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Full text of "Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung 26.1913"

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Klinische Beiträge 


Beiträge 

zur 

Klinik der Tuberkulose 

und spezifischen Tuberkulose-Forschung. 


Unter Mitwirkung der Herren 

Professor Dr. H. Arnsperger (Dresden), Prof. Dr. Aschoff (Freibürg i. Br.), Exz. Wlrkl. Geh.-Rat 
Prof. Dr. r. Behring (Marburg), Prof. Dr. Bettmsnn (Heidelberg), Dr. F. Blnmenfeld (Wies¬ 
baden), Professor Dr. Brnns (Marburg), Prof. Dr. de la Camp (Freibnrg), Prof. Dr. Eber 
(Leipzig), Geh. Hofrat Prof. Dr. Flelner (Heidelberg), Prof. Dr. Gsnpp (Tübingen), Dozent 
Dr. Hamburger (Wien), Beg.-Bat Dr. Hamei (Berlin), Prof. Dr. Hammer (Heidelberg), 
Dr. Haenlsch (Hamborg), Professor Dr. Hegener (Hamborg), Prof. Dr. r. Hippel (Halle a. Ü,\ 
Prof. Dr. Hirseh (Göttingen), Prof. Dr. Jacob? (Heidelberg), Prof. Dr. Jurasz (Lemberg), 
Prof. Dr. A. Keyserling (Berlin), Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner (Berlin), Chef¬ 
arzt Dr. Köhler (Holsterhansen), Dr. Kramer (Böblingen-Stuttgart), Med.-Rat Prof. Dr. KBttner 
(Breslau), Prof. Dr. Magnus (Utrecht), Oberarzt Dr. Much (Hamborg), Oberarzt Dr. Nehr- 
korn (Elberfeld), Oberstabsarzt Prof. Dr. NIetner (Berlin), Geh. Reg.-Bat Prof. Dr. Ostertag 
(Berlin), Prof. Dr. Petruschky (Danzig), Prof. Dr. ßoemer (Marburg), Chefarzt Dr. Roepke 
(Melsungen), Prof. Dr. Sahli (Bern), Prof. Dr. A. Schmidt (Halle), Prof. Dr. Schoenborn 
(Heidelberg), Prof. Dr« Schottlander (Wien), Dlrlg. Arzt Dr. Schröder (Schömberg), Prof. Dr. 
Schwalbe (Rostock), Prof. Dr. Soetbeer (Giessen), Chefarzt Dr. Lucius Spengler (Davos), Dr. Carl 
Spengler (Davos), Prof. Dr. H. Starck (Karlsrahe), Prof. Dr. W. ▼. Starck (Kiel), Prof. Dr. Stöckel 
(Kiel), Prof. Dr. H. Ph. Tendeloo (Leiden), Pror. Dr. Völker (Heidelberg), Prof. Dr. Vulplns (Heidel¬ 
berg), Geh. Reg.-Rat Dr. Weber (Berlin), Prof. Dr. Wenckebaeh (Strassbarg) 

herausgegeben und redigiert von 

Professor Dr. Ludolph Brauer. 


Band XXVI. 


Mit 6 Tafeln und 26 Abbildungen im Text. 



Wfirzburg. 

Verlag von Curt Kabitzsch. 

Kgl. Univ.-Verlagsboehh&ndler. 

1913. 


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Druck der KönigL Univeraitätsdr uckerei H. Stürtz A. 


G., Wfirzburg. 


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Inhalt des XXVI. Bandes. 


Seite 


Andersen, Kristen, Stabsarzt, Einige Untersuchungen über die klinische An¬ 
wendbarkeit der lokalen Tuberkulinreaktionen.93 

Bang, Prof. Sophus, Zur Technik des künstlichen Pneumothorax. Mit 

13 Kurven und 2 Abbild, im Text..293 

Dlnski, Dr. Kasimir, Chefarzt, und Rudzki, Dr. Stefan, Über die klinische 

Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion . 1 

Elsaesser, Julius, Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose . 367 
Engelhardt, L., Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen 

Staub. Mit 10 Textabbildungen.155 

v. Gebhardt, Doz. Dr. Franz, Über Poncets Tuberculeuse inflammatoire. 

Mit 1 Tafel.245 

Hempel-Jörgensen, Eiler, Über die Eiweissreaktion im Sputum .... 391 
Hymans van der Bergli, Prof. A. A., de Josselin de Jong, Dr. R., und 
Sehnt, Dr. H., Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. Mit 

1 lith. Tafel.•.47 

Kanffmann, Julius, Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss im Sputum 

und seine Bedeutung.269 

Köhne, Wilhelm, Über den Einfluss der Generationsvorgftnge auf die Lungen- 0 

tuberkulöse.71 

Leichtweiss, Fritz, Nierenverfinderungen bei Tuberkulösen.237 

Melchior, Doz. Dr. Lauritz, Zur Pathologie der Magentuberkulose. Mit 1 Taf. 185 
— Ein Fall von Hernia diaphragmatica bei einem erwachsenen Phthisiker 263 

Oeri, Dr. Felix, Herzverschiebung bei Lungentuberkulose.123 

Schnitze, Doz. Dr. W. H., Anomalien des ersten Rippenringes und Lungen- 
^ tuberkulöse mit besonderer Berücksichtigung der Hart sehen Lehre von 
der mechanischen Disposition der Lungen zur tuberkulösen Phthise. 

Mit 1 ^extfigur und 1 Tafel.205 


Siebert, Carl, und Römer, Paul H., Ein reines Tuberkulinpräparat (Tubolytin) 193 
°Simon, Dr. Georg, Über den röntgenographischen Nachweis des primären 

Lungenherdes bei der Bronchialdrüsentuberkulose. Mit 1 Röntgentafel 141 
Snndberg, Prof. Dr. Carl, Drei Todesfälle mit Obduktion nach Behandlung 


* von Lungentuberkulose mit künstlichem Pneumothorax.303 

GVorpabl, Dr. K., Über eine refraktäre Phase bei der Tuberkulinreaktion. 

| Mit 1 Tafel.257 

wiese, Friedrich Wilhelm, Über menstruelle Temperatursteigerungen bei 

Lungentuberkulose.335 


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91G ;• G 


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Aus dem Sanatorium für Lungenkranke in Zakopane. 


Ober die klinische Bedeutung der Moro sehen 
T uberkulinreaktion 
(auf Grund von 500 eigenen Beobachtungen). 

Von 

I)r. Kasimir Dluski »»<1 Dr. Stefan Rudzki 

Chefarzt I. Assistent. 


Die Diagnose der Tuberkulose mittelst Tuberkulinreaktion ist 
bisher weder vom theoretischen noch vom klinischen Standpunkte 
aus zur Genüge erklärt. 

Anatomisch-pathologische Untersuchungen zeigen uns zwar die 
Veränderungen, welche als Folge der Tuberkulinwirkung in den von 
der Tuberkulose betroffenen inneren Organen vor sich gehen, während 
die unmittelbare Beobachtung solche Veränderungen auch in den 
äusseren, unserem Auge zugänglichen Geweben aufweist. Die Art 
und Weise aber der Wirkung des Tuberkulins auf die lebenden 
Gewebe des Organismus, also seine biologische Wirkung, ist bisher 
nur sehr unvollkommen aufgeklärt. 

Aus der Geschichte des Tuberkulins wissen wir, dass man zur 
Entscheidung dieses Problems bestrebt war, mehrere Theorien aufzu¬ 
stellen, welche, oft im schroffen Gegensatz zueinander stehend, nicht 
imstande sind, verschiedene bekannte klinische Erscheinungen in 
zufriedenstellender Weise darzustellen. Die Hertwigsche ,,chemo- 
taxische 4 * Theorie, welche -mehrere Jahre hindurch die herrschende 
war, ist auf experimentellem Wege von der W a s serma n n sehen 
Theorie verdrängt worden. Doch auch diese vermochte sich nicht 
längere Zeit zu halten, denn die Untersuchungen von v. Pirquet 
und Wolff-Eisner haben ganz klar bewiesen, dass die Tuber¬ 
kulinreaktion nicht nur in erkrankten, von der Tuberkulose 1 befallenen 

Baiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 1. 1 


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2 Kasimir Dlnski und Stefan Rudzki. [2 

Geweben anftritt, sondern sieh auch deutlich in gesunden Geweben 
von tuberkulösen Mensehen und Tieren nachweisen lässt. 

Es fragt sich nun, ob die v. Pirquet sehe ,,Allergie“-Theorie 
oder die W o 1 f f - E i s n ersehe ,,Lysin‘‘-Theorie. nachdem sie die 
Wassermann sehe widergelegt hatten, allein imstande sein werden, 
die Wirkung des Tuberkulins auf den Organismus genügend zu er¬ 
klären. Auf experimentelle Tatsachen gestützt, gehen beide in ge¬ 
wisser Hinsicht von einem gemeinsamen biologischen Standpunkte 
aus und erklären uns eine ganze Reihe von Erscheinungen aus dem 
Gebiete der Wirkung von fremden Eiweisskörpem auf den Organis¬ 
mus im allgemeinen, und eo ipso der Tuberkelbazillenpräparate. In¬ 
dessen lassen beide Theorien verschiedene äusserst wichtige Fragen, 
auf die der Kliniker das Recht hat, eine Antwort zu verlangen, ohne 
Beantwortung. 

Schon früher haben wir die bekannte klinische Tatsache hervor¬ 
gehoben. dass die Tuberkuliiireaktion bei Schwerkranken nicht auf- 
tritt, angeblich infolge der Überladung des Organismus mit Tuber¬ 
kulosetoxinen. Eine derartige Erklärung steht aber nicht im Ein¬ 
klang mit dem Prinzip seli>st der v. Pirquetschen Theorie, wo¬ 
nach die Einführung des Antigens in einen die Antikörper ent¬ 
haltenden Organismus die entsprechende Reaktion zur Folge haben 
müsste. Es bliebe die Vermutung übrig, dass die ganze vorhandene 
Menge von Antikörpern bei Schwerkranken nach der Behauptung 
von Wolff-Eisner an die Tuberkulosetoxine gebunden sei. Ex¬ 
perimentell ist jedoch eine solche These nicht l>ewiesen, es sind eben 
nur Vermutungen. 

Ferner können wir auf eine zweite bekannte Tatsache hinweiseil, 
und zwar, dass die Reaktion bei Gesunden nach mehrmaligen Tuber - 
kulininjektionen überhaupt nicht auftritt. Auch diese Erschei¬ 
nung stellt im Widerspruche mit der v. Pir quetschen Theorie, 
denn in Übereinstimmung mit ihr müsste eine einmalige Injektion 
von Tuberkulin, als von fremdem Eiweiss, den Organismus in den 
Zustand der ,,Allergie“ versetzen und die Einführung des Antigens 
in denselben in Gestalt von Tuberkulin müsste also bei der folgenden 
Injektion die Reaktion hervorrufen. Diese bleibt jedoch aus. Warum? 
Auch auf diese Frage haben wir bis heute noch keine befriedigende 
Antwort bekommen. Doch, abgesehen von der Unzulänglichkeit der 
v. Pir quetschen und der W o 1 f f - E i s n er sehen Theorie zur Er¬ 
klärung solcher bekannten klinischen Tatsachen, begegnen wir in 
der letzten Zeit noch einer neuen Theorie von Friedberger, 
welche sich auf das von ihm entdeckte ,,Anaphylatoxin“ stützt. 
Sollte diese Theorie, welche schon einer scharfen Kritik unterworfen 


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8 ] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 


wird, durch weitere Untersuchungen sich bestätigen, so müssen die 
beiden oben erwähnten Theorien bedeutende Modifikationen erfahren. 
Die Untersuchungen und Experimente Friedbergers haben ge¬ 
zeigt, dass die Reaktion nicht infolge des blossen Zusammen¬ 
treffens des Antigens mit dem Antikörper entsteht, sondern ai>er 
dass die Hauptrolle dem Komplement zukommt, und zwar deswegen, 
weil es bei der Verbindung des Eiweisses mit dem Antieiweiss eine 
besondere toxische Substanz, ,,das Anaphylatoxin“, auslöst. Die Ent¬ 
deckung dieses Körpers wirft ein neues Licht auf die ganze Frage 
der Anaphylaxie und insbesondere auf die Tuberkulinreaktion, 
welche nur ein Glied in der Kette äusserst. komplizierter und bisher 
unaufgeklärter biologischer Erscheinungen darstellt. Ujid tatsäch¬ 
lich, seit der Entdeckung des Tuberkulins und seiner ersten An¬ 
wendung zu diagnostischen Zwecken M beruht seine prinzipielle Be¬ 
deutung darauf, durch eine entsprechende Reaktion die Möglichkeit 
zu liefern,- die Tuberkulose auch in solchen Fällen feststellen zu 
können, in denen sich die Methoden der physikalischen Untersuchung 
bei Abwesenheit von Koch sehen Bazillen als ungenügend erweisen. 
Vom klinischen Standpunkte aus muss indessen eine solche allgemeine 
These bedeutende Erweiterungen erfahren.* Ohne auf Einzelheiten ein¬ 
zugehen, wollen wir hier nur die wichtigsten Fragen berühren. Vor 
allem muss betont werden, dass das Kennzeichen einer Reaktion 
seine Spezifität sein soll. Dieses Prinzip lässt jedoch im Lichte 
der ganzen Geschichte des Tuberkulins ziemlich häufige und sehr 
wohl bekannte Ausnahmen zu. Es ist überflüssig, darüber zu sprechen. 

Was die diagnostische Anwendung der Mo röschen Salbe an- 
* belangt, so begegnen wir auch hier ziemlich scharfen Abweichungen. 

Moro hat selbst hervorgehoben, dass er bei Rekonvaleszenten 
nach Scharlach, nach Purpura (11 positive Resultate auf 14 Fälle), 
ebenso nach Uhorea usw. die Tuberkulinreaktion mit seiner Salbe 
erhalten hat, und zwar alles bei Personen, welche klinisch nicht 
tuberkuloseverdächtig waren. Dies allein bildet eine Schattenseite 
dieser neuen diagnostischen Methode. Man könnte schliesslich von 
ihr absehen, wenn es sich dabei nicht gleichzeitig um viel wichtigere 
Probleme handelte, die sowohl vom klinischen als auch vom sozialen 
Standpunkte aufzufassen sind, und zwar: ob uns das Tuberkulin 
versteckte, der physikalischen Untersuchung unzugängliche aktive 
oder halbaktive oder endlich inaktive ausgeheilte Herde aufdeckt. 
Diese letzteren, die für das betreffende Individuum keine vitale Be- 


*) Auf seine therapeutische; Anwendung wollen wir nicht eingehen. da es 
den Rahmen unserer Arbeit überschreitet.' • 


1 * 


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4 Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [4 

deutung besitzen, stellen doch nach den Untersuchungen von 
Xaogeli u. a. eine so häufige Erscheinung dar. 

Zur Zeit, als die diagnostische Anwendung des Tuberkulins auf 
subkutane Injektionen nach der Methode und Technik von Koch 
und seiner Schüler beschränkt war, richtete schon damals eine ganze 
Reihe bedeutendster Kliniker, wie A. Schmidt, A. Fraenkel. 
Corn'et. u. a., die ganze Schärfe ihrer Kritik gerade auf diese 
schwache Seite der Tuberkulinreaktion. Aus der damaligen Literatur 
ergibt sich, dass die genannten Forscher die diagnostische Anwendung 
des Tuberkulins vom folgenden. Standpunkte angegriffen haben: 
erstens den Mangel an Spezifität und zweitens die Aufdeckung in¬ 
aktiver Herde bei klinisch gesunden, einer Behandlung nicht be¬ 
dürftigen Personen. Heute, als die Anwendungsformen des Tuber¬ 
kulins sich verschiedenartig ausgestaltet haben, ist diese frühere 
Kritik, wenn auch auf ganz andere wissenschaftliche Tatsachen ge¬ 
stützt, immer noch vollauf berechtigt, ln der Tat haben die neueren 
Forschungen von Enz,‘Rolly,Sorgo, Kraus, Volk, Löwen¬ 
stein u. a. die Anschauungen über die Spezifität der Tuberkulin¬ 
reaktion sowohl wie auch über die Anaphylaxie als die Grundlage 
dieser Reaktion stark erschüttert, indem sie ihr Wesen auf lokale 
Änderungen, welche sich unter den gegebenen Umständen in der 
Haut abspielen, zurückführen. — Die Rahmen unseres Artikels er¬ 
lauben uns nicht, auf die Einzelheiten näher einzugehen, wir möchten 
aber darauf hin weisen, dass die Ansichten über die Tuberkulinreaktion 
im Laufe der Zeit einer fortwährenden Evolution unterliegen und 
immer komplizierter werden. 

Andererseits sehen wir an der Hand der uns zugänglichen Lite¬ 
ratur, wie wenig im allgemeinen die statistischen Resultate der ein¬ 
zelnen Autoren bei der Anwendung der v. Pirquet sehen, der 
Wolff-Eisner sehen oder der Moro sehen Probe untereinander 
übereinstimmen. Was aber noch wichtiger erscheint, geben alle diese 
Tuberkulinproben bei dem auch tatsächlich von der Tuberkulose 
infizierten Organismus ein negatives Resultat. Zwar sind die Autoren 
in dem Punkte einig, dass in schweren Fällen — besonders bei 
Miliartuberkulose und bei Meningitis tuberculosa - die Tuberkulin¬ 
probe in ihren verschiedenen Formen gewöhnlich negativ ausfäilt. 
Poch abgesehen von diesen schweren Fällen gibt es eine ganze Reihe 
leichterer, welche die Reaktion ohne genügenden Grund gleichfalls 
vermissen lassen. 

Was die Probe von Moro betrifft, finden wir bei ihm selbst 
in zwei verschiedenen Arbeiten verschiedenartige Resultate. Einmal 
sehen wir bei 1().‘U Kindern 17°o negative Resultate beim Vorhanden- 



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5] Ober die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. 5 

sein „manifester Tuberkulose“ (wozu der Autor auch Miliartul>er- 
kulose und Meningitis tub. einrechnet); und wiederum bei 388 
Kindern — 25 o/o negative Ergebnisse auch bei manifester Tuberkulose. 

Andererseits erscheinen die .positiven Ergebnisse der ver¬ 
schiedenen Arten der diagnostischen Tuberkulinanwendung l>ei Per¬ 
sonen, die der Tuberkulose nicht verdächtig sind, in statistischer Be¬ 
leuchtung bei den verschiedenen Autoren sehr verschieden. Als 
charakteristische Beispiele können wir die* von Emmerich an¬ 
gegebenen Zahlen anführen: 

. . TT ...... ) v o li Pirquet: 73 

bei Unverdächtigen i M o r 0 ’ 39 

Aus diesem Grunde spricht Emmerich dein positiven Aus¬ 
fall der v. Pirquetschen Probe fast jegliche Bedeutung ab. 

Rolly findet bei Unverdächtigen v. Pirquet positiv in 80 «0 
von Fällen und betrachtet deswegen die v. Pir quetsche (ebenso 
wie auch die Mo rösche und die W 0 If f - E i s 11 er sehe) Probe als 
überflüssig. Mayrhofer hingegen hält die Morosche Probe 
für besser als die v. Pir quetsche, da erstere nicht , Jeden geheilten 
Herd“ anzeigt. 

Aber auch bei Horo selbst finden wir bei Kindern, die der 
Tuberkulose nicht verdächtig sind, verschiedene Resultate; seine 
Salbe eeigte nach den beiden oben angeführten Materialien was 
folgt: 

1034 Kinder . 12,5% positiv, 

388 Kinder 17,0% positiv. 

Noch grössere Differenzen finden wir bei M 0 r 0 was die Tu ber- 
kuloseverdächtigen an betrifft, und zwar: 

unter den 1034 Kindern 73,5% positiv, 

/unter den 388 Kindern 53% positiv. 

Bullinger erhielt bei Verdächtigen (im Alter von 16 bis 
05 Jahren) 70% Moro positiv. Heinemann erzielte i>ei erwachsenen 
jugendlichen Individuen folgende Resultate: 1 . bei Verdäch¬ 

tigen 880/0 Moro positiv, 2. bei Lungentuberkulösen in den drei 
Stadien zusammen 70o/ 0 Moro positiv. 

Nun halten allerdings einige Autoren, wie Weil und L e j e u n e, 
den positiven Ausfall der Moro sehen Probe bei Unverdächtigen 
für ein- anderweitig wertvolles Zeichen für die Prognose, indem sie 
beobachtet haben sollen, dass kurze Zeit nach dem positiven Aus¬ 
fall bei einigen Kranken Lungen-, Drüsen- oder Darm tuberkulöse 
zum Ausdruck gekommen ist. 


| positive Reaktion. 


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(; 


Kasimir Dluski and Stefan Rudzki. 


[6 

Einen direkt entgegengesetzten Standpunkt nimmt jedoch in 
dieser Hinsicht Emmerich ein, indem er gerade für eine Schatten¬ 
seite der Moroschen Probe den Umstand hält, dass sie „latente 
Herde“ 1 ) aufdeckt. Chrisens gibt dies auch Moro selber zu 
und behauptet, dass durch die positive Reaktion mit seiner Salbe 
1 . manifeste Tuberkulose fast ohne Ausnahme, 2. sehr oft latente 
Tuberkulose, mitunter ausgeheilte Herde entdeckt werden-). 

Andererseits betrachten Kanitz und Monti die Mo rösche 
Probe als schwächer im Vergleich mit der v. P i r q u e t sehen, und 
zwar, aus dem Grunde, weil sie bei manifester Tuberkulose negativ 
ausfällt. Rolly behauptet schliesslich, dass Moro überhaupt'keine 
sicheren Resultate liefere, weder für aktive, noch für inaktive Herde. 

Indem wir also die wichtigsten Seiten der Tuberkulinreaktion 
kurz berühren, sehen wir die grossen Widersprüche l>ei der Zu¬ 
sammenstellung der Resultate der Moro sehen Salbe mit anderen 
Formen der Tuberkulinproben. Nur W o 1 f f - E i s n e r allein be¬ 
hauptet ganz entschieden, im Gegenteil zu den anderen Forschern, 
dass seine Konjunktivalreaktion die massgebendste von allen zur 
diagnostischen Unterscheidung der aktiven von der inaktiven Tuber¬ 
kulose sei oder, um. mit den Worten des Autors zu reden, „zur Offen¬ 
barung der Aktivität tuberkulöser Herde“ diene. 

In Beantwortung dieser zwei wichtigen klinischen Fragen: 1. ob 
die positive Tuljerkulinreaktion aktive, d. h. kranke und also be¬ 
handlungsbedürftige Herde auf weist und 2. ob überhaupt und inwie¬ 
weit eine negative Reaktion die Tuberkulose aussehliessen lässt, sehen 
wir sowohl in der Moro sehen wie in den anderen Tuberkulin¬ 
proben ziemlich bedeutende Differenzen. 

In den allerletzten Zeiten sucht solch ein angesehener Forscher 
wie Hamburger den Beweis zu bringen, dass die empfindlichste 
Probe, mithin viel empfindlicher als die v. Pir quetsche, Wolff- 
Ei sn ersehe und Moro sehe, die sogenannte „Stichreaktion“ ist. 
welche in häufigen Fällen noch dort positiv ausfällt, wo die übrigen 
ein negatives Ergebnis liefern. Dasselbe behaupten wiederum Man¬ 
toux. Römer und Engel von der Intradermoreaktion, welche 
angeblich auch dort positive Resultate geben soll, wo alle oben an¬ 
geführten Proben versagen. (Diese Reaktion hat unter den polnischen 
Autoren einen begeisterten Anhänger in Piotrowski gefunden,. 
— vide Gaz. Lek. 1Ü10, Nr. 2ö.) 

*) Wie aus dom Inhalt der Arboil zu orsohon ist, mriul d«*r Autor ,,inaktiv«?“ 
Horde. 

-) Heitr. z. Kl. d. Tuberkulose. Md. XII, S. 2 lö. 


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7] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktipn etc. 7 

Tn Anbetracht der in den allgemeinsten Umrissen skizzierten 
Frage der Diagnose der Lungentuberkulose mit Hilfe des Tul>er- 
kulins und in der Erwägung, dass es durch die klinische Praxis 
bisher noch nicht festgestellt worden ist, welche Form seiner An¬ 
wendung die sichersten Resultate liefert, wandten wir unsere Auf¬ 
merksamkeit speziell der Moro sehen Salbe zu als derjenigen Form, 
welche für die Patienten am wenigsten belästigend und dabei mit 
keinerlei Komplikationen verbunden ist. 

Unser Zweck war also — vom klinischen Standpunkte aus — 
die Bestätigung der Diagnose in denjenigen Fällen, wo die physi¬ 
kalische Untersuchung bei der Abwesenheit des Koch sehen Ba¬ 
zillus für das Vorhandensein eines tuberkulösen Herdes in der Lunge 
oder in den Drüsen sprach. Gleichzeitig wollten wir auch feststellen, 
inwiefern ein positiver Ausfall der Moro sehen Probe oder ein 
negativer Ausfall bei ein- oder mehrmaliger Anwendung der Salbe 
mit den weiteren klinischen Beobachtungen übereinstimmte oder, 
mit anderen Worten, welche Bedeutung der Moro sehen Probe in 
prognostischer Hinsicht zuzuschreiben wäre. 


Unser Material besteht aus 500 Patienten des Sanatoriums für 
Lungenkranke in Zakopane. Ausserdem wurde die Moro sehe Probe 
noch bei einer ganzen Reihe anderer. Personen, wie bei Privat¬ 
patienten und Angestellten des Sanatoriums (Ärzten, Krankenwärtern 
etc.) angewendet, aber in Betracht der Homogenität des Materials 
beschränken w T ir uns indessen darauf, nur die Ergebnisse der Ver¬ 
suche an den 500 Patienten des Sanatoriums anzugeben, die unter 
denselben Versuchsbedingungen eine längere Zeit hindurch beob¬ 
achtet wurden. Die Kranken wurden nicht speziell ausgewählt, aber 
im Gegenteil, unsere Untersuchungen wurden von Zeit zu Zeit an 
allen oder an der überwiegenden Mehrzahl der in der betreffenden 
Periode im Sanatorium zur Kur weilenden Patienten durchgeführt. 

Unter den erwähnten 500 Kranken befanden sich 253 Männer 
und 247 Frauen. Was das Alter anbelangt, so hatten wir darunter 
14 Kinder unterhalb 15 Jahren; die übrigen 486 waren Erwachsene. 

Gleich nach dem Material von Moro, der sich auf 1034 Fälle 
berufen kann, die sich aber ausschliesslich nur auf Kinder beziehen, 
ist die Zahl unserer Versuche die grösste in der uns zugänglichen 
Literatur. Unter den anderen Autoren stützt sich z. B. Kanitz 
auf 350 Beobachtungen (an Erwachsenen und Kindern), Monti 
auf 301 (nur an Kindern), Emmerich auf 241 (ausschliesslich 
Erwachsenen) usw. usw. bis zu der geringsten Anzahl von Fällen, 
welche Lejeune bringt (27 Beobachtungen an Erwachsenen). 


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s Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [8 

Unser Material hat vor demjenigen der anderen genannten 
Autoren noch den Vorzug, dass es ausschliesslich aus Tuberkulösen 
besteht, somit also nicht nur an Quantität, sondern auch an Homo¬ 
genität die uns aus der Literatur des Gegenstandes bekannten Be¬ 
obachtungen übertrifft (Kunitz hatte beispielsweise nur 98 Fälle 
sicherer Tuberkulose, Moro 9b, Emmerich 4b usw. usw. und 
Le j eu ne steht mit 13 an letzter Stelle). 

Alle unsere Patienten waren von der Lungentuberkulose in 
mehr oder minder höherem Grade betroffen. Nach der Tu r bau¬ 
schen Klassifikation entfielen : 

auf das 1. Stadium 257 = 5 1,5 0 /o 

,, „ 11. ,, 157 = 31,5ü/o 

„ III. „ S(j = 17,0o/o 

Sa. 500 = 100,0 O/o 

Die klinische Diagnose ist bei 24b Kranken = 49o /0 durch die 
Anwesenheit der Koch scheu Bazillen im Sputum l>estätigt worden. 
Bei 481 Patienten, d. h. hei 9b°o, war die Tuberkulose als aktiv 
(mit febrilem oder subfebrilem Zustande), bei 15 = 3°/o als halb¬ 
aktiv zu bezeichnen, und nur bei 4 Kranken (also unter lo 0 ) konnten 
wir sie als inaktiv betrachten. 

Ausser der Lungentulverkulose hatten wir in vielen Fällen mit 
Komplikationen in anderen- Organen zu tun (Kehlkopftuberkulose 
bei 21, Darmtuberkulose bei b, Nierentuberkulose bei 7, Tuberkulose 
der äusseren Drüsen bei 12, Knochentuberkulose bei 4, Bauchfell¬ 
tuberkulose bei 3 Personen und je einen Fall von Hirnhaut-, Zungen-, 
Nebennieren- und Hodentuberkulose). 

Unsere Untersuchungen wurden vom November 1909 bis De¬ 
zember 1911 durchgeführt, sie umfassen also die Dauer von über 
zwei Jahren, ln dieser Zeit wurden bei 500 Patienten 579 Einrei¬ 
bungen der Moro sehen »Salbe angewendet, und zwar 432 Patienten 
je einmal, bl je zweimal, 7 je dreimal und bei einem viermal. 

Was die Technik der Einreibungen selbst anbelangt, so hielten 
wir uns strikte an die von Moro selbst gegebenen Anweisungen, 
da wir der Ansicht waren, dass eine Kontrolle der Methode des 
Autors nur dann richtig sein könne, wenn wir seinen eigenen Vor¬ 
schriften genau folgen werden. 

Gewöhnlich rieben wir ein erbsengrosses Stück Salbe 1 ) in die 

0 Die nach dein Rezept von Moro herjreslellte Salix» (Alttuberkulin Koch 
ö ccm, Lanolini anhydrici ö gi |u*zoü<mi wir vorwiei»end aus München (Kronen- 
Apofheke, Findwurrnstrassei in kleinen, je 2 " fassenden Zinktuhcn. Bezüglich 
der Aufbewahrung, wie auch ih»r Verwendung erwies sich diese Salix* viel 
praktischer als die von Wiener Apotheken in grösseren Flacons angebotene. 



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l)j Über die klinische Bedeutung der Moro scheu Tuberkulinreaktion etc. ( .) 

Bauchhaut im Epigastrium unter dem Sternumfortsatz oder in die 
Brusthaut in der Nähe der Brustwarze ein. In einigen wenigen Fällen 
versuchten wir die Reaktion auf der Haut des Vorderarmes hervor¬ 
zurufen, wir müssen jedoch übereinstimmend mit Moro zugeben, 
dass diese Stelle weniger empfindlich ist. 

Der Auswahl der Einreibungsstelle räumt M o r <> eine bedeutende 
Rolle ein. In seiner Polemik mit Kanitz schreibt er dessen un¬ 
sichere Resultate nur der falschen Technik zu. („Alle diese Un¬ 
stimmigkeiten erklären sich damit, dass Kanitz als Stelle der Ein¬ 
reibung „oft“ die Haut des Unterarmes wählte.“) Dabei hebt. er 
noch ausdrücklich die Tatsache hervor, dass er bei seinen ursprüng¬ 
lichen Vergleichsversuchen festgestellt hat, dass »die bequemste Stelle, 
nämlich die Haut des Unterarmes, sich am wenigsten zu der Reaktion 
eigne. Während auf der offenbar empfindlicheren Bauchhaut die 
Reaktion deutlich hervorgetreten war, fehlte dieselbe auf ‘dem Unter¬ 
arm *in verschiedenen Fällen vollkommen 1 ). 

Die Häufigkeit der negativen Reaktion der Salbe hei klinisch 
festgestellter Tuberkulose in den Fällen Bandelier und Roepke 
erklärt Moro gleichfalls nur durch die Einreibung in die Haut des 
Unterarmes. 

Andererseits spricht sich Wetze 11 für die Einreibung der 
Salbe auf der Beugeseite des Unterarmes als der am wenigsten be¬ 
haarten Stelle aus; auch Kanitz hat den Unterarm gewählt, da 
„an den behaarten Hautstellen oft nach der Tuberkulineinreibung 
Entzündungen der Haarbälge entstehen, welche zu Irrtümern Anlass 
geben können“. 

Dagegen betont Wolff-Eisner auf Grund seiner eigenen 
Beobachtungen nachdrücklich, dass ,,die Tuberkulinsalbe absolut nicht 
in die Haut eindringt und ihre Wirkung nur dann zutage tritt, wenn 
sie in die Haarbälge eingerieben wird“ 2 ). 

Auf die Wichtigkeit der Einreibungstechnik weisen überdies 
noch verschiedene Autoren hin, unter anderen auch Bullinger, 
welcher behauptet, dass die individuelle Beschaffenheit der Haut, 
die Dauer und die Art der Einreibung eine grosse Rolle spielen. 
W o 1 f f - E i s u e r stellt die Einreibungstechnik in den Vordergrund 
und behauptet, dass von ihr allein die Resultate der Reaktion ab¬ 
hängig seien. Er stützt sich dabei auf seine Erfalirungen, nach denen 
er in einigen Fällen, wo er ein erbsengrosses Stück ; V t Minuten lang 
eingerieben hat, negative Resultate erzielte, dagegen aber erhielt 

1 ) Beitr. z. Klm. B<1. XII, 8. 251. 

2 ) Berliner kl in. Wochenschr. 1008, Nr. 30. 


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10 Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [10 

er bei intensiver Einreibung eines etwas grösseren Quantums während 
.4 Minuten ihnen positiven Ausfall 1 ). 

Die Einreibung der Moro sehen Salbe geschieht bekanntlich 
mit dem Finger während ; V 4 - l Minute unter massigem Druck auf 
einer Hautfläche von ungefähr 5 cm. 

Einige Autoren, wie beispielsweise (’ h y b c zy u s k i, bedienten 
sich bei der Einreibung eines Gummifingers „zum Schutze der eigenen 
Haut“; wahrscheinlich zu demselben Zwecke reibt VVilczynski 
die Salbe mit dem Kolben einer Spritze oder mit dem unteren Ende 
eines Reagenzglases ein. Alle diese Massnahmen sind indessen gänz¬ 
lich überflüssig, denn bei Ärzten wurde nach der Einreibung der 
Tuberkulinsalbe mit dem blossen Finger niemals eine Reaktion 
beobachtet, was einerseits mit der gänzlichen Abwesenheit von Haar¬ 
bälgen auf der Innenseite der Finger (Wo 1 f f - E i s n er), andererseits 
mit der Dichte der Epidermis an dieser Stelle (Moro) sehr leicht 
zu erklären ist. 

Unsererseits können wir feststellen, dass trotiz der Ausführung 
von über 000 Einreibungen der Tuberkulinsalbe mit dem blossen 
Finger (wir rechnen hier auch die Fälle ausser den Sanatoriums¬ 
patienten mit) bei keinem der Ärzte jemals eine lokale Reaktion statt- 
gefuuden hat. 

Im allgemeinen ist also die Technik der Moroschen Prol>e 
ausserordentlich einfach; darin stimmen auch alle Autoren völlig 
überein, mit der einzigen Ausnahme von Wolff-Eisner, welcher 
sich den Lobspendungen der Moroschen Reaktion nicht ansehliessen 
kann, da die anderen Tuberkulinproben einfacher seien, weniger 
Zeit in Anspruch nähmen und für die Patienten weniger lästig 
seien 2 ). 

Nach der Einreibung der Moroschen Tuberkulinsalbe in die 
Haut zeigt sich bekanntlich im Falle einer positiven Reaktion an 
der Einreibungsstelle ein Ausschlag in Gestalt von mehr oder minder 
zahlreichen roten, knötchenförmigen Bläschen. — Die Reaktion tritt 
nach Moro bereits am Ende der ersten 24 Stunden nach der Ein¬ 
reibung, mitunter aber erst nach'4S Stunden, und nur sehr selten 
später auf. Innerhalb der ersten 12 Stunden zeigt sich die Reaktion 
nur seltiMi: beginnt sich aber schon so frühzeitig ein Ausschlag zu 
bilden, so wird die Reaktion später sehr stark und liefert nach der 
Ansicht W o 1 f f - E i s n e r s eine ungünstige Prognose. Wir haben 

D Ks wäre interessant zu erfahren, in welchen Zeiträumen Wolff-Kisncr 
hei eiii umi derselben Person die Kinreibuni'en mit der Tnberknlinsalbe wieder 
holt hat; h*id<T aber ist vom Aulor darüber nichts erwähnt worden. 

2 ) Berliner kl in. Wochensehr. L00S Nr. 40. 



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11] Ober die klinische Bedeutung der Moroseben Tuberkolinreaktion etc. 11 

gewöhnlich bei stärker ausgeprägten Reaktionen schon nach 
24 Stunden eine lokale, mitunter mit Jucken, oft mit einem leichten 
Ausschlag verbundene Rötung der betreffenden Hautstelle beob¬ 
achtet; trotz der Behauptung Wolff-Eisners hatte jedoch dieses 
frühzeitige Auftreten der Reaktion keine ungünstige prognostische 
Bedeutung. Der stärkste Ausschlag trat auch nach unseren Beob¬ 
achtungen in Übereinstimmung mit anderen Autoren nach 48 Stunden 
auf. Eine von Chlumsky, Bullinger u. a. beobachtete ver¬ 
spätete Reaktion sahen auch wir einigemal (nach 3—4, ja sogar nach 
8 Tagen); deswegen ist die Ansicht Wetzeis völlig berechtigt, dass 
man den Kranken mindestens während einer ganzen Woche beob¬ 
achten soll. 

Was die Stärke der Reaktion anbelangt, so unterscheidet be¬ 
kanntlich Moro drei Grade: 1. die schwache Reaktion, bei welcher 
an der Einreibungsstelle nur sein* wenige (ca. 1—-10) einzelne blasse 
oder leicht gerötete Knötchen von einem Durchmesser von 1-^-3 mm 
und stets ohne Jucken auftreten; 2. die mittelstarke Reaktion: an 
der Einreibungsstelle erscheinen zahlreiche (50, 100 Und mehr) Knöt¬ 
chen von einem Durchmesser von 1—3 mm, die teils einzeln, teils 
gruppenweise auftreten und in dem letzten Falle Zusammenflüssen; 
dieser Ausschlag wird oft von einem leichten Jucken begleitet; 
3. die starke Reaktion äussert sich schliesslich darin, dass an der 
Einreibungsstelle und zumeist auch ringsherum zahlreiche (50, 100 
und mehr) stark gerötete, mit Exsudat gefüllte Knötchen, oft voll 
einem Durchmesser voii 5—8 mm zum Vorschein kommen, und stets 
von Jucken begleitet sind. 

Diese Einteilung ist in der Praxis oft sehr schwer durchzu¬ 
führen, und zwar infolge der häufig vorkommenden Übergangs¬ 
formen, von denen Moro seifet berichtet (wie z. B. die Verbindung 
des ersten mit dem dritten Grade, wo nur einige wenige Knötchen 
auftreten, die aber von beträchtlicher Grösse sind und das Aussehen 
von Bläschen haben, oder der Übergang vom ersten zum zweiten 
Grade, wo an der Einreibungsstelle zahlreiche, in Gruppen dicht 
beieinanderliegende, winzige, an Umfang kaum 1 / 2 mm messende 
rote Knötchen auf blassem Hautgrunde zum Vorschein kommen 
L miliare Reaktionj). Derartige Formen, besonders die erste Abart 
(d. h. den Übergang vom ersten zum dritten Grade) haben auch wir 
häufig beobachtet. Die Hauptschwierigkeit in der Einteilung beruht 
aber auf der vom Autor seifet eingeführten Unklarheit; cs bleibt 
nämlich unsicher, welchem Grade eine Reaktion zuzuzählen ist, bei 
welcher einige zehn (10 bis 50) Knötchen von gewöhnlichem 
Aussehen und ohne Bläsehenbildung auftreten. Angesichts dieser 


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12 Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [1*2 

Ungehauigkeit in der Morosehen Einteilung haben wir selbst als 
die Reaktion ersten Grades das Auftreten von 1—50 Knötchen be¬ 
zeichnet, welche strikte auf die Einreibungsstelle beschränkt und weder 
von Uläschonbildung noch von Jucken begleitet waren. Als den 
zweiten Grad betrachten wir solche Fälle, in denen die Anzahl der 
Knötchen grösser war als 50 oder wenn bei einer Anzahl unter 50 
die Rötung oder der Ausschlag in der nächsten Umgebung der Ein¬ 
reibungsstelle auftrat und von Jucken begleitet war. Als den dritten 
Grad der Reaktion sahen wir endlich solche Fälle an, in denen der 
Ausschlag sehr intensiv war (ül>er 50 Knötchen) und wo die Knötchen 
in Bläschen mit serösem oder eitrigem Inhalt übergingen; der Aus¬ 
schlag zeigte sich hier auch ausserhalb der Einreibungsstelle und 
war stets mit Jucken verbunden. 

Von dem obigen Einteilungsprinzip ausgehend, konnten wir au 
unserem Material in der Gesamtzahl von 579 Einreibungen den ersten 
Grad der Reaktionsintensität in 288 Fällen (= ca. 50o/o), den zweiten 
Grad in 71 (= l2°/o) und den dritten schliesslich nur in 22 (== ca. 4°o ) 
Fällen konstatieren. In den übrigen 198 Fällen war das Ergebnis 
negativ *). 

Im allgemeinen stimmen unsere Beobachtungen mit denen der 
anderen Autoren ziemlich gut überein; so hat z. B. Kanitz „in 
der Mehrzahl der Fälle“ den ersten Grad der Reaktion, ziemlich 
häufig“ den zweiten und nur ein einziges Mal den dritten Grad er¬ 
halten. 

Bullinger hat „vorwiegend die schwache Reaktion“ gesehen. 
In den Beobachtungsfällen von E m m e r i ch „überwog der schwache 
Grad der Reaktion, der dritte Grad ist nicht vorgekommen“. — 
U hybczynski hat in 4b Fällen eine „gewöhnlich mittlere“ 
Reaktion beobachtet. 

Die schwache Reaktion dauert nach Moro gewöhnlich nur 
einige Tage; die mittlere erhält sich ohne Änderung mehrere Tage 
hindurch, und verblasst allmählich; nach der starken Reaktion ver¬ 
bleibt eine bräunliche Pigmentierung an der Einreibungsstelle, die 
oft erst nach mehreren Wochen verschwindet. — Diese Ansicht wird 
von anderen Autoren geteilt (wie Monti, Kanitz), besonders in 
bezug auf den stärksten Grad der Reaktion. Auch wir unsererseits 
haben Spuren, die die starke Reaktion zurückgelassen hatte, oft 
noch nach Monaten beobachten können. 

J ) Wir machen darauf aufmerksam, dass e*s sich hier um das prozentuale 
\erhiillnis der positiven Reaktionen zu der Gesamtzahl der Einreihungen 
handelt und nicht. etwa zu der Gesamtzahl der Kranken. 



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18] Ober die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. . 13 

Ausser dem Jucken (bei den stärkeren Graden der Reaktion) 
und einem lokalen Brennen (Bullinger) haben die Patienten nach 
der Einreibung der Moro sehen Salbe keine sonstigen Belästigungen 
zu befürchten. 

Wie aus der zugänglichen Literatur hervorgeht, konnte weder 
Moro selbst, noch jemand, der sich mit seiner Methode befasste, 
irgendwelche Allgeimeinerscheinungen feststellen, sei es in Gestalt 
des subjektiven Unwohlseins, sei es in derjenigen der Temperatur¬ 
erhöhung. Nur Wetze 11 spricht die Vermutung aus, dass eine 
minimale Temperaturerhöhung nach der Einreibung der Mo röschen 
Salbe wohl statthaben könne, da doch immerhin geringe Mengen 
von Tuberkulin in den Organismus eingeführt werden; diese seien 
jedoch so minimal, dass für gewöhnlich allgemeine Reaktionserschei¬ 
nungen nicht wahrzunehmen seien. — Was diesen Punkt anbetrifft, 
spricht sich hier Wetzeil aus auf Grund der Analogie zwischen 
der Moro sehen und den anderen Tuberkulinproben (der Konjunk 1 
tivalreaktion Wolff-Eisners, der Hautreaktion v. Pirquets), 
bei denen so geringe Temperaturerhöhungen W o 1 f f - E i s n e r, 
Lemaire, Burnet, Kraemer beobachtet hatten. 

Da bei den Patienten unserer Anstalt die Temperatur regelmässig 
alle 2 Stunden gemessen wird, so machten wir uns diesen Umstand 
zunutze, um unsere spezielle Aufmerksamkeit den Temperaturverhält¬ 
nissen vor und nach der Einreibung der Moro sehen vSalbe zu 
widmen, wobei wir feststellen konnten, dass die Einreibung der Salbe 
auf das Verhalten der Körperwärme nicht den geringsten Einfluss 
ausübt. • 

Als eine einzige Nebenwirkung seiner Salbe bezeichnet Moro 
das Auftreten weit, von der Einreibungsstelle liegender Veränderungen 
fler Haut. Bei Kindern beobachtete er bei starken Reaktionsgraden 
einen knötchenförmigen Ausschlag nicht nur an der Einreibungs¬ 
stelle, sondern auch an entfernter liegenden Stellen, wie z. B. am 
Rumpf oder an den Extremitäten, eine Erscheinung, die er ..dis.se- 
minierte Fernreaktion der Haut“ nennt. Als eine zweite seltenere Ab¬ 
art der nichttypischen Reaktion verzeichnet Moro den symmetri¬ 
schen Ausschlag an einer der Einreibung entgegengesetzt liegenden 
Stelle, oder die sogenannte ,,dislozierte Reaktion“ (vereinzelte Knöt¬ 
chen an der Einreibungsstelle und zugleich ein begrenzter Ausschlag 
in der Nachbarschaft). Als eine dritte Form beschreibt er einen 
aus einzelnen Knötchen bestehenden Halbgürtel („halbseitige gürtel¬ 
förmige Mitreaktion der Haut“). Von allen diesen Abarten hat je¬ 
doch Moro an seinem zahlreichen Material nur vereinzelte Fälle 
beobachten können. Tn fünf Fällen endlich hat Moro nach der 



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0 

14 Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [14 

Einreibung seiner Salbe einen allgemeinen Ausschlag gesehen, und 
zwar ähnelte derselbe in zwei Fällen dem Scharlach-, einmal dem 
Masernausschlag, einmal trug er den Charakter eines allgemeinen 
flüchtigen Erythems, und in einem Falle endlich hatte er die Forni 
einer ausgebreiteten Purpura, begleitet von Erythema nodosum. 

Was unser Material anbetrifft, so hatten wir nur ein einziges Mal 
Gelegenheit, als Nebenwirkung der Einreibung einen allgemeinen 
Ausschlag zu beobachten, durch den sich die betreffende Kranke 
hätte beunruhigt fühlen können. Es handelte sich um eine 26 jährige 
Patientin mit sehr geringen Lungenveränderungen; am 16. II. 1911 
abends wurde ihr die Tuberkulinsalbe in die Haut des Epigastriums 
eingerieben; 2 Stunden später trat auf der unteren Bauchpartie eine 
flüchtige Rötung auf ; nach 12 Stunden war die Rötung an dieser 
Stelle stark ausgeprägt, während sich an der Einreibungsstelle einige 
rote Knötchen zeigten; nach 24 Stunden sah man auf dem Epigastrium 
10—20 Bläschen mit stark geröteter Basis; nach 36 Stunden nahm 
die Rötung der Bläschen zu, die Rötung an der unteren Bauchpartie 
war verschwunden; nach 4K Stunden trat ein roter Fleck auf der 
äusseren Oberfläche des rechten Unterarmes auf; auf dem Epi¬ 
gastrium sah man plus minus 50 und mehr sehr stark gerötete, 
gürtelförmig geordnete Bläschen. . Der Ausschlag auf dem Arm so¬ 
wohl wie auf dem Bauche verschwand nach einigen Tagen, während 
Spuren desselben am Epigastrium noch nach mehreren Wochen zu 
sehen waren. 

Wie es also durch unsere Untersuchungen bestätigt wird, kann 
die Mo rösche Tuberkulinprobe dem Kranken absolut- keinen 
Schaden zufügen, was Bandelier und Roepke mit Recht in 

folgenden Worten zum Ausdruck bringen:.(sie ist) absolut 

harmlos unter allen Umständen und unter allen Fällen.“ Diese An¬ 
sicht wird auch durchweg von allen Autoren geteilt, die auf diesem 
Gebiete gearbeitet haben. 

Schon in dieser Unschädlichkeit liegt ein grosser Vorzug der 
Moroschen Probe vor den anderen Tuberkulinreaktionen, insbe¬ 
sondere vor der Wo 1 f f - E i s n e r sehen Konjunktivalreaktion, welche 
bekanntlich mitunter schwere Affektionen des Auges zur Folge haben 
kann. Es entsteht indessen die Frage, ob die Mo rösche Probe in 
klinischer Hinsicht den anderen Tuberkulinreaktionen ebenbürtig sei 
und was für eine Bedeutung sie für die Diagnose und die Prognose 
der Tuberkulose besitze. 

Schon in der Einleitung haben wir bemerkt, dass die Spezifität 
der Tuberkulinreaktionen überhaupt in Zweifel gezogen wird. Die 
Mehrzahl der Forscher steht jedoch trotz den Untersuchungen von 



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15] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc 15 

E n t z, Schick, Hamburger, Sorge auch heute noch auf dem 
Standpunkt, dass ein positiver Ausfall der Tuberkulinreaktionen für 
eine Tuberkulose-Infektion spricht. (Die deutschen Autoren unter¬ 
scheiden mit Recht zwischen der Tuberkulose-Infektion und der 
Tuberkulose-Erkrankung.) Eine derartige Spezifität im klinischen. 
Sinne dieses Wortes kommt auch der Moreschen Probe zu. 

Die im ersten Teil des Artikels erwähnten zahlreichen positiven 
Ergebnisse der Tuberkulinprobe bei ,'klinisch der Tuberkulose un¬ 
verdächtigen“ Personen oder bei solchen, die an anderen Krankheiten 
(vvie Purpura, Epilepsie usw.) litten, würden nur dafür zeugen, dass 
die betreffenden Personen versteckte tuberkulöse Herde hatten, die 
sich mit Hilfe der üblichen klinischen Methoden nicht nachweisen 
Hessen. Damit scheint aber auch Moro recht zu haben, wenn er 
behauptet: ,,Es geht nicht an, eine offenbar feinere diagnostische 
Probe mittelst gröberer ITntersuchungsmethoden zu überprüfen“ l ). 

Unsere persönlichen Untersuchungen sind gar nicht geeignet, die 
Spezifität der Moro sehen Tuberkulinreaktion aufrecht zu erhalten, 
da wir nur mit tuberkulösen Kranken zu tun hatten; dagegen konnten 
wir gerade an diesem homogenem Material sehr wohl die Frage prüfen, 
wann und in welchen Fällen bei der Tuberkulose ein positiver und 
wann ein negativer Ausfall der Tuberkulinreaktion erhalten wird. 

Von den 500 sämtlich untersuchten Kranken reagierten positiv 
355, d. h. 710/0, negativ dagegen 145, d. h. 29o/ 0 . 

Wenn wir nun diese Ziffern mit denen, die andere Autoren bei 
an manifester Tuberkulose leidenden Kranken erhalten haben, ver¬ 
gleichen, so kommen wir zu folgenden Resultaten: 

Positive Reaktion: 

Lejoune bei 92o 0 seiner Kranken (bei insgesamt 13 Fällen -- 
Erwachsene), 

Monti bei 88o/o (Kinder), 

Moro bei 83o/o (Kinder), 

Heinemann bei 70o/ 0 (Erwachsene), 

Wetze 11 bei 64o/ 0 (Erwachsene) und bei 100 0 u (Kinder, al>er nur 
6 Fälle zusammen), 

B u Hinge r bei 64 o/o (Erwachsene), 

Emmerich bei 60o/ 0 (Erwachsene), 

(' hlumsky bei 58o/ 0 (chirurgische Tuberkulose), 

Bandelier und Roepke bei 54o/o (Erwachsene), 

Kunitz bei 49o/ 0 (Erwachsene und Kinder). 

*) Beilr. z. Kl. d. Tuborkul>sr. IM XII. S. 215. 


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lb Kasimir Dluski und Stefan Kudzki. [16 

Diese Zahlen 'divergieren sehr stark untereinander und schwanken 
zwischen 49 und 92°o. Ihn der (Sesamtzahl von 433 Pallen sicher 
nachgewiesener Tuberkulose, welche von den besagten Autoren l>e- 
ohaehtet worden sind, ergaben 2S9 Fälle oder b7°o die positive 
Reaktion. 

Dabei ist es interessant zu bemerken, dass die kleinste Zahl 
positiver Resultate von denjenigen Autoren erzielt worden ist, welche 
die Salb? in den rnterann eingerieben hatten (Kanitz, Bandelier 
und Roepke, z. T. auch Uhlumsky), ein Umstand, den auch 
Moro selbst in einer seiner späteren Arbeiten speziell hervorhebt 1 ). 

Eine zweite' Folgerung, die si(*h aus obigen Ziffern ergibt, ist 
die Tatsache, dass bei tuberkulösen Kindern der Prozentsatz der posi¬ 
tiven Ergebnisse bedeutend höher ist als bei Erwachsenen. 

Indem wir nun unser Material einer näheren Analyse unter¬ 
ziehen, wollen wir zunächst fragen, in welchem Alter und in wel¬ 
chem Krankheitsstadium die positive Reaktion am häufigsten auf¬ 
getreten ist. 

Unter unseren 500 Patienten hatten wir insgesamt 14 Kinder 
bis zu 15 Jahren ; von diesen zeigten 12 (= 8H°-o) die positive Re¬ 
aktion; im Alter von 15— 20 Jahren reagierten von 74 Personen 
59 oder 72°o positiv, im Alter von 21 50 Jahren erhielten wir 

auf 39b Patienten bei 2S5, d. h. ebenfalls bei 72<>o, die positive 
Reaktion; endlich war bei über 50 Jahre alten Patienten in der 
Desamtzahl von lb nur in 5 Fällen ( — 33°o) das Ergebnis positiv. 
Auch hier macht sich also die schon oben hervorgehobene Erschei¬ 
nung geltend, dass tuberkulöse Kinder auf die Moro sehe Tuber¬ 
kulinprobe am stärksten reagieren ; mit. fortschreitendem Alter tritt 
die positive Reaktion immer seltener auf, um sich schliesslich bei 
Personen über 50 Jahre nur auf V ^ aller Fälle unzweifelhafter 
Tuberkulose zu beschränken. 

Diese Ergebnisse weichen, was die Häufigkeit der positiven 
Moro sehen Reaktion betrifft, nicht wesentlich von denjenigen ab. 
welche bei Anwendung der v. Pirquetsehen und der Wolff- 
E i s n ersehen Reaktion seitens verschiedener Autoren angegeben 
werden. 

Moro selbst konstatiert eine Analogie zwischen seiner Methode 
und der v. Pirquetschen Hautreaktion sowohl hinsichtlich der 
damit erzielten Resultate, als auch bezüglich des Verlaufs derselben, 
wobei er jedoch zugibt, dass seine Salbenprobe etwas weniger emp¬ 
findlich ist als die v. Pirquetsohe Reaktion. 

i) Beitr. z. Kl. «1. Tiilwrkiilusi*. IM. XII. S. 



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17] Über die klinische Bedeutung der Moroschen Tuberkulinreaktion etc. 17 


v. Pirquet gelangt zu der Überzeugung, dass sich mittelst der 
Tuberkulinsalbe fast ebensoviel positive Resultate erzielen lassen als 
durch die Hautreaktion ; jedenfalls gibt er ihr den Vorzug vor der 
Konjuntivalprobe, und zwar mit Rücksicht auf ihre absolute Un¬ 
schädlichkeit. 

Wolff-Eisner ist der Ansicht, dass die Morosehe Probe in 
diagnostischer Hinsicht in der Mitte zwischen der Haut- und der 
Konjunktivalprobe steht, d. h. in gewissen Fällen, in denen die 
Pirquet sehe Reaktion positiv ist, fällt die M o r o sehe negativ 
aus, und umgekehrt, wo die Salbenprobe einen positiven Ausfall 
ergibt, fällt die Augenprobe negativ aus l ). 

In seiner ausführlichen Arbeit über diesen Gegenstand stellt 
Wetze 11 die Behauptung auf, dass Wolff-Eisner, Pirquet, 
Petit, Sprakel, Krämer bei der Haut- und Augenprobe an 
Personen mit manifester Tuberkulose 80—90 °o positive Ergebnisse 
erhalten hätten (was angesichts des Prozentsatzes von 70°/o bei An¬ 
wendung der M o r o sehen Probe von einer geringeren Empfind¬ 
lichkeit der letzteren Methode zeugen würde). An einer anderen 
Stelle bemerkt jedoch Wetzeil, dass die Morosche (ebenso wie 
die Pirquetsche Reaktion) bei Erwachsenen fast immer positiv 
ausfalle, und dass sie somit für diagnostische Zwecke wenig brauch¬ 
bar wäre. — Die Tatsache, dass er bei 70° o der Tuberkulose nicht 
verdächtiger Personen nach der Einreibung der Tuberkulinsalbe einen 
positiven Ausfall erhalten hat, erklärt sich Wetzeil .durch die 
schlechte Dosierung des Tuberkulins bei seiner perkutanen Anwen¬ 
dung; die Resorption hänge hier, so meint er, von dem bei der Ein¬ 
reibung angewandten Drucke ab, welcher sich jeglicher Kontrolle 
entziehe; eine wichtige Rolle spiele hier auch die Stärke und son¬ 
stige Beschaffenheit der Epidermis, wie die Anzahl und die Grösse 
der Poren, durch welche die Salbe in die tieferen Schichten ein- 
dringen könne, der Säftegehalt in der Haut u. ä. In bezug auf die 
Genauigkeit soll also die Morosche Probe der Pir quetschen und 
Wolf f -Eis n ersehen nachstehen. Wetze 11 ist auch der Mei¬ 
nung, dass die Konzentration der Salbe unglücklich gewählt sei und 
dass man sie vielleicht um die Hälfte verdünnen müsse. 

Eine grössere Bedeutung misst Wetze 11 der positiven Moro¬ 
schen Reaktion im Kindesalter bei, denn er hat hier eine geringere 
Anzahl (53 o/o) positiver Ergebnisse gefunden und meint, dass die¬ 
selben hier viel eher für die Aktivität des Krankheitsprozesses spre¬ 
chen können. 

J ) Berliner klin. Wochenschr. 1908. Nr. 30. 

Beitrüge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 1. 2 


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Gck igle 


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18 


Kasimir Dluski and Stefan Rudzki. 


ns 


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Schliesslich ist K a n i t z der am Anfänge seiner Arbeit ge¬ 
steht, dass er überhaupt gegen die Tuberkulinproben eingenommen 
war — der Ansicht, dass die v. Pirquetsche Reaktion zu emp¬ 
findlich sei (90% positive Ergebnisse bei Erwachsenen) im Gegen¬ 
satz zu der Mo röschen Reaktion, welche weniger empfindlich sein 
solle. 

Unter den polnischen Autoren spricht sicli H. Wilczynski 
in seiner kurzen „Die Morosehe Tuberkulose-Reaktion“ betitelten 
Notiz über die Salbenprobe ziemlich pessimistisch aus. „Die Nütz¬ 
lichkeit der Reaktion — sagt er — ist wegen ihrer geringen Emp¬ 
findlichkeit zweifelhaft.“ 

Wenn wir nun die Ansichten der verschiedenen Autoren über 
die diagnostische Bedeutung der positiven Morosehen Reaktion kurz 
zusammenfassen, so müssen wir gestehen, dass die überwiegende 
Mehrzahl dieselbe als eine für die Tuberkulose spezifische und für 
die Diagnose nützliche, wenn auch den anderen Tuberkulinproben 
an Empfindlichkeit nachstehende Reaktion betrachtet. 

Um festzustellen, was für eine diagnostische Bedeutung selbst 
dem Grade der Moro sehen Reaktion zukomme, haben wir unsere 
f)00 Fälle einer speziellen Analyse unterzogen. 

Den ersten Grad der Reaktion (welchem in Anbetracht der 
bereits oben erwähnten Unklarheiten in der Mo röschen Einteilung 
auch ein Teil von Fällen zugezählt wurde, welche von anderen 
Autoren als die mittelstarken Reaktionen bezeichnet werden), hatten 
wir insgesamt in 266 Fällen, wovon 

auf das I. Turban sehe Stadium 156 Kranke (59 o/o) 

„ „ II. „ „ 69 „ (260/0) 

„ „ HI. „ „ 41 „ (15oo) 

entfielen. Nach dem Alter waren darunter 

Kinder bis zu 15 Jahren 9 (4o/o) 

Erwachsene von 16—20 „ 32 (12o/o) 

„ 21-50 „ 221 (83o/o) 

„ über 50 „ 4 (lo/o). 

Den zweiten, mittelstarken Grad der. Moro sehen Reaktion be¬ 
obachteten wir in 68 Fällen; davon entfielen : 

auf das I. Turba rische Stadium 34 Kranke (50%) 

,, ,, II. „ ,, 24 „ (35 o/o) 

„ „ HI- „ „ 10 „ (15o/o). 



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19] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. 19 


Nach dem Alter: 

Kinder bis zu 15 Jahren 2 (J°o) 

Erwachsene von 16—20 ,, 15 (22 "o) 

„ „ 21—50 „ 50 (74°/o) 

„ über 50 „ 1 (1%). 

Schliesslich beobachteten wir den dritten, d. h. den starken 
Grad der Reaktion bei 21 Kranken, und zwar: 

im I. Turban sehen Stadium bei 9 (43°/o) 

„ II. „ v 9 (43o/o) 

„ in. „ „ „ 3 (i4o/ 0 ). 

Oder dem Alter nach: 

bei Kindern unter 15 Jahren in 1 Falle (4%) 

,, Erwachsenen von 16—20 Jahren „• 6 Fällen (29°/o) 

„ „ „ 21-50 „ „14 „ (67o/o). 

Wenn wir obige Ziffern in entsprechenden Tafeln zusammen- 
stellen, so erhalten wir folgendes, die diesbezüglichen Verhältnisse 
deutlich veranschaulichendes Bild: 

Tabelle 1. 


Turban sehe Stadien Alter der Patienten 


1 

1 


! 

°/o ') 

Jahre 


' °/0 

Turban sehe Stadien; 

I. 

257 j 

51,5 

: < 15 

14 

3 

und Alter der 500j 

II. 

157 

31,5 

16—20 

74 

15 

Patienten | 

III. 

86 

17 

21—50 

396 

79 

i 


500 


> 50 | 

16 

3 



i 


j 

500 


Davon reagierten 

! 1 . 

! 199 i 

77 

< 15 ' 

12 

86 

positiv in Turban- 

11 . 

, 102 ; 

65 

16—20 

53 

72 

sehen Stadien und 

in. 

| 54 

64 

21—50 ! 

285 

! 72 

im Alter 


355 


> 50 

5 

31 






355 



So hatten wir also die schwache Moro sehe Reaktion am häufig¬ 
sten, nämlich in 75% der Fälle, die mittelstarke in 19 0/0 und endlich 
in 6% aller Beobachtungen die starke Reaktion festgestellt. 


0 Die Prozenten sind auf die Gesamtzahl der Kranken mit Berücksichtigung 
ihrer Alters- und Krankheitsstadien berechnet. 


2 * 


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20 


Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


[20 


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Bezüglich der Stadien der Krankheit l>emerken wir eine deut¬ 
liche Regelmässigkeit in den beiden ersten Turbansehen Stadien; 
im I. Stadium begegnen wir am häufigsten* der schwachen, weniger 
häufig der mittelstarken und am seltensten der starken Reaktion 
(59—50—43o/o); im II. Studium verhält sich die Sache umgekehrt: 
der schwache Reaktionsgrad kommt hier am seltensten vor, iiäufiger 
ist dagegen die mittelstarke und am häufigsten die starke Reaktion 
zu beobachten (2(5—35 - 43°o). Im III. Turban sehen Stadium be- 


T a b e 11 e 2. 


Grad der 
Reaktion 


I. 

Schwach 


II. 

Mittelstark 


III. 

Stark 


| Zahl der K ranken j 

mit positiver Torban sehe Stadien Alter der Kranken 


Reaktion 

r 



°0 

Jahre 


% 

; 266 

I. 

156 

59 

< 15 

9 

4 

II 

69 

26 

16-20 

32 

12 

j 75 °/o 

III. 

41 

15 

21-50 

221 

83 


i j 

266 


> 50 

4 

1 

1 

| 




266 


68 

j 

I. 

34 

50 

< 15 

2 

3 

II. 

24 

35 

16-20 

15 

22 

19 0 0 

III. 

10 

15 

21—50 

50 

74 

! 


68 


> 50 

1 

1 





1 1 

68 


21 

1. 

9 

43 

< 15 ! 

1 

4 

II. 

9 

43 

16—20 | 

1 6 

29 

6 0 0 

III. 

3 

14 

21-50 

14 

67 

I 


21 


1 > 50 

o i 

0 

1 



! 

I 

1 

21 



gegnen wir einem jeden Grade der positiven Reaktion gleichmässig 
selten (15—15—14<>/o). 

Im Verhältnis zu r Gesamtzahl der in jedem der drei Tu r bau¬ 
schen Stadien beobachteten Patienten reagierten auf die Morosche 
Probe positiv am häufigsten die leicht Erkrankten (im I. Tuber¬ 
kulosestadium 75°/o), seltener die sich im II. (65<Vo) und auch im 
III. Stadium (64° 0 ) befindenden Kranken. 

Aus unseren Beobachtungen folgt also, dass der Stärkegrad der 
Moroschen Reaktion für die Diagnose der Tuberkulose nicht ohne 
Bedeutung ist, und zwar, dass die schwache Reaktion zumeist für 
eine leichte Lungenaffektion zeugt, während eine stärkere Reaktion 



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21] Ober dir klinische Bedeutung der Moroseben Tuberkulinreaktion etc. 21 

in den weit fortgeschrittenen Stadien der Tuberkulose häufiger auf- 
tritt als in ihren Anfangsstadien. 

Diese auf ein reichhaltiges klinisches Material gestützten Er¬ 
gebnisse differieren von denen der Mehrzahl anderer Autoren. 

Moro behauptet selbst in seiner ersten Arbeit 1 ), dass die 
schwächste Reaktion bei weit fortgeschrittener Tuberkulose erscheint. 
Er erklärt sich diesen Umstand bis zu einem gewissen Grade durch 
die spezifische Beschaffenheit der Haut, und zwar so, dass bei derber, 
straff gespannter Haut meistens eine deutliche, bei schlaffer und 
atrophierter Haut dagegen eine schwache Reaktion stattfindet. 

In seiner zweiten, späteren Arbeit 2 ), die sich auf ein bedeutend 
reichhaltigeres Material stützt, schreibt Moro, dass aus dem Aus¬ 
sehen und dem Verlauf der Reaktion keine sicheren Schlüsse auf die 
Form und den Charakter der Tuberkulose in den einzelnen Fällen 
gezogen werden können. 

Auch wird von ihm die Tatsache hervorgehoben, dass „der 
Charakter der Reaktion in hervorragendem Grade auch von anderen 
Faktoren, von der Erregbarkeit des Nervensystems, von der Be¬ 
schaffenheit der Haut, vom Ernährungszustände, mit einem Worte, 
von der allgemeinen Konstitution des betreffenden Menschen ab- 
hängig ist“. Trotzdem betont er mit Nachdruck im Gegensatz zu 
seiner früheren Behauptung den Umstand, dass „Perkutanreaktionen, 
die lange Zeit (mehrere Wochen) hindurch sichtbar bleiben und 
mit starker Schuppuug abheilen, trifft man fast stets nur bei schweren 
und vorgeschrittenen Patienten an“ 3 ). 

Bu lling er erhielt vorwiegend die schwache Reaktion; eine 
grosse Rolle spielen hierbei seiner Ansicht nach die besondere Be¬ 
schaffenheit der Haut, die Dauer und die Art und Weise der Ein¬ 
reibung. Immerhin gelangt er zu der Schlussfolgerung, dass diese 
Reaktion als „wertvolles Hilfsmittel“ für die Diagnose zu emp¬ 
fehlen sei. 

Emmerich beobachtete hei seinen (zumeist im II. Turban- 
scheu Stadium befindlichen) Patienten am häufigsten die schwache 
Reaktion ; den dritten Reaktionsgrad hat er dagegen in keinem ein¬ 
zigen Falle erzielt. 

Selten, und zwar nur in 4,5o/o seiner Fälle, fand auch Monti 
die starke Reaktion. 

*) Münchener med. Wochenschr. 1908, Nr. 5. 

2 ) Beitr. z. Kl. d. Tuberkulose. Bd. XII. S. 24(>. 

8 ) 1. c. 




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22 


Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


[22 


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Wetze 11 gelangt zu der Schlussfolgerung, dass „die Stärke 
der Reaktion keine Aufschlüsse über die Schwere der Erkrankung 
gibt“. ' 

Kanitz gibt an, dass er in der Melirzahl der Fälle den ersten 
Reaktionsgrad, ziemlich häufig den zweiten und nur in einem ein¬ 
zigen Falle den dritten Reaktionsgrad erhalten hat. Auf Grund der 
Tatsache, dass bei ll°/o klinisch „Unverdächtiger“ die posi¬ 
tive Reaktion eingetreten ist, gelangt Kanitz zu der jedenfalls 
etwas weitgehenden Schlussfolgerung, dass „aus dem positiven Aus¬ 
fälle der Reaktion nicht sicher auf das Bestehen einer Tuberkulose 
geschlossen werden darf“, während hingegen „bei Kindern besitzt 
die positive Reaktion vielleicht doch eine grössere Beweiskraft“. 
(Der Autor hat positive Reaktionen n u r bei tuberkulösen Kindern 
beobachtet.) 

Von polnischen Autoren betrachtet Chlumsky, der allerdings 
über die Häufigkeit der von ihm beobachteten Reaktionsgrade keine 
näheren Angaben macht, die Morosche Probe als „ziemlich emp¬ 
findlich, wenn auch nicht völlig unfehlbar“. 

Chy bezy nski berichtet, dass die von ihm beobachteten Fälle 
„gewöhnlich die schwache Reaktion“ aufweisen; er hätte jedoch 
„keinen gesetzmässigen Zusammenhang zwischen der Anzahl der 
Knötchen und dem Grade der tuberkulösen Infektion bemerken 
können“. 

Wilczynski schliesslich „konnte keinen Zusammenhang zwi¬ 
schen dem Krankheitszustande und einem inelir oder weniger deut¬ 
lich ausgeprägten Ausfall der Reaktion konstatieren“. 

Die Differenzen zwischen unseren Resultaten und denjenigen 
der anderen Autoren dürften wahrscheinlich auf das kleine Material, 
das ihnen im Vergleich zu dem unsrigen zur Verfügung stand, zu¬ 
rückzuführen sein. Und es ist doch bekannt, dass in der Statistik 
eben die Zusammenstellung einer möglichst grossen Zahl von Einzel- 
Fällen zum richtigen Verständnis eines jeden Problems führen kann. 

Unser Material ist auch geeignet, die Frage zu lösen, was für 
eine diagnostische Bedeutung der Morosehen Reaktion im Hin¬ 
blick auf das Alter der Patienten zukomme. 

Aus der oben angeführten Tabelle ersehen wir, dass, während 
tuberkulöse Kinder im Prozentsatz von 86 auf die Einreibung der 
Tuberkulinsalbe positiv reagierten, bei tuberkulösen Erwachsenen da¬ 
gegen (im Alter von 16—50 Jahren) nur noch in 72 () /o der Fälle, 
bei älteren Patienten (über 50 Jahre) nur bei 31°/o die positive 
Reaktion zu beobachten war. 


4 



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23] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. 23 

Der Grad der Reaktion im Kindesalter ergibt — wenigstens 
was unser Material anbelangt — keine erheblichen Unterschiede 
(alle drei Grade waren zu 3—4% auf die Gesamtzahl der positiven 
Ergebnisse gleichmässig verteilt). Jünglinge im Alter von 16—20 
Jahren zeigten eine schwache Reaktion in 12°/o, die mittelstarke 
in 22o/o und die starke in 29o/o der positiven Gesamtergebnisse; 
umgekehrt reagierten Erwachsene (von 21—50 Jahren) am häufigsten 
(83o/o) im schwachen Grade, seltener war die mittelstarke (74<y 0 ) 
und am seltensten (67°/o) die starke Reaktion zu beobachten. — 
Was die Kranken über 50 Jahre anbetrifft, geben sie nur lo/ 0 der 
positiven schwachen und mittleren Reaktionen, und keiner von ihnen 
zeigte den starken Grad der Reaktion. 

Die Bedeutung der positiven perkutanen Reaktion wird von 
den verschiedenen Autoren recht verschieden beurteilt. 

Moro selbst behauptet, „die positive Reaktion zeigt fast aus¬ 
nahmslos manifeste, sehr häufig latente und unter Umständen auch 
ausgeheilte Tuberkuloseherde an“, und an einer anderen Stelle fügt 
er hinzu, dass „Reaktionen mit langer Latenz und solche, die erst 
bei wiederholter Einreibung ein positives Resultat ergeben, im all¬ 
gemeinen gegen die Anwesenheit manifester Herde sprechen“. 

Emmerich hebt hervor: „Da bei der Salbenreaktion auch 
latente Herde reagieren, ist dieselbe zu diagnostischen Zwecken beim 
Erwachsenen nur im beschränkten Masse zu verwerten.“ 

Auch W e t z e 11 gelangt zu dem Schluss, dass die Moro sehe 
Reaktion bei Erwachsenen „praktisch noch nicht brauchbar sei, da 
sie auch latente tuberkulöse Herde anzeigt und bei klinisch auf 
Tuberkulose nicht verdächtigen Patienten in 70<y 0 der Fälle positiv 
ausfällt“. Da er die Ursache dieser Erscheinung in der „unglücklich 
gewählten Konzentration“ der Saline erblickt, so schlägt er vor, die 
Salbe „um die Hälfte zu verdünnen .... um die Reaktion ebenso 
w r ie Ophthalmoreaktion nur auf die Fälle von aktiver Tuberkulose 
beschränke und nicht auch, wie die v. P i r q u e t sehe Impfung, latente 
oder ausgeheilte tuberkulöse Herde anzeige“. 

Auch Wolff-Eisner bemerkt in seiner kritischen Bespre¬ 
chung der Moro sehen Probe, dass „bei der Salbenreaktion Dif¬ 
ferenzen zwischen aktiver und latenter Tuberkulose nicht hervor¬ 
treten“. 

Die an unserem Material gemachten Beobachtungen berechtigen 
uns den Schlussfolgerungen Moros, nicht ater denjenigen seiner 
Kritiker anzuschliessen. Auf 500 Patienten hatten wir 15 Fälle 
halbaktiver Tuberkulose und davon erhielten wir nur in 7 Fällen 
(= 47 o/o) die positive Tuberkulinreaktion; von den 4 Fällen inaktiver 


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Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


[-M 


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Tuberkulose war nur in einem Falle (s=2r> u -o) die positive Reaktion 
festzustellen, während indessen bei aktiver Tuberkulose auf 481 Fälle 
die positive Reaktion in ;U7, d. h. in 72°<> auftrat. Dieselbe spricht 
also auch nach unseren Erfahrungen in Ü Ixneinstimmung mit den 
Mo röschen Versuchen zugunsten der aktiven Tuberkulose, während 
sie in den inaktiven Formen mir selten und nur in schwachem Grade 
auftritt. 

Es entsteht hier nun die wichtige Frage, warum denn nicht 
alle an Tuberkulose Erkrankten auf die Tuberkulinproben — in 
unseren Fällen also auf die Morosehe Salbe — positiv reagieren. 

Der Erfinder der Perkutanreaktion hat sell>er zu 17°o negative 
Ergebnisse bei manifester Tuberkulose erhalten. Er erklärt dieselben 
durch grosse körperlidie Schwäche bei schweren und weit fort¬ 
geschrittenen Tuberkulosestadien, besonders aber durch gefährliche 
Komplikationen, wie Meningitis etc. (bei 57«« negativer Ausfall), 
sowie milliare Tuberkulose (71 0 o ohne Reaktion). Bei f; °o aller 
Fälle konnte aber auch Moro selbst keinen offenbaren Grund für 
den negativen Ausfall der Reaktion finden. 

Bullinger erhielt negative Ergebnisse „bei älteren Personen 
mit Atrophie der Haut" ; eine wiederholte, stärkere und länger an¬ 
dauernde Einreibung lieferte aber Ihm' ihm gewöhnlich positive Re¬ 
sultate. 

Die Mehrzahl der Autoren betont nachdrücklich den Umstand, 
dass die Probe meistens bei stark heruntergekommenen Kranken ver¬ 
sagt, sie erklären jedoch diese Erscheinung auf sehr verschiedene 
Weise. Während nämlich die einen der Ansicht sind, dass die trockene, 
atrophische Haut an dem negativen Ausfall der Reaktion die Schuld 
trägt, gehen die anderen der Sache mehr auf den Grund und gelangen 
zu dem auch von Wetze 11 formulierten Schluss, dass das negative 
Ergebnis in den letzten Tuberkulosestadien als „ein Zeichen von 
Schwäche und Erschöpfung" zu betrachten sei, „analog Jen geringen 
Temperatursteigerungen l>ei alten, schwachen Leuten, trotz schwerer, 
fieberhafter Erkrankungen". Vom theoretischen Standpunkte aus, wie 
auch Wetzeil behauptet, „eine befriedigende Erklärung dafür bis 
jetzt fehlt“. 

Die von Wetzeil zitierten Autoren Bliimel und Glarus 
sind der Meinung, dass in <1 lösen Fällen infolge von Angewöhnung 
des Organismus eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen die Toxine 
(„Giftfestigkeit") erlangt worden ist, wodurch derselbe in einen Zu¬ 
stand versetzt wird, in welchem er auf die toxischen Reize nicht 
mehr reagiert. — Oitron ahnt das Vorhandensein freier Anti¬ 
körper im Blute und meint, dass die Menge derselben bei Kranken im 



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25] Ober die klioieche Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 25 


III. Tuberkulosestadium so stark ist, dass sie die in den Organismus 
eintretenden Toxine sofort auffangen und ihre Wirkung aufheben. 

Um die obige Frage vom klinischen Standpunkte aus zu erklären, 
haben wir von unserem Material die 145 Fälle (d. h. 29o/o der Ge¬ 
samtzahl von 500 Kranken) mit negativem Ergebnis einer eingehenden 
Analyse unterworfen. 

Nach dem Alter hatten wir: 

bei Kindern bis zu 15 Jahren 2 (oder 14 o/ 0 ) negative Fälle 
„ Jünglingen von 15—20 ,, 21 ( ,, 28°/o) ,, ,, 

,, Erwachsenen „ 21—50 „ 111 ( 28o 0 ) 

„ älteren Personen üb. 50 „ 11 ( „ 69 °o) ,, ,, 

Schon aus dieser Zusammenstellung erhellt, dass das Alter hier 
unzweifelhaft eine grosse Rolle spielt und dass ein negativer Aus¬ 
fall der Reaktion am häufigsten bei älteren Tuberkulösen zu finden ist. 

Auf die einzelnen Stadien waren diese Kranken folgendermassen 
verteilt. 

Auf das I. Turba tische Stadium entfielen 58 Fälle — 22,5 o/o 
v „ II. „ 55 „ = 35 o/o 

„ „III. „ „ „ 32 „ =37o.o 

(in Prozenten der Gesamtzahl der Kranken eines jeden Stadiums). 

So finden wir also verhältnismässig die grösste Zahl von nega¬ 
tiven Ergebnissen bei Schwerkranken im III. Tuberkulosestadium, 
die geringste bei leicht Erkrankten. 

Um die Ursache des negativen Ausfalles der Mo röschen 
Probe festzustellen, unterzogen wir jeden einzelnen Fall einer gründ¬ 
lichen Prüfung. Auf diese Weise gelangten wir zu folgender Grup¬ 
pierung der Einzelfälle: 

Bei 18 Kranken ein selir schwerer Allgemeinzustand, verbunden 
mit weitgehenden Lungenzerstörungen und — bei der Mehrzahl der 
Fälle — mit Komplikationen seitens anderer Organe (Nieren in 4, 
Kehlkopf in 4, Darm in 6 Fällen und Hirnhäute in 1 Falle). Es 
muss hier bemerkt werden, dass diese Kranken oft trotz schwerer 
tuberkulöser Infektion sich in einem guten Ernährungszustände be¬ 
fanden, so dass also die Beschaffenheit der Haut hier ohne Belang war. 

In 47 Fällen konnten wir bedeutende Veränderungen in der 
Lunge mit unsicherer Prognose und unsicherem klinischen Verlauf 
feststellen. 

Bei 33 Kranken war das Lungenleiden nicht allzuweit vorge¬ 
schritten, doch war die allgemeine Widerstandsfähigkeit gering (hart¬ 
näckige Fieberzustände, geringe Gewichtszunahmen, nicht befriedi¬ 
gendes subjektives Empfinden während der ganzen Beobachtungs 


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Kasimir Dluski and Stefan Rudzki. 


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(lauer usw.); es ist nicht ausgeschlossen, dass in den meisten Fällen 
die Mediastinaldriisen in Mitleidenschaft gezogen wurden. 

In 11 Fällen hatten wir es mit halbaktiver oder inaktiver, ge¬ 
heilter Lungentuberkulose zu tun. Bei 6 Kranken endlich haben 
wir nur durch das fortgeschrittene Alter (1 — 56 Jahre, 3 je 58 Jahre, 
1 — - 64 Jahre und 1 67 Jahre) das Ausbleiben der Tuberkulin- 

reaktion uns erklären können. Doch auch hier war der Ernährungs¬ 
zustand fast durchweg gut und die Haut befand sich im normalen 
Zustand. 

Eine interessante Gruppe bilden 6 Kranke, welche nach der 
Analogie mit ähnlichen Tul>erkulosekraiiken auf die Tuberkulinsalbe 
eigentlich hätten positiv reagieren sollen, bei denen aber die Re¬ 
aktion gänzlich ausgeblieben ist, und zwar wahrscheinlich nur aus 
dem Grunde, weil sie gleichzeitig subkutane Tuberkulininjektionen 
von TBK erhielten. Auf diese Frage werden wir übrigens noch weiter 
unten zurückkommen. 

In 24 Fällen endlich haben wir eine Erklärung für den negativen 
Ausfall der Reaktion überhaupt nicht finden können. Es macht dies 
16 o/o der Gesamtzahl der negativen Ergebnisse aus. 

Schon die obige Zusammenstellung gibt in bezug auf die Be¬ 
deutung der M oro sehen Probe für die Prognose der Tuberkulose viel 
zu denken. Um der Sache näher auf den Grund zu kommen, waren 
wir bestrebt, in jedem einzelnen von unseren 500 Fällen auf folgende 
Fragen eine Antwort zu geben: Wie lautete die klinische Prognose 
zur Zeit der Ausführung der Moroschen Probe; wie war das Er¬ 
gebnis derselben; wie gestaltete sich der Weitere Verlauf der Krankheit 
und ob er unserer ursprünglichen Prognose entsprochen hat oder ob 
die M oro sehe Probe eine neue Beleuchtung der Prognose gegeben 
hat. Vom klinischen Standpunkte aus bezeichneten wir in den ein¬ 
zelnen Fällen die Prognose als eine gute, eine relative oder eine 
schlechte. Die Behandlungsresultate teilten wir folgendermassen ein: 
bedeutende Besserung, relative Besserung, Zustand ohne Änderung 
und Verschlimmerung. 

Die schwache Mo rösche Reaktion (Nr. 1) fanden wir nun in 
266 Fällen; die klinische Prognose war dabei in 151 Fällen (57<Yo) 
gut; relativ in 115 Fällen (43o/o); an eine schlechte Prognose war 
in keinem einzigen Falle zu denken. — Die Resultate sind wie folgt: 
eine sehr grosse Besserung in 5 Fällen, eine bedeutende in 140 Fällen 
(zusammen 54o/ 0 ), eine relative Besserung bei 102 Kranken (38 o/o), 
Zustand ohne Änderung bei 15 (6o/o), Verschlimmerung bei 4 (2 o/o) 
Patienten. Die klinische Prognose stimmte also iin allen diesen auf die 
Tuberkulinsalbe schwach reagierenden Fällen im allgemeinen mit 



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27] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 27 


den Ergebnissen des Heilverfahrens ziemlich gut überein, wolxü die 
Kranken mit guter Prognose hier die Mehrzahl bildeten. 

Den mittleren Grad der Moro sehen Reaktion (Nr. 2) fanden 
wir bei 68 Kranken; bei 37 (54°/o) war die klinische Prognose als 
gut, bei 31 (oder 46 o/o) als relativ zu bezeichnen. Die Heilerfolge 
waren folgende: Bei 3 Kranken sehr grosse Besserung, bei 43 be¬ 
deutende Besserung (zusammen 68o/ 0 ), relative Besserung in 16 Fällen 
(24o/o), der Zustand blieb unverändert bei 4 Kranken (6o/o), in einem 
Falle (l°/o) trat eine Verschlimmerung ein und schliesslich endete 
ein Fall (1%) letal. 

Eine bedeutende Besserung trat also bei Kranken, welche die 
mittelstarke Morosche Reaktion zeigten, viel häufiger ein (08«o) 
als nach dem klinischen Befunde zu erwarten war (54 o/o). 

Noch auffälliger sind die Resultate bei starker Mo röscher Re¬ 
aktion: auf 21 Fälle War die klinische Prognose in 12. Fällen (57 °o) 
gut, in 9 Fällen (43 o/o) relativ. 

Dagegen zeigte der weitere Verlauf des Heilverfahrens eine 
sehr gute Besserung bei 2 Kranken, eine bedeutende Besserung bei 
15 Kranken (zusammen 81 o/o); eine relative Besserung war in zwei 
Fällen (9,5 o/o) Und eine Verschlimmerung ebenfalls in 2 Fällen (9,5 °/o) 
zu verzeichnen. Somit ist also das Missverhältnis zwischen der gün¬ 
stigen klinischen Prognose (57 o/o) und der erzielten l>edeutenden 
Besserung (81 ^o) hier noch grösser wie in der vorhergehenden 
Gruppe. 

Aus der obigen Zusammenstellung ersehen wir, dass ohne Rück¬ 
sicht auf das Stadium der Tuberkulose die Prognose desto besser 
ausfällt, in je stärkerem Grade die Moro sehe Tuberkulinreaktion 
auftritt. Ja, wir sehen weiter, dass die auf die üblichen Voraus¬ 
setzungen Und Symptome gestützte klinische Prognose minder sichere 
Resultate ergibt und dass somit die Morosche Probe eine nütz¬ 
liche Ergänzung der klinischen Untersuchung und Beobachtung bildet. 

Wir können hier einige merkwürdige Beispiele anführen, welche 
die Bedeutung der Moro sehen Reaktion für die Prognose in inter¬ 
essanter Weise illustrieren: 

1. Adam K., 18 Jahre alt, kain ins Sanatorium am 24. VII. 09 mit einer 
Kohle im rechten Oberlappen von der Spitze bis zur dritten Rippe und einem 
bedeutenden Infiltrat in der linken Lungenspitze. Prognose sehr zweifelhaft. 
Moro -f- Nr. 3 am 12. XI. 09. Der Kranke verliess die Anstalt nach 119 tägigem 
Aufenthalt in derselben am 19. XL 09 mit ausserordentlicher Besserung; die 
Kaverne hat sich zusammengezogen und ist eingetrocknet, es sind nur Spuren 
von Rasselgeräuschen in der rechten Lungenspitze geblichen. 


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Kasimir Dluski und Stefan Rudzki 


128 


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2. Helena C., 47 Jahre alt, aufgenommen am 28. IX. 00. Infiltrat der 
ganzen rechten lam^e: vom Oktober bis November 09 Zerfall im Mittellappen 
der rechten Lunge. Fieber (bis 39.5°) durchschnittlich ca. 38,5° während 
0 Monaten. Prognose ungünstig. Moro Nr. 2 am 25. VI. 10. Injektionen von 
Tuberkulin seit dem 14. II. 10.) Temp. seit März 1910 nur selten subfebril (bis 
37,4°). Die Patientin verliess die Anstalt am 10. VII. 10 nach 286 tägigem Auf 
enthalt mit bedeutender Besserung. Gewichtszunahme 7,1 kg; in der rechten 
Lunge Zusammenziehung der Kaverne; es blieben nur geringe Hasseln im 
unteren Lappen. 

3. Micheline ()., 23 Jahre alt, aufgenommen am 9. XI. 09. Starke Denn 

Irilion; in beiden Lungenspitzen deutliche Infiltrate, subfebrile Temperatur (bis 
zu 37,5°); Prognose zweifelhaft. Am 15. XL 09 Moro positiv Nr. 3. Die 

Patientin verliess die Anstalt am 31. III. 10 nach 143 tägigem Aufenthalt mit 
einer sehr grossen Besserung. Gewichtszunahme 13,5 kg, Temperatur normal: 
es blieb nur in der linken Lungenspitze eine geringe Schallverkürzung. Die 

Hasseln sind verschwunden. 

4. Michael K., 16 Jahn» alt, aufgenommen am 4. V. 11 im Zustand einer 

grossen Erschöpfung. Im rechten Oberlappen ein ausgedehntes Infiltrat mit einer 

Kaverne im ersten und zweiten Interkostalraum. Im linken Oberlappen eine 
im Zerfall begriffene Infiltration. Temperatur bis 38°, Prognose ungünstig; am 
6. VIL 11 Moro -j- Nr. 3. Am 29. VIII. 11 ist der Patient mit bedeutender 
Besserung nach 118 tägigem Aufenthalte abgereist: Gewichtszunahme 4,3 kg, 
Temperatur seit Mitte August normal, der Zerfall zum Stillstand gekommen; es 
verblieben nur wenige Hasseln in beiden Lungenspitzen. 

5. Vinzenz M., 25 Jahre alt. aufgenommen am 18. VI. 1911. Starke In¬ 
filtration im linken Oberlappen und eine kleinere in der rechten Spitze; Kehl 
kopftuberkulose mit Geschwürbildung auf dem linken Aryknorpel. Temperatur 
bis 37,5°. Prognose zweifelhaft. Am 5. VII. 11 Moro -j- Nr. 3. Der Patient 
verliess die Anstalt am 6. XL 11 nach 142 tägigem Aufenthalt mit bedeutender 
Besserung; Gewichtszunahme: 10,3 kg, Temperatur normal; Kohlkopfgeschwüre 
vernarbt. In der linken Lungenspitze verblieb noch eine Dämpfung, sowie 
Spuren von Geräuschen über der linken Spina. 

6. Ladislawa A., 20 Jahre alt, aufgenommen am 9. VIL 11 mit starker 
Infiltration des ganzen linken Oberlappens und leichter der rechten Lungen- » 
spitze; im III. linken Interkostalraum Kaverne. Temperatur bis 37,4°. Im 
August drei Wochen lang linksseitige Pleuritis sicca bei einer Temperatur von 
bis 39,5° und schwerem Allgemeinzustande (Bewusstlosigkeit, Delirien); später 
während eines Monats beständig suhfebrile Temperatur (bis 37,5°). Prognose 
zweifelhaft. Am 28. XI. 11 Moro j- Nr. 2. — Die Kranke verliess die Anstalt 
mit bedeutender Besserung am 9. XII. 11 nach 154 tägigem Aufenthalte. Ge¬ 
wichtzunahme 8.7 kg, Temperatur normal, die Kaverne hat sich zusammen¬ 
gezogen und ausgetrocknet. Nur Spuren von Rasseln über der rechten Klavikula. 

In allen diesen Fällen waren die Veränderungen in den Lungen 
recht gross, die klinische Prognose ungünstig oder unsicher. Die 
Mo rösche Reaktion fiel aber trotzdem recht stark aus und bei 
den Kranken war tatsächlich stets eine bedeutende Besserung ihrer 
Gesundheit zu konstatieren. 


Gck igle 


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29] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. 29 


Nicht minder wichtig ist für die Prognose der negative Ausfall 
der Morosehen Probe. 

Auf 145 Fälle dieser Kategorie war die klinische Prognose 
nur bei 52 Patienten (36 o/o) gut, bei 82 (56<>o) relativ gut und bei 
11 (8° o) schlecht. 

Die Resultate der Kur waren wie folgt: sehr grosse Besserung 
bei 1 Kranken, bedeutende Besserung bei 57 (zusammen 40° o), 
relative Besserung bei 58 (40°/o), unveränderter Zustand bei 25 
(17o/o), Verschlimmerung bei 3 (2o/o), tödlicher Ausgang bei 1 (1 °/o ) 
Patienten. 

So sehen wir also, dass die Moro sehe Reaktion negativ vor¬ 
wiegend in denjenigen Fällen eintrat, l>ei denen eine ungünstige 
klinische Prognose aufzustellen war (ein deutliches Übergewicht der 
relativen Prognose vor der guten, sowie eine ganze Anzahl von 
schlechten Prognosen); die Heilerfolge bestätigten die a priori auf- 
gestellten Mutmassungen und ergaben einen viel geringeren Prozent¬ 
satz an bedeutenden Besserungen (40o/ o ) als bei irgendeiner der oben 
erörterten Kategorien. 

Die Bedeutung des negativen Ausfalles der Moro sehen Re¬ 
aktion wollen wir gleichfalls an der Hand einiger klinischer Bei¬ 
spiele zur Anschauung bringen: 

1. Natalie L., 16 Jahre alt, aufgenommen am 2. IV. 10 mit einer Kaverne 
in dem rechten Oberlappen und einer geringen Infiltration in der linken Lungen¬ 
spitze. Trotz relativer Besserung in der Lunge und andauernder Eieberlosig- 
keit fiel die M o r o sehe Reaktion am 8. VI. 10 negativ aus. Ende Juni und 
im Juli rapide Gewichtabnahme, Bildung eines neuen Herdes in dem Unter- 
lappen der rechten Lunge. Am I. VIII. 10 verliess die Patientin die Anstalt 
mit Verschlimmerung und ist am 22. XII. 10 zu Hause gestorben. 

2. Nikolaus B., 10 Jahre alt, aufgenommen am 5. VII. 10. Ernährungs¬ 

zustand schlecht. In den Lungenspitzen, besonders in der linken, bedeutende 
perkutorische und auskultatorische Veränderungen ohne Rasseln. Knochentuber¬ 
kulose des linken Unterarmes. Temperatur bis 39°. Trotz des bedenklichen 
Zustandes begann beim Patienten eine Besserung einzutreten. Nach einmonat¬ 
lichem Aufenthalte in der Anstalt war eine merkliche Besserung in der Lunge 
zu bemerken. Die Temperatur ist etwas gesunken, die Gewichtzunahme betrug 
0,4 kg. Trotzdem fiel die M o r o sehe Reaktion am 7. VIII. 10 negativ aus. 

3 Wochen später, am 27. VIII. 10, ist dann der Patient an Meningitis tbc. 

gestorben. 

3. Anton S., 42 Jahre alt, zum zweiten Male aufgenommen am 1. 111. 10. 

In beiden Lungenspitzen, besonders in der rechten, Infiltrat, mit der Neigung 
zum Zerfall auf der rechten Seite. Häufiges Blutspucken, Status subfebrilis. 
Trotzdem begann sich eine Besserung des Allgemein- und des Lokalzustandes 

einzustellen. Die M o r o sehe Reaktion fiel jedoch am 2. V. 10 negativ aus. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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30 Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. [SO 

Am 3. VI. 10 verliess der Patient die Anstalt mit bedeutender Besserung nach 
95 Tagen Aufenthalt. — Am 25. VIII. 10 kehrt er zurück; die Besserung in der 
Lunge hält an. Nach 120 Tage dauernder Kur verlässt der Patient wiederum 
die Anstalt mit relativer Besserung. Am 29. I. 11 kommt er wieder zum vierten 
Male nach dem Sanatorium zurück. In der Lunge ist eine Verschlimmerung 
nicht zu konstatieren, dagegen zeigen sich Symptome von Nierentuberkulose. 
Nach 56 tägigem Aufenthalte ist der Patient am 25. III. 11 nach Hause ge¬ 
fahren und kaum einen Monat darauf daselbst gestorben. 

4. Michael K., 45 Jahre alt, wurde aufgenommen am 20. X. 11 mit ge¬ 
ringen Infiltrationen in beiden Lungenspitzen und subfebrilem Zustande. Trotz 
Temperaturabnahme und einer Gewichtzunahme von 3,5 kg während eines 
Monats fiel die Mo rösche Reaktion am 28. XI. 11 negativ aus. ln derselben 
Zeit wurde in der linken Achselhöhle ein neuer Herd entdeckt, welcher rasch 
sich zu verbreiten und zu zerfallen begann. Am 30. XII. 11 ist der Patient 
nach 72 tägigem Aufenthalt in einem verschlimmerten Zustande abgereist. 

In allen diesen Fällen fiel die Morosche Reaktion trotz ein - 
getretener Besserung in dem Zustande der Kranken negativ aus; 
die weitere Beobachtung ergab die Entstehung neuer Tuberkulose- 
herde, sei es in der Lunge, sei es in anderen Organen, die stets einen 
ungünstigen Ausgang zur Folge hatten. 

Wenn wir nun in einer Tabelle die durch die Analyse aller 
Grade der Morosehen Probe erhaltenen Ziffern anschaulich zu- 
sammenstellen, so gelangen wir zu folgenden Ergebnissen: 


Ausfall der Moroseben Reaktion 


Klinische Prognose 

negativ 

°/0_ 

I 

positiv 


i 

Nr. 1 

1 

Nr. 2 

°/o 

Nr. 3 

°/0 

Gut 

36 

57 

54 

57 

Relativ 

56 

43 

46 

43 

Schlecht 

8 

! — 

— 

— 

Heilerfolge: 

Grosse Besserung 

40 

54 

08 

81 

Relative Besserung 

40 

38 

24 

9 l j 

Unveränderter Zustand 

17 

6 

6 ! 

— 

Verschlimmerung 

2 

2 

1 

9V, 

Tod 

1 

1 

l ! 

" 

Wir sehen hier ein 

direktes 

Verhältnis 

zwischen dem Reaktions- 


grade und der klinischen Prognose bestehen (selbstverständlich nicht 
in jedem einzelnen Falle, sondern in der Masse). 



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Hl] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. Hl 


Die unparteiische Analyse unseres klinischen Materials lässt uns 
also die Schlussfolgerung’ ziehen, dass der Probe mit der M oro- 
schen Tuberkulinsalbe unzweifelhaft eine prognostische Bedeutung 
zukomme und dass diePrognose desto besser sei, je stär¬ 
ker die Morosche Reaktion ausfällt. 

Die Ansichten anderer Autoren über diese Frage gehen ziemlich 
weit auseinander: 

Moro selbst bemerkt nur, dass der negative Ausfall seiner 
Reaktion für eine gefährliche Generalisation des tuberkulösen Pro¬ 
zesses oder aber für einen glücklichen Ausgang mit völliger Gene- 
- sung spricht. 

Von den übrigen Autoren stellen Emmerich und Monti — 
unabhängig voneinander — fest, dass das Ausbleiben der Moro- 
schen Reaktion von fortschreitender Tuberkulose zeuge und dass 
in weit vorgeschrittenen Fällen der Erkrankung die M o r o sehe Probe 
früher versage als andere Tuberkulinreaktionen. 

Wetzeil schliesslich gelangt zu der Überzeugung, dass ein 
negatives Resultat der Reaktion bei manifester Tuberkulose eine un¬ 
günstige Prognose ergebe. 

Die Meinungen der oben erwähnten Autoren stehen also in 
keinem Widerspruch mit den von uns dargelegten Ansichten, nur 
dass sie weniger kategorisch dasjenige aussprechen, was sich aus 
der Analyse unseres Materials ergibt. 

Hierbei möchten wir noch eine andere wichtige Frage berühren, 
die in der bisherigen Literatur noch wenig Beachtung gefunden 
hat, und zw r ar: Wie reagiert der Organismus bei wiederholten 
Einreibungen der Tuberkulinsalbe? 

Auf diese komplizierte und sow r ohl vom klinischen wie auch 
vom theoretischen Standpunkte aus interessante Frage wollen wir 
auf Grund unseres eigenen Materials versuchen, einiges Licht zu 
warfen. 

Von der Gesamtzahl der 500 Patienten w r urde die Morosche 
Probe an 61 zweimal, an 7 dreimal und an einem viermal vorge¬ 
nommen. 

Bei der Wiederholung der Moroschen Probe an einem und 
demselben Patienten verfolgten wir zw r ei Grundsätze: 

1. Die wiederholte Einreibung der Salbe w r urde nicht vor Ab¬ 
lauf von mindestens 4 Wochen nach der vorhergehenden Einreibung 
vorgenommen, und 


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32 Kasimir Dluski und Stefan Iiudzki. [82 

2. zur wiederholten Einreibung wurde stete eine andere Stelle 
gewählt als das erstemal. 

Falls die Mo rösche Frohe früher wiederholt wäre, könnte man 
dem Vorwurf begegnen, dass eine event. ein getretene positive Re¬ 
aktion nicht von der Existenz eines tuberkulösen Herdes in dem 
betreffenden Organismus zeuge, sondern dass wir einfach eine Re¬ 
aktion auf das vorhin von aussen in den Organismus künstlich einge- 
führte Tuberkulin erhalten hätten. Möglich ist auch eine künstliche 
Verstärkung der nächstfolgenden Reaktion, wie sie von Heineman n 
und Emmerich beobachtet worden ist, als sie kurze Zeit nach 
der W o 1 f f - E i s n e r sehen bzw. v. Pirquet sehen Probe Ein- 
reibungen der Moro sehen Kalbe vorgenommen hatten.. 

So haben wir denn auch bei unseren Kranken die Tuberkulin¬ 
salbenprobe nur ein einzigesmal nach 9 Tagen und in einem anderen 
Falle nach 3 Wochen wiederholt. In den übrigen Fällen wurde sie 
wiederholt vorgenommen: 

nach Verlauf von 1 Monat bei 1 Kranken 


,, 

f) Wochen 

9 

>? — 



b 

0 

1, mJ 



i, 7 



,, 

2 Monaten 

s 



„ 3 

12 


,, ,1 

.. 4 

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«1 

5 

„ 5 


11 11 

„ 6 

1 



9 

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11 

..11 

2 


J ' V 

„ 12 

i a 

„ 4 

i 



i •» 

14 

i 

1 

,, und schliesslich 


,. l(j 

„ 1 


rner haben 

wir — wie bereits 

oben 

l)emerkt — mit dein 

Einreihung 

jedesmal gewechselt, 

denn die lokale Wirkung der 


Reaktion hört (nach Kanit.z) nach ihrem Verschwinden nicht auf. 

Die von uns bei wiederholter Einreibung erzielten Resultate 
lassen sich in folgende Gruppen zusammen fassen, bei denen 0 den 
negativen Ausfall, die Ziffern 1, 2. 3 die Grade der Reaktion be¬ 
zeichnen : 



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33] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc 33 


1. Einreibung 1 

11. Einreibung j 

Zahl 

_i_ 

Reaktionsgrade 

der Kranken 

0 

0 

13 

0 

1 

17 

0 

2 

1 

0 

3 

2 

1 

0 

6 

1 

1 

13 

1 

2 

4 

2 

1 

| 1 

2 

2 

2 

3 

2 

! 1 

3 

3 

1 

1 


zusammen 61 


Zur ersten Gruppe, bei welcher trotz zweimaliger Einreibung 
keine Reaktion eingetreten war, gehörten 3 Schwerkranke, deren 
Zustand eingehender geschildert zu werden verdient: 

1 . Franziskus S., 43 Jahre alt (Kaplan der Anstalt), weilt zur Kur im 
Sanatorium mit kurzen Unterbrechungen seit Januar 1903. In beiden Lungen, 
besonders in den Spitzen, ausgedehnte Infiltrationen mit Neigung zum Zerfall. 
Häufig subfebrile Temperatur. — Am 25. I. 10 Moro negativ. 3 Monate später 
— am 25. IV. 10 — ist die Moro sehe Probe wiederholt worden und fiel 
ebenfalls negativ aus, obgleich in dieser Zeit in den Lungen, sowie im Allgemein¬ 
befinden eine relative Besserung eingetreten war. — Am 29. IV. 11 verliess 
der Patient die Heilanstalt; am 19. VI. 11 ist er in seiner Heimat gestorben. 

2. Georg K., 21 Jahre alt, hat am 11. IV. 10 zum dritten Male die Heil¬ 
anstalt auf gesucht mit einem starken Infiltrate im rechten Oberlappen. Tempe¬ 
ratur normal. Am 25. IV. 10 Moro negativ. 6 Wochen später — am 8. VI. 10 — 
fiel die Moro sehe Probe wiederum negativ aus. In der Zwischenzeit, und zwar 
am 19. V. 10, plötzliche Hämaturie, im Urin Spuren von Eiweiss und vereinzelte 
Koch sehe Bazillen. Am 17. VI. 10 ist der Patient nach Hause abgefahren, 
sein subjektives Befinden war leidlich gut, er konnte seinem Beruf als Landwirt 
nachgehen. Nach 9 Monaten — am 3. III. 11 — ist er nach dem Sanatorium 
zurückgekommen, und zwar ohne erheblichere Verschlimmerung in den Lungen, 
jedoch mit deutlichen tuberkulösen Veränderungen in den Nieren. Am 19. IV. 11 
ist der Patient nach Krakau abgefahren und dort am 3. V. 11 verstorben. 

3. Miezislaus P., 24 Jahre alt, aufgenommen am 17. VII. 10 mit 
geringen Infiltrationen in beiden Spitzen. Ganz unbeträchtliche Temperatur¬ 
erhöhungen. Trotz deutlicher Besserung im Allgemeinbefinden (Gewichtzunahme 
2,8 kg innerhalb eines Monats, Entfieberung), sowie relativer Besserung in den 
Lungen fiel die Mo rösche Reaktion am 16. VIII. 10 negativ aus. Bei fort¬ 
schreitender Besserung (Gewichtzunahme 6 kg, in den Spitzen Aufhellung usw.) 
fiel die am 3. X. 10 zum zweiten Male vorgenommene Moro sehe Probe 

Beftrflpe *nr Klinik der Tuberkulose. Bd XXVI. H. 1. 8 


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34 


Kasimir Dluski and Stefan Radzki. 


t34 


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wiederum negativ aus. Der weitere Verlauf der Krankheit war schwankend. 
(Der Patient weilte mit Unterbrechungen 3 mal im Sanatorium). Die Besserung 
in den Lungen hielt an, jedoch kam im Herbst des Jahres 1911 die Nieren¬ 
tuberkulose zum Ausbruch, an welcher der Kranke am 19. 11. 12 zu Hause ver¬ 
storben ist 

In den beiden letzten Fällen interessiert besonders, dass das 
hartnäckige Ausbleiben der Moroscheu Reaktion trotz Wiederholung 
der Probe eine drohende Komplikation der Krankheit in Gestalt von 
Nierentuberkulose verkündete. 

Ausser den soeben geschilderten drei Fällen beobachteten wir 
bei zweimaliger Einreibung die negative Moro sehe Reaktion bei 
2 Kranken mit bedeutenden Veränderungen in den Lungen und un¬ 
sicherer Prognose; bei 5 Kranken mit geringen Veränderungen in 
den Lungen, jedoch mit schwacher allgemeiner Widerstandskraft; 
bei 2 mit verheilter, inaktiver Tuberkulose und bei 1 schliesslich, 
welcher längere Zeit hindurch subkutane Tuberkulininjektionen zu 
therapeutischen Zwecken erhielt. 

Bei allen diesen 17 Patienten, welche anfänglich auf die Tuber- 
kulinsalbe nicht reagierten, später jedoch die positive Reaktion ersten 
Grades zeigten, konnten Symptome manifesterund aktiver Tuberkulose 
festgestellt werden (trotz der Ansicht Moros, welcher behauptet, 
dass, wenn Reaktionen „erst bei wiederholter Einreibung ein posi¬ 
tives Resultat ergeben, im allgemeinen gegen die Anwesenheit mani¬ 
fester Herde sprechen“). Als regelmässig auf tretend beobachteten 
wir bei diesen Kranken zwischen der ersten und der zweiten Ein¬ 
reibung eine grössere oder geringere Besserung sowohl im Allgemein¬ 
ais auch im lokalen Zustande. — Zum Beweise führen wir einige 
auffallende Beispiele an: 

1. Angela W., 16 Jahre alt, aufgeuommen am 19. VI. 10 mit kompaktem 
Infiltrate im linken Unterlappen (mit Neigung zum Zerfall). Status subfebrilis. 
Fieber bis 37,5°. Ernährungszustand schlecht. Prognose unsicher. Moro am 
29. VI. 10 negativ; am 3. X. 10 positiv Nr. 1; in der Zwischenzeit ausgesprochene 
Besserung sowohl in den Lungen als auch im Allgemeinbefinden (Gewicht- 
zunahmc 12 kg während 3*/^ Monate). Am 30. IV. 11 verliess sie die Anstalt 
nach 316 tägigem Aufenthalte mit bedeutender Besserung. 

2. Helena C., 22 Jahre alt, aufgenommen am 11. VIII. 10 mit geringen 
Symptomen in der rechten Lungenspitze und einer Infiltration fast der ganzen 
linken Lunge (mit beginnendem Zerfall in der Spitze); subfebrile Temperatur; 
Ernährungszustand mittelrnässig; Prognose zweifelhaft. Moro am 16. VIII. 10 
negativ; am 3. X. 10 positiv Nr. 1. In der Zwischenzeit ist bei der Patientin 
eine ausserordentliche Besserung eingetreten: Der Zerfall ist zum Stillstand 
gekommen, die Rasseln sind fast völlig verschwunden, die K o c h sehen Bazillen 

x ) Beitr. z. Kl. d. Tuberkulose. Bd. XI, S. 246. 



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35] Über die klinische Bedeutung der Moroschtm Tuberkulinreaktion etc. 35 

sind von Gaffky Nr. 9 bis auf 0 gesunken, die elastischen Fasern, welche in 
grosser Menge vorhanden waren, sind gleichfalls verschwunden. Temperatur 
normal. Gewichtzunahme 7 kg nicht ganz in 2 Monaten. Die Patientin verliess 
die Anstalt nach 81 tägigem Aufenthalt am 30. X. 10 mit sehr guter Besserung. 

3. Nikolaus T., 36 Jahre alt, aufgenommen am 26. VIII. 09 mit starker 
Infiltration im rechten Ober- und Mittellappen und geringen Veränderungen in 
der linken Lungenspitze. Temperatur bis 37,9°. Moro fiel am 4. XII. 09 negativ 
aus, indem trotz ausgesprochener Besserung in den Lungen subfebrile Zustände 
noch vorkamen und im Sputum Koch sehe Bazillen und elastische Fasern 
stets nachzuweisen waren. Am 30. III. 10 Moro positiv Nr. 1; in der Zwischen¬ 
zeit ist das Fieber vollständig verschwunden, Gewichtzunahme 2 kg, in den 
Lungen fast völlige Abwesenheit irgendwelcher klinischer Symptome, Bazillen 
sehr selten und in geringer Anzahl, elastische Fasern sind gänzlich verschwunden. 
In diesem Falle ist erst nach dauerhaftem therapeutischem Effekt die Moro sehe 
Reaktion positiv ausgefallen. Am 7. IV. 10 verliess der Patient die Anstalt 
mit sehr bedeutender Besserung nach 225 tägigem Kuraufenthalte. Der erzielte 
Erfolg hält auch jetzt noch (nach Verlauf von mehr als zwei Jahren) an und 
unser Patient ist in seinem Berufe als Richter ununterbrochen tätig. 

Der einzige Fall, wo die Reaktion des erstemal negativ, das 
zweitemal dagegen positiv Nr. 2 ausgefallen ist, betrifft: 

Sophie M., 20 Jahre alt, aufgenommen am 31. VIII. 10 mit geringen Ver¬ 
änderungen in beiden Lungenspitzen und wahrscheinlicher Affektion der Media- 
stinaldrüsen. Subfebrile Temperatur bis 37,5°. Moro am 3. X. 10 negativ, am 
12. XII. 10 positiv Nr. 2. In der Zwischenzeit hat das Körpergewicht um 3 Kg 
zugenommen, die Symptome in den Drüsen sind zurückgetreten, die Temperatur 
ist gesunken. Die Patientin verliess die Anstalt am 3. I. 11 nach 126 tägigem 
Aufenthalte mit relativer Besserung. 

Eine sehr starke Reaktion — Nr. 3 — bei der zweiten Ein¬ 
reibung, nachdem sie das erstemal negativ ausgefallen war, beob¬ 
achteten wir in zwei Fällen. Der erste betraf: 

1. Elisabeth R., 17 Jahre alt, aufgenommen am 7. X. 10 mit geringen 
Infiltrationen in beiden Lungenspitzen. Temperatur zuweilen bis 37,1°. Er¬ 
nährungszustand schlecht. Organismus sehr zart. Moro am 24. X. 10 negativ, 
6 Wochen später, am 12. XII. 10, positiv Nr. 3. In der Zwischenzeit hat sich 
das Aussehen der Patientin bedeutend gebessert, der Hämoglobingehalt ist von 
60o/o auf 75o/ 0 (nach Gowers) gestiegen, die Gewichtszunahme betrug 3,3 kg, 
die Rasselgeräusche in den Lungen sind gänzlich verschwunden. Nach 176 tägiger 
Behandlung ist die Patientin am 31. III. 11 mit grosser Besserung nach Hause 
abgereist. 

Der zweite Fall betraf: 

2. Euphemia Z., 25 Jahre alt, aufgenommen am 3. IV. 11 mit deutlichen 
Infiltrationen in beiden Lungenspitzen, hauptsächlich in der rechten (II. Tur¬ 
ban sches Stadium). Im Auswurf Koch sehe Bazillen Nr. 5 (G a f f k v). Status 
subfebrilis. Ernährungszustand schlecht. Moro am 5. IV. 11 negativ; nach 
3 Monaten, am 5. VII. 11, positiv Nr. 3. Während dieser Zeit ausserordentliche 

8 * 


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36 


Kasimir Dloaki und Stefan Rudzki. 


[36 


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Besserung. Gewichtzunahme 5,2 kg. Verschwinden des Fiebers und der K o c li - 
sehen Bazillen; nur in der Lungenspitze blieb eine unbedeutende Schallverkürzung 
ohne Hasseln. Die Patientin verliess die Anstalt am 7. VIII. 11 nach 127 tägigem 
Aufenthalte mit grosser Besserung. — Am 1. XI1. 11 kehrte sie in das Sana¬ 
torium zurück, um Dauererfolge definitiv zu erzielen. Fs wurde festgestellt, 
dass während des Aufenthaltes in der Heimat und während der ganzen Beob¬ 
achtungszeit bis zum 20. 111. 12, wo die Patientin als klinisch geheilt die 
Anstalt verliess, der Zustand der Lungen sich nicht im geringsten verschlimmert hat. 

Interessant ist die Analyse von 6 Fällen, in denen die Moro- 
sche Reaktion ursprünglich positiv Nr. 1, später hingegen negativ 
ausgefallen ist. Darunter waren in erster Linie 3 Fälle, bei denen 
wir zwischen der ersten und der zweiten Einreibung der Morosehen 
Salbe den Kranken subkutane Tuberkulininjektionen (TBK) zu thera¬ 
peutischen Zwecken zu verwenden begonnen hatten. — Die Tat¬ 
sache, dass die Reaktion oft versagt., wenn der betr. Patient gleich¬ 
zeitig Tuberkulininjektionen erhält, war auch schon anderen Autoren 
bekannt, welche sich mit der Frage der Tuberkulinreaktionen be¬ 
schäftigen. Wetzeil führt die Arbeit Marenholtz’ an, welcher 
bei therapeutischer Anwendung des Tuberkulins negative Wolff- 
Eisnersehe Reaktionen erhielt. — Kraemer hat in Eppendorf 
in der Len h ar tz sehen Abteilung auf 37 Fälle sicherer Tuberkulose 
mit positiver Reaktion 15 Fälle beobachtet, in welchen vorher Tuber¬ 
kulin therapeutisch angewandt worden ist: die Reaktion ist zwar 
bei diesen Patienten gleichfalls aufgetreten, doch war sie schwächer 
als bei den anderen. Kraemer erklärt diese Erscheinung damit, 
dass ein „Organismus, dem subkutan, perkutan oder konjunktival 
eine Tuberkulindosis gegeben wird, sich verhalten müsse, als ob 
er plötzlich von Tuberkelbazillen überschwemmt worden wäre“. 

Von unseren 500 Kranken, welche der Moro sehen Probe unter¬ 
zogen wurden, erhielten 33 gleichzeitig subkutane Tuberkulininjek¬ 
tionen (TBK) zu therapeutischen Zwecken. Von den letzteren fiel 
bei 10, d. h. bei 30%, die Moro sehe Reaktion vollkommen negativ 
aus, bei 16, d. h. bei 50%, erhielten wir die schwache Reaktion (Nr. 1), 
in 5 Fällen Nr. 2 (und nur in einem einzigen Falle Nr. 3. In diesem 
letzteren erhielt der Patient den Tag vorher die erste Injektion vom 
B e r a neck sehen Tuberkulin (1: 655 360). 

ln 5 Fällen positiver Reaktion Nr. 2 handelte es sich um 
Patienten, denen Beraneck sches Tuberkulin 4 Tage bis 10 Wochen 
vorher injiziert wurde. Die Tuberkulindosen, die sie vor der Mo rö¬ 
schen Probe erhalten hatten, betrugen Vmo, Vsooi, V* 638 und 

1 /s io5 248 g reines Beraneck sches Tuberkulin. 

Die Patienten, welche die schwache positive Reaktion Nr. 1 
zeigten, wurden während der Zeiträume von 4 Tagen bis 6 Monaten 



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37] Ober die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 37 


mit Tuberkulin behandelt. Interessant sind darunter 2 Fälle positiver 
Moro scher Reaktion nach langandauernder Behandlung mit Tuber¬ 
kulin : 

1. Michael J., 40 Jahre alt, zum zweiten Male im Sanatorium seit dem 
18. X. 09. III. Stadium nach Turban. Seit dem 26. X. 09 Tuberkulininjek- 
tionen. — Moro am 22. XI. 09 negativ (nach Verbrauch von zusammen , / 204 i g 
reines Tbk.). — Die zweite Mo rösche Probe am 25. IV. 10 war positiv, Nr. 1. 
Bis zu dieser Zeit hatte der Patient innerhalb von 6 Monaten zusammen 1 / 45 g 
reines Tbk. erhalten. (Während dieser Zeit relative Besserung des allgemeinen 
und des lokalen Zustandes.) 

2. Sophie S., 23 Jahre alt, aufgenommen im I. Tur b a n sehen Stadium 
am 6. VIII. 09. Tuberkulininjektionen (Tbk.) seit 8. IX. 09. Nach einer Gesamt¬ 
dosis von Yi 82 £ Moro am 22. XI. 09 negativ. Nach 7 Monate lang dauernden 
Tuberkulininjektionen (ca. Vs £ reinen Tuberkulins) Moro -4- Nr. 1. (Während 
dieser Zeit relative Besserung.) 

Der Prozentsatz der negativen Ausfälle der Mo röschen Re¬ 
aktion bei der Tuberkulinbehandlung ist annähernd der gleiche wie 
ohne dieselbe (mit TBK 30 o/o, ohne 29 <>/o); interessant hingegen ist 
die Kasuistik der Fälle, bei 'denen die Probe je zweimal vorgenommen 
wurde. 

1. Kasimir R., 23 Jahre alt, zum zweiten Male im Sanatorium, seil dem 
10. X. 09 (III. T u r b a n sches Stadium). Tuberkulininjektionen (Tbk.) seit dem 
17. X. 09. Nach einer Gesamtdosis von Viist g reinen Tuberkulins, Moro am 
22. XI. 09 negativ. Die Injektionen werden ohne Unterbrechung 7 Monate lang 
fortgesetzt. Trotz erzielter vorzüglicher Besserung in den Lungen und an¬ 
dauernder Fieberlosigkeit fiel die Moro sehe Reaktion am 10. IV. 10 negativ 
aus, nachdem der Patient zusammen 5 /s K Tuberkulin erhalten hatte. Die im 
Sanatorium in den Jahren 1909—10 erzielte Besserung hält weiter an; der 
Patient hat inzwischen eine Hochschule absolviert und geht ungestört seinem 
Berufe nach. 

2. Wislava K., 21 Jahre alt, befindet sich im Sanatorium seit dem 16. VI. 10 
(I. T u r b a n sches Stadium). Moro positiv Nr. 1 am 20. VI. 10. Seit dem 
17. VII. 10 Injektionen von Tbk. Am 3. X. 10 trotz deutlicher Besserung des 
allgemeinen und des lokalen Zustandes, Moro negativ. (Die Patientin hat in 
dieser Zeit V 2184 g Tbk. erhalten.) Sie verliess die Anstalt am 15. XII. 10 nach 
183 tägigem Aufenthalte mit grosser Besserung. 

3. Palladius C., 25 Jahre alt, befindet sich im Sanatorium seit dem 
9. VII. 10 (II. Turban sches Stadium). Moro positiv Nr. 1 am 15. VII. 10. 
Seit dem 8. XI. 10 Tbk.-Injektionen. — Am 4. XII. 10 Moro negativ trotz allge 
meiner und lokaler Besserung. (Der Gesamtbetrag des injizierten Tuberkulins 
ist von Viä 604 g*) Am 22. I. 11 verliess er nach 167 tägigem Aufenthalte die 
Anstalt mit bedeutender Besserung. 

4. Marie K., 20 Jahre alt, im Sanatorium seit dem 18. VIII. 10 (I. Tur¬ 
ban sches Stadium). Seit dem 6. IX. 10 Tbk.-Injektionen. Am 3. X. 10 Moro 


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38 


Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


[38 


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positiv Nr. 1 (nach Verbrauch von 1 / 9230 g Tuberkulin); am 4. XII. 10 Moro 
negativ (nach Verbrauch von Via«« £ reinen Tuberkulins). Die Patientin verliess 
die Anstalt mit guter Besserung am 24. IX. 11 nach 403 tägigem Kuraufenthalte. 

Obige Beobachtungen scheinen dafür zu sprechen, dass durch 
die Einführung von Beranecb schern Tuberkulin in den Organismus 
der Eintritt der Moro sehen Reaktion gehemmt wird, trotzdem der 
Behauptung von Beraneck nach das nach seiner Methode her¬ 
gestellte Tuberkulin sich wesentlich von dem alten Koch sehen — 
dem wirksamen Bestandteile der Moro sehen Salbe — unterscheidet. 

Nicht minder interessant ist der einzige Fall, bei welchem das 
Czajkowskisehe Heilserum angewendet wurde. 

Vinzenz W., 58 Jahre alt, wurde am 7. I. 10 mit Lungentuberkulose im 

11. Turban sehen Stadium ins Sanatorium aufgenommen (im Auswurf Tuberkel 
bazillen Nr. 7 Gaffky, elastische Einzelfasern). überdies wurde Darmtuberkulose 
festgestellt (Stuhlgang unregelmässig, in den Fäzes Eiter und Koch sehe Bazillen 
Nr. 5 Gaffky, an einigen Stellen in grösseren Klumpen; in der Gegend des 
Blinddarmes Verdickungen und Empfindlichkeit gegen Druck). Temperatur bis 
38,8°. Ernährungszustand schlecht, Moro positiv am 25. I. 10 Nr. 1. Am 

12. III. 10 begannen wir mit den Injektionen des C z a j k o w s k i sehen Serums, 
und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten. Nach 6 Injektionen fiel die 
Moro sehe Reaktion negativ aus, trotzdem der allgemeine und lokale Zustand 
des Patienten in dieser Zeit eine Besserung erfahren hatte. — Am 27. IV. 10 
verliess derselbe nach 111 tägigem Aufenthalte die Anstalt in gutem Besserungs¬ 
zustande. 

Ausser den geschilderten 4 Fällen, wo die zum zweiten Male 
vorgenommene Moro sehe Probe offenbar infolge der spezifischen 
Behandlung negativ ausgefallen war, beobachteten wir bei zwei 
Kranken das Ausbleiben der zweiten Reaktion ohne näher ersicht¬ 
lichen Grund. 

1. Barbara G., 18 Jahre alt, kam ins Sanatorium am 11. I. 10 mit Lungen¬ 
tuberkulose im 11. Turban schon Stadium. Am 25. 1. 10 Moro positiv, Nr. 1. 
Die Kranke verliess die Anstalt am 1. V. 10 bedeutend gebessert. Am 7. XII. 10 
kam sie zum zweiten Male an mit geringer Verschlechterung des allgemeinen 
und lokalen Zustandes. Die Mo rösche Reaktion fiel am 12. XII. 10 negativ 
aus. Die Patientin verliess die Heilanstalt am 16. I. 11 mit relativer Besserung. 
Es ist möglich, dass der negative Ausfall der Reaktion hei der wiederholten 
Probe durch die vorübergehende Verschlimmerung des Zustandes bei der Patientin 
verursacht worden ist. 

2. Marie T., 29 Jahre alt, angekommen am 26. VIII. 10 mit Lungentuber¬ 
kulose im I. Turh a n sehen Stadium. Am 3. X. 10 Moro positiv Nr. 1. Die 
am 28. XII. 10 zum zweiten Male vorgenommene Probe ergab ein negatives 
Resultat; der Allgemeinzustand der Kranken hat sich in dieser Zeit gebessert, 
an Gewichi hat sie 4,5 kg zugenomrnen, doch blieb der subfebrile Zustand (bis 
37,3°) ebenso häufig wie früher; die Lungen blieben ohne weitere Besserung, 


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39] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 39 


im Sputum wurden am 8. XII. 10 zum ersten Male Koch sehe Bazillen 
(Nr. 3 Gaffky) entdeckt. — Am 5. I. 11 verliess die Patientin die Anstalt mit 
relativer Besserung. 

Auch hier ist es wohl möglich, dass der negative Ausfall der 
zweiten Moro sehen Probe auf die wahrscheinliche Verschärfung 
des Krankheitsprozesses in den Lungen zurückzuführen ist. 

Die 13 Fälle, in denen die Mo rösche Probe beide Male positiv, 
aber schwach (Nr. 1) ausgefallen ist, bieten nichts Interessantes 
dar. Die zweitmalige Einreibung der Moro sehen Salbe wurde hier 

9 Tage bis 14 Monate nach der ersten vorgenommen. 

Eine stärkere Reaktion (Nr. 2) bei Wiederholung der Probe, 
die das erstemal schwach (Nr. 1) ausgefallen war, beobachteten wir 
in 4 Fällen. 

1. Leonia P., 20 Jahre alt, aufgenoninien zum zweiten Male am 28. 1. 10 
im II. Turban sehen Stadium. -~ Moro positiv Nr. 1 am 30. III. 10. — Die 
Patientin verliess die Anstalt am 28. V. 10 mit l>edeutender Besserung (Über¬ 
gang vom II. in das I. Turban sehe Stadium). Am 12. XII. 10 kehrte sie mit 
geringer Verschlimmerung in den Lungen ins Sanatorium zurück. Am 18. XII. 10 
Moro positiv Nr. 2. Die Besserung machte diesmal sehr schnelle Fortschritte, 
ln gutem Besserungszustande verliess die Patientin am 4. IV. 11 die Anstalt 
nach 114 tägigem Aufenthalte. 

2. Ludovica H., 67 Jahre alt, aufgenoinmen am 24. VIII. 09 mit Lungen¬ 
tuberkulose im II. Turbanseben Stadium. Am 3. XL 09 Moro positiv Nr. 1. 
Nach 115 tägiger Behandlung ist sie am 16. XII. 09 in gutem Besserungs¬ 
zustande heimgereist. Am 2. VII. 10 kehrte sie wieder zurück: in den Lungen 
nur noch I. Turban sches Stadium, zu Hause hat sie an Gewicht um 5,3 kg 
zugenommen. — Moro am 15. VII. 10 positiv Nr. 2. Nach 67 tägiger Behand¬ 
lung verliess die Patientin zum zweiten Male die Heilanstalt mit bedeutender 
Besserung. 

3. Leslavv W., 24 Jahre alt, aufgenonunen am 7. 1. 10 mit Lungentuber¬ 
kulose im I. T u r b a n sehen Stadium. Am 10. I. 10 Mo rösche Reaktion 
positiv Nr. 1. —- Die am 28. II. 10 wiederholte Probe lieferte eine stärkere 
Reaktion (Nr. 2). Während dieser Zeit (7 Wochen) nahm das Körpergewicht 
um 6 kg zu, auch in den Lungen ist eine Besserung eingetreten (die Rasseln 
sind verschwunden, die Dämpfung in den Spitzen und die Verschärfung des 
Atmens haben sich verringert), Koch sehe Bazillen waren im Auswurf nicht 
mehr vorhanden. Der Patient verliess am 2. III. 10 die Anstalt nach 55 tägiger 
Behandlung mit guter Besserung und fühlt sich auch bisher noch (nach 
2 Jahren) wohl. 

4. Bronislaus C., 28 Jahre alt, ist am 6. IV. 10 im I. T u r b a n sehen 
Stadium ins Sanatorium gekommen. — Moro am 13. IV. 10 positiv Nr. 1. Nach 
8 Wochen, am 8. VI. 10, Moro Nr. 2. In der Zwischenzeit nahm der Patient um 

10 kg an Gewicht zu, die Bazillen im Auswurf sind verschwunden, in den 
Lungen trat ebenfalls eine Besserung ein. Der Patient verliess am 23. VI. 10 
die Anstalt bedeutend gebessert. 


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Kasimir Diuski und Stefan Rndzki. 


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In allen diesen Fällen entsprach die Verstärkung der Moro- 
schen Reaktion einer ausgesprochenen Besserung im Zustande der 
Patienten. 

Umgekehrt beobachteten wir eine klinische Verschlimmerung 
bei einem Kranken, welcher das erstemal die Morosehe Reaktion 
Nr. 2, das zweitemal dagegen Nr. 1 zeigte. 

Roman Z., 45 Jahre alt, aufgenommen am 24. X. 09 mit Lungentuber¬ 
kulose im III. Turban sehen Stadium und destruktiver Kehlkopftuberkulose. 
Moro am 4. XII. 09 positiv Nr. 2. Der Kranke erlangte eine gute Besserung 
sowohl in den Lungen als wie auch hauptsächlich im Kehlkopf und verliess 
die Anstalt am 25. IV. 10 nach 184 tägiger Behandlung. — Am 21. XI. 10 
kommt er zurück. Die Verschlechterung in den Lungen ist nur gering, im 
Sputum dagegen sind stets grosso Mengen von Bazillen (Nr. 9 Gaffky) und 
zahlreiche elastische Fasern vorhanden. — Moro am 12. XII. 10 positiv Nr. 1. 
(NB. Der Patient erhielt seit dein 23. XL 10 Tbk.-Injektionen.) Am 19. IV. 11 
verliess der Patient die Anstalt nur mit relativer Besserung. 

Sehr selten waren die Fälle der wiederholten Reaktion Nr. 2 
und Nr. 3. 

Nur 2 mal wiederholte sich der Ausfall der Reaktion Nr. 2. 

1. Michael P., 18 Jahre alt, aufgenommen am 30. V. 09 im III. Türban- 

schen Stadium. Am 4. XIL 09, als der Patient bereits eine sehr grosse 
Besserung erlangt hatte, fiel die Moro sehe Reaktion positiv (Nr. 2) aus. Nach 
6 Monaten, während welcher Zeit sich die Heilerfolge behauptet hatten, Moro 
wiederum Nr. 2. Der Patient verliess die Anstalt am 17. X. 10 nach 

506 tägiger Behandlung in gutem Besserungszustande und fühlt sich auch jetzt 
noch — nach mehr als 2 Jahren — vollständig wohl. 

2. Hania P., 13 Jahre alt, ist angeknmmen am 1. IX. 11 mit geringen 

Veränderungen in den Lungenspitzen und mit Anschwellung der Mediastinal- 

drüsen (Roentgen) hei geringer subfebriler Temperatur. Am 29. X. 11 Moro 

positiv Nr. 2. Einen Monat darauf Moro wiederum -j- Nr. 2. — Mit sehr guter 
Besserung, sowohl im allgemeinen als auch im lokalen Zustande, verliess die 
Patientin die Anstalt am 28. V. 12. 

In einem einzigen Falle ix»ol)uohteten wir das erstemal die starke 
Morosche Reaktion Nr. 3, das zweitemal dagegen nur die mittel¬ 
starke Nr. 2. 

Hedwig P., 16 Jahre alt, aufgenommen am 2. VI. 11 mit starker Infil¬ 
tration im rechten Oberlappen und beginnendem Zerfall. Temperatur normal. 
Moro am 5. VII. 11 positiv Nr. 3. Die Besserung machte hei der Patientin 
sehr rasche Fortschritte: der Zerfall ist zum Stillstand gekommen, die Infil¬ 
tration hat sicli bedeutend verringert, die Gewichtzunahme betrug bis zum 
28. XL 11 17,2 kg. Die an diesem Tage zum zweiten Male vorgenommene 
Morosche Probe ergab das Resultat Nr. 2. Die Besserung machte in dieser 
Zeit bedeutend langsamere Fortschritte, das Körpergewicht ist nicht gestiegen, 
im Gegensatz hat etwas ahgenommen. — Am 15. V. 12 verliess die Patientin 
die Anstalt. 



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41] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 41 

In diesem Palle stände der schwächere Ausfall der wiederholten 
Moro sch® Probe im Zusammenhang mit den klinischen Tatsachen. 

Ein einziger Fall schliesslich, in dem die Moro sehe Reaktion 
beide Male in dem stärksten Grade Nr. 3 beobachtet wurde, betraf: 

Franziskus T., 27 Jahre alt, welcher am 21. IX. 10 mit einer grossen 
Kaverne im rechten Oberlappen und geringen Veränderimgen in der linken 
Lungenspitze ins Sanatorium aufgenommen wurde. Moro am 26. IX. 10 positiv 
Nr. 3. Die Besserung machte beim Patienten zwar langsame, aber deutliche 
Fortschritte. Eine 13 Monate nach der ersten zum zweiten Male vorgenommene 
Probe am 28. XII. 11 ergab wiederum ein positives Resultat (Nr. 3). — Der 
Besserungszustand hielt bei dem Kranken bis zu seiner am 28. V. 12 erfolgten 
Abreise an, indem er nach 20 monatlicher Behandlung die Anstalt verliess. 

Dreimal nacheinander >wurde die Tuberkulinprobe mit der Moro- 
sehen Salbe bei 7 Kranken vorgenommen; die Resultate waren sehr 
verschieden. 

In einem Palle fiel die Reaktion stets negativ aus: 

Frieda H., 37 Jahre alt, aufgenommen am 28. VI. 10. In beiden Lungen¬ 
spitzen deutliche Dämpfungen, das Atmen stark verschärft; mittelblasige Rassel¬ 
geräusche wurden nur ein einziges Mal über der linken Spina vorübergehend 
und in sehr geringer Menge gehört. Trotz vielfacher Untersuchung des Sputums 
konnten kein einziges Mal Koch sehe Razillen oder elastische Fasern nach¬ 
gewiesen werden, dagegen fanden sich Streptokokkeri in grösseren Mengen. 
Temperatur anfänglich bis 39,4°, nach 14 Tagen ist sie gesunken und selten 
überstieg sie um ein Weniges 37,0°, im Munde gemessen. Die am 29. VI. 10, 
16. VHI. 10 und am 3. X. 10 vorgenommenen Moro sehen Proben fielen stets 
negativ aus. Am Tage der Abreise (am l. XI. 10) waren bei der Kranken mir 
noch minimale Schallverkürzungen in den Lungenspitzen vorhanden, der Atem 
war fast normal. 

In diesem Palle könnte es wohl auch zweifelhaft sein, ob wir 
es tatsächlich mit Tuberkulose zu tun hatten. 

Tn einem anderen Falle ergaben die beiden ersten Prol>cii ein 
negatives Resultat und erst die dritte ein positives: 

Anton S., 18 Jahre alt, aufgenommen am 25. VI. 10 i'm II. T u r 1> a n schon 
Stadium. — Temperatur höchstens bis .37,1°. Die am 27. VI. 10 und am 
16. VIII. 10 vorgenommenen Mo röschen Proben fielen beide Male negativ aus. 
Die Resserung in den Lungen in dieser Zeit nur gering, die Gewichtzunahme 
betrug 3 kg. Die am 3. X. 10 zum dritten Male vorgenommene Mo rösche 
Reaktion ergab das positive Resultat Nr. 1. In der Zwischenzeit hat die Besserung 
in den Lungen weitere Fortschritte gemacht. — Der Patient verliess die Anstalt 
am 28. II. 11 im relativen Besserungszustande. 

In einem Falle ergab die nach 4 und nach 8 Monaten wiederholte 
Moro sehe Probe dasselbe Resultat wie das erste Mal, und zwar die schwache 
Reaktion Nr. 1. 


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Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


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Merkwürdig war die fortwährende Steigerung des Reaktions¬ 
grades bei der Patientin: 

Leonida S., 20 Jahre alt, aufgenommen am 29. XI. 10 in schwerem 
Krankheitszustande ; starke Abmagerung, Temperatur bis 38,5°. Turban sches 
III. Stadium. Moro am 12. XII. 10 negativ. Der Lungenzustand begann sich 
bei der Kranken rasch zu bessern; das Lieber ist verschwunden, die Gewicht 
Zunahme betrug innerhalb zweier Monate 3,3 kg. Die zu dieser Zeit (am 
13. II. 11) vorgenommene M o r o sehe Probe ergab die Reaktion Nr. 1. Nach 
Verlauf von noch einem Monat, während dessen die allgemeine und lokale 
Besserung noch weitere Fortschritte gemacht hatte, zeigte die Kranke am 
13. III 11 bereits die Mo rösche Reaktion Nr. 2. Nach 140 tägiger Behänd 
lung verliess die Patientin die Anstalt am 17. IV. 11 mit bedeutender Besserung. 

In den drei übrigen Fällen fiel endlich die Moro sehe Reaktion 
unregelmässig aus. 

1. Helene R., 22 Jahre alt, kam ins Sanatorium am 25. 111. 10 mit geringen 
Veränderungen in den Lungen (1. T u r b a n sches Stadium) und Verdacht auf 
Tuberkulose der Mediastinaldrüsen bei ausgesprochener Anämie. — Fast täg¬ 
lich geringe Temperaturerhöhung. Moro am 30. III. 10 negativ, jedoch am 
8. VI. 10 bereits positiv Nr. 1. In der Zwischenzeit trat eine deutliche Besserung 
im Aussehen ein, das Körpergewicht hatte um 3,5 kg zugenommen, die Rassel- 
gerätisch° in den Lungenspitzen sind verschwunden, die Schallverkürzungen 
haben sich verringert. Am 5. VIII. 10 ist Patientin im relativen Besserungs¬ 
zustande heimgefahren. Am 30. XI. 10 kam sie ins Sanatorium wieder zurück. 
Das Aussehen hat sich wieder verschlechtert, an Gewicht hat sie fast 1 kg ver¬ 
loren, die subfebrile Temperatur ist jetzt häufiger und höher geworden. Die am 
4. XII. 10 vorgenommene M o r o sehe Probe fiel diesmal wiederum negativ aus. 
Trotz längerer Behandlung (100 Tage) erlangte die Kranke nur eine geringe 
Besserung und verliess die Anstalt am 14. V. 11. 

2. Jakob P., 17 Jahre alt, angekommen am 12. XI. 09 im II. Turban- 
sehen Stadium. Moro am 4. XII. 09 positiv Nr. 1. Vom 31. XII. 09 an Tbk.- 
Injektionen. Am 30. III. 10 Moro negativ trotz relativer Besserung in den 
Lungen und im Allgemeinbefinden. Am 12. IV. 10 verliess der Patient die 
Anstalt,- bedeutend gebessert, nach 152 tägiger Behandlung. Nach 8 monatlichem 
Aufenthalte zu Hause (ohne spezifische Heilbehandlung) kehrte er am 12. XII. 10 
ins Sanatorium zurück: Der Zustand der Lungen hat in dieser Zeit keine 
Verschlimmerung erlitten. Am 21. XII. 10 M o r o sehe Reaktion wiederum 
positiv Nr. 1. Nach 322 tägiger Behandlung verliess der Patient zum zweiten 
Male die Anstalt im guten Besserungszustande. 

3. Josef C., 21 Jahre alt, aufgenommen am 1. I. 11 im II. T u r b a n sehen 
Stadium. Am 2. I. 11 Moro positiv Nr. 1. Vom 6. II. 11 ab Tbk.-Injektionen. 
Nach 3 Injektionen, am 13. II. 11 Morosclie Reaktion noch positiv; einen Monat 
später jedoch, am 13. III. 11, bereits negativ trotz deutlicher Besserung sowohl 
im Allgemein- wie auch im Lokalzustande. Am 1. VI. 11 verliess der Patient, 
bedeutend gebessert, die Anstalt nach 152 tägigem Aufenthalte. 

ln den beiden letzteren Fällen dürfte das Verschwinden der posi¬ 
tiven M o r o sehen Reaktion auf die spezifische Behandlung mit 
B e r an eck schein Tuberkulin zurückzuführen sein. 


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43] Über die klinische Bedeutung der Moro sehen Tuberkulinreaktion etc. 43 

In einem Falle wurde endlich die Einreibung* der Moro sehen 
Salbe 4 mal vorgenommen; er betrifft den: 

Georg K., 34 Jahre alt, welcher am 5. II. 10 im II. Turban sehen 
Stadium angekommen ist. Am 30. III. 10 und am 20. VI. 10 Moro negativ 
trotz deutlicher Besserung im Allgemeinbefinden und relativer Besserung in den 
Lungen. — Erst am 16. VIII. 10 lieferte die Einreibung der Moro sehen Salbe 
das positive Ergebnis Nr. 1; in dieser Zeit betrug die Gewichtzunahme 11,2 kg 
und in den Lungen trat eine bedeutende Besserung ein. Am 28. IX. 10 verliess 
der Patient die Anstalt nach 236 tägiger Behandlung mit grosser Besserung. 
Am 21. I. 11 kehrt er nach 4 monatlichem Aufenthalte zu Hause ins Sanatorium 
zurück. In der Zwischenzeit hat sich sein Aussehen verschlechtert, die Ge¬ 
wichtabnahme betrug 2 kg, in den Lungen mehr Rasselgeräusche als bei der 
ersten Wegfahrt. Diesem ungünstigen Zustande entspricht auch der Ausfall 
der Mo röschen Probe, welche am 13. II. 11 ein negatives Resultat ergab. — 
Der Patient verliess die Anstalt am 28. V. 11. Auch in diesem Falle entsprach 
der wechselnde Ausfall der Moro sehen Reaktion dem klinischen Zustand des 
Patienten. 


Schlussfolgerungen. 

Im obigen haben wir unser gesamtes Krankenmaterial einer 
eingehenden Analyse unterzogen, sowie eine ganze Reihe von Be¬ 
obachtungen und statistischen Zusammenstellungen angeführt. Auf 
unsere eigenen Beobachtungen gestützt, können wir folgende Schluss¬ 
folgerungen betreffs der klinischen Bedeutung der Mo röschen Re¬ 
aktion ziehen: 

1. Die Moro sehe Tuberkulinprobe ist eine spezifische Reaktion 
und ihr Auftreten zeugt von der tuberkulösen Infektion des be¬ 
treffenden Individuums. 

2. Das Ausbleiben' der Moro sehen Reaktion schliesst das Vor¬ 
handensein der Tuberkulose nicht aus, denn durchschnittlich in 33°/o 
von Fällen sicherer Tuberkulose erhält man ein negatives Resultat. 

3. Die Anzahl der positiven Ausfälle der Mor o sehen Probe 
nimmt mit dem Alter der Patienten deutlich ab. 

4. Die prognostische Bedeutung der Moro sehen Probe ist weit 
grösser als die diagnostische. 

5. Das Ausbleiben der Mo röschen Reaktion bei klinisch fest- 
gestellter Tuberkulose liefert prinzipiell eine ungünstige Prognose. 

6. Je stärker die Morosche Reaktion, destq besser die Prognose. 

7. Die Ergebnisse von der wiederholt vorgenommenen Moro- 
schen Probe stehen für gewöhnlich im Zusammenhang mit dem 
Verlauf des betreffenden Falles und geben Prognosen, die mit den 
obigen Grundsätzen übereinstimmen. 


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Kasimir Dluski und Stefan Rudzki. 


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8. Durch die spezifische Behandlung tuberkulöser Personen (mit 
Be ran eck schein Tuberkulin) wird dak Auftreten der Mo röschen 
Reaktion abgeschwächt oder überhaupt aufgehoben. 

9. Angesichts obiger Tatsachen kann man diesMorosche Tuber¬ 
kulinprobe als völlig unschädlich betrachten und dieselbe für die 
klinische Diagnose, mit spezieller Rücksicht auf die Prognose der 
Lungentuberkulose empfehlen. 

Zakopane, Juli 1912. 


Literatur. 


1. Bullinger, Münch, med. Wuehenschr. 1909, Nr. 26. 

2. Cblumsky, Przegl. Lek. 1910, Nr. 15, S. 218. 

3. Chybczynski, Medyc. i Krön. Lek. 1909, Nr. 2—6. 

4. Determann, Münch, med. Wochenschr. 1909, Nr. 50. 

5. Emmerich, Münch, med. Wochenschr. 1908, Nr. 20. 

6. Engel, Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 36. 

7. Enz, Wiener klin. Wochenschr. 1908, Nr. 12. 

8. Fried berger, Münch, med. Wochenschr. 1910. Nr 50. 

9. Hamburger, Wiener klin. Wochenschr. 1908, Nr. 12. 

10. Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1909, Nr. 1. 

11 Heinemann, Münch, med. Wochenschr. 1908, Nr. 11. 

12. Kanitz, Wiener klin. Wochenschr. 1908, Nr. 28. 

13. Kraus, Volk und Löwenstein, Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 9. 

14. Lejeune, Berliner klin. Wochenschr. 1908, Nr. 39. 

15. Mayrhofer, Die Anwendung der Morosehen perkutanen Tuberkulinreaktion 
im Kindesalteff. Inaug.-Diss. München 1908. 

16. Monti, Wiener klin. Wochenschr. 1908, Nr. 41. 

17. Moro und Doganoff, Wiener klin. Wochenschr. 1907, Nr. 31. 

18 Moro, Münch, med. Wochenschr. 1908, Nr. 5. 

19. Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1908, Nr. 39. 

20. Derselbe, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. Bd. XII. 

21. Piotrowski, Gaz. Lek. 1910, Nr. 29. 

22. v. Pirquet, Wiener klin. Wochenschr. 1907, Nr. 20. 

23. Derselbe, Berliner klin. Wochenschr. 1907, Nr. 22. 

24. Derselbe, Berliner klin. Wochenschr. 1907, Nr. 38. 

25. Hörner, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. Bd. XII. 

26. Derselbe, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. Bd. XVII. 


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45] Über die klinische Bedeutung der Morosehen Tuberkulinreaktion etc. 45 


27. Rolly, Münch, med. Wochenschr. 1910, Nr. 16. 

28. Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1910, Nr. 44. 

29. Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 24. 

30 Sorgo, Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 22. 

31. Szaboky, Zeitschr. f. Tuberk. 1911, Nr. 17. 

32 Takeno, Über den Wert der Moro sehen Perkutanreaktion in der Diagnostik 
der Kindertuberkulose. Inaug.-Diss. München 1910. 

33. Weil, Münch, med. Wochenschr. 1909, Nr. 48. 

34. Wetzell, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. Bd. II. 

35. Wilczynski, Przegl. Lek. 1911, Nr. 43. 

36. Wolff-Eisner und Teichmann, Berliner klin. Wochenschr. 1908, Nr. 2. 

37. Wolff-Eisner, Berliner klin. Wochenschr. 1908, Nr. 30. 

38. Derselbe, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. Bd. X. 

39. Derselbe, Die Frühdiagnose und Tuberkulose-Immunität 1909 


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EinigeErfahrungenmitkünstlichemPneumothorax. 

Von 

Prof. A. A. Hymnus yan den Bergh, Groningen, Dr. R. de Josselin 
de Jong, Rotterdam und Dr. H. Schut, Nunspeet. 

Mit 1 lith. Tafel. 


