissionen um 1,5 bis 2 Grad so geblieben ist, um im
Verlauf von 5 bis 6 Tagen unter ein- oder mehrmaligen Schweiss-
ausbrüchen lytisch zur Norm abzufallen. Selbstverständlich gibt es
auch bei der Grippe leichtere Fälle, bei welchen es nicht zu so hohen
Temperaturen kommt; aber diese Erscheinung können wir bei jeder
Infektionskrankheit sehen, ich erinnere nur an den „Typhus ambula-
torius“ und" an die vielen Fälle von leichtem Typhus, wie wir sie
jetzt während des Krieges bei unseren gegen Typhus schutzgeimpften
Soldaten häufiger gesehen haben. Für die Mehrzahl der Grippen¬
erkrankungen jedoch konnte ich eine Anfangstemperatur von 39,5
und mehr feststellen. Der Schüttelfrost fehlte fast nie, ebensowenig
die Druckempfindlichkeit der Supra- und Infraorbitalnerven, meist
einige Tage lang erheblich bestehend und zwar so, dass die Kranken
schon bei leiser Berührung zusammenzucken. Ebenso gaben die
Kranken fast stets spontan an, dass ihnen als eines der ersten und
empfindlichsten Zeichen starke Schmerzen in den Augen bei Bewegung
derselben aufgefallen wäre; die Bulbi waren meist sehr druckempfind¬
lich. Der Stirnkopfschmerz als Zeichen einer Mitbeteiligung der
Nebenhöhlen fehlte selten. Die weitere Untersuchung lässt stets eine
mehr oder weniger starke Beteiligung der oberen Luftwege (Rachen,
Luftröhre) feststellen, woraus jener quälende, ich möchte sagen typische
Reizhusten sich erklären lässt; die Kranken gaben dafür meist an,
sie hätten ein Gefühl von Kratzen im Halse und das Gefühl, als ob
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326
Kimmerle.
[4
hinter dem Brustbein „etwas wund“ wäre. Hartnäckigere Bronchitiden
habe ich nicht so häufig gesehen, ebenso nur wenige Bronchopneu¬
monien. Bei zwei Fällen beobachtete ich anfänglich leichte meningi-
tische Erscheinungen (Meningismus), so dass man namentlich in Be¬
rücksichtigung des akuten Einsetzens der meningitiseben Symptome
anfänglich an eine beginnende Genickstarre denken konnte. Die Er¬
scheinungen gingen jedoch nach 1—2 Tagen wieder rasch zurück,
ausserdem entsprach das übrige Krankheitsbild nicht dem der Genick¬
starre, sondern dem der Grippe. Einmal sah ich es im Bereiche
eines Muskels zu myositischen Erscheinungen kommen, die ebenfalls
rasch nach einigen Tagen wieder zurückgingen; solche Fälle sind
wohl selten, aber in der Literatur während des Krieges schon hin
und wieder anfgetaucht. Stärkere neuritische Erscheinungen sah ich
nur vereinzelt, etwa bei 4—5 Fällen, Auf ein Symptom tnöchte ich
noch aufmerksam machen, nämlich auf das Auftreten von Urobilin
im Urin. Nach meinen Beobachtungen tritt es sehr früh auf, bereits
am 2., spätestens 3. Tage und zwar in ziemlich starkem Masse.
Gerade das Frühauftreten von Urobilin im Urin ist ein Symptom
das sehr wertvolle Dienste leistet bei der Diflferentialdiagnose gegen
Typhus, soweit wir es mit Typhuserkrankungen innerhalb der ersten
4—5 Tage zu tun haben, bzw. mit Typhusverdächtigen. Ich glaube,
dass im Verlaufe der letzten Jahre schon mancher Arzt sich des
öfteren die Frage stellen musste: Typhus oder Grippe?
Ich glaube, dass nun gerade das klinische Bild es ist, welches
auf die Frage ziemlich sicher Auskunft gibt, und zwar^ glaube ich,
dass wir namentlich dann zu einer richtigen Diagnose kommen, wenn
wir uns an das klinische Bild der Grippe halten. Es kommen selbst¬
verständlich nur solche Fälle der beiden Krankheiten in Frage, die
sicherlich noch innerhalb der ersten Woche sind. Bei einem Typhus
ist es ja oft schwer, herauszubekommen, wenn die Krankheit genau
angefangen hat; bei der Grippe aber geben die Leute stets ziemlich
sicher den Tag an, an welchem sie erkrankt sind (Schüttelfrost).
