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LIBRARY
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MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY.
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BEITRÄGE
ZUR
CHEMISCHEN PHYSIOLOGIE
UN
PATHOLOGIE
ZEITSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE BIOCHEMIE
UNTER
MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN
VON
FRANZ HOFMEISTER
O0. PROFESSOR DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG
ZEHNTER BAND
“ BRAUNSCHWEIG
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN
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III.
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v1.
VI.
INHALT DES ZEHNTEN BANDES.
A. Abhandlungen.
. Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchen-
leber. Zweite Mitteilung. Von Prof. Dr. med. Ivar Bang und
den Amanuensen Malte Ljungdahl und Verner Bohm.
(Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität
un A A RN
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel und das
Fermentgesetz des Trypsins. Von Otto Faubel. (Aus dem
chemischen Laboratorium und der inneren Abteilung des städti-
schen Luisenhospitals zu Dortmund [Oberarzt Privatdozent
a re rel N nee it
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der
Kolloide. Sechste Mitteilung. Die Hitzekoagulation von Säure-
eiweiß. Von Wolfgang Pauli. (Aus der biologischen Versuchs-
anstalt in Wien [Physikalisch-chemische Abteilung].). . . . . »
Über die Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zucker-
ausscheidung und die Acidose. Von Julius Baer und Leon
Blum. (Aus der medizinischen Klinik zu Straßburg [Prof.
ee nee el
. Über die Beziehungen zwischen dem Glykogengehalt der Or-
gane und der Acidose beim Phlorizindiabetes, Von Dr. Artur
Marum. (Aus der medizinischen Klinik zu Straßburg [Prof.
ee een en a
Abbau und Konstitution des Histidins. Von Franz Knoop.
(Aus der medizinischen Abteilung des ehemischen Universitäts-
Broeetosume zu Freiburg 1. B.) . ... 2.202000 0 nun a 00
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente und der fermentativen
Melaninbildung. Von Prof. Dr. Otto v. Fürth, Assistenten am
physiologischen Institut der Universität in Wien, und cand. med.
Be Or GBara,. ee tan aa Wale e
Seite
30
83
80
105
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VI
VII.
XH.
XII.
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XV.
XV1.
XVII.
Inhalt des zehnten Bandes.
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure (Guanyl-
säure). Von Prof. Dr. Otto v. Fürth, Assistenten am physio-
logischen Institut der Universität in Wien, und cand. med.
Ernst Jerusalem... „Sala 0 Eee
. Über Nitrochitine. Von Prof. Dr. Otto v. Fürth, Assistenten
am physiologischen Institut der Universität in Wien, und
Emil Scholl... ...... 7. 120 2 7 „Asse N ee
. Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch an pankreas-
losen Hunden. Von W. Falta, F. Grote und R. Staehelin.
(Aus der medizinischen Klinik in Basel [Direktor Prof. Dr.
W. His]. - 7... 2 2 DR TE Re
. Über die Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen
durch Organauszüge und Eiweißkörper. Von Dr. Leo Pollak.
(Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut in Wien [Vor-
stand: Prof. Dr. Paltaufl) Wr er
Über das Haarpigment nebst Versuchen über das Chorioideal-
pigment. Zweite Mitteilung. Von Eduard Spiegler. (Aus
dem Spieglerschen Laboratorium in Wien.) . . ......
Über den Einfluß der Außentemperatur auf den Blutzucker-
gehalt. Von Privatdozent Dr. Gustav Embden, Professor
Dr. Hugo Lüthje und Dr. Emil Liefmann. (Aus dem
chemisch-physiologischen Institut und der medizinischen Klinik
der städtischen Krankenanstalten zu Frankfurt a. M.)....
Über die Ausscheidung von Alanin durch den Harn. Von
Dr. Siegfried Oppenheimer. (Aus dem chemisch-physio-
logischen Institut [Vorstand: Privatdozent Dr. Embden] und
der medizinischen Klinik [Direktor: Prof. Dr. Lüthje] des
städtischen Krankenhauses zu Frankfurt a.M.).......
Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel. Von K. Spiro.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.)
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes von
Bacillus pyocyaneus. Von Dr. Emil Zak, Assistenten der
vierten medizinischen Abteilung. (Aus dem staatlichen sero-
therapeutischen Institut [Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf] und
dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Kranken-
anstalt Rudolfstiftung [Vorstand: Dr. E. Freund].)
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles. Von Wilhelm
Filehne. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität
Breslau.) = 27.0 00 1 Pace Me ae Eee eh, tr A
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchen-
leber. Dritte Mitteilung. Von Prof. Dr. med. Ivar Bang und
den Amanuensen Malte Ljungdahl und Verner Bohm.
(Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Uni-
versität zu Lund.) .. ©. 0. 2.0: Gebauer RE
Seite
174
188
199
232
253
299
XIX.
XXI.
XXI.
XXI.
XXIV.
SV.
XXVI
XXV.
XXVIl.
Inhalt des zehnten Bandes.
Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase bei
Pankreasdiabetes. Von Ivar Bang. (Aus dem physiologisch-
chemischen Laboratorium der Universität zu Lund.)
. Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säuge-
tier. Von Dr. Wilhelm Pfeiffer, Assistenten der medi-
zinischen Klinik zu Kiel. (Aus dem physiologisch-chemischen
Institut zu Straßburg und dem Laboratorium der medizinischen
Winik zu Kiel [Direktor: Prof. Quinekel). .. ...2...
Der Glykogengehalt der menschlichen Muskeln und seine
Abnahme nach dem Tode. Von Dr. Giuseppe Mosecati,
Assistenten des Instituts. (Aus dem Institut für physiologische
Chemie [Direktor: Prof. Malerba] und dem Ospedale Incurabili
a re Rande nee Tate bar We
Über die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose.
Von Friedrich Bauer. (Aus dem physiologisch-chemischen
Ba Strabbure.) ar. un. ne ne
Über tierische Peroxydasen. Von Dr. Ernst v. Ozyhlarz,
Privatdozenten für innere Medizin, und Dr. Otto v. Fürth,
a. ö. Professor für medizinische Chemie an der Wiener Uni-
ER len a a lin ee ee
Über Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins.
Ein Beitrag zur Frage der komplexen Natur der Fermente.
Von eand. med. Hedwig Donath. (Ausgeführt unter der
Leitung des a.ö. Prof. Dr. Otto v. Fürth im physiologischen
Bertus.der Wiener. Universität.) . =. . re... 02.2 00%
Über die Mengenverhältnisse und die physiologische Bedeutung
der ÖOxyproteinsäurefraktion des Harns.. Von Wilhelm
Ginsberg. (Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Professors
Dr. Otto v. Fürth im physiologischen Institut der k. k.
Wen ee a
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. Von
Dr. Paul Saxl. (Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Professors
Dr. OÖ. v. Fürth im physiologischen Institut der Wiener
He ee u a a Er Baer
Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fettresorption
aus isolierten Darmschlingen. Von Dr. Otto von Fürth,
a. ö. Professor für medizinische Chemie an der Wiener
Birversuat und Dr. Julius Schütz. . . ...... 0% 2.0.
Über Phlorizindiabetes. Von Dr. K. Glaessner und Priv.-Doz.
Dr. E. P. Pick. (Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut
[Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf] und dem pathologisch-
chemischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt „Rudolf-
stiftung“ [Vorstand: Dr. E. Freund] in Wien) ......
viI
Seite
320
324
358
390
4ll
447
462
VIII Inhalt des zehnten Bandes.
B. Kürzere Mitteilungen.
Seite
1. Ein Benzoylpolypeptid des Asparagins.. Von Dr. Takaoki
Sasaki (Tokio). (Aus dem physiologisch-chemischen Institut
zu Straßburg.) ..-. +. .=. 10 WERNER. ee 120
2. Über das sogenannte Molkeneiweiß. Von E. Fuld. (Aus der
experimentell- biologischen Abteilung des pathol. Instituts zu
Berlin.) . .7. WW 2. 200007. 02. 0, a SE BE 123
3. Zur Kenntnis des Jodothyrins. (Vorläufige Mitteilung.) Von
A. Nürnberg. (Aus dem physiologisch-chemischen Labora-
torium der Universität Charkow.).' ; . 71 RO 125
4. Über die Färbung des Harns bei Lysolvergiftung. Von Dr.
OÖ. Matter, Ober-Apotheker. .7 „7.9.7, 7,252 Sr Tre EEE 251
Verzeichnis der Mitarbeiter des zehnten Bandes . . . . 2. 2 2 2 2.2. 490
Autorenregister zum ersten bis zehnten Bande... .... Ze ARE 491
JUL. 30 1907
5245
Beiträge
Chemischen Physiologie
und
Pathologie
Zeitschrift für die gesamte Biochemie
unter
Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben
von
Franz Hofmeister
0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg
X. Band 1. bis 3. Heft
(Ausgegeben Juni 1907)
Jr Braunschweig
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn
DISK
Inhalt des 1. bis 3. Heftes.
Seite
I. Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm. Untersuchungen
über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. Zweite Mit-
teilung. (Aus dem physiologisch - chemischen Laboratorium der
Universität zu Lund). 2. nl ee ee 1
II. Otto Faubel. Untersuchungen über den menschlichen Bauch-
speichel und das Fermentgesetz des Trypsins. /Aus dem chemi-
schen Laboratorium und der inneren Abteilung des städtischen
Luisenhospitals zw Dortmund (Oberarzt: Privatdozent Dr. Vol-
Bar] NA VNA EG Re es 35
III. Wolfgang Pauli. Untersuchungen über physikalische Zustands-
änderungen der Kolloide. Sechste Mitteilung: Die Hitzekoagulation
von Säureeiweiß. Ausgeführt mit Unterstützung der Kaiserl. Aka-
demie der Wissenschaften. (Aus der biologischen Versuchsanstalt
in Wien, Physikalisch-chemische Abteilung.) . » » 2... 53
IV. Julius Baer und Leon Blum. Über die Einwirkung chemischer
Substanzen auf die Zuckerausscheidung und die Acidose /Aus
der medizinischen Klinik zu Strabburg (Prof. v. Krehl).] .... 80
V. Artur Marum. Über die Beziehungen zwischen dem Glykogen-
gehalt der Organe und der Acidose beim Phlorizindiabetes. /Aus
der medizinischen Klinik zu Straßburg (Prof. v. Krehl).] . . . . 105
VI. Franz Knoop. Abbau und Konstitution des Histidins. (Aus der
medizinischen Abteilung des chemischen Universitätslaboratoriums
Bu. Hreidurg 1 BIN 7 ee ee 111
Kürzere Mitteilungen.
1. Takaoki Sasaki. Ein Benzoylpolypeptid des Asparagins. (Aus
dem physiologisch-chemischen Institut zu Strahburg.) . . .».. . 120
2. E. Fuld. Über das sogenannte Molkeneiweiß. (Aus der experi-
mentell- biologischen Abteilung des pathol. Instituts zu Berlin.) .. . 123
3. A. Nürnberg. Zur Kenntnis des Jodothyrins. Vorläufige Mit-
teilung. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der
Unvoersstät Charkow.) . ..= » sro are we 125
Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei-
nen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von etwa 30 Druck-
bogen zum Preise von M. 15, — bilden.
Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden
Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre
erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten.
Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E.,
Wimpfelingstraße 2, zu richten.
Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster
Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung,
Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maß-
gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer
tatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme
finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer
Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson-
ders rasches Erscheinen zugesichert werden.
Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck-
bogen und 50 Sonder- Abzüge.
I.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz
in der Kaninchenleber.
Zweite Mitteilung.
Von Prof. Dr. med. Ivar Bang und den Amanuensen Malte Ljungdahl
und Verner Bohm.
Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität zu Lund.
In unserer ersten Mitteilung haben wir eine Methode zur
Bestimmung der Leberdiastase mitgeteilt, nach welcher man die
in einem gegebenen Zeitmoment existierende intravitale Ferment-
quantität bestimmen kann. Nach dieser Methode haben wir die
Fermentproduktion bei verschiedenen physiologischen Versuchs-
bedingungen näher studiert. Unsere Ergebnisse wiesen darauf
hin, daß die Fermentproduktion in der Leber eine indirekte, reflek-
torisch vom Nervensystem ausgelöste ist. Auf diese Erfahrungen
uns stützend, sind wir zum näheren Studium der interessantesten
sich darbietenden Frage, der Bedeutung des Nervensystems
für die Sekretion des Leberenzyms, übergegangen.
Schon seit Ol. Bernard ist die eminente Bedeutung des
Nervensystems für die Zuckerproduktion der Leber bekannt. In-
wieweit aber diese Zuckerproduktion von dem spezifischen Leber-
ferment hervorgerufen wird oder nicht, bleibt noch zu beantworten.
Wie in unserer ersten Mitteilung erwähnt, ist die Voraussetzung
einer solchen vermehrten Fermentproduktion keineswegs notwendig,
und in der Tat neigen manche Autoren anderen Auffassungen zu.
Von nervösen Einwirkungen, welche eine vermehrte Zucker-
produktion veranlassen, sind sowohl periphere als zentrale bekannt,
z. B. die Pigüre und die Vagusreizung. Ehe wir aber zu der
Besprechung unserer Ergebnisse übergehen, seien zunächst einige
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 1
2 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Versuche mitgeteilt, welche freilich ‚ursprünglich in anderer Ab-
sicht ausgeführt worden sind.
4. Der Glykogenumsatz bei Kaninchen nach dem Nackenschlage.
Wie oben bemerkt, umfaßt unsere erste Versuchsserie Tiere,
denen die Lebern in voller Verdauung exstirpiert wurden. Anstatt
jedesmal zu narkotisieren, haben wir einige Tiere unmittelbar
vor der Leberexstirpation durch einen Schlag mit dem Hammer
auf den Hinterkopf getötet. Daß das eine wesentliche Verschieden-
heit in der Versuchsanordnung bedeutet, darauf wurden wir erst
aufmerksam, als die Versuchsergebnisse zusammengestellt wurden
und sich ohne erkennbare Ursache bald ein geringerer, bald ein
größerer Umsatz ergab. Erst eine systematische Untersuchung
mit peinlicher Einhaltung der Versuchsbedingungen lehrte, daß der
Nackenschlag an sich eine abweichende Wirkung auslöst. Daß
diese Wirkung nervöser Art und nicht dem Tode des Tieres zu-
zuschreiben ist, geht aus der Tatsache hervor, daß bei einigen
Tieren der Tod nicht eintrat, wenngleich sie durch den Schlag
alle das Bewußtsein verloren hatten. Aus den Versuchsprotokollen
teilen wir die Ergebnisse mit, indem wir hinzufügen, daß 4 von
den 6 Versuchen planmäßig in dieser Richtung ausgeführt worden
sind. Sämtliche Tiere hatten vorher Zucker bekommen.
Tabelle I?).
Viksuche- Leber-- | Gesamt- RE Gesamt- ae
Nr. gewicht | glykogen LEER umsatz
RER HOBREET SERE RER A wa
39 76 8,6 11,3 2,58 30,0
40 83 | 5,1 6,1 1,02 20,0
41 BB 8,6 9,8 9,32 27,0
42 110 | 5,5 5,0 1,38 29,0
43 120 11,7 9,1 0,94 10,3
44 200 25,3 12,6 12,90 51,0
Durchschnittlich . . 10,8 | — 3,36 271,9
Ein Blick auf die Tabelle zeigt, daß das Ergebnis dieser
Versuche von jenem der ersten Serie (siehe unsere erste Mit-
teilung S. 417) sehr verschieden ist. Da aber gerade Versuch Nr. 43
einer der ersten war, so wird unser ursprünglicher Fehlschluß
') Versuche von Ljungdahl, sämtliche später von Bang.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 3
erklärlich. Mit dieser einen Ausnahme zeigen die Versuche einen
sehr bedeutenden Glykogenumsatz.
Da der Nackenschlag gerade die Gegend des „Zuckerzentrums“ von
Cl. Bernard trifft, so liegt nahe, anzunehmen, daß die Erregung dieses
Zentrums die Fermentproduktion hervorgerufen hat. Daß der Versuch
Nr. 43 keinen größeren Umsatz veranlaßt hat, ist kein Widerspruch. Ist ja
doch bekannt, daß auch der Zuckerstich zuweilen wirkungslos bleibt. Auch
muß man, wie wir ausdrücklich bemerkt haben, bei so vielen Fehler-
quellen, wie sie hier gegeben sind, mit dem Vorkommen einiger Fehl-
versuche rechnen.
Diesen Erfolg des Nackenschlages darf man mit den Diabetes-
formen vergleichen, welche nach Erschütterung des Kopfes, be-
sonders nach Kontusionen, eintreten. Hiermit ist bewiesen, daß
die nach einer Erschütterung auftretende Glykosurie
wenigstens in dem ersten Stadium auf einer Hypersekre-
tion der Leberdiastase beruhen kann.
Diese Folgerung setzt allerdings voraus, daß die von uns be-
obachtete Fermentsekretion auch im Leben eine vermehrte Zucker-
produktion mit nachfolgender Hyperglykämie und Glykosurie
bewirkt, wie dies auch auf Grund unserer früher gegebenen
Deduktion zu erwarten ist. Doch geben wir gern zu, daß damit
ein sicherer Beweis hierfür noch nicht erbracht ist. In dem
folgenden Abschnitte soll dieses Postulat sicherer begründet werden.
Weiter ist zu bemerken, daß die Fermentsekretion so gut wie
augenblicklich nach der Einwirkung des Reizes also des
Schlages — eintreten muß, denn die Exstirpation der Leber ge-
schah höchstens zwei Minuten danach, und doch fand sich dann
bereits die höchst bedeutende Zunahme der Enzymmenge, nach
dem Glykogenumsatz geschätzt, das Vierfache der normalen Menge.
In dieser Beziehung besteht ein Unterschied zwischen der Sekretion
der Leberdiastase und jener der Verdauungsfermente, z. B. der
psychischen Magensaftabsonderung, die erst einige Minuten nach
der Einwirkung des Reizes beginnt. Dagegen stimmt diese Be-
obachtung vollständig mit unseren früheren Erfahrungen über die
Fermentabsonderung nach Kältewirkung und Injektion hypiso-
tonischer Kochsalzlösung überein. Wenn wir oben angedeutet
haben, daß auch bei diesen das Nervensystem den Anstoß .zur
Sekretion gibt, so findet diese Annahme in den Beobachtungen
über die Wirkung des Nackenschlages eine weitere Stütze.
Noch in einer anderen Beziehung haben unsere Beobachtungen
über das Auftreten der bedeutenden Fermentmenge nach dem
Nackenschlage, nach Verblutung usw. Interesse. Die früheren
1%
4 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Untersucher, wie z. B. Cl. Bernard, haben behufs Fermentunter-
suchung die Leber aus den toten Tieren exstirpiert. Daß man in
solehen Fällen öfter einen großen Umsatz beobachtet hat, läßt sich
— von der Blutdiastase ganz abgesehen — wahrscheinlich aus
der Todesart der Versuchstiere erklären. Auch lassen sich die
höchst widerspruchsvollen Befunde über die saccharifizierende
Wirkung der Leber — einige Beobachter haben großen, andere
nur geringen Umsatz nachweisen können — wenigstens teilweise
aus der verschiedenen Todesart erklären.
Man hat z. B. das eine Mal das Tier durch Verblutung, ein anderes
Mal durch Nackenschlag, Durchschneidung der Oblongata usw. getötet.
Vielleicht hat man auch die Exstirpation erst einige Zeit nach dem Tode
vorgenommen, und es ist uns sehr plausibel, obwohl wir keine Versuche
darüber besitzen, daß die Fermentproduktion post mortem, falls die nervöse
Verbindung mit dem Gehirne nicht unterbrochen wird, einige Zeit weiter-
geht. Da meistens über diesen Punkt nichts mitgeteilt wird, ist es nicht
möglich, hierauf näher einzugehen.
An dieser Stelle sei noch einmal die Frage nach der Blut-
diastase berührt. Bei den Versuchen an gut ermährten Tieren
hatte sich ergeben, daß kein Parallelismus zwischen der Quan-
tität des Leberenzyms und der Blutdiastase besteht. Es war
nicht ohne Interesse, zu untersuchen, wie sich die Sache bei größerem
Gehalt an Leberferment verhält. Solche vergleichende Versuche
haben wir bei den fermentreichen Lebern nach dem Nacken-
schlag ausgeführt.
Die Versuchstechnik war dieselbe wie bei den gut ernährten Tieren
(10 cem Blut und 15cem 0,8proz. NaÜl-Lösung zu jeder Blutprobe, 25 ccm
NaÜl-Lösung wie gewöhnlich zu den übrigen).
Tabelle 1.
Umsatz Umsatz von
Versuchs- |
Nr. ohne Blut 10 ccm Blut
Proz. Proz.
39 30 | 17
41 97 | 4
42 29 11
43 10,3 11
44 51 12
In den Blutproben ist der gefundene Umsatz abzüglich des gewöhnlichen
Umsatzes rleich dem von der Blutdiastase bewirkten Umsatz.
Die Versuchsergebnisse stimmen mit den früheren überein.
Auch hier ist kein Parallelismus zu finden, so z. B. ist im Versuch
EEE TEE
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. h)
Nr. 41 der Umsatz durch Leberferment groß und die Wirkung
des Blutes gering, im Versuch Nr. 43 dagegen ist die Blutdiastase
eher wirksamer. Auch die übrigen Versuche zeigen bestimmt, daß
das Leberenzym nichts mit der Blutdiastase zu tun hat.
=
5. Der Glykogenumsatz in der Kaninchenleber nach dem
Zuckerstich.
In den bis jetzt mitgeteilten Untersuchungen haben wir ge-
funden, daß bei reichlichem und mäßigem Glykogengehalt nur
geringe Fermentproduktion besteht, was den tatsächlichen Verhält-
nissen im Leben entsprechen dürfte, da auch hier keine Über-
produktion von Zucker gegeben ist. Andererseits ließ sich die
vermehrte Fermentproduktion bei einem geringen oder minimalen
Glykogengehalt als eine kompensatorische Einrichtung auffassen.
Wenn wir nun auch nach Verblutung, Nackenschlag, Kälte-
wirkung usw. eine Überproduktion des Leberferments gefunden
haben, so steht doch noch — strietissime dietu — der Beweis
aus, daß diese vermehrte Fermentproduktion eine entsprechende
intravitale Zuckerbildung nach sich zieht. Ein solcher Beweis läßt
sich aber hier unmöglich liefern, da man die Tiere nicht so lange
am Leben halten kann, bis die eventuell auftretende Überproduk-
tion von Zucker im Harn oder Blut nachzuweisen ist. |
Es wäre aber sehr wünschenswert, festzustellen, ob in der Tat
eine solche Vermehrung der Fermentproduktion, die einem Um-
satz von 12 bis 15 Proz. gegenüber der normalen von 6 bis 7 Proz.
entspricht, auch intravital eine gesteigerte Produktion von Leber-
zucker mit Eyperglykämie und Glykosurie bewirkt, oder ob viel-
leicht der Organismus, bzw. die Leber, über Einrichtungen ver-
fügt, welche der Vermehrung des Enzyms das Gleichgewicht
halten. Die Beantwortung dieser Frage läßt sich vielleicht in
anderer Weise erreichen.
Kann man nämlich zeigen, daß auch bei Einwirkungen, welche
der gewöhnlichen Auffassung nach eine Hyperglykämie bzw.
Glykosurie durch vermehrten Glykogenumsatz der Leber bewirken,
eine vermehrte Fermentproduktion der Zuckerbildung vorangeht,
so dürfte auch die Abhängigkeit jener Glykosurie von der ge-
steigerten Fermenttätigkeit als bewiesen gelten können.
Ein solcher Nachweis wäre um so erwünschter, als, wie
schon eingangs der ersten Abhandlung bemerkt wurde, überhaupt
noch nicht zwingend bewiesen ist, daß diese Glykosurien aus-
6 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
schließlich oder hauptsächlich von dem Umsatz des Leberglykogens
abhängig sind.
Aber selbst wenn man dies zugesteht, ist damit noch lange
nicht bewiesen, daß, z. B. nach der Pigüre, die Sekretion eines
Körpers vorliegt, welcher den Glykogenumsatz bewirkt. Min-
destens ebensogut läßt sich denken, daß die nach der Pigüre
nachweislich auftretende Kongestion der Bauchorgane mit dem
nachfolgenden reichlichen Auftreten von Blutdiastase als die prin-
zipielle Ursache der vermehrten Zuckerproduktion anzusehen ist.
Von der Bestimmung der Fermentmenge der Leber nach unserer
Methode ist wahrscheinlich hierüber Aufklärung zu erhalten.
Aber auch in anderer Beziehung dürfte das neue Verfahren
vorteilhaft sein. Durch dasselbe wird man nämlich von dem zu-
fälligen Vorhandensein von Leberglykogen vollständig unabhängig.
Es ist z. B. bekannt, daß die Pigüre „unwirksam“ bleibt, wenn
die Kaninchenleber glykogenfrei ist. Nehmen wir aber einen
Augenblick an, daß die Pigüre eine vermehrte Fermentproduktion
bewirkt, so ist klar, daß diese ebensogut bei glykogenfreien
Tieren vorkommen kann, trotzdem sie sich hier nicht als Glykos-
urie manifestiert. Es wäre sonach ganz falsch, aus dem Aus-
bleiben der Glykosurie schlechtweg die Folgerung zu ziehen, daß
die Pigüre „unwirksam“ „geblieben. ist. Dieses Beispiel genügt,
um zu zeigen, wie rationell sich unsere Bestimmung der Ferment-
produktion gestaltet gegenüber den früheren . Untersuchungs-
methoden.
Von solchen Überlegungen ausgehend, haben wir umfassende
Untersuchungen über die Fermentproduktion der Leber bei den
verschiedenen Glykosurien angestellt. Wir wollen zunächst über
unsere Versuche, betreffend den Fermentgehalt der Leber nach
dem Zuckerstich, berichten, welche sich übrigens nahe an die
Versuche mit dem Nackenschlag anschließen.
Bei diesen Versuchen war es in jedem Falle notwendig zu
kontrollieren, ob die Piqüre gelungen war. Durch den Nachweis
von Zucker im Harn läßt sich dies sonst leicht bestimmen. Da
aber bekanntlich nach dem Zuckerstich erst in der ersten bis
zweiten Stunde Zucker im Harn auftritt, und da wir vorher ge-
funden haben, daß die Fermentproduktion gleich nach dem Reize
eintritt, und weiter selbstverständlich nicht wissen können, wie
lange das gebildete Ferment in der’ Leber unverändert bleibt, so
war a priori nicht zu sagen, in welchem Zeitpunkte die Ferment-
vermehrung am besten nachweisbar sein würde.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 7
In Übereinstimmung mit den Verhältnissen beim Nacken-
schlag durfte man auch hier mit Wahrscheinlichkeit den Eintritt
der Vermehrung gleich nach der Pigüre erwarten, nur fehlt,
wenn man die Leber unmittelbar nach der Pigüre exstirpiert, die
Garantie, daß dieselbe auch gelungen ist. Diese Schwierigkeit
läßt sich jedoch durch Serienuntersuchungen überwinden. Hat man
eine genügend große Versuchsserie ausgeführt, so hat man hierbei
sicher mindestens einige gelungene Versuche beobachtet. Trotz-
dem haben wir nicht versäumt, die Fermentproduktion in der
nachfolgenden Zeit zu verfolgen, und besitzen infolgedessen ver-
schiedene Versuchsserien über die Fermentproduktion vom ersten
- Augenblick bis zu 21/, Stunden nach der Pigüre.
Die meisten Tiere bekamen 30 g Rohrzucker 16 Stunden vor
der Operation (einige Versuche betreffen Hungertiere), einige 20 g
Rohrzucker und nur wenige Traubenzucker — wenn nämlich eine
alimentäre Glykosurie gleichgültig war. Übrigens wurde, wenn
möglich, der Harn vor der Operation auf Zucker untersucht. Nur
sehr selten haben wir nach "Traubenzucker eine alimentäre Glykos-
urie beobachten können. Der Rohrzucker bewirkt dagegen nach
unseren Erfahrungen keine Glykosurie.
Wir werden zuerst unsere Ergebnisse über die Fermentpro-
duktion unmittelbar nach der Pigüre mitteilen.
Tabelle II.
| Gewicht | Gewicht | gesamt. BE
y\ des der Glykogen Umsatz
S| lyk t
7 Kaninchens Leber Be Be
E | g | g g Proz. g Proz.
45| 2020 128 62 51 14 | 200
46) 3200 120 10,7 9,0 200 | 187
47 2200 | 125 16,3 13,0 24 | 150
48 | 1600 86 8,0 9,3 149-1442
49| 2000 | 104 6,7 6,4 0,83 12,2
50 | 3500 184 10,5 5,7 1.88. 27,..420,9
51 1500 183 20,5 11,2 1 |
52 900 112 13,5 6 a 11,4
Durchschnittlich . . 11,6 — 1,50 14,4
Nach dem Zuckerstich wurden die Tiere narkotisiert und laparo-
tomiert. Die Lebern waren spätestens 5 Minuten nach dem Stiche heraus-
genommen. Wir bemerken ausdrücklich, daß man die Tiere nicht vor der
8 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Pigüre narkotisieren soll, sondern erst nachher. Es ist bekannt, daß die
Pigüre an narkotisierten Tieren wirkungslos ist, was wir in einem darauf
gerichteten Versuche auch für die Fermentproduktion bestätigen konnten.
Die Versuche sind in der Tabelle III zusammengestellt.
Ein Blick auf die Tabelle zeigt den Effekt des Zuckerstiches,
doch werden wir mit der Diskussion der Resultate warten, bis die
übrigen Versuchsserien mitgeteilt sind. Nur seien im Anschluß
zwei Versuche angeführt, wo die Kaninchen durch Hunger gly-
kogenfrei geworden waren.
Tabelle IV.
Bericht Ab
Versuchs- | Hunger- er der | eh Umsatz
Nr. tage Kaninchens Leber | Glykogen
- g g | Proz. Proz.
53 5 700 63 9.5 20
| 2 2500 76 7,3 33
Zu den abgewogenen Proben (Nr. 53 20 g, Nr. 54 25 g) wurde die
Glykogenlösung zugesetzt und wie gewöhnlich die Kontrollprobe gekocht.
In Versuch Nr. 54 wurde die Leber erst °/, Stunde, in Versuch 53 gleich
nach der Pigüre exstirpiert.
Beide Versuche zeigen ganz überzeugend, daß der Effekt der
Pigüre derselbe ist, gleichgültig, ob die Leber glykogenhaltig ist
oder nicht. Es ist also keineswegs für das Gelingen der Pigüre
notwendig, daß die Leber Glykogen enthält.
Die übrigen Versuche über Zuckerstich lassen sich in Serien
einteilen, und zwar nach der Zeit, die von dem Stiche bis zur
Beendigung der Leberexstirpation verfloß. Es ergeben sich so fünf
Serien, die erste mit dem kürzesten Intervall von Y, Stunde, die
letzte mit dem längsten von 2 bis 2!/, Stunden.
In allen diesen Versuchen kommt als neues Moment die Harnunter-
suchung hinzu. Der Zuckergehalt wurde vor und nach der Pigüre quan-
titativ bestimmt. Da man aber nicht überall garantieren kann, daß die
Blase nicht etwas Residualharn enthielt, kann diesen absoluten Werten kein
größerer Wert zugesprochen werden. Ich werde deswegen immer später
den Harnzucker in folgender Weise angeben: O0 gleich kein Zucker,
— gleich wenig, + gleich deutlich etwa 0,15 bis 0,20 Proz. Dextrose,
++ gleich recht viel, etwa 0,3 bis 0,5 Proz., und +-+--+- bedeutet reich-
liches Vorkommen von Dextrose. Die Tiere bekamen 16 Stunden vor dem
Versuche Rohrzucker.
xt. Ze De
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 9
Tabelle V.
zZ
“ | Gewicht | Gewicht
3 | a G t- & f = B
© |$ ‚desKanin- der Se Glykogen Era Umsatz Harı
N | S glykogen umsatz zucker
2 chens Leber
Min. Su g g g Proz. g Proz.
55 | 2400 | 153 15,0 9,6 1,11 7.4 2
56| 1800 123 11,1 9,0 0,40 3,6 =
0357| 2700 102 3,0 2,9 0,26 85 e
58, 1800 100 8,6 8,6 0,16 1,9 )
59| 2200°) | 109 5,0 4,6 0,15 3,0 IE
60), 1900°) | 104 6,7 6,4 0,38 5,6 N)
Durehschnitt . . 32 | — 0,61 50 | —
61 ? 190: 6,2 5,0 0,20 32 0
62, 3000 124 14,0 11,3 1,30 a et
452 163 1700 146 14,0 9,6 1,41 10,1 0
64| 2200') | 109 8,8 8,0 1537 15,6 Zu
65 2000 !) 120 33 9.1 0,89 9,0 —
Durchschnitt. . | 10,6 _ 1,05 94 —
66) 3700 154 14,6 ge ans I
67 ? 67 4,2 6,3 0,02 0,5 E
602 |68| 1900 80 5,3 6,6 0,36 6,7 ai
69 2100!) 104 5,5 5,3 0,96 17,4 —
70| 1800) | ıo1 4,8 4,8 0,76 15,8 en
Durchschnitt. . 6,5 — 0,99 12,0 —
,0| 171 | ? 66 BD 8,3 0,06 11 +++
; r ? 140 7,8 5,6 1,40 ir
Durchschnitt. . 6,7 _ 0,73 95 _
j 73| 2500 14 | 149 103 | 2376 | 185 |44+
120 | 74| 2700 120 12,0 10,0 1,78 14,8 a
175! 4000 310 27,3 8,8 5,02 Beer
150 76 1900 | 102 I a a 1,40 149 |4+4+
Durchschnitt. . | 15,9 | —_ | 2,74 16,7 _
Aus den angeführten 32 Versuchen ergibt sich, wie die
Tabellen lehren, ein recht bedeutender Unterschied in der Fer-
mentproduktion; bald kann man eine wesentliche Vermehrung be-
obachten, und bald ist eine so geringe Fermentquantität gefunden,
daß der Wert sogar unter dem bei den „Normalkaninchen“ ge-
fundenen Umsatz liegt.
. Aderlaßkaninchen.
10 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Es fragt sich nun, ob vielleicht die Methode versagt hat, ob
an ein Zusammentreffen nicht kontrollierbarer Bedingungen zu
denken ist, oder ob die Zahl der Versuche zu gering ist. Vor
alleın ist daran zu denken, daß die Pigüre ohne erkennbare be-
stimmte Ursache mißlingen kann.
Wir können dieses Bedenken nicht ohne weiteres von der
Hand weisen. Vielmehr geben wir gern zu, daß unsere Versuche
nicht ganz einwandfrei sind, und es ist auch sehr wohl möglich,
daß die Versuchsstatistik nicht so groß ist, als es die sicher sehr
schwierigen Verhältnisse wünschenswert erscheinen lassen. Trotz-
dem glaube ich, daß größere methodologische Täuschungen nicht
vorliegen können.
_
Wenngleich z. B. in der Tabelle III Versuch Nr. 5l nur 4,1 Proz. Um-
satz gefunden sind, so stimmen doch sämtliche übrigen 7 Versuche ganz
überein. In den Versuchen Nr. 45 und Nr. 46 habe ich sogar die Be-
stimmungen doppelt mit zwei Kontroll- und zwei nicht gekochten Proben
ausgeführt. Die Befunde waren völlig übereinstimmend. In den Versuchen
Nr. 71 und Nr. 72 sind zwar die Differenzen des Umsatzes höchst bedeutend,
aber eben deswegen kann man auch sagen, dab sie unmöglich sich aus
methodologischen Fehlern erklären lassen, und trotzdem haben wir doch in
dem reichlichen Vorkommen von Harnzucker die Garantie, daß die Pigüre
jedenfalls nicht miblungen ist. Dasselbe ist auch mit den meisten übrigen
Versuchen der Fall. Es trifft nur für sehr wenige zu, daß die Pigqüre mib-
lungen sein kann.
Wenn man weiter mir die Einwendung machen wollte, daß die Zahl
der Untersuchungen unzureichend ist, so möchte ich hierzu nur bemerken,
dab ich es für besser halte, dab solche weitere Untersuchungen von anderen
ausgeführt werden. Ich habe alle Versuche mit der größten Sorgfalt aus-
geführt und habe die Auffassung, dab ich durch fortgesetzte Untersuchungen
nicht viel mehr erreichen kann — bei Tierversuchen kann man ja nur zu
einer relativen Sicherheit gelangen — um so mehr, als 15 von den 32 Ver-
suchen von November 1906 bis Januar 1907 als Kontrollversuche ausgeführt
sind. Sie haben sämtlich meine früheren Beobachtungen bestätigt. Ich
glaube auch, daß die für den ersten Anblick so launenhafte Differenz der
Enzymquantität sich sehr wohl erklären läßt und daß man eben hierdurch
einen Einblick in den Mechanismus der tierischen Zuckerproduktion gewinnt,
wie man ihn früher nicht haben konnte.
Wenn wir zunächst die Ergebnisse der Tabelle III, die Fer-
mentproduktion unmittelbar nach der Pigüre, berücksichtigen,
können wir in Übereinstimmung mit den Resultaten des Nacken-
schlages sagen, daß die Zuckerproduktion beim Zuckerstich
von einem Glykogenumsatz in der Leber herstammt und
daß dieser Umsatz durch das spezifische Leberenzym
verursacht wird.
a
j
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 18
In Übereinstimmung mit den Befunden beim Nackenschlage,
bei Kältewirkung und Durchspülung mit hypisotonischer Kochsalz-
lösung tritt also auch beim Zuckerstich unmittelbar nach
der Einwirkung des Reizes die Fermentproduktion ein
und ist in wenigen Minuten maximal geworden.
Läßt man die Tiere etwas länger, eine halbe Stunde nach der
Pigüre, leben, so findet man auffallend wenig Ferment. In der
mitgeteilten Versuchsreihe liegt das Mittel sogar unter der Norm
(5 Proz. gegen 6,7 Proz.), doch fällt diese Differenz noch in die
Fehlergrenzen.
Der Einwand, daß bei den Tieren dieser Versuchsreihe die Pigüre
mißlungen ist, hat sehr wenig für sich. Die Serie umfaßt nicht weniger als
sechs Versuche, und es wäre ein ganz besonderes Mißgeschick, wenn sie
sämtlich mißlungen wären. Weiter . enthält der Harn bei zwei Tieren
Zucker! Endlich wurde bei den Versuchen Nr. 59 und Nr. 60 der Blut-
zucker bestimmt und doppelt so hoch als normal gefunden. Auch der Ein-
wand hat nicht viel für sich, daß das initiale Auftreten von Enzym zufällig
ist, wie man aus Versuch Nr. 51 schließen könnte; dieser Versuch steht ganz
vereinzelt und ist wohl am einfachsten als mißlungen anzusehen. (Später
soll eine andere Möglichkeit angedeutet werden.)
Es bleibt also nichts anderes übrig als anzunehmen, daß das
zuerst gebildete Enzym nach einiger Zeit wieder aus der
Leber verschwindet!).
Ist man damit einverstanden, so läßt sich folgern:
l. Die primäre Sekretion von Enzym hört nach einiger
Zeit auf, und
2. das bereits gebildete Enzym wird entweder in der Leber
zerstört, paralysiert oder aus ihr weggeschafft.
In betreff der Enzymmenge der Leber nach ?/,, 1, 11/, und
2 Stunden zeigen die Versuche nicht dieselbe Regelmäßigkeit.
Bald findet man weniger und bald mehr Ferment. Trotzdem geht
unzweideutig aus ihnen hervor, daß die Fermentproduktion später
wieder zum Vorschein kommt — bisweilen schon nach
3/, Stunden, öfters jedoch erst nach 2 Stunden. Die Abnahme der
Fermentproduktion nach der ursprünglichen Steigerung läßt sich
am einfachsten durch die Annahme erklären, daß eine Hemmung
der Fermentproduktion in der Zwischenzeit eintritt, die dann wieder
von einer Steigerung abgelöst wird und so fort.
') Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu bemerken, daß der absolute
Glykogenumsatz bei den zwei Serien vollkommen dem prozentischen ent-
spricht. Die durchschnittliche Glykogenmenge ist 11,6g und 82g, mit
einem Umsatz von 1,50g und 0,61g in 4 Stunden.
Glykogenumsatz
12 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Wir hätten also bei dem Zuckerstich zwei Effekte zu be-
rücksichtigen, Auslösung gesteigerter Fermentproduktion und
Hemmung derselben. Wie diese Hemmung auf das einmal ge-
bildete Leberferment einwirkt, lassen wir vorläufig unerörtert, wollen
vielmehr unsere Aufmerksamkeit der Tatsache zuwenden, daß eine
Aufhebung des initial gebildeten Enzyms stattfindet und daß kein
oder nur sehr wenig neues Ferment neu gebildet wird.
Wir wollen zuerst das oben angedeutete Zeitgesetz genauer
analysieren. Trotzdem, wie gesagt, die individuellen Unterschiede
die Regelmäßigkeit stören, kann man doch dank den Serienunter-
suchungen eine gewisse Gesetzmäßigkeit nachweisen, welche am
besten bei graphischer Darstellung ersichtlich wird. (Die großen
Unterschiede der einzelnen Versuche in der späteren Zeit nach der
Pigüre sollen bald berücksichtigt werden.)
Fig.1.
Zeit Pigüre 15 30 45 60 90 120
Aus der Fig. 1 läßt sich ganz unzweideutig das Alternieren
zwischen Steigerung und Hemmung der Fermentwirkung ersehen.
(seht man von dieser Auffassung aus, so fragt sich zunächst,
welcher Faktor die Fermenthemmung hervorruft. Man hat hier
mehrere Möglichkeiten zu berücksichtigen.
Erstens läßt sich denken, daß das gereizte „Zuckerzentrum*
nach kurzer Zeit erschöpft wird. Das durch die zentrale Reizung
einmal gebildete Leberenzym geht nach kurzer Zeit verloren —
es wird mit dem Blute wegtransportiert oder von den Leberzellen
selbst ohne zentrale Anregung zerstört. Nach und nach hat das
Zuckerzentrum neue Energie aufgespeichert, die Erregung macht
sich geltend, und es folgt eine neue Fermentproduktion.
a
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 13
Zweitens ist denkbar, daß das Zuckerzentrum zwar die ganze
Zeit Impulse zur Fermentproduktion der Leber sendet, daß aber
eine zeitweise Erschöpfung der Leberzellen eintritt.
Die dritte Möglichkeit, daß die Leberdiastase dank den Um-
satzprodukten — dem gebildeten Zucker — nicht mehr funktio-
niert und nachher, wenn der Zucker aus der Leber ins Blut ge-
kommen ist, aufs neue Zucker bilden kann, trifft nicht zu, da
die herausgenomniene Leber durchgespült wird und hinterher be-
kanntlich nur Spuren von Zucker enthält.
Auch die ersten zwei Möglichkeiten dürften nicht den tatsäch-
lichen Verhältnissen entsprechen. Von Pawlows Untersuchungen
über die Magensaftabsonderung bei Scheinfütterung wissen wir ja,
daß die Sekretion stundenlang ohne Erschöpfung fortdauern kann.
Wenn in diesem Falle sowohl der Zentralapparat — die Sekretion
ist bekanntlich eine reflektorische — als auch die Drüsenzellen
andauernd funktionsfähig sind, dürfte man per analogiam berech-
tigt sein, dasselbe für die Fermentsekretion der Leber anzunehmen.
Man hat deswegen in der ersten Reihe die Möglichkeit zu
berücksichtigen, daß diese Hemmung der physiologischen
Regulation der Zuckerproduktion entspricht.
Wir können hierbei als Ausgangspunkt den Satz aufstellen,
daß die physiologische Zuckerproduktion äußerst genau reguliert
ist und reguliert sein muß. Es ist klar, daß die Ökonomie des
Organismus fordert, daß nicht mehr Zucker aus den Depots (aus
Glykogen) herangezogen wird, als das augenblickliche Bedürfnis
fordert, sonst geht Zucker durch die Nieren verloren. Sodann ist
ein vermehrter Zuckergehalt des Blutes keineswegs für die Lebens-
vorgänge der Zellen gleichgültig. Bekanntlich kann er auf ver-
schiedene Weise toxisch wirken. Auf der anderen Seite unterliegt
auch das Bedürfnis großen Schwankungen, z. B. bei Arbeit und
Ruhe. Der Organismus muß dementsprechend imstande sein,
sich einem vermehrten Bedürfnis augenblicklich anzupassen, aber
auch ebenso schnell nachher den Glykogenumsatz zu vermindern.
Hieraus läßt sich mit Notwendigkeit folgern, daß die Regu-
lation der Zuckerproduktion nicht ein statisches Gleich-
gewicht darstellen kann, sondern nur ein dynamisches.
Mit Pfaundler können wir den Satz formulieren: Die Zucker-
produktion der Leber ist kein Gleichgewicht der Kräfte,
sondern ein Gleichgewicht entgegengesetzter Vorgänge.
Die Zuckerproduktion ist demgemäß als Resultante eines Produk-
tions- und eines Hemmungsvorganges zu betrachten.
14 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Die Vorzüge dieser Auffassung sind einleuchtend. Durch
einen solchen Vorgang — und nur durch diesen — ist es dem
Organismus möglich, die Zuckerproduktion in jedem Moment dem
Bedarf schnell und genau anzupassen. Diese dynamische Regu-
lierung herrscht überdies in der ganzen organischen Welt. Sowohl
bei Pflanzen als Tieren kommt sie überall da vor, wo eine feine
Einstellung der Regulierung notwendig ist. Beispiele hierfür anzu-
führen ist überflüssig. Es wäre höchst merkwürdig, wenn die Regulie-
rung der Zuckerproduktion eine Ausnahme von dieser Regel bildete.
Ist man einmal mit dieser Auffassung einverstanden, so fragt
es sich weiter, ob die Regulierung durch das Blut erfolgt (wie die
respiratorische Regulation) oder nicht. Das Sinken der Blutzucker-
konzentration könnte z. B. das Produktionszentrum erregen, das
Steigen umgekehrt das Hemmungszentrum. Auf die Verhältnisse
bei Piqüre angewandt, soll das heißen, daß der Stich das Produk-
tionszentrum reizt, folglich erscheint ein vermehrter Blutzucker-
gehalt, der Zucker erregt dann das Hemmungszentrum usw. Diese
Auffassung — welche sich übrigens auf die Verhältnisse beim
Hunger stützen kann, wo eine Verminderung des Blutzuckers mit
entsprechend vermehrter Fermentproduktion tatsächlich vorliegt —
kann man nichtsdestoweniger als unwahrscheinlich zurückweisen.
Wir haben erstens schon in unserer ersten Abhandlung mitgeteilt,
daß eine Durchspülung mit körperwarmer, zuckerhaltiger Kochsalz-
lösung keine Einwirkung auf die Fermentproduktion ausübt.
Zweitens habe ich durch mehrere Bestimmungen des Blutzuckers
nach Pigqüre festgestellt, daß die Blutzuckermenge nur langsam und
regelmäßig ansteigt, wie folgende Tabelle zeigt.
Tabelle VI.
Zeitpunkt des
|
TOR a Blutzucker-
Aderlasses nach Versuchs | halt!
der Pigüire Nr. | ru
Min. | Proz.
|
30 59 | 0,16
30 60 | 0,15
45 64 | 0,26
45 65 | 0,22
60 69 | 0,29
60 70 | 0,38
') Der Blutzucker wurde nach meiner Methode (Festschrift für Ham-
mäarsten und Biochem. Zeitschr. 1) bestimmt.
u ee Be a ee eu 0 ee
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 15
Zur besseren Übersicht habe ich die Ergebnisse in der
Fig. 2 graphisch zusammengestellt.
Dem Zuckergehalte des Blutes nach dürfte man erwarten, daß
die Hemmung viel später auftritt, als dies tatsächlich der Fall ist.
Die Bestimmungen geben sonach keine Erklärung für das früh-
zeitige Auftreten der Hemmung. Die Hemmung ist sonach wahr-
scheinlich zentralen Ursprungs, speziell bei der Pigüre Der
Zuckerstich würde danach sowohl eine Reizung des Produktions-
als auch des Hemmungs-
zentrums bewirken. An-
fangs würde die erstere Blutzucker nach Piqüre
überwiegen, dann würde |
das Produktionszentrum
erschöpft und die Hem- .
mung käme zur Gel-
tung. Dann würde die
Energie des Produktions-
zentrums wiederherge-
stellt, das Hemmungs-
zentrum dagegen erschöpft
usw. Danach ließe sich
unsere Auffassung über
das Wesen der Pigqüre in Piqüre 15 30 45
folgender Weise formu-
lieren: Die Vorgänge bei der Pigüre sind qualitativ die-
selben wie in der Norm, nur sind die Ausschläge der
entgegengesetzten, regulatorischen Kräfte quantitativ
Fig. 2.
60
Minuten
vergrößert.
Durch die zentrale Reizung wird das physiologisch nur einen schwachen
Ausschlag zwischen Produktion und Hemmung gebende Pendel in stärkeren
Gang versetzt, die Ausschläge werden nach beiden Seiten größer. Dann
werden die Ausschläge wieder kleiner und sind nach einiger Zeit auf die
normalen Sehwingungen zurückgeführt: der Diabetes ist vorüber, was be-
kanntlich beim Zuckerstich auch der Fall ist. (Das letztere Moment ist
zwar an den Versuchen nicht ersichtlich. Hierzu sind erstens die Ver-
suche zu wenig zahlreich, und zweitens wurde der Umsatz in der späteren
Zeit nach der Pigüre nicht weiter verfolgt.)
Die eben entwickelte Auffassung kann uns weiter die Erklärung der
individuellen Unterschiede bei den verschiedenen Versuchen geben. Es ist
eine bekannte Sache, daß die Zuckerausscheidung bei der Pigüre verschieden
lange dauert. In der Regel dauert sie mehrere Stunden, oft nur 2 bis
3 Stunden und bisweilen nur 1 Stunde. Dies läßt sich daraus erklären, dab
entweder das Pendel einmal früher, einmal später wieder zur Ruhe kommt,
16 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
oder auch daß das eine oder andere Zentrum bald mehr, bald weniger stark
bzw. schnell gereizt wird, je nachdem der Stich getroffen hat. Dem-
entsprechend steht a priori nichts der Annahme entgegen, daß die Hem-
mung bisweilen den ersten Effekt darstellt und daß z. B. der Versuch
Nr. 51 gerade ein Beispiel hierfür ist. Da sich in dieser Beziehung viele
Kombinationen denken lassen, kann man sehr wohl ein früheres oder spä-
teres Auftreten der Hemmung bzw. Produktion verstehen. Denn es ist
doch undenkbar, daß man immer genau dieselbe Stelle des vierten Ventrikels
treffen kann. Eine kleine Verschiebung könnte sehr wohl die Unterschiede
erklären. In der Tat glaube ich sogar, daß ich dafür bei absichtlicher
Variation der Plazierung des Trepans eine gewisse Bestätigung bekommen
habe. Ohne besonderes Gewicht darauf zu legen, darf ich wohl als meinen
Eindruck anführen, daß die Hemmungswirkung ausgesprochener auszufallen
schien, wenn der Trepan über der klassischen Stelle getroffen hatte.
Erstlich möchten wir hervorheben, daß die Befunde beim
Zuckerstich eine Bestätigung unserer früheren Beobachtungen dar-
stellen. Wenn wir beim Nackenschlag eine vermehrte Ferment-
produktion nachgewiesen und dieselbe mit dem bei Erschütterung
des Kopfes auftretenden Diabetes in Verbindung gesetzt haben,
trotzdem selbstverständlich die Glykosurie hier nicht zur Erscheinung
kommen konnte, geben die Versuche mit Pigüre uns das fehlende
Glied der Folgerung.
Wir sehen auf der anderen Seite, daß beim Nackenschlag
und Zuckerstich ganz dieselben Verhältnisse vorliegen, d. h. daß
in beiden Fällen das Produktionszentrum erregt wird. Man braucht
demgemäß das „Zuckerzentrum“ nicht mit dem Trepan direkt zu
berühren, es genügt, wie beim Nackenschlag, dasselbe par dis-
tance zu erregen. In Übereinstimmung hiermit habe ich auch bei
der Sektion gefunden, daß der Zuckerstich oft nicht die klassische
Stelle des vierten Ventrikels getroffen hatte und trotzdem Glykos-
urie aufgetreten war. In zwei Fällen habe ich absichtlich mit
dem Trepan nur den Schädel perforiert und das Kleingehirn durch
Drehungen des Instrumentes erregt. Hier war somit die Basis
eranii lange nicht getroffen, und doch bekamen die Tiere in beiden
Fällen Glykosurie.
Solche Versuche haben bei uns den Zweifel erweckt, ob in
der Tat Cl. Bernards Zuckerzentrum an der bekannten Stelle zu
suchen ist. A priori ist es auch nicht gut verständlich, daß man
eine Zuckerproduktion bekommt, wenn man das Zuckerzentrum
zerstört, wohl aber wenn man dasselbe erregt. Bei Cl. Bernards
Piqüre wird aber das Zentrum bei den Umdrehungen des Instru-
mentes zerstört. Man könnte eher annehmen, daß man hierdurch
ein Hemmungszentrum ausgeschaltet hätte. Unsere Versuche haben
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. r7
aber dargetan, daß das Hemmungszentrum hierbei wahrscheinlich
nicht zerstört wird, und weiter, daß das Produktionszentrum auch
bei Einwirkungen auf verschiedene Punkte des Ventrikels, des
Kleinhirns und des Schädels, erregt werden kann.
Man darf deswegen eher annehmen, daß man beim Stiche
keine Zentra zerstört, sondern daß man nur die Leitungs-
bahnen — direkt oder indirekt — erregt. Sonst wäre auch
nicht gut verständlich, wie man durch die Piqüre sowohl eine
Produktions- als eine Hemmungswirkung veranlassen kann.
In dieser Beziehung befinden wir uns in erfreulicher Über-
einstimmung mit einem der besten Forscher über Pigüre, nämlich
Eckhard, welcher nach umfassenden Untersuchungen zu folgender
Auffassung gekommen ist: „Wenn man alle im vorigen mitge-
teilten Erfahrungen zusammenfaßt, so bildet sich damit unwillkür-
lich die Vorstellung aus, daß die einzelnen Ganglienhäufchen
vom letzten Halsganglion an diejenigen Organe sind,
welche die Pigüre im vierten Ventrikel zu einem wahren
Diabetesstich machen. Dabei muß ich bemerken, daß ich unter-
stelle, man treffe nur Fasern bei der Piqüre“?).
Im vorigen habe ich von einer Hemmung der Ferment-
wirkung gesprochen und bin zu der Auffassung gekommen, daß
diese zentraler Natur sein muß. Es fragt sich dann, wie sich
diese Wirkung in der Leber äußert. Als die wahrscheinlichste
Erklärung hat man in Übereinstimmung mit der modernen Auf-
fassung an eine Antifermentwirkung zu denken, welche sich
vielleicht als ein sekretorischer Vorgang auffassen ließe. Das
Problem, auf welches ich hier nicht näher eingehen will, ist einer
experimentellen Untersuchung zugänglich, welche ich auszuführen
beabsichtige.
Eine interessante Analogie zu den hier mitgeteilten Verhält-
nissen bieten die pflanzenbiologischen Untersuchungen von
Johannsen?) dar. Bei Ätherisierung von verschiedenen Pflanzen
fand Johannsen, daß bei mittelstarken Ätherdosen die Quantität
des Amidstickstoffs während der Narkose zunimmt und nach
derselben abnimmt. Bei größeren Dosen kam eine Vermehrung
sowohl während als nach der Narkose zur Beobachtung, und bei
sehr großen, tödlichen Dosen fand er besonders nach der Narkose
eine geringere Vermehrung.
‘) Eckhard, Eckhards Beiträge 4, 30.
?) Studier over planternes periodiske livsytringer. Memoires de l’Aca-
demie des Sciences et des Lettres de Danemark, 6me sörie, t. VIII.
Beitr. z. chem. Physiologie, X. 9
18 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Durch ein und dasselbe Reizmittel hat also Johannsen die
gerade entgegengesetzte Wirkung des proteolytischen Ferments
gefunden, und es ist interessant, zu bemerken, daß die von
Johannsen gegebene Erklärung völlig mit meiner Auffassung
über die Piqüre zusammenfällt, trotzdem ich erst später (nach
einem Vortrage) auf Johannsens Arbeit aufmerksam wurde.
6. Der Glykogenumsatz in der Kaninchenleber nach
Nervenreizungen.
Wie Cl. Bernard und Eckhard nachgewiesen haben, geht
der Impuls des zentralen Nervensystems zu der Leber durch
Rückenmark und Sympathicus, während der Vagus die zentripetale
Leitungsbahn darstellt. Durchschneidung der Vagi verhindert die
Zuckerproduktion nicht, Erregung des Vagus bewirkt aber Zucker-
produktion nicht durch direkte Einwirkung auf die Leber, sondern
durch Erregung des Zuckerzentrums. Dies läßt sich daraus ent-
nehmen, daß die elektrische Reizung des peripheren Vagus-
stumpfes nach Vagusdurchschneidung ohne Wirkung bleibt, während
die Reizung des zentralen Stumpfes eine Zuckerproduktion her-
vorruft. Von Eckhard ist ferner gezeigt worden, daß die Durch-
schneidung des Vagus allein eine vorübergehende Glykosurie
bewirkt. Die Durchschneidung wirkt wie die elektrische Reizung.
Wir haben diese Verhältnisse in unsere Untersuchungen ein-
bezogen. Unsere Versuche sondern sich in drei Gruppen:
Erstens haben wir die Fermentproduktion nach Durch-
schneidung der Vagi untersucht. Zweitens haben wir damit
die Befunde bei elektrischer Reizung des zentralen Vagus-
Tabelle VL.
4 Gewicht Gewicht ‘
2 a un Gesamt- | ar Gesamt- }
re glykogen JROgEN | umsatz Umsatz
2 | Kaninchens Leber
> 4 er & Proz. £ Proz.
77 2000 110 10,6 96 | 1,89 15,0
78 2000 116 23,8 205 | 4716 | 200
79 ? 108 GB. 0042] FE 11,0
80 ? 190 96 | rg ae 7; 25,0
s] 2600 105 10,3 9,7 | 2,40 | 233
82 2000 110 10,5 9,5 1,58 | 15,0
Mittel. . 119. [u ul a
|
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 19
stumpfes verglichen und endlich die Wirkung der elektrischen
Reizung des peripheren Vagusstumpfes festgestellt. In der
Tabelle VII teilen wir die Befunde nach doppelseitiger Vagus-
durchschneidung mit. Die Leberexstirpation erfolgte eine Stunde
nach der Durchschneidung. Sämtliche Tiere hatten vorher wie
gewöhnlich Zucker bekommen.
Wenn auf der einen Seite Eckhard u. a. gefunden haben,
daß die Durchschneidung des Vagus eine Zuckerausscheidung
durch den Harn bewirkt, so ergeben andererseits die eben mit-
geteilten Versuche einen entsprechend erhöhten Fermentgehalt der
Leber. Man könnte annehmen, daß hiermit der Ursprung des
Harnzuckers erklärt ist.
Trotzdem haben wir nicht versäumt, auch bei den Durch-
schneidungsversuchen eine systematische Untersuchung der Ferment-
produktion gleich nach der Durchschneidung und verschiedene
Zeit nach derselben auszuführen, wozu die beim Zuckerstich ge-
fundenen Verhältnisse Anlaß gaben. Eine solche Untersuchung
war um so mehr geboten, als der Ausscheidung des Zuckers, die
schon nach einer Stunde eintritt, notwendig eine entsprechende
Periode der Bildung vorangehen muß.
Wir lassen die Befunde folgen.
Tabelle VI.
Zeit der = . R
Operation rn Gewicht Gewicht
:h d rZ
ee 3 K N ne elykogen Glykogen Umsatz
schneidung | 2 aninchens eber
"Min. = 8 g g Proz. Proz.
Hi 83 2100 100 3) 5) 1,8
15. 184 2000 120 20,0 16,7 5,0
30 85 2400 102 9.5 5,4 5,4
45 186 2100 8 4,5 35 4,1
Durchschnitt . . 9,9 | _ | 5,6
Aus den Versuchen geht hervor, daß weder unmittelbar nach
der Durchschneidung noch in den folgenden ?/, Stunden eine ver-
mehrte Fermentproduktion vorkommt — wenn überhaupt eine
Folgerung aus den wenigen Versuchen erlaubt ist —, während
man nach einer Stunde eine solche konstant nachweisen kann.
Eine Erklärung hierfür ist nicht leicht zu geben. In erster
Linie hat man daran zu denken, ob nicht etwa die doppelseitige
Vagusdurchschneidung die Fermentproduktion als sekundären
DE;
20 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Vorgang auslöst. Es ist ja bekannt, daß die Tiere einige Zeit
nach einer solchen doppelten Durchschneidung an Asphyxie sterben.
Man konnte sich demgemäß vorstellen, daß die Erstickung die
notwendige Nervenreizung bewirkt, und da sich diese nur allmäh-
lich ausbildet, könnte man sich vielleicht hieraus die späte Steige-
rung der Enzymproduktion erklären. Da aber die Tiere einseitige
Vagusdurchschneidung überleben und da auch in diesem Falle
bisweilen Glykosurie vorkommt, läßt sich dies ausschließen.
Tabelle IX berichtet über Tiere, welche eine Stunde nach der
Durchschneidung des rechten Vagus zur Untersuchung kamen.
Tabea IT
Gewicht des Gewicht | Gesamt-
Versuchs- | \
n ı Kaninchens der Leber | glykogen Glykogen nu. -
| g | g g Proz. Proz.
87 4500 119 6,9 5,7 16,0
83 2500 110 6,4 5,8 131
Wie man sieht, kommt auch nach der einseitigen Vagus-
durchschneidung mit der Zeit eine vermehrte Fermentproduktion
zustande. Wir haben also keinen Grund anzunehmen, daß irgend
welche sekundäre Reaktionen die Fermentproduktion bewirken. Es
macht daher, wenn es gestattet ist, eine Vermutung auszusprechen,
den Eindruck, daß die Vagusdurchschneidung in irgend einer
Weise zuerst ein die Zuckerproduktion beherrschendes Hemmungs-
zentrum und nachher das Zentrum für die Zuckerproduktion erregt.
Denkbar wäre auch, daß das Hemmungszentrum stärker gereizt
wird, während die geringe Erregung des Zuckerzentrums erst nach
der Erschöpfung der Hemmung zum Vorschein kommt.
Eine andere Möglichkeit ist die, daß der Reiz der Durch-
schneidung nur das Zuckerzentrum trifft, daß aber dieser Reiz nur
eine kleine Intensität besitzt und demgemäß erst nach Summation
des Reizes einen Ausschlag bewirken kann.
Welche Auffassung die richtige ist, entzieht sich vorläufig
unserer Erkenntnis. So viel ist sicher, daß das Verhalten nach
Vagusdurchschneidung nicht mit jenem nach Pigüre, Nacken-
schlag, Kältewirkung, Verblutung und Durchspülung mit hypiso-
tonischer Kochsalzlösung übereinstimmt, da bei allen diesen die
Fermentproduktion augenblicklich nach der Einwirkung des Reizes
einsetzt.
u
a
ER WERE WE RER WEBER
ee Sie Me. u ie ei Sch
Zn ie
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 33
Und dieser Unterschied erscheint noch rätselhafter, wenn man
das Auftreten der Glykosurie ins Auge faßt. Die Durchschnei-
dung des Vagus bringt zwar nicht konstant eine Zuckerausschei-
dung im Harn hervor; wenn dies aber der Fall ist — und in den
Versuchen Nr. 85 und Nr. 86 wurden 0,04% bzw. 0,35 g Zucker
ausgeschieden — kann man ihr Eintreten schon in der ersten
Stunde, also zur selben Zeit wie z. B. nach der Pigüre
beobachten.
Der Zucker aber, welcher schon in der ersten Stunde aus-
geschieden wird, muß selbstverständlich einige Zeit vorher ge-
bildet worden, und es muß eine Hyperglykämie seiner Ausschei-
dung vorausgegangen sein — vorausgesetzt, daß nicht ein Nieren-
diabetes vorliegt. In Analogie mit dem Auftreten von Zucker
im Harn bei der Pigüre dürfte diese Zuckerproduktion etwa
!/, bis 1 Stunde vorher beginnen, d. h. sehr kurze Zeit nach der
Durchschneidung des Vagus, zu welcher Zeit wir aber keine
vermehrte Fermentproduktion in der Leber gefunden
haben.
Bei der Durchschneidung des Vagus haben wir es somit mit
sehr komplizierten Verhältnissen zu tun, indem es zuerst zur
Zuckerproduktion kommt und dann erst zur Vermehrung der Fer-
mentproduktion in der Leber.
Wir haben zur Aufklärung dieses Verhaltens eine Entschei-
dung darüber angestrebt, ob es sich um einen Nierendiabetes oder
eine hyperglykämische Glykosurie handelt. Wir sind dabei von
folgender Überlegung ausgegangen:
Wenn die Vagusdurchschneidung eine Glykosurie bewirkt,
muß der auftretende Reiz reflektorisch die Zuckerbildung bzw.
Zuckerausscheidung auslösen. Da aber der Reiz der Durchschnei-
dung nicht konstant zu Zuckerausscheidung führt, scheint es vor-
teilhafter, mit einem genau dosierten Reizmittel zu arbeiten. Es
ist mit anderen Worten bequemer und zuverlässiger, die elek-
trische Reizung des zentralen Nervenstumpfes zu benutzen,
welche ziemlich konstant — besonders bei Einhaltung von
Eckhards Vorschriften — zu Glykosurie führt.
In der folgenden Tabelle (X) sind die Ergebnise hierüber zu-
sammengestellt. Der Harnzucker ist wie bei den Pigüreversuchen
angeführt.
Zur besseren Übersicht habe ich die Versuchsergebnisse in
Fig. 3 graphisch dargestellt, wo zum Vergleich der Glykogenumsatz
nach der Piqüre angeführt ist.
22 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Tabelle X.
2, u 5 |
© SE # | Gewicht | Gewicht |
32 2 an an Gesamt- ES ' Gesamt- un Harn-
385 : chens Leber BITEDBBN. Sei u BEE Zucker
Min. || 2 g g g | Proz. g Proz.
| 89| 2100 134 5,0 31: 212-040 | - 78 0
90, 1200 139. 108.2 ze Aa 10,0 0
6-7) 91| 2400 159 153 | 96 — | 0,0 )
92 1500 151 ad 12,4 1,63 13 0
93| 2100 202 52 | 195 131 | 22 0
10 | 94, 2000 102 33,00 a; 0
Durchschnittlich. .| 142° — 0,88 | 6,4 | wi
95| 2000 | 150 150: 17 100 0,60 404 1a
96 1900 117 9,9 8,5 0,51 52 —?
97| 1500 120 14,1 11,7 0,52 3,7 B
-\)| 98) 1700)| 106 | 45 4,3 0,37 83 0
Ole 2 | 18 4,1 3,3 = 0,0 Nu
e unter-
100 ? | 1083) 2,4 2.3 0,06 2,3 sucht
101). ..2700. 4.5 :187,72:1,.322 9,5 | 0,40 3,3 —
102| 2800 | 130 10,7:5, 0008 1,12 SE
Durchschnittlich . . 92. |.) —, 7 0 FE
(1103| 1500') 108 11,3 10,5 1,19 105 |+4++
40 - ‘ A
\.104) 3200 117 6,8 5,8 0,45 er.
Durebschnittlich. . | 91 — | 082 | 86 | -
105| 1400))| 127 | 12,7 | 100 1,92 151 +++
502 106 a a ED a 17 A © 0,60 2 a
107 ? BI: BR 10,0 0,76 88 |j Ham
Durchschnittlich . . 14,0 — | 109 | 90 | —
108| 3600 | 192 21,1 11:0 249 | 18 I+4++
109 3000") | 189 9,4 5,0 0,75 8,0 —
110 21001) | 104 7,8 7,5 1,13 145 +
2 111 2000 105 23 | 7,4 1,19 155 |+4+
Pllııal 2000 | 107 | 185 | 1236 9,22 120. 1444
113 1800 95 3.6 9,0 0,70 82 +++
114 3600 192 21,1 11,0 2,49 118 +++
1156| 1100%)]| 127 | 127 10,0 1,92. | IE TEE
Durchschnittlich . . | 134 | — | 16 11,8 | Z—
') Aderlaßkaninchen.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 23
Der Unterschied ist ein schlagender, besonders betreffs des
Umsatzes in der ersten Zeit. Später, d. h. nach der ersten halben
Stunde korrespondieren die Kurven dagegen beinahe vollständig.
Es fragt sich nun: Ist dieser Unterschied ein gesetzmäßiges Vor-
kommnis oder geben uns die Versuche ein falsches Bild? Wir übersehen
nicht die Schwierigkeiten und Fehlerquellen, welche hier wie überall unseren
Versuchen anhaften, und möchten deswegen auch jetzt unsere Schlußfolge-
rungen nur mit der hier gebotenen Reserve geben und überhaupt hervor-
heben, daß unsere Untersuchungen hauptsächlich zur Orientierung für
künftige Fragestellung dienen sollen und die endgültige Aufklärung der
Zukunft vorbehalten bleiben mub.
Wir kommen auf die Diskussion der Versuchstabellen zurück.
Wir haben nach Vagusreizung anfangs keine vermehrte Ferment-
produktion gefunden, wie
die Durchschnittswerte an-
zeigen. Freilich beträgt der
Umsatz des Versuchs Nr.90
10 Proz., auf der anderen
Seite zeigt in Tabelle III
Versuch Nr. 51 nur 4,1
Proz. Umsatz. Da aber
sämtliche übrigen Ver-
Fig. 3.
Glykogenumsatz
suche — bei Vagusreizung
5 und bei Pigüre 7 — ganz
bestimmt für die nämliche
Auffassung sprechen und
da ferner beide Versuchs-
serien Tiere mit ungefähr demselben Glykogengehalt der Leber
umfassen (weshalb auch der absolute Umsatz, für Gesamtglykogen
berechnet, 0,88g und 1,50g entspricht), so nehmen wir, in Über-
einstimmung mit unserem Grundsatz, nur die Serien und nicht die
Einzelversuche zu beurteilen, vorläufig an, daß die nach Pigüre
und Vagusreizung auftretende Glykosurie nicht denselben Ur-
sprung hat und daß wir es dementsprechend hier mit zwei ver-
schiedenen Diabetesformen zu tun haben!). Die ursprünglich von
Cl. Bernard formulierte Auffassung, daß die elektrische Reizung
des zentralen Vagusstumpfes denselben Effekt wie die Pigüre be-
wirkt: Reizung des Zuckerzentrums, wäre infolgedessen nicht
richtig. Die von Eckhard und uns angedeutete Möglichkeit, daß
Br 20 30 40 50 60
Vagusdurchschneidung Minnten
‘) Von der nachher auftretenden Fermentproduktion wird später die
Rede sein.
24 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
der vierte Ventrikel nicht das Zentrum oder die Zentra, sondern
nur Leitungsbahnen, Fasern, enthält, kann vielleicht unsere Auf-
fassung über die Vagusreizung stützen.
Da diese Tatsache einer prinzipiellen Bedeutung nicht ent-
behrt, haben wir sie durch andere Untersuchungen sicherzustellen
versucht.
Ehe wir hierüber berichten, möchte ich zuerst einige Bemerkungen
über die Versuche selbst machen. Die Versuche Nr. 89 bis 94 sind derartig
ausgeführt, dab unmittelbar nach der Vagusdurchschneidung der zentrale
Nervenstumpf 3 Minuten kräftig gereizt wurde. Dann folgte augenblicklich
die Narkose, welche durchschnittlich 4 Minuten in Anspruch nahm. Ver-
such Nr. 94 gehört auch hierher, trotzdem es hier etwa 5 Minuten länger
bis zur Leberexstirpation dauerte. Die meisten Tiere bekamen vorher 50 &
Rohrzucker. Nur in den Versuchen Nr. 99, 100, 106 und 107 wurde kein
Zucker gegeben. In Versuch Nr. 107 wurde der Leberbrei mit Glykogen-
lösung versetzt. Der Glykogengehalt der Leber war 1,50 Proz. Bei der
Reizung wurde gewöhnlich nach Eckhard vorgegangen (mehrmalige Reizung
von 4 Minuten Dauer mit 10 Minuten Pause zwischen den Reizungen).
Übrigens wurde bisweilen etwas kürzere oder längere Zeit gereizt, im ersten
Falle mit einer entsprechend kürzeren Pause. Im ganzen kann ich das
Verfahren Eckhards empfehlen. Bei einigen Tieren wurden 30 bis 40 ccm
Blut entnommen. Wie bei der Pigüre scheint ein so geringer Aderlaß keine
Bedeutung zu haben.
Von den Bedenken, welche gegen die Beweiskraft der Ver-
suche angeführt werden können, habe ich noch zwei nicht erwähnt.
Erstens könnte man die Möglichkeit betonen, daß die Versuche,
welche keinen Umsatz ergeben haben, mißlungen sein könnten,
und zweitens könnte man denken, daß die später auftretende Fer-
mentproduktion die Glykosurie bewirkt. Beide Einwände sind
nicht stichhaltig. Die Zuckerbildung kommt beinahe immer nach
der Reizung vor, obwohl die Zeit des Auftretens variieren kann.
Und daß die letztere Eventualität nicht zutrifft, geht sehr schön
aus dem Versuche Nr. 104 hervor. Hier wurden 28ccm Harn
mit 0,28 Proz. Zucker ausgeschieden, und der Umsatz wurde
zu 6,7 Proz. gefunden. Dieser Versuch zeigt auch ganz unzwei-
deutig, daß der gesamte Umsatz — in 4 Stunden 0,48g — un-
möglich die Ausscheidung des Harnzuckers — im ganzen 0,08 g —
erklären kann, wenn dieser eine Hyperglykämie vorangeht.
Nun könnte man vielleicht behaupten, daß hier 40 Minuten nach
der Vagusdurchschneidung eine Fermentproduktion vorangegangen
ist — wenn nicht bald nachher oder nach 30 Minuten, so doch
z. B. 15 Minuten oder 20 Minuten nachher. Eine solche Behaup-
tung ist jedoch wenig überzeugend. Es ist kaum denkbar, daß
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 25
die Fermentproduktion genau immer in diesem Zeitmoment ein-
treten und daß man ihr in den acht Versuchen Nr. 95 bis 102
nicht begegnet sein sollte.
Wir kommen deswegen zu der Frage: Bewirkt die Vagus-
reizung eine Hyperglykämie oder nicht? Fehlt die Hyperglykämie
— und meines Wissens hat dies bis jetzt niemand untersucht —,
so spricht dies für Nierendiabetes, ist sie vorhanden, so kommt
ein Nierendiabetes wenigstens als hauptsächliche Quelle der Glykos-
urie nicht in Betracht, obwohl auch in diesem Falle eine Mit-
wirkung der Nieren durch Erhöhung ihrer Durchlässigkeit nicht
ausgeschlossen wäre.
Es ist auch klar, daß der Nachweis eines Nierendiabetes mit
unserem Befunde gut übereinstimmen würde und zugleich eine
Bestätigung desselben darstellen könnte. In der folgenden Tabelle
sind die Ergebnisse zusammengestellt.
Tabelle XI).
ER FR Zeit nach Vagus- Blutmenge Be
Nr. durchschneidung entnommen
Min. g Proz.
98 30 37,8 | 0,14
116 30 97,8 0,14
103 40 30,1 0,18
115 50 35,1 0,19
117 60 64,4 0,21
1418 70 27,5 0,23
Wie bei der Pigüre stelle ich die Ergebnisse zur besseren
Übersicht graphisch in Fig. 4 zusammen. Zum Vergleich ist der
Blutzuckergehalt nach dem Zuckerstich beigefügt.
Wie man sieht, kommt zweifelsohne ein vermehrter Zucker-
gehalt nach der Vagusreizung wie nach der Pigqüre vor, und der
Unterschied ist nur von quantitativer Art.
Besonders in der ersten halben Stunde stimmen die Kurven
beinahe vollständig überein. Was aber ferner in die Augen fällt,
ist die Tatsache, daß der Zuckergehalt nicht die klassischen
0,35 Proz. erreicht, welche bekanntlich notwendig sein sollen, un
Glykosurie hervorzurufen. In den Versuchen Nr. 115 und 117
aber war der Harnzuckergehalt höher als 0,5 Proz., und trotzdem
') Die Tiere wurden nach Eckhard, aber nur schwach elektrisch
gereizt.
26 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
hatte der Blutzuckergehalt kaum 0,20 Proz. überschritten. Inwie-
weit man dies als eine Nierenwirkung deuten darf, ist aber höchst
unsicher, denn man darf wahrscheinlich Cl. Bernards altem
Postulat nicht entscheidende Bedeutung beimessen. Wir lassen
deswegen diese Frage offen.
Wenn die beiden Kurven auch anfangs — in der ersten
halben Stunde — ganz genau übereinstimmen, ist der spätere Ver-
ira lauf derselben durch-
g.4. 2
0.34 aus verschieden. Nach
‚Blutzucker; | :
0,32 Pe an ee Vagusreizung erfolgt
u ---+ Nach Pigüre 5 = =
Nach Vagusreizung das Ansteigen regel-
u a ee mäßig, während bei
- Pigüre die Kurve nach
=
20, m
zo dererstenhalbenStunde
& 0,22 i ’
E steil emporsteigt. Diese
= 0,20
ER Tatsache, welche durch
au,
Si ziemlich zahlreiche Ver-
suche sichergestellt ist,
kann man vielleicht als
0,14
0,12
0,10
0,08
eine Bestätigung unse-
- RBB "Radar Enain6r "ram "area Teure
Minuten «ler Fermentproduktion
deuten. Die Kurve nach Vagusreizung zeigt an, daß eine kon-
stante, obwohl ziemlich geringe Zuckerbildung während der ganzen
Zeit vorliegen muß. Von den 19 Versuchen, Nr. 89 bis 107, er-
geben nur drei eine etwas vermehrte Fermentproduktion (Ver-
suche Nr. 90, 103 und 105 mit 10,0, 10,5 und 15,1 Proz. Umsatz).
In den ersten 50 Minuten liegt also keine vermehrte Zuckerbildung
der Leber vor. Wenn hier eine anfängliche Fermentproduktion
vorkäme, dürfte die Kurve keinen so regelmäßigen Verlauf auf-
weisen. Auf der anderen Seite ist jedoch der Blutzuckergehalt
nach einer halben Stunde auf das Doppelte und nach einer Stunde
auf das Dreifache vermehrt.
Es fragt sich daher, woher stammt die Vermehrung des Blut-
zuckers nach Vagusreizung. Es ist ganz klar, daß wir durch Er-
ledigung dieser Frage zugleich willkommenes Material zur Be-
urteilung unserer Auffassung erhalten.
Vor allem kann man an die Leber denken, die nach Seegen
neben Glykogen noch andere Kohlehydratbildner enthält. Wir
müssen aber entschieden bezweifeln, daß die Leber bei der
(lykosurie nach Vagusreizung überhaupt beteiligt ist. Zwar haben
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 27
wir keine Zuckerbestimmungen der Leber ausgeführt, haben aber
Grund, anzunehmen, daß in diesem Falle kein nennenswerter
Zuckergehalt der Leber vorlag. Bei unseren zahlreichen Versuchen
haben wir keine geringe Übung gewonnen, schon aus der Farbe
der nach dem Zerkochen der Leber mit KÖH erhaltenen Lösung
auf die Zuckerproduktion zu schließen. Ist eine solche vorhanden,
so ist die Lösung mehr oder minder stark braun gefärbt (Moore-
sche Probe), während die Kontrollprobe gelb-gelbbraun ist. Liegt
keine nennenswerte Zuckerproduktion vor, so zeigen die beiden
Proben ungefähr dieselbe Farbennuance. Da wir nun in den be-
treffenden Versuchen keine Braunfärbung bemerkten, mußten wir
annehmen, daß keine nennenswerte Zuckermenge gebildet ist. Hier-
aus haben wir die Folgerung gezogen, daß man die Herkunft
der Hyperglykämie außerhalb der Leber suchen muß.
Es lag der Versuch nahe, diese Frage durch Untersuchungen
an Hungertieren zu beantworten. Schon Cl. Bernard hat ge-
zeigt, daß der Zuckerstich an Hungertieren, welche das Leber-
glykogen verbraucht haben, wirkungslos bleibt. Wenn es sich
beweisen ließ, daß solche Tiere, welche kein oder wenig Glykogen
besitzen, trotzdem nach Vagusreizung eine Hyperglykämie bzw.
Glykosurie bekommen, war erstens unsere Auffassung über die
Nichtbeteiligung der Leber bewiesen, und zweitens ließ sich viel-
leicht hieraus weitere Auskunft über Ort und Material der Zucker-
bildung gewinnen.
Wir werden in dem Folgenden über solche Versuche berichten.
Wir stellen sie in der folgenden Tabelle zusammen.
Tabelle XII.
FE = .
Fa & : ©
ERBE: Be EHRE Gesamt- $ |Blutent-, Blut-
> Ber Ann. Es Iykogen ‚Olykogen 8 | nommen | zucker
2 g chens Beben. I > 2
)
z em g g g Proz. g Proz.
119712 1900 50 0,16 0,2 _ 31,56 | vermehrt
120.1 2 2600 126 24,.0,25 0,2 0 34,35 0,15
121 2 2900 96 0,52 0,5 — 35,00 0,16
1292| 3 | 130 55 0,05 Re Re en N; 0,16
123 4 2900 96 0,54 0,6 4. 43,22 vermehrt
124 || 7 2500 76 0 0 0 53,24 [nicht verm,
Vorerst sei bemerkt, dab sämtliche Versuchstiere während einer Stunde
nach Eckhard gereizt wurden; nur im Versuche Nr. 120 wurde Blut (und
Leber) nach einer halben Stunde entnommen. Bei sämtlichen Tieren wurde
28 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Blut zur Zuckerbestimmung entnommen. In den Versuchen Nr. 119, 123
und 124 wurde der Zucker nach Fehling bestimmt. Da ich aber diese
Methode zur Bestimmung derartig kleiner Zuckerquantitäten nicht für genügend
zuverlässig erachte'), will ich die Ergebnisse nicht anführen. Nur so viel
geht mit Bestimmtheit daraus hervor, daß der Blutzuckergehalt in den Ver-
suchen Nr. 119 und 123 vermehrt war. In dem Versuche Nr. 124 kam
dagegen keine Vermehrung vor. In den übrigen Versuchen Nr. 120, 121
und 122 ist der Blutzucker nach meiner Methode bestimmt. In mehreren
der Versuche reduzierte der Harn. Ich lege übrigens keinen Wert darauf,
da der Harn immer dunkel gefärbt, konzentriert war und die Differenzen
vor und nach der Reizung, wie man sieht, nicht groß waren.
Um so größeres Gewicht. darf man der Bestimmung des
Blutzuckers beimessen. Besonders im Versuche Nr. 122 ent-
hält die Leber nur 0,05 & Glykogen (als Zucker berechnet), und
(dessen ungeachtet ist der Blutzuckergehalt auf 0,16 Proz., d.h. auf das
Doppelte der Norm, gestiegen. Das Tier wiegt 1500g und ent-
hält demgemäß etwa 100 g Blut; folglich ist etwa 0,08 g Zucker
oder beinahe doppelt so viel, als dem Glykogenzucker der Leber
entspricht, neu gebildet. Es ist hierbei nicht berücksichtigt, daß
wahrscheinlich etwas Zucker ausgeschieden ist, und ferner nicht,
daß eine Verbrennung von Zucker stattgefunden hat. Für den
Versuch Nr. 119 trifft dasselbe zu. Gegen diese Auffassung kann
man einwenden, daß vielleicht die Leber unmittelbar vor der
teizung mehr Glykogen enthalten hätte, und daß es folglich nicht
erlaubt ist, den geringen gefundenen Glykogengehalt in Rechnung
zu setzen. Dagegen muß man erstens berücksichtigen, daß die
letzten Spuren — und von mehr als Spuren kann hier nicht die
Rede sein — nur langsam aus der Leber verschwinden, also kaum
während einer Stunde. Ferner habe ich auch im Versuch Nr. 120
den Glykogenumsatz direkt bestimmt. (Der Leberbrei wurde mit
lOproz. Glykogenlösung versetzt.) In 4 Stunden wurden 14 Proz.
umgesetzt (wie bei Hungerkaninchen, siehe erste Mitteilung). In
einer halben Stunde ist der Blutzuckergehalt auf 0,13 Proz. oder
von 160 auf 260 mg Dextrose gestiegen, (davon können nur 30 mg
aus der Leber herstammen, wenn man die sicher unwahrscheinliche
Annahme macht, daß in einer halben Stunde intravital ebenso viel
umgesetzt wird, wie in vitro während 4 Stunden.
Die Versuche haben folglich das übereinstimmende Ergebnis
geliefert, daß die Leber bei der Bildung des Blutzuckers
') Aus diesem Grunde sind mehrere Blutzuckerbestimmungen bei der
Pigüre unberücksiehtigt geblieben, obwohl die Ergebnisse mit den hier
mitgeteilten gut stimmten.
af cc un
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 29
nicht oder jedenfalls nur zum geringsten Teil beteiligt
sein kann. Diese Tatsache tritt noch überzeugender hervor, wenn
man den Blutzuckergehalt nach Vagusreizung bei gut ernährten und
Hungertieren vergleicht.
Tabelle XII.
Zeit Blutzuckergehalt
nach Vagus- Nr
durchschneidung gut ernährten Tieren b) bei Hungertieren
Min. ® Proz. Prom.
30 0,14 0,13
50—60 0,20 0,16
Wie man sieht, ist der Blutzuckergehalt nach der ersten halben
Stunde in beiden Fällen derselbe und auch in der zweiten nur
unwesentlich verschieden. Hieraus läßt sich die Folgerung ziehen:
Nach Vagusreizung steigt der Blutzuckergehalt in un-
gefähr demselben Maße an, gleichgültig, ob die Leber
viel Glykogen oder nur Spuren davon enthält.
Hieraus geht ferner hervor, daß das Kohlehydratmagazin,
welches den Blutzucker liefert, auch nach 2 bis 3 Tagen Hunger
nicht erschöpft ist, während dies mit dem Leberglykogen der Fall
ist. Im Versuch Nr. 124 ist gezeigt, daß der Blutzucker in
diesem Falle nach 7 Tagen Hunger nicht mehr durch Vagus-
reizung vermehrt wird.
Es fragt sich nun, welches Kohlehydratmagazin es sein kann,
das nach 2 bis 4 Tagen nicht erschöpft ist, wohl aber nach
7 Tagen. Als solches kommt nach dem gegenwärtigen Stand-
punkte unserer Kenntnisse vor allem der Muskel in Betracht.
Auf der einen Seite stellt das Muskelglykogen neben dem Leber-
glykogen den einzigen erheblichen Vorrat stickstofffreier Kohle-
hydrate dar. Und auf der anderen Seite ist es bekannt, daß (das
Muskelglykogen bei Hunger länger als das Leberglykogen fort-
besteht. Aus den bekannten Versuchen von Külz geht diese Tat-
sache ganz deutlich hervor. Trotzdem man gegen die Versuchs-
anordnung und Methodik der Versuche von Külz manches ein-
wenden kann und man weiter selbstverständlich nicht ohne weiteres
seine an Tauben und Hühnern gewonnenen Ergebnisse auf Kanin-
chen übertragen darf, so besitzen sie doch für diese Auffassung
solche Bedeutung, daß ich mir erlaube, einige Data anzuführen.
30 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Tabelle XIV (nach Külz).
Gesamt- | Gesamt- Gesamt- Gesamt-
Hunger- elykogen | glykogen Hunger- elykogen elykogen
der der er er
tage Leber Muskulatur tage Leber Muskulatur
g g g 8
2 0 | 0,34 5 ®o 0,49
2 0 | 0,33 6 0 0,28
3 0,004 0,45 7 0 0,17
3 | 0 | 0,41 7 0 0,16
Es 7 0 0,18
a | ) N 0,29 8 0 0,25
|
Wie ersichtlich, ist der Glykogengehalt der Muskulatur nach
2 bis 3 Tagen Hunger noch so groß, daß man sehr wohl hieraus
die Hyperglykämie erklären kann. Es kann auch nicht befremden,
daß diese Hyperglykämie in unserem Falle nach 7 Tagen Hunger
ausgeblieben ist.
Wir dürfen in diesem Zusammenhange nicht unterlassen, darauf
hinzuweisen, daß auch die Muskulatur ein entsprechendes diasta-
tisches Ferment’ besitzt, welches in Übereinstimmung mit dem Ver-
halten in der Leber das Muskelglykogen umsetzen kann. Ein
solches Ferment im Muskel ist schon von Magendie und später
von vielen anderen Forschern nachgewiesen worden, und auch wir
haben sein Vorkommen konstatieren können.
Durch die angeführten Untersuchungen sehe ich mit Wahr-
scheinlichkeit als bewiesen an, daß die elektrische Reizung des Vagus
nicht, wie Cl. Bernard und alle nach ihm angenommen haben,
eine reflektorische Erregung des Zuckerzentrums der Leber bewirkt,
sondern die eines bis jetzt völlig unbekannten Zucker-
zentrums für das Muskelglykogen, das auch örtlich von
dem gewöhnlichen Zuckerzentrum getrennt sein muß!).
Unsere Kenntnis über den Glykogenumsatz im Muskel ist
bekanntlich äußerst gering, und die Möglichkeit, daß das Muskel-
slykogen zu der Blutzuckerproduktion beitragen kann und dies
auch tut, hat sich bis jetzt dem experimentellen Nachweise ent-
zogen. Die Bedeutung des Muskelglykogens für das Auftreten
einer Glykosurie und für die Diabeteslehre ist deswegen noch
nicht ernstlich diskutiert worden.
') Hiermit soll nicht gesagt sein, daß das Zuckerzentrum des Muskels
nieht auch bei der Piqüre erregt wird und daß demgemäß der Harnzucker
hier bloß aus der Leber und nieht auch aus Muskelglykogen herstammen kann.
ARE
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 31
Wir haben uns bis jetzt mit der initialen Wirkung der
Vagusreizung beschäftigt, und der oben formulierte Hauptsatz
betrifft nur diese. Wenn wir den weiteren Verlauf der Kurve
Fig. 3 untersuchen, bemerken wir ein fortlaufendes Absinken, bis
das Minimum, 4,7 Proz. Umsatz, 30 Minuten nach der Reizung
erreicht wird. In Übereinstimmung mit den Verhältnissen bei der
Pigüre fragt es sich dann, ob das Sinken einen Ausschlag des
Hemmungszentrums bedeutet. Dementsprechend könnte man sich
ja auch vorstellen, daß dieses Hemmungszentrum überhaupt gleich
von Anfang erregt worden war und daß später, d. h. nach einer
halben Stunde, das gewöhnliche Zuckerzentrum & son tour gereizt
wurde. Wir dürfen hervorheben, daß derzeit eine solche Auf-
fassung jedenfalls nicht die initiale Zuckerbildung erklären kaın.
Nach meiner Ansicht ist aber eine solche initiale Hemmung, ob-
wohl nicht ausgeschlossen, doch nicht erwiesen. Die Differenzen
zwischen dem Glykogenumsatz gleich nach der Reizung und
30 Minuten später sind so klein, daß sie innerhalb der Zahlen-
grenzen liegen, und man ist deswegen berechtigt anzunehmen, dab
die Fermentquantität der Leber diese ganze Zeit unverändert
geblieben ist. Die Leber wird überhaupt nicht von der Reizung
berührt.
Während der folgenden 20 Minuten steigt auch die Ferment-
produktion durchschnittlich nur unbedeutend, und man kann des-
wegen annehmen, daß in den meisten Fällen auch während dieser
Zeit die Leber nicht erregt wird.
Vereinzelt kommt auch hier eine Fermentproduktion der Leber
vor, welche sonst gewöhnlich erst nach einer Stunde zustande
kommt. Zu diesem Zeitpunkte ist aber eine vermehrte Ferment-
produktion der Leber unbestreitbar nachgewiesen.
Es fragt sich dann, ob diese Fermentproduktion von der
Durehschneidung oder Erregung abhängig ist. Es wäre denkbar,
daß die elektrische Reizung in dieser Beziehung von denı Effekte
der Durchschneidung verschieden ist.
Diese Tatsache kann eine prinzipielle Bedeutung besitzen. Es
fragt sich nämlich, ob der nach Nervenreizungen auftretende Dia-
betes eventuell ein myogener ist oder nicht. |
Wir haben diese Frage in der Weise zu beantworten ver-
sucht, daß wir die Vagusreizung ohne vorangehende Durchschnei-
dung ausführten und nach einer Stunde die Leber exstirpierten.
Zunächst war es notwendig, festzustellen, ob die Reizung des
peripheren Vagusstumpfes eine Fermentproduktion bewirkt. Nach
Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
32
Cl. Bernards Untersuchungen war dies von vornherein nicht
wahrscheinlich, und da schon der erste Versuch ein damit stimmen-
des Ergebnis gab, haben wir uns hiermit begnügt.
Tabelle XV.
|
Y hs- | Gewicht Gesamt-
5 : | der Leber elykogen Giykagen mas
Nr. |
g | g Proz Proz.
125 102 3,3 3,3 13,4
I
Der Umsatz von
13,4 Proz. eine Stunde
nach der Durch-
schneidung läßt sich aus der Durchschneidung allein erklären, und
die elektrische Erregung hat demgemäß augenscheinlich kaum
Einfluß gehabt.
Wenn also die Reizung des peripheren Stumpfes an sich
keine Fermentproduktion bzw. Hemmung einer solchen bewirkt,
dürfte die Wirkung einer Reizung des unverletzten Vagus einer
zentripetalen Erregung entsprechen.
Versuchen über.
Tabelle XVIl
Wir gehen hiermit zu den
Gewicht Gewicht N
7 (resamt-
Versuchs- | des der Eu Glykogen | Umsatz | Harn-
Nr. $ da un zucker
Kaninchens Leber
B; 13 | g Proz Proz.
—— e | 3
126 1600 | 82,7% “10,0 2,2 10,9 En
127 2200 120 | 13,5 1,5 12:9: SEE
128 1600 | 186 | 191 8. | SATTE
Durchschnittlich 14,2 -— | 10 | —
Wir können demgemäß behaupten, daß die elektrische Reizung
des Vagus an sich nach einer Stunde zu einer vermehrten Ferment-
produktion führt.
Wenn nun nach unseren Ermittelungen in der ersten Stunde
hauptsächlich das Muskelglykogen umgesetzt wird, das Lebergly-
kogen zunächst nicht oder nur in sehr geringem Maße, nach dieser
Zeit aber auch das Leberglykogen angegriffen wird, so möchten
wir doch nicht annehmen, daß dieser Umsatz des Leberglykogens
auch rein reflektorisch von dem Vagus bewirkt ist. Es wäre doch
sehr eigentümlich, wenn die Erregung zu einem augenblicklichen
Umsatz des Glykogens im Muskel, nicht aber in der Leber genügte.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 33
Vielmehr möchten wir einer anderen Erklärung zuneigen.
Wenn die Vorräte des Muskels in Anspruch genommen sind, „muß
er imstande sein, nach der großen V orratskammer zu telegraphieren,
damit ihm neuer Nährstoff zugeschickt werde“. (Pflüger.)
Nach dieser Auffassung wäre die Zuckerproduktion der Leber
auch eine reflektorische, ohne aber von der Nervenreizung auszu-
gehen. Im Gegenteil, sie wäre als ein sekundärer Vorgang an-
zusehen, indem der Reflex von dem Muskel ausgeht. Hier im
Muskel liegt die primäre Zuckerbildung vor, und von hier geht
auch die durch den Verbrauch des Muskelglykogens ausgelöste
Order zur Zuckerproduktion in der Leber aus. Oder, mit Pflüger
zu sprechen: „Wir erkennen in dieser wunderbar zweckmäßigen
Einrichtung die Äußerung des von mir (Pflüger) aufgestellten
Gesetzes der Selbststeuerung.“
Die nach Vagusreizung auftretende Glykosurie kann
infolgedessen wesentlich als ein Muskeldiabetes ange-
sehen werden.
Ebenso wie die Reizung des Vagus Glykosurie bewirkt, ist
das auch bei der Reizung vieler anderer Nerven der Fall. Die
elektrische Reizung des zentralen Ischiadicusstumpfes bewirkt Gly-
kosurie, aller Wahrscheinlichkeit nach von derselben Kategorie
wie die Vagusreizung. Külz und Schiff beobachteten nach
Durchschneidung des Ischiadicus Zuckerausscheidung, welche nach
Reizung des zentralen Stumpfes noch stärker wurde.
Ebenso wie die elektrische Erregung zu Zuckerproduktion
führt, ist das auch bei verschiedenen anderen Erregungen der
Nerven der Fall. Eine solche Erregung, welche zuweilen zu einer
Zuckerausscheidung führt, wird durch entzündliche Prozesse der
Nerven, das Vorhandensein von Fremdkörpern, Tumoren usw. ver-
anlaßt. Recht oft wird Glykosurie als Begleiterscheinung von
Ischias beschrieben. Davon sind interessante Beispiele in Pflügers
Glykogenbuch, S. 402, angeführt. S. 405 findet man weiter solche
Diabetesfälle nach anderen Erregungen der Nerven mitgeteilt.
Man kann deswegen Pflüger beistimmen, wenn er nach Be-
sprechung der Fälle folgert, daß Diabetes durch Nervenreizung,
und zwar von den verschiedensten Provinzen des Nervensystems
aus, veranlaßt werden kann.
In Übereinstimmung mit unseren Befunden nach Vagusreizung
glauben wir daher, daß man berechtigt ist, die nach Nervenreizung
auftretende Glykosurie prinzipiell als einen Muskeldiabetes anzu-
sehen, welcher dann einen Leberdiabetes, aber erstsekundär, bewirkt.
Beitr. z, chem. Physiologie. X. 3
34 I. Bang, M. Ljungdahl und V. Bohm, Untersuchungen usw.
Gegenüber diesem Muskeldiabetes ist ferner der nach Er-
regung des zentralen Nervensystems auftretende Diabetes,
z. B. nach Pigüre, Hirnerschütterung und wahrscheinlich bei
Gehirntumoren, als ein primärer Leberdiabetes anzusehen. Man
könnte das so ausdrücken:
Nach Reizung des peripheren Nervensystems ent-
steht ein Muskeldiabetes, nach Erregung des zentralen
ein Leberdiabetes.
Gegen die Berechtigung einer solchen Klassifikation kann ein-
gewandt werden, daß die zentrifugale Leitungsbahn von dem
Zuckerzentrum durch den Sympathicus geht, und zwar zu der Leber,
und daß man annimmt, daß der Reflex auch nach Vagusreizung
demselben Wege folgt.
Hierzu ist zu bemerken, daß es sehr wohl möglich ist, daß
der Sympathicus die zentrifugale Leitungsbahn auch zu den
Muskeln darstellen kann, und daß auf der anderen Seite noch
nicht bewiesen ist, daß in der Tat die Vagusreizung nach Durch-
schneidung des Sympathicus unwirksam bleibt. Untersuchungen
hierüber sind deswegen wünschenswert.
Wir geben gern zu, daß fortgesetzte, umfassendere Unter-
suchungen unsere Ergebnisse in dem einen oder anderen Punkte
modifizieren können, und wir können deshalb nur zu weiteren
Untersuchungen auffordern. Wir haben nur auf Grund unserer
Versuche die Auffassung, welche wir als die wahrscheinlichste
ansehen, entwickelt. So viel sehen wir jedoch als bewiesen an,
daß dem Muskelglykogen für die Diabeteslehre eine
unter Umständen nicht zu unterschätzende Bedeutung
zukommt.
Wir haben hiermit unsere Befunde bei verschiedenen Ein-
wirkungen des Nervensystems mitgeteilt und die wahrscheinlichsten
Schlußfolgerungen derselben gegeben. Wir glauben, die Ergeb-
nisse auch als eine Bestätigung der Resultate ansehen zu dürfen,
welche wir in unserer ersten Mitteilung veröffentlicht haben, ebenso
wie die jetzt mitgeteilten Untersuchungen auf den früheren auf-
gebaut sind. In der folgenden dritten Mitteilung werden wir dies
weiterzuführen versuchen, indem wir unsere Versuche über die
Fermentproduktion nach verschiedenen Vergiftungen mitteilen.
Lund, 21. Februar 1907.
FF;
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel
und das Fermentgesetz des Trypsins.
Von Otto Faubel.
Aus dem chemischen Laboratorium und der inneren Abteilung des städtischen
Luisenhospitals zu Dortmund (Oberarzt Privatdozent Dr. Volhard).
Bisher verfügten wir nur über indirekte Methoden, um Pankreas-
sekretionsstörungen zu erkennen. Wir vermögen unter Umständen
aus der Beschaffenheit der Faeces, aus einer starken Verschlechterung
der Eiweiß- und Fettresorption einen Schluß auf eine Störung
der Bauchspeichelabsonderung zu ziehen. Derartige Ausnutzungs-
versuche sind aber nur ausnahmsweise durchführbar, für die klinische
Diagnostik deshalb ungeeignet ünd nicht einmal absolut eindeutig.
Für klinische Zwecke sind zwei Methoden zur Erkennung des
Bauchspeichelausfalles empfohlen worden, die Sahlische Glutoid-
kapselmethode und die Schmidtsche Säckchenprobe.
Sahli!) gibt Jodoform in Kapseln aus einer formolgehärteten
Gelatine, welche, gegen die Magenverdauung resistent, erst der
Pankreasverdauung unterliegen soll, und schließt aus dem zeitlichen
Auftreten der Jodreaktion auf die Pankreasfunktion.
Schmidt?) läßt Fleischwürfel eingenäht in Gazesäckchen
schlucken und untersucht ihren Inhalt nach der Darmpassage
mikroskopisch auf die Anwesenheit von Zellkernen, unter der An-
nahme, daß der Pankreassaft das einzige Sekret des Verdauungs-
kanals ist, welches die Kernsubstanzen verdaut.
Schmidt?) hat bereits auf Grund sorgfältiger klinischer Beob-
achtung, exakter Untersuchung der Faeces und Anwendung der
Säckchenprobe in einigen Fällen eine funktionelle Pankreasachylie
annehmen zu dürfen geglaubt. Aber von einer wirklichen direkten
") Deutsch. med. Wochenschr. 1897, Nr. 1 und Deutsch. Arch. f£. klin.
Med. 61, 445 (1898).
?) Verhandl. des Kongresses f. inn. Med. 21 (1904).
#) Deutsch. Arch. f. klin. Med. 87.
3*
36 Otto Faubel,
Funktionsprüfung dieses versteckt gelegenen Organes waren wir
doch noch weit entfernt. Es ist jedoch jetzt, wie im folgenden
gezeigt werden soll, möglich, mit verhältnismäßig geringer Mühe
und ohne große Umbequemlichkeiten für den Untersuchten den
Bauchspeichel des lebenden Menschen zu gewinnen und der Unter-
suchung zugänglich zu machen.
Die Methode zur Gewinnung des Pankreassaftes schließt sich
an die Beobachtung von Pawlow und Boldireff!) an, welche beim
Hunde einen Rückfluß von Galle und Pankreassaft in den Magen
gesehen haben, wenn der Magen fette Speisen oder übermäßige
Säure enthielt. Volhard hat nun gefunden, daß es auch beim
Menschen gelingt, Pankreassaft mit oder ohne Galle zu gewinnen,
wenn man mit der Schlundsonde 200g Öl in den nüchternen Magen
einführt und nach einer halben Stunde wieder aushebert. Diese
Art der Gewinnung liegt allen nachstehend mitzuteilenden Ver-
dauungsversuchen zugrunde. |
Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchungen, welche ich
auf Anregung und unter Anleitung des Herrn Oberarztes Privat-
dozenten Dr. Volhard im chemischen Laboratorium des städtischen
Luisenhospitals zu Dortmund im Laufe der letzten Monate angestellt
habe, war zunächst festzustellen, ob es in der Mehrzahl der Fälle
gelingt, mittels Öleingießung Pankreassaft zu gewinnen. Bei dieser
Gelegenheit sollte außerdem noch einmal geprüft werden, ob bei
der Trypsinwirkung die Verdauungsprodukte direkt proportional
sind dem Produkt aus Fermentmenge und Verdauungszeit, wie
dies in einer unter Volhards Leitung entstandenen Arbeit von’
Löhlein?) behauptet worden ist, oder ob das Trypsin, wie Pawlow
annimmt, dem Schütz-Borissowschen Wurzelgesetz folgt, wonach
die Produkte der Verdauung proportional sind der Quadratwurzel
aus Fermentmenge und Verdauungszeit. Von vornherein sollte
man auch für das Trypsin die Gültigkeit des Wurzelgesetzes er-
warten, da das Pepsin, wie Schütz und Borissow dies nach-
gewiesen haben, und auch das fettspaltende Ferment des Magens
und des Pankreas, wie Volhard) und seine Schüler dargetan haben,
dem Wurzelgesetz folgen.
Der aus dem Magen geheberte Ölmagensaft schied sich durch-
weg in eine obere Ölschicht und eine schwerere Saftschicht, welche
') Congres internat. des Physiologistes. Bruxelles 1904.
?) Diese Beiträge 7, Heft 1/3.
°) Volhard, 73. Naturforscherversammlung Hamburg; Stade, Diese
Beiträge 3, Heft 7/8; Engel, ebenda 7, Heft 1/3.
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 37
im Scheidetrichter von der ersteren getrennt wurde. Dieser so
isolierte Saft wurde mit !/,on- oder 1/,n-Natronlauge bis zur
schwach alkalischen Reaktion neutralisiert !).
Zum Trypsinnachweis diente die titrimetrische Methode von
Volhard, wie sie auch Löhlein schon angewandt hat. Als Ver-
dauungsflüssigkeit wurde die von Thomas und Weber angegebene
und empfohlene Natroncaseinlösung benutzt.
Deren Herstellung geschieht folgendermaßen: 100 feinkörniges, aus
der chemischen Fabrik Rhenania- Aachen bezogenes Casein werden in einer
langhalsigen Kolbenflasche in 1 Liter destillierten Wassers unter Umschütteln
eingeweicht, mit 80cem n-NaOH versetzt und mit Chloroformwasser auf
2000 cem aufgefüllt. Unter häufigem Umschütteln wird auf dem Wasserbade
langsam erwärmt, bis alles Casein völlig gelöst ist, und dann rasch auf
85 bis 90°C erhitzt, damit eventuell vorhandene Keime oder Fermente ver-
nichtet werden. Nach dem Erkalten wird zur Fernhaltung schädlicher Keime
aus der Luft ein wenig Toluol aufgeschüttet.
Eine so hergestellte Natroncaseinlösung hält sich längere Zeit und
bietet das Angenehme, daß man sie sowohl zu Trypsin- wie auch nach
Zusatz von Salzsäure zu Pepsinversuchen verwenden kann.
Aus Zweckmäßigkeitsgründen, um ein schnelles Abmessen von 100 cem
zu ermöglichen, wurde die Natroncaseinlösung in eine hochstehende, tubu-
lierte Vorratsflasche umgegossen, deren Ausflußöffnung durch ein Gummirohr
und ein in dieses eingeschaltetes 4-förmiges Glasrohr mit einer umgekehrt
eingespannten 100 cem-Pipette verbunden war, so daß mittels zweier Schlauch-
klemmen der Zufluß zur Pipette und von da das Abmessen von 100 ccm
Caseinlösung in die zu unseren Versuchen benutzten, langhalsigen und mit
Marken von 300 und 400 cem versehenen Verdauungsflaschen (von Wallach
Nachfolger in Kassel zu beziehen) in bequemster Weise zu bewerkstelligen war.
Der einzelne Versuch gestaltete sich nun derart, daß ich in
eine solche Flasche 100 ccm Natroncaseinlösung einlaufen ließ,
Chloroformwasser bis zur Marke 500 cem auffüllte, eine mittels
Pipette genau abgemessene Menge des auf Trypsin zu prüfenden,
mit Natronlauge neutralisierten !) Ölmagensaftes hinzufügte und
dann die Flasche in ein durch Toluolregulator genau bei 40°C
gehaltenes Wasserbad für eine bestimmte Zeit einstellte. So vor-
bereitet, genügte eine Flasche zur qualitativen Trypsinbestimmung.
Zwecks quantitativer Bestimmung wurden mehrere Flaschen
wie oben vorbereitet, aber mit verschieden großen, genau 'be-
stimmten Ölsaftmengen versehen, für eine gleiche Zeitdauer ins
Bad gesetzt.
') Es ist, wie sich später herausgestellt hat, besser, die Neutralisation
des Saftes zu unterlassen. Natürlich muß dann die halbe Acidität des Saftes
von dem in 200 ccm Filtrat ermittelten Aciditätszuwachs abgezogen werden.
38 Otto Faubel,
Nach Ablauf einer bestimmten Zeit wurden die Flaschen dem
Bade entnommen, mit genau l1lcem n-HÜl versetzt, und mit 20 proz.
Na,SO,-Lösung bis zur Marke 400, die sich am Hals der Flasche
befindet, aufgefüllt, wodurch die Trypsinverdauung zum Aufhören
gebracht wurde. Dabei fällt das bis dahin unverdaute salzsaure
Casein in Flocken aus, während die wasserlöslich gewordenen
salzsauren Verdauungsprodukte ins Filtrat übergehen. Demgemäß
ist der Caseinniederschlag um so geringer und das Filtrat um so
saurer, je mehr Casein verdaut wurde.
Thomas und Weber bestimmten gewichtsanalytisch die Ab-
nahme des Filterrückstandes als Maß der Verdauung. Diese
gewichtsanalytische Bestimmung ist aber sehr umständlich und
wird sich deshalb nie einer allgemeinen Einführung erfreuen können.
Ihr gegenüber läßt die Volhardsche Titriermethode an Einfach-
heit und Genauigkeit nichts mehr zu wünschen übrig. Volhard
ging von der Überlegung aus, daß bei fortschreitender Verdauung
der Caseinlösung der Säurewert des Filtrats zunehmen müsse,
da die durch das Natriumsulfat nicht mehr fällbaren salzsauren
Verdauungsprodukte das Filter passieren, und wies nach, daß bei
Anwendung derselben Mengen derselben sauren Caseinlösung ohne
Fermentzusatz der Säuregrad des Filtrats stets der gleiche und
viel kleiner war, als dem wirklichen Säuregehalt der Stammlösung
entsprach. Daraus geht hervor, daß unter gleichen Versuchs-
bedingungen im Caseinniederschlag immer dieselbe Menge Salz-
säure zurückbleibt und allein die freie Salzsäure ins Filtrat über-
geht. Folglich muß man einen über den als konstant festgesetzten
Säurewert der benutzten Stammlösung hinausgehenden Säurezuwachs
beim Verdauungsversuch auf die ins Filtrat übergetretenen salz-
sauren Caseosen beziehen und darf mit Recht aus der Höhe des
Säurezuwachses auf den Verdauungswert des angewandten ferment-
haltigen Saftes schließen.
Jede Versuchsreihe wurde von einem blinden Versuch begleitet,
d.h. es wurde für die gleiche Zeit mit den fermenthaltigen Flaschen
eine Flasche mit Stammlösung — 100 cem Natroncaseinlösung + aqua
chloroformata bis zur Marke 300 ohne Ölsaft — ins Bad gesetzt.
Nach Beendigung des Verdauungsversuches wurden genau
200 cem des Filtrats einer jeden Flasche titriert und von der
Acidität der fermenthaltigen Proben die Acidität der Stammlösung
abgezogen. Die Acidität des Ölmagensaftes blieb außer Ansatz im
(egensatz zu Verdauungsversuchen mit Pepsin, weil dieselbe jedesmal
vor Beginn des Versuches durch Neutralisation aufgehoben war.
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw.
39
HH
Zunächst lasse ich zwei Versuche folgen, welche dartun, daß
ein nach oben beschriebener Methode gewonnener Ölmagensaft
sowohl peptisch wie tryptisch wirksam sein kann. Zum Nach-
. weise der peptischen Kraft hat man nur nötig, die Salzsäure —
lleem — der Mischung vor dem Versuche zuzufügen.
In beiden Versuchen betrug die Verdauungszeit 21 Stunden; titriert
wurde mit Y,n-Na0OH. Hier wie überall diente als Indikator eine 2 proz.
alkoholische Phenolphthaleinlösung.
Die drei Zahlen bei jedem Flaschenversuch bedeuten den Grad des
Umschlages in Spur, rosa und rot.
1. Versueh.
Pepsin Trypsin
Stammlösung 5cem Ölsaft, nicht | 5cem Ölsaft, durch
neutralisiert 0,3 Y.0n-Na0OH neutral.
27,6 | 28,0 | 285 53,3.21.54,.0°° .+54.,7 1 46:5 46,9 | 48,5
Ab Stammlösung ...... 276 | 28,0 | 285 | 27,6 | 28,0 | 285
Ab Sattaeidität . 2 2 2... 032 os use ar =
Baurezuwachs . . . . . . 294 11° 29.0°.,.25,90 |, 18,7. 18.977.200
2. Versuch.
Pepsin Trypsin
Stammlösung 5 cem Ölsaft, neutral. | 5cem Ölsaft, neutral.
durch 0,1 Y,,n-NaOH | durch 0,1 Y,, n-Na0OH
276. | 28,0 | 28,5 45,5 | 46,45 | 48,2 | 34,85 | 35,3 | 36,7
Eeammlösune. -. . .... 27:6: 11280 128,5 |: 27,6 28,0 | 28,5
Banrezuwachs . . ... . . 17,9} 18/45 |.19,7 1.28 1.3 8,2
Wie oben erläutert,
Versuchen an, wie weit die Verdauung
Fermentmengen vorgeschritten ist.
gibt uns der
Wert höher als der tryptische.
2.
Säurezuwachs in beiden
durch die angewandten
Beide Male ist der peptische
Die folgenden Versuche beweisen, daß die Verdauung mit
Trypsin keine dem Schütz-Borissowschen Gesetze entsprechende
Werte liefert, wonach sich die Aciditätszunahme der Filtrate bei
40 Otto Faubel,
Zusatz verschiedener Mengen desselben Ferments unter gleichen
Versuchsbedingungen wie die Quadratwurzeln aus den relativen
Fermentmengen und den Verdauungszeiten verhalten sollen, also
AHA Yr.t j YA-t . YL.%
Diese Regel habe ich für das Trypsin durch keinen der vielen
im Laufe der letzten Monate angestellten Versuche bestätigt ge-
funden, vielmehr ergaben meine Versuche bei konstanten Ver-
dauungszeiten, daß die tryptische Verdauung direkt proportional
den Fermentmengen fortschreitet, d. h. die Aciditätszunahmen ver-
hielten sich proportional den angewandten Saftmengen
PN N.
oder
= — k (konstant).
3. Versuch.
Zunächst sei bemerkt, dab sich die über den Versuchsreihen angegebene
Anzahl von Cubikeentimetern auf den absoluten Saftgehalt bezieht, nicht
auf die Verdünnung.
30 cem Ölmagensaft werden mit 0,4!/,n-NaOH neutralisiert und mit aqua
destillata auf 60 cem verdünnt, um eine genaue Abme-sung zu ermöglichen.
Dauer der Digestion: 20 Stunden. Titriert mit '/, n-NaOH.
Stammlösung | 1ecm neutr. Ölsaft | 2 ccm neutr. Ölsaft | 3eem neutr. Ölsaft
23,8 | 24,0 24,25 | 30,3 | 30,55 | 31,1 | 37,0 37,42 | 38,2 |43,15
Ab Stammlösung . | 23,8 124,0 |24,25| 23,8 24,0 |24,25 23,8
43,75 | 44,8
24,0 | 24,95
Säurezuwachs . . 6,5 | 6,55| 6,85 | 13,2 | 13,42 | 13,95 || 19,35 | 19,75 | 20,55
| |
es rn] Berl See
/ | I |
Stammlösung 4cem neutr. Ölsaft | 5eem neutr. Ölsaft
23,8 24,0 | 24,25 | (45,75) | 46,25 | 47,8 ı (47,9) | 48,55 | 50,0
Ab Stammlösung ... 23,8 24,0 24,25 23,8 24,0 24,25
Säurezuwachs . . . . . 21,95 22,25 | 23,55 || 24,1 24,55 | 25,75
A a | |
I — 7 ee (5,6) _ — (4,8) == —
4. Versuch.
12 ccm eines durch Öleingießung gewonnenen Magensaftes werden durch
2,2'/n-NaOH neutralisiert und mit 9,8cem aqua destillata auf 24 cem verdünnt.
Dauer: 16 Stunden. Titriert mit Y,n-NaOH.
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 41
Stammlösung | lecm Ölsaft | 2cem Ölsaft |3cem Ölsaft | 4ccm Ölsaft
9,4 | 9,5 9,55 \10,7|10,75|10,85, 12,0 12,15|12,3 ||13,3\13,6/13,9 |14,4 |14,75115,1
Ab Stammlös. | 9,4 9,5 | 9,55| 9,4| 9,5 | 9,55 9,4| 9,5) 9,55| 94 | 9,5 | 9,55
Säurezuwachs || 1,3 1,25 13 | 2,6 2,65| 2,75| 3,9| 4,1 4,35) 5,0 | 5,25! 5,55
|
=: ee er a ee
5. Versuch.
26cem von ebendemselben Ölmagensaft wie bei Versuch 4 wurden
zwei Tage später zur Digestion benutzt, durch 1,65 Y,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf 52ccm verdünnt.
Dauer: 16 Stunden. Titriert mit Y,n-NaOH.
Stammlösung | 5cem Ölsaft | 6ecm Ölsaft | 7cem Ölsaft | Scem Ölsaft
9,4 | 9,5 19,55 12,3 |12,4,12,55|12,4 12,7|12,9 13,15 13,5/13,8 |13,35|13,6\13,9
Ab Stammlös. | 9,4 | 9,5! 9,55| 9,4! 9,5| 9,55| 9,4 | 9,5| 9,551 94 | 9,5, 9,55
Säurezuwachs | 2,9 | 2,9| 3,0 | 3,0) 3,2! 3,35| 3,75| 4,0 4,35| 3,95| A,1| 4,35
Zr Se ee Dale: er
An diesen drei Tabellen erkennen wir, daß die Eiweiß spaltende
Wirkung des Trypsins eine gleichmäßig fortschreitende ist und
sich bei gleicher Zeitdauer verhält wie die angewandten Ferment-
mengen, und daß in jedem Versuch Säurezuwachs und Ferment-
menge in einem konstanten Verhältnis stehen. Die geringen Ab-
weichungen fallen in den Bereich der Fehlerquellen.
Daß in Versuchsreihe 4 und 5 die Aciditätswerte von dem
mit 3cem Saft angestellten Versuche ab nicht mehr nennenswert
ansteigen, ist begreiflich, da schon bei 3cem fast alles Oasein
verdaut ist und die in 200 cem Filtrat in maximo enthaltene Salz-
E24
2
säuremenge nur — 3,5 cemn-HCl beträgt. (100 cem Casein-
lösung in jeder Flasche enthalten 4ccem n-NaOH. Diese 4ccm
sind von l1lccm n-HCl abzuziehen, dann bleiben 7cem n-HCl und
‚also in der Hälfte Filtrat 3,5 cem n-HCl!}).
In Versuch 4 und 5 handelt es sich um ein und denselben
Ölmagensaft, der Versuch 5 liegt aber zwei Tage später als Ver-
') Daß die Aciditätswerte noch weit höher steigen, liegt an der Bildung
von organischen Säuren bei der Eiweißverdauung. Dem geht parallel das
weite Auseinanderrücken der Umschläge in Spur, rosa, rot. Vgl. Volhard,
Über das Alkalibindungsvermögen und die Titration der Magensäfte. Münchn.
med. Wochenschr. 1903, Nr. 50.
49 Otto Faubel,
such 4. Der Trypsingehalt hat stark abgenommen, dennoch bleibt
} a EIER
der Quotient F konstant. Danach verliert ein im sauren Magen-
saft vorhandenes Trypsin verhältnismäßig schnell an verdauender
Kraft, auch wenn der Saft im Eisschrank aufbewahrt wird.
Nachfolgend teile ich das Ergebnis einer größeren Reihe von
Untersuchungen von Ölmagensäften auf ihren tryptischen Wert
mit. Die Versuche sind immer an denjenigen Tagen gemacht,
an welchen die Säfte gewonnen waren. Jedem Hauptversuch ging
ein qualitativer Probeversuch mit einer entsprechend größeren
Saftmenge voraus.
6. Versuch.
Gastroenteritis. Ein nach Öleingießung gewonnener Magen-
saft erwies sich in tryptischer Beziehung als unwirksam. Ö5cem
desselben wurden neutralisiert durch 1,9 ccm 1/,,n-NaOH.
1. Versuch.
Uleus ventrieui. 40cem Ölsaft werden neutralisiert durch
8,5ccm Yo n-NaOH und mit aqua destillata auf 80 ccm verdünnt.
Dauer: 15 Stunden. Titriert mit Y,,n-NaOH.
Stammlösung 1cem Ölsaftt | 2eem Ölsaft 3cem Ölsaft
175 | 17,6 | 17,8 | 19,1 | 19,2 | 19,4 \20,8 | 21,0 | 21,2 | 208 | 225 99,8
Ab Stammlösung | 175 | 17,6 | 17,8 |ı75 | ız6 | 17,8 | 17,5 | 17,6 | 17,8
Säurezuwachs . . | 1,6 1:6: SE6 1 8:9 3,4 3841 481 4,9150
N RR er N ee 1
/ | |
Stammlösung 4ccm Ölsaft | 9cem Ölsaft 16 ccm Ölsaft
| —
17,5 | 17,6. | 17,8 |23,8 | 24,0 | 24,2 | 29,95 [30,25| 31,55 | 37,6 | 38,0 | 38,6
Ab Stammlösung |17,5 | 17,6 | 17,8 | 175 |17,6 [17,8 |17,5 |17,6 | 17,8
Säurezuwachs . : | 68 | 64 | 6,4 || 12,45 [12,65 | 13,75 | 20,1 | 20,4 | 20,8
| I
k= e | Pl — | - | (1,58) — - (1,25) — —
Il |
Wir finden hier das Gesetz der regelmäßig fortschreitenden
Trypsinverdauung bestätigt; allerdings versagt es bei zu groß ge-
wählten Saftmengen.
8. Versuch.
Angina catarrhalis. Der Ölsaft, von welchem 45 ccm durch
3,75 1/,n-NaOH neutralisiert wurden, war tryptisch unwirksam.
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 43
9. Versuch.
Auch hier — akuter Gelenkrheumatismus — verhielt sich der
Ölsaft negativ.
10. Versuch.
Stomatitis. 25 ccm des Ölsaftes werden durch 2,05 !/,n-NaOH
neutralisiert und mit aqua destillata auf 50 ccm verdünnt.
Dauer: 20 Stunden. Titriert mit Y,n-NaOH. Von jetzt ab titrierte
ich bei den Versuchen immer nur mit Y,n-NaOH.
Stammlösung | 1cem Ölsaft 2cem Ölsaft 3ccm Ölsaft
72 | 7,4 | 7,5 |805 | 82 | 83 |e75|ı 89 |905 | 88 | 91 | 9,3
Ab Stammlösung |72 | 7a |\7r6 \za ı zalre \r2a|rma| 76
Säurezuwachs . . 1085| 08 | 07 \155| 15 1145 | 16 | 17 | 17
= 08 ee elos ee
Stammlösung 4 ccm Ölsaft 5cem Ölsaft 6cem Ölsaft
72 1. 7A | Ba 1:28 77,4. .7,605 19:5... 97.75 9:981|10:25 10,45 110,65
Ab Stammlösung W200 EA. 7,6 a2 | WR TO | ve en
Säurezuwachs . . _ — — 2802,32. 2,3 |. 2808.16 8:09:1°3400
a
k=— 0 — — 05 | — — 0,5 — —
f
Die tryptische Kraft dieses Saftes ist sehr gering und ist fast
gleich Null, bei der vierten Flasche sehen wir sogar einen gänz-
lichen Ausfall. Dies Verhalten vermag ich nur aus der gänzlich
ungleichartigen Beschaffenheit des Ölsaftes zu erklären. Dieser
war nämlich teils dünnflüssig, teils zähe, so daß der Abfluß aus
dem Scheidetrichter zuweilen gänzlich stockte, auch enthielt er
weißlich-graue Flocken, die anscheinend aus verschlucktem Schleim
bestanden. Diese sehr ungleichmäßige Beschaffenheit des Saftes
macht es wahrscheinlich, daß das Trypsinferment nicht gleichartig
in demselben verteilt war, so daß in dem einen Falle mehr, in dem
anderen weniger oder nur Schleim mit der Pipette abgehoben wurde.
11. Versuch.
Leichte Mitralinsuffizienz. Der Ölmagensaft war tryptisch un-
wirksam.
12. Versuch.
Bronchitis acuta. Auch hier war der Erfolg negativ. 5ccm
des Saftes wurden neutralisiert durch 0,4 1/,n-NaOH.
44 Otto Faubel,
13. Versuch.
Perityphlitis chronica. 1l3cem Ölmagensaft wurden neutra-
lisiert durch 1,95 1/,n-NaOH und mit aqua destillata auf 26 ccm
verdünnt. Dauer: 24 Stunden. Titriert mit Y,n-NaOH.
Stammlösung 0,5 cem Ölsaft lcem Ölsaft | 1.5 cem Ölsaft
5 | 76 | 77 | 1,55 7,65 E a 7,6 | 7,65 | 7,75 | 7,55 | 7,65 | 7,8
Ab Stammlösung 175 | 7,6 & 7,5 17,6" 117,75 12,50 70
Säurezuwachs . . | 0,05 | 0,05 | 0 | 0,1 1.0,05 | — || 0,05 | 0,05 [0,05
Stammlösung | 2cem Ölsaft 2,5 cem Ölsaft |... 30cm Olsett
7.5.1776. 1: 7.75 1:75
Ab Stammlösung | 7,5
Säurezuwachs . . 0,05
7,85 | 7,6 | 7,9 | 8,05 || 7,85 | 7,95 | 8,1
775 7,5 | 76] 7,75] 75 Trees
01 0085| 01 | 03 |o,ı | 0,5 | 0,5 | 0,35
Der Versuch ist als negativ anzusehen.
14. Versuch.
Gelenkrheumatismus. 5ccm Ölmagensaft werden durch 0,3 cem
ı/,n-NaOH neutralisiert und auf 20ccm mit aqua destillata ver-
dünnt. Dauer: 23 Stunden.
St: ee 0,5 cem Ölsaft lcem Ölsaft 1,5cem Ölsaft| 2cem Ölsaft
77 | 79 | 80 |78
7,7\79|80|7,7|79|80
ı|— |01!02[0,2|0,2)0,
0
79 | 8,1 79 8118280
7,7|79|80|7,71|79|80
3102104104108 | 0,4
Ab Stammlösung
7
Säurezuwachs . . 0,
k- 21/— |—- for] = T-
F EOS TE
15. Versuch.
Motorische Insuffizienz des Magens. 30ccm des grünlich-
gelben, gleichmäßig dünnflüssigen Ölmagensaftes werden durch
3,0°/,n-NaOH neutralisiert und mit aqua destillata auf 60 cem
verdünnt. Dauer: 161/, Stunde.
Stammlösung 2cem Ölsaft 3 ccm Ölsaft 4cem Ölsaft
7,8 7,9 8,0 | 8,5 8,6 8,8 8,7 8 89 || 9,0 | 9,15 | 9,4
Ab Stammlösung 7,8 7,9 8,0 7,8 7,9 8,0 19.1:99 8,0
Säurezuwachs . . | 0,7 0,7 0,5 | 0,9 0,9 | 0,9 | 1,2 | 1,25 | 1,4
ee: 0,35 | — — 0383| — 1.08 T u
=.
f
181|84181182|84:
ana 2 uam
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 45
Stammlösung 5cem Ölsaft | 6cem Ölsaft 9cem Ölsaft
7,8 | 1,9 | 202179.327.9429,796 955% 37-17 9;8.110.2..110,3- 20,55
Ab Stammlösung 78 | 79 | 80 | 7,8 7.3:1780=1 768 7,9 | 80
Säurezuwachs . . Er En a re a re a a Ba 2,4 | 2,55
[43
78
ne Baer ae Naar er
16. Versuch.
Hyperacidität. 25ccem des gelbweißen Ölmagensaftes werden
neutralisiert durch 1,81/,n-NaOH und mit aqua destillata auf
50cem verdünnt. Dauer: 161/, Stunden.
Stammlösung lccm Ölsaft | 2ccem Ölsaft 3cem Ölsaft
7,8 | | 80 |86 |g7 |88 | 94 |955| 9,7 Jıo7 | 108 | ımı
A Sammlosms | 78 | 70 |so| rs |r9 |80o | ze | 79| 80
Säurezuwachs . . 0.3 1.0.9808, 161,6 2,9 | 3.1
0. 2.08 age —
ü
Stammlösung 4 ccm Ölsaft 5ccm Ölsaft 6ccm Ölsaft
7,8 | 7,9 | 80 109 |ı1o 113 | 118 119 | 122 |125 | 13,7 | 12,8
Ab Stammlösung | 7,8 | 79| sol ze| za| sol rs | 9| 80
Säurezuwachs . . | 31 3,10 0 12:3812.4.021 20 AT 4,8| 48
k=7 A ee a ae 13 gen
17..Versuch.
25ccm Ölmagensaft — Muskelrheumatismus — weißlich, opa-
leszierend, schleimig, stark fadenziehend, werden neutralisiert durch
1,5ccm !/,n-NaOH. Der Saft ist tryptisch unwirksam. Das Er-
gebnis des Testversuches war:
Stammlösung | 5ccm Ölsaft
8,2 | 8,3 | 8,4 | 8,1 8,2 8,4
18. Versuch.
Hyperaeidität. 30cem des dunkeln Ölmagensaftes werden
neutralisiert durch 2,61/,n-NaOH und mit aqua destillata auf
60 ccm verdünnt. Dauer: 25 Stunden.
46 Otto Faubel,
Stammlösung | lcem Ölsaft | 2cem Ölsaft | 3eem Ölsaft | 4ccm Ölsaft
| | | |
8,2 8,3 8,4 ‚12,2 12,4 12,8 16,4 16,6 17,2 20,1 20,5 21,3 24,3 |26,0 127,7
Ab Stammlösung | 82, 83) 84) 821 83] 84|82 83, 84 82 | 83] 84
Säurezuwachs . . | 4,0| 4,1] 4,41 82| 8,3| 8,8111,9 112,2|12,9116,1 |17,7|19,3
= 0 | 41 | s2-|-|2021-|- ,
Stammlösung | 5cem Ölsaft 6cem Ölsaft | 7 cem Ölsaft
|
| 28,2 | 28,6 | 30,4 | 28,9 | 32,2 | 34,1 | 30,5 31,3 | 332
Ab Stammlösung | 82 | 83 | sa | 82| 83 | 8a| s2| 83 | 84
8271488" 8,4
Säurezuwachs . . || 20,0 | 20,3 | 22,0 | 20,7 | 23,9 | 25,7 | 22,3 | 23,0 | 24,8
= a _ a a
19. Versuch.
20 ccm eines grünlichen, trüben, dünnflüssigen Ölmagensaftes
— Lumbago — werden neutralisiert durch 2,81/,n-NaOH und
mit aqua destillata auf 40ccm verdünnt. Der Testversuch von
einstündiger Dauer mit 5cem Ölsaft fiel fast negativ aus.
Stammlösung | 5cem Ölsaft
R | |
855 | 865 | 8,84 | 8,6 | 8,8 | 9,0
| | |
20. Versuch.
32ccm Ölmagensaft — geringe Nephritis und Alkoholismus
— werden durch 1,0 !/,n-NaOH neutralisiert und mit aqua destillata
auf 64ccm verdünnt. Der Saft hatte ein helles, wasserähnliches
Aussehen. Dauer: 20 Stunden.
Stammlösung | 1cem Ölsaft 2ccm Ölsaft 3ccm Ölsaft
82 | 83 | 84 | 13,1 | 13,3 | 13,8 117,5 | 18,3 | 19,2 119,9 | o1ı
Ab Stammlösung 82 | 8838| 84| 82 | 88 | 84 | 82 | 83 | 84
Säurezuwachs . . 4,9 56.0 | 5,4|| 9,3 | 10,0 | 10,8 || 11,7 | 129,8 | 14,0
dA
27 7 BE We -\»|_
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 47
Stammlösung 4 ccm Ölsaft 5 cem Ölsaft 6 cem Ölsaft
8,2 | 8,3 | 84 || 22,5 | 23,4 | 23,8 | 22,5 | 23,5 | 24,4 | 22,6 | 23,6 | 24,4
Ab Stammlösung SEAN SR rs er ee Se re BR a:
Säurezuwachs . . || 14,3 | 15,1 | 15,4 | 14,3 | 15,2 | 16,0 || 14,4 | 15,3 | 16,0
a
= 73 A (3,6) De ige (3,0) TS wer (2,6) 777 SE
21. Versuch.
10 ccm eines wasserhellen, fadenziehenden Ölmagensaftes werden
durch 0,45 !/,n-NaOH neutralisiert und mit aqua destillata auf
20ccm verdünnt. Dauer: 21 Stunden.
Stammlösung | 0,25cem Ölsaft | 0,5ccm Ölsaft |0,75ecm Ölsaft| 1Lcem Ölsaft
8,5 18,65 |8,85 2.96.99 10.211055:.110.9 111.0 11,5%112,2°12.9112,2 1134
Ab Stammlös. || 8,5 | 8,65 | 8,85|| 8,5 | 8,65| 8,851 8,5 | 8,65| 8,85) 8,5! 8,65| 8,85
Säurezuwachs | 0,8|0,95 |1,08|| 1,7 | 1,85! 2,05) 2,5 | 2,65| 3,35 3,4! 3,55| 4,55
ur Eee Ni ee ee Ki
22. N ersuch,
30cem Ölmagensaft werden neutralisiert durch 1,4 !/,n-NaOH
und mit aqua destillata auf 60 ccm verdünnt. Dauer: 19 Stunden.
Stammlösung | 0,2ecm Ölsaft | 0,4 cem Ölsaft | 0,6 ccm Ölsaft | 0,8 cem Ölsaft
9,0 | 9,2 |) 34 || 10,3 110,5 110,75! 11,5 111,8 112,0 112,8 |13,2 | 13,4 114,3 |14,6 115,0
uniammios. || 9,01 92| 94 | 90 | 921 94| 90 | 92| 94| 9,0 | 921 9,4
Säurezuwachs Br 1.3%4.1,30,.25 265251 38140|°.20|53:5,42|75,6
er Bro rag ze) 3a
23. Versuch.
20 ccm Ölmagensaft werden neutralisiert durch 1,4 !/,n-NaOH
und mit aqua destillata auf 40 ccm verdünnt. Dauer: 18 Stunden.
Stammlösung |0,2ecm Ölsaft 0,4 cem Ölsaft |0,6 ccm Ölsaft | 0,8 cem Ölsaft
9,0 | 9,2 | 9,4 || 10,6 | 10,9 111,0 | 12,4 | 12,6 12,9||14,0 114,2 14,8 | 15,8 116,1 | 16,5
Ab Stammlös. | 9,0! 9,2| 9,4 | 9,0| 9,2| 94! 9,0 | 9,2| 94| 9,0 92| 94
Säurezuwachs | 1,6| 1,7! 1,6) 34| 34| 35| 50 |50|5.l 68| 69| 7,1
ut ee I He WR ee
45
24. Versuch.
20cem Ölmagensaft werden durch 2,0 !/,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf 40 cem verdünnt. Dauer: 16!/, Stunden.
Otto Faubel,
Stammlösung 0,5cem Ölsaft| lcem Ölsaft |1,5cem Ölsaft | 2cem Ölsaft |
9,9 10,0 10,1 11,9 |12,1 | 12,4 14,0 | 14,2 114,5 115,8 116,4 116,8 118,1 18,3 | 18,6
Ab Stammlös. | 9,9 | 10,0 10,1 | 9,9 | 10,0 10,1 9,9 /10,0 110,1 9,9 [10,0 |10,1
Säurezuwachs | 2,0| 21| 23/41 | 12 a4\591|64| 67|82 |83| 85
k=4.:.|20 1.218081. | 1,71 2.1 es
| I
10 cem Ölmagensaft werden durch 0,2 !/,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf 20 ccm verdünnt.
325. Versuch.
Daner: 22 Stunden.
Stammlösung | 0,5 cem Ölsaft 1,0 cem Ölsaft | 1,5 cem Ölsaft
90 | 94 | 96 11,8 | 122 | 12,5 I14,5 | 15,0 | 15,4 | 17,4 | 17,8 | 18,3
Ab Stammlösung 9,0 94 | 96 | 9,0 9,4 9,6 9,0 9,4 9,6
Säurezuwachs . . | 231 :284.29 1.5D 5,6 15,81 8:41 VE
a |
BER ee a le 38)
f Pix: |
Stammlösung | 2 cem Ölsaft 2,5 ccm Ölsaft
9,0 904 | 96 | 202 | 206 | 212 | 230 | 23,5 | 24,05
Ab Stammlösung . 9,0 9,4 9,6 9,0 9,4 9,6
Säurezuwachs.. . .. . 11,2 11,2 11,6 14,0 14,1 14,45
a
| A ee a RE Ve er 2,8 — u 2,3 == —
f ’
und mit aqua destillata auf 20 ccm verdünnt.
26. Versuch.
10 com Ölmagensaft werden neutralisiert durch 0,25 !/,n-NaOH
Dauer: 22 Stunden.
Stammlösung
0,1 eem Ölsaft
11,3 | 115 | 11,7
Ab Stammlösung | 11,3
Säurezuwachs . . 1,3
A ‘
ce 1,3
| 13,1 | 14,0
12,3
11,5 | 11,7 11,3 |
1,5 1,4 || 2,7
= -. 1,35
0,2cem Ölsaft 0,3 cem Ölsaft
14,2 | 14,4
11,5 | 11,7
9,7
15,45! 15,6 | 15,9
118 111,5 (11%
| 4,15] 41| 42
1,88|..—
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw.
49
Stammlösung
| 0,4cem Ölsaft
11,3 | 11:5 | re
Ab Stammlösung
Säurezuwachs . .
a
eg
16,7
11,3
5,4
1,35
17,0
11,5
5,5
17,4
27
5,7
18,1
11,8
6,8
| 1,36
0,5 cem Ölsaft
18,3
11,5
6,8
27. Versuch.
10 ccm Ölmagensaft werden neutralisiert durch 0,3 !/,n-NaOH
und mit aqua destillata auf 20 ccm verdünnt. Dauer: 221/, Stunden.
18,8
17
7,1
0,6cem Ölsaft
18,9
11,3
7,6
(1,27)
19,1
11,5
7,6
19,4
11,7
77
Stammlösung
11,3 | 11,5 | 127
Ab Stammlösung
Säurezuwachs . .
a
k —S,n
f
Stammlösung
11,3 | 11,5 | 11,7
Ab Stammlösung
Säurezuwachs . . .
a
k en f a
5 ccm Ölmagensaft
und mit aqua destillata
0,25 ccm Ölsaft 0,5 cem Ölsaft 0,75cem Ölsaft,
129 | 13,1 | 13,3 || 14,5 | 14,7 | 15.0 | 16,1 | 16,3 | 16,8
113 | 115 | 117 \ 118 | 15 |u7 | 113 \ 115 | 11,7
a ee ee ee Er
2. ER ea ee ee a
lcem Ölsaft 2 ccm Ölsaft
17,8 179 | 184 | 219 229 | 22,7
11,3 15. 117.413 15 117
lea 64.610 oz
a es ne | a
28. Versuch.
auf 20 ccm verdünnt.
werden durch 0,1 !/,n-NaOH neutralisiert
Dauer: 20 Stunden.
Stammlösung
83 | 8,4 | 85
Ab Stammlösung
Säurezuwachs . .
eh
f
Beitr. z. chem. Physiologie.
0,25 cem Ölsaft
0,75 cem Ölsaft
89.9.1. |9:3
83 | 8a | 85
06 | 07 | 08
Te
0,5 cem Ölsaft
9,5 I 9,3
83 | 84a | 85
ER
0,6 — _
29. Versuch.
Der einstündige Probeversuch mit 5cem Ölmagensaft hatte
ein negatives Ergebnis.
is
10,25
8,3
1,95
10,75
8,5
2,25
10,4
8,4
2,0
0,65
50 Otto Faubel,
30. Versuch.
Ebenso fiel hier der Testversuch negativ aus.
3l. Versuch.
5cem Ölmagensaft werden durch 0,5 !/,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf l1Occm verdünnt. Dauer: 20 Stunden.
Stammlösung | 0,5 cem Ölsaft | lccm Ölsaft 1,5 ccm Ölsaft
|
8,3 | 84 | 85 | 138 | 14,0.| 14,5 115,35 | 15,5 | 15,9 | 17,8 | 18,0 | 18,8
Ab Stammlösung 8535| 84| 85 | 83 841.85 | 8351| 841785
Säurezuwachs . . | 5,5 | 5,6 | 60 || 7,05 |: 7,1 741 95] 967238
k= F BR 1 8958|. | ea ee
An diesem Beispiel, wie bei Versuch 20, erkennen wir zwar
ein Anwachsen der Verdauungswerte bei zunehmenden Saftmengen,
nicht aber eine direkte Proportionalität. Vielleicht sind die Saft-
mengen zu groß gewählt, der Versuch hat nur qualitativen Wert.
32. Versuch.
10 ccm eines wasserhellen, schleimigen, flockigen Ölmagensaftes
werden durch 0,3 !/,n-NaOH neutralisiert und mit aqua destillata
auf 20ccm verdünnt. Das Versuchsergebnis war ein zweifelhaftes.
Dauer: 21 Stunden.
Stammlösung | lcem Ölsaft | 2 cem Ölsaft | 3cem Ölsaft | 4ccm Ölsaft
Bi | |
3,5 |8,65 8,85) 8,7 [89 |9ı | 93 Ia5 Ian | ss |sı Ias Iss ao |a3
Ab Stammlös. | 8,5 ‚8,65 8,85 | 8,5 [8,65 8,85 | 8,5 [8,65[8,85 18,5 [8,65 | 8,85
Säurezuwachs | 0,2 0,25 0,25 0,8 10,851 1,05 | 0,4 0,45 .0,65|0,3 | 0,35 | 0,45
a |
k=—.:.:- 12|I|—ı|
f | |
— 104 u a RE CE
|
33. Versuch.
10cem Ölmagensaft werden durch 1,0 1/,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf 20ccm verdünnt. Der qualitative
Versuch von einstündiger Dauer hatte folgendes Ergebnis:
Stammlösung 5cem Ölsaft
8,3 8,4 8,5 109 | 112 | 114
| |
Der Versuch konnte quantitativ nicht durchgeführt werden, der
lest des Saftes ging verloren.
Be ee
Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw. 51
34. Versuch.
20 cem Ölmagensaft werden durch 1,3!/,n-NaOH neutralisiert
und mit aqua destillata auf 40 ccm verdünnt. Dauer: 20 Stunden.
Stammlösung lcem Ölsaft 2 ccm ‚Ölsaft 3cem Ölsaft
73.1. 7,9 | 8041.8.2.1:.83: 5.84 86.875,89 1.891597 95
Ab Stammlösung | 7,8 | 79 | 80 | 78 179. | 80 | 7,8 | 79 | 80
Säurezuwachs . . | 04 ! 04 | oa Jos 0585| 09 | 12 15
d
eur... re VE; De Zul a 25
ri
Das Ergebnis meiner Reihenversuche zum Nachweis des
Fermentgesetzes des Trypsin habe ich in beifolgender Tabelle
zusammengestellt.
s: Angew. k — Quotient aus Aeiditätszuwachs in B &
: £ eo 200 Filtrat, dividiert durch die angewandten Saft- 2 5
AS mengen‘) Sta.
3 1—5 6,5 16,6 | 6,45 | (5,6) | (4,8) — | Y,n-Lauge 20
4 1—4 19.171,32: 153 1,261. — -_ 16
7 | 1—4,9,16 |1,6 [1,65 | 1,6 1,98: | (1,38) | (1,25) 15
15| 2-86, 9|0,35 103 | 03 | 03 | 029 | 097 161),
16 Bo 10,3-| 0,97) 0,77.) 08 | 0,78 161,
18 1—7 20 14.7273,97:.4,0% | . 4,0% (3,4). |) m-Eauge 23
20 1—6 4,9 14,65 | (3,9) | (3,6) | (3,0) | (2,6) 20
21 | 0,25—10 108 08 |, 0,8 0,3 —_ .— 1,0 Ölsaft macht | 2]
demnach in 200 Fil-
trat eine Aciditäts-
zunahme v. 3,2 1/,n-
Lauge
22 | 0,2—0,8 |1,3 1125| 1,27 | 12| —- — 1,0 = .u654 19
Ba 1,6 |1,7 | 1,67 | 1,7 — —_ 1,09: 8,0 18
24 | 0,5—2,0 ||2,0 |2,05| 1,97 | 2,05 | — _ 1,0-=3-2:03;. 16%
25 0,5—25 [2,8 |2,75| 2,8 2,8 2,8 -- 10 2277981122
Be 06 11,3 |1,55| 1,38 1 1,35 | 21,36 | (1,27) |. 1,0 = 13,6 22
27 | 0,25—2,0 |1,6 [1,6 | 1,62 | (1,32)| — = 1,0:=..6,0 2a
28 || 0,25—0,75 10,6 |0,6 | 0,65 | — — _ 0.24 20
In meiner vorliegenden Arbeit ist als wichtigste die Tatsache
hervorzuheben, daß wir nunmehr in der Lage sind, mittels eines
Ölfrühstücks nach Volhard den Pankreassaft in der Mehrzahl der
Fälle einer direkten Untersuchung zugänglich zu machen. Der
») Oder deren Verhältniszahlen, so daß in der ersten Reihe die mit der
kleinsten Saftmenge wirklich erhaltenen Aciditätszunahmen stehen.
4 *
52 Otto Faubel, Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel usw.
Nachweis des Trypsins im Ölmagensaft gelang mir in 34 Fällen
24 mal, d. h. also in 70,6 Proz. der Fälle, und ich zweifle nicht
daran, daß sich diese Zahl noch wesentlich erhöhen lassen wird,
wenn man den bereits erwähnten Fehler vermeidet, die Ölsäfte
gegen Phenolphthalein zu neutralisieren. Das Trypsin ist sehr
empfindlich gegen den kleinsten Überschuß von Lauge.
In der Tabelle wie auch in den Versuchsreihen bedeuten die
eingeklammerten Zahlen, daß die Verdauungsgrenze erreicht oder
fast erreicht ist.
Meine Versuche ergeben weiter, daß das Schütz-Borissowsche
Wurzelgesetz, wie es bei der Pepsin- und Steapsinverdauung zu-
trifft, bei dem Trypsin seine Gültigkeit nicht findet, daß hier
vielmehr die Verdauung bei gleichen Verdauungszeiten direkt
proportional den zugefügten Fermentmengen fortschreitet.
Bezeichnen wir die Menge der Verdauungsprodukte, die ich
in meinen Versuchen als Säurezuwachs ermittelte, mit a, die Ferment-
konzentration mit f, so verhält sich
a et re a 5
a a, B ne Baar
ee odeı Fr: k.
Schließlich geht aus meinen Versuchen noch hervor, daß die
Fermentkonzentration des Ölmagensaftes und damit auch des
Pankreassaftes in bezug auf das Trypsin bei den einzelnen Menschen
eine recht verschiedene ist.
Demgemäß ist auch
Zum Schlusse meiner Arbeit ist es mir ein Bedürfnis, Herrn
Oberarzt Privatdozent Dr. Volhard für die Anregung zu dieser
Arbeit und für seine freundliche Hilfe meinen verbindlichsten und
wärmsten Dank auszusprechen.
ud Dr
a u a EEE u on mn. a
un ee, I Be.
PU rw
Mi ne u A
var >.
321.
Untersuchungen über physikalische Zustands-
änderungen der Kolloide.
Sechste Mitteilung.
Die Hitzekoagulation von Säureeiweiß.
Von Wolfgang Pauli.
(Ausgeführt mit Unterstützung der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften.)
Aus der biologischen Versuchsanstalt in Wien
(Physikalisch-cehemische Abteilung).
1.
Unter der Einwirkung‘ von Hitze erleiden gelöste genuine
Eiweißkörper eine Zustandsänderung, welche unter bestimmten
Umständen mit einer sichtbaren Flockenbildung verbunden ist.
Bei dieser Hitzegerinnung wird der physikalische und chemische
Charakter der Eiweißsubstanzen geändert. Über die Natur dieser
Änderung und die Bedingungen ihres Eintritts existiert eine große
Zahl weit zurückreichender Untersuchungen. Diese von der physiko-
chemischen Seite her in einigen Punkten zu ergänzen, wurden die
folgenden Versuche unternommen.
Die Hitzegerinnung von Eiweiß ist, einmal vollständig aus-
gebildet, nicht wieder durch Wärmeentziehung zurückzubilden.
Doch soll, nach einer oft angeführten alten Angabe von Corin
und Ansiaux!), durch Schütteln und Abkühlung eine Auflösung
der Flocken im Moment ihres Entstehens möglich sein. Diese Art
von Reversibilität kann auch noch anders, als dies oft geschieht,
erklärt werden. Bei der Erhitzung einer nativen Eiweißlösung
ohne besondere Vorsichtsmaßregeln, kommt es immer zu einer
sehr ungleichmäßigen Erwärmung der Flüssigkeit. Dieselbe koagu-
n Corin u. Ansiaux, Bulletin de l’Acad. roy. de Belg. 21.
54 Wolfgang Pauli,
liert an den Stellen höchster Temperatur zuerst unter Ausbildung
einzelner Flocken, welche noch beim raschen Schütteln und Kühlen
der Lösung verschwinden. In diesem Falle könnte die relativ
kleine Menge von gebildetem Hitzeeiweiß durch die vorhandenen
nicht neutralen Salze oder das übrige noch nicht denaturierte
Eiweiß wieder gelöst oder bis zur Unkemntlichkeit der Trübung
verteilt worden sein. Das wäre aber keine Rückbildung des er-
hitzten Eiweißes zum ursprünglichen Zustande. Für eine solche
Auffassung dieser Erscheinung als eine scheinbare Reversibilität
spricht auch der folgende Versuch.
Ein sorgfältig von den Salzen durch Dialyse befreites, wasserklar
filtriertes Rinderserum wird zur Hälfte mit destilliertem Wasser verdünnt
und in einer nach Art des Beckmannschen Apparates montierten Vor-
richtung unter ständigem Rühren allmählich erwärmt. Im Momente des
Auftretens einer eben erkennbaren zarten ÖOpaleszenz (52°C) wird die
Eiweißlösung in eine bereit gestellte, gekühlte Eprouvette umgeleert und
unter Schütteln in strömendem kalten Wasser rasch auf 10°C abgekühlt.
Es kommt auch bei noch so langer Fortsetzung der Abkühlung nicht wieder
zur Klärung der Lösung, ja es kann selbst unter diesen Umständen die zarte
Trübung etwas zunehmen.
Die Beobachtung von Corin und Ansiaux beruht allem An-
scheine nach auf der Löslichkeit von kleinen Mengen koagulierten
Eiweißes in den vorhandenen alkalischen Salzen. Sie kann jeder-
zeit an dialysiertem, mit Salzen und wenig Alkali (oder Säure)
versetztem Eiweiß reproduziert werden.
Die Hitzeveränderung von Eiweiß ist durch Abküh-
lung nicht mehr einer echten Rückbildung fähig.
Die Umstände, welche das Eintreten der Hitzegerinnung von
nativen Eiweißlösungen bestimmen, sind gegenwärtig in der Haupt-
sache klar erkannt. Es sind dies die Reaktion und der Gehalt an
neutralen Salzen. Je geringer der Salzgehalt, desto schwächer braucht
die Alkaleszenz einer Eiweißlösung zu sein, um deren Hitzekoagu-
lation zu verhindern. Durch unvollkommene Dialyse wird die
Koagulierbarkeit einer Eiweißlösung aufgehoben (Aronstein!),
Schmidt?), weil Spuren Alkali noch lange festgehalten werden,
wenn die Neutralsalze bereits fast völlig herausdiffundiert sind.
Schon äußerst kleine Mengen von Alkali oder Säure verhindern
die Gerinnung von salzarmem Eiweiß (Heynsius®). Durch fort-
gesetzte Dialyse, welche auch das Alkali beseitigt, kehrt die Hitze-
') Aronstein, Pflügers Archiv 8, 75.
*) Al. Schmidt, ebenda 11, 1.
») Heynsius, ebenda 12, 549.
a u en er re Zu use 2 ee ie ie. Ni
Ben ihn en
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 55
gerinnbarkeit von Eiweiß wieder (Winogradoff!), Haas2), Heyn-
sius®). Da es jedoch nicht gelungen ist, ein absolut aschefreies
Eiweiß zu gewinnen, so ist die Frage ungelöst, ob die letzten
Spuren von Salzen für das Zustandekommen der Hitzegerinnung
unerläßlich sind. Die Verdünnung von natürlichen Eiweißlösungen
(für Serum auf das Zehnfache) beseitigt ihre Koagulierbarkeit durch
Erwärmen. Es ist hier also nicht die absolute Menge der vor-
handenen Salze, sondern deren Konzentration maßgebend.
Durch genügende Zugabe von Säure oder Lauge kann die
Koagulierbarkeit von Eiweiß gänzlich aufgehoben werden. Es
kommt dann beim Erwärmen zur Bildung von Acidalbumin oder
Alkalialbuminat. Dieser Vorgang erfolgt auch bei niederer Tem-
peratur nach genügend langer Einwirkung von Säure oder Lauge,
er wird durch Erwärmen nur in hohem Mabe beschleunigt
(Johannsont) u. a.).
In jüngster Zeit gewann die Hitzekoagulation von Eiweiß da-
durch ein besonderes Interesse für die Kolloidchemie, daß Hardy’)
unter anderen Kolloiden ein durch Hitze ausgeflocktes Eiweiß wählte,
um daran den Zusammenhang von Sinn und Größe der Ladung von
Ionen mit deren Fällungsvermögen für Kolloide zu demonstrieren.
Hardy löste durch Hitze koaguliertes Eiereiweiß in Säure oder
Lauge, wodurch es im elektrischen Strome wie ein positives oder
negatives Kolloid wanderte. Er fand für die Fällung von solchem
elektropositiven Eiweiß die Anionen zugesetzter Salze, für die des
negativen Eiweißes die Kationen maßgebend. Das Fällungs-
vermögen wuchs mit der Wertigkeit, also der Ladung der be-
treffenden Ionen.
So ansprechend auch diese allgemeine Übereinstimmung im
Verhalten des koagulierten Eiweißes mit dem von Schulze) und
Hardy bei anorganischen Kolloiden gefundenen wirkt, so schien
es nach unseren früheren Erfahrungen über die Sonderstellung der
Eiweißkörper unter den Kolloiden nicht unwahrscheinlich, durch
eine eingehendere Untersuchung der Hitzekoagulation neue Ge-
sichtspunkte zu gewinnen. Diese Erwartung hat sich in der Tat
erfüllt. |
') Winogradoff, Pflügers Archiv 9, 606.
:) Haas, ebenda 12, 378.
®) Heynsius, ebenda 12, 549.
*) Johannson, Zeitschr. f. physiolog. Chemie 9, 310.
°) Hardy, Proe. of the royal society 66, 110.
6) Schulze, Journal f. prakt. Chemie 25, 431.
56 Wolfgang Pauli,
2.
Das Zusammenwirken von Säure (oder Lauge) mit Neutral-
salzen bei der Hitzekoagulation läßt sich in verschiedener Weise
verfolgen. Ein solches Mittel bietet die Änderung der Koagu-
lationstemperatur unter wechselnden Bedingungen. Für die Zwecke
der vorliegenden Untersuchung wurde vielfach noch ein anderer
Weg benutzt. Durch einen bestimmten Grad von Säuerung (oder
Alkalisieren) kann die Hitzekoagulation vollständig gehemmt
werden. Durch die Anwesenheit von Neutralsalzen wird diese
Hemmung mehr oder minder aufgehoben. Es wurde nun für das
zu untersuchende Salz und einen gewählten, nach Bedarf variierten
Säuregrad an dem ersten Auftreten der Trübung die Grenzkonzen-
tration des Salzes gemessen, bei welcher die gerinnungshemmende
Säurewirkuug paralysiert wird. Nach der Größe dieser Konzen-
tration konnte der Einfluß des Salzes auf die Hitzegerinnung
beurteilt werden.
Es kamen ausschließlich Rindersera zur Anwendung, welche,
wie dies in der letzten Mitteilung beschrieben, durch achtwöchent-
liche Dialyse!) salzarm gemacht und von der ausgefallenen Glo-
bulinfraktion klar abfiltriert waren. Der Stickstoffgehalt eines
solchen Serums betrug 0,336 Proz., entsprechend ungefähr 2,1 Proz.
Eiweiß. Jede Probe enthielt 5ccm Serum, welches zu der bereit
gehaltenen Mischung von Säure und Salzen zugefügt wurde. Das
Gesamtvolum betrug stets 10 ccm.
Die folgende Tabelle enthält die Ergebnisse einer Serie von
Versuchen über die Wirkung der Kalisalze auf die Hitzekoagu-
lation. Die koagulationsfördernde Wirkung wächst vom Kalium-
chlorid zum Citrat bzw. Acetat. Der Säuregehalt aller Proben
war 0,005 n-HCl. Zur vollen Unterdrückung der Hitzekoagulation
genügte schon ein solcher von 0,003 bis 0,004 n-Salzsäure.. Neben
jedem Salze steht die niedrigste Konzentration in Bruchteilen
einer Normallösung, bei welcher Trübung der gekochten Eiweiß-
lösung eben erkennbar wird.
Betrachtet man die Reihenfolge der Anionen nach ihrer kosgu-
lationsfördernden Wirkung, so findet man eine gewisse Überein-
stimmung mit der verkehrten lreihenfolge der Säuren nach ihreı
Stärke. Das zeigtschon ein Vergleich mit den nebenstehenden Werten
') Dieselben waren noch im Frühjahre 1905 von mir im chemischen
Laboratorium des k. k. Rudolfspitales hergestellt worden. Ich bin Herrn
Vorstand Dr. Ernst Freund für die freundliche Überlassung derselben zu
besonderem Danke verpflichtet.
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide.e 57
Tabelle I
HC1 0,005 n, Leitfähigkeit HCl 1 mol. = 100 gesetzt.
Grenz- Leitfähigkeit von
Salz konzen- Säure TR mol. IR mol.
tration Lösung Lösung
Fe 0,02 Salzsäure 118 123,8
No...) 0,01 Salpetersäure 116% 22,5
Bra. 0,01 Bromwasserstoffsäure 119,8 125,9
KSCN. . . 0,0090,01 = is ee
K,S0,. . . 0,005— 0,0035 Schwefelsäure 77,2 102,7
BB .: 0,003 Oxalsäure 38,7 53,0
K;C,H,0, . 0,002 Citronensäure 5,49 14,52
EOH,O, . 0,002 Essigsäure 1,557 4,96
ihrer elektrischen Leitfähigkeit. Das Salz der schwächst dissoziierten
Essigsäure ist auch an koagulierendem Effekte allen Salzen mit
ein- und zweiwertigen Anionen überlegen. Ein solcher Zusammen-
hang wäre leicht verständlich. Wird ein Salz mit dem Anion
einer schwach dissoziierten Säure der mit der vollständig ioni-
sierten Salzsäure versetzten Eiweißlösung zugefügt, so kommt es
zu einem Absinken der Konzentration der freien Wasserstoffionen
durch Bildung zahlreicher neutraler Moleküle der schwach dis-
soziierten Säure. Im Falle des essigsauren Salzes würde also durch
dessen Zusatz ein Teil der freien H-Ionen zur Herstellung von
elektrisch neutralen Molekülen CH,COOH verbraucht. Herab-
setzung des H-Ionengehaltes unter eine gewisse Schwelle (0,003 n-
HCl) läßt aber die Koagulierbarkeit unserer Eiweißlösung sofort
wiederkehren. Man könnte somit zunächst geneigt sein, in dieser
Abnahme der Säuerung durch die zugesetzten Salze die aus-
reichende Ursache ihrer koagulationsfördernden Wirkung zu ver-
muten. Die nähere Betrachtung läßt jedoch das Bestehen einer
besonderen direkten Salzwirkung auf die Hitzekoagulation erkennen.
Zunächst befördern Salze die Koagulation von Säureeiweiß,
welche keine erhebliche Änderung im Gehalte an freien H-Ionen
‚hervorrufen. Es sind dies Chlorid, Bromid und Nitrat, deren zu-
gehörige Säuren fast gleich dissoziiert sind. Beim Chlorid, welches
als gemeinionig mit der Salzsäure deren Dissoziation etwas herab-
drückt, ist eher eine höhere Konzentration für das Eintreten der
Trübung erforderlich als beim Bromid und Nitrat. Die Ein-
wirkung auf den H-Ionengehalt ließe gerade das entgegengesetzte
‚ Verhalten erwarten. In der Salzgruppe der zweibasischen Säuren
58 Wolfeang Pauli,
findet sich kein nennenswerter Unterschied der Koagulations-
beförderung, wiewohl der Abfall der Dissoziation’ von der Schwefel-
zur Oxalsäure bedeutender ist als von der Salpeter- zur Schwefel-
säure. Zwischen den Salzen der letztgenannten Säuren besteht
aber ein großer Abstand in der Einflußnahme auf die Hitze-
gerinnung. Ähnliches gilt von den Salzen der Essig- und Citronen-
säure, die beide fast in gleichem Ausmaße die Hitzekoagulation
von Säureeiweiß begünstigen, während ihre Dissoziation recht ver-
schieden ist.