Obwohl bereits ältere Ärzte den Vorschlag gemacht haben, tuber¬ 
kulöse Kavernen mittelst Kompression der kranken Thoraxhälfte zur 
Heilung zu bringen, so gebührt doch zweifellos Forlanini (aus 
Pavia) das Verdienst, diese Behandlungsmethode selbständig erfunden 
und sie für die praktische Anwendung ausgestaltet zu haben. Durch 
langjährige Vorstudien und Versuche hat er sie verwendbar gemacht und 
in zahlreichen, wichtigen Arbeiten in Einzelheiten mitgeteilt. Es ist un¬ 
gerecht, das Verdienst Forlanini’s in dieser Hinsicht durch einige 
Zitate aus alten Büchern zu schmälern. Carson’s Vorschlag, bei der 
Lungentuberkulose einen künstlichen Pneumothorax herzustellen, kam, 
soviel wir wissen, niemals zur praktischen Anwendung. Piorry’s 
Verfahren, Kompression der kranken Brusthälfte durch Druck verband 
oder Gewichte, wurde zwar einige Male ausgeführt, aber zu einer 
ausgiebigen Anwendung gelangte auch diese Methode nicht. Im 
Gegenteil, die wenigen Kliniker aus früheren Zeiten, die sie versucht 
hatten, gelangten zu einem absprechenden Urteil. Jedenfalls ist es 
sicher, dass diese Methode ganz vergessen war, als Forlanini 
selbständig und ohne.die wenigen und ungenauen Äusserungen dieser 
„Vorläufer“ zu kennen, seine Studien anfing, zu den er auf Grund 
eigener Anschauungen über den phthisiogenen Prozess gelangt war. 

In den letzten Jahren sind zahlreiche Arbeiten über die neue 
Methode veröffentlicht worden, unter denen diejenigen Brauers 
ganz besondere Beachtung beanspruchen. Nachdem dieser Autor 


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48 Prof. Hymans van den Bergh, de Joaselin de Jong and Scfaat. [2 

bereits im Jahre 1896 über die ersten Versuche mit der Kollaps- 
Therapie berichtet hat, gab er über dieses Verfahren zahlreiche und 
grundlegende, klinische sowohl wie experimentelle Untersuchungen be¬ 
kannt, denen wir die allgemeine Einführung der neuen Therapie wesent¬ 
lich verdanken. Es wäre zwecklos sie einer Besprechung zu unterziehen, 
zumal Forlanini selbst im letzten Bande der Ergebnisse der inneren 
Medizin und Kinderheilkunde über diesen Gegenstand erschöpfend 
berichtet hat. Wenn wir es für angebracht halten, unsere Resultate 
mitzuteilen, so geschieht dies darum, weil wir in den von üns 
beobachteten Fällen häufiger, als es in der Literatur erwähnt wird, 
schädlichen Wirkungen in der nicht behandelten, bzw. relativ ge¬ 
sunden Lunge begegnet sind. Wir beabsichtigen keineswegs damit, 
über die Methode ein weniger günstiges Urteil auszusprechen; im 
Gegenteil, auch wir hatten uns einiger schönen Heilerfolge zu 
erfreuen. 

Es scheint uns aber, dass in der Literatur die Gefahren der 
Methode nicht genug berücksichtigt werden. Selbstverständlich ist 
es aber notwendig, die Gefahren und die Nachteile eines neuen Ver¬ 
fahrens ebenso genau wie die Vorteile kennen zu lernen. 

Bei der Herstellung des Pneumothorax haben wir niemals die 
Inzisionsmethode, sondern immer das Punktionsverfahren geübt, wobei 
wir uns genau an die von Forlanini aufgestellten Regeln ge¬ 
halten haben. 

Das Inzisionsverfahren hat unseres Erachtens keine Vorteile, 
während die angeblichen Gefahren der Punktion sich durch eine gute 
Technik vollkommen und mit Sicherheit umgehen lassen. Insbesondere 
halten wir die Gefahr einer Luftembolie für ausgeschlossen, wenn 
man sich nur nicht verführen lässt, den Stickstoff einzulassen, bevor 
man durch die Schwankungen des Manometers mit Bestimmtheit 
weiss, dass die Nadelspitze sich im freien Pleuraspalt befindet. In 
den von Brauer zitierten Fällen von angeblicher Luftembolie hatte 
man diese Vorsichtsmassregel vernachlässigt. Ohne festzustellen, wo 
sich die Nadelspitze befand, wurde, manchmal sogar unter hohem 
Druck, Stickstoff eingeblasen; da kann es nicht wundern, wenn einige 
Male das Gas ins Gefässsystem hineingepresst wurde. Es ist übrigens 
ein merkwürdiger Zufall, dass in allen von Brauer beschriebenen 
Fällen von Luftembolie das Ereignis bei der Nachfüllung mit 
Stickstoff auftrat. Es wäre also auch bei der Inzisionsmethode ein¬ 
getreten; denn selbstverständlich wird der Schnitt nur das erste Mal, 
nicht aber bei allen den späteren Nachfüllungen gemacht. 

Es ist übrigens auch nach Inzision der Thoraxweichteile nicht 
immer möglich, ein sicheres Urteil über den Zustand des Pleuraspaltes 



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3] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


49 


zu erhalten. Brauer und Spengler erwähnen, manchmal folgendes 
erlebt zu haben: Wurde eine normal aussehende Pleura costalis, durch 
die das Auf- und Niedergehen der Lunge deutlich sichtbar war, 
stumpf oder mit dem Messer durchtrennt, so kam es manchmal vor, 
dass die Lunge sich nicht retrahierte infolge von weichen Verwachsungen, 
die man nicht hatte sehen können. Unserer Meinung nach ist die 
Punktionsmethode Forlaninis’(abgesehen von dem später zu be¬ 
sprechenden Einfluss auf die gesunde, resp. weniger kranken Lunge) 
eine ebenso einfache wie gefahrlose Operation, wenn nur die von dem 
italienischen Autor angegebenen Vorsichtsmassregeln in acht ge¬ 
nommen werden. 

Es folgen jetzt im Auszuge die Krankengeschichten der von uns 
behandelten Patienten: 

Fall 1. S. G., 20jähriger Kontorist, zeigt bei der Aufnahme am 8. Mai 1908 
eine Infiltration des linken Unterlappens mit Kavernen. Im Sputum Tuberkelbazillen. 
Über ein Jahr lang geht es dem Patienten unter der klassischen Behandlung sehr 
gut, die Temperatur ist fast immer normal. Mai 1910: unter plötzlicher Tempe¬ 
raturerhöhung entsteht ein grosses Exsudat, das nach kurzer Zeit wieder ver¬ 
schwindet, worauf aber eine abondante Blutung eintrat »(Juli 1910). Die Unstill- 
barkeit der Blutung, die hohe Temperatur und die schnelle Abnahme der Kräfte, 
geben die Indikation zum künstlichen Pneumothorax, der während einer starken 
Blutung angelegt wird (15. VII. 1910). 

Die einzige Kontraindikation war in diesem Falle die Ungewissheit der Lokali¬ 
sation der blutenden Stelle. Mit Rücksicht auf den vorausgegangenen Lungen¬ 
prozess, der ausschliesslich auf der linken Seite gefunden war, meinten wir 
aber wenig Gewicht auf diese Kontraindikation legen zu müssen. 

Der Erfolg war anfangs sehr günstig. Die Blutung hörte sofort auf und 
wiederholte sich nicht. Nach einiger Zeit ging es dem Kranken aber wieder 
schlechter, geringer Appetit, psychische Depression, und Ende November fanden 
sich auf der rechten Seite vereinzelte Rasselgeräusche und verschärftes Atmen im 
2. und 3. Interkostalraum rechts vorn. Der Prozess breitete sich in der Folge 
immer weiter, sowohl rechts als links aus und wir mussten die Stickstoffein¬ 
blasungen wegen der Doppelseitigkeit des Prozesses bald einstellen. Ende März 
Exitus. Die Röntgenbilder, lange Zeit vor dem ersten Einblasen (Mai 1909) auf¬ 
genommen, lassen einen sehr intensiven Schatten über dem ganzen linken Unter¬ 
lappen erkennen; der Oberlappen ist auch ziemlich schattenreich, nur eine Partie 
nahe dem Mediastinum ist etwas heller. Am rechten Hilus einige, ziemlich 
grosse, verkalkte Drüsen, im 2. und 3. rechten Interkostalraum, einzelne linsen¬ 
grosse Flecke und unter dem Schlüsselbein diffuse Verdunklungen. Die während 
der Behandlung hin und wieder aufgenommenen Bilder zeigen, dass infolge der 
Verwachsung der Pleurg pulmon. über einer ziemlich grossen Strecke an der 
Rückseite niemals ein vollständiger Pneumothorax zu machen war, obgleich wir 
den Druck während einiger Zeit auf 30 bis 40 ccm Wasser erhöhten. 

Niemals war es bei diesem Kranken gelungen das Atemgeräusch links 
hinten zum Verschwinden zu bringen. Trotzdem blieb anfangs die Temperatur 
während längerer Zeit normal; auch war entschieden eine Besserung eingetreten 
und hatte die Blutung sofort nach der Operation aufgehört. Eine Röntgenauf- 
Beitrftge rar Klinik der Tnberkuloee. Bd. XXVI. H. 1 . 4 


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Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Schut. 


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nähme, Anfangs Dezember, zeigt im rechten 3. Interkostalraum einen deutlichen 
etwa taubeneigrossen Schatten. 

Fall 2. M. A. Eine 29jährige, sehr nervöse, debile Frau, wurde 1904 ope¬ 
riert und zwar auf Grund von Beschwerden, die bald als Appendizitis, bald als 
Folgen von Wanderniere oder schliesslich^als Gallensteinkoliken aufgefasst wurden. 
Nach der Operation blieben die Anfälle in gleichem Masse bestehen. Nach der 
Aufnahme der Patientin in das Diakouissenhaus in Rotterdam, wurde die Dia¬ 
gnose auf angioneurotischem ödem mit gastrischen Krisen gestellt. Eine Zeitlang 
ging es Pat. ziemlich gut; die Anfälle Hessen an Heftigkeit nach. 

Im Sommer 1909 fing Patientin an zu husten und auszuwerfen, fühlte sich 
immer mehr müde, fieberte und ging zurück; die Untersuchung ergab eine doppel¬ 
seitige Lungenerkrankung. Während einer achtmonatlichen Sanatoriumbehandlung 
besserte sich der linksseitige Prozess; rechts schritt er aber immer weiter und 
führte schliesslich zur Kavernenbildung. Im Auswurf viel Tuberkelbazillen. 

Da der Allgemeinzustand stets zurückging, wurde, seiht auf die Gefahr hin, 
den linksseitigen Prozess wieder zum Aufflackern zu bringen, ein künstlicher 
Pneumothorax angelegt. 

Obgleich während der Behandlung eine doppelseitige Phlegmasia alba dolens 
auftrat, und eine starke seelische Erregung durch den plötzlichen Tod der Mutter der 
Pat. hinzukam, verlief der Prozess ziemlich günstig und 8 Monate nach der ersten 
Punktion ist Patientin erheblich gebessert und noch immer in Besserung be¬ 
griffen. Sie hustet sehr wenig, fast ohne Auswurf, keine Tuberkelbazillen. Die 
linke Lunge zeigte während der Behandlung nichts Abnormes, ausser einer leichten 
Spitzendämpfung; die rechte Lunge ist noch immer komprimiert durch den Stick¬ 
stoff und ein ziemlich grosses klares Exsudat; dies gab bei seiner Entstehung 
Anlass zu einer geringen’ Temperaturerhöhung; Jan. 1911 wurden einmal wegen 
schnellen Ansteigens der Flüssigkeit 800 ccm Flüssigkeit aspiriert und ersetzt 
durch 750 ccm Stickstoff. Patientin kehrte im Mai 1911 nach Hause zurück, 
war nicht mehr bettlägerig und fühlte sich gesund. Im August aber begann sie 
zu fiebern, der linksseitige Prozess wurde aktiv, es kam noch eine Larynxphthise 
und eine Psychose dazu und im Januar 1912 folgte Exitus. 

Fall 3. A. v. R., 17jähriges Mädchen, leidet schon fünf Jahre an einer 
Lungentuberkulose. Der Prozess war im Anfang doppelseitig; die rechte, weniger 
erkrankte Lunge hat starke Tendenz zur Ausheilung. Patientin wurde mehrere 
Monate lang im Sanatorium mit fast ununterbrochener Bettruhe behandelt; trotz¬ 
dem wurde die linksseitige Lungenerkrankung immer ausgebreiteter und intensiver 
und es entwickelte sich eine Kaverne unterhalb des linken Schlüsselbeines. Tem¬ 
peratur mässig erhöht, Bazillen und elastische Fasern im spärlichen Auswurf. 
Puls sehr frequent. Die Progredienz des linksseitigen Prozesses und das 
schlechter werdende Allgemeinbefinden Hess uns, unterotützt noch von Überlegungen 
psychischer Art, die Anlegung eines Pneumothorax als indiziert ansehen; da wir 
den Prozess in der rechten Spitze als latent ansehen konnten, brauchten wir ihn 
nicht für eine Kontraindikation zu halten. 

Im Laufe der Behandlung trat ein voluminöses Exsudat auf, das aber keine 
Punktion erforderte. Bei der Entstehung des Exsudates war die Temperatur 
während einiger Tage erhöht. Der Pneumothorax wurde unterhalten vom 25. VI. 
1910 bis Aug. 1911. Seitdem hat, bis jetzt also seit 15 Monaten, die Patientin 
keinen Stickstoff mehr bekommen; es geht ihr sehr gut, die Temperatur ist bis 
auf leichte prämenstruelle Steigerungen, normal. Patientin arbeitet zu Hause und 



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o] Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 51 

0ber8taud ohne Beschwerden eine Appendektomie. Der sehr spärliche Auswurf 
enthält (Aug. 1912) weder Bazillen noch elastische Fasern, die vorher reich¬ 
lich vorhanden waren. Die rechte Spitze zeigt noch geringe Schallverkürzung. 
Unterhalb der linken Klavikula leichte Dämpfung, über den ganzen linken Oberlappen 
etwas weniger heller Perkussionsschall. Die linke Lunge ist auf der Röntgenphoto¬ 
graphie in toto etwas weniger durchsichtig als die rechte, der Stickstoff ist 
ganz resorbiert. 

Fall 4. V. S., 20jähriger Lagerarbeiter. Vor 1 */* Jahren hatte Patient 
einen Blutsturz. Ende 1909 folgte eine zweite Hämoptoe, die sich jede zweite 
bis vierte Woche wiederholte. Die letzte Blutung hatte er im Januar 1910, zwei 
Tage vor der Aufnahme. Der Allgemeinzustand war gut, Temperatur normal, 
Puls 84. 

Links ist hinten über dem ganzen Unterlappen und über der Spitze leichte 
Dämpfung zu perkutieren; untere Grenze wenig verschieblich; Atemgeräusch ab¬ 
geschwächt, mit zahlreichen feuchten Rhonchi. Links vorn nichts Abnormes. 
Das Röntgenbild zeigt links zahlreiche über die ganze Lunge zerstreute Herde. Die 
rechte Seite scheint frei zu sein. Das Sputum enthält Bazillen. Weil der Aus¬ 
wurf immer sanguinolent blieb und ein neuer Blutsturz befürchtet wurde, wurde am 
14. II. 1911 ein künstlicher Pneumothorax angelegt; jeden zweiten Tag wird 
Stickstoff eingeblasen, bis nach der fünften Einblasung ein vollständiger Pneumo¬ 
thorax zu bestehen scheint. Die Sputa verlieren bald ihre sanguinolente Farbe, 
die Einblasungen werden gut vertragen. Patient fing aber an zu husten, die Sputa 
wurden zahlreicher und es trat leichte Temperaturerhöhung auf. Nach der 
fünften Einblasung hörte man zum ersten Male abnormales Atemgeräusch über 
der rechten Lunge. Der Pneumothorax wird durch regelmässige wöchentliche Ein¬ 
blasungen von 500 ccm Stickstoff unterhalten. 

Trotzdem das Allgemeinbefinden anfänglich ziemlich gut blieb, wurde die 
rechte Lunge immer stärker von der Krankheit befallen. 

18. III. Nach einer Nachfüllung wird es dem Patienten schlecht, der Puls 
wird klein, frequent und weich, die Temperatur steigt bis 38,7. Seit diesem 
Tag ist Patient kurzatmig und beklemmt auf der Brust, der Puls bleibt frequent 
(140), die Temperatur immer 39; in den letzten Tagen zunehmende Zyanose, 
Rhonchi über der ganzen rechten Lunge; links bei dem Pneumothorax ent¬ 
steht ein sero-fibrinöses Exsudat. 20. März Exitus, infolge von miliarer Tuberkel¬ 
aussaat. 

Fall 5. Frl. B., 17jähriges Mädchen, wurde am 18. II. 1909 aufgenommen. 
Allgemeinbefinden ziemlich gut, trotz ständiger Temperaturerhöhung bis 39°; Nacht- 
schweisse. 

Rechts wenig Abnormes, nur vereinzelte Rhonchi über der Spitze. Links 
über dem ganzen Oberlappen Dämpfung und Broncbialatmen, oberhalb und 
unterhalb der Klavikula mit tympanitischem Beiklang und amphorischem Atmen. 

An verschiedenen Stellen klein- und grossblasiges Rasseln. Die Röntgen¬ 
photographie zeigt zwei Kavernen in der linken Spitze. Infiltration des ganzen linken 
Oberlappens, Unterlappen.mässig lufthaltig. Im Auswurf Tuberkelbazillen. 

Da die rechte Seite keine Kontraindikation bietet und auch sonst keine 
Bedenken gegen einen künstlichen Pneumothorax bestehen, wurde zur Anlegung 
eines solchen mit Rüchsicht auf die linksseitige Kavernenbildüng und die hohe Tem¬ 
peratur beschlossen. 

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52 Prof. Hymans van den Bergb, de Josselin de Jong und Schut. [6 

Dez. 1909. Künstlicher Pneumothorax; die ersten Einblasungen sind schmerz¬ 
haft und es gelingt nur mit Mühe 300 ccm einzuffllien. Einmal entstand ein 
ausgebreitetes Hautemphysem. 

Auf der Röntgenplatte zeigte sich ein partieller Pneumothorax. Die Ein¬ 
blasungen wurden in Zwischenräumen von einzelnen Tagen bis zu einer Woche, 
von Dezember bis März wiederholt (32mal). Niemals wurde der Stickstoffbehälter 
geöffnet, bevor der Manometer deutlichen negativen Druck und Atemschwankungen 
zeigte. Trotzdem mehrmals das Gas sehr leicht einfloss, war weder durch physi¬ 
kalische Untersuchung, noch auf der Röntgenphotographie eine Luftblase wahr¬ 
zunehmen. Und die Erklärung? War die Pleura so verdickt, die Gasschicht so 
dünn, dass der Pneumothorax dadurch nicht zum Ausdruck kam? Oder war die 
Nadelspitze in die Lunge gedrungen? Letzteres ist fast ausgeschlossen, da dann 
die ausgiebigen Schwankungen des Manometers unerklärlich wären. Auch der 
gute Erfolg der Therapie spricht dafür, dass die Lunge sicher ruhig gestellt 
wurde, denn als nach 32 Einblasungen die Behandlung eingestellt wurde, befand 
sich die Patientin sehr gut, fieberfrei, und hatte 10 Kilo an Gewicht zugenommen. 
Kurz, nachdem mit den Einblasungen aufgehört worden war, wurde Patientin 
auf ihren Wunsch entlassen. Man wird in diesem Falle vorsichtig sein müssen, 
die guten Resultate der spezifischen Behandlung zuzuschreiben. 

Fall 6. Fr. 0., 24 Jahre, wurde am 18. X. 1909 im Krankenhaus auf¬ 
genommen, nachdem sie zwei Tage vorher eine mächtige Initialhämoptoe gehabt 
hatte. Vor etwa zehn Wochen fing sie nach einer Entbindung an, sich müde zu 
fühlen, mit Schmerzen oberhalb des rechten Schulterblattes. Sie hustete und 
hatte Auswurf, besonders morgens Appetit gut, keine Abmagerung. Das Blut¬ 
spucken dauerte noch eine Woche. Status am 29. X. 1909: Allgemeinzustand 
leidlich, deutliche Abmagerung, Puls frequent, klein und weich, Atmung normal 22, 
Temperatur fortwährend eihöht (38—39). 

Der Thorax dehnt sich gleicbmässig bei der Atmung. Links weder perku¬ 
torisch noch auskultatorisch abnormer Befund. Rechts vorn in der Axilla ver¬ 
einzeltes Rasseln. Perkussion normal, Lungengrenzen normal und beweglich. 
Im Auswurf Tuberkelbazillen. Pat. fiebert fortwährend, gegen 38°. Puls stets 
über 100. Mit Rücksicht auf die anhaltende Blutung, das Fieber und die Er¬ 
fahrung, dass die Tuberkulose im Anschluss an einen Partus oftmals eine infauste 
Prognose bietet, und da es keine Kontraindikationen gab, wurde als Therapie 
künstlicher Pneumothorax gewählt und zwar rechtsseitig; sogleich nach der 
ersten Einblasung, die anstandslos vertragen wird, lässt die Röntgenaufnahme 
einen ausgebreiteten Pneumothorax erkennen. Nach der ersten Nachfüllung wird 
er vollständig, und es lässt sich über der rechten Lunge kein Atemgeräusch mehr 
hören. Die Behandlung wurde anfangs wöchentlich, dann in grösseren Zwischen¬ 
räumen wiederholt und bis Mai 1910 fortgesetzt. Die Einblasungen wurden stets 
gut vertragen; dann wurde Patientin entlassen in der Absicht, weiter poliklinisch 
nachzufüllen. Der Allgemeinzustand war gut, das Gewicht hat 10 Kilo zuge¬ 
nommen. Zu Hause war Patientin arbeitsfähig. Nach einigen poliklinischen Ein¬ 
blasungen hat sie sich der weiteren Behandlung entzogen. Wie wir hörten, ist 
Patientin ungefähr ein Jahr später gestorben. Es war uns nicht möglich, irgend¬ 
welche Einzelheiten betreffs des weiteren Verlaufs der Krankheit zu erfahren. 

Fall 7. Pat. K., 34jähriger Mann. Aufnahme am 18. X. 1909. Er war 
schon ungefähr 10 Monate krank und überstand im Juni d. J. eine starke Hämo¬ 
ptoe, welche zehn Tage dauerte. Mittags immer Fieber bis 38°. 


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Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


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Bei der Aufnahme ist der Allgemeinzustand ziemlich gut, leichte Abmagerung. 
Puls 98, Atmung 16, Temp. bis 38,5. Die rechte Thoraxbftlfte bewegt sich 
deutlich weniger als die linke; rechte Supra- und Infraklavikulargrube einge¬ 
sunken. Über der linken Lunge weder perkutorisch noch auskultatorisch etwas 
Abnormes nachzuweisen. Über der rechten Lunge oberhalb und unterhalb der 
Klavikula abgekürzter Schall und zwar oberhalb mit leicht tympanitischem Bei- 
klang. 

Die Lungen-Lebergrenze ist wenig verschieblich, steht am unteren Rand der 
5. Rippe. Bei der Auskultation über der ganzen rechten Lunge abgeschwächtes 
Atmen und an verschiedenen Stellen Rhonchi, besonders über dem rechten Mittel¬ 
lappen. 

23. X. 1909 wird ein rechtsseitiger Pneumothorax angelegt, der sich nach 
der ersten Nachfüllung bei der physikalischen und Röntgenuntersuchung als voll¬ 
ständig zeigt. Die rechte Lunge steht bei der Atmung annähernd still. 

28. X. Erstmals auch Rhonchi über der linken Lunge und zwar über der 
Klavikula und hinten unten an der Basis.. Nach zwei Monaten, während deren 
der Pneumothorax durch regelmässige Einblasungen unterhalten wird, wurde 
Patient auf Wunsch entlassen. Subjektiv war sein Zustand viel besser, der All¬ 
gemeinzustand ziemlich gut. Die Veränderungen in der linken Lut ge haben aber 
trotzdem etwas zugenommen; in der Spitze vorn und hinten feine krepitierende 
Rhonchi, ebenso in der Axillarlinie. Nach 6 Wochen wird Patient poliklinisch 
mit Einblasungen behandelt. Er fühlt sich subjektiv gut, doch hat er zu Hause 
einmal eine leichte Hämoptoe gehabt. Die Einblasungen werden drei Monate lang 
poliklinisch fortgesetzt, ln dieser Zeit fühlte Patient sich zuerst ziemlich gut. 
Als er sich aber am 13. IV. 1910 wieder zur Nachfüllung meldete, befand er sich 
in erheblich schlechterem Zustand. Die Temperatur war höher (bis 39), Appetit 
sehr verringert; er hustete mehr und hatte viel mehr Auswurf, eine Woche lang 
war das Sputum sanguinolent. Die Untersuchung zeigte ausser dem Pneumo¬ 
thorax ein Exsudat. Über der linken Lunge vereinzeltes Rasseln. Die weitere 
Behandlung wird aufgegeben und Patient starb nach kurzer Zeit. 

Fall 8. Fr. H. v. H., 28 Jahre, aufgenomraen Januar 1910. Vor zwei 
Jahren fing Patientin an zu husten nach einer Entbindung, ab und zu blutiges 
Sputum, einmal Hämoptoe. Seit vier Monaten fiebert Patientin und magert ab. 
Patientin macht bei der Aufnahme einen schwerkranken Eindruck, die Gesichts¬ 
farbe ist zyanotisch, Ernährungszustand schlecht. Der Puls ist frequent (120) 
klein und weich, die Atmung oberflächlich und frequent. 

Die rechte Thoraxhälfte ist eingesunkeu und erheblich in ihrer Bewegung 
beschränkt. 

Links verlängertes Kxspirium und pfeifende Rhonchi über der Spitze und 
unterhalb der Klavikula; hinten bis über der Skapula verlängertes Kxspirium und 
Rhonchi. 

Rechts vorn über der Spitze, der Klavikula und dem ersten Interkostalraum 
Dämpfung. Die Lungen-Lebergrenze steht im 5. Interkostalraum. Unterhalb der 
Klavikula bronchiales Atmen mit mittelblasigen feuchten Rhonchi; nach unten 
wird das Rasseln trocken. Die Herzdämpfung ist nach rechts gerückt. Hinten 
steht die Grenze der rechten Spitze etwas tiefer. Die untere Grenze in Höhe 
des 8. Brustwirbels ist nicht beweglich. Perkutorisch über der ganzen rechten 
Seite hinten leichte Dämpfung. Das Exspirium ist Uber der Spitze verlängert, fast 
amphorisch und über der Skapula stark bronchial. An der Basis abgeschwächtes 


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54 Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Sehnt. [8 

Atmen. Über den ganzen Oberlappen Rhonchi. Der Auswurf enthält massenhaft 
Tnberke 1 b&zille n. 

Patientin fiebert fortwährend bis 39, ist immer zyanotisch und kurzatmig. 

Am 7. II. 1911 wird ein künstlicher Pneumothorax angelegt; es wird täglich 
Stickstoff eingeblasen; nach der zweiten Nachfüllung ist die Kompression voll¬ 
ständig. Auf dem Röntgenbild siebt man die Lunge am Hilus komprimiert. Der 
Pneumothorax wird durch wöchentliche Nacbfüllung während 2'/* Monat unter¬ 
halten. Die Patientin fühlt sich subjektiv etwas besser, die Temperatur ist 
weniger erhöht (88), Husten und Auswurf nicht besser, das Gewicht hat ab¬ 
genommen. Die lokalen Symptome haben sich nicht verbreitet. Patientin wurde 
auf Wunsch- entlassen. Später wurde Patientin noch zweimal poliklinisch be¬ 
handelt. Sie ging dabei zu Hause fortwährend in ihrem Zustande zurück; es 
entwickelt sich neben dem Pneumothorax ein pleuritisches Exsudat. Die Ab¬ 
weichungen über der linken Lunge breiten sich aus, es kommt eine Larynxtuber- 
kulose dazu und Patientin erlag ihrem Leiden fünf Monate nach ihrer Entlassung 
aus dem Krankenhaus. 

Fall 9. S. V., 89jähriger Bleiarbeiter, wurde am 22. IX. 1909 aufgenommen. 
Ende 1908 fing Patient an zu husten, seit März 1909 ab und zu blutige Sputa, 
Fieber, Abmagerung, Appetit ziemlich gut, keine Nachtschweisse. Im Juni 1909 
Hämoptoö. 

Bei seinem ersten Eintritt (1909) in das Krankenhaus waren Veränderungen 
nur in der linken Spitze und unter der linken Klavikula gefunden. Bei der 
zweiten Aufnahme im November war der Allgemeinzustand leidlich gut, die 
Temperatur mässig erhöht. Hinten über der Spitze der rechten Lunge nur ver¬ 
einzelte feine Rhonchi. Die linke Lunge zeigt eine ausgedehnte Erkrankung. 
Vorne oberhalb und unterhalb der Klavikula ist der Schall gedämpft; oberhalb 
der Klavikula abgeschwächtes Atmen, weiter nach unten wird es bronchial. In 
der linken Supra- und Infraklavikulargrube grossblasiges feuchtes Rasseln. 

Der linke Oberlappen ist hinten gedämpft, mit abgeschwächtem Atmen und 
feinem Rasseln; auch über dem Unterlappen hört man sehr viele Rhonchi. 
Röntgenographisch zeigt sich die ganze Lunge beschattet, in der Spitze zwei 
kleine dunkle Aussparungen, wahrscheinlich Kavernen. Im Auswurf finden sich 
sehr viele Tuberkelbazillen. 

Weil Patient vom März (damals war nur die linke Spitze leicht krank) bis 
November stark heruntergekommen war und fortwährend fieberte, wir eine Wieder¬ 
holung der Hämoptoe fürchteten und die linke Spitze zur Kavernenbildung neigte, 
meinten wir, dass der künstliche Pneumothorax indiziert sei. Bei der ersten 
Einblasung fliessen ohne Mühe 1000 ccm ein, ohne dass man auf irgend eine 
Weise eine Luftblase nachweisen kann. Dass die Nadelspitze ohne Zweifel in 
die Pleurahöhle gedrungen war, zeigten uns die respiratorischen Manometer¬ 
schwankungen. Auch die Nachfüllungen hatten dasselbe negative Ergebnis. 
Sollten wir annehmen, dass in jenem Falle der Stickstoff während der Einblasung 
durch die Lunge entwich? Ist es möglich, dass ein Gasquantum von 1000 ccm 
auf keine Weise im Thorax zu entdecken ist? 

Der Auswurf wurde blutig, der Allgemeinzustand verschlimmerte sich. Ende 
Februar 1910 klagt Pat. Uber Kopfschmerzen und Benommenheit, er war verwirrt 
und erbrach. Temperatur bis 39°. Es entwickelte sich eine tuberkulöse Menin¬ 
gitis, der Pat. anfangs März erlag. 



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0 ] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


55 


Fall 10. v. H., 81jährige schwache, anämische Frau, bei der Aufnahme 
am 3. X. 1909 schon einige Monate kränkelnd, mit Schmerzen auf der Brust, 
Husten und dann und wann blutigem Auswurf. Temperatur 89—39,5. Stühle oft 
sehr dünn; Nachtschweisse. Über der linken Lunge Rhonchi. Rechte Seite 
schleppt nach, Lungen-Lebergrenze in der Höhe der 6. Rippe wenig beweglich. 
Rechter Oberlappen gedämpft, mit tympanitischem Beiklang, abgeschwächtem 
bronchialem Atmen, klein- und grossblasigem Rasseln; über dem rechten Mittel¬ 
lappen fast überall Tympanie mit viel Rhonchi. Keine deutlichen Kavernensym¬ 
ptome. Über dem rechten Unterlappen überall abgeschwächtes Atmen mit bron- 
chitischem Geräusche; die ganze rechte Rückseite leicht gedämpft. 

Während der ersten Woche nach der Aufnahme ging es der Pat. sehr schlecht, 
die Temperatur war hektisch, täglich bis 39,5. Puls 100 und mehr; viel Auswurf, 
in dem Tuberkelbazillen nachweisbar waren. 

Es wurde deshalb ein rechtsseitiger Pneumothorax angelegt. Bei der ersten 
Einblasung 600 ccm Stickstoff; die Lungen-Lebergrenze ist dann 5 cm nach abwärts 
gerückt und über der rechten Lunge findet man die Symptome eines Pneumo¬ 
thorax. Auch dp Röntgenbild zeigt deutlich einen teilweisen Pneumothorax. Die 
Einblasungen wurden erst regelmässig jeden 2.—3. Tag, später mit Pausen von 
einer Woche wiecerholt, wobei bis 500 ccm Stickstoff eingehracht werden. Trotz¬ 
dem gelingt es nicht, einen totalen Pneumothorax zu erzielen; der rechte Ober¬ 
lappen bleibt auf dem Röntgenbilde immer stark beschattet. Die Lunge legt sich 
als ein in dem Thorax ausgedehnter Schatten der Wirbelsäule entlang. Die Nach¬ 
füllungen werden bis 24. II. 1909 wiederholt. 

Während dieser Zeit fühlte die Pat. sich gut, obwohl objektiv keine günstige 
Einwirkung auf den Allgemeinzustand zu sehen war. Die Temperatur blieb er¬ 
höht (39,6—39,9), Puls ca. 180; viel Auswurf, Gewichtsabnahme, die anfänglich 
negative Diazoreaktion wurde positiv. Der Frozess in der linken Lunge breitete 
sich aus, in der linken Seite mehrere Rhonchi. Nach der letzten Einblasung am 
24. XI ging Pat. schnell zurück. Am 16. XII. 1909 Exitus letalis. 

Fall 11. Frl. H., 23 Jahre. Aufgenommen im September 1909, leidet schon 
längere Zeit an rezidivierenden Durchfällen. Die Ileozökalgegend ist auf getrieben 
und schmerzhaft, es besteht Hüsten und Auswurf mit Tuberkelbazillen und hohe 
Temperatur (bis 39). Von September 1909 bis Februar 1910 wird der Zustand 
fortwährend schlechter. Pat. erbricht öfters, die Durchfälle werden schlimmer, 
die Temperatur ist immer erhöht. Über der rechten Lunge einzelne Rhonchi; 
oberhalb der Klavikula und r. h. o. mit verschärftem Atmen. Über der linken 
Lunge gedämpfter Schall von oben bis unten, am stärksten über der Mitte der 
Skapula. Oberhalb und unterhalb der linken Klavikula tympanitischer Schall. 
Die Röntgenphotographie zeigt dort eine Kaverne. Nach einigen Tagen schein¬ 
baren Fortschrittes, während die Diarrhöen anhielten, verschlimmerte sich der 
Zustand wieder. Pat. hustet viel, erbricht mehrmals am Tage und hat 6-8mal 
innerhalb 24 Stunden Diarrhöen. Die Temperatur ist stets erhöht bis 39°. 

Obgleich die Krankheit der rechten Lunge und die Durchfälle eine Kontra- 
indikation bildeten und wir deswegen den künstlichen Pneumothorax schon 
mehrere Male aufgegeben hatten, wurde schliesslich auf Drängen von Pat. und 
Familie doch zur Stickstoffeinblasung geschritten. Wir waren hierbei von der 
Hoffnung geleitet, dass eine Heilung des Lungenprozesses auch eine Heilung der 
Darmtuberkulose zur Folge haben würde, so wie man gelegentlich tuberkulöse Ge¬ 
schwüre in der Blase verschwinden sieht, wenn eine kranke Niere herausgenommen 


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Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Schut. 


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ist. Unmittelbar nach der ersten Behandlung, die anstandslos vertragen wird, 
verringert sich der Husten und das Erbrechen hört ganz auf; auch die Tem¬ 
peratur wird etwas niedriger. Nach der fünften NachfUllung verschlimmert sich 
der Zustand schnell; Pat. bekommt heftige Anfälle von Benommenheit, bei sehr 
grosser Pulszahl. Die Anfälle werden stets stärker und länger. Nach 14 Tagen 
Exitus letalis. 

Fall 12. Pat. V., 29jährige Frau, leidet im Anschluss an eine Influenza 
an einer schnell fortschreitenden Tuberkulose der linken Lunge mit Kaverne unter¬ 
halb der Klavikula, die sich sowohl durch die physikalische wie durch die Röntgen¬ 
untersuchung nachweisen lässt. Es besteht bei der Aufnahme sehr hohes Fieber, 
absolute Anorexie, Erbrechen und heftige Hustenanfälle, die fortwährend die 
Nachtruhe stören. Der Zustand wird unerträglich und wegen der schnellen Pro¬ 
gredienz des linksseitigen Prozesses wird trotz vereinzelter Rhonchi über dem 
rechten Oberlappen zum künstlichen Pneumothorax geschritten. Nach den Ein¬ 
blasungen entwickelt sich auch rechts eine ausgedehnte Erkrankung, die später 
momentan etwas zurückgeht und dann wieder aufflackert. Dennoch bessert sich 
der Allgemeinzustand für längere Zeit und Pat. ist noch ungefähr sechs Monate 
fieberfrei. Später entwickelt sich bei dieser Pat. rechts ein Exsudat, das unter 
heftigem Husten in die linke Lunge durchbricht. Die Temperatur steigt schnell 
und unter den* Symptomen des Pyo-Pneumothorax starb Pat. neun Monate nach 
der ersten Einblasung. 

Fall 13. Frau L., 88 Jahre, bleich, zyanotisch. Pat. ist bei der Aufnahme 
(Oktober 1908) schon mehrere Monate bettlägerig mit erhöhter Temperatur, Husten 
und Auswurf; ausgedehnte Erkrankung der linken Lunge. Im linken Ober¬ 
lappen eine Kaverne, links unten starkes Infiltrat mit Exsudat oder verdickter 
Pleura. Rechte Spitze infiltriert; die Rhonchi rechts vorn und hinten oben machen 
den Eindruck, fortgeleitet zu sein. Die Temperatur ist fortwährend erhöht, das 
Gewicht geht schnell abwärts. Pat. wird Tag und Nacht von ununterbrochenem 
Husten, Knacken und Rasseln gequält, der Auswurf riecht sehr übel, öfters Er¬ 
brechen, Schmerzen in der linken Seite und in der Larynx. Als durch eine 
strenge Kur von einigen Monaten im Sanatorium gar keine Besserung erzielt war 
und die Prognose wohl absolut infaust gestellt werden musste, meinten wir, dass 
die Pneumothoraxbehandlung indiziert war, trotz der rechtsseitigen Rhonchi und 
der voraussichtlichen Schwierigkeiten infolge von Adhäsionen und Schwarten. 
Ungefähr 5 Monate nach der ersten Einblasung war Pat. fieberfrei, die tägliche 
Sputummenge von 200 bis auf 5 ccm zurückgegangen, keine Tuberkelbazillen im 
Auswurf; Schlaf und Appetit gut. 

Während dieser ersten Monate wurde der Prozess der rechten Seite ab und 
zu aktiv unter Anstieg der Temperatur und vermehrtem Auswurf. 

Fünfzehn Monate nach der ersten Einblasung war Pat. soweit gebessert, 
dass sie täglich einige Stunden aufstehen konnte und mehrere Wochen in der 
Familie verbringen durfte. Die letzte Einblasung wurde gemacht im Nov. 1910. 
Von Dez. 1910 bis März 1911 trat wieder Fieber auf mit rechtsseitigen Rhonchi, 
dann wurde im April die Temperatur wieder normal, und Pat. ging wieder nach 
Hause. Im Laufe des Sommers breitete der Prozess sich rechts weiter aus und 
der Exitus erfolgte im Okt. 1911. 

Ein Rückblick auf diese Krankengeschichten ergibt, dass die von 
uns erreichten Resultate viel weniger gut waren, als sie von den 



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11J Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 57 

meisten Autoren erhalten wurden. Die kasuistischen und statistischen 
Arbeiten von Saugmann, Forlanini, Brauer, Spengler, 
Well mann u. a. enthalten immer einen viel grösseren Prozentsatz 
von Heilungen und erheblichen Besserungen als wir zu finden ver¬ 
mochten. Wir sind nicht in der Lage, die Ursache hiervon nachzu¬ 
weisen; technische Fehler meinen wir mit Bestimmtheit ausschliessen 
zu können, indem wir uns genau an den Ausführungen Fori anini’s 
gehalten haben; ausserdem dürfen unserer Meinung nach die un¬ 
günstigen Symptome, die bei einigen Patienten auftraten, unmöglich 
als die Folge technischer Fehler angesehen werden. 

Ziemlich häufig, nämlich in sieben von unseren Fällen, hat sich 
ein pleuritisches Exsudat entwickelt. Auch Spengler sah dies Er¬ 
eignis unter 40 Fällen 26mal. Von der Ätiologie dieser Exsudate 
ist uns noch nichts bekannt. In den von uns bakteriologisch unter¬ 
suchten Fällen konnten wir keine Mikroorganismen nachweisen. Auf 
Tuberkelbazillen wurde jedoch nicht untersucht. F o r 1 a n i n i ’ s Meinung, 
es handle sich um ein spezifisches Exsudat, halten wir nicht für sehr 
wahrscheinlich. Es erscheint uns wichtig zu erforschen, ob vielleicht 
Verunreinigungen des (käuflichen) Stickstoffes eine chemische Reizung 
der Pleura hervorrufen, und so zur Entwickelung des Exsudats Ver¬ 
anlassung geben können. 

Spenglers Meinung, es sei die Exsudatbildung ein günstiges 
Ereignis (auch Forlanini äussert sich ähnlicher weise), können 
wir nicht teilen. Jedenfalls müssen die Patienten, bei denen diese 
Komplikation auftritt, ausserordentlich genau beobachtet werden; 
unsere Erfahrung, die sich auf den Durchbruch des Exsudats in die 
Lunge in einigen Fällen bezieht, nötigt dazu, schneller zur Ent¬ 
leerung des Exsudats zu schreiten, als es andere Autoren bis jetzt 
empfohlen haben, und auch schneller als wir selbst anfangs für er¬ 
wünscht hielten. 

Von grosser Wichtigkeit scheint unsere Erfahrung, dass in 
unseren ungünstig verlaufenden Fällen die Verbreitung der Krank¬ 
heit über die nicht behandelte Seite, die Ursache des üblen Ansganges 
wurde. 

In zwei Fällen konnten wir dieses durch die Sektion bestätigen. 
Es scheint uns unsere Beobachtung wichtig genug, um sie etwas aus¬ 
führlicher mitzuteilen. 

Fall 10 (Seite 9). Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 

Vor der Eröffnung des Thorax wurde die Tracheotomie gemacht, 
die Trachea mit einem Kork verschlossen und fest abgebunden, um 
das Entweichen der Luft aus den Lungen und ihren Kollaps zu ver¬ 
hüten. 


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Prof. Hymans van den Bergb, de Josaelin de Jong und Schut. [12 

Thorax. Nach Entfernung des Sternums zeigt-sich das Herz 
in toto nach links verzogen. 

Die rechte Thoraxhälfte wird nur teilweise durch die rechte 
Lunge eingenommen. Die rechte Pleurahöhle enthält Luft und 670 ccm 
grünlich-gelbe sero-fibrinöse, trübe Flüssigkeit, während die Pleura 
diaphragmatica und mediastinalis mit Fibrin belegt ist, speziell auf 
dem Zwerchfell dickflockig. Die Lunge ist nach der Mitte, oben und 
hinten verdrängt. Der Unterlappen ragt wie eine Prominenz in die 
Pleura hervor. Von der unteren Vorderseite dieser Prominenz zieht 
ein 2 cm breiter, 3 cm langer bandförmiger Strang nach vorn und 
unten, zur Exkavation zwischen Zwerchfell und Mediastinum. Zwei 
dünne Stränge gehen von der medianen Vorderfläche zur Pleura 
mediastinalis; ein 12 cm langer Strang verläuft von der Mitte der 
Vorderfläche nach oben und vorn, zur zweiten Rippe. 

Die Spitze und hintere Fläche der Lunge sind fest mit der Pleura 
costalis verwachsen, die Spitzenadhäsion bildet eine Klappe und trennt 
die kranielle Pleurahöhle von der mehr laterokaudal gelegenen Partie. 
Der kranielle Teil der Pleurahöhle enthält Luft und trübe Flüssigkeit 
und dehnt sich oberhalb der Thoraxapertur bis hinter die Trachea 
aus. Von der Pleurahöhle aus kann man einen Blick in diese separate 
Höhle werfen durch eine Öffnung, welche durch oben genannte Klappe 
und eine zweite am Mediastinum inserierende Falte gebildet wurde; 
in diesem Kavum befindet sich noch ein Strang. Rechte Lunge 
liegt zwischen beiden Teilen der Pleurahöhle. Die Spitze ist ungefähr 
eine Hand breit unterhalb der Pleurakuppe mit der Thoraxwand ver¬ 
wachsen, auch die hintere Fläche der rechten Lunge ist fest ange¬ 
wachsen. 

Die ganze Lunge ist stark verunstaltet, beim Betasten starr und 
schwer, beim Durchschneiden fest; die Farbe dunkel grau, mit rotem 
Glanz wie bei Atelektase. 

Die ältesten Veränderungen sind in der Spitze zu sehen; viele 
Kavernen und tuberkulöse Abszesse; in dem Mittel- und Unterlappen 
eine grosse Zahl disseminierter tuberkulöser Herde, der grösste mit 
beginnender Vereiterung. 

In der rechten Lunge kein lufthaltiges Gewebe; jedes Stückchen 
sinkt in Wasser. In dem hinteren Strang eine kleine, glattwandige 
Zyste. Gewicht der rechten Lunge 750 g (s. Tafel I). 

Linke Thoraxh älfte. Die linke Lunge, sowie das Mediasti¬ 
num sind nach links gezogen; die Spitze zeigt eine laterale Adhäsion. 
Aus den grossen Bronchien tritt Mucopus hervor. 

Die linke Lunge ist im allgemeinen lufthaltig und in der Spitze 
findet sich unter der Pleura pulmonalis, der Adhäsion entsprechend, 



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13] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


59 


eine weisse feste Substanz. In der Mitte des Oberlappens an der 
Vorderseite eine scharf begrenzte, blasse, feste Partie; unter der 
Pleura eine grosse Zahl grauweisser Körnchen; die Pleura ist dort 
glanzlos, im übrigen glänzend. Keine subpleurale Blutung. 

Der Oberlappen ist gut lufthaltig, ein wenig ödematös. 

Im zentralen vorderen Teil des Obterlappens peribronchiale ver¬ 
käste Tuberkelchen, gruppenweise nebeneinander gelagert; an dem 
Vorderrand, der festen Partie entsprechend, ein pneumonischer, 
scharf begrenzter, grauweisser Herd. Das Gewebe sieht wie verkäst 
aus. In dem hinteren Teile zahlreiche peribronchiale Tuberkelchen, 
hauptsächlich im Zentrum. Das dazwischen liegende Lungengewebe 
ist lufthaltig. Die Lunge ist im ganzen gut lufthaltig, nicht vergrössert. 
Gewicht 620 g. 

Das Herz ist ziemlich schlaff und stark nach links verzogen. 
In den beiden Herzkammern geronnenes Blut. Die Herzmuskel mässig 
entwickelt, blassrot. Gewicht 330 g. 

Bauchhöhle. Während Milz, Leber und Nieren makroskopisch 
nichts Besonderes zeigen, es sei denn, dass sie etwas vergrössert sind 
und die Leber Stauungserscheinungen bietet, findet man bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung in Milz und Leber sehr viele, zum Teil ver¬ 
käsende miliare Tuberkelchen. 

Mikroskopische Untersuchung der Lunge. 

1. Rechte Lunge. Ein Stückchen des Oberlappens, von der 
Grenze der kleinen Kaverne. 

Das normale Lungengewebe ist fast ganz verschwunden und von 
starker Bindegewebswucherung mit grossen Käseherden eingenommen; 
einzelne Reste von Bronchien nebst kleinen Häufchen von Inhalations¬ 
pigment deuten noch auf Lungenstruktur. Die kleinen Blutgefässe 
sind dilatiert. Zerstreute grosse Lymphozyten-Anhäufungen, kein luft¬ 
haltiges Gewebe mehr zu finden. 

2. Stückchen aus dem Unterlappen (mittlere Partie); ausgedehnte 
Bindegewebsbildung mit Anhäufung von Lympozyten, Inhalationspig¬ 
ment und noch deutlich zu erkennende Bronchiolen. Zahlreiche junge 
Tuberkel mit oder ohne Riesenzellen liegen gruppenweise* nebenein¬ 
ander, einzelne zeigen zentrale Verkäsung. Die kleineren Blutgefässe 
und besonders die kleineren Venen und Kapillaren sind überfüllt. Hie 
und da erkennt man noch einige flache, sehr wenig Luft enthaltende 
Alveolen, auf deren Wände angeschwollene Alveolarepithelien kleben; 
in den Lumina und in den Wänden sind viele Lymphozyten. Einzelne 
grosse Käseherde; einige der grösseren Arterien sind sehr blutreich. 


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00 Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Schut. [14 

3. Kleine Zyste aus dem Strang der Hinterseite. Die 
Wand wird von äusserst blutreichem Bindegewebe gebildet. Nahe 
dem Lumen ist die Wand bekleidet mit einem Protoplasmasaum, reich 
an gruppenweise nebeneinander liegenden Kernen. Die Grenzen der 
Zellen sind nicht zu unterscheiden, der Saum ist flach. Keine tuber¬ 
kulöse Veränderungen. 

Linke Lunge. 1. W T eisser pneumonischer Herd aus der 
Vorderseite des Oberlappens. Diffuse käsige Pneumonie; keine Riesen¬ 
zellen, keine Tuberkel. Die Alveolenstruktur ist nur teilweise sicht¬ 
bar ; der grössere Teil wird von einer käsigen Masse gebildet, in der 
viele kleine Blutgefässe und Bronchien noch erkennbar sind; das 
Lungengewebe ist aber fast ganz verschwunden. 

Man findet das typische Bild der Pneumonia caseosa. Gegen das 
lufthaltige Gewebe ist der Herd scharf abgegrenzt, das umgebende 
Gewebe ist leicht ödematös; an der Grenze einzelne Emphysem¬ 
bläschen. 

2. Gesundes lufthaltiges Gewebe aus der Peripherie des 
Oberlappens zeigt ein wenig Ödem; die lufthaltenden Lungenbläschen 
sind von normaler Form, nur sehr ausgedehnt, die Bronchien zeigen 
keine Abweichungen. In den am stärksten dilatierten Alveolengruppen 
sind die Septa sehr klein und niedrig (zirkumskriptes Emphysem). In 
dieser Lungenpartie werden keine Tuberkel gefunden. 

3. Tuberkulöse Herdchen. Im lufthaltigen, teilweise öde- 
matösen Gewebe, aus der Umgebung der Bronchjen findet man Kon¬ 
glomerate verkäsender Tuberkel. Deutlich kann man beobachten, dass 
die kleinen Bronchien durch die verkäsende Tuberkulose zerstört sind, 
ein Teil der Muskel wand ist noch erhalten, statt des Lumens findet 
man käsige Bindegewebsmassen. Die tuberkulösen Herde dringen 
tiefer oder weniger tief in die Umgebung ein und sind von einem 
Saum infiltrierten Lungengewebes umgeben. * Etwas weiter sieht man 
lufthaltiges, sehr blutreiches Lungengewebe; kein Emphysem. Die 
Alveolenwände sind durch Leukozyten verdickt. 

4. Zentraler Teil des Oberlappens. Sehr ödematös und 
blutreich, wenig lufthaltig, keine Tuberkel. Die lufthaltigen Partien 
zeigen kleine, spaltförmige, in einer Richtung liegende Alveolen. Ziem¬ 
lich viel Inhalationspigment, hauptsächlich um den Blutgefässen. 

5. Tuberkelchen in einer zentralen Partie (Unter¬ 
lappen). In lufthaltigem Gewebe kleine, gruppenweise angeordnete 
Tuberkelchen mit verkästem Zentrum, gegen das lufthaltige Gewebe 
hin durch ziemlich viel grosszeiliges Bindegewebe abgegrenzt. Die 
Alveolenwände sind verbreitet durch Hyperämie, Ödem und zelliges 



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15] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


61 


Infiltrat. Ks handelt sich um eine interstitielle lymphogene Tuber¬ 
kulose. 

6. Gesund aussehendes Gewebe des linken Unter¬ 
lappens. Im allgemeinen ist dieser Teil lufthaltig (einzelne zer¬ 
streute Tuberkel mit verkästem Zentrum und infiltrierter Umgebung). 
Die Alveolen sind teilweise dilatiert, teilweise normal, ihre Wände 
blutreich. 

Epikrise. Die 31jährige Frau wurde am 3. X. 1909 aufge¬ 
nommen mit einem ausgebreiteten tuberkulösen Prozess der rechten 
Lunge; in der linken Lunge fast gar nichts Abnormales. Zwei Monate 
bestand der Pneumothorax, der den Verlauf der Krankheit günstig 
beeinflusst hat. Die rechte Lunge war durch den Pneumothorax so¬ 
zusagen völlig immobilisiert, nur zwei starke Stränge haben die 
Lunge am totalen Kollaps gehindert, trotzdem war das Volumen der 
Lunge auf ein Minimum reduziert, das Organ war völlig luftleer. 
Alle Bedingungen zur Ausheilung, so weit diese von dem Pneumo¬ 
thorax abhängig sind, waren also erfüllt. 

In dieser Lunge wurde vielfach Neubildung von Bindegewebe 
gefunden und man könnte geneigt sein, diese als Heilungstendenz 
(Sklerose) anzusprechen; die zahlreichen jungen Tuberkel mit und 
ohne Riesenzellen, gruppenweise beieinander liegend, deuten aber 
darauf hin, dass der Prozess nicht zur Ruhe gekommen ist. Im Gegen¬ 
teil, diese frischen Veränderungen zeigen uns, dass der tuberkulöse 
Prozess sich fortwährend weiter ausgebreitet hat. Auch die Kavernen 
zeigen gar keine Heilungstendenz. 

Von grosser Wichtigkeit ist das Bild der linken Lunge; erstens 
war dort ein zirkumskripter, verkäsender Herd, und zweitens fand 
man überall in dem lufthaltigen Gewebe zahlreiche Tuberkelchen. 
Durch den Pneumothorax ist der tuberkulöse Prozess in der rechten 
Lunge also nicht zum Stillstand gebracht worden, und ausserdem 
hat er sich in kurzer Zeit über die ganze linke Lunge verbreitet. 

Die Aussicht, dass in diesem ungünstigen Falle ein guter Erfolg 
erzielt werden könnte, war von vornherein zwar sehr gering, und es 
wäre gewiss voreilig, nach diesem einen Fall ein Urteil auszusprechen, 
wohl aber zeigt er, dass man die der gesunden Lunge drohenden 
Gefahren nicht zu leicht nehmen darf und dass der anderseitige 
Pneumothorax sie hier sicherlich nicht verringert hat. 

Fall 4. Bei der Sektion 24 Stunden post mortem zeigt sich 
die linke Brusthälfte weniger gewölbt als die rechte. Das rechte 
Bein ist sehr ödematös. Beim Öffnen der Bauchhöhle entfliesst viel 


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62 Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong and Schut. [16 

helle, gelbe Flüssigkeit. Die Leber ist blutreich und zeigt Muskat¬ 
nusszeichnung. Gewicht 1550 g. Im Coekum und Kolon einige tuber¬ 
kulöse Geschwüre. 

Thorax. Herz und Mediastinum stark nach rechts verzogen. 
Das Bindegewebe des äusseren Perikards zeigt erweiterte Blutgefässe. 
Linke Thoraxhälfte: beim Öffnen entweicht eine grosse Menge 
Luft, die Pleurahöhle enthält 2 7a 1 schaumige Flüssigkeit, die kolla¬ 
bierte Lunge und die ganze Pleurafläche sind mit Fibrin bedeckt. 
Die linke Lunge liegt gegen das Mediastinum hin und schwebt in 
der Flüssigkeit; nach ihrer Beseitigung sinkt die Lunge zurück. 

Eine breite, weiche fibrinöse Adhäsion zieht vom vorderen 
unteren Rand der Lunge zum Recessus costo-diaphragmaticus, ausser¬ 
dem ist die Lunge an der hinteren Fläche in der Paravertebrallinie 
mit der Brustwand durch kurze feste, schnurförmige kleinfingerdicke 
Adhäsionen verbunden. Die obere Grenze der Lunge liegt auf der 
Höhe der oberen Herzgrenze und macht den Eindruck eines mit dem 
Herzen verwachsenen Organes. Die Lunge ist klein, entstellt und 
fühlt sich wie Leder an. Die grossen Bronchien verengern sich schon 
in der Nähe ihres Ursprunges. Die Schnittfläche ist grau wie bei 
Atelektase. Die Lunge sinkt in toto im Wasser und in dem grauen, 
rötlich schimmernden Gewebe befindet sich eine walnussgrosse Kaverne 
mit Käse und Eiter gefüllt. Die Lumina der Bronchien und Gefässe 
trennen sich scharf vom atelektatischen Lungengewebe, und man sieht 
deutlich eine grosse Zahl gruppenweise beieinander liegender fester, 
bis erbsengrosser Käseherdchen und weitere kleine Gruppen ver¬ 
käsender Tuberkel. Die linke Lunge macht den Eindruck, als ob 
inmitten von lufthaltigem Gewebe ziemlich viel tuberkulöse Herdchen 
enthalten wären, die jetzt durch Kompression atelektatisch geworden 
sind. Die Käseherde liegen also in luftleerem, aber nicht in sklero- 
siertem oder infiltriertem Lungengewebe. Kleine Stückchen sinken 
im Wasser. Die Lunge wiegt 420 g. 

Herz. Im Perikard befindet sich ein wenig klare Flüssig¬ 
keit; der Glanz des Perikards ist normal; das Herz schlaff. Der 
rechte Vorhof ist dilatiert, die rechte Kammer etwas weniger. Die 
linke Kammer klein. Gewicht 310 g. 

Rechte Thoraxhälfte. Die rechte Lunge fällt fast gar 
nicht zusammen, ist nicht adhärent und von normalem Aussehen. 
Der Pleuraglanz ist normal, die Lunge gross und gut lufthaltig. In 
der Spitze ein kleiner fester Herd. Mittel- und Unterlappen sind 
in der Axillarlinie ein wenig unterhalb der Spitzen miteinander ver¬ 
wachsen. 



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17] Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. (?> 

Diese Verwachsung entspricht einem festen Herde mit radiär 
gestreifter Umgebung und leicht eingesunkener Oberfläche. Die 
vordere untere Partie des Unterlappens ist stark emphysematos, ebenso 
wie die ganze untere Fläche; auch in der Spitze ist ein Teil emphyse¬ 
matos. 

Der Oberlappen ist gut lufthaltig, der obere Teil sehr blutreich 
und zeigt in dem lufthaltigen Gewebe eine grosse Zahl von Tuberkeln. 

In dem lufthaltigen Mittellappen ist eine ganz enorme Zahl 
kleinster, frischer Tuberkel. Unterhalb der Spitze, entsprechend der 
festen, obengenannten Stelle, zwei kommunizierende kugelgrosse 
Kavernen, die Umgebung über einer Breite von V« cm grau, fest, 
radiär geordnet; auch in dem übrigen lufthaltigen, blutreichen Ge¬ 
webe des Unterlappens eine Aussat von kleinen Tuberkeln. Gewicht 
der rechten Lunge 810 g. 

Unmittelbar nach dem Tode wurde dem linken. Pleuraraum ein 
wenig Flüssigkeit entnommen. Spez. Gew. 1018. Eiweissgehalt 20°/oo. 
Auf Bouillon und Aszitesagar kein Wachstum. Der Eiter aus den 
Kavernen der linken Lunge enthält enorm viel Tuberkelbazillen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose. 

Tuberculosis .pulmonis sinistri; Atelectasis* pulmonis sinistri, 
Kaverne, Pneumothorax sinister et Pleuritis serofibrinosa sinistra; 
Emphysema et tuberculosis miliaris recens pulmonis dextri; Ascites; 
Ulcera tuberculosa coli. 

Zahlreiche Stückchen von beiden Lungen werden zur mikro¬ 
skopischen Untersuchung ausgeschnitten. 

Rechte Lunge. Oberlappen. Im lufthaltigen, blutreichen 
Gewebe, zahlreiche frische, grösstenteils aus epitheioiden Zellen ge¬ 
bildete Tuberkel, teilweise zentral verkäst, mehrere zeigen eine oder 
zwei Riesenzellen. Die Tuberkel befinden sich in den Wänden der 
kleinsten Bronchien oder zerstreut im Lungengewebe. 

Hie und da kleine Alveolengruppen, mit abgestossenen Alveolar- 
epithelien und Leukozyten, an anderer Stelle auch Flüssigkeit und 
rote Blutkörperchen enthaltend. 

Mittellappen. Im lufthaltigen Gewebe ziemlich grosse Tuberkel 
mit zentraler Verkäsung, auch kleinere Tuberkel, von denen ver¬ 
schiedene konfluieren, viele enthalten eine oder zwei Riesenzellen; 
mehrere sind noch in einem sehr jungen Stadium und zeigen epi- 
theloide Bindegewebszellen ohne Verkäsung. 

Rechter Unter lappen. Zahlreiche kleine Tuberkelchen 

liegen zerstreut in lufthaltigem blutreichem Gewebe, die meisten sind 


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64 Prof. Hymans van den Bergh, de Josaelin de Jong and Schut. [18 

in Verkäsung begriffen, und wo sie konfluierten, findet man ein 
grösseres verkästes Zentrum; fast jedes Herdchen enthält Riesen¬ 
zellen. Die kleinsten Tuberkelchen, welche sich isoliert zwischen luft¬ 
haltigen Alveolen befinden, bestehen aus epithelioiden Bindegewebs¬ 
zellen, und einzelne zeigen eine beginnende Verkäsung. 

Das Lungengewebe ist sehr blutreich und zeigt ausser der Tuberkel¬ 
aussaat keine Entzündungszeichen, keine roten Blutkörperchen in den 
Alveolen. 

Linke Lunge. Stückchen aus der Oberfläche. Die 
Pleura ist stark verdickt durch Infiltration, fibrinösen Beschlag, 
knotenförmig erhabene Bindegewebstuberkel und viel neugebildetes, 
grosszelliges Bindegewebe. Die Tuberkel und das neugebildete Binde¬ 
gewebe sind überlagert von einer dicken Fibrinschicht, die durch 
zahlreiche Ausläufer mit dem Fibrinbelag der Lunge zusammenhängt. 

In den verschiedenen Stückchen, welche den mehr zentralen 
Lungenteilen entnommen sind, findet man in dem blutreichen, nicht 
lufthaltigen Lungengewebe zahlreiche grössere und kleinere, teils 
isolierte, teils konfluierende Tuberkel, von allerlei Grösse, die kleinsten, 
bindegewebigen Tuberkel und grössere und sehr grosse Herde, den 
Endeffekt des Zusammenfliessens von vielen verkästen Knötchen. 
Diese tuberkulösen • Herde sind von einem breiten infiltriertem Saum 
umgeben. Die Alveolen sind mit abgestossenen grossen, blasig an¬ 
geschwollenen Alveolarepithelien und vielen Lymphozyten angefüllt. 
Viele Riesenzellen. In der Lunge sehr wenig neugebildetes Binde¬ 
gewebe und, worauf besonders hingewiesen sei, nirgends aus¬ 
geheilte, d. h. sklerosierte Herde. 

Epikrise. Ein junger Mann leidet bei der Aufnahme an einer 
deutlich einseitigen Lungentuberkulose, hat kein Fieber, seit einigen 
Monaten aber fortwährend Hämoptyse. 

Der leidlich gute Zustand des Patienten, das Fehlen von Rhonchi 
in der rechten Lunge und die immer sich wiederholende Hämoptyse 
liesen mit gutem Grunde erwarten, dass hier der Pneumothorax 
durch Ruhigstellung der linken Lunge, sowohl auf den tuberkulösen 
Prozess, als auf die Hämoptyse günstig einwirken würde. 

Wenn je, so bot dieser Patient ohne Zweifel alle Indikationen 
und keine Kontraindikation zum künstlichen Pneumothorax. Die 
Einblasung gelang gut, wurde gut vertragen, und doch zeigten sich 
bald nach der ersten Einblasung Symptome von Seite der rechten 
Lunge. Seitdem ging es Patient immer schlechter. 

Die Autopsie bestätigte den klinischen Befund. In der linken 
Lunge keine Spur von Heilungstendenz des tuberkulösen Prozesses. 



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19] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


65 


Neben den älteren, verkästen, susammenfliessenden Tuberkeln findet 
man überall junge frische Knoten und infiltriertes, nicht sklerosiertes 
Lungengewobe. Die rechte Lunge war gross, emphysematos entartet 
und enthielt ausschliesslich junge, diffus zerstreute Tuberkelchen. 
Ausser einigen tuberkulösen Geschwüren im Kolon wurden keine 
weiteren tuberkulösen Veränderungen gefunden. 

Der zweite Fall zeigt noch deutlicher als der erste, dass, wenn 
nicht „propter“, doch gewiss „post“ dem künstlichen Pneumothorax 
der tuberkulöse Prozess sich in der kranken und auch in der ge¬ 
sunden Lunge schnell ausbreitete. 

Ist es möglich, dass der Pneumothorax die Ursache des letalen 
Krankheitsverlaufes war? 

Zur Beantwortung dieser Frage wird es am besten sein, uns 
darüber klar zu werden, welchen Einfluss der Pneumothorax auf die 
Zirkulation von Blut und Lymphe in den beiden Lungen hat. Im 
voraus möchten wir bemerken, dass wir hier die Wirkung des totalen 
Pneumothorax besprechen wollen, wobei die Lunge also vollständig 
ruhig gestellt wird. Der inkomplette Pneumothorax, wobei nur ein 
kleiner Teil der Lunge sich retrahiert (Potain) oder die Lunge sich 
wohl von der Thoraxwand zurückzieht, aber doch noch soviel Luft ent¬ 
hält, dass sie an der Atmung beteiligt bleibt und unruhig auf und 
nieder sich bewegt, die nicht ruhiggestellte paradox flatternde Kollaps- 
lunge von Brauer, soll unberücksichtigt bleiben. 

In den beiden sezierten Fällen handelte es sich auch um einen 
nahezu total en Pneumothorax. Wie sind die Verhältnisse in 
der komprimierten Lunge? 

Durch einen totalen Pneumothorax wird die Lunge zusammen¬ 
gepresst, luftleer gemacht und infolgedessen ausser Tätigkeit gesetzt. 
Weiter ist der Blut- und Lymphgehalt dieser Lunge verkleinert 
(Bruns, Brauer). Durch verringerte Blutzirkulation wird die 
Venosität erhöht, durch die geringere Bewegungsenergie der Lymphe 
entsteht Lymphstauung (Bruns); auch Molhuysen 1 ) wies diese 
Herabsetzung der Lymphzirkulation mittelst Kohlenstaub nach, den 
er Kaninchen einatmen liess, wonach er dann einen Pneumothorax 
erzeugte. 

Ein eventuell tuberkulöser Prozess in der komprimierten Lunge 
kann aus verschiedenen Gründen günstig beeinflusst werden (Brauer). 

1. Durch die Entspannung und Ruhe des Lungengewebes; die 
veränderte Blutzirkulation ist die Ursache, dass die tuberkulösen Keime 
durch stark kohlensäurehaltiges Blut umspült werden, wodurch ihre 

*) Dissertat. Leiden 1911. 

Beitrige rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 1. 5 


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66 


Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Sehnt 


[20 


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Entwickelung gehemmt werden kann (T e n d e 1 o o), während die Lymph- 
stauung der Verbreitung der Bazillen und deren Toxine Einhalt 
bietet. 

2. Die Kompression beugt einer Sputumansammlung vor. 

3. Die Schrumpfung des Lungengewebes, die man bei der Heilung 
eines tuberkulösen Prozesses beobachtet, wird erleichtert. 

Diese drei Faktoren können die Genesung des Prozesses befördern. 

Was findet in der nicht komprimierten Lunge statt? 

Die Erfahrung lehrt, dass sie leicht imstande ist, allein die Arbeit 
zu leisten, die bis dahin durch beide Lungen geliefert wurde. Die 
Kranken ertragen den künstlichen Pneumothorax sehr gut, vorausge¬ 
setzt, dass der Eingriff von geschulter Hand und mit Sachverständnis 
vorgenommen wird. Die anderseitige Lunge und zwar überwiegend 
der kaudale Teil, dehnt sich aus. Das Mediastinum wird ein wenig 
nach der gesunden Seite eingesaugt durch den elastischen Zug der 
Lunge, und auch der Druck des Pneumothorax wirkt in derselben 
Richtung. Der zentrale Lungenteil kann sich deshalb eher weniger 
als stärker ausdehnen. Den Beweis dafür fanden wir in den engen 
spaltförmigen Alveolen des zentralen Teiles des Oberlappens der ge¬ 
sunden Lunge (siehe Fall 10, Seite 14). Die Peripheren und von 
diesen die kaudalen Teile, werden am meisten ausgedehnt. 

Die respiratorischen Exkursionen sind etwas grösser als normal, 
nicht in den kraniellen oder mediastinalen Partien, sondern gerade 
in dem kaudalen Abschnitte. Der Unterschied zwischen inspiratorischer 
Lyraph-Flut und expiratorischer Ebbe wird hier am grössten sein. 
T e n d e 1 o o hat nachgewiesen, dass die Lungenteile mit grösseren 
respiratorischen Volumschwankungen die Lymphe aus den weniger 
bewegten Teilen ansaugen, soweit die anatomischen Verhältnisse es 
gestatten. Die peripheren und kaudalen Partien der gesunden Lunge 
werden deshalb unter dem Einfluss des anderseitigen Pneumothorax 
mit grösserer Energie als unter normalen Verhältnissen, die Lymphe 
aus den kraniellen und zentralen Partien ansaugen. 

Ist die Lunge ganz gesund, so ist ein Nachteil von dieser Wirkung 
nicht zu befürchten; auch die Wahrscheinlichkeit, dass Bazillen oder 
Toxinen aus der kranken Lunge ausgepumpt werden, ist nicht gross; 
denn erstens ist die Lymphzirkulation der kranken Lunge, wie wir 
gesehen haben, sehr reduziert, und zweitens gibt es keine direkte 
Kommunikationen zwischen den Lymphgefässsystemen der beiden 
Lungen (Bartels). 

Ganz anders gestaltet sich aber die Sache, wenn die zweite 
Lunge nicht ganz gesund war, m. a. W., wenn sich in dieser Lunge, 
auch nur minimale, aktive tuberkulöse Herdchen fanden. Dann werden 



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21] £inige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 67 

gewiss durch die oben erwähnte Wirkung Bazillen enthaltende Par¬ 
tikelchen aus diesen Herden in bis dahin gesundes Lungengewebe 
angesaugt werden können. Wir wissen aber auf Grund der klinischen 
Erfahrung und der pathologisch-anatomischen Befunde, dass eine aus¬ 
gebreitete, genau einseitige Lungentuberkulose nicht vorkommt, und 
weiter, dass die ersten tuberkulösen Veränderungen in der grössten 
Mehrzahl der Fälle in den kraniellen Lungenpartien, oder etwas mehr 
zentral gefunden werden. Es ist also deutlich, dass die obenbeschrie¬ 
bene zentro-periphere Lymphströmung den tuberkulösen Prozess weiter 
verbreiten kann. Nach Forlanini und Brauer ist die Wirkung 
des Pneumothorax auf den anderseitigen leichten Prozess des Ober¬ 
lappens eher eine günstige; aber nachdrücklich und wohl mit vollem 
Recht sagt Brauer, dass mit der Aktivität und Ausbreitung der 
eventuellen Prozesse der sogenannten gesunden Lunge das Risiko der 
Pneumothorax-Behandlung steigt. 

Hierin liegt unserer Meinung nach der springende Punkt. Die 
Behauptung, es übe ein Pneumothorax eine heilende Wirkung auf 
leichtere tuberkulöse Prozesse der anderen Seite aus, ist nicht mehr 
als eine Hypothese. Es muss noch bewiesen werden, dass ein Pneumo¬ 
thorax die leichten Prozesse in der anderen Lunge günstig beein¬ 
flussen kann, und es ist noch nachzuforschen, auf welche Weise das 
eventuell geschieht. Forlaninis Beweisführung bewegt sich in einem 
Zirkulus vitiosus. Nach diesem Forscher sei gestattet, einen Pneumo¬ 
thorax« herzustellen, auch in jenen Fällen, wo an der anderen Seite 
leichte tuberkulöse Prozesse gefunden werden, auf Grund seiner 
Theorie, dass die durch den Pneumothorax verursachte Steigerung 
der Atembewegungen den krankhaften Prozess zur Heilung bringt. 
Diese Theorie stützt sich aber wiederum auf die angebliche Erfahrung, 
dass dem wirklich so ist. Jedenfalls sind unsere Erfahrungen in 
dieser Hinsicht den dieses Autors entgegengesetzt. 

Der obenerwähnte Vorbehalt Brauers zeigt, dass auch dieser, 
auf diesem Gebiet so erfahrener Forscher, die Schwierigkeit fühlt, 
bei der Indikationsstellung den vermutlichen Einfluss auf die gesunde 
Lunge zu beurteilen. Um zu einem Urteil über den genannten Ein¬ 
fluss zu gelangen, wären verschiedene Fragen zu beantworten. Wird 
die gesunde Lunge sich gut und gleichmässig ausdehnen können? 
Gibt es voraussichtlich keine verwachsenen Teile, die bei der Atmung 
Zurückbleiben werden? Ist die Lymphzirkulation ungestört oder sind 
ältere, genesene Prozesse die Ursache, dass an einzelnen Stellen die 
Zirkulation abgesperrt ist? Abgesehen von der schwierigen Diagnose 
der zentralen Prozesse, wissen wir von ihrer Aktivität garnichts. 
Die oben beschriebenen Krankengeschichten lehren uns, dass bei einer 

5 * 


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68 Prof. Hymans van den Bergh, de Josselin de Jong und Schut. [22 

anscheinend einseitigen Tuberkulose ein nicht zu diagnostisierender, 
geringer Prozess der anderen Lunge sich schnell ausbreiten und unter 
Umständen den Tod herbeiführen kann. Alle diese Überlegungen 
tragen dazu bei, die Indikationsstellung zum künstlichen Pneumothorax 
für uns zu einer sehr schwierigen zu machen. Denn um es nochmals 
zu wiederholen, der Einfluss, den dieser auf die weniger kranke 
Lunge ausüben wird, ist abhängig von der Akuität und der Ausbrei¬ 
tung des in jener bestehenden Krankheitsprozesses, und gerade diesen 
vor der Operation zu beurteilen, sind wir nicht imstande. Und er 
hängt überdies noch von Faktoren ab, die sich unserer Erkenntnis 
vorläufig ganz entziehen. 

In seiner letzten, schon mehrere Male erwähnten, Sammelarbeit, 
warnt Forlanini vor einem zu voluminösen Pneumothorax. Dieser 
würde die sogenannte gesunde Lunge komprimieren und damit ihre 
Atmungsexkursionen verkleinern. Auf diese Weise würde, in Über¬ 
einstimmung mit Forlaninis Theorie, eine Ausbreitung des tuber¬ 
kulösen Prozesses stattfinden müssen. 

Wir haben uns deswegen die Frage vorgelegt, ob in unseren 
Fällen vielleicht der Pneumothorax zu voluminös gewesen war. Das 
ist aber keineswegs der Fall. Im Gegenteil, wir haben gerade einen 
hohen Überdruck vermieden. Nur das Exsudat, dürfte in künftigen 
Fällen baldiger entleert werden. 

Wir wissen aber nicht, wie es praktisch möglich wäre, den Pneumo¬ 
thorax genau so voluminös, den Druck genau so gross zu machen, 
dass die am meisten kranke Lunge vollständig in Atemruhe, die 
weniger kranke aber gerade in gesteigerte Atembewegung versetzt 
würde. Wäre diese Forderung wirklich eine absolute, so wäre damit 
u. E. das ganze Verfahren für die Praxis verurteilt. 

Die von Forlanini seiner Arbeit zugefügten Bilder lassen 
keinen Zweifel darüber, dass der von ihm erzeugte Pneumothorax in 
machen Fällen die andere Seite komprimiert haben muss. Bild 2 
(Tafel I), Bild 1 und 2 (Tafel 3), Bild 1 (Tafel 4) sind doch gewiss 
ziemlich voluminöse Luftansammlungen, die ohne Zweifel die gegen¬ 
seitige Lunge komprimiert und zu geringeren Atmungsexkursionen 
Veranlassung gegeben haben. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass 
nur in ziemlich seltenen Fällen ein kompletter Pneumothorax erreicht 
werden kann. Fast immer sind Adhäsionen vorhanden, die eine voll¬ 
kommene Ruhigstellung der am meisten erkrankten Lunge vereiteln, 
ausgenommen in jenen Fällen, wo die Adhäsionen sich in solchem 
Masse ausdehnen lassen, dass sie auch in Inspirationsstellung erschlafft 
sind. Die Atmungsexkursionen nach gelungener Operation sind ohne 
Zweifel weniger ausgiebig als normal, doch funktioniert meistens doch 



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23] 


Einige Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


69 


noch ein Teil der Lunge; das wird denn aber auch oft gerade die 
am meisten erkrankte Partie sein. Wäre Forlaninis Theorie mit 
den Tatsachen im Einklang, dann müssten sich in diesen Lungen¬ 
partien der tuberkulöse Prozess verschlimmern. Die klinische Er¬ 
fahrung der Autoren ist jedoch eine andere. Saugmann erwähnt 
z. ß. in seiner Statistik, dass es ihm nur in wenigen Fällen gelang, 
einen kompletten Pneumothorax zu erzielen; nichtsdestoweniger 
war in der Mehrzahl der Fälle der Erfolg ein günstiger. Auch wir 
hatten oft beim partiellen Pneumothorax, sei es auch nur vorüber¬ 
gehend, Besserung zu verzeichnen. 

Nach alledem ist, unserer Meinung nach, nicht daran zu zweifeln, 
dass das Verfahren des künstlichen Pneumothorax in gewissen Fällen 
eine bedeutende Besserung, bzw. Heilung des tuberkulösen Lungen¬ 
prozesses herbeiführen kann. Dahingegen bringt diese Methode ernste 
Gefahren für die andere, weniger kranke Lunge. Vorläufig dürfte 
es unmöglich sein, im einzelnen Falle vor der Operation diese Ge¬ 
fahren abzuschätzen. Deshalb meinen wir, die Indikation des künst¬ 
lichen Pneumothorax vorläufig auf die ernsten, überwiegend einseitigen 
Lungenprozesse einschränken zu müssen, bei denen mit der konser¬ 
vativen Methode keine Heilung zu erzielen war. 

Schlüsse. 

1. In Fällen ernster, ausschliesslich oder hauptsächlich einseitiger 
Lungentuberkulose, wo die klassische Behandlung während längerer 
Zeit durch einen Sachverständigen ohne Erfolg durchgeführt wurde, 
ist die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax in Erwägung zu 
ziehen. 

2. Bevor man zur Operation schreitet, nehme man Rücksicht 
auf die Gefahr der Verbreitung oder Aktivierung einer geringen 
Tuberkulose der anderen Seite. 

3. Die direkten Gefahren des Eingriffes (Luftembolie, pleurale 
Eklampsie und Lungenverletzung) sind bei guter Tecknik äusserst 
gering. 

4. Ein auftretendes Exsudat ist teilweise zu entleeren, sobald 
es einen gewissen Umfang erreicht hat. 

5. Der Pneumothorax darf nur von geübter Hand, in einem 
Krankenhause, wo ein Röntgeninstrumentarium zur Verfügung steht, 
ausgeführt werden. 

6. Die Punktionsmethode nach Forlanini verdient den Vorzug 
vor der Inzisionsmethode nach Brauer. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV/. 


Tafel I. 



Dias. Molhuysen, Leiden 1911. 


Hymans, Sosselin, Schut, Erfahrungen mit künstlichem Pneumothorax. 


Curt Kahitzsch, Wür/burp. 


K^l. Universitäts-Druckerei von H. StOrtz A. G., Wflrzburjj. 


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Aus der städt. Lungenfürsorgestelle Güttingen. (Leiter: Geh.-Rat 
Professor Dr. Damsch.) 


Cber den Einfluss der Generationsvorgänge auf 
die Lungentuberkulose. 

Von 

Wilhelm Kühne, 

Medizinalpraktikant. 


Wenn man einen Rückblick auf die Entwickelung der Ansichten 
in dieser Frage wirft, so war die bis zur Mitte des XIX. Jahrhunderts 
allgemein gültige Ansicht, dass die bestehende Tuberkulose während 
der Gravidität aufgehalten werde, um nach Beendigung der Schwanger¬ 
schaft im Wochenbett rapide zum Ende zu führen. Einige Autoren 
sprachen der Schwangerschaft auch einen günstigen Einfluss zu, so 
findet man bei Roziere de la Chassague die Ansicht vertreten, 
dass von zwei im gleichen Grade an Phthise ergriffenen Frauen die¬ 
jenige, welche schwanger wird, sicher die andere überlebt. 

Diesen Ansichten trat im Jahre 1849 Grisolle (1) entgegen, 
indem er an Hand von 27 von ihm genau beobachteten Fällen nach¬ 
wies, dass die Tuberkulose sich oft während der Schwangerschaft 
entwickle und die schon bestehende oft dadurch verschlechtert werde. 
Die Ansicht, dass nach der Entbindung die Tuberkulose rascher ver¬ 
laufe, fand Grisolle ebenfalls nicht bestätigt. Ungefähr zur gleichen 
Zeit vertrat auch Charles Dubreuilh(2) diese neue Anschauung, 
die nur ganz allmählich Beobachtung gewann. Gegen Ende des XIX. 
Jahrhunderts aber ist die Ansicht von dem ungünstigen Einfluss der 
Schwangerschaft auf die Lungentuberkulose fast allgemein anerkannt 
und mit ihr hat die Stellung zur Therapie eine andere Richtung 
bekommen, die nach Feststellung der Tuberkulose eine Entfernung 
des Schwangerschaftsproduktes fordert. 

Im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts ist dies Thema, welches 
von so grosser Bedeutung für den Arzt ist, Gegenstand zahlreicher 


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Wilhelm Köhne. 


[2 


72 

eingehender Untersuchungen und Arbeiten gewesen, aber sie haben, 
wie aus der kurzen Zusammenstellung der Anschauungen zu ersehen 
ist, eine einheitliche Beantwortung aller dies wichtige Gebiet be¬ 
treffenden Fragen nicht herbeigeführt. 

Kaminer (3) fordert auf Grund seiner Beobachtungen (50 Fälle, 
von denen 33 durch die Generations Vorgänge verschlechtert wurden) 
Fruchtabtreibung unter sorgfältiger Erwägung der jeweiligen Um¬ 
stände — der künstliche Abort soll in 70°/o der Fälle günstig wirken, 
d. h. zunächst einen Stillstand des Lungenleidens herbeiführeu können. 

Hahn (4) will bei der ungünstigen Einwirkung der Schwanger¬ 
schaft auf bestehende Tuberkulose die Verhütung der Konzeption in 
das Programm der Tuberkulosebekämpfung aufnehmen. 

Kikuth (5) hält den künstlichen Abort für gerechtfertigt bei 
beginnender Tuberkulose, für unangebracht bei vorgeschrittener Tuber¬ 
kulose, bei Kehlkopfgeschwüren und tuberkulösen Infiltrationen des 
Kehlkopfes. 

Fellner (6) will bei Lungentuberkulose hur die frühzeitige 
Unterbrechung der Schwangerschaft, nicht die Frühgeburt ausführen. 

Kania (7) hat die Verschlimmerung einer bestehenden Tuber¬ 
kulose durch Einfluss der Generationsvorgänge nur selten beobachtet, 
häufig einen günstigen Einfluss gefunden. Er fordert gute hygienische 
Verhältnisse. 

v. Holst (8) hält die Einleitung des Aborts für indiziert, wenn 
eine latente Tuberkulose in der Schwangerschaft floride wird. 

Burckhardt (9) bestreitet den ungünstigen Einfluss der 
Schwangerschaft auf die Lungentuberkulose, ebenfalls die günstige 
Wirkung des Abortes und will diesen auf die schwersten Fälle, sowie 
die mit Hyperemesis komplizierten beschränkt wissen. 

Reiche (10) schätzt die Gefahren für Tuberkulose nur gering, 
wenn es sich um leichte, umschriebene, rückgängig und obsolet 
gewordene Tuberkulose handelt. In anderen Fällen rät er allerdings 
zur Unterbrechung, doch ist eingehende Prüfung zur Rechtfertigung 
des Abortes in jedem einzelnen Fall nötig. 

Füster (13) hält den Abort, provoc. nur in ganz schweren Fällen 
für angezeigt, jedenfalls nur unter sorgfältiger Individualisierung. 

v. Ros thorn (11) fordert allen tuberkulösen Schwangeren gegen¬ 
über exspektatives Verhalten, da Schwangerschaften ohne ungünstige 
Beeinflussung des Leidens überstanden werden können, oft sogar ein 
günstiger- Einfluss zu merken ist. Der künstliche Abort muss ein¬ 
geleitet werden bei allen fieberhaften, destruktiven Vorgängen, selbst 
in leichten Fällen mit Komplikationen, wie Kehlkopftuberkulose, auch 
Hämoptoe und fortschreitende Abmagerung. 


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3) 


Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 


73 


Weinberg (12) kommt auf Grund besonderer statistischer Er¬ 
hebung zu dem Schluss, dass eine Verschlimmerung der Tuberkulose 
durch das Wochenbett nicht festzustellen sei, auch werde der ungünstige 
Einfluss der Schwangerschaft auf Verlauf und Entstehung der Tuber¬ 
kulose auf Grund der einseitigen, klinischen Erfahrungen überschätzt. 
Ein ungünstiger Einfluss ist hauptsächlich bei vorgeschrittener Tuber¬ 
kulose festzustellen. Der künstliche Abort ist der Frühgeburt vor¬ 
zuziehen, jedoch ist die Indikation zum Eingriff möglichst einzu¬ 
schränken. 

Veit (14) führt aus, die Ansicht, dass die Schwangerschaft für 
eine Tuberkulose stets als eine sehr schlechte oder sicher im Wochen¬ 
bett zum Tode führende Komplikation anzusehen ist, treffe nicht zu. 

v. Rosthorn und Frankel (15) bemängeln die bisherigen 
Statistiken, weil diese die latenten Tuberkulosen nicht mitberück¬ 
sichtigen. Sie kommen auf Grund einer kleinen, aber genau beobachteten 
Anzahl von Fällen zu dem Ergebnis, dass schwere tuberkulöse Prozesse 
(Kavernen, Unterlappenaffektionen) durch Hinzutreten der Gravidität 
regelmässig eine Verschlimmerung erfahren, während weniger vor¬ 
geschrittene Erkrankungen, besonders Vernarbungen, bei gutem 
Ernährungszustand keinen Einfluss ausüben. 

Ploos van Amstel (16) fordert frühzeitige Unterbrechung der 
Schwangerschaft, noch ehe eine Verschlechterung des Lungenbefundes 
festzustellen ist. Nur, wenn man die Mutter für verloren hält, sollte 
der Eingriff unterbleiben. 

H eimann (18) vertritt die Ansicht, dass die Generations Vorgänge 
in den allermeisten Fällen eine erhebliche Verschlimmerung vor¬ 
handener Tuberkulose bewirken. Er ist wegen der Unsicherheit der 
Prognosestellung für einen radikalen Standpunkt. Bei jeder schwangeren 
Tuberkulösen ist der künstliche Abort angezeigt; nur bei aussichts¬ 
losen Fällen ist hiervon abzusehen. 

Pradeila (19) macht ein Fortschreiten des Lungenprozesses zur 
Voraussetzung seiner Zustimmung zur Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft. 

Auch Bollenhagen (20) erklärt sich für die individualisierende 
Auswahl der Fälle und fordert namentlich, dass die Schwangeren nicht 
von der Aufnahme in Heilstätten ausgeschlossen werden. 

Bumm (21) hält die Unterbrechung für angezeigt bei leichter 
oder mittelschwerer Erkrankung der Lungen, wenn die Gravidität 
noch nicht über das erste Drittel fortgeschritten ist, aber schon zu 
einer deutlichen Verschlimmerung der Symptome geführt hat. 

Guerdjikoff (22) beobachtet fast immer eine Verschlimmerung 
der Tuberkulose während der Gravidität. 


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74 


Wilhelm Köhne. 


[4 


Lobenstine (23) bezeichnet die Auffassung, dass die Schwanger¬ 
schaft einen günstigen Einfluss auf die Tuberkulose habe, geradezu 
als Aberglauben. 

Fritsch (24) weist besonders darauf hin, dass Tuberkulosefälle 
trotz der Gravidität bei geeigneter Behandlung zur Ausheilung kommen 
können. Er hält den künstlichen Abort als eine anerkannt not¬ 
wendige, lebensrettende Operation für berechtigt, hält aber die In¬ 
dikation für sehr selten gegeben. 

Rosthorn (25) weist ausdrücklich darauf hin, dass individuali¬ 
sierende und soziale Momente von Bedeutung sind, dass Fälle bekannt 
sind, in denen die Gravidität einen überraschend günstigen Einfluss 
auf den Verlauf der Tuberkulose gehabt hat. 

Martin (41) schliesst sich in seiner Indikationsstellung zur Unter¬ 
brechung der Gravidität den Ansichten Bum ms (21) an. Er will 
den ganzen schwangeren Uterus exstirpieren, ebenso die Adnexe, um 
den Fettansatz nach der Kastration zu erzielen. 

Pankow (26) weist an einer Anzahl von 222 Fällen nach, dass 
prinzipielle Unterbrechung bei manifester Tuberkulose gefordert werden 
muss. Bei latenter Tuberkulose soll abgewartet werden. 

Frischbier (29) verwirft die künstliche Frühgeburt. Er ver¬ 
langt eine Förderung der Kranken durch hygienisch-diätetische Mass¬ 
nahmen in den Lungenheilstätten. Erst, wenn nach mindestens vier¬ 
wöchentlicher Beobachtung in der Heilstätte der Prozess sich als 
progredient erweist, soll der künstliche Abort eingeleitet werden. 

Schauta (30) fordert in jedem Fall, in dem die Diagnose Tuber¬ 
kulose feststeht, eine Einleitung des Abortes, da in 8 /i der Fälle 
Tuberkulose durch die Schwangerschaft verschlimmert wird. Die 
hygienisch-diätetischen Massnahmen sind äusserst zweifelhaft, in der 
zweiten Hälfte der Schwangerschaft nützt die Unterbrechung nichts mehr. 

Rabnow und Reicher (31) haben das Material der Fürsorge¬ 
stelle Schöneberg einer Beobachtung unterzogen. Bei 10 Fällen konnte 
nur in 3 Fällen eine nachweisbare Verschlechterung in der Erkrankung 
festgestellt werden. Es ist strengste Individualisierung zur Ein¬ 
leitung des Abortes zu fordern, nicht allein der Zustand der Lungen, 
auch nicht das Körpergewicht, sondern der Gesamtbefund soll mass¬ 
gebend sein. 

Cohn (32) hat ebenfalls Fürsorgematerial untersucht. Es handelt 
sich um 58 Fälle. In nur 8,6 °/o trat eine Verschlimmerung auf. 
Das Stillen übt, längere Zeit durchgeführt, einen ungünstigen Ein¬ 
fluss aus, besonders wird das Allgemeinbefinden in hohem Masse 
beeinträchtigt. 


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5] Über den Einfluss der Generatio ns Vorgänge etc. 75 

Veit (33) verlangt für die tuberkulösen Schwangeren Anstalts¬ 
behandlung. Treten Störungen (Fieber, Gewichtsabnahme und Blut¬ 
husten) auf, so muss der künstliche Abort eingeleitet werden. In der 
zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist im allgemeinen die Einleitung 
des Aborts nicht angezeigt. Der Einfluss der Schwangerschaft auf 
die Tuberkulose ist verschieden. Man beobachtet Fortschreiten der 
Tuberkulose, den Tod mehr oder weniger lange Zeit nach der Ent¬ 
bindung, aber auch ohne jeden Nachteil den Verlauf einer oder 
mehrerer Schwangerschaften. 

Burckhardt (34) hatte unter 160 Wöchnerinnen 72, bei denen 
Tuberkulose nachgewiesen war. Hiervon waren 42 Fälle ganz leicht, 
30 zeigten ausgesprochene Veränderungen an den Lungen. Alle 
Frauen hatten normales Wochenbett ohne nachweisbare Verschlimmerung 
der Lungen oder des Larynx und ohne Störungen der'Temperatur. 
Es muss also offenbar viele Tuberkulosen geben, welche durch Geburt 
und Wochenbett nicht verschlimmert werden. Wichtig ist die Frage, 
ob der Prozess stationär oder progredient ist. 

v. Bardeleben (35) hat Erfahrungen innerhalb 4 Jahren an 
30000 lungenkranken Frauen und Mädchen gesammelt. Bei weitem 
die Minderzahl aller Fälle von Lungentuberkulose werden durch das 
Hinzutreten der Gravidität nachteilig beeinflusst. Alte chronische 
Lungentuberkulosen werden in noch nicht V 5 aller Fälle infolge von 
Schwangerschaft und Geburt progredient, über 4 / 3 bleiben unbeein¬ 
flusst und überstehen beides gut. Kein Anlass zu aktivem Vor¬ 
gehen. Bei aktiven Lungenprozessen rettungslos fortschreitende Ver¬ 
schlimmerung von 86°/o. Klinisch manifeste aktive Lungentuber¬ 
kulose Indikation zum aktiven Einschreiten gegen die Schwangerschaft. 

Jaschke (37) stellt seine Indikation zur Sterilisation so, bei 
Nulliparen nur bei schweren progredienten Prozessen zu sterilisieren, 
bei Multiparen dagegen in jedem Fall, in dem der Lungenprozess 
nicht sicher latent ist oder ein Stillstand trotz vorausgegangener 
früherer Graviditäten feststeht. 

Fetz er (38) lehnt bei allen Fällen von aktiver Tuberkulose die 
Unterbrechung der Schwangerschaft ab. Frühzeitige Unterbrechung 
bei aktiver Tuberkulose liefert gute Resultate, doch sollen weitere 
Schwangerschaften auf mindestens mehrere Jahre hinaus vermieden 
werden. Daher soll man den künstlichen Abort und Sterilisation 
möglichst in einer Sitzung vornehmen. 

Dies sind im wesentlichen die Ansichten, wie sie von namhaften 
Autoren in den letzten 10 Jahren vertreten werden. Will man aus 
diesen ein Gesamtresultat ziehen, so stösst man bei der grossen Ver¬ 
schiedenheit der Ansichten auf Schwierigkeiten. 


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76 


Wilhelm Köhne. 


[6 


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Schon die Hauptfrage, ob eine bestehende Tuberkulose durch die 
Generationsvorgänge beeinflusst wird, erfährt keineswegs eine ein-, 
heitliche Beantwortung. Während eine Mehrheit der Autoren den 
ungünstigen Einfluss bejahen, wenigstens insofern es sich um mani¬ 
feste progrediente Fälle handelt, leugnet ein anderer Teil diese un¬ 
günstige Beeinflussung oder will sogar einen günstigen Einfluss be¬ 
obachtet haben. 

Weiter sind je nach Auffassung über den Einfluss beider Faktoren 
aufeinander die Anschauungen über die ursächlichen Momente dieser 
Beeinflussung verschieden. Ich werde weiterhin die wichtigsten An¬ 
schauungen über diesen Punkt anführen. 

Trotz der in allen diesen Fragen weit auseinandergehenden Auf¬ 
fassungen, sind jedoch die Ansichten bei Erörterung der Art der 
Behandlung einigermassen einheitlich. Die künstliche Frühgeburt 
wird von fast allen Autoren als schädlich verworfen. Die geeignete 
Behandlung wird nach gestellter Indikation in der Einleitung des 
künstlichen Abortes und zwar in den ersten vier Graviditätsmonaten 
gesehen. Eine Anzahl der Autoren fordert auch die gänzliche Aus¬ 
schaltung der Generationsvorgänge, die auf verschiedenen Wegen zu 
erreichen ist. Totalexstirpation des Uterus mit Wegnahme der Adnexe 
oder einfache Tubensterilisation, die auch temporär gemacht werden 
kann, sind die meist empfohlenen Operationen. 

Eine einheitliche und einigermassen feststehende Indikations¬ 
stellung ist noch nicht aufgestellt, da sehr verschiedene Momente im 
einzelnen Fall mitsprechen und die Unmöglichkeit, eine sichere Prognose 
für den ganzen Verlauf der Gravidität zu stellen, die Schwierigkeit 
noch erhöht. 

Auch bei der Frage nach den ursächlichen Momenten der gegen¬ 
seitigen Beeinflussung der Tuberkulose und Schwangerschaft gehen 
die Ansichten auseinander. Man hat die Ursachen hierfür teils in 
biologischen, teils in mechanischen Wirkungen gesucht, ohne bis jetzt 
zu einem bestimmten Ergebnis gelangt zu sein. 

Bumm (40) sieht einen ungünstigen Einfluss in der Abnahme 
der antitoxischen und bakteriziden Stoffe im Blut, infolgedessen die 
Widerstandskraft des Organismus gegen die Tüberkelinfektion sinkt. 
Weiter beschuldigte er die Säfteverluste in Geburt und Wochenbett 
als schädliche Momente. 

Hofbauer (39) weist auf das fettspaltende Vermögen des Serums 
hin, durch das der Tuberkelbazillus geschädigt wird. Er hat fest¬ 
gestellt, dass die lipolytische Kraft des Serums allmählich mit dem Fort¬ 
schreiten der Schwangerschaft abnimmt, somit die Abwehrkräfte de& 
Organismus geringer werden, ln einer experimentellen Arbeit zur 



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7] 


Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 


77 


vorliegenden Frage kommt Hofbauer (36) nochmals auf die Ver¬ 
änderung des Fettstoff Wechsels. Es handelt sich bei der Lipämie der 
Gravida nicht um eine quantitative Vermehrung des Fettes im engeren 
Sinne, als vielmehr um Steigerung des Gehaltes an Lipoiden, vor 
allem an Cholesterinestem (sog. Cholesterinsteatose). Dies ist ein 
physiologisches Vorkommnis, welches bereits in den ersten Monaten 
der Schwangerschaft einsetzt. Diese Anreicherung des Blutes an 
Cholesterinestern, zusammen mit der Tatsache, dass cholesterinhaltige 
Substrate einen vorzüglichen Nährboden für die Kultur von Tuberkel¬ 
bazillen darstellen, können sehr wohl als ursächliches Moment für die 
erhöhte Empfänglichkeit und für die Progression der Tuberkulose in 
der Gravidität in Frage kommen. Verf. hat diesen Gedanken auch 
im Tierexperiment mit Erfolg durchgeführt. 

Während diese Autoren die Momente der gegenseitigen Ein¬ 
wirkung hauptsächlich in biologischen Wirkungen suchen, werden in 
anderen Anschauungen mehr die mechanischen Momente in den 
Vordergrund gestellt. 

Sch aut a (30) sieht die wichtigsten Momente der Verschlimme¬ 
rung der Tuberkulose während der Gravidität in Veränderungen der 
Zirkulation, in der erhöhten Arbeit des Herzens, in der Lungen¬ 
kompression bei der Unmöglichkeit der freien Ausdehnung nach 
anderen Richtungen, weiter in der Verminderung der roten Blut¬ 
körperchen und als weitere Folge dieser Erscheinungen Appetitlosig¬ 
keit, Erbrechen und Unterernährung. 

Rein mechanische Momente beschuldigt Cor net (17). Unter 
den heftigen Pressbewegungen und dem durch die Wehenschmerzen 
erzwungenen Schreien mit darauffolgender tiefster Inspiration werden 
tuberkulöse Sekrete der Bronchen in neue, bisher intakte Lungen¬ 
partien aspiriert, und auf diese Weise weitere Bezirke mit Bazillen 
(und Mischbakterien) überschwemmt und infiziert. So würde sich 
auch ungezwungen erklären, dass die Wendung zum Schlechtem oft 
erst X U —V* Jahr post partum erfolgt. 

Aschoff (27) glaubt in der Beeinflussung der Zwerchfellatmung 
wohl eine der wichtigsten Ursachen zu sehen, warum gerade in der 
zweiten Hälfte der Schwangerschaft die Lungentuberkulose so grosse 
Fortschritte macht. Aschoff führt weiter aus, dass für Gravidität 
und Puerperium auch die stärkere Säftedurchströmung des ganzen 
Organismus für das Fortschreiten der Tuberkulose in Betracht käme, 
wie man ja auch so häufig im höheren Alter bei Ausbreitung eines 
Karzinoms auf das Lymphknotensystem ein frisches Aufflackern der 
Tuberkulose beobachte. 


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78 


Wilhelm Köhne. 


[S 


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Auf die Veränderung des Atemtypus, der Wirbelsäulenstatik und 
der Blutversorgung der Lungen während der späteren Monate der 
Schwangerschaft weist de la Camp (28) hin. Zwerchfellhochstand, 
der veränderte thorakale Typus der Atmung, das Auftreten sog. 
anämischer Geräusche am Herzen (funktionelle Pulmonalstenose) sind 
als Folgen der Gravidität Zeichen dieser vorübergehenden, mechani¬ 
schen Disposition für die Entstehung resp. Ausbreitung einer Lungen¬ 
spitzenphthise bei einem vordem chronisch latent oder manifest tuber¬ 
kulösen Individuum. 

Im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheiten, die in den an¬ 
geführten Anschauungen zum Ausdruck gebracht werden, scheint es 
dringend erwünscht, dass weiteres Material zur Klärung der Frage 
beigebracht wird. Die folgenden Beiträge sollen diesem Zwecke 
dienen. 

Das dieser Arbeit zugrunde liegende Material von 29 Fällen 
mit insgesamt 88 Geburten stammt aus der Göttinger Stadt. Lungen¬ 
fürsorgestelle, welche unter Leitung des Herrn Geheimrat Professor 
Dr. Damsch seit dem Jahre 1906 besteht. Im Gegensatz zu zahl¬ 
reichen Statistiken, die aus geburtshilflichen und medizinischen Kliniken 
stammen und sich daher zumeist nur auf die kurze Beobachtungszeit 
der Anstaltsbebandlung beziehen können, können wir in den meisten 
unserer Fälle auf eine lange und zwar unausgesetzte Beobachtungszeit 
nicht nur der Patienten, sondern auch ihrer häuslichen Verhältnisse 
hinweisen. In keinem der Fälle ist eine operative Therapie ein¬ 
geschlagen worden durch Einleitung des Abortus artific. oder der 
Frühgeburt. Die Frauen sind grossenteils in ihrem Hause nieder¬ 
gekommen, in einigen Fällen auch in der hiesigen Frauenklinik ent¬ 
bunden worden. Da es sich meist um Patientinnen aus dürftigen Ver¬ 
hältnissen handelt, kann auch eine besondere diätetisch-hygienische 
Behandlung nicht mitsprechen. 

Zur besseren Beurteilung lasse ich von jeder Patientin einen 
kurzen Auszug aus der Krankengeschichte folgen, der über die 
wichtigsten Daten orientieren soll. 

Bei der Zusammenstellung des Materials weise ich zunächst darauf 
hin, dass eine Anzahl von Frauen (8) sich in Fürsorgebehandlung 
befanden, welche vor Eintritt in die Beobachtung eine mehr oder 
weniger grosse Anzahl von Geburten (1—13) durchgemacht hatten, 
ohne Verschlechterung der tuberkulösen Prozesse in den Lungen, mit 
Ausnahme von 3 Frauen, welche aber erst längere Zeit nach der 
letzten Entbindung ihrer Tuberkulose erlegen sind. Da über den 
Beginn der Lungentuberkulose dieser Frauen (8) nichts Genaues fest¬ 
zustellen war, so verzichte ich darauf, nähere Angaben über den 



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9] Über den Einfluss der GenerationsVorgänge etc. 79 

späteren Lungenbefund zu geben und schalte diese Fälle aus unseren 
späteren Betrachtungen aus. 

Im folgenden sind also nur die Fälle angeführt, bei denen die 
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett in die Beobachtungszeit 
der Fürsorgestelle fiel. Die Zahl dieser Fälle beträgt 22, die ich 
nach folgenden Gesichtspunkten gruppiert habe: 

1. Fälle, 1—16, bei denen kein nachteiliger Einfluss, zum Teil 
sogar eine Besserung festgestellt werden konnte. 

2. Fälle, 17—21, bei denen sich ungünstiger Einfluss durch die 
Generationsvorgänge ergab. 

1. Frau Luise Schlote, 32 Jahre, Maurersfrau, stammt aus gesunder 
Familie, Mutter von 3 Kindern. Bei der Untersuchung im Mai 1907 nirgends 
Schallverftnderungen, über der linken Spitze verschärftes Atmen. 14 Tage später 
ist die rechte Spitze eingezogen, über beiden Spitzen Rasselgeräusche. Im Juni 
1906 Rasselgeräusche rechts bis zur Skapula. Im Juli links keine Rassel¬ 
geräusche, die im August wieder auftreten. Im Okt. über der rechten Spitze 
Dämpfung und spärliche Rasselgeräusche. Im Januar 1908 Gravidität; linke 
Spitze Schall Verkürzung, abgeschwächtes Atmen und spärliche klein bl. Rassel¬ 
geräusche, die 4 Wochen später auch im linken Oberlappen zu hören sind. Im 
Juni kein Husten, rechts oben hinten einige Rasselgeräusche. Eude Okt. Partus, 
Geburt und Wochenbett normal. Im Dez. gutes Befinden, in linker Spitze 
Dämpfung und Rasselgeräusche, rechts hinten oben tympanit. Schall, keine Rassel¬ 
geräusche. Ende Febr. 1909 noch immer Husten, im Auswurf Tuberkelbazillen. 
Gewichtszunahme, die Rasselgeräusche bleiben bis Weihnachten über der linken 
Spitze unverändert. Januar 1910 Schmerz im linken Schulterblatt, in linker 
Spitze auch unterhalb der Klavikula kleinblasige Rasselgeräusche. Um Pfingsten 
4 Wochen Influenza, Anfang Juli besteht kein Husten mehr, über beiden Spitzen 
noch spärl. Rasselgeräusche. Okt. 1910 Allgemeinbefinden besser, Schall überall 
laut, in der linken Spitze spärl. kleinbl. Rasselgeräusche. Winter 10/11 über in 
guter Verfassung; im März 1911 besteht seit kurzem Husten und Schnupfen. 
Atmung frei, keine Dämpfungen, keine Rasselgeräusche. 

2. Frau Henriette Ronsöhr, 32 Jahre, Maurersfrau, hat viel an Katarrh 
gelitten, der Vater wahrscheinlich an Phthise gestorben. Seit dem Sommer Husten 
und Stiche in der linken Seite. Pat. hat 2 Kinder, und ist z. Zt. im 9. Monat 
der Laktation. Rechte Spitze ist eingezogen, ohne weiteren Befund, im Sputum 
keine Tuberkelbazillen. Dieser Befund bleibt unverändert, niemals treten katar¬ 
rhalische Erscheinungen auf. Im August 1911 Gravida in den letzten Monaten, 
Geburt und Wochenbett verlaufen normal, seitdem gutes Befinden. 

3. Frau Auguste Teichgraber, 27 Jahre, Arbeitersfrau, klagt über Mattig¬ 
keit und Heiserkeit in der letzten Zeit, sie ist im VI. Monat der Gravidität. 
Schallabscbwächung über der rechten Spitze mit verlängerten und verschärften 
Exspirium, in der linken Spitze einige Rasselgeräusche. Das Allgemeinbefinden 
bessert sich, der Lungenbefund bleibt unverändert bis zur Geburt, die im Okt. 
erfolgt. Im Wochenbett ist das Befinden gut, 69 sind keine Rasselgeräusche zu 
hören. Febr. 1907 ist eine geringe Retraktion der rechten Spitze festzustellen, es 
findet sich Dämpfung, keine Rasselgeräusche. Im Okt. 1907 sind keine Rassel- 


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Wilhelm Köhne. 


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geräusche zu hören, rechts besteht Schrumpfung der Spitze. Okt 1908 neue 
Gravidität Im Mai 1909 Partus, Geburt und Wochenbett gut verlaufen, Lungen¬ 
befund unverändert; das Kind wurde 1 Monat zu früh geboren. Kind bald darauf 
gestorben. Sept. 1909 neue Gravidität, während dieser Zeit gutes Befinden. Im 
Mai 1910 wieder Partus, gutes Befinden. Der Lungenbefund blieb bis zum April 
1912 unverändert, kein Husten, keine katarrhalischen Erscheinungen. 

4. Frau Frida Bauer, 26 Jahre, Schuhmachers trau, seit mehreren Jahren 
verheiratet, kam am 10. Januar 1907 zur Untersuchung; Pat. ist im 4. Monat der 
3. Gravidität, klagt über Husten und Mattigkeit. Über der rechten Lungenspitze 
geringe Dämpfung, zweifelhafte Rasselgeräusche, Spitze etwas eingezogen. Wäh¬ 
rend des weiteren Verlaufs der Schwangerschaft bleibt die Dämpfung bestehen, 
kleinblasige Rasselgeräusche wiederholt zu hören. Im 6. Monat der Gravidität 
stärkerer Katarrh und Schmerzhaftigkeit der rechten Thoraxhälfte. Diese katar¬ 
rhalischen Symptome schwanden nach einigen Wochen und in den letzten beiden 
Monaten waren katarrhalische Erscheinungen nicht mehr zu konstatieren. Juni 
1907 Partus, Geburt und Wochenbett normal. Bis zur vierten Schwangerschaft 
(1908) traten vorübergehend Rasselgeräusche auf, während Dämpfung und Schrump¬ 
fung der rechten Spitze unverändert blieb. Sommer 1908 Gravidität, Anämie nimmt 
etwas zu, katarrhalische Symptome fehlen konstant Okt. 1908 Partus. Geburt 
und Wochenbett normal. Befund unverändert bis zur 5. Gravidität Herbst 1909, 
niemlas Rasselgeräusche während derselben. Anfang' Febr. Partus, Geburt und 
Wochenbett normal. Keine Rasselgeräusche, während die Schrumpfung in rechter 
Spitze unverändert ist. 

5. Frau Friederike Dombrowsky, 36 Jahre, Stellmachersfrau, stammt 
aus gesunder Familie. Seit einer Woche Husten mit Auswurf, kein Fieber, 
gestern Blutauswurf. Bei der Untersuchung im August 1906 bleibt die linke 
Thoraxhälfte bei der Atmung zurück, links unten schwache Dämpfung in beiden 
Spitzen feuchte und trockene Rasselgeräusche, über der linken Spitze ist der Schall 
etwas tympanitisch. Im Okt. keine Rasselgeräusche; im Febr. im linken Unter¬ 
lappen Dämpfung. März 1907 starke Gewichtszunahme; linke Seite flacher, in 
linker Spitze einige feuchte und trockene Rasselgeräusche. Juli 1907 weitere 
Gewichtszunahme, nur spärl. Rasselgeräusche. Okt. 1907 in rechter Spitze einige 
verdächtige Rasselgeräusche. Allgemeinbefinden gut. Im Nov. sind die Spitzen 
frei. Bis Januar gutes Befinden. Mitte Januar 08 mehr Husten und Stiche in der 
linken Brust. Im Febr. ist der Schall in der rechten Spitze gedämpft und hinten 
auch tympanitisch. Im Mai 1908 gutes Befinden, kein Husten, im 5. Monat der 
Gravidität. Im Sept. Partus. Geburt und Wochenbett normal. Nov. 1908 kein 
Husten, Befund über den Lungen negativ. 

6. Frau Emma Pfestorf, 28 Jahre, Kassierersfrau, hatte 1905 eiue 
Hämoptoö und verspürt seitdem gelegentlich Schmerzen in der linken Brust. 
1 Kind 6 Jahre alt. Bei der ersten Untersuchung im Mai 1906 bleibt die linke 
Brusthälfte bei der Atmung zurück, Perkussionsschall ist nirgends abgeschwächt, 
in der linken Spitze einige kleinblasige Rasselgeräusche. In den nächsten Monaten 
bildet sich über beiden Spitzen eine geringe Dämpfung, die Rasselgeräusche sind 
vorübergehend auch rechts zu hören. Husten fehlt, die Anämie nimmt etwas zu. 
Mitte Nov. 1906 ist Pat. Gravida im 2. Monat. Die Scballabschwächung besteht 
jetzt nur rechts oben; kein Katarrh nur verschärftes Atemgeräusch. Im Juli 
1907 Partus. Geburt und Wochenbett verlaufen normal. Im Okt. stellt sich 
Pat. vor, weil sie in der letzten Zeit mehrmals Bluthusten hatte, im Sputum 



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Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 


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Tuberkelbazillen. Es besteht eine geringe Schallabschwächung über der linken 
Spitze, keine Rasselgeräusche. In der folgenden Beobachtungszeit wird die 
Dämpfung über der rechten Spitze deutlicher und es finden sich zahlreiche klein¬ 
blasige Rasselgeräusche, während die linke Spitze frei bleibt. Im Januar 1908 
Hämoptoe, es finden sich auch unterhalb der Elavikula kleinblasige Rassel¬ 
geräusche. Im Juli 1908 stirbt das jüngste Kind an tuberk. Meningitis. Der 
Thorax ist rechts oben etwas abgeflacht, Dämpfung und Rasselgeräusche unver¬ 
ändert. Das Allgemeinbefinden bessert sich, im März 1909 wird Pat. mit Tuber¬ 
kulininjektionen behandelt. Im folgenden Jahr erholt sich Pat., starke Gewichts¬ 
zunahme, kein Husten, Dämpfung und Rasselgeräusche über der rechten Spitze 
bestehen unverändert fort, über der linken Spitze hört man verschärftes Atem¬ 
geräusch. Pat. hat keinen Husten, keine Schmerzen, sieht kräftig aus, hat an 
Gewicht weiter zugenommen und ist für ihre Arbeit durchaus leistungsfähig. 

7. Frau Sophie Voigt, 33 Jahre, Arbeitersfrau; als 3 jähriges Kind Pleu¬ 
ritis und Empyemoperation. Pat. ist Mutter von 4 Kindern, vor 6 Monaten Ge¬ 
burt des letzten Kindes, welches sie selbst stillt. Bei der Untersuchung im Okt. 

1909 findet sich auf der linken Brustseite Schrumpfung, Dämpfung und einzelne 
Rasselgeräusche, kein Fieber. Im Febr. 1910 stillt sie das Kind noch, es finden 
sich über der rechten Spitze reichliche, kleinblasige Rasselgeräusche. Im November 

1910 klagt sie über Schmerzen in der linken Brust, wenig Husten und Auswurf 
z. Zt. im 3. Monat der Gravidität. Linke Seite stark geschrumpft, Dämpfung und 
vereinzelte Rasselgeräusche. Im Sputum keine Tuberkelbazillen. Mitte Mai 1911 
Partus; Geburt und Wochenbett normal verlaufen, Pat. stillt das Kind wieder 
selbst. Es besteht im Sommer mehr Husten, auf der rechten Lunge besteht ein 
vikariierendes Emphysem, links totale Schrumpfung, Dämpfung, z. Zt. wenig 
Rasselgeräusche. Im Okt. 1911 klagt Pat. über Schmerzen in der rechten Seite, 
keine Dämpfung, vesikuläres Atmen. 

8. Frau Frida Marx, 22 Jahre, Arbeitersfrau, Eltern an Phthise gestorben. 
3 Kinder, von jeher viel Husten und Auswurf. Bei der Untersuchung im Mai 
1908 geringe Schallverkürzung in der rechten Spitze. Gravidität. Während der¬ 
selben Befund unverändert, etwas mehr Husten. Febr. 1909 Partus, Geburt und 
Wochenbett normal. Nov. 1909 starke Gewichtsabnahme, Mattigkeit, kein Husten. 
Rechts hinten oben vereinzelte Rasselgeräusche. März 1910 Thorax flach, nir¬ 
gends Rasselgeräusche. Mai 1910 Husten, rechts oben tympanitischer Schall, 
keine Rasselgeräusche. Sommer Über unverändert. Okt. 1910 Schmerzen in 
beiden Seiten. Supraklavikulargruben eingezogen. Rechts oben Tympanie. 
Exspirium verlängert und hauchend, keine Rasselgeräusche, im Sputum Tuberkel¬ 
bazillen nicht nachzuweisen. 

9. Frau Anna Lacour, 31 Jahre, Arbeitersfrau, hat 6 Kinder, von denen 
2 an Tuberkulose gestorben sind; vor 7 Wochen letzter Partus. Seitdem Zu¬ 
nahme des Hustens. Bei der Untersuchung im Juli 1906 Dämpfung in der rechten 
Spitze, in der linken Schall tympanitisch und tiefer, wie rechts, keine sicheren 
Rasselgeräusche. Anämie. Bis zum Januar 1907 das Kind gestillt bei gutem 
Befinden, kein Husten. Febr. 1907 diffuse Bronchitis. Im Juni Gravida, rechts 
hinten oben spärl. Rasselgeräusche. Tuberkelbazillen nicht nachzuweisen. Im 
August ist die linke Thoraxhälfte kleiner, in der linken Spitze etwas schärferes 
Atemgeräusch, keine ausgesprochene Dämpfung. April 1908 Partus, Geburt und 
Wochenbett normal, stillt das Kind selbst. In der rechten Spitze etwas Katarrh. 
Februar 1909 neue Gravidität. Während der Schwangerschaft in rechter Spitze 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 1. 6 


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katarrhalische Erscheinungen, Anämie nimmt zu. Nov. 1909 Partus. Geburt und 
Wochenbett normal. Nov. 1910 in rechter Spitze Dämpfung und abgeschwftchtes 
Atemgeräusch. In letzter Zeit Husten und Schmerzen in der rechten Seite. Im 
Winter 1910/11 gutes Befinden. Mai 1911 ausgesprochene Dämpfung in rechter 
Spitze, keine Rasselgeräusche. 

10. Frau Wilhelmine Krücke, 36 Jahre, Schmiedsfrau aus belasteter 
Familie, Mutter*von 6 Kindern. Bei der Untersuchung im Juli 1908 kein Husten; 
Dämpfung und abgeschwächtes Aterageränsch in der rechten Spitze. Nov. 1908 
rechte Spitze etwas eingezogen, sonst unverändert. Januar 1909 Gravidität. 
Während der Schwangerschaft gutes Befinden, kein Husten, Befund unverändert. 
Okt. 1909 Partus. Gebuit und Wochenbett normal. Im April 1910 gutes Be¬ 
finden, Dämpfung unverändert. Kind */4 Jahr gestillt, Januar 1911 gutes Aus¬ 
sehen, überall vesikuläres Atemgeräuscb; Dämpfung rechts besteht fort. 

11. Frau Emilie Uhlendorf, 32 Jahre, Arbeitersfrau, stammt angeblich 
aus gesunder Familie, Mutter von 5 Kindern. Seit 1906 in Beobachtung, es 
bestanden Infiltrationserscheinungen in der rechten Spitze, katarrhalische Er¬ 
scheinungen in der linken Spitze bei gutem Befinden. Febr. 1908 Gravidität bei 
gutem Allgemeinbefinden neben geringfügigen Erscheinungen über den Spitzen. 
Während der Schwangerschaft Husten, Befund unverändert. Im Jjmi 1909 Partus, 
Geburt und Wochenbett normal. Im Okt. 1909 links oben Rasselgeräusche, wenig 
Husten, im Sputum keine Tuberkelbazillen nachweisbar. Im August 1910 Beginn 
einer Tuberkulinkur. Nov. 1910 noch Mattigkeitsgefühl. Thoraxexkursionen nur 
gering. Schallabschwächung in rechter Spitze und auch unterhalb der Klavikula, 
ebenfalls in linker Spitze, hier auch klingende Rasselgeräusche. Im Januar 1911 
Fortsetzung der Injektionen. Ernährungszustand zurückgegangen, ohne Einsetzen 
fieberhafter Reaktionen. Dämpfung unverändert, keine Rasselgeräusche. Im 
Mai 1911 noch immer Tuberkulininjektionen, etwas Husten und Auswurf. Befund 
unverändert. Juli 1911 in rechter Spitze verschärftes Inspirium und bronchiales 

.Exspirium, nur undeutliche Rasselgeräusche. Dez. 1911 Aussetzen der Injektionen. 
Gewichtszunahme, gutes Befinden. Rechts Schallverkürzung, links feinblasige 
klingende Rasselgeräusche, im Sputum Tuberkelbazillen. Im März 1912 links 
hinten oben klingende Rasselgeräusche und Giemen. 

12. Frau Anna Wilke, 32 Jahre, Maurersfrau, der Vater ist an Lungen¬ 
phthise gestorben. Bei der Untersuchung im Juli 1908 findet sich über dem 
rechten Oberlappen eine Schallabschwächung, beim Husten hört man einige 
Rasselgeräusche. Pat. stillt das letzte Kind seit 11 Monaten. Im Nov. 1908 ist 
das Allgemeinbefinden gut, Dämpfung unverändert, keine Rasselgeräusche, 
Hustenreiz. Bis Mai 1909 ist der Befund unverändert, noch viel Husten und 
Auswurf ohne nachweisliche Bazillen. Bei einer Untersuchung im Juni finden 
sich wieder eiuige Rasselgeräusche. Das Atemgeräusch ist abgeschwächt. Sommer 
1909 über gutes Befinden, im Okt. wieder stärkerer Husten und viel Auswurf. 
Im Dez. viel Erbrechen, Pat. ist im 2. Monat der Gravidität, im Januar Influenza, 
Gewichtsabnahme, viel Husten, keine katarrhalischen Erscheinungen über den 
Lungen, im Juli Partus, Geburt und Wochenbett normal verlaufen. Im Okt. 1910 
besteht die Dämpfung rechts unverändert fort, keine Rasselgeräusche. Im Winter 
fühlt sich Pat. schlechter, viel Husten bei unverändertem Befund. Febr. 1912. 
Allgemeinbefinden gut, rechts Dämpfung, einige nicht klingende Rasselgeräusche. 
Im April ist die rechte Seite etwas flacher, keine Rasselgeräusche. 



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13] Über den Einfluss der Generationsvorgftnge etc. 83 

13. Frau Wilhelmine Görder, 37 Jahre, Gärtnersfrau, stammt aus ge¬ 
sunder Familie, Mutter von 10 Kindern, von denen 5 gestorben sind. Seit 2 Jahren 
Husten mit Answurf, im Sputum sind Tuberkelbazillen nicht nachzuweisen. Bei 
der Untersuchung im Mai 1910 tympanitischer Schall in der rechten Spitze, ver¬ 
schärftes Atemgeräusch, einige kleinblasige Rasselgeräusche. Beginnende Gra¬ 
vidität. Bis zum Ende derselben viel Husten mit Auswurf. Januar 1911 Partus, 
im Wochenbett viel Husten, stillt nicht selbst wegen Schmerzen in der Brust. 
Im März 1911 scharfes Atemgeräuscb, im rechten Oberlappen keine Rassel¬ 
geräusche. April 1911 neue Gravidität, zeitweise Husten. Januar 1912 Partus, 
Befund unverändert. Geburt und Wochenbett normal. Mai 1912 grosses Schwäche- 
gefühl, etwas Husten und Auswurf. Dämpfung und verschärftes Atemgeräusch 
in der rechten Spitze. 

14. Fräul. Auguste Nolte, 26 Jahre, Druckereiarbeiterin, stammt angebl. 
aus gesunder Familie. Seit Ostern 1905 besteht Husten ohne Auswurf und ohne 
Fieber, gleichzeitig erhebliche Abmagerung. 18. Jan. 1906 erste Untersuchung. 
Pat. ist eine magere, grazil gebaute Frau mit sehr blasser Gesichtsfarbe, am 
Hals und Nacken eine Anzahl kleiner Drüsen. Thorax flach, linke Seite bleibt 
bei der Atmung zurück. Über der rechten Spitze hinten Schallverkürzung, ver¬ 
schärftes Atmen und beim Husten einige Rasselgeräusche. Dieser Befund bleibt 
in den nächsten l 1 /* Jahren unverändert, nur finden sich vorübergehend auch 
kleinbl. Rasselgeräusche über der linken Spitze. Im Januar 1907 ist Pat. V 4 Jahr 
in einer Lungenheilstätte gewesen, danach Gewichtszunahme. Die Dämpfung und 
das verschärfte Atmen über der rechten Spitze sind unverändert, Rasselgeräusche 
fehlen. April 1910 stellte sich Pat. abermals vor mit einem Kind von 2 Jahren. 
Die Dämpfung ist unverändert, es besteht gutes Befinden, kein Husten, keine 
Rasselgeräusche. Bei der nächsten Untersuchung im März 1911 ist die Dämpfung 
wieder unverändert, man hört über beiden Spitzen hinten verschärftes Atmen und 
zahlreiche kleinblasige Rasselgeräusche. 8 Wochen später findet sich auch über 
der linken Spitze hinten eine Dämpfung, während die Rasselgeräusche späilicher 
sind. Im Sommer 1911 gutes Befinden, bei der letzten Untersuchung im Nov. 1911 
besteht rechts die Dämpfung und verschärftes Atmen unverändert fort, Rassel¬ 
geräusche sind nicht hörbar. 

15. Dora Homberg, 26 Jahre, Brauersfrau, Eltern und Geschwister an 
Phthise gestorben, seit Kindheit viel Husten und oft Lungenentzündung. Pat. 
war schon 1 Jahr vor ihrer Verheiratung in Beobachtung, es bestanden über der 
rechten Spitze Zeichen einer geringfügigen Infiltration, keine Rasselgeräusche. 
Bei der Untersuchung im April 1908 Husten, viel Auswurf, in der rechteu Spitze 
spärliche, feuchte Rasselgeräusche. Janusr 1910 noch immer Husten, in der 
Zwischenzeit Geburt eines Kindes, Befund über den Lungen negativ. Dez. 1910 
in rechter Spitze tympanitischer Schall, kein Husten, im Sputum Tuberkelbazillen 
nicht nachweisbar. 1911 gutes Befinden. Befund unverändert. Febr. 1912 seit 
14 Tagen starke Erkältung. Befund rechts unverändert, linke Spitze Dämpfung 
und verschärftes Atemgeräusch. 

m 

16. Frau Minna Benseler, 32 Jahre, Bahnarbeitersfrau, stammt von 
gesunden Eitern, ein Bruder an Lungenphthise gestorben, 5 andere Geschwister 
sind gesund. Seit März 1907 Husten und Auswurf, der im Anfang mit Blut ver¬ 
mischt war. Bei der Untersuchung im Okt. 1907 ist die rechte Spitze mehr ein¬ 
gesunken wie links, der Schall ist dort weniger laut und höher bis zur 3. Rippe. 
Das Atemgeräusch ist abgeschwächt, im ganzen Bereich der Dämpfung hört man 

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klingende Rasselgeräusche. Linke Lunge frei. Im Sputum befinden sich Tuber- 
kelbazillen. Im Januar 1908 klagt Pat. über Schmerzen in der linken Brust 
(ohne Befund); sie ist zurzeit im 2. Monat der Gravidität. Über der rechten 
Lunge zahlreiche kleinblasige Rasselgeräusche. Anfaug Februar Hämoptoö, im 
März gutes Befinden, in der rechten Spitze Dämpfung, vorn beim Husten einige 
Rasselgeräusche. Im Juni 1908 Partus, Geburt und Wochenbett normal ver¬ 
laufen. 5 Wochen post partum sind keine Rasselgeräusche zu hören. Mitte Okt. 
in der rechten Spitze und auch unterhalb der Klavikula wieder zahlreiche, klein¬ 
blasige Rasselgeräusche. Dämpfung unverändert. Im Nov. mehr Husten und 
Schmerzen links. Im linken Oberlappen geringer Katarrh, rechts unverändert. 
Febr. 1909 Bronchitis, im März Allgemeinbefinden gut, in rechter Spitze kleinbl. 
Rasselgeräusche und Schmerzen. Juli 1909 Beginn einer Tuberkulinkur, die bis 
Dez. fortgesetzt wird. Im Nov. Allgemeinbefinden sehr gehoben, rechter Ober¬ 
lappen abgeflacht, in rechter Spitze klingende Rasselgeräusche und verschärftes 
Atmen. Im Febr. 1910 mehr Husten, in der linken Lunge vereinzelt pfeifende 
Geräusche. Im April 1910 in rechter Spitze Schalldämpfung, zahlreiche klingende 
Rasselgeräusche auch unterhalb der Klavikula und im Unterlappen. Im Juni 
1910 Exitus. 

17. Frau Luise Lösekrug, 88 Jahre, Bahnsteigschaffnersfrau, stammt 
angebi. aus gesunder Familie, hat 3 Kinder. Bei der Untersuchung im Mai 1906 
anfiltration des rechten Oberlappen. Bis zum Winter 1908/09 wechselnde Er¬ 
scheinungen der Infiltration und des Katarrhs über der rechten Spitze, daneben 
Husten und Auswurf, in dem Tuberkelbazillen nachweisbar sind. Sommer 1908 
in Heilstätte, starke Gewichtszunahme. Bis zum Dez. 1910 gutes Befinden. 
Rechts zunehmende Infiltrationen und katarrhalische Erscheinungen. Husten mit 
Auswurf. Januar 1911 Gravidität. Rechte Spitze eingezogen, Dämpfung und 
klingende Rasselgeräusche. Während der Schwangerschaft Zunahme des Hustens. 
Befund unverändert. Im Sept. 1911 Partus, Geburt und Wochenbett normal, 
stillt das Kind selbst. Nov. 1911 gutes Befinden, links hinten oben Schall etwas 
gedämpft, keine Rasselgeräusche. Dez. 1911 fieberhafte Erkrankung, angebi. 
Pleuritis. März 1912 rechts hinten unten schwache Dämpfung und Rdbsel- 
geräusche, die auch weiter oben zu hören sind. Links hinten oben einige klein¬ 
blasige Rasselgeräusche. 

18. Frau Alma Eiliger, 26 Jahre, Krankenwärtersfrau aus gesunder Familie, 
1 Kind 6 Monate alt. Juli 1909 Partus. Seit Sept. 1909 Schmerz auf der linken 
Brust, Husten und Schweisse. Januar 1910 im zweiten Monat der Gravidität. 
Bei der Untersuchung besteht links hinten oben Dämpfung, vereinzelte Rassel¬ 
geräusche. Nach einer Probeinjektion von 0,2 mg Tuberkulin Temperatursteige¬ 
rung auf 38,2°. Im Febr. 1910 besteht die Dämpfung links fort, auch rechts 
unterhalb der Klavikula ist der Schall abgeschwächt, nirgends Rasselgeräusche. 
Bis Juni 1910 mit Tuberkulininjektionen behandelt. Im August 1910 Partus, seit 
der Geburt Schmerzen in der linken Schulter, Hustenreiz stärker, aber wenig 
Auswurf. Im Nov. 1910 Dämpfung in linker Spitze unverändert, auch unterhalb 
fler Klavikula Dämpfung, in der linken Spitze hinten verschärftes Atmen und 
klingende Rasselgeräusche. Rechte Lunge frei. März 1911 wenig Husten, kein 
Auswurf, starke Abmagerung (86 Pf.) Befund in der linken Lunge unverändert, 
in der rechten Spitze jetzt ebenfalls Dämpfung und Rasseln. 

19. Frau Anna David, 38 Jahre, Arbeitersfrau, ist Mutter von 8 Kindern, 
Eltern und Geschwister an Phthise gestorben. Vor 14 Tagen Husten. Bei der 



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15] Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 85 

Untersuchung im Mai 1907 bleibt die linke Thoraxbälfte bei der Atmung zurück. 
Über dem linken Oberlappen tympanitischer Schall und Rasselgeräusche, schwache 
Dämpfung, die sich über den ganzen halbmondförmigen Raum erstreckt; Atem¬ 
geräusch abgeschwächt. Im Juni 1907 ist die Pleura frei, über der rechten Spitze 
tympanitischer Schall und verlängertes und verschärftes Exspirium. Im Juli 1907 
hört man links hinten unten weiches Reiben. August 1907 linke Seite bei der 
Atmung fast unbeweglich, im überlappen Rasselgeräusche, hinten unten finger¬ 
breite Dämpfung. In der rechten Spitze hinten spärliche Rasselgeräusche. Okt. 
1907 Retraktion der linken Seite fortgeschritten, sonst unverändert, im Sputum 
lassen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen. Januar 1908 ist die linke Seite 
stark geschrumpft, Exsudat nicht mehr vorhanden, rechts hinten oben Rassel¬ 
geräusche. Im Febr. mehr Husten, aber keine Rasselgeräusche. Sommer über 
gutes Befinden; kein Husten, keine Schmerzen auf der Brust. Im Januar 1909 
hört man rechts hinten oben einige Rasselgeräusche, links Schrumpfung. Im 
Mai 1909 Rasselgeräusche unverändert, Schwächegefühl; Pat. ist Gravida im 
4. Monat. Im Okt. 1909 Partus, 3 Wochen post partum Klagen über Stiche in 
beiden Seiten. Kein Husten, wenig Auswurf, über der linken Spitze klingende 
Rasselgeräusche, im Sputum finden sich Tuberkelbazillen. Im Mai 1910 grosses 
Schwächegefühl. Tuberkulineinspritzungen. Kein Fieber, wenig Husten. Linker 
Oberlappen gedämpft, daselbst klingende Rasselgeräusche, in der rechten Spitze 
scharfes Atemgeräusch. Im Nov. 1910 noch immer matt, in der linken Spitze 
Dämpfung, klingende Rasselgeräusche, in der rechten Spitze und auch im Ober¬ 
lappen Dämpfung mit tympanitischem Klang, verschärftes Atemgeräusch und 
kleinblasige Rasselgeräusche. Im Dez. rechts vorn oben Kaverne, links starke 
Rasselgeräusche. Exitus. 

20. Frau Friederike Korn rümpf, 31 Jahre, aus belasteter Familie, 
Mutter von 5 Kindern. Vor 4 Monaten letzter Partus, stillt das Kind selbst. 
Seit Jahren Husten mit Auswurf. Febr. 1910 Bluthusten. Bei der Untersuchung 
im April 1910 im rechten überlappen Tympanie, über der ganzen rechten Lunge 
feuchte und trockene Rasselgeräusche. Im Sputum finden sich Tuberkelbazillen. 
Sommer und Herbst 1910 in Heilstätte, Gewichtszunahme; seit Juni Gravida. 
Nov. 1910 in der rechten Spitze und Oberlappen kleinblasige Rasselgeräusche 
Febr. 1911 Thoraxexkursionen gering. Befund rechts unverändert, in beiden 
Unterlappen feuchte Rasselgeräusche; auch in der linken Spitze vorn verein¬ 
zelte Rasselgeräusche. Ende Mai 1911 Befund rechts unverändert, in linker 
Spitze Dämpfung und Schnurren. April 1910 Partus. 1. Mai 1911 Exitus an 
Miliartuberkulose. 

21. Frau Minna Kerl, 29 Jahre, Klavirrmachersfrau, ist nach einem 
Wochenbett 1903 an Tuberkulose erkrankt, 1905 2. Partus, war 1905 in Heil¬ 
stätte und befindet sich seitdem gut. Bei der Untersuchung im Januar 1908 
im linken Oberlappen reichliche Rasselgeräusche, in beiden Unterlappen Schnurren. 
An der linken Nasenöffnung Lupus. In der linken Spitze nimmt die Infiltration 
zu neben katarrhalischen Erscheinungen, die linke Seite beteiligt sich weniger an 
der Atmung. Im Sputum finden sich Tuberkelbazillen. Mai 1909 Gravidität, in 
der linken Spitze absolute Dämpfung, fast bronchiales Atemgeräusch, keine 
Rasselgeräusche. Okt. 1909 gutes Befinden, linke Spitze etwas eingezogen, keine 
Rasselgeräusche. Dez. 1909 Partus. Geburt und Wochenbett normal. Ende 
Januar 1910 in letzter Zeit abends Fieber, wenig Husten und Auswurf, im linken 
Oberlappen spärliche Rasselgeräusche. April 1910 im linken überlappen Dämp- 


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Wilhelm Köhne. 


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fung, über beiden Oberlappen spftrliche Rasselgeräusche, seit Ende Febrnar fieber¬ 
frei. Juni 1910 Bluthusten, im rechten Oberlappen Pfeifen und einige feuchte 
Rasselgeräusche. 1910 Exitus. 

Bei einer Durchsicht der Fälle, die tuberkulöse Veränderungen 
in den verschiedenen Stadien darbieten, ist es auffallend, dass unter 
Gruppe I in 7 Fällen sich im Verlauf der Schwangerschaft Tendenz 
zu einer Schrumpfung der erkrankten Partie zeigte oder eine bestehende 
Schrumpfung noch gefördert wurde, und somit eine Ausheilung an¬ 
gestrebt wurde. Auch weiter fortgeschrittene Fälle sind nicht immer 
schlecht beeinflusst; die Einleitung des Abort, artific. würde diese 
Fälle kaum anders gestaltet haben. Bei den fünf Fällen unter Gruppe II, 
in denen ein ungünstiger Einfluss konstatiert wurde, setzte in zwei 
Fällen der progressive Charakter der Tuberkulose erst Z U —1 Jahr 
nach dem letzten Wochenbett ein, so dass die Verschlechterung nur 
mit einigem Zweifel dem Einfluss der Schwangerschaft anzurechnen 
ist. In den übrigen drei Fällen, in denen die Verschlechterung direkt 
im Anschluss an den Partus auftrat, muss in Fall Lösekrug noch 
dem Stillen ein gewisser schädlicher Einfluss zur Last gelegt werden. 

Wenn man weiter erwägt, dass unter allen aufgeführten Fällen 
kein besonders leichter war, der sich nur unter dem Bilde eines 
Spitzenkatarrhs darbot, so wird man die überwiegend günstigen 
Resultate noch viel höher veranschlagen müssen. Denn nach den 
aufgeführten Beobachtungen ist mit grosser Wahrscheinlichkeit an¬ 
zunehmen, dass Erkrankungen im initialen Stadium erst recht nicht 
ungünstig beeinflusst werden. 

Da in einer ganzen Anzahl von Fällen das Krankheitsbild der 
Tuberkulose durchaus günstig beeinflusst wurde, dürfte es sich lohnen 
nach Momenten zu suchen, welche dafür verantwortlich gemacht 
werden könnten. 

Es dürfte von vornherein unwahrscheinlich erscheinen, dass den 
einzelnen Momenten, die von anderen Autoren als ungünstig auf die 
Tuberkulose wirkend geltend gemacht worden sind, die ihnen beigelegte 
Bedeutung zukommt (cf. Einleitung). 

Inwieweit biologische Momente während der Schwangerschaft 
in Betracht kommen, muss vorläufig noch dahingestellt bleiben. 
Dagegen lassen sich manche mechanische Momente anführen, welche 
während der Gravidität gerade am Zirkulations- und Respirations¬ 
apparat in Erscheinung treten, denen vielleicht unter sonst günstigen 
Umständen ein günstiger Einfluss zukommen kann. 

Im ersten Teil der Schwangerschaft, solange der gravide Uterus 
nur wenig an Grösse zugenommen hat, werden die mechanischen 



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17 J 


Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 


87 


Faktoren keinen grossen Einfluss auf Lunge und Herz aus üben 
können. Erst das fortschreitende Wachstum des Uterus wird eine 
Anpassung des Organismus, besonders des Herzens und der Lunge, 
fordern, die von einem gesunden Körper auch ohne besondere An¬ 
strengung geleistet wird. 

Zunächst bedingt die Vergrösserung des Stromgebietes, die Neu¬ 
bildung neuer Gefassbahnen im Bereich des graviden Uterus und 
seiner Adnexe eine Mehrarbeit des Herzens in seinen beiden Ab¬ 
schnitten. Allmählich erweitert das zunehmende Wachstum des 
schwangeren Organs die untere Thoraxapertur und führt zu einem 
Hochstand des Zwerchfells, der die Ausdehnungsfähigkeit der Lungen 
vermindert. Dadurch treten neue Momente in Aktion, die die Arbeit 
des Herzens vermehren. 

Nach wie vor müssen die Lungen die normale Blutmenge auf¬ 
nehmen, und zwar jetzt unter erschwerenden Bedingungen. Das 
Gesamtvolumen der Lungen ist kleiner, die Thoraxexkursionen und 
Atemgrösse sind geringer, so dass die inspiratorische Ansaugung des 
Blutes geringer wird. Hieraus resultiert eine Mehrarbeit besonders des 
rechten Herzabschnittes, wie dies auch in den anämischen Geräuschen, 
die von de la Camp im Sinne einer funktionellen Pulmonalstenose 
gedeutet werden, zum Ausdruck kommt. — Bei der Untersuchung 
des Herzens findet man in diesem Stadium den Spitzenstoss ausser¬ 
halb der Mamillarlinie und die Herzgrenzen ein wenig verbreitert. 
Diesen perkussorischen Befund darf man freilich nicht ohne weiteres 
als Zeichen einer Hypertrophie ansehen. Denn durch den Zwerch¬ 
fellhochstand wird das Herz aus seiner ursprünglichen Schräglage in 
eine mehr horizontale Lage gebracht, so dass die Herzspitze mehr 
nach links und der rechte Vorhof mehr nach rechts zu liegen kommt. 
Wir haben dann eine Lage ähnlich der im Kindesalter, wo Zwerch¬ 
fellhochstand vorhanden ist. Immerhin ist eine Hypertrophie, auf 
Grund der oben erwähnten Anpassungsvorgänge, anzunehmen, nur 
lässt sich nicht sagen, wie weit sie in dem perkussorischen Befund 
zum Ausdruck kommt. 

Das Resultat der Hypertrophie und des verkleinerten Lungen¬ 
volumens ist in der besseren Durchblutung des Respirationsorganes 
während der Schwangerschaft zu finden. Unter diesen Umständen 
wird also die Lunge während der Schwangerschaft blutreicher sein. 

Um sich die Wirkung des relativ vermehrten Blutgehaltes der 
Lunge auf das Gewebe zu veranschaulichen, kann man jene Krank¬ 
heitsprozesse des Herzmuskels und des Klappenapparates zum Ver¬ 
gleich heranziehen, bei denen es zu einer Stauung im Lungenkreis¬ 
lauf kommt. Hierher gehören vor allem die Mitralfehler, in deren 


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Gefolge eine Überfüllung des kleinen Kreislaufes eintritt, die nach 
vielfach gemachten Beobachtungen einen relativen Schutz gegen Tuber¬ 
kulose gewährt. Im Gegensatz dazu sehen wir bei allen Herz¬ 
erkrankungen, die zu einer abnormen Blutleere in den Lungen führen, 
z. B. bei der Pulmonalstenose, fast regelmässiges Auftreten der Lungen¬ 
tuberkulose. So hat zweifellos eine relativ stärkere Blutfüllung der 
Lungen einen schützenden Einfluss gegen die Infektion mit Tuberkel¬ 
bazillen. Wohl von demselben Gesichtspunkt ausgehend, hat die 
Beobachtung, dass die schlechteren Zirkulationsverhältnisse in den 
Lungenspitzen gerade die beste Möglichkeit zur Infektion bieten, 
dazu geführt, eine künstliche Hyperämie der Lungen als Therapie 
der Lungentuberkulose vorzuschlagen. Ein weiteres Analogon für die 
günstige Wirkung stärkerer Blutfüllung auf tuberkulöse Prozesse ist 
in der durch Bier eingeführten Stauungstherapie gegeben, deren 
Wirkung man in der Hauptsache in der grösseren Anhäufung der 
mit dem Blut zugeführten Abwehrstoffe sieht. 

Bei der Erklärung des Einflusses der relativ stärkeren Blut¬ 
gefässfüllung auf Krankheitsprozesse der Lungen wollen wir zunächst 
die Beeinflussung initialer Tuberkulosen betrachten. 

Ähnlich der Wirkungsweise der Stauungstherapie kommt auch 
hier vor allem die stärkere Zufuhr von Antitoxinen in die gefährdeten 
Bezirke in Frage. Weiterhin werden durch den regeren Stoffwechsel¬ 
austausch schädliche Produkte schneller entfernt, und das Gewebe 
hiermit widerstandsfähiger gegen eindringende Bakterien. Haben sich 
bereits grössere Herde mit beginnender Verkäsung ausgebildet, so 
wird das Gewebe in seiner Tendenz diese Prozesse abzukapseln, 
wesentlich durch die günstigeren Ernährungsbedingungen unterstützt 
werden. Die Neubildung von Bindegewebe wird durch die gute Vas¬ 
kularisation in erhöhtem Masse angeregt, und wir werden in solchen 
Fällen eine Förderung der Schrumpfungsvorgänge in den erkrankten 
Partien beobachten. Hiermit haben wir aber einen Heilungsvorgang 
des Krankheitsprozesses, der sehr häufig weitere Schädlichkeiten 
dieser Herde für den Organismus ausschaltet. 

Bei weitem komplizierter liegen die Verhältnisse bei weiter vor¬ 
geschrittenen Fällen mit Kavernen, die bereits zu einem Kräfteverfall 
und damit zu einer Abnahme der Gesamtblutmenge geführt haben. 
In solchen Fällen muss naturgemäss die Hyperämie und damit die 
vermuteten günstigen Wirkungen derselben ausfallen. In vorge¬ 
schrittenen Fällen ohne Siechtum, wo die Blutmenge normal ist, 
mögen sich auf die jüngeren Prozesse günstige Einflüsse geltend 
machen, während auf ältere grössere Käseherde und Kavernen ein 
direkter Einfluss nicht zu erwarten sein wird. Die Annahme, dass 


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19] 


Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 


89 


©ine stärkere Hyperämie der Lungen die Neigung zu Rupturen von 
Gefässen mit erkrankter Wand und damit zu Lungenblutungen her- 
vorrufen könnte, ist durch die Beobachtung bei Schwangeren nicht 
bestätigt. Wohl erscheint es möglich, dass im Sinne Aschoffs 
infolge stärkerer Säftedurchströmung in dem einen oder anderen 
abgekapselten Herd ein Aufflackern des tuberkulösen Herdes zustande 
kommt, wodurch vielleicht ein beschleunigter Durchbruch erweichter 
Käseherde in die Bronchen und weiterhin infolge Aspiration der 
Käsemassen in benachbarte Gebiete der Lunge eine weitere Aus¬ 
breitung des Prozesses herbeigeführt werden kann. Vielleicht sind 
die durch Cornet (17) betonten aspiratorischen Vorgänge in dieser 
Weise zu deuten. 

Es ergibt sich aus allem, dass der Einfluss der Gravidität nur 
in einer kleinen Zahl von Fällen eine Verschlimmerung des tuber¬ 
kulösen Lungenprozesses herbeizuführen imstande ist, ohne dass es 
zurzeit möglich ist, die näheren Bedingungen für eine ungünstige 
Beeinflussung durch mechanische oder andere Momente genügend zu 
erklären. 

Aus unseren Beobachtungen geht allerdings mit Sicherheit hervor, 
dass ein ungünstiger Einfluss durch langdauernde Laktation ausgeübt 
wird, die bei den ungünstigen sozialen Verhältnissen unserer Patienteu 
naturgemäss früh zu Anämie führen muss. 

Ergebnisse. 

1. Tuberkulosen, bei denen bereits eine Tendenz zur Schrumpfung 
bemerkbar ist, werden durch Förderung des Schrumpfungsprozesses 
unter dem Einfluss der Gravidität günstig beeinflusst, in vielen Fällen 
wird die Tendenz zur Schrumpfung durch die Schwangerschaft hervor¬ 
gerufen. 

2. In der Minderzahl der Fälle wird die Tuberkulose ungünstig 
beeinflusst. 

3. Eine Veranlassung zur Verhütung der Konzeption bei Phthisikern 
liegt im allgemeinen nicht vor. 

4. Die Einleitung des Abortus artificialis ist zumeist nicht indiziert; 
bei bereits nachweislicher Progredienz der Lungenveränderungen 
während der Gravidität kann die Indikation zum Abort noch an¬ 
genommen werden, meist wird dasselbe aber zu spät erfolgen. 

5. Unbedingtes Verbot des Stillens. 

6. Forderung der Aufnahme tuberkulöser Schwangeren in die 
Lungenheilstätten. 


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Wilhelm Köhne. 


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Literatur 1 ). 


1. Grisolle, Einfluss der Lungentuberkulose und Schwangerschaft aufeinander. 
Arch. gön. Jan. 1850, ref. Schmidt. Jahrbücher LXVI. 181 S. 

2. Charles Dubreuilh, Einfluss der Schwangerschaft, des Gebftrens und 
des Säugens auf Entwicklung und Verlauf der Lungenschwindsucht. Rev. 
m6d. D6c. 1851. Janv. et F6vr. 1852, ref. Schmidts Jahrbücher LXXV. 37. 

3. S. Kamin er, Über den Einfluss von Schwangerschaft und Entbindung auf 
den phthisischen Prozess und den therapeutischen Wert der Einleitung von 
künstlichen Aborten. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 35. 

4. Hahn, Tuberkulose und Schwangerschaft. Berlin.klin. Wochenschr. 1903. 52. 

5. D. M. Eikuth, Ehe, Tuberkulose und Schwangerschaft. Petersburg, med. 
Wochenschr. N. F. XXIX 50. 1904. 

6. D. O. Fellner, Tuberkulose und Schwangerschaft Wien, med. Wochen¬ 
schr. LIV. 25, 26, 27. 1904. 

7. D. Kania, De l’influence de la puerpöralitd sur les femmes pr^disposees 
a Ja tuberculose. Revue prat. d’obstöt. et de Paed. XVII. 185. p. 261. 1904. 