Wenn wir uns bei der Bewertung der einzelnen Symptome genau
daran halten, was für Krankheitstage wir vor uns haben, dann sind
ziemlich sichere Schlüsse nach der einen oder der anderen Seite hin
erlaubt. Ein Typhus der zweiten Woche wird ja meist nicht schwer
zu erkennen sein. Dieser Zeitabschnitt liefert auch gar nicht die
Krankheitsbilder, welche zur Dififerentialdiagnose mit Grippe in Frage
kommen. Haben wir einen solch zweifelhaften Fall vor uns, bei
dem wir sicher sind, dass er erst 3—4 Tage krank ist, so können wir,
wenn wir den Verdacht haben, es möchte sich vielleicht auch um
einen Typhus handeln, zunächst mal das Blut untersuchen; finden
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Go - gle
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5]
Einige Beobachtungen bei der Grippe.
327
wir dabei Typbusbazillen, dann ist natürlich dies die einfachste und
sicherste Lösung; der Nachweis der Typbusbazillen im Blute ist wohl
auch jetzt noch nach der Typhusschntzimpfnng bei Fällen der ersten
Woche fast stets möglich. Nicht immer aber können wir das Blut
gleich an Ort und Stelle verarbeiten, müssen es erst einscbicken
oder uns innerhalb weniger Stunden entschliessen, was für eine
Krankheit vorliegt. Letzteres ist notwendig, wenn es sich um den
schleunigen Abtransport nach einem Seuchenlazarett handelt. Da
hat man dann noch die Möglichkeit auf Puls, etwa vorhandene Leuko¬
penie, ferner auf das Auftreten von Urobilin im Urin zu achten.
Letzteres pflegt beim T 3 rphus fast regelmässig im Laufe der ersten
Woche zu fehlen; Urobilin im Urin eines am 3.—5. Tage erkrankten
Mannes spricht nach meiner Beobachtung für Grippe und gegen
Typhus, sofern nur diese beiden Krankheiten in Frage kommen. Die
anderen beiden erwähnten Symptome, Verhalten des Pulses und Auf¬
treten von Leukopenie sind schon nicht so ganz sichere Zeichen
weder für die eine noch für die andere Krankheit. Ich habe unter
den zahlreichen Fällen, welche mir anfänglich differentialdiagnostische
Schwierigkeiten machten, und bei welchen durch sofortige, oft wieder¬
holte bakteriologische Untersuchungen des Blutes und später auch
des Stuhles und des Urins ein Typhus ausgeschlossen wurde, sehr
häufig bei Temperaturen von 39,5 und 40 einen Puls von 80 und
100, ja manchmal sogar 76 und weniger feststellen können, dazu
noch Leukozytenwerte von 4000—5000, also doch lauter Zeichen,
welche man sonst als für Typhus beweisend ansah, zum mindesten
nicht zum Bilde der Grippe gehörig hielt. Die anderen sonst für
Typhus bekannten Symptome kamen bei der Differentialdiagnose
weniger in Betracht, ich meine die Widalsche Reaktion, den Milz¬
tumor und die Roseolen. Alle drei kommen wohl deswegen weniger
in Frage, weil sie innerhalb der ersten Woche fast stets fehlen. Der
Milztumor und die Roseolen mögen am 6. oder 7. Tage auftreten,
meist aber doch erst am 8. Tage nachzuweisen sein. Die Widalsche
Reaktion fällt meist erst in der 2. Woche positiv aus. Ausserdem
beweist ein positiver Ausfall der Widalschen Reaktion bei unseren
gegen Typhus geimpften Soldaten nichts, wenigstens nicht in den
Verdünnungen, die wir bisher als ausschlaggebend dafür angesehen
haben. Wie oft findet man, und zwar nicht nur bei der Grippe,
einen positiven Ausfall der Widalschen Reaktion in einer Verdün¬
nung von 1:160, 1:320; ich habe dies bei Malaria, bei ganz ge¬
wöhnlichen Mandelentzündungen gesehen. Den Milztumor habe ich
bei der Grippe auch wiederholt beobachtet, allerdings nur zweimal
Roseolen (unter etwa 200 Beobachtungen). Allerdings bei längerer
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Govigle
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32g
Kimmerle.