Daß die Neutralsalze nicht auf dem Umwege der Änderung
des H-Ionengehaltes bei der Hitzegerinnung wirken, ließ sich un-
mittelbar durch einen Versuch zeigen, bei welchem eine Verminderung
der freien Wasserstoffionen durch den Salzzusatz ausgeschlossen
wurde. Zu diesem Zwecke diente zum Ansäuern der Eiweißlösung
Essigsäure anstatt der Salzsäure. In der Konzentration von 0,0125. n
genügt Essigsäure, um die Koagulation der wie oben beschaffenen
Eiweißlösung zu unterdrücken.
Wirkung der Essigsäure ohne Salze.
Säurekonzentration 0,005 n 0,01n 0,0125 n
Verhalten | milchig opak sehr zarte klar
beim Kochen | er Trübung
Zusätze der obigen Salze, mit Ausnahme von Acetat, konnten
jetzt nur, wenn überhaupt, im Sinne einer Vermehrung der freien
H-Ionen durch Umsetzung der Essigsäure in stärker dissoziierte
Säuren wirken, also so weit eine Aciditätsänderung mitspielt, nur
die Koagulation hemmen.
In Wirklichkeit zeigte eine Reihe von Versuchen, daß durch
die Einführung der Essigsäure an Stelle der Salzsäure eine nennens-
werte Abänderung der Ergebnisse nicht erzielt wird. Als Beleg
dafür diene die folgende Tabelle.
Tabelle 1.
Salze ® 5
. .— Pr S 7 | = S “ a
mit =) a y. o he e% ee) =
" 4 | P} K-}
0,0125 n = ® el he st Br c $}
Essigsäure | | T e) =
Grenzkonzen- 0,01 | | 0,001
tration bei 0,02n 0,02n 0,01n bis .0,001n0,001n 0,001 n bis
zarter Trübung 0,009 n | 0,0008 n
j
k
‘
3
L
4
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 59
Mit wachsendem Säuregehalt wächst die zur Hervorrufung der
Hitzekoagulation nötige Konzentration an Neutralsalz anfangs un-
verhältnismäßig rasch. Einer Verdoppelung der Säuremenge von
0,005 auf 0,01n-HCl entspricht beinahe eine Verzehnfachung der
Salzkonzentration. Dabei ändert sich zunächst die Reihenfolge der
Anionen nicht. Das zeigt sich in dem folgenden Versuchsbeispiel,
welches die Beschaffenheit der Eiweißlösung nach dem Kochen
illustriert.
Tabelle IH.
Überall 0,01 n-HCl, 0,02 n-Salz.
KCl
KBr
KNO,
KSCN
K,SO0,
K,G%;
K0,.03
R,6,.H,0;
klar | klar klar | klar sehr milchie, | grobflockig | grobflockig
zarte etwas in in
Trübung | durch- trüber klarer
scheinend | Flüssigkeit | Flüssigkeit
Die Anionen ordnen sich in diesem Versuche ähnlich wie beim
Säuregehalt 0,005 n-HCl (Tabelle ]).
Über die Rolle einwertiger und zweiwertiger Kationen bei
der Hitzegerinnung von Säureeiweiß geben die folgenden Versuche
Aufschluß. | |
Tabelle IV.
Überall 0,005 n-H Cl.
Kon-
ration) Lil NaCl KCl NH,C MeQ], Cal],
0,01 n opales- opales- klar klar klar klaı
zent zent
0,02 n |sehrzarte opales- zarte klar fast klar klar
Trübung | zent |Opaleszenz
0,05 n zarte |sehrzarte| sehr zarte opaleszent | zarteste zarteste
Trübung | Trübung | Trübung Opaleszenz | Opaleszenz
Schon bei geringem Säuregrade sind Unterschiede im Ver-
halten der Kationen erkennbar. Die Beförderung der Hitzekoagu-
lation fällt in der Reihe Li, Na, K, NH,. Mg und Ca stehen
dem NH, nahe.
Bei höherem Säuregehalte 0,01 n-HCl und entsprechend höhe-
rem Salzgehalte ist dieselbe Wirkungsreihe der Kationen nach-
60 Wolfgang Pauli,
weisbar, ‚wie das folgende Beispiel zeigt. Auch hier steht das
Lithiumehlorid an der Spitze.
Tabelle V.
Überall 0,01 n-HCl.
Konzentration LiCl | NaCl KCl NH,Cl
010. 7 22 Topaleszent klar klar klar
ET re | grobflockig | opaleszent opaleszent fast klar
in trüber
ı Flüssigkeit
VEIT EEE | grobflockig | milehig opak milchig zarte
in fast klarer durch- Trübung
Flüssigkeit scheinend
03n .......) grobfloekig | grobfloekig | grobflockig | milchig opak
' ın klarer in trüber in trüber
ı Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit
04n . 2... 0.0) grobflockig | grobflockig | grobflockig | grobflockig
in klarer in trüber in trüber in trüber
, Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit
Bei dem Säuregehalte 0,01n-HCl erzeugt Lithiumchlorid von
0,2n-Konzentration schon in der Zimmertemperatur eine zarte
Trübung, die mit zunehmendem Salzgehalte wächst.
Näheres über das Verhältnis von ein- und zweiwertigen
Kationen bei der Beförderung der Hitzegerinnung von Säureeiweiß
enthalten die folgenden Versuchstabellen.
Tabelle VI.
0,004 n-HCl, welehe für sich die Hitzekoagulation noch völlig hemmt.
_Kon- | EERER TTTER | h .
Soritritini: SB.NO, | Mg(NO,), | Ca(NO,), St(N O0,) Ba(NO,),
0,01n fast klar klar | klar klar klar
0,02 n sehr zarte | sehr zarte | opaleszent | opaleszent | opaleszent
Trübung Trübung | |
0,03 n milchig milchig, | milchig milchig, milchig,
durch- fast opak durch- | fast opak schwach
scheinend ' scheinend durch-
| | scheinend
0,04 n robflockig | grobflockig | milchig, grobflockig | grobflockig
in schwach | in trüber ; fast opak in trüber | in trüber
trüber Flüssigkeit Flüssigkeit | Flüssigkeit
Flüssigkeit
a a ze a
a a
u ı A GA a A Zu
As 4 Ba a
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 61
Bei dem Säuregrade 0,004n-HÜl bestehen somit nur geringe
Unterschiede zwischen den Nitraten des einwertisen Kaliums und
der zweiwertigen Kationen Mg, Ca, Sr, Ba hinsichtlich der Be-
förderung der Hitzekoagulation. Die Nitrate der alkalischen
Erden wirken etwas schwächer als die des K und Mg.
Auch bei dem Säuregehalte 0,01 n-HÜCl ändern sich diese Ver-
hältnisse nicht. In der folgenden Tabelle ist das Verhalten der
Salzeiweißmischungen unter I bei Zimmertemperatur und unter II
nach dem Erhitzen registriert, da in einem Teile der Eiweißsalz-
kombinationen bereits in der Kälte Niederschläge auftreten.
Tabelle VII.
Überall 0,01 n-HCl.
Konzentration KNO, Me(NO,), Ca(N 0,),
= E opaleszent opaleszent opaleszent
n
28 grobflockig in grobflockig in grobflockig
trüber Flüssigkeit schwach in fast klarer
trüber Flüssigkeit Flüssigkeit
En I. |sehr zarte Trübung, zarte Trübung zarte Trübung
ee Sa Be ee e
ı. grobflockig in grobflockig in grobflockig
schwach | schwach in fast klarer
trüber Flüssigkeit | trüber Flüssigkeit Flüssigkeit
j I. | dichtere Trübung | diehtere Trübung milchig
0,3n durchscheinend
It. grobflockig in grobflockig in grobflockig
schwach schwach in fast klarer
trüber Flüssigkeit | trüber Flüssigkeit Flüssigkeit
Analoges lehrt die folgende Tabelle über die Rolle der
Kationen bei der Hitzegerinnung von Säureeiweiß.
Tabelle VIII.
Überall 0,01 n-HCl.
el xa MeCl, Call, SrQl, Ball,
O,1n klar klar klar klar klar
0,2n milchig opaleszent | opaleszent zarte zarte
durchschein. | ı Opaleszenz | Opaleszenz
0,3n grobflockig | milchig mit milchig, milchig milchig opak
in schwach | gallertigen | fast opak gallertige feine
trüber Flocken Flocken Flocken
Flüssigkeit |
62 Wolfgang Pauli,
Auch bei den Chloriden, welche in den angeführten Konzen-
trationen bei Zimmertemperatur keine Trübungen erzeugen, zeigt
sich nur ein geringer Unterschied im Einflusse von ein- und zwei-
wertigen Kationen. Die Chloride der Erdalkalien und des Magne-
siums wirken etwas schwächer hitzekoagulierend auf das Säure-
eiweiß als das Kaliumchlorid.
Die bisherigen Versuchsergebnisse lauten kurz zusammengefaßt:
„Bei der Hitzekoagulation von Säureeiweiß ist die Wirkung zu-
gesetzter Salze zum weitaus überwiegenden Teil von den Anionen
derselben bestimmt. Diese koagulierende Salzwirkung ist eine
direkte und beruht nicht auf einer Änderung des Wasserstoff-
ionengehaltes.. Ordnet man für geringe und mittlere Säure- und
Salzkonzentrationen die Anionen steigend nach ihrer Beförderung
der Hitzegerinnung, so resultiert die Reihe Chlorid, Bromid, Nitrat,
Rhodanid, Sulfat, Oxalat, Acetat, Citrat. Für diese Reihenfolge ist
die Ladung der Anionen insofern nicht ausschlaggebend, als
zwischen zwei- und dreiwertigen kein nennenswerter Unterschied
besteht und das einwertige Acetation in unverhältnismäßiger Weise
von den übrigen einfach geladenen Anionen absteht. Der gering-
fügige Einfluß der Kationen auf die Hitzegerinnung von Säure-
eiweiß dokumentiert sich in einem eben merkbaren Abfall der
Koagulationsbeförderung in der Reihe Li, Na, K, NH,. — Die
zweiwertigen Mg, Ca, Ba, Sr stehen dem NH, in ihrer Wirksam-
keit sehr nahe.“
Diese Resultate ließen trotz der deutlich durchschimmernden
Beziehungen zwischen dem Verhalten von erhitztem Säureeiweiß
und elektropositiven anorganischen Kolloiden zugleich so viele
Unterschiede im Einzelnen erkennen, daß eine weitere Unter-
suchung dieser Verhältnisse geboten war.
3.
Es bestehen unzweifelhaft gewisse Ähnlichkeiten im Verhalten
von angesäuerten Lösungen von nativem Eiweiß (I) mit dem des
erhitzten Säureeiweißes (IF) und mit dem von koaguliertem Alkali-
albuminat, das nachträglich sauer (III) gemacht wurde. Diese drei
Arten von Eiweiß wandern im elektrischen Felde zur Kathode.
In allen drei Fällen kehrt sich die elektrische Konvektion in
alkalische Medien um, was mit der amphoteren Elektrolytnatur
der Eiweißkörper zusammenhängt, die sie mit den einfachsten
Aminosäuren teilen. .
Die elektrische Ladung von Kolloiden wurde zuerst von
.
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide.. 63
Billitzer!) mıt einer elektrolytischen Dissoziation derselben in
Zusammenhang gebracht und es kann, nach den Ergebnissen unserer
früheren Untersuchungen, kaum bezweifelt werden, daß sich die
Verhältnisse bei den Eiweißkörpern am besten mit dieser Auf-
fassung in Einklang bringen lassen. Sorgfältig von Elektrolyten
befreites Eiweiß läßt keine erhebliche elektrische Wanderung er-
kennen, es ist elektrisch neutral. In diesem Falle kann keine
merkliche Differenz in der Zahl der von ihm pro Zeiteinheit in
die Lösung entsendeten positiven Wasserstoff- und negativen
Hydroxylionen bestehen. In bezug auf die Erklärung der Vor-
gänge beim Ansäuern (oder Alkalisieren) von Eiweiß besteht ein
Unterschied der Meinungen. Hardy?) befürwortet, anläßlich seiner
physikalisch-chemischen Studien des Globulins, in Anlehnung an
ältere Untersuchungen von Sjöqvist?), die Bildung einer Art von
Salzen der Eiweißkörper mit den Säuren (oder Laugen) ohne
Wasseraustritt. Nach dieser Annahme würde das Eiweiß in einer
Lösung von Salzsäure HCl addieren und dabei unter Aussendung
von negativen Chlorionen elektropositive, kolloidale Eiweißionen
bilden. J. Loeb) leitet dagegen die positive Ladung von an-
gesäuertem Eiweiß. in folgender Weise aus dessen amphoterem
Charakter ab. Neutrales Eiweiß dissoziiert annähernd gleich viel
positive H- und negative OH-Ionen. Durch Zusatz von Säure
wird die Dissoziation der H-Ionen des Eiweißes zurückgedrängt,
es sendet nun relativ mehr negative OH-Ionen aus und wird selbst
elektropositiv. Der Unterschied der Auffassungen von Hardy
und Loeb besteht also darin, daß der erstere eine Dissoziation
der betreffenden Säureanionen, der letztere eine Abspaltung der
negativen Hydroxylionen als Ursache der positiven Eiweißladung
betrachtet. In beiden Fällen wären auch die kolloidalen Eiweiß-
ionen dementsprechend verschieden zusammengesetzt. Auch wir’)
‘) Billitzer, Zeitschr. f. physik. Chemie 51, 130.
”) Hardy, The journal of physiology 33, 251.
®) Sjöqvist, Skandinav. Arch. 5, 277; 6, 255.
*) J. Loeb, University of California Publications, Physiology 1, 149.
°) Naturw. Rundsch. 21 (1906), Nr. 1 u. 2. Dort ist nur mit Rücksicht
auf den Zusammenhang der Darstellung die zeitliche und dynamische Auf-
fassung des Ladungsvorganges in den Vordergrund gerückt. Die Ausfüh-
rungen von Arrhenius (Immunochemie, Leipzig 1907, S. 105 u. 106) könnten
wohl das Mißverständnis zulassen, als ob die amphotere Elektrolytnatur
den kolloidalen Charakter der Eiweißkörper ausschließen würde. Es scheint
aber im Gegenteil nicht nur den Eiweibstoffen, sondern fast allen bekannten
Kolloiden ein amphoteres Verhalten zuzukommen, und bei den Eiweißkörpern
ist ein solches ebenso bei den gröbsten Suspensionen 'wie bei klaren Lösungen
und allen dazwischen gelegenen Übergängen nachzuweisen.
64 Wolfgang Pauli,
haben eine im wesentlichen mit Hardys Anschauung überein-
stimmende Vorstellung von dem Ursprunge der Eiweißladung ent-
wickelt. In den erwähnten drei Fällen von elektropositivem Eiweiß
wäre für die Entstehung des elektrischen Zustandes ein gleich-
artiger Vorgang vorauszusetzen.
Die drei Arten von elektropositivem Eiweiß zeigen ferner
einen gemeinschaftlichen Zug darin, daß ihre Zustandsänderungen
in erster Linie von den Anionen zugesetzter Elektrolyte bestimmt
sind. Unter diesen Umständen gewinnt die Frage Bedeutung, ob
nicht noch engere Beziehungen zwischen diesen Eiweißarten be-
stehen. Der von Hardy!) untersuchte Fall, das durch Säure
elektropositiv gemachte Albuminat (III), kann hier von vornherein
ausgeschieden werden, denn die Koagulation von Alkalieiweiß geht
mit tiefergreifenden, irreversiblen chemischen Veränderungen ein-
her. Hier wird ein in charakteristischer Weise denaturiertes
Eiweiß nachträglich elektropositiv gemacht. Anders liegen die
Dinge bei den Zustandsänderungen von Säureeiweiß bei niederer
(I) und höherer (II) Temperatur. Wir wissen, daß Säure auch
bei niederer Temperatur das Eiweiß in genügend langer Zeit
ebenso verändert, wie bei höheren Wärmegraden. Es besteht dabei
nur ein Unterschied in der Geschwindigkeit der Reaktion. Wäre
es da nicht möglich, daß Zusatz entsprechend konzentrierter Elek-
trolyte zu Säureeiweiß dieselbe Zustandsänderung in der Kälte
hervorruft, zu deren Zustandekommen bei niederen Elektrolyt-
konzentrationen es nur einer erhöhten Temperatur bedarf? Man
müßte dann annehmen, daß die Elektrolyte in der Kälte zwei
Prozesse bedingen: die Denaturierung von Säureeiweiß und seine
Ausflockung. Die folgenden Betrachtungen sind der Entscheidung
dieser in vieler Hinsicht wichtigen Frage gewidmet.
Eiweiß wird in saurer Lösung durch gewisse Neutralsalze der
Alkalimetalle bei Zimmertemperatur gefällt (Posternak?). Dieser
Fällungsvorgang wurde schon bei einer früheren 3) Gelegenheit
eingehender untersucht. Die Fällung ist, im Gegensatze zu den
anderen Neutralsalzfällungen, durch Verdünnung des Salzes nicht
reversibel. Das Eiweiß gleicht darin dem beim Erhitzen (in An-
wesenheit von Salzen) koagulierten Säureeiweiß. Auch sonst zeigt
sich ein weitgehender Parallelismus in beiden Fällen. Das Lithium-
chlorid, welches den anderen Alkalichloriden bei der Beförderung der
') Hardy, Proc. of the royal soc. 66, 110.
”) Posternak, Annales de l’Institut Pasteur 15, 85.
‘
») Pauli, Diese Beiträge 5, 27.
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 65
Hitzekoagulation merklich überlegen ist, übertrifft dieselben auch in
der Fällung von Säureeiweiß in der Kälte (Tabelle IV, V). Des-
gleichen findet sich bei den Nitraten (Tabelle VII) ein Hand-
inhandgehen von Kältefällung und Hitzegerinnung des Säureeiweißes.
Das Anion, welches saures Eiweiß bei niederen "Temperaturen am
mächtigsten ausflockt, ist das SCN. Die folgende Zusammen-
stellung belehrt über seine Fällungswirkung auf Säureeiweiß bei
hoher und niederer Temperatur.
Tabelle IX.
Überall 0,01 n-HCl.
8° Kerze Verhalten nach dem Koch
Er bei Zimmertemperatur ie, nun
N +
z 5 sofort |n.24 Std. | nach 48 Std. sofort nach 24 Std. | nach 48 Std.
0,01n | klar klar klar klar klar klar
0,03n | klar klar klar klar opaleszent | opaleszent
0,05 n | klar klar fast klar fast klar milchig milchig
durchschein. durchschein.
0,07 n | klar | opales- starke zarte milchig opake
| zent Öpaleszenz | Trübung fast opak Gallerte
0,08n || klar | zarte milchig milchig opake opake Gal-
Trübung | sehr durch- |sehr durch- | Gallerte lerte,darüber
scheinend | scheinend etwas klare
Flüssigkeit
0,09 n |opales-; milchig, | milchig milchig gallertige opake
zent sehr durch- durchschei- | Flocken flockige
durch- | scheinend || nend und [in milchiger| Gallerte
scheinend gallertige | Flüssigkeit |neben klarer
Flocken Flüssigkeit
0,1n | sehr |feinflock.| feinflockig | gallertige | grobflockig | grobflockig
zarte ji.schwach abgesetzt Flocken abgesetzt abgesetzt
Trü- | trüber in in in
bung | Flüssig- trüber trüber klarer
keit Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit
Nach diesen Versuchen könnte der Unterschied in der Wirkung
von Rhodanid auf Säureeiweiß bei hoher und niederer Temperatur
sehr wohl als ein gradueller erscheinen.
sammenfallen der koagulierenden Grenzkonzentration nach 48 Stunden
bei Zimmertemperatur mit der unmittelbar nach dem Kochen ge-
fundenen sprechen.
Eine auffällige Verschiedenheit der Fällung von Säureeiweiß
bei hoher und niederer Temperatur scheint aber vorzuliegen, wenn
Beitr. z. chem. Physiologie.
X.
Dafür würde das .Zu-
5
66 Wolfgang Pauli,
man für beide Vorgänge die Anionen nach ihrem Wirkungsgrade
ordnet. In der Kälte nimmt die Niederschlagsbildung in saurer
Eiweißlösung nach der Reihe 0,H;0,, SO,, Cl, Br, NO,, SCN
zu. Für die Hitzekoagulation lautet die Reihe (für 0,01 n-HOl
und 0,02 n-Salz) gleichfalls nach steigendem Wirkungsgrad Nitrat,
Chlorid, Bromid, Rhodanid, Sulfat, Oxalat, Acetat, Citrat. Diese
Reihe ist zum Teil geradezu der ersten entgegengesetzt. Die bei
der Hitzegerinnung mächtig wirkenden Acetat- oder Citrationen
wirken bei Zimmertemperatur erst bei hohem Salz- und Säure-
gehalt, während umgekehrt das bei niederer Temperatur so mächtig
fällende Rhodanion oder das ihm nahestehende Brom- und Nitrat-
ion die Hitzekoagulation von Säureeiweiß nur in relativ geringem
Grade fördern.
Es läßt sich nun zeigen, daß die Verschiedenheit der
Anionenreihe bei der Ausflockung von Säureeiweiß in der Kälte
und Hitze durch Änderung der Versuchsbedingungen zum Ver-
schwinden gebracht werden kann. Die obige Anionenordnung,
nach welcher die Hitzekoagulation von Säureeiweiß erfolgt, ist für
relativ niedrige Werte der Salzkonzentration gewonnen, da sie aus
der Bestimmung des geringsten, zur eben sichtbaren Koagulation
führenden Salzgehaltes abgeleitet wurde. Hingegen sind zur
Fällung von Säureeiweiß in der Kälte meist höhere Salzkonzen-
trationen erforderlich. Es war daher zu prüfen, ob nicht auch für
die Hitzekoagulation bei wachsendem Salzgehalte eine Verschiebung
der Anionenreihe und schließlich ein Übergang in die bei der
Fällung von Säureeiweiß in der Kälte maßgebende Ordnung statt-
findet. Schon der erste orientierende Versuch fiel zugunsten dieser
Auffassung aus. Es wurde bei hoher und bei niederer Salz- und
Säurekonzentration der Koagulationspunkt nach Zugabe zweier Salze
festgestellt, von denen das eine, Kaliumbromid, in der Kälte Säure-
eiweiß leicht niederschlägt, die Hitzekoagulation desselben hingegen
verhältnismäßig wenig befördert, während das zweite, Kaliumeitrat,
sich in beiden Beziehungen umgekehrt verhält. Die Bestimmungen
des Koagulationspunktes geschahen nach einer früher !) angegebenen
Methode durch Beobachtung der Trübung, bei welcher eine hinter
der Probe gehaltene bestimmte Druckschrift eben verschwindet.
Außer diesem recht scharf zu bestimmenden Moment, wurde auch
der weniger scharf reproduzierbare Punkt eben beginnender Opales-
zenz in der Lösung fixiert.
'), Pauli, Pflügers Archiv 78, 315.
BE
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide.
67
Sämtliche Proben waren, wie immer, auf 10 ccm Gesamt-
volumen gebracht und enthielten 5 ccm dialysiertes Rinderserum.
Tabelle X.
| Bones 0,0125 n-Essigsäure 0,025 n-Essigsäure
Faro Serum 0,03n-KBr [0,03n-Keitr.| 0,3n-KBr | 03n-K citr.
oc 0C 00 oC 0Cq
erste
Trübung 48,2—48,5 74—76 51—52 44—45 63,4
opak 52,8—53 96,2 59,3 58 68,3—69
Diese ‚Versuche zeigen, daß in der Tat bei wachsendem Salz-
und Säuregehalt sich das Verhältnis der beiden Salze zur Hitze-
koagulation umkehrt. Dann wirkt das Bromid stärker koagulations-
fördernd, während das Citrat erst bei einem höheren Wärmegrade
zur Eiweißkoagulation führt. Das Wirkungsverhältnis der beiden
Anionen ist nun das gleiche geworden wie bei der Fällung von
Säureeiweiß in der Kälte, das Bromid ist dem Citrate überlegen.
Daß auch die übrigen Anionen, abhängig vom Salzgehalte, die
Reihenfolge ihrer Wirksamkeit bei der Hitzekoagulation ändern,
zeigt die folgende Tabelle der Koagulationspunkte. Noch leichter
orientiert die graphische Darstellung der Versuchsergebnisse in
a
Tabelle XI.
Überall 0,005 n-HCl. I entspricht der ersten Trübung, II der völligen
Undurchsichtigkeit.
KCl 0,05 n | On 02n 03 n 0,45 n
I 61,8° 56,8° 50° 48,5 2
II 81,4 65,7 60,4 60,4 60,4
KNO, 0,02 n | 0,05 n Oln 03 n 0,45 n
I 57,50 58,50 59,50 opaleszent | “ehr zarte
bei 95° gas
II nicht opak 68,4 61,4 56,2 55,6
|
K.acet. 0,002n , 0,005 n | 0,01n | 0,02n |0,05n | O,1n | 0,2n | 0,4n
f | F = en
I 68° 62—64° | 59° 56° 60,1% 1.600 |..602, | 69,5°
II nichtbei97° 72,8 69 160,8-61,2| 66,6 | 682 | 701| 1
Ar
68 Wolfgang Pauli,
K,S0, 0,002 | 0,0051 | 0,01n '0,02n | 0,05n | O,ln | 0,2n | 0,4
I Bei! 64,5° | 59° | 56° |50—51° a 45,2—46°
opalesz. Da | |
II bei 97° | 74,8 | 67,5 | 63 | 60,2 | 58,8 | 59,8 | 61,7
In Fig. 1 sind die Koagulationspunkte II der Tabelle XI als
Ordinate eingetragen. Als Abszisse dient die Konzentration.
Man ersieht aus diesen Versuchen, daß schon bei niederem
und konstantem Säuregrade mit wachsendem Salzgehalt eine Über-
kreuzung der Kurven stattfindet, so daß sich schließlich die Reihen-
folge der Anionen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Hitzekoagu-
lation umkehrt. Sie lautet bei 0,4 n-Salzkonzentration ansteigend
nach dem Maße der Koagulationsbeförderung (entsprechend dem
Herabdrücken des Koagulationspunktes): Acetat, Sulfat, Chlorid,
Nitrat, was vollständig mit der Ordnung der Anionen bei der
Fällung von Säureeiweib bei niederen Temperaturen übereinstimmt.
In der folgenden "Tabelle, welche für höheren Salz- und Säure-
gehalt die Koagulationspunkte wiedergibt, zeigt sich ein direkter
Übergang von den Säureeiweißfällungen bei hoher zu denen bei
niederer "Temperatur.
Tabelle XL.
Überall 0,02 n-HCl, sonst wie Tabelle XI.
Kal 02 08 .n O4n | 06 09n.
| 75° 54° 36,5 35—56° 20°
Il opaleszent bei 95° 49,6 46,2 25
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 69
KNO, |) Oln | O15n | 02m | 035n | 08n | 085
I 19 | 5050 | ana | 302 29° 140
II nieht opak bei 96° 67,5 44,6 41,2 36
Kacet. | 0,03n |0,05n| O,ln | 0a 0A = 0,6n = ken
I 69? | 59° 68,2° | 65,5
er)
Ko
wo
S
|
60,8° | 63° | 68° |
IT jmiehtopak| 9 | 65,9 | 664 | 8 | 702 | rı 7 1,5-72| 70,8
K,SO, | 0,08 n | 0er 1 Bee 0 | oe
ı | se | asso | an: gm . 34,80 980 90—29°
II | nicht opak bei 96° | 514 418-421) 38,4 39,8
Dieser Tabelle XII entspricht die Fig. 2.
Auch bei hohem Säuregrade findet mit steigendem Salzgehalte
.eine Umkehr der Reihenfolge der Anionen statt, wie aus den
Überkreuzungen der Kurven in dem zugehörigen Diagramm un-
mittelbar ersichtlich ist. Bei Erhöhung des Salzgehaltes fallen die
Kurven, mit Ausnahme des Acetates, schließlich in den Bereich
der Zimmertemperatur.
Aus der graphischen Darstellung der Koagulationspunkte lassen
sich ohne weiteres noch folgende Tatsachen ablesen. Da sich die
Kurven, welche den Einfluß von Chlorid und Nitrat auf die Hitze-
koagulation von Säureeiweiß- wiedergeben, in keinem Punkte
schneiden, so entsprechen bei diesen Salzen gleichen Konzen-
trationen stets verschiedene Koagulationspunkte. Hingegen gilt
von allen anderen möglichen Salzpaaren von Chlorid, Nitrat, Acetat
und Sulfat, deren zugehörige Kurven sich schneiden, daß sich bei
denselben stets Punkte gleicher Konzentration finden, welchen
‚ gleiche Koagulationstemperaturen zukommen. Es findet sich bei
diesen Salzpaaren je eine Konzentration, bei der sich diese Elektro-
Iyte in ihrem Einflusse auf die Hitzekoagulation gegenseitig ver-
treten können. Die Acetatkurve wird als die einzige von einer
anderen, der des Sulfates, in zwei Punkten geschnitten (Fig. 1).
Dies hängt mit der eigentümlichen Form der Acetatkurve zu-
sammen, welche bei 0,02n-Salzgehalt ein Maximum der Koagu-
lationsbegünstigung zeigt, dem erst ein jäher, dann allmählicher
Anstieg des Koagulationspunktes mit zunehmender Salzkonzen-
tration folgt.
70 Wolfgang Pauli,
Diese Deformation der Acetatkurve im Sinne einer Zone un-
verhältnismäßiger Verstärkung der Hitzekoagulation könnte mit
der durch das Acetat bedingten H-Ionenverminderung zusammen-
hängen. Es würde sich da der direkten Salzwirkung auf die
Hitzekoagulation eine zweite durch Abstumpfung der Aecidität
superponieren.
Eine weitere Übereinstimmung von Säureeiweißfällung durch
Elektrolyte in der Hitze und Kälte ergibt sich aus einer weiteren
Fig. 2.
100°
90°
80°
70°
60°
30°
20°
10°
Beobachtung, auf deren sonstige Bedeutung noch später verwiesen
werden soll. Sie läßt sich in dem folgenden Satze aussprechen:
„Sowohl für die Hitzekoagulation, als auch für die Fällung von
Säureeiweiß bei niederer Temperatur, bleibt bei konstantem Salz-
gehalt eine Vermehrung des Säuregrades über eine gewisse Grenze
hinaus ohne wesentlichen Einfluß.“
Aus den zahlreichen zur Erhärtung dieses Satzes angestellten
Versuchen sei der folgende für die Hitzekoagulation angeführt.
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide 71
Tabelle XII.
KCI | 0,005n-HCl 0,01 n-HCI | 0,015n-HCl1 | 0,02n-HCl | 0,025 n-HCl
02 n grobflockig zarte opaleszent | opaleszent | opaleszent
in trüber Trübung
Flüssigkeit
03.0 grobflockig |gallert. flock.| sehr zarte | sehr zarte | sehr zarte
in trüber in trüber Trübung Trübung Trübung
Flüssigkeit | Flüssigkeit
0,4 n grobflockig | grobflockig milchig milchig milchig
in trüber in trüber durch- sehr durch- |sehr durch-
Flüssigkeit | Flüssigkeit | scheinend | scheinend | scheinend
0,6 n grobflockig | grobflockig | grobflockig | grobflockig |, grobflockig
infastklarer| in klarer in trüber in trüber in trüber
Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit | Flüssigkeit
Es zeigt sich in diesem Versuche, daß zunächst das Wachsen
der Salzsäurekonzentration von 0,005n bis 0,015n für den gleichen
Salzgehalt eine zunehmende Hemmung der Hitzegerinnung bewirkt;
darüber hinaus ändert eine Erhöhung des Säuregrades nichts mehr
an dem Versuchsergebnisse.
Ähnliches ergibt sich aus dem folgenden Versuche (Tab. XIV,
S. 72) für die Hitzekoagulation und Fällung von Säureeiweiß bei
Zimmertemperatur durch Kalinitrat.
Hier sei nur noch die folgende Versuchsserie (Tabelle XV)
mitgeteilt, welche für Kaliumsulfat die Fällungsgrenzen des Säure-
eiweißes bei Zimmertemperatur wiedergibt. Auch hier ist das Er-
gebnis vom Säuregrade 0,02n an konstant.
Tabelle XV.
0,005 n-HC1 0,01 n-HCl 0,02n-HC1 0,025 n-HCl
K,SO0, Be
nach nach nach nach
sofort 24 Std. sofort | 94 Stq. sofort | 94 gtq, |sofort| 94 Std.
0,2 n | klar fast klar| klar | opalesz. | klar | opalesz. | klar | opalesz.
0,3 n | klar |fast klar | klar | opalesz., || klar | stärker || klar | stärker
wenig opalesz. opalesz.
Nieder-
schlag
| abgesetzt
0,4 n | klar | zarteste | klar | opalesz., | klar zarte klar zarte
| ' Opales- wenig Trübung Trübung
| | zenz Nieder- |
schlag |
abgesetzt
yoysissung yayorsen]g
aoaeps] yoydiseng | _doqum yonsissnLg |
uoA zzyosedge | aoqnıy uoA | aoöryaojped ur | Aodeps] UOA | gIoysıssupg | 4240sa8q% | ONDSISSNL A
STy90yq0.1S 423989948 u9y9oL T 423989 °q% A918] UL | Sefyosaopaın | dortepy ur
pun Srıopes | SrpoyqoAas 94010 STpoYgq0as | ST9OHq0AS “ep 488} | Srpogqoad
, noysıssupg
puauroyos pusauroyos pusursyos MOYDISSNLT pusurygas | aoqn.ı
pusumyosyo.anp -yoanp -yoanp -goanp 191e[2 I8eJ ul -yanp | yoemyos ur
Stgapruu STyopruu Stgopru Stydpruu STpPoyqo1d Syppu | Spoggoıs
pOyötssun]
NONSOISSNLT aoqnıy |
aoqnıy aas1.1o][8d AONSISSO]T | SefygosıopoıNn | MOyOLssuLT
Fi 19814.19][]80 ut U9ONOOLT a91u[y UI STuaMm A918 UL
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3 Sungn.ıL] 94.182 des] 3887 Sıyoyruu ABI] 98% ‘DI90yq0.A1S 94.102 SINPOHIO.S -
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pusuroyosyo.ınp | Sungn.LL, -y9.ımp AY9S Sungn.L], A9Ie[N UT | Stuem uaqeu) Aaleıy UT
Ayos Sıyoyruu 94.182 .I1OS Styajrut o418Z os | Styooygoas | ‘yuezsopedo | Sypoyqoas
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"PIS TG ypeu
us0
4.10J08
’ONM
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 73
Aber auch der umgekehrte Satz, daß bei einer konstanten
Säurekonzentration eine Vermehrung des Salzgehaltes über eine
gewisse Grenze keinen erheblichen Einfluß auf die Koagulation
nimmt, hat Geltung und zwar sicher für die Hitzegerinnung bei
niederen Säuregraden.
Man ersieht dieses Verhalten am besten unmittelbar aus der
graphischen Darstellung der Koagulationsverhältnisse bei 0,005 n-
HCl in Fig. 1. Von einem Salzgehalte an, der ungefähr bei 0,2 n
liegt, verlaufen sämtliche Kurven annähernd horizontal weiter.
Auch bei der Säureeiweißfällung in der Kälte scheint für
konstanten Säure- und variierenden Salzgehalt über eine bestimmte
Höhe des letzteren eine ähnliche Gesetzmäßigkeit zu bestehen
(vgl. auch Tab. XVJ), doch sind die Fällungen in den betreffenden
Versuchen noch nicht quantitativ bestimmt worden.
Noch eine Gemeinschaft der Fällung von Säureeiweiß durch
Elektrolyte bei niederer Temperatur mit dessen Hitzekoagulation
bedarf der Feststellung. Für die letztere hatte sich zeigen lassen,
daß es sich in erster Reihe um eine direkte Salzwirkung handelt
und nicht um eine indirekte, durch Herabsetzung der Wasserstoff-
ionenzahl bedingte Koagulierbarkeit des Säureeiweißes. Dasselbe läßt
sich auf dem gleichen Wege für die Eiweißfällung in der Kälte
dartun. Verwendet man an Stelle der stark ionisierten Salzsäure
Tabelle XVI.
Überall 0,025 n-Essigsäure, Temperatur 15° C.
Konzentration 0,2 n Konzentration 0,4 n
sofort | Zucht Std. sofort nach 24 Std. ”
Salz
KSCN . milchig | flockig dichter || milchig flockiger, diehter
durch- Niederschlag in durch- Niederschlag in
scheinend | trüber Flüssigkeit) scheinend | trüber Flüssiekeit
KNO, zarte feinflockig sehr zarte feinflockig
Opaleszenz | abgesetzt in zart- | Trübung | abgesetzt in zart-
trüber Flüssigkeit trüber Flüssigkeit
KBr klar opaleszent klar feinflockie
abgesetzt in zart-
trüber Flüssigkeit
KCl klar opaleszent klar opaleszent
K oxal. opaleszent | stärker opaleszent | opaleszent | stärker opaleszent
K,S0O, klar opaleszent klar opaleszent
K acet. klar klar klar | klar
K eitr. klar klar | klar | klar
74 Wolfgang Pauli,
die schwach dissoziierte Essigsäure zur Herstellung des Säure-
eiweißes, so bleibt die Ordnung der Anionen nach ihrer Wirkung
davon unbeeinflußt.
Es kann also auch hier eine Änderung der Zahl der freien
H-Ionen nicht das Wesen der koagulierenden Salzwirkung aus-
machen. Als Beleg dafür diene die obige Versuchsreihe (Tab. XVI),
aus welcher die bekannte Anionenfolge ersichtlich ist.
Fassen wir nun zum Schlusse noch einmal alle Merkmale zu-
sammen, in welchen sich eine Gemeinschaft des Verhaltens von Säure-
eiweiß bei niederer und hoher Temperatur ausprägt, so sind diese:
l. die Wanderung zur Kathode und deren Umkehr in alkali-
schen Medien;
9. das mächtige Überwiegen der Anionenwirkung bei der Aus-
flockung;
die Irreversibilität des Gefällten bei Verdünnung;
4. die Identität der Reihenfolge der Anionen nach ihrer Wirk-
samkeit bei entsprechendem Salzgehalte;
das Bestehen einer direkten Salzwirkung;
6. der stetige Übergang der Koagulationskurven von der Koagu-
lation bei hoher bis zu der bei Zimmertemperatur.
oO
4.
Es ist somit eine stattliche Zahl von gemeinsamen Merkmalen
und Beziehungen, in welchen sich die Verwandtschaft von Säure-
eiweißkoagulation bei hoher und niederer Temperatur offenbart.
Dürfen wir in der Tat diese beiden Arten von Zustandsänderungen
des Eiweißes als qualitativ gleich und nur durch die Reaktions-
geschwindigkeit unterschieden betrachten ?
Erfahrungen, die bei anderen Gelegenheiten an den Eiweib-
körpern gewonnen wurden, mahnen zu einiger Vorsicht. Durch
die Untersuchungsmethoden, wie sie hier zur Anwendung kamen,
werden gewisse Bedingungen festgestellt, unter welchen das Auf-
treten einer festen Phase in einer Eiweißlösung zu beobachten ist.
Nicht untersucht wird die chemische Zusammensetzung dieser
Phase. Allein erst durch die Sicherstellung der chemischen
Identität der Phasen in den verglichenen Fällen wird der Beweis
daß nicht Ähnlichkeit, sondern Gleichheit der be-
treffenden Zustandsänderungen von Eiweiß vorliegt. Daß beispiels-
vollständig,
weise bei den Eiweißfällungen durch Schwermetallsalze im ver-
dünnten Zustande das kolloidale Metallhydroxyd mit den Proteinen
unlösliche Verbindungen eingeht, während die durch hochkonzentrierte
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 75
Schwermetallsalze bewirkten Fällungen den Neutralsalzniederschlägen
der Eiweißkörper analog sind, daß bei der Lösung der ersten
Schwermetalleiweißfällung im Überschusse der Komponenten völlig
verschiedene Komplexe in der flüssigen Phase vorhanden sind und
ebenso im Falle der Proteinfällung durch gewisse hochkonzentrierte
Schwermetallsalze (z. B. Zinksulfat), alles dies sind Erfahrungen,
die erst eine Spezialuntersuchung lehrt.
Einem Übersichtsbilde dieser Zustandsänderungen, welches,
etwa nach dem Vorgange von Galeotti!), nur den Unterschied
fest und flüssig und die prozentische Zusammensetzung der Phasen
registriert, sind, so wertvolle Hinweise es enthalten mag, diese
wesentlichen chemischen Verschiedenheiten der Phasen nicht zu
entnehmen. Auf diesem Wege kann man leicht dahin geführt
werden, das Bestehen verschiedener Globuline nebeneinander zu
bestreiten, welches anderweitig sichergestellt ist.
Als besonders beweiskräftig für die Identität von Säureeiweib-
fällung in der Wärme und Kälte könnte der stetige Übergang der
betreffenden Koagulationspunkte (Fig. 2) von den höheren zu den
niederen Werten betrachtet werden. Allein auch hier fordert das
Auftreten von Inflexionspunkten der Kurven bei den Übergangs-
temperaturen zu einiger Zurückhaltung auf. Unter diesen Um-
ständen wurde das Augenmerk immer wieder auf die Prüfung
von Verschiedenheiten zwischen den bei hoher und niederer Tem-
peratur gewonnenen Koagulaten gelenkt. Geht man davon aus,
daß die Zustandsänderung des Säureeiweißes durch Eiektrolyte in
der Wärme und Kälte identisch und im ersten Falle nur ein
weiter fortgeschrittenes Stadium des Prozesses bei niederer Tem-
peratur darstellt, dann mußte man erwarten, durch Erwärmen die
schon in der Kälte erzielte Koagulation steigern zu können. Über-
raschenderweise findet sich unter bestimmten Verhältnissen typisch
das Gegenteil, eine Rückbildung des in der Kälte gebildeten
Koagulates durch die Temperatursteigerung. Es kommt dabei oft
bis zur vollständigen Klärung einer trüben oder selbst flockigen
Niederschlag enthaltenden Flüssigkeit.
Belege dafür sind in der schon angeführten Tabelle XIV ent-
halten, welche die Kältefällung und Hitzekoagulation von Säure-
eiweiß bei Anwesenheit von Nitrat wiedergibt. Hier sind sämt-
liche Versuche derart angestellt, daß die Zustandsänderung bei
Zimmertemperatur sofort nach der Mischung der Probe, dann nach
!) Galeotti, Zeitschr. f. physiol. Chemie 40, 492.
76 Wolfgang Pauli,
24stündigem Stehen derselben verzeichnet wurde. Darauf wurde
dieselbe Probe zum Sieden erhitzt und abermals die unmittelbar
dabei und nach weiteren 24 Stunden Zimmertemperatur wahr-
genommene Zustandsänderung notiert. Während in den Versuchen
mit niederem Säuregehalt (0,005 n und 0,01 n-HCl) die in der
Kälte entstandene Fällung beim Erhitzen in eine mächtige grob-
flockige Koagulation übergeht, kommt es bei 0,02 n und 0,025 n-
HCl, also nachdem der Säureeinfluß eine gewisse Konstanz erreicht
hat, ausnahmslos zur Rückbildung der in der Kälte entstandenen
festen Phase durch Erwärmen. Erst beim Stehenlassen oder Ab-
kühlen bildet sich wieder ein Niederschlag, der zumeist reichlicher
ist als der erste in der Kälte entstandene.
Die Rückbildung der Kältefällung beim Erhitzen ist auch aus
den folgenden Versuchen am Rhodanid ersichtlich. Die Angaben
in einer Horizontalreihe entsprechen den Veränderungen, welche
nacheinander an derselben Probe bei niederer und höherer 'Tem-
peratur zu beobachten waren.
Tabelle &VM.
Überall 0,02n-HCl.
B Zimmertemperatur | Gekocht
KSCN - En SANT En Fa
sofort | nach 24 Std. | sofort | nach 24 Std.
0,05n | klar opaleszent klar | opaleszent
On klar milchig | ker | __milchig
durehscheinend | ' durchseheinend
0,15 n milchig erobflockig ' milchig | gallertig opak
durch- abgesetztv.schwach durch-
scheinend | trüber Flüssigkeit | scheinend
Nach unseren zahlreichen einschlägigen Erfahrungen ist diese
teversibilität der Kältefällung von Säureeiweiß durch Erwärmen
eine gesetzmäßige Erscheinung, die ganz auffallend an das ähn-
liche Verhalten von Albumosen erinnert. Dadurch ist eine neue
Beziehung zwischen den Reaktionen der Albumosen und der
genuinen Eiweißstoffe hergestellt, welche gelegentlich auch von
praktischer Bedeutung werden kann. Es sei bier nur an den
Bence-Jonesschen Körper erinnert, der ähnliche Rückbildungs-
verhältnisse des Niederschlages beim Erwärmen zeigt und nach
neueren Untersuchungen den eigentlichen KEiweißstoffen näher
stehen soll als den Albumosen.
Ki rn
Zn Z 2m
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 77
Eine letzte Entscheidung der Frage, ob das Koagulat bei der
Fällung von Säureeiweiß in der Kälte und Wärme identisch ist,
haben auch diese Versuche nicht gebracht. Wie aus den Tabellen
ersichtlich, folgt stets der Lösung des Kältekoagulates durch Er-
wärmen eine neuerliche Ausflockung beim Abkühlen und Stehen
der Probe. Wurde der jetzt gebildete Niederschlag wieder er-
wärmt, so kam es ebenso wie beim ersten Male zur Klärung der
Lösung, und dieser Vorgang konnte durch Abkühlen und Wieder-
erwärmen immer wiederholt werden, er läßt sich selbst nach
monatelangem Stehen der Probe in der gleichen Weise reprodu-
zieren. Es hat sich also ein neuer und unerwarteter Übergang
des Verlaufes der Zustandsänderungen von Säureeiweiß in der
Kälte und Wärme ergeben.
Dennoch möchte ich eine völlige Identität der Phasen bei
beiden Ausflockungen nicht annehmen, sondern neige zu der An-
sicht, daß eine wenn auch nicht tiefgehende Verschiedenheit der
Koagulate in beiden Fällen vorliegt. Diese Vermutung stützt sich
zum Teil auf den differenten physikalischen Charakter der be-
treffenden Niederschläge. Bei der Säureeiweißfällung durch Elektro-
lyte in der Kälte werden im allgemeinen rasch sich absetzende,
kohärente, wasserarme Flocken gebildet, während diese in An-
wesenheit der gleichen Elektrolyte bei der Hitzegerinnung eine
mehr gallertige oder stärker gequollene lockere Beschaffenheit ver-
raten und sich schwerer absetzen. Häufig schwimmen sie sogar,
begünstigt durch den geringen Unterschied im spezifischen Gewicht,
an der Oberfläche der Lösung, wohl durch unmerkliche Gasblasen
. getragen, was bei in der Kälte erhaltenen Koagulis jedenfalls selten
sein muß, da es niemals in unseren zahlreichen Versuchen zur Beob-
achtung. kam.
So weit reichen zurzeit die tatsächlichen Ergebnisse unserer
Untersuchung, deren Fortsetzung und Ausdehnung auf die Zustands-
änderungen von Alkalieiweiß und auf die Alkoholproteinfällung
bereits vor längerer Zeit in Angriff genommen wurde. Aus diesem
Grunde mögen hier nur einige vorläufige theoretische Andeutungen
Platz finden, während eine ausführlichere theoretische Darstellung
dem Abschluß der ganzen Versuchsserie vorbehalten sein soll.
Durch die Feststellung, daß für einen gewissen Säuregrad —
bei Vermeidung des Gebietes der Kältefällung — eine Grenze des
Salzgehaltes besteht, über die hinaus eine Vermehrung des Salzes
für die Hitzekoagulation gleichgültig ist, und durch die gleiche
783 Wolfgang Pauli,
Geltung dieses Satzes für konstante Salz- und variable Säure-
konzentration, wird die Vorstellung einer Art chemischen Verbin-
dung von Säure und Salz mit dem Eiweiß nahe gelegt. Denn die
Eigenschaften des Reaktionsproduktes erscheinen hier an diskrete
reagierende Mengen der Komponenten geknüpft und ein Überschuß
über dieselben bleibt an den Vorgängen unbeteiligt.
In den vorliegenden Versuchen prägt sich eine noch engere
Beziehung aus. Bei einem bestimmten Säuregrade (vgl. Fig. 1)
tritt die Konstanz der Wirkung für verschiedene Salze bei fast
der gleichen Konzentration ein. Dieselbe betrug etwa 0,2 n (bei
0,005 n-HCl) für die von uns stets gebrauchte Eiweißmenge von
etwa 0,105 g. Die zur Herstellung eines bestimmten Koagulations-
grades notwendige Salzkonzentration wächst zunächst mit dem
Säuregehalte. Über eine gewisse Grenze der Acidität hinaus hat
eine weitere Vermehrung der Säuerung keine erhebliche Rück-
wirkung auf den zur Koagulation erforderlichen Salzgehalt.e. Auch
diese Aciditätsgröße fällt für die verschiedenen Salze nahe zu-
sammen. Sie bewegt sich in allen untersuchten Fällen innerhalb
der Werte 0,015 und 0,02 n-HCl.
Alle diese Tatsachen drängen dazu, bei der Hitzekoagulation
von Säureeiweiß die Bildung einer Art von Eiweißdoppelsalzen an-
zunehmen, zu welchen sich das durch Addition der Säure an das
durch Hitze „denaturierte* Protein gebildete Eiweißsalz mit den
zugefügten Elektrolyten, oder einer Eiweißverbindung!) desselben,
vereinigt. Die sichtbaren Vorgänge bei der Hitzekoagulation
bilden nur den Ausdruck für die Löslichkeitsverhältnisse der ent-
standenen Eiweißdoppelsalze. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
für eine Säure und ein Salz, je nach den für die Reaktion verfüg-
baren Mengen beider, eine Reihe verschiedener Eiweißsalze exi-
stiert, die in bezug auf den Gehalt an Säure und Salz nach oben
schärfer begrenzt ist. Die früher angegebenen Grenzwerte von
Säure und Salz, die zu einer bestimmten Eiweißmenge gehören,
müssen nicht auch jene Quantitäten vorstellen, die mit dem Eiweiß
wirklich verbunden sind. Nach allen bisherigen Erfahrungen
werden wir vielmehr eine starke Neigung zum hydrolytischen
Zerfall bei den sauren Eiweißsalzen voraussetzen. Dann wird ein
Teil der in Lösung befindlichen Säure und des Salzes dazu dienen,
die Hydrolyse soweit zurückzudrängen, bis die KEiweißlösung ein
') Auf die so wertvollen Beiträge von T. Brailsford Robertson zur
Frage der Ionenproteide (The journal of biologieal chemistry 2, 317 etc.)
soll nach einem gewissen Abschlusse unserer Arbeiten eingegangen werden.
ns ee DE Me ee E
Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. 79
annähernd konstantes Verhalten zeigt. Die gefundenen Grenzwerte
von Salz und Säure wären somit eine Summe der gebundenen und
der zur Unterdrückung der Hydrolyse nötigen Mengen.
Mit der Ännahme der Eiweißdoppelsalze und einer Verschieden-
heit derselben bei hoher und niederer Temperatur wäre auch die
folgende Erfahrung gut zu vereinen, welche mit dem als Regel
bekannten Einflusse der Temperatur auf die Löslichkeit von Salzen
übereinstimmt. Bei der Koagulation von Säureeiweiß kommt nur
der Fall einer Lösung des in der Kälte vorhandenen Koagulates
durch Erwärmen vor, nicht aber das umgekehrte, Lösung eines in
der Hitze unlöslichen Koagulates beim Abkühlen.
Durch kurzes Erhitzen des Säureeiweißes wird ein großer Teil
seiner physiko-chemischen Beziehungen nicht geändert, ein Zeichen,
daß auch die chemischen Veränderungen dabei nicht allzu tief
greifen werden. Dafür sprechen die vielen Gemeinsamkeiten
zwischen Säureeiweißfällung in der Kälte und Wärme, und vor
allem der vielfache Parallelismus in bezug auf die Löslichkeits-
verhältnisse der Koagulate in beiden Fällen, soweit sie durch die
Anionen der zugesetzten Salze bestimmt sind.
Besonders auffallend ist diese Ähnlichkeit der Löslichkeiten
z. B. bei den Nitraten und Rhodaniden, hingegen würden die Ace-
tate in der Kälte und Wärme Eiweißdoppelsalze bilden, die sich
schon recht verschieden verhalten. In der Kälte gebildete Acetate
des Säureeiweißes sind überaus löslich, die mit erhitztem Säure-
eiweiß gebildeten sind unlöslich.
Die in diesen Untersuchungen besonders schön hervortretenden
Übergänge von Kolloidehemie im engeren Sinne zu den typischen
chemischen Reaktionen, sollen später noch eine eingehende Er-
örterung finden. Über die wohl weiter, als es gegenwärtig den
Anschein haben mag, reichende biologische Bedeutung der Eiweiß-
doppelsalze sind bereits an unserem Institute Untersuchungen
begonnen worden, zu denen nun die beste Gelegenheit gegeben
ist durch dessen organische Angliederung an die mit allen
modernen Behelfen ausgestattete biologische Versuchsanstalt.
IV:
Über die Einwirkung chemischer Substanzen auf
die Zuckerausscheidung und die Acidose.
Von Julius Baer und Leon Blum.
Aus der medizinischen Klinik zu Straßburg (Prof. v. Krehl).
Beim schweren Diabetes melitus treten im Harn Oxybutter-
säure, Acetessigsäure und Aceton, in der Atemluft nur Aceton, in
oft beträchtlicher Menge auf, eine Erscheinung, die man unter
Hervorheben der wichtigsten Seite der Störung, der übermäßigen
Säureausscheidung oder der erhöhten Säurebildung im Organismus,
als Acidose bezeichnet hat. Dieselben Substanzen finden sich
auch bei gewissen Ernährungsbedingungen, die mit dem schweren
Diabetes den Ausfall oder die geringe Verwertung von Kohle-
hydraten gemeinsam haben.
Bei Tieren lassen sich die gleichen Störungen, die zur Acidose
führen, experimentell unter verschiedenen Bedingungen hervor-
rufen.
Für die Oxybuttersäure und ihre Derivate erhebt sich nuh
die gleiche Frage, wie für alle Substanzen, die bei Stoffwechsel-
störungen im Harn auftreten und unter normalen Verhältnissen
nicht darin vorkommen: Stellen sie intermediäre Stoffwechsel-
produkte dar, die nur im Überschuß gebildet werden, oder die
in normaler Menge erzeugt, aber unvollkommen verbrannt werden?
Oder handelt es sich um Stoffe, die normalerweise überhaupt
nicht auftreten? Lassen sich weiterhin zwischen dem Vorkommen
dieser Substanzen und unserer Nahrune, bestimmten chemischen
5)
Verbindungen in derselben, irgend welche Beziehungen auffinden?
Julius Baer und Leon Blum, Einwirkung chemischer Substanzen usw. sl
Während für die Acetonkörper eine Lösung der ersten Fragen
bisher nicht möglich war, haben zahlreiche Untersuchungen sich
mit den Beziehungen der Acetonkörper zu den Hauptbestandteilen
unserer Nahrung beschäftigt. Es hat sich dabei ergeben, daß
dieselben mannigfach und zugleich recht kompliziert sind.
Zunächst konnte man rein äußerlich eine Trennung durch-
führen zwischen Substanzen, die die Oxybuttersäureausscheidung ver-
ringern und anderen, die eine Vermehrung derselben herbeiführen.
Typische Vertreter der ersten Gruppe stellen die Kohlehydrate
dar, deren Zufuhr im entgegengesetzten Sinne wie ihre Entziehung
wirkt und ein starkes Absinken der Acidose zur Folge hat (Hirsch-
feld}).
Der gleiche Effekt wird bei geringerer Zuckerausscheidung,
also durch „gesteigerte Toleranz* beim Diabetes melitus erzielt;
es mag fürs erste dahingestellt bleiben, wie weit diese Wirkung
auf genau gleicher Grundlage, d. h. einer gesteigerten Ver-
brennung von Zucker selbst beruht.
Schwieriger zu deuten ist die Beeinflussung der Acidose durch
Substanzen, die im Organismus eine Paarung mit Glykuronsäure ein-
gehen (Baer?), wobei jedenfalls eine Zufuhr von verbrennbaren
kohlehydratähnlichen Produkten von außen nicht erfolgt.
Bei den Stoffen, die eine Steigerung der Acetonkörperaus-
scheidung bewirken, gestalten sich die Verhältnisse verwickelt
insofern, als für sie mehrere Momente in Betracht kommen: Einmal
können Körper eine Vermehrung von Oxybuttersäure herbeiführen,
weil sie selbst in Oxybuttersäure übergehen; eine weitere Möglich-
keit ist, daß Substanzen indirekt die Entstehung oder die Aus-
scheidung der Acetonkörper beeinflussen.
Die Oxybuttersäure kann, wie wir in früheren Arbeiten ge-
zeigt haben 3), aus chemisch weit voneinander entfernten Sub-
stanzen entstehen. Diese direkte Wirkung auf die Oxybuttersäure-
ausscheidung muß natürlich bei experimentellen Untersuchungen
in erster Linie in Betracht gezogen werden.
Weniger exakt und zahlreich sind unsere Erfahrungen über
den zweiten Punkt, Vermehrung der Acetonkörperausscheidung
durch Substanzen, die nicht selbst in Oxybuttersäure übergehen.
Ein Beispiel hierfür bietet schlechtere Ausnutzung der Kohle-
hydrate, also gesteigerte Zuckerausfuhr bei gleicher Nahrungs-
!) Zeitschr. f. klin. Medizin 28, 92.
*) Ebenda 56, 198.
®) Arch.’ f. exper. Pathol. u. Pharm. 55, 91 u. 56, 92.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 6
82 Julius Baer und Leon Blum,
zufuhr, die eine Steigerung der Oxybuttersäureausscheidung zur
Folge hat. Experimentell können wir diesen Zustand z. B. durch
Phlorizin hervorrufen.
Weiterhin hat Magnus Levy!) einwandfrei nachgewiesen,
daß Zufuhr von Alkali unter im übrigen gleichen Bedingungen
Steigerung der Oxybuttersäureausscheidung, Wegfall des Alkalis
eine Verringerung derselben herbeiführt. Im wesentlichen dürfte
diese Alkaliwirkung durch günstigere Ausscheidungsverhältnisse der
Säuren und darum geringere Verbrennung bedingt sein.
Becker und andere?) behaupten, daß die Narcotica eine
spezifisch steigernde Wirkung auf die Acetonkörperausscheidung
ausüben.
Im Hinblick auf diese Erörterungen scheint es uns jedenfalls
nicht angebracht, rein äußerlich nach ihrer doch ganz ungleich-
artigen Wirkung ketogene und antiketogene Substanzen zu unter-
scheiden, wie dieses Satta?) vorgeschlagen hat.
Für das Verständnis und die experimentelle Forschung bildet
diese Bezeichnung, so prägnant sie auch zu sein scheint, eher
ein Hindernis, wie sich besonders aus dem Folgenden noch er-
geben wird.
Wir halten es für zweckmäßiger, eine Unterscheidung zu
treffen in Substanzen, die im Organismus in Oxybuttersäure über-
gehen können, und in solche, die ihre Bildung und Ausscheidung
indirekt beeinflussen ®).
In der vorliegenden Arbeit haben wir uns mit dem letzten
(Gebiet beschäftigt. Außer den bereits erwähnten Arbeiten Hirsch-
felds über die Wirkung der Kohlehydrate liegen Versuche über
den Einfluß verschiedener anderer den Kohlehydraten näher oder
ferner stehender Körper vor. Für das Glycerin hat Hirschfeld)
ebenfalls einen vermindernden Einfluß auf die Acetonausscheidung
festgestellt, für die Glykonsäure fand Schwarz‘) das gleiche Ver-
halten, das allerdings Loeb und -Mohr’?) nicht regelmäßig be-
!) Magnus Levy, Arch. f. exper. Pathol. 42, 149 u. 45, 389.
2) Deutsch. med. Wochenschr. 1894.
*) Diese Beiträge 6, 1.
*) Ob man die Alkaliwirkung in eine besondere Gruppe unterbringen
will oder muß, ist hier nebensächlich; jedenfalls darf aber ihre Wirkung auf
Aceton- und Oxybuttersäureausscheidung im Urin bei experimentellen Unter-
suchungen nie vernachlässigt werden, wie dieses meistens geschieht.
°) Zeitschr. f. klin. Medizin 28, 176.
°) L. Schwarz, Deutsch. Arch. f. klin. Medizin 76, 259.
’) ,oeb u. Mohr, Centralbl. f. Stoffwechsel- u. Verdauungskrankheiten
3, Nr. 8.
|
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 83
stätigen konnten. Satta (l. c.) untersuchte andere von den Kohle-
hydraten weiter abstehende Substanzen, die Weinsäure, Citronen-
säure, Milchsäure und die Malonsäure. Mit Ausnahme der Malon-
säure nahm Satta für diese Stoffe eine die Acidose herabsetzende
Wirkung an; die dabei beobachteten Ausschläge waren jedoch,
zum Teil infolge der ungünstigen Versuchsanordnung, sehr gering.
Die Frage der Beziehungen der Kohlehydrate zu den Eiweiß-
'körpern und die Annahme, daß aus Eiweißspaltungsprodukten Zucker
im Organismus entstehen kann, waren Veranlassung, Derivate der
Proteinsubstanzen und diesen ähnliche Stoffe in ihrer Wirkung auf
die Acetonkörperausscheidung zu prüfen. Über solche Versuche
haben Borchardt und Lange!) ganz kürzlich berichtet. Bei
reiner Fleischfettdiät prüften sie die Einwirkung von Aminosäuren,
Glykokoll, Alanin, Glutaminsäure, Asparagin und Leucin, auf die
Acetonausscheidung. Alanin, Glutaminsäure und Asparagin brachten
eine Verminderung hervor, die Wirkung des Glykokolls war un-
sicher; nach Darreichung von Leucin (28 und 350g) war eine Ver-
mehrung des Acetons von mehr als 0,5 & und möglicherweise noch
eine Steigerung am Nachtage vorhanden.
Es sind diese Ausschläge verhältnismäßig groß, wenn man be-
denkt, daß in einem unserer Versuche?) von 10 g l-Oxybuttersäure
bei gleichzeitiger Alkalidarreichung nur 0,4 & im Urin wieder-
erschienen, von 22g Isovaleriansäure nur 2,8 Proz. der theoretisch
möglichen Menge als Oxybuttersäure ausgeschieden wurden.
Borchardt und Lange haben das Fehlen bzw. die Menge
der Oxybuttersäure nicht im Ätherextrakt, sondern im Urin fest-
gestellt. Nun entsprechen Drehungen von + 0,05, die kaum
außerhalb der Ablesungsfehlergrenze liegen, bei 1000 ccm schon
etwa 1 9 Oxybuttersäure, Mengen, die bei den Zahlen dieser Ver-
suche ganz erheblich in Betracht kommen, also ihre Resultate noch
wesentlich verschieben könnten.
Iın Gegensatz zu unseren früheren Versuchen und auch zu
‚diesen Resultaten von Borchardt und Lange kommt Mohr?)
nach Versuchen an einer Hungerkünstlerin zu dem Schluß, daß aus
Leuein keine Acetonkörper entstehen ®).
') Diese Beiträge 9, 3 u. 4 (1907).
?) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 55, 107.
®) Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie 3.
*) Mohr behauptet auf Grund dieser Versuche, daß unsere Experi-
mente für die Entstehung von Oxybuttersäure aus Leuein und somit aus
Eiweißkörpern nicht beweisend sind. Wenn er unseren Versuchen einen
6*
84 Julius Baer und Leon Blum,
Zu Beginn unserer Versuche, die wir vor drei Jahren begannen,
hofften wir durch den Nachweis eines Einflusses von Amino- und
Oxysäuren auf die Acidose einen Beitrag zur Frage über die
Beziehung von Zucker zu Eiweißspaltungsprodukten liefern zu
können. Im Laufe unserer Versuche trat jedoch diese Frage, die
inzwischen vielfach erörtert worden ist und durch die Versuche
von Embden und Salomon!) an pankreaslosen Hunden sicher
entschieden sein dürfte, infolge anderer Befunde in den Hinter-
grund.
Wir stellten unsere Versuche an Hunden an, die im Hunger-
zustande Phlorizin subeutan erhielten. Baer?) hat gezeigt, daß
unter diesen Bedingungen bei Hunden, die hungern oder trotz
Fütterung im Stickstoffdefizit sich befinden, eine Acidose zustande
kommt. Innerhalb einer gewissen Zeit nimmt die Ausscheidung
gleichwertigen, d. h. unter denselben Versuchsbedingungen ausgeführten
entgegengestellt hätte, so würde es sich wohl lohnen, auf eine Erörterung
der Ursache der Differenzen einzugehen. Mohr hat aber seine Schlüsse auf
Grund von Untersuchungen am Hungernden gezogen, für den nicht einmal
bekannt ist, wie anerkannte Oxybuttersäurebildner, z. B. Oxybuttersäure, Butter-
säure oder Isovaleriansäure, wirken. Abgesehen von dem Fehlen dieser not-
wendigen Vor- und Kontrollversuche werden die Resultate aber noch weiter-
hin dadurch unklar, daß Mohr am Tage nach der Eingabe der recht kleinen
Leueinmenge eine weitere Substanz, Glykokoll, verfütterte; es muß infolge-
dessen die Möglichkeit offen bleiben, dab die auf Rechnung des Glykokolls
gesetzte Oxybuttersäurevermehrung noch dem Leucin zuzuschreiben ist.
Ein anderer Einwand, den Mohr gegen unsere Versuche erhebt, sind
die starken Schwankungen in der Oxybuttersäureausscheidung. Gerade diese
Unregelmäßigkeiten, die bei Koständerung, und auch ohne solche, schwer zu
vermeiden sind, veranlaßten uns, während 12 Tagen, trotz täglicher Bestim-
mungen, keine Versuche anzustellen; wir gaben das Leucin erst, als die
Ausscheidung drei Tage lang annähernd konstant geblieben war; ja würden
wir nach dem Vorgehen anderer Autoren, z. B. Mohr selbst, das Mittel der
Oxybuttersäurewerte zweier Tage nehmen, so könnten wir eine Vorperiode
von fünf Tagen mit konstanter Ausscheidung rechnen. Die meisten Autoren,
z. B. Loeb, Loeb und Mohr, Schwarz, haben sich in ihren Versuchen
mit der doch in ihrer Wirkung anerkannten Buttersäure auf eine viel
seringere Zahl von Vortagen beschränkt. Auf diese Weise entziehen sich
natürlich weiter zurückliegende Schwankungen der Oxybuttersäureausschei-
dung der Beurteilung. Trotz alledem wäre uns selbst eine Wiederholung
des Versuches erwünscht gewesen, sie scheiterte jedoch an dem Mangel ge-
eigneter Patienten.
Die prinzipielle Frage, ob auch aus Eiweiß im Organismus Oxybutter-
säure entstehen kann, ist nach unserer Auffassung durch die erwähnte und
unsere spätere Arbeit für verschiedene Spaltungsprodukte mit ziemlicher
Sicherheit erledigt. Bei geeigneter Gelegenheit werden wir übrigens zur
Entscheidung anderer Fragen auf solche Leucinversuche zurückkommen.
') Diese Beiträge 5, 507; 6, 63.
*) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 51, 271.
4
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 85
der Acetonkörper von Tag. zu Tag zu. Zufuhr von Zucker oder
von genügenden Mengen Eiweiß, die vor N-Verlust schützen,
bringt die Acidose zum Schwinden.
Infolge dieses fast gesetzmäßigen Verhaltens — dessen Richtig-
keit wir in zahlreichen Versuchen bestätigt fanden — war es mög-
lich, unter günstigen Bedingungen den Einfluß von Substanzen auf
die Acidose zu prüfen. Stoffe, die ähnlich wie die Kohlehydrate
wirkten, mußten eine Verminderung der Acetonkörperausscheidung
herbeiführen. Ein Absinken war bei dieser Versuchsanordnung
um so beweisender, als die Körper in Form ihrer Alkalisalze oder
mit den entsprechenden Mengen Alkali gegeben wurden, dessen
ausschwemmende Wirkung bereits oben erörtert wurde. Ein Aus-
bleiben des täglichen Anstiegs der Acetonkörperausscheidung be-
wies daher bereits eine Wirkung. Freilich konnte bei schwacher
Wirksamkeit oder bei starker Acidose unter diesen Umständen
der Einfluß durch das Ansteigen ganz verdeckt werden. Weiteres
Anwachsen bei starker Acidose gibt daher keinen sicheren Entscheid
über die Unwirksamkeit einer Substanz. Wenig oder überhaupt
nicht wirkende Stoffe lassen sich demnach nicht unterscheiden.
Daß die gewählten Versuchsbedingungen eine Entscheidung der
Frage, ob aus einer Substanz Oxybuttersäure entstehen kann oder
nicht, nicht gestattet, müssen wir nicht besonders hervorheben.
Wir verfuhren folgendermaßen:
Hunde erhielten nach dreitägigem Hungern bei beliebiger Wasser-
zufuhr subcutan Phlorizin; die Menge wechselte je nach der Größe des
Tieres und der Stärke der Acidose, die erzielt werden sollte. Das Phlorizin
wurde immer in der gleichen Menge Alkohol (2,5 ccm) und nach Verdün-
nung mit dem gleichen Volumen Wasser eingespritzt. In der Mehrzahl der
Versuche wurde am Tage nach der ersten Phlorizindarreichung keine Be-
stimmung ausgeführt, da die Acidose an diesem Tage meist noch sehr
schwach ist.
Vor der jedesmaligen Phlorizininjektion wurde der Urin durch Kathe-
terisieren entleert. Am vierten Phlorizintage erfolgte die subceutane In-
jektion der zu prüfenden Substanz, die auf einmal oder in zwei Teilen
gegeben wurde.
Im Harn wurde der Zucker polarimetrisch, der Stickstoff nach Kjel-
dahl bestimmt, das Aceton nach Messinger-Huppert nach zweimaliger
Destillation titriert. Die Oxybuttersäurebestimmnngen wurden nach der
Methode von Magnus-Levy durch Polarisation des aus dem Urin erhal-
tenen Ätherextraktes vorgenommen!).
‘) Es erscheint uns nicht berechtigt, wenn verschiedene Autoren diese
Methode infolge geringer nebensächlicher Abänderungen (Form des Extrak-
tionsapparates!) mit ihrem Namen belegen. Höchstens wird hierdurch die
36 Julius Baer und Leon Blum,
Bei der Durchführung gingen wir derart vor, daß wir die ver-
schiedenen Säuren mit gleicher Zahl der C-Atome in ihrer Wir-
kung prüften: zunächst die gesättigten Fettsäuren selbst, sodann
die entsprechenden Oxy- und Aminosäuren.
Unter den Substanzen mit 2 C-Atomen untersuchten wir das
Verhalten der Essigsäure, Glykolsäure (Oxyessigsäure) und des
Glykokolls (Aminoessigsäure).
Essigsäure.
Versuch I.
Gewicht des Hundes: 7150g. 1,1g Phlorizin täglich.
| Gesamt- | Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
g g mg g
2 7,133 21,8 85,0 0,144
3. I 6,902 21,4 155,9 0,299
4. | 713 22,0 255,0 0,600 6,1 essigsaures Natron
Versuch 1.
Gewicht des Hundes: 9800g. 1,2g Phlorizin täglich.
|
Gesamt- | Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
Ba es mg BEN. 1 iA
2. 10,08 | 20,0 304,3 0,51
3, 732 | 19,0 329,3 1,14
4, 6,40 | 14,0 338,8 1,78 25 g essigsaures Natron
In beiden Versuchen stieg die Ausscheidung der Acetonkörper
trotz der Essigsäuredarreichung weiter an. Daß hieraus nicht auf
das Fehlen jeglicher Wirkung geschlossen werden kann, haben wir
bereits hervorgehoben. Geringer Einfluß braucht bei unserer Ver-
suchsanordnung nicht zum Ausdruck zu kommen, da er durch den
täglichen Anstieg der Acetonkörperausscheidung verdeckt werden
3eurteilung erschwert, nach welcher Methode, d.h. wie zuverlässig gearbeitet
worden ist. Von Magnus-Levy stammt die Vorschrift, den eingeengten,
mit Ammonsulfat versetzten, angesäuerten Urin im Ätherstromapparat zu
extrahieren und im Extraktionsrückstande die Säure dureh Polarisation zu
bestimmen. Auf die Fehlerquellen dieser Methode haben Geelmuyden
(Festschrift für Hammarsten 1906) und auch wir (l. ec.) ausführlich hin-
gewiesen.
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 87
kann. Es scheint uns jedoch das Ausbleiben jeder Beeinflussung
im zweiten Versuch bei sehr hohen Essigsäuregaben für das
Fehlen einer Wirkung zu sprechen.
Glykolsäure.
Versuch II.
Gewicht des Hundes: 7500g. 1,2g Phlorizin täglich.
Gesamt- Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
g g mg g
zu 178,79 21,5 206,0 0,673
3. | 834 22,5 309,1 0,849 7,5 g glykolsaur. Natron!)
Versuch IV.
Gewicht des Hundes: 7700g. 1,5 g Phlorizin täglich.
Gesamt- Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
8 8 mg g
9. 9,95 293,5 153,4 0,235
= 8,75 22,5 204,8 0,336
4. 7,078 20,0 1773 0,243 7,5 g Glykolsäure
In dem ersten Glykolsäureversuche war schon vom zweiten Tage
an eine erhebliche Acidose vorhanden; ein Einfluß der injizierten
Säure läßt sich aus schon erörterten Gründen nicht aus ihm er-
kennen. Unzweideutig tritt aber die Wirkung im Versuche IV
hervor, bei dem wegen viel schwächerer Acidose die Versuchs-
verhältnisse günstiger lagen. Die Zucker- und Stickstoffausscheidung
erfahren keine wesentliche Änderung.
Glykokoll.
Borchardt und Lange (l. c.) fanden in zwei Versuchen,
deren erster durch dyspeptische Erscheinungen gestört war, einmal
eine geringe Vermehrung, einmal eine Verminderung von 0,25g
Aceton nach Darreichung von je 40 g und 30 g Glykokoll. Mohrs
Versuch an einer Hungerkünstlerin und die Gründe, weshalb er
nicht verwertbar ist, wurden bereits oben erwähnt.
') Da das Versuchstier schon am zweiten Tage stark ausgesprochene
Acidose aufwies und ziemlich krank aussah, wurde die Injektion bereits am
dritten Tage gemacht.
88 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch. V
Gewicht des Hundes: 5640g. 1,1g Phlorizin täglich.
\ Gesamt- | ; Oxybutter-
Tag | N | Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
bei: g mg g
2 6,64 16,9 80,50 | 0,176
3 6,70 | 141 258,8 0,295
4 6,05 15,3 254,0 | 0,466 5,2 g Glykokoll mit be-
rechneter Menge NaHCO0,
Versuch VL
Gewicht des Hundes: 8100g. 1,2g Phlorizin täglich.
|| |
\ Gesamt- vr Oxybutter-
Tag | N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
2. 7,32 25,0 101,6 0,0932
3: 5,86 25,5 215,7 0,388
4. 9,13 27,5 265,6 ) 12,6 & Glykokoll + be-
| | rechnete Menge NaHC0,
Die Wirkung des Glykokolls gleicht ganz und gar der der
Glykolsäure: bei ihrer nahen chemischen Verwandtschaft und der
Möglichkeit eines Überganges von Glykokoll in Glykolsäure im
Organismus, auf die man nach Analogien schließen darf, bietet
dieses Resultat nichts Unerwartetes; auch in der Stärke ihrer Wir-
kung scheinen beide Substanzen sich gleich zu verhalten. Im Ver-
such V kommt bei kleiner Glykokollmenge die vermindernde Eigen-
schaft nicht zum Ausdruck, ähnlich wie in Versuch III die Glykol-
säure gegen die stärkere Acidose unwirksam war. Im Versuch VI],
in dem die Acetonkörperausscheidung etwa ebenso stark wie im
Versuch V war, ist bei der doppelten Glykokolldosis der Einfluß
auf die Oxybuttersäure evident, während die Acetonausscheidung
noch etwas ansteigt. Eine außerhalb der Fehlergrenzen liegende
Wirkung auf Zucker und Stickstoff ist nicht erkennbar.
Wegen der nahen Beziehungen der Milchsäure zu den Kohle-
hydraten verdient das Verhalten dieser und der ihr nahestehenden
Substanzen besonderes Interesse. Wir prüften die Propionsäure,
die dazu gehörige &-Oxy- und #- Aminosäure, die Milchsäure und
das Alanin.
a
mn a na nm DA u A a ae. m
89
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw.
Propionsäure.
L. Schwarz (l. c.) hat bereits bei einem Diabetiker 30g Pro-
pionsäure verfüttert; er fand bei seiner Versuchsanordnung keine
Verminderung der Oxybuttersäureausscheidung, sondern eher eine
Vermehrung derselben.
Versuch VI.
Gewicht des Hundes: 6600g. 1. Phlorizin täglich.
Gesamt- Öxybutter-
Tag N a säure Injizierte Substanz
g 8 mg g
2. 9,79 30,24 82,0 0,2018
3. 11,26 31,2 297,5 1,192
4 9,72 33,0 255,0 0,745 7,9g propions. Natrium
Versuch VII.
Gewicht des Hundes: 75008. 1,2g Phlorizin täglich.
Gesamt- 2 Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
g 8 mg g |
2. 7,83 23,0 151,5 0,124
3. 8,04 31,0 419,3 0,432
4. 6,75 21,5 339,3 0,276 5,6 propions. Natrium
In beiden Versuchen ist eine deutliche Verminderung der
Acetonkörper vorhanden, während Zucker- und Stickstoffausschei-
dung keine gleiche Änderung aufweisen.
Milchsäure.
Versuch IX.
Gewicht des Hundes: 6000 g.
1,2g Phlorizin täglich.
| Gesamt-
Natrium.
Öxybutter-
Tag N REES ale säure Injizierte Substanz
n g mg le at
9, 7,57 35,0 147,6 0,39
3. 8,05 38,0 287,5 1,346
4. 5,45 34,0 177,3 0,59 6,2 g milchs.
Der Hund stirbt wenige
Stunden nach Beendi-
gung des Versuches an
hämorrhagischer En-
teritis.
90 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch X.
Gewicht des Hundes: 8970g. 1,2g Phlorizin täglich.
Mn Ze zn u se 1 Te TG
Gesamt- Oxybutter-
Tag | N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
P |: 1,8 g mg g
2 10,17 98,0 13,5 0,3
= | 10,10 29,5 348,0 0,466
4. 1 90 33,0 314,0 0,522 85 & Milchsäure mit
NaHCO, neutralisiert
Der Einfluß der Milchsäure auf die Acidose ist unverkennbar,
in Versuch X fehlt wenigstens ein weiteres Ansteigen der Acidose.
Ob die im Versuch X beobachtete Steigerung der Zuckerausschei-
dung auf eine Zuckerbildung aus Milchsäure hinweist, können wir
nicht entscheiden.
Alanin.
Versuch XI
Gewicht des Hundes: 7900 g. 1,1g Phlorizin täglich.
Gesamt- _ Oxybutter-
Tag N Zuckeı Aceton säure Injizierte Substanz
g 8 mg g
2. 7,28 19,0 101,6 0,088
3. 7,28 19,5 287,5 0,155
4 7,80 | 215 120,8 ) 10g Alanin mit berech-
neter Menge NaHCO,
Das Alanin verhält sich in seiner Wirkung gleich der ent-
sprechenden Oxysäure, der Milchsäure.
Säuren mit 4 Ö-Atomen haben wir nicht untersucht. Von der
Buttersäure ist der Übergang in ß-Oxybuttersäure bekannt. Iso-
buttersäure geht nach unseren Versuchen an Menschen zum Teil
wenigstens in Milchsäure über und könnte darum ähnlich wie diese
und die Propionsäure wirken. Wahrscheinlich ist es, daß auch
die normale Säure mit 5 C-Atomen, die Valeriansäure, die nach
unseren und Embdens Versuchen keine Oxybuttersäure und Aceton
liefert,, vermindernd auf die Acidose wirkt!). Ob dies dann weiter-
') Jedenfalls möchten wir diese Behauptung mit derselben Reserve aus-
sprechen wie in unserer ersten Mitteilung (S. 94); wir möchten weiterhin
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 9]
hin die Regel für die normalen Säuren mit ungerader Zahl von
C-Atomen ist, bedarf noch weiterer experimenteller Prüfung.
Wir prüften in unseren weiteren Versuchen noch ein Eiweiß-
spaltungsprodukt aus einer anderen Gruppe, die Glutaminsäure.
Glutaminsäure.
Versuch XII.
Gewicht des Hundes: 7500g. 1,5 Phlorizin täglich.
Gesamt- Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
g g mg g
2, 6,90 16,5 78,6 0,248
3. 6,82 14,0 199,4 0,274
4, 6,72 16,0 71,9 0,104 6,7 & Glutaminsäure +
ber. Menge NaHCO,
Die Wirkung auf die Acidose bei sonst gleichbleibender
Zucker- und Stickstoffausscheidung tritt aus dem Versuche genügend
hervor.
Die entsprechende Oxysäure, die Oxyglutarsäure, wurde nicht
untersucht; dagegen erhielten wir bei Verabreichung der ent-
sprechenden Dicarbonsäure der Glutarsäure unerwartete, eigen-
tümliche Resultate, die uns veranlaßten, uns weiterhin in dieser
Arbeit ausschließlich nur mit der Aufklärung ihrer Wirkung zu
beschäftigen. Sie brachte nämlich in den ersten Versuchen,
die wir. mit ihr anstellten, gleichzeitig ein Absinken der
Zucker- und der Acetonkörperausscheidung bis nahe an
die Normalwerte zustande. Von den bisher geprüften Substanzen
läßt keine eine ähnliche Wirkung wie die Glutarsäure erkennen,
so daß wir auf die vorangehenden Versuche gerade für diesen
Vergleich besonderen Wert legen.
betonen, dab Schlüsse, wie sie Borchardt und Lange über diesen Punkt
und auch über Zuckerbildung aus Isobuttersäure einzig und allein aus unseren
Versuchen gezogen haben, recht gewagt sind: wir haben selbst hervor-
gehoben (S. 105), daß zur Entscheidung der Frage der Zuckerbildung unsere
Versuche nicht geeignet sind. Jedenfalls möchten wir die Verantwortung
für solche Schlußfolgerungen ablehnen.
99 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch XI.
(rewicht des Hundes: 7400g. 1,5g Phlorizin täglich.
| Gesamt- L Oxybutter-
Tag | N et re säure Injizierte Substanz
| g g mg 8
2. | 6,32 18,5 | 387,6 1,547
3. 4.266 19,5 529,9 1,948
4. | 2,66 2,5 11,8 0 7g Glutarsäure mit ber.
| Menge NaHCO, in zwei
| Portionen zu je 100 cem
| injiziert.
Versuch XIV.
(Gewicht des Hundes: 7500g. 1,5g Phlorizin täglich.
| Gesamt- Oxybutter-
Tg | N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
8g g mg g
BR 18 288,6 1,785
3 8.05 | 11,4 323,8 2,732
4 Lat 108 106,0 0 10 g Glutarsäure mit ber.
| Menge NaHCO, sub-
cutan in zwei Portionen
zu je 75 cem injiziert.
Versuch XV.
Gewicht des Hundes: 5400g. 1,5& Phlorizin täglich.
| Gesamt- | | | Oxybutter-
Tg | N ee Injizierte Substanz
114 | } g u L: mg g AIR a TR bl
ee re = —
2, 431 | 119 217,4 0,7866
3. 851 | 20,5 431,2 4,316
4. 0,49 =ZıiD 117,6 0,07452 7 g Glutarsäure mit ber.
Menge NallCO, neu-
tralisiert in zwei Por-
tionen zu je 75 ccm
injiziert.
Bevor wir uns über die Wirkung der Glutarsäure Aufklärung
zu verschaffen suchten, war festzustellen, ob diese Eigenschaft nicht
auch anderen, leichter zugänglichen Homologen der Säure zukommt.
Au 2 Ve u
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 93
In Anbetracht der Resultate, die wir mit der Glutaminsäure
(Versuch XII) erhalten hatten, war von vornherein wenig wahr-
scheinlich, daß die eigentümliche Wirkung allein von der Anwesen-
heit der zwei Carboxylgruppen abhängt. Wir prüften den Einfluß der
Malonsäure, Bernsteinsäure und einer der vier theoretisch mög-
lichen Säuren mit fünf C-Atomen, der Brenzweinsäure (Methyl-
bernsteinsäure). Keine dieser Säuren zeigte eine ähnliche Wirkung.
Malonsäure.
Versuch XV1l
Gewicht des Hundes: 7000g. 1,3g Phlorizin täglich.
\ Gesamt- Oxybutter-
Tag N Aueker |. Aceton säure Injizierte Substanz
| 8 8 mg 8
2. 2.19 20,0 138,0 0,31
3. 6,44 16,5 305,7 1,65 |
4. 8,01 22,0 493,1 2,34 7g Malonsäure mit ent-
sprechender Menge
NaHCO, neutralisiert
D, 7,19 18,5 138,0 0,25 kein Phlorizin.
Irgend eine Beeinflussung der Acetonkörperausscheidung durch
die Malonsäure ist nicht vorhanden. Ebenso bleiben Zucker- und
N-Ausscheidung gänzlich unbeeinflußt.
Bernsteinsäure.
Versuch XVII
Gewicht des Hundes: 8000g. 1,3g Phlorizin täglich.
Gesamt- Oxybutter-
Tag N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
g g mg g
2. 6,58 15,5 59 0,15
d. 5,56 15,2 222 0,784
4. 4,32 16,7 212 0,23!) 11 g Bernsteinsäure mit
entsprechender Menge
NaHCO, neutralisiert
in zwei Portionen zu
je 75 ccm injiziert.
5. 4,00 6,0 123 |/, @icht | kein Phlorizin.
\ bestimmt)
!) Im sauren Ätherextrakt beim Eindunsten leicht kristallisierende
Substanz.
94 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch XVM.
Gewicht des Hundes: 9700g. 1,2g Phlorizin täglich.
| |
Gesamt- | Oxybutter-
.Tgı|i N ee Injizierte Substanz
| g g mg | 8
2. 10,32 28,5 411 0,55
3... „14:56 33,5 464 0,88
4. 11,01 34,5 740 1,37 10 g Bernsteinsäure mit
entsprechender Menge
NaHCO, neutralisiert
in 150 ccm Wasser in-
jiziert.
Im Versuch XVII ist eine Einwirkung auf die Acidose vor-
handen, im Versuch XVIII tritt sie bei der stärkeren Acidose des
Versuchstieres ganz zurück. Die Wirkung auf die Acetonkörper-
ausscheidung ist also bei der Bernsteinsäure eine schwache, eine
Wirkung auf die Zuckerausscheidung ist nicht zu erkennen.
Brenzweinsäure.
Versuch XIX.
Gewicht des Hundes: 12000 g. 1,3g Phlorizin täglich.
Gesamt- | Ele 1) cha ı Oxybutter- |
Tag N | ARE PROB säure Injizierte Substanz
g | g mg | g
2. 10,67 31,0 931,7 05 |
3. 10,74 98,5 305,7 1,25 |
4, 10,37 28,7 .| 2210 | 0,15!) 8,3 g Brenzweinsäure mit
berechneter Menge
| NaHCO, neutralisiert
| in 2 Portionen injiziert.
5. 7,77 250 | 310,6 0,19 | kein Phlorizin.
Der Einfluß der Brenzweinsäure auf die Acetonausscheidung
ist deutlich; wegen der Ausscheidung einer vielleicht rechtsdrehen-
den, ätherlöslichen, von uns nicht näher untersuchten Substanz ist
die wahre Größe der Oxybuttersäureausscheidung nicht sicher an-
zugeben. Auf Zucker- und Stickstoffausscheidung ist ein Einfluß
') Im Ätherextrakt eine kristallisierende Substanz.
2 A A ld u A a UN U UL
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. - 95
nicht vorhanden. Von den untersuchten Dicarbonsäuren besitzt
demnach keine eine der Glutarsäure ähnliche Wirkung.
Der Einfluß der Glutarsäure auf die Zuckerausscheidung konnte
auf verschiedene Weise zustande kommen. Es scheinen uns fol-
gende Erklärungsmöglichkeiten am nächsten zu liegen.
l. Die Säure wirkt direkt entgegengesetzt dem Phlorizin
selbst, neutralisiert es sozusagen, ähnlich wie ein Gegengift ein
Gift neutralisiert und unschädlich macht. Der Einfluß der Glutar-
säure wäre dann allein eine Folge dieser Wirkung.
2. Eine direkte Beeinflussung des Phlorizins selbst liegt nicht
vor; die Säure bewirkt eine Retention von harnfähigen Substanzen,
so daß nicht allein Zucker und Acetonkörper, sondern auch stick-
stoffhaltige Produkte im Organismus retiniert werden. Es würde
hierdurch auch das eigentümliche Verhalten des Stickstoffs und seine
extreme Retention (vgl. Versuch XIII u. XV) ihre Erklärung finden.
3. Es handelt sich um eine direkte Beeinflussung der Stoff-
wechselvorgänge, die infolge der Phlorizinvergiftung auftreten:
der Zuckerausscheidung und Acidose.
Alle diese Möglichkeiten sind einer experimentellen Prüfung
zugänglich.
1.
Würde es sich um eine direkte Beeinflussung des Phlorizins
durch die Glutarsäure handeln, so müßten gewisse quantitative Be-
ziehungen zwischen Gift und Gegengift zu erkennen sein: kleine
Phlorizindosen müßten schon durch geringere Säuremengen in
ihrer Wirkung unschädlich gemacht werden als große und um-
gekehrt. Vor allem war aber zu erwarten, daß Glutarsäuremengen,
die bei großen Phlorizindosen die Zuckerausscheidung zum Schwin-
den brachten, dieses erst recht bei kleinen Dosen vermochten.
Versuch XX.
Gewicht des Hundes: 10600 g. 0,5g Phlorizin täglich.
Harn- | Gesamt- Zack
Tag menge N aa Injizierte Substanz.
ccm g 8
9, | 1000 | 8,67 99,5
3. ' 1000 9,95 24,0
% 3 4,40 Glutarsäure mit be-
4. N Se 8,05 | a 13,25 rn Menge NaH00,
| ; t | in175 ccm Wasser injiz.
5. 1000 | 6,50 | 0 kein Phlorizin.
96 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch XXL
Gewicht des Hundes: 9500g. 0,3g Phlorizin täglich.
Harn- Gesamt- |
Tag menge 2 Zucker | Injizierte Substanz
ccm g g |
2. 1000 7,18 21,5
3 ı 1000 6,10 17,5
| 4,4 Glutarsäure mit be-
> S ) | 6 Re 5,41 | en 7,55 | rechn. Menge NaHCO,
?) i ? 27 in 75 cem injiziert.
5. 1000 2,79 0 kein Phlorizin.
In beiden Versuchen, in denen wir leider das Aceton nicht
quantitativ bestimmt haben, ist eine Einwirkung auf die Zucker-
ausscheidung unverkennbar. Viel weniger ausgesprochen ist der
Einfluß auf die Stickstoffausscheidung. Im Vergleich zu der Wir-
kung der Säure in den früheren Versuchen ist jedoch der Ein-
fluß gering: Während in den Versuchen XII bis XV durch je
7g und 105g Glutarsäure die Wirkung von 1,5 g Phlorizin auf-
gehoben wurde, konnten hier 4,4 g Säure nicht einmal die durch
0,5 oder 0,3g hervorgebrachte Zuckerausscheidung zum Schwinden
bringen.
Noch stärker tritt dieses Fehlen eines quantitativen Verhält-
nisses bei ganz kleinen Phlorizinmengen hervor.
Versuch XXI.
Gewicht des Hundes: 7000g. 0,1g Phlorizin täglich.
Tag ! es | u ı Zucker | Aceton Injizierte Substanz
ccm | & g Legal | Bi)
} 500 456 | 5,25 —
3. 600 4,92 7,5 —
4, 850 6,30 6,4 = 4,40 Glutarsäure mit be-
rechnet. Menge NaHCO,
neutralisiert.
Gewicht des Hundes: 8500 g.
Versuch
XXIIl.
0,1g P
hlorizin täglich.
Tag
> ww
s h .
Harn-
menge
cem
500
650
SO0
(sesamt-
N
Zucker
Injizierte Substanz
4,4 g Glutarsäure mit NaHCO, neutral.
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 97
In diesen Versuchen ist eine Wirkung auf die N - Ausschei-
dung überhaupt nicht mehr erkennbar, die auf die Zuckeraus-
scheidung gering; im Versuch XXII liegt sie noch innerhalb der
Fehlergrenzen.
Eine quantitative Beziehung zwischen der Größe der Zucker-
ausscheidung und der Wirkung der Glutarsäure ist aus den Ver-
suchen nicht zu erkennen. Die Betrachtung der Resultate ergibt
vielmehr das auffallende Ergebnis, daß, je stärker die Zucker-
ausscheidung und je schwerer die Stoffwechselstörung,
die sich in Acidose kundgibt, um so ausgesprochener die
Wirkung der Säure ist: Bei starker Acidose und hoher
Zuckerausscheidung nach großen Phlorizindosen völ-
liger Schwund des Zuckers und der Oxybuttersäure bei
starkem Absinken der Stickstoffausscheidung!). Inden Ver-
suchen XIV und XV sinkt die Zuckerausscheidung von je 12,49
und 20,5 g auf 0, im Versuch XIII von 19,5 g auf 2,5g, die Oxy-
buttersäure von 1,948g (Versuch XIII), 2,732 g (Versuch XIV) und
4,316g (Versuch XV) auf 0 bzw. 0,074 in Versuch XV. Bei ge-
ringer Acidose und starker Zuckerausscheidung nach mittleren
Phlorizindosen findet sich sehr deutliche, aber bei weitem nicht
so auffallende Wirkung auf die Zuckerausscheidung und noch
geringere auf die Stickstoffausscheidung (Versuche XX und XXI).
Bei ganz kleinen Phlorizindosen mit schwacher Glykosurie und
Fehlen einer nennenswerten Acidose ist die Wirkung ganz schwach
oder überhaupt nicht deutlich ausgesprochen (Versuche XXII und
XXHI und Versuche XXVII und XXV]J).
Die Vorstellung, daß es sich um eine Wirkung der Säure
auf das Phlorizin handeln könne, ist daher nicht haltbar. Gegen
eine solche spricht ferner die Wirksamkeit der Säure beim pan-
kreasdiabetischen Hund, Versuche, die wir nur erwähnen. Sie sollen
später in anderem Zusammenhange mitgeteilt werden.
2. \
Bis zu einem gewissen Grade sprechen die Resultate bei mitt-
leren und kleinen Phlorizingaben auch gegen den zweiten Er-
klärungsversuch, die Wirkung der Glutarsäure durch Retention
harnfähiger Substanzen zu deuten. Es würde hierbei das völlige
Versagen eines Einflusses bei leichterer Störung schwer verständ-
lich sein. Außerdem war, falls es sich um einfache Retention
!) Ähnliche Versuche siehe später: Versuche XXIV und XXV.
Beitr. z. chem, Physiologie, X. m
98 Julius Baer und Leon Blum,
handelte, am Nachtage eine vermehrte Ausscheidung der stickstoff-
haltigen Substanzen zu erwarten, da für diese Stoffe ‚ine andere
Verwertungs- oder Ausscheidungsmöglichkeit, die ja für Aceton-
körper und Zucker zugegeben werden muß, nicht in Betracht kommt.
Versuch XXIV.
Gewicht des Hundes: 5500g. 1,2g Phlorizin täglich.
| Gesamt- Oxybutter-
Tag | N Zucker | Aceton säure Injizierte Substanz
| g 8 mg g
2 6,54 10,5 400,5 1,95
a Re 18,5 710,9 2,44
Al . 9,00 8,5 44,1 0,27 8,8 & Glutarsäure
5. | 661 10,5 186,2 0,62 kein Phlorizin.
Versuch XXV.
(Gewicht des Hundes: 12000g (vgl. Versuch XIX). 1,3 g Phlorizin täglich.
Gesamt- Oxybutter-
Tag | N a säure Injizierte Substanz
a; PERBUL LTR 8 EEE ze
|
2. | 7,69 25,0 212,0 0,91
8. | 8897 24,0 | 468,0 2,03
4 | 2,67 <15 29,5 0,08 8,8 & Glutarsäure
Bi 7 14,81 7,8 59,17 0.26 kein Phlorizin.
In beiden Versuchen, vor allem in Versuch XXV, in denen
die Wirkung auf Stickstoff, Zucker und Acetonkörper deutlich
ausgesprochen ist, ist am Nachtage von einer kompensatorischen
Mehrausscheidung nichts zu erkennen. Es scheint vielmehr am
Nachtage noch die Wirkung der Glutarsäure anzudauern, wenn
wir die Zahlen im Versuch XXV mit denen des Versuches XIX
vergleichen, die beide an demselben Tiere mit den gleichen Phlo-
rizinmengen ausgeführt wurden. Die Ausscheidung von Stickstoff,
Zucker und Aceton ist nach der Glutarsäuredarreichung auch am
Nachtage erheblich verringert.
Es sind demnach keine Anhaltspunkte vorhanden, die uns
gestatten, die Glutarsäurewirkung als einfache Retention aufzu-
fassen.
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 99
3.
Es bliebe als dritte Möglichkeit ein Einfluß der Säure auf die
Stoffwechselvorgänge selbst übrig.
Zur Klarlegung dieser Wirkung auf die uns ja noch unbe-
kannten Vorgänge im intermediären Stoffwechsel wollen wir den
Einfluß der Säure auf die verschiedenen in Betracht kommenden
Prozesse prüfen.
Auf die Acetonkörperausscheidung wirkt die Glutarsäure ganz
ähnlich wie die Zufuhr einer größeren Menge Zucker. Für manche
der im vorhergehenden geprüften Substanzen, wie Alanin, Milch-
säure, ist ihr Einfluß auf die Acidose wahrscheinlich durch ihre
Beziehung zum Zucker zu erklären. Die gleiche Annahme kann
jedoch für die Glutarsäure schon wegen des Verhaltens der Zucker-
ausscheidung nicht gemacht werden. Zufuhr größerer Zucker-
mengen beim Phlorizindiabetes bringt nämlich eine Vermehrung
des Harnzuckers hervor, Zufuhr geringerer Mengen, die verbrannt
werden, auf alle Fälle keine Verminderung; es zeigte in den Ver-
suchen I bis XII von den untersuchten Substanzen keine eine
nennenswerte Beeinflussung der Glykosurie. Im Gegensatz hierzu
bewirkt die Glutarsäure ein starkes Herabgehen oder gar völligen
Schwund der Zuckerausscheidung.
Auch die sehr starke Stickstoffretention spricht nicht zugunsten
einer solchen Wirkung. Zufuhr von Zucker beim Hungertiere
führt wohl zu einer N-Retention, die aber keinen solchen Wert wie
in unseren Versuchen erreicht, namentlich wenn man die verhältnis-
mäßig geringen Mengen Säure in Betracht zieht.
Die Säure mußte daher in anderer Weise wirken. Einmal
konnte sie die Zuckerverbrennung selbst beeinflussen: Ihre
Gegenwart führt in uns noch unbekannter Weise zur Verbrennung
des Zuckers; dessen Oxydation würde dann sekundär das Schwin-
den der Acetonkörper zur Folge haben. Zur Erklärung der Stick-
stoffretention müßte man auf die oben schon erörterte Stickstoff-
ersparnis bei Zuckerzufuhr zurückgreifen, indem die Verbrennung
des im Organismus gebildeten Zuckers ähnlich beim Hunde wirkt
wie von außen zugeführter.
Gegen diese Annahme spricht jedoch der Ausfall der Versuche
mit mittleren und vor allem mit kleinen Phlorizingaben.
Vielmehr weist das Ergebnis dieser Versuche nach einer
anderen Richtung: Volle, sichere Wirkung der Glutarsäure war
in allen den Versuchen zu erkennen, in denen es sich um einen
7%
100 Julius Baer und Leon Blum,
schweren Diabetes handelte, während sie bei der leichten Form
ausblieb. Die Säure scheint daher gerade auf die Vorgänge zu
wirken, die beim schweren Diabetes mit dem Zuckerverlust ver-.
knüpft sind oder ihn bedingen. Beim schweren Diabetes darf
eine Zuckerbildung aus Eiweiß oder aus Eiweißspaltungsprodukten
als erwiesen gelten. In diesen Fällen besteht regelmäßig eine
schwere Acidose. Für den Phlorizindiabetes, der mit einer Acidose
einhergeht, ist dieser enge Zusammenhang zwischen Eiweißstoff-
wechsel und Acidose durch die Untersuchungen Baers erwiesen,
indem eine Acidose nur. dann zustande kommt, wenn Stickstoff-
defizit vorhanden ist, also Körpereiweiß zersetzt wird.
Im Hinblick auf diese Tatsachen drängt sich die Frage auf,
ob die Glutarsäure nicht gerade auf die Vorgänge wirkt, die eine
Zuckerbildung aus anderem Material als vorgebildeten Kohle-
hydraten, also aus Eiweiß, vielleicht auch Fetten, und in inniger
Verbindung damit eine Acidose zur Folge haben.
Beweise für einen solchen Einfluß ließen sich in der Tat er-
bringen.
Der beim phlorizinvergifteten Hungerhunde in größeren Mengen
ausgeschiedene Zucker kann außer dem vorgebildeten Glykogen
dem Eiweiß oder Fett entstammen. Für eine Zuckerbildung aus
Fett im tierischen Organismus liegen überzeugende Tatsachen zur-
zeit nicht vor.
Wahrscheinlich ist es, daß auch im Hunger und bei Glykosurie
dauernd eine geringe Neubildung von Glykogen stattfindet. Bei
leichter Phlorizinvergiftung mit geringer Zuckerausscheidung mag
das im Organismus aufgespeicherte und das ständig neugebildete
Glykogen ausreichen, um die Zuckerabgabe zu bestreiten. Nach
den Resultaten der Versuche mit kleinen Phlorizindosen scheint
auf den letzten Prozeß die Glutarsäure keine Wirkung auszuüben.
Ist dagegen die Zuckerausscheidung sehr stark, so daß Glykogen-
vorrat und neugebildetes Glykogen nicht ausreichen, so wird
der Organismus gezwungen, anderes Material zur Bildung von
Zucker heranzuziehen. Auf diese Vorgänge konnte die Glutarsäure
einwirken.
Die Richtigkeit dieser Erwägung war dadurch zu erweisen,
daß wir Hunde mit geringer Glykosurie, bei der sie unter
gewöhnlichen Verhältnissen Reste ihres Glykogenvorrates besitzen
oder noch Glykogen bilden können, durch andere Eingriffe gly-
kogenfrei machten, also indem wir in bezug auf die Zucker-
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 101
bildung ähnliche Bedingungen herstellten, wie sonst bei starker
Glykosurie.
Wir wählten hierzu das Arbeiten an der Tretmaschine; nach
den Untersuchungen von Bendix!) gelingt es, auf diese Weise bei
Tieren annähernd völligen Schwund des Glykogens zu erzielen.
Wir führten unter sonst absolut gleichen Bedingungen die
Versuche an denselben Hunden mit und ohne Treten aus, so daß
auf diese Weise individuelle Verschiedenheiten und andere Ver-
suchsfehler ausgeschaltet waren.
Versuch XXVl
Derselbe Hund wie in Versuch XX. 0,2g Phlorizin täglich.
Harn- X
Tag menge ae Auer Injizierte Substanz
g g g
| Vor Beginn des Versuches
2, 500 4,24 4,5 t zwei Stunden gelaufen,
| sonst ruhig im Käfig
3. 400 3,98 5,0
4. a) 320 3,20 | 5,70 | 4,8 4,4 Glutarsäure
b) 450 240). <05
Am Nachtage kein Zucker.
Versuch XXVL.
Derselbe Hund. 0,2g Phlorizin täglich.
Harn-
re Gesamt-N Zuckeı Injizierte Substanz
g g 8
? f 92g Phlorizin
1 800 5,82 6,43 \ 1'/, Stunden gelaufen
e j 092g Phlorizin
2 700 5,22 ._ \ 1% Stunden gelaufen
0,2g Phlorizin
7 5,42 BE
>. | 700 3,4 > \ 1%, Stunden gelaufen
a as Be 0 | 0,25 Phlorizin
. | 5.46 35 Minuten gelaufen
b) | 250 2.00 | | 0 | 6,6 & Glutarsäure
Am Nachtage kein Zucker.
!) Zeitschr. f. physiol. Chem. 32, 479.
102 Julius Baer und Leon Blum,
Versuch XXVII.
Derselbe Hund. 0,2g Phlorizin täglich.
' Harn- a
Tag | menge Gesamt-.N Zucker Injizierte Substanz
| 8 g g
1 \ 500 5,81 6,65 0,2 Phlorizin
2. 500 4,54 7,95 ;
3; 500 5,19 10,0 »
4.a) |. 150 0,84 | [| 31
b) , 500 3,51 ) 4,78 - 4,35 7 8,98 6,6 & Glutarsäure
0) | 7009 | 048] UERT |
Genau das gleiche Ergebnis ergaben analoge Versuche an
einem zweiten Hunde.
Versuch XXIX.
Gewicht des Hundes: 8600 g. 0,2g Phlorizin täglich.
| Harn- er ie jur
Tag ı menge N nl een Injizierte Substanz
I g g Legal
0,2g Phlorizin
1'/, Stunden gelaufen
0,2g Phlorizin
2x1 Stunde gelaufen
0,2g Phlorizin
1'/, Stunden gelaufen
1'/, ” ”
0,25g Phlorizin
/, Stunden gelaufen
6,6 & Glutarsäure
»/, Std. nach dem Kathe-
terisieren injiziert
u. he 200. Ian Le
|
DD
>
(es)
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KS>
nn
©
9,04
4.a) | 300 DE | 1,85) A
2,174 1,35
b) 250 1,40 | | 0 | —
Am Nachtage kein Zucker.
Versuch XXX.
Derselbe Hund. 0,2g Phlorizin täglich.
o
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fer
J—— ——— m \ sum \emm m N.
Harn- | Gesamt- Zuc] Aus
Tag menge N Fakiasız in Injizierte Substanz
X 4 g Legal
1. 510 | 286 | 65 BE
9, 500 8831 | 655 he
3. 500 3,87 75 | Spur?
4. 900 3,29 63 0 | 6,6 g Glutarsäure
') Mindestens '/, verloren gegangen. Die Urine waren stets mit Wasser
aufgefüllt.
N 7 \
Einwirkung chemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung usw. 103
In beiden Versuchsreihen war die Glutarsäure imstande, die
bei den glykogenfreien Tieren nach Phlorizindarreichung auf-
getretene Glykosurie zum Schwinden oder wenigstens fast zum
Schwinden zu bringen, während sie gegen ebenso starke Zucker-
ausscheidung bei denselben nicht glykogenfreien Tieren in
gleicher Dosis sich beinahe oder ganz unwirksam erwies.
Durch diese Versuche findet das scheinbar paradoxe Verhalten
der Säure bei starker und schwacher Glykosurie seine Aufklärung:
Die Wirkung der Säure erstreckt sich nicht auf die Aus-
scheidung von vorgebildetem Zucker, sondern auf die
Bildung von Zucker aus anderem Material als Kohle-
hydraten. Die Verhältnisse, unter denen eine solche auftritt,
haben wir oben erörtert und dargelegt, daß sich unter diesen Be-
dingungen eine Acidose einstellt. Da es sich bei der Wirkung
‚der Glutarsäure auf die Zuckerbildung und die Acidose wohl um
den gleichen Vorgang handeln dürfte, erscheint es nach dem, was
wir oben erörtert haben, wahrscheinlich, daß in diesem Fall nicht
eine sekundäre Oxydation die Verbrennung der Acetonkörper be-
dingt, sondern daß sie verbrannt werden oder nicht entstehen, weil
eine Kohlehydratbildung aus „fremdem“ Material verhindert wird.
Mit diesen Darlegungen stehen die in nachfolgender Arbeit
mitgeteilten Ergebnisse von Marum in Einklang. Die Leber und
Muskeln von Hunden, die starke Acidose nach Phlorizinvergiftung
zeigten, waren glykogenfrei, während die Organe von Tieren ohne
oder ohne erhebliche Acidose noch Glykogen enthielten; es reichen
also bei Acidose die Glykogenvorräte nicht aus, um die ganze
Zuckerausscheidung zu erklären !).
Bei der Erörterung der Frage, an welchem Punkte die
Wirkung der Glutarsäure einsetzt, müssen wir auf eine Frage
eingehen, die wir bereits mehrfach gestreift haben. Entsteht der
Zucker, der beim schweren Phlorizindiabetes zur Ausscheidung
gelangt, auch normalerweise im Organismus und wird verbrannt,
oder findet nach schwerer Phlorizinvergiftung Zuckerbildung in
höherem Maße oder aus anderem Material als unter normalen Ver-
hältnissen statt?
Im ersten Falle müßten wir annehmen, daß die Glutarsäure
die normale Zuckerbildung hemmt, im zweiten Falle würde es
sich um die Einschränkung bzw. Aufhebung eines pathologischen
Vorganges handeln, eine Annahme, die wir im vorhergehenden
') Vgl. Baer, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 54, 153.
104 Julius Baer und Leon Blum, Einwirkung chemischer Substanzen usw.
mehrfach gemacht haben. Gegen die erste Auffassung scheinen uns
die Versuche mit mittleren und geringen Phlorizindosen einiger-
maßen zu sprechen, bei denen die Wirkung de: Glutarsäure schwächer
ist oder ganz fehlt und sich auch nicht auf die Stickstoffausscheidung
erstreckt. Besonders die extreme Stickstoffretention scheint uns im
Sinne der zweiten Annahme der Aufhebung eines pathologischen
Vorganges zu sprechen, wenngleich zugegeben werden muß, daß
die Deutung dieser Retention als Folge einer besseren Ernährung
bei stark erschöpften Tieren nicht absolut ausgeschlossen werden
kann. ’
Jedenfalls muß aber die Glutarsäure, wie wir hier nochmals
betonen, auf die Zuckerbildung aus anderem Material wirken,
denn nach der Auffassung der Phlorizinglykosurie als Nieren-
diabetes, die jetzt als die wahrscheinlichste gelten darf, müßte der
Zucker, falls er bereits gebildet wäre, zur Ausscheidung gelangen.
Die Herabsetzung der Acidose würde dann durch Verbrennung der
Vorstufen des Zuckers zu erklären sein, oder, was nach dem Ver-
halten der N-Zahlen wahrscheinlicher ist, dadurch, daß diese Vor-
stufen durch Zerfall von Körpersubstanz überhaupt nicht gebildet
werden.
Auf die Schlüsse, die sich aus den so gewonnenen Tatsachen
noch weiterhin ziehen lassen, werden wir bei der Veröffentlichun
neuer experimenteller Untersuchungen, vor allem am Menschen und
pankreaslosen Hunde, zurückkommen.
y.
Über die Beziehungen zwischen dem Glykogengehalt
der Organe und der Acidose beim Phlorizindiabetes.
Von Dr. Artur Marum.
Aus der medizinischen Klinik zu Straßburg (Prof. v. Krehl).
Vermehrte Ausscheidung von Acetonkörpern tritt beim Men-
schen bereits nach Kohlehydratkarenz oder kurz dauerndem Hunger
auf, zu einer Zeit, da sicherlich noch große Glykogenmengen
in den Organen enthalten sind. Beim Hund dagegen stellt sich
diese Stoffwechselstörung erst nach bedeutendem Zuckerverlust ein
und zwar am sichersten bei starker Phlorizinglykosurie im Hunger.
Die Frage, ob überhaupt Beziehungen zwischen Glykogenreichtum
der Organe und Acidose bestehen, schien darum leichter für den
Hund zu lösen als für den gegen Kohlehydratmangel so viel
empfindlicheren Menschen.
Von verschiedenen Autoren wurde bei Phlorizindiabetes Gly-
kogen in den Organen nachgewiesen. Doch wurde in diesen Ver-
suchen nie darauf geachtet, ob zugleich eine Acidose bestand; auch
die Versuchsanordnung gibt darüber keine sicheren Anhaltspunkte.
Ich führe einige Beispiele aus v. Merings!) Versuchen an:
1. Hund von 11 kg, hungert zwei Tage, erhält dann 11 g Phlorizin per os.
Am sechsten Hungertage, nachdem das Tier 390 ccm Harn mit 10,2 Proz.
Zucker (=40g) entleert hatte, wurde es getötet. Die Leber, welche 225g
wog, enthielt 0,53 Proz., die Muskeln 0,35 Proz. Glykogen. Die Glykogen-
bestimmungen wurden nach der Methode von Külz ausgeführt.
2. Ein 17 kg schwerer Hund erhält nach zweitägigem Fasten 17 g
Phlorizin und entleert hierauf 49 Zucker. Am sechsten Hungertage wog
die Leber 350g und enthielt 0,045 Proz. Glykogen; der Glykogengehalt der
Muskeln betrug 0,45 Proz.
') Arch. f. klin. Medizin 14 und 16.
106 Artur Marum,
Külz und Wright!) haben zahlreiche Glykogenbestimmungen
an hungernden Tieren mit Phlorizindiabetes geniacht. Als Beispiel
aus ihren Versuchen sei der folgende angeführt:
Ein fünf Monate alter Hund hungert vier Tage, erhält dann 12 g Phlorizin
per os. Am siebenten Hungertage erhält er abermals 12g Phlorizin per os.
Am zehnten Tage wurde er getötet. In 110g Leber wurde 1,55 Proz. Gly-
kogen gefunden. Die Muskulatur der linken Körperhälfte enthielt ebenfalls
noch Glykogen. Der prozentische Gehalt betrug bei einer Lösung von
500 cem 0,3563 Proz.
v. Mering gab seinen Tieren nur eine einmalige Dosis
Phlorizin per os und tötete sie erst, nachdem sie noch eine Reihe
von Tagen weiter gehungert hatten. Auch KülZ und Wright
gaben ihren Hunden Phlorizin in größeren Intervallen per os oder
bisweilen auch subeutan und ließen vor deren Tode dann noch eine
längere Hungerperiode folgen. Gründe, warum es auf diese Weise
nicht gelingen konnte, die Tiere glykogenfrei zu machen, werden
wir in unseren Versuchen noch kennen lernen. Über den Punkt,
der uns hier besonders interessiert, ob bei diesen Tieren eine Aci-
dose bestand, finden sich, wie erwähnt, bei keinem Autor Angaben.
Uns erschien diese Frage von folgenden Gesichtspunkten aus
wichtig: Fand sich noch ein Glykogenrest vor, so konnte der ge-
samte ausgeschiedene Zucker entweder aus aufgespeichertem Gly-
kogen stammen, oder die regelmäßige Glykogen - (Zucker-) Bildung
aus anderem Material, Glukoneogenie nach Cremer, war so stark,
daß nicht aller Zucker infolge der Phlorizinvergiftung ausgeschieden
wurde, sondern noch geringe Mengen als Glykogen zur Ablagerung
kamen. Fand sich dagegen kein Glykogenrest mehr, so war die
Zuckerausscheidung nicht allein auf Kosten vorgebildeten Glykogens
erfolgt, sondern es war auf alle Fälle zunächt Zucker aus anderem
Material gebildet worden. Es wurde hierbei aber kein Überschuß
von Zucker, der als Glykogen aufgespeichert werden konnte, pro-
duziert. Wie die eben zitierten Arbeiten zeigen, ist durch die
Phlorizinvergiftung an sich die Aufspeicherung von Glykogen jeden-
falls nicht gehindert, wenigstens solange keine Fettleber?) besteht.
Baer?) führt die Tatsache, daß regelmäßig nur durch starke
Phlorizinvergiftung eine Acidose herbeigeführt wird, bei geringen
Phlorizindosen dagegen öfters fehlt, auf eine derartige relative
Insuffizienz der Zuckerbildung zurück. Darnach hätten wir also
') Zeitschr. f. Biologie 27 (1890).
») Rosenfeld, Zeitschr. f. klin. Medizin 28 (1895).
°) Arch. f. experiment. Pathologie u. Pharmakologie 54.
= Ba}
Beziehungen zwischen dem Glykogengehalt der Organe usw. 107
bei Hunden mit Acidose regelmäßig Fehlen von Glykogenresten
zu erwarten, bei Vergiftung ohne Acidose konnten sich dagegen
noch Glykogenmengen finden, die entweder aus dem alten Gly-
kogen, d. h. dem ursprünglich aufgespeicherten stammten, oder
während des Versuches aus Zucker gebildet wurden, der über die
ausgeschiedene Menge hinaus im Körper entstand.
In der Tat konnte ich in keinem Falle, in dem es zu
einer starken Ausscheidung von Aceton gekommen war,
auch nur Spuren von Glykogen nachweisen.
Die Versuchsanordnung war folgende:
Nachdem das Tier drei Tage gehungert hatte, erhielt es täglich bis zu
seiner Tötung, die durch Schlag auf den Kopf erfolgte, subcutan eine be-
stimmte Menge Phlorizin in alkoholisch-wässeriger Lösung. Dann wurden
sofort die Organe, Leber und Muskeln (des Oberschenkels), oft auch Nieren,
genau nach den Vorschriften Pflügers!) auf ihren Gehalt an Glykogen
untersucht. Der spontan gelassene Urin der Tiere wurde unter Toluol auf-
gefangen, Zucker und Aceton, häufig auch der Stickstoffgehalt quantitativ
bestimmt. Von der Bestimmung der 8-Oxybuttersäure wurde aus äußeren
Gründen Abstand genommen.
Versuch I. Hund 6 kg, drei Tage hungernd, erhält dann drei Tage hinter-
einander, stets zu derselben Zeit, 0,5& Phlorizin subeutan. In diesen drei
Tagen schied er aus:
Blase... ...,. . 10,15g Zucker 0,45 & Aceton
Se 10,9 e 0,74 5
2 MP 14,9 2 1.10 "
Das Tier wurde am 4. Tage getötet, 50& Leber und 50g Muskel ver-
arbeitet. Die Mengen wurden geteilt, so daß ich je zwei Bestimmungen zu
25g hatte. Zum Schluß erhielt ich in allen Bestimmungen 100 cem Lösung.
Mit Fehlingscher Lösung wurde auf das Vorhandensein von Traubenzucker
geprüft. Reduktion trat nicht ein.
Versuch II. Hund 16kg, drei Tage hungernd, erhält dann vier Tage
lang je 3g Phlorizin subcutan. Er schied aus:
Balager ..0.)%.. 185g Zucker 0,14% Aceton
0 er IE 26,5 h 0,07 .
5 ae 30,9 2 0,04 ®
er 1 17 3.0 1 5 35,5 e 0,06 5
Am 5. Tage wurde er getötet, Verarbeitung der Organe wie oben. Der
nach dem Tode aus der Blase entnommene Urin enthielt beträchtliche Mengen
Zucker und Aceton. Es wurden 30g Leber und 30g Muskel zu je einer
Bestimmung verwendet. Das Volum der Endlösung betrug 100 cem; sie
reduzierte nicht Fehlingsche Lösung. Hier enthielten also die Organe
trotz der geringen Acetonausscheidung ebenfalls kein Glykogen.
') E. Pflüger, Das Glykogen, Bonn 1905.
108 Artur Marum,
Versuch III. Hund 11 kg schwer, erhielt nach dreitägigem Hungern
am 4. Tage abends 3g Phlorizin. Am 6. Tage nochmalige Injektion von
3g Phlorizin. Der Hund schied aus:
Am 2. Tage 700, 8,6g Zucker 0,18& Aceton 3,23 g N
u. m 6 Tape. a 0,39 ” > BA
Am 7. Tage wurde er getötet. 50g Muskel, 50g Leber, 23g Nieren
wurden verarbeitet. Das Volum der Endlösungen betrug für die Leber und
Muskelbestimmungen je 200 cem, für die Nieren 150 cem. Fehlingsche
Lösung wurde nicht reduziert.
Versuch IV. Hund 6kg schwer, erhält nach dreitägigem Hunger am
Abend des 3. Tages 2g Phlorizin. Am folgenden Tage kein Urin; er erhielt
erst am Morgen des 5. Tages abermals 2g Phlorizin, ebenso am Morgen des
6. Tages. Er schied aus:
Am 4..Bie 5. Daoa 10% 21,9g Zucker 0,l1l1g Aceton 839g N
® ER END CH 7,23 R 0,53 5 Pe N
Am 7.Tage wurde er getötet. 50g Muskel, 50 g Leber verarbeitet. Die
Lösungen betrugen für Leber je 250 ccm, für Muskel 300 cem. Auch hier
trat keine Reduktion der Fehlingschen Lösung ein.
Versuch V. Hund 8,7 kg, drei Tage Hunger, am 4. Tage 3g Phlorizin
subeutan, ebenso am folgenden Tage. Er schied aus:
Am AND. san 22,40 Zucker 0,12g Aceton 92gN
IB a 20,8 5 0,27 s 6,24 „
Am 6. Tage wurde er getötet. 50g Muskel, 50g Leber, 50g Nieren
wurden verarbeitet. Die Lösungen für Leber und Muskel betrugen je’
200 cem, für Niere 160 cem. Keine Reduktion.
Ich möchte auf diesen Versuch ganz besonders hinweisen,
da sich hier nach nur zweitägiger Zuckerausscheidung und Acidose
die Organe bereits frei von Glykogen erwiesen.
Versuch VI. Hund 6,8kg, drei Tage Hunger, am 4. Tage 3g Phlorizin,
ebenso an den beiden folgenden Tagen. Er schied aus:
A Tage 19,53 g Zucker 0,03 g Aceton 3,44 a N
De 19,5 5 0,08 5 742°
Ir ee Es nn 1 re 22,9 A 0,11 e 8.70.
Er wurde am 7. Tage getötet. Verarbeitet 50 Muskel, 50g Leber.
Die Lösungen betrugen für Leber je 200 ccm, für Muskel je 250 ccm; keine
Reduktion der Fehlingschen Lösung.
Versuch VII. Hund 10kg schwer, drei Tage Hunger, er erhält dann
drei Tage lang täglich je 3g Phlorizin, hungert dann noch sieben Tage ohne
Darreichung von Phlorizin. Zum Schluß war die Legalsche Reaktion im
Urin nur noch sehr schwach. Er schied aus:
Am 4. Tage . . . . . 29,54g Zucker 0,13 g Aceton Y13gN
BIETET 18,6 2 0,18 z 6,28 „
B.: Pe Mar WE R 0,88 5 18,32 „
F.3 ir Das kr 32,12 £ 0,55 5 10,04 „
Bi li A ee » 0,16 3 965 „
Beziehungen zwischen dem Glykogengehalt der Organe usw. 109
Bes rase,. ...:.'. 24,5 & Zucker 0,23g Aceton 73T EN
Be... Zucker nicht bestimmt 0,17 “ 10:53.0,
2 24,49 Zucker 0,12 " 8,330.
N 19,9 A 0,09 - 1.800,
BEER en... 16,62 e 0,06 5 90 4
Am folgenden Tage wurde das Tier getötet. 50& Muskel, 50 Leber,
19g Niere wurden verarbeitet. Das Volum der Endlösungen betrug für
Leber, eine Glykogenbestimmung im Muskel und in der Niere 150 cem, für
die andere Bestimmung im Muskel nur 100ccem. Reduktion fehlte in allen
Proben. In diesem Versuche trat trotz des Nachlassens der Acidose keine
Neubildung von Glykogen in dem Organismus des Tieres ein, allerdings be-
stand noch zum Schluß eine beträchtliche Zuckerausscheidung, auch die
Acetonmengen waren noch nicht vollständig zur Norm zurückgekehrt.
Versuch VIII. Hund, 7kg schwer, drei Tage Hunger; je 2g Phlorizin
während drei Tagen, weitere drei Tage Hunger, bis keine Legalsche Reak-
tion mehr im Urin vorhanden ist. Er schied aus:
ars... .. 42,62 Zucker 0,16g Aceton 15,1 N
2 EX 0,21 ? 818 „
1 a DO 6,88 „
Be ..,. ee 0,20 { Ag
2 Te ae Mel
nr ...., Den 0,01 N 455 „
Am 10. Tage wurde der Hund getötet. In der Blase fand sich etwas
Urin, der schwache Reduktion nach Trommer und Nylander ergab.
Kein Legal. 50g Leber, 50g Muskel, 16g Niere wurden verarbeitet. Das
Lösungsvolum für die Leber- und eine Muskelbestimmung betrugen 250 ccm,
für die andere Muskelbestimmung 300 cem, für die Niere 150 cem. Die
Lösungen aus Muskel und Niere (schwach sauer), auf 100cem eingedampft,
ergaben keine Reduktion. Die Leber reduzierte deutlich Fehlingsche
Lösung; stärkere Reduktion nach Eindampfen auf 62 cem.
Dieser Versuch zeigt, daß im hungernden Organismus nach Schwinden
der Acidose und einer stärkeren Zuckerausscheidung Glykogen neugebildet
werden kann, wie Cremer!) bereits annahm. Denn um Restglykogen konnte
es sich nach den vorhergehenden Versuchen nicht handeln, da vor der
letzten Hungerperiode eine starke Zuckerausscheidung mit Acidose bestanden
hatte, somit das Tier zu dieser Zeit vollkommen glykogenfrei war.
In einigen Versuchen wurden hungernden Hunden geringe
Mengen Phlorizin gegeben, so daß zwar Glykosurie, jedoch keine
durch Legalsche Reaktion wahrnehmbare Acetonurie eintrat. In
diesen Fällen konnten immer, wenn auch nur geringe, Mengen von
Glykogen nachgewiesen werden. (Eine Ausnahme bildet vielleicht
nur Versuch II. Es kommt hier nicht zu einer so intensiven
Störung durch die Glykosurie, daß aller im Organismus als Glykogen
aufgespeicherte und auch der intermediär gebildete Zucker sofort
!) Cremer in Asher und Spiro, Ergebnisse der Physiologie 1.
110 Artur Marum, Beziehungen zwischen dem Glykogengehalt d. Organe usw.
vollständig ausgeschieden wird, wie beim Phlorizindiabetes mit
starker Acidose. \
Versuch IX. Hund, 6kg schwer, drei Tage Hunger, dann vier Tage
0,5& Phlorizin, N-Bestimmungen wurden hier nicht gemacht. Der Hund
schied aus:
Am. hie’B: Tapes. ul 39,25 g Zucker 0,01 & Aceton
n Dal age Yacr ERS Nr 15,55 e 0,02 ®
. ee kat, 12,15 - 0,01 5
Am 8. Tage wurde er getötet. In der Blase fand sich etwas zucker-
haltiger Urin, der keine Legalsche Reaktion ergab. 50g Leber, 50 g
Muskeln, 22'/,& Nieren wurden verarbeitet. Schließlich erhaltene Lösungen:
für Leber, Muskeln und Nieren 100 ccm. Die Lösung aus Leber und Muskeln
reduzierte Fehlingesche Lösung. Polarimetrisch war die Menge des Zuckers
nicht festzustellen. Mit Knappscher Lösung titriert ergab sich ein Gehalt
von weniger als '/, Prom.
Versuch X. Hund 8kg, drei Tage Hunger, dann vier Tage 0,5g
Phlorizin. Da die Legalsche Reaktion stets negativ ausfiel, wurden keine
quantitativen Acetonbestimmungen gemacht (bis auf eine zur Kontrolle).
Es wurden ausgeschieden:
Au Aa. 7,05& Zucker 5,96 & N
„ir, Kemer
u 29 TE PET 10,5 5 5,15.
iR 7 a N a 11,87 > 4,44 „ (0,03g Aceton)
Am 7. Tage wurde der Hund getötet. Verarbeitet wurden 50g Leber,
50g Muskeln. Erhaltene Lösungen: Muskeln je 400 cem, Leber 350 cem. Die
Muskelauszüge auf 50cem eingedampft ergaben keine Reduktion; die Leber-
lösung zeigte eine rötliche Trübung der Fehlingschen Lösung, quantitativ
war jedoch die Menge Zucker nicht bestimmbar.
Es ist also gelungen, durch große Phlorizindosen, die eine
starke Acidose mit beträchtlicher Zuckerausscheidung beim Hunger-
tiere hervorrufen, das Tier in kurzer Zeit glykogenfrei zu machen.
Für die Beurteilung des Glykogenbestandes bildet unter diesen
Umständen der Ausfall der Legalschen Reaktion im Harn einen
guten Indikator. Fällt sie stark aus, so ist das Tier glykogenfrei,
im anderen Fall können sich noch Reste von Glykogen finden.
De EEE
EEE NEN EEE EURE ER
VI.
Abbau und Konstitution des Histidins.
Von Franz Knoop.
Aus der medizinischen Abteilung des chemischen Universitätslaboratoriums
zu Freiburg i. B.
Durch den Nachweis der Identität einer synthetischen Imid-
azolpropionsäure mit einem Reduktionsprodukt des Oxydesamino-
histidins glaubten Windaus und ich die Frage nach der Kon-
stitution des Histidins bis auf die Stellung der Aminogruppe
erledigt zu haben!). Das Zwingende unserer Beweisführung scheint
indessen nicht überall erkannt zu sein, und das mag in der Ab-
gelegenheit des ganzen, wenig bearbeiteten Gebietes der Imidazol-
chemie seinen Grund haben. So glaubte Fränkel?) eine Anzahl
von Gründen anführen zu können, die gegen die von uns bewiesene
Formel sprechen sollten. Wenn wir die von ihm vorgebrachten
Bedenken nun auch sämtlich als gegenstandslos haben abweisen
können), so war doch jedem weiteren Einwande am einfachsten
dadurch zu begegnen, daß durch Abbau des Histidins weitere
Anhaltspunkte für seinen Imidazolcharakter beschafft wurden. Es
hätte ja möglicherweise bei unserer Verarbeitung des Histidins
unter den gewählten Bedingungen (konzentrierter Jodwasserstoff
bei 150° im Rohr) eine Umlagerung des Histidinkernsystems
eintreten, oder bei der Synthese der Imidazolpropionsäure ein
Ringschluß atypisch erfolgen können, zwei Einwände, die weder
von uns noch auch von Fränkel diskutiert worden sind. Viel-
leicht hat aber Hammarsten an solche Möglichkeiten gedacht,
!) Diese Beiträge 7, 143 (1905).
”) Ebenda 8, 156 (1906).
») Ebenda 8, 407 (1906).
112 Franz Knoop,
als er in der neuen Auflage seines Lehrbuches!) unsere Beweis-
führung als durch die Fränkelsche Arbeit erschüttert bezeichnete.
Der erste Einwand erledigt sich dadurch, daß Fränkel unter
weniger eingreifenden Bedingungen einen Körper darstellen konnte,
der sich bei unserer Nachprüfung als die gleiche, nur ungenügend
gereinigte Imidazolpropionsäure erkennen ließ. Fränkel hatte
dabei mit Salzsäure und Alkalinitrit eine Chlorhistincarbonsäure
gewonnen, in der er durch Kochen mit Zinkstaub und Wasser das
Chloratom durch Wasserstoff ersetzte. — Für die Imidazolnatur des
identischen synthetischen Produktes sprach das ganze Verhalten
der Substanz; ein spezieller Beweis wurde nicht erbracht, da gar
kein Grund vorlag, an dem normalen Verlaufe der Imidazolsynthese
in diesem Falle zu zweifeln.
Die nachfolgenden Versuche haben nun in einwaändfreier
Weise die Konstitution des Histidins als die eines Imidazolalanins
dargetan. Es gelang nacheinander ein, zwei und drei Kohlenstoff-
atome abzubauen und so schließlich freies Imidazol aus dem
Histidin darzustellen. |
Bei diesen Operationen, die sämtlich am Oxydesaminohistidin
angestellt wurden, bedurfte es zunächst vieler Versuche, bis ein
geeignetes Oxydationsreagens ausfindig gemacht war. Alkalische
Oxydationsmittel greifen leicht den Kern an, Permanganat und
Wasserstoffsuperoxyd sprengen den Ring, Halogene wie Bromlauge
substituieren ihn. In saurer Lösung dagegen greift Wasserstoff-
superoxyd gar nicht an, während Permanganat z. B. aus Methylimid-
azol in schwefelsaurer Lösung schon in der Kälte Essigsäure und
Ammoniak abspaltet, also den Kern zerstört. Zwanzigstündiges
Kochen mit überschüssigem Bleisuperoxyd und Schwefelsäure
führte zu keinem nennenswerten Angriff; Oxydesaminohistidin
konnte fast quantitativ zurückgewonnen werden, ein Befund, der
mich vorübergehend an der noch unbewiesenen «&-Stellung der
Aminogruppe zweifeln ließ. Von sauren Oxydationsmitteln hatte
bei Imidazolderivaten die Chromsäure Pinner im Laufe seiner
Untersuchungen über die Konstitution des Pilocarpins gute Dienste
geleistet. Hier ließen sich nach der Oxydation des Oxydesamino-
histidins außer Oxalsäure nur ganz geringe Mengen einer bei 174°
schmelzenden, in feinen farblosen Nadeln kristallisierenden, alkohol-
löslichen Substanz isolieren, die nicht zur Analyse ausreichten.
Selbst Zusatz der berechneten Menge Phosphorsäure, um nach
') Hammarsten, Lehrbuch’d. physiol. Chemie. 6. Aufl. 8. 777.
Abbau und Konstitution des Histidins. 113
Pinner das Chrom nicht als freies Hydroxyd, sondern als Phos-
phat auszufällen, führte zu keinem besseren Ergebnis.
Von einer Verwendung der Salpetersäure hatte ich mich zunächst
durch einen Versuch Fränkels!) abhalten lassen, der beim Kochen
mit verdünnter Salpetersäure nur unverändertes Histidinnitrat isolieren
konnte. Indes führte mich dieses Oxydationsmittel doch schließ-
lich zum Ziel. Es gelang, in kleiner Menge eine Säure zu iso-
lieren, die nach den Analysenzahlen, sowie nach dem Stickstoff-
gehalt eines Oxims Imidazolglyoxylsäure war.
Diese Säure mußte, wenn die angenommene Struktur richtig
war, als «-Ketonsäure nach einer Reaktion von Hollemann?) mit
Wasserstoffsuperoxyd in saurer Lösung die nächst niedere Säure,
also eine Imidazolmonocarbonsäure liefern. Gerade bei den ana-
logen Phenyl- und Thiophenderivaten, der Phenylglyoxylsäure und
der Thienylglyoxylsäure war diese Reaktion glatt verlaufen, und
da Wasserstoffsuperoxyd in saurer Lösung den Imidazolkern nicht
angreift, so konnte eine quantitative Bildung der bisher unbekannten
Imidazolmonocarbonsäure erwartet und zugleich als beweisend für
die Konstitution der Imidazolglyoxylsäure betrachtet werden. In
der Tat verlief die Reaktion auch hier quantitativ, und die er-
haltene Säure erwies sich überdies mit einer aus Weinsäure über
die Dinitroweinsäure und die Imidazoldicarbonsäure synthetisch
dargestellten Imidazolmonocarbonsäure als identisch. Die gleiche
Säure fand sich später auch direkt in dem Salpetersäure-Oxydations-
gemisch.
Nachdem auf diese Weise nacheinander zwei Kohlenstoffatome
aboxydiert waren, gelang die Abspaltung des dritten durch Er-
hitzen der Imidazolcarbonsäure über ihren Schmelzpunkt, und so
konnte aus dem Histidin schließlich freies Imidazol dargestellt
werden, das alle Eigenschaften eines synthetischen, aus Glyoxal
gewonnenen Produktes zeigte.
Mit diesen Ergebnissen ist also das Histidin endgültig als
Imidazolderivat charakterisiert und damit zugleich eine Frage in
positivem Sinne entschieden worden, die mich in Gemeinschaft
mit A. Windaus diesem Arbeitsgebiete zugeführt hatte: Bilden
sich bei der Einwirkung von Ammoniak auf Kohlehydrate Sub-
stanzen, deren Atomgruppierungen auch im Eiweißmolekül eine
Rolle spielen ?
') Monatshefte f. Chemie 24, 242 (1903).
?) Recueil des Traveaux des Pays-Bas 23, 169 (1904).
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 8
114 Franz Knoop,
Wir konnten zunächst nachweisen !), daß die Entstehung von
Orthodiketonen und Formaldehyd bei der Einwirkung verdünnter
Alkalien auf Traubenzucker in einer ammoniakalischen Lösung zur
Bildung von Imidazolderivaten führt. Nachdem nunmehr die An-
wesenheit von Imidazolkörpern auch im Eiweißmolekül sicher-
gestellt ist, gewinnt unsere Annahme, daß die im Traubenzucker-
spaltungsgemisch stattfindende Kuppelung des Stickstoffs auch bei
der Synthese von Eiweißkernen im Pflanzenorganismus von Be-
deutung sei, an Wahrscheinlichkeit.
Ungelöst war jetzt nur noch die Frage nach der Stellung der
Amidogruppe im Histidin. Wenn es gelang, durch Oxydation eine
Imidazolessigsäure zu gewinnen, so war damit der Beweis erbracht,
daß die Amidogruppe hier wie bei allen anderen Eiweißspaltungs-
produkten in «-Stellung steht. Die Oxydation mit Salpetersäure
hatte in dieser Frage kein Resultat gebracht. Zum Ziel führte
erst die Verwendung von Baryumpermanganat, trotzdem es schon
in der Kälte den Imidazolkern angreift.
Bringt man Ba(MnO,), und Schwefelsäure mit Oxydes-
aminohistidin zusammen, so beobachtet man, daß sich Braunstein
abscheidet, solange man die Temperatur niedrig hält, daß dieser
aber vollends in Lösung geht, wenn man erhitzt. Ich glaubte des-
halb zunächst, mit Mangansuperoxyd allein zum Ziele zu kommen,,
in der Hoffnung, daß dieses den Imidazolkern nicht angreifen.
werde. Allein überschüssiges Mangansuperoxyd spaltet beim
Kochen in schwefelsaurer Lösung aus Oxydesaminohistidin eben-
falls Ammoniak ab, und so oxydierte ich doch mit Baryumper-
manganat unter Kühlung und unter Berechnung von drei Sauer-
stoffatomen auf ein Molekül Oxydationsmittel. Unter diesen Be-
dingungen wird die Seitenkette offenbar leichter oxydiert als der
Kern; es ließ sich aus dem Oxydationsgemisch eine Säure isolieren,
die sich durch die Analysen als die noch unbekannte Imidazol-
essigsäure erwies.
Mit diesem Befunde ist die Konstitution des Histidins end-
gültig aufgeklärt; es ist ein ß-Imidazolanin
CH
.
NH N
RE
CH=C—-CH,—CH(NH,).COOH
') Berl. Ber. 38, 1166 (1905) und diese Beiträge 6, 392 (1905).
Abbau und Konstitution des Histidins. 115
und zeigt in seiner Seitenkette eine bemerkenswerte Analogie zu
den anderen kernhaltigen Eiweißspaltungsprodukten Phenylalanin,
Paroxyphenylalanin (Tyrosin) und Indolalanin (Tryptophan).
Ich habe den hier beschriebenen Abbau des Histidins in der
vorgenommenen Weise zu Ende geführt, weil es mir daran lag,
die drei homologen Imidazolsäuren kennen zu lernen. Es steht zu
erwarten, daß diese Körper bei der Fäulnis aus dem Histidin ent-
stehen, genau wie sich aus dem Phenylalanin Benzoesäure, Phenyl-
essig- und Phenylpropionsäure, aus dem Tyrosin die entsprechenden
Oxysäuren bilden. Wenn diese Imidazolfettsäuren z. B. bei der
Darmfäulnis entständen und resorbiert würden, so könnten sie als
körperfremde Substanzen Anlaß zur Bildung analoger Fäulnis-
produkte im Harn geben, wie wir sie bei den Benzolderivaten als
homologe Hippursäuren, bei den Oxyphenylderivaten als gepaarte
Schwefel- oder Glykuronsäuren, bei den Indolderivaten als indican-
gebende Substanzen kennen. Für das Auftreten derartiger Körper
aus dem Gebiete der Imidazolderivate fehlt einstweilen jeder
Anhaltspunkt.
Ich hoffe, bald über die Fäulnisprodukte des Histidins be-
richten zu können.
Experimenteller Teil.
Darstellung des Histidins.
Zur Darstellung des Ausgangsmaterials wurde bis auf kleine
Modifikationen nach den Angaben von Fränkel und Pauly
gearbeitet.
In große Rundkolben wurde konzentrierte Salzsäure, dann
portionenweise Rinderblut gegossen, auf dem Baboblech erhitzt
und nachgefüllt, bis 2 Teile Blut auf 1 Teil HCl zugegeben
waren. Nach lÖstündigem Kochen wurde auf dem Dampfbade
viel Salzsäure abgedampft, dann bis zur schwach sauren Reaktion
mit Soda neutralisiert und filtriert. Die weingelbe Flüssigkeit
wurde weiter mit Soda deutlich alkalisch gemacht, gekocht bis
zum Aufhören der Ammoniakentwickelung, filtriert und mit Subli-
mat bei anhaltend schwach sodaalkalischer Reaktion ausgefällt.
Dann wurde der Niederschlag in einem Minimum von verdünnter
Salzsäure gelöst, filtriert und wieder vorsichtig mit Soda, wenig
Sublimat und viel Wasser gefällt, gut ausgewaschen und mit H,S
zerlegt. Aus dem Filtrat schied sich beim Einengen Histidin-
monochlorid in derben, farblosen Kristallen ab, ohne daß erst, wie
8*+
116 Franz Knoop,
Fränkel angibt, ausgeäthert oder mit Tierkohle gereinigt zu
werden brauchte.
Das Kochen der alkalischen Lösung hat den Vorzug, daß man keinen
Salmiak erhält. Die Auflösung des Quecksilberniederschlages trennt von
dunkeln, nieht näher untersuchten Rückständen und von stets vorhandenem
Kalomel, das nach der Zerlegung Salzsäure und damit ein Gemisch von
Histidindichlorid und -monochlorid liefern würde. Geringe Verluste sind
zweifellos mit dieser Umfällung verbunden, da der Quecksilberniederschlag
sowohl in Soda wie noch besser in Kochsalzlösung löslich ist: trotzdem ist
sie entschieden zu empfehlen.
Ausbeute aus 10 Liter Blut 70 bis 90 g Histidinmonochlorid.
Imidazolglyoxylsäure.
10 & Histidinchlorid werden nach Fränkel mit AgNO, in
Oxydesaminohistidin übergeführt und dieses mit 10 cem Wasser
und 40 com HNO, (spez. Gew. 1,4) 6 Stunden am Rückfluß-
kühler gekocht. Dann wird das Gemisch so lange mit viel Wasser
eingedampft, bis es annähernd salpetersäurefrei beim Stehen mit
Wasser einen derben, in Wasser schwer löslichen Niederschlag
ausfallen läßt; dieser wird mit Wasser gewaschen und mit Am-
moniak übergossen. Dabei bleibt in kleiner Menge ein feiner, in
kaltem Ammoniak unlöslicher Rückstand, der aus heißem Wasser
in kleinen Drusen kristallisiert und bei 300° schmilzt. Die Menge
reichte nicht zu Analysen. (Wahrscheinlich Imidazolaldehyd.) Der
in Ammoniak lösliche, stark gelb gefärbte Teil wird mit Blutkohle
entfärbt, gekocht, bis alles freie Ammoniak vertrieben ist und mit
Eisessig, ev. unter Zusatz von Aceton, ausgefällt. Die Substanz
zeigt keinen charakteristischen Schmelzpunkt; sie beginnt bei 220°
sich zu bräunen und ist bei 290° völlig verkohlt. Ausbeute besten-
falls 25 Proz. der Theorie.
0,1445 g Substanz. . . . . 02270g CO,, 0,0378g H,O
0,1390 5 00. 2ö,2cem N (18°, 729 mm).
Berechnet für U,H,O,N, (Gefunden
U2 Zu BB: PR: 42,84 Proz.
3 ee 4) 2.92 >.
1. rg Aal. ı . ' Peggpe En ae
Die Säure ist in kaltem Wasser schwer, in heißem etwas
leichter löslich, in Alkohol schwerer, in anderen organischen
Lösungsmitteln gar nicht löslich. Das Ammonsalz löst sich nur
mäßig in Wasser und scheidet sich leicht in großen Kristall-
büscheln ab. Mit CuSO, gibt die Lösung des Ammonsalzes eine
Abbau und Konstitution des Histidins. 177
kristallinische Fällung. — In Soda gelöst und mit überschüssigem
Hydroxylamin versetzt, bildet die Säure ein mit Essigsäure aus-
fallendes Oxim, das, in Ammoniak gelöst, sich nach Zusatz von
Eisessig in feinen, farblosen Nadeln abscheidet, die bei 229°
scharf schmelzen.
21262 & Substanz... .” » 30,0 ccm N (17°, 736 mm).
Berechnet für C,H,O,N; Gefunden
nur. 27,15 Proz, 27,10 Proz.
Auch unverändertes Histidin liefert beim Kochen mit Salpeter-
säure von der angegebenen Konzentration dieses Produkt, doch
erfolgt der Angriff langsamer und wird zweckmäßig durch einen
geringen Zusatz von rauchender Salpetersäure eingeleitet.
Fällt man das Oxydationsgemisch nach dem Abdampfen sofort
mit Alkohol und Aceton aus, so erhält man ein Gemisch von
mindestens drei Substanzen, deren eine in Wasser gut löslich ist
und sich als Imidazolmonocarbonsäure erweist. Setzt man beim
Abdampfen der Säure die Mischung einer Temperatur aus, die nur
wenig über 100° liegt, so zersetzt sich die gesamte Menge plötz-
lich unter Abscheidung von Kohle.
Imidazolmonocarbonsäure.
Reine Imidazolglyoxylsäure wird in viel heißem Wasser gelöst,
Essigsäure zugegeben und die Lösung mit einem Überschuß von
Wasserstoffsuperoxyd 2 Tage bei Zimmertemperatur stehen gelassen.
Zusatz von Blutkohle zerlegt schon in der Kälte das meiste Wasser-
stoffsuperoxyd, beim Abdampfen entweicht der Rest. Die filtrierte
und konzentrierte Lösung wird mit Alkohol versetzt, dann scheidet
sich in feinen Kristalldrusen die völlig analysenreine Imidazol-
monocarbonsäure ab. Zersetzungspunkt 286%. Umkristallisieren
aus Wasser und Alkohol oder Aceton.
0,1400 &g Substanz. .. . . 29,9ccem N (19°, 750 mm)
0,1564 REN I AEEEE 0,2452 g CO,, 0,0506g H,O.
Berechnet für C,H,0,N, Gefunden
Bniar0 1 AB Proz: 42,76 Proz.
a I 361: 5
a DENT Zu, 24,64 ,
Die Säure ist leicht löslich in Wasser, unlöslich in den orga-
nischen Lösungsmitteln. Sie reagiert gegen Lackmus sauer und
wird von AgNO, als gallertiger Niederschlag gefällt, nicht aber
von ammoniakalischer Silberlösung. Sublimat in sodaalkalischer
118 Franz Knoop,
Lösung fällt ebenfalls. Das Phosphorwolframat ist löslich im
Überschusse und kristallisiert aus heißem Wasser in charakteristi-
schen Rhomben.
Die Synthese der Substanz aus Weinsäure wird anderenorts
beschrieben werden.
Imidazol.
Erhitzt man Imidazolearbonsäure über 286°, so zersetzt sie sich
unter Schwärzung. Zugleich entwickelt sich Kohlensäure und ein
schweres Destillat, das an den Wänden des Gefäßes herabfließt
und beim Kühlen zu derben Kristallblumen erstarrt. Sie werden
in Chloroform gelöst und scheiden sich nach Zusatz von Ligroin
in feinen langen Nadeln ab, die bei 88 bis 89° schmelzen und
alle Eigenschaften eines aus Glyoxal dargestellten Imidazols zeigen,
das ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. Trautz hier verdanke.
Zur speziellen Identifizierung wurde das von Bamberger und
Berl&!), sowie von Rung und Behrend?) als besonders charakte-
ristisch bezeichnete Benzoylprodukt, das Dibenzoyläthylendiamin,
dargestellt, das scharf zwischen 202 und 203° schmolz.
Imidazolessigsäure.
4 Oxydesaminohistidin wurden in 100 cem n-Schwefelsäure
gelöst, gekühlt und allmählich mit einer Lösung von 7,0g Baryum-
permanganat in 100 ccm Wasser versetzt. Anfangs entfärbt sich die
Mischung langsam, später entwickelt sich CO, und die Entfärbung
erfolgt schließlich fast momentan auch bei Eiskühlung. Es wird
vom MnO, abfiltriert und die wasserhelle Lösung in der Hitze mit
überschüssigem Baryumhydroxyd unter Zusatz von Tierkohle aus-
gefällt. Der Barytüberschuß wird mit H,SO, genau entfernt und
die Lösung eingedampft. Im Vakuum kristallisieren bald feine,
fächerförmig angeordnete Nadeln, die aus Wasser und Aceton
umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 220° unter Zersetzung. Erste
Ausbeute l,1lg. Die Mutterlaugen enthalten noch andere gut kri-
stallisierende Substanzen, die vorderhand nicht untersucht wurden.
0,1705 & Substanz verloren bei 115° 0,0215 g an Gewicht
0,1674 getrockneter Substanz: 0,2950 C0,, 0,0706 H,O
0,1334 m n 25,9 ccm N (20°, 748 mm).
1) Annalen 273, 553.
*) Ebenda 271, 30.
te
u 5 EG OR
Abbau und Konstitution des Histidins. 119
Berechnet für C,H,N,0, + H,0 Gefunden
EEE 12,0 12,50. Proz: 12,60 Proz.
Berechnet für C,H,N,0, Gefunden
Be. 410.62 1802; 47,13 Proz.
Ben. 9 406.) „ 2 0
Be DD 22,26 „
Die Substanz ist leicht löslich in Wasser, sehr schwer in
Alkohol, nicht in anderen organischen Lösungsmitteln. Sie reagiert
_ sauer und fällt, im Gegensatz zur Imidazolmonocarbonsäure, mit
AgNO, so wenig wie mit ammoniakalischer Silberlösung !). Das
Phosphorwolframat ist löslich im Überschuß und kristallisiert aus
_ Wasser in langen, dünnen, oft garbenartig angeordneten Nadeln.
Sublimat fällt die Imidazolessigsäure wie alle ihre Homologen aus
sodaalkalischer Lösung aus.
!) Vgl. hierzu diese Beiträge 8, 408.
Freiburg i.B, 22. März 1907.
Kürzere Mitteilungen.
1. Ein Benzoylpolypeptid des Asparagins.
Von Dr. Takaoki Sasaki (Tokio).
Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.
Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Einwirkung von
Benzoesäureanhydrid auf Aminosäuren habe ich beobachtet, daß es beim
Erhitzen von Alanin mit Benzoesäureanhydrid auf 130° zur Bildung
einer Substanz kommt, die mit Alkali und Kupfersalzlösung eine schön
rote Färbung vom Typus der Biuretreaktion gibt. Auf Grund der zahl-
reich vorliegenden Beobachtungen über das Vorkommen der Biuret-
reaktion bei Polypeptiden (Grimaux, Curtius, E. Fischer) war die
Vermutung berechtigt, daß es im vorliegenden Falle zum Zusammentritt
von mehreren Alaninmolekülen unter Bildung eines Alanylpolypeptids
gekommen sei. Ich fand bald darauf, daß Asparagin ein ähnliches
Verhalten zeigt und habe mich bemüht, das entstandene Asparagylpoly-
peptid näher zu charakterisieren.
10 g käufliches Asparagin wurde in Form eines staubfeinen Pulvers
mit der gleichen Menge Kieselgur und 50 g Benzoer‘,ureanhydrid sehr
innig gemischt und in einem Erlenmeyerkolben 5 Stunden im Glycerinbade
unter Benutzung eines Thermoregulators auf 110° erhitzt. Dabei wan-
delt sich das Reaktionsgemenge zu einer steinharten Masse um. Nach
Zerschlagen des Kolbens wird das Produkt aufs feinste gepulvert und
durch 12stündige Ätherextraktion im Soxhletapparat von Benzoesäure
und Benzoesäureanhydrid möglichst befreit. Der Rückstand wird nun
nit viel kochendem Wasser ausgezogen, solange die Lösung Biuret-
reaktion aufweist und die erkaltete Lösung nach Abfiltrieren etwaiger
nachträglich auftretender Niederschläge mit Ammonsulfat gesättigt. Es
scheidet sich ein Niederschlag aus, der zuerst mehr flockig ist, sich
dann bei erreichter Sättigung als harzartige Masse an der Oberfläche
sammelt. Die Masse wird mit dem Glasstab herausgenommen, auf Ton-
platten möglichst rasch von anhaftender Flüssigkeit befreit, an der Luft
getrocknet, pulverisiert, in heißem Wasser gelöst und neuerlich aus-
gesalzen. Dieser Vorgang wird dann nochmals wiederholt, schließlich
die fein gepulverte, lufttrockene Substanz mit kaltem Wasser von Ammon-
sulfat befreit, dann in einer kleinen Menge Aceton gelöst. Durch Zusatz
von wasserfreiem Aceton kann die Lösung zweckmäßig noch von eventuell
beigemengten, in Aceton schwerer löslichen Stoffen befreit werden. Nach
Takaoki Sasaki, Ein Benzoylpolypeptid des Asparaeins. 127
Abdestillieren des größten Teiles des Acetons im Vakuum und Verdunsten
des Restes über Schwefelsäure bleibt das Reaktionsprodukt als feste, gut
pulverisierbare Masse in einer Ausbeute von etwa 5g zurück.
Die so erhaltene Substanz ist löslich in heißem, wenig löslich in
kaltem Wasser, ziemlich leicht löslich in verdünntem Alkohol, besonders
leicht aber in wasserhaltigem Aceton, fast unlöslich in absolutem Alkohol,
Äther und Aceton, ganz unlöslich in Petroläther, Chloroform und Benzol.
In Essigsäure und Eisessig, sowie in verdünnten Mineralsäuren, aber
auch in Laugen und Ammoniak löst sie sich. Die Lösung in Wasser
reagiert neutral. Die Substanz läßt sich daraus durch Sättigen mit
Ammonsulfat und mit Zinksulfat aussalzen. Die Substanz ist fällbar
durch Merkurinitrat, Ammoniakeisenalaun, basisches Bleiacetat und
Gerbsäure (der Blei- und Gerbsäureniederschlag ist löslich im Überschuß
des Fällungsmittels), ferner fällbar nach dem Ansäuren durch Phosphor-
wolframsäure und Phosphormolybdänsäure. Die alkalische Lösung gibt
auf vorsichtigen Zusatz von Kupfersalzlösung eine prachtvolle purpur-
bis violettrote Färbung.
Die in mannigfacher Art wiederholten Versuche, die Substanz zur
Kristallisation zu bringen, gaben kein befriedigendes Resultat. Die
Substanz hat eine Neigung, sich in mikroskopischen Kugeln oder Tropfen
und daraus zusammengesetzten Häuten auszuscheiden, wie man es unter
ähnlichen Verhältnissen bei den Albumosen beobachtet, wie es auch von
Curtius!) für die Ausscheidung von einigen der von ihm dargestellten
Hippurylasparaginsäurederivate und von Raper?) für die Phenyliso-
cyanate der Peptone beschrieben wird.
Behufs Reinigung habe ich die Substanz in möglichst wenig wasser-
haltigem Aceton gelöst, dann mit absolutem Alkoholäther gefällt, dann
wieder in wasserhaltigem Aceton gelöst und nach Entfernung des größten
Teiles des Acetons im Vakuum in einer Kristallisationsschale über
Schwefelsäure allmählich eindunsten lassen, wobei sich ein Teil der
Substanz in Form einer die Oberfläche der Flüssigkeit bedeckenden
derben Haut ausschied.
Die möglichst gereinigte Substanz stellte ein blaßgelbes, nicht bygro-
skopisches Pulver dar, das sich bei etwa 185° aufblähte und bei 210°
unter Braunfärbung zersetzte.
Die Analyse der erst im Vakuum, dann bei 80° getrockneten Sub-
stanz gab folgende Zahlen:
Pic Substanz... . . 0,3332 & CO,, 0,0846g& H,O
0,1514 a 23,6cem N (22,5%, 762,8 mm)
0,1433 a ec 230 „ N (93,0°, 760 mm)
Berechnet Gefunden
für C,H,.N,0, 1" 2.
C 49,11 Proz. 49,09 Proz. —
52, BL‘, =
N 18,12 ., Vorns 18,16 Proz.
') Journ. f. prakt. Chem. 70, 167.
”) Diese Beiträge 9, 168.
122 Takaoki Sasaki, Ein Benzoylpolypeptid des Asparagins.
Auf Grund der gefundenen guten Übereinstimmung darf man an-
nehmen, daß das entstandene Polypeptid drei Asparagingruppen auf
ein Benzoyl enthält. Ob es der obigen einfachen Formel entspricht,
oder einem Mehrfachen davon, ist nicht zu entscheiden. Nach Analogie
ähnlicher synthetischer Produkte, besonders auch der von Curtius unter-
suchten Polypeptide der Hippurylasparaginsäure, darf man daran denken,
daß die Bildung obiger Substanz sich in folgender Weise vollzieht:
C;,H,O0Cl nz 3 C,H,;,N; 0, md C,H, N, 0; E a H,O En HCl,
und daß seine Konstitution — die einfachste Formel angenommen —
etwa die folgende ist:
C,H,;,C0.NH.CH.CO.NH.CH.CO.NH.CH.COOH
CH, CONH, CH, CONH, CH;CONB,
Zu dieser Auffassung stimmt meine Beobachtung, daß es nicht ge-
lingt, mit Benzoylchlorid, Benzosulfochlorid oder Naphtalinsulfochlorid
Kondensation zu erzielen.
Daß die Einwirkung von Benzoesäureanhydrid auf Asparagin zur
Bildung eines Polypeptids führt, ist an sich nicht auffällig, da Säure-
anhydride bekannterweise neben acylierender auch eine anhydrierende
Wirkung besitzen. Bemerkenswerter scheint mir, daß es gelang, durch
Einhaltung bestimmter Bedingungen den Reaktionsprozeß an einem
bestimmten Punkte halt machen zu lassen. Dabei scheint der Zusatz
von Kieselgur eine besondere Rolle zu spielen. Wird der Versuch in
gleicher Weise aber ohne Zusatz von Kieselgur durchgeführt, wobei
das Reaktionsgemisch bei 110° flüssig bleibt, so ist die Ausbeute sehr
gering. Hält man die Schmelze unter stetem Umrühren mittels einer
Turbine 4 Stunden bei dieser Temperatur, so verschwindet die Biuret-
reaktion schließlich ganz. Erhitzen über 110° begünstigt die Bildung
der die Biuretreaktion gebenden Substanz nicht, doch kommt es bei
etwa 190° augenscheinlich zu einer neuen Reaktion mit Bildung weiterer
Produkte, ohne daß jedoch Biuretreaktion auftritt.
Das Asparagin besitzt sonach, wie das Glycin und die Asparagin-
säure, große Neigung zur Bildung von Peptidketten. Das oben be-
schriebene Produkt zeigt nun interessanterweise nicht Pepton — sondern
Albumosencharakter, d. h. es läßt sich aus seinen wässerigen Lösungen
aussalzen. In dem eigentümlichen Verhalten zu Alkohol, wonach es in
wasserhaltigem Alkohol viel leichter löslich ist, als in Wasser allein
oder in absolutem Alkohol, erinnert es direkt an Protalbumose aus
Fibrin !). Von welchen Bedingungen die Salzfällbarkeit der Polypeptide
abhängt, ist freilich im vorliegenden Falle so wenig wie bei den ähnlichen
natürlichen Produkten bestimmt zu sagen. Sicher ist, daß die Molekular-
größe nicht allein entscheidet. Es dürfte nicht unfruchtbar sein, diese
und ähnliche Fragen an synthetischen Polypeptiden näher zu verfolgen.
Leider habe ich bisher aus äußeren Gründen meinen Untersuchungen
nicht die erwünschte Vollständigkeit geben können, verzichte aber nicht
darauf, diese vorläufig mitgeteilten Erfahrungen in planmäßiger Weise
weiter zu verfolgen.
') Vgl. Pick, Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 241.
2, Über das sogenannte Molkeneiweiß.
Von E. Fuld,
Aus der experimentell-biologischen Abteilung des pathol. Instituts zu Berlin.
Die in dem Hefte 8/11 (Bd. IX) dieser Zeitschrift erschienene Arbeit
Schmidt-Nielsens (8.322) veranlaßt mich, in aller Kürze meine den
gleichen Gegenstand betreffenden Untersuchungen mitzuteilen, Unter-
suchungen, welche ich bereits in meiner Arbeit über den „Morgenroth-
Versuch“ !) mir vorbehalten und als im Gange befindlich erwähnt habe.
Das Resultat derselben stimmt mit Schmidt-Nielsens Angaben in-
sofern gut überein, als auch ich regelmäßig bei der Labung einer aus
reinem Casein (Rhenania) angefertigten Lösung einen durchaus nicht
ganz unerheblichen Anteil des Stickstoffs (nach Kjeldahl bestimmt)
in eine lösliche, durch Essigsäure nicht fällbare Form übergehen sah.
Die Caseinlösung wurde (auf Grund einer Unterredung, die ich seiner-
zeit in Kassel mit Herrn Prof. Röhmann hatte) genau nach den Vor-
schriften Courants?) mittels Kalkwassers und verdünnter Phosphor-
säure hergestellt, um auch nach dieser Richtung die Versuche vor Ein-
wänden zu schützen.