8. D. M. v. Holst, Tuberkulose und Schwangerschaft. Münch, med. Wochen¬ 
schr. LU. 9. 1905. 

9. D. O. Burchardt, Über Lungentuberkulose und Schwangerschaft nach 
Beobachtungen im Hochgebirge. Deutsche med. Wochenschr. XXXI. 24. 1905. 

10. D. Reiche, Tuberkulose und Schwangerschaft. Münch, med. Wochenschr. 
LII. 28. 1905. 

11. Alf. Rosthorn, Tuberkulose und Schwangerschaft. Monatschr. f. Ge- 
burtsh. und Gyn. XXIII. 5. S. 581. 1906. 

12. D. W. Weinberg, Die Beziehungen zwischen Tuberkulose und Schwanger¬ 
schaft, Geburt und Wochenbett. Beitrag z. Klin. der Tuberk. V. 3. 1906. 

18. D. O. Füster, Experim. Beiträge zur Frage des Vorkommens von Tuberkel¬ 
bazillen in Kolostrum und Muttermilch. Wien. kl. Wochenschr. XIX. 20.1906. 

14. D. Veit, Tuberkulose und Schwangerschaft. Tberap. der Gegenw. N. F. 
VIII. 11. 1906. 

15. A. v. Rosthorn, Prof. u. D. A. Fränkel, Tuberkulose und Schwanger¬ 
schaft. Deutsche med. Wochenschr. XXXII. 17. S. 675. 1906. 

16. J. de Bruine Ploos van Amstel, Phthisis pulmonum et Abortus pro- 
vocatus. Beitr. z. Klin. der Tuberk. VII. 2. 1907. 

17. Prof. G. Cornet, Tuberkulose. 2. Aufl. Wien 1907. A. Holder. 

18. Hei mann, Das tuberkulöse Weib in der Schwangerschaft und der Arzt. 
Med. Klinik III. Nr. 19. 1907. Polemik ebend. 29. 1907. 

19. Dr. G. Pradella, Zur Frage der künstl. Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft. Arch. f. Gynäkol. LXXXIII. 2. 1907. S. 869. 

20. D. H. Bollen ha gen, Schwangerschaft und Tuberkulose. Würzb. Abhandl. 
VIII. 1. 1907. 

21. Prof. Bumm, Lungentuberkulose und Unterbrechung der Gravidität. 
Deutsche med. Wochenschr. XXXIV. 13. 1908. S. 569. 

*) Die ausländische Literatur wurde nach Referaten, die übrige auch nach 

den Originalarbeiten benutzt. 



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21] Über den Einfluss der Generationsvorgänge etc. 91 

22. D. N. Guerdjikoff, Tuberculose et grossesse. Revue möd. de la Suisse 
rom. XXVIII. 12. 1908. 

23. D. R. W. Lobenstiiie, Tuberculosis as a complication of pregnancy and 
parturition. Bull of the Lying in Hosp. of the City of New York V. 2.1908. 

24. Prof. H. Fritsch, Die Berechtigung und die Methode der Unterbrechung 
der Schwangerschaft. Deutsche med. Wochenschr. XXXIV. 47. 1908. 

25. Prof. A. v. Rosthorn, Eehlkopftuberkulose und Schwangerschaft. Wien, 
med. Wochenschr. LIX. 1. 1909. 

26. D. Pankow, Freiburg, Lungentuberkulose und Schwangerschaftsunter¬ 
brechung. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 25 S. 1200. 1911. 

27. Prof. Aschloff, Diskussion zum Vortrag von Herrn Pankow, Lungen¬ 
tuberkulose und Schwangerschaft. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 26 
S. 1248. 1911. 

28. de la Camp, ibidem S. 1248. 

29. Dr. G. Frischbier, Über die Wechselbeziehungen zwischen Tuberkulose 
und Generations Vorgängen. Prakt. Ergehn, d. Geburtsb. und Gynäkologie 
III. 2. 1911. 

30. F. Schauta, Wien, Tuberkulose und Schwangerschaft. Monatschr. für 
Geburtsh. und Gynäkol. XXXIII. 3. S. 265. 1911. 

31. Rabnow und Reicher, Kasuistik zur Frage der Lungentuberkulose und 
Gravidität. Deutsche med. Wochenschr. 22. 1911. 

32. Dr. Leo Cohn, Tuberkulose und Schwangerschaft. Beitr. zur Klinik der 
Tuberkulose 1911 XXL S. 17 ff. 

33. Veit, Die Beziehungen der Tuberkulose zu der Fortpflanzungstätigkeit. 
Verhandl. der deutsch. Gesellschaft für Gynäkol. XIV. Versammlung. München 
1911. S. 86. 

34. Burchardt, Über die Häufigkeit und die Bedeutung der klinisch nach¬ 
weisbaren Lungentuberkulose bei Gebärenden. Ebenda S. 359 ff. 

35. v. Bardeleben, Klinisch-statistische Begründung der Indikationsstellung 
zur Ausschaltung des tragenden Fruchthalters bei Lungentuberkulose. Ebenda 
S. 364 ff. 

36. Hofbauer, Experimenteller Beitrag zur Frage der Beziehungen von Gra¬ 
viditätsvorgängen zur tuberkulösen Infektion. Ebenda S. 377. 

37. Jaschke, Über Indikationen ünd Methoden zur Sterilisierung tuberkulöser 
Frauen. Ebenda S. 389 ff. 

38. Fetz er, Diagnose und therapeutische Erfolge bei der Genitaltuberkulose und 
der mit Schwangerschaft komplizierten Lungentuberkulose. Ebenda S. 416. 

39. Hofbauer, Tuberkulose und Schwangerschaft. Deutsche med. Wochen¬ 
schr. 50. 1910. 

40. Bumm, Grundriss zum Studium der Geburtshilfe. 1912. 

41. Ed. Martin, Die Sterilisation tuberkulöser schwangerer Frauen durch die 
Totalexstirpation des graviden Uterus und seiner Aduexe. Münchn. med. 
Wochenschr. 24. 19C9. 


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Aus dem St. Josephs-Hospital Kristianssand S., Norwegen. 


Einige Untersuchungen über die klinische An¬ 
wendbarkeit der lokalen Tuberkulinreaktionen. 

Von 

Kristen Andersen, 

Stabsarzt, Kristianssand S., Norwegen. 


In Kürze werden es 5 Jahre, seit die lokalen Tuberkulinreak¬ 
tionen ihren Einzug in die medizinische Diskussion hielten. Am 8. 
und 15. Mai 1907 demonstrierte v. Pirquet seine Kutisreaktion 
in der Berliner medizinischen Gesellschaft. In der sich daran knüp¬ 
fenden Diskussion teilte Wolff-Eisner seine grundlegenden Unter¬ 
suchungen über die Konjunktivalreaktion mit, und am 17. Juni 
berichtete Calmette in der acadömie des Sciences über seine ana¬ 
logen und unabhängigen Versuche mit der Ophthalmoreaktion. 
Über diese Frage entstand bald eine ganze Literatur; alle Zeitschriften 
wurden mit Meinungsäusserungen und Mitteilungen dafür und dawider 
überschwemmt, und Wolff-Eisner und Calmette führten ihren 
Streit um die Priorität mit grosser Intensität. Der erstere sammelte 
seine ganze Argumentation für die Brauchbarkeit der Lokalreaktionen 
im allgemeinen und für die Vortrefflichkeit der Konjunktivalreaktion 
im speziellen in seinem Buche: „Frühdiagnose und Tuberkulose¬ 
immunität“ (1908). Zu der Kutis- und Konjunktivalreaktion kam im 
Jahre 1908 noch Moro-Doganoff s perkutane Salbenreaktion 
hervorgerufen durch Einreibung mit einer 50°/oigen Tuberkulin- 
Salbe. 

Auch in unserer norwegischen, medizinischen Literatur er¬ 
schienen eine Reihe Artikel über die Reaktionen. (Julie Kinck 1 ), 

i) Über einige Versuche mit der „Kutisreaktion* am Küstenhospital bei 
Fredriksvern ausgeführt. T. f. d. n. L. 1908. S. 121—123. 


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Kristen Andersen. 


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E. Kaurin 1 ), K. Thiis 2 ), Sofus Wideröe 3 ), Kristen Andersen 4 ), 
0. Malm 5 ).) 

Wir gelangten wohl bald alle zu dem Resultat, dass die Reaktionen 
als klinisches Diagnostikum dem einzelnen Kasus gegenüber sehr ge¬ 
ringen Wert haben. Die Konjunktivalreaktion findet sich bei klinisch 
gesunden Individuen so häufig, dass man in einem gegebenen, zweifel¬ 
haften Falle aus ihrem Auftreten wenig zu schliessen vermag. 

Pi rquets Kutisreaktion kommt noch viel häufiger vor; ihr 
positiver Ausfall bei Erwachsenen ist in diagnostischer Hinsicht ein 
völlig gleichgültiges Phänomen. 

Dagegen hat man die negative Reaktion als ein Richtschnur 
gebendes Moment für die Diagnose angewandt. Hat man einen zweifel¬ 
haften Fall, und erhält man da negative Kutisreaktion, so spricht 
dies gegen die tuberkulöse Natur des Leidens. Rovsing empfiehlt 
unter anderem von diesem Gesichtspunkte aus die Anwendung der 
Reaktion. Will man dieselbe indessen zu diesem Zwecke anwenden, 
sollte man die Aufmerksamkeit des Patienten resp. der Umgebung 
im voraus darauf hinlenken, dass ein positiver Ausfall überwiegend 
wahrscheinlich und ohne Bedeutung sei. Hat man nämlich verstehen 
lassen, dass man eine Probe auf Tuberkulose vornehmen will, und 
diese erhält einen positiven Ausfall, wird man leicht bei Patienten 
oder ihren Angehörigen die Vorstellung erwecken, dass das Individuum 
„Tuberkulose hat“, eine Vorstellung, die für den, der den Inhalt der 
Reaktion nicht versteht, sehr niederdrückend wirken kann. 

Bei Kindern unter 4—5 Jahren hat die Kutisreaktion diagnosti¬ 
sche Bedeutung und das in steigendem Masse, je jünger das Indi¬ 
viduum ist. Sie gibt hier wie bei den Erwachsenen an, dass die 
Infektion eingetreten ist. Aber eine Infektion in den ersten Lebens¬ 
jahren birgt in den meisten Fällen die Entwickelung aktiver Tuber¬ 
kulose in sich. .Dies gilt namentlich für das erste Lebensjahr, wo 
Infektion gleichbedeutend mit Untergang ist. 

Die ursprünglichen Herolde der Reaktionen nahmen jetzt übrigens 
auch ein anderes Gebiet für deren Anwendung in Anspruch. Sie 
empfahlen dieselben bei Massenuntersuchungen, die sich auf 

1) Über Allergiediagnostik. T. f. d. n. L. 1908. S. 765—772. 

2 ) Die Ophthalmoreaktion mit Tuberkulin. N. Mag. f. Laegev. 1908. 

S. 34—48. 

3) Über die Anwendbarkeit des Tuberkulins als Diagnostikum. N. Mag. f. 
Laegev. 1908. S. 419—431. 

4) Nachweis initialer Tuberkulose bei Militärabteilungen. N. T. f. Militaer 
med. 1908. Heft 2. 

5) Der jetzige Stand der Tuberkulinfrage. Med. Revue. 1908. S. 254—269. 



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f>] Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 95 

die Anwesenheit von Tuberkulose richteten, anzuwenden. Auf diesem 
Felde* namentlich war es, wo ich mir Nutzen von ihnen versprach. 

Wie bekannt ist die theoretische Grundlage der Reaktionen in 
Kürze folgend: 

Beide Reaktionen — sowohl die Kutis- wie die Konjunktival- 
reaktion — sind spezifisch und werden dadurch hervorgerufen, 
dass Tbl. mit einem Gewebe, auf welches früher Stoffwechselprodukte 
von tuberkulösem Virus singewirkt haben, oder welches augenblicklich 
unter der Einwirkung solcher steht, in Berührung gebracht wird. 
Beide Reaktionen stellen in ihrem Wesen dasselbe Phänomen dar; 
zwischen ihnen besteht nur ein empirisch bestimmter Gradunterschied 
in der Empfindlichkeit. Dieser Gradunterschied lässt sich so aus- 
drücken, dass die Kutisreaktion bei allen, die überhaupt mit tuber¬ 
kulösem Virus in Kontakt gewesen sind, ein positives Resultat 
ergibt, während die Konjunktivalreaktion nur bei denen, die mit 
solchem Virus in Berührung stehen, positiv wirkt, mit anderen 
Worten bei aktiver Tuberkulose. Man kann also, wenn diese 
Theorie richtig ist — eine Frage, auf deren Beantwortung ich 
mich weder einlassen will noch kann — durch Ausführung der Reaktionen 
die Menschen in drei Gruppen einteilen: 

1. Diejenigen, welche nie mit tuberkulösem Virus in Kontakt 
gestanden haben ( :- Pirquet, Konjunktivalreaktion). 

2. Diejenigen, welche einmal mit solchem Virus in Kontakt ge¬ 
kommen sind, bei denen dasselbe aber inaktiviert ist 
(+ Pirquet, ~ Konjunktivalreaktion). 

3. Diejenigen, welche mit aktivem, tuberkulösem Virus in Be¬ 
rührung sind (-)- Pirquet, Konjunktivalreaktion). 

Endlich kommt dazu noch eine 4. Gruppe mit manifester, fort¬ 
geschrittener Tuberkulose mit Kachexie und negativer Reaktion. Diese 
Gruppe interessiert uns in diesem Zusammenhänge nicht. 

Eine «olche Einteilung der Menschen müsste demnach von sehr 
grosser Bedeutung sein. Geht man von der naheliegenden Vorstel¬ 
lung aus, dass Gruppe 1 hinsichtlich des Tuberkuloserisikos am besten 
gestellt ist, Gruppe 2 dann folgt, und dass die Individuen der Gruppe 3 
den aktiven Keim in sich tragen, so hat man in vielen Verhältnissen 
eine Richtschnur (z. B. der Lebensversicherungsfrage gegenüber, bei 
speziellen hygienischen Verhaltungsmassregeln für tuberkulös dis¬ 
ponierte Personen und ähnliches). Wolff-Eisner und seine An¬ 
hänger 1 ) hatten solchergestalt eine Trennung von Schulkindern mit 

i) Unter anderem Wolff-Eisner und Stadelmann, Über kutane und. 
konjunktivale Tuberkulinreaktion. Deutsche med. Wochenschr. 1908. S. 180. 


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Kristen Andersen. 


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Rücksicht auf die Konjunktivalreaktion in 2 Gruppen geplant: Die eine 
aus gesunden Kindern bestehend, und die andere aus den positiv 
reagierenden Suspekten bestehend, die in besonders günstige hy¬ 
gienische Verhältnisse versetzt werden sollten, um ihrer kränklichen 
Veranlagung entgegenzuarbeiten. 

Mein Interesse für die Reaktionen knüpfte sich an ihre Anwen¬ 
dung als Hilfsmittel bei Massenuntersuchungen in militärmedizinischer 
Beziehung. 

Wie vielleicht bekannt sein dürfte, ist — meiner Auffassung 
nach übrigens gestutzt auf unzureichende Material — behauptet 
worden, dass Tb.-Kränklichkeit unter norwegischen Unteroffiziers¬ 
schülern abnorm gross sei 1 ). Als Abwehrmittel hiergegen ist den 
Abteilungsärzten an den Unteroffizierschulen befohlen worden, halb¬ 
jährliche Untersuchungen sämtlicher Schüler mit Bezug auf Tb. vor¬ 
zunehmen. 

Diese Untersuchungen hat man wesentlich auf eine physikalische 
Untersuchung des Thorax basiert gedacht. Ich bin nun stets der 
Meinung gewesen, dass die physikalische Lungenuntersuchung hin¬ 
sichtlich initialer Tb. eine so subtile Sache ist, dass die Chance, bei 
einer Massenuntersuchung präsumptiv gesunder Personen, ehe sub¬ 
jektive Momente aufgetreten sind und ohne einen Fingerzeig durch 
solche, etwas zu entdecken, ist sehr gering. Daher war es mir darum 
zu tun, eine objektive, leicht kontrollierbare Methode zu finden, durch 
die eine Auswahl von Suspekten zuwege gebracht werden könnte. 
Diese Suspekten könnte man dann unter Aufsicht haben und die 
Hoffnung nähren, frühzeitig feststeifen zu können, ob sie klinische 
Tb. bekommen würden. 

Als eine solche elektive Methode scheint die Konjunktival¬ 
reaktion a priori wohl geeignet zu sein. Sie sondert — die Richtig¬ 
keit der Theorie vorausgesetzt — diejenigen Schüler aus, die mit 
..aktiver Tb.“ in die Schule eintreten. Und ich — und mit mir wohl 
viele — erwartete unter diesen die manifesten Tb.-Fälle zu 
finden, die von Zeit zu Zeit regelmässig in den verschiedenen Jahr¬ 
gängen auftreten. 

Ich entschloss mich, die Brauchbarkeit der lokalen Tbl.-Reaktionen 
und speziell der Konjunktivalreaktion zu diesem Zwecke zu prüfen. 

i) Die hierher gehörenden Dokumente finden sich in Norsk Tidsskrift f. 
Militaermed. für 1908 in einer Reihe Auslassungen von dem jetzigen General¬ 
stabsarzt Daae, Stabsarzt Trap-Meyer und mir. Beim Durchlesen derselben 
wird man auch auf die früheren Äusserungen über diese Frage des jetzigen 
Brigadearztes Myhre (Med. Revue 1903) und der Stabsärzte Mathiesen und 
Arentz (N. Tidsskr. f. Militaermed. 1897 u. 1903) zurückgreifen müssen. 



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5] Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 97 

Man gestatte mir, in bezug auf das Resultat im voraus folgendes 
festzustellen: Die Konjunktivalreaktion ist als elektive 
Methode bei Massenuntersuchungen anwendbar, wenn 
es sich zeigt, dass die manifesten Tuberkulosen, die 
erfahrungsgemäss im Laufe eines bestimmten Zeit¬ 
raumes unter einer Anzahl junger Menschen auftreten, 
nur inderGruppe auftreten, die beim Beginn der Unter¬ 
suchung positiv reagierte. 

Die Untersuchung geschah in der Weise, dass allen Schülern, 
unmittelbar nach Aufnahme in die Schule, 1% (Alt-Tb. Koch) in 
das eine Auge getropft wurde. In der Mitte der 3jährigen Schulzeit 
wurde die Untersuchung dann an dem anderen Auge wiederholt. Öfters 
als zweimal Hess diese Untersuchungsweise sich nicht anwenden, in¬ 
folge der nach der Instillation auftretenden Übereinpfindlichkeit 
gegen Tbl. Diese kann äusserst stark auftreten; ich tropfte einmal 
aus Versehen in das schon einmal instillierte Auge und erhielt eine 
Reaktion, welche unangenehm stark war. 

Hierzu fügte ich — anfangs experimenti causa — auch die Kutis- 
reaktion. Diese wurde beim Eintritt in die Schule ausgeführt und 
einmal jährlich an allen den Schülern wiederholt, die bei der vorher¬ 
gehenden Untersuchung negativ reagiert hatten. Dadurch konnte ich 
die Schüler in die S. 3 genannten 3 Gruppen einteilen. Die Schüler 
waren dann die ganze Schulzeit hindurch unter meiner klinischen 
Observation, indem ich stets in Krankheitsfällen ihr Verhalten den 
Tbl,-Reaktionen gegenüber berücksichtigte und mir anmerkte. Das 
Resultat der Untersuchung trifft also die Anwendbarkeit der Reaktion 
als Richtschnur für eine 3jährige Providenz hinsichtlich der Ent¬ 
wickelung manifester Tb. (nicht sämtliche Schüler sind übrigens 
3 volle Jahre beobachtet worden). 

Ehe ich zur Darstellung des Materials übergehe, möchte ich nicht ^ 
verfehlen, folgendes zu bemerken: Sowohl die Kutis- wie die Kon- 
junktivalreaktion können hinsichtlich ihrer Deutung unzweifelhaft sein. 
Es können indessen Grenzfälle eintreten, wo es sehr schwierig sein 
dürfte zu entscheiden, ob die Reaktion positiv oder negativ ist. 
Dieses gilt besonders für die Kutisreaktion. Dass dieses subjektive 
Moment meine Untersuchungen in gewissem Grade beeinflusst haben 
mag, ist sehr wahrscheinlich. Ich war namentlich geneigt anzunehmen, 
dass der von mir zuerst untersuchte Jahrgang zu viele negative 
Kutisreaktionen aufwies, dass ich mit anderen Worten, das erste Mal 
einige schwache, positive Reaktionen übersehen haben könnte. Doch 
glaube ich nicht, dass der Fehler gross ist. Darin bin ich auf dop¬ 
pelte Art und Weise bestärkt worden. Zunächst bin ich bei einer 

Beitrlge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 1 . 7 


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Kristen Andersen. 


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Kontrolluntersuchung, die im Jahre 1911 an den Schülern des Seminars 
vorgenommen wurde, zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Dann 
bin ich bei der nächsten Untersuchung — eben um meine subjektive 
Auffassung zu kontrollieren — von Herrn Dr. Roll-Hansen gütigst 
unterstützt worden, dem ich hierdurch meinen verbindlichsten Dank 
ausspreche. Es zeigte sich, dass wir den positiven und negativen 
Ausfall der Reaktionen völlig übereinstimmend beurteilten. 

Ich werde das Material zunächst in tabellarischer Form dar¬ 
stellen. ganz so wie es in meinem „Tb.-Untersuchungsprotokoll“ aus 
sieht. Dadurch werden die Momente, die ich nachstehend näher 
präzisieren werde, am besten und unmittelbarsten illustriert. 

Die Untersuchung umfasst die Jahrgänge 1905, 1906, 1907, 1908, 
1909, 1910 und 1911. Sie wurde im März 1908 begonnen und im 
Oktober 1911 bei meinem Austritt als Abteilungsarzt abgeschlossen. 
Die einzelnen Jahrgänge sind daher verschieden lange Zeit hindurch 
beobachtet worden, nämlich: 

Jahrgang 1905 einige Monate (März—Oktober 1908); 1906 1 l / 2 ; 
1907 2 1 /* Jahre; 1908 3 Jahre; 1909 beinahe 3 Jahre 1 ); 1910 fast 
2 Jahre 1 ); 1911 fast ein Jahr 1 ). 

Von diesen wurde nun Jahrgang 1905 nur hinsichtlich seines 
Verhaltens zur Konjunktivalreaktiqn untersucht, und ich habe darüber 
nur das Verzeichnis derjenigen Schüler, die für diese Reaktion 
positiv waren. Im Jahrgang 1905 reagierten von 43 Schülern einer 
positiv = 2,3 %. Die Jahrgänge 1906 und 1907 sind zweimal auf 
Konjunktivalreaktion untersucht worden, während Kutisreaktionen 
nur einmal an ihnen ausgeführt ist. Ich war mir zu dieser Zeit nicht 
klar darüber, dass sich an das Verhalten dieser Reaktion gegenüber 
ein grösseres Interesse knüpfte. Die übrigen Jahrgänge sind wie oben 
erwähnt untersucht. Über Jahrgang 1911 das Weitere nachstehend. 

Die erste Frage, welche ich durch meine Untersuchungen zu 
beantworten trachtete, war nun folgende: Kann die Konjunktival¬ 
reaktion als elektive Methode angewandt werden, um 
diejenige Gruppe von Individuen auszusondern, unter 
denen die manifeste, klinische Tb. auftritt? Wir haben 
also das vorliegende Material mit dieser Frage vor Augen zu unter¬ 
suchen. 

Da zeigt sich denn zunächst, dass die Häufigkeit der Konjunktival¬ 
reaktion unter den Schülern der verschiedenen Jahresklassen fol¬ 
gende war: 

1 ) In dieser Jahresklasse ist seit meinem Ausscheiden bis jetzt, April 1912, 
kein weiterer Fall von Tuberkulose eingetreten. Das Schuljahr und die Jahres¬ 
periode läuft im September resp. Mai deises Jahres ab. 


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Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


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Jahrgang 1907. Tabelle 


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i) 1908 entlassen, kränklich, nicht Tb. — 2) April 1910 entlassen, nicht krank. — ») AnguBt 1910 entlassen, nicht krank. 
- 4) Februar 1909: Konjunktival-Phlyktäne. — &) April 1908 entlassen, Tb. verdächtig. — 6) Oktober 1909 entlassen, nicht krank. — 
. Konjunktival-Phlyktäne nach Galmette. — 8) September 1909 entlassen, nicht krank. — ®) August 1910 entlassen, Knochenschaden. 















9] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


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i) Konjunktivii, keine Kpnj.-Reaktion. — 2 ) Lungentb., Meningitis 1910. — ») Im 3. Schuljahr entlassen, nicht krank. — 
Entlassen. — 5 ) Entlassen auf eigenen Wunsch, nicht krank. — 6) Entlassen, kränklich, Tb.-verdächtig. — ?) Entlassen, Pleuritis. 












Jahrgang 1909. Tabelle 4. 


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i) 1910 Entlassen, nicht krank. — 2 ) Tb. pulm. im 1. Schuljahr. — 3) Auf eigenen Wunsch entlassen. — 4 ) Entlassen, 














Jahrgang 1910. Tabelle 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


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Jahrgang 1911. Tabelle 


104 


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) Letztes Mal zweifelhafte Reaktion. — *) März 1912 nicht untersucht. 










13] 


Einige Untersuchungen Uber die klinische Anwendbarkeit etc. 


105 


Jahrg. 1905 1 ): von 43 Schülern ergaben 1 posit. Konj.-Reakt. = 2,3°/o 


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Summa: 262 Schüler ergaben 33 posit. Konj.-Reakt. = 13°/o. 

Dies stimmt durchaus mit dem überein, was man sonst gefunden 
hat. So hat Wolff-Eisner 5 ) eine Statistik über klinisch nicht 
suspekte Individuen mit 55 positiven Reaktionen (ca. 9°/o). Ich nehme 
jedoch an, dass sowohl Wolff-Eisners 9°/o als die hier gefundenen 
13 °/o ein Minimum der Häufigkeit der Reaktion repräsentieren. Auf 
der Festung zu Kristiansand untersuchte ich die Reaktionen im Jahre 
1908. Unter diesen fanden sich dann ca. 20% positiv reagierende. 
Die Festungsbesatzung rekrutierte sich hier vorwiegend aus der Stadt¬ 
bevölkerung. Für die Auffassung, dass diese Zahl relativ niedrig ist, 
spricht auch das Verhalten der Kutisreaktion gegenüber,' auf welche 
ich später noch zu sprechen komme. 

Unter den so ausgesonderten 33 Schülern sollte man nun die 
auftretenden Fälle von Tb. finden, falls die Reaktion als diagnostisches 
Hilfsmittel bei Massenuntersuchungen irgendwelchen Wert hat. 

In den hier besprochenen Jahrgängen traten während der Schul¬ 
zeit folgende Fälle von Lungentuberkulose auf (andere Tb. gab es nicht): 

1. Aus Jahrgang 1908 Nr. 231 B, bei dem die Tuberkulose im 
dritten Schuljahre auftrat. 

2. Aus Jahrgang 1909 Nr. 300 F, bei dem die Tuberkulose im 
ersten Schuljahr auftrat. 

3. Aus Jahrgang 1909 Nr. 321 P, bei dem die Tuberkulose im 
ersten Schuljahr auftrat. 

Untersuchen wir in den respektiven Tabellen, wie diese Schüler 
sich beim Eintritt gegenüber den lokalen Tbl.-Reaktionen im all¬ 
gemeinen und der Konjunktivalreaktion im besonderen verhalten haben, 
so finden wir, dass sowohl Nr. 300 wie Nr. 231 beim Eintritt 
auf beide Re aktionen negativ reagierten, während Nr. 321 F 

1) Drittes Schuljahr. 

2) Zweites Schuljahr. 

3) Erstes Schuljahr. 

Die Klasse bestand aus 37 Schülern. 6 hatten indessen Konjunktivitis, so 
dass die Reaktion nicht ausgeführt werden konnte. 

5) Woltf-Eisner, Frühdiagnose und Tuberkuloseimmunität. S. 179. 


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106 


Kristen Andersen. 


[14 


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beim Eintritt auf dieselben positiv reagierte. Wir sehen weiter, dass 
Nr. 231, der seine Tb. im dritten Schuljahr bekam, auch bei der 
Untersuchung im zweiten Schuljahre auf beide Reaktionen negativ 
reagierte. 

Dieses Resultat sagt natürlich, nichts über die Berechtigung der 
theoretischen Auffassung des Wesens der Reaktionen, wie Wolff- 
Eisner, Calmette und ihre Anhänger sie haben. Es ist sehr 
möglich, dass die Konjunktivalreaktion die Anwesenheit aktiver Tb. 
indiziert, und dass die Kutisreaktion hinsichtlich früher erfolgten Kon¬ 
taktes mit tuberkulösem Virus retrospektative Bedeutung hat. Doch 
das Resultat dieser Untersuchung zeigt, dass die Gruppeneinteilung, 
welche man auf diesem Wege aus einer vorliegenden Sammlung von 
Individuen vornehmen kann, keinen praktischen, diagnostischen Wert 
hat. Man kann in keiner Weise darauf fussen, dass es die im Wolff- 
Eisn er sehen Sinne aktiv tuberkulöse Gruppe ist, welche die auf¬ 
tretende manifeste und klinisch bedeutungsvolle Tb. produzieren wird. 
Die Konjunktivalreaktion repräsentiert mit anderen 
Worten keine Richtschnur für Massenuntersuchungen 
hinsichtlich der Entwickelung klinischer Tb. Es ist 
äusserst zu beklagen, dass dies der Fall ist; die Methode wurde, falls 
sie effektiv gewesen wäre, einem fühlbaren Mangel abgeholfen haben. 

Wie oben erwähnt, hatte ich bei allen unter den Schülern ein¬ 
tretenden Krankheitsfällen ihr Verhalten zu den Reaktionen im Auge. 
Es war mir darum zu tun, mit Hilfe der vorgenommenen Gruppen¬ 
einteilung die manifeste Tb. so früh wie möglich zu finden. Speziell 
hoffte ich hierbei, Perioden mit kleinen unmotivierten, längere oder 
kürzere Zeit währenden Temperatursteigerungen auf .die Spur zu 
kommen, und durch ein Zusammenhalten dieser mit den positiven 
Lokalreaktionen Anhaltspunkte für eine frühzeitige Diagnose finden zu 
können. — Mein Material eignete sich sehr gut für eine solche Unter¬ 
suchung. Die Unteroffizierschüler müssen, um aus Gesundheitsrück¬ 
sichten vom Dienst befreit zu werden, stets vom Abteilungsarzte unter¬ 
sucht werden. Alle möglichen kleinen Beschwerden kommen daher 
zur Beobachtung, und da es oft schwer zu entscheiden ist, inwiefern 
der angegebene Grund ein gültiger ist, ist die Anwendung des Thermo¬ 
meters ein sehr erwünschtes Hilfsmittel. Auf diese Weise kommt 
man, namentlich wenn man Rektalmessung anwendet, vielen sonst 
vielleicht übersehenen Fieberbewegungen auf die Spur. Ich möchte 
nun hierhersetzen, was mein Material in bezug auf diese Frage auf¬ 
weist. 

In dieser Verbindung möchte ich zunächst einen Fall erwähnen 
der nicht in die Unteroffizierschule gehört, und sich daher nicht in 


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-UNIVERSITY OF MINNESOTA— 



15] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


107 


den Tabellen findet. Er betrifft einen Schüler der Artillerieschule 
der Festung Kristiansand (Matr. Nr. 153 S). Der Schüler meldete 
sich in meiner Sprechstunde im Oktober 1907. Er klagte über leichtes 
Übelbefinden. - Bei der Untersuchung war nichts Abnormes zu ent¬ 
decken. Er lag einige Tage krank in seinem Quartier, doch da er 
sich noch immer nicht wohl fühlte, wurde er am 1. November ins 
Lazarett eingeliefert. Hier zeigte es sich, dass er kleine Temperatur¬ 
erhöhungen am Abend hatte. Die Temperatur, welche in der Axilla 
gemessen wurde, war niemals über 38°. Seine normale Abendtem¬ 
peratur lag unter 37°. Im übrigen war bei der Untersuchung absolut 
nichts Abnormes zu finden. Er hustete nicht. Durch KJ versuchte 
man eine Exspektoration hervorzurufen; nur ein ganz geringes Sputum 
kam zum Vorschein, wesentlich Halsschleim, worin Tbc. nicht nach¬ 
zuweisen war. Die andauernden Fieberbewegungen führten meine 
Gedanken auf verborgene Tb. hin. Ich entschloss mich daher, ihm 
ein paar kleine Tbl.-Dosen zu geben. Sahli erwähnt dies in seiner 
Arbeit „Über Tuberkulinbehandlung* als ein therapeutisches Mittel bei 
tuberkulösem Fieber. Nachdem er gesagt hat, dass man bei febriler 
Tb. am besten Defebrisierung abwarten solle, gibt er zu, dass man 
doch, falls das Fieber andauert, vorsichtig Tbl. versuchen kann. „Man 
„sieht dann nicht so selten, dass das Fieber unter Anwendung des 
„Tuberkulins sinkt und definitiv beseitigt wird, und zwar oft schon 
„nach ganz minimalen Dosen* (1. c. S. 68). Selbst habe ich in 
einem Artikel in der Med. Revue („Einige Bemerkungen über Erythema 
nodosum* 1908 S. 392) über ein paar Fälle von tuberkulösem Fieber 
nach Erythema nodosum berichtet, wo das Fieber nach Tbl.-Injek- 
tionen mit kleinen Reaktionen verschwand. .— Am 22. XL 1907 er¬ 
hielt nun der Schüler V 10 m g ara 26. XI. erhielt er 1 mg. Das 
letzte Mal trat nach der Injektion eine schwache Steigerung der 
Temperatur ein, die ich als Reaktion deutete. Nach dieser Injektion 
hörte das Fieber völlig auf. Der Schüler wurde wieder ganz gesund. 
Im März 1908 wurde er auf Konjunktivalreaktion untersucht; diese 
war stark positiv. Er war noch immer ganz gesund. Im Sommer 1909 
wurde er an die Unteroffizierschule bei Oscarsborg versetzt. Wäh¬ 
rend seines dortigen Auf enthaltes bekam erLungen-Tb. 

Dieser Fall 1 ) ist ein Beweis für die mahnende Bedeutung, die 
man protrahierten, in den auftretenden physikalischen Funden un¬ 
motivierten Fieberbewegungen, besonders vielleicht andauernden sub¬ 
febrilen Temperaturen beilegen muss. Die Deutung dieser Fieber¬ 
bilder kann sehr schwierig sein, wie alle Ärzte erfahren hahen werden. 

i) Der Fall ist früher in N. Tidsskr. f. Militftrmed. 1908, S. 54 beschrieben: 
Nachweis initialer Tb. bei Militärabteilungen. 


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108 


Kristen Andersen. 


116 


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Aber gerade in diesem Punkte halte ich die Konjunktivalreaktion als 
Hilfsmittel für geeignet. Ihr positiver Ausfall sagt auch hier ganz 
gewiss nicht viel. Aber eine negative Konjunktivalreaktion 
während eines solchen protrahierten Fieberzu stand es 
ohne physikalische Funde gestattet gewiss mit ziemlich 
grosser Sicherheit Tb. als Fieberursache auszuschHessen. 

Als ein charakteristisches Beispiel dieses Nutzens der negativen 
Reaktion möchte ich auf eine Krankheitsgeschichte verweisen, die ich 
im Februarhefte der Med. Revue 1911 referiert habe. Es handelte 
sich um einen chronischen Leberabszess, der als einziges Symptom 
ein protrahiertes Fieber, Schmerz in der rechten Schulter und eine 
ganz geringe Veränderung der Leberdämpfung aufwies. Der Fall 
konnte in mancher Beziehung an ein tuberkulöses Fieber erinnern. 
Es war für mich daher eine wirkliche diagnostische Hilfe, dass die 
Konjunktivalreaktion negativ verlief. — Die diagnostische Anwend¬ 
barkeit dieser Negativität der Konjunktivalreaktion erfährt kaum eine 
Einschränkung durch den Umstand, dass die Reaktion zuweilen negativ 
sein kann, wo das Individuum unbesteitbar Tb. hat. Dies findet sich 
nämlich wesentlich bei Individuen, die kachektisch sind, deren „anti¬ 
tuberkulöse Resourcen* erschöpft oder vielleicht auch unentwickelt 
sind. Aber die hier erwähnten subfrebrilen Kasus ohne Physikalia 
sind wohl gerade im Entstehen begriffene Kasus, die im Zeichen des 
Kampfes, des Kampfes zwischen Organismus und Virus, stehen. 

Von Fällen aus dem oben angeführten Material, die unter die 
eben genannten Gesichtspunkte fallen, gibt es folgende: 

1. Aus dem Jahrgänge 1907 Nr. 189, L. Er wurde am 16. 111. 1908 dem 
Lazarett überwiesen und lag dort bis zum 2. IV. 1908. Er zeigte während seines 
Aufenthaltes im Krankenhause Fieber in leichtem Masse und Husten. Das Ex- 
pektorat enthielt ein paar Male etwas Blut. Durch wiederholte Untersuchungen 
konnte Tbc. nicht nachgewiesen werden. In der rechten Fossa supracl. hörte 
man zu wiederholten Malen einen einzelnen Ronchus. Im übrigen war der Be¬ 
fund negativ. Der Schüler reagierte auf die Konjunktivalreaktion positiv. Er 
wurde am 29. IV. 1908 aus dem Dienst entlassen, da ich seinen Zustand als 
suspekt ansah, Er ist jedoch später gesund gewesen. Wahrscheinlich hat cs 
sich nur um ein katarrhalisches Fieber gehandelt 

2. Aus dem Jahrgänge 1908 Nr. 220, ö. Er wurde am 3. II. 1909 dem 
Lazarett überwiesen und bis zum 27. II. 1909 dort behalten. Er hatte in dieser 
Zeit gleichmässig ganz geringe Temperatnrsteigerungen am Abend. Bei Unter- 
suchung der Lunge fand sich nichts. Er klagte über Stiche in der linken Seite. 
Im Jahre 1908 reagierte er auf Tbc.-Reaktionen negativ, 1909 dagegen positiv 
auf beide. Dies in Verbindung mit seinen unmotivierten Fieber an fällen bewog 
mich, ihn zum 15*. IV. 1909 zur Dienstentlassung vorzuschlagen. 

3. Aus dem Jahrgange 1908 Nr. 224, S. Vom 4. IV. bis 16. IV. 1910 lag 
ei im Krankenhause wegen eines leicht febrilen Zustand« s, im übrigen ohne ob- 



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17] £inige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 109 

jektiven Befund. Er reagierte negativ auf beide Reaktionen. Vom 
14. VI. bis zum 5. VII. wurde er wegen einer leicht und schnell verlaufenden 
exsudativen Pleuritis in der rechten Seite behandelt. Dieses im Zusammenhang 
mit seinem unmotivierten Fieber im April desselben Jahres bewog mich, ihm den 
Rat abzugehen zu geben, trotzdem die negetiven Tbc.-Reaktionen gegen Tb. als 
Ur8aobsmoment sprachen. 

4. Schliesslich aus dem Jahrgange 1909 Nr. 300, F. Er ist, wie aus der 
Tabelle zu ersehen ist, einer der Schüler, die manifeste Tb. bekamen. Dies ge¬ 
schah im Januar 1910. Vom 25. XI. bis 16. XII. 1909 lag er indessen im 
Hospital mit einem Fieberzustand, der durch keinen objektiven Befund zu er¬ 
klären war. Seine Temperaturkurve habe ich leider nicht aufbewahrt. Sie brachte 
mich auf den Gedanken an typhoides Fieber Widal war indessen negativ. Als 
er im Herbst 1909 Tbc.-Reaktionen gegenüber untersucht war und negativ reagiert 
hatte, wiederholte ich dieselben nicht Das sollte ich vielleicht getan haben. 
Im Februar 1910 reagierte er auf beide positiv; er hatte damals eine 
tuberkulöse Pneumonie. Und es ist möglich, dass ich, wenn ich dieses Verhalten 
im Dezember 1909 untersucht hfitte, dasselbe gefunden und damit eine Ahnung 
erhalten hätte, dass sein unerklärliches Fieber tuberkulöser Art sei. Das Fieber 
verschwand indessen nach und nach, er wurde gesund und fühlte sich vollständig 
wohl. Erst Ende Januar 1910 wurde er wieder krank, und es entwickelte sich 
da, wie gesagt, eine tuberkulöse Pneumonie. 

Ich habe diese Krankheitsfälle in dieser Verbindung aus zwei 
Gründen angeführt. Erstens weil sie mit dazu gehören, um ein Bild 
der Morbidität bei den beiden Gruppen von Schülern zu zeichnen, 
den positiv uud negativ reagierenden. 

Doch zweitens — und hier sind auch die Kasus aufgeführt, die 
ausserhalb des Materials der Unteroffizierschule liegen — weil ich 
darauf hinzuweisen wünschte, dass gerade gegenüber protra¬ 
hierten Fieberbildern ohne genügende Begründung im 
objektiven Befunde die Konjunktivalreaktion Hilfe zu 
bringen geeignet ist. Ihre Negativität in solchen Fällen spricht 
sehr bestimmt gegen den tuberkulösen Charakter des Fiebers. Ihre 
Positivität sagt ganz gewiss weniger, doch fordert sie zur Vorsicht in 
prognostischer und diagnostischer Hinsicht auf. 

Von anderen, die Tuberkulose tangierenden Krankheiten bei den 
positiv reagierenden Schülern fand sich nur ein Fall, indem Nr. 178 A 
(Jahrgang 1907) im Februar 1909 wegen Keratitis phlyctaenularis be¬ 
handelt wurde. Bei mehreren der positiv reagierenden Schüler fanden 
sich ausserdem kleine, geschwollene Halsdrüsen. 

Ausser ihrer Bedeutung als diagnostisches Hilfsmittel hat nun 
Wolff-Eisner seiner Reaktion auch prognostischen Wert zuge¬ 
schrieben. Hat man nämlich eine manifeste Tb. und findet man hier 
negative Konjunktivalreaktion, so deutet dies eine schlechte Prognose 
an, während umgekehrt eine kräftige Reaktion lieber Widerstands- 


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110 


Kristen Andersen. 


[18 


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kraft gegen die Krankheit vermuten lässt. Nach meinen Erfahrungen 
kann man auf dieser Anwendung der Reaktion nicht mit Sicherheit 
fussen. Ich möchte dies durch ein paar Beispiele beleuchten: 

Das eine betrifft einen meiner Unteroffizierschüler, dessen Schul¬ 
zeit vor dem Beginne dieser Untersuchungen liegt. Er hatte bei 
meinem Eintritt als Abteilungsarzt eine chronische Pleuritis mit typisch 
tuberkulösem Gepräge. Diese wurde nach mehrmonatlichem Kranken¬ 
lager mit bedeutenden Residuen in Form von Einschrumpfung und 
Verdichtung geheilt. Dies geschah 1904. Der Mann wurde gesund, 
machte sein Abiturium, studierte, war als Hauslehrer in Stellung 
usw. Im Jahre 1908 unternahm ich an ihm experimenti causa die 
Konjunktivalreaktion. Sie war negativ. Erst ein Jahr später bekam 
er manifeste Lungen-Tb., die im Anfang gutartig verlief, bis sie mit 
Darm-Tb. kompliziert wurde, die dieses Juhr seinem Leben ein Ende 
machte. Mir kommt es so vor, als müsse dieser unter denen aufgeführt 
werden, die Widerstandsfähigkeit gegen Tb. gezeigt haben. Der Kampf 
zwischen Infektion und Organismus erstreckt sich über einen Zeit¬ 
raum von acht Jahren, und seine Lungen-Tb. wurde durch einen 
Sanatoriumaufenthalt günstig beeinflusst. Er reagierte aber, wie ge¬ 
sagt, negativ. 

Umgekehrt hatte ich einen Privatpatienten, eine Dame im Alter 
von 25 Jahren, bei der ich eine Menge tuberkulöser Halsdrüsen ent¬ 
fernt hatte. Kurze Zeit danach bekam sie eine Spitzenaffektion. Ich 
nahm die Konjunktivalreaktion an ihr vor. Sie war in so hohem 
Grade positiv, wie ich sie nie gesehen habe. Der Zustand entwickelte 
sich zu florider Phthisis, die im Laufe weniger Wochen ihrem Leben 
ein Ende machte. 

Ich glaube auf das Wesentliche dessen, was meine Untersuchungen 
der klinischen Anwendbarkeit der Konjunktivalreaktion erweisen, hin. 
gedeutet zu haben. Da der Hauptzweck der Untersuchung gerade 
darauf gerichtet war, möchte ich meine Resultate in Kürze dahin zu¬ 
sammenfassen : 

1. Die Konjunktivalreaktion kommt bei klinisch Gesunden so 
häufig vor, dass ihr positives Auftreten dem einzelnen dubiösen Kasus 
gegenüber keine diagnostische Bedeutung hat. Ein negativer Ausfall 
der Reaktion kann dennoch von Richtung gebender Bedeutung sein. 
Namentlich verdient sie bei Fieberzuständen von unbekannter Ent¬ 
stehung und mit mangelndem physikalischem Befunde Anwendung zu 
finden. 

2. Die Konjunktivalreaktion eignet sich bei Massen¬ 
untersuchungen nicht als elektive Methode, die auf die 



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19] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


111 


Entwickelung manifester Tuberku lose im frühzeitigen 
Stadium gerichtet ist. 

3. Die prognostische Bedeutung der Konjunktivalreaktion habe ich 
nicht bestätigt gefunden. 

Im vorstehenden ist die Aufmerksamkeit besonders auf das Ver¬ 
halten der Konjunktivalreaktion gerichtet gewesen. Wie schon gesagt, 
wandte ich die Kutisreaktion bei der Untersuchung ursprünglich ohne 
bestimmte Absicht an. Es interessierte mich eigentlich nur, das 
gegenwärtige Verhältnis zwischen den beiden Reaktionen zu sehen. 
Je weiter nun die Untersuchung fortschritt, desto öfter zeigte sich 
gerade bei dieser Reaktion ein eigentümliches Verhalten, das meine 
Aufmerksamkeit fesselte. Dieses Verhalten bei der Kutisreaktion ist 
es, was ich im folgenden zu beleuchten versuchen möchte: 

Es sind, um es gleich vorweg zu sagen, zwei Punkte im Ver¬ 
halten der Schüler gegenüber der Kutisreaktion, die Aufmerksamkeit 
zu erregen geeignet sind. 

Der eine Punkt ist die relativ geringe Anzahl positiv 
reagierender beim Eintritt, der andere die unglaublich 
grosse Anzahl positiv reagiernder beim Abschluss der 
Schulzeit. * 

* Die Häufigkeit von positiver Kutisreaktion heim Eintritt in die 
Schule zeigt sich nach den Tabellen wie folgt: 

Jahrgang 1908 10 positiv reagierende von 42 Schülern = 24% 


yt 

1909 22 

r 

» 39 

n 

= 56 

n 

1910 14 

Y) 

, 26 

77 

= 54 

77 

1911 19 „ 

77 

E- 

CO 

Ci 

77 

= 51 


Zusammen: 65 positiv reagierende von 144 Schülern = 45°,o. 

Diese Zahl stimmt sehr gut mit den von Wolff-Eisner vor¬ 
genommenen Untersuchungen überein (1. c. S. 179). Durch Unter¬ 
suchung von 611 klinisch gesunden und 55 chirurgischen Patienten, die 
klinisch kein hervortretendes Zeichen von Tb. boten, fand er bei 
diesen 666 Menschen 278 positive Kutisreaktionen = 42%. Wie schon 
erwähnt, kann ich ja einigen Zweifel hegen, inwieweit ich bei meiner 
ersten Untersuchung im Jahre 1908 einige schwache positive Reak¬ 
tionen übersehen habe. Die Zahl 24% ist ja im Vergleich mit den 
gleichmässig höheren Zahlen der anderen Untersuchungen unverhältnis¬ 
mässig klein. Indessen habe ich in diesem Jahre — aus Gründen, 
auf die ich später zurückkommen werde — die Schüler der hiesigen 
Lehrerschule auf Kutisreaktion untersucht. Diese Schule rekrutiert 
sich im wesentlichen aus der Landbevölkerung und hat daher viel 


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112 


Kristen Andersen. 


[20 


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Ähnlichkeit mit der Unteroffizierschule. Es zeigte sich nun, dass 
9 von 40 Schülern = 22% positiv reagierten. Bei dieser Untersuchung 
hielt ich meine Aufmerksamkeit auch auf schwache Reaktionen ge¬ 
richtet. Diese Zahl liegt, wie man sieht, dem Jahrgang 1908 an der 
Unteroffizierschule sehr nahe, und es ist also nicht-ausgeschlossen, 
dass man 1908 einer exzeptionellen Auswahl Schüler gegenüberstand. 

Ich habe oben gesagt, es. sei auffallend, eine so geringe Anzahl 
positiv reagierender zu sehen. Dieses gilt, wie man verstehen wird, 
weniger dem gegenseitigen Verhältnis zwischen den Untersuchungen* 
anderer und den meinigen als der Übereinstimmung zwischen den 
Befunden bei der Reaktion und der ihr zugrunde liegenden Theorie. 
Die Kutisreaktion sollte bezeichnen, dass der Organismus mit 
tuberkulösem Virus in Kontakt gewesen sei. Es ist nach 
den vorstehenden Befunden nicht wahrscheinlich, dass sie alle, 
mit denen dies der Fall gewesen ist, verrät. Dazu sind die Zahlen, 
selbst die höchsten, kaum gross genug. Bugge 1 ) fand bei seinen 
Untersuchungen über die Häufigkeit von Tb. bei Sektionen: 
von 10—19 Jahren tuberkulöse Veränderungen in 89% der Fälle 
n 20—29 „ „ „ „ 83 „ „ „ 

und Nägeli 2 ) fand bei Erwachsenen bei 97% aller obduzierten 
tuberkulöse Veränderungen. Hierbei ist jedoch denkbar, dass die 
Bevölkerungskreise, von denen hier die Rede ist, wirklich von Tb. 
relativ unberührt sind. Hierfür scheint auch der Umstand zu sprechen, 
dass man in verschiedenen Städten bei Untersuchungen analoger 
Klassen der Bevölkerung verschiedene Werte für die Kutisreaktion 
gefunden hat. Wolff-Eisner erwähnt z. B. (1. c. S. 177), dass das 
Krankenhausmaterial in Berlin 50% positive Reaktionen, in Wien 
70—90% aufweist, weiter, dass man in der Krankenkassenpraxis 
bei Untersuchnngen in den Umgebungen manisfest Tuberkulöser 
wenigstens 90% positive Reaktionen gefunden habe. Unter seinen 
gutsituierten Privatklienten hat Wolff-Eisner unter klinisch ge¬ 
sunden Individuen nur 20—>25% positiv reagierende gefunden. 

Was indessen höchst eigentümlich wirkte, war der zweite oben¬ 
genannte Umstand, dass so gut wie alle Schüler bei ihrem 
Austritt aus der Schule positiv reagierend geworden 
waren. Es findet also mit anderen Worten während der Schulzeit 
eine gleichmässige Steigerung hinsichtlich der positiv Reagierenden 

1) Bugge, Untersuchungen über die Häufigkeit der Lungentuberkulose. 
S. 119. 

2 ) Nägeli, Ober Häufigkeit, Lokalisation und Ausbreitung der Tuberkulose. 
Virchows Archiv Bd. 160. 



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21] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


113 


statt. Untersuchen wir die Tabellen im Hinblick darauf, so finden 
wir folgendes: 


Jahrgang 

1. Schuljahr 

II. Schuljahr 

l 

III. Schuljahr 

1907 

1908 

von 42 10+ = 24% 

von 43 23+ = 53% 

„ 36 16+ = 44% 

von 32 27+ = 84% 

1909 

„ 89 22+ = 56% 

„ 31 24+ = 77% 

„ 30 26+ = 86% 

1910 

„ 26 14 + = 54 % 

„ 19 15+ =79% 



Die Beurteilung dieser Zahlen erleidet dadurch eine Einbusse, 
dass, wie man sieht, die Schülerzahl während der Schtdzeit infolge 
Entlassung von Schülern gesunken ist. 

Eine klarere Übersicht über das, was vorgegangen ist, gibt da¬ 
her vielleicht folgende Darstellung: 

Jahrgang 1908. 

Von den 32 Schülern, die im ersten Schuljahr negativ reagierten, 
waren im zweiten Schuljahr 11 positiv geworden. Von den übrig 
bleibenden 21 waren im dritten Schuljahr 16 weitere positiv geworden, 
während 2 zur Entlassung kamen. 

Jahrgang 1909. 

Von den 17 Schülern, die im ersten Schuljahr negativ reagierten, 
waren im zweiten Schuljahr 10 positiv geworden. Von den übrig 
bleibenden 7 waren im dritten Schuljahre 2 positiv geworden. 

Jahrgang 1910. 

Von den 12 Schülern, die im ersten Schuljahre negativ reagierten, 
waren im zweiten Schuljahre 6 positiv geworden, während 4 ent¬ 
lassen wurden. 

Fragt man nun nach einer Erklärung dieses Phänomens, könnte 
man sich zu allererst die Möglichkeit denken, dass die jungen, von 
Tb. bisher unberührten Menschen während ihrer Schulzeit wirklich 
mit Tb. infiziert worden seien. Es wäre ja denkbar, dass sie bei 
der isolierteren Lebensweise in ihren heimischen Gegenden haben 
leben können, ohne mit tuberkulösem Virus in Kontakt zu kommen, 
während dasselbe unter den konzentrierten Verhältnissen des Stadt¬ 
lebens zu ihnen und in sie hinein gelangte. 

Diese Möglichkeit, die ich trotz ihrer UnWahrscheinlichkeit nicht 
ohne weiteres in Abrede stellen wollte, musste ich daher in Er¬ 
wägung ziehen. Sollte sie es wirklich sein, die den erklärenden 
Grund abgab, dann musste man indessen ein ähnliches Verhältnis 

Beitr&ge zur Klinik der Tnberknlose. Bd. XXVI. H. 1. 8 


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114 • Kristen Andersen. [22 

zu finden erwarten, wo grössere Sammlungen von Bauernburschen 
sich einige Jahre hindurch in der Stadt aufhalten. Es musste die Über¬ 
siedelung vom Landleben in die städtischen Verhältnisse sein, was das 
Entscheidende war; denn es klebt selbstverständlich keine mystische 
Affinität zur Tb. an dem Umstand, dass man Unteroffizierschüler ist. 

Nun bieten unsere Lehrerschulen ein Verhältnis, das sehr an 
die Unteroffizierschulen erinnert. An beiden Lehranstalten sammeln 
sich im wesentlichen Bauernburschen in ziemlich gleichem Alter; 
sie kommen aus ihrer Heimat und verbringen 3 Schuljahre in der 
Stadt unter annähernd gleichen sozialen und hygienischen Bedin¬ 
gungen. Wäre es nun die Übersiedelung vom Lande in die Stadt, 
die einen ständig steigenden Prozentsatz „Tb.-berührter a Individuen 
bedingte, so musste* man selbstverständlich auch bei den Lehrer¬ 
schulen eine relativ niedrige Zahl positiver Reaktionen in der ersten 
Klasse und eine • progressive Steigerung in den beiden folgenden 
Klassen zu finden erwarten. 

Der Rektor der hiesigen Lehrerschule und die Schüler erwiesen 
mir das Entgegenkommen, zu diesem Zwecke eine Untersuchung zu 
gestatten. Das Resultat war folgendes: 


Tabelle 7. Lehrerschule in Kristianssand. 


I. Klasse 

II. Klasse 

III. Klasse 

H., 18 Jahre 

+ 

M., 20 Jahre ! 

+ 

N., -81 Jahre 


M., 20 „ 


s., 21 „ 


H., 

19 „ 

_ 

M., 18 „ 


N., 21 , 

— 

L., 

22 „ 

+ 

J-, 19 „ 

+ 

M., 27 „ 

— 

A., 

19 „ 


F., 19 „ 


B., 24 „ 

— 

K, 

22 „ 

— 

S„ 18 „ 

— 

M., 21 „ 

— 

A., 

22 „ 

— 

S., 18 „ 


R., 24 „ 

— 

F., 

23 „ 

— 

H., 19 „ 

— 

R , 20 „ 

+ 

V., 

21 „ 

— 

R., 18 „ 


B., 20 „ ' 

_ 

s., 

20 „ 

1 — 

0., 21 „ 

— 

L., 19 „ 

— 

s., 

22 „ 

1 — 

B., 20 „ 

— 

B.. 19 „ 

— 

o. f 

22 „ 

| — 

S., 21 „ 

+ 

U., 20 „ i 

— 

R., 

22 „ 

— 

H., 19 „ | 



1 

s., 

32 „ 

+ 

F., 18 „ 

+ 1 

i 



21 „ 

— 


Wie man aber sieht, zeigte 

I. Klasse von 14 Schülern 4 positive Reaktionen = 29 °/o 

II. „ „ 12 „ 2 „ = 17% 

III. „ 14 „ 3 „ „ =21% 

Zus. von 40 Schülern 9 positive Reaktionen = 22%. 



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23] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


11 r> 


Es findet sich demnach an der Lehrerschule nichts, was irgend¬ 
welche Steigerung der Anzahl der positiv Reagierenden die Schulzeit 
hindurch anzudeuten vermöchte. 

Fragt man sich sodann: Was ist es denn, was bei diesen beiden 
Gruppen junger Menschen, die sich in ihrem Reaktionsverhältnis 
gegenüber Tbl. so ganz verschieden verhalten, verschieden ist, so ist 
die naheliegende Antwort: Die eine Gruppe, die Unteroffizierschüler, 
ist während ihrer Schulzeit zu wiederholten Malen (bei Gelegen¬ 
heit der Reaktionen) mit Tbl. inokuliert, die zweite Gruppe, die 
Lehrerschüler, werden bei der Untersuchung zum ersten Male 
mit diesem Stoffe in Berührung gebracht. 

Man muss daher die Möglichkeit erwägen und untersuchen, die 
darin liegt, dass es die Tbl.-Inokulation der vorhergehenden Male ist, 
welche bei denen, die bisher negativ reagiert haben, bei den späteren 
Untersuchungen die Reaktionsfähigkeit schafft. 

Nun weiss man sehr gut, dass Instillationen von 1% Tbl. in 
das Auge eine lokal e Überempfindlichkeit in diesem Auge für kleine 
Tbl.-Eintropfungen hervorruft. G. Cohn hat auch, nach Wolff- 
Eisner (1. c. S. 115), eine Überempfindlichkeit des anderen, nicht 
instillierten Auges beobachtet, ein Phänomen, welches Wolff-Eis ner 
dahin zu erklären sehr geneigt ist, dass es durch eine Einreibung 
kleiner Mengen Tbl., die aus dem untersuchten Auge ausgeflossen 
seien, durch die Finger des Untersuchten hervorgerufen sei. Dass 
jedoch die Resorption des Minimums an Tbl., welches durch einen 
Hautritz resorbiert wird, eine bleibende Veränderung im Verhalten 
des ganzen Organismus gegenüber Tbl. sollte hervorrufen können, 
scheint a priori sehr unwahrscheinlich. 

Untersuchungen in dieser Richtung sind nun von Eli ermann 
und Erlandsen vorgenommen u. a. auf dem VT. nordischen Kon¬ 
gress für innere Medizin in Skagen 1909 l ) referiert. Schon v. P i r q u e t 
hatte (durch Versuche an sich selbst) observiert, dass der Arm, den 
er öfters inokuliert hatte, auf viel schwächere Auflösungen als der 
andere positiv reagierte. Inwieweit diese Sensibilisierung ein lokales 
oder generelles Phänomen war, war indessen unentschieden. Durch 
ihre Untersuchungen mit quantitativer Ausführung der Kutisreaktion 
haben nun E11 ermann und Erlandsen nachgewiesen, dass eine 
Sensibilisierung des ganzen Organismus gegenüber Tbl. nach einer 
oder mehreren Kutisreaktionen stattfindet. Diese Sensibilisierung 
fanden sie jedoch nur bei Individuen, die schon bei der ersten Probe 


i) Verh. d. VI. Kongr. f. inn. Med. S. 65, Über Sensibilisierung bei der 
kutanen Tuberkulinreaktion. 



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Kristen Andersen. 


[24 


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auf die Kutisreaktion positiv reagierten. Sie sagen: „Es zeigt sich 
„somit, dass das Tuberkulin nicht imstande ist, einen vollkommen 
„tuberkulosefreien Organismus zu sensibilisieren. Anscheinend kann 
„man auch Ausnahmen hiervon treffen, nämlich sofern man bei 
„der ersten Reaktion eine 25°/oige Lösung eines schwachen Tuber¬ 
kulins. anwendet. Es kann dann Vorkommen, dass die 
„erste Reaktion negativ ist, während die zweite Re¬ 
daktion auf Grund der Sensibilisierung positiv aus- 
„fällt 1 ).“ In bezug auf die Zeit für das Auftreten der Sensibili¬ 
sierung wird angegeben, dass sie jedenfalls nach 4 Tagen merk¬ 
bar sei. 

Da ich zufällig auf die Möglichkeit der Sensibilisierung auf¬ 
merksam geworden war, schien es mir auch naheliegender, dieselbe 
als Ursache der Steigerung der Reaktionshäufigkeit bei den Unter¬ 
offizierschülern sowie des Unterschiedes zwischen diesen und den 
Lehrerschülern anzusehen. Um eine Gewissheit im höheren Grade 
zu erzielen, unternahm ich indessen eine direkt auf Sensibilisierung 
gerichtete Untersuchung an dem Jahrgang 1911. Dieäer wurde im 
Oktober 1911 zum ersten Male untersucht. Ich entschloss mich, die 
Untersuchung ein paar Male mit so kurzen Zwischenräumen zu 
wiederholen, dass man während dieser an irgend eine Infektion der 
Schüler im grossen] und ganzen vernünftigerweise nicht denken 
konnte. Die Untersuchung wurde somit dreimal ausgeführt: im Ok¬ 
tober 1911, November 1911 und März 1912. Das Resultat liegt in 
Tabelle 6 vor. 

Bei der ersten Untersuchung reagierten 19 von 37 Schülern 
positiv = 51 °/o. Von den 18 Negativen reagierte einer bei der 
folgenden Untersuchung positiv. Im März hingegen reagierten von 
den 12 übrig gebliebenen 11 positiv; 2 wurden nicht untersucht, 
4 waren noch negativ. Darauf, dass ein paar, die früher positiv 
waren, jetzt nicht reagierten, werde ich später zurückkommen. 

Wenn man nun die vorstehende Argumentation mit dem zu¬ 
sammen nimmt, was man dadurch findet, dass man wiederholt mit 
kürzeren Zwischenräumen mit Tbl. inokuliert, scheint es mir über¬ 
wiegend wahrscheinlich, dass die Ursache der nachgewiesenen 
Steigerung der Häufigkeit derReaktion in den späteren 
Jahren in der Sensibilisierung durch frühere Unter- 
suchungen zu suchen ist. 

Diese Schlussfolgerung findet sogar eine Stütze in dem vorliegenden 
Material. Dort findet sich nämlich ein Jahrgang (1906), der nur 

0 Von mir hervorgehoben. 


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25 ] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


117 


einmal im dritten Schuljahr auf Kut isreaktion unter¬ 
sucht ist. Dieser Jahrgang war nur einmal vorher mit. Tbl., näm¬ 
lich auf Konjunktivalreaktion im vorhergehenden Jahre untersucht 
worden. Die Kutisreaktion zeigte nun: 

von 36 Schülern 19 positiv reagierende =53°/o, 
eine Zahl, welche dem nahe liegt, was man sonst bei der Aufnahme 
findet, und die gänzlich von dem verschieden ist, was sonst im 
dritten Schuljahr gefunden wird. Dieser Jahrgang war nicht 
sensibilisiert. 

Die vorliegende Untersuchung bestätigt also Eil ermann und 
Erlandsens Untersuchungen über eine generelle Sensibilisierung 
durch die Kutisreaktion. Sie zeigt jedoch ferner, dass Sensibilisie¬ 
rung eines Tb.-lreien, beim ersten Male negativ reagierenden Organis¬ 
mus bei Anwendung von 25°/o Tbl. nicht allein etwas ist, das 
Vorkommen kann, sondern dass sie vielmehr eine so 
regelmässig eintretende Erscheinung ist, dass man sie 
für die Prüfung der praktischen Anwendbarkeit der 
Kutisreaktion in Betracht ziehen muss. 

Die positive Kutisreaktion hat, wie oben erwähnt, nur bei 
Kindern diagnostische Bedeutung. Nach vorstehendem muss man 
sich indessen zuerst davon zu überzeugen suchen, dass die Reaktion 
nicht früher ein oder mehrere Male an demselben Individuum aus¬ 
geführt ist. Bei Erwachsenen hat nur die negative Reaktion als 
Richtschnur für Exklusion von Tb. im gegebenen Falle Bedeutung. 

Inwiefern eine quantitative Ausführung der Kutisreaktion mit 
schwächeren und wechselnden Tbl.-Reaktionen praktische Bedeutung 
haben kann, habe ich bei meinen Untersuchungen nicht zu berück¬ 
sichtigen vermocht. Mein Material liess sich aus naheliegenden 
Gründen nicht dazu benutzen. 

Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, ist es ab und zu vorge¬ 
kommen, dass ein Schüler,* der zuerst positiv reagierte, bei späterer 
Untersuchung ein negatives Resultat ergab (345 H, 356 A 1910, 2 S, 
22 J und 40 Ö 1911). 

Darüber, was die Ursache dafür ist, kann ich mich nicht aus- 
lassen; ob ein Fehler in der subjektiven Beurteilung des einen oder 
anderen Males oder eine wirkliche Veränderung im Reaktionsverhalten 
des Organismus vorliegt. 

Ein Punkt ist noch zu behandeln: die Bedeutung, welche die 
Anwendung der lokalen Tbl.-Reaktionen für das Studium der Patho¬ 
genese der Tuberkulose und des Zeitpunktes des Eintretens der In¬ 
fektion haben kann. 


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118 


Kristen Andersen. 


[26 


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Das vorliegende Material ist in dieser Beziehung von Interesse, 
denn es zeigt, dass von den drei eingetroffenen Fällen von Tb. nur der 
eine beim Eintritt Anzeichen aufwies, im voraus infiziert zu sein. 
Bei den beiden anderen muss man — die theoretische Berechtigung 
der Reaktion vorausgesetzt — annehmen, dass die Infektion 
während der Schulzeit erfolgt ist. Der Befund, der hier 
gemacht ist, spricht also gegen Behrings Annahme von der In¬ 
fektion im Kindesalter als dem allgemeinen Infektionsmodus. 

’ Man kann selbstverständlich aus den drei Fällen keine allgemein 
gültigen- Schlussfolgerungen ziehen. Sie verdienen jedoch bemerkt zu 
werden, besonders weil das Resultat in bezug auf Behrings Auf¬ 
fassung in negierender Richtung fällt. Persönlich war ich vor dieser 
Untersuchung des Glaubens, dass die Schüler mit ihrer Tb. 
in die Schule hinein kämen, und dass es diese ihre latente 
Tb. sei, die während der Schulzeit manifest w T erde. Ich sah daher 
das wesentliche Mittel zur Einschränkung der Häufigkeit der Tuber¬ 
kulose in einer Exklusion der „latent Tuberkulösen“ oder jedenfalls 
in einer Aussonderung derselben als Gegenstand besonders scharfer 
Observation. Es war, wie ich vorher erwähnte, meine Hoffnung, dass 
die lokalen Tbl.-Reaktionen zu diesem Zwecke angewandt werden 
könnten. In praktischer Beziehung ist also -folgendes das wesent¬ 
liche Resultat dieser Untersuchung, dass die Reaktion nicht 
dazu geeignet ist, weil die manifeste und praktisch 
wichtige Tb. nicht ausschliesslich oder vorzugsweise 
bei denen auftritt, die beim Eintritt durch eine posi¬ 
tive Reaktion zeigen, dass sie schon im voraus mit 
tuberkulösem Virus in Kontakt gekommen sind. 

Es würde von der grössten Bedeutung sein, wenn die Unter¬ 
suchungen über das Verhalten der Unteroffizierschüler gegenüber der 
Kutisreaktion gerade im Hinblick auf die Frage fortgesetzt werden 
könnten, ob die manifeste Tb. unter den beiden Gruppen von Schülern 
auftritt: unter denen nämlich, die beim ^Eintritt positiv reagierten 
und denen, die negativ reagierten. Es gibt nämlich eine Möglich¬ 
keit, die in dem Fund, den ich gemacht habe, angedeutet liegt. Es 
ist denkbar, dass die grösste G.efahr für manifeste Tb. 
gerade bei der Gruppe liegt, die negativ reagiert, mit 
Tuberkulose nicht inBerührung gewesen ist und keine 
Selbstimmunisierung gegen die Krankheit durchge¬ 
macht hat. Eine Untersuchung dieser Art wäre von grossem In¬ 
teresse, und sie würde, falls das Resultat derselben in der eben an¬ 
gedeuteten Richtung ausfiele, die Grundlage für eine Einteilung der 
Schüler nach einem Prinzip bilden, das dem aphoristischen, welches 


Gck igle 


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27J Einige- Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 119 

den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildete, diametral entgegen¬ 
gesetzt wäre. Dann wären es die negativ Reagierenden, welche die 
„Suspekten“ würden. 

Es besteht ein Verhältnis in der Form der Krankheit bei den 
drei Schülern, das ich in diesem Zusammenhänge erwähnen möchte. 
Während der eine (321 P.), bei dem die Kutis- und Konjunktival- 
reaktionen beim Eintritt positiv waren, eine chronisch verlaufende* 
Tb. bekam, bekamen die beiden anderen die Krankheit in ihrer 
akuten Form, die im Laufe kurzer Zeit zum Tode führte. Der eine 
von ihnen bekam eine tuberkulöse Pneumonie, der andere eine sich 
schnell ausbreitende Lungen-Tb., die mit einer Meningitis kompliziert 
und abgeschlossen wurde. Auch hier wird der Gedanke un¬ 
willkürlich in der Richtung der Bedeutung einerSelbst- 
immunisierung gelenkt. Auch hier bietet sich ein Feld für 
zukünftige Untersuchungen. Auch hier möchte ich auf das Nach¬ 
drücklichste aussprechen, dass ich nur andeute, nach welchen Rich¬ 
tungen der Gedanke geführt wird, ohne doch Schlüsse welcher Art 
zu ziehen. 

Bei möglichen zukünftigen Untersuchungen muss man indessen 
die Aufmerksamkeit auf das von mir angedeutete Verhalten betreffs 
Sensibilisierung für Tbl. als regelmässige Erscheinung selbst bei 
denen, die das erste Mal negativ reagieren, richten. Es ist somit 
nur die erste Untersuchung, auf die man sich verlassen kann, 
doch ist ja diese auch in diesem Zusammenhang die wichtigste. Be¬ 
rücksichtigt man das Resultat des Versuches, den ich durch mehr¬ 
malige Tuberkulinisierung des Jahrganges 1911 machte, so könnte 
man vielleicht die Reaktion einmal, z. B. beim Abschluss der Schulzeit, 
wiederholen. Wie man sich erinnern wird, war nur eine geringe 
Sensibilisierung nach einmaliger Untersuchung zu merken. 

Wenn man sieht, dass Schüler, die beim Eintritt in die Schule 
kein Zeichen davon, dass sie mit Tb. in Kontakt gekommen seien, 
aufwiesen, in ihrer späteren Schulzeit die Krankheit bekommen, 
kommt man selbstverständlich auf den Gedanken an die Wichtigkeit 
eines möglichen Kontagions. In dieser Beziehung ist nun bei unseren 
Fällen zu bemerken, dass zwei derselben (300 F und 321 P) bei 
zwei Schülern in demselben Quartier und demselben Zimmer mit 
einem Zwischenraum von ein paar Wochen auftraten. 321 P war 
gesund, als er zu Weihnachten nach Hause reiste. In den Weih¬ 
nachtsferien begann er zu husten, und Husten und Expektorat 
dauerten nach seiner Rückkehr in die Schule an, bis er Mitte Januar 
den Arzt aufsuchte. Einige Tage später w r urde 300 F akut krank 


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120 


Erbten Andersen. 


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mit Fieber und anfänglich negativem Befunde. Die Vermutung lag 
nahe, dass 321 T den 300 F angesteckt habe. Bei der Sache ist 
indessen der Haken, dass 300 F im Dezember v. J. einen längeren, 
leicht febrilen Zustand ohne jeden objektiven Befund und mit nega¬ 
tivem Widal (siehe S. 17) durchmachte. Ich sehe es daher für 
überwiegend wahrscheinlich an, dass dieser Fieberzustand ein Aus¬ 
druck der Krankheit, die im Januar des folgenden Jahres einen so 
raschen Verlauf bei ihm nahm. Beweisen kann ich das natürlich 
nicht, doch glaube ich, dass dem so ist. Und ist es der Fall, so 
fällt die Möglichkeit einer Ansteckungsübertragung von 321 T fort. 
Die Zeit zwischen T und Fs Krankheitsbeginn ist wohl auch zu kurz, 
um den Gedanken an Kontagion aufkommen zu lassen. 

Will ich schliesslich das wesentliche Resultat der vorliegenden 
Untersuchung über die Kutisreaktion zusammenfassen, tue ich 
das wohl am besten in folgendem Resumö: 

1. Der positive Ausfall der Kutisreaktion ist nicht so häufig, 
wie inan erwarten sollte, wenn die Reaktion wirklich ein 
erschöpfender Indikator für einen früheren Kontakt zwischen 
Organismus und tuberkulösem Virus wäre. 

2. Bei wiederholten Kutisreaktionen tritt in einer sehr grossen 
Anzahl von Fällen Sensibilisierung gegenüber Tbl. ein, selbst 
wenn die Reaktion zum ersten Male negativ war. Bei der 
Anwendung der Reaktion in diagnostischer Absicht bei Kin¬ 
dern muss man die Aufmerksamkeit darauf richten. 

3. Künftige Untersuchungen sollten auf folgendes gerichtet sein, 
nämlich auf: 

a) Die Übereinstimmung zwischen Kutisreaktion und Sek¬ 
tionsbefund hinsichtlich abgelaufener tuberkulöser Ver¬ 
änderungen. 

b) Die Frage, ob die negati ve Cutisreaktion vielleicht eine 
Gruppe von Individuen aussondert, die sich wegen mangeln¬ 
der Selbstimmunisierung Tb. gegenüber anders verhalten 
als die positiv reagierenden. 

c) Die Möglichkeit, schwächere Tbl.-Konzentrationen an wenden 
zu können, wodurch Reaktion ohne Sensibilisierung aus 
dem erstmaligen negativen Falle erzielt werden könnte. 

Durch meinen Rücktritt als Abteilungsarzt ist diese Unter¬ 
suchung, was mich betrifft, zum Abschluss verurteilt. Ich selbst hätte 
gewünscht, sie weiter führen zu können. Bei der Bearbeitung meiner 
Resultate kam ich dennoch zu der Erwägung, dass sie zu veröffent- 



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29] 


Einige Untersuchungen über die klinische Anwendbarkeit etc. 


121 


liehen seien. Es ist möglich, dass die absoluten Zahlenwerte bei 
späteren Untersuchungen als andere befunden werden, es klebt, wie 
gesagt, etwas Subjektives an der Deutung der Reaktionen. Es 
ist auch möglich, dass die theoretischen Deutungen sich später 
anders stellen können. Das ganze stellt indessen einen Versuch dar, 
über die Bedeutung und Reichweite der Reaktionen zur Klarheit zu 
kommen, und mögliche Fehler fallen da eben unter den entschul¬ 
digenden Ausspruch über den Zusammenhang zwischen Irrtum und 
Suchen: „Es irrt der Mensch, so lang er strebt \“ 


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Aus dem Lungensanatorium Braunwald (Schweiz). 


h 

i) y 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 

Von 

I)r. Felix Oeri, 

Sanatoriumarzt. 


Im Folgenden werden bei einer grösseren Anzahl Von Lungentuber¬ 
kulosen die Befunde von Herzverschiebung zusammengestellt und mit 
anderen Zeichen von Lungenschrumpfung besprochen. Es geschieht 
dies aus der Erfahrung heraus, dass eine genaue Feststellung der 
Herzlage, wie sie mit den gewöhnlichen Untersuchungsmethoden (Per¬ 
kussion und Auskultation) möglich ist, sehr oft Licht in die Beurtei¬ 
lung komplizierter Lungenbefunde bringt, oft sogar eine fragliche 
Diagnose sichert. 

Es könnte sich fragen, ob ein solcher Hinweis überhaupt noch 
nötig ist, da die Tatsache der Herzverschiebung bei Lungentuberku¬ 
lose ja schön in den Lehrbüchern der inneren Medizin angeführt ist. 
Zwei Punkte sind es, die mir trotzdem die Publikation einer zusammen¬ 
hängenden Reihe solcher Herzbefunde berechtigt erscheinen lassen. 
Einmal liegen vor mir eine ganze Anzahl von Publikationen, die sich 
sehr ausführlich mit der Diagnose und dem klinischen Bild der Lungen¬ 
tuberkulose befassen, diesen Punkt aber vollständig übergehen (Corne t *), 
Köhler 8 ), Baumann 8 )) oder doch nur extreme Fälle besprechen 


J ) Cornet, Nothnagel, Spez. Pathol. u. Therap. Bd. XIII. u. XIV. 

2 ) Köhler, Kritische Beiträge zur Diagnose der Tuberkulose. Münch, med. 
Wochenschr. 1910. 35. 36. 

3 ) Baumann, Kritische Betrachtungen d. Sympt. d. Lungentuberk. Beitr. 
z. Klin. d. Tob. XIV. 1. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 2. 9 


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124 


Felix Oeri. 


[2 


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(Ruediger *), Di et len 2 ), Arnsp erger 3 ), Beneke 4 ), Sokolowsky 5 ), 
Bandelier u. Roepke 6 )). Anderseits scheint mir auch dort, wo 
er besprochen wird, nirgends mit dem nötigen Nachdruck auf die 
Häufigkeit der Herzverschiebung hingewiesen zu sein. Und gerade 
das scheint mir äusserst wichtig; denn wer sieht, wie häufig das Herz 
auf die kranke oder stärker erkrankte Seite wandert, wird einsehen, 
dass die Feststellung der Herzgrenzen nicht nur akademischen Wert 
hat. Sie wird ihm zu einem wertvollen diagnostischen Hilfsmittel, 
das bei dem traurigen Stand der Tuberkuloseerkennung nicht zu ver¬ 
achten ist, um so mehr als es jedem Arzte ohne weitere Apparate 
zur Verfügung steht. 

Das Fehlen von Röntgenbildern (bes. Orthodiagrammen) muss 
den akademischen Wert einer solchen Zusammenstellung herabsetzen; 
dieser Einwurf, der mir gemacht wurde, ist gewiss berechtigt. Es 
ist aber — abgesehen von der Schwierigkeit, ein so grosses Material 
von Orthodiagrammen oder Teleaufnahmen zusammenzubringen — 
einerseits durch vergleichende Bestimmungen (W eb er und A11 e n d o r f 7 ), 
Stähelin 8 ), Moritz 9 )) festgestellt, dass die Perkussion Werte ergibt, 
die den orthodiographischen sehr nahe kommen, und andererseits 
scheint es mir von höchstem Werte bei einer Mitteilung, die sich 
auch an den praktischen Arzt wendet, die gleichen Hilfsmittel zu 
verwenden, die ihm zur Verfügung stehen. 

Ausführung der Untersuchung. Die Lungengrenzen und 
ihre Verschieblichkeit, der Thoraxumfang und die Exkursion wurden 
am sitzenden Patienten festgestellt, Leber- und Herzgrenzen am 
stehenden. Wir führen die Herzperkussion am stehenden Patienten aus 
hauptsächlich aus dem Grunde grösserer Bequemlichkeit; eine einiger- 
massen bequeme Stellung des Untersuchers zum Objekte scheint mir 

1) Ruediger, Organ Verlagerungen bei Phthise. Beitr. z. Klin. d. Tuberk. 
XVII. 2. 

2) Di eilen, Orthodiagraphische Beobachtungen über Herzverlagerung. 
Münch, med. Wochenschr. 1908. 9. 

3 ) Arnsp erger, Herzverschiebung durch mediastinale Prozesse. Beitr. z. 
Klin. d. Tub. III. 209. 

4 ) Beneke, Die allgemeine Bindegewebshyperplasie. Arch f. klin. Med. 
Bd. XXIV. 1879. 

5) Sokolowsky, Über die fibröse Form der Lungenschwindsucht. Arch. 
f. klin. Med. Bd. XXXVII. 1885. 

6) Bandelier und Roepke, Klinik der Tuberkulose. 1912. 

7) Weber und Allen dorf, Ref. Münch, med. Wochenschr. 1911. S. 2753. 
(Arch. f. klin. Med. Bd. CIV.) 

3) Stähelin, Schweiz. Ärztetag in Basel, Juni 1912. 

'•’) Moritz, Frage der Perk. d. rechten Herzrandes. Ref. Münch, med. 
Wochenschr. 1908. 525. 



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3] 


Herzverscbiebung bei Lungentuberkulose. 


125 


unerlässlich. Wer die Perkussion des Herzens beim sitzenden Pa¬ 
tienten ausführt, muss seine Handgelenke überstrecken, er wird bald 
ermüden und sich darum nur zu leicht mit einer kursorischen Unter¬ 
suchung begnügen. Auch wenn wir solche äussere Schwierigkeiten 
beseitigen, müssen wir noch reichlich Aufmerksamkeit aufwenden, 
um die Fehlerquellen, die in uns selbst liegen, zu vermeiden; bald 
fehlt es an der nötigen Konzentration, bald wird der perkuttierende 
oder perkuttierte Finger von dem erwarteten Resultat so beeinflusst, 
dass er das Resultat fälscht. Zur Kontrolle der Konzentration dient 
vor allem die sofortige Notierung der Befunde, bei der die Lücken 
zutage treten; gegen die unbewusste Fälschung des Befundes suchte 
ich mich dadurch zu decken, dass ich — bevor ich einen anderen 
Befund erhob — zuerst die Perkussion des Herzens erledigte, dass 
ich also möglichst vorurteilslos an die Herzuntersuchung heranging. 

Es könnte sich fragen, ob bei stehender Körperhaltung die Herz¬ 
grenzen nicht in einer Art verschoben werden, die den Vergleich mit 
den Resultaten der üblichen Perkussion in Rückenlage nicht erlaubt. 
Gordon 1 ) stellt allerdings fest, dass die Herzgrösse beim Stehen 
eher schmaler ausfalle, dass also die im Folgenden so häufigen Ver¬ 
breiterungen nicht Folge der Untersuchungsart sein können; dagegen 
scheint es a priori nicht ausgeschlossen, dass die seitliche Beweg¬ 
lichkeit des Herzens im Stehen grösser ist als im Liegen, da die im 
Liegen vorhandene Reibung auf der Unterlage wegfallt. Eigene 
Kontrolluntersuchungen an beschränktem Material haben dies aber 
nicht bestätigt. 

Zur Feststellung der Herzgrenzen dienten die üblichen topo¬ 
graphischen Linien (Mamillarlinie resp. Medioklavikularlinie, Para¬ 
sternallinie etc.); die Entfernung von ihnen wurde in Fingerbreiten 
gemessen, was für unsere Zwecke vollständig genügt. 

Material: Zusammengestellt wurden die auf Zählkarten aus¬ 
geschriebenen Befunde von sämtlichen in den Jahren 1908—1911 
im Sanatorium Braunwald behandelten Patienten, ferner von sämt¬ 
lichen im gleichen Zeitraum in der Privatpraxis behandelten Lungen¬ 
kranken. Das Sanatorium beherbergt in der Hauptsache Leute aus 
den weniger bemittelten Ständen zweier ländlicher, industriereicher 
Kantone der Schweiz, die Privatpraxis rekrutiert sich aus dem Mittel¬ 
stand. Ungefähr die Hälfte der Patienten befand sich beim Beginn 
der Kur schon im III. Stadium, was auch für schweizerische Sana¬ 
toriumverhältnisse etwas viel sein dürfte. 

i) Gordon, Einfluss der Körperstellung auf die physikalische Diagnose 
des Herzens. Ref. Münch, med. Wochenschr. 1908. S. 135. 

9 * 


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126 


Felix Oeri. 


[4 


Von den so zusammengestellten 559 Fällen fallen von vornherein 
eine ganze Anzahl ausser Betracht; ich muss diese kurz anführen, 
um mich vor dem Verdachte willkürlicher Ausscheidung zu schützen. 
Es wurden nicht verwendet: 

1. 39 Patienten, bei denen im Sanatorium keine Lungentuberku¬ 
lose festgestellt wurde (4 Herzfehler, 7 Kropfherzen, 10 verschiedene 
andere Krankheiten, 18 chronische, nicht tuberkulöse Bronchitiden). 

2. 73 sog. Prophylaktiker (9 exsudative Pleuritiden ohne Lungen¬ 
befund, 64 Fälle, bei denen keine sichere Lungentuberkulose kon¬ 
statiert werden konnte (keine Basselgeräusche, nur leichte Verände¬ 
rungen des Atemgeräusches). 

3. 17 lungenkranke Kinder (die Verhältnisse bei Kindern sind 
ja wohl nicht ohne weiteres mit denen der Erwachsenen zu ver¬ 
gleichen). 

4. 17 erwachsene Lungenkranke, bei denen der Befund beiderseits 
intensiv und extensiv so ähnlich war, dass von einer stärker er¬ 
krankten Seite nicht gesprochen werden konnte. 

Nach Abzug dieser 146 Fälle bleiben zur Verwertung 413 Fälle 
von Lungentuberkulose mit Bevorzugung einer Seite, die sich in 
222 R-Fälle und 191 L-Fälle teilen. (Auch bei den Befunden, die 
beiderseits unter das gleiche Stadium gehören, lässt sich meist eine 
Differenz der beiden Seiten konstatieren, die die Einrangierung nach 
R oder L erlaubt.) In Ermangelung eines besseren wurde die Turban- 
Gerhardtsche Stadieneinteilung benutzt. 

Die nachstehenden Ausführungen sind folgendermassen disponiert: 

A. Die Verschiebung des Herzens als Zeichen der 
Lungenschrumpfung, 

I. die Häufigkeit derselben. 

II. die Intensität derselben. 

III. ihre Wirkung auf Spitzenstoss und Herztöne. 

B. Einige andere Zeichen von Lungenschrumpfung 
und ihre Beziehung zur Herz Verschiebung. 

I. Einengung der Spitze. 

II. Verminderung des Brustumfanges. 

III. Verminderung der Exkursion. 

IV. Erhöhung des unteren Lungenrandes. 

C. Pleuritische Adhäsionen und Leberbefunde und 
ihre Beziehung zur Herzverschiebung. 

D. Resultate. 


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5] 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


127 


A. Die Verschiebung des Herzens als Zeichen der 
Lungenschrumpfung. 

I. Die Häufigkeit der Verschiebung. 

Beim Eintritt: Die Häufigkeit der Herzverschiebung beim 
Eintritte ist in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Unter „nor¬ 
maler“ Dämpfung verstehen wir eine relative Dämpfung, die bei 
mittelstarker Perkussion links bis zur Mamillarlinie reicht und rechts 
den rechten Sternalrand nicht mehr als um eine Fingerbreite über¬ 
ragt. Die angegebenen Stadien bedeuten Sammelrubriken; so sind 
z. B. unter Rill folgende vier Unterabteilungen zusammengefasst: 
Rill LO, Rill LI, Rill LII, Rill >LIII. 


Tabelle 1. Herzbefunde beim Eintritt. 


Stärker er¬ 
krankte Seite 

Herz nicht nach de 

1 

*{££!• ron r Ä 

Ä. Ä 

ir entsprechenden Seite verschoben 

3 4 1—4 

beider- Verbreite- 

soitige Ein- rung nach o /rt 

enifung der anderen w '° 

(EtnphyaemV Seite 

Her* nach der 
entsprechenden 
Seiteverschoben 

5 

Total °o 

Total der 

zusammen¬ 

gestellten 

Befunde 

R I. Stad. 

16 

r 

5 

3 15 

39 63 

23 37 

62 

II. Stad. 

10 

8 

7 11 

36 62 

22 38 

58 

III. Stad. 

10 

12 

5 25 

52 51 

Cn 

O 

4- 

102 

R Total 

36 

25 

15 51 

127 57 

95 -13 

222 

L I. Stad. 

6 

_ 

1 2 

9 20 

37 ’ 80 

46 

II. Stad. 

5 

— 

1 

6 17 

29 83 

35 

III. Stad. 

5 

7 

3 4 

19 18 

91 82 

110 

L Total 

16 

7 

5 6 

X 

_ 

CO 

157 82 

191 


Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dass bei 43% der 
rechtsseitigen und bei 82% der linksseitigen Tuberkulosen das Herz 
nach der entsprechenden Seite gewandert ist. 

Diese Zahlen schienen uns das erwartete Resultat nicht zu er¬ 
reichen, wir suchten darum nach Gründen um den Ausfall der ent¬ 
sprechenden Verschiebung namentlich in den vielen Fällen rechts¬ 
seitiger Tuberkulose zu erkären und fanden bei der Durchsicht der 
refraktären Fälle folgende Verhältnisse: 

Einmal scheint es angebracht sämtliche Emphysemfälle, bei denen 
der Herzbefund für die Perkussion verdeckt wird, auszuschalten (R 32, 
L 8); ferner müssen unberücksichtigt bleiben eine ganze Anzahl Fälle 
(R 18, L 2) mit Herzvergrösserungen infolge von Herzaffektionen 


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128 


Felix Oeri. 


[6 


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oder mit Herzverlagerungen durch peritonealen Erguss, und schliess¬ 
lich diejenigen Befunde (R 18, L 6), bei denen sich eine inkonsen- 
suelle Verschiebung durch Ergüsse der stärker kranken oder durch 
Verwachsungen und Unterlappenaffektionen der weniger kranken Seite 
erklärt. Wenn wir diese alle ausser Betracht setzen, kommen wir 
zu folgenden Zahlen: 

R L 

nach der kranken Seite verschoben 95 = 62% 157 = 90% 

nicht nach der kranken Seite verschoben 59 = 38% 18 = 10% 

Dieses Ergebnis entspricht durchaus den Erfahrungen des Unter¬ 
suchenden, der ja auch in seinem Gedächtnis die J<alle sofort aus¬ 
merzt, wo die Nichtverschiebung (oder die Verschiebung auf die nicht 
entsprechende Seite) bei der weiteren Untersuchung des Patienten 
eine genügende Erklärung findet. 

Beim Austritt: Die gleiche Zusammenstellung ergibt am Ende 
der Kur bei den schon verschobenen Fällen nur graduelle Unter¬ 
schiede (ausser gelegentlichen Änderungen durch Exsudate). Dagegen 
rückten von den nichtverschobenen Herzen noch eine ganze 
Anzahl auf die kranke Seite, und zwar von den refraktären R-Fällen 35, 
von den refraktären L-Fällen 20, so dass sich beim Austritt die 
obigen Zahlen (nach Abzug aller begründet inkonsensuellen) folgender- 
massen stellen: 

R L 

nach der kranken Seite verschoben 70% 97% 

nicht nach der kranken Seite verschoben 30% 3°/o 

Es rücken also nach einer gewissen Zeit bei den L-Fällen fast 
alle, bei den R-Fällen % der Herzen auf die kranke Seite. Wenn 
man bedenkt, dass dies nicht nur im III. Stadium der Fall ist, sondern 
dass schon das I. Stadium hier stark vertreten ist (L sogar ebenso, 
stark wie das III. Stadium), so ergibt sich daraus, dass die Herz¬ 
verschiebung oft schon diagnostisch verwertet werden kann, wenn 
die physikalische Untersuchung der Lungen noch manchem Unter¬ 
sucher Schwierigkeiten macht. 

In der mir zugänglichen Literatur finde ich einzig bei Pot¬ 
tenger 1 ) eine ähnliche Zusammenstellung, und zwar folgende Zahlen: 
Nicht disloziert 36%, nach r. oder 1. disloziert 64% (da Angaben 
über die stärker erkrankte Seite fehlen, kann die Häufigkeit der 
Verschiebung nach r. und 1. nicht interessieren). Nach Stadien: 
I. Stadium 9°/o, II. Stadium 19%, III. Stadium 76% disloziert. 

i) Pottengor, Die Wirkung des Tub. auf das Herz. Beitr. z. Klio. d. 
Tub. XV. 2. 



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Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


129 


Was ist der Grund für das häufigere Zustandekommen der Links¬ 
verschiebung? Hat die 1. Lunge mehr Tendenz zur Schrumpfung 
oder sind die sonstigen anatomischen Verhältnisse daran schuld? 
Wir glauben das letztere. Die Kombination von Zug durch die 
kranke und Druck durch kompensatorisches Emphysem der gesunden 
Seite erfährt eben einen stärkeren Widerstand bei der Bewegung des 
Herzens nach rechts. In der Tat ergeben die Untersuchungen an 
der Leiche eine viel freiere Beweglichkeit des Herzens nach links, 
wohl weil es dabei nur durch seinen Aufhängeapparat fixiert wird, 
während bei der Bewegung nach rechts auch die Zwerchfellkuppe 
Widerstand leistet. Aus demselben Grunde nimmt wohl auch die 
prozentuale Verschiebung bei den R-Fällen entsprechend dem Stadium 
zu, während sie links in allen Stadien fast gleichbleibt. 

Die häufigere Verschiebung nach links scheint mir auf diese 
Weise genügend erklärt, so dass ich es nicht für nötig halte, mit 
Turban 1 ) eine hypothetische, grössere Schrumpfungsdisposition der 
Lingula anzunehmen. 

Während Notnagel 2 ) und Turban wie wir die Verlagerung 
des Herzens nach links wesentlich häufiger konstatieren, kommt 
Ruediger 3 ) zum umgekehrten Resultat. Der Schlüssel zu diesem 
Widerspruche wird wohl im Material Ruedigers zu suchen sein, 
das in der Hauptsache aus schweren einseitigen (zur Operation be¬ 
stimmten) Phthisen besteht. In solchen schweren Fällen, in denen 
es gilt, den Raum einer stark geschrumpften Lunge zu ersetzen, muss 
rechts vor allem das Herz zur Ausfüllung herhalten, weil die Leber 
nur wenig nachgeben kann, während sich links Herz und Zwerchfell, 
resp. Bauchorgane (Eventeratio diaphragmatica) in die Ausfüllung 
teilen. In vielen unserer Fälle handelt es sich aber um ganz leichte 
Gleichgewichtsstörungen durch verminderten Luftgehalt des einen 
Lungenkissens (oft ohne wesentliche Narbenbildung), es wirkt also 
keine starke Gewalt, und das Herz folgt nur, wenn die Bedingungen 
dazu gegeben sind, also leichter nach links als nach rechts. 

Turban findet die Schrumpfungen der linken Lunge ebenfalls 
häufiger als die der rechten; aber auch bei rechtsseitiger Tuberkulose 
sagt er: „Eine Verschiebung der absoluten Herzdämpfung um einige 
Zentimeter nach rechts, mit oder ohne Verschiebung des Herzens 
selbst, ist schon bei mässigen Schrumpfungen der rechten Lungen¬ 
spitze eine so gewöhnliche Erscheinung, dass ich sie geradezu als ein 

1) Turban, Beiträge zur Kenntnis der Lungentuberkulose. 1899. 

2 ) Notnagel, Sammlung klinischer Vorträge. Nr. 66. 1874. 

3) Ruediger, s. o. 


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130 


Felix Oeri. 


[8 


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typisches Hauptsymptom für länger bestehende rechtsseitige Spitzen¬ 
erkrankungen (oft schon vor dem Auftreten der Tuberkelbazillen im 
Sputum vorhanden) bezeichnen muss.“ Also eine erfreuliche Über¬ 
einstimmung mit unseren Befunden. 


II. Die Intensität der Herzverschiebung. 

Tab. 2. Intensität der Verschiebung (Durchschnittszahlen in 

Fingerbreiten). 


| Stärker 
erkrankte 
j Seite 

Zahl 

der 

Fälle 

Relative Dämpfung 
rechts | links 

Absolute Dämpfung 
rechts J links 

Spitzen- 

stoes 

i 

A. Eintritt R I. Stad. 

23 

1,8 

! 

! 0,3 

0,1 

0,2 

1 0,0 

TI. Stad. 

22 

2,3 

0,3 

0,4 

0,3 

0,0 

III. Stad. 

50 

2,5 

0,6 

0,8 

0,8 

; 0,2 

R Total 

95 

2,3 

0,5 

0,5 

0,5 

0,1 

L I. Stad. 

37 

1,2 

1,5 

1,0 

1,0 

0,6 

II. Stad. 

29 

1.3 

1,8 

1,4 

1.5 

0,6 

j III. Stad. 

91 

1,5 ! 

2,2 

1,5 

1.6 

1,0 

! L Total 

i 

157 

1,4 

2,0 

1,3 

1,6 

! 0,8 

1 

B. Austritt | R Total 

69—75 

2,1 

0,2 

0,4 

0,4 

_ 

! L Total 

117—125 

! 

1,4 

2,0 

l 

1,4 

1,5 



Beim Eintritt: Bei denL-Fällen sind also sämtliche Grenzen 
ziemlich gleichmässig verschoben. (Die stärkere .Verbreiterung der 
relativen Dämpfung nach links wird wohl durch die grössere Distanz 
auf der Thoraxoberfläche vorgetäuscht sein, die hier, in der Nähe 
der Axillarlinie, der wirklichen Herzgrösse nicht mehr entspricht.) 
Ausserdem finden wir bei 22% auch ein Höherrücken der relativen 
Dämpfung nach oben. 

Die Grösse der Herzdämpfung bleibt sich also gleich; dies scheint 
doch zu der Annahme zu berechtigen, dass es sich in der Tat um 
eine wirkliche Verschiebung des Herzens selbst handelt und nicht 
nur — wie auch Turban für viele Fälle anzunehmen scheint — 
um eine Verschiebung der Herzdämpfung durch Retraktion des 
Lungenrandes auf der kranken und kompensatorisches Emphysem 
des Lungenrandes auf der gesunden Seite. Es ist doch sehr unwahr¬ 
scheinlich, dass auch bei Prozessen, die gar nicht bis in die Herzhöhe 
herab ausgebreitet sind, mit solcher Regelmässigkeit die das Herz 



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9] 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


131 


überdeckenden Lungenränder schrumpfen, resp. sich blähen; und 
wenn man dies auch annehmen wollte, so wäre doch noch nicht er¬ 
klärt, wieso die eine Seite schrumpfen, die andere sich blähen kann, 
ohne dass das, was dazwischen liegt, das Herz, dieser Volumenver¬ 
lagerung folgt. 

Bei den R-Fällen besteht im Durchschnitt eine wesentliche 
Verbreiterung der rechten relativen Dämpfung, während die linke 
relative und absolute Grenze nur wenig nach rechts verschoben ist. 
(Die Durchschnittszahl für die Verschiebung der rechten absoluten 
Grenze ist ebenfalls sehr klein, da ich diese Grenze nur in Ausnahme¬ 
fällen durch das Sternum herauszuperkuttieren und festzulegen wage; 
die Zahl kann also auch nicht Anspruch auf Identität mit dem Lungen¬ 
rand machen.) In 8°/o der Fälle ist ausserdem die relative Dämpfung 
nach oben erhöht. Wenn man statt der obigen Durchschnittszahlen 
die einzelnen Befunde ansieht, so zeigt sich nur bei starker Ver¬ 
breiterung der rechten Grenze (über zwei Finger) ein Zurückweichen 
der linken Grenze; in der Mehrzahl der Fälle bleibt sie unverändert. 
Es handelt sich also im Gegensatz zu den L-Fällen relativ selten um 
eine reine Verschiebung, sondern meist um eine scheinbare Ver¬ 
breiterung oder besser Drehung des Herzens. (Vgl. auch Arnsperger, 
1. c. und Nitsch 1 ).) 

Die komplizierten Verhältnisse, zu denen der Zug der Lungen 
führen kann, lassen sich einigermassen begreifen, wenn man sich die 
anatomischen Verhältnisse vor Augen führt. Das Herz ist oben an 
seinen grossen Gefassen aufgehängt, unten durch die Fixierung des 
Herzbeutels am Zwerchfell und, infolge seiner Schräglage, auch durch 
die Zwerchfellkuppe selbst einigermassen festgehalten. Es ist also 
wohl eine Art Pendelbewegung (Ruediger) möglich, soweit es die 
Zwerchfellkuppe erlaubt, also nach links leichter als nach rechts. 
Ebenso oft wird aber der Lungenzug statt auf das Herz auf den Fix¬ 
punkt des Pendels, auf die grossen Gefässe wirken, ja dies wird bei 
der gewöhnlichen Lokalisation der Tuberkulose im Oberlappen der 
häufigere Fall sein. Erfolgt dieser Zug von links, so wird das links¬ 
bewegliche Herz seinem Aufhängepunkt folgen, erfolgt er aber von 
rechts, so kann das Herz infolge der Hemmung durch das Zwerch¬ 
fell weniger leicht folgen, und der Zug wird zu einer Drehung des 
Herzens um eine sagittale Achse führen (Groedel 2 ): um den Punkt, 
wo rechtes Herz und Zwerchfell zusammenstossen). 

i) Nit8eh, Die schwachen Stellen des Mediastinnms. Beitr. z. Klin. d. 
Tub. XVIII. 1. 

s) Groedel, Röntgenkinomatograpbische Stadien. Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. 72. Ref. Münch, med. Wochenschr. 1911. 1086. 


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132 


Felix Oeri. 


[10 


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Weiter ist zu berücksichtigen, dass die beiden Herzseiten nicht 
gleichnah der vorderen Brustwand liegen, sondern, dass das linke 
Herz nach vorne, das rechte nach hinten gedreht ist. Infolgedessen 
kann ein seitlicher Zug an der Herzbasis auch eine Drehung um die 
vertikale Achse bewirken. Beim Zuge von rechts wird dann der 
rechte Ventrikel der vorderen Brustwand genähert, die Herzspitze 
von ihr entfernt; der Zug von links dagegen kann zu einer noch 
stärkeren Kantung des Herzens führen, wird aber meist gleichzeitig 
die ganze, hier beweglichere Herzmasse nach links bewegen. 

Diese Überlegungen erklären uns zwanglos die Verschiedenheit 
der Verschiebung nach rechts und links, erklären uns auch die schein¬ 
bare Verbreiterung durch Querlagerung, ohne dass wir mit Für¬ 
bringer 1 ) und Herz 2 ) auf Meteorismus und schlaffe Haltung der 
Lungenkranken zurückgreifen müssen. 

Jeder Zug von links bringt die ganze Herzmasse relativ leicht 
in Bewegung; es kann dabei zu einer Drehung um die senkrechte 
Achse kommen, so dass der Spitzenstoss innerhalb der Dämpfung zu 
liegen kommt. 

Der Zug von rechts wirkt verschieden nach seiner Intensität. 
Ein schwacher Zug (Kollaps) wird das Herz um die sagittale, oft 
auch vertikale Achse drehen; die Herzdämpfung wird dadurch nach 
rechts verbreitert, die relative Dämpfung und der Spitzenstoss können 
höhertreten, letzterer kann nach auswärts verlagert werden oder ver¬ 
schwinden. (So lässt sich eine ganze Anzahl der R-Fälle erklären, 
die beim Eintritt eine Verbreiterung nach beiden Seiten zeigten und 
sich erst während der Kur konsensuell verschoben.) 

Ein starker Zug (Narbenzug) nimmt, ebenfalls unter Drehung, 
die ganze Herzmasse nach rechts und führt so zu gleichzeitiger Ver¬ 
schiebung sämtlicher Grenzen. 

Es braucht wohl kaum betont zu werden, dass es sich bei dieser 
Erklärung nur um die Haupttypen der Herzverschiebung handelt. 
Der ungeheueren Mannigfaltigkeit der Lungenbefunde entsprechend 
kommen natürlich zahlreiche Modifikationen vor, die sich der stati¬ 
stischen Behandlung entziehen. 

Hier ist auch ein Einwurf zu berücksichtigen, der schon viel zu 
schreiben gegeben hat, nämlich, dass es sich bei der isolierten Ver¬ 
breiterung nach rechts einfach um Hypertrophie des rechten Ventrikels 

*) Fürbringer, Zur Frage des Verhaltens des Herzens bei Lungentuber¬ 
kulose. Beitr. z. Klinik d. Tub. XVIII. 1. 

-) Herz, Über scheinbare Vergrösserung des Herzens. Med. Klinik. 1908. 
Nr. 21. 



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11 ] 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


133 


handle. Die Entscheidung darüber ist am Lebenden unmöglich, denn 
die Akzentuierung des zweiten Pulmonaltones kann hier, wie wir 
unten zeigen werden, infolge der komplizierten Schalleitung etc. bei 
Tuberkulose nicht den Ausschlag geben. Die Annahme wird aber 
unwahrscheinlich, wenn wir sehen, dass die Herzgrösse bei den 
L-Fällen trotz Verschiebung gleichbleibt, dass dort also eine Hyper¬ 
trophie nicht eintritt; und schliesslich tun wir gut, uns an die-Er¬ 
fahrungen der pathologischen Anatomie zu halten, die bei Lungen¬ 
kranken relativ selten eine Hypertrophie des rechten Ventrikels 
konstatiert. 

Sowohl die R- als die L-Verschiebung nimmt im Durchschnitt 
mit der Schwere der Erkrankung an Intensität zu (vgl. Stadien in 
obiger Tabelle); im Einzelfalle dagegen sind grosse Differenzen häufig 
in dem Sinne, dass bei leichten Fällen starke Verschiebung und bei 
schweren Fällen nur geringe Verschiebung vorkommt, als Ausdruck 
dafür, wie ungemein variabel sich die anatomischen Verhältnisse der 
erkrankten Lunge, ganz abgesehen von der Ausbreitung der Erkran¬ 
kung, gestalten können. 

Beim Austritt: Unter dem Einfluss der Kur wird die Ver¬ 
schiebung bei den R-Fällen eher geringer, bei den L-Fällen bleibt 
sie auffallend gleich. Die Wirkung der Kur ist also prinzipiell ver¬ 
schieden je nach dem Zustand des Herzens beim Beginn derselben. 
Wo eine Verschiebung schon besteht, wird durch die Kur kaum etwas 
verändert, wo sie noch nicht besteht, erfolgt sie öfters noch während 
der Kur. Da die Krankheitsdauer bei den Fällen mit nichtver- 
schobenem Herzen im Durchschnitt etwas kürzer war als bei den 
Fällen mit verschobenem Herzen, ist diese Wirkung der Kur auf das 
Herz zum Teil sicher nur eine Wirkung der Zeit; in anderen Fällen 
dagegen scheint es doch die Kur zu sein, die den Anstoss zu einer 
stärkeren Schrumpfung der Lunge gibt. Überhaupt muss nochmals 
daran erinnert werden, dass es sich hier um Durchschnittszahlen 
handelt, die mancherlei Ausnahmen durchaus nicht ausschliessen. 

III. Die Wirkung der Herzverschiebung auf Spitzenstoss 

und Herztöne. 

. Hier, wie in den späteren Kapiteln, haben wir die Fälle ohne 
Herz Verschiebung (s. Gruppe 1 von Tab. 1) zum Vergleich heran¬ 
gezogen. Wir müssen aber darauf hinweisen, dass es sich in dieser 
Gruppe um kleine Zahlen handelt (R 36, L 16), die mit Vorsicht 
aufzunehmen sind. 


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134 


Felix Oeri. 


[12 


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Tab. 3. Spitzenstossbefunde und Herztöne (in Prozent). 



Stärker 

erkrankte 

Seite 

Zahl der 
Fälle 

nicht 

fühlbar 

GC 

innerhalb 
der ~* 

Mamillar- „ 
linie © 

n 8 tos 

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le 

0 « 

◄ ► 

I. Herz 





... _ 





konsensuell 

R I. Stad. 

23 



- 


35 

61 

4 

verschoben 

11. Stad. 

22 





32 

50 

18 

A. Eintritt 

III. Stad. 

50 





38 

58 

4 


R Total 

95 

33 

63 

4 

8 

36 

66 

7 


L I. Stad. 

37 





33 

67 

— 

i 

II. Stad. 

29 




i 

41 

59 

— 

1 

III. Stad. 

91 





30 

70 

— 


L Total 

157' 

16 

31 

52 

1 8 — 

33 

67 

— 

B. Austritt 

R Total 

69—75 

24 

72 

4 

1 

32 

52 

16 


L Total 

117—125 

21 

26 

53 

1 

21 

79 

— 

II. Normale 

R Total 

36 

27 

64 

8 


77 

17 

6 

Herzgrenzen 

L Total 

! 16 

25 

! 69 

i 

6 


69 

i 

31 



1. Spitzenstoss. 

Die Spitzenstossbefunde stützen durchaus unsere Annahmen über 
den Mechanismus der Herz Verschiebung. 

Bei den R-Fällen finden wir als Zeichen der Drehung um die 
vertikale und sagittale Achse relativ häufig, dass der Spitzenstoss 
fehlt, ausser der Herzdämpfung oder zu hoch liegt. Die Summe 
dieser Anomalien ist dort, wo die Herzverschiebung nicht zustande 
gekommen ist, ungefähr gleichgross, als Zeichen dafür, dass wenig¬ 
stens die Drehung begonnen hat. Auch die (aus Tab. 2 ersichtliche) 
geringe Intensität der Verschiebung des Spitzenstosses nach rechts 
entspricht der Annahme einer Drehung. 

Bei den L-Fallen liegt der Spitzenstoss trotz verschobener 
Herzgrenzen auffallend häufig innerhalb der Mamillarlinie, und die 
Intensität seiner Verschiebung (s. Tab. 2) ist deshalb geringer als 
die der Grenzen; offenbar ebenfalls ein Beweis für das häufige Vor¬ 
kommen der Herzdrehung. 


2. Herztöne. 

Die Herztöne mit ihren subtilen Differenzen entziehen sich im 
allgemeinen einer Massenbearbeitung, wie sie die vorliegende Statistik 


Gck igle 


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13] 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


135 


nun einmal ist; ich möchte darum nur kurz auf die Beziehung von 
Pulmonal- und Aortentönen zur Herzverschiebung eingehen. 

Wir. gehen zu diesem Zwecke am besten von den Befunden bei 
nichtdisloziertem Herzen aus. Hier sind in 77 resp. 69% die Töne 
an der Basis rechts und links vom Sternum gleichstark, der Rest 
besteht L nur aus Fällen mit verstärktem H. Pulmonalton, R teilt er 
sich in eine grössere Partie mit verstärktem Pulmonalton und in 
eine kleinere mit verstärktem Aortentone. 

Wo dagegen das Herz verschoben ist, sinkt die Zahl der Befunde 
mit gleichstarkem Aorten- und Pulmonalton rechts und links und in 
allen Stadien auf 30—40% (=auf die Hälfte) und die Akzentuation 
des Pulmonaltones, resp. des Pulmonal- oder Aortentones nimmt 
entsprechend zu. 

Woher kommt diese häufige Akzentuierung, namentlich des zweiten 
Pulmonaltones? Die nächstliegende Erklärung, dass es sich um eine 
Folge des behinderten Lungenkreislaufes handle, fällt dahin, wenn 
wir sehen, dass sie in allen Stadien fast gleichhäufig ist, und dass 
sie so unverhältnismässig zunimmt, sobald das Herz verschoben, resp. 
gedreht, ist. Auch die Annahme, dass es sich nur um eine schein¬ 
bare Akzentuierung, in Wirklichkeit aber um erleichterte Schall¬ 
leitung infolge Retraktion der Lungenränder handle, kann nur einen 
Teil der Befunde erklären, versagt aber vollständig zur Erklärung der 
häufigen Akzentuierung des zweiten Pulmonaltones bei rechtsseitiger 
Erkrankung. So möchten wir uns denn unter Übergehung weiterer 
Hypothesen [Hardy 1 ): Abschwächung der Aortentöne] für die Mehr¬ 
zahl der Fälle einer dritten Erklärungsart anschliessen, die den Grund 
in der Zerrung und Abknickung der grossen Gefasse sucht: Bei einer 
linksseitigen Erkrankung kann durch Retraktion des linken Lungen¬ 
randes eine scheinbare, oder durch Knickung der Pulmonalis (direkter 
Zug oder Drehung des Herzens) eine wirkliche Akzentuierung des 
zweiten Pulmonaltones entstehen. Eine rechtsseitige Erkrankung kann 
die gleiche scheinbare oder tatsächliche Wirkung auf die unnach¬ 
giebigere Aorta ausüben, noch öfter aber wird sie durch die Drehung 
des Herzens die Pulmonalis abknicken und dadurch zu Akzentuierung 
des zweiten Pulmonaltones führen. 

Eine solche Knickung bedeutet natürlich eine Erschwerung der 
Herzarbeit; die Akzentuierung des zweiten Pulmonaltones kann also 
beim Phthisiker, dessen Herz auf vermehrte Arbeitsforderung nicht 
mit Einsetzung vermehrter Kräfte (Hypertrophie des rechten Ven- 

i) Hardy, 2. Pulmonalton in Gesundheit und Krankheit. Ref. Med. Klinik 
1906, 87. 


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136 


Felix Oeri. 


[14 


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trikels) antworten kann, prognostisch nicht als gutes Omen be¬ 
trachtet werden. 


B. Einige andere Zeichen von Lungenschrumpfnng. 

Tabelle 4. 

Andere Zeichen von Lungenschrumpfung (in Prozent). 



Stärker 

erkrankte 

Seite 

Zahl der 
Fälle 

Ein¬ 
engung 
der Spitze 

Verminde¬ 
rung des 
Brust¬ 
umfanges 

Verminde¬ 
rung der 
Exkursion 

Höher¬ 
stehen des 
unteren 
Lungen¬ 
randes 

Fixierung des 
unteren 
Lungenrandes 

I. Herz 
konsensuell 

R I. Stad. 

23 

48 

41 

18 

17 

17 

verschoben 

II. Stad. 

22 

45 

11 

61 

32 

27 

A Eintritt 

III. Stad. 

50 

65 

27 

56 

32 

40 


R Total 

95 

56 

27 

47 

28 

32 


L I. Stad. 

37 

; 78 

60 

32 

24 

29 


II. Stad. 

29 

! 93 

43 

28 

27 

27 


III. Stad. 

91 

1 77 

49 

42 

35 

60 


L Total 

157 

i 80 

50 

37 

31 

47 

B. Austritt 

R Total 

69—75 

| 65 

35 

43 

29 

30 


L Total 

, 117—125 

82 

54 

1 ; 

33 

36 

53 

II. Normale 

R Total 

! 36 

! 44 

1 

18 | 

29 

3 

3 

Herzgrenzen 

L Total 

16 

i 

! 56 

I 

1 

47 

1 

40 

6 

12 


I. Einengung der Lungenspitze. 

(Breite des Krönigsehen Spitzenfeldes in cm gemessen.) 

Das auffallendste Ergebnis der obigen Zahlen ist das Vorherr¬ 
schen der Spitzeneinengung auf der linken Seite (in allen Stadien); 
es stellt uns, wie die Befunde über die Häufigkeit der Herzverschie¬ 
bung, wieder vor die Frage: hat die linke Lunge eine stärkere Ten¬ 
denz zur Schrumpfung als die rechte? Dort haben wir es verneint 
und zu beweisen versucht, dass die vermehrte Beweglichkeit des 
Herzens nach links das Vorwiegen der Linksverschiebung erkläre; 
auch hier dürfen wir wohl statt des Begriffes „Schrumpfungstendenz“ 
die „Schrumpfungsmöglichkeit“ einsetzen. Wir haben damals 
überlegt, dass die sogenannte Schrumpfung nur z. T. eine narbige Ver¬ 
kleinerung des Lungenvolumens bedeutet, während es sich in einer 
grossen Zahl von Fällen einfach um Kollaps handelt. Ausgedehnter 



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15] 


Herzverschiebung bei Lungentuberkulose. 


137 


Kollaps wird aber nur dort zustande kommen können, wo die Mög¬ 
lichkeit zu leichter anderweitiger Ausfüllung des entstandenen Vo¬ 
lumenminus vorhanden ist, also vor allem links, wo Herz und Zwerch¬ 
fell sofort nachgeben können. Darum ist die Einengung des Spitzen¬ 
feldes links soviel häufiger als rechts, darum zeigt sie — in voll¬ 
ständiger Übereinstimmung mit den Prozentzahlen der Herzverschiebung 
— links keine Progression nach Stadien, während sie rechts im 
III. Stadium stark zunimmt, und darum ist sie bei verschobenem 
Herzen häufiger als bei nichtverschobenem. 

II. Verminderung des Brnstnmfanges. 

Die Verminderung des Brustumfanges der kränkeren Seite zeigt 
ganz ähnliche Verhältnisse wie die Einengung des Spitzenfeldes, sie 
ist ebenfalls links häufiger. Ein starker Zug nach Narbenschrump¬ 
fung wird beiderseits ähnliche Wirkung haben, während das blosse 
Einsinken durch Kollaps rechts vielleicht durch den Widerstand der 
Leber, die die untere Apertur ausfüllt, erschwert wird. Auch die 
Tatsache, dass die Verkleinerung des. Brustumfanges im ersten Sta¬ 
dium so auffallend häufig ist, spricht dafür, dass es sich oft nur um 
Kollaps handelt. 

III. Verminderung der Exkursion. 

Die Exkursion der entsprechenden Thoraxhälfte wird bei den 
R-Fällen häufiger eingeschränkt als bei den L-Fällen. Durch Unter¬ 
suchungen am Gesunden gälte es festzustellen, ob diese Differenz 
nicht physiologisch ist (Gewicht der Leber). Durch die Kur wird die 
Exkursion in einigen Prozenten der Fälle gebessert. (Warum sich die 
Verhältnisse bei nichtverschobenen Herzen umkehren, ist mir nicht 
erklärlich.) 

IV. Erhöhung des unteren Lungenrandes. 

Die Erhöhung des unteren Lungenrandes der stärker erkrankten 
Seite ist beiderseits fast gleicbhäufig. (Bei Ein- und Austritt links 
etwas häufiger, aber nicht mehr, als sich durch die leichtere Be¬ 
weglichkeit der linken Zwerchfellseite erklärt.) Sie kommt bei nicht¬ 
verschobenem Herzen fast nie vor, führt also offenbar immer zu Herz¬ 
verschiebung. Daraus und aus dem Umstande, dass sie rechts und 
links mit dem Stadium an Häufigkeit zunimmt, darf man wohl 
schliessen, dass es sich hier hauptsächlich um Narbenwirkung 
handelt. 


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138 


Felix Oeri. 


[16 


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C. Pleuritische Adhäsionen nnd Leberbefunde. 

I. Pleuritische Verwachsungen des unteren Lungenrandes. 

(Die betreffenden Zahlen sind der Einfachheit halber der vorigen 
Tabelle (4) angehängt.) 

Wir haben hier ähnliche Verhältnisse wie bei dem Abschnitt 
über Erhöhung des unteren Lungenrandes. Dass die Fixation links 
häufiger ist, möchte ich wieder mit den verschiedenen Verhältnissen 
im Abdomen zu erklären suchen. Rechts wird bei jedem Exspirium 
die Leber gehoben und senkt sich schon durch ihr Eigengewicht 
beim Inspirium wieder, es ist also durch Zug und Gegenzug dafür 
gesorgt, dass der untere Lungenrand nie zur Ruhe kommt.* Links 
fehlt der Gegenzag, es ist also weit eher die Möglichkeit zu will¬ 
kürlicher und unwillkürlicher Immobilisierung bei pleuritischen Affek- 
♦ionen gegeben, und darum wird es auch häufiger zu Verwachsungen 
kommen. 

Die Fixierung kommt wie die Erhöhung des Lungenrandes bei 
unverschobenem Herzen fast nie vor, sie führt also offenbar wie diese 
immer zu Herzverschiebung. 

II. Leberbefunde. 

Von den Organen des Abdomens, die durch Veränderungen im 
Thoraxinhalt eventuell in Mitleidenschaft gezogen werden, möchte 
ich nur die Leber anführen. Die Perkussion der Bauchorgane wurde 
nämlich im Stehen vorgenommen, was für die Leber recht deutlich 
Grenzen ergibt, dagegen für die Milz nicht genügen dürfte. 

Auffallenderweise ergab diese Art der Untersuchung auch bei 
Schwerkranken nur in ganz vereinzelten Fällen (l°/°) öinen Hochstand 
der Leber, dagegen wurde sie sehr oft (R 37%, L 29%) zu tief 
gefunden, wobei in der Mehrzahl der Fälle der Leberrand rechts zu 
tief, in der Medianlinie aber * normal oder etwas zu hoch 
stand. Dieses Resultat, das vielleicht auch beim Gesunden gefunden 
würde, hilft jedenfalls wesentlich mit, die Erschwerung der Lungen¬ 
schrumpfung in den R-Fällen zu erklären. Im Sitzen ist die 
Retraktion des rechten Lungenrandes möglich (s. „Erhöhung des 
unteren Lungenrandes"), im Stehen wird sie aber offenbar wieder 
ausgeglichen. 



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17] 


Herz Verschiebung bei Lungentuberkulose. 


139 


D. Resultate. 

1. Man muss unter den Faktoren, die zur Verkleinerung des 
Lungenvolumens führen, zwei Haupttypen unterscheiden: einmal die 
Narbenbildung, die die Lunge verkleinern muss, dann den einfachen 
Kollaps, der nur eintritt, wenn die Bedingungen dazu vorhanden sind. 

2. Die Bedingungen für beide Arten von Lungenschrumpfung 
sind rechts und links verschieden. Die Verschiedenheit liegt aber 
nicht in der Lunge selbst, sondern in dem Raume, in den sie ein¬ 
gebettet ist. Links finden wir in dem leicht nach links verschieb¬ 
baren Herzen und in dem beweglicheren Zwerchfell zwei Stellen, die 
einem Zug relativ leicht nachgeben können. Rechts sind diese beiden 
Stellen wesentlich unnachgiebiger, das Zwerchfell wegen der darunter¬ 
liegenden Hauptmasse der Leber, das Herz wegen seiner Fixierung, 
die das Ausweichen nach rechts erschwert. 

Der einfache Kollaps wird durch diese Verhältnisse links er¬ 
leichtert und rechts erschwert, wie die grossen Differenzen von rechts 
und links (bei Herz, Spitze und Brustumfang) beweisen; die Narben¬ 
bildung dagegen, der ja noch andere Wege zur Verfügung stehen 
(Retraktion der Rippen an Ort und Stelle) wird davon wesentlich 
weniger berührt, ist also links nur wenig häufiger als rechts (s. Er- 
höhuug des unteren Lungenrandes). 

3. Alle Zeichen von Lungenschrumpfung sind häufig, am häufig¬ 
sten aber die Herz Verschiebung, wohl in Folge der Pufferlage des 
Herzens zwischen den beiden Lungen. Die Herzverschiebung ist so 
häufig, dass eine genaue Feststellung des Herzbefundes oft Anhalts¬ 
punkte über den Ort der Erkrankung, oder wenigstens ihre Haupt¬ 
lokalisation geben kann. Am zweithäufigsten lässt sich die Einengung 
des Spitzenfeldes konstatieren, als dasjenige Zeichen, das dem Krank¬ 
heitsherd am nächsten liegt. 

Von den einzelnen Schrumpfungszeichen stehen in näherer Be¬ 
ziehung zueinander nur die Herzverschiebuug und die Erhöhung (resp. 
Fixation) des unteren Lungenrandes, insofern als die letztere immer 
zu Verschiebung des Herzens führt. Alle anderen Zeichen der Schrump¬ 
fung sind zwar bei verschobenem Herzen häufiger (gemeinsame Ur¬ 
sache), kommen aber auch selbständig vor. 

4. Die Verschiebung des Herzens äussert sich bei rechtsseitiger 
Erkrankung zuerst durch Drehung um die sagittale und vertikale 
Achse, wodurch das Herz nach beiden Seiten oder nur nach rechts 
verbreitert erscheint und der Spitzenstoss oft nach aussen und auf- 

Beftr&ge rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. U. 2. 10 


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140 Felix Oeri: Herz Verschiebung bei Lungentuberkulose. [18 

wärts wandert, oft auch verschwindet; erst später erfolgt die Wan¬ 
derung der ganzen Herzmasse und die entsprechende Verschiebung 
der Herzgrenzen. Beim Zuge von links kommt sofort die ganze 
Herzmasse in Bewegung und die Breite der Herzdämpfung bleibt sich 
gleich; die Verschiebung ist oft mit einer Drehung um die vertikale 
Achse kombiniert, weshalb sich der Spitzenstoss oft trotzdem inner¬ 
halb der Mamillarlinie findet. 

Die Akzentuierung des zweiten Pulmonaltones ist oft die Folge 
eines mechanischen Hindernisses in der Pulmonalis, hervorgerufen 
durch direkten Zug der schrumpfenden Lunge oder durch Abknickung 
infolge von Herzdrehung, jedenfalls aber kann sie bei Lungenkranken 
nicht als Zeichen für Hypertrophie des rechten Ventrikels gelten. 

5. Während der Sanatoriumkur, vielleicht als Folge derselben, 
werden sämtliche Schrumpfungszeichen zahlreicher, mit Ausnahme 
der Exkursion, die sich bessert. 


Es ist mir wohl bewusst, dass eine statistische Zusammenstellung, 
wie die vorliegende, eine etwas gewaltsame Behandlung des Themas 
bedeutet und es in keiner Weise erschöpft; insonderheit kann sie 
den mannigfachen Möglichkeiten der Einwirkung der Lungentuber¬ 
kulose auf das Herz nicht gerecht werden. 

Es muss der eingehenden Tntersuchung des Einzelfalles Vor¬ 
behalten bleiben,, durch genaue Feststellung des Lungenbefundes die 
Stellung des Herzens zu erklären, oder umgekehrt aus der Herzstellung 
Anhaltspunkte für den Lungenbefund zu gewinnen. 

Zweck der Zusammenstellung war vor allem, nachdrücklich auf 
die reiche Beute hinzuweisen, die uns eine sorgfältige Berücksich¬ 
tigung aller Schrumpfungszeichen, besonders aber des Herzbefundes, 
bei Beurteilung der Fälle von Lungentuberkulose bietet. 


Go gle 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA - 



Aus der Rinderheilstätte Aprath hei Elberfeld. 


Über den röntgenographischen Nachweis des 
primären Lungenherdes bei der Bronchialdriisen- 

tuberkulose. 

Von 

Dr. Georg Simon, Aprath. 

Mit 1 Röntgentafel. 

Über die ziffernmässige Bewertung der einzelnen Eintrittspforten 
des Tuberkelbazillus ist unter den pathologischen Anatomen eine 
Einigung bisher nicht erzielt worden. Je nach dem bekannten Stand¬ 
punkte des Autors werden die verschiedenen Formen der kongeni¬ 
talen, die tonsilläre, die enterogene und die aerogene einander gegen¬ 
übergestellt. Wenn z. B. Lubarsch für seine Kindersektionen — 
und solche allein sind für zahlenmässige Angaben brauchbar, da bei 
der tertiären Tuberkulose die Verhältnisse bezüglich des Infektionsweges 
allzu verwischt sind — 7,9°/o primäre Tonsillentuberkulosen, Heller 
21,1 °/o primäre Darmtuberkulosen, Ghon (1) dagegen 92,4°/o pul¬ 
monale und nur 2,7 °/o sichere extrapulmonale Infektionen angibt, so 
hält es für den Kliniker ausserordentlich schwer, sich in dieser Frage 
einen eigenen Standpunkt zu bilden. Nur soviel scheint durch die 
neueren Arbeiten von experimentell wie anatomisch - pathologischer 
Seite sicher gestellt zu sein, dass der Tuberkelbazillus fast ausnahms¬ 
los an der Stelle seines Eindringens eine primäre Läsion setzt, und 
dass die frühere Vorstellung, er pflege die Schleimhäute spurlos zu 
durchdringe», mehr und mehr eine Verlegenheitsannahme für die Fälle 
wird, in denen der primäre Herd wegen seiner Kleinheit oder seines 
versteckten Sitzes nicht nachzuweisen ist. 

Der alten Inhalationstheorie sind in den Arbeiten von Küss, 
E. Albrecht, H. Albrecht, Naegeli und Ghon (1) neue und 

10 * 


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142 Georg Simon. [2 

starke Stützen erwaöhsen, die immer mehr auf die Lungen als' den 
Sitz des tuberkulösen Primäraffekts hinweisen. Dieser Primäraffekt 
wird als ein gewöhnlich subpleural, seltener intraparenchymatös 
gelegener Herd geschildert. Er hat meist eine rundliche Form, ist 
in der Regel isoliert vorhanden; bisweilen jedoch entwickelt sich ein 
zweiter Herd juxtabronchial oder subpleural, abhängig von dem ersten, 
auf lymphogenem Wege. In selteneren Fällen bilden sich zwei, drei, 
ganz vereinzelt noch mehr Herde. Der Primäraffekt sitzt öfters rechts 
als links (ungefähr 3:2), kommt in sämtlichen Lungenlappen vor, 
sitzt aber sehr selten in der Spitze. Seine Grösse schwankt zwischen 
der eines Stecknadelkopfes und einer Kirsche. Er wächst durch 
Bildung neuer Knötchen in der Peripherie und Einbeziehung benach¬ 
barter Alveolen. Bei Obduktionen findet man ihn immer schon ver¬ 
käst, bisweilen erweicht und kavernös eingeschmolzen, häufig verkreidet 
oder verkalkt oder fibrös umgewandelt, wobei in der Narbe ein Kalk¬ 
herd liegt. Sein Nachweis macht bisweilen grosse Schwierigkeiten, 
da er hie und da bis auf eine kleinste Narbe oder Schwiele ver¬ 
schwinden kann, misslingt aber nur in sehr seltenen Fällen. Als 
den Ort der allerersten Ansiedlung des Tuberkelbazillus betrachtet 
H. Albrecht die kleinsten Lymphknoten der Bronchialwände und 
sieht in dem häufigen Vorhandensein eines feinen Spaltes in einem 
verkästen Herde den Rest eines Bronchiolus und den Beweis der 
aerogenen Infektion. 

Zwischen der Grösse des Lungenherdes und der von ihm infi¬ 
zierten Lymphdrüsen besteht ein auffallendes Missverhältnis: grossen, 
voluminösen Lymphknotenpaketen kann ein kleinster Lungenherd 
entsprechen. Auch gehen die nekrobiotischen Prozesse in den Drüsen 
viel schneller vor sich als in den kleinen und fest begrenzten Primär¬ 
affekten. Es ist deshalb nicht berechtigt, wenn man in beiden die 
gleichen Veränderungen findet, auf eine retrograde Infektion der 
Lunge zu schliessen. 

Die Wege der Lymphdrüseninfektion sind gesetzmässig: es er¬ 
kranken zuerst die regionären Lymphknoten, d. h. die dem Herde 
zunächstliegendeu bronchopulmonalen. Nach den bronchopulmonalen 
werden die tracheobronchialen derselben Seite befallen. Bisweilen 
überspringt die Infektion ein bis zwei Drüsen, so dass nicht immer 
eine Kontinuität hergestellt wird. Die Bahnen der Infektion sind so 
regelmässig, dass Ghon beim Suchen nach dem Lungenherde stets 
zunächst die tracheobronchialen Drüsen freipräpariert und nach Fest¬ 
stellung der erkrankten Seite den bronchopulmonalen nachgehend 
den Lappen bestimmt, um nün nach dem Herde zu forschen. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



3] Über den röntgen (»graphischen Nachweis des priraftren Lungenherdes etc. 143 


Ist es nun möglich, bereits intra vitam den primären Lungenherd 
durch unsere klinischen Untersuchungsmethoden nachzuweisen? Dass 
Perkussion und Auskultation versagen müssen, ist erklärlich, denn 
der Herd ist erstens zu klein und tritt zweitens zu wenig mit seiner 
Nachbarschaft in entzündlichen Kontakt, neigt vielmehr ausserordent¬ 
lich zur Abkapselung, so dass ein Vergleich mit dem Verhalten von 
Geschwulstmetastasen sehr zutreffend ist. Einen Fingerzeig für die 
Diagnose bietet vielleicht die Feststellung Ghons, dass in nicht 
weniger als 114 von 170, also in 2 /s sämtlicher Fälle pleuritische 
Veränderungen vorhanden waren. Diese Veränderungen, die doppelt 
so häufig älterer, adhäsiver Natur waren als frischerer, sassen zu 
gleichen Teilen unmittelbar an dem Lungenherde, in dessen näherer 
und fernerer Umgebung auf derselben Seite. Das Vorhandensein von 
pleuritischen Erscheinungen bei Bronchialdrüsentuberkulose ist bekannt, 
Huguenin und Philippi haben darauf hingewiesen und ich kann 
ihr gar nicht seltenes Vorkommen durchaus bestätigen. Indessen 
handelt es sich dabei um Pleuritiden an den unteren Lungenrändem; 
dort wo ausgedehntere Prozesse in Erscheinung treten, habe ich bis¬ 
her immer schon Lungenveränderungen finden können. Es ist frag¬ 
lich, ob man diese Randpleuritiden als frischere Prozesse auffassen 
soll, oder ob es nicht vielmehr richtiger ist, sie als den Ausdruck 
von Adhäsionen zu betrachten. Jedenfalls kann kein Zweifel darüber 
bestehen, dass wir in der Diagnose der primären Tuberkulose zunächst 
auf die Erkennung der umfangreicheren Veränderungen, der Hilus- 
drüsen angewiesen sind. 

Hierfür haben uns die Arbeiten von de la Camp, Br ecke, 
Dautwitz u. a. eine Reihe von Merkmalen an die Hand gegeben, 
die in vielen Fällen mit grosser Sicherheit die Diagnose zu stellen 
erlauben. Immer wieder findet sich bei solchen Kranken derselbe 
Typus: Hyperplasien des Lymphdrüsensystems, speziell der lymphoiden 
Schleimhauteinlagerungen (Tonsillen, Follikel), pastöses Aussehen, 
Katarrhe der Luftwege, des Mittelohres, der Konjunktiven* nicht selten 
auch des Darmes, Neigung zur Entstehung von Rhagaden und Ekzemen, 
kurz die Kombination jenes Symptomenkomplexes, den wir als lym¬ 
phatische Diathese zu bezeichnen pflegen. Die Wichtigkeit der Be¬ 
deutung des konstitutionellen Faktors bei den Frühstadien der Tuber¬ 
kulose ist bekannt, hat doch erst die Aufstellung des „Lymphatismus“ 
die Einsicht in das Wesen der Skrofulöse ermöglicht. Durch 
J. Bartel (2) ist der Status lymphaticus seines früheren mystischen 
Dunkels entkleidet worden. Die Überproduktion lymphozytärer Ele¬ 
mente, die Neigung zur Exsudation und die Wucherung des Stütz¬ 
gewebes bilden seine pathologisch - anatomische Basis. Eine seiner 


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Georg Simon. 


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wesentlichen Eigenschaften, die seine klinische Diagnose recht erschwert, 
bildet das atrophische Stadium, das sich durch eine Erschöpfung der 
Proliferationskraft und Rückbildung der Lymphdrüsen charakterisiert, 
während im Gegensätze dazu die Hyperplasien der lymphatischen 
Schleimhauteinlagerungen viel hartnäckiger bestehen bleiben. Seine 
Bedeutung beschränkt sich durchaus nicht auf das Kindesalter allein, 
sondern er kommt auch bis in die späteren Lebensjahre hinein vor. 
Dass bei der lymphatischen Diathese tuberkulöse Bronchialdrüsen 
leichter nachweisbar sind, erklärt sich aus der an und für sich vor¬ 
handenen Hyperplasie des Drüsenapparates und ferner aus den leb¬ 
hafteren entzündlichen Vorgängen und Exsudationen, an denen auch 
die Umgebung der Drüsen teilnimmt. Diese sekundären Entzündungen, 
in denen u. a. Philippi das eigentliche Substrat der paravertebralen 
Dämpfungen sieht, lassen sich zuweilen auf der Platte nachweisen. 
Ich verfüge über eine Aufnahme, die einen pfirsichgrossen leichten 
Schatten über dem linken Hilus zeigt, aus dem sich zwei Drüsen¬ 
schatten deutlich herhorheben. 

Es erscheint nicht unwichtig, auf die bezeichneten Zusammen¬ 
hänge hinzuweisen, da ihr Unbeachtetlassen zu unrichtigen Auf¬ 
fassungen über die Eintrittspforte der Tuberkelbazillen geführt hat, 
indem man wegen der Konstanz von Schwellungen des lymphatischen 
Schlundrings, insbesondere der Rachenmandel, auf diese als Ausgangs¬ 
ort für die Infektion der Bronchialdrüsen schloss (3). Auch die von 
Schulz und Philippi (4) beschriebene relative Lymphozytose findet 
sich am konstantesten und stärksten in floriden Fällen von Lympha¬ 
tismus, während bei sicherer, röntgenographisch festgestellter Bron¬ 
chialdrüsentuberkulose absolut normale Zahlen gefunden werden können. 
Dass die Lymphatischen eine Sondergruppe unter den klinisch Tuber¬ 
kulösen darstellen, ist jüngst auch von Kraus (5) betont worden. 

Neben diesen „typischen“ Bronchialdrüsentuberkulosen gibt es 
aber auch eine Reihe solcher, bei denen klinische Symptome mehr 
oder weniger vollständig fehlen, bei denen mithin die Röntgenauf¬ 
nahme als souveränes Diagnostikum auftritt. Je mehr man sich zur 
Regel macht, bei bronchitischen Zuständen, die Ranke (6) mit vollem 
Recht als geradezu pathognomonisch für das Frühstadium der Tuber¬ 
kulose bezeichnet hat, im Verein mit einem stark positiven Ausfall 
des Pirquet Röntgenaufnahmen zu machen, um so häufiger wird man 
Hilusveränderungen auffinden. 

Die Frage nach dem Infektionswege der Bronchialdrüsentuber¬ 
kulose ist auch in den neuesten röntgenologischen Arbeiten über dieses 
Thema nur sehr kursorisch behandelt worden. Straub undOtten 
(7) sagen lediglich: „Immer zahlreichere Autoren haben neuerdings, 



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5] Über den röntgenographischen Nachweis des primären Lungenherdes etc. 145 


gestützt auf ein reiches autoptisches Material, betont, dass der Ort 
des tuberkulösen Primäraffektes in der Lunge zu suchen ist und dass 
von diesem Herde aus die regionären Lymphdrüsen erkranken. Weiteres 
bleibt abzuwarten“ (S. 303). Wenn der Primäraffekt darstellbar sein 
soll, müssen gewisse Vorbedingungen bezüglich seiner Konsistenz, seiner 
Grösse und seines Sitzes erfüllt sein. Wie nun diese Verhältnisse 
liegen, geht aus der folgenden sehr instruktiven Tabelle Ghons 
hervor (S. 48): 


Aussehen des 
Lungenherdes | 

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Zahl 

der 

Herde 

Zahl der 
Herde 

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1 

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11 

9 

12 

1 

_ 

2 

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J 110 

Kaverne . 

— 

11 

6 

5 

9 

10 

5 

2 

48 


Verkäsung mit Zeichen 











von Ausheilung . . 


16 

1 

2 

1 

* — 

— 


20 


Kaverne mit Zeichen 










30 

von Ausheilung . . 

— 

—■ 

3 

1 

5 

1 

— 

— 

1 10 

) 

Ausheilung mit Ver¬ 

1 

i 








ij 


kreidung oder Ver¬ 











kalkung .... . 

21 

28 

3 

— 

— 

— 

— 

2 

!| -34 

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Ausheilung mit Narben 

1 

I 2 

— 

— 

— 

— 

— 

3 ! 

!| 6 



23 

83 

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17 

| 27 

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5 

9 ! 

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200 

200 


23 

107 | 

i 

44 ; 

17 

i 

9 

i 


i 


„Geringe Grössen herrschten demnach vor. Die höchste Zahl 
erreichten die Herde mit Erbsengrösse. Am grössten waren die 
Kavernen. Die kleinsten Herde fanden sich so gut wie ausschliesslich 
bei den Fällen mit anatomischer Ausheilung. Diese Tatsache ist 
wichtig: sie macht es uns ohne weiteres verständlich, dass das Auf¬ 
finden solcher Herde oft Schwierigkeiten bereiten kann und dort, wo 
das Suchen nach dem Herde nicht mit Hilfe des Lokalisationsgesetzes 
erfolgt, eigentlich immer einen Zufall bedeutet.“ 

Machen diese Ausführungen bereits die sich für den Anatomen 
ergebenden Schwierigkeiten klar, so erhellen sie auch die noch grösseren 
des Röntgenologen. Da die progredienten Fälle, d. h. die umfang¬ 
reicheren sich in ganz überwiegender Zahl im 1.—3. Lebensjahre 
finden (rund 60°/o), so werden am ehesten noch die Pädiater imstande 
sein, sie nachzuweisen; die Möglichkeit an sich ist nicht zu leugnen, 
da käsige, narbige oder kreidige Veränderungen von Erbsengrösse ab 


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Georg Simon. 


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sicher darstellbar sind. Misslicher liegt die Sache bei dem Ma¬ 
teriale einer Kinderheilstätte. Ghon beziffert den Anteil des 8. 
bis 14. Jahres auf 30= 17,64% unter 170 Sektionen und das Ver¬ 
hältnis der progredienten Fälle zu denen mit Zeichen von Ausheilung 
resp. ausgeheilten auf 6:3:21. Es überwiegen also hier bei weitem 
die minderen Grössen, wenngleich für sie ebensooft Erbsen- als 
Hirsekorngrösse angegeben wird. Mithin wird für unser Material 
dem Sitze des Herdes eine noch grössere Wichtigkeit beizumessen 
und am ehesten noch auf eine Darstellbarkeit zu rechnen sein, wenn 
er in unmittelbarer Nähe der Platte, subpleural liegt. Küss und 
Ghon geben nun übereinstimmend an, „dass die Lungenherde sowohl 
peripher als zentral sassen, dass aber augenscheinlich die grössere 
Mehrzahl peripher ihren Sitz hatte", dass die Vorderfläche der Lungen 
entschieden häufiger betroffen wird als die basale oder die Rück¬ 
fläche, dass unter den einzelnen Lappen der rechte Oberlappen bevor¬ 
zugt ist. Mithin würde der dorsoventralen Aufnahme grössere Chancen 
zukommen als der ventrodorsalen, am besten würden natürlich bei 
dem Studium dieser Frage beide anzuwenden sein. 

Das sind aber nicht die einzigen Umstände, die die Diagnose 
erschweren. Wenn wir auf der Röntgenplatte einen Schattenfleck 
finden, gibt es über seine Deutung die verschiedensten Möglichkeiten. 
Differentialdiagnostisch kommen vor allem tuberkulöse Drüsen, weiter 
sekundäre Lungenherde in Betracht. Die letzteren dürften noch am 
leichtesten auszuschliessen sein; vorgeschrittene Fälle sind wenigstens 
röntgenologisch für den vorliegenden Zweck überhaupt unbrauchbar. 
Die inzipienten haben bestimmten Sitz, sie folgen den vom Hilus 
fächerförmig sich ausbreitenden Strängen, hier und dort Knötchen 
bildend, oder es entstehen entzündliche pneumonische Herde, die 
unschwer als jüngeren Datums erkannt werden dürften als die gleich¬ 
zeitig vorhandenen Drüsenprozesse. 

Um zu einer Differentialdiagnose bezüglich der in Betracht 
kommenden Lymphknoten zu kommen, ist deren Topographie zu 
berücksichtigen. Man unterscheidet nach Sukiennikow tracheo- 
bronchiale und bronchopulmonale, hilusnahe und hilusferne Drüsen. 
Die ersteren zerfallen in drei Gruppen, in obere — oberhalb der 
Bifurkation der Trachea gelegene —, untere, unterhalb der Bifur¬ 
kation, und in eine dritte Gruppe, die dem rechten Hauptbronchus • 
unterhalb der Bifurkation und des Abganges des rechten eparteriellen 
Bronchus anliegt. Sie findet ihre Fortsetzung in den bronchopulmo¬ 
nalen Drüsen, die nach aussen zur Achselhöhle hin den Bronchus 
begleiten. Nach Straub und Ötten gehen tuberkulöse Infiltrationen 
des rechten Oberlappens mit Vorliebe diesen Weg. Im linken Ober- 



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7] Über den röntgenographischen Nachweis des primären Lungenherdes etc. 147 

lappen reichen die Lymphdrüsenverbindungen nicht so weit seitlich 
als rechts und auch in die Unterlappen gehen sie nicht sehr weit 
hinein. 

Bei Köhler (8), dessen Arbeit unser Fundament für die Röntgen¬ 
diagnostik der Bronchialdrüsentuberkulose bildet, heisst es (S. 21): 

„-es lässt sich die Tatsache nicht wegleugnen, dass die als 

Drüsen imponierenden Schatten ganz auffallend weit lateral anzu¬ 
treffen sind, und ich habe es lange Zeit für zweifelhaft gehalten, ob 
es sich hier wirklich um Drüsen handelt oder ob nicht vielleicht 
käsige Bronchitis mit grösseren Aspirationsherden Vorgelegen hatte. 
In ca. 99°/o der anatomischen Lehrbücher ist über diese für den 
Röntgenologen so wichtigen Verhältnisse leider nichts zu erfahren, 
nur bei Poirier (Traitö d*Anatomie humaine) findet sich folgende 
für unsere Frage bemerkenswerte Stelle: „Die Pulmonaldrüsenganglien, 
zahlreich und von variabler Grösse, liegen zum Teil ausserhalb, zum 
Teil innerhalb des Lungenparenchyms selbst: Sie reichen indessen 
nur bis zu einer Tiefe von 3 cm.“ Nach Cruveilhier ferner kann 
man die Pulmonaldrüsen bis zu den Teilungen der Bronchien vierter 
Ordnung finden. Letzteres spricht für unsere Zwecke; schliesslich 
helfen uns hier auch die Bilder von Gefrierschnitten in den Atlanten 
von Braune und Symington; sie lassen die Lymphdrüsen tatsäch¬ 
lich bis fast in die Mamillarsagittalebene 1 ) verfolgen.“ 

Die hilusnahen Drüsen erreichen bei Erwachsenen im allgemeinen 
Erbsen-, die hilusfernen bis Linsengrösse; bei Kindern sind die Werte 
etwas geringer. Ihre Dimensionen nehmen nach der Peripherie zu ab. 

Einem mir zur Verfügung stehenden kurzen Referate eines Vor¬ 
trages von Keiner (9) entnehme ich, dass wiederholt mitten im 
Lungengewebe scharf umrissene Herde von äusserster Schattentiefe 
angetroffen wurden, bei denen es sich um verkalkte Pulmonaldrüsen 
handelte. Ob diese Annahme anatomisch bestätigt oder ob ein 
primärer Lungenherd differentialdiagnostisch in Betracht gezogen 
wurde, ist nicht zu ersehen. 

Dagegen wird in einer Arbeit aus der Kienböck sehen Ab¬ 
teilung von Eisler (11) das Röntgenbild der primären Lungeninfektion 
als „ziemlich charakteristisch“ beschrieben. Die primäre Infektion 
stelle sich dar als „Ein zarter Schatten von verschiedener Grösse 
und Lage, dessen Dichte wenig intensiv ist und dessen Konturen 
allmählich in der Umgebung abklingen. Daneben ein beträchtlich 

grosser Drüsenschatten.-Der primäre Herd selbst ist meistens 

sehr klein und liegt innerhalb der oben geschilderten Schattenwolke, 

*) Im Original nicht gesperrt gedruckt. 


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Georg Simon. 


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die offenbar einem entzündlichen Ödem entspricht und ihn wie ein 
Hof umgibt, in dem er häufig gar nicht sichtbar ist". Wesentlich 
einfacher gestalte sich die Diagnose, wenn regressive Veränderungen 
einsetzen. „Aus dem verschiedenen Verhältnis zwischen der Grösse 
des Lungenherdes und der Drüsen, aus der verschiedenen Lage und den 
verschiedenen anatomischen Veränderungen — im Herde die älteren, 
in den Drüsen die jüngeren — ergeben sich die verschiedensten Bilder: 
Der Lungenherd ein dichter, scharf konturierter Schattenfleck, die 
Drüse ein zarter Schatten, aus dem Mittelschatten hervorlugend; 
der Herd ist dann abgekapselt, die Drüse noch entzündlich infiltriert. 
Lungenherd sichtbar, Drüse nicht, da vom Medianschatten ge¬ 
deckt. Herd sichtbar, verkalkte Drüsen ebenfalls, daneben allenfalls 
auch noch geschwellte. Umgekehrt bekommt man auch Bilder zu 
Gesicht, auf denen nur Drüsenschatten erscheinen, da der Herd zu 
klein ist oder verdeckt wird.“ Das letztere ist wenigstens bei älteren 
Individuen die Regel. • Die frühesten Stadien der Infektion bekommt 
man in einer Heilstätte nicht zu sehen, da in dem zwischen Infektion 
und Auftreten klinischer Erscheinungen liegenden Zeiträume bereits 
regressive Veränderungen einsetzen dürften; ihre Röntgendiagnose 
wird zudem immer eine unsichere Sache bleiben. Im übrigen kann 
man der Beschreibung Eislers wohl zustimmen. 