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Beobachtung der einzelnen Fälle habe ich im Verhalten der einzelnen
der genannten Symptome doch Verschiedenheiten gesehen, welche
mehr für die eine oder andere Krankheit sprechen. Es ist mir auf¬
gefallen, dass z. B. der Milztumor bei der Grippe, wenn es zu einem
solchen kam, bereits am 4. oder 5. Krankheitstage nachzuweisen war,
entsprechend der kürzeren Fieberperiode meist auch wieder rascher
verschwand. Ebenso konnte man annebmen, dass Leukozytenwerte
unter 3500 doch nur beim Typhus vorkamen. Ich möchte nicht ver¬
säumen, zu bemerken, dass bei unseren sämtlichen Kranken, soweit
ich deren Krankengeschichten hier berücksichtige, die letzte Typhus¬
impfung stets über 6 Mönate zurücklag; bei einem sehr grossen Teil
waren 8 und mehr Monate darüber verstrichen. Aus den Zeiten
vor dem Kriege ist es meines Wissens nicht bekannt, dass bei der
Grippe Symptome, wie Leukopenie, langsamer Puls, Milztumor, posi¬
tiver Ausfall der Widalsehen Reaktion so häufig beobachtet wurden,
namentlich nicht die beiden erstgenannten Erscheinungen. Wie weit
das Vorkommen der Leukopenie und der anderen „Typhussymptome"
bei der Grippe vielleicht durch die durch die voraufgegangenen
Typhusschutzimpfungen im menschlichen Körper geschaffenen Ver¬
änderungen zustande gebracht wird, ist mit Sicherheit bis jetzt noch
nicht genügend geklärt. Durch die Typhusimpfung werden in unserem
Körper gewisse Reaktionen hervorgerufen, welche meist wohl kaum
nennenswerte Erscheinungen machen. Aber es handelt sich doch um
Bildung von Schutzstoffen gegen eine eventuell stattfindende Infektion
von richtigem Typhus; diese Schutzstoffe sollen eine Infektion ent¬
weder verhindern, oder sie wenigstens abschwächen. Sie sind nun
erfahmngsgemäss nicht so wirksam wie solche, welche durch Über¬
stehen eines wirklichen Typhus im menschlichen Körper gebildet
werden; denn trotz der Typhusimpfungen erkranken immer noch
eine erhebliche Anzahl von Soldaten, jedenfalls verhältnismässig viel
mehr als solche Leute, welche schon einmal vor Jahren Typhus
batten. Nun könnte es sehr wohl möglich sein, dass die durch die
Schutzimpfung im menschlichen Körper geschaffenen Stoffe doch
noch längere Zeit, als wir bisher vermuteten, in den Geweben auf¬
gespeichert werden und erst durch eine neu hinzutretende Infek¬
tionskrankheit aus ihrem Latenzstadium mobilisiert werden und
dadurch typhusähnliche Erscheinungen, wie Leukopenie, Pulsverlang¬
samung, einen positiven Widal etc. bedingien. Untersuchungen darüber,
wie lange die erwähnten Typhussymptome sich bei einer neu hinzu¬
gekommenen Infektionskrankheit nach überstandenem Typhus noch
nachweisen lassen, bezw. ob sie erneut, wenn auch in abgeschwäch¬
tem Masse, wieder auftreten, sind mir augenblicklich aus Friedens-
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7]
Einige BeobachtongeD bei der Grippe.
329
Zeiten nicht bekannt, da es mir nicht möglich ist, die Literatur auf
diese Frage hin im Felde eingehend nachzusehen. Interessant wäre
es ja, ob diese Erscheinungen in grösserem Umfange schon früher
beobachtet worden, namentlich ob es noch nach einer mehrere Jahre
zurückliegenden Typhuserkrank'nng zu einem Wiederauftreten der
Symptome kommen kann auf Grund einer beliebig auftretenden
Infektionskrankheit. Dass die Widalsche Reaktion nach einem Typhus
noch Jahre lang positiv ausfallen kann, ist bekannt. So kann ich
mich an einen Fall erinnern, welchen ich im Jahre 1911 im Eppen>
dorfer Krankenhaus beobachtet habe: bei einem Manne, welcher nach
einer Pneumonie einen verjauchenden Lungenabszess bekam, war die
Sernmreaktion mit dem Fick ersehen Typhusdiagnostikum,. welches
nach meiner Erfahrung zum mindesten die gleich zuverlässigen Re¬
sultate wie Widal gibt, deutlich positiv (1:100). Dieser Mann batte
vor 11 Jahren einen Typbus überstanden; sonst bot der Kranke
keinerlei Anzeichen für Typhus, auch konnten bei der später vorge-
nommenen Sektion (der Mann starb etwa am 10. oder 11. Behänd-
lungstage) keinerlei für einen frischen Typhus sprechende Anzeichen
festgestellt werden. Es ist anzunehmen, dass die hinzugekommene
Infektionskrankheit das „Wiederauf flackern“ der Fick er sehen Re¬
aktion nach 11 Jahren bedingt hat. Analog könnte man nun bei
den an den Grippekranken gemachten Beobachtungen annehmen,
dass die Grippe in ihrer Eigenschaft als Infektionskrankheit die im
Körper nach der Typhusschutzimpfung geschaft’enen Stoffe, welche
nach Abklingen der frischen Impferscheinungen im Laufe von sechs
und mehr Monaten latent geworden sind, wieder mobilisiert hat und
es auf diese Weise zu einer Leukopenie, Pulsverlangsamung etc. ge¬
kommen ist. Dafür spricht sowohl der Umstand, dass früher, als
noch nicht so regelmässig, bezw. überhaupt nicht gegen Typhus ge¬
impft war, diese Symptome bei der Grippe nicht so auffielen, dann
die Beobachtung, dass mit dem Abklingen des Fiebers bei der Grippe
die typhusähnlichen Symptome sehr rasch wieder zurückgehen. So
traten an Stelle der Leukopenie sehr bald wieder normale Leuko¬
zytenwerte auf, auch bildet sich der Milztumor wieder rasch zurück.