Die Lösung wurde durch hineingeworfene Eisstückchen unter 10°
abgekühlt, mit ebenfalls gekühltem Lab in geringem Überschuß versetzt,
im Eisschrank digeriert und nach etwa 12 Stunden unter einer ganzen
Reihe von Kautelen, deren Aufzählung hier nicht am Platze ist, ebenso
wie die bis auf den fehlenden Labzusatz ganz gleichartig behandelte -
Vergleichsprobe untersucht. Das Resultat war in allen Fällen folgendes.
Bereits in der Kälte war Gerinnung eingetreten. Die Molke enthielt
eine Substanz von ausgesprochenem Albumosencharakter, welche mit
Mineralsäuren in der Kälte einen Niederschlag gab, der sich beim Er-
wärmen wieder auflöste. Dieser Niederschlag enthielt etwa die Hälfte
des löslichen Stickstoffs. Diese Eigenschaft der Molkenalbumose, wie
ich die Substanz zu nennen vorschlage, widerspricht einigermaßen den
bisherigen Beschreibungen. (Es ist wohl unnötig zu sagen, daß dieselbe
weder in der labfreien Caseinlösung noch in dem verwendeten Lab-
präparat, noch endlich in einer Mischung aus gekochtem Lab und
Caseinlösung auch nur in Spuren enthalten war.)
!) Biochem. Zeitschr. 1907.
?) Pflügers Archiv 50.
124 E. Fuld, Über das sogenannte Molkeneiweiß.
Da ich absichtlich unter Bedingungen arbeitete, welche für die
Wirkung etwaiger anderer dem Lab beigemengten Enzyme, wie auch
für die Pepsinwirkung und andere fermentative Spaltungen möglichst
ungünstig gewählt sind, so glaube ich in der Tat vorbehaltlich einiger
leicht zu beschaffenden Kontrollen über die Fermentfreiheit des ver-
wendeten Caseins (einschließlich des Fehlens von Profermenten usw.),
daß an der Existenz einer besonderen, charakterisierten Molkenalbumose,
welche weder ein Kunstprodukt noch in Lösung gebliebenes Paracasein
sein kann, nicht mehr zu zweifeln ist.
In meinen früheren Arbeiten konnte ich mich zu dieser Annahme
nicht entschließen, muß jedoch, nachdem ich mich unter, wie ich glaube,
einwandfreien Bedingungen von dem Sachverhalt überzeugt habe, ebenso
wie Schmidt-Nielsen und bereits vor uns P. Th. Müller an ihrer
Existenz festhalten.
Ob die gegenüber Köster und Hammarstens Beschreibung etwas
abweichenden Eigenschaften in der Tat, wie dies bei der Fassung des
Versuchsplans erwartet wurde, auf der Hintanhaltung sekundärer Ver-
änderungen durch die niedere Versuchstemperatur beruht, muß ebenso
weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben wie die Frage, ob die
Mineralsäurenfällung geeignet ist, zwei verschiedene Spaltungsprodukte
zu trennen oder, was fast wahrscheinlicher aussieht, ob dieselbe einfach
unvollständig bleibt.
Über diese und noch einige weitere Punkte verweise ich auf die
unmittelbar bevorstehende ausführliche Publikation in der biochemischen
Zeitschrift.
Berlin, am 24. April 1907.
2 Ber | Br‘
3. Zur Kenntnis des Jodothyrins.
Von A. Nürnberg.
(Vorläufige Mitteilung.)
Aus dem physiologisch- chemischen Laboratorium der Universität Charkow.
Durch die Entdeckung von natürlich vorkommenden jodhaltigen
Proteinstoffen bzw. deren Spaltungsprodukten, ist die Aufmerksamkeit
der Forscher auf die Lösung der Frage über die Bindungsweise des
Jods im Eiweißmolekül gelenkt worden. Während die einen Autoren
sich mit künstlicher Jodierung der Eiweißstoffe beschäftigten , die
Spaltungsprodukte der erhaltenen Derivate kennen lernten, sowie in die
isolierten Spaltungsprodukte der Proteinstoffe Jod einzuführen ver-
suchten, untersuchten die anderen die natürlichen Jodeiweißstoffe und
ihre Spaltungsprodukte.
Ungeachtet einer Reihe von Arbeiten auf diesem Gebiet ist jedoch
die Frage über die jodbindenden Gruppen im Eiweißmolekül nicht end-
gültig gelöst worden.
Auf Grund des negativen Ausfalles der Millonschen Reaktion
beim Jodeiweiß hat Hofmeister!) als erster die Ansicht ausgesprochen,
daß das Jod in das Tyrosin eintritt.
Später vermochten Blum und Vaubel?) nachzuweisen, daß die
Millonsche Reaktion mit Diortho- und Dimetajodprodukten des Tyrosins
negativ ausfällt, während die in Para-Stellung und einmal in Ortho-
und Meta-Stellung substituierten Körper noch die Millonsche Reak-
tion geben. Denselben Autoren ist es gelungen, bei Halogeneiweiß-
körpern (bzw. Tyrosin) durch Wegnahme des Halogens mittels Erhitzens
unter Druck die Millonsche Reaktion wieder herzustellen.
Hundeshagen ’) konnte aus der Hornmasse verschiedener Spon-
gien jodorganische Spaltungsprodukte in Form unlöslicher Metallsalze
isolieren, die aber nicht einheitlich waren. Aus den Zersetzungs-
produkten folgt, daß jodierte Aminosäuren, Jodaminofettsäuren oder
Jodtyrosine vorliegen.
Drechsel) stellte aus dem Gorgonin ein kristallisierbares Jod-
produkt, die Jodgorgosäure dar, die er auf Grund ihrer elementaren
Zusammensetzung für Jodaminobuttersäure erklärte.
") Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 159 (1898.)
?) Journ. f. prakt. Chem., N. F., 57, 365 (1898).
®) Zeitschr. f. angew. Chem. 1895, 8.475. Zit. nach Malys Jahrsber.
25, 394. |
*) Zeitschr. f. Biologie 33, 90 (1896.)
126 A. Nürnberg,
Oswald!) hat durch Spalten des Jodeiweißes (aus rohem Hühner-
eiweiß) mit siedendem Barytwasser ein Jodprodukt dargestellt, das beim
Schmelzen mit Alkalı keinen Skatol- bzw. Indolgeruch entwickelte. Auf
Grund der Untersuchungen der jodierten Proto- und Heteroalbumosen,
die sich wenig voneinander im Jodgehalt unterschieden, während sie
nach Picks Angaben im Tyrosin- und Tryptophangehalt sehr verschieden
sind, kommt Oswald zur Ansicht, daß „das Jod sich nicht ausschließ-
lich, wenn überhaupt, an das Tyrosin anlagert. Ebenso dürfte es sich
nicht ausschließlich mit dem indolliefernden Komplex verankern“.
Später konnte Oswald?) diese Ansicht dadurch unterstützen, daß er
die tryptischen Spaltungsprodukte des Thyreoglobulins (jodfrei) nach
Entfernung des Tyrosins zu jodieren vermochte. Zum Schluß spricht
er die Vermutung aus, daß vielleicht das Phenylalanin die zweite jod-
bindende Gruppe im Eiweißmolekül ist, und nimmt an, daß das Jod
ausschließlich oder vorwiegend in den aromatischen Kern eintritt.
Henze?) fand, indem er die Spaltungsprodukte des Gorgonins
untersuchte, daß die Drechselsche Gorgosäure eine positive Xantho-
proteinreaktion und eine negative Millonsche Reaktion gibt. Daraus
schließt er, daß die Jodgorgosäure mit einer Jodaminobuttersäure nicht
identisch ist und einen aromatischen Kern enthält. Ob man nach Weg-
nahme des Jods durch Erhitzen unter Druck einen positiven Ausfall
der Millonschen Reaktion mit Gorgosäure erzielt, konnte Henze wegen
Mangel am Material nicht feststellen. Schon Blum) hat den negativen
Ausfall der Adamkiewiczschen Reaktion mit Jodeiweiß notiert.
Später ist es Rohde’) gelungen, die bei dieser Reaktion, sowie mit
dem Ehrlichschen Paradimethylamidobenzaldehyd reagierende Atom-
gruppe der Eiweißkörper im Tryptophan (Skatolaminoessigsäure nach
Hopkins und Öole®), bzw. Indolaminopropionsäure nach Ellinger’)
zu erkennen.
Jodeiweißkörper und iodiertes Tryptophan geben, wie Rohde®°)
festgestellt hat, keine Ehrlichsche Reaktion. Er hebt die Annahme
einer Jodierung der Indolgruppe im Eiweißmolekül als sehr wahr-
scheinlich hervor.
Wie aus den vorgeführten Literaturangaben ersichtlich ist, kommen
als jodbindend im Eiweißmolekül in erster Linie die aromatischen Gruppen,
namentlich jene des Tyrosins und Tryptophans, in Betracht. Dabei ist
es sehr wahrscheinlich, daß Jod wenigstens von zwei Gruppen im Jod-
eiweißkörper gebunden wird.
Ich hatte mir auf Veranlassung und unter Leitung von Professor
D. Kurajeff zur Aufgabe gemacht, den Jodeiweißkörper der Schild-
drüse und dessen Spaltungsprodukte näher zu untersuchen. Obwohl
!) Diese Beiträge 3, 391.
?) Ebenda 514.
») Zeitschr. f. physiol. Chem. 38, 360.
') Ebenda 24, 159.
’) Ebenda 44, 161.
°) Journ. of Physiology 27, 418.
’) Zeitschr. f. physiol. Chem, 43, 325.
"I ı0R,
Zur Kenntnis des Jodothyrins. 127
diese Untersuchungen zurzeit noch im Gange sind, möchte ich davon
einige Versuche über die jodbindenden Gruppen im Jodthyreoglobulin
vorläufig mitteilen. Ich untersuchte zwei Präparate des Jodothyrins, die
nach dem Oswaldschen Verfahren !) aus Thyreoglobulin erhalten wurden.
Das Präparat A wurde aus 17,0 Thyreoglobulin (aus der Schild-
drüse von Ochsen nach Oswald dargestellt) durch Kochen mit 10 proz.
Schwefelsäure und nachfolgender Extrahierung des Niederschlages mittels
siedenden Alkohols dargestellt. Trotz mehrtägigem Abdampfen und
Trocknen im Exsikkator über Schwefelsäure blieb das schwarzgefärbte
Jodothyrin ölartig.
Ebenso wurde aus 217,0 g Thyreoglobulin das Präparat B in Form
eines braungefärbten Pulvers erhalten.
Beide Präparate waren jodreich, löslich in Alkali, unlöslich in
destilliertem Wasser und verdünnten Säuren, gaben negative Adam-
kiewiczsche, Millonsche und Ehrlichsche ?) Reaktion und positive
Xanthoproteinreaktion. |
Die Biuretprobe fiel beim Jodothyrin A negativ, beim Jodothyrin B
positiv aus. Vielfach wiederholtes Spülen auf dem Filter mit destilliertem '
Wasser, mehrmaliges Auflösen in schwacher Natronlauge und Ausfällen
mit verdünnter Salzsäure (bzw. Schwefelsäure) konnten den positiven
Ausfall der Biuretprobe mit Jodothyrin B nicht beseitigen.
Die beiden beschriebenen Produkte wurden im Papinschen Kessel
unter Druck erhitzt, dann wurde das Verhalten der Millonschen und
Ehrlichschen Reaktion mit den erhaltenen Derivaten untersucht.
Versuch].
Jodothyrin A in Wasser aufgerührt. Druck im Papinschen Topf
5 bis 51/, Atmospären. Versuchsdauer eine Stunde.
Ehrlichsche und Millonsche Probe ...... negativ.
Versuch-ll.
Jodothyrin A aus dem Versuche I. Druck 51/, bis 6 Atmosphären.
Versuchsdauer 2 Stunden 40 Minuten.
Erfolg derselbe, Flüssigkeit etwas stärker gefärbt, Niederschlag
vermindert.
Versuch III
Jodothyrin A aus dem Versuche Il. Druck etwa 6 Atmosphären,
Versuchsdauer 5 Stunden.
Flüssigkeit Niederschlag
alomsehe Probe .'. . . .. schwach stark positiv
Buzlichsche Probe °.. :..:: negativ negativ
Bröepröbe‘. , . 2... . . %..
” „
) A. Oswald, Über die chemische Beschaffenheit und die Funktion
der Schilddrüse. Habilitationsschrift. Straßburg 1900, S. 47.
?) Die Probe mit Dimethylamidobenzaldehyd wurde nach Rohde (I. c.)
ausgeführt und der Kürze wegen in dieser Mitteilung als Ehrlichsche
Reaktion genannt.
128 A. Nürnberg,
Versuch IV.
Jodothyrin A aus dem Versuche III. Jodothyrin B in Wasser
aufgerührt. Druck etwa 6 Atmosphären. Versuchsdauer 5 Stunden.
Ehrlichsche Probe. Jodothyrin A: Schwach positiv bei Auf-
schichtung auf lproz. Lösung von Aldehyd in Schwefelsäure (spez.
Gew. 1,84). Negativ bei üblicher Ausführungsart.
Jodothyrin B: Ausgesprochen positiv bei Aufschichtung. Bei
üblicher Ausführung der Probe ergab sich ein Übergang der braunen
Färbung ins Grün ohne vorläufige Violettfärbung.
Millonsche Probe ausgesprochen positiv.
Versuch \V.
Versuchsmaterial aus dem Versuche IV. Druck 6 Atmosphären.
Versuchsdauer 7!/, Stunden.
Ehrlichsche Probe. Jodothyrin A: Blaue Färbung bei Wasser-
zusatz zur grünen Flüssigkeit.
Jodothyrin B: Dasselbe. Blaue Färbung intensiver.
Millonsche Probe positiv.
Versuch VI.
Versuchsmaterial aus dem Versuche V. Druck 6 Atmosphären.
Versuchsdauer 15 Stunden.
Jodothyrin A Jodothyrin B
Ehrlichsehe Probe. IR negativ negativ
Millonache Probe: ara RI positiv positiv
Versuch VII.
Jodothyrin B (neue Portion). Druck 6 Atmosphären. Versuchs-
dauer 4 Stunden.
Millonsche Probe scharf positiv. Intensität der Färbung nähert
sich derselben bei Ausführung der Reaktion mit Tyrosinlösung.
Ehrlichsche Probe. Die rotviolette Färbung tritt zuerst deutlich
hervor; bei weiterem Zusatz von Schwefelsäure dunkelviolette Farbe,
die bei Überschuß von Schwefelsäure in Grün übergeht. Bei Wasser-
zusatz Übergang der grünen Farbe in eine blaue.
Aus den vorgeführten Versuchsprotokollen ist ersichtlich, daß
mehrstündiges Erhitzen des Jodothyrins unter Druck von etwa 6 Atmo-
sphären den positiven Ausfall der Millonschen Reaktion wieder her-
vorzurufen imstande ist. Danach erscheint die Annahme einer Jodierung
des Tyrosins im Jodthyreoglobin, soweit die Spezifität der Millonschen
Reaktion einen solchen Schluß gestattet, gerechtfertigt. Berücksichtigen
wir die angeführten Blumschen Angaben, so muß es sich hier um Vor-
handensein von Dijodtyrosin handeln,
Was das Tryptophan anbelangt, war es von Interesse klarzustellen,
ob in den angeführten Versuchen der Ausfall der Ehrlichschen Probe
durch die Anwesenheit von Jodiden in den untersuchten Lösungen,
i
Zur Kenntnis des Jodothyrins. 129
durch den geringen Tryptophangehalt im Jodothyrin oder eine Ver-
änderung des Tryptophans beim Erhitzen im Papinschen Topf beein-
flußt war.
Zu diesem Zwecke wurde aus Kuhmilch Casein nach Hammarsten
und daraus nach Hopkins u. Cole!) Tryptophan dargestellt.
Der Zusatz von Jodkalium beseitigte den positiven Ausfall der
Ehrlichschen Reaktion weder bei Tryptophan- noch bei Eiweißlösungen.
Das Säurefiltrat aus dem Versuche VII, zur Entfernung der eventuell
vorhandenen Jodwasserstoffsäure erwärmt und durch Abdampfen ein-
geengt, gab die Ehrlichsche Reaktion in derselben Weise, wie es
oben im Versuche VII beschrieben ist.
Mit dem aus Üasein dargestellten Tryptophan wurden folgende
Versuche angestellt:
Versuch VII.
Eine wässerige Lösung von Tryptophan wurde der Einwirkung
des Jods auf dem Wasserbade bei 40° in Anwesenheit von Natrium-
bicarbonat unterworfen; eine andere Portion wurde unter gleichen Ver-
hältnissen mit Ersatz des kristallinischen Jods durch Jodjodkalium-
lösung behandelt. Die Jodkristalle wurden abfiltriert, das überschüssige
Jod durch Chloroform entfernt.
Ehrlichsche Reaktion negatıv.
Versuch IX.
Jodiertes Tryptophan (aus Versuch VIII) wurde dem fünfstündigen
Drucke von 5 bis 6 Atmosphären im Papinschen Kessel unterworfen.
Ehrlichsche Reaktion. Die rotviolette Färbung ging bei weiterem
Zusatz von Schwefelsäure in eine dunkelbraune über, um nach einigem
Stehen grün zu werden; bei Wasserzusatz ergab sich die Blaufärbung
erst nach ee ndigom Stehen.
Versuch X.
Das Tryptophan aus Casein wurde 6 Stunden lang einem Drucke
von 5 Atmosphären im Papinschen Topf unterworfen.
Ehrlichsche Reaktion. Die rotviolette Färbung ging nach weiterem
Zusatz von Schwefelsäure in eine grüne über. Blaue Färbung erschien
erst nach 48stündigem Stehen der grünen Lösung.
Somit ergab es sich, daß das Verhalten des Tryptophans zum
Paradimethylamidobenzaldehyd nach Bearbeitung im Papinschen Topf
ähnlich ist dem von uns am dejodierten Jodothyrinpräparate beobachteten.
Zur Unterstützung dieser Ergebnisse war es von Interesse, die
Entfernung des Jods noch auf anderem Wege zu erzielen. Ein der-
artiges Verfahren stellt der folgende Versuch dar.
rl. ce.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 9
130 A. Nürnberg, Zur Kenntnis des Jodothyrins.
Versuch XI.
Indem ich die von Stepanoff!) unter Gulewitschs Leitung zur
Wegnahme des Halogens aus dem Benzolkern ausgearbeitete Methode
benutzte, verfuhr ich folgendermaßen.
0,5 g Jodothyrin B wurden in einen Erlenmeyerschen Kolben, der
30 ccm Alkohol (98 Proz.) enthielt, eingebracht; der Kolben mit einem
langen, aufsteigenden Rohrkühler in Verbindung gesetzt und dann auf
ein siedendes Wasserbad gebracht. Durch das Rohr des Kühlers wurde
metallisches Natron stückchenweise in den Kolben derartig fallen ge-
lassen, daß dauernd eine energische Reaktion bestand. Im ganzen wurden
6,5g Na verbraucht. Nach Auflösen des sämtlichen Natriums wurde
der Inhalt des Kolbens mit 30 ccm Wasser versetzt, der Kühler ab-
genommen, der Alkohol durch Eindampfen entfernt. Sämtliches Jodo-
thyrin B war dabei gelöst. Bei Neutralisierung der Lösung schied
sich ein Niederschlag aus. Das Filtrat wurde etwas durch Abdampfen
eingeengt.
Millonsche Reaktion deutlich positiv.
Ehrlichsche Reaktion: rotviolette Färbung, die bei weiterem Zu-
satz von Schwefelsäure ins Grün überging. Die blaue Farbe wurde
durch Zusatz von Wasser zur grünen Lösung erzeugt.
Beim Zusatz von unverändertem Tryptophan zum eingeengten
Filtrat fiel die Ehrlichsche Probe deutlich positiv aus.
Den vorgeführten Versuchsangaben folgend, kann das Vorhandensein
von jodiertem Tryptophan im Jodothyrin, soweit es die Spezifität der
Reaktion mit Paradimethylamidobenzaldehyd erlaubt, als sehr wahr-
scheinlich angenommen werden.
Meine Untersuchungen waren schon zu Ende gebracht, als eine
neue Arbeit von Henze?) auf diesem Gebiete erschien. Dem Autor
ist es gelungen im Einklange mit Wheeler und Jamieson?°) die
Gorgosäure mit inaktivem Dijodtyrosin zu identifizieren.
') Arbeiten aus dem medizinisch-chemischen Laboratorium der Uni-
versität Moskau. 1904/05 (Russisch).
?) Zur Kenntnis der jodbindenden Gruppe der natürlich vorkommenden
Jodeiweißkörper. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 51, 64.
®) Synthesis of gorgoic Acid. Americ. Journ. of Chem. 33, 365.
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Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig.
Die Wissenschaft.
Sammlung naturwissenschaftlicher und mathematischer
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Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, die Fortschritte auf mathematisch-
naturwissenschaftlichem Gebiete zu verfolgen. Zwar teilen uns zahlreiche
referierende Zeitschriften die neuen Ergebnisse der Forschung mehr oder
weniger schnell mit, aber ohne dieselben einheitlich zusammenzufassen. Die
Entwickelung der einzelnen Wissenschaften zu verfolgen wird aber nur dann
möglich sein, falls in nicht zu langen Zwischenräumen übersichtliche Dar-
stellungen über begrenzte Teile derselben erscheinen. Durch derartige Mono-
graphien wird auch dem Spezialforscher ein Einblick in Nebengebiete
ermöglicht. Überlegungen in dieser Richtung haben in Frankreich zur Ver-
öffentlichung der „Scientia“ geführt. In Deutschland soll demselben Zweck
die in unserem Verlage unter dem Titel „Die Wissenschaft“ erscheinende
Sammlung naturwissenschaftlicher und mathematischer Mono-
graphien dienen.
Nicht populär im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sollen diese Mono-
graphien ihren Stoff der Mathematik, den anorganischen wie den organischen
Naturwissenschaften und deren Anwendungen entnehmen, auch Biographien
von großen Gelehrten und historische Darstellungen einzelner Zeiträume sind
ins Auge gefaßt.
Dem unter besonderer Mitwirkung von Prof. Dr. Eilhard Wiedemann
ins Leben getretenen Unternehmen ist aus den dafür interessierten Gelehrten-
kreisen bereits in der entgegenkommendsten Weise die erforderliche Unter-
stützung zugesagt worden.
Die Ausgabe erfolgt in zwanglos erscheinenden einzeln
käuflichen Heften.
(Fortsetzung siehe die letzte Seite des Umschlages.)
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Bis jetzt erschienen:
1. Heft: Untersuchungen über die radioaktiven Substanzen von Mme. $. Curie.
Übersetzt und mit Literaturergänzungen versehen von W. Kaufmann.
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besserte u. verm. Auflage. Mit 50 Abbild. Preis M. 3.—, geb. M. 3.60.
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hauer. Mit 46 Abbild. Preis M. 4.—, geb. M. 4.60.
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von Prof. Dr. A. Werner. Preis M. 5.—, geb. M. 5.75.
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15. Heft: Höhlenkunde mit Berücksichtigung d. Karstphänomene von Dr. phil.
Walther von Knebel. Mit 42 Abbild. Preis M. 5.50, geb. M. 6.30.
16. Heft: Die Eiszeit von Prof. Dr. F. E. Geinitz. Mit 25 Abbild., 3 farbigen
Tafeln und einer Tabelle. Preis M. 7.—, geb. M. 7.80.
17. Heft: Die Anwendung der Interferenzen in der Spektroskopie u. Metrologie
von Dr. E. Gehrke. Mit 73 Abbild. Preis M. 5.50, geb. M. 6.20.
18. Heft: Kinematik organischer Gelenke von Prof. Dr. Otto Fischer. Mit
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19. Heft: Franz Neumann und sein Wirken als Forscher und Lehrer von
Prof. Dr. A. Wangerin. Mit einer Textfigur und einem Bildnis Neumanns
in Heliogravüre. Preis M. 5.50, geb. M. 6.20.
20. Heft: Die Zustandsgleichung der Gase u. Flüssigkeiten u. die Kontinuitäts-
theorie v. Prof. Dr. J. P. Kuenen. Mit 9 Abb. Preis M. 6.50, geb. M. 7.10.
21. Heft: Radioaktive Umwandlungen von Prof. E. Rutherford. Übersetzt
von M. Levin. Mit 53 Abbild. Preis M. 8.—, geb. M. 8.60.
(Weitere Hefte in Vorbereitung.)
BES” Diesem Hefte sind beigegeben: Zwei Prospekte der Verlagsbuch-
handlung von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig, betr. 1. Celsus,
Über die Arzneiwissenschaft. — 2. Auszug aus dem Verlagskataloge.
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Beiträge
zur
- Chemischen Physiologie
und
Pathologie
Zeitschrift für die gesamte Biochemie
unter
Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben
von
Franz Hofmeister
0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg
X. Band 4. bis 6. Heft
(Ausgegeben August 1907)
| sahen weik
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn
1407
Inhalt des 4. bis 6. Heftes.
Seite
vll. Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem. Zur Kenntnis der mela-
notischen Pigmente und der fermentativen Melaninbildung.. . . 131
VII. Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem. Über die chemische
Stellung der Pankreasnucleinsäure (Guanylsäure). .. ..... 174
IX. Otto v. Fürth und Emil Scholl. Über Nitrochitine. ..... 188
X. W. Falta, F. Grote und R. Staehelin. Versuche über Stoff-
wechsel und Energieverbrauch an pankreaslosen Hunden. /Aus
der medizinischen Klinik in Basel (Direktor: Prof. Dr. W. His).] 199
XI. Leo Pollak. Über die Abspaltung von Aceton aus acetessig-
sauren Salzen durch Organauszüge und Eiweißkörper. /Aus dem
k. k. serotherapeutischen Institute in Wien (Vorstand: Prof.
Dr. Paltaufi] Sr a a ee ee 232
Kürzere Mitteilungen.
4. 0. Matter. Über die Färbung des Harns bei Lysolvergiftung 251
Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei-
nen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von etwa 30 Druck-
bogen zum Preise von M. 15,— bilden.
Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden
Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre
erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten.
Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E.,
Wimpfelingstraße 2, zu richten.
Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster
Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung,
Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maß-
gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer
tatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme
finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer
Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson-
ders rasches Erscheinen zugesichert werden.
Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck-
bogen und 50 Sonderabzüge.
“
|
j
£
SEP A 199
TIL
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente und der
fermentativen Melaninbildung.
Von Prof. Dr. Otto v. Fürth,
Assistenten am physiologischen Institut der Universität in Wien,
und cand. med. Ernst Jerusalem.
Vor einer Reihe von Jahren hat der eine von uns!) auf Grund
von Versuchen, die in Gemeinschaft mit H. Schneider im physio-
logisch-chemischen Institute zu Straßburg ausgeführt worden waren,
auf die Beziehungen tyrosinoxydierender Fermente (Tyrosinasen)
zur Bildung melanotischer Pigmente hingewiesen. Es hat sich er-
geben, daß die unter dem Namen „Melanose“ bekannte Schwarz-
färbung des Insektenblutes auf die Wirkung einer Tyrosinase
zu beziehen ist?2).. Wurde eine (mit Hilfe fraktionierter Salzfällung
aus der Körperflüssigkeit von Schmetterlingspuppen gewonnene)
Fermentlösung mit Tyrosin versetzt, so schwärzte sich die Flüssig-
keit nach einigem Stehen und ein schwarzes Pigment schied sich
in Form von Flocken aus. Die Untersuchung dieses Pigmentes
ergab (in bezug auf Löslichkeitsverhältnisse, Zusammensetzung und
sonstige Eigenschaften) eine auffallende Übereinstimmung mit den
natürlich vorkommenden Melaninen. Diese Beobachtungen
führten zu der Vermutung, daß die Bildung der natürlich vor-
kommenden melanotischen Pigmente auf die Einwirkung
von Tyrosinase auf Tyrosin oder andere leicht oxydable
Substanzen aromatischer Natur zu beziehen sei.
ı) O0. v. Fürth und H. Schneider, Über tierische Tyrosinasen und
ihre Beziehungen zur Pigmentbildung. Aus dem physiol.-chem. Institut zu
Straßburg. Diese Beiträge 1, 229 (1901).
?) Der erste Befund einer tierischen Tyrosinase rührt von Bieder-
mann her (Pflügers Arch. 72, 105 [1398]), der eine solche im Darminhalte
des Mehlwurmes (Tenebrio molitor) aufgefunden hatte.
Beitr. z. chem, Physiologie. X. 9%
132 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Falls diese Vermutung richtig war, mußte man erwarten, in
Geweben, in denen sich eine besonders lebhafte Bildung melano-
tischer Pigmente vollzieht, die Gegenwart von Tyrosinase nach-
weisen zu können. Nun besitzen bekanntlich Cephalopoden (die
sogenannten „Tintenfische*) eine eigentümliche Drüse, welche
große Mengen eines tintenartigen, aus Melaninkörnchen bestehenden
Produktes sezerniert. Die Untersuchung der Tintendrüse mußte
also sozusagen ein Experimentum crucis auf die erwähnte Hypo-
these abgeben. Hans Przibram!) vermochte nun in der Tat in
den frischen Pigmentdrüsen von Sepien eine Tyrosinase nach-
zuweisen: Der mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellte Aus-
zug aus den Drüsen nahm auf Zusatz von Tyrosinlösung erst eine
orangerote, dann braune Färbung an und schließlich fielen schwarze
Melaninflocken aus.
Diese Beobachtung Przibrams wurde später von Gessard?)
durch den Nachweis von Tyrosinase in den käuflichen getrock-
neten Tintenbeuteln von Sepien bestätigt. Auch vermochte Ges-
sard?)*) eine weitere Stütze für die vorerwähnte Hypothese bei-
zubringen, indem er in melanotischen Tumoren von Pferden
nicht nur Tyrosinase, sondern auch Tyrosin und die erstere auch in
der Haut dunkel pigmentierter Fische und Kröten nachwies.
Ferner haben Dewitz5) und Gessard®) festgestellt, daß bei
Fliegenlarven bzw. Puppen (Lucilia Caesar) ein zeitlicher Paral-
lelismus zwischen der Pigmentbildung in den Tegumenten und der
(bei ganz jungen unpigmentierten Larven fehlenden) Eigenschaft
der Körperflüssigkeit, sich bei Lichtzutritt dunkel zu färben, besteht
und daß gewisse Faktoren, insbesondere Lichtabschluß (Vakuum),
welche die Melanose des Blutes hindern, auch die Pigmentbildung
in den lebenden Tieren hintanhalten. Auch Phisalix”) hat die
!) Fürth u. Schneider, l. e. S. 241.
®) C. Gessard, Tyrosinase animale. Compt. rend. Soc. de biol. 54,
1304 (1902).
») C. Gessard, Sur deux phenomenes de coloration, dus A la tyrosi-
nase, ibid. 57, 285.
*) C. Gessard, Sur la formation du pigment me6lanique dans les
tumeurs du cheval. Compt. rend. 138, 1086 (1903).
°) J. Dewitz, Untersuchungen über die Verwandlung der Insekten-
larven. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1902, 8.327. Recherches experimentales
sur la metamorphose des Insectes. Compt. rend. Soc. de biol. 54, 44. — Sur
l’action des enzymes (oxydases) dans la mötamorphose des Insectes, ibid., p. 45.
°) C. Gessard, Sur la tyrosinase dans la mouche dorde. Compt. rend.
139, 644 (1904).
”) 0, Phisalix, Sur le changement de coloration des larves de Phyllo-
dromia germanica. Compt. rend. Soc. de biol. 58, 17 (1905).
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 133
Pigmentierung von Larven mit der Tyrosinase in Zusammenhang
gebracht.
Schließlich hat Durham!) es wahrscheinlich gemacht, daß
auch bei der Tegumentfärbung von Säugetieren tyrosinase-
artige Fermente mit im Spiele sind. In den Wasserauszügen aus
der Haut von Ratten, Kaninchen und Meerschweinchen konnte die
Gegenwart von Fermenten nachgewiesen werden, welche bei An-
wesenheit eines Aktivators (Ferrosulfat) Tyrosin unter Bildung pig-
mentierter Produkte oxydierten.
Wie aus dem Mitgeteilten hervorgeht, liegt also zurzeit eine
Reihe von Angaben vor, welche zugunsten der Beteiligung oxyda-
tiver Fermente an der Entstehung melanotischer Pigmente sprechen.
Es fragt sich nun aber ferner, inwieweit sich eine solche An-
nahme mit den über die chemische Natur der Melanine vor-
liegenden Angaben verträgt.
Um weitschweifige Erörterungen der außerordentlich umfang-
reichen Melaninliteratur zu umgehen, möge es uns gestattet sein,
auf eine, diesen Gegenstand ausführlich behandelnde frühere Mit-
teilung des Einen?) von uns hinzuweisen und es dürfte an dieser
Stelle genügen, nur einige der wichtigsten Punkte kurz hervorzu-
heben.
Die Analyse der bisher genauer untersuchten Melanıne (aus
Tumoren, Haaren, der Chorioidea und aus dem Tintensekrete der
Sepien) ergab außerordentlich abweichende Werte (Ö 48,9 bis 60,0 Proz.,
H 3,0 bis 7,6 Proz., N 8,1 bis 13,7 Proz., S 0 bis 13,0 Proz). Bezüglich
des Schwefels und des Eisens erscheint es sehr zweifelhaft, ob
sie den Melaninen als solche angehören. Charakteristisch für alle
Melanine ist ihre Unlöslichkeit in indifferenten Lösungsmitteln
- und in Säuren. Gegenüber Alkalien verhalten sich Melanine ver-
schieden; manche sind in verdünnten Alkalien leicht löslich; andere
widerstehen selbst kochenden konzentrierten Laugen. Durch schmel-
zende Alkalien werden Melanine in charakteristischer Weise unter
Bildung saurer Produkte („Melaninsäuren“) verändert. Manche
Melanine werden durch Oxydations- bzw. Reduktionsmittel ent-
_ färbt. Bei Abbauversuchen durch Kalischmelze, trockene De-
stillation und Oxydationsmittel wurde gelegentlich das Auftreten
') Fl.M. Durham, On the presence of tyrosinases in the Skins of
some pigmented animals Proc. Roy. Soc. 74, 310 (Dez. 1904).
| °) ©. v. Fürth, Physiologische und chemische Untersuchungen über
melanotische Pigmente. Centralbl. f. allgem. Pathol. und pathol. Anat. 15,
618—646 (1904).
134 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
von Ammoniak, Pyrrol, Pyridin, Indol, Skatol, Blausäure, einer
phenolartigen Substanz, Bernsteinsäure, Oxalsäure und flüchtiger
Fettsäuren beobachtet |Nencki und Berdez!) Hirschfeld?),
Abel und Davis), Landolt®), Jones und Auerö)].
Schließlich wären noch zwei aus neuester Zeit stammende, be-
sonders interessante Feststellungen zu erwähnen: Ein Befund Spieg-
lers6), der durch Oxydation eines Pigmentkörpers aus Haaren mit
Kaliumbichromat und Schwefelsäure Methyldibutylessigsäure
erhielt; ferner eine Beobachtung von Wolff”), welcher durch Be-
handlung eines Pigmentes (aus einer melanotischen menschlichen
Leber) mit Brom und rauchender Bromwasserstoffsäure einen hydro-
aromatischen, öligen, dem Xyliton C,H,;0 verwandten Körper,
sowie auch Isovaleronitril gewann.
Angesichts dieser so widersprechenden und vieldeutigen Be-
funde erschien uns im Interesse einer weiteren Aufklärung der
Frage nach der Entstehung der melanotischen Pigmente im Or-
ganismus die Anstellung systematischer Versuche namentlich nach
drei Richtungen hin erwünscht:
Einerseits schien es uns geboten, an der Hand eines in genü-
senden Mengen zugänglichen Melaninmaterials festzustellen, welche
von den zahlreichen, beschriebenen Abbauprodukten als konstant,
daher als für die Natur aller Melanine charakteristisch gelten
können.
Andererseits ergab sich die Aufgabe, in exakterer Weise, als
dies bisher geschehen war, das durch Einwirkung von Tyrosinase
auf Tyrosin entstehende künstliche Melanin zu studieren und
hinsichtlich seiner Zusammensetzung und seiner Eigenschaften mit
den natürlich vorkommenden Melaninen zu vergleichen.
Schließlich hofften wir (angesichts der bisher vorliegenden
überaus dürftigen Angaben), die Vorgänge, die sich bei Einwirkung
') Berdez und Nencki, Über die Farbstoffe melanotischer Sarkome.
Arch. f. exp. Pathol. 20, 346 (1886).
®) Hirschfeld, Untersuchungen über den schwarzen Farbstoff der
Chorioidea und verwandte Pigmente, Zeitschr. f. physiol. Chemie 13, 418
9).
ei s) Abel und Davis, Über die Piemente der Negerhaut und der Haare.
Journ. of exp. Medieine 1, 361 (1896).
*) H. Landolt, Über das Melanin der Augenhäute (aus d. physiol.-
chem. Inst. Straßburg). Zeitschr. f. physiol. Chemie 28, 192 (1899).
’) Jones und Auer, On the oxydation of native pigments. Amer.
Journ. of Physiol. 5, 321 (1901).
°, E. Spiegler, Über das Haarpigment. Diese Beiträge 4, 40 (1903).
’) H. Wolff, Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente (aus der ersten
mediz. Klinik in Berlin). Diese Beiträge 5, 476 (1904).
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 135
der Tyrosinase auf Tyrosin abspielen, auch vom Standpunkt
der Fermentchemie aus durch systematische Beobachtungen
und namentlich auch durch Anwendung quantitativer Untersuchungs-
methoden näher studieren zu können.
Als ein relativ bequem zugängliches Melaninmaterial wählten
wir den Farbstoff der melanotischen Lymphdrüsen von . Pferden
(„Hippomelanin*), als Fermentmaterial die Pilz- und Lepido-
pteren-Tyrosinase.
1. Hippomelanin.
l. Literatur. Die Bezeichnung „Hippomelanin* wurde von
Berdez und Nencki!) für den Farbstoff jener melanotischen Tu-
moren eingeführt, welche bei Pferden, namentlich bei Schimmeln
außerordentlich häufig vorkommen und den echten melanotischen
Sarkomen gegenüber durch ihren relativen benignen Charakter aus-
gezeichnet sind. Die genannten Untersucher und später nament-
lich auch K. A. H. Mörner?) u.a. haben mit allem Nachdruck
die weitgehende Verschiedenheit des Hippomelanins vom „Phy-
matorhusin“ oder „Sarkomelanin“, i. e. dem Farbstoffe echter,
maligner, metastasierender Sarkome des Menschen betont. Das
letztere ist dem Hippomelanin gegenüber durch seinen Reichtum
an Schwefel, seinen Eisengehalt, namentlich aber durch seine Leicht-
löslichkeit in verdünnten Alkalien und seine leichtere Angreif-
barkeit wohl charakterisiert.
Während das Phymatorhusin (Sarkomelanin) wiederholt genauer chemisch
untersucht worden ist [außer von den genannten Forschern von Dressler‘°),
Brandl und Pfeiffer‘), Schmiedeberg°), Hensen und Nölke°) und
insbesondere eingehend von Zdarek und Zeynek’) und v. Zumbusch®)],
liegen über das Hippomelanin nicht allzu reichliche Angaben vor.
Ic:
?) K. A. H. Mörner, Zur Kenntnis von den Farbstoffen der melano-
tischen Geschwülste. Zeitschr. f. physiol. Chemie 11, 66 (1886).
®) Dressler, Untersuchung der Farbstoffe eines melanotischen Leber-
krebses. Vierteljahrsschrift f. d. prakt. Heilk., Prag 88, 99 (1865).
*) Brandl und Pfeiffer, Beitrag zur Kenntnis der Farbstoffe melano-
tischer Sarkome usw. Zeitschr. f. Biol. 26, 348 (1890).
5) Schmiedeberg, Über die Elementarformeln einiger Eiweißkörper
und über die Zusammensetzung und die Natur der Melanine. Arch. f. exp.
Pathol. u. Pharm. 39, 1 (1897). |
°) Hensen und Nölke, Ein Fall von multiplem Melanosarkom mit all-
gemeiner Melanose. Arch. f. klin. Med. 62, 347 (1899).
‘) Zdarek und v. Zeynek, Zur Frage nach dem Eisengehalt des
Sarkomelanins von Menschen. Zeitschr. f. physiol. Chemie 36, 493 (1902).
®) v. Zumbusch, Beiträge zur Charakterisierung des Sarkomelanins
vom Menschen. Ibid., S. 511.
136 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Dasselbe ist anscheinend zuerst von Dressler!) analysiert (C 46,44 Proz.,
H 4,22 Proz., N 10,40 bis 10,60 Proz.) und frei von Schwefel gefunden worden.
Nencki®), Berdez und Sieber?) reinigten das Pigment, das sie nach
Extraktion mit Alkohol und Äther aus der mit Kalilauge von 1 Proz. zerkochten
Drüse erhalten hatten, durch zwei- bis dreistündiges Kochen mit Essigsäure
von 20 Proz., bzw. Salzsäure von 10 Proz. Die Analyse ergab: C 53,52 bis
53,67 Proz., H 3,84 bis 3,92 Proz., N 10,48 bis 10,87 Proz., S 2,76 bis 2,98 Proz.
Nach Erhitzen auf 300° entstand bei Alkalizusatz Pyridingeruch, beim Erhitzen
auf dem Platinblech Pyrrolgeruch. Aus der Lösung in konz. Salpeter-
säure fiel auf Wasserzusatz ein amorphes Produkt aus. Beim Schmelzen
mit Kali trat eine in Alkali leieht lösliche, durch Säure fällbare Pigment-
säure von der Zusammensetzung C 59,86 bis 60,00 Proz., H 3,73 bis 3,99 Proz.,
N 10,41 Proz., S 2,57 bis 2,60 Proz. auf. Daneben fand sich in der Schmelze
Ameisensäure neben anderen flüchtigen Säuren, Blausäure und anscheinend
auch andere Nitrile, Bernsteinsäure (?), geringe Mengen einer in Äther lös-
lichen kristallinischen, wasserlöslichen stickstofffreien, bei 187° schmelzenden
Säure unbekannter Art und Schwefelwasserstoff, dagegen (im Gegensatz zum
Phymatorhusin) weder Skatol, noch Indol, noch Phenol.
Schließlieh hat Miura*) das Pigment aus melanotischer Pferdemilz
nach vorausgegangener Fäulnis durch Behandlung mit Pepsin, verdünnter Na-
tronlauge, Alkohol und Äther gereinigt und darin ( 54,50 Proz., H 5,06 Proz.,
N 11,75 Proz. gefunden.
Ein bestimmtes Urteil über Zusammensetzung und Spaltungs-
produkte läßt sich aus diesen dürftigen Angaben um so weniger
gewinnen, als selbst die von Nencki und seinen Mitarbeitern an-
gewandte Reinigungsmethode durchaus keine ausreichende
Garantie für die völlige Beseitigung von schwerlös-
lichen Eiweißverunreinigungen bietet. Es ergab sich
also die Notwendigkeit, analoge Spaltungsversuche mit einwand-
freiem Material auszuführen.
2. Darstellung und Eigenschaften des Hippomelanins
und der Melaninsäure. Als Ausgangsmaterial dienten im
frischen Zustande aus dem Schlachthause bezogene melanotische
Lymphdrüsentumoren von Schimmeln, welche von anhaftendem
(Gewebe befreit und bis zur Verarbeitung unter Alkohol aufbewahrt
wurden.
Die zerkleinerten Tumoren wurden mit konzentrierter rauchender Salz-
säure einige Stunden lang zerkocht, wobei die Pigmentkörner ungelöst blieben,
') Dressler, Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der im Organismus
vorkommenden, Melanin genannten Pigmente. Vierteljahrschrift f. d. prakt.
Heilk. 101, 59 (1869).
?), Berdez u. Nencki, |. e.
°») Nencki u. Sieber, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der tierischen
Melanine. Arch, f. exp. Path. u. Pharm. 24, 17 (1887).
*) Miura, Beitrag zur Kenntnis des Melanins. Virchows Arch. 107,
250 (1887).
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 137
während die anderen Bestandteile des Gewebes vollständig in Lösung gingen.
Nach Wasserzusatz wurde die Pigmentmasse auf einem gehärteten Saugfilter
von der dunkel gefärbten Flüssigkeit getrennt, ausgewaschen, noch einmal
mit kochender, rauchender Salzsäure extrahiert, sodann mit Wasser verrieben
und ausgekocht, neuerlich abgesaugt, noch einmal der gleichen Behandlung
unterzogen, sodann zweimal mit siedendem Alkohol und einmal mit Äther
extrahiert und getrocknet.
Das so gewonnene Pigment bildet eine körnige, schwarz-
braune Masse, die sich in allen indifferenten Lösungsmitteln, in
rauchender Salzsäure und sogar auch in kochenden konzentrierten
Alkalilaugen unlöslich erwies.
Die Unlöslichkeit des Hippomelanins in Alkalilaugen bot auch
ausreichende Gewähr dafür, daß es nicht etwa mit sekundären Pro-
dukten der Gewebsspaltung (Melanoidinen oder Huminsubstanzen)
verunreinigt war.
Zur Überführung in eine in Alkali lösliche Modifikation
(„Melaninsäure“) wurde das Melanin in einer großen Silber-
schale mit der 6- bis 1Ofachen Menge Ätzkali einige Stunden
lang im Ölbade geschmolzen, die erkaltete Schmelze in Wasser
- gelöst, filtriert und die dunkle Lösung mit Säure gefällt, wobei
sich der Farbstoff in dunkeln Flocken abschied. Diese wurden
auf gehärtetem Filter gesammelt, gewaschen und getrocknet.
Bei Anwendung größerer Melaninmengen (es gelangten bis 100g Pig-
ment in einer Operation zur Verarbeitung) blieb selbst nach langdauerndem
Schmelzen mit Kali ein Teil derselben nach Wasserzusatz ungelöst auf dem
Filter zurück. Dieser wurde dann neuerlich mit neuen Ätzkalimengen ge-
schmolzen und der Vorgang eventuell so lange wiederholt, bis es schließlich
gelungen war, nahezu die gesamte Menge des Hippomelanins in Melanin-
säure überzuführen.
Eine neutrale Lösung von melaninsaurem Alkali erschien
dunkelbraun gefärbt; sie war fällbar durch Essigsäure, Salz-
säure und gab mit Schwermetallsalzen (Silbernitrat, Kupfer-
sulfat, Bleiacetat, Quecksilberacetat, Zinnchlorür usw.) dunkel gefärbte
Niederschläge. Durch Erwärmen mit Wasserstoffsuperoxyd
gelang es, namentlich bei Gegenwart von etwas Eisensulfat, eine
teilweise Entfärbung der Lösung zu erzielen, ebenso durch Ein-
_ leiten von Chlor. Beim Ansäuern fielen dann heller rötlichbraun
gefärbte Niederschläge aus. Ähnliche Produkte wurden durch Ein-
wirkung von chlorsaurem Kali und Salzsäure erhalten.
Eine Entfärbung durch Natriumamalgam, sowie durch alkalische
Zinncehlorürlösung wurde nicht erzielt. Ebensowenig gelang es, eine
Esterifizierung der Melaninsäure durch mehrstündiges Erhitzen derselben
mit alkoholischer Salzsäure oder durch Erwärmen ihres trockenen Silbersalzes
mit Jodmethyl (bei Gegenwart von Chloroform in der Druckflasche), oder
138 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
auch eine Abscheidung unlöslicher Additionsprodukte durch Schütteln der
alkalischen Lösung mit Benzoylchlorid oder Benzolsulfochlorid zu be-
werkstelligen. - Fit
Nach Einführung selbst großer Mengen von Melaninsäure in den tieri-
schen Organismus (je l5ccm einer 4proz. Lösung von melaninsaurem
Natron wurde einem Kaninchen und einem Hunde intravenös, dieselbe Menge
einem Hunde intraperitoneal beigebracht) konnte weder Melanin- noch
Melanogenausscheidung im Harn beobachtet werden.
3. Einwirkung der Salpetersäure auf Hippomelanin.
Das Hippomelanin wird von konzentrierter Salpetersäure unter Bildung
eines charakteristischen Produktes angegriffen. Nach zahlreichen
Vorversuchen unter Anwendung verschiedener Kombinationen kon-
zentrierter und rauchender Salpetersäure mit oder ohne Zusatz
von konzentrierter, ev. auch SO,-haltiger Schwefelsäure erwies
sich uns nachstehendes Darstellungsverfahren als zweckmäßig:
Je 20 g Melanin wurden portionsweise mit 140 ccm eines Gemenges aus
gleichen Teilen einer konzentrierten Salpetersäure und rauchender Salpeter-
säure vom spezifischen Gewichte 1,52 versetzt und verrührt. Es erfolgte
lebhafte Reaktion unter starker Erhitzung und Entwiekelung rotbrauner
Dämpfe, wobei das Melanin in Lösung ging. Die klare, rotbraune Lösung
wurde in das dreifache Volumen Wasser eingegossen, wobei ein reichlicher
gelblichbrauner Niederschlag ausfiel. Dieser wurde abdekantiert, auf einem
rehärteten Saugfilter gesammelt, gewaschen, in Wasser verteilt und mehrere
Stunden ausgekocht, der gleiche Vorgang noch zweimal wiederholt, dann
die Fällung noch sehr gründlich auf dem Saugfilter mit Wasser, Alkohol,
absolutem Alkohol und Äther gewaschen und schließlich im Laufe einiger
Wochen im Vakuum bei Zimmertemperatur getrocknet.
Das so in einer Ausbeute von 6g aus 100g Melanin erhaltene Produkt
zeigte folgendes Verhalten: Es war unlöslich in Wasser, verdünnten Säuren
und indifferenten, neutralen Lösungsmitteln, leicht löslich in konzentrierter
Salpetersäure und verdünnten Alkalien und daraus durch Neutralisation
fällbar; ferner löslich in säurehaltigem Alkohol und Aceton; in Essigäther,
Äther und Chloroform war es auch bei Gegenwart von Säure kaum löslich
(dagegen gelang es unter Umständen, den Farbstoff mit Hilfe alkoholhaltigen
Essigäthers der mit Wasser verdünnten Reaktionsflüssigkeit der Salpeter-
säure auf Melanin durch Ausschütteln zu entziehen). Eine Entfärbung der
alkalischen, braunroten Lösung durch Reduktionsmittel (Natriumamalgam,
Zinnchlorür) gelang nicht; durch kräftige Oxydationsmittel wurde allmählich
Entfärbung, jedoch unter offenbar weitgehender Verbrennung der vorhandenen
organischen Substanz (Oxalsäurebildung) erzielt.
Die Analyse ergab folgende Werte:
0,2139 g Substanz gaben 0,3550 g CO, =45,26 Proz. C und 0,0653 g H,O
== 8,41 Proz. H.
0,1584 g Substanz gaben 0,2631 g 00, = 45,33 Proz. C und 0,0506 g H,O
— 8,58 Proz. H.
0,2008 g Substanz gaben 17,7 ccmN (9°, 723mm) = 10,13 Proz. N.
1,0295 &g Substanz gaben 0,0805 g BaS0O, = 1,07 Proz. 8.
|
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Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 139
Mittel Brei Berkakaet
ee. . 45,26 Proz. 45,35 Proz. 45,30 Proz. 47,74 Proz.
ah, EI REN 3:53, SA; Bios...
Br. 10,13... are 1913 4 10,68 .,
me: .. 07. er OENe Kos
er: BEN Au 34.93 „ 36,81%,
Beer ,0510 „ — 5,10 =
100,00 Proz. 100,00 Proz.
Ähnliche Produkte haben bereits Landolt!) (aus dem Melanin
der Chorioidea) und Wolff?) (aus dem Farbstoffe‘ eines melano-
tischen Tumors vom Menschen) in Händen gehabt. Letzterer fand
bei Analyse seines Produktes Werte, die den unserigen nachstehen
(C 46,44 Proz., H 3,44 Proz., N 12,17 Proz.) und sprach sich dahin
aus, es handle sich nicht um die Aufnahme von Nitro-
gruppen in das Melaninmolekül, vielmehr um die Zerstörung
stickstoffarmer oder -freier Gruppen durch die Wirkung der
Salpetersäure, wodurch das Verhältnis zwischen Kohlenstoff und
Stickstoff zugunsten des letzteren verschoben werde.
Wir sind insofern geneigt, dieser Ansicht Wolffs beizu-
stimmen, als in unserem Falle der absolute Stickstoffgehalt des
durch Salpetersäurewirkung erhaltenen Produktes (10,68 Proz.)
sich mit dem Mittelwerte aus Nenckis Hippomelaninanalyse
(10,67 Proz.) deckt und der oxydative Abbau überdies durch ein
Absinken des Schwefelgehaltes (1,12 Proz.) auf nahezu ein Drittel
der analogen Hippomelaninwerte (2,76 bis 2,98 Proz.) illustriert
wird. Es ergibt sich also kein direkter Anhaltspunkt für die An-
nahme der Bildung eines Nitroproduktes. Leider war es uns in-
folge der Lösungsverhältnisse und der intensiven Eigenfärbung des
Produktes nicht möglich, durch Anwendung einer der Methoden
zur quantitativen Bestimmung von Nitrogruppen (z. B. derjenigen
von Limpricht) jeden Zweifel in dieser Hinsicht zu beseitigen
und wir haben uns weiterhin veranlaßt gesehen, anderen eindeuti-
geren Abbaumethoden (s. u.) den Vorzug zu geben.
4. Einwirkung der Kalischmelze auf Hippomelanin.
Es ergab sich nunmehr zunächst die Aufgabe, festzustellen, welche
von den von verschiedenen Autoren aus heterogenem Melanin-
material unter Anwendung mannigfaltiger Abbaumethoden er-
haltenen Produkten auch beim Abbau des einwandsfrei ge-
) Landolt,l. e.
"RE YROLLf, 1.6
140 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
reinigten und namentlich von jeder Eiweiß- und Fett-
verunreinigung befreiten Melanins auftreten.
Um in dieser Hinsicht jeden Irrtum auszuschließen, wurde das
für Abbauversuche nach Nenckis Vorgang bestimmte, wie oben
dargestellte Melaninmaterial noch einmal durch mehrstündiges Aus-
kochen mit konzentrierter Salzsäure, sodann durch wiederholte Be-
handlung mit heißem Wasser, Alkohol und Äther (Extraktion im
Soxhletapparat) gereinigt.
Von dem so gewonnenen einwandsfreien Melaninpräparat
wurden l5g mit 200g Ätzkali in einer Silberschale geschmolzen
und sodann über freier Flamme vorsichtig gerade so lange erhitzt,
bis eine Aufhellung der dunkeln Schmelze eintrat. Es war dabei
nur schwache Ammoniakentwickelung, jedoch kein fäkulenter Ge-
ruch wahrnehmbar. Die Schmelze wurde nunmehr in Wasser gelöst
und die Lösung destilliert. Dabei ging nur wenig Ammoniak,
jedoch keine Spur von Indol oder Skatol über. Nunmehr
wurde die Lösung mit Oxalsäure angesäuert und neuerlich destilliert.
Im Destillat fand sich ziemlich viel Blausäure, und zwar nach
einer quantitativen Schätzung (Wägung des Silbersalzes) etwa
entsprechend !/, Proz. des Melaningewichtes. Das Destillat, nach
Beseitigung der Blausäure durch Silbersulfat neuerlich destilliert,
ergab nunmehr Spuren einer sauer reagierenden, nicht nach Fett-
säuren riechenden Substanz. Der oxalsäurehaltige Destillationsrück-
stand wurde mit Alkohol verrührt und die Salzmasse abfiltriert; der
Alkohol hinterließ beim Eindunsten einen spärlichen, im warmen
Wasser nur teilweise löslichen Rückstand. Die wässerige Lösung
gab mit Eisenchlorid eine schöne rotviolette, auf Zusatz von ein
wenig Säure oder Alkali verblassende Färbung; beim Kochen mit
Millonschem Reagens trat ein intensiv rotgelbes Kolorit auf, beim
Erwärmen mit Salpetersäure eine intensive Gelbfärbung (mit Über-
gang in Rotbraun auf Alkalizusatz); Natronlauge allein bewirkte
den Eintritt einer rötlichen Färbung, Bromwasser eine in Natron-
lauge lösliche, beim Ansäuern wieder auftretende Fällung; ammo-
niakalische Silberlösung, nicht aber Fehlingsche Flüssigkeit wurde
bei Erwärmen stark reduziert. Offenbar lag eine der Phenol-
gruppe angehörige Substanz vor, deren genauere Charak-
terisierung jedoch angesichts der sehr geringen Menge nicht mög-
lich war,
Ein wesentlich anderes Bild dagegen bot die Kalischmelze,
wenn dieselbe nicht über freier Flamme bis zur eintretenden Ent-
färbung, sondern im Ölbade bei 200 bis 230° gehalten wurde. Als
5)
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 141
die Lösung dieser Schmelze mit Salzsäure angesäuert wurde, fiel
ein reichlich dunkel gefärbter „Melaninsäure“niederschlag aus, wäh-
rend sich im Filtrate davon ein intensiv fäkulenter, etwa an Pferde-
mist erinnernder Geruch bemerkbar machte.
Das Filtrat, in dem weder Indol noch Skatol nachweisbar war, wurde
mit Kalilauge alkalisch, mit Oxalsäure sodann wieder sauer gemacht, destil-
liert, das saure Destillat mit Natronlauge neutralisiert und eingedampft.
Proben des Rückstandes gaben beim Erwärmen mit verdünnter Schwefel-
säure einen buttersäureähnlichen, beim Erhitzen mit absolutem Alkohol und
konzentrierter Schwefelsäure einen arrakähnlichen Geruch. Eine konzen-
trierte wässerige Lösung des Rückstandes gab mit Eisenchlorid keine Fällung,
sondern eine dunkelbraunrote Färbung und erst beim Kochen einen reich-
lichen braunroten Niederschlag; mit Silbernitrat einen weißen, käsigen, sich
beim Erwärmen schwärzenden Niederschlag (dagegen keine Reduktion
ammoniakalischer Silberlösung); mit Quecksilberchlorid erst beim Kochen
Abscheidung eines weißlichen Niederschlages ; mit Mereuronitrat einen volumi-
nösen, weißen, sich beim Erwärmen schwärzenden Niederschlag; mit Bleiacet
eine weiße Fällung, die beim Erwärmen teilweise eine ölige Beschaffenheit
annahm. Calciumchlorid gab keine Fällung, Baryumchlorid in konzen-
trierter Lösung sofort, in verdünnter erst nach einiger Zeit eine auch nach
Wasserzusatz beim Erwärmen nur unvollständig lösliche Fällung. Eine Ab-
scheidung schwerlöslicher Säuren durch Salzsäure wurde nicht erhalten.
Offenbar lag ein Ameisensäure enthaltendes Gemenge
flüchtiger Fettsäuren vor.
Auch hier wiederum gelang in dem nach Verjagen der Fett-
säuren erhaltenen oxalsäurehaltigen Rückstande der Nachweis einer
phenolartigen Substanz von dem oben beschriebenen Verhalten.
Der beim Neutralisieren der Kalischmelze ausfallende Melanin-
säureniederschlag, neuerlich einige Stunden mit Ätzkali bei 200
geschmolzen, lieferte wiederum ein Fettsäuregemenge von den
beschriebenen Eigenschaften.
Bei einem weiteren Versuche wurden 40 g Melanin mit 250g
Ätzkali acht Stunden lang im Ölbade geschmolzen, die wässerige
Lösung der Schmelze mit Salzsäure angesäuert, der Melaninsäure-
niederschlag abfiltriert, das fäkulent riechende Filtrat mit Äther,
die ätherische Lösung mit Natronlauge ausgeschüttelt. Es fand
sich weder Indol noch Skatol, noch ein Phenol, dagegen nahm
die Natronlauge reichlich flüchtige Fettsäuren auf; dieselben
durch Destillation abgetrennt, neutralisierten etwa 0,5 g NaOH.
Das Destillat nahm beim Stehen eine rötliche Färbung an und
gab eine schöne Fichtenspanreaktion: anscheinend enthielt es eine
kleine Menge von Pyrrol.
Die bei diesem Versuche erhaltene Melaninsäure, die über-
dies (s. u. unter 6) mit Chromsäure behandelt und noch einmal
142 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
mit Kali geschmolzen worden war, lieferte, nunmehr mit Ätzkali über
freier Flamme bis zur Entfärbung der Schmelze erhitzt, reichlich
Blausäure. |
Im fäkulent riechenden Filtrate der letzten Melaninsäure-
fällung waren wiederum reichlich flüchtige Fettsäuren und Spuren
der phenolartigen Substanz nachweisbar.
5. Andere Versuche tiefgreifender Hippomelanin-
spaltung. 10g Hippomelanin wurden aus einer Retorte der
trockenen Destillation unterworfen. In die mit Wasser ge-
füllten Vorlagen ging ziemlich reichlich ein farbloses, sich an der
Luft gelblich färbendes, das Wasser trübendes, alkalisches Öl über,
das aus der alkalisch reagierenden Flüssigkeit von Äther auf-
genommen wurde. Nach Ausschütteln der gelben Ätherlösung mit
stark verdünnter Salzsäure hinterließ die erstere ein Öl, das durch
seine Eigenschaften (Fichtenspanreaktion, Übergang in Pyırol-
rot) sich als Pyrrol erwies; die salzsäurehaltige Lösung hinter-
ließ beim Eindunsten einen spärlichen Rückstand. Die konzen-
trierte Lösung desselben gab mit Kalilauge eine Trübung unter
Auftreten eines penetranten Pyridingeruches. Quecksilberchlorid,
Jodquecksilberkalium und Jodwismutkalium sowie Pikrinsäure gaben
gleichfalls Fällungen; letztere erwies sich in der Wärme löslich
und fiel beim Erkalten in Tropfenform wieder aus. Offenbar lag
Pyridin oder eine demselben verwandte Substanz von basischem
Charakter vor.
Genau den gleichen Verlauf zeigte eine Wiederholung des Versuches
mit 5g durch Kalischmelze aus Hippomelanin dargestellter, überdies noch
mit Chromsäure behandelter Melaninsäure, sowie ein weiterer Versuch, wobei
50 g Melanin mit 35 g Zinkstaub gemischt, aus einer Eisenretorte im
Wasserstoffstrome trocken destilliert wurden. Neben ziemlich viel Pyrrol
fand sich in den (mit Wasser und Alkohol beschiekten) Vorlagen auch hier
wiederum nur eine kleine Menge Pyridin, das in diesem Falle nach Be-
seitirung des Pyrrols noch einmal durch Destillation gereinigt werden
konnte.
Bei einem Versuche, die Kalischmelze mit der Zinkstaubdestil-
lation zu kombinieren, indem Melanin erst mit Kali in einer Silber-
schale geschmolzen, die Schmelze in eine Eisenretorte übertragen, mit viel
Zinkstaub gemischt im Wasserstoffstrome erhitzt wurde, konnten überhaupt
keine flüchtigen Produkte in namhaften Mengen isoliert werden.
Bei einem weiteren Versuche wurden 10g Melanin mit 100g Ätzkali
im Ölbade geschmolzen und in die Schmelze Natriumsuperoxyd in
kleinen Portionen bis zur beginnenden Entfärbung eingetragen (eine in An-
betraeht der unter Feuererscheinung erfolgenden heftigen Reaktion und des
Herumspritzens der Schmelze nicht ungefährliche Operation). Aus der
Lösung ließ sich durch Salzsäurefällung noch 1'/,g „Melaninsäure“ ge-
m We v 0 RE SE GE Ne
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 143
winnen; im Filtrate derselben fand sich von organischer Substanz nur
Oxalsäure in reichlichen Mengen, also nur das Anfangs- und Endprodukt,
aber kein Zwischenprodukt der Reaktion.
Um festzustellen, ob ein Produkt, ähnlich der von Spiegler!)
aus einem Haarpigmente gewonnenen Methyldibutylessigsäure,
aus Hippomelanin gewonnen werden könne, wurde, Spieglers
Vorgang folgend, 20% Melanin in 250 ccm 20 proz. Chromsäure-
lösung (hergestellt aus Kaliumbichromat und Schwefelsäure) in
kleinen Portionen unter Umrühren eingetragen; es war keine leb-
hafte Reaktion, sondern nur eine schwache Gasentwickelung wahr-
nehmbar. Nach 2!/,stündigem Erwärmen am Wasserbade wurde
mit Wasser verdünnt und filtriert. Während Spiegler bei dem
gleichen Vorgange unter lebhafter Reaktion und sogar auch schon
in der Kälte eine Umwandlung seines Haarpigmentes in ein weißes,
kristallinisches, in Eisessig, Aceton u. dgl. lösliches Produkt be-
obachtet hatte, blieb hier die schwarze Pigmentmasse im wesent-
lichen unverändert; auch gelang es nicht, ihr durch kochenden Eis-
essig eine hell gefärbte Substanz zu entziehen.
Die im Vergleich zu anderen Melaninen viel größere Wider-
standsfähigkeit des Hippomelanins gegenüber oxydativen Agenzien
offenbarte sich auch bei dem Versuche, Wolffs?) Vorgange f£ol-
gend, Xyliton aus demselben zu gewinnen. 10& Melanin wurden
in einer Druckflasche mit 50 cem stärkster Bromwasserstoff-
säure (bei 0° gesättigt, Kahlbaum) und etwa 21/),g Brom
13/, Stunden auf 110 bis 118° erhitzt. Das Brom verschwand bei
der Reaktion; doch blieb das Melanin äußerlich unverändert.
‚Während Wolff bei gleicher Behandlung seines Pigmentes aus
menschlicher sarkomatöser Leber reichliche Mengen eines in Äther
löslichen Öles erhielt, fand sich in unserem Falle pur eine minimale
Menge einer ätherlöslichen, in feinen Nädelchen kristallisierenden,
stickstoffhaltigen, unzersetzt flüchtigen, in Wasser und kochender
Natronlauge unlöslichen Substanz, die mit dem Xyliton keinerlei
Ähnlichkeit besaß.
Der Versuch wurde noch in der Weise variiert, daß die Druckflasche
im Chlorealeiumbade zwei Stunden bei 125 bis 130° gehalten wurde. Wir
erhitzten ferner 4 g Melanin mit 20 cem rauchender Bromwasserstoffsäure
nnd l1cem Brom im Einschlußrohre zwei Stunden auf 115 bis 135°. Auch
hier blieb das Pigment äußerlich unverändert und es wurden nur Spuren
ätherlöslicher Substanz gebildet.
!) Spiegler, |. c.
BRWOlfT,. 1.:c.
144 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Daß aber das Hippomelanin dem Brom gegenüber nicht absolut resi-
stent ist, ergibt folgender Versuch: 20g Melanin wurden in einer Druck-
flasche mit 20 cem Brom und 20 cem Wasser im kochenden Wasserbade
einen Tag gehalten. Beim Öffnen der erkalteten Flasche zeigte es sich, daß
das Brom verschwunden war. Auch weitere 20 ccm Brom verschwanden in
der gleichen Weise, während eine dritte Bromportion auch nach zweitägigem
Erhitzen nicht verschwunden war. Nach Beseitigung des Bromüberschusses
durch Destillation fand sich die Hauptmenge des Pigmentes (etwa 15g) un-
gelöst und insofern verändert, als es nunmehr in Alkali leicht löslich ge-
worden war (Übergang in „Melaninsäure“); das Filtrat enthielt etwa
2\/,g Oxalsäure.
Also auch hier wiederum das Nebeneinander des Anfangs- und
Endproduktes, das Fehlen eines Zwischenproduktes der Oxydation.
Das gleiche ergab überdies die sehr vorsichtige Oxydation
von alkalischen Melaninsäurelösungen (in Portionen zu 5g) durch
allmählichen Zusatz von Permanganatlösung bzw. Bromlauge;
auch hier ging mit dem Verschwinden der Melaninsäure das Auf-
treten von Oxalsäure einher.
6. Kombination von Kalischmelze und COhromsäure-
oxydation. Wir legten uns nunmehr die Frage vor, nach welcher
Richtung hin die quantitative Zusammensetzung der „Melaninsäure“
verschoben werde, wenn man sie mit Chromsäure weiterbehandelt,
also die labilen Anteile des großen Pigmentsäuremoleküls
durch Oxydation zu beseitigen trachtet.
100 x Hippomelanin wurden so lange mit Ätzkali im Ölbade immer
wieder von neuem geschmolzen, bis es schließlich gelungen war (s. 0.), die
ganze Pigmentmasse in Alkali löslich zu machen, also in „Melaninsäure“
überzuführen. Diese wurde mit Salzsäure gefällt, der Niederschlag aus-
gewaschen, in 150 ccm eines Chromsäuregemisches (50 Teile Kaliumbichromat,
50 Teile konzentrierte Schwefelsäure, 100 Teile Wasser enthaltend) suspen-
diert, über Nacht bei Zimmertemperatur, sodann eine Stunde am Wasser-
bade belassen, das ungelöste Pigment abgesaugt, mit viel Wasser ausgekocht,
abgesaugt, der Vorgang noch dreimal wiederholt, das Pigment nunmehr noch
einmal Y, Tag mit Alkali geschmolzen, die Schmelze im Wasser gelöst,
filtriert (wobei sich ein intensiver fäkulenter Geruch bemerkbar machte),
das Filtrat mit Salzsäure gefällt, der [Niederschlag auf gehärtetem Filter
sesammelt, mit Wasser verrieben und ausgekocht, wieder abgesaugt, der
Vorgang noch dreimal wiederholt, die Substanz einige Stunden mit Alkohol,
sodann mit Äther extrahiert und bei 95° zur Gewichtskonstanz getrocknet.
Eine orientierende Analyse dieses Präparates ergab folgende Zusammen-
setzung:
0,2969 g Substanz gaben 0,6091 g CO, = 55,94 Proz. C und 0,0757 g H,O
== 2:88 Pros,
0,2834 Substanz gaben 21 cem N (9°, 719mm) = 8,48 Proz.
1,0555 g Substanz gaben 0,0784g BaSO, = 1,03 Proz. 8.
0,7835 x Substanz gaben 0,0284 g Asche (chromhaltig) = 3,62 Proz.
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 145
Demnach: |
Aschefrei berechnet
BERFILY LUD 55,94 Proz. 58,04 Proz.
SER ER 2,55... 2,64, 7,
A Hy ae = Se BR
a ig 5037, 1,06 „
2 To Ve ee a 3,6, —
a N ee 28,38 „ 2947 „
100,00 Proz. 100,00 Proz.
woraus sich, auf Stickstoff als Einheit berechnet, die Atomrelation
C,,H,sNıS,,0s ergab.
In analoger Weise wurde noch ein anderes Präparat dargestellt, diesmal
jedoch die Melaninsäure einer weit intensiveren Oxydation unterworfen, in-
sofern auf 40g Melanin 500 cem 20 proz. Chromsäurelösung zur Anwendung
kamen (im Vergleiche zum ersten Versuche etwa die fünffache relative Chrom-
säuremenge) und die Dauer der Einwirkung auf dem Wasserbade 3 Stunden
betrug. Die Analyse des Präparates ergab:
0,1660 g gaben 0,3284 & CO, — 53,98 Proz. und 0,0450 & H,O = 3,01 Proz.H.
0,3552 g Substanz gaben 20,8 ccm N (21°, 723 mm) —= 6,46 Proz. N | 6,93
0,0990 g Substanz gaben 6,6 ccm N (19°, 723 mm) = 7,40 Proz. N en N.
0,8419 g Substanz gaben 0,0434g BaSO, = 0,707 Proz. 8.
Eisen war selbst qualitativ nicht nachweisbar.
Die Zusammensetzung betrug demnach:
u A er 53,98 Proz.
a at 3.01 5
ee a a ei <c 0,939 5
Bern Miami OL,
Oi rAschel).. „ll: 3,3.
100,00 Proz.
woraus sich die auf Stickstoff als Einheit bezogene Atomrelation
C,,.H;,0Nı 80,0, berechnen lieb.
Berechnet man aus dem Mittelwerte der Hippomelanin-
analyse von Berdez und Nencki?) (© 54,60 Proz., H 3,87 Proz.,
N 10,67 Proz., S 2,84 Proz.) und der Hippomelaninsäure-Analysen
won Nencki und Sieber°:) (C. 59,95 Proz., H .3,88 Proz,
N 10,41 Proz., S 2,59 Proz.) die Atomrelationen und vergleicht
man sie mit den analogen Werten unserer Präparate:
EI a RT en RR 3 PR I
a gaanre 0 ann anne ae C,H, N, So,
Niederes Oxydationsprodukt der Hippomelaninsäure . C,,H, N, S,,05
Höheres Oxydationsprodukt der Hippomelaninsäure . 0,,H;, N, So,04
!) Das Präparat enthielt noch etwas Asche, deren Mengenbestimmung
infolge Materialmangels leider unterblieben ist.
erli,c.
PN.E.C.
Beitr. z. chem. Physiologie X, 10
146 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
so ergibt sich, daß in dem Maße als der Abbau fort-
schreitet, das resultierende Produkt neben der Ver-
armung an Schwefel eine sehr auffällige Verschiebung
des Verhältnisses des Kohlenstoffs zum Stickstoff zu-
gunsten des ersteren aufweist. Eine weitere Erörterung der
sich aus diesen, sowie aus den vorausgehenden Versuchen ergeben-
den Folgerungen soll erst zum Schlusse, nach Mitteilung der das
künstliche Melanin betreffenden Beobachtungen Platz finden.
2. Fermentative Melaninbildung.
A. Pflanzliche Tyrosinase.
l. Literatur über Pilztyrosinasen. Da die zunächst
mitzuteilenden Untersuchungen über fermentative Melaninbildung
mit Hilfe von aus Pilzen gewonnener Tyrosinase ausgeführt worden
sind, möge es uns gestattet sein, die wichtigsten über pflanzliche
Tyrosinasen bisher vorliegenden Beobachtungen hier in Kürze an-
zuführen.
Die Untersuchungen von G. Bertrand!) und Bourquelot2)
haben gelehrt, daß die Dunkelfärbung von Pilzen beim Absterben
auf die Einwirkung oxydativer Fermente auf aromatische Sub-
stanzen zu beziehen ist und zwar wurde die (Guajakharz und Hydro-
chinon oxydierende) „Lakkase“ von der Tyrosin oxydierenden
„Lyrosinase* unterschieden. Die Tyrosinase fand sich in unregel-
mäßiger Verbreitung bei zahlreichen Pilzen; bei anderen wurde sie
vermißt. Auch in manchen chlorophyllführenden Pflanzen wurde sie
angetroffen; so in roten Rüben (deren Saft sie nachdunkeln macht;
vgl. Gonnermann?®) und Dahlien. Das Studium der Tyrosinase
war durch die Labilität derselben sehr erschwert; doch gelang es
!) Bourquelot et Bertrand, Le bleuissement et le noireissement
des champignons. Compt. rend. Soc. de biol. 47, 582 (1895). — Bertrand,
Sur une nouvelle oxydase ou ferment soluble oxydant d’origine vegötale.
Compt. rend. 122, 1215 (1896). — Derselbe, Sur la presence simultande de
la laccase et de la tyrosinase dans le suc de quelques champignons, ibid. 123,
463 (1896).
®) Bourquelot, Les ferment oxydants dans les champignons. Compt.
rend. Soc. de biol. 58, 811 (1896); Sur quelges proprietes des solutions aqueuses
ehloroformees du ferment oxydant des champignons et sur la duree de
l’activitö de ces solutions, ibid. p. 893. — Sur la dur6e de l’activite des
ferments oxydants des champignons en solution dans la glycerine, ibid. 49,
454 (1897).
°) Gonnermann, Homogentisinsäure, ein Bestandteil der Rüben usw.
Pflügers Arch. 82, 289.
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 147
immerhin, beim Trocknen der Schwämme im Vakuum, sowie bei
Extraktion mit Chloroformwasser bzw. Glycerin die Tyrosinase
auch längere Zeit zu konservieren. Durch Fällen der Extrakte mit
Alkohol und wiederholtes Lösen und Wiederfällen der Nieder-
schläge wurden reinere, wirksame Lösungen erhalten.
Gessard!) sah bei Einwirkung von Tyrosinase auf Tyrosin
zunächst eine Rotfärbung und dann erst eine Schwärzung und Ab-
scheidung dunkler Flocken auftreten, welche letztere durch Auf-
kochen, Schütteln mit Kreide, Zusatz von Salzen, alkalischen Erden
und dergleichen beschleunigt wurde. Bei 0° verlief die Reaktion
sehr langsam; sie hatte ihr Optimum bei 45 bis 50°; bei 68° er-
folgte eine langsame Zerstörung der Tyrosinase. Schwache Säure-
grade und Ferrosalze wirkten fördernd, geringe Mengen von Alka-
lien, ferner Alkali- und Erdalkalisalze sowie Eiweißkörper hemmend
auf die Reaktion. Durch Immunisierung mit Tyrosinase wurde
„Antityrosinase“ erhalten.
Endlich hat Bach?) kürzlich die Beschleunigung der T'yro-
sinasereaktion durch Wasserstoffsuperoxyd, sowie die Spezifizität
derselben betont, insofern z. B. Peroxydase aus Meerrettich auch
bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd Tyrosin unter keinen
Umständen zu oxydieren vermag.
2. Gewinnung der Tyrosinase. Wie aus dem Mit-
geteilten hervorgeht, sind die vom Standpunkte der Fermentchemie
über die Tyrosinase gesammelten Erfahrungen sehr dürftiger Natur
und namentlich fehlt bisher jede Bemühung, die Wirkung der
Tyrosinase durch quantitative Versuche messend zu ver-
folgen.
Die Mehrzahl unserer Versuche sind mit Fermentlösungen
aus Agaricus melleus (Halimasch) und Agaricus campestris
(Champignon) ausgeführt worden. Wir fanden die Tyrosinase
reichlich auch in anderen Pilzarten, die wir der Freundlichkeit des
Herrn Professor Wettstein R. v. Westersheim, Direktors des
botanischen Institutes in Wien, verdankten — so in Agaricus fasci-
eularis, procerus, bulbosus, in verschiedenen Russulaarten — nicht
aber in Proben der Gattungen Clavaria und Lycoperdon, und
ebensowenig im Steinpilz (Boletus edulis); doch mußten wir uns
aus äußeren Gründen, da wir mit unseren einschlägigen Versuchen
!) Gessard, Etude sur la tyrosinase. Ann. Inst. Pasteur 15, 593 (1901);
vgl. auch Compt. rend. Soc. de biol. 54, 551 und Compt. rend. 138, 777.
?) Bach, Peroxydasen als spezifisch wirkende Enzyme. Ber. d. deutsch.
chem. Ges. 39, 2126, Juni 1906.
10*
148 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
erst im Spätherbst begonnen haben, auf die beiden .erstgenannten
Gattungen beschränken, die uns zu dieser Jahreszeit noch in
größeren Mengen zugänglich waren. (Der Halimasch kommt in
Wien im Spätherbst in großen Mengen auf den Markt; der künst-
lich gezüchtete, allerdings recht kostspielige Champignon ist
während des ‚ganzen Winters erhältlich.) Das günstigste Objekt
für Tyrosinasegewinnung scheinen übrigens Russulaarten zu bilden,
welche auch von den vorerwähnten französischen Forschern zu
diesem Zwecke in erster Linie verwendet worden sind. Zur Ge-
winnung der Tyrosinase gingen wir zumeist nach den Prinzipien
Bertrands!) und seiner Mitarbeiter vor. Am zweckmäßigsten
erwies sich uns folgende Methode:
Je 2kg der Schwämme (Agaricus melleus) wurden fein zer-
hackt, mit Sand verrieben, hierauf mit 2 Liter Chloroformwasser
durchgerührt. Nach 2 bis 5 Stunden wurde die Flüssigkeit ab-
koliert, mit dem zweifachen Volumen Alkohol von 96 Proz. ver-
setzt, der sich nach einigem Umrühren sehr schnell absetzende
fädige Niederschlag sofort durch Rohseide abgesaugt und entweder
im Vakuum getrocknet oder aber sogleich mit 100 cem Chloroform-
wasser verrieben. Die am nächsten Tage abfiltrierte ferment-
haltige Flüssigkeit wurde in der Regel sogleich verwendet, da sie
sich als wenig haltbar erwies.
Da die Tyrosinase von Alkohol sehr schnell geschädigt wird, kommt
es vor allem darauf an, die Berührung desselben mit den fermenthaltigen
Niederschlägen nach Möglichkeit abzukürzen. Der Champignon lieferte uns
stets eine ziemlich schlechte Fermentausbeute; vermutlich, weil die Alkohol-
fällungen in den Extrakten sich hier schlecht absetzten und die Filtration
daher viel längere Zeit in Anspruch nahm. Die Empfindlichkeit der Tyro-
sinase dem Alkohol gegenüber ist wohl auch die Ursache des Fehlschlagens
aller Versuche, die Tyrosinase nach dem von Bach und Chodat?) für
Peroxydasen angegebenen Verfahren (Extraktion mit Alkohol 40 Proz., Ein-
engen im Vakuum, Fällung mit absolutem Alkohol) zu isolieren.
Während die frischen Pilzextrakte reich an Katalase (Wasser-
stoffsuperoxyd zersetzendem Fermente) sind, erwiesen sich die durch
Chloroformwasserextraktion aus den getrockneten. Präparaten er-
haltenen tyrosinasehaltigen Lösungen als frei von Katalase. (Der
Nachweis wurde in einer mit mehrfach gebohrten Gashähnen ver-
sehenen und entsprechend adjustierten gasometrischen Bürette ge-
') Bertrand, |.ce.
”) Bach und Chodat, Untersuchungen über die Rolle der Peroxyde
in der Chemie der lebenden Zelle; IV. Peroxydase. Ber. d. deutsch. chem.
(es. 56, 1, 600.
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 149
führt, welche das Gemenge von Fermentlösung, Wasserstoffsuper-
oxyd und Wasser aufnahm und die direkte Messung der entwickelten
Sauerstoffmenge gestattete.)
3. Untersuchungsmethode. Wurde eine fermenthaltige
Flüssigkeit mit Tyrosinlösung (wir verwendeten meist eine solche,
welche 0,05 Proz. Tyrosin und 0,04 Proz. Natriumcarbonat ent-
hielt) und etwa überdies mit einer geringen Menge Wasserstoff-
superoxyd versetzt, so beobachtete man das Auftreten einer erst
rötlichgelben, dann "bräunlichroten, schwarzbraunen, schließlich
schwarzen Färbung und nach einiger Zeit die Abscheidung
schwarzer Flocken unter Klärung der nahezu farblosen, über-
stehenden Flüssigkeit.
Um nun diesen Vorgang einer Messung zugänglich zu machen,
erwiesen sich uns zwei Methoden als geeignet.
a) Methode der Sedimentierung. Dabei erfolgte die
Schätzung der gebildeten Melaninmenge nach dem Volumen der
entstandenen Pigmentfällung.
Die Serie der in bezug auf ihren Melaningehalt zu vergleichenden in
Bechergläsern befindlichen Flüssigkeiten wurde bis zu dem gewünschten
Zeitpunkte stehen gelassen. War bis. dahin noch keine oder nur eine unvoll-
ständige Abscheidung des Pigmentniederschlages erfolgt, so wurde diese
durch Aufkochen unter Zusatz von etwas Calciumchlorid bewirkt, jede der
Flüssigkeiten mit den darin enthaltenen Pigmentflocken in ein Spitzglas
übertragen und das Absetzen der letzteren abgewartet. Nach Entfernung
der überstehenden klaren Flüssigkeit wurde jeder der Niederschläge in ein
nach unten zu stark verschmälertes graduiertes, etwa 12 cem-fassendes, in
Zehnteleubikcentimeter geteiltes Zentrifugiergläschen übertragen, sodann die
ganze Serie gleichzeitig zentrifugiert. Es stand uns zu diesem Zwecke eine
elektrisch betriebene Zentrifuge mit großer Umlaufsgeschwindigkeit zur Ver-
fügung, welche mit Hilfe von acht an der Peripherie einer Scheibe suspen-
- dierten Metallhülsen das gleichzeitige Zentrifugieren von acht solchen gra-
duierten Gläschen gestattete. Bei der Übertragung der Pigmentfällungen
aus den Spitzgläsern in die Zentrifugiergläschen ließen sich Verluste leicht
vermeiden, indem nach kurzdauerndem Zentrifugieren die überstehende
Flüssigkeit beseitigt und durch Spülwasser aus den Spitzgläsern beliebig
oft ersetzt werden konnte. War die Gesamtmenge der Niederschläge in die
graduierten Gefäßchen übertragen, so wurde das Zentrifugieren in der Regel
einige Stunden lang und zwar so lange fortgesetzt, bis eine Abnahme der
schmalen Pigmentsäule im unteren Teile der Gläser praktisch nicht mehr
zu bemerken war.
Kontrollproben, wobei von einer tintig geschwärzten Reaktionsflüssig-
keit aliguote Teile abgemessen und erst dann durch Kochen unter Chlor-
ealeiumzusatz „koaguliert“ wurden, ergaben die praktische Brauchbarkeit
dieses Verfahrens, allerdings nur bei Gegenwart ausreichend großer Melanin-
mengen und innerhalb der Grenzen einer annähernden Schätzung.
150 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
b) Methode der spektrophotometrischen Messung.
Ein unvergleichlich höheres Maß von Genauigkeit und überdies die
Möglichkeit, auch sehr geringe Melaninmengen in einer und der-
selben Probe zu verschiedenen Zeiten messend miteinander zu .
vergleichen, bot uns die spektrophotometrische Methode). Wir
haben sie daher bei unseren späteren Versuchen ausschließlich benutzt.
Die zu messende Flüssigkeit wurde in einem Troge mit planparallelen
Wänden und von lcm lichter Weite vor die untere Hälfte der Spalte eines
Glanschen Spektrophotometers älterer Konstruktion (von Schmidt u.
Hänsch in Berlin) gebracht. Als Spektralausschnitt (der selbstverständlich
innerhalb derselben Serie keine Änderung erfahren durfte) wurde meist der
Grenzbezirk zwischen Gelb und Grün, zuweilen auch Orange gewählt. Zur
Beleuchtung diente ein Auerbrenner. Die Berechnung der Extinktionskoeffi-
zienten erfolgte nach der Formel E = — 2 (log cotg « + logtg ß), wobei
« jene Winkelstellung des Nicols bedeutete, bei der Maximum der Hellig-
keit bestand, also keine verdunkelnde Flüssigkeit vorgeschaltet war, ß jene
Winkelstellung, auf die nach Vorlage des Troges mit der melaninhaltigen
Flüssigkeit vor die untere Spalthälfte eingestellt wurde. Die Nullstellung
wurde bei maximaler Verfinsterung des von der oberen Spalthälfte entwor-
fenen Spektrums durch Drehung des Nicols und bei vollständiger Abblen-
dung des anderen Spektrums bestimmt. Bezüglich zahlreicher Einzelheiten
der Messung sei hier auf die ÖOriginalbeschreibung des Apparates (Wiede-
manns Ann. der Physik 1, 351) sowie auf die ausführlichen Vorschriften in
Hupperts Analyse des Harnes (9. Aufl., S. 441) verwiesen. Die Prüfung
der Leistungsfähigkeit des Apparates an Oxyhämoglobinlösungen von be-
kanntem Gehalte ergab befriedigende Resultate.
Da bekanntlich zwischen der Konzentration einer Farbstoff-
lösung und ihrem Extinktionskoeffizienten für einen bestimmten
Spektralbezirk Proportionalität besteht, gestaltete die Bestim-
mung von E einen Rückschluß auf die relative Menge ge-
bildeten Melanins. Auf die Bestimmung des Absorptionsverhält-
nisses, welche einen Rückschluß auf die absolute Melaninmenge
gestattet hätte, haben wir angesichts des Fehlens einer ausreichend
reinen konzentrierten Standardlösung von künstlichem Melanin ver-
zichtet.
Die mitgeteilten Werte für & sind die Mittel aus einer größeren
Zahl, jeder Wert für 8 das Mittel aus mindestens zwei ausreichend
übereinstimmenden Ablesungen.
4. Einfluß der Temperatur auf die Tyrosinase-
wirkung. Um zunächst festzustellen, wo ungefähr das 'Temperatur-
') Diese ist beim Studium der Melanine bereits von K. A. H. Mörner
(l. e.) verwendet worden; allerdings nicht zur Mengen-, sondern zur Identi-
tätsbestimmung von Pigmenten aus menschlichen Melanosarkomen und mela-
notischen Harnen.
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 151
optimum für die Tyrosinasewirkung liegt, wurden vier Proben be-
reitet, jede aus 4 ccm einer Fermentlösung aus Halimasch, 60 ccm
einer alkalihaltigen T'yrosinlösung (s.0.) und 2 ccm Wasserstoffsuper-
oxydlösung von 5 Proz. bestehend; a) wurde bei 5 bis 7°, b) bei Zimmer-
temperatur, c) im Brutschrank bei etwa 40°, d) bei 55° gehalten.
Zunächst war die Melaninbildung bei den in die Wärme gestellten
Proben entschieden begünstigt; nach 1/, Stunde war a) und b)
noch nicht deutlich verändert, während c) dunkler und d) am
dunkelsten erschien. Später kehrte sich aber das Verhältnis
in höchst auffallender Weise um: am nächsten Morgen
erschien a) und b) tintig geschwärzt, c) heller und d) bei weitem
am hellsten. Der spektrophotometrische Vergleich nach Verdün-
nung jeder der Proben mit dem gleichen Volumen Wasser ergab
als Wert für den Extinktionskoeffizienten, demnach als Propor-
tionalitätsfaktor für die gebildete Melaninmenge: in a) 1,29, b) 0,55,
c) 0,42, d) 0,22.
Wir glauben diesen auffallenden Befund derart deuten zu
sollen, daß hier zwei Prozesse ineinander greifen: einerseits die
den allgemeinen Gesetzen chemischer Kinetik entsprechende Reak-
tionsbeschleunigung bei steigender Temperatur, andererseits
aber die in der Wärme schneller fortschreitende Zerstö-
rung des labilen Fermentes. Zuerst kommt der erste, nach
einiger Zeit aber der zweite dieser Faktoren stärker zur Geltung,
welcher Umstand die beschriebene Umkehrungserscheinung herbei-
führt, insofern also die Melaninbildung in der Wärme zwar
schneller einsetzt, aber auch viel früher zum Stillstande kommt.
Die außerordentlich große Empfindlichkeit der Tyrosinase gegen
die langdauernde Einwirkung höherer Temperaturen hat der eine!)
von uns bereits seinerzeit bei der Tyrosinase des Insektenblutes
beobachtet, deren Wirkung bereits bei 30° sistiert erschien.
Dagegen zeigt bei kurzdauerndem Erhitzen die Pilztyro-
sinase ein ähnliches Verhalten, wie die meisten anderen Fermente,
wie aus folgenden Versuchen hervorgeht.
Eine Reihe von Eprouvetten, je 3 ccm Fermentlösung aus Cham-
pignons, 3 cem Tyrosinlösung und 2ccm H,O, von 3 Proz. enthaltend, wurde in
einem Wasserbade und gleichzeitig mit demselben erwärmt und jeweilig bei
Erreichung einer Temperaturstufe eine der Proben aus dem Bade heraus-
genommen. Alle Proben wurden sodann drei Tage lang bei Zimmertempe-
ratur stehen gelassen und die gebildeten Melaninmengen spektrophotometrisch
bestimmt: (« = 54,8°).
1) Fürth und Schneider, I. e., 8. 284.
152 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Beobachtet
„Probe, | Drehungswinkel | Hxtinktions- |, 270%, | Drehungswinkel | Extinktions-
ne ma |, Fee 1
950 B— 44,1 E 0,322 550 =512 E 0,114
30 46,5 0,258 60 52,6 0,070
35 47,8 0,218 65 54,7 .
40 46,2 0,268 70 54,7 —
45 46,2 0,2685 75 54,8 —
50 46,7 0,252 == ze A
Wir sehen demnach die Kurve der Melaninbildung, die sich
zwischen 30 bis 50° annähernd auf gleichem Niveau gehalten hatte,
von da ab jäh absinken, derart, daß sie bereits zwischen 60 bis 65°
die Abszisse erreicht.
5. Einfluß des Wasserstoffsuperoxyds auf die Tyro-
sinasewirkung. Eine weitere Versuchsreihe wurde zur Fest-
stellung des Einflusses wechselnder Wasserstoffsuperoxydkonzen-
trationen auf die Tyrosinasewirkung ausgeführt.
A. Jede Probe enthielt 1 ccm Ferment (aus Halimasch) und 30 ccm
Tyrosinlösung, ferner
a) lccmH,0,, von 0,3 Proz. + 79 cem Wasser
b) 5 „ ” »„ 0,3 ” a® 05 5 »
c) 1 0 ” ” ” 0, 3 ” + 70 „ ”
d) 15 ” ” ” 0,3 ” + 65 ” ”
e) 20 „ ” ” 0,3 ” + 60 ” ”
Die Proben wurden nach 5 Tagen bei Zimmertemperatur sedimentiert
und zentrifugiert. Die Höhe der Melaninsäule betrug in a) 5, b) 5, ec) 5,
d) 8, e) 8 Teilstriche.
B. Jede Probe enthielt 3cem Fermentlösung und 50 cem Tyrosinlösung,
ferner:
Nach 5 Tagen sedimen-
tiert und zentrifugiert:
a) 2ccm H,O, von 0,3 Proz. + 18cem Wasser . . 1'/, Teilstriche
2 ade rt 3 Fe wo sicher. »
0) 12 ” P2) ” 0,3 ” + 8 ”„ P) 4 ”
d) 16 n ” ” 0,3 ” + 4 ” ” 3%, ”
e) 20 ” ” ” 0,3 ” + 0 ” ” Be. 4 ”
C. Jede Probe enthielt 3ccm Fermentlösung (aus Champignons) und 5cem
Tyrosin; spektrophotometrische Untersuchung nach 24 Stunden (« = 51,0°).
a) Occm H,O, von 0,8 Proz. + 4 cem Wasser. . .ß=11,9° E 1,538
b) v/ n ) ” 0,3 ” + 3%/, „ „ nd 11,9 1,538
€) a n ) ” 0,3 ” + 3% ” 7 12,1 1,522
d) 1 „ „ „ 0,8 » + 3 „ „ 11,5 1,568
e) 2 n ” ” 0,3 „ + 2 ” ”„ 32,5 0,576
f) 4 „ Or » 41,0 0,306
_ suchen B, C und D
- bei einem Wasser-
ty
letzteres der Fall ist,
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 153
D. Parallelversuch zum vorigen; spektrophotometrische Untersuchung,
jedoch bereits nach 16 Stunden.
a) Occem H,O, von 0,3 Proz. +4 ccm Wasser .. . BP =186° E 1,130
b) 72 ”„ ” ” 0,3 ” + 3, „ ” ! 3 18,5 1,136
c) v& » ”„ ” 0,3 ” + 3/5 ” ” BEAT 13,6 1,416
u x a Er 2 a A 19,4 1,090
e) 2 „ „ ” 0,3 „ — 2 ” „ u 4% 33,0 0,542
f) 4 „ „ „ 0,3 „ + 0 ” ” a u 43,0 0,244
Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß die Gegen-
wart von Wasserstoffsuperoxyd die Tyrosinasewirkung
erheblich befördern kann, daß ein Zuviel von Wassersuper-
oxyd die Wirkung aber hemmt bzw. aufhebt. Die Kon-
zentration, bei der Shan Fie.1.
lag bei den Ver- 1»
stoffperoxydgehalt der
Flüssigkeit von 0,02
bis 0,06 Proz.; im Ver- ”' 9
suche A war bei einem
H,0O,- Gehalt von |
0,05 Proz. die Grenze EVER EWR: 2 a
noch nicht erreicht. Wasserstoffsuperoxydmenge H, 0,
6. Einfluß der Tyrosinkonzentration und der Alka-
leszenz auf die Tyrosinasewirkung.
Melaninmenge
oO
=g
a
A. Proben, je 1ccm Fermentlösung (Halimasch) und 1 cem Wasserstoft-
superoxyd von 0,3 Proz. enthaltend, wurden versetzt mit
a) 1O ccm Tyrosinlösung + 50ccm Wasser
b) 20 ” ” + 40 ” n
c) 30 > ” -F 30 ” ”
d) 40 „ » +20 „ „
e) 50 ” ” = 10 ” ”
Nach 5 Tagen bei Zimmertemperatur zentrifugiert; Höhe der Säule:
@) / b) 1, e) 2/,, d) 3/,, e) 6 Teilstriche.
B. Proben, je 2ccm Fermentlösung (Halimasch) und 2ccm Wasserstoff-
superoxyd von 0,3 Proz. enthaltend, wurden versetzt mit
a) 1Ocem Tyrosin + 50 ccm Wasser
b) 20 „ 2) + 4 ., ”
c) 30 ” ” + 30 ” ”
d) 40 ” ” + 20 ” »
e) 50 ” ” + 10 r2 ”
154 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Nach 8 Tagen bei Zimmertemperatur zentrifugiert; Höhe der Säule:
a) 1, b) 1Y/,, ce) 1%,, d) 3, e) 5%, Teilstriche.
Da bei diesen Versuchen aber nicht nur der Tyrosingehalt, sondern
infolge des Sodagehaltes der zugesetzten Tyrosinlösung auch die Alkalikonzen-
tration variiert worden war, wurden weitere Versuche unter Ausschaltung
dieser Fehlerquelle ausgeführt:
C. Proben, 4 ccm Fermentlösung (Halimasch) und 5 ccm Wasserstoff-
superoxyd von 0,3 Proz. enthaltend, wurden versetzt mit
a) 1O ccm Tyrosinlösung + 50 cem Natriumcarbonat von 0,04 Proz.
b) 20 „ » +40 „ » „ 0,04 „
c) 30 „ 5) a0 » „ 0,04 „
d) 40 „ » 1.20 2) „ 0,04 „
e) 50 „ » » » 0,04 „
Nach 9 Tagen zentrifugiert; Höhe der Säule: a) 3'/,, b) 4, e) 5, d) 6,
e) 6 Teilstriche.
D. Wiederholung des vorigen Versuches. Höhe der Säule: a) 2°%/,, b) 5%,
c) 4'/,, d) 5, e) 6'/, Teilstriche.
Die Zunahme der Melaninbildung bei vermehrter
Tyrosinkonzentration und gleichbleibender Fermentkon-
zentration war also auch hier tatsächlich vorhanden und keines-
wegs ausschließlich durch eine Alkaleszenzänderung vorgetauscht.
Daß übrigens selbst weitgehende Änderungen der Alkales-
zenz unter Umständen ohne wesentlichen Einfluß auf den End-
effekt der Pilztyrosinase sein können, zeigt folgender Versuch:
E. Proben, je 10ccm Fermentlösung aus Champignons, 5 ccm Tyrosin-
lösung und 2ccm Wasserstoffsuperoxyd enthaltend, wurden versetzt mit
P= E
a) Ocem Natriumcarbonat von 0,04 Proz. + 10ccm Wasser 21,89° 1,048
b) 2 ” ” ” 0,04 „ + 8 „ „ 23,2 0,992 4
c) 4 ” ” ” 0,04 „ + 6 ” ” 23,0 0,996
d) 6 ” „ ”„ 0,04 ” + 4 2) ”„ 23,7 0,968
e) 8 ”„ ”„ „ 0,04 ” + 2 ” ” 22,7 1,010
f) 1 0 2) ”„ ”„ 0,04 ”„ + 0 ” „ 23,3 0,984
Die spektrophotometrische Untersuchung ist nach zwei Tagen bei
Zimmertemperatur ausgeführt worden («= 53,2°). Die hier beobachtete Ver-
änderung der E-Werte ist trotz der um ein Vielfaches gesteigerten Alkalimenge
eine unbedeutende (und zwar im Sinne einer geringen Hemmungswirkung).
Auch eine einfache Verdünnung ohne gleichzeitige Ver-
schiebung des Verhältnisses zwischen Ferment-, Tyrosin- und Alkali-
konzentration kann innerhalb weiter Grenzen ohne wesentlichen
Einfluß auf die schließlich gebildete Melaninmenge sein:
F. Proben, je 4cem Fermentlösung, 30cem Tyrosinlösung und 5cem
Wasserstoffsuperoxyd enthaltend. wurden durch Zusatz von a) 20, b) 40,
c) 60, d) 80, e) 100cem Natriumcarbonatlösung von 0,4 Proz. verdünnt und
nach 1l0Otägigem Stehen zentrifugiert: die Höhe der Säule betrug für a) 5,
b) 3'/,, ce) 3/,, d) 3, e) 3 Teilstriche.
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 155
Übrigens sei hier daran erinnert, daß bei den mitgeteilten
Versuchen nur von dem Endzustande die Rede ist, bei dem die
Reaktion schließlich stehen bleibt, daß aber über die Schnellig-
keit, mit der die Reaktion einsetzt und mit der sie bis zu dem
Endzustande verläuft, nichts ausgesagt wird. Bereits früher (Ver-
such 4A) ist auf die grundsätzliche Verschiedenheit dieser beiden
Begriffe hingewiesen worden.
7. Beziehungen zwischen Fermentmenge und dem
Quantum gebildeten Melanins. Um festzustellen, ob sich
bei der Tyrosinase zwischen Fermentmenge und Quantum des
gebildeten Reaktionsproduktes in ähnlicher Weise, wie dies bei
anderen Fermenten vielfach geschehen ist, einfache gesetzmäßige
Beziehungen ableiten lassen, wurde eine größere Zahl von Ver-
suchen ausgeführt.
Bei den ersten orientierenden Versuchen bedienten wir uns
der Zentrifugiermethode.
Versuch A. Probe, je 60 ccm alkali- und wasserstoffsuperoxydhaltiger
Tyrosinlösung (Tyrosin 0,05 Proz. + Na,C0O, 0,04 Proz. + H,O, 0,005 Proz.)
wurden versetzt mit
Nach 5 Tagen zentrifugiert;
Höhe der Säule:
a) 2cem Fermentlösung + 10cem H,0 . . . . 10 Teilstriche
b) 4 „ n + 8 ” ”„ a 13 ”
c) 6 „ ” + 6 ” ” « " u 14 n
d) 8 „ ” + 4 ” ” un ges 19 ”
€) 10 ” ” + 2 ”„ ” ee 23 ”
f) 12 n b)) + 0 „ ” ie ee 24 ”
Versuch B. Proben, je 60 cem Tyrosinlösung (Tyrosin 0,05 Proz.
—+ Na,00, 0,04 Proz.) und 2cem H,O, 0,3 Proz. enthaltend, dazu
Nach 5 Tagen enkritugiort;
Höhe der Säule:
a) lccm Fermentlösung + l5cem H,O... . 4 Teilstriche
b) 2 „ ] 714 „ aa ae ”
c) 4 ” ” + 12 ” a a ”
d) 8 ” ” a ey? 2)
e) 16 „ 2) 0 ” Bra nn OR n
Versuch C. Proben, je 30ccm Tyrosinlösung und 2cem H,O, 0,3 Proz.
enthaltend, dazu
Nach 10 Tagen zentrifugiert;
Höhe der Säule:
a) lccm Fermentlösung + 19cem H,O ... . 1), Teilstriche
b) 2 ” p7] + 18 » ” Un y 2 2
c) 4 ” ” + 16 ”n ” N 5 ”
d) 8 ” ” + 12 p>] ” NE 61% P)]
e) 16 „ „ + 4 9 But ne 2 »
156 Otto v.. Fürth und Ernst Jerusalem,
Schon diese orientierenden Versuche klärten uns darüber auf,
daß hier die Verhältnisse viel komplizierter liegen als z. B. beim
Pepsin, dem Trypsin und der Lipase, wo durchsichtige numerische
Fig. 2.
E=0,90 sind:
Ablesung nach 48 Stunden
0,80
0,70 Ablesung nach 24 Stunden
Ablesung nach 6 Stunden
Melaninmenge
| Ablesung nach 2 Stunden
0124 8 16 24 32 40 48 66 64 72
Fermentmenge
Fig. 3.
E = 0,90 Fermentmenge 64
0,80 _ — — Mittelkurve
TE Fermentmenge 32
0,70 .. Br Fermentmenge 8
I Fermentmenge 4
0,60 #
a
e)
= 0,50
"3
-_
3 0,40 7
= /
/
0,30 11 47
/
!
0,20
/
/
0,10
a 24 48 Stunden
Beziehungen (Wurzelgesetz) zwischen Fermentmenge und Reak-
tionsprodukt bestehen und setzten unsere Hoffnungen auf die Ab-
leitung eines einfachen „Fermentgesetzes“ auf ein geringes
Maß herab. |
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 157
Weitere Versuche mit der unvergleichlich leistungsfähigeren
und empfindlicheren spektrophotometrischen Methode förderten nun
in der Tat auffallende und schwer zu deutende Befunde zutage.
Versuch D. Fermentpräparat aus Halimasch, im Vakuum getrocknet,
nach einmonatlicher Aufbewahrung mit Chloroformwasser extrahiert; voll-
kommen katalasefrei. Proben, je 5cem Tyrosinlösung und 2cem H,O,
von 0,3 Proz. enthaltend, « = 52,6.
Probe "Ablesung nach
2 Stdn. '} 6 Stdn. 24 Stdn. 48 Stdn.
Relative
Ferment-
menge
Ferment H,0
0
ccm ccm ß
Bl 179), 1 51,8 | 0,026 | 40,2 | 0,380. 31,6 , 0,656 | 27,7 | 0,814
Ber 171, 2 51,6 | 0,032 | 41,9| 0,328 | 31,0 | 0,676 | 29,7 | 0,722
Bere 17 4 50,7 0,060 \ 45,8 | 0,210 | 33,2 | 0,602 | 31,4 | 0,662
8
6
oe a RR DE a a ne >
9. 3=|.716 49,2 | 0,106 | 45,4 | 0,222 | 34,7 0,554 |'30,5'| 0,694
a ee 16 |47,9 | 0,146 | 42,3 | 0,316 | 31,6 | 0,656 |'28,7:\ 0,758
Berlei 2 94 |44,7 0,244 41,3 | 0,346 | 31,8 0,650 | 28,1'| 0,780
en E10 32 |44,4 | 0,254 | 39,7 | 0,396 | 30,2 | 0,706 |'28,7'\ 0,758
Beim | 2 8 40 |44,9 | 0,238 | 38,6 | 0,430 | 29,2 | 0,732 | 25,4 | 0,882
a er: 48 |44,6.|0,252 | 38,0 | 0,450 | 28,3 | 0,772 | 26,6 | 0,834
Dr a 56 |41,6 0,338 | 37,6 | 0,462 | 28,8 | 0,772 | 24,9 | 0,909
D>16: |--L2'2 64 141,9 0,328 | 35,8 | 0,518 | 23,9 | 0,750 24,6 | 0,914
+ 0 72 39,9 | 0,390 | 35,5 | 0,528 | 28,1 | 0,788 | 24,9 | 0,900
(Vel. Fig. 2.)
Aus den Beobachtungen der vorliegenden Versuchsreihe läßt
sich auch ein Einblick in den zeitlichen Ablauf des Vorganges
der Melaninbildung gewinnen, wenn man die einzelnen den
Proben entsprechenden Ablesungen in Kurvenform mit den Zeit-
werten als Abszissen und die Melaninmengen als Ordinaten aufträgt.
(Vgl. Fig. 3.)
Versuch E. Fermentpräparat aus Halimasch, mehrere Wochen
im Vakuum bei Zimmertemperatur getrocknet, sodann mit Chloroformwasser
extrahiert. Das Präparat erweist sich vollkommen katalasefrei.
Es bedeutet
8 den Winkelwert der Nicoldrehung,
E den nach der Formel E = — 2 (log cotg a + tg ß) berechneten Extink-
tionskoeffizienten,
U eine Korrektur für die Nachdunkelung der Fermentlösung als solcher,
E’ den korrigierten Wert für den Extinktionskoeffizienten,
M die Verhältniszahlen für die Melaninkonzentrationen. |
1. Ablesung nach einem Tage bei Zimmertemperatur (« = 51,1’; für die
nachgedunkelte Fermentlösung beträgt $ = 32,8; daraus berechnet E£ = 0,57).
— Jede Probe enthält 5cecm Tyrosinlösung und 2cem H,O, von 0,3 Proz.
158 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Säe EW
Probe SE
cr =Elg er
eo]
a) com Ferment + 7/,cem H,0 | 1 | 11,0° | 161) 002 | 159 | ı
N ET 2 | 67 | 205! 004 | 201 | 13
)2 , ER EL . (E 4 | 50 | 3,30 | 0,08 | 222 | 14
ae na 3.1.98. 171.016 10 00
98, » +0... jı| 95] ır|om| 1a] 00
2. Ablesung nach 2 Tagen:
Jede der Proben wurde vor der Ablesung mit dem gleichen Volumen
Wasser verdünnt (@ — 51,6°).
Beobe a | an] 2, James ee
a) 1 | 96,80 | 0,796 | 157 | 1
b) 2 19,0 1,198 9,22 1,4
e) 4 18,6 1,148 2,22 1,4
d) 8 19,8 1,090 2,02 1,3
e) 16 19,0 1,198 1,90 1,2
(Vel. Fig. 4.)
Es wurden noch sechs weitere Versuche (F bis L) ähnlicher
Art (mit und ohne Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd) mit Ferment-
material aus Agaricus melleus und campestris ausgeführt, wobei
die Versuchsanordnung mannigfach variiert wurde; z. B. wurde
zur Verdünnung der
Proben Chloroform-
wasser statt gewöhn-
lichen Wassers be-
nutzt u. dgl. Speziell
die im Versuche L
zur Verwendung ge-
Fig. 4.
2. Ablesung nach 2 Tagen
[S>}
[S>}
fer
nn
l. Ablesung nach 1 Tag
M = Melaninmenge
1,0
0,8 langte Fermentlösung
0,6 wurde aus einem drei
0,4
2 Monate lang aufbe-
wahrten Trockenprä-
parate hergestellt und
durch Schütteln mit
Cholesterin (Eingießen alkoholischer Cholesterinlösung in die ferment-
haltige Flüssigkeit) von Beimengungen soweit befreit, daß sie
mit Phosphorwolframsäure nur eine Trübung, beim Sättigen mit
gab und nur eine Andeutung von
0 RR 4 8 16
Fermentmenge
Ammonsulfat keine Fällung
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 159
Biuretreaktion zeigte. Um Weitschweifigkeiten der Darstellung zu
vermeiden, dürfte es genügen, das Resultat dieser Versuche in einer
Tabelle graphisch zu registrieren !). (Vgl. Fig. 5.)
In jedem der Versuche D bis L machte sich die höchst merk-
würdige und auch ohne Messung bei einfachem Betrachten der
Proben ins Auge fallende Erscheinung mit großer Regelmäßigkeit
geltend, daß von einer gewissen Fermentmenge an ein
weiterer Fermentzusatz statt der erwarteten Zunahme eine
Abnahme des ge-
bildeten Melanin-
quantums bewirkte.
Diese Erscheinung
Fig.:5.
>»%
a2 © ©
war namentlich in den E * | 54 [
ersten Stadien der Me- ®,9 7
laninbildung auffällig. d1s ee
Beobachtete man die 348 he; F
Serien längere Zeit, 3; 4 -
so verwischte sie sich 10 hof L H
mehr und mehr; sie 0,8 x 2
kam daher in den x RE
erst nach 5 bis 10 Ta 02
2->
gen beobachteten Ver-
suchen A, B und ©
nicht zur Geltung.
0312 4 8 12 16 20 24 28 32
Relat, Fermentmenge
Es läge vielleicht nahe, diese Erscheinung zu den Phänomenen der
sogenannten „Komplementablenkung“ im Sinne Ehrlichs in Parallele zu
bringen. Bekanntlich haben Neisser und Wechsberg*) gefunden, dab
bei der durch ein Zusammenwirken von Amboceptor und Komplement er-
folgenden Abtötung von Bakterien durch bakterizide Sera ein Überschuß
von Amboceptor die Wirkung zu hemmen bzw. ganz aufzuheben vermag,
und haben diese Erscheinung im Sinne einer Komplementablenkung gedeutet.
O0. Cohnheim°) hat bei seinen Beobachtungen über Glykolyse durch
kombinierte Wirkung von Muskelsaft und Pankreas gefunden, daß, wenn
_ man zu einer gleichbleibenden Menge von Muskelsaft und Zucker steigende
_ Mengen Pankreas hinzusetzt, die glykolytische Wirkung erst zu-, dann ab-
_ nimmt und auf die Analogie dieser Erscheinung mit der „Komplementab-
_ lenkung“ hingewiesen.
!) Die Mehrzahl der Versuche wurden zwei Tage hintereinander ab-
gelesen; doch haben wir uns, um die Darstellung nicht zu verwirren, mit
der Wiedergabe einer Ablesung begnügt.
a ?) Neisser und Wechsberg, Münchener Med. Wochenschrift 1901,
5 18.
») O.Cohnheim, Über Kohlenhydratverbrennung. Zweite Mitteilung.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 404.
160 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Ohne auf die Diskussion dieses Begriffes näher einzugehen, möchten
wir nur darauf hinweisen, daß eine „Komplementablenkung“ in unserem
Falle allenfalls den Abfall der Melaninmenge mit steigender Fermentmenge,
aber wohl kaum den neuerlichen Anstieg der Kurve bei weiterer Ferment-
zufuhr erklären könnte.
Am ungezwungensten wäre vielleicht die Vermutung, daß die
beschriebenen Erscheinungen dadurch entstanden sind, daß sich
über die eigentliche wahre Fermentwirkung noch ein
hemmender Einfluß superponiert hat.
Nehmen wir beispielsweise an, die hemmende Wirkung wäre
der Menge der Fermentlösung direkt proportional (Linie A), die
reine Fermentwirkung in ihrer Abhängigkeit von der Ferment-
menge aber durch eine erst sanft, dann aber steil ansteigende
Kurve gegeben, wie es beifolgende Skizze andeutet (Kurve B).
Fig. 6.
B reine Fermentwirkung
A Hemmungswirkung
C beobachtete
Fermentwirkung
Menge des gebildeten Reaktionsproduktes
oO
Fermentmenge
Eine Kurve, welche nunmehr nicht die reine, sondern die tatsäch-
lich zur Beobachtung gelangende Fermentwirkung ausdrückt, muß
derart beschaffen sein, daß für jeden ihrer Punkte die Ordinate
gleich der Differenz der zur gleichen Abszisse gehörigen Ordinaten
der Kurve B und der Linie A ist. Konstruiert man diese Kurve (0)
unter den genannten Voraussetzungen, so sieht man ohne weiteres,
daß eine solche Kurve erst steigen, dann sinken und dann erst
wieder in die Höhe gehen wird, also tatsächlich die Eigentümlich-
keiten unserer Tyrosinasekurven aufweist.
Daß ein solcher hemmender Einfluß nicht etwa durch die An-
wesenheit von Wasser, Chloroform, Glycerin oder Wasserstoffsuper-
oxyd in unseren Proben bedingt war, ergibt sich aus den Versuchen.
is erschien jedoch (angesichts der Regelmäßigkeit, mit der diese
Erscheinung aufgetreten ist, und zwar in Fermentlösungen, die aus
zwei verschiedenen Pilzarten nach wechselnden Methoden her-
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 161
‚gestellt worden waren) auch wenig wahrscheinlich, dab es sich um
eine zufällige Beimengung gehandelt habe.
Es ergab sich nunmehr die Forderung, diese Beobachtungen
an möglichst heterogenem Fermentmaterial, und zwar solchem nicht
pflanzlichen, sondern tierischen Ursprunges nachzuprüfen, um
derart das Wesentliche vom Unwesentlichen der Erscheinungen
besser unterscheiden zu können. Über derartige Versuche mit
der Tyrosinase des Insektenblutes soll im folgenden berichtet
werden.
B. Tierische Tyrosinase.
1. Darstellung tierischer Tyrosinase. Die Darstellung
tierischer Tyrosinase erfolgte, von Lepidopterenhämolymphe aus-
gehend, nach dem seinerzeit von dem einen uns gemeinsam mit
Schneider!) beschriebenen Verfahren. Als Ausgangsmaterial
dienten meist die Puppen des Wolfmilchschwärmers (Deliphila
Euphorbiae), gelegentlich auch solche der Arten Platysamia Cecropia
und Atacus Cynthia. Das Verfahren beruht darauf, daß die Hämo-
Iymphe durch Halbsättigung mit Ammonsulfat gefällt und der ge-
waschene und abgepreßte Niederschlag in Sodalösung von 0,04 Proz.
gelöst wird. Die so erhaltene Lösung erweist sich stark tyrosinasehaltig.
2. Einfluß von Wasserstoffsuperoxyd, Alkaleszenz und
Katalysatoren. Um zunächst den Einfluß des Wasserstoff-
superoxyds auf tierische Tyrosinase festzustellen, wurde folgende
Serie aufgestellt: Proben, je l ecem Fermentlösung und 1 cem
Tyrosinlösung enthaltend, ferner: a) Occem H,O, + 0,9ccm H,O;
b) 0,3ccm H,0, + 0,6cem H,0; c) 0,6ccm H,O, + 0,3ccm H,0;
d) 0,9cem H,O, + Ocem H,O. Während der ersten Stunden waren
die wasserstoffsuperoxydhaltigen Proben den H,0O,-freien gegen-
- über in der Melaninbildung stark voraus; später glich sich aber
- dieser Vorsprung aus und bei der spektrophotometrischen Unter-
_ suchung am folgenden Tage fielen die Unterschiede bei allen vier
F Proben in die Fehlergrenzen: a) ß 5,8°, E 2,272; b) ß 6,2°, E 2,216;
h c)ß 6,1%, E 2,228; d)ß 6,6%, E2,160. Es war also nur die Schnellig-
b keit der Melaninbildung, nicht aber der Endzustand durch
die Gegenwart des Wasserstoffsuperoxyds beeinflußt worden.
= Um den Einfluß der Alkaleszenz zu prüfen, wurde folgende
E Serie aufgestellt: Proben, je lccm Tyrosin und lccm Ferment-
lösung enthaltend, ferner wechselnde Mengen (0,2 bis 1 ccm)
_ Normalsäure bzw. Alkali mit soviel Wasser, daß die Gesamtmenge
) 0. v. Fürth und Schneider, l. e., 8. 234.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 11
162 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
der Flüssigkeit 3cem betrug. Es ergab sich, daß jeder Säure-
zusatz, auch der schwächste, die Tyrosinasewirkung ganz
aufhob, während der Alkalizusatz eine, wenn auch nicht sehr
bedeutende, fördernde Wirkung aufwies.
Zur Prüfung der Wirkung metallischer Katalysatoren
konnte das gewöhnliche Verfahren nicht dienen, da das Natrium-
carbonat der Ferment- und Tyrosinlösung die Schwermetallsalze
gefällt hätte. Wir gingen deshalb einfach derart vor, daß wir
verdünnte Hämolymphe mit wässeriger, gesättigter Tyrosinlösung
mischten. Wurde ein solches Gemenge mit dem gleichen Volumen
a) Wasser, b) Mangansulfat 1 Proz., c) Ferrosulfat 1 Proz. d) Kupfer-
sulfat 1 Proz., e) Nickelsulfat 1 Proz. versetzt, so erwies sich nur
der Manganzusatz als für die Melaninbildung förderlich; Ferrosulfat
0 " 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Fermentmenge
und Kupfersulfat wirkten aber in dieser Konzentration direkt
hemmend. Auch als die 1 proz. Ferrosulfatlösung durch eine solche
von 0,8, 0,6, 0,4, 0,2 Proz. ersetzt wurde, erschien die Tyrosinase-
wirkung aufgehoben. Als wir aber zu einem Gemenge gleicher Teile
zehnfach verdünnter Hämolymphe und wässeriger Tyrosinlösung
ein Viertel Volumen 0,02 proz. Ferrosulfatlösung hinzufügten, machte
sich der fördernde Einfluß des Katalysators deutlich bemerkbar.
Wir möchten dies als methodisch wichtig insofern betonen,
als Durham), wie erwähnt, einen Zusatz von Ferrosulfat für den
Nachweis der Tyrosinase in Geweben empfiehlt?) und ein
Zuviel dieses Aktivators demnach sorgfältig vermieden
werden muß.
1
le
”) „A portion was placed in a test tube with solid tyrosine and a
milligram of ferrous sulfate was added as a activator.“
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 163
3. Beziehungen zwischen der Menge von Tyrosinase
und entstandenem Melanin.
Versuch A. Proben, je Iccm Tyrosinlösung, ferner 0,4 bis 4,0 cem
Fermentlösung und soviel Natriumcarbonat enthaltend, daß die Gesamtmenge
der Flüssigkeit 5ccm betrug. Ablesung nach 2'/, Stunden (« = 52,2°).
Bermentmenge 0A 08 12 16 20 24 28 32 36 40 ccm
Be... . 2 VE s IA 12 10,7, 70:5,7 Brad
Ze ..., 0,520 0,788 1,244 1,402 1,626 1,668 1,992 2,222 2,746 2,508
(vgl. Fig. 7).
Versuch B. Da die mit tierischer Tyrosinase angesetzten Proben
sehr schnell ausflockten und die mögliche Beobachtungsdauer der Versuche
dadurch in unerwünschter Weise abgekürzt wurde, stellten wir weitere Ver-
suche unter Zusatz einer Gummilösung an, die infolge ihrer viskösen
Beschaffenheit die Abscheidung des gebildeten Melanins in Flockenform er-
heblich verzögerte. Es wurden zwei Ablesungen der Serie ausgeführt, die
eine nach zwei Stunden mit den unverdünnten Proben (M = E), die andere
nach 24 Stunden mit den dreifach verdünnten Proben (M =3E).
Ablesung nach
3 Stunden 2 Stunden
ß° |M=E| p° |UM=3E
a) 0,4ccm Ferm.-Lösg. + 3,6 ccm Na,CO, 0,04 proz. 4168| — | 39,6 | 0,654
= 08 „ x +32 „ „008 13, 0,422 3 127
e)12 „ & 128 „ „004 „ 127,8 | 0,610 | 30,0 | 1,596
d)16 „ x EIS 25.00 0,04.:,»128,5 | 1.006 1902419479
20 _, S E00 Tr 1;056 | 2,3. 2,0628
BB , £ 164.0 7 50%.0,04.%4116,2].0,980 97,7 | 2,562
SE 3 34, 27.088 02% 117,3: 068° 198,1 14.2,508
32 „ e +08 „ 0,04 3.71.1252 11,188.) 22:5.) 2,460
i) 3,6 „ ? 0. 1,...008.. |.1481,210 202 2,766
k) 40 „ 5 ee 5, 180 | W260. 915. | 2,593
Versuch C. Wiederholung des vorigen Versuches (« — 51,8°).
Ablesung nach
3 Stunden | 24 Stunden
#° |M=E| 8° |M=E
| a) 0,4ccm Ferment + 3,6ccm Na,C0, 0,4 proz. . | 32,8 , 0,590 | 31,7 | 1,864
= 12 „ ee, „ 04 5»! 22,4 | 0,978 | 29,0 | 2,160
BA ,„ de ae HB „04 5 1120| 1,292.1245.12:649
d) 28 „ a u We “ra, E60 1,294 | 29,8 2,75%
e) 32 „ „> +08, „ 04 „116,6 | 1,258 | 22,7 | 2,904
m36 „ are 7 „04 4: el, | 1,890 | 22,5 | 2,922
g) 40 „ A = „04. 5° »116,6 | 1,294 | 20,1 | 3,246
EI®
164 | Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Versuch D (Versuchsanordnung wie inB). Ablesung nach 3 Stunden
(498%
Probe a b c d e f g h i k
B x -.260 29,4: 243 122,1, 386,7, 194:2719,7,20159 SIaBe
M=E 0,04 0,644 0,836 0,923 1,092 1,048 1,068 1,236 1,232 1,232
Wir stellen die Ergebnisse der Versuche B, C und D in der beifolgenden
Skizze (Fig.8) graphisch dar. Dabei bedeuten die Zeichen
+ die ersten Ablesungen des Versuches B
# „ zweiten 2) » „ B
OÖ „ ersten » » » C
X „ zweiten en * u; C
® „ ersten D) 2) D) D
Die Kurve I schmiegt sich in ihrem Laufe annähernd den ersten Ab-
lesungen, die Kurve II den zweiten Ablesungen an.
Fig. 8.
M
©
= 2,2
[-b}
E
B=:
|
>
=
ei
S
=
e
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Relat, Fermentmenge
Der Verlauf dieser Kurve läßt soviel erkennen, daß die bei
den analogen Versuchen mit pflanzlicher Tyrosinase regelmäßig
auftretende „Überschußhemmung“ hier nicht in Erscheinung tritt.
Der Verlauf der Kurven ist, von den durch Versuchsfehler be-
dingten Abweichungen 'abgesehen, hier viel regelmäßiger. Bezüg-
lich der numerischen Beziehungen zwischen Fermentmenge und
gebildeter Melaninmenge läßt sich feststellen, daß sicherlich nicht
das Verhältnis einfacher Proportionalität besteht. Von
einem gewissen Punkte an verläuft die Kurve fast horizontal,
derart, daß ein weiterer Fermentzusatz keine wesentliche Steige-
3
’
{
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 165
rung der gebildeten Melaninmenge bewirkt. Vielleicht könnte
man daran denken, das in der Fermentchemie immer wieder
auftauchende Wurzelgesetz auch hier zur Anwendung zu
bringen. Allein ein Blick auf die Figuren 7 und 8, in denen
durch punktierte Linien jener Verlauf der Kurven angedeutet ist,
der dem Postulate des Wurzelgesetzes entsprechen würde, lehrt,
daß die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Theorie
keineswegs ausreicht, um eine so einfache Formulierung zu recht-
fertigen. Sicherlich wird erst eine weitere Ausgestaltung der
Methodik und ein weit umfangreicheres Beobachtungsmaterial er-
forderlich sein, um eine rechnerische Formulierung der Kinetik
der Tyrosinasen erfolgreich in Angriff nehmen zu können. Wir
müssen uns vorderhand mit der Feststellung begnügen, daß, wenn
sich auch bei den pflanzlichen Tyrosinasen angesichts des atypischen
Kurvenlaufes eine solche Aufgabe wenig einladend präsentiert,
dieses Problem bei der tierischen Tyrosinase unter An-
wendung der spektrophotometrischen Methode nicht aussichtslos
erscheint.
4. Antityrosinase. Wir haben uns schließlich der spektro-
photometrischen Methode bedient, um die von Gessard!) be-
hauptete immunisatorische Bildung von Antityrosinase
nach Einführung von Tyrosinase in den Organismus einer Nach-
prüfung zu unterziehen.
Einem Kaninchen wurde etwas Blut durch Aderlaß entnommen
und nach erfolgter Gerinnung des abgehobenen Serums in einem
sterilen Gefäße in einer Toluolatmosphäre in der Kälte aufbewahrt.
Das Kaninchen erhielt darauf 150 ccm einer sehr wirksamen Lösung
tierischer Tyrosinase und zwei Tage später die gleiche Dosis sub-
kutan injiziert. Am Tage darauf ging das Tier zugrunde. Das
frische Serum wurde nunmehr mit demjenigen, welches dem nor-
malen Tiere entnommen worden war, bezüglich seines Vermögens,
die Tyrosinasewirkung zu hemmen, verglichen.
Zwei planparallele Glaströge von gleichen Dimensionen wurden mit je
öcem einer Tyrosinlösung und 3ccm stark wirksamer Fermentlösung be-
schickt. Zu der einen Probe wurde 0,3 ccm des Normalserums, zu der
anderen die gleiche Menge des Immunserums gefügt und nunmehr der zeit-
liche Ablauf der Melaninbildung in beiden Trögen verglichen. Die Berech-
nung der Verhältniszahlen geschah auch hier in einfacher Weise mit Hilfe
des Extinktionskoeffizienten.
nl c.
166 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
11h Beginn des Versuches Normal- Immun-
serum serum
Gebildete Melaninmenge 11h 15 bis 1120. . . 0,086 | 0,192
n a 11b 30 bis 11 50. . . 0,248 0,212
> : 11h 50 bis 12h 15. . . 0,300 0,336
1 2 12h 15 bis 150. . . 0,424 0,440
Summe‘) 1,058 | 1180
Von einer Hemmungswirkung des „Immunserums“, also von
einem Gehalte desselben an Antityrosinase war demnach bei diesem
einen Versuche, trotz der sehr großen Menge wirksamer Tyrosinase-
lösung, welche das Tier erhalten hatte, nichts wahrzunehmen.
3. Künstliche Melanine und ihre Beziehung zu den natürlichen
melanotischen Pigmenten.
1. Es schien uns nunmehr im Interesse einer Klärung der
Melaninfrage vor allem anderen notwendig, die Beschaffenheit der
durch Fermentwirkung entstehenden künstlichen Melanine mit der-
jenigen natürlich vorkommender melanotischer Pigmente zu ver-
gleichen. Es war dies um so mehr geboten, als die einzige in
dieser Richtung vorliegende orientierende Analyse (v. Fürth und
Schneider!) seinerzeit mit einer ungenügenden Menge von Material
(durch Einwirkung der Tyrosinase des Lepidopterenblutes auf
Tyrosin gewonnen) ausgeführt worden ist, und die seinerzeit an-
gewandten Reinigungsprozeduren nach unseren nunmehrigen Er-
fahrungen keineswegs ausreichend erscheinen, um eine Verunreini-
gung des Melanins mit Eiweiß mit Sicherheit auszuschließen.
Die Darstellung einer zur Analyse ausreichenden Menge künst-
lichen Melanins durch Einwirkung von Pilztyrosinase auf Tyrosin
war mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Die ab-
soluten Melaninmengen, die bei den Versuchen in Betracht kamen,
sind nämlich tatsächlich sehr gering. Es kann ein Melaninquantum,
welches genügt, um eine größere Menge Tyrosinlösung in eine
tintenschwarze Flüssigkeit zu verwandeln, sich nach Abscheidung
des Farbstoffes in Flockenform, nach Reinigung und Trocknung als
praktisch kaum wägbar herausstellen; dazu kommt, daß die volumi-
nösen Fällungen sehr viel organische und anorganische Verunreini-
gungen einzuschließen pflegen. Trotzdem wir die (bei den im
vorigen Abschnitt beschriebenen Serienversuchen entstandenen)
0
AN
ze u in
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 167
Melaninniederschläge sorgfältig gesammelt hatten, bedurfte es einer
Verarbeitung von 30 bis 40 kg der Schwämme (Agaricus campestris
und melleus), um Material für Doppelanalysen und einige orientierende
Versuche zu gewinnen. (Dergleichen Versuche, im Herbst mit den
anscheinend viel fermentreicheren Russulaarten ausgeführt, dürften
sich allerdings etwas bequemer gestalten.)
Die bei verschiedenen Versuchen erhaltenen Melaninsuspensionen
wurden vereinigt, am Wasserbade eingeengt, durch Zentrifugieren
von anhaftendem Wasser und Glycerin befreit, wiederholt mit
Wasser ausgewaschen, sodann 2 Stunden lang mit rauchender Salz-
säure gekocht, der Rückstand mit Hilfe der Zentrifuge abgetrennt,
gründlich mit Wasser gewaschen und überdies ausgekocht, mit
Alkohol erst in der Kälte, dann am Rückflußkühler, sodann mit
Äther behandelt und bei 95° zur Gewichtskonstanz getrocknet.
Trotz der eingreifenden Reinigung mit rauchender Salzsäure ent-
hielt das Präparat noch erhebliche Mengen anorganischer Asche, die
nicht beseitigt werden konnte und in Rechnung gebracht werden mußte.
2. Die Analysen, auf aschefreie Substanz berechnet, ergeben:
E IE Mittel
Bee, 52,68 Proz. 52,87 Proz. 52,77: Proz,
Be, 42, A,lOcH , 216,
Ben: 55» 7,69. , 763,2
nn, . — BE
100,00 Proz.
Die aus dem Analysenmittel auf den Stickstoff als Einheit be-
zogene Atomrelation beträgt O35H,,Nı0,;...
Zum Vergleiche sei angeführt, daß der Zusammensetzung des
Tyrosins (0,H,ı NO,;) die Werte © 59,67 Proz., H 6,07 Proz., N
1,13 Proz., O 26,53 Proz. entsprechen.
Es ergibt sich, daß es sich bei der Umwandlung des
Tyrosins in Melanin durch Tyrosinasewirkung um einen
Kondensationsvorgang handelt, bei dem das Verhältnis
zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, wenn überhaupt, so
sicherlich nur wenig verschoben wird, jedenfalls aber die
relative Abnahme des Wasserstoffs unter gleichzeitiger
Aufnahme von Sauerstoff im Vordergrunde steht.
Es stimmt dieser Befund mit den Angaben Ducceschis!)
überein, der durch vorsichtige Oxydation von Tyrosin mit chlor-
) V. Ducceschi, Sulla natura delle Melanine a di alcune sostanze ad
esse affini. — Rend. della R. Accad. dei Lincei X, 1. sem., serie 5, Fasc. 5,
1901. — Vgl. auch das Sammelreferat: Sulle Melanine, Arch. di fis. I, 6,
621 (1904).
168 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
saurem Kali in salzsaurer Lösung eine melaninartige (allerdings
in Alkali leicht lösliche) Substanz erhielt, in der die Relation C:N
ebenfalls von derjenigen des Tyrosins nicht erheblich abwich.
(Zusammensetzung: C 52,19 Proz., H 4,75 Proz., N 6,43 Proz.)
3. Was nunmehr die Eigenschaften des künstlichen
Melanins betrifft, konnte folgendes festgestellt werden.
Es war unlöslich in Wasser, Alkohol, Äther und in anderen
indifferenten Lösungsmitteln, in starker Natronlauge und
(selbst bei anhaltendem Kochen) in rauchender Salzsäure.
Eine Probe wurde mit rauchender Salpetersäure erwärmt,
bis die Entwickelung roter Dämpfe aufgehört hatte. Die klare,
braunrote Lösung gab beim Eingießen in Wasser einen lehmfarbenen,
flockigen Niederschlag, der sich bei Zusatz von Aceton, sowie eines
Gemenges von Alkohol und Essigäther klar löste.
Eine Probe wurde ferner 3 Stunden lang mit Ätzkali im
Ölbade geschmolzen. Die erkaltete Schmelze erwies sich in Wasser
klar löslich und war geruchlos; beim Ansäuern der braunen Lösung
mit Salzsäure dagegen fiel ein reichlicher brauner Niederschlag aus
(„Melaninsäure“) und gleichzeitig machte sich der uns von unseren
früheren Versuchen her wohlbekannte charakteristische fäkulente
Geruch bemerkbar. Der Melaninsäureniederschlag wurde mit Hilfe
der Zentrifuge abgetrennt, und der Reihe nach mit verdünnter
Salzsäure, Wasser, Alkohol und Äther gut gewaschen, getrocknet,
neuerlich im Ölbade mit Kali geschmolzen, die Schmelze wieder in
Wasser gelöst und mit Säure gefällt: Wiederum trat der fäkulente,
für die bei der Kalischmelze des Hippomelanins auftretenden flüch-
tigen Fettsäuren charakteristische Geruch auf und auch hier er-
scheint die Herkunft der letzteren aus etwa anhaftenden Ver-
unreinigungen durch die Versuchsanordnung ausgeschlossen.
Wir gelangen zu dem Ergebnisse, daß das durch Ein-
wirkung der Tyrosinase auf das Tyrosin entstandene
künstliche Melanin seinen qualitativen Reaktionen nach
von dem natürlichen Melanin (Hippomelanin) nicht zu
unterscheiden war.
4. Wir legten uns nunmehr die Frage vor: Inwieweit ist die
Annahme einer fermentativen Bildung der Melanine mit dem Be-
funde der bei dem tiefgreifenden Abbau natürlichen Hippomelanins
auftretenden Spaltungsprodukte vereinbar?
Die von uns und anderen aus Hippomelanin erhaltenen Ab-
bauprodukte bestanden im wesentlichen aus flüchtigen Fettsäuren,
Oxalsäure, Blausäure, Ammoniak, Pyrrol und kleinen Mengen
Ze une
sie ei ud Et u u
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 169
Pyridins. Alle diese Produkte, aus einer tiefgehenden Zertrümme-
rung des Moleküls der Muttersubstanz hervorgehend, lassen einen
Rückschluß auf die Natur der ersteren kaum zu. Sind wir ja doch
gewohnt, diesen Produkten beim Abbau der verschiedenartigsten
stickstoffhaltigen Substanzen zu begegnen.
Das einzige einigermaßen charakteristische Abbauprodukt des
Hippomelanins war leider nur in äußerst geringen Mengen erhält-
lich: es ist das die „phenolartige Substanz“ oder richtiger
gesagt: eine Substanz, die ihrem qualitativen Verhalten nach ihre
Zugehörigkeit zur Phenolreihe vermuten ließ.
Weitere charakteristische Spaltungsprodukte, die von anderen
Untersuchern aus Melaninen anderer Herkunft und anderer Be-
schaffenheit erhalten worden waren (wie Indol, Skatol, Xyliton,
Methyldibutylessigsäure) haben wir beim Hippomelanin vermißt.
Wir müssen uns also darauf beschränken, festzustellen, daß
wir beim Abbau des Hippomelanins bisher kein Produkt
angetroffen haben, das mit der Hypothese einer fermen-
tativen Bildung des Hippomelanins aus Tyrosin oder
einem anderen cykHschen Komplex des Eiweißmoleküls
unvereinbar wäre.
5. Es erübrigt nunmehr, die analytische Zusammen-
setzung der Melanine von dem Gesichtspunkte der genannten
Hypothese aus zu erörtern.
Was zunächst die Frage der Zugehörigkeit von Schwefel
und Eisen zum Melaninmolekül betrifft, so ist bereits früher der
eine!) von uns zu der Annahme gelangt, daß weder der
Schwefel, noch das Eisen für die Vorgänge der Melanin-
bildung unentbehrlich sind. „Das Melaninmolekül enthält aber
reaktionsfähige Atomgruppen, welche es befähigen, sich mit ge-
wissen Schwefel- bzw. eisenreichen Komplexen zu verbinden. Die
ersteren sind als Bausteine. des Eiweißmoleküls im Organismus weit
verbreitet; die letzteren sind zum mindesten in manchen Organen
reichlich vorhanden, derart, dab man die Angliederung derartiger
accessorischer Gruppen an das Melanin oder an Vorstufen desselben
sehr wohl verstehen könnte, es wäre denn, daß man die etwas er-
zwungene Annahme vorzieht, daß schwefel- und eisenhaltige Ver-
bindungen den Melaninen als hartnäckig festgehaltene Verunreini-
gungen mechanisch anhaften.“
!)v. Fürth, Physiologische und chemische Untersuchungen über
melanotische Pigmente (Sammelreferat). Zentralbl. f, pathol. Anatomie 15,
636 (1904).
170 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Nun ist speziell das Hippomelanin, wie wir in Übereinstimmung
mit Berdez und Nencki!) gefunden haben, tatsächlich eisenfrei.
Was den Schwefel.betrifft, ist es uns nicht gelungen, den-
selben beim schrittweisen Abbau des Hippomelanins ganz zu ent-
fernen:
Schwefelgehalt des Hippomelanins (Berdez u. Nencki) . 2,76 bis 2,98 Proz.
Produkt durch Einwirkung von Salpetersäure erhalten. . 11223
Produkt durch Kombination von Kalischmelze und Chrom-
säureoxydation 'erhalten ; Fu: 2 wer. ter 0,71bis 1,03 „
Immerhin aber vermochten wir durch Einwirkung von Salpeter-
säure, bzw. durch Kombination von Chromsäureoxydation mit der
Kalischmelze den Schwefelgehalt des Pigments auf ein Drittel
bis ein Viertel des ursprünglichen Wertes zu reduzieren,
derart, daß sich die Vorstellung aufdrängt, der Schwefel gehöre,
wenn überhaupt dem Pigmentmoleküle als solchem, so doch nicht
dem „Kerne“ desselben an. Auch sei hier an den wichtigen Be-
fund Spieglers?) über das Vorkommen elementaren Schwefels in
Haar- und Cuticularpigmenten erinnert.
Vergleichen wir nunmehr die analytische Zusammensetzung
jener Produkte, die wir erhalten, wenn wir erst Hippomelanin
durch Kalischmelze in Melaninsäure überführen und diese dann
schrittweise mit Chromsäure weiter abbauen, mit derjenigen des
künstlichen Melanins:
Baar Be S ) Atom-
| Proz. | Proz. | Proz. | Proz. | Proz relation
Hippomelanin a 54,60 | 3,87 | 10,67 | 2,84 | 28,02 | C,H; N: O;;
Melaninsäure wi ar | 59,93 3,88 10,41 2,59 28,19 Cs H,;N: Os
Niederes Oxydationsprodukt | 58,04 | 2,92 | 8,79 | 1,06 | 29,19 | C,„EHL,»Nı O;s
Höheres Oxydationsprodukt. | 53,98 | 3,01 | 6,93 | 0,71 \(35,37)| CH&oNı O4;
Künstliches Melanin . . . . | 55,77 1416| 7,62| — | 35,45 |C,.Hır N: O,.ı
|
Ohne die Tatsache aus den Augen zu verlieren, daß keines
der analysierten Produkte die Kriterien chemischer Reinheit und
Einheitlichkeit , besitzt, der Wert von dergleichen Analysen also
nur ein beschränkter sein kann, geben uns die vorliegenden Zahlen
doch eine gewisse Orientierung über die Richtung, in welcher
sich der schrittweise Abbau des Melanins vollzieht und lassen uns
') Berdez und Nencki, |. c.
?) Spiegler, ]. c.
PETE WERE WERBEN “
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 171
soviel entnehmen, daß mit fortschreitender Oxydation das Ver-
hältnis C:N wächst und sich der Relation des künstlichen
Melanins bzw. des Tyrosins (1:9) nähert.
Ohne also den Wert derartiger Beobachtungen irgendwie über-
schätzen zu wollen, glauben wir doch, im Zusammenhalt mit der
Gesamtheit der mitgeteilten Tatsachen, darin eine Stütze für die
Vermutung sehen zu dürfen, daß sozusagen der „Kern“ des
wahrscheinlich sehr großen Hippomelaninmoleküls dem
künstlichen Melanin ähnlich beschaffen sei und daß dieser
Kern um so deutlicher zutage trete, je vollständiger die
demselben anhaftenden accessorischen Gruppen durch
chemische Angriffe beseitigt werden.
Wenn also biologische Beobachtungen über die Koexistenz von
Tyrosinasen und melanotischen Pigmenten einerseits, Erfahrungen
über die Natur künstlicher Melanine andererseits, die Hypothese
einer fermentativen Bildung der natürlichen Melanine im allgemeinen
wahrscheinlich gemacht haben, so sind durch die chemischen Unter-
suchungen über das Hippomelanin und seine Abbauprodukte zum
mindesten keine Tatsachen zutage gefördert worden, welche mit
dieser Vorstellung unvereinbar wären.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei jedoch ausdrücklich
erwähnt, daß wir nicht etwa ausschließlich das Tyrosin als Mutter-
substanz der natürlichen Pigmente ansehen, sondern auch andere
im Stoffwechsel auftretende zyklische Komplexe dabei in
Betracht ziehen möchten. Lehrt ja doch die physiologische Er-
fahrung, daß selbst an sich relativ schwer oxydable Substanzen im
Organismus unter Aufnahme von Hydroxylen leicht oxydabel werden
können (so z. B. beim Übergange von Phenylalanin in Homogen-
tisinsäure) und sind wichtige Bausteine des Eiweißmoleküls, wie
das Tryptophan, das Histidin, die Pyrrolidin- und Oxypyrrolidin-
- carbonsäure von diesem Gesichtspunkte aus überhaupt noch kaum
studiert worden.
Zusammenfassung.
1. Das Pigment melanotischer Lymphdrüsentumoren
des Pferdes (Hippomelanin) ist durch seine außerordentlich große
Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Eingriffen und durch
seine Unlöslichkeit selbst in konzentrierten Alkalilaugen von anderen
Melaninen, so insbesondere von den Pigmenten epidermoidaler Ge-
bilde sowie von dem Farbstoffe maligner melanotischer Tumoren
(Phymatorhusin) wohl unterschieden.
172 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
2. Bei Spaltung des durch andauerndes Kochen mit rauchender .
Salzsäure, sowie durch Kalischmelze von jeder Eiweißbeimengung
befreiten Farbstoffs wurden im wesentlichen nur von einer tief-
gehenden Zertrümmerung des Pigmentmoleküls herrührende Pro-
dukte (flüchtige Fettsäuren, Oxalsäure, Blausäure, Ammoniak, Pyrrol,
Pyridin) neben geringen Mengen einer in ihrem qualitativen Ver-
halten mit den Phenolen übereinstimmenden Substanz erhalten.
Gewisse charakteristische, von anderen Untersuchern aus Melaninen
anderer Herkunft erhaltene Spaltungsprodukte, wie Indol, Skatol,
Xyliton, Methyldibutylessigsäure wurden beim Abbau des Hippo-
melanins vermißt.
3. Das Hippomelanin ist eisenfrei. Sein Schwefelgehalt
wird durch Behandlung des Farbstoffs mit Salpetersäure und
Chromsäure auf einen Bruchteil des ursprünglichen Wertes re-
duziert. Er scheint daher nur accessorischer Natur zu sein.
4. Durch Kombination von Kalischmelze und Chromsäureoxy-
dation wird im Hippomelanin das Atomverhältnis zwischen
Stickstoff und Kohlenstoff (ursprünglich etwa 1:6) zugunsten
des Kohlenstoffs derart verschoben, daß es sich der Relation des
künstlichen Melanins bzw. Tyrosins (1:9) nähert.
5. Die Umwandlung des Tyrosins in künstliches Me-
lanin unter der Einwirkung pflanzlichen Tyrosinaseferments er-
folgt unter Abgabe von Wasserstoff und Aufnahme von Sauerstoff
ohne eine wesentliche Verschiebung des Verhältnisses zwischen
Stickstoff und Kohlenstoff.
6. Das künstliche Melanin zeigt in seinen Eigenschaften
(Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Eingriffen, Auftreten
fäkulent riechender flüchtiger Fettsäuren und von „Melaninsäure*
bei der Kalischmelze, charakteristisches Verhalten gegen Salpeter-
säure) mit dem Hippomelanin weitgehende Übereinstimmung.
7. Zum Zwecke quantitativer Untersuchungen über die Ferment-
kinetik der Tyrosinase wurden zwei Verfahren ausgearbeitet, von
denen das eine auf einer volumetrischen Messung von Melanin-
niederschlägen mit Hilfe der Zentrifuge, das andere auf der
Methode spektrophotometrischer Messung beruht.
8. Mit Hilfe dieser Methoden wurde der Einfluß verschiedener
Faktoren physikalischer und chemischer Art (Temperatur,
Alkaleszenz, Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd und metallischen
Katalysatoren, Konzentration des Tyrosins und des Ferments) auf
die Wirkung pflanzlicher und tierischer Tyrosinase (aus Agaricus-
arten und der Lepidopterenhämolymphe) genauer untersucht. Das
Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente usw. 173
Studium der Beziehungen zwischen der Fermentmenge und
dem Quantum gebildeten Melanins ergab bei der Pilztyrosi-
nase mit großer Regelmäßigkeit die auffällige Erscheinung einer
Überschußhemmung; bei der tierischen Tyrosinase fand sich
zwar keine solche, wohl aber die Tatsache, daß von einem gewissen
Punkte angefangen ein Mehrzusatz von Ferment die Menge ge-
bildeten Melanins nicht mehr wesentlich vermehrte.
9. Injektion von Lepidopterentyrosinase vermochte bei einem
Kaninchen keine Bildung von Antityrosinase im Blutserum her-
vorzurufen (spektrophotometrische Feststellung).
10. Die chemische Untersuchung des Hippomelanins hat keine
Tatsache zutage gefördert, welche mit der durch zahlreiche biolo-
gische Tatsachen (verbreitetes Vorkommen von Tyrosinase in
melaninproduzierenden Geweben verschiedenster Art bei Wirbel-
tieren und Wirbellosen) gestützten Hypothese einer fermen-
tativen Bildung von Melanin durch Einwirkung von Tyrosinasen
auf cyklische (aus dem Eiweißmolekül stammende) Komplexe un-
vereinbar wäre.
Wien, März 1907.
vll.
Über die chemische Stellung der Pankreasnuelein-
säure (Guanylsäure).
Von Prof. Dr. Otto v. Fürth,
Assistenten am physiologischen Institut der Universität in Wien,
und cand. med. Ernst Jerusalem.
Bekanntlich gehört das Studium der Nucleinsäuren zu den
schwierigsten und verwickeltsten Aufgaben der physiologischen
Chemie. Um so erfreulicher ist die Tatsache, daß die Forschungen
der letzten Jahre zu einer wesentlichen Vereinfachung und Klärung
der Anschauungen auf diesem Gebiete geführt haben. Es hat sich
insbesondere gezeigt, daß die tierischen Nucleinsäuren, wenn rein
dargestellt, einander alle in ihrer Zusammensetzung und in ihren
Eigenschaften so nahe stehen, daß sie ungezwungen den Thymo-
nucleinsäuren angereiht werden können }).
Nur eine einzige Nucleinsäure unterscheidet sich nach den
vorliegenden Angaben sehr wesentlich von allen anderen Nuclein-
säuren; es ist die von Bang?) beschriebene Guanylsäure aus
dem Pankreas 3).
Bang fand, daß diese Nucleinsäure bei der hydrolytischen
Spaltung glatt in vier Moleküle Guanin, drei Moleküle Pentose,
drei Moleküle Glycerin und vier Moleküle Phosphorsäure zerfällt.
„Abgesehen von der Tatsache“, sagt Bang, „daß hierdurch zum
') Vgl. die zusammenfassende Darstellung von Hammarsten in der
neuesten (VI.) Auflage seines Lehrbuches der physiologischen Chemie 1907,
S. 153 ff.
?) I. Bang, Die Guanylsäure des Pankreas und ihre Spaltungsprodukte.
Zeitschr. f. physiol. Chemie 26, 133 (1898). — Derselbe, Chemische und
physiologische Studien über die Guanylsäure. Ebenda 31, 411 (1900). —
Derselbe und C©. A. Raaschou, Über die Darstellung der Guanylsäure.
Diese Beitr. 4, 175 (1904).
») Die von manchen Autoren den Nucleinsäuren zugezählte Inosinsäure
lassen wir außerhalb des Kreises unserer Betrachtungen, da ihre chemische
Stellung vorderhand noch unaufgeklärt ist.
Bed 1 ur u dr SU
«
h
Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem, Die chemische Stellung usw. 175
erstenmal eine Nucleinsäure vollständig untersucht und beschrieben
worden ist, haben wir bewiesen: 1. Die Guanylsäure enthält nur
eine Xanthinbase; aller Stickstoff wird von dem Guanin geliefert.
2. Die Guanylsäure enthält eine Pentosegruppe... Niemand kann
jetzt an der Existenz der Pentose im Pankreasnucleoproteid und
in der Guanylsäure zweifeln. 3. Die Guanylsäure enthält Glycerin,
das als Glycerinphosphorsäure vorkommt. Die Guanylsäure
bekommt dadurch ein besonderes Interesse. Sie stimmt nämlich
mit dem Lecithin sehr überein. Beide haben als Kern Glycerin-
phosphorsäure, welche im Leeithin mit Fettsäure und Cholin ver-
bunden ist, in der Guanylsäure aber mit Zucker und Guanin. Es
ist auch nicht unwahrscheinlich, daß diese Substanzen miteinander
verwandt sind. Lecithin wird ja allgemein als Baumaterial der
Nucleoproteide bzw. Nucleinsäuren angesehen. Während sonst die
Lecithine bis zum Phosphor gespalten werden, bleibt hier die
ganze Glycerinphosphorsäure zum Aufbau der Guanylsäure an-
gewandt....“
Bang betont, daß in der Guanylsäure auf vier Phosphoratome
20 Stickstoffatome kommen, in anderen Nucleinsäuren dagegen
nur 14 bis 15 Stickstoffatome. Er hebt hervor, daß sie im Gegen-
satze zu den anderen Nucleinsäuren eine schwache Säure und
schon durch Essigsäure fällbar sei. Er stellt ferner für ihre
Konstitution die Formel auf
HO OH
Ö, HH; N, . O0—P—0O . G; H, (O H) D Ö, 1, Ö,
|
Ö
|
C,H,N,.0—P-0.C,H,(0H).C,H,0,
R
0X 20
C,H,N,.0—P-0.C,H,(0H).C,H,0,
|
6
|
EIEN..0 PO
oH/ \OH
und spricht schließlich die Meinung aus, daß die Erforschung der
Guanylsäure in chemischer Beziehung zu Ende geführt sei.
Nun liegen aber bereits Angaben anderer Autoren vor, welche
zu denjenigen Bangs in Widerspruch stehen. Es sind dies die
176 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Mitteilungen von Levene!) und Stookey?), sowie die von
Jones und Whipple?), aus denen das Vorkommen von Adenin,
sowie von Pyrimidinbasen unter den Spaltungsprodukten der
Nucleinsäure bzw. des Nucleoproteides aus Pankreas hervorgeht.
Auch konnte Levene bei der Hydrolyse seiner Nucleinsäure
weder eine reduzierende Substanz noch Glycerin nachweisen. Die
Frage der Konstitution der Guanylsäure kann also sicherlich nicht
im Sinne Bangs für abgeschlossen gelten.
Die unmittelbare Veranlassung zur Aufnahme dieser Frage
bot uns die vor kurzem erschienene, den Glyceringehalt des Blutes
betreffende Mitteilung von Tangl und Weiser®t). Die genannten
Autoren haben den Glyceringehalt des Blutes nach einem sehr
exakten Verfahren bestimmt, welches in letzter Linie auf eine
Methoxylbestimmung nach Zeisel hinausläuft. Die Verwendbar-
keit derselben zur Glycerinbestimmung in anderen Flüssigkeiten
ist bereits früher von Zeisel und Fanto festgestellt worden. Die
Methode beruht auf der Überführung von Glycerin durch siedende
Jodwasserstoffsäure in Isopropyljodid, welches in Silbernitratlösung
aufgefangen wird und eine Berechnung der Glycerinmenge aus
dem gebildeten Jodsilber gestattet.
Da also nunmehr eine Methode gegeben war, um selbst sehr
geringe Glycerinquantitäten in einem Gemenge organischer Sub-
stanzen mit großer Genauigkeit zu bestimmen, schien uns die Auf-
gabe, die Pankreasnucleinsäure auf ihren Gehalt an Glycerin zu
prüfen, um so dringender, als ja die Möglichkeit gegeben war,
daß das Glycerin, welches Bangs so bestimmt lautenden Angaben
zufolge einen wichtigen Baustein der Guanylsäure bilden soll, auch
in anderen Nucleinsäuren vorkomme. War ja doch bisher der
sichere Nachweis sehr kleiner Glycerinmengen außerordentlich
schwierig gewesen.
Da wir, wie vorausschickend bemerkt sei, Bangs Angaben
über diesen Gegenstand nicht zu bestätigen vermochten, haben
') P. A. Levene, Darstellung und Analyse einiger Nucleinsäuren.
Zeitschr. f. physiol. Chemie 32, 540 (1901); 37, 402 (1903); 41, 4 (1903);
43, 199 (1904).
*) P.A. Levene und L. B. Stookey, Notiz über das Pankreasnucleo-
proteid. Ebenda 41, 404 (1904).
») W. Jones and G. H. Whipple, The Nucleproteid of the supra-
renal gland (from the laboratory of Physiological Chemistry, John Hopkins
Univ.); Amer. Journ. of Physiol. 7, 424 (1902).
*) F. Tangl und H. Weiser, Über den Glyceringehalt des Blutes
nach Untersuchungen mit dem Zeiselschen Jodidverfahren (Tierphysiolo-
gische Versuchsstation in Budapest). Pflügers Arch. 115, 152 (1906).
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 177
wir uns veranlaßt gesehen, einige weitere Versuche über den
Pentosengehalt, die quantitative Zusammensetzung, sowie die Basen
der Pankreasnucleinsäure anzuschließen, um über die Stellung der-
selben anderen, genauer bekannten Nucleinsäuren gegenüber ins
klare zu kommen.
1. Glyceringehalt.
Wir stellten aus l1kg ÖOchsenpankreas genau nach dem Ver-
fahren von Bang und Raaschou!l) Guanylsäure dar und ver-
arbeiteten das in einer Ausbeute von 0,7g gewonnene, überdies
durch Ätherextraktion im Soxhletapparate von jeder Fettbei-
mengung befreite Präparat nach Bangs Vorgange auf Glycerin.
Bang?) verfuhr nun derart, daß er 0,4& seiner durch Alkohol
und Äther von Fett befreiten Guanylsäure mit 100 ccm 5proz.
Schwefelsäure drei Stunden auf dem Wasserbade kochte, sodann
mit 10g Magnesia destillierte.e Der Rückstand wurde mit Alkohol
ausgezogen und das nach langsamen Abdunsten des Alkohols
erhaltene Residuum nach König weiter auf Glycerin untersucht.
„Es wurde mit Quarzsand und Kalkmilch eingedampft und dann
mit heißem absoluten Alkohol extrahiert. Das alkoholische Filtrat
wurde nach 24 Stunden filtriert, das neue Filtrat vorsichtig ein-
gedampft und aufs neue mit absolutem Alkohol extrahiert. Der
Alkohol wurde mit Äther versetzt und nach einigen Stunden filtriert.
Der Ätheralkohol wurde verjagt und es blieb ein Sirup zurück.“
Dieser Sirup zeigte nun nach Bang folgende Eigenschaften:
l. Er schmeckte süß, ohne alkalische Kupferoxydlösung zu redu-
zieren; 2. er gab beim Erhitzen mit Kaliumhydrosulfat die Akro-
leinreaktion ohne gleichzeitige Verkohlung; 3. er gab eine grüne
Boraxperle; 4. bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat in alka-
lischer Lösung trat Oxalsäure auf. Aus diesem Verhalten glaubte
Bang auf das Vorhandensein von Glycerin schließen zu sollen.
Bei Wiederholung dieses Vorganges erhielten wir nun einen
minimalen Rückstand, der weder sirupös war, noch süß schmeckte,
noch auch Akroleinreaktion, noch aber, wie ja selbstverständlich,
eine grüne Boraxperle gab.
Bezüglich der Deutung jener Reaktionen, welche Bang als
für Glycerin charakteristisch aufgefaßt hat, ist übrigens zu bemerken,
daß das Auftreten von Oxalsäure bei der Permanganatoxydation
ja nichts anderes beweist, als das Vorhandensein organischer Sub-
U c.
?) 1. e. Zeitschr. f. phys. Chemie 31, 422,
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 12
178 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
stanz im allgemeinen, und daß eine Grünfärbung der Boraxperle
(falls der genannte Autor sich nicht etwa nur ungenau ausgedrückt
und nicht tatsächlich eine grüne Flammenfärbung beobachtet hat)
nur von einer anorganischen Beimengung verursacht gewesen sein
kann. Denn für die Gegenwart von Glycerin wäre nicht die Grün-
färbung der Boraxperle, sondern der umgebenden Flamme charak-
teristisch gewesen!).
Um uns jedoch über die An- oder Abwesenheit des Glycerins
unter den Spaltungsprodukten der Pankreasnucleinsäure völlige
Gewißheit zu verschaffen, stellten wir, wie vorhin, eine zweite
Portion Guanylsäure nach Bangs Verfahren aus Rindspankreas dar.
0,8 des mit Äther extrahierten Präparates wurden 3 Stunden lang
im Wasserbade mit Sproz. Schwefelsäure unter Rückflußkühlung
erhitzt, die Flüssigkeit mit einem Überschuß von Phosphorwolfram-
säure gefällt, der Niederschlag filtriert und mit säurehaltigem
Wasser gewaschen, das Filtrat durch Barytwasser von Schwefel-
säure, sodann durch Kohlensäure vom Barytüberschusse befreit,
eingedampft, der Rückstand wiederholt mit Alkohol extrahiert, die
Gesamtheit der alkoholischen Auszüge, die mit Äther keine Fällung
mehr gaben, eingedunstet und der Rückstand mit 5cem Wasser
in das Kölbchen des Methoxylapparates eingebracht. Der weitere
Vorgang der Glycerinbestimmung wurde genau entsprechend den
Angaben von Tangl und Weiser?) durchgeführt. Die Bestimmung
fiel vollkommen negativ aus.
Auf Grund der Bangschen Formel wäre 0,14. Glycerin
(— 17 Proz.) zu erwarten gewesen, ein Quantum, welches, wie
wir uns durch Versuche überzeugt haben, bei dem Methoxylver-
fahren nicht nur nicht übersehen, sondern mit befriedigender
Genauigkeit quantitativ bestimmt werden kann.
Die rechnerischen Überlegungen aber, welche Bang zu der
Suche nach einem unbekannten stickstofffreien Spaltungsprodukte
der Guanylsäure veranlaßt haben, sind um so weniger beweisend,
als sie (s. u.) auf irrtümlichen Annahmen basieren 3).
') Vol. in Beilsteins Handbuch, 3. Aufl., 1, 275: Die Angaben über
den Glycerinnachweis nach Senier und Lowe.
2) 1:0,
») „War die Formel der Guanylsäure C,,H4«NgP,O;,, so haben wir
unter den Spaltungsprodukten, abgesehen vom Phosphor, gefunden:
40,H,N,O-+3C,H,,0,, zusammen 35 C und 20 N. Als Rest blieben also 9 C
und kein N. Die letzten Spaltungsprodukte enthalten folglich 9 Atome C, sind
aber N-frei. Es hat sich herausgestellt, daß das letzte Spaltungsprodukt
der Guanylsäure Glycerin ist.“ (Bang, Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 422.)
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 179
Schließlich sei noch erwähnt, daß Osborne und Harris!)
bei Untersuchung der Spaltungsprodukte der Weizennucleinsäure
vergeblich auf Glycerin gefahndet haben.