Die grössten Schwierigkeiten wird der Nachweis des Primär¬ 
affektes da machen, wo er in schattengebende Gebilde, den Hilus-, 
Mittel- oder Zwerchfellschatten hinein projiziert ist. Vielleicht lässt 
sich dabei durch stereoskopische Aufnahmen eine Entscheidung treffen, 
worüber mir persönliche Erfahrungen fehlen. 

Ich verfüge nun unter ca. 140 Aufnahmen über 3 Fälle, in denen 
ich meine, den primären Herd röntgenographisch dargestellt zu haben. 

1. Luise B., 10jähriges Mädchen. Aufnahme am 14. Nov. 1911. 

Anamnese: Gilt seit etwa einem Jahre als lungenleidend, hustet etwas, 
fiebert hin und wieder, wirft regelmässig aus. Der Auswurf soll letzthin etwas 
blutig gewesen sein (?). Hat Masern, Keuchhusten und Diphtherie überstanden. 
Vater gestorben an kruppöser Pneumonie. 

Status: Gut entwickeltes Mädchen von blasser Gesichtsfarbe. Gewicht 
30,8 kg. Spärliche kleine Submaxillar- und Zervikaldrüsen. Linksseitige Temporal¬ 
venen. Druckempfindlichkeit des 4. und 5. Brustwirbeldorns. RVO. im 1. Inter¬ 
kostalraum verschärftes In- und Exspirium, RHO. desgleichen bis zur Schulter¬ 
blattmitte; von da nach abwärts unreine Atmung, Inspirium von Brummen be¬ 
gleitet. Beiderseits HO. Bronchophonie. Pirquet -f +. Kein Auswurf; Husten. 
Herz o. B. Puls 96. 

Röntgenaufnahme (Abbildung 1): Die rechte Hiluszeichnung weist 
mehrere Einlagerungen auf, von denen sich zwei von gut Erbsengrösse deutlicher 
abheben. Die eine liegt in Höhe des Hinterendes der 7. Rippe, die zweite im 
interkostalraum darüber. Nach aussen von der letzteren liegt eine kreisförmige 



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9] Über den rÖntg«ographischen Nachweis des primären Lungenherdes etc. 149 

Schattenaussparung, an deren äusserer Peripherie zwei kleine Kalkherdchen sitzen. 
Ein weiterer sehr kleiner Kalkherd ist auf der Platte V* cm darüber zu sehen, 
ein dritter, grösserer, in demselben Abstand darüber; ein fernerer von derselben 
Grösse liegt nach innen und etwas nach oben von der letzterwähnten Drüse. 
Geht man nun von hier aus nach aussen zu, so sieht man dicht oberhalb des 
oberen Randes der 3. Rippe, im Schatten des hinteren Umfanges der 6. liegend, 
einen sich scharf abhebenden Gerd von Kleinlinsengrösse und rhombischer Ge¬ 
stalt, der auf der Platte 7 cm vom lateralen Rande der Wirbelsäule entfernt liegt. 
Die linke Hiluszeichnung ist verbreitert und leicht fleckig, ohne dass sich jedoch 
einzelne Partien besonders hervorhebeu. Die Spitzen sind frei. 

Entlassung am 13. II. 1912. Gesund, etwas pastös aussehend. Gewicht 
35,2 kg. Wenig Husten. Spärlicher, rein schleimiger Auswurf ohne Tb. Per¬ 
kussion negativ, Auskultationsbefund unverändert. 

Nachuntersuchung vom 14. XL 1912. Pat. befand sich nach der Ent¬ 
lassung bis Mitte August d. J. sehr wohl und besuchte regelmässig die Schule. 
Dann trat ein fieberhafter Katarrh ein, der 14 tägige Bettruhe erforderte. Seit¬ 
dem ist sie nicht mehr zur Schule gegangen. Im Oktober vierwöchentlicher 
Landaufenthalt und Gewichtszunahme von 5 1 /* Pfund. Klagt über Husten, Stiche 
auf der Brust und Kopfschmerzen. 

Aussehen wohl, aber umränderte Augen. Keine Spinalgie. RHO. in Höhe 
der Schultergräte deutliche Schallabschwächung. Atmung verschärft mit bron¬ 
chialem Beiklang, von MV. bis AV. feucht; im 1. Interkostalraum RVO. sehr 
scharf und hauchend. L. mässig verschärftes Hilusatmen. Leichte Akzentuation des 
2 . Aortentons. Puls 88. 

Blutuntersuchung: Hämoglobin 70 %»rote Blutkörperchen 4 480000, weisse 7000, 
davon 36°/o Lymphozyten, 54®/o Polynukleäre, 3°/o Eosinophile, 7°/o grosse Mono¬ 
nukleäre. Im Sediment von 5 ccm Blut, die durch Venenpunktion am rechten 
Vorderarm entnommen und nach der von Rumpf beschriebenen Ze issle rsehen 
Methode (10) verarbeitet wurden, im Ziehl- und Grampräparat keine verdächtigen 
Stäbchen. 

Röntgenbefund: Der im lateralen Abschnitt des rechten Oberlappens 
liegende Herd ist infolge etwas anderer Röhreneinstellung mitten in den Schatten 
der 2. Rippe hinein projiziert und liegt nun oberhalb des hinteren Umfanges der 
6. Rippe. Zu dem am Hilns dicht am Unterrande der 6. Rippe liegenden Kalk¬ 
fleck haben sich zwei weitere zugesellt, die sich jedoch nicht ganz so deutlich 
abheben. Im übrigen sowie L. derselbe Befund. 

Epikrise: Es handelt sich um eine ältere Erkrankung der 
rechten, und eine frischere Erkrankung der linken Hilusdrüsen, die 
z. Zt. noch nicht zum Stillstand gekommen, sondern wie der Ver¬ 
gleich der beiden Röntgenplatten und der klinische Verlauf beweisen, 
noch in der Entwickelung begriffen ist. Nach der Art der Schatten¬ 
bildung ist anzunehraen, dass es sich rechts um verkäste Drüsen 
handelt, dass aber bereits anatomische Heilungsvorgänge in Gestalt 
von Verkreidung oder Verkalkung eine Rolle spielen. Die erwähnte 
Aussparung stellt einen an seiner Abgangsstelle getroffenen Bronchus 
dar, dem eine erkrankte Drüse angelagert ist. Wie soll nun der 
lateralwärts und in gleicher Höhe wie die meist beteiligten Drüsen 


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Georg SimoD. 


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gelegene Schattenfleck gedeutet werden? Er liegt im Gewebe der 
Lunge, wie seine verschiedene Lokalisation bei veränderter Röhren¬ 
einstellung beweist. Des ferneren ist anzunehmen, dass er sich in 
einem Zustande der Verkreidung oder Verkalkung befindet, da er, 
obwohl der Platte nicht unmittelbar angelegen, scharf konturiert ist. 
Handelte es sich um eine bronchopulmonale Drüse, müsste man 
einen retrograden Transport des Infektionsmaterials voraussetzen, 
bei dem immerhin auffallend wäre, das einmal nur eine einzige Drüse 
der dort existierenden Kette befallen ist, und zweitens, dass die 
regressiven Veränderungen nicht nur weiter vorgeschritten sind als 
bei den Hilusdrüsen, sondern geradezu als abgeschlossen "bezeichnet 
werden können, im Gegensätze zu den Prozessen am Hilus. Mithin 
möchte ich als das Wahrscheinlichste ihn als den Ausgangspunkt der 
Bronchialdrtisenerkrankung annehmen. 

2. Adolf B., lOjähriger Knabe. Aufgenommen «m 24. X. 1912. 

Anamnese: Im Winter 1911 Lungenentzündung, seitdem Büsten mit Aus¬ 
wurf. Er besuchte bis jetzt regelmässig die Schule. Von Kinderkrankheiten sind 
Scharlach und Diphtherie überstanden, vor einem Jahre wurden die vergrösserten 
Mandeln entfernt. Eltern und vier Geschwister sind gesund. 

Status: Graziler lebhafter Knabe in geringem Ernährungszustände. Ge¬ 
wicht 28,1 kg. Aussehen blass und pastös. Zahlreiche erbsengrosse Submaxillar- 
und Zervikaldrüsen. Tonsillen entfernt. Thorax schmal, Gruben vertieft, Flanken 
abgeflacht. Keine Spinalgie. Keine Hautvenen, Perkussion o. B. Atmung rauh 
und brummend, in den oberen Partien verschärft. Beiderseits scharfe Broncbo- 
phonie. Wenig Husten, z. Zt. kein Auswurf. Pirquet -f+. Cor. o. B. Puls 76. 

Blutuntersuchung: Hämoglobin 77°/o, rote Blutkörperchen 4020000, 

weisse 8500; davon Lymphozyten 30%» polynukleäre Neutrophile 61%. Eosino¬ 
phile 2%, grosse Mononukleäre 7%. Im Sediment von 5 ccm Venenblut, Ver¬ 
arbeitung nach Zeissler-ßumpf, mehr als 20 säurefeste Stäbchen vom Typus 
der Tb. 

Röntgenaufnahme (Abbildung 2): Die rechte Hiluszeichnung erweist sich 
als im ganzen verbreitert und fleckig, ln ihrem unteren Teile heben sich in 
Höhe des 7. bis 8. Brustwirbels vier Kalkherdchen deutlicher ab, die einer Drüse 
anzugebören scheinen. Nach unten und seitlich ziehen starke Stränge, darunter 
einer, der im 7. hinteren Interkostalraum besonders weit lateralwärts zu ver¬ 
folgen ist. Fast am seitlichen Rande der Platte, 8 cm von der Wirbelsäule ent¬ 
fernt, liegen zwei gut hanfkorugrosse Kalk(?)herdchen. Am linken Hilus sind 
mehrere kleine, unscharfe Flecken zu sehen. Die Lungenzeichnung kommt auf 
der Platte besonders scharf zum Ausdruck. 

Epikrise: Bei einem 10jährigen Knaben, der ausser einem 
positiven Ausfall des Pirquet und einer chronischen diffusen Bronchitis 
nichts gerade Charakteristisches bietet, wird röntgenologisch eine 
beiderseitige Bronchialdrüsentuberkulose festgestellt, deren älteste Ver¬ 
änderungen in den untersten rechtsseitigen Hilusdrüsen zu suchen sind. 
Weit lateralwärts davon in einem dem rechten Unterlappen angehörigen 



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11] Ober den röntgenographischen Nachweis des prira&ren Lungenherdes etc. 151 

Gebiete sitzen zwei kleine tuberkulöse Herdchen, also an einer Stelle, 
an der Drüsen kaum Vorkommen dürften. Die nächstliegende An¬ 
nahme dürfte daher die sein, diese beiden Herde als die Infektions¬ 
quelle der Drüsen aufzufassen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob 
es sich um zwei in einer Narbe liegende Kalkherdchen oder um 
einen zweiten nach der von Küss beschriebenen Art lymphogen ent¬ 
standenen Herd handelt. Es liegt kein Anlass vor, den von den 
beiden Herdchen zur untersten Hilusdrüse ziehenden Schattenstreifen 
als Peribronchitis zu deuten; vielmehr möchte ich ihn als einen Ge- 
fässstrang ansehen, der zugleich den Verlauf der Lymphbahnen an¬ 
zeigt. Die Veränderungen am linken Hilus sind entschieden frischerer 
Natur. 

3. Carl H., 9jähriger Knabe. Aufgenommen am 10. IX. 1912. . 

Anamnese: Über den Beginn des Lungenleidens sind Angaben nicht zu 
erhalten. Pat. kam am 22. V. 1911 zum ersten Male nacli Aprath, weil er hustete; 
auswarf und an Nachtschweissen gelitten hatte. Bis dahin hatte er die Schule 
regelmässig besucht. Es wurde bei ihm Spinalgie des 4. und 5. Brustwirbels, 
fragliche paravertebrale Dämpfung rechts und diffuse Bronchitis festgestellt. Der 
Pirquet war + -f. Eine Röntgenaufnahme ist damals nicht gemacht worden. 
Er hat seitdem bis August d. J. die Schule regelmässig, später auf Anordnung 
des Schularztes nur vormittags besucht. Die Mutter ist lungenkrank. 

Status: Blasser, graziler, lebhafter Knabe. Gewicht 21,7 kg. Spärliche 
kleine Hals-, grössere Inguinaldrüsen. Mundekzem. Nackenvarizen. Keine Spin¬ 
algie. Rechtsseitige paravertebrale Dämpfung unterhalb der Spina scapulae. 
RHO. bat die Atmung bronchialen Beiklang, unter der Spina scapulae hauchendes 
Exspirium. Verschärfte Hilusatmung links. Beiderseits HO. scharfe Broncho- 
phonie. Akzentuation des 2. Pulmonaltons. Puls 76. Kein Husten, kein Aus- 
wuif. Temperatur 36,7—37,6. 

Blutuntersuchung: 72% Hämoglobin, 3800000 rote, 6200 weisse Blut¬ 
körperchen; davon Lymphozyten 30%, polynukleäre Neutrophile 60%, Eosino¬ 
phile 3%, grosse Mononukleäre 7° o. Im Sediment von 5 ccm Venenblut' 3 säure¬ 
feste Stäbchen. 

Röntgenaufnahme (Abbildung 3): Rechts in Höhe des 8. Brustwirbels 
mehrere verkäste, wohl teilweise verkreidete Drüsen. Von da nach abwärts 
ziehend 3 kleinlinsengrosse Drüsenscbatten von je 1 cm Abstand (auf der Rönt¬ 
genplatte). GeLt man von hier aus lateralwärts, so sieht mau im Bilde auf der 
Schnittfläche des vorderen Teiles der 7. mit dem hinteren Bogen der 9. Rippe 
einen gut erbsengrossen Fleck, der 8 cm vom rechten Wirbelsäulenrande entfernt 
und erheblich ausserhalb der Mamillarsagittalebene liegt. Nach Art des Schattens 
dürfte er wohl am ehesten als Kalkherd anzusprechen sein, der deshalb nicht ganz 
so deutlich herauskommt, weil er in den Rippenschatten hinein projiziertrist. Bei 
genauer Betrachtung sieht man ferner einen nicht gaoz deutlichen Schatten im 
7. Interkostalraum, dessen Natur nicht sicher bestimmt werden kann (Drüsen¬ 
schatten?, Gefässbronchialkreuzung?). Links liegen zwei unscharfe Drüsen¬ 
schatten in Höhe des Vorderendes der 2. resp. 3. Rippe. 

Epikrise: Bei einem 9jährigen Knaben, bei dem bereits vor 
l 1 /* Jahren durch den klinischen Befund die Diagnose auf Bronchial- 



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Georg Simon. 


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drüsentuberkulose gestellt war, weist die Röntgenplatte eine Er¬ 
krankung der unteren rechtsseitigen Hilusdriise nach, die ihre Fort¬ 
setzung in einer Kette von verkästen, in den rechten Unterlappen 
eindringenden bronchopulmonalen Lymphdrüsen findet. Weit in 
der. Peripherie in regionärem Zusammenhänge mit den broncho¬ 
pulmonalen Lymphknoten liegt ein tuberkulöser Herd, der erheblich 
grösser ist als die Drüsen, sich höchstwahrscheinlich in einem älteren 
Krankheitsstadium befindet und schliesslich in einer Gegend liegt, in 
der Drüsen röntgenographisch nicht nachgewiesen oder wenigstens 
nicht beschrieben sind. Dieser Herd ist daher als Ausgangspunkt 
der Hiluserkrankung anzusprechen. 

Die Aufnahmen sind mit der kleinen Type des Idealapparates 
unter Verwendung eines Sinegranverstärkungsschirmes beim stehenden 
Patienten gewonnen worden. Die Expositionszeit betrug zwei bis* 
drei Sekunden, der Röhrenabstand 50 bis 60 cm. Aufnahme im 
Atmungsstillstand ist unbedingt notwendig. 

Zusammenfassung. 

Bei isolierter Bronchialdrüsentuberkulose kommen 
bisweilen mitten im Lungengewebe scharf umrissene 
Schattenherde vor, die, wenn sie in offenbare topogra¬ 
phische Beziehungen zu den Hilusdrüsen treten, augen¬ 
scheinlich älterer Natur sind als die letzteren und 
schliesslich in einem Gebiete liegen, in dem Lymph¬ 
drüsen nicht zu erwarten sind, als Lungenherde und 
Ausgangspunkt der Drüsenerkrankung aufgefasst wer¬ 
den müssen. Dass sie den Primäraffekt darstellen, lässt sich mit 
einer gewissen Wahrscheinlichkeit dann annehmen, wenn anderweitige 
Lymphdrüsenerkrankungen fehlen. Interessant ist, dass bereits ih 
diesem Frühstadium der Tuberkulose im Blute säurefeste Stäbchen 
angetroffen werden können, die sich wenigstens morphologisch nicht 
von Tuberkelbazillen unterscheiden. 


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13] Über den röntgenographischen Nachweis des primären Lungenherdes etc. 153 


Literatur. 


1. Ghon, A., Der primäre Lungenherd bei der Tuberkulose der Kinder. 1912. 

2. Bartel, J., Status thymicolymphaticus und Status hypoplasticus. 1912. 

3. Simon, G., Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes in ihren 
Beziehungen zur Tuberkulose. Diese Beiträge Bd. XIX. H. 2. 

4. Philippi, H. f Das klinische Gesamtbild der endothorakalen Drüsen- und 
Lungenhilustuberkulose der Erwachsenen. 

Schulz, E., Das Blutbild etc. bei endothorakaler Lymphdrüsentuberkulose. 
Diese Beiträge Bd. XXI. H. 1. Daselbst die weitere Literatur. 

5. Kraus, Referat MUnch. med. Wochenschr. 1912. S. 2537. 

6. Ranke, Diagnose und Epidemiologie der Lungentuberkulose des Kindes. 
Arch. f. Kinderheilk. Bd. LIV. H. 4—6. 

7. Straub und Otten, Einseitige vom Hilus ausgehende Lungentuberkulose. 
Diese Beiträge Bd. XXIV. H. 3. 

8. Kühler, A., Zur Röntgendiagnostik der kindlichen Lungendrüsentuberkulose. 
1906. 

9. Keiner, Ref. Münch, med. Wochenschr. 1912. S. 2479. 

10. Eisler, E., Die interlobäre pleuritische Schwarte der kindlichen Lunge im 
Röntgenbild. Münch, med. Wochenschr. Nr. 35. 1912. 

11. Rumpf, Über das Vorkommen von Tuberkelbazillen im Blutstrom. Münch, 
med. Wochenschr. Nr. 36. 1912. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI 


Tafel II 



Simon, Ober den röntgenol. Nachv- eis des 

Cur! Kabitzsch,/WBrzburg- 

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primären Lungenherdes bei der Bronchialdrüsentuberkulose. 

Neue Photographische QcseUsqh^lt : Berlin-Steglitz. 

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Aus der med. Poliklinik in Freiburg i. Br. (Prof. Dr. Morawitz.) 



Ober den Nachweis von Tuberkelbazillen im 
aspirablen Staub. 

Von 

L. Engelhardt, 

appr. Arzt. 

Mit 10 Textabbildungen. 


Eine wichtige Ergänzung zum Problem der Inhalationstuberkulose 
ist die Frage, ob denn wirklich im aspirablen Staub solche Mengen 
von virulenten Tuberkelbazillen (T B) Vorkommen, dass damit die Häufig¬ 
keit der tuberkulösen Infektion [1—8] erklärt werden könnte. 

Der Nachweis von TB im Staub wurde wiederholt erfolg¬ 
reich versucht; zuerst und am gründlichsten, übrigens auch mit 
bisher unübertroffener Technik von Cornet [9] in Krankenhäusern, 
Wohnungen und Werkstätten. (Näheres darüber siehe weiter unten!) 
Nach ihm gelang der Nachweis noch sehr oft, zunächst E. Krüger 
[10], dann u. a. noch den folgenden; A. Kustermann [11] in Ge¬ 
fängnissen, Prausnitz [12] und Petri [13] in Eisenbahnwagen, 
Kirchner [14] in einer Militärmontierungskammer, Deipser [15] 
in Schulräumen, F. Gotschlich [16] in öffentlichen Sälen, Wagner 
[17] in einer Lungenheilstätte, B. Heymann [18] in Privatwohnungen 
und Krankensälen, Lenoir und Camus in Krankensälen, und 
zwar sowohl durch Injektion von Staubproben [19] als durch Halten 
von Kaninchen, welche in den betreffenden Räumen erkrankten [20], 
Köhlisch [21] durch Infektion von Versuchstieren mit Inhalations¬ 
apparaten. 

Aber die positiven Resultate finden sich immer nur an zweifellos 
stark infizierten Orten oder in nächster Nähe unreinlicher Phthisiker. 
Mit Cornet [22] hat man vielfach daraus geschlossen, dass auch 

Beitr&ge rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 2. 11 


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L. Engelhardt. 


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156 


nur dort infektiöser Staub sei. Betrachtet man jedoch die ange¬ 
wandten Methoden näher, so kann man auch zu anderen Schlüssen 
kommen. Cornet z. B., welcher, wie gesagt, die exaktesten Unter¬ 
suchungen zuerst und in grösster Anzahl vorgenommen hat, entnahm 
den aus der Luft an nicht direkt infizierbaren Stellen abgelagerten 
Staub mit Spatel, Pinsel oder Schwämmchen (am erfolgreichsten 
mit Schwämmchen, wie auch Heymanns [18] Parallelversuche be¬ 
stätigen), emulgierte den Staub in Bouillon und injizierte dieselbe 
Meerschweinchen intraperitoneal [9]. Ein ziemlich erheblicher Prozent¬ 
satz der Tiere erlag septischen Infektionen. Erlitten haben, da der 
Staub völlig unbehandelt war, wohl alle eine solche, sind ihr aber 
nicht alle erlegen, sondern haben sie oft spurlos überstanden. Denkt 
man nun an die Beobachtungen von Lupusheilungen durch Erysipel, 
so fragt man sich, ob das von Cornet [23] für intraperitoneale In¬ 
jektion von Meerschweinchen angenommene Infektionsminimum von 
43 T B nicht heraufgesetzt wird bei gleichzeitiger Einverleibung sep¬ 
tischer Keime. Jedenfalls könnten bei jedem gesund gebliebenen Tier 
mindestens 42, bei den an Wundinfektion gestorbenen vielleicht noch 
mehr T B dem Nachweis entgangen sein. Nehmen wir aber an, 
es seien in einem Raum per Schwämmchenprobe 40 T B (und man 
bekommt mit dem Schwämmchen sicher nicht alle auf der Fläche 
befindlichen), so besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass das genügt, 
um jene Infekte zu setzen, die etwa der bekannten Naegelischen 
Statistik [3] zugrunde liegen. Dass derartige geringfügige Infekte bei 
den Versuchstieren Vorgelegen haben, ist jedenfalls möglich, da es 
durch die dazu nötigen gründlichen und mühsamen Untersuchungen 
(Zerlegung aller Lymphknoten in Serienschnitte) nicht in Zweifel 
gestellt ist. Denn, dass auch bei Meerschweinchen ganz leichte, 
abheilende tuberkulöse Infektionen Vorkommen, ist doch wahr¬ 
scheinlich. 

Würde man mit einem Material arbeiten, das von septischen 
Keimen befreit ist, so wären die Wundinfektionen zu vermeiden. 
Damit fiele der Einwand einer eventuellen Erhöhung des Infektions¬ 
minimums, die an Sepsis eingehenden Fälle fielen fort und so würden 
sicher mehr T B nachzuweisen sein. Das ist durch Antiforminbe¬ 
handlung [24—28J des betreffenden Staubes leicht zu erzielen. Es 
werden dadurch bekanntlich, wenigstens bei kürzerer Einwirkung, 
die T B in ihrer Lebensfähigkeit nicht beeinträchtigt, während alle 
anderen Keime vernichtet und auch sonst viele organische Bestand¬ 
teile aufgelöst werden. 

Wie gesagt, entnahm Cornet die Staubproben von Stellen, 
welche einer direkten Infektion (Ausspucken und dgl.) unzugänglich 



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3] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 157 

waren, so dass der Staub sicher aus der Luft stammte und also hätte 
aspiriert werden können. Aber wie lange lagerte er schon? Wieviel 
von den T B waren schon zugrunde gegangen? Dass dieselben sehr 
empfindlich sind und im trockenen Staube oft rasch absterben, zeigen 
die Untersuchungen Kir steins [30]. Cor net sagt, die Quantität 
des untersuchten Staubes habe den Niederschlag aus über 50000 
Litern Luft repräsentiert und sei daher mehr gewesen, als ein Mensch 
in über 100000 Atemzügen hätte einatmen können. So überzeugend 
das klingt, so wahrscheinlich ist es doch auch, dass das Sediment 
der gewaltigen Luftmenge durch längeres Lagern bedeutend an Virulenz 
eingebüsst hat. Also ein Bild von der T B-Virulenz des momentan 
aspirablen Staubes hat Cornet nicht gegeben. Denn was uns jeweils 
gefährden kann, ist doch nicht nur der Staub hinter dem Kopfende 
des Bettes und an den übermannshohen Partien der Wände, sondern 
es ist aller Staub, der jeweils durch Luftbewegung aufgewirbelt 
und aspiriert werden kann. 

Es wäre daher wünschenswert, grössere Proben, z. B. das zusammen¬ 
gefegte Material eines Raumes zu untersuchen. Wäscht man dies 
in Antiforminlösung, so ist ausserdem anzunehmen, dass die an groben 
Partikeln haftenden Bakterien losgelöst und in die Waschflüssigkeit 
aufgenommen werden, so dass man auf eine grosse Menge groben 
Staubes verzichten und sich mit dem Sediment des Antiforminwasch¬ 
wassers begnügen kann. 

Es bleibt aber immer noch der Nachteil, dass man lauter Material 
untersucht, das vielleicht niemals zu Inhalationsinfektion hätte führen 
können, weil es weder durch Luftströmung aufgewirbelt, noch aspiriert 
worden wäre. Auch wenn man mit einem Schwämmchen oder dgl. 
eine Fläche abreibt, so erhält man ein ganz anderes Material, als 
was je auf natürlichem Wege in den Respirationtraktus gelangen 
könnte. Nicht ob irgendwo in einem Staub irgendwelcher Herkunft 
TB sind, ist ja das zu lösende Problem, sondern, ob im aspirablen 
Staub welche nachgewiesen werden können. Es gilt also in einem 
Raume allen Staub aufzufangen, der der Aspiration zugänglich ist, 
bzw. ihn zu aspirieren, z. B. mit einem Staubsaugapparat, den man 
so einrichtet, dass seine Saugkraft etwa ebensoviel ausrichtet, wie 
die natürliche Aufwirbelung (Wind, Durchzug, Fegen usw.) und die 
Einatmung. 

Findet man dann im so aspirierten Staub nach Antiforminbe¬ 
handlung wirklich oft und in grösserer Menge als bisher nachge¬ 
wiesen T B, so darf man annehmen, dass die so überaus verbreiteten, 
meist geringfügigen tuberkulösen Infektionen zum grossen Teil durch 
bazillenhaltigen Staub entstehen können. 

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L. Engelhardt. 


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Man würde so einerseits der Lösung der allgemeinen ätiologischen 
Frage nach dem Infektionsmodus, anderseits der Lösung des mikro¬ 
biologischen Problems von der Verbreitung und eventuellen Ubiquität 
der T B näher kommen. Endlich würde, wenn auf diesem Wege etwa 
eine entscheidende Antwort auf die Ubiquitätsfrage gegeben werden 
könnte, die sozialhygienische Streitfrage geklärt werden, ob die Iso¬ 
lierung der Kranken odef die Massnahmen zur Therapie und Prophy¬ 
laxe der konstitutionellen tuberkulösen Disposition schliesslich wirk¬ 
samer sein müssen im Kampfe gegen die Tuberkulose. 

Es kam nun zunächst darauf an, eine Methode zu erproben, um 
in einer Portion Staub etwaige T B nachzuweisen. 

Dass der biologische Nachweis durch intraperitoneale Injektion 
bei Meerschweinchen am feinsten ist, darf mit Cor net [29] ange¬ 
nommen werden. Natürlich durfte die Menge des Injektionsmaterials 
und seine Grobkörnigkeit nicht so gross sein, dass allein der mecha¬ 
nische Reiz das Tier gefährdete. Aus diesem Grunde ist die Staub¬ 
menge, die ohne weiteres durch direkte Injektion untersucht werden 
kann, begrenzt, während es in unserem Falle sehr vorteilhaft erschien, 
durch Auswaschen mit Antiforminlösung und Verwendung des Wasch¬ 
wassersedimentes viel bedeutendere Staubinengen der Untersuchung 
zugänglich zu machen. 

Es wurde zunächst eine T B-Emulsion hergestellt durch Verrei¬ 
bung einer im Dampftopf sterilisierten Serumagarkultur mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung unter Zusatz von 1 °/o Karbolsäure. Die 
Färbung von Ösenausstrichen dieser Emulsion („E“) ergab zwar, dass 
dieselbe sehr ungleichartig war, neben vielen einzelnen Stäbchen noch 
grössere zusammenhängende Rasen enthielt. Hatte die Emulsion aber 
einige Zeit gestanden, so senkten sich die Rasen zu Boden und in 
dem Oberteil fanden sich noch stundenlang in gleichmässiger Ver¬ 
teilung einzelne Stäbchen. Nach drei Stunden konnten noch so viele 
nachgewiesen werden, dass eine sehr langsame Spontansedimentierung 
der TB angenommen werden musste, und daher vermutet wurde, 
auch in dem Antiforminwaschwasser würden sich dieselben noch 
lange schwebend erhalten, nachdem der Staub sich bereits gesenkt. 

Hierauf wurden ca. 40 ccm zusammengefegten Fussbodenstaubes 
aus dem Laboratorium des Bakteriologischen Untersuchungsamtes 
mit 5 ccm E feucht vermischt und getrocknet. Dann wurden 
3 ccm dieses Staubes („S \“) mit 22 ccm 20°/o Antiforminlösung 
kräftig geschüttelt; bald setzte sich am Boden des Glases der nun¬ 
mehr sauber aussehende Staub ab und zwar nach der Korngrösse 
geschichtet, der feinste Staub oben, während einige spezifisch leichte 



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5] 


Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 


159 




organische Teile, wie Haare, Holzsplitter und dgl. an der Oberfläche 
schwammen. Zwischen Bodensatz und Oberfläche fand sich eine trüb 
homogene, gelbbräunliche Flüssigkeit, in der nun die T B zu erwarten 
waren. 

Es wurde daher nach etwa einhalbstündigem Stehen von der 
homogenen Zwischenschicht 20 ccm herauspipettiert, zentrifugiert, 
das Zentrifugat gewaschen, mit verdünnter Eiweisslösung ausgestrichen 
und nach Ziehl gefärbt. Trotz vielfacher sorgfältiger Wiederholung 
und Verkürzung der Sedimentierungszeit auf wenige Minuten, fanden 
sich niemals T B im Präparat. 

Der mit T B versetzte Staub wurde nun mit aller Vorsicht noch- 
einmal („S 2 “) hergestellt, aber die Resultate wiederholter färberischer 
Nachweisversuche blieben negativ. 

Also konnten sich die T B tatsächlich nicht in der Zwischen¬ 
schicht befinden. Nach Analogie der Bakterienfällung mit Eisen¬ 
chlorid und Ammoniumkarbonat war zu vermuten, dass dieselben 
relativ schnell, vielleicht vermöge besonderer Adsorptionsfähigkeit durch 
die feinsten Staubteile niedergerissen wurden. Die gröbsten Partikel 
sanken schon in ca. Sekunde zu Boden. Die bei dieser Fallge¬ 
schwindigkeit bestehende Reibung der Partikeloberfläche an der 
Flüssigkeit musste anhaftende Bakterien wohl sicher abstreifen, die 
Reibung musste die Adsorptionskraft überwiegen (R>A), während 
bei kleinem, ziemlich langsam (also mindestens erst nach einigen 
Sekunden) sinkendem Staube wohl die Reibung geringer sein konnte 
als die Adsorptionskraft (R<A), so dass die Bakterien mitgenommen 
wurden. Wann aber, bei welcher Korngrösse bzw. bei welcher Fall¬ 
geschwindigkeit lag die Grenze zwischen beiden Extremen, wann 
war R = A? 

Bei den Versuchen mit S 1 und S 2 war bereits die Sedimen¬ 
tierungszeit soweit verkürzt worden, bis im mikroskopischen Präparat 
wegen der grossen schwarzen Staubteile die Erkennung von T B un¬ 
möglich war. Wie gesagt, hatten sich in keinem Falle T B nach- 
weisen lassen. 

Um nun einmal die Hypothese nachzuprüfen, die T B würden 
durch feinen Staub sehr bald, durch groben nicht sedimentiert, 
wurde folgender Versuch gemacht: 

Durch Aussieben und Ausschwemmen von Streusand wurde eine 
Portion ganz reinen Sandes gewonnen, der sich schon in ein bis zwei 
Sekunden vollständig sedimentierte, wobei das Oberteil ganz klar 
blieb („S 3“). Es erübrigt sich, zu bemerken, dass die Klärung des 
Sandes durch Auswaschen mit Salzsäure bedeutend erleichtert wurde. 


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L. Engelhardt. 


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I. 3 ccm S3 wurden mit 0,5 ccm E und 21,5 ccm Leitungswasser kräftig 
geschüttelt, das Oberteil 3 Minuten nach Absetzung des Sedimentes zentrifugiert 
und das Zentrifugat ausgestrichen und gefärbt. 

II. 2 ccm Calcium carbonicum praecipitatum wurden mit 0.5 ccm E und 
22,5 ccm Leitungswasser kräftig geschüttelt, das Oberteil nach 3 Minuten zentri¬ 
fugiert und das Zentrifugat, welches allerdings noch viel Kalk enthielt, aus¬ 
gestrichen und gefärbt. 

III. 0,5 ccm E wurden mit 24,5 ccm Leitungswasser kräftig geschüttelt und 
nach 3 Minuten langem Stehen wurden die oberen 20 ccm zentrifugiert und das 
Zentrifugat ausgestrichen und gefärbt. 

Resultat: I und III zeigen etwa das gleiche Bild: zahlreiche säurefeste Stäb¬ 
chen. ln II sind keine Bakterien nachweisbar, aber wegen der vielen Kalk¬ 
stäubchen ist das Bild sehr unklar. 

Darauf wurde der ganze Versuch wiederholt-, wobei jedoch die 
Sedimentierungszeit auf V 4 Stunde verlängert wurde, so dass das 
Oberteil von II ziemlich geklärt war. Zu dem letzteren wurden dann 
einige Tropfen verdünnter Salzsäure zugesetzt, sodass es vollkommen 
klar wurde. Die gleiche Menge Salzsäure erhielten um der Gleich- 
mässigkeit willen die Oberteile von I und III. Das Resultat der 
mikroskopischen Untersuchung war prinzipiell das gleiche: In I und 
III viele, wenn auch etwas weniger säurefeste Stäbchen, in II nichts. 

Hierauf wurden die Kalksedimente von II beider Versuche in 
verdünnter Salzsäure vollständig aufgelöst, die spezifisch sehr schwere 
Lösung mit Methylalkohol ungefähr wieder auf das spezifische Ge¬ 
wicht des Leitungswassers gebracht, zentrifugiert und das Zentrifugat 
wiederholt gewaschen, dann ausgestrichen und gefärbt: zahlreiche 
säurefeste Stäbchen im mikroskopischen Bild beider Sedimente. 

Mithin stand es fest, dass die T B tatsächlich durch feinen 
Staub in sehr kurzer Zeit sedimentiert werden konnten. 

Jetzt handelte es sich nur noch darum, festzustellen, wie lange 
man eine Staubmischung verschiedenster Korngrösse stehen lassen 
durfte, ohne dass nennenswerte Mengen der enthaltenen T B zu Boden 
sanken, also welcher Zeitpunkt der Grenze R = A entsprach. Dann 
würde es jedenfalls genügen, kurz vor diesem Zeitpunkte abzugiessen 
und das Oberteil ca. 10 Minuten nochmals stehen zu lassen, worauf 
das nunmehrige zweite Sediment die T B enthalten musste. So 
musste man dann auch das Auswaschen mit einfacher Spontan- 
sedimentierung erzielen können; das Zentrifugieren des 
Staubwassers würde in Zukunft nicht mehr nötig sein. 

In Ergänzung zu den letzten Versuchen wurde noch der folgende 
gemacht: 

2 ccm S 3 wurden mit 1 ccm Kalkstaub, 0,5 ccm E und 21,5 ccm Leitungs¬ 
wasser kräftig geschüttelt, das Oberteil nach 3 Minuten langem Stehen abgegossen, 



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7] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 161 

mit Salzsäure geklärt, zentrifugiert usw.; im mikroskopischen Präparat keine TB. 
Das Sediment wurde nun mit verdünnter Salzsäure völlig vom Kalkniederschlag 
befreit, mit Methylalkohol versetzt, nach 3 Minuten langem Stehen das nunmehrige 
Oberteil zentrifugiert, gewaschen usw.; im mikroskopischen Präparat viele TB. 

Es stand also ausser allem Zweifel, dass es der feine Staub war, 
welcher die T B zu Boden zog, dass diese dagegen ohne solchen Staub 
sich längere Zeit schwebend erhielten. 

Inzwischen wurde der geeignete Staubsaugapparat fertig¬ 
gestellt. Als ein saugkräftiger, leicht transportabler Handbetriebs¬ 



apparat gelangte der Daisy-Apparat von Abner zur Verwendung, 
der durch den Fabrikanten liebenswürdigst zur Verfügung gestellt 
wurde (Fig. 1). 

Er besteht aus einer Kammer (K) von der Form eines dreiseitigen, auf einer 
Hauptfläche liegenden Prismas, welche auf einer breiten hölzernen, mit einem 
Trittbrett (T) als Widerhalt versehenen Unterlage befestigt ist. Au jeder der 
beiden anderen Hauptflächen der Kammer ist ein Blasebalg von gleicher Form 
und Grösse angebracht. Die beiden Blasebälge (Bl, B2) sind äusserlich durch 
Schienen so miteinander verbunden, dass sie nur gleichzeitig bewegt werden können 
und der eine komprimiert ist, wenn der andere sich dehnt. An Bl befindet 9 ich 
ein langer Hebel, durch welchen das Gebläse in Betrieb gesetzt wird. Jeder 


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L. Engelhardt. 


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Blasebalg ist mit der Kammer durch eine Ventilöffnung verbunden, welche 
nur Luft in der Richtung von K nach B durchlässt, mit der Aussenwelt durch 



Fig. 2. 


eine Ventilöffnung, welche nur Luft hinaus, aber nicht hereinlässt. So saugt also 
B 1 bzw. B 2 bei Ausdehnung Luft aus K an und treibt sie bei Kompression ins 
Freie. In der Kammer befindet sich ein Sack, in welchen der Metallschlauch (M) 




auseinander¬ 

genommen. 


G, oder G 2 ohne Zu- bzw. Ableitungsrohren. 



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9] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 163 

von der staubaufsaugenden Röhre (R) führt. Der Sack sollte im gewöhnlichen 
Betrieb zum Auffangen des Staubes dienen. Als für unsere Zwecke ungenügend 
konnte er entfernt werden. Um dagegen den Staub quantitativ aufzufangen, wurde 
in den Metallscblauch bei X ein System eingeschaltet, das nach vielfachem Aus- 
probieren verschiedener Möglichkeiten folgende Konstruktion aufweist: In einem 
Holzrahmen mit Griff (Fig. 2 ) sind drei gleichartige Glasflaschen (Gl, G2, G 3) 
befestigt. Die Flaschen haben je zwei Öffnungen, durch welche die Zu- und Ab¬ 
leitung mit eingesetzten, durch überzogene Gummischläuche befestigten Glasröhren 
vermittelt werden. Gl und G2 sind in 3 / 3 Höhe horizontal gespalten (Fig. 3) 
und durch einen Gummigürtel zusammengehalten. G 1 (Fig. 4) ist durch ein ein¬ 
gesetztes, an einem Drahtrahmen befestigtes, schräggestelltes Drahtsieb in zw r ei 
Abteilungen geteilt (Fig. 5), welche je dem Zuleitungs- bzw. Ableitungsrohr ent¬ 
sprechen. Aus dem Metallschlauch gelangt die staubhaltige Luft zunächst durch 



Fig. 4. 


Fig. 5. 


das längere Zuleitungsrohr in den unteren Teil von G 1. Hier verteilt sich der 
bisher kräftige Luftstrom auf einen grösseren Raum, verlangsamt sich daher und 
lässt viele gröbere Partikel fallen, ausserdem hält das Drahtsieb Haare, Fäden 
und dgl., welche später bei der Injektion die Hohlnadel verstopfen, zurück. 
Die Stromverlangsamung in G 1 geht gerade soweit, dass sie dem natürlich vor¬ 
kommenden Luftstrom entspricht; das Drahtsieb hält leichte, aber doch umfang¬ 
reiche Teile zurück, welche z. B. bei der Atmung die Nase sicher nicht passieren 
würden. Durch das kurze Ableitungsrohr wird die Luft aus Gl fort und nach 
G 2 geführt, wo sich ein Einsatz befindet (Fig 6 und 7), welcher zwei parallel 
und horizontal angeordnete, ca. 3 cm voneinander entfernte Drahtnetze enthält, 
von denen das untere ca. 3 cm über dem Boden bleibt; ferner befindet sich 
Wasser darin, dessen Spiegel bis zu halber Höhe zwischen beiden Drahtnetzen 
reicht. Die aus Gl kommende Luft gelangt nun durch ein langes Zuleitungsrohr, 
welches beide Drahtnetze durchbohrt, auf den Boden von G 2 und gibt an das 
Wasser fast allen Staub ab, während die grossen Luftblasen durch die Drahtnetze 


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zersplittert werden und daher ohne grosse Blasenbildung die Luft oben durch 
die wieder kurze Ableitungsröhre nach G3 überführt werden kann. Das Zu¬ 
leitungsrohr von G3 reicht bis an das untere Drittel der Flasche, welche im üb¬ 
rigen nichts besonderes enthält; das Ableitungsrohr ist wieder kurz und geht 
direkt in den zum Saugapparat führenden Metall schlauch über. G3 hat lediglich 
den Zweck, ganz kleine Wassermengen, deren Hinüberspritzen sich nicht ver- 


Drahtnetzeinsatz von G s . 



von seitlich oben, von der Seite gesehen. 

Fig. 6. 


meiden lässt, aufzunehmen, damit der Saugapparat trocken bleibt. Wie gesagt, 
hat Gl nur den Zweck, den nicht aspirationsfähigen Staub zurückzuhalten. Es 
befand sich also der aspirable Staub im Wasser von G2. 



Fig. 7. 


Auf diese Weise wurden in staubigen Kellerräumen des Patho¬ 
logischen Institutes grössere Portionen Staub gewonnen, mit denen 
festgestellt werden sollte, wie lange ein Staubwasser der Spontan- 
sedimentierung überlassen werden durfte, ohne dass die enthaltenen 
TB in wesentlicher Menge zu Boden sanken, ferner, ob der in dieser 
Zeit sedimentierende Staub überhaupt so umfangreich war, dass sich 
eine Ausschaltung lohnte. 

Da es sich hier um ein quantitatives Problem handelte, nämlich 
um die Frage, wieviel T B nach bestimmter Zeit noch im Oberteil 



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11] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 115 

waren, kam nur mikroskopischer Nachweis mit eventueller Aus¬ 
zählung der T B in Betracht. Um nun den Übelstand zu vermeiden 
(siehe Seite 5), dass die Erkennung von TB im mikroskopischen 
Präparat wegen vorhandener Staubteile unmöglich war, wurde der 
Staub durch fraktioniertes Ausschwemmen zunächst in vier Partien 
getrennt, welche je nach 10, 20, 60 bzw. 120 Sekunden dauernder 
Spontansedimentierung das Oberteil fast vollkommen klar Hessen. 
Dieses sogenannte fraktionierte Ausschwemmen wurde folgendermassen 
gemacht. Eine Portion Staubtlüssigkeit wurde in einem Zylinderglas 
(Fig. 8), welches am Boden nach einer Seite eine stiefelförmige Aus¬ 



stülpung trägt, geschüttelt, mit der verschlossenen Öffnung nach ab¬ 
wärts gehalten, dann plötzlich umgedreht, richtig auf den Tisch ge¬ 
stellt und je nachdem 10, 20, 60 oder 120 Sekunden stehen gelassen. 
Dann wurde das Oberteil abgegossen, wobei das Sediment in der 
stiefelförmigen Ausstülpung verblieb. Mehrfach wurde dann wieder 
reines Wasser aufgegossen und die gleiche Manipulation mit der 
gleichen Sedirnentierungszeit wiederholt bis schliesslich das Oberteil 
nahezu klar blieb 1 ). So war eine Staubart gewonnen, welche sich 
genau in der betreffenden Zeit sedimentierte, aber von langsamer 
sedimentierenden Verunreinigungen frei war, so dass das Oberteil nahe¬ 
zu klar blieb. In dem letzteren befindliche T B konnten also aus- 

1 ) Das endgültige Sediment wurde dann getrocknet und sterilisiert. 


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L. Engelhardt. 


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16 €> 

zentrifugiert, ausgestrichen, gefärbt und ungestört mikroskopisch 
beobachtet werden. 

Wenn man also eine wässerige T B-Emulsion mit solchem Staube 
versetzte, musste sich leicht feststellen lassen, ob und wieviel T B 
derselbe bei seiner Sedimentierung mitriss. Diese betreffenden Staub¬ 
arten sollen im folgenden mit St 10, St 20, St 60 und St 120 bezeichnet 
werden. 

Leichter als mit Hilfe von Kulturen wurde eine grössere Menge 
wässeriger 1 °/o Karbol mit 0,8 NaCl-haltiger TB-Emulsion („El“) her¬ 
gestellt aus Sputum von der Phthisiker-Abteilung der medizinischen 
Klinik, welches mit Antiformin homogenisiert und dann zentrifugiert 
wurde. 

Damit ein ungefährer quantitativer Vergleich der gewonnenen 
T B-Mengen möglich war, wurde das Zentrifugat in den folgenden 
Versuchen jedesmal durch Eiweiss-Wasserzusatz auf ein Volumen von 
0,2 ccm gebracht und dann in der Höhlung eines hohlgeschliffenen 
Objektträgers (Hohlschliffdurchmesser 16 mm) gleichmässig verteilt 
und angetrocknet. Der Hohlschliff erschwerte die mikroskopische 
Besichtigung nur wenig; an dem ausgiebigeren Gebrauch der Mikro¬ 
meterschraube gewöhnte man sich leicht. Bei einfachem Ausstrich 
von 0,2 ccm El fanden sich so durchschnittlich 700 T B in 1 qmm. 

Jetzt wurden 6 am Ende mit der genannten stiefelförmigen Aus¬ 
stülpung versehene, zum Stehen eingerichtete Reagenzgläser (Fig. 9) 
in folgender Weise gefüllt (Vergl. die Übersicht der Abkürzungen 
Seite 18): 

Nr. 1. 0,2 ccm El ad 25,0 ccm phys. NaCl-Lösung. 

Nr. 2. 3 ccm S 3 und 0,2 ccm E1 ad 25,0 ccm phys. Na Cl-Lösung. 

Nr. 3. 3 ccm St 10 und 0,2 ccm El ad 25,0 ccm phys. NaCl- 

Lösung. 

Nr. 4. 3 ccm St20 und 0,2 ccm El ad 25,0 ccm phys. NaCl- 

Lösung. 

Nr. 5. 3 ccm St60 und 0,2 ccm El ad 25,0 ccm phys. NaCl- 

Lösung. 

Nr. 6. 3 ccm St 120 und 0,2 ccm El ad 25,0 ccm phys. NaCl- 

Lösung. 

Sie wurden dann geschüttelt und 4 Minuten stehen gelassen, 
das Oberteil jedes Glases abgegossen, auf 3 Zentrifugiergläschen ver¬ 
teilt, zentrifugiert, das Sediment jedes Gläschens auf 0,2 ccm ge¬ 
bracht (mit Eiweisswasser), auf einem Hohlschliffobjektträger ange¬ 
trocknet und gefärbt, so dass von jeder Nr. (1—6) 3 Präparate vor¬ 
handen waren. An jedem Präparate wurden mindestens 3 Zählungen 


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13] 


Ober den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 


167 


eines qmm ausgeführt, so dass für jede Nr. 9 Zählungen Vorlagen, 
deren Durchschnitt folgendes Bild ergab, nachdem die betreffenden 
Zahlen, die ja einem Präparate, daher einem Drittel jeder Nr. ent¬ 
sprechen, verdreifacht sind: 

Nr. 1. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung) 225 T B in qmm. 

Nr. 2. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 S3) 204 TB 
in qmm. 

Nr. 3. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St 10) 90 TB 
in qmm. 

Nr. 4. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St20) 33 TB 
in qmm. 

Nr. 5. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 physikalischer NaCl-Lösung und 3,0 St60) 0,6 TB 
in qmm. 

Nr. 6. (Zentrifugat des Abgusses nach 4 minutenlangem Stehern 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St 120) 0 TB 
in qmm. 

Bei direktem einfachem Ausstrich der 0,2 El fanden sich, wie 
wir sahen, 700 TB im qmm wieder. 

Bei Nr. 1 mussten also die fehlenden 475 teils beim Umgiessen 
verloren gegangen, teils in den 4 Minuten sedimentiert sein. 

Nr. 2 zeigt wieder, dass der reine grobe Sand keine nennens¬ 
werten Mengen T B mitreisst. 

Dagegen beweisen die Nr. 3—6, dass schon in kürzester Zeit 
die meisten T B vom Staube mitgerissen werden, und dass 10 Sekunden 
Sedimentierzeit zu lang sind. 

In der oben angegebenen Weise wurde nun eine neue Serie von 
Staubarten gewonnen und zwar mit einer Sedimentierungsdauer von 
3, 5 und 8 Sekunden: St3, St5, St8, wobei es ziemlich zeit¬ 
raubend war, die genügende Menge St 3 zu gewinnen. Dann wurden 
wieder 6 stiefelförmige Reagenzgläser gefüllt, geschüttelt usw., jedoch 
wurden sie nur 2 Minuten stehen gelassen. 

Das Resultat war das folgende: 

Nr. 1 (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen von 
0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung) 519 TB in 1 qmm. 

Nr. 2. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen von 
0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 S3) 543 TB in 1 qmm. 


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168 


L. Engelhardt. 


[14 


Nr. 3. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 E 1 mit 25,0phys. NaCl-Lösung und 3,0 St3) 549 T ßTn 1 qmm. 

Nr. 4. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St5) 507 T B in 1 qmm. 

Nr. 5. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St 8) 339 TB in 1 qmm. 

Nr. 6. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St 10) 228 TB in 1 qmm. 

Wegen der, wenn auch geringen und vielleicht wegen unvermeid¬ 
licher technischer Ungenauigkeiten unkorrigierbaren Unstimmigkeiten 
der Nr. 1—3, deren Resultate eher in umgekehrter Folge zu erwarten 
waren, wurde nun diese Versuchsserie wiederholt mit folgendem 
Resultat: 

Nr. 1. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung) 597 TB in 1 qmm. 

Nr. 2. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 E 1 mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 S3) 561 TB in 1 qmm. 

Nr. 3. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 E1 mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St3) 573 TB in 1 qmm. 

Nr. 4. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 E1 mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St5) 555 TB in 1 qmm. 

Nr. 5. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,2 El mit 25,0 phys. NaCl-Lösung und 3,0 St8) 327 T B in lqmm. 

Nr. 6. (Zentrifugat des Abgusses nach 2 minutenlangem Stehen 
von 0,1 E 2 mit 25,0 phys. Na Cl-Lösung und 3,0 St 10) 243 T B in 1 qmm. 

Wenn auch die beiden letzten Versuchsserien keineswegs restlose 
Übereinstimmung aufweisen, so zeigen sie doch deutlich zunächst 
das eine, dass die Nr. 1—3 nicht wesentlich voneinander abweichen 
und dass mit St3 eher noch weniger TB sedimentiert werden als mit 
S 3 bzw. in ganz reinem Wasser. 

Zwar sind in St 3 die gröbsten Staubteile überhaupt enthalten, 
aber quantitativ ist es nur sehr wenig, was damit ausgeschaltet wird, 
so dass es zweifelhaft erscheint, ob sich diese Mühe lohnt. 

St 5 dagegen stellt schon einen grösseren Anteil des ursprüng¬ 
lichen Staubes dar. Allerdings wird auch dadurch die Sedimentierung 
der TB, wenn auch nur wenig, nämlich um ca. 5,5%, vermehrt. 
5,5 % der T B würden also etwa dem Nachweis entgehen, wenn der 
sich in 5 Sekunden sedimentierende Staub ausgeschaltet wird. Um 
jedoch zu entscheiden, ob etwa die Gefährdung der Tiere durch St 5 
und die eventuell damit verbundene Nachweiserschwerung mehr ins 
Gewicht fällt als die genannten 5,5 °/o, hätte es weiterer umständ¬ 
licher Versuche bedurft, auf die zunächst verzichtet wurde. Viel- 


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15] 


über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 


161) 


mehr wurde kurzweg beschlossen, den 5-Sekundenstaub auszuschalten. 
Denn bedeutsam konnte doch der TB-Verlust von 5,5 °/o nur werden, 
wenn die Zahl der T B ohnehin hart an der Grenze der Nachweisbarkeit 
stand. Dagegen wurde die Injektionstechnik, wie entsprechende Ver¬ 
suche bald zeigten, sehr durch den Fortfall relativ gröberer Staub¬ 
elemente erleichtert. Cor ne t [9] z. B. musste, um den Staub injizieren 
zu können, eine so dicke Injektionsnadel anwenden, dass die Injektions¬ 
wunde durch einen umstochenen Faden geschlossen werden musste 
und öfter auch Eiterung der Wunde eintrat. Bei den weiter unten 
geschilderten Versuchen konnten dagegen nach Ausschaltung von St 5 
genügend feine Injektionsnadeln verwendet werden, um von einer be¬ 
sonderen Schliessung der Wunde abzusehen. Bei Injektion des nach 
Cor net gewonnenen Material genügte zwar auch oft die feine Nadel, 
aber mehrfach mussten gröbere Kaliber verwendet , werden, bei denen 
allerdings auch immer von besonderen Massnahmen zur Schliessung 
der Wunde abgesehen wurde und nur einmal (Tier Nr. 1) äusserliche 
Eiterung auftrat. Diese jedenfalls im Anfang der Tierversuche des- 
h:»lb, weil infolge geringer Übung der Einstich nicht glatt und schnell 
genug erfolgte. 

Als praktischstes und indifferentestes Medium zum Behandeln 
des Untersuchungsmaterials wurde im folgenden nicht reines Wasser, 
sondern phys. NaCl-Lösung verwandt. 

Mithin war nun die anzuwendende Methode des 
TB-Nachweises im aspirablen Staub die folgende: 

1. Reinigen des zu untersuchenden Raumes mit dem angegebenen 
Staubsaugapparat, dessen Saugrohr und Staubauffangsytem sterili¬ 
siert sind. 

2. Das Staubwasser der mittleren Flasche (G 2 Seite 9) wird mit 
20°/o Antiformin versetzt, 15 Min. im Stiefelglas (Seite 11) geschüttelt, 
10 Min. stehen gelassen, Oberteil vom Sediment abgegossen; dann 
das Sediment mit steriler phys. NaCl-Lösung 6 mal durch Aufgiessen, 
Schütteln, 10 Min. stehen lassen und Abgiessen gewaschen. Darauf 
wird das Sediment in ein steriles Reagenz-Stiefelglas getan,mit phys. 
NaCl-Lösung geschüttelt und nach 5 Sek. abgegossen; dies erste 
5 Sek.-Sediment jedoch noch 3mal mit phys. NaCl-Lösung wieder 
aulgeschüttelt und abgegossen; alle 4 Abgüsse dann zusammengetan 
und V 2 Stunde stehen gelassen; das nun nach nochmaligem Abguss 
bleibende Sediment auf 15 ccm mit phys. NaCl-Lösung aufgefüllt, 
um zur Injektion verwendet zu werden. 

3. Die 15 ccm Injektionsmaterial werden zu gleichen Teilen drei 
möglichst gleichartigen gesunden Meerschweinchen intraperitoneal in¬ 
jiziert. 


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170 


L. Engelhardt. 


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Es kam nun darauf an, die angegebene Methode, welche im 
folgenden kurzweg die Methode nach E. genannt werden soll, auf einige 
Fälle anzuwenden und dabei mit der bisher erfolgreichsten, der Methode 
nach Cornet, zu vergleichen. 

Die letztere Methode [9] wurde so ausgeführt, dass mit einem 
sterilen feuchten Augenschwamm, welcher in einer sterilen Aluminium¬ 
dose aufbewahrt und mit einer sterilen Sekond-Zange gefasst wurde, 
die hinter dem Kopfende eines bettlägerigen Patienten befind¬ 
liche Wand, die am Kopfende des Bettes vorhandenen Querleisten, 
wenn sie an die Wand anstiessen, ferner hochhängende Bilder und 
Uhrgehäuse und dgl. solange abgewischt wurden, bis der Schwamm 
keinen Staub mehr aufzunehmen vermochte; dass dann ein solcher 
Schwamm, in der sterilen Metalldose heimtransportiert, in 15 ccm 
steriler Kulturbouillon unter aseptischen Kautelen, d. h. von einer 
mit sterilem Gummihandschuh versehenen Hand, ausgewaschen und 
alsdann die Bouillon zu gleichen Teilen drei möglichst gleichartigen, 
gesunden Meerschweinchen intraperitoneal injiziert wurde. 

Um die Überlegenheit einer der beiden Methoden einwandfrei 
sicher zu stellen, bedarf es natürlich vieler hundert Anwendungen. 
Selbstverständlich soll daher den folgenden wenigen Versuchen gar 
keine ausschlaggebende Bedeutung beigelegt werden. Dieselben wurden 
vielmehr nur angestellt, um in der Kürze der Zeit wenigstens einen 
ungefähren Anhalt zu gewinnen, ob eine weitere Nachprüfung der 
Methode nach E. aussichtsvoll ist oder nicht. 

Einiges Allgemeine ist noch über die folgende Wiedergabe der 
Versuchsprotokolle zu sagen. Nach Bedarf und Interesse finden sich 
Angaben über: „Familienverhältnisse“, d. h. Art, Zahl und Gesundheit 
der Wohnungsgenossen; „Wohnverhältnisse“, d. h. Art, Zahl, Ver¬ 
wendung und Mietpreis der Wohnräume; „Krankengeschichte“, .d. h. 
kurzer Bericht über Entwickelung und Stand des tuberkulösen Leidens 
des polikinischen Patienten. Zur Untersuchung wurden herangezogen: 
die Wohnräume von 3 offenen Phthisikern, welche alle einigermassen 
reinlich waren, Na, Gu, Ka; ferner der Wohnraum einer reinlich be¬ 
handelten Gelenktuberkulosa, St; der Wohnraum eines unreinlichen 
Phthisikers, We; der sehr schmutzige und unhygienische von ganz ver¬ 
kommenen, aber anscheinend gesunden Hinterbliebenen bewohnte Raum 
eines vor 4 Wochen verstorbenen offenen, sehr unsauberen Phtisikers, 
Ke; allerdings war dieser Raum gleich nach dem Tode amtlich mit 
Formalin desinfiziert worden 1 ); endlich der sehr saubere Wohnraum 

l ) Vgl. dazu Bauer Bothel, „über widersprechende Erfahrungen mit 
Formalindesinfektion bei Tuberkulose“. Zeitschr. f. Tbc. XVI. 3. 1910. 


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17] 


Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aapirablen Staub. 


171 


eines völlig Gesunden, En; und der Kurssaal des pathologischen In¬ 
stituts, Ku. Unter „Raum“ sind regelmässig kurze Angaben zur 
hygienischen Einschätzung des untersuchten Raumes gemacht. Nach 



Schematische Felderung der Dorsalseite eines Meerschweinchens. 

Bauchfläche 14 W = 2—4 oder W' = 2'—4' 

vord. Brustfläche 15 Th = 7—9 und 7'—9' 

3 u. 8' = Augen Ru = 10 und 10' 

6 u. 6' = Ohren Hi = 11—13 und 11' u. 12' 

K = 1—6 u. 2'—6' 

Fig. 10. 

Angaben über die Entnahme des Staubes nach Corn et und nach E. 
folgt dann das Injektionsdatum und sind die Identitätsmerkmale der 
Versuchstiere nach nebenstehendem Schema (Fig. 10) angegeben. End¬ 
lich folgen die Sektionsbefunde. Zur Diagnose wurden makroskopi- 

Beitrige zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. ?. 12 


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172 


L. Engelhardt. 


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scher, histologischer und bakteriologischer Befund verwertet. Als dia¬ 
gnostische Resultate wurden in Betracht gezogen: 


Tbc. mit Bazillenbefund T 

Tbc. ohne Bazillenbefund (T) 

Tod an Sepsis S 

überstandene Sepsis (S) 

nichts besonderes nachweisbar N 
missglückter Versuch O 


Übersicht über die Abkürzungen. 

TB = Tuberkelbazillen. 

Die in [ ] gesetzten Zahlen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis 
am Schluss. 

E = T B-Kultur-Emulsion in physiolog. Kochsalzlösung mit 1% Karbol¬ 
säure (Seite 4). 

S 1 = Zusammengefegter Fussbodenstaub mit einem Zusatz von E vermischt 
und getrocknet (Seite 4). 

S 2 = Ebenfalls zusammengefegter Fussbodenstaub mit einem Zusatz von 
E vermischt und getrocknet (Seite 5). 

S 3 = Geklärter, rasch sedimentierender Sand (Seite 5). 

St 10 = Derart ausgeschwemmter Kellerstaub, dass er in Wasser nach 
10 Sekunden ohne Trübung sedimentiert (Seite 12). 

St 20 = Dsgl. nach 20 Sekunden sedimentierend (Seite 12). 

St 60 = „ „ 60 „ „ „ 12. 

St 120 = „ „ 120 „ „ „ 12. 

El = Aus Phthisikersputum durch Antiforminbehandlung lurge^tellte TB- 
Emulsion in physiolog. Kochsalzlösung mit 1% Karbolsäure (Seite 12). 

StB = Derart ausgeschwemmter Kellerstaub, dass er in WasBer nach 
3 Sekunden ohne Trübung sedimentiert (Seite 13). 

St 5 = Dsgl. nach 5 Sekunden sedimentierend (Seite 13). 

St 8 = „ »»8 »» » tt . 13. 

Die zur besseren Übersichtlichkeit angewandten Abkürzungen der 
Versuchstier-Sektionsdiagnosen sind sowohl auf dieser Seite wie auf 
Seite 27 erklärt. 

Versuchsprotokolle. 

1. Vorversuch am 1. Dezember 1911. 

5 ccm tbc. Sputum mit 10 ccm 25 0 /o Antiformin ca. V* Std. geschüttelt, 
zentrifugiert, mit 0,9 % Kochsalzlösung gewaschen, zentrifugiert, in 5 ccm 0,9% 
steriler Kochsalzlösung. 

Schwarz, w., 7', 9', 12' weiss, 6, 13 gelb. 

Injiziert intraperitoneal, (bloss subkutan geraten!) 

Sektion am 16. Januar 1912: 

An der Injektionsstelle: kirschgrosser, abgekapselter, subkutaner Abszess mit 
gelblich-weissem Eiter. 

Inguinaldrüsen hart vergrössert/ Axillardrüsen dsgl. 

Peritoneum und Netz anscheinend frei. Einige hart vergrösserte Mesen¬ 
terialdrüsen. Milz und Leber von miliaren hellen Herden durchsetzt, besonders 



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19] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 173 

die Milz, die stark vergrössert und höckrig ist. Nieren, Nebennieren, Darm u. a. 
anscheinend frei. 

Herz o. B. Lungen enthalten beide im oberen und mittleren Teil ausge¬ 
dehnte graue Infiltrate. Mediastinaldrüsen hart vergrössert. 

Ausstrich des Abszesseiters: Lympho- und Leukozyten, keine Bakterien im 
Präparat. Der gesamte Eiter (1—2 ccm) mit 20% Antiformin behandelt und zentri¬ 
fugiert; im Ausstrich des Zentrifugates zahlreiche säurefeste Stäbchen. 

In Formol-Müller eingelegt: Mehrere Drüsen, Milz, 1. Niere, Teile der 
1. Lunge, Abszesswand. 

2. Na. 18. Dezember 1911. 

Familien Verhältnisse: ca. 40 Jahre alte Tochter und deren ca. 2 Jahre altes 
Kind, beide angeblich gesund. 

Wohnverhältnisse: alle schlafen im gleichem Raum in verschiedenen Betten. 
Ausserdem noch Küche verhanden mit Loggia nach Süden. Mietpreis 19 Mark. 

Krankengeschichte: 77 Jahre alte Frau mit doppelseitiger progredienter 
Phthise und T B im Sputum. 

Raum: Vierter Stock nach Norden. Schlaf- und Wohnzimmer, 3 Betten, von 
Pat. nachte und ca. V 2 Tag benutzt. Ziemlich 1 sauber. 250 hoch, 460 tief, 500 
breit; ein Fenster 120: 160; direkte Horinzontbeleuchtung. 

Nach Com et: Obere Leiste von drei Bildern über dem Bett, Rückwand 
des Bettkopfendes und ca. 1 qm Wand oben über dem Bett. 

Nach E. ca. 3 qm der Bettwand, Fussbodenwandwinkel, Fussbodenritzen, 
Teppich, 4 Bilder. 

Nach Com et, 13. Dez.: 

Nr. 1, ganz grau, m. 

Nr. 2, ganz schwarz, w. 

Nr. 8, gelb, w., 1 schwarz, 2' 4' und 10'—10 grau-schwarz. 

Nach E., 14. Dez.: 

Nr. 4, grau, w., 1 und 14 weiss. 

Nr. 5, weiss, w., 1—4 und 2', 4', 11' schwarz, 11 gelb. 

. Nr. 6, gelb, w. 1, 12 und 12' weiss, 8, 9 und 8' schwarz. 

23. XII. Nr. 1 hat eiternde Einstichstelle. 

Nr. 3 gestorben; Sektion: grosser abgekapselter, subhepatischer Abszess 
(im Ausstrich Diplokokken), vergrösserte Milz. — sept. Infektioin. S. 

15. I. 1912: Nr. 1 getötet. Sektion: Staub in der Bauchhöhle, Verwachsung 
des Darms mit der vord. Bauchwand, mesenteriale Lymphdrüsen wenig hart ver¬ 
grössert (Durchschnitt o. B.), Milz fleckig narbig verändert, — überstandene sept. 
Infektion. (S.) 

Nr. 2 getötet. Sektion: Staub subkutan; Inguinaldrüsen o. B.; auch sonst 
o. B. — nichts nachweisbar. N. 

Nr. 4 getötet. Sektion: Peritoneum o. B., einzelne unregelmässige helle 
Herde in Milz und Leber, einige stark vergrösserte, zentral erweichte Mesen¬ 
terialdrüsen (Ausstrich: feine Gramnegative, nicht säurefeste Stäbchen und sarzine- 
artige grobe Streptokokken); Lungen o. B.; auch sonst o. B. — überstandene 
sept. Infektion. (&) (Staub i. Bauchh.!) 

17. I. Nr. 5 getötet. Sektion: subkutaner abgekapselter Abszess mit Staub¬ 
resten; im Ausstrich schöne säurefeste Stäbchen; Inguinaldrüsen hart vergrössert, 
r. verkäst; einige hart vergrösserte Mesenterialdrüsen; vergrösserte Milz mit 

12 * 


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L. Engelhardt. 


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punktförmigen hellen Flecken; vergrösserte Bronchialdrüsen; infiltrierte Partien 
der 1. Lunge; sonst o. B. — tuberkulöse Infektion durch den Staub. T. 

Nr. 6 getötet. Sektion: Staub subkutan ; sonst o. B. — nichts nachweisbar. N. 

Resultat: C.: (5) NS. E.: (S) T N. 

3. Ee. 16. Dezember 1911. 

Familien Verhältnisse: Ehemann ca. 40 Jahre alter heruntergekommener Säufer, 
Stuhlflechter, früher Unteroffizier, zwei Kinder, 3 und 5 Jahre alt, angeblich ge¬ 
sund, unterernährt aussehend. 

Wohnverhältnisse: Wohnraum mit 2 Betten, in denen alle schlafen, das 
eine Bett im Alkoven, dazu eine Küche. Mietpreis 15 Mk. Feucht und kalt. 

Krankengeschichte: 30jährige Frau, Mai bis November 1911 in Behandlung. 
Seit 17. Juni in der jetzigen Wohnung. 

Phthisis progressiva, 1. Oberlappen und r. Spitze, zahlreiche T B im Sputum, 
unsauber, unfolgsam. Gestorben EndeNov. 1911. Städtische Desinfektion des Raumes. 

Raum: Parterre, nach Osten gegen Schlossberg. Schlaf-Wohnzimmer mit 
2 Betten, von Pat. Tag und Nacht benutzt. Ausserordentlich schmutzig, Stroh, 
Zigarrenstummel etc. am Boden. 290 hoch, 340 breit, 400 tief; zwei Fenster 
a 160:90, davon 1 meist mit geschlossenem Laden. 

Nach Cor net: Oberleiste von 2 Bildern über dem Bett, Rückwand des 
Bettkopfendes und ca. 1 qm Wand über dem Bett; Schwamm völlig mit Staub 
beladen. 

Nach E.: Fusaboden. 

Nach Cornet, 16. Dez.: 

Nr. 7, gelb, w., 1 u. 12' weiss, 2, 4, 2‘ 4' schwarzgelb, 11' 12 schwarz. 

Nr. 8, struppigweiss, w. 3, 3' rot, 5, 5' grauschwarz, 12 schwarz. 

Nr. 9, weiss, w., 9 schwarz. 

Nach E.: 17. Dez. 1911. 

Nr. 10, weiss, w., 5, 5' schwarz. 

Nr. 11, weiss, m., k, 10' schwarz, 11 gelb. 

Nr. 12, weiss m., 3, 3' rot, 8, 11' gelb, 11 grau. 

17. I. 1912: Nr. 7 getötet: ebenso 8—12; die Sektionen ergeben: 

Nr. 7: Haut in Umgebung der Einsticbstelle sehnig mit der Bauchwand ver¬ 
wachsen; darin kleiner Abszessrest (im Ausstrich nur Leukozyten) und Staubteile; 
Inguinaldrüsen kaum vergrössert; Brust- und Bauchhöhle o. B.; nur Milz etwas 
vergrössert und höckerig, mit einer narbigen Einziehung. — Oberstandene sept. 
Infektion. (&) 

Nr. 8: Staub in der Bauchhöhle; Magen und Leber sauber verwachsen; 
infiltrierte Partien in der linken unteren Lunge; vergrösserte, aber nicht erweichte 
Bronchialdrüsen; sonst alles o. B. — Nichts sicheres nachweisbar. N. 

Nr. 9: Staub subkutan; infiltrierte linke Lungenspitze; sonst alles o. B. — 
nichts nachweisbar. N. 

Nr. 10: Staub nur subkutan; infiltrierte Partien in der linken oberen Lunge; 
vergrösserte Bronchialdrüsen; sonst alles o. B. — Nichts nachweisbar. N. 

Nr. 11: Staub in der Bauchhöhle; im Peritoneum der Bauchwand und des 
Magens verstreute Knötchen mit rötlichen Verfärbungen; Netz knollig verdickt 
mit käsig erweichten Zentralpartien (im Ausstrich säurefeste Stäbchen); einige hart 
vergrösserte Mesenterialdrüsen; Milz und Leber vergrössert, punktförmig gefleckt, 
rauh stark vergrösserte mediastinale Drüsenpakete ohne Erweichung; in beiden 


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21] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 175 

Lungen grössere infiltrierte missfarbige Partien. — Tuberkulöse Infektion, wahr¬ 
scheinlich durch den Staub. T. 

Nr. 12: Subkutaner Abszess mit Staubresten; im Ausstrich nicht säurefeste 
Stäbchen und Diplokokken; Inguinaldrtisen vergrössert, nicht verkäst. — Über¬ 
standene sept. Infektion. (5.) 

Resultat: C.: (S) NN E.: N T (5). 

4. Kurssaal des Pathologischen Institutes. 3. Januar 1912. 

Raum: II. Stock nach Norden (botanischer Garten), hell und luftig. 2- bis 

3mal wöchentlich zur Demonstration frischer Präparate, zweimal wöchentlich 
zum mikroskopischen Kurs benutzt. 

Ziemlich sauber. 

Nach Cornet: Oberleiste der Tafel, Oberfläche des Wandbrettes, ca. 3 qm 
Wandfläche in der Nähe der Tafel. 

Nach E.: Fassboden und Fensterbank der Tafelgegend. 

Nach Cornet: 3. Januar: 

Nr. 13: weiss, w., 4, 5' 10' gelb. 

Nr. 14: schwarz, w. 5, 9', 12, 14 weiss. 

Nr. 15: weiss, m. 2, 4—7 graugelb, 2' 4'—6', 13 gelb. 

Nach E.: 3. Januar: 

Nr. 16: weiss, w. 3, 4', 11 schwarz, 13, 11a gelb. 

Nr. 17: schwarz, w. 1 weiss, 2' 6, 9, 10 gelb. 

Nr. 18: schwarz, m., 1, 2', 5'—7', 10' weiss, 4', 10 gelb. 

5. I.: Nr. 15 gestorben, Sektion: peritonitisches Exsudat mit Diplokokken 
und feinen Stäbchen; Staub in der Bauchhöhle; sonst o. B. — Sept. Infektion. S. 

Nr. 14 gestorben, Sektion: gleicher Befund wie bei 15. — S. 

31. I.: Nr. 13 getötet, Sektion: Staubteile in der Bauchhöhle; strangförmige 
Verwachsung des Darms mit der vorderen Bauchwand; Verwachsung von Magen 
und Leber mit Abszess (im Ausstrich Diplokokken); Milz höckerig vergrössert; 
einfach verdickte Mesenterialdrüsen; abgekapselter Abszess in der rechten mitt¬ 
leren Lunge (im Ausstrich Diplokokken); sonst o. B. — Übei*9tandene sept. In¬ 
fektion. (S.) 

Nr. 16—18 getötet, Sektionen ergeben : 

Nr. 16: Staub in der Bauchhöhle, sonst alles o. B. — N. 

Nr. 18: Befund wie bei 16. — N. 

Nr. 17: Einstichwunde eiternd; Bauchwandabszess (Ausstrich schöne säurefeste 
Stäbchen und feine kurze Bazillen); stark vergrösserte, etwas verkäste Inguinal¬ 
drtisen; in der Bauchhöhle Staub; Knoten im Netz und Mesenterium; Milz und 
Leber vergrössert und knötchenhaltig; sonst alles o. B. — Tuberkulöse Infektion 
durch den Staub. T. 

Resultat: C.: (5) S S E.: N T N. 

5. Gu. 12. Januar 1912. 

Familien Verhältnisse: Ehefrau und 2 drei und vier Jahre alte kränkliche 
Kinder. 

Wohnverhältnisse: ein Wohnzimmer, wo Patient schläft und sich tags 
meist aufhält; ein Schlafzimmer mit 2 Betten fQr Ehefrau und Kinder; eine kleine 
Ktiche. Preis Mk. 29.— 

Krankengeschichte: 33 Jahre alt, Maler, seit 2 Jahren krank. Phthisis pro¬ 
gressiva beider Oberlappen mit Pleuritis, reichlich Bazillen im Sputum. 


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Original fram 

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176 L. Engelhardt. [22 

Raum: 2. Stock nach Norden, enge Gasse, ziemlich dunkel. Wohnzimmer 
von Patient tagsüber benutzt. 

Nicht sehr schmutzig, angeblich zweimal wöchentlich geputzt und alle 
14 Tage mit Chlorkalk aufgewaschen, zuletzt vor 10 Tagen. 

Nach Cor net: Oberleiste von 6 Bildern und Gardinenleisten. 

Nach E.: Fussboden und Lambrileiste. 

Nach Cornet: 13. Januar: 

Nr. 19, weiss, w. 1—6, 3' 5' 9' 10' schwarz. 

Nr. 20, weiss, w. 4 gelb, 13 gelbbraun. 

Nr. 21, weiss, m. 4, 4' dunkelgelb, 10 gelb und schwarz. 

Nach E.: 13. Januar: 

Nr. 22, weiss, m. 2, 4, 5, 4', 11, 12 schwarz, 11' schwärzlich braun. 

Nr. 23, weiss, m. 2, 4—7, gelb und schwarz, 10b, 11a gelb, 13 gelbbraun. 

Nr. 24, schwarz, m. 1, 10', 11' 12' weiss, 10b, 11a gelb. 

15. I.: Nr. 19—20 gestorben; Sektionen: 

Nr. 19: Staub in der Bauchhöhle; trübes peritoneales Exsudat (im Ausstrich 
zahlreiche plumpe und feinere Stäbchen, wenig Leukozyten); Leber trübe, matt; 
sonst o. B. — Sept. Infektion. S. 

Nr. 20: Gleicher Befund wie 19, jedoch im Ausstrich mehr Leukozyten und 
nur ganz kurze, kokkenartige Stäbchen. — S. 

19. I.: Nr. 23 gestorben; Sektion: Staub in der Bauchhöhle; peritoneales, 
leicht gerötetes und getrübtes Exsudat (Ausstrich sehr leukozytenreich, wenig 
kurze Stäbchen); subhepatiscber Abszess und Leberinfarkt, in deren Abstrich die 
gleichen Stäbchen; Milz etwas vergrössert; sonst o. B. — Sept. Infektion. S. 

19. II.: Nr. 21, 22, 24 getötet; Sektionen ergeben: 

Nr. 21: Staub in der Bauchhöhle; vergrösserte, deformierte, fleckige, höckerige 
Milz; feine, versprengte Knötchen in der Leber, abgekapselter Abszess im linken 
Leberlappen (im Abstrich einige feine kurze, nicht säurefeste Stäbchen; Netz knotig 
verdickt; hart vergrösserte Mesenterialdrüsen, eine verkäst (im Ausstrich wenige 
säurefeste Stäbchen); sonst o. B. — Überstandene sept. und tuberkulöse Infektion 
durch den Staub. (S)T. 

Nr. 22: Staub in der Bauchhöhle; Knötchen im Bauchwandperitoneum; 
kleine Knoten im Netz; etwas vergrösserte harte Mesenterialdrüsen; nichts ver¬ 
käst; sonst o. B.— Wahrscheinlich tuberkulöse Infektion durch den Staub. (T?). 
Stück der Bauchwand und Drüsen in Müller-Formol eingelegt. 

Nr. 24: Staub in der Bauchhöhle; Knötchen im Peritoneum der Bauchwand; 
miliare helle Knötchen in der Milz; im verdickten Netz grosser, verkäster Knoten 
mit Magen verwachsen (im Ausstrich vereinzelte, säurefeste Stäbchen sowie eigen¬ 
artige, nicht säurefeste Granula); vergrösseite Bronchialdrüsen und kleinere infiltrierte 
Lungenpartien; sonst o. B. — Tbc. Infektion d. d. Stb. T. 

Resultat: C.: S, S, (S)T. E.: S, (T), T. 

6. We. 20. Januar 1912. 

Familienverhältnisse: ca. 36 Jahre alte Ehefrau und 2 Kinder, 7 und 5 Jahre 
alt, alle angeblich gesund. 

Wohnverhältnisse: Schlafzimmer mit zwei Betten, in denen alle schlafen, 
ausserdem Wohnzimmer und Küche. Mietpreis Mk. 20.—. 

Krankengeschichte: 29 Jahre alt. Seit Herbst 1910 krank; seit Sommer 1911 
in Behandlung. Doppelseitige progrediente Phthise mit TB im Sputum. Ferner 
Darmtuberkulose. Fast ständig bettlägerig. 



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23J Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 177 

Raum: 4 . Stock, nach SW, ziemlich hell, Schlafzimmer, in dem Pat. meist 
bettlägerig. 

Ziemlich schmutzig, angeblich zweimal wöchentlich geputzt, seit einigen 
Tagen nicht mehr. 

275 hoch, 275 breit, 560 tief. 1 Fenster 65:85. 

Nach Cor net: Oberleiste von 5 Bildern und Balkenoberfläche, sehr staubig. 

Nach E.: Fussboden und Bettvorleger. 

Nach Cor net: 20. Januar: 

Nr. 25, wei98, m. 4, 4', 11 gelb. 

Nr. 26, gelb, w., 1, 7, 15 weiss, 11, 10c und 10'c schwarz. 

NB. etwas verschüttet, daher nur 2 Tiere injiziert. 

Nach E.: 22. Januar 1912. 

Nr. 27, weiss, w., 4. 8'—10', braun, 2' 4'—7' schwarzbraun. 

Nr. 28, braun, w., 1, 10' weiss, 4—7, 11 schwarz. 

Nr. 29, struppig weiss, w., 4, 4' 10, 10' gelb, 11, 11' schwarz (gravid?) 

24. I.: Nr. 26 gestorben; Sektion: gangränöse Einstichstelle; Staub in der 
Bauchhöhle; peritonitisches Exsudat rötlich trübe (im Ausstrich viele Leukozyten, 
viele nicht säurefeste Stäbchen); Leber brüchig, ebenso wie Milz mit feinem ab- 
streichbarem Belag; sonst o. B. — Sept. Infektion. S. 

29. I.: Nr. 25 gestorben; Sektion; grosser Abszess an der Einstichstelle, 
mit Darm verwachsen, sich zwischen Leber und Magen fortsetzend (im Ausstrich 
viele Leukozyten und nicht säurefeste Stäbchen). Sept. Infektion. S. 

19. II.: Nr. 27—29 getötet; Sektionen: 

Nr. 27: Feine verstreute Knötchen an dem Peritoneum der Bauch wand; 
Staub in der Bauchhöhle; Knoten im Netz und Mesenterium; punktförmig ge¬ 
fleckte, vergrösserte Milz; nirgends käsige Erweichung; ein Stück Bauchwand 
mit Peritonealknötchen und Drüsen in Müller-Formol eingelegt — Wahrscheinl. 
tbc. Inf. d. d. Stb. (T). 

Nr. 28: Staub in der Bauchhöhle; narbige Einziehungeii in der etwas ver¬ 
größerten Milz; sonst o. B. — Nichts nachweisbar. N. 

Nr. 29: Staub in subkut. Abszess (hatte vor ca. 3 Wochen 2 gesunde Junge 
geboren); beiderseits grosse Milchdrüsen; vergrössert verhärtete Inguinaldrüsen 
ohne Erweichung; im Ausstrich des erbsengrossen Abszesses keine sicheren 
säurefesten Stäbchen; sonst o.B. im Antiforminzentrifugat des Abszessinhaltes viele 
schöne säurefeste Stäbchen; — tbc. Infektion d. d. Staub. T. 

Milchdrüsen eingelegt. 

Resultat: C.: S S E.: (T) N T. 

1. Kontrollversuch 25. Januar 1912. 

Kultur von kurzen Stäbchen und Diplokokken aus Peritoneal¬ 
exsudat 26, Bouillon 5 ccm und 25°/o Antiformin 10 ccm; geschüttelt, 
nach 7* Stunde zentrifugiert, gewaschen, zentrifugiert; Zentrifugat 
mit 15 ccm 0,9 °/o steriler NaCl-Lösung 3 Meerschweinchen zu gleichen 
Teilen injiziert. 

Nr. 30, weiss, m., 4', 8 schwarz. 

Nr. 31, weiss, m., 10' gelb, 5, 6, 9 schwarz. 

Nr. 32, gelb, w, 1, 2', 6', 7', 11, 12 weiss, 8, 13 schwarz. 


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178 


L. Engelhardt. 


[24 


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4. IV. Nr. 30—32 getötet. Sektionen: 

Nr. 30 o. B. — N. 

Nr. 31 Zystennieren; linsengrosser Lebertumor (beides ein¬ 
gelegt); sonst o. B. — N. 

Nr. 32 Gravide, 3 ziemlich reife Föten; sonst o. B. — N. 
Resultat: N N N. 

7. En. 1. Februar 1912. 

Farailienverbältni8se: 0. B. 

Wohnverhältnisse: 1 Schlafzimmer, 1 Wohnzimmer in einer Pension. 
Bewohner vollkommen gesund. 

Raum: Eckzimmer, zweiter Stock nach Süden und Westen, hell und luftig. 

Ziemlich sauber, täglich geputzt. 

540.330, Höhe 310. Fenster nach Süden 1:2m, nach Westen 1,50:2 m. 

Da nur sehr wenig Staub abgelagert ist und T B sehr unwahrscheinlich, wird 
Untersuchung hach Com et unterlassen. 

Nach E.: Fussboden, Teppich, Polstermöbel. 

Nach E.: 1. Febr. 1912. 

Nr. 33, gelb, w., 1, 8, 8', 9', 12, 12', 13 weiss, 2', 4', 4, 5, 6, 5', 6', 7 grau. 

Nr. 34, weiss, w., 4 grau, 4', 5, 5' gelb. 

Nr. 35, struppig schwarz, w., 1, 9, 9', 8', 12, 12', 13 weiss, 5', 8 gelb. 

6. III. Nr. 33—34 getötet. Sektionen : 

Nr. 33: Staub in der Bauchhöhle; sonst o. B. — N. 

Nr. 34: Kein Staub nachweisbar; — es stellt sich später (am 4. IV.) heraus, 
dass eine Verwechselung mit 48 vorliegt; dabei ergibt dann 34 ausser Staub in 
der Bauchhöhle nichts besonderes. — N. 

Nr. 35: Gravide; zwei kleine Embryonen; Staub in der Bauchhöhle; 
sonst o. B. — N. 

Resultat: E.: NNN. 

8. St. 12. Februar 1912. 

Familien Verhältnisse : Erwachsene und berufstätige Tochter und Sohn. 

Wohnverhältnisse: 2 kleine Räume mit 3 Betten und dunkle Küche, kalt 
nnd feucht, Mietpreis 18 Mk. 

Krankengeschichte: 56 Jahre alt. Seit 2 Jahren in Behandlung. Rechts 
kalter Glutealabszess, auf zweimalige Punktion und Jodoformglyzerininjektion ab¬ 
geheilt. Offene tuberkulöse Fistel am linken Knie. Wegen gleicher Affektionen 
wurden erfolgreich Gelenkresektionen an der linken Hand sowie an Hüfte und 
Knie ausgeführt. 

Raum: Zu ebener Erde nach Osten, wegen Häuservorbau gegen Schlossberg 
steiler Lichteinfall, im Sommer nur eine Stunde Sonne, mässig schmutzig. 

275 hoch, 300 breit, 500 tief, 1 Fenster 124:92. 

Schlaf-Wohnzimmer von meist bettlägeriger Pat. fast stets benutzt. 

Nach Cornet: Türleiste, Bilder, Schrank, 2 qm Wand. 

Nach E.: Fussboden, Bettvorleger. 

Nach Cornet 12. Febr. 1912: 

Nr. 36, struppig gelb, w., 4, 4', 11, 11' schwarz, 1, 13 weiss. 

Nr. 37, weiss, w., 7—9 schwarz. 

Nr. 38, schwarz, m., 7'—9', 12 weiss. 



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25) Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 179 

Nach E.: 13. Febr. 1912. 

Nr. 39, weisö, m., 4', 6', 7', 10', 8, 4 schwarz und braun. 

Nr. 40, schwarz, m., 6, 7, 9 weiss, 5, 13 gelb. 

Nr. 41, schwarz, w., 1, 7—9, 7'—9', 12' weiss, 6, 6' gelb. 

14. II. Nr. 38 gestorben. Sektion: Staub in der Bauchhöhle; peritoneales 
Exsudat (viele Leukozyten und intrazelluläre Kokken); Leber und Milz matt, 
brüchig; sonst o. B. — Sept. Infektion. S. 

19. II. Nr. 86 gestorben. Sektion: Hals angefressen, obere Thoraxapertur 
offen, Herz und Lungen fehlen; Peritonealexsudat eitrig, Abdominalorgane schmie* 
rigfibrinös belegt; rechts im Becken haselnussgrosse Eiterung; Staub in der Bauch¬ 
höhle; multiple Nierenabszesse; Hämatome beiderseits am Nierenhilus; Milz wenig 
vergrössert; (im Ausstrich de9 Exsudates und des Abszesses Diplokokken); sonst 
o. B. — Sept. Infektion. S. 

18. in. Nr. 37, 39—41 getötet. Sektionen : 

Nr. 37: Staub in der Bauchhöhle; abgekapselter Leberabszess (im Aus¬ 
strich nur Leukozyten und wenige nicht säurefeste Stäbchen); Verwachsung 
zwischen Magen und Leber und mit der vorderen Bauchwand; sonst o. B. — 
Überstandene sept. Infektion. ( S .) 

Nr. 39 und 40: Staub in der Bauchhöhle; sonst o. B. N N. 

Nr. 41: Gravide; 3 fast reife Föteu; Staub in der Bauchhöhle: sonst 
o. B. - N. 

Resultat: C.: S ( S ) S. E : N N N. 

9. Ka. 14. Februar 1912. 

FamilienTerhältnisse: Erwachsene, berufstätige Tochter und deren ca. sieben¬ 
jähriger Sohn, beide angeblich gesund. 

Wohnverhältnisse: 1 Wohn-Schlafzimmer mit 1 Bett und 1 Schlaf¬ 
zimmer mit 2 Betten nach NNO, nur früh im Sommer etwas Sonne, und dunkle 
Küche auf den Hof. Mietpreis Mk. 27.—. 

Krankengeschichte: 63jähriger Kunstbildhauei. Seit Jan. 1911 an Bronchitis 
leidend. Im Febr. 1911 Pneumonie. Im Anschluss daran entwickelte sich rechte 
Oberlappenphthise mit viel Auswurf ohne Bazillenbefund. 

Raum: Im dritten Stock nach NNO, enge Gasse, ziemlich steiler Lichteinfall, 
nur früh im Sommer etwas Sonne. Mässig schmutzig. 

220 hoch, 445 breit, 400 tief; 2 Fenster ä 106:82J 

Schlaf-Wohnzimmer des Pat., von ihm fast stets benutzt. 

Nach Cornet: Türleiste, mehrere Bilder, Uhr, 1 qm Wand am Bett. 

Nach E.: Fussboden, Teppich. 

Nach Cornet: 14. Febr. 1912. 

Nr. 42, grau, m., 3 rot, 1—9 weiss, 2'—4' gelb, 11—12 graugelb. 

Nr. 43, weiss, w., 3 rot, 2, 6, 7, 6', 7' gelb, 2', 4' grau. 

Nr. 44, schwarz, m., 1, 6, 7, 6', 7' gelb, 12 weiss. 

Nach E.: 14. Febr. 1912. 

Nr. 45, gelb, w., 1, 11, 12, 12' weiss, 2, 3, 5—7 schwarz. 

Nr. 46, weiss, w., K. 8' schwarz, 7, 8, 11' gelb. 

Nr. 47, weiss, w., 3 rot, 2, 5—8 gelb, 4, 2', 4'—6' grau. 

19. II. Nr. 43 gestorben. Sektion: Subkutanes ödem; Milz hell verfärbt; 
Staub in der Bauchhöhle; Peritonealexsudat (im Ausstrich Diplokokken und kurze 
Stäbchen, wenig Leukozyten): sonst o. B. S. 


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180 L. Engelhardt. [26 

20. 11 Nr. 42 gestorben. Sektion: wie 43; fibrinöse Peritonitis; Leberinfarkt; 
bronchopneumonische Herde in der rechten Lunge. S. 

4. IV. Nr. 44—47 getötet: Sektionen: 

Nr. 44: Staub in der Bauchhöhle; in der rechten oberen und linken mittleren 
Lunge infiltrierte Partien; BronchialdrOsen vergrössert; sonst o. B. — Nichts nach¬ 
weisbares. N. 

Nr. 45: Subkutaner Abszess mit Staub (im Ausstrich einige säurefeste Stäb¬ 
chen); Staub in der Bauchhöhle; barte vergrösserte Knoten inguinal, omental, 
mesenterial und mediastinal; Milz und Leber von zahlreichen Knötchen durch¬ 
setzt; Lungen: infiltrierte, verfärbte, deformierte Partien. — Tuberkulöse Infektion 
durch den Staub. T. Abszess, Milz, Teile von Leber, Lunge und Drüsen mit 
kochendem Wasser fixiert, in Alkohol eingelegt. 

Nr. 46: Gravide, 2 mittelgrosse Föten; Staub in der Bauchhöhle, sonst o B. 
— Nichts nachweisbar. N. 

Nr. 47: Staub in der Bauchhöhle; vergrösserte, narbig deformierte Milz mit 
abgekapseltem Abszess (im Ausstrich sehr feine, nicht srefste Diplobazillen); Netz, 
Peritoneum frei; einige nicht besonders harte, leicht vergrösserte Mesenterial¬ 
knoten; Lungen etwa wie bei 45; hart vergrösserte Bronchialdrüsen. — Über¬ 
standene sept. Infektion und primäre Lungentuberkulose. (S.) 

Lungenteile, Bronchialdrüsen wie bei 45 eingelegt. 

Resultat: C.: S S N. E.: TN (S). 

2. Kontrollversuch am 1. März 1912. 

Aus Bouillonkultur von TB, typus humanus (Dr. Blasius), Öse 
ausgestrichen, gefärbt: schöne säurefeste Stäbchen. Nun fünf Ösen in 
10 ccm steriler 0,9% NaCl-Lösung verteilt und dieselbe zu gleichen 
Teilen injiziert. 

Nr. 48, weiss, m., 1, 8, 12, 13 gelb, 2', 4'—6' grau. 

Nr. 49, schwarz, w., 1—9 weiss, 13 braun. 

Bei der Sektion am 4. IV. wird 48 vermisst, an seiner Stelle 
34 entdeckt, das ausser etwas Schmutz im Peritoneum nichts be¬ 
sonderes ergibt. 

Nr. 49. Unter der Haut gut entwickelte Milchdrüsen (vor ca. 
14 Tagen Geburt von 2 Jungen). Auf dem Peritoneum viele ver¬ 
streute Knötchen. Netz knotig verdickt. Hart vergrösserte, teils 
käsig erweichte Mesenterialdrüsen. Milz und Leber vergrössert, 
höckerig von zahlreichen Knötchen durchsetzt. Abdomen sonst o. B. 
Lungen und Herz o. B. 

Ausstrich aus Lymphdrüsenkäse: keine T B nachweisbar. 

Eingelegt in Formol-Müller: R. Milchdrüse, Milz und mehrere 
Lymphknoten. 


3. Kontrollversuch 5. März 1912. 

10 ccm tbc. Sputum (im einfachen Ausstrich viele T B) mit 
5 ccm 50°/o Antiformin ca. V* Std. geschüttelt, zentrifugiert, mit 



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27] 


Ober den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 


181 


steriler 0,9 °/o NaCl-Lösung gewaschen, zentrifugiert, in 10 ccm 
steriler 0,9% NaCl-Lösung intraperitoneal injiziert: 

Nr. 50, struppig, schwarz, w., 2, 4, 2' 4' weiss, 11 schwarzgelb. 

Nr. 51, gelb, w., 1, 4, 11' 12 weiss, 2' 4' 12' schwarzgelb. 

Am 12. März Nr. 51 gestorben. Sektion ergibt keinen beson¬ 
deren Befund; jedoch Hals an- und Herz, Lungen herausgefressen. 

Am 4. IV. Nr. 50 getötet. Sektion: Peritoneale Knötchen, knotige 
Verdickung von Netz und Gekröse mit käsig erweichtem Knoten 
(Ausstrich!); Milz vergrössert und unregelmässig von Knötchen durch¬ 
setzt. Sonst (auch Lunge) o. B. 

Im Ausstrich der verkästen Drüse viele säurefeste Stäbchen. 

Resultatsübersicht der Tierversuche. 

I. Vorversuch: antiforminbehandeltes tbc. Sputum 1 Tier inj.: T. 

II. Kontrollversuche: 

1. antiforminbehandelte sept. Kultur 3 Tieren inj.: NNN. 

2. TB-Kultur ohne weiteres 2 Tieren inj.: OT. 

# 3. antiforminbehandeltes tbc. Sputum 2 Tieren inj.: 0 T. 

III. Raumuntersuchungen: 



C.: 


E.: 

Na. 

(S) N S 

' (S) 

T N 

Ke. 

(S) N N 

N 

T (8) 

Ku. 

[S) S S 

N 

T N 

Gu. 

s s (syr 

S 

(T) T 

We. 

SSO 

(T) 

N T 

En. 

— 

N 

N N 

St. 

S (S) s 

N 

N N 

Ka. 

S S N 

T 

N (5) 


Zeichenerklärung. 

T bedeutet Tbc. mit Bazillenbefund 
(T) „ Tbc. ohne Bazillenbefund 

S „ Tod an Sepsis 

(5) „ überstandene Sepsis 

N „ nichts nachgewiesen 

0 „ missglückter Versuch 

— „ Versuch unterlassen. 


Vergleichende Übersicht über III unter Fortlassung von En.: 


Es fand sich 

bei Methode C.: 

bei Methode E: 

sept. Infektion 

16 mal 

4 mal 

tbc. Infektion 

lmal 

8 mal 

keine Infektion 

4 mal 

9 mal. 

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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




182 


L. Engelhardt 


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Die Methode nach E. zum Nachweis von T B im aspirablen 
Staub, welche theoretisch sowie nach den angestellten Laboratoriums- 
vorversuchen, aussichtsvoll erschien, hat sich also in den wenigen 
Fällen ihrer praktischen Anwendung bewährt. 

Das rechtfertigt die Erwartung, dass auch sie bei weiterer Ver¬ 
besserung dazu beitragen kann, die Ubiquitätsfrage sowie die Frage 
des Infektionsmodus der Tuberkulose, wie eingangs erwähnt, weiterer 
Klärung zuzuführen. Diesbezüglich aus den wenigen geschilderten 
Anwendungen Schlüsse zu ziehen, dürfte nicht berechtigt sein. 

Zusammenfassung. 

Auf die für das Problem der Inhalationstuberkulose wichtige 
Frage nach der Verbreitung der Tuberkelbazillen im aspirablen Staub 
konnten die bisherigen Staubuntersuchungen keine befriedigende 
Antwort geben, da sie 1. nicht den eigentlichen aspirablen Staub, 
der also im Moment der Untersuchung mit natürlichen Luftströmen 
in Mund oder Nase einzudringen vermag, sondern meist nur kleine, 
durch Abwischen und dgl. gewonnene Staubproben betrafen; da* sie 
2. nicht genügend empfindliche Nachweismethoden benutzten; denn 
a) war die Menge des Untersuchungsmaterials sehr klein und b) be¬ 
einträchtigten die neben den T B vorhandenen septischen Keime den 
Nachweis. 

Um die Verbreitung der TB im aspirablen Staub festzustellen, 
musste also zunächst eine aussichtsreichere Nachweismethode gefunden 
werden. Den Inhalt der vorliegenden Arbeit bildet die 
Ausarbeitung einer solchen Methode. Die mit Hilfe dieser 
Methode festzustellende tatsächliche Verbreitung der T B bleibt ausser 
Betracht bzw. späteren Untersuchungen Vorbehalten. 

Die neue Methode besteht in folgendem: 

1. Reinigung des zu untersuchenden Raumes mit einem Staub- 
saugapparat, in dessen Saugrohr ein besonderes Staubauffangsystem 
eingeschaltet ist, welches den durch natürliche Luftströme aufwirbel¬ 
baren und aspirablen Staub in Wasser zurückhält. 

2. Antiforminbehandlung des Staubwassers, dadurch Vernichtung 
der septischen Keime unter Schonung der T B, Auswaschen des Anti- 
formins und Ausschaltung der rasch und ohne die vorhandenen T B 
sedimentierenden Staubteile. 

3. Injektion des Testierenden Sedimentes in die Bauchhöhle ge¬ 
sunder Meerschweinchen. 

Diese Methode, welche theoretisch und nach den angestellten 
Laboratoriumsvorversucben aussichtsvoll erschien, wurde an einigen 


Gck igle 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



29] Über den Nachweis von Tuberkelbazillen im aspirablen Staub. 183 

wenigen Fällen praktisch erprobt und zwar unter paralleler Anwendung 
der bisher besten Corn et sehen Methode. Diese Anwendungsversuche, 
welche wegen ihrer geringen Zahl über die tatsächliche Verbreitung 
der TB nichts besagen wollen, sprechen für die Brauchbarkeit der 
Methode, so dass sich ihre weitere Nachprüfung verlohnen dürfte. — 
Zur Untersuchung herangezogen wurden die Wohnräume von drei 
leidlich reinlichen offenen Phthisikern; das Resultat fiel nach der 
neuen Methode bei allen drei, nach der Cornetschen nur bei einem 
positiv aus. Bei einer reinlich behandelten offenen Gelenktuberkulose 
fanden sich nach beiden Methoden keine T B; ebensowenig in dem 
sauberen Wohnraum eines Gesunden. Bei einem unreinlichen offenen 
Phthisiker wurden mit der neuen Methode T B gefunden, während hier 
die Cor net sehen Versuchstiere an Sepsis erkrankten; ebenso erging 
es mit den aus dem Kurssaal des pathologischen Instituts gewonnenen 
Staubproben. In dem zwar desinfizierten, aber von sehr unsauberen 
wenn auch gesunden Hinterbliebenen bewohnten Raum einer vor 
4 Wochen verstorbenen offenen Phthise, wies die neue Methode T B 
nach, während von den Cornetschen Versuchstieren zwei gesund 
blieben und eines septisch erkrankte. — Im ganzen fanden sich: 

Septische Infektionen bei der C ornetschen Methode 16mal, bei 
der neuen Methode 4 mal. 

Tuberkulöse Infektionen bei der Cornetschen Methode lmal, 
bei der neuen Methode 8 mal. 

Keine nachweisbaren Infektionen bei der Cornetschen Methode 
4 mal, bei der neuen Methode 9 mal. 

Diese Resultate können natürlich nichts anderes beweisen, als 
dass der eingeschlagene Weg nicht aussichtslos ist. Da die neue 
Methode ziemlich umständlich und zeitraubend ist, wird es ihrer 
jahrelangen Anwendung bedürfen, um ein Material zu sammeln, 
welches zu weitergehenden Schlüssen berechtigt. 


Zum Schlüsse möchte ich nicht versäumen, allen denen, welche 
mich bei der Arbeit liebenswürdigst unterstützt haben, zu danken. 
Vor allem danke ich Herrn Professor Morawitz, auf dessen An¬ 
regung die ganze Arbeit zurückgeht, für seine vielfachen wertvollen 
Ratschläge und für die freundliche Überlassung des untersuchten 
Materials aus der Distriktspraxis der Freiburger medizinischen Poli¬ 
klinik. Ferner habe ich für gütige Überlassung von Laboratoriums¬ 
hilfsmitteln ausser Herrn Professor Morawitz, Herrn Geheimrat 
Schottelius, Herrn Geheimrat Asch off und Herrn Professor 
Straub zu danken. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



184 


L. Engelhardt: Über den Nachweis von Tuberkelbazillen etc. 


[30 


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Literatur. 


1. Cor net, Die Tuberkulose. A. Hölder, Wien, 1907, Bd. I, S. 1—6 und Lite- 
raturangaben ebenda S. 156—159. 

2. Hanau und Schlenker, Virchows Arch. f. path. Anatom, u. Physiol, 134. 

3. Naegeli, Virchows Arch. f. path. Anatom, u. Physiol., 140. 

4. Burkhardt, Zeit6chr. f. Hygiene, 53. 

5. H. Beitzke, Berlin, klin. Wochenschr., 1909, 9 . 

6. Hamburger, Mitt. d. Ges. f. inn. Med. u. Kinderhlk. Wien, 1909, 3. 

7. Hamburger und Monti, Münchn. med. Wochenschr., 1909, 9. 

8. C. Wegelin, Korr. f. Schweiz. Ärzte, 1910, 29. 

9. Cor net, Zeitschr. f. Hygiene, 1888, 5. 

10. E. Krüger, Inaug.-Diss., Bonn, 1899. 

11. A. Knstermann, Münchn. med. Wochenschr., 1891, S. 773. 

12. Prausnitz, Münchn. med. Wochenschr-, 1893, 1. 

13. Petri, Arb. aus d. kais. Gesundheitsamt, 1893. 

14. Kirchner, Zeitschr. f. Hygiene, 21. 

15. Deipser, Korr. d. allg. ärztl. Yer. v. Thüringen, 1900, S. 513. 

16. F. Gotschlich, Inaug.-Diss., Breslau, 1903. 

17. F. Wagner, Inaug.-Diss., Zürich, 1903. 

18. B. Heymann, Zeitschr. f. Hygiene, 38. 

19. LeNoire und Camus, Bull, de la soc. de biol., 18 Dec. 1908. 

20. Dieselben, Presse mödicale, 1909, 87. 

21. Köh lisch, Zeitschr. f. Hygiene, 60. 

22. Cornet, Die Tuberkulose (siehe oben 1), Bd. I, S. 127. 

23. Derselbe, ebenda Bd. I, S. 110. 

24. Uhlenhuth, Beil, zu Bd. 42. Ref. d. Zentralbl. f. Bakt., S. 62. 

25. K. Meyer, Tuberculosis VIII, 2, 1909. 

26. Hüne, Hyg. Rundschau, 1908, 18. 

27. Rau, Hyg. Rundschau 69, 23. 

28. Lagreye, Deutsche med. Wochenschr, 1910, 2. 

29. Cornet, Die Tuberkulose, Bd. I, S. 108. 

30. Kirstein, Zeitschr. f. Hygiene, 50, S. 186. 



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Aus dem pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses 
Oeresund (Oeresundshospitalet), Kopenhagen. 


Zur Pathologie der Magentuberkulose. 

Von 

Dr. Lauritz Melchior, 

Privatdozent. 

Mit 1 Tafel. 


Im Laufe von 5 Jahren — vom 1. November 1907 bis zum 
31. Oktober 1912 — sind 1459 Leichen aus dem Krankenhause 
Oeresund seziert worden, fast alle von mir selbst. Unter diesen 1459 
waren 848 erwachsene Phthisiker, d. h. an Lungenschwindsucht ge¬ 
storbene Kranken im Alter von mehr als 15 Jahren. Unter diesen 
848 Fällen habe ich 6 mal ulzerierende Magentuberkulose konstatiert, 
wie aus der nachstehenden Übersichtstabelle hervorgeht: 


848 Fälle: 481 Männer, 367 Weiber. 



| Junge 

(15—34 Jahre) j 

Von mittlerem Alter 
(35—54 Jahre) 

Alte 

(mehr als 54 Jahre) 


439 223 K 

439 216 W. 

209 M. 

328 119 W. 

5 CO 

00 

Ulcus tub. ventriculi 

1 W. (22 J.) 

4 M. (resp. 88, 45, 
46, 50 J.) 

1 M. (55 J.) 


Von Ulcera simplicia oder deren Residuen, retrahierte Narben, 
fanden sich 18 Fälle: 

Ulc. simpl. ventri- 3 W. (2 ulc., 5 M., 8 W. (4 ulc., I 5 W. (1 ulc., 
culi ! 1 cicatr.) I 6 cicatr.) 4 cicatr.) 

Aus dieser Übersicht des Materiales, das, der Todesursache ent¬ 
sprechend, vorzugsweise jüngere Individuen einschliesst, lässt sich 


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186 


Lauritz Melchior. 


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[2 

sehen, dass sowohl die tuberkulösen wie die einfachen Ulzerationen 
am häufigsten jenseits der Mitte des Lebens gefunden werden; ferner 
dass, während die nicht tuberkulösen Geschwüre und deren Residuen 
hauptsächlich bei Weibern, die tuberkulösen dagegen fast nur in 
männlichen Leichen und speziell bei Männern von etwas höherem 
Alter, ca. 40—50 Jahre, getroffen werden. 

Die Statistiken über das Vorkommen von tuberkulösenMagen- 
ulzerationen bei Phthisikern weisen Zahlen auf, die von meinen 6 Fällen 
unter 848 sehr'abweichen. Ich nenne zum Beispiel, dass Frerichs 1 ) 
sie 6mal unter 250 Sektionen von tuberkulösen fand, Dürck*) 4mal 
unter 900, Simmonds 3 ) 8mal unter 2000, Glaubitt 4 ) (nach Sek¬ 
tionsprotokollen) 47 mal unter 2237 usw. 

Die erwähnten Verfasser haben — geradeso wie ich — ein 
häufigeres Vorkommen bei Männern als bei Weibern konstatiert, 
so z. B. Frerichs 4 Männer gegen 2 Weiber, Glaubitt 22 gegen 
10 (Erwachsene). 

Die von mir beobachteten Fälle sind folgende 5 ): 

1. Magen von 22jfihrigem Mädchen, Ella H., am 18. September 1912 
gestorben nach Aufenthalt von 4Va Monaten in der Tuberkulosenabteilung des 
Krankenhauses. Krank seit 2 Monaten vor der Aufnahme, ohne Symptome eines 
Magenleidens (auch nicht früher). Bei der Sektion (18. IX. 1912) ist in den 
Lungen ein älterer (fibröser, zum Teil verkalkter) Prozess gefunden, ferner kaseöse 
Pneumonien nebst miliärer Aussaat; tuberkulöse Veränderungen der Nieren, der 
Leber und der Lymphdrüsen des Mediastinums, Mesenteriums und an der kleinen 
Magenkurvatur. Magen etwas kontrahiert mit längs gefalteter Innenschicht, 
Pylorus nicht verengt, Maas 4 cm. An der Schleimhaut sieht man ca. ein 
Dutzend kleine. Geschwüre von Stecknadelkopfgrösse oder ein wenig grösser, 
von runder oder mehr unregelmässiger Form und etwas erhabenen, infiltrierten 
Rändern, während ihr Boden von der zum Teil blutenden Submukosa gebildet 
wird; keine miliäre Knötchen weder hier noch an der Serosaseite des Magens. 
Die Ulzerationen finden sich meistens der kleinen Kurvatur entlang und häufiger 
in der Pars pylorica als in der Pars cardiaca des Magens, auch einzelne in der 
Pars horizontalis superior duodeni, dagegen keine am Pylorus selbst. Im Darm- 
k anale sieht man übrigens zahlreiche tuberkulöse Geschwüre sowohl im 
Jejunum und lleum wie im Dick- und Mastdarme. 

Bei mikroskopischer Untersuchung eiuer Ulzeration des Magens sieht 
man eine intensive Gastritis um derselben herum mit herdweiser Anhäufung von 
Ruodzellen in den tieferen Schichten der Schleimhaut. Muscularis mucosa wird 

i) Frerichs, Beitr. z. Lehre von der Tub. Marburg 1882. 

*) Dürck, Lubarsch-Osterta-g Ergebnisse 1897. 

3 ) Simmonds, Münch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 10. 

i) Glaubitt, Dissert. Kiel 1901. (Über Magentuberkulose.) 

ö ) Den Herren Oberärzten der beiden Abteilungen des Krankenhauses, Herrn 
Prof. Fejlberg und Dr. med. Tobiesen bin ich für Benutzung der klinischen 
Journale zu Dank verpflichtet. 


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3] 


Zar Pathologie der Magentaberkalose. 


187 


nabe am Rande des Ulkas vom tuberkulösen Granulationsgewebe (mit Elementar¬ 
tuberkeln, Riesenzellen und Tuberkelbazillen) ersetzt; dieses Gewebe breitet sich 
sowohl einwärts in die Drüsenschichl wie nach aussen in die Submukosa herein, 
darauf hört die Schleimhaut auf mit stark überhängenden Rändern und die 
Ulzeration wird von den tieferen, mit tuberkulösem Granulationsgewebe bedeckten 
Schichten der Submukosa gebildet. 

2. Magen von 38jährigem Manne, Aug. I., am 10. Mai 1911 gestorben, 
nach Aufenthalt von ca. 2 Monaten in derselben Abteilung. War 3 4 5 /* Jahre krank 
gewesen, ohne Symptome seitens des Magens zu zeigen. Während des Aufent¬ 
haltes im Krankenhause nur sehr unbedeutende Unterleibsschmerzen, bisweilen 
Erbrechen. Bei der Sektion (11. Mai 1911) in beiden Lungen grosse destruierende 
Prozesse und Disseminationen, rechts Pneumothorax, ferner Tuberkulose des 
Kehlkopfes und des Dickdarmes und Mastdarmes, aber keine Dünndarmtub. 
Magen: Keine Ausdehnung, etwas Wandverdickung, kleine zerstreute weissliclie 
Knötchen in der Serosa. Pylorus bedeutend verengt (Maas 3 cm), die Verengung 
wird durch kleine in der Schleimhaut gelegene hyperämische, warzenförmige, 
oberflächlich ulzerierte Erhabenheiten vermehrt, und in pars pylorica sieht man 
in der Schleimhaut mehrere solche, ausserdem noch kleine flache Ulzerationen 
mit infiltrierten Rändern, auch einzelne an der kleinen Kurvatur. Am Pylorus 
k&seöse Lymphdrüsen. Bei mikroskopischer Untersuchung sieht man ein 
ulzeriertes tuberkulöses Granulationsgewebe (mit Elementarluberkeln und Tuberkel¬ 
bazillen), das die Schleimhaut, die Muscularis mucosae und die ganz oberfläch¬ 
lichen Schichten von der Submucosa einnimmt, die Drüsenschicht der Schleimhaut ist 
in grösserer Ausdehnung als das unterliegende Gewebe zerstört. In der Nachbar¬ 
schaft der Ulzeration ist die Schleimhaut gastritisch infiltriert. Bei Untersuchung 
vom Gewebe des stenosierten Pylorus (ausserhalb der Ulzerationen) sieht 
man keine Tuberkulose, nur eine beträchtliche Hyperplasie der Drüsenschicht 
mit zerstreuten Anhäufungen in der Tiefe von Rundzellen, und Verdickung mit 
fibrösen Veränderungen der Muskulatur. 

3. Magen von 45jährigem Manne, Konrad J., am 17. November 1907 
gestorben, nach Aufenthalt von ca. 2 7* Monaten in derselben Abteilung. Seit 
1 Jahre krank ohne Symptome eines Magenleidens darzubieten. Bei der Sektion 
(18. Nov.) grosse destruierende und disseminierte tuberkulöse Prozesse in beiden 
Lungen, ferner eine diffuse parenchymatöse Nierenentzündung und ausgedehnte 
Tuberkulose des Darmes. Im oberen hörizontalen Teile des Duodenums 
sind 2 Ulzerationen (die eine gerade am Pylorus) und in der Pars pylorica des 
Magens 1 (auch diese nahe an der Klappe), alle 3 runde, von Erbsengrösse, den 
runden tuberkulösen Dünndarmgeschwüren ganz ähnlich. Magen sonst ohne 
Veränderungen. 

4. Magen von 46 jährigem Manne, Car) L„ am 7. Juli 1912 gestorben, 
nach 4 monatlichem Aufenthalt in der medizinischen Abteilung des Krankenhauses. 
Krank seit 27* Monaten bevor der Aufnahme, keine Symptome seitens des Magens. 
Bei der Sektion (8. Juli), grosse destruierende und infiltrierende tuberkulöse 
Prozesse in - beiden Lungen, Larynxtuberkulose, grosse Darmtuberkulose und 
Tub. der Unterleibsdrüsen. Magen, der etwas kadaverös verändert ist, zeigt 
keine Stenose am Pylorus, 3—4 cm diesseits dieser Klappe findet sich an der 
kleinen Kurvatur ein rundes Geschwür, von mehr als 10 Pf.-Grösse, mit über¬ 
hängenden Rändern und kleine Knötchen im Grunde, die von der Submukosa gebildet 
werden. Bei mikroskopischer Untersuchung dieses Geschwürs sieht man 

Beiträge zur Klinik der Tuberkuloee. Bd. XXVI. H. 2. 13 


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188 


Lauritz Melchior. 


14 


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ausserhalb desselben gastritische Veränderungen der Schleimhaut. Im Rande 
des Geschwürs sehr beträchtliche Verdickung der Submukosa mit Einlagerung 
von tuberkulösem Granulationsgewebe, das sowohl einwärts, die Muscularis mucosa 
zerstörend, in die Schleimhaut, wie auswärts den von den äusseren Schichten der 
Submukosa gebildeten Boden des Geschwürs bekleidend, dringt. Die Schleimhaut 
setzt sich noch eine beträchtliche Strecke über dieses fort, bevor sie verschwindet, 
und ihre Elemente sind ganz gut erhalten. Im Granulationsgewebe am Rande 
des Geschwürs finden sich kolossale Mengen von Tuberkelbazillen. Die äusseren 
Schichten der Magen wand sind entzüudlich, besonders perivaskulär infiltriert. 

5. Magen von 50jährigem Manne, Bendt B., am 10. Oktober 1910, 
gestorben nach Aufenthalt von 2 Monaten in der Tuberkulosenabteilung. Seit 
17a Jahren krank ohne Symptome seitens des Verdauungstraktus. Bei der 
Sektion (11. Oktober) grosse destruierende und disseminierende Lungentuber¬ 
kulose, ferner Tuberkulose des Kehlkopfes und des Darmes. Miliartuberkeln der 
Nieren, Emphysem der Lungen. Magen etwas ausgedehnt, mit 5 runden, nicht 
tiefen Ulzerationen der Schleimhaut, von der Grösse einer 10 Pf.-Stückes, in der 
Mitte zwischen Kardia und Pylorus, der kleinen Kurvatur entlang. Die ganze 
Pars pylorica stark verdickt, mit bedeutend prominierenden glatten Erhabenheiten, 
überall mit Schleimhautüberzug, ohne Ulzerationen. Durch diese Affektion wird 
eine beträchtliche Stenosierung des Lumens verursacht. Mikroskopische 
Untersuchung von einer Ulzeration zeigt tuberkulöses Granulationsgewebe in 
den tieferen Schichten der Mukosa und der oberflächlichen Teile der Submukosa 
(Tuberkeln, Riesenzellen und Tuberkelbazillen), die Drüsenschichten der Schleim¬ 
haut teils nekrotisch, teils verloren gegangen. In einer geschwollenen Lymph- 
drüse an der kleinen Kurvatur Tuberkeln. Pylorusaffektion: Hyperplasie des 
Drüsengewebes mit Verdickung des Bindegewebes und zerstreute Rundzellen¬ 
infiltrate besonders in der Tiefe, kein tuberkulöses Gewebe. 

6. Magen von 55jährigem Manne, Cbr. H., am 11. April 1911 ge¬ 
storben, nach Aufenthalt von 2 Vs Monaten in der mediz. Abteilung. Nur Lungen¬ 
symptome seit 3 Monaten, keine Zeichen eines Magenleidens, auch nicht früher. 
Bei der Sektion (12. April) grosse destruierende und disseminierende Tuber¬ 
kulose in beiden Lungen, beträchtliche Darmtuberkulose, Tuberkulose von Pleura 
und Peritoneum, ferner ein wallnassgrosses Psammom der Oberfläche der linken 
Hemisphäre des Gehirns. Die Schleimhaut der kleinen Ventrikelkurvatur ent¬ 
hält sehr zahlreiche flache Ulzerationen von der Kardia bis zumPylorus, ohne deutliche 
Infiltration der Ränder von runder oder mehr unregelmässiger Form, Erbsen- bis 
20 Pf.-Stückchen-Grösse; am zahlreichsten in der Nähe vom Pylorus, dessen 
Öffnung von einer nussgrossen, kugeligen Verdickung mit glatter Oberfläche 
etwas stenosiert wird (histologisch: Adenokarzinom). Bei mikroskopi¬ 
scher Untersuchung der Wand einer Ulzeration und deren nächsten Umgebung 
entsprechend, sieht man die Schleimhaut ringsum die Ulzeration beträchtlich 
entzündlich infiltriert mit Anhäufungen von Rundzellen in der Tiefe. Dem Rande 
des Substanzverlustes entsprechend wird Muscularis mucosae vernichtet von 
einem tuberkulösen Granulationsgewebe, das ein wenig in die Tiefe drängt, 
während die Drüsenschicht teils ganz verloren gegangen ist, teils undeutlich mit 
nekrotischen kernlosen Zellen und verwischten Konturen ist. 

Aus dem von den 6 Krankengeschichten Zitierten ergibt sich, 
dass in keinem Falle etwaige Symptome während des Lebens der 



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5] 


Zur Pathologie der Magentuberkulose. 


189 


Kranken die Lokalisation des tuberkulösen Prozesses an der Schleim¬ 
haut des Magens angedeutet hatten. So wird die Erfahrung Simmonds 1 ) 
bestätigt, dass die tuberkulösen Ulzerationen des Magens bei Phthisikern 
latent verlaufen, Ulkussymptome bei Phthisikern aber meistens vom 
Ulcus simplex herrühren. Im Gegensatz hierzu kennt man aber — 
meistens bei „Nicht-Phthisikern“ — eine „chirurgische Ventrikel tuber¬ 
kulöse“, die mit Symptomen einer Pylorusstenose einhergeht; sie ist 
von vielen Autoren (u. a. von Cur schm ann 2 ), Rüge 8 ), Barchasch 4 ), 
Iselin 5 ), Leriche und Mouriquand 6 ), Fuji 7 ), Th. Rovsing 8 ), 
Brade 9 ) beschrieben worden und* hat mit vorliegendem Stoffe nichts 
zu tun. 

Aus meinen Krankengeschichten geht ferner hervor, dass es sich 
in fast allen Fällen um recht akut verlaufende Formen mit Neigung 
zu akuten Zerfallsprozessen in den Lungen und Dissemination in 
diesen, nur in geringem Grade um fibröse Indurationen dreht, so 
dass die Erfahrung Przewoskis 10 ), dass die tuberkulösen Magen- 
ulzerationen besonders bei fibrösen und langsam verlaufenden 
Phthisen Vorkommen, nicht bestätigt wird. Wie andere Verfasser 
habe ich auch gefunden, dass die tuberkulösen Magenulzerationen 
meistens mit ausgebreiteter Dünn- und Dickdarms tuberkulöse 
einhergingen, in einem Falle (Fall 2) fand ich nur Ulzerationen im 
letzten Abschnitte des Darmes; Balle ohne Tuberkulose des Darmes 
habe ich nicht beobachtet, solche sind von einzelnen Autoren 
[ich nenne Litten 11 ), Frerichs 12 ), Kanzow 13 ), Przewoski] 
beschrieben. 

Das Aussehen der Ulzerationen wird meistens mit dem einer 
tuberkulösen Darmulzeration verglichen (mehr oder weniger runde, 
recht tiefe Substanzverluste, mit dicken, hyperämischen, unterminierten 
Rändern), ihre Grösse und Zahl als verschieden, meistens multipel, 

i) 1 c. 

*) Curschmann, Brauers Beiträge 1904. II. 

3 ) Rüge, Braue 18 Beiträge 1905. Iil 

4 ) Barchasch, Brauers Beiträge 1907. VIII. 

ö) Iselin, Revue intern, de la tub. Aug. 1909. 

6) Leriche und Mouriquand, Die chirurg. Formen der Magentub. 
Volkmanns kl. Vortr. 545—546. 1909. 

7) Fuji, Dissert. Göttingen 1909. 

3) Th. Rovsing, Underlivskirurgi. Copenhagen 1910. (17. Vorlesung.) 

9 ) Brade, Zentraibl. f. Tuberkuloseforschung. 1910. IV. S. 671. 
io) Przewoski, Virchows Archiv 1902. Bd. 167. 
n ) Litten, Virchows Archiv 1876. Bd. 6 7 . 

12 ) 1 . c . 

13) Kanzow, Dissert. München 1895. 

18* 


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Lauritz Melchior. 


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190 


[6 


bis 10—20 cm gross, erwähnt, ihr Sitz ist meistens in der Nähe 
des Pylorus. 

Von meinen Fällen waren 2 (Nr. 3 und 4) mit nur einer 
Ulzeration, 4 mit vielen. Die Ulzerationen sassen meistens nahe an 
der kleinen Kurvatur und waren zahlreicher in der Nähe des Pylorus, 
während sie gegen die Kardia abnahmen. Ihr Aussehen war in 2 Fällen 
(die einzelstehenden Ulzerationen von den Fällen 3 und 4) ganz dem 
eines runden tuberkulösen Dünndarmgeschwürs ähnlich: runde, recht 
grosse und tiefe Substanzverluste, mit hyperämischen, geschwollenen 
und unterminierten Rändern und miliaren Tuberkeln im Boden 
(Typus 1); ein ähnliches Bild zeigten auch die multiplen Ulzerationen 
des Falles 1, doch waren die Geschwüre hier von geringerer Grösse 
und etwas mehr unregelmässig gebildet. In den übrigen 3 Fällen 
(Nr. 2, 5 und 6), alle mit multiplen Ulzerationen, bot sich ein etwas 
anderes Bild dar (Typus 2): Die Geschwüre waren mehr oberfläch¬ 
lich, wie abgenagt, ohne Hyperämie und Intumeszenz der Ränder, 
ohne Unterminierung derselben, ohne Miliartuberkeln im Boden (im 
Falle 2 ausserdem einige ulzerierte polypöse Exkreszenzen, wie 
ulzerierte Tuberkeln der Schleimhaut). 

Diesen beiden Typen entsprechend fand ich auch bei der 
mikroskopischen Untersuchung der Geschwüre 2 verschiedene 
Bilder, einmal (cfr. Fig. 1) in den Fällen 1 und 4 (Fall 3 war ganz 
genau von demselben Aussehen wie Fall 4) ein kraterförmiges 
Geschwür, in die Tiefe gehend, der Boden von den tieferen Teilen 
der Submukosa gebildet, mit einer dünnen Schicht von tuberkulösem 
Granulationsgewebe bekleidet, die Ränder wulstig sich emporhebend 
wegen starker Wucherung des Granulationsgewebes, und die Schleim¬ 
haut ganz gut konserviert, eine kleine Strecke über dem Boden des 
Geschwürs reichend (davon das unterminierte Aussehen), bis sie plötz¬ 
lich aufhörte, als wäre sie geplatzt. Zweitens (cfr. Fig. 2) in den 
Fällen 2, 5 und 6 ein flaches, trichterförmiges Geschwür, 
nur wenig in die Tiefe gehend, der Boden von der Schleimhaut selbst 
oder den oberen Schichten der Submukosa gebildet, die Ränder nicht 
scharf abgesetzt, nicht unterminiert oder gewulstet, die Drüsenschicht 
der Schleimhaut unklar, Sitz eines nekrotischen Prozesses an den 
Rändern, um sukzessive gegen die Mitte abgestossen zu werden. Die 
äusseren Schichten der Submukosa sowie die Tunica muscularis 
ganz unbeteiligt (während die Muskelschicht in der ersten Gruppe 
wenigstens im Falle 4 stark entzündlich infiltriert ist). Bei dem 
letztbeschriebenen Typus, dem flachtrichterförmigen Geschwür, findet 
man keine morphologische Ähnlichkeit mit dem gewöhnlichen (runden) 
tuberkulösen Dünndarmgeschwür, vielmehr mit dem mikroskopischen 



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Zur Pathologie der Magen tuberkulöse. 


191 


7] 


Aussehen der grossen ulzerierten tuberkulösen Flächen, die am meisten 
im Colon ascendens Vorkommen. 

Nun die Frage, ob sich dieser Unterschied im 
morphologischen Typus mit einem hifetogenetischen 
Unterschiede deckt. In der Pathogenese der Ventrikelulze- 
rationen hat man besonders 2 Momenten eine ausschlaggebende Be¬ 
deutung zugeschrieben: einmal die chronische Gastritis und 
den davon bedingten Salzsäuremangel, zweitens eine Motilitäts¬ 
störung (man hat wiederholt solche Ulzerationen im Magen mit 
kankröser Neubildung, so z. B. in den Fällen von Simmonds 1 ), 
Barchasch 1 ), Rovsing 1 ) nachgewiesen) und die von der¬ 
selben verursachte Retention. In allen den von mir mikroskopisch 
untersuchten Fällen habe ich eine chronische Gastritis mit mehr 
oder weniger stark hervortretenden Anhäufungen von Rundzellen¬ 
infiltraten in der Tiefe der Schleimhaut gefunden. Ein solcher Pro¬ 
zess ist aber sehr häufig — fast konstant — in dem Magen der 
Phthisiker, gewöhnlich von Achylia gastrica begleitet und kann wegen 
seiner Häufigkeit und der Seltenheit des tuberkulösen Prozesses hier 
nur von untergeordneter Bedeutung in der Pathogenese sein. In 
3 Fällen aber finden wir ausserdem eine Verengerung des Pylorus 
(siehe die Sektionsberichte), nämlich im Falle 2 eine fibröse Stenose, 
im Falle 6 eine karzinomatöse Stenose und im Falle 5 ein kolossal 
entwickelter ötat mamellonn6, allein auf die Regio pylorica beschränkt 
und wegen ihrer bedeutenden Erhabenheiten (die der Schleimhaut¬ 
oberfläche ein Aussehen gleich der Oberfläche eines Gehirns mit Gyri 
und Sulci gab und histologisch das Bild einer sehr ausgesprochenen 
fibrösen und glandulären Schleimhautentzündung darbot) eine sehr 
intensive Verengerung des Rohres verursachend. Also in sämt¬ 
lichen drei Fällen mit Ulzerationen vom zweiten Typus 
(flach-trichterförmig), wo also das Geschwür mehr oberfläch¬ 
lich war, die Drüsenschicht der Schleimhaut relativ 
am stärksten angegriffen, war auch eine Verengerung 
des Pylorus gegenwärtig und damit die Bedingung für eine 
Stagnation der Ingesta und primärer Ansiedelung der Ba¬ 
zillen in der Schleimhaut. In den 3 Fällen mit Ulzera¬ 
tionen vom Typus 1 war keine Stenosierung des Pylo¬ 
rus nachzu weis en; das mikroskopische Aussehen der 
Ulzerationen (das kraterförmige Geschwür, das grössere Ein¬ 
dringen des Prozesses in die Tiefe und relativ bessere Konservierung 
der Schleimhaut, die nicht nekrotisch war, mehr ein Aussehen von 
Geplatztsein darbot) deutete vielmehr darauf hin, dass 

i) 1. c. 


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J 92 


Lauritz Melchior: Zur Pathologie der Magentuberkulose. 


[8 


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der Prozess in diesen Fällen in der Tiefe (Submukosa) 
angefangen war (hämatogen??). Man vergleiche: die runden, in 
den Lymphfollikeln primären Darmgeschwüre (ähnlich dem Typus 1), 
die am häufigsten *im Dünndarm gefunden werden, wo keine Stag¬ 
nation ist — und die grösseren ulzerierten Flächen (dem Typus 2 
ähnlich) mit mehr diffusen und oberflächlichen Prozessen, die man 
lediglich in der Nähe der Valvula Bauhini, besonders im Cökum und 
Colon ascendens findet, wo gerade die Fäzes längere Zeit verweilen. 

Was die Histologie des tuberkulösen Prozesses betrifft, habe 
ich nur wenig hinzuzufiigen. Ich habe konstant ein tuberkulöses 
Granulationsgewebe von gewöhnlichem Typus, mit Riesenzellen und 
Tuberkeln nachweisen können. Im Gegensatz zu mehreren anderen 
Verfassern [u. a. Przewoski 1 ), Curschmann 1 ), Barchasch 1 ), 
Arloing 2 )], die Tuberkelbazillen bei tuberkulösen Magenulzerationen 
vermisst zu haben oder nur ausnahmsweise und dann nur vereinzelt 
gesehen zu haben angeben, habe ich in meinen Präparaten solche 
immer gefunden und meistens in ganz beträchtlicher Menge. In 
einem Falle (Fall 4) wiesen die Präparate kolossale Mengen von 
Tuberkelbazillen auf (Fig. 3): ganze Gesichtsfelder waren davon über¬ 
schwemmt. So grosse Mengen von Bazillen in Schnittpräparaten von 
tuberkulösen Prozessen des Verdauungstraktus zu treffen, ist nach 
meiner Erfahrung immer etwas sehr Seltenes. 

Für die Mikrophotographien, von denen Fig. 1 und 2 bei 
schwacher Vergrösserung, Fig. 3 bei 1200facher Vergrösserung ge¬ 
nommen sind, danke ich meinem Freunde, Herrn Laboratorienvor¬ 
steher Dr. Vilh. Jensen. 

1) 1. c. 

2 ) Arloing, Des ulcörations de l’eatomac. Th. de Lyon 1902. (p. 75.) 



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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose . Bd. XXVI. 


Fig. 2. Magenschleimhaut mit tuberk. Ulcus 
(Typus 2). 


Fig. 1. Magenschleimhaut mit tuberk. Ulcus 
(Typus 1). 


Fig. 3. Tuberkelbazillen in Schnitt präparaten von tuberkulösem Magengeschwür. 


Melchior, Zur Pathologie der Magentuberkulose. 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.-Verlagsbuchhändler, Würzburg. 


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Aus dem ßehringwerk in Marburg. 


Ein reines Tuberkulinpräparat (Tubolytin). 

Von 

Carl Siebert und Paul H. Römer. 


Die Handelspräparate, die wir „Tuberkulin“ nennen, sind, um 
in der Sprache der Industrie zu reden, Rohprodukte. Sie werden 
mit Hilfe verschiedener Methoden bei der Züchtung von Tuberkel¬ 
bazillen gewonnen und enthalten den Giftstoff, unter dem wir das 
Tuberkulin im engeren Sinne verstehen. Daneben aber enthalten 
sie eine Reihe von Stoffen, wie Albumosen, Peptone, Glyzerin, 
Salze, Bestandteile des Muskelfleisches, aus dem die zur Züchtung 
der Tuberkelbazillen benutzte Fleischbrühe hergestellt wurde, und 
noch andere Stoffe, die für die eigentliche Tuberkulinwirkung gleich¬ 
gültig, unter Umständen störend sind. 

Umfangreichen Arbeiten v. Behrings und seiner Mitarbeiter 
verdanken wir die Kenntnis einiger aus Tuberkelbazillen-Kulturen 
isolierter Körper mit spezifischer Tuberkulinwirkung. Es sind dies 
die Tuberkulinsäure (Tuberkulo-Nukleinsäure), die Tuberkulo-Thymin- 
säure, das Tuberkulosamin und das Tuberkulosin. Letzteres wird 
durch v. Behring als der ,,Giftkern“ des Tuberkulosegiftes be¬ 
zeichnet, ohne den ein Gift mit spezifischer Tuberkulinwirkung nicht 
erhalten werden kann. Bei der Herstellung dieser Körper ist eine 
mehr oder weniger eingreifende Behandlung mit chemischen Agentien 
(Essigsäure, Alkohol) oder höheren Temperaturen (auf dem Wasser¬ 
bad, im Autoklaven) erforderlich. Seit einiger Zeit macht sich nun 
das insbesondere durch Praktiker unterstützte Bestreben geltend, die 
in Tuberkelbazillen-Kulturen vorhandene, Tuberkulin genannte, wirk¬ 
same Substanz nicht nur in möglichst reiner, sondern auch in mög¬ 
lichst unveränderter Form zu erhalten. Um dieser Forderung nach¬ 
zukommen, musste das wirksame Prinzip tunlichst befreit von den 
unwirksamen, imspezifischen Bestandteilen gewonnen, aber es mussten 
gleichzeitig Herstellungsarten gewählt werden, bei denen höhere Tem- 


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194 Carl Siebert und Paul H. Römer. [2 

peraturen und Berührungen mit Chemikalien, die den genuinen Cha¬ 
rakter des wirksamen Agens beeinträchtigen könnten, tunliclist ver¬ 
mieden werden. 

Diesen Bestrebungen verdankt das auf R. Kochs Initiative hin 
hergestellte albumosefreie Tuberkulin Höchst seine Entstehung. 
Durch Züchtung auf albumosefreier Bouillon wird der gewöhn¬ 
lich am unangenehmsten empfundene Nachteil der Handelspräparate 
vermieden, nämlich dass sie eine bedeutende Menge unspezifischer 
Albumosen und Peptone enthalten. Das so gewonnene albumosefreie 
Tuberkulin enthält aber natürlich noch Glyzerin und die Salze des 
Nährbodens, die für die eigentliche Tuberkulinwirkung ebenfalls 
nicht in Betracht kommen. Einen anderen Weg zur Gewinnung 
eines ,,reinen“ Tuberkulins hat der Entdecker des Endotin genannten 
Mittels eingeschlagen, indem er aus dem gewöhnlichen Handels¬ 
tuberkulin durch Fällungsmethoden alle diejenigen Substanzen ent¬ 
fernte, die nach seiner Meinung unwesentlich, weil unspezifisch seien. 
Insbesondere hat er sein Augenmerk darauf gerichtet, die die Re¬ 
aktionen erzeugende Wirkung aus dem Präparat zu entfernen. Man 
muss hier allerdings die Frage aufwerfen, wodurch der Beweis ge¬ 
liefert werden soll, dass das Endotin spezifisch wirksam ist; denn 
das Kriterium, das wir in erster Linie zur Entscheidung der Frage 
heranziehen, ob ein Präparat spezifische, vom Tuberkelbazillus ab¬ 
stammende Stoffe enthält, würde beim Endotin versagen: die charak¬ 
teristische Giftwirkung auf tuberkulöse Tiere. Allein etwa aus der 
Tatsache einer günstigen Wirkung des Endotins und anderer Tuber¬ 
kulinpräparate in der menschlichen Therapie auf den Gehalt an spe¬ 
zifischen Stoffen zu schliessen, erscheint uns ganz unmöglich bei 
der ausserordentlichen Diskussionsfähigkeit entsprechender klinischer 
Beobachtungen, zum mindesten verlassen wir damit den Boden einer 
wirklich exakten wissenschaftlichen Prüfung. 

Unser Bestreben war es daher, die wirksame Substanz tunlichst 
befreit von den unspezifischen Bestandteilen des Nährbodens zu ge¬ 
winnen, aber in so genügender Konzentration, dass ihre exakte 
Prüfung im Tierversuch möglich ist. Dass wir in diesem Bestreben 
ziemlich weit gekommen sind, werden die gleich mitzuteilenden bio¬ 
logischen und chemischen Untersuchungen lehren. Zur Herstellung 
unseres Präparats, dem wir den Namen Tubolytin beigelegt haben, 
werden Tuberkelbazillen durch Auswaschen mit Wasser von der an¬ 
haftenden Nährbouillon befreit und danach in geeigneter Weise ex¬ 
trahiert. Der durch Filtrieren durch Porzellanfilter von Tuberkel- 
bazdllen befreite Auszug bildet eine wasserklare, dünne Flüssigkeit, 
der zu Konservierungszwecken 0,4 o/o Phenol zugesetzt werden. Wir 



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3] 


Ein reines Tuberkulinpr&parat (Tubolytin). 


195 


haben bei der Herstellung des Tubolytins alle Temperaturen ver¬ 
mieden, die über 40° hinausgehen, dabei von der rein rationellen 
Überlegung geleitet, dass in dem Präparat eventuell thermolabile, 
therapeutisch bedeutsame Stoffe enthalten sein könnten. Es ist uns 
natürlich bekannt, dass schon andere Autoren — wir erinnern an 
die Bestrebungen Landmanns — versucht haben, aus Tuberkel¬ 
bazillen durch Extraktion bei niedriger Temperatur therapeutisch 
wirksame Präparate herzustellen. Dabei wurde aber nicht auf den¬ 
jenigen Punkt geachtet, der bei der Herstellung unseres Präparates 
uns das Wesentlichste war.: Gewinnung von auffallend reinen Prä¬ 
paraten mit exakt an tuberkulösen Meerschweinchen bestimmbarem 
Giftgehalt. 

1. Prüfung im Tierversuch. 

Das Gift, das wir gewöhnlich Tuberkulin nennen, kann nur mit 
einer gewissen Einschränkung ein Gift genannt werden; denn wir 
wissen aus den Untersuchungen insbesondere Hamburgers, dass 
das Tuberkulin für den (gesunden Menschen — wir können das gleiche 
auch für das gesunde Rind behaupten — eine völlig unwirksame 
Substanz ist. Giftig ist Tuberkulin ausschliesslich für tuberkulose¬ 
infizierte Individuen*). Bei unserer bisherigen Unkenntnis über die 
wahre Natur des Tuberkulingiftes müssen wir also eigentlich dem 
Tuberkulin die doppelte Charakterisierung geben, dass es für ge¬ 
sunde, d. h. nicht tuberkuloseinfizierte Individuen ungiftig ist, für 
tuberkuloseinfizierte Individuen dagegen die bekannte, unter ge¬ 
eigneten Bedingungen tödliche Giftwirkung entfaltet. Im Grunde 
vermögen wir nur durch den Nachweis dieser beiden Eigenschaften 
die Existenz von „Tuberkulin“ in irgend einem Präparat zu erweisen. 

Wenn unser Präparat daher darauf Anspruch macht, Tuber¬ 
kulin zu enthalten, müssen wir den gleichen Nachweis führen können. 
Das gelingt in der Tat auf doppelte Weise im Meerschweinchenver¬ 
such, indem für gesunde Meerschweinchen das Tubolytin sowohl 
bei subkutaner wie intrakutaner Anwendung gänzlich ungiftig ist, 
während es bei tuberkulösen Meerschweinchen subkutan eingespritzt 
zum Tode unter dem bekannten Bilde der Tuberkulinvergiftung führt 
und bei intrakutaner Anwendung die Zuerst von Römer beim Meer¬ 
schweinchen beschriebene lokale Reaktion zeigt. Hierfür zunächst 
einige Beispiele: 

*) Auch in den neuerdings mitgeteilten Versuchen G e i p e 1 s vermögen 
wir entgegen der Behauptung des Verfassers keinen Beweis dafür zu er¬ 
blicken, dass konzentrierte Tuberkulinpräparate auf nicht tuberkuloseinfizierte 
Individuen eine spezifische Giftwirkung ausüben. 


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196 


Carl Siebert and Paul H. Römer. 


[4 


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Gesundes Meerschweinchen Nr. 10029 340 g erhält am 23. III. 1912 sub¬ 
kutan 3 ccm des Tubolytins: Keine erkennbaren Folgeerscheinungen, keine be¬ 
merkenswerten Temperaturerhöhungen, keine lokale Schwellung, kein Gewichts¬ 
verlust. 

Meerschweinchen Nr. 10028/350 g, infiziert am 15. I. 1912 mit 1 mg 
Rinder-Tb., wird am 23. 111. 1912 subkutan eingespritzt mit 0,6 ccm Tubolytin. 
Tod nach 12 Stunden. Sektionsbefund: Sulziges ödem an der Einspritzungs¬ 
stelle, stark bräunlichrote Verfärbung des unter der Haut gelegenen käsigen 
Infektionsknotens, starke Rötung der benachbarten verkästen Drüsen, fleckige 
Rötung in der normal erscheinenden Leber, dunkelbraunrote Verfärbung der 
stark tuberkulösen Milz, in den Lungen massig reichliche graue Herde ohne 
deutliche Herdreaktion. 

Gesundes Meerschweinchen Nr. 10030/340 g erhält am 11. III. 1912 
intrakutan in je 0,1 ccm Flüssigkeit 0,02 ccm Tubolytin links und 0,1 ccm 
Tubolytin rechts. — Keinerlei Reaktion erkennbar. 

Meerschweinchen Nr. 10025/320 g, infiziert am 28. I. 1912 mit Viooo mg 
Menschen-Tb., erhält am 11. III. 1912 in je 0,1 ccm Flüssigkeit vom Tubolytin 
0,04 ccm links; nach 48 Stunden deutlich gerötete Quaddel, 

0,02 ccm rechts vorn; 50 Pfg.-Stck. grosse Quaddel, 

0,1 ccm rechts hinten; markstückgrosse Quaddel mit zentralem Blut¬ 
erguss und später nachfolgender Nekrose. 

Das Präparat enthält somit zweifellos echtes Tuberkulin. 

Weiterhin versuchten wir nun quantitativ den Gehalt an 
Gift festzustellen, und zwar sowohl nach der zur Einstellung des 
offiziellen Tuberkulins benutzten subkutanen Methode als auch 
nach der von Römer empfohlenen intrakutanen Methode. 
Letztere bietet den Vorteil, dass man mehrere Prüfungen an 
einem Tier ausführen, dass man durch geeignete Dosierung die 
Prüfung ohne Tierverlust vornehmen und vor allem, dass man 
an ein und demselben Tier mehrere Präparate zu gleicher Zeit 
prüfen kann, dass man also unter wirklich exakt vergleichbaren 
Bedingungen zwei Präparate prüft. Die amtliche Prüfungsvorschrift 
für das Tuberkulin macht die Entscheidung über den Giftgehalt 
des Tuberkulins nur vom Eintritt des Todes der Versuchsmeer- 
schweinchen abhängig. Daher versuchten wir in grösseren Versuchs¬ 
reihen die tödliche Minimaldosis von Tuberkulin einerseits und 
unserem Präparat andererseits für genau gleiehmässig infizierte 
Tiere am gleichen Tage festzustellen. 

Bei den zahlreichen vergleichenden Prüfungen, die wir vorge¬ 
nommen haben, mussten wir wiederholt konstatieren, dass selbst 
bei genau gleichen Versuchsbedingungen in grösseren Prüfungs¬ 
reihen Unregelmässigkeiten auf treten, indem Tiere mit grösseren 
Tuberkulindosen gelegentlich mit dem Leben davon kommen und 
solche mit kleineren Dosen zugrunde gehen. Von unseren Prüfungen 



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5] 


Ein reines Tuberkulmpräparat (Tubolytin). 


197 


sei nur folgende, die uns ganz eindeutige Zahlen gegeben hat, hier 
wiedergegeben. 

Als Versuchstiere standen uns 30 Meerschweinchen zur Ver¬ 
fügung, die am 25. Juli 1912 mit je 1 / 10 mg und am 17. August 
1912 mit je 1 mg Rindertuberkelbazillen infiziert worden waren. 
Die zweite Infektion erfolgte, weil die Tiere nach der ersten Infek¬ 
tion nicht in genügendem Grade tuberkulinüberempfindlich ge¬ 
worden waren. Gleichzeitig mit der zweiten Infektion hatten wir 
10 frische Meerschweinchen ebenfalls mit je 1 mg derselben Rinder- 
tuberkelbazillen-Kultur infiziert. 

Nachdem die am 17. August infizierten 10 frischen Tiere bis 
zum 6. Oktober sämtlich an Tuberkulose zugrunde gegangen waren, 
nahmen wir die in nachstehender Tabelle wiedergegebene Tuberkulin¬ 
prüfung vor. 


Tabelle 1. 


Staatlich geprüftes Tuberkulin 1 ) 


M.-Nr. u. 
Gewicht 

Gift¬ 

dosis 

Geprüft 

auf 

j Ergebnis 

1028/495 

0,5 

1000+Mtb.») 

+n. 8 Stund. 

1006/435 

0.4 

1090+Mtb. 

+n. 7 Stund. 

1021/425 

0,85 

1210+Mtb. 

30 g Gew.- 
Verl. +1,6° 

1008/395 

0,3 

1310+Mtb. 

10 g Gew.- 
Verl. +1,9° 

1015/895 

! 

0,2 

1970+Mtb. 

10 g Gew.- 
Verl. +2,6° 

1001/375 

0,15 

2500+Mtb. 

25 g Gew.- 
Verl. +2,6° 

1002/355 

0,1 

1 

1 

3550+Mtb. 

i 

20 g Gew.- 
Verl. +2,2° 


Tubolytin 


M.-Nr. u. 
Gewicht 

Gift¬ 

dosis 

Geprüft 

auf 

Ergebnis 

994/440 

3,0 

* 

145+Mtb. 

+n. 6 Stund. 

1027/470 

2,5 

190+Mtb. 

+n.5V« Stund. 

1029/425 

2,0 

210+Mtb. 

+n. 8 Stund. 

999/430 

2,0 

215+Mtb. 

+n.57« Stund. 

1010/390 

1,75 

220 +Mtb. 

25 g Gew.- 
Verl. +1,9° 

995/440 

1,75 

250+Mtb. 

20 g Gew.- 
Verl. +2,3° 

1018/395 

1 *’ 5 i 

260+Mtb. 

30 g Gew.- 
Verl. +2,4° 

1016/380 

1,25 

300+Mtb. 

15 g Gew.- 
Verl. +2° 

1007/390 

1,0 

390+M‘b. 

15 g Gew.- 
Verl. +2,3° 

993345 

! 0,75 

460+Mtb. 