Wie wir gesehen haben, bleibt also von den bisher für Typhus
charakteristischen Frühsymptomen nur der Bazillennachweis aus dem
Blute übrig; alle anderen Erscheinungen, wie Leukopenie, relativ
langsamer Puls bei hoher Temperatur, Milztumor können auch bei
der Grippe Vorkommen. Ich habe mich bei den zweifelhaften Fällen
stets auf den klinischen Befund verlassen und ich kann sagen, dass
ich damit niemals eine unangenehme Erfahrung gemacht habe. Es
ist wohl vorgekommen, dass ich mal eine Grippe für einen Typhus
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330
Eimmerle.
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hielt nnd dann dementsprechend verfuhr, aber nie habe ich einen
wirklichen Typhus für eine Grippe angesehen, weil ich mich stets
an das klinische Bild der Grippe hielt. Ich möchte sagen, schon
der erste Eindruck, welchen man von so einem Grippekranken inner¬
halb der ersten 3—4 Krankheitstage bekommt, mit seinem „ver-
schnupften‘' Aussehen, dem die heftigen Schmerzen ans den Augen
sehen, den beim Sprechen jener kurze trockene Reizhusten quält,
wie ihn die Tjpbusbronchitis niemals erzeugt, lässt mit absoluter
Sicherheit einen Typhus ausschliessen, zumal wenn man noch einen
Herpes labialis oder nasalis entdeckt, was ich bei der Grippe bei
frischen Fällen häufiger gesehen habe.
Die Fälle von Grippe, welche anfänglich mit Typhus ver¬
wechselt werden können, sind alle stets sehr schwere gewesen
mit hohem Fieber, das mehrere Tage anhielt; sie sind aber
nicht die Mehrzahl der Grippeerkrankungen. Weitaus die grössere
Hälfte sind jene zahlreichen Fälle, welche unschwer als Grippe zu
erkennen sind. Darunter gibt es nun eine ganz erhebliche An¬
zahl leichterer, harmlos erscheinender Erkrankungen, welche aber
doch stets eine gewisse Aufmerksamkeit verdienen. Es fiel mir
nämlich auf, dass gerade jene sogenannten „leichten^’ Fälle häufig
von einer mehr oder weniger hartnäckigen Nierenafiektion begleitet
waren. Ich habe diese Erscheinung 1917 unter einer Reihe von
61 Fällen 18 mal beobachtet. In den Jahren 1915 und 1916 habe
ich die Beobachtung allerdings nicht in dem Masse gemacht, obwohl
ich da weit mehr Fälle gesehen hatte als 1917. Merkwürdigerweise
waren es gar nicht jene schweren Fälle mit hohem Fieber und
schwerem Krankheitsbild, welche die Nierenkomplikation anfwiesen,
sondern meist waren es nur mittelschwere und leichte Erkrankungen.
Auch handelte es sich nicht etwa um eine besondere Epidemie eines
bestimmten Truppenteiles oder kamen die Kranken aus einer be¬
stimmten Gegend. Die Leute waren meist kräftige, junge Menschen,
welche, nach Vorgeschichte und der Untersuchung zu schliessen,
früher nie an einer Krankheit ähnlicher Art gelitten hatten, also
wolil vorher „nierengesund“ gewesen sind. Als Ursache für ihre Er¬
krankung geben allerdings alle Kranken an, dass eine starke Er¬
kältung voraufgegangen ist, dass sie häufig durchnässt wurden und
kaum Zeit hatten, das nasse Zeug zu wechseln. Gerade diese nass¬
kalten äusseren Einwirkungen sind es ja, welche für die sogenannte
Kriegsnephritis als Entstehungsursache hauptsächlich angenommen
werden. Ich habe jedoch bei den bei der Grippe beobachteten
Nierenkomplikationen nur zweimal es gesehen, dass eine Kriegs¬
nephritis auf trat mit starker Eiweissausscheidung, hochgradigen
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9]
Einige Beobachtungen bei der Grippe.