2. Pentosengehalt.
Wie erwähnt, ist Bang der Meinung, daß ein Molekül Guanyl-
säure drei Moleküle Pentose enthält, und er gründet sie auf die
Tatsache, daß er bei der hydrolytischen Spaltung seiner Präparate
etwa 30 Proz. reduzierenden Zuckers gewann.
Wir konnten uns von der Richtigkeit der Tatsache überzeugen,
daß ein nach Bang hergestelltes Präparat tatsächlich bei Säure-
spaltung reduzierenden Zucker liefert.
Eine andere Frage aber ist es, ob die reduzierende Pentose
tatsächlich dem Nucleinsäuremolekül als solchem angehört oder nicht.
Bereits Herlant?), sowie Levene?) haben auf die Hart-
näckigkeit hingewiesen, mit der Beimengungen kolloider Kohle-
_ hydrate den Nucleinsäurepräparaten anhaften und zur Beseitigung
derselben die Fällung mit Kupferchlorid empfohlen, wobei das
- Kupfersalz der Nueleinsäure niedergeschlagen wird, während Gly-
kogen u. dgl. in Lösung bleibt.
Wir stellten nun zunächst nach dem Verfahren von Neumann ein
Nucleinsäurepräparat aus 6kg Rinderpankreas her und erhitzten einen Teil
desselben 3 Stunden lang mit 5proz. Schwefelsäure unter Rückflußkühlung
_ am Wasserbade. In der Zersetzungsflüssigkeit konnte keine Fehlingsche
Lösung reduzierende Substanz nachgewiesen werden.
Ein weiteres Präparat wurde unter Kombination des vorerwähnten
Verfahrens mit der Kupferchloridmethode und zwar nach dem Vorgange
‚dargestellt, den W. Löbisch‘) zur Bereitung der Milchdrüsennucleinsäure
eingehalten hat. 0,2g dieses Präparates wurden mit 10 ccm 5proz. Schwefel-
4 äure am Wasserbade erhitzt, die braune Flüssigkeit zur Entfärbung mit
Bieiessig gefällt, filtriert, der Niederschlag zweimal mit Wasser ausgekocht,
das gesamte Filtrat mit Schwefelwasserstoff entbleit, stark eingeengt, nun-
mehr auf das Vorhandensein reduzierender Substanzen geprüft. Auch dies-
mal fiel die Probe negativ aus.
#
Ä
j
Wir konnten sonach in Übereinstimmung mit Levene
aus der Pankreasnucleinsäure kein reduzierendes Kohlen-
‘) Osborne und Harris, Nucleinsäure des Weizenembryo, Zeitschr.
f. physiol. Chemie 36, 118 (1902).
*) L. Herlant, Untersuchungen ü. d. Nucleinsäure aus unreifer Lachs-
milch usw. Arch f. exp. Path. 44, 148.
Bl Levene,l. c.
#4) W. Löbisch, Über Nucleinsäureeiweißverbindungen usw. Diese
_ Beiträge 8, 195 (1906).
‘ 12*
150 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
hydrat abspalten. Ebenso hat Kossel!) in der Nucleinsäure
des Lachs- und Karpfenspermas, sowie der Thymus, Bang?) in
der letzteren, Osborne und Harris?) in der Tritikonucleinsäure,
Löbisch in der Milchdrüsennucleinsäure einen hydrolytisch abspalt-
baren, reduzierenden Zucker vermißt. Dementsprechend hebt denn
auch Hammarstent) zusammenfassend hervor, daß man, von
der Guanylsäure abgesehen, aus den tierischen Nucleinsäuren bis-
her kein reduzierendes Kohlehydrat erhalten habe. Auch bezüg-
lich der Hefenucleinsäure «hat Kossel5) Zweifel geäußert, ob das
von ihm im Hefenuclein gefundene reduzierende Kohlenhydrat
zur Nucleinsäure als solcher gehöre, oder aber ihr etwa in der-
selben Weise angefügt sei, wie das Eiweiß.
Es liegt demnach bisher kein Grund vor, die Beteiligung
reduzierender Kohlenhydrate am Aufbau von Nucleinsäuren für
bewiesen zu halten.
Zweifellos festgestellt ist dagegen, daß Nucleoproteide
hydrolytisch abspaltbare Kohlehydrate enthalten, und zwar ist
speziell für das Pankreasnucleoproteid die von Hammarsten®)
darin entdeckte, später von Salkowski’) studierte Pentose von
Neuberg®) als Xylose erkannt worden. Nach Grund?) ist das
Pankreas anderen Organen gegenüber durch seinen hohen Pentosen-
gehalt ausgezeichnet (Rindspankreas enthält 0,44 Proz. Pentose,
andere Organe des Rindes nur 0,02 bis 0,10 Proz.; das Hammar-
stensche Nucleoproteid besteht zu 15 Proz. aus Xylose).
Bezüglich der Stellung der Pentose im Molekül des Nucleo-
proteides ist die Beobachtung Umbers!‘) bemerkenswert, derzu-
'!) Kossel, zit. nach Burian, Chemie der Spermatozoen, Erg. d. Physiol.
3, 101.
?®) I. Bang, Chemische Untersuchung der lymphatischen Organe. Diese
Beiträge 4, 115, 331, 362.
JB: 9,
“) Hammarsten, Lehrb. d. physiol. Chem., 6. Aufl. 1907, 8.152.
5) Kossel, Zur Abwehr, Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 428 (1901).
2: Hamm arsten, Zur Kenntnis der Nucleoproteide , Zeitschr. ü
physiol. Chem. 19, 19 (1893).
) E. Salkowski, Über das Vorkommen von Pentosen im Harne,
Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 507 (1899).
°, Neuberg, Über die Konstitution der Pankreasproteidpentose, Ber,
d. deutsch. chem. Ges. 35, 1167 (1902).
°), Grund, Über den Gehalt der Organe an gebundenen Pentosen (aus
dem chem. Laboratorium d. pathol. Inst. [Prof. Salkowski] Berlin), Zeitschr.
f. physiol. Chemie 35, 130 (1902).
'o%) F, Umber, Über die fermentative Spaltung der Nucleoproteide im
Stoffwechsel (aus dem chem. Laboratorium d. pathol. Inst. [Prof. Salkowski]
Berlin), Zeitschr. f. klin. Med. 43, 282 (1901); vgl. auch ebenda 40 (1900).
zn Ber
4
|
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 181
folge schon im Beginn der fermentativen Spaltung durch Trypsin
oder Pepsin der Zucker völlig vom Eiweißkomplexe losgelöst wird,
jedoch an der nucleinsäurehaltigen Gruppe haften bleibt. Umber
bemerkt in bezug auf die letztere: „Sie reduziert alkalische Kupfer-
lösung, wobei die Kupferoxydulbildung durch den Niederschlag mit
Rhodankalium und Ferrocyankalium in salzsaurer Lösung nach-
gewiesen werden kann. Direkte Osazonbildung ohne vorherige
Säurespaltung kann aber nicht erzielt werden.“
Vielleicht liegt in diesen Beobachtungen die Erklärung für
den Widerspruch, der zwischen Levenes und unseren Befunden
einerseits, denjenigen Bangs andererseits besteht: Bei dem Dar-
stellungsverfahren Bangs bleibt eben der Pentosenkomplex locker
an der Nucleinsäure haften, während er bei den von Levene
und uns angewandten Reinigungsmethoden von ihm losgetrennt wird.
Von diesem Pentosenkomplexe, der bei der hydrolytischen
Spaltung reduzierenden Zucker liefert, ist jene Gruppe des Nuclein-
säuremoleküls aufs schärfste zu unterscheiden, welche einerseits,
wie die Untersuchungen Kossels und seiner Schüler gelehrt
haben, bei der Säurespaltung Lävulinsäure liefert und sich
andererseits durch eine Reihe charakteristischer Farbenreak-
tionen verrät. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Reak-
tionen auch jenen Nucleinsäuren zukommen, welche von jeder
Zuckerbeimengung befreit sind und bei der Hydrolyse kein redu-
zierendes Kohlehydrat mehr liefern.
Speziell aus der Pankreasnucleinsäure hat Levene!) Lävulin-
säure erhalten, und wir konnten uns überzeugen, daß unsere ein-
wandfrei gereinigten Präparate schöne Farbenreaktionen bei der
Naphthol- und Orcinprobe gaben.
Um ferner über die Menge des durch Einwirkung starker Säure aus
der Nucleinsäure erhältlichen Furfurols einen Aufschluß zu erhalten,
gingen wir nach dem Verfahren von Grund?) derart vor, daß, wir die
_— Nucleinsäure mit wiederholt erneuter Salzsäure vom spez. Gew. 1,06 so
lange destillierten, als im Destillate noch Furfurol durch die Farben-
reaktion mit Naphthol nachweisbar war. Das Destillat wurde mit einer
Lösung von Phloroglucin in Salzsäure versetzt, der nach einem Tage ab-
gesetzte Niederschlag auf ein gewogenes Filter gebracht, gewaschen, ge-
trocknet und gewogen. |
0,9841 g reiner Pankreasnucleinsäure nach Neumanns Verfahren dar-
gestellt, gaben 0,0681 g Furfurolphloroglucid, entsprechend 2,9 Proz. Furfurol.
ER r =
4
') P. A. Levene, Darstellung und Analyse einiger Nucleinsäuren,
siebente Mitteilung. — Zeitschr. f. physiol. Chemie 43, 199 (1904).
Ferund,.l. e.
di
182 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
0,7216 reinen Kupfersalzes der Pankreasnucleinsäure gaben 0,0388 &
Phloroglueid, entsprechend 2,6 Proz. Furfurol (bezogen auf die freie
Nucleinsäure).
Des Vergleiches wegen wurden zwei weitere Versuche mit Hefe- und
Milznucleinsäure ausgeführt.
1,2991 g des Kupfersalzes der Hefenucleinsäure (aus einem von
G. Grübler bezogenen Präparate durch Fällung mit Kupferchlorid und
Reinigung desselben nach Schmiedebergs’ Methode dargestellt) gaben
0,027 & Furfurolphloroglucid, entsprechend 1 Proz. Furfurol.
1,2392 g des Kupfersalzes der Milznueleinsäure (nach einer Kombi-
nation des Neumannschen und des Kupferchloridverfahrens dargestellt)
gaben 0,1073 g des Phloroglueids, entsprechend 5 Proz. Furfurol.
Damit ist also der Beweis geliefert, daß die Pan-
kreasnucleinsäure auch bezüglich ihres Vermögens, unter
der Einwirkung starker Mineralsäuren Furfurol abzu-
spalten, anderen tierischen Nucleinsäuren gegenüber
keineswegs eine Ausnahmestellung einnimmt, die etwa
auf einen hohen Pentosengehalt hindeuten könnte.
Anders dagegen scheinen sich gewisse pflanzliche Nucleinsäuren
zu verhalten. So erhielten bei analogem Vorgehen Osborne und
Harris!) viel größere Furfurolausbeuten (0,25 bis 0,29 g Phloro-
glucid aus lg der Nucleinsäure).
Angesichts der Tatsache, daß (vgl. Grunds Versuche?) auch
Hexosen unter Umständen kleine Furfurolmengen liefern können,
erscheint es zweifelhaft, ob man neben dem lävulinsäureliefernden
Komplexe denn überhaupt noch eine festgebundene, nicht in redu-
zierender Form abspaltbare Pentose als Quelle des Furfurols im
Moleküle tierischer Nucleinsäure annehmen müsse. Die fertige
Lävulinsäure als solche ist allerdings, wie wir uns überzeugt haben,
zur Furfurolbildung nicht mehr befähigt. Es wäre aber denkbar,
daß die lävulinsäurebildende Gruppe in höherem Grade zur Fur-
furolbildung geeignet ist als die typischen Hexosen. In diesem
Falle würde sich die Frage der Kohlehydratgruppen in tierischen
Nucleinsäuren dahin vereinfachen, daß die Pentose ganz außerhalb
des Gefüges der Nucleinsäuren steht und diese letzteren nur den
lävulinsäurebildenden Hexosenkomplex Kossels enthalten. Diese
Frage bleibt sonach vorderhand offen.
3. Basengehalt.
Angesichts der eingangs erwähnten Angaben von Levene,
Jones und ihren Mitarbeitern über das Vorkommen von Adenin,
o
')].
)]
CR
\
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 183
Thymin, Cytosin und Uraeil unter den Spaltungsprodukten aus
dem Pankreas dargestellter Nucleoproteide und Nucleinsäuren
erscheint die Angabe Bangs, die Guanylsäure enthalte von
basischen Produkten nur Guanin, von vornherein sehr unwahr-
scheinlich.
Es bliebe für dieselbe nur die Erklärung übrig, daß das Pan-
kreas etwa zwei Nucleinsäuren enthalte, von denen die eine den
gewöhnlichen Charakter der Thymonucleinsäuren trägt, die andere
aber der „Guanylsäure“ entspricht.
Um auch diese Möglichkeit experimentell zu prüfen, gingen
wir folgendermaßen vor:
1,1249 & Guanylsäure, unter genauer Einhaltung der Vorschriften von
Bang und Raaschou') hergestellt, wurden zum Zwecke der Bestimmung
des Basengehaltes nach dem Verfahren von Burian und Hall’) mit 20 ccm
1 proz. Schwefelsäure auf dem Sandbade unter Rückflußkühlung 8 Stunden lang
gekocht. Hierauf wurde Barytwasser bis zum Eintritt alkalischer Reaktion
hinzugefügt, der Baryumsulfatniederschlag dreimal mit Wasser ausgekocht,
Filtrat und Waschwasser vereinigt, durch Kohlensäure vom Barytüber-
schusse befreit, das Baryumcarbonat abfiltriert, mit heißem Wasser nach-
gewaschen, die Flüssigkeit mit Essigsäure angesäuert, mit einer Mischung
konzentrierter Natronlauge und gesättigter Natriumcarbonatlösung alkalisch
gemacht, der minimale Baryumearbonatniederschlag abfiltriert, mit warmem
Wasser nachgewaschen, mit Salzsäure angesäuert und mit Ammoniak über-
sättist. Nunmehr wurde mit ammoniakalischer Silberlösung ausgefällt, der
Purinbasenniederschlag (Hauptfällung) abfiltriert, mit verdünntem Ammoniak,
sodann mit heißem Wasser gewaschen.
Das Filtrat wurde mit Essigsäure angesäuert, durch Schwefelwasser-
stoff vom Silber befreit, eingeengt, filtriert, mit heißem Wasser nach-
gewaschen, aufgekocht, mit Bleiessig versetzt (wobei jedoch kein Nieder-
schlag ausfiel), mit Schwefelwasserstoff entbleit, mit heißem Wasser nach-
gewaschen, stark eingeengt und neuerlich mit ammoniakalischer Silberlösung
gefällt (Korrekturfällung der Purinbasen), die sehr spärliche Fällung mit
der Purinbasenhauptfällung vereinigt und nochmals mit ammoniakhaltigem,
sodann mit heißem Wasser gewaschen.
Der Purinbasenniederschlag wurde sodann in salzsäurehaltigem Wasser
suspendiert, sc lange am Wasserbade erwärmt, bis sich das Chlorsilber gut
abgesetzt hatte, filtriert, mit salzsäurehaltigem Wasser nachgewaschen, die
Flüssigkeit nunmehr mit Ammoniak alkalisch gemacht, der ausfallende
Guaninniederschlag auf einem gewogenen Filter gesammelt, mit ammonia-
kalischem Wasser gewaschen, getrocknet und gewogen (A).
Das Filtrat wurde stark eingeengt. Proben ergaben weder mit Ammo-
niak noch aber mit Metaphosphorsäure (welche nach Pohl selbst sehr ver-
dünnte Guaninlösung fällt) irgend eine Fällung, erwiesen sich sonach als
- guaninfrei. Die Hauptmenge der Flüssigkeit wurde nunmehr mit ammonia-
rl: c.
?) Zeitschr. f. physiol. Chemie 38, 336.
154 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
kalischer Silberlösung ausgefällt, der voluminöse Niederschlag (B) auf ge-
wogenem Filter gesammelt, gewaschen, getrocknet und gewogen.
Da nach den Forschungsergebnissen der letzten Jahre es als
erwiesen gelten darf, daß Nucleinsäuren im allgemeinen von Purin-
basen nur Guanin und Adenin, nicht aber Xanthin und Hypo-
xanthin (vgl. die kritischen Ausführungen von Burian!) enthalten,
ist man berechtigt, die Purinfällung B als Adeninsilber in Rechnung
zu ziehen.
Das Gewicht des Guanins, der Gesamtmenge des Ausgangs-
materials entsprechend, betrug 0,0741 g, dasjenige des Adenin-
silbers 0,0938 g.
Bezüglich der Zusammensetzung des Adeninsilberniederschlages
hat Kossel?) festgestellt, daß je nach der Menge des zu einer
Adeninlösung hinzugefügten Silbers die Verbindung C,H,N,.Ag
oder aber C,H,N,. Ag,O ausfällt.
Obige Adeninsilbermenge entspricht demgemäß einem Quantum
von 0,034 bis 0,052 Adenin, wobei aber zu bemerken ist, daß
nach Kossel in stark ammoniakalischer Lösung beträchtliche
Adeninmengen der Fällung entgehen können, derart, daß obige
Zahl als Minimalwert anzusehen. ist. Es ergibt sich aber auf jeden
Fall noch ein erhebliches Stickstoffdefizit, das vermutlich auf
Pyrimidinbasen zu beziehen ist.
Die Angaben Bangs, daß die „Guanylsäure“ von
basischen Substanzen nur Guanin enthält, kann somit als
widerlegt gelten?).
Wir möchten es nicht unterlassen, hier auf die interessante
Feststellung Steudels*) hinzuweisen, derzufolge in der Nuclein-
säure aus Thymus und aus Heringsmilch die vier stickstoffhaltigen
Komponenten Guanin, Adenin, Cytosin und Thymin und nur diese
in molekularen Verhältnissen vorkommen.
Nunmehr müssen die Ergebnisse weiterer Forschungen ab-
gewartet werden, um zu erfahren, ob analoge Verhältnisse vielleicht
') R. Burian, Chemie der Spermatozoen, Erg. d. Physiol. 5, 788 (1906).
®) Kossel, Über das Adenin, Zeitschr. f. physiol. Chemie 12, 245.
») In dieser Hinsicht sind auch die Befunde von Inoko [Zeitschr. f.
physiol. Chemie 18, 548 (1893)], Kutscher (Habil.-Schrift, Marburg 1899,
Verl. von Trübner in Straßburg), Levene [Zeitschr. f. physiol. Chemie 37,
526 (1903) und 41, 393 (1904)], Kutscher und Lohmann, ibid. 39, 313
(1903) und M. Schenk, ibid. 43, 406 (1904) von Interesse, welche bei der
Selbstverdauung des Pankreas neben Guanin reichlich andere Purin- und
Pyrimidinderivate fanden.
') H. Steudel, Die Zusammensetzung der Nucleinsäuren aus Thymus
und Heringsmilch, Zeitschr. f. physiol. Chemie 49, 406 (1906).
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 185
für alle Nucleinsäuren tierischen Ursprungs gelten oder ob manche
Nucleinsäuren andere Relationen aufweisen.
4. Qualitatives Verhalten und quantitative Zusammensetzung.
Die Pankreasnucleinsäure stimmt in ihrem qualitativen Ver-
halten gegenüber Reagenzien vollkommen mit den Thymonuclein-
säuren überein.
Nur ein Punkt bedarf noch einer kurzen Erörterung: nämlich ihr
Verhalten gegenüber Essigsäure.
Bang gibt an, die Guanylsäure sei im Gegensatz zu anderen Nuclein-
säuren eine schwache Säure und bereits durch Essigsäure fällbar.
Wir haben auch in der Tat in einem Falle beobachtet, daß eine ziem-
lieh konzentrierte Lösung von Pankreasnucleinsäure in Alkali bei Neutrali-
sation mit Essigsäure einen weder im Überschusse von Essigsäure, noch in
der Wärme löslichen Niederschlag gab.
Bei einem anderen nach Neumanns Verfahren dargestellten Präparate
haben wir jedoch dieses Verhalten vermißt. 0,1 g desselben wurde in lOccm
Wasser unter Zusatz von etwas \,,n-Natronlauge gelöst: die amphoter
reagierende Lösung ergab auch bei vorsichtigem Essigsäurezusatz keine
Fällung.
Auch Levene fand die nach seinem Verfahren dargestellte Pankreas-
nucleinsäure durch Essigsäure nicht fällbar.
Wir glauben daher auf diesen Punkt als Unterscheidungsmerkmal
gegenüber anderen Nucleinsäuren umso weniger Wert legen zu sollen, als
auch Bang und Raaschou eine „Guanylsäure“ erhielten, die von Essigsäure
- nicht gefällt wurde, eine Abweichung, für welche die Autoren einen angeb-
liehen Mehrgehalt an Glycerinpentose verantwortlich machten.
Was nun die analytische Zusammensetzung der Pan-
kreasnucleinsäure betrifft, hat, wie erwähnt, Bang den Umstand
betont, daß dieselbe sich durch ihren hohen relativen Stickstoff-
gehalt (P,:N,,) von allen Nucleinsäuren unterscheidet.
Levene fand in mehreren nach seinem Verfahren (Extraktion
mit ammoniumacetathaltigem Ammoniak, Beseitigung der Eiweiß-
körper mit Pikrinsäurez* Fällung mit salzsäurehaltigem Alkohol,
Überführung in das Kupfersalz) dargestellten Präparaten 32,16 bis
2,68 Proz. CO, 4,00 bis 4,57 Proz. H, 14,37 bis 15,36 Proz. N, 7,26
ns 7,97 Proz. P, 10,61 bis 15,99 Proz. Cu. Berechnet man aus
den Analysen der einzelnen Präparate die Atomrelation, auf P,
webezogen, so ergibt sich das Verhältnis C,1,9_43,7 Hea,ı_ 72,3 Nis,3_18,0
mr, ug 5_4,
Immerhin weicht auch hier die Relation zwischen Stickstoff
und Phosphor von den den anderen Nucleinsäuren eigentümlichen
_ Verhältnissen P,:N,, bzw. P,:N,, noch einigermaßen zugunsten
des Stickstoffs ab.
186 Otto v. Fürth und Ernst Jerusalem,
Wir haben nun bei der Analyse eines nach dem Vorgang
von Löbisch!) (Kombination des Neumannschen Verfahrens mit
der Kupferchloridmethode) dargestellten und 4 Wochen lang im
Vakuum bei Zimmertemperatur getrockneten Präparates folgende
Werte erhalten:
0,1384 g gaben 0,1486 & CO, = 29,27 Proz. C und 0,0528 H,0 = 4,27 Proz. H.
0186, „ 01875, „ =I16 „5.5 090500, „. — Aa ee
01873... .z. 133 oc N (89, TE: mm) = 11,58 Pros.
DI 155 2. a 0
0,3910, „. 0069g CwS = 14,18 Proz. Cu und °0,0960g Me,P,O,
—:-6,83. Proz. P.
0,6444 gaben 0,1152g CuO = 14,32 Proz. Cu und (0,1605 Me,P,O,
=/7,.09+- Proz. EB:
I 17,3 Mittel
Proz. Proz. Proz.
NR 9; 29,16 29,22
4,27 4,27 4,27
1 Kr Ze 11,50 11,70 11,60
Bag 6,83 7,01 6,96
ERRILR 1418 | 1432 | 1425
woraus sich ein Atomverhältnis O,. ,H,,,; Nı4,, Pı Cu, berechnen läßt.
Es weist sonach auch die Pankreasnucleinsäure an-
nähernd jenes Verhältnis zwischen Stickstoff und Phosphor
auf, welches nach Steudel?2) den Thymonucleinsäuren
zukommt.
Es liegt also gar kein Grund vor, der Pankreasnucleinsäure
anderen tierischen Nucleinsäuren gegenüber eine Ausnahmestellung
einzuräumen, und es dürfte sich empfehlen, die Bezeichnung
„Guanylsäure“, als auf einer irrigen Annahme basierend, ganz
fallen zu lassen.
Zusammenfassung.
Nach Bang unterscheidet sich die Pankreasnucleinsäure
(Guanylsäure) sehr wesentlich von anderen Nucleinsäuren, insofern
sie ein Derivat der Glycerinphosphorsäure darstellt, zu etwa einem
Drittel aus (bei der Hydrolyse in Form reduzierenden Zuckers
abspaltbarem) Kohlehydrat besteht, von basischen Substanzen nur
Guanin enthält und durch ihren hohen relativen Stickstoffgehalt
ausgezeichnet ist.
') Löbisch, |. c.
en
Über die chemische Stellung der Pankreasnucleinsäure. 187
Demgegenüber geht aus den eben mitgeteilten Beobachtungen
hervor, daß das Molekül der Pankreasnucleinsäure
a) kein Glycerin enthält;
b) keinen hydrolytisch abspaltbaren reduzierenden Zucker und
nicht größere Furfurolmengen liefert als andere Nucleinsäuren;
c) außer Guanin auch noch andere Purinbasen einschließt;
d) in ihrer Stickstoffphosphorrelation, sowie in ihrem sonstigen
Verhalten mit anderen Nucleinsäuren tierischen Ursprunges (Thymo-
nucleinsäure) übereinstimmt.
Es liegt also kein Grund vor, den Gegensatz zwischen Thymo-
nucleinsäure und „Guanylsäure“ auch fernerhin aufrecht zu erhalten.
Wien, März 1907.
IX.
Über Nitrochitine.
Von Prof. Dr. Otto v. Fürth,
Assistenten am physiologischen Institut der Universität in Wien
und Emil Scholl.
5;
Seit der Entdeckung des Chitins durch Odier!) im Jahre 1823
wurden eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, welche den Abbau
dieses schwer angreifbaren Körpers zum Gegenstand haben. Ordnet
man die dabei zur Anwendung gelangten Eingriffe nach chemischen
Gesichtspunkten, so findet man, daß eine tiefgreifende Spaltung des
Chitins einerseits durch Säuren, andererseits durch Alkalien erzielt
worden ist. |
Schon Payen?) stellte fest, daß Chitin von konzentrierten
Mineralsäuren bereits in der Kälte gelöst wird, ohne über die
dabei auftretenden Zersetzungsprodukte Rechenschaft geben zu
können. Versuche über die Einwirkung von konzentrierter Schwefel-
säure in der Wärme stellten Städeler3) und Bütschli®) an. Erst
Ledderhose’) gelang es im Jahre 1875 das durch Auflösen des
Chitins in Salzsäure erhaltene Abbauprodukt zu isolieren und als
eine amidierte Hexose, als Glykosamin, zu bestimmen.
') A. Odier, M@moire sur la composition chimique des parties cornees
des insectes. M&m. de la Soc. d’Hist. natur. de Paris 1, 35—38 (1823).
°) Payen, Proprietes distinctives entre les membranes vegetales et
les enveloppes des insectes et des crustaces. Compt. rend. 17, 227—231
(1843).
») G.Städeler, Untersuchungen über das Fibroin, Spongin und Chitin.
Ann. d. Chem. u. Pharm. 3, 21—285 (1859).
*) OÖ. Bütsehli, Einiges über das Chitin. Reichert u. Du Bois-Reymonds
Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874, S. 362—370.
») Ledderhose, Über salzsaures Glykosamin. Ber. d. deutsch. chem.
Ges. 9, 1200—1201 (1876). Über Chitin und seine Spaltungsprodukte. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 2, 213—227 (1878—1879).
Otto v. Fürth und Emil Scholl, Über Nitrochitine. 189
Später erhielten Sigmund Fränkel und Agnes Kelly!)
durch die Einwirkung von 70 proz. Schwefelsäure auf Chitin in der
Kälte ein Monoacetyl- Chitosamin.
Natrium- oder Kaliumhydroxyd wirken in wässeriger, selbst
konzentrierter Lösung, auch beim andauernden Erhitzen, nicht auf
das Chitin ein. Das Chitin wird erst, wie zuerst Rouget?) fand
und später C. Fischer unter Hoppe-Seylers?) Leitung, sowie
Arakit) bestätigten, durch Erhitzen mit Ätzkali auf 180° in einen
in Säuren löslichen Körper, das Chitosan, verwandelt.
Alle anderen angewandten chemischen Eingriffe ergaben kauın
nennenswerte Resultate:
Loos5) ließ unterchlorigsaure Alkalien auf das Chitin ein-
wirken; Krukenberg‘) eine chlorgesättigte Kalium- oder
Natriumkarbonatlösung; Zander”) kochte Krebsschalen mit kon-
zentrierter Chlorzinklösung, ohne zu gut definierten Produkten zu
gelangen.
Mit Rücksicht auf die eigentlich sehr geringe Mannigfaltigkeit
der bisher angewandten chemischen Eingriffe, die entweder zu
einer Hydrolyse des Chitins, oder aber zu einem sehr hoch mole-
kularen Produkt, dem Chitosan, führen, lag es nahe, die Einwirkung
von Oxydationsmitteln sowohl auf das Chitin selbst, wie auch
auf sein Spaltungsprodukt, das Chitosan, zu studieren.
Läßt man auf Chitosan (nach dem von dem einen von uns gemein-
sam mit Russo8) beschriebenen Verfahren dargestellt) verdünnte
Salpetersäure (1 Teil Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,2
und 10 Teile Wasser) in der Siedhitze einwirken, so entsteht durch
!)S. Fränkel und A. Kelly, Beiträge zur Konstitution des Chitins.
Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiss. in Wien. Mathem.-naturw. Klasse 110,
Abt. IL!, Dez. 1901.
2) Ch.Rouget, Des substances amylacees dans les tissus des animaux,
specialement des Articules (Chitine). Compt. rend. 48, 792—795 (1859).
») F. Hoppe-Seyler, Uber Chitin und Cellulose. Ber. d. deutsch.
chem. Ges. 27, 3329—3331 (1894).
*) T. Araki, Uber das Chitosan. Zeitschr. f. physiol. Chemie 20,
498—510 (1895).
5) Loos, Neue Lösungsmittel des Chitins. Zool. Anzeiger 8, 330—334
(1885).
®) Krukenberg, Die angebliche Löslichkeit des Chitins. Zeitschr. f.
- Biol. 22 (N. F. 4), 480—488 (1886).
7) Zander, Vergleichende und kritische Untersuchungen zum Ver-
- ständnis der Jodreaktion des Chitins. Pflügers Arch. f. Physiol. 66, 545
— —573 (1897).
| #) Otto v. Fürth und Michele Russo, Über kristallinische Chitosan-
verbindungen aus Sepienschulpen. Diese Beiträge 8, 163—190 (1906).
190 Otto v. Fürth und Emil Scholl,
Hydrolyse Glykosamin. Wendet man direkt Salpetersäure vom
spezifischen Gewichte 1,2 in der Wärme an, so tritt nach einiger
Zeit spontane Zersetzung unter reichlicher Gasentwickelung ein,
die auch nach Entfernung der Flamme noch fortdauert. Aus der
erkalteten Lösung kristallisiert Oxalsäure in Nadeln aus. Unter-
bricht man das Erhitzen im Momente des Beginns der Zersetzung
und kühlt die Lösung rasch ab, so kann man nur die quantitative
Überführung des Chitosans in Glykosamin, nicht aber die Bildung
irgend eines Oxydationsproduktes nachweisen. Wendet man statt
Salpetersäure Kaliumpermanganat in schwefelsaurer Lösung in der
Kälte oder in der Wärme an, so gelangt man zu ähnlichen Re-
sultaten.
Aus obigen Versuchen folgt, daß die Anwendung von Oxy-
dationsmitteln in wässeriger oder saurer Lösung wegen der
dabei stattfindenden Hydrolyse zu keinem Resultate führt. Um
nun der Hydrolyse des Chitosans vorzubeugen, wurde die Oxyda-
tion mit Kaliumpermanganat in der Wärme nach vorhergegangener
Suspension des Chitosans in 10 proz. Natronlauge vorgenommen.
Es trat lebhafte Ammoniakentwickelung ein. Der Mangansuper-
oxydniederschlag enthielt reichliche Mengen unveränderten Chi-
tosans. Das Filtrat davon zur Sirupdicke eingedampft, reduzierte
sehr stark Fehlingsche Lösung und enthielt wieder Öxalsäure.
Infolgedessen wurde auch dieser Weg verlassen.
Um nun dennoch zu einem Oxydationsprodukte des Chitosans
oder des Chitins zu gelangen, erwies es sich als notwendig, die
Gegenwart von Wasser während der Oxydation möglichst zu
vermeiden. Dies wurde durch die Anwendung von Salpeter-
säure vom spezifischen Gewichte 1,525 erreicht. Läßt man
solche Salpetersäure auf scharf getrocknetes Chitin, freies Chi-
tosan, oder auf salpetersaures Chitosan in der Kälte oder in der
Wärme einwirken, so tritt glatt Lösung ein. Gießt man die kalte
Lösung in dünnem Strahle in möglichst viel Wasser, so erhält
man weiße in Wasser unlösliche Produkte in sehr befriedigender
Ausbeute.
In der vorliegenden Mitteilung soll von den aus Chitin er-
haltenen Derivaten, in einer weiteren von den aus Chitosan ge-
wonnenen Produkten die Rede sein. Wie wir vorausschickend be-
ınerken möchten, handelt es sich um Salpetersäureester, die
sich aus Oxydationsprodukten des Chitins bilden und in
ihrem Verhalten bemerkenswerte Analogien mit den Nitrocellulosen
aufweisen.
Über Nitrochitine. 191
2.
Ausgangsmaterial. Wir gingen von den 'Tegumenten von
Nephrops norvegicus aus. Herr Professor Dr. Karl Cori, Direktor
der k. k. zoologischen Station in Triest, hatte die Freundlichkeit,
uns mit ausreichenden Mengen dieses Materials zu versehen. Die
Reindarstellung des Chitins erfolgte nach dem Verfahren von
Krawkow!). Die Krebsschalen und Scheren wurden zuerst durch
mehrtägiges Stehen in einer Mischung von 1 Teil roher Salzsäure
und 1 Teil Wasser entkalkt, hierauf mit Wasser gewaschen und
wiederholt mit 20 proz. Natronlauge ausgekocht, um das Chitin
von Eiweißkörpern zu befreien. Das neuerlich gewaschene Produkt
wurde mit einer konzentrierten Lösung von Kaliumpermanganat
_ behandelt und mit roher Salzsäure (1:10) erwärmt, sodann bis
- zum Verschwinden der sauren Reaktion gewaschen und an der Luft
getrocknet. Das so erhaltene Präparat erschien nahezu farblos, nur
_ mit einem schwachen Stich ins Gelbliche.
Einwirkung von Salpetersäure vom spezifischen
Gewichte 1,525 auf das Chitin in der Kälte. 100g luft-
trockenes Chitin wurde in 800 cem Salpetersäure allmählich ein-
_ getragen. Nach und nach (im Verlaufe einer Stunde) trat voll-
kommene Lösung des Chitins ein. Man erhielt einen goldgelben,
klaren, von zahlreichen Luftblasen durchsetzten Sirup. Während
der Lösung fand keine Temperaturerhöhung statt. Der Sirup
wurde in eine möglichst große Wassermenge (etwa 3 Liter) in
sehr dünnem Strahle unter Umrühren eingegossen. Das Reaktions-
produkt fiel als weißer in Wasser vollkommen unlöslicher Körper
aus. Die Ausbeute war nahezu quantitativ. Das auf diesem Wege
- resultierende Produkt wurde auf dem Saugfilter bis zum Ver-
‚schwinden der sauren Reaktion gewaschen und an der Luft getrocknet.
Dasselbe stellt ein weißes, lockeres, sehr leicht verpuffendes
Pulver dar. Es ist in absolutem Alkohol, Äther- Alkohol, Aceton
ınd Eisessig teilweise löslich und kann aus der Aceton- und Eis-
essiglösung durch Petroläther gefällt werden. Der Körper zeigt
mithin der Nitrocellulose analoge Eigenschaften. Beim Kochen mit
verdünnten Alkalien tritt teilweise, beim Kochen mit konzentrierten
vollkommene Zersetzung unter Braunfärbung und lebhafter Am-
imoniakentwickelung ein. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich
das Produkt mit Leichtigkeit. Die Lösung bleibt farblos. In
) N. P. Krawkow, Über verschiedene Chitine. Zeitschr. f. Biol. 29
N. F. 11), 177—198 (1892).
192 Otto v. Fürth und Emil Scholl,
Wasser eingegossen läßt sie nichts ausfallen (infolge von starker
Hydrolyse, wie ein Versuch mit Fehlingscher Lösung zeigt). Kalte
konzentrierte Salzsäure löst die Substanz leicht unter starker Ent-
wickelung von Chlor und Nitrosylchlorid. Beim Eingießen in Wasser
fällt ein Produkt aus, das immer noch Salpetersäure enthält.
Läßt man ein Gemisch von Salpetersäure (spez. Gew. 1,525)
und konzentrierter Schwefelsäure auf Chitin einwirken, so
erhält man eine Lösung, die nach dem Eingießen in Wasser ein
Reaktionsprodukt von ähnlichen Eigenschaften liefert.
Einwirkung von Salpetersäure vom spezifischen Ge-
wichte 1,525 auf das Chitin in der Wärme. 100g Chitin
wurden in 800 cm? Salpetersäure eingetragen und hierauf zum
Kochen erhitzt. Es trat augenblicklich Lösung des Chitins ein.
Man kochte bis zum Verschwinden des größten Teiles der roten
Dämpfe und kühlte hierauf das Reaktionsgemisch auf Zimmer-
temperatur ab. Die Lösung wurde, da sie eine geringe Menge un-
selöster, flockiger Substanz enthielt, noch durch Glaswolle filtriert
und nun wie vorhin in 3 Liter kalten Wassers eingegossen, wieder
bis zum Verschwinden der sauren Reaktion gewaschen und an der
Luft getrocknet.
Trennung der Salpetersäureester des Chitins durch
Eisessig. Schon ein Vorversuch mit dem oben erhaltenen Körper
zeigte, daß er in reichlichen Mengen in Eisessig löslich ist. Infolge-
dessen wurde das ganze durch die Einwirkung von Salpetersäure auf
Chitin erhaltene Produkt mit der zehnfachen Menge Eisessig auf dem
Ölbade unter Rückflußkühlung zwei Stunden lang zum Kochen er-
hitzt. Hierbei mußte durch wiederholtes Schütteln des Kochkolbens
das Anbacken der Substanz verhindert werden, um die Bildung
von: Zersetzungsprodukten hintanzuhalten. Das Auskochen wurde
mit frischen Mengen Eisessig so lange wiederholt, bis der Eisessig
auf Zusatz von Wasser keine Fällung mehr gab. Nach dreimaligem
Auskochen waren sämtliche in Eisessig löslichen Substanzen aus
dem Rückstande entfernt. Die vereinigten Eisessigfiltrate wurden
mit Wasser gefällt, hierauf der gefällte Körper abgesaugt und bis
zum Verschwinden der Essigsäure gewaschen. Die Trocknung er-
folgt zuerst an der Luft und dann im Thermostaten bei 40%
bis zum konstanten Gewicht. Ein Trocknen bei höherer Tempe-
ratur erwies sich mit Rücksicht auf die leichte Zersetzlichkeit des
Körpers, der sich auch hierin analog der Nitrocellulose verhielt,
als untunlich. Die Ausbeute betrug 10 Proz. der angewandten Sal-
petersäureester. Die Substanz war vollkommen aschefrei.
4 # 2. Zu
Über Nitrochitine. 193
Der in Eisessig unlösliche Rückstand erwies sich ebenfalls
aschefrei.
Man erhält mithin durch die Einwirkung von Salpetersäure vom
spezifischen Gewichte 1,525 auf Chitin zwei Reaktionsprodukte, von
denen das eine in Eisessig löslich, das andere unlöslich ist.
3.
A. Eigenschaften des in Eisessig löslichen Reaktions-
produktes. Es stellt ein schwach gelb gefärbtes, sehr lockeres,
amorphes Pulver dar, das beim Erhitzen unter Entwickelung von
Stickoxyd verpufft. Es ist unlöslich in Äther, Petroläther, Benzol,
Toluol und Chloroform; leicht löslich in Methylalkohol, absolutem
Alkohol, in 95 proz. Alkohol, in heißem Amylalkohol. Es löst sich ferner
leicht in Aceton, Essigsäureäthylester, Epichlorhydrin und in Eisessig.
B. Eigenschaften des in Eisessig unlöslichen Reak-
tionsproduktes. Es ist in sämtlichen Lösungsmitteln unlöslich.
Wird es mit absolutem Alkohol, der mit trockenem Salzsäuregas
gesättigt wurde, behandelt, so tritt beim Kochen Lösung ein. Aus
dieser Lösung fällt bei Zusatz von Wasser ein weißer Körper aus.
Salpetersäurereste sind darin vorhanden. Es handelt sich wahr-
scheinlich um einen Salpetersäureäthylester.
C. Gemeinsame charakteristische Reaktion der Pro-
dukte A und B. Löst man eine kleine Menge der einen oder
anderen Substanz in konzentrierter Schwefelsäure, wobei man vor-
sichtig bis zur erfolgten Lösung erwärmen kann, und setzt nun
einige Tropfen einer konzentrierten Eisenvitriollösung zu, so erhält
man eine prachtvolle, blauviolette Färbung. Auf weiteren Zusatz
von Eisenvitriol tritt Braunfärbung unter Entwickelung von Stick-
oxyd ein. (Die bekannte Reaktion auf Salpetersäure.)
Art der Einwirkung der Salpetersäure auf das Chitin.
Daß eine Oxydation des Chitins durch die Einwirkung von Sal-
petersäure von spezifischem Gewicht 1,525 erfolgt, wird weiter unten
auf Grund der Analysenergebnisse auseinandergesetzt werden. Es
findet aber gleichzeitig eine Esterifizierung statt. Die erhaltenen
Verbindungen zeigen gewisse Analogien mit Cellulose, die durch
die Einwirkung von Salpetersäure esterifiziert und in die sogenannte
Nitrocellulose verwandelt ist.
Löst man die Salpetersäureester des Chitins in konzentrierter
Schwefelsäure und schüttelt mit Quecksilber, so wird Stickoxyd
entbunden, da die Säuren des Stickstoffs durch die Einwirkung von
_ metallischem Quecksilber zu Stickoxyd reduziert werden. Dieses
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 13
194 Otto v. Fürth und Emil Scholl,
Verhalten setzt die Anwesenheit von freier Salpetersäure voraus,
die durch die Einwirkung der Schwefelsäure frei wurde. Nitro-
cellulose verhält sich vollkommen gleich und es wird ja tatsächlich in
(ler Sprengstofftechnik nach dieser Methode im Lungeschen Nitro-
meter der Gehalt der Nitrocellulose an Salpetersäureresten bestimmt.
Läßt man verdünnte Schwefelsäure auf das Salpetersäure-
produkt in der Wärme einwirken, so findet Verseifung des Esters
statt und freie Salpetersäure kann in reichlicher Menge nach-
gewiesen werden. Das gleiche gilt für die Einwirkung von ver-
dünnter Salzsäure und von verdünnten Alkalien.
Eine weitere Analogie mit der Nitrocellulose, d. h. mit den
Salpetersäureestern der Cellulose, und deshalb auch ein Beweis für die
Esternatur des erhaltenen Körpers, liegt in seiner überaus leichten
Zersetzlichkeit bei höherer Temperatur. Angezündet, verpufft er
momentan unter intensiver Lichtentwickelung. Wird eine kleine Menge
in der Eprouvette im Ölbade langsam erwärmt, so tritt noch unter
200° plötzliche Zersetzung unter Entwickelung von roten Dämpfen ein.
Es kann demnach als erwiesen gelten, daß die Salpetersäure
esterifizierend auf das Chitin einwirkt.
4.
Methodik der Analyse. Durch Verbrennung mit Kupfer-
oxyd im Glasrohre konnte infolge der leichten Zersetzlichkeit der
Substanzen nur der Wasserstoff bestimmt werden. Es stellte sich
nämlich heraus, daß selbst beim Mischen der Substanz mit gepul-
vertem Kupferoxyd ein langsamer Verlauf der Verbrennung nicht
zu erzielen war, und daß die Zersetzung spontan in wenigen: Se-
kunden verlief, wodurch die Bestimmung des Kohlenstoffs unmög-
lich wurde. Brauchbare Resultate ergab die Methode der Be-
stimmung des Kohlenstoffs auf nassem Wege nach Messinger!),
die deshalb auch zur Anwendung kam.
Die leichte Zersetzlichkeit der Substanzen machte es auch un-
möglich, die Stickstoffbestimmung nach Dumas vorzunehmen. Stick-
stoff ist in zweifacher Form vorhanden, einerseits in Form von
Salpetersäureresten, andererseits in molekularer Bindung. Wie
schon weiter oben angeführt wurde, lassen sich die Salpetersäure-
reste durch die Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure sehr
leichtabspalten. Es lag also die Möglichkeit vor, nach Abspaltung und
Entfernung der Salpetersäurereste die Stickstoffbestimmung einfach
nach Kjeldahl vorzunehmen. Es geschah dies auf folgende Art:
') Vgl. Lassar-Cohn, Arbeitsmethoden, 3. Aufl., S. 1212 (1903).
riet ıi°
nn
2
ee
Über Nitrochitine. 195
Die Substanz wurde, wie üblich, mit Phosphorschwefelsäure im Rund-
kolben übergossen. Hierauf wurde eine kleine Menge gepulverten Eisen-
vitriols zugesetzt und schwach erwärmt. Durch den Eisenvitriol wurde die
frei gewordene Salpetersäure zu Stickoxyd reduziert. Die Reaktion tritt nach
kurzer Zeit ein und verläuft sehr lebhaft unter starker Entwickelung von
roten Dämpfen. Nach Beendigung der Reaktion wurde die Bestimmung auf
bekannte Art zu Ende geführt.
Bestimmung der vom Chitin aufgenommenen Salpeter-
säure. Mit Rücksicht auf die leichte Verseifbarkeit der gebildeten
Ester mußte eine Methode, die es ermöglicht, die frei gewordene
Salpetersäure zu bestimmen, den meisten Erfolg versprechen. Am
zweckmäßigsten erschien die Anwendung des Verfahrens von
Schulze-Tiemann!) zur Bestimmung der Salpetersäure im
Wasser. Das Einbringen der Substanz in das Zersetzungskölbchen
und die Vorbereitung zur Analyse geschahen auf folgende Weise:
In das Zersetzungskölbehen wurde eine genügende Menge von destil-
liertem Wasser gebracht, zum Kochen erhitzt und nach einiger Zeit die in
einem Röhrchen abgewogene Substanz in das Kölbchen gleiten gelassen.
Sobald alle Luft verdrängt war, wurde das Kölbehen verschlossen und die
Analyse nach Vorschrift ausgeführt.
Analysenergebnisse.
l. In Eisessig lösliche Substanz.
0,2717 & Substanz gaben 0,3412 & CO,, entsprechend 33,49 Proz. C.
0,3295 &g Substanz gaben 0,4090 & CO,, entsprechend 33,85 Proz. C.
0,1968 Substanz gaben 0,069 H,O, entsprechend 3,91 Proz. H.
0,2978g Substanz gaben 0,1078g H,O, entsprechend 4,02 Proz. H.
0,3203 Substanz verbrauchten 12,3cem '/.„n-H,SO,, entsprechend
6,37 Proz. N.
0,3587 & Substanz verbrauchten 15,0cem /.n-H,SO,, entsprechend
5,85 Proz. N.
0,3194 g Substanz gaben 40,3 ccm NO (20,5°, 759,8 mm), entsprechend
E69 Proz. NO,-
0,2694 g Substanz gaben 34,2ccm NO (20°, 751,6 mm), entsprechend
77 Proz. NO,.
Mittel
nr... .: 33,49 Proz. 33,85 Proz. 33,67 Proz.
ee... 391. , 402 , ER
Ber... 37. 585, 1
Be... 11,69 „ IN TENV. 11,73" >,
Be .;.. ee a 45,02 „
100,00 Proz.
Atomverhältnis C; ‚9 Hy, Nı (N O3)o,4 O7,04-
!) Siehe Fresenius, Quant. Analyse 2, 155.
13*
196 Otto v. Fürth und Emil Scholl,
2. In Eisessig unlösliche Substanz.
0,2745 & Substanz gaben 0,3275 CO,, entsprechend 32,54 Proz. C.
0,2983 g Substanz gaben 0,3619 & CO,, entsprechend 33,03 Proz. C.
0,2100 & Substanz gaben 0,0964 H,O, entsprechend 5,09 Proz. H.
0,2111 g Substanz gaben 0,0914g H,O, entsprechend 4,81 Proz. H.
0,6220 &g Substanz verbrauchten 22ccm Y.n-H,SO,, entsprechend
4,96 Proz. N.
0,7263& Substanz verbrauchten 24,2cem \/„n-H,SO,, entsprechend
4,67 Proz. N.
0,3689 g Substanz gaben 52,7ccm NO (20°, 740,7 mm), entsprechend
13,02 Proz. NO,.
0,3279 g Substanz gaben 46,5 ccm NO (20°, 747,4 mm), entsprechend
13,04 Proz. NO,.
Mittel
ne ron 38,03 Proz. 32,78 Proz.
1 TR 5.09..= 4 ne A 4.95 2%
BR Te 4,965 1.07 4.81.79,
NO 18:03 417 13.02», ;, 135.05
3 — — 44,43 „
100,00 Proz.
Atomverhältnis C,H... N1ı (N O,)o,82 Os,10-
d
5.
Über die elementare Zusammensetzung des Chitins
geben folgende Analysen Aufschluß:
Ü H N Ö
Proz. Proz. Proz Proz.
Ledderhose!), Mittel . .... 45,78 6,55 7,01 40,66
BRBlEr N. ee a 46,32 6,40 6,14 41,14
Sundwick®), Mittel ...... 46,78 6,41 6,35 40,46
Araki N Mita... Ha ı 46,23 6,45 6,20 41,14
C. Schmidt?), Mittel. ..... 46,74 6,63 | 6,41 40,22
Mittel aller Analysen. | 46,37 6,48 | 6,42 40,72
Atomverhältnis C, 3; Hys,7o Ni O5,40-
') Ledderhose, Über Chitin und seine Spaltungsprodukte. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 2, 213—227 (1878—1879).
’) G. Städeler, Untersuchungen über das Fibroin, Spongin und Chitin.
Ann. d. Chem. u. Pharm. 3, 582—583 (1859).
’) E. Sundwick, Zur Konstitution des Chitins. Zeitschr. f. physiol.
Chem. 5, 385—394 (1881).
*) T. Araki, Über das Chitosan. Ebenda 20, 498—510 (1895).
’) ©. Sehmidt, Zur vergl. Physiologie der Wirbellosen. Braunschweig,
Friedr. Vieweg u. Sohn, 1845. Ann. d. Chem. u. Pharm, 54, 298—311 (1845).
Über Nitrochitine. 197
Stellt man nun die Analysenresultate einander gegenüber, so
erhält man:
C H N.:EN0; Ö
Proz. | Proz... Proz Proz |7 Proz.
In Eisessig lösliche Salpetersäureester
ne en 33,67 | 3,97 | 5,61 | 11,73°| 45,02
In Eisessig unlösliche Salpetersäureester
eg ee EEE 32,78 | 4,95 | 4,81 | 13,03 | 44,43
ae re EB 46,37 | 6,48 | 6,42 — | 40,72
Atomverhältnisse:
In Eisessig lösliche Salpetersäureester des Chitins . Cy,9g Hy,ss Ni (N O3)o,64 07,04
In Eisessig unlösliche Salpetersäureester des Chitins . C,H 14,3, N (N Og)o,a2 Os,10
a a a ve ara har Gr N 0
Aus den Analysen und Atomverhältnissen ist ohne weiteres
eine Sauerstoffzunahme im Reaktionsprodukte wahrnehmbar. Es
liegen also in Wirklichkeit Oxydationsprodukte des Chi-
tins vor, die überdies Salpetersäurereste enthalten.
Anhang.
Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan.
Zum Schluß sei noch einer Reaktion des Chitosans Erwähnung
getan, die möglicherweise für den rationellen Abbau desselben von
Nutzen sein könnte. Es handelt sich um die Einwirkung von sal-
petriger Säure auf das Chitosan. Läßt man die Lösung eines sal-
petrigsauren Salzes auf Chitosan in salzsaurer Lösung einwirken,
so gelangt man zu einem Körper, der weder mit dem Chitosan
noch dem Glykosamin identisch ist.
Etwa 10g Chitosan wurden in einer sehr kleinen Wassermenge suspen-
diert und in einem geringen Überschusse verdünnter Salzsäure gelöst. Zur
klaren Lösung wurde tropfenweise eine 5 proz. Lösung von Natriumnitrit
80 lange zugegeben, bis ein Tropfen des Reaktionsgemisches, mit Natronlauge
versetzt, klar blieb. Während der Zugabe des Natriumnitrits trat ohne Er-
wärmung und ohne Geruch nach salpetriger Säure sehr lebhafte Gasent-
wiekelung ein. Die Lösung wurde nun mit Ätznatron neutralisiert und dann
mit Alkohol gefällt.
Das Reaktionsprodukt ist ein schwach gelblich gefärbtes,
amorphes Pulver. Es ist in Wasser, verdünnten Säuren und Al-
kalien leicht löslich. Beim Kochen mit Natronlauge wird die Lö-
sung braun. Sie reduziert Fehlingsche und ammoniakalische
Silberlösung. Die Substanz ist stickstoffhaltig.
198 Otto v. Fürth und Emil Scholl, Über Nitrochitine.
Die weitere Charakteristik und den Abbau der beschriebenen
aus Chitin und Chitosan erhaltenen Derivate behalten wir uns vor.
Zusammenfassung.
l. Während der schrittweise Abbau von Chitin und Chitosan
mit Oxydationsmitteln in wässeriger Lösung sich nicht als tunlich
erwies, gelang es durch Einwirkung sehr starker rauchender
Salpetersäure (spez. Gew. 1,525) zu oxydativen Abbaupro-
dukten zu gelangen.
2. Die durch die genannte Säure in der Kälte, in der Wärme,
sowie bei Gegenwart von konzentrierter Schwefelsäure bewirkte
Oxydation geht mit Esterbildung (Anlagerung von Salpeter-
säuregruppen) einher.
3. Durch Einwirkung der rauchenden Salpetersäure auf Chitin
wurden zwei Produkte erhalten, von denen das eine in allen ge-
wöhnlichen Lösungsmitteln unlöslich ist, während das andere von
zahlreichen Lösungsmitteln, wie Alkohol, Aceton, Essigäther, Eis-
essig (nicht aber von Äther, Petroläther, Benzol und Chloroform),
leicht aufgenommen wird.
4. Die vom Chitin abgeleiteten Salpetersäureester zeigen in
ihrem Verhalten gewisse Analogien mit den Nitrocellulosen.
Sie verpuffen mit großer Heftigkeit unter Feuererscheinung und
spalten den in den Nitrogruppen enthaltenen Anteil ihres Stick-
stoffs beim Schütteln der schwefelsauren Lösung mit Quecksilber,
sowie bei Zusatz von Ferrosulfat zu denselben in Form von Stick-
oxyd, bei der hydrolytischen Einwirknng von Säuren und Alkalien
in der Wärme in Form von Salpetersäure ab. Sie werden von
kalter konzentrierter Salzsäure unter Entwickelung von Chlor und
Nitrosylchlorid und Bildung wasserunlöslicher Produkte angegriffen,
von absolut alkoholischer Salzsäure anscheinend unter Esterbildung
gelöst.
5. Durch Einwirkung von salpetriger Säure auf das Chitosan
gelangt man zu einer wasser-, säure- und alkalilöslichen, durch
Alkohol fällbaren, Fehlingsche Lösung und ammoniakalische
Silberlösung reduzierenden Substanz.
Wien, März 1907.
X.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch
an pankreaslosen Hunden.
Von W. Falta, F. Grote und R. Staehelin.
Aus der medizinischen Klinik in Basel (Direktor Prof. Dr. W. His).
In den vorliegenden Untersuchungen sollte der Energiever-
brauch pankreasdiabetischer Hunde mit dem Jaquetschen Respira-
tionsapparat bestimmt werden. Es stellte sich aber bald heraus,
daß der Untersuchung desselben große Schwierigkeiten entgegen-
stehen, indem sich nach der Exstirpation des Pankreas eine glatte
Verheilung der Bauchwunde, wie auch andere Autoren hervor-
heben, kaum erzielen läßt. Da wir die Arbeit aus äußeren Grün-
den abbrechen mußten, so sind wir leider zu einer vollständigen
Lösung der uns gestellten Fragen nicht gelangt, glauben aber doch
unsere Untersuchungen veröffentlichen zu sollen, da sie in ver-
schiedener Hinsicht von Interesse sind, und da der Gesamtstoff-
wechsel des pankreaslosen Hundes überhaupt noch wenig unter-
sucht ist.
Experimenteller Teil.
Bezüglich der Methodik verweisen wir auf unsere frühere Arbeit).
A. Versuche an Hund Juno!).
Der Hund, 23kg schwer, wurde am 29. Mai 1906 3 Uhr p. m.
von Herrn Professor Enderlen, dem wir hierfür an dieser Stelle
unsern besten Dank aussprechen, in Morphium-Äthernarkose operiert,
nachdem er mehr als zwei 'Tage vorher ohne Nahrung belassen
worden war.
') Vgl. W. Falta, F. Grote und R. Staehelin, Versuche über Kraft-
und Stoffwechsel des Hundes usw. (Diese Beiträge 9, 1907.) Diese Ver-
suche sind an demselben Hund (Juno) angestellt worden. Die Exstirpation
des Pankreas wurde unmittelbar an diese Versuche angeschlossen.
200 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Die Operation dauerte drei Viertelstunden. Der Hund erholte sich rasch
von der Operation. In dem um 5 Uhr p. m. durch Katheterisieren ent-
leerten Harn (108ccm) fand sich noch kein Zucker. Am 30. Mai morgens
wurden durch Katheterisieren 290 ccm Harn entleert. In demselben 3,75 &
Dextrose (durch Polarisation vor und nach der Vergärung bestimmt) und
4,732 g Stickstoff; p. St. = 0,338£ N; D:N daher = 0,79. Temp. = 38,8°C.
Abends Körpergew. 22,8kg. Temp. = 40,1°C. 31. Mai morgens Temp. —=
38,8° C. es
Harn von 7 Uhr abends (30. Mai) bis 7 Uhr morgens (31. Mai): 485 ccm
vom spez. Gew. 1046; in demselben 222g D und 6,72 &N; p. St. = 0,56 & N
D:N = 3,28 (bei Zimmertemperatur von etwa 16°C); Aceton- und Acetessig-
säure-Reaktionen negativ.
Da der Diabetes nun voll entwickelt war, wurde an diesem Tage mit
den Versuchen begonnen.
Zur Methodik muß erwähnt werden, daß der Hund in diesen Versuchen,
besonders später, als er schwächer wurde, häufig den Harn nicht mehr
während der ganzen Versuchsperiode hielt, sondern teilweise in den Kasten
ließ. Die Blase wurde natürlich jedesmal am Beginn und nach Beendigung
jeden Versuches mit dem Katheter entleert, der Kasten sorgfältige ausgespült
und sämtliche Portionen vereinigt. Wir können in den Tabellen dieser
Arbeit daher die eigentlichen Harnmengen nicht angeben, auch dürften wegen
Verdunstung kleiner Mengen des im Kasten sich ansammelnden Harnes die
Bestimmungen des durch Lungen und Haut abgegebenen Wassers weniger
genau sein.
Der Hund verendete am 11. Juni, nachdem er zum Skelett abgemagert
war. Bei der Sektion fanden sich die Bauchdecken zu beiden Seiten der
Sehnittnarbe im Bereich einer etwa handtellergroßen Partie flächenhaft in-
filtriert, mit zentraler Einschmelzung an der Narbe. Bei der Eröffnung der
Bauchhöhle zeigte sich das Mesenterium des Duodenums mit dem unteren
Abschnitt des Colon ascendens verlötet, das Peritoneum sonst überall glatt
und spiegelnd. Die mikroskopische Untersuchung des Duodenums und der
mit demselben verlöteten Partien ergab vollständiges Fehlen irgendwelcher
Reste von Pankreasgewebe.
Berechnung der Wärmeproduktion.
| 5
Are | ' H,O durch | Calorien aus
Ualorien Lungen Wasser-
und Haut | verdampfung
Respiration
aus Eiweiß: „2... an. 1a e
aus Fett . ...... „|. 76,00 93,8 | er a2
aus Kohlenhydrat . . | == — | — —
Tolal. 05. aere Wan 1062,9 708,8 =
pro Stunde .... . | _ 53,1 — _
pro Stunde und kg . — 2,44 | 1,63 0,97
201
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2 19955 iR
5 — | — Itzrie, sIgaıgzo — | — \ieclo) zeig I 0'rE | 0'508 | TsrE9] TT2‘O ST'sT!062°06 | 98'zr | [ze‘es TE
"So F9E'F77 us]seuL
-
cz ei 0'%7 — | — Izgetyı |gsezı | z86‘gr | [z86‘gr] [us]
3 Ge9°F SE)
5 | c'ce | 0'zFı | grısP| F69°0 Fsz'gr | ser'z9 | co1'9r | [ocr‘r9]
3 076 s'seigaE0 90‘ set — |eaH‘T 986‘ FTro0 C9e GLS LI 1uTE
G | see G‘6IL | GIVE 889'0 z98‘9T |8rr29 | Fec'cı | [982‘89]
5 set | — |(ue—l
= sr
Rn Q er
nn <
4 2 > 28 = 2 "IP4S gu "IP4S | 0909 u g "Ip3s |0904 ur| °[p9S | 0904 ul
3 o =: 1 Er RE |
= 3% 3 Er ma) a \unsr| 0 — er ee #9 3
em 8 |Sg SE | a ES ae ONB1qıo A-° le 2 | oponıoT
3 E e “& 2 > yaanp O°H B Dar 990 E .
{77} SE =]
„® En $; LT BOY. PIARS-N
(9061 N IE) I yonsıoA
202 \W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Versuch I.
Bemerkungen: Es war leider unterlassen worden, die Temperatur
des Hundes vor der Pankreasexstirpation zu messen. Die Temperatur von
35,3°C zu Beginn des Versuches entspricht der bei Hunden gewöhnlich beob-
achteten Normaltemperatur. Hingegen ist die am Ende des Versuches beob-
achtete Temperatur von 39,7 zweifellos pathologisch. Die Untersuchung der
Bauchwunde ergab an einer Nahtstelle einen etwa halbkirschgroßen Abszeß,
aus dem sich bei Druck einige Tropfen Eiter entleerten.
Die Berechnung der Beteiligung von Eiweiß, Kohlehydraten
und Fett am Stoffwechsel wurde in analoger Weise wie in den
Versuchen am normalen Hund durchgeführt; nur mußte natürlich
der Ausfall des Zuckers in Rechnung gezogen werden. Für die
Nüchternversuche war dies relativ einfach.
a) Beteiligung von Eiweiß, Fett und Kohlehydraten an
der Zersetzung.
Im Harn erschienen 10,235 & N. Diesen entsprechen nach
Zuntz!) unter normalen Verhältnissen 26,205 8C (10,235 x 2,56)
in der Exspirationsluft. Nun erscheinen hier aber im Harn
33,973 gD, die wir aus dem Eiweiß ableiten. Diese enthalten
13,589 &C. Es sind demnach um 13,589 &C weniger in der Ex-
spirationsluft erschienen, also es stammen aus Eiweiß nur 26,205 —
13,589 — 12,613 gC. Im Ganzen sind durch Lungen und Haut
ausgeschieden worden 88,610 gC. Es stammen daher aus Fett
(+ Kohlehydraten?) 88,610—12,613 — 75,997 gC. Unter der An-
nahme, daß diese nur aus Fett stammten, hätten sie zu ihrer Oxy-
dation 285,080, gebraucht.
Eine Eiweißzersetzung, entsprechend dem Erscheinen von
10,235 g& N im Harn, braucht nach Zuntz unter normalen Verhält-
nissen 10,235 x 8,45 — 86,486 g0,. Davon ist aber in unserem
Falle diejenige Menge O, abzuziehen, welche zur vollständigen
Oxydation des aus dem Eiweiß stammenden Harnzuckers notwendig
ist. 1 Zucker-C braucht zur vollständigen Oxydation 2,67 & O,;
13,589 &C (in 33,975 g Dextrose) brauchen daher 36,266 g0,. Für
die Oxydation des Eiweißes sind also in unserem Versuche nur
86,456 — 36,266 —= 50,260 &g0, erforderlich gewesen.
Im Ganzen wurden nun verbraucht . . . . . . 336,620 0 0,
Auf das Eiweiß entfallen. . . . » 2 2.2.2... 50,260 80,
Für N-freies Material bleiben. . . . 2... ..%286,36 0,
') N, Zuntz, Höhenklima und Bergwanderungen usw. Berlin 1906,
P- 103.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 203
Aus der Übereinstimmung zwischen dieser Zahl mit der oben
berechneten geht hervor, daß die Annahme, es stamme der nach
Abzug des Eiweiß-C bleibende C-Rest nur aus Fettverbrennung,
richtig war.
b) Berechnung der Wärmeproduktion.
Dem N des Harnes zufolge würden sich nach Rubner!)
10,255 x 25 (Nüchternwert) —= 255,9 Cal aus dem Eiweiß herleiten,
wenn dieses vollständig verbrannt wäre.
Durch den Ausfall des Eiweißzuckers gehen aber 36,266 x
3,762 (Brennwert der Dextrose) — 127,8 Cal verloren. Es stammen
also aus dem Eiweiß nur 255,9—127,8 — 128,1 Cal. Die übrige
Menge des © in der Exspirationsluft (76,0 &) stammt, wie wir ge-
sehen haben, aus Fettverbrennung, lieferte also nach Rubner
76,0 x 12,5 934,8 Cal; Totalkalorienproduktion in Versuch I daher
128,1 + 934,3 — 1062.
Versuch I.
Bemerkungen: Um 8 Uhr 20 morgens erhielt der Hund
150g Dextrose (Merck) in 500g Wasser gelöst mit der Schlund-
sonde eingegossen. Der Hund behielt die Dextrose gut bei sich
und nützte sie, wie aus den Kotanalysen hervorgeht, gut aus. Der
Kot, der für diese Tage gesondert abgegrenzt worden war, wog
trocken 22,25 g und enthielt 1,649 N. Dem entsprechen 1,64 x
6,25= 10,25 g Eiweiß. Es bleiben also überhaupt nur 12g für
Ätherextrakt, Salze und Kohlehydrate übrig.
In der Periode von 2 bis 7 Uhr nachmittags trat bei dem
Hunde eine eigentümliche tiefe Atmung auf, welche an die beim
Coma diabeticum erinnerte. Gleichzeitig trat jetzt deutlicher Ace-
tongeruch der Atemluft auf. Im Harn, der früher nur Spuren
Aceton enthalten hatte, wurden an diesem Tage 1,15 Aceton von
morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr ausgeschieden?). Im Harn der
Periode von 7 Uhr morgens bis 2 Uhr nachmittags, also unmittel-
E. nach der Dextroseeinfuhr trat ein eigentümliches Phaenomen
auf, das wir hier einfach registrieren wollen. Der Harn, der starke
"Trommersche Probe gab, zeigte nur eine geringe Rechtsdrehung ent-
sprechend 0,321 Proz. D Doping): Bei der Titration nach
Be...
4 !) Rubner, Gesetze des Energieverbrauches, Leipzig und Wien 1902,
EB. 19.
' ”) Bei der Berechnung der Kalorienproduktion können diese und die
pi der Atemluft in Verlust geratenen Mengen vernachlässigt werden.
W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
204
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Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 205
Berechnung der Wärmeproduktion [Versuch II].
C in der ; Wasser- Calorien
AR Calorien aus Wasser-
Respiration verdampfung verdampfung
BE Eiweiß .... . 11,452 106,0 — =
eh... . 58,704 712,0 - -
aus Kohlehydrat . . 4,307 40,3 — _
een. .. 74,463 858,4 464,1 278,5
Eo Stunde ..... —_ 49,5 _ _
pro Stunde und kg . — 2,40 1,30 0,78
Fehling wurden in dem mit Thymol konservierten Harn nach zwei
Tagen 3,425 Proz. D gefunden. Als nochmals polarisiert wurde,
entsprach die Rechtsdrehung nun 3,33 Proz. Zucker!). In diesem
Harn fand sich auch der höchste Wert für NH, nämlich 0,451 g
—0,0644g p. St. Im Harn von 2 Uhr nachmittags bis 7 Uhr
abends fanden sich noch 0,190 g& NH, = 0,038 & p. St. In den dem
Dextroseversuch vorangehenden Perioden hatten sich nur 0,251 g
NH, ==0,021g p. St., resp. 0,119g NH, =0,02g p. St. gefunden.
Die Berechnungen gestalten sich in diesem Versuche kom-
plizierter, weil die Zuckermenge im Harn sich jetzt aus zwei Fak-
toren zusammensetzt, dem Eiweißzucker und dem Nahrungszucker.
Da sich der Versuch zeitlich unmittelbar dem Versuch I anschließt,
so wollen wir der Berechnung den im Versuch I gefundenen
Quotienten D:N (3,27) zugrunde legen. Die Benutzung der Min-
kowskischen Zahl (2,5) würde an dem Resultat überdies nichts
_ Wesentliches ändern.
Im Harn wurden nun 8,349 N ausgeschieden. Es kämen also
| 834 x 3,27 = 27,27 g (= 9,398 g C) des Harnzuckers auf Eiweiß.
8,34 g$N im Harn entsprechen unter normalen Verhältnissen 8,34
| x 2,56—=21,55gC in der Exspirationsluft. Davon sind 9,898 g 0,
_ welche den Körper durch den Harn als Zucker verließen, in Abzug
zu bringen. Es bleiben daher 11,452 gC. Durch Lungen und Haut
Sind ausgeschieden worden: 74,463g C. Es kommen daher auf
Fett- und Kohlehydratverbrennung 74,463 — 11,452 — 63,011 g C.
Diese brauchen, wenn sie nur aus Fett stammen, zur Oxydation
236,354 g O,. Im Ganzen wurden aufgenommen: 274,755 g O,.
} ') Sandmeyer (über die Folgen der Pankreasexstirpation usw. Zeitschr.
ef. Biolog. 29, 1892) gibt an, in den ersten Tagen nach der Exstirpation bis-
# weilen starke Linksdrehungen, in einem Falle bis — 4,00 Proz. beobachtet
zu haben.
206 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Unter normalen Verhältnissen würde das umgesetzte Eiweiß 8,54
x 8,45 —= 69,673 g O, zur Oxydation benötigt haben. Da aber
27,27 g Zucker unverbrannt abgehen, so werden um 26,433 80,
weniger verbraucht, also nur 69,672 — 26,453 —= 43,239 & O,. Es
fallen also auf Fett und Kohlehydrate 274,755 — 43,239 —
251,516g O,. Nach der Formel & 3,751 + (y — x) 2,651 = O,!)
kommen dann 58,704 gC auf Fett und 4,507 gC auf Kohlehydrat.
Hätten wir die Minkowskische Zahl der Berechnung zugrunde
gelegt, so hätten wir die Zahlen 234,265 für das berechnete und
235,962 für das gefundene O,-Bedürfnis erhalten.
Auf jeden Fall sind also nur Spuren von Kohlehydra-
ten verbrannt, was sich auch im Verhalten des RQ@ ausdrückt.
Da aber nun nur 126,15 & D im Harn erschienen, wovon noch
27,27 & (resp. nach dem Quotienten 2,8—23,55 g) D aus Eiweiß
stammen, da ferner mit dem Kot nur wenige Gramm verloren ge-
gangen sein können, so muß der Rest noch im Körper ver-
blieben, und der Zuckergehalt des Blutes und der Ge-
webe am Ende des Versuches dadurch noch beträchtlich
vermehrt gewesen sein. Wir sehen daraus, daß wir aus einem
Zurückbleiben der Ausgaben gegenüber den Einnahmen nicht ohne
weiteres auf eine im Körper stattgehabte V,erbrennung schließen
dürfen.
Berechnung der Kalorienproduktion:
Aus dem N des Harnes würden sich 8,34 x 25 — 208,58 Cal
aus Eiweiß berechnen. Durch den Ausfall des Eiweißzuckers gehen
aber 27,27 x 3,762 — 102,59 Cal verloren. Es stammen also aus
dem Eiweiß 208,58 — 102,59 —= 105,99 Cal. 58,704 g C der Exspi-
rationsluft stammen aus Fett. Diese entsprechen 58,704 x 12,3 —
712,06 Cal, und 4,507 & Kohlehydrat-C entsprechen 4,307 x 9,5 —=
40,52 Cal; Gesamtkalorienproduktion daher — 858,4 Cal.
Versuch II.
In der vorangehenden Nacht um 3/,1 Uhr (nach Beendigung
des Versuches II) hatte der Hund 150g Lävulose mit der Schlund-
sonde eingeführt bekommen. Da er bald nachher erbrach, wurde
der Respirationsversuch unterbrochen. Der Hund war nachher sehr
elend, erholte sich aber rasch wieder. Am Morgen (2. Juni) wurde
noch ein Nüchternversuch angeschlossen. Der Quotient D:N be-
') Vgl. Falta, Grote und Staehelin, a. a. O., 8. 345.
207
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw.
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N E
(906T tunp zZ) III yonsaoy
208 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
trug während desselben 4,59. Die hohe D-Ausscheidung ist jeden-
falls noch auf die Dextrose, vielleicht zum Teil auch noch auf die
Lävuloseeinfuhr zu beziehen, da voraussichtlich ein kleiner Teil
der Lävulose doch resorbiert worden war; die Seliwanoffsche
Reaktion war am Morgen noch schwach vorhanden gewesen. Für
die Berechnung wurde der Quotient D:N — 3,27 (wie in Versuch I
und II) eingesetzt. Die Berechnung ergibt dann 0,7880 in der
Exspirationsluft aus Kohlehydratverbrennung. Diese Menge fällt
fast noch in die Fehlergrenzen der Methode. Sie wäre überdies
ganz gut auf die Lävulose zu beziehen.
Versuch IV.
Am 3. und 4. Juni bekam der Hund je 500g Pf£erdefleisch
zu fressen. Die Temperatur hielt sich während dieser Zeit zwischen
39 und 39,2°C. Die Bauchwunde sah gut aus, war aber bei Druck
etwas schmerzhaft. Am 5. Juni nachmittags wurde ein vierstündiger
Nüchternversuch gemacht (genaue Zeit: 2 Uhr 15 bis 6 Uhr 9
nachmittags). Der Quotient D:N ist jetzt auf 1,97 abgesunken.
Wenn dieses Absinken des Quotienten D:N ein Wiederauftreten
der Fähigkeit, Eiweißzucker zu verbrennen, bedeuten soll, so müßte
mit dem Absinken des Quotienten ein Änsteigen des R.Q. auftreten,
vorausgesetzt, daß nicht die Ketonurie währenddessen wesentlich
zugenommen hat. Die Ketonurie ist jetzt aber eher schwächer als
früher. Denn die Aceton- und Acetessigsäure - Reaktionen waren
nur schwach vorhanden, auch ergab sich nur eine sehr &eringe
Differenz zwischen dem Polarisations- und Titrationswert (0,975
gegenüber 1,00 Proz.). Der R.Q@. ist nun in diesem Versuch auf-
fallend tief (0,675). Es wäre daraus zu schließen, daß O,-
reiche Körper (Zucker oder Glykogen) im Organismus
zurückgehalten wurden. Zu einem ähnlichen Resultat führt
auch die Berechnung. Denn bei Benutzung, des tatsächlich gefun-
denen @uotienten 1,97, d. h. bei der Annahme, daß ein Teil des
Eiweißzuckers wirklich verbrannt ist, würde die nach Abzug des
Eiweiß-C bleibende C-Menge, auf Fett bezogen, einen O,-Verbrauch
von 32,781 bedingen, während der nach Abzug des Eiweißanteiles
am O,-Konsum tatsächlich gefundene Sauerstoffverbrauch 393,678
betrüge. Das macht in 24 Stunden eine Differenz von fast 6g O,.
Das würde bedeuten, daß außer einem Teil des Kiweißzuckers
sonst noch Zucker verbrannt ist, was sehr unwahrscheinlich ist.
Nehmen wir dagegen den Quotienten 2,3 zur Berechnung, so finden
wir genau übereinstimmende Werte. Der berechnete O,-Verbrauch
nn
b
®
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 209
würde dann betragen 35,91g, der gefundene 35,999. Das dürfte
dafür sprechen, daß überhaupt kein Zucker verbrannt, sondern
daß nur ein Teil des aus dem Eiweiß stammenden Zuckers zurück-
behalten worden ist. Wir kommen auf diese Auffassung später
noch zurück.
Besonders sei noch hervorgehoben, daß die Eiweißzersetzung
in diesem Versuche nicht absinkt, sondern an der oberen Grenze
sämtlicher bisher beobachteter Werte steht.
Versuch V.
Um 7 Uhr abends fraß der Hund 658 g Pferdefleisch = 21,06 g N.
Die Ausnützung war schlecht, obwohl dem Fleisch ein voller Eß-
löffel Pankreatin (Rhenania) beigemischt worden war. Der für die
25 Stunden des Versuches abgegrenzte Kot wog feucht 289, trocken
64,5 g, enthielt 39,315 g C, 5,513g H und 10,06& N. Es sind also
immerhin doch 111g N aus Fleisch in Umsatz gekommen.
Die in dem Versuch beobachteten Tatsachen seien hier nur
kurz registriert. Es soll später noch darauf zurückgekommen werden.
1. Die N-Ausscheidung bleibt trotz der Fleischzufuhr vollständig
gleichmäßig. Das ist auch verständlich, denn im Hungerzustande
werden in den vorhergehenden Versuchen stündlich 0,5—0,6 & N
ausgeschieden; im unmittelbar vorhergehenden Versuch IV sogar
0,649. Die Hungerzersetzung beträgt also in 24 Stunden 12 bis
_ 15gN, ist also größer als die tatsächlich resorbierte N-Menge.
2. Bei Berücksichtigung der ganzen 24stündigen Periode be-
trägt der Quotient D:N = 3,0. Durch Fleischzufuhr ist also der
Quotient wieder auf seine frühere Höhe zurückgekehrt.
3. Bei Berücksichtigung kleinerer (12stündiger) Perioden zeigt
sich eine starke Inkongruenz der N- und D-Kurve und dement-
‚sprechend ein Schwanken im Quotienten D:N. In der ersten
12stündigen Periode steigt er auf 4,48, um dann in der zweiten
12stündigen Periode auf 1,32, also unter den vor der Fleischzu-
Zuhr beobachteten Wert 1,97 abzusinken.
4. Nach der Fleischfütterung sehen wir OO,-Ausscheidung und
O,-Aufnahme deutlich ansteigen. Mit Sicherheit läßt sich dieser
Anstieg in der Periode von 8 bis 11 und 11 bis 3 Uhr nachts auf
die Fleischfütterung beziehen. Es ist dies wohl durch die spezi-
üsch-dynamische Wirkung des allerdings nur in geringer Menge
mehr zersetzten Eiweißes in diesen Perioden zu erklären. Die Er-
‚höhung des Umsatzes von 3 Uhr nachts an dürfte aber wohl auf
Krämpfe zu beziehen sein, die von nun an in Zeiträumen von etwa
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 14
W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Versuch IV
Periode ‘| Nahrung
2h15')
[3% 05]
—6h09
6409 —8h 6585
[8b 30] Pferdefleisch
8 [8 30]
s=TER
11—3h
37h
77140
[8b]
7440 [8h]
u h
iu
Total
61 09—7h 658
Respiration
| C[C0,] in der
| | een O,-Verbrauch
| rt A aa —— BR. %
' in toto stal. in toto stal.
| 13,263
‚ 188,491] 12,551 | 49,988 | 13,414 | 0,675 | 48
| 8,398
| [30,786] 13,092 32,733 13,926 —
| 10,632
[38.977] | 15,591 | 40,616 16,246 | 0,694 | 3
18,698
| [68,547] | 17,137 | 68,990 | 17,25 0,66 | 5
| 20,16 | |
| [73,905] | 18,476 | 71,86 | 17,96 0,74 | &
| |
|. 4,917 |
[18.016] | 18,016 | 17,87 17,87 ae
| 23,95 |
[87,782] | 17,556 | 88,97 17,79 0714 | 6
28,833
[105,70] | 17,62 | 108,38 | 18,06 0,705
116,088 in 429,409 | — ie
Pferdefleisch |
Berechnung der Wärmept
Kiweib
Fett
aus Kohlehydrat
Total.
pro Stunde .
nus
aus
pro Stunde und Kilogr.
D Respiration erst
Ü
in der
Respiration
3,69
957
13,26
von
3h 05
an,
|
: 4 | Wasser-
Calorien |
verdampfung
37,0
117,7 -
154,7 92,0
39,7
2,15 1,28
auf die
Zeit von 2"15 his 609
oduktion. (Versuch IV.)
Öalorien
aus Wasser-
verdampfung
bere®
ER
211
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw.
. Juni 1906.)
> z I Fe Wz 80 A 3 'E
durch N il ©
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Br 0- We H INH;lD|D:N 38 | &
ma in toto | stdl. 2 a ®
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nn ker = : ee ae Tl
22,4 | 2,562 | 0,640 | 4,1941 0,891 10,544 | 5,0 | 1,97 | 0,856 | 39,7 | 18,5
25,5 40,4 |
29,45
7,602 | 0,608 121,436 | 5,584 | 1,856 | 34,095| 4,48 | 1,039
32,0
\ 30,9
31,2 39,8 | 17,8
31,5 | 6,625 | 0,552 | 8,10 2187| — | 5,504 1,32 |osıı
35,8 89,8 | 17,1
Mittel
_ 14,227 | — 130,246 7721| — [42,689 3,0 | — — | 17,8
Generaltabelle.
Calorien Anteil
at: Calorien pro kg und Stunde | der Wasser-
Versuch aus Wasser- —— 07 verdampfung
| Oalorien aus Wasser-| an der Wärme-
verdampfung abgabe in Proz.
_— — —— TR Mn —— vB nn
em | 10099 0,98 40,0
wen. 808,4 0,78 32,4
Al 216,1 0,73 34,8
nüchtern ' ı Bi;
N. 154,7 0,77 36,2
3123 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Tabelle VI.
Respiration
E60, in der | O2. v0: la ‚|H,O dureh
Datum Exspiration | brauch in 3538 Lungen
Periode in Grammen |, Grammen |R.Q. 23% und Haut |) Periode
as a
in toto | stdl. | in toto | stdl. e "intoto stal.
93. VII. |9h45[10h45]| 10,253 | 3,42 | 38,439112,81| 0,707| 1280,2 132,1330 | —
—m45 [37,588] [12,53]
93, VII. |1h45—5h45 | 15,054 | 3,76 | 54,215|13,55| 0,73611316,6 151,637 9| —
| [55,187] [13,80]
23. VII. |9645[10h45] | 25,307 | — | 92,654 — | — | — [283,8l35,5 | 8b 80—
\ 5h 45
27. VII. | 9h [9% 30]— | 17,486 | 5,83 | 67,582/22,53| 0,686[1302,1 | 128,1/36,6 —
12h 30 [64,104] [21,37] | |
27. VII. | 12h30— 23,804 | 5,95 | 87,81821,95| 0,71911329,4 | 162,6 40,651 —
| M30 |[87,267][21,82]
97. VII. | 9h [9430] 41,290 | — 1552001 — | — | — |290,7I38,8 | gr 4s—
| —4h 30 | 4h 30
28. VIII. ‚9b 15 [9b 45] | 13,033 | 4,34 | 49,438|16,48| 0,699|1309,7 | 104,530,0 || 7b 30—
| —1%45 ° [47,778] [15,93] 5h 30
|
98. VII. | 11 [1h30] | 18,262 | 4,57 | 69,973117,49| 0,69211235,8 15821352 | —
.5%30 — |[86,950] [16,74]
halben Stunde auftraten und mehrere Sekunden dauerten.
In die Periode des Beginnes der Krämpfe fällt ein sehr hoher
R.@. Ob propter hoc und ob der hohe R.Q. mit Zuckerverbren-
Es könnte
sich z. B. auch um Verbrennung von im Körper aufgestapelten
Acetonkörpern handeln. Die ganze Berechnung der Zersetzung
Wir haben
einer
nung etwas zu tun hat, ist kaum möglich anzugeben.
und der Kalorienproduktion wird dadurch unsicher.
daher auf dieselbe verzichtet.
B. Versuche an Hund Lotti.
Der Hund war ungefähr gleich schwer wie Hund Juno und ebenfalls
sehr mager. Es seien hier nur kurz folgende Bemerkungen angeführt, im
Übrigen sei auf die Tabelle VI verwiesen.
Bemerkungen:
20. VIII 1906. Letzte Fütterung.
23. VIII. Untersuchung des Hungerumsatzes. Versuch Vl.
Der Hund verhielt sich während des Versuches und auch während der
folgenden ganz ruhig.
Nüchte
Menge
N
j'
&
}
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 3,3
fsuchean Hund IL.
u — €cD
a
sun:
rn = |Cin der Respiration Calorien A
\ » ee
: ee! < H# | .g
i I IS jss3] &]2| 14:2] 3] gs 2253
N Zucker - on ni > 25) — ES = ID 5 —i 3 |: &
® Seas sals zlalaıs
Be - - :O Aare 32 = a) 20 = = a) 12 .r
=. aut aelne|s BE NS
Bi stdl. in toto! stdl. sel zer EN ng
- 'u
| 0 I — el el ol 38,4
el, ee alas, —ı 1 198,7 |\SVI
Mittel
= | 7 [723,001 3,21 |0,75[21,35/25,31] 31,3 | 7,2 I262,61301,1l43.0 La
200 BR a
20-210 ON a a RE BE
| vo
IE Mittel
9720| 20,95/2,70 13,42] 19,86] 6,60 | — 34,69.41,99 68,5 | — 1426,7495,2|70,7 |3,60 38,8— |
FR 39,9
'E Mittel
| 19,750 24,32/2,432|3,24 19,46 2,54 | — 10,19113,03| 29,38 | — 125,4 154,7\51,55 2,71/38,5—|| VIII
r 38,7
Mittel
— 12,432) — 73.09, 3,79 14,47 18,26| 39,1 | — 178,0 217,1)54,3 2,84138,7—|| IX
39,1
24. VIII. Exstirpation des Pankreas (Herr Prof. Enderlen).
25. VIII. 500 Fleisch.
27. VII. Versuch vI.
28. VIII. Versuch VIII und IX. Nachher Pferdefleisch.
Die Körpertemperatur verhielt sich während der Untersuchungsperioden
folgendermaßen:
j a nn
u Datum | Morgens Abends Datum Morgens Abends
ee
20. VII. en 38,6 27. VII. 38,8 39,9
21. VIII. 38,5 38,3 28. VI. 38,5—38,7 39,1
22. VIII. 38,3 383 | 29. vIu. 38,5 39,0
23. VII. 38,4 38,7 30. VII. 38,7 38,9
24, VIII. 38,4 — Si “VIIE 38,9 39,1
- 25. VII. 38,6 38,9 1.21%, 38,5 39,6
Operation BER: 40,5
26. VIII. 39,0 _ tot
[ In den letzten Tagen Verdickung in der Umgebung der Naht; keine
| Eiterung nach außen. Bei der Sektion flächenförmiger Abszeß zwischen
214 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Haut und Muskulatur des Abdomens, fast handtellereroß; einige nekrotische
Stellen und kleine Abszeßchen an den Verklebungen zwischen Netz und
Duodenum (Unterbindungsstellen); keine Pankreasreste.
Nur Spuren von Aceton gegen das Ende hin. Der Zucker wurde pola-
rimetrisch und titrimetrisch (teils nach Fehling, teils nach Allihn) be-
stimmt. Die Werte stimmten immer gut überein.
Besprechung der Resultate.
I. Kapitel.
Die Steigerung des Eiweißumsatzes nach der Pankreas-
exstirpation.
Eine Erscheinung, die ohne weiteres bei der Betrachtung der
Tabellen in die Augen fällt, ist die enorme Steigerung der Hunger-
N-Ausscheidung nach der Pankreasexstirpation. Wir
einzelnen Versuche tabellarisch zusammengestellt folgen:
lassen die
Tabelle VII.
N
in 24 Stunden
N pro kg
|
Nummer | Gewicht in 24 Stunden
des Versuches | D:N
I. 1.Tag!) | 283,8 ee 5,257 0,222
ee — 4,735 0,201
N Er — 3,894 0,166
Br 23,37 _ 5,232 0,223 7 0,214
EL: 30 208 _ 4,440 0,189
8 „ HAI OSB = 4,689 0,206
E75 7% 23,75 un 5,230 0,221 Be
Nach der Exstirpation.
Er 21,75 3,27 12,408 0,572
II. Dextrose | 20,4 (3,27) 11,448 | 0,561
IIT. 20,0 (3,27) | 19552 | 0,837 g 9693
IV. 18,5 1,97 15,350 | 0,830
Hund Lotti vor der Exstirpation.
VI. 22,0 — 4,436 | 0,202
Nach der Exstirpation. | 4'/,
VII. 19,866 | 3,42 18,96 0,953 | fach
VIII. 1946 | 8324 | 18,00 0,923 10.939
IX: 19,09 324 | 18,00 0,913 |
') Vgl. W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,a.a. 0.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 915
Die Hungereiweißzersetzung ist also nach der Exstirpation des
Pankreas im ersten Fall um das Dreifache, im zweiten Falle um
das Viereinhalbfache über die Norm gesteigert. Eine genaue Durch-
sicht der Literatur lehrt, daß wir es hier, in Versuchen, in denen
der Quotient D:N um 2,5 schwankt, mit einer gesetzmäßigen Er-
scheinung zu tun haben. Es seien hier einige dieser Versuche
wiedergegeben, welche im Hungerzustande ausgeführt, und wenig-
stens soweit mit Körpergewichtsangabe versehen sind, daß sie einen
direkten Vergleich mit unseren Versuchen zulassen:
Aus der Arbeit Minkowskis'): S. 98. Vers. I. Zweiter Hungertag;,
8kg schwerer Hund D:N=2,66, N pro 24 Std.=6,0. N pro 24 Std. und
Kilogramm Körpergewicht = 0,{5g. Dritter Hungertag D:N =266, N pro
24 Std. = 7,6. Vierter Hungertag D: N = 2,72, N pro 24 Std. = 5,1. Bei der
raschen Abnahme des Körpergewichtes, die hier stattgefunden haben muß,
ist N pro 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht am vierten Hungertag
sicher noch über 0,75 g.
Vers. IV. 11kg schwerer, gut genährter Hund, 24 Stunden vor der
Operation zum letzten Male gefüttert; 21, Tage nach der Operation D:N
=. N ın 24 Std.= 13,7 g£°):
Es ließen sich noch Versuche II, II, VI, IX, XXX, XXXIJ, XXXII
XXXIV heranziehen. Es ist da zwar die Ko china während
der Hungerperioden nicht angegeben, die Zahlen für die N-Ausscheidung
am Ende der Perioden sind aber überall enorm hoch und entsprechen unge-
fähr den eben angeführten.
Weiter mehrere Versuche bei Kaufmann’):
Vers. I. 12,2kg schwerer Hund, D:N =3,11; N in 24 Stunden = 10,8g.
N in 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht — 0,9.
Vers. II. 10,25 kg schwerer Hund, D:N = 2,88; N in 24 Stunden = 17,68;
N pro 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht = 0,75.
Vers. III. 10,1 kg schwerer Hund, D:N=4,0; N in 24 Stunden = 9,31;
N pro 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht = 0,93.
Vers. IV. (Periode avancee) 8,7 kg schwerer Hund, D:N=2,93; N in
24 Stunden = 8,424 g; N pro 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht —= 0,97.
Aus den Arbeiten Lüthjes seien folgende Versuche angeführt: Ver-
such I®). 11kg schwerer Hund, am Tage vor der Pankreasexstirpation zum
letzten Male gefüttert; am zweiten Tage nach der Exstirpation N in 24 Std.
=868g; D:N=2,, N pro 24 Stunden und Kilogramm = wenigstens 0,8 g;
oder Versuch II®). 13kg schwerer Hund; D:N=2,; vom zweiten bis
fünften Tage nach der Exstirpation N in 24 Stunden —= 12,66 — 13,33 — 12,94
—12,99g; endlich S. 1603. Versuch II. 17Y/,kg schwerer Hund; D:N —=
2,8; N in 24 Stunden = 16,6g. ;
!) Minkowski, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 31 (1893).
?) Von uns auf 24 Stunden umgerechnet.
®) Kaufmann, Compt. rend. soc. biolog., mars 14, 1896.
‘)H. Lüthje, Ist die Zuckerzerstörung nach Pankreasexstirpätion
vollständig aufgehoben? Münchn. mediz. Wochenschr., Nr. 36, 1902.
ud) Der selbe, Die Zuckerbildung im tier. Organism., ebenda Nr. 39, 1902.
216 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
In einer Arbeit von Almagia und Embden!) findet sich folgendes
Beispiel. S. 305: 8,5 kg schwerer Hund; ein Tag nach der Exstirpation des
Pankreas D:N=2,54; N in 24 Stunden=9,75; am folgenden Tage D:N
—=2,%; N=6,21; am fünften Tage D:N=2,83; N=9,36; daher N pro
24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht mindestens = 1g.
Öder S. 307: Drei Tage nach der Pankreasexstirpation D:N = 2,37;
N=3,76; Körpergewicht zu dieser Zeit = 3,1kg; N pro 24 Stunden und
Kilogramm = 1,2.
Endlich seien noch zwei Versuche von Mohr?) erwähnt; S. 465: 7,5 kg
schwerer Hund (nach 18tägigem Hungern). Exstirpation des Pankreas; nach
zwei Tagen D:N—=2,85; N pro 24 Std. =8,4; N pro 24 Stunden und Kilo-
gramm mindestens 1,1g.
Und S. 466: 15kg schwerer Hund; Exstirpation; zwei Tage nachher
D:N=2,5; N in 24 Std. =15g; N pro 24 Stunden und Kilogramm min-
destens 0,82 g.
Bei den kleineren Tieren zeigen die Zahlen für den täglichen
Hungereiweißumsatz pro Kilogramm im allgemeinen höhere Werte
als bei den größeren, entsprechend den analogen Verhältnissen bei
normalen Tieren. Bei normalen Tieren erhielt E. V oit?) folgende
Werte:
28,6kg schwerer Hund schied in 24 Stunden pro Kilogramm aus: 0,18g N
18,7 „ o 5 7 & A 5 ® „ .020gN
12:5 = s = 5 u k 5 » DER
Wir können zusammenfassend also nochmals sagen: Nach
der Pankreasexstirpation tritt eine enorme Steigerung
der Eiweißeinschmelzung ein, welche bei maximal aus-
gebildeter Stoffwechselstörung zum Körpergewicht und
zur Körpergröße gleiche gesetzmäßige Beziehungen zeigt,
wie unter normalen Verhältnissen.
Diese Steigerung der Eiweißeinschmelzung ist schon kurz nach
der Entdeckung des Pankreasdiabetes namentlich von französischen
Autoren beschrieben und als Azotorrhöe bezeichnet worden. Die
rasche Abmagerung der pankreasdiabetischen Hunde wurde darauf
zurückgeführt. Nach H&dont) sollte es sogar in Fällen, bei welchen
nach Implantation eines Teiles des Pankreas, also infolge unvoll-
ständiger Exstirpation, der Zucker ausblieb, doch zur Azotorrhöe
und Kachexie kommen. Diese Symptome sollten daher selbstän-
') Almagia und Embden, Über die Zuckerausscheidung pankreas-
loser Hunde usw. Diese Beiträge 7 (1905).
») ]. Mohr, Über die Herkunft des Zuckers im Pankreasdiabetes des
Hundes. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 2 (1906).
») E. Voit, Zeitschr. f. Biol. 41 (1901).
*) Hedon, Arch. d. physiol. 1892, p. 245 u. 617.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. >17
dige Erscheinungen der Pankreasfunktion darstellen. Gegen diese
Auffassung Hedons wandte sich Minkowski!) mit Recht. Min-
kowski wies darauf hin, daß exakte Stoffwechselversuche bei
Hedon nicht vorliegen; die Gefräßigkeit und rasche Abmagerung
solcher Hunde erkläre sich aber ohne weiteres aus der Resorp-
tionsstörung infolge Ausfalles des Pankreassaftes.. Nun sagt Min-
kowski weiter, es bestehe allerdings kein Zweifel, daß bei voll-
ständiger Exstirpation ein gesteigerter Eiweißzerfall eintrete; allein
die ganze Frage wird von Minkowski im Anhang seiner großen
Arbeit über den experimentellen Pankreasdiabetes nur kurz be-
sprochen, und obwohl später Kaufmann?) die Frage nochmals
aufnahm und die große Muskelschwäche der Tiere mit dem ge-
steigerten Eiweißzerfall in Zusammenhang brachte, so ist in den
Abhandlungen und experimentellen Arbeiten über den Pankreas-
diabetes von dieser interessanten Erscheinung kaum mehr die
Rede; jedenfalls wird ihr nirgends die Bedeutung zuerkannt, die
ihr nach unserer Meinung zukommt, um so mehr als vermehrte
N-Ausscheidung sich auch bei manchen Glykosurien findet und
speziell bei der Phloridzin-Glykosurie von Lusk?) genauer studiert
worden ist.
Bevor wir nun auf die Bedeutung dieser Erscheinung näher
eingehen, haben wir erst die Frage zu erledigen, ob dieselbe nicht
etwa auf eine Infektion zurückzuführen sei. Diese Frage kommt
nicht nur für unsere, sondern für alle von uns aus der Literatur
zusammengestellten Versuche in Betracht. Denn so gut wie nir-
gends finden sich in der Literatur des Pankreasdiabetes Angaben
über die Körpertemperatur der operierten Tiere; auch fehlt sehr
häufig jede Beschreibung des Heilungsverlaufes der Bauchwunde.
Bei einseitiger Operation lassen sich aber Eiterungen der Stich-
kanäle, wie auch Minkowski) erwähnt, fast niemals vermeiden.
Untersuchungen aber bei Tieren, denen das Pankreas in mehreren
Sitzungen nach vorhergehender Transplantation eines Teiles des-
selben unter die Bauchhaut herausgenommen wurde (siehe besonders
-Minkowski?°), sind nur bei Fütterung ausgeführt worden; solche
!) Minkowski, a. a. O., Anhang.
=) Kaufmann, a. a. O.
°) Gr. Lusk, Zeitschr. f. Biol. 42, 43 (1901) und Reilly, Nolan and
Lusk, Amerie. Journ. of Physiol. 1, 307, 1895.
#) Minkowski, Über die Zuckerbildung im Organismus beim Pankreas-
diabetes, Pflügers Arch. 111 (1906).
°) Derselbe, Untersuchungen über Diab. mell. usw. A.a. O.
218 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
im Hungerzustand haben wir nicht auffinden können. Ein gleiches
Bedenken gilt vielleicht auch für manche Versuche an Phloridzin-
hunden, bei denen an den Injektionsstellen so häufig Abszesse ent-
stehen. Auch hier sollten Angaben über die Temperatur der Ver-
suchstiere niemals fehlen. Wir werden auf die Bedeutung der
Infektion für die Stoffwechselvorgänge später bei der Besprechung
des Gesamtumsatzes ausführlich zu sprechen kommen. Daß aber
in den von uns mitgeteilten Fällen bei der Entstehung der enor-
men Eiweißeinschmelzung der Infektion eine wesentliche Rolle zu-
kommt, glauben wir, wenn wir auch den definitiven Gegenbeweis
momentan nicht zu erbringen in der Lage sind, ablehnen zu können.
Es handelt sich ja in unseren Fällen, und ebenso wohl auch in
den der Literatur entnommenen Versuchen nicht um Allgemein-
infektionen, um Pneumonien oder Peritonitiden, sondern sicher-
lich — wenigstens in den ersten vier bis fünf Tagen nach der
Pankreasexstirpation — um leichte Eiterungen der Stichkanäle;
in sicher fieberfreien Perioden, wie z. B. im Versuch VII,
bleibt die Eiweißeinschmelzung auf völlig gleicher Höhe; der ge-
steigerte Eiweißzerfall ist überhaupt zu enorm und die vorhin
geschilderte Beziehung zu Körpergewicht und Körpergröße zu
konstant.
Vor allem aber ist es ein Moment, welches den Zusammen-
hang zwischen dem gesteigerten Eiweißzerfall und dem Ausfall
der Pankreasfunktion sehr deutlich illustriert: die fast überall zu-
tage tretende Abhängigkeit der Größe des Eiweißzerfalles
von der Höhe des Quotienten D:N. Diese Abhängigkeit be-
steht nach zwei Seiten.
l. Der vermehrte Eiweißzerfall setzt nicht unmittelbar nach
der Exstirpation in voller Intensität ein, sondern die N -Ausschei-
dung pro Kilogramm Körpergewicht steigt ganz allmählich und
gleichsinnig mit dem Quotienten D:N. Beispiele hierfür finden
sich schon bei Minkowski, so in den Versuchen I bis III, in
welchen die Tiere 24 Stunden vor der Operation zum letzten Male
gefüttert worden waren. Anders müssen sich natürlich Tiere ver-
halten, die wie im Versuch IV bei Minkowski vor der Exstir-
pation reichlich Kohlehydrate aufgestapelt hatten, da hier noch
mehrere Tage nach der Exstirpation der Zucker nicht aus dem Ei-
weiß allein stammt.
Auch in unseren Versuchen war das oben geschilderte Ver-
halten ausgeprägt:
ee?
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw.
Hund Juno.
219
Vor der Exstirpation
29. V. Exstirpation.. .
30. V.
er. V.
D:N N pro 24
Stunden
:e 5,136
0,79 8112
3,28 13,44
N pro 24 Stunden
und. Kilogramm
Körpergewicht
0,214
0,356
0,605
2. Der gesteigerte Eiweißzerfall sinkt mit dem Quo-
tienten D:N wieder ab. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen,
auf die wir im II. Kapitel zu sprechen kommen werden.
Als Beispiele für Punkt 2 seien angeführt:
a) Vers. IX bei Minkowski (a. a. O.).
Datum
SU NllE,
9. VI.
#0, VL
#1. VII.
12. VID.
Körper-
gewicht
b) Ein Versuch bei Lüthjet).
N pro 24 Stunden
D:N N pro 24 und Kilogramm
zz Körpergewicht
2,43 5,04 0.672
1,92 4,04 ei
1,35 2,88 0.400
7,24 (20 & Dextr.) 2,90 0,42
1,04 1,68 0,255 (?)
ll1kg schwerer Hund wird am 14. April zum letzten Male gefüttert,
am 15. April Exstirpation des Pankreas.
N N
Datum D:N (N pro kg Körper- Datum D:N (N pro kg Körper-
gewicht gewicht !
— mindestens 0,8) — mindestens 0,8)
EB IN. 2,7 8,68 DI AN. 0,6 8,50
18. IV. 2,1 8,48 29. IV. 1,0 3,17
19. IV. 1,9 6,60 23. IV. 0,11 4,60
20. IV. 1,8 8,29
Der Zucker verschwindet nun; später treten vorübergehend nochmals
geringe Mengen auf. Die N-Ausscheidung stellt sich rasch auf etwa 1,86 & N
') H. Lüthje, Ist die Zerstörung des Zuckers nach Pankreasexstirpation
vollständig aufgehoben? Münchn. mediz. Wochenschr. 36 (1902).
en
220 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
pro Tag ein. Der Hund wurde später getötet. Bei der Sektion fanden sich
bei mikroskopischer Untersuchung Reste gut erhaltenen Pankreasgewebes.
Ein weiteres Beispiel bei Lüthje ist Versuch I in Nr. 39 der Münchn.
mediz. Wochenschr. 1902, S. 1601.
c) Ein Versuch bei Almagia und Embden!).
Anfangsgewicht des Hundes 6kg; Hunger.
| N N
D:N (N pro 24 Stunden D:N (N pro 24 Stunden
und Kilogramm Körper- und Kilogramm Körper-
gewicht — 1,24 g) gewicht — 1,24 g)
2,96 7,42 1,99 4,56
1,50 | 4.82 (N pro 24 Stunden und
I Kilogramm Körpergewicht
1,31 | 6,62 0,67 LED)
In 13 Tagen nahm der Hund um 2,1 kg, in 5 Tagen daher — gleich-
mäßige Abnahme vorausgesetzt, was sehr wahrscheinlich ist — um 0,8 kg
ab, daher betrug das Körpergewicht am Ende des angeführten Versuches
etwa 5,2kg; daher N pro 24 Stunden und Kilogramm Körpergewicht = 0,67.
Die Resultate der bisherigen Untersuchungen und Überlegun-
gen lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen.
1. Die völlige Ausschaltung des Pankreas aus dem Stoffwechsel
führt zu einer enormen Steigerung des Eiweißzerfalles, der die ge-
wöhnliche Hungerzersetzung um 500 bis 500 Proz. übertreffen kann?).
2. Das neue Niveau, auf welches sich die Hungereiweißzer-
setzung pro Kilogramm Körpergewicht nach der Exstirpation des
Pankreas einstellt, scheint für jedes einzelne Individuum für einige
Zeit sehr konstant zu sein. Daß die Intensität der Steigerung bei
verschiedenen Individuen in gewissem Grade verschieden sein kann,
dürfte vom Ernährungszustande abhängen, ähnlich wie die Intensität
der Hunkereiweißzersetzung beim normalen Tiere vom Fettgehalt
desselben abhängig ist.
3. Die Störung im Eiweißhaushalt entwickelt sich parallel mit
der im Zuckerhaushalt erst im Verlaufe einiger Tage nach der
Exstirpation zur vollen Höhe.
4. Bei unvollständiger Pankreasexstirpation geht mit dem Sinken
des Quotienten D:N ein Abfallen des gesteigerten Eiweißzerfalles
einher, und mit dem Verschwinden des Zuckers aus dem Harn
!) Almagia u. Embden, a. a. O., S. 304.
®) Lusk (a. a. O.) fand bei der Phloridzin-Glykosurie der Hunde eine
Steigerung um 450 Proz. (absolut, ohne Beziehung aufs Körpergewicht).
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 221
scheinen sich auch im Eiweißhaushalt wieder völlig normale Ver-
hältnisse herzustellen.
Es erhebt sich nun die Frage, wie diese enorme Steigerung
des Eiweißzerfalles nach der Pankreasexstirpation zu erklären sei.
Hier unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß der vollständige Mangel
der Kohlehydrate in erster Linie die Ursache ist. Bekanntlich ver-
mag kein N-freies Nahrungsmittel Eiweiß in höherem Grade ein-
zusparen als Kohlehydrat. Fehlen die Kohlehydrate in der Nah-
rung ganz, so wird dadurch das Fett als Eiweißsparmittel stark
entwertet. Kleine Mengen von Kohlehydraten sind — wie Lan-
dergreen!) postuliert — immer notwendig, um die Zersetzungs-
prozesse in irgend einer Weise, für die wir noch keine greifbare
Vorstellung haben, deren Ursache aber vielleicht in der chemischen
Konstitution der Kohlehydrate, besonders im Besitze zahlreicher
Hydroxylgruppen?), erblickt werden kann, einzuschränken. DBe-
kommt der Organismus diese kleine Menge von Kohlehydraten
nicht in der Nahrung und sind die Glykogendepots erschöpft, so
bleibt immer noch das zerfallende Körpereiweiß als Zuckerquelle
übrig. Die Wichtigkeit dieser letzten Zuckerquelle für den Eiweiß-
haushalt kommt nun — diese Schlußfolgerung ist wenigstens sehr
verlockend — in eklatanter Weise beim Pankreasdiabetes zum Aus-
druck; denn fallen auch diese wenigen Gramme von Kohlehydraten
aus, So tritt ein enormer Eiweißzerfall ein. Die Kohlehydrate sind
— wenn ein Bild gestattet ist — das Öl für die Maschine, ohne
welches das Protoplasma nur unter großer Abnutzung arbeiten kann.
Ist es nun der Ausfall der Kohlehydrate allein, welcher den
Eiweißzerfall hervorruft, oder kommt noch die Ausschaltung einer
anderen spezifischen Pankreasfunktion in Betracht? Ferner, geht
mit der Erhöhung des Eiweißumsatzes ein Sinken, Gleichbleiben
oder Steigen des Fettumsatzes einher? — Bevor wir uns diesen
Fragen zuwenden, müssen wir erst einen weiteren Punkt dis-
_ kutieren.
I. Kapitel.
Über die Frage der Zuckerverbrennung beim Pankreas-
| diabetes.
Minkowski hat in seiner großen Arbeit den Satz aufgestellt,
daß nach totaler Exstirpation des Pankreas die Verbrennung des
_ u Ze Zu
|
| ') E. Landergreen, Untersuchungen über die Eiweißumsetzung des
_ Menschen. Skandinav. Arch. f. Physiolog. 14 (1903).
?) Voit u. Korkunoff, Zeitschr. f. Biol. 32 (1895).
222 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Traubenzuckers vollständig aufgehoben sei. Dieser Satz stützt sich
auf Versuche, in welchen Dextrose im Hungerzustande gereicht oder
zu einer bestimmten Kost zugefügt wurde; es erschien immer die
ganze Dextrosemenge wieder im Harn. Nur in einzelnen Ver-
suchen mit sehr großen Mengen blieb der Anstieg der Zucker-
ausscheidung hinter der Einfuhr etwas zurück; hier konnte man
aber sehr gut annehmen, daß diese kleinen Mengen von Dextrose
im Darm zerstört oder nicht resorbiert worden seien. Unser Ver-
such Il hat nun zu dem bemerkenswerten Resultat geführt, daß
auch bei Zufuhr ganz abundanter Mengen von Dextrose eine Ver-
brennung in irgend nennenswertem Maßstabe nicht stattfindet,
obwohl nicht der gesamte Zucker wieder im Harn erschien. Die
Differenz zwischen Einfuhr und Mehrausscheidung im Harn war
sogar nicht unbeträchtlich. Da die Ausnutzung im Darm gut war,
so bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß der Zucker im
Blut und in den Geweben retiniert wurde, und daß sich die Nieren
vorübergehend auf ein höheres Blutzuckerniveau einstellten. Nun
hat aber schon Minkowski angegeben, daß der Quotient D:N
gegen den Tod der Tiere hin, besonders wenn nur wenig oder gar
keine Nahrung mehr zugeführt wurde, abzusinken pflegt. Min-
kowski deutet dies durch Kachexie der Tiere, bzw. durch
mangelhafte Zuckerbildung. Das ist eine Hypothese, die sich bis-
her durch keine einzige Tatsache stützen läßt. Thiroloix!) be-
hauptete dann später, daß pankreasdiabetische Hunde den Zucker
sogar ganz verlören, wenn man sie hungern ließe. Dem gegenüber
betonte Kaufmann?) (übereinstimmend mit Minkowski), daß dies
nur bei Tieren mit unvollständiger Exstirpation des Pankreas der
Fall sei; bei vollständiger Exstirpation verschwände der Zucker
nur unmittelbar vor dem Tode, wenn die Tiere kühler würden.
Daß auch dann, wenn der ÖOperateur die volle Überzeugung hat,
das ganze Pankreas herausgenommen zu haben, ja selbst dann,
wenn bei der Autopsie makroskopisch vom Pankreas nichts mehr
zu sehen ist, doch bei der mikroskopischen Untersuchung unter
Umständen Reste von Pankreasgewebe gefunden werden können,
darauf hat Lüthje?) hingewiesen. In dem betreffenden Versuch
war der Quotient D:N allmählich gesunken und die Glykosurie
endlich verschwunden; gleichzeitig ging auch der gesteigerte
') Thiroloix, Compt. rend. soc. biol. 1894.
”) Kaufmann, daselbst 1896, fövrier.
°) H. Lüthje, Ist die Zuckerzerstörung nach Pankreasexstirpation voll-
ständig aufgehoben? Münchn. mediz. Wochenschr. 36 (1902).
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 223
Eiweißzerfall allmählich zu normalen Werten zurück (vgl. I. Kapitel,
S. 219). Diese Erfahrungen Kaufmanns und besonders Lüthjes
berechtigen uns daher, Fälle, die ein frühzeitiges Heruntergehen
des Quotienten D:N zeigen, mit Mißtrauen zu betrachten und als
Fälle mit unvollständiger Pankreasexstirpation anzusehen.
Es fragt sich aber nun, wie das Heruntergehen des Quotienten
D:N, das bei völlig sicherer Totalexstirpation des Pankreas un-
mittelbar vor dem Tode zu beobachten ist, zu erklären sei. Solche
Fälle berichtet schon Minkowski; auch in unserem Falle I beginnt
fünf Tage vor dem Tode der Quotient D:N abzusinken, obwohl
hier die vollständige Exstirpation fraglos ist. Endlich berichtet
Lüthje!) über einen Fall, bei dem mit dem Pankreas der Dünn-
darm bis tief ins Jejunum hinein reseziert worden war; die Darm-
enden wurden dann eingestülpt und hierauf die Enteroanastomose
zwischen hinterer Darmwand und einer Dünndarmschlinge vor-
genommen; eine erhebliche Gallenstauung soll bis zum Tode des
Versuchstieres nicht eingetreten sein. Der Hund hungerte seit
dem 7. August und wurde am 11. August operiert.
Die Verhältnisse gestalteten sich nun folgendermaßen:
2
Datum Zeit D N D:N h
pro Stunde
|
12. VIII. (23 Stunden 13,5 7,17 1,9%) 0,312?)
post operat.)
12.. VI. (abends 10 Stdn.) 9,0 4,28 2.1 0,428
13. VIIL (23 Stunden) 15,0 9,38 1,9 0,408
14. VII. (16 Stunden) 4,0 6,28 0,61 0,418
25. VII. (nachm. 30 Stdn.) _ 1,98 _— 0,006
In 102 Stunden 44,5 29,33 — —
Am 15. Aug. Blutentnahme; in dem enteiweißten Blut starke Trommer-
sche Probe. Zuckergehalt — 0,312 Proz. In der Nacht vom 16. auf 17. Aug. Tod.
Lüthje glaubt durch diesen Versuch den Beweis erbracht zu
haben, daß der völlig pankreaslose Hund noch Zucker zu ver-
brennen vermag. Es scheint uns jedoch die Beweisführung nicht
zwingend; vielmehr scheint alles darauf hinzudeuten, daß der Hund
vor dem Tode Zucker zu retinieren vermag; ja es wäre nicht un-
möglich, daß der ganze „fehlende* Zucker im Hunde Platz gehabt
hätte. Unter der Annahme, daß die Zuckerbildung aus Eiweiß
») H. Lüthje, Ist die Zuekerzerstörung nach Pankreasexstirpation voll-
ständig aufgehoben? Münchn. med. Wochenschr. 36 (1902).
?) Von uns aus den Zahlen Lüthjes berechnet.
224 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
vom 12. August abends immer in dem Verhältnis 2,8 vor sich
gegangen wäre, würden um 27,39g D zu wenig ausgeschieden
worden sein. Leider ist nun das Körpergewicht des Hundes nicht
angegeben, es heißt nur: „großer männlicher Hund“. Nehmen
wir aber an, der Hund hätte 20 kg gewogen und zu 60 Proz. aus
Wasser bestanden, so hätten im Blut und in den Säften 12000 x
0,312 = 37,44& D Platz gehabt.
Der Hund zeigt überdies eine andere Erscheinung, die uns
gegen die Annahme einer gegen das Ende hin zunehmenden Zucker-
verbrennung zu sprechen scheint. Das Absinken des Quotienten
D:N geht nämlich nicht parallel mit dem Absinken der N-Aus-
scheidung. Der Quotient ist schon auf 0,61 herabgesunken, während
die pathologische Eiweißeinschmelzung noch auf voller Höhe steht
(0,418g N pro Stunde); erst jetzt erfolgt der rapide Absturz der
N-Ausscheidung, wie er prämortal oft zu finden ist. Ganz ähnlich
liegen die Verhältnisse in unserem Versuche IV. Auch hier ist der
Quotient D:N schon abgesunken, die Eiweißeinschmelzung ist dagegen
noch im Ansteigen begriffen. Die Bestimmung des Gaswechsels ergibt,
daß der Respirationsquotient sehr tief steht. Würde das Absinken
des Quotienten D:N eine wirklich stattgehabte Verbrennung von
Zucker anzeigen, so hätte der Respirationsquotient steigen müssen.
Wir möchten, um nicht mißverstanden zu werden, betonen,
daß wir die eben entwickelte Auffassung nicht als bewiesen an-
sehen; wir glauben aber, daß sie vorderhand den Tatsachen gerecht
wird, um so mehr als durch die Untersuchungen von Liefmann
und Stern!) gezeigt wurde, daß beim menschlichen Diabetes offen-
bar ähnliche Verhältnisse vorkommen, daß hier mit der Dauer des
Diabetes die „Zuckerdichtigkeit“ der Nieren zunimmt, der Blut-
zucker sich auf ein höheres Niveau einstellt, ja selbst ähnlich wie
im Versuch Lüthjes der Blutzucker zu einer Zeit, wo keine Glykos-
urie besteht, deutlich erhöht gefunden werden kann.
Wir müssen daher auch die von Lüthje auf Grund des vorhin
geschilderten Versuches geäußerte Vermutung, daß durch den
Zerfall von Nahrungseiweiß und organisiertem Eiweiß die Zucker-
ausscheidung in verschiedener Weise beeinflußt werde — eine Auf-
fassung, welche zu der von Minkowski aufgestellten Lehre in
vollem Widerspruch steht — für unbegründet halten. Denn wir
sehen den Quotienten D:N bei völlig sicherer Totalexstirpation des
Pankreas auch ohne jede Nahrungszufuhr viele Tage lang auf
') E. Liefmann und R. Stern, Über Glykämie und Glykosurie.
jiochemn. Zeitschr. 1, Heft 4, 1906.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 3235
voller Höhe verweilen (zahlreiche Beispiele bei Minkowski; auch
unser Fall Juno). Es werden dabei dauernd enorme Mengen von
N. ausgeschieden, so daß es ganz unmöglich ist, anzunehmen, daß
diese großen Mengen N nicht aus organisiertem Eiweiß stammten.
Wenn aber der Quotient D:N einmal im Absinken begriffen ist,
und nun Eiweißzufuhr zu einer Erhöhung des Quotienten D:N
führt, so daß das alte Verhältnis 2,3 sich wieder einstellt (Beispiele:
Fall Juno, mehrere bei Minkowski u. a.), so beweist dies für ein
verschiedenes Verhalten von organisiertem Körper- und Nahrungs-
eiweiß gar nichts. Denn, handelt es sich um Fälle von unvoll-
ständiger Pankreasexstirpation, so ist ohne weiteres verständlich,
daß Mehrangebot von zuckerbildendem Material die Zuckerausschei-
dung wieder in die Höhe treibt. Hier dürften die Verhältnisse
ähnlich liegen wie in der Pathologie des menschlichen Diabetes,
wo erfahrungsgemäß die Inanition die Assimilationskraft für Kohle-
hydrate zu steigern, erneute Nahrungszufuhr sie wieder herab-
zudrücken pflegt, wobei das Eiweiß in den schweren Fällen einen
besonders intensiven Einfluß auszuüben scheint (Falta und
-Gigon!). In Fällen aber, bei denen es sich nach unserer An-
nahme um bloße Zuckerretention handeln würde, scheint es ver-
ständlich, daß bei erneuter Nahrungszufuhr und dadurch bedingter
plötzlicher Steigerung des Blutzuckergehaltes auch die Glykos-
urie entsprechend steigt, da anzunehmen ist, daß die Nieren sich
nur ganz allmählich auf ein höheres Niveau einstellen.
Die Inkongruenz im Ablauf der D- und N-Kurven nach
Fleischfütterung, wie sie für die Phlorizinglykosurie von Lusk?),
für den Pankreasdiabetes von Berger?) beschrieben worden ist,
findet sich auch in unserem Versuch V. Eine Besprechung dieser
"Verhältnisse mit Hinblick auf ähnliche Versuche beim menschlichen
Diabetes soll an anderer Stelle erfolgen).
Se
|
III. Kapitel.
Der Gesamtumsatz beim Pankreasdiabetes.
Wir kommen nun zur Besprechung des Gesamtumsatzes vor
und nach der Pankreasexstirpation.
$ ı) W. Falta, Über die Gesetze der Zuckerausscheidung beim Diab,
mell. Zeitschr. f. klin. Mediz. Spätere Mitteilung.
?) Lusk, Phlorizindiabetes in dogs. Americ. Journ. of Physiol. 1898,
. 395.
®) H.Berger, Experim. Beitr. zum Pankreasdiabetes bei Hunden. Inaug.-
Dissert. Halle 1901.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 15
226 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Tabelle VIII
| | | Kalori Zuwachs an Kalori
® alorien uwachs an Kalorien
Nummer | e ? x } | pro Kilogramm '
RE ' Kalorien in | Kalorien |pro Stunde und Körpergewicht
| R 5 in Prozenten
Vor 24 Stunden | pro Stunde Kilogramm der Normen
| Körpergewicht produktion
Hund Juno vor der Exstirpation.
I. 1.Tag!) | : 94 37,7 1,58 | den |
3.5.2) 8970 37,4 1,60 —
a 899,6 37,4 1,60 “
ge 889,8 37,1 1,55 e>
1:2 838,3 34,9 1,48 ar
BA) 817,6 34,07 1,53 ==
I: EIN TE ee ee 1,66 >
| — _ Mittel = 1,57 _
Nach der Exstirpation.
Alan RN ae 7 53,1 2,44 54,4 |
II. (150g -
Dextrose) | 11772 49,05 2,40 51,9
17 EN 1036,8 43,2 2,10 32,9 ä
a En: e: 39,0 9,11 32,9 F
Hund Lotti vor der Pankreasexstirpation. i
IV. 724°. 27 910320, ah | 1,91 | _ E
Nach der Exstirpation. x
vu; ... Zi Omas 70,7 3,60 88,5
WE. 1237,2 51,55 2,11 41,8 e
Do :.33.5° | 28062 54,3 2,84 49,2
Die Tabelle zeigt in allen Versuchen nach der Pankreas-
exstirpation eine wesentliche Steigerung des Gesamtum-
satzes. Bei Hund Juno beträgt das Mittel aus sieben Versuchen
im Hungerzustande 1,58 Cal pro Stunde und Kilogramm Körper-
gewicht; nach der Pankreasexstirpation schwanken die entsprechen-
den Werte zwischen 2,44 und 2,10; der Zuwachs beträgt daher
54,4 — 32,9 Proz. Bei Hund Lotti liegen die Verhältnisse ähnlich.
Vor der Exstirpation werden pro Stunde und Kilogramm Körper- |
gewicht produziert: 1,91 Cal, nach der Exstirpation 3,60 — 2,71. Der
Zawachs schwankt zwischen 88,5 und 41,8 Proz.
Das eben besprochene Resultat unserer Versuche widerspricht
der bisherigen Annahme, daß der Gesamtumsatz beim Pankreas-
') Versuche aus unserer Arbeit: Versuche über Kraft- und Stoffwechsel
des Hundes usw. Diese Beiträge 9, 333.
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 9937
diabetes nicht erhöht sei; es fragt sich nur, ob diese bisher all-
gemein gültige Annahme experimentell genügend gestützt ist. Sie
fußt auf Respirationsversuchen, die verhältnismäßig alten Datums
sind. Es sind dies einmal die Versuche von Weintraud und
Laves!). Die Anordnung dieser Versuche ist nicht zweckmäßig.
Der Hund wurde vor und nach der Pankreasexstirpation immer
nur in gefüttertem Zustande untersucht; auch fehlt für die Tage
mit gemischter Nahrung die genaue Angabe der Nahrungszufuhr;
selbst bei dem mit „nihil“ bezeichneten Versuch, der an einem
Nachmittag angestellt wurde, war der Hund am Morgen desselben
Tages mit Fleisch und Amylum gefüttert worden. Besonders sind
es aber methodische Bedenken, die sich gegen die Versuche er-
heben lassen, wie die Verfasser selbst in ihrer Arbeit betonen.
Bei der Arbeit von Kaufmann?) sind methodische Bedenken
noch mehr am Platze.
Theoretisch ist nun zweifellos eine Steigerung des Umsatzes
beim Pankreasdiabetes zu erwarten, und zwar aus der Steigerung
des Eiweißumsatzes. Denn nach Rubner?) muß jede Steigerung
des Eiweißumsatzes infolge der spezifisch dynamischen Wirkung
des Eiweißes zu einer Steigerung des Gesamtumsatzes führen. Diese
beträgt nach Rubner 31 Proz. des Kalorienwertes des mehr zer-
setzten Eiweißes, d. h. das Eiweiß kann bei Ausschaltung der
chemischen Wärmeregulation — diese Bedingung wurde in unseren
Versuchen durch genaue Einhaltung einer Temperatur von 28 bis
30°C im Respirationsraum erfüllt — nur mit 69 Proz. seines Ka-
lorienwertes Fett einsparen, die übrigen 31 Proz. steigern bloß den
Umsatz und gehen so für den Wärmehaushalt des Organismus ver-
loren. Tatsächlich hat Rubnert) bei der Phlorizinglykosurie eine
- derartige Steigerung des Umsatzes beobachtet. Lusk°) kam aller-
dings zu einem anderen Resultat. Seine Versuche sind aber von
ihm, wie uns scheint, nicht richtig gedeutet worden®).
') Weintraud u. Laves, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19, 629 (1894).
”) Kaufmann, Compt. rend. soc. biol. mars 14, 1896.
#) Rubner, Gesetze des Energieverbrauches.
*) Rubner, Ebenda S. 370.
°) Lusk, Zeitschr. f. Biol. 42, 31 (1901).
°) Lusk hat in seinem Versuch die Abnahme des Körpergewichtes nicht
berücksichtigt. Der Hund wog vor der Erzeugung der Phlorizinglykosurie
-12,98kg (2. April). Der erste Respirationsversuch ist nach 24stündigem
wt
Hungern, also am 3. April ausgeführt worden. Die Gesamt-Kalorienproduktion
betrug pro 24Stunden 606,81 Cal; also etwa 46,67 Cal pro Kilogramm Körper-
gewicht. Der zweite Respirationsversuch fällt auf den fünften Glykosurietag.
Hier ist leider das Körpergewicht nicht angegeben; da aber der Hund am
15 *
228 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
Wir haben also in unseren Versuchen eine Erhöhung des Ge-
samtumsatzes zu erwarten, welche 31 Proz. des Kalorienwertes des
ınehr zersetzten Eiweißes ausmacht. Die Berechnung sei an fol-
genden Beispielen durchgeführt:
Versuch I. (Hund Juno.)
Die N-Ausscheidung betrug pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht
vor der Exstirpation == 0,00833
nach der Exstirpation = 0,02383
Es wurden also mehr ausgeschieden 0,01550 g N, entsprechend 0,3375 Cal.
Die Steigerung des Gesamtumsatzes hätte daher betragen sollen: _
0,3375 x 0,31 = 0,1201 Cal pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht.
Vor der Exstirpation wurden pro Stunde und Kilogramm erzeugt —= 1,58 Cal
Nach „ ” ” 2) 2) ” ) 2) = 2,44
Die Steigerung des Gesamtumsatzes beträgt daher... ..... 0,36 Cal
pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht.
Versuch IV. (Hund Juno.)
N pro Stunde und Kilogramm vor der Exstirpation = 0,00833
nach „ R — 0,034 58
Plus = 0,02625 g N,
” ” n „ ”
3
entsprechend 0,656 Cal. -
Erwartete Steigerung des Gesamtumsatzes —= 0,656 X 0,31 = 0,193 Cal |
pro Stunde und Kilogramm. 5
Gefundene Steigerung des Gesamtumsatzes = 2,11 — 158 = 0,53 Cal
pro Stunde und Kilogramm.
E
;
!
Versueh VIII. (Hund Lotti.) Fieberfreie Periode.
N pro Stunde und Kilogramm vor der Exstirpation = 0,008417
nach „ r — 0,03846
Plus = 0,03004 & N,
” „ ” ” ”
entsprechend 0,751 Cal.
7. Phlorizintag (8. April) nur noch 9,8kg wog, also um 5kg abgenommen
hatte, so ist — konstante Abnahme des Körpergewichtes vorausgesetzt, was |
sehr wahrscheinlich ist — bis zum 5. Phlorizintag eine Abnahme um 2 ke
zu erwarten. Wir kommen so für den Tag des zweiten Respirationsversuches
zu der Zahl 11 kg. Die Gesamtkalorienproduktion betrug nun pro 24 Stunden |
605,77 Cal, also 55,07 Cal pro Kilogramm Körpergewicht.
Die Steigerung des Gesamtumsatzes ist sogar größer, als der spezifisch
dynamischen Wirkung des mehr zersetzten Eiweißes entsprach. Für den |
likg schweren nicht phlorizinvergifteten Hund wäre eine Gesamtkalorien-
produktion zu erwarten gewesen
von 46,67 x 11 = 513,37 Cal
Es wurden gefunden . . . 605,77 „
Das Plus betrug daher . . 92,40 Cal.
Die Eiweißzersetzung war gestiegen von 20,19 auf 67,583g Eiweib. Das ist
ein Plus von 47,19g Eiweiß = 7,55 g N oder 188,75 Cal. Es wäre also eine 7
Steigerung des Umsatzes zu erwarten gewesen von 188,75 X 0,31 = 58,51 Cal. 7
PP
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 229
Erwartete Steigerung des Gesamtumsatzes = 0,751 x 0,31 = 0,2328 Cal
pro Stunde und Kilogramm.
Gefundene Steigerung des Gesamtumsatzes = 2,71 — 1,91 = 0,80 Cal
pro Stunde und Kilogramm.
Versuch IX. (Hund Lotti.) Fieber.
N pro Stunde und Kilogramm vor der Exstirpation = 0,008417
2 P) ” „ Bach. ie —.0.03330
Plus = 0,03088 & N,
entsprechend 0,772 Cal.
Erwartete Steigerung des Gesamtumsatzes = 0,772 x 0,31 = 0,239 Cal
pro Stunde und Kilogramm.
Gefundene Steigerung des Gesamtumsatzes —= 3,60 — 1,91 = 1,69 Cal
pro Stunde uud Kilogramm.
| Die Berechnung der übrigen Versuche führt zu ähnlichen Re-
sultaten. Wir finden jedesmal eine Steigerung des Gesamtumsatzes,
die wesentlich höher ist, als nach der Erhöhung des Eiweißumsatzes
zu erwarten gewesen wäre. Es zeigt sich daher in jedem
Versuche nach der Pankreasexstirpation nicht nur eine
Erhöhung des Eiweißzerfalles, sondern auch eine Steige-
rung der Fetteinschmelzung!?).
Bei der Besprechung des Decursus morbi haben wir erwähnt,
daß die Wundheilung bei unseren Versuchstieren nicht per primam
_ erfolgte. Es bildeten sich kleine Abszesse der Stichkanäle; bei
beiden Hunden trat gegen das Ende sogar eine mehr ausgebreitete
Infiltration der Bauchdecken auf. Es ergibt sich daher die Frage,
wie weit die von uns beobachtete Steigerung des Umsatzes auf
die Infektion zu beziehen sei. Es ist dabei einerseits zu bedenken, -
daß wenigstens zur Zeit, als die Respirationsversuche angestellt wur-
den, die Infektion nur eine lokale war und daß auch nach dem
Verenden der Tiere bei der Sektion weder Pneumonien noch Peri-
tonitiden gefunden wurden; andererseits finden wir aber doch
schon zur Zeit der Respirationsversuche teilweise nicht unbeträcht-
') Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, daß dieser Befund auch für
die viel diskutierte Frage der Zuckerbildung aus Fett, soweit der experi-
- mentelle Pankreasdiabetes in Betracht kommt, von Interesse ist. Bisher wurde
der Einwand, daß vermehrte Fettzufuhr niemals zu einer Steigerung der
Zuckerausscheidung führe, von den Vertretern dieser Lehre mit dem Hinweis
- zu entkräften versucht, daß vermehrte Fettzufuhr noch nicht eine vermehrte
Fettverbrennung bedinge. Aus unseren Versuchen geht jedenfalls so viel
hervor, daß vermehrte Fettverbrennung bei totalem Pankreasdiabetes den Harn-
zucker nicht vermehrt. Denn der Umfang der vermehrten Fettverbrennung
ist in unseren Versuchen sehr verschieden groß, der Quotient D:N wird dadurch
aber nicht verändert.
230 W. Falta, F. Grote und R. Staehelin,
liche Temperatursteigerungen. Nur im Versuch VIII ist die Tem-
peratur sicher normal. Es ist daher bemerkenswert, daß auch in
diesem Versuche eine bedeutende Steigerung des Umsatzes um
41,5 Proz. über die Norm vorhanden war; auch hier ist sie wesent-
lich, nämlich um das 31/,fache größer, als nach der Steigerung des
Eiweißumsatzes allein zu erwarten gewesen wäre.
In den Fieberperioden sehen wir den Umsatz noch wesentlich
mehr gesteigert; in Versuch VII beträgt die Steigerung sogar
88,5 Proz. Hier haben wir es sicher mit einer Fieberwirkung zu tun.
Die bisher besprochenen Ergebnisse unserer Respirationsver-
suche lassen eine markante Erscheinung des experimentellen Pan-
kreasdiabetes verständlich erscheinen. Es ist dies der enorm rapide
Verfall, den solche Tiere aufweisen. Nach den Zahlen von Kauf-
mann beträgt der tägliche Gewichtsverlust pankreasloser Hunde
das Zwei- bis Dreifache dessen, was normale Hunde im Hunger-
zustande innerhalb 24 Stunden an Gewicht zu verlieren pflegen.
Dieser Gewichtsverlust geht ja bekanntlich mit rasch zunehmender
Muskelschwäche einher, so daß die Tiere sich bald kaum mehr auf
den Beinen erhalten können. Diese „Schwindsucht“* findet
ihre Erklärung in zwei Faktoren: 1. in der Steigerung des
Eiweißzerfalles und in der dadurch verursachten Steige-
rung des Gesamtumsatzes im Sinne Rubners und 2. in
einer Steigerung der Fettverbrennung. Der letztgenannte
Faktor ist wohl zeitweise zum großen Teil auf die die einzeitige
Operation fast stets begleitende Infektion der Bauchwunde zurück-
zuführen). Gehört nun aber auch jene in der fieberfreien Periode
beobachtete Steigerung der Fettverbrennung der Infektion an oder
handelt es sich hier um eine spezifische, dem experimentellen Pan-
kreasdiabetes zukommende Stoffwechselstörung? Unser Versuch VIII
berechtigt uns hier leider nicht zu sicheren Schlüssen in dieser Be-
ziehung, da wir bisher zu wenig Erfahrung besitzen, ob eine der-
artige Steigerung des Umsatzes auch in fieberfreien Perioden
Wirkung der hier vorliegenden Infektion sein kann. Diese Frage
') Die gesteigerte Fettverbrennung im Fieber ist bekanntlich früher
lebhaft bestritten worden. In jüngster Zeit hat jedoch der eine von uns
(R. Staehelin, Arch. f. Hygiene 49) bei einem mit Surratrypanosomen
infizierten Hund eine pathologische Fetteinschmelzung mit Sicherheit nach-
weisen können. Durch die Bestätigung dieses Befundes bei einer ätio-
lorisch weit verschiedenen Infektion in unseren Fällen gewinnt der Befund
Staehelins wohl allgemeinere Bedeutung. Freilich läßt sich nicht sagen,
wie weit das Fehlen des Pankreas an sich die Wirkung der Infektion auf
die Fettverbrennung modifizieren kann.
’
Versuche über Stoffwechsel und Energieverbrauch usw. 231
wird sich vielleicht erst durch Versuche an mehrzeitig operierten
Tieren mit völlig glattem Verlauf der Wundheilung entscheiden
lassen. Ihre Lösung ist sicher von wesentlicher Bedeutung; denn
schon bei der Besprechung des gesteigerten Eiweißzerfalles im
Pankreasdiabetes haben wir betont, daß zwar der Ausfall des Ei-
weißzuckers sicherlich seine Hauptquelle darstelle, daß es aber
andererseits nicht ausgemacht sei, ob nicht noch das Fehlen einer
anderen spezifischen Wirkung des Pankreas hinzukomme. Der
Nachweis eines gesteigerten Fettzerfalles würde sich aber kaum
mehr anders deuten lassen, als daß dem Pankreas außer der bekannten
Sekretion des Pankreassaftes und der in ihrer Art uns bisher völlig
unklaren Beeinflussung des Zuckerverbrauches noch eine andere
Funktion zukomme, die sich etwa in der Weise deuten läßt, daß
das Pankreas etwas hergibt, das unter normalen Verhältnissen die
Fettverbrennung und vielleicht auch die Eiweißzersetzung ein-
schränkt. Die weitere Verfolgung dieses Gegenstandes führt viel-
leicht zu Beziehungen der einzelnen Blutdrüsen zueinander, eine
_ Anschauung, die in letzter Zeit mehrfach vertreten worden ist.
Herrn Professor His sprechen wir für die Liebenswürdigkeit,
mit welcher er uns die Mittel des Laboratoriums für diese Unter-
suchungen zur Verfügung stellte, unseren ergebenen Dank aus.
ir u
21.
Über die Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren
Salzen durch Organauszüge und Eiweißkörper.
Von Dr. Leo Pollak.
Aus dem k. k. serotherapeutischen Institute in Wien.
(Vorstand: Prof. Dr. Paltauf.)
Die genetischen Beziehungen, welche die als Acetonkörper
zusammengefaßten Substanzen untereinander verbinden, sind heute
nach der chemischen und physiologischen Seite hin geklärt.
Minkowski!) konnte zeigen, daß dem diabetischen Organismus
einverleibte ß-Oxybuttersäure zum Teil in Acetessigsäure und
Aceton übergeht, Schwarz?), Geelmuyden?) u. a. beobachteten
die Bildung von Aceton aus verfütterter Acetessigsäure. Da-
durch ist der physiologische Beweis geliefert, daß die B-Oxybutter-
säure die Muttersubstanz der Acetessigsäure ist und aus letzterer
wiederum das Aceton hervorgeht). Eine andere Zuordnung, etwa
die umgekehrte Reihenfolge, ist zwar chemisch denkbar, physio-
logisch aber nicht erwiesen, und nichts drängt zu ihrer Annahme,
Während der Übergang der Oxybuttersäure in Acetessigsäure als
ein Spezialfall partieller Oxydation dem Verständnis keine weiteren
Schwierigkeiten bereitet, ist die Bildung von Aceton aus Acetessig-
säure einer eingehenderen Betrachtung wohl wert. Merkwürdiger-
weise finden sich über die Natur dieses Prozesses in der sonst 80
reichhaltigen einschlägigen Literatur so gut wie gar keine Be-
merkungen. Die Leichtigkeit, mit der freie Acetessigsäure in
') Archiv f. exp. Pathol. u. Pharm. 31 (1893).
*) Ebenda 40 (1898).
*) Skandin. Archiv f. Phys. 11 (1901).
*, Vgl. zu diesem Punkte auch Waldvogel, Acetonkörper 1903, 8.85. 7
q
a ie 5
Leo Pollak, Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 233
Aceton und Kohlensäure zerfällt, verführte wahrscheinlich zu der
Annahme, daß der gleiche Vorgang sich im Organismus abspiele.
Im Organismus haben wir es aber nicht mit der freien Säure,
sondern mit acetessigsauren Salzen zu tun, deren relative Beständig-
keit namentlich in verdünnten Lösungen bekannt ist. Es war
daher a priori zu erwarten, daß im Tierköper besondere Ein-
richtungen gegeben seien, um den Zerfall der acetessigsauren
Salze zu Aceton, vielleicht auf fermentativem Wege, zu beschleu-
nigen. Da Versuche an überlebenden Organen schon in mancher
Richtung das Verständnis der Stoffwechselvorgänge gefördert
haben, ging ich zunächst an das Studium der Frage, ob Organ-
auszüge fermentativ aus Acetessigsäure Aceton abzuspalten ver-
mögen.
Die pbysiologisch-chemische Literatur enthält bereits mehrere
Analogien für einen derartigen Vorgang, der auf die fermentative
Absprengung einer Karboxylgruppe hinausläuft. Ich erinnere nur
an die längst bekannte Bildung von Methan aus Essigsäure durch
Bakterien des Flußschlammes (Hoppe-Seyler!), aus neuerer Zeit
an die Bildung von Oxyphenyläthylamin aus Tyrosin bei der Auto-
lyse des Pankreas (Emerson?), von Cadaverin und Putresein aus
Lysin resp. Ornithin bei der Fäulnis und im Stoffwechsel des
Cystinurikers (Ellinger3), (Loewy-Neuberg*), au die Ent-
stehung von Xylose aus Glukuronsäure durch die Tätigkeit von
Fäulnisbakterien (Salkowsky-Neuberg5), ohne daß hiermit die
Zahl derartiger Reaktionen erschöpft sein dürfte. Weinland)
hat in letzter Zeit bei Gelegenheit eines solchen neuen Falles von
Abspaltung der Karboxylgruppe für diese Fermente den Namen
Karboxylase gebraucht. Man darf aber nicht außer acht lassen,
daß es sich trotz der formalen chemischen Gleichheit solcher Pro-
zesse doch um sehr verschiedenwertige Vorgänge handelt. Zweifel-
los ist die Fermentation der stabilen Essigsäure zu Methan und
Kohlensäure für eine chemisch-energetische Betrachtungsweise ganz
anders zu werten, als die Abspaltung von Aceton aus den an sich
labileren acetessigsauren Salzen. Für die Auffassung der Ferment-
wirkung als Beschleunigung einer an sich langsam verlaufenden
!) Zeitschr. f. physiol. Chem. 11, 561.
?) Diese Beiträge 1, 501.
®) Zeitschr. f. physiol. Chem. 29, 324.
*) Ebenda 43, 352.
°) Ebenda 36, 261.
*) Zeitschr. f. Biologie 48 (N. F. 30), 87 (1906).
254 Leo Pollak,
Reaktion (nach Ostwald-Bredig) handelt es sich im Falle der
Essigsäure um einen an sich mit nicht meßbarer Geschwindigkeit
verlaufenden Vorgang, bei der Acetessigsäure um eine mit relativ
großer Geschwindigkeit spontan vor sich gehende Zersetzung.
Methodik.
Eine Hauptschwierigkeit, die sich der Aufklärung der ein-
schlägigen Verhältnisse entgegenstellte, lag zunächst in der Metho-
dik. Bekanntlich besitzen wir kein Verfahren, um Aceton und
Acetessigsäure quantitativ nebeneinander zu bestimmen. Bei der
Methode nach Messinger-Huppert wird ja die Acetessigsäure
als Aceton mitbestimmt. Schwarz!) fand auf diese Weise 92 bis
93 Proz. der zugesetzten Acetessigsäure wieder. Die Versuche des-
selben Autors, das Aceton mittels Durchlüftung zu entfernen,
gaben schon für den Harn keine sehr ermutigenden Resultate.
Für meine Zwecke war das Verfahren um so weniger anwendbar,
als bei der vielstündigen Durchlüftung — Schwarz schreibt für
den Harn 12 Stunden vor — ein eventueller Spaltungsprozeß
während der Bestimmung weitere Fortschritte hätte machen müssen,
ganz abgesehen davon, daß es sich in meinen Versuchen um be-
trächtlich größere Acetonmengen handelte, die sich auf diesem
Wege wohl überhaupt nicht völlig hätten entfernen lassen. Un-
brauchbar ist auch das Verfahren von Oppler?), das bereits von
Schwarz und Waldvogel zurückgewiesen wurde. Doch scheint
mir sein Fehler weniger in dem kolorimetrischen Prinzip zu liegen
als in der Voraussetzung, auf der die Bestimmung beruht.
Oppler glaubte in der Menge Normal-Salzsäure, die gerade
ausreicht, um die Rotfärbung, welche Eisenchlorid in Acetessigsäure-
harnen hervorruft, zum Verschwinden zu bringen, einen Maßstab
für die quantitative Schätzung zu besitzen. Die zugesetzte n-Salz-
säure entreißt aber nicht nur der Acetessigsäure, sondern natürlich
allen schwächeren Säuren im Harn das Eisen; die Reihenfolge, in
der das geschieht, richtet sich nach der Avidität der betreffenden
Säuren, nach dem Gesetze der Massenwirkung u.a., sie hängt also
von Bedingungen ab, die im Harn und ebenso auch in meinen
Versuchen von Fall zu Fall verschieden sein müssen.
Für die ersten orientierenden Versuche habe ich mir eine
kolorimetrische Methode ausgearbeitet, die ebenfalls auf der Rot-
6 ei!
*) Zentralbl. f. inn. Mediz. 16 (1895).
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 235
färbung durch Eisenchlorid beruht. Als ich später eine, wie ich
glaube, exakte Methode anwandte, zeigten die auf den beiden ver-
schiedenen Wegen gewonnenen Resultate so befriedigende Über-
einstimmung, daß ich auch im weiteren Verlauf das kolorimetrische
Verfahren als Kontrollprobe beibehielt. Ich ging dabei folgender-
maßen vor:
Eine Probe der zu. den Versuchen verwendeten Stammlösung von acet-
essigsaurem Natrium von bekanntem Gehalt (gewöhnlich 6 bis 9 Proz.)
wurde auf das genaueste 20 bis 30fach — je nachdem es für den Versuch
rechnerisch vorteilhaft war — verdünnt. Von dieser Verdünnung wurden
0,5eccm zu 5cem Wasser zugesetzt und lccm einer 10proz. Eisenchlorid-
lösung hinzugefügt (Testlösung). Die Färbung der Acetessigsäure in dieser
Verdünnung ist licht weinrot, der Färbungsgrad eignet sich, meiner Er-
_ fahrung nach, in dieser Stärke am besten zum kolorimetrischen Vergleich.
Nun wurde die zur Untersuchung auf ihren Gehalt an Acetessigsäure be-
stimmte Flüssiekeit ihrerseits so weit verdünnt, bis eine der Testlösung
genau gleiche Nuance der Rotfärbung — bei gleichem Gehalt an Eisen-
ehlorid — erzielt war und aus der Relation der Verdünnungen der Wert für
_ Acetessigsäure (in Prozenten des ursprünglichen Gehaltes) berechnet, Der
Vergleich der Proben wurde stets bei Tageslicht vorgenommen.
Die starke Verdünnung der Ausgangsflüssiekeit, die bei diesem Vor-
gehen stattfindet, hatte den großen Vorteil, daß die Eigenfarbe derselben
und eine eventuelle Trübung in der Mehrzahl der Fälle nieht mehr störend
wirken konnte. Wo dies doch der Fall war, half ich mir so, daß ich bei
Herstellung der Testlösung neben Wasser eben so viel von der betreffenden
ÖOrganflüssigkeit zur Verdünnung verwendete, als in der zu vergleichenden
_ Endprobe enthalten sein mußte. Natürlich mußte auch für neutrale Reaktion
der Endprobe Sorge getragen werden, wozu in manchen Fällen Zusatz von
/,n-Säure nötig war, die dannin die Verdünnungsflüssiekeit mit eingerechnet
wurde. Da die Färbung der Acetessigsäure mit Eisenchlorid unbeständig
‚ist, mußte die Testlösung für jeden Versuch frisch bereitet werden.
| Die zu den Versuchen verwendete Stammlösung von acetessig-
saurem Natron wurde nach dem Vorgange von Bondi und
Schwarz!) so bereitet, daß der nach Ceresole durch Schütteln
it Baryumearbonat und wenig Wasser von Dehydracetsäure be-
freite Acetessigester mit Normal-Natronlauge in geringem Über-
schusse verseift wurde.
Nach 24 bis 48stündigem Stehen im Kühlraume wurde der nicht ver-
sifte Ester durch Ausschütteln mit Äther vollständig entfernt und dann
durch Titration der freien Lauge (Indicator: Phenolphtalein) der Gehalt an
Acetessigsäure mit einer für meine Versuche ausreichenden Genauigkeit er-
mittelt. Ich umging so die verlustreiche Ausätherung der freien Säure.
ie schon erwähnt, betrug der Gehalt der zur Verwendung gelangenden
Ösungen mit wenigen Ausnahmen 6 bis 9 Proz. Acetessigsäure.
') Wiener klin. Wochenschr,. 19, Nr. 2 (1906).
236 Leo Pollak,
Eine Grundbedingung für die Verläßlichkeit der kolorimetri-
schen Versuche ist natürlich, daß die Stammlösung während der
Zeit ihrer Verwendung sich nicht zersetzt. Sie wurde deshalb
stets auf Eis oder im Kühlraum aufbewahrt, und ich überzeugte
mich durch geeignete Kontrolle, daß die Zersetzung des acetessig-
sauren Natriums unter diesen Bedingungen äußerst langsam vor
sich geht. Trotzdem empfiehlt es sich, die Stammlösung möglichst
oft zu erneuern und ihren Gehalt frisch zu bestimmen.
Schließlich seien noch einige Versuche angeführt, die die
Empfindlichkeit der Methode beleuchten.
Eine 8,47proz. Lösung von acetessigsaurem Natrium wird auf das Drei-
fache verdünnt. Die mittels kolorimetrischen Vergleiches vorgenommene
Bestimmung ergibt einen Wert von 33,3 bis 34,4 Proz. des ursprünglichen
Gehaltes. Berechnet 33,3 Proz. Dieselbe 8,47 proz. Lösung wird derart ver-
dünnt, daß zu 24 Teilen der Lösung ein Teil Wasser zugesetzt wird. Die
kolorimetrische Bestimmung ergibt einen Gehalt von 96,1 bis 92,6 Proz.
Berechnet 96 Proz. E
$
Die Methode liefert demnach Werte, die innerhalb einiger
)
Prozente ungenau sein können. Bei Flüssigkeiten mit stärkerer
Eigenfarbe, sowie bei besonders starker Abnahme des Gehaltes an
Acetessigsäure werden die Fehler der Methode größer.
Zu einer anderen Methode führte folgende Überlegung. Wenn
der Zerfall der Acetessigsäure nur unter Bildung von Aceton vor
sich geht, dann darf sich der nach Messinger-Huppert be-
stimmte Wert nicht ändern, zugleich aber ınuß die Menge der
abgespaltenen Kohlensäure einen exakten Maßstab dafür abgeben,
wieviel von der vorhandenen Acetessigsäure zerstört wurde. In
der Tat ließ sich zeigen, daß die Summe von Aceton und Acet-
essigsäure in meinen Versuchen im wesentlichen konstant blieb.
Da stets bei schwach alkalischer Reaktion gearbeitet wurde, konnte
keine Kohlensäure entweichen. Ihre Bestimmung geschah nach dem
Pettenkoferschen Verfahren unter Einhaltung der vorgeschrie- |
3
<
|
$
benen Kautelen.
Die durch verdünnte Essigsäure in Freiheit gesetzte Kohlensäure wurde
durch vier mit filtriertem Barytwasser beschickte Vorlagen langsam durch-
gesaugt, wobei Sorge getragen wurde, die durchstrichene Flüssigkeitsschicht
möglichst groß zu gestalten. Ich überzeugte mich durch Bestimmungen an
chemisch reinem, wasserfreien Natriumkarbonat in einer Menge, wie sie
der maximalen Ausbeute bei meinen Versuchen entsprach, dab bei 3 bis
Istündigem Luftdurchleiten die berechnete Menge Kohlensäure gefunden
wird. Eine allzulange Durchlüftung war nämlich zu vermeiden, um nicht
dureh Weiterzersetzung der intakten Acetessigsäure während des Versuchs
zu hohe Werte zu bekommen. Der Einwand, daß in der sauren Lösung
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 237
während der Bestimmung Acetessigsäure zerfallen und in Betracht kommende
Kohlensäuremengen abgeben könne, war übrigens leicht experimentell zu
widerlegen. Jede in der oben geschilderten Weise hergestellte Lösung von
acetessigsaurem Natrium enthält eine kleine Menge Karbonat, da sich schon
während der Verseifung (sowie auch bei längerem Stehen im Kühlraume)
4 ıS
ein kleiner Teil des acetessigsauren Salzes zersetzt. Nach 2stündiger Durch-
lüftung bei schwach essigsaurer Reaktion bleibt aber die absorbierte Menge
Kohlensäure konstant und steigt auch bei mehrstündiger Weiterführung des
Versuches nicht an, ein Beweis dafür, daß, abgesehen von dem von vorn-
herein vorhandenen Karbonat, keine Kohlensäuremengen in Betracht
kommen, die etwa durch Spontanzerfall freier Acetessigsäure während der
Bestimmung entstehen. Übrigens wurde Essigsäure stets nur bis zu schwach
saurer Reaktion zugesetzt.
Die auf diesem Wege gewonnenen Zahlen zeigen nach Um-
rechnung auf Acetessigsäure mit den Ergebnissen der kolorimetri-
schen Methode durchwegs befriedigende Übereinstimmung. Bei
Umrechnung auf Prozente differieren sie um 5 bis 4 Proz., wo-
bei in Betracht kommt, daß, wie oben gezeigt, den Werten der
kolorimetrischen Methode immer eine Unsicherheit von einigen
Prozenten anhaftet. Da das Prinzip beider Methoden ein völlig
verschiedenes ist, ist die Übereinstimmung um so beweisender für
die Richtigkeit der erhaltenen Werte.
Experimenteller Teil.
In Vorversuchen mit der kolorimetrischen Methode konnte ich
mich bald überzeugen, daß acetessigsaures Natrium bei Digestion
mit Rinderleberinfus in nicht unbeträchtlichem Maße zerstört wird.
Frische Rinderleber wird in der Fleischhackmaschine zerkleinert, dar-
auf mit Quarzsand und dem vierfachen Volumen physiologischer (0,6 Proz.)
- Koehsalzlösung zerrieben, dann koliert. Von diesem Infus werden 150 cem
mit 150 ccm einer 5,6proz.!) Lösung von acetessigsaurem Natrium gut durch-
geschüttelt und unter Zusatz von Toluol in den Brutschrank gestellt
(Probe A). Probe B: 150 ccm desselben Infuses, '/, Stunde lang über freier
Flamme gekocht, nicht filtriert + 150 cem derselben Lösung von acetessig-
saurem Na. Nach 24stündigem Aufenthalt im Brutschrank ergibt die
kolorimetrische Bestimmung:
Von der sechsfach verdünnten Stammlösung (5,6 Proz.) von acetessig-
saurem Na geben O,5ccm + 10,5cem Wasser 4 lccm Eisenchloridlösung
(10 Proz.) dieselbe Färbung wie von der dreifach verdünnten Probe A
_ lcem + 10cem Wasser + lcecm Eisenchloridlösung und von der dreifach
verdünnten Probe B lccm -+ 10cem Wasser + leem Eisenchloridlösung.
') Der Prozentgehalt bezieht sich hier und im folgenden stets nur auf
die Acetessigsäure.
238 Leo Pollak,
In beiden Proben sind also 50 Proz. des zugesetzten acetessig-
sauren Salzes zerstört worden. Da der spontane Zerfall des acet-
essigsauren Natrons bei Bruttemperatur bedeutend langsamer vor
sich geht — wie die weiter unten mitgeteilten Versuche beweisen —,
ist diese Wirkung tatsächlich dem Leberinfus zuzuschreiben.
Merkwürdigerweise hatte ein !/,stündiges Erhitzen des Infuses
auf Siedetemperatur gar keinen Einfluß auf die Stärke der Wirkung.
Schon dadurch mußte es unwahrscheinlich erscheinen, daß wir es
hier mit einem Fermentprozeß zu tun haben. — Bei Weiterver-
folgung des Spaltungsversuches ergab sich: Nach 48 Stunden
Probe A 88 Proz., Probe B 80 Proz. der ursprünglich vorhandenen
Menge zerstört. Nach weiteren 48 Stunden Brutschrankaufenthaltes
zeigen beide Lösungen nur noch wenige Prozente des früheren
Gehaltes an Acetessigsäure. (Bei so geringem Gehalt an Acet-
essigsäure läßt die Verläßlichkeit der kolorimetrischen Methode
allerdings bedeutend nach.) Dagegen geben sie die Reaktion mit
Nitroprussidnatrium anscheinend in unverminderter Intensität.
Da zu diesen Versuchen aus dem Schlachthause gelieferte,
also ungenügend entblutete Organe verwendet worden waren, ging
ich zunächst einmal daran, den Einfluß des Blutserums zu studieren.
Bei diesen und den folgenden Bestimmungen bediente ich mich
bereits der Methode der Kohlensäurebestimmung.
10 ccm einer 5,79proz. Lösung acetessigsauren Natriums + 20 ccm
Pferdeblutserum. Nach 22 Stunden Digestion im Brutschranke ergibt die
Kohlensäurebestimmung:
4 Stunden durchlüftet. 125ccm Barytwasser vorgelegt,
entsprechend 111,5 ccm '/, n-Barytwasser
zurücktitriert 72,8cem '/, HCl
38,7 ccm /, n-Barytwasser gebunden.
Hiervon sind folgende Abzüge zu machen: 1. Jede Lösung von acet-
essigsaurem Na enthält, wie schon oben angeführt, auch nach kurzer Auf-
bewahrung im Kühlraum eine kleine Menge Karbonat, die infolge Zerfalls
von Acetessigsäure entstanden ist und natürlich auch bei der Berechnung
des Gehaltes an acetessigsaurem Salze berücksichtigt werden muß. 2. Der
Karbonatgehalt des Serums und zwar, um vollkommen gleichmäßige Be-
dingungen zu schaffen, nach 22stündigem Aufenthalt im Brutschrank,
Wir haben dann
38,7 cem '/, n-Barytwasser
10 cem der verwendeten Lösung
von acetessigsauren Na binden 6,4 „ 4
20 00m Berum sy rem » we WM; „
27,7 com '/,n-Barytwasser
entspricht 152,35 mg CO,. -
BV
‘
{
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 239
In Prozenten des früheren Gehaltes berechnet, heißt das: 61,2 Proz.
des ursprünglich vorhandenen acetessigsauren Natriums wurden durch den
Zusatz des Serums gespalten.
Die kolorimetrische Bestimmung des gleichen Versuches ergab eine
Zerstörung von 61,6 Proz., also eine sehr gute Übereinstimmung.
Zum Vergleich sei jetzt ein Versuch angeführt, der über das
bedeutend langsamere Tempo des spontanen Zerfalls acetessigsaurer
Salze bei genau gleichen Versuchsbedingungen orientiert.
10 cem einer 7,18proz. Lösung von acetessigsaurem Natrium + 20 ccm
destilliertes Wasser (Probe A). Während 22 Stunden Aufenthalt im Brut-
schrank werden 19,25 mg CO, abgespalten, entsprechend einer Zerstörung
von 6,2 Proz. des vorhandenen acetessigsauren Natriums. Die kolorimetrische
Bestimmung ergibt:
Von der 33fach verdünnten Stammlösung acetessigsauren Na (7,18 Proz.)
geben 0,5 ccm + 5ccm Wasser + lccm FeÜl,-Lösung dieselbe Färbung wie
von der ll1fach verdünnten Probe A 0,54ccm + 5cem Wasser + lccm
Fe(l,-Lösung.
Das entspricht einem Verluste von 7,4Proz. Das Serum beschleunigt
diesen Zerfall auf 61,2 Proz.
Die Übereinstimmung der Werte, die aus der Abnahme der
- Eisenchloridreaktion und aus der abgespaltenen Kohlensäuremenge
berechnet wurden, zeigt, daß das Serum die Zerstörung der Acet-
essigsäure ausschließlich durch Absprengung der Karboxylgruppe
vollzieht. Dann stand zu erwarten, daß die Summe von Aceton +
Acetessigsäure, nach Messinger-Huppert bestimmt, im wesent-
lichen konstant bleibt. Darüber belehren folgende Versuche:
u FIELSY
A. 2ccm 7,84proz. Lösung von acetessigsaurem Natrium + 4cem Serum
| DB. 2 „ 7,84 B) ” ” „ » a: 4 ) ”
C. 4 „ Serum.
Nach 22stündiger Digestion wird B mit C vereinigt und je 2 ccm von
A und von (B + C) destilliert.
Destillat A bindet 33,9 ccm !/, n-Jodlösung —= 32,8 mg Aceton!).
” B,„ 352 4 / ” = ,„ » »
Die Differenz beider Werte ist eine so geringe, daß die oben
gestellte Forderung durch den Versuch erfüllt erscheint.
Auch im Serum ist das wirksame Agens kochbeständig, wie
folgender Versuch zeigt:
A. 2cem acetessigsaures Natrium + 12ccm Serum, dreifach verdünnt,
B. 2 ” ” ” + 12 ”„ ” ” 2)
!) Unter der Voraussetzung, dab alle jodbindende Substanz Aceton ist,
was nicht ganz richtig ist, da die Lösung von acetessigsaurem Natrium auch
Alkohol (aus dem Ester) enthält.
240 Leo Pollak,
mehrere Minuten über freier Flamme gekocht. Bei dieser Verdünnung tritt
keine Koagulation ein.
Nach 22stündigem Aufenthalt im Brutschrank:
In A zerstört 27,3 Proz. (kolorimetrisch bestimmt).
Ba: & 21,3. y n
Gegen die Fermentnatur des wirksamen Körpers spricht
außer der Hitzebeständigkeit auch noch folgende Reihe, die den
Einfluß der Quantität des zugesetzten Serums auf die Spaltungs-
größe demonstriert.
Pe EEE EEE EEE SEES GEBE" Se SEES EEE EEE EEE m
7,93 proz. Lösung Zerstört
von Serum Wasser (kolorimetrisch
acetessigsaurem Na bestimmt)
ccm ccm ccm Proz.
2 rg 324 7,4
2 +04 +3,9 10,7
2 +0,55 | +35 19,4
2 +1 +3 26,5
2 +2 +2 41,2
2 +4 | +0 61,6
Die vorliegende Tabelle zeigt wohl keine stöchiometrische
Gesetzmäßigkeit, läßt aber trotzdem die enzymatische Natur des
Vorganges unwahrscheinlich erscheinen. Die geringe Wirkung,
die der Zusatz von O,lccm Serum entfaltet, wäre mit dieser Auf-
fassung nur schlecht vereinbar.