5 g Gew.- 
Verl. +2,3° 


*) Wie sehr die zum Tuberkulin-Tod notwendige Tuberkulinmenge ab¬ 
hängig ist vom Grade der Tuberkulose der Versuchstiere, konnten wir fest¬ 
stellen, als die übrig gebliebenen Tiere dieser Serie Anfang Dezember zur 
Einstellung von offizinellem Tuberkulin verwendet wurden. Die Tuberkulin- 
Empfindlichkeit der Tiere war in den 2 Monaten so gestiegen, dass nun schon 
0,075 g Tuberkulin den Tod derselben herbei führten. 

*) 1 -f- M tb - = tödliche Minimaldosis für 1 g eines tuberkulösen Meer¬ 
schweinchens. 


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198 


Carl Siebert and Paal H. Römer. 


[6 


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Aus vorstehender Tabelle geht hervor, dass bei dem Empfind¬ 
lichkeitsgrad der zum Versuch benutzten Meerschweinchen das 
staatlich geprüfte Tuberkulin rund 1000 -{- Mt*>., unser Tubolytin rund 
200 -f- M tb - enthält. 

Dieses Ergebnis stimmt nicht mit dem mit Hilfe der Intrakutan- 
methode erhaltenen überein, da sich bei dieser Prüfungsart Tubo¬ 
lytin dem Tuberkulin meist fast gleichwertig erwies. Zur näheren 
Klarstellung dieser Frage prüften wir dieselbe Op.-Nr. von Tubo¬ 
lytin, die wir zur subkutanen Prüfung benutzt hatten, an Meer¬ 
schweinchen der gleichen Serie wie in der vorhergehenden Tabelle 
intrakutan. 

Tabelle 2. 




| i 

jM. 944/600 g M. 961/605 g 

l ! 

M. 959/535 g 

Nicht 

tuberku¬ 

löses 

Contr. M. 
A - 

Nicht 

tuberku¬ 

löses 

Contr. M. 
B. 

Staatlich 

0,02 

! ! 

l +++ -F++ 

1 +++ 

0 

0 

geprüftes 

Tuber- 

0,005 

l ++ ; + 

+ 


0 

kulin 

0,00125 

+ ' + 

i ! 

+ 




0,1 

+++ i i 


0 

0 


0,05 

i +++ ! 


0 



0,025 

+++ I 


1 

0 


0.02 ! 

i 1 

+++ 

0 


Tubolytin 

0,0125 

1 ++ 



; 


0,00625 

++ ! 

i 

1 



0,005 

jr '$■ . :J 

++ 

i 

i 

i 


0,003125 

! + 


• 

' 


! 0,00125 

i i 

f ?■ " r 

+ 

i 

‘ 


Hiernach hat Tubolytin etwa denselben Giftwert wie Tuberkulin. 

Erwägen wir nun, dass bei der subkutanen Prüfung fünfmal 
soviel Tubolytin als Tuberkulin nötig ist, um dein Tod eines tuber¬ 
kulösen Meerschweinchens herbeizuführen, so liegt die Vermutung 
nahe, dass der Tod nach subkutaner Einspritzung von Tuberkulin 
zum Teil durch andersartige Giftstoffe verursacht wird als die Haut¬ 
reaktion nach intrakutaner Einspritzung 1 ). 


In der folgenden Tabelle haben wir den durch subkutane Prü¬ 
fung festgestellten Prüfungswert von Alttuberkulin, von albumose- 

*) Anmerkung bei der Korrektur. Mit dieser Ansicht würden die 
neuerdings von D e y c k e und M uc h entwickelten Anschauungen zum Teil 
sich decken. 



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7] 


Ein reine9 Tuberkulinpräparat (Tubolytin). 


199 


freiem Tuberkulin Höchst und von Tubolytin — berechnet auf den 
Gehalt an Verdampfungsrückstand, Asche und Stickstoff — ver¬ 
gleichend zusammeugestellt. 


Tabelle 3. 


Bezeichnung der 
Präparate 

In 100 ccm sind vorhanden : 

Rückstand ^ = b 

nach Lin- *,*-a £ 

dampfen und j« „ * jj 

6 8tünd. Tr. glS' -J 

bei 105° cä t» 

Gehalt an + Mtb. (eingestellt an den in Tabelle 1 
aufgeführten Meerschweinchen) berechnet auf: 

| 1 1 g Rück- j g Asche 1 g Stickstoff 

« ;5) s ‘ anl ' vg • (vgl. Spalte cV(vgl. Spalte d) 

i- spalte b) t 

O 

a 

b 

c 

d 

e 

f 

g 

h 

Staatl.geprüftes ^ 

8 

36,6 

ß 

3,4 

S 

1090+Mt'> 

3000-fMtb. 

32000+Mtb. 

_ 

Tuberkulin 2 

38,5 

2,6 

1,06 

1090+M tb 

2850+ Mtb. 

42000+Mtb. 

103 000+Mtb. 

verschiedener 3 

50,5 

5,2 

1,7 

1090+lfM». 

2180-f Mtb. 

21000+Mtb. 

64 000+Mtb. 

Herkunft ^ 

51,0 


1,15 

|1090+M‘b. 

2140+Mtb. 

— 

95000+Mtb. 

Albumosefroies 
Tuberkulin, 5 

20,2 

2,5 

0,30 

1090+Mtt 

5450-f Mtb. 

43600+Mtb. 

363 300+Mtb. 

staatl. geprüft 
Tubolytin Op. 32 ß 

1 0,42 

0,094 

0,03 

210+M‘b. 

50000+Mtb 

223 400+Mtb 

700000+Mtb. 


Die tödliche Dosis für ein tuberkulöses Meerschweinchen von 
250 g entspricht also: 


Tabelle 4. 



Eindampf¬ 
rückstand 
in cg 

Asche 
in cg 

Stickstoff 
in cg 

Bei Tubolytin. 

0,5 

0,11 

0,036 

Bei staatlich geprüftem Tuberkulin 
durchschnittlich . 

10,1 

0,85 

0,3 

Bei albumosefreiem Tuberkulin . . . 

i 

1 

4.6 

0,57 

0,06 


2. Chemische Prüfung. 

Tubolytin enthält 0,4—0,5 o/o Trockensubstanz und durchschnitt¬ 
lich 0,03 o/o Stickstoff, auf 100 Teile Trockensubstanz kommen dem¬ 
nach ca. 6 bis 7 Teile Stickstoff. Die Biuretreaktion, Xanthoprotein¬ 
reaktion, die M i 11 o n sehe Reaktion, die Diazoreaktion, die Reaktion 
von Mo 1 isch und die von Adamkiewicz-Hopkins sind 


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200 


Carl Siebert und Paul H. Römer. 


[8 


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positiv x ). Mit Kalilauge und einem Bleisalz gekocht tritt keine 
Braun- oder Schwarzfärbung ein; dagegen lässt sich organisch ge- 
* bundener Schwefel in folgender .Weise nachweisen: 

Nachdem die Flüssigkeit durch Bariuninitrat von Schwefelsäuren Salzen 
befroit ist, wird sie auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht. Der Trocken- 
Rückstand wird dann mit Soda und Salpeter bis zur Verbrennung des Kohlen¬ 
stoffes geglüht, der Glührückstand in Wasser gelöst und die filtrierte Lösung 
nach Ansäuren mit Salpetersäure mit Bariuninitrat geprüft. Es entsteht ein 
Niederschlag von schwefelsaurem Barium. 

Durch Lösungen von Schwermetallen entstehen im 'fubolytin 
Niederschläge, ebenso auf Zusatz von Phosphorwolframsäure, Phos¬ 
phormolybdänsäure und Pikrinsäure. Ammoniummolybdat gibt, dem 
Tubolvtin direkt zugesetzt, nur eine sehr schwache Reaktion, da¬ 
gegen ruft es nach dem Aufschlüssen des Trockenrückstands 
mit Soda und Salpeter einen starken Niederschlag hervor. Beim 
Kochen des Tubolytins entsteht nur eine geringe Trübung, erst nach 
schwachem Ansäuern mit Essigsäure ein Niederschlag. Essigsäure 
veranlasst auch ohne Erwärmen einen Niederschlag, der im Über¬ 
schuss nicht löslich, in verdünnter Natronlauge löslich ist ; das Vor¬ 
handensein von Phosphor in diesem Niederschlag wurde nach dem 
Schmelzen desselben mit Soda und Salpeter durch Ammoniummolybdat 
nachgewiesen. Schüttelt man Tubolytm mit Äther aus und erhitzt 
den nach dem Verdunsten des Äthers bleibenden Rückstand mit einer 
Säure, so lässt sich in demselben durch Ammoniummolybdat Phos¬ 
phorsäure nachweisen. Ferrozyankalium gibt keinen Niederschlag; 
der Zusatz von Ferrozyankalium zu Tubolytin verhindert die Fällung 
durch Essigsäure. F e h 1 i n gsehe Lösung wird durch Tubolytin 
nicht reduziert, kocht, man aber Tubolytin mit Salzsäure und prüft 
dann mit Fehling, so tritt starke Reduktion ein. In dem durch 
Essigsäure im Tubolytin erzeugten Niederschlag ist keine reduzierend 
wirkende Substanz vorhanden; wohl aber im Filtrat von diesem 
Niederschlag. 

Der aus 100 ccm Tubolytin durch Zusatz von 1 ccm 10°/oigei 
Essigsäure erhaltene Niederschlag wog nach dem Trocknen bei 105° 
0,023 g und enthielt 0,003 g Stickstoff; auf 100 Teile getrockneten 
Niederschlag kommen also 13 Teile Stickstoff. Das Filtrat der Essig¬ 
säurefällung gab, auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht und bei 
105° getrocknet, 0.4 o/o Trockennick stand und enthielt 0,0214 °/o Stick¬ 
stoff. In diesem Trockenrückstand waren also 5,3o/o Stickstoff vor¬ 
handen. 

J ) Zu diesen und d<*n füllenden Reaktionen wurde Tubolytin ohne Phenol- 
zusatz benutzt. 



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9] 


Ein reines Tuberkulinprftparat (Tubolytin). 


201 


Zusammenfassend ist über die Ergebnisse der chemischen Unter¬ 
suchung folgendes zu sagen: 

Tubolytin gibt die für Eivveisskörper charakteristischen Re¬ 
aktionen. 

Ein Teil der Eiweisskörper ist in koagulierbarer Form vor¬ 
handen. 

Der durch Essigsäure ohne Erwärmen entstehende phosphor¬ 
haltige Niederschlag lässt auf die Gegenwart eines Nukleoproteids, 
die im Ätherauszug vorhandene Phosphorsäure auf das Vorhanden¬ 
sein eines Phosphatids schliessen. 

Ob der im Tubolytin vorhandene reduzierende Körper als Be¬ 
standteil des Nukleoproteids zu betrachten ist, oder ob derselbe in 
Verbindung mit dem Phosphatid einen dem Protagon nahestehenden 
Körper bildet, muss weiteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben. 

3. Serologische Untersuchungen. 

Die durch die chemische Untersuchung festgestellte grosse Rein¬ 
heit unseres Präparates kommt auch in Komplementbindungsver¬ 
suchen zum Ausdruck. In der Komplementbindungsmethode haben 
wir noch ein weiteres Mittel zur Entscheidung der Frage, ob ein 
Präparat spezifische Stoffe enthält. Bei unseren entsprechenden Ver¬ 
suchen, die wir stets vergleichend mit Koch scliem Tuberkulin aus¬ 
führten, zeigte sich, entsprechend unserer Vermutung, dass das Tubo¬ 
lytin gar keine Eigenhemmung gegenüber dem üblichen hämolyti¬ 
schen System besitzt. Diese Eigenschaft, ein Beweis für seine Rein¬ 
heit, macht es für Komplementbindungsversuche besonders wertvoll. 
Man kann unbedenklich bis zu Dosen von 2 ccm gehen, ohne Eigen¬ 
hemmung zu befürchten, während wir bei Tuberkulin noch durch 
0,06 ccm etwas Eigenhemmung fanden. Das für die vergleichenden 
Versuche benutzte Tuberkuloseimmunserum, stammend vom Pferde, 
zeigte noch eine Spur Eigenhemmung in der Dosis von 0,05 ccm, 
als Testdosis verwandten wir daher 0,02 ccm. 

In der ersten der nachfolgenden Tabellen prüften wir fallende 
Dosen Antigen mit der zulässigen Höchstdosis des Immunserums 
(0,02 ccm). Der Versuch wurde in der üblichen Weise angestellt: 
Antigen 'und Immunserum ‘wurden gemischt, dann die doppelt lösende 
Komplementdosis hinzugefügt und das Gemisch 1 Stunde bei 37° 
gehalten, dann der Ambozeptor in der doppelt lösenden Dosis Und 
1 ccm 5o/o Schafblutkörperchen zugesetzt, Kontrollen USW. wie 
üblich. 


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202 


Carl Siebert und Paul H. Römer. 


[10 


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Tubolytin 0,2 ccm 

+ 

Immunserum 0,02 

(jcm 

= 

keine Hämolyse 

„ . 0,1 

»* 

+ 

i» 

0,02 

i» 

= 

ft 

tt 

„ 0,05 


+ 

»» 

0,02 


= 

>» 

t> 

„ 0,025 

>» 

+ 

»» 

0,02 

»» 

— 

t» 

tt 

„ 0,0125 

>> 

+ 

>» 

0,02 

»» 

= 

Spur Hämolyse 

„ 0,006 

>* 

+ 

>* 

0,02 

»» 

= 

»t 

tt 

Tuberkulin 0,02 

j i 

+ 

i» 

0,02 

»» 

= 

keine Hämolyse 

„ 0,01 

ji 

+ 

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0,02 

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= 

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tt 

„ 0,0025 

♦> 

+ 

ft 

0,02 

»> 

— 

Spur Hämolyse 

„ 0,00125 

»> 

+ 

If 

0,02 

»# 

= 

tt 

tt 


Mit der zulässigen Höchstdosis des Serums hemmt vollständig 
das Tubolytin bis zur Dosis von 0,025, das Tuberkulin bis zur 
Dosis von 0,005. Auf Grund dieses Versuches würde somit Tuber¬ 
kulin Ungefähr fünfmal mehr spezifische Substanz enthalten als Tubo¬ 
lytin. Das Tubolytin hat aber den Vorzug, dass man es in viel 
grösseren Dosen anwenden kann, weil es keine Eigenhemmung be¬ 
sitzt. Infolgedessen muss man imstande sein mit dem Tubolytin 
kleinere Mengen Tuberkuloseantikörper nachzuweisen als mit dem 
Tuberkulin. Diese Voraussetzung bestätigt in der Tat der nach¬ 
folgende Versuch. 


Tubolytin 

1 ccm 

+ 

Immunaerum 0,02 ccm 

= 

keine Hämolyse 

„ 

1 

+ 

tt 

0,01 

tt 

= 

t? tt 

,, 

1 „ 

+ 

tt 

0,005 

tt 

= 

tt tt 

»t 

1 „ 

+ 

tt 

0,0025 

tt 

= 

tt tt 

„ 

1 

+ 

tt 

0,00125 

t» 

= 

Spur „ 

»» 

1 „ 

+ 

t» 

0,0006 

»t 

= 

mässige Hämolyse 

Tuberkulin 0,02 „ 

+ 

tt 

0,02 

tt 

= 

keine „ 

„ 

0,02 „ 

+ 

tt 

0,01 

tt 

== 

tt ft 

!) 

0,02 „ 

+ 

tt 

0,005 

tt 

= 

Spur 

ff 

0,02 „ 

+ 

11 

0,0025 

tt 

= 

wenig „ 

»> 

0,02 „ 

+ 

tt 

0,00125 

tt 

= 

mässig 

Tt 

0,02 „ 

+ 

tt 

0,0006 

tt 

= 

tt tt 


Das Präparat hemmt also noch mit 0,0025 ccm Serum, Tuber¬ 
kulin bis zur Dosis 0,01 ccm Serum. Das gleiche lehrt noch ein 
weiterer Komplementbindungsversuch, ausgeführt mit einem anderen 
Immunserum und einem anderen Präparat. 


Tubolytin 

1 

ccm 

-f- Immunserum 0,02 

ccm = keine Hämolyse 


1 

tt 

+ »* 

0,01 

*t === tt ?T 


1 

tt 

+ tt 

0,0075 

ff ‘ tt ft 


1 

f* 

+ 

0,005 

ff ff tt 


1 

tt 

tt 

0.0025 

„ = Spur „ 


1 


+ tt 

0,001 

= mässige „ 


1 

tt 

+ ’t 

0,00075 

tt tt tt 


1 

t» 

“T tt 

0,0005 

tt = tt tt 



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111 


Ein reines Tuberkulinpräparat (Tubolytin). 


203 


Tuberkulin 0,02 cm -f- 

Immunserum 0,02 

cm •=» keine Hämolyse 

„ 0,02 „ 

+ 


0,01 

„ = Spur 

„ 0,02 „ 

+ 

t» 

0,0075 

,, = wenig ,, 

,, 0,02 „ 

+ 

1 ? 

0,005 

„ = mässige „ 

„ 0,02 „ 

+ 

n 

0,0025 

>» >> »» 

0,02 „ 

+ 


0,001 

„ = vollständige Hämolyse. 


Es vermag also das Tubolytin noch 0,005 ccm Immunserum 
nachzuweisen, das Tuberkulin dagegen nur 0,02. 

Unser Präparat, das somit für die Technik der Komplement¬ 
bindung sich ausserordentlich geeignet erweist, erhält durch diese 
biologischen Untersuchungen einen neuen Beleg für seine Reinheit, 
d. h. für sein tunlichstes Befreitsein von unspezifischen Substanzen. 

In dieser Reinheit unseres Tubolytins sehen wir neben seinem 
deutlichen und beträchtlichen Gehalt an spezifisch wirksamer Sub¬ 
stanz, mag sie nun durch den Komplementbindungsversuch oder 
mag sie durch den Veigiftungsversuch tuberkulöser Meerschwein¬ 
chen nachgewiesen werden, die wichtigsten Vorzüge gegenüber dem 
üblichen Handelstuberkulin. 

Es läge nahe — und die Tuberkuloseliteratur bringt dafür genug 
Beispiele — an diese Nachweise Behauptungen von einer starken 
immunisierenden Leistungsfähigkeit unseres Präparates zu knüpfen. 
Genügt doch für manche Präparate schon die alleinige Tatsache, 
dass sie ohne starke Erhitzung gewonnen sind, zur Behauptung, 
dass sie deshalb auch stärker immunisieren müssten, obwohl eine 
derartige Überlegung, so rationell sie auch sein mag, doch nicht 
mehr als eine solche ist, wenn sie nicht zuverlässig experimentell 
gestützt ist. Versuche darüber, ob unser Präparat im therapeutischen 
Versuch mehr leistet als andere Tuberkulinpräparate, haben wir in 
Gang gebracht und werden darüber berichten, wenn sie zu einem 
positiven Ergebnis führen. Was wir vor der Hand auch auf Grund 
von Erfahrungen, die schon am Menschen mit dem Präparat ge¬ 
wonnen sind 1 ), nur behaupten können und wollen, ist, dass es dank 
seiner Reinheit, dank seines Freiseins von gleichgültigen, störenden 
Nebenstoffen bei der Behandlung auch von tuberkulösen Individuen 
gut vertragen wird. 

Schlusssätze. 

Tubolytin ist eine aus Tuberkelbazillenkulturen ohne Anwen¬ 
dung höherer Temperaturen und unter Vermeidung angreifender 
Chemikalien hergestellte Flüssigkeit, deren Tuberkulinwert bei der 

*) Von Patienten, die Alttubcrkulin schlecht vertragen konnten, wurde 
Tubolytin gut vertragen. 

Beitrllgo zur Klinik der Tuberkulose, Hd. XXVI. H. 2. 14 


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204 Carl Siebert u. Paul H. Römer: Ein reines Taberkulinpräparat (Tubolytin). 112 

subkutanen Prüfung der Meerschweinchen einem Fünftel 
des W ertes des Alttuberkulins entspricht, bei der Intrakutan- 
Prüfung der gleichen Tiere diesem annähernd gleich kommt, 
während der Verdampfungsrückstand des Tubolytins durchschnitt¬ 
lich 100 mal, der Aschegehalt durchschnittlich 39 mal, der Stick¬ 
stof fgehalt durchschnittlich 43 mal niedriger ist als beim Alt¬ 
tuberkulin. 

In dem Tubolytin sind die in Tuberkelbazillenkulturen vor¬ 
handenen unspezifischen Substanzen tunlichst vermieden und es ist 
deshalb Tubolytin als guter Ersatz für Tuberkulin zur therapeutischen 
Verwendung und zu Komplementbindungsversuchen zu empfehlen. 



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Aus dem pathologischen Institut des Herzoglichen Krankenhauses 

in Braunschweig. 


Anomalien des ersten Rippenringes und 
Lungentuberkulose 

mit besonderer Berücksichtigung der Hart sehen Lehre 
von der mechanischen Disposition der Lungen zur tuber¬ 
kulösen Phthise. 

Von 

Privatdozent Dr. W. H. Schultze, Prosektor. 

Mit 1 Figur im Text und 1 Tafel. 

7 Jahre sind vergangen, seit Harts Werk über die mechanische 
Disposition der Lungen zur tuberkulösen Phthise erschien, in dem 
er ausgehend von den Untersuchungen Freunds auf Grund sehr 
Heissiger eingehender Beobachtungen eine Anomalie im Bereiche der 
oberen Thoraxapertur als einen sehr wichtigen, eigentlich ausschlag¬ 
gebenden disponierenden Faktor für die Entstehung der Lungenphthise 
bezeichnete. Von dieser, nach Hart angeborenen Anomalie, die 
unten noch näher gekennzeichnet wird, hängt nach ihm nicht nur 
die Entstehung und Ansiedelung der Tuberkulose ab, nicht nur der 
Ausgang der Lungenphthise, sondern auch die ganze Konfiguration 
des Thorax, dessen Gestalt von der Beschaffenheit der oberen Apertur 
im weiten Umfange abhängig ist. Diese, man kann wohl sagen, 
Freund-Hart sehe Lehre von der Entstehung der Lungenphthise 
hat auffalligerweise bisher keine ausführliche systematische Nach¬ 
prüfung erfahren, obwohl eine Reihe von Forschern derselben teilweise 
sehr skeptisch gegenüber stehen (Römer, Pott enger, Sticker). 
Es ist dies wohl dadurch erklärlich, dass Harts Untersuchungen 
auf einer sehr breiten Basis aufgebaut sind, ein ausserordentlich 
grosses Beobachtungsmaterial betreffen, sein Werk von einer gründ¬ 
lichen und kritischen Literaturkenntnis Zeugnis ablegt. Es würde 

14* 


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206 


W. H. Schultze. 


[2 


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also grosser Mühe bedürfen, dem Hart sehen Material ein gleich 
grosses entgegenzusetzen, eine Mühe und Arbeit, der ein viel beschäf¬ 
tigter pathologischer Anatom nicht so leicht viel Zeit widmen kann. 
Wohl jeder Pathologe, der die Hart sehe Arbeit studiert hat, wird 
wie ich Stichproben ausgeführt haben, hat bei tuberkulöser Phthise 
eine oder die andere Apertur in toto aus der Leiche entfernt. Ich 
schliesse dies aus einigen Berichten über Demonstrationen in ärzt¬ 
lichen Vereinen, in denen auf die Hart sehe Arbeit hingewiesen wurde. 
Ich selbst habe sehr bald nach Erscheinen der Hartschen Arbeit 
derartige Stichproben vorgenommen und war überrascht, die Hart¬ 
schen Befunde nicht in allen Punkten bestätigt zu finden. Dies 
veranlasste mich, mich genauer mit der Hartschen Lehre zu befassen. 
Einen grossen Teil der Arbeit hat mir Herr Kollege Sumita ab¬ 
genommen, der einige der von mir aufgeworfenen Fragen in eingehen¬ 
den histologischen Untersuchungen im Einverständnis mit meinem 
hochverehrten früheren Chef, Herrn Geheimrat E. Kaufmann in 
Göttingen, im dortigen pathologischen Institut prüfte. 

Während Sumita die histologische Seite der Frage in erster 
Linie studierte, habe ich selbst genaue Messungen an 100 oberen 
Thoraxaperturen vorgenommen, und in mehr als 150 Fällen makro¬ 
skopisch den ersten Rippenknorpel untersucht. Ausser diesen zahlen- 
niässig niedergelegten Beobachtungen verfüge ich noch über eine Reihe 
von Notizen, die weniger den ersten Rippenring als die anderen 
Rippen betreffen und für das Verständnis vieler Punkte meiner 
Meinung nach von Wichtigkeit sind. Wenn sich danach mein Material 
mit den 400 Fällen von Hart nicht messen kann, so wird es doch 
nicht ganz ohne Wert sein, zumal die Untersuchungen und Messungen 
sämtlich von mir persönlich ausgeführt sind. Mir schien es unnötig, 
die Untersuchungen weiter auszudehnen, da die genauen Protokolle der 
Hartschen Arbeit auch einem Teile meiner Betrachtungen zugrunde 
gelegt werden konnten. 

Die Arbeit von Jung mann kann man als Nachprüfung der 
Hartschen Befunde nicht ansehen, da Jungmann die Technik von 
Hart nicht befolgte, auch die Änderung der Aperturform, auf die 
Hart besonderen Wert legt, nicht berücksichtigte. 

Harts Untersuchungen nehmen ihren Ausgangspunkt von dem 
Freundseben Satz, dass der Brustkorb durch seine Form auf die 
eingeschlossenen Lungen bestimmend einwirke, und Hart spricht es 
selbst als seine Ansicht aus, dass durchaus „Form, Zustand und 
Funktion der Lungen von der Beschaffenheit des knöchernen Thorax 
abhängig sei“. „Die Frage nach dem Wesen der Prädisposition der 



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3] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


207 


Lungenspitzen zur tuberkulösen Phthise hängt mit dieser Auffassung 
auf das allerengste zusammen.“ 

Anomalien und Entwickelungshemmungen im Bereich der oberen 
Thoraxapertur schädigen das Gewebe der Lungenspitzen und prädis¬ 
ponieren es zur tuberkulösen Erkrankung. Als derartige Anomalien 
bezeichnet Hart 

1. eine abnorme Kürze des ersten Rippenknorpels, 

2. eine frühzeitige, insbesondere schalenförmige Verknöcherung 
des ersten Rippenknorpels und 

3. eine Änderung in der Gestalt der oberen Thoraxapertur, die 
aus ihrer normalen querovalen Kartenherzform mehr in eine grad¬ 
ovale übergeht. 

Diese drei Anomalien sind nach Hart alle primär, bestehen 
schon vor der Lungenveränderung. Sie sind nach ihm angeboren, 
bilden sich aber erst im Laufe der Entwickelung aus und treten erst 
nach der Pubertät in Erscheinung. Hart geht in seinen Anschau¬ 
ungen so weit, dass er den Satz ausspricht: „Der Thorax phthisicus 
ist als Krankheitsanlage mit auf die Welt gebracht l ). u 

Wenn wir uns mit den beiden ersten Anomalien, der Kürze 
und frühz eitigen V e r k n ö c h e r u n g des ersten Rippen¬ 
knorpels beschäftigen, so muss besonders bei den Untersuchungen 
Freunds, aber auch denen Harts auffallen, dass der Knorpel der 
ersten Rippe als ein selbständiges, einheitliches Gebilde aufgefasst 
wird und von einer Knorpelverkürzung als primärer Anomalie gesprochen 
wird. Denn der Rippenknorpel gehört innig mit der Rippe zusammen 
und ebenso mit dem Sternum, welches ja erst durch Vereinigung der 
beiderseitigen Knorpelrippen als knorpelige Sternalleiste entsteht. 
Das Längenwachstum der Rippen geht vom Knorpel aus, vollzieht 
sich an der Knorpelknochengrenze. Ein kurzer Knorpel braucht 
deshalb an und für sich noch keine Anomalie zu bedeuten, sondern 
zeigt unter Umständen nur an, dass viel Knorpelsubstanz für dps 
Wachstum der knöchernen Rippe verbraucht ist. Grösseren Wert 
könnte man versucht sein, Messungen des ganzen ersten Rippenringes 
beizulegen. Derartige Messungen sind bisher aber nur in einer 
geringen Anzahl von Hart und Harrass ausgeführt. Es geschah 
dies in erster Linie, um eine Asymmetrie in der Länge der beiden 
Seiten des ersten Rippenringes festzustellen, nicht um damit eine 
totale Verkürzung des ganzen Rippenringes zu beweisen. Ein solcher 
Beweis dürfte auch schwer zu führen sein, da man nicht einmal bei 

i) Auf die spätere Arbeit von Hart und Harras, in denen die Hartseben 
Anschauungen etwas modifiziert sind, wird weiter unten eingegangen werden. 


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208 


W. H. Schultze. 


[4 


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Zugrundelegung der Körperlängenmasse sichere Durchschnittswerte 
erhalten würde. Es kommt weiter hinzu, dass es ausserordentlich 
schwer ist, sich ein richtiges Bild über die Länge des ersten Rippen¬ 
knorpels zu machen. Abgesehen von den individuellen Unterschieden, 
Berücksichtigung der Körpergrösse, des kräftigen oder grazilen Knochen¬ 
baues, der Geschlechtsunterschiede, ist es von grosser Bedeutung, dass 
der erste Rippenknorpel nicht wie die übrigen Rippenknorpel eine 
drehrunde, mehr oder minder stabförmige Gestalt besitzt, sondern 
sich in einer Form präsentiert, wie es beistehende Skizze (Fig. 1) 
zeigt. Freund und Hart haben diese Schwierigkeit der Längen¬ 
bestimmung auch betont. „Oftmals sind infolge der partiellen scheiden¬ 
förmigen oder auch vorgeschrittenen zentralen Verknöcherung die 
Knorpelknochengrenzen nur ungenau zu bestimmen, da ferner der 
Knorpel sich in eine becherförmige Vertiefung des Rippenknochens 



Knorpel der 1. Rippe rechts, von vorne gesehen. 

Fig. 1. 

einsenkt, erscheint er äusserlich kürzer als auf dem Längsschnitt, endlich 
hindert auch sein mehr oder weniger gebogener Verlauf eine genaue 
Messung.“ Freund und Hart empfehlen deshalb, die Rippen mit 
dem Brustbein herauszunehmen und an einem der Oberfläche des 
Sternums parallel verlaufenden Sägeschnitt die Länge der Rippen¬ 
knorpel so zu messen, dass man die Entfernung beider Mitten der 
Knorpelknochengrenzen feststellt. — Ich habe die Methode von Freund 
und Hart in allen Fällen genau befolgt, kann mich aber mit dem 
Resultat nicht zufrieden erklären. Es gibt Knorpel, die am oberen 
Rande z. B. 2,5 cm, am unteren 4,5 cm, andere, die oben und unten 
eine Länge von 3,4 cm messen, in beiden Fällen würde man ungefähr 
zu dem gleichen Mittelwerte von 3,5 cm gelangen, obwohl zwischen 
beiden in der Gestalt grosse Unterschiede bestehen. In anderen 
Fällen zeigten sich die seitlichen Vorsprünge des Sternums so stark 
entwickelt, dass sie, ohne dass man von einer eigentlichen Ver¬ 
knöcherung sprechen kann, nur 1 cm von der Knorpelknochengrenze 
der Rippe entfernt sind. Dabei misst in einem solchen Fall der 


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5] Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 209 

Knorpel an der unteren Rippe 3,5 cm, an dem oberen Rande 2 cm. 
Nicht recht verständlich ist es mir, wie es Hart möglich gewesen 
ist, in allen seinen 400 Fällen, unter denen sich doch zahlreiche 
mit totaler Verknöcherung der Rippenknorpel finden, die Länge des 
ersten Rippenknorpels zu bestimmen, so z. B. in seiner Figur 21, 
totale Verknöcherung der beiden ersten Rippenknorpel mit Gelenk¬ 
bildung, wo er die Länge zu 3,5 cm angibt, auf der Röntgenphoto¬ 
graphie aber weder die Grenze des Knorpels nach dem Sternum, noch 
nach den Rippen zu erkennen ist. Ich selbst habe wenigstens bei 
meinen Untersuchungen sehr häufig „Knorpellänge nicht zu bestimmen“ 
(da Knorpel verknöchert) in die Tabelle eintragen müssen. Dasselbe 
gilt von den Untersuchungen Jungmanns, der auch in allen Fällen 
von Verknöcherung die Länge des Rippenknorpels bestimmen kann. 
Dabei ist sich Jungmann auch der Schwierigkeit der Messungen 
bewusst, wenn er schreibt: „In vielen Fällen besteht ein Längen¬ 
unterschied zwischen dem oberen und unteren Rande, der zwar 
bei der angewandten Bestimmung nicht zum Ausdruck kommt. Es 
rührt dies daher, dass die sternale Insertionslinie oft bis an das 
untere Ende des Manubrium sterni herunterreicht. In einem Falle 
hat der Knorpel fast ganz die Gestalt eines Dreieckes, dessen Spitze 
an der Manubrium-Korpusgrenze liegt. Der obere Rand ist hier nur 
0,5 cm lang, während der untere 3,7 cm misst. Die erste Rippe 
ist dann meist sehr flach und gegen die Horizontale mehr geneigt 
als in der Norm.“ 

Völlig unmöglich erscheint mir eine Messung des ersten Rippen¬ 
knorpels bei Kindern, besonders in den ersten Lebensjahren, da ja hier 
der Rippenknorpel völlig unvermittelt in das knorpelige Sternum über¬ 
geht und eine Längenbestimmung deshalb unmöglich ist (s. Fig.2 Taf.IV). 
Es ist mir deshalb nicht ganz klar, wie es Freund gelungen sein 
soll, die Entwickelungshemmung des Knorpels bis in die „kindliche, 
ja selbst fötale Epoche hinein zurückzuverfolgen“. Auch die von 
Mendelsohn angegebenen Masse, die alle Kinder in den ersten 
Lebensmonaten betrafen, sind meines Erachtens für die Beurteilung 
einer Entwickelungsstörung unbrauchbar. Hart hat diesen Punkt 
wohl auch richtig erkannt, da er sich vorsichtigerweise jeden Ur¬ 
teils über die Knorpellänge im kindlichen Alter enthält. — 

Um mir selbst an dem mir zur Verfügung stehenden Material 
eine Ansicht über die Länge des ersten Rippenknorpels zu bilden, habeich 
genau nach den Vorschriften von Freund und Hart den Sägeschnitt 
angelegt, nun nicht aber die mittlere Länge des Rippenknorpels, sondern 
die grösste und kleinste Länge gemessen und hieraus den Durchschnitt 
als „wahre Rippenknorpellänge“ angenommen. Berechnet man dann den 


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210 


W. H. Schultze. 


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Durchschnitt aller Fälle mit Ausnahme der Tuberkulose, so bekommt man 
eine durchschnittliche Länge des ersten Rippenknorpels von 3,7 cm 
bei Männern und 2,8 cm bei Frauen. Die entsprechenden Zahlen 
lauten bei Freund 3,8 und 3,1, bei Hart 3,6 und 3,2 cm. Bei 
meinen sämtlichen Fällen mit progressiver Tuberkulose ergab sich 
dann ein Durchschnitt für Männer von 3,5, für Frauen von 2,9 cm, 
also so minimale Unterschiede gegenüber der Norm, dass sie kaum 
in Betracht kommen können. Ich möchte diese Zahlen nun nicht 
als Norm aufstellen, sondern mich dahin aussprechen, dass das Ver¬ 
halten der Länge des ersten Rippenknorpels ein so wechselndes ist, 
dass die Messung eine so schwierige ist, dass es gewagt erscheint, 
bestimmte Schlüsse nach der Richtung etwa abzuleiten, dass sich bei 
Tuberkulose ein besonders kurzer erster Rippenknorpel findet. Die 
Befunde Jungmanns scheinen mir ebenfalls nicht geeignet zu sein, 
um hieraus bindende Schlüsse zu ziehen. Wenn er bei 7 Fällen mit 
„verkürzten“ Rippenknorpeln 4mal floride Phthise fand, so kann ich 
darin keinen Beweis erblicken, dass ein kurzer erster Rippenknorpel 
einen disponierenden Faktor für die Entstehung der tuberkulösen 
Phthise abgibt. Wie wir weiter unten zeigen werden, bestehen auch 
keine sicheren Beziehungen zwischen Knorpellänge und Aperturgestalt. 

Betreffs des zweiten Punktes, der Verknöcherung des ersten 
Rippenknorpels, sind nun die Untersuchungen Sumitas von beson¬ 
derer Wichtigkeit. Mir selbst war es aufgefallen, dass die Knorpel¬ 
knochengrenze der Rippe bei jugendlichen Individuen stets eine gerade 
Ebene bildet (s. Fig. 3 Taf. IV), während sie sich bei älteren in der Gestalt 
eines Halbellipsoids darstellt, derart, dass der Rippenknorpel in einer 
glockenförmigen Ausbuchtung des Rippenknochens zu liegen scheint. 
Auf einem Durchschnitt der Knorpelknochengrenze bekommt man dann 
ein Bild, wie es die beigegebene Figur zeigt (Fig. 4 Taf. IV). Die mikro¬ 
skopische Untersuchung lehrte mich, dass dann, wenn dieses Bild 
vorliegt, das Knorpelknochenwachstum abgeschlossen ist und dass man 
dies ähnlich wie beim Gelenkknorpel daran erkennen kann, dass sich 
zwischen Knorpel und Knochen ein knöcherner Grenzbalken einschiebt, 
so dass an keiner Stelle mehr Mark den Knorpel berührt. Ich nahm 
an, dass es gestattet sein könnte, allein aus dieser makroskopischen 
Feststellung („glatte“ oder „gebogene“ Linie) den Schluss auf noch 
wachsende resp. im Wachstum abgeschlossene Rippenknorpelknochen¬ 
grenze zu ziehen. In der sogenannten scheidenförmigen Verknöche¬ 
rung erblickte ich die Steigerung eines physiologischen Vorganges, wie 
er sich in Fig. 4 Taf. IV präsentiert. Es ist leicht zu verstehen, dass bei 
weiterem Vorrücken der peripheren Knochenzapfen bei a und b (Fig. 4 
Taf. IV) eine Knochenscheide um den Knorpel gebildet wird. Von 


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7] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


211 


diesen Vermutungen und Beobachtungen ging Sumitas Arbeit aus. 
Durch eingehende mikroskopische Untersuchungen konnte er deren 
Richtigkeit nachweisen. Wegen der histologischen Einzelheiten ver¬ 
weise ich auf die ausführliche Arbeit Sumitas. Ich möchte hier 
nur darauf hinweisen, dass es Sumita gelungen ist zu erhärten, wie 
individuell wechselnd sich das Längenwachstum der Rippe an der 
Knorpelknochengrenze abspielt, dass man noch bis zur Mitte des 
dritten Dezenniums ein vorhandenes Längenwachstum an den Rippen 
nachweisen kann. Was aber besonders für unsere Untersuchungen 
wertvoll ist, das ist die Feststellung, dass normalerweise die erste 
Rippe gegenüber allen anderen Rippen am ungünstigsten dasteht. 
Ihr Wachstum ist schon vom frühen Lebensalter an gering und 
hört auch am frühesten auf. So werden sich auch senile und patho¬ 
logische Veränderungen am ehesten an ihr entwickeln können. Die 
erste Rippe ist durch den Schultergürtel stark eingeengt, sie zeigt die 
geringsten Exkursionen bei nicht forcierter Atmung. Deshalb emp¬ 
fängt sie auch die geringsten funktionellen Wachstumsreize, ihr Längen¬ 
wachstum kommt früh zum Stillstand. Da wir nun eine von oben 
nach unten zunehmende Schnelligkeit im Längenwachstum der Rippen 
haben, beobachten wir auch umgekehrt eine im allgemeinen von oben 
nach unten zu abnehmende Häufigkeit im Auftreten degenerativer 
Knorpelveränderungen und Knorpelverknöcherung. Die erste Rippe 
steht in bezug auf Verknöcherung am schlechtesten da, weil sie nach 
Sumita 1. ein sehr langsames und früh Halt machendes Wachstum 
zeigt, 2. einen besonders kurzen und dicken Knorpel hat und 3. die 
Verknöcherung auch von seiten des Sternums aus erfolgen kann, da 
hier einem Einwachsen von Knochengewebe nicht von seiten eines 
Gelenkes Halt geboten wird. Sumita hat auch gezeigt, dass die 
sogenannte scheidenförmige Verknöcherung des Rippenknorpels nichts 
anderes ist als ein abnormes Fortschreiten der Ossifikation an der 
Knorpelrandpartie. 

Was nun mein eigenes Beobachtungsmaterial über die Ver¬ 
knöcherung der ersten Rippe betrifft, so konnte ich konstatieren, dass 
entsprechend der üblichen Annahme die erste Rippe vor allen an¬ 
deren Rippen frühzeitiger Verknöcherung anheimfällt. Von 67 über 
40 Jahre alten Personen • zeigte bei 58 die erste Rippe mehr oder 
weniger deutliche Zeichen der Verknöcherung, also in ungefähr 87°/o 
erweisen sich die ersten Rippen bei über 40 Jahre alten Personen 
verändert. Unverändert fand ich sie nur in 9 Fällen, es war dies 
ein 42-, 47- und 49jähriger Mann und eine 43-, 48-, 65-, 74-, 82-, 
85jährige Frau. Vor dem 41. Lebensjahr fand ich in 14 Fällen die 
erste Rippe mehr oder weniger verknöchert, darunter in 6 Fällen 


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212 


W. H. Schultze. 


[8 


von Phthisis pulmonum (27-, 29-, 29-, 34jähriger Mann, 25-, 33jährige 
Frau). Die übrigen 8 Fälle betrafen Männer von 24, 28, 31 und 
40 Jahren und Frauen von 20, 40, 24 und 39 Jahren. Nach diesem 
Befunde ist man wohl zu dem Schlüsse berechtigt, dass die Ver¬ 
knöcherung der ersten Rippe bei Tuberkulose etwas frühzeitiger ein- 
tritt als bei Nichttuberkulösen. Dass aber die Verknöcherung der 
ersten Rippe für die Entstehung der Lungenschwindsucht eine Rolle 
spielt, dagegen lassen sich wichtige Gründe aus meinem Material 
anführen. Denn von 32 genau untersuchten Phthisikerleichen fand 
ich nur bei 14 die ersten Rippenknorpel verknöchert, während sie in 
18 Fällen vollkommen tadellos elastisch waren. Zu den 14 Phthisikern 
mit verknöcherten Rippen gehörten ausserdem nur die oben erwähnten 
6, welche unter 40 Jahre alt waren. — Als Modus der Verknöcherung 
ist am häufigsten die mehr oder weniger ausgeprägte „schalenförmige 
Verknöcherung“ und ich möchte Sumita darin vollkommen beistimmen, 
dass wir hierin in der Mehrzahl der Fälle eine Steigerung eines physio¬ 
logischen Vorganges erblicken müssen. Nicht ganz richtig sind 
indes die AusführungenSumitas, wenn er das Vorkommen isolierter, 
vom Perichondrium ausgehender Verknöcherungen leugnet. Ein Blick 
auf die der Hart sehen Arbeit beigegebenen Röntgenphotographien 
hätte ihn eines besseren belehren können (z. B. Fig. 12 der Hart- 
schen Arbeit). Unter den von mir gesammelten und konservierten 
oberen Thoraxaperturen finden sich mehrere, an denen man eine förmliche 
Auflagerung von isolierten Knochenplatten auf den Rippenknorpel am 
mazerierten Trockenpräparat sehr schön erkennen kann (Fig. 5 Taf. IV). 
Diese isolierten Knochenplatten bilden sich hauptsächlich an den 
Stellen der Muskel und Bandansätze, vor allem an der Vorderseite, 
wo mächtige Bandmassen vom sternalen Ende der Klavikula zur 
oberen und vorderen Seite bis zum unteren Rande fast auf der ganzen 
Länge des Rippenknorpels hinüberziehen. Gerade an dieser Stelle 
kann es besonders leicht zur Verknöcherung unabhängig vom Sternum 
und knöchernen Teil der Klavikula kommen. Während diese seltene 
periphere Verknöcherung wohl nur an der ersten Rippe vorkommt 
und durch die feste Fixation des ersten Rippenknorpels mit der Klavi¬ 
kula und der Insertion so vieler Muskeln und Bänder bedingt ist, 
ist die sogenannte schalenförmige Verknöcherung in keiner Weise für 
den ersten Rippenknorpel etwas Eigentümliches. Sie kommt, wenn 
auch seltener, an anderen Rippen vor. Zum Beweise bringe ich hier eine 
Abbildung (Fig. 6 Taf. IV) einer derartigen scheidenförmigen Verknöche¬ 
rung von der 4. Rippe. Man sieht auf dem Durchschnitt, wie hier 
der Rippenknorpel von einer vollkommeuen knöchernen Scheide umgeben 
ist, die von dem knöchernen Teil der Rippe ausgeht und erst am 


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9] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


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Sternokostalgelenk Halt macht. Das Gelenk selbst zeigt keine wesent¬ 
lichen Veränderungen, der Gelenkknorpel war noch ganz gut erhalten. 
Es stammt diese Rippe von einem 71jährigen Schuhmacher, der einem 
Rektumkarzinom erlag, die Lunge zeigte ausser Emphysem keine 
Besonderheiten. Sämtliche Rippen wiesen eine derartige scheiden¬ 
förmige Verknöcherung auf. Das Vorkommen dieser scheidenförmigen 
Verknöcherung auch an anderen Rippen hat übrigens Hart in 
einer späteren Arbeit in den Ergebnissen der Pathologie erwähnt, 
führt es aber genau so wie an der ersten Rippe auf eine Perichondritis 
ossificans zurück, ohne dafür Beweise zu bringen, während Sumita, 
dem ich mich nach dieser Richtung voll anschliesse, der Beweis ge¬ 
lungen ist, dass es sich um ein Hereinwachsen von Knochen von der 
knöchernen Rippe her handelt.. Eine Perichondritis ossificans kommt 
sicher an der ersten Rippe vor. Sie führt aber im allgemeinen zu 
anderen Bildern, zu einer Verdickung des ganzen Rippenknorpels und 
eigentümlichen höckerigen Auswüchsen (Fig. 5 Taf. IV). 

Wie wir oben gesehen haben, konnte ich an dem mir zur Ver¬ 
fügung stehenden Material nur in einem kleinen Teil der Phthisiker¬ 
leichen eine Verknöcherung des ersten Rippenknorpels feststellen. Es 
war nun recht interessant, das Hart sehe Material zu vergleichen. 
Zieht man sich aus seinen sorgfältigen Tabellen die Daten aus, so 
erhält man folgendes Resultat. Im ganzen wurden 105 Fälle von 
Tuberculosis pulmonum untersucht. In bei weitem mehr als der 
Hälfte der Fälle, ich zähle 62, waren die Knorpel „elastisch u , also 
ohne Veränderungen, in den übrigen 43 mehr oder weniger verknöchert. 
Unter den Phthisikern mit elastischen Knorpeln waren sogar 8, die 
das 40. Lebensjahr überschritten hatten, also in einem Alter standen, 
das überhaupt schon für die scheidenförmige Verknöcherung der 
ersten Rippe disponiert ist. Von den 43 Phthisikern, die mehr 
oder weniger verknöcherte Rippen hatten, hatten 27 das 40. Lebens¬ 
jahr überschritten. Es bleiben also nur 16 Fälle von 105 Fällen von 
Lungentuberkulose übrig, in denen man von einer frühzeitigen Ver¬ 
knöcherung der ersten Rippe sprechen kann, es ist das jedenfalls 
nur ein geringer Prozentsatz. Meiner Meinung nach ist es ein Fehl¬ 
schluss, wie es so häufig geschieht, in einer frühzeitigen Verknöche¬ 
rung des ersten Rippenknorpels ein disponierendes Moment für die 
Entwickelung einer Lungentuberkulose zu erblicken, sie als eine „pri¬ 
märe“ Anomalie zu bezeichnen. 

Meiner Ansicht nach kann die sich bei einigen Fällen findende 
frühzeitige Verknöcherung des-ersten Rippenknorpels bei Tuberkulose 
nur als sekundäre Anomalie aufgefasst werden. Je mehr ich diesem 
Punkt meine Aufmerksamkeit schenkte, um so sicherer habe ich mich 


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W. H. Schultze. 


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davon überzeugen können, dass in allen den Fällen, wo die Tuber¬ 
kulose langsam verläuft, sich über Jahre hingezogen hat, wo wir dem¬ 
entsprechend meist sehr feste Verwachsungen der Lungenspitzen 
finden, wir dieser Verknöcherung des ersten Rippenknorpels begegnen, 
sie indes bei den rasch verlaufenden Phthisen, insbesondere der jugend¬ 
lichen Personen, völlig vermissen. Deshalb werden wir die Verknöche¬ 
rung des ersten Rippenknorpels besonders bei den älteren Phthisikern 
finden, da es sich bei diesen meist um chronische Tuberkulosen handelt 
und ausserdem das höhere Alter an und für sich schon zii einer 
Verknöcherung des ersten Rippenknorpels disponiert ist. Auch Grau 
scheint ähnliche Ansicht zu haben, wenn er schreibt: „Geringe Ver¬ 
knöcherung findet sich bei vielen Tuberkulösen, stärkere Einscheidung, 
die im Röntgenbilde die bekannten zierlichen Bilder gibt, mit einer 
gewissen Bevorzugung bei gutartigen Tuberkulosen oder solchen, die 
längst zum Stillstand gekommen sind.“ Die Schwächung des ganzen 
Körpers und die dadurch hervorgerufene Ernährungsstörung aller 
Gewebe, der hiermit zusammenhängende frühzeitige Wachstumsabschluss 
an der Knorpelknochengrenze, der sich an der ersten Rippe wie auch 
physiologisch zuerst geltend macht, und schliesslich die durch die 
Ruhigstellung der oberen Thoraxpartie hervorgerufene Abnahme der 
funktionellen Wachstumsreize, bedingen die prämature Seneszenz des 
ersten Rippenknorpels und seine Verknöcherung. Die Ruhigstellung 
des ersten Rippenringes kann die Folge der Tuberkulose sein, kann 
aber auch schon vorher durch unzweckmässige Haltung und dadurch 
hervorgerufene flache Atmung eintreten. 

Es taucht nun unwillkürlich die Frage auf, ob wir es denn auch 
sonst sehen, dass infolge Ruhigstellung von Rippen eine frühzeitige 
Verknöcherung eintritt. . Hierfür kann ich mehrere wichtige Beispiele 
anführen. — Sumita hat schon darauf hingewiesen, dass man bei 
Frauen besonders die unteren wahren Rippenknorpeln vor den an¬ 
deren der Verknöcherung anheimfallen sieht, und hat das mit den 
verschiedenen Atemtypen bei beiden Geschlechtern in Beziehung ge¬ 
bracht. Bei Frauen, bei denen die Zwerchfellatmung nicht so zum 
Ausdruck kommt, erfahren nach ihm auch die unteren Rippen ge¬ 
ringe funktionelle Wachstumsreize, so dass es gegenüber den oberen 
Rippen hier leichter zur Verknöcherung der Knorpel kommt. Ich 
habe in verschiedenen Fällen dies auch beobachten können, besonders 
aber beim Schnürthorax des öfteren festgestellt, wie die im Bereich 
der Schnürung gelegenen Rippen in ihren Knorpeln einer frühzeitigen 
Verknöcherung anheimfallen. Beim ausgesprochenen Schnürleib äl¬ 
terer Frauen, bei denen man noch am häufigsten Schnürthorax findet, 
kann man das leicht feststellen. Einen besonders einwandsfreien Fall 



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11] Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 215 

dieser Art beobachtete ich bei einer 40jährigen Frau, die einer Hirn- 
hämorrhagie erlag. Sie zeigte einen deutlichen Schnürthorax. Ver¬ 
knöchert waren die 5.—7. Rippe rechts und die 7.—9. Rippe links, 
alle anderen Rippenknorpel waren noch gut schneidbar. Dasselbe 
fand ich bei einer 42jährigen Frau, die einer Mitralstenose erlag. 
Ausser der ersten Rippe war hier nur beiderseits die 7.—9. Rippe 
verknöchert, auch hier bestand deutlicher Schnürthorax. Ich nehme 
an, dass infolge der Schnürung die Rippen ruhig gestellt werden, das 
Wachstum hier früher abgeschlossen wird und die Folge die Ver¬ 
knöcherung der Knorpel ist. Ähnliche lokalisierte Verknöcherung 
kann man auffinden, wenn sehr starke pleuritische Verwachsungen 
vorhanden sind. Als Beispiele mögen folgende Fälle dienen: 

1. 24 jähriger Mann, gestorben an Knochentuberkulose. In den 
Spitzen alte abgelaufene Tuberkulose, beide Lungen stark verwachsen, 
besonders in den Unterlappen, erste Rippenknorpel beiderseits elastisch, 
4., 5., 6. Rippenknorpel rechts und 5. und 6. Rippenknorpel links stark 
verknöchert, teilweise zentral, teilweise in Form der scheidenförmigen 
Verknöcherung. 

2. 28 jähriger Mann, gestorben an Bronchiektasen und Bronchitis, 
beide Unterlappen stark verwachsen, besonders vorn, 1. Rippe ver¬ 
knöchert, sonst nur die unteren im Bereich der Verwachsung. 

3. 27 jähriger Dreher, gestorben an Diabetes, starke Lungen¬ 
verwachsungen nur in den Unterlappen. Alle Rippen gut schneidbar, 
auch die erste mit Ausnahme der unteren im Bereich der Ver¬ 
wachsungen gelegenen, diese deutlich verknöchert. 

Derartige Beispiele Hessen sich noch beliebig vermehren. Sie 
zeigen, dass durch Ruhigstellung der Lungen in den entsprechenden 
Ttippenknorpeln Disposition zur Verknöcherung gegeben wird. Selbst¬ 
verständlich gehört hierzu eine gewisse Zeit. Kurz dauernde Ruhig¬ 
stellung löst derartige Veränderungen nicht aus. Ich bin der 
Ansicht, dass häufig auch die schalenförmige Verknöcherung, die 
man entweder beim substantiellen oder auch Altersemphysem findet, 
eine Folge des Emphysems, nicht umgekehrt ist. Denn auch hier 
sind die funktionellen Reize Dehnung und Spannung, Torsion usw., 
die die Rippenknorpel erfahren, gegenüber denen im normalen Zustande 
der Lungen stark verringert. Ara ehesten kann man Verknöcherung 
der Rippenknorpel erwarten, wenn sich mit dem Emphysem aus¬ 
gedehnte Lungen Verwachsungen kombinieren. 

Ich möchte auf die Genese des Emphysems hier nicht näher 
eingehen. Zur Erweiterung des Thorax spielen Kyphosen der Wirbel¬ 
säule, wie Löschke das kürzlich näher ausgeführt hat, meiner 
Meinung nach eine wichtige Rolle. 


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Dass auch mannigfache andere Momente eine Verknöcherung 
der Rippen herbei führen können, mag nur kurz betont werden, so 
sei auf die Beobachtung von Wiesner hingewiesen, die Sumita 
erwähnt, der bei Individuen, die längere Zeit den Röntgenstrahlen 
ausgesetzt waren, frühzeitige Verknöcherung fast aller Rippenknorpel 
konstatieren konnte. 

Wir kommen nun zu dem dritten Punkte, auf dem sich die 
Hartsche Theorie aufbaut, nämlich der Umänderung der nor¬ 
malen querovalen Apertur in eine mehr gradovale, wo¬ 
durch eine hochgradige allgemeine und speziell für die seitlichen 
Ausbuchtungen in Betracht kommende Raumbeeinträchtigung der 
oberen Apertur entsteht. Es handelt sich dabei nach Hart um einen 
angeborenen Zustand, der zunächst noch latent ist, aber erst später 
nach Jahr und Tag in Erscheinung tritt, Es soll diese Aperturform 
ein Stehenbleiben auf einer phylogenetisch tieferstehenden Stufe sein, 
der Aperturform der niederen Säugetiere. Auch neuerdings haben 
Hart und Harras wieder darauf hingewiesen, indem sie schreiben: 
„Jedenfalls müssen wir daran festhalten, dass der alte Freund sehe 
Begriff der Stenose der oberen Thoraxapertur eine Umprägung dahin 
zu erfahren hat, dass nicht sowohl die allgemeine Raumbeengung als 
vor allem die Form Veränderung der Apertur, welche zu einer Beein¬ 
trächtigung derjenigen paravertebralen Bezirke führt, in welchen sich 
die Lungenspitzen entfalten und bewegen, das Charakteristische und 
für die Entstehung der tuberkulösen Erkrankung der Lungenspitzen 
Massgebende ist." 

Betreffs der Häufigkeit, in der man bei Phthisis pulmonum eine 
mehr gradovale Apertur auffindet, vermisst man in der grossen 
Arbeit von Hart sichere zahlenmässige Angaben. Jedoch kann man 
sich aus den genauen Zahlen seiner Tabelle diese selbst zusammen¬ 
stellen, wenn man sich nur darüber klar wird, wann man eine Apertur 
als gradovale bezeichnen soll. Nach meinen Beobachtungen wird man 
dies dann tun können, wenn der Unterschied zwischen dem sterno- 
vertebralen und queren Durchmesser weniger als 5 cm beträgt. Legt 
man dieses Mass zugrunde, so zähle ich unter den 105 bei Hart 
mit Tbc. pulmonum bezeichneten Fällen 53 mit mehr oder weniger 
gradovaler Apertur, 52 mit normaler querovaler Apertur, das heisst 
ungefähr die Hälfte aller an Phthisis pulmonum zugrunde Gehenden 
besitzen eine vollkommene normale Aperturform. Berücksichtigen 
wir nur die jungen Phthisiker, das heisst die unter 40 Jahre alten 
es sind das 69 Fälle, so zähle ich 32 mit, 37 ohne Aperturanomalien, 
das heisst bei den jüngeren Phthisikern zeigt mehr als die Hälfte 



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13] Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 217 

normale obere Thoraxaperturnormen. Wie steht es nun mit den 
anderen Fällen des Hart sehen Sektionsmateriales? Unter den 295 
übrigen Fällen, die an den verschiedensten Krankheiten zugrunde 
gingen, zeigen 102 mehr oder weniger gradovale Aperturen, mit 
anderen Worten, nur zwei Drittel aller übrigen Fälle haben völlig 
normal geformte, querovale Aperturen. Unter den Fällen mit abnorm 
gebauten Aperturen findet sich eine grosse Reihe, bei denen die 
Lungen völlig frei sind. Unter den Fällen ohne Tuberkulose finden 
sich auch sehr hochgradige gradovale Aperturen mit Differenzen 
von 4,4 3,7 2,2 3,4 3,6 3,1 2,9 3,7 3,5. (Es sind das die Fälle 
Nr. 152, 168, 180, 217, 227, 240, 241, 243, 328 der Hartschen 
Tabellen.) Diese statistische Berechnung ist selbstverständlich nur 
eine approximative, da immer einige Fälle vorhanden sind, bei denen 
man schwanken kann, ob sie in eine oder die andere Gruppe einzu¬ 
ordnen sind, und es könnte leicht jemanden zu etwas anderen Zahlen 
gelangen, aber im grossen ganzen mögen die eben angegebenen 
Zahlen doch stimmen. Ich glaube, dass man daraus ersehen kann, 
dass man an den an Lungenschwindsucht Gestorbenen etwas häufiger 
gradovale Aperturen findet, dass man dieser Aperturform eine aus¬ 
schlaggebende Rolle für die Entstehung der Lungentuberkulose nicht 
beimessen kann. 

Unter meinem eigenen Material, das 32 Phthisen betrifft, finde 
ich nur in 4 Fällen eine gradovale Apertur mit Differenzen von 3,0 
4,0 4,2 und 4,5. Unter meinen anderen 68 Fällen finde ich 10 mit 
ähnlichen Differenzen, immer abgesehen von den Kindern. Ich kann 
hieraus schliessen, dass am Braunschweiger Sektionsmaterial sowohl 
wie an den Braunschweiger Phthisikerleichen die normalen querovalen 
Aperturen in der grossen Mehrzahl Vorkommen, gradovale Aper¬ 
turen zu den Seltenheiten gerechnet werden müssen. Es bestehen 
also beträchtliche Unterschiede zwischen dem Material Harts und 
meinem. 

Wie erklärt sich nun Hart die Entstehung der gradovalen 
Apertur. Er schreibt zu diesem Punkte: „Das Wesen der primären 
Stenose der oberen Thoraxapertur besteht demnach darin, dass eine 
primäre Entwickelungshemmung der ersten Rippenknorpel oder aber 
der ersten Rippen selbst oder auch beider zusammen die Ursache 
ist, das die Apertur mehr und mehr aus der querovalen in eine 
gradovale Form übergeht“. Gemäss seinen näheren Ausführungen 
legt er den grössten Wert auf die Entwickelungshemmung des Knor¬ 
pels, der sich ihm in einer Verkürzung des Knorpels darstellt. „Der 
Zug des verkürzten Knorpels“ soll der Rippe den steil nach vom 
gerichteten Verlauf verleihen. In zweiter Linie kommt nach Hart 


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auch ein rudimentäre Entwickelung der ersten Rippe in Frage, 
schliesslich auch eine Kombination beider. Die Veränderungen sollen 
angeboren sein. 

Es ist gegenüber dieser Auffassung darauf hinzuweisen, dass es 
nicht richtig ist, wenn man den Rippenknorpel als ein selbständiges 
Umgrenzungsstück der Apertur auffasst, ihn trennt von dem knöcher¬ 
nen Teil der Rippe. Sie beide gehören innig zusammen. Es ist 
auch durch nichts bewiesen, dass ein kurzer Rippenknorpel eine 
rudimentäre Form oder ein Zurückbleiben in der Entwickelung bedeutet. 
Es ist ebensogut denkbar, dass ein kurzer Knorpel einen stärkeren 
Aufbrauch von Knorpelsubstanz, also ein schnelleres Längenwachstum 
der Rippe anzeigt, ähnlich wie eine schmale Epiphysenfuge an den 
Röhrenknochen auf ein rasches bald zu Ende gehendes Wachstum 
hindeutet. So findet sich denn auch keine Gesetzmässigkeit etwa 
in der Hinsicht, dass man bei kurzen Knorpeln eine mehr gradovale 
Apertur, bei langen eine mehr querovale finden müsste. Das geht 
auch aus Harts Angaben hervor, er erwähnt ja selbst solche grad¬ 
ovalen Aperturen mit schönen langen Rippenknorpeln und umgekehrt 
kurze Rippenknorpel ohne jede Aperturänderung. Der Widerspruch 
der zwischen den Freundschen und Hart sehen Anschauungen besteht, 
erklärt sich ja auch am besten daraus, dass eine Gesetzmässigkeit 
nicht besteht. Freund schreibt: „Die Gestalt der oberen Apertur 
wird bei dieser Anomalie (nämlich einem zu kurzen Knorpel) in 
den meisten Fällen eine quer längliche, vorn platt gedrückte.“ Und 
nach Hart „verliert die Apertur mehr und mehr ihre querovale 
Form und nähert sich einer längsovalen.“ Dass eine gradovale Form der 
oberen Thoraxapertur angeboren vorkommt, ja schon bei Föten be¬ 
obachtet werden kann, habe ich bei meinen Untersuchungen nicht 
feststellen können. Es mag wohl zugegeben werden, dass der dorso- 
ventrale Durchmesser der oberen Thoraxapertur bei den Säuglingen 
verhältnismässig etwas grösser ist als bei älteren Kindern, noch 
mehr gilt dies aber für die anderen Rippen. Der Hauptunterschied 
zwischen der oberen Thoraxapertur des Säuglings und des älteren 
Kindes liegt aber weniger in der Form als in der Neigung der Aper¬ 
tur zur Horizontalen. Bei den Säuglingen steht die obere Thorax¬ 
apertur fast horizontal. „Das Jugulum befindet sich nach den 
Untersuchungen Mehnerts beim Neugeborenen in der Höhe des 
7. Halswirbels bis 1. Brustwirbels, mit zunehmendem Alter sinkt 
gleichzeitig mit dem Altersdeszensus des Thorax und der Brustorgane 
auch das Jugulum mehr nach unten und kommt in die Höhe des 
3. Brustwirbels zu liegen, die nach Gregor oft bereits im 5.—7. Jahre 
erreicht wird.“ Durch die eintretende Neigung der Rippen wird 



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Anomalien deä ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


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dann auch die Abnahme des dorsoventralen Durchmessers des Thorax 
(nicht immer der Apertur), die im Kindesalter eintritt, hervorgerufen. 
Schon dass wir bei der längsovalen Apertur Harts eine besonders 
starke Neigung zur Horizontalen haben, zeigt den gewaltigen Unter¬ 
schied zwischen dieser oberen Brustapertur und der der Säuglinge 
an und die Unmöglichkeit, beide in Parallele zu setzen. Es fehlt 
auch in der Hartschen Arbeit vollkommen der Beweis dafür, dass 
erstens Föten und Neugeborene eine ausgesprochene längsovale Aper¬ 
tur besitzen und zweitens die längsovale Apertur, die man machmal 
bei Tuberkulösen findet, ererbt und angeboren ist. Es fehlt auch 
dafür der Beweis, dass die gradovale Apertur phylogenetisch tiefer 
stehend ist. Man könnte sie im Gegenteil auch als höherstehend 
ansehen, da die Neigung der Apertur gegenüber der Horizontalen 
eine so starke ist, während sie gerade bei den Tieren, ähnlich 
wie beim Säugling, fast gar keine Neigung erkennen lässt, abgesehen 
davon, dass man pathologische Aperturformen nicht in Beziehung zur 
Phylogenie bringen sollte. 

Die aufrechte Körperhaltung, die Umwandlung der „Stützarme“ 
in „Greifarme“, die damit einhergehende mächtige Entwickelung der 
Muskulatur in dem oberen Thoraxabschnitt und des Schlüsselbeines, 
sie sind für die spezifische menschliche Gestaltung des Thorax von 
ausschlaggebender Bedeutung. Anomalien im Bereich des Schulter¬ 
gürtels werden auch bestimmend auf die Gestalt des oberen Brust¬ 
abschnittes einwirken können. Beim Studium der Hartschen Arbeit 
gewinnt man den Eindruck, als wenn er die Beziehungen zwischen dem 
Schultergürtel und der oberen Brustapertur nicht genügend berücksichtigt 
hätte. Neuerdings hat Pottenger wieder den Einfluss der Hals- und 
Brustmuskulatur auf die Thoraxgestaltung betont. — Es bestehen einmal 
wichtige Beziehungen zwischen der Klavikula und dem ersten Rippen¬ 
knorpel. Wie aus beistehender Abbildung (Fig. 7 Taf. IV) ersichtlich, 
wäre nach dieser Richtung hin einmal das Ligamentum costo-claviculare 
zu nennen, welches als mächtiges Band den sternalen Teil der Klavikula 
mit dem ersten Rippenknorpel verbindet. Weiterhin nimmt auch der 
erste Rippenknorpel an der Bildung der Pfanne des Sternoklavikular- 
gelenkes teil, in vielen Fällen geht der Gelenkknorpel unmittelbar 
in den Knorpel der ersten Rippe über, ohne dass man sagen kann, 
wo der eine aufhört, der andere anfängt. Man kann nun in einem 
grossen Teil der Fälle beobachten, dass der Knorpel der ersten Rippe 
keinen Anteil an der Bildung des Gelenkes nimmt, sondern mächtige 
Fortsätze des Sternums zapfenartig nach beiden Seiten vorspringen 
und den unteren Teil der Pfanne des Sternoklavikulargelenkes stützend, 
bilden (Fig. 8 Taf. IV). In ausgedehnten Fällen dieser Art bekommt man 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 2. 15 


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Quermasse des Sternums (Sternumbreite) von 7—8 cm, Rechnet 
man die hierbei meist bestehende Wölbung des Sternums hinzu, die 
derart sich zeigt, dass das Manubrium sterni an der Innenseite leicht 
konkav ist, so gelangt man zu noch grösseren Breiten. Gerade bei 
den mehr längsovalen Aperturen kann man dies besonders leicht 
beobachten, und ich möchte hier darauf hinweisen, dass sich gerade 
bei Vorhandensein der seitlichen Vorsprünge besonders kurze Knorpel¬ 
masse feststellen lassen. In einigen Fällen kann man dann auch 
sehen, wie Knochenwülste sich am vordem Ende der Gelenkpfanne 
gebildet haben, die ein Abgleiten der Klavikeln nach vorn verhindern 
würden. 

Durch diese innigen Beziehungen zwischen Klavikula und dem 
ersten Rippenring erklärt es sich denn auch, dass jede etwas stärkere 
Bewegung der Klavikula sich auf den ersten Rippenring überträgt, 
wie man leicht erkennen kann, wenn man nach Abpräparieren der 
Weichteile an der Leiche den Arm im Schultergelenk kräftig bewegt. 
Gewisse Beziehungen zwischen der oberen Thoraxapertur und den 
Klavikeln werden auch sowohl bei Freund wie bei Hart er¬ 
wähnt. So schreibt Hart: „Die anstemmenden Klavikeln halten 
das Manubrium sterni nach unten" und: „Freund war diese 
Erscheinung wohlbekannt, denn er schreibt: „Durch das starke 
Nachhintensinken des Manubrium werden die Sternalenden der 
Klavikeln nach hinten gezogen, sie verlassen zum Teil den hinteren 
Umfang ihrer Gelenkgruben und scheinen dem Gefühl nach auf der 
oberen vorderen Partie des Manubrium zu liegen." Es wird also 
damit zugegeben, dass die Klavikeln eine Änderung ihrer Lage 
aufweisen, aber auch das „Anstemmen" der Klavikeln usw. wird als 
eine Folge der Aperturänderung aufgefasst. Ein Beweis, dass dies 
aber wirklich so ist, wird nicht erbracht. Man kann sich nun an 
der Leiche sehr leicht überzeugen, wie bestimmend die Stellung des 
Schultergürtels auf die Gestalt der oberen Apertur einwirkt, ja durch 
gewisse Manipulationen kann man bei jugendlichen Individuen mit 
elastischen Knorpeln sehr leicht künstlich eine längsovale Apertur und 
einen phthisischen Habitus erzeugen. Fasst man bei einer Leiche, bei 
der der Thorax, insbesondere die Gegend der Klavikeln und der ersten 
Rippe von den Weich teilen, abgesehen von den Bändern, freipräpariert 
ist, die Schultern, zieht die Schultern etwas nach oben und vorn, 
so wie man es beim phthisischen Habitus häufig sieht, so geht die 
Apertur in eine längsovale Form über, sie bekommt eine viel stärkere 
Neigung zur Horizontalen, das Manubrium rückt etwas nach hinten, 
der Angulus Ludowici tritt stärker hervor, d. h. wir erhalten eine 
Aperturform, wie sie Hart als charakteristisch für die Tuberkulose 



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17] Anomalien des ersten Rippenringes and Lungentuberkulose. 221 

beschreibt. Man braucht, um diese Aperturform zu erzeugen, keine 
grosse Gewalt anzuwenden, da die Kraft an einem langen Hebelarm 
angreift. Umgekehrt, wenn man an dem Rippenring selbst angreift 
und versucht, ihm die längsovale Form zu geben, so ist dies kaum 
möglich, da der Kraftaufwand, an dem kurzen Hebelarm angreifend, 
viel zu gross ist, der Schultergürtel mit den Armen bietet einen zu 
grossen Widerstand. Es ist nun recht interessant, dass man bei tuber¬ 
kulösen Individuen, aber auch bei solchen, die keine Tuberkulose 
haben, sondern nur darauf verdächtig sind, meist zuerst die charak¬ 
teristische Haltung beobachten kann, die etwas nach oben und vorne 
gerichteten Schultern, das flügelförmige Abstehen der Schulterblätter, 
das Anstemmen und starke Hervortreten der Klavikeln am Sterno- 
klavikulargelenk, die meist leicht gebogene Wirbelsäule. An der 
leichten Biegung des Sternums, der starken Aushöhlung der Gelenk¬ 
pfanne am Sternum kann man erkennen, dass es die Klavikeln sind, 
die gegen das Sternum vordrängen und die obere Apertur verändern. 

Aus allem scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass die 
Veränderung der oberen Thoraxapertur die Folge einer Einwirkung 
des Schultergürtels ist. Die län gso vale Apertur ist die Folge 
einer Haltungsanomalie. Die abnorme Haltung ist das Primäre, 
nicht die Aperturänderung. Diese besondere Haltung ist sicher die 
Folge einer Muskelschwäche und Muskelanspannung, häufig vergesell¬ 
schaftet mit leichter Kyphose der Hals- und oberen Brustwirbelsäule, 
teilweise ist sie bedingt durch abnorme Haltung bei der Berufsarbeit. 
Deshalb findet man gerade die beschriebene Haltung, den phthisischen 
Habitus, bei den Berufen, die in leicht vornüber gebeugter Haltung 
Arbeit verrichten. Dass eine leichte Kyphose einen gewissen Einfluss 
auf die Stellung der Schlüsselbeine haben kann, dass also die Sub¬ 
luxation der Schlüsselbeine nicht immer eine rein passive ist, wie 
Freund es will, geht aus einem Beispiel von Hart und Harras 
deutlich hervor. Sie beschreiben folgenden Fall: Apertur Taf. 18. 
„Sie gehört einem gesunden 12 Jahre alten Knaben mit einer deut¬ 
lich wahrnehmbaren Kyphose der obersten Brustwirbelsäule an. Die 
Schulterblätter stehen leicht flügelförmig ab und sind mit Akromion, 
Humeruskopf und akromialen Schlüsselbeinende nach vorn vorgefallen, 
so dass die obere Brustpartie gezwungen tief liegend erscheint. . . . 
Wir sehen nun auf dem Röntgenogramm eine totale Subluxation 
der sternalen Schüsselbeinenden nach oben und vorn und können 
diese Erscheinung nicht anders als durch das Vorrücken der akro- 
raialen Verbindungen nach vorne und medialwärts, wie es ja bei 
dem runden Rücken wohl bekannt ist, erklären. Eine dorsale Krüm¬ 
mung der obersten Brustwirbelsäule allein kann also die Verlagerung 

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W. H. Schultze. 


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der sternalen Schlüsselbeinenden 'herbeiführen, was wir wohl berück¬ 
sichtigen müssen, da eine leichte Dorsalkrümmung der Brustwirbelsäule 
am phthisischen Thorax eine zwar nicht allgemeine, aber sichere 
Erfahrungstatsache ist.“ 

Bei Individuen mit widerstandsfähigem Knochengerüst braucht 
ein derartiges Anstemmen der Klavikeln infolge schlechter Haltung, 
die Aperturform nicht zu ändern. So treffen wir ja recht häufig 
Subluxationen der Klavikeln an, ohne dass eine längsovale Apertur 
vorhanden ist. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Sub¬ 
luxation nicht wie Hart und Freund es wollen, stets die Folge einer 
Aperturänderung, insbesondere ihrer längsovalen Umwandlung ist. Die 
längsovale Apertur kann also in vielen Fällen die Folge einer fehler¬ 
haften Haltung sein. Die Aperturanomalie einzig und allein scheint 
mir keine so grosse disponierende Rolle für die Tuberkulose abzugeben. 
Erst kürzlich sezierte ich eine 27 jährige Stickerin (Nr. 88), die 
äusserlich einen völlig phthisischen Habitus aufwies. Sie hatte eine 
typische längsovale Apertur, etwas hohe nach vornüber fallende 
Schultern, leicht gebogene Wirbelsäule. Sie zeigte also auch auf dem 
Seziertische noch die Haltung, die sie im Leben bei ihrer Berufs¬ 
arbeit, dem Sticken, eingenommen hatte. Sie war einem diabetischen 
Koma erlegen und zeigte trotzdem keine Spur von Tuberkulose, die 
Lungen waren völlig frei, obwohl sie für die Ansiedelung des Tuberkel¬ 
bazillus durch ihren Beruf, ihre Apertur, ihren Diabetes besonders 
hätte disponiert sein müssen. — Weiter kommt hinzu, dass auch die 
Schulterblätter in einigen Fällen einen leichten Druck auf die obere 
Apertur ausüben können und so in einigen Fällen, besonders gilt 
dies für das Wachstumsalter, die seitlich zusammengedrückte Form 
der Apertur entsteht; doch lässt sich dieser Einfluss sehr schwer 
beweisen, da er erst nach Jahren wirksam wird. 

Tritt nun zu der schlechten Haltung noch eine tuberkulöse 
Erkrankung hinzu, so wird die Haltungsanomalie noch stärker, da 
die oberen Lungenabschnitte infolge Verwachsung und Erkrankung 
noch weniger an der Atmung teilnehraen, es wird, falls die Rippen¬ 
knorpel noch elastisch sind, die längsovale Form der Apertur noch 
zunehmen. Und so findet man denn eine längsovale Apertur haupt¬ 
sächlich bei langsam verlaufenden Tuberkulosen und bei gewissen 
Berufen. In den beiden besonders charakteristischen Fällen, in denen 
ich eine typische längsovale Apertur auffand, hatte die Lungen¬ 
tuberkulose 5—6 Jahre gedauert, während sie in anderen Fällen 
nur nach höchstens 2 Jahren zum Tode führte. Jedenfalls gehört 
eine geraume Zeit dazu, bis sich die typische längsovale Form der 
Apertur ausbilden kann. 



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19] 


Anomalien des ersten Hippenringes und Lungentuberkulose. 


223 


Ebenso wie wir einen phthisischen Habitus erst während der 
Tuberkulose entstehen sehen, so kann auch die Formveränderung der 
Apertur erst während der tuberkulösen Erkrankung zur Ausbildung 
kommen. Sie ist dann die Folge nicht einer primären, fehlerhaften 
Körperhaltung, sondern einer durch die Tuberkulose und die Er¬ 
krankung der oberen Lungenabschnitte bedingten. So kann also in 
gewissem Sinne die Thoraxanomalie Folge der Lungenschwindsucht 
sein. Unsere Auffassung der Aperturanomalie als einer sekundären 
Haltungsanomalie erklärt es auch, warum wir bei den rasch ver¬ 
laufenden Phthisen, die vorher gesunde Individuen, die nicht durch 
den Beruf disponiert sind, betreffen, niemals eine Aperturanomalie 
auffinden, bei den chronischen Phthisen aber viel häufiger. Es hat 
mir öfter den Eindruck gemacht, als wenn die engen Aperturen eher 
günstig auf eine tuberkulöse Erkrankung der Lungenspitzen einwirken, 
indem sie leichter eine Ruhigstellung dieser Teile durch starke Ver¬ 
wachsungen ermöglichen, während bei Leuten mit querovalen weiten 
Aperturen eine Tuberkulose sehr rasche Fortschritte macht. Es sind 
das die Fälle, wo wir die Lungen leicht auslösen können und sich 
auch an den Spitzen keine zu starken Verwachsungen finden. Dass 
eine funktionelle Ruhigstellung die narbige Einbettung der tuberkulösen 
Prozesse begünstigt, wissen wir aus den Untersuchungen über die 
Pneumothoraxtherapie. Das scheint auch aus Experimenten von 
Rubel hervorzugehen, der nach künstlicher Immobilisation von Rippen 
eine stärkere Rückbildung tuberkulöser entzündlicher Infiltrate be¬ 
obachtete. Ich möche indes auf diese Versuche keinen grossen Wert 
legen, sie könnten vielleicht nur gegenüber den Bac me ist er sehen 
Versuchen herangezogen werden, der durch Verengerung der oberen 
Thoraxapertur eine Disposition der Lungenspitzen für die Ansiedelung 
des Tuberkelbazillus im Tierexperiment geschaffen hat. Derartige 
groben Experimente können meines Erachtens nur mit aller Reserve 
als Beweismittel herangezogen werden. 

Während Hart in seiner grossen Preisarbeit Änderung der 
Aperturgestalt fast allein auf angeborene Knorpelkürze zurückführte, 
hat er später zusammen mit Harrass einer „erworbenen, auf die 
Schädlichkeit äusserer Einflüsse während des Lebens zurückzuführenden 
phthisischen Thoraxform“ grösseren Wert beigemessen. Eine solche 
sieht er in der durch die habituelle Skoliose hervorgerufenen „skolio- 
tischen Aperturasymmetrie“. Also auch nach Hart und Harrass 
wird die Form der Apertur durch die Haltung des Individuums deut¬ 
lich beeinflusst, ohne dass man auf angeborene Knorpelanomalien 
und Entwickelungsstörungen zurückzugreifen brauchte. Zwischen dieser 
Auffassung von Hart, dass in vielen Fällen eine Aperturänderung 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



224 


W. H. Schultze. 


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[20 

durch eine Haltungsanomalie bedingt ist, lässt sich leicht eine Brücke 
zu unserer Auffassung schlagen, nach der wir die Mehrzahl aller 
Aperturänderungen, auch die symmetrische längsovale Apertur, als 
Haltungsanomalie aufgefasst wissen wollen. Wie weit indess die skolio- 
tische Aperturasymmetrie zur Tuberkulose disponiert, dafür fehlen 
noch zahlenmässige Beweise. Die grosse Häufigkeit leichter Skoliosen 
scheint eher gegen eine solche Annahme zu sprechen. Bei stärkeren 
Graden der Skoliose kann jedenfalls von einer Disposition zur Tuber¬ 
kulose nicht die Rede sein. Ausser früheren Untersuchungen geht 
dies auch wieder aus einer Arbeit von Neumann hervor. Von 
49 Fällen mit Kyphoskoliose waren 73,4% tuberkulosefrei, unter 
allen übrigen Sektionsfällen nur 59,5°/o, so dass Neumann zu dem 
Schlüsse kommt, dass bei Kyphoskoliosen eine Tuberkulose der 
Lungen bedeutend seltener sich findet als bei allen Sektionen zu¬ 
sammengenommen. Und Pottenger sieht die schiefe Haltung des 
Kopfes bei Tuberkulose als Folge der tuberkulösen Erkrankung an 
und schliesst, dass „wenn man die Erscheinungen um die obere 
Thoraxapertur sorgfältig beobachtet, scheint es vollkommen klar, dass 
das Verhältnis zwischen diesen Abnormitäten und tuberkulöser Lungen¬ 
infektion, wie es Freund und Rothschild beobachtet und erklärt 
haben, tatsächlich umgekehrt werden muss, in dem Sinne nämlich, 
dass diese Abnormität anstatt als Ursache, vielmehr als das Resultat 
der Tuberkulose angesehen werden müsse“. Wie man sich auch zu 
dieser Ansicht Pottengers stellen mag, jedenfalls kann man wohl 
daraus ersehen, dass betreffs der Skoliose, die man bei der Tuber¬ 
kulose findet, noch sehr viele Unklarheiten bestehen. 

Anhang: Über die Gelenkbildung am ersten Rippenknorpel. 

Ein weiterer Punkt, auf den ich noch ganz kurz eingehen möchte, 
betrifft die Gelenkbildung am ersten Rippenknorpel. Auf diese Gelenk¬ 
bildung, die nur nach teilweiser Verknöcherung des ersten Rippen- 
knorpels eintritt, hat ja bekanntlich schon Freund hingewiesen, 
und er und Hart haben diese Gelenkbildung als eine Art Natur¬ 
heilung gepriesen. Die Beschreibung von Freund über die Beschaffen¬ 
heit der Gelenke kann ich selbst auf Grund meiner Untersuchungen nur 
bestätigen und auch die von Hart erwiesene Häufigkeit dieses Vor¬ 
kommnisses stimmt mit meinen Befunden gut überein. Unter dem 
gesamten Material von 150 Fällen habe ich 22 mal eine Gelenkbildung 
an dem ersten Rippenknorpel konstatieren können, 8mal einseitig 
und 14 mal doppelseitig, auch ich habe am häufigsten die Gelenk¬ 
bildung 1 cm vom sternalen Ende der ersten Rippe entfernt auf¬ 
gefunden. Während ich mich also betreffs des Tatsächlichen in voller 



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21 ] 


Anomalien des ersten Rippenringes and Lungentuberkulose. 


225 


Übereinstimmung mit Hart und Freund befinde, kann ich mich ihrer 
Deutung betreffs der Beziehung dieser Gelenkbildung zur Heilung 
der Tuberkulose nicht anschliessen. Der Umstand, dass man Gelenk¬ 
bildung an der ersten Rippe mit abgeheilter Tuberkulose im höheren 
Alter öfter anzutreffen pflegt, kann doch in keiner Weise als ein 
Beweis für einen solchen Zusammenhang angesehen werden, da man 
abgeheilter Tuberkulose, auch ohne dass eine Gelenkbildung an der 
ersten Rippe besteht, ja bei Verknöcherung der ersten Rippe recht 
häufig begegnet. Besonders bei dem so ausserordentlich tuberkulose- 
reichen Material von Hart kann das nicht wundernehmen. Unter 
meinen 22 Fällen war sogar die Lunge in 13 Fällen frei. Der Um¬ 
stand, dass man die Gelenkbildung gewöhnlich erst nach dem 30. Lebens¬ 
jahre anzutreffen pflegt, spricht auch eher dafür, dass keine Be¬ 
ziehungen zwischen ihr und der Heilung der Tuberkulose besteht, da 
man letztere doch im allgemeinen in das dritte Dezennium verlegen 
muss. Zweimal fanden wir Gelenkbildung bei vorgeschrittener Lungen¬ 
tuberkulose, ein Beweis, dass ein grosser heilender Einfluss unter 
keinen Umständen der Gelenkbildung zuzuschreiben ist. Auch Harts 
Ausführungen klingen bedeutend skeptischer als die Freunds, der 
von einer „palliativen als auch radikal heilenden Wirkung“ spricht. 
Es ist nur zu verwundern, dass Hart in seiner Arbeit doch noch 
immer von der „wunderbaren und einfachen Naturheilung“ spricht. 

Wie entsteht denn nun die Gelenkbildung am ersten Rippen¬ 
knorpel? Ich glaube, dass man auch hier grossen Wert auf die Be¬ 
ziehungen zwischen der Klavikula und dem ersten Rippenknorpel 
legen muss. Beide sind innig durch Bandmassen miteinander ver¬ 
bunden. Bei der Bewegung der Klavikula muss der erste Rippen¬ 
knorpel einen federnden Zug aushalten, erst in zweiter Linie wirken 
auf ihn die auxiliären Atemmuskeln. Bewegt man nun an einem 
Bänderpräparat die Klavikula stärker, so kann man erkennen, dass 
der erste Rippenknorpel seine stärkste Bewegung an derjenigen Stelle 
(1 cm vom sternalen Ende entfernt) erfährt, wo man am häufigsten 
eine Gelenkbildung anzutreffen pflegt. So spielt meines Erachtens 
für das Auftreten der Gelenkbildung am verknöcherten Rippenknorpel 
die Bewegung im Schultergürtel eine wichtige Rolle. Deshalb findet 
man Gelenkbildung an der ersten Rippe vorzugsweise bei Männern 
und Frauen der arbeitenden Klasse, erst in zweiter Linie kommen 
wohl stärkere Atembewegungen, Hustenstösse usw. in Betracht. Das 
häufige Vorkommen der Gelenkbildung bei Asthma, Emphysem und 
chronischer Bronchitis mag sich aus dieser Ursache herleiten. Wenn 
man überhaupt von einer Beziehung zwischen geheilter Lungentuber¬ 
kulose und Gelenkbildung reden will, so würde es mir viel plausibler er- 


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226 


W. H. Schultze. 


[22 


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scheinen, die Gelenkbildung als eine Folge der Heilung der Tuber¬ 
kulose anzusehen, nicht umgekehrt. Nach Heilung einer Spitzen¬ 
phthise wird, der bisher infolge der Erkrankung geschonte und ruhig 
gestellte Lungenabschnitt wieder stärker von der Atmung in Anspruch 
genommen. Dadurch kann es leicht zum Zerbrechen des während 
oder wegen der Ruhigstellung starrer gewordenen ersten Rippenringes 
kommen. 

Ich möchte meine Untersuchungen dahin zusammenfassen, dass ich 

1. weder einer abnormen Kürze und frühzeitigen 
Verknöcherung des ersten Rippenknorpels, noch der 
Ausbildung einer längsovalen oberen Thoraxapertur 
eine ausschlaggebende Rolle für die Entstehung der 
Lungentuberkulose zuschreiben und 

2. keine B eziehungen zwischen einer Gelenkbildung 
am ersten Rippenknorpel und Heilung einer Lungen¬ 
tuberkulose erblicken kann. 


Bemerkungen zu den Tabellen. 


Die Messungen wurden wahllos dann vorgenommen, wenn es die Zeit dem 
Verfasser erlaubte. In der letzten Zeit wurden nur die Phthisen untersucht und 
in die Tabelle eingetragen. Es sind die nachfolgenden 100 Fälle nicht als eine 
fortlaufende Serie anzusehen, wie ja auch aus dem Sektionsdatum, welches immer 
angegeben ist, hervorgeht. 

Bei den Aperturmassen ist neben dem graden und queren Durchmesser 
gleich die Differenz angegeben. Knbr. bedeutet Knorpelbreite, Stbr. Sternum¬ 
breite. Im Übrigen ergeben sich die angegebenen Abkürzungen leicht aus dem 
Zusammenhang. 


Gougle 


Original frorri 

UNIVERSITY Gf MINNESOTA 



23] 


Anomalien des ersten ßippenringes und Lungentuberkulose. 


227 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank¬ 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

1. 

v. D, 15. 11. 12, 
64 J., w. 

Apoplexie 
r. Spitze stark 
verwachsen, 
1. geriugcr 

10:4,5 

5,5 

r. 2,7—3,7 

1. 2,7—4,0 

beginnende 
leichte Verkn. 
unten 

2. 

H. S., 15. II. 12, 
47 J., w., 160 cm 

Mammakrebs 

frei 

11,4:5,0 

6,4 

r. 3,0 -5,3 

1. 2,7-5,0 

beginnende 
Verkn. unten 
beiderseits 

3. 

W., 15. II. 12, 
35 J., w., 158 cm 

Peritonitis 

frei 

9:3,5 

5,5 

r. 2,5-3,0 

1. 2,5—3,5 

elastisch 

4. 

G., 17. II. 12, 
18 J., m , 178 cm, 
Tischler 

Sepsis 

frei 

10,6:4,6 

6,0 

r. 3,2—5,0 

1. 2,8-4,8 

»» 

5. 

L., 17. II. 12, 
45 J., m., 177 cm 
Arbeiter 

Lungen- und 
Darmtuber¬ 
kulose 

10.5:5,5 

5,0 

r. 3,0-4,5 

1. 3,0—4,5 

beg.Verkn.unten, 
besonders links, 
Stbr. 5,8 

6. 

L., 19. II. 12, 
0 J., m., 50 cm 

Aspiration 

frei 

4,4: 2,4 

2,0 

<) 

elastisch 

7. 

R., 20. II. 12, 
47 J., m., 167 cm 

Emphysem 
r. L. verw., 

1. L. frei 

10,0: 5,7 

4,3 

r. 3,0—4,4 
j 1. 3,0-4,0 

r. verknöchert 

1. starr 

8. 

K. St., 20. II. 12, 
5 J., w. 

Miliartuber¬ 

kulose 

8,0 :3,0 

5,0 

' r. 2,4-3,8 
i 1. 2,4-3,8 

elastisch 

9. 

D. F., 20. II. 12, 
56 J., w., 160 cm 

Erhängen 

(Suicid) 

frei 

10,0 : 3,8 i 
6,2 

r. 2,0-3,2 1 

1- ? i 

beids. Schale, 
Gelenk rechts 

10. 

X., 21. II. 12, 

Pneumonie 

9:3.5 

? 

beids. Verkn., 


50 J., m. 

i 

frei 

i 

■ 

5,5 


starke beids. 
Gelenke 

11. 

1 

W. H., 21. 11. 12, 
59 J., m. 

Apoplexie, 

Emphysem 

: 11,0:6,5 

4,5 

1 

9 

• 

verknöcherte, 
gradovale Apert. 

12. 

i 

N., 21. II. 12, Peritonitis, 
65 J., w., 160 cm r. Spitze alter 
; Tbc.-Herd 

9:4 

5,0 

r. 2,6-3,8 

1 2,6-4,0 

j beids. Verkn. 
unten 

1 

13. 

! 

B., 23. II. 12, Peritonitis, 
65 J., m., 166 cm, beids.Spitzen- 

11,0:4,0 

7.0 

r. 3,0—4,2 

1. 2,8-4,2 

Scheide beids., 
Gelenk rechts 

i 


Arbeiter narb., r. verw 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 






228 


W. H. Schultze. 


[24 


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Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank¬ 
heit, Lungen - 
befand 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

. 

14. 

B. M., 23. II. 12, 
40 J., w. 

Dysenterie 

frei 

9,4 :4,0 

5,4 

r. 3 0-3,4 

1. 3,0-3,6 

beginn. Verkn., 
beide. Knbr. 1,8 

15. 

G. V., 23. II. 12, 
18 J., m., 162 cm, 
Kellner 

Diphtherie 

frei 

9.5: 5,3 

4,2 

r. 2,6—4,0 

1. 2,6—4,0 

elastisch, 
Knbr. 1,2 

16. 

A., 23. II. 12, 
34 J., m., 168 cm, 
pens. Beamter 

Phthisis p., 

1. L schwer, 
r. L. leichter 
verändert 

10.5:4,5 

6,0 

r. 2,7—3,4 

1. 3,2—5,0 

r. oben u. unten, 
1. nur unten ver¬ 
knöchert, 
Knbr. 1,4 cm 

17. 

B. G., 26.11. 12, 
11 J., m., 132 cm, 
Schüler 

Scharlach 

frei 

9,0: 3,0 

6,0 

r. 2,5-3,4 

1. 2.7—3,4 

elastisch 

18. 

G., 27. II. 12, 
19 J., m., 172 cm, 
Volontär 

Peritonitis 

frei 

10.2:3,2 

7.0 

r. 3.0 -8,9 

1. 3,2—3,6 

»» 

19. 

R., 27. II. 12, 
2 T., m., 50 cm 

Lebens¬ 
schwäche, frei 

4,2:2,0 

2,0 

— 

»» 

20. 

H. M., 28. II. 12, 
72 J., w., 150 cm 

j 

Empyem 
links, r. L.alte 
Tbc. mit Ver¬ 
wachsungen 

10,5:4,0 

6,5 

nicht zu 
bestimmen 

! 

verknöcherte 
beids. Gelenke 

21. 

St., 28. II. 12, 
62 J., m., 
Exekutor 

Karzinom, 

Emphysem 

frei 

11,5 : 4,0 

7,5 

? 

3—4 cm 

| 

»* 

22. 

P., 1. III. 12, 
46 J., m., 173 cm, 
Bäckermeister 

Leukämie 

frei 

[ 12,0:4,5 

7,5 

r. 2,8-3,0 

1. 4,0-4,4 

verkn. r. oben. 
Stbr. 6 cm 

23. 

B. L., 1. III. 12, 
68 J., w., Witwe 

: 

| 

Combustio, 

1. Spitze ver¬ 
wachsen 

9,5 :4,5 

5,0 

r. 2,5—2,7 

1. 3,0—3,2 

verkn. leicht, 
beids. Knbr. 1,4, 
Stbr. 6 cm 

24. 

W. F., 2. III. 12, 
6 J., m., 100 cm 

Empyem 

frei 

7,0: 2,4 

4,6 

r. 2,5—3,2 

1. 2,5-3,2 

elastisch 

25. 

i 

A. W , 4. III. 12, 
48 J., w., 162 cm, 
Ehefrau 

Ponsblutung 
abgeheilte 
Tbc. beider 
Spitzen 

11,0:3,0 

8,0 

r. 2,0—4,0 

1. 2,0—3,4 

elastisch 

Stbr. 5 cm 
Knbr. 2 cm 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 








25] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentnberkulose. 


229 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank¬ 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
•Bemerkungen 

26. 

■ 

F. J., 4. III. 12, 
49 J., m., 165 cm, 
Fabrikaufseher 

Ca. ventriculi 
frei 

10,0 :6,0 

4,0 

r. 3,0-4,2 

1. 2,7—3,6 

elastisch 
Knbr. 2 cm 
Stbr. 5 cm 

27. 

B., 5. III. 12, 
76 J , w., 150 cm 

Mitralstenose 

Emphysem 

9,0:4,5 

4,5 

r. 2,0-3,2 

1. 2,6-8,2 

Verkn.beginnend 
links unten, 
Stbr. 5,5 cm 

28. 

A. N., 8. III. 12, 
57 J., w., 153 cm 

Combustio, 
starke Ver¬ 
wachsungen, 
keine Tbc. 

9,5 :5,5 

4,6 

r. 2,5—3,0 

1. 2,5—3,0 

beids. Schale, 
beide. Gelenke 

29. 

W. M., 9. III. 12, Peritonitis, 
53 J., m., 156 cm Ileozökalthc. 

1 frei 

10,0: 5,0 

5,0 

r. 3,0—4,0 

1. 3,0—4,0 

beids. verkn. 
Schale 

30. 

H. E., 9. III. 12, 
3 M., m. 

Pneumonie 
sonst frei 

5,0:2,0 

3,0 


— 

31. 

W. W., 9. III. 12, 
54 J., m. 

Lungen¬ 
gangrän 
sonst frei 

10,0:4,5 
; 5,5 

r, 3,0—3,6 

1. 3,0—4,0 

beids. Schale, 
Stbr. 6 cm 
Knbr. 1,8 cm 

32. 

E. S., 9. III. 12, 
34 J., w. 

Phthisis p. 

9,5:4,5 

5,5 

r. 2,6-4,0 

1. 2,6—4,0 

elastisch 
Knbr. 2 cm 

33. 

B., 11. III. 12, 
5 J., m., 110 cm 

Pyelone¬ 
phritis, frei 

8,0: 3,0 

5,0 

r. 2,6—3,3 

1. 2,6—3,3 

elastisch 

34. 

W.H., 11. III. 12, 
63 J., m., 166 cm, 

Maurer 

Ca.pancreatis 
r. u. 1. Ver¬ 
wachsungen, 
keine Tbc. 

10:3,5 

6,5 

nicht zu 
bestimmen 

beids. Schale, 
beids. Gelenke 

35. 

A. F., 11. III. 12, 
70 J., w. 

Senium, frei 

9,5: 4,5 

5,0 

r. 1,8-3,0 

1. 1,8—3,0 

beids. beg.Schale, 
Knbr. 1,2 cm 

36. 

H. B., 12. III. 12, 
74 J, w., 149 cm 

Arterio¬ 
sklerose 
starke Verw. 

9,5: 5,0 

4,5 

r. 2,2—3,0 

1. 2,3—3,0 

1. unten leicht 
verknöchert, 
Knbr. 1,2 cm 

37. 

A. B., 12. III. 12, 
2 J., w. 

Diphtherie 

frei 

7,0: 2,0 

5,0 

r. u. 1. 3,0 ? 

elastisch 

I 

38. 

B., 5. III. 12, 
24 J., m., 168 cm, 
Hausdiener j 

Epilepsie 
frei | 

10,0:5,0 . 
5,0 

r. 3,0-4,2 

1. 2,9-4,2 

elastisch 
Knbr. 1,5 cm 


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« 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 







W. H. Schultze. 


[26 


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230 


Nr. 

i 

! 

Datum, 

| Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank- 
heit, Lungen¬ 
befund 

! Apertur¬ 
masse j 

Länge des 
lerstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen. 

39. 

L., 9. III. 12,' 
57 J., m., 155 cm 

Bronchi- 

ektasien, 

Emphysem 

10,5: 5,0 

5,5 

i 

r. 3,0—5,0 

I 1. 3,0-4,2 

| 

elastisch, 
Knbr. 1,5 cm 

i 

40. 

W., 12. III. 12, 
49 J., m., 176 cm, 
BufFetier 

Ca. recti, 

1. L. etwas 
verwachsen 

10,0:4,0 

i 6,0 

j 

r. 2,0-3,5 
i 1. 2,0-3,5 

1 

i 

1 leichte Scheide 

! 

beids. unten 
Stbr. 6,0 cm 

41. 

0. G., 14. III. 12, 
29 J., m., 170 cm, 
i Bäcker 

i : 

i 

Phthisis p., 
rechts starke 
jVerw., 1. ge* 

| ringer 

10,5:4,0 

6,5 

1 r. 3,5—3,5 
! 1. 3,5-4,2 

! ' 

r. beginn. Verkn., 
sonst elastisch, 
erblich belastet, 
Dauer 1 Jahr 

42. 

D. B., 14. III. 12, 
60 J., w. 

Phthisis p. 

10: 4,0 

6,0 

| r. 2,0—3,0 

L 2,7—3,2 

i 

1 i 

r. beginn. Verkn., 
sonst elastisch, 
Knbr.2,5,Stbr.5,0 

43. 

H.Sch., 15.111.12, 
11 J., m. 1 

Leberzirrhose 
| frei 

8,5 : 3,5 

5,0 

r. u. 1. 3,5 ? 

i 

elastisch 

44. 

G. G„ 15. III. 12, 
81 .1., w., 158 cm, 
Witwe 

Ca. frontis 
frei 

I 10:4,5 

5,5 

: 

; r. 3,4—3,4 
| 1. 3,4- 3,4 

beids. kleine 
j Scheide, sonst 
elastisch 

45. 

K., 18. III. 12, 
40 J., m., 164 cm, 
Maler 

1 Peritonitis 
frei 

10,0:4,0 
; ' 6,0 

r. 2,0—3,7 

1. 1,7-4.0 | 

elastisch 

46. 

i 

! 

S., 18. III. 12, Strangulation 10,0:5,0 

56 J., m., 173 cm, (Suicid) 5,0 

Maurerpolier | frei 

r. 3,0-4,0 

1. 3,0-4,0 

' 

beids. beginnende 
Verknöcherung 

47. 

R., 18. III. 12, 
32 J., w., 157 cm 

puerperale 
Sepsis, frei 

10:4,0 

6,0 

r. 2,2-4,0 ! 
1. 2,5—4,0 

elastisch 

48. 1 

i 

0., 18. III. 12, Strangulation 8,5:5,5 

50 J., m., 166 cm, (Suicid) 3,0 

. Kutscher frei 

r. ? 

1. fehlt 

r. Gelenk u. voll¬ 
kommen verkn., 
l.Rippe rudiment. 

49 

S., 20. III. 12. 
40 J., m., 170 cm 

i 

perniciöse 

Anämie 

frei 

10,5:4,5 
! 6,0" 

1 

r. 2,6-3,6 ; 
1. 2,0—4,0 | 

1. starke Verkn,, 
Stbr. 5,0 

1 Knbr. 2 cm 

50. 

M. B., 20. III. 12, Vitium cord., 
19 .1., w., 160 cm Embolie 
frei 

10,0: 5,0 

5,0 

r. u. 1. nicht 
zu bestimmen^ 

beids. starke 
Verkn., Knbr.1,7, 
Stbr. 5 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





27] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


231 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank¬ 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

51. 

F. H., 23. III. 12, 
22 J., m., 163 cm, 
Bergmann 

Phthisis p. 

10,7:5,5 

5,2 

r. 3,0-4,0 

1. 3.2-4,2 

elastisch, Stbr. 5, 
Knbr. 1,5 cm, 
Dauer 1 Jahr 

52. 

F., 23. III. 12, 
87 J., w. 

Bronchitis 

10.0 :5,0 

5,0 

— 

verknöchert 

53. 

K. B, 23. III. 12, 
2 J., m. 

Combustio 

frei 

7,0: 2,5 

4,5 

0 

elastisch 

54. 

W. S., 25. III. 12, 
29 J., m., 160 cm, 
Bäcker 

Phthisis p. 

10,0:4,4 

5,6 

r. 3,0—4,0 

1. 2,6—3,4 

elastisch, 
Knbr. 1,8 cm, 
Dauer 6 Jahre 

55. 

J. P., 26. III. 12, 
41 J., m. 

Myelitis, Tbc. 
sanata p. 

10,0 :4,5 

5,5 

r. 3,0—3,7 

1. 3,0-3,7 

beginn. Verkn. 
unten 

56. 

P., 26. III. 12, 
43 J., m., Maler 

Bämorrhagia 
cerebri, frei 

11.0:4,0 

7,0 

r. 3,5—4,0 

1. 3,5—4,0 

»» 

57. 

H. S, 28. III. 12, 
22 J., m., 177 cm, 
Maler 

Phthisis p. 

11,5:5,5 

6,0 

1 

! 

’r. 3,0-4,0 

1. 3,0-3,5 

1 

elastisch, 

Stbr. 5,2, Knbr. 2, 
Dauer 3 Jahre 

58. 

M. W., 29. III. 12, 
57 J., w., 160 cm 

Miliartuberk., 

Spitzen¬ 

narben 

11,0:5,0 

6,0 i 

j 

r. 2,5-3,5 

1. 3,0—3,5 

! 

beids. Verkn., 
beids. Gelenke, 
Knbr. 1,5 
Stbr. 5,0 

59. 

' 

X., 29. III. 12, 
0 J., m., 50 cm 

Tentorium- 

zerreissung 

frei 

3,5:1,8 

1,7 

| 

? 

elastisch 

i 

j 

60. 

R., 21. IV. 12, 
25 J., w., 150 cm 

Phthisis p. 

9,0: 3,5 

5,5" 

r. 2,0—3,0 

1. 2,0—3,0 j 

r. elastisch, 
l. beg.Verkn.unt., 
Knbr.r.2,1.1,5 cm 

61. 

CI., 24. IV. 12, 
39 J., w. 

pemiciöse 

Anämie, 

Spitzen¬ 

narben 

! 9,0: 4,0 

5,0 

r. 2,0-2,0 

1. 2,0—3,0 

r. elastisch, 1. beg. 
Verkn. unten, 
Knbr. r. 2, 1.1 cm 

62. 

1 

i 

i 

, 

Kh., 2. IV. 12, 
17 J., m. f 155 cm, 
Künstler 

Phthisis p. ; 

i 

9,0:3,5 

5,5 

r. 3,0-4,0 

1. 3,0-3,7 

elastisch, Knbr. 
1,75 cm, Wachs¬ 
tum der 1. Rippe 
noch nicht ab¬ 
geschlossen 


Digitizetf b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





232 


W. EL Schultze. 


[28 


Digitized by 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank- 
heit, Lungen- 
befund 

Apertur. 

masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

63. 

D., 26. IV. 12, 

Phthisis p. 

11:5,0 

r. 2,5—4,0 

elastisch 


47 J M m., 
Kutscher 


6,0“ 

1. 2,5—3,5 


64. 

K., 26. IV. 12. 
33 J., w., 
Fräulein 

„ 

9:4,3 

4,7 

r. u. 1. nicht 
zu bestimmen 
? 

beide. Verknöch., 
Schale 

65. 

S., 9. V. 12, 31 J., 
m., Schneider 

Phthisis p. 
beide Seiten 
gleich schwer 
verändert 

12:5 

7,0 

r. 3,0—4,5 

1. 2,7—4,0 

r.verkn.nnvollst. 
Gelenk, 1. elast., 
Knbr. 1,7 cm 

66. 

\V., 17. V. 12, 
22 J., w., 167 cm 

Phthisis p. 

11 :4 

7,0 

r. 3,0—4,0 

1. 3,0—4,0 

elastisch, 
Dauer 7* Jahr 

67. 

K., 10. V. 12, 
38 J., ra. 

»* 

9.5:4.5 

5,0 

r. 3,0—3,o 

1. 3,0—3,5 

elastisch 

68. 

Z., 28. V. 12, 
21 J. f m., 176 cm, 

; Modelltischler 

* ” 

10,5 :4,5 

6,0 

r. 3,5—4,5 

1 . 3 , 5 — 4,5 

elastisch, sehr 
rascher Verlauf 
vor V* Jahr, 
Lungen 0 . B. 

69. 

|l., 29. V. 12,27 J., 
m., 171cm, Hand¬ 
lungsgehilfe 1 

Phthisis p., 
Endokarditis 

: 

j 11,0:5,5 

5,5 

r. 3,5-4,0 
! 1. 3,0—3,7 

elastisch, 

7* Jahr krank, 
Knbr. 1,8 cm 

70. 

H., 4. VI. 12. 
16 J., w., 150 cm, 
Dienstmagd 

Phthisis p. 

I 

11,0:2.5 

8,5 

r. 2,5—4,0 

1. 3,0-4,3 | 

j 

elastisch, 

1 Jahr krank, 
Knbr. 1,7 cm 

71. 

V., 4. VI. 12, 
55 J., w., 158 cm, 
Ehefrau j 

Schwielige 

Lungentuber¬ 

kulose, 

Miliartuberk. 

10,0:5,75 
425 

! r. 2,5-3,2 

1. 2,5—3,2 

SeitöJahrenTbc., 
beids. Gelenke 

72 ‘ 

; 

H., 15. II. 12j 
48 J., m. 

i 

Endokarditis, 
1. Oberlappen- 
tuberkulöse, 
r. L. frei 

11 : 4,0 

7,0 ~ 

! 

1 r. 1,7—2,5 
l. 1,7—2,7 

Verkn. u. aussen, 
Knbr. 1,7 cm 
Stbr. 6 cm 

73 . ; 

L., 14. II. 12,i 

61 J., w., 142 cm 

Idiotie, 

Cicatrices 

apic.utriusque 

! 9,5 : 4,5 

5,0 

i 

| r. 2,0-3,0 

1. 2,0—2,2 

beids. Verknöch. 
unten 

74. 

H., 13. II. 12. 
6 M., m., 60 cm 

Enteritis 

| 4,6 : 2,4 

1 2,2 

? 

elastisch 


Gch igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 






29] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


233 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrank* 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
ersten Rippen 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

75. 

B., 13. II. 12, 

Krschiessen 

11,5:5,0 

r. 4,0- ? 

beids. starke 


48 J , m., 173cm, 
Fabrikant 

(Suicid) 

Emphysem 

frei 

6,5 

1. 4,0 V 

Verkn., 1. Gelenk 

76. 

H., 12. II. 12. 
5 J. f m., 116 cm 

Osteomyelitis 

frei 

7,7 : 3,7 

4,0 

9 

elastisch 

77. 

B., 12. II. 12, 

Kohlenoxyd- 

9,7 :4,6 

r. 2,5-3,5 

beids. stark ver- 


49 J., m., 165 cm, 
Buchhalter 

Vergiftung, 
r. Spitzen¬ 
narbe 

5,1 

1 2,7-3,7 

knöchert 

78. 

K., 11. II. 12, 
27 J , m., 166 cm, 

Dreher 

Koma 

diabeticum 

frei 

11,5:5,3 

6,2 

nicht 

gemessen 

elastisch 

79. 

Z., 10. II. 12, Mitralstenose 

42 J., m., 158 cm,j frei 

Arbeiter 

10,0 :4,2 

5,8 


— 

80. 

T., 26. V. 12, 
59 J., m., 163 cm, 
Arbeiter 

Phthisis p. 

10:5,0 

5,0 

nicht 

zu messen 

beiderseits voll¬ 
kommen verkn., 
schalenförmig 

81. 

S., 11. VII. 11, 
41 J., m., 165 cm, 
Verschliesser 

Emphysem 

11,5:5,0 

6,5 

nicht 

! gemessen 

r. verknöchert^ 

82. 

F., 17. VII. 11. 
40 J , w., 157 cm 

subdurales 

Hämatom, 

Emphysem 

10 ,0:5,0 

5,0 ' 

; i 


j elastisch 

83. 

i 

B,, 25. VII. 11, 
19 J., w., 147 cm 

Phthisis p. 

12 ,0:5,0 

7,0 

r. 3,0-4,0 ! 
I. ebenso 

■ 

” 

84. 

H., 10. VII. 12, 
43 J., w., 156 cm 

»» 

11,3:4,5 

6,8 

r. 2,0-3,2 

1. 2,0-3,2 

j 

elastisch, Knbr. 
1,7, Stbr. 5,5 cm, 
1 Jahr krank 

85. 

S., 12. VII. 12, 

Lues III 

10,9:6,0 

r. ca. 3 cm 

starke Verkn., 


41 J., m., 170 cm, 
Fahrradhändler 

frei 

4,9 

i 1. ebenso 

i 

schalenförmig, 
Knbr. 1,8 cm 
Stbr. 8 cm 

86 . 

S., 8. VII. 12. 
40 J., w, 
Ehefrau 

Phthisis p. 

10,5:5,50 

5,5 

r. 2,0-3,0 
| 1. ebenso 

beginn, schalenf. 
Verkn., Knbr.1,6, 
rascher Verlauf 


Difitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 






232 


W. H. Schultze. 


[28 


Digitized by 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hau pt krank- 
heit, Lungen¬ 
befund 

A pertur- 
masse 

Länge des 
erstenRippen- 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

63. 

D., 26. IV. 12, 

Phthisis p. 

11:5,0 

r. 2,5—4,0 

elastisch 


47 J., m., 
Kutscher 


6,0 

1. 2,5—3,5 


64. 

K., 26. IV. 12. 
33 J., w., 
Fräulein 

i? 

9 :4,3 

4,7 

r. u. 1. nicht 
zu bestimmen 

? 

beids. Verknöch., 
Schale 

65. 

S., 9. V. 12,31 J., 
m., Schneider 

Phthisis p. 
beide Seiten 
gleich schwer 
verändert 

12:5 

7,0 

r. 3,0—4,5 

1. 2,7-4,0 

r.verkn.unvollst. 
Gelenk, 1. elast., 
Knbr. 1,7 cm 

66 . 

W., 17. V. 12, 
22 J., w., 167 cm 

Phthisis p. 

11 :4 

7,0 

r. 3,0—4,0 

1. 3,0—4,0 

elastisch, 
Dauer V 4 Jahr 

67. 

K., 10. V. 12, 
38 J., m. 

- 

9.5:4,5 

5,0 

r. 3,0—3,5 

1. 3,0—3,5 

elastisch 

68 . 

Z., 28. V. 12, 
21 J., m., 176 cm, 
Modelltischler 

! 

, »» 

i j 

10,5 :4,5 

6,0 ' 

r. 3,5—4,5 

1. 3,5—4,5 

| 

elastisch, sehr 
rascher Verlauf 
vor V* Jahr, 
Limgen o. B. 

69. 

L.,29.V.12,27J„ 
m., 171 cm, Hand- 
| lungsgehilfe 

I i 

| Phthisis p., 

| Endokarditis 

1 

11,0:5,5 

5,5 

1 r. 3,5-4,0 

1 1. 3,0—3,7 

| 

elastisch, 

7* Jahr krank, 
Knbr. 1,8 cm 

70. 

H., 4. VI. 12, 
16 J., w., 150 cm, 
Dienstinagd 

Phthisis p. 

i 

11,0:2.5 

8,5 

r. 2,5—4,0 

1 1. 3,0- 4,3 

elastisch, 

1 Jahr krank, 
Knbr. 1,7 cm 

71. 

V r ., 4. VI. 12,j Schwielige 
55 J., w., 158 cm, Lungentuber- 
Ehefrau | kulose, 

j Miliartuberk. 

10,0:5,75 

4 25 

r. 2,5 -3,2 

1. 2,5—3,2 

1 

1 

Seit6JahrenTbc., 
beids. Gelenke 

72. 

! 

, 

H., 15. 11. 12, 
48 J., m. 

Endokarditis, 
1. Oberlappen 
tuberkulöse, 
r. L. frei 

11:4,0 

7,0 

r. 1,7—2,5 

1. 1,7—2,7 

i 

Verkn. u. aussen, 
Knbr. 1,7 cm 
Stbr. 6 cm 

73. 

L., 14. II. 12, 
61 J., w., 142 cm 

Idiotie, 

Cicatrices 

apic.utriusque 

9,5 :4,5 
| 5,0 

r. 2,0-3,0 
| 1 . 2,0—2,2 

beids. Verknöch. 
unten 

74. 

i 

H., 13. II. 12, 
6 M., m., 60 cm 

Enteritis 

, 4,6:2,4 

; - 2,2 

1 ? 

elastisch 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 






29] Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 233 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Haupt krank- 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
ersten Rippen 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

75. 

B., 13 II. 12, 
48 J , m., 173 cm, 
Fabrikant 

Krach i essen 
(Suicid) 
Emphysem 
frei 

11,5:5.0 

6,5 

r. 4,0- ? 

1. 4,0 ? 

beids. starke 
Verkn., 1. Gelenk 

76. 

H., 12. II. 12. 
5 J., m., 116 cm 

Osteomyelitis 

frei 

7,7 :3,7 

4,0 

? 

elastisch 

77. 

B., 12. II. 12, 
49 J. f m., 165 cm, 
Buchhalter 

Kohlenoxyd- 
yergiftung, 
r. Spitzen¬ 
narbe 

9.7 :4.6 

5,1 

r. 2,5—3,5 

1 2,7-3,7 

beids. stark ver¬ 
knöchert 

78. 

K., 11. II. 12, 
27 J , m., 166 cm, 

Dreher 

Koma 

diabeticum 

frei 

11,5:5,3 

6,2 

nicht 

gemessen 

elastisch 

79. 

Z., 10. II. 12, 
42 J., m., 158 cm, 
Arbeiter 

Mitralstenose 

frei 

10,0:4,2 

"5,8 

— 

— 

80. 

T., 26. V. 12, 
59 J., m., 163 cm, 
Arbeiter 

Phthisis p. 

1 

j 

j 10:5,0 

5,0 

I 

nicht 

zu messen 

beiderseits voll¬ 
kommen verkn., 
schalenförmig 

i 

81. 

S., 11. VII. 11, 
41 J., m., 165 cm, 
j Yerschliesser 

Emphysem 

11,5:5,0 

1 6,5 | 

nicht 

gemessen 

I 

r. verknöchert^ 

82. 

F., 17. VII. 11, 
40 J , w., 157 cm 

i 

1 

subdurales 

Hämatom, 

Emphysem 

; 10,0 : 5,0 : 

j ' 5 >° ^ i 


elastisch 

| 

£3. 

B,, 25. VII. 11, 
19 J., w., 147 cm 

| 

Phthisis p. 

12,0:5,0 

7,0 ; 

r. 3,0—4,0 

1. ebenso 

! »> 

84. 

! 

H., 10. VII. 12, 
43 J., w., 156 cm 

>* 

11,3:4,5 

6,8 

r. 2,0-3,2 

1. 2,0-3,2 

elastisch, Knbr. 

11,7, Stbr. 5,5 cm, 

1 1 Jahr krank 

| . 

85. 

S., 12. VII. 12, 
41 J., m., 170 cm, 
Fahrradhändler 

Lues 111 
frei 

10,9 : 6,0 

4,9 

r. ca. 3 cm 

I. ebeuso 

l 

i starke Verkn., 
schalenförmig, 
Knbr. 1,8 cm 
! Stbr. 8 cm 

I 

86. 

S., 8. VII. 12, 
40 J., w, 
Ehefrau 

Phthisis p. 

10,5 : 5,50 
5,5 

! r. 2,0-3,0 
| 1. ebenso 

1 

beginn, schalenf. 
Verkn., Knbr.1,6, 

! rascher Verlauf 


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234 


W. H. Schultze. 


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P» 


Nr. 

Datum, 
Geschlecht, 
Alter, Stand, 
Körperlänge 

Hauptkrauk- 
heit, Lungen¬ 
befund 

Apertur¬ 

masse 

Länge des 
ersten Rippen¬ 
knorpels 

Beschaffenheit 
des ersten 
Rippenknorpels. 
Bemerkungen 

87. 

M., 8. VII. 12, 
22 J., m. 

Phthisis p. 

11.5:5,0 

6,5 

r. 2,5-3,5 

1. 2,5—4,0 

elastisch, Stbr. 6, 
Knbr. 2 cm 

88. 

F., 17. VII. 12, 
27 J., w., 145 cm, 
Stickerin 

Diabetes 

frei 

10,2:5,9 
-^-4,3 

r. 2,0—3,0 

1. ebenso 

elastisch 

89. 

B., 12. VII. 12, 
59 J., m., 172 cm, 
Maurer 

Schwielige 

Tuberkulose 

10,0: 7,0 

3,0 

nicht 

zu bestimmen 

schalenf. Verkn., 
rudiment. R 1., 
Dauer mehrere J. 

90. 

H., 19. VII. 12, 
29 J., m., 169 cm, 
Zigarrenarbeiter 

Phthisis p. 

11,5:5,5 

6,0 

r. 3,0-4,0 

1. 3,0—4,0 

elastisch, 9 Mon. 
krank, Knbr. 1,8, 
Stbr. 6 cm 

91. 

K., 26. VII. 12, 
25 J., m., 174 cm, 
Hausdiener 

” 

10,2:6,2 
“ 4,0 

r. 2,0-3,2 

1. 2,4—3,0 

elastisch, Dauer 
5 -6J.,Knbr. 1,5, 
Stbr. 7,5 cm 

92. 

W., 16. VII. 12, 
11 J-, m. 

” 

8.5 : 3,5 

5,0 " 

r. 3,0—4,0 

1. ebenso 

elastisch, 

6 Monate krank 

93. 

K., 4. VIII. 12, 
:20 J. t w., 148 cm, 

| Falzerin 

Peritonitis, 
beide Lungen 
verwachsen 

1 8,5 :4,7 

3,8 

r. 2,5 

1. 3,0 

beide. Verknöch., 
Knbr. 1,2 cm 
j Stbr. 4,4 cm 

94. 

M., 5. VIII. 12,| 
j 19 J., w., 167 ein, 
Kontoristin { 

Phtliisis p. 

11,0:4,7 

6,3 

r. 4,1 

1. 4,0 

elastisch, 

1 Jahr krank 

95. ! 

W., 20. VIII. 12, 
52 J., m., Arbeiter 

” 

10,5:4,5 

6,0 | 

nicht | 

zu bestimmen 

beids. starke Ver¬ 
knöcherung 

96. 

i 

1 

P., 15. VIII. 12, 
27 J., m., 160 cm, 
Klempner 

j» 

11,2:5.0 

6,2 

r. 2,5-3,0 

1 2,0-3,0 

! 

beids beg. Verkn., 
Stbr. 6,5 
Knbr. 2 cm 

97. 1 

P., 21. VIII. 12, 
40 J., w. 

i 

»» 

9,5 : 4,0 

- - ■ ! 

5,5 

r. 2,0—3,0 

1. 2,0-3,0 

beids. Verknöch., 
Stbr. 6—7 cm 
Knbr. 1,4 cm 

98. : 

1 

F., 2. XI. 12, 

49 J., m., 163 cm, 
Agent 

Paralyse 

frei 

i 

i 10,0 : 5,0 

5,0 

1 

; r. 2,2—4,0 

1. 2,2-3,7 

j 

Verkn. r. auss. u. 
1. auss. u. oben, 
Knbr. 2 cm 

99. 

H., 2. XI. 12, 
22 J., m., 167 cm 

„ i 

10,5: 5,5 
'5,0 ! 

r. 3,0—4,0 

1. ebenso 

elastisch 

100. 

F., 20. XI. 12, 
59 J., m., 170 cm 

Empyem 

frei 

12,0 :4,5 

7,5 

nicht 

zu bestimmen 

! verknöchert, 

, beids. Gelenke 



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Tafel IV. 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose . Bd. XXVI. 



b 


Fig. 4. 



W. H. Schultze, Anomalien des ersten Rippenringes und Tuberkulose etc. 



Cart. interarticularis 


Lig. interclavioalare 


Lig. costa- 
claviculare 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.-Verlagsbuchhflndler, Würzburg. 


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Original fro-m 

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31] 


Anomalien des ersten Rippenringes und Lungentuberkulose. 


235 


Erklärungen zu den beigegebenen Figuren auf Tafel IV. 


Fig. 2. Obere Thoraxapertur eines fünfjährigen Knaben, nach dem Trocken¬ 
präparat photographiert. Man sieht das noch nicht völlig verknöcherte 
Sternum und erkennt die Unmöglichkeit, die wahre Rippenknorpellänge 
zn bestimmen. Nr. 76. 

Fig. 3. Knorpelknochengrenze der ersten Rippe bei noch nicht abgeschlossenem 
Wachstum. 

Fig. 4. Knorpelknochengrenze der Rippe bei abgeschlossenem Wachstum. 

Fig. 5. Obere Thoraxapertur mit völliger Verknöcherung der Rippenknorpel in¬ 
folge Perichondritis ossificans. Nr. 80. 

Fig. 6. Schalenförmige Verknöcherung der 4. Rippe bei 70jährigem Manne. 
Durchschnitt durch das frische Präparat. 

Fig. 7. Sternoklavikulargelenk. Nach J oessel, Topographische Anatomie. 

Fig. 8. Obere Thoraxapertur. Starke seitliche Vorsprünge am Sternum, die 
nach unten das Sternoklavikulargelenk bilden helfen. Nr. 78. 


Literatur. 


1. Bacmeister, Die mechanische Disposition der Lungenspitzen. Mitteilg. 
a. d. Grenzgeb. 1911. Bd. 23. 

2. Freund, siehe Hart. 

3. Grau, Tuberkulose und Thoraxstarre. Beiträge z. Klinik d. Tuberkulose. 
III. Supplementband 1912. 

4. Gregor, siehe Bartenstein und Ta da, Die Lungenpathologie der Säug¬ 
linge. Franz Deuticke, Leipzig u. Wien 1907. 

5. Hart, Die mechanische Disposition der Lungen zur tuberkulösen Phthise. 
Enke, Stuttgart 1906. 

6. Derselbe, Die anatomischen Grundlagen der Disposition der Lungen zur 
tuberkulösen Erkrankung. Ergeb. d. Path. Bd. 14. 1010. 

7. Hart und Harr aas, Der Thorax phthisicus. Enke, Stuttgart 1908. 

8 . Jungmann, Beiträge zur Freund sehen Lehre vom Zusammenhänge 
primärer Rippenknorpelanomalien mit Lungentuberkulose und Emphysem. 
Frankf. Z. f. Path. III. 1909. 

9. Loeschke, Über Wechselbeziehungen zwischen Lungen und Thorax bei 
Emphysem. Deutsche med. Wochenschr. 1911. 20. 

10. Mehnert, s. Gregor. 

Beiträge zur Klinik der Tnberkuloso. Bd. XXVI. H. ‘ 2 . 16 


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236 W. H. Schultze: Anomalien des ersten Rippenringes etc. [32 

11. Mendelssohn, siehe Hart. 

12. Neumann, Der Lungenbefund bei Tuberkulose. Beifcr. z. Klin. d. Tuber¬ 
kulose. XVIII. 1911. 

13. Pottenger, Muskelspasmus und -Degeneration. Beitr. z. Klin. d. Tuberk. 
Bd. 22. 1912. 

14. Römer, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 1912. 

15. Rubel, Zur Kenntnis der Wirkung funktioneller Ruhe auf die Ausbreitung 
und den Verlauf der Lungentuberkulose. Beitr. z. Klin. d. Tub. XVIII. 1910. 

16. Sticker, Der Thorax phthisieus und die tuberkulöse Disposition. Berliner 
klin. Wochenschr. 1912. 

17. Sumita, Zur Lehre von den sogenannten Freund sehen primären Thorax¬ 
anomalien. Deutsche Zeit9chr. f. Chir. 113. 1911. 

Alle weitere Literatur findet man in den grossen Literaturzusammenstellungen 
der Arbeiten von Hart und Sumita. 


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Aus der Heilstätte der Landesyersicherungsaustalt Rheinprovinz 
zu Ronsdorf. (Ding. Arzt: Dr. Grau.) 


Nierenveränderangen bei Tuberkulösen. 

Von 

Fritz Leiclitweiss, 

Medizinalpraktikant. 


Die in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten nachgewiesene 
häufige Bazillämie der Phthisiker hat naturgemäss das Interesse in 
hohem Masse auf sekundäre Lokalisationen im Körper gelenkt. So 
sind auch die Erkrankungen der Niere bei Lungentuberkulosen von 
neuem Gegenstand mehrfacher Untersuchungen geworden. Von den 
sekundären spezifischen Lokalisationen in den Nieren von Lungen¬ 
tuberkulosen soll hier nicht die Rede sein. Neben ihnen sind seit langem 
Nieren Veränderungen nicht spezifischer Art bekannt. Senator (1). 
Indes sind systematische Untersuchungen über Harnbefunde bei Tuber¬ 
kulösen erst aus neuester Zeit vorhanden. Salus (2) fand unter 
seinem allerdings kleinen Material sehr häufig, in 51% der Fälle, bei 
mikroskopischen Untersuchungen Nierenbestandteile im Harn. In all 
diesen positiven Fällen sah er im Harnsediment rote Blutkörperchen, 
Klieneberger und Oxenius (3) fanden in 38 Fällen von chronisch 
fiebernden Lungentuberkulosen etwa bei der Hälfte eine Zylindrurie 
geringen Grades und eine Vermehrung der zelligen Elemente (Epi- 
thelien, Leukozyten). Dagegen sahen die Autoren kein einziges Mal 
eine Vermehrung der Erythrozyten. Auch in der Eiweissausscheidung 
bestand kein wesentlicher Unterschied gegenüber der Norm, so dass 
Klieneberger daraus den Schluss zieht, dass bei Tuberkulose die 
spezifischen Ausscheidungsorgane in hohem Grade von der Infektion 
und dem Fieber unabhängig sind. Im Gegensatz dazu fand Teich- 
mann (4) in34°/o seiner untersuchten Lungenphthisen renale Elemente 
im Harn. 22 °/o boten das Bild einer Nephritis. Bei 18°/o fanden 

16 * 


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238 


Fritz Leichtweiss. 


[2 


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sich mehr oder minder grosse Mengen von roten Blutkörperchen im 
Sediment. Teichmann fand also bei Phthisikern in 30 bis 40% 
der Fälle sekundäre Nierenläsionen und fasst diese nur zum Teil als 
Tuberkulosen, im übrigen aber als Degenerations- und Entzündungs¬ 
prozesse auf toxischer Basis auf. In jüngster Zeit hat Tobiesen (5) 
eine Reihe von Fällen veröffentlicht, die neben ihrer Lungentuber¬ 
kulose das ausgesprochenste Bild einer hämorrhagischen Nephritis 
boten. Eine umfangreiche Literatur beschäftigt sich mit der häu¬ 
figen Eiweissausscheidung bei Tuberkulösen. In letzter Zeit haben 
Lüdke und Sturm (6) auf Grund zahlreicher Harnuntersuchungen 
festgestellt, dass bei einer weit überwiegenden Mehrzahl von Tuber¬ 
kulösen nach einstündigem Stehen eine toxische orthotische Albuminurie 
auftritt. Bei dieser besonderen Albuminurieform handelte es sich in 
den meisten Fällen um eine reine Eiweissausscheidung, denn nur bei 
einer ganz kleinen Anzahl fanden sich nephritische Symptome, hyaline 
oder granulierte Zylinder, einige Leukozyten und ganz vereinzelt auch 
einmal Erytrozyten. In einer Reihe von Fällen (11 von 20) gelang 
es ihnen auch Tuberkelbazillen im Urinsediment nachzuweisen. 

Es sind also die Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens und 
die Art der pathologischen Harnbefunde in der vorhandenen Literatur 
recht wechselnd. Unter diesen Umständen schien es von Interesse 
weitere Harnuntersuchungen bei Tuberkulösen vorzunehmen, und den 
Bedingungen des Auftretens der pathologischen Harnbestandteile bei 
Lungentuberkulosen nachzugehen. Im ganzen kamen 100 Fälle des 
gewöhnlichen Heilstättenmaterials zur Untersuchung, davon gehörten 
40 dem ersten, 30 dem zweiten und ebensoviele dem dritten Stadium 
nach Turban-Gerhardt an. 

In der Harnfarbe, der Menge und dem spezifischen Gewicht 
wurden keine wesentlichen Abweichungen von der Norm festgestellt. 
Das erklärt sich wohl aus dem Umstand, dass schwerere nephritische 
Veränderungen unter unserem Material fehlen. Von Wert erschien 
auch die Prüfung der Reaktion des Harnes, da wir ja wissen, dass 
eine stark saure Reaktion gerade bei Nierentuberkulose ein fast 
konstantes Symptom ist. Hier fand sich, dass bei der weit über¬ 
wiegenden Mehrzahl der frisch entleerte Ham schwach oder auch 
deutlich sauer reagierte, nur 5 Fälle waren alkalisch oder neutral. 
Hervorzuheben ist, dass alle Fälle mit einem positiven Harnbefund, 
d. h. solche die Eiweiss oder den später noch zu beschreibenden 
typischen Erythrozytenbefund hatten, stets sauer reagierten. 

Die oft beschriebene relative Häufigkeit der Eiweissausscheidung 
bei Tuberkulösen konnten wir nur bestätigen, denn bei 32% war 
eine länger andauernde, d. h. nicht nur nach den Anstrengungen der 


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3] 


Nieren Veränderungen bei Tuberkulösen. 


239 


Reise zur Heilstätte nachweisbare Albuminurie zu verzeichnen. Die 
Menge des ausgeschiedenen Albumens war fast durchweg sehr 
gering — bei der Kochprobe auf Zusatz von Essigsäure als leichte 
Opaleszenz sichtbar — nur 5 Fälle hatten eine stärkere Eiweiss¬ 
ausscheidung, die aber 0,5 %o nicht erreichte. Eine besondere Ab¬ 
hängigkeit der Eiweissausscheidung vom Fieber konnten wir im all¬ 
gemeinen nicht beobachten, nur 7 von 32 Fällen hatten febrile 
Temperaturen. Doch zeigten alle diese Fälle auch im Sediment renale 
Elemente. Überhaupt wies die Mehrzahl der Albuminurie-Fälle auch 
abnorme Sedimentbefunde auf, nur 6 mal war die Eiweissausscheidung 
der einzige Befund. 

In keinem Fall war nach der Anamnese eine Nephritis gewöhn¬ 
licher Provenienz anzunehmen. Auch waren Kreislaufstörungen, die 
zu Stauungsveränderangen in der Niere hätten Veranlassung geben 
können, in keinem Fall vorhanden. 

Über die Art der ausgeschiedenen Eiweisskörper wurden Unter¬ 
suchungen nicht angestellt, ebenso wurde die Frage der orthotischen 
Albuminurie ausser Betracht gelassen. 

Das Hauptinteresse wurde der Untersuchung des Harnsediments 
gewidmet. Um in allen Fällen ein möglichst reichliches und brauchbares 
Sediment zu gewinnen, wurde folgende Technik angewandt: Der Harn 
wurde nach der Entleerung ca. 4—5 Stunden in einem Spitzglas ab¬ 
gestellt, bis sich eine deutliche Nubecula gebildet hatte. Diese wurde 
dann ebenso wie die unterste Schicht des Spitzglases mittelst Pipette 
entnommen und 10 Minuten lang mit einer elektrischen Zentrifuge 
{3000 Umdrehungen in der Minute) zentrifugiert. Die mikroskopische 
Untersuchung ergab dann folgende Befunde: Zylinderausscheidung fand 
sich in 12% der Fälle. Die Zahl der Zylinder war stets gering, mit 
einer Ausnahme, wo die Zylinder etwas reichlicher vorhanden waren. 
Meist waren es hyaline, seltener granulierte, nur vereinzelt mit Epithelien 
belegte Zylinder. In drei Fällen fanden sich auch vereinzelte Blut¬ 
zylinder. Eine deutliche Vermehrung der Leukozyten fand sich in 
14 Fällen. Von diesen hatten 6 gleichzeitig eine Vermehrung der 
Erythrozyten aufzuweisen. Nierenepithelien wurden nur 2 mal gefunden, 
daneben häufig die normal im Harn vorkommenden Epithelien der 
unteren Harnwege. 

Weitaus am häufigsten fanden sich die Erythrozyten ver¬ 
mehrt. Nimmt man an, dass beim normalen Menschen ausnahms¬ 
weise, besonders nach körperlichen Anstrengungen ganz vereinzelt 
rote Blutkörperchen im Urin Vorkommen können, so fanden sich 
dagegen bei unseren Fällen in 42% eine mehr oder minder starke 
Vermehrung der Erythrozyten. Die Erythrozyten lagen teils im 


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240 


Fritz Leichtweiss. 


[4 


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Gesichtsfelde regellos zerstreut, teils waren sie in Häufchen, vereinzelt 
auf Zylinder, vielfach auf Cylindroide zusammengelagert. Grade die 
Auflagerung auf zylindroide Gebilde lieferte ein charakteristisches 
Bild, das in gewissem Grade als typisch anzusprechen ist. Man sah 
dann in der bekannten Form grosse, gewundene zylindroide Schleim- 
gebilde durch mehrere Gesichtsfelder hindurchziehen, die in ihrer 
ganzen Ausdehnung dicht mit roten Blutkörperchen besetzt waren, 
ln 16 Fällen von 42 mit positivem Erythrozytenbefund beherschte 
diese Form das Auftreten der roten Blutkörperchen ganz das mikro¬ 
skopische Bild. Erwähnt sei noch, dass in einzelnen Fällen von Lungen¬ 
tuberkulose erst nach körperlicher Anstrengung (einstündigem Spazier¬ 
gang) Erythrozyten im Harn nachweisbar wurden. 

Beim Vergleich des Vorkommens der verschiedenen Formbestand¬ 
teile fand sich, dass unter den Fällen mit positivem Erythrozyten¬ 
befund 5 hyaline und granulierte Zylinder, 6 reichlich Leukozyten 
aufwiesen. In der Hälfte aller Fälle mit roten Blutkörperchen fand 
sich auch Eiweiss. Eine besondere Abhängigkeit der Erythrozyten¬ 
ausscheidung vom Fieber bestand nicht. Wohl hatten 8 febrile Tem¬ 
peraturen, aber auch ebenso viele zeigten den gleichen Sediment¬ 
befund ohne jegliche Temperatursteigerung. Von grösserer Bedeutung 
war die Ausdehnung des Lungenprozesses. Denn während hinsichtlich 
des Albumengehaltes keine typische Abhängigkeit von der Schwere 
des Krankheitsbildes festzustelleft war, ist es hier umgekehrt. 
19 Fälle gehörten dem dritten, 13 dem zweiten, und 10 dem ersten 
Stadium an. Bezeichnend ist weiter, dass von den 42 Patienten mit 
Erythrozytenbefund 28 Bazillen im Auswurf hatten. 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in einem hohen 
Prozentsatz der untersuchten Fälle, 32°/o, eine Albuminurie nach¬ 
weisbar war, dass weiterhin, in hohem Masse unabhängig von der 
Eiweissausscheidung, bei 42% der Untersuchten sich rote Blut¬ 
körperchen fanden, die häufig eine gewisse typische Anordnung zeigten. 
Zu Kontrolluntersuchungen stand nur ein kleines Material von Ge¬ 
sunden — 10 Fälle — zur Verfügung, dessen Harnbefund stets in 
jeder Richtung negativ war. 

Es fragt sich nun, ob aus dem Harnbefund ein Rückschluss auf 
die Art der Nierenschädigung möglich ist. Wie wir sahen, ist der 
charakteristische Befund: geringe Eiweissmenge (nicht konstant), 
geringe Anzahl von Zylindern (sehr inkonstant), und rote Blut¬ 
körperchen als bei weitem konstantestes Merkmal. Von einer akuten 
diffusen hämorrhagischen Nephritis auch leichter Art unterscheidet 
hier neben anderem der geringe Grad der Blutbeimengung, ferner 



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5] Nieren Veränderungen bei Tuberkulösen. 241 

der sehr geringe Gehalt an Zylindern und Nierenepithelien. Auch 
eine chronische, vorwiegend interstielle Form der Nephritis war aus- 
zuschliessen, da entsprechende Veränderungen von Harnmenge und 
spezifischem Gewicht nicht beobachtet wurden. Subjektive Er¬ 
scheinungen, die auf Nephritis hindeuten — das sei hier erwähnt, 
waren in keinem Falle vorhanden — entsprechend dem geringen 
Grade der nachgewiesenen Nierenaffektion. Weiter wurde die Mög¬ 
lichkeit, dass vielleicht eine Blutdruckerhöhung für den Blutgehalt 
des Harns verantwortlich sei, durch Blutdruckbestimmung aus¬ 
geschlossen. Es fand sich, dass die Mehrzahl der darauf untersuchten 
Fälle, die im Harn mikroskopische Blutbeimengungen aufwiesen, sogar 
eine Blutdruckerniedrigung hatten, wie das ja bei Tuberkulose der 
Lunge häufig ist. Der Alkoholismus kann nicht als Ursache einer 
etwaigen Nierenaffektion herangezogen werden — er kam unter 
unserem Material nur einmal in Frage. Dass es sich in der Mehrzahl 
unserer Fälle um eigentliche spezifische Herde in den Nieren gehandelt 
hätte, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit auszuschliessen. In keinem 
einzigen unserer Fälle war eine Pyurie nachweisbar. Es bleibt danach 
nur die Annahme übrig, dass es sich in erster Linie um sekundäre 
Schädigung des Nierengewebes handelt, hervorgerufen durch aus dem 
Blutstrom ausgeschiedene Tuberkelbazillen und deren Toxine. Diese 
Schädigung muss in erster Linie die Gefässe treffen. Denn während 
der spärliche Befund von Nierenepithelien und Zylindern eine nur 
unwesentliche Beteiligung des Nierenparenchyms selbst annehmen lässt, 
spricht der ausserordentlich häufige Erythrozytenbefund zweifellos für 
eine Gefässläsion. Damit stimmen die von den pathologischen Anatomen 
erhobenen Befunde überein. Tamayo (7) konnte in 62% seiner Fälle 
Entzündung und Degeneration der Glomeruli und Gefässe nachweisen. 
D’Arigo (8) fand an seinem Material von Tuberkulösen konstant 
Gefässalterationen in den Nieren. Nach seiner Ansicht werden bei 
progredienten Fällen diese Gefässerkrankungen so stark, dass mit den 
Toxinen auch Bazillen aus der Blutbahn in die Nieren gelangen und 
hier kleinste spezifische Herde bilden können, da ihre Ansiedlung 
durch die zirkulatorischen und funktionellen Toxinschädigungen er¬ 
leichtert ist. Teichmann 1. c. nimmt auf Grund seiner klinischen 
Befunde gleichfalls toxische Entzündungs- und Degenerationsprozesse 
als Ursache der kleinsten Blutungen an. Die gleiche Annahme ver¬ 
tritt Tobiesen. Diese kleinsten Blutbeimengungen sind übrigens 
ja bei Tuberkulose eine allgemeine Erscheinung. Wir finden Hämaturie 
als Initialsymptom der Nierentuberkulose, w r ir finden ferner anscheinend 
konstant im tuberkulösen, aus der Lunge stammenden Eiter, mikro¬ 
skopisch rote Blutkörperchen. 


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242 


Fritz Leichtweiss. 


[6 


Es möchte nach der Entwickelung der Lehre von der Bazillämie 
der Tuberkulösen, wie sie uns die Untersuchungen von Lieber¬ 
meister (9), Kurashige (10) u. a. gebracht haben, als wahrschein¬ 
lich anzunehmen sein, dass es sich zum Teil um allgemein toxische 
Erscheinungen handelt, dass vielfach aber das toxische Prinzip um¬ 
schrieben auftritt, d. h. nur durch lokalen Zerfall durchtretender 
Bazillen wirksam wird. So wäre die meist geringe Ausdehnung der¬ 
artiger Prozesse erklärlich. Es wäre in Übereinstimmung mit d’Ar igo 
anzunehmen, dass es nur vom Zufall, das heisst von günstigen Lokal¬ 
bedingungen abhinge, ob eine Nephrose oder ein umschriebener Tuber¬ 
kuloseherd entstände. 

Diese Nierenveränderungen stehen also auf einer Stufe mit den 
sekundären, nicht spezifischen Veränderungen am Endo-, Myo- und 
Epikard, die z. B. Bernard und Salomon (11) experimentell beim 
Hunde durch Injektion von Tuberkelbazillen in das arterielle Gefäss- 
system erzeugen konnten. Liebermeister konnte in solchen Myokard¬ 
herden beim Menschen, die histologisch nichts Spezifisches boten 
— leichte Verfettung, Degeneration der Muskelfasern, Wucherung und 
Kern Vermehrung im interstitiellen Gewebe, kleine Infiltrate und 
Blutungen — 6 mal unter 7 Fällen durch den Tierversuch Tuberkel¬ 
bazillen nachweisen. 

Es sei hier noch daran erinnert, dass in der Literatur Fälle 
niedergelegt sind, in denen nach Tuberkulininjektion eine hämor¬ 
rhagische Nephritis, Roepke (12) oder wenigstens Hämaturie vorüber¬ 
gehender Art vermerkt wurde (Cornil und Quinquaud 13). 

Die Beobachtung des Harnes zeigte fast regelmässig, dass parallel 
der Besserung des Lungenbefundes auch eine Besserung des Harn¬ 
befundes — Abnahme der Erythrozyten bis zum Verschwinden — zu 
verzeichnen. war. Bei Verschlechterung der Lunge trat der umge¬ 
kehrte Fall ein. Therapeutisch wurden in den ausgesprochenen 
Fällen die üblichen Kaltwasserprozeduren eingeschränkt und stärker 
gewürzte Nahrungsmittel vermieden. Doch ergab sich im allgemeinen, 
dass die Nierenreizung anscheinend von der Diät relativ unab¬ 
hängig war. 

Die klinische Bedeutung der sekundären Nierenaffektion 
des Phthisikers müssen wir als relativ gering bezeichnen, soweit die 
bisher noch nicht grossen Erfahrungen reichen. Auch Tobiesen 
hebt bei seinen Fällen, die doch nach der Schwere ihrer Harnbefunde 
als akute hämorrhagische Nephritiden bezeichnet werden, den Mangel 
aller sonstigen nephritischen Symptome hervor. Von Ritter (14) ist 
darauf hingewiesen worden, dass vielleicht eine chronische Nephritis 
auf der Basis tuberkulös-toxischer Nierenreizung entstehen könne. 


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Nieren Veränderungen bei Tuberkulösen. 


243 


Auf diese Möglichkeit ist fernerhin zu achten. Wahrscheinlich wird 
aber dieser Hergang nicht allzuhäufig Vorkommen, da bei starker- 
Bazillenausscheidung und Nierenschädigung wohl das Grundleiden 
gewöhnlich zum letalen Ausgang führen wird, ehe eine chronische 
Nephritis zur Entwickelung kommen kann. Weiter muss mit der 
Möglichkeit gerechnet werden, dass sich in der Umgebung, der durch 
die Toxine geschädigten Blutgefässe, wirkliche Tuberkelknötchen ent¬ 
wickeln können. 

Im übrigen kommt, wie schon Teichmann betont hat, dem in 
gewissem Grade typischen Erythrozytenbefunde eine diagnostische 
Bedeutung zu. Es kann danach bei auf Lungentuberkulose verdäch¬ 
tigen Fällen der Nachweis einer Erythrozytenausscheidung im Urin, 
besonders bei Vorhandensein des beschriebenen typischen Bildes, 
diagnostisch eine nicht unwesentliche Rolle spielen. 


Literatur. 


1. Senator, Die Erkrankungen der Nieren. Wien 1902. 

2. Salus, Tierversuche und Nierentuberkulose; nebst einen Beitrag zur Kenntnis 
des Harns Tuberkulöser. Berl. klin. Wochenschr. 1903, Nr. 50. 

3. Klieneberger und Oxenius, Über Urine und Urinsedimente bei febrilen 
Erkrankungen, bei Ikterus und bei Diabetes. Deutsches Arch. f. klin. Med. 
83. Bd. 1905. 

4. Teichmann, Die Hämaturie bei Phthisiker. Inaug.-Diss. Leipzig 1906. 

5. Tobiesen, Über akute, hämorrhagische Nephritis bei Lungentuberkulose. 
Brauers Beiträge Bd. 24, S. 131. 

6. Lüdke und Sturm, Die orthot. Albuminurie bei Tuberkulose. Mönch, med. 
Wochenschr. 1911, Nr. 19. 

7. Tamayo, Bull, de la soc. anat. de Paris. Zit. nach Teichmann. 

8. G. d’Arigo, Die Alteration der Nieren bei Lungentuberkulose in Beziehung 
auf den Übergang des Toxins und der Tuberkelbazillen. Zentralbl. f. Bakter. 
Bd. 28. 1900. 

9. Liebermeister, Studien über Komplikationen bei Lungentuberkulose und 
über die Verbreitung der Tuberkelbazillen in den Organen und im Blute der 
Phthisiker. Klin. Arch. Bd. 196, S. 332. 

10. Kurashige, Über das Vorkommen des Tuberkelbazillus im strömenden 
Blute der Tuberkulösen. Zeitschr. f. Tbc. Bd. 17 u. 18. 

11. Bernard und Salomon, Tuberculose experimentale du coeur et de l’aorte. 
Hev. de med. Paris 1905. 

12. Roepke, Versammlung der Tuberkuloseärzte. Berlin 1907. Diskussion. 

13. Cornil und Quinquand, Traitö de medicine. IV. Paris 1893. 

14. Ritter, Versammlung der Tuberkuloseärzte. Hamburg 1912. 


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Aus dem städtischen Krankenhaus Heiliger Johann zu Budapest. / j £ 


über Poncets Tuberculeuse inflammatoire. 


Von 

Dozent Dr. Franz v. Gebhardt, 

Primarius der Abteilung für Lungenkranke. 

Mit 1 Tafel. 