331
Ödemen etc.; bei Men anderen Fällen handelte es sich stets um
kleinere Eiweissmengen, welche lediglich eine' schwach positive Koch¬
probe bedingten. Ich habe nun bei den sämtlichen Fällen den Urin
stets auch mikroskopisch untersucht und dabei gefunden, dass häufiger
als man glaubt Anhaltspunkte für eine akute hämorrhagische Nieren¬
entzündung vorliegen. Wenn es meist auch nur vereinzelte granu¬
lierte und hyaline Zylinder, Erythrozyten, Erythrozytenzylinder,
Leukozyten und fettig degenerierte Nierenepithelien waren, welche
man im Sediment finden konnte, so waren es doch, namentlich wenn
die Ausscheidung dieser Elemente längere Zeit anhielt, Zeichen einer
Schädigung der Niere, welche nicht unbeachtet bleiben durften. Wie
oft findet man sich mit der „leichten Trübung^^ ab, der man keine
Bedeutung beimisst. Es genügt auch nicht, den Urin einmal zu
mikroskopieren; denn ich habe es einige Male gesehen, dass nach
wiederholten mikroskopischen Urinuntersuchungen erst nach 5—6 Tagen
Zylinder und Erythrozyten im Urin nachzuweisen waren. Bei ent¬
sprechender Behandlung mit Bettruhe und geeigneter Kost ver¬
schwanden die Zeichen der akuten hämorrhagischen Nierenentzündung
meist rasch in 2—3 Wochen; namentlich die Ausscheidung von Ery¬
throzyten hörte dann auf. Es gab aber auch Fälle, welche sehr
hartnäckig waren und der Befund wochenlang der gleiche blieb, sich
zuweilen verschlimmerte.
Ich will nun in Auszügen einige Krankengeschichten
wiedergeben:
1. Max Schm., 32 J. alt, Holzarbeiter, kräftiger Mann.
Seit Dezember 191b Soldat, seit Juli 1916 im Felde.
Familie o. ß. Er selbst hatte als Kind Masern, war sonst nie ernstlich
krank gewesen. Seit er Soldat ist, war er öfters revierkrank wegen einiger
Furunkel, im Dezember 1916 war er 3 Wochen in Behandlung wegen eines
Magen- und Darmkatarrhes.
Am 8. IV, 17 plötzlich erkrankt mit starkem Schüttelfrost, Atemnot, Brust-
und Kopfschmerzen, Mattigkeitsgefühl, 39,5 Temperatur. Als Ursache wird Er¬
kältung auf Wache angegeben.
Am 9. IV. Lazarettaufnabme. Bei der Aufnahme findet sich eine ziefnliche
Rötung und Schwellung der Rachenschleimhaut, trockener Husten, Zeichen einer
Bronchitis, Druckempfindlichkeit der Supra- und Infraorbitalnerven; keine Milz-
Bchwellung, keine Ödeme. Urinbefund: Eiweiss -\- (Kochprobe Essigsäure),
Zucker negativ, Urobilin im mikroskopischen Bilde sind zahlreiche Erythro¬
zyten, Leukozyten, hyaline und granulierte Zylinder, Erythrozytenzylinder, zahl¬
reiche fettig degenerierte Epithelien der Niere und der Blase zu sehen. Urinmenge
iu 24 Stunden 800 ccm, spez. Gew. 1026. Blutdruck 108 mm Hg (Riva-Rocci).
Temp. 39,2—38,4—39,3, der entsprechende Puls 108—104—120. Pat. erhält Nieren¬
kost, ausserdem 4 X 0,5 Antipyrin.
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Eimmerle.
[10
Nachdem am 10. IV. das Fieber nochmals bis 88,7 eieigt, kommt es in der
Nacht zum 11. IV. nnter Schweissausbruch zum Fieberabfall. Am 12. und 18. IV.
abends nochmals Temperaturanstieg bis 88^
Vom 14. IV. ab dauernd fieberfrei. Urinmenge am 12. IV. in 24 Stunden
500 ccm, spez. Gew. 1025. Der Ürinbefund bessert sich rasch, am 17. IV. im
Urin noch vereinzelte Erythrozyten, Epithelien und Leukozyten. Vom 24. IV.
ab bleibt der Urin dauernd frei von Erythrozyten, enthält nur noch einige Leuko¬
zyten und Epithelien. Am 25. IV. erhält Pat. gemischte Kost, steht auf; Urin
seither stets o. B.