Den zeitlichen Ablauf der Serumwirkung illustriert folgender
Versuch: |
—_
2ccm der 7,93proz. Lösung acetessigsauren Na + 4ccm Serum. Nach
einer Digestion von 22 Stunden sind 61,6 Proz. zerstört, nach weiteren
48 Stunden 92,5 bis 93,5 Proz.; nach weiteren 24 Stunden ist der Wert
kolorimetrisch nicht mehr exakt bestimmbar.
Nach dieser hochgradigen Wirksamkeit des Serums konnten
auch die erstbeschriebenen Beobachtungen am Leberinfus auf den
Blutgehalt des Organs bezogen werden. Ich nahm deshalb diese
Versuche wieder mit sorgfältig entbluteten Organen auf.
Ein großes Kaninchen wird aus der Carotis möglichst vollständig ent-
blutet, dann von der Vena femoralis aus mit Wasser solange durchgespült,
bis aus der Carotis farblose Flüssigkeit abläuft. Die gut entbluteten Organe
werden lebenswarm entnommen, in der Fleischhackmaschine zerkleinert,
Leber und Niere mit dem gleichen, die Milz (4 g) mit dem fünffachen Volumen
steriler physiologischer Kochsalzlösung verrieben und in den Brutschrank
gestellt, nach dreitägiger Autolyse herausgenommen und filtriert.
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 241
Versuche. 20ccm Infus von Kaninchenleber + 10 cem 7,93proz. acet-
essigsaures Na. Nach 22stündiger Digestion:
Abgespalten ... 224,4me CO,
Hiervon ab... 231 „ „ als bereits zu Beginn des Versuches in der
Lösung des acetessigsauren Na enthalten
201,3 mg 00,.
Daraus berechnet sich eine Zerstörung von 58,8 Proz. Die kolori-
metrische Bestimmung ergibt 61,6 Proz.
Über den Mechanismus der Spaltwirkung gibt wieder die Be-
stimmung nach Messinger-Huppert Aufschluß.
kommen in den
B: 1
» ” » Brutschrank.
A. 1lccm acetessigsaures Na + 2cem Leberinfus
(0. 2 „ Leberinfus
Nach 22stündiger Digestion wird B mit C vereinigt und die Be-
stimmung ausgeführt.
Destillat A bindet 49,6 cem '/,, n-Jodlösung, entsprechend 47,9 mg Aceton.
Destillat B + C ” 51,4 ” % 10 ” ” 49,7 ” ”
Da die Summe Aceton + Acetessigesäure in diesem Versuche konstant
blieb, kann die Zerstörung der Acetessigsäure nur über Aceton erfolgt sein.
Eine auffallend starke Wirkung hatte das Niereninfus. 5cem acet-
essigsaures Natrium 7,93 Proz. + 10cem Infus von Kaninchenniere. Nach
22 Stunden im Brutschrank:
CO, 151,8 mg
Dayon.ab „...11. 5.
140,8 mg CO,,
das bedeutet eine Zerstörung von 82,3 Proz. der vorhandenen Acetessigsäure.
Kolorimetrisch 82,8 Proz.
Die Wirkung des Milzinfuses war — wohl entsprechend der stärkeren
Verdünnung desselben — eine schwächere. 5cecm acetessigsaures Natrium
+ 10cem Milzinfus.. Nach 22 Stunden:
CO, 65,45 me
Daxon ab '„ 1 9.
54,45 mg,
das ergibt eine Zerstörung von 31,8 Proz. Kolorimetrisch 33,4 Proz.
Die Wirkung der gut entbluteten Organe ist zu kräftig, um
durch den Blutgehalt derselben erklärt werden zu können, sie muß
vielmehr als Eigenwirkung dieser Organe aufgefaßt werden.
Naturgemäß war es die nächste Aufgabe, die wirksame Sub-
stanz im Serum und Organen näher zu charakterisieren. Ich ging
zu diesem Zwecke wieder vom Serum aus. Um zunächst die
Wirkung eines anorganischen Körpers auszuschließen, stellte ich
Versuche mit Serumasche an.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 16
242 Leo Pollak,
200 eem Pferdeserum werden ohne Zusatz verascht, die Asche mit
200 ecem destilliertem Wasser ausgelaugt. Von dieser Lösung kommen
20 ccm mit 10ccm acetessigsaurem Na (7,42 Proz.) auf 22 Stunden in den
Brutschrank.
Gessamtmengb 7 + 7. 0 Tre a ee 60, 89,1 mg
Davon ab in der Lösung von acetessigsaurem Na enthalten „ 46,2 „
In der Berumasehe. -. . =. on ne
18,15 mg CO,
entsprechend einer Zerstörung von 5,9Proz. Kolorimetrisch 7,4 Proz., also
ungefähr ebensoviel, als bei Zusatz von destilliertem Wasser.
Nun untersuchte ich, ob die wirksame Substanz dialysabel sei.
10Ocem acetessigsaures Na (7,42 Proz.) + 20cem Serum, das durch
11 Tage gegen fließendes Wasser dialysiert worden war.
Nach 22 Stunden: Gesamtmenge CO, 192,5 mg
Davon ab „ 462 „
146,3 mg C0,,
entspricht einer Zerstörung von 45,7 Proz. der vorhandenen Acetessigsäure.
Kolorimetrisch 46,7 Proz.
Die Wirkung des dialysierten Serums erreicht demnach nicht
ganz die des nativen (61,2 Proz.), ist aber noch immer sehr be-
trächtlich. Die Hauptmenge der wirksamen Substanz ist jeden-
falls auch bei l1ltägiger Dialyse gegen fließendes Wasser nicht
verloren gegangen. Andererseits ist zu bedenken, daß echte
Eiweißköper, mehr noch albumosenartige Substanzen, ebenfalls
etwas dialysabel sind.
Da es sich nach den bisherigen Versuchen um organische,
nicht oder nur schlecht dialysable Substanzen von nicht ferment-
artiger Wirkung handeln mußte, lag es nahe, die Wirksamkeit
isolierter Eiweißkörper zu untersuchen. |
Die Globulinfraktion des Pferdeblutserums wird durch Ganzsättigung
mit Magnesiumsulfat abgeschieden und durch Umfällen gereinigt. 20 cem
einer Lösung dieser Fraktion (die in 100 cem 0,45g N enthält) + 10cem
der 7,42proz. Lösung von acetessigsaurem Natrium.
Nach 22stündiger Digestion: Gesamtmenge co, 108,9 mg
Davon ab „ 462 „
62,7 mg 60,
entsprechend einer Zerstörung von 19,6 Proz. der vorhandenen Acetessigsäure.
Kolorimetrisch 21,2 Proz.
Das isolierte Serumglobulin übt also eine deutliche, wenn auch
nicht sehr beträchtliche Spaltwirkung aus. Daß das in der Lösung.
noch vorhandene Magnesiumsulfat keinerlei Einfluß hat, wurde
vorher in besonderen Versuchen festgestellt.
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 243
Das Filtrat, nach Ganzsättigung mit Magnesiumsulfat, wurde
einer 24stündigen Dialyse gegen fließendes Wasser unterworfen
und sodann in gleicher Weise geprüft.
Nach 22stündigem Aufenthalt im Brutschrank waren 37,5 Proz.
der vorhandenen Acetessigsäure zerstört (kolorimetrisch bestimmt).
Da dieses dialysierte Filtrat im wesentlichen eine Lösung von
Serumalbumin darstellt, mußte dieser Eiweißkörper mit der Spalt-
wirkung etwas zu tun haben. In der Tat zeigten Versuche mit
kristallisiertem Serumalbumin die Wirksamkeit auch des reinen
Eiweißkörpers.
10 cem einer 7,18 proz. Lösung von acetessigsaurem Natrium + 20 ccm
einer Lösung von kristallisiertem Serumalbumin (N -Gehalt der Lösung
0,252 Proz.), das nach der üblichen Methode dargestellt und einmal um-
kristallisiert war.
Nach 22 Stunden Digestion: Gesamtmenge 00, 165,0 mg
Davon ab. ’„': 25,3%
139,7 mg CO,,
entsprechend einer Zerstörung von 45 Proz. des vorhandenen Salzes. Kolori-
metrisch 45 Proz.
Entfernt man aus dem Serum die Globuline mittels Magne-
siumsulfat und das Albumin durch schwaches Ansäuern, so entfaltet
das Filtrat nur mehr eine sehr schwache Wirkung (11,8 Proz. Zer-
störung bei analogen Versuchsbedingungen),. Ebenso schwindet
die wirksame Substanz zum allergrößten Teile, wenn man das
Serum bei schwach essigsaurer Reaktion koaguliert.
4 ccm. des Filtrates + 2 ccm 7,42proz. Lösung von Acetessigsäure
weisen nach 22 Stunden eine Spaltung von 13,8 Proz. auf, während, wie schon
berichtet, durch Kochen bei nativer Reaktion, wenn die Eiweißkörper am
Ausfallen verhindert sind, die Wirkung nicht beeinträchtigt wird.
Ähnlich wie die Eiweißkörper des Blutserums haben auch
andere Proteine die Fähigkeit, den spontanen Zerfall der acetessig-
sauren Salze zu beschleunigen. Ich habe in dieser Richtung noch
folgende Versuche angestellt.
Casein. Zur Verwendung kam Mercksches Casein (Ham-
marsten) in schwach alkalischer Lösung, deren Stickstoffgehalt
1,12 Proz. betrug.
10 cem Lösung von acetessigsaurem Natrium (7,93 Proz.) + 20 eem
Caseinlösung. Während der 22stündigen Digestion im Brutschrank wurden
227,7 mg Kohlensäure aus der Acetessigsäure abgespalten, d. h. es wurden
66,5 Proz. zerstört. Die Summe Aceton + Acetessigsäure blieb auch in
diesem Versuche unverändert.
244 Leo Pollak,
A. 1lccm acetessigsaures Na + 2cem Üaseinlösung.
B. 1 N ” ”
C. 2 ,„ Caseinlösung.
Nach 22stündiger Digestion werden B und Ü vereinigt und destilliert.
Das Destillat von A bindet 51,6 cem '/,, n-Jodlösung — 49,9 mg Aceton.
5 « BEER ® — 494 „ “
Edestin. Das Präparat wurde dem Institute von den
Höchster Farbwerken in liebenswürdiger Weise übermittelt. Es
wurde einmal umkristallisiert (gut ausgebildete Kristalle) und in
1Oproz. Kochsalzlösung gelöst. N-Gehalt der Lösung: 1,5 Proz.
10cem einer 7,84proz. Lösung von acetessiesaurem Na + 20cem der
Edestinlösung.
Nach 22 Stunden: Gesamtmenge CO, 112,73 mg
Davon ab „ . 2145 „
91,28 mg CO,,
entsprechend einer Zerstörung von 26,9 Proz.
Ich weiß wohl, daß auch die Kristallisation eines Eiweißkörpers
es nicht ausschließt, daß er Fermente adsorbiert enthält, auf welche
die beobachtete Wirkung zurückgeführt werden könnte. In unserem
Falle aber, wo oben angeführte Gründe entschieden gegen fermen-
tative Prozesse sprechen, können wir mit gutem Nechte das
Protein selbst für die Spaltung der Acetessigsäure verantwortlich
machen. Auch die Eiweißkörper des Eieralbumins zeigen den
gleichen Einfluß.
10 cem einer 7,42 proz. Lösung von acetessigsaurem Na + 20ccm einer
schwach alkalischen Lösung von getrocknetem Eiklar. Es werden in 22stün-
diger Digestion 38,5 Proz. Acetessigsäure zerstört (123,2 mg 00,).
Weitere Untersuchungen beziehen sich auf Spaltprodukte der
Eiweißkörper. Zunächst verwendete ich das Albumosenpepton- |
gemenge des käuflichen Wittepeptons.
10 com einer 5,79proz. Lösung acetessigsauren Na + 10 ccm einer
10 proz. Lösung von Wittepepton.
Nach 22stündiger Digestion: Gesamtmenge . . . CO, 161,15 mg
Davon ab: In der Peptonlösung allein (nach 22 Stunden
Digestion) enthalten . .. ».. 2 2 2.0. ” TAD.
In der Acetessigsäure-Lösung von vornherein „ 385 „
Während des Versuches abgespalten . . . . 2.2... „ 115,5 mg,
das bedeutet eine Zerstörung von 47 Proz.
Die Bestimmungen nach Huppert-Messinger ergaben wieder
die Konstanz der Summe Aceton -- Acetessigsäure. Bei der
weiteren Zerlegung des Wittepeptons in die bekannten Bestand-
teile mußte ich aus später zu erörternden Gründen die fraktionierte
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 245
Ammonsulfatfällung umgehen. Ich isolierte zunächst die Hetero-
albumose, indem ich mittels Halbsättigung mit Zinksulfat in saurer
Lösung die Proto- und Heteroalbumosenfraktion abschied und die
Lösung dieser Fraktion nach dem Vorgange von E. P. Pick auf
einen Alkoholgehalt von 35 Proz. brachte. Die hierdurch aus-
gefällte Heteroalbumose wurde mit verdünntem Alkohol sorgfältig
gewaschen. Die Lösung dieser Albumose in schwachem Alkali
enthält kein Zinksalz mehr. Übrigens ist auch eine gesättigte
Lösung von Zinksulfat ohne jeden Einfluß auf acetessigsaures Salz.
N-Gehalt der Lösung 0,189 Proz.
1Occm einer 7,93proz. Lösung acetessigsauren Na + 20 ccm Hetero-
albumosenlösung. |
Nach 22 Stunden sind 85,8mg 60, abgespalten (108,9 — 23,1mg C0,),
das entspricht einer Zerstörung von 25 Proz.
Deuteroalbumose. Sie wurde nach Abscheidung der Proto- und Hetero-
albumose durch Ganzsättigung mit Zinksulfat in saurer Lösung gefällt, ein-
mal umgefällt. N-Gehalt der schwach alkalischen Lösung 0,308 Proz.
öcem 7,93 proz. Lösung acetessigsaures Na + 10 cem Deuteroalbumose.
Nach 22 Stunden sind 97,9 mg CO, (121 — 23,1 mg) abgespalten, d. h.
61,2 Proz. zerstört. Kolorimetrische Bestimmung 61,6 Proz.
Das Filtrat der Peptonlösung nach Ganzsättigung mit Zink-
sulfat enthält noch wirksame Substanz. Hier müssen tiefer stehende
Eiweißspaltungsprodukte in Betracht kommen, wofür auch folgende
Versuche sprechen.
Eine 10 proz. Lösung von Wittepepton wird durch 3 Wochen mit
Trypsin verdaut. Die Flüssigkeit gibt bei Sättigung mit Ammonsulfat nur
mehr eine schwache Trübung, dagegen noch deutliche Biuretreaktion.
2 cem dieser Lösung + 2ccm acetessigsaures Na (5,79 Proz.). Nach
22 Stunden sind 79,6 Proz. zerstört. (Kolorimetrisch.)
Auch die Produkte der Säure- und Alkalispaltung des Peptons
Witte wurden in den Bereich der Untersuchung gezogen.
10 g Pepton werden mit 4ccem konzentrierter Salzsäure (spez. Gew. 1,19)
eine halbe Stunde am Rückflußkühler gekocht, dann genau neutralisiert
und mit Wasser auf 100ccm aufgefüllt. Die Lösung gibt keine Biuret-
reaktion mehr. 10cem dieser Lösung + 10ccm acetessigsaures Natrium
von 7,93 Proz.
Nach 22stündiger Digestion sind 267,3 mg CO, (290,4 — 23,1 mg) ab-
gespalten, das bedeutet eine Zerstörung von 73,1 Proz.
Ferner werden 10g Pepton in 100cem einer 5proz. Natron-
lauge mehrere Stunden am Rückflußkühler gekocht, dann bis zu
schwach alkalischer Reaktion neutralisiert und auf 120 cem auf-
gefüllt. (Biuretreaktion positiv.)
246 Leo Pollak,
20 cem dieser Lösung + 10 ccm acetessigsaures Natrium 7,93 Proz.
Nach 22 Stunden sind 273,9 mg CO, abgespalten —= eine Zerstörung
von 80 Proz.
Da bei gleich langer Digestion aus einer Mischung von acet
essigsaurem Natrium und 10 proz. Peptonlösung im Verhältnis 1:1,
wie oben gezeigt, nur 47 Proz. verschwinden, aus der Mischung
l acetessigsaures Natrium zu 2 Peptonlösung auch nur 62,5 Proz.,
so ist es klar, daß die biuretfreien Endprodukte der Eiweißspaltung
einen noch stärkeren Einfluß auf den Zerfall der Acetessigsäure
haben als die Eiweißkörper selbst. Versuche mit einzelnen Amino-
säuren gaben dementsprechend auch positive Resultate.
2cem 7,18proz. acetessigsaures Na + 4cem einer Lösung von Leuein
in schwachem Alkali.
Nach 22 Stunden: 75 Proz. zerstört. (Kolorimetrisch.)
2cem 7,18proz. acetessigsaures Na + Accm Alanin in schwach alkali-
scher Lösung. Nach 22 Stunden: etwa 90 Proz.!) zerstört.
2ccm 7,18 proz. acetessigsaures Na + 4ccm Asparaginsäure in schwach
alkalischer Lösung. Nach 22 Stunden: etwa 77 Proz.') zerstört.
2 ccm 7,84 proz. acetessigsaures Na + 4ccm Tyrosin in schwach alkali-
scher Lösung. Nach 22 Stunden: etwa 24,3 Proz. zerstört.
Neben den Aminosäuren kommen aber unter den Produkten
der Säurespaltung und der Trypsinverdauung auch noch die
Ammonsalze für die zerstörende Wirkung in Betracht. Unter
zahlreichen Versuchen mit anorganischen Körpern der verschieden-
sten Art (ich führe hier an: MgSO,, ZnSO,, NaCl, N,HPO,,
FeÜl,;, BaCl, usw. auch in stärkster Konzentration ?) zeigte kein
einziger einen Einfluß auf die Geschwindigkeit des spontanen Zer-
falles der Acetessigsäure, mit Ausnahme der Ammonsalze; diese
hatten aber eine sehr deutliche Wirkung. |
10 ccm 5,79proz. acetessigsaures Na + 10ccm einer 10proz. Lösung
von NH,Cl. (Die Probe ist schwach alkalisch.)
Nach 22 Stunden sind 159,5 mg CO, (194,7 — 35,2 mg) abgespalten, d.h.
64,1 Proz. acetessigsaures Na zerstört. Kolorimetrisch 64,3 Proz.
Der Modus der Zerstörung ist derselbe, wie bei der Ein-
wirkung der Eiweißkörper, da der Betrag an destillabler jod-
bindender Substanz sich nur unbedeutend ändert.
') Wegen des geringen Gehaltes an Acetessigsäure fällt die kolori-
metrische Bestimmung unscharf aus.
”) Ebenso ist der Zerfall innerhalb gewisser Grenzen vom Grade der
Alkalinität unabhängig. Eine zu Beginn des Versuches genau neutrale Probe
und eine solche, deren Alkaligehalt einer ?/, Normallauge entspricht, geben
die gleichen Resultate.
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 247
A. lccm 8,42 proz. acetessigsaures Natrium + Icem NH,C1 (10 Proz.).
B. 1 „ 8,42 „ ” ”
Br -NH,C10 Proz.
Nach 22stündiger Digestion wird B mit © vereinigt.
| Destillat A bindet 45,6 ccm '/,, n-Jodlösung — 44,5 mg Aceton.
EDelat BC „- 496 „ Yo n 2 5
Während so die Ammonsalze in schwach alkalischer Lösung
eine sehr deutliche Wirkung entfalten, ist der Effekt von freiem
Ammoniak ein viel schwächerer.
10ccm 7,91 proz. acetessigsaures Natrium + 1l0ccem Ammonia pura
liquid. (spez. Gew. 0,888) + 10ccm Aqua destillata.
Nach 22 Stunden: Gesamtmenge . . ...... CO, 101,75 mg
Davon ab: Im acetessigsauren Na von vornherein enthalten „ 22 5
Im Ammoniak * 35 „ Ur 3 Re
47,855 mg CO,,
entsprechend einer Zerstörung von 14 Proz. (Kolorimetrisch 14,9 Proz.)
Zusatz von geringen Mengen Ammonsalz verstärkt jedoch die
Wirkung freien Ammoniaks bedeutend. |
2 ccm 7,18 proz. acetessigsaures Natrium + 2ccm Ammoniak + 0,1 ccm
"NH,Cl (10 Proz.) + 1,9ccm Aqua destillata.
| Nach 22 Stunden sind 37,5 Proz. zerstört. (Kolorimetrisch bestimmt.)
Ob die früher gezeigte Wirkung der Ammonsalze ebenfalls
dem in der alkalischen Lösung freigewordenen Ammoniak zuzu-
‚schreiben ist, wobei die Ammonsalze, wie im letzten Versuch,
nur unterstützend wirken würden, oder ob das durch Umsetzung
entstandene acetessigsaure Ammon zersetzlicher ist als acetessig-
'saures Natrium, muß noch durch besondere Versuche entschieden
werden.
_ Eine ähnlich ausgiebige Zerstörung der Acetessigsäure ruft
auch der Zusatz gewisser Amide hervor: Formamid, Asparagin.
Eine 10 proz. Lösung von Harnstoff hatte hingegen fast gar keine
Wirkung.
Übersicht.
Der experimentelle Teil lehrt, noch einmal kurz zusammen-
gefaßt, folgendes: Bei Digestion von acetessigsaurem Natrium mit
Blutserum oder Organauszügen erfolgt ein beschleunigter Zerfall
des Salzes unter Abspaltung von Kohlensäure und Bildung von
Aceton. Die weitere Forschung nach der Natur der wirksamen
Substanz im Serum ließ dieselbe als einen organischen, nicht dialy-
sablen Körper erkennen, der hitzebeständig ist und nicht ferment-
248 Leo Pollak,
artig wirkt. Die Vermutung, daß im Serum die Eiweißkörper das
wirksame Agens darstellen, bestätigte sich. Durch Umfällen ge-
reinigtes Globulin, sowie kristallisiertes Serumalbumin zeigen deut-
lich eine spaltende Wirkung. Andere gereinigste Eiweißkörper,
wie Casein (Hammarsten) und kristallisiertes Edestin haben den
gleichen Einfluß. Dieselbe Wirkung zeigen ferner das Wittepepton,
sowie durch fraktionierte Salzfällung aus demselben isolierte
Hetero- und Deuteroalbumose Aber auch abiurete Spaltungs-
produkte des Eiweißes sind wirksam, ebenso schließlich reine
Aminosäuren wie Leucin, Alanin usw., ferner gewisse Amide.
Von anorganischen Substanzen kommen nur die Ammonsalze in
Betracht.
Diese Tatsachen erfordern nach zwei Seiten hin eine weitere
Besprechung: Die Natur des Spaltungsvorganges, sowie seine Be-
deutung für physiologisches und pathologisches Geschehen bedürfen
der Erörterung. — Es fällt sofort auf, daß allen von mir als wirk-
sam befundenen Substanzen eines gemeinsam ist: das Vorhanden-
sein von NH,-Gruppen. Über die Einwirkung solcher Gruppen
auf Acetessigester liegt in der chemischen Literatur bereits eine
Reihe von Angaben vor. Duisberg!) erhielt bei Behandlung von
Acetessigester mit wässerigem Ammoniak eine als Paraamidoacet-
essigester bezeichnete kristallinische Substanz, die durch Behand-
lung mit überschüssiger Salzsäure, aber auch durch verdünnte
Natronlauge bei mäßiger Wärme in Kohlensäure, Aceton und
Alkohol zerfiel.e. Nach Collie?) ist der Paraamidoacetessigester
entweder ß- Amidocrotonsäureester oder ß-Imidobuttersäureester.
Conrad und Epstein?), die den Gegenstand später wieder be-
arbeitet haben, sprechen sich für die erste Formel aus. Danach
würde also der Ester in der Enolform die besprochene Reaktion
eingehen. Nach den letztgenannten Autoren gelingt die Amidie-
rung des Acetessigesters am besten, wenn man Ammoniakgas in
den abgekühlten und mit etwa dem doppelten Volumen Äther
versetzten Ester einleitet. Sehr vorteilhaft ist dabei die Sus- |
pension von Ammoniumnitrat in der Mischung. Man läßt |
zwei Tage im verschlossenen Gefäß stehen. 3
Analoge Verbindungen entstehen nach Kuckert?) durch Ein-
leiten von Methylamin: |
') Liebigs Ann. d. Chem. u. Pharm. 213, 134.
?) Ebenda 226, 29.
*) Berichte d. deutsch. ehem. Ges. 20, 3052.
') Ebenda 18, 618.
Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw. 249
CH, CH,
| |
C—NHCH, G7=/NCH,
| oder |
CH CH,
| |
COOC,H, COOC,H,
Alle diese Versuche sind mit Acetessigester angestellt; es ist
aber unwahrscheinlich, daß sich acetessigsaure Salze in dieser Hin-
sicht prinzipiell anders verhalten sollten. Da die erwähnten Amino-
erotonsäuren unter Bedingungen sich bilden, ähnlich denen, die in
meinen Digestionsversuchen bestanden, so erscheint mir die Hypo-
these nicht unberechtigt, daß auch in meinen Versuchen inter-
mediär ähnliche Verbindungen entstehen, die dann leicht in Kohlen-
säure, Aceton und einen Rest zerfallen. Dies könnte nicht nur für
Ammonsalze und Aminosäuren Geltung haben, auch für die Eiweiß-
körper ist es ganz gut denkbar, daß sie analog der Bildung von
Aldehydeiweiß mit der Ketongruppe der Acetessigsäure durch Ver-
mittelung von Aminogruppen reagieren. Jedenfalls ist diese Auf-
fassung einer experimentellen Prüfung zugänglich, die demnächst
in Angriff genommen werden soll.
Die Frage nach der Übertragbarkeit der Vorgänge in über-
lebenden Organen auf die Lehre vom physiologischen Stoffwechsel
ist noch immer eine strittige. Glücklicherweise berechtigt uns der
Ausfall unserer Versuche, derselben aus dem Wege zu gehen. Es
hat sich unzweifelhaft gezeigt, daß es sich bei der Zerstörung der
acetessigsauren Salze durch Organextrakte, Serum usw. nicht um
vitale, fermentative Prozesse, sondern um einfache chemische Re-
aktionen handelt. Solche müssen ‚aber im lebenden Organismus
gerade so vor sich gehen wie in vitro, oder es müssen besondere
physiologische Einrichtungen getroffen sein, um den Prozeß anders
1 zu leiten. In beiden Fällen ist die Kenntnis dieser Reaktionen
Anker Bedingung für das Verständnis des Abbaues der
)
>
n.
2
r
i
Acetonkörper im tierischen Organismus.
Der rasche Zerfall zu Aceton und Kohlensäure, den acetessig-
saures Natrium unter Bedingungen erleidet, die denen im lebenden
Organismus analog sind, läßt es unwahrscheinlich erscheinen, daß
der physiologische Abbau der Acetessigsäure nicht über Aceton
3 geht. Dennoch ist diese Auffassung von Schwarz und Geelmuyden
für den nichtdiabetischen Organismus vertreten worden, um den
Widerspruch zu erklären, der zwischen der leichten Verbrennlich-
16*
250 Leo Pollak, Abspaltung von Aceton aus acetessigsauren Salzen usw.
keit der Acetessigsäure und der schweren Angreifbarkeit des
Acetons im Körper des normalen Tieres besteht. Auch in dieser
Frage hoffe ich durch Tierversuche, die bereits in Angriff ge-
nommen wurden, weiter zu kommen. Ferner soll der Einfluß
untersucht werden, welchen die bei diabetischer und anderer Aci-
dosis bestehende Anreicherung des Organismus an Ammonsalzen
auf das Tempo des Zerfalles der Acetessigsäure ausübt.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Privatdozent
Dr. E. P. Pick für liebenswürdige Unterstützung meinen besten
Dank abzustatten.
Wien, den 27. April 1907.
Kürzere Mitteilungen.
4. Über die Färbung des Harns bei Lysolvergiftung.
Von Dr. 0. Matter, Ober-Apotheker am Bürgerspital.
In Liebreichs Enzyklopädie der Therapie, Berlin 1898, finden
wir unter Lysol folgende Angaben: „Lysol wird erhalten durch Kochen
_ eines Gemenges von Teerölen — Fett und Harz mit einer entsprechenden
Menge Alkali ..... Der Urin ist (nach Lysolvergiftung) nicht dunkel
gefärbt wie nach Karbolsäure, enthält aber Eiweiß.“
| Da letztere Angabe leicht zu einer Schlußfolgerung auf die Natur
des genommenen Giftes führen könnte, will ich an der Hand eines
Falles nachweisen, daß das Kriterium „Der Urin ist nicht dunkel gefärbt
wie nach Karbolsäure“ nicht immer Gültigkeit haben kann.
Am 10. März 1907 hatte eine 19jährige Näherin aus einer Flasche
zu 100g ungefähr 30 g!) Lysol getrunken. Sie war gleich nach dem
- Lysolgenuß ohnmächtig hingefallen und von dem sofort herbeigerufenen
Arzte noch in diesem Zustande gefunden worden. Eine Magenaus-
-spülung förderte zahlreiche Speisereste und stark nach Lysol riechende
Flüssigkeit zutage; es wurde so lange gespült, bis das Spülwasser klar
wurde. Patientin wachte gleich darauf aus der Ohnmacht auf und
wurde nach dem Bürgerspital transportiert.
Status: Patientin vollständig bei Bewußtsein. Am Mundeingang
rechts einige Hautverbrennungen von Lysol. Am rechten Gaumenbogen
eine leicht blutende Stelle. Die Atemluft riecht nach Lysol. Sofort
nach der Einlieferung wurde eine Magenausspülung mit 5 Liter Wasser
gemacht. Das Spülwasser riecht noch und fördert zahlreiche Speise-
este zutage.
Der Urin ist zuerst dunkelgelb und dunkelt an der Luft stark
nach, so daß er fast tiefschwarz wird.
Da letzterer Befund nach Langgaard auf Karbolsäure- und nicht
auf Lysolvergiftung schließen ließ, erbat ich mir von dem dirigierenden
Arzt der Abteilung, Herrn Prof. Dr. Cahn, eine Probe der von der
Patientin genommenen Flüssigkeit. Die Untersuchung ergab, daß
| ‘) Wenn im folgenden von Lysol die Rede ist, so ist damit nicht aus-
schließlich das von der Firma Schülke & Mayr in den Handel gebrachte
Eräparat gemeint, sondern die Kresolseifenlösungen im allgemeinen, die ver-
schiedenen Kresolseifenmischungen „inkonstanter Zusammensetzung“ und die
aus Trikresol dargestellten Präparate.
352 O. Matter, Über die Färbung des Harns bei Lysolvergiftung.
zweifellos Kresolseifenlösung vorlag (bestehend aus etwa 50 Proz.
Kresolen und etwa 50 Proz. Schmierseife).
Der mir ebenfalls von Herrn Prof. Dr. Cahn freundlichst über-
lassene Harn war fast schwarz mit einem Stich ins Graugrüne. Mit
Bromwasser entstand eine deutliche Fällung.
Die Dunkelfärbung des Harns nach Einnahme von Phenol = auf
eine Oxydation desselben im Tierkörper zu Hydrochinon zurückzuführen.
Da es nicht gelang, nach der Methode von Baumann und Preusse
Hydrochinon durch Ausschütteln mit Äther zu isolieren, war die An-
nahme, daß die Patientin Phenol eingenommen hatte, auszuschließen.
Die Schwarzfärbung des Harns war somit dem Lysol zuzuschreiben
und es lag die Wahrscheinlichkeit nahe, daß im Lysol Körper vor-
handen sind, die ebenso wie das Phenol ihre Schwarzfärbung des Harns
bewirken.
Aus Schmiedebergs Angaben (Arch. f. exp. Path. u. Pharmakol. 8,
11) geht hervor, daß die Dunkelfärbung des Harns auch nach Eingabe
anderer aromatischer Substanzen erfolgt, z. B. Brenzeatechin und Anilin.
Das Lysol ist nun eine unter Anwendung von Wärme bewirkte
Auflösung von 1 Teil Steinkohlenteerkresol vom Siedepunkt 182 bis
210° in 1 Teil neutraler Leinölkaliseife.
Ist zur Lysoldarstellung ein Kresolgemisch vom Siedepunkt 182
bis 210° verwandt worden, so ist, da der Siedepunkt des Phenols bei
182° liegt, gar nicht ausgeschlossen, daß von vornherein Phenol in
diesem Kresolgemisch enthalten ist und somit auch in das Lysol übergeht.
Angenommen jedoch, daß nur reines Trikresol, wie es unter anderem
von Schering dargestellt wird, mit etwa 35 Proz. Ortho-, etwa 40 Proz.
Meta- und etwa 25 Proz. Parakresol zur Kresolseifenlösung verwendet
worden ist, so ist auch hier eine Dunkelfärbung des Harns zu er-
warten. Denn nach Baumann (Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, 81) geht
Parakresol im Tierkörper in Paraoxybenzo&säure, Orthokresol in Hydro-
toluchinon über, während Metakresol unverändert als Ätherschwefel-
säure ausgeschieden wird. Das im Trikresol befindliche Orthokresol
bzw. sein Umwandlungsprodukt, das Hydrotoluchinon, bewirkt auch hier
eine Schwarzfärbung des Harns.
Letztere würde nur ausbleiben, wenn ein Lysol vorliegt, das frei
von Orthokresol ist, eine Bildung von Hydrotoluchinon somit aus-
geschlossen ist. Es ist nun festgestellt worden, daß im Handel Kresol-
seifenlösungen vorkommen, die orthokresolfrei sind. Eine Schwarz-
färbung des Harns ist bei diesen also nicht zu erwarten.
Bei den anderen I,ysolen, die entweder aus reinem Trikresol oder
aus Steinkohlenteerkresol dargestellt sind, wird ebenso eine Schwarz-
färbung eintreten wie nach Karbol.
Ein Schluß, ob Karbol- oder Lysolvergiftung vorliegt, läßt sich
somit aus der Dunkelfärbung des Harns nicht ziehen.
Straßburg, 3. Juni 1907.
Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien:
Verlauf der Magenverdauung
im pathologischen Zustande
von Prof. Dr. Georges Hayem.
Deutsch von San.-Rat Dr. Lewin.
80. Mit 41 Textfiguren. 1907. Preis 4 M.
Elementaranalysen
Best. v. N, S, Halogen in org. Subst.
Chem. Lab. v. Dr. HA. Weil, München,
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Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig.
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der Mediziner
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Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg.
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Die chemische Organisation der Zelle.
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von Franz Hofmeister,
Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg.
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Anleitung zur Ausmittelung der Gifte
und zur Erkennung der Blutflecken bei gerichtlich -chemischen
Untersuchungen.
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Vollständig liegt nunmehr vor:
Handbuch
fopographischen Anatomie.
Zum Gebrauch für Ärzte
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Dr. Fr. Merkel,
Professor der Anatomie in Göttingen.
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l. Band geheiftet M. 28.—, gebunden M. 30.75.
E7% 28 HN AR x M. 30.75.
v HL. . M. 36.50, u M. 39.—.
NY REED Re az — EEELELETELIE SELLER EDS
SSSESELCEESESCETEISSCIEECTETESCTSCTEEEEEEEEETEETLLCTESEEESCSCESSEETE
Der Reichs-Medizinal-Anzeiger sagt in seiner Besprechung:
a; Jedenfalls, ich betone es gern nochmals, ist ‚dieser
Merkel ein klassisches Buch, dessen Anschaffung allen Kollegen
auf das wärmste empfohlen werden kann. Die Anatomie ist der
Seseosesssesesesies
Grund und Eckpfeiler unseres ärztlichen Wissens und Handelns; 4
Hier wird sie klar und fesselnd und von der Höhe einer umfassen- y
den Literaturkenntnis geboten, und selbst der Spezialist, der W
N Augen- und Öhrenspezialist wird hier die subtilsten Verhältnisse V
Y erschöpfend behandelt finden. 4
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% Ausführlicher, illustrierter Prospekt kostenlos. hr
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WEB” Diesem Hefte ist beigegeben: Ein Prospekt der Verlagsbuchhandlung
von Friedr, Vieweg & Sohn in Braunschweig, betr. Verzeichnis chemischer
Werke,
SEP >= ‚097
5.245
Beiträge
_ Chemischen Physiologie
b; | und |
Be.
=
Pathologie
Zeitschrift für die gesamte Biochemie
unter
Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben
von
Franz Hofmeister
0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg
Be X. Band 7. und 8. Heft
(Ausgegeben August 1907)
N
Braunschweig
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn
EIU%
Inhalt des 7. und 8. Heftes.
Seite
XII. Eduard Spiegler. Über das Haarpigment nebst Versuchen über
das Chorioidealpigment. Zweite Mitteilung. (Aus dem Spiegler-
schen Laboratorium ın Wien) - , 4 nt er 253
XII. Gustav Embden, Hugo Lüthje und Emil Liefmann. Über den
Einfluß der Außentemperatur auf den Blutzuckergehalt. (Aus
dem chemisch-physiologischen Institut und der medizinischen
Klinik der städtischen Krankenanstalten zu Frankfurt a. M.). . 265
XIV. Siegfried Oppenheimer. Über die Ausscheidung von Alanin
durch den Harn. /Aus dem chemisch -physiologischen Institut
(Vorstand: Privatdozent Dr. Embden) und der medizinischen
Klinik (Direktor: Prof. Dr. Lüthje) des städtischen Kranken-
hauses au Frankfut.a..M.Je: „sn wor a a Bee 273
XV. Karl Spiro. Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel. (Aus dem
chemisch-physiologischen Institut zu Strahburg.). » «2... 277
XVI. Emil Zak. Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fer-
mentes von Bacillus pyocyaneus. /Aus dem staatlich serotherapeut.
Institut (Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf) und dem pathologisch-
chemischen Laboratorium der k.k. Krankenanstalt Rudolfstiftung
Vorstand: Dr. BE Freumä).] Sun. en ee 237
XVII Wilhelm Filehne. Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau.) . 299
XVIII. Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm. Untersuchungen
über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. Dritte Mit-
teilung. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der
Universität 2%- Tail) 4. a ee a 312
XIX. Ivar Bang. Untersuchungen über das Verhalten der Leber-
diastase bei Pankreasdiabetes. (Aus dem physiologisch-chemischen
Laboratorium der Universität zu Lund.) . . » : 2 222 20. 320
XX, Wilhelm Pfeiffer. Versuche über Harnsäuresynthese beim
Menschen und Säugetier. /Aus dem physiologisch-chemischen
Institut zu Strabburg und dem Laboratorium der medizinischen
Klinik zu Kiel (Direktor: Prof. Quincke)] ; » - na ms 324
Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei-
nen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von etwa 30 Druck-
bogen zum Preise von M. 15,— bilden.
Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden
Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre
erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten.
Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg i. E.,
Wimpfelingstraße 2, zu richten.
Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster
Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung,
Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maß-
gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer
tatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme
finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer
Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson-
ders rasches Erscheinen zugesichert werden.
Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck-
bogen und 50 Sonderabzüge.
92: ze) 97
X1l.
Über das Haarpigment nebst Versuchen über das
/horioidealpigment.
Von Eduard Spiegler.
Zweite Mitteilung!).
Aus dem Spieglerschen Laboratorium in Wien.
Die Schwierigkeit dieser Untersuchungen einerseits, die tech-
nische Umständlichkeit andererseits, das Ausgangsmaterial in den
notwendigen Mengen zu beschaffen, sind die Ursachen, daß über
die angekündigte Fortsetzung dieser Untersuchungen erst heute
wieder berichtet werden kann.
Indem ich hinsichtlich der Details der in der ersten Arbeit
mitgeteilten Tatsachen auf diese selbst verweise, will ich hier nur
die wesentlichsten Resultate der ersten Mitteilung kurz in Er-
innerung rufen:
Das Pigment aus Roßhaaren oder Schafwolle kann durch ge-
eignete Methoden in größeren Mengen dargestellt werden. Das
so dargestellte Pigment ist eine Farbsäure. Die Haare
der Schimmel und der weißen Schafe enthalten ein weiß-
liches Pigment und ihre Farbe beruht daher nicht, wie
man bisher angenommen hatte, auf Pigmentmangel. Das
schwarze und das weißliche Pigment stehen einander in ihrer
Zusammensetzung außerordentlich nahe, und das weiße läßt sich
leicht in einen schwarzen Körper umwandeln. Sowohl das Pigment
aus schwarzen Roßhaaren als auch das aus Schimmelhaaren gibt
bei der Oxydation mit Chromsäure einen identischen Körper, näm-
lich Methyldibutylessigsäure.. Aber nicht nur dieses Verhalten
spricht für die nahe Verwandtschaft dieser beiden Pigmente,
!) Erste Mitteilung: Diese Beiträge 4, 40 (1904).
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 16*
254 Eduard Spiegler,
sondern, wie ich gezeigt habe, auch ihre sehr ähnliche Zusammen-
setzung. Aber auch eine kurze Überlegung macht es verständlich,
daß das weiße Schimmelhaar nicht pigmentlos sein kann. Wir
kennen pigmentlose Haare, nämlich die der Albinos. Diese sind
aber keineswegs weiß, sondern sie haben angesichts des mangelnden
Pigmentes die Farbe des Hornrohstoffes, aus dem das Haar besteht,
modifiziert durch die besonderen morphologischen Verhältnisse.
Waldeyer!) nimmt zwar nicht völligen Pigmentmangel an,
„da man meistens einen geringen gelblichen Schimmer des Haares,
namentlich, wenn eine Partie Haare zusammenliegt, bemerkt“.
Dies wäre indes, wie bemerkt, auch durch den pigmentlosen
Hornstoff des Haares erklärlich. Immerhin bedürfte diese Frage
noch einer exakteren Untersuchung. Man müßte nämlich unter-
suchen, ob auch aus albinotischem Haare sich die gleichen Oxyda-
tionsprodukte darstellen lassen wie aus gefärbten. Auf demselben
Wege wäre endlich die Frage zu entscheiden, ob die weiße Farbe
des Greisenhaares nicht, wie man bisher annahm, dem Pigment-
schwund und Luftgehalt, sondern vielmehr der Umwandlung des
dunkleren Pigmentes in helles zuzuschreiben ist.
Während die Lösung der Frage über den etwaigen geringen
Pigmentgehalt der Haare von Albinos an der Schwierigkeit, sich
genügende Mengen dieses Materials zu verschaffen, scheitern dürfte,
beabsichtige ich, der Frage über die Ursache der weißen Farbe
des Greisenhaares noch näher zu treten. |
Was nun die Methyldibutylessigsäure selbst betrifft, so ist
diese eine Penta-Methylpentankarbonsäure und entspricht dem
Kohlenwasserstoffe Duodekylen, welcher acht Methylgruppen enthält.
Es liegt nun allerdings noch die Frage vor, ob und inwie-
weit die melanotischen Pigmente aus Tumoren wit dem Pigment
der Haare in Beziehung stehen. Die bisher vorliegenden Arbeiten
über melanotisches Pigment haben hierüber keinen Aufschluß ge-
bracht, weil sich dieselben nach anderer Richtung bewegt haben.
Erst Hans Wolff?) ist dieser Frage näher getreten, indem er das
Pigment aus melanotischen Lebern der oxydativen Spaltung mit
3rom und Bromwasserstoffsäure unterzog. Der Körper, den Wolff
erhielt, steht dem meinigen sehr nahe. Wolff faßt ihn als Xyliton
auf, dem eine der folgenden Formeln zukommt: »
') Waldeyer, Atlas der menschlichen und tierischen Haare. |
®) Hans Wolff, Zur Kenntnis der melanotischen Pigmente. Diese
Beiträge 5, 476.
3
ZZ 39 Ya GE u
Über das Haarpigment. 255
CH————-C(CH;)
CH,.cf >CH,
NO[: C(CH,),]. CO
RR . C(CH;)s
oder et >G5OCH,
CH,.00
Bekanntlich entsteht Xyliton bei der Einwirkung von Säuren
oder Alkalien auf Aceton neben Mesityloxyd (CH3,),.0:CH.CO.CH,
und Phoron (CH,),.C:CH.CO.CH:C(CH;).. Vergleicht man
mit diesen Formeln die des Kohlenwasserstoffs, welcher der von
mir gefundenen Methyldibutylessigsäure zugrunde liegt, dem die
Formel
(Cm 0>C = (CM)
zukomnit, so fällt, wie auch Wolff hervorhebt, der große Reichtum
an Methylgruppen in diesen beiden Körpern auf. Dieser Umstand
deutet mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Abstammung aus
einem gemeinsamen Kern hin. Da aber unsere Methodik eine ganz
verschiedene war, so liegt wohl die Möglichkeit vor, daß die Spal-
tung des Kernes nach einer anderen Richtung hin erfolgt ist und
trotzdem einander sehr nahe stehende Körper aus derselben Grund-
substanz entstanden sind. Die Entscheidung hierüber wird aber
dann erst möglich sein, wenn man auch aus anderen Melaninen
ebensolche an Methylgruppen reiche Verbindungen erhalten haben
wird. Ich habe daher versucht, das Haarpigment analog, wie dies
Wolff getan hat, mit Brom und Bromwasserstoffsäure zu zersetzen.
Versuch der Darstellung von Xyliton aus Haarpigment.
Schwarzes Haarpigment wurde aus Roßhaaren in der Weise dargestellt,
dab diese durch neun Stunden mit rauchender Salzsäure gekocht wurden.
Dasselbe wurde zuerst durch Dekantieren, schließlich durch Zentrifugieren
säurefrei gewaschen und noch wiederholt mit absolutem Alkohol und Äther
ausgekocht. Von diesem so gereinigten Pigment wurden je 2g in 20 Röhren
mit je 2g konzentrierter Bromwasserstoffsäure und je Y,g reinen Broms ein-
geschlossen und durch zwei Stunden auf 120° erhitzt. Der Röhreninhalt wird
mit Wasser verdünnt, abfiltriert, der Niederschlag (anscheinend unverändertes
Pigment) mit Äther ausgewaschen, das Filtrat hingegen mit Äther ausge-
schüttelt. Der Äther wird abgedunstet. Der Rückstand ist eine braun ge-
färbte sirupöse Masse. Diese wird mit Wasserdampf destilliert, wobei eine
weiße kristallinische Substanz in Blättehen übergeht. Es wird so lange weiter
- destilliert, als noch etwas übergeht. Dies währt etwa drei Tage. Die De-
stillate werden in Äther aufgenommen, von diesem abgedunstet. Es hinter-
bleibt ein mit Kristallen gemengter Sirup. Seine Menge ist aber so gering,
daß er nicht weiter untersucht werden kann.
256 Eduard Spiegler,
Aus diesem Versuche geht hervor, daß die Reaktion, welche
Wolff zum Xyliton führte, bei gleicher Behandlung des Haar-
pigmentes mit Brom und Bromwasserstoffsäure nicht eintritt. Es
geht hieraus ferner hervor, daß das Pigment aus der melanotischen
Leber von dem Haarpigment verschieden sein muß. Ich habe
nun das mit Brom und Bromwasserstoffsäure behandelte Pigment,
nachdem es sorgfältig gewaschen worden war, der Elementaranalyse
unterworfen. Dieselbe ergab folgende Zahlen:
Aschebestimmung.
0,1175 g hinterließen nach dem Glühen 0,007 & Asche entsprechend einem
Aschengehalt von 5,1 Proz.
C- und H-Bestimmung.
0,2048 Substanz ergaben 0,414& CO, und 0,566 & H,O. Auf aschefreie
Substanz gerechnet entspricht dies 58,06 Proz. C und 5,23 Proz. H.
N-Bestimmung.
0,1752 g Substanz ergaben 12,93 cem N bei 25,9° C und 755 mm Barometer-
stand entsprechend 8,14 Proz. N, auf aschefreie Substanz gerechnet 8,57 Proz.N.
Die Analyse entspricht der Formel (C,H,O,N)n.
Berechnet für (C,H,O,N)n Gefunden
Ü ar . 58,89 Proz. 58,06 Proz.
H 3,00 „ 3,23 )
N 8,58" BBLLTE
) 29,4 „ A
Von den in Betracht kommenden Körpern, welche dieser Zu-
sammensetzung entsprechen, könnte es sich nur um die Isatosäure
handeln, doch fiel die Reaktion mit thiophenhaltigem Benzol und
konzentrierter Schwefelsäure negativ aus. Ob hier eventuell Poly-
merisation stattgefunden hat, vermag ich indes nicht zu entscheiden;
jedenfalls gelangt man auf diese Weise zu einem Körper von wahr-
scheinlich relativ einfacher Zusammensetzung, doch ist die Substanz
leider einer Molekulargewichtsbestimmung nicht zugänglich.
In gleicher Absicht versuchte ich eine Oxydation mit Chrom-
säure, diesmal in der Kälte:
40 & schwarzes Schafwollpigment werden mit Äther im Soxhletapparat bis
zur Erschöpfung extrahiert. Der Äther färbt sich dabei tief braun, und es läßt
sich aus der Lösung ein anscheinend amorpher, dunkelbrauner Körper fällen,
der nicht weiter untersucht wurde. Das mit Ather extrahierte Pigment wurde
unter stetem Wechsel mit Alkohol ausgekocht. Das so gereinigte Pigment
wurde nun mit Öhromsäure in einer Kältemischung oxydiert (100 g Bichromat,
220 & konzentrierte H,SO,, 440g H,O). Die Oxydation geht unter CO,-Ent-
wiekelung vor sich. Um sie, wenn sie lebhafter wird, zu hemmen, werden
kleine Eisstückchen eingetragen. Man überläßt nun das Gemenge im Eis-
Über das Haarpigment. 257
schrank durch 24 Stunden sich selbst. Vom Oxydationsprodukt wird ab-
Ailtriert, der Niederschlag von der Chromsäure mit Wasser ausgewaschen,
_ das Filtrat mit Äther ausgeschüttelt. Der Äther reagiert sauer. Auch das
Filtrat wird abdestilliert. Es reagiert gleichfalls sauer:
Der Äther wurde, nachdem die Hauptmasse abdestilliert worden war;
langsam abdunsten gelassen. Es kristallisierte dabei eine Substanz aus,
jedoch in so geringen Mengen, dab sie nicht weiter untersucht werden konnte.
Dasselbe gilt von einem geringen Niederschlage, der beim Versetzen des
Äthers mit Wasser entstand.
Das Filtrat wurde mit Barytwasser neutralisiert und eingedampft. In
schönen Nadeln kristallisierte ein Baryumsalz aus; es gab mit Fe,Cl, eine
positive Essigsäurereaktion.
L
F
| :
Analyse des Baryumsalzes: Kristallwasser bei 110° getrocknet
17,1 Proz.; 0,1814 der trockenen Substanz ergaben 0,160 Baryumsulfat, ent-
sprechend 51,96 Proz. Baryum.
Berechnet für essigsaures Baryum 53,79 Proz., gefunden 51,96 Proz.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß das essigsaure Baryum
noch eine geringe Menge propion- oder buttersaures Baryum bei-
_ gemengt enthielt. Die Entstehung eines solchen ist übrigens voll-
kommen verständlich, wenn wir uns erinnern, daß, wie ich in der
ersten Mitteilung gezeigt habe, bei der Oxydation des Pigmentes
- mit Chromsäure eine Methyldibutylessigsäure gefunden wird. Auf-
- fallend ist es nur, daß der Abbau bei der Oxydation hier in der
- Kälte noch weiter vor sich ging, als vordem in der Wärme.
Zu einem mit diesem übereinstimmenden Resultate gelangte
ich übrigens noch auf einem anderen Wege.
Das mit Äther ausgeschüttelte Filtrat des Oxydationsproduktes wird mit
Wasser verdünnt und der Destillation unterworfen. Das Destillat reagiert
_ stark sauer. Der abdestillierten Flüssigkeit entsprechend wird immer wieder
Wasser zugefügt und die Destillation so lange fortgeführt, bis das Destillat
eben noch schwach sauer reagiert. Das Destillat wird mit Barytwasser
meutralisiert, durch Einleiten von CO, in der Wärme vom überschüssigen
Baryt befreit, abfiltriert, eingeengt und nochmals filtriert. Beim Eindampfen
bleibt in schönen Kristallen ein Baryumsalz zurück. Die Analyse desselben
ergibt folgende Werte:
0,1193 g Substanz geben 0,0975 Ba SO, = 0,0702 Ba = 51,46 Proz. Ba.
Da das durch Ausschütteln des Oxydationsproduktes mit Äther
gewonnene Baryumsalz 51,96 Proz. Baryum enthielt, sind die beiden
Baryumverbindun gen offenbar identisch, und die Differenz von 0,5 Proz.
wohl auf den bei den verschiedenen Darstellungsarten innerhalb
engster Grenzen wechselnden Gehalt an kohlenstoffreicheren Fett-
säuren zurückzuführen.
Der Rückstand der Destillation wurde mit Natronlauge alkalisch
gemacht, vom hierbei abgeschiedenen Chromhydroxyd abfiltriert.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 17
258 Eduard Spiegler,
Beim Alkalischmachen fand eine lebhafte Ammoniakentwickelung
statt. Der bei der Oxydätion zurückbleibende Anteil a Pigmentes
wurde folgendermaßen weiter untersucht:
Die Substanz wurde zunächst mit Alkohol, Aceton und Äther erschöpft,
hierauf in wenig Soda gelöst. Der unlösliche Rückstand erwies sich als
Kieselsäure. Die Sodalösung ließ sich mit Tierkohle nicht entfärben. Die
Lösung wurde mit Salzsäure gefällt, die Fällung in Soda gelöst und dies
einige Male wiederholt, die Fällung schließlich mit heißem Wasser chlorfrei
gewaschen. Dieses Abbauprodukt ist ein schwarzes Pulver, das bei der
Elementaranalyse folgende Zahlen lieferte:
0,1646 & Substanz ergaben 0,3383 & CO, und 0,1159 g H,O, entsprechend
0,0923 & C und 0,0129 & H.
0,1458 & Substanz lieferten 11,534ccm N, Temperatur 18,5°, Barometer-
stand 763,5 mm, entsprechend 0,0133 g N.
Berechnet für C,H,,N,0, Gefunden
A 56,10 Proz. 56,04 Proz.
5 Bl ar er 1,60: % a: er
FERNE AR UHER 8:94 9,08% 5
EN 27,10 „ 27,06 „
Trotz der Verschiedenheit der Formeln zwischen dem mit
Brom-Bromwasserstoff behandelten Pigment und dem mit Chrom-
säure oxydierten, möchte ich auf die sehr nahestehende prozentuale
Zusammensetzung hinweisen, die sich im wesentlichen lediglich
durch den höheren Wasserstoffgehalt des letzteren Körpers unter-
scheidet.
Ich versuchte nun durch Kalischmelze des Pigmentes zu einem
Abbau desselben zu gelangen.
Zu diesem Zwecke werden 300 g Kali mit 40 & Pigment unter Zusatz
von etwas Wasser in einer Kupferretorte zusammengeschmolzen und der
Destillation unterworfen. Das Destillat wird mit Wasserdampf destilliert.
Hierbei gehen weiße kristallisierte Blättehen über, deren Menge so gering
ist, dab eine weitere Untersuchung nicht möglich ist. Ich erwähne diesen
Umstand aus dem Grunde, weil hier doch wieder ein kristallisiertes Abbau-
produkt des Pigmentes vorliegt und daher dieser Umstand für spätere Beob-
achtungen von Wichtigkeit sein könnte.
Da das starke Schäumen der Kalischmelze die weitere Destillation
außerordentlich erschwert, wird die Destillation unterbrochen und die
Schmelze mit Äther ausgeschüttelt, ebenso das Produkt der früher erwähnten
Wasserdampfdestillation mit den beiden Ätherextrakten vereinigt. Aus dem
Äther bleibt nach dem Abdunsten eine kleine Menge eines dunkeln Sirups
zurück, der intensiv nach Skatol riecht. Die nach dem Ausschütteln mit
Äther zurückbleibende wässerige Lösung der Kalischmelze wird mit Schwefel- -
säure bis zur eben noch alkalischen Reaktion versetzt und schließlich mit
etwas Eissigsäure sauer gemacht. Es fällt ein reichlicher, dunkler Niederschlag
aus, von dem abfiltriert wird. Das Filtrat selbst ‘wird wiederholt mit Äther
ausgeschüttelt, doch bleibt nur ein wenig eines intensiv nach Skatol riechenden
Über das Haarpigment. 259
Sirups zurück. Die ausgeschüttelte wässerige Lösung enthält nur noch an-
organische Substanzen.
Der Niederschlag selbst wird in verdünnter Kalilauge gelöst. Es bleibt
eine graulich weiße Masse zurück, die der Hauptsache nach aus Kieselsäure
besteht. Zur vollständigen Reinigung wird wiederholt in schwacher Kali-
lauge gelöst und mit H,SO, gefällt, schließlich auf dem Filter mit Alkohol
gewaschen, wobei es sich zeigt, daß die Substanz sich teilweise in Alkohol
löst, der eine schwarzbraune Farbe annimmt.
Die Substanz wird der Elementaranalyse unterzogen, die folgende Werte
_ liefert: 0,2048 g Substanz ergaben 0,4140 g CO, und 0,0566 g H,O, entsprechend
0,0063& H und 0,113 gC.
0,1752 g Substanzergaben bei 25,9° und 755mm Barometerstand 12,93 cem N.
Berechnet für C,,H,N3; 0,1 Gefunden
a ..,..,.8951% Proz 55,17 Proz.
| 2 2,99 3.07. .
en: ,0-., RR Bit.
en 2. 33,07 „ 33,62 „
- Wir sehen hier, daß wir durch diese verschiedenartigen Ein-
mischen Zusammensetzung kommen, ohne daß es jedoch gelingt,
ein tieferes molekulares Abbauprodukt zu fassen. Sehr auffällig
ist bei dieser Substanz der ungemein geringe Gehalt an Wasserstoff.
Ich ging daher daran, eine Oxydation des Pigmentes mit Wasser-
stoffsuperoxyd zu machen, wobei ich von der Voraussetzung ausging,
daß das Pigment in Substanz von diesem in ähnlicher Weise an-
gegriffen würde wie das Pigment im schwarzen Haare, welches
durch Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd bekanntlich intensiv
| wirkungen zu Körpern von einer gewissen Konstanz in ihrer che-
3
|
| gebleicht oder in Lichtgelb umgewandelt wird.
50 durch Säurehydrolyse dargestelltes Pigment aus schwarzer Schaf-
wolle werden mit Alkohol und Äther gut gewaschen und dann mit 200g
- Perhydrol Merk dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt. Nach einer Stunde
tritt lebhafte Reaktion unter starker Wärmeentwickelung ein. Nach 48 Stunden
wird abfiltriert. Das Filtrat ist stark dunkel gefärbt. Nimmt man etwas von
dem zurückgebliebenen Niederschlag, löst ihn in etwas mit Kali alkalisch
_ gemachtem Wasser auf und setzt Wasserstoffsuperoxyd zu, so tritt langsam
"Entfärbung ein, nicht aber ohne Zusatz von Kali. Das Filtrat wurde auf
dem Wasserbade abgedampft; als die Lösung schon ganz eingeengt war,
explodierte der Rückstand plötzlich unter Zurücklassung von etwas
Kohle. Der Versuch wird wiederholt, das Reaktionsgemenge aber nicht dem
'Sonnenlichte ausgesetzt. Die Reaktion geht aber sehr langsam vor sich.
Auch die allerdings trübe Novembersonne, der das Gemenge nun ausgesetzt
wird, hat auf die Beschleunigung derselben keinen nennenswerten Einfluß,
so dab selbst nach Monaten ein deutlicher Fortschritt kaum sichtbar wird.
Ich habe daher das Gemenge mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert
und einen Kristall Eisenvitriol zugesetzt. Nun ging die Reaktion auf ein-
hi mal stürmisch unter großer Wärmeentwickelung vor sich. Nachdem die-
14°
260 Eduard Spiegler,
selbe abgelaufen war, wurde vom Pigment abfiltriert. Ein Teil des Filtrats
wird der Destillation unterworfen, wobei es sich dunkel färbt. Das Destillat
selbst gibt Acetonreaktion nach Legal. Die Hauptmasse des Filtrats
wird mit Barytwasser, zum Schluß mit kohlensaurem Baryt neutralisiert.
Hierbei entwickelt sich sehr reichlich Ammoniak. Zur Ausfällung des
überschüssigen Baryums wird Kohlensäure in der Wärme eingeleitet, das
Filtrat eingedampft. Aus der eingedampften Lösung dieses Salzes fällt auf
Alkoholzusatz ein Sirup aus. Von diesem wird abgegossen, die abgegossene
Mutterlauge weiter eingedampft. Der Sirup selbst, welcher teilweise kristalli-
siert, wird mit etwas Wasser aufgenommen, abfiltriert und zur Kristallisation
im Vakuumexsiccator stehen gelassen. Die eingedampfte Mutterlauge riecht,
obwohl mit überschüssigem Baryt behandelt, intensiv nach Essigsäure. Die
stark sauer reagierende Mutterlauge zeigt auch im Vakuum keine Neigung
zur Kristallisation. Sie wird mit BaCO, abgesättigt, auf dem Wasserbade
erwärmt und filtriert. Das Filtrat wird mit absolutem Alkohol versetzt,
wobei eine erstarrende Masse ausfällt, während aus dem abgegossenen Alkohol
selbst lange Kristalle ausfallen, welche aber wegen ihrer geringen Menge
nicht weiter untersucht werden können. Die erstarrte Masse wird in wenig
heißem Wasser gelöst, der ungelöste Rückstand ist anorganisch, das Filtrat
hingegen mit absolutem Alkohol gefällt. Es ist stickstoffhaltig. Die Elementar-
analyse konnte wegen der geringen Menge Substanz nicht ausgeführt werden,
immerhin glaube ich jedoch, dieses Verhalten mit Rücksicht auf die künftigen
Untersuchungen erwähnen zu sollen.
Das Chorioidealpigment').
Das Chorioidealpigment wurde dargestellt durch Auspinseln
der Chorioidea aus Schweinsaugen. Über die chemische Natur
des Chorioidealpigmentes liegen bisher nur spärliche Angaben vor.
N. Sieber?) fand es schwefel- und eisenfrei. Sie fand in Chorio-
idealpigment von Rindsaugen 60,34 bis 59,9 Proz. C, 5,02 bis
4,61 Proz. H, 10,81 Proz. N und: 2,15 Proz. Asche. Ähnlich war die
Zusammensetzung des Pigmentes von Schweinsaugen. Es ist ein
schwarzes, amorphes Pulver, unlöslich in den gewöhnlichen Lösungs-
mitteln, sehr wenig löslich in Alkalien und konzentrierten Mineral-
säuren.
Eugen Hirschfeld ®) kam zu gleichen Resultaten und bemerkt
noch, daß konzentrierte H,SO, und HNO, es mit dunkelroter Farbe
aufnehmen. Chlor und Natriumamalgam bleichen den Farbstoff,
') Ich verdanke 5 g dieses Körpers, von Herrn Dr. Landolt dargestellt,
der besonderen Freundlichkeit des Herrn Prof. Hofmeister in Straßburg,
wofür ich ihm an dieser Stelle meinen besonderen Dank sage.
®) N. Sieber, Über das Pigment der Chorioidea und der Haare, Arch.
f. exper. Path. u. Pharm. 20, 362.
») Eugen Hirschfeld, Untersuchungen über die schwarzen Farbstoffe
der Chorioidea und verwandter Pigmente, Zeitschr. f. physiol. Chem. 13, 407.
Über das Haarpigment. 261
H,O, fällt ihn aus alkalischer Lösung in braunen Flocken. Bei der
Kalischmelze wurden neben Ammoniak und’ Aminbasen Oxalsäure
und höhere Fettsäuren erhalten. 30 Proz. eines Farbstoffs wurden
zurückgewonnen, der bei der Analyse 65,94 Proz. C, 3,84 bis
4,30 Proz. H, aber kein N ergab, was indes von Landolt!) nicht
bestätigt werden konnte.
K. May?) arbeitete mit Irispigment von Hühnern, das vorher
der Pankreasverdauung unterworfen war. Er fand es gegen che-
mische Agentien sehr resistent. In verdünnten Alkalien war es sehr
leicht löslich, wenn es vorher mit verdünnter HNO, behandelt oder
dem Sonnenlicht ausgesetzt war.
Die mir zur Verfügung stehende Menge Chorioidealpigment
betrug 5 g, eine Menge, die aus vielen Hunderten Schweinsaugen
mühselig dargestellt worden war. Es stellt ein tief schwarzbraunes
Pulver dar, das sich in Alkalien leicht löst, durch Zusatz von H,O,
nicht entfärbt wird, auch nicht bei Zusatz von Eisensulfat. Um solche
Mengen darzustellen, wie sie zum chemischen Abbau notwendig
wären, bedürfte es indes der Verarbeitung vieler Tausender Augen.
3g Chorioidealpigment werden in 150g Jodwasserstoffsäure von spez.
Gew. 2,00 eingetragen, nach und nach 30 & Jodphosphonium beigefügt, hier-
_ auf in der Schale auf dem Wasserbade etwa °/, Stunden lang erwärmt. Man
- verdünnt mit destilliertem Wasser und setzt etwas weniger als die berechnete
Menge Lauge zu, da ja ein Teil der Säure sich verflüchtigt hat, und destilliert
bei noch schwach saurer Reaktion ab. Es waren hierzu 42« Ätznatron
erforderlich. Das Destillat gab mit Sublimat, mit Pikrinsäure, mit Sublimat
und Soda keine Fällung. Ebenso war die Pyrrolreaktion negativ.
Aus diesem Versuche folgt, daß auch die Abstammung des
_ Chorioidealpigmentes aus dem Blutfarbstoff ausge-
Fe
|
schlossen ist. Dieser Befund ist um so wichtiger, als speziell
für dieses Pigment von manchen Autoren an der hämatogenen Bil-
dung festgehalten worden ist.
Wie wir aus diesen Versuchen ersehen, ist eine vollkommen
exakte Lösung des chemischen Aufbaues des Pigmentes bis nun
nicht zu gewinnen. Positiv geht aus denselben nur das eine mit
absoluter Sicherheit hervor, daß ein Zusammenhang mit dem Blut-
farbstoff sicher nicht existiert. Dies gilt für das Haarpigment,
ebenso bestimmt wie für das Augenpigment, für welches manche
!) Landolt, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 192.
°) K. May, Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Uni-
wersität Heidelberg 2, 324, refer. im Zentralblatt f. d. mediz. Wissenschaft
17, 478 durch Salkowski.
262 Eduard Spiegler,
Forscher (aus Gründen, die sich nicht auf chemische Untersuchun-
gen, sondern auf entwickelungsgeschichtliche Schlüsse stützten) den
hämatogenen Ursprung annahmen. Hingegen ermöglichen diese
Versuche mancherlei Ausblicke über den mutmaßlichen Ursprung
des Haarpigmentes.
Zunächst ist die Tatsache bedeutsam, daß man bei der Kali-
schmelze des Pigmentes immer wieder auf geringe Mengen Skatol
stößt. Obwohl es mir nun nicht gelungen ist, dasselbe direkt nach-
zuweisen, muß ich die Anwesenheit der skatolhaltigen Gruppe um
so sicherer annehmen, weil der Geruch des Skatols so unleidlich
empfunden wurde, daß ich genötigt war, die Kalischmelze immer
unter dem Abzugherde auszuführen. Da nun das Skatol aus der
Tryptophangruppe stammt, muß man annehmen, daß diese so ver-
ändert ist, daß das Skatol in für die Reaktion genügenden Mengen
nicht abspaltbar ist. Von der Tryptophangruppe wissen wir, daß sie
eine eminent farbstoffbildende Gruppe ist, weil sie das Indolalanin,
also das Ringsystem des Indols, enthält, aus dem sich im Organismus
bekanntlich ja auch Indigo bildet.
Für die leichte Aufspaltbarkeit des Indolringes spricht vielleicht
auch der Umstand, daß es auch Wolff (l. c.) bei der Kalischmelze
von Pigment aus melanotischen Tumoren nicht gelang, Skatol zu
finden, sondern daß er nach dem Ansäuern lediglich einen intensiven
Blausäuregeruch wahrnahm.
Auf einen solchen Zusammenhang hat übrigens schon vorher
Sigm. Fraenkel!) hingewiesen, indem er ausführte, daß die
Pigmente einerseits mit dem Tryptophan in Beziehung stehen,
das als Skatol bzw. Indolderivat sehr zur Farbstoffbildung neigt,
andererseits mit dem von mir nachgewiesenen Kohlenwasserstoff,
als dessen Oxydationsprodukt ich die Methyldibutylessigsäure dar-
gestellt habe, aus dem auch Wolffs Xyliton stammen dürfte, zu-
sammenhängen.. Ferner ist es seit langem bekannt, daß die Tyrosinase
und andere Oxydasen aus verschiedenen aromatischen Verbindungen
Farbstoffe bilden, so aus dem Tyrosin und anderen mehr, während
das Adrenalin schon an der Luft in einen Farbstoff übergeht.
v. Fürth und Schneider?) haben ja schon vor längerer Zeit
das Vorkommen von tierischer Tyrosinase nachgewiesen. Es ist
daher sehr wahrscheinlich, daß Oxydasen dieser Art in den pigment-
') Sigm. Fraenkel, Descript. Biochemie, S. 465.
°) Fürth und Schneider, diese Beiträge 1, 229. Gleichzeitig sei
auf Fürths ausführliches Sammelreferat über das Pigment im Zentralbl.
f. Pathologie u. pathol. Anatomie 15 (1904) hingewiesen.
Über das Haarpigment. 263
haltigen Geweben vorkommen. Tyrosin gibt mit diesem Ferment
selbst einen Körper, der beim Schmelzen mit Natron Indol abspaltet.
Das Pigment enthält aber, wie wir gesehen haben, noch eine
zweite freie Gruppe, und zwar eine Substanz, die mit der Färbung
in keinem Zusammenhange zu stehen scheint und welche zum Ace-
“ton oder, allgemeiner gesagt, zu solchen Körpern, welche sehr reich
an Methylgruppen sind, in engster Beziehung steht. Hierfür spricht
die in der ersten Mitteilung des näheren ausgeführte Tatsache, daß
bei der Oxydation des Pigmentes dieses zu der an Methylgruppen
so reichen Methyldibutylessigsäure abgebaut wird; hierfür spricht
weiter der Umstand, daß ich unter den Abbauprodukten wieder-
holt Essigsäure und einmal sogar direkt Aceton fand. Auch die
Substanz, welche von Wolff mit größter Wahrscheinlichkeit als mit
dem Xyliton identisch bezeichnet werden konnte, die er aus dem
Pigment melanotischer Lebern dargestellt hatte (l. c.), ist ein mit
Methylgruppen überladener Körper. Die Annahme Wolffs, daß
sein Körper mit dem Xyliton identisch sei, gewinnt hierdurch eine
weitere Bestätigung.
Nun gehört das Aceton und seine‘ Verbindungen zu den nor-
malen Bestandteilen des tierischen Organismus. Das Aceton ist
aber ein Körper, welcher in ganz besonders hohem Maße die Eigen-
schaft besitzt, Kondensationen einzugehen. So läßt sich das Ace-
ton leicht in
Core
En He CH;
nr eH:C9:CH, "und Co
en
Mesityloxyd Hr =
Phoron
überführen. Ebenso entsteht, wenn man mit Salzsäure gesättigtes
_ Aceton einige Tage stehen läßt, außer diesen Körpern noch Xyli-
ton und Dixyliton. Die große Mannigfaltigkeit der Pigmente und
die disparaten Resultate verschiedener Forscher lassen sich nun
ungezwungen aus der großen Kondensationsfähigkeit und aus den
verschiedenen Kondensationsstufen dieser zwei Substanzen, der
Indolaminopropionsäure und des Acetons, insbesondere aber des
Acetons, erklären. Bei der großen Mannigfaltigkeit dieser Konden-
‚sationsprodukte ist es durchaus verständlich, daß verschiedene
Zwischenstufen der Kondensation des Acetons, die ja chemisch
“ verschiedenen Charakter haben — man vergleiche Haarpigment,
| Augenpigment, Pigment aus melanotischen Tumoren —, sich an
R
|
|
|
dem Aufbau des Pigmentes beteiligen. Einen Beweis dafür liefern
264 Eduard Spiegler, Über das Haarpigment.
z. B. die oben erwähnten Kondensationen zu Mesityloxyd, Phoron,
Xyliton. Der Indolring ist ferner Aldehyd- und Ketongruppen
gegenüber chemisch äußerst reaktionsfähig und neigt hierbei un-
gemein zur Bildung von Farbstoffen.
Lewin!) hat jüngst gezeigt, daß Mesityloxyd sowohl inner-
halb als auch außerhalb des Organismus leicht in geschwefelte
Ketone übergeht. Sie entstehen schon im Munde, wenn man in
ihn den Dampf von Mesityloxyd eintreten läßt. Rührt man fein
zerhacktes Fleisch mit Wasser und ein bis zwei Tropfen Mesityl-
oxyd an, so ist nach einiger Zeit das geschwefelte Keton durch den
Geruch erkennbar. Verwendet man hierzu gereinigten Dünndarm
des Kaninchens, so nimmt man schon nach einer halben Stunde
den Geruch unangenehm stark wahr. Nun gibt es anscheinend
schwefelhaltige und schwefelfreie Pigmente. Der Schwefelgehalt
ließe sich ungezwungen dadurch erklären, daß die Acetongruppen
mit dem Schwefel geschwefelte Ketone geben, die dann in die
Pigmentbildung eintreten.
Zusammenfassung.
1. Das Augenpigment gibt ebensowenig wie das Haarpigment
die Hämopyrrolreaktion. Es stammt daher nicht aus dem Blut-
farbstoff.
2. Bei der Aufspaltung des Pigmentes findet man die Ace-
tongruppe, vermutlich aus kondensierten Acetonresten stammend, in
verschiedenen Kondensationsstufen.
3. Als Muttersubstanz des Pigmentes erweisen sich Tryptophan
und Aceton. Möglicherweise beteiligen sich an der Pigmentbildung
auch die anderen aromatischen Gruppen des Eiweißes, Phenylalanin
und Tyrosin.
4. Das Pigment aus melanotischen Lebern ist vom Haar-
pigment verschieden.
5. Die Verschiedenheit der Pigmente beruht wahrscheinlich
auf verschiedenen Kondensationsstufen des an der Pigmentbildung
beteiligten Acetons. Nie jedoch findet man Hämopyrrolreaktion.
6. Die Ansicht vom hämatogenen Ursprung des Pigmentes ist
durch diese Versuche endgültig widerlegt.
') Lewin, Über das Verhalten von Mesityloxyd und Phoron im Tier-
körper im Vergleich zu Aceton. Arch. f. exper. Pathologie und Pharma-
kologie 56, 346.
U }
XIII.
Über den Einfluß der Außentemperatur auf den
Blutzuckergehalt.
Von Privatdozent Dr. Gustav Embden, Professor Dr. Hugo Lüthje
und Dr. Emil Liefmann.
Aus dem chemisch -physiologischen Institut und der medizinischen Klinik
der städtischen Krankenanstalten zu Frankfurt a. M.
Je mehr sich die Methodik der Untersuchung des Gesamt-
stoffwechsels und insbesondere der Kalorimetrie vervollkommnet,
um so genauere Aufschlüsse gewinnen wir über den Energieumsatz
im Tierkörper unter verschiedenen physiologischen und patho-
logischen Verhältnissen. Dies gilt im besonderen Maße auch von
dem Wärmehaushalt im Organismus.
Es läßt sich leicht feststellen, daß den gesteigerten Anforde-
"ungen an die Wärmeproduktion, die der Aufenthalt eines Warmblüters
in der Kälte bedingt, durch eine Steigerung der Verbrennungs-
Prozesse genügt wird. Über die Natur dieser Verbrennungs-
_ prozesse, über den Ort, an dem sie sich abspielen, können uns aber
- Gesamtstoffwechselversuche nur wenig Aufschluß geben. Selbst
_ wenn wir z. B. aus dem Verhalten des respiratorischen Quotienten
mit mehr oder weniger großer Sicherheit schließen können, daß
im gegebenen Falle der Abbau vorwiegend auf Kosten des Kohle-
: hydrat- oder Fettvorrates im Tierkörper geschieht, so gewinnen
_ wir damit keinen Einblick in die Art und Weise, wie dieser
Abbau erfolgt. Durch Reduktionsvorgänge und Synthesen, durch
P- Umwandlung eines Nahrungsstoffes in einen anderen, kann die
| Gesamtbilanz in verschiedenster Weise beeinflußt werden.
A Gerade die intermediären Vorgänge sind es aber, die uns in
erster Linie einen Einblick in das eigentliche biologische Wesen
der Wärmeregulierung zu vermitteln geeignet sind, und es muß
daher unsere Aufgabe sein, diesen Vorgängen nachzugehen.
266 Gustav Embden, Hugo Lüthje und Emil RE
Die Erkenntnis normaler intermediärer Vorgänge wurde auch
hier wesentlich gefördert durch experimentelle Beobachtungen
unter pathologischen Verhältnissen. Es gelang einerseits Lüthje!),
den Nachweis zu führen, daß die Größe der Zuckerausscheidung
pankreasloser Hunde in hohem Maße abhängig ist von der Außen-
temperatur, in der sie sich aufhalten. Je mehr die Außentemperatur
gesteigert wurde, um so geringer ward die Menge des durch den
Harn entleerten Zuckers, je geringer die Außentemperatur war,
um so höher wurden die Harnzuckerwerte. Lüthje deutete seine
Versuche bereits im wärmeökonomischen Sinne, indem er annahm,
daß die Steigerung der Kohlehydratproduktion in der Kälte auch
unter normalen Umständen stattfände.
Es war eine seit langer Zeit bekannte Tatsache, daß beim
Diabetes mellitus das Auftreten von Zucker im Harn abhängig ist
von der Höhe des Blutzuckergehaltes, und einer weit verbreiteten
Anschauung zufolge sollte der normale Blutzuckergehalt zwischen
0,05 und 0,15 Proz. schwanken. Liefmann und Stern?) zeigten
aber in Übereinstimmung mit älteren Angaben Naunyns, daß die
Grenzen des normalen Blutzuckergehaltes weit engere sind; die von
ihnen gewonnenen Werte bewegten sich zwischen 0,06 bis 0,10 Proz.
Gleichzeitig mit diesen Untersuchungen suchten Embden und
Liefmann — damals noch an der von Noordenschen Kranken-
abteilung — unter Berücksichtigung der oben geschilderten
Resultate Lüthjes den Einfluß der Außentemperatur auf den
Blutzuckergehalt des normalen Säugetieres festzustellen. Die im
Winter 1905/06 begonnenen Versuche wurden im Winterhalbjahr
1906/07 in Gemeinschaft mit Lüthje fortgeführt, und ihr Ergebnis
soll im Folgenden mitgeteilt werden.
Methodik.
Wir benutzten zu unseren Versuchen ausschließlich Hunde,
deren Gewicht zwischen etwa 5 und 7 kg schwankte. Die Hunde
wurden während der ganzen oft über viele Wochen sich erstrecken-
den Versuchszeit vollkommen gleichmäßig ernährt. Alle erhielten
pro Tag 400g Pferdefleisch, die ihnen täglich um 12 Uhr mittags
verabreicht und stets sofort gefressen wurden. Der Wechsel der
') Lüthje, H., Über den Einfluß der Außentemperatur auf die Größe
der Zuckerausscheidung. XXI. Kongreß für innere Medizin, Wiesbaden
1905, S. 268. .
®) Liefmann, E. und Stern, R., Über Glykämie und Glykosurie,
Biochem. Zeitschr. 1, 299 (1906). E
Einfluß der Außentemperatur auf den Blutzuckergehalt. 967
Umgebungstemperatur wurde dadurch erreicht, daß die Hunde
bald in einem durch Gasöfen bis auf über 30° heizbaren, bald in
einem ungeheizten, der Winterkälte möglichst zugänglichen Raum
— stets in Stoffwechselkäfigen — gehalten wurden. Während die
Temperatur des Warmraumes nur um wenige Grade schwankte,
ließen sich stärkere Temperaturbewegungen im Kaltraum unter
den bisher von uns gewählten Versuchsbedingungen nicht vermeiden.
Die Blutentnahme geschah, um etwaige Einflüsse der Er-
nährung auf den Blutzuckergehalt auszuschalten oder doch mög-.
lichst gleichartig zu gestalten, stets unmittelbar vor der Nahrungs-
aufnahme, also kurz vor 12 Uhr mittags.
Es erschien uns von großer Wichtigkeit, die Blutentnahme in
einer das Tier möglichst wenig belästigenden Weise auszuführen,
namentlich mußten uns die Beobachtungen über den Fesselungs-
diabetes der Katzen und Kaninchen davor warnen, unsere Tiere
irgend längere Zeit zu fesseln.
Die Hunde blieben stets vor der Blutentnahme mehre ere Stunden
allein, um auch psychische Erregungen möglichst auszuschalten.
Die Blutentnahme selbst wurde in folgender Weise ausgeführt:
Der Hund wurde von einem Assistenten auf den Schoß genommen und
‘von mehreren anderen in möglichst schonender Weise festgehalten. Der
Kopf wurde stark nach hinten gebeugt, die Vena jugularis externa durch
Kompression mittels des Daumens zur Anschwellung gebracht und mit einer
kurzen und dicken Punktionsnadel punktiert. Von dem im Strahle aus-
NHießenden Blute gingen die ersten Cubikcentimeter verloren. Die folgenden
50cem flossen in einen Meßkolben von 200ccm, der vorher mit genau
100 cem Salzsäure von 2 Proz. und 50cem Wasser beschickt worden war.
Durch sorgfältiges Schütteln wurde jede Blutgerinnung verhindert.
| Absichtlich haben wir immer die gleiche Menge Blut entnommen, weil
‚bekanntlich der Blutzuckergehalt unter dem Einflusse der Blutentnahme
‚sich ändern kann. Irgend welche erhebliche Nachblutung haben wir ebenso-
"wenig wie entzündliche Vorgänge an der Punktionsstelle jemals beobachtet.
a Bei den ersten drei Versuchstieren erfolgte die Punktion meist in
Zwischenräumen von wenigen (2 bis 3) Tagen. Es ist aber allem Anscheine
nach zweckmäßiger, wie wir aus den Resultaten vonVersuch IV und V entnehmen,
zwischen die einzelnen Blutentnahmen längere Pausen einzuschalten. Bei
En beiden Versuchen ließen wir die Hunde sich stets annähernd eine
"Woche nach der Punktion erholen. Diese Zeit reicht zur Rückkehr normaler
Verhältnisse vollkommen aus.
Die weitere Ausführung der Blutzuckerbestimmung geschah im wesent-
chen nach dem Vorgange Schenks ganz in der früher von Embden!)
d Liefmann und Stern (l. e.) geübten Weise.
ei
=.
g ») Embden, G., Über Zuckerbildung in der glykogenfreien Leber.
gie Beiträge 6, 49 (1904).
’
$
268 Gustav Embden, Hugo Lüthje und Emil Liefmann,
Die Menge der zur Reduktion von 2cem Knappscher Lösung gerade
eben ausreichenden Titrationsflüssigkeit wurde genau bis auf O,lccem fest-
gestellt. Die Endreaktion war so überaus scharf, daß mit größeren
Titrationsfehlern als 0,1 cem kaum zu reehnen war. Die Titrationsfehler
waren unter diesen Umständen so geringe, daß sie für die Beurteilung
unserer Versuche praktisch nicht in Betracht kommen.
Ergebnisse.
Die Versuchsergebnisse sind in Fig. 1 bis 5 graphisch dar-
gestellt. Als Abszisse für die Temperatur ist hierbei 0° und als
Abszisse für den Blutzuckergehalt 0,05 Proz. angenommen.
Die Höhe des Blutzuckergehaltes ist überall ordinatenartig
durch gleichmäßig schwarze, die der Temperatur durch quer-
gestreifte Säulen ausgedrückt. Ein Blick lehrt, daß ohne Zweifel
2
per"
[er
0,10 Be.
0,09 ie
0,08 5
0,07 B-
Eu 0,064 S
0,06 = =
0,05 . ==
Best. 1 Best. 2 Best. 3 Best, 4
der Gehalt des Blutes an Zucker in hervorragendem Maße ab-
hängig ist von der Außentemperatur. Überall da, wo die quer-
gestreifte Säule der Außentemperatur niedrig ist, ist die geschwärzte
Säule des Blutzuckergehaltes hoch und umgekehrt.
Am prägnantesten treten diese Verhältnisse hervor in den
Versuchen IV und V (Fig. 1 und 2), in denen wir, wie bereits
oben erwähnt, längere Intervalle zwischen die einzelnen Punktionen |
einschalteten und in denen ferner die Unterschiede der Außen-
temperatur besonders große waren.
Betrachten wir zunächst Fig. 1, Versuch IV, so sehen wir, daß
in Bestimmung 1, wo die Außentemperatur am niedrigsten (3°)
ist, der Blutzucker den höchsten Wert (0,103 Proz.) erreicht, wäh-
rend umgekehrt in Bestimmung 4 bei der höchsten Außentemperatur
AM
Einfluß der Außentemperatur auf den Blutzuckergehalt. 269
(30°) der Blutzuckergehalt den niedrigsten Wert (0,064 Proz.) auf-
weist. Bestimmung 3, die bei einer Außentemperatur von 6° vor-
genommen wurde, lieferte einen etwas niedrigeren Blutzuckerwert
(0,098 Proz.) als Bestimmung 1, Bestimmung 2 — Umgebungs-
temperatur 27° — einen etwas höheren als Bestimmung 4.
In Versuch IV ist also die Höhe des Blutzuckergehaltes
geradezu der Umgebungstemperatur umgekehrt proportional.
Die Unterschiede in der Höhe des Blutzuckergehaltes in der
Kälte und Wärme sind so erhebliche, daß sie weit außerhalb der
Fehlergrenze der angewandten Bestimmungsmethode liegen.
Fig. 2.
0,11 30°
MT)
- BEEEERENER
0,10 25° 8
0,09 20°
0,08 15
0,07 10°
0,06 5°
Pa ee
[=]
co
>
RR
oO
[o>)
N
Best. 1 Best. 2 Best, 3 Best. 4
0,05 0°
Setzen wir die Höhe des Blutzuckergehaltes in Bestimmung
1 = 100, so ist diese Größe in Bestimmung 2 = 71, in Be-
stimmung 3 — 95, in Bestimmung 4 = 62.
In Versuch V (Fig. 2) findet sich der niedrigste Blutzuckerwert
(0,057 Proz.) bei der höchsten Raumtemperatur (32°) (Bestimmung 4),
bei 27° (Bestimmung 2) ist der Blutzuckergehalt — 0,064 Proz.,
der höchste Wert (0,098 Proz.) ward ermittelt bei 5°, während bei
2° der Blutzuckergehalt 0,094 Proz. beträgt. Hier wird also das
Blutzuckermaximum bei 5°, wo der Blutzuckergehalt um ein ge-
‚Tingeres höher ist als der bei 2° ermittelte, erreicht.
Diese Differenz ist allerdings als eine recht geringe zu
bezeichnen.
Im übrigen geht die Abhängigkeit des Blutzuckergehaltes von
der Außentemperatur aus Versuch V mit derselben Deutlichkeit
wie aus Versuch IV hervor.
Gustav Embden, Hugo Lüthje und Emil Liefmann,
DD
—I
je»)
Wird auch hier der höchste Blutzuckergehalt (0,098 Proz.)
— 100 gesetzt, so ist diese Größe in Bestimmung 1 = %, in
Bestimmung 2 —= 65 und in Bestimmung 4 = 58.
oO
er
fer
oO
oO
fe"
oO
sy
Par BEEE= 1
; Kry> =
0,08 | = EB
0,07 10° = f
+ EEE I
0,05 = = |
0,11
0,10
0,09
0,08
0,07
0,06
0,05
Best. 1 Best. 2 Best, 3 Best, 4
In Bestimmung 4 wurde der Hund bei der höchsten Tem-
peratur gehalten, die überhaupt in sämtlichen Versuchen zur Ver-
wendung kam, der Blutzuckergehalt erreicht hier den niedrigsten
beobachteten Wert.
Wir wenden uns nunmehr zu den zuerst vorgenommenen Ver-
suchen I, II und III (Fig. 3, 4 und 5), in denen der Blutzucker-
u;
Einfluß der Außentemperatur auf den Blutzuckergehalt. 971
gehalt im ganzen durchaus derselben Gesetzmäßigkeit folgt, wie in
Versuch IV und V, wenn auch die geringeren Unterschiede in
der Umgebungstemperatur geringere Differenzen im Blutzucker-
gehalt bedingen und letztere am Schlusse der Versuche I und HI
sich augenscheinlich unter dem Einflusse der zu rasch aufeinander-
folgenden Punktionen zum Teil etwas verwischen.
Die Einzelheiten der Versuche gehen aus den Figuren 3, 4
und 5 hervor.
Fragen wir uns nach der biologischen Bedeutung der Ab-
hängigkeit des Blutzuckergehalts von der Außentemperatur, so liegt
es sicherlich am nächsten, unseren Beobachtungen eine wärme-
_ regulatorische Bedeutung Fig. 5.
zuzumessen. Die in der
_ Kälte gesteigerten Ver-
brennungsprozesse bedin- 0,11
_ gen naturgemäß einen ge-
steigerten Verbrauch an 910
Brennmaterial und dieses
Brennmaterial ist wenig-
stens zum Teil Zucker.
_ Wenn der Zucker am
Orte seiner Produktion, 0,07
0,09
0,08
als welchen wir allem An-
scheine nach in erster Linie 0,06
_ die Leber zu betrachten
haben, verbrannt würde,
so würde sich voraus-
sichtlich die gesteigerte Kohlehydratverbrennung nicht in einer
_ Veränderung des Blutzuckerbestandes äußern.
Augenscheinlich aber erfolgt die vermehrte Kohlehydratver-
- brennung in der Kälte fern von der Stätte der Kohlehydratproduktion
und es ist der vermehrte Blutzuckergehalt als der Ausdruck eines
- vermehrten Kohlehydrattransportes in die peripherischen Ver-
0,05
Best. 1 Best. 2 Best. 3
E
Fr brennungsstätten — in erster Linie vielleicht in die Muskulatur —
zu betrachten.
; Der in der Kälte gesteigerte Blutzuckergehalt würde sicher-
lieh zur Bestreitung sehr umfangreicher Verbrennungsprozesse aus-
“zeichen, um so mehr, als wir nur das venöse Blut, das vielleicht
schon einen Teil seines Zuckers an die Muskulatur abgegeben hat,
untersuchten.
272 G.Embden, H. Lüthje u. E. Liefmann, Einfluß az Außentemperatur usw.
Das Ergebnis unserer Versuche steht mit manchem früher
gewonnenen Resultate im besten Einklang.
Wir wollen nur hinweisen auf die Beobachtung, daß in der
Kälte das Glykogen aus der Leber schwindet, vor allem aber auf
die bereits eingangs erwähnten Erfahrungen Lüthjes an pankreas-
losen Hunden.
Während in unseren Versuchen am normalen Tiere dem
gesteigerten Zuckertransport in der Kälte eine gesteigerte Zucker-
verbrennung entspricht, vermögen die Organe des diabetischen
Hundes die gesteigerte Zufuhr an Brennmaterial nicht zu be-
wältigen und diese gesteigerte Zufuhr bewirkt nur verstärkte
Hyperglykämie und daher gesteigerte Zuckerausscheidung.
Dies kommt übrigens, wie hier erwähnt sei, auch darin zum
Ausdruck, daß pankreaslose Hunde auf Herabsetzung ihrer Um-
gebungstemperatur — ganz im Gegensatz zu normalen — mit
einer wesentlichen Verminderung ihrer Eigenwärme antworten.
Das Ansteigen des Blutzuckers in der Kälte ist der vermehrten
Gaszufuhr vergleichbar, die ein sich selbsttätig regulierender Brut-
ofen in einem kalten Raume erhält. Während der gesunde Orga-
nismus, wie ein richtig arbeitender Thermostat, in der Kälte
gleichsam mit größerer Flamme brennt, verläßt beim pankreaslosen
Tier der zu wärmeregulatorischen Zwecken bestimmte Zucker un-
genutzt oder doch schlecht ausgenutzt den Körper.
XIV.
Über die Ausscheidung von Alanin durch den Harn.
Von Dr. Siegfried Oppenheimer.
- Aus dem chemisch-physiologischen Institut (Vorstand: Privatdozent Dr.
-Embden) und der medizinischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Lüthje) des
städtischen Krankenhauses zu Frankfurt a. M.
Vor einiger Zeit veröffentlichtte Rahel Hirsch!) Unter-
suchungen über das Verhalten von Monaminosäuren im hungernden
‚Organismus. Die Verfasserin glaubte in diesen Versuchen fest-
"stellen zu können, daß d-l-Alanin in Quantitäten, welche der normal
_ gefütterte Hund vollkommen assimilierte, beim Hungertiere zum
Teil im Harn wieder aufträte. Wenigstens konnte in einem
Versuche, in dem einem Hungerhunde 15 g Alanin subkutan in-
jiziert worden waren und auch in einem Versuche, in dem ein mit
"Phlorizin vergifteter Hungerhund 10g d-l-Alanin per os erhalten
hatte, Alanin im Harn nachgewiesen werden. Hingegen gelang
es in einem weiteren am Hungerhunde vorgenommenen Versuche,
in dem gleichfalls 10 g d-l-Alanin zur Verfütterung gelangten,
nicht die Substanz im Harn wieder aufzufinden. Es können
also bereits die ursprünglich von Rahel Hirsch gewonnenen Er-
“gebnisse als einheitlich nicht bezeichnet werden.
Nachdem Embden und Reese?) gefunden hatten, daß es bei
der auch von Rahel Hirsch angewendeten ß-Naphthalinsulfochlorid-
_ methode auf das Einhalten bestimmter Reaktionsbedingungen in
hohem Maße ankommt, und unter eben diesen Reaktionsbedingungen
{ ® !) Hirsch, R., Über das Verhalten der Monaminosäuren im hungernden
Organismus. Zeitschr. f. exp. Path. u. Therap. 1, 141 (1905).
E ?) Embden, G., Uber Aminosäuren im Harne. Verhandl. 22. Kongreß
für innere Medizin. Wiesbaden 1905. S. 304. — Derselbe u. Reese, H.,
_ Vber die Gewinnung von Aminosäuren aus normalem Harn. Diese Bei-
räge 7, 411 (1905).
& Beitr. z. chem. Physiologie. X. 18
L-
*
274 Siegfried Oppenheimer,
reichliche Mengen von Naphthalinsulfoverbindungen aus normalem
Harn gewonnen hatten, von denen das Naphthalinsulfoglyein rein
dargestellt werden konnte, gelangten Plaut und Reese!) unter
Embdens Leitung zu dem Ergebnis, daß d-l-Alanin auch nach
der Verfütterung recht geringer Mengen vom wohl genährten
Hunde und in relativ viel höherem Grade vom Menschen teilweise
wieder ausgeschieden wird. Es zeigte sich, was auch nach den
oben zitierten Versuchen von Rahel Hirsch wahrscheinlich war,
daß unter Spaltung der verfütterten Racemform die im Organismus
nicht vorkommende l-Form in den Harn übertrat. Trotzdem in
der Arbeit von Plaut und Reese die Reindarstellung und in drei
Fällen die Elementaranalyse des Naphthalinsulfoalanins vorgenommen
war, ziehen in einer neuerdings veröffentlichten Untersuchung
Brugsch und Rahel Hirsch?) die Richtigkeit der Ergebnisse
von Plaut und Reese in Zweifel, wobei es nach ihrer Darstellung
den Anschein gewinnen kann, als ob Plaut und Reese sich mit
der Wägung des aus dem Harn gewonnenen Rohproduktes be-
gnügt hätten, ohne eine Reindarstellung der Alaninverbindung zu
versuchen.
Da aus den Protokollen von Plaut und Reese nur die ge-
wonnenen Mengen Rohprodukt, nicht aber die Menge der erhaltenen
reinen Substanz hervorgingen, so habe ich, um diese Lücke aus-
zufüllen und um die vorliegende Frage einer nochmaligen Prüfung
zu unterziehen, einige neue Versuche an zwei völlig gesunden und
gut genährten Versuchspersonen vorgenommen.
Ich verabreichte dieselbe Menge d-l-Alanin (10 g) wie Brugsceh
und Hirsch in ihren Versuchen, und zwar unmittelbar nach einer
sehr reichlichen Mahlzeit, d. h. unter Bedingungen, die den von
den genannten Autoren bei ihrem Versuche an einer gesunden
Frau gewählten möglichst ähnlich waren.
Da nach früheren Beobachtungen von Plaut und Reese der
größere Teil des ausgeschiedenen Alanins in den ersten nach der
Verabreichung des Alanins gelassenen Harnportionen sich vor-
findet, so habe ich in einem Falle nur den Harn der erstem
51/, Stunden, in einem anderen den der ersten 7 Stunden verarbeitet.
ı) Embden, G., Über Aminosäuren im Harne. Verhandl. 22, Kongreß
für innere Medizin. Wiesbaden 1905. S. 304. — Plaut, M., u. Reese, Hy
Über das Verhalten in den Tierkörper eingeführter Aminosäuren. Diese
Beiträge 7, 425. |
°), Brugseh, Th., u. Hirsch, R., Gesamt-N- und Aminosäurenaus-
scheidung im Hunger. Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 3, 642 (1906).
Über die Ausscheidung von Alanin durch den Harn. 275
Bezüglich der Methodik verweise ich auf die früheren Angaben
von Plaut und Reese.
Trotzdem in beiden Fällen die verarbeiteten Harnportionen
das ausgeschiedene Alanin keineswegs vollständig, wenn auch in
der Hauptmasse, enthielten, trotzdem im ganzen nur etwa 8 bis
10 Stunden mit ß-Naphthalinsulfochlorid geschüttelt wurde, wobei
die Reaktion noch keineswegs vollkommen zu Ende geführt war,
und trotzdem es bei der Reindarstellung der Alaninverbindung zu
großen Verlusten kam, wurden in beiden Fällen sehr erhebliche
Mengen der reinen Verbindung gewonnen.
Versuch I.
Kräftiger Mann von etwa 70kg Körpergewicht nimmt unmittelbar nach
reichlicher Mittagsmahlzeit 10 & d-l-Alanin in wässeriger Lösung. Der Harn
der nächsten 5'/, Stunden (350 ccm) wird gesammelt. Aus 300 ccm des nach
der üblichen Vorbehandlung (s. Plaut und Reese, ]. c.) verarbeiteten Harns
_ werden 0,936 g der reinen, völlig trockenen kristallwasserfreien Verbindung
_ gewonnen, was auf die gesamte Menge von 350 g umgerechnet 1,091 g ergibt.
Die Verbindung begann bei etwa 117° zu sintern und schmolz bei 126 bis 127°.
Die mit dem Präparat vorgenommene Elementaranalyse hatte foleen-
des Ergebnis:
0,1902 & lieferten 0,3889 & CO, und 0,0856 & H,O.
CH
Biden: Berechnet für C,H-SO, NH-CH
COOH
55,76 Proz. Ü 55,91 Proz. C
299, H. 4:06, 9,371.
Versuch Il.
Ein anderer, völlig gesunder Mann von 65kg Körpergewicht, nimmt
unter den gleichen Versuchsbedingungen wie die Versuchsperson I 10g
d-l-Alanin.
Die Harnmenge der ersten 7 Stunden nach der Alanineinnahme betrug
500 cem. Davon wurden 365 ccm verarbeitet. (sewonnene Menge reiner
_ kristallwasserfreier Substanz: 1,936, berechnet auf 500cem: 2,65g. Die
"Substanz fing mehrere Grade früher an zu sintern als die im Versuch I
gewonnene (der Beginn des Sinterns war nicht völlig scharf zu erkennen),
‚schmolz aber ebenfalls bei 126 bis 127°.
Elementaranalyse: 0,2352 g Substanz lieferten 0,4837 g CO, und
0,1058 & H,O.
GH;
Gefunden: Berechnet für C ,H-S0, NH-CH.
COOH
56,08 Proz. © 55,91 Proz. C
7 ..:»H. 466 „ H.
Wie man sieht, ist die Menge der aus dem Harn der ersten
7 Stunden in Versuch II gewonnenen reinen Verbindung nur
18”
276 Siegfried Oppenheimer, Ausscheidung von Alanin durch den Harn.
unwesentlich geringer als die aus der Gesamttagesmenge des Harns
der Hungerkünstlerin, an der Brugsch und Hirsch ihren Ver-
such mit Alanin am achten Hungertag anstellten (2,65 g gegen
3,08 g). Die in unserem ersten Versuche aus dem Harn gewonnene
Menge ist ebenfalls sehr erheblich. Da bei der durchaus nicht
quantitativen Beschaffenheit der in Frage kommenden Methode
auf den quantitativen Unterschied, namentlich zwischen dem zweiten
unserer am wohlgenährten Menschen vorgenommenen Versuche und
dem von Brugsch und Hirsch an der Hungerkünstlerin an-
gestellten wohl kaum besonderer Wert zu legen sein dürfte, so
konnte ich die früher von Plaut und Reese an der Hand ihrer
Tierversuche ausgesprochene Anschauung, daß in dem Verhalten
des wohlgenährten und des hungernden Organismus gegenüber zu-
geführtem d-l-Alanin irgend eine wesentliche Differenz nicht vor-
handen ist, vollauf bestätigen.
Wenn es Brugsch und Hirsch bei Verabreichung von 10g
d-l-Alanin an eine gesunde Frau unter Versuchsbedingungen, die
den unseren vollkommen ähnlich waren, nicht gelang, in nennens-
werter Menge Alanin im Harn wiederzufinden, so war dies ohne
Zweifel durch die Art, in der die Verfasser die Naphthalinsulfo-
chloridmethode anwendeten, bedingt, genau so wie auch in den
früheren Alaninfütterungsversuchen von Rahel Hirsch allem
Anscheine nach nicht ein differentes Verhalten der verschiedenen
Versuchstiere, sondern die in den einzelnen Versuchen differente
Art des methodischen Vorgehens an den verschiedenen Versuchs-
ergebnissen schuld war.
XV.
Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel’).
Von K. Spiro.
Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.
Bei einer Versuchsreihe, die ich im vorigen Jahre über das
Schicksal einiger aromatischer Substanzen im Tierkörper anstellte,
fand ich, daß eine Reihe von Vertretern dieser Körperklasse im
Organismus des Hundes teilweise verbrannt wird. Da es sich
dabei teils um stickstofffreie Substanzen handelte (Phenyläthyl-
alkohole), teils um N-haltige, die im Organismus in stickstofffreie
übergehen (Phenyläthylamin in Phenylessigsäure), konnte ich den
Anteil, der im Körper verbrannt wurde, nicht durch Stickstoff-
bestimmungen des Harns ermitteln. Ich versuchte daher dies Ziel
durch Kohlenstoffbestimmungen des Harns zu erreichen und fand,
daß in der Tat diese Bestimmung uns ein vorzügliches Maß der
Verbrennbarkeit organischer Substanzen im Tierkörper zu geben
vermag.
Voraussetzung ist hierbei, daß die Kohlenstoffausscheidung im
Harn ebenso gleichmäßig verläuft, wie wir dies für die Stickstoff-
ausscheidung wissen. M. Rubner?) hat in seinen grundlegenden
Untersuchungen gefunden, daß die von ihm zuerst eingehend ge-
z prüften Relationen C/N 3) (Fleisch — 0,61, Hunger — 0,752), Fett
!) Nach einem Vortrag, gehalten im medizinisch-naturwissenschaftlichen
Verein zu Straßburg am 31. März 1907.
?) Zeitschr. f. Biologie 21, 329 (1885).
°®) Vgl. C. Voit, ebenda 8, 297 (1872) und mit M. v. Pettenkofer,
ebenda 5, 369 (1869); 9, 1, 435 (1873).
*) M. Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung.
Wien, Deuticke, 1902. — Vgl. ferner außer der unten zitierten Literatur:
- Frz. Meyer, Pflügers Archiv 55, 212 (1894). J. Ranke, Arch. f. (Anat.
u.) Physiol. 1862, S. 311. M. Rubner, Zeitschr. f. Biol. 17, 214 (1881); 19,
813 (1883); 22, 40 (1886). W. Scholz, Zentralbl. f. inn. Med. 18, 353 (1897);
Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 40, 326 (1898). Namentlich aber die wich-
tige Arbeit von F. Tangl, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899, Suppl., 8.241.
INCH K. Spiro,
und Kohlehydrate etwa — 0,72) sich als so konstant erwiesen, daß
es angängig ist, mit Mittelzahlen zu rechnen. Dies trifft unbedingt
für Fragen des Energieverbrauchs zu, wo ja der kalorische Quo-
tient zudem ein hinreichendes Maß der Zusammensetzung des
Harns gibt, so daß in diesen Fällen praktisch mit Durchschnitts-
werten gearbeitet werden kann. Für die oben berührten Fragen
des intermediären Stoffwechsels müssen wir aber jedesmal über
genaue Daten verfügen, und ich habe das Verhältnis der Kohlen-
stoff- zur Stickstoffausscheidung bei dieser Gelegenheit noch einmal
einer genauen Prüfung unterzogen, zumal über die grundlegende
Frage des Einflusses der Nahrung in einigen Punkten noch wesent-
liche Differenzen, z. B. zwischen F. Tangl und M. Rubner!),
bestehen.
Die Verbrennungen wurden im offenen Rohr auf dem Dennstedtschen
Apparat im Sauerstoffstrom ausgeführt; der Harn (5 oder 10 cem) wurde in
großen Schiffehen aus Nickelblech oder Hartglas
eingebracht. Vorgelegt wurden Kupferoxyd und
Bleisuperoxyd; zur Aufnahme des Wassers war vor
dem CaCl,-Rohr ein Gefäß beistehender Form (siehe
Abbildung) angebracht, das in Eis gekühlt wurde.
— Die geringe Absorption von Kohlensäure in Wasser
kann, wie viele besondere Versuche an gereinigten Substanzen lehrten,
vollkommen vernachlässigt werden.
Das Verhältnis C/N bei verschiedener Ernährung.
Zu den Versuchen dienten zwei Hunde von 4 und 10kg; eine
Hungerreihe (die zweite) wurde an einem dritten Hunde von 6 kg aus-
geführt. Als Nahrung diente entweder Fleisch, wobei außer Pferde-
fleisch (100 bis 200 8) noch Fischfleisch ?) (500 &) verwendet wurde,
oder die kohlehydratreichen Hundekuchen (N-gehalt = 3,75 Proz.,
300 &), wobei ich dem Hunde noch Rohrzucker bis 200 g im Laufe
des Tages zu fressen gab (was nicht zu alimentärer Glykosurie
führte), oder eine fettreiche Nahrung, bestehend aus 100g Hunde-
kuchen und 250 & Speck. An jedem Tage wurden bestimmt:
Menge des Harns, Stickstoff- und Kohlenstoffgehalt und aus später
zu erörternden Gründen Harnstoff (sowohl nach Pflüger als nach
der Methode von Mörner-Sjöqvist) und Ammoniak (nach Folin).
is ergab sich zunächst, daß, wenn das Tier auf eine be-
stimmte Nahrung eingestellt war, der Faktor C/N zwar für das
') Die Gesetze usw., S. 412.
®) Nach E. Pflüger, dessen Archiv 108, 119 (1905) und 111, 303 (1906).
Zur Lehre vom. Kohlehydratstoffwechsel. 2379
einzelne Tier hinreichend konstant, aber individuell verschieden
ist, z. B. zeigte der eine Hund bei Fütterung mit Hundekuchen
den Koeffizienten C/N — 0,720, der andere 0,695. Die Schwan-
kungen um die Mittelzahlen waren nicht größer, als man sie
bezüglich des Stickstoffs bei Hunden im Stickstoffgleichgewicht
zu sehen gewohnt ist, so daß man ebenso wie von dem Stickstoff-
gleichgewicht auch von dem Kohlenstoffgleichgewicht ausgehen
kann. (Schwankungen unangenehmer, weil unübersichtlicher Art
rufen Änderungen in der Temperatur des Aufenthaltsortes hervor,
wodurch mir im letzten kalten Winter einige Reihen gestört
wurden.)
Da meine Reihen von 10 bis l4tägiger Dauer in ihren
Einzelheiten nichts Neues bieten, so möchte ich mich begnügen,
hier nur die Resultate mitzuteilen: |
R -A. Fleischfütterung.
In der Reihe bei Hund Mittel
1. ... A schwankte der Koeffizient zwischen 0,561 und 0,608 0,593
er ..-A % S e „0560 „0,606 0,589
we" .B k £ a „0568 „ 0,618 0,606
2, B 5 OST. 0039°7 0,615
n b)]
Gesamtmittel 0,601.
» B. Fettfütterung.
In der Reihe bei Hund Mittel
1. ... A schwankte der Koeffizient zwischen 0,685 und 0,720 0,705
Ze .Aä 3 ? e „* 2680. 5071ER
Be. B x 2 5 5E.0.730) >, 60:70 0,755
2 B E 30,718: 4,0740: 0,785
” ”
Gesamtmittel 0,719.
C. Kohlehydratfütterung.
In der Reihe bei Hund Mittel
l. . ... A schwankte der Koeffizient zwischen 0,780 und 0,820 0,809
Be. -A x % 5 „20 0796 0,265
Zr... B R x e - Ol... 080 0,783
2 B ; 7770 0,
Gesamtmittel 0,777.
D. Hunger.
n der Reihe bei Hund Tag Mittel
1... A schw.d.Koeffiz. am 3. bis 10. zwischen 0,750 und 0,778 0,761
ee 0,756,,.:0:810 0,793
2005 a DE N, e 0,740 „..0,775: 0,753
1 ee ee ae 0.0.7285: ;.:0,780: 0799
Gesamtmittel 0,759.
') Am fünften Tage gestorben.
280 K. Spiro,
Die Menge des dysoxydablen Kohlenstoffs und Stiekstoffs
im Harn.
Schon C. Voit hat vor Jahren darauf aufmerksam gemacht,
daß es auf keine Weise gelingt, Werte für das Verhältnis C/N im
Harn zu erreichen, die dem Verhältnis dieser beiden Elemente im
Harnstoff gleichen (C/N — 0,429). Den niedrigsten beobachteten
Wert finden wir bei O. Frank und R. Trommsdorff!), die bei
Verfütterung von 685g ausgelaugtem Fleisch pro Körperkilo den
Wert bis auf 0,4787 herabdrücken konnten.
Wie oben erwähnt, habe ich in meinen Versuchen auch Harn-
stoff und Ammoniak bestimmt, also diejenigen beiden Stoffe, die
wir als die physiologischen Endprodukte im Harn bezeichnen
können. Der folgenden Berechnung sind, um einen Vergleich mit
den Angaben in der Literatur zu ermöglichen, die nach Pflügers
Methode gefundenen Werte zugrunde gelegt.
Der Harnstoffgehalt (bezogen auf Gesamt-N) schwankte bei
A. Fleischfütterung.
In Reihe 1 bei Hund A zwischen 88,1 und 92,3 Proz. Mittel 90,5 Proz.
” 23 92% Obg we: n 88,2 „ 92,45 „ ” 91,0 „
n ) 1 )) )) B b) 88,5 „ 33,8 „ ) 92,0 ”
„ 2 » ) B ” 88,0 „ 9,6 „ » 89,7 „
Mittel 90,8 Proz.
B. Kohlehydratfütterung.
In Reihe 1 . . bei Hund A zwischen 75,1 und 80,3 Proz. Mittel 76,4 Proz.
2) 1) 2... )) » A „ 75,8 „ 83,1 „ D) 79,1 ”
2) 1 » » B ) 755 „ 832 „ ” 78,6 „
2) ’ 2 „ 2) B ” 76,7 „ 835 „ 2) 80,2 „
Mittel 78,6 Proz.
C. Fettfütterung.
In Reihe 1 . . bei Hund A zwischen 79,8 und 85,4 Proz. Mittel 83,2 Proz.
5 MN" VER a - m 817 „: 8883-3 „. Bi
3 6 ns 2 RO,L..: 7 BE .- 105
„ 2 » ) B „ 80,8 „ 86,5 „ b) 85,0
Mittel 83,7 Proz.
D. Hunger.
In Reihe 1 . . bei Hund A zwischen 76,1 und 81,0 Proz. Mittel 78,0 Proz.
„ 2. „ „ A )) 693 „ 811 „ „ 76,0%
l » „ 6 „ 75,2 „ 814 „ » 79,4
IN; KB 109 BB Ce
2)
Mittel 78,6 Proz.
') Zeitschr. f. Biologie 43, 258 (1902).
Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel. 281
Der Ammoniakgehalt (bezogen auf Gesamt-N) schwankte bei
E | A. Fleischfütterung.
In Reihe 1- . . bei Hund A zwischen 0,41 und 0,55 Proz. Mittel 0,52 Proz.
”» ” 2 Se ” ” A ” f 0,4 1 ” 0,56 „ „ 0,48 ”
» ” 1 Ban > ” ” B „ 0,40 „ 0,56 ” ” 0,50 ”
” 2 ” ” B ” 0,41 ” 0,53 ” ” 0,49 ”
Im Mittel 0,50 Proz.
| B. Fettfütterung.
In Reihe
1 bei Hund A zwischen 0,36 und 0,47 Proz. Mittel 0,41 Proz.
” ” 2 ” ” A ” 0,33 „ 047 „ ” 0,38 „
” ” 1 ” ” B ” 0,33 „ 0,41 ” ” 0,40 „
” „2 ” ” B ” 0,350 „ 041 „ ” 0,39
Im Mittel 0,395 Proz.
E C. Kohlehydratfütterung.
In Reihe 1 . . bei Hund A zwischen 0,27 und 0,36 Proz. Mittel 0,31 Proz.
| ” ” 2 4 ” ” A „ 0,27 ” 0,36 7 ” 0,32 ”
” 1 ” ” B „ 0,25 ” 0,36 ” ” 0,30 2)
” 2 ” ” B ” B 0,25 ” 0,42 ” ” 0,35 pr]
Mittel 0,32 Proz.
D. Hunger.
In Reihe 1 bei Hund A zwischen 0,50 und 0,35 Proz. Mittel 0,31 Proz.
» Be. 7 Re » 0,31 „ 047 „ D) 041,5
” 1 Ca ” $>] C ” 0,29 „ 0,38 ” „ 0,35 ”
» 2 » ” B „ 0,30 ” 0,43 „ pr} ] 0,38 ”
Mittel 0,36 Proz.
Die vorstehenden Tabellen zeigen wiederum, daß der Harn-
stoffgehalt des Harnes beim Hunde nach Fleischfütterung sehr
hoch ist, nach Kohlehydratfütterung sehr niedrig, noch erheblich
niedriger als bei gemischter Nahrung (82,4 Proz.).
Dadurch, daß in den obigen Versuchsreihen auch gleichzeitig
Kohlenstoff und Stickstoff bestimmt wurden, sind wir nun in der
Lage zu berechnen, wieviel davon im Harn in Verbindungen er-
8 heint, wie Harnsäure, Xanthinbasen, Kreatinin, Oxyproteinsäure usw.,
d.h. Verbindungen, die der Organismus nicht maximal zu oxydieren
imstande ist.
Der Kürze halber möchte ich den Kohlenstoff und Stickstoff
dieser Verbindungen als dysoxydablen Kohlenstoff und Stickstoff
bezeichnen. Es ergibt sich dafür das Verhältnis N: ©
A. Bei Fleischfütterung:
1: 2,285 1:2,82
1: 2,337 1:2,351
Mittel 1 :2,449.
282 K. Spiro,
B. Bei Fettfütterung:
1: 2,126 1: 2,247
1:2,23 1 :2,47
Mittel 1: 2,268.
C. Bei Kohlehydratfütterung:
1:2,07 1: 2,07
1:23,11 1: 2,09
Mittel 1: 2,086.
D. Bei Hunger:
1: 1,97 121338
1: 2,038 1: 2,06
Mittel 2,011.
Die erhaltenen Zahlen lassen keine wesentliche Differenz
bei den verschiedenen Fütterungsarten erkennen. Im allgemeinen
zeigte sich, daß, je niedriger die Proportion C/N wird, um so mehr
auch dysoxydabler Kohlenstoff im Verhältnis zu dysoxydablem
Stickstoff im Harn erscheint:
ee | ae Dysoxydabler Kohlenstoff
Art der Nahrung „|. /N | peeriehter BEE
Fleisch, » 2. 2 450.0 5 19 ARGO 2,449
I N 0,719 2,268
Kohlehydrate . . ... | 0,77 2,086
Hangers 727205 5 lee 59 2,011
Am interessantesten sind die Zahlen bei Kohlehydrat-
nahrung. Sie zeigen, daß der Quotient C/N bei dieser ein wenig
höher ist als bei Fett- oder gemischter Nahrung, ebenso wie auch
das Verhältnis von dysoxydablem Kohlenstoff zu demselben Stick-
stoff gering ist. Aber die Differenzen, namentlich bei dem letzten
Wert, sind doch so gering, daß die Zahlen vielfach ineinander
greifen und sie fast als innerhalb der Fehlergrenzen liegend be- 5
zeichnet werden müssen. I
Durch dieses Verhalten unterscheidet sich der Hund, den man
ja als Typus des Fleischfressers bezeichnen kann, deutlich von
allen Säugetieren, die gemischte oder kohlehydratreiche Nahrung
aufnehmen !). Für den Menschen fand F. Tangl?) den Quotienten
C/N in den Fettreihen zwischen 0,691 und 0,779 schwankend, im
Mittel — 0,747, in den Kohlehydratreihen zwischen 0,944 und 5
') Vgl. F. Tangl, a. a. O.
®) A. a. O., 8. 258. Vgl. auch L. Langstein und F, Steinitz, Jahrb.
f. Kinderheilkunde 61, 94 (1905).
Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel. 283
0,981, im Mittel — 0,963. Für den Ochsen fand Kellner!) bei
reiner Heufütterung in einem Versuch den Quotienten C/N = 2,49,
nach Zugabe von Stärke — 3,13, in einem anderen = 2,96 bzw.
3,49. Besonders instruktiv sind endlich die Zahlen, die Meissl?)
in seiner gründlichen Arbeit über die Entstehung von Fett aus
Kohlehydraten für das Schwein gibt. Dasselbe hat im Hunger-
zustande den Quotienten 0,766; je höher in der Nahrung das Ver-
hältnis N-freier (N,) zu N-haltiger (N„n) Nahrung war, um so
höher stieg auch der Quotient Ö/N: von 0,568 (bei Ny: Ny — 1: 2,44)
(Nn:N. = 7) zu 1,11 (bei-Nn:Ne. = 11,3 bis 13,7).
Daß die Differenzen tatsächlich von der Ernährungsweise und
nicht von anderen Faktoren abhängen, geht am einfachsten daraus
‚hervor, daß die Tierarten im Hungerzustande denselben Quotienten
C/N zeigen. So ging er in einem Versuch von mir beim Kaninchen
von 1,569 auf 0,762 herab, und alle in der Literatur für beliebige
Hungertiere gefundenen Zahlen stimmen ungefähr mit dem Wert
überein, den M. Rubner) schon vor 26 Jahren für das hungernde
Kaninchen fand: 1 Teil Stickstoff auf 0,7596 Teile Kohlenstoff.
Während also im Hungerzustande alle Tiere den gleichen
Koeffizienten O/N zeigen, ist dessen Verhalten gegenüber
Kohlehydraten, je nachdem ob sie gewohnt sind, von Fleisch
oder von gemischter Nahrung zu leben, sehr verschieden.
Die Rolle der Kohlehydrate im intermediären Stoffwechsel.
Die im vorstehenden erörterten Tatsachen finden ihre Analogie
in dem Einfluß der Kohlehydrate auf einen Vorgang des inter-
mediären Stoffwechsels, in der Bildung der Acetonkörper. Der
Mensch reagiert auf Entfernung der Kohlehydrate aus der Nahrung
mit der Ausscheidung von Aceton, Acetessigsäure und Oxybutter-
säure; ähnlich verhält sich nach den Untersuchungen von J. Baer)
der Affe. Auch das Schwein zeigt bei völliger Nahrungsentziehung
Acetonurie, während sie der Hund nur bei Phlorizin zeigt, über-
jaupt von allen Tieren (das Kaninchen vielleicht ausgenommen)
ich wohl in dieser Beziehung am meisten refraktär verhält.
Zu erwähnen wären andererseits dabei auch die Beobachtungen
von L. Mohr und J. Baer, daß auch öfters Diabetiker, wenn sie
_ *) Landwirtschaftl. Versuchsstationen 44, 257 (1894). Versuche von
@. Kühn und dessen Mitarbeitern.
?) Zeitschr. f. Biologie 22, 63 (1896).
*) Ebenda 17, 228 (1881).
*) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 54, 153 (1906).
284 K. Spiro,
an reine Eiweiß-Fettdiät gewöhnt waren, bei dieser Kost keine
Acetonkörper mehr ausschieden.
Hier wären auch neben älteren Erfahrungen über die Un-
gleichheit der eiweißsparenden Wirkung von Fett und Kohle-
hydraten, wie man sie auch beim Hund, noch deutlicher beim
Menschen sieht, die Versuche von Kayser!), Tallgvist?),
Landergren?) und Rosenfeld-Reich *) anzuführen, nach denen
es unter Umständen unmöglich ist, das Stickstoffgleichgewicht
beim Hunde zu erhalten, wenn eine größere Menge Kohlehydrate
durch die isodyname Menge Fett ersetzt wird5). Auch hier zeigt der
Versuch, daß der Organismus langsam eine gewisse Anpassung an die
veränderten-Ernährungsbedingungen erkennen läßt (G. Rosenfeld).
Man hat in diesen Beobachtungen mit Recht den Beweis
dafür gesehen, daß die Kohlehydrate beim Fettstoffwechsel
eine Rolle spielen. Das gilt seit den Erfahrungen von Geel-
muyden®), Magnus-Levy’) und anderen auch für die Bildung
der bei Kohlehydratmangel auftretenden Acetonkörper, die aus
einfachen Fettsäuren entstehen. Da aber diese Körper, speziell
das Aceton, nach den Erfahrungen von G. Embden®) und seinen
Mitarbeitern auch aus Eiweißspaltungsprodukten (Leuein usw.) ge-
bildet werden, müssen wir eine Beteiligung der Kohlehydrate auch
beim Eiweißstoffwechsel annehmen 9).
Einen direkten Beweis für die Beziehungen zwischen
Kohlehydrat- und Eiweißstoffwechsel zu führen, ist mir in N
der folgenden Weise möglich gewesen. Mein Kollege, Herr
Dr. K. Stolte, Assistent am hiesigen Institut, hat auf Veranlassung
von Herrn Prof. F. Hofmeister Untersuchungen über das Ver-
halten des „Fruktosamins“, eines Umwandlungsproduktes des Gly-
kosamins, das auch leicht aus Fruktose bei Einwirkung von
Ammoniak entsteht, angestellt. Er hat dabei den wichtigen Befund
erhoben, daß diese Verbindung zu zwei Körpern abgebaut wird,
die mit Ferrosulfat eine rote bzw. blauviolette Färbung geben und.
!) Zeitschr. f. Biol. 27, 459 (1894).
?) Arch. f. Hygiene 41, 177 (1902).
°, Skandinav. Archiv 14, 112 (1903).
*) Berl. klin. Wochenschr. 1906, Nr. 29.
°) Vgl. hierzu die kritischen Erörterungen von M. Rubner in dessen
Buch, 8. 409 ff.
°) Zeitschr, f. physiol. Chem. 23, 431 (1897).
’) Arch. f. exp. Path. u. Pharmakol. 42, 149 (1899); 45, 389 (1901):
Physiol. d. Stoffwechsels, S. 181. ’
") Diese Beiträge 8.
") Vgl. auch J. Baer u. L. Blum, Arch. f. exp. Path. u. Pharmakol. 55.
..
d)
h
ä
r
1
2
>
Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel. 285
von denen der eine 2,5-Pyrazindikarbonsäure ist. Herr
Stolte hat ferner festgestellt, daß sie nur Zwischenprodukte sind,
- von denen das eine bei Verfütterung bis zu 70 Proz. verbrannt wird).
F
-
*
Mir ist nun in drei Fällen bei Kaninchen, deren Stoffwechsel
untersucht wurde, der Nachweis gelungen, daß nach intravenöser
Injektion von 2g Glykokoll und 5g Fruktose die oben erwähnten
Verbindungen im Harn auftreten, während sie von diesen Tieren
im Normalzustand oder nach Injektion von Glykokoll allein oder
von Fruktose allein nicht ausgeschieden wurden. Das Gelingen
dieser Synthese ist von individuellen Verhältnissen abhängig, die
Mehrzahl der von mir untersuchten Tiere zeigten die Synthese nicht,
_ und auch bei den genannten drei Tieren habe ich sie nur je einmal
- mit Sicherheit erzielt. Immerhin ist sie in den drei Fällen auch durch
meinen Kollegen Dr. Stolte einwandfrei festgestellt, der mir bei
der Identifizierung der Substanzen freundschaftlichst mit seinen Er-
fahrungen beistand und dem ich auch an dieser Stelle danken möchte.
Da der Harn, der mit KEisenvitriol die rote Färbung gab,
nach Oxydation den blauen Körper lieferte, habe ich diesen nach
der Methode von Dr. Stolte isoliert und durch seine Kristall-
form, Löslichkeitsverhältnisse (kristallisierendes Ammoniumsalz), Zer-
‚setzungspunkt (273°) und Mischprobe mit einem synthetisch ge-
wonnenen Produkte sicher identifiziert als 2,5-Pyrazindikarbon-
Säure:
N
IN
GIH5:0.C00H
Mal + 2,0.
EIOL-O SCH
nz
N
Die Analysen ergaben:
Eine Kristallwasserbestimmung zeigte: 0,169 g verloren 0,030g H,O.
Berechnet für C,H,N,0, + 2H,0: Gefunden:
11.05 Proz. 17,15: Proz.
Herrn Dr. H. Weil-München verdanke ich folgende Analysen:
0,0804 & gaben 0,1262 g CO, und 0,0192g H,O.
0,0439 gaben 6,8ccm N bei 21° C und 721 mm He.
Berechnet für C,H,N,O;: Gefunden:
Be... 22,83 Proz. 42,81 Proz.
Br. 240 5 ORTEN
we 16, 17.067.
‘) Die ausführliche Mitteilung erfolgt demnächst in diesen Beiträgen.
286 K. Spiro, Zur Lehre vom Kohlehydratstoffwechsel.
Beim Hunde habe ich mich bisher von der Synthese der
Pyrazindikarbonsäure nicht überzeugen können. Dagegen liegen in
der Literatur !) Angaben vor, daß bei der Hefegärung von Trauben-
zucker unzweifelhaft methylierte Pyrazine entstehen, also in ähn-
licher Weise synthetisiert werden.
Unsere Auffassung der Stoffwechselvorgänge ist im letzten
Jahrzehnt vielfach nur eine rein energetische gewesen. Die spe-
zifische Rolle der verschiedenen Nährstoffe, wie sie sich aus ihrer
eigenartigen Konstitution, z. B. der ungleich größeren Reaktions-
fähigkeit der Kohlehydrate gegenüber den Fetten, erwarten läßt,
trat namentlich betreffs der stickstofffreien Substanzen gegen ihre
Bedeutung als Energiequelle ganz in den Hintergrund. Die an-
geführten Beobachtungen lehren, daß unter bestimmten Verhältnissen
ein Ineinandergreifen des Eiweiß- und Kohlehydratabbaus
besteht, das zur Entstehung ganz anderer intermediärer
Stoffwechselprodukte führt, als wenn die Abbauprodukte
beider Reihen für sich allein zum Zerfall kommen.
Vermutlich ist die wichtige Beobachtung von J. Baer und
L. Blum ?), der zufolge Glutarsäurezufuhr bei Phlorizin- und Pankreas-
diabetes die Acidose und Zuckerausscheidung herabsetzt, in dem-
selben Sinne zu deuten.
') Vgl. (P. Brandes und) C. Stoehr, Journ. f. prakt. Chem. (2) 54, 481,
*) Diese Beiträge 10, 80.
XVl.
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen
Fermentes von Bacillus pyocyaneus.
Von Dr. Emil Zak.
Assistenten der vierten medizinischen Abteilung.
Aus dem staatlich serotherapeut. Institut (Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf)'
und dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt
Rudolfstiftung (Vorstand: Dr. E. Freund).
Über den zeitlichen Ablauf der proteolytischen Wirkung von
Bakterienfermenten liegen nur spärliche Angaben vor. Einer An-
regung des Herrn Privatdozenten Dr. E. P. Pick folgend, habe
ich einschlägige Versuche angestellt und teile einige derselben mit,
weil sich aus ihnen Beziehungen zu andersartigen fermentativen
Prozessen gewinnen lassen. |
_ Bekanntlich besitzen manche Mikroorganismen die Fähigkeit,
Eiweißkörper zu spalten; ich erwähne nur, daß in Kulturen von
Staphylococcus, Bacillus prodigiosus, von Cholera- und Finkler-
Priorschen Spirillen proteolytische Vorgänge nachweisbar sind
(Schmailowitsch), daß Proteus vulgaris Casein energisch spaltet
(Taylor!), daß manche Mikroorganismen zwar natives Eiweiß
wenig oder gar nicht angreifen, aber deren Spaltungsprodukte noch
weiter abzubauen vermögen. Ein solches Verhalten zeigt der
Colibacillus, bei welchem Pfaundler?) ein dem Erepsin ähnliches
Ferment fand.
Über das proteolytische Vermögen mancher hierher gehöriger
Kermente liegen eingehende Untersuchungen vor; es gilt dies
besonders von der in der Hefe befindlichen Endotryptase und von
den Fermenten des Pyocyaneus, welche man nach den Angaben
") Taylor, Zeitschr. f. physiol. Chem. 36.
2) Pfaundler, Zentralbl. f. Bakteriol. 31.
2838 Emil Zak,
von Emmerich und Löw!) zu isolieren vermag. Die nach der
Methode dieser Autoren gewonnene Pyocyanase enthält nebst
anderen Fermenten ein proteolytisches Ferment. Nach den Unter-
suchungen von Eykmann?) wirkt das Pyocyaneusferment auf
Elastin ein, und zwar vermögen dies auch die keimfreien Filtrate
der Kultur.
Die Isolierung von Bakterientoxinen aus einer Kultur durch
Filtration der Nährbouillon ließ den Versuch gerechtfertigt er-
scheinen, in gleicher Weise das proteolytische Ferment einer
Kultur samt den anzugreifenden Eiweißkörpern von den Bakterien-
leibern durch Filtration zu trennen. Man ist so imstande, am
keimfreien Filtrat unter antiseptischen Kautelen den Ablauf der
Verdauung zu studieren, wie er lediglich durch das an das Nähr-
medium abgegebene Ferment bedingt wird. Wenn man ferner in
gewissen Intervallen aus der wachsenden Kultur Proben entnimmt,
filtriert und untersucht, so vermag man sich ein Bild über die proteo-
lytischen Vorgänge in der Kultur selbst zu machen. Ein Vergleich
der beiden Prozesse miteinander, einerseits in der Kultur, anderer-
seits im keimfreien Filtrat, schien mir von Interesse zu sein.
In jüngster Zeit benutzten auch Madsen und Walbum?) in
ähnlicher Weise gewonnene Kulturfiltrate des Bacillus pyocyaneus,
um quantitative Studien über die Einwirkung des proteolytischen
Bakterienfermentes auf Thymolgelatine anzustellen; ihre Unter-
suchungen führten zu dem Resultate, daß auch dieses Ferment,
wie das Pepsin und Trypsin, bis zu einem gewissen Grade der
Schützschen Fermentregel entspricht, indem die Zeit, in welcher
die Gelatine verflüssigt wird, der Menge des wirksamen Stoffes
umgekehrt proportional ist.
Versuchsanordnung.
Eine größere Menge der zu Kulturzwecken üblichen Bouillon
wird mit dem betreffenden Bakterium geimpft und in den Brut-
schrank eingestellt. In bestimmten Intervallen werden Proben
entnommen und durch Pukallsche Tonfiter filtriert. Ein Teil
der Probe wurde sofort untersucht, der andere Teil, mit Toluol
versetzt, in den Brutschrank gestellt und nach einer bestimmten
Zeit ebenfalls untersucht.
') Emmerich u. Löw, Zeitschr. f. Hygiene 36.
°) Eykmann, Zentralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkunde 1904.
°) Zit. nach Sv. Arrhenius, Immunochemie, S. 56. Akadem. Verlags-
gesellschaft, Leipzig 1907.
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw. 289
Es kam dabei das von E. Zunz!) in Anwendung gebrachte
und für seine Zwecke modifizierte Verfahren von Baumann und
Böhmer in Anwendung, welches in der fraktionierten und quan-
titativen Abscheidung der Albumosen durch Zinksulfat besteht.
Die Kulturflüssigkeit enthält außer Salzen noch Albumosen und
deren Derivate, während die Menge von Albumin ganz gering zu
veranuschlagen ist. Ich hielt mich also genau an die von Zunz
angegebenen Vorschriften, nur verzichtete ich auf die Trennung
der einzelnen Deuteroalbumosen.
Die alkalische Reaktion von 10 ccm Bakterienfiltrat wurde mit Schwefel-
säure neutralisiert, dann mit 0,2ccm einer bestimmten Schwefelsäure ver-
setzt (1 Volum konzentrierte Schwefelsäure auf 4 Volumen Wasser) und
hierauf mit Zinksulfat auf Halbsättigung gebracht. Es fällt sofort ein weib-
licher, flockiger Niederschlag aus, der die „primären Albumosen“ enthält,
eventuell das noch in der Kulturflüssigkeit vorhandene Eiweiß. Ich stellte
die mit Zinksulfat halbgesättigte Lösung anfangs für ein paar Stunden in
den Brutschrank, dann ließ ich aber in den späteren Versuchen 24 Stunden
bei Zimmertemperatur stehen, da sich der weibliche Niederschlag dann gut
absetzte und leicht filtrieren ließ. Der Niederschlag wurde mit halb-
gesättigter, etwas angesäuerter Zinksulfatlösung gewaschen, die vereinigten
Filtrate und Waschwässer mit Zinksulfat in Substanz ausgesalzen. (Es
empfiehlt sich, diese Lösungen in den Brutschrank zu stellen und erst nach
einigen Stunden herauszunehmen; in der Kälte fällt dann das überschüssige
Zinksulfat aus.) Nach 24 Stunden haben sich die „Deuteroalbumosen“ als eine
mehr oder minder braungelbe Masse abgeschieden, welche eigentümlich zähe
ist und hartnäckig am Glasstab und an den Wänden des Gefäßes haftet, so
daß sie, einmal angetrocknet, manchmal nur durch Auflösen in Wasser und
neuerliches Aussalzen quantitativ entfernt und auf das Filter gebracht
werden kann, Die Niederschläge werden mit gesättigter Zinksulfatlösung
gewaschen und samt den Filtern der N-Bestimmung nach Kjeldahl unter-
zogen. Das Filtrat der Ganzsättigung bleibt auf weiteren Zinksulfatzusatz
_ klar, gibt Biuretreaktion und enthält somit die echten Peptone, Peptoide
_ und auch noch weiter abgebaute Teile des Eiweißmoleküls, welche keine
Biuretreaktion mehr geben. Das Filtrat der Ganzsättigung wird nach neuer-
en Ansäuern durch Schwefelsäure mit Phosphorwolframsäure versetzt,
Dr RL 5.7 3 num U tn und nn Sal an de du a nd m a a a
EN ET
FE EN}
nach ein bis zwei Tagen wird von dem Niederschlag abfiltriert und das
Filtrat mit Phosphorwolframsäure auf noch etwa vorhandene fällbare Sub-
stanz geprüft; die mit Phosphorwolframsäure erhaltenen Niederschläge
werden mit angesäuertem Wasser gewaschen, und zwar wurde bei den ein-
zelnen Bestimmungen meist eine annähernd gleich große Menge Wasch-
“wasser in Anwendung gebracht. Niederschlag und Filtrat wurden dann auf
ihren Stickstoffgehalt untersucht. Mit diesem Verfahren erhält man zwei
_N-Werte, welche nach Hausmann?) als Monaminostickstoff (im Filtrat), als
Diaminostickstoff (im Niederschlag) bezeichnet werden können. Obwohl die
') Zunz, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 27.
”) Hausmann, ebenda 27 und 29.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 19
290 Emil Zak,
Zersetzung von phosphorwolframsäurehaltigem Material bei der Stickstoff-
bestimmung nach Kjeldahl meist sehr beschwerlich ist, konnte ich doch
in gewohnter Weise vorgehen. Die zu verarbeitende Substanz wurde durch
ein bis zwei Tage mit einer größeren Menge Schwefelsäure stehen gelassen
und dann mit Braunstein oxydiert. In ähnlicher Weise war auch Wetzel!)
vorgegangen. Die Bestimmungen der Albumosenfällung wurden meist doppelt
gemacht und wiesen nur geringe Differenzen auf. Bei den Stickstoff-
bestimmungen der phosphorwolframsäurehaltigen Substanzen überzeugte ich
mich durch einige Doppelbestimmungen, daß keine wesentlichen Fehler
entstehen.
Ich lasse zunächst die genaue Mitteilung eines Versuches folgen.
Eine 107 Tage alte Para-Colikultur wird durch ein Ton-
filter geschickt; je l10Ocem des Filtrates gelangen zur Doppel-
bestimmung. Der Rest des Filtrates wird mit Toluol versetzt, gut
verschlossen in den Brutschrank gestellt und nach 30 Tagen in
gleicher Weise wie bei Beginn des Versuches untersucht.
Tabelle 12).
Halbsättigung Ganzsättigung
RER 2. |Mittelwetl 1. | 2. | Mittelwert
Vor 2.2...) 000868 | 0,00868 | 0,00368 | 0,00648 | — 0.006 48
30 Tage nach | 0,003 85 | 0,00438 | 0,004 11 | 0,00648 | 0,0069 | 0,0067
Niederschlag | Filtrat vom Phosphor-
ınit Phosphorwolframsäure wolframsäureniederschlag
a ee Se & ar, Mittelwert A 2. _ | Mittelwert
Vor... .| 0,0091 > 0,0091 | 0,0211 Fe 0,0211
30 Tagenach | 0,0091 0,0089 0,0090 0,0210 | 0,0201 0,0205
Die Tabelle zeigt, daß die in der Methodik gelegenen Un-
genauigkeiten gering sind, und daß bei dem 30 Tage währenden
Versuche keine außerhalb der Fehlergrenze gelegene Zunahme
einer Fraktion erfolgt ist. — In gleicher Weise negativ waren die
Versuche mit einer 130 Tage alten Pyocyaneus-Kultur und einer
133 Tage alten Coli-Kultur verlaufen. Diese negativen Ergebnisse
') Wetzel, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 29.
?) Die mitgeteilten N-Werte entsprechen den bei der Bestimmung er-
haltenen Zahlen und beziehen sich daher auf 10 ccm Bakterienfiltrat.
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw. 9291
lassen folgende Deutungen zu: Entweder haben die Bakterien kein
Ferment produziert oder dasselbe war in seiner Wirksamkeit ge-
_ hemmt (im „falschen Gleichgewicht“, Bredig), möglicherweise
_ durch Anwesenheit von Spaltungsprodukten, welche sich in der
alten Kultur angesammelt hatten, oder das Ferment war bei der
_ langen Versuchszeit zerstört worden. Es wurde deshalb der Versuch
_ mit einer ganz frischen Pyocyaneus-Kultur wiederholt.
4 Verarbeitet wurden diesmal je 25ccm des Filtrates, und zwar
- zuerst sterile Bouillon, dann die mit einem Pyocyaneus-Stamm ge-
impfte Bouillon und zwar 3, 24, 15 x 24, 21 x 24, 35 x 24 Stunden
nach der Impfung.
In Tabelle II sind die Werte zusammengestellt. Man erhält
_ auf diese Weise eine Vorstellung von den proteolytischen Vorgängen
in der Kultur. — Die mitgeteilten Zahlen entsprechen Prozenten
' des Gesamtstickstoffs, welcher durch Addition der einzelnen zu-
sammengehörigen Fraktionen erhalten wurde.
Gesamtstickstoffwerte (entsprechend 100 cem Filtrat).
l. ..°. . 04266 & N
A E 2 ne
Dur 0 age
,
a rad,
Aus diesen Zahlen erhellt, daß sich der Gesamtstickstoff der Kultur
während des 35 Tage währenden Versuches nicht wesentlich geändert hat.
Tabelle 1.
| Sterile Nach der Impfung Stunden
| Bonillon 3 24 | 15x24 | 21x24 | 35x24
- Halbsättigung .... . . 17,74 |14,552 | 13,28 | 4,97 2,94 2,55
Ganzsättigung. . . . . 27,26 | 24,589 | 23,24 | 8,92 1.56. 11.25
_ Niederschlag mit Phos-
phorwolframsäure . . 33,93 | 35,447 | 38,83 | 44,08 | 63,13 | 48,06
_ Filtrat vom Phosphor-
‚wolframsäurenieder-
rn... 21,02 | 24,908 | 24,70 | 42,02 | 32,37 | 37,56
| In der beigefügten Kurve (Fig. 1) sind diese Zahlenverhält-
nisse graphisch dargestellt.
| Die durch Zinksulfat ausfällbaren Albumosen betragen etwa
50 Proz. des Gesamtstickstoffs der sterilen Kultur. Nach der Impfung
- sinkt der Albumosen-N-Wert bis auf ein Minimum am 21. Tage,
um von da an zuzunehmen.
| 19*
292 Emil Zak,
ad
Die Albumosen gehören vor der Impfung zu einem Drittel
den „primären“, zu zwei Dritteln den „Deuteroalbumosen“ an.
Unter dem Einflusse der wachsenden Pyocyaneus-Kultur erfolgt ein
starkes Sinken beider Fraktionen, die Kurve der Deuteroalbumosen
fällt sogar am 21. Tage unter den tiefsten Punkt der „primären
Albumosen“, um sich dann neuerlich um ein beträchtliches Stück
zu erheben, während die „primären Albumosen“ sich um diese Zeit
kaum merklich vermindern.
Die durch Zinksulfat nicht mehr fällbaren Spaltungsprodukte
nehmen mit dem Alter der Kultur zu, so daß ihr Anteil am
Gesamtstickstoff nach drei Wochen 95,5 Proz. beträgt; in der Folge-
Fig. 1.
ee
35,245. 2T. 3T. 4T. ST. 6T 9T 12T 16T I8T. AT. 24T. 27T. 31 Tage
/,S. = N der durch Halbsättigung mit ZnSO, erhaltenen Fraktion.
G.S. = N der durch Ganzsättigung mit ZnSO, erhaltenen Fraktion.
P.W.N. = N des Phosphorwolframniederschlages. -
P.W.F. = N des Filtrats davon. f
zeit sinkt ihr Wert um ein geringes. Der Monamino-N erreicht
15 Tage nach der Impfung den höchsten Wert, um dann etwas
abzunehmen, der Diamino-N steigt bis zum 21. Tage langsam an
und sinkt dann beträchtlich ab.
Während aber bis zum 15. Tage nach der Impfung die
Albumosen in der Kultur abnehmen und die übrigen Substanzen,
wie es scheint, auf ihre Kosten zunehmen, findet in der dritten und
fünften Woche eine beträchtliche Verschiebung der Fraktionen gegen-
einander statt. Es fällt da vor allem das Verhalten der „Deutero-
albumosen“ auf, deren Zunahme nicht von einer entsprechenden
Abnahme der „primären Albumosen“ begleitet ist, ein Verhalten,
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw. 293
das man nach den Untersuchungen von E. Zunz erwarten durfte.
E Die Zunahme der Deuteroalbumosen ist merkwürdigerweise von
einer Abnahme der tieferen Spaltungsprodukte des Eiweißmoleküls
begleitet, und zwar sind die basischen Körper dabei überwiegender
als die sauren Spaltungsprodukte beteiligt. Es liegt die Annahme
nahe, daß von der dritten Woche angefangen ein Vorgang sich deut-
_ lich bemerkbar gemacht habe, der dem bis dahin stattgehabten
_ wenigstens teilweise entgegengesetzt verläuft. Die auf ein Mini-
_ mum gesunkenen Albumosen werden nicht mehr angegriffen, statt
dessen scheinen tiefere Abbauprodukte zu komplizierteren Ver-
bindungen zusammenzutreten, welche sich gegenüber dem Zinksulfat
wie „Deuteroalbumosen“ verhalten.
Weshalb sich dieser Vorgang besonders in der dritten Woche manifestiert,
entzieht sich der Beurteilung. Es ist nicht wahrscheinlich, daß er um diese
Zeit erst eingesetzt habe, ich möchte eher glauben, daß seine Wirkung in
diesem Zeitpunkte ihr Optimum gehabt habe, weil der proteolytische Vor-
_ gang einerseits genügend weit gediehen und andererseits zu einem gewissen
Stillstande gelangt ist. Der Einwand, daß diese Zunahme der Zinksulfat-
ganzsättigungsfraktion durch ein plötzliches Absterben und Auflösen von
Bakterienleibern erfolgt sei, läßt sich durch den bloßen Vergleich der Be-
funde, die am keimfreien Filtrat erhoben wurden, beseitigen.
Von den Filtraten der 3, 24 und 21x24 Stunden alten Kultur
wurden Proben mit Toluol versetzt, gut verschlossen in den Brut-
_ schrank gestellt und in gewissen Zwischenräumen untersucht.
Tabelle II.
Filtrat der 3 Stunden alten Kultur
sofort nach |nach 14x24 nach 28% 24
Entnahme Stunden Stunden
BHalbsättisung . ... 2... 14,552 15,28 11,53
ktipung .. ...... 24,589 11,18 24,89
Niederschlag mit Phosphor-
Baramsäure........ 35,447 45,31 30,37
_ Filtrat vom Phosphorwolfram-
säureniederschlag . .... 24,908 28,23 33,21
_ Wie zu erwarten, zeigte das Filtrat der drei Stunden alten
- Kultur (vgl. Fig.2) nur geringe proteolytische Wirkung, wenigstens
was die Abnahme der Halbsättigungsalbumosen betrifft. Die Gesamt-
- albumosen haben nach vier Wochen langer Versuchsdauer den gleichen
- Stand wie bei Beginn, nachdem die Deuteroalbumosen in der zweiten
Woche auf die Hälfte des Anfangswertes gesunken waren. Dieser
neuerliche Anstieg der Ganzsättigung ist einerseits von einer geringen
294 Emil Zak,
Abnahme der Halbsättigung, aber andererseits von einer deut-
lichen Abnahme der basischen Körper begleitet. Ähnlich wie in
der Kultur manifestiert sich im Filtrat dieser Vorgang in der
- +TII TRIKE
FERLEFSFERE Eee
u TI LTEEELREETEEES
FR NDEREREREEREBERENBET
EUBENEBETE RE
8 NEREREHESSSERBANEEN
er NEE BEEEEEB zanr
— BEBMT Eu
14 Tage 28 Tage
vierten Woche. Die Kurven, welche diese Verhältnisse darstellen,
verlaufen ähnlich den Kurven, die den Befund in der Kultur
demonstrieren.
Tabelle IV.
Filtrat der 24 Stunden alten Kultur
sofort nach |nach 23% 24 nach 99x 24
Entnahme Stunden Stunden
Halbsatugung. .,=-,.-423"2 5% 13,28 7,25 2,48
Gauzssthig ne nn ee 23,24 41,46 21,87
Niederschlag mit Phosphor-
wöolramsäurel®;..: 402, ; 38,83 40,74 39,89
Filtrat vom Phosphorwolfram-
säureniederschlag . .... | = 24,70 10,62 35,76
Iın Filtrat der 24 Stunden alten Kultur (Tab. IV, Fig. 3) sehen
wir, allerdings bei erheblich längerer Versuchsdauer, eine starke
Abnahme der „primären Albumosen“; 23 Tage nach Beginn des
Versuches steigen die Deuteroalbumosen stark in die Höhe, um
nach 99 Tagen wieder zu sinken, so daß sich ihre relative Höhe
wenig verändert hat, ebenso wie die der basischen Körper, während
die Kurve des Monaminostickstoffs eine starke Schwankung zeigt.
Aber auch hier sehen wir die Ganzsättigungsfraktion in ähnlicher
Weise wie bei den übrigen Versuchen beteiligt.
Während einerseits aber die Abnahme der primären Albu-
mosen in dem keimfreien Filtrat viel langsamer als in der Kultur
verläuft, manifestiert sich im Filtrat die Zunahme in der Ganz
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw. 295
sättigung früher und deutlicher als in der Kultur; möglicherweise
verdecken die stärkeren proteolytischen Vorgänge in dieser zum
Teil das Anwachsen der zweiten Fraktion.
Fig. 3.
23 Tage 99 Tage
Bei dem Filtrat der drei Wochen alten Kultur begnügte ich
mich, nach 28 und 74 Tagen das Verhalten der Albumosen zu
betrachten (vgl. Fig. 4).
Tabelle V.
Filtrat der 21 x 24 Stunden alten Kultur
sofort nach nach 28x 24 | nach 77x 24
Entnahme Stunden Stunden
une... ..... | 2,94 2,42 1,23
2 1,56 10,03 8,30
Niederschlag mit Phosphor-
Bwollramsäure . ...... 63,13 En —
Filtrat vom Phosphorwolfram-
säureniederschlag . .... | 32,37 — —
Die bereits auf ein Minimum gesunkenen „primären Albu-
mosen* werden nur ganz wenig vermindert, während die „Deutero-
albumosen“ in der vierten Woche abermals ein starkes Ansteigen
erkennen lassen. Es sei hier auf die Ahnlichkeit auch dieser
296 Emil Zak,
Kurven mit denjenigen hingewiesen, welche das Verhalten der
Albumosen in der Kultur vom 21. Tage angefangen deutlich
machen.
Allen diesen Befunden gemeinsam ist also das eigentümliche
Verhalten der „Ganzsättigungsfraktion“, welches auch zeitlich eine
gewisse Regelmäßigkeit erkennen läßt, indem der Anstieg des
N-Wertes in der dritten bis fünften Woche nachweisbar ist. Die
Annahme, daß hier eine Umkehrung des Fermentvorganges statt-
gefunden habe, findet ihre Berechtigung auch in der reversiblen
Wirkung anderer Fermente.
Allerdings ist die Deutung einer Synthese durch Fermente
nicht immer ganz einfach, wie es das Verhalten des Emulsins
und der Maltase bei der Synthese der Maltose und Isomaltose
Fig. 4.
15
10
5
Y2S..
G.S.-
0
28 Tage 74 Tage
zeigt (Armstrong). Die betreffenden Enzyme bauen stets die-
jenige Biose auf, die sie nicht zu spalten vermögen. Aber auch im
Verlaufe der Wirkung proteolytischer Fermente bilden sich end-
lich Produkte, die zu der Annahme geführt haben, daß sich eine
im Vergleiche mit der abbauenden Wirkung umgekehrte Reaktion
bemerkbar mache. Die Möglichkeit, daß es sich hier bloß um
Kondensationsprodukte und nicht um einen synthetischen Prozeß
handle, ist ebenfalls noch Gegenstand der Diskussion. Dafür
würde der Befund von L. Spiegel!) sprechen, der am albumosen-
freien Pepton bei Gegenwart von 0,1 Teil Formaldehyd Körper
von den Eigenschaften primärer und sekundärer Albumosen und
albuminartige Substanzen entstehen sah, welche sich bei winter-
licher Zimmertemperatur langsamer als bei sommerlicher ent-
wickelten. Hierher gehört auch der von Danilewsky zuerst
beobachtete Vorgang der Bildung von eigentümlichen Nieder-
') Spiegel, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 38, 2696.
Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw. 297
schlägen in konzentrierten Wittepeptonlösungen unter dem Einflusse
von Lab (Okunew) oder Papayotin oder Pepsin (Kurajew!),
oder natürlichem Magensaft (Lawrow und Salaskin2). Für diese
hierbei entstandenen Körper bringt Sawjalow?) den Ausdruck
Plasteine in Anwendung.
Obschon die entstandenen Produkte ihrer chemischen Indi-
vidualität nach noch nicht aufgeklärt sind, so haben einige der-
selben doch Ähnlichkeit mit Körpern vom Eiweißtypus. Ein-
_schlägige Untersuchungen wurden von Lawrow *) vor kurzer Zeit
mitgeteilt. | |
Auch an überlebenden Organen ließ sich Rückbildung von
Albumosen in koagulable Stoffe (Glaessner’) beziehungsweise
die Bildung von Plasteinen nachweisen (Grossmann).
Versuche von Abderhalden und Rona’), Aminosäuren durch
aktivierten Pankreassaft, Darm- oder anderen Organsaft in vitro zu
paaren, sind leider negativ verlaufen, während man dem Organismus
selbst die Fähigkeit, aus tieferen Spaltungsprodukten durch Synthese
höhere Komplexe zu bilden, nach den Versuchen von Loewi°),
Henriquez und Hansen’), Abderhalden und Rona!®) wohl
zuschreiben darf.
Eine auffallende Abnahme des nicht koagulierbaren Stick-
stoffs nach vorhergegangener Zunahme desselben im Verlaufe der
Autolyse konnte schon Schlesinger!!) feststellen.
Der Gedanke, daß es sich hierbei um eine Rückverwandlung
von nichtkoagulierbaren Eiweißderivaten in koagulierbare Körper
gehandelt habe, ist nicht von der Hand zu weisen. Für diese
Annahme spricht, daß es Sawjalow!?) gelang, koagulierbare
Plasteine darzustellen. Auch muß der Befund von Knapp?) er-
wähnt werden, der bei einem Versuche mit Staphylokokken - Eiter
eine Zunahme der koagulierbaren Substanzen des Nährmediums fand.
') Kurajew, Diese Beiträge 1 und 4.
?) Lawrow u. Salaskin, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 36.
®) Sawjalow, Pflügers Archiv 85.
*) Lawrow, ebenda 51.
°) Glaessner, Diese Beiträge 1.
°) Grossmann, Diese Beiträge 4 und 7.
”) Abderhalden und Rona, Zeitschr. f. physiol. Chem. 48.
*) Loewi, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 48.
°) Henriquez und Hansen, Zeitschr. f. physiol. Chem. 43.
") Abderhalden und Rona, ebenda 44.
") Schlesinger, Diese Beiträge 4.
') Sawjalow, Zentralbl. f. Physiol. 16.
”) Knapp, Zeitschr. f. Heilkunde 23.
298 Emil Zak, Zur Kenntnis der Wirkung des proteolytischen Fermentes usw.
In allerjüngster Zeit hat Taylor!) bei der Aufspaltung des
Protamins durch Trypsin in Aminosäuren auch einen dem Spaltungs-
vorgang entgegengesetzt verlaufenden Kondensationsprozeß be-
obachtet, durch den aus etwa 400 g Aminosäuren etwa 2 g Prot-
amin in fünf Monaten entstanden waren. Der Verlauf des Prozesses
kann durch die Gleichgewichtsformel
Protamin + H,O => Aminosäuren
dargestellt werden, wobei das Trypsin die Reaktion in jeder Rich-
tung beschleunigt. .
Wir sehen, daß die mitgeteilten Befunde gewisse Analogien
in der Wirkungsweise anderer Fermente besitzen. Der von uns
untersuchte Pyocyaneus-Stamm läßt also neben einer Albumosen
spaltenden Wirkung noch einen synthetischen Vorgang
erkennen, und zwar sowohl in der geimpften Bouillon wie auch in
dem keimfreien Filtrat. |
ı) Taylor, A. E., Univ. of. California Public. Path. 1, 543, Fbr. 1907;
zitiert nach Biochem. Zentralbl. 6 (1907).
Wien, April 1907.
XVII.
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles.
Von Wilhelm Filehne.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau.
Die abführende Wirkung des Ricinusöles bzw. der Ricinolsäure
könnte zusammenhängen mit einer für den Darm bestehenden
Schwierigkeit, diese Fettsubstanzen zu resorbieren, während die
größere Leichtigkeit, mit der er beispielsweise Olivenöl und ÖL-
säure resorbiert, sowohl die Ausnutzung des Nährwertes dieser
Stoffe als das Fehlen der Abführwirkung bei Gaben bis zu 50g
(für den Menschen) und darüber erklären könnte.
Wenn es nun gilt, diesen Gedanken experimentell zu prüfen,
so steigen sofort Bedenken und Schwierigkeiten auf: es müßte
doch die Resorbierbarkeit der beiderseitigen Stoffe ceteris paribus
geprüft werden, d. h. entweder ist das Olivenöl bei genau gleich-
starker (Abführ-) Peristaltik des Darmes, wie solche vom Ricinusöl
erzeugt wird, der Resorption auszusetzen, oder es ist umgekehrt
Ricinusöl bei gleich ruhiger Peristaltik, wie wenn nur Olivenöl
gegeben wäre — also ohne abführende Wirkung —, im Darm zu
belassen. Der ersteren Indikation so zu genügen, daß alles andere
wirklich gleich bliebe, dürfte unausführbar sein. Dagegen könnte
der zweiten Anforderung am unverletzten Tiere allenfalls dadurch
entsprochen werden, daß man sowohl für Olivenöl als für Rieinusöl
mit Därmen experimentierte, die durch Opium völlig zur Ruhe
gebracht sind.
_ Weniger mühsam, reinlicher in der Arbeit und unzweideutiger
in etwaigen Resultaten könnte die angeregte Frage vielleicht an -
isolierten Darmschlingen — mit und ohne natürlichen Zufluß von
Pankreassaft und Galle — in Angriff zu nehmen sein.
Die von mir an Katzen in dieser Richtung angestellten, mannig-
fach variierten Versuche sind trotz schonendster Technik sämtlich
resultatlos ausgegangen, indem der Darm auch vom Olivenöl selbst
300 Wilhelm Filehne,
nach 24 Stunden nichts resorbiert hatte. Offenbar macht der un-
vermeidliche operative Eingriff die Ölresorption unmöglich. Bevor
ich nun zu Versuchen am opiumbehandelten Darme schritt, die ja
doch ein wirklich eindeutiges Resultat auch nicht geben konnten,
verfolgte ich nachstehende Idee.
Es liegt nahe anzunehmen, daß für unsere Frage quantitative
Ermittelungen über Lipoidlöslichkeit von nährenden Neutralfetten,
Ölsäure und der nicht abführenden Pseudoricinolsäure auf der einen
Seite und Rieinusöl und Ricinolsäure auf der anderen, von Bedeutung
sein würden !). Verhehlen dürfte man sich allerdings nicht, daß aus
den so gefundenen Zahlen unmittelbare Schlüsse bezüglich des physio-
logischen Vorganges der Resorption der Nahrungsfette oder der
Abführwirkung des Ricinusöles sich nicht ergeben können. Des
ferneren wirkt folgende Erwägung fast abschreckend: Welches
Lipoid soll man wählen? Und mit welchem Rechte wollten wir
die gefundenen Zahlen verwerten für die Vorgänge in den ver-
schiedenen Zellen des Darms, innerhalb der Lymphe usw., wo doch
im Organismus sicherlich sehr viele und verschiedene Lipoide vor-
handen sind und deshalb die Öle sich in nicht zu übersehenden
Verhältnissen auf .die einzelnen Lipoide verteilen werden. Aber ich
meinte: besser wenig als gar nichts. Irgend wie muß angefangen
werden. So übergebe ich denn das, was ich untersucht habe, als
Vorarbeit für diejenigen, die es bei ihren Arbeiten verwerten können.
Will man nun über Löslichkeit von Fetten in Lipoiden experi-
mentieren, so darf man selbst auch nur für eine Vorprobe. das
käufliche Leeithin nicht anwenden, — denn dieses löst weder
merkbar Öle, noch löst es sich in ihnen. Dagegen sind reine
Cholesterinester oder auch schon das käufliche Lanolin und der
Adeps lanae verwertbar, um die Grenzen der Löslichkeit anschau-
lich zu machen: man erwärme z. B. Olivenöl bis auf 60°C, trage
soviel von Lanolin oder einem reinen Cholesterinester ein, wie sich
eben noch lösen will und lasse dann diese ölige Lösung auf 370
abkühlen; alsdann scheidet sich der Ester bzw. das Lanolin teil-
weise aus, und man hat zwei Phasen: erstens Öl, das für 370 C
mit dem Ester gesättigt ist, und zweitens Ester, der für 37°C mit
Öl gesättigt ist.
Obschon nun unsere Frage sich nur auf die Lipoidlöslichkeit
jener Öle usw. und nicht auf die Löslichkeit der Lipoide in Ölen usw,
') Vgl. besonders die Arbb. von R, Hoeber und die neuerdings er-
folete Publikation von M. Katzenellenbogen, Pflügers Arch. 114, 522.
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles. 301
bezieht, so habe ich doch letztere, schon der Kontrolle wegen,
_ ebenfalls bestimmt.
| Mit Rücksicht auf die Spaltungsvorgänge im Darm habe ich
nicht bloß für die Neutralfette, sondern auch für ihre Säuren die
betreffenden Zahlen festgestellt.
Die auf ihre Lipoidlöslichkeit zu prüfenden Stoffe hatten
‚sämtlich bei Zimmertemperatur eine ölige Beschaffenheit, es waren:
- Olivenöl, Ölsäure (aus Olivenöl von E.Merck, Darmstadt), Rieinusöl,
"Rieinolsäure (Dr. H. Koenig, Leipzig-Plagwitz), Pseudorieinolsäure
‚(nach H. Meyers!) Vorschrift von uns dargestellt), Crotonolsäure
_(E. Merck). Deswegen durfte für die Untersuchung irgend ein
‚bei Zinımertemperatur festes Lipoid um so mehr wünschenswert
erscheinen, als ich ursprünglich die Lipoidlöslichkeit der Öle da-
_ dureh quantitativ bestimmen wollte, daß ich die Schmelzpunkts-
_ änderung feststellte, die ein bestimmtes Lipoid durch Sättigung
_ mit Öl usw. erführe. So wählte ich den Stearinsäureester des
Cholesterins 2), der bei 79,6°C schmelzend, sich experimentell als
bequem erwies. Er war auf meine Veranlassung von E. Merck,
Darmstadt, dargestellt worden.