Tuberculeuse inflammatoire heisst Poncet jene Form der 
tuberkulotischen Erkrankungen, welche durch die Toxine der Tuberkel¬ 
bazillen oder durch die attenuierten Bazillen selbst im Organismus 
hervorgerufen werden. Sie rufen in den Geweben und in den Organen 
nicht die spezifisch pathologischen Erscheinungen hervor, sondern ver¬ 
ursachen Intoxikationen und entzündliche Prozesse. 

Poncets Anschauung nach kann diese aspezifische Form der 
tuberkulotischen Erkrankungene in den Geweben und in allen Organen 
Vorkommen und bleibende Veränderungen zur Folge haben. So kann 
z. B. das tuberkulotische Toxin und die attenuierten Bazillen in den 
Drüsen mit innerer Sekretion von mannigfaltiger Wirkung sein; durch 
die Wirkung auf die Schilddrüse einen Kropf verursachen und Sym¬ 
ptome der Basedowschen Krankheit vorweisen; durch die Wirkung 
auf die Hypophysis Akromegalie und Obesitas, weiterhin durch die 
Wirkung auf die Nebennieren der Hyper- oder Hypo-Funktion und 
dadurch eine Pigmentation und Kreislaufsstörungen verursachen. Sie 
üben einen Einfluss aus auf die Lebensfähigkeit der Graafsehen 
Follikel in den Ovarien, verursachen Störungen der Menstruation, 
stellen die Milchabsonderung ein, hemmen die Ausbildung der weib¬ 
lichen Genitalien und der Hoden, sind von Wirkung auf die Knochen¬ 
bildung und können sexuelle Charakterstörungen und Psychoseu ver¬ 
ursachen. 

Poncets Anschauung nach sollen Ödeme, Asthma, Laryngitis, 
Tracheitis, Bronchitis, Bronchiektasien, katarrhalische Pneumonien, 

Beitrage *ur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 3. 17 


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Franz v. Gebhardt. 


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Lungenemphysem und Pleuritis die Folgen der Tuberculeuse inflam- 
matoire sein; hiezu soll man noch die funktionellen Herzfehler, die 
Vegetationes adenoideae, die funktionellen Störungen des Magens und 
des Darmes und einen grossen Teil der Appendizitise zurechnen. 

Solche Entzündungen können weiterhin noch in der Leber, in 
den Nieren, im urogenitalen Apparat, im Nervensystem, im Gehirn 
und an den Hirnhäuten, an der Haut, in den Muskeln, in den 
Knochen, an den serösen Häuten und in den Gelenken entstehen. 

Poncets Anschauung, die Tuberculeuse inflammatoire betreffend, 
ist heute noch nicht allgemein empfangen. Ausser den französischen 
Klinikern haben in den letzten Jahren deutsche auch, darunter 
Schäfer (1), Melchior (2), Minkovski (3) und andere mehrere 
Fälle beschrieben. Bei uns waren es Hollos (4) und Wein (5), die 
sich mit der Frage inniger befassten und die Poncet sehe An¬ 
schauung richtigzustellen bestrebt sind. 

Es waren Krause (6) und Chamorro (7), die die Aufmerk¬ 
samkeit der Kliniker schon vor Jahren auf die Tatsache aufriefen, 
dass bei Tuberkulotikern akute und chronische Gelenkentzündungen 
auftreten, welche mit der. gewöhnlichen Polyarthritis rheumatica eine 
sehr grosse Ähnlichkeit haben. Dieser Zusammenhang der Lungen¬ 
schwindsucht mit der rheumatischen Gelenkentzündung wurde aber 
kaum in Achtung genommen, bis Poncet, Professor der Chirurgie 
in Lyon, im Jahre 1897 seine Lehre über die Tuberculeuse inflam¬ 
matoire kundgab und seine Mitteilung mit dem Titel „Rheumatisme 
tuberculeux“ erschien. Seiner Anschauung nach soll eine grosse 
Zahl der bei Tuberkulotikern häufig erscheinenden Gelenkschmerzen 
und akuten und chronischen Gelenkentzündungen Folgen der Tuber¬ 
culeuse inflammatoire sein. Klinisch teilt Poncet die Erkrankungen 
in drei Gruppen ein: 1. Arthralgien, 2. akute und halbakute Gelenk¬ 
entzündungen, welche ähnlich einer akuten Polyarthritis verlaufen, 
3. chronische Gelenkentzündungen, welche wie eine chronische Gelenk¬ 
entzündung verlaufen. 

Die Arthralgien können wir am häufigsten beobachten; es er¬ 
scheinen hauptsächlich in grösseren Gelenken ziehende und reissende 
Schmerzen, wobei das Gelenk bei einer Bewegung schmerzhaft wird. 
Derselbe Prozess kann aus einem Gelenke ins andere übergehen. 
Grösstenteils verschwinden diese Unannehmlichkeiten spontan und 
hinterlassen keine Folgen. In manchen Fällen aber übergehen diese 
Erkrankungsformen ins zweite Stadium; in den Gelenken entsteht 
eine Flüssigkeitsansammlung, und der Verlauf der Krankheit ist gleich 
einer akuten oder subakuten Polyarthritis. In anderen Fällen wieder 
lokalisieren sich die Schmerzen in einem oder mehreren Gelenken 



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3] 


Über Poncets Tuberculense in flamm atoire. 


247 


und es erscheinen die Symptome der dritten chronischen Form der 
Erkrankung. 

In die zweite Gruppe der Erkrankungen teilt Poncet jene Ge¬ 
lenksentzündungen ein, welche ähnlich einer akuten Polyarthritis ver¬ 
laufen, d. h. heftige Schmerzen, hohe Temperatur und Flüssigkeits- 
ansammlung in den Gelenken. Diese Erscheinung ist nicht so häufig 
und die Erkrankung verläuft gewöhnlich in grösseren Gelenken und 
rezidiviert sehr häufig. Dieser Prozess kann Verlaufen ohne eine 
pathologische Veränderung im Gelenke zurückzulassen, kann aber 
auch so verlaufen, dass das Gelenk fixiert wird und einen chronischen 
Gang nimmt. 

In die dritte Gruppe der Erkrankungen gehören die chronischen 
Gelenkentzündungen, welche teils als Folge der ersten akuten, teils 
der zweiten Gruppe der Erkrankungen eintreten. Diese Form kann 
aber auch sofort chronisch auftreten; sie führt grösstenteils zu einer 
deformierenden Polyarthritis, zu einer Arthritis sicca, zu einer Anky¬ 
lose oder*zu einer chronischen Polysynovitis. Poncet unterscheidet 
noch ein primäres und ein sekundäres Rheumatisme tuberculeux, 
je nachdem die Gelenkaffektion das erste tuberkulotische Symptom 
war, oder aber sie bei einem schon vorher tuberkulösen Individuum 
aufgetreten ist. 

Bei der akuten Form fand Poncet (9) und Leriche folgende 
pathologische Veränderungen: eine Verdickung und Vaskularisation 
der Synovia, ein seröses Exsudat, das zur Fibrinbildung sehr geeignet 
ist. Es sind also alle Folgen eines entzündlichen Prozesses, miliare 
Tuberkeln und Koch Bazillen nicht nachweisbar. Die chronische 
Form erscheint. teils als atrophisierende, deformierende Poly- und 
Monarthritis, teils zu einer Hyperostose führende Arthritis sicca, 
ossificans und Ankylosis. Es wurden noch verschiedene pathologische 
Prozesse an den Knorpeln, an den Knochen, um den Gelenken und 
in den Bändern vorgefunden, ohne dass diese Erscheinungen die für 
Tuberkulose pathologisch charakterisierenden Veränderungen zeigten. 

Schon nach der Erscheinung Poncets erster Mitteilung über 
die Tuberculeuse inflammatoire hatte ich diesbezügliche Beobachtungen 
auf meiner Abteilung mit der grössten Aufmerksamkeit vollführt. 
Dr. Paul Lazic (14), einer meiner gewesenen Assistenzärzte, hat 
seine diesbezüglichen Beobachtungen veröffentlicht. Am häufigsten 
konnte er rheumatische und neuralgische Schmerzen beobachten. Es 
konnten dies höchstwahrscheinlich (Arthralgien) Symptome der ersten 
Gruppe der Poncet sehen Tuberculeuse inflammatoire sein. Nachdem 
aber zu jener Zeit nur wenige diesbezügliche Mitteilungen erschienen 
waren, so wagten wir diese Erscheinungen nicht mit Poncets Lehre- 

17 * ' * 


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Franz v. Gebhardt. 


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in Zusammenhang zu bringen. Seit dieser Zeit konnten wir mehrere 
solcher Erscheinungen bei Tuberkulotikern wahrnehmen, welche nach 
kurzer oder längerer Zeit ohne Folgen zu hinterlassen, verschwunden 
sind. Die Schmerzen wurden durch Salizylpräparate nicht gelindert, 
schwanden aber nach einer Behandlung mit warmen Umschlägen und 
mittelst einer Bi ersehen Stauungshyperämiekur. Bei Tuberkulin¬ 
kuren und nach Anwendung eines Tuberkulinprobatorius konnten wir 
eine Menge solch vorübergehender Gelenkschmerzen und sogar Flüssig¬ 
keitsansammlungen in den Gelenken wahrnehmen, als eine Teil¬ 
erscheinung einer Tuberkulinintoxikation. Es entstehen auch mono- 
und polyarthritische Affektionen nach Gebrauch eines Diphtherie- 
und Antistreptokokkenserum. Dass auf eine toxische Weise Gelenk¬ 
entzündungen entstehen können, kann man nicht ableugnen. Man 
denke nur an die Gelenkentzündungen, welche nach akuten oder 
chronischen infektiösen Krankheiten, wie nach Skarlatina, Influenza, 
Pneumonia, Gonorrhoea, Febris puerperalis, Variola, Lues auftreten. 
Courmont (10) und Dor konnten nach einer intravenösen Ein¬ 
spritzung attenuierter Tuberkelbazillen bei Tieren Gelenkentzündungen, 
Arloing (11) und Rodet konnten an den serösen Häuten und in 
den Gelenken eine seröse Exsudation hervorrufen. Demzufolge muss 
man den Gedanken Poncets Lehre, die Tuberculeuse inflammatoire 
betreffend für sehr nahestehend betrachten, obzwar heutzutage eine 
unbefangene Kritik noch nicht erschienen ist. Wenn wir es bedenken, 
dass die Tuberkulose in w f ie viel Formen uns vors Auge tritt, so liegt 
es an der Hand, das zu akzeptieren, dass das Toxin der Tuberkel¬ 
bazillen oder die attenuierten Tuberkelbazillen imstande seien, ebensolche 
Gelenksaffektionen zu erregen wie die obenerwähnten infektiösen 
Krankheiten. Es soll damit nicht das gesagt sein, dass die bei einem 
Tuberkulotiker aufgetretenen Gelenkschmerzen eine spezifische Er¬ 
krankung seien. Es sei damit nur dahingewiesen, dass man in solchen 
Fällen an die Tuberkulose als einen ätiologischen Faktor denken soll. 

Nach der bisherigen Anschauung sollen die Toxine und die 
attenuierten Bazillen eine direkte Wirkung auf die synovialen Häute 
ausüben und daselbst eine spezifische Tuberkulose verursachen. Infolge 
der wiederholten und fortwährenden Toxinirritationen — da das Gelenk 
sowieso ein Locus minoris resistentiae ist — entsteht eine lokale 
Toxämie und erleichtert den Weg einer bazillären Invasion, welche 
jetzt zur Ausbildung einer spezifischen Tuberkulose führt [Mohr (12)]. 

Auf Küttners (13) Klinik in Breslau wurde ein typischer Fall 
des Rheumatisme tuberculeux beobachtet; die Richtigkeit der Dia¬ 
gnose bewies die Obduktion, indem man im Blute Tuberkelbazillen 
nachweisen konnte. Dieser Fall soll nun das beweisen, dass nicht 



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5] Über Poncets Tnberculeuse intiammatoire. 249 

nur die Toxine und die attenuierten Tuberkelbazillen, sondern die 
virulenten Tuberkelbazillen ein Rheumatisme tuberculeux zu verursachen 
imstande sind. 

In folgendem will ich unter anderen drei diesbezügliche Fälle 
bekannt geben. Im ersten Fall entstand eine Arthralgie, im zweiten 
Fall ein subakuter Prozess, nachher in beiden Fällen eine chronische 
Entzündung, welche mit einer Ankylosis endete. Den dritten Fall 
konnte ich nur kurze Zeit beobachten, es war eine Polysynovitis, 
von einem Rheumatisme tuberculeux hervorgerufen. Dieser Fall ist 
darum sehr interessant, weil die Erscheinungen während einer Tuber¬ 
kulinkur wahrnehmbar waren, und meiner Anschauung nach soll das 
Tuberkulin auf die Ausbildung des Krankheitsbildes von Einfluss 
gewesen sein. 

Fall 1. Julius A., 27 Jahre alt, wurde am 19. Oktober 1910 aufgenommen. 
Ist seit dem Jahre 1906 krank, bat reissende Schmerzen in der linken Ferse, 
später in der rechten Schulter gehabt. Diese Schmerzen hielt man für eine Nerven¬ 
erkrankung, später für eine Osteomalazie, und nachher, als die Schmerzen in der 
Wirbelsäule auch erschienen für eine Spondylitis. Jra Jahre 1907 hatte der 
Kranke im Hüftgelenke arge Schmerzen, worauf eine Tenotomie gemacht wurde. 
Kr erhielt ein Gipsbett und auf die unteren Extremitäten einen Gipsverband. 
Während dieser Zeit trat eine Hämoptoe auf und er empfand grosse Schmerzen 
in den Hüften und Kniegelenken, worauf man den Gipsverband abnebmen musste. 
Nachher im Jahre 1910 wurde er auf meine Abteilung aufgenommen, seitdem er 
unter meiner Beobachtung steht. 

Erbliche Belastung ist nicht nachweisbar. Seine Frau starb an Lungen¬ 
schwindsucht. Er hatte vor zwei Wochen, dann vor zehn Tagen eine Hämoptoe. 
Nachher batte er sich — die Gelenkschmerzen ausgenommen — für gesund ge¬ 
halten. 

Der Kranke ist abgemagert, die Hautfarbe ist blass, er geht hinkend und 
etwas vorgebeugt. Die ßewegbarkeit ist in den Hüften und in den Kniegelenken 
beschränkt. Die Wirbelsäule ist gerade und auf Druck unempfindlich. Sitzend, 
wenn er sich beugt, fühlt er Schmerzen in der Lendengegend und in den 
Hüften. 

In beiden Hüftengelenken ist eine aktive und passive Bewegung beschränkt 
und schmerzhaft. Ebenso in beiden Kniegelenken und in beiden Fussgelenken. 
Wenn man letzteres bewegt, so ist eine Krepitation hörbar. Die Gelenke zeigen 
keine Formveränderungen. 

Temperatur bei der Aufnahme 37,5° C. Puls mittelstark, 100 in der Minute. 

Herz gesund, Appetit, Stuhlgang und Schlaf in Ordnung, Urin normal. 

Brustkorb flach, Umfang 68 cm. Beiderseits in der Fossa supra und infra- 
clavicularis und hinten in der Fossa supraspinata ein dumpfer Perkussionsschall 
nachweisbar. Rechts ein rauhes ln- und Exspirium, beiderseits sind vorn und 
hinten katarrhalische Erscheinungen wahrnehmbar. Auswurf wenig, schleimig¬ 
blutig. Koch Bazillus positiv in beträchtlicher Menge vorhanden. 1910. X. 30. 
T. O. A. subkutan Probatorius, worauf eine sehr heftige Allgemein- und eine aus¬ 
gedrückte lokale Reaktion in den schmerzhaften Gelenken erschien. 


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Franz v. Gebhardt. 


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Die Temperatur stieg bis 39,8° C und der Kranke klagte Tag für Tag über 
grosse Schmerzen in den Muskeln nnd noch heftigeren Schmerzen in den Gelenken. 
Nachdem diese Reaktion vorüberschritt, verabreichten wir dem Kranken Salizyl- 
derivate, bald Jod und Jodpräparate, konnten wir doch keine Wirkung beobachten. 
Die Schmerzen stiegen Tag für Tag und erschienen nun beständig und die Ge¬ 
lenke wurden steifer. Wir erprobten nun mit der Bi ersehen Stauungshyperämie- 
Behandlung, mit Massieren und Bewegung, die Beweglichkeit der Gelenke zu er« 
halten. Heute, nach zwei Jahren, liegt der Kranke gänzlich abgemagert und 
völlig bewegungslos auf seinem Bette. Die aktive und passive Beweglichkeit der 
Hüften und Kniegelenke ist bis auf das Minimum reduziert. Der Kranke fühlt 
noch in den Schultergelenken Schmerzen, die Bewegbarkeit ist daselbst be¬ 
schränkt. 

Während dem ganzen Verlaufe des Prozesses konnte man das Anschwellen 
der Gelenke nicht beobachten. Der Lungenbefund veränderte sich kaum. Der 
Kranke hustet wenig und hat am 26. August 1911, am 30. November 1911 und 
am 27. April 1912 eine Hämoptoe gehabt. Im Auswurf waren Koch-Bazillen 
stets nachweisbar. Am 2. Oktober 1912 bekam der Kranke ein T. 0. A. Proba- 
torius, worauf eine sehr schwache Allgemein- und Lokalreaktion auftrat. Die 
Gelenke waren stets schmerzhaft und seit Monat Januar 1911 bat der Kranke 
quälende Diarrhoen und Bauchschmerzen. Appetit ist gut, im Fäzes war weder 
Eiter noch Darm ge webestückchen, noch Blut, weder Tuberkelbazillen nach¬ 
weisbar. 

Fall 2. Nandör E., 29 Jahre alt, Maschinenschlosser, wurde am 21. Oktober 
1910 aufgenommen. Erbliche Belastung ist nicht nachweisbar. Von seinen 8 
Brüdern sind zwei lebendig, darunter ist einer schwindsüchtig. Sechs sind an 
einer ihm unbekannten Krankheit gestorben. 

Ist seit Monat Juni 1907 krank. Hat Schmerzen in der Gegend der 10. Tho- 
rakal-Wirbel, welche bei Liegen und Sitzen ausbleiben, jedoch bei einer Wechslung 
seiner Lage heftiger auftreten. 

Bei einem auf das Schädeldach verübten vertikalen Stoss empfindet der 
Kranke in der Wirbelsäule gar keine Schmerzen. 

Im Oktober 1907 schwanden die Rückenschmerzen gänzlich und erschienen 
im rechten Hüftengelenke und nach etlichen Wochen auch im linken Hüften¬ 
gelenke. Die Schmerzen steigerten sich und der Kranke konnte von einer 
sitzenden Stellung schwer sich erheben. Beim Gehen wurden die Schmerzen 
minderer. 

Am Anfänge des Jahres 1908 litt er an einer Influenza, hatte grosse Brust- 
und Kopfschmerzen, war heiser und hustete. Im Monate März 1908 trat er eine 
Reise nach Ägypten an und während dieser Reise bemerkte er, dass seine rechte 
Knöchelgegend ein wenig angeschwollen und schmerzhaft war. Seit dem An¬ 
fänge seiner Krankheit hatte er kleinere und grössere Temperaturerhöhungen 
bemerkt. 

In Alexandrien verschlimmerte sich sein Zustand so, dass er sich ins dortige 
Spital aufnehmen liess, wo man Tbc. puim. konstatierte. Sein Zustand verbesserte 
sich, die beständigen Gelenkschmerzen verhinderten ihn aber, schwere Arbeiten 
zu verrichten. Zu Hquse an gekommen, wurde er in ein hiesiges Spital aufge¬ 
nommen, wo man eine Nervenerkrankung konstatierte. Später kam er nach Zürich, 
wo man seine Krankheit als Spondylitis behandelte. 

Am 19. Oktober 1910 wurde er auf meine Abteilung aufgenommen und wird 
seit dieser Zeit mit der grössten Aufmerksamkeit beobachtet. 



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7] 


Über Poncets Tuberculeuse inflammatoire. 


251 


Bei der Aufnahme klagte der Kranke viel zu husten, in den Huftengelenken 
und im rechten Fussgelenke grosse Schmerzen zu haben. Ist ziemlich abgemagert. 
Er ist 174 cm hoch und wiegt 56,40 kg. Temperatur bei der Aufnahme 37° C. 
Puls 80. 22 Atemzüge in der Minute. Appetit ist gut. Stuhlgang und Schlaf 
normal und sein Allgemeinbefinden wird nur durch die Gelenkschmerzen gestört. 
Hautfarbe ist etwas blass, der Brustkorb ist breit, nicht abgeflacht. Umfang 80 cm. 
Über der rechten Lungenspitze ist vorne in derFossa supra und infraclavicularis 
und hinten in der Fossa supraspinata der Perkussionsschall dumpf. Linkerseits 
ist vorn bis zur II. Rippe und hinten bis zur Mitte der Skapula der Perkussions¬ 
schall ebenfalls dumpf. Über beiden Lungenspitzen sind vorne und hinten ge¬ 
mischtblasige Geräusche und Knacken hörbar. Auswurf grünlich-gelb, Koch- 
Bazillus positiv in sehr grosser Menge vorhanden. Die Herztöne sind rein. Urin 
normal. 

Beide Hüftengelenke sind bei der Bewegung schmerzhaft; die rechte Knöchel¬ 
gegend ist angeschwollen. Die Processi spinosi der IX*, X., XI. Vertebra thora- 
calis sind druckempfindlich. Auf ein T. 0. A. Probatorius trat eine mächtige 
Reaktion mit allgemeinen Gelenkschmerzen und Temperaturerhöhungen bis 
88,5° C auf. 

Sein Zustand verschlimmerte sich und im Monate Januar 1911 konnte er 
seinen rechten Fuss im Hüften- und Kniegelenke kaum bewegen. Im Monate 
März 1911 erhielt er einen Gipsverband, welchen wir nach einem Monate ent¬ 
fernten, da wir keinen Erfolg erreichen konnten. Während dieser Zeit traten 
Schmerzen im linken Hüftengelenke energisch auf, die aktive und passive Beweg- 
barkeit wurde beschränkt. Hustet viel und hat beständig eine subfebrile Tempe 
ratur. Im Monate Juli 1911 traten nun im Handgelenke und in den interpha- 
langealen Gelenken heftige Schmerzen auf, wobei das rechte Handgelenk eine 
Anschwellung zeigte. Nach einigen Tagen schwanden diese Unannehmlichkeiten, 
ohne jedweilige Bewegungsstörungen zurückgelassen zu haben. 

Gegenwärtig ist die recbte untere Extremität des Kranken steif und un¬ 
beweglich. Das linke Hüftengelenk ist ein wenig beweglich (bis 140°), das Knie¬ 
gelenk ebenfalls, insofern man den Unterschenkel bis 90° annähern kann. Das 
rechte Schultergelenk ist etwas schmerzhaft und die aktive und passive Bewegungs¬ 
fähigkeit ist vermindert. 

Die physikalisch nachweisbaren Veränderungen sind bereits dieselben als 
bei der Aufnahme. Der Kranke hustet, hat vielen Auswurf, Koch-Bazillus po¬ 
sitiv, und hat beständig eine subfebrile Temperatur. Das Allgemeinbefinden ist 
genügend. Am 2. Oktober 1912 wurde ein T. O. A. Probatorius gegeben, worauf 
eine schwache Allgemein- und Lokalreaktion auftrat. 

Im eisten Falle sahen wir, dass die ersten Schmerzen im linken 
Fussgelenke auftraten, bald im rechten Schultergelenke und noch 
später in den Wirbelgelenken erschienen. Man muss diese Schmerzen 
als Arthralgien betrachten, da eine — einen akuten Prozess charakteri¬ 
sierende Flüssigkeitsansammlung nicht zu beobachten war. Die 
Schmerzen in den Wirbelgelenken, in den Fussgelenken und in der 
rechten Schultergegend nahmen, von ihrer Heftigkeit ab und traten 
mit einer grösseren Energie in den Hüften und Kniegelenken auf, 
woselbst später eine Ankylosis auftrat. Das war nun jedenfalls ein 



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252 Franz v. Gebhardt. [8 

Fall von Polyarthritis chronica, ein Prozess, der durch Arthralgien 
eingeführt wurde und schon chronisch auftrat. 

Über die Ätiologie der Polyarthritis chronica war von den 
ältesten Zeiten bis heutzutage eine Menge von Anschauungen bekannt. 
In der Mitte des 16. Jahrhunderts waren es die Humoralpathologen, 
die das Rheuma von der Gicht unterschieden. In den vierziger Jahren 
des 19. Jahrhunderts waren es Broca, Charcot und andere (Ar- 
thrite chronique seche), die diese Krankheit für eine Konstitutions¬ 
krankheit hielten; wieder andere glaubten, dass sie eines neurogenen 
Ursprunges sei und wollten sie auf eine vom Zentralnervensystem 
entspringende Trophoneurose zurückführen, den Spinalnervenerkran¬ 
kungen ähnlich. Diese Aufnahmen sind aber überhaupt noch nicht 
bewiesen, so dass auf diesem Gebiete noch heutzutage keine Gewiss¬ 
heit herrscht. Die meisten Verfasser betrachten die infektiösen Krank¬ 
heiten als einen prädisponierenden Moment in diesem Sinne, dass 
einVerlauf einer infektiösen Krankheit (Gonorrhoea, Scarlatina, Variola, 
Typhus) für das Auftreten der chronischen Gelenkentzündung von 
günstigem Einfluss sei. Dass die Tuberkulose als eine ebenfalls in¬ 
fektiöse Krankheit mit ebensolchem Rechte prädisponierend wirken 
könne für das Auftreten einer Polyarthritis haben vor Poncet nur 
wenige erwähnt. 

In meinem erwähnten 1. Falle ist die Rolle und der Einfluss der 
Tuberkulose ebenso nahestehend, als wenn der Kranke eine was 
immer für eine infektiöse Krankheit überstanden hätte. Dieser 
unzweifelhaft tuberkulöse Kranke suchte jahrelang Heilung seiner 
Gelenkserkrankung. Erst im Jahre 1910 widmete man dem Status 
der Lunge eine Aufmerksamkeit, als der Kranke die erste Hämoptoe 
bekam. Es ist sicher, dass eine Lungentuberkulose schon früher 
vorhanden war und dass die Gelenksaffektionen ein primäres Er¬ 
scheinen der Erkrankung waren. 

Während dem Verlaufe zweier Jahren veränderte sich der Lungen¬ 
status kaum. Es ist aber ausser den Gelenkserkrankungen eine 
Gedärmekomplikation aufgetreten, welche aber nicht den Gang einer 
spezifischen Tuberculosae intestini hatte. Seit dem Monat Januar 
1911, also beinahe zwei Jahre lang, leidet der Kranke an heftigen Bauch¬ 
schmerzen und Diarrhoen, welche einer Behandlung mit allen erdenk¬ 
lichen Antidiarrhoica widerstand. Da wir noch im Fäzes weder Eiter 
noch Tuberkelbazillen nachweisen konnten, und der Kranke stets 
guten Appetit hatte, so liegt es näher, eine entero-colite-muco-tnem- 
branense neuropathique — aus der Lehre der Tuberculeuse inflamma- 
toire als eine in den Payerschen Plaques und in den Follikeln ver¬ 
laufende pathologisch-spezifische Tuberculosis intestini anzunehmen. 



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9] 


Über Poncets Tuberculeuse infiammatoire. 


253 


Im 2. Falle ist der Allgemeinstatus des Kranken auch noch heute 
nicht so weit affiziert wie der des ersten Falles. Es waren temporäre 
vorübergehende Arthralgien zwischen den Wirbeln- und Muskel¬ 
schmerzen des Rückens. Diese Schmerzen schwanden nach vier Monaten 
und erschienen dann erst im rechten und alsbald im linken Hüften¬ 
gelenke. Die im Jahre 1908 aufgetretene schmerzhafte Anschwellung 
im rechten Fussgelenke soll für den subakuten Charakter der Er¬ 
krankung Zeuge tun. In Alexandrien wurde eine Lungentuberkulose 
konstatiert, welche ausser Zweifel noch heute besteht. Es waren in 
diesem Falle daher auch die Gelenkerscheinungen jene, welche den 
Symptomen einer Lungentuberkulose voreilten. Dieser rapid skieroti¬ 
sierende und ankylotisierende Prozess trat im Monate Mai 1911 
wieder in subakuter Form auf, und zwar im rechten Handgelenke. 
Schwand aber, ohne eine Fdlge zu hinterlassen. 

Da in den oben erwähnten zwei Fällen ausser manifester Lungen¬ 
tuberkulose in der Anamnese kein solch ätiologischer Moment vorge¬ 
funden werden konnte, welcher für das Auftreten einer Gelenks¬ 
entzündung prädisponierend wirken könne, da weiterhin ein T.O.A. 
Probatorius eine mächtige Allgemein- und Lokalreaktion verursachte 
und endlich Salizylpräparate in beiden Fällen ohne Wirkung waren 
— ist es, glaube ich, rationell und richtig, die Diagnose einer chroni¬ 
schen Rheumatisme tuberculeux anzunehmen. Im 1. Falle war der 
Verlauf der folgende. Arthralgien, nachher ein tertiärer chronischer 
Prozess. Im Falle 2 Arthralgien, ein subakuter Prozess und nachher 
ein plastischer skierotisierender Prozess, welcher zu Ankylosis führte. 

Röntgenice konnten wir keine Veränderung, weder eine Knochen¬ 
verdickung noch osteophytische Knochenanlagerungen nachweisen. 
Einige, wie Benta, glaubten, dass Fehlen der Knochenregeneration 
für die Diagnose des chronischen Rheumatisme tuberculeux von 
Wichtigkeit sei, andere glaubten, dass sie für die chronische, skieroti¬ 
sierende Form wichtig sei, Berard und Destot fanden dabei mit 
der Röntgendurchleuchtung die Substantia spongiosa in den Epiphysen 
zusammenlaufend und die Knorpeln etwas usuriert. 

Fall 3. Sigmund S., 39 Jahre alt, wurde am 9. Juni 1909 aufgenommen 
und verliess meine Abteilung am 14. Juli 1909. Erbliche Belastung nicht nach¬ 
weisbar. Hat vier lebende gesunde Kinder. Ist seit dem Monate Juni 1908 krank. 
Hustet viel und hat grosse Atembeschwerden. Im Monat September 1908 trat 
eine Hämoptoe auf. Im Dezember 1908 bekam er in einem Dispensaire 8 Tuber¬ 
kulinimpfungen. Im Monate Februar 1909 trat nochmals eine Hämoptoe auf 
und er hatte grosse Schmerzen in der linken Seite. Im Monate März 1909 ist 
seine linke Hand bei einer Bewegung schmerzhaft geworden und es entstanden 
schmerzhafte Anschwellungen am linken Handgelenke, bald an der linken Brust, 
in der Gegend des rechten Schlüsselbeins und an der rechten Brust. Nach zwei 


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Franz v. Gebhardt. 


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Woeben an der inneren Seite des linken Kniegelenkes, später ober dem linken 
Ellenbogengelenk und am linken Fussgelenke. Die Gelenke, welche in der Nähe 
dieser druckempfindlichen, mehr oder weniger schmerzhaften Anschwellungen 
nahe waren, sind zwar schmerzhaft gewesen, störten ihn aber beim Verrichten 
seiner Arbeit nicht. Später wurden sie aber so arg, dass er arbeitsunfähig 
wurde. 

Er hat während seiner Krankheit 26 kg abgenommen, hatte jedoch keine 
Nachtschweisse und Temperaturerhöhungen gehabt. 

Temperatur bei der Aufnahme 37,8° C. Puls 78. 24 Atemzüge in der 
Minute. Körpergewicht 71,70 kg. Ist 1,66 m hoch. Wirbelsäule normal, Ap¬ 
petit gut, Stuhlgang in Ordnung. Seine Hautfarbe ist blass, fahlgelb, der Brust¬ 
korb ist normal, sein Umfang ist 80 cm. 

In der Gegend der rechten Articulatio sternoclavicularis und an der rechten 
Bnisthälfte zwischen der Brustwarze und der vorderen Axillarlmie im VI. Inter¬ 
kostalraum sitzen je eine nussgrosse fluktuierende Geschwulst (s. Figur 1 u. 2, 
Tafel V). 

Weitere Anschwellungen sind noch bemerkbar: An der linken Brusthälfte 
zwischen den Brustwarzen und Parasternallinie unter der linken Mamma zwischen 
der VI. und VIII. Rippe, beiläufig in der Grösse eines Gänseeies, am linken Ellen¬ 
bogengelenk, in der Grösse einer Mannesfaust, an der dorsalen Oberfläche der 
linken Hand, in der Grösse einer Mandarin-Orange, die Geschwulst ist in der 
Mitte nabelartig eingezogen und darüber ist die Haut etwas bläulich. In der 
inneren Seite des linken Kniegelenkes sind zwei faustgrosse Anschwellungen be¬ 
merkbar, ebenso an der dorsalen Oberfläche des linken Fusses in der Gegend des 
IV. Metadorsalknochens von der Grösse eines Taubeneies. 

Diese oben beschriebenen Anschwellungen sind druckempfindlich, schmerz¬ 
haft. Am empfindlichsten sind jene Gelenke des linken Armes und des linken 
Fusses, welche in der Nähe der Anschwellungen sind. Die Gelenke sind schmerz¬ 
haft und die Bewegung beschränkt. Röntgenice konnte Herr Dr. Albert Dax, 
der Röntgenolog unseres Spitales gar keine Veränderungen bemerken, aus¬ 
genommen sei nur die auf der dorsalen Oberfläche der Hand liegende Geschwulst, 
wo man — wie aus dem beiliegenden Röntgenbilde (s. Fig. 3, Tafel V) ersichtlich 
ist — das Periost des III. Metakarpalknochens aufgelockert und etwas auf¬ 
gehoben sieht. Die übrigen Knochen sind gesund. Dr. Dax Anschauung 
nach soll das Bild mit dem Bilde einer spina ventosa eine grosse Ähnlichkeit 
haben. 

Lungenbefund. Rechts über der Spitze vorne in derFossa supra- und infra- 
clavicularis ist der Perkussionsschall dumpf. Hinten ist er etwas kürzer. Über 
der linken Spitze ist der Perkussionsschall etwas gedämpft. 

Auskultation. Rechts vorne ist ein bronchovesikuläres Atmen, Rassel¬ 
geräusche und Knacken hörbar. Rechts hinten sind kleinbläsige Rasselgeräusche, 
linkerseits hinten ein hörbares Exspirium, und linkerseits vorn ist ein rauhes 
In- und Exspirium hörbar. Hustet wenig. Auswurf gelblich schleimig-eitrig. 
Koch-Bazillus positiv in grosser Menge vorhanden. Elastische Fasern sind nicht 
bemerkbar. Herz normal. Die Herztöne sind etwas schwach aber rein. Urin 
normal. Am 20. Juni wurde die auf der linken Hand sich befindliche Geschwulst 
punktiert und wir entfernten 27 ccm braunes bröckeliges Eiter. Ein Tropfen 
des Eiters nahm im Millonsehen Reagens eine Kugelform an, schrumpfte sich 
zusammen und seine Ränder zeigten eine rötliche Färbung. Der Reagens selbst 
ist farblos geblieben. Nach der Punktion konnten wir die Spina ventosa tasten. 


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11 ] 


Über Poncets Tnbercnleuse inflammatoire. 


255 


In die Abszesshöhle wurde 2 ccm einer sterilen Lösung des Kahl bau msehen 
Trypsin in physiologischer Kochsalzlösung eingespritzt. Darüber bekam der 
Kranke einen Druckverband. Dieses Verfahren wiederholten wir öfters. Nach¬ 
dem sich aber der Eiter von neuem ansammelte, können wir der Trypsinbehand- 
lung keine besondere Wichtigkeit znschreiben. Von dem entnommenen Eiter 
wurde 1 ccm einem Meerschweinchen in die Bauchhöhle eingespritzt. Es ver¬ 
schied am 4. Juli an Tbc. universalis. Am 22. Juli pungierten wir alle oben be¬ 
schriebenen Anschwellungen und fanden überall mehr oder weniger serofibrinöse 
Flüssigkeit wovon wir 1 ccm einem Meerschweinchen in die Bauchhöhle ein¬ 
spritzten. Es erlag am 30. Juli an einer disseminierten chronischen Tuberkulose. 

In diesem Falle nahm die Erkrankung mit Lungenbeschwerden 
ihren Anfang. Grösstwahrscheinlich waren es die im Monat Dezember 
1908 gegebenen Tuberkulininjektionen jene, die die gewiss schon 
längere Zeit bestehende und an der linken Hand sitzende (Spina 
ventosa) tuberkulotische Knochenveränderung mobilisierte, welche nun 
zu einer Art des Rheumatisme tuberculeux, zu einer Polysynovite 
chronique führte. Die Gelenkschmerzen waren nicht so ausgesprochen 
wie im 1. und 2. Fall. Die entzündliche Tuberkulose produzierte an 
den synovialen Häuten der Gelenke ein serofibrinöses Exsudat, dessen 
tuberkulotische Natur wir auch damit beweisen können, dass das 
inokulierte Tier nach etwa fünf Wochen an chronischer Tuberkulose 
erlag, währenddem das andere Tier, welchem aus der dorsalen Ober¬ 
fläche der Hand entnommener tuberkulotischer Eiter eingespritzt wurde, 
nach drei Wochen an einer universellen Tuberkulose erlag. Ich will 
das nur erwähnt haben, ohne es für einen bestimmten und unzweifel¬ 
haften Beweis zu betrachten. Es könnte wohl möglich sein, dass 
das sonst gesund aussehende Tier sich auf einer anderen Weise 
infizierte. 

Wie unsere Fälle es zeigen, ist Poncets Anschauung über die 
Tuberculeuse inflammatoire hauptsächlich das Rheumatisme tuberculeux 
betreffend nicht von einer hypothetischen und problematischen Be¬ 
deutung. Wie wir es sahen, gibt es Fälle, zwar selten, wo man der 
Tuberkulose als einem ätiologischen Faktor kaum entweichen kann. 

Poncets Lehre ist im übrigen sehr weitgehend; weist uns 
aber auch dort neue Beobachtungspunkte, sie ist daher berufen, ein 
Licht zu bringen in die bisher noch im Dunkel stehenden Fragen 
der Tuberkulose. 


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Franz v. Gebhardt. 


[12 


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2r>(> 


Literatur. 


1. Rezidivierende tuberkulöser Polyarthritis. Zeitschrift f. Tuberkulose Bd. XIII. 

1909. 

2. Tuberkulöse Gelenkrheumatismus. Schles. Gesellsch. für vaterl. Kultur in 
Breslau. 1910. I. 21. 

3. Rheumatoiderkrankungen bei der Tuberkulose. Schles. Gesellsch. Breslau. 

1910. Juli. 

4. A gümökorös intoxicatiök. Budapest 1912. 

5. A gümökorös fertözös megftllapitäsa es gyögyitäsa antitoxicus szerekkel. 
Budapest 1912. 

6. Die Tuberkulose der Knochen und Gelenke. Leipzig 1891. 

7. Tuberculeuse aigue des articulations. Paris 1888. 

8. Rheumatisme tuberculeux. Acad. de med. 23. VII. 1901. 

9. Poncet et Leriche, La tuberculeuses inflammatoire. Paris 1912. 

10. Tumeurs blanches experimentales. Exp. Clin. et. exp. sur la T. Paris 1891. 

p. 228. 

11. Etudes exp. sur la Tuberculine etc. 1891. 

12. Der Gelenkrheumatismus tuberkulösen Ursprungs. Berlin. Klinik. 1904. 
197. Heft 

13. Die Klinik der Tuberkulose. Bandelier und Roepke 1912. 

14. Gyögyäszat 1908. Nr. 26. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. 


Tafel V. 



Fig. 3. 


v. Gebhardt, Über Poncets Tuberculeuse inflammatoire. 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.-Verlagsbuchhändler, Würzburg. 


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Aua der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses zu Stettin. 
(Direktor: Prof. Dr. G. Neisser.) 


über eine refraktäre Phase bei der Tuberkulin¬ 
reaktion. 

Von 

Dr. K. Yorpahl, 

früher Assistent der Abteilung, jetzt Sekundärarzt der inneren Abteilung des Allgemeinen 
Krankenhauses zu Lübeck. 

Mit 6 Temperaturkurven auf Tafel VI. 


Bei Versuchen, welche mit Tuberkulin aus therapeutischen Gründen 
angestellt wurden, lag uns daran, möglichst rasch zu hohen Dosen 
von 1,0 g Tuberkulin und darüber zu gelangen. Da die gewöhnlichen 
Methoden der Tuberkulinsteigerung unserem Zwecke nicht entsprachen, 
suchten wir unser Ziel auf einem neuen Wege zu erreichen. Dieser 
Anwendungsweise legten wir die Annahme zugrunde, dass nach der 
Tuberkulinreaktion ein Stadium der Unempfindlichkeit auftreten 
könnte, wie es im allgemeinen bei Überempfindlichkeitsreaktionen 
der Fall ist. Diese Annahme gewann an Sicherheit dadurch, dass 
Kurt Meyer, wissenschaftlicher Assistent der hiesigen Abteilung, 
in unveröffentlichten Versuchen an tuberkulösen Meerschweinchen 
nach Überstehen einer Tuberkulinreaktion eine zwar nicht absolute, 
aber doch deutlich nachweisbare relative Unempfindlichkeit gegenüber 
Tuberkulin beobachtet hatte. 

Traf diese Beobachtung auch für den Menschen zu, so konnten 
wir bei einer Wiederholung der Tuberkulininjektion im refraktären 
Stadium eine zweite Reaktion umgehen und durften andererseits 
doch von dieser zweiten Injektion erwarten, dass sie die günstige 
immunisatorische Wirkung der ersten noch entsprechend erhöhen 
würde. 


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258 K. Vorpahl. [2 

| 

Von diesen Erwägungen ausgehend machten wir folgende Fest¬ 
stellungen. 

Wenn man die Tuberkulindosis, welche eine Fieberreaktion aus¬ 
gelöst hat, nach dem gebräuchlichen Intervall von 3—4 Tagen wieder¬ 
holt, so folgt ihr bekanntlich in sehr vielen Fällen eine erneute 
Reaktion. Eine nochmalige Reaktion auf die folgende 
Injektion konnten wir nun immer vermeiden, wenn wir 
diese auf der Fieberhöhe der von der ersten Tuberkulin¬ 
injektion verursachten Reaktion verabfolgten. Einige 
Kurven mögen zum besseren Verständnis dienen. 

Kurve I zeigt den Fieberverlauf bei einer solchen „Doppelspritze“ 
in dreistündlichen Messungen. Es ist ersichtlich, dass sie sich in keiner 
Weihe von dem gewöhnlichen Fieberverlauf einer Tuberkulininjektion 
unterscheidet. 

Sie erstreckt sich weder über einen besonders langen Zeitraum, 
noch weist sie im absteigenden Schenkel auffallende Zacken erneuter 
Fieberanstiege auf. Und dennoch ist hier auf dem Gipfel 
der Fieberkurve noch einmal jene Dosis Tuberkulin, 
welche den Fieberanstieg bewirkte, nämlich 0,1 Alt- 
Tuberkulin 1 ), injiziert worden. Diese zweite Injektion ver¬ 
breitert, wie gesagt, weder die Fieberhöhe, noch führt sie nach dem 
Absinken der Temperatur zu neuen Anstiegen, sie bleibt also 
wirkungslos. Bei ungefähr vierzig in dieser Weise verabfolgten 
Doppelspritzen konnten wir stets den gleichen Ablauf der Reaktion 
beobachten. In allen diesen Fällen wurde die zweite Injektion in 
derselben Dosis wie die erste verabreicht. 

Um den geeignetsten Zeitpunkt für die nochmalige Injektion zu 
finden, haben wir verschiedene Versuche gemacht. 

Im Beginn des Fieber ans tiegs zu injizieren, unterliessen wir 
in der Befürchtung, dass die Wirkung der zweiten Injektion diejenige 
der ersten kumulierend beeinflussen könnte. Jedenfalls Hesse sich 
wohl bei einer solchen Anordnung viel schwerer oder gar nicht der 
Beweis erbringen, dass die zweite Dosis unwirksam bliebe, selbst 
wenn das wirklich der Fall wäre. 

Die Wiederholung der Injektion im absteigenden Schenkel 
des Fieberverlaufs haben wir mehrfach vorgenommen, meist aber mit 
dem Erfolge, dass sich eine ihr entsprechende zweite Reaktion ein¬ 
stellte. Gewöhnlich waren es die Injektionen in der unteren Hälfte 
des absteigenden Schenkels, welche erneute Reaktionen auslösten. 

i) In der Regel kam Alt-Tuberkulin Koch zur Anwendung, nur vereinzelt 
Neu-Tuberkulin. 



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3] Über eine refraktäre Phase bei der Tuberknlinreaktion. 250 

Denselben Effekt hatten auch die nach dem Absinken des Fiebers 
und noch später vorgenommenen Reinjektionen. 

War somit der Gipfel des Reaktionsfiebers der in 
unserem Sinne am meisten geeignete Zeitpunkt für die Wiederholung 
der Injektion, so ergab sich die Schwierigkeit, diesen richtig zu er¬ 
kennen. Wir halfen uns damit, dass wir sehr häufige Temperatur¬ 
messungen vornehmen Hessen. Soforl nach der ersten Tuberkulin¬ 
spritze begannen wir mit halbstündlichen Messungen. Sobald dann 
die Temperatur 39° überschritt, wurde der weitere Temperaturverlauf 
öfter sogar viertelstündlich kontrolliert. Wenn nun das erste Sinken 
der Temeratur, auch nur um Zehntelgrade, bemerkt wurde, erfolgte 
die zweite Injektion. Durch diese Art Messung Hess sich meist 
ziemlich genau die Fieberhöhe feststellen. Natürlich kam es wohl hin. 
und wieder vor, dass dem erstmaligen Absinken der Temperatur 
noch eine kleine Schwankung nach oben hin folgte, doch war im 
allgemeinen mit dem Zeitpunkt der ersten Fiebersenkung gerade der 
Höhepunkt des Fiebers überschritten. Kurve II zeigt den Ablauf, 
eines Reaktionsfiebers bei halbstündlicher Messung mit den beiden 
Zeitpunkten der „Doppelspritze“ (Einzeldosis 0,05 A. T.). Auch hier 
wieder ist der ebenmässige Abfall des Fiebers und die augenschein¬ 
liche Unwirksamkeit der zweiten Tuberkulindosis ersichtlich. 

Dass in der Tat der Reaktionsablauf während der Doppelspritze 
kein anderer ist als bei der einmaligen Tuberkulininjektion, zeigt der 
Vergleich von Kurve III und IV. Kurve III bringt den Fieberverlauf 
eines Patienten, welcher in gewöhnlicher Weise auf eine einmalige 
Tuberkulinspritze (0,2 A. T.) reagiert, in halbstündlichen Messungen, 
und demgegenüber ist auf Kurve IV in analoger Weise die Reaktion 
desselben Patienten auf eine Doppelspritze (0,5 A. T.) verzeichnet. 
Man erkennt, dass beide Kurven grosse Ähnlichkeit miteinander 
haben, sowohl hinsichtlich ihrer Breite, welche die Zeitdauer ihrer 
Reaktion umfasst, als auch in ihrem sonstigen Charakter. Hätte 
nämlich die zweite Injektion eine erneute Wirkung, so würde diese 
entweder eine kumulierende sein oder aber sich in einer nochmaligen 
Reaktion äussern können. Im ersteren Falle dürfte man eine auf¬ 
fallende Verbreiterung der Fieberhöhe oder ein sehr protrahiertes- 
Absinken des Fiebers erwarten. Im zweiten Falle müsste sich das 
bereits im Sinken begriffene Fieber etwa nach der Stundenzahl, 
nach welcher die erste Reaktion der ersten Injektion folgte, vom 
Zeitpunkt der zweiten Injektion an gerechnet, noch einmal zur 
vollen Fieberhöhe erheben, um erst dann in entsprechend verlängerter 
Zeit zur Norm abzufallen. Jedoch der Vergleich von Kurve III 
und IV lässt eine erneute Wirkung der zweiten Injektion ausschliessen- 


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260 


K. Vorpabl. 


[1 


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Abgesehen vom Fehlen einer Fieber Wirkung stellte sich auch 
sonst kein Symptom heraus, welches man als eine Reaktion auf die 
zweite Tuberkulindosis hätte auffassen können. Das subjektive Be¬ 
finden der Patienten wurde durch die Doppelspritze nur gerade so 
gestört, wie bei jeder gewöhnlichen Tuberkulinreaktion. Auf keinen 
Fall führte die zweite Injektion eine schwerere oder eine länger an¬ 
haltende Schädigung des Allgemeinbefindens herbei. 

Von ganz besonderem Interesse war in dieser Richtung für uns 
auch die Beobachtung einer H e r d reaktion: Diese betraf einen Fall 
von Keratitis parenchymatosa tuberculosa. Bei der Patientin, welche 
zugleich an Lungentuberkulose litt, wurde eine Tuberkulinkur durch¬ 
geführt. An dem erkrankten Auge kam es bei jeder Tuberkulin¬ 
reaktion zu einer sehr deutlichen Herdreaktion. Während es nämlich 
nach dem Rückgang der anfänglichen starken Entzündungserschei¬ 
nungen für gewöhnlich schon ein ganz reizloses normales Aussehen 
bot, trat bei jeder Tuberkulinreaktion gleichzeitig mit dem Fieber¬ 
anstieg stets eine starke entzündliche perikorneale Gefassinjektion 
der Konjunktiva auf, die bis zur Fieberhöhe an Intensität zunahm 
und mit dem Aufhören des Fiebers verschwand. An dieser Herd¬ 
reaktion konnten wir nun sehr deutlich beobachten, dass sie auch 
bei der Verwendung einer Doppelspritze nur der ersten Tuberkulin¬ 
dosis folgte, dass sie dagegen in entsprechender Zeit nach der zweiten 
Injektion sich nicht erneuerte, sondern stetig weiter abklang. Sie 
verlief also keineswegs anders, als sonst nach einmaliger Tuber¬ 
kulininjektion. 

Sprechen alle diese Beobachtungen schon genügend für das 
Ausbleiben der Wirkung auf die zweite Injektion einer Doppelspritze, 
so konnte ich neuerdings eine weitere Feststellung machen, die noch 
beweiskräftiger sein dürfte. 

Während man nämlich für gewöhnlich die nächste Tuberkulin¬ 
dosis nach einer Tuberkulinreaktion aus dem Grunde nicht erhöht, 
weil erfahrungsgemäss prompt eine weitere Reaktion folgen würde, * 
welche wegen ihrer Stärke sogar sehr unangenehm werden kann, 
wagte ich es in vereinzelten Fällen, die zweite Injektion der Doppel¬ 
spritze höher zu dosieren als die erste. Aber selbst bei diesem Vor¬ 
gehen zeigte sich keine Reaktionserscheinung, welche auf diese zweite 
höhere Dosis zu beziehen gewesen wäre. Kurve V stammt von einem 
Patienten, der auf 0,1 A.T. reagiert. Kurve VI zeigt zum Vergleiche 
bei demselben Patienten die Reaktion auf eine Doppelspritze, deren 
erste Injektion 0,1 A. T., deren zweite Injektion — auf der Höhe 
des Fiebers — 1,0 A. T., mithin die zehnfache Dosis der ersten, 
beträgt. Auch hier weicht die Kurve der Doppelspritze bezüglich 



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5] Über eine refraktäre Phase bei der Tuberkulinreaktion. 261 

der Fieber breite und der Verlaufsart nicht wesentlich von der 
ersteren ab. Dass das Fieber der Doppelspritze einen etwas höheren 
Grad erreicht als das der einfachen Reaktion, ist wohl schwerlich 
auf die zweite Injektion zu beziehen, denn dazu erfolgt die letzte 
Fiebersteigerung zu unmittelbar (1 Stunde) nach der zweiten Injektion. 
Vielmehr ist anzunehmen, dass die zweite Injektion etwas verfrüht 
— in unserem Sinne — zur Anwendung gekommen ist, bevor nämlich 
die volle Fieberhöhe erreicht war. Hätte wirklich die zweite Injektion 
neues Fieber hervorgebracht, so dürfte man dessen Höhe, wie der 
Vergleich mit dem ersten Fieber ergibt, erst 10—12 Stunden später 
erwarten, also am nächsten Morgen etwa um 6 Uhr. Dass diese 
Wirkung fehlt, ist um so bemerkenswerter, als man von der zehnfach 
höheren Dosis, falls sie einige Tage nach der ersten Dosis verabfolgt 
Wörden wäre, mit Sicherheit eine besonders heftige Reaktion zu er¬ 
warten gehabt hätte. 

Aus diesen Feststellungen geht hervor, dass es auch bei der 
Tuberkulinreaktion des Menschen eine — übrigens eng begrenzte — 
Zeit gibt, in welcher der Körper unempfindlich gegenüber Tuberkulin¬ 
dosen ist, auf welche er zu anderen Zeiten sicher reagieren würde. 

Dieses Stadium der Tuberkulinunempfindlichkeit dürfte der 
refraktären Phase entsprechen, welche Überempfindlichkeitsreaktionen 
im allgemeinen aufzuweisen haben. Ob es sich hierbei um spezifische 
Unempfindlichkeit im Sinne der Antianaphylaxie handelt oder um 
unspezifische Unterempfindlichkeit, wie sie neuerdings nach Einver¬ 
leibung toxischer oder pyretischer Substanzen gesehen wurde, kann 
nicht sicher entschieden werden. Doch haben wir Anhaltspunkte, 
die für den spezifischen Modus sprechen. Es zeigte sich nämlich, 
dass bei der Verwendung dieser Doppelspritzen der praktische 
Erfolg nicht den Erwartungen entsprach. Eine schnellere Gewöhnung 
an Tuberkulin als sonst wurde mit diesem Verfahren in keinem der 
zahlreichen Versuchsfälle erzielt, selbst dann nicht, wenn eine ganze 
Reihe Doppelspritzen hintereinander statt der gewöhnlichen Tuber¬ 
kulininjektionen gegeben wurden. Es scheint demnach so, als ob die 
zweite Injektion der Doppelspritze in jeder Hinsicht wirkungslos 
bliebe, als ob nämlich auch die immunisatorische Kraft bei ihr nicht 
zur Geltung käme. Und dieser praktisch ja unerwünschte Umstand 
spricht gewiss dafür, dass tatsächlich freie Antikörper zur Bindung 
der zweiten Tuberkulindosis nicht zur Stelle waren, was also einem 
antianaphylaktischen Zustande entsprechen würde. 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Rd. XXVi H. 3. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose . Bd. XXVI . 



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Über eine refraktäre Phase bei der Tuberkulinreaktion 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.-Veringsbucbh&ndler, Würzburg. 


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Tafel VI. 

























































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Aus dem pathologisch-anatomischen Institute des Oeresundkrankem 

hauses, Kopenhagen. 


Ein Fall von Hernia diaphragmatica bei einem 
erwachsenen Phthisiker 1 ). 

Von 

l)r. Lauritz Melchior, 

Privatdozent. 


F. V. C. 47 jähriger, unverheirateter Kaufmann, in der Tuberkuloseabteilung 
des Krankenhauses am 13. Mai 1912 aufgenommen, daselbst am 7. Juni ge¬ 
storben 2 ). Der Vater ist wahrscheinlich tuberkulös gewesen, suicidio gestorben. 
Der Kranke ist früher gesund gewesen, hat doch immer an etwas behinderte 
nasale Respiration gelitten, gibt abusum spirituosorum zu; im Jahre 1897 
ist er zu Schaden gekommen und an der chirurgischen Abteilung des 
städtischen Krankenhauses u. a. für eine Verrenkung des Handgelenkes behandelt 
worden. Jetzt krank seit Januar 1912 an Husten und schleimigem Auswurf, 
ohne subjektive Febrilia, doch massigen Nachtschweiss. Während der Krank¬ 
heit mehrere Male des Tages Diarrhöen, beträchtliche Abmagerung und herab¬ 
gesetzte Arbeitsleistung. 

Er ist von potatorischem Habitus, Puls 112, Respiration 52. Beträchtliche 
Venendilatation rechtsseits des Brustkastens. Grosse Infiltration in rechter 
Lunge mit ausgesprochener Dämpfung, zahlreichem feinblasigen Rasseln an 
der ganzen rechten Seite und bronchialem, teilweise abgeschwächtem Atmen. 
L.V.O. und L.H.O. ähnliche Infiltrationszeichen. Metallisch klingende Perkussion 
L.V.U. und auch an der 1. Seitenfläche, das Atmen ist hier abgeschwächt und 
von einigen metallischen Schällen begleitet, aber nicht amphorisch, und die 
Untersuchung deutet nicht auf Pneumothorax. Herzstoss ist 3 cm nach innen 
verschoben, die Herztöne rein, kein Zeichen von Aneurysma aortae; die Grenzen 
der totalen Herzdämpfung können rechts nicht mit Sicherheit bestimmt werden, 
links im 4. Interkostalraum 7 cm links von der Mittellinie. 

*) In der pathol.-anatom. Sektion der biolog. Gesellschaft Kopenhagens 
am 16. Januar 1913 mitgeteilt. 

2 ) Für die Benutzung des klin. Journales (hier im Auszuge referiert) bin 
ich dem Oberarzte Herrn Dr. med. To bi e sc n zu Dank verpflichtet. 

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264 


Lauritz Melchior. 


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Die peripheren Arterien sind rigid. Der Leberrand überragt den Rippen¬ 
bogen mit 5 cm. Unterleib sonst o. B. Auswurf ohne Tuberkelbazillen. 

Während dem ganzen Aufenthalte täglich mehrmals Diarrhöen und unregel¬ 
mässig erhöhte Temperatur, allmähliche Abmagerung und Herabsetzung der Kräfte. 
Exitus letalis am 7. Juni 1912 abends.’ 

Partielle Sektion ca. 12 Stunden p. m. Zwerchfell beiderseits am 
5. Interkostalraum, Herz etwas nach rechts verschoben, diffus hypertrophisch 
ohne weitere Veränderungen. 

Im rechten Pleuraraum ca. 500 ccm seröse Flüssigkeit. Die ganze rechte 
Lunge mit Fibrinbelegungen, zeigt keine fibröse Adhäsionen. Die Lunge ist 
gross, fest und hart, infiltriert in ihrer ganzen Ausdehnung; auf der Schnitt¬ 
fläche sieht man im oberen Teile unregelmässige Hohlräume, mit Eiter gefüllt 
und überall von reichlichem fibrösem Gewebe umgeben; im mittleren und unteren 
Teile auch beträchtliche fibröse Indurationen, zwischen welchen zahlreiche 
kleinere Infiltrate vom peribronch. oder lobulärpneumon. Charakter, in mehr 
oder weniger kaseöser Umwandlung begriffen. 

In der linken Thbraxhälfte keine Flüssigkeit, die Lunge ist nicht fest- 
gewachsen, vorne oben etwas emphysematos. Der Unterlappen ist mässig kom¬ 
primiert, weil der grösste Teil des linken Brustraumes vom Magen und ca. J / 2 m 
des Dickdarmes, und zwar der linken Dickdarmflexur mit angehörigen Teilen 
vom quer- und absteigenden Kolon ausgefüllt wird. Der Magen ist zwischen 
dem unteren Lungenlappen und dem Dickdarme gelagert, die grosse Kurvatur 
vorwärts gerichtet, ausserhalb derselben sieht man die Darmschlinge von Brust¬ 
kastenwand begrenzt und durch einen langen fibrösen Strang mit der äusseren 
Seite des unteren komprimierten Lungenlappens verbunden. Im sehnigen Teile 
des Zwerchfells, hart an der Mittellinie und 3—4 cm von der vorderen Brust¬ 
wand entfernt, findet sich ein grosser runder Defekt im Zwerchfelle (Diameter 
ca. 6 cm), von einem glatten fibrösen Ringe begrenzt und die zwei Crura des 
im Brustraume gelegenen Darmabschnittes ebenso wie die des Magens (das 
Pylorusende nach vorne) enthaltend. Diese Organteile sind nicht allzuviel zu¬ 
sammengedrückt: man kann noch ohne Beschwerde Daumen und Zeigefinger 
in das Loch einführen. Ausser dem erwähnten fibrösen Strang keine Adhäsionen 
zwischen den Bauchorganen und der Lunge noch der Thorax wand. 

Die linke Lunge enthält im oberen Teile des Unterlappens ein ca. pigeon- 
grosses tuberkulöses Infiltrat, teilweise in kaseöser Umwandlung begriffen und 
ringsum von einer Dissemination von kleinen gruppierten Tuberkeln, ebenfalls 
zum Teil kaseös verändert, umgeben. Sonst olme tuberkulöse Veränderungen. 

Sektionsdiagnose: Tuberculosis pulmonis dextri t o - 
talis cavernosa, caseosa (peribronchitica), fibrös a. — 
Tub. caseosa et disseminata levi gradu pulmonis sin. — 
Pleuritis serofibrinosa dextra. — Dislocatio cordis ad 
dextr. — Defectus diaphragmatis c. hernia diaphragm. 
ventriculi et.coli. Hypertrophia levi gradu cordis totius. 

Von den in der Literatur mitgeteilten Fällen von Zwerchfells¬ 
hernien, die von Wille 1 ) zu ca. 1000 geschätzt werden, betreffen 
weit die meisten Kinder, die totgeboren oder kurz nach der Geburt 
verstorben sind. Am häufigsten ist es Sektionskasuistik, weil die 

] ) Wille, Norsk Magnsin for Laegevidenskab., Decbr. 1912. 



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3] Ein Fall von Heroia diaphragmatica bei einem erwachsenen Phthisiker. 265 

Diagnose nur selten während des Lebens gestellt ist (zum ersten Male 
freilich 1874 von Leichtenstern) 1 ); im letzten Dezennium 
mehren sich — mit Vervollkommnung der Röntgentechnik — die 
klinisch beobachteten Palle, und ebenso auch die operativ behandelten 
(im ganzen ca. 50 [Wille]); in den letzten Jahren endlich be¬ 
trifft die Diskussion mit Vorliebe die Differentialdiagnose zwischen 
Hernia nnd Eventratio diaphragmatica, d. i. Atrophie 
mit Hochstand der linken Hälfte des Zwerchfells. In unserer (däni¬ 
schen) Literatur sind nur sehr spärliche und zwar Säuglingsfälle 
mitgeteilt, lediglich eine etwas grössere Monographie (Ad. Hertz) 2 ), 
die 8 Fälle, bei Säuglingen oder Neugeborenen beobachtet, enthält, 
ln der norwegischen Literatur sind mehrere (5) Fälle bei Erwachsenen 
beschrieben, und von Motzfeld 3 ), der auch einen dem unserigen 
sehr ähnlichen Fall raitteilt, gesammelt. Von den grossen Statistiken 
in der deutschen Literatur sind die von Lacher 4 ) (der im Jahre 
1880 276 Fälle sammelte), Thoma 5 ) (der selbst weitere 14 Fälle 
beobachtet hatte) Und Grosser 6 ) (1899), dessen Material im ganzen 
425 Fälle nebst 8 Fällen von Eventratio diaphr. umfasst, die am 
meisten bekannten. 

In klinischer Beziehung bietet unser Fall insofern einen 
Anhaltspunkt dar, als die physikalische Untersuchung eine gewisse 
Ähnlichkeit mit derjenigen eines Pneumothorax darstellte. Da man 
aber den sehr heruntergekommenen Kranken einer Röntgenunter¬ 
suchung nicht unterwerfen Hess, ist der Triumph eines schönen dia¬ 
gnostischen Sieges den Klinikern entgangen. 

Betrachten wir den Fall etwas näher mit Rücksicht auf seine 
anatomischen Verhältnisse, finden wir hier gewisse Analogien 
mit der Mehrzahl der früher beschriebenen Fälle; es ist eine „Hernia 
spuria“, d. i. Bruch ohne Bruchsack: von Lachers 276 und von 
Grossers 425 Fällen sind 90 bis 95 Prozent Hernia spuria. Das 
Kontentum wird von Magen und Dickdarm gebildet, gerade die Organe, 
die am häufigsten in die Brusthöhle bei Defekten des Zwerchfells 
treten (cf. die Statistik Lachers: Magen als Bruchinhalt 161 mal 
beobachtet, Dickdarm 145 mal, Dünndarm 83 mal und Niere, die am 
seltensten den Bruchinhalt bildet, nur 2 mal). Es ist ferner linksseitig 
(nach Lacher 5mal, nach Grosser 7 mal so oft linksseitig wie 

i) Leichtenstern, Berliner klin. Wochenschr. 1874. 

») Hertz, Bibliothek for Laeger. 1890. 

3) M o t z f e 1 d , Nor.sk Magasin for Laegevid., Decbr. 1912. 

4 ) Lacher, Deutsches Archiv' f. klin. Medizin 1880. 

6) Thoma, Virchows Archiv 1888. 

6) Grosser, Wiener klin. Wochenschr. 1899. 


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Lauritz Melchior. 


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rechtsseitig). Es ist durch einen Defekt im sehnigen Teile des Zwerch¬ 
fells hervorgerufen. Auch dies ist am häufigsten der Fall, und dieser 
Umstand nebst besonders dem häufigeren Vorkommen an der linken 
Seite wird zur Stütze für die Theorie der angeborenen Zwerchfells¬ 
brüche als von Hemmungsbildungen des Zwerchfells hervorgerufen 
gebraucht. In der Tat zeigt die Entwickelungslehre, dass die „Pleura- 
peritonealfalten“ sich links später als rechts sehliessen und die linke 
Pleurahöhle als die letzte der grossen Höhlen des Körpers abgegrenzt 
wird. 

Übrigens kommen Brüche durch die ,,natürlichen“ Öffnungen 
des Zwerchfells auch nicht ganz selten vor, so der Speiseröhre und 
Aorta (oder Sympathikus) entlang, ferner die parasternalen 
Hernien durch „foramen“ Morgagnie, d. h. zwischen dem kostalen 
und stemalen Ursprünge des Zwerchfells und die Bochdaleck- 
schen Hernien zwischen seinem kostalen und lumbalen Ursprung. 

Nun die Frage, ob wir in unserem Falle mit einem ange¬ 
borenen oder einem erworbenen Bruche zu tun haben. 

Schwalbe 1 ), der sich mit der Genese der Zwerchfellbrüche am 
innigsten beschäftigt, behauptet, dass man vier Kriterien zu seiner 
Verfügung hat, um diese Frage zu entscheiden: Ein vorliegendes 
traumatisches Insult (oder das Fehlen eines solchen), das Verhältnis 
der Eänder des Defektes, gewisse anatomische Verhältnisse mit Rück¬ 
sicht auf Lokalisation des Bruches und das Verhältnis des peritonealen 
Überzuges. Nach dem Zustande der Ränder ebenso wie nach dem 
Durchtrittsort im Zwerchfell kann man aber in unserem Falle auf 
nichts schliessen, die abgeglatteten fibrösen Ränder können sowohl 
an einen kongenitalen als an einen seit vielen Jahren bestehenden, 
nach einem Trauma erworbenen Defekt zurückgeführt werden. Der 
Zustand der Serosa (fibröse Adhäsion) spricht am ehesten gegen einen 
kongenitalen Ursprung. Und gegen einen solchen spricht auch die 
Anamnese: Aus der Krankengeschichte geht hervor, dass der Patient 
sich 17 Jalire früher eine traumatische Läsion zugezogen hat. Dass 
diese eine sehr ernste gewesen ist, und dass der Bruch möglicher-, 
weise zu derselben zu beziehen sei, ist einleuchtend, wenn man die 
näheren Umstände dieser Katastrophe nach Krankenjournalen 2 ) der 
5. chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses Kopen¬ 
hagens (Kommunehospitalet) erfährt. Unser Kranke ist in dieser 
Abteilung vom 28. September 1807 bis zum 12. Januar 1808 behandelt 
worden, nachdem er im Wahnsinne sich aus einem Fenster 

*) Schwalbe, Münchener ined. Wochen sehr. 1899. 

2 ) Für deren Henutzunu; icli meinem Freunde, Herrn Oberarzt P. N. 
Hansen, zu Dank verpflichtet bin. 


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5] Ein Fall von Hernia diapbragmatica bei einem erwachsenen Phthisiker. 267 

des zweiten Stockwerkes gestürzt hat und sich eine 
offene Fraktur des linken Humerus, ferner eine Fraktur des rechten 
Radius und linken Femurs nebst Verletzungen der Weichteile des 
Kopfes zugezogen luvt. Er war bei der Aufnahme in einem Zustande 
grösster Benommenheit, hat sich später aufgeklärt. Während des 
Aufenthaltes im Spitale sind (20. Dezember) anfallweise auftretende 
starke Schmerzen im Leib, mit Erbrechen verbunden, aufgetreten. 

Ich meine deshalb, dass man die Vermutung eines traumatischen 
Ursprunges dieser Hernie nicht abweisen kann. (In dieser Richtung 
zeigt nach Henning 1 ) auch der Zustand von Kompression des 
unteren Lungenlappens — ein Zeichen, dessen Bedeutung mir doch 
sehr zweifelhaft erscheint.) 

Ein besonderes Interesse bietet unser Fall durch das Z u - 
sam men treffen des Bruches mit einer Lungentuber¬ 
kulose dar. In der Tat zeigt die Sektion einen sehr ausgebreiteten 
und wahrscheinlich recht alten Prozess in der rechten Lunge, wälrrend 
die linke nur ein einziges käsiges Infiltrat nebst geringer Disse¬ 
mination enthält ; und auch die mikroskopische Untersuchung 
bestätigt den Altersunterschied: Überwiegen der fibrösen Prozesse in 
der rechten Lunge und Fehlen von Tuberkelbazillen in den Schnitt¬ 
präparaten von derselben (auch keine Tuberkelbazillen im Auswurfe!), 
frische entzündliche Prozesse ohne Bindegewebebildung und nicht 
wenige Tuberkelbazillen in den Präparaten von der linken. Eine so 
starke Begrenzung vom tuberkulösen Prozesse in der linken Lunge 
bei totaler Infiltration der rechten ist immer etwas sehr »Seltenes, 
und die Anhänger der Kompressionsmethode als Heilmittel gegen 
Lungentuberkulose sind vielleicht berechtigt, diesen Fall in der 
Argumentation zu gebrauchen. 

J ) Henning, Dissertation München 1902. 


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Aus der II. Mediz. Abteilung des Strassburger Bürgerspitals. 
(Chefarzt: Prof. Dr. A. Cahn.) 


über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss im 
Sputum und seine Bedeutung. 

Von 

Julius Kaufmann. 


Geschichte. 

Die klinische Untersuchung des Sputums ist schon sehr alt. 
Lange forschte mail nach einem spezifischen, chemischen Produkt, 
dessen Auffinden erlauben sollte, Tuberkelherde zu diagnostizieren, 
allein es dauerte nicht lange, bis man zur Erkenntnis gelangte, 
dass eine derartige Materie nicht vorhanden sei; aber das Resultat 
hatten diese Untersuchungen doch, dass man die einzelnen Sub¬ 
stanzen kennen lernte, die das Sputum zusammensetzen. So gelang 
es auch, gerinnbares Eiweiss bei verschiedenen Lungenaffektionen 
zu finden. 

Caventou (5) behandelte im Jahre 1843 den Auswurf der 
Phthisiker mit Chlorwasserstoff und bemerkte, dass innerhalb eines 
Zeitraumes von zehn Tagen ein bläulich opaleszierender Farben¬ 
ton auftrat, so wie ihn Eiweisslösungen annehmen, während der 
Auswurf von Patienten mit akutem oder chronischem Bronchial¬ 
katarrh rötlich oder braun wurde. Im Jahre 1855 erschien eine 
Monographie des Sputums von Biermer (1), in welcher viele Eigen¬ 
schaften des Sputums eingehend besprochen wurden. Bei seinen 
vielen Analysen des Auswurfs fand er: gelöstes Eiweiss, Paralbumin, 
Schleimstoff, Salze etc. Um Eiweiss und Muzin nebeneinander nach¬ 
zuweisen, versetzte er das Sputum zuerst mit Wasser, liess stehen 
und dekantierte die überstehende Flüssigkeit; dann fällte er mit 
Essigsäure das Muzin aus und brachte das Eiweiss durch Kochen 


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Julius Kaufmann. 


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zur Koagulation. Nach ihm ist der Eiweissgehalt. proportional dem 
Grade der Entzündung. Bi er in er s Resultate ergaben: 

1. bei der chronischen Bronchitis: Muzin, kein Albumin, aber 
viele Salze; 

2. bei der akuten Bronchitis neben dem Muzin auch Albumin; 

3. im pneumonischen Sputum überwogen Muzin und Albumin, 
während 

4. beim Lungenödem fast kein Muzin, dagegen sehr viel koagu- 
lables Eiweiss nachgewiesen wurde. 

Biermer führte den Eiweissgehalt des Sputums auf den Zell¬ 
reichtum zurück, was von verschiedenen Seiten leicht widerlegt 
werden konnte. Denn der Auswurf beim Lungenödem enthält gerade 
am meisten Albumen von allen, aber nur wenige Zellen. 

Renk (4), der genaue quantitative Untersuchungen ausführte, 
fand bei der chronischen Bronchitis kein Eiweiss, dagegen bei der 
akuten Bronchitis, bei der Phthise und Pneumonie. 

Nach ihm waren es Kossel, Jaksch und Lanz, die das 
Studium dieser Frage auf nahmen. Kossel bestimmte das spezifische 
Gewicht der verschiedenen Sputumarten und versuchte daraus 
Schlüsse zu ziehen; er fand auch das Pepton in den eiterigen Sputis. 

Bald darauf erschienen die epochemachenden Arbeiten Louis 
Pasteurs, unter deren Einfluss man die chemischen Methoden 
ganz vernachlässigte, und sich den bakteriologischen Untersuchungen 
hingab. Jede Krankheit wurde unter diesem Gesichtspunkte studiert. 
Frankel entdeckte den Pneumokokkus, Koch den Tu her k e 1 bazil Ins 
und die chemischen Untersuchungen rückten angesichts dieser Ent¬ 
deckungen immer mehr in den Hintergrund. 

So dauerte es bis zum Jahre 1903. In dieser Zeit erschien eine 
Schrift von Müller lind Wanner (2 u. 3), in der sie genaue quan¬ 
titative Angaben über die Zusammensetzung des Sputums machten. 
Bei der chronischen Bronchitis und dem Asthma fehlte das Eiweiss 
oder fand sich nur in unwägbaren Mengen vor; dagegen fanden sie 
beim Lungenödem und liei den Fällen von sogenanntem Stauungs¬ 
katarrh, welchen eine Herzmuskelinsuffizienz oder ein dekompen- 
sierter Klappenfehler zugrunde lag, sehr viel Eiweiss. Bei der Pneu¬ 
monie wurde bis zu 3 <»o angetroffen; eine gewisse Albumenmengo 
konstatierten sie konstant bei der Lungentuberkulose, selbst bei wenig 
vorgeschrittenen Fällen. 

Das praktische Fazit aus all diesen wichtigen Untersuchungen 
zog dann Roger, der in seiner Klinik systematisch die Eiweiss- 
reaktion im Sputum einführte und im Jahre 1909 in der „Societe 



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3] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


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medicale des höpitaux“ über die Verwendbarkeit dieser Reaktion bei 
Lungenaffektionen sprach. 

Zu Beginn des verflossenen Jahres 1012 Hess dann mein ver¬ 
ehrter Lehrer, Herr Professor Cahn, ähnliche Untersuchungen an- 
. stellen, worüber im folgenden berichtet werden soll. 

Technik. 

Es wurden die Sputa bei verschiedenen Lungenaffektionen auf 
Albuinen untersucht; die Ausführung der Eiweissreaktion ist sehr 
einfach: Der Auswurf wird in einem reinen Glasgefässe gesammelt, 
und je nach der Menge des Auswurfs mit mehr oder weniger Essig¬ 
säure (3—5 o/o) versetzt und gut durchgeschüttelt. Dadurch fällt das 
Muzin aus, desgleichen das Nukleoalbumin. Es ist aber eine allzu 
grosse Essigsäuremenge zu vermeiden, weil sonst eine zu weit gehende 
Umwandlung des in Essigsäure löslichen Eiweisskörpers stattfindet; 
aber auch das Gegenteil darf nicht geschehen, dass zu sparsam mit 
der Essigsäure verfahren wird, da sonst das Muzin nicht völlig aus¬ 
fällt. Um sich zu überzeugen, dass das Muzin völlig ausgefällt ist, 
fügt man nach der Filtration, die in jedem Falle nach dem Essig¬ 
säurezusatz zu erfolgen !hat, zu dem Filtrat noch einen Tropfen Essig¬ 
säure hinzu. Das Filtrat darf sich dann nicht mehr trüben. Hernach 
stellt man eine der gewöhnlichen Eiweissproben an, entweder die 
Kochprobe oder eine andere Eiweissprobe, oder die Probe mit Ferro- 
zyankalium. In allen den von mir untersuchten Fällen wurde so¬ 
wohl die Ferrozyankalium- .sowie die Kochsalzprobe verwendet. Zu 
dem Filtrat fügt man einige Tropfen konzentrierte Kochsalzlösung 
und kocht. Entweder bleibt die Flüssigkeit klar, oder sie wird weiss- 
lich getrübt, oder es zeigt sich ein wolkiger Niederschlag. In den 
beiden letzten Fällen ist die Reaktion als positiv anzusehen. Was 
das Ferrozyankalium betrifft, so lässt man einige Tropfen zu dem 
Filtrat fliessen und es entstehen genau dieselben Er?cheinungen wie 
oben, ln zweifelhaften Fällen kann man auf die Ferrozyankalium- 
lösung sich das Filtrat überschichten lassen und es entwickelt sich 
an der Berührungsfläche ein weisslich grauer Ring. Der Einwand, 
Ferrozyankalium fälle auch Albumosen und eigne sich deshalb nicht 
zum Nachweis von Eiweiss im Sputum, ist nicht ganz von der Hand 
zu weisen; wenn aber daneben die Kochprobe positiv ist, so kann 
es sich nicht allein um Albumosen handeln. Das Wichtigste aber ist, 
dass sich nach den eingehenden Untersuchungen von Müller und 
Wanner im ßputum nur solche Albumosen vorfinden, die mit Essig¬ 
säure und Ferrozyankalium nicht ausfallen. Die gelösten Fiweiss- 


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Julius Kauffmann. 


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körper sind nach diesen Autoren Serumalbumin, Serumglobulin und 
sekundäre Albumosen. Sie suchten zwar auch nach primären Albu- 
mosen, indem sie nach Zunz das gleiche Volumen einer kalt¬ 
gesättigten Zinksulfatlösung dem Sputumfiltrat hinzufügten. Da hier¬ 
bei nichts ausgefällt wurde, konnten primäre Albumosen ausge¬ 
schlossen werden. Die Albumosen des Sputums entstehen aus den 
Eiweisskörpem devsselben durch einen Prozess, der nach der Art der 
tryptischen Verdauung verläuft, nicht nach der der peptischen, wo 
zuerst primäre Albumosen gebildet werden. Die von Müller und 
Wanner gefundenen Albumosen sind sekundäre im Sinne Kühnes; 
dieselben entsprechen dem Brückeschen Pepton, d. h. es sind Ab¬ 
kömmlinge der Eiweisskörper, welche durch Kochen nicht mehr ko¬ 
agulieren, zwar durch Aussalzen mit Ammonium- und Zinksulfat¬ 
lösung ausfallen, aber nicht durch Ferrozyankalium und Essigsäure 
gefällt werden können. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass 
Ferrozyankalium als Reagens wohl angewandt werden darf. Diese 
Albumosen sind (nach Müller und Wanner), wie schon ange¬ 
deutet, im Sputum nicht präformiert, sondern entstehen erst durch 
Eiweissspaltung, die einmal durch eiweissverdauende Bakterien er¬ 
folgt, dann auch durch Autolyse, speziell da, wo das Sputum längere 
Zeit bei einer höheren Temperatur stagniert, daher auch die praktische 
Regel, den gesammelten Auswurf recht frisch zu untersuchen und 
mindestens an einem möglichst kühlen Orte aufzubewahren. 

Um genaue diagnostische Angaben zu machen, muss ferner der 
Auswurf aus der Tiefe des Respirationsapparates kommen und nicht 
aus der Pharyngealhöhle oder den oberen Teilen des Larynx. Nor¬ 
malerweise findet sich in den Luftwegen und Alveolen kein makro¬ 
skopisch sichtbares Sekret, ünter krankhaften Bedingungen aber kann 
von den Bronchien schleimiges oder schleimigeiteriges, von den Al¬ 
veolen wässeriges, blutiges, fibrinöses oder eiteriges Sekret geliefert 
werden. Ich halte es nach meinen klinischen Beobachtungen für 
durchaus wahrscheinlich, dass die eiweisshaltige Komponente des 
Sputums aus den Alveolen stammt, während die Bronchien, min¬ 
destens die grösseren, Schleim produzieren. 

Eigene Beobachtungen. 

A. Tuberkulose. 

In allen Fällen, bei welchen Tuberkelbazillen gefunden wurden 
— es sind dies 1 OS Fälle —, fiel der Eiweissnachweis immer positiv 
aus. Es würde zu weit führen, die Geschichte dieser Patienten im 
einzeln mitzuteilen. Detailliert sollen im folgenden nur die Beob- 


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5] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


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achtungen angeführt werden, bei denen keine Bazillen nachgewiasen 
werden konnten, bei denen die Diagnose in anderer Weise gestellt 
werden musste. 

1. B. Th. 9 - Patientin ist 26 Jahre alt lind wurde am 6. Februar 1912 
aufgenommen. Stets war sie etwas kränklich und blutarm. Während des Jahres 
1911 war sie 13 Wochen in der Lungenheilstätte in Altweier, von wo sie ge¬ 
bessert entlassen wurde. Seit Dezember 1911 hat sie nun wieder starken Husten 
und etwas Auswurf, auch Nachtschweisse und ist in letzter Zeit abgemagert. 
Die Lungen weisen rechts vorn und hinten oben Schallverkürzung auf; daselbst 
hört man klein- und zeitweise mittelgrossblasige Rasselgeräusche. 

Mehrfache Bazillenuntersuchung negativ. 

Abendliche Temperatursteigerung. — Bei ihrer Aufnahme am 

6. II. ist die Albumenreaktion positiv (deutliche Trübung). 

23. II. Trübung noch vorhanden. 

5. IV. Spur von einer Trübung. 

23. IV. leichte Opaleszenz. 

6. V. Reaktion negativ. 

Die Patientin hat in den letzten 8 Tagen 3 Pfund zugenommen und der 
Allgemeinzustand ist ein guter geworden. Sie hat weder linsten noch Auswurf 
und wird entlassen. Von Rasselgeräuschen ist nichts mehr zu hören. 

2. F. J. cf- 22 Jahre alt, wird am 11. April 1912 wegen dyspeptischer 
Beschwerden und Verdachtes auf Tuberkulose aufgenommen. Der Lungenbefund 
ergibt über der rechten Spitze Schall Verkürzung und verschärftes Atmen, sonst 
überall heller Schall und vesikuläres Atmen.. 

17. IV. Moro-Reaktion noch sehr stark positiv. Trockener Husten ohne 
Auswurf. 

25. IV. Injektion von 0,001 Alt-Tuberkulin. 

25. IV. deutliche Lokal-, Herd- und Allgemeinreaktion. Zugleich kommt 
etwas Sputum. 

Eiweissnachweis: Trübung. 

Tuberkelbazillen fehlen. 

30. IV. Albumenreaktion negativ. Tuberkelbazillen desgleichen. 

4. V. noch geringe Spur von Eiweisstrübung. 

Am folgenden Tage hat der Patient keinen Auswurf mehr und die Tempe¬ 
ratur ist zur Norm zurückgekehrt. Der Patient hat am 12. V. 1912 um 7,5 kg 
zugenommen und wird auf seinen Wunsch hin entlassen. 

3. B. J. cf. 42 Jahre alt, aufgenommen am 15. II. 1912. 

Seit einem halben Jahre hat der Patient Husten und Auswurf, schwitzt 
viel während der Nacht und ist abgemagert. 

R.H.O. ergibt sich eine massige Dämpfung bis zur Mitte der Skapula; 
auch R.V.O. findet sich eine Schallverkürzung. Ab und zu R.II.O. feinblasiges, 
feuchtes Rasseln. 

17. II. 12. Moro: sehr stark. Bazillenbefund negativ. 

17. III. 12. Eiweissreaktion: leichte Trübung. 

28. III. 12. Albumenreaktion: schwach positiv. Tuberkelbazillen fehlen. 

Am 29. III., 9. IV., 25. IV. derselbe Befund. 

Da die Abendtemperaturen konstant bis 37,9 resp. 38° ansteigen, wird er 
am 26. IV. 12 nach einer Lungenheilstätte gesandt. 


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Julius Kauffmann. 


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4. \V. C. cf- 20 Jahre alt; Aufnahme am 11. IV. 12. 

Seit Dezember 1910 leidet der Patient an Husten und Heiserkeit; später 
stellten sich auch Schmerzen im Rücken ein, Nachtschweisse traten auf und 
der Patient fühlt sich matt. 

über beiden Lungenspitzen Dämpfung. Links ist das Spitzenfeld kleiner 
als rechts. Über beiden Spitzen Bronchialatmen, besonders rechts bis zur Spina 
scapulae; beim Inspirium einige feuchte Rasselgeräusche. 

11. IV. 12. Eiweissreaktion: leichte Trübung. Tuberkelbazillen negativ. 

15. IV. 12. Moro: stark positiv. 

19. IV. 12. Eiweissreaktion: Trübung. Tuberkelbazillen wiederum negativ. 

20. IV. 12. Derselbe Befund; auch vermittels des Anreicherungsverfahrens 
(Antiforniummethode nach U h I e n h u t) werden keine Bazillen gefunden. 

Am 23. IV. 12 muss der Patient auf seinen Wunsch hin entlassen werden. 

5. G. B. 9 • 19 Jahre alt. Seil drei Monaten leidet die Patientin an heftigem 
Husten. 17. III. und 18. III. Hämoptysen; an letzterem Tage wird die Patientin 
auf die Abteilung aufgenommen. Das Blut war schaumig gewesen. Die Patientin 
beklagt sich ferner über Nachtschweisse und Appetitlosigkeit. Der Thorax ist 
lang und flach. R.V.O.: spärlich klein-, mehr mittelgrossblasiges feuchtes Rasseln. 
L.H.O. vereinzelt mittelgrossblasiges, klingendes Rasseln. 

2. IV. 12. Moro: positiv. Eiweissreaktion: Trübung. Tuberkelbazillen negativ. 

10. IV. 12. Albumenreaktion: schwache Trübung. Tuberkelbazillen fehlen. 
Abends regelmässig deutliche Temperatursteigerung. 

Die Patientin hat immer noch Husten und Auswurf, muss aber am 23. IV. 12 
auf ihren Wunsch hin entlassen werden. 

6. S. H. cf- 63 Jahre alt, aufgenommen am 25. VIII. 1911. Der Patient 
beklagt sich über Husten und Auswurf. Der Thorax ist flach; die rechte Seite 
bleibt beim Atmen etwas zurück. Die rechte Spitzengegend ist gedämpft, bis 
zum Angulus scapulae ebenfalls Dämpfung; daselbst kleinblasiges feuchtes 
Rasseln. Tuberkelbazillen werden keine gefunden. Die Eiweissreaktion fällt 
positiv aus. Abends steigt die Temperatur regelmässig bis 38° an. Am 31. VIII. 
1911 musste der Patient auf seinen Wunsch hin entlassen werden. 

7. B. A. 9. 24 Jahre alt, am 18. I. 1912 aufgenommen. 

Der Vater starb an Hämoptoe mit 30 Jahren. Seit 4 Wochen fühlt der 
Patient Schmerzen im Rücken, hat etwas Husten mit Auswurf und magert in 
letzter Zeit deutlich ab. Einmal hat er Blut gehustet. 

Rechtes Spitzenfeld 5,5 cm. 

Linkes „ 7,0 „ 

R.V.O.■ und R.H.O. bis zur Spina scapulae Schallverkürzung und rauhes 
Atmen. Tuberkelbazillen wurden nicht, gefunden, dagegen war der Nachweis 
von Eiweiss positiv; abends deutliche Temperatursteigerung. Der Krankheits¬ 
verlauf konnte nicht weiter vorfolgt werden, da der Patient schon am 23. I. 12 
entlassen werden musste. 

8. Kr. P. cf- 25 Jahre alt. Aufnahme am 12. IIl. 12. Seit Sommer 1911 
batte der Patient Stechen auf der Brust und zeitweise Schwindelgefühl. Auch 
bestellt etwas Husten, Auswurf und Abmagerung. Das linke Spitzenfeld ist 
etwas kleiner als das rechte. L.H.O. findet sich unreines Atmen. 

14. III. Eiweissnachweis: negativ. Tuberkelbazillen: keine. 

Abends am 16. 111. 12 Injektion von 0,091 Alt-Tuberkulin. 


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Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


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Am 17. III. 12 tritt deutlich eine Herd-, Lokal- und Allpomeinreaktion 
auf. Eiweissnachweis negativ. 

18. III. Kiweissreaktion: Trübung. 

Das Sputum wird im bakteriologischen Institut nachuntersucht, aber es 
werden keine Tuberkelbazillen gefunden. In den nächsten 2 Tagen geht das 
Eiweiss im Sputum zurück und auch die Temperatur sinkt zur Norm herab. 
Am 21. III. 12 musste der Patient entlassen werden. 

0. II. . 9 - 27 Jahre alt. Patientin war im November und Dezember schon 
in Behandlung. Neuaufnahme am 17. I. 12. Seit einem halben Jahre wurde 
sie vom Arzte als lungenkrank behandelt. Von Jugend auf war sie bleichsüchtig 
und leidet seit 2 Jahren an Nachtschweissen und Husten. Im Januar hatte sie 
zu Hause 2 mal Hämoptoe. L.H.O.: ahgeschwächtes Bronchialatmen. R.V.O.: 
Dämpfung, Atemgeräusch abgeschwächt. Mehrmals wurde auf Tuberkelbazillen 
untersucht, aber immer mit negativem Erfolg. Der Eiweissnachweis fiel konstant 
positiv aus. Temperatur morgens 37,2, abends 37,8 37,9°. 

Am 5. II. 12 wurde die Patientin auf ihren Wunsch entlassen. 

10. Frau H. 39 Jahre alt. Patientin ist abgemagert, klagt über Husten, 

Auswurf und Mattigkeit. Der Thorax ist lang, flach und «lehnt sich wenig .aus. 
H.H.O.: Dämpfung, unreines Atmen mit verlängertem und verschärftem Exspirium. 
Tuberkelbazillen: negativ, rntersuchung auf Eiweiss: positiv. Abendliche Tempe¬ 
ratursteigerung bis 37,9 38,0". Am 20. II. wird die Patientin auf ihren Wunsch 

entlassen. 

11. K. V- 23 Jahre alt, aufgenommen am 25. III. 12. Die Mutter der 
Patientin starb an Lungentuberkulose, eine Schwester mit 10 Jahren an Pleuritis. 

Auf der rechten Lungenspitze hört man kleinblasiges, klingendes Hasseln: 
abends wies die Patientin immer eine deutliche Temperatursteigerung auf. 
■Tuberkelbazillen wurden nie gefunden. Beim Albumennachweis fand sich immer 
eine deutliche Trübung. Am 0. IV. wurde die Patientin auf ihren Wunsch 
entlassen. 

12. M. V. 48 Jahre alt. Patientin wurde schon im Jahre 1909 im Spitale 
wegen ihrer Lungenaffektion behandelt. Mehrmals wurde damals auf Bazillen 
untersucht, aber immer mit negativem Erfolge. Damalige rntersuchung: rechts 
und links vorn oben Dämpfung mit bronchialem Atemgeräusch. Beides war 
rechts mehr ausgesprochen als links. Im II. lnterkostalraum klein- und mittel¬ 
grossblasige Rasselgeräusche. R.H.O. ebenfalls lautes Bronchialatmen mit fein- 
blasigein Hasseln. L.H.O.: bronchiales Atmen mit mittelgrossblasigem Hasseln. 

Am 20. III. 12 wird die Patientin von neuem aufgenommen. Der Prozess 
hat sich weiter nach unten ausgedehnt. Supra- und Infraklavikulargruhen tief 
eingesunken und man vernimmt grossblasiges Hasseln. Die Eiweissprobe fällt 
immer positiv aus. Tuberkelbazillen werden nicht gefunden. Abends steigert 
sich die Temperatur um 0.8 bis 1°. 

Am 19. IV. 12 wurde die Patientin auf ihren Wunsch entlassen. 

13. Frau A. 47 Jahre alt. Die Patientin litt im Dezember 190(1 bis 
Februar 1907 an einer Bronchitis. Seit Sommer 1900 hustet sie viel und fühlt 
Schmerzen auf der Brust. Aufnahme im April. 

Am 13. IV. 12 Albumennachweis positiv. Tuberkelbazillen negativ. 24. IV. 12 
Albumennachweis schwach positiv. Tuberkelbazillen negativ. 


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Julius Kauffmann. 


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Am 25. IV. 12 derselbe Befund. 26. IV. 12 Injektion von 0,001 Alt- 
Tuberkulin, es erfolgt eine Lokal-, Herd- und Allgemeinreaktion. 

27. IV. 12 starker Eiweissniederschlag. Tuberkelbazillen negativ. 29. IV 7 . 12 
Eiweissreaktion stark positiv. Bazillen negativ. 

Am 1. V. 12 ist die Eiweissreaktion wieder schwächer. 

4. V. 12 Eiweiäsreaktion positiv, Tuberkelbazillen negativ. 

Jeden Abend tritt eine deutliche Temperaturerhöhung ein. Am 9. V. 12 
verlangt die Patientin entlassen zu werden. 

Nr. 14. Frau X. 60 Jahre alt. Die Mutter starb an Lungentuberkulose. 
Schon viele Jahre leidet die Patientin an Husten und Auswurf. Sie ist in 
letzter Zeit sehr abgemagert und schwitzt viel nachts. Der Thora xist rachitisch 
und dehnt sich rechts langsamer aus als links. Die rechte Lungenspitze zeigt 
dumpfen Perkussionsschall und bei der Auskultation vernimmt man bronchiales 
Atmen daselbst. Tuberkelbäzillen werden nie gefunden. Der Nachweis von 
Eiweiss fällt positiv aus. Abends deutliche Temperatursteigerung. Am 26. HL 12 
wird die Patientin auf ihren Wunsch entlassen. 

Nr. 15. B. N. cf 1 - Jahre alt. Wird am. 9. III. 12 zur Begutachtung 

aufgenommen. Seit Oktober 1910 beklagt er sich über Husten, Stechen auf 
der Brust und Nachtschweiss. Zur Behandlung befand er sich bis Dezember 
1910 in der Heilstätte zu Tannenberg. Nach seiner Entlassung fühlte der 
Patient keine Besserung und klagt nun weiter über ähnliche Beschwerden. 
R.V.O. bis zur II. Rippe und R.H.O. bis zur Spina scapulae befindet sich 
eine deutliche §challverkürzung. Das In- und Exspirium ist verlängert. Auf 
der linken Seite genau derselbe Befund. Morosche Salbenreaktion sehr stark 
positiv. Tuberkelbazillen werden nicht gefunden. Auch mit dem Anreicherungs¬ 
verfahren nicht. Die Eiweissreaktion ist immer positiv. Jeden Abend tritt eine 
Temperatursteigerung von 0,9° ein. Am 22. 111. 12 Entlassung. 

Nr. 16. Sch. S. V- 17 Jahre alt. Die Patientin litt mehrmals an Pneumonie. 
Seit zwei Jahren fühlt, sie auch ein Stechen in einem Knie. Sie hat keinen 
Appetit, viel Husten und Auswurf. R.V.O. findet sich eine deutliche Schall- 
verkiirzung; das Exspirium ist verlängert. Über der linken Seite ist das Atmen 
abgeschwächt und zeitweise hört man ein feuchtes kleinblasiges Rasseln. Abends 
tritt eine Temperatursteigerung bis 38° ein. Moro sehr stark positiv. Bazillen 
werden nicht gefunden. Der Nachweis von Albumen fällt immer positiv aus. 
Am 28. III. 12 wird die Patientin wunschgemäss entlassen. 

Nr. 17. G. J. ö • Aufgenommen zur Begutachtung infolge Verdachts auf 
Lungentuberkulose. Im Alter von 20 Jahren litt der Patient an einer Pleuritis. 
Seit dieser Zeit beklagt er sich über Husten und auch über Nachtschweisse. 

I ber der rechten Lungenspitze ist der Perkussionsschall verkürzt, das Inspirium 
verschärft. Rechts und links hinten unten hört man klein- und mittelgross¬ 
blasiges feuchtes Rasseln. Albumennachweis negativ. Eine Injektion von 
0,001 Alt-Tuberkulin verläuft reaktionslos. Bei einer zweiten Injektion von 
0,002 Alt-Tuberkulin steigt die Temperatur an und bei der Untersuchung auf 
Eiweiss zeigt sich eine leichte Trübung. Der Verlauf konnte nicht, weiter ver¬ 
folgt werden, da der Patient am 23. IV. 12 entlassen werden wollte. An 
diesem Tage war nirgends mehr etwas von Basselgeräuschen zu hören. 



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9 ] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


277 


Nr. 18. Th. J. cf. 28 Jahre all, aufgenommen am 2(1. III. 12. 

Die Mutter starb im Alter von 28 Jahren an Lungentuberkulose. Beim 
Militär bestand leichter Bronchialkatarrh. Im Anfang des Jahres 1911 stellten 
sich Schmerzen im Rücken ein und der behandelnde Arzt erklärte den Patienten 
als der Tuberkulose verdächtig. Bald besserte sich der Zustand, bis im Oktober 
1911 das Stechen zwischen den Schulterblättern von neuem auftrat und der 
Patient abzumagern begann. Auswurf und Husten hatte er keinen bis 8 Tage 
vor der Aufnahme. In dem Sputum sollen blutige Fäden enthalten gewesen sein. 
Der Nachweis von Kiweiss ist deutlich positiv. Tuberkelbazillen werden keine 
gefunden. Moro sehr stark. 

Am 28. III. 12 wird 0,001 Alt-Tuberkulin injiziert, worauf sofort eine 
starke Lokal-, Herd- und Allgemeinreaktion einsetzt. Zwei Tage darauf musste 
der Patient auf seinen Wunsch entlassen werden. 

Nr. 19. Gr. M. 9 . 82 Jahre alt. Die Patientin wurde im November und 
Dezember 1911 wegen Lungentuberkulose hier auf der Abteilung behandelt, I'ber 
der linken Lungenspitze konstatierte man damals eine massive Dämpfung. Über 
der rechten Spitze reichlich kleinblasiges, feuchtes Rasseln. Moro und Pirquet 
waren positiv. Nach der Entlassung im Dezember fühlte sich die Patientin 
nicht besser und wurde am 3. IV. 12 von neuem aufgenommen. Mehrmals wird 
auf Tuberkelbazillen untersucht, aber es werden keine gefunden. Im Sputum 
zeigt sich jedesmal ein deutlicher Niederschlag. Die Temperatur steigt abends 
auf 37,8 bis 37,9° an. 

Nr. 20. Br. I. cf- 30 Jahre alt. Die Mutter des Patienten starb an einer 
Lungenkrankheit. Die Frau an Phthise. 

Seit 5 Jahren beklagt sich der Patient über dyspeptische Beschwerden und 
Schmerzen im Rücken; er fühlt sich matt und seit einigen Wochen schwitzt er 
viel nachts. R.H.O. Dämpfung bis zur Spina scapulae. Das Exspirium daselbst 
ist verlängert und man hört feinblasiges, feuchtes Rasseln. Moro stark positiv. 
Auf eine Injektion von 0,001 Alt-Tuberkulin reagiert der Patient sofort mit 
Stich-, Herd- und Allgemeinreaktion. Zu gleicher Zeit stellte sich Auswurf ein, 
in dem Eiweiss bis zum Tage der Entlassung nachgewiesen wird. Bazillen werden 
nie gefunden. Abends deutliche Temperatursteigerung. Am (i. VI. 12 verlangt 
der Patient entlassen zu werden. 

Nr. 21. A. K. cf. 40 Jahre alt. Aufnahme am 19. IV. 12. 

Der Patient litt 1875 an einer Pneumonie, 1881 abermals. Im Jahre 1897 
hatte er viel Husten, Auswurf und reichlich Nachtschweisse, Tuberkelbazillen 
wurden damals keine gefunden, dagegen im Jahre 1899. 1905 war der Patient 
längere Zeit in der Heilstätte zu Alberschweiler, von wo er gebessert entlassen 
wurde. 1910 traten neue Beschwerden auf. 3 Wochen lang wurde er in der 
medizinischen Klinik behandelt; nach der Entlassung fühlte er sich ziemlich 
wohl. In demselben Jahre wurde er wegen ähnlicher Beschwerden auf Saal 23 
aufgenommen. Tuberkelbazillen fand man keine, und eine Injektion von 0,001 Alt- 
Tuberkulin blieb völlig reaktionslos. Am 2. XI. 10 wurde der Patient gebessert 
entlassen. Am 19. IV. 12 wird er wiederum auf Saal 23 aufgenommen. Er 
hustet viel und hat reichlichen Auswurf. L.H.O. Dämpfung bis zum unteren 
Teile der Skapula; daselbst bronchiales Atmen. R.H.O. lautes Giemen mit 
vereinzelten Rasselgeräuschen. Es wird mehrmals auf Tuberkelbazillen unter¬ 
sucht, aber immer mit negativem Erfolge. Der Albumennachweis war ebenfalls 
immer negativ. • Am 29. IV. 12 wurde der Patient auf seinen Wunsch entlassen. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 3. 19 


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Julius Kauffmann. 


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Nr. 22. Fräulein I). 22 Jahre alt, mitgenommen am 22. IV. 12. Die 

Patientin hat viel Husten und Auswurf, in dem sieh oft blutige Fäden finden. 
L.H.O. deutlich kleinblasigcs, feuchtes Hasseln. Moro stark positiv. Bazillen 
immer negativ. Im Sputum stets eine leichte Trübung von Eiweiss. Am 21). IV. 12 
wird die Patientin wunschgemäss entlassen. 

Nr. 23. W. C. cf- Aufnahme am 12. IV. 12. 

Der Vater und eine Schwester sollen an einer Lungenkrankheit gestorben 
sein. Vor zwei Monaten trat Husten und Seitenstechen auf. Auch magerte der 
Patient ab. Der Thorax ist schmal und lang. Auf der ganzen linken Seite ist der 
Perkussionsschall verkürzt, das Atemgeräusch über beiden Apizes rauh. lt.V.F. 
bestellt zurzeit ein kostaler tuberkulöser Rippenabszess. Bei der Durchleuchtung 
sieht man eine Verdichtung über beiden Lungenspitzen. Am rechten Hilus findet 
sich eine grosse, am linken Hilus mehrere kleine Drüsen. Der Eiweissnachweis 
ist positiv. Tuberkelbazillen werden nicht gefunden. Abends tritt eine deutliche 
Temperatursteigerung ein. 

Am 29. IV. 12 wird der Patient zur Heilstättenbehandlung entlassen. 

Nr. 24. L). A. 9- 17 Jahre alt. In ihrem achten Lebensjahre soll die 
Patientin einmal Blut gehustet haben. 1909 wurde sie auf der chirurgischen Ab¬ 
teilung wegen Lymphadenitis chronica colli operiert. Bald darauf trat ein 
Rezidiv ein. 

Seit vier Wochen vor der Aufnahme bestellt. Fieber, Husten und Auswurf, 
auch viel Nachlschweisse. Hier und da befindet sieb im Sputum Blut. Auf der 
rechten Seite befinden sich am Halse einige kastaniengrosse Lymphdrüsen. Moro 
sehr stark positiv. 

R.V.O. Schall bis zur II. Rippe verkürzt. Daselbst rauhes Atmen. 

R.H.O. bis zur Spina scapnlae ebenfalls Schallverkürzung. Das Inspirium 
ist verschärft und auf der Höhe desselben vernimmt man Ronchi. 

L.H.O. Schall Verkürzung und unreines Atmen. Abends Temperatursteige¬ 
rung bis 38,8“. 

22. V. 12 Nachweis von Eiweiss positiv. Tuberkelbazillen negativ. 

29. V. 12 und am 31. V. 12 derselbe Befund. Die Patientin wird Anfang 
Juni auf ihren Wunsch entlassen. 

?\r. 25. R. A. y. 20 Jahre alt, aufgenommen am 24. V. 12. Seit der 
Jugend leidet die Patientin an Husten und Halsweh. Seit 1911 beklagt sie sich 
über Kopfschmerzen. Schwindelgefühl und starken Husten. Zudem fühlt sie 
stechende Schmerzen auf der linken Brustseite. R.H.O. geringe Schallverkürzung, 
daselbst Verkleinerung des Spitzenfeldes. Das Inspirium ist verlängert. Am 
29. IV. 12 1 ritt im Sputum eine schwache Trübung auf. Tuberkelbazillen werden 
nicht gefunden. Am 1. VI. 12 derselbe Befund. Die Patientin fühlt sich besser 
und wird auf ihren Wunsch entlassen. 

Nr. 20. F. L. rj. 21 Julirc alt. Wird am 25. IV. 12 aufgenommen. 
Im 10. Jahre litt der Patient an einer Pneumonie. Im April 1911 fühlte er 
Schmerzen in der Seile und war bis im Mai hier in Behandlung. Es bestand 
schon damals etwas Husten und Auswurf. Am 18. V. 11 wurde der Patient ge¬ 
bessert entlassen. Tuberkelbazillen waren damals nicht gefunden worden. Vor 
einigen Tagen trat nun heftiges Stechen in der (legend des rechten Schulterblattes 
auf, ebenso häufige Nachlschweisse. 20. IV. 12 Albumennachweis positiv. 



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11 ] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


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Tuberkolbazillon negativ. Moro stark positiv. Abends steigt die Temperatur 
um einen (irad an. L.H.O. kleinblasiges, feuchtes Hasseln. Rechts auch etwas, 
aber seltener. Am 30. IV. derselbe Befund wie am 20. Am 4. V. ebenso. Des¬ 
gleichen am 8. V., 11. V., 10. V.. 18. V. und 27. V. Der Patient wird auf seinen 
Wunsch entlassen. 

Nr. 27. G. 1). . 04 Jahre alt, aufgenommen am 18. IV. 12. Seit einigen 

Jahren besteht auf der rechten Seite Stechen, dazu Husten und Nachtschweissc. 
Der Patient war eine Zeitlang in der medizinischen Klinik in Behandlung, woraus 
er gebessert entlassen wurde. Jetzt klagt er über Husten, hat viel Auswurf und 
stechende Schmerzen auf einer Seite der Brust. R.H.O. Dämpfung bis zum 
Angulus scapulae. R.Y.O. feuchte, mittelgrossblasige Rasselgeräusche. 

Nachweis von Albuinen immer positiv. Tuberkelbazillen werden keine ge¬ 
funden. Abends steigt die Temperatur auf 38,0 und 39,0° an. Am 11. V. 12 
zeigt sich im Sputum immer noch eine Trübung. Bazillen sind bis dahin nicht 
gefunden worden. Am 10. VI. 12 ist kein Auswurf mehr vorhanden und die 
Rasselgeräusche sind verschwunden. Der Patient wird gebessert entlassen. 

Nr. 28. K. L. o . 30 Jahre alt. Seit geraumer Zeit spürt der Patient 

Kopfschmerzen, Schwindel, hat keinen Appetit und ist matt. Vor 2 Tagen trat 
plötzlich ein starker Hustenreiz auf mit reichlich blutigem Auswurf. Das Blut 
soll hellrot gewesen sein. Bis zum nächsten Morgen erfolgten noch zwei ähn¬ 
liche Anfälle; hierauf wurde der Patient am 14. V. 12 in das Spital verbracht. 
I ber beiden Spitzen, besonders links Schallverkürzung. Über der ganzen rechten 
Lunge Dämpfung. Über der linken Spitze Atemgeräusch abgeschwächt und un¬ 
bestimmt. Über der rechten Spitze Atemgeräusch bronchial und mittelgrossblasige, 
feuchte Rasselgeräusche. Derselbe Befund wird über dem rechten Enterlappen 
konstatiert. K o c h sehe Bazillen werden nicht nachgewiesen. Der Albumen- 
nachwcis fällt positiv aus. Abends tritt eine deutliche Temperaturerhöhung ein. 
Am 28. V. 12 verlangt der Patient entlassen zu werden. 

Nr. 29. K. P. o • 18 Jahre alt. Wird am 17. VI. 12 aufgenommen. Ein 
Bruder starb an einer Lungenaffektion. Patient leidet viel an Husten und 
Schwindelgefühle, dabei ist er malt, schwitzt viel nachts und klagt über Magen¬ 
beschwerden. Die linke Supraklavikulargrube ist tiefer als die rechte und das 
linke Spitzenfeld ist kleiner als das rechte. Der Perkussionsschall über der 
linken Lungenspitze ist deutlich verkürzt. Auskultatorisch hört mim ein un¬ 
bestimmtes Atemgeräusch mit verlängertem Exspirium, zeitweise vernimmt man 
auch bronchitische Geräusche. Moro stark positiv. Abends tritt eine deutliche 
Temperatursteigerung ein. Bazillen sind nicht nachweisbar. Die Eiweissunter¬ 
suchung fällt stark positiv aus. Am 1. VII. 12 wird der Patient auf seinen 
Wunsch entlassen. Bei der Entlassung hört man auf der Lunge ein verschärftes 
Atmen beiderseits, R.H.O. auch Rhonchi. 

Nr. 30. S. A. V. 24 Jahre alt, aufgenommen am 30. V. 12. Vor 5 Wochen 
erkrankte die Patientin plötzlich mit Erbrechen und Durchfällen, gleich darauf 
trat eine Besserung ein. Zurzeit klagt sie nun über Nachtschweissc und stechende 
Schmerzen zwischen den Schulterblättern. Links hinten und vorn oben Schall* 
Verkürzung, daselbst das Atmen rauh, auch R.Y.O. 

Röntgenbild: Beide Spitzen trübe, die linke mehr wie die rechte, beider¬ 
seits Hilusdrüsen. Moro sehr stark positiv. Bazillen sind keine nachweisbar. 
Der Albumennachweis fällt positiv aus. Am Ende ihres Aufenthaltes hat die 

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Julius Kauffmann. 


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Patientin keinen Auswurf mehr und wird am 17. VIII. 12 in eine Lungenheilstätte 
entlassen. 

Nr. 31. G. M. 2 . 30 Jahre alt, aufgenommen am 18. VI. 12. 

Der Vater starb an einem Lungenleiden. Seit 6 Wochen Schmerzen heim 
Atmen auf der linken Seite. Die Patientin schwätzt viel nachts, hustet und hat 
Kopfschmerzen. Der Thorax ist lang und schmal, die Supraklavikulargruben 
eingesunken. 1LH.O. Dämpfung bis zur Spina scapulae. Hechts vorn bis zur 
II. Rippe. Im Bereich der Dämpfung ist das Exspirium verschärft, zeitweise 
bronchial. K o c h sehe Bazillen sind nicht nachweisbar. Albumennachweis positiv. 
Moro sehr stark positiv. Am 9. VII. 12 w r ird die Patientin nach der Heilstätte 
Lovissa entlassen. 

Nr. 32. M. L. V • 35 Jahre alt, aufgenommen am 4. VI. 12. 

Ein Bruder der Patientin ist an Lungentuberkulose erkrankt; desgleichen 
der Ehemann. Im September 1911 fühlte die Patientin stechende Schmerzen 
auf der Brust und im Rücken; dazu gesellten sich Husten, Auswurf und Nacht- 
schvveisse: in letzter Zeit magerte sie auch merklich ah. L.V.O. Schallverkürzung 
bis zur III. Rippe. L.H.O. bis zur Spina scapulae; daselbst unreines Atmen, 
das Inspirium verschärft und verlängert, in der Hilusgegend einzelne Rhonchi. 
Bazillenbefund negativ, Ei weissnachwcis positiv. Nach einem Aufenthalt von 
14 Tagen wird die Patientin der Heilstätte Lovissa überwiesen. 

Nr. 33. J. A. 2- 19 Jahre alt, aufgenommen am 17. VI. 12. 

Die Patientin hustet seit etwa 2 Jahren mit kurzen Unterbrechungen. Vor 
4 Tagen soll Blut dem Auswurf beigemengt gewesen sein. Der Appetit ist 
schlecht. Beiderseits auf der Kornea Maculae. Supra- und Infraklavikulargruben 
sind beiderseits eingesunken. R.H.O. Dämpfung bis zur Mitte der Skapula, R.V.O. 
bis zur II. Rippe. Im Bereiche der Dämpfung ist das Atemgeräusch verschärft, 
das Exspirium verlängert und etwas bronchial. Moro sehr stark positiv. Mehr¬ 
mals wird nach Bazillen geforscht, aber immer mit negativem Resultate. Der 
Eiweissnachweis ist positiv. Abends steigt die Temperatur bis 38° an. Am 
30. VII. 12 wird die Patientin nach Lovissa entlassen. 

Nr. 34. M. S. 2 21 Jahre alt, aufgenommen am 21. V. 12. 

Im Jahre 1911 w r ar die Patientin magen- und lungenleidend und wurde 
4 Wochen lang in der medizinischen Klinik behandelt. Seit einiger Zeit Husten, 
viel Auswurf und Nachtschweisse. R.V.O. und R.H.O. Dämpfung, über der 
klein- und mittelgrossblasiges, feuchtes Rasseln zu hören ist. Trotzdem mehr*- 
fach mit dem Antiforminverfahren nach Bazillen gesucht wird, werden keine 
gefunden. Der Albumennachweis fällt immer positiv aus. Temperatur beträgt 
abends 38 bis 39°. Am 11. VII. 12 wird die Patientin auf ihren Wunsch entlassen. 

Nr. 35. J. E. 2 - 14 Jahre alt. Aufnahme am 29. IV. 12. 

Im April 1911 Hämoptoe. Seither immer etwas kränklich mit Husten und 
Auswurf. Am 23., 24. und 28. IV. wiederum Hämoptoe. R.V.O. Dämpfung bis 
zur II. Rippe. R.H.O. bis zur Spina scapulae. Die linke Spitze ist ebenfalls 
gedämpft, daselbst kleinblasiges, feuchtes Rasseln. Bazilien sind selbst mit dem 
Anreicherungsverfahren nicht nachweisbar. Eiweissnachweis positiv. Abends 
deutlicher Temperaturanstieg. Am 4. VII. 12 wird die Patientin auf ihren Wunsch 
entlassen. 



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13] Ober den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 281 

Nr. 36. W. M. 9 - 19 Jahre alt, aufgenommen am 4. V. 12. 

Der Vater starb an einer Lungen krank heit. Vor 3 Jahren begann die 

Patientin zu husten und hatte zu gleicher Zeit reichlichen Auswurf. Seit Oktober 

1911 fühlt sie auch stechende Schmerzen auf der Brust und schwitzt viel 
nachts. Der Thorax ist flach und wenig dehnbar. R.V.O. gedämpfter Per¬ 
kussionsschall bis zur IV. Rippe, daselbst mittel- und grossblasiges, feuchtes 
Rasseln. L.V.O. Dämpfung bis zur III. Rippe mit feinblasigem, feuchtem Rasseln. 
R.H.O. Dämpfung bis zur Mitte der Skapula; darüber kleinblasiges, feuchtes 

Rasseln. Im Sputum fällt der Nachweis von Eiweiss positiv aus. Bazillen 

werden nicht gefunden. Abends steigt die Temperatur bis 39° an. Die Patientin 
wird am 3. VII. 12 mit wenig verändertem Lungenbefund entlassen. 

Nr. 37. K. C. 9 - 50 Jahre alt, aufgenommen am 1. VI. 12. 

Die Mutter der Patientin und ein Bruder starben an Lungentuberkulose. 

Vor 20 Jahren hustete sie zum ersten Male Blut; der damalige Krankheits¬ 
zustand besserte sich bald nach einem Landaufenthalt. Im Jahre 1911 fühlte 
sie sich wieder krank. Am 29. und 30. IV. 12 Hämoptoe. In der Nacht vom 
31. VI. auf 1. VII. abermals Hämoptoe. Rechte Spitze gedämpft. Links reicht 
die Dämpfung bis zum Angulus scapulae. Über beiden Dämpfungen klein- und 
mittelgrossblasiges feuchtes Rasseln. Im Auswurf findet sich Eiweiss. Bazillen 
sind nicht nachweisbar. Abends deutliche Temperatursteigerung. 

Röntgenbild: Rechte Spitze stark getrübt. Die linke auch, aber weniger. 

Am 22. VI. 12 wird die Patientin auf ihren Wunsch entlassen; bei der 

Entlassung klagt sie über Schmerzen im Rücken und auf der rechten Spitze 

hört man einzelne Rasselgeräusche. 

Nr. 38. V. J. 9 - 33 Jahre alt, aufgenommen am 12. VI. 12. 

Vater starb an einer Lungenkrankheit. Die Patientin soll 5 mal Pneumonie 
gehabt haben; vor 4 Jahren 10 Wochen lang im Sanatorium Altweiler, wegen 
eines Lungenkatarrhs. Vor 2 Jahren wegen derselben Affektion 8 Wochen krank. 
Im Mai 1912 hustete sie mehrmals Blut und fühlt seither Schmerzen in der 
rechten Seite und fiebert. R.V.O. Dämpfung bis zur II. Rippe, R.H.O. Dämpfung 
bis zur Mitte der Skapula; daselbst klein- und mittelgrossblasiges, feuchtes 
Rasseln. Bazillenbefund negativ. Albumennachweis positiv. Abends deutliche 
Temperatursteigerung. Am 6. VII. wird die Patientin, ohne gebessert zu sein, 
auf ihren Wunsch entlassen. 

Nr. 39. G. J. 9 - 30 Jahre alt, aufgenommen am 3. V. 12. 

Ein Bruder der Patientin starb mit 21 Jahren an Lungentuberkulose. Sie 
war 5 mal schwanger und bei der letzten Schwangerschaft begann sich starker 
Husten einzustellen; jetzt fühlt sie auch Schmerzen auf der Brust, schwitzt 
viel nachts und fiebert. L.V.O. Dämpfung bis zur III. Rippe; daselbst klein- 
bis mittelgrossblasiges, feuchtes Rasseln; ebenso auf der rechten Spitze, die 
gleichfalls gedämpft ist. R.H.O. Dämpfung bis zur Spina scapulae; über dieser 
Dämpfung klein- und mittelgrossblasiges, feuchtes Rasseln; Albumennachweis 
positiv. Bazillenbefund negativ. 

Nr. 40. C. Chr. cf. 42 Jahre alt, aufgenommen am 12. VII. 12. 

Die Erkrankung begann mit Kreuzschmerzen und Schmerzen auf der Brust. 
Ausserdem fühlt sich der Patient matt und kraftlos. Die Aufnahme auf die 
Abteilung findet infolge von Magenbeschwerden statt. Dio Supra- und Infra- 


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Julius Kauffmann. 


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klavikulargrubon sind beiderseits eingesunken. R.H.O. etwas Dämpfung. Über 
beiden Lungenspitzen ist das Atemgeräusch rauh. Moro sehr stark positiv. 
Bazillenbefund, selbst mit dem Antiforminverfahren, fällt negativ aus. Albumen- 
nachweis positiv. Auf eine Injektion von 0,001 Alt-Tuberkulin Herd-, Stich- 
und Allgemeinreaktion. Am 31. VII. 12 wird der Patient auf seinen Wunsch 
entlassen. 

B. Bronchitiden. 

Nr. 41. S. C. cf- AS Jahre alt, aufgenommen am 12. IV. 12. 

Der Patient litt häufig an Katarrhen der Luftwege und starkem Husten. 
Jetzt herrscht grosse Atemnot, Lufthunger. Über dem ganzen Thorax Giemen 
und Pfeifen. Perkutorisch findet man über beiden Lungenspitzen Schallverkürzung. 
Temperaturerhöhung liegt nicht vor. Bazillen können im Sputum nicht gefunden 
werden. Der Nachweis von Livveiss fällt immer negativ aus. Am 18. IV. 
Exitus letalis. 

Der autoplische Befund ergibt chronische Bronchitis mit Emphysem. In 
den Lungenspitzen finden sich verkalkte Herde. 

Nr. 42. K. J. rf. 02 Jahre alt. Aufnahme am 11. IV. 12. 

Der Patient wurde schon im April 1000 hier im Spital wegen Bronchitis 
behandelt. Bazillen wurden damals keine gefunden. Jetzt kommt der Patient 
wieder mit trockenem Husten und zähschleimigem Auswurf, ('herall pfeifende, 
giememle Basselgeräusche. Albuinen wird im Sputum nie nachgewiesen. Auch 
nie Koch sehe Bazillen. 

Am 20. IV. 12 wird der Patient gebessert entlassen. 

Nr. 43. F. A. cf. 02 Jahre all, aufgenommen am 7. V. 12. 

Seit Herbst 1011 hat der Patient viel Husten und Auswurf. In den 
letzten 2 Monaten trat eine Verschlimmerung ein und zurzeit besteht grosse 
Atemnot. Überall herrscht heller Lungenschall. Auskultatorisch lassen sich 
diffuse giemendc Geräusche feststellen. Tuberkelbazillen werden nie gefunden. 
Albumennachwcis immer negativ. Am 18. V. 12 wird der Patient auf seinen 
Wunsch entlassen. 

Nr. 44. H. J. cf- 55 Jahre alt. Der Patient zeigt die gewöhnlichen Er¬ 
scheinungen eines Bronchitikers: überall sind giemende, pfeifende Geräusche 
zu hören. Bei der Aufnahme waren die Füsse und Beine ödemalös geschwollen 
und im Urin befand sich Eiweiss; Herztätigkeit: unregelmässig. Im Sputum 
fanden sich anfangs auch Spuren von Albuinen, das aber sofort schwand, als 
das Ödem ahnahm und die Herztätigkeit regelmässiger wurde. Später fand sich 
nie mehr Eiweiss im Sputum, auch waren keine K o c h sehen Bazillen nach¬ 
zuweisen. Am 0. V. 12. wurde der Patient gebessert entlassen. 

Nr. 45. Frau F. B. 50 Jahre alt. Die Patientin hatte im Jahre 1007 
eine Pneumonie. Seit jener Zeit leidet sie an Husten, Auswurf und Atem¬ 
beschwerden. Das Atemgeräusch ist überall sehr scharf, dabei vernimmt man 
trockene Rasselgeräusche. Albuinen und Tuberkelbazillen werden im Auswurf 
nicht gefunden. Bald nach der Aufnahme erfolgt der Exitus. Der Sektions¬ 
bestätigte die Diagnose Bronchitis; von Tuberkulose konnte auch autoptisch 
nichts gefunden werden. 

Nr. 46. Eine Frau X., die am 3. II. 12 aufgenommen wird, und 

Nr. 47, Frau B. zeigen die gewöhnlichen Symptome einer Bronchitis 
chronica: Husten und viel Auswurf mit Giemen und trockenen Rasselgeräuschen 



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15 ] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiwciss etc. 


283 


hinten unten. Nie Temperatursfeigorung. Albuinen und K o c h sehe nazillen 
werden im Auswurf nicht gefunden und die Patientinnen können gebessert ent¬ 
lassen werden. 

Nr. 48. Frau S. 65 Jahre alt, aufgenommen am 4. III. 1*2. Seit mehreren 
Jahren leidet die Patientin an Husten und Auswurf. Infolge eines Unfalles am 
2. IV. 12 sind Husten und Auswurf stärker geworden. Die Lungengrenzen sind 
massig gut verschieblich. Nirgends besteht Dämpfung. Hinten und vorne hört 
man beiderseits bronchitische Geräusche. Häufig wird auf Eiweiss und Tuberkel¬ 
bazillen untersucht, aber immer mit negativem Resultat; ab und zu zeigte sich 
im Auswurf eine leichte Opaleszenz. Am 28. V. wird die Patientin auf die 
Abteilung für chronisch Kranke verlegt. 

Nr. 4t). G. A. ■'S'. 62 Jahre alt, aufgenommen am 16. VIII. 12. Der 

Perkussionsschall ist hell und voll. Das Atemgeräusch vesikulär mit etwas 
verlängertem Kxspirium. l'ber sämtlichen Partien hört man Giemen und Pfeifen. 
Nie wird Eiwciss, nie werden Tuberkelbazilleu im Auswurf nachgewiesen. Am 
2. IX. 12 wird der Patient gebessert entlassen. 

Nr. 50. Frau G. 62 Jahre alt, wurde auf der Abteilung schon früher 
wegen Bronchitis chronica behandelt und wird nun derselben Beschwerden 
wegen am 4. V. 12 auf Saal 34 aufgenommen. Hinten hört man über einer 
grossen Partie grossblasiges, trockenes Rasseln; der Auswurf ist zähschleimig. 
Immer ist der Albumennachweis negativ. Auch Bazillen werden nie gefunden. 

Nr. 51. A. K. Es ist dies derselbe Fall, welchen ich unter den Tuber¬ 
kulosen schon als Nr. 2t aufführte und der wiederholt auf den Spitalabteilungen 
war. Nach der ganzen Geschichte und besonders dem negativen Ausfall der 
Tuberkulinreaktion, Hem Fehlen jeder Temperatursteigerung, der Lokalisation 
der bronchitischen Geräusche, beiderseits hinten unten, musste mau annehmen, 
dass seine Tuberkulose völlig ausgeheilt war. Deswegen führe ich ihn hier 
jetzt als Bronchitis auf. 

C. Bronchiektase. 

Nr. 52. W. C. cf- 48 Jahre alt, aufgenommen am 26. III. 12. 

Im 20. Lebensjahre litt der Patient an einer Pneumonie. Vom 40. Jahre 
an stellte sich häufig Bronchialkatarrh ein. Derselbe war immer mit starkem 
Husten und Auswurf, der zeitweise übelriechend wurde, verbunden. Dazwischen 
traten kurze Besserungen ein. Im Oktober 1911 erneuerten sich die früheren 
Beschwerden und im Februar 1912 wurde der Allgemeinzustand immer schlechter; 
es gesellte sich hohes Fieber dazu. Im März wird der Patient auf die Ab¬ 
teilung aufgenommen. Der Auswurf ist reichlich und riecht fötide. Er wird in 
zwei bakteriologischen Instituten nachuntersucht. Aber es werden weder von 
uns, noch dort Tuberkelbazillen gefunden. Die rechte Brusthälfte ist breiter 
und flacher als die linke, die stärker gewölbt erscheint. L.H.U. ausgesprochenes 
amphorisches Atmen mit metallischen Rasselgeräuschen; an verschiedenen 
anderen Stellen hört man Giemen und Pfeifen. 

28. III. 12. Albumengehalt sehr stark: wolkiger Niederschlag. Es wird 
links ein künstlicher Pneumothorax angelegt und sofort nimmt die bis dahin 
sehr beträchtliche Sputummenge ab; der Allgemeinzustand bessert sich. 

15. IV. 12. Eiweissnachweis: schwache Trübung. 

22. IV. 12. Eiweissnaclnveis: Spur von Trübung. 


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Julius Kauffmann. 


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Am 23. IV. 12 lässl sich durcli rbcrscliichtcii des ossigsauren Filtrats 
auf Ferrozyankalium nur eine ganz geringe Trübung an der Berührungsfläche 
nachweisen. Von diesem Tage an tritt ein Umschlag ein; die Temperatur be¬ 
ginnt wieder zu steigen, die Sputummenge nimmt wieder zu und verbreitet einen 
fütiden Geruch. Am 29. IV. 12 tritt ein starker Niederschlag von Eiweiss auf, 
desgleichen am H. V. 12. An diesem Tage musste der Patient auf seinen 
Wunsch nach Hause entlassen werden. 

D. Pneumonien. 

Nr. 53. S. L. o_ 21 Jahre alt, aufgenommen am 4. IV. 12. Abends am 
3. IV. 12 wurde der Patient von einem Schüttelfrost befallen, begleitet von 
Fieber, Husten und angeblich Delirien. Am 4. IV. 12 wird dann der Patient 
auf die Abteilung aufgenommen. Das Gesicht ist zyanotisch verfärbt; der Aus¬ 
wurf ist rostfarben. L.H.F. eine 10 cm höbe massive Dämpfung. Darüber ist 
das Atemgeräusch unbestimmt und man hört feines Knisterrasseln. Tempe¬ 
ratur 39,2°. 

5. IV. 12. Im Sputum findet sich sehr viel Kiweiss. Temperatur 38,1°. 

0. IV. 12. Im Auswurf Niederschlag von Albuinen. Temperatur 37,5«. 

9. IV. 12. Der Eiweissgehalt hat bedeutend abgenommen, es findet sieb 
nur noch eine Trübung vor. Temperatur 37°. 

10. IV. 12. Geringe Trübung im Auswurf. 

11 IV. 12. Es wird nur noch eine leichte Opaleszenz konstatiert. 

Am 12. IV. 12 hat der Patient keinen Auswurf mehr und die Temperatur 
ist zur Norm zurückgekehrt. 

Am 1 (>. IV. 12 wird der Patient geheilt entlassen. 

Nr. 54. M. C. ö . 23 Jahre alt, aufgenommen am 10. IV. 12. L.H.F. 
5 cm hohe Dämpfung. Darüber feines Knisterrasseln. Vom Tage der Aufnahme 
an beginnt die Temperatur abzufallen. Im Sputum findet sich am 10. IV. 12 ein 
Niederschlag von Albuinen vor. Am 13. IV. 12 besteht nur noch eine schwache 
Trübung. Am 15. IV. 12 fällt der Eiweissnachweis negativ aus und die Tempe¬ 
ratur ist eine normale. Der Patient wird geheilt entlassen. 

Nr. 55 und 50 sind zwei Bronchopneumoniefälle, bei denen bis zum 
Tode Eiweiss im Spulum- nachzuweisen war. Der autoptische Befund bestätigte 
die Diagnose, ln einem der Fälle, es war eine Frau von 65 Jahren, wurden 
noch alte, verkalkte Herde gefunden; bei der anderen Frau war nichts Derartiges 
oder sonst Tuberkulöses zu konstatieren. 


Schlussfolgerungen. 

Die liier mitgeteilten Untersuchungen gestatten die Sputa in zwei 
Gruppen einzuteilen; die eine enthält Albuinen, die andere nicht. 
Zu letzterer Gruppe gehören die chronischen Bronchitiden, zu erster.?r 
die pneumonischen und besonders die tuberkulösen Prozesse, ferner 
die eine Beobachtung von Bronchiektase; letztere Affektion scheint 
nach der vorhandenen Literatur bis jetzt diesbezüglich noch nicht 
untersucht zu sein. 


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17] Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 285 

Es liegt kein einziger Fall von sicher festgestellter Tuberkulose 
vor, bei der sich nicht Eiweiss im Answurf hätte nachweisen lassen. 
So interessant an und für sich diese Tatsache ist, so hat sie doch 
nur eine nntergeordnete diagnostische Bedeutung, sobald eben die 
Tuberkulose ihr zweites oder drittes Stadium erreicht. In diesen 
Perioden ist die Diagnose durch den physikalischen Befund allein 
sichergestellt und es dient der Nachweis von Eiweiss nur zur Festi¬ 
gung derselben, ebenso wie bei dieser Sachlage nach Bazillen ge¬ 
sucht zu werden pflegt, damit die klinische Untersuchung einwands¬ 
frei sei. 

Ganz anders ist es, wenn es sich um den Verdacht einer be¬ 
ginnenden Tuberkulose handelt, wo man oft nur eine leichte Schall¬ 
verkürzung auf einer Spitze konstatiert, wo das Atemgeräusch etwas 
abgeschwächt oder unbestimmt ist. Hier lässt sich ja öfters eine 
genaue Diagnose nicht stellen. Oft auch wird die Frage zu beant¬ 
worten sein: Handeltessich bei so geringen Veränderungen um 
einen in der Entwickelung.begriffenen Prozess oder 
um einen obsoleten Herd? Hie r ist es, wo die Bedeu¬ 
tung der Eiweissreaktion einzusetzen hat. Betrachten 
wir Üie Fälle von Nr. 2, 8 fund 17, bei allen dreien werden Tuberkel¬ 
bazillen nicht gefunden und fällt die Eiweissuntersuchung zunächst 
negativ aus. Bei zwei von diesen Fällen (Nr. 8 und 12) fanden wir 
eine Herdreaktion auf einer Spitze bei 0,001 Alttuberkulin. Bei 
Nr. 17 bleibt aber zuerst eine Injektion von ^,001 Alttuberkulin 
wirkungslos und erst eine zweite Injektion von 0,002 bewirkt eine 
Temperatursteigerung ohne Herdreaktion auf der Lunge. Trotzdem 
trat auch in diesem Fall, wie in den beiden anderen Eiweiss im 
Sputum auf und hielt sich, solange die Herdreaktion andauerte. 
Man geht sicher nicht fehl, wenn man dieses Auftreten von Eiweiss 
im Sputum nach der Tuberkulinreaktion als ein Reagieren des ver¬ 
borgenen aktiven tuberkulösen Prozesses betrachtet. 

Ganz anders ist es nun bei Nr. 13 und 18. Dort fällt die Erweiss- 
untersuchung positiv aus, bevor eine Injektion von Alttuberkulin 
stattfindet und bleibt es auch. Diese Tatsachen weisen darauf hin, 
wie genau der Albumennachweis auf pathologische Zustände im 
klinischen Sinne abgestimmt ist. Die Reaktion des Organis- 
inus auf die subkutane Injektion von A 111 u her k u 1 i n 
besagt zwar, dass ein tuberkulöser Herd im Körper 
sich befindet, aber wo er liegt und.ob er progressiv 
ist, darüber erhalten wir keinen Aufschluss. Der 
Nachweis von Eiweiss im Sputum jedoch dürfte be¬ 
weisen, dass ein reagierender Herd nicht allenfalls 


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286 


Julius Kaufmann. 


18 


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irgendwo in einer Drüse usw., sondern in der Lunge 
liegt. Dass nun die Ei weissreaktion so schnell wieder schwand, 
kann wohl so erklärt werden, dass der Krankheitsprozess gering¬ 
fügig und nur wenig aktiv war; denn die Patienten konnten nach 
ganz kurzer Zeit hei gutem Allgemeinzustande und ohne subjektiven 
Beschwerden entlassen werden. Die Wichtigkeit dieser Beobachtungen 
mag auch daraus erhellen, dass Roger aus seinem sehr reichhaltigen 
Material nur einen solchen Fall aufführen kann, den ich, um meine 
Ansicht zu erhärten, wörtlich mitteilen möchte: 

Uno jeune fille de 15 ans et demi entrait dans notre Service le 
11 janvier 1910, se plaignant de faiMesse et de toux. La malade 
est maigre et pale; eile a perdu Fappetit et se sent incapable de* 
travailler. L’examen du thorax nous fait porter le diagrnstic de 
tul>erculose. Nous constatons: au sommet droit, en andere de la 
submatite et une augmentation de la resistance; Fauscultation fait 
entendre une Inspiration rüde et fait percevoir des frottements 
pleuraux superficiels. 

Cependant Fanalyse des crachats, pratiquee ä plusieurs reprises 
revela l’absence d’albumine. La recherche des bacilles et Fintra- 
dc-rmoreaction furent egalement negatives; Finjection sous-cutanee 
de tuberculine ä la dose de 0,001 provoqua une poussee de fievre, 
une reaction locale intense et une expectoration albumineuse qui 
dura quatre jours. Le premier fevrier, il y avait encore des traces; 
le lendemain la poifcsöe aigue, provoquee par la toxine etait eteinte 
et Falbuminoreaction etait de nouveau negative. Sous Finfluence 
du repos, la malade s’ameliora tres vite; quaud eile quitta le Service 
le 15 fevrier, eile se sentait completement remise et avait engraisse 
de 3 kg. 

Bedenkt man schliesslich, wie trotz der Fortschritte in der Dia¬ 
gnostik durch die physikalischen Thitersuchungsmethoden, trotz der 
Entdeckung des Tuberkelbazillus, es oft schwierig ist, den Beginn 
einer Tuberkulose zu konstatieren, — erwägen wir ferner, dass die 
Tuberkulose um so leichter heilbar ist, je früher man sie erkennt, 
so wird man nicht anstehen, dem Albu mennachweis eine be¬ 
sondere Bedeutung als F r ii h d i a g n o s t i k u m 1> e i Tuber¬ 
kulose beizumessen. 

Von Unseren mitgeteilten Fällen befinden sich 37 in einem An- 
fangs.gadium, und trotzdem fiel die rntersuchung auf Eiweiss immer 
positiv aus. Es ist allerdings eine unbestreitbare Tatsache, dass die 
mikroskopische Untersuchung immer den Ausschlag gehen und das 
Mitte! der Wahl bleiben wird. Aber jedermann weiss, wie schwierig 
es oft ist, zu Beginn einer Tuberkulose Bazillen naclizuweisen — 



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19] 


Uber den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


2S7 


wurde doch bei allen diesen )\1 Patienten meist tätlich, aber ver¬ 
gebens, nach Bazillen geforscht - und es wäre sehr gefährlich, 
wollte man mit der Therapie warten, bis der spezifische Bazillus 
im Sputum erscheint, Geerard (9), Direktor der beiden Poli¬ 
kliniken „Alhert-Elisaheth und Leopold“ in Brüssel, welcher die Ei¬ 
weissreaktion sehr schätzt, veröffentlichte in der Zeitschrift ,,Tuber¬ 
culosis“ einen in dieser Hinsicht interessanten Fall, welcher unserem 
in mancher Beziehung gleicht. 

Ein junger Mann von 27 Jahren stellte sich eines Tages in der 
Poliklinik vor. Heit einiger Zeit hustete er und hatte Auswurf; es 
bestand kein Fieber und keine Abmagerung, das Allgemeinbefinden 
war auch gut. Bei der Untersuchung fand sich ein rauhes Inspirium 
auf der linken Spitze, im Auswurf konstatierte Geerard Eiweiss; 
die mikroskopische Untersuchung ergab keine Bazillen. Er liess vor¬ 
läufig die Diagnose in suspenso und behielt den jungen Mann in Be¬ 
obachtung. Nach einem Monat stellte sich der Patient wieder vor, 
und der Zustand war noch derselbe; eine angestellte Kutanreaktion 
fiel positiv aus. Bei der Untersuchung einen Monat später zeigte 
sich eine leichte Gewichtsabnahme, auf der linken Lungenspitze 
hörto man ein Knacken und allabendlich trat eine Temperatursteige- 
rung ein. „Wenn also“, sagt Geerard, „bei einem Individuum 
verdächtige A nZeichen einer beginnenden Lungentuberkulose vor¬ 
handen sind und zu gleicher Zeit die Kutanreaktion und der Nach¬ 
weis von Eiweiss positiv ausfällt, so kann die Diagnose auf Tuber¬ 
kulose sichergestellt werden.“ 

Er meint, dass der Albumennachweis in Verbindung mit einer 
der übrigen spezifischen Reaktionen in allen Lungenheilstätten ein¬ 
geführt. werden soll, und stellt dazu folgendes Schema auf: 

I. Kutanreaktion negativ und Albumenreaktion positiv bedeutet 
Lungenaffektion nicht tuberkulöser Natur. 

II. Kutanreaktion positiv und Albumenreaktion negativ bedeutet 
latente Tuberkulose. 

III. Kutanreaktion positiv und Albumenreaktion positiv bedeutet 
floride Lungentuberkulose. 

Gibt nun die gefundene Ei weissmenge einen Anhaltspunkt für 
die Ausdehnung des Krankheitsprozesses ? 

Nach den gemachten Erfahrungen scheinbar nicht, so trat bei 
einzelnen Patienten, wo schwere Phthise vorlag, im Sputum nur 
eine geringe Trübung auf, während bei leichteren Fällen oft ein 
dicker Niederschlag sich entwickelte. Dieselbe Auffassung hatte auch 
schon Roger ((>). Nur Smolizansky meinte, dass das gefundene 


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288 


Julius Kauffmann. 


[20 


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Quantum Eiweiss der Tiefe und Ausdehnung der Läsionen propor¬ 
tional sei. 

Eine Gewichtsbestimmung des Eiwuisses könnte zwar von grossem 
Werte sein, wenn seine These richtig wäre, was ich, wie gesagt, 
nach meinen Schätzungen und Erfahrungen durchaus bezweifeln 
muss. Ausserdem ist es ein kompliziertes Verfahren, das kostspielige 
Apparate und eine minutiöse Technik erfordert, und so nicht geeignet 
ist, in den Bereich des Praktikers übernommen zu werden. 

Mit dem Albumennachweis lässt, sich wahrscheinlich auch ein 
Urteil bezüglich der Prognose abgeben. Nimmt das Eiweiss immer 
mehr Und mehr ab, so kann man einen günstigen Verlauf vermuten, 
wie 'dies z. B. aus dem ersten beobachteten Falle (Nr. 1 der obigen 
Krankengeschichten) hervorzugehen scheint. Innerhalb drei Monaten 
wurde die Reaktion immer schwächer und schwächer, bis sie schliess¬ 
lich ganz verschwend; dies ging Hand in Hand mit der sichtlichen 
Besserung der Patientin. Ferreira in Rio de Janeiro beobachtete 
7 ähnliche Fälle. Er verfolgte den Krankheitsverlauf mehrere Mo¬ 
nate und konstatierte, wie mit der allmählichen Besserung auch 
das Eiweiss schwand, wie es aber wieder zum Vorschein kam, wo 
ein Rückfall eintrat. Eine ganz genaue Prognose soll sich stellen 
lassen aus der Bestimmung der verschiedenen Eiweisssubstanzen, 
d. h. dem Verhältnis des gefundenen Serumalbumins zum Globulin, 
so wie es R o g e r und Smolizansky aufführten. Smolizanskv 
fasst seine diesbezüglichen Resultate — es sind 11 Beobachtungen — 
folgendermassen zusammen: 

Mit dem Überwiegen des Serumalbumins scheint die Schwure des 
Allgemeinzustandes und der schnelle Verlauf der Krankheit parallel 
zu gehen. Das Überwiegen des Globulins kennzeichnet die günstigeren 
Fälle, die eine Tendenz zur Heilung zeigen. 

Selbstredend muss in den Fällen von Heilung der Albumennach- 
wuis negativ ausfallen. Meines Erachtens liessen sich da die Be¬ 
obachtungen Nr. 1 Und 21 als Belege anführen. Die Patientin Nr. 1 
wurde während des Jalires 1911 über drei Monate lang an einer 
Heilstätte verpflegt, von w r o sie gebessert entlassen wurde. Jnfolg 3 
einer Erkältung sollen die alten Besch wurden von neuem aufge- 
treten sein und sie wurde hier auf der Abteilung drei Monate lang 
behandelt. Deutlich konnte man sehen, wie der Eiwuissgehalt. im 
Sputum immer mehr sank, bis schliesslich kein Albumen mehr nach- 
zuwuisen war; gleichzeitig besserte sich der Gesundheitszustand zu¬ 
sehends. Bei der Entlassung fühlte sich die Patientin wohl, klagte 
weder über Husten, noch über Auswurf oder sonstige Beschwurden 
und hatte an Körpergewicht wesentlich zugenommen. 



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21 ] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


289 


Bei dem Patienten Nr. 21 wurden 1899 Tuberkelbazillen nach¬ 
gewiesen, später war derselbe mehrfach in Behandlung; Bazillen 
wurden aber niemals mehr gefunden und eine subkutane Injektion 
von 0,001 Alttuberkulin blieb reaktionslos. Bei seiner letzten Auf¬ 
nahme fanden sich zwar beiderseits Spitzendämpfungen mit bron¬ 
chialem Atmen, ein Befund, der wohl auf alte ausgeheilte Herde 
bezogen werden kann. Die übrigen Lungenpartien boten die deut¬ 
lichen Symptome einer chronischen Bronchitis; Bazillen wurden 
wiederum nicht gefunden und im Sputum fand sich nie Eiweiss. 
Datei sehr gutes Allgemeinbefinden, Fieterlosigkeit, trefflicher 
Appetit. 

Der Schweizer Dieudonn e (8) prüfte 4 Patienten durch, deren 
Heilung seit einiger Zeit gewiss zu sein schien; bei allen fiel der 
Albumennachweis negativ aus. 

Der Nachweis von Eiweiss i m S p u t u m ist jedoch 
keine spezifische Reaktion auf Lungentuberkulose. 
Wie schon eingangs erwähnt wurde, findet sich auch bei Lungen¬ 
ödem, bei Stauungskatarrhen, auf der Basis einer Herz- oder Nieren¬ 
affektion, bei Pneumonien, Albumen und ebenso bei tuberkulöser 
Pleuritis. Der Hauptwert des Albumennachweises im 
Sputum liegt darin, eine Differentialdiagnose 
zwischen Bronchitis und Tuberkulose zu ermög¬ 
lichen. Diese Tatsache ist besonders zu würdigen, da mitunter diese 
Differentialdiagnose ungemein schwierig ist oder erst nach längerer 
Beobachtung und mannigfachen Untersuchungen eine Klärung er¬ 
fährt. 

Bei der Bronchitis nämlich fällt der Nachweis von Albumen 
negativ aus, wie dies oben durch mehrere Fälle belegt wurde. Zwei 
der Patienten (Nr. 41 und 45) kamen zur Autopsie und bei beiden 
bestätigte der Sektionsbefund die Diagnose Bronchitis; irgendwelche 
tuberkulösen Herde wurden nicht gefunden. 

Bei Nr. 44 trat in den zwei ersten Tagen eine ganz minimale 
Spur von Trübung auf. Offenbar handelte es sich um einen leichten 
Stauungskatarrh infolge einer vorliegenden Herzinsuffizienz. Er hatte 
Ödeme an den Beinen, welche im Spital rasch schwanden. Sowie 
sich auch die Herztätigkeit besserte, blieb von da ab der Albumen¬ 
nachweis negativ. 

Beträchtliche Eiweissmengen wurden gefunden bei Nr. 52. In 
diesem Falle handelte es sich um Bronchiektasen mit Bronchitis 
foetida. Da hier das Sputum in abnormen Hohlräumen stagnierte, 
traten fermentative und autolytische Prozesse auf, die das Zelleiweiss 
freimachten. Sobald aber diese Hohlräume durch Anlegung eines 


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290 Julius Kauifmann. [22 

künstlichen Pneumothorax zum Verschwinden gebracht worden waren, 
schwand das Albumen im Sputiun und es trat erst wieder auf, als 
der in die Pleura eingelassene Stickstoff resorbiert war mid die 
Bronchiektasen sich wieder füllen konnten. 

Bei der Pneuinonia crouposa ist der Vorgang der, dass die Ei¬ 
weissmenge im Stadium der Krise, dem Momente der kräftigsten 
Autolyse des Alveolensekretes, am grössten ist; von da wird dieselbe 
immer geringer und schliesslich verschwindet das Eiweiss ganz. Bei 
Nr. 53 und 54 tritt dies sehr anschaulich zutage. Innerhalb kurzer 
Zeit nach dem Abfall der Temperatur war das Eiweiss im Sputum 
geschwunden und die Patienten konnten geheilt entlassen werden. 
Roger berichtet von 14 Fällen, die analog verliefen wie die eben 
angeführten. / 

Umgekehrt wurde das Fortbestehen des Albumens dann beob¬ 
achtet, wenn im Gefolge eines pneumonischen Herdes ein zweiter 
auftrat, oder wenn sich eine Komplikation einstellte, wie ein Empyem 
oder eine Tuberkulose. 

Derartige Beobachtungen konnten auf der Abteilung nicht ge¬ 
macht werden, dagegen erwähnt Wourmann (0), eine Schülerin 
Rogers, zwei Fälle: 

Ein 18 jähriges Mädchen litt links hinten unten an einer Pneu¬ 
monie. Bei der Untersuchung auf Eiweiss zeigte sich immer ein deut¬ 
licher Niederschlag, seihst als die Krise schon vorbei und die Tem¬ 
peratur zur Norm zuriickgekelirt war; wenige Tage darauf fing je¬ 
doch die Temperatur von neuem zu steigen an und man konstatierte 
einen neuen pneumonischen Herd. 

Bei einem 48 jährigen Mann, der an einer Pneumonie litt, fand 
sich vier Wochen lang immer noch Eiweiss im Auswurf. Beider¬ 
seits hinten unten war das Atmen unrein. Der Eiweissgehalt dauerte 
gleichmässig fort, und eine in jener Zeit ausgeführte Probepunktion 
bestätigte das mittlerweile konstatierte Empyem. 

Eine Ausnahme bei der Tuberkulose macht die Miliartuberkulose, 
bei der kein Eiweiss gefunden wird. Es sind zwei Fälle beschrieben; 
der eine von Roger (Presse medicale 1910, 20 avril) betraf einen 
19 jährigen Marin, der innerhalb drei Wochen zum Exitus kam und 
wo der Sektionsbefund die klinisch gestellte Diagnose lies tätigte. Der 
andere Fall stammt von Darrasse (7). 