Am 5. V. wird der Kranke aus dem Lazarett entlassen.
2. Anton W., 43 J. alt, Maurer, kräftiger Mann.
Seit August 1916 Soldat, seit Februar 1917 im Felde.
Familie o. B. Pat. selbst hat als Kind Masern gehabt, sonst will er nie
ernstlich krank gewesen sein.
Seit Mitte März 1917 Atembeschwerden, Schwindel, Schmerzen im linken
Knie. Am 9. IV. 17 plötzlich Reissen in den Gliedern, Schwindel, Verschlimme¬
rung der Kurzatmigkeit, leichtes Frieren, trockener Husten, Kratzgetühl im Halse.
Ursache: Erkältung in der Stellung.
Bei der am 11. IV. erfolgten Lazarettaufnahme ergibt sich folgender Be¬
fund: ziemliche Rötung der Rachenschleimhaut, Bronchitis leichten Grades,
quälender Hustenreiz, Schnupfen, Druckempfindiiehkeit der Augäpfel und der
Supra- und Infraorbitalnerven, Herpes nasalis; kein Milztumor, keine Ödeme.
Urin: Eiweiss positiv (uanz schwache Trübung nach Kochen), Zucker negativ.
Urinmenge in 24 Stunden 400'ccm, spez. Gew. 1031. Mikroskopisch: Leuko¬
zyten, Epithelien, vereinzelte Erythrozyten. Blutdruck 118 mm Hg (Riva-Rocci).
Temperatur 38,1, Puls 75. Nierenkost, 4 X 0,5 Antipyriu.
Die katarrhalischen Erscheinungen, die Schmerzen im Bereiche der Augen
nehmen allmählich ab, so dass Pat. vom 23. IV. ab keine Beschwerden der Art
mehr hatte. Dagegen traten jetzt reissende Schmerzen in beiden Unterschenkeln
auf, namentlich waren die Schienbeine sehr druckempfindlich. Die Temperatur
erreichte am 15. IV. abends ihren höchsten Grad mit 38,4, erreichte dann ab und
zu noch 37,6, und blieb seit 27. IV. stets unter 37,0. Der Urinbefund änderte
sich wesentlich: am 16. IV. mehr Erythrozyten als anfänglich. Daneben auch
Leukozyten und Epithelien. Am 23, IV. Urinmenge 1000 ccm, spez. Gew. 1015,
Eiweiss +» Zucker negativ, mikroskopisch Leukozyten, Erythrozyten, vereinzelte
granulierte Zylinder, Epithelien; Pat. ist fieberfrei, fühlt sich frei von Be¬
schwerden. Am 28. IV. im Urin Eiweiss mikroskopisch Leukozyten, Erythro¬
zyten, granulierte Zylinder, Epithelien. Pat. ist fieberfrei.
Am 2. V. Urin gelbrot, trüb, sauer reagierend, sieht makroskopisch nach
Blut aus. Eiweiss Zucker negativ, Urobilin mikroskopisch: zahlreiche
Erythrozyten, auch in Zylinderform liegend, Epithelien, Leukozyten, hyaline,
granulierte und gemischte Zylinder. Pat. ist dauernd fieberfrei, fühlt sich im
allgemeinen wohl, klagt zeitweise über heftige Schmerzen in den Beinen, be¬
sonders im Bereiche der Schienbeine, keine Ödeme. Mit Rücksicht auf die jetzt
öfters geklagten Knochenschmerzen wird im Urin auf den Bence-Jonesschen
Eiweisskörper nachgesehen, mit negativem Resultat.
Am 4. V. Urinbefund: Menge 850 ccm, spez. Gew. 1024, gelb, leicht ge¬
trübt, sauer, Eiweiss +, Zucker negativ; mikroskopisch Erythrozyten, Leuko-
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11]
Einige Beobachtangen bei der Grippe.
333
zjten, hyalin granulierte und gemischte Zylinder, Erythroiytenzylinder, Epi-
thelien, Bence-Jonea nicht vorhanden.
Der Pat. befindet sich zur Zeit der Abfassung der Arbeit noch in Lazarett-
behandlung; noch am 17. V. war der Urinbefand der gleiche geblieben. Das
Allgemeinbefinden des Pat. war ein sehr gutes.