Bekanntlich verändert die Auflösung einer flüssigen Substanz
in einer festen Substanz den Schmelzpunkt der letzteren. Wenn
wir daher, beispielsweise, zu geschmolzenen Proben unseres Esters
- (Schmelzpunkt 79,60 C) je 21/,, 5, 10 und 20 Proz. Olivenöl oder
Olsäure zufügten, gut umrührten, die gewonnene Lösung erstarren
ließen und sie nach 24 bis 48 Stunden Pause (die erforderlich ist,
um einen gleichbleibenden Schmelzpunkt zu gewinnen) auf ihre
Schmelzpunktsänderungen prüfen, so ergab sich selbstverständlich
eine um so größere Erniedrigung des ursprünglichen Schmelz-
punktes des Esters, je mehr von der öligen Substanz in ihm ge-
_ löst war. So erhielten wir vier Punkte der fraglichen Schmelz-
"punktkurve und konnten aus den gefundenen Zahlen für drei Strecken
) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 28, 147.
?) Es lag ja nahe, für diese Versuche das billigere Lanolin zu wählen.
Ich mußte die Verwendung dieses Stoffes indes sehr bald aufgeben, da das
Lanolin nicht nur in den verschiedenen Lieferungen recht beträchtliche Ab-
weichungen des Schmelzpunktes zeigte, sondern auch in verschiedenen Stich-
‘proben, die der einzelnen Lieferung entnommen wurden, Abweichungen bis
zu 5°C gab. Und selbst wenn eine Quantität von z. B. 20g geschmolzen,
energisch umgerührt und unter Umrühren der Erkaltung und Erstarrung
"überlassen worden war, so gaben dennoch die verschiedenen Stichproben
verschiede Schmelztemperaturen: — offenbar findet vor der Erstarrung eine
_ sSchlierenbildung ungleichartigen Materials in dem „Lanolin* statt, das ja
doch ein Gemenge verschiedener Körper ist.
302 Wilhelm Filehne,
der Kurve die Schmelzpunktserniedrigung pro ein Prozent Ölgehalt
berechnen. Es ergab sich, daß auf allen drei Strecken der (Schmelz-
punktserniedrigungs-) Wert für je ein Prozent im wesentlichen
derselbe war, daß also die Kurve annähernd eine gerade Linie
darstellt. Indem wir uns sodann auf weiter unten genauer zu
meldende Weise ein Quantum mit Öl (und Ölsäure) gesättigten
Esters herrichteten und dessen Schmelzpunkt ermittelten, konnten
wir den Ölprozentgehalt der untersuchten Probe aus der jetzt be-
obachteten Schmelzpunktserniedrigung und der vorher für je
ein Prozent ermittelten Erniedrigung berechnen. Nachdem dies
geschehen, wurde zur Sicherstellung des berechneten Prozentgehaltes
in einer Probe des Esters diese berechnete Menge der öligen Substanz
tatsächlich aufgelöst und nach der nötigen Ruhe auf ihren Schmelz-
punkt geprüft. F
Es möge noch erwähnt werden, daß man bei einiger Übung R
schon während der Schmelzpunktsbestimmung erkennt, wenn der
Sättigungspunkt des Esters überschritten ist; während sich unterhalb
dieser Grenze ein ganz bestimmtes, stets annähernd gleiches Tempe-
ratur-Intervall zwischen Beginn des Erweichens und dem Klar
werden der geschmolzenen Masse zeigt, wird oberhalb der Auf-
nahmefähigkeit das Intervall sehr viel größer (es löst sich dann
allmählich der ölhaltige Ester in dem überschüssigen Öle).
Die Schmelzpunktsbestimmung des Esters nach Zufügung be-
stimmter steigender Mengen Öles oder nach Sättigung mit Öl gab
indessen, wie sich zeigen wird, nicht so befriedigende Resultate,
daß ich nicht zur Ermittelung der Lipoidlöslichkeit der Öle usw.
noch anderweitige, womöglich bessere oder zum mindesten doch kon-
trollierende Methoden glaubte anwenden zu sollen. Der Schmelz-
punktsbestimmung hängt bei Fettgemischen etwas unsicheres, etwas
stark subjektives an; diese Gemische schmelzen nicht bei einer
N
genau angebbaren Temperatur, vielmehr beginnt zunächst ein „Er-
weichen“, das — beispielsweise — trotz vorsichtig langsamen
Erwärmens für dieselbe Mischung in fünf Bestimmungen fünf ver |
schiedene zwischen 70,2° und 71,0% liegende Werte gab, dann nach
weiterem Erwärmen, findet sich protokolliert: „Schmelzen“ und
schließlich „Klarwerden“. Vom „Erweichen“ bis zum „Klarwerden®
steigt die Quecksilbersäule im T'hermometer um etwa 3% C. Und
selbst für „Klarwerden“ sind für dieselben Mischungen Angaben
protokolliert, die bis zu 0,6°C von einander abweichen. |
Deshalb sah ich mich noch nach anderen Methoden um, die
Lipoidlöslichkeit unserer Fette zu bestimmen. Zu diesem Zwecke
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles. 303
wurde zunächst das spezifische Gewicht der gesättigten
Lösungen pyknometrisch festgestellt. Das pyknometrisch gemessene
spezifische Gewicht unseres Esters betrug 0,9770. Die spezifischen
Gewichte der fraglichen Öle waren glücklicherweise — bis auf
eine Ausnahme — von jenem genügend abweichend: zwischen
0,871 und 0,9560. Schon aus diesen Zahlen konnte wohl der Öl-
gehalt der gesättigten Lösungen — also die Lipoidlöslichkeit der
Öle — berechnet werden, da ihr spezifisches Gewicht bekannt war.
_ Genauer wurden die Ergebnisse durch zwei Kontrollen: erstens
_ waren vorher empirisch die Änderungen des spezifischen Gewichts
festgestellt worden, die der Ester nach Beimengung jener kleinen
steigenden Ölmengen aufwies, die oben bei der Schmelzpunkt-
_ methode erwähnt sind, — wodurch einige Punkte der Kurve auch
_ hier gesichert und die Änderungen des spezifischen Gewichts pro
ein Prozent Beimengung ausgedrückt werden konnten. Sodann
_ wurde noch, zur Sicherstellung der für die gesättigte Lösung be-
_ rechneten Prozentzahl, einem Quantum des Esters das betreffende
Öl usw. in dem berechneten Prozentverhältnisse tatsächlich zuge-
setzt und auch von dieser Lösung das spezifische Gewicht bestimmt.
_ Die Abweichungen der hier gefundenen Werte von den für die
gesättigten Lösungen festgestellten waren gering.
Bei der Bestimmung der Aufnahmefähigkeit unseres Esters
_ für Crotonolsäure mittels Feststellung des spezifischen Gewichts des
"gesättigten Gemisches versagte diese Methode, da die Aufnahme-
fähigkeit offenbar gering ist und der Unterschied im spezifischen
Gewicht des Esters und der Crotonolsäure nicht groß genug ist,
_ um eine Bestimmung kleiner Mengen des aufgenommenen öligen
Körpers zuzulassen. Der Ester hat ein spezifisches Gewicht von
0,9770, die Crotonolsäure von 0,989; das gesättigte Gemisch hatte
_ ein spezifisches Gewicht von 0,9778. Hier müssen die Ergebnisse
der Schmelzpunktsbestimmungen benutzt werden. Bei diesen hatte
sich gezeigt, daß der Gehalt der gesättigten Mischung bei 4!/, Proz.
bis 5 Proz. liegt. Eine Mischung des Esters mit 5 Proz. Crotonol-
säure ergab ein spezifisches Gewicht von 0,9779 — was mit dem
_ vorhergemeldeten spezifischen Gewicht des „gesättigten“ Gemisches
(0,9778) gut übereinstimmt, aber doch erst in der vierten Dezi-
male vom spezif. Gewicht des reinen Esters (0,9770) abweicht Sr
also für sich allein zur Bestimmung des Prozentgehaltes von Cro-
tonolsäure nicht verwertet werden kann.
Der größeren Sicherheit wegen habe ich zur Ermittelung der
Lipoidlöslichkeit unserer Öle auch die Methode der von Hüblschen
4
|
B.
R
4
e
E
b
304 Wilhelm Filehne,
Jodzahlbestimmung!) benutzt. Bevor ich indes hierüber Bericht
erstatte, will ich eine Übersicht der bis hierher gewonnenen Resultate
geben. Und zwar sollen zuerst angeführt werden die Löslichkeits-
verhältnisse des Esters in den öligen Stoffen, obschon in biologischer
Beziehung eigentlich umgekehrt ausschließlich die Lipoidlöslichkeit
der öligen Stoffe interessiert. Indes ist die Löslichkeit unseres
Lipoids in Ölen so unmittelbar und einfach zu bestimmen, und
die Irrtumsquellen bei diesen Bestimmungen sind so viel übersicht-
licher, daß es wohl um so mehr nützlich erscheinen dürfte, diese
Löslichkeit des Esters in den Ölen voranzustellen, als ja doch
zwischen den beiderseitigen Löslichkeitsverhältnissen eine nahe Be-
ziehung existieren muß.
I. Löslichkeit des Lipoids (Stearinsäureester des
Cholesterins) bei 37°C in:
Olivenöl . .. »> 3,35 Proz Rieinolsäure . . . 0,33 Proz.
Olssare ,.. 4,11, Pseudoricinolsäure. 0,85 „
Bieinusöl... 22.0826: 7, Crotonolsäure . . . 0,397 „
II. Im Ester lösen sich (bei Zimmertemperatur) im
Maximum:
A. Aus dem | B. Nach der
spez. Gew. |Schmelzpunkts-
ermittelt bestimmung
Proz. Proz.
DEVOE AIR 25,5 33,8
lien re 37,0 40,0
Een" >31 MR TApRENEE R R 5,0 1,35
DIIROWBNEO u wre eg 20,0 16,0
Pseudoricinolsäure . .... | 10,0 12,0
Crotonckäure>": 5% 25% (5,0) 5,0
Wie man sieht, liefert die Schmelzpunktsbestimmungsmethode
als Kontrollinethode einigermaßen Brauchbares.
Für die zur Bestimmung der Jodzahl angestellten Versuche”
” ” .. .. . A |
Versuchsreihen vorbereitet. Um öl-„gesättigte“* Esterproben zu
gewinnen, wurden auch hier gleiche Mengen von Ester und Öl R
war das Lipoidölmaterial ganz so wie in den oben beschriebenen
Kan :
bei eben ausreichender Erwärmung (auf dem Wasserbade) zu #
sammengeschmolzen und verrührt, unter Umrühren erkalten ge
lassen und zwischen Fließpapier, bei häufigem Wechsel des Papiers, #
') Benedikt-Ulzer, Analyse der Fette und Wachsarten, Berlin 1908 }
(4. Aufl.), S. 19, 4
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles. 305
abgepreßt, um das überschüssige Öl zu entfernen. Nach je 2, 8
und 14 Tagen abpressen wurden Proben zur Analyse entnommen.
Die Jodzahlen unseres Materials waren als Durchschnitt mehrerer
gut übereinstimmender Bestimmungen folgende:
Cholesterin-Stearinsäure-Ester 32,2 Meinusohl: er 86,2
212 EEE 86,7 Kieinolsänre 2... near 84,4
RN ER 84,2 Pseudorieinolsäure .. .. . 89,4
Wie man sieht, liegen die Zahlenwerte, einerseits des Esters
(32,2) und andererseits der Öle (zwischen 84,2 und 89,4), so weit
auseinander, daß eine Berechnung der Lipoidlöslichkeit gut aus-
führbar ist. Es sei « die Jodzahl des Esters und ß jeweils die
des Öles, m das Gewicht der untersuchten Gemischprobe, y die
für diese Probe gefundene Jodzahl, so haben wir die beiden
Gleichungen
sty=m
wr+ßy=p;
in denen x das Gewicht des Esteranteils und y das des Ölanteils
in der Probe sein soll. Hieraus berechnet sich
”
e
j
|
|
unter der Voraussetzung, daß die jodaddierenden doppelten Bin-
s
- dungen sich nicht durch das Zusammenschmelzen und die Proze-
; duren der v. Hüblschen Bestimmungsmethode (Auflösen in Chloro-
g form usw.) geändert haben.
E Für die gesättigten Proben fanden wir die folgenden
Prozentzahlen:
i Tabelle II.
& Nach Nach Nach
E 2tägigem Stägigem | l4tägigem
u | Abpressen Abpressen | Abpressen
Proz. Proz. Proz.
DE ER 30,0; — 1007.13.0.7 711,47, 92
2 EEE 16,8; 16,0 | 14,0; 20,0 6,9; 91
2 a0 a Ne N 97,6 27,5
Bemolsäure. .. . . : 2.22. . | 21,0; 19,0 | 24,0; — 30,7:.25,5
Ze RD ROHENF 116,8: 1553 2} 1:16,65 15,9 0 —
Sehen wir zunächst von dem befremdlichen Befunde ab, daß
nach l4tägigem Abpressen die mit der Pseudoricinolsäure
„gesättigte“ Probe gar nichts mehr von ihr enthielt, während nach
2- und Stägigem Abpressen in vier Bestimmungen zwischen 15,3
Beitr. z. chem, Physiologie. X. 20
Dr"
u
E:
|
#
r
306 Wilhelm Filehne,
und 16,5 Proz. gefunden wurde. Die übrigen Zahlen sind von
der Art, daß wir die nach l4tägigem Pressen gewonnenen als
benutzbar ansehen dürfen. Wir haben nun, wie in den beiden
ersten Versuchsreihen, uns zur Kontrolle Proben hergestellt, die
tatsächlich die aus Tab. III sich ergebenden Mengen von Öl usw.
enthielten — also für Olivenöl 10, Ölsäure 8, Rieinusöl 27, Ricinol-
säure 25 Proz. Für die Pseudorieinolsäure nahmen wir 16 Proz.,
wie nach 2 und 8 Tagen Pressung gefunden war. Mit jedem
Materiale wurden 24 Stunden nach der Herstellung drei Bestim-
mungen der Jodzahl gemacht. Die folgende Tabelle gibt den aus
diesen Jodzahlen berechneten Prozentgehalt.
Tabelle IV.
| Berechneter Gehaltj
Benutzte Mischung
Proz. | Proz. | Proz.
10 proz. Olivenöl el) — 9535| + 5,4
8 „ Ölsäure — 25 | + 79 | + 08
27 „ Ricinusöl.. ı+378.| 197 7
25 „ Rieinolsäure + 925 +139 | +13,8
16 „ Pseudoricinolsäure Bee — 20 ı + 230
Durch diese überraschenden Befunde wird man zu der An-
nahme gedrängt, daß namentlich bei Pseudoricinolsäure, aber auch
bei Olivenöl und Ölsäure jodbindende Affinitäten in unseren Ge-
mischen verschwunden sind. Dagegen sind bei den Ricinusöl-
gemischen fast alle, bei der Ricinolsäure wenigstens etwa die
Hälfte dieser Affinitäten unversehrt.
Unter diesen Umständen hat es keinen Sinn, aus den Zahlen
der Tab. III die Lipoidlöslichkeit unserer öligen Stoffe berechnen
zu wollen. Die v. Hüblsche Methode ist anscheinend in unserem
Falle nieht anwendbar.
Dagegen scheint es biologisch von Bedeutung zu sein, daß
— wie wir wohl annehmen dürfen — bei der Lösung von Fetten
in Lipoiden chemische Veränderungen vorkommen können, und
ferner, daß diese Veränderungen sich gerade nur bei den Nahrungs-
fetten und der nicht abführenden Pseudoricinolsäure finden, während
die abführenden Stoffe, Rieinusöl und Ricinolsäure, derartige Um-
setzungen nicht — oder doch wesentlich weniger — zeigen. —
Diesem Gedanken experimentell nachzugehen, liegt außerhalb
meines Arbeitsfeldes.
Über die Lipoidlöslichkeit des Ricinusöles. 307
Angesichts dieser Erfahrungen mit der Jodzahlmethode ist es
nun wohl auch mißlich, die für sich allein ja befriedigenden
i rgebnisse der beiden ersten Versuchsreihen (Bestimmung des
Schmelzpunktes und des spezifischen Gewichtes) als genügend
sicher anzusehen, bevor die chemischen Vorgänge in den Lipoid-
ölgemischen aufgeklärt sind. Es genügt mir, die Resultate meiner
Bemühungen gebracht zu haben.
Methodik und Protokolle).
Schmelzpunktbestimmung. Die in den unten angegebenen Ver-
hältnissen abgewogenen Mengen Ester und Öl bzw. Ölsäure wurden auf dem
Wasserbade unter Umrühren verschmolzen und gleichfalls unter Umrühren
'erkalten gelassen. Die so erhaltene Masse wurde möglichst fein zerrieben
und in Schmelzpunktröhrchen gefüllt. Die Bestimmungen geschahen mit
einem in Y,.° geteilten Normalthermometer im Schwefelsäurebade in einem
Rundkolben mit langem Halse (Kjeldahlkolben).
Tabelle V;
Der Schmelzpunkt des reinen Esters liegt bei 79,4 bis 79,8°, im Mittel
79,6°. Bei den einzelnen Proben wurden die Temperaturen des Erweichens,
'Schmelzens und Klarwerdens beobachtet. Die beigefügten Bruchzahlen
geben die Mengen der zugesetzten Öle bzw. Fettsäuren im Verhältnis zur
Menge des Esters an.
Olivenöl.
h s io Yo Im Mittel: '% Yo 0
Erweichen .... ? 75,2; 76,0 76,3; 75,8 a
een. ... 762 772; 781 774; 76,9 a
Klarwerden 78.0, 7895.49,0:.7915.79,2 80 I
(Im Folgenden sind die drei Stadien: Erweichen, Schmelzen, Klarwerden
nicht mehr namhaft gemacht; der Leser wolle die drei vertikal unterein-
ander befindlichen Zahlen so deuten.)
Ricinusöl.
/ao /s0 Im Mittel: 1/0 /so
76,1; 75,6 76,8; 75,6 — —
78,2; 77,6 ish: Fls) 77,9 717,2
73.1: 19,4 79,5; 79,2 79,6 79,4
Ölsäure.
/s "/ıo Im Mittel: '/, /io
715; — 75,4; 74,1 — —_
73,2; — 76,1: 792 _ 76,6
75,6; — 73,13 750 — 71,9
K4 ‘) Den experimentell-chemischen Teil habe ich durch den Instituts-
| assistenten Herrn Dr. phil. G. Klose ausführen lassen.
|
%
21°
”
“
ı&
er
308
Wilhelm Filehne,
Ricinolsäure.
/eo "/ao Im Mittel: so [ao
76,1; 75,8 71.8. 2788 _ u
77,2; 76,6 11,93: 04,8 76,9 71.3
78,8; 78,4 79,2; 79,4 78,6 79,3
Crotonolsäure.
/ao "ao Im Mittel: '/, /s
155; 78,6 75,9; 76,0 —_ _—
76,5; 76,7 77,2; 76,8 76,6 71,D
79,1: 79,3 79,2: 73,9 79,2 79,1
Pseudoricinolsäure.
/ eo Im Mittel: '/o "eo
74,9; 75,0 78/7; 7531 — _
76,2; 75,8 TI0S TI 76,0 77,2
77,1; 76,8 78,3; 78,7 77,0 78,5
Die mit Öl bzw. Ölsäure gesättigten Esterproben wurden in der-
selben Weise vorbereitet, und zwar derart, daß Ester und beigemengte
Substanz im Verhältnis 1:1 vorhanden waren. Nach dem Erkalten wurde
dann solange zwischen Filtrierpapier unter oftmaliger Erneuerung des
letzteren unter Drucken bis zu 20kg abgepreßt, bis sich keine Änderung
im Schmelzpunkte mehr ergab.
Tabelle VI.
| Im Mittel Proz. Gegenprobe
Olivenöl |
73,4; 73,0 | —_ — 74,1; 74,5
74,6: 74,1 NT 74 BR: 75,6; 75,8
76,9; 76,9 | 76,9 33,8 716,75. FEU
Ricinusöl |
782; 77,9 U RTER 77,1; 77,6
78,8; 78,6 78,7 Ye lkre2i 78.2; 78,5
792; 79,8 70,8 N SBR 79,1; 79,0
Ölsäure
70,5; 702 2 re 71,0; 70,6
72.0: 71,9 72,0 & 72,4; 72,0
72,5; 73,1 72,8 40 72,8; 73,0
ticinolsäure.
Die Bestimmungen gaben wechselnde und widersprechende und, wie
sich später zeigte, stets zu niedrige Werte, ohne daß wir die Gründe für
die Widerspenstigkeit des Materials aufzuklären vermochten; wir verzichten
auf die Wiedergabe eines Versuchsbeispiels. Dagegen geben wir die Schmelz-
punktsbestimmungen mit Rieinolsäure, die gewonnen wurden, nachdem wir
aus der Bestimmung des spez. Gew. einer mit Rieinolsäure gesättigten”
Esterprobe einen Gehalt von 20 Proz. ermittelt hatten.
> 202228
Über die Lipoidlöslichkeit des Rieinusöles. 309
Eine neue tatsächlich zu 19 bis 20 Proz. mit Ricinolsäure versetzte
Esterprobe lieferte folgende Zahlen:
734; 738 Im Mittel: 73,6
72,751 75,2
76:7: 76,9 76,8
Nun hatte — s. vorige Versuchsreihe — '/,, Ricinolsäure Schmelzpunkt
78°C ergeben. Hieraus berechnet sich der tatsächlich 19 bis 20 Proz.
betragende Gehalt unserer Probe auf 16 Proz. — also wiederum zu niedrig.
Im Mittel Proz. Gegenprobe
Crotonolsäure
25,6 _ == 75,1; »75;6
26,9; ::76,8 76,9 -- 26,95. 76;8
29,35::79,2 79:3 5 73.3.7932
Pseudoricinolsäure
244: 75,1 — — 74,2: 1789
75,0; 76,2 75,6 _ 73,2, 763
76,0; 76,6 76,3 12 76:2:. 74,0
Die in der dritten Reihe angeführten Prozentzahlen berechnen sich
unter Zugrundelegung der Tab. V. Die „Gegenprobe“ wurde dann mit
Ester ausgeführt, dem in der Tat 33,8 usw. Proz. der zu untersuchenden
Substanz beigemengt waren, um uns von der Richtigkeit und Genauigkeit
der in der ersten Senkrechten angeführten Zahlen zu überzeugen. — —
Für die Bestimmung des spez. Gew. wurden die Proben in gleicher
Weise vorbereitet, darauf in Pyknometer gefüllt, im Trockenschrank bei 80°
"geschmolzen und auf Zimmertemperatur darin abgekühlt. Es gab durchweg
klare Schmelzen ohne jede Einschlüsse. Beim Erstarren bildeten sich Risse
und Spalten von der Oberfläche aus. Durch vorsichtiges Einbringen von
Wasser mittelst Kapillarpipetten und häufiges Klopfen wurden nach und
nach alle Luftbläschen entfernt; die Wägungen wurden so oft wiederholt,
bis keine Änderung des spez. Gew. mehr eintrat.
Tabelle VI.
(Temp. 24°.) Spez. Gew. des Esters: 0,977 (im Mittel).
Spez. Gew. | Spez. Gew. | Spez. Gew. G a
desÖles bzw. des des gesätt. | Proz. .
der Säure | Gemenges Esters epezr Draw}
Jlivenöl 0,871 (/10) 0,9680 0,9545 25,5 0,9553
m... J Ei He] |
| öl cn 0,961 Lv.) 0,978 0,9760 5,0 0,9759
säure ....... | 0,923 (/)0,974 | 0,9663 37,0 | 0,9670
Rieinolsäure. . 0,9560 [(/,)0:9790] | 0,9720 20,0 0,9704
_Crotonolsäure . | 0,9890 [(/40) 1,008] | 0,9778 _ _
510 Wilhelm Filehne,
(Da dieser letztere Wert dem spez. Gew. des reinen Esters sehr nahe
kommt, so ließ sich kein bestimmter Schluß auf den Prozentgehalt des mit
Säure gesättigten Esters ziehen. Eine mit 5proz. Säure [entsprechend
Tab. II] versetzte Probe des reinen Esters hatte ein spez. Gew. von 0,9779.)
Psendoricinolaäure. . | 0,9540 | (Yu) 0,972 | 0,9773 | 10,0 | 0,9752
|
Bedeutung der in () stehenden Bruchzahlen siehe Tab. V. Die in [ ]
stehenden Zahlen sind für die Berechnung wertlos. Alle in Tab. VII an-
gegebenen Zahlen sind Mittelwerte aus mehreren verschiedentlich aus-
geführten Bestimmungen. Ricinolsäure s. Anm. Tab. VI.
Zur Bestimmung der Löslichkeit des Esters in Öl bzw. Säure wurden kleine
Mengen (0,02 bis 0,5 g) Ester im Reagenzglase mit Öl bzw. Säure versetzt,
im Wasserbade unter Umrühren auf 60° erwärmt und unter fortgesetztem
Rühren auf 36 bis 37° abgekühlt. Mit dem allmählichen Zusatz abgewogener
Mengen Öles bzw. Säure wurde so lange fortgefahren, bis bei der angegebenen
Temperatur von 36 bis 37° unter Umrühren beginnende Trübung eintrat.
Tabelle VIII.
Ester Gelöst in & Öl bzw. Beginnende Trübung Dr
g N Säure bei 60’ bei °
0,5 ' 15,6 Olivenöl 37,6 3,35 |
0,05 | 19,3 Ricinusöl 37,6 0,26 4
0,5 12,5 Ölsäure 37,5 4,11 {
0,05 ' 15,2 Ricinolsäure 37,0 0,33
0,028 3.28 Pseudoricinolsäure 36,2 0,85
0,02 2,3 Crotonolsäure 36,5 0,37
Bestimmung der Löslichkeit der Öle bzw. Ölsäuren im
Ester mittels der Hüblschen Jodzahl!).
Die Proben wurden in der gleichen Weise wie bei den vorher ange
ebenen Methoden hergestellt. Nach 2-, 8- und l4tägigem Abpressen ergaben 5
sich folgende Zahlen:
Jodzahl Prozentgehalt des mit Öl bzw. Ölsüure |
der reinen | gesättigt. Esters an Öl bzw. Ölsäure nach
I
—
Öle usw. | Ltäg. Abpr. Stäg. Abpr. l4täg. Abpr.
I
Olivenöl: . 22... 867 | 800 10.0: 130 |114 92 5
licinusöl’. N... @n, 86,2 | 40,4 27,8 27,6; ZU
er 84,2 | 16,8; 16,0 | 14,0; 20,0 | 6,9; 8
Rieinolsäure. . . . . 8,2 | 21,0; 19,0 | 24,4; 30,7 25,3
Pseudoricinolsäure . . 89,4 16,8; 15,3 | 18,6; 16,9 0
Kur. 922 | _ — | _ &
') Benedikt-Ulzer, Anal. d. Fette u. Wachsarten 1903, 4. Aufl., 8. 19:
Über die Lipoidlöslichkeit des Ricinusöles. 311
2 Zur Kontrolle der erhaltenen Zahlen wurden Gemenge des Esters mit
en bzw. Ölsäure dargestellt, deren Prozentgehalt den Mittelwerten der
l4tägigem Abpressen erhaltenen entsprach. Für die Pseudoricinolsäure
wurde ein Gemenge mit 16 Proz. Säuregehalt dargestellt.
hr Eine Probe, enthaltend:
ergab auf Grund der Jodzahlbestimmung
Er einen Prozentgehalt von
ro2 Olivenöl .: 2. ..... PTR U — 98; 54
Zr Biemusöl. ... » - - BU: 37,8 19,7:2.199
lsaure . ....: 22... — 935 79:...08
Fe, - Bar PR:
ekiemolsäure . - ...... 9,25 13,9: 713,8
Ben Pseudorieinolsäure .. .. . 0 — 23; 2,0
XVIll.
Untersuchungen über den Glykogenumsatz
in der Kaninchenleber.
Dritte Mitteilung.
Von Prof. Dr. med. Ivar Bang und den Amanuensen Malte Ljungdahl
und Verner Bohm.
Aus dem physiologisch -chemischen Laboratorium der Universität zu Lund.
Nachdem wir in zwei vorangehenden Mitteilungen unsere
Ergebnisse über den Glykogenumsatz der Leber nach verschiedenen
Einwirkungen mitgeteilt haben, bleibt uns noch übrig auszuführen,
in welcher Weise die verschiedenen Gifte Glykosurie bewirken,
und ob auch in diesen Fällen das Leberglykogen beteiligt ist
oder nicht.
Bekanntlich bewirkt die Einführung zahlreicher verschiedener
Gifte eine Zuckerausscheidung im Harn. Wir haben davon nur
einige eingehender berücksichtigt, und zwar solche, die schon früher
in verschiedener Richtung studiert worden sind.
Diese Untersuchungen zerfallen in zwei Abschnitte. Einerseits
stellen wir die Ergebnisse nach Vergiftungen mit Morphin und
Stryehnin, andererseits jene nach Vergiftungen mit Phlorizin
und Phloretin zusammen.
8. Der Glykogenumsatz in der Kaninchenleber nach Vergiftungen
mit Morphin und Stryehnin.
Morphin und Strychnin wurden als Beispiele der Gifte ge-
wählt, weil man die Glykosurien nach Vergiftung damit bereits
niit dem Umsatz des Leberglykogens in Verbindung gesetzt hat
(z. B. Pflüger dessen „Glykogen“, S. 526). Nach Eckhards
Angaben soll Morphin in derselben Weise wie die Piqüre Glykos-
urie hervorrufen, d.h. durch Eimwirkung auf das „Zuckerzentrum“
Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm, Untersuchungen usw. 313
der Leber. Nach Eckhard ist auch die Zuckerausscheidung nach
Morphinvergiftung eine konstante Wir sind genau Eckhards
Angaben gefolgt.
Die Tiere wurden meist eine Stunde nach der Morphineinspritzung
laparotomiert, nur Nr.132 erst nach zwei Stunden. Nr. 129 bekam 0,06 g
| Morphin. hydrochlor. subceutan, die übrigen 0,05g intravenös. Die Ergeb-
nisse sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Die Methodik wie in
den früheren Versuchsreihen.
f Tabelle I!).
E '
n.ıa Gewicht | Gewicht |
e FR des der nn Glykogen Seat Umsatz | Harn-
= 2 | Kaninchens | Leber |S'J*0gen umsatz zuckeı
e x g g g Proz. g Proz. 4
i 129 1800 83 9,0 10,8 0,88 9810
he 1350 2300 100 4,4 4,4 0,44 10,0 E=
= 131 2500 100 6,2 6,2 1,15 18,5 0
= .132 2000 151 19,9 13,2 2,83 14,2 a
=
Re Mittel . . | — 1,33 131 | —
Die Versuche zeigen eine mäßige Vermehrung der Ferment-
_ quantität der Leber, welche jedoch genügt, um die Zuckeraus-
scheidung zu erklären. Es ist leider nicht untersucht, wie die
_ Fermentmengen sich zu verschiedenen Zeiten nach der Einspritzung
verhalten. In Anbetracht der geringen Zuckermenge im Harn darf
_ man annehmen, daß die Einwirkung des Giftes sich hier erst recht
spät geltend machen kann und daß die Verhältnisse in dieser
ichung von jenen bei den meisten früher besprochenen Ein-
wirkungen abweichen. Aus diesem Gesichtspunkte ist erklärlich,
daß Versuch Nr. 131 keine Zuckerausscheidung aufzuweisen ver-
mag, trotzdem hier die größte Fermentmenge der Leber vorliegt.
_ Die Fermentproduktion der Leber hat nicht lange genug gedauert,
_ um sich durch Ausscheidung von Harnzucker zu äußern.
‘ Die Strychninvergiftung bietet ein spezielles Interesse dar.
Es ist denkbar, daß das Strychnin durch direkte nervöse Erregung
_ Fermentproduktion bewirken kann, aber es ist auch nicht un-
wahrscheinlich, daß die Strychninkrämpfe mitbeteiligt sind. Die
Krämpfe Eötnten möglicherweise das Muskelglykogen besonders
in Anspruch nehmen oder sie könnten auch reflektorisch die Fer-
imenttätigkeit der Leber beeinflussen. Das Strychnin könnte somit
Fermentproduktion in der Leber auf verschiedene Weise hervor-
') Versuche von Bohm.
314 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
rufen. Unsere Versuche haben auch ein dem entsprechendes Er-
gebnis geliefert. Sie sind in der Tabelle II zusammengestellt.
Tabelle II?)
| Gewicht | Gewicht 5 $
Versuchs- ‚ des der Abe re Glykogen Bi Umsatz
Nr. | Kaninchens | Leber |[8!J&X0gen UMBAUZ
sg g g Proz. g Proz. ä
| |
133 3000 120 10,0 8,3 1,69 16,9
1334. 7 1900 120 11,0 92 3,62 329
135 1900 110 16,0 14,5 2,82 | 19,5 |
Mittel... | 133 2 2a | 3 3
Nr. 133 bekam 1,8mg Strychnin und nach einer halben Stunde (ohne
Krämpfe) noch 1,8mg, subeutan. Starke Konvulsionen, Narkose. Leber-
exstirpation nach 45 Minuten (von der ersten Injektion gerechnet). Der
Harn reduzierte schwach. |
Nr. 134 bekam 1,2 mg subeutan. Nach einer Viertelstunde starke
Krämpfe, welche '/, Stunde dauerten. Das Tier war dann moribund. Leber-
exstirpation ohne Narkose.
Nr. 155 bekam 1 mg subeutan. Nach 15 Minuten Krämpfe, vo %
kontinuierlich '/, Stunde dauerten. Narkose, Leberexstirpation. |
Die Versuche zeigen einen wesentlich größeren Glykogen-
umsatz als bei der Morphinvergiftung. Weiter ist zu bemerken,
daß hier schon nach einer halben Stunde eine starke Vermehrung
der Fermentmenge nachgewiesen ist, während sie bei Morphin-
vergiftung höchstwahrscheinlich erst später eintritt. Dies wurde
beobachtet, trotzdem das Strychnin subeutan, das Morphin aber
intravenös eingespritzt wurde. In beiden Fällen ist aber eine ver-
mehrte Fermentproduktion der Leber nachgewiesen, und man ist
dementsprechend berechtigt, anzunehmen, daß die nach diesen Ver-
giftungen auftretende Glykosurie einer Vermehrung der Enzymmenge
entspricht, was auch mit der jetzigen Auffassung im Einklang steht.
9. Der Glykogenumsatz in der Kaninchenleber nach Vergiftungen
mit Phlorizin und Phloretin.
Unter den Giften nehmen Phlorizin und Phloretin eine ganz
besondere Stellung ein, indem sie eine reichliche Glykosurie be
wirken, ohne daß den meisten Angaben zufolge der Blutzucker
gehalt vermehrt ist. Allerdings ist dieser Befund, welcher durch”
zahlreiche Analysen verschiedener Untersucher bestätigt worden
ist, nicht ganz allgemein akzeptiert worden, indem Pavy — dessen |
') Versuche von Bohm, sämtliche spätere von Bang.
Ua EEDRREDASZE
e u
re er
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 315
Ansicht Pflüger sich anschließt — nach Phlorizineinspritzung ein
Ansteigen des Blutzuckergehaltes von 0,1 Proz. auf 0,23 Proz. be-
obachtete, also genau dieselben Werte, welche wir nach Vagusreizung
gefunden haben. Indessen ist zu bemerken, daß Pavy den
Alkoholauszug des Blutes erst invertierte. Hierdurch wird ja ein
neues Moment eingeführt, dessen Bedeutung nicht zu übersehen
ist. Andererseits hat Zuntz gefunden, daß diejenige Niere, welcher
mit dem Blute zuerst Phlorizin zugeführt wird, eher zuckerhaltigen
Harn absondert als die andere. Weiter hat v. Mering Zucker-
ausscheidung bei entleberten Fröschen und Gänsen nach Phlorizin-
vergiftung beobachtet. Unterbindung der Ureteren ruft auch keine
Vermehrung des Blutzuckergehaltes hervor. Die Ursache des
Phlorizindiabetes ist deswegen noch dunkel. Am meisten darf
man wahrscheinlich v. Merings Auffassung zuneigen: die Phlori-
zinvergiftung bewirkt einen Nierendiabetes.
Selbst unter dieser Voraussetzung hat es aber ein nicht ge-
ringes Interesse, den Glykogenumsatz der Leber festzustellen.
Entweder wird der Zucker ganz unabhängig in der Niere sowohl
produziert als ausgeschieden — in diesem Falle ist und bleibt die
Leber ganz unbeteilist — oder es bewirkt das Phlorizin eine ver-
mehrte Durchlässigkeit der Niere und Zucker wird in größerem
Maßstabe aus dem Blute eliminiert. Bleibt in diesem Falle der
Blutzuckergehalt unverändert, muß anderswo eine der Ausscheidung
entsprechende vermehrte Zuckerproduktion vorkommen. Man hat
in dieser Beziehung vor allem an die Leber zu denken.
Bei den folgenden Versuchen wurde das Phlorizin intraperi-
toneal eingespritzt, in den Versuchen Nr. 137, 138 und 144 2g,
in den Versuchen Nr. 159 und 140 0,7& und in den übrigen
0,5g. Der Harn enthielt immer, mit Ausnahme von Versuch
Nr. 141, reichlich Zucker, gewöhnlich über 1 Proz. Wir lassen die
Versuche folgen.
Tabelle Il.
2 Zeitnach| Gewicht | Gewicht | Gesamt- RR Er
3#| Ein- des der en Glykogen tz, | Umsatz
2# |spritzung, Kaninchens | Leber |8'Y%0ogen DIEBaLz
= Stunden g g 8 Proz. g Proz.
137 1 2500 102 10,0 9.8 OT. 8
138 1 1900 136 15,3 11,2 122 | 80
19| ı 800 98 5,5 5,7 046 | 84
140 l 900 114 8.0 7,3 0,80 | 10,0
Mittel. . 9,7 ER 0,82 8.6
316 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
a Zeit nach | Gewicht | Gewicht (Gesaink- EERRETT
=. Ein- | * des ı _der aa Glykogen tz Umsatz
27 \spritzung Kaninchens | Leber |8’JXogen ums
“= Stunden g g g Proz. g Proz.
141 13% | 900 114 ee 0,75 81
142 1 ASt 750 71 3:0: 7.428856 0,54 13,5
143 4 900 | 69 4,5 6,5 0,68 | 15,0
Mittel. . 5,9 Fu.) Os
144 2 1700 100 12,5 12,5 1,13 9,0
145 2 900 130 5,3 3,9 0,28 5,0
Mittel. ..| -89 — se
Auf Grund des Ergebnisses dieser neun Versuche kann man
kaum von einer wesentlich vermehrten Fermentproduktion der
Leber sprechen. Zwar zeigen die Versuche Nr. 142 und Nr. 143
eine recht erhebliche Vermehrung an, in diesen Fällen aber ist
der Glykogengehalt der Leber geringer als sonst.
Dagegen scheint es nicht ganz ausgeschlossen, daß ein ge-
ringes Ansteigen der Fermentquantität der Leber vorliegen kann,
welches mit der Elimination des Blutzuckers in Verbindung gesetzt
werden könnte. Die gefundenen Werte weichen jedoch zu wenig
von den normalen ab, als daß man hierüber etwas Bestimmtes
sagen könnte.
Als Mangel dieser Untersuchungen könnte angesehen werden, dab wir
keine Glykogenbestimmung kürzere Zeit, z.B. eine halbe Stunde, nach der
Einspritzung ausgeführt haben. Hierzu ist zu bemerken, dab es bei der
allmählichen Assimilation des Phlorizins unmöglich ist, den Anfang der
Wirkung bestimmt zu fixieren.
Da wir also keine ganz bestimmte Schlußfolgerung über die
Beteiligung der Leber beim Phlorizindiabetes ziehen konnten, haben
wir versucht, der Frage von einem anderen Ausgangspunkte aus
näher zu treten.
Bei der Pigüre ist von uns eine Vermehrung des Glykogen-
umsatzes der Leber erwiesen. Ebenso ist bekannt, wie auch unsere
Bestimmungen erwiesen haben, daß der Blutzucker bei Piqüre
vermehrt ist. Wenn nun die Niere bei der Phlorizinvergiftung
auch den Zucker aus dem Blute eliminiert, so ist zu erwarten, dab
der Blutzuckergehalt bei Pigqüre und Phlorizinvergiftung
jedenfalls nicht so hoch wie nach Piqüre allein ansteigen kann. Wir
besitzen hierüber zwei Versuche.
1. Ein Kaninchen von 900 g hatte 16 Stunden vorher 30 g Rohrzucker
mit der Sonde erhalten. 10 Uhr 5 Min. vormittags 1g Phlorizin intra-
Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 317
peritoneal. 10 Uhr 30 Min. Zuckerstich. 11 Uhr 20 Min. wurden 475g
Blut entnommen. Blutzuckergehalt —= 0,22 Proz. Die Leber glykogenreich.
12cem Harn mit 3,7 Proz. Zucker.
2. Ein Kaninchen von 2400 g hatte 16 Stunden vorher 30g KRohr-
zucker mit der Sonde erhalten. 11 Uhr 1 Phlorizin. 11 Uhr 15 Min.
Zuckerstich. Um 12 Uhr wurden 61,9g Blut entnommen. Blutzuckergehalt
— 0,17 Proz. Die Leber glykogenreich. 35cem Harn mit 3,5 Proz. Zucker.
| Es scheint darnach, daß man bei Phlorizinvergiftung und
Pigüre ein geringeres Ansteigen des Blutzuckers erhält, als bei der
Pigüre allein. Wenn aus nur zwei Versuchen eine Folgerung er-
laubt ist, spricht dieses Ergebnis für die Auffassung, daß bei
Phlorizinvergiftung der Zucker in größerem Maßstabe als normal
aus dem Blute eliminiert wird. Wenn die Blutzuckerkonzentration
dessenungeachtet unverändert bleibt, muß man eine dem ent-
sprechende Zuckerproduktion anderswo annehmen.
Diese Auffassung findet eine interessante Analogie in den
Untersuchungen von Bock über das Schicksal von in die Blutbahn ein-
_ geführtem Kaliumchlorid. (Zwei Versuche sind von Hald im Archiv
f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 53, 227, veröffentlicht, viele andere
_ interessante Versuche werden demnächst von Prof. Bock publiziert
_ werden.) Injiziert man Kaninchen Kaliumchlorid intravenös, so
treten große Mengen KCl im Harne aus, während der KCl-Gehalt
des Blutserums vor und nach der Injektion ganz unverändert bleibt.
Allerdings wird dabei auch in den Organen Kali deponiert,
denn auch bei nephrektomierten Tieren bleibt der Kaliumgehalt
des Serums der gleiche.
So wie hier die Konzentration des Blutes zu Kalium unverändert
bleibt, während davon im Harn reichliche Mengen erscheinen,
könnte man annehmen, daß es sich mit dem Zucker bein Phlori-
zindiabetes verhält. Der Unterschied bestände darin, daß die Niere
gegenüber Kali von vornherein die Fähigkeit einer raschen Aus-
scheidung besitzt, während sie gegenüber Zucker diese Fähigkeit
erst durch das Phlorizin erhielte.
Das Glykosid Phlorizin liefert bei der Hydrolyse Zucker und
Phloretin. Es ist anzunehmen, daß ein Teil des ausgeschiedenen
Zuckers aus dem eingeführten Phlorizin herstammt, was die Ver-
suchsergebnisse komplizieren kann. Gegen mehrere solche, z. B.
“vw. Merings Versuche mit entleberten Tieren, hat in der Tat
Pflüger den Einwand erhoben, daß sich die beobachtete Zucker-
ausscheidung vielleicht schon hieraus erklären läßt.
4 Diese Fehlerquelle ist bei Versuchen mit Phloretin, welches
_ auch Glykosurie bewirkt, ausgeschlossen.
318 Ivar Bang, Malte Ljungdahl und Verner Bohm,
Deshalb haben wir Versuche mit Phloretinvergiftung angestellt,
über welche die folgende Tabelle berichtet.
Tabelle IV.
Überall ist 0,6g Phloretin intraperitoneal injiziert.
Zeitanchle Cawishki Kestichr
a |
8.;| Ein | des 2 der g [Glykogen an Umsatz
2% \spritzung| Kaninchens | Leber |glykogen ö umsatz
= Stunden | g g g Proz. g Proz.
146 1 1800 135 8,7 6,4 152 | 175
a 3000 }) 112 7,4 6,6 1,11 | 150
1448| ı 2000?) 105 5,8 5,4 0,58 10,0
19| ı 2500 %) 118 2,5 9,1 0,78 | 310
150.1: IE 2400 102 8,2 8,0 0,92 11.2
11.1, 1800 }) 104 10,2 9,8 2,72 25,7
152 2 2000 }) 111 13,0 11,7 176 | 135
153 2.1.2400) 151 14,7 9,7 1,92 | 131
Mittl..| 88 | — 1,36 17,2
Ein Blick auf die Tabelle zeigt, daß die Ferinentproduktion
nach Phloretin ganz unzweifelhaft gestiegen ist. In dieser Be-
ziehung besteht somit ein deutlicher Unterschied zwischen Phlorizin
und Phloretin. Und dieser Unterschied ist desto interessanter, als
Phloretin ein Bestandteil des Phlorizins is. Die Wirkung des
Glykosids ist nicht mit der seiner Komponente identisch.
Wir haben sowohl vermehrten Glykogenumsatz als Glykosurie
(in allen Versuchen) gefunden, und es fragt sich nun, wie der
dritte beteiligte Faktor, der Blutzucker, sich verhält. Das Er-
gebnis ist aus Tabelle V ersichtlich.
Tabelle V.
EEG
Versuchs- | on Blutzucker
Nr | entnommen
| £ Proz.
147 46,5 | 0,15
148 27,8 0,14
149 49,4 0,13
15T 33,6 0,12
152 46,5 0,15
155 57,9 h 0,10
Mittel . . 0,13
(Aderlaß eine Stunde nach der Phloretininjektion.)
') Aderlaßkaninchen.
_ Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. 319
Die Versuche ergeben sonach das übereinstimmende Resultat,
daß der Blutzuckergehalt nach der Phloretinvergiftung nicht oder
_ jedenfalls höchst unwesentlich vermehrt ist, trotzdem ein stark
-_ vermehrter Glykogenumsatz der Leber vorliegt. Auch die Mög-
lichkeit, daß der Zucker in einer nicht direkt nachweisbaren Modi-
_ fikation vorkommt, ist auszuschließen. Im Versuche Nr. 155 wurde
- die Zuckerlösung auch nach Inversion titriert; es wurde genau
dieselbe Konzentration 0,10 Proz. gefunden.
F Zuletzt haben wir in zwei Versuchen die Phloretinvergiftung
_ mit der Pigüre kombiniert.
| VersuchNr. 154. Kaninchengewicht 2100 g. 50 & Rohrzucker 16 Stunden
“vorher. 11 Uhr 7 Min. 0,6g Phloretin. 11 Uhr 37 Min. Zuckerstich, 12 Uhr
- 37 Min. Aderlaß. 41,4 & Blut entnommen mit einem Zuckergehalte von
0,25 Proz. Die Leber, — 147g, enthält 8g Glykogen — 5,4 Proz. 45 ccm
- Harn mit 0,355 Proz. Dextrose.
LG Versuch Nr. 155. Kaninchen 2000g. 30g Rohrzucker 16 Stunden
“vorher. 11 Uhr 0,6g Phloretin. 11 Uhr 30 Min. Zuckerstich. 12 Uhr 30 Min.
50,4g Blut entnommen mit dem Zuckergehalt = 0,27 Proz. Die Leber war
118g schwer. Glykogen = 5,4g oder 4,6 Proz. Der Glykogenumsatz betrug
in 4 Stunden 17,2 Proz. 50cem Harn mit 0,45 Proz. Dextrose.
Die Versuche zeigen bei der Phloretinvergiftung auch nach
der Pigüre ein geringeres Ansteigen des Blutzuckergehaltes. Der
_ Unterschied ist jedoch nicht so prägnant wie bei der Phlorizin-
vergiftung. Nimmt man an, daß die Phloretinvergiftung an sich eine
geringe Vermehrung des Blutzuckergehaltes bewirkt, so erscheinen
‚die nach Phloretin + Pigüre gefundenen Werte 0,25 Proz. und
0,27 Proz. noch mehr beweiskräftig.
Die Ergebnisse bei der Phloretinvergiftung geben deswegen
der Auffassung eine weitere Stütze, daß dabei die Niere eine ver-
“ mehrte Fähigkeit zur Elimination des Blutzuckers besitzt. Es ist
allerdings ganz unentschieden, ob die Wirkung auf die Leber von
der Niere reflektorisch ausgelöst ist, oder ob die Gifte sowohl auf
die Niere als auch auf die Leber einwirken. Unwahrscheinlich wäre
es nicht, daß die Wirkungen auf beide Organe zentraler Art sind.
_ Bei den meisten angeführten Versuchen sind die Nieren
auf Zucker untersucht worden. Es hat sich herausgestellt, daß der
; Zuckergehalt — auf feuchte Nierensubstanz berechnet — nach
| V ergiftung mit Phlorizin und Phloretin nicht unwesentlich, d. h.
| bis etwa 0,4 bis 0,5 Proz. Zucker (gegen normal 0,1 bis 0,2 Proz.)
| gestiegen ist. Ein solches Ansteigen findet man z. B. nicht nach
i ‚der Pigüre. Indessen sind die Werte zu klein, als daß man hier-
| aus zu bestimmten Folgerungen berechtigt wäre.
. N ©
XIX.
Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase
bei Pankreasdiabetes.
Von Ivar Bang.
Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität zu Lund.
Im Anschluß an die drei früheren Mitteilungen über den
Glykogenumsatz in der Kaninchenleber unter verschiedenen Ver-
suchsbedingungen hatte es nicht geringes Interesse, das einschlägige
Verhalten bei Pankreasdiabetes zu untersuchen. A
Bekanntlich hat man noch keine befriedigende Auffassung
des Pankreasdiabetes gewonnen. Zwar weiß man, daß die Pankreas-
exstirpation den Diabetes veranlaßt, dagegen sind die Meinungen
über den ursächlichen Vorgang sehr verschieden. Einige neigen
der Annahme einer inneren Sekretion des Pankreas zu, andere, wie #
z. B. Pflüger, stellen die Bedeutung des Nervensystems in den
Vordergrund.
Die folgenden Untersuchungen hatten nicht zum Zweck, dieses
schwierige Problem direkt aufzuklären, vielmehr habe ich mich
auf die Frage beschränkt, wie der Glykogenumsatz oder richtiger
wie das diastatische Enzym der Leber sich beim Pankreas-
diabetes verhält.
Diese Frage hat an sich genügendes Interesse. Erstens darf
jede Vermehrung unserer Kenntnis über das Verhalten des Orga-
nismus bei dieser Krankheit Bedeutung beanspruchen, und zweitens
wissen wir, daß die Leber bei Pankreasdiabetes äußerst arm an #
Glykogen bzw. ganz glykogenfrei ist. Die in den früheren Mit 5
teiluingen gefundene Beziehung zwischen Glykogenumsatz und
Diastase war genügender Anlaß zu solchen Untersuchungen.
Bei Versuchen über den Glykogenumsatz bei pankreasdiabeti-
schen Tieren sollte man zum Vergleich den Umsatz bei den
Ivar Bang, Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase usw. 321
entsprechenden normalen, wohlgenährten Tieren kennen. Leider
- besitze ich keine solche Bestimmungen, da mir äußere Verhältnisse
Versuche an Hunden sehr erschweren. Ich bin deswegen für die
- folgenden Versuche gezwungen, die an Hunden mit Pankreas-
diabetes gewonnenen Ergebnisse mit den Erfahrungen an normalen
Kaninchen zu vergleichen, was ich zur Reserve von vornherein
hervorheben möchte.
Es wurden drei Versuche angestellt. Die Tiere wurden wie
5 gewöhnlich unter Erhaltung der Venen operiert. Zum Überfluß
wurde nach Pawlow das Netz um den Darm genäht, was sich
als vorteilhaft erwiesen hat. Ich bin meinen Freunden, Herrn
Professor Dr. med. Forssman und Herrn Dr. G. Petren, welche
die Tiere für mich operiert haben, zu großem Dank verpflichtet.
uch Nr.1. Weiblicher Foxterrier, 15 kg schwer, 6 Monate alt. Am
7. Februar nach Minkowski-Pawlow operiert. Am 8. Februar: Zustand
gut. Kein Harn. '/, Liter Milch. 9. Februar: 120 cem Harn mit 2,7 Proz. Zucker.
Y, Liter Milch, wird erbrochen. 10. Februar: Zustand gut. Keine Temperatur-
steigerung. °/,Liter Milch, etwas trockenes Brot. 160 ccm Harn mit 6 Proz.
Zucker. 11. Februar, morgens früh: Fleisch, etwas Wurst und etwa °/, Liter
_Mileh. 250ccm Harn mit 10 Proz. Zucker. Um 1 Uhr Chloroformnarkose.
Leberexstirpation. Gewicht der Leber 394 g. Leber stark gelb gefärbt.
Wurde durchgespült, zerhackt usw. und in gewogenen Proben a 25g mit
einer 10,36 proz. Glykogenlösung (25 cem) versetzt. Keine Infektion.
Glykogengehalt der Leber = 0,06 Proz.
Glykogenumsatz der mit Glykogenlösung versetzten Probe —= 14 Proz.
Versuch Nr.2. Weiblicher Neufundländer. 40 kg schwer, 8 Monate alt.
8. Februar: Pankreasexstirpation. 9. Februar: Zustand gut. 240ccm Harn
Milch, etwas trockenes Brot. 11. Februar: 300 ccm Harn; 8,4 Proz. Zucker.
#/, Liter Milch, etwas (200 bis 300 &) Fleisch. 12. Februar: 1000 ccm Harn mit
10,7 Proz. Zueker. Morgens etwas Fleisch. Um 1 Uhr Chloroformnarkose,
_ Leberexstirpation. Die Leber ikterisch, Gewicht —= 718g. Keine Peritonitis.
_ Die Leber glykogenfrei.
ı Glykogenumsatz in der mit Glykogenlösung (10,36 Proz.) versetzten
Probe = 9,7 Proz.
| Versuch Nr. 3. Männlicher Dachshund, Skg schwer. 8. März: Pan-
kreasexstirpation. 9. März: Zustand gut. Kein Harn. 30 cem Milch. 10. März:
Milch erbrochen. Etwas Harn (mit Milchgerinseln gemischt), reduziert
stark. Später 40cem Harn mit 6,5 Proz. Dextrose. 11. März: Wasser wird
erbrochen. Chloroformnarkose, Leberexstirpation. Gewicht der Leber-
= 290g. Keine Peritonitis. Die Leber glykogenfrei.
Glykogenumsatz in der mit Glykogenlösung (10,04 Proz.) versetzten
Sämtliche drei Versuche haben also einen gelungenen Pankreas-
diabetes ergeben. Die Zuckerausscheidung trat gleich von Anfang
| ® Beitr. z. chem, Physiologie. X. 2]
en
322 Ivar Bang, .
|
|
]
1
an ein und stieg in den ersten Tagen zu einer beträchtlichen Ilöhe
(6 bis 10 Proz.) an.
Die Lebern waren bei zwei Tieren glykogenfrei, bei dem
dritten wurden 0,06 Proz. Glykogen gefunden. In den ersten zwei
+)
|
|
Y
Versuchen haben aber die Tiere fortwährend Nahrung bekommen,
darunter relativ reichliche Mengen Kohlehydrat (Milchzucker).
In einem bestimmten Widerspruch hiermit steht das Verhalten
der Leberdiastase, wie es besonders aus dem Versuch Nr. 2 her-
vorgeht. Hier ist ein Glykogenumsatz von 9,7 Proz. gefunden, |
was einer Fermentquantität entspricht, die nur unwesent-
lich die bei normalen, wohlgenährten Kaninchen gefun-
denen Werte übersteigt. In Versuch Nr. 1 ist zwar der®@
Umsatz 14 Proz.; im dritten aber nur 6,9 Proz. Der durchschnitt- |
liche Umsatz, dem der größte Wert beigemessen werden muß, is
9,5 Proz. |
Wenn man sich nun ferner erinnert, daß die letzten Spuren |
Glykogen nur langsam von dem Enzym umgesetzt werden, wie ja
dementsprechend bei Hunger das Glykogen erst nach mehreren |
Tagen ganz verschwindet, trotzdem wir (siehe erste Mitteilung) |
für Hungerkaninchen eine vermehrte Fermentproduktion nach- |
gewiesen haben, so muß die Tatsache noch mehr befremden, daß 2 |
bei diesen Versuchen kein oder nur eine Spur von Glykogen ge
funden wurde, obgleich die Tiere Nahrung bekamen und keine |
wesentlich vermehrte Fermentproduktion aufzuweisen hatten. (Auch ’
im Versuch Nr. 1 kann der gefundene Glykogenumsatz unmöglich
den äußerst geringen Glykogengehalt von 0,06 Proz. erklären.) |
Diese Tatsache läßt sich wohl kaum anders erklären als durch die |
Annahme, daß bei Pankreasdiabetes nicht der Glykogen- Ä
umsatz, sondern hauptsächlich die Glykogenbildung ver-
a
Er
ändert ist. bei
Bei Pankreasdiabetes ist somit wahrscheinlich die Glykogen- |
bildung entweder aufgehoben oder stark vermindert. In dieser
Beziehung bildet der Pankreasdiabetes einen Gegensatz zu de
früher besprochenen Diabetesformen, besonders jenen nach Nerven-
verletzungen und Pigüre. Dagegen ist bekanntlich bei den ge
nuinen Diabetesformen des Menschen oft eine verminderte Assi-
milationsgrenze für Kohlehydrate nachgewiesen worden. 2
Es fragt sich dann weiter, ob man hieraus die großen Zucker- | |
ausscheidungen erklären kann. Selbstverständlich ist dies nicht E
der Fall. Die ausgeschiedenen Zuckerquantitäten sind weit größer #
als den Kohlehydraten der Nahrung, wie z. B. in Versuch Nr. 2, M
Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase usw. 3233
entspricht. Bekanntlich ist man jetzt mit guten Gründen zu der
Auffassung gekommen, daß der ausgeschiedene Zucker auch von
Eiweiß oder Fett oder beiden herstammen muß. Diese werden
folglich erst zu Zucker umgesetzt und dann als solcher aus-
geschieden. Dagegen ist es klar, daß das Fehlen der Glykogen-
bildung dabei nicht gleichgültig sein kann. Wäre die Fähigkeit
der Glykogenbildung erhalten, so wäre auch bei sehr ausgiebigem
Fett- und Eiweißumsatz die Zuckerausscheidung unmöglich.
Überhaupt ist es a priori nicht unmöglich zu behaupten, daß
das Fehlen der Glykogenbildung allein neben normaler Zucker-
produktion aus Fett und Eiweiß genügt, um den Diabetes zu er-
klären. Andererseits kann man auch daran denken, daß das Fehlen
_ der Glykogenbildung eben eine vermehrte Zuckerproduktion aus
Fett und Eiweiß auslösen könnte. Hierüber geben die Versuche
aber keinen Aufschluß.
| In Verbindung mit der Untersuchung über die Leberdiastase
habe ich auch einige Versuche über eine eventuelle Zuckerbildung
in der Leber aus Aminosäuren und Fett angestellt. Bekanntlich
haben solche Versuche bei normalen Lebern ein völlig negatives
Ergebnis geliefert. Es bleibt aber noch zu untersuchen, wie sich
die Leber beim Pankreasdiabetes verhält. Zu abgewogenen Proben
der Leber (Versuch Nr. 3) wurden Fett, Glykokoll, Leuein und
Alanin zugesetzt. Das Fett (Olivenöl) wurde erst emulgiert und
teils mit dem Leberbrei allein, teils mit Leber und Blut digeriert.
Keine Probe ergab einen vermehrten Zuckergehalt.e Diese Tat-
sache schließt aber nicht aus, daß intravital ein solcher Umsatz in
höherem Maßstabe stattfindet. Inwieweit es notwendig ist, einen
solchen anzunehmen, ist eine andere Sache. Die vermehrte Zucker-
ausscheidung nach Fütterung mit Aminosäuren läßt sich wohl auch
aus dem Fehlen der Glykogenbildung allein erklären.
XX.
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen
und Säugetier').
Von Dr. Wilhelm Pfeiffer,
Assistenten der medizinischen Klinik zu Kiel.
Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg und dem Labora-
torium der medizinischen Klinik zu Kiel (Direktor: Prof. Quincke).
Daß beim Säugetier Harnsäure durch Oxydation von Purin-
körpern gebildet wird, ist durch zahlreiche Untersuchungen außer
Zweifel gestellt, insbesondere durch die Versuche Weintrauds?),
Umbers®), Burian und Schurs®t), Schreibers und Wald-
vogels’).
Mit der Frage der synthetischen Harnsäurebildung beim
Menschen und Säugetier — nach Analogie der Harnsäurebildung
im Vogelorganismus, wo der überwiegende Anteil der Harnsäure |
synthetisch entsteht — haben sich dagegen bisher nur wenige
Autoren befaßt.
!) Auszug aus der Habilitationsschrift des Verfassers: „Synthese und
Abbau der Harnsäure beim Menschen und Säugetier.“ Kiel 1907.
®) Weintraud, Über den Einfluß des Nucleins der Nahrung auf die
Harnsäurebildung. Berl. klin. Wochenschr. 32 (19), 405 (1895).
») Umber, Über den Einfluß nucleinhaltiger Nahrung auf die Harn-
säurebildung. Zeitschr. f. klin. Med. 29, 174 (1896).
*) Burian und Sehur, Über die Stellung der Purinkörper im mensch-
lichen Stoffwechsel. Erste Mitteilung. Pflügers Arch. 80, 241 (1900). —
Über Nucleinbildung im Säugetierorganismus. Zeitschr. f. physiol. Chem. 23,
55 (1897). — Über die Stellung der Purinkörper im menschlichen Stoff-
wechsel. Zweite Mitteilung. Pflügers Arch. 87, 239 (1901).
°) Sehreiber und Waldvogel, Beitrag zur Kenntnis der Harnsäure-
ausscheidung unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen. Arch.
f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 42, 69 (1899). — Man vgl. überdies die
zusammenfassenden Darstellungen von Schittenhelm (Zentralbl. f. Stoff-
wechsel- u. Verdauungskrankheiten, 5. Jahrg. 1904, S. 226 und Medizinische
Klinik, 4. Beiheft 1907, S. 89).
j
_ Wilhelm Pfeiffer, Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen usw. 325
Horbaczewski!) war in vitro die Synthese der Harnsäure
aus Glykokoll und Harnstoff gelungen, und er verfütterte daher
Glykokoll. Dabei zeigte sich nur eine geringe Zunahme der Harn-
säure. Gleiche Ergebnisse hatte Weiss 2). Da Minkowski?) nach
Leberexstirpation bei Vögeln (die Leber ist im Vogelorganismus
dasjenige Organ, in welchem die Harnsäure synthetisch gebildet
wird) das Auftreten von fleischmilchsaurem Ammon beobachtet
hatte, so versuchte er an Hunden durch Zufuhr von fleischmilch-
saurem Ammon und von Harnstoff eine Harnsäurevermehrung zu
erzielen; sie blieb aus.
Auch Fütterungsversuche am Menschen, die Herrmann) und
- Weiss) ausführten, hatten das gleiche Ergebnis.
| Steudel®) verfütterte Uracil und andere Pyrimidinderivate
_ in der Erwartung einer synthetischen Bildung von Purinkörpern,
doch ohne Eıfolg.
Ausgedehnte Versuche über synthetische Harnsäurebildung an
Hühnern, Hunden und Menschen führte Wiener’) aus. Er hatte
nachgewiesen, daß die Leber mit .Alkoholextrakten, die aus ver-
schiedenen Organen bereitet und sicher frei von Nuclein und
- Xanthinbasen waren, Harnsäure bildet, dab es sich dabei also nicht
um eine oxydative, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach um eine
synthetische Bildung der Harnsäure handelt.
Seine Versuche an Hühnern, welche bestimmte noch zu be-
sprechende Substanzen erhielten, ergaben eine geringe Harnsäure-
“Vermehrung.
| Mit Rücksicht auf die oben erwähnte Beobachtung Minkowskis
_ über das Auftreten von Ammoniumlaktat nach Leberexstirpation,
‘) Horbaczewski, Synthese der Harnsäure. Monatshefte f. Chemie 3,
196 (1882), zitiert bei ner Saar
?) Weiss, Weitere Beiträge zur Erforschung der Bedingungen zur
" Harnsäurebildung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 216 (1899).
. °) Minkowski, Über den Einfluß der Leberexstirpation auf den Stoff-
wechsel. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 21, 89 (1886).
4 ‘) Herrmann, Über die Abhängigkeit der Harnsäureausscheidung von
rn: und Genußmitteln mit Rücksicht auf die Gicht. Deutsch. Arch.
-f. klin. Med. 43, 273 (1888).
°) Weiss, Beiträge zur Erforschung der Bedingungen der Harnsäure-.
bildung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 393 (1898).
°) Steudel, Das Verhalten einiger Pyrimidinderivate im Organismus.
_ Ebenda 32, 285 (1901).
R ?) Wiener, Über Zersetzung und Bildung von Harnsäure im Tier-
körper. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 42, 375 (1899). — Über
synthetische Bildung der Harnsäure im Tiörkörper. Diese Beiträge 2,
42 (1902).
ee
2
326 Wilhelm Pfeiffer,
kamen da Milchsäure und die ihr nahestehenden Stoffe der Pro-
panreihe, daneben solche der Butanreihe zunächst in Betracht.
Neben der stickstofffreien Komponente führte Wiener den
Versuchstieren Harnstoff zu, um dem Körper die eventuelle Harn-
säurebildung zu erleichtern. Er konnte ferner ausschließen, daß
die beobachtete Harnsäurevermehrung im Harn auf einer diure-
tischen Wirkung beruht. Er verwandte zu seinen Versuchen an
Hühnern Glycerin, Propionsäure, Milchsäure, Hydracrylsäure (Äthylen-
milchsäure), Brenztraubensäure, Malonsäure, Tartronsäure, Mesoxal-
säure, Buttersäure, &-Oxybuttersäure, B-Oxybuttersäure, Bernsteinsäure
und Äpfelsäure. Wiener faßt das Ergebnis seiner Untersuchungen in
die Worte zusammen: „Die höheren einbasischen Säuren der alipha-
tischen Reihe dürften durch Einsetzen der Oxydation in der dem
Carboxyl benachbarten Atomgruppe und wiederholte Kohlensäure-
abspaltung allmählich zu solchen mit immer niedrigerem Kohlen-
stoffgehalt abgebaut werden, bis sie in die entsprechenden Säuren
mit einer Kette von drei Kohlenstoffatomen umgewandelt sind.
Ist dieses Oxydationsprodukt Propionsäure, so geht der Abbau bis
zur Bildung von Kohlensäure und Wasser weiter. Ist das Produkt
hingegen eine Oxy- oder Ketonsäure, dann setzt, wenigstens zum
Teil, die Oxydation auch in der dem Carboxyl entgegengesetzten
Atomgruppe ein, so daß zunächst die entsprechenden zweibasischen
Säuren entstehen. Diese werden aber dann nicht weiter abgebaut,
sondern vollständig zur Harnsäuresynthese verwendet, wenn genug
geeignete stickstoffhaltige Substanz zur Verfügung steht.“ E
Wiener dachte sich den Weg der Harnsäurebildung im
Vogelorganismus etwa so:
NH, COOH N H— CO
| | | |
0C0- +. CHOH - = 00 CHUR 2 7225
| | | |
NH, COOH N H— CO
Harnstoff + Tartronsäure — Dialursäure (Diureid der Tartronsäure)
N H—CO NH— CO
| | | |
CO CHOH + HN CO O—NH
| BR — \ Be — 21,0
N H—CO N,N NH—C-—NH
Dialursäure + Harnstoff = Harnsäure.
Die Versuche Wieners an Hunden führten nicht zur Harn-
säurebildung. An Menschen untersuchte Wiener den Einfluß von
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säugetier. 3237
3
“4
«
_Milchsäure, Malonsäure und Dialursäure. (Tartronsäure stand ihm
_ nicht in genügender Menge zur Verfügung und so wählte er ihr
Diureid) Wiener führte gleichzeitig mit der betreffenden Sub-
_ stanz stets auch Harnstoff ein, um die Diurese gleichmäßiger zu
gestalten und eine Synthese der betreffenden Säure mit Harnstoff
zu erleichtern. Er machte stets noch einen Kontrollversuch mit
Natriumacetat, um zu zeigen, daß nicht die Darreichung einer be-
_ liebigen organischen Säure denselben Effekt hat, wie die der
_ gereichten Substanz.
Wiener fand bei allen seinen Versuchen eine mäßige Harn-
| säurevermehrung und glaubte damit den Beweis einer synthetischen
| gHarnsäurebildung erbracht zu haben. Er äußert sich über diese
_ Synthese folgendermaßen: Nur eine zweibasische Säure und ihr
_ Ureid (Tartronsäure und Dialursäure) werden zur Harnsäuresyn-
these herangezogen. Sie kann sich direkt mit zwei Harnstoffresten
zu Harnsäure paaren, während bei der Malonsäure noch eine Oxy-
“ dation, bei der Mesoxalsäure eine Reduktion stattfinden müßte.
„Es dürften daher die wirksamen Substanzen im Tierkörper zu-
mächst in die entsprechenden zweibasischen Säuren umgewandelt
werden. Ist diese Tartronsäure, so geht sie direkt in Harnsäure
_ über, ist sie Malonsäure, so muß sie erst durch Oxydation, ist sie
_ Mesoxalsäure, durch Reduktion in Tartronsäure übergeführt werden,
um die Synthese zu Harnsäure eingehen zu können.“
+ Die Wahrscheinlichkeit einer von Wiener angenommenen
- Harnsäuresynthese beim Säugetier wurde durch den von Eppinger!)
: geführten Nachweis, daß Zufuhr von Glyoxylsäure eine Allantoin-
_ vermehrung bewirkt, gesteigert.
Allantoin ist einmal als ein Abbauprodukt der Purinkörper,
besonders der Harnsäure, aufzufassen, und demgemäß findet man
_ eine Vermehrung desselben bei Einführung von Purinbasen, Harn-
_säure, Thymus und Hypoxanthin. Außerhalb des Organismus wird
durch Oxydation der Harnsäure Allantoin erhalten. Neben dieser
_ oxydativen Allantoinbildung gibt es nach Eppinger im Tierkörper
auch eine synthetische. In vitro kann man Allantoin synthetisch
durch Erhitzen von Glyoxylsäure und Harnstoff erhalten oder durch
"Schmelzen von Mesoxalsäure und Harnstoff. Eppinger hat nun
Körper, die er für die physiologische Vorstufe des Allantoins
hielt, verfüttert, speziell Glykolyldiharnstoff, und in der Tat bei
F
e !) Eppinger, Über die Bildung von Allantoin im Tierkörper. Diese
- Beiträge 6, 287 (1905). — Über das Verhalten der Glyoxylsäure im Tier-
“körper. Ebenda, S. 492.
328 Wilhelm Pfeiffer,
quantitativer Bestimmung eine Vermehrung der Allantoinfraktion
beobachtet, die er auf synthetische Allantoinbildung bezieht.
Beim Menschen, der für gewöhnlich kein Allantoin ausscheidet,
blieb Glykolyldiharnstoff wirkungslos.
Nach den bisherigen Beobachtungen wäre aus der Tartron-
säure und deren Verwandten eine Synthese zu Harnsäure zu er-
warten. Ich verwandte daher in erster Linie diese zu meinen Ver-
suchen, und zwar Tartronsäure, [[HOH (COOH),], Tartronamid,
ICHOH (CONH;3),]|, und Malonamid, [CH, (CONH,3)]|. Daneben
machte ich Versuche mit Allantoin und schließlich auch noch mit
Pseudoharnsäure, die sich von der Harnsäure nur durch den Mehr-
gehalt an einem Molekül Wasser unterscheidet und auf Grund
ihres chemischen Verhaltens als eine für die Harnsäurebildung
besonders geeignete Vorstufe erschien.
NH-—--CO NH—CO
| | | |
GO’-CH.N DH. CDINH; CO. C—NH
| | | 7 ei
NH—CO NH—C-—-NH
Pseudoharnsäure. Harnsäure.
Versuchsanordnung und Vorversuche über Zerstörung der per
os eingeführten Harnsäure.
Von entscheidender Bedeutung für Versuche über das Schicksal
der Harnsäure ist die Wahl des geeigneten Versuchstieres.
Der Säugetierorganismus ist befähigt, per os eingeführte
Harnsäure zu zersetzen, so daß nur ein Teil davon unverändert
ausgeschieden wird. Dies ist durch Untersuchungen von Wöhler
und Frerichs!), Neubauer?), Meissner), Weintraudt) und
Ebstein uud Nicolaier 5) bewiesen.
Hunden kommt beispielsweise dieses Vermögen in viel höherem
Grade als Kaninchen zu. Es ist nun zu berücksichtigen, daß dieses
') Wöhler und Frerichs, Über Veränderungen, welche namentlich
organische Stoffe beim Übergang in den Harn erfahren. Ann. d. Chem. u.
Pharm. 65, 335 (1848). Zit. bei Wiener, 8. 31.
?) Neubauer, Über die Zersetzung der Harnsäure im Tierkörper.
Ebenda 99, 206 (1856).
°) Meissner, Beiträge zum Stoffwechsel im tierischen Organismus.
Zeitschr. f. rat. Med. 31, 305 (1868). Zit. bei Wiener, S. 31.
*) Weintraud, Über Harnsäure im Blute und ihre Bedeutung für die
Entstehung der Gicht. Wiener klin, Rundsch. 10, Nr.1,3 (1896). Zit. bei
Wiener, 8. 31. 2
°) Ebstein und Nicolaier, Uber die Ausscheidung der Harnsäure
durch die Niere. Virch. Arch. 143, 337 (1896).
r
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säugetier. 329
Verhalten auch das Ergebnis von Versuchen mit Harnsäurevor-
stufen beeinflussen dürfte, da die im Körper synthetisch gebildete
Harnsäure den zersetzenden Einwirkungen im Tierkörper mög-
licherweise ebenso ausgesetzt ist wie die durch Abbau entstandene.
Neuere Arbeiten in dieser Frage ergaben folgendes: Soet-
beer und Ibrahim!) haben gefunden, daß beim Menschen per
os eingeführte Harnsäure keine Allgemeinveränderungen des Stoff-
wechsels bewirkt, die eine erhöhte Stickstoffzahl oder erhöhte
Harnsäurebildung bedingen, während subceutan einverleibte in der
Hauptsache als solche wieder ausgeschieden wird, dabei jedoch als
ein Gift auf den Gesamtorganismus einwirkt und eine erhöhte
Harnsäurebildung und -ausscheidung bewirkt.
Salkowski?) fand bei Fütterungsversuchen mit Harnsäure an
Hunden, daß dieselbe zu einem wechselnden Bruchteil resorbiert
_ wird. Von der resorbierten Harnsäure geht ein erheblicher Bruch-
teil in Allantoin über, ein anderer in Harnstoff. Bei Kaninchen
erfolgt eine prompte Resorption. Die Harnsäure geht zum über-
wiegenden Teile in Harnstoff über, ein kleinerer Teil wird unverändert
ausgeschieden, ein kleiner Teil geht vielleicht in Allantoin über.
Da somit in dieser Frage eine volle Übereinstimmung noch
nicht erzielt ist, bestimmte ich zunächst, um die größere oder ge-
ringere Eignung des Versuchstieres festzustellen, bei Kaninchen,
Affen und Menschen die Größe der Harnsäurezerstörung. Die
Nahrung war während der Versuchstage genau gleich.
Ich bestimmte im Harn außer dem Gesamtstickstoff (nach
Kjeldahl) und der Harnsäure (nach Ludwig-Salkowski) an
einzelnen Tagen auch noch das Allantoin (nach O. Loewi?).
Ferner prüfte ich den Harn nach den bei Eppinger*) und
Schloss®) gegebenen Vorschriften auf Glyoxylsäure. Das Allan-
toin wurde nicht als solches bestimmt, sondern aus dem Stickstoff-
gehalt des Allantoinsilbers berechnet.
Die Ergebnisse dieser Versuche sind folgende:
!) Soetbeer und Ibrahim, Über das Schicksal eingeführter Harn-
säure im menschlichen Organismus. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 1 (1902).
2) Salkowski, Über das Verhalten in den Magen eingeführter Harn-
_ säure im Organismus. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 495 (1902).
») Loewi, Beiträge zur Kenntnis des Nucleinstoffwechsels. Arch. f£.
exper. Pathol. u. Pharmakol. 44, 1 (1900).
*) Eppinger. Über das’ Verhalten der Glyoxylsäure im Tierkörper.
Diese Beiträge 6, 492 (1905).
5) Schloss, Über Nachweis und physiologisches Verhalten der Glyoxyl-
säure. Dissertation Straßburg 1906 u. diese Beiträge 8, 445 (1906).
330 Wilhelm Pfeiffer,
Versuch Nr. 1. Kaninchen. Zwei Böcke. Gewicht je 2,7 kg.
Nahrung: Rüben und Kohl. Jedes der Tiere erhält am zweiten Tage je 1g
Harnsäure in wässeriger Aufschwemmung per Schlundsonde Der Harn
reagierte stets alkalisch.
Tier A.
ı Harnmenge Gesamt- Gesamt-
ea | RR Stickstoff Harnsäure YerEaeaes
. 440 1,86 0,0315 |
2. 460 1,54 0,0273 37 TE Here
3. 580 1,65 0,0294
4. 370 1,16 0,0147 | a
Tier B.
ee 550 | 1.77 | 0,0462 &
N 460 | 1,35 0,0315 1g Harnsäure
3. 510 | 1,42 | 0,0504 =
4. 320 | 1,16 | 0,0126 | Er
Versuch Nr. 2a. Affe. Männliches Tier. Cereopithecus calitrichus
(grüne Meerkatze, Westafrika). Gewicht 6,5kg. Nahrung: 500g Kartoffeln,
1 Ei, etwas Zucker, Wasser nach Belieben. Das Tier erhält am 7., 8. und
9. Tage je 0,25g, am 14. 1g Harnsäure. Der Harn reagierte alkalisch (nur
am 5. Tage schwach sauer).
|
r Harnmencee Gesamt- (Gesamt- Gesamt- a
Tag fe is | Stickstoff Harnsäure | Allantoin VOrDuitgeh
1 235 | 1,61 0,015 = —_
2. 180 — == — —
g, Bee Kr Es _
Hi \ 2 | _ e 5” 5
5. 165 1 0,0105 a 22
6. 150 | 1,35 | 0,0153 _ _
7. 195 | 1,39 0,0166 — 0,25 g Harnsäure
8. 160 139 | . 0,0136 ie 0,25 „ N
9, 170 1,30 0,0168 = 0,25 „ F
10. 140 1,05 0,0126 — —
11. 160 | 1538 0,0126 Se: -_
12. 120° | 1,04 "0,0105 Au | a2
3, 150 | 1,63 00115 | 0114 3
14. 360 1,89 0,0230 | 0,197 1,0& Harnsäure
15. I © u 1,64 00115 | 0,16 —
Versuch Nr. 2b. Affe. Nahrung: 250g Milch, 60g Semmel, 1 Ei,
etwas Zucker, 100g Äpfel. Das Tier erhält am 3. und 4 Tage je 1g Harn-
säure, Der Harn reagierte alkalisch. Das spezifische Gewicht schwankte
zwischen 1010 und 1015.
‘
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säugetier. 331
Harnmenee Gesamt- Gesamt- !
Tag | en ; Stickstoff Harnsäure RR
T. 270 1,784 0,0158 En
2. 475 2,886 0,0159 —
3. 350 2,362 0,0117 1 Harnsäure
4. 210 1,846 0,0035 Br a
5. 360 2,701 0,0090 _
6. 320 2,168 0,0120 —
+ 380 2,266 0,0111 _
8. | 440 2,439 0,0064 =
Versuch Nr, 2c. Affe. Nahrung: 250g Milch, 60g Semmel, 1 Ei,
etwas Zucker, eine Banane, 100g Äpfel, 250& Wasser. Milch und Wasser
wurden nicht immer ganz genommen. Das Tier erhält am 7. und 8. Tage je
'1,5g Harnsäure. Der Harn reagierte alkalisch, das spezifische Gewicht
schwankte zwischen 1009 und 1013.
Harn-
Gesamt- Gesamt- Gesamt- | Glyoxyl- x
Ess Bee Stickstoff| Harnsäure |Allantoin are Merfurtert
i. | 200 1,35 _ — = m
2. 180 1,43 _ —_ an —
3. | 210 1,73 2 > AR a
4. | 200 1,16 = — > =
5. | 245 1,28 0,0127 = ee: 2
6. 150 1,10 0,0143 0,107 negativ —
3 200 1,47 0,0109 0,139 — 1,5 Harnsäure
8. 255 1,61 0,0214 0,157 — 5, \
9. 250 #.75 0,0067 0,158 | — —
Versuch Nr. 3. Mensch. Ich stellte die Versuche an mir an.
Gewicht 75kg. Nahrung: 150g Brot, 45g Butter, 260g Hackfleisch, 150 &
Schinken, 100g Kartoffeln, 100g Spinat, 100g Äpfel, 2 Eier, 0,4 Liter
Zitronenlimonade, 0,5 Liter Bouillon, 0,2 Liter Buttermilch, 0,3 Liter Kakao,
0,2 Liter Kaffee. Ich nahm am 4. und 5. Versuchstage je 3g Harnsäure.
Der Harn war bis auf den ersten Tag sauer. Das spezifische Gewicht
schwankte zwischen 1025 und 1027.
Harn- | Gesamt- | Gesamt- | Gesamt- | Glyoxyl- $
Erg Es © Stickstoff Harnsäure |Allantoin ne a
a ol _. 1550 23,00 | — | E= negativ _
2. | 1560 | 24,29 = Rn i 2
8. 1460 22,40 0,846 2,207 a —
4. 1630 23,00 0,773 2,318 » 3g Harnsäure
5. | 1700 | 24,04 1,067 9,337 R PLN:
26. | 1740 | 23,97 0,891 2,069 ; =
7. 1850 | 23,41 0,994 1,110 N „-
4
332 Wilhelm Pfeiffer,
Der Versuch am Kaninchen hatte, wie aus vorstehendem zu
ersehen, ein durchaus negatives Ergebnis. Diese Tierart zerstört
zugeführte Harnsäure so ausgiebig, daß sie für die vorliegenden
Versuche nicht verwandt werden kann. Beim Affen bleiben kleine
Harnsäuremengen ohne Einfluß, bei größeren Mengen kommt es
zu einer geringen Harnsäurevermehrung. Auch beim Menschen
zeigt sich eine merkliche Zunahme der Harnsäureausscheidung.
Versuche über Harnsäuresynthese.
Aus den oben angeführten Gründen stellte ich daher meine
Versuche nur am Affen und Menschen an. An Affen verfütterte
ich Malonamid, Tartronamid, Tartronsäure, Allantoin und Pseudo-
harnsäure; an Menschen nur die letztgenannten drei Substanzen.
Ich bestimmte in allen Versuchen den Gesamtstickstoff (nach
Kjeldahl) und die Harnsäure (nach Ludwig-Salkowski), in
einzelnen Versuchen auch das Allantoin (nach Loewi), den Harn-
stoff (nach Mörner-Sjöqvist) und qualitativ die Glyoxylsäure
(nach Schloss!).
Versuch Nr. 4 Affe. Malonamid. Gewicht 6'/, kg. Nahrung wie
bei Versuch 2a. Das Tier erhält am 2. Tage zweimal 0,5g Malonamid. Ich
wählte dieses und nicht Malonsäure selbst, um Alkali- und Ammoniakwirkung
zu vermeiden, die möglicherweise den Versuch bei Verwendung von Natrium-
oder Ammoniummalonat kompliziert hätten. Der Harn reagierte alkalisch.
Harn-'.| Assamt- Gesamt- | (resamt- Verfüttert
Tag | menge | «;: ae
“| em | Stickstoff | Harnsäure | Harnstoff
1. 100.16 -.2,18-40.1 050087 | 1,80 _
2: 95 0,98 | 000825 | 1,74 2 x 0,5 & Malonamid
3. 75.41.09 Karzl-“0,0080 4} TS _
4, 1. 1,13 | 0,0058 —_ —
Versuch Nr. 5. Affe. Tartronamid. Gewicht und Nahrung wie bei
Versuch 2a. Das Tier erhält am 3. und 4. Tage je 1g, am 8&. Tage viermal
0,5 Tartronamid. Der Harn war alkalisch.
(sesamt- | (sesamt- | (Gesamt- Verfü
: E a -füttert
Stickstoff | Harnsäure Harnstoff are
Harn-
lag menge
ccm
1. 215 0.72 » 1: 7:0,0188 | 1,20 Er
2.| 166 0,89 00138 | 1,9 er
3. 335 1,72 0,0184 Pe 1,0g Tartronamid
') Schloss, a. a. 0.
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säugetier. 333
Harn-
Gesamt- Gesamt- Gesamt- r
j Bas ee Stickstoff | Harnsäure | Harnstoff NEReLER
4. 160 1,63 0,0158 252 | 1,0g Tartronamid
5. 190 1,64 0,0113 2,74 —
6. 210 1,27 0,0038 212 —
2. 185 1.17 0,0063 1,94 —
8. 205 1,52 0,0045 2,54 4 x 0,5g Tartronamid
E9. 235 1,52 0,0075 2,08 En
10. 270 1.25 0,0063 1,87 | —
Versuch Nr. 6. Affe. Tartronsäure. Gewicht wie oben. , Nahrung
- wie bei Versuch 2c. Das Tier erhält am 2. Tage 1g Tartronsäure (Merck),
in Wasser gelöst und neutralisiert, und 19 Harnstoff. Am 6. Tage als Kon-
- trollversuch 1g Natrium aceticum und 1g Harnstoff. Der Harn war stets
alkalisch. Das spezifische Gewicht schwankte zwischen 1012 und 1016.
Harn- | Gesamt Gesamt Gesamt- | Gl BE
j c = Dr zz YOXy >
E Tag E Stickstoff | Harnsäure | Allantoin! säure Verfüttert
= 1. 220 1,37 0,0041 0,115 negativ —
| ”* = x
Bi 270 2,30 0,0023 0,121 = ne arsetoi
E 3. 210 1,69 0,0033 — — r-
EA. 20) 1,70 0,0157 0,075 — —
E55. 160 1,59 0,0022 0,086 — —_
} s Natri ti
6. | 180 2,08 0,0108 0,111 = re
Am letzten Versuchstage erkrankte der Affe und ging unter den Er-
scheinungen einer akuten Enteritis zugrunde. Die Sektion ergab eine geringe
_ Rötung der Darmschleimhaut.
: Versuch Nr. 7. Affe. Allantoin. Gewicht wie oben. Nahrung wie
. bei Versuch Nr. 2c. Das Tier erhält am 2. und 3. Tage je 1,5g Allantoin
(Merck). Der Harn war stets alkalisch. Das spezifische Gewicht schwankte
zwischen 1012 und 1014.
Harn- G
T esamt- Gesamt- | Gesamt- | Glyoxyl- r
E 3 Pen Stickstoff| Harnsäure |Allantoin) säure Mariaktert
= ı. 220 1,41 0,0096 0,140 | negativ |. _
=2| 275 1,56 0,0069 0,160 £ 1,5& Allantoin
3. 190 1,78 0,0245 0,096!) = 15 „ 5
i 4, 190 1,52 0,0032 0,168 a —
Zr ge
Versuch Nr. 8. Affe. Pseudoharnsäure. Gewicht wie oben. Nah-
rung: 200g Milch, 1 Ei, etwas Zucker, 160g Semmel, 70g Äpfel, Wasser
mach Belieben. Das Tier erhält am 4. und 5. Tage je 1g Pseudoharnsäure
_ (von Boehringer u. Söhne, Mannheim, freundlichst zur Verfügung ge-
') Ungenau.
334 Wilhelm Pfeiffer,
stellt). Der Harn war stets alkalisch. Das spezifische Gewicht schwankte
zwischen 1011 und 1018.
Harn- | Gesamt- | Gesamt- | Gesamt- | Glyoxyl- E
Tag Be ‚Stickstoff| Harnsäure | Harnstoff nn Versen
I. 230 1,83 0,0072 | 4,45 | negativ ——
2. | 250 2,01 0,0042 | 376 £ ie.
3.| 19 2,17 0,0153 4,07 & 2
4. | 370 2,61 0,0186 4,83 ni l1gPseudoharnsäure |
5. | 8345 2,36 0,0043 | 4,30 Ba en N N
6. | 380 2,07 0,0032 3,76 > I
7. | 3£0 2,36 | 0,0128 | 2,14 a 4
Versuch Nr.9. Mensch. Tartronsäure. Gewicht wie oben. Nahrung |
wie bei Versuch Nr. 5. Ich nahm am 3. Tage 9g Tartronsäure (Merck),
in Wasser gelöst und neutralisiert, und 10g Harnstoff, in Wasser gelöst. Am
7. Tage als Kontrollversuch 9g Natrium 'aceticum und 10g Harnstoff. Der
Harn reagierte am 5. und 6. Tage sauer, sonst alkalisch. „Das spezifische
Gewicht schwankte zwischen 1023 und 1027.
Harn-
Gesamt- Gesamt- | Gesamt- | Glyoxyl- z
in RT ‚Stickstoff Harnsäure |Allantoin Aa VerrBae
1 1700 20,13 0,66 — negativ u
2. | 1620 | 21,23 0,67 es ® -_
3. | 1620 | 23,86 0,47 1,97 b ee
4. | 1940 |. 22,76 0,64 2,40 R a
b. 1550 | 22,61 0,48 _ “ _
6. | 1640 | 22,68 0,26 2,21 ? _ |
7. | 1710 | 25,18 0,50 2,34 R a et
8. | 1770 | 28,04 0,64 > z Bei
Versuch Nr. 10. Mensch. Allantoin. Gewicht wie oben. Nahrung
wie bei Versuch Nr. 3. Ich nahm am 2. und 3. Tage je 3g Allantom’
(Merck). Der Harn reagierte am 1. und 4. Tage alkalisch, sonst sauer. |
Das spezifische Gewicht schwankte zwischen 1024 und 1025.
———
Harn- | Ges er r G 7 Gh BE i E
T; ı Gesamt- | Gesamt- | Gesamt- yoxyl- Verfüttert
gi) u ‚Stickstoff! Harnsäure Allantoin| säure "” %
l. 1670 19,74 0,51 | 0,689 negativ | _
2. 1750 22,88 0,60 1,051 n 3e Allantoin
8. 1600 23,52 0,56 1,213 R DB, &
4, 1900 | 25,00 0,54 1,749 R —
Versuch Nr. 11. Mensch. Pseudoharnsäure. Gewicht wie obem
Nahrung: 150g Brot, 100g Butter, 150g Hackfleisch, 150g Schinken, 5085
Kartoffeln, 150g Spinat, 3 Eier, 0,75 Liter Bouillon, 0,5 Liter Kakao, 80 |
-
“|
m
Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen und Säugetier. 335
Äpfel, 0,75 Liter Wasser. Ich nahm am 4. Tage 1,5g, am 5. Tage 2,5g
Pseudoharnsäure. Der Harn reagierte stets sauer. Das spezifische Gewicht
schwankte zwischen 1017 und 1025.
Harn- | Gesamt- | Gesamt- | Gesamt- | Glyoxyl- %
Ber Br Stickstoff, Harnsäure |Harnstoff ae NEUER:
1. 2115 21,2 = — | negativ —
2. | 2060 | 23,8 1,23 43,8 : =
3. | 2010 | 24,6 1,00 49,1 £ Er
4. | 1850 | 24,08 0,74 45,5 x 1,5 g Pseudoharnsäure
B. 1850 25,0 0,88 46,7 5 2,5, a
6. | 1760 | 249 0,91 47,7 } er
7. | 1980 | 26,16 0,89 50,6 5 ih:
8. 2200 23,40 0,79 44,5 „ —
9. | 2250 | 23,05 0,89 43,8 2 en
10. | 2260 | 24,86 ae _ 5 Be
Schlußbemerkungen.
Die Ergebnisse meiner Fütterungsversuche am Affen und
_ Menschen haben, wie aus obigen Tabellen hervorgeht, gezeigt, daß
nach Zufuhr von Malonamid, Tartronamid und Tartronsäure eine
_ merkliche Vermehrung der Harnsäureausscheidung nicht nachzu-
weisen ist. Selbst bei Verfütterung der der Harnsäure so nahe-
stehenden Pseudoharnsäure wurde sie vermißt. Nur im Allantoin-
versuch Nr. 7 zeigt sich am 3. Tage eine hohe Harnsäurezahl, der
aber am 4. Tage eine abnorm niedrige folgt.
Aus den Versuchen ist somit nicht zu entnehmen, daß es eine Harn-
säuresynthese beim Säugetier gibt. Vielmehr ist das Ergebnis eher
- geeignet, die Annahme einer solchen überhaupt zweifelhaft zu machen.
Im Hinblick auf die entgegenstehenden positiven Befunde
Wieners, der bei Darreichung von Dialursäure, Milchsäure und
Malonsäure beim Menschen eine Vermehrung der Harnsäure fand,
die er bei Zufuhr von Natriumacetat vermißte, muß darauf hin-
gewiesen werden, daß Wiener allzu großes Gewicht auf geringe
Zunahmen der Harnsäurezahl gelegt hat. So betrug bei einem seiner
Versuche die Harnsäure im Mittel an Normaltagen 0,5377 g, an
denjenigen Tagen, an denen z. B. Dialursäure gegeben worden
war, 0,6082 g. Die entsprechenden Zahlen für milchsaures Natron
sind 0,4832 und 0,5449. Es handelt sich dabei also immer nur
_ um Differenzen von 0,06 bis 0,07 g Harnsäure. Solche Differenzen
finden sich, wenn man die Zahlen Wieners genauer prüft, aber
_ auch an einzelnen Normaltagen.
336 Wilhelm Pfeiffer, Versuche über Harnsäuresynthese beim Menschen usw.
Um eine Synthese der Harnsäure im Organismus genügend zu
beweisen, wäre wohl bei der Darreichung der physiologischen Vor-
stufen ein viel stärkerer Ausschlag der Harnsäurezahl erforderlich.
Durch obige Versuche ist es noch unwahrscheinlicher ge-
worden, als es ohnehin war, daß die pathologische Harnsäure-
anhäufung bei gewissen Krankheitszuständen (und ich habe hier in
erster Linie die Gicht im Auge) von einer vermehrten syntheti-
schen Bildung der Harnsäure abhängig ist. Sie könnte somit ihre
Ursache nur in einer vermehrten oxydativen Bildung aus Purin-
körpern haben. Nun erkrankt aber von Menschen, die sich in
gleichen Lebensbedingungen befinden und etwa gleich viel Purin-
- körper aufnehmen, immer nur ein kleiner Teil an Gicht. Danach
erscheint es überhaupt ganz unwahrscheinlich, daß vermehrte Harn-
säurebildung die Ursache der pathologischen Harnsäureanhäufung
ist, und die Vorstellung, daß es sich dabei, sei es um eine Ver-
minderung des Harnsäureabbaues, sei es um eine Hemmung der
Ausscheidung durch die Nieren handelt, gewinnt dementsprechend
an Gewicht.
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er: und
Pathologie
a
Ta
"8
+
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Zeitschrift für die gesamte Biochemie
unter
Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben
von
Franz Hofmeister
0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Straßburg
X. Band 9. bis 12. Heft
(Ausgegeben Oktober 1907)
Braunschweig
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn
130%
D
Fon (
Br
Be:
A T %
e) m rw pP
Inhalt des 9. bis 12. Heftes.
Seite
XXI. Giuseppe Moscati. Der Glykogengehalt der menschlichen
Muskeln und seine Abnahme nach dem Tode. /Aus dem Institut
für physiologische Chemie (Direktor: Prof. Malerba) und dem
Ospedalei Inchrubile in Neapd.].: .. - .» u a pam 337
XXI. Friedrich Bauer. Über die Konstitution der Inosinsäure und
die Muskelpentose. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut
zu Birabbuirg dr. 1: 3 Sa ee ee Se 345
XXIII. Ernst von Czyhlarz und Otto v. Fürth. Über tierische Per-
OXyÄasen : . Sa..0 cu u a ee ee N 358
XXIV. Hedwig Donath. Über Aktivierung und Reaktivierung des
Pankreassteapsins. Ein Beitrag zur Frage der komplexen Natur
der Fermente. (Ausgeführt unter der Leitung des a. ö. Prof.
Dr. Otto v. Fürth im physiologischen Institut der Wiener Uni-
VERA) ee he oe WO Me ee 390
XXV. Wilhelm 6Ginsberg. Über die Mengenverhältnisse und die
physiologische Bedeutung der Oxyproteinsäurefraktion des Harns.
(Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Prof. Dr. Otto v. Fürth
im physiologischen Institut der k. k. Universität in Wien.). . 411
XXVI. Paul Saxl. Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellver-
fettung. (Ausgeführt unter Leitung des a.ö. Prof. Dr. O.v. Fürth
im physiologischen Institut der Wiener Universität.) . . .» .. 447
XXVII. Otto v. Fürth und Julius Schütz. Ein Beitrag zur Methodik
der Versuche über Fettresorption aus isolierten Darmschlingen. 462
XXVIII K. Glaessner und E. P. Pick. Über Phlorizindiabetes. Aus-
geführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung
deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen. /Aus
dem k. k. serotherapeutischen Institut (Vorstand: Prof. Dr.
R. Paltauf) und dem pathologisch- chemischen Laboratorium der
k.k. Krankenanstalt „Rudolfstiftung“ (Vorstand: Dr. E. Freund)
in. Wien] . 0 Sole a 473
Verzeichnis der Mitarbeiter des X. Bandes. . . : 2 2 2 vn na. 490
Autorenregister zu Band I be X .. „ 2. mr ne 491
Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei-
nen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von etwa 30 Druck-
bogen zum Preise von M. 15, — bilden.
Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maßgabe des einlaufenden
Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre
erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten.
Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Straßburg ı. E.,
Wimpfelingstraße 2, zu richten.
Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster
Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung,
Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung maßb-
gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer
tatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme
finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer
Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson-
ders rasches Erscheinen zugesichert werden.
Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40,— für den Druck-
bogen und 50 Sonderabzüge.
ew, Ur |
XXI.
Der Glykogengehalt der menschlichen Muskeln und
seine Abnahme nach dem Tode.
Von Dr. Giuseppe Mosecati,
Assistenten des Instituts.
Aus dem Institut für physiologische Chemie (Direktor Prof. Malerba) und
dem Ospedale Incurabili in Neapel.
Methodik der Untersuchung des Menschenmuskels. — Quantitative Glykogen-
bestimmungen. — Abnahme des Glykogengehalts bei gewöhnlicher und er-
höhter Temperatur. — Einfluß der Antiseptica. — Glykogengehalt fettig
degenerierter und nekrotischer Muskeln. — Allgemeine Betrachtungen. — Das
Zustandekommen der Glykogenabnahme. — Nutzanwendung für die gericht-
liche Medizin.
Im allgemeinen ist bisher die Beziehung des Glykogens zum
tierischen Stoffwechsel nur in corpore vili untersucht worden, und
zwar aus einem naheliegenden Grunde. Während das rein dargestellte
Glykogen an sich nicht sehr veränderlich ist, unterliegt es, wenn
es nach dem Tode mit den Geweben in Berührung bleibt, schon
nach wenigen Minuten einer rasch vorschreitenden Veränderung.
Daher ist es üblich, bei einschlägigen physiologischen Versuchen
mit im wahren Sinne des Wortes lebenden Organen zu arbeiten,
indem man sie, kaum dem Tiere entnommen, sofort in kochendes
Wasser wirft oder sonst unter Bedingungen bringt, die ein so-
fortiges Absterben der Zellen zur Folge haben und so einer
weiteren Veränderung des Glykogens vorbeugen. Die Angaben
über den Glykogengehalt menschlicher Gewebe, die an der Leiche
ermittelt sind, können daher keine Gültigkeit für die lebenden
_ Organe beanspruchen.
Dach erscheinen Untersuchungen über Glykogen beim
Menschen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, einfach
undurähführbar. In der Tat liegen in dieser Richtung !nur Ver-
suche von Lambling!) vor, der den Glykogengehalt der Organe
!) E. Lambling, Dosage de matiere glycogene dans les organes d’un
supplicie (Compt. rend. de la Soc. d. Biol. 1885, S. 385).
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 2
338 Giuseppe Moscati,
eines Hingerichteten zwei Stunden nach dem Tode quantitativ be-
stimmte. Aber Lambling selbst machte, als er seine Versuche der
Societ@ de Biologie mitteilte, darauf aufmerksam, daß die gefundenen
Zahlen nur mit Vorbehalt zu verwerten seien, da zwei Stunden nach
dem Tode bereits zu einem merklichen Glykogenverlust mehr als
hinreichten.
1. Methodik.
Untersuchungen über das Muskelglykogen der Tiere liegen in
überaus großer Zahl vor, und wenn ich mich an den gewöhnlichen
Weg, den Tierversuch, gehalten hätte, wäre ich kaum in der Lage,
mehr als die Bestätigung der einen oder der anderen schon aus-
gesprochenen Meinung beizubringen. Meine Bemühungen waren
daher direkt auf das Glykogen des Menschenmuskels gerichtet. Da-
bei war es notwendig, unter möglichst der Norm entsprechenden
Bedingungen zu arbeiten, so daß selbst von der Verwendung ganz
frischer Leichen — abgesehen von der Unzulässigkeit derselben —
schon darum Abstand genommen werden mußte, weil hier in der
Regel Krankheit und Agonie die physiologischen Verhältnisse in
nicht zu übersehender Weise verändert haben können.
Die Umgehung dieser Schwierigkeiten gelang mir mit Hilfe
eines Auskunftsmittels, das auch sonst bei ähnlichen Untersuchungen
von Nutzen sein dürfte. Ich verwendete vom Chirurgen wegen ver-
schiedener Erkrankungen — Entzündungen, Neubildungen, 'Traumen
amputierte oder exartikulierte Gliedmaßen.
Während meiner Dienstzeit im Ospedale Incurabili wohnte ich
mit gütiger Erlaubnis der leitenden Chirurgen!) den Operationen
bei. Sobald die Extremität durch Messer oder Säge entfernt war,
entnahm ich ihr eine bestimmte Menge Muskeln (das Gewicht
wurde durch Differenz ermittelt) und brachte sie, während sie sich
noch kontrahierten und unter der Pinzette zuckten, in kochende
Kalilauge. Der Rest der Muskeln wurde später im physiologisch-
chemischen Institut weiter untersucht. In einigen Fällen benutzte
ich Stücke der Brustmuskulatur, die bei Mammaoperationen mit-
entfernt worden waren. Dem Direktor des physiologisch-chemischen
Instituts, Herrn Prof. Malerba, bin ich für die mir gütigst gewährte
Unterstützung mit Rat und Tat zum lebhaftesten Danke verpflichtet.
') Ich spreche den klinischen Chirurgen der vereinigten Kranken-
anstalten für die mir geleistete wertvolle Beihilfe meinen besten Dank aus,
insbesondere den Herren Proft. Ferraioli, Buonomo, Virdia, Leecetti,
Lupo und Liguori, die sich für meine Untersuchungen interessierten, und
Herrn Dr.Gambardella, der mir viel Untersuchungsmaterial zukommen lieb.
Der Glykogengehalt der menschlichen Muskeln usw. 339
- Zur Gewinnung des Glykogens diente mir Pflügers Verfahren,
pur war ich mit Rücksicht auf die Knappheit des kostbaren
‚Materials genötigt, die Gewichtsverhältnisse erheblich niedriger zu
wählen. Die Bestimmung geschah nach Fehling oder Allihn,
oder mit meinem Gärungsapparat!).
- Da bei den chirurgischen Operationen, sei es wegen der Natur
der Erkrankung, sei es aus technischen Gründen, regelmäßig er-
hebliche Mengen gesunden Gewebes mit entfernt werden, stand
mir stets eine gewisse Menge normaler Muskeln zur Verfügung.
Es könnte das Bedenken erhoben werden, daß die zur Operation
führende Erkrankung den Glykogengehalt beeinflußt haben könne.
- Ich habe die Muskelproben daher entfernt vom Krankheitsherd
entnommen. Es sei aber gleich bemerkt, daß meine Resultate sehr
nahe übereinstimmend ausgefallen sind, obgleich die Operationen auf
- Grund sehr verschiedener Indikationen vorgenommen worden waren.
Da die Operationen stets innerhalb sehr kurzer Zeit ausgeführt
vurden, so daß die Kranken nicht viel Chloroform aufgenommen
haben konnten, so möchte ich den etwaigen Einfluß der Chloro-
formnarkose für eine zu vernachlässigende Fehlerquelle ansehen.
Jedenfalls kann dem Chloroform, das die Muskeln zur Erschlaffung
bringt, im Gegensatz zu manchen anderen chemischen Stoffen bei
nicht zu langer Dauer der Einwirkung kein Einfluß auf den Gly-
kogengehalt zugeschrieben werden.
Die Ernährung hat bekanntlich einen großen Einfluß auf den
Glykogengehalt der Muskeln. Glücklicherweise waren in meinen
Versuchen die Ernährungsbedingungen sehr annähernd gleich, da
die Kranken im Hospital die gleiche ruhige Lebensweise führten
und, Männer wie Frauen, die gleiche Kost erhielten.
2. Der Glykogengehalt der Menschenmuskeln.
Während man sonst in der Physiologie des Menschen vielfach
gezwungen ist, die im Tierversuch ermittelten Daten durch einen
Analogieschluß auf den Menschen zu übertragen, bin ich auf
nd der beschriebenen Versuchsanordnung in der Lage, präzise,
direkt ermittelte Zahlen für den Glykogengehalt des menschlichen
Muskels zu geben. Er beträgt im Mittel 0,4 Proz. des frischen .
Muskels. Dabei sind die distal gelegenen Muskeln etwas glykogen-
ärmer, und der Glykogengehalt steigt gegen den Rumpf zu etwas
an, und zwar gilt dies für die obere, wie für die untere Extremität.
!) G. Moscati, Un nouvel appareil pour la determination des sucres.
Archives de physiol. 1905.
u 4
22 *
340 Giuseppe Moseati,
Die Muskeln der Frauen enthalten eine Spur weniger Glykogen
als jene der Männer. Doch gilt dies nur für den Vergleich homo-
loger Muskeln. Diese Verschiedenheiten können auch in Leichen
oder doch einige Stunden nach dem Tode gefunden werden, voraus-
gesetzt, daß es sich um Individuen handelt, die unter den gleichen
Bedingungen in bezug auf Ernährung, Muskelarbeit usw. standen.
In Wirklichkeit sind die Muskeln von gut genährten Individuen,
Männern oder Frauen, glykogenreicher als jene von mageren und
heruntergekommenen.
Die Muskeln des Fußes, des Unterschenkels, der Hand und
des Vorderarmes enthalten 0,305 bis 0,385 Proz., jene des Ober-
armes 0,55 Proz., des Oberschenkels 0,58 bis 0,88 Proz. Bei sehr
kräftigen Männern kann schon der Prozentgehalt der Fußmuskeln
0,747 Proz. betragen, er steigt dann in der Beinmuskulatur gegen
den Rumpf zu nur wenig an.
3. Die postmortale Glykogenabnahme.
Bei Lufttemperatur. Die an den amputierten Gliedmaßen
zurückgelassenen Muskeln wurden fein zerschnitten, gemischt und
in gewogenen Mengen bei Lufttemperatur teils sich selbst über-
lassen, teils nach Zusatz eines Antisepticums (Toluol oder Chloro-
form) in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt. Die Versuche wurden
bei Sommer- und bei Wintertemperatur ausgeführt.
Zunächst will ich über die auf eine mittlere Temperatur von #
15° bezüglichen Versuche berichten. (Doch sei gleich bemerkt, daß
sich bei einer Temperatur von 24 bis 25° dasselbe Verhalten oder
höchstens eine ganz leichte Beschleunigung ergeben hat.)
Der Anfangswert für den Glykogengehalt sinkt langsam ab,
eine Stunde nach dem Absterben verändern sich nur die dritte”
oder zweite Dezimale, nach 24 bis 48 Stunden hat auch die erste
Dezimale etwa um die Einheit abgenommen, und die Kurve sinkt |
langsam, vorausgesetzt, daß Glykogen überhaupt noch. in bestimm- |
barer Menge vorhanden ist, bis zur 69. bis 72. Stunde ab. Bei
Beginn der Fäulnis ist noch Glykogen nachweisbar, nach 96 bis“
100 Stunden ist auch dieser Rest verschwunden. |
Die Versuche sind sämtlich beweiskräftig. Ich teile davon 5
nachstehenden mit.
Muskeln vom Unterschenkel, amputiert am 14. Mai 1906 im oberen
Drittel wegen Gangrän des Fußes bei einem 60 jährigen Mann (Prof. Virdia)
Glykogengehalt sofort: 0,345 Proz., nach einer Stunde: 0,332 Proz., nach U
18 Std.: 0.32 Proz., nach 26 Std.: 0,25 Proz., nach 72 Std.: 0,09 Proz. Später $
Der Glykogengehalt der menschlichen Muskeln usw. 341
kommt es zu ausgesprochener Fäulnis, doch werden noch bestimmbare Spuren
(0,01 Proz.) gefunden, die erst mit der 96. Stunde verschwinden.
Bei Wintertemperatur, auch wenn das Thermometer auf 0°
sinkt, bleibt die Kurve des Glykogenschwundes die gleiche, nur
verzögert sich der Zeitpunkt des endgültigen Verschwindens bis
zu 169 Stunden. Es liegen mir sowohl Untersuchungen an der
unteren als auch an der oberen Extremität vor. Nachstehend
_ ein Beleg.
Muskulatur vom linken Unterschenkel, exartikuliert am 30. November
wegen einer Knochenmarkgeschwulst der Tibia bei einem 40 jährigen Mann
(Prof. Liguori). Die Lufttemperatur am Tage der Operation und an den
nächstfolgenden Tagen um 0°.
4 Glykogengehalt der frischen Muskeln: 0,3290 Proz., nach 1 Std.:
0,3275 Proz., nach 48 Std.: 0,297 Proz., nach 93 Std.: (stinkende Fäulnis, aber
noch keine Grünfärbung) 0,165 Proz., nach 141 Std.: 0,025 Proz., nach
165 Std.: Kaum nachweisbare Spuren.
0
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Einfluß der Antiseptica. Chloroform- oder Toluolzusatz
ändern nichts am Verlauf des Glykogenschwundes, nur bleibt das
Glykogen etwas (um 24 bis 48 Stunden) länger nachweisbar, und
die Kurve zeigt nicht die Beschleunigung des Abfalls, der bei sich
selbst überlassenen Muskeln infolge der Fäulnis eintritt.
Im Thermostaten bei 37° verschwindet das Glykogen rapid.
‚Eine Probe von 50g war in 7 bis 10 Stunden glykogenfrei.
Fettig degenerierte Muskeln, die gelegentlich an amputierten
Gliedmaßen angetroffen wurden, zeigten, wie ich der Seltenheit
des Befundes wegen mitteilen will, noch Glykogengehalt (Unter-
schenkelamputation am 6. April 1906 ausgeführt von Prof. Buonomo
bei einem 45 jährigen Mann wegen Elephantiasis und Hauttuber-
kulose). Offenbar bleibt das Glykogen erhalten, solange unveränderte
Muskelsubstanz da ist.
Ebenso habe ich Glykogen in Muskeln angetroffen, die in den
gangränösen Prozeß einbezogen und auch zum Teil fettig degene-
ziert waren. (So am Unterschenkel eines Mannes von mittleren
A578 9 WO 1L 12 13 14 15 16 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 93 94 95 96 97
342 Giuseppe Moscati,
Jahren, wo die Amputation von Prof. Ferraioli wegen Tuberkulose
und konsekutiver Gangrän vorgenommen wurde Es ergab sich
ein Prozentgehalt von 0,208.) 1 |
Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Takäcz!), Praus-
nitz?2) u. a. stehen meine Ergebnisse in Übereinstimmung mit den
Angaben von Külz und Aducco. Während die ersteren Beob-
achter ein rasches Verschwinden des Muskelglykogens annehmen,
hat Külz?) nachgewiesen, daß die Muskeln selbst 26 Stunden nach
dem Tode erhebliche Mengen Glykogen enthalten. Aducco fand
es in Hundemuskeln noch 168 oder 264 Stunden nach dem Tode
und hebt hervor, daß postmortal das Glykogen der Leber stärker
als jenes der Muskeln angegriffen wird. |
Meine Beobachtungen stehen auch mit jenen von Boehm®)
im Einklang, der den Einfluß der Totenstarre auf den Glykogen-
schwund bei Fernhaltung der Fäulnis leugnet, während Werther’)
eine rapide Abnahme mit Eintritt der Starre festgestellt zu haben
glaubt. Aus meinen Versuchen geht eine sehr allmähliche Ab-
nahme hervor, die gleichmäßig bis zum Eintritt der Fäulnis fort-
schreitet und erst, wenn diese ausgesprochen ist, einen rascheren
Verlauf nimmt. {
Der Glykogenverlust ist somit von der Totenstarre unabhängig;
vielleicht darf man sagen, daß die Glykogenzersetzung und die Starre
durch dieselbe Ursache bedingt sind. Daß dagegen die Bakterien
entwickelung bei der Fäulnis auf den Glykogengehalt Einfluß hat, |
steht völlig fest. |
4. Zustandekommen der Glykogenabnahme.
Ist das Zustandekommen der Glykogenabnahme durch eine
Diastase bedingt? Verschiedene Beobachter bejahen diese Frage.
In einer Arbeit, die erschien, als meine Untersuchungen schon
längere Zeit im Gange waren, spricht sich neuerdings Kisch®) zu
') Takäez, Beitrag zur Lehre von der Oxydation im Organismus,
Zeitschr. f. physiol. Chemie 2, 372 (1878). |
?®) Prausnitz, Über den zeitlichen Ablauf der Ablagerung und des
Schwindens des Glykogens. Zeitschr. f. Biol. 26, 377 (1890).
») E. Külz, Zum Verhalten des Glykogens in der Leber und den
Muskeln nach dem Tode. Pflügers Arch. 24, 57 (1881). |
*) Boehm, Über das Verhalten des Glykogens und der Milchsäure im
Muskelfleisch usw. Pflügers Archiv 23, 44 (1850).u. 46, 256 (1889).
°) M. Werther, Über die Milchsäurebildung und den Glykogen-
verbrauch in quergestreiften Muskeln usw. Pflügers Archiv 46, 63, 1839.
*) Kisch, Über den postmortalen Glykogenschwund und seine Ab-
hängigkeit von physiologischen Bedingungen. Diese Beiträge 8, 210. Juni 1906.
Der Glykogengehalt der menschlichen Muskeln usw. 343
gunsten dieser Vorstellung aus. Er fügte zu Muskelbrei unter anti-
septischen Bedingungen (Toluolzusatz) Glykogen hinzu und sah es
‘bald verschwinden. Vergleicht man aber den Ablauf der Glykogen-
abnahme im Muskel einerseits, in der Leber und der Placenta
_ andererseits, so ergibt sich ein augenfälliger Unterschied. In der
Leber und der Placenta findet sich eine Periode steilen Absinkens,
der eine Periode weiterer, aber minder ausgesprochener Abnahme
folgt, während das Absinken im Muskel langsam und unauffällig
erfolgt. Man könnte daran denken, daß diese Trägheit des Ab-
sinkens mit der postmortalen Säuerung der Muskeln zusammen-
hänst. Kisch mißt indes der Acidität keine Bedeutung zu und
mit Recht, da die Glykogenspaltung trotz zunehmend saurer Reaktion
fortschreitet.
In einer Untersuchung über die Placenta, die gleichzeitig mit
vorliegender Arbeit erscheint, führe ich neuerlich den Gedanken
aus, der schon in meiner Arbeit über Injektion von Stärkekleister
ausgesprochen ist, nämlich, daß der Glykogenschwund nicht so sehr
von im Leben vorgebildeter Diastase abhänge, als vielmehr von
beim Absterben gebildeten Stoffen (die ja auch fermentartig wirken
können), oder wenigstens von (eiweißähnlichen) Stoffen, die im
_ Leben von den der Fermentwirkung zugänglichen Substanzen streng
_ geschieden sind und einer Regulation ihrer Einwirkung auf diese
unterliegen. Die parenchymatösen zellenreicheren Organe mit ihrem
‚hohen Protoplasmagehalt (Leber, Placenta) müßten dann diese
‚Stoffe in größerer Menge liefern als der Muskel.
Auch Demant!) spricht anläßlich der postmortalen Glykogen-
abnahme von einem Ferment, das sich in den toten Muskeln findet,
_ und dessen Wirkung er in seinen Versuchen mit Phenol zu para-
lysieren suchte. Jedenfalls muß die Muskeldiastase, auch wenn
man’ ihre Präexistenz im lebenden Gewebe annimmt, ‚von der
Diastase der Leber und Placenta verschieden sein.
Der Muskel ist das beste Beispiel der postmortal eintretenden
‚einfachen rein chemischen Vorgänge. Durch diese Veränderungen
und die Verschiebung der physico-chemischen Beziehungen zwischen
Zellen und Intercellularflüssigkeit kann es dazu kommen, daß, so-
‚bald die hindernden Momente gefallen sind, die Fermente und die
von ihnen angreifbaren Stoffe sich vermischen, wobei anzunehmen
ist, daß die Fermente im Muskel nur spärlich oder doch bei ge-
wöhnlicher Temperatur nur wenig wirksam sind. Die Totenstarre
| ‘) Demant, Beitrag zur Lehre über die Zersetzung des Glykogens in
den Muskeln. Zeitschr. f. physiol. Chemie 3, 200 (1879).
344 Giuseppe Moscati,
ist der auffälligste Ausdruck dieser Veränderungen, die Glykogen-
abnahme kann als ein zweiter Hinweis auf die erfolgte Zerstörung
der Muskelstruktur angesehen werden. Ich habe diese Auffassung
in meiner Arbeit über die Placenta ausführlicher begründet.
5. Der Glykogengehalt der Muskeln vom Standpunkte der
gerichtlichen Medizin.
Die vorliegenden Erfahrungen können in einem gewissen Maße
für die forensische Praxis (Thanatologie) von Nutzen sein. Da ich
gefunden habe, daß in den ersten 24 Stunden nach dem Tode
nur wenig Glykogen verschwindet, liegt hier ein Arbeitsgebiet vor,
das bei Benutzung von Leichenmuskeln eine weitere Vertiefung
gestattet. Jedenfalls könnte dieses Kennzeichen im Zusammenhang
mit den mannigfaltigen Kriterien, die zur Bestimmung der Zeit
des eingetretenen Todes dienen, von Nutzen sein, namentlich wenn
bereits Fäulnis eingetreten ist und die Untersuchung, falls noch
Glykogen da ist, die oben angeführte Abfallskurve ergibt. Inner-
halb der gebotenen Schranken könnte dieses Hilfsmittel in gericht-
lichen Fällen einen wertvollen Anhaltspunkt gewähren.
6. Schlußfolgerungen.
l. Die menschlichen Extremitätenmuskeln enthalten im Mittel
0,4 Proz. Glykogen, die proximalen mehr als die distal gelegenen.
2. Bei 15° nimmt der Glykogengehalt langsam und konti-
nuierlich ab; ist (um die 69. Stunde) ausgesprochene Fäulnis ein-
getreten, so erfolgt rascherer Abfall, der (um die 96. bis 100. Stunde)
zum völligen Verschwinden führt.
3. Bei 0% erfolgt die Abnahme etwa halb so rasch.
4. Zusatz von Antiseptieis verzögert das Verschwinden des
Glykogens um 1 bis 2 Stunden, verhindert es aber nicht.
5. Der Glykogenschwund in den Muskeln ist vermutlich der
Ausdruck eines postmortalen chemischen Prozesses, ebenso wie die
Totenstarre.
6. Der zeitliche Ablauf des Glykogenschwundes dürfte unter
Umständen namentlich im Zusammenhang mit anderen Kriterien in
forensischen Fällen zur Bestimmung des Zeitpunktes des Todes von
Wert sein.
XXII.
Über die Konstitution der Inosinsäure
und die Muskelpentose').
Von Friedrich Bauer.
Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.
Die Inosinsäure wurde von Liebig entdeckt. In seiner Arbeit
_ „Über die Bestandteile der Flüssigkeiten des Fleisches“ 2), in der er
hauptsächlich auf die Darstellung des Kreatins und der Milchsäure
- ausging, teilte er Näheres über Darstellung und Eigenschaften der
neuen Säure mit.
Er benutzte verschiedene Fleischsorten; 5kg des möglichst frischen,
fein zerhackten Fleisches wurden mit 10 Liter Wasser in verschiedenen
Portionen verrührt und so kalt extrahiert, dann wurde die Flüssigkeit von
den festen Bestandteilen möglichst vollständig abgepreßt. Die vereinigten
Auszüge wurden so lange gekocht, bis alle gerinnbaren Stoffe und der Farb-
stoff vollständig abgeschieden waren. Die abfiltrierte Fleischbrühe war bei
Benutzung von Wildbret und Hühnerfleisch vollständig klar und daher für
_ die weiteren Untersuchungen am geeignetsten.
Die sauer reagierende Lösung wurde mit konzentrierter Lösung von
Barythydrat so lange versetzt, als noch eine Trübung erfolgte. Dadurch
wurden phosphorsaurer Baryt und phosphorsaure Magnesia ausgefällt; der
Niederschlag sollte alle Phosphorsäure der Fleischflüssigkeit enthalten.
Das Filtrat wurde bei nicht zu hoher Temperatur vorsichtig bis auf
Mo des Volums eingedampft und der Sirup in flachen Schalen stehen gelassen.
- Liebig legt großen Wert darauf, daß die Temperatur dabei 50 bis 60° nicht
überschreitet. Dabei kristallisiert Kreatin aus. Nach vollständiger Aus-
‚scheidung des Kreatins wurde es von der Flüssigkeit getrennt, diese noch
weiter abgedampft und dann allmählich mit kleinen Portionen Alkohol bis
zu milchiger Trübung versetzt; das sich bildende Kristallgemenge wurde
gesammelt und mit Alkohol ausgewaschen.
Der weitaus größte Teil dieser Kristalle war das Kali- und Barytsalz
‚der „Inosinsäure“. Duch Auflösen der Kristalle in heißem Wasser und Zu-
satz von Baryumchlorid erhielt er nach dem Erkalten alle Inosinsäure als
"Barytsalz, das nach zweimaligem Umkristallisieren vollständig rein war.
| !) Der medizinischen Fakultät in Straßburg am 26. Juli 1907 als Disser-
tation vorgelegt.
?) Ann. d. Chem. u. Pharm. 62, 257.
346 Friedrich Bauer,
Aus dem Barytsalz konnte die reine Säure durch Ausfällung des Baryts
mit verdünnter Schwefelsäure leicht dargestellt werden. Sie kristallisierte
nicht, wurde aber durch Alkohol als weiber, amorpher Niederschlag beinahe
vollständig ausgefällt.
Von Liebig wurden verschiedene Salze der Inosinsäure dargestellt.
Am genauesten beschrieben ist das Barytsalz. Es ist in kaltem Wasser schwer,
in heißem leichter löslich, unlöslich in Alkohol. 1000 Teile Wasser von 16°
lösen 2,5 Teile inosinsaures Baryum. Beim Erhitzen der wässerigen Lösung
über 70° scheidet sich ein Teil des Salzes als harzähnliche Masse aus. Die
Kristalle sind längliche vierseitige Blättchen. Es verlor beim Erhitzen auf
100° 19,07 Proz. Wasser, was, wie Liebig bemerkt, für 7 Atome Kristall-
wasser nicht ganz stimmt.
Auch das Kali- und Natronsalz wurden kristallisiert erhalten, während
das Kupfer- und Silbersalz amorph ausfielen.
Liebig fand für das Barytsalz die Zusammensetzung:
C,H]. N, O,, Ba
und stellte für die reine Säure die Formel C,,H,.N,0,, auf.
Was die Konstitution der Inosinsäure betrifft, so nimmt Liebig
eine „gepaarte Säure“ an und denkt dabei an eine Beteiligung von
Essigsäure, Oxalsäure und Harnstoff.
Späteren Untersuchern gelang es durchaus nicht immer, die
Liebigsche Säure wiederzufinden. So vermißte sie Gregory!)
im Ochsenherzenfleisch, Taubenfleisch, Rochenfleisch und Kabeljau-
fleisch, obgleich er sich der Liebigschen Methode bediente. Er
läßt es dahingestellt, ob keine vorhanden war, oder ob sie sich
während des Abdampfens zersetzt hatte.
Auch Schlossberger?) konnte im Menschenfleisch mit Hilfe
der Liebigschen Methode keine Inosinsäure nachweisen.
Limpricht?) stellte zwar aus Fleischflüssigkeit von Heringen
und Hornfischen kristallisierende Barytsalze von zwei Säuren dar,
deren Eigenschaften genau denen des inosinsauren Baryums ent-
sprachen, denen er aber auf Grund seiner Analysen die Formeln
C;H,,BaN,O,, und C,H, BaN,O,, zuschreibt.
Hingegen konnten Gregory und Meissner die Inosinsäure
im Hühnerfleisch wiederfinden und quantitativ bestimmen.
Auch Creite*) fand die Säure in vielen Fleischsorten und
bestimmte darin ihre Mengenverhältnisse. Creite fand, daß Enten-
fleisch den größten Gehalt an Inosinsäure aufweist.
!) Ann. d. CÜhem. u. Pharm. 64, 106.
?), Kibenda 66, 82.
Ebenda 133, 301.
4
)
') Zeitschrift für rationelle Medizin 36, 195.
Die Konstitution der Inosinsäure u. die Muskelpentose. 347
Einen entschiedenen Fortschritt erfuhr die Kenntnis der Inosin-
säure durch Haiser!). Haiser arbeitete zunächst eine neue Dar-
stellungsmethode aus. |
Als Ausgangsmaterial diente ihm das Liebigsche Fleischextrakt.
Je 1kg Extrakt wurde mit großen Mengen absoluten Alkohols aus-
gezogen, und die Extraktion 3 bis 4mal wiederholt; dabei gehen Kreatin,
Milchsäure, Extraktivstoffe usw. in den Alkohol; der Rückstand enthält
dann außer mineralischen Phosphaten, Chloriden, leimartigen Substanzen usw.
fast die gesamte Menge der inosinsauren Salze Diese Masse wird in
mäßig warmem Wasser aufgelöst (etwa 2 bis 3 Liter) und filtriert; das
Filtrat wird mit einer kaltgesättigten Lösung von Ätzbaryt behandelt,
wodurch die Phosphate und Sulfate ausgefällt werden; ein Überschuß von
Baryt muß durchaus vermieden werden, weil sonst ein basisches Baryt-
salz der Säure entsteht, welches in Wasser unlöslich ist. Das Filtrat, welches
alkalisch reagiert, wird mit verdünnter Salpetersäure genau neutralisiert und
hierauf mit einer konzentrierten Lösung von Silbernitrat so lange versetzt,
als noch etwas ausfällt. Der Niederschlag wird abfiltriert und rasch aus-
gewaschen; dann mit Schwefelwasserstoff zersetzt und der überschüssige
Schwefelwasserstoff beseitigt. Dann wird die Masse mit Baryumcarbonat
versetzt und einmal aufgekocht. Es wird dann vom Schwefelsilber und
überschüssigen Carbonat abfiltriert und so eine neutrale reine Lösung er-
halten, welche auf dem Wasserbade bei 80° auf etwa 250 ccm eingeengt wird;
danach läßt man stehen, und das inosinsaure Baryum kristallisiert allmählich
‚aus. Die Kristalle werden mit Tierkohle entfärbt und umkristallisiert.
Nach diesem Verfahren soll man aus 1 kg Extrakt etwa 5 bis 7g reines
Barytsalz erhalten.
Die Analysen ergaben überraschenderweise, daß die Substanz
Phosphor enthält, welchen Liebig vollständig übersehen hatte.
Danach kommt der Säure die Formel C,, H;; N, P O, zu. Im übrigen
aber stimmten die Eigenschaften und die Zusammensetzung der
Haiserschen Säure so gut zu Liebigs Angaben, daß gar kein
Zweifel besteht, daß es sich um dieselbe Substanz handelte.
Das lufttroekene Barytsalz enthält 7'/, Mol. Kristallwasser; davon ent-
_ weichen 6!/, Mol. beim Erhitzen auf 100°, das letzte Molekül erst bei Trocknung
im Vakuum bei 100°. Beim Erhitzen über 100° zersetzt sich die Substanz
sehr rasch.
Haiser stellte zur Identifizierung auch aus Enten-, Gänse- und Kaninchen-
fleisch das inosinsaure Baryum dar und erhielt durch Analysen Zahlen, die
mit der Zusammensetzung des aus Fleischextrakt gewonnenen Salzes über-
einstimmten. Außerdem hat er das basische Baryumsalz und das Caleiumsalz
_ analysiert und durchaus zu der obigen Formel passende Zahlen erhalten.
Er erlangte ferner durch Hydrolyse wichtige Aufschlüsse über
die Konstitution der Säure. Das Barytsalz wurde mit der be-
!) Monatshefte für Chemie 16, 190.
348 Friedrich Bauer,
rechneten Menge Schwefelsäure in wässeriger Lösung zerlegt, und
die Lösung 3 Stunden gekocht; sie wurde dann verdünnt, mit Baryum-
carbonat neutralisiert und das Filtrat im Vakuum bei niederer
Temperatur eingeengt; Haiser erhielt so einen zum Teil kristalli-
nischen Rückstand, der durch Extraktion mit absolutem Alkohol
in zwei Fraktionen getrennt wurde.
Der in Alkohol lösliche Teil wurde kristallinisch erbalten und
durch Analyse der freien Base wie auch des Hydrochlorats, ferner
durch charakteristische qualitative Reaktionen als Sarkin erkannt.
Von dem in Alkohol unlöslichen Teil war nur ein Teil in
Wasser löslich; das Unlösliche erwies sich als reines Baryumphosphat.
Aus dem Filtrat wurden durch fraktioniertes Fällen mit Alkohol
zwei verschiedene Barytsalze abgeschieden. Das zuerst ausfallende
Produkt enthielt noch Phosphor, das zweite war phosphorfrei, keines
von beiden war kristallinischh Das phosphorfreie Produkt ergab
einen Baryumgehalt von 30,93 Proz. Haiser hält es für trioxy-
valeriansaures Baryum, Ba(C,H,O;),, welches 31,42 Proz. Baryum
verlangen würde. Das phosphorhaltige Produkt hinterließ einen
Glührückstand von 69,09 Proz. phosphorsaurem Baryt; Haiser
möchte es für das Baryumsalz einer Trioxyvalerianphosphorsäure
halten, welche allerdings 69,48 Proz. Baryumphosphat fordern
würde.
Haiser versuchte noch eine andere Art Spaltung, Einwirkung
von Zinn und Salzsäure, konnte jedoch auch hierdurch die Natur
des dritten Spaltungsproduktes nicht feststellen. Der Spaltungs-
versuch ergab jedoch quantitativ dieselbe Ausbeute an Sarkin wie
der erste. Die Ausbeuten entsprachen folgender von Haiser mit
Vorbehalt aufgestellten Formel:
OH C,H; N,O
O=PZ-0OH |
NO-—GC, H-0-—-C00H
Es ergibt sich aus der Arbeit von Haiser, daß die Inosin-
säure sicher eine gepaarte Phosphorsäure ist, welche neben einer
dritten Substanz noch Sarkin enthält. Die Analysenzahlen für
Sarkin stimmen so gut mit den berechneten überein, daß dieser
Punkt über jeden Zweifel erhaben ist. Anders verhält es sich
mit der dritten Komponente, deren Natur er nicht aufgeklärt hat.
Die Annahme, daß es sich um eine Trioxyvaleriansäure handelt,
stützt sich im wesentlichen nur auf die Zusammensetzung des Ino-
sinats im Vergleich zu den zwei isolierten Spaltungsprodukten und
dem Barytgehalt des amorphen Salzes.
Die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose. 349
Auf eine ganz andere viel näher liegende Annahme weist aber
schon eine Angabe von Haiser selbst hin. Er bemerkt nämlich,
daß die beiden Substanzen, die er bei seinen Spaltungsversuchen
außer Sarkin und Phosphorsäure bekam, beim Verbrennen Caramel-
geruch verbreiten, bei trockener Destillation ein Produkt liefern,
welches deutliche Furfurolreaktion gibt; außerdem reduzieren beide
- Substanzen Fehlingsche Lösung. Diese Angaben weisen mit
allergrößter Wahrscheinlichkeit auf ein Kohlehydrat und zwar
wegen der reichlichen Furfurolbildung auf eine Pentose hin. Da
die Pentose und die Trioxyvaleriansäure die gleiche Bruttoformel be-
sitzen (0, H,,0;), so stimmen die Analysendaten gleich gut zu beiden
Annahmen. Es könnte dann die phosphorfreie Substanz ein Baryum-
pentosat (C,H,O,ba) gewesen sein, welches 30,54 Proz. Baryum
verlangt, während Haiser 30,93 Proz. fand. Die phosphorhaltige
Substanz wäre aber als basisches Baryumpentosephosphat, O:P(Oba),
- —-0-0,H;ba0,, anzusprechen, welches 69,49 Proz. Glührückstand an
Baryumphosphat geben müßte, während Haiser 69,09 Proz. fand.
Ich habe nun auf Vorschlag von Herrn Professor Hofmeister
versucht, die Natur dieses dritten Bestandteiles der Inosinsäure
aufzuklären.
Diese Aufgabe bot in doppelter Richtung Interesse. Als purin-
haltige gepaarte Phosphorsäure kann die Inosinsäure als eine echte
Nucleinsäure aufgefaßt werden; zum mindesten ist die Analogie
ihres Baues mit dem der echten Nucleinsäuren eine so schlagende,
daß von der Aufklärung ihrer Konstitution wichtige Rückschlüsse auf
- den Bau der sonst bekannten Nucleinsäuren gezogen werden dürfen.
Dazu kommt, daß sie durch die Kristallisierbarkeit und Konstanz
_ der Zusammensetzung keinem Zweifel an ihrer chemischen Indi-
vidualität Raum läßt. Der Umstand, daß Haisers Beobachtungen
_ die Gegenwart einer Pentose in ihrem Molekül wahrscheinlich machen,
- konnte dieses Interesse nur verstärken, einmal weil hier die Mög-
lichkeit gegeben schien, über die Bindungsweise des Pentose-
moleküls in der Inosinsäure Genaueres zu erfahren, sodann weil
jeder neuen Auffindung einer Pentose im Tierkörper ein klinisches
Interesse zukommt.
| Die Quelle der bei der Pentosurie meist gefundenen d-l-Ara-
binose), ebenso auch der von Luzzatto2) beobachteten l-Arabinose
ist nämlich gänzlich unbekannt; die bisher im Tierkörper sicher
identifizierte Pentose, die Xylose des Pankreas, hat eine so ab-
‘) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 33, 2243; 35, 1467.
?) Diese Beiträge 6, 87.
350 Friedrich Bauer,
weichende Konstitution, daß sie nicht als Muttersubstanz der Harn-
pentose aufgefaßt werden kann.
Andererseits muß, wie Neuberg betont, die Quelle der Harn-
pentose im Organismus selbst liegen, da mit der Nahrung keine
inaktive Arabinose aufgenommen wird. Es war daher immerhin
daran zu denken, daß das am meisten verbreitete und mit einem
lebhaften Stoffwechsel begabte Gewebe des Tierkörpers, der Muskel,
trotz des an sich geringen Pentosengehalts befähigt sein könnte,
die bei der Pentosurie täglich ausgeschiedenen Mengen zu liefern.
Darstellung des Baryuminosinats.
Liebigs Darstellungsmethode hat in den Händen der Nach-
folger so oft zu Mißerfolgen geführt, daß ich es vorzog, mich
zuerst mehr an Haisers Vorschrift zu halten. Wie er, benutzte
ich als Ausgangsmaterial das Fleischextrakt der „Liebigs Fleisch-
Extraet-Compagnie“, die mich dabei durch Überlassung von Extrakt
in dankenswertester Weise unterstützt hat. Da das Ausziehen
mit Alkohol und die Verwendung von Silbersalz das Verfahren
Haisers, sobald man mit größeren Mengen arbeitet, kostspielig und
unhandlich machen, so habe ich eine neue Methode der Darstellung
ausgearbeitet, welche erheblich einfacher und billiger ist als das
Haisersche Verfahren.
Ich gebe im folgenden eine Vorschrift, welche, vorausgesetzt
daß das Fleischextrakt genügend Inosinsäure enthält, was nach
Haiser nicht immer der Fall zu sein scheint, bei genauer Aus-
führung sicher zum Ziele führt:
500g Liebigsches Extrakt werden in 2'/, Litern Wasser gelöst. Die
Lösung wird mit etwa 40 & reiner Tierkohle verrührt und dann in einen Wärme-
schrank (bei 37°) gestellt, wo sie unter oftmaligem Durchrühren 24 Stunden
verbleibt. Es wird dann die Flüssigkeit eine halbe Stunde mit der Schüttel-
maschine kräftig geschüttelt, hernach sofort filtriert. Das Filtrieren nimmt
lange Zeit in Anspruch; es wird dadurch die Lösung von allerhand Ver-
unreinigungen befreit, vor allem von geringen Mengen einer kolloidalen Sub-
stanz, welche sonst das weitere Arbeiten außerordentlich erschwert. Das
Filtrat, eine dunkelrote bis braune Lösung, die ganz klar sein soll, wird mit
Wasser auf 5 Liter verdünnt.
Aus dieser Flüssigkeit werden die anorganischen Phosphate durch
Fällung mit einer 20proz. Lösung von Baryumacetat beseitigt, doch soll ein
Überschuß an Acetat vermieden werden. Dann wird von einer kaltgesättigten
Lösung von Baryumhydroxyd so lange zugesetzt, bis die vorher saure Reaktion
schwach alkalisch zu werden beginnt. Es wird dann filtriert, und das Filtrat
noch genau auf die Anwesenheit von Phosphorsäure geprüft, doch darf bei
den Phosphorproben mit konzentrierter Salpetersäure und molybdänsaurem
Ammon nicht zu stark erhitzt werden, da sonst organisch gebundener Phos-
Die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose. 351.
phor frei wird. Wird noch anorganischer Phosphor nachgewiesen, so muß
derselbe durch nochmaligen Zusatz von Baryumacetat und Baryumhydroxyd
beseitigt werden.
Die von Phosphat befreite Lösung gibt nach Kochen mit konzentrierter
- Salpetersäure mit molybdänsaurem Ammon durch Abspaltung des organisch
gebundenen Phosphors neuerlich eine starke Phosphorsäurereaktion.
Es wird nun eine Lösung von basischem Bleiacetat so lange zugesetzt,
bis keine weitere Fällung mehr entsteht, der Niederschlag von der Flüssigkeit
dureh Filtrieren oder noch besser durch Zentrifugieren getrennt, schließlich
noch auf dem Saugfilter abgesaugt. Der Niederschlag wurde einer dreimaligen
Waschprozedur unterzogen, deren genaue Ausführung sich als sehr wichtig
die Erzielung einer guten Ausbeute erwies. Ich rührte den Niederschlag
in der Reibschale mit etwa 1'/, Litern destillierten Wassers an, so daß eine
möglichst gleichmäßige Aufschwemmung entstand, und saugte dann mit der
“Nutsche die Flüssigkeit ab; beim dritten Waschen gelang es nur dadurch,
den Niederschlag von der Flüssigkeit zu trennen und ein gründliches Aus-
waschen zu ermöglichen, daß auf das Nutschfilter eine Schicht fein ge-
‚pulverten Baryumcarbonats gestreut wurde.
Der so mit Baryumcarbonat vermengte Niederschlag wird wieder ver-
rieben, aufgeschwemmt und mit Schwefelwasserstoff zerleet, das Filtrat
nach Beseitigung des Schwefelwasserstoffs in der Kälte wiederum mit
basischem Bleiacetat bis zur vollständigen Ausfällung versetzt. Der Nieder-
schlag wird, wie oben beschrieben, dreimal durch Aufschwemmen aus-
gewaschen, wieder mit Schwelwasserstoff zerlegt, wobei man ein schwach
gelb gefärbtes Filtrat erhält. Dieses wird nach Beseitigung des Schwefel-
wasserstoffs bei niederer Temperatur (etwa 40°) langsam eingedampft.
Ich benutzte dazu sehr große etwa 4 bis 5 Liter fassende Schalen mit
flachem Boden, die ich einfach in einen großen Brutraum stellte, dessen
Temperatur sich bei etwa 40° hielt. Dabei traten am Boden allmählich
{riställchen auf, welche zum Teil kugelige Drusen bildeten. Wenn der
Schaleninhalt bis auf etwa 30 ccm abgedampft ist, wird die ganze Masse in
ein Spitzglas gebracht, nach Absetzen der Kristalle der überstehende Sirup
ibgegossen und die zarte Kristallmasse durch mehrmaliges Aufschwemmen
lit ganz wenig Wasser von den Resten des Sirups annähernd vollständig
jefreit; sie stellt dann eine lachsrote Masse dar, die durch Umkristallisieren
aus heißem Wasser von der rot gefärbten Substanz befreit wird und dann
millimeterlange schöne Nädelchen bildet, welche durch nochmaliges Um-
ristallisieren schneeweiß erhalten werden.
0,1115 g lufttrockenes Barytsalz (7'/,H,O) verloren bei 100°, zur Gewichts-
Konstanz erhitzt, 0,0210, also 18,83 Proz. Wasser.
0,1685 g Barytsalz verloren 0,0317, also 18,39 Proz. Wasser.
| Wasserverlust gefunden im Mittel 18,86 Proz.; für C,H ,N,PBa0,
= 61/,H,0 berechnen sich 18,93 Proz. Wasser.
0,1377 g bei 100° getrockneten Barytsalzes gaben bei 20,4° und 754,9 mm
| Quecksilberdruck 13,93 cem Stickstoff, also 11,50 Proz.; berechnet sind
19 Proz. -
b Meine Ausbeuten erreichten nicht ganz die von Haiser an-
gegebenen Zahlen; doch scheint auch er öfters nicht die angegebene
f
2
°
352 Friedrich Bauer,
Menge von 4 bis 7g aus lkg Extrakt erhalten zu haben und
führt dies auf die Qualität des Extrakts zurück. Meine beste Aus-
beute betrug einmal etwa 4g ganz reinen Barytsalzes aus l1kg
Extrakt; in der Regel kann man bei sorgfältigem Arbeiten darauf
rechnen, 3g Barytsalz aus l1kg Extrakt zu erhalten.
Die Substanz zeigte genau das Verhalten des Baryuminosinats.
Sie gab die Phosphorsäurereaktion mit Salpetersäure und molybdän-
saurem Ammon erst nach Zerkochen mit Salpetersäure. Ebenso
entstand der für Purinbasen typische weiße Niederschlag in ammo-
niakalischer Lösung mit Silbernitratlösung erst nach Aufspaltung
des Salzes.
Auch bei langem Kochen mit Fehlingscher Lösung konnte
ich keine Reduktion erzielen. Dagegen bekam ich sehr intensive E
Farbenreaktion mit &-Naphtol und konzentrierter Schwefelsäure
(Molischsche Reaktion) und außerdem sehr typische Pentosen-
reaktionen mit Salzsäure und Orcin oder Phlorogluecin.
Hydrolyse der Inosinsäure.
Meine nächste Aufgabe war einerseits die Feststellung der Natur
der vorliegenden Pentose, andererseits die quantitative Bestimmung
der hydrolytischen Produkte.
Eine lproz. Lösung des Baryumsalzes in We wurde mit
der berechneten Menge Schwefelsäure versetzt, um die Inosinsäure
frei zu machen, und dann die Lösung im Kolben aus Jenaer Glas am
tückflußkühler so lange gekocht, bis eine Probe der Flüssigkeit,
mit Barytwasser von dem abgespaltenen Phosphat vollständig be-
freit, keine gepaarte Phosphorsäure mehr enthielt. Es war dazu
etwa 24stündiges Sieden notwendig, und die Flüssigkeit färbte
sich schwach gelb. Es wurde dann aus der mit verdünnter Schwefel-
säure versetzten Lösung mit einer 20 proz. Lösung von Phosphor
wolframsäure das Sarkin vollständig ausgefällt und das Sarkin-
phosphorwolframat und Baryumsulfat abfiltriertt, dann aus der
Flüssigkeit die überschüssige Schwefelsäure, Phosphorwolframsäure
und die abgespaltene Phosphorsäure durch Barytwasser ausgefällt,
der überschüssige Baryt durch Einleiten von Kohlensäure und ein- #
maliges Aufkochen beseitigt. Die dann erhaltene Flüssigkeit war |
ganz klar und nur schwach gelb gefärbt; sie gab keine Phosphor-
säure- und Purinbasenreaktion, enthielt aber noch Spuren von Baryt;
außerdem gab die Lösung starke Molischsche und Pentosenreaktion
(mit Orein-Salzsäure) und reduzierte Fehlingsche Lösung.
Die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose. 353
Die Lösung wurde bei etwa 40° im Wärmeschrank auf etwa
50 cem eingeengt, wobei noch etwas Baryumcarbonat zur Abscheidung .
kam. Die eingeengte Lösung wurde in einem Halbschattenapparat
mit dreiteiligem Gesichtsfeld auf ihre optische Aktivität untersucht
und vollständig inaktiv gefunden !). Die Flüssigkeit gab mit salz-
saurem Phenylhydrazin und Natriumacetat in wässeriger Lösung ein
klumpig ausfallendes, schön gelb gefärbtes Osazon, welches nach
zweimalisem Umkristallisieren bei raschem Erhitzen scharf bei
158 bis 159° schmolz. Zur Bestimmung der optischen Wirksam-
keit des Osazons hielt ich mich an die Neubergsche Pyridin-
Alkoholmethode. Es wurden 0,05 g Phenylosazon in einem Gemisch
_ von 6cem absoluten Alkohols und 4ccm reinen Pyridins gelöst.
_ Die Lösung erwies sich in dem Halbschattenpolarimeter, das bei
einiger Übung noch 0,02° Drehung zu ermitteln gestattet, als
inaktiv.
Es ist also ganz zweifellos eine Pentose im Molekül der Inosin-
säure enthalten, und zwar wird sie anscheinend unter bestimmten Ver-
hältnissen optisch inaktiv erhalten. Von inaktiven Pentosen kämen
für den Tierkörper zunächst nur die d-l-Xylose und d-l-Arabinose in
Betracht. Im vorliegenden Falle wird die Vermutung, daß es sich um
- eine inaktive Arabinose handelt, gestützt durch das Verhalten des
Sehmelzpunktes. A. Wohl?) gibt dafür zwar 163% an; Emil Fischer)
- fand ihn nach sehr oftmaligem Umkristallisieren zu 166 bis 167°,
dagegen für das der inaktiven Xylose zu 210 bis 215°; ich fand
158 bis 159°, wobei zu bedenken ist, daß ich wegen Mangel an
- Substanz nur zweimal umkristallisieren konnte; bemerkenswerter-
-_ weise wird für die d-l-Arabinose des Harns ebenfalls der Schmelz-
punkt zu 158 bis 1600 angegeben. Da von inaktiven Pentosen im
Tierkörper bisher nur diese bekannt ist, liegt die Annahme, daß
die aus Inosinsäure abgespaltene Pentose mit jener der gewöhn-
lichen Pentosurie, also mit d-l-Arabinose identisch ist, überaus nahe.
Ich verkenne aber nicht, daß zur Sicherung dieser Annahme weitere
_ Beweise notwendig sind.
4 Um zu zeigen, daß außer Phosphorsäure, Sarkin und Pentose
in dem Molekül der Inosinsäure kein weiterer Bestandteil enthalten
ist, habe ich einen Versuch gemacht, die Pentose quantitativ direkt
aus dem inosinsauren Baryum zu bestimmen und habe zu diesem
!) In einem anderen, hier nicht näher beschriebenen Spaltungsversuch
zeigte die Lösung dentliche Linksdrehung.
P 2) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 26, 742.
*) Ebenda 27, 2486.
Beitr. z. chem. Physiologie. X.
DD
SS
354 Friedrich Bauer,
Zweck die Methode von Grund!) benutzt, nach welcher durch
Destillation der pentosehaltigen Substanz aus verdünnter Salzsäure
die ganze Menge an Pentosen als Furfurol abdestilliert wird, um
dann nach Zusatz einer Lösung von Phloroglucin in Salzsäure als
Furfurolphlorogluceid bestimmt zu werden.
Ich zersetzte zunächst eine abgewogene Menge Baryuminosinat,
wie oben beschrieben, durch Hydrolyse, fällte aus der Lösung das
Sarkin mit Phosphorwolframsäure unter Zusatz von Schwefelsäure
vollständig aus, filtrierte und wusch mit Wasser nach, um die
Flüssigkeit möglichst quantitativ zu erhalten. Mit diesem Filtrat
machte ich dann die Pentosenbestimmung:
0,5020 Baryuminosinat (lufttrocken) gaben 0,1024 Furfurolphloroglueid,
also 20,39 Proz.; nach der von Grund für die Berechnung der Arabinose
angegebenen Formel (Phloroglucid X 1,148 + 0,0025 = Arabinose) erhält
man für 0,1024 Phloroglucid 0,1200 Arabinose, während 0,5020 Baryum-
inosinat 0,1217 Pentose enthalten müßte, falls kein anderer Körper mehr im |
Molekül der Inosinsäure vorhanden ist.
Zur Sicherung der Angaben Haisers, betreffend seine quanti-
tativen Ausbeuten an Sarkin, habe ich noch zwei Bestimmungen
des Sarkins als Phosphorwolframat vorgenommen.
Es wurde eine abgewogene Menge Baryuminosinats durch Destillation
mit verdünnter Salzsäure gespalten und von der Pentose vollständig befreit;
aus der salzsauren Lösung wurde mit Phosphorwolframsäure das Sarkin
ausgefällt, abfiltriert und gewaschen, sodann der Niederschlag in Natronlauge
aufgelöst und in dieser Lösung der Stickstoff bestimmt:
Der Phosphorwolframsäureniederschlag aus 0,0925 luftrockenem Baryum-
inosinat gab 9,589 Proz. N.
In einem zweiten Versuch lieferte der Phosphorwolframsäureniederschlag
aus 0,5108 Inosinat 10,072 Proz. N; danach lieferte das Baryuminosinat U
23,76 Proz. Sarkin, während die Rechnung 22,00 Proz. verlangt.
Haiser gibt an, daß die Ausbeute an Sarkin der Gleichung:
C.HıN, PO, + H,O = C,H,N,O + (OH),OP.C,H,0,.C00H
entspricht, ohne jedoch Zahlen anzuführen. Meine Zahlen stimmen
mit dieser Angabe innerhalb der bei Spaltungsversuchen gegebenen
Fehlergrenzen überein.
Nach diesen Bestimmungen enthält die Inosinsäure
auf je einen Phosphor je ein Sarkin und eine Pentose
unter Ausschluß jedes weiteren Bestandteils:
C.oH,N,PO, + 2H,0 = C,H,N,O + C,H,.0; + H,PO%
') Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 111.
Die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose. 355
Was nun die Konstitution der Säure betrifft, so darf man auf
Grund von Haisers Versuchen mit Bestimmtheit annehmen, daß
die Pentose direkt mit der Phosphorsäure verbunden ist, und daß
er bei der Hydrolyse ein vom Sarkin befreites basisches Baryum-
salz einer Pentose-Phosphorsäure in Händen gehabt hat, womit
der Barytgehalt sehr annähernd übereinstimmt. Das Sarkin wird
bei einfacher Hydrolyse anscheinend rascher und vollständiger ab-
gespalten als die Pentose. Der Umstand, daß die Inosinsäure an
sich nicht reduziert, weist darauf hin, daß die Aldehydgruppe
darin nicht vorgebildet ist; vermutlich ist somit an deren Stelle
das Sarkin angelagert. Man könnte also folgende Konstitutions-
formel aufstellen: |
(HO),.PO.0.CH,(CHOH),.CH:(C,H;N,O),
wobei nur noch der Ort der Verknüpfung von Pentose mit
- Phosphorsäure einerseits, mit Sarkin andererseits genauer zu be-
stimmen bliebe.
Die freie Pentose des Fleischextrakts.
Nach Ausfällung der Inosinsäure mit basischem Bleiacetat
gibt das Filtrat noch Pentosenreaktion. Es lag die Vermutung
nahe, daß hier die gleiche Pentose wie in der Inosinsäure, nur ab-
gespalten, vorlag. Zu ihrer Darstellung und Identifizierung verfuhr
ich in der Art, daß ich die Filtrate der Bleifällung zunächst mit
ammoniakalischem Bleiacetat fällte, den Niederschlag nach der für
das inosinsaure Blei genau beschriebenen Methode sehr gründlich
auswusch, mit Schwefelwasserstoff zerlegte, und das Filtrat nach
Beseitigung des Schwefelwasserstoffs von neuem mit ammoniaka-
lischem Blei bis zu vollständiger Fällung versetzte; der Nieder-
schlag wurde wieder gut ausgewaschen und mit Schwefelwasserstoff
zerlegt. So wurde eine klare, gelbgefärbte Lösung erhalten, welche
keinen Phosphor mehr enthielt, wohl aber starke Pentosenreaktion
"mit Orcin-Salzsäure gab. Die Flüssigkeit wurde bis auf ein kleines
Volumen abgedampft und dann mit der sechsfachen Menge 95 proz.
Alkohols versetzt, wobei ein Teil in Lösung ging. Der ungelöste
Teil wurde wieder in wenig Wasser gelöst, von neuem mit
Alkohol behandelt und dies Vorgehen so oft wiederholt, bis der in
Alkohol unlösliche Niederschlag keine Pentosenreaktion mehr gab.
Schließlich gelang es nicht mehr, auf diesem Wege einen pentosen-
freien Niederschlag zu erhalten. Es wurde dann die eingedampfte
_ wässerige Lösung nochmals mit Alkohol gefällt, wobei neben einem
23*
356 Friedrich Bauer,
noch pentosehaltigen Sirup eine gelbgefärbte klare alkoholische
Lösung erhalten wurde, die nach Entfernung des Alkohols stark
reduzierte, mit Phenylhydrazin ein Osazon von dem makroskopischen
und mikroskopischen Aussehen des oben beschriebenen gab und
trotz hoher Konzentration optisch inaktiv war.
Das Fleischextrakt enthält danach neben der aus der Inosin-
säure abspaltbaren Pentose noch einen im freien Zustande befind-
lichen Anteil. Es ist wohl die Vermutung gerechtfertigt, daß
diese freie Pentose!) ganz oder zum Teil aus der Inosinsäure
oder einer analogen Verbindung bei der Darstellung des Extrakts
abgespalten wird. Da sich nach möglichst vollständiger Abscheidung
der Inosinsäure und Entfernung der Phosphate stets noch eine
erhebliche Quantität organischen Phosphors nachweisen läßt, wird
in erster Reihe daran zu denken sein, daß die Darstellung des
Fleischextrakts oder die vorausgehende Autolyse des Fleisches mit
einer nicht unerheblichen Spaltung der Inosinsäure verknüpft ist.
Es ist bekannt, daß der absterbende Muskel eine Erhöhung seines |
Gehalts an Phosphorsäure zeigt und daß diese schon durch mecha- |
nische Zerkleinerung und Temperaturerhöhung befördert wird ?).
Es ist zurzeit nicht zu beurteilen, einen wie großen Anteil an
diesen Vorgängen die Inosinsäure hat, ja es dürfte die Vermutung
gestattet sein, daß die Inosinsäure selbst schon ein Bruchstück
eines im Muskel vorgebildeten, aber sehr labilen großen Nuclein-
moleküls darstellt. Darüber sowie über die physiologische Be-
deutung dieser Verhältnisse könnten nur weitere Untersuchungen
entscheiden. Ebenso muß die Frage, ob etwa der Muskel als
Ursprungsort der bei der Pentosurie gefundenen Arabinose an-
zusehen ist, einer weiteren Prüfung unterzogen werden. Die Möglich-
keit einer solchen Annahme ist nicht von der Hand zu weisen,
denn wenn auch der Gehalt des menschlichen Muskels an Pentose
auf Grund der Untersuchung von Bendix°) nur niedrig ver-
anschlagt werden kann (0,053 Proz., also etwa zehnmal geringer
als im Rindspankreas), so ist auf der anderen Seite bei der
mächtigen Entwickelung des Muskelsystems immerhin damit zu
rechnen, daß die bei Pentosurie im Harn täglich ausgeschiedenen
Mengen, die Neuberg bis zu 30 bis 36g veranschlagt, ihr Auf-
treten einer Störung in dem intermediären Stoffwechsel des Muskels
verdanken können.
') Die Untersuchung dieser Pentose ist noch nicht abgeschlossen.
®) F. Urano, Diese Beiträge 10, 112.
°) Die Pentosurie, S. 20. Enke in Stuttgart.
Die Konstitution der Inosinsäure und die Muskelpentose. 357
Nachtrag bei der Korrektur.
Das am 18. August ausgegebene Heft der „Biochemischen Zeit-
schrift“ bringt eine Untersuchung von ©. Neuberg und B. Brahn
über die Inosinsäure, die in ähnlicher Weise wie die vorstehende
Arbeit den Nachweis erbringt, daß die Inosinsäure eine Nuclein-
säure ist, die bei der Aufspaltung quantitativ in Phosphorsäure,
- Hypoxanthin und Pentose zerfällt. Während ich mich aber nicht
_ von der optischen Aktivität der abgespaltenen Pentose überzeugen
- konnte, gelang es Neuberg und Brahn, ein linksdrehendes
Pentosazon zu erhalten. Sie sprechen danach die Pentose der
Inosinsäure als l1-Xylose an. Auffällig bleibt dabei, daß die bei
Hydrolyse der Inosinsäure erhaltenen Lösungen, wie diese Autoren
_ und ich übereinstimmend finden, niemals Rechtsdrehung zeigten,
"was doch bei Auftreten von freier l1-Xylose zu erwarten war.
Neuberg und Brahn erklären dieses Verhalten durch unvoll-
ständige Zerlegung der linksdrehenden Inosinsäure einerseits, durch
partielle Zerstörung der rechtsdrehenden Pentose andererseits.
Doch war in meinen Versuchen die Inaktivität auch nach Ver-
schwinden der organisch gebundenen Phosphorsäure, also nach
totaler Zerlegung der Inosinsäure, vorhanden, obgleich die Lösung
reichlich Pentose enthielt.e Dieser Punkt bedarf somit noch der
Aufklärung.
XXI.
Über tierische Peroxydasen.
Von Dr. Ernst von Üzyhlarz,
Privatdozenten für innere Medizin,
und Dr. Otto von Fürth,
a. ö. Professor für medizinische Chemie an der Wiener Universität.
1.
Dank einer Reihe von Untersuchungen auf pflanzenphysio-
logischem Gebiete hat die Lehre von den oxydativen Fermenten
im Verlaufe der letzten Jahre eine wesentliche Ausgestaltung er-
fahren, und ist es als ein namhafter Fortschritt zu bezeichnen, daß
man, insbesondere aus den Arbeiten von Bach und Chodat,
gelernt hat, zwischen den direkten Oxydasen und den Per-
oxydasen (indirekten Oxydasen), welche nur bei Gegenwart des
Hydroperoxyds oder eines anderen Peroxyds oxydierend zu wirken
vermögen, scharf zu unterscheiden !).
Die durch diese Erkenntnis herbeigeführte Klärung der Begriffe
ist jedoch bisher in erster Linie der Pflanzenphysiologie zugute
gekommen. Auf dem Gebiete der Tierchemie dagegen ist, wie
eine Durchsicht der Literatur lehrt, eine Sichtung des in bezug
auf oxydative Fermente angehäuften Tatsachenmaterials von den
neuen Gesichtspunkten aus kaum ernstlich in Angriff genommen
worden. Einen Teil dieser Lücke auszufüllen, war Zweck der vor-
liegenden Untersuchung, welche sich jedoch auf jene oxydativen
Fermente beschränkt, die man kurz mit dem Schlagworte „guajak-
bläuende Oxydasen“ zu charakterisieren pflegt.
Die wichtigsten auf diesem Gebiete vorliegenden Erfahrungen
lassen sich etwa folgendermaßen gruppieren.
') Vgl. das Sammelreferat von A. Bach und R. Chodat, Über den
rerenwärtigen Stand der Lehre von den pflanzlichen Oxydationsfermenten.
Biochem. Zentralbl. 1, 416 (1903).
Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth, Über tierische Peroxydasen. 359
1. Oxydasen des Blutes. Seit Sehönbeins klassischen Ferment-
arbeiten war die Guajakreaktion des Blutes (d. i. die Blaufärbung des Guajak-
harz-Terpentinölgemenges bei Gegenwart von Blut) Gegenstand zahlreicher
Arbeiten [vgl. E. Schaer')]. In jüngster Zeit wurde empfohlen, das Terpen-
tinöl, welches seine Wirkung anscheinend nur seinem Gehalt an Peroxyden ver-
dankt, durch Wasserstoffsuperoxyd [Carlson’’)], das Guajakharz durch
das wirksame Prinzip desselben, die Guajakonsäure, zu ersetzen [vg].