Bei der Pleuritis tubereulosa lässt sich immer Albumen nacli- 
weisen. Wir konnten bis jetzt bloss drei derartige Fälle auf der 
Abteilung beobachten, bei denen aber auch floride tuberkulöse Pro¬ 
zesse durch Bazillennachweis festgestellt wurden. Bei diesen dreien 


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23] 


Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. 


291 


fand sich sein* viel Eiweiss im Auswurf, die Pleurapunktate ent¬ 
hielten nur Lymphozyten, waren also als tuberkulöse zu betrachten. 

Wourmann teilte einen recht interessanten Fall von Pleu¬ 
ritis mit: 

Es betraf eine Frau, bei der man links unten ein Exsudat und 
verdächtige Symptome an den Spitzen konstatierte; man dachte an 
Tuberkulose. Der Albumen nach weis fiel negativ aus. Nun machte 
man eine Punktion und die Wassermann sehe Reaktion w r ar in 
dem Punktat positiv. Man leitete daher eine antiluetische Kur ein 
und sofort besserte sich der Zustand. 

Ähnlich war es bei einem Manne. 10 Tage vor seinem Eintritt 
empfand er ein schmerzhaftes Stechen in der rechten Seite, zudem 
war er auch* dyspnoisch. Bei der Untersuchung fand man rechts 
hinten unten ein Exsudat. Im Sputum fand sich kein Eiweiss. Die 
Wassermann sehe Reaktion w r ar in dem Punktat positiv. Nach 
einer Syphilisbehandlung trat sofort Besserung ein. 

Dadurch, dass der Wassermann in dem Pleurapunktat positiv 
ausfiel, lässt, sich jedoch meines Erachtens nicht behaupten, dass 
der Erguss in die Pleurahöhle von einer luetischen Affektion der 
Pleuren herrührte, sondern nur, dass es sich um syphilitische Indi¬ 
viduen handelte. Das Gegenteil ater liisst. sich ohne weiteres auch 
nicht beweisen. Wenn jedoch diese Tatsache zu Recht bestehen 
sollte, dass bei pleuraler Syphilis, resp. pleuro-pulmonaler, sich kein 
Eiweiss im Sputum feststellen lässt, so wäre dies differential- 
diagnostisch: Tuberkulose oder Syphilis, sehr wuchtig. 

Das praktische Fazit aus den ganzen Erörterungen Hesse sich 
folgcndermassen zusammenstellen: 

1. Der Nachweis von Eiweiss ist eine einfache 
M a n i p u 1 a t i o n , die am Krankenbette leicht vorge- 
n o in m eil werden kann. 

2. Albumen findet sich im Auswurf bei Lungen¬ 
tuberkulose, b e i P n e u m onie, S t a u u n g s k a t a r r h u n d 
f ö t i d er Bronchitis; es fehlt bei chronischer Bron¬ 
chitis. 

3. Durc h d en Alb u m e n n ach weis im S p u tum wir d 
im Gegensatz zu anderen Reaktionen, Hautreak¬ 
tion eli,. subkutanen Reaktionen, die Diagnose eines 
aktiven tuberkulösen Herdes erhärtet. 

4. Bei geheilten Fällen von Tuberkulose ver- 
s c h w i n d e t d a s Ei v r e i s s im Sputum vollständi g. 


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292 Julius Kauffmann: Über den Nachweis von gerinnbarem Eiweiss etc. [24 

T). Hei der kruppösen Pneumonie verschwindet 
(1 as A 1 b u men im Sputum nachder Krise; hältes weiter 
an, so spricht dies für das Entstehen neuer pneumo¬ 
nischer Herde, oder eines Empyems oder einer 
L u n g e n t u b e r k u 1 o s e. 


Literatur. 


1. Bi er me r, Die Lehre vom Auswurf. 1845. 

2. \V a n n e r , Beiträge zur Chemie des Sputums. Inaug.-Diss. 1903. 

3. Müllqr, Beiträge zur Kenntnis des Muzins. Zeitschrift für Biologie 1901. 

4. Kenk, Zeitschrift für Biologie 1875. 

5. Caventou, Memoire sur quelques matieres animales saines et morbides. 
Bulletin de l’acadömie de med. 1843. 

C>. Wourmann, La recherche de ralhumine dans les expcctorations. 
Paris 1909. 

7. Darasse, De ralhuminoreaction dans les expectorations. Bordeaux 1910. 

8. I) i e u d o nn^, Societö de medecine de Leysin. Revue mftlicale de la 
suisse romande. 1910. 

9. Geerard, L’albuminor&iction de Pexpectoration chez les tuherculeux. 
Tuberculosis. Vol. IX. Bruxelles. 

10. Boger, Presse mfrlicale 1910, 20 avril. 



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b 


Zur Technik des künstlichen Pneumothorax. 

Von 

Prof. Sophus Bang, Dänemark. 

Mit 13 Kurven und 2 Abbildungen im Text. 


Obschon die Technik des künstlichen Pneumothorax schon recht 
verfeinert ist, besonders nach der zielbewussten Verwendung empfind¬ 
licher Manometer, existiert immer noch die Gefahr des tödlichen 
Kollapses als ein drohendes Gespenst bei jeder Operation dieser Art. 
Und dieser Umstand hat nicht nur vitale Bedeutung für den ein¬ 
zelnen Fall, sondern ist verhängnisvoll für das ganze Gebiet der 
Operation. Denn offenbar nur wegen dieser Gefahr sträubt man 
sich gegen die allgemeine Verwendung auch in leichteren Fällen. 
Zurzeit hauptsächlich nur als ultimum refugium verwendet, scheint 
die Methode sehr weittragende Möglichkeiten in bezug auf die all¬ 
gemeine Phthisisbehandlung in sich zu bergen, falls es gelingt, neben 
ihrer unbestreitbaren Wirksamkeit auch ihre Ungefahrlichkeit zu 
sichern. 

Dass die Verwendung des Wassermanometers oder eines ähn¬ 
lichen empfindlichen Druckmessers diese Gefahr, insoweit sie von 
Luftembolien herrührt, ganz erheblich herabgesetzt hat, lässt sich 
wohl kaum bezweifeln. Durch die peinlich genaue Beobachtung der 
Druckschwankungen nicht nur nach, sondern hauptsächlich während 
der Einführung der Hohlnadel, ist man gewöhnlich einigermassen 
genau über die Orientierung der ominösen Nadelspitze unterrichtet. 
Aber das Manometer leistet lange nicht alles, was in dieser Beziehung 
wünschenswert oder bloss möglich ist. Die Inertie der Flüssigkeits¬ 
säule leistet einen gewissen Widerstand gegen alle schnell erfolgende 
Schwingungen, und dazu kommt noch eine den Physiologen wohl- 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 3. 20 


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294 


Sophus Bang. 


[2 


bekannte Tatsache, wodurch auch der Wert der empfindlichsten 
Metallmanometer eingeschränkt wird: Das Auge vermag absolut nicht 
aus einem schwingenden Flüssigkeitsmeniskus oder Manometernadel 



Fig. 1. 


die Form der Schwingungskurve herauszulesen. Kontrollversuche 
mit dem unten beschriebenen Apparate haben mir immer wieder 
bewiesen, dass selbst ein geübtes Auge nicht einmal annähernd die 



Fig. 2. 


Details der Schwingungskurve in den Manometerschwingungen direkt 
zu sehen imstande ist. 

Da ich nicht einsehen konnte, warum man in der Klinik nicht 
das von den Physiologen schon längst ausgebildete Instrumentarium 
verwenden sollte, habe ich seit 2 ! /2 Jahren meine Forlanini-Operationen 


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3] 


Zur Technik des künstlichen Pneumothorax. 


295 


unter Leitung eines Ivymographion ausgeführt (vgl. meine Abhandlung: 
„Technik ved Indförelsen af Luft i Pleurarummet“ vom 15. März 1912 
in dem Jahresbericht des dänischen Nationalvereins z. Bekämpf, d. 
Tub. 1912). Die Parazentesenadel ist während der Aufsuchung der 
Pleurakavität mit einem Mareysehen Tambour in Verbindung, dessen 



Fig. 3. 


Schreibhebel auf einem berussten rotierenden Zylinder schreibt. Ich 
verwende Kymographion Nr. 2505—2508 von E. Zimmer’mann, 
Leipzig, und dessen > Tambour Nr. 3761 mit doppelter Übertragung 
des Schreibhebels mit feiner Einstellung der Schreibspitze. Auf diese 



Fig. 4. 


Weise bekomme ich Kurven wie die beistehenden, die photographisch 
und in natürlicher Grösse wiedergegeben sind. 

Die Figuren 1, 2, 3 und 5 zeigen die „normalen“, intrapleuralen 
Kurven. Die Kurven 1 und 2 rühren von erstmaligen Anlegungen 
von Pneumothorax her, mit Manometerangaben resp. -f-1 bis : 6 
und ~~ 3 bis -f- 7 cm Wasserdruck. Der absteigende, inspiratorische 

20 * 


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296 


Sophus Bang. 


[4 


Schenkel hat sehr oft die typische Abflachung unten, wie auf Fig. 2 
und 3. Diese Kurvenformen scheinen nach meiner Erfahrung mit 
Sicherheit zu beweisen, dass die Nadelspitze sich im Cavum pleurae be¬ 
findet. Bei den späteren Nachfüllungen ändert sich die spitzige Form 
der Kurven manchmal etwas, namentlich wenn der Druck positiv 



Fig. 5. 


geworden ist, wie in Fig. 3 und 5 der Fall. Fig. 3 entspricht so 
einem Druck von -|- 1 bis 2. Nachdem der Druck -[-2 bis +6 
geworden war, hatte diese Kurve sich nach und nach in die Form 
von Fig. 4 geändert: Die Abflachung findet sich nun am Schluss des 
Exspiriums statt am Schluss des Inspiriums. Auf ganz ähnliche Weise 



Fig. 6. 


änderte sich die anfängliche Kurve Fig. 5 (Druck : 4 bis -f- 2) 
während der Insufflation in die Kurve Fig 6, wo man bei einem 
Druck von -f- 6 bis -|- 8 anfängt, kleine pulmonale, durch die kom¬ 
primierte Pleuralluft hergeleitete Pulswellen am Schluss der Exspiration 
sehen zu können. 

Ganz anders sehen nun die Kurven aus, wenn die Nadelspitze 
entweder nicht weit genug oder zu weit vorgedrungen ist. Im ersteren 


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Ö] 


Zur Technik des künstlichen Pneumothorax. 


297 


Falle, also im extrapleuralen Gewebe, bekommt man gewöhnlich Kurven 
von der in den Figuren 7 und 8 wiedergegebenen Form, mit ganz 
feinen sekundären Wellen oder Zacken, die vielleicht von Zuckungen 
der interkostalen Muskelfibrillen herrühren. Aber selbst wenn diese 
Zacken fehlen, ist die extrapleurale Kurve doch nach meinen bis¬ 
herigen Erfahrungen immer niedrig und stumpf, selbst wenn das 
Manometer recht grosse negative Schwankungen macht (z. B. bei der 
Kurve in Fig. 7: -f 4 bis : 6, in Fig. 8: : 2 bis -h4). 



Fig. 7. 


Auch wenn die Nadelspitze sich im Lungenparenchym befindet, ent¬ 
steht eine äussert charakteristische Kurve, wie aus den Figuren 9 bis 
13 ersichtlich. Nicht nur ist die Form mehr stumpf und abgefiacht 
als die der intrapleuralen Kurve, sondern sie ist gewöhnlich mit ganz 
deutlichen Pulswellen der Arteria pulmonalis versehen. Als ein Ex- 
perimentum crucis, dass diese sekundären Wellen wirklich von der 



Fig. 8. 


Lungenpulsation herrühren, kann ich die Kurven 12 und 13 anführen. 
Die in natürlicher Grösse wiedergegebene Kurve Fig. 12 ist ein Teil 
der in Fig. 13 abgebildeten verkleinerten Kurve, die von der zweiten 
Nachfüllung eines schon einige Tage vorher angelegten Pneumo¬ 
thorax herrührt. Nachdem die Nadelspitze in den freien, etwa zenti¬ 
meterbreiten Pleuralraum angelangt war, wobei die charakteristischen 
spitzen Wellen des linken Teiles der Fig. 13 erschienen, schob ich 
absichtlich die Nadel vorsichtig und langsam etwa 1 mm weiter, bis 
sie gerade die Oberfläche der Lunge berührte. Im selben Moment 


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298 


Sophus Bang. 


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änderte sich die Form der Kurve (dritte bis vierte Welle der Figur). 
Obschon der Patient selbst nichts spürte, trat doch eine Andeu¬ 
tung einer Atemstockung ein (Mitte der Kurve), wonach ich die 
respiratorischen Bewegungen der Lunge undeutlich durch die Nadel 



Fig. 9. 


fühlte, und von nun an traten die Pulmonaliswellen deutlich hervor 
(rechter Teil der Kurve 13, resp. Fig. 12). Die Nadelspitze war dabei 
sicher nicht mehr als etwa 1 mm in das Lungengewebe eingedrungen. 



Fig. 10. 


Sobald ich sie wieder um 1 mm zurückzog, bekam die Kurve wieder 
die anfängliche Form (Fig. 13 links). 

Es wäre unschwer, solche Kurven mit noch mehr Details zu 
gewinnen, die Hebelausschläge noch grösser zu machen, sie mie Zeit- 



Fig. 11. 


markierung oder mit gleichzeitiger Aufzeichnung des Karotispulses 
zu verbinden etc., und ohne Zweifel lässt sich auf diese Weise inter¬ 
essante physiologische Verhältnisse ermitteln. Aber für rein klinische 
Zwecke habe ich mit Absicht mein Instrumentarium so wenig kompli- 


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7] 


Zur Technik des künstlichen Pneumothorax. 


299 


ziert wie möglich gewählt. Es kommt u. a. darauf an, dass der Tam¬ 
bour ein möglichst grosses Messgebiet beherrscht — mindestens von 
-1-20 bis -|-20cm Wasserdruck — und dieses lässt sich mit nur 
einem Tambour schwerlich ausführen ohne dadurch, dass man eine 
recht dicke Gummimembran verwendet, wodurch die Grösse der Hebel¬ 
ausschläge selbstverständlich kleiner werden. Aber wie die hier mitge¬ 
teilten Beispiele meiner zahlreichen Kurven hoffentlich zeigen, genügt 
die schon erreichte Empfindlichkeit vollauf für klinische Zwecke. 



Fig. 12. 


Ganz notwendig für die Erhaltung zuverlässiger Kurven ist natür¬ 
lich die freie Durchgängigkeit der Hohlnadel. Diese muss also mit 
Mandrin versehen sein. Um den Mandrin in bequemer, so zu sagen 
automatischer Weise und absolut aseptisch beliebig oft einführen zu 
können, habe ich eine besondere „Filterkanüle“ konstruiert, die ich hier 
in natürlicher Grösse abgebildet wiedergebe. Die Kanüle C sitzt auf 
einer Röhre FE, in welcher der Madrinführer BA luftdicht verschiebbar 



Fig. 13. 


ist. Die Führung und luftdichte Anschliessung dieses Madrinführers 
wird durch die mit Asbestpackung versehenen hohlen Schraubenstücke 
E und D gesichert. Das Zäpfchen B erlaubt den Mandrin nur so 
weit zurückzuziehen, dass die Mandrinspitze sich immer noch in der 
konischen Höhlung bei F befindet, so dass der Mandrin von selbst 
in die Kanüle hineingleitet, wenn man wieder AB vorwärts drückt, 
was von einem beliebigen Gehilfen ausgeführt werden kann. Wenn 
man mittelst des Mandrins sondieren will, wird das Schlussstück D 
etwas zurückgeschraubt, so dass AB ohne Widerstand durchgleiten 
kann. GH ist das ebenfalls mit Asbestpackung gedichtete Watte- 


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filter. Durch die Vereinigung von Kanüle, Mandrin 
und Wattefilter in einem Instrumentstück wird eine 
sehr einfache Hantierung erreicht. Das Ganze wird 
trocken sterilisiert, alle übrigen Teile des Instrumen¬ 
tariums brauchen nicht aseptisch zu sein. Die Vor¬ 
teile dieser Filterkanüle sind also die folgenden: 

1. Das ganze Instrument lässt sich trocken sterili¬ 
sieren. Man braucht keine Schlauchverbindungen steril 
zusammenzusetzen, man hat überhaupt keinen Gummi 
zu sterilisieren. 

2. Luftfilter, Kanüle und Mandrin sind alle in einem 
Instrument vereinigt, das sehr bequem in der Hand 
liegt (GH in der bohlen Hand, die Gegend BF zwischen 
den drei ersten Fingern). 

3. Die Einführung des Mandrins geschieht be¬ 
sonders bequem, lässt sich sogar von einem beliebigen 
Assistenten und absolut steril ausführen. Saugmanns 
Kanüle, die einen so grossen Fortschritt bedeutete, 
leidet nach meiner Meinung an dem Übelstand, dass 
man jedesmal vor Einführung des Mandrins einen Hahn 
öffnen muss und auf diese Weise eine offene Kommuni¬ 



kation zwischen dem Gewebe und der äusseren Luft 
herstellt, wodurch jedenfalls theoretisch eine Luftaspi¬ 
ration möglich wird. Eine Infektion des losen Mandrins 
ist auch nicht ganz ausgeschlossen. 

4. Eine andere Quelle der Infektion wird auch 
durch mein Instrument vermieden. Bei der gewöhn¬ 
lichen Einführung der Kanüle ohne Mandrin wird die 
Hohlnadel sehr oft dadurch verstopft, dass sie wie ein 
Locheisen ein kleine Epidermisscheibe in sich aufnimmt. 
Wenn man danach das Lumen durch Einführung eines 
Mandrins reinigt, stösst man die besprochene Epidermis¬ 
scheibe in den Pleuraspalt, oder wo sonst die Nadel¬ 
spitze sich befindet, hinein und schafft sich dadurch 
die Möglichkeit einer Infektion. Ich führe im Gegen¬ 
satz hierzu meine Nadel mit eingeschobenem Mandrin, 


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9] Zar Technik des künstlichen Pneumothorax. 301 

in der Stellung wie die kleine Detailfigur auf Fig. 14 es zeigt, 
durch die Haut, und erst im subkutanen Bindegewebe oder wo- 



Fig. 15. 


möglich erst im extrapleuralen Gewebe ziehe ich den Mandrin zurück. 
Auf diese Weise wird die Nadel überhaupt viel seltener verstopft 
als früher, und jedenfalls scheint es mir mehr rationell, der Ver- 


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302 


Sophus Bang. 


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stopfung durch Epidermis vorzubeugen, als sie erst ruhig stattfinden 
zu lassen und nachher den Epidermispfropfen blindlings irgendwo 
im Gewebe zu deponieren. So viel ist sicher, dass ich nach Ein¬ 
führung dieses Prinzips viel seltener sekundäre Exsudate sehe als 
früher. (Das vortreffliche Saugmannsche Prinzip, dass der Mandrin 
das Lumen der Nadel nicht ganz ausfüllen darf, um nicht beim 
Zurückziehen als Säugpumpe zu wirken, habe ich auch bei meiner 
Konstruktion beibehalten.) 

Die ganze Zusammenstellung meines Armamentariums gebe ich 
in Fig. 15. Die beschriebene Filterkanüle 0 steht in Schlauchver¬ 
bindung teils mit dem Marey sehen Tambour P, dessen Hebel auf dem 
berussten Zylinder R schreibt, teils mit dem Wassermanometer J und 
dem einfachen Flaschenapparate MN, den ich jedem komplizierten Appa¬ 
rate bei weitem vorziehe. Auf einen Umstand, der zum Abc des Pneumo¬ 
thoraxverfahrens gehören sollte, gegen welchen aber selbst in neuester 
Zeit*) immer wieder gesündigt wird, wie es scheint sogar absichtlich, 
möchte ich hier aufmerksam machen: Es genügt nicht, das Manometer 
hin und wieder in Verbindung mit der Kanüle zu setzen. Nur wenn die 
Kanüle vom ersten zum letzten Moment der Operation in offener 
Verbindung mit dem Manometer (oder, was dieselbe Sicherheit 
gewährt: mit dem Tambour) steht, ist man wirklich über alle Druck¬ 
verhältnisse orientiert. Bei der hier abgebildeten Anordnung ge¬ 
schieht dies einfach dadurch, das ich vor der Einführung der Kanüle 
den Hahn T öffne, und ich schliesse ihn überhaupt nur in den Augen¬ 
blicken, wo ich eine graphische Kurve aufnehme, was also durch 
Verschliessen von T, Öffnen von S geschieht. Sobald ich nach Ein¬ 
führung der Nadel die charakteristischen intrapleuralen Kurvenformen 
(Fig. 1 und 2) bekommen habe, öffne ich, bevor die eigentliche In- 
sufflation beginnt, den Hahn L für einen kurzen Bruchteil einer 
Sekunde, wodurch das Wasser im linken Teil des Manometers eine 
(relative) Steigung von etwa 1—2 'cm ausführt. Befindet sich die 
Nadelspitze in einem grösseren Hohlraum wie Cavum pleurae, fällt 
die Wassersäule wieder ebenso schnell. Durch dies kleine Manöver 
erreiche ich dasselbe wie Forlanini durch seine „Abklemmung des 
Schlauches“, aber mit dem Unterschied, dass ich weiss, wieviel Luft 
eingelassen wird und unter welchem Druck. 

i) Vgl. z. B. Zink (Brauers Beiträge Bd. XXV, H. 3 S. 424): Da Patientin 
über Druckgefübl klagte, „wurde das Manometer eingeschaltet“. 



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Aus der pathologisch-anatomischen Abteilung des Karolinischen 
Instituts in Stockholm. 


Drei Todesfälle mit Obduktion nach Behandlung 
von Lungentuberkulose mit künstlichem 
Pneumothorax. 

Von 

Prof. Dr. Carl Sundberg. 

Bekanntlich wird die Belmndlung der Lungentuberkulose mit 
künstlichem Pneumothorax in einer Anzahl von Fällen durch über¬ 
raschende und beunruhigende Anfälle, bisweilen sogar durch plötz¬ 
lichen oder fast plötzlichen Tod kompliziert. So teilt der eigentliche 
Urheber der Operationsmethode, Carlo Fori an in i, mit, dass er 
bei den von ihm bis dato [1912 (l)J ausgeführten über 10 000 Ope¬ 
rationen an 134 Patienten nur 12 Fälle von hierhergehörigen Kom¬ 
plikationen gehabt hat, darunter 5 schwerere, aber keinen Todes¬ 
fall. L. Brauer (2) führt 1909 4 Todesfälle an, davon 2 eigene 
Fälle ünd 2, die ihm von Kollegen überlassen worden sind. In einem 
Vorträge in der Schwedischen Ärztegesellschaft am 7. Februar 1911 
teilt Chr. Sau gm an (3) mit, dass er auf 2100 Insufflationen, an 
104 Patienten, einen einzigen Todesfall gehabt hat. Begtrup 
Hansen (4) hat in seiner Doktordissertation im Mai 1912 aus der 
Literatur insgesamt 31 Zufälle ernster Art zusammengestellt, da¬ 
von 8 mit tödlichem Ausgang. Zu diesen 8 Todesfällen können 
noch drei weitere hinzugefügt werden, die ich obduziert habe, und 
über die ich im folgenden berichten will. Auch wenn zweifellos 
noch andere Fälle eingetroffen sind, die nicht zur Veröffentlichung 
gelangt sind, oder vielleicht einer oder ein paar Fälle zwar ver¬ 
öffentlicht, aber übersehen worden sein sollten, so dürften doch 


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304 


Carl Sundberg. 


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die angeführten Zahlen die Seltenheit dieser Zufälle erweisen. In¬ 
dessen verdienen die hierhergehörigen Fälle eine eingehende Erörte¬ 
rung. Nicht nur, dass sie immerhin das Zutrauen zu der Operation 
etwas trüben und durch ihre alarmierenden Symptome verstimmen, 
es dürfte auch Hoffnung vorhanden sein, nach Erforschung ihrer 
Ursache sie möglicherweise vermeiden zu kömien. Forlanini be¬ 
schreibt die Anfälle folgendermassen: Sie treten meistens während 
der ersten Zeit der Behandlung, bisweilen später, auf, treffen vor¬ 
zugsweise Personen mit empfindlichem oder geschwächtem Nerven¬ 
system fand treten plötzlich, meistens ohne Vorboten, bisweilen blitz¬ 
artig, der Regel nach in dem Augenblick ein, wo die Nadel sich 
im Thorax befindet, oder sobald sie herausgezogen wird, oder, was 
seltener vorkommt, später (nach 15—20 Minuten, in einem Falle 
nach einigen Stunden) ein. Das Bild ist ziemlich vielgestaltig: 
psychische Störungen bis zu geistiger Venvirrung und Verlust des 
Bewusstseins, ausgebreitete oder begrenzte tonische, selten klonische 
Krämpfe, hauptsächlich in den oberen Extremitäten und im Thorax 
sowie im Halse, Störungen der Augenbewegungen, Lähmungen nebst 
Kontrakturen oder Lähmung von gewöhnlichem mono- bzw. heini- 
plegischem Typus; in keinem Falle imfreiwilliger Abgang von Harn 
oder Fäzes (siehe jedoch unten den Fall I d a P., meinen Fall I); 
in seltenen Fällen Erbrechen; ferner Zirkulations- und Respirations¬ 
störungen, rascher, weicher, unregelmässiger, kleiner bis unmerk- 
licher Puls, oberflächliche und unregelmässige Atmung; blasse 
Haut mit zyanotischen Flecken, besonders im Gesicht, auf Hals und 
Thorax. Eine bemerkenswerte und fast konstante Eigentümlichkeit 
ist, dass die Anfälle bei derselben Person sich bei jeder Injektion 
zu wiederholen pflegen, und dass sie immer schwerer werden, uni 
schliesslich zum Tode zu führen. Die Anfälle dauern von einigen 
wenigen Minuten bis V 2 Stunde, sogar stundenlang. In anderen 
Fällen tritt plötzlicher, aber bald übergehender Kollaps oder Kollaps 
und fast unmittelbarer Tod ein. 

Man kannte zwar schon vor der Einführung der fraglichen 
Behandlungsmethode durch Forlanini, also vor 1894, ähnliche 
Überrumplungen bei anderen Operationen an der Pleura, wie bei 
Empyemoperationen, besonders wenn bei diesen auch Auswaschungen 
der infizierten Pleurahöhle mit Antiseptika angewandt wurde; ja, 
sogar bei einfacher Thorakozentese sind solche fatale Zufälle be¬ 
obachtet worden, sie wurden aber mit der Zeit immer seltener, 
nachdem man gelernt hatte, allzu rasche Entleerungen des Pleura¬ 
inhalts zu vermeiden, die Arbeit des Herzens währenddessen zu 
verfolgen, Intoxikation durch injizierte Antiseptika zu vermeiden 



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3] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


305 


usw. Eine Anzahl Fälle blieb indessen immer noch als „unglück¬ 
liche Zufälle bei Pleuraoperation“ bestehen. 

Innerhalb der französischen medizinischen Wissenschaft deutete 
.man diese Fälle im allgemeinen als sogen, pleurale Eklampsie 
oder pleurale Epilepsie. Hiermit meinte man, wde bereits 
die Bezeichnung besagt, eine Schockwirkung, ausgelöst auf reflek¬ 
torischem Wege von der Pleura aus, entweder am Zirkulations¬ 
zentrum und Herz mit Herztod, am Atmungszentrum mit Erschwerung 
und Aufhebung der Atmung oder am Gehirn mit nervösen Stö¬ 
rungen, Bewusstlosigkeit, Krämpfen und Lähmung. 

Eine andere Ansicht über diese Fälle machte sich in der deut¬ 
schen medizinischen Wissenschaft geltend. So schreibt z. B. W. AVag- 
ner (5) 1886: „Die plötzlichen Todesfälle, welche während der 
Empyemoperation beobachtet wurden, sind wohl niemals auf die 
Chloroformnarkose zu beziehen. Dieselben haben vielmehr ihren 
Grund vorwiegend in Cirkulationsstörungen, Thrombosen, Hirn¬ 
anämie, Embolie der Lungenkapillaren, Lungenkongestion oder Ödem, 
möglicherweise auch in Störungen von seiten des nervösen Apparats.“ 

Dieselben prinzipiell verschiedenen Auffassungen kehren in der 
Deutung der oben behandelten Anfälle und Todesfälle wieder. 
Forlanini (a. a. 0.)‘und mit ihm die italienische und französische 
Medizin deuten diese Fälle als auf Reflexwirkung beruhend. 
L. Brauer (a. a. 0.) dagegen verficht die Ansicht, dass sie auf 
Embolie von den Lungen her, vor allem Gasembolie durch Läsion 
von Lungenvenen mit der Spritzenspitze und unmittelbares Einblasen 
der Luft oder des Stickstoffs in den grossen Kreislauf, beruhen. 
In anderen Fällen könnte möglicherweise eine Mobilisierung kleinerer 
Thromben in den Lungenvenen, z. B. infolge Kompression dieser 
letzteren bei der Operation, gewöhnliche Tlirombenembolie hervor- 
rufen. Seitens der dänischen Forscher sind verschiedene Ansichten 
ausgesprochen ‘worden. Saug man (a. a. 0.) scheint sich am ehesten 
der nervösen Theorie zuzuneigen. Aus Norwegen berichtet 
M j ö e n (6) von einem Fall, nicht Todesfall, den er als Pleura¬ 
eklampsie bezeichnet. In Schweden ist meines Wissens bisher kein 
derartiger Fall publiziert worden. Ich komme unten noch etw’as 
ausführlicher auf die angedeuteten zwei Ansichten zurück. Wie 
der Titel dieses Aufsatzes auch angibt, habe ich drei Fälle von 
plötzlichem oder fast plötzlichem Tod im Anschluss an Behandlung 
mit künstlichem Pneumothorax obduziert. Meinen ersten Fall er¬ 
hielt ich von Herrn Dr. I. Holmgren, Chefarzt an der Tuber¬ 
kuloseabteilung des Krankenhauses St. Göran in Stockholm. Meine 
beiden anderen Fälle stammen aus dem Sanatorium zu Halahult, 


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Carl Sundberg. 


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Chefarzt Dr. C. E. Waller. Ich erlaube mir den genannten Herren 
Kollegen meinen besten Dank auszusprechen für ihre Freundlich¬ 
keit mich diese Fälle obduzieren zu lassen, sowie für die Erlaubnis, 
Auszüge aus den betreffenden Krankengeschichten hier veröffent¬ 
lichen zu dürfen. 

Es ist besondere einer der beiden Fälle aus Halahult, den ich 
einer eingehenderen Untersuchung unterzogen habe, da bereits die 
Obduktion einen festen Angriffspunkt für eine weitere Untersuchung 
mit dem Mikroskop lund überdies, soviel ich weiss, einen ganz eigen¬ 
artigen anatomischen Befund ergab. Im Zusammenhänge mit diesem 
Falle, Fräulein I. P., will ich auch kurz über die beiden anderen' 
Fälle berichten. 

Fall I. Fräulein, 28 Jahre. Gestorben unter Sym¬ 
ptomen von Hemiplegie und Bewusstlosigkeit 
36 Stunden nach der 8. Operation (Forlaninis Methode). 

Krankengeschichte im Auszug. 

Fräulein I. P., 28 Jahre, erkrankte im Oktober 1910 an „schwerer 
Lungenentzündung“, die 6 Wochen dauerte. Einige Zeit danach „erkältete“ sie 
sich und konsultierte nun einen Arzt, der Tuberkelbazillen im Auswurf kon¬ 
statierte. Sie hielt sich danach teils auf dem Lande auf — sie wohnte sonst 
in einer Stadt —, teils ig Privatsanatorien hauptsächlich mit Symptomen von 
Kräfteherabsetzung und Husten. Schliesslich kam sie am 6. Februar 1912 
nach Halahult. Der Zustand war nun subjektiv besser, sie hatte 5 Küo an 
Gewicht während eines 7 monatigen Aufenthalts in einem anderen Sanatorium 
zugenommen und hatte normale Temperatur; Husten am Morgen mit ziemlich 
reichlichem Expektorat mit gelben Klumpen. Bei Bewegung leicht ausser Atem. 
Kein Nachtschweiss. Keine Schmerzen in der Brust. Guter Schlaf, kann auf 
jeder Seite liegen. Hat guten Appetit. Kräftezustand ziemlich gut. Bei objek¬ 
tiver Untersuchung wurden massig entwickelte tuberkulöse Prozesse in den 
oberen Teil der rechten Lunge nachgewiesen. Linke Lunge normal. 

Am 19. II. wurde die erste Luftinjektion in die rechte Pleura in einer 
Menge von 250 ccm gemacht. Am' 20. II. 350 ccm. Pat. mm etwas unruhig; 
bekommt Morphium. Am 22. II. 350 ccm. Am 27. II. 300, am 6. III. 400, 
am 13. III. 500 ccm. Am 20. III. wurden 4 Injektionsversuche gemacht, ohne 
dass es aber gelang, in freien .Raum zu gelangen. Am 21. III. gelang die Im 
jektion; 400 ccm wurden eingespritzt. (Im Sanatorium zu Halahult wird 
Forlaninis Punktionsmethode angewandt.) 

Für den 27. III. findet sich folgende Aufzeichnung von dem Assistenz¬ 
arzt des Sanatoriums, Dr. M. D. J a c o b s s o n: „Unmittelbar nach dem Ein¬ 
stich, um lOVs Uhr vorm. — Pat. atmete ruhig, nicht tief; das Manometer 
zeigte — 2 Wasserdruck ohne Schwingungen —, fiel Pat. lautlos zusammen, 
erblasste und schlug mit beiden Armen um sich, zog den Mund auf und 
nieder und knirschte mit den Zähnen. Die Pupillen gleichgross, etwas weit. 
Puls klein, rasch. Digalen wurde verabreicht, worauf der Puls regelmässig 
und ruhig war. Sie erbrach ungefähr eine Rondenschale voll. KSine Zyanose, 



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5] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


307 


aber auffallende Blässe. Nur die rechte Hand zeigte eine bald verschwindende 
Zyanose. Pat. antwortete nicht auf Anreden. 

Nach ungefähr 1 / 2 Stunde, während welcher Zeit Kampfer injiziert und 
verschiedene Reizmittel versucht worden waren, wurde faradische Elektrizität 
appliziert. Pat. begann nun das rechte Bein langsam zu strecken und zu 
beugen. Bei der Faradisation starker Widerstand in Armen und Beinen, kein 
wahrnehmbarer Unterschied zwischen beiden Seiten. Pat. zeigte Zeichen von 
Beschwerden. Starke Reflexe. Wurde die rechte Hand dorsal flektiert, so 
blieb die Hand in Krampf Stellung stehen und liess sich nur mit Gewalt zu¬ 
rückbiegen. 

Nachdem Pat. in das Krankenzimmer hinaufgetragen worden, stiess sie 
heftig mit dem rechten Bein gegen die Decke. Athetotische Bewegungen in 
den Fingern beider Hände. Temp. 37,7° C. Puls normal. Am Nachmittag lag 
sie ganz still mit geschlossenen Augenlidern, die jedoch bei kräftiger Anrede 
geöffnet wurden. Lässt Harn ins Bett. Später am Nachmittag erschien die 
linke Wange schlaffer bei Aufblasen der Wangen. Lag so die ganze Nacht 
und den folgenden Vormittag. 

Am 28. III. mittags: Reagiert nicht auf Anrede. Liegt mit halbgeschlossenen 
Augen da. Pupillen gleichgross, reagieren. Pat. reagiert mit Zeichen von Un¬ 
behagen auf Nadelstiche in die Brust. 

Am Nachmittag Zuckungen im linken Bein. Atmung und Puls wurden 
schlechter, weshalb künstliche Atmung eingeleitet wurde. Am Abend waren 
das linke Bein und der linke Arm schlaff. Keine Reflexe. Die Atmung nahm 
ab, und um 7 Uhr abends trat der Tod ein.“ 

Eine bemerkenswerte Menge Luft konnte in diesem Falle nicht hinein¬ 
gelangen, da teils keine Reinigung des Trokars vorkam, sondern der Hahn 
desselben geschlossen war, teils auch die Leitungen zum Luftbehälter ge¬ 
schlossen waren. 

Auf meine Bitte hat Dr. Waller später festzustellen versucht, wieviel 
Luft möglicherweise hat eingesogen werden kömien. Dr. W a 11 e r schreibt 
• hierüber folgendes: „Ich habe mit einer guten Spritze soviel Luft aus der 
Schlauchleitung (wie bei der Operation gestellt, d. h. ohne andere Kommuni¬ 
kation als mit der aspirierenden Spritze) eingesogen, dass der Druck derselbe 
wurde wie bei der Operation. Das Volumen der Luftmenge, die dazu erforderlich 
war, betrug 3 ccm. Eine genauere Bestimmung ist meines Erachtens nicht 
möglich. 3 ccm wäre demnach die Luftmenge, die möglicherweise bei der 
fraglichen Gelegenheit aspiriert Worden ist.“ 

Aaszug aus dem Sektionsbericht vom 31. UL 1912. 

Die Leiche zeigt gewöhnlichen Körperbau und ordinäre Körperlänge, blasse 
Hautfarbe. Unterhautfett etwas dünn, obwohl nicht bemerkenswert mager. Keine 
Hautblutungen. Kein Anasarka. Die Leiche war in kühlem Keller aufbewahrt 
worden und wies keine Zeichen der Verwesung auf. — Innenseite der Kopf¬ 
schwarte blass, ebenso die Schläfenmuskeln. — Die harte Haut zeigt gewöhn¬ 
liche Spannung, ist graurot, dünn, durchsichtig. Der lange Blutleiter enthält 
lose Fibringerinnsel, die Quersinus dunkles, koaguliertes Blut, ebenso die Sinus 
cavemosi und die Venen der Dura. Nirgends Gasblasen. — Die weichen 
Häute dünn, durchsichtig. In den Subarachnoidalräumen unbedeutende Ver¬ 
mehrung der wasserklaren Subarachnoidealflüssigkeit. Die Farbe der 
Häute auffallend rotgrau, die feinsten Gefässe, auch die 


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308 


Carl Sundberg. 


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epigyralen, lebhaft injiziert, besonders auf der rechten 
Seite, die überhaupt ein mehr graurotes Aussehen hat als 
die linke Seite; keine Gasblasen in den Gefässen sicht¬ 
bar. Die basalen Arterien des Gehirns dünn, zusammenfallend, loses Blut und 
Blutgerinnsel, keine Gasblasen enthaltend. — Die Hirnrinde der Kon¬ 
vexität der rechten Gehirnhälfte auf einem Gebiet vom 
hinteren Teile der oberen und der medialen Gyri des 
Frontallappens aus nach hinten bis zum Gyrusparietalis 
posterior in einer ungefähr 4 cm breiten Zone, von der 
Mittellinie aus gerechnet, fühlt sich auffallend locker 
an. An einigen Stellen dieses weichen Gebietes treten 
gewisse, noch weichere, zerfallende, erbsen - bis bohnen¬ 
grosse, hämorrhagisch infiltrierte Erweichungsherde 
hervor, teils den Zentral Windungen, teils dem Gyrus 
parietalis anterior entsprechend; bei Einschnitt er¬ 
weisen sich diese Herde als hauptsächlich auf die Rinde 
beschränkt, dieser sowohl an der konvexen Oberfläche 
des Gehirns folgend als auch mit den Windungen in die 
Sulci hineinziehend, in der Tiefe aber nur die oberfläch¬ 
licheren Markschichten erreichend. Diese Herde zer¬ 
fallen beim Einschneiden. Auch in der übrigen Rinde 
dieses Gebietes sieht man punktförmige oder grössere 
Blutungen, makroskopisch ohne Erweichung. Nach der 
Peripherie zu gleicht sich die Konsistenz der beschrie¬ 
benen Partie ziemlich rasch zur Gleichheit mit gewöhn¬ 
licher Gehirnkonsistenz aus. Das Bild des erwähnten 
weichen Gebietes erinnert auffallend an das gewöhnliche 
Aussehen bei der sog. hämorrhagischen Enzephalitis. 
Die zentralen Ganglien, vor allem ihre vorderen Partien, sind lebhaft graurot 
und entschieden dunkler als die Rinden Das Mark, abgesehen von dem oben 
bezüglich der subkortikalen Schicht unter einigen Rindenherden erwähnten, 
normal. — Die Medulla oblongata an den Querschnitten auffallend graurot, 
blutreich. Das Kleinhirn normal. Die Häute desselben graurot, blutreich. — 
Nirgends in den hier aufgezählten Teilen und ihren Gefässen sieht man Gas¬ 
blasen. 

Nach dem Medianschnitt und der Eröffnung der Bauchhöhle wurde die 
Luftröhre freipräpariert und unterbunden. Bei dieser Dissektion erweisen sich 
die Halsvenen als ziemlich mit Blut gefüllt. Die Stimmritze offen in Lcichen- 
stellung. Das Peritoneum blass, glatt. Die Zwerchfell Wölbung emporgeschoben, 
das Zwerchfell massig gespannt. Auf der rechten Seite reicht das Zwerchfell 
bis zum unteren Rand der III. Rippe; auf der linken bis zum oberen Rand 
der IV. Rippe. — Nach Wegnahme des Brustbeins erweist sich die rechte 
Lunge als locker mit dem Brustkorb verlötet, die linke dagegen frei mit Aus¬ 
nahme eines quergehenden Streifens entsprechend dem \mteren Teile der Vorder¬ 
seite der Lunge, ein paar Zentimeter oberhalb des unteren Lungenrandes. 

Beim Aufpräparieren des von der Körperoberfläche 
aus sichtbaren PunkÜonskanals am äusseren unteren 
Rande der rechten Mamma sind kleinste Blutungen um 
den K a n a 1 h e r um zu sehen, der jedoch durch die Hau t 
und den Thorax hindurch verfolgt w e r d e n ka n n. A n der 



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7] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


309 


# 

Innenseite des Kanals in der Pleura ist gleichfalls keine 
bcmerkens verte Blutung zu sehen. 

Das Herz hat gewöhnliche Lage und Grösse, ist im übrigen normal; 
die Art. pulm. enthält dunkles, flüssiges Blut, ohne eine Spur von Gasblasen. 
— Der rechte Vorhof und die rechte Kammer von gewöhnlicher Weite, mit 
wässerigen Fibringerinnseln und dunklem, flüssigem, nicht mit Gas gemischtem 
Blut angefüllt. Die linke Kammer und der Vorhof sowie Kranzgefässe und 
Lungenvenen enthalten geringe Mengen nicht mit Gas gemischten Blutes. — 
Beim Herausnehmen des Herzens fliesst aus den grossen Gefässen eine be¬ 
deutende Menge Blut heraus; keine Gasblasen sichtbar. Das Herz im übrigen 
normal. 

Die Lungen wurden mit Trachea (unterbunden, s. oben) im Zusammenhänge 
herausgenommen. Die rechte Lunge erweist sich dabei, wie angedeutet, 
als vollständig an der Brustwand mittels lockerer Häutchen adhärent; eine 
Verletzung der Lungenoberfläche ist nicht wahrzu¬ 
nehmen. Diese Lunge ist ungefähr 2 /s so gross wie die linke. Der tastende 
Finger fühlt eine grössere Höhle, die sich von der Spitze der Lunge an längs 
dem hinteren Rande hinab nach dem unteren Rande des oberen Lappens hin 
bis ungefähr 1 cm oberhalb desselben erstreckt. Die genannte Kaverne breitet 
sich an der Lungenoberfläche aus, eine abgeplattete Höhle bildend, ungefähr 
4 cm breit und 2—3 cm tief. Nach aussen wird die Kaverne von verdichtetem 
Lungengewebe und adhärenter Pleura von wechselnder Dicke (2—8 mm Dicke) 
begrenzt. Das Innere der Kaverne ist durch quergehende Grate in eine Anzahl 
Logen eingeteilt, die sich mehrorts in Bronchien eröffnen. Im übrigen fühlt 
sich dieser Lappen, wie ausserdem auch der mediale Lappen sowie die oberen 
Teile des unteren Lappens, zäh und luftleer an, mit ein paar zerstreuten festeren 
Knoten von Erbsen- bis Haselnussgrösse. Die unteren Teile des unteren Lappens 
haben gewöhnliche Konsistenz und fühlen sich lufthaltig an. 

Bei Einschnitt ist das Lungenparenchym des oberen 
Lappens medianwärts und nach vorn von der oben¬ 
erwähnten Kaverne (also in den Partien, welche der Lage 
des Durchstichkanals im Äusseren entsprechen) der Farbe 
nach graurot, schwielig, fast vollständig luftleer ohne An¬ 
zeichen frischer tuberkulöser Prozesse. Im unteren Lappen 
oben erweisen sich die oben angedeuteten erbsen- bis haselnussgrossen Knoten 
als aus grauroten, festeren Indurationen bestehend; das übrige Parenchym im 
unteren Lappen ist blass und lufthaltig mit zerstreuten Anhäufungen von hirse- 
bis griesskorngrossen, teils graugallertigen, speckigen, teils mehr gelblichen, 
trockenen Knötchen. Aus den feineren Bronchien lässt sich ein graugelber, trüber 
Saft herauspressen. 

Der obere Lappen der linken Lunge zeigt auf der Schnittfläche etwa 
10 bohnengrosse Herde von teils graugallertigen, teils graugelben, im allgemeinen 
frischen Tuberkelknötchen; nur 'einige von diesen zeigen eine bereits be¬ 
ginnende zentrale, schieferfarbige Induration. — Das übrige Lungengewebe im 
ganzen Lappen lufthaltig, graurot. Im unteren Lappen, der zum grösseren Teil 
dunkel rotgrau ist, werden ebenfalls einige kleinere, frische peribronchiale 
Herde angetroffen, hauptsächlich nach dem Ililusteil der Lunge zu. — Im 
übrigen ist zu bemerken, dass die Pleuraadhärenzen der rechten Lunge, die 
am dichtesten in den hinteren Teilen sind, ziemlich gefässreich sind; die Ge- 
fässe enthalten kein luftschaumiges Blut. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 3. 21 


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Carl Sandberg. 


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% 

Beim Aufselmeiden der Äste der Arteria pulmonalis und der Vena pulmo- 
nalis zeigt es sich, dass diese loses Blut enthalten, im übrigen ist aber nichts 
Abnormes zu bemerken; kein Gas. 

Die Kehlkopfschleimhaut blass. Die Stimmritze, wie bereits erwähnt, offen. 
Kein Fremdkörper oder sonstwie Abnormes zu sehen. 

Behufs mikroskopischer Untersuchung wurden ge¬ 
eignete Stücke entnommen und fixiert. 

Bei Nachuntersuchung des Gehirns (nach Konser¬ 
vierung in Kaiserling), wobei dasselbe sich in halbzenti- 
meter- bis zentimeterdicke Scheiben schneiden liess, 
zeigt es sich, dass die obenerwähnten hämorrhagischen 
Erweichungsherde zahlreicher sind, als die Obduktion 
ursprünglich hatte vermuten lassen. Die Herde sind 
klein und liegen Zentimeter weit voneinander ab, ein¬ 
gestreut in das Ausbreitungsgebiet der Verzweigungen 
der rechtsseitigen Arteria cerebri media nach den Gyri 
frontales superior und medius hin; am grössten und zahlreichsten, 7—8 Stück, 
in den Zentralwindungen, und 3—4 Herde, davon 1 grösserer, im Gyrus parie- 
talis anterior superior. Keine Herde dagegen im Schläfenlappen. Auch sind 
keine Herde in der linken Gehirnhälfte, im Pons, in der Medulla oblongata oder 
dem Kleinhirn. — An dem konservierten Gehirn treten ausser¬ 
dem herdförmige Anämien in der Rinde hervor, besonders 
auch in der linken Gehirnhälfte. Diese anämischen Gebiete wurden 
bei der Obduktion durch die Blutüberfüllung der weichen Haut und durch die 
allgemeine Blutüberfüllung in der Rinde verborgen. An dem konservierten 
Gehirn treten sie dagegen deutlich und in der Weise hervor, dass die be¬ 
treffenden Rindengebiete ebenso weiss wie das Mark sind, so dass es am 
ehesten aussieht, als w r enn das Mark sich bis zur Gehirnoberfläche hin erstreckt. 
Diese Anämien treten ungefähr in gleicher Weise auf den beiden Gehirnhälften 
hervor, aber nur im Gebiete der Arteriae cerebri mediae. Dass die anämi¬ 
schen Partien nicht auf einer künstlichen Änderung der Blutfüllung nach der 
Obduktion beruhen dürften, scheint teils daraus hervorzugehen, dass die Anämien 
an der Schnittfläche beim Durchschneiden der ursprünglichen grossen Gehirn¬ 
stücke hervortreten, teils daraus, dass diese Anämien in den übrigen Gehirn¬ 
teilen, speziell auch in den Frontal- und Parietallappen, fehlen, und dass sie 
in Flecken vermischt mit den allgemein hyperämischen Rindengebieten auf- 
treten. 

Mikroskopische Untersuchung. 

Die stärkst veränderten Herde erweisen sich als teils 
einfache Malazien, teils hämorrhagische Malazien mit 
dem gewöhnlichen Aussehen der Degeneration und Er¬ 
weichung. Rings um die Herde herum und in den Herden sieht man 
Kapillaren und kleine Gefässe prall gefüllt mit Blut, und recht oft sind diese 
Gefässe von kleinen Infiltraten gut färbbarer roter Blutkörperchen, frischen 
Blutungen, umgeben. Besonders findet man auch, dass frische Blutungen die 
periadventitiellen Lymphscheiden der Gefässe ausfüllen. Nicht selten sieht man 
auch kleine Blutungsherde, die ein im übrigen dem ganzen Aussehen nach 
unwesentlich oder vielleicht überhaupt nicht verändertes Rindenparenchym in¬ 
filtrieren. 


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Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


311 


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Besonders auffallend sind zahlreiche, körnige, 
hyaline, hyalin- körnige und leukozytäre Thromben in 
den kleinsten Gefässen der Hirnrinde. Man findet sehr selten 
solche Thromben in den pialen Gefässen. Diese, sowohl Arterien als Venen 
in der Pia, sind prall angefüllt mit Blut, mit gewöhnlicher Beimischung von 
weissen Blutkörperchen und einer massigen Menge geronnenen Fibrins wie in 
gewöhnlichen Leichengerinnseln. Auch werden die Thromben nicht in den Ge¬ 
fässen der oberflächlichen gliösen Rindenschicht angetroffen, sondern erst in den 
kleinen Gefässen der Ganglienzellenschicht. Da die Diagnose der Natur 
dieser Thromben von besonderer Wichtigkeit für die 
Epikrise ist, so habe ich mich auf verschiedene Weise 
von ihrer Thrombennatur überzeugt: teils in ungefärbten 
Präparaten, die ihren hyalinen Glanz ohne Farbe roter 
Blutkörperchen zeigten (hierdurch war einfache Kon- 
glutination roter Blutkörperchen ausgeschlossen); teils 
durch Färbung sowohl mittels saurer Anilinfarben (Eosin, 
Säurefuchsin) als durch Fibrinfärbung. Bei dieser letzteren 
Färbung Hess sich eine grosse Anzahl dieser feinen Thromben in reine, körnig 
oder fädig fibrinöse Thromben auflösen. In manchen Gefässen konnte man 
die Thromben auf lange Strecken hin verfolgen. Eine weitere Bestätigung der 
Diagnose Thromben lieferte der Umstand, dass diese Bildungen in den übrigen 
Teilen des Gehirns, sowohl in den frontalen als in den occipitalen Teilen und 
in Pons und Medulla oblongata, fehlten. Und schliesslich zeigte es sich, dass 
die Thromben mit Veränderungen der Gefäss wände, hyalinisierten ange¬ 
schwollenen Endothelzellen und hyalinisierten Gefässwänden, Zellinfiltration der 
Gefässwände usw., verbunden waren. 

Ein besonders bemerkenswerter Umstand bei einer 
nicht geringen Anzahl dieser Thromben ist der, dass sie 
bisweilen in Gefässen angetroffen werden, ohne diese 
auszufüllen, nur irgendwo an der Gefässwand haftend, 
im übrigen aber von Blut umgeben. Die Übereinstimmung 
derartiger Thromben bezüglich der Form mit der Gefäss- 
verzweigung macht es wahrscheinlich, dass es sich an 
solchen Stellen um Gefässe handelt, die zuerst kontra¬ 
hiert und währenddessen t h r o m bo t i s i er t worden sind, 
dann aber sich wieder erweitert und den Blutstrom hin¬ 
durchgelassen haben; daher Bllit in dem Gefäss neben 
dem Thrombus. Oft findet man denn auch Blutungen von 
solchen Gefässen aus. Zum grösseren Teil füllen indessen die 
Thromben ihre kleinen Gefässe aus. Die Thrombose ist auf die 
malazischen Gebiete auf der rechten Seite beschränkt. 
Auf der linken Seite sieht man nur An.ämie mit Hyperämie 
ah wechseln, aber keine Thromben, keine Malazien, keine 
Blutungen. 

Eine andere zirkulatorische Veränderung, die in die Augen fällt, und die 
sowohl in den Erweichungsherden selbst als in deren Umgebung angetroffen 
wird, sind leukozytäre Infiltrate in den Gefässwänden, oft 
dann auch mjt L e u k o z y t e n a u s f ü 11 u n g des Gefässlumens 
verbunden, sowie in den Lvmphscheiden der Gefässe. Von 
diesen als Zentren aus infiltrieren Leukozyten in ab- 

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Carl Snndberg. 


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nehmender Dichte die nächstliegende Gehirnsubstanz, 
hier und da in den mala zischen Herden jedoch bereits in 
kleinen Haufen angesammelt oder sich an degenerierte 
Ganglienzellen anlegend (Bilder von „Neuronophagis- 
m u s“). Aus dem Aussehen der Kerne und dem Verhältnis der Zellen zur 
Gefässwand geht klar hervor, dass es sich um Leukozyten und nicht um die 
eigenartigen Zellen handelt, die man sonst oft bei Untergang nervöser Sub¬ 
stanz sieht (eigentümliche mononukleäre Zellen mit nierenförmigen und ge¬ 
lappten Kernen usvv.). 

Ausser diesen Veränderungen findet man auch Herde mit ein¬ 
fachem ödem, in denen die Nervensubstanz zersprengt 
ist und gleichsam Blasen oder Hohlräume bildet, die eine 
Detritusmasse (ausgefällte Eiweisskörnchen) enthalten. 
Diese einfach ödematösen Stellen werden meistens in den mehr oberflächlichen 
Teilen der Markstrahlen angetroffen. 

Ilinzuzufügen ist, dass ich keine mikroskopischen 
Anzeichen bei den Thromben angetroffen habe, die für 
Blasen in denselben oder für Räume nach Blasen von ein- 
gepresster, aber resorbierter oder anderswie verschwun¬ 
dener Luft sprechen könnten. 

E p i k r i s e. Das klinische Bild des Todesfalles ist also folgendes: 
Eine junge, verhältnismässig rüstige, tuberkulöse Frau, die ohne 
bemerkenswerte Schwierigkeit 7 mal nach Forlaninis Methode be¬ 
handelt worden war, kollabiert bei Punktion. zum achtenmal, ohne 
dass die Reinigungsnadel in die Kanüle eingeführt, und bevor noch 
der Hahn von dem Gas(Luft)behälter geöffnet worden ist. Der Trokar 
wird sofort herausgezogen und eine Injektion von Luft wird gar 
nicht gemacht. Die so plötzlich kollabierte Patientin bleibt bewusst¬ 
los oder fast bewusstlos bis zu ihrem Tode, der 36 Stunden nach 
der Punktion eintritt. Sie weist während dieser ganzen Zeit ausser 
Störungen der Zirkulation und Atmung zunächst Reizungssymptome 
vom Gehirn her, dann Lähmung auf. 

Bei der Sektion findet man keine Verletzung an der Lunge durch 
einen eingeführten Trokar, nirgends Glasblasen, weder in den Ge- 
fässen des Gehirns noch in anderen Gefässem oder im Herzen. Statt 
dessen findet sich neben einer hochgradigen arteriellen und venösen 
Hyperämie in r den weichen Häuten und einer gleichfalls auffallenden 
allgemeinen Hyperämie in der Hirnrinde sowie in den zentralen 
Ganglien !und in der Medulla oblongata nebst Pons teils herdförmige 
Anämien in der Rinde beider Gehirnhälften, vor allem in dem Aus¬ 
breitungsgebiet der Arteriae cerebri mediae beider Seiten, teils 
in der Rinde der rechten Gehimhemisphäre, den Gyri frontales 
superior und medius, den Gyri centrales anterior und posterior so¬ 
wie parietalis anterior, zahlreiche, sowohl anämische als hämor¬ 
rhagische Erweichungsherde. Mikroskopisch werden frische hyaline 



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11 ] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


313 


und körnig hyaline Thromben sowie beginnende Leukozytenauswande¬ 
rung und „Neuronophagisrnus“ nachgewiesen. 

Die encephalomalazischen Herde scheinen in diesem Fall auf ge¬ 
wöhnliche Weise entstanden zu sein, d. h. infolge Ischämie in den 
betreffenden Himrindengebieten. Die Ischämie mag dann ihrerseits 
eine Folge von Gasembolie bzw r . von Thrombenembolismus von den 
Lungenvenen her nach Brauer oder von vasomotorischem Gefäss- 
krampf auf dem Reflexwuge von der Pleura her, d. h. ein Pleura¬ 
schock, sein, wie Forlanini meines Erachtens den Fall wohl 
deuten würde. Bevor wir auf die Analyse unseres Falles in dieser 
Beziehung eingehen, wollen wir Brauers und Forlaninis 
Gründe für ihre verschiedenen Ansichten etw'as näher ins Auge 
fassen. 

Zunächst ist dabei zu betonen, dass sow r .ohl Brauer als For- 
lanini das Vorkommen dieser beiden Komplikationen der Operation 
(Gasembolismus und Pleuraschock) annehmen. Der Unterschied ist 
jedoch der, dass Brauer die Embolie, meistens durch Gas (Luft), 
sonst durch Lungenvenenthromben, als Regel, den Pleuraschock da¬ 
gegen als Ausnahme betrachtet, während Forlanini der gerade 
entgegengesetzten Ansicht ist. Klinisch symptomatologisch lässt sich 
die Frage kaum entscheiden. Denn in beiden Fällen können die 
Symptome dieselben sein. Störungen in den Innervationen der Zen¬ 
tren für die Herztätigkeit und die Zirkulation, für die Atmung und 
für die Bewegungen der Gliedmassen, für die psychischen Funktionen 
usw\ können ebensowohl eintreten, wunn die Ursache der Störung 
eine Verstopfung der zu den betreffenden Zentren hinführenden Ge- 
fässe ist, als w'enn sie in einem auf reflektorischem Wege ausge¬ 
lösten vasomotorischen Gefässkrampf mit Anämie derselben Zentren 
besteht. Nur durch sorgfältige Sektionen dürfte also im einzelnen 
Falle Klarheit darüber gewonnen wurden können, w r elche von diesen 
Alternativen vorliegt, und aus Gesamterfahrung ein Schluss sich 
bezüglich der gewühnlichst vorkommenden Ursache ziehen lassen. 
Brauer (a. a. 0.) beschreibt zusammen mit Spengler zwei Fälle, 
die ihrer Ansicht nach als Pleuraschock aufgefasst werden müssen 
oder können. In dem einen Falle w r ar allzu kaltes Stickstoffgas in 
die Pleura bei der Nachfüllung eines schon zuvor bestehenden 
Pneumothorax injiziert worden. Die Symptorhe waren Schmerz in 
der betreffenden Thoraxhälfte und vorübergehender leichter Kollaps 
ohne Störung des Bewusstseins. In dem anderen Falle trat bei Be¬ 
rührung der freigelegten Pleura costalis mit der Kanüle (Brauers 
Methode für die Operation: Inzision in die Pleura) ein Erstickungs¬ 
anfall infolge reflektorischen Stimmritzenkrampfes, verbunden mit 


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Carl Sund borg. 


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mühsamer, „ächzender“ Inspiration, ein. Der Anfall dauerte fünf 
Minuten, ohne dass aber Kollaps oder Verlust des Bewusstsems ein¬ 
trat. Bei Wiederholung der Berührung der Pleura wiederholte sich 
auch der Anfall. Nach Novokainpinselung ging die Operation vor 
sich, nachdem ein leichter Anfall bald vorübergegangen war, und 
ein voluminöser Pneumothorax wurde gebildet. In beiden Fällen 
fehlten Kontrakturen, Hemiplegien und andere schwerere Symptome 
zentralen Ursprungs. Brauer beruft sich des weiteren auf die 
.Tierexperimente Sauerbruchs, die gesteigerte, rasche und for¬ 
cierte Atmung unter Herabsetzung des Blutdrucks und Beschleuni¬ 
gung des Pulses sowie Reflexe von der Pleura her ergaben. Brauer 
fährt fort: „Überblicken wir diese sichergestellten Beobachtungen, 
so können wir als reflektorische Folge einer Pleurareizung einer¬ 
seits Laryngospasmen, andererseits reflektorische Vasomotoren¬ 
störungen als gesicherte Tatsachen ansehen“ (a. a. 0., S. 462). 

Dagegen meint Brauer, dass man in keinem Falle sicher be¬ 
obachteter Pleurareflexstörung, weder klinisch noch experimentell, 
die schweren nervösen Erscheinungen hat auftreten sehen, die von 
verschiedenen. Seiten her faute de mieux als Pleuraeklampsie 
gedeutet worden sind. Er hält es im übrigen für gewagt, von Pleura¬ 
reflexen in Fällen zu sprechen, wo die Pleura schwielig verdickt usw. 
ist. Behufs Annahme eines Pleurareflexes muss man zum mindesten 
normale Sensibilität der Pleura voraussetzen. 

Bei den Fällen schwerer nervöser Störungen und besonders bei 
den Todesfällen nimmt Brauer als natürlichen Erklärungsgrund 
Gasembolie an. Er führt 4’Todesfälle an, wo mindestens in 2 Fällen 
Gasembolie sicher Vorgelegen hat, wahrscheinlich auch in den 
2 anderen (nach Brauer). 

Der Argumentierung Brauers und seiner Vertiefung dieser 
ganzen Frage muss man grosses Gewicht beilegen, auch wenn man 
nicht völlig von der alles überragenden Bedeutung der Luftembolie 
für den unglücklichen Verlauf dieser Fälle überzeugt ist. Vor allem 
kann natürlich Gas bei Punktion einer Lungenvene, besonders wenn 
Überdruck bei der Gasinjektion angewandt wird, Gasembolie in das 
linke Herz und von dort aus nach jeder beliebigen Stelle im grossen 
Kreislauf hin verursachen. Während des Lebens hat sich auch ein 
sblcher Gasembolismus in der Haut durch eine charakteristische 
Marmorierung infolge abwechselnd anämischer und kollateral hyper- 
ämischer Partien zu erkennen gegeben (für mein Teil möchte ich 
nicht wagen, eine solche Deutung als Beweis für Gasembolie anzu¬ 
sehen). Post mortem ist Gas im Blut der linken Kammer des Herzens, 


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13] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


315 


in den Mesenterialarterien, in den Arterien der Hirnhäute usw. nach¬ 
gewiesen worden. 

Aber auch ohne Injektion unter Überdruck kann, wie Brauer 
mit Recht betont, Gas in die Lungenvenen gelangen; ja, sogar un¬ 
abhängig von irgendwelcher Gasinjektion, d. h. die eigene Lungen¬ 
luft kann auf gesogen werden, wenn nur eine Vene innerhalb einer 
Lungenpartie, die unter einigermassen wirksamem negativem Druck 
steht, lädiert wird. Auch K j er-Petersen (7) hat in einer Dis¬ 
kussion in der Medizinischen Gesellschaft in Kopenhagen am 
24. Januar 1911 anlässlich des Berichtes Saugmans über einen 
Todesfall dies hervorgehoben, indem er dabei zugleich eine dies¬ 
bezügliche Äusserung Chr. Bohrs anführte. Es ist nur nötig, 
dass ein kleinerer Bronchus verstopft und. dass die Pleura der zu 
diesen Bronchus gehörigen Lungenpartie adhärent ist, um, theo¬ 
retisch gesehen, die Möglichkeit dafür zu schaffen, dass ein be¬ 
liebiger negativer Druck in dieser Lungenpartie entsteht. Wird dann 
innerhalb dieser Partie eine Vene verletzt, so kann Luft eingesogen 
werden, z. B. von einer Kaverne, von zerfetztem Lungengewebe 
usw. her. Es liegt also (Brauer, K j er-Peter sen, Bohr) die 
Möglichkeit zu Gasembolie bei jeder Punktion einer tuberkulös in¬ 
filtrierten Lunge vor, besonders bei adhärenter Pleura. Eine Vene 
kann in dem indurierten Gewebe oder in der Nähe einer luftgefüllten 
Höhle verletzt werden und besonders während der Inspiration das 
Gas einsaugen. Bei jeder neuen Inspiration kann diese Quantität 
eingesogener Luft vermehrt werden. 15—30 ccm Luft (Gas) dürften 
genügen, um auf embolisehem Wege zu töten (Brauer). Brauer 
führt unter seinen Fällen einen an, wo Ungefähr 15 ccm, in diesem 
Falle unter hohem Druck (bis zu 20 mm Hg), hinreichend waren, 
um zu töten (Fall 16). Die Patientin, eine 29 jährige Frau, sank 
plötzlich zusammen, kollabierte und starb sofort. Kampferinjektion, 
künstliche Atmung usw. waren vergeblich. Puls und Respiration 
hörten fast blitzschnell auf. Bei der Punktion hatte Brauer die 
Nadel „hin und her“ führen müssen, da der Manometer keinen Aus¬ 
schlag gab, und er hatte dabei ein Resistenzgefühl, das ihm sagte, 
dass er sich in verdichtetem Lungenparenchym befand. Da nach 
dem Einstich mehrere Minuten vergingen und die Patientin nicht 
weiter Schmerzen angab, so ist es nicht anzunehmen, dass der Tod 
eine Schockwirkung war (Brauer). Es dürfte sich „wohl sicher 
um eine Luftembolie in eine grosse Lungenvene gehandelt“ haben 
(a. a. 0., S. 447). Eine Sektion wurde nicht gestattet. Brauer führt 
ausserdem einige andere Fälle an, wo Gasembolie sicher Vorgelegen 
hat, und stellt aus der Literatur Todesfälle zusammen, die entweder 


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Carl Sundbarg. 


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offenbar (nach Brauer) auf Gasembolie beruht haben (Quinckes 
Fall bei Pneumotomie; Benekes Fall nach Forlaninioperation), 
oder die wahrscheinlich hierher gehören (Lenhartz’ 6 Fälle bei 
Bronchotomie und Kört es bei Lungenoperationen; die letzteren 
jedoch von Körte selbst als Reflexe. durch die Vaguszweige der 
Lunge gedeutet). 

Prüft man indessen die Fälle, die in der Literatur als auf Gas- 
embolie beruhend beschrieben worden sind 1 ), so findet man nicht 
oft den entscheidenden Beweis, die Feststellung intravitaler Luft¬ 
injektion bzw. Lufteinsaugung in die Gefässe, geliefert, weder durch 
die Sektionen noch durch klinische Beobachtung. Es ist nämlich 
sehr schwierig, bei einer Leiche zu entscheiden, ob die Gasblasen, 
die man in kleineren Gefässen oder in Kapillaren findet, intravital 
dorthin gekommen sind. Auch wenn man kadaveröse Gasbildung 
ausschliessen kann, was in vielen Fällen nicht angängig ist, so 
muss man bedenken, wie leicht etwas Gas in die Gefässe einge¬ 
sogen oder eingepresst werden kann, z. B. in die Gefässe der Hirn¬ 
häute beim Abheben der Hirnschale und der harten Häute bei der 
Sektion. Nicht einmal bei den seltenen Fällen von Luftembolie, 
klinisch deutlicher Luftembolie, in das Herz und die Pulmonalis, 
von dem Sinus durae matris oder von den Halsvenen oder von den 
Uterusvenen her bei den betreffenden Operationen an Kopf, Hals 
usw. ist es, trotz der oft bedeutenden Luftmengen, die dabei hinein- 
koinmen, stets leicht, einen zwingenden Beweis für das Vorhanden¬ 
sein embolisehen Gases zu liefern. An und für sich dürfte der 
Nachweis einer geringen Menge Gasblasen in Leichenblut mit grösster 
Vorsicht hinsichtlich ihres Charakters als embolisehe Erscheinung 
zu deuten sein. Andererseits ist aber auch zuzugestehen, dass die 
Abwesenheit von Gasblasen in Leichenblut nicht als Beweis dafür 
angesehen werden kann, dass keine Embolie Vorgelegen hat. Handelt 
es sich nämlich um eine geringere Menge hineingekommenen Gases, 
so kann dieses durch das betreffende Kapillarensystem hindurch¬ 
gehen ünd in das Venensystem und das rechte Herz, die Lungen usw. 
übertreten. Wenn in einem solchen Falle der Tod nicht allzu rasch 
dazwischen tritt, dürfte eine Resorption des Gases stattfinden. Die 
klinische Beobachtung einer Gaseinsaugung, die, wenn es sich um 
Operationen an Halsvenen und an den Himhautsinus handelt, den 
Angaben gemäss bisweilen von dem Operateur direkt gehört werden 

*) Die Gasembolie bei Tauchern usw. scheint mir von denen der eben 
behandelten Falle so verschiedene Bedingungen zu haben, dass es meines Er¬ 
achtens am vorsichtigsten ist, die ersten.» nicht zusammen mit den anderen 
hier zu erörtern. 



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Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


317 


kann, ist natürlich der sicherste Beweis. Bezüglich der Todesfälle 
bei den Forlaninioperationen versagt indessen dieser letztere Ausweg 
zur sicheren Beurteilung der Fälle. 

Für die Frage der Luft(Gas)embolie bei diesen Fällen wäre es 
wünschenswert, die Quantität Luft zu kennen, die hinreichend sein 
könnte, um den Tod herbeizuführen. Brauer erachtet 15—30 ccm 
für genügend. Zu dieser Zahl ist Brauer durch die Erfahrung 
in einem Falle (dem oben S. 315 erwähnten) gekommen, der von ihm 
als Fall von Luftembolie gedeutet wird. Bei Versuchen an Tieren 
hat man indessen gefunden, dass man im Verhältnis zum Körper¬ 
gewicht weit bedeutendere Luftmengen, z. B. in die Carotis beim 
Hunde, injizieren kann, ohne dass diese Luftinjektionen das Tier 
im mindesten genieren. Man hat auch in solchen Fällen nach Tötung 
des Tieres die Luftblasen im rechten Herzen nachgewiesen; also 
hat die Luft wenigstens teilweise die Kapillaren des Gehirns passiert, 
ohne sichtlich die Funktionen des Gehirns zu beeinflussen. Nun 
ist es wahr, dass bei einigen Todesfällen nach Pneumothoraxbehand¬ 
lung Verletzungen kleinerer Lun gen venen unter der Pleura nach¬ 
gewiesen worden sind. Man hat auch Blutungen aussen an dem 
so verletzten Gefäss gefunden. Ist dies nun ein Beweis dafür, 
dass Luftembolie hier Vorgelegen hat ? Natürlich nicht, obwohl natür¬ 
lich andererseits die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, 
dass Luftembolie hier stattgefunden hat: — Ich bin auf diese an und 
für sich klaren und selbstverständlichen Verhältnisse in ihren all¬ 
gemeinen Zügen nur deshalb eingegangen, weil, wenn die Bedeutung 
der Luftembolie als gewöhnlichster Todesursache in diesen Fällen 
wirklich bewiesen w r äre, andere Erörterungen wenig Zweck hätten. 

Man hat auch an die Möglichkeit einer Luftembolie durch Venen 
in der Pleura gedacht, vor allem durch die neugebildeten plexus¬ 
artigen dünnwandigen Venen, die nach Forlanini u. a. sich in 
Pleuraadhärenzen finden können. Wenigstens theoretisch denkbar 
wäre Luftembolie auch durch die Bronchialvenen. Diese Wege durch 
die Venen würden indessen zu Embolie des rechten Herzens und 
der Pulmonalis führen, so dass sie für unsere Fälle nicht in Be¬ 
tracht kommen. Die tötenden Fälle von Luftembolie per vias 
venosas pflegen in der Regel von augenfälligen Veränderungen 
begleitet zu sein: das rechte Herz von Gas oder gasschaumigem 
Blut stark aufgetrieben oder auch Hindernisse im kleinen Kreislauf 
mit starker venöser allgemeiner Blutüberfüllung. Kleinere Gasmengen 
werden resorbiert und genieren nicht. 

Brauer hat indessen, wie oben angedeutet, auf noch eine ganz 
andere Quelle der Embolie hingewiesen, nämlich von Thromben in 


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Carl Sundberg, 


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Lungenvenen her. In Gemeinschaft mit Geckler (a. a. 0.) hat 
Brauer nachgewiesen, dass Thrombose der Lungenvenen eine ge¬ 
wöhnliche Erscheinung in phthisischen Lungen ist, und er betont 
mit Recht die Notwendigkeit, mit diesen Thromben als Quelle einer 
Embolie zu rechnen. Betreffs des Vorkommens derartiger Lungen¬ 
venenthromben kann ich Brauer beistimmen. Das erste Präparat 
einer tuberkulösen Lunge in meinen Sammlungen, das ich in dieser 
Beziehung untersuchte, zeigte eine solche Thrombenbildung, und 
es ist ja ganz natürlich, dass solche Vorkommen können. Embolie 
von jenen Venen her dürfte sich jedoch wahrscheinlich wie andere 
Embolien, z. B. in die Gefässe des Gehirns, verhalten, d. h. eine 
bestimmte Gehirnarterie in Anspruch nehmen bei begrenzten ört¬ 
lichen Herdsymptomen, oder auch makroskopisch in dem betreffenden 
Gehirngefäss anzutreffen sein. Übrigens müsste eine derartige Em¬ 
bolie eine keineswegs ungewöhnliche Erscheinung bei tuberkulösen 
Lungen sein, was jedoch nicht der Fall ist. 

Dass Gasembolie auftreten kann, und dass sie möglicherweise 
eine tödliche Wirkung ausüben kann, ist nicht zu bezweifeln, man 
muss aber ebenso vorsichtig sein, diese Todesursache zu diagnosti¬ 
zieren, wie Pleuraschock zu diagnostizieren, auch wenn einem zu¬ 
nächst die Annahme einer rasch wirkenden Luftembolie am an¬ 
sprechendsten erscheint. Es erhebt sich nämlich a priori die Frage: 
weshalb tauchen sonst diese Todesfälle jetzt wieder fast ausschliess¬ 
lich im Anschluss an die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
auf, und weshalb nicht ebenso oft bei anderen Operationen an der 
Pleura, der gewöhnlichen und schmerzhaften Pleuraverletzungen bei 
Rippenbrüchen ganz zu geschweigen. Ich werde unten die Momente 
anführen, die mir möglicherweise auf diese Frage Licht zu werfen 
scheinen, auch wenn man Forlaninis Deutung dieser Todesfälle 
als durch Pleuraschock verursacht annimmt. Zunächst jedoch einige 
Worte darüber, was Forlanini unter Pleuraschock versteht. 

Forlanini erkennt der .Gasembolie wenig Bedeutung zu. Die 
Kalamität derselben gehört, meint er, der ersten Periode der Pneumo¬ 
thoraxtherapie an und darf nicht mehr* Vorkommen, seitdem Sicher¬ 
heitsspritze und Manometer zu dem Instrumentarium der Operation 
hinzugetreten sind. Forlanini führt einige Fälle an, die seiner 
Ansicht nach in entscheidender Weise dagegen sprechen, dass Gas¬ 
embolie Vorgelegen haben sollte, darunter zwei Fälle mit erstmaliger 
Injektion. In dem einen dieser letzteren trat der Anfall in dem 
Augenblick ein, wo die Nadel die Pleura durchstach, also bevor 
noch Stickstoffgas injiziert worden war (wie das auch bei I. P., 
Halahult, der Fall war). In dem anderen Falle geschah die Injektion 



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Drei Todeaffille mit Obduktion etc. 


319 


in einem Pleuraerguss sowie mittels Sicherheitsnadel. Bei diesem 
Patienten wiederholte sich der Anfall bei der darauffolgenden Behand¬ 
lung. Beide Fälle verliefen nicht tödlich. Ein dritter Fall ist nicht 
weniger lehrreich. Ein 22 jähriges, zuvor hysterisches Mädchen fühlte 
bei der ersten Injektion (200 ccm N) Uur Schmerzen in der Schulter. 
Bei der zweiten Injektion (160 ccm) trat heftiger Schmerz auf, 
begleitet von Blässe und Ohnmacht. Beim drittenmal (100 ccm): 
noch stärkere Schmerzen, starke Blässe. Patientin fällt auf dem 
Bette um und zeigt linksseitige schlaffe Brachialmonoplegie. Die 
Monoplegie verschwand nach x / 4 Stunde, die übrigen Symptome nach 
1 / 2 Stunde. Beim viertenmal (70 ccm): Verwirrung und Verdunklung 
des Gesichtsfeldes gingen dem Anfall voraus; danach linksseitige 
schlaffe Brachialmonoplegie, spastische Kontraktur des linken Beines. 
Die Kontraktur ging in 7—8 Minuten über, die Monoplegie dauerte 
eine Stunde. Beim fünftenmal (90 ccm): Patientin fällt plötzlich 
auf das Bett, ganz blass; vollständige linksseitige schlaffe Hemi¬ 
plegie ; das Bewusstsein nur teilweise verloren; spastische Kontraktur 
in der rechten unteren Extremität; vasomotorischer Krampf in der 
rechten Hälfte der Zunge (blass). Nach Herausnahme der Nadel 
löst sich die Kontraktur binnen 10 Minuten, danach verschwindet 
die Blässe der Zunge, weiterhin die Lähmung des linken Armes. 
Nach V 2 Stunde ist der Anfall vorüber. Mit Rücksicht au# das kon¬ 
stante Auftreten und die zunehmende Stärke der Anfälle wurde die 
Behandlung mit künstlichem Pneumothorax abgebrochen. Man muss 
ja Forlanini darin beistimmen, dass ein so konstantes Auftreten 
so gleicher Phänomene und mit so regelmässiger Steigerung sich 
nicht gut als auf zufälligen embolischen Wirkungen beruhend 
denken lässt. 

Forlanini äussert sich indessen ziemlich vorsichtig über die 
Pathogenese. „Es handelt sich höchstwahrscheinlich um denselben 
längst bekannten Symptomenkomplex, den man hauptsächlich bei 
der Thorakozentese oder in Fällen von Empyem infolge kleiner 
Traumen, wie die Ausspülung einer Höhle, die Entfernung oder die 
einfache Verlegung eines Drains, beobachtet, der aber auch als spon¬ 
tane Erscheinung im Laufe akuter Pleuritiden beobachtet wurde 
(Koch) Und bei Tieren experimentell durch die Einführung reizender 
Stoffe in die Pleura hervorgerufen werden kann . . .“ „Da ferner 
der Anfall höchstwahrscheinlich reflexen pleurogenen Ursprungs 
ist . . .“ usw. 

Kehren wir nun zu unserem Falle, Ida P., zurück, so scheint 
es mir kaum wahrscheinlich, dass hier Gasembolie Vorgelegen haben 
sollte. Wie wir uns erinnern, war keine Luft direkt eingeführt worden. 


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Carl Sundberg. 


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Von dem Apparat her könnte auch kein anderes Gas hineingekommen 
sein als die geringe Menge in der Trokarspitze und den Schläuchen. 
Nach Ansicht des Herrn Chefarztes Dr. Waller beträgt diese Menge 
ungefähr 3 ccm. Es ist kajum möglich, dass eine so geringe Gas¬ 
menge 'zu einer tödlichen Gasembolie führen sollte. Auch findet sich 
meines Erachtens keine Möglichkeit, dass Luft von der Lunge her 
hat eingesogen werden können. Von der im Sektionsbericht erwähnten 
Kaverne her kann Gaseinsaugung nicht stattgefunden haben, denn 
die Kaverne lag wesentlich hinter der Stelle eines eventuellen Ein¬ 
stiches in die Lunge. An der Stelle dieses Einstiches dagegen war 
die Lunge luftleer. Die übrigbleibende Möglichkeit einer Luftein¬ 
saugung von einem Bronchus her durch eine lädierte Lungenvene 
lässt sich auch nicht mit Anspruch auf Wahrscheinlichkeit heran¬ 
ziehen. Abgesehen davon, dass keine Verletzung mittels der Nadel 
in der Lunge nachgewiesen werden konnte, obwohl der Ort einer 
eventuellen solchen durch die Lage des Stichkanals im kostalen 
Teil der Pleura markiert war, scheint es mir gesucht und wenig be¬ 
gründet, hier gleichzeitige Läsionen von Vene und Bronchus anzu¬ 
nehmen, die hinreichend weit gewesen wären, um eine so rasch ein¬ 
tretende Lufteinsaugung in der erforderlichen Menge zu ermöglichen. 
Dass keine grössere Vene getroffen worden ist, kann man als völlig 
sicher annehmen, da andernfalls während der 36 Lebensstunden mit 
regelmässiger Herztätigkeit während des grössten Teils derselben doch 
eine perivaskuläre Blutung hätte entstehen müssen. In diesem Falle 
Luftembolie anzunehmen, scheint mir jeder Stütze zu entbehren. 

Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass die nahezu zahllosen, 
jedenfalls nicht zu zählenden, akuten, hyalinen und körnigen oder 
feinfädig fibrinösen oder leukozytären Thromben von einem sich 
ablösenden Lungenvenenthrombus her in die präkapillaren Arterien 
und die Kapillaren eingetrieben worden sein sollten. Ein solcher 
würde wahrscheinlich in einem grösseren Gefäss stecken geblieben 
sein und würde ausserdem einen einheitlicheren Bau gehabt haben. 
Es scheint mir übrigens a priori, als würde eine derartige Embolie 
nur die seltenere Ursache von Krankheitsfällen und Todesfällen 
dieser Art sein. Eine solche Embolie würde ja dieselben Folgen nach 
sich ziehen wie andere Thrombenembolien und kaum auf einige 
Minuten oder einige Stunden dauernde Monoplegie oder Hemiplegie 
beschränkt sein, die dann ebenso rasch, wie sie gekommen, ver¬ 
schwände. Und weshalb soll nicht eine derartige Embolie ebenso 
gewöhnlich bei anderen Tuberkulösen sein wie bei denen, die mit 
künstlichem Pneumothorax behandelt werden. Es scheint als sollten 
schwere Hustenanfälle genügend sein, um manchmal diese Thromben 



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19] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


321 


zu mobilisieren, wenn sie Bedeutung für Embolie hätten. Wir kennen 
zwar eine geringe Anzahl Todesfälle unter dem Symptomeubilde 
Pleuraeklampsie bei Lungentuberkulose ohne Forlaninibehandlung, 
bei Pleuritis und Pneumonie (Begtrup-Hansen hat a. a. 0., 
S. 178 ff. diese zusammengestellt), sie sind aber ausserordentlich selten. 
Für mein Teil kann ich mich aus meiner Obduktionstätigkeit während 
25 Jahren keiner Obduktion eines solchen Falles erinnern. Sowohl 
das Aussehen der Thromben im Falle Ida P. als Analogieschlüsse 
machen es mir daher unwahrscheinlich, dass in diesem Falle 
Thrombenembolie mitgewirkt haben sollte. 

Wenn ich also in diesem Falle zu keiner wahrscheinlicheren 
Erklärung kommen kann als der eines Arterienkrampfes mit zuerst 
Ischämie, dann Thrombose und Malazie, so will ich damit natürlich 
nicht der Gasembolie Bedeutung für andere Fälle aberkennen. Meines 
Erachtens darf man aber ebensowenig a priori meinen, dass Gas¬ 
embolie die souveräne Ursache in diesen Fällen schwerer nervöser 
Symptome, eventuell mit tödlichem Ausgang, ist, wie dass pleurale 
Reflexe es sind. Jeder Fall muss genau analysiert werden, und es 
kann dann vielleicht, sogar bei Fällen, wo dem Anschein nach eine 
Gasembolie die Ursache bildet, sich herausstellen, dass ein reflek¬ 
torischer Gefässkrampf oder eine andere Reflexwirkung die eigent¬ 
liche Ursache ist. 

Analogien bezüglich akuter und tödlicher Veränderungen im 
Gehirn nach Operationen an anderen Körperteilen fehlen nicht. So 
hat M. B. S c h m i d t (8) einen solchen Fall beschrieben, der in diesem 
Zusammenhänge bemerkenswert genug ist, um kurz erwähnt zu 
werden. Eine 47 jährige Frau stirbt einige Stunden nach Amputation 
eines myomatösen Uterus, und ohne zu vollem Bewusstsein nach 
der Narkose zu erwachen. Sie hatte vorher keine zerebralen Stö¬ 
rungen aufgewiesen. Bei der Obduktion fand Schmidt frische, 
gruppenweise angeordnete, punktförmige Hämorrhagien in der Hirn¬ 
rinde aller Lappen und in den zentralen Ganglien. Die weisse Sub¬ 
stanz und die Medulla usw. zeigten keine Veränderungen. Mikro¬ 
skopische Untersuchung zeigte dieselben Bilder von Thrombose in 
den Kapillaren und präkapillaren Arterien der Rinde, wie ich sie 
oben beschrieben habe, nebst Blutungen; zu Malazien war es aber 
in Schmidts Fall in der kurzen Zeit von wenigen Stunden nicht 
gekommen. In seiner Epikrise bemerkt Schmidt bezüglich der 
histologischen Befunde: ,,Sie bilden den Hinweis darauf, dass in 
den zu betreffenden Rindengebieten führenden Arterien ein heftiger 
Krampf stattgefunden hat, währenddessen die Gerinnung sich aus- 


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Carl Sundberg. 


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bildete und später nachgelassen hat, so dass neben den Thromben 
wieder Blut passieren konnte . . .“ 

Die klinische Erfahrung liefert mehrere wahrscheinliche Bei¬ 
spiele derartiger -Wirkungen; siehe Begtrup-Hansens Arbeit 
darüber (a. a. 0., S. 178). 

Wenn also pleurale Reflexe möglicherweise eine grössere Be¬ 
deutung in diesen Fällen haben als mancher sie ihnen zuerkennen 
will, so muss man natürlich nach einer Erklärung dafür suchen, 
dass diese Reflexe verhältnismässig so gewöhnlich bei Pleuraope¬ 
ration an Lungentuberkulösen, dagegen aber sehr ungewöhnlich bei 
ähnlichen Operationen an der Pleura aus anderen Anlässen zu sein 
scheinen. Liegt möglicherweise ein solches für Lungentuberkulose 
besonders disponierendes Moment in der von Claes J. Ene- 
buske (9) hervorgehobenen gewöhnlichen Labilität des Blutdrucks 
bei den an Lungentuberkulose leidenden Kranken vor, die nach 
der Ansicht dieses Autors „auf einer hochgradig gesteigerten Reiz¬ 
barkeit gegenüber auf die Oefässe wirkenden Reflexen“ beruht? 
Eine solche Sonderstellung der Lungenschwindsuchtspatienten in be¬ 
zug auf Pleurareflexe könnte ja diese Fälle gut erklären, mit Reflex¬ 
wirkungen als.p rimummovens für die ausgelösten Erscheinungen. 
Eine nähere Untersuchung darüber, welche Reflexe hierbei ausge¬ 
löst werden können, hoffe ich demnächst anstellen zu können. 

Vergleicht man den fraglichen Todesfall gleichwie eine ganze 
Reihe der in der Literatur angeführten mit den Resultaten von Tier¬ 
experimenten (Lufteinblasungen in die Karotiden, in Venen usw.), 
so kann man nicht gut umhin, in seinem Misstrauen gegen die 
souveräne Bedeutung »der Gasembolie für diese Todesfälle bestärkt 
zu werden. Die Experimente zeigen, dass man auch bei empfind¬ 
lichen Tieren plötzlich bedeutende Mengen Luft einführen kann, 
ohne dass dies den Tieren irgendwie schadet. Beim Menschen sollten 
Luftmengen, die verhältnismässig ziemlich klein sind, die schwersten 
Folgen haben. Das dürfte unwahrscheinlich sein. 

Fall II. Mann, 49 Jahre, Künstler. Gestorbenan Dyspnoe 
3 Stunden nach der Operation (Forlaninis Methode). 

J. M., 49 Jahre alt, wurde in das Sanatorium zu Halahult am 11. VIII. 
1911 aufgenommen. Am 7. X. wurde Forlaninis Methode versucht, ohne 
dass man in freien Raum gelangte. Der Versuch wurde noch zweimal wieder¬ 
holt, gleichfalls ohne Erfolg. Später gelang die Operation in einer Serie von 
18 Malen während der Monate Dezember 1911 bis März 1912. 

Am 21. III. um 5y 2 Uhr nachm, wurde die 22. Injektion (die drei ersten 
misslungenen einberechnel) gemacht. Hierüber findet sich im Krankenjournal 
folgendes vermerkt: , 



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Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


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3 (Schwingungen zwischen -f- 3 und —(— 7); -j— 50; 300 ccm. Ge¬ 
fühl von Spannung wie gewöhnlich bei den Nachfüllungen; fühlte sich im 
übrigen wohl und richtete sich rasch auf. Da die Luft aus dem Stichkanal 
herausgepresst wurde, wurde ein Kompressionsverband angelegt, der jedoch 
bald gelockert wurde, da „er zu sehr klemmte“. Während des Ankleidens 
(ungefähr 2—3 Minuten nach Beendigung der Operation) klagte Fat. darüber, 
dass es ihm schwer fiel zu atmen,, er erblasste; Puls aber voll, regelmässig, 
kräftig. „Hatte das Gefühl, als würde er ohnmächtig werden.“ Ihm flimmerte 
es vor den Augen, er konnte aber doch sehen. Pat. wurde angekleidet und lag 
auf einem Sofa 10 Minuten lang, fühlte sich besser, war aber andauernd kurz¬ 
atmig, Puls fortgesetzt normal. Er ging mit Hilfe nach dem Pavillon (ca. 
100 Meter), ruhte sich hierbei 3 mal ein wenig aus. Im Bett nahm die Atemnot 
zu. 6 Uhr 15 Min. nachm.: Heftige Dyspnoe, blass, kalter Schweiss, die 
Auxiliarmuskeln arbeiten kräftig mit starken - Einziehungen des Epigastriums. 
Pat. klagte darüber, dass er das Gefühl habe, „als ginge der Atem von ihm 
weg.“ Keine Schmerzen weder abwärts nach dem Bauch hin, noch anderwärts. 
Es wurde beschlossen, die eingepresste Luft herauszusaugen. Da der Puls 
sich weicher anzufühlen begann, mit einer Frequenz von 110—120, wurde 
eine Spritze Digalen um 6 Uhr 45 Min. nachm, gegeben. 

Der Druck erwies sich nun als -f- 20; 400 ccm Luft wurde herausgesogen,, 
und der Enddruck war — 3; Pat. sah nun deutlich besser aus und fühlte sich 
auch wohler. Nach ungefähr 5 Minuten begann aber die Dyspnoe 2 uzunehmen y 
der Puls war andauernd gut. Keine Schwäche in Armen und Beinen. Gesicht 
und Gehör unbeeinflusst. Kalter Schweiss, Angst, aber keine Schmerzen. Zyanose 
an den Händen, nicht im Gesicht. Da der Puls normal war und die Dyspnoe 
das Bild des Anfalls beherrschte, so wurde Pleuraschock oder Zwerchfellkrampf 
vermutet, weshalb 1,5 cg Mg subkutan verabreicht wurde (um 7 Uhr 50 Min. 
nachm.). Ungefähr 25 Minuten nach der Injektion schien Pat. einzuschlummern, 
der Puls nahm an Spannung ab, die Frequenz stieg trotz Stimulierung mit Äther, 
Kampfer und Digalen, und nachdem Pat. so ungefähr 10 Minuten lang gelegen 
hatte, trat der Tod ein.“ • 

Auszug aus dem Sektionsbericht vom 24. Marz. 

Gewöhnliche Körperkonstitution, gewöhnliche Muskulatur. Mittelmässig ent¬ 
wickeltes Fettgewebe. Die allgemeine Hautfarbe blass mit stark ausgesprochener 
Zyanose in den Fingern und Zehen, besonders in den Nagelphalangen und unter 
den Nägeln. Gesicht normal. Die Conjunctivae blass, ebenso die Lippen. Die 
Ohren, besonders das rechte, stark zyanotisch. Die Rückenseite des Rumpfes 
und der Extremitäten stark zyanotisch. In der Haut über dem rechten Pektoralis- 
muskel ein etwa zweimarkstückgrosses Gebiet von braunroter Farbe. — Leichen- 
starre in allen, sowohl grösseren als kleineren, Gelenken. Dunkel rotviolette 
Leichenflecke. — Die Trachea wurde nach Anlegung des medialen Hautschnitts 
unmittelbar unter dem Kehlkopf unterbunden. — Bei Eröffnung der Bauchhöhle 
erweisen sich Oment und Mesenterium als ziemlich fett. — Keine Zeichen 
nennenswerter Leichenverwesung finden sich mit Ausnahme einer beginnenden 
bräunlichen Verfärbung der Dünndarmwand. Subphrenischer Raum normal. 
Die rechte Zwerchfellwölbung ist normal gespannt, reicht bis zum 5. Inter- 
stitium; die linke Zwerchfellwölbung buchtet sich vorn an der Mitte in die 
Bauchhöhle hinab ^mit einem etwa handtellergrossen Buckel, vor welchem das 
Zwerchfell wieder nach oben gewelbt, obwohl nicht gespannt, sondern schlaff 


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Carl Sandberg. 


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ist, ebenso der hintere Teil der Wölbung. Beim Frei präparieren der Brust¬ 
decken kann man auf der linken Seite den Verlauf eines Stichkanals mit der 
äusseren Mündung im 4. Rippenzwischenraum in der vorderen Axillarlinie 
durch die Hautdecke und die Brustwand hindurch verfolgen. Zwischen dem 
Brustkorb und der Brustmuskulatur wird aus dem Wundkanal ein unbedeutendes 
Blutgerinnsel entnommen. Keine bemerkenswerte Blutung in der Umgebung 
des Kanals oder in dem Pleuradurchstich. 

Dicht neben der ebenerwähnten Kanalmündung in der Haut sieht man 
einen Kanal Nr. 2, der jedoch nicht weiter nach innen zu verfolgt werden 

kann. Die linke Hälfte des Brustkorbs ist mehr gewölbt als die rechte, be¬ 

sonders in dem Gebiete der Mamillarregion. Beim Wegnehmen des Brustbeins 
kommt keine Flüssigkeit und kein Gas heraus. Die rechte Lunge ist mit dem 
Brustkorb vollständig verlötet mittels ausgebreiteter, düimer, bei stumpfer Dis¬ 
sektion leicht sich ablösender Häutchen, die etwas fester an der Lungenspitze 
sitzen. Die linke Lunge ist gegen den hinteren Teil der Brust¬ 
höhle zusammengedrückt. Der grosse mit Gas angefüllte Pleuraraum 
ist gleichsam in zwei Fächer eingeteilt, ein grösseres unteres und ein etwas 

kleineres oberes, voneinander getrennt durch eine dünne, kaum 1 mm dicke, 

grauweisse, feste Bindegewebsmembran, die sich in einer schrägen Ebene von 
4er Axillarlinie, wo die Membran sowohl an der Lunge als an der Brustwand 
befestigt ist, nach unten vom, ungefähr der Lage der 3. Rippe folgend, er¬ 
streckt und nach vom hin nur an der Lunge befestigt ist, demnach vorn eine 
Lücke zwischen den Fächern offenlassend. Sowohl durch den unteren 
als durch den oberen Raum in der Pleura sind ausserdem 
•ein paar Fäden sowie eine etwas breitere bandförmige 
Adhärenz straff gespannt; im übrigen keine Adhärenzen ausser ganz 
hinten. Die Pleura zeigt im unteren Raume die innere 
Mündung des oben erwähnten Stichkanals auf, dessen 
Umgebung ist leicht blutinfiltriert, in dem Raume selbst 
aber findet sich weder Flüssigkeit noch Blut. Der Ab¬ 
stand zwischen der Brustwand und der Lunge, d. h. die 
Breite des Pneumothoraxraumes, beträgt an der Stelle 
■des Stichkanals ca. 8 cm. Eine Spur an der Lungenpleura 
nach einem Stich ist nicht zu sehen. Das Herz ist etwas nach 
links verschoben. Bei der Leiche reicht der rechte Rand des Herzens bis dicht 
rechts von der Mittellinie. Die Herzspitze scheint ungefähr der Mamillarlinie, 
wo diese die 5. Rippe schneidet, zu entsprechen. 

Der Herzbeutel enthält einige Teelöffel klarer seröser Flüssigkeit. Das 
Herz im übrigen normal. Die Venen im Mediastinum, wie das auch vorher 
betreffs der Halsvenen beobachtet worden war, erweitert, wenn auch nicht 
besonders stark. Aus der Arteria pulmonalis fliesst dunkles, loses Blut in 
ziemlich reichlicher Menge ohne eine Spur von Gasbeimischung hervor. Die 
verschiedenen Herzräume enthalten dunkles, flüssiges, nicht mit Gas vermischtes 
Blut. Die hinteren Teile der zusammengedrängten linken Lunge werden mit 
ziemlich beträchtlicher Schwierigkeit abgelöst, besonders an der Spitze der 
Rückenseitc des oberen Lappens. Die rechte Lunge liess sich mit Leichtigkeit 
ablösen; die Adhärenzen sind hier dünner. Beim Durchschneiden der Karotiden 
fliesst eine beträchtliche Menge nicht gashaltigen, losen Blutes heraus. Aus 
•den Hauptästen der Art. pulm. strömt heim Durchschneiden in reichlicher 
Menge dunkles, nicht mit Gas vermischtes Blut hervor, ebenso aus den durch¬ 
schnittenen Hohl- und Lungenvenen. 



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Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


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Die Stimmritze ohne Fre m d k ö r p e r , aber beschlösse n 
in i c 1) t K a (1 a v e r s t e 11 u u g der Ri m a). 

Schädel, Häute und Gehirn mit Kleinhirn, Varolsbriicke und verlängertes 
Mark im Schnitt auffallend graurot. 

M ikroskopisch sind verschiedene Gebiete des Pons und der Medulla 
oblongata untersucht worden, welche Teile makroskopisch durch eine stärkere 
Hyperämie ausgezeichnet wurden; auch Teile der Hirnrinde wurden untersucht. 
In der letzteren sind keine bestimmten Veränderungen angetroffen worden. Im 
Pons und in der Medulla oblongata sieht man dagegen früh degenerative Ver¬ 
änderungen in verschiedenen Gruppen von Ganglienzellen: Kernwanderung, Kern¬ 
schrumpfung. Karyolyse, Atrophie der Tigroidsubstanz, hyaline Umwandlung 
und Schwellung des Protoplasmas usw. Die kleinen Gefässe sind stark er¬ 
weitert und mit Blut gefüllt, nirgends aber sieht man Blutungen oder Thromben. 
Kein Neuronophagismus. 

Epikrise, ln diesem Falle tritt der „Schock“ ungefähr 2 bis 
3 Minuten nach der Operation für die 22. Nachfülluiig ein. Die 
Injektion hatte in den freien Pleuraraum stattgefunden (Manometer- 
schwingungen), was ausserdem völlig überzeugend aus der Obduk¬ 
tion hervorging. Das Symptomenbild wurde durch inspiratorische 
Dyspnoe beherrscht, wobei der Kranke jedoch das Phonationsver- 
mögen behalten zu haben scheint. Während der Puls andauernd 
gute Herztätigkeit angibt, nimmt die Dyspnoe zu, Zyanose stellt 
sich ein und der Tod eifolgt ungefähr 3 Stunden nach der Operation. 
Patient hatte unterdessen drei einander ähnliche Anfälle als Steige¬ 
rungen der die ganze Zeit über vorhandenen, wenn auch zwischen 
den Anfällen leichteren Atemnot gehabt. Die ganze Zeit hindurch 
ungestörte Psyche. 

Aus dem Sektiousbericht ist folgendes zu bemerken. Die Lunge 
auf der operierten Seite war so komprimiert und infolgedessen von 
der Thorax wand entfernt, dass ein Einstich in die Lunge ganz ein¬ 
fach undenkbar ist. Auch weist die Oberfläche der Lunge kein An¬ 
zeichen einer Verletzung auf. Auch finden sich an dieser Stelle 
keine Pleuraadhärenzen, in deren Venen Luft hätte injiziert werden 
können. • 

Am bemerkenswertesten scheint mir indessen die bei der Sektion 
beobachtete Verschliessuug der Rima glottidis; denn der partiellen 
Schlaffheit des Zwerchfells auf der Pneumothoraxseite dürfte man 
kein weiteres Gewicht beizulegen haben, da die Luft in der Pleura 
nufer positivem Druck stand. Hat in diesem Falle ein Krampf der 
Schliesser der Kehlkopfmuskulatur, bzw. eine Lähmung der Öffner 
derselben Vorgelegen? Ein anatomischer Beweis für diese Annahme 
lässt sich nicht erbringen und dürfte wohl auch in Zukunft bei 
Todesfällen so rascher Natur wie diesem schwerlich anatomisch zu 
erhalten sein. Die Untersuchung des Pons und der Medulla obbn- 

Beitrftgo zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. II. 22 


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Carl Sundberg. 


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gata ergab zwar auffallende Hyperämie und gewisse Ganglienzellen- 
degenerationen, diese Veränderungen können al>er einer Diskussion 
über die Ursache des Krampfes im Kehlkopf nicht zugrunde gelegt 
werden. Auch wenn man bei länger dauernden Krämpfen mehr be¬ 
stimmte und begrenzte Veränderungen in den Ganglienzellen der be¬ 
treffenden Kerne oder in den Nerven finden sollte, dürfte es nicht 
leicht sein, zu entscheiden, was dabei primär, was sekundär ist. 
Die Veränderung kann ebensowohl sekundär infolge von Kohlensäure¬ 
vergiftung Zustandekommen. Es sei z. B. daran erinnert, wie Tetanus¬ 
krampf ziemlich lange anlialten kann, bevor eine schwerere ana¬ 
tomische Läsion von Zellen oder Nerven entdeckt werden kann. 

Indessen sei es mir erlaubt, aus eigener Erfahrung einen Sektions¬ 
fall von plötzlich tötendem Gehirntumor anzuführen, welcher Fall 
(Dr. E. N o r d e n s o n s Augenklinik in Stockholm) bezüglich der 
Todesweise und des Obduktionsbefundes beim Kehlkopf ausserordent¬ 
lich dem vorliegenden ähnelt. Ein 44 jähriger Mann mit Gehirn¬ 
tumor, der einige Allgemeinsymptome gegeben hatte, sass bei seiner 
Mahlzeit zusammen mit den übrigen Klienten der Anstalt. Nichts 
Besonderes war vorgefallen, als er ganz plötzlich von Erbrechen und 
Dyspnoe befallen wurde, die unter zunehmender Zyanose ihn nach 
10 Minuten tötet. Bei der Sektion fand ich den vorher diagnostizierten 
Gehirntumor (ein Endotheliom), der von der Dura mater in der 
Gegend der Fissura Sylvii ausging. Der Tumor drückte auf die 
unteren Teile der linken Zentralwindungen hinter der B r o c a sehen 
Windung. Er war teilweise hart, gefässarm, in den jüngeren Partien 
weich und gefässreich und in dieser Partie zur Zeit der Sektion 
ziemlich mit Blut angefüllt (akute Hyperämie ?). Rima glottidis kräftig 
zusammengezogen. Einen weiteren Beweis dafür, dass hier ein Krampf 
der Kehlkopfschliesser, bzw. eine Lähmung der Öffner während des 
Lebens Vorgelegen hatte, lieferte die eigentümliche Begrenzung, die 
das während des Todeskampfes entstandene Trachealödem zeigte. 
Dieses grobblasig luftschaumige Ödem war nämlich ganz scharf auf 
den Raum unterhalb der Rima beschränkt. Durch die Rima hatte 
dieses Ödem nicht vorzudringen vermocht. Keine weitere Verände¬ 
rung fand sich, die in irgend einer Weise mit dem überraschenden 
und plötzlichen Tode zusammengestellt werden konnte. Für mein 
Teil vermag ich keine andere Erklärung für diesen Todesfall zu finden 
als Larynxkrampf mit Ersticken. Und meines Erachtens bietet der 
Fall einen gewissen Anknüpfungspunkt an den oben behandelten 
Fall II dar. 

Kann Laryngospasmus töten ? Bei eingetretener Kohlensäure¬ 
vergiftung müsste der Krampf sich von selber lösen. Das geschieht 


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Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


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bei dem Glottiskrampf des Keuchhustens, der laryngealen Dyspnoe 
der tabetischen Larynxkrisen usw. Mir fehlt es an anatomischem 
Material zur Beantwortung dieser Frage. Ich kann aber auf die 
Literatur verweisen, die, Wenn auch nur für eine geringe Anzahl von 
Fällen, diese Todesweise supponiert. Man vergleiche unter anderen 
Lermoyez und Boulay (10). 

Hinzugefügt werden kann die Bemerkung, dass für einen fort¬ 
bestehenden Stimmritzenkrampf bei diesen tuberkulös Kranken viel¬ 
leicht grössere Möglichkeiten bestehen als bei anderen. Besonders 
wenn sie, wie oben angedeutet, eine labilere vasomotorische Gleich¬ 
gewichtslage haben, liegt es nahe, an eine vasomotorische Störung 
der betreffenden nervösen Zentren auf reflektorischem Wege zu 
denken, Oie einer anatomischen Analyse ünzugänglich ist. Möglicher¬ 
weise kann auch der Zustand der Lungen in diesen Fällen dazu bei¬ 
tragen, dass der Inspirationskrampf sich nicht auf dieselbe Weise 
löst w r ie bei Keuchhusten usw. 

Schliesslich sei daran erinnert, dass der Laryngospasmus eben 
zu denjenigen der behandelten Komplikationen gehört, die auch nach 
Brauers Ansicht auf Reflexwirkung beruhen können. 

Fall III. J. R. L., 21 Jahre. Gestorben bei der 6. Insuf- 
flation unter Kollaps einige Minuten nach der Ope¬ 
ration. Hatte schon vorher leichtere Anfälle ge¬ 
habt 1 ). 

Am 8. X. 1910 wurde der erste Versuch einer Forianinibehandlung, nach 
der Punktionsmethöde, gemacht. Puls vor der Operation 120. Pat. erhielt 1 cg 
Morphium. Freier Pleuraraum wurde nicht angetroffen. Mit grosser Schwierig¬ 
keit wurden ca. 30 ccm physiologische NaCl-Lösung eingeführt. Danach mit 
Doppelballon 200 ccm Stickstoffgas; dazu war ein Druck von 20 cm Hg er¬ 
forderlich. Pat. begann fast sofort danach zu husten, ein stark reizender 
trockener Husten; sie erklärte, sie fühle sich unwohl und schwindlig im Kopfe. 
Puls klein, ein wenig unregelmässig. 0,5 cg Morphium; 40 cg Kampfer. — 
Ungefähr 10 Min. nach der Operation war der Puls 112, regelmässig und die 
Atmungsfrequenz 32 in der Minute. — Pat., die sich während des Vormittags 
recht wohl gefühlt hatte, bekam um 4 Uhr 15 Min. nachm, plötzlich Erbrechen, 
fühlte Schwindel, wurde blass. Sie klagte über Stiche lateral in der Fossa 
infraclavicularis. Puls klein, weich, eine Weile kaum fühlbar. Sie bekam 
Kampfer, worauf der Puls bald besser wurde. Frequenz 100; Atmungsfrequenz 
22 in der Minute. Am Abend nach dem Abendessen wieder ein Erbrechen; 
Puls nun normal. 

Am 9. X. und 10. X. ist Pat. wieder munter wie gewöhnlich. 

Am 11. X. neuer Punktionsversuch. Freier Pleuraraum konnte nicht an¬ 
getroffen werden. NaCl-Lösung wurde mittels Doppelballons eingeführt; mit 

1 ) Dr. I. Holmgren ersucht mich mitzuteilen, dass die ausführliche 
Beschreibung des Falles aus klinischem Gesichtspunkt nebst Diskussion einiger 
begangener Irrtümer im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seines ge¬ 
samten Pneumothoraxmaterials gegeben werden wird. 

22 * 


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Carl Sundberg. 


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etwas weniger Schwierigkeit als das erste Mal wurden 50 ccm ohne Beschwerden 
für die Pat. eingeführt. Danach wurde die Verbindung mit dem Gasbehälter 
hergestellt; keine Senkung des Flüssigkeitsniveaus trat ein. Darauf wurden 
mit Doppelballon 150 ccm Stickstoffgas eingeführt. Anfangs starker Widerstand, 
danach ein brodelndes Geräusch, wobei das Gas ziemlich rasch einfloss. Nun 
begann Pat. wirkliche Schmerzen in der rechten Schulter zu fühlen, während 
sie vorher vom Beginn des Wassereinblasens an nur eine schwache Spannung 
verspürt hatte. Die Beschwerden, deren erstes Symptom Dyspnoe war, nahmen 
rasch zu. Sie jammerte überlaut, zeigte Kollapssymptome mit Blässe, leichte 
Zyanose, kleinen, raschen Puls; im grossen und ganzen genau wie beim ersten 
Mal; obwohl etwas weniger stark ausgesprochen. — Noch, ungefähr eine Viertel¬ 
stunde nach der Operation liegt Pat. und jammert leise mit geschlossenen Augen. 
Auf Befragen antwortet sie, dass sie eigentlich keine Schmerzen hat, aber ein 
starkes Gefühl von Obeibefinden; sie gibt an, dass dies schon von Anfang an 
der Fall gewesen sei. Ein kurzer, hartnäckiger trockener Husten hatte sich 
gleichzeitig mit dem Unwohlsein eingestellt und dauert auch weiter an. 

Am 12. X. Gestern nachmittag fühlte sich Pat. wieder ziemlich wohl, 
klagt aber bei der Morgenvisite heute über Kopfschmerzen und leichtes Un¬ 
wohlsein. 

Am 13. X. Forlanini III. um 10 Uhr 15 Min. vorm. „Freie Pleura“ wurde 
mit einiger Schwierigkeit angetroffen. Mittlerer Druck — 5. 200 ccm N gingen 
mit . grösster Leichtigkeit ohne Ballon ein. Schlussdruck — 5 bis ^ 0. 

Am 14. X. Forlanini IV. um 10 Uhr 48 Min. vorm. Anfangsdruck un¬ 
gefähr — 7. 200 ccm wurden eingelassen. Schlussdruck — 2 bis ^ 0. Keine 
Beschwerden irgendwelcher Art. „Freie Pleura“ wurde ohne Schwierigkeit an¬ 
getroffen. 

Am 15. X. Forlanini V. Anfangsdruck — 2. 300 ccm wurden eingeführt, 
die letzten 50 ccm mit Ballon. Schlussdruck ungefähr 0. Keine nennens¬ 
werten Beschwerden. 

Am 18. X. Forlanini VI. „Freie Pleura“ wurde nicht angetroffen; es 
wurden daher langsam etwa 50 ccm physiologische NaCl-Lösung durch die 
Kanüle einer gewöhnlichen Wundspritze injiziert. Pat. verspürte davon keine 
Beschwerden. Ein ziemlich starker Druck musste angewandt werden. Danach 
wurde der Gaszylinder eingeschaltet, und 160 ccm N flössen ohne Schwierig¬ 
keit ein. Pat. fühlte auch hierbei keine Beschwerden, beim Abschluss der 
Einblasung stellte sich aber plötzlich heftige Unruhe ein. Pat. begann zu 
winseln, machte angstvolle Bewegungen; rasche und angestrengte Atmung stellte 
sich ein, ein gewisser Grad von Blässe und Zyanose. Das Bewusstsein, das 
anfangs ungestört war, verschleierte sich rasch. Schaum trat vor den Mund. 
Die Herztätigkeit, für die schon zu Beginn des Anfalls eine Frequenz von un¬ 
gefähr 50 festgestellt wurde, verschlechterte sich rasch. Die Dyspnoe nahm 
weiter zu, die Respiration oberflächlich mit Anspannung der Halsinspiratoren. 
Die Halsvenen etwas erweitert und die Thyreoideapartie sich vorwölbend wie 
bei V a 1 s a 1 v a s Versuch. Die Augen wurden nach links und etwas auf¬ 
wärts gerichtet, die Kornealreflexe verschwunden. Ziemlich rascher Nystagmus 
in der Richtung von oben nach unten an beiden Augen. Die Herzschläge werden 
immer spärlicher, während die Atmungsfrequenz andauernd hoch blieb. Trismus 
wurde fast von Anfang an beobachtet und blieb die ganze Zeit über, bestehen. 
Schliesslich trat Krampf in der Hals- und Schultermuskulatur der linken Seite, 
auch in der Nackenmuskulatur ein, so dass Opisthotonus und Linksbeugung 
des Kopfes sich einstellte. Tod nach ca. 15 Minuten. 


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27] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


329 


Auszug aus dem Sektionsberickt am 19. X. 1910. 

(Nur das, was direkte Bedeutung für den Todesfall haben kann, wird ver¬ 
zeichnet.) 

Hautfarbe blass. Gesicht etwas zyanotisch. —-Keine bemerkenswerten 

äusseren Zeichen der Verwesung. — — — In der Kopfhaut keine kadaverösen 
Gasemphyseme oder andere Gasblasen. Diploe im Verhältnis zu den Haut¬ 
decken hyperämisch. Die harte Haut normal gespannt. In dem langen Blut¬ 
leiter ziemlich grosse, erbsengrosse und grössere, perlenschnurähnlich geordnete 
Gasblasen, durch graurote Blutstreifen voneinander getrennt; im übrigen eine 
geringe Menge Blut. Dura mater blass, von normaler Dicke. Nach Empor¬ 
heben der Dura erweisen sich die grossen Venen über der Konvexität, he 
sonders auf der rechten Seite, als ziemlich stark mit Blut gefüllt. Einige 
kleinere Gasblasen können in den Gelassen hin und her geschoben werden. 

--Im übrigen nichts Abnormes. Die basalen Sinus leer, enthalten nur 

etwas feinschaumiges, loses Blut. Beim Massieren am Halse wird aus den 
Bulbi jugulares mit Gas vermischtes Blut herausgepresst. — — — 

Frontale Durchschnitte durch das Grosshirn zeigen gewöhnliche Blut¬ 
füllung in Rinde und Mark, die Feuchtigkeit möglicherweise etwas vermehrt. 
Die basalen Teile, besonders im Schläfenlappen und in der rechten Gehirn¬ 
hälfte, im allgemeinen etwas hyperämisch. Die Kammern von gewöhnlicher 
Weite, enthalten klare Flüssigkeit; keine Blutungen oder andere gröbere Ver¬ 
änderungen. — — — 

Medulla oblongata auffallend hyperämisch, von grauvioletter Farbe mit 
deutlich hervortretender vermehrter Blutpunktierung, besonders in den oberen 
mittleren Teilen. Der Querschnitt des oberen Halsmarkes zeigt gewöhnliche 
Blutfüllung. 

Sowohl die oberflächlichen als die tiefen Halsvenen fast blutleer, zu¬ 
sammengefallen, aus ihnen können aber schaumige, dünnflüssige Blutreste 
herausgepresst werden (Gehirn vorher herausgenommen). — — — Auch bei 
Druck auf die V. subclavia und deren Äste kommt feinblasiges, dünnflüssiges 
Blut hervor. — — — 

Das Bauchfell im allgemeinen blass. Hier und da ist die 
Darmwand ausgebreitet emphysematös. Diese emphyse¬ 
matosen Stellen liegen fleck weise über verschiedene 
Teile des Dünndarms hin zerstreut, die Blasen aber sind 
nicht an die Gefässe gebunden, sondern ähneln gewöhn¬ 
lichem kadaverösem Emphysem. — — — 

Die rechte Herzhälfte in situ zusammengezogen neben der wohlkontrahierten 
linken Herzhälfte. Die Art. pulmonalis enthält einen Teelöffel dünnflüssiges 
Blut ohne Gasblasen. Die rechte Herzkammer leer, ebenso die linke. Die 
rechte Lunge in ausgedehntem Masse mit der Brustwand verlötet durch lockere, 
diffuse Adhärenzen, die sich ohne nennenswerte Schwierigkeit lösen lassen. 
Schon in der vorderen Axillarlinie werden diese Adhärenzen ziemlich stark 
gefässreich, welcher Gefässreichtum hinten nach dem Gebiet der an der äusseren 
Körperoberfläche sichtbaren Trokarstiche hin zunimmt. 

Die Spitze der linken Lunge adhäriert locker mittels einer dünnen 
Adhärenz. — — — 

Die rechte Lunge ist weniger voluminös als die linke, dem Gefühl nach 
lufthaltig nur in den unteren und vorderen Partien des oberen Lappens sowie 
im mittleren Lappen. Auf der Oberfläche der Rückseite des 


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330 Carl Sundberg. [28 

unteren Lappens sind zwei Spuren von Punktionen in Form 
zweier seichter, kaum mehr als gänsekielfeder weiter 
Gruben in das Lungengewebe hinein sichtbar, ohne Blut¬ 
infiltration in das umgebende Lungengewebe. Beim Lospräparieren der Pleura 
costalis zeigt es sich., dass diese auf der ganzen Strecke nach hinten hin 
mittels lockerer, ohne Schwierigkeit stumpf zu lösender Verlötungen ad- 
häriert. — — — 

Die blossgelegten grossen Lungengefässe zeigen vollständig normale Ver¬ 
hältnisse, ohne Blutinfiltrate oder Gasblasen im Lumen, in den Wänden 
oder in der Umgebung. Nach Aufschneiden erweisen sie sich als 6ine geringe 
Menge Blut enthaltend. Bei Druck auf die linke Lunge wird rotes Blut aus 
den Lungenvenen hervorgepresst; bei Druck auf die rechte Lunge ebenso, aber 
etwas gasschaumiges Blut. 

Die Aorta auffallend eng, mit Blut gefüllt. Die linke Kammer fast leer, 
die geringe Menge Blut (ein paar Teelöffel), die sich hier findet, ist frei von 
Gasblasen. Das Herz von gewöhnlicher Grösse und normal. — — — 

Die wesentlichsten Veränderungen werden in dem unteren Lappen der 
rechten Lunge angetroffen. In der Spitze und auf der Rückenseite desselben 
Lappens eine mandelgrosse oder etwas grössere Kaverne mit grauweisser Wand. 
-Um sie herum zerstreute Knoten, teils käsige grössere bis bohnen¬ 
grosse, teils Gruppen von peribronchial angeordneten kleinen Knoten. Dasselbe 
Aussehen über den ganzen Lappen, sowohl seine hinteren, wie mittleren und 
vorderen Partien, hin, wobei jedoch zu bemerken ist, dass in den mittleren 
und den vorderen Teilen die käsige Umwandlung mehr vorgeschritten und die 
Herde im allgemeinen grösser sind. 

Das zwischenliegende, nicht tuberkulisierte Lungengewebe ist fast voll¬ 
ständig luftleer, stark graurot, besonders in der Umgebung der käsigen Herde ; 
nirgends Blutungen; 

Kehlkopf normal, Stimmritze frei. 

Die Aorta, auch in den absteigenden Brust- und Bauchteilen, auffallend 
mit Blut gefüllt. 

Die sämtlichen Gefässe des Bauches auffallend blut¬ 
strotzend. Die V v. sperma ticae beispielsweise als finger¬ 
dicke Wülste yors'pringend. Die V. cava i n f. gleichfalls 
stark mit Blut gefüllt. — — — 

Betreffs der Blutverteilung sei ferner bemerkt, dass 
der geringe Blutgehalt des Herzens und der Halsvenen 
sowie der Sinus der harten Haut stark gegen die ebenso 
auffallende Blutfülle der Venen des Bauches und der 
Aorta kontrastiert. Sehr reichlich war die Blutmenge in 
Leber und Pankreas. Das* Blut war im allgemeinen dunkel und dünn¬ 
flüssig, ausgenommen das Blut des Herzens, der Venen und der rechten Lunge, 
der Halsvenen und der Sinus durae matris, das heller und gleichzeitig etwas, 
obwohl wenig mit Gas vermischt war. 

E p i k r i s e. Der kurze Todeskampf zeigt das Bild überwiegend 
vasomotorischer Störungen. Hierfür spricht auch die auffallend un- 
gleichmässige Blutverteilung bei der Obduktion: Kopf und Gehirn 
sowie Herz blutarm; Rumpf, besonders Bauch, und Extremitäten 
auffallend mit Blut gefüllt. 


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29] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


331 


Dagegen scheint es mir nicht möglich zu sein, etwas über die 
Alternative Gasembolie oder Pleurareflex in diesem Falle auszu¬ 
sagen. Die gefundenen Gasblasen können kadaverös sein (kadaveröses 
Gasemphysem im Darm, mechanisch bei der Obduktion eingesogene 
Gasblasen). Luftembolie kann jedoch in Frage kommen, da in diesem 
Fall deutlich zwei Läsionen der Pleura pulmonalis mit traumati¬ 
scher Geschwürsbildung der Lunge Vorlagen, wenn auch diese Ge¬ 
schwüre nur unbedeutend waren. Dieser Fall war mein erster dies¬ 
bezüglicher Obduktionsfall, und ich muss leider gestehen, dass ich 
es versäumte, die lädierten Lungenstücke herauszuschneiden und 
durch mikroskopische Serienschnitte mich von eventuellen Läsionen 
an den Gefässen zu überzeugen. Makroskopisch sichtbare Blutungen, 
die eine Läsion eines nennenswert grossen Gefässes angedeutet hätten, 
waren hier nicht vorhanden. Wäre ein grösseres Gefäss getroffen 
worden, d. h. ein so grosses, dass die Punktionsnadel in dasselbe hätte 
eingeführt Und Lungenluft in nennenswerter Menge aufgesogen werden 
können, so scheint es mir, als hätte doch eine Blutung aus dem 
betreffenden Gefäss zwischen den Inspirationsphasen stattfinden 
müssen. Der Fall kann sowohl auf die eine als auf die andere Weise 
gedeutet werden, liefert aber keinen bestimmten Anhaltspunkt. — 
Ich habe auch den Fall nur zur Vervollständigung der Kasuistik 
hier mitgenommen. 

Ich erachte es, besonders mit Rücksicht auf den zu Gebote 
stehenden Raum, nicht für nötig, in diesem Zusammenhänge die 
in der Literatur bekannten Todesfälle nach Forlaninioperation durch¬ 
zugehen. Begtrup Hansens oben angeführte Arbeit bietet eine 
Zusammenstellung der Fälle bis zum Frühling 1912. Bei meinem 
Studium der Kasuistik habe ich nur ein paar spätere Fälle gefunden. 
Einer von diesen scheint mir besondere Erwähnung zu verdienen. 
Er rührt von Sillig (11) her. 

19 jähriger männl.. Pat. Ein Pleuraexsudat wird in einer Menge von 
900 ccm abgezogen und durch N ersetzt, 4 Instillationen von N. Beim 4. Male 
„une manifestation öclamptique“. Man hatte bereits einen partiellen Pneumo¬ 
thorax zustande gebracht, der nach oben zu durch eine feste Adhärenz begrenzt 
war. Versuche wurden gemacht, diese Adhärenz dadurch zu „forcieren“ (z\i 
lösen oder zu sprengen), dass man den Druck des eingeführten Gases ver¬ 
mehrte. 600 ccm wurden eingeführt. Ein „eklamptischer“ Anfall tritt ein, dem 
Parese in der rechten Seite folgt. Nach einigen Minuten ging der Anfall vorüber. 
Sillig nimmt als Ursache des Anfalls „un reflexe d’origine pleurale“ an 
und verwirft in diesem Fall die Annahme einer Embo^e, teils wegen der 
kurzen Dauer des Anfalls, teils weil er durch Röntgendurchleuchtung während 
der Operation kontrolliert hatte, dass die Nadel innerhalb des mit 'Gas gefüllten 
Raumes gehalten wurde. 


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332 


Carl Sandberg. 


[30 


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Zusammenfassung. 

Die beiden ersten der obigen Fälle scheinen mir kaum als Fälle 
von Luftembolie gedeutet werden zu können, am allerwenigsten der 
zweite in der Reihe. In dem ersten Falle dürfte aller Wahrschein¬ 
lichkeit nach ein Gefässkrampf Vorgelegen haben, endigend mit mul¬ 
tipler Thrombose in den kleinen Gefässen und multipler Gehimrinden- 
malazie. Dieser Gefässkrampf erklärt sich am einfachsten als reflek¬ 
torisch. Ein Moment hierbei bildet möglicherweise die von C. J. E n e - 
buske bei Lungentuberkulosen nachgewiesene Labilität des Blut¬ 
drucks (der Vasomotoren). Der zweite Fall dürfte ein Beispiel von 
Laryngospasmus bilden, welche Todesursache auch von Brauer 
als eine auf dem Reflexwege ausgelöste Wirkung angenommen wird. 

Da die Gründe Tür Gasembolie als die unvergleichlich gewöhn¬ 
lichste Ursache der hierhergehörigen Todesfälle, wie diese Gründe bisher 
in der Literatur vorliegen, wenig beweisend sind, und ihnen in vielen 
Hinsichten die experimentellen Lufteinblasungen an Tieren wider¬ 
sprechen, so muss, scheint es mir, die Hypothese betreffs Gasembolie 
als allgemeiner Quelle zu diesen Todesfällen mit Vorsicht auf ge¬ 
nommen werden. Vielleicht wird Operation unter lokaler Anesthe- 
sierung diese Todesfälle beseitigen. 

Gegen die Annahme einer Gasembolie bzw. Thrombenembolie 
von den Lungenvenen her spricht übrigens auch die Abw r esenheit 
derartiger Erscheinungen bei Lungentuberkulose im allgemeinen. 


Literatur. 


1. Fori an in i, C., Die Behandlung der Lungenschwindsucht mit dem künst¬ 
lichen Pneumothorax. Ergebnisse d. inneren Medizin u. Kinderheilkunde. 
Bd. IX. 1912. 

2. Brauer, L., u. L. Spengler, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 
Brauers Beitr. Bd. XIV, H. 4. 1909. 

3. Saugmann, Chr., Pneumothoraxbehandlingen vid lungtuberkulos. 
Svenska läkaresällskapets manadsskrift Hvgiea, Okt. 1912. 

4. Begtrup Hansen, Den kunstige Pneumothorax i Ftisisbehandlingen, 

S. 190. Kobenhavn 1912. 



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31] 


Drei Todesfälle mit Obduktion etc. 


333 


5. Wagner, W., Das Empyem und seine Behandlung. Vulkmanns Vorträge 
197, Innere Medicin, Nr. 66, 1886. 

6. M j ö e n , Kunstig .Pneumothorax Ved Lungetuberkulose. Tidsskrift for den 
norske Laegeforening, Nr. 23. 1908. 

7. Kjer-Petersen, Hospitalstidende 1911, S. 932. 

8. Schmidt, M. B., Über Gehimpurpura und hämorrhagische Encephalitis. 
Festschrift für J. Arnold. Suppl.-Heft VII, 3. Zieglers Beiträge. 

9. Claes J. Enebuske, Iakttagelser angaende blodtrycket hos af Iung- 
tuberkulos lidande personer. Nord. med. Arkiv. 1912. Afd. II. Nr. 13. 

10. Lermoyez et Boulay, Semiologie du larynx i Ch. Bouchards Traite 
de pathologie g£n£rale, Tome IV, S. 439. 

11. Sillig, T., Traitement de la phthisie pulmonaire par le pneumothorax 
artificiel. Congres fran<;ais de mödicine. 12. Session. Lyon 1912. S. 289. 


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— UNIVERSITYOFMINNESe' 



Aus der Lungenheilstätte Cottbus bei Kolkwitz. (Dirigierender 

Arzt: Dr. Junker.) 


Über menstruelle Temperatursteigerungen bei 
Lungentuberkulose. 

Von 

Friedrich Wilhelm Wiese, 

kgl. Unterarzt. 


Zu den bedeutsamsten Symptomen der Lungentuberkulose ge¬ 
hört das Fieber, und die genaue Kenntnis der Temperaturschwan¬ 
kungen ist für die Beurteilung der tuberkulösen Erkrankung uner¬ 
lässlich. Der Grund hierfür liegt in den Ursachen der Temperatur- 
schwanjrungen. Der Begriff des Fiebers ist unlöslich mit dem der 
Infektion verknüpft, und ganz allgemein gesagt, muss daher das 
Fieber auf das infektiöse Virus zurückgeführt werden. Da aber die 
Vorgänge, die sich infolge dieses bakteriellen Reizes im Organismus 
abspielen, in der Hauptsache von der Reaktionsfähigkeit des mensch¬ 
lichen Körpers abhängen, so muss die Verschiedenheit der Individuen 
und die Fähigkeit, den bazillären Reiz zu ertragen und zu über¬ 
winden, in den Temperaturbewegungen zum Ausdruck kommen, und 
hierin liegt die grosse Bedeutung des Fiebers. Eine typische Kurve, 
wie z. B. beim Typhus abdominalis, gibt es bei der Lungentuber¬ 
kulose nicht, und so hat man versucht, verschiedene Gruppen äuf- 
zustellen: akute und chronische, solche, die nur durch den Tuberkel¬ 
bazillus, und andere, die durch Mischinfektion mit diesem hervor¬ 
gerufen werden. Die akuten Fieberzustände bei Lungen¬ 
tuberkulose fallen, abgesehen von den nur wenige Stunden 
dauernden Temperaturerhöhungen bei zu grossen physischen oder 
psychischen Leistungen, in zwei Gruppen. Zu der ersten gehören 
Fieberanfälle, bewirkt durch komplizierende Erkrankungen, und zwar 
meist katarrhalische der oberen Luftwege (Bronchopneumonien, Blut- 

Beitrlge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 4. 23 


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336 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[2 


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ergüsse in den Bronchialbaum, Pleuritiden etc.) oder durch Krank¬ 
heiten, die mit den Atmungsorganen überhaupt nichts zu tun haben; 
und wenn man es fast ausschliesslich mit Lungenkranken zu tun 
hat, muss man sich oft vergegenwärtigen, dass diese auch an anderen 
Krankheiten als gerade der Atemwerkzeuge leiden können, wie an 
akuten Verdauungsstörungen, rheumatischen Affektionen, oder an 
Allgemeinerkrankungen, wie Influenza, exanthematischen Krank¬ 
heiten oder dgl. 

Die zweite Gruppe akuter fieberhafter Zustände umfasst die¬ 
jenigen Fälle, wo mehr oder weniger plötzliche Temperaturerhöhung 
eintritt, ohne dass man sie auf irgend eine andere Komplikation 
schieben kann, wo man also annehmen muss, dass sich in den tuber¬ 
kulösen Herden in der Lunge selbst entzündliche Vorgänge abspielen 
oder neue Bezirke erkranken. In der Tat kann man oft auch physi¬ 
kalisch einen vermehrten Befund feststellen, oft jedoch wird sich 
nichts Sicheres nachweisen lassen, Fälle, die die Franzosen mit „Con- 
gestion du poumon“ bezeichnen. 

Zu dieser Gruppe von Fieber gehören auch die bei Frauen ira 
Zusammenhang mit der Menstruation auftretenden Temperatursteige¬ 
rungen. Nur bei wenigen Frauen ist die Temperatur von der Men¬ 
struation ganz imabhängig. Die Menses bewirken nicht nur in ihrer 
pathologischen Form, sondern auch normalerweise eine mächtige 
Alteration des ganzen Organismus. Abgesehen von den mit dem 
Genitale zusammenhängenden Schmerzen, finden wir oft Verände¬ 
rungen der Psyche, vasomotorische und sekretorische Erscheinungen, 
die auf dem Wege des Nervensystems zustande kommen. Normaler¬ 
weise steigt die Temperatur bei dem gesunden geschlechtsfähigen 
Weibe in der Zeit vor der Blutung an, fällt während der Men¬ 
struation und steigt nach Ablauf derselben wieder an. Der „Apex 
der W eile“ ist, wie die Untersuchungen von R e i n 1, die von J a c o b y 
bestätigt werden, ergeben, in der Prämenstrualzeit gelegen. Dabei 
sind natürlich immer Temperaturschwankungen innerhalb der physio¬ 
logischen Grenzen gemeint. Bei der Lungentuberkulose aber finden 
sidh auch menstruelle Temperaturen über die Norm hinausgehend, 
sogar ziemlich häufig. 

Erst in neuerer Zeit ist man der Frage näher getreten. 

Die erste hierauf bezügliche Mitteilung stammt nach Ri e b o 1 d ! ) 
aus dem Jahre 1899 von Turban. Er erwähnt bei der Beschrei¬ 
bung der latenten Lungentuberkulose, dass beim weiblichen Ge¬ 
schlecht die Temperaturkurve eine völlige Monatswelle bilden kann, 

l ) Deutsche med. Wochenschr. 1906. 



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3] 


Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 337 


mit einem Berg vor und einem Tal nach Beginn der Menstruation. 
Eine kurze Mitteilung über unsere Frage findet sich in Leubes 
„Spezieller Diagnostik“ (1904): „Die Temperatur ist beim Phthisiker 
ungemein labil, so dass schon die Menstruation .... dieselbe steigen 
lassen kann.“ Saugmann erwähnt im „Handbuch der Therapie 
der chronischen Lungenschwindsucht von Schroeder und 
Blumenfeld“ (1904), dass bei den meisten tuberkulösen Frauen 
eine prämenstruelle Temperaturerhöhung auftritt. Bei der grossen 
Mehrzahl wird nicht die oberste Grenze der normalen Temperatur 
überschritten, oft jedoch ist die Minimaltemperatur erheblich er¬ 
höht. In einer kleinen Anzahl von Fällen werden subfebrile Werte 
verzeichnet und nur selten tritt höheres Fieber ein. Nach Ansicht 
Sabourins gibt es nur wenige tuberkulöse Frauen und Mädchen, 
bei denen sich nicht die Menses durch eine Temperaturerhöhung an¬ 
kündigen. Franck 1 ) betont, dass er bereits im Jahre 1901 auf men¬ 
struelle Temperatursteigerungen bei tuberkulösen Frauen aufmerk¬ 
sam gemacht habe, und dass sich die Abweichungen oft nur wenige 
Zehntel von der Norm unterschieden. Zwei Arbeiten aus dem Jahre 
1905 beschäftigten sich eingehender mit der Frage des prämenstruellen 
Fiebers bei Lungentuberkulose. H. Krauss 2 ) fand im Gegensatz 
zu den nur geringen Erhöhungen der Minimaltemperaturen bei Ge¬ 
sunden wesentliche Steigerüngen bei seinen tuberkulösen Patientinnen. 
In 2 / 3 seiner Fälle konnte er manchmal 1—2 Tage, manchmal aber 
auch schon 1—2 Wochen vor der Menstruation ein Ansteigen der 
Temperatur beobachten. Seltener fand er, dass die Temperatur am 
Tage der Blutung selbst mit Allgemeinerscheinungen in die Höhe 
ging. Manchmal stieg die Temperatur erst am 1.—2. Tage während 
der Menses. Gewöhnlich verlief die. Kurve treppenartig, um mit 
dem Eintritt der Blutung lytisch oder kritisch herabzusinken. Die 
Steigerung betraf sowohl die Minimal- wie die Maximaltemperatur 
und betrug 0,5—1 0 C mit der höchsten Zacke am Nachmittag. Er 
beschreibt einen sehr typischen Fall, wo mit der Heilung der Tuber¬ 
kulose die menstruellen Temperaturen verschwanden, und will in 
dem regelmässigen Auftreten von prämenstruellem Fieber nach 
seinen Erfahrungen ein wichtiges Hilfsmittel zur Diagnose der An¬ 
fangstadien einer Lungentuberkulose sehen. Jessen legt ebenfalls 
grossen Wert auf die diagnostische Bedeutung der menstruellen Tem¬ 
peratursteigerungen 3 ). Er findet, dass Steigerungen von 0,5—0,7 0 0, 

*) Berliner klin. Wochenschr. 1905. Nr. 42. 

2 ) Wiener med. Wochenschr. 1905. H. 13. 

3 ) Tuberkulose und Menstruation. Russ. K. Wratsch. Nr. 3. Zit. Deutsche 
med. Wochenschr. 1910. 

23* 


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333 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


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einer sonst normalen Temperatur, kurz vor der Periode fast nur 
bei oft ganz gering ausgesprochener Lungentuberkulose Vorkommen. 
Und damit stimmt die Ansicht von Geissler überein, der sogar 
so weit geht, dass er Temperaturerhöhungen von 0,5—1,0° C, regel¬ 
mässig vor der Periode, auch ohne weiteren objektiven Befund für 
beweisend für Lungentuberkulose hält. Vandervelde glaubt den 
Praktiker darauf aufmerksam machen zu müssen, dass subfebrile 
Temperaturen (37,3—37,5°) in der prämenstruellen Zeit für latente 
Tuberkulose sprechen 1 ). Riebold hat nun an der Hand eines 
grösseren Materials untersucht, welche Bedeutung dem prämen¬ 
struellen Fieber im allgemeinen zukommt. Er hat bei seinen Unter¬ 
suchungen nur solche Fälle verwertet, die längere Zeit vor der 
Periode unter denselben äusseren Lebensbedingungen gehalten wurden 
(Diät, Bettruhe etc.). Als Einfluss der Lungentuberkulose auf die 
Menstruation fand er in vielen Fällen Amenorrhoe, und zwar nicht 
nur in vorgeschrittenen Stadien mit Kavemenbildung, wie Freund 
annimmt, sondern auch in Fällen, wo von einer allgemeinen Schädi¬ 
gung des Körpers noch nicht die Rede ist. Auch Zickgraf fand 
in 288 Fällen 57 mal bei positiv auf Tuberkulin reagierenden Patien¬ 
tinnen Dysmenorrhoebeschwerden. Nach Eisenstein u. Hollos 2 ) 
scheinen Menstrualstörungen sehr häufig Symptom tuberkulöser In¬ 
fektion zu sein, die von latenten tuberkulösen Herden an verschie¬ 
denen Stellen des Körpers ausgehen kann. Sie meinen, auch die 
oft mit der Menstruation einhergehenden anderweitigen Erschei¬ 
nungen, wie Kopfschmerz, Schwindel, Obstipation, die oft der Chlorose 
zugeschrieben werden, sind häufig nur Zeichen einer okkulten Tuber¬ 
kulose und die Folgen der Toxine aus latenten Herden. Dagegen 
möchte ich aber bemerken, dass viele Frauen und Mädchen mit 
sicherer, oft schon ziemlich schwerer Tuberkulose sogar, regelmässige, 
beschwerdefreie Menstruation haben, und dass andererseits bei vielen 
anderen Krankheiten, nicht nur des Genitalapparates, wie z. B. 
Chlorose, Neurasthenie, Hysterie, allgemeine Ernährungsstörungen, 
Diabetes, perniziöse Anämie u. a. m., unregelmässige und schmerz¬ 
hafte Menses eine bekannte Tatsache sind. Immerhin kommen 
aber die Menstruationsanomalien, besonders die 
erhöhten, menstruellen Temperaturen, relativ 
häufiger bei der Lungentuberkulose vor als bei 
anderen Krankheiten. Krauss fand in 2 / 3 seiner Fälle 
Fieber; Riebold unter 70 Fällen, nachdem er alle Zufälligkeiten 

*) Journal de Bruxelles. Nr. 10. Zit. Deutsche med. Wochenschr. 1910. 

2 ) Zentralhl. f. Gyn. u. Geb. Nr. 44. 



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5] Über menstruelle TemperatursteigeruDgen bei Lungentuberkulose. 839 

ausgeschaltet hatte, bei 38 Patientinnen prämenstruelles Fieber, und 
zwar: 

18 mal bei Kranken im I. Stadium 
13 mal „ „ „ II. 

7 mal „ „ „ III. 

Davon kamen 14 mal nur 1 Periode zur Beobachtung, 6 mal 
2—5 Perioden mit regelmässigen Temperatursteigerungen und 18 mal 
2—4 Perioden mit nur einmaligem Fieber. Zumeist 1—3 Tage vor 
Beginn der Blutung stieg die Temperatur bis 38° oder darunter, und 
zwar: 

17 mal bei Kranken im I. Stadium 
16 mal ,, ,, ,, II. ' „ 

6 mal „ „ III. 

Steigerungen bis zu 39° sali er 11 mal, und zwar: 

5 mal bei Kranken im I. Stadium 

6 mal „ „ „ II. 

0 mal „ „ „ III. 

Fieber bis zu 40° fand sich in 6 Fällen:' 

3 mal bei Kranken im I. Stadium 

1 mal „ „ „ II. 

2 mal „ „ „ III. 

Seine* Stadieneinteilung ist ebenso, wie bei den von mir be¬ 
obachteten Fällen, nach der Türban-Gerhardt sehen (Kaiserliches Gesund¬ 
heits-Amt) Stadieneinteilung, nach der: 
zum I. Stadium 

leichte, auf kleine Bezirke eines Lappens beschränkte Erkrankungen, die 
z. B. an den Lungenspitzen bei Doppelseitigkeit des Falles nicht über 
die Schulterblattgräte oder das Schlüsselbein, bei Einseitigkeit nicht über 
die II. Rippe hinunterreichen dürfen; . 
zum II. Stadium 

leichte, weiter als I, aber höchstens auf das \ r olumen eines Lappens, 
oder schwere, höchstens auf das Volumen eines halben Lappens aus¬ 
gedehnte Erkrankungen; 
zum III. Stadium 

alle über II hinausgehenden Erkrankungen und alle mit erheblicher Höhlen¬ 
bildung 

gerechnet werden. 

Unter leichter Erkrankung 

sind zu verstehen disseminierte Herde, die sich durch leichte Dämpfung, 
unreines, rauhes, abgeschwächtes, vesikuläres, vesiko-bronchiales oder 
broncho-vesikuläres Atmen und fein- bis mittelblasiges Rasseln kund¬ 
geben. 


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340 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[6 


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Unter schwerer Erkrankung 

sind Infiltrate zu verstehen, welche an starker Dämpfung, stark ab¬ 
geschwächtem (unbestimmtem), broncho-vesikulärem bis bronchialem 

Atmen, mit und ohne Rasseln, zu erkennen sind. 

Erhebliche Höhlenbildung, 

die sich durch tympanitischcn Höhlenschall, amphorisches Atmen, aus¬ 
gebreitetes, gröberes, klingendes Rasseln usw. kennzeichnen. 

Ich habe 500 Fälle zu einer Statistik zusammengestellt, 
die alle eine sichere aktive Tuberkulose hatten. Alle reagierten positiv 
auf Tuberkulin, ein grosser Teil hatte positiven Bazillenbefund im 
Sputum. Fälle mit Krankheiten der Genitalien oder anderen Krank¬ 
heiten, die häufig mit menstruellen Temperatursteigerungen einher¬ 
gehen, habe ich nach Möglichkeit auszuschliessen versucht, be¬ 
sonders keine an Hysterie, Neurasthenie, Chlorose oder chronischen 
Verdauungsstörungen leidenden Patientinnen für meine Arbeit ver¬ 
wendet. 

Die Temperaturen sind nach zweistündlichen Eigenmessungen 
von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends Mundtemperatur ge¬ 
wonnen. 

Das Messen selbst ist ja wiederholt Gegenstand lebhafter Erörterungen 
gewesen. Nach neueren Arbeiten sollen die Harnmessungen sehr genaue Re¬ 
sultate geben. Im allgemeinen wird man aber in der Praxis bei ganz genauen 
Messungen Rektaltemperaturen nehmen, aber die damit verbundenen Schwierig¬ 
keiten und Unbequemlichkeiten, besonders bei weiblichen Patienten, lassen sich 
in einer Heilstätte nur schwer überwinden, und so verwendet man fast überall 
in Heilstätten, für die zur Kontrolle des Kurverlaufs nötigen Temperaturkurven, 
Mundmessungen. Trotz einiger dabei vorkommender Ungenauigkeiten oder Fehler 
stimmten die Messungen doch im ganzen und grossen, wie ich mich oft durch 
Ei fliegen von Dauerthermometern ins Rektum überzeugt habe; ebenso haben die 
Schwestern, die Messungen häufig kontrolliert. 

Die einzelnen Fälle waren durchschnittlich 5 Monate 
in Beobachtung; solche, die kürzere Zeit in der Anstalt waren, 
wurden nicht zur Statistik verwendet, um möglichst immer mehrere 
Perioden zum Vergleich zu haben. 

Von den 500 untersuchten Fällen gehörten an: 

dem I. Stadium 217 
„ II. „ 188 

„ in. „ 95 

im ganzen 500. 

Prämenstruelle Temperatursteigerungen fanden 
sich bei 201 Patientinnen = 40°/o. 


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Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 341 


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Davon fielen in das 

I. Stadium 101 = 46,5°/o 
II. 75 = 39,9o/o 

III. ,, 25 = 26,3o/o. 

Und zwar zeigten die 101 Fälle des I. Stadiums: 
33 mal Temperaturen bis 37,S° 


25 

19 

11 

8 

5 


„ 38,0« 

„ 38,2° 

„ 38,5» 

„ 39,00 

über 39,0° 


im ganzen 101 Fälle des I. Stadiums. 
Davon kamen zur Beobachtung: 


53 mal 3—5 Perioden 
40 „ 2 

8 1 


mit regelmässigen 
prämenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


101 . 


Die 75 Fälle des II. Stadiums zeigten: 

23 mal Temperaturen bis 37,8 0 

15 „ „ „ 38,0 0 

12 „ ., „ 38,2« 

17 „ „ ,. 38,5° 

8 „ „ „ 39,0» 

0 „ ,, über 39,0° 

im ganzen 75 Fälle. 

Davon kamen zur Beobachtung: 


52 mal 3—5 Perioden 
12 „ 2 ., 

11 „ 1 


mit regelmässigen 
prämenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


75. 


Die 25 Fälle des III. Stadiums zeigten: 

8 mal Temperaturen bis 37,8 0 

6 „ „ „ 38,00 

5 38,2 0 

4 „ „ ,, 38,5° 

1 „ „ „ 39,00 

_1„_ „ über 39,0 o 

im ganzen 25 Fälle. 


Gougle 


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342 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[8 


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Davon kamen zur Beobachtung: 


12 mal 3- 
8 „ 

5 


-5 Perioden 
2 
1 


mit regelmässigen 
prämenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


25. 


In diesen 201 Fällen trat das Fieber prämenstruell auf, 


zwar. 


56 mal am 4. Tage ante menses 
72 „ „ 3. „ 


64 

9 


2 . 

1 . 


201 . 


und 


Meine Beobachtungen stimmen also nicht ganz mit den Erfah¬ 
rungen von Krauss überein, der bei 2 / 3 seiner Fälle prämen¬ 
struelle Temperaturen fand, während ich es nur in 40°/o feststellen 
konnte. Das mag nun an der Art des untersuchten Materials liegen, 
besonders aber wohl daran, dass ich eben möglichst alle Fälle mit 
prämenstruellem Fieber, das auf irgend eine andere Ursache zurück¬ 
zuführen war, auszuschalten bemüht war. Riebold fand in 54o/o 
Temperaturerhöhung vor den Menses und ich möchte diesh Ab¬ 
weichung von meinem Resultat wohl damit erklären, dass er im 
Verhältnis zu mir nur relativ wenige Fälle untersucht hat. Seinen 
70 stehen meine 500 Fälle gegenüber. 

Wenn wir aber von den numerischen Unterschieden absehen 
wollen, finden wir also die Angaben der genannten Autoren be¬ 
stätigt, dass nämlich bei einer ziemlich hohen Prozentzahl von Fällen 
bei Lungentuberkulose prämenstruelle Temperatursteigerungan Vor¬ 
kommen. 

Wir wollen im folgenden etwas näher auf die Ursache und 
Bedeutung dieses prämenstruellen Fiebers eingehen. 

Zunächst drängt sich uns die bei allen Krankheiten, welche mit 
Fieber einhergehen, so wichtige Kardinalfrage auf: was soll man 
als die normale Temperatur ansehen? Die Ansichten 
darüber sind noch sehr geteilt; die meisten älteren Autoren geben 
mit Wunderlich an, die Achselhöhlentemperatur von 36,25° bis 
37,5° sei normal, während die neueren Forscher die Grenzen er¬ 
heblich tiefer setzen. So hält z. B. Marx eine Achselhöhlentempe¬ 
ratur von 36—37 0 für normal, Schneider dagegen Mundmessungen 
von 36—37°. Frank sieht eine Mastdarmtemperatur von 37,4° 
schon als fieberhaft an usw. Wir wollen hier auf diese Ansichten 
nicht näher eingehen, denn die Temperaturen sind zu sehr abhängig 



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9] Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 343 

von der Art wie gemessen wird, ob in Ruhe oder bei Bewegung, 
ob morgens oder abends, ob bei Männern oder Frauen usw. Dann, 
sprechen auch die Ungenauigkeiten des Thermometers mit, da die 
Reichsanstalt (P. T. R.) zwei Thermometer, die unter sich um 0,8 
Zehntel abweigen, beide als fehlerfrei bezeichnet. Allgemein kann 
man wohl nach den neuesten Arbeiten sagen, dass man jetzt darin 
übereinstimmt, dass jede Temperatur über 37,3° in der Mundhöhle 
gemessen, bei der in einer Heilstätte üblichen Lebensweise als ab¬ 
norm angesehen werden muss. Meyer hat durch 33 000 Mund¬ 
messungen und 800 im Rektum dieses bestätigt, und erklärt eine 
Aftertemperatur von 37,6° als subfebril. Gerade diese subfebrilen 
Temperaturen sind besonders in den Anfangsstadien einer Lungen¬ 
tuberkulose äusserst bedeutungsvoll. Steinberg bezeichnet sie als 
einen sehr wichtigen Fingerzeig, nicht als Symptom, sondern als oft 
einziges Symptom bei der Initialtuberkulose. Also zeigen uns die 
prämenstruellen Temperaturen, allgemein gesagt, zunächst, dass 
irgendwo im Körper eine Krankheit vorhanden ist, vielleicht eine 
Lungentuberkulose. 