An den übrigen Organen ergab sich in den letzten Wochen kein krankhafter
Befand (keine Veränderung des Blutdruckes).
3. Willy R, 22 J. alt, Tischler, kräftiger Mann.
Seit August 1915 Soldat, seit August 1916 im Felde.
Familie o. B. Als Kind batte Pat. Mat Masern und Diphtherie, will sonst
nie krank gewesen sein.
Am 5. IV. 17 Kopfschmerzen, Schwindel, angeblich Bewusstlosigkeit, Husten,
Schnupfen, Kratzen im Halse.
Ursache: angeblich Erkältung bsim Baden.
Bei der am 11. IV. erfolgten Lazarettaufnahme ergab sich folgender Be¬
fund: Rachenschleimhaut o. B., Augen o. B., an der Oberlippe eingetrockneter
Herpes, Bronchitis leichten Grades; Milz eben als mässig derber Widerstand zu
fühlen (letzte Typhusschutzimpfung am 9. und 17. Mai 1916, also 11 Monate
zurückliegend). Urinbefand: Eiweiss-|-, Zocker negativ, klar, gelb, sauer, Menge
400 ccm, spez. Gew. 1025; mikroskopisch zahlreiche Erythrozyten, Leukozyten,
granulierte Zylinder, Epithelien. Blutdruck 112 mm Hg (Riva-Rocci). Temp.
37,6, Puls 72.
Weiterer Verlauf sehr leicht, am 13. IV. höchste Temp. 38,0, von da ab
bis zum 17. IV. langsam auf 37,0 abfallend.
Am 17. IV. Urin: granulierte Zylinder, Leukozyten, Erythrozyten, Epithelien;
Menge 1800 ccm, spez. Gewicht 1013.
23. IV. Urin: Mengen 1800 ccm, spez. Gew. 1008, Eiweiss +. Zucker negativ,
gelb, trüb, schwach sauer, mikroskopisch Leukozyten, Epithelien, Bakterien, ver¬
einzelte granulierte Zylinder, Allgomeinbefinden stets sehr gut.
Am 2. Mai: im Urin granulierte und hyaline Zylinder, Leukozyten, Epi¬
thelien. Der Pat. befindet sich gleichfalls zur Zeit noch in Lazarettbehandlung;
am ,17. V. waren im Urin keine Zylinder und Erythrozyten mehr naebzuweisen.
Bei ihm war es also zu einer sichtlichen Besserung gekommen.
Wir sehen bei den drei aufgeführten Fällen, dass die Ursache
einmal eine Grippe war, dass bei keinem der Fälle das Krankheits¬
bild ein sehr schweres war und dass bei jedem der Fälle die Nieren-
aflfektion sich verschieden in der Dauer des Bestehens verhielt. In
dem ersten Falle, der noch von den dreien den schwersten Eindruck
machte, ging die Nephritis verhältnismässig rasch zurück; bei ihm
war die Kochprobe von vornherein ziemlich deutlich. Bei dem zweiten
Falle, einem 43 Jahre alten Manne, der aber nach Vorgeschichte und
Befund (Blutdruck) den Eindruck eines früher nierengesunden Mannes
machte, waren die Erscheinungen für eine Erkrankung der Niere
anfänglich nur sehr geringfügige und erst im Laufe der Beobachtung
steigerten sie sich. Hier war der Prozess sehr hartnäckig. Bei
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beiden Fällen sehen wir tägliche niedrige Urinmengen (500 znerst,
dann steigend auf 850). Dies habe ich bei sämtlichen Fällen beob>
achtet, solange die Zeichen einer frischen Nierenentzündung nachzu¬
weisen waren. Bei dem zuletzt erwähnten Falle haben wir anscheinend
nur eine sehr leichte Erkrankung vor uns; kaum bestand etwas Fieber.
Von den typischen Grippesymptomen war bei der Lazarettaufnabme
nicht mehr viel nachzuweisen; die vorhandene Milzschwellung spricht
gegen einen einfachen Bronchialkatarrh, ebenso ist es keine sog.