Kobert°)]; doch werden die Vorzüge des Hydroperoxyds dem Terpentinöl
gegenüber von Schumm‘*) neuerdings wieder in Frage gezogen. OÖ. und
ER. Adler°) haben gezeigt, daß eine große Anzahl von der aromatischen
Reihe angehörigen Ühromogenen mit Erfolg an Stelle der Guajakonsäure
bei der Blutreaktion benutzt werden können. Während G. Bertrand‘) diese
_ Reaktion einer in den roten Blutkörperchen enthaltenen Peroxydase zu-
schrieb, hat Moitessier’) gezeigt, daß die Wirkung durch Kochen nicht
aufgehoben wird und auch noch der Hämatinkomponente des Hämo-
globins (nicht aber dem Hämatoporphyrin) zukommt. Nach Liebermann’)
_ verwandelt ein in altem Terpentinöl enthaltener, saurer, in Wasser löslicher
Körper von stark oxydierenden Eigenschaften das Hämoglobin in Methämo-
globin, und erst dieses soll mit Guajak reagieren, während Pighini’)
wiederum die Theorie aufstellt, die Guajakreaktion sei gar nicht dem Hämo-
gelobin als solchem eigentümlich, sondern einer in jeder Lösung desselben
vorhandenen, von einer hydrolytischen Spaltung desselben herrührenden Bei-
mengung kolloidalen Eisenhydroxyds (die Oxydasenwirkung von Metallsolen
ist von Liebermann genauer studiert worden), welche vielleicht von einer
hydrolytischen Spaltung des Hämoglobins herrühre.
2. Oxydasen der Eiterzellen. Die Guajakreaktion des Eiters
_ wurde bereits im Jahre 1868 von Klebs beschrieben, später von Achalme
bestätigt. Vitali'°) und E. Meyer!) betonen, daß die Guajaktinktur bereits
') E. Schaer, Neuere Beobachtungen über Blutnachweis mittels der
- Guajakprobe. Arch. d. Pharm. 1898, S. 571.
?) C. E. Carlson, Die Guajakblutprobe und die Ursachen der Blau-
färbung der Guajaktinktur. Zeitschr. f. physiol. Chem. 48, 69 (1906).
®) R. Kobert, Über einige Enzyme wirbelloser Tiere. Pflügers Arch.
99, 131 (1903).
*) 0. Sechumm, Zur Kenntnis der Guajakblutprobe und einige ähnliche
Reaktionen. Behr. f. physiol. Chem. 50, 374 (1906).
5) O. und R. Adler, Über das Verhalten gewisser organischer Verbin-
dungen gegenüber Blut. Ebenda 41, 58 (1904).
©) G. Bertrand, Bemerkung in einem Referate zu vorstehender Arbeit.
- Bull. Inst. Pasteur 1904, S. 398.
7) J. Moitessier, Sur le röle de la Peroxydase dans les reactions
color&es, obtenues avec le sang. Compt. rend. Soc. de Biol. 56, II, 373 (1904).
®) L. Liebermann, Beiträge zur Kenntnis der Fermentwirkungen.
Pflügers Arch. 104, 119 ff.; vgl. auch 108, 489 u. 498.
)::G- Pirhini : Sulla reazione del guajaco data del sangue. Arch. de
Efisiol. 4, 57.
10) Vitali, Über ein oxydierendes Ferment im Eiter. R. Accad. delle
‚scienze di Bologna 1901. Vgl. Jahresber. Tierchem. 31, 877.
!) E.Meyer, Über die eytodiagnostische Bedeutung der Se
Münch. med. Wochenschr. 1904, 8. 1578; vgl. ebenda 1903, Nr.
360 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
ohne Wasserstoffsuperoxydzusatz mit Eiter reagieren könne, und letzterer
gründet eine chemische Unterscheidung zwischen polynucleären Leukoeyten
(Granulocyten) und Lymphoeyten auf diese Beobachtung, während Linossier!)
die Ansicht ausspricht, daß Guajakharz und ähnliche Chromogene nur dann
direkt ohne Wasserstoffsuperoxyd mit Eiter eine Farbenreaktion geben, wenn
sich im Reagens bei längerem Stehen Peroxyde gebildet hätten.
Jüngest hat F. Winkler die oxydative Synthese von Indophenol aus
«@-Naphtol und Phenylendiamin zur mikrochemischen Leukoeytenfärbung
verwertet.
3. Oxydasen der physiologischen Sekrete. Guajakoxydasen
sind in den meisten Sekreten nachgewiesen worden. So im Speichel
[Slowzoff*), Carnot°)], im Magensaft und in der Galle [Schumm ®)],
im Nasensekret (Carnot), im Sperma [Poehl’), Carnot], in dem die
Froscheier umgebenden Schleime [Herlitzka°)], im Urin [Schumm,
Carriere’)] und in der Milch [Arnold®), Raudnitz°), Gilles!) und
zahlreiche andere]. Auch hier wiederum wurde die Guajakreaktion teils
mit, teils ohne Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd ausgeführt und entweder
auf die Flüssigkeit als solche oder auf die darin enthaltenen geformten
Bestandteile zurückgeführt.
4. Oxydasen der Organe. Am schwierigsten sind die über die
Örganoxydasen vorliegenden Angaben zu deuten.
Während nach Gessard'') Guajakharz bei Gegenwart von Wasserstoff-
superoxyd durch die meisten organischen Flüssigkeiten gebläut werden soll,
betrachtet de Rey-Pailhade'*) das Fehlen der Guajakreaktion als ein
Unterscheidungsmerkmal der tierischen Gewebe pflanzlichen gegenüber.
Nach Abelous und Biarnes'*) geben nur ausgeblutete, nicht aber blut-
haltige Organe von Säugetieren die Guajakreaktion. Beim Hunde fand sich
in Milz und Lunge viel, in Leber und Pankreas gar keine Oxydase, in
Muskeln und Ovarium wenig davon.
') Linossier, Contribution A l’etude des ferments oxydants. Sur la
Peroxydase du pus; Compt. rend. Soc. de Biol. 50, 373.
®) Slowzoff, Zur Lehre von den Oxydasen des Tierkörpers. Inaug.-
Diss. Petersburg 1899 (russisch), zit. nach Jahresber. f. Tierchem. 1899, S. 905.
°) Carnot, Sur un ferment oxydant de la salive et de quelques autres
secretions. Compt. rend. Soc. de Biol. 48, 552 (1896).
*) Loe. cit.
°) A. Poehl, Action physiologique de la spermine ete. Compt. rend.
115, 129 (1892).
°) A. Herlitzka, Sull’ ontogenesi dei fermenti. Biologiea 1, 7 (1907).
’) @. Carriere. Compt. rend. Soc. de Biol. 51, 569 (1899).
») 0. Arnold, Einige neue Reaktionen der Milch. Arch. f. Pharm. 19,
41 (1881).
°, R. W. Raudnitz, Über sogenannte Fermentreaktionen der Milch.
Zentralbl. f. Physiol. 12, 790 (1898).
'%) U, Gilles, Le ferment oxydant du lait. Journ. de Physiol. 4, 438 (1902).
) Ö, Gessard, Compt. rend. Soc. de Biol. 55, 657 (1903).
2, J. de Rey-Pailhade, Kbenda 48, 479 (1896).
1») J.E. Abelous und G. Biarnös, Sur l’existence chez les Mammiferes
d’une Oxydase-Globuline, ses characteres et ses propriet6s. Arch. de Physiol,
30, 664; vgl. auch Compt. rend. Soc. de Biol. 49, 285, 493, 576.
Über tierische Peroxydasen. 361
Lepinois!) beschrieb eine in der Schilddrüse vorkommende, nur bei
Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd wirksame, bei Kochhitze nicht zerstör-
‚bare „Oxydase“. Nach Slowzoff°) findet sich bei Hunden nur in den Milch-
und Speicheldrüsen reichlich Oxydase, während die Reaktion mit anderen
Organen, vorausgesetzt, daß das Blut sorgfältig entfernt worden ist, negativ
ausfällt. Dagegen vermochte N. Sieber?) wiederum aus Milz und Parotis
durch Neutralsalzlösungen oxydative Fermente zu extrahieren.
Rosell*) prüfte verschiedene Organe mit der Guajak- und Indophenol-
reaktion und erhielt mit letzterer in Pankreas, Speicheldrüse, Milz, Knochen-
mark und Thymus positive Resultate. |
Hugouneng und Paviot?’) fanden bei Untersuchung verschiedener
Tumoren namentlich solche, welche durch schnelles Wachstum ausgezeichnet
waren, oxydasenreich, während E. Meyer‘) besonders solche mit leuko-
eytärer Infiltration bevorzugt fand.
Eine weitere Reihe von Beobachtungen bezieht sich auf wirbellose
Tiere. Während Kobert?) trotz Anwendung der Kombination einer Lösung
von reiner Guajakonsäure mit Wasserstoffsuperoxyd die Oxydase in der
Körperflüssigekeit von Kephalopoden, gewissen Würmern und Ameisen ver-
mißte, finden Abelous und Biarnes?) direkte (also ohne Zutun des Hydro-
peroxyds wirksame) Oxydasen in der Hämolymphe des Krebses, Giard’)
ebensolche in den Geweben gewisser Tunicaten, Pieri!) und Portier'")
bei den Vertretern der verschiedensten Tierkreise, wobei der letztgenannte
hervorhebt, es handele sich in allen Fällen um leukocytenreiche Gewebe;
auch sei die Reaktion an den Zerfall von weißen Blutzellen geknüpft,
derart, daß sie im lebenden Gewebe überhaupt nicht und am besten erst
einige Zeit nach dem Tode gelinge.
| Eine besondere Erwähnung verdient schließlich eine aus jüngster Zeit
stammende Arbeit von Lesser'?). Dieser fand, daß die entbluteten Organe
von Fröschen und Säugetieren die Guajakreaktion geben, wenn man erst das
!) Lepinois, Note sur les ferments oxydants indirectes de la glande
hyroide. Compt. rend. Soc. de Biol. 50, 1177 (1898).
Er: e.
°) N. Sieber, Über die oxydierenden Fermente. Gazeta lekarska 23,
27 (polnisch), zitiert nach Jahresber. f. Tierchem. 32, 944.
*) M. Rosell, Nachweis und Verbreitung intracellulärer Fermente.
Inaug-Diss. Straßburg 1901.
5) L. Hugouneng et Paviot, Sur les propristes oxydantes et peut-ötre
dues a des actions diastatiques de quelques tumeurs malignes. Compt. rend.
Soc. de Biol. 48, 352 (1896).
Le.
4 E c.
Rn
1 ?) A. Giard, Sur l’existence chez certains animaux d’un ferment
‚bleuissaut la teinture alcoolique de Gajac. Compt. rend. Soc. de Biol. 48,
483 (1896).
| 1%) Pieri et Portier, Presence d’une oxydase dans certains tissus des
mollusques ac&phales. Arch. de Physiol.. 29, 60 (1897).
") Portier, Les oxydases dans la serie animale. These de Paris 1898
(G&. Steinheil); zitiert nach Zentralbl. f. Physiol. 12, 356.
2) Lesser, Zur Kenntnis der Katalase. Zeitschr. f. Biol. 48, 1.
362 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Reagens und dann das Wasserstoffsuperoxyd zusetzt, nicht aber, wenn man die
umgekehrte Reihenfolge einhält. Er beobachtete ferner eine Hemmung der
Reaktion durch die Gegenwart von leicht oxydablen Stoffen (wie z. B. Trauben-
zucker) und gewissen Organextrakten; er bezweifelt infolgedessen die
Verschiedenheit von Oxydasen und Katalasen (Wasserstoffsuperoxyd
zersetzenden Fermenten) und glaubt, man könne das Ausbleiben der Guajak-
reaktion in Katalaselösungen durch die Gegenwart von leicht oxydablen
Stoffen, welche den aktiven Sauerstoff aufnehmen, erklären. Eine eleich-
falls erst vor kurzem veröffentlichte Arbeit von W. Ewald!) über Beein-
flussung der Reduktionsgeschwindigkeit des Oxyhämoglobins durch Katalase
konnte ebenfalls den Gedanken an eine ÖOxydasennatur dieser letzteren
nahe legen.
Ebenso wie über die Verbreitung und Abgrenzung, so gehen auch über
die Eigenschaften der tierischen Oxydasen die Ansichten der verschiedenen
Autoren sehr weit auseinander. Manche derselben wollen die oxydativen
Fermente als Globuline betrachtet wissen, welche in reinem Wasser schwer
löslieh, durch Neutralsalze extrahierbar, durch Kohlensäure und Dialyse
fällbar sein sollen (Abelous, Slowzoff, Sieber). Allerdings ist die wieder-
holt beobachtete Widerstandsfähigkeit dieser Oxydasen gegenüber verdauen-
den Enzymen mit einer Globulinnatur derselben schwer vereinbar und
ist selbst über die wichtige Frage der Thermostabilität keine Einigung
erzielt worden, indem manche Angaben dahin lauten, daß diese Oxydasen
(nach Art anderer Fermente) bereits unter 70° zerstört werden, während
andererseits die entgegengesetzte Angabe [Linossier?), Carnot?°) u. a.],
derzufolge die Guajakoxydasen selbst Siedehitze überdauern können, sogar
die Fermentnatur derselben fraglich erscheinen läßt.
So sehen wir uns denn einer Fülle von Widersprüchen gegen-
über, die einer Klärung dringend bedürfen.
Ein eingehendes Studium hat uns nun gelehrt, daß die auf
diesem Gebiete herrschende Verwirrung durch die ungenügende
Beachtung einer Reihe von wichtigen Faktoren erklärlich wird. Es
sind dies namentlich folgende:
a) Die grundsätzliche Verschiedenheit der fermentähnlichen
Wirkung des reinen Blutfarbstoffes und der eigentlichen
tierischen Peroxydasen;
b) der Umstand, daß die Peroxydasenwirkung an die Gegen-
wart von Wasserstoffsuperoxyd oder anderen Peroxyden ge-
knüpft ist;
c) die Veränderlichkeit der hauptsächlich benutzten
Reagenzien (Guajakharz, Terpentinöl), die durch die Bildung von #
Peroxyden in denselben verursacht wird; |
') W. Ewald, Die Physiologie der oxydativen Blutfermente, Pflügers
Arch. 116, 334 (1907).
YE:&
1.8
|
Über tierische Peroxydasen. 363
d) die praktische Schwierigkeit, Wirbeltierorgane von Blut-
resten so weit zu befreien, daß jede Interferenz zwischen Blut-
und Peroxydasenwirkung ausgeschlossen wäre;
e) die vorerwähnte (von Lesser hervorgehobene) Hemmung
der Guajakreaktion durch gewisse Organextrakte und leicht oxy-
dable Substanzen;
f) die wenigstens vorläufig festzuhaltende Verschiedenheit der
hier in Betracht kommenden Peroxydasen von den Katalasen
einerseits, von direkten Oxydasen und glykolytischen Fer-
menten andererseits.
Es ergab sich also für uns die Notwendigkeit, die wichtigsten
Angaben über die tierischen Guajakoxydasen unter Beachtung aller
dieser Faktoren einer Revision zu unterziehen und Mittel und Wege
zu finden, um die hier hervorgehobenen Fehlerquellen zu umgehen.
Weiter stellten wir uns das Ziel, tierische Oxydasen messenden
Versuchen zugänglich zu machen; denn es war uns bald klar
geworden, daß qualitative Versuche nicht ausreichen konnten, um
einen tieferen Einblick in die hier vorliegenden komplizierten Ver-
hältnisse zu gewinnen.
Schließlich bemühten wir uns, zu den in jüngster Zeit aufgerollten
physiologisch wichtigen Fragen, betreffend die Oxydasennatur der
Katalasen und glykolytischen Fermente Stellung zu nehmen.
Es sei uns nunmehr gestattet, zu einer Beschreibung unserer
Versuche überzugehen.
2. Nachweis und Verbreitung tierischer Peroxydasen.
l. Guajakreaktion. Als erste Aufgabe ergab sich eine
vergleichende Feststellung der Empfindlichkeitsgrenze der
Guajakreaktion gegenüber Blut und Hämatinlösung.
Wir gingen nach der Vorschrift von Carlson'!) bei Anstellung der
Reaktion in der Weise vor, daß wir ccm einer frisch bereiteten Guajak-
harzlösung (0,3 & in 10 ccm Alkohol) mit 2cem Wasserstoffsuperoxyd (3 Proz.)
mischten und zu dem Gemenge lccm der zu prüfenden Flüssigkeit mittels
Pipette unter vorsichtiger Schichtung hinzufügten. Die Blaufärbung der
Bodenschicht kann so in bequemster Weise beobachtet werden.
a) Pferdeblut (nativ):
Verdünnung: 1: 2000 Reaktion: stark positiv
1: 4000 h N a
128000 5 schwach „
1: 16 000 spurenweise.
Ft 6.8. 72,
364 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
b) Pferdeblut, gekocht:
Verdünnung: 1: 2000 Reaktion: stark positiv
u 1: 4000 E schwach „
> 1: 8000 . undeutlich.
c) Hämin (nach Mörners Verfahren aus Pferdeblut hergestellt):
Verdünnung: 1: 5000 Reaktion: stark positiv
” l : 50 000 ” ” ”
B 1: 100 000 deutlich „
A 1: 200 000 5 negativ.
d) Hämatin (aus Hämin durch Lösen in verdünnter Natronlauge und
Fällen mit Essigsäure hergestellt; mit Hilfe von ein wenig Alkali in Wasser
gelöst):
Verdünnung: 1: 5000 Reaktion: stark positiv
” 1 : 50 000 ” ” „
. 1: 100 000 > schwächer, aber sehr deutlich
? 1: 200 000 * deutlich
& 1: 400 000 5 negativ.
Der Versuch ergab demnach in Übereinstimmung mit Moi-
tessier!), daß die Reaktion durch Kochen des Blutes nicht auf-
gehoben wird und an die Hämatinkomponente derselben geknüpft ist.
Zum Vergleiche untersuchten wir Eiter, den wir in frischem
Zustande und ohne sichtbare Blutbeimengung von der chirurgischen
Klinik erhalten hatten:
Verdünnung: 1: 100 Reaktion: stark positiv
)) 1: 200 2) ” )
R 1:400 ” schwach, aber deutlich
“ 1: 800 A undeutlich.
Wurden die Eiterproben aufgekocht, so fiel die Reaktion in
allen Fällen negativ aus.
Zur Untersuchung auf Organoxydasen wurde ein frisch ge-
töteter Frosch mit Hilfe einer in die Aorta eingebundenen Kanüle
so lange mit physiologischer Kochsalzlösung durchgespült, bis die
aus der Bauchvene abfließende Flüssigkeit farblos erschien. Sodann
wurden Stückchen der Organe mit Sand verrieben und die Sus-
pension nach Carlson geprüft. Mit der Leber und den Muskeln
fiel die Probe negativ aus. Auch die Lunge ließ die Reagenz-
lösung ungefärbt; dagegen nahmen die Organstückchen selbst eine
blaue Färbung an. Die Betrachtung mit der Lupe lehrte, daß
diese Färbung nicht etwa eine diffuse war, sondern dem verästelten
Verlaufe von mit geronnenen Blutresten gefüllten Gefäßchen ent-
sprach.
) 0
2
7
Über tierische Peroxydasen. 365
Ebensowenig wie beim Frosch gelang uns eine vollkommene
- Entblutung der Organe eines Kaninchens, trotzdem wir noch
- vor der Verblutung das Blut durch intravenöse Infusion physio-
logischer Kochsalzlösung stark verdünnt hatten. DBedenkt man,
welche minimale Mengen des Blutfarbstoffs bei richtig angestellter
Probe mit Hilfe der Guajakreaktion noch nachgewiesen werden
und daß die Organe auch Hämatin als solches (Myohämatin usw.)
enthalten können, so wird man es ohne weiteres begreiflich finden,
daß wir die Reaktion mit Milz, Lunge, Leber, Niere und Muskeln
sowohl direkt, aber auch nach vorherigem Kochen der Organe
positiv ausfallen sahen. Selbst anhaltende Durchspülung einer
Lunge mit physiologischer Kochsalzlösung erwies sich unvermögend,
_ alle Blutreste zu entfernen.
Wir gelangten zur Überzeugung, daß die Guajakmethode
zur Untersuchung der Organe von solchen Tieren, welche
in ihrem Blute Hämoglobin führen, durchaus ungeeignet
ist, und vermögen daher den auf die Verbreitung und Lokalisation
der Organoxydasen gemachten Angaben früherer Autoren (s. oben
8. 360), insoweit sie auf diesem Untersuchungsverfahren basieren,
keinerlei Beweiskraft zuzuerkennen. Selbst der (in der Regel
gar nicht geführte) Nachweis, daß Kochen die angebliche Ferment-
- wirkung aufhebt, ist nicht einwandfrei, da kleine Blutmengen von
den voluminösen geronnenen Eiweißmassen eingeschlossen und so
ausgeschaltet werden können.
Auch der Nachweis, daß manche Organe die Reaktion mit
Guajaktinktur bereits ohne Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd geben,
ist ohne besonderen Wert.
Wir haben uns davon überzeugt, daß blutfreier Eiter mit
frisch bereiteter Lösung reiner Guajakonsäure (Merck)
keine Reaktion gibt, also keine „direkte Oxydase“ enthält;
_ der Zusatz einer minimalen Menge Hydroperoxyds ist für den Ein-
tritt der Reaktion unerläßlich; wir stimmen jenen Autoren bei,
welche in den bei der Guajakreaktion in ihrer älteren Form
benutzten Reagenzien (Guajakharz, Terpentinöl) die Bildung von
Peroxyden beim Aufbewahren derselben annehmen!). Will man
daher bei Fermentversuchen mit der Guajakreaktion unter klaren
und durchsichtigen Verhältnissen arbeiten, so ist es unseres Er-
) Vgl. das Sammelreferat von Bach und Chodat (l. c., S. 458):
„Frisch dargestellte Guajaktinktur wird durch (pflanzliche) Peroxydasen
nicht gebläut. Schon nur einige Stunden alte Guajaktinktur färbt sich da-
gegen mit Peroxydaselösung mehr oder weniger blau.“
366 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
achtens unerläßlich, frisch bereitete reine Guajakonsäure-
lösung unter Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd zu benutzen.
2. Reaktion mit Jodkalium. Es ergab sich nunmehr die
Notwendigkeit, zum Nachweise tierischer Peroxydasen ein Reagens
ausfindig zu machen, das mit dem Blutfarbstoff nicht reagiert.
Die verschiedenen zyklischen Verbindungen, welche zum Zwecke
des Fermentnachweises in der Pflanzenphysiologie gelegentlich Ver-
wendung gefunden haben, wie das Phenylendiamin, das Phenol-
phtalin, das Pyrogallol usw., verhalten sich dem Hämoglobin
gegenüber ebenso wie die Guajakonsäure, waren daher für unseren
Zweck ebensowenig brauchbar.
Dagegen fanden wir in der Jodwasserstoffsäure ein
empfindliches Peroxydasenreagens, das mit dem Hämo-
globin und Hämatin nicht reagiert.
Die sich bereits bei Zimmertemperatur vollziehende Oxydation
einer schwach angesäuerten Jodkaliumlösung durch Wasserstoff-
superoxyd wird, wie seit langer Zeit bekannt, durch pflanzliche
Peroxydasen erheblich beschleunigt. Das dabei frei werdende Jod
kann durch Stärkekleister nachgewiesen, sowie durch Thiosulfat-
lösung titrimetrisch bestimmt werden. Diese Reaktion ist von
Bach und Chodat!) bei ihren zahlreichen wichtigen Unter-
suchungen zum genaueren Studium pflanzlicher Peroxydasen in
mannigfacher Weise benutzt worden.
Die Unfähigkeit des Hämoglobins und des Hämatins, die Oxy-
dation der Jodwasserstoffsäure durch Wasserstoffsuperoxyd zu be-
schleunigen, ergibt sich aus folgendem Versuche:
Verdünnte Jodkaliumlösung wird mit löslicher Stärke und mit sehr
wenig Essigsäure versetzt und das (remenge auf eine Anzahl von Proben zu
2cem verteilt. Zu jeder derselben wird die zu prüfende Flüssigkeit und zu-
letzt lecem verdünnten Wasserstoffsuperoxyds (fünf Tropfen 3proz. Lösung
auf eine Eprouvette voll Wasser) hinzugefügt, und zwar enthielt Probe a)
keinen Zusatz, b) einige Tropfen Hämatinlösung 1: 500, c) einige Tropfen
einer schwach alkalischen Acethäminlösung 1:500, d) einige Tropfen Ochsen-
blut, e) einige Tropfen Menschenblut, g) einen Tropfen nativer pflanzlieher
Peroxydasenlösung (nach Bach und Chodat aus Meerrettich dargestellt),
h) einen Tropfen gekochter pflanzlicher Peroxydasenlösung, i) einen Tropfen
nativen Eiters (aus einem incidierten Abszeß entnommen), k) einen Tropfen
gekochten Eiters. Die Proben g) und i) nehmen innerhalb weniger Sekunden
eine tiefblaue Färbung an; alle anderen Proben waren dagegen noch nach
'/; Stunde unverändert.
') Bach und Ohodat, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 35, 2467, 3943
(1902): 36, 600, 606, 1756 (1903); 37, 36, 1342, 2434, 3785, 3787 (1904);
38, 1878 (1905); 39, 1664, 1670, 2126 (1906); 40, 230 (1907).
Über tierische Peroxydasen. 367
Die Reaktion war also nur von den nativen (nicht gekochten)
Peroxydasen des Pflanzenextraktes und des Eiters, nicht aber vom
Hämoglobin und vom Hämatin ausgelöst worden.
Es ergab sich weiterhin, daß die Wirksamkeit des Eiters
eine hochgradige ist und selbst bei weitgehender Verdünnung
nachgewiesen werden kann:
Frischer dieker Eiter wird mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt.
Versuchsanordnung wie oben.
: 100: Starke Bläuung innerhalb weniger Sekunden
200... , 4 jedoch merklich später
Verdünnung: 1
l
5 1: 400 Schwächere Blaufärbung nach etwa 1 Minute
1
1
: 800 Schwache en RK 1'/, Minuten
:1600 Blaufärbung sehr schwach, der Kontrollprobe
gegenüber jedoch deutlich
4 1:3200 Keine deutliche Reaktion mehr.
In Übereinstimmung mit Abelous!), Slowzoff?) und
N. Sieber?) gelang es uns, die Peroxydase durch Neutralsalz-
lösungen aus dem Eiter zu extrahieren; wir benutzten zu diesem
Zwecke Kochsalz- und Kaliumnitratlösungen verschiedener Konzen-
trationen. Gute Resultate erzielten wir ferner mit einem Gemenge
von Chlorcaleium (1 Proz.) und cholsaurem Natron (0,35 Proz.), so-
wie auch mit Fluornatrium (2 Proz.), das infolge seiner antisep-
tischen Wirkung eine langdauernde Mazeration des Eiters bei Brut-
ofentemperatur gestattete.
Versuche, dieses Ferment in der üblichen Weise durch Alkohol-
fällung zu reinigen, gaben unbefriedigende Resultate. Dasselbe
scheint gegen Alkohol ziemlich empfindlich zu sein; dagegen
ist es gegenüber erhöhter Temperatur auffallend widerstands-
fähig; wir haben uns davon überzeugt, daß Fermentlösungen, die
‚bis auf die Nähe des Siedepunktes erhitzt worden waren, dabei
tatsächlich einen Teil ihrer Wirksamkeit noch bewahren konnten.
Hämatinzusatz vermag die Wirkung der Eiteroxydase weder
zu fördern noch zu hemmen.
Dagegen wird die Reaktion durch größere Eiweißmengen
erheblich gestört, offenbar, weil eine Addition des Jods an die
Eiweißkörper erfolgt und die Bildung blauer Jodstärke infolgedessen
ausbleibt. Ist die Peroxydase sehr kräftig, so vermögen selbst
große Eiweißmengen ihre Wirkung nicht zu maskieren. Dagegen
ı
n
a a a
el
ID
=
365 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
haben wir beobachtet, daß die Wirkung eines schwächer wirksamen
Eiterextraktes durch den Zusatz des gleichen Volumens Blutserum
vollständig aufgehoben wurde.
Natürlicherweise wird der Wert der Reaktion für die Auf-
findung von Peroxydasen in Geweben dadurch in dem Sinne ein-
seschränkt, daß nur ein positiver Befund, nicht aber ein
negativer, Beweiskraft besitzt.
Unsere Erfahrungen hinsichtlich der Verbreitung der
Organoxydasen lassen sich mit der vorerwähnten Einschränkung
kurz dahin zusammenfassen, daß Peroxydasen in den so0-
genannten Iymphoiden Geweben verschiedener Säugetiere
(Knochenmark, Milz, Lymphdrüsen) mit Sicherheit nach-
gewiesen werden konnten; und ebenso in Fischhoden.
In der Deutung negativer Befunde ist um so mehr Vorsicht
geboten, als außer Eiweißkörpern sicherlich auch andere Jod
addierende Substanzen (z. B. ungesättigte Fettsäuren) die Reaktion
stören, derart, daß sich die Peroxydasen in fermentärmeren Organen
leicht dem Nachweise entziehen können.
Daß die tierischen Peroxydasen intracelluläre Enzyme sind
und nicht etwa der die Gewebe durchtränkenden Flüssigkeit an-
gehören, ergibt die unmittelbare Beobachtung: Stets färben sich
die geformten Partikel zuerst, und erst von diesen aus teilt sich die
Färbung der umgebenden Flüssigkeit mit.
3. Methoden zur Messung der Peroxydasenwirkung.
Da die Funktion tierischer Peroxydasen bisher, soweit es uns
bekannt ist, nicht Gegenstand genauerer messender Versuche ge-
worden war, stellten wir uns nunmehr die Aufgabe, die peroxy-
dasenähnliche Wirkung des Hämatins einerseits, einer tierischen
Oxydase andererseits vom fermentchemischen Standpunkte mitein-
ander zu vergleichen und die dabei gewonnenen Erfahrungen den
hinsichtlich der pflanzlichen Peroxyde bereits vorliegenden Beob-
achtungen an die Seite zu stellen.
Zur Messung der Wirksamkeit pflanzlicher Peroxydasen sind
eine Reihe von Methoden empfohlen worden.
Laborde') versuchte, um die Oxydase eines auf Most wuchernden
y
Pilzes zu messen, die durch Guajaktinktur entstandene Färbung mE
Dubosqschen Kolorimeter mit jener zu vergleichen, welche Jod mit diesem
') Laborde, Oxydase de Botrytis cinerea. Compt. rend. 126, 536 5
(1898).
Über tierische Peroxydasen. 369
Reagens hervorruft; doch wurde diese Methode von Alliot und Pozzi-
Escot!) als völlig wertlos verworfen.
Slowzoff”) benutzte die Indophenolreaktion zu einer ungefähren
Schätzung der Beziehungen zwischen Konzentration und Wirkung von Enzymen,
die er aus Kartoffeln und Kohl bereitet hatte; Kastle und Shedd°) emp-
fahlen zu einem ähnlichen Zwecke die Umwandlung von Phenolphthalin
in Phenolphtalein.
Schließlich haben Bach und Chodat‘) ihre zahlreichen quantitativen
Untersuchungen einerseits auf die titrimetrische Bestimmung des aus an-
gesäuerter Jodkaliumlösung abgespaltenen Jods, andererseits auf die
gewichtsanalytische Bestimmung des schwer löslichen Purpurogallins basiert,
welches durch Oxydation aus Pyrogallol entsteht.
Da es für uns darauf ankam, eine Methode zu wählen, welche
in gleicher Weise geeignet sein sollte, die peroxydasenähnliche
- Wirkung des Hämatins, wie die Leistungen echter tierischer Per-
_ oxydase messend zu verfolgen, kam die Jodkaliummethode,
welche ja auf den Blutfarbstoff nicht anwendbar ist, nicht in Be-
tracht. Auch hätte der Umstand, daß sich bei dem Verfahren die
Gegenwart von Eiweiß durch Jodbindung störend geltend macht,
gegen eine Anwendung desselben gesprochen. Die minimalen Ei-
weißmengen in den pflanzlichen Peroxydasepräparaten von Bach
und Chodat konnten sicherlich vernachlässigt werden; doch gilt
dies nicht für die eiweißreichen Eiterextrakte, die unser Arbeits-
material bildeten. Auch veranlaßten uns die günstigen Erfahrungen,
welche der eine5) von uns bei messenden Versuchen mit dem
Tyrosinaseferment gemacht hatte, einer kolorimetrischen, ins-
‚besondere aber einer spektrophotometrischen Methode einer titri-
metrischen gegenüber den Vorzug zu geben.
Wir haben zahlreiche Versuche mit dem Phenolphtalin-
verfahren von Kastle und Shedd (siehe oben) ausgeführt. Wir
fanden, daß die rote alkalische Phenolphtaleinlösung sich vortreff-
‚lich zur spektrophotometrischen Messung eignet, da sie einen
scharf begrenzten Absorptionsstreifen etwa in der Mitte des Spek-
trums aufweist. Wenn wir dieses Verfahren später wieder verlassen
') H. Alliot und E. Pozzi-Escot, Zur Bestimmung der Diastasen,
insbesondere über kolorimetrische Bestimmung der Oxydasen. Ann. chim.
‚anal. appl. 7, 210. Ref. Chem. Centralbl. 2, 305 (1902).
”) Slowzoff, Zur Kenntnis der pflanzlichen Oxydasen. Zeitschr. f.
physiol. Chem. 31, 227 (1900).
°) Kastle and Shedd, Phenolphtalin as a reagent for the oxydising
nis, Amer. chem. Journ. 26, 26 (1901).
Erle.
°) OÖ. v. Fürth und E. Jerusalem, Zur Kenntnis der melanotischen
Picmente und der fermentativen Melaninbildung. Diese Beiträge 10, 131 (1907).
5 Beitr. z. chem, Physiologie. X. 94
!
370 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
haben, so geschah dies wegen des Umstandes, daß sich eine alkalische
farblose Phenolphtalinlösung auch bei Abwesenheit einer Peroxy-
dase bereits spontan, d. h. durch die Wirkung des Luftsauerstoffs,
langsam, bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd aber sehr schnell
rötet. Diese spontane Veränderung muß bei messenden Versuchen
stets rechnerisch in Betracht gezogen werden und beeinträchtigt
die Verwendbarkeit der Methode in hohem Grade.
Wir glauben es daher als einen wesentlichen methodischen
Fortschritt bezeichnen zu dürfen, daß wir im Leukomalachit-
grün ein Reagens gefunden haben, welches die Vorzüge des
Phenolphtalins in sich vereint, ohne aber dessen Nachteile zu besitzen.
Die Leukobase des Malachitgrüns, ihrer chemischen Zusammen-
setzung nach ein Tetramethyldiamidotriphenylmethan,
C,H,. CH[C,H,N(CH,),);
wurde von ©. und R. Adler!) als äußerst empfindliches Reagens
zum Blutnachweise empfohlen, da eine in geeigneter Weise berei-
tete farblose Lösung desselben bei Gegenwart von Wasserstoff-
superoxyd bereits durch minimale Hämoglobinmengen in Malachit-
grün umgewandelt wird.
Wir haben nun gefunden, daß eine essigsaure Leukomalachit-
grünlösung?) nach Zusatz von etwas Wasserstoffsuperoxyd ein vor-
treffliches Reagens zum Nachweise nicht nur von Hämoglobin,
sondern auch von Peroxydasen bildet. Die farblose oder sehr
schwach grünlich gefärbte Reagenzlösung bleibt selbst nach Zusatz
von Wasserstoffsuperoxyd sehr lange Zeit hindurch unverändert.
Setzt man aber ein wenig von der Lösung einer tierischen oder
pflanzlichen Peroxydase hinzu, so bemerkt man alsbald das Auf-
treten einer smaragdgrünen Färbung, welche sich, je nach den Ver-
suchsbedingungen, mehr oder weniger schnell vertieft.
Es hat sich weiterhin herausgestellt, daß die Menge des
aus der Leukobase durch Fermentwirkung neu entstan-
denen Malachitgrüns auf spektrophotometrischem Wege
mit großer Genauigkeit quantitativ ermittelt werden kann,
und dies um so bequemer, als eine passend verdünnte Malachit-
grünlösung einen scharf begrenzten Absorptionsstreifen im mittleren
Teile des Spektrums aufweist.
LE U
°) Wir sind der Großdrogerie des Herrn Adler in Karlsbad für die
freundliche Beistellung eines nach den Vorschriften der Herren O. und
R. Adler bereiteten Präparates der Leukobase zu besonderem Danke ver-
pflichtet.
Über tierische Peroxydasen. 318
Eine alkoholische 0,007 09 proz. Malachitgrünlösung gab bei Beobachtung
mit einem Glanschen Spektrophotometer älterer Konstruktion (von
Schmidt u. Hänsch in Berlin):
a) bei einer Verdünnung auf 0/2 einen Extinktionskoeffizienten E — 1,288
| b) ” ” ” ” 0/ 4 „ „ ” 0,614
e) ” ” ” ” 0/ 10 ” ; ” ” 0,248
woraus sich nach der Formel A = a = &% = G -+. für A die Werte
Dr et,
a) 0,000 028 9
b) 0,000 uns| im Mittel 0,000 0287
c) 0,000 0285
ergaben.
Der Absorptionskoeffizient einer Malachitgrünlösung ist sonach zu
0,000 0287 festgestellt worden.
Eine einfache spektrophotometrische Messung gestattet sonach
die quantitative Bestimmung der in dem gegebenen Augenblicke
in der Lösung vorhandenen absoluten Malachitgrünkonzentration
nach der Formel C = AE, wobei E mit Hilfe einer einfachen
Formel (für das Glansche Spektrophotometer E = — 2 (log cot &
—- logtang ß) aus der beobachteten Winkelstellung des Nicols be-
rechnet wird.
Da eine solche Beobachtung bei einiger Übung in wenigen
Augenblicken beendigt ist, zudem beliebig oft und in beliebigen
Zeitabständen mit derselben Probe wiederholt und mit wenigen
Cubikcentimetern Flüssigkeit ausgeführt werden kann, brauchen
wohl die Vorzüge dieser Methode für die Messung animalischer
" Peroxydasen nicht weiter hervorgehoben zu .werden.
4. Messende Versuche über die peroxydasenartige Wirkung
des Hämatins.
Mit Hilfe der oben. beschriebenen Methode gingen wir nun
an die Aufgabe heran, die peroxydasenartige Wirkung des Häma-
'tins messend zu verfolgen.
Nachdem durch Vorversuche eine zweckmäßige Wahl der
Versuchsbedingungen ermittelt worden war, führten wir Serien-
versuche in der Art aus, daß wir die Konzentration a) des
Hämatins oder b) des Wasserstoffsuperoxyds oder ce) des Leuko-
malachitgrüns variierten, die anderen Faktoren aber unverändert
beließen.
Es möge uns gestattet sein, hier von jedem Versuchstypus ein
Beispiel mitzuteilen.
| 24*
372 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
a) Variation der Hämatinmenge.
Jede Probe enthielt 20 ccm einer 0,208proz. Leukomalachiterünlösung
(dureh Auflösen von 1,040 g der Leukobase in 50 cem Eisessig und Auffüllen
auf 500 cem hergestellt) und lecm 0,153 n-H,0,, ferner:
a) 2cem Acethäminlösung 1:5000 unverdünnt
b) u = 2 auf !/, mit H,O verdünnt
ce) ” ” ” ” "la ” „ ”
d) ” ” P) „ Yu ”, ” ”
e) 2) 2) 2) a 2) »
In der nebenstehenden Tabelle bezieht sich die Zeitangabe t auf den
Moment des Zusatzes der katalysierenden Hämatinlösung; 8 bedeutet die
beobachtete Nicoleinstellung, vom Nullpunkte des Apparates aus gerechnet
und als Winkelwert gemessen; « den Helligkeitspunkt (also jene Nicol-
stellung, welche der maximalen Hellickeit, wenn sich keine Licht absorbierende
Flüssigkeit vor dem Spalte befindet, entspricht); E den nach der Formel
E = —2(log cot« + logtang 8) berechneten Extinktionskoeffizienten, welcher
(der Relation C = AF entsprechend) ein direktes Maß für die relative
Menge derin der Flüssigkeit zur Zeit der Beobachtung vorhandenen Malachit-
grünmenge bildet; c eine mit Hilfe einer Kontrollprobe berechnete Korrektur
für jene Malachitgrünmenge, welche in diesem Falle von vornherein im
Reagens vorhanden war, derart, dab nicht F, sondern E—c ein Mab für
die unter Einwirkung des Katalysators neu entstandene Malachitgrünmenge
bildet.
Der Faktor k bedeutet das Verhältnis mr
— €) u
nen" d. h. das Verhältnis
der innerhalb eines Zeitintervalls neugebildeten Farbstoffmenge zur Länge
dieses Zeitintervalls, also die Reaktionsgeschwindigkeit; dieselbe wurde aus
je zwei Nachbarwerten der Kolonne (E—c) berechnet und entspricht geo-
metrisch der Steilheit jener Kurve, welche man erhält, wenn man die Zeit als
Abszisse, die Verhältniszahlen für die neugebildete Malachitgrünmenge
(E— ce) als Ordinate aufträgt.
In der Fig. 1 sind die Resultate der Versuchsreihe graphisch
registriert.
Ein Blick auf die Figur lehrt, daß der Kurvenverlauf in erster
Annäherung geraden Linien entspricht. Nur im Beginn der Reaktion
macht sich ein etwas zögerndes Einsetzen derselben durch eine
Ausbauchung der Kurven kenntlich, eine Beobachtung, die bei
physikalisch-chemischen Versuchen häufig wiederkehrt. Je weiter
sich aber die Kurven vom Koordinatenanfangspunkte entfernen,
desto mehr nähern sie sich einer Geraden, desto mehr kommen, wie
ein Vergleich der Zahlen der letzten Kolonne lehrt, die Werte k,
; 2 dy .
d. h. die Näherungswerte für den Differentialquotienten 7; einem
konstanten Werte nahe, bis die Unterschiede schließlich praktisch
in die Fehlergrenzen fallen.
Konzentr.
Über tierische Peroxydasen.
375
G=0,122
2: ==58,7°
Nicol- | Extinktions- Korrigierter :
Zeit t ablesung | koeffizient Extinktions- a
B E koeffizient | geschwindigkeit k
Minuten Grad at
1 49,7 0,338 0,216 0,216
2 33,3 0,634 0,512 0,256
3 24,6 0,946 0,824 or
4 19,2 1,184 1,062 0,265 Mittel
5 13,5 1,508 1,486 en 0,272
6 9,7 1,802 1,680 0,280
7 8,1 1.962 1,840 0,263
1 46,9 0,210 0,088 0,088
2 39,6 0,432 0,310 0,155
3 29,2 0,774 0,652 0,217
4 21,7 1,068 0,946 0,237
5 | 15,3 1,394 1,272 0,254| ikte]
6 13,1 1,494 1,372 0,238 nos
Be 10,5 1,732 1,610 0,230]
8 8,1 1.962 1,840 0,230
1 47,6 0,190 0,068 0,068
2 45,7 0,246 0,124 0,062
3 40,0 0,420 0,298 0,099
4 32,6 0,656 0,534 0,123
5 26,1 0,888 0,766 0,153
7 19,3 1,180 1,058 O,151| Mitte]
9 12,9 1,556 1,434 0,159 S457
1 8,7 1,898 1,776 016."
13 6,2 2,196 2,074 0,159
3 39,1 0,448 0,326 0,109
5 36,2 0,540 0,428 0,086
11 23,1 1,008 0,886 0,081| _..
13 17,1 1,292 | 1,170 0,090 Mittel
16..| 133 1,520 1,398 0,087| 9085
19 9.2 1,848 | 1,726 0,080
5 46,7 0,320 0,198 0,040
9 40,2 0,422 0,300 0,033
12 33,3 0,632 0,510 0,042
17 23,5 0,998 0,876 0,051
22 17,2 1,286 1,164 | Mittel
29 112 1,674 1,552 00531 0,052
37 ET 1,992 1,870 0,050
11 47,6 0,190 0,068 0,006
17 46,1 0,234 0,112 0,007
24 41,6 0,372 0,260 Ö0L1Y
30 38,6 0,464 0,342 0,01 \ Mittel
38 34,1 0,606 0,484 0,013) 9012
374 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Von unwesentlichen Abweichungen abgesehen, ist sonach
bei der durch das Hämatin eingeleiteten Reaktion
die Menge der innerhalb eines Zeitintervalles gebildeten
Oxydationsprodukte der Größe desselben annähernd
proportional.
Fragen wir nun weiter, inwiefern der Kurvenverlauf durch
die relative Menge des Hämatins beeinflußt wird, so ergibt sich
ohne weiteres, daß den größeren Hämatinmengen ein steilerer
Kurvenverlauf entspricht. Man könnte nun vielleicht erwarten, daß
: Ay
dt’
Hämatinkonzentration direkt proportional sei, derart also, daß z. B.
die Geschwindigkeitskonstanten der einzelnen Kurven, k — der
MI
|
2,0 Hämin Y.
y
Neugebildete Malachitgrünmenge
=
bei fünffacher Hämatinkonzentration die Reaktion mit fünffacher
Geschwindigkeit abläuft, also innerhalb des gleichen Zeitraumes
die fünffache Malachitgrünmenge gebildet werde. Zieht man aber
an einem beliebigen Punkte der Abszisse eine gerade Linie MN
parallel zur Ordinatenachse und betrachtet nun die Strecken ab,,
abg, ab, ..., welche durch die einzelnen Linien auf dieser Ordi-
nate abgeschnitten werden, so lehrt die einfache Betrachtung, dab
7. B. der Abschnitt ab, (Hämatinkonzentration: ?/,) nicht zehnmal,
sondern nur etwa fünfmal größer ist, als der Abschnitt ab, (Hämatin-
konzentration 1/0).
Der rechnerische Vergleich der mittleren Grenzwerte für %
ergibt:
Über tierische Peroxydasen. 378
Bametinkoönzentration: Y%, -: WG Yan sn
072 10,259 : 0,157: 0,085 : 0,052: 0,012
oder aber übersichtlicher:
Hämatinkonzentration: 1:0,5 :0,2 :0,1 :0,02
2 ee 1:.0,60:: 0,33 : 0,20 : 0,05
Die Abnahme der Geschwindigkeitskonstanten mit
der Hämatinkonzentration erfolgt also nicht dieser pro-
portional, sondern erheblich langsamer.
Es sei hier noch bemerkt, daß in diesem, sowie auch in den
späteren Versuchen die im Reaktionsgemisch befindliche Leuko-
_ malachitgrünmenge so groß gewählt war, daß der bei der Reaktion
verbrauchte Bruchteil derselben als verschwindend klein betrachtet
werden durfte.
b) Variation der Wasserstoffsuperoxydkonzentration.
Jede Probe enthielt 20 ccm Leukomalachitgrünlösung (0,208 Proz., s. oben)
und lccem Acethäminlösung (1:50 000), ferner a) lccm H,O, 1° norm.;
b) 1ccm H,0, E- ec) 1ccmH,0, 10° norm.; d) 1ccemH, 0,158 norm.;
e) 1cem H,0, —. a
Fig. 2.
22
2,0 H707 0133 A ne
1,8 * 10
8 —-
_—
0,0153
gr
Be) | |
0,8 una |
ren, | a
rn |
as ee Rum |
‚ker een |
10 25 Zeit t3 45 50 55
in en
Be -
(>)
0
GE
Malachitgrün
Auch hier begegnet uns wieder bei Betrachtung der Kurven
ihre Tendenz zu einem geradlinigen Verlaufe, die, je weiter sie
Sich vom Koordinatenanfangspunkte entfernen, um so klarer her-
vortritt, während der Anfangsteil der Kurve, abgesehen von den
‚durch Versuchsfehler bedingten Unregelmäßigkeiten, auch hier die
oben erwähnten Ausbauchungen aufweist.
376 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Wasserstoff | t Re
| i
superoxyd Ä ae or 5
| Minuten | Grad |
( 1, | 40,5 0,328 0,200
a 1 29,3 0,692 0,564 0,564
hs 1 1,018 0,890 0,03| ER
72H0]| 2 15,3 1,316 1,188 0,59 er
DU 1,596 | 1,468 ”
135708 9,1 1,780 1,652 0,551
|
ae Be er ER 0212 | 0,084
2, 4 879 0,408 0,280 0,140
\e 8 33,4 0,552 0,424 0,141
lcm || 4 25 | 0872 | 074 | 0186|
158 ).mo,\| > , 186 | 1186 | 1008 | 0,2021 Mittel
2 1... 13,6 1,422 1,294 0.216f 9,201
a 11,4 1,580 1,452 0,207
In Red 7.5 1,952 1,824 0,203 e>
| 11.1.7 B8 2,256 2,128 0 194) =
I BER ER 0,296 0,168 0,084 |
282 21..378 0,416 0,288 0,096 S
| 4 33,3 0,556 0,428 0,107
We: 25,5 0,834 0,706 0,141
lcem | 6 22,9 0,938 0,810 0,135 :
Do 7 195 | 1,092 | 0,964 | onazl Dune
a: Il 8 17,3 1,204 1,076 0,135]
| 10 13,1 1,456 1,328 0,133
| 12 11,6 1,566 1,438 0,119
14 9,2 1,772 1,644 0,117 ;
16 7,5 1,952 1,824 0,114]
1 46,2 0,144 0,016 0,016
3 45,4 0,178 0,050 0,017
5 43,5 0,236 0,108 0,021 ä
Da 6 42,4 0,270 0,142 0,024 r
1,53 8 | 40,6 0,324 0,196 0,028 w
70 H,O, 10 36,7 | 0,446 | 0318 | .0,082 |
12 29,4 0,688 0,560 0,047 &
17 221 | 0974 | 0,846 o,049| Mittel
45 71 | 2,000 | 1,872 0042|" 0,046
5 42,4 0,270 0,142 0,010
20° | 35,9 0,470 0,342 0,017
un P 26 243 | 0880 | 0752 | 00201.
en n-H,0, | 43 15,8 1,286 1,158 0,027 ie
= 53 11,7 1,558 1,430 Kt! ),027
(| 7 7,8 1,916 1,788 0,024
Über tierische Peroxydasen. 377
Die Beziehung zwischen Wasserstoffsuperoxydkonzentration und
den Geschwindigkeitskonstanten tritt hier mit großer Klarheit zu-
tage. Führen wir für die k-Werte wiederum jene (in der letzten
Kolonne berechneten) Mittelzahlen ein, welche den Kurvenverlauf
in ihrem peripheren regelmäßigeren Anteile bestimmen, so ergibt sich:
E20; relative Konzentration 1 :05. :02 :0,1. -:0,05
a ER Er 0,577 : 0,201 : 0,127 : 0,046 : 0,027
oder 1 :0,85 :0,22 :0,08 :0.05
Hier begegnen wir demnach einem Zahlenverhältnis, welches
auf eine annähernde Proportionalität zwischen Wasser-
stoffsuperoxydkonzentration und den Geschwindigkeits-
konstanten hindeutet, welche Gesetzmäßigkeit allerdings erst
durch eine größere Anzahl von Versuchen festgestellt werden müßte.
c) Verdünnung der Leukobase.
Jede Probe enthielt 2 cem Acethämin (1:50000), ferner l1ecm H,O,
1,53
—T- norm.; außerdem:
Probe a) 20ccm Leukomalachitgrün 0,208 Proz., unverdünnt
; A 1
h) Ds 2) » » Verdünnung '/,
l
2) O) nn » » » » /o
1
” d) ” ” ” ” ” ” /s0
Zur Verdünnung wurde, um einer Verschiebung der Acidität vorzu-
beugen, Essigsäure von jener Konzentration verwendet, wie sie in der Lösung
der Leukobase vorhanden war.
Konzentr. der t ß e 2
EHE E— c ;
Leukobase Minuten Grad | .
2 30,1 0,648 0,540
vi 3 16,8 1,214 1,106 0,36 \ En
4 8,0 1,878 1,770 0,44 f
1 34,3 0,506 0,398 0,40 =
y D 22,9 0,922 0,814 0,41 940 >
z | 3 13,2 1,432 1,326 0,44 ("" |
4 8,7 1,804 1,696 0,42 %
1 34.7 0,504 0,396 0,40
y 2 18,5 1,126 1,018 0,501 47
10 | 3 12,7 1,468 1,360 Si ui
4 8,1 1,868 1,760 0,44
1 40,9 0,298 0,190 0,29
2 28,8 0,694 0,586 0,31 h-
3 20.5 1,028 0,920 0,29 S
es 4 15,6 1,288 1,180 0,27 00,28 ||
| 5 131 1440 | 1332 | 09 \
6 10,2 1,664 1,556 0,27
7 81 1,868 17600 | 08)
718 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Die vorliegenden Zahlen zeigen deutlich, daß der Reaktions-
verlauf von einer Konzentrationsveränderung der Leukobase
auch nicht im entferntesten in so intensiver Weise beein-
flußt wird, wie von einer Konzentrationsveränderung des
Hämatins oder des Wasserstoffsuperoxyds. Selbst eine
zehnfache Verdünnung der Leukobase hatte keine Verkleinerung der
Reaktionsgeschwindigkeit zur Folge; diese trat erst bei 20facher
Verdünnung in Erscheinung und hielt sich auch dann noch inner-
halb bescheidener Grenzen.
Die mitgeteilten Versuche dürften zu einer ungefähren Orien-
tierung über die hier obwaltenden Verhältnisse genügen, zum min-
desten, insoweit eine solche zum Vergleiche mit den bei den echten
Peroxydasen beobachteten Gesetzmäßigkeiten, zu deren Besprechung
wir nunmehr übergehen, unerläßlich ist.
5. Messende Versuche über die Wirkungsart der Peroxydasen.
Um uns über die Wirkungsart der Peroxydasen im allgemeinen
zu orientieren, verglichen wir zunächst solche pflanzlichen und
tierischen Ursprunges.
Wir benutzten zu diesem Zwecke einerseits ein nach dem Ver-
fahren von Bach und Chodat!) aus Meerrettichwurzeln her-
gestelltes Peroxydasenpräparat, andererseits ein Eiterextrakt.
Bei Herstellung der peroxydasenhaltigen Eiterextrakte kam es vor
allem darauf an, jede Blutbeimengung zu vermeiden. Wir erhielten Eiter
ohne sichtbare Blutbeimengung zum Teil von den chirurgischen Kliniken,
zum Teil gewannen wir ihn auch derart, daß wir bei Hunden durch sub-
kutane Injektion von Terpentinöl aseptische Eiterungen erzeugten und die
Abszesse punktierten. Um jedoch eine Trübung der Versuchsresultate durch
die Gegenwart von Blutfarbstoff mit Sicherheit auszuschließen, wurde der
Eiter mit destilliertem Wasser aufgeschwemmt, wobei beigemengte rote Blut-
körperchen in Lösung gingen, die überstehende Flüssigkeit nach einiger Zeit
durch Dekantieren und Zentrifugieren abgetrennt und der Vorgang 50
lange wiederholt, bis keine Spur einer rötlichen Färbung im Waschwasser
mehr sichtbar war. Der aus zerfallenen blutfreien Eiterzellen zusammen-
gesetzte Rückstand wurde nunmehr mit einer Neutralsalzlösung (z. B. einem
Gemenge von Kaliumnitrat 10 Proz. und Caleiumchlorid 1 Proz.) extrahiert,
wobei ein Teil der Peroxydase in Lösung ging.
Da die echten Peroxydasen gegen höhere Säuregrade empfind-
lich sind, mußten solche bei Bereitung der Lösung des Leuko-
malachitgrüns vermieden werden. Ein für unsere Zwecke geeig-
netes Reagens erhielten wir, indem wir 1g der Leukobase unter
!) Bach und Chodat.l|. e.
Über tierische Peroxydasen. 379
Zusatz von 50ccm Eisessig lösten, die Lösung mit Wasser auf
!/; Liter auffüllten und diese Lösung sodann noch zehnfach mit
Wasser verdünnten. Die von Malachitgrünbeimengung herrührende
Eigenfärbung dieser Reagenzlösung war eine so minimale, daß sie
vernachlässigt werden konnte.
Die Proben enthielten 20 ecm der Leukobasenlösung (0,02 Proz.), lecm
H,0, 0,15 norm., sowie einige Cubikcentimeter der Fermentlösungen.
Peroxydase aus Meerrettich.
t p Be ß E ee
Minuten | Grad | dt | Minuten | Grad dt
ı | 296 | 0,084 sen) 1a
a | 47 | 0,188 41... As, 1.406. Woı
E05 |: 0512 |j. 9062 4 | 132 | 1,04
Bi. 0,408 12.2005 1.205 |, 1688. | 0,001
Ber | 0028 \y 9052 2 | 506 | 0082 ||
MI 2 | 0782 5 ı 468 | 0148 |! 0018
16 | 232 | 0,906 | 0,062 a
19 | 198 | 1,062 17 | 4383:| 0954 2
ze 1166 N 000 35 | 422 | 0288 |1 9004
30 15,5 1,288 70 38,5 0,420 | f
Die prinzipielle Verschiedenheit dieser Kurven gegenüber den
Hämatinversuchen springt auf den ersten Blick ins Auge: Während
die Hämatinkurven die Tendenz haben, geradlinig zu ver-
fanzl . Peroxydase |
Kig,3.
0 as 15 20 30 40 50 200
laufen, sehen wir bei diesen, sowie bei allen weiter unten
folgenden Peroxydaseversuchen die Kurven nach einem
Initialen, ziemlich stetigen Anstiege sich derart abflachen,
daß sie nahezu der Abszisse parallel verlaufen. Es ist dies
380 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
eine Eigentümlichkeit, welche auch bereits Bach und Chodat!)
bei Messung pflanzlicher Oxydasen mit Hilfe der Purpurogallin- und
der Jodkaliummethode aufgefallen ist und welche der eine von
uns (gemeinsam mit Jerusalem?) bei Versuchen mit Tyrosinase-
fermenten tierischen und pflanzlichen Ursprunges in ganz analoger
Weise beobachtet hat.
Wir haben nun weiterhin auch mit der Eiterperoxydase Serien-
versuche in der Weise ausgeführt, daß wir die Konzentration ent-
weder des Fermentes oder des Wasserstoffsuperoxyds oder aber der
Leukobase variierten, die anderen Faktoren aber innerhalb derselben
Versuchsreihe unverändert ließen.
a) Variation der Fermentkonzentration.
Jede Probe enthielt 20 cem Leukobasenlösung (0,02 Proz.), 2eem H,O,
0,15 norm., ferner:
a) 2ccm Ferment®) + 8cem H,O
b) 5 » „ 2) 2) ”
e) 10 ” ” 0 ” ”
Ferment- er B | E Ferment- t ß E
menge || Minuten | Grad menge Minuten Grad
| 5 43,7 0,061 dcecm 60 26,5 0,690
ne ee ale (\ ı 315 | 0,508
| 33 | 41,6 0,188 ö 29,8 0.834
60 | 38,6 | 0,978 | £ 07. 1
Se HORB ul ya 6 16,4 1,114
5 359 | 0,362 ER 13,6 1,314
3 | ı2 | 330 | 0,458 16 12,4 1,398
a ı7 | 295 | 0,576 22 12,4 1,398
31 | 385 | 0812 41 12,9 1,362
44... Ro 0,690
b) Variation der Wasserstoffsuperoxyd-Konzentration.
Jede Probe enthielt 20 com Leukobasenlösung (0,02 Proz.),
' 0,15
ferner 2cecm Eiterferment, ferner a) lccm H,O, ne norm.;
' 0,15 0,15
b) Icem H,O, = norm.; c) lcem H,O, —, norm.
ie)
u
” L ®,
®) Die eiweißhaltige Fermentlösung gab mit der Leukobasenlösung
infolge des Essigsäuregehaltes derselben einen flockigen Niederschlag, der
vor Zusatz des Wasserstoffsuperoxyds bei diesem sowie den folgenden Ver-
suchen beseitigt wurde.
Über tierische Peroxydasen. 381
| |
| Bl | E 8:05: dh. E
Minuten | Grad Minuten Grad
(|: | 45,9 | 0,060 lcem 10 | 28,4 | 0,622
2 | 395 | 0.256 H,0, 12 | 274 | 0,658
3 34,8 | 0,404 | 0, | 4 | 274 | 0,658
5 303 | .0534 |, 2. 32 | 27,4 | 0,658
om ee) 275 | 0,652 2. 46,9 | 0,030
a 2a | 022 ı | 435 | 0132
13 24,4 | 0,774 lccm 3 37,5 | 0,318
2 | 35 | 0,732 Au Il ıs | 327 | oar
E46 | 0048 |; norn. 1 IE 22 11..80,5©1 00548
| 2 425 | 0,164 2 | 29 | 2384 | 0,62
| 4.) 348 | 0,404 | 35 | 28,9 | 0,604
ee 6 | 313 | 0,520 | |
5ccm
Fermen
Menge des gebildeten Malachitgrüns
c) Variation der Leukobasen-Konzentration.
Jede‘ Probe enthält 2cem Fermentlösung, 1 cem H,O, 0,15 norm., ferner:
a) 20ccm Leukobasenlösung 0,02 Proz., unverdünnt,
b) A; ” ” ” a Ye verdünnt,
c) ” n n n ” ” ls ”
Zur Verdünnung diente eine Essigsäure von der in dem Reagens vor-
denen Konzentration.
582 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Leukobasen- t | ß E
konzentr. | Minuten Grad
Y \\ vgl. den ersten Versuch der
| vorigen Serie
3 35 | 0136
5 38,4 0,290
fs | 7 35,8 0,376
| 9 35,2 0,390
| 17 354° 0,384
| 8 46,9 0,030
Vs | 22 42,8 0,154
| 35 49,2 0,174
Die nähere Betrachtung dieser Kurven lehrt, daß hier die Ver-
hältnisse wesentlich anders liegen, als bei der durch das Hämatin
eingeleiteten Reaktion. Außer dem bereits oben erwähnten prin-
zipiellen Unterschiede, daß nämlich die Hämatinreaktionen im wesent-
lichen durch gerade Linien dargestellt werden, welche sich unter
verschiedenen Winkeln vom Koordinatenanfangspunkte entfernen,
Fig.5.
Menge des gebildeten Malachitgrüns
6 6 .. 20 25 30 35
0 ) 10 15 Zeit
während die Peroxydasekurven nach einem mehr oder minder
steilen Anstiege umbiegen und der Abszisse parallel verlaufen,
werden auch beide Reaktionen durch verschiedene Faktoren in
verschiedenem Sinne beeinflußt.
Steigerung der Fermentkonzentration ist (vgl. Fig. 4)
von so ausschlaggebender Wirkung, daß in unserem Versuche das
schließlich erreichte Maximal-Kurvenniveau derselben an-
nähernd proportional war:
Fermentkonzentration 2 2.08
Kurvenmaximum . . 0,278: 0,690 :1,362 = 1:2,5:4,9
Über tierische Peroxydasen. 383
Das gleiche gilt für die Variation der Konzentration der
Leukobase; während eine solche beim Hämatin den Kurven-
verlauf innerhalb sehr weiter Grenzen praktisch unbeeinflußt ließ,
beobachteten wir (trotzdem das Reagens in allen Fällen der bei der
Reaktion umgewandelten Menge gegenüber in sehr großem Über-
schusse vorhanden war) bei dem Peroxydasenversuche Propor-
_ tionalität zwischen der Konzentration der Leukobase und
dem Kurvenmaximum:
Konzentration der Leukobase 1 :0,5 :0,2
Kurvenmaximum . ..... 0,774 : 0,384 : 0,174 = 1:0,49: 0,22
Das umgekehrte Verhältnis gilt für die Wasserstoffsuper-
oxyd-Konzentration: Während dieselbe beim Hämatin den
Reaktionsverlauf dermaßen beherrschte, daß annähernde Propor-
Fie. 6.
Menge des gebildeten Malachitgrüns
tionalität zwischen H,O,-Konzentration und Reaktionsgeschwindig-
keit beobachtet werden konnte, sahen wir hier allerdings die Steil-
heit des Kurvenanstieges mit der H,O,-Konzentration wachsen; der
schließlich erreichte Endzustand ist aber nicht allzusehr verschieden:
Konzentration des Wasserstoffsuperoxyds 1 :0,5 :0,2
2 0,774: 0,658: 0,604 ='1:0,85:0,79
Wir gelangen sonach zu dem Schlußergebnisse, daß das per-
oxydasenähnliche Verhalten des Hämatins und die Wir-
kung der echten tierischen Peroxydase als grundsätzlich
differente Erscheinungskomplexe zu deuten sind, die von-
einander auf das schärfste unterschieden werden können und unter-
‚schieden werden müssen.
Nur ein eingehenderes Studium dieser Erscheinungen von
physikalisch-chemischen Gesichtspunkten aus kann einen tieferen
384 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Einblick in die Reaktionskinetik der hier obwaltenden Vorgänge
gewähren. Ein solches lag außerhalb unseres vorwiegend physio-
logischen Zielen zustrebenden Arbeitsplanes und wir glauben uns
mit dem hier Mitgeteilten um so eher begnügen zu dürfen, als ein-
sehendere Untersuchungen auf diesem Gebiete der physikalischen
Chemie bereits gegenwärtig von fachmännischer Seite aus im
Wiener physiologischen Institute in Angriff genommen worden sind.
Nur eines möchten wir hinzufügen, daß wir weder mit Lieber-
mann!) noch mit Pighini?) hinsichtlich ihrer Auffassung der
Rolle des Blutfarbstoffes bei der Guajakreaktion übereinstimmen.
Wenn Liebermann der Meinung ist, die Umwandlung von Hämo-
globin in Methämoglobin sei für die Reaktion von ausschlag-
gebender Wichtigkeit, so scheint uns das mit der Tatsache, daß
auch das Hämatin als solches nach Abtrennung desselben aus seiner
Verbindung mit der Globinkomponente die Reaktion gibt, schwer
vereinbar. Die Auffassung von Pighini dagegen, der die Re-
aktion überhaupt nicht dem Blutfarbstoffe als solchem, sondern bei-
gemengtem, durch hydrolytische Spaltung entstandenem kolloidalem
Eisenhydroxyd zuschreibt, wird durch die Tatsache widerlegt,
daß die katalytische Umwandlung von Leukomalachitgrün in Malachit-
grün durch Hämatin auch in einer Lösung, die 10 Proz. freier
Essigsäure, also doch sicherlich kein Eisenhydroxyd, enthält, mit
großer Intensität vor sich geht. Die Möglichkeit dagegen, daß
irgend ein anderer Dissoziationsvorgang der Reaktion zugrunde
liegt, soll nicht bestritten werden.
6. Zur Frage der Beziehungen der Peroxydasen zu den
Katalasen und glykolytischen Fermenten.
l. Katalasen. Die Frage, ob die Katalasen als oxydative
Fermente aufzufassen seien, ist wiederholt erörtert worden und erst W
jüngst hat Lesser®) Zweifel an der Verschiedenheit von Oxydasen
und Katalasen geäußert. Von besonderem Interesse schien uns aber
eine aus jüngster Zeit stammende Angabe von W. Ewald#), der
eine Verzögerung der Reduktion des in defibriniertem Blute vor-
handenen Oxyhämoglobins durch Schwefelammonium bei Cyan-
kaliumzusatz, sowie beim Erwärmen auf 60° beobachtet hat, die-
selbe auf eine Aufhebung der Wirkung der Blutkatalase
Über tierische Peroxydasen. 385
(Hämase) bezieht und daraus weitgehende Schlüsse auf die Rolle
der Katalasen bei den physiologischen Oxydationsvorgängen zieht.
Wir haben uns infolgedessen veranlaßt gesehen, die Frage, ob
den Katalasen ein direkter nachweisbarer Einfluß auf oxydative
Vorgänge zukommt, einer Prüfung zu unterziehen.
I. Aus Rindsleber wurde nach dem Vorgange von Batelli und
Stern!) eine Katalaselösung bereitet. Proben wurden mit je 10 ccm einer
_ entsprechend verdünnten Blutlösung, 3ccm einer verdünnten Lösung von
Ammoniumsulfid und 5cem entweder nativer, oder aber gekochter Katalase-
lösung in spektroskopischen planparallelen Trögen angesetzt und die Zeit
beobachtet, welche vom Momente des Schwefelammonzusatzes bis zum Ver-
schwinden der Oxyhämoglobinstreifen verflossen war.
Gekochte Katalaselösung:
a) 4 Minuten
b) 4 N 10 Sekunden , Mittel 4!/, Minuten;
e)5 » 20 D)
_ native Katalaselösung:
a) 5 Minuten 40 Sekunden
u. 2 |
Die Reduktion des Oxyhämoglobins durch Ammoniumsulfid war also
durch die Katalase nicht beschleunigt worden.
N Mittel 5 Minuten 25 Sekunden.
II. Aus Pferdeblut wurde ein katalasehaltiges Präparat nach dem
Vorgange von Senter”) hergestellt: 200cem defibrinierten Pferdeblutes
wurden mit 2 Liter mit Kohlensäure gesättigten Wassers geschüttelt, 2 Liter
Alkohol 95 Proz. hinzugefügt, der Niederschlag abfiltriert, abgepreßt, im
Vakuum über Schwefelsäure getrocknet und das Pulver mit verdünnter Soda-
lösung geschüttelt. Das Filtrat zersetzte Wasserstoffsuperoxyd mit sehr
großer Lebhaftigkeit. |
Eine Reihe von Proben wurde aus je 10ccm Blutlösung (1 Teil Blut
-:60 Teilen Wasser), lc&m nativer oder gekochter Katalaselösung und lcem
Ammonsulfid in planparallelen Trögen angesetzt und die zum Verschwinden
der Oxyhämoglobinstreifen erforderliche Zeit gemessen.
Katalase gekocht: a) 2, b) 2, c) 2, & 2, e) %/, Minuten,
r nativ Ri), 3; :0)397,..01,2,:4)2, 0) 2 5
Das Resultat war also auch hier ein negatives.
HI. Einige Proben wurden mit je 2ccm farbloser Phenolphthalin-
lösung, lcem einer stark verdünnten Acethäminlösung, 2cem Y, n-Na0OH,
"lcem H,O, 0,27 Proz. und 100ccm Wasser und überdies lcem nativer oder
gekochter Blutkatalaselösung (vom vorigen Versuche) versetzt. Die oxy-
dative Bildung von Phenolphthalein in den Proben wurde durch spektro-
photometrische Ablesung im Bereiche des abgegrenzten Absorptionsstreifens
verfolgt:
') F. Battelli und L.Stern, Compt. rend. Soc. de Biol. 57, 374 (1904).
2) Senter, Zeitschr. f. physikal. Chem. 44, 274.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 95
Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
os
[0 #)
ep)
Native Gekochte Katalase
Katalase
Grad | Grad
Teilkreisablesung in der 5. bis 8. Minute .. | 796 78,2 174
x a re er 74,3 |72,2
B Ne A NIE 72,8 |71,4, 794
Die Farbstoffbildung in den Proben mit nativer und gekochter
Katalase geht also genau parallel.
Sehr kräftig wirksame Katalasepräparate hatten sich
also als unfähig erwiesen, die Oxydation von Ammo-
niumsulfid durch Oxyhämoglobin, sowie diejenige von
Phenolphthalin durch Wasserstoffsuperoxyd bei Gegen-
wart von Hämatin merklich zu beschleunigen.
Für die Annahme einer direkt oxydierenden Wirkung der
Katalasen hat sich sonach kein Anhaltspunkt ergeben.
2. Glykolytische Fermente. Die postmortale Zucker-
abnahme im Blute, welche nach den Untersuchungen von Lepine
und Barral, sowie von Arthus auch bei Abwesenheit von Mikro-
organismen vor sich geht, wird in der Regel auf die Wirkung
eines glykolytischen Enzyms bezogen und dieses vielfach den oxy-
dativen Fermenten zugerechnet. Insbesondere hat Spitzer!) im
Laboratorium Röhmanns den Nachweis geführt, daß aus den
Leukocyten des Pferdeblutes glykolytisch wirksame Extrakte
gewonnen werden können und daß diese Zuckerzerstörung als ein
Oxydationsvorgang aufzufassen sel.
Weiter stellte N. Sieber?) aus Fibrin, sowie aus Milz durch
Extraktion mit Wasser, Neutralsalzlösungen, sowie mit verdünntem
Alkohol eine Reihe von Auszügen her, welche einerseits Guajak-
tinktur teils direkt, teils erst bei Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd
bläuten, andererseits aber glykolytisch wirksam waren. Die
Glykolyseversuche wurden teils aseptisch, teils unter Anwendung
schwächerer Antiseptica (Chloroform, Thymol) ausgeführt, da das
Ferment die Anwendung stärkerer Antiseptica nicht vertrug. Doch
ist die Autorin überzeugt, daß es sich nicht um Bakterienwirkung
rehandelt habe und legt in dieser Hinsicht auf den Befund bak-
') W. Spitzer, Die zuckerzerstörende Kraft des Blutes und der Ge-
Berl. klin. Wochensehr. 1894, S. 949.
°, N. Sieber, Einwirkung der ÖOxydationsenzyme auf Kohlehydrate,
Zeitschr. f. physiol. Chem. 39, 484 (1903); ferner: Zur Frage nach dem
elykolytischen Prinzip des Blutfibrins. Ebenda 44, 500 (1905).
webe.
ee
4
”
|
I
4
„R
i
7
e)
i
I
Er a
ee en eu
Über tierische Peroxydasen. 387
terienfeindlicher Stoffe im Fibrin besonderen Wert. Trotzdem sie
gelegentlich durch Lösen und Fällen gereinigte (offenbar aus
Leukocyten stammende) Guajakoxydasen in der Hand hatte, welche
nicht mehr glykolytisch wirksam waren, läßt sie die Frage offen,
ob und inwieweit die Glykolyse mit den oxydativen Enzymen in
Zusammenhang stehe.
In Anbetracht der großen physiologischen Wichtigkeit des
Glykolyseproblems haben wir uns veranlaßt gesehen, die Frage, ob
die Eiterperoxydase eine zuckerzerstörende Wirkung auszuüben
vermöge, experimentell zu prüfen.
1. 50ccm einer Traubenzuckerlösung (0,94 Proz.) wurden mit 50 ccm
einer Fluornatriumlösung (4 Proz.) und lOccem (einer aus blutfreiem Eiter
durch Extraktion mit 2 proz. Fluornatriumlösung erhaltenen) Peroxydase ver-
setzt. Die zugesetzte Zuckermenge betrug demnach 0,47 g. Nach eintägigem
Verweilen der Probe im Brutofen wurde der Zuckergehalt nach Fehling
titrimetrisch bestimmt. Es fanden sich 0,508.
2. Wiederholung des Versuches unter Zusatz von 1 bzw. 20 ccm H,O,
(3 proz.). Titration nach 24 Stunden bei 40°: 0,49 bzw. 0,48g Zucker. Die dem
Brutofen entnommenen Proben gaben noch sehr kräftige Peroxydasenreaktion
mit Jodkalium.
3. Wiederholung des Versuches mit Eiter, der einem Hunde aus einem
nach Terpentinölinjektion entstandenen Abszesse frisch entnommen
_ worden war:
a) ohne Wasserstoffsuperoxydzusatz; Titration!) nach 15 Std. bei 40°:
0,53g Zucker;
b) unter Zusatz von 5cem H,O, 1,5 Proz.; Titration ') nach 15 Std. bei
40°: 0,52 g Zucker.
4. 50cem 1proz. Zuckerlösung wurde mit 10Occm frischen Eiters (Ter-
pentinölinjektion) ohne Zusatz irgend eines Antiseptikums 30 Stunden
im Brutofen belassen. Titration: 0,48& Zucker.
5. Wiederholung des vorigen Versuches unter Zusatz einiger Thymol-
kristalle bzw. einiger Tropfen Toluol. Titration: 0,51 bzw. 0,50g Zucker.
| 6. 50cem Zuckerlösung 1 Proz. wurden mit 10 cem frischen Eiters,
10cem H,O, 0,3 Proz. und 10cem Hämatinlösung 1:5000, jedoch
ohne irgend einen desinfizierenden Zusatz, gemengt. Titration
nach 18 Stunden im Brutofen: 0,52& Zucker.
7. Wiederholung des vorigen Versuches unter Zusatz von Thymol-
kristallen bzw. Toluolwasser: 0,52 bzw. 0,49g& Zucker.
ab
es
Trotzdem die Proben auch nach eintägigem Verweilen
im Brutschranke noch reichlich Peroxydase enthielten, war
25*
388 Ernst v. Czyhlarz und Otto v. Fürth,
Hämatin gearbeitet wurde, auch nur die geringste Gly-
kolyse zu erzielen.
Wir halten es daher für bewiesen, daß die glyko-
lytischen Enzyme des Blutes nicht mit den echten Per-
oxydasen der Leukocyten identisch sind.
Zusammenfassung.
l. Die bisher zum Nachweis der tierischen Peroxydasen fast
ausschließlich benutzte Guajakreaktion ist wegen der praktischen
Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit, Gewebe vom Blutfarbstoff voll-
ständig zu befreien, für diesen Zweck, soweit es sich um die
Organe von Tieren handelt, die in ihrem Blute Hämoglobin führen,
ganz ungeeignet und die diesen Gegenstand betreffenden Angaben
früherer Autoren beruhen vielfach auf einer Verwechslung der
echten Peroxydasen mit der peroxydasenähnlichen Wir-
kung des Blutfarbstoffes.
2. Bei Verwendung der Guajakreaktion zum Zwecke des
Fermentnachweises in hämoglobinfreien Geweben oder Gewebs-
flüssigkeiten empfiehlt es sich, um einer Trübung des Resultates
durch unkontrollierbare Nebenumstände vorzubeugen, das Terpen-
tinöl durch Wasserstoffsuperoxyd (nach Carlson), das Guajak-
harz durch eine Lösung reiner Guajakonsäure zu ersetzen.
3. Der Nachweis von Peroxydasen in bluthaltigen Geweben
und Säften wird durch die Jodreaktion (Jodabspaltung aus an-
gesäuerter Jodkaliumlösung bei Gegenwart von Wasserstoffsuper-
oxyd) ermöglicht, da die Oxydation der Jodwasserstoffsäure (zum |
Unterschied von der Oxydation der Guajakonsäure und anderen U
cyklischen Chromogenen) durch den Blutfarbstoff nicht katalytisch
beschleunigt wird. Doch besitzt nur der positive, nicht aber der #
negative Ausfall der Reaktion Beweiskraft (Reaktionshemmung #
durch Eiweißkörper und andere jodbindende Gewebsbestandteile).
4. Es gelang so, die Gegenwart echter Peroxydasen (im Sinne
von Bach und Chodat) in Leukocyten (Eiterzellen), in
Iymphoiden Geweben (Knochenmark, Milz, Lymphdrüsen) und
im Sperma mit Sicherheit nachzuweisen; die Enzyme sind in den
zelligen Elementen, nicht aber in der sie umgebenden Flüssigkeit
enthalten und können denselben durch Salzlösungen teilweise ent-
zogen werden.
5. Eiterzellen geben mit frisch bereiteter Guajakonsäure bei
Abwesenheit von Peroxyden keine Reaktion, enthalten also keine
„direkte Oxydase* im Sinne der älteren Autoren.
.)
|
|
|
N
|
j
F
v
|
f
|
2
Über tierische Peroxydasen. 389
6. Um die Wirkung tierischer Oxydasen messend verfolgen
zu können, wurde ein spektrophotometrisches Verfahren
- ausgearbeitet, welches auf der oxydativen Bildung von Malachit-
grün aus seiner Leukobase beruht.
7. Verzeichnet man die mit Hilfe dieser Methoden gewonnenen
Ergebnisse graphisch, indem man die Zeitwerte als Abszissen, die
zugehörigen Mengen des Oxydationsproduktes als Ordinaten auf-
_ trägt, so werden die durch das Hämatin katalysierten Reaktionen
annähernd durch gerade Linien veranschaulicht, welche unter ver-
schiedenen Winkeln vom Koordinatenanfangspunkte ausgehen. Der
_ Reaktion echter tierischer Peroxydasen (aus Eiterzellen) ent-
sprechen dagegen Kurven, die nach einem stetigen mehr oder
minder steilen Anstiege plötzlich abbiegen, um schließlich der
Abszissenachse parallel zu verlaufen.
8. Die Hämatinreaktion wird durch Variation der Kon-
zentration des katalysierenden Farbstoffes und des Superoxyds in
hohem Grade, durch eine solche des Angriffsobjektes (Leukobase)
nur wenig beeinflußt. Die Peroxydasenreaktion dagegen ist
von einer Konzentrationsveränderung des Angriffsobjektes zum
mindesten hinsichtlich des Endzustandes viel abhängiger als von
_ einer solchen des Superoxyds.
9. Die Annahme, daß die oxydierende Wirkung des Blutfarb-
stoffes auf der hydrolytischen Abspaltung von kolloidalem Eisen-
_hydroxyd beruhe (Pighini), wird durch die Tatsache widerlegt,
daß die Oxydation der Leukobase auch bei stark saurer Reaktion
durch Hämatin katalytisch beschleunigt wird.
10. Kräftig wirksame Katalase erwies sich unfähig, die Oxy-
_ dation des Ammoniumsulfids durch Oxyhämoglobin, sowie diejenige
des Phenolphthalins durch Wasserstoffsuperoxyd bei Gegenwart von
7
y
%
\
«“
I
A
Y
_ Hämatin zu beschleunigen. Für die Annahme einer direkten oxy-
dativen Wirksamkeit der Katalasen im Sinne von W. Ewald liegt
sonach kein Anhaltspunkt vor.
11. Das glykolytische Blutferment ist keinesfalls mit der
Peroxydase der weißen Blutzellen identisch.
Wien, Juli 1907.
XXIV.
Über Aktivierung und Reaktivierung des
Pankreassteapsins.
Ein Beitrag zur Frage der komplexen Natur der Fermente.
Von cand. med. Hedwig Donath.
Ausgeführt unter der Leitung des a. ö. Prof. Dr. Otto v. Fürth im
physiologischen Institut der Wiener Universität.
1.
Bereits von vielen Seiten ist darauf hingewiesen worden, daß
die Fermente in ihrem Verhalten mancherlei Analogien zu den
Toxinen zeigen, und man hat wiederholt die Vermutung aus-
gesprochen, daß sich diese Übereinstimmung vielleicht auch auf
eine komplexe Natur derselben erstrecke, insofern die Enzyme,
ebenso wie die Toxine, aus zwei Komponenten, einem thermo-
stabilen „Ambozeptor“* und einem thermolabilen „Komplement“
zusammengesetzt sein könnten (vgl. Oppenheimer!).
Zahlreiche über die Existenz von Zymogenen, die Bildung von
Antifermenten, sowie über die Bindung zwischen Ferment und
Substrat vorliegende Angaben können im Sinne einer solchen
Hypothese verwertet werden, ohne jedoch eine anderweitige Deu-
tung auszuschließen.
Nun sind aber im Laufe der letzten Jahre eine Anzahl ein-
schlägiger Beobachtungen gemacht worden, durch welche die er-
wähnte Hypothese erhöhtes Interesse und eine festere Grundlage
gewonnen hat.
Hierher gehört zunächst die Erkenntnis, daß das an sich un-
wirksame Trypsinogen des Pankreassaftes durch eine thermo-
labile „Kinase“* (Enterokinase) aktiviert wird.
') L. Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen, I. Aufl,
S. 64 bis 66, 78.
Hedwig Donath, Aktivierung u. Reaktivierung des Pankreassteapsins. 391
Walker?) ist für das Ptyalin und Lab zu der Annahme ge-
langt, daß diese Fermente komplexer Natur sind und sich aus
einem thermostabilen „Ambozeptor“ und thermolabilen „Komple-
mente“ zusammensetzen. Durch Erhitzen auf 50 bis 55° wird inakti-
viertes Ptyalin durch Zusatz von Blut oder Organextrakt reaktiviert;
auf 50° erhitztes Blut ist unwirksam.
Nach Harden und Young?) können Hefeenzym und Cofer-
ment durch Filtration mit Hilfe eines Gelatinefilters voneinander
getrennt werden. Das Coferment ist thermostabil, dialysabel, mit
Alkohol fällbar und würde also dem Ambozeptor entsprechen. Die
alkoholische Gärung in Dextrose durch Hefesaft wird bedeutend
gesteigert (verdoppelt), wenn man gekochten und filtrierten Hefe-
saft hinzufügt.
Bearn und Cramer?) erhitzten Pepsin, Lab, Takadiastase
und Emulsin auf 56 bis 60%. Solche „Zymoide* hemmen die
Fermentwirkung, doch verhalten sich verschiedene Präparate in-
konstant. Erhitzen auf 100° zerstört meist den Hemmungskörper.
Beim Lab wurde bisweilen beobachtet, daß es einen Unterschied
macht, ob man die Milch zuerst mit dem Zymoid und dann mit
dem Labferment versetzt, oder umgekehrt. Daraus schlossen die
Autoren, daß das inaktivierte Enzym sich direkt zur Milch in Be-
ziehung setzt, also kein „Antiferment“ sei. Sie erörtern die Frage,
ob die Zymoide von vornherein den Fermenten beigemengt seien,
also etwa in dem Sinne, wie es OÖ. Schwarz*) für das Antipepsin
annimmt, und nur durch die aktiven Fermente verdeckt würden,
oder ob sich die Fermente als solche beim Erhitzen in Zymoide
umwandeln.
Da nun gewisse, die Aktivierung von Steapsin durch Galle
bzw. cholsaure Salze betreffende Beobachtungen ’) die Annahme
einer komplexen Natur dieser Enzyme nahezulegen schienen, hat
mich Herr Prof. v. Fürth veranlaßt, das fettspaltende Ferment
der Pankreaslipase von diesem Gesichtspunkte aus genauer zu
untersuchen. Da die Lipase in höherem Grade als die Mehrzahl
') E.W. Ainley Walker, The composition of certain normal ferments,
considered in relation to the constitution of lysins. Proc. Physiol. Soe.
Dec. 16, 1905; Journ. of Physiol. 33, XXI.
?) Harden und Joung, The alcoholie ferment of yeast juice. Journ.
of Phys. 32; Proc. Phys. Soc. Nov. 12, 1904.
®) Bearn und Cramer, On Zymoids. Biochem. Journ. 2, 474.
*) 0.Schwarz, Zur Kenntnis der Antipepsine; aus dem physiol.-chem.
Inst. in Straßburg. Diese Beiträge 6, 524.
PRO, v. he. Schütz, Über den Einfluß der Galle auf die
fett- und eiweißspaltenden Fermente des Pankreas. Diese Beiträge 9, 28 (1906).
392 Hedwig Donath,
der bisher untersuchten Fermente die Möglichkeit bietet, den Ab-
lauf einer Fermentreaktion mit Hilfe ebenso einfacher wie genauer
Methoden zu verfolgen, mußte sie als ein geeignetes Material für
Studien auf diesem für die allgemeine Auffassung der Ferment-
reaktionen wichtigen Gebiete erscheinen.
Meine einschlägigen Versuche erstrecken sich, wie ich voraus-
schickend bemerken möchte, namentlich auf folgende Fragen:
l. Welcher Gesetzmäßigkeit unterliegt die Aktivierung des
Pankreassteapsins durch steigende Cholsäuremengen?
2. Läßt sich auch ein Ablauf der Lipasenreaktion im um-
gekehrten Sinne, also in der Richtung einer Synthese des Fettes
aus seinen Komponenten, durch Cholsäure oder andere katalysierend
wirksame Agenzien beschleunigen ?
3. Welche Beziehungen bestehen zwischen der Wirkungs-
stärke und Aktivierbarkeit einer Steapsinlösung ?
4. Ist jede Lipase, auch eine solche pflanzlichen Ursprungs,
durch Cholsäure aktivierbar, oder ist dies eine spezifische Eigen-
schaft des Pankreassteapsins?
5. Existiert eine der Enterokinasewirkung auf das Trypsi-
nogen analoge Aktivierung des Steapsins durch Organextrakte?
6. Ist eine durch erhöhte Temperatur unwirksam gemachte
Lipase durch Blutserum reaktivierbar?
7. Übt eine durch Wärme inaktivierte Lipase eine fördernde
oder hemmende Wirkung auf das native Ferment aus?
Hinsichtlich der angewandten Untersuchungsmethoden sei
folgendes bemerkt:
Als brauchbare Steapsinpräparate erwiesen sich Glycerinextrakte (6 : 250
oder 12:250) aus dem von der ehemischen Fabrik „Rhenania“ in Aachen
hergestellten „Pankreatin. absolutum“. — Gelegentlich arbeitete ich auch mit
Pankreaspreßsäften, die durch Extraktion frischer, zerkleinerter Drüsen (vom
Rinde) mit physiologischer Kochsalzlösung und Kolieren durch Leinwand
gewonnen worden waren. — Als Angriffsobjekt wurden nach den Angaben
von Kanitz!) hergestellte Fettemulsionen benutzt, indem käufliches Olivenöl
mit jener (titrimetrisch festgestellten) Menge '/,n-Natronlauge versetzt
wurde, die eben erforderlich war, um alle in dem Öle enthaltenen Fettsäuren
zu neutralisieren. Beim Umsehütteln erhält man so eine sehr fein verteilte,
dauerhafte und neutrale Emulsion.
Die Versuchsanordnung war in der Regel folgende: Je 20ccm der
Emulsion wurden mit der Pipette abgemessen und in ein Erlenmeyerkölbehen
übertragen. Dann wurde eine abgemessene Menge der Steapsinlösung (um
') Kanitz, Über Pankreassteapsin und über die Reaktionsgeschwindig-
keit der mittels Enzyme bewirkten Fettspaltung. Zeitschr. f. physiol. Chem.
46, 482 (1905).
*
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 393
die Viskosität der Glycerinlösung zu vermindern, wurde dieselbe mit etwas
Wasser, und zwar 1 Teil Wasser zu 3 Teilen Glycerinextrakt, verdünnt) und
der zu prüfenden Flüssigkeit (inaktivierte Lipase, Serum u. dgl.) sowie, um
die Fäulnis zu verhindern, ein wenig Toluol zugesetzt, das Ganze gut durch-
geschüttelt und auf eine bestimmte Zeit in den Brutofen gestellt. Die
Titration erfolgte mit '/,n-Natronlauge unter Anwendung von Phenolphtalein
als Indikator. Zur Umgehung der Hydrolyse und der durch diese bedingten
Titrationsfehler wurden, Kanitz’') Angaben entsprechend, vor der Titration
50cem 95 proz. Alkohol hinzugefügt.
2.
A. Steapsinaktivierung durch steigende Oholsäuremengen.
Eine Anzahl von Serienversuchen wurden in der Weise aus-
geführt, daß eine Reihe von Proben unter Einhaltung einer gleichen
Konzentration von Fett und Steapsin mit steigenden Mengen einer
Lösung von cholsaurem Natron versetzt wurde. Nach einer ge-
wissen Zeit des Verweilens im Brutofen wurde die Menge ab-
gespaltener Fettsäuren titrimetrisch festgestellt.
Versuch 1: 6 Kölbehen, je 20 ccm Ölemulsion und 5ccm Glycerin-
extrakt enthaltend.
Ferner: a) bh) €)" "d) e) f)
arPro. ... . O0 1 2 3 4 5
en... .. 5 4 3 2 1 0
Titration nach 5 Std. . . 4,8 15,4 51,3 63,4 85,0 90,8cem !/,n-NaOH.
Versuch 2: 7 Kölbchen, je 20ccm Ölemulsion und 3cem Glycerin-
extrakt enthaltend.
Ferner: a) b) c) d) e) f) g)
ro. ..... 0 0,5 2 4 8 12 20
a 20 19,5.: , 18 16 12 8 0
Brstion nach 5 Std... .. 21 3,0 60 273° 653.626, 630
Versuch 3: 8 Kölbehen, je 20 cem Ölemulsion und 2ecm Glycerin-
extrakt enthaltend.
Ferner: au Br ae) a dir. ey, erfpieeo),,) h)
Bnole: Na 1 Proz. ..... 0 1 2 4 8 12 20 30
nn A u EN 2 Baier > N EEEBE 0 0
Mitration nach 6 Std: ... 21 28 41 66 28,6 408 35,9 281
Versuch 4: 8 Kölbehen, je 20 cem Ölemulsion und 3ccem Glycerin-
extrakt enthaltend.
Ferner: a) od) e) f) e) bh)
BEN: 1 Pro. ..... 0 | 2 4 8 12 20 30
SE ER 30: ..29 28.2126 22 18 10 0
ration nach 6 Std. . .. 23 23,6 2:6: 4,5: 26,0%, 2124:12,9 220,3
‘) Kanitz, Beiträge zur Titration hochmolekularer Fettsäuren. Ber.
‚d. deutsch. chem. Ges. 6, 400 (1906).
394 Hedwig Donath,
Versuch 5: 7 Kölbchen, je 20 cem Ölemulsion und 2cem Glycerin-
extrakt enthaltend.
Ferner: a) b) c) d) e) f) g)
Chole. Nal’Proe nr Mur er een 5 10 15 20 1) 30
Wasser .. . Baer 95 20 13 10 5 0
Titration nach 6 Std. A A 37 2,8 4,2 4.0 12227773
Versuch 6: 5 Kölbchen, je 20cem Ölemulsion und 5ecem Pankreas-
preßsaft enthaltend.
Ferner: a) b) e) d) €)
Ghals: ‚Na :.4 Bros, 22:00 5 10 15 20
Wasser .. . RE 15 10 5 0
Titration nach 8 "Sta. rbb ATT Dee
Versuch 7: 5 Kölbehen, je 20 cem Ölemulsion und 5cem Pankreas-
preßsaft enthaltend.
Ferner: a) b) c) d) e)
(hole. Ne PPreaH ee 5 10 15 20
Wasser... u 15 10 5 0
Titration ee: Se SR RE Fr 334 490 772 84
Nebenstehende Figur euthält die graphische Registrierung der
mitgeteilten Versuche.
Ein Blick auf dieselbe lehrt ee
Die Aktivierbarkeit verschiedener Steapsinpräparate erscheint
sehr verschieden. Während z. B. die ohne Zusatz nur schwache
Fermentwirkung im Versuch 1 durch Cholsäure nahezu verzwanzig-
facht, in Versuch 2 verdreißigfacht wurde, erwies sich der an sich
außerordentlich kräftige Pankreaspreßsaft des Versuchs 6 nur relativ
schwach aktivierbar, insofern selbst große Cholsäuremengen die
Wirkung nur zu verdoppeln vermochten. Ich werde im nächsten Ab-
schnitte Gelegenheit nehmen, auf diese Verhältnisse zurückzugreifen.
Die Betrachtung des Kurvenverlaufs ergibt nun, daß zunächst
die Aktivierung der Steigerung der Cholsäuremenge in erster An-
näherung ungefähr parallel geht, bis ein gewisses Niveau erreicht
ist. Dann erfährt die Kurve eine Knickung (Versuch 2 und 6),
um weiterhin der Abszisse parallel zu verlaufen. Man gewinnt
den Eindruck, als ob zunächst ein Zymogenvorrat durch das
Aktivierungsmittel in wirksames Ferment umgewandelt
würde. Ist der Zymogenvorrat aber einmal erschöpft, so kann
ein weiterer Zusatz des Aktivators keinen Effekt mehr hervorrufen.
B. Versuche zur Aktivierung der fermentaätiven
Fettsynthese.
Ein besonderes Interesse bietet der oben mitgeteilte Versuch 3,
wo die Kurve, von einem bestimmten Punkte angefangen, anstatt
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 395
zu steigen, absinkt. Die nächstliegende Deutung dieser Erschei-
nung ist wohl die Annahme, daß in diesem Falle durch das relative
Übermaß des angewandten Aktivators eine Umkehr des Re-
aktionsverlaufes stattgefunden habe.
abgespaltene Fettsäuremenge
rel. Menge Cholsäure
Die Fähigkeit der Lipasen, eine Synthese von Fetten aus
Glycerin und Fettsäuren zu bewirken, ist von Hanriot!) und
Kastle und Loevenhart?) dargetan, von Mohr) bestätigt und
‘) Hanriot, Sur la reversibilit& des actions diastasiques. Compt. rend.
Soe. Biol. 70 und Compt. rend. 132. 1
?) J. H. Kastle und A.S. Loevenhart, Uber Lipase, das fettspaltende
Enzym und die Umkehrbarkeit seiner Wirkung. Amer. Chem. Journ. 24, 491.
-..®) 0. Mohr, Uber Lipase aus tierischen Organen und die Umkehrbar-
keit ihrer fettspaltenden Tätigkeit. Wochenschr. f. Brauerei 19, 588.
396 Hedwig Donath,
neuerdings von Pottevin!) genau studiert worden. Wir legten
uns daher die Frage‘ vor, ob die Cholsäure nicht vielleicht in
gleichem Maße befähigt sei, auf die fermentative Fettsynthese aus
Glycerin und hohen Fettsäuren aktivierend einzuwirken, wie auf
die Fettspaltung.
Ich stellte mir zu diesem Zwecke ein kräftig wirkendes Steapsin-
präparat aus frischem Rinderpankreas durch wiederholte Behand-
lung mit Alkohol, Alkohol- Äther und Äther und Zerreiben des
lufttrockenen Rückstandes her.
Versuch 8. Je 20cem reiner Ölsäure, 60cem Glycerin und 2g des
Fermentpulvers wurden in zwei Stöpselgläser gebracht. Zu dem einen
wurden 5cem cholsaures Natron (lproz.), zu dem anderen die gleiche Menge
Wasser hinzugefügt. Zu Beginn des Versuches sowie weiterhin in gewissen
Zeitabständen wurde eine Probe von je 5ccm nach gründlichem Durch-
schütteln entnommen, und die Acidität davon nach Zusatz von 10ccm
Alkohol titrimetrisch bestimmt.
Cholsäurehaltige Probe. Kontrollprobe.
Frisch ;. ..*. Acıdifat =.32,800m/ ,n-Saure 33,0 cem \/,, n-Säure
Nach 2 Tagen . . 5 31,3 n 30,0 5
a “ 27,2, 27,2 2 24,5, 25,2 .
N 19,7 » 17 i
Versuch 8a. Wiederholung des vorigen Versuches.
Cholsäurehaltige Probe. Kontrollprobe.
Frisch. . . Acidität = 34,4, 34,1 ccm \/,,n-Säure 33,3, 33,1 cem Y,, n-Säure
Nach 3 Tagen „ 16,4, 15,8 ® 15,6,. 15,6 5
2) I 2) 15,1, 13,3 ” 12,1, 12,7 »
Er & 12,5, 12,0 2 11,5, 11,0 P
Es hatte also in den beiden Versuchen eine Fettsynthese in
großem Umfange stattgefunden, wobei in dem einen Falle nahezu
die Hälfte, im anderen zwei Drittel der vorhandenen Fettsäure-
ınenge verbraucht worden waren. Dennoch war es nicht ge-
lungen, eine außerhalb der Fehlergrenzen liegende Be-
schleunigung der synthetischen Fermentwirkung durch
Cholsäurezusatz zu erzielen. Ich war daher nicht imstande,
für die oben angegebene Erklärung des Versuches 5 einen ein-
deutigen Beweis zu erbringen.
Auch ein weiterer Versuch, die Fettsynthese durch Zusatz
eines Mangansalzes zu beschleunigen, fiel negativ aus.
') H. Pottevin, Actions diastasiques reversibles. Ann. Inst. Pasteur 22,
901 (1906).
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 397
Versuch Sb. Versuchsanordnung wie im vorigen Versuche, nur dab
statt des Cholates 3eem einer Lösung von 0,05g Magansulfat in 3ccem
Wasser dem einen der beiden Ölsäure-Glyceringemische zugesetzt wurde.
Manganhaltige Probe. Kontrollprobe.
Frisch .. . Acidität=18,5, 18,6ccm !/ ,n-Säure 18,9, 18,8 ccm '/,, n-Säure
Nach 3 Tagen ® 89, 8,9 % 89,88 %
3.
A. Beziehungen zwischen Aktivität und Aktivierbarkeit
der Lipase.
O. v. Fürth und Schütz!) hatten beobachtet, daß Steapsin-
lösungen, die durch Glycerinextraktion aus einem und demselben
Pankreatinpräparate gewonnen worden waren, in ihrem Verhalten
gegen dieselbe Cholatlösung insofern große Verschiedenheiten
zeigten, als sich die einen nur wenig, die anderen in hohem Grade
aktivierbar erwiesen. Es ergab sich ferner bei Versuchen mit
fraktionierter Extraktion von Pankreatin mit Glycerin, daß
die ersten beiden stark wirksamen Extrakte nur wenig aktivierbar
waren, während das dritte, an sich viel schwächere Extrakt, durch
Zusatz von Cholat in seiner Wirkung bedeutend gesteigert wurde.
Auch ich hatte Gelegenheit, ein Steapsinpräparat zu beobachten,
dem gegenüber die Cholsäureaktivierung vollkommen versagte.
Versuch 9. 5 Kölbehen wurden mit je 20cem Milch und 5cem ak-
tiven Pankreaspreßsaftes versetzt; ferner a) mit 20cem H,O; b) 5cem chols.
Na (1proz.) und 15cem H,O; e) 10 cem chols. Na und 10 cem H,O; d) 15 cem
chols. Na und 5ccm H,O; e) 20 cem chols. Na. Die Titration nach mehr-
stündigem Verweilen im Brutofen ergab für a) 34,5, b) 38,0, c) 37,5, d) 35,5,
e) 36 cem \/,.n-Säure.
Im Anschlusse an diese Versuche, welche den Gedanken an
die Überführung eines Steapsinogens in ein Steapsin, also eines
Profermentes in ein Ferment, nahelegten, stellte ich mir nun die
Aufgabe, zu ermitteln, ob bei längerer Aufbewahrung einer Steapsin-
lösung eine spontane Zunahme ihrer direkten Wirksamkeit
wahrnehmbar ist und ob mit dieser Zunahme eine Abnahme ihrer
Aktivierbarkeit Hand in Hand geht.
Versuch 10. Kölbehen a) und b) mit je 20 eem Ölemulsion und 5 ccm
frischem Pankreaspreßsaft, e) überdies mit 2ccm cholsaurem Natron 1 Proz.
beschickt. a) sofort titriert, ergab eine Acidität von 21,5 cem Y,,n-NaOH,
b) und e) nach 21 Stunden im Brutofen 66,8 bzw. 89,0 cem / .n-NaOH. —
Die Aciditätszunahme 66,3 — 21,5 = 45,3 bot demnach ein Maß für die
Bur:0., 8, 88.
398 Hedwig Donath,
direkte Wirksamkeit, die Differenz 89,0 — 66,5 = 22,2 ccm Y ,n-Na0H
ein Maß für die Aktivierbarkeit der Lösung. Der Pankreaspreßsaft wurde
acht Tage lang in der Kälte unter Toluolzusatz aufbewahrt und der Versuch
sodann genau wiederholt. Nunmehr ergab sich für die direkte Wirksam-
keit das Maß 61,3 cem Y,n-NaOH, also etwa um die Hälfte mehr als früher;
eine Aktivierbarkeit des Pankreaspreßsaftes durch cholsaures Natron war
in diesem Falle aber überhaupt nicht mehr nachweisbar.
Versuch 11. Analoge Anordnung. a) Sofort titriert 15,3 cem Y,,n-NaOH,
b) und e) nach 23 Stunden im Brutofen 60,5 bzw. 83,1cem Y,n-NaOH.
Daher 60,5 — 15,3 = 45,2 als Maß für die direkte Wirksamkeit,
83,1 — 60,5 = 22,6cem Yn-NaOH als Maß für die Aktivierbarkeit.
Nach 7tägiger Aufbewahrung war die direkte Wirksamkeit auf 93,5 an-
gestiegen, hatte sich sonach verdoppelt. Eine Aktivierbarkeit durch cehol-
saures Natron war nicht mehr vorhanden, im Gegenteil, an ihre Stelle war
eine wirkliche Hemmungswirkung getreten.
Der Pankreaspreßsaft hatte demnach in beiden Ver-
suchen, während seine direkte Wirksamkeit zugenommen |
hatte, seine Aktivierbarkeit durch cholsaures Natron ein-
gebüßt.
Hält man dieses Resultat mit jenen oben erwähnten Beobach-
tungen zusammen (Versuch 2 und 6), wo die mit steigender Chol-
säurekonzentration allmählich ansteigenden Aktivierungskurven an
einem bestimmten Punkte jäh abknickten, um weiter horizontal zu
verlaufen, so sieht man sich zu der Vorstellung hingedrängt, daß
man es hier mit der Überführung eines unwirksamen
Zymogens in ein wirksames Enzym zu tun hat, welche
Umwandlung sich allmählich auch „spontan“ vollziehen,
durch ein katalysierendes Agens aber (in diesem Falle
also Galle oder ein gallensaures Salz) in hohem Grade
beschleunigt werden kann!).
B. Aktivierungsversuche mit Extrakten der
Darmschleimhaut.
Die Vermutung, daß das Pankreassteapsin nicht als solches
sezerniert werde, sondern durch Umwandlung eines Zymogens
entstehe, ist auf Grund physiologischer Beobachtungen wiederholt
geäußert worden. So hat insbesondere Lintwarew?) sich dahin
') Es sei hier an die interessanten Beobachtungen Connsteins und
seiner Mitarbeiter über die Aktivierung der Ricinuslipase durch Säure usw.
erinnert.
®, J. J. Lintwarew, Über den Einfluß der verschiedenen physiologi-
schen Verhältnisse auf den Zustand und die Quantität der Fermente im
Pankreassaft. In Dissert. St. Petersburg; Ref.: Jahresber. f. Tierchemie 32,
408 (1902).
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 399
ausgesprochen, daß zwar bei Fleischkost der Pankreassaft fertiges
- Steapsin enthalte, dieses jedoch bei kohlehydrat- und fettreicher
Nahrung in Zymogenform ausgeschieden und durch Galle oder
Darmsaft schnell in die wirksame Form übergeführt werde.
Es schien uns daher von physiologischer Wichtigkeit, festzu-
stellen, ob die Darmschleimhaut, analog der trypsinaktivierenden
Enterokinase, ein Agens enthalte, welches Steapsin zu aktivieren
vermag.
Um dies festzustellen, wurde frischer Pankreaspreßsaft bereitet,
ein Stück Dünndarm desselben Rindes aufgeschnitten, der Länge
nach ausgebreitet und mit einem breiten, stumpfen Messer die
Mucosa abgelöst, mit physiologischer Kochsalzlösung gründlich
verrieben, so daß diese Mischung gut pipettierbar war; sodann
wurde zu je 20cem Ölemulsion a) deem Pankreaspreßsaft, b) 5ecm
Darmschleimhautextrakt, 6) 5eem Pankreaspreßsaft und 5 cem Darm-
- schleimhautextrakt zugesetzt.
Versuch 12.
a) b) c)
"Sofort |Nach14Std.|| Sofort | Nach 14Std.) Sofort Nach 14 Std.
18,7 52,5 6,5 300 | 293 84
MS, . er — 293 &
33,8 23,5 54,7.eccm / ,n-Na0H
Versuch 13.
a) LESE | BL
Sofort |Nach15 Std. | Sofort |Nach 15 $td.| Sofort | Nach 15 Std.
13,5 55 va 2 19,8 76,5
2,5 Zn — 19,8
41,5 25,1 56,7 ccm '/.n-Na0OH
Das Resultat war übereinstimmend derart, daß in c) die Spaltung
nur um etwa so viel mehr betrug, als die lipolytische Wirkung
der Darmschleimhaut an und für sich ausmachte, daß sich also
a) und b) nahezu addierten und eine aktivierende Wirkung nicht
vorhanden war, obgleich sich derselbe Pankreaspreßsaft, wie eine
Parallelprobe ergab, durch Cholsäure stark aktivierbar erwies.
Die Versuche ergaben sonach keinen Anhaltspunkt für die
Annahme einer steapsinaktivierenden Kinase in der
| Darmschleimhaut.
400 Hedwig Donath,
C. Spezifizität des Aktivierungsvorganges.
Es schien uns nun weiter wesentlich festzustellen, ob die
Aktivierung durch gallensaure Salze als eine spezifische Eigentüm-
lichkeit des Pankreassteapsins gelten kann, oder aber für alle fett-
spaltenden Fermente charakteristisch ist.
Wir dehnten zu diesem Zwecke unsere Untersuchungen auf
eine Lipase vegetabilischen Ursprungs aus.
Dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. W. Connstein
gelangten wir in den Besitz einer nach seinem Verfahren !) dar-
gestellten, äußerst wirksamen lipasehaltigen Emulsion aus Rieinus-
samen. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt: In
zwei Stöpselgläser wurden je 50cem Ölemulsion, 20cem Wasser,
0,1& Mangansulfat (als katalytisch wirkende Substanz), 5 ccm
Rieinusferment gebracht; außerdem zu a) 5ccm Wasser, b) 5 ccm
Natriumcholatlösung (1proz.) hinzugefügt. Die Gläser wurden gut
durchgeschüttelt, je 5cem der Mischung mit der Pipette entnommen,
mit 10Occm Alkohol und einigen Tropfen Phenolphtalein versetzt
und mit 1/,on-NaOH titriert, um die sofortige Acidität zu be-
stimmen. Dann wurden die beiden Gläser in den Brutofen gestellt,
zu verschiedenen Zeiten nach energischem Durchschütteln Proben
von je 5cem der Mischung mit der Pipette entnommen und titri-
metrisch auf ihre Aecidität geprüft. Es zeigte sich aber, daß sich
trotz des Durchschüttelns schon beim Niederstellen des Gefäßes
der Inhalt in eine obere dicke Schicht und eine untere wässerige
Schicht trennte. Um daher etwaige Fehler zu vermeiden, die
daraus entstehen konnten, daß beim Pipettieren bald mehr von der
dieken Emulsion, bald mehr von der wässerigen Schicht abgehoben
wird, wurde ein weiterer dritter Versuch in der Weise angestellt,
daß 100g Ölemulsion, 40cem Wasser, 0,2g Mangansulfat, 10 cem
ticinusferment in einem Gefäß gut durchgeschüttelt und dann auf
sechs Kölbchen verteilt wurden, so daß in jedes Kölbchen 25 cem
der Mischung kamen. Drei davon wurden mit ccm Wasser,
drei mit 5 cem cholsaurem Natron (1 proz.) versetzt; je ein
Kölbehen nach tüchtigem Durchschütteln und nach Zusatz von
50cem Alkohol sofort, die anderen zwei nach mehrstündigem Ver-
weilen im Brutofen titriert.
') W. Connstein, E. Hoyer und H. Wartenberg, Über fermentative
Fettspaltung. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 35, 3988 (1902). — E. Hoyer,
Fermentative Fettspaltung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 50, 414 (1907).
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 401
Versuch 14.
5cem Wasser 5cem chols. Na 1 Proz.
Sofort | Nach 18 Sid. Sofort | Nach 18 Std.
2 | 41,7, 40,5 1,9 | 26,3, 28,5, 26,8
Versuch 15.
5cem Wasser 5eem chols. Na 1 Proz.
Sofort | Nach 15 Std. | Nach 24 Std. || Sofort | Nach 15 Std. | Nach 24 Std.
5,2 | 98,5, 28,1 | 39,7, 41,5 6,5 | 25,5, 25,1 | 32,3, 31,5
Versuch 16.
Ohne chols. Na Mit chols. Na 1 Proz.
Sofort | Nach 18 Std. | Sofort | Nach 18 Std.
45,7 | 151,3, 154,3 49,7 | 100,3, 110,3
Alle Versuche zeigten übereinstimmend, daß die Cholsäure
nicht nur nicht aktivierend, sondern sogar hemmend auf die
Rieinuslipase einwirkt !).
Es sei hier auf den Befund von Laqueur?) und Boldyreff>)
hingewiesen, demzufolge die Wirkung der Magen- bzw. Darmlipase
durch Gallenzusatz kaum gesteigert wurde.
4. Reaktivierung des Steapsins durch Blutserum.
Nachdem sich aus den mitgeteilten Versuchen eine Reihe von
Anhaltspunkten für die Annahme einer „komplexen“ Natur des
Pankreassteapsins ergeben hatte, gingen wir an eine direktere
Prüfung dieser Frage heran.
!) Aus einer mündlichen Mitteilung des Herrn Dr. Connstein ent-
_ nehmen wir, dab dieses Resultat mit seinen Erfahrungen über Nichtaktivier-
barkeit der Ricinuslipase durch Galle übereinstimmt. Vgl. auch eine darauf
bezügliche Angabe von W.A. Bitny-Schlachto (Zur Lehre von der Lipase.
Dissert. St. Petersburg 1904; Ref.: Jahresbeitr. f. Tierchem. 34, 980), der
die Wirkung der Ricinuslipase durch Gallensäurezusatz nicht zu steigern
vermochte. h
?2) E. Laqueur, Uber das fettspaltende Ferment' im Sekret des kleinen
Magens. Diese Beiträge 8 (1906).
®) W. Boldyreff, Die Lipase des Darmsaftes und ihre Charakteristik.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 50, 394 (1907).
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 26
402 Hedwig Donath,
Es sollte festgestellt werden, ob durch vorsichtiges Erwärmen
inaktiviertes Steapsin durch Zusatz von Blutserum reaktiviert werden
könne, ob also hier Verhältnisse bestehen, ähnlich jenen, die man
in der Immunitätslehre durch die Schlagworte „Ambozeptor“ und
„Komplement“ schematisch zu bezeichnen pflegt.
Wie ich vorausschickend bemerken möchte, liegen in der
Literatur bereits zwei Angaben vor, welche vielleicht in diesem
Sinne verwertet werden könnten. In einer Arbeit von Beitzke
und Neuberg!) findet sich nämlich eine mit zwei Versuchen be-
legte Angabe, derzufolge die Wirkung von Steapsin auf Rieinusöl
durch Zusatz normalen Kaninchenserums gefördert wird. Allerdings
wird weiterhin bemerkt, daß dieses Vermögen des Serums durch
einstündiges Erhitzen auf 56° nicht aufgehoben wird.
Ferner beobachteten Achard und Clere?), daß Blutserum,
das sein lipolytisches Vermögen durch einstündiges Erhitzen auf
60 bis 62° eingebüßt hat, durch Zusatz frischen Serums reakti-
viert wird.
Ich stellte zunächst durch einen Vorversuch die „Todes-
temperatur“ der Lipase fest. |
Versuch 17. Eine Reihe von Kölbehen wurde mit je 20 eem Ölemulsion,
3cem cholsauren Natrons 1 Proz. und mit 5cem nativen, bzw. 5 Minuten
auf 50°, 55°, 60°, 65° und 70° erhitzten Glycerinextraktes aus Pankreatin
„Rhenania“ beschickt, die Serie sodann auf 4 Stunden in den Brutofen
gebracht und titriert.
Nativ | 500 55
Sofort | Nach 4 Std.| Nach 4 Std. Nach 4 Std.
35 | 1 | 243 23,3 20,7| 212
er EB NT |
17,5 | 20,8 19,8 172 | 17,7 ccm Yo n-Na0OH
60" ET wm
Nach 4 Std. "Nach 4 Std. |Soforrt| Nach 4 Std.
8,5 9,6 4,2 43 | 32 3,5 3,6
—35 | —35 | —35 | —35 | —32 |—32 I
50 | 6,1 0,7 0,8 0,3 0,4 com Y,n-NaOH
') Beitzke und Neuberg, Zur Kenntnis der Antifermente. Virchows
Archiv 183, 177 (1906).
°) Achard und Ölere, Sur l’abolition du pouvoir lipasique du sörum
par le chauffage et sa regeneration par l’addition du serum frais. Compt.
rend, Soc. Biol. 56, 812.
u
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 403
Wie aus diesem Versuche zu ersehen ist, erfolgt die Inakti-
vierung hier zwischen 55 und 65°.
Mit Rücksicht auf Angaben von Bearn und Cramer!) (für
das Labferment), von Moritz und Glendinning?) (für die Dia-
stase) und von O’Sullivan und Thomson?) (für das Invertin),
denen zufolge Enzyme durch die Gegenwart ihres Angriffsobjektes
(Milch, Stärkekleister, Rohrzucker) bis zu einem gewissen Grade
gegen die zerstörende Wirkung der Wärme geschützt werden, habe
ich weiterhin einen Versuch ausgeführt, bei dem Lipase einerseits
mit, andererseits ohne Zusatz von Fettemulsion einer hohen Tem-
peratur ausgesetzt wurde. Es sollte so festgestellt werden, ob
etwa eine „Verankerung“ des Ferments an das Angriffs-
objekt dasselbe zerstörenden Einflüssen gegenüber widerstands-
fähiger mache.
Versuch 18. Eine Reihe von Kölbchen wurde mit je 5cem eines
stark wirksamen Pankreaspreßsaftes beschickt und eine halbe Stunde lang
in einem Wasserbade bei einer Temperatur von 68° gehalten. 20 ccm Öl-
emulsion wurden teils vor, teils nach dem Erhitzen hinzugefügt und die
Kölbchen sodann für 24 Stunden in den Brutofen gestellt.
Bei Abwesenheit des Fettes inaktiviert |In Gegenwart des Fettes inaktiviert
Sofort Sofort
titriert Nach 24 Std. er lent Nach 24 Std.
a) 16,9 43,5 38 23,5 31,0 23
— 16,9 — 16,9 | —- 235 _935
26,6 21,1 7,5 2
Bi 15,9 33,5 27,8 21,5 33,5 33,5
— 15,9 — 15,9 a
17,6 11,6 12,0 12,0
Von einer schützenden Wirkung des Angriffsobjektes auf das
Ferment war hier sonach nichts zu bemerken.
Ich gehe nunmehr zur Beschreibung der Aktivierungsversuche
als solcher über.
Wir gingen zunächst so vor, daß wir Glycerinextrakte aus
Pankreatin „Rhenania“ durch halbstündiges Erhitzen auf 60° bzw.
63°, 77° und 80° inaktivierten, sodann Kölbcehen mit je 20 ccm
Ölemulsion und 5cem der inaktivierten Fermentlösung beschickten,
©,
2) Moritz und Glendinning, Journ. chem. Soc. 1892, 8. 689.
») O’Sullivan und Thomson, ebenda 1890, S. 834.
26*
404 Hedwig Donath,
entweder 5cem frischen Pferdeblutserums oder aber 5eem Wasser
hinzufügten und die Proben sodann nach vier- bis fünfstündigem
Verweilen im Brutofen titrierten.
Versuch 19. A. Ferment bei 60° inaktiviert.
a) Wasser b) Blutserum
Sofort | Nach 4 Std. im Brutofen | Sofort Nach 4 Std. im Brutofen
33 | 3,8 35 2 113 | 112
1033 —33 | —45 |—45
| | 05 | 0,2 6,8 6,7 ccm /.n-Na0OH
B. Ferment bei 63° inaktiviert.
3,4 4,5 45 | 48 | 100 | 100
— 3,4 34 | 48 IE
2 1.1 | 52 | 5,2cem Y,n-Na0OH
C. Ferment bei 77° inaktiviert.
Il
38 | 32 | 33 | 47 s0o| 47
—338 | —33 in —47 |—47
| = | 0,3 — cem Y.„n-NaOH
D. Ferment bei 80° inaktiviert.
33 | 3,7 37 | 46 3 | 49
Mi. BE —46 |—45 ee
' 0 0,7 0,5 ccm Y .n-NaOH
Als Maß der Wirksamkeit derselben Fermentlösung in aktivem
Zustande bei gleicher Versuchsanordnung ergab sich 4,4 bzw.
4,7cem!/;on-NaOH. Die (an sich ziemlich schwach wirksame)
Fermentlösung, die durch Erhitzen auf 60 bzw. 63° inakti-
viert worden war, konnte also durch Pferdeblutserum
reaktiviert werden; hinsichtlich der bei 77° bzw. 80° in-
aktivierten Fermentlösung war dies dagegen nicht der
Fall.
Der nächste Versuch galt der Feststellung, ob die Reakti-
vierung durch einen thermolabilen oder thermostabilen Bestandteil
des Blutserums erfolge.
Versuch 20. Pferdeblutserum wurde verdünnt, mit Essigsäure
schwach angesäuert, auskoaguliert, filtriert und das neutralisierte Filtrat
wieder auf das Volumen des nativen Serums gebracht.
Je 20cem Ölemulsion und 5eem eines durch Erwärmen inaktivierten
(‚dlycerinextraktes aus Pankreatin „Rhenania“; dazu 5 ccm
|
a
|
;
a
” BR ” FEDER
a) Enteiweißtes Serum
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins.
405
b) Natives Serum
Sofort | Nach 24 Std. im Erntofen | Sofort, | Neon Sa Std Dralofen
3,2 54 5,2 4,0 31,5 | 32,1
ET RT BERN E FEN
2,2 2,0 27:0 28,1 ccm / „n-NaOH
Das enteiweißte Serum hatte sich also als ganz unwirksam,
das native Serum als sehr kräftig, im Sinne einer Reaktivierung
der Lipase wirksam erwiesen.
Die Reaktivierung wird also
durch ein thermolabiles Agens bewirkt.
Ein weiterer Versuch wurde zur Erzielung größerer Ausschläge
unter Zusatz von cholsaurem Natron 1 Proz. ausgeführt.
Versuch 21.
Pankreaspreßsaft wurde durch Erwärmen auf 65° in-
aktiviert, oder, richtiger gesagt, abgeschwächt.
Proben, je 20 cem Ölemulsion, 5cem abgeschwächten Preßsaftes und
2ccm cholsaures Natron (1 proz.) enthaltend, ferner:
a) 5cem Wasser
b) 5cem Pferdeblutserum
Sofort | Nach 12 Std. im Brutofen | Sofort | Nach 12 Std. im Brutofen
22,5 36,0 36,9 189 | 482 48,9
ee m — 18,9 |— 18,9
13,5 14,4 29,3 | 30,0 ccm Y,,n-Na0OH
Proben, 20 cem Ölemulsion und 5ecm Pferdeserum enthaltend, ergaben
bei sofortiger Titration eine Acidität von 3,0, nach 24 Stunden eine solche
von 3,3cem '/„n-NaOH. Der beobachtete Effekt konnte also nicht etwa
durch die lipolytische Kraft des Serums als solchem bedingt sein.
Es ergab sich weiterhin, daß die aktivierende Wirkung des
Blutserums,
ebensogut wie an durch Erwärmen
Lipasepräparaten, unter Umständen auch an „spontan“ (d.h. durch
inaktivierten
andere Einflüsse unbekannter Natur) abgeschwächten Ferment-
lösungen in eklatanter Weise demonstriert werden kann.
Versuch 22. Je 20ccm Ölemulsion und 5eem eines sehr schwach
wirksamen Glycerinextraktes aus Pankreatin, dazu:
a) 5cem Wasser b) 5cem Pferdeserum
— Sofort | Nach 24 Std. im Brutofen Sofort | N ach 94 Std), im Brutofen Br
3,0 41 4,5 4,0 24,8
0 u Er NER ed erg
ne 15 20,3 cem '/ ,n-NaOH
406 Hedwig Donath,
Kontrollprobe: 20 ccm Ölemulsion + 5cem Pferdeserum.
Sofort er N a ee 3,0
Nach 24 Std. im Brutofen. . . 2,8cemY.n-NaOH.
Also auch hier handelte es sich nicht etwa um eine lipo-
Iytische Wirksamkeit des Serums als solchen, sondern um
eine Aktivierung des an sich fast unwirksamen Glycerinextraktes.
Es erübrigt jetzt nur mehr den Nachweis, ob das aktivierende
Agens im Blutserum nach Art von „Komplementen“ oder „Cytasen“
bereits bei einer tief unter 100° gelegenen Temperatur ge-
schädigt wird.
Versuch 23. Es wurde zu .diesem Zwecke frisches Blutserum in
zwei Portionen geteilt und die eine Hälfte eine halbe Stunde lang bis gegen
70° erhitzt. Je 20 ccm Ölemulsion und 5cem eines durch Erwärmen ab-
geschwächten Pankreaspreßsaftes wurden versetzt mit:
a) 5cem nativen Serums b) 5cem erwärmten Serums
Sofort | Nach 20 Std. im Brutofen) Sofort |Nach 20 Std. im Brutofen
16,8 36,5 37,0 18,0 32,5 33,0
— 16,8 —108 — 18,0 — 18,0
19,7 20,2 14,5 15,0
c) Ohne Zusatz
Sofort | Nach 20 Std. im Brutofen
16,0 30,0
— 16,0
14,0
Das Serum hatte also seine Wirksamkeit durch Erwärmen
auf 70° eingebüßt.
Es geht sonach aus den mitgeteilten Versuchen
hervor, daß die durch Erwärmen auf 60 bis 63° inakti-
vierte Pankreaslipase durch ein im normalen Pferdeblut-
serum enthaltenes thermolabiles Agens einen Teil ihrer
Wirksamkeit wieder erlangen kann, während dies bei dem
auf 77 bis 80° erwärmten Fermente nicht mehr der Fall ist.
Zu dieser Reaktivierung ist, wie aus der Versuchsanordnung
ersichtlich, die Gegenwart der Ölemulsion beim Inaktivierungs-
vorgange, also eine „Verankerung des Fermentes an das
Angriffsobjekt“* und ein dadureh bedingter Schutz seiner
bindenden Gruppe keineswegs erforderlich.
Ein Versuch, bei 62° (bzw. 70° und 90°) inaktivierte Rieinus-
lipase durch Zusatz von Blutserum zu reaktivieren, fiel negativ aus
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 407
5. Hemmung der Steapsinwirkung durch inaktiviertes Ferment.
Harden und Young!) beobachteten eine erhebliche Verstär-
kung der alkoholischen Gärung beim Zusatze gekochten Hefe-
preßsaftes. Bearn und Uramer?) dagegen sahen, daß bei 56 bis
60° inaktiviertes Pepsin und Lab die Wirkung der aktiven Fer-
mente hemmt und bei Anwendung ausreichend großer Mengen
sogar vollständig aufhebt. Während O. Schwarz?) analoge Be-
obachtungen im Sinne der Existenz eines dem genannten Fermente
von vornherein beigemengten Antifermentes deutet, sind die beiden
genannten Autoren geneigt, die Hemmung in dem Sinne zu er-
klären, daß das Erwärmen das Enzym zwar seiner Fähigkeit beraubt
hat, sein Angriffsobjekt zu spalten, nicht aber der Fähigkeit, sich
mit dem letzteren zu verbinden. Nun wäre aber das mit dem
inaktivierten Enzym beladene Angriffsobjekt sozusagen wegen Platz-
mangels unfähig, aktives Ferment aufzunehmen und infolgedessen
gegen die spaltende Wirkung des letzteren geschützt.
Jedoch nicht nur die Hemmungswirkung, sondern auch die
von Harden und Young beobachtete Förderung der Ferment-
wirkung durch das abgetötete Enzym ist im Sinne der Lehre von
der Komplexität der Fermente einer Erklärung zugänglich, insofern
die schädigenden Agenzien die Komplemente vernichten, die Ambo-
zeptoren aber intakt lassen, diese letzteren aber, mit einem Über-
schuß von Komplementen in Beziehung gebracht, sich mit diesen
zu neuen aktiven Enzymen verbinden könnten.
Ohne auf die Diskussion von Theorien, deren Formulierung heute
sicherlich zum mindesten noch verfrüht erscheinen müßte, eingehen
zu wollen, schien es uns immerhin erwünscht, hinsichtlich der Lipase
objektiv festzustellen, ob sie durch die Gegenwart inaktivierten
Fermentes im Sinne einer Hemmung oder Förderung beeinflußt werde.
Es sei bei dieser Gelegenheit auch eine Beobachtung von
Magnus“) erwähnt, der durch Dialyse unwirksam gewordenes,
esterspaltendes Ferment der Leber durch Zusatz von gekochtem
- Lebersaft reaktiviert sah, eine Wirkung, welche Loevenhart)
den darin befindlichen gallensauren Salzen zuschreibt.
u *) R. Magnus, Zur Wirkungsweise der esterspaltenden Fermente der
Leber. Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 148 (1904).
b ») A. S. Loevenhart, On the so-called coferment of lipase. Journ.
of biol. Chemistry 2, 391 (1907).
408
Wir gingen bei den Versuchen
Hedwig Donath,
derart vor, daß wir Proben,
je 20cem Ölemulsion und 5ccm eines aktiven Glycerinextraktes
aus Pankreatin enthaltend,
entweder mit ccm eines ebensolchen,
jedoch eine halbe Stunde bei 70 bis 100° inaktivierten Extraktes,
oder aber zum Vergleiche mit der
setzten und nach längerem Verweil
gleichen Menge Glycerin ver-
en im Brutschranke titrierten.
24.
Inaktiviertes Extrakt (70°)
Nach 4 Std. im Brutofen
10,3 10,2 10,0cem Y.n-NaOH
25.
Versuch
Vergleichsprobe |
Nach 4 Std. im Brutofen Zas|
180, 141. ma. |
Versuch
Vergleichsprobe
Nach 4'/, Std. im Brutofen
Inaktiviertes Extrakt (70°)
Nach 4!/, Std. im Brutofen
10,6 103 10,3
Versuch 26. Jede Probe mit 10cem chols.
Vergleichsprobe
933 92 92ccem!/,n-Na0H
Natron 1 Proz. versetzt.
Inaktiviertes Extrakt (70°)
'Nach 24 Std.
Nach 24 Std. Nach 5 Std. |
bei Zi EA Er 775 5 r : :
Sofort emperabur Bir utofen Sofort era Nach 5 Std. im Brutofen
9,4 31,8 48, 6 41,6 | 4,0 24,1 34,6
yo 24 I — 2,4 |— 2,4 | U Re: N
| 294 | 462 | 892] 201 | 30,6ccm '/.n-NaOH
Versuch 27.
Vergleichsprobe |
Sofort |Nach a), Std. im Brutofen Sofort
3,6 13,1 | 131 | 47
a, 3,6 er 3,6
9,5 9,5
Versuch 28. Jede Probe mit 1'/,<
Jede Probe mit lecm chols. Natron 1 Proz. versetzt.
Inaktiviertes reet (70°)
Nach 4, Std. im Brutofen“
9,9 | 10,10
ET
5,2 | 5,4 cem ya n-Na0H
:cm chols. Natron 1 Proz. versetzt.
Vergleichsprobe
Nach 4 Std. im Brutofen
Sofort Sofort
4,8 16,3 17,6 73
— 48 — 48
11,5 12,8 |
Inaktiviertes Extrakt (70°)
Nach 4 Std. im Brutofen.
18,0
7,1
10,9 ccm Y,,n-Na OH
Aktivierung und Reaktivierung des Pankreassteapsins. 409
Versuch 29. Jede Probe mit 2cem chols. Natron versetzt.
Vergleichsprobe Inaktiviertes Extrakt (70°)
Sofort | Nach 4'/, Std. im Brutofen || Sofort Nach 4!/, Std. im Brutofen
Bor 97,9 5,7 19,7 | 20,0
— 3,5 — 3,5 — 57 |1—5,7
24,2 24,4 14,0 14,3 cem !/ ,n-Na0H
Versuch 30.
Vergleichsproben
Sofort Nach 4 Std. im Brutofen
3,4 19,2 18,0
Av: rg
15,8 14,6
Ein und derselbe Glycerinextrakt.
Inaktiviert bei 50° Inaktiviert bei 70° Inaktiviert bei. 100°
+| Nach 4 Std. „| Nach 4 Std. , Nach 4 Std. im
Sofort im Brutofen Sofort im Brutofen Sofort ım Brutofen
5,1 141| 1488| 51 14,8| 157| 52 14,7 14,3
— 5,1|— 5,1 — 5,11 — 5,1 — 52 — 52
9,0 9,7 9,7 10,6 9,5 9,1ccm
U“n-NaOH
Die Versuche ergaben mit großer Übereinstimmung
eine Hemmungswirkung der durch Erwärmen inakti-
vierten Lipase in bezug auf die aktiven Fermentlösungen.
Dieselbe ist in manchen der Versuche nur gering, in anderen da-
gegen sehr ausgesprochen, in allen Fällen aber durch die gleich-
sinnige Übereinstimmung der Parallelproben sichergestellt. Die
Temperatur, bei der die Inaktivierung erfolgt, ist ohne wesentlichen
Einfluß auf die Wirkung.
Eine Entscheidung der sich hier ergebenden Frage, ob es
sich um die Wirkung eines dem Fermente von vornherein bei-
gemengten und durch dasselbe maskierten „Antifermentes“ handle,
oder ob eine Umwandlung des Fermentes als solchen in einen
unwirksamen Hemmungskörper erfolge, und ob ferner ein solcher
Hemmungskörper („Zymoid“) seine Wirkung einer Verankerung an
das Angriffsobjekt verdanke, ist auf Grund des bisher vorliegenden
Tatsachenmaterials vorderhand nicht möglich und muß weiteren
Untersuchungen überlassen bleiben.
410 Hedwig Donath, Aktivierung u. Reaktivierung des Pankreassteapsins.
Zusammenfassung.
l. Die Aktivierung des Pankreassteapsins durch cholsaure
Salze erfolgt derart, daß bis zu einer gewissen Grenze die Ak-
tivität mit der Menge angewandter Cholsäure zunimmt. Von dieser
Grenze angefangen, bewirkt jedoch ein weiterer Cholsäurezusatz
keine weitere Steigerung der Aktivität.
2. Eine Beschleunigung der fermentativen Fettsynthese
aus Fettsäure und Glycerin durch Cholsäure konnte nicht mit
Sicherheit nachgewiesen werden.
verändern, daß ihre direkte Wirksamkeit zu-, ihre Aktivier-
barkeit durch Cholsäure jedoch abnimmt. Su
4. Für die Gegenwart einer "steapsinaktivierenden „Kinase“
in der Darmschleimhaut ergab sich kein Anhaltspunkt.
5. Ricinuslipase erwies sich durch Cholsäure nicht aktivierbar.
6. Durch Erwärmen auf 60 bis 63° inaktiviertes Pankreas-
steapsin konnte durch normales Pferdeserum zum Teil reakti-
viert werden. Dieser Vorgang ist durch ein in dem letzteren ent-
haltenes thermolabiles Agens bedingt. Bei 77 bis 80° inaktiviertes
Pankreassteapsin ist einer KReaktivierung durch Blutserum an-
scheinend nicht mehr zugänglich.
7. Durch Erwärmen auf 70 bis 100° inaktiviertes Pankreas-
steapsin übt eine Hemmung auf die Wirkung des aktiven Fer-
mentes gleicher Art aus.
8. Die Gesamtheit der vorliegenden Erfahrungen macht die
Entstehung des Pankreassteapsins aus einem inaktiven Zymogen
wahrscheinlich und läßt die komplexe Natur bzw. die Zusammen-
setzung des Fermentes aus einem thermostabilen und einem thermo-
labilen Anteile als möglich erscheinen.
Wien, Juli 1907.
Nachtrag bei der Korrektur.
Bezugnehmend auf eine neue interessante Mitteilung von
V. Henri (intern. Physiologenkongreß in Heidelberg, August 1907),
welche auf Grund ultramikroskopischer Beobachtungen eine Er-
klärung von Komplementwirkungen aus rein physikalischen Faktoren
in das Bereich der Möglichkeit rückt, sei bemerkt, das obige
Beobachtungen (6. und 7.) mit einer solchen Vorstellung ebensogut
in Einklang gebracht werden können wie mit der Theorie der
Komplemente.
x
3. Pankreassteapsinpräparate können sich „spontan“ derart
XXV.
Über die Mengenverhältnisse und die physiologische
Bedeutung der Oxyproteinsäurefraktion des Harns.
Von Wilhelm Ginsberg.
Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Professors Dr. Otto v. Fürth im
physiologischen Institut der k. k. Universität in Wien.
1.
“ Im Jahre 1865 teilte Carl Voit!) in seiner Arbeit „Über
die Zersetzungsvorgänge der stickstoffhaltigen Stoffe im Tier-
körper“ die Entdeckung mit, daß sich im Harn außer den be-
kannten stickstoffhaltigen Stoffen eine stickstoff- und schwefelhaltige
Substanz finde, die, ebenso wie Harnstoff, mit salpetersaurem
Quecksilberoxyd eine Verbindung eingehe, deren Elementaranalyse
ihm jedoch wegen der leichten Zersetzlichkeit derselben keine
genau stimmenden Zahlen lieferte. Er verglich den Faktor C:N
des Harns mit demjenigen des Harnstoffs und fand so, daß im
Harn eine kohlenstoffreichere, stickstoffärmere Substanz, als es der
Harnstoff ist, vorhanden sein müsse; er berechnete, daß „die Menge
dieser Stoffe, deren Kohlenstoffgehalt bis 12g pro Tag betragen
kann, der Harnstoffausscheidung parallel geht; das heißt, wenn bei
Zersetzung des Fleisches Harnstoff auftritt, auch eine bestimmte
Menge anderer aus dem Fleische entstandener Produkte in den
Harn übergeht“. |
Im nächsten Jahr hat Voit in Gemeinschaft mit Petten-
kofer?2) seine Entdeckung beim Menschen bestätigt und den
Y) Zeitschr. f. Biologie 1, 127, 146—147.
2) M. v. Pettenkofer u. C. Voit, Untersuchungen über den Stoffver-
brauch des normalen Menschen. Zeitschr. f. Biol. 2, 470f. (1866).
412 Wilhelm Ginsberg,
_
Kohlenstoffgehalt dieser unbekannten Verbindungen auf etwa 5 g
pro Tag berechnet.
Im Jahre 1897 gelang es Bondzynski und Gottlieb), aus
dem Harn von Hunden eine neben Harnstoff durch salpetersaures
Quecksilberoxyd fällbare Säure darzustellen und zu analysieren,
die sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Malyschen Peroxyprot-
säure „Oxyproteinsäure* nannten. Die Darstellung dieser bei
Phosphorvergiftung in vermehrter Menge auftretenden Verbindung
war folgende:
Der zum dicken Sirup eingedampfte, mit Schwefelsäure an-
gesäuerte Harn wurde mit dem fünffachen Volumen Alkohol
gefällt, das Filtrat mit viel Wasser versetzt und mit Baryumhydr-
oxyd im Überschuß gefällt, der Barytüberschuß durch Kohlensäure
beseitigt, der Alkohol durch Erwärmen vertrieben und das stark
eingeengte Filtrat in die vier- bis fünffache Menge Alkohol ein-
gegossen. Es fiel ein voluminöser Niederschlag aus, der, aus
wässeriger Lösung mit Alkohol umgefällt und getrocknet, ein gelb-
liches Pulver darstellte und zum größten Teile aus oxyprotein-
saurem Baryum bestand. Das Pulver wurde in Wasser gelöst, das
Baryumsalz durch Schwefelsäure in die freie Säure übergeführt,
das Filtrat unter Neutralisation mit Baryumhydroxyd mit salpeter-
saurem Quecksilberoxyd gefällt, der Niederschlag mit Schwefel-
wasserstoff zersetzt. Durch Fällung mit Alkohol wurde ein weißes,
sehr hygroskopisches Pulver erhalten, dessen Zusammensetzung
etwa der Formel C,H N,},O;,S entsprach. Gottlieb und Bond-
zynski fanden weiterhin, daß der Stickstoffgehalt der Säure 2 bis
3 Proz. vom Gesamtharnstickstoff des Menschen und 21/, Proz. von
dem des Hundes ausmacht. Die pro Tag ausgeschiedene Menge
betrug, als Baryumsalz berechnet, beim Menschen 3 bis 4 g, beim
Hunde 10g im Liter.
Töpfer?) gelangte bei Nachprüfung der obigen Angaben zu
einem in braungefärbten Drusen kristallisierenden, sauren, durch
alkalische Sublimatlösung fällbaren Produkte. Er berechnete im
Harn die vorhandene Menge Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak,
Alloxurkörper, Kreatinin und Hippursäure und fand so, daß von
der Gesamtmenge des Harnstickstoffs nur ein Rest von Y/,, Proz.
für Substanzen unbekannter Art verbleibe.
') St. Bondzynski und R. Gottlieb, Über einen bisher unbekannten
Harnbestandteil, die Oxyproteinsäure. ÜOentralbl. f. d. med. Wiss. 33, 577 (1897).
®) Töpfer, Zur Kenntnis der unter dem Namen „Oxyproteinsäuren“
beschriebenen Harnbestandteile. Centralbl. f. d. med. Wiss. 41, 705 (1897).
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 415
Cloötta!) isolierte bei seinen Versuchen ein Gemenge von
Säuren der Oxyproteinsäuregruppe, das er „Uroprotsäure“ nannte.
Bei Zersetzung mit Schwefelsäure erhielt er Ameisensäure, Kohlen-
säure und Ammoniak.
Pregl?) ging 1899 auf die Voitschen Angaben zurück, iso-
lierte ein nach dem damaligen Stande der Frage einheitlich erschei-
nendes Gemenge von Oxyproteinsäuren und bestätigte die Zahlen-
werte von Bondzyüski und Gottlieb.
Pfaundler?) beschrieb eine Methode zur Aufteilung des
Harnstickstoffs auf eine Reihe von Fraktionen. Eine derselben,
und zwar diejenige, welche die durch Phosphorwolframsäure nicht
fällbaren, den Stickstoff in fester Bindung enthaltenden Verbindungen
umfaßt („Aminosäurenstickstoff“), entspricht ungefähr hinsichtlich
ihrer Größenordnung jenen Zahlenwerten, welche Bondzyüäski und
Gottlieb für den Stickstoff der Oxyproteinsäure ermittelt hatten.
Im Jahre 1903 gelang es Bondzyxski und Panekt), aus
der Oxyproteinsäure durch .Bleiessigfällung eine andere Säure, die
Alloxyproteinsäure, zu isolieren, deren Anteil am Gesamtstickstoff
sie mit 0,68 Proz. bezifferten. In 24 Stunden wurden 1,2g Alloxy-
proteinsäure ausgeschieden. Der nach Ausfällung der Alloxy-
proteinsäure verbleibende Rest gab intensive Diazoreaktion. Die
Autoren empfahlen zur Fällung der Oxyproteinsäure Quecksilber-
acetat statt des Nitrats.
Donze und Lambling5) berechneten die „Matieres non
dosees“* im Harn, d. h. die Gesamtmenge derjenigen mangelhaft
charakterisierten Substanzen, deren Quantum und Stickstoffgehalt
bisher noch nicht bestimmt worden war, und fanden, daß diese
Körper 2,5 bis 8,4 Proz. des Gesamtstickstoffs ausmachen.
Unter dem Namen Uroferrinsäure beschrieb ferner Thiele‘)
eine schwefelhaltige Säure von der Zusammensetzung 0,,H,;,N3SO;;,
) Max Cloötta, Über die Uroprotsäure, einen neuen Bestandteil des
Harnes. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. 40, 29 (1897/98).
?) Fritz Pregl, Über die Ursachen der hohen Werte des C: N - Quo-
tienten des normalen menschlichen Harns. Pflügers Arch. 75, 87 (1899).
») Meinhard Pfaundler, Über ein Verfahren zur Bestimmung des
_ Amidosäurenstickstoffs im Harn. (A. d. physiol.- chem. Inst. in Straßburg.)
- Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 76 (1900).
*) Bondzynski und Panek, Über die Alloxyproteinsäure, einen nor-
| - malen Harnbestandteil. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 35, 2959 (1903).
5) Donz& und Lambling, Le non dose organique de l’urine. Journ.
de Phys. et de Pathol. gen. 5, 225 (1903). — Dieselben, Comptes rendus
de la Soc. de biol. 1903, p. 1023.
6) 0. Thiele, Über Uroferrinsäure. Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 251.
414 Wilhelm Ginsberg,
welche er nach einem, der Siegfriedschen Eisenammoniakalaun-
methode zur Peptongewinnung nachgebildeten Verfahren aus Harn
isoliert hatte. Die Säure gibt nicht die typischen Eiweißreaktionen,
ist leicht löslich in Wasser und Methylalkohol, schwer löslich in
absolutem Alkohol, ist bereits aus verdünnter Lösung durch Phos-
phorwolframsäure und Quecksilbersalze fällbar und gibt bei hydro-
lytischer Spaltung Melanin, Kohlensäure, Ammoniak, Schwefelsäure,
Schwefelwasserstoff und Asparaginsäure. Die Existenz dieser Ver-
bindung wurde von Bondzynski und seinen Mitarbeitern in
Zweifel gezogen.
Im Jahre 1905 gelang Bondzynski, Dombrowski und
Panek!) die Darstellung einer dritten Oxyproteinsäure. Sie fanden,
daß nach Abfiltrieren des bei saurer Reaktion durch Quecksilber-
acetat ausfallenden Niederschlags beim Neutralisieren mit Natrium-
karbonat ein weiterer reichlicher Niederschlag sich ausscheidet. Sie
bezeichnen die bei saurer Reaktion ausfallende Substanz als Ant-
oxyproteinsäure, die andere Säure nannten sie Oxyproteinsäure und
fanden die Diazoreaktion nach Ehrlich an erstere geknüpft.
Durch Extraktion mit heißem Alkohol aus dem Niederschlag
des mit Phosphorwolframsäure gefällten Harns stellte Paul
Häri?2) einen stickstoffhaltigen Körper von saurem Charakter und
der empirischen Zusammensetzung C,,H;;N;0,; dar, der sich als
in Wasser und Alkohol kaum, in Äther, Chloroform und Benzol
gar nicht löslich erwies und sich, wie Häri betont, in seinem Ver-
halten von der Oxyproteinsäure und Alloxyproteinsäure unterscheidet.
Abderhalden und Pregl?) haben durch Dialyse aus dem
Alkoholextrakte des Harns ein Gemenge von Stoffen isoliert, das
keine freien Aminosäuren enthielt, bei der hydrolytischen Zer-
setzung jedoch Benzoösäure, Leuein, Alanin und Phenylalanin lieferte.
E. Salkowskit) fand, daß, während in normalem Harn der
Stickstoffgehalt des Alkoholniederschlages etwa 3 bis 5 Proz. des
Gesamtstickstoffs, in pathologischen Harnen 8 bis 9. Proz. ausmacht,
') St. Bondzynski, St. Dombrowski und K. Panek, Über die
Gruppe von im normalen Menschenharn enthaltenen stickstoff- und schwefel-
haltigen organischen Säuren. Zeitschr. f. physiol. Chem. 46, 83 (1905).
2) Paul Häri, Über einen neuen stickstoffhaltigen Bestandteil des nor-
malen Menschenharns. Zeitschr. f. physiol. Chem. 46, 1 (1905).
») E. Abderhalden und F. Pregl, Über einen im normalen mensch-
lichen Harn vorkommenden schwer dialysierbaren Eiweißabkömmling, ebenda,
S. 19,
*) E, Salkowski, Zur Kenntnis der alkoholunlöslichen bzw. kolloi-
dalen Stickstoffsubstanzen des Harns. Berl. klin. Wochenschr. 42, 1581 u.
1618 (1905).
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 415
dieser Wert bei einem Fall von Phosphorvergiftung auf 28 Proz.
anstieg und er glaubte, diesen Anstieg in erster Linie auf ein schwer
dialysables, kolloidales, durch Säure hydrolysierbares, stickstoff-
haltiges Kohlehydrat beziehen zu sollen.
Ferner bestimmten Eliacheff!), sowie kürzlich Sasaki?) und
Savar&®) die Menge der im Harn auftretenden nicht dialysablen
Stoffe und fanden eine Vermehrung der adialysablen Stoffe im
Fieber und bei Eklampsie. Die Menge derselben im normalen
Harn beträgt nach Sasaki 0,218 bis 0,688 im Liter.
Endlich hat in allerjüngster Zeit Liebermann) unter Sieg-
frieds Leitung festgestellt, daß in den im Menschenharn vor-
kommenden organischen Säuren, die unlösliche Quecksilbersalze und
wasserlösliche, aber alkoholunlösliche Baryumsalze bilden, ein Teil
des Schwefels in Form von Ätherschwefelsäure enthalten sei. Er
betont, daß die Alloxyproteinsäure keine einheitliche Substanz sei
und daß sich aus ihrer mit Ammonsulfat gesättigten Lösung durch
Eisenalaun eine Substanz isolieren lasse, die sich wie die Uro-
ferrinsäure Thieles (s. o.) verhalte und als eine Ätherschwefel-
säure anzusehen sei.
Die Gesamtheit der vorliegenden, einander in vielfacher Hin-
sicht widersprechenden Angaben deutet darauf hin, daß der Harn
unter normalen und pathologischen Bedingungen eine Reihe kom-
plizierter und anscheinend hoch molekularer Substanzen in nicht
unerheblicher Menge enthält, die zwar nicht die typischen Eiweiß-
reaktionen zeigen, jedoch zum Eiweißstoffwechsel in Beziehung
stehen dürften und von denen manche (wie aus dem erwähnten
Befund von Abderhalden und Pregl hervorgeht) vielleicht
geradezu als Polypeptide aufgefaßt werden könnten. Ob aller-
dings gerade die Oxyproteinsäuren mit diesen polypeptidartigen
Stoffen in Zusammenhang stehen bzw. mit denselben identisch
sind, war den bisher vorliegenden Angaben nicht zu entnehmen.
Eine der Aufgaben der im folgenden mitgeteilten Unter-
suchungen war es, diesen Zusammenhang aufzuklären.
") P. Eliacheff, Memoires de la soc. de Biol. [9] 3 (1891).
?2) Kumoji Sasaki, Bestimmung der nicht dialysablen Stoffe des Harns.
(A. d. physiol.-chem. Inst. Straßburg.) Diese Beiträge 9, 386 (1907).
®) M. Savare, Der Gehalt des Frauenharns an adialysablen Stoffen
unter normalen und pathologischen Verhältnissen, ebenda, S. 401.
*) H. Liebermann, Über die Gruppe von N- und S-haltigen organi-
schen Säuren, welche im normalen Menschenharn enthalten sind. (A. d.
chem. Abt. d. physiol. Inst. Leipzig.) Zeitschr. f. physiol. Chem. 52 (1, 2),
Juni 1907. |
416 Wilhelm Ginsberg,
Vor allem habe ich mich aber bemüht, eine Methode zur
quantitativen Bestimmung der Substanzen der Oxypro-
teinsäuregruppe im Harn auszuarbeiten und mit Hilfe der-
selben die Bedingungen für ihr Auftreten unter normalen
und pathologischen Verhältnissen und insbesondere einen etwaigen
Zusammenhang derselben mit dem Eiweißzerfall im Orga-
nismus klarzulegen. Der Frage der chemischen Individualität der
Alloxyproteinsäure, der Antoxyproteinsäure und der ÖOxyprotein-
säure bin ich, wie ich ausdrücklich betonen möchte, nicht näher
getreten und es werden obige Bezeichnungen im Sinne der
Definition Bondzyüskis und seiner Mitarbeiter einfach der
Kürze halber zur Charakterisierung einer bestimmten
Harnfraktion ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Ein-
heitlichkeit oder Nichteinheitlichkeit gebraucht.
2. Methode zur quantitativen Bestimmung der Oxyproteinsäuren-
fraktion.
Methode A. Zum Zwecke der quantitativen Bestimmung der
Oxyproteinsäuren gingen wir nach mannigfachen Vorversuchen zu-
nächst in folgender Weise vor:
Eine Menge von 1000 cem Harn (dessen Gesamtstickstoffgehalt
vorher nach Kjeldahl bestimmt worden war) wird mit heiß-
gesättigter Baryumhydroxydlösung im Überschuß gefällt, durch
Kohlensäure vom Barytüberschuß befreit, ein aliquoter Teil heiß
filtriert und auf dem Wasserbade eingedampft. Der Trockenrück-
stand wird mehrmals mit heißem Alkohol extrahiert, bis das
Extrakt keine Harnstoffreaktion nach Lüdy oder nach Schiff
mehr gibt, dann unter Rückflußkühlung mit Äther extrahiert, der
Äther abgegossen und der Rückstand in Wasser gelöst. Aus“
dieser Fraktion (die weder Harnstoff, noch Harnsäure, noch Ammo-
niak mehr enthalten soll) wird mit Bleiessig, unter sorgsamster
Vermeidung eines Überschusses, die „Alloxyproteinsäure* ausgefällt
und der Stickstoffgehalt des Niederschlages nach Kjeldahl be-
stimmt. Im Filtrat wird durch Quecksilberacetat unter Sodazusatz
die Summe der Antoxyproteinsäure und Oxyproteinsäure ausgefällt
und ihr Stickstoffgehalt bestimmt. Um eine vollständige Fällung
zu erzielen, wird eine heißgesättigte Lösung von Quecksilberacetat
und eine verdünnte Sodalösung abwechselnd so lange zugesetzt, als
der Niederschlag weiß ausfällt. Eine Gelbfärbung des Nieder-
schlages zeigt den Endpunkt der Reaktion an.
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 417
Bei Anwendung dieser Methode ergeben sich folgende Nachteile:
1. Es sind zwar die gereinigten Baryumsalze der drei Oxyproteinsäuren
in Alkohol unlöslich, aber die ungereinigten Salze gehen, wenn auch in
geringem Maße, in den heißen Alkohol über, so daß Verluste unvermeid-
lich sind;
2. ist die lanedauernde, wiederholte Alkoholextraktion recht umständ-
lich, abgesehen davon, dab manchmal immer noch Harnstoff und Ammoniak-
spuren in dem Extrakt zurückbleiben und eigene Korrekturen erfordern;
3. ist eine scharfe Trennung der Alloxyproteinsäurefraktion von den
beiden anderen Oxyproteinsäuren mit Hilfe der Bleiessigfällung unmöglich,
insofern der voluminöse Niederschlag stets einen Teil der letzteren mitreißt
(vgl. die einschlägigen Angaben Bondzynskis und seiner Mitarbeiter).
Wir haben daher späterhin auf eine gesonderte Bestimmung der
Alloxyproteinsäure ganz verzichtet und die Methode in folgender Weise
modifiziert:
Methode B. Nach der Baryt- und Kohlensäurebehandlung
wird das Filtrat nicht zur Trockne gedampft, sondern nur bis zum
dünnen Sirup eingeengt und dieser nach dem Prinzip von Mörner-
Sjöquist mit Ätheralkohel (1:2) erschöpft. Dies wird dadurch
erreicht, daß der Sirup, mit der zwanzigfachen Volummenge
Ätheralkohol versetzt und gut durchgeschüttelt, 24 Stunden in ver-
schlossenem Gefäß stehen bleibt, dann die Flüssigkeit von dem
abgesetzten Niederschlag oder Sirup abgegossen, der Rückstand
mehrmals (eventuell auf dem Filter) mit Ätheralkohol gewaschen
und dann in Wasser gelöst wird. Diese Fraktion bezeichne ich als
„Barytfraktion“. In ihr sind Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak,
Kreatin, Kreatinin, Hippursäure nicht vorhanden, sondern anschei-
nend nur die Baryumsalze der drei Oxyproteinsäuren und ein
derzeit noch unbekannter, stickstoffhaltiger Rest. Die Gesamtheit
der ÖOxyproteinsäuren wird durch Quecksilberacetat unter Soda-
zusatz ausgefällt und ihr Stickstoffgehalt nach Kjeldahl bestimmt.
Von größter Wichtigkeit für die Brauchbarkeit der Methode war die
Feststellung, ob der Oxyproteinsäurenniederschlag tatsächlich frei von
Harnstoff und Ammoniak sei.
Zur qualitativen Prüfung auf Harnstoff dienten die Reaktionen mit
Orthonitrobenzaldehyd (nach Lüdy), sowie mit Furfurol (mach
Schiff), wobei sich bei richtiger Ausführung die letztere als die weitaus
leistungsfähigere erwies ').
Die Prüfung der „Barytfraktion“ mit Furfurol wurde in sehr vielen
Fällen vorgenommen und fiel stets vollkommen negativ aus.
') Empfindlichkeit:
Konzentration der Harnstofflösung: 1Proz. 0,5 Proz. 0,1 Proz. 0,05 Proz.
Reaktion mit O-Nitrobenzaldehyd: deutlich undeutlich ? —
" - ‚Bünlurol Schr .usi s r, deutlich deutlich deutlich.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 97
418 Wilhelm Ginsberg,
Um jedoch in dieser Hinsicht völlig sicher zu gehen und überdies
gleichzeitig eine etwaige Verunreinigung der ÖOxyproteinsäuren mit
Ammoniak auszuschließen, verfuhren wir derart, daß wir nach dem der
Schöndorffschen Harnstoffbestimmungsmethode zugrunde liegenden Prin-
zip eine Probe der betreffenden Fraktion 4 bis 5 Stunden lang mit Meta-
phosphorsäure auf 150° erhitzten und sodann das entstandene Ammoniak
durch Destillation mit Magnesia bestimmten. Der Versuch fiel entweder
vollkommen negativ aus (Versuch Il/8, XIl/4, XIIl/5, XXVI/3) oder gab nur
geringe, praktisch kaum in Betracht kommende Ausschläge (Versuch VII/3
und XIX/D4.)
Nur in einem (pathologischen) Falle (Versuch XXV/4) gab die Be-
stimmung gleichzeitig mit einem abnorm hohen Wert für die Oxyprotein-
säuren einen größeren Ammoniakwert, der jedoch angesichts der negativen
Furfurolprobe schwerlich auf eine Harnstoffbeimengung, sondern vermutlich
auf Beimengung irgend eines abnormen, locker gebundenen Stickstoff ent-
haltenden Harnbestandteils bezogen werden dürfte (s. u.).
Wir haben uns gelegentlich über die Abwesenheit des Harnstoffs über-
dies auch in der Weise Sicherheit verschafft, daß wir den zum Waschen des
barythaltigen Niederschlags benutzten Alkoholäther abdunsteten und in dem
Rückstande die Abwesenheit von Harnstoff feststellten, oder besser noch in
der Weise, dab wir die Barytfraktion noch einmal in wenig Wasser lösten,
mit Alkoholäther fällten und dann die überstehende Flüssigkeit der Prüfung
unterwarfen.
Das Fehlen von Harnsäure in der „Barytfraktion“ wurde mit Hilfe
der Murexidreaktion, die Abwesenheit von Kreatinin und Kreatin mit
Hilfe der Reaktionen nach Weyl und Jaffe sowohl direkt, als nach voraus-
gegangener Hydrolyse sichergestellt. Auch die Hippursäure geht, dank
der Alkohollöslichkeit ihrer Erdalkalisalze, nicht in die Barytfraktion über');
die Abwesenheit derselben wurde durch einen Bestimmungsversuch nach
Bunge und Schmiedeberg (Versuch IIl/6) erwiesen. Auch ist in dieser
Hinsicht die Beobachtung bemerkenswert, daß selbst nach sechsstündiger
Extraktion der durch Schwefelsäure in Freiheit gesetzten Oxyproteinsäuren
mit Äther in der Wärme keine meßbare Menge einer stickstoffhaltigen Sub-
stanz in Lösung geht (Versuch II/10).
Für die Gegenwart von Urochrom in unseren Lösungen ergab sich
kein Anhaltspunkt.
Andere stickstoffhaltige Substanzen kommen ihrer Menge nach für
den menschlichen Harn praktisch kaum in Betracht. Manche, wie z. B. die
Xanthinbasen, konnten in jenen Fällen direkt ausgeschlossen werden, wo die
Prüfung der Barytfraktion mit Phosphorwolframsäure überhaupt keine
Fällung gab. Es war dies aber schon aus dem Grunde nicht immer der
Fall, als eine der Oxyproteinsäuren, die Antoxyproteinsäure, :aus konzen-
trierteren Lösungen durch dieses Reagens gefällt wird.
Für den Hundeharn mußte jedoch noch an die Möglichkeit einer Bei-
mengung von Kynurensäure und Allantoin gedacht werden. Auf die
Gegenwart der ersteren wurde mit der Jaffeschen Reaktion mit negativem
Erfolge geprüft (Versuch XIII). Dagegen konnte die Gegenwart von Allan-
') Vel. Hammarstens Lehrbuch, 6. Aufl. 1907, S. 562.
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 419
toin nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, es wurde daher in mehreren
Fällen durch Bestimmung desselben nach dem Verfahren von Löwi eine
(das Resultat übrigens nicht wesentlich beeinflussende) Korrektur eingeführt
(Versuch XIIl/6 und XIV/5). Bei der Mehrzahl der übrigen Versuche konnte
das Allantoin vernachlässigt werden, da die Ausscheidung desselben, über-
einstimmenden Literaturangaben zufolge, im Hunger auf einen minimalen
Wert absinkt.
Schließlich sei noch erwähnt, daß wir, um uns Sicherheit darüber zu
verschaffen, ob die Fällung der Oxyproteinsäuren bei Gegenwart von Alkali
eine vollständige ist und sich nicht etwa ein Teil des Niederschlages im
Überschuß des Fällungsmittels von neuem löst, derart vorgingen, daß wir in
einem Falle (Versuch IIl/6) das Filtrat der Oxyproteinsäurefällung mit Salz-
säure schwach ansäuerten, durch Schwefelwasserstoff von (Juecksilber
befreiten, stark einengten und neuerlich durch vorsichtigen Zusatz von
Quecksilberacetat auf die Gegenwart von Oxyproteinsäuren prüften. Es fiel
aber keine organische Quecksilberverbindung mehr aus.
3. Versuche mit Menschenharn.
Versuch I. Normaler Harn. 1000ccm normalen Menschenharns
werden mit heißgesättigter Barytlösung im Überschuß gefällt; der Barytüber-
schuß wird durch Kohlensäure entfernt, vom Gesamtvolumen (1580 ccm) ein
Quantum von 500 cem abfiltriert, das Filtrat zuerst in einer Schale, dann in
einem Soxhletkolben stark eingeengt, schließlich am Trockenschrank ge-
trocknet, der Trocekenrückstand viermal je eine Stunde lang mit heißem
Alkohol extrahiert. Im vierten, farblosen Alkoholextrakt fällt die Harnstoff-
probe nach Lüdy negativ aus, die Furfurolreaktion ist schwach angedeutet.
Dann wird unter Rückflußkühlung mit Äther extrahiert und der Rückstand
mit destilliertem Wasser zu 300 cem gelöst.