Viele Autoren sehen in dem Fieber vor der Menstruation eine 
Verschlimmerung des tuberkulösen Prozesses in 
den Lungen (Krauss, Riebold, Daremberg). Auch ich 
kann für diese Ansicht Beispiele anführen, die die Richtigkeit be¬ 
stätigen. Besonders einen sehr anschaulichen Fall will ich erwähnen.' 

30 jähriges Dienstmädchen, von 150 cm Körpergrösse, 47,5 kg Gewicht 
ohne Kleider, von mässigem Knochenbau, guter. Muskulatur und genügendem 
Fettpolster. Hereditär. belastet. Mutter an Lungenphthise gestorben, eine 
Schwester lungenkrank. . Seit dem 16. Lebensjahre regelmässig alle 28 Tage 
schmerzhaft menstruiert. Im Alter von 32 Jahren kurz vor Beginn der Menses 
Hämoptoe und auch später öfter zur Zeit der Periode Blut im Auswurf. Pat. 
2 Monate beobachtet, zeigte anfangs Gewichtszunahme und Besserung des All¬ 
gemeinbefindens. Nach 3 Wochen Anstaltsaufenthalt Menstruation mit Tempe¬ 
raturerhöhung bis 37,9° und schweren subjektiven Beschwerden, die durch Bett¬ 
ruhe gebessert wurden. Die Untersuchung der Lunge nach der Menstruation 
ergab eine deutliche Verschlechterung. Während zur Zeit der Aufnahme rechts 
Verkürzung bis zur I. Rippe und links nur supraklavikulär und supraspinal 
bestand, ergab der Perkussionsbefund eine deutliche Ausdehnung des tuber¬ 
kulösen Prozesses, was durch die Auskultation bestätigt wurde. In der folgenden 
Zeit Schwächegefühl, Schlaflosigkeit und Stiche. Die nächste Periode setzte 
mit 38,1° Fieber ein, und nach Ablauf derselben war eine weitere Ausdehnung 
des Prozesses besonders links deutlich nachzuweisen. Desgleichen traten Appetit¬ 
losigkeit und vermehrter Husten und Auswurf auf. Weitere Perioden konnten 
nicht beobachtet werden. 

Der Fall bestätigt die Angaben der vorhin genannten Autoren, 
dass oft eine Tuberkulose der Lungen durch die Menstruation eine 
Verschlimmerung erfährt. 


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344 Friedrich Wilhelm Wiese. [10 

Zu erklären sind diese Erscheinungen wohl dadurch, dass zur 
Zeit der Menstruation nicht nur eine Blutzufuhr zu den Genitalien 
stattfindet sondern dass eine allgemeine Hyperämisierung 
sämtlicher Organe und eine Kongestion der Lunge eintritt. 

Nach Ansicht vieler Autoren ist die vitale Energie beim Weibe zur Zeit der 
Menses gesteigert. Die Temperatur, der Blutdruck, Puls, Muskelkraft, Wärme¬ 
strahlung und Lungenkapazität erreicht ihre grösste Höhe vor Beginn der Men¬ 
struation, um unmittelbar vor und während derselben stark abzusinken. Mit 
Vollendung der Blutung erhebt sie sich wieder zur alten Höhe. Eine Erklärung 
für diese „Welle“ ist in der Go dm an n sehen Lehre gegeben, nach der sich alle 
Lebensprozesse des Weibes periodisch abspielen. In der ersten Periode, vor den 
Menses, hat man eine Steigerung, in der zweiten, nach der Menstruation, 
eine Verminderung der Lebensprozesse. Neben der Tatsache der ver¬ 
mehrten Wärmeproduktion usw. beweisen manche Beobachtungen, dass der Stoff¬ 
wechsel zur Zeit der Menses beträchtlich gesteigert wird. So finden sich z. B. in 
der Prämenstrualzeit vermehrte und während der Menses verminderte Harnstoff¬ 
ausscheidung (Jacoby, Schräder, Luethje). Ott betont das auffallend 
blühende Aussehen mancher Frauen vor den Menses. Dementsprechend fühlen 
sich auch manche Frauen vor der Periode besonders leistungsfähig und frisch, 
wie sie selbst betonen. Allerdings sprechen hierbei sehr individuelle Ver¬ 
schiedenheiten mit. Maria Tobler hat 1020 Fälle in bezug auf die Men¬ 
struationsprozesse geprüft und findet bei 

77o/ 0 vermindertes Wohlbefinden, 

16°/o keine Beschwerden, 

7o/o erhöhte vitale Energie. 

Sie erklärt dieses „weder ursprüngliche, noch notwendige Verhalten, als Folge 
einer Degeneration im Sinne, einerseits einer verschlechterten Konstitution, 
andererseits einer unrichtigen Lebensweise“ (Monatsschr. für Gyn. Bd. XXII, 
H. 1). Wenn nun also durch die Menstruation eine so grosse Beeinflussung 
des gesamten Organismus stattfindet, so kann man auch wohl annehmen, dass 
bei der Hyperämisierung der inneren Organe, und bei dem regeren Säfteaustausch, 
auch reichlich Gelegenheit geboten wird zu einer Resorption von älteren Krank¬ 
heitsherden aus (R i e b o 1 d). 

So könnte man wohl in den meisten Fällen, besonders in denen, 
wo das Fieber nur gering ist und mit dem Verschwinden der Menses 
auch schnell wieder abklingt, die prämenstruellen Temperatursteige¬ 
rungen erklären. 

Nun kommen ja auch, wie aus der Statistik ersichtlich ist, öfter 
höhere Temperaturen vor. Das kann einmal eine Summation 
sein von den prämenstruellen Temperaturen und den Bewegungs¬ 
temperaturen, deren Bedeutung für die Lungentuberkulose Köhler 
gezeigt hat (Krauss), oder die Temperaturen werden«durch Exazer¬ 
bation von entzündlichen Herden in der Prämenstrualzeit Lervor- 
gerufen (Riebold). Das sind dann nach seiner Ansicht jene Fälle, 
in denen eine Phthise sich. verschlimmert, wo eine andere Krank¬ 
heit entsteht, z. B. Typhus, Angina usw., oder wo sich bei einer 
Tuberkulose eine Pleuritis entwickeln kann. Diese letzte Tatsache 



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11] Über menstruelle Temperatursteigerangen bei Lungentuberkulose. 845 


habe ich öfter beobachten können, im ganzen während zweier Monate 
bei 200 Menstruationen 13 mal. Ich führe einen von diesen Fällen, 
in denen sich bei der Menstruation eine Pleuritis entwickelte, an. 

23 jährige Verkäuferin von 156 cm Körpergrösse und 43,7 kg Gewicht, 
ohne Kleider, von grazilem Knochenbau, dürftiger Muskulatur und geringem 
Fettpolster. Hereditär belastet. Vater und eine Schwester an Tuberkulose ge¬ 
storben. Seit dem 15. Lebensjahre regelmässig menstruiert, stark und schmerz¬ 
haft, 6—8 Tage dauernd. Seit 3 Monaten beobachtet regelmässig vor Beginn 
der Meness, bei sonst normaler Temperatur, Fieber. Gynäkologische Unter¬ 
suchung ergab keine Erklärung für den Temperaturanstieg. Bei der dritten be¬ 
obachteten Periode wieder 3 Tage vorher 37,8 und 38°. Am 2. Tage der 
Menses plötzlich Stiche links seitlich unten. Husten und Fieber bis 39°. 
Perkussionsbefund: Verkürzung an der Stelle der Stiche; Auskultation: Starkes 
pleuritisches Reiben daselbst. Brustwickel, Bettruhe und Aspirin brachten nach 
14 Tagen völlige Genesung mit normalen Temperaturen bis 37,3. Aber auch 
die nächste Periode zeigte wieder die prämenstruelle Fieberzacke. 

Bei solchen Fällen tritt natürlich der Charakter des prämen¬ 
struellen Fiebers zurück. Denn es erreicht hierbei grössere Höhen 
als gewöhnlich und bleibt trotz Verschwinden der Menstruation be¬ 
stehen. Sonst tritt es wohl hauptsächlich bei solchen Personen auf, 
die auch sonst Neigung zu Fieber haben, und man kann dann aus 
der Höhe und Dauer des Fiebers einen Schluss machen, insofern als 
man darin den Massstab für die Krankheit hat. Natürlich ist die 
richtige Beurteilung des einzelnen Falles sehr schwierig. Man muss 
verschiedene Faktoren dabei berücksichtigen. Ganz Schwerkranke 
reagieren kaum noch mit Fieber, das man nach diesen Gesichts¬ 
punkten verwerten kann. Fettleibige zeigen oft nach ganz geringen 
Körperanstrengungen Temperaturen bis 38 °. Ebenso spricht das Alter, 
Temperament, Ernährungs- und Kräftezustand dabei sehr mit. Des¬ 
gleichen muss man die Funktionen des Verdauungsapparates berück¬ 
sichtigen. Dann muss man die Kurve selbst genau beachten. Die 
Temperaturen vor und nach der Periode, also im Intervall, ferner 
die Zacken selbst berücksichtigen, als Ausdruck der Tagesschwan¬ 
kungen. Denn es kann ja bei einem Individuum dieselbe Tempe¬ 
ratur ganz etwas anderes bedeuten als bei einem anderen. Was bei 
dem einen normal ist, kann bei dem anderen schon ganz beträcht¬ 
liches Fieber bedeuten, was bei diesem auf eine verborgene Phthise 
weist, ist bei jenem vielleicht in einer anderen Krankheit begründet. 
Bei allen diesen Erwägungen ist zu bedenken, dass Fieber und 
Temperatursteigerung an sich nicht dasselbe ist, es 
kann ohne nachweisliche Temperaturerhöhung der das Fieber charak¬ 
terisierende Eiweisszerfall bestehen und es kann umgekehrt selbst 
bei hohen Körpertemperaturen der Ernährungszustand sich auf solcher 
Höhe halten und der Allgemeinzustand ein derartig guter sein, dass 


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346 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[12 


man ein ernstes Fieber ausschalten kann (Corner). Über die pyro¬ 
genen Elemente herrscht noch einige Unklarheit. Stoffwechsel¬ 
produkte des Tuberkelbazillus, besonders Albumosen, spielen dabei 
eine wichtige Rolle, wie aus den Forschungen über die Ursache der 
Reaktionen auf Tuberkulin hervorgeht. Da nun gerade bei Lungen¬ 
tuberkulose ein typisches Missverhältnis besteht zwischen der Er¬ 
krankung selbst und dem subjektiven Befinden, so wird gerade das 
Initialstadium oft übersehen. Und insofern ist eben auch die genaue 
Beachtung der Temperatursteigerungen, besonders im Zusammenhang 
mit den Menses, von grosser Wichtigkeit. Das wärmeregulierende 
Zentrum beim Phthisiker ist eben so labil, dass es durch alles er¬ 
regt werden kann. Von dem Einfluss der Bewegungen auf die Körper¬ 
temperatur, von den psychischen Einflüssen, wie Ärger, Aufregung, 
Besuch usw., ist man allgemein überzeugt und richtet sich in der 
Behandlung der Phthisiker danach, und so sollte man auch sein 
Augenmerk auf die Temperaturen bei der Menstruation richten, wenn 
man sich nicht groben Überraschungen aussetzen will. 

Wie verhält sich nun der Einfluss dieser nervösen Dis¬ 
position, das Temperament und die Psyche überhaupt, auf den 
Temperaturverlauf bei der Menstruation? 

Wie bekannt, ist durch den Tierversuch der nervöse Einfluss 
auf das Wärmezentrum -bewiesen, z. B. hebt die Durchschneidung 
des Rückenmarks die Wärmeregulationsfähigkeit im Organismus völlig 
auf, ebenso bleibt das Fieber bei hoher Durchtrennung des Rücken¬ 
marks aus. Die verschiedensten Theorien sind von diesem Gesichts¬ 
punkt aus aufgestellt worden. So fasst Jessen z. B. das prämen¬ 
struelle Fieber als eine auf das Nervensystem wirkende Giftwirkung 
des tuberkulösen Virus auf. Er meint, dass die prämenstruellen 
Temperatursteigerungen mit erlangter Giftfestigkeit und Verbesserung 
des Nervensystems verschwinden können und bei psychisch sehr 
gesunden und phlegmatischen Frauen ganz fehle. Nach diesen Er¬ 
örterungen müssten nervöse Frauen öfter fieberhafte Menses haben 
als andere, und das kaiin ich nach meinen Beobachtungen zum Teil 
bestätigen. Besonders bei den hysterischen Personen fand ich oft 
sehr hohe, plötzlich auftretende Temperatursteigerungen, aber nicht 
nur bei der Menstruation, sondern auch sonst, so dass ich meine, 
die temperamentvolleren reagieren, wie überhaupt im allgemeinen, 
auch mit ihrem Wärmezentnim leichter als andere, ruhigere Indi¬ 
viduen. Es liegen bei ihnen auch die Durchschnittstemperaturen 
höher, elnmso die Pulsfrequenz, als bei anderen, d. h. alle Stoff- 
wechsolvorgänge sind bei ihnen gesteigert, und dadurch auch eine 
bessere Möglichkeit bei ihnen vorhanden, wie Riebold meint, aus 


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13J Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 347 


irgendwelchen im Körper vorhandenen Infektionsherden Resorptionen 
eintreten zu lassen und also prämenstruelles Fieber zu bekommen. 
Das kann wühl sein, findet aber auch eine Erklärung durch rein 
psychische Bewegungen. Denn auch ganz ruhige, phlegmatische, 
psychisch ganz normale Frauen bekommen Temperatursteigerungen 
zur Zeit der Menses. 

Vielfach ist die Frage erörtert worden, ob es denn überhaupt ein 
nervöses, sogenanntes hysterisches Fieber gibt. 

Es sind in grosser Anzahl Krankengeschichten vorhanden (z. B. 
Dippe, Arch. f. klin. Med. 64, S. 212), die nach Krehl im Sinne 
eines hysterischen Fiebers gedeutet werden können. Auch Roth 
teilt einen Fall mit, wo im Anschluss an Gemütsbewegungen Fieber 
auftrat und beschreibt ihn genau 1 ). Nach Krehl soll man immer 
Misstrauen in dieser Annahme hegen, er selbst hat nie einen Fall 
beobachtet. Auch Riebo 1 d spricht sich gegen das hysterische Fieber 
aus und ist der Ansicht, dass es ohne vorausgegangener Schädigung 
keine Reaktion gibt, und dass man in Fällen, wo man das Fieber 
als hysterisch bezeichnet hat, nur nicht, die eigentliche Ursache 
hat finden können. Die Frage ist längst noch nicht gelöst, und viele 
Autoren stehen sich mit einander widersprechenden Ansichten gegen¬ 
über. Sollte man nicht in Fällen, wo nach einer Injectio vacua bei 
Tuberkulinkuren Fieber auf trat, an ein auf nervösem Wege, durch 
Angst, Aufregung usw. zustande gekommenes Fieber.denken können ? 
Sollten nicht die psychischen Aufregungen sexueller Natur, die bei 
der Menstruation oft Vorkommen, auf nervösem Wege Fieber machen 
können ? 

Wir kommen nun zu den intramenstruellen Tempe¬ 
ra tu rsteigerungen, d. h. mit Beginn der Blutung tritt das 
Fieber auf und mit Aufhören derselben verschwindet es wieder. 
Entsprechend den normalerweise ziemlich niedrigen Temperaturen 
während der Periode sind auch die Steigerungen über 37,3° C ziem¬ 
lich selten. In der Literatur finden sich nur vereinzelte Angaben 
darüber, nur in- einigen gynäkologischen Werken findet man die 
Tatsache erwähnt, dass bei Phthisikern gelegentlich eine intramen¬ 
struelle Temperaturerhöhung statthat. Poncet gibt, wie bei 
Plantier erwähnt wird, an, dass Frauen zur Zeit der Menses mit¬ 
unter fiebern. Riebold hat einige genauere Angaben gemacht, 
aber hauptsächlich Fälle angeführt, die an einer bestimmten Allge¬ 
mein- oder Genitalerkrankung litten. D1 u s k i hat die neuesten Unter¬ 
suchungen über metfstruelles Fieber bei Lungentuberkulose veröffent¬ 
licht, darauf komme ich später noch zurück. 

l ) Zit. Deutsche med. Wochenschr. 1911. S. 1618. 


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348 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


L14 


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Meine Statistik hat wieder nur Fälle verwertet, bei denen 
die intramenstruellen Temperaturen nicht durch gynäkologische oder 
andere im Zusammenhang mit den Menses oft Erscheinungen 
machende Krankheiten erklärt werden können. 

Unter 500 Fällen konnte ich 68 mal intramenstruelles Fieber 
feststellen, also in 13,6«/o. 


Davon gehörten an: 

dem I. Stadium 22 Fälle = 10,14<>/o 

„ II. „ 29 „ = 15,40/0 

„ III. „ 17 „ = 17,9o/o. 


Davon zeigten die 22 Fälle des I. Stadiums: 

6 mal Temperaturen bis 37,8° 

6 „ „ „ 38,00 

4 „ „ „ 38,2« 

5 „ „ „ 38,5 o 

1 „ „ „ 39,00 

0 „ „ über 39,0° 


22 . 


Davon kamen zur Beobachtung: 


8 mal 3i —5 Perioden 
8 „ 2 „ 

6 „ 1 

22 . 


mit regelmässigen 
intramenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


II. Stadiums: 


9 mal Temperaturen bis 37,8° 

7 „ „ „ 38,0» 

5 „ „ „ 38,20 

4 „ „ „ 38,5^ 

3 „ „ „ 39,0» 

1 „ „ über 39,0° 


29. 


Davon kamen zur Beobachtung: 


6 mal 3—5 Perioden 

7 „ 2 „• 

16 „ 1 

29. 


mit regelmässigen 
intramenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


Gck igle 


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15] Ober menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 349 


III. Stadiums: 


8 mal Temperaturen bis 37,8 0 

4 „ „ „ 38,00 

3 „ „ „ 38,2» 

1 „ „ „ 38,5 0 

0 „ „ „ 39,0 0 

1 „ „ über 39,0° 


17. 


Davon kamen zur Beobachtung: 


4 mal 3—5 Perioden 

5 „ 2 „ 

8 „ 1 


mit regelmässigen 
intramenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 


17. 


In diesen 


68 Fällen begann der Temperaturanstieg 
40 mal am 1. Tage der Menstruation 


23 „ „ 2. 

3 ,, „ 3. 

1 „ „ 4. 

1 j) n 3. 

68 . 


yy 

yy 


yy 

yy 

yy 

yy 


yy 

yy 

yy 

yy 


Wir haben also in 13,6°/o TemperaturSteigerungen 
während der Menses, und im Hinblick auf die sonst in dieser 
Zeit meist geringen Temperaturen mitunter recht beträchtliches Fieber. 
Aber auch die geringeren subfebrilen Werte müssen wir nach Rie- 
b o 1 d s Untersuchungen,' der genaue Messungen an gesunden und 
kranken Menstruierenden vorgenommen hat, als pathologisch be¬ 
zeichnen. 

Dieses Fieber kann nach R i e b o 1 d vielleicht dadurch zustande kommen, 
dass während der Menses die inneren Genitalien eine Quelle für Intoxikationen 
und unter gewissen Umständen auch für wirkliche Infektionen abgeben können. 
Sicher ist ja das menstruelle Blut ein sehr geeigneter Nährboden für alle mög¬ 
lichen Keimstoffe, die durch ihre Tätigkeit toxisches Material schaffen, das im 
Körper resorbiert werden kann. Eine Allgemeinintoxikation ist ja auch insofern 
dankbar, als die Uterusschleimhaut als Eintrittspforte für alle möglichen Bak¬ 
terien sehr geeignet ist. 

Es kämen da zweierlei Arten in Betracht. Einmal die immer in der Vagina 
oder an den äusseren Genitalien vorhandene Bazillenflora, andererseits die von 
aussen eindringenden infektiösen Keime. Im allgemeinen gehen ja solche Keime 
schnell zugrunde, oder richten keinen Schaden an, da sie keine geeignete 
Eintrittspforte finden, bisweilen machen sie aber schwere Erscheinungen, ich 
erinnere an die schweren Infektionen im Wochenbett. So sind auch die Ver¬ 
hältnisse zur Menstruationszeit wesentlich anders als sonst. Denn erstens können 


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350 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[16 


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die Keime direkt ins Menstruationsblut gelangen und so auf hämatogenem Wege 
weiter verschleppt werden, zweitens bildet die anatomisch veränderte, kon- 
gestionierto Uterusschleimhaut eine sehr geeignete Eingangspforte. Darüber stehen 
sich die verschiedensten Ansichten gegenüber, die Frage bedarf noch eingehender 
Untersuchungen. 

Das intramenstruelle Fieber kann in den verschiedensten Formen 
auftreten; von den leichtesten Temperatursteigerungen, die oft nur 
1—2 Tage dauern, an; bis zu den schwersten Fieberformen, die aller¬ 
dings selten sind. Die subfebrilen Temperaturen machen wohl kaum 
subjektive Beschwerden und werden wohl nur in Krankenhäusern 
und Sanatorien bei genauen Temperaturmessungen bemerkt. Stärkeres 
Fieber dagegen nimmt die Aufmerksamkeit auch des praktischen 
Arztes in Anspruch. Es kann sich mehrere Tage halten und über¬ 
dauert oft die Menstruation, entweder als Kontinua mit lytischem Ab¬ 
fall, oder von Anfang an mit stärkeren Remissionen. Als subjektive 
Symptome werden meist grosse Mattigkeit, Kopfschmerz, Übelkeit, 
Appetitmangel, Kreuz- und Gliederschmerzen angegeben. Auch ob¬ 
jektiv bieten die Kranken oft das Bild einer Schwerkranken. Rie- 
bold hat sogar in einigen Fällen Milzvergrösserung nachgewiesen 
und betont, „die Kranken machen einen ausgesprochen septischen 
Eindruck“. Ich selbst habe nur wenige solche schweren Fälle von 
Menstrualfieber beobachtet, einen von diesen will ich wegen seiner 
typischen Form hier anführen. 

24 jährige Wärterin, von einer Körpergrösse von 149 cm, Gewicht 47,3 kg, 
ohne Kleider, genügendem Fettpolster, mittlerem Knochenbau und guter Musku¬ 
latur. Hereditär nicht belastet. Lungenbefund rechts I, links II = II. Keine 
Komplikationen. Seit dem 15. Lebensjahre regelmässig, stark und schmerzhaft 
menstruiert. Eintreten der Menses nach 3 wöchentlichem Anstaltsaufenthalt, der 
fieberfrei war. Temperaturanstieg am Tage des Einsetzens der Blutung von 
36,8° auf 37,9°. Gefühl von Schwäche und Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, 
Frösteln, Appetitlosigkeit, Zyanose, Gliederschmerzen. Starke Schweisssekretion, 
Puls 120, typischer Fieberpuls. Pyramidon bessert den Zustand, die Tempe¬ 
ratur sinkt, steigt aber bis 39°, als das Mittel nicht mehr wirkt. Symptomatische 
Behandlung bessert das Befinden. Nach Ablauf der Menstruation lytischer 
Temperaturabfall ohne Medikamente, am 3. Tage nach Aufhören der Blutung 
Temperatur normal, Allgemeinbefinden „ganz gut“, aber noch matt. Bei der 
nachträglichen Untersuchung ergab sich rechts vermehrter Befund. 

Nun kommen auch Fälle vor, die ganz normale Tempe¬ 
raturen vor und während der Periode haben, die aber regel¬ 
mässig oder wenigstens häufiger nach den Menses, sofort mit 
Aufhören der Blutung Temperatur Steigerungen bekamen. 
Jedoch ist diese sichere Tatsache relativ selten, ich konnte sie unter 
500 Fällen mit Sicherheit, d. h. ohne eine Erklärung in anderen Krank¬ 
heiten zu finden, nur 12 mal feststellen, d. h. in 2,4°/o. 



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17] Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 351 


Davon gehörten an: 

dem I. Stadium 6 Fälle = 2,7% 

„ II. „ 4 „ = 2,lo/o 

,, III. ,, 2 „ — 2,1%. 

Davon zeigten die Fälle des I. Stadiums: 

2 mal Temperaturen bis 37,8° 

1 „ „ 38,00 

1 „ „ „ 38,2 0 

1 „ „ „ 38,5° 

0 , f „ „ 39,0 0 

1 „ „ über 39,0° 

6 . 

Davon kamen zur Beobachtung: 

Omal 3—5 Perioden j mit regelmässigen 

2 ,, 2 „ > postmenstruellen Temperatur- 

4 „ 1 „ j Steigerungen 

6 . 

II. Stadiums: 

2 mal Temperaturen bis 37,8° 

2 „ „ „ 38,2 0 

4. 

Davon kamen zur Beobachtung: 

1 mal 3—5 Perioden 

0 „ 2 

3 „ 1 

4. 

III. Stadiums: 

1 mal Temperaturen bis 37,8 0 
1 ,, ,, ,, 38,5 0 

2 . 

Davon kamen zur Beobachtung: 

2 mal 1 Periode mit postmenstruellen Temperatursteigerungen. 

In diesen 12 Fällen begann der Temperaturanstieg: 

5 mal am 1. Tage nach der Menstruation 


5 „ 

9 

11 **• 11 11 11 

,, 


1 

Q 

11 11 11 ii 

? ? 


1 „ 
12. 

4 

11 11 11 11 

11 


Beiträge zur Klinik der Tuberkoloso. Bd. XXVI. H. 4. 


24 


mit regelmässigen 
postmenstruellen Temperatur¬ 
steigerungen 



Original fro-m 

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352 Friedrich Wilhelm Wiese. [18 

Aus dieser Zusammenstellung ist schon ersichtlich, wie wenig 
regelmässig die postmenstruellen T emperaturs teige- 
rungen sind, wie wenig Typisches und Charakteristisches sie bieten. 
Die Erscheinungen, die sie machen, sind nicht besonders bemerkens¬ 
wert, da sie ja fast immer nur subfebrile Werte haben. Jedoch wird 
von einigen Autoren das Auftreten von Fieber nach der Menstruation 
als prognostisch ungünstig bezeichnet (Turban, Morland), worauf 
ich später noch einzugehen habe. Eine Erklärung für diese Tempe¬ 
raturen ist schwer zu geben. Vielleicht spielt hier das psychische 
Element eine besondere Rolle, die nach der Periode gesteigerte Libido 
sexualis. Die Menstruation, die Erscheinung im Leben der geschlechts- 
reifen Frau, hat grosse Bedeutung durch die mit ihr verbundenen 
psychischen Veränderungen, für das Seelenleben des Weibes. Der 
Geschlechtstrieb ist kurz vor und nach der Periode meist erhöht, 
während der Menses selbst kommt es sehr häufig, nach Maria 
To bl er in 50°/o, zu ausgesprochenen Aufregungzuständen einer¬ 
seits und Depressionszuständen andererseits. Beide Formen können 
eine Veränderung der Lebensfreude, der Arbeitslust und der ganzen 
geistigen Veranlagung herbeiführen’ ja selbst schwere Psychosen 
hervorrufen. Sicher besteht He gar s Ansicht zu Recht, dass die 
Menstruation einen guten Prüfstein für die psychische Gesundheit 
einer Frau gibt. Je gesünder sie ist, desto, geringer sind die Ver¬ 
änderungen, denen die Psyche durch den Menstruationsprozess unter¬ 
worfen ist, 'und je kränker, um so grösser. Nun ist ja, wie wir schon 
früher ausführten, das Wärmezentrum bejm Phthisiker besonders 
labil. Schon geringe Aufregungen können Temperatursteigerungen 
hervorrufen, also auch wohl die mit der Menstruation bei vielen 
Frauen verbundenen psychischen Veränderungen, besonders auf 
sexuellem Gebiet. Und dies um so mehr, da wir doch beim Phthisiker 
immerhin zuweilen einen ins Krankhafte gesteigerten Geschlechts- 
triob haben. Statistische Arbeiten der neueren Zeit besagen zwar, 
dass die Libido um so schwächer wird, je mehr die Krankheit vor¬ 
schreitet, alte Erfahrungen dagegen sprechen dafür, dass bei vielen 
Phthisikern selbst in den späteren Stadien eine Libido vorhanden 
ist, die nicht als normal angesehen werden kann. Ich meine also, 
dass wir diese psychischen Momente bei allen Temperatur¬ 
steigerungen im Zusammenhänge mit den Menses, nicht nur bei den 
postmenstruellen berücksichtigen müssen. 

Eine andere Erklärung wäre vielleicht auch durch die Theorie von der 
veränderten vitalen Energie gegeben. Wie wir bei den prämenstruellen Tempe- 
ratursteicrerungen gesehen haben, wird von den meisten Autoren eine Steige¬ 
rung der Lebensprozesse vor dem Eintritt der Blutung angenommen. Im Gegen- 



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19] Ober menstruelle Temperatursteigerungeil bei Lungentuberkulose. 353 

satz dazu stehen andere. So hat z. B. B o s s i für die Muskelkraft nachgewiesen, 
dass sie vor Eintritt der Periode ein Minimum aufweist und sich während oder 
kurz nach der Menstruation zu einem Maximum erhebt. Er schliesst daraus, 
dass durch die Menstruation schädliche Stoffe ausgeschieden werden, die dann 
die vitale Energie sich zur vollen Wirkung entwickeln lassen. Er nähert sich 
hierin also den alten hippokratischen Ansichten, die in der Menstruation einen 
Reinigungsprozess sahen. So könnte man also annehmen, dass diese gesteigerte 
Energie der gesamten Lebensprozesse auch mit einer Temperaturerhöhung einher¬ 
gehen. Oder aber, es ist während der Menses zur Infektion gekommen, oder 
alte Herde sind exazerbiert und machen intra- und postmenstruelles Fieber. 

Wie wir gesehen haben, kann die Menstruation oft einen un¬ 
günstigen Einfluss auf den Verlauf einer Lungentuberkulose aus¬ 
üben Und zu Fieber führen. Bisweilen aber, wenn auch nicht allzuoft, 
kommt es vor, dass die Menses eine Entfieberung und da- 
mitBesserungherbeif ühren. Entsprechend der Temperatur- 
erniedrigung während der Periode bei der gesunden Frau, was nach 
Heinis Untersuchungen festgestellt ist, kann auch eine vorher er¬ 
höhte Temperatur zur Norm sinken. Es sind dies vielleicht die Fälle, 
in denen sich die Frauen während der Menses gesünder und arbeits¬ 
freudiger fühlen als in der übrigen Zeit, was nicht nur für gesunde, 
sondern auch notorisch kranke Frauen gilt. Nach Guthberg, 
G. Welch „Einfluss der Menstruation auf die Temperatur'bei 
Phthise“ x ) findet eine Temperaturerniedrigung statt: 

in den Anfangsstadien bei 75%, 
in mittelschweren Fällen bei 40%, 
in schweren Fällen bei 14,2%. 

Dabei ist aber nur'ein Temperaturabfall gegen die 
früheren Körpertemperaturen gemeint. Ich möchte aber 
auf die interessante Tatsache hinweisen, dass ich bei 11,6% intra¬ 
menstruellen Temperaturabfall feststellen konnte in dem Sinne, 
dass Kranke, die vorher febrile oder subfebrile Tem¬ 
peraturen aufwiesen, durch die Menses fieberfrei 
wurden und dann in der weiteren Zeit norma 1 e Tem¬ 
peraturen behielten. 

Im ganzen konnte ich dies bei 58 Fällen feststellen = 11,6% 
bei 500 Untersuchten. 

Davon gehörten an: 

dem I. Stadium 26 Fälle = 11,9% 

„ II. * „ 22 „ = 11,7% 

„ III. „10 „ = 10,5%. 

*) Lancet. 5. III. 1910. Zit. Deutsche med. Wochenschr. 1910. 

24 * 


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354 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[20 


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Davon zeigten die Fälle des I. Stadiums: 

10 mal Temperaturabfall von 37,8—36,8 
6 „ 


4 

4 

2 


38,0—37,0 

38,2—37,0 

38,5—37,2 

39,0—37,3 


26. 


o 

o 

0 

0 

0 


Davon kamen zur Beobachtung: 


Omal 3- 
3 „ 

23 


-5 Perioden 
2 
1 


mit regelmässigem 
intramenstruellem Temperatur¬ 
abfall 


26. 


II. Stadiums: 

8 mal Temperaturabfall 



22 . 


von 


>> 


37,8—36,8 0 
38,0—37,0° 
38,2—37,0° 
38.5—37,2 0 
39,0—37,3° 


Davon kamen zur Beobachtung: 

22 mal je eine Periode. 

III. Stadiums: 

2 mal Temperaturabfall von 37,8—36,8° 
4 „ „ „ * 38,0—37,0° 

4 „ „ „ 38,5-37,2° 

10 . 


Davon kamen zur Beobachtung: 

10 mal je eine Periode. 

Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dass es sich meist 
nur einmal bei der betreffenden Kranken feststellen liess, dass die 
Menstruation den Fieberverlauf günstig beeinflusste, bei vielen eben 
deshalb, dass die Temperatur auch ferner normal blieb. 

Gewiss kann man einwenden, dass es eine Folgerung ist „post hoc, 
ergo propter hoc!“, dass bei diesen Fällen vielleicht auch ohne Men¬ 
struation, vielleicht als Wirkung der Kur, Bettruhe etc. die Entfiebe¬ 
rung eingetreten ist. Aber ich meine, es lässt sich auch ungekünstelt 
eine wissenschaftliche Begründung für diesen Temperaturabfall finden, 
nämlich darin, dass die allgemeine Hyperämisierung der Organe, be¬ 
sonders die pulmonale Kongestion der Lunge bei dem Menstruations- 



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21] Über menstruelle TemperAtursteigerungen bei Lungentuberkulose. 355 


prozess sehr wohl mitsprechen könnte. Die prinzipielle Bedeutung 
der Liegekur liegt doch auch darin, durch möglichste Tieflagerung 
der Lungen eine bessere Durchblutung, also eine günstigere Ernäh¬ 
rung usw. der Atmuiigsorgane herbeizuführen. Wenn nun.durch den 
physiologischen Vorgang der Menstruation eine solche vermehrte 
Blutzufuhr zu den Lungen geschaffen wird, so kann damit doch auch 
die Möglichkeit vorhanden sein, den tuberkulösen Prozess günstig 
zu beeinflussen, also auch eine Entfieberung herbeizuführen und 
die Toxine der Bakterien in ihrer Wirkung zu schwächen oder wo¬ 
möglich gar unschädlich zu machen. Es sprechen dann die Phago¬ 
zytose und die verschiedenen Arten der Antitoxinbildung mit, und 
es ist doch wahrscheinlich, sicher aber möglich, dass bei einer be¬ 
sonders guten Blutversorgung auch die im Körper, in der Zelle vor¬ 
handenen Schutzstoffe reichlicher und also wirksamer sind. In der 
Literatur ist darüber wenig zu finden und es bedarf noch vieler Unter¬ 
suchungen, um diese Präge zu lösen, immerhin ist es doch für die 
Beurteilung manchen Falles wichtig, an die Möglichkeit einer Ent¬ 
fieberung durch die Menses wenigstens zu denken. Nach Dluski 
spricht dabei vielleicht eine antagonistische Wirkung des Ovarial- 
sekrets gegen die vom Tuberkelbazillus gebildeten Toxine, analog wie 
bei Mischinfektionen eine Art Bakterienkrieg ist, was von Kolle 
und Hetsch zwar bezweifelt, von Sata aber durch Tierversuche 
bestätigt ist. 

Zur besseren Übersicht über die Durchschnittstemperaturen bei 
normalem Menstruationsverlauf, d. h. weder vor, noch während, noch 
nach der Periode, Temperaturen von über 37,3° führe ich folgende 
Zusammenstellung an: 

Von 500 untersuchten Fällen zeigten sich bei 161 = 32,2<yo‘ 
normale Temperatur. 

Davon gehörten an: 

dem I. Stadium 62 Fälle = 28,6<>/o 

„ II. „ 58 „ — 30,8o/o 

„ m. „ 41 „ = 43,20/0. 

Davon zeigten die Fälle des I. Stadiums: 

12 mal Temperaturen von durchschnittlich 36,8° 

12 „ „ „ „ 36,9« 

4 „ „ „ „ 37,0 0 

20 „ „ „ „ 37,10 

9 v » >> >> 37,20 

5. „ „ „ „ 37,3 0 

62. 



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356 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


122 


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mit regelmässigen 
normalen Temperaturen 


Davon kamen zur Beobachtung: 

43 mal 3—5 Perioden 
12 ,, 2 ,, 

7 „ 1 

II. Stadiums: 

12 mal Temperaturen von durchschnittlich 36,8° 

14 „ „ „ „ 36,9° 

20 „ „ „ „ 37,00 

9 Q7 1 0 

" » y> 

7 „ „ „ „ 37,2° 

37,2° 




mit regelmässigen 
normalen Temperaturen 


58. 

Davon kamen zur Beobachtung: 

45 mal 3—5 Perioden 
12 „ 2 „ 

1 „ 1 

III. Stadiums: 

2 mal Temperaturen von durchschnittlich 36,8 0 
18 „ „ „ „ 36,9 0 

17 „ „ „ „ 37,0° 

2 „ „ „ „ 37,10 

1 „ „ „ „ 37,20 

1 „ „ „ „ 37,3 0 


41. 

Davon kamen zur Beobachtung: 
22 mal 3—5 Perioden 
13. „ 2 

6 „ 1 


mit regelmässigen 
normalen Temperaturen. 


Zusammenfassung. 

500 untersuchte Fälle: 

prämenstruelle Temperatursteigerung in 46,54% 
intramenstruelle „ „ 10,14% 

, 2,77o/o 

, 11,99% 
, 28,57% 


.2 f postmenstruelle 

1 

Cd 


intramenstrueller Temperaturabfall 
normaler 


Ga- gle 


Original frnm 

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23J 


Über menstruelle Temperatarsteigeiungen bei Lungentuberkulose. 


357 


S 

"3 

£ 

cn 


prämenstruelle Temperatursteigerung in 39,89% 

intramenstruelle ,, ,, 15,43% 

postmenstruelle ,, „ 2,12% 

intramenstrueller Temperaturabfall „ 11,76% 

normaler „ „ 30,86% 



prämenstruelle Temperatursteigerung 
intramenstruelle „ 

• postmenstruelle „ 

intramenstrueller Temperaturabfall 
normaler ,, 


in 26,32o/o 
„ 17,89% 

„ 2 , 11 % 

„ 10,55% ’ 
,, 43,15% 


Im ganzen fanden sich unter 500 Fällen: 

prämenstruelle Temperatursteigerung in 40,2o/ 0 


intramenstruelle „ „ 13,6o/o 

postmenstruelle „ „ 2,4o/ 0 

intramenstrueller Temperaturabfall ,, ll,6o/o 

normaler „ „ 32,2o/ 0 . 


Ergebnis: 67,8% veränderte ) Temperaturen 
32,2% normale ) bei Menstruation. 


Hängen nun diese Temperaturveränderungen mit 
dem eigentlichen Menstruationsprozess zusammen, 
oder haben sie ihren Grund in dem der Menstruation 
zugrunde liegenden Prozess der Ovulation? Schon 
R i e b o 1 d hat diese Frage aufgestellt und ich sehe mich veranlasst, 
dieser Frage näher zu treten durch zwei von mir beobachtete Fälle 
von regelmässig alle vier Wochen auf treten den Temperatursteige- 
rungen ohne Menstrualblutung bei geschlechtsreifen Frauen. 

Da handelt es sich zunächst um die Frage des Zusammenhanges 
zwischen Ovulation und Menstruation. Darüber ist viel ge¬ 
stritten Worden und viele interessante Theorien stehen sich einander gegenüber. 
Ich möchte hier nur ganz kurz auf die Pflüger sehe Theorie eingehen. 
Dieser Autor nimmt an, dass die Ovulation, d. h. die Berstung des Graaf sehen 
Follikels, die Menstruation auslöse und zwar auf nervösem Wege. Der Druck 
des wachsenden Follikels übt einen Reiz auf die Nerven aus und regt dann 
reflektorisch eine Blutzufuhr zu den Genitalien an. Demgegenüber stehen die 
Forschungen von Knauer. Seine neueste und auch wohl am sichersten be¬ 
gründete Theorie, will den nervösen Einfluss nicht anerkennen, sondern sieht 
vielmehr den Menstruationsprozess als eine Folge der inneren Sekretion der 
Ovarien, also als eine zur Zeit der Follikelreifung freiwerdende Hormonwirkung 
an. Bestätigt wird diese Theorie durch seine Tierversuche. Er machte bei 
Kaninchen freie Transplantationen von Ovarien, wo also alle Nervenbahnen ab¬ 
geschnitten waren, die nach Pflüger reflektorisch die Blutzufuhr bewirken 


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358 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[24 


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sollten, und bekam doch den Menstruationsvorgang. Seine Resultate sind von 
Grigorieff und Rubinstein bestätigt worden. 

Auf diese Fragen näher einzugehen ist hier nicht der Platz. Sicher darf 
man wohl heute einen Zusammenhang zwischen Ovulation und Menstruation an¬ 
nehmen, was schon aus der Tatsache hervorgeht, dass, von wenigen Ausnahmen 
abgesehen, die Ovulation nur in dem Lebensalter vor sich geht, in dem auch 
am Uterus die Erscheinungen der Menstruation auftreten, und dass in den 
Epochen der Geschlechtsreife, in denen es zu einem Sistieren der Menses 
kommt, also in der Schwangerschaft und während der Laktation, auch die 
Ovulation ausbleibt. Schliesslich noch der Umstand, dass nach operativer Ent¬ 
fernung der Ovarien auch keine Menstruation mehr auftritt. 

Noch unentschieden dagegen ist die Frage des zeitlichen Zusammenhanges 
zwischen Ovulation und Menstruation. Die Mehrzahl der Autoren neigt der 
Ansicht zu, dass beide Vorgänge zeitlich zusammenfallen (Chrobak, 
Frankel), nach anderen aber treten grosse zeitliche Schwankungen ein. Nach 
den neuesten Untersuchungen von Leopold und R a v a n o (Arch. f. Gyn. 
Bd. 83, H. 3) ist das Zusammentreffen nicht gleichzeitig, sondern in 1 / s aller 
Fälle zeitlich verschieden. 

Die Ovulation erfolgt nach Leopolds Ansicht bisweilen in einem 
periodischen Zyklus, bisweilen geschieht sie sprungweise, so dass sich daraus 
ergibt, dass eine Konzeption zu jeder Zeit stattfinden kann. Zu ähnlichen Re¬ 
sultaten kam Arnold, der unter 54 Fällen 34 mal ein zeitliches Zusammen¬ 
treffen nachweisen konnte, während T a i t dies nur in 1 / 9 seiner untersuchten 
Fälle feststellen konnte. Schliesslich gibt es einige Autoren, die einen zeit¬ 
lichen Zusammenhang beider Vorgänge überhaupt in Abrede stellen (B e i g e 1, 
Slavjansky, Wyder, Schauta, Bischoff). Wie dem aber auch 
sei, wir können an dem durch Pflügers Untersuchungen bestätigten und 
von Gebhard aufgestellten Satze festhalten: „Das Ovarium ist als das 
dominierende Organ anzusehen, an dessen Entwickelung und Funktion die Ent¬ 
wickelung und Funktion des Uterus gebunden ist.“ 

Wenn wir dies min zur Erklärung der menstruellen Temperatur¬ 
steigerungen bei Lungentuberkulose heranziehen, so ergibt sich daraus 
verschiedenes. 

G a 11 i sagt, die Ovarialfunktion führt durch Anregung des Stoff¬ 
wechsels zu menstruellen Temperatursteigerungein, die sich bei Tuber¬ 
kulösen beobachten lassen x ), danach müsste also eher von „ovariellen“ 
statt „menstruellen“ Temperaturen gesprochen werden, was schon 
Riebold betonte. Man könnte also da sagen, die Temperatursteige¬ 
rungen haben nichts mit der Menstruation zu tun, sondern hängen 
nur von den Ovarien ab; und durch den durch Hormone vermehrten 
Stoffwechselumsatz wird die Resorption von Krankheitsherden oder 
ein Aufflackem solcher alten Herde bedingt. Nun ergeben die Unter¬ 
suchungen von Rosthorn, dass die Follikelberstung vor dem Be¬ 
ginn der Uterüsblutung stattfindet, und so wäre also unsere Bezeich¬ 
nung prämenstruelles Fieber auf diese Fälle anzuwenden, wo die 

M Zit. Deutsche mcd. Wochcnschr. 1908. S. 78. 



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25] Über menstruelle Temperatursteigeningen bei Lungentuberkulose. 359 


Follikelberstung kurz vor der Menstruation auftritt. Nun ist aber 
sichergestellt, dass es auch eine Ovulation ohne Menstruation gibt, 
z. B. durch Konzeption bei Amenorrhoischen, oder eine Ovulation 
nach Totalexstirpation des Uterus. Damit könnten dann bei Tuber¬ 
kulösen Temperatursteigerungen einhergehen und wir hätten so eine 
Erklärung für die Fälle, wo regelmässig statt der erwarteten Men¬ 
struation eine Temperaturerhöhung auftrat, die nach 5—6 Tagen 
schwand ; aber die Blutung blieb aus. Dass ich diese Beobachtung 
nur so selten machte, möchte ich mit Veit dahin erklären, das9 
eben bei Phthisikern die Amenorrhoe meist auf einer Dystrophie 
des gesamten Genitalapparats zurückzuführen ist, dass es sich also 
bei Ausbleiben der Blutung nicht um eine mangelhafte Uterus¬ 
funktion, sondern um ein Versagen der Ovarialfunktion handelt. 
Wenn wir also annehmen wollen, dass die menstruellen Temperatur¬ 
steigerungen durch die Ovarialfunktion hervorgerufen werden, und 
das vorhin erwähnte Schwanken des seitlichen Zusammenhanges 
zwischen Menstruation und Ovulation berücksichtigen, so haben- wir 
auch eine Erklärung für das verschiedene Auftreten der Tempe¬ 
raturen. In den meisten Fällen treten ja die Temperaturen, ent¬ 
sprechend der Ansicht derjenigen Forscher, die eine Follikelberstung 
kurz vor Eintritt der Blutung annehmen, als prämenstruelle Tempe¬ 
raturen auf. Aber wir sahen auch intra und post, menses Temperatur¬ 
steigerungen und das wären dann also diejenigen Fälle, wo die 
Follikelberstung eben nicht früher als die Blutung stattfand, sondern 
entweder mit ihr zusammenfiel (intramenstruelle Temperatursteige¬ 
rungen) oder erst nach der Blutung erfolgte (postmenstruelle Tempe¬ 
raturen). Gewiss wird diese Erklärung nicht auf alle Fälle passen; 
entsprechend der Verschiedenartigkeit des Fiebers und der Men¬ 
struation bei Lungentuberkulose überhaupt werden wir noch andere 
Faktoren berücksichtigen müssen. Über die Art der Men¬ 
struation bei Phthisikern ist im allgemeinen folgendes zu 
sagen. 

In den Anfangsstadien kaum von der Norm abweichend, ausser 
Temperaturerhöhungen in einigen Fällen, machen sich später mit 
Fortschreiten der Lungentuberkulose bei grösserem Kräfteverfall und 
schlechtem Ernährungszustand erst spärliche Blutungen bemerkbar,, 
die schliesslich einer Amenorrhoe Platz machen. Nach He gar ist 
der Verlauf sehr verschieden, wie eben auch der Verlauf der Lungen¬ 
tuberkulose sehr wechselnd sein kann. Fast regelmässig aller ist 
die Menstruation schmerzhaft und von der Norm abweichend, mal 
profus, mal spärlich, langdauernd oder kurz. Oft ist die Blutung 
so spärlich, dass beosnders bei jugendlichen Individuen berechtigter 


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360 Friedrich Wilhelm Wiese. [26 

Zweifel entsteht, ob Chlorose oder eine ganz verborgene Lungen¬ 
tuberkulose Ursache ist, jedoch sind nach Scholawsky die Men¬ 
struationsstörungen im Beginn der Tuberkulose meist geringer als 
bei Chlorose. Nun muss man ja bei dem Menstruationsfieber, ebenso 
wie bei jedem anderen Fieber bei Infektionskrankheiten berück¬ 
sichtigen, dass die gleiche Infektionskrankheit in der gleichen Epi¬ 
demie bei Menschen verschiedenen Alters, sowie verschiedenen Kräfte- 
und Ernährungszustands sehr wechselnde Fieberhiöhen erzeugt 
(Krehl). Kinder Und kräftige Leute bekommen unter sonst gleichen 
Verhältnissen höheres Fieber als alte und geschwächte Personen. 
Wir finden oft bei den schwersten Fällen von Phthise ganz normale 
Temperaturen bei Menses, oder doch relativ geringe Steigerungen 
zum Lungenbefund und ganzen Krankheitsbild. So können wir also 
aus dem Menstrualfieber an sich keinen Schluss auf den Grad der 
Krankheit machen. Während bei der gesunden Frau die vitale Energie 
zur Zeit der Menstruation gesteigert wird und also der Organismus 
gegen Infektionen eine besonders grosse Widerstandskraft hat, haben 
wir gesehen, dass eine Lungentuberkulose oft nachteilig durch die 
Menstruation beeinflusst wird, was besonders Saugmann betont 
und was sich nach Daremberg in einem Fortschreiten des tuber¬ 
kulösen • Prozesses äussert, namentlich wenn die Menses trotz un¬ 
gehinderten Abflusses schwach gewesen sind. Riebold sagt nach 
seinen Erfahrungen „wir haben kaum je bei Gesunden in der Prä- 
menstrualzeit Infektionskrankheiten entstehen sehen“. Daraus lässt 
sich also der Rückschluss machen, dass in den Fällen, wo sich bei 
der Menstruation eine Krankheit, z. B. Pleuritis oder Bronchitis, 
entwickelt, wie ich es mehrfach beobachten konnte, tuberkulöse Pro¬ 
zesse sekundärer Art diese Erscheinungen hervorrufen und man 
kann dann oft hinterher, wenn man vorher nicht recht darauf ge¬ 
achtet hat, mit Sicherheit den tuberkulösen Herd in den Lungen 
feststellen. Nach einigen Untersuchungen ist sichergestellt, dass in 
der grossen Influenzaepidemie 1905—1906 fast niemals Erkrankungen 
£ur Zeit der Menses auf traten. Man muss sich aber dabei hüten, 
eine vorzeitige durch Fieber ausgelöste Uterusblutung für die Men¬ 
struation zu halten. Meyer 1 ) weist darauf hin, dass Influenza 
eine Uterusblutung hervorrufen kann, ebenso sagt Curschmann, 
dass beim Typhus abdominalis die Menstruation oft in den ersten 
Krankheitstagen auf tritt, und zwar früher als dem Termin in ge¬ 
sunden Tagen entspricht. Desgleichen konnte Riebold diese Er¬ 
fahrung bei Scharlach, akutem Gelenkrheumatismus und hoch¬ 
fiebernden Anginen machen. Ob die Menstruation verfrüht aufge- 
r ) Dissertation Strassburg 1890. Zit. bei Freund. 


Gck igle 


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27] Über menstruelle Temper Atursteigerungen bei Lungentuberkulose. 361 

treten ist oder nicht, lässt sich nicht immer leicht entscheiden, denn 
die Angaben der Patientinnen sind mitunter recht ungenau. Man 
hat ja noch andere Möglichkeiten, den Termin zu bestimmen als die 
Anamnese, aber bei intelligenten und besseren Frauen genügen meist 
die persönlichen Angaben. Sonst hat Riebold 1 ) darüber genauere 
Angaben gemacht, dass nämlich die Menstruation um so viele Tage 
verspätet erscheint, als die vorangegangene verfrüht war. Desgleichen 
verweise ich auf die Arbeiten von Fliess 2 ). Ob es sich dabei aber 
um ein regelmässiges Symptom oder nur um ein häüfiges Vorkommnis 
handelt, diese Frage lässt Riebold offen. Ich selbst konnte darüber 
an meinem Material keine eigenen Beobachtungen machen. Jedoch 
konnte ich ‘öfter- die Tatsache feststellen, dass psychische Momente, 
wie Schreck, Schmerzen, Angst oder Aufregung oder auch mecha¬ 
nische Momente, wie Anstrengungen etc., die Menstruation früher 
als erwartet auf treten liessen. 

Aus all dem Angeführten geht hervor, dass die 
MenstruationbeiLungentuberkuloseeinebesondere 
Beachtung verdient und es lassen sich vor allem aus den 
menstruellen Temperatursteigerungen manche wichtigen, auch für 
den praktischen Arzt wertvollen Tatsachen entnehmen. 

Man hat schon frühzeitig in Erwägung gebracht, ob sich nicht 
daraus gewisse diagnostische Hilfsmittel ableiten liessen. 
Krauss will in dem regelmässigen Auftreten von prämenstruellen 
Temperatursteigerungen ein Symptom der beginnenden Lungentuber¬ 
kulose sehen, auch Saugmann, Jessen und Sabourin legen 
auf die diagnostische Bedeutung des menstruellen Fiebers Wert. Rie¬ 
bold jedoch schlägt den diagnostischen Wert ziemlich gering an. 
Turban hat auch bei anderen Krankheiten menstruelle Tempe¬ 
raturen beobachtet und ebenso Frank. Meyer sieht darin absolut 
nichts Typisches für Tuberkulose, weil Temperaturschwaukungen vor, 
während und nach der Periode bei allen leicht erregbaren weiblichen 
Individuen auftreten können. Das Alter der Patientinnen ist zu be¬ 
rücksichtigen, ältere haben im allgemeinen gleichmässigere Tempe¬ 
raturen als jüngere. Die Durchschnittstemperatur liegt bei anämi¬ 
schen niedriger als bei vollblütigen. Er macht ferner darauf auf¬ 
merksam, dass eine Menge Faktoren niemals ganz sicher auszu¬ 
schalten sind, die zu menstruellen Temperatursteigerungen führen 
können. Da spielen Verdauungsstörungen und Körperbewegungen 
eine grosse Rolle, und selbst wenn wir dies durch Bettruhe und 
Kontrolle ausschalten würden, so blieben doch die psychischen Er- 

1 ) Deutsche med. Wochenschr. 1906. S. 464. 

2 ) Zeitschr. f. Geb. u. Gyn. 1897. Bd. 36. 


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Gck igle 


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362 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


[28 


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regungen, von denen wir früher gesprochen haben. Auch J unter 
warnt vor der „Überschätzung des Wertes der leichten .Temperatur¬ 
steigerungen für die Diagnose einer beginnenden Lungentuberkulose. 
Gerade bei Frauen kommt es oft vor, dass sie 37,4° oder 37,5°, auch 
mal 37,8° messen, ohne dass man sich nach dem übrigen Befunde 
und dem ganzen Verlauf der Krankheit davon überzeugen könnte, 
dass sie eine aktive Tuberkulose haben. Besonders die prämenstruellen 
Temperaturen bedeuten gar nicht soviel, hinter ihnen stecken oft 
leichte Störungen der Genitalien, im besonderen Oophoritiden, ab¬ 
gesehen davon, dass sie auch bei Chlorose oder Neurasthenie Vor¬ 
kommen. Bei gynäkologischer Behandlung gehen sie zurück und 
der Erfolg der Therapie ist der beste Beweis, dass man sie richtig 
beurteilt hat, insofern man sie nicht als tuberkulös betrachtet hat.“ 
Da also menstruelles Fieber auch bei vielen anderen Krankheiten 
vorkommt, so. dürfen wir daraus nicht ohne weiteres auf Tuber¬ 
kulose schliessen, sondern nur behaupten, dass irgendwo im Körper 
eine Krankheit steckt, aber durchaus nicht, dass dies gerade in den 
Lungen sein müsse (R i e b o 1 d). Während andere Autoren (G e i s 1 e r, 
Vandervelde) das Auftreten von menstruellen Temperaturen, 
wenn dies regelmässig der Fall ist, auch ohne jeden weiteren ob¬ 
jektiven Befund als beweisend für Lungentuberkulose ansahen. 

Ich meine nun, man kann das Auftreten von menstruellen 
Temperaturen, besonders wenn dies regelmässig ist, in den 
Fällen, wo man keine andere Ursache deutlich feststellen kann, als 
einen Fingerzeig betrachten, nun besonders sorgfältig 
die Lungen zu untersuchen. Denn oft wurde eine Tuber¬ 
kulose, wie wir gesehen haben, gerade nach der Menstruation erst 
manifest. Sicher sollte der praktische Arzt an diese Erscheinung 
denken, wenn er sich vor unliebsamen Irrtümem schützen will. 

Die Fieberbehandlung gehört wohl zu den schwierigsten 
und undankbarsten Aufgaben, besonders bei der Lungentuberkulose, 
weil eben so sehr viel von dem Allgemeinverhalten der Patienten 
abhängt. Es ist schon erwähnt worden, dass die menstruellen Teni- 
peratursteigerungen nur einer Behandlung zugängig sind, die das 
Grundleiden, also die Tuberkulose, Chlorose, Obstipation etc. be¬ 
trifft, weil die Menstruation ein physiologischer Vorgang ist, den wir 
nicht ohne weiteres beseitigen können. 

Nun ist natürlich auch eine symptomatische Behandlung möglich. 

Lange ist die alte Frage nach dem Zweck und Heilwert des Fiebers in 
den Hintergrund gedrängt gewesen, in der neueren Zeit hat man aber wieder 
viel dafür und dagegen gestritten. Hängt ja doch die wichtig* Lntscheidung, 
ob es angebracht ist, das Fieber zu bekämpfen oder nicht, d.ivmi ab, ob man 



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29] Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 363 


es für eine notwendige und heilsame, daher ungefährliche Reaktion des Organis¬ 
mus hält oder nicht. In bezug auf die Gefährlichkeit der fieberhaften Tempe¬ 
raturerhöhung haben sich ja allerdings die Ansichten erheblich geändert, seit¬ 
dem man weiss, dass viele von den Schädigungen, die man früher als eine 
Wirkung der erhöhten Bluttemperatur ansah, durch Infektionserreger oder deren 
Toxine bewirkt werden. Damit ist aber natürlich noch nichts über die Nütz¬ 
lichkeit des Fiebers gesagt. Nachdem nun aber zuerst durch die Untersuchungen 
Pasteurs gezeigt war, dass Bakterien bei Temperaturen von 40—42° er¬ 
heblich an Giftigkeit nachliessen, lag es nahe, den Zweck des Fiebers darin 
zu sehen, dass es ein Mittel darstellte, durch das der Körper sich gegen die 
Bakterien zu wahren versuchte. Trotz vieler Untersuchungen durch das Tier¬ 
experiment ist nichts Beweisendes für die Nützlichkeit des Fiebers geschaffen 
werden. Nun ist ja Fieber und Temperaturerhöhung nicht dasselbe, wir haben 
hohes Fieber und geringen Eiweisszerfall und andererseits geringe Temperatur¬ 
erhöhungen und mächtigen Eiweisszerfall. Temperatursteigerungen lassen sich 
künstlich hervorrufen durch Tuberkalineinspritzungen und können die Heilkraft 
bei Tuberkulose haben durch Produktion der Antikörper. Sie können demnach 
bei Tuberkulose auch günstig wirken (Wolf, Münchener med. Wochenschr. 
1910). Allgemein gesagt ist es doch aber immerhin gefährlich, an den Nutzen 
des Fiebers resp. der Temperaturerhöhungen zu glauben. Denn selbst durch 
hohe Temperaturgrade, wenigstens viel höhere als die menstruellen Temperaturen, 
werden Tuberkelbazillen kaum beeinflusst, oder wenigstens spielt die Schädigung 
keine Rolle im Verhältnis zu der, die der Körper durch den langdauernden 
Eiweisszerfall erleidet. 

Man kann also höchstens sagen, dass dem Fieber neben der 
schädigenden Wirkung gewisse für die Krankheitsüberwindung nütz¬ 
liche Seiten zukommen können, und danach muss sich auch die 
Behandlung richten. Die kausale Indikation liegt in der Prophylaxe 
der Lungentuberkulose. Also müssen sich tuberkulöse Frauen 
besonders zur Zeit de r Menses sehr ruhig verhalten, 
die Spaziergänge und alle Arbeiten auf ein Minimum beschränken. 
Selbst bei normalen Temperaturen empfiehlt sich die möglichste 
Schonung, besonders auch in der Zeit vor der Periode, der sogenannten 
Prämenstrualzeit, da es in dieser Zeit oft, wie wir gesehen haben, 
zu Kongestionen und Exazerbationen kommt. Eine allzu grosse Blut¬ 
zufuhr zu den Genitalien muss nach Möglichkeit vermieden werden, 
deshalb sind Alkohol und allzu kräftig wirkende Abführmittel zu ver¬ 
meiden. Dagegen versuche man aber auch das Entstehen oder Fort¬ 
bestehen einer Obstipation zu verhindern. Bei den geringsten Tempe¬ 
raturanstiegen verordne man Bettruhe, bei Schmerzen appliziere man 
Wärme auf den Leib. Bei höherem Fieber wird man mit Antipyretizis 
eingreifen müssen, im übrigen soll man nicht zuviel Fiebermittel 
geben. Besondere Vorsicht bewahre man vor Erkältungen. Wenn¬ 
gleich wir auch noch nichts genaueres über die Wirkung der ^Er¬ 
kältungen“ wissen, so beweisen doch alte Erfahrungen, w r elch böse 


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364 


Friedrich Wilhelm Wiese. 


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Folgen sie haben können. Die psychischen Momente haben wir er¬ 
wähnt und auch daran muss der Praktiker denken, weil er hier mit 
Psychotherapie sicher mehr erreicht als mit Medikamenten oder 
anderen Mitteln. Im allgemeinen ist die Therapie der menstruellen 
Temperaturen bei Lungentuberkulose identisch mit der Behandlung 
des Lungenleidens. Mit Ausheilung des tuberkulösen Prozesses 
schwinden auch meist die menstruellen Temperaturen, wenn sie eben 
ihren Grund hierin haben. 

In prognostischer Hinsicht ist nicht viel zu sagen. Wir 
haben gesehen, dass in den verschiedenen Stadien der Phthise kein 
besonderer Unterschied, was die menstruellen Temperatursbeigerungen 
anbetrifft, auffällt. Also kann man nicht sagen, ob das menstruelle 
Fieber im weiteren Verlauf der Krankheit sich weiter entwickelt, 
bleibt oder verschwindet. Man hat also die Prognose nach der Tuber¬ 
kulose zu stellen. Wird der Krankheitsprozess Neigung zur Heilung 
haben, so werden auch die menstruellen Temperaturen verschwinden. 

Man hat nun auch den Gedanken ins Auge gefasst, aus den men- 
strüellen Temperatursteigerungen auf die PrognosederPhthise 
zu schliessen. Etwas Sicheres ist dabei bis jetzt aber noch nicht heraus¬ 
gekommen. Nur scheint das regelmässige Auftreten von postmen¬ 
struellem Fieber ein prognostisch ungünstiges Zeichen zu sein, weil 
dann fast immer nach Turban und Riebold der tuberkulöse 
Prozess weitergeht. Nur wenn eine Pleuritis die Ursache war, liegt 
die Prognose besser. Umgekehrt kann inan sagen, dass das Ver¬ 
schwinden von vorher regelmässig vorhandenem menstruellem Fieber 
einen günstigen Verlauf des tuberkulösen Prozesses bedeutet. 

Völlig erfassen lässt sich der Begriff des Menstrualfiebers mit 
seinen mannigfachen Formen zurzeit noch nicht (Dluski); es be¬ 
darf noch einer genauen Erforschung des Ovarialsekrets und seiner 
Wirkung auf einzelne Organe und Funktionen des Organismus auf 
Grund der Analyse eines reichlichen Materials, um genaue Schlüsse 
über den Kausalzusammenhang zwischen der Temperatur bei der 
Menstruation und dem Verlauf der Lungentuberkulose erlangen zu 
können. - 

Wir sehen also, dass sich die Anschauungen der Kliniker und 
Forscher über die Häufigkeit und Ursache, über Verlauf, Art und den 
Augenblick des Auftretens des menstruellen Fiebers und über sein 
Verhältnis zur Lungentuberkulose oft widersprechen, und dass sie weit 
auseinander gehen. Aus unserer Statistik geht hervor, 
dass von irgend einem Typ oder einer Regelmässig¬ 
keit des Krankheitsbildes nicht die Rede sein kann. 
Es mag dies wohl daran liegen, dass weder der Begriff des Fiebers, 



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31] Über menstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 365 

noch die Menstruation oder Ovulation bis jetzt theoretisch genügend 
erklärt sind, und dass dabei eine Menge biologischer Erscheinungen 
mitsprechen, die trotz zahlreicher Untersuchungen und Nachfor¬ 
schungen noch keine genügende Aufklärung gefunden haben 
(Dluski). Praktischen Wert dürften die menstruellen Temperatur¬ 
steigerungen nur insofern haben, als sie den Arzt aufmerksam machen, 
dass irgendwo im Körper ein Krankheitsherd, oft ein tuberkulöser 
in den Lungen, vorhanden ist, und so das regelmässige Auftreten 
von Fieber zur Zeit der Menstruation mit als Symptom bei der in 
den Anfangsstadien so schwierigen Diagnose der Lungentuberkulose 
in Betracht gezogen werden muss. 

Zum Schluss gereicht es mir zur angenehmen Pflicht, meinem 
hochverehrten ehemaligen Chefarzt Herrn Dr. Junker für die An¬ 
regung zu der Arbeit und die liebenswürdige Unterstützung bei der¬ 
selben, sowie freundliche Überlassung des Materials, meinen er¬ 
gebensten Dank auszusprechen. 


Literatur. 


Ahronsohn, Allgemeine Fieberlehre. 

Bendix, Einfluss der Menstruation auf die Laktation. 

Bottermund, Über Beziehungen der weiblichen Sexualorgane zu den oberen 
Luftwegen. Monatsschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, 1896. 

Cornet, Lungentuberkulose. 

Dluski, über das menstruelle Fieber bei tuberkulösen Frauen. Beiträge zur 
Klinik der Tuberkulose, Bd. XXI, Heft 2. 

* Ebstein, Handbuch der praktischen Medizin. ' 

Eichhorst, Spezielle Pathologie und Therapie. 

Eisenstein und Hollos, Zentralblatt für Gynäkologie, Nr. 44. 

Freund, Die Beziehungen der -weiblichen Geschlechtsorgane in ihren physio¬ 
logischen und pathologischen Veränderungen zu anderen Organen. Ergebnisse 
der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie der Menschen und 
Tiere. Lubarsch und Ostertag, Jahrgang III, 2. Hälfte. 

Jessen, Lungenschwindsucht und- Nervensystem. 

Junker, VI. Tuberkulose-Ärzte-Versammlung 1909. 

Klein, Über Ursache und Bedeutung der Menstrualblutung. 

Klein Wächter, Zeitschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. XVII. 

Kober, über vikariierende Menstruation durch die Lungen. 

Köhler, Fieberentstehung und Fieberbekämpfung in ihrer Beziehung zur all¬ 
gemeinen Lungentuberkulose. Görbersdorfer Veröffentlichungen, Berlin 1902. 


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366 Friedrich Wilhelm Wiese: Über menstruelle Temperatursteigerungen etc. [32 

Kraus, Ergebnisse der allgemeinen Morphologie und Physiologie. 

Krauss, Über prämenstruelle Temperatursteigerungen bei Lungentuberkulose. 
Wiener med. Wochenschr. 1905, H. 13. 

K r e h 1, Pathologische Physiologie. 

Küstner, Lehrbuch der Gynäkologie. 

v. Leube, Klinische Diagnostik. 

Liebermeister, Handbuch der Pathologie und Therapie des Fiebers. 

Löwy, Stoffwechseluntersuchungen im Fieber und bei Lungenaffektionen. 
Berliner klin. Wochenschr. 1891. 

Meyer, Der Menstruationsprozess und seine krankhaften Abweichungen. 

Derselbe, VI. Tuberkulose-Ärzte-Versammlung 1909. 

v. Noorden, Pathologie des Stoffwechsels. 

Nothnagel, Spezielle Pathologie. 

v. Ott, Gesetz der Periodizität physiologischer Funktionen des weiblichen 
Organismus. 

P 1 a n t i e r, De la tempörature du nourisson pendant les r&gles de la femme, 
qui allaite. Th&se de Lyon 1904. 

Reinl, Volkmanns Sammlung klinischer Vorträge. Nr. 243. 

II i e b o 1 d , Über prämenstruelle Temperatursteigerungen. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift 1906. 

Derselbe, Das Menstrualfieber. Deutsche med. Wochenschr. 1906. 

H o 11 y, Über schädliche und nützliche Wirkungen der Fiebertemperatur bei 
Infektionskrankheiten. 

Runge, Lehrbuch der Gynäkologie. 

Sabourin, Das Menstrualfieber der Phthisiker. Münchener med. Wochenschr. 
1905, Nr. 29. 

Schaffer, Die Menstruation. Handbuch der Gynäkologie von Veit, 
Bd. III, 1908. 

Schneider, Die normale Temperatur bei initialer Lungentuberkulose bei 
Ruhe und Bewegung. Dissert. Berlin 1901. 

Schröder, Fieber bei Tuberkulose. 

Schröder und Blumenfeld, Handbuch der Therapie der chronischen 
Lungenschwindsucht. 1904. 

Schwalbe, Jahrbuch. 

T o b 1 e r, Monatsschr. f. Gyn. Bd. XXII, H. 1. 

Turban, Beiträge zur Kenntnis der Lungentuberkulose. 

Derselbe, Münchener med. Wochenschr. 1908, S. 871. 

Van de Velde, Über den Zusammenhang zwischen Ovarialfunktion, Wellen¬ 
bewegung und Menstrualblutung. Jena 1905. 

Zuntz, Deutsche med. Wochenschr. 1906. 

Derselbe, Untersuchungen über den Einfluss der Ovarien auf den Stoff¬ 
wechsel etc. Archiv für Gyn., Bd. 78. 



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Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Heidelberg;. 
(Direktor: Geh. Hofrat Fleiner.) 


Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungen¬ 
tuberkulose. 

Von 

Julius Elsaesser, 

Med.-Prakt 


Der erste Forscher, der sich mit der Frage nach dem Vorkommen 
des tuberkulösen Virus im Blute befasste, ist Villemin, der im 
Jahre 1866 Blut eines Phthisikers einem Kaninchen in die Blutbahn 
einspritzte. 

Bau mg arten fand 1883 bei Impftuberkulose der Kaninchen 
die Tuberkelbazillen in den Glomerulis, und er sah durch Übertragung 
von Blut an allgemeiner Impftuberkulose erkrankter Tiere in die 
vordere Augenkammer von Versuchstieren typische Augen- und nach¬ 
folgende Allgemeintuberkulose entstehen. 

Nachdem dann Ponfick und Weigert nachgewiesen hatten, 
dass der Durchbruch eines örtlichen tuberkulösen Herdes z. B. in 
der Venenwand oder in der Wand des Ductus thoracicus in die 
Blutbahn zur allgemeinen Miliartuberkulose geführt hatte, gelang 
Weichselbaum 1884 zum ersten Male der Nachweis der Tuberkel¬ 
bazillen bei Miliartuberkulose im Blutgerinnsel des Herzens mittelst 
einer Modifikation der Ehrl ich sehen Methode, allerdings ohne Be* 
rücksichtigung ihrer Säurefestigkeit. Meiseis bestätigte dieses Re¬ 
sultat durch Untersuchungen von Leichenblut und bei einem Lebenden. 
Es folgten Sticker, Lustig und Rütimeyer mit den gleichen 
Ergebnissen an Lebenden. 

Damit stand das Vorkommen von Tuberkelbazillen im strömenden 
Blut bei Miliartuberkulose fest. 

Beitrige zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 4. 25 


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368 


Julius Elsaesser. 


[2 


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In neuerer Zeit wurde die Frage über das Vorkommen der Tuber¬ 
kelbazillen im Blutstrom wieder in Fluss gebracht durch Jousset, 
der am 8. Mai 1903 in der „Societe medicale des höpitaux“ berich¬ 
tete, er habe bei 35 auf Bazillämie untersuchten Fällen von akuter 
und chronischer Tuberkulose der Lunge 11 positive Resultate (= 31 %) 
erhalten. Ausserdem stellte er drei Fälle von primärer tuberkulöser 
Bazillämie fest. 

Hildebrand fand in einem Falle von Lungentuberkulose, 
kompliziert mit Erythema nodosum, durch Tierimpfung Tuberkel¬ 
bazillen im Blut, Bergeron unter 26 Fällen einmal, Gary mittelst 
Meerschweinchenimpfung fünfmal bei 35 Fällen. Bei drei Fällen von 
schwerer Phthise bekam Lüdke durch das Tierexperiment positive 
Resultate. 

Schmorl und Geipel, die sich mit der Frage der intra¬ 
uterinen tuberkulösen Infektion befassten, fanden bei Lungentuberkulose 
im 3. Stadium plazentare tuberkulöse Infektion und Übertritt der 
Tuberkelbazillen in den kindlichen Organismus. 

Mit der Methodik der Blutentnahme zwecks Untersuchung auf 
Tuberkelbazillen befasst sich ausführlich Stäubli. Er fand, „dass 
eine 3 % ige Essigsäurelösung ohne Schädigung der Bakterien im 
allgemeinen, der Tuberkelbazillen im besonderen, die roten Blut¬ 
körperchen völlig zur Auflösung brachte, so dass also in spärlicher 
Menge vorhandene Bakterien nach Zentrifugieren des derart ver¬ 
dünnten Blutes im Ausstrichpräparat nicht mehr unter der unge¬ 
heuren Zahl der Erythrozyten verschwinden konnten. Unter peinlicher 
Vermeidung von Gerinnung und Verunreinigung aspirierte er einen 
frisch hervorquellenden Blutstropfen (ca. 0,3—0,4 ccm), verdünnte 
womöglich in der Aussaugpipette mit der 10—15fachen Menge 
3 % iger Essigsäure und wiederholte dies mehrmals, wenn er grössere 
Blutmengen zu untersuchen wünschte. Das durch Zentrifugieren ge¬ 
wonnene und auf dem Objektträger ausgestrichene Sediment wurde 
dann mit den üblichen Färbemethoden für die mikroskopische Unter¬ 
suchung vorbereitet“. 

Während also Stäubli den Weg bahnte zu einer direkten Unter¬ 
suchung des Blutes auf Tuberkelbazillen, befasste sich Lieber¬ 
meister damit, die Tuberkelbazillen durch das Tierexperiment nach¬ 
zuweisen. Er entnahm der Armvene 3—6 ccm Blut (bei grösseren 
Mengen und intraperitonealer Injektion sah er öfters plötzlichen 
Exitus der Versuchstiere eintreten) und injizierte dieses Blut teils 
intraperitoneal teils subkutan. Im ganzen gelang ihm so der Nach¬ 
weis der Bazillen im Blut unter 50 Fällen 20mal = 40%. 



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3] 


Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 


369 


Die Fälle nach Stadien geordnet, fand er: 

bei 9 ersten Stadien lmal Bazillen im Blut 
bei 14 zweiten Stadien 5 mal Bazillen =36% 
bei 27 dritten Stadien 14 mal Bazillen = 52%. 

Auf diesen Resultaten Liebermeisters bauend, machte sich 
Schnitter mit Hilfe der von Stäubli angegebenen Methode an die 
Aufgabe, die Bazillen im Blut nachzuweisen. Zunächst probierte er, 
mit dem Mitte 1908 von Uhlen hu t empfohlenen Antiformin zu 
arbeiten, aber es bildeten sich Gerinnungen, und die Präparate dessen 
an Klarheit und Schönheit viel zu wünschen übrig. Er gebrauchte 
infolgedessen das Antiformin in 10—25%iger Verdünnung, das alle 
Zellen und Bakterien mit Ausnahme der Tuberkelbazillen zur Auf¬ 
lösung bringt. Die Geräte wurden vor Gebrauch mit NaOH ausge¬ 
kocht. Es wurden nur neue Objektträger verwendet, die vor Ge¬ 
brauch in salzsaurem Alkohol gelegen waren. Was seine (modifizierte 
Stäu b 1 isehe) Methode betrifft, so stellte er fest, „dass folgende ge¬ 
rinnungshemmende Lösungen: 

25%iges Natrium- und Magnesiumsulfat, 

0,2%iges Kaliumoxalat, 

2—3 % ige Zitronensäure, 

3 % ige Essigsäurelösung 

nach stundenlanger Einwirkung auf Tuberkelbazillen keine nach¬ 
teiligen und insonderheit keine die färberische Reaktion derselben 
wesentlich beeinträchtigenden Eigenschaften besassen. Als empfehlens¬ 
werteste Lösungen gibt er 3% ige Essigsäure und 2—3% ige Zitronen¬ 
säure an. Durchschnittlich entnimmt er 10—15 ccm Blut durch 
Venenpunktion. Diese Menge lässt Schnitter direkt in die 
doppelte Menge Essigsäure oder gleiche Menge Zitronenensäure ein- 
fliessen. Unter Vermeidung von Schaumbildung wird die Mischung 
vorsichtig geschüttelt, und kurze Zeit (V« Std.) sich überlassen. Bei 
Zitronensäurezusatz tritt keine Hämolyse ein, bei Essigsäurezusatz 
werden die roten Blutkörperchen ausgelaugt und fast gänzlich, 
die weissen bis auf die Kerne aufgelöst. Nach dem Absetzen 
des Sedimentes in der Schleudermaschine wird die über dem Nieder¬ 
schlag stehende Flüssigkeitssäule abpipettiert oder abgegossen und 
das Sediment mit einigen ccm Wasser geschüttelt, bis wieder eine 
feinste Verteilung des Niederschlags eingetreten ist. Doppelt bis 
fünffach soviel zugeschüttete 15% ige Antiforminlösung bringt dann 
unter lebhafter Kohlensäureentwickelung alle Zellreste zur Auflösung, 
und die Flüssigkeit klärt sich, der danach zur Verdünnung am 
besten noch etwas Wasser zugesetzt wird. Nach längerem Zentri¬ 
fugieren bei flottem Umlauf setzt sich dann ein geringes Sediment 

25* 


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Julius Elsaesser. 


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ab, das nach Abschütten der Antiforminlösung mit Wasser sorgfältig 
ausgewaschen werden muss, und nach nochmaligem Zentrifugieren 
fertig zum Ausstrich und zur Färbung ist. Dabei ist zu beachten, 
dass die Präparate möglichst kurz entfärbt und ganz vorsichtig mit 
Wasser abgespült werden, da das Sediment zuweilen nur locker auf 
dem Objektträger haftet. Zur Beschleunigung des Antrocknens legt 
man die Präparate einige Zeit auf die etwa 60° heisse Kupferplatte.* 
Die mit dieser Methode erzielten Resultate Schnitters sind fol¬ 
gende : 

Er fand Bazillen bei: 

17 Fällen von Lungentuberkulose 3. Stadiums 8 mal (47%), 

9 „ „ „ 2. „ 2 mal (22%), 

8 „ „ „ 1- „ Omal, 

bei 4 fallen von Tuberkulose anderer Or¬ 
gane 2 mal (50%), 

unter insgesamt 34 Fällen von Lungentuberkulose gelang ihm also 
10 mal der Nachweis der Tuberkelbazillen im Blut, d. h. in 29,4%. 

Rosenberger, Philadelphia, entnimmt 5 ccm Blut aus der 
Armvene und lässt sie in das gleiche Quantum 2%igen zitronen¬ 
sauren Natriums einfliessen. Diese Flüssigkeit lässt er 24 Stunden 
im kühlen Raum stehen; wenn sich kein Sediment bildet, zentrifugiert 
er. Eine kleine Menge des Sediments wird abpipettiert und ziemlich 
dick auf einen neuen Objektträger aufgestrichen. Das Präparat wird 
getrocknet, dann in destilliertes Wasser gelegt. Es bleibt ein äusserst 
dünnes „Häutchen“ auf dem Objektträger, der nach dem Trocknen 
und Fixieren den Färbemethoden auf Tuberkelbazillen unterworfen 
wird. Sämtliche Geräte werden vor Gebrauch sauber in Wasser ge¬ 
waschen und in Natronlauge, dann in Salpetersäure gelegt. Insgesamt 
untersuchte Rosenberger 50 Fälle, darunter 
5 Fälle von Miliartuberkulose, 

2 Fälle von fibröser Tuberkulose, 

1 Fall von Pneumothorax, 

15 Fälle von Initialtuberkulose, 

23 Fälle von chronischer Tuberkulose, 

3 Fälle von Kehlkopftuberkulose. 

Ausserdem untersuchte Rosenberger einmal das Blut aus der 
Nabelschnur der Plazenta einer tuberkulösen Mutter. Er fand in 
sämtlichen 50 Fällen die Tuberkelbazillen im Blut. 

Lippmann versuchte es, ebenfalls wie Schnitter, mit dem 
direkten Gebrauch des Uhlenhutschen Antiformins. Diese Ver¬ 
suche schlugen ebenfalls sämtlich fehl, weil stets Klumpenbildung 
auftrat. 



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5] Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 371 

Er benutzt deswegen die Stäubli-Schni ttersehe Methode, 
und kommt zu folgenden Resultaten: 

Er fand unter: 

15 Fällen des 3. Stadiums 8 positiv (53%), 

9 Fällen des 2. Stadiums 3 positiv (33%), 

1 Fall des 1. Stadiums 0 positiv. 

Unter 25 Fällen von Lungentuberkulose fand er also 11 positiv 
(44%). 

F. Jessen und Lydia Rabinowitsch gaben 1910 folgende 
Methode an: 5—10 ccm Blut werden durch Venenpunktion entnommen 
und in die gleiche Menge Zitronensäure (2,5%) gebracht. Vorsichtig 
schütteln. Eine bis mehrere Stunden im kalten Raum stehen lassen- 
längere Zeit zentrifugieren. Nach Absetzen des Sediments Flüssigkeit 
abgiessen und aus einem Teil des Bodensatzes 2-^3 Präparate 
machen. Der übrige Teil des Bodensatzes wird mit einigen ccm 
Wasser geschüttelt und wiederum zentrifugiert. Flüssigkeit abgiessen. 
Das Sediment wird mit der doppelten Menge 15%igen Antiformins 
versetzt. Eine viertel bis mehrere Stunden einwirken lassen, je 
nach spärlichem oder reichlichem Bodensatz. Zentrifugieren und mit 
Wasser waschen. Den ganzen Niederschlag ausstreichen. Die Färbung 
geschieht nach Ziehl-Neelsen, nach Weiss (Doppelfärbung) 
und nach Gram. Jedoch wird ausdrücklich davor gewarnt, die 
Diagnose nur nach Gram gefärbten Präparaten zu stellen. Die zu¬ 
verlässigste Färbemethode ist nach diesen beiden Autoren immer noch 
die nach Ziehl-Neelsen. Fernerhin soll man grosse Mengen 
Blut verwenden und stark zentrifugieren. Die ganze Menge Blut 
ist zu verarbeiten. Mit dieser Methode wurden folgende Resultate 
erzielt: 


Stadium 

Zahl der Fälle 

Tbc. resp. Granula 

I. 

12 

2 mal Bazillen und Granula 

II. 

12 

2 mal Granula 

III. 

12 

5 mal Bazillen und 1 mal Granula 


Es sind also bei 36 Fällen 10 mit positivem Ergebnis, das sind 
28%. 

Die bisher erwähnten Arbeiten hatten schon grosses Aufsehen 
erregt, da der häufige Befund von Bazillen im Blut dazu angetan 
war, in verschiedener Richtung Aufschluss zu geben über die noch 
immer strittige Frage der Verbreitung der Tuberkulose im mensch- 


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372 


Julius Elsaesser. 


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liehen Organismus; das Aufsehen wuchs, als die Arbeit des Japaners 
Kurashige erschien. Er bediente sich zur Blutuntersuchung auf 
Tuberkelbazillen einer Modifikation der Stäubli-Schnittersehen 
Methode. Er entnahm der Vena medialis 1 ccm Blut, das er in 
5 ccm 3%igen Eisessigs fliessen liess. Nach gelindem Umrühren 
liess er die Flüssigkeit eine halbe bis eine Stunde lang stehen, um 
sie dann 30 Minuten lang zu zentrifugieren. Danach setzte er 5 ccm 
Antiformin zu und rührte um bis zur klaren Auflösung. Die Zen¬ 
trifugation ergab ein geringes schneeweisses Sediment. Nach dem 
Waschen mit Aqua destillata folgte Trocknen, Fixieren und die Färbung 
nach Ziehl-Neelsen. 

Kurashiges Erfolge waren folgende: 


Stadium 

Fälle 

Davon positiv 

In Prozent 

III. 

55 

55 

100 

11 . 

! 65 

, 65 

100 

I. 

i 35 

1 35 

100 


Dabei fand er manchmal über 30 Bazillen im Gesichtsfeld. Ausser 
diesen Fällen von Lungentuberkulose untersuchte Kurashige auch 
noch 34 gesunde Menschen. Dabei fand er in 20 Fällen (59%) 
Tuberkelbazillen im Blut. Nach 8 Monaten erkrankten 3 von ihnen 
an tuberkulöser Brustfellentzündung und einer an Initialhämoptoe. 

An die Nachprüfung dieser Resultate machte sich Sturm. Seine 
Methode war die Kurashiges, nur gebrauchte er statt 100%iges 
Antiformin 50- und 25 %iges Antiformin. Die Färbung geschah nach 
Ziehl und nach Much (modifizierte Grammethode II). Diese Methode 
gibt er an wie folgt: 

Methylviolett B. N.: 10 ccm einer gesättigten alkoholischen Lösung 
in 100 ccm 20%igen Karbolwassers. Aufkochen über der Flamme. 

Jodjodkalium 1—5 Minuten. 5%ige Salpetersäure 1 Minute. 
3%ige Salzsäure 10 Sekunden. Azeton-Alkohol (ää). 

Seine Resultate gestalteten sich folgendermassen: 


Stadium 

Ziehlfärbung 

% 

Gram-Much ! 

°0 

Tierversuch 

% 

I. 

20 

40 

50 

II. 

19 

■ 88 

38 

III. 

25 

47 

50 


22 

42 

i 46 



□ riginBl from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




7] Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 373 

Er fand im Präparat drei bis vier Bazillen. Bei Gesunden konnte 
er keine Bazillen nachweisen. 

Krause arbeitete mit dem Uhlenhut sehen Antiforminver¬ 
fahren an 32 ausgesuchten Fällen, die alle in schwerem Zustand 
waren: 


Stadium 

Zahl der Fälle 

i 

Blutbefund 

III. 

16 

9 mal positiv 

II. 

16 

2 mal positiv 


32 

! ii 


Er fand also die Resultate positiv in 34,3%. 

Ausserdem veröffentlichte Krause 100.Untersuchungen, die bei 
der Aufnahme der Patienten gemacht wurden: 


Stadium 

1 Zahl der Fälle 

Davon positiv 

In Prozent 

I. 

55 

0 

0 

II. 

15 

4 

24 

III. 

j 30 

18 

54 


| 100 

22 

! 22 


Auf dem Kongress für innere Medizin in Wiesbaden am 16. bis 
19. April 1912 berichtete Bönninger über schwerste Phthisen, bei 
denen Tuberkelbazillen im Blute sich durch den Tierversuch nicht 
nachweisen Hessen, Liebermeister dagegen gelang dieser Nachweis 
bei Tuberkulösen dritten Grades im Tierversuch in 48% der Fälle, 
und sogar in 100% mittelst der Antiforminmethode. 

Auf der 7. Jahresversammlung der Vereinigung der Lungenheil¬ 
anstaltsärzte in Hamburg am 1.—5. Juni 1912 berichtete Rumpf 
(vorläufig): er habe bei 25 Untersuchten säurefeste Stäbchen in 100% 
gefunden. Desgleichen bei 6 früheren Patienten, die bis zum 20. Jahre 
geheilt waren und ebenso bei 7 Gesunden, von denen einer als Kind 
skrofulös war, in 100%. Die Tierversuche ergaben kein einheitliches 
Resultat. 

Klara Kennerknecht-Hamburg befasste sich mit dem Vor¬ 
kommen der Tuberkelbazillen im Blutstrom von Kindern. Ihre 
Methode war die von Kurashige, nur wurden nach dem Umrühren 
5 ccm absoluten Alkohols zugesetzt, um das Aufsteigen des Sedi¬ 
ments nach oben zu verhindern. Im Blut von 68 sicher Tuberkulösen 
fand sie 68mal (100%) Tuberkelbazillen, bei 20 Tuberkuloseverdäch¬ 
tigen 18mal (90%). Von 31 nicht tuberkulösen Kindern hatten 23 


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374 Julius Elsaesser. [S 

(74%) Tuberkelbazillen im Blut. 13 Meerschweinchenversuche fielen 
positiv aus. 

Ranström-Upsala gebraucht das Verfahren Rosenbergers 
und die Uh len hutsche Antiforminmethode. Unter 36 untersuchten 
Fällen von Lungentuberkulose sind 9 mit positivem Resultat. Dieses 
Ergebnis deckt sich mit dem von Hilgermann und Lossen, die 
in einem Viertel der Fälle positive Resultate erzielten. 

Die letzte der mir vorliegenden Arbeiten ist die von Rumpf 
in Kr. 36 der Münchener medizinischen Wochenschrift 1912, die schon 
vorher kurz angeführt ist. 

Er fand zunächst in einer Serie von 18 Fällen 4 mal gut nach 
Zie hl gefärbte Stäbchen. Das wären 22,2%. Zusammen mit Zeissler 
fand er mittelst der upten erwähnten Methode in einer weiteren 
Serie von 25 fast nur leicht kranken und fieberfreien Patientinnen in 
100% Bazillen im Blut. Das gleiche Resultat ergab sich bei sechs 
früheren Patienten, deren Erkrankung und Kur mehrere Jahre zurück¬ 
lag. Schliesslich wurde das Blut von 7 Gesunden (einer war als Kind 
skrofulös gewesen) untersucht, und bei sämtlichen fanden sich Stäb¬ 
chen im Blut. Fernerhin spritzte Zeissler 35 Meerschweinchen 
Blut ein, in dem mikroskopisch säurefeste Stäbchen nachgewiesen 
waren. 31 Wochen nach der Injektion ergab die Sektion, dass bei 
drei Versuchstieren eine echte Tuberkulose vorlag. Es ergab sich 
also beim Tierversuch nur bei 8,5% ein positives Resultat. 

Die von Zeissler ausgearbeitete Technik ist folgende: 

1. Auffangen des Blutes: 

Durch Venenpunktion mit einer Hohlnadel werden ca. 5 ccm 
Blut in einer Zentrifugenflasche (Abbildung und Beschreibung siehe 
Münchener medizinische Wochenschrift 1912, Kr. 36), die vorher mit 
25 ccm 0,2%iger Oxalatlösung beschickt worden ist, aufgefangen. 

2. Verarbeitung des Blutes: 

a) Sofort nach der Entnahme wird das Blut mit der Oxalat¬ 
lösung geschüttelt. Es wird dabei lackfarben. 

b) Das lackfarbene Blut wird bald zentrifugiert (bei mehrstündigem 
Stehen können sich Gerinnsel bilden, die die weitere Verarbeitung 
stören) und die überstehende Flüssigkeit wird weggegossen. 

c) Der Bodensatz wird mit 10 ccm destilliertem Wasser aufge¬ 
schwemmt und solange tüchtig geschüttelt, bis die Emulsion keine 
Klümpchen mehr enthält. 

d) Es wird tropfenweise konzentriertes Antiformin zugegeben, 
bis die Emulsion zu einer vollständig klaren Lösung geworden ist. 



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9] 


Tuberkelbazillen im ßlutstrom bei Lungentuberkulose. 


375 


Nach Zusatz von je einem Tropfen Antiformin wird die Zentrifugen¬ 
flasche tüchtig geschüttelt. Um den Bodensatz aus 5 ccm Blut inner¬ 
halb einer halben Stunde vollständig klar zu lösen, genügen wenige 
Tropfen Antiformin. * 

e) Ist ihr Inhalt vollständig klar geworden, so wird die Zentri¬ 
fugenflasche mit 60% Alkohol ganz vollgefüllt, tüchtig geschüttelt und 
zentrifugiert. 

f) Die überstehende Flüssigkeit wird weggegossen, der Bodensatz 
enthält die im Blute etwa vorhandenen Tuberkelbazillen. 

g) Ein Teil des Bodensatzes wird auf Objektträger gebracht und, 
nachdem er vollständig angetrocknet ist, über der Flamme fixiert. 
Nach der Fixation wird die Schichtseite des Objektträgers unter 
scharfem Wasserstrahl tüchtig abgespült, dann wird nach Ziehl und 
Gram gefärbt. 

h) Ein anderer Teil des Bodensatzes wird mit steriler physiolo¬ 
gischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und einem Meerschweinchen 
in die Bauchhöhle eingespritzt. 

Alle benutzten Glassachen (Zentrifugenflaschen, Objektträger) 
müssen nach jedesmaliger Benutzung mit Soda ausgekocht werden, 
dann 24 Stunden in 20%iger Schwefelsäure liegen, dann 24 Stunden 
in mehrmals zu erneuerndem, absolut sauberem destilliertem Wasser 
und zuletzt 24 Stunden in absolutem Alkohol. Das destillierte Wasser, 
die Oxalatlösung, der 60%ige Alkohol sowie die zur Färbung nötigen 
Lösungen müssen absolut sauber und klar sein. 

Die Ergebnisse aller dieser Autoren, tabellarisch zusammengefasst, 
ergeben folgenden Überblick (s. folgende Seiten, Übersichtstabelle i 
und Übersichtstabelle II). 

Als Fazit der Tabelle I ergibt sich: 

Es wurden bisher bei Lungentuberkulose durch den Tier¬ 
versuch im Blut Tuberkelbazillen gefunden in 40,7%, mittelst 
mikroskopischer Untersuchung des Blutes in 66,2% der unter¬ 
suchten Fälle. 

Dass also mit der mikroskopischen Untersuchung in mehr Fällen, 
als durch den Tierversuch, positive Resultate erzielt wurden, ist sicher 
bemerkenswert. Auch Untersucher, die beide Methoden zugleich 
anwandten, kamen häufiger durch die mikroskopische Untersuchung 
zu einem positiven Ergebnis als durch den Tier-Versuch. So kommt 
Rumpf mit der mikroskopischen Untersuchung in 67,4°/o zu positiven 
Resultaten, während ihm durch den Tier-Versuch der Nachweis nur 
in 8,5 °'o gelingt. Das ist ein Unterschied von 58,9%! 


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Julias Elsaesser. 


[10 


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376 


Überblickt man alle diese Ergebnisse, so fällt ausserdem die 
starke Verschiedenheit zwischen den Resultaten der einzelnen Unter¬ 
sucher, die ähnliche oder beinahe gleiche Methoden anwandten, ins 
Auge. So findet Kurashige z.*B. in 100°/o Tuberkelbazillen bei 
Lungentuberkulose, während die meisten übrigen Untersucher bei 
Anwendung der prinzipiell gleichen Methode in bedeutend weniger 
Fällen positive Resultate erzielen. Die Resultate Kurashiges sind 
so überraschend, dass mir eine gewisse Skepsis am Platze zu sein 
scheint. Um seine Ergebnisse richtig zu bewerten, muss man doch 
berücksichtigen, dass gerade nicht alle Stäbchen, die im mikroskopi¬ 
schen Bild zu finden sind und vielleicht als Tuberkelbazillen auf- 


Übersichtstabelle I. 

Bei Lungentuberkulose des I.—III. Stadiums. 


Autor 

Zahl der 
untersuchten 
Fälle 

Methode des 
Nachweises 

positiv 

i 

in Prozent 

Jousset 

35 

0 

i 

ii . 

31,4 

Hildebrand 

1 

Tierversuch 

i 

100 

Bergerou 

26 


i 

3,8 

Gary 

35 

1 

5 ! 

14,3 

Liidke 

3 

i »* 

3 

100 

Liebermeister 

50 


20 

40 

Schnitter 

34 

mikroskopisch 

1 io ! 

29,4 

Rosenberger 

40 

1 

n 

40 

100 

Lippmann 

25 

* j 

11 

44 

J essen-Rabino witsch 

36 

,, 

10 

28 

Kurashige 

Stephan-Acs-Nagy (er¬ 

155 

i 

155 

100 

wähnt bei Kurashige) 

24 

• 

11 

46 

Sturm 

? 

Tierversuch 

— 

46 

»> 

! ? 

mikroskopisch 

i — 

32 

Krause 

32 

1 n 

11 

34,3 

,, ■ 

100 

1 f* 

22 

22 

Liebermeister 

? 

Tierversuch 

— 

48 

»» 

? 

mikroskopisch 

I 

100 

Bönninger 

? 

Tierversuch 

0 

0 

Ranström 

36 

i mikroskopisch 

9 

25 

Hilgermann und Lossen 

? 

>* 

1 4 d. Fälle 

25 

Kennerknecht 

1 63 

! 

| 68 

100 

»i 

13 

Tierversuch 

13 

100 

Rumpf 

43 

l mikroskopisch 

I 29 

! 67,4 

»» 

35 

Tierversuch 

3 

8,5 


! 



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11] Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. Ml 

Übersichtstabelle II. 

Bei Gesunden wurden gefunden: 

von Kurashige von 34 Fällen 20 positiv (59°/o) 

von Sturm von ? 0 „ (0 °/o) 

von Rumpf von 7 „ 7 „ (100°/o). 

Bei früher Kranken: 

von Rumpf von 6 Fällen 6 positiv (100°/o). 

Bei Tuberku loseverdächtigen: 

von Kennerknecht von 20 Fällen 18 positiv (90°/o). 

Bei nichttuberkulösen Kindern: 

von Kennerknecht von 31 Fällen 23 positiv (74°/o). 

Bei Tuberkulose anderer Organe: 

von Schnitter von 4 Fällen 2 positiv (50°/o). 

Bei Pneumothorax: 

von Rosenberger von 1 Fall 1 positiv (100°/o). 

Bei Kehlkopftuberkulose: 

von Rosenberger von 3 Fällen 3 positiv (100%). 

gefasst werden können, auch wirklich solche sind. Und gerade in 
den Präparaten, die aus dem Blut hergestellt sind, finden sich nicht 
selten Stäbchen, die wohl morphologisch oder tinktoriell entfernte 
Ähnlichkeit mit Tuberkelbazillen haben, aber bei ganz strenger Kritik, 
die gerade hier ganz sicher am Platze ist, nicht als solche aufgefasst 
werden dürfen. Wo diese fraglichen Stäbchen herkommen, ist mit 
Sicherheit nicht zu sagen. Man muss daran denken, dass im destil¬ 
lierten Wasser säurefeste Stäbchen gefunden wurden und dass sich 
im Blutsediment feinste Kristallnadeln finden, die dann im Mikroskop 
ihrer Gestalt und Färbung nach einen zweifelhaften Befund abgeben 
können. (Man denke auch an Bacmeisters Ansicht, dass derartige 
Befunde von den Hüllen der roten Blutkörperchen herrühren!) Hier 
kann man nur solche mikroskopische Befunde als positiv gelten lassen, 
die ohne allen Zweifel den sicheren Schluss erlauben, dass man es 
mit Tuberkelbazillen zu tun hat. Ausserdem wäre zu bemerken, dass 
Kurashige bei seinen verblüffenden Ergebnissen keine Kontrolle 
in Gestalt von Tierversuchen geübt hat. Wenn wirklich in dem ent¬ 
nommenen Blut eine derartige Menge Tuberkelbazillen vorhanden 
gewesen wäre (in einem Gesichtsfeld bis zu 30 Bazillen!) so hätte 
man hier wohl sicher auf positive Tier-Versuche rechnen dürfen. 
Es ist deswegen zu bedauern, dass gerade Kurashige nicht durch 


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Original fro-m 

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378 


Julius Elsaesser. 


[12 


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Tierversuche die Resultate seiner mikroskopischen Untersuchungen 
zu bestätigen versuchte. 

Bei dem nicht seltenen Vorkommen von ähnlichen Gebilden im 
mikroskopischen Bild wären eigentlich nur diejenigen Ergebnisse als 
beweisend anzusehen, bei denen sich der Befund des mikroskopischen 
Blutbildes mit dem Sektionsbefund des betreffenden Kontrollversuchs- 
tieres deckt. Das heisst: Nur dann, wenn mikroskopisches Präparat 
und Tierversuch, vor allen Dingen der letztere, positiv ausfallen, 
ist mit Sicherheit die Anwesenheit von Bazillen im Blut anzunehmen. 
Theoretisch muss deswegen als sicherstes Postulat für eine Bazillämie 
der positive Tierversuch oder positiver Tierversuch + mikroskopischer 
Nachweis aufgestellt werden; die kulturelle Züchtung aus dem Blut 
ist, wie es scheint, noch von niemand versucht worden, wohl des¬ 
wegen, weil sie bei der Schwierigkeit der Tuberkelbazillenzüchtung 
wenig Aussicht auf Erfolg bietet. Ob dieses Postulat in der Praxis 
überhaupt erfüllt werden kann, mag dahingestellt bleiben. Denn, 
w T enn sich nur wenig vereinzelte Bazillen im Präparat finden, so wird 
es selbst dem geübtesten Beobachter schwer fallen, sie mit Sicherheit 
als solche zu identifizieren. Und zweiten^: wenn sich eben nur ver¬ 
einzelte Bazillen finden, so kann auch der Tierversuch negativ aus¬ 
fallen, d. h. die wenigen Bazillen werden vom Organismus überwunden, 
ohne dass sie eine Tuberkulose hervorrufen. 

Nach Ansicht Liebermeisters ist nämlich das Meerschweinchen 
aus verschiedenen Gründen ein zu wenig scharfes Reagens. Die Stäb¬ 
chen können ihre Virulenz eingebüsst haben oder der Meerschweineben¬ 
organismus kann dieser nur geringen Infektion Herr werden. 

Auch muss bezüglich der Sektions-Ergebnisse beim Tierversuch 
grosse Vorsicht geübt werden, da z. B. die Pseudo-Tuberkulose beim 
Meerschweinchen ein der echten Tuberkulose zum Verwechseln ähn¬ 
liches Krankheitsbild erzeugt. 

Die bisherigen Resultate beweisen also noch nicht, dass wirklich 
die Bazillämie bei der Lungentuberkulose stets vorkommt. Die mikro¬ 
skopischen Befunde allein sind überhaupt nicht als vollbeweisend 
anzusehen, und wo Ivontrolltierversuche gemacht wurden, ist die 
Differenz zwischen den Ergebnissen der Tierversuche und des mikro¬ 
skopischen Nachweises auffallend. So beträgt sie bei Rumpf 58,iJ°/o. 
Immerhin sind einige wenige Fälle vorhanden, wo beides sicher positiv 
war. Daraus lässt sich nun doch mit einiger Sicherheit schliessen, 
dass in diesen Fällen eine sichere tuberkulöse Bazillämie Vorgelegen 
hat. Der Beweis jedoch, dass in jedem Fall von Lungentuberkulose 
auch eine tuberkulöse Bazillämie vorliegt, ist bis jetzt noch nicht 
erbracht worden. 



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13] 


Tnberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 


879 


Auf Anregung von Prof. Hammer habe ich versucht, die Ergeb¬ 
nisse der bisherigen Arbeiten nachzuprüfen. 

Es sollte untersucht werden: 

1. Ob Tuberkelbazillen in einem so hohen Prozentsatz nachge¬ 
wiesen werden könnten, dass die Annahme einer ständigen Bazillämie 
bei Lungentuberkulose berechtigt wäre. 

2. Ob die angegebenen Methoden für die Praxis brauchbar seien, 
so dass sie in differentialdiagnostischer oder prognostischer Hinsicht 
Verwendung finden könnten. Zur Untersuchung gelangten 41 Fälle 
von meistens sehr schwerer Lungentuberkulose, die zum Teil bald 
darauf ad exitum kamen. In den ersten zwei Fällen wurde die von 
Schnitter angegebene Methode der Blutuntersuchung auf Tuberkel¬ 
bazillen angewandt, in 15 darauffolgenden Untersuchungen die von 
Jessen-Rabinowitsch, einmal die eigentliche Methode Kura- 
shiges, dann 12mal seine von Kennerknecht modifizierte Methode 
und in den letzten 11 Fällen wurde nach Zeissler gearbeitet. Die 
Zahl der erzielten Präparate richtete sich nach der Menge des ent¬ 
nommenen Blutes. Diese betrug im Anfang bis zu 5 ccm, später 
wurden vorübergehend weniger, zuletzt immer 5 ccm entnommen. 
Durchschnittlich wurden 2 Präparate erzielt. Positive Resultate 
ergab nur die Methode Zeisslers und zwar in 3 Fällen. Nach 
Jessen-Rabinowitsch ergaben sich zweimal zweifelhafte Resul¬ 
tate. Die nach dieser Methode Vorgefundenen Stäbchen konnten nicht 
mit Sicherheit als Tuberkelbazillen bezeichnet werden. Gefärbt wurde 
in jedem Falle nach Ziehl, in den letzten Fällen auch nach Much, 
nach Gram und mit der Spenglerschen Pikrin-Methode. Ob einer 
dieser Färbemethoden allein absolute Sicherheit zuzuschreiben ist, so 
dass man die anderen Färbemethoden eventuell entbehren könnte, 
lässt sich nicht sagen. Nach Much wurde deshalb nicht in jedem 
Falle gefärbt, weil Bittrolf-Momose bei ihren zahlreichen Sputum¬ 
untersuchungen auf Tuberkelbazillen die Muchsche granuläre Form 
nie allein fanden, sondern stets auch mit der Ziehlfärbung zu 
einem positiven Resultate kamen, und weil das Vorkommen von ein¬ 
zelnen nicht in Stäbchen zusammenliegenden Granula die Diagnose 
auf Tuberkelbazillen nicht gestattet, zumal wenn es sich nur um 
einzelne wenige Granula in einem ganzen Präparat handelt. 

In 25 Fällen wurden Kontrolltierversuche gemacht. Es wurde so 
vorgegangen, dass jeweils zwei Meerschweinchen je einige Kubik¬ 
zentimeter Blut intraperitoneal oder subkutan injiziert bekamen. 
Wenn eines der Tiere starb, wurde es seziert. Blieben zwei Tiere 
Monate hindurch klinisch völlig gesund, so wurde eines davon nach 


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380 


Julius EUaesser. 


[14 


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einiger Zeit getötet, das andere ebenfalls gesunde wurde am Leben 
gelassen. In bezug auf die einzelnen Fälle ergaben sich folgende 
Besonderheiten: 

Zu Fall 1: 

Von den am 10. Februar 1912 intraperitoneal mit je 5 ccm 
Blut geimpften Meerschweinchen stirbt eins am 15. Juni 1912. 
Bei der Autopsie ergab sich: serös - fibrinöse Pleuritis, starke 
Follikelschwellung der Milz und multiple Infiltrationen der Lunge. 
Es handelte sich hier sicher nicht um Tuberkulose, sondern offenbar 
um eine akute Infektionskrankheit. Zur Sicherheit wurde der Sektions¬ 
befund Herrn Prof. Kos sei vorgelegt, der die Erkrankung als Meer¬ 
schweinchenseuche identifizierte. 

Zu Fall 11: 

Die beiden am 11. Mai 1912 mit je o ccm Blut intraperitoneal 
geimpften Meerschweinchen wurden nach zirka 3 Monaten in völlig 
gesundem Zustand getötet und es ergaben sich keinerlei krankhafte 
Veränderungen. 

•Zu Fall 14: 

Dem Meerschweinchen H. wurden am 7. Juni 1912 5 ccm Blut 
intraperitoneal injiziert. Es starb am 29. Oktober 1912. Bei der 
Autopsie sah man in der Leber einige kleine gelbliche Knötcheo. Der 
betreffende Lappen war mit dem Zwerchfell verwachsen. Nach der 
Brusthöhle zu fand sich an dieser Stelle ebenfalls eine Verwachsung 
der Herzspitze mit dem Zwerchfell; auch sonst waren leichte Ad¬ 
häsionen des Herzens mit dem Herzbeutel vorhanden. Niere, Milz 
und Peritoneum waren ganz normal; Drüsenschwellungen fanden 
sich keine. Die Ausstrich-Präparate aus den Käseherden der Leber 
ergaben keine Tuberkelbazillen. Es handelte sich hier wiederum um 
die Meerschw r einchen-Seuche. 

Zu Fall 16: 

Zwei Meerschweinchen bekamen am 17. Juni 1912 je 5 ccm Blut 
intraperitoneal injiziert. Schon am 19. Juni starb eines davon, offen¬ 
bar infolge der Injektion an sich, ohne dass die Sektion Tuberkulose 
ergeben hätte. Die Sektion des am Leben gebliebenen Meerschwein¬ 
chens ergab einen normalen Befund. 

Zu Fall 17: 

Am 19. Juni erhielten zwei Meerschweinchen intraperitoneal je 
5 ccm Blut; eines starb am 24. Juni infolge der Injektion. Sektion: 



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15] Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 331 

keine Tuberkulose. Das zweite am Leben gebliebene ergab bei der 
Sektion normalen Befund. 

Zu Fall 19: 

Am 28. Juni: Zwei Meerschweinchen je 2 ccm Blut intra¬ 
peritoneal. Sie blieben vollständig gesund; eines wurde Ende 
Oktober getötet und die Sektion ergab keine krankhaften Verände¬ 
rungen. 

Der am 1. Juli 1912 vorgenommene Tierversuch zu Fall 20 ver¬ 
lief genau wie der zu Fall 19. 

Zu Fall 21: 

2. Juli: Zwei Meerschweinchen je 2 ccm Blut intraperitoneal. 
Eines starb am 11. Juli 1912. Die Sektion ergab: Zahlreiche gelbe 
Knoten in der Leber; im Mesenterium ein grösseres und ein kleineres 
käsiges Paket; Milz, Lunge, Peritoneum, Niere frei. Ausstrich¬ 
präparat: keine Tuberkelbazillen. Da Herr Prof. Kossel, der die 
Güte hatte, den Sektionsbefund zu begutachten, die Erkrankung mit 
Sicherheit als eine Pseudo-Tuberkulose ansprach, so wurde in diesem 
Fall von weiteren Tier-Impfungen abgesehen. Das andere Meer¬ 
schweinchen starb am 19. September 1912. Die Sektion ergab keine 
Zeichen von Tuberkulose. 

Zu Fall 22: 

2. Juli 1912: Zwei Meerschweinchen je 2 ccm Blut intraperi¬ 
toneal; eines starb am 26. Sept. 1912. In keinem Organ fanden 
sich bei der Sektion tuberkulöse Veränderungen. Eine andere Todes¬ 
ursache liess sich ebenfalls nicht finden. 

Zu Fall 23: 

Am 4. Juli 1912; Zwei Meerschweinchen je 2 ccm Blut, eines 
intraperitoneal, eines subkutan. Beide Tiere blieben gesund, eines 
wurde Anfang November getötet und die Sektion ergab keine krank¬ 
haften Veränderungen. 

Zu Fall 24: 

Der am 18. Juli vorgenommene Tierversuch, bei dem zwei Meer¬ 
schweinchen je einen Kubikzentimeter Blut erhielten, verlief wie der 
Fall 23. 

Zu Fall 25: 

19. Juli: Zwei Meerschweinchen subkutan je 1 ccm Blut. Eines 
stirbt am 30. September 1912. Bei der Sektion ist keine Spur von 
-Tuberkulose nachweisbar; Lunge, Milz, Nieren, Leberund Peritoneum 
gesund. Todesursache unbekannt. 


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Gck igle 


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352 


Julius Elsaesser. 


[16 


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In den letzten Tier-Versuchen 25, 26 etc. ist immer das ganze 
Sediment von 5 ccm Blut injiziert; die Tiere sind jetzt alle mit nega¬ 
tivem Resultat seziert. 

Zu Fall 26: 

20. Juli: Zwei Meerschweinchen je 2 ccm Blut subkutan. Beide 
bleiben völlig gesund. Eines wird Anfang November getötet und bei 
der Sektion werden keine krankhaften Veränderungen gefunden. 

Zu Fall 27: 

Zwei Meerschweinchen erhalten am 20. Juli je 2 ccm Blut, eines 
subkutan, beim andern ist es zweifelhaft, ob nicht intraperitoneal. 
Am 23. Juli starb eines. Sektion: peritonitische Erscheinungen, 
jedenfalls als Folge der Injektion, keine Tuberkulose. 

Zu Fall 28: 

25. Juli: Zwei Meerschweinchen subkutan je 1—2 ccm Blut. 
Eines stirbt am 3. Sept. 1912. Autopsie: stark aufgeblähter Darm, 
keine Zeichen von Tuberkulose. 

Zu Fall 29: 

Ein Meerschweinchen erhält intraperitoneal am 9. August 2 ccm 
Blut. Es stirbt am 15. August. Die Sektion ergab Peritonitis und 
keine Zeichen von Tuberkulose. Ein anderes Meerschweinchen erhält 
auch am 9. August subkutan 2 ccm Blut. Es blieb vollkommen ge¬ 
sund und wurde am 25. November 1912 getötet: keine Tuberkulose. 

* Zu Fall 30: 

Zwei Meerschweinchen erhalten am 19. August je 4 ccm Blut 
intraperitoneal. Eins stirbt noch am selben Tag infolge der Injek¬ 
tion. Am 25. November 1912 wird das andere bei voller Gesundheit 
getötet. Die Sektion ergab keine Tuberkulose. 

Zu Fall 31: 

23. Oktober: Zwei Meerschweinchen intraperitoneal injiziert. 
Auch dieser Tierversuch fällt negativ aus. 

Fall 32 verläuft wie Fall 31. 

Zu Fall 33: 

Am 23. Oktober wird zwei Meerschweinchen intraperitoneal Blut 
injiziert. Eines stirbt am 11. November 1912 infolge Gravidität 
(zwei ziemlich ausgetragene Föten) und Entbindungsschwierigkeiten. 

Von Fall 34 an wird der Tierversuch nach der Methode Zeiss- 
lers gehandhabt. Das heisst, es wird der nicht zur mikroskopischen 



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171 


Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 


383 


Untersuchung verwendete Rest des Zentrifugensediments in steriler 
Kochsalzlösung aufgeschwemmt und zur Injektion benutzt. So er¬ 
hält in Fall 34 am 23. November das erste Meerschweinchen 
1,5 ccm, das andere 1 ccm dieses Zentrifugenrestes. Eines starb 
am 25. November, aber nicht an Tuberkulose. Die Todesursache 
blieb unbekannt. 

Zu Fall 35: 

Das am 24. November 1912 geimpfte Meerschweinchen lebte noch 
Anfang Februar 1913 bei voller Gesundheit. 

Zu Fall 36: 

Als Ergebnis der mikroskopischen Untersuchungen fanden sich 
in dem nach Ziehl gefärbten Präparat zwei Stellen mit je zwei 
Stäbchen und zwei Stellen mit je einem Stäbchen, also zusammen 
6 Bazillen, die als einwandfreie Tuberkelbazillen imponierten; weiter¬ 
hin wurden am 6. Dezember 1912 zwei Meerschweinchen je 2 ccm 
des Zeisslerschen Zentrifugats eingespritzt. Anfang Februar 1913 
sind beide Versuchstiere bei voller Gesundheit. 

Zu Fall 37: 

Zwei Meerschweinchen wurden am 6. Dezember je 1 ccm des 
Zentrifugats eingespritzt. Beide Tiere wurden Anfang Februar 1913 
noch völlig gesund befunden. 

Zu Fall 38: 

Es fanden sich bei der mikroskopischen Untersuchung in dem 
nach Ziehl gefärbten Präparat zw$i Stellen mit je zwei deutlichen 
Tuberkelbazillen, in dem nach der Spengler sehen Pikrin-Methode 
gefärbten Präparat drei Stellen mit je einem typischen Tuberkel¬ 
bazillus. In dem nach Much gefärbten Präparate war nichts zu 
finden. 

Zu Fall 39: 

Die mikroskopisch^ Untersuchung ergab: in dem Ziehlpräparat 
eine Stelle mit einem Bazillus. Ebenso fand sich in dem Pikrin- 
Präparat eine Stelle mit zwei Bazillen. Auch hier fand sich in dem 
Muchpräparat nichts. Am 14. Januar 1913 wurden zwei Meer¬ 
schweinchen geimpft, die Anfang Februar 1913 noch völlig gesund 
waren. 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXVI. H. 4. 


26 


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3S4 


Julias Elsaesser. 


[18 


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Übersichtstabelle. 


Nr. 

Name 
d. Pat. 

Datum 

Erkrankung 

Methode 

Färbung 

Zahl d. PräpJ 

Blut¬ 

menge 

ccm 

mikr. 

Unter¬ 

suchung 

Tierversuche 

1 

K. 

1912 
10. 11. 

Phth. pulm. 
III. i. Sputum 
Baz. -f , bald 
darauf f* 

Schnitter 

Ziehl 

2 

i 

Tbc. - 

2 Meerschweinchen 
je 5 ccm Blut intra- 
perit. 1 f. 15. VI. 12 
Ser. fibr. Pleurit. 

Follikel Schwellung 
der Milz, multiple 
Infiltrat, d. Lunge. 

(Meerschwein eben- 
seuche.) 

2 

Sch. 

12. II. 

Phth. pulm., 
bald darauf f. 

- 

»? 

2 

1 

1» 

Kein Tierversuch. 

3 

Fr. 

14. II. 

Phth. pulm. I., 
Tbc.i.Sput.-f, 
bald darauf f. 

Jessen- 
Rabi no¬ 
witsch 

»» 

6 

5 

1 fraglich. 
Stäbchen. 

»> yy 

4 

K. 

16. II. 

Phth. pulm. 

‘ 


1 Ziehl 

1 Weiss 

2 

2 

i.d.Weiss- 
schen Prä¬ 
parat 1 
fragliches 
Stäbchen 

yy yr 

5 

M. 

17. II. 

Phth. pulm. 
III., bald 
darauf f. 

»» 

Ziehl 

5 

2 

Tbc. - 

»» 5» 

€ 

R. 

18. II. 

Phth. jpulm. 

»> 

Much 

Zieh) 

2 

5 

»» 

yy yy 

7 

Kr. 

22. II. 

>» 

»» 

! »» 

8 

5 

yy 

yy yy 

8 

W. 

22. 11. 


»» 

l »» 

4 

5 

yy 

yy yy 

9 

St. 

23. II. 

»» 

»> 

’J 

2 

5 

yy 

•y »» 

10 

B. 

23. II. 

Phth. pulm. 
III., Darmtb., 
bald darauf f. 

yy 

' 

1 M 

2 

5 

yy 

yy yy 

11 

0. 

11. V. 

Phth. pulm. 
III., Tbc. +. 

j y 

i - 

7 

i 

5 

” 

2JMeerschw. intrap. 
je*5 ccm Blut 1 Okt. 
getötet gesund. 

12 

S. 

Anf. 5 

Phth. pulm. 
111., bald 
darauf f. 

yy 

yy 

10 

1 

j 

5 

»» 

Kein Tierversuch. 

13 

z. 

Anf. 5 

! 

j» 

»» 

yy 

6 

1 

5 

yy 

1 

»* ♦» 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 




19] 


Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 


385 


Nr. 

Name 
d. Pat. 

Datum 

Erkrankung 

Methode 

Färbung 

Zahl d. Präp. 

Blut¬ 

menge 

ccm 

mikr. 

Unter¬ 

suchung 

Tierversuche 

14 

H. 

• 

7. VI. 

AlteEmphys.- 
Phthise i. Sp. 
Tbc. + . 

Jessen- 

ßabino- 

witsch 

Ziehl 

4 

5 

Tbc. - 

1 Meerschw. 5 ccm 
Blut intrap. f. 29. X. 
Leber gelbl. Flecken, 
mit dem Zwerchfell 
verwachs.Herzspitze 
mit dem Zwercnfell 
verwachsen. Leichte 
Adhäsionen d. Herz, 
mit dem Herzbeutel. 
Niere, Milz, Periton. 

normal. (Meer- 
sch w einchen seuche.) 

15 

K. 

7. VI. 

Phtb. pulm. 

-> 

f * 

6 

5 

- 

Kein Tierversuch. 

16 

H. 

17. VI. 

Mehr lappen- 
phthise, z. Z. 
geschlossen. 

»> 

3 Ziehl 

2 VVeisa 

5 

• 

5 

>» 

2 Meerschw. je 5 ccm 
Blut intrap. 1 f. 
19. VI. infolge der 
Injektion. Keine Tb. 

17 

B. 

19. VI. 

• 

Schwere Tb., 
i. Sp. Tbc. +. 

>» 

Ziehl 

4 

5 

»» 

2 Meerschw. je 5 ccm 
Blut intrap. 1 f. 
24. VI. an der In¬ 
jektion, keine Tb. 

! 

18 

ü. 

26. VI. 

»♦ 

Kurashige 


2 

1 

*»» 

Kein Tierversuch. 

19 

M. 

28. VI. 

Schwere Tb. 
pulm. 2—3 

Kenner¬ 

knecht 

»> 

2 

1 

” 

2 Meerschw. je 2 ccm 
Blut intrap. 1 Okt. 
getötet, gesund. 

20 

T. 

1. VII. 

Schwere Tb. 
pulm. 

»» 

»» 

2 

1 

•• 

i» »> 

21 

i 

Sehr. 

1 

2. VII. 

i 

Zweifelhaft, 
ob Tb. 

t» 

»» 

i 

2 

I 

! 

1 

»» 

2 Meerschw. je 2 ccm 
Blut intrap. 1 t- 
11. VII. Leber gelbe 
Knoten. Mesenter. 
käsige Pakete. Milz, 
Lunge, Niere, Peri¬ 
toneum frei, Pseudo- 
tb. 2. Meerschw. f. 

19. IX. keine Tb. 

22 

M. 

2. VII. 

Phth. pulm. 
III. 

>> 


2 

1 

V 

2 Meerschw. je 2 ccm 
Blut intrap. 1 f. 

| 26. IX. keine Tb. 

23 

K. 

4. VII. 

Phth. pulm. 
III. i. Sput. 
Tbc. +. 

>» 

. 

>* 

2 

1 

1 ” 

2 Meerschw. je 2 ccm 
Blut. 1 intrap., 1 subk. 
1 Nov. get., gesund. 

26* 


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380 


Julias Elsaesser. 


[20 


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Nr. 

Name 
d. Pat. 

Datum 

Erkrankung 

Methode 

Färbung 

Zahl d. Präp. 

Blut¬ 

menge 

ccm 

mikr. 

Unter¬ 

suchung 

Tierversuche 

24 

Sch. 

18.VII. 

Schwere akut. 
Tb. pulm. i. 
Sp. Tbc. +. 

Kenner¬ 

knecht 

Ziehl 

2 

1 

Tbc. — 

2 Meerschw. je 1 ccm 
Blut subk. 1 Nor. 
getötet, gesund. 

25 

G. 

19. VII. 

Tb. pulm. III. 
i. Sp. Tbc. -f. 

»» 

ti 

2 

1 

ti 

2 Meerschw. subk. je 

1 fccm Blut. 1 f, 
80. IX. keine Tb. 

26 

R. 

20.VXI. 

Phth. pulm. 
III. Tbc. +. 


>» 

1 

5 

” 

2 Meerschw. subk. je 
2 ccm Blut. 1 Nor. 
getötet, gesund. 

27 

K. 

20. VII. 

Schwere allg. 
Tb., Darmtb. 

»» 


1 

5 

»* 

2 Meerschw. subk. je 
2 ccm Blut. 23. VII. 

1 f. Peritonitis, 
keine Tb. 

28 

Sch. 

25.VII. 

Tb. pulm.I-II, 
Tbc. + . 

- " 


1 

5 

»> 

2 Meerschw. subk. je 
1—2 ccm Blut 1 f. 
3. IX. stark aufge* 
blfihter Darm, keine 
Tb. 

29 

A. 

' 

9.VIII. Schwere Tb., 
Tbc. + . - 

! 

»» 

” 

' 

2 

2 

| »» 

1 Meerschw. intrap. 
2ccmBlutf. 16. VIII. 
Peritonitis, keineTb. 

1 Meerschw. subk. 

2 ccm Blut. 25. XI. 
getötet, keine Tb. 

30 

H. 

19. VIII. 

Tb. pulm. III., 
Larynxtb. 

ti 

ii 

1 

2 

ii 

2 Meerschw. je 4 ccm 
Blut intrap. 1 t 
19.VIII.an derlnjekt 
Das andero 25. XI. 
getötet, keine Tb. 

31 ! 

| 

K. 

23. X. 

Tb. pulm. III. 
Tbc. +. 

Zeissler 

1 Gram 

1 Ziehl 

2 

5 

ii 

2 Meerschw. intrap. 
Blut injiziert. Bald 
darauf 1 get., gesund. 

32 

E. 

23. X. 

Beginnende 
Tb. pulm., 
pleurit. sicca. 

fl 

1 Ziehl 

1 Gram 

2 

5 

ii 

Wie Fall 31. 

33 

i 

W. 

23. X. 

Tb. pulm. III., 
Tbc. bald 

darauf t. 


! 1 Ziehl 

1 Gram 

! 

2 

1 

5 

** 1 

2 Meerschw. intrap. 
Blut injiziert. 1 t 
11. XI. (Gravidität), 
keine Tb. 


Gck igle 


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21 ] 


Tuberkelbazillen im Blutstrom bei Lungentuberkulose. 


387 


Nr. 

Name 
d. Pst. 

Datum 

Erkrankung 

Methode 

Färbung 

Zahl d. Prfip. 

Blut¬ 

menge 

ccm 

mikr. 

Unter¬ 

suchung 

Tierversuche 

34 

A. 

23. XI. 

Tb.pulm. III., 
Tbc. +. 

Zeissler 

1 Ziehl 

1 Much 

1 Pikrin 

3 

3-4 

Tbc. - 

1 Meerschw. 1,5 ccm 
des Zeissler sehen 
Zentrifugats sub¬ 
kutan. Das andere 
Meerschw. 1 ccm des 
Zentrifugats. 25. XI. 
1 Meerschweinch. 
keine Tb. 

35 

K. 

24. XI. 

Tb. pulm. III. 

i» 

1 Ziehl 

1 Gram 

2 

5 

rt 

1 Meerschw. injiziert, 
lebt noch Anf. Feb.13 
bei voll. Gesundheit. 

36 

D. 

6. XII. 

Sichere Tb. 

»» 

1 Ziehl 

1 Much 

1 Pikrin 

3 

5 

Tbc. -f 
(6 Baz.) 

2 Meerschw. je 1 ccm 
des Zeisslerschen 
Zentrifugats. Anf. 
Peb. 13 voll, gesund. 

37 

J. 

6. XII. 

Unsicherer 

Fall 

» 

1 Ziehl 

1 Much 

1 Pikrin 

3 

5 

Tbc. — 

»* »* 

38 

B. 

10.XII. 

Phth. pulm. 

»* 

1 Ziehl 

1 Pikrin 

1 Much 

3 

5 

Tbc. + 

(7 Baz.) 

— 

39 

S. 

13.XII. 

» 

n 

1 Ziehl 

1 Pikrin 

1 Much 

3 

5 

Tbc. + 

(3 Baz.) 

14.1.13 2 Meerschw. 
geimpft. Anf.Feb. 13 
gesund. 

40 

Scli. 

13.XII. 

»» 

ft 

Ziehl 

2 

5 

Tbc. — 

— ' 

41 

• 

M. 

21.XII. 

| 

t 

| 

! 

1 

»» 

” 

| 

! 

i 

! 

1 Ziehl 
f Pikrin 

1 

1 

i 

2 

1 

5 

tt 

i 

i 

| 



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3<S8 


Julias Elsaesser. 


[22 


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Zusammenfassung. 

Fall 3 und 4 können nicht als positiv angesehen werden, wohl 
aber Fall 36, 38 und 39, denn in diesen drei Fällen erschienen im 
mikroskopischen Bild Stäbchen, welche eventuell mit einiger Sicher¬ 
heit hätten als Tuberkelbazillen bezeichnet werden können. Während 
also die mikroskopische Untersuchung in 41 Fällen 3 mal (7,3%) 
positive Ergebnisse lieferte, ergaben die Tierversuche in keinem Fall 
ein positives Resultat. 

Immerhin wurde nachgewiesen, erstens: dass Tuberkelbazillen im 
menschlichen Blut bei Lungentuberkulose mit Hilfe der bis jetzt vor¬ 
handenen Methoden nicht in einem so hohen Prozentsatz nachgewiesen 
werden können, dass die Annahme einer generalisierten Erkrankung 
berechtigt wäre. 

Zweitens: dass diese Methoden wegen der technischen Schwierig¬ 
keiten für die Praxis im allgemeinen nicht zu brauchen sind, und 
dass sie als differentialdiagnostische und prognostische Hilfsmittel 
nicht in Betracht kommen können. 

Zum Schluss sei es mir gestattet, dem Direktor der Heidelberger 
medizinischen Poliklinik, Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. Flein er, 
meinen ergebensten Dank auszusprechen. Ebenso gebührt mein Dank 
Herrn Prof. Dr. Hammer für die Anregung zu dieser Arbeit und 
für seine liebenswürdige Unterstützung bei ihrer Ausführung. 


Literatur. 


1. Lüdke, Wiener klin. Wochenscbr. 1906. 

2. Weichselbaum, Wiener med. Wochenscbr. 1884. 

8. Meisseis, Wiener med. Wocbenschr. 1884. 

4. Lustig, ibid. 

5. Rutimeyer, Zentralblatt für innere Medizin 1885. Bd. 6. 

6. Sticker, ibid. 

7. Weigert, Deutsche med. Wocbenschr. 1883. 

8. Cornet, Nothnagels Bandbuch 1900. 

9. Jou8set (Referat), Münch, med. Wocbenschr. 1903. Nr. 10. 

10. Hildebrand, Münch, med. Wochenschr. 1906. 

11. Schmorl und Geipel, Münch, med. Wochenschr. 1904. S. 1676. 

12. Baumgarten, Zentralblatt f. d. med. Wiss. 1881. 



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23] 


TuberkelbazUlen im Blatatrom bei Lungentuberkulose. 


389 


13. Marmorek, Berliner klin. Wochenschr. 1907. 1. 

14. König, ibid. 1896. 

15. Liebermeister, Virchows Archiv Bd. 197. Heft 3. 

16. Schnitter, Deutsche med. Wochenschr. 1909. 36. 

17. Stäubli, Münch, med. Wochenschr. 1908. 50. 

18. Li pp mann, ibid. 1909. 43. 

19. Rosenberger, Zentralblatt für Bakt. 1909. Bd. 50. 

20. Jesaen-Rabinowitsch, Deutsche med. Wochenschr. 1910. 24. 

21. Stephan Acs-Nagy, Wiener med. Wochenschr. 1910. 37. 

22. Bergerow, Etüde critique etc. Thöse de Paris 1904. 

23. Jousset, Semaine medicale 1903, 1904. 

24. Hatano, Beiträge zur Klinik der Tub. Bd. 16. 

25. Kronberger, ibid. Bd. 21. 

26. Kurashige, Zeitschrift für Tub. Bd. 17. 

27. Krause, ibid. Bd. 17. 

28. Liebermeister, Münch, med. Wochenschr. 1908. 36. 

29. Uhlenhuth (Referat), Münch, med. Wochenschr. 1908. 30. 

30. Seemann, Berliner klin. Wochenschr. 1908. 14. 

31. Telemann, Deutsche med. Wochenschr. 1910. 19. 

32. Weis8, Berliner klin. Wochenschr. 1909. 40. 

33. Berger, Zentralblatt für Bakt. Bd. 58. 

34. Zieler, Münch, med. Wochenschr. 1908. 32. 

35. Bittrolf-Momose, Deutsche med. Wochenschr. 1912. 1. 

36. Kennerknecht, Beiträge zur Klinik der Tub. Bd. 23. 

37. Ranström, Deutsche med. Wochenschr. 1912. 33. 

38. Rumpf, Münch, med. Wochenschr. 1912, 36. 

39. Hilgermann-Lossen, Deutsche med. Wochenschr. 1912. 19. 

40. Bönninger, Kongress für innere Medizin. (Ref.) Münch, med. Wochenschr. 
1912. 19. 

41. Liebermeister, ibid. 

42. Rumpf, Jahresversammlung der Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte 
Hamburg 1912. (Referat.) Münch, med. Wochenschr. 1912. 27. 


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Aus der VIII. Abteilung des Kommunehpspitals in Kopenhagen. 
(Oberarzt: Dr. H. J. Bing.) 


Ober die Eiweissreaktion im Sputum 

Von 

Eiler Hempel* Jörgensen. 


Die verschiedenen Verfasser haben übereinstimmende Resultate 
mit Rogers Eiweissreaktion nicht bekommen. 

So finden einige (Wanner 1 ), Roger und L e v y - V a 1 e n s i 2 ) 
überhaupt kein Eiweiss im Sputum bei den einfachen Bronchial¬ 
katarrhen, andere (Biernachi 3 ), Lutschinin 4 ), Pankow und 
Stakow 5 ) bis l,9°/ 00 . 

Als die Ursache dieser Nichtübereinstimmungen wird es wahr¬ 
scheinlich, eine nichtübereinstimmende Technik anzunehmen. 

So gut wie alle, die an der Reaktion gearbeitet haben, ver¬ 
wenden die Roger sehe Technik: 10 ccm des Sputums wird mit 
gleichen Teilen Wasser und etwas Essigsäure versetzt, wonach das 
ganze gut zusammengeschüttelt oder mit einem Glasstab umgerührt 
wird; alsdann filtriert man. Dem Filtrat fügt man nochmals einige 
Tropfen Essigsäure hinzu, wird es nicht trübig dabei, wird die Ei¬ 
weissreaktion darauf angestellt, im entgegengesetzten Falle erst nach 
neuen Zusatz von Essigsäure und Filtration. Schon dadurch, dass 
man nur 10 ccm des Sputums nimmt, wird ein grosser Fehler be¬ 
gangen. Bei grösseren Mengen von Sputum-bekommt man hierdurch 
den dünnflüssigeren Teil der sehr ungleichartigen Mischung, welche 
ein Sputum bildet. Bei wenigem Sputum kann man vielleicht das 

1) Beiträge zur Chemie des Sputums. Inaug.-Diss. Basel 1903. 

2) La presse medicale 1910. Nr. 32. 

3) Gazeta Lokarska 1910. Nr. 30 und 31 (Ref.). 

4 ) Therapeutische Obosrenje Bd. 5. 1912 (Ref.). 

3) Ref. bei Gantz und Hertz. 


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392 Eiler Hempel-Jörgensen [2 

ganze oder mein' oder weniger von dem dickfliessenden Teil mit¬ 
bekommen. 

Dass zwischen dem Eiweissgehalte der beiden Teile ein wirk¬ 
licher Unterschied besteht, beweisen zwei von mir angestellte Ver¬ 
suche. 

Das Sputum wurde in zwei Teile durch das einfache Abgiessen 
der einen Hälfte geteilt. Jeder der Teile -f- ebensoviel 3% Essig¬ 
säure wurde während 2 Minuten umgerülirt, alsdann filtriert, und 
auf dem Filtrat wurde das Eiweissprozent mit Claudius’ 1 ) Albu¬ 
min ometer bestimmt. 

Dünnerer Teil des Sputums: Dickerer Teil des Sputums: 

1. 0,9% 0 Eiweiss 1,5 % 0 Eiweiss 

2 . 1 , 50/00 „ 2,6<y 00 „ 

Um diesen, grossen Fehler zu vermeiden, habe ich immer bei 
meinen Eiweissbestimmungen das ganze Sputum (von den letzten 
24 Stunden) verwendet. 

Anstatt des gewöhnlich verwendeten Zusatzes von gleichen Teilen 
Wasser und danach eine zufällige Menge Essigsäure verschiedener 
Konzentration bei den verschiedenen Verfassern (3%—30%), habe 
ich, sowie auch Wan 11 er, um immer dieselbe Verdünnung und 
absolute Ausscheidung des Mucinets zu bekommen, das Sputum 
-f- 3% Essigsäure ää genommen. 

Die mechanische Behandlung der Mischung hat auch Einfluss 
auf den Eiweissgehalt des Filtrats, was die folgenden Versuche be¬ 
weisen : 

A. Ein ganzes Sputum -f~ gleiche Teile 3% Essigsäure wird 
mit einem Glasstab während vier Minuten sorgfältig umgerührt. 
Nach dem Verlaufe von l 1 / 2 , 2 und 4 Minuten werden Proben 
im Filter gegossen. Auf dem Filtrat wird Eiweissbestimmung nach 
Claudius gemacht. 

Nach l 1 / 2 Minuten bekommt man 1,8 °/ 00 Eiweiss 
2 ,, „ ,, 2,6 % 0 ,, 
jj ^ ?> y> ^ 5 ^ O/oO ’’ 

B. Da möglicherweise durch das Abgiessen des dünneren Teils 
des Sputums zweideutige Resultate kommen könnten, habe ich durch 
kräftiges Schütteln ein Sputum zu homogenisieren versucht, dasselbe 
in 3 gleich grosse Teile geteilt (vor dem Zusatz von 3% Essig¬ 
säure), die drei Teile mit zugesetzter Essigsäure wie im Versuche A 
behandelt bezüglich während 1, 2 und 3 Minuten. Folgende Ei¬ 
weissmengen fanden sich dann: 

9 Münch, med. Wochenschr. 1912. Nr. 41. 


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3] 


Über die Eiweissreaktion im Sputum. 


393 


Nach 1 Minute 2 °/oo Eiweiss 
„ 2 „ 3,3 7 00 „ 

» 3 » 4,25 °/ 00 „• 

C. Um zu sehen, wie lange man mechanisch behandeln muss, um 
maximales Eiweissprozent zu erreichen, habe ich zwei Versuche 
nach der Methode im Versuche B gemacht. Hier ist zur Eiweissbe¬ 
stimmung das Albuminometer Esbachs verwendet, welches im 
Thermostat auf 37° während 24 Stunden vor der Ablesimg liin- 
gesetzt wurde. Folgende Eiweissmengen fanden sich im Filtrat: 

Nach Verlauf von 3 Min.: 5 Min.: 10 Min.: 15 Min.: 

1- U4°/oo l,3°/oo 2°/ 00 l,6°/ 00 

2. 1,5 % 0 2,75 % 0 2 °/ 00 2°/ 00 

Aus diesen zwei Versuchen ergibt sich: 

1 . dass es durch einfaches Schütteln nicht möglich ist, ein 
Sputum zu homogenisieren; 

2. maximales Eiweissprozent wird durch ein ca. 10 Minuten 
langes Umrülrren eines Sputums von 20 ccm erreicht, indem 
das ganze Sputum in diesen letzten zwei Versuchen von 
80 ccm war. 

Hat man ein grösseres Sputum, wird selbstverständlich weit 
längere Zeit erfordert, um maximales Eiweissprozent zu erreichen. 
Da man in der Klinik nicht halbe Stunden zur manualen Behand¬ 
lung solcher Expektoraten absehen kann, muss man entweder Schüttel¬ 
maschinen anscliaffen oder auf die ideelle Forderung maximalen 
Eiweissprozentes verzichten. Das letzte habe ich gemacht, und um 
Werte zu bekommen, die annäherungsweise verglichen werden 
können, habe ich jedes Sputum während zwei Minuten mit einem 
Glasstab umgerührt. Den grossen Fehler, dass die grösseren Expek¬ 
toraten nach dieser Methode im Verhältnis zu den kleineren ein zu 
kleines Eiweissprozent erweisen, habe ich nach diesem Verfahren 
nicht vermeiden können. 

Nach dem Umrühren wird das Sputum filtriert, und auf dem 
Filtrat habe ich dann quantitative Eiweissbestimmungen mit Es¬ 
bachs Albuminometer gemacht, welches 24 Stunden vor der Ab¬ 
lesung bei gewöhnlicher Stubentemperatur hingestellt wurde. Der 
Eiweissgehalt des Sputums ist dann das Doppelte der „Esbacher 
Zahl“. 

Nach dieser Methode habe ich dann Eiweissbestimmungen des 
Sputums von 30 Patienten des Kommunehospitals zu Kopenhagen 
vorgenommen. Die Sputum waren von den letzten 24 Stunden, blut- 
frei und ohne Erbrechen. Für die Erlaubnis, dieselben und die 


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Eiler Hempel-Jörgensen. 


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dazu gehörigen Journale benützen zu dürfen, bitte ich die Ober¬ 
ärzte meinen besten Dank zu empfangen. Ich habe ein weit grösseres 
Material untersucht, aber alles ausgelassen, wo nicht die hier er¬ 
wähnte Technik verwendet ist Die Diagnosen sind die klinische 
Diagnose der Abteilungen ev. die Sektionsdiagnose. 

Von diesen 30 Fällen sind die 16 Lungentuberkulose. Der Ei¬ 
weissgehalt variiert von nicht quantitativ bestimmbaren Mengen bis 
12 °/ 00 . Über 2% 0 hatten 10 Patienten, 3 von 1,5—2°/ 00 , 1 Pa¬ 
tient 0,8°/ 00 und bei 2 Patienten enthielt das Sputum nur Spuren 
von Eiweiss, die nicht quantitativ bestimmbar waren. 

Von diesen beiden Patienten habe ich zwei Analysen mit einem 
Zwischenraum von 4—5 Tagen, beide mit demselben Resultat. Bei 
dem einen Patienten fanden sich nicht Tuberkelbazillen im Aus¬ 
wurf. Der Patient ist später auf einer speziellen .Tuberkulosenab¬ 
teilung und auf einem Sanatorium behandelt worden. Auf beiden 
Stellen wurde ebenfalls Tuberkulose diagnostiziert. Bei dem anderen 
Patienten fanden sich zahlreiche Tuberkelbaziljen im Auswurf und 
die Sektion 14 Tage nach der letzten Untersuchung zeigte stark 
ausgebreitete kavernöse Prozesse in den beiden Lungen. 

Diese zwei Fälle stimmen mit von anderen Verfassern erwähnten 
Fällen überein. So haben Gantz und Hertz 1 ) einen Fall, der 
ebenfalls Autopsie erlangte, mit negativer Eiweissreaktion trotz star¬ 
ken und frischen tuberkulösen Lungenveränderungen. G o o d - 
mann 2 ) hat unter 38 Fällen von Lungentuberkulose 13 mit nega¬ 
tiver Eiweissreaktion (die Kochprobe). Bei zwei derselben fanden 
sich Tuberkelbazillen im Auswurf. Seine Technik war die ge¬ 
wöhnliche Roger sehe. Dieselbe Technik verwendete Fichberg 
und Felberbaum 3 ), die 5mal die Reaktion negativ fanden (die 
Kochprobe), davon 3 mit positivem Bazillenfund; in dem einen 
Fall fanden sich sogar im Auswurf zalilreiche Tuberkelbazillen in 
jedem Gesichtsfeld. Beide Verfasser teilen mit, das Sputum zu wieder¬ 
holten Malen untersucht zu haben. Auch St. Acs-Nagy 4 ) fand 
bei sicherer Tuberkulose mehrmals die Eiweissrektion negativ. End¬ 
lich hat James Scott 5 ) bei seinen 85 sicher klinischen Tuber¬ 
kulosepatienten in 10% die Eiweissreaktion negativ gefunden. 

Meine eigenen Untersuchungen erweisen ferner, dass in 10 Fällen 
von Bronchitis mit Emphysem und Asthma teilweise verbunden, 

i) Berl. klin. Wochenschr. 1911. Nr. 7. 

-') The arch. of int. Med. Vol. VIII. 1911. p. 166. 

3) Med. Record 1911. II. p. 1870. 

1 1 Wiener klin. Wochenschr. 1912. Nr. 48 (Ref.). 

•’■) Journ. of americ. Aseoci. 8. Febr. 1913 (Ref.). 



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5] 


Über die Eiweissreaktion im Sputum. 


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fanden sich von Spuren bis 1,8 % 0 Eiweiss im Sputum. Spuren 
fanden sich in 3 Fällen, von diesen der eine mit Emphysem ver¬ 
bunden. Nur zwei Fälle haben über 1% 0 Eiweiss (1,3 % 0 und 

1,8%o). 

Ein Fall von Asthma bronchiale mit Bronchitis und Emphysem 
bei einem 61jährigen Gerber zeigte einen Eiweissgehalt von 3°/ 00 . 
Der Patient war von dem Oberarzt der Abteilung während mehrerer 
Jahre gefolgt worden und es fanden sich keine Symptome auf Tu¬ 
berkulose in den Lungen. Die Herzfunktion des Patienten erzeugte 
nichts Abnormes. 

Ein Patient mit Gangraena pulin. hatte einen Eiweissgehalt von 
3,5 % 0 im Sputum. 

Zwei Patienten mit kruppöser Pneumonie bezüglich 4°/ 00 und 
2 G°/ 00 Eiweiss. 

Der erste dieser Fälle erleuchtet gut, wie schnell sich der Ei¬ 
weissgehalt bei Pneumonie vermindern kann. Als ich das erste 
Mal das Sputum des Patienten untersuchte, war es schwach ru- 
biginöse und enthielt 4% 0 Eiweiss. Den Tag danach enthielt der 
Auswurf 1,2% 0 und den folgenden Tag nur 0,3 0 / ü0 Eiweiss; 
gleichfalls war die rubiginöse Färbung verschwunden. 

Diese Untersuchungen über die* Diagnose von Phthisis durch 
das Eiweissgehalt des Sputums erweisen dasselbe Resultat als die 
von Biernachi 1 ): 

„Ein positiver Ausfall der Reaktion hat nur mit vielfachen 
Einschränkungen diagnostischen Wert; erst bei einem Eiweissgehalt 
von .mehr als 2°/ 00 kommt der Reaktion ein beweisender Cha¬ 
rakter für die Tuberkulose zu; sodann müssen noch entzündliche 
und destruierende Prozesse des Lungengewebes ausgeschlossen wer¬ 
den, was ja vom klinischen Standpunkt aus keine grösseren Schwie¬ 
rigkeiten bereitet. Wenn diese beiden Vorbedingungen erfüllt sind, 
kann man auf Grund einer positiven Eiweissreaktion im Sputum 
Tuberkulose diagnostizieren.“ 

Doch muss bemerkt werden, dass der isolierte Fall von Asthma 
bronchiale ausser der Grenze fällt. 

Indem man erst die Grenze bei 2°/ 00 setzt, fällt der prak¬ 
tische Wert der Reaktion weg. Betrachtet man nämlich die von 
Pindborg 2 ) veröffentlichten 265 Fälle, die doch durch Rogers 
Technik hergekommen sind, ergibt es sich, dass die Eiweissmenge 
im Sputum nur bei 75 = 37% über 2% 0 war. Nimmt man nur 
seine 61 Patienten im ersten Stadium der Phthisis, und hier sollte 

D Ref. bei Schmey, Tuberculosis Nr. 11. 1911. p. 465. 

*) Zeitschr. f. Tuberkul. Bd. 19. H. 5. 1913. 


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396 Eiler Henipel-JörgenseD: Über die Eiweissreaktion im Sputum. [6 

die Reaktion besonders Bedeutung haben, ergibt es sich, dass das 
Sputum nur bei 2 = ßVoVo über 2°/ 00 Eiweiss enthielt. 

Hieraus dürfte es deutlich hervorgehen, dass man die Reaktion 
aufgeben muss, jedenfalls zu diagnostischem Zwecke, um so mehr, 
als die negative Reaktion auch nichts aussagt. 

Resümee. 

I. Die gefundene Eiweissmenge ist abhängig 

1 . von welchem Teil des Sputums man verwendet; 

2 . von der mechanischen Behandlung, welche man 
das Sputum durchgehen lässt, indem die Eiweiss¬ 
menge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (von der 
Expektoratmenge abhängig) steigend ist. 

II. Als diagnostische Reaktion beim ersten Sta¬ 
dium der Lungentuberkulose ist die Eiweissre¬ 
aktion nicht zu verwenden. 

Für die Aufforderung, diese Untersuchungen anzufassen, und 
für die anhaltende Hilfe bei denselben danke ich bestens Ober¬ 
arzt Dr. H. J. Bing. 



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