„Impfmilz", da die letzte Impfung 11 Monate zurück lag. Für einen
Bronchialkatarrb würde auch der Nierenbefund nicht sprechen. Die
im Abklingen befindlichen Erscheinungen eines Katarrhs der oberen
Luftwege und der eingetrocknete Herpes sprechen da wohl für die
Annahme einer Grippe. So wie der erste und letzte Fall verliefen
von den 18 gemachten Beobachtungen die meisten; nur der eine
(oben als zweiter aufgezählte) Fall verlief so hartnäckig. Im Durch¬
schnitt hörte die Ausscheidung von Erythrozyten im Urin im Verlaufe
der zweiten Woche auf, vom Ende der dritten Woche, spätestens An¬
fang der vierten Woche ab war der Urin meist auch von Zylindern
dauernd frei. Die Patienten vertrugen dann das Aufstehen und die
gemischte Kost gut; ich beobachtete keine Rezidive. Bei den frischen
Fällen gab ich möglichst salzarme Kost (Milch, Milchreis, Kompott,
Eier, Weissbrot, Marmelade) nnd Hess die Kranken strenge Bettruhe
einhalten.
Ich habe bei keinem der 18 Fälle eine Erhöhung des Blutdrucks
feststellen können; der höchste gemessene Wert betrug 120 mm Hg
(stets mit dem Apparat von Riva-Rocci gemessen). Auch daraus
kann man vermuten, dass es sich bei den Fällen nicht um einen
chronischen Prozess handeln kann, was ja bei den Kranken mit 40
und mehr Jahren denkbar wäre. Auch habe ich nie eine Verbreite¬
rung der Herzdämpfung feststellen können.
Wenn man bei jedem Fall von Mandelentzündung oder Darm¬
katarrh den Urin öfters untersucht, dann findet man, dies ist ja
bekannt, nicht so selten eine Eiweisstrübung im Urin, welche manchmal
ziemlich hartnäckig sein kann, und oft schwerer zu beeinflussen ist
als die Grundkrankheit. Ich habe diese Erscheinung noch nicht so
häufig bei der Grippe beobachtet, obwohl ich in den Jahren 1915
und 1916 eine ziemlich grosse Anzahl von Grippe gesehen habe.
Diese Mitbeteiligung der Nieren in mehr oder weniger starkem Grade
fiel mir aber bei einer Anzahl von Grippenkranken im Frühjahr 1917
(März—April) auf. Es mag sein, dass die gerade während dieser
Monate so ungünstige Witterung mit ihren unfreundlichen zahlreichen
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13]
Einige Beobachtungen bei der Grippe.
335
Niederschlägen von Schnee und Regen die Nieren bei unseren Kranken
besonders für eine Komplikation empfänglich gemacht hat.
Der Grund dieser Zeilen ist, wieder einmal auf die Grippe hin¬
zuweisen. Sie wird vielfach als eine zu leichte Erkrankung aufgefasst,
vielfach leider als Verlegenheitsdiagnose gebraucht. Manchmal be¬
gegnet man auch einem gewissen Misstrauen, das dieser Diagnose
gegenüber gezeigt wird. Freilich, wir dürfen eben nicht kritiklos alles
in einen Topf werfen mit dem Deckmantel Grippe. Meines Erachtens
ist aber das klinische Bild der Grippe ein derartig ausgeprägtes,
dass es nicht zu verkennen ist und vor allem auch zur Geltung be¬
rechtigt ist, ob nun die ^nfluenzabazillen nachgewiesen werden oder
nicht, also die klinische Annahme durch das Kulturverfahren bestätigt
wird. Kein Vernünftiger wird sagen, dass die als „klinisch. Ruhr“
bezeichneten Fälle keine Ruhrerkrankungen sind; wo es eben zu ge-
gebäuftem Auftreten von Durchfällen mit Blut, Schleim und Eiter
kommt, da hört der harmlose Darmkatarrh auf, besonders wo es be¬
kannt ist, dass die Fälle von „klinisch Ruhr“ genau so schwer und
genau so leicht verlaufen wie jene Fälle, bei welchen aus dem Stuhl
die Erreger nachgewiesen wurden. Der Nachweis der Bazillen hängt
von zu vielen äusseren Umständen ab, namentlich jetzt im Kriege;
die eine Bakterienart ist empfindlicher als die andere, so dass auch
daraus unschwer sich es erklären lässt, warum man den einen Erreger
öfters findet als den anderen. So ist es auch bei der Grippe. Warum
sollen jene Fälle, bei welchen wir keine Influenzabazillen finden konnten
und die den mit einem positiven Bazillenbefund ausgezeichneten Fällen
vollkommen gleichen, nicht auch als „Grippe“ bezeichnet werden?
Die Erscheinungen sind derart, dass man sich mit der harmlosen
Erkältung oder dem Bronchialkatarrh nicht abfinden darf, sei es nun,
dass man sich der schweren Bilder der Grippe selbst erinnert, oder
dass man die von der Grundkrankheit ausgehenden Nachkrankheiten
und deren Folgen berücksichtigt.
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Krankheitszeichen und ihre Auslegung
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1918 Infek-
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