1. Gesamtstickstoff: a) 10Occm Harn = 0,108g N; b) 10cem Harn
— 0,105g& N. (1000 ccm Harn = 10,65g N.)
2. Gesamtstickstoff der Barytfraktion: a) 20cem Barytfraktion
Zee, on NH, —= 0.010648 N; b) 20cem = 7,9eem '/„n-NH, =
0,01106g N. (1000ccm Harn = 0,5045 g N bzw. 0,5242 g N.)
3. Stickstoff der Alloxyproteinsäurefraktion: a) 50 cem Baryt-
fraktion = 0,00182 & N; b) 50 ccm —= 0,00175 & N. (1000 ccm Harn = 0,0564 g N.)
4. Stickstoff des aus dem Filtrat der Bleiessigfällung durch
Quecksilberacetat und Soda ausgefällten Niederschlages: a) 50 cem
Barytfraktion = 8,6ccm '/,, na-NH, = 0,01204g N. (In 1000ccm Harn =
0,3805 & N.)
5. Stickstoff des dazugehörigen Filtrats: 50cem Barytfraktion
— 3,4ccem Y,n-NH, = 0,00476g N. (1000 cem Harn = 0,15042g N.)
Der Stickstoff der Barytfraktion verteilt sich sonach auf:
Berproleinsaurg.. . nn ea. 0,0564 & N
Antoxyproteinsäure und Oxyproteinsäure 0,3805 „
Re re A ae 3: ar SE 0,1504 5
0,5873g N
entsprechend 1000 ccm Harn, während die direkte Gesamt-N-Bestimmung im
Mittel 0,5143 ergeben hatte.
277
490 Wilhelm Ginsberg,
Versuch I. Normaler Harn. Von 3000 eem normalen Menschenharns
werden 500 cem abgemessen, wie oben mit Barytwasser und Kohlensäure
behandelt. Von 1200 eem wird ein Quantum von 730cem abfiltriert, ein-
gedampft, dreimal mit heißem Alkohol je ein bis anderthalb Stunden, einmal
mit Ätheralkohol (1:2) im Soxhletapparat extrahiert.
Im ersten Alkoholextrakt ist außer Harnstoff auch Kreatinin durch die
Jaffesche und die Weylsche Reaktion nachweisbar. Im dritten Extrakt
ist kein Harnstoff und kein Kreatinin mehr nachweisbar. Der in Alkohol
unlösliche Rückstand wird in Wasser gelöst und auf 300cem gebracht. In
dieser Lösung war Harnstoff und Ammoniak noch vorhanden, Kreatinin und
Harnsäure völlig entfernt.
l. Gesamt-N: a) 10 cem Harn = 0,09338 & N; b) 10 cem = 0,09338 & N.
(1000 cem Harn = 9,34g N bzw. 9,34 N.)
2. Gesamt-N der Barytfraktion: a) 20cem der Barytfraktion =
42 cem Y.n-NH, = 0,00588 8 N; b)'10 ccm’ = 2,1 ccm 7, Nu
0,00294g N. (1000cem Harn = 0,2464g N bzw. 0,2464 g N.)
3. Ammoniak-N: 50cem Barytfraktion werden über MgO destilliert:
a)50cem=1,3cem Y, a-NH,; b) 50 cem = 1,2 cem '/,, a-NH, = 0,001 68g N;
c) = 1,0cem Y,, a-NH,. (1000ccem Harn = 0,028 g N.)
4. Ammoniak und Harnstoff-N: 20cem der Barytfraktion werden
4'/, Stunden im Ölbade bei 150° mit 10g Metaphosphorsäure erhitzt, dann
nach vorsichtiger Neutralisation mit Natronlauge mit Magnesia usta de-
stilliert; a) 20 cem = 1,2ecem / ,a-NH, = 0,00168g N; b) 20 cem = 1,0 ccm
Yo a-NH, = 0,0014 g& N. (1000 cem Harn = 0,07& N bzw. 0,059 & N,
Mittel 0,065 g N.)
Es müssen also 0,065 g N als Korrektur von 0,2464 g N abgezogen |
werden. Das Verhältnis des Stickstoffs der Barytfraktion (korrigiert zu
0,181g N) zum Gesamtstickstoff ergibt sich demnach: NBa : Nges = 0,181 : 9,34.
Sodann wird die Hauptmenge des Harns bis zur Herstellung der Baryt-
fraktion analog behandelt, jedoch zur Beseitigung des Harnstoffrestes länger
mit Alkohol extrahiert und die Barytfraktion auf ein Volumen von 1000 cem
gebracht.
5. Gesamt-N der Barytfraktion: a) 20ccm der Barytfraktion —
4,0 cem Y. an-NH, = 0,0056 & N; b) 20 cem =45 cem Yu a-NH, =
0,0063 & N. (1000 cem der Barytfraktion = 0,28g N bzw. 0,31g N, Mittel
0,29g N.)
Aus dieser Zahl wird nach der sub 1 und 4 berechneten Proportion
die der Gesamtmenge der Barytfraktion entsprechende Harnmenge auf
1600 cem Harn berechnet und den weiteren Analysen zugrunde gelegt.
6. Alloxyproteinsäure -N: 50 cem der Barytfraktion = 4,4 cem
Y.n-NH, = 0,00616g N. (1000 ceem Harn = 0,077 g N.)
7. Gesamtoxyproteinsäuren-N: 20 ccm der Barytfraktion = 3,1 cem
/on-NH, = 0,00434g N. (1000cem Harn = 0,135 g N.)
8. Harnstoff und Ammoniak-N: 20 cem der Barytfraktion = O0 ccm
U) DNB,
9. Ätherextraktion: 50 cem der Barytfraktion werden mit verdünnter
Schwefelsäure angesäuert und im Schacherlapparate 6 Stunden lang mit
Äther extrahiert. Dann wird der Extraktionsäther abgegossen, abgedampft
und der Rückstand im Kjeldahlkolben zersetzt. 50ecem=0cem Y,n-NH;.
|
;
t
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 491
Versuch Ill. Normaler Harn. 3000 cem normalen Harns werden nach
der Methode B (S. 417) verarbeitet und die Barytfraktion auf 2000 ccm
aufgefüllt. Die Furfurolreaktion auf Harnstoff fiel negativ aus, ebenso die
Prüfung auf Kreatin, Kreatinin und Xanthinbasen. Da bei Phosphorwolfram-
säurezusatz kein Niederschlag entstand, war auch kein Ammoniak vorhanden.
Harnsäure war nicht nachweisbar.
k Gesamt=N:: 3), 5:cem. Harnz= 35,7 cem YY, n-NH, = 0,05 & N;
Ben = 705 icen Y, a-NH, =:0;0987:8:N;.,c) 10 cem. =:'7Fıccm
UV a-NH, = 0,0994g N. (1000ccm Harn = 9,998g N bzw. 9,87 g N und
9,94 & N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20ccm Barytfraktion = 15,1cem Y,. ua-NH,
Te N; b) 20ccm = 158 ccm''Y ,na-NH, = 0,02212 &:N. (1000'ccm
Harn = 0,705 g N bzw. 0,737 g N.)
3. Alloxyproteinsäuren-N: a) 100 cem Barytfraktion = 14,8ccm
eu 35270020728 N; b)\50 cem’='82’cem’'/, n-NH,;, =:0,01148£& N;
(1000 ccm Harn = 0,138g N bzw. 0,153 & N.)
4. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)20 ccm Barytfraktion = 12 ccm
Ber = 0,0168 N; b) 50 com = 24 com) EU: NH;.==: 0,0336. 8 N;
ec) 20 ccm = 11,1ccm Y„a-NH, = 0,01554g N. (1000 ccm Harn = 0,56& N
bzw. 0,448 N und 0,518g N.)
5. 50 ccm werden zum Hippursäurenachweis nach Bunge und
Schmiedeberg verwandt. Ergebnis negativ.
6. Direkte Bestimmung des Reststickstoffs. Zur direkten Be-
stimmung jenes Stickstoffrestes, der sich in der Barytfraktion nach Beseiti-
gung der Oxyproteinsäuren findet, wurde die Fällung derselben in einem
Teil der Barytfraktion mit Quecksilberacetat unter Sodazusatz durchgeführt,
das Filtrat von Quecksilber befreit und der N-Gehalt desselben ermittelt.
1000cem Harn entsprechend, fand sich ein Stickstoffrest von 0,160 g. Durch
Subtraktion der Mittelwerte von 2. Gesamt-N = 0,721 und 4. Oxyprotein-
säuren-N — 0,509 ergibt sich 0,212 als berechneter Kontrollwert.
Versuch IV. Normaler Harn. 750 cem normalen Menschenharns auf
75 ccm eingeengt, wie sub III behandelt. Aliquoter Teil der Baryumfällung
filtriert (von 340 ccm : 250 ccm). Die Alkoholätherfällung wie oben. Der
ausgewaschene Rückstand zu 255 ccm gelöst. Prüfung auf Harnstoff, Harn-
säure, Ammoniak, Kreatin, Kreatinin, Xanthinbasen, Hippursäure fiel
negativ aus.
l. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 29,9ccm Y,n-NH, = 0,04186g N;
b) 5ccem = 30,8 ccm Y ,n-NH, = 0,04312g N; ce) 5ecm = 30,3 ccm Y,u-NH,
= 0,04242g N. (1000cem Harn = 8,36 & N bzw. 8,622 N und 8,48g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10cem Barytfraktion = 5cem '/,n-NH;,
0,007 g N; b) 22 cem = 9,3cem Y,un-NH, = 0,013g N. (1000 ccm Harn
0,317 g N bzw. 0,298 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)20 cem Barytfraktion = 8,6 ccm
Yo a-NH, = 0,012g N; b) 20 cem = 8,4ccm /,u-NH, = 0,01176g N.
(1000 ccm Harn = 0,27 g N bzw. 0,27 g& N.)
4. Alloxyproteinsäuren-N: a) 50 cem Barytfraktion = 10,4 ccm
Von-NH, = 0,01456& N; b) 50cem = 10,4cem Y.,n-NH, = 0,01456 g N.
(1000 cem Harn = 0,132g N bzw. 0,132 g N.)
422 Wilhelm Ginsberg,
Versuch V. Normaler Harn. 900ccm normalen Menschenharns werden
wie oben behandelt. Von 450ccm der Baryumfällung werden 360 ccm ab-
filtriert. Der Ätheralkoholrückstand wird zu 300 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 45,7 ccm Y„n-NH, = 0,06398 g N;
b) 5eem = 46,1ccm \/, a-NH, = 0,06454g N. (1000ccm Harn = 128g N
bzw. 12,9g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10Occm Barytfraktion = 7,6ccm Y,, n-NH,
— 0,01064g N; b) 10ccm = 7,4ccem Y„n-NH, = 0,01036g N. (1000 ccm
Harn = 0,4450 N bzw. 0,431e N.)
3.Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)20 ccm Barytfraktion = 14,2 ccm
/ ,o-NH, = 0,01988g N; b) 20cem = 14,3 ccm "/,, n-NH, = 0020027 75
(1000 cem Harn = 0,414& N bzw. 0,417 g N.)
4. Alloxyproteinsäuren-N: a) 50 ccm Barytfraktion —= 8,7 ccm
Yo an-NH, = 0,01208g N; b) 50ccm = 10cem '/, a-NH, = 0,04E N
(1000 cem Harn = 0,10g N bzw. 0,1166 g N.)
Versuch VI. Normaler Harn. 1000 ccm Harn wie oben behandelt;
von 750 cem Baryumfällung werden 600 ccm filtriert. Der ausgewaschene
Alkoholätherrückstand zu 360 ccm gelöst.
1. Gesamt-N: a) 5ccm Harn = 36,3ccm '/., a-NH, = 0,0508g N;
b) 5ecem = 35,5cem Y, n-NH, = 0,0497 g N. (1000 ccm Harn = 10,16g N
bzw. 9,94 & N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10cem Barytfraktion = 9,2 cem \,, n-NH,
— 0,01288g N; b) 10cem = 8,9cem Y.n-NH, = 0,01246g N. (1000 ccm
Harn = 0,5796 g N bzw. 0,5585 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)20 ccm Barytfraktion = 14,5 ccm
Y.n-NH, = 0,0203g N; b) 20cem = 14,5 ccm Y. a-NH, = 0,0203 8 N.
(1000 cem Harn = 0,4567 & N bzw. 0,4567 g N.)
Versuch VII. Normaler Harn. 500 cem Harn wie oben behandelt;
von 1400 ecm der Barytfällung werden 1200 cem filtriert. Der ausgewaschene
Ätheralkoholrückstand zu 400 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 45,7 ccm \Y.n-NH, = 0,06398g N;
b) 1Ocem = 90,9cem Y., n-NH, = 0,12726g N. (1000cem Harn = 12,7 g N
bzw. 12,7g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20cem Barytfraktion = 10,l1cem \,, n-NH,
— 0,01414g N; b) 20ccm = 10,2cem Y.n-NH, = 0,01428g N. (1000 cem
Harn = 0,66g N bzw. 0,666 & N.)
3. Ammoniak- und Harnstoff-N: 75 cem Barytfraktion mit 35 g
Metaphosphorsäure bei 150° 5 Stunden erhitzt, dann neutralisiert und mit
Magnesia usta destilliert; 75 cem = 3 cem Y/,, n-N H, = 0,0042 g N. (1000 cem
Harn = 0,0523 & N, d. i. 7,9 Proz. des Barytfraktion-N.)
Versuch VIII. Carcinoma pylori, Kachexie. 850ecm Harn, der
frei von Eiweiß ist und keine Diazoreaktion gibt, werden wie oben be-
handelt. Von 320 eem der Barytfällung werden 280 cem abfiltriert. Der
in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 410cem gelöst. In der Baryt-
fraktion fällt die Furfurolprobe auf Harnstoff negativ aus.
l. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 17,1cem Y,.n-NH, = 0,0239 g N;
b) 5eem = 17,2cem Y,,n-NH, = 0,02418g N. (1000cem Harn = 4,8g N
bzw. 4,8g N.)
EERTERERIEIO EL GEREDIRMENEOLRDER EINEN OR NT
[2)
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 4923
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktiin = 3ccm Y, n-NH,
— 0,0042g N; b) 10ccm = 3,2ccm Y„nn-NH, = 0,00448g N. (1000 ccm
Harn = 0,231g N bzw. 0,21g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)20 ccm Barytfraktion = 3,6 ccm
Uon-NH, = 0,00504& N; b) 20 ccm = 4 cem Y, a-NH, = 0,0056 & N.
(1000 cem Harn = 0,1556g N bzw. 0,154 g N.)
Versuch IX. Puerperalsepsis, Fieber bis 40,6°. 1100cem Harn
wie oben behandelt, von 535 cem Barytfällung werden 415 cem abfiltriert.
Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 490cem gelöst. Die
Furfurolreaktion auf Harnstoff fiel negativ aus. Ammoniak nicht nachweisbar.
1. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 38,7 ccm Y,n-NH, = .0,05418g N;
Di 5ecm = 37,0cem %., u-NH, = 0,0518g N. (1000cem Harn =,10,8gN
bzw. 11,4g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 1Occm Barytfraktion = 9,6ccm '/, a-NH,
— 0,01344g N; b) 10ccm = 9,8cem Y.n-NH, = 0,01372g N. (1000cem
Harn —= 0,8145 & N bzw. 0,83 g N.)
3. Gesamt- Oxyproteinsäuren -N: a) 20 ccm Barytfraktion =
Bee 7, oa -NH, = 0,018628 N; b) 23ecm = 16,7 cem Y, ua-NH, =
0,02338g N. (1000 cem Harn = 0,5642 g N bzw. 0,5659 & N.)
4. Mercuronitratniederschlags-N: Beim Fällen in alkalischer
Lösung scheidet sich ein reichlicher weißer Niederschlag aus, der sich unter
Abscheidung von Quecksilber rasch schwärzt. Es wird deshalb beim Filtrieren
mit Essigsäure angesäuert und mit essigsäurehaltigem Wasser gewaschen;
a) 25cem Barytfraktion — 3,0cem 4, n-NH, = 0,0042 N; b) 25cem =
3,4 ccm Y., na-NH, = 0,00476 & N. (1000 ccm Harn = 0,1016 g N bzw.
0,1152g N.)
5. Mercurinitratniederschlag-N: a) 25 ccm Barytfraktion =
ea NH, = 0,0133 g N; b) 25cem = 10,0 cem Y,. n-NH, =
0,014& N. (1000ccm Harn = 0,522 g N bzw. 0,339 g N.)
6. Phosphorwolframsäureniederschlag-N: (entsprechend der
Antoxyproteinsäure?) 25cem = 2,4cem /„u-NH, = 0,00536 & N. (1000 ccm
Harn —= 0,0813 g N.)
Versuch X. Perniziöse Anämie. 940 cem Harn wie oben be-
handelt. Von 775 ccm Baryumfällung werden 720 ccm abfiltriert. Der in Äther-
alkohol unlösliche Rückstand zu 360 ccm gelöst. In der Barytfraktion kein
Harnstoff, Kreatinin oder Harnsäure nachweisbar.
1. Gesamt-N: a) 5ccm Harn = 23,4cem Y„ua-NH, = 0,03276 0 N;
b) 5cem = 23,2ccm '/,, n-NH, = 0,03248g N. (1000 cem Harn = 6,55 g N
bzw. 6,49g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 6,5 ccm Y. a-NH,
re N; bh) 10cm = 6,3ccm Y„n-NH, = 0,00882g N. (1000 ccm
Harn = 0,3751g N bzw. 0,3633 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: 20 ccm Barytfraktion = 9 ccm
/,, a-NH, = 0,0126g N. (1000ccm Harn = 0,2596 g N.)
Versuch XI. Uleus ventriculi, Fieber, Kachexie 340 ccm
Harn wie oben behandelt. Von 300 ccm Barytfällung werden 260 ccm filtriert.
Der in Ätheralkohol unlösliche, gut ausgewaschene Rückstand zu 140 ccm
424 Wilhelm Ginsberg,
gelöst. In der Barytfraktion kein Harnstoff, Kreatinin oder Harnsäure
nachweisbar.
1. Gesamt-N: a) 5öcem Harn = 185ccm Y, n-NH, = 0,0259 g N;
b) 5cem = 19,0 cem '/, n-NH, = 0,0266 N. (1000 ccm Harn = 5,18g N
bzw. 5,32g N.) »
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 3,7cem Y,, n-NH,
—= 0,00518g N; b) 20 cem = 6cccm \/„n-NH, = 0,0084 g N. (1000 ccm
Harn = 0,2461 & N bzw. 0,20g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: 40cem Barytfraktion = 8,5 cem
/w a-NH, = 0,0119g N. (1000 ccm Harn = 0,14g N.)
Versuch XI. Eklampsie 900 ccem Harn werden wie oben ver-
arbeitet. .Von 1700 cem Barytfällung werden 1600 ccm abfiltriert. Der in Äther-
alkohol unlösliche Rückstand wird zu 200 ccm gelöst. In der Barytfraktion
fällt die Furfurolprobe negativ aus. Ammoniak nicht nachweisbar.
l. Gesamt-N: a) 10cem Harn = 53,7cem Y,n-NH, = 0,07518gN;
b) 10 cem = 53,6ccm Y. n-NH, = 0,07504g N. (1000ccm Harn = 7,5gN.)
2. Barytfraktion-N: 20ccm Barytfraktion = 7,7cem YY., a-NH, =
0,01073& N. (1000cem Harn = 0,126 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 30 ccm Barytfraktion = 7,9 cem
Yun-NH, = 0.011068. N; b) 30cch = 8,1ecm '"/,n-NH, = DON 8223
(1000 ccm Harn = 0,086 & N bzw. 0,089 & N.)
4. Ammoniak- und Harnstoff-N: 50cem Barytfraktion mit 2,5g
Metaphosphorsäure bei 150° 5 Stunden erhitzt, dann neutralisiert, mit
Magnesia usta destilliert; 50 ccm = Occem \Y„n-NH,.
Ein Blick auf die nebenstehende Tabelle lehrt folgendes:
Beim normalen Menschen fand sich einer Ausscheidung von
8,3 bis 12,7 g Stickstoff im Liter entsprechend (wenn wir vom
Versuch I absehen, wo infolge Anwendung der Alkoholextraktions-
methode die Oxyproteinsäurezahlen zu klein ausgefallen sein dürften)
ein Quantum von 0,27 bis 0,5lg Oxyproteinsäurestickstoff, was
3,1 bis 5 Proz. des Gesamtstickstoffs ausmacht. Eine genaue Um-
rechnung auf das Gewicht ausgeschiedener Oxyproteinsäuren ist
nicht möglich, da der Stickstoffgehalt der drei von Bondzynski!)
und seinen Mitarbeitern isolierten Säuren außerordentlich ver-
schieden ist (Mittelwert: Alloxyproteinsäure 13,55 Proz., Oxyprotein-
säure 18,08 Proz., Antoxyproteinsäure 24,4 Proz. N). Ein ungefährer
Überschlag lehrt jedoch, daß dieser: Stickstoffmenge etwa 1!/, bis
31/,g dieser Säure im Liter entsprechen dürfte.
3edenkt man, daß die Menge im Harn ausgeschiedener Harn-
säure beim Menschen für gemischte Kost im Mittel 0,7 g, die des
die der Hippursäure 0,7g in 24 Stunden ?) aus-
Kreatininus 1 g,
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®) Vel. Hammarstens Lehrbuch, 6. Aufl. 1907, 8. 627.
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426 | Wilhelm Ginsberg,
macht, so ergibt sich die bemerkenswerte Tatsache, daß die
OÖxyproteinsäuren tatsächlich ihrer Gesamtmenge nach
anscheinend alle stickstoffhaltigen Bestandteile des
Harns, mit Ausnahme des Harnstoffes, übertreffen.
Es ergibt sich ferner, daß die „Alloxyproteinsäure* ihrer
Menge nach hinter der Summe der beiden anderen Säuren zurück-
bleibt (und zwar vermutlich in noch höherem Grade, als dies aus
den Versuchszahlen hervorgeht, da ihr Niederschlag einen Teil der
anderen Säuren mitreißt und das Verhältnis sonach zugunsten:
der Alloxyproteinsäure und zuungunsten ihrer Begleiterinnen ver-
schoben erscheint).
Unser Resultat hinsichtlich der Menge der unter normalen
Verhältnissen ausgeschiedenen Oxyproteinsäuren steht im Einklang
mit den Schätzungen von Gottlieb und Bondzynski!), sowie mit
denjenigen Pregls?). Die Erstgenannten fanden 3 bis 4g des
Baryumsalzes in einem Liter Menschenharn; es wird dementsprechend
2 bis 3 Proz. des gesamten Harnstickstoffs und nach Pregl bis
4 Proz. in Form von Oxyproteinsäuren ausgeschieden. Pfaundler?°)
fand, daß die Fraktion der durch Phosphorwolframsäure nicht fäll-
baren, festgebundenen Stickstoff („Aminosäurenstickstoff) ent-
haltenden Körper im Harn eines gesunden Mannes 4,7 Proz. des
Gesamtstickstoffs entsprach. Diese Fraktion verteilt sich an-
scheinend in erster Linie auf Oxyproteinsäuren und Hippursäure,
wobei die Hauptmenge, wie Pfaundler mit Recht hervorhebt,
auf die erstere entfällt.
Landau®) fand die Menge des Aminosäurenstickstoffs bei
reiner Milchkost 2,1 bis 5,1 Proz., bei gemischter Kost aus
Milch und Fleisch 3,0 bis 4,1 Proz. Er äußert die Meinung,
daß der Anteil der ÖOxyproteinsäure an dieser Fraktion nur
gering sein dürfte und diese, ihrer Hauptmenge nach, aus un-
bekannten Substanzen bestehe, während Bondzynski°) betont, daß
gerade die Zunahme des Aminosäurenstickstoffs in Landaus Ver-
suchen beim Übergange von Milchkost zu gemischter Kost auf die
#
rl,
“ID
s) |.
*) A. Landau, Über die Stickstoffverteilung des Harns von gesunden
Menschen. Gazeta Lekarska (Warschau) 38, 979, zit. nach dem Referate
Bondzynskis, Jahresber. f. Tierchemie 33, 458; vgl. auch D. Arch. f. klin.
Med. 79, 416.
°) Vgl. Fußnote zu vorstehendem Referate.
C.
C.
©.
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 427
gesteigerte Bildung der Säuren der ÖOxyproteinsäuregruppe bei
Fleischdiät zurückzuführen ist !).
.Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß ein sehr großer
Anteil des „Azote non dose“ von Donze und Lambling (2,56
bis 8,37 Proz. des Gesamtstickstoffs) auf die Oxyproteinsäuren zu
beziehen ist. Der Reststickstoff unserer Barytfraktion entsprach
für normale Menschenharne nur 0,7 bis 2,2 Proz. des Gesamtstick-
stoffs. Sehr groß kann sonach der Gehalt des normalen Menschen-
harnes an bisher gänzlich unbekannten Substanzen sicherlich
nicht sein.
Die Betrachtung unserer an pathologischen Menschenharnen
gewonnenen Resultate ergibt als auffallendste Tatsache die relative
Konstanz des Verhältnisses zwischen Eiweißzerfall und
Öxyproteinsäurenausscheidung, derart also, daß selbst, wo
(Versuch VIII, X und XI) infolge Darniederliegen des Stoffwechsels
die Gesamtstickstoffausscheidung auf die Hälfte der Norm ab-
gesunken ist, der prozentische Anteil der Oxyproteinsäure keine
auffällige Verschiebung erfahren hat. Nur bei einem Falle von
Eklampsie fand sich ein abnorm niedriger Wert.
Ich möchte schließlich noch hervorheben, daß der höchste
beobachtete Reststickstoffwert (2,5 Proz. des Gesamtstickstoffs)
sich im Harne einer hoch fiebernden Patientin mit puerperaler
Sepsis fand.
4. Hundeharn.
Versuch XIII. 1500 ccm normalen Hundeharns werden wie oben be-
handelt. Von 960 ccm Barytfällung werden 715 ccm abfiltriert. Der in
Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 450 cem gelöst.
In der Barytfraktion wird geprüft auf: a) Kynurensäure nach
Jaffe: 20cem werden mit chlorsaurem Kali und Salzsäure eingedampft; bei
Zusatz eines Tropfens Ammoniak tritt nicht die charakteristische Rotfärbung
auf; b) Allantoin. 1. Die stark konzentrierte Lösung wird mit Mercuri-
nitrat versetzt. Es fällt ein reichlicher, in Lauge löslicher Niederschlag
aus, der bei längerem Stehen sich unter Quecksilberabscheidung grau färbt.
2. Fehlingsche Lösung wird erst bei anhaltendem Kochen unter Ausschei-
— dung von rotem Kupferoxydul reduziert.
!) Von weiteren, die relative Menge des Aminosäurenstickstoffs im
Menschenharn betreffenden Angaben seien noch folgende besonders erwähnt:
Krüger und Schmidt (Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 556): normaler
Menschenharn 5 bis 6 Proz. des Gesamtstickstoffs; Jaksch (Zeitschr. f. klin.
Med. 47, 1 u. 50, 167): normaler Menschenharn 1,5 bis 3 Proz., bei Leber-
krankheiten, Typhus usw. mehr; Erben (Zeitschr. f. Heilk. 25, 33): bei
verschiedenen Infektionskrankheiten 3,75 bis 14,71 Proz.; Satta (Diese Bei-
träge 6, 368): Menschenharn bei verschiedener Ernährung 2,74 bis 8,51 Proz.
498 Wilhelm Ginsberg,
1. Gesamt-N: a) 0,5cem Harn = 11,5ccm '/, an-NH, = 0,0161 g N,
b) 0,5 ccm = 11,7 ccm Y„n-NH, = 0,01638 & N... (1000 ccm Harn =
32,2g N bzw. 32,7g N.)
Da in der Barytfraktion noch Spuren von Harnstoff und Ammoniak
nachweisbar sind, werden 340 ccm der Barytfraktion noch einmal mit
Alkoholäther umgefällt. Der Rückstand wird zu 355 ccm gelöst. Jetzt kein
Harnstoff, kein Ammoniak nachweisbar.
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 8,Scem Y,, a-NH,
— 0,01232g N; b) 1Ocem = 8,6cem \/„n-NH, = 0,01204g N. (1000 cem
Harn = 0,518 bzw. 0,508g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 20 ccm Barytfraktion =13 ccm
1/. a-NH, = 0,0182g N; b) 20eem = 11,3cem '/,, a-NH, = DOOF
(1000 cem = 0,383 g N bzw. 0,553 N.)
4. Alloxyproteinsäure-N: a) 25 cem PBarytfraktion = 7,3 cem
Y. a-NH, = 0,0102g N; b) 20cem = 7,2cem Y.a-NH, = 0,010089 N
(1000 eem Harn = 0,172g N bzw. 0,1696 & N.)
5. Harnstoff- und Ammoniak-N: 50 cem Barytfraktion mit 25 g
Metaphosphorsäure bei 150° 5 Stunden erhitzt, dann neutralisiert und mit
Magnesia usta destilliert; 50 ccem = Ocem \/, n-NH,.
6. Allantoin-N (nach Loewi): 25 cem Barytfraktion werden mit
Mercuronitrat gefällt, das Filtrat mit Schwefelwasserstoff behandelt; das
Filtrat mäßig alkalisch gemacht und so lange mit Silbernitrat gefällt, bis
das Filtrat mit Salzsäure einen deutlichen Niederschlag gibt. Der Nieder-
schlag wird abgesaugt und gründlich gewaschen. a) 25ccm Barytfraktion
= 1,7cem Y.„na-NH, = 0,00238g N; b) 25cem = 2,9cem Y,, on NH
0,00406g& N. (1000ccem Harn = 0,0391 & N bzw. 0,052 g N.)
Versuch XIV. 1375ccm normalen Hundeharns werden wie oben be-
handelt. Von 1800 cem Barytfällung werden 1700 cem abfiltriert. Der gut
ausgewaschene, in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 500 cem
gelöst. Die Barytfraktion gibt mit Phosphorwolframsäure einen in der Hitze
löslichen weißen Niederschlag. Die Furfurolreaktion fiel negativ aus.
1. Gesamt-N: a) 0,5cem Harn = 11,2cem Y.,a-NH, = 0,01568gN;
b) 0,5 cem = 11,9 ccm 'Y,n-NH, = 0,01666 g N. (1000ccm Harn =
3l,4g N bzw. 33,3g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktioh = 16,8cem '/, a-NH,
— 0,02352g N; b) 1Ocem = 16,1cem Y.n-NH, = 0,02254g N. (1000 cem
Harn = 0,905 bzw. 0,865 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 10ccm Barytfraktion =12,4cem
/, a-NH, = 0,017386g N; b) 10ccm = 12,0 ccm Y,, a-NH, = 0,01688 35
(1000 ccm Harn = 0,668 g N bzw. 0,646 & N.)
4. Alloxyproteinsäure-N: a) 25 cem Barytfraktion = 7,9 ecm
on-NH, = 0,01106g N; b) 25cem = 8,3cem Y,n-NH, = 0,01162g N.
(1000 ccm Harn = 0,1705 g N bzw. 0,178g N.)
5. Allantoin-N (wie bei XIII/6): 100 eem Barytfraktion = 11,7 cem
/,n-NH, = 0,01638g N. (1000 cem Harn = 0,1175g N.)
1(
Versuch XV. 90cem normalen Hundeharns wie oben behandelt. Von
210 cem Barytfällung werden 190 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol un-
ee ae A a du in U cm
Über die ÖOxyproteinsäurefraktion des Harns. 429
lösliche Rückstand wird zu 160ccem gelöst. Die Molischsche Probe und
die Furfurolprobe fielen in der Barytfraktion negativ aus.
1. Gesamt-N: a) 0,4cem Harn = 17,7ccm Y„n-NH, = 0,02478gN;
b) 0,4cem = 17,5cem \/. a-NH, = 0,0245 g N. (1000 cem Harn =61,9g N
bzw. 61,2g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 5ccm Barytfraktion = 3,7cem Y., n-NH,
— 0,00518g N; b) 10cem = 7,6ccm \/.n-NH, = 0,01064g& N. (1000 cem
Harn = 2,035 g N bzw. 2,09g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)20 cem Barytfraktion = 9,8 ccm
EENDB, 7001372 8'N; b) 20 cem = 9,2 cem: "/,,.n-NH, = 0,01288 & N.
(1000 cem Harn = 1,346g N bzw. 1,266 g N.)
4. Alloxyproteinsäure-N: 50 ccm Barytfraktion = 6,5 cem Y. "-
NH, = 0,0091 g N. (1000ccm Harn = 0,363 & N.)
Versuch XVI. Hunger. Derselbe Hund wie in Versuch XIII bis
XV, 16000 & schwer, hungert 3 Tage.
A. Am ersten Tage 140 ccm Harn; wie oben verarbeitet. Von
460 ccm Barytfällung werden 410 ccm abfiltriert. Der in Ätheralkohol un-
lösliche Rückstand wird zu 135 cem gelöst.
| 1. Gesamt-N: a) 0,5ecm Harn = 9,1cem Y,n-NH, = 0,01274e N;
57 0,5cem — 9,8cem 'Y,n-NH, = 0,01372g N. (1000 ecm Harn = 25,5 & N
bzw. 27,4g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10Occm Barytfraktion = 4,5ccm \/. a-NH,
00063 N; 'b) 10 cem = 4,7 ccm '/, n-NH, = 0,00658g N. (1000 ccm
Harn = 0,681 g N bzw. 0,71g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)20 ccm Barytfraktion = 8,6 cem
Don NH, =0,012045 N; b) 20 ccm = 8,6cem \/ a-NH, = 0,01204g N.
(1000 cem Harn = 0,651. N bzw. 0,651g N.)
Da der Hund am 3. und 4. Hungertage keinen Urin läßt, werden ihm
200 cem physiologische Kochsalzlösung unter aseptischen Kautelen an ver-
schiedenen Stellen unter die Rückenhaut infundiert.
B. Am 5. Hungertage 250ccm Harn, wie oben verarbeitet. Von
620 ccm Barytfällung werden 5l0ccm abfiltriert. Der in Ätheralkohol un-
lösliche Rückstand wird zu 250 ccm gelöst.
1. Gesamt-N: a) 0,5cem Harn = 12,2cem Y.,n-NH, = 0,01708g N;
ea ccm /,n-NH, = 0,01694 g N. . (1000 ccm Harn =
34,2g N bzw. 33,9g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion — 14,4ccm '/,, n-NH,
EIN; b) 10 ccm = 11,9cem Y,,un-NH, = 0,0166 N, (1000 cem
| - Harn = 245g N bzw. 2,01g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:: a) 20 ccm Barytfraktion =15 ccm
BE =0,0210g N; b) 20cem = 17,3cem. !/, n-NH, = 0,02422g N.
(1000 cem Harn = 1,276g N bzw. 1,471g N.)
4. Alloxyproteinsäure-N: a) 50 cem Barytfraktion —= 11,1 ccm
1 a-NH, = 0,015548 N; b) 50cem = 11,8cem Y,,na-NH; = 0,01652gN.
(1000 cem Harn = 0,378g N bzw. 0,40 N.)
C. 7. Tag: Reichliche Nahrung. Der Hund wiegt 15500 g. 280 g
Harn werden wie oben verarbeitet. Von 600 ccm Barytfällung werden
430 Wilhelm Ginsberg,
520 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu
600 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 0,5ccm Harn = 10,6cem '/, n-NH, = 0,01484 0 N;
b) 0,5 ccm = 10,5 ccm Y. a-NH, = 0,0147 g N; c) 0,5 cem = 10,3 cc
Yoa-NH, = 0,01442 g.N. (1000 ccm Harn = 297g N, bzw. 29432 N
und 28,8g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10Ocem Barytfraktion = 2,1lcem !/, a-NH,
— 0,00294& N; b) 20cem = 4,4cem Y, 2a-NH, = 0,0147g N. (1000 ccm
Harn = 0,727 g N bzw. 0,761g N.)
3. Be Oxyproteinsäuren-N: a) 100 ccm Barytfraktion =
19,7 ccm Y,na-NH, = 0,02758g N; b) .100 cem = 18 ccm, 2ENBr=z
0,0252g& N. (1000 ccm Harn = 0,682 g N bzw. 0,623 g N.)
Versuch XVI. Reichliche Fleischkost. Derselbe Hund (15700 g)
erhält, nachdem er sich erholt hat, reichliche Fleischkost. Von 860 ccm
Barytfällung werden 680 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
Rückstand wird zu 230 ccm gelöst.
1. Gesamt-N: a) 0,öcem Harn = 16,7 cem '/„n-NH, = — 0,09338 gN;
b) 0,5cem = 16,9ecem Y,,ua-NH, = 0,02366 & N. (1000 cem Harn =46,8g N
bzw. 47,3g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20cem Barytfraktion —= 29,2 ccm '/, n-NH,
— 0,04088g& N; b) 20cem = 28,9cem '/„n-NH, = 0,04046g N. (1000 cem
Harn = 1,44& N bzw. 1,44g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)25ccm Barytfraktion = 26,7 ccm
1/, oa-NH, = 0,08738g N; b) 25cem = 25,5cem Y. n-NH, = 0,0857 g I
(1000 cem Harn = 1,05g N bzw. 1,0g N.)
Versuch XVII. Hunger. Derselbe Hund (15700 g) hungert 7 Tage.
A. Am 4. Tage, 240 ccm Harn, wie oben verarbeitet. Von 800 cem
jarytfällung werden 700 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
tückstand wird zu 600 ccm gelöst.
1. Gesamt-N: a) 0,4cem Harn — 10,7 cem Y,,n-NH, = 0,01498g N.
(1000 cem Harn = 37,5 g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 4,9 cem '/, n-NH,
— 0,00681& N; b) 10cem = 5cem \Y, n-NH, = 0,007g N. (1000cm Harn
— 1,96g N bzw. 2,0g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 20cem Barytfraktion = 8,9 com
/,n-NH, = 0,01246g N; b) 20ccm = 7,5cem Y,n-NH, = 0,0105g I;
(1000 cem Harn = 1,78g N bzw. 1,5g N.)
1. Alloxyproteinsäure-N: a) 40 ecm Barytfraktion = 7,2cem '/, n-
NH, = 0,010 N; b) 40cem —= 6,0cem YY,,n-NH, = 0,0084g N. (1000 com
Harn = 0,72g N bzw. 0,6g N.)
Da der Hund am 5. und 6. Tare keinen Urin läßt, wird ihm, wie im
Versuche XVI, eine Kochsalzinfusion gemacht.
B. 7. Tag, 250cem Harn werden wie oben verarbeitet. Von 600 cem
jarytfällung werden 540 ecm abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
Rückstand wird zu 560 cem gelöst. Der Hund wiegt 14000 g.
1. Gesamt-N: a) 1,0ccm Harn = 25cem Y,, n-NH, = 0,055 g N;
b) 1,0cem = 24,6cem Y/,, n-NH, = 0,3344g N. (1000cem Harn = BgN
bzw. 33,4 g N.)
” EEE BE En
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 431
2. Barytfraktion-N: a) 20 ccm Barytfraktion = 5,8cem \Y\, n-NH,
— 0,00812& N; b) 20cem = 5,8cem '/,„n-NH, = 0,000812g N. (1000 cem
Harn = 1,018 N bzw. 1,01g N.)
3. Gesamt - Oxyproteinsäuren- N: 25ccm Barytfraktion = 6cem
7, o-NH, = 0,0084g N. (1000 cem Harn = 0,8362 g N.)
Versuch XIX. Phosphorvergiftung. Derselbe Hund, wiegt 13000 g.
' A. 480cem Harn nach derselben Methode verarbeitet. Von 1000 cem
Barytfällung werden 900 eem abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
Rest wird zu 250 cem gelöst.
2Gesamt-N:; a) 1ecm Harn = 23,2ccm "/,na-NH, = 0,0248. N;
b) Icem = 23,2cem '/, n-NH, = 0,05248g N. (1000 ccm Harn = 32,5 g N
bzw. 32,5 eg N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20cem Barytfraktion = 35,7 ccm Y,„n-NH,
E05 EN; bb) 20ccem = 35,9 ccm Y,,n-NH, = 0,05026 & N. (1000 cem
Fam —= 1,449 N —= bzw. 145g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)25 ccm Barytfraktion = 24,1cem
BEN EE =003574g N; b) 50cem = 46ccm '/, a-NH, = 0,0564 N.
(1000 ccm Harn = 0,778g N bzw. 0,742g N.)
Der Hund erhält am nächsten (2.) Tage 4ccm einer '/,, proz. Lösung
Phosphoröl subcutan. Dasselbe am 3. Tage. Am 4. Tage erhält der Hund
1Ocem derselben Lösung.
B. Am 4. Tage werden 650 ccm Harn wie oben verarbeitet. Von
1500 ccm Barytfällung werden 1400 ccm abfiltriert. Der in Ätheralkohol un-
lösliche Rückstand wird zu 205cem gelöst. Im Harn kein Eiweiß durch
Kochen und durch Essigsäure-Ferrocyankalium nachweisbar.
Beaammtı- N: a) Icem Harn = 14,6cem Y,n-NH, —= 0,02044g N;
Er Tcem = 14,2cem Y„n-NH, = 0,0198 g N; c) lLcem = 14,5 cem \Y,n-
Be 00203 EN. (1000 ecem. Harn = 204 g.N bzw..199g N und
20,3 N.)
2. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: 25ccm Barytfraktion — 34,7 cem
U, a-NH, = 0,04858& N. (1000cem Harn = 0,657 & N.)
Am 5. Tage erhält der Hund wieder 10ccm einer '/,,proz. Phosphoröl-
lösung.
C. Am 5. Tage. S0cem werden zuerst durch Aufkochen bei saurer
Reaktion enteiweißt, dann wie sonst behandelt. Von 400 cem der Baryt-
fällung werden 380 cem abfiltriert. Der in’ Ätheralkohol unlösliche Rück-
stand wird zu l05ccem gelöst.
1. Gesamt-N nach dem Enteiweißen: a) 1cem Harn = 7,2cem \Y,, D-
00008 EN; b) 1ccm = 76cem Y. n-NH, = 0,01064g N.
- (1000cem Harn — 10,1& N bzw. 10,6g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 5,5cem Y. an-NH,
== 0,0077g N; b) 10cem = 5,4 cem Y.n-NH, = 0,00756g N. (1000 cem
Harn = 1,065g N bzw. 1,041 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 25 cem Barytfraktion = 7 cem
BEN E, = 0,0098 8 N; :b) 25cem = 7,2cem '/,a-NH, = 0,01008g8 N.
(1000 cem Harn = 0,555 g N bzw. 0,558 g N.)
452 Wilhelm Ginsberg,
Am 6. Tage werden l5cem Phosphoröl '/ Proz. injiziert.
D. Am 6. Tage. 640cm Harn werden enteiweißt; nach dem Kochen
sind 520 eem vorhanden, die dann wie oben behandelt werden. Von 1010cem
Barytfällung werden 830 ecm abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
Rückstand wird zu 660 cem gelöst. In der Barytfraktion fiel die Furfurol-
probe negativ aus. Phosphorwolframsäure gab einen spärlichen, in der Hitze
löslichen Niederschlag.
1. Gesamt-N: a) 1cem Harn = 4,9 ccm Y„n-NH, = 0,00686 g N;
b) Iccm = 4,8cem Y. a-NH, = 0,00672g N. (1000cem Harn = 6,9g N
bzw. 6,7g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 1Ocem Barytfraktion — 3,4cem Y. n-NH,
— 0,00476& N; b) 1Ocem = 3,6cem \/,n-NH, = 0,00504& N. (1000 cem
Harn = 0,735 g N bzw. 0,7784 N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)25cem Barytfraktion =4,5cem |
Yo a-NH, = 0,0063 N; b) 25ecm = 4,2 ccm Y,. a-NH, = 0 82
(1000 cem Harn = 0,399 & N bzw. 0,3653 g N.)
4. Ammoniak- und Harnstoff-N: 50ccem Barytfraktion werden bei
150° 5 Stunden mit 25 g Metaphosphorsäure erhitzt. Dann wird mit Natron-
lauge vorsichtig neutralisiert und mit Magnesia usta destilliert. 50 ccm =
0,9cem Y.n-NH, = 0,00126g N. (1000 ccm Harn = 0,038 g, d.i. 10 Proz.
des Oxyproteinsäuren-N.) Am nächsten Tage starb der Hund.
Versuch XX. Normal. Hund B, 11000g schwer. 115ccm normaler
Harn werden wie gewöhnlich verarbeitet. Von 500 cem Barytfällung werden
475 ccm abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu
310 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 1cem Harn = 35,2cem Y,n-NH, = 0.049286 N
b) 1ccem = 35,6cem Y.n-NH, = 0,04984g N. (1000 ceem Harn = 49,3 N
bzw. 49,8g N.) |
2. Barytfraktion-N: a) 1Ocem Barytfraktion —= 3,8cem Y,, n-NH,
— 0,00532g N; b) 10ccm = 3,7 ccm /„n-NH, = 0,00528g N. (1000 ccm’
Harn = 1,51g N bzw. 1,46& N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)50cem Barytfraktion = 12,4cem
Yon-NH, = 0,01736g N; b) 50cem = 11,4ccm Y. n-NH, = 0,01596 g N.
(1000 cem Harn = 0,9855 g N bzw. 0,906 g N.)
Versuch XXI. Normal. 440 eem normalen Hundeharns (derselbe
Hund wie im vorigen Versuch) werden wie oben verarbeitet. Von 1100 cem
jarytfällung werden 1000 cem filtriert. Der in Ätheralkohol unlösliche
Rückstand wird zu 200 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 1 cem Harn = 24 cem Y. n-NH, = 0,0836 & N;
b) 1ecem —= 23,5 cem Y,, n-NH, = 0,0329 g N. (1000 ccm Harn = 33,6 g N
bzw. 52,9g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 11,3cem Y,,.n-NH,
— 0,01582e& N; b) 1Ocem = 11,8cem Y,n-NH, = 0,01652g N. (1000 cem
Harn = 0,791g& N bzw. 0,826 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 20 ccm Barytfraktion = 20,1 com
Y,n-NH, = 0,02814g N; b) 20 cem = 19,9 cem Y,,n-NH, = 0,02786g N
(1000 cem Harn = 0,7085 & N bzw. 0,6965.£ N).
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 433
Versuch XXI. Hunger und Phlorizindiabetes. Nach 5 Tagen
Hungers werden dem Hunde, der zu den beiden vorigen Versuchen gedient
hat, 20cem einer 3proz. Lösung von Phlorizin in l1proz. Natriumcarbonat-
lösung injiziert.
A. 6. Tag. 300 eem alkalischen Harns, der stark zuckerhaltig, aber
nicht eiweißhaltig ist, werden wie oben verarbeitet. Von 1200 cem Baryt-
fällung werden 1000 ccm filtriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand
wird zu 400 cem gelöst. Die Barytfraktion gibt nicht die Molischsche
oder die Fehlingsche Reaktion.
Eicesami-N: a) 1 ccm Harn = 11 cem Y, n-NH, = 0,0154 & N;
b) lcem = 11,1ccm \/, a-NH, = 0,01554g N. (1000cem Harn = 15,4g N
bzw. 15,5g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10 ccm Barytfraktion = 3cem Y,, n-NH,
EomMA2E N; D) IWccm — 2,9cecm YY,n-NH, = — 0,004 06 g N. (1000 ccm
Harn = 0,77 N bzw. 0,74g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)25 ccm Barytfraktion = 3,2 ccm
Y,n-NH, = 0,00448 g N; b) 50cem = 6cem '/, n-NH, = 0,0084 g N;
ce) 50 cem = 6,l1ccm '/, n-NH, = 0,00854g N. (1000 ccm Harn = 0,29g N
bzw. 0,27 g N und 0,276 N.)
Am 7. Tage werden dem Hunde wieder 20 cem derselben Lösung
injiziert.
B. 9. Tag. 125ccm Harn werden wie oben verarbeitet. Von 540 cem
Barytfällung werden 450 cem filtriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rück-
stand wird zu 125 ccm gelöst.
esamti-N: a) 1ccm Harn = 19 ccm '/., a-NH, = 0,0266 & N;
b) I1cem = 19,9ccm Y, a-NH, = 0,02786g N. (1000 ccm Harn = 26,6 N
bzw. 27,9g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10Ocem Barytfraktion = 3,0cem \, n-NH,
— 0,0042& N; b) 10ccm = 3,l1cem '/„n-NH, = 0,00434g N. (1000 ccm
Harn = 0,504g N bzw. 0,521g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a) 25 cem Barytfraktion = 5,2 cem
EEEND, = 0.007288 N; b) 25cem = 5,8cem "/, n-NH; = 0,00812g N.
(1000 ccm Harn = 0,349 N bzw. 0,5898 g N.)
Versuch XXIIH. Normal. Hund C, 15500 g, 270 ccm normalen
Hundeharns wie oben verarbeitet. Von 500 ccm Barytfällung werden 450 ccm
filtriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 175 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 1cem Harn = 20,9cem /.n-NH, = 0,02926g N;
b) lcem = 21,2cem YY. a-NH, = 0,02968g N. (1000 cem Harn = 293g N
bzw. 29,7 g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion —= 8,6cem '/, n-NH,
— 0,01204g N; b) 10cem — 8,3cem '/,n-NH, — 0,01162g N. (1000 cem
—= 0,867 g N Bo. 0,837 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: Braseen Baryifrahtien Hann
/., a-NH, = 0,0231 g N; b) 25cem = 14,5ccm '/, n-NH, = 0,0203 g N.
(1000 ccm Harn = 0,665 g N bzw. 0,5840 N.)
Versuch XXIV. Hunger und Phlorizindiabetes. Am 5. Hunger-
tage werden dem Hunde C 20cem einer 3proz. Phlorizinlösung subeutan
injiziert.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 98
454 Wilhelm Ginsbere,
Am 7. Tage werden 395 cem Harn wie gewöhnlich verarbeitet. Von
900 cem Barytfällung werden 810 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol un-
lösliche Rückstand wird zu 500 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 1 ccm Harn = 14,4cem /.n-NH, = 0,02016g N;
b) 1ccm = 14,5cem Y. a-NH, = 0,0203& N. (1000ccm Harn = 202gN
bzw. 20,3g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20cem Barytfraktion = 4,Scem Y., n-NH,
— 0,00672g N; b) 20ccm = 5,leem \/.n-NH, = 0,00714g N. (1000 ccm
Harn = 0,473g N bzw. 0,502 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)50 ccm Barytfraktion =10,9 ecem
Yona-NH, = 0,01526g N; b) 50cem = 10,7cem !/„ n-NH, = 0,01498gN.
(1000 cem Harn = 0,429g N bzw. 0,421g N.)
Versuch XXV. Hunger. Am 15. Hungertage ist die Phlorizin-
wirkung bereits abgeklungen. Es werden 125 ccm Harn wie oben ver-
arbeite. Von 700 cem Barytfällung werden 460 ccm abfiltriert. Der in
Ätheralkohol unlösliche, gut ausgewaschene Rückstand wird zu 80 ecm
gelöst. Die Barytfraktion trübt sich auf Phosphorwolframsäurezusatz bei
saurer Reaktion; die minimale Trübung verschwindet beim Kochen. Fur-
furolreaktion negativ. |
1. Gesamt-N: a) 2ccm Harn = 52,2cem Y,n-NH, = 0,07308g N;
b) 2ccm = 52,0 cem '/, n-NH, = 0,0728g N. (1000ccm Harn = 36,5g N
bzw. 36,4 N.)
2. Barytfraktion-N: 5 ccm Barytfraktion = 5,4 cem Y, a-NH, =
0,00756g N. (1000cem Harn = 1,48g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N:a)20 ccm Barytfraktion = 17,7cem
Yun-NH, = 0,02478g N; b) 1l4cem = 11,0 cem Y/, a-NH, = RR N.
(1000 cem Harn = 1,211g N bzw. 1,072.g N.)
4. Ammoniak- und Harnstoff-N: 20 cem Barytfraktion werden mit
10g Metaphosphorsäure bei 150° 5 Stunden gekocht, dann neutralisiert und
mit Magnesia usta destilliert. 20cem = 8,3cem /,n-NH, = 0,01162g N.
(1000 cem Harn = 0,565 & N.)
Da die qualitativen Proben auf Harnstoff und Ammoniak negativ aus-
fielen, treten während der Periode der prämortalen Stickstoffsteigerung an-
scheinend andere Substanzen auf, die ihren Stickstoff beim Kochen mit
Metaphosphorsäure abgeben. Nach Abzug dieses Wertes bleiben wieder
nur 1,6 Proz. Oxyproteinsäurestickstoff.
Versuch XXVI. Normal. 350 cem normalen Hundeharns werden
wie oben verarbeitet. Von 1460 cem Barytfällung werden 1200 eem ab-
filtriert. Der in Atheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 500 cem gelöst.
l. Gesamt-N: a) 1ccm Harn = 17,5 cem '/, n-NH, = 0,0245 g N;
b) 1cem = 17,8cem 'Y.n-NH, —= 0,02492& N. (1000 cem Harn = 24,5g N
bzw. 24,9g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20cem Barytfraktion = 3,0 cem Y,, n-NH,
— 0,0042g N; b) 50cem = 7,9cem '/, n-NH, = 0,01106g N. (1000 cem
Harn = 0,365 g N bzw. 0,377 g N.)
3. Harnstoff- und Ammoniak-N: 50cem Barytfraktion mit 253g
Metaphosphorsäure 5 Stunden lang bei 150° erhitzt, dann neutralisiert und
a A U Lu
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 435
mit Magnesia usta destilliert. 50 cem = O0 cem Y,. a-NH,; b) 100 cem
Barytfraktion werden eingeengt und mit Ätheralkohol umgefällt. Der Äther-
alkohol wird filtriert, abgedampft, der Rückstand in wenig Wasser auf-
genommen und auf Harnstoff geprüft; die Furfurolprobe fiel negativ aus.
Überblicken wir die in umstehender Tabelle zusammengestellten
Versuche, so ersehen wir folgendes:
In einem Liter normalen Hundeharns fand sich, einem Ge-
samtstickstoffgehalt von 29,5 bis 61,5 g entsprechend, 0,36 bis
1,3lg Oxyproteinsäurestickstoff. Von der gesamten Stickstoffmenge
entfielen 1,1 bis 2,1 Proz. auf die Oxyproteinsäuren. Die pro-
zentische Menge dieser letzteren im Hundeharn bleibt also
hinter derjenigen des Menschenharns (3,1 bis 5,0 Proz.) erheblich
zurück, während die absolute Menge in der Volumeinheit, ent-
sprechend der viel größeren Konzentration des Hundeharns, größer
ist. Auch hier steht wiederum die Alloxyproteinsäure ihrer Menge
nach hinter der Summe der beiden anderen Säuren zurück.
Der Reststickstoff, d. h. jener Anteil des Stickstoffs der
„Barytfraktion“, welcher nicht den ÖOxyproteinsäuren angehört,
beträgt hier 0,5 bis 2,1 Proz. des Gresamtstickstoffs (Menschen-
harn 0,7 bis 2,2 Proz.). Also auch hier dürfte für stickstoffhaltige
Substanzen unbekannter Art kein allzuweiter Raum übrig bleiben.
Nach Bondzynski und Gottlieb !) scheidet ein normaler
Hund nach Fleischfütterung etwa 2,5 Proz. des Stickstoffs in Form
von Oxyproteinsäuren aus. Pfaundler?) fand für einen solchen
Hund die „Aminosäurefraktion“, also den durch Phosphorwolfram-
säure nicht fällbaren, fest gebundenen Stickstoff — 2,26 bzw.
4,33 Proz. vom Gesamtstickstoff, und auch hier wird man annehmen
dürfen, daß die anderen Bestandteile dieser Fraktion (Hippursäure,
Aminosäure u. dgl.) ihrer Menge nach hinter den Oxyproteinsäuren
zurückbleiben.
Das Verhältnis zwischen Oxyproteinsäure-N und Gesamt-N,
also mit anderen Worten die Beziehung zwischen der Aus-
scheidung dieser Säuren und dem Eiweißzerfall ist beim
Hunde unter normalen Verhältnissen außerordentlich
_ konstant.
Hund A: (Vers. XIV) 2,0 Proz., (Vers. XV) 2,1 Proz., (Vers. XVII)
2,1 Proz., (Vers. XIX) 2,3 Proz. des Gesamtstickstoffs.
Hund B: Vers. (XX) 2,0 Proz., (Vers. XXI) 2,1 Proz.
Hund C: (Vers. XXIII) 2,1 Proz.
98 +
436 \ Wilhelm Ginsberg,
Zusammenstellung der Versuche mit Hundeharn.
In einem Liter Harn | Gesamt-N
(ee ne BE ae ee u
Oxyproteins.-N | Oxyproteins.-N
= I ne
u Z z
= u za Ma
5 Er BEER 1.2 [88
= la} - -
2. A De = I@| 2lelss
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| > fe) ie) >| © [e)
| ” = a Kim ah
| Fi are un
ee N: g g g g Proz.| Proz. Proz. Proz.
Vermischter Harn mehrerer Hunde.
XII.| Normal |]32,5 | 0,513 | 0,368 | 0,170 |0,198| 0,145 || 1,6] 1,1 |0,5 | 0,6
Hund A.
XIV.| Normal |/32,3 | 0,886 | 0,657 | 0,174 | 0,483] 0,229 || 2,7] 2,0 | 0,5 | 1,5
XV.| 2 1 61,5 | 2,062 | 1,306 | 0,363 | 0,943| 0,756 || 3,3| 2,1 |0,6 | 1,5
XVI Hunger
a) 1. Tag | 26,5 | 0,695 10,651 | — u 0,0356 | 2,6 24| — | —
| b) 5. Tag 134,0 |2,23 |1,373 | 0,389 | 0,984 | 0,857 | 6,5| 4,0 | 1,1 | 2,9
ec) 7. Freßtag || 29,3 | 0,744 | 0,6592 | °— _- 0,092 | 2,5) 23 | —
XVII. | Reichliche
' Fleischkost | 47,0 |1,44 |1,025|— E— 0,415 301 21| —- | —
XVII.| Hunger
a) 4. Tag |37,5|1,98 |1,64 |0,66 |0,98 0,340 | 5344| — | —
| b) 7. Tag |34,7|11,01 1086| — | — | 0174 | 291 24| — | —
XIX. | Phosphorver-
' giftung |
' a) vor der | |
' Vergiftung |32,5 |1,44 0,760| — _ 0,68 44 231 —| —
| b) 4 Tag 10001 — |aesz| .— | 17 ”
c) 5. Tag 10,4 |1,053 10,557 | — | — 0,496 |10,1/53 | — | —
d) 6. Tag |, 6,8 0,756 0,381 | — | _ 0,375 |11,1)56 | — | —
Hurfd B
XX. Normal 149,5 |1,485 |0,95 | — |
XXI. u 33,2 | 0,806 0,700 | —
XXL. Hunger
u. Phlorizin
0,540 | 3,0| 2,0
0,106 | 2,4 21
a) 6. Tag 15,4l0,785510279| — | — | 0476 | a9lı8| —|
b) 8. Tag |27,210512|0369|l — | — | 01 | 10118 | —|
Hund C.
XXI. Normal 29,5 0,852 10,65 | — | — 0,227 | 281 21| —| —
XXIV.| Hunger |
u. Phlorizin | |
7. Tag |202l048510427| — | — | 0088 | 24al2ı| —| =
XXV.| Hunger |
15. Tag |36,5|1,48010575I — | — | 03890 | 401 16 | —! —
1 1 Ir 0,566) 2
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 437
Diesen übereinstimmenden Zahlen gegenüber wird der erste
unserer Hundeversuche (Versuch XIII) mit gemischtem Hunde-
harn unbekannter Provenienz, der eine viel niedrigere Zahl (1,1 Proz.)
ergab, kaum ins Gewicht fallen können, und man wird einen Wert
von rund 2 Proz. als Normalzahl für den Anteil der Oxyprotein-
säuren an der Stickstoffausscheidung des normalen Hundes an-
sehen dürfen. |
Auch im Hunger, der in zwei Versuchen mit Phlorizin-
vergiftung kombiniert wurde, zeigte dieses Verhältnis keine regel-
mäßige Verschiebung. Der eine unserer Hunde reagierte aller-
dings zweimal im Beginn einer Hungerperiode mit einem Anstieg
der Prozentzahl des Oxyproteinsäurestickstoffs:
Hund A
«@ (Vers. XVD: ß (Vers. XVII):
Ball)... . 3,1 Pros Normal tr % 2,1 Proz.
1. Hungertag . . . 24 „ 4. Hungertag . . . 44 „
5. ; er A): dr % ad. N
7. 3 Bo
Doch glich sich diese Differenz bei längerer Dauer des
Hungerversuches wieder aus und war bei den beiden anderen
Hunden überhaupt nicht zu beobachten.
Hund B (Vers. XXI: Hund C (Vers. XXIV, XXV):
Ben... MU EroOZr ,Normels green 2,KEroz.
Hunger u. Phlorizin, 6. Tag 18 ,„ Hunger u. Phlorizin, 7.Tag 21 „
2ER % Bet 105 Hunper, 19. La 1. uk 1:6 5:
Der letztgenannte Versuch gab übrigens insofern ein anormales Bild,
als die Barytfraktion in diesem Falle, wie der Kontrollversuch lehrte, eine
erhebliche Menge durch die Phosphorsäurehydrolyse bei 150° als Ammoniak
abspaltbaren Stickstoffs enthielt. Gegen die nächstliegende Annahme einer
infolge ungenügender Reinigung zurückgebliebenen Beimengung von Harn-
stoff spricht,. abgesehen von der Versuchstechnik, der negative Ausfall der
Furfurolreaktion (deren Empfindlichkeit den Nachweis weit geringerer Harn-
stoffmengen, als hier vorgelegen haben müßten, gestattet), gegen eine Ver-
unreinigung mit Ammoniumsalzen der Umstand, daß Phosphorwolframsäure
nur eine minimale, beim Kochen verschwindende Trübung erzeugt. An-
scheinend ist also in dieser vorgeschrittenen Hungerperiode (15. Hungertag),
vielleicht dem prämortalen Stickstoffanstiege entsprechend, ein abnormer,
locker gebundenen Stickstoff enthaltender Harnbestandteil aufgetreten, der
sich der Barytfraktion beigemengt hat.
Sehr charakteristisch war das Verhalten des Harns bei der
Phosphorvergiftung. Vom Beginne der Vergiftung bis zum
Tode war ein allmählicher, relativer Anstieg sowohl des Oxyprotein-
säurenstickstoffs als auch des Reststickstoffs bis auf nahezu das
Dreifache des Normalwertes zu beobachten:
438 | Wilhelm Ginsberg,
Oxyproteinsäuren-N Rest-N
Normal... =... nr an ee 2,1 Proz. des Gesamtstickstoffs
4. Tag der Vergiftung... . 32 „ _
De a ’ ee 48... “ =
A in h ONE Du R r
Hinsichtlich der Oxyproteinsäuren haben bereits, wie erwähnt,
Bondzynski und Gottlieb eine Vermehrung derselben bei der
Phosphorvergiftung erwähnt.
Ob es sich allerdings auch um eine absolute Vermehrung
der Tagesausscheidung der ÖOxyproteinsäuren handelt,
könnte nur durch eine quantitative Untersuchung des gesamten
Tagesharns entschieden werden, auf welche wir aus versuchstech-
nischen Gründen leider verzichten mußten. Der niedrige Stick-
stoffgehalt der Harne unseres Hundes in den letzten Stadien der
Phosphorvergiftung berechtigt zu Zweifel in dieser Hinsicht. Die
Möglichkeit einer Verunreinigung der Fraktionen mit Harnstoff
und Ammoniak ist hier. durch einen quantitativen Hydrolysen-
versuch mit Phosphorsäure ausgeschlossen worden.
Anhang.
Versuch XXVII. Pferdeharn. 500cem normalen Pferdeharns nach
der Methode B verarbeitet. Von 1150 cem Barytfällung werden 1000 cem
abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu 350 cem gelöst.
1. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 86ccm !/, n-NH, = 0,1204 & 3
a) 1,0 ccm = 16,8ccm '/. a-NH, = 0,02352g N. (1000ccm Harn = 24g N
bzw. 23,5g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = 7,8cem Y,, n-NH,
— 0,01092g N; b) 10cem = 7,2cem !/, n-NH, = 0,01008g N. (1000 ccm
Harn = 0,879g N bzw. 0,8115 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: 20ccm Barytfraktion = 8,8cem
/ou-NH, = 0,01232g N. (1000cem Harn = 0,496 g N.)
Versuch XXVII. Kaninchenharn. 130 cem normalen Kaninchen-
harns werden wie oben verarbeitet. Von 400 cem Barytfällung werden
380 cem abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu
60 cem gelöst.
l. Gesamt-N: a) 5cem Harn = 12,6cem Y,n-NH, = 0,01764g N;
b) 5eem = 13,8cem Y,,n-NH, = 0,01932g N. (1000 cem Harn = 3,53 g N
bzw. 3,86g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 5ccm Barytfraktion = 1,3cem Y. n-NH,
0,00182g N; b)5ccem = 1,5 cem Y.n-NH, = 0,0021g N. (1000ccm
Harn 0,176g N bzw. 0,201g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: Bestimmung wegen der geringen
Menge des Niederschlages nicht durchführbar.
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K
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 439
Versuch XXIX. Kaninchenharn. 205 ccm normalen Kaninchen-
harns wie oben verarbeitet. Von 600 ccm Barytfällung werden 540 ccm ab-
filtriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rest wird zu 300 ccm gelöst.
1. Gesamt-N: a) 5ccm Harn = 11,0cem '/,, n-NH, = 0,0154 g N;
b) 5ccem = 11,2cem \Y., n-NH, = 0,01568g N. (1000 ccm Harn = 3,08g N
bzw. 3,13g N.)
2. Barytfraktion-N: a) 20ccm Barytfraktion = 2,0cem 'Y., n-NH,
2000288 N; b) 20cem = 2,0cem '/., n-NH, = 0,0028g N.. (1000 ccm
Harn —= 0,227 g N bzw. 0,227 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: Aus demselben Grunde wie oben
nicht quantitativ bestimmt.
Versuch XXX, Gänseharn. Einer Gans wird der Mastdarm dicht
an der Kloake unter streng aseptischen Kautelen und unter Vermeidung der
Ureteren unterbunden. Das Tier bekommt reichlich Wasser und wenig
Körnerfutter, zugleich jedoch zur Aufhebung der Peristaltik 0,003 g& Extr.
opii. Als Käfig dient ein sehr geräumiges Präparatenglas, das oben durch
ein weites Drahtgeflecht verschlossen wird. Nachdem der in der Kloake
befindliche Kot abgegangen ist, wird die Gans in den Käfig gesetzt. Nach
2 Tagen wird das Tier aus dem Gefäß genommen und die am Boden befind-
liche Masse und Flüssigkeit mit Wasser herausgespült und abgesaugt. Der
größtenteils aus Harnsäure bestehende Niederschlag wird in Natronlauge
gelöst, mit Salzsäure wieder ausgefällt, auf dem Saugfilter ausgewaschen,
getrocknet und gewogen. Das Filtrat, das 1740 ccm beträgt, wird eingeengt
und dann wie gewöhnlich behandelt. Von 740 ccm Barytfällung werden
550 ccm abfiltriert. Der in Ätheralkohol unlösliche Rückstand wird zu
220 cem gelöst. ö
1. «) Harnsäure gewogen: 4,072g C,H,N,O, = 1,357g& N; ß) Ge-
BEN de Eiltrats = 0,4578 N; a) 20cem = 3,6ccm Y. a-NH, =
0,00504 & N; b) 20 ccm = 3,9cem '/,„n-NH, = 0,00546g N. (1740 ccm des
Filtrats = 0,4385 & N bzw. 0,475g& N.) Gesamt-N des Gänseharns =
1,814 N.
2. Barytfraktion-N: a) 10ccm Barytfraktion = lcem Y. a-NH, =
0,0014& N; b) 1Ocem = 1ccm Y,. a-NH, = 0,0014g& N. (1740 ccm Filtrat
— 0,04144g N bzw. 0,04144 g N.)
3. Gesamt-Oxyproteinsäuren-N: a)75 ccm Barytfraktion = 5,2ccm
ED ZENB=0007288 N; b) 75cem:= 4,8ccm Y.„n-NH, = 0,00672g N:
(1740 ccm Filtrat —= 0,0287 & N bzw. 0,0265 & N.)
Zusammenfassung der Versuche XXVII bis XXX.
zZ . (sesamt-N
a T z E “ bee mann .
2: = + = a Oxy-
2 zZ Art 5 & 227 K%) Baryt- proteins.- Rest-
2 © S oo Rz N j N
© 1) ee) ei N
>
| g g g R 8 Proz. s Proz. | Froz. y
XXVI. Pferd 23,38 | 0,845 | 0,496 | 0,349 3.0 2.1 1,4
XXVII.| Kaninchen | 3,7 | 0,189 ? 2 5,1 ? ?
XXX. ; 3:1: 11:0;227 ? u ? ?
xXX| Gans | 1,81| 0,0414 | 0,0276 | 0,013 | 2,8 1,5 1,3
440 | Wilhelm Ginsberg,
Die Harnfraktion der Substanzen der Oxyproteinsäurengruppe
kommt demnach im Pferde- und Gänseharn ungefähr in der-
selben relativen Menge vor wie im Hundeharn; auch für den
Stoffwechsel des Kaninchens scheint im Hinblick auf die Größe
der Barytfraktion der Oxyproteinsäuregruppe dieselbe Bedeutung
zuzukommen, wenn dies auch infolge Materialmangels nicht streng
bewiesen wurde.
5. Versuche zur Charakteristik der Substanzen der
Oxyproteinsäuregruppe.
Unsere nächste Aufgabe war es nunmehr, durch einige orien-
tierende Versuche einer Aufklärung der chemischen Stellung der
Substanzen der Oxyproteinsäuregruppe näher zu kommen.
I. Dialysierbarkeit.
1. 50 ccm Barytfraktion von Versuch II (normaler Menschenharn) werden
im Pergamentschlauch 8 Tage lang gegen destilliertes Wasser, das öfters
gewechselt wird, dialysiert. 50cem = 2,6ccm Y.„n-NH, = 0,00364 g N.
Es sind also von den in 50 ccm Barytfraktion enthaltenen 0,014 N 0,01036 g
dialysiert, d. i. 74 Proz.
2. 50ccm der Barytfraktion von Versuch III (normaler Menschenharn)
werden 5 Tage gegen destilliertes Wasser dialysiert und dann der Stickstoff
des Schlauchinhalts nach Kjeldahl bestimmt. 50cem = 3cem Yu. n-NH,
— 0,0042 g N.
In 50 ccm der Flüssigkeit vor der Dialyse. . . 0,0528g N
a = nach der Dialyse . . 0,0042, „
Differenz . . . 0,0486g N
d. i. es sind in 5 Tagen von 0,0523g N 0,0486 g& N dialysiert, d. i. 92 Proz.
3. 5cem einer konzentrierten Lösung von Oxyproteinsäuren von be-
kanntem N-Gehalt werden 4 Tage lang bei täglichem Wasserwechsel gegen
destilliertes Wasser dialysiert.
a) N-Gehalt der Lösung: lcem = 11,8 cem \/,, n-NH, = 0,01652g N;
b) 1cem = 11,2cem Y„n-NH, = 0,01568g N; c) lccm = 11,5ccm Y.2-
NH, = 0,0161 g N. (100 cem = 1,65 g N bzw. 157g N und 1,61 g N.)
100 com Barytfraktion = 1,6l1g& N (Mittelwert).
b) N-Gehalt nach der Dialyse: 5cem = 1,4 ccm Y„ an-NH, =
0,001 96 x N. (100 cem Barytfraktion —= 0,039 & N, d. i. 2,4 Proz. des
(Gesamt-N.) Die dialysierte Menge betrug sonach 97,6 Proz.
4. Ein weiterer Versuch wurde mit der Reststickstofffraktion aus-
reführt, indem eine Barytfraktion (Versuch XXI) mit Quecksilberacetat
unter Sodazusatz gefällt und das Filtrat nach Ermittelung seines Stickstoff-
rehaltes der Dialyse unterworfen wurde. Nach fünftägiger Dialyse waren
95 Proz., im Parallelversuch 74 Proz. des Stickstoffs heraus diffundiert.
Die Oxyproteinsäuren gehören sonach keineswegs zu den sehr
schwer diffundierenden Substanzen und müssen sonach von der
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 441
adialysablen Harnfraktion, welche kürzlich von Sasaki!) und
Savare?2) quantitativ untersucht worden ist, wohl unterschieden
werden.
Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, daß jene Harnfraktion,
welche Abderhalden und Pregl3) durch mehrtägige Dialyse
des Alkoholextraktes aus einer großen Harnmenge erhalten haben,
zum Teil aus Oxyproteinsäuren bestanden hat. Denn wenn es
z. B. einerseits unschwer gelingen wird, die Dialysierbarkeit von
Peptonlösungen bei Versuchen mit kleinen Quantitäten derselben
zu demonstrieren, so wird man doch, wenn man etwa eine große
Peptonmenge mit einem Vielfachen ihrer Gewichtsmenge von
Harnstoff und Harnsalzen mengt und dialysiert, nach kurzer Zeit
einen seiner Hauptmenge nach aus Peptonen bestehenden Rück-
stand im Dialysierschlauch vorfinden, da ja die Peptone immerhin
viel langsamer diffundieren als ihre Begleiter. Eine analoge Be-
trachtungsweise dürfte auch für die Oxyproteinsäuren gelten.
U. Hydrolytische Spaltung.
Schon mit Rücksicht auf den oben erwähnten Versuch von
Abderhalden und Pregl, die bei der hydrolytischen Spaltung
der schwer dialysablen Harnfraktion, wie bereits früher erwähnt,
eine Reihe von Aminosäuren erhalten hatten, mußte der Versuch
angestellt werden, ob auch die isolierten Oxyproteinsäuren bei der
Säurehydrolyse Eiweißabbauprodukte liefern.
Zu diesem Zwecke wurde eine größere Harnfraktion (etwa
15 Liter) im Vakuum bei 50° zum Sirup gedampft, dieser sodann
nach der Methode B (S. 417) auf Oxyproteinsäuren weiter ver-
arbeitet. Der durch Quecksilberacetat unter Sodazusatz aus der
Barytfraktion gefällte Niederschlag wurde auf dem Saugfilter mit
Wasser ausgewaschen, sodann durch mehrstündiges Kochen mit
20 proz. Salzsäure nach Zusatz von Zinnchlorür (zur Vermeidung
der Melaninbildung) gespalten, die Flüssigkeit durch Eindampfen
im Vakuum von der Hauptmenge der Salzsäure befreit, der Rück-
stand in Wasser aufgenommen und durch frisch gefälltes Silberoxyd
von der Salzsäure gereinigt, das Chlorsilberfiltrat durch Schwefel-
wasserstoff von den Schwermetallen befreit und eingedampft. Aus
dem wasserhellen neutralen Filtrat schied sich beim Einengen eine
Kristallkruste ab, die, von der Mutterlauge abgetrennt und aus
-
“N.
Dep Ze
Q Q Q
442 | Wilhelm Ginsbereg,,
verdünntem Ammoniak umkristallisiert, sich durch die typische
Form der Kristalldrusen (Kugeln, aus radiär gestellten feinen
Blättehen zusammengesetzt), die Lösungsverhältnisse, sowie das
Verhalten beim Erhitzen (weißes Sublimat, Amylamingeruch) als
Leucin erkennen ließ.
Bei einem weiteren Versuche wurde, Bezug nehmend auf die
Angaben Liebermanns!), festgestellt, daß in der hydrolysierten
Oxyproteinsäurefraktion keine Schwefelsäure nachweisbar war, daß
dieselbe sonach in unserem Falle keine Ätherschwefelsäure
enthalten hatte.
III. Diazoreaktion.
Bondzynski und seine Mitarbeiter haben gezeigt, daß die
Antoxyproteinsäure den beiden anderen ÖOxyproteinsäuren gegen-
über durch ihre intensive Diazoreaktion (nach Ehrlich) aus-
gezeichnet ist. Wir legten uns nun die Frage vor, ob denn die
typische Diazoreaktion des Harns auf einen abnorm vermehrten
Gehalt von Antoxyproteinsäure bezogen werden dürfe.
Ich möchte hier auf die außerordentlich umfangreiche Literatur
über die Diazoreaktion des Harnes nicht näher eingehen und be-
snüge mich, in dieser Hinsicht auf die vortreffliche Zusammen-
stellung von E. Zunz?) zu verweisen.
Ich will nur hervorheben, daß, wie ich mich überzeugt habe,
die drei für die Diazoreaktion in Betracht kommenden Reagenzien
ein durchaus verschiedenes Verhalten zeigen. Es sind dies 1. das
Ehrlichsche Reagens (Sulfanilsäure); 2. das Friedenwaldsche
Reagens (Paramidoacetophenon) und 3. das Penzoldtsche
teagens (kristallisierte Diazobenzolsulfosäure 3).
Die Prüfung des Verhaltens der drei Oxyproteinsäuren gegen-
über diesen Reagenzien ergab folgendes:
Reaktion nach
Ehrlich |Friedenwald| Penzoldt
Antoxyproteinsäure . . . . + + +
Oxyproteinsäure. . ... . - | — +
Alloxyproteinsäure. . . . . — Z——. +
“2,
’) Edgar Zunz, La Diazo-Röaction d’Ehrlieh I, Bulletin de l’Acad.
Royale de med, de Belgique 1900; II, ebenda 1902.
”) Hinsichtlich Herstellung der Reagenzien und Ausführung der Re-
aktionen vgl. die Angaben in der Abhandlung von Zunz, sowie die Original-
mitteilungen der Autoren.
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. | 443
Ferner die Untersuchung einiger Vergleichsobjekte:
Proz. | Ehrlich |Friedenwald Penzoldt
Traubenzucker :
ee
Ben. .:...
Lösliche Stärke . .
Femstol 2.2...” —
Casein (Hammarsten)
een. .
+- beim Kochen
u >
|
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+
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Heteroalbumose . . . .
Deuteroalbumose A
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Be tete a
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>
Der
Be
a
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}
=.
B
|
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Es kann also, wie ein Blick auf die Tabellen lehrt, nur die
Ehrlichsche Reaktion als charakteristisch gelten; die Frieden-
waldsche Reaktion kommt auch den Eiweißkörpern und eiweis-
artigen Substanzen, die Penzoldtsche überdies den Kohlehydraten
zu. Die Ehrlichsche Reaktion bei richtiger Ausführung gelang
mir aber nur mit Antoxyproteinsäure und mit „Diazoharnen“.
Man könnte sich also sicherlich versucht fühlen, die klinische
Diazoreaktion auf einen vermehrten Gehalt des Harnes an Antoxy-
proteinsäure zurückzuführen, wenn einer solchen Auffassung nicht
Bedenken entgegenstehen würden.
Das eine derselben bezieht sich auf die Fällungsverhält-
nisse. Das Chromogen der Diazoreaktion ist nach den überein-
stimmenden Angaben von Ehrlich), Brieger und Clemens?)
durch Bleiessig, nach Brieger?) sogar durch neutrales Bleiacetat
aus dem Harn fällbar. Die Antoxyproteinsäure ist dagegen weder
durch neutrales noch durch basisches Bleiacetat fällbar; allerdings
kann etwas von derselben durch einen Bleiniederschlag mechanisch
niedergerissen werden.
') Ehrlich und Brieger, Verhandlungen des Vereins für innere
Medizin. Berlin, 16. Juni 1884. Deutsch. med. Wochenschr. 1884, 8. 1430.
?) Clemens, Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin 1904,
S. 458.
®) Brieger, Medizinische Woche 1900, 3. 6.
444 | Wilhelm Ginsberg,
Das andere Bedenken gilt der von zahlreichen Autoren her-
vorgehobenen Labilität der klinischen Diazoreaktion. Ich habe
mich auch selbst gelegentlich davon überzeugt, daß z. B. Harne
von Tuberkulösen, die unmittelbar nach der Entleerung die schönste
Diazoreaktion zeigten, dieselbe bereits innerhalb weniger Stunden
eingebüßt hatten. Für eine besondere Labilität der Antoxyprotein-
säure liegt aber keinerlei Anhaltspunkt vor, es wäre denn, daß
man an intramolekuläre Umlagerungen derselben, die sich den
sonstigen Wahrnehmungen entziehen, denken wollte.
Wir halten uns daher heute noch nicht für berechtigt, die
klinische Diazoreaktion ohne weiteres zu der Antoxyproteinsäure
in Beziehung zu bringen.
IV. Fragen wir uns nunmehr zum Schlusse, indem wir die
Gesaintheit der über die Oxyproteinsäuren vorliegenden Erfahrungen
überblicken, welche physiologische und chemische Stellung den
Substanzen dieser Gruppe zukommen dürfte, so ergibt sich folgendes:
Trotzdem die Oxyproteinsäuren durch keine eigentlichen
Eiweißreaktionen gekennzeichnet sind, wird man doch nicht fehl-
gehen, wenn man sie als Eiweißabbauprodukte ansieht. Diese
bereits von früheren Autoren ausgesprochene Anschauung wird
durch den Nachweis, daß ihr Auftreten im Harn mit dem Eiweiß-
zerfall parallel geht und daß bei ihrer hydrolytischen Spaltung
Aminosäuren auftreten, gestützt. Wahrscheinlich ist nicht nur das
von uns direkt nachgewiesene Leucin, sondern auch das Gemenge
von Aminosäuren, das Abderhalden und Pregl!) durch Hydro-
lyse der schwer dialysablen, alkohollöslichen Harnfraktion erhalten
haben, wenigstens zum Teil auf diese Quelle zurückzuführen.
Das eingehende Studium dieser Verhältnisse muß Gegenstand
weiterer, mit größeren Mengen Ausgangsmaterials durchzuführender
Versuche sein. Erst nach Gewinnung eines tieferen Einblickes in
die hier vorliegenden Verhältnisse wird ein bestimmtes Urteil
darüber möglich sein, ob wir es hier mit einem oder mehreren
wohldefinierten Komplexen von konstanter Zusammen-
ıg zu tun haben, die bestimmten, im Stoffwechsel
schwer angreifbaren Gruppen des Eiweißmoleküls ent-
setzuı
sprechen, oder ob es sich etwa um variable Gemenge von
Polypeptiden handelt, denen nur gewisse Gruppenreaktionen
(Fällbarkeit durch Mercurisalze, Löslichkeit der Barytsalze in
Wasser, Unlöslichkeit in Alkohol) gemeinsam sind und die je nach
Le.
Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns. 445
Individualität und physiologischen Begleitumständen stetig wech-
selnde, der Verbrennung entgangene Bruchstücke des Eiweiß-
moleküls darstellen.
Zusammenfassung.
1. Es wurde eine Methode zur quantitativen Bestimmung
jener Stickstofffraktion des Harns ausgearbeitet, welche die Gruppe
der Oxyproteinsäuren umfaßt, d. i. jener Substanzen von saurem
Charakter, welche durch Quecksilberacetat fällbar sind und in
Wasser lösliche, in Alkohol unlösliche Barytsalze geben.
2. In den untersuchten normalen Menschenharnen entfielen
31 bis 5,0 Proz. des Gesamtstickstoffs auf die Oxyproteinsäure-
fraktion.. Die Summe der Substanzen dieser Gruppe überwiegt
ihrer Menge nach (der ungefähren Schätzung nach etwa 1!/, bis
3l/,g im Liter) die Menge sämtlicher anderer stickstoffhaltiger
organischer Harnbestandteile, mit Ausnahme des Harnstoffs.
3. Auch unter pathologischen Verhältnissen hielt sich
der in Form von Oxyproteinsäuren ausgeschiedene Stickstoffanteil
annähernd innerhalb derselben Grenzen und erfuhr selbst bei be-
trächtlicher Herabminderung der Gesamtstickstoffausscheidung keine
auffallende Verschiebung.
4. Ein noch konstanteres Verhältnis fand sich beim Hunde,
wo unabhängig vom Ernährungszustande und der Individualität
normalerweise etwa 2,0 Proz. des Gesamtstickstoffs auf die Summe
der Oxyproteinsäuren entfielen. Diese Relation erfuhr selbst im
lange währenden Hunger keine dauernde und regelmäßige Ver-
schiebung und deutet auf eine hochgradige Konstanz des
Verhältnisses zwischen Eiweißzerfall und Oxyprotein-
säurenausscheidung hin.
5. Bei der Phosphorvergiftung wurde übereinstimmend
mit den Angaben von Bondzynski und Gottlieb eine erheb-
liche Verschiebung dieses Verhältnisses zugunsten der Oxyprotein-
säuren beobachtet.
6. Auch bei mehreren anderen Tiergattungen (Pferd,
Kaninchen, Gans) fanden sich hinsichtlich der Größenordnung der
Öxyproteinsäurefraktion ähnliche Verhältnisse wie beim Menschen
und beim Hunde.
7. In der Fraktion der im Wasser löslichen, durch Alkohol
fällbaren Barytsalze fand sich nach Beseitigung der Oxyprotein-
säuren eine Stickstofffraktion („Reststickstoff“), die im normalen
Menschenharn 0,7 bis 2,2 Proz., im Hundeharn 0,3 bis 2,1 Proz.
446 Wilhelm Ginsberg, Über die Oxyproteinsäurefraktion des Harns.
des Gesamtstickstoffs betrug. Bei Phosphorvergiftung stieg dieser
Rest bis auf 5,5 Proz. Der für gänzlich unbekannte Substanzen im
normalen Menschen- und Hundeharn verbleibende Stickstoffrest ist
nicht sehr beträchtlich. |
8. Die Substanzen der Oxyproteinsäuregruppe liefern bei der
hydrolytischen Spaltung Leucin und wahrscheinlich auch andere
Aminosäuren, dialysieren ziemlich leicht und sind als Eiweiß-
abbauprodukte, vielleicht als Polypeptide zu betrachten.
Wien, Juli 1907.
XXYVI.
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettune.
Von Dr. Paul Saxl.
Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Professors Dr. O. v. Fürth
im physiologischen Institut der Wiener Universität.
E:
Seitdem die pathologischen Anatomen das Auftreten einer
„fettigen Degeneration“ im Verlaufe zahlreicher Krankheitsprozesse
und Vergiftungen kennen gelernt haben, ist die Frage, aus welcher
Quelle das dabei sichtbar werdende Fett stamme, Gegenstand
außerordentlich zahlreicher Untersuchungen geworden und galt
insbesondere die Phosphorvergiftung von jeher als klassisches
Objekt für Experimente auf diesem Gebiete.
Nachdem lange Zeit die auf der V oitschen Fettbildungslehre
basierende Vorstellung von einer Umwandlung des Zellproto-
plasmas in Fett herrschend gewesen war und insbesondere durch
die Versuche von Bauer, Leo, Polimenti u. a. ausreichend ge-
stützt schien, haben es in neuerer Zeit eine Reihe von Ver-
suchen, wie diejenigen von Athanasiu (in Pflügers Labora-
torium), Taylor, Kraus und Sommer, vor allem aber die zahl-
reichen Arbeiten Rosenfelds, sehr wahrscheinlich gemacht, daß
es sich bei der Phosphorvergiftung gar nicht um eine Neubildung
von Fett, vielmehr um eine Einwanderung desselben aus den
im Organismus befindlichen Fettdepots handle!).
!) Auf eine Wiedergabe der außerordentlich umfangreichen einschlä-
gigen Literatur muß hier verzichtet werden und dürfte es in dieser Hin-
sicht genügen, auf die ausführlichen Sammelreferate von Rosenfeld über
Fettbildung in den Ergebnissen der Physiologie 1, 651 und 2, 50, sowie auf
die betreffenden Abschnitte in der neuesten Auflage des Hammarsten-
schen Lehrbuches (1907) zu verweisen.
448 Paul Saxl,
Um so überraschender scheint auf den ersten Blick eine
Mitteilung von Mavrakis!), dem es auf experimentellem Wege,
an einer Kaninchenleber extra corpus, also unter Verhältnissen, wo
von einer Fetteinwanderung gar keine Rede sein konnte, gelang,
eine histologisch sehr deutlich nachweisbare Zellverfettung zu er-
zeugen. Mavrakis zerrieb gelben Phosphor in Wasser und in-
jizierte diese Aufschwemmung in die Vena portae der einem
frisch getöteten Tiere entnommenen Leber. Dann legte er das
Organ in Toluolwasser und beließ es 12 bis 24 Stunden lang im
Brutschrank. An mit Osmium gefärbten Schnitten eines solchen
Örganes sieht man in den Zellen zahlreiche kleinere und größere
Fetttropfen, die besonders in den peripheren Teilen der Aecini
liegen; einzelne Zellen sind ganz mit Fett erfüllt und erscheinen
im Mikroskop als schwarze Flecken. Mavrakis deutet diesen
Befund, den ich, wie ich vorausschickend bemerken möchte, be-
stätigen Konnte, im Sinne eines Degenerationsvorganges, durchaus
analog demjenigen, welcher sich bei der Phosphorvergiftung intra
vitam vollzieht. „Die Steagotenesis“, sagt Mavrakis?), „die nach
Vergiftung durch Phosphor auftrat, ist der Umwandlung des
Zellenplasmas zuzuschreiben und wird dabei das Fett nicht etwa
aus anderen Körperteilen zugeführt. Bekanntlich besteht das Proto-
plasma der Zellen aus verschiedenen Elementen, unter denen das
Albumin die erste Stelle einnimmt. Wir halten daher den Schluß
für sehr berechtigt, daß ein großer Teil des Fettes durch Um-
wandlung dieses Albumins erzeugt würde, zum mindesten aber
in jenen Leberzellen, die ganz und gar in Fettzellen verwandelt
waren.“
Es ergab sich nun zunächst die Frage, ob die in den Mavrakis
schen Versuchen beobachtete Zellverfettung überhaupt auf einer
Fettneubildung oder aber nur auf einer histologischen Sicht-
barmachung des schon vorhandenen Fettes beruht).
Eine derartige Sichtbarmachung von Fett in der Zelle ist
auch schon von anderen Autoren und zwar bei der normalen
Autolyse der Organe angenommen worden. So fand Zahn) in
') ©. Mavrakis, Untersuchungen über die Steatogenesis der Organe.
Arch. f. Anat. u. Phys. 1904, S. 95.
*) l. 06, 8. 9.
», Vgl. auch Di Christine, Die ehemischen Veränderungen bei der
fettigen Degeneration in Beziehung zu den anatomischen. Virchows Arch.
181, 509.
‘, Wilh. Zahn, Untersuchungen über das Vorkommen von Krankheits-
keimen im Blute gesunder Tiere. Virchows Arch. 1884.
ER
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 449
aseptisch aufbewahrtem Blute freie Fetttröpfchen; Hauser!) sah
Fett in Muskelfasern, Leber, Niere, Kraus?) in der Leber,
Wentscher°) und Lindemann in den Epithelien des Rete Mal-
pighi auftreten, wenn die genannten Organe der aseptischen Auto-
lyse überlassen wurden. Kraus*) untersuchte nun das Äther-
extrakt von Leberstücken in frischem Zustande und nach l4tägiger
aseptischer Autolyse und fand keine Vermehrung desselben. Ebenso-
wenig fand Rosenfeld’) mit seiner Alkohol-Chloroformextrak-
tionsmethode eine Vermehrung des Fettes autolysierender Haut-
stücke. Siegert®) bestimmte im Laboratorium Hofmeisters die
höheren Fettsäuren in frischen und autolysierten Leberstücken und
fand keine Vermehrung derselben. Auch sei der Beobachtung
Fr. Müllers’) gedacht, der Fett in Tröpfchen bei der Autolyse
der pneumonisch infiltrierten Lunge auftreten sah; seine chemischen
Bestimmungen ergaben aber, daß das Fett nicht vermehrt war.
Es sei hier endlich die von Heffter®°) konstatierte, von Leo und
von Athanasiu®) bestrittene, von Waldvogel und Mette?) aufs
neue behauptete Tatsache der Lecithinabnahme in der Leber
phosphorvergifteter Tiere erwähnt. Waldvogel konnte bei Zusatz
von sterilem Lebersaft zu Lecithin eine Abnahme des Lecithins
und eine Zunahme der höheren Fettsäuren nachweisen; einen iden-
tischen Vorgang fand er bei der aseptischen Leberautolyse. Diese
Tatsache des Leecithin- bzw. des Protagonschwundes verwertete
Fr. Müller zur Erklärung der „Fettdegeneration“, insofern aus
Lecithin, Protagon usw. höhere Fettsäuren entstehen sollen, die
sich mit Osmium färben, während Lecithin und Protagon keine
Osmiumfärbung geben (Neubauer und Langstein 10). — Auf Grund
) A. Hauser, Über das Vorkommen von Mikroorganismen im leben-
den Gewebe gesunder Tiere. Arch. f. experim. Path. 20 (1886).
2) Fr. Kraus, Über die in abgestorbenen Organen spontan eintreten-
den Veränderungen. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 22 (1886).
®) Wentscher, Uber das Eigenleben menschlicher Epidermiszellen
außerhalb des Organismus. Zieglers Beitr. 29 (1898).
Er Eraus; |. c.
°) G. Rosenfeld, Ergebnisse der Physiologie 1, 90 (1903).
°) F. Siegert, Das Verhalten des Fettes bei der Autolyse der Leber.
(Aus dem phys.-chem. Institut in Straßburg.) Diese Beiträge 1, 114.
7) Fr. Müller, zitiert nach G. Rosenfeld, Asher u. Spiro, l.e. °
®) Zitiert nach Rosenfeld, Fettbildung, Asher u. Spiro, |. c.
°) Münch. med. Wochenschr. 1906, S. 403; vgl. auch Waldvogel,
Autolyse und fettige Degeneration, Virchows Arch. 77, 1 und Derselbe,
Die durch Fermente bewirkte Umwandlung bei der fettigen Degeneration.
Zeitschr. f. phys. Chemie 42, 200.
") Neubauer und Langstein, Versammlung d. Naturforscher und
Ärzte 1903.
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 99
450 | Paul Saxl,
dieser Tatsachen gehen Waldvogel und Mette!) soweit, Auto-
lyse und echte Zellverfettung in jedem Falle zu identifizieren,
während Friedrich Müller!) nur die Erscheinungen bei der
Degeneration des Nerven, die Vorgänge bei der Rückbildung der
Thymus, die Autolyse der Lunge und der Leukocyten in eine
Linie stellt.
Im Gegensatz zu den Angaben dieser Autoren, denen zufolge
es sich bei der Autolyse um keine Vermehrung des Fettbestandes
der Organe, sondern nur um ein Sichtbarwerden von bis dahin
histologisch nicht sichtbarem Fett handle, behauptet Stolnikow 2)
eine effektive Vermehrung des Fettes durch postmortale
Fettbildung; Kotsowsky?°) gibt an, daß das Ätherextrakt von
Leberstücken während der aseptischen Konservierung von 8 bis
10 Proz. auf 15 bis 20 Proz. steige. Von besonderem Interesse
erscheint aber eine aus jüngster Zeit stammende Angabe von
Hildesheim und Leathes®). Dieselben bestimmten Fett in
frischen und autolysierten Leberstücken; sie fanden eine Zunahme
der Fettsäuren während der Autolyse; diese Zunahme war beson-
ders groß, wenn zu den autolysierenden Leberstücken Glykogen
zugesetzt wurde; daraus schlossen die genannten Autoren, daß
sich während der Autolyse aus Glykogen höhere Fett-
säuren bilden. Es lag daher nahe, jene Zellverfettung, die
Mavrakis als Zellinfiltration ansprach, mit der Autolyse in Zu-
sammenhang zu bringen.
Jedoch unterscheiden sich die histologischen Bilder der ge-
wöhnlichen Autolyse und jener nach Phosphorinjektion in die
Vena portae ganz bedeutend durch den der Schätzung nach ge-
ringen Fettgehalt im ersten, die starke Verfettung im zweiten
Falle; auch tritt diese spärliche histologisch wahrnehmbare Fett-
zulage bei der normalen Autolyse erst nach mehrtägiger, wenn
nicht mehrwöchentlicher Autolyse auf und ist so gering, dab
Dietrich’) die Ähnlichkeit der mikroskopischen Bilder bei
Autolyse und fettiger Degeneration bestreitet. Anders beim
ET
*) Stolnikow, Vorgänge in den Leberzellen, insbesondere bei Phosphor-
vergiftung. Arch. f. Anat. u. Physiol., Phys. Abt., Suppl. 1 (1887).
*) Kotsowsky, Jitudes sur les modifications des cellules dans leur
mort lente. Arch. de sciences Biol. St. Petersbourg 1896.
*, Hildesheim und Leathes, On the synthesis of higher fatty acids
in the liver. Journal of physiol. 31 (1904). (Proc. Physiol. Soe. I.)
’) A. Dietrich, Experimente zur Frage der fettigen Degeneration.
Münch. med. Wochenschr. 1904, S. 15, 10—12.
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 451
Mavrakisschen Versuche, wo wir sehr reichlich Fett auftreten
sahen.
Nun hataber Jacoby!) im Straßburger physiologisch-chemischen
Institute nachgewiesen, daß die Leber von mit Phosphor vergifteten
Tieren stärker autolysiere als die normale. So war denn die Mög-
lichkeit gegeben, daß der Phosphor, der im Mavrakisschen
Versuche in die Leber injiziert wird, eine Steigerung der
Autolyse bedinge.
Wir haben uns daher, um eine Klärung der Sachlage zu er-
zielen, folgende Fragen vorgelegt:
l. Vermag Phosphor nicht nur intra vitam, sondern auch
extra corpus mit Organen in Berührung gebracht eine SNIES
rung autolytischer Vorgänge hervorzurufen?2).
2. Vollzieht sich bei der normalen oder durch Phosphor ge-
steigerten Autolyse eine Neubildung von Fett bzw. höherer
Fettsäuren?
3. Handelt es sich bei der „Fettdegeneration* in Mavrakis’
Versuch um eine tatsächliche Neubildung oder nur um Sichtbar-
werden früher unsichtbaren Fettes?
Es sei mir gestattet, im folgenden über die experimentelle
Beantwortung dieser Frage zu berichten.
2. Die Steigerung der Autolyse durch Phosphorzusatz.
Daß die Autolyse der Leberzellen beim phosphorvergifteten
Tiere gesteigert ist, ist von Jacoby?) bewiesen worden. Er konnte
schon unmittelbar post mortem eine Vermehrung des Amidstick-
stoffs in der Phosphorleber nachweisen, die nach l4tägiger Auto-
lyse noch weit beträchtlicher war. „Diese Befunde zeigen“, sagt
Jacoby, „daß die Phosphorleber schon im lebenden Tiere eine
Veränderung erfährt (Auftreten von Leucin und Tyrosin, Ver-
!) Jacoby, Über die Beziehungen der Leber- und Blutveränderungen
bei Phosphorvergiftung zur Autolyse. (Aus dem physiologisch-chemischen
Institut zu Straßburg.) Zeitschr. f. phys. Chem. 30, 174 (1900).
2) Vgl. Jacobys (l. c., S. 177) Bemerkung: ... „Ferner wurde unter-
sucht, ob die Anwesenheit von kleinen Mengen Phosphor die Wirkung des
proteolytischen Fermentes steigert. Hauser hat den Einfluß zugesetzten
Phosphors auf einige Fermente und synthetische Vorgänge untersucht, aber
nur eine Störung der Hippursäuresynthese in der Niere durch Phosphor
nachweisen können. In ähnlichen — vielleicht nieht genügend varlierten
Versuchen — habe ich auf Zunahme der Ammoniakbildung durch Zusatz
von Phosphor zu Leberfermentenlösungen geachtet, aber keine gefunden.“
N Jacoby, l. c.
99%
452 Paul Saxl,
mehrung des leicht austreibbaren Stickstoffs), wie sie einem auto-
lytischen Befunde entspricht. Die Vermutung, daß es sich um
einen sehr ähnlichen, wenn nicht identischen Vorgang handelt,
findet eine Stütze darin, daß die Phosphorlebern bei der Autolyse,
wie die angeführten Versuche zeigen, eine besonders starke auto-
lytische Ammoniakbildung aufweisen.“
Jacoby wies also eine Steigerung der Leberautolyse beim
phosphorvergifteten Tiere nach, wobei er es wahrscheinlich
machte, daß die gesteigerte Autolyse schon intra vitam einsetzt.
Unsere Fragestellung lautete aber nunmehr: Steigert Phosphor,
einem autolysierenden normalen Organ post mortem zugesetzt,
die Autolyse? — Zur Beantwortung dieser Frage ließen wir gleiche
Mengen von Organbrei oder Preßsaft mit und ohne Phosphorzusatz
autolysieren und bestimmten die Zunahme des löslichen Stickstoffs.
Die Versuche wurden folgendermaßen ausgeführt: Eine Leber wurde
nach Entfernung der Gallenblase fein zerhackt; Portionen von je 3g wurden
abgewogen, zwei Portionen sofort verarbeitet, vier für die Autolyse bestimmte
Portionen mit je 30& physiologischer NaCl-Lösung versetzt, zu zwei Por-
tionen je ein Stück gelben Phosphors hinzugefügt; sodann wurden alle
vier Portionen mit dem gleichen Antiseptikum versetzt. Als solches ver-
wendeten wir in den verschiedenen Versuchsreihen für je eine Portion Leber-
brei: 0,5cem Toluol oder 30 eem 1 proz. Fluornatriumlösung (in diesen Por-
tionen unterblieb der Zusatz von NaCl-Lösung), oder 0,5eem Toluol +
2cem Chloroform oder aber eine Jodoformemulsion, die ich nach der An-
gabe von Vandervelde!) bereitete. Diese vier Portionen wurden in den
;rutschrank gestellt und jeden Tag umgeschüttelt; in den Toluolversuchen
wurden täglich 0,5 cem Toluol nachgefüllt; nach mehrtägiger Autolyse wurde
in diesen Portionen der lösliche Stickstoff bestimmt. Durch Züchtungs-
versuche überzeugte ich mich wiederholt von der Sterilität der einzelnen
Portionen. — Von Prebsäften nahm ich einige (5 bis 20) Cubikcentimeter
und behandelte sie in gleicher Weise wie den Örganbrei.
Die coagulablen Eiweißkörper wurden nach den Angaben E. Schle-
singers?) beseitigt. Die einzelnen Portionen wurden bis zur deutlich sauren
Reaktion mit einigen Tropfen Essigsäure und mit 1 cem einer 2 proz. Kalium-
monophosphatlösung versetzt, zum Sieden erhitzt, auf dem Wasserbade auf
20cem eingedampft und dann filtriert. Im Filtrat wurde der Stickstoff nach
Kjeldahl bestimmt. Aus den beiden Parallelbestimmungen wurden dann die
Mittelwerte berechnet. Der Übersichtliehkeit halber sind nur diese in der
folgenden Tabelle angeführt.
') A. J. Vandervelde, Über die Anwendung von Antiseptieis bei
Untersuchungen über Enzyme. Biochem. Zeitschr. 3, 2/4, S. 315.
”) Eugen Sehlesinger, Untersuchungen über die Abhängigkeit der
autolytischen Prozesse von physiologischen und pathologischen Verhältnissen.
(Aus dem physiologisch -chemischen Institut in Straßburg.) Diese Beiträge
4, 87 (1904).
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 453
L 7 2 Löslicher Zunahme
4 a) 'S | Stickstoffing | des löslichen
= ö 5 = SE Sr Stickstoffs
z Organbrei 2 =3 Anti- Er k E ing
E CHE = septikum = = = = ee,
E | = 2 a8.
2 55% SE A
| Tage = 2 F 2 SG z s
Kaninchenleber 3 | 0,016 Toluol 4 | 0,021 | 0,041 || 0,005 | 0,025
Rinderleber 3 0,010 5 2 | 0,024 | 0,039 || 0,014 | 0,029
Schweineleber 3 | 0,018 a 3 || 0,025 | 0,039 || 0,007 | 0,021
t | Katzenleber 3 | 0,017 r 6 | 0,074 | 0,082 || 0,057 | 0,065
5 \ Kaninchenleber 3 | 0,007 | ° Toluol 2 || 0,011 | 0,022 || 0,004 | 0,015
| —+- Chloroform
ba # 3 | 0,007 = 10 || 0,024 | 0,025 || 0,017 | 0,018
5 ” 3 | 0,007 | I1proz. FlINa- 6 | 0,025 ! 0,028 || 0,018 | 0,021
Lösung
3 | 0,011 3 4 | 0,024 | 0,029 ||. 0,013 | 0,017
We 3 | 0,007 Jodoform- 2 | 0,041 | 0,043 ||. 0,034 | 0,036
Preßsaft ine
Kaninchenleber |— | — Toluol 3 || 0,014 | 0,009 — —
| —- Chloroform
) R 10.010 S 3 || 0,015 | 0,019 || 0,005 | 0,009
| | Kaninchenmuskel | — | 0,009 > 3.170.014, 087
0,005 | 0,008
E — | 0,022 ” 3 || 0,0384 | 0,038 |: 0,012 | 0,016
Diese Versuche zeigten, insoweit Toluol als Antiseptikum zur
Anwendung kam, übereinstimmend eine Steigerung der Autolyse
durch Phosphorzusatz. Diese Steigerung beträgt in den oben an-
geführten Versuchen 14 bis 400 Proz. der bei normaler Autolyse
gefundenen Zunahme des löslichen Stickstoffs. Daß dieselbe im
Beginn der Autolyse am stärksten ist, erkennt man deutlich im
Versuch 5 und 5a. Nach zweitägiger Autolyse zeigen sich große
Differenzen zwischen Autolyse mit und ohne Phosphorzusatz. Nach
zehntägiger Autolyse ist diese Differenz fast verschwunden. Bei
den Versuchen unter Zusatz von Fluornatrium, sowie bei den
Preßsäften, die nur eine sehr schwache Autolyse zeigten, war nur
eine geringe Steigerung der Autolyse durch Phosphor zu erzielen.
Eine sehr bedeutende Steigerung der Autolyse erhielten wir
mit einem Organpulver, das von Herrn Dozenten W. Wiechowsky!)
') W. Wiechowsky, Eine Methode zur chemischen und biologischen
| Untersuchung überlebender Organe. (Aus dem pharmakologischen Institut
1% der deutschen Universität in Prag.) Diese Beiträge 9, 5/7, 8. 232.
E |
| .
454 Paul Saxl,
im Prager pharmakologischen Institut nach seiner Methode zur
Untersuchung überlebender Organe bereitet und uns in liebens-
würdigster Weise zur Verfügung gestellt worden war.
Versuch 13.
enthält löslichen Stickstoff:
Normale Leber (pulverisiert) 2g .... . 0,021 g
Dieselbe Menge al riefen Leber EN Funflägiger
Autolyse ... . : 0,023 8
Dieselbe Menge Der ae FEN füntiägagek
Autolyse mit Phosphorzusatz ..... 0,049 &
Demnach Zunahme des löslichen Stiekstoffs Bar orale
Autolyse .... 0,007 g
Demnach Zunahme des löslichen Stickstoffs da Dhomnhi
autolyB6 ... #0, ara 21 Te 6 en Sn il Fr Fa
So finden wir also, daß Phosphor, zu autolysierenden
Organen zugesetzt, die Autolyse steigert: Da nach den
übereinstimmenden Angaben von Wiener!) und Baer und Loeb)
geringe Säuremengen die Autolyse fördern, läge es vielleicht
nahe, diese Steigerung auf die durch langsame Oxydation des
Phosphors in der Autolysenflüssigkeit entstehenden kleinen Phos-
phorsäuremengen zu beziehen. Ob diese oder aber eine dem
Phosphor eigentümliche Wirkung auf das autolytische Ferment
den beobachteten Erscheinungen zugrunde liegt, vermag ich vorder-
hand nicht zu entscheiden.
3. Autolyse und Fettbildung.
Zur Prüfung der Frage, ob bei der Autolyse eine Neubildung
von höheren Fettsäuren erfolgen könne, gingen wir von der An-
nahme aus, daß, wenn überhaupt bei der Leberautolyse eine Fett-
bildung stattfindet, jedenfalls bei der gesteigerten Autolyse der
Leber eines phosphorvergifteten Tieres (Jacoby°) oder bei der
Erhöhung derselben durch postmortalen Phosphorzusatz eine Fett-
bildung in größerem Umfange stattfinden dürfte. — Einzelnen auto-
Iysierenden Portionen wurde überdies einprozentige Zuckerlösung
zugesetzt, um die oben erwähnte Angabe von Hildesheim und
) H. Wiener, Über den Einfluß der Reaktion auf autolytische Vor-
günge. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität in
Prag.) Zentralbl. f. Physiol. 19, 349.
°) J,. Baer und A. Loeb, Über die Bedingungen der autolytischen
Eiweißspaltungen in der Leber. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 53, 1.
”) 1:6
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 455
Leathes!), derzufolge Glykogenzusatz die Fettbildung bei der
Autolyse steigere, einer Nachprüfung zu unterziehen. (Ich setzte statt
Glykogen Zucker zu, da ja die autolysierende Leber durch ihr diasta-
tisches Ferment ohnedies Glykogen sehr schnell in Zucker ver-
wandelt.)
Methodik der Fettbestimmung. Schon Siegert?) betonte,
daß es sich bei der Frage der Fettneubildung nur um die Neu-
bildung von höheren Fettsäuren handeln könne. Daß es bei der
Autolyse zur Neubildung niederer Fettsäuren, wie Bernsteinsäure,
Rechts- und Linksmilchsäure komme, wurde von Magnus-Levy?)
nachgewiesen. Siegert?) bestimmte die höheren Fettsäuren, indem
er nach Verseifung des Ätherextrakts dieselben aus der wässerigen
Seifenlösung durch Mineralsäuren abschied, abfiltrierte und zur
Wägung brachte.
In den folgenden Versuchen wurde zur Bestimmung der gesamten
Fettsäuremenge die Methode von Liebermann und Szekelyt) ver-
wendet. Diese Methode erschien uns deswegen besonders geeignet,
weil dabei nicht nur jene Fettsäuren, die als Neutralfette, Seifen
und Fettsäuren in der Leber enthalten sind, ermittelt, sondern
weil auch die Lecithine, Protagone, Jekorine usw. mit Sicher-
heit aufgespalten und die darin enthaltenen Fettsäuren bestimmt
werden.
5g feuchter Substanz werden in einem von den Autoren für diese
Zwecke angegebenen Kolben mit 30 ccm einer 50 proz. Kalilauge eine halbe
Stunde lang gekocht, nach dem Erkalten mit 30 ccm Alkohol (97 proz.) ver-
setzt, abermals durch zehn Minuten gekocht, 100 ccm einer 20 proz. Schwefel-
säure bis zur stark sauren Reaktion unter beständiger Kühlung zugesetzt,
sodann 50ccm Petroläther hinzugefügt und gut durchgeschüttelt.e Nach
Zusatz von soviel konzentrierter Kochsalzlösung, daß die Oberfläche der
wässerigen Flüssigkeit eine bestimmte am Kolben angebrachte Marke er-
reicht, läßt man den Petroläther absetzen, hebt 20 ccm ab, fügt 40 ccm säure-
freien Alkohol (97 proz.) und l1ecm einer einprozentigen Phenolphtaleinlösung
hinzu und titriert mit \/,, n-alkoholischer Kalilauge. Nach der Titration
wird die Flüssigkeit in ein 80 cem fassendes Wägegläschen übertragen, der
Alkohol und Petroläther auf dem Wasserbade verjagt und das Wägegläschen
mit dem Rückstande nach einstündigem Verweilen im Trockenschranke ge-
wogen. Die Berechnung der gesamten Fettsäuremengen erfolgt dann aus
den beiden erhaltenen Werten: dem Titrations- und Wägewert.
") 1.0,
ie.
») Magnus-Levy, Über die Säurebildung bei der Autolyse der Leber.
Diese Beiträge 2 (1902).
*) Liebermann und Szekely, Eine neue Methode der Fettbestimmung
in Futtermilch, Fleisch, Koth usw. Pflügers Arch. 72 (1898).
456 Paul Saxl,
Nach dieser auch von Tangl und Weiser!) erprobten Methode
wurde’ die Gesamtmenge ätherlöslicher Säuren, also sowohl höhere
als auch niedere Fettsäuren bestimmt. | Nr
Um eine gesonderte Bestimmung der höheren Fett-
säuren zu erzielen, auf die es uns ja zur Entscheidung der Frage
der Nenbildung von Fett bei der Autolyse ankam, haben wir die
beschriebene Methode in folgender Weise modifiziert: Der nach
Ausführung der Liebermann-Szekelyschen Methode zurück-
bleibende Petrolätherrückstand wird im Wägegläschen in 1/,o n-
Natronlauge gelöst, sodann Salzsäure zugesetzt, bis die durch das
Phenolphtalein bedingte Rotfärbung verschwindet; durch die Salz-
säure werden die Fettsäuren freigemacht und- schwimmen _als
Tropfen und Flocken in der Flüssigkeit; diese werden mit Hilfe
eines kleinen Filterchens abgetrennt und das Filter sorgfältig
nachgewaschen, bis das Waschwasser neutral reagiert. Sodann
wird das Filter an der Luft getrocknet, hierauf Äther durch das
Filter hindurch in das Wägegläschen gegossen (wobei dieser mit
größter Leichtigkeit die Fettsäuren aufnimmt), das Filter nochmals
mit Äther durchgespült, der Äther verjagt und der nunmehr aus-
schließlich aus höheren, im Wasser unlöslichen Fettsäuren be-
stehende Rückstand gewogen.
Trotzdem bei den zahlreichen Manipulationen Verluste nicht
ganz zu vermeiden sind und diese bei den hier in Betracht kom-
menden kleinen Fettmengen (wie Kontrollproben mit abgewogenen
kleinen Quantitäten ergaben) bis 15 Proz. ausmachen können,
glaubten wir dennoch für unsere Zwecke, um eine Irreführung
durch niedere Fettsäuren zu vermeiden, dieser Methode vor anderen
den Vorzug geben zu sollen.
Versuch 14.
Ein Kaninchen wurde durch tägliche Injektion von lccm einer ein-
prozentigen Phosphoremulsion im Laufe von vier Tagen vergiftet. Die Leber
zeigte hochgradige Verfettung. In zwei Portionen zu 5g wurde das Fett
sofort bestimmt. Vier Portionen zu 5g wurden zu einem feinen Brei zer-
sehnitten und zerrieben, sodann mit 50cem physiologischer NaCl-Lösung,
0,5 cem Toluol und 3cem Chloroform und zwei Portionen überdies mit 1g
Traubenzucker versetzt; die vier Portionen wurden in gut verschlossenen
Pulvergläsern zur Autolyse in den Brutschrank gestellt und nach drei- bzw.
zehntägiger Autolyse deren Fettgehalt bestimmt. Die Pulvergläser wurden
täglich mit 0,5cem Toluol nachgefüllt und umgeschüttelt. Die einzelnen
Portionen ergaben folgenden Fettgehalt:
')F. Tangl und Weiser, Einige Fettbestimmungen nach der Lieber-
mannschen Untersuchungsmethode. Pflügers Archiv 72, 361.
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 457
(Gesamtgehalt an Fettsäuren Höhere
Je 5 & Leber enthielten: Titrationswert in | Gewogen als Fettsäuren
Cubikeentimetern | \, . F In ’&
Yo n-Kalilauge Seifen in g
ER ae 19,0 0,570 0,310
re 18,5 0,495 0,265
nach dreitägiger Autolyse ohne |
ekerzusatz" ! . ..: 0». 18,0 0,408 0,245
nach dreitägiger Autolyse mit
mekerzusatz’ . ........» 22,0 0.550 0,300
nach zehntägiger Autolyse ohne |
eerzusatzr...n. 420... 13,9 0,375 0,195
nach zehntägiger Autolyse mit
zuelezusatz- . 5. u. 2. 29,5 0,505 0,220
Versuch 15.
Dieselbe Versuchsanordnung wie in Versuch 14. Jedoch wurden statt
physiologischer Natriumchloridlösung und Toluolchloroform in dieser Ver-
suchsreihe 50 cem einprozentiger Fluornatriumlösung zugesetzt.
| Gesamtgehalt an Fettsäuren Höhere
Je 5g Leber enthielten Titrationswert in | Gewogen als Fettsäuren
Cubikcentimetern h £ ın &
lo n-Kalilauge Seifen in g i
se... BERN 22,0 0,465 0,150
en a A a | 23,5 I. : 0,425 0,190
nach siebentägiger Autolyse ohne | |
Zuckerausatz -. . . .. el, 19,9 0,265 0,170
2 | 13,5 0,270 0,175
nach siebentägiger Autolyse mit
Zuekerzusätz" . . ...... 13,5 0,255‘ 0,185
1 | 14,0 0,285 | 0,180
Versuch 16.
‘Einem frisch getöteten Kaninchen wurde die Leber entnommen, fein
zerhackt, der Brei in Portionen von je 5g abgewogen und in zwei Portionen
der Fettgehalt . sofort bestimmt. Vier Portionen wurden mit je 50 cem
physiologischer NaCl-Lösung, 0,5 cem Toluol und 3cem Chloroform und zwei
derselben — um eine Steigerung der Autolyse zu bewirken — außerdem mit
einem Stück gelben Phosphors versetzt. Alle vier Portionen wurden in den
Brutschrank gestellt, täglich mit 0,5cem Toluol versetzt und umgeschüttelt
und nach dreitägiger Autolyse in bezug auf ihren Fettgehalt analysiert.
458 Paul Saxl,
(Gesamtgehalt an Fettsäuren Hakas
Je 5g Leber enthielten: Titrationswert in | Gewogen als F ettsäuren
| Cubikeentimetern ® = ın &
Y/ıo n-Kalilauge Seifen ıng
frisch 3... 20, 9,0 0,205 0,090
frisch! „nd: 1... 2 Te I a 9,5 0,225 0,110
nach dreitägiger Autolyse | 9,0 0,215 0,100
deagleiohen "Wa 9,0 0,205 0,105
nach dreitägiger Autolyse mit |
Phosphorzusatz ..... . 10,0 0,275 0,135
desgleichen la | 9,5 0,225 0,125
Abgesehen von Schwankungen, die innerhalb der Fehlergrenze
liegen, zeigen die in den obigen Versuchen angeführten Zahlen,
daß auch bei der durch Phosphorvergiftung bedingten
oder durch postmortalen Phosphorzusatz herbeigeführten
Steigerung der Leberautolyse keine deutliche Vermehrung
höherer Fettsäuren stattgefunden hat und daß auch Zucker-
zusatz zur autolysierenden Leber phosphorvergifteter
Tiere keine solche herbeizuführen vermochte.
4. Fettbestimmungen in der nach Mavrakis behandelten Leber.
Versuchsanordnung. Um die von Mavrakis beschriebene
Verfettung zu erzielen, hielt ich mich im Wesentlichen an die von
diesem Autor angegebene Versuchsanordnung.
Einem frisch getöteten Kaninchen wurde die Leber entnommen, ein
Stück abgeschnitten und in den zugehörigen Pfortaderast eine Aufschwem-
mung von Phosphor in Wasser injiziert. Mavrakis stellte sich eine solche
Aufschwemmung durch Zerreiben eines Stückes gelben Phosphors in Wasser
her. Ich brachte ein solches Stück unter Wasser bei 45° zum Schmelzen
und schüttelte dann kräftig; dabei zerstäubt der Phosphor und bleibt auch
bei Zimmertemperatur in kleinen und kleinsten Partikelehen in dem mit
gelöstem Phosphor gesättigten Wasser verteilt. Eine derartige Aufschwem-
mung injizierte ich nun auf dem Wege des Pfortaderastes, stach außerdem
noch an einigen anderen Stellen mit der Pravazspritze ein und injizierte,
wodurch das Leberstück gründlich mit Phosphor imprägniert wurde. Das-
selbe wurde sodann in physiologische Kochsalzlösung gelegt und in den
Brutschrank gestellt. Gleichzeitig wurden Vergleichsstücke derselben Leber
aufgestellt, die einfach mit physiologischer. Kochsalzlösung injiziert worden
waren,
Nach 24 bis 48 Stunden wurden die Stücke dem Brutschranke ent-
nommen, kleine Proben abgeschnitten, in einprozentige Osmiumlösung ein-
relert, mit Wasser, Alkohol von steigender Konzentration und Xylol behan-
delt, in Paraffin eingebettet und sodann geschnitten. Man sieht dann an
= EN EEE
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 459
den mit Phosphor behandelten Stücken jene ausgedehnte Zellverfettung, wie
sie Mavrakis beschrieben hat. In der Vergleichsprobe sind nur ganz spär-
liche, durch Osmium schwarz gefärbte Punkte zu sehen.
Um mich aber in den Versuchen gegen den Eintritt von Fäulnis un-
bedingt zu schützen, versetzte ich das Phosphorwasser und ebenso die physio-
logische Kochsalzlösung, in die die Leberstücke gelegt werden, von vorn-
herein mit Toluol; oder ich schwemmte den Phosphor in einprozentiger
Fluornatriumlösung auf und verwendete statt der physiologischen Kochsalz-
lösung dieselbe Fluornatriumlösung, in die ich die Leberstücke einlagerte.
Wie ich mich wiederholt überzeugen konnte, hindern diese Antiseptica das
Auftreten des histologischen Bildes nicht. — Die Vergleichsstücke wurden
gleichfalls mit physiologischer Kochsalzlösung + Toluol oder mit Toluol
sorgfältig durchgespült. — Wiederholt wurden aerobe und anaerobe Züch-
tungsversuche angestellt, die stets negativ ausfielen.
Nachdem ich mich auf diese Weise von dem Auftreten des
von Mavrakis beschriebenen histologischen Bildes überzeugt
hatte, wurde mit den im histologischen Sinne verfetteten und in
den nicht verfetteten Portionen Fettbestimmungen ausgeführt.
Dabei war die Versuchsanordnung folgende. Einem eben getöteten
Kaninchen wurde die Leber entnommen und nach Entfernung der Gallen-
blase in drei Stücke zerschnitten, womöglich so, daß bei zwei Stücken ein
Pfortaderast erhalten blieb. Alle drei Stücke wurden sorgfältig gewogen.
Eines sofort auf seinen Fettsäuregehalt geprüft; eines mit Phosphor-
aufschwemmung (wie oben geschildert), eines mit Toluolkochsalzlösung bzw.
Fluornatriumlösung injiziert und auf 24 bis 48 Stunden in den Brutschrank
gestellt. Nach dieser Zeit wurden von diesen Leberportionen kleine ge-
wogene Stückchen abgeschnitten und zur histologischen Untersuchung ver-
wendet. Im Rest wurden die Fettsäuren bestimmt.
Die Fettsäurebestimmung wurde ebenso wie in den Versuchen 12 bis 15
ausgeführt. Zunächst bestimmte ich den Gesamtgehalt an Fettsäuren nach
Liebermann und Szekely. In dem so gewonnenen Petrolätherextrakt
wurden dann noch die höheren Fettsäuren bestimmt. — Da ich es hier
mit größeren Organmengen zu tun hatte, verringerten sich die im vorigen
Kapitel erwähnten Versuchsfehler um ein Wesentliches.
Versuche Nr. 17, 18, 19 und 20.
Ein Stück Kaninchenleber wurde frisch auf seinen Fettgehalt unter-
sucht, eines mit Toluolwasser, eines mit einer Aufschwemmung von Phos-
phor in Toluolwasser injiziert (Versuche 17 u. 18) oder aber das Toluolwasser
durch einprozentige Fluornatriumlösung ersetzt (Versuche 19 u. 20).
(Tabelle auf folgender Seite!)
Diese Versuche zeigen übereinstimmend, daß eine außerhaib
der Fehlergrenze liegende Vermehrung der höheren Fettsäuren bei
der durch Phosphorinjektion erzeugten Zellverfettung nicht statt-
findet. Die Annahme von Mavrakis, daß es sich bei der von
ihm beschriebenen Zellverfettung um eine Fettneubildung aus
460 Paul Saxl,
Versuchs-Nummern
3 | Gesamtgehalt Auf 10 en
en Be
BT | ? esamtza
nn... : S Fettsäuren = an Fettsäuren 5
oo Zustand Histo- rg ® zz Tue
E53 der | soeincker SsS|agg 0% ses | 8
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© | 82: 38H E2ecel<>2B ern
5 | ZE| & a5) SH
5 frisch — — | 10,5 | 0,240 | 0,130 | 20,1 | 0,480 | 0,260
11 nach zweitägiger — steril | 22,8 | 0,494 | 0,240 | 22,6 | 0,449 | 0,218
Autolyse
11 do., — steril | 22,0 | 0,448 | 0,248 | 20,0 | 0,401 | 0,226
Phosphor inji-
ziert
5), frisch | — — 10,9 | 0,230 | 0,115 | 20,0 | 0,418 | 0,210
8 nach eintägiger | keine steril | 15,4 | 0,345 | 0,165 19,2 | 0,431 | 0,206
Autolyse | Verfettung
I) do., deutlich ver- | steril | 16,0 | 0,365 | 0,180 | 20,0 | 0,456 | 0,225
Phosphor inji- | fettet
ziert
10 frisch - — 13,8 | 0,390 | 0,275 13,8 | 0,390 | 0,275
10 nach zweitägiger — — 16,3 | 0,420 | 0,268 16,3 | 0,420 | 0,268
| Autolyse
20: | do., — _ 28,0 | 0,360 | 0,650 | 14,0 | 0,430 | 0,310
Phosphor inji-
ziert |
10% frisch — — | 17,0 | 0,544 | 0,278 9,6 | 0,311 | 0,16
17'/, | nach viertägiger ' spärlich ver- | steril 17,2 | 0,560 | 0,275 9,7 | 0,319 | 0,108
Autolyse fettet |
35"/, do., ‚ sehr starke | steril| 40,2 | 1,135 | 0,650 | 11,3 | 0,319 | 0,1
Phosphor inji- | Verfettung
ziert |
Eiweiß handle, wird daher hinfällig. Es findet keine Fett-
neubildung, sondern nur eine Sichtbarmachung des früher
nicht wahrnehmbaren Fettes statt. Schon oben wurde auf die
Analogie des Sichtbarwerdens von Fett bei der gewöhnlichen Auto-
Iyse und bei den durch Phosphor gesteigerten in den Mavrakis-
schen Versuchen hingewiesen. Es erscheint daher die Annahme
berechtigt, daß es sich in den Mavrakisschen Versuchen um eine
durch die Gegenwart von Phosphor gesteigerte Autolyse
handelt, die zu einer gesteigerten Sichtbarmachung des
Zellfettes führt. Ob dieser Vorgang zu der Verfettung bei
in irgendwelcher Beziehung steht,
intravitaler Phosphorvergiftung
mar dahingestellt bleiben.
Über die Beziehungen der Autolyse zur Zellverfettung. 461
Zusammenfassung.
l. Gelber Phosphor, Organen postmortal zugesetzt, steigert
die Autolyse derselben.
2. Bei der Autolyse findet, entgegen den Angaben der ein-
gangs erwähnten Autoren, keine Neubildung höherer Fett-
säuren statt; sie ist auch bei der gesteigerten Autolyse von Or-
ganen phosphorvergifteter Tiere selbst nach Zuckerzusatz nicht
nachweisbar. Ebensowenig konnte bei der durch postmortalen
Zusatz von Phosphor bedingten Steigerung der Autolyse eine
Neubildung von Fett nachgewiesen werden.
3. Es gelingt durch Injektion einer Aufschwemmung von
Phosphor in Toluolwasser oder in einer einprozentigen Fluor-
natriumlösung in einen Pfortaderast einer herausgenommenen Leber
eine histologisch nachweisbare Zellverfettung zu erzielen, die
mit dem mikroskopischen Bilde der Fettinfiltration bei Phosphor-
vergiftung große Ähnlichkeit aufweist (Mavrakis). Diese Zell-
verfettung geht ohne chemisch nachweisbare Fettvermehrung ein-
her; es handelt sich daher nur um ein histologisches Sichtbar-
werden von schon vorhandenem Fett und dürfte dieser
Vorgang mit der durch die Anwesenheit von Phosphor bedingten
gesteigerten Autolyse in Zusammenhang stehen.
Wien, Juli 1907.
XXVI.
Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fett-
resorption aus isolierten Darmschlingen.
Von Dr. Otto von Fürth,
a. ö. Professor für medizinische Chemie an der Wiener Universität,
und Dr. Julius Sehütz.
1.
Im Anschlusse an frühere Untersuchungen !), die wir über die
Wirkung der Galle und ihrer Bestandteile auf das Pankreassteapsin
ausgeführt hatten, sind wir zu der Frage gelangt, ob der bekannte
Einfluß der Galle auf die Resorption der Fette ebenso auf ihren
(Gehalt an gallensauren Salzen bzw. auf die Cholsäurekomponente
zurückzuführen sei, wie wir dies seinerzeit für ihre Wirkung auf
die Fettspaltung gezeigt hatten.
Nun stehen bekanntlich für quantitative Versuche über Fett-
resorption im Darme im wesentlichen drei Wege offen: Der Aus-
nutzungsversuch per os verabreichter Nahrung, das Anlegen einer
permanenten Darmfistel und endlich die Einführung bekannter
Fettmengen in abgebundene Darmschlingen.
Da es uns vor allem darum zu tun war, die einzelnen Sekrete
des Verdauungstraktes (Magensaft, Galle, Pankreassekret, Darmsaft)
in ihrer getrennten Wirkung auf die Fettresorption zu studieren,
konnten Fütterungsversuche für uns nicht weiter in Betracht
kommen und wir hatten nur die Wahl zwischen Versuchen mit
permanenten Darmfisteln oder mit abgebundenen Darmschlingen.
Auf die großen Übelstände der ersteren hat Bleibtreu?)
1) 0. v. Fürth und J. Sehütz, Über den Einfluß der Galle auf die
fett- und eiweißspaltenden Fermente des Pankreas. Diese Beiträge 9, 28
(1906).
°), M. Bleibtreu, Zur Methodik der Untersuchungen der Fettresorption
im Darme. Deutsche mediz. Wochenschr., 2. August 1906, S. 1233.
O. v. Fürth u. J. Schütz, Ein Beitrag zur Methodik der Versuche usw. 463
kürzlich hingewiesen und namentlich hervorgehoben, daß beim
Ausspülen einer Thiry-Vella-Fistel leicht ein Teil der Fettsubstanz
in Form eines zähen Schleimes an der Darmwand haften bleibe
und so unter Umständen eine viel größere Resorption vortäusche,
als tatsächlich vorhanden war.
Wir haben es daher vorgezogen, an abgebundenen Darm-
schlingen zu arbeiten und haben eine größere Zahl von Versuchen
mit Neutralfetten, Fettsäuren und Seifen mit und ohne Zusatz von
Galle oder Pankreaspreßsaft in der Art ausgeführt, daß wir je
zwei Vergleichsproben gleichzeitig in zwei benachbarte isolierte
Darmschlingen einer Katze einführten.
Wie wir gleich bemerken möchten, hat die Methode unsere
Erwartungen nicht voll erfüllt und sich nicht in dem Maße, wie
wir es gehofft hatten, zur Beantwortung unserer Fragestellung
geeignet erwiesen. Wir glauben aber dennoch, daß eine kurze
Mitteilung unserer Versuchsergebnisse nicht nutzlos und vielleicht
geeignet sein dürfte, den auf diesen und benachbarten Gebieten
arbeitenden Fachgenossen manchen Umweg und Zeitverlust zu er-
sparen.
Zunächst einige Worte über die diesen Gegenstand betreffen-
den Literaturangaben, jedoch nur insoweit sie quantitative Fett-
resorptionsversuche an abgebundenen Darmschlingen be-
treffen.
Wir sind bei Durchsicht der neueren Literatur folgenden ein-
schlägigen Angaben begegnet:
Hamburger!) führte Seife (0,8 bis 1,8g in Form 5 prozentiger
Lösung) in abgebundene Dickdarmschlingen von Hunden ein und
erhielt innerhalb 16 Stunden Resorptionen von 0,25 bis 0,522.
Lipanin (Gemisch von Olivenöl und Ölsäure) wurde bei Seifen-
zusatz viel besser resorbiert, als ohne einen solchen.
v. Tappeiner?) ließ von seinen Schülern neben zahlreichen
Versuchen an Thiry-Vella-Fisteln gelegentlich auch einige an
abgebundenen Darmschlingen ausführen. _ Aus Olivenölemulsionen
(0,26 bis 1,43 g Fett entsprechend) wurde 3,3 bis 47,8 Proz. und bei
Senfölzusatz 16,2 bis 66,5 Proz. des Fettes innerhalb einer Stunde
aus Dünndarmschlingen von Hunden resorbiert, wobei Parallel-
')H. J. Hamburger, Versuche über Resorption von Fett und Seife
im Dickdarm. Arch. f. Anat. u. Phys. (Physiol. Abt.) 1900, 433.
?) H. v. Tappeiner, Über die Beeinflussung der Resorption der Fette
im Dünndarm .durch Arzneimittel; nach Arbeiten von M. Eschenbach,
L. Lichtwitz und Gmeiner mitgeteilt. Zeitschr. f. Biol. 45, 222 (1904).
464 Otto von Fürth und Julius Schütz,
versuche in der Weise ausgeführt wurden, daß von zwei ab-
gebundenen benachbarten Schlingen nur die eine Senföl enthielt.
Die eingehendsten Versuche in dieser Richtung sind im
Laboratorium Bleibtreus!) ausgeführt worden: Hattori?) brachte
in beiderseits durchschnittene und mit warmer physiologischer
Kochsalzlösung ausgespülte Darmschlingen von Kaninchen und
Hunden Seifen und Fettsäuren, teils in Substanz als Pulver oder
Pasta. (1,7 bis 4 g), teils als Lösung (0,49), teils als Emulsion
(2,6&) und erhielt innerhalb weniger Stunden in acht Versuchen
Resorptionen von T7!/, bis 30 Proz., wobei die Aufsaugung der
freien Fettsäuren leichter zu erfolgen schien, als diejenige der
Seifen. Ferner. hat erst in allerjüngster Zeit, als die Mehrzahl
unserer Versuche bereits ausgeführt war, ein anderer Schüler
Bleibtreus, F. Hercher?), eine größere Zahl einschlägiger Beob-
achtungen veröffentlicht. Ölsäure (1 bis 2g) wurde unter Zusatz
von etwas Wasser, Soda, glykocholsaurem Natron oder Gallenextrakt
in die abgebundene Darmschlinge einer Katze eingeführt. Die
Resorption nach 7 bis 12 Stunden betrug in 7 Versuchen 20 bis
67 Proz., in 16 Versuchen weniger als 20 Proz. Ein sicherer Ein-
fluß des Zusatzes von Glycerin, Lecithin und Cholesterin war nicht
wahrnehmbar; dagegen erwies sich Gallenzusatz in drei Doppel-
schlingenversuchen als wirksam. Die Resorption betrug
a) Ölsäure b) Lebertran c) Gänsefett
ohne Gala 7. 7,.., 6 Proz. — Proz. — Proz.
ae en ee ind, 14.09
Neutralfett mit Pankreaspulver ohne Galle wurde in zwei Ver-
suchen reichlich resorbiert, ebenso Olivenöl (ein Versuch) bei
(Gegenwart von Galle und frischem Katzenpankreas.
Bleibtreu betont, daß die an sich schlechte Resorption der
Seifen durch Gallenzusatz nicht verbessert, sondern eher ver-
schlechtert und daß dabei, statt. Fettresorption, häufig Fettsekretion
beobachtet wurde. Auch ergab die Inspektion der Chylusgefäße
in diesem Falle niemals das typische Bild der „Injektion“, d. h. der
Füllung mit emulgiertem Fett, wohl aber, wenn man die Seifen
durch Neutralfett ersetzte. „Sehr schön kann man auf diese
FIT,
?®) Tetsu Hattori, Über Resorption von Seifen aus isolierten Darm-
schlingen. Inaug.-Diss. Greifswald 1905.
°) F. Hercher, Versuche über Fettresorption an isolierten Darm-
schlingen, nebst Beobachtungen über die fettlösende Wirkung der Gallen-
säuren. Inaug.-Diss. Greifswald, April 1907.
Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fettresorption usw. 465
Weise“, sagt Bleibtreu, „die Wirkung der Galle auf die Resorption
der Fette nachweisen, indem man in eine Nachbarschlinge dieselben
Stoffe unter Weglassung der Gallenbestandteile einführt. In der
Schlinge ohne Galle ist nichts von Injektion zu sehen ... Ein
ganz ähnliches Bild kann man aber auch erhalten, wenn man statt
des Neutralfettes unter Weglassung des Pankreas ... Ölsäure in
den Darm einführt.“
Wir hatten dementsprechend gehofft, bei quantitativen Ver-
suchen unter Zusatz von Galle, Pankreas oder ihren wirksamen
Bestandteilen eindeutige Resultate zu erzielen; doch ist diese Er-
wartung nicht eingetroffen.
Wir gehen nunmehr zur Besprechung unserer Versuche über.
2. Versuchsmethode.
Wir führten unsere Versuche an ausgewachsenen Katzen aus,
die einen Tag gehungert hatten. Um die schädliche Wirkung der
bei Darmoperationen unvermeidlichen Abkühlung nach Möglichkeit
hintanzuhalten, benutzten wir mit Ausnahme der allerersten Ver-
suche einen heizbaren Operationstisch, d.h. einen großen, über
einer Heizschlange befindlichen Kasten aus Weißblech, der die
auf dem Brette fixierte, mit Äther narkotisierte Katze aufnahm
und dessen aus verschiebbaren Blechplatten bestehender Deckel
eine bequeme Regulierung der Innentemperatur ermöglichte. Der
freigelegte Darm wurde auf mit warmer physiologischer Koch-
salzlösung getränkten Kompressen ausgebreitet und fleißig be-
rieselt. Es wurde der größte Teil des freien Dünndarms vorgeholt
und durch drei Doppelligaturen in zwei annähernd gleich große
Schlingen gesondert. Sodann wurde zwischen den beiden Fäden
einer peripheren Doppelligatur inzidiert, das mit einem Hahn ver-
sperrbare Ansatzstück unserer Spritze in die Darmschlinge ein-
geführt und durch die Ligatur versichert, nunmehr die 15 ccm
fassende gefüllte Spritze angesetzt und in die Schlinge hinein ent-
leert, und der Vorgang meist zweimal wiederholt (derart, daß die
in eine Schlinge eingeführte Flüssigkeitsmenge fast stets 45 cm
betrug), der Spritzenansatz vorsichtig herausgezogen, während ein
Assistent die Ligaturfäden fest anzog und sodann die andere
Darmschlinge in analoger Weise mit der Parallelprobe beschickt.
Bei einiger Übung gelang es so, praktisch in Betracht kommende
Verluste leicht zu vermeiden. Schließlich wurden die Darm-
schlingen reponiert, das Abdomen durch Nähte geschlossen und das
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 30
466 Otto von Fürth und Julius Schütz,
- ' Kate-
N r
3 RE gorie | Inhalt (cem)
des Ver- |
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Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fettresorption usw. 467
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A 0,54 9 0 1/s
0,90 0,29 32
2 0,81 0,20 25 1
0,90 0,12 13
A 0,81 0.01 1 1%
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A 0,81 0 0 3/
| 0,60 0,17 28
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ö 0,82 0,17 20
A 0,73 ß ö 6
0,90 0 0
A 0,90 0,06 6 :
i 0,90 0,15 16 E
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0,580 0 0
C 0.547 0,24 45 .
& 0,772 0,485 63 5
0,731 0,229 31
u
3 0,774 0,322 41 2
0,731 0.349 52
0,774 0,697 87
4 0.731 0,634 88 "r
0,774 0,373 48
6 0.731 0,612 84 bir
| 0,697 0,135 19 ı
0 0,619 9 ? 1%
5 0,697 0,403 58 8
| 0,619 0 0
| 0,619 0,245 35
3 0,697 0,319 46 r
0,619 0,114 18
5 0,697 0,256 37 R
0,619 0,424 68
Anmerkung
geringe FS
geringe FS
FS
ung in Anbetracht der Elastizität des Darmes nicht möglich war.
30*
468 Otto von Fürth und Julius Schütz.
Kate- se
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suches der Darmschlinge
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XXI. 32 | Ölsäure 1 Proz, 45... ....E mn we pP, 50
BR 3 = | || Ölsaures Na: 1,2 Proz. 46. .. . „0... 2 p &
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XXI | | Ölsäure 1,79 Prog, 45 . .. u d | 45
a | S# [| Ölsaures Na 1,2 Proz., 45. no ee Br 55
XXIV. 53 | Öl 0,8 Proz., AB u p | 45
aY 33.) | Ölssures. Na -1,2 Proz, 45... 2. 0.08 d!45
XXV.| 32 5|| 0108 Broz,25 . .. 0.00. We p
| Fu a re re ee
| I
010,75. Proz, 48 2... Ta di —
BBerE: A ee
XXVI | DR, - N Tee p|-
2 10 5 A ne p|—
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N Eh ee I kn, p | 45
XV 18 ,|| „198 , 10, GM. er dsl
| & | „1,93 TE. a/so
XXIX 18 21,93 2, Mn Lea or p | 50
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ST ET BER VEREEIEEEREEEE p |
XXX. E E |) „198 „ 40%, +6 24, + PPay,.. old
Fr z 1,93 BU p | 0
XXXI +E|| 193°, 40 Ga) 1 PP...
Abkürzungen: G = Galle (Rind), PP = Pankreaspreßsaft (Rind), p=P
Tier in einen sehr stark geheizten Raum (dessen Temperatur meist
25 bis 30° © betrug) gebracht, wo es sich stets bald erholte.
Nach Ablauf der Versuchszeit wurde das Tier durch Chloroform
getötet, der abgebundene Darm herauspräpariert, sein Inhalt in eine
Schale entleert, mit Wasser wiederholt nachgespült, die Schlinge
schließlich noch der Länge nach aufgeschnitten und abgestrichen.
Bei einer Reihe von Versuchen (in der Tabelle durch den
Vermerk „D*“ [Darmspülung] gekennzeichnet) wurde vor Einfüllung
der Fettprobe die Darmschlinge an beiden Seiten mit weiten
Kanülen versehen und gründlich ausgespült. Doch auch hier ver-
mieden wir es, die Darmschlinge quer ganz zu durchschneiden und
wählten den Ort der Incision derart, daß die am Mesenterialrande
verlaufenden größeren Gefäße geschont wurden.
!) Siehe Fußnote von 8. 466.
Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fettresorption usw. 469
Ende
Di _
Ein-
geführte Resorbierte Menge Tser ee
Menge 5
g g Proz Stunden
0,54 0,08 15 & je
0,45 0,09 20 Fr
0,54 8 f) = FS (0,22)
0,45 8 n) FS (0,09)
0,580 0,196 34 8 =
0,774 0,404 52
0,54 6 [e)
0,36 0,09 25 3 er
0,54 2) u) 16 Ai
0,36 0,04 11
0,34 ) D)
0,32 er a RP
0,855 0,630 71 B =
0,807 0,531 68 Mn
0,868 0,517 60 7) r
ı 0,782 0,632 N EI
0,868 0,700 87 7) En
0,782 0,687 88 a Re
0,868 0,323 57 8 SH
0,782 0,178 23 Re.
0,824 0,552 67 =
0,782 0,605 77
"und d = distal, D = Darmspülung, FS = Fettsekretion.
Wir injizierten stearinsaures und Öölsaures Natron in Form
wässeriger Lösungen, Olivenöl sowie reine Ölsäure in Form von Emul-
sionen, denen zum Zwecke größerer Haltbarkeit 5 Proz. Gummi arabicum
zugesetzt worden war. Selbstverständlich wurde vor Entnahme der einzelnen
Proben durch kräftiges Schütteln für eine gleichmäßige Emulgierung gesorgt.
Zur quantitativen Bestimmung der Seifen und Fettsäuren im Inhalt
der Darmschlingen gingen wir bei den Versuchen mit stearinsaurem Natron
derart vor, daß wir denselben nach Zusatz der mehrfachen Mengen Alkohols
aufkochten, filtrierten, mit Alkohol nachwuschen, den Alkohol verjagten, die
Fettsäuren durch Salzsäure in Freiheit setzten, wieder erhitzten, sodann er-
kalten ließen, die erstarrten Fettsäuren abfiltrierten, chlorfrei wuschen, auf
dem lufttrockenen Filter in Äther lösten und nach Alkoholzusatz (mit.
Phenolphthalein als Indikator) mit ”/,, NaOH titrimetrisch bestimmten
(Methode A).
Eine Reihe weiterer Versuche wurde nach dem Vorgange Ham-
burgers!) derart ausgeführt, daß der Inhalt der Darmschlinge mit 10g
Bil...
470 Otto von Fürth und Julius Schütz,
Sand und 20cem 10proz. Salzsäure am Wasserbade eingetrocknet, der
trockene Rückstand in einem mit gut eingeschliffenem Stopfen versehenen
Zylinder mit 50 cem Äther übergossen und unter zeitweiligem Schütteln
einen Tag stehen gelassen wurde. Sodann wurden 25ccm des klaren Äthers
abgehoben, in ein breites Wägeglas übertragen, der Äther vertrieben, der
Rückstand einen Tag bei 100° getrocknet und gewogen (Methode B).
Bei der Mehrzahl der Versuche verfuhren wir jedoch, um ganz sicher zu
gehen, derart, daß wir den in einer Schale mit Sand nach Salzsäurezusatz am
Wasserbade eingetrockneten Inhalt der Darmschlinge in eine Extraktionshülse
übertrugen, die Schale wiederholt mit Äther, den wir sodann durch ein
trockenes Filter in einen Extraktionsapparat gossen, nachspülten und die
Fettbestimmung nach dem Soxhlet-Verfahren in der üblichen Weise zu
Ende führten (Methode ().
Der (für die Seifenlösungen durch das Gewicht der freien Fettsäuren)
ausgedrückte „Titer“ unserer Standard-Lösungen wurde nach jenem
Verfahren, das bei dem betreffenden Versuche zur Verwendung gelangte,
durch wiederholte „blinde“ Bestimmungen genau ermittelt, derart also, daß
ein unmittelbarer Vergleich der in die Darmschlinge eingeführten und bei
der Analyse wiedergewonnenen Menge von Neutralfett oder Fettsäure tat-
sächlich möglich war.
4. Ergebnisse.
Bei Durchsicht der Tabelle ergibt sich folgendes:
l. Stearinseife wurde außerordentlich schlecht re-
sorbiert. In 18 Einzelversuchen (I bis IX) wurde nach Ein-
führung von 0,6 bis 0,9g nur fünfmal mehr als 20 Proz. resorbiert;
in der Mehrzahl der Fälle war eine ganz geringfügige oder gar
keine Resorption erfolgt; einigemale wurde sogar Fettsekretion in
die Schlinge beobachtet. |
2. Für Ölseife (ölsaures Natron) gilt ähnliches. In
neun Einzelversuchen (mit 0,5 bis 0,9g) viermal gar keine Re-
sorption bzw. Fettsekretion, fünfmal Resorption von 15 bis 50 Proz.
(Vers. X, XI, XXI bis XXV).
3. Ölsäure wurde offenbar ungleich besser resorbiert.
In 21 Einzelversuchen (mit 0,4 bis 0,8g) wurde nur dreimal jeg-
liche Resorption vermißt (davon zweimal nach Zusatz von Pankreas-
preßsaft s. u.), sechsmal betrug sie 18 bis 40 Proz., zwölfmal über
40 Proz. innerhalb 7 bis 8 Stunden (Vers. XH bis XXIII). Die
schnellere Resorption der Ölsäure (der Ölseife gegenüber) machte
sich auch im Doppelversuche XXIII geltend.
4. Ebenso wurde Olivenöl weit besser resorbiert als
Ölseife. In 14 Einzelversuchen mit 0,3 bis 0,9g war in einem
einzigen Falle gar keine Resorption zu bemerken und neunmal
betrug sie über 50 Proz. (Vers. XXIV bis XXXIJI).
|
Du
u 1,0 05 7 Zu Zu
Zi
BIETE PLEEEE EEE TRUE UETTTTTTNGE
Ein Beitrag zur Methodik der Versuche über Fettresorption usw. 47]
5. Die Resorption der Seifen wurde durch Glycerin-
zusatz nicht in eindeutiger Weise und etwa in dem Sinne
beeinflußt, wie es nach den Versuchen von Will!) an überleben-
den Froschdärmen hätte erwartet werden können (zwei negative
und ein positiver Doppelversuch [VIII bis X]).
6. Die Resorption von Stearinseife wurde durch Gallen-
zusatz (Vers. I bis VII) eher ungünstig, als günstig beein-
flußt (Darmreizung! Übereinstimmung mit Bleibtreu?). Bei einem
Doppelversuche mit ölsaurem Natron (XI) war allerdings eine
eklatante Resorptionsbegünstigung in der gallenhaltigen Schlinge
bemerkbar, insofern darin 50 Proz. der Seife resorbiert worden
war, während in der gallenfreien Kontrollschlinge überhaupt keine
Resorption stattgefunden hatte.
7. Eine regelmäßige Begünstigung der Resorption
freier Ölsäure durch Gallenzusatz war nicht wahrnehmbar
(Vers. XII bis XV; drei Versuche negativ oder zweifelhaft, ein
Versuch positiv).
8. Ebensowenig ließ sich eine solche Begünstigung
für Olivenöl regelmäßig feststellen (XXVII bis XXIX; zwei
positive und ebensoviel negative Versuche).
9. Wurde der Ölsäure oder dem Olivenöl außer Galle
auch noch Pankreaspreßsaft zugesetzt, so wurde die Re-
sorption im allgemeinen dadurch merklich verschlechtert
(Vers. XVI bis XIX, XXXI; Vers. XXXII ist zweifelhaft, in
Vers. XX Ausschlag im umgekehrten Sinne). Die durch Pankreas-
preßsaft hervorgerufene ungünstige Beeinflussung der Resorption
war offenbar durch Darmreizung und Auslösung einer Fettsekretion
bedingt.
10. Auch in den durch Ausspülung von Galle und
Pankreassekreten befreiten Darmschlingen erfolgte die
Resorption von Olivenöl keineswegs wesentlich schlechter
als sonst (Vers. XXV.IIl, XXIX).
11. Nimmt man an, daß das Aufnabmevermögen des normalen
Katzendarms etwa demjenigen des Hundedarms entspricht?) und
beachtet man, daß bei unseren Versuchen der größte Teil des
freien Dünndarms nahezu in seiner ganzen Ausdehnung vom Duo-
») A. Will, Pflügers Arch. 20, 255 (1879).
rL.e.
®) C. Voit hat festgestellt, daß Hunde selbst bei Aufnahme von 150
bis 200 & Fett fast die Gesamtmenge desselben (99 Proz.) zu resorbieren und
auszunutzen. vermögen.
472 0.v. Fürth u. J. Schütz, Ein Beitrag zur Methodik der Versuche usw.
denum bis in die Nähe der lleocoecalklappe in Anspruch ge-
nommen war, so gelangt man zur Erkenntnis, daß die hier
(ebenso wie die von früheren Beobachtern bei analogen
Versuchen) erzielte Resorptionsleistung eine sehr geringe
war und nur einem kleinen Bruchteile der normalen phy-
siologischen Leistung des Darmes entspricht.
Wir glauben daher, daß, solange es nicht gelungen ist, durch
bessere Versuchsbedingungen die resorptive Leistung isolierter
Darmschlingen auf ein Vielfaches des bisherigen Effektes zu er-
höhen, physiologische Schlußfolgerungen auf die Vorgänge
im normalen Darme aus derartigen Experimenten nur mit
allergrößter Vorsicht gezogen werden dürfen.
Wien, Juli 1907.
XXVIIl.
Über Phlorizindiabetes.
Von Dr. K. Glaessner und Priv.-Doz. Dr. E. P. Pick.
Aus dem k.k. serotherapeutischen Institut (Vorstand: Prof. Dr. R. Paltauf)
und dem pathologisch -chemischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt
„Rudolfstiftung“ (Vorstand: Dr. E. Freund) in Wien.
Ausgeführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.
Seit der Entdeckung der Fähigkeit des Phlorizins, Glykosurie
zu erzeugen, die wir v. Mering verdanken, sind 20 Jahre verflossen.
Trotz der großen Anzahl von Arbeiten, die sich mit der Erforschung
dieser rätselvollen Stoffwechselstörung befaßten, ist eine Reihe von
Fragen, darunter die nach dem Zustandekommen der Phlorizin-
glykosurie und nach der Quelle des zur Ausscheidung gelangenden
Zuckers noch nicht endgültig beantwortet. Es waren deshalb im
wesentlichen diese zwei Probleme, die uns zur Bearbeitung der
Phlorizinvergiftung veranlaßten. Ohne daß es uns gelang, sie
in ausreichender Weise zu lösen, lernten wir doch einige nicht un-
interessante neue Seiten der Phlorizinglykosurie kennen, deren Mit-
teilung uns nicht ganz unwichtig erscheint.
1. Beeinflussen Aminosäuren die Größe der Zuckerausscheidung?
Seit F. Müller bei der Bildung des Zuckers aus dem Eiweiß-
molekül an die Mitwirkung der Aminosäuren gedacht und dabei
namentlich das Leucin, das unter den Aminosäuren vermöge seiner
Kohlenstoffzahl den Zuckern am nächsten steht, berücksichtigt hat,
sind eine Reihe von Forschern dieser Frage nachgegangen, ob die
Aminosäuren bei der Bildung des Zuckers eine Rolle spielen bzw.
ob z. B. beim diabetischen Organismus Aminosäuren die Zucker-
ausfuhr steigern. Durch die Versuche R. Cohns und Halseys
474 K. Glaessner und E. P. Pick,
fand zunächst Müllers Anschauung eine Stütze. Diese Autoren
konnten Glykogenvermehrung nach Leucinfütterung nachweisen,
was indes von Simon bestritten wurde. Ferner hat F. Kraus an
mit Phloretin vergifteten Katzen durch Zufuhr von Alanin eine
deutliche Steigerung der Zuckerausscheidung beobachten können.
An pankreaslosen Hunden haben Lüthje und Nebelthau ähnliche
Experimente mit gleichem Resultate angestellt. Der erstere kon-
statierte beim pankreaslosen Hunde nach Verfütterung von Pankreas
das Auftreten einer erhöhten Zuckerausscheidung, die er auf die
Wirkung der Eiweißspaltungsprodukte der Pankreasverdauung be-
zieht. Nebelthau fand, daß Einverleibung von Asparagin und
Acetamid per os beim Hunde, welchem das Pankreas vollständig
oder bis auf ein Minimum entfernt worden war, eine beträchtliche
Vermehrung der Zuckerausscheidung hervorrief, besonders dann,
wenn gleichzeitig Milcheiweiß gereicht wurde. Dahin gehören
ferner die Versuche Mohrs, der durch Verfütterung von Leuein
und Tyrosin bei schweren Diabetikern eine Vermehrung der Zucker-
ausfuhr hervorrief, und die Beobachtung von Langstein und
Neuberg, daß bei glykogenfrei gemachten Kaninchen die Ernährung
mit Alanin den Glykogengehalt der Leber erhöht. Ferner zeigte
Knopf, daß bei Hunden, die mit Phlorizin dauernd glykosurisch
gemacht worden waren, Darreichung von 50g Asparagin eine
beträchtliche Erhöhung der Glykosurie (um 15g) zur Folge hat.
Embden und Salomon endlich gelang es, bei pankreaslosen
Tieren den sicheren Nachweis zu erbringen, daß nach Verab-
reichung von Alanin die Zuckerausscheidung in die Höhe schnellt.
In späteren Versuchen zeigte auch Milchsäure, Glykokoll und
Asparagin bei pankreaslosen Tieren die gleiche Wirkung, während
sie der als Kontrollpräparat verwandte Harnstoff vermissen ließ.
Unsere eigenen Versuche, die sich an jene Knopfs anschließen,
zerfallen in zwei Gruppen, in Versuche am gefütterten und am
Hungertier.
A. Versuche am normalen Tiere.
Zur Verwendung kamen Kaninchen, die ja, wie wir seit den
Mitteilungen von Uremer und Ritter wissen, für Phlorizin auch
empfänglich sind, wenn auch in weit geringerem Maße als andere
Tiere (Katze, Hund).
Die Tiere wurden unter konstanter Phlorizinwirkung gehalten,
bis die Zuckerausscheidung einen bestimmten, wenig schwankenden
Wert angenommen hatte, dann wurde die entsprechende Amino-
Bi
u a u.
Über Phlorizindiabetes. 475
säure meist subcutan beigebracht. Die orale Darreichung der
Substanzen wurde seltener angewendet, da die Resorption vom
Magen und Darmkanal aus nicht so rasch und so vollständig
erfolgt, wie bei direkter Einbringung ins Blut. Um im übrigen
die Resorption der verabreichten stickstoffhaltigen Körper zu kon-
trollieren, wurde neben der Zuckerbestimmung im Urin auch die
Stickstoffbestimmung durchgeführt.
Versuch I. Leucin.
Phlorizin- . j Zuckergehalt| N-Gehalt
Tag menge u eumenen des Urins | des Urins
8 g ccm 8 5
a 1 — 200 2,86 0,66
(aufgefüllt)
Nr: 1 2 200 2,86 0,56
(aufgefüllt)
Bart 1 _ 200 4,84 0,714
| (aufgefüllt)
Da die Resorption des Leucins langsam vor sich ging, so war
erst am Tage der Nachperiode ein deutlicher Ausschlag ersichtlich.
Versuch IH. Pepton.
Tag Phlorizin Pepton Harnmenge |Zuckergehalt| N-Gehalt
2 EEE ccm 8 5
1 — 200 3,92 1,96
en | 200 3,52 0,95
1 1 200 3,08 1,316
Hier sehen wir eine Herabsetzung des N-Wertes im Harn, an
der Zuckerausscheidung wird durch die Peptonzufuhr nichts geändert.
Versuch III. Rinderserum.
Tag Phlorizin Serum Harnmenge Zuckergehalt' N-Gehalt
ccm ccm g g
1 — 200 2,4 0,58
20 200 3,3 0,48
— 200 2,84 0,65
Rinderserum hat einen deutlichen Einfluß auf die Zuckeraus-
scheidung, die Ausscheidung des Stickstoffs erfolgt etwas verspätet
(erst am Tage der Nachperiode).
476 K. Glaessner und E. P. Pick,
Versuch IV. Alanin.
Tag Phlorizin Alanin Harnmenge Zuckergehalt' N-Gehalt
- g ccm g 8 ul
ER 1 _ 200 4,84 0,714
ee 5 200 8,18 1,316
Ger 1 = 200 6,60 1,078
Alanin ruft eine Steigerung der Zuckerausscheidung um fast
das Doppelte hervor.
Versuch V. Asparagin.
Tag | Phlorizin | Asparagin
g g
1. 1 —
2. | 1 5
3. | 1 _
4. 1 Sen
Harnmenge |Zuckergehalt
ccm 8
200 3,08
200 2,42
200 4,40
200 3,08
N-Gehalt
&
1,31
2,74
1,68
1,44
Asparagin wirkt auf die Zuckerausscheidung erhöhend, jedoch
tritt der Effekt auf die Glykosurie später auf als die N-Ausscheidung,
die sofort einsetzt.
Versuch VI. Glykokoll.
Tag Phlorizin | Glykokoll | Harnmenge |Zuckergehalt| N-Gehalt
| “ g ccm g 8
1; 1 — 200 2,92 0,55
9, 1 5 200 1,54 1,06
ß. 1 = 200 4,40 1,05
4. 1 200 1,76 0,27
Auch Glykokoll wirkt zuckertreibend, auch hier erst am Tage
der Nachperiode, ähnlich wie das Asparagin, der N-Gehalt des
Urins ist in der Haupt- und Nachperiode deutlich erhöht.
Versuch VI.
Glutaminsäure.
Phlorizin Glutaminsäure
Tag
DD
jr
on
Harnmenge
ccm
200
200
200
Zuckergehalt
N-Gehalt
Über Phlorizindiabetes.
47T
Glutaminsäure bewirkt prompte Erhöhung der Zucker- und
Stickstoffausscheidung.
Mit Rücksicht auf die Versuche Nebelthaus wurde den
Tieren noch Acetamid, mit Rücksicht auf die Ausschläge der
Zuckerausscheidung in der Arbeit von Embden und Salomon
auch Milchsäure beigebracht.
Versuch VIIL Acetamid.
Tag Phlorizin | Acetamid | Harnmenge [Zuckergehalt| N-Gehalt
8 g ccm g g
Br $ 1 — 200 3,96 0,966
ee, 1 5 200 3,74 0,784
BR EN. 1 = 200 3,08 1,554
Acetamid hat nicht die geringste Beeinflussung der Zucker-
ausscheidung zur Folge.
Versuch IX. Milchsaures Natron.
Tag | Phlorizin Milehsaures | Hurnmenge |Zuckergehalt| N-Gehalt
8 g ccm Ss Ss
Be, 1 = 200 2,64 0,896
Bo; 1 5 200 2,64 0,861
Ben. 1 er 200 3.96 0,973
Milchsaures Natron hat eine mäßige Erhöhung der Zucker-
ausscheidung zur Folge, doch steigt gleichzeitig nach Darreichung
dieses stickstofffreien Körpers die N-Ausscheidung, so daß eine Art
Ausschwemmung des Zuckers nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Da die NH,-Gruppe im Acetamid an einer anderen Stelle, als
man sie bei Aminosäuren findet, nicht wirksam war, die Wirkung
der Milchsäure sich als nur geringfügig erwies, so wurde einem Tiere
Glykokoll und milchsaures Natron beigebracht, um eventuell die
Wirksamkeit der Milchsäure durch Hinzufügen einer Aminosäure
zu erhöhen.
Versuch X. Glykokoll und milchsaures Natron.
Tag | Phlorizin | Glykokoll Er Zuckergehalt\ N-Gehalt
g g | g g g
Be. . 1 x x: 3,30 er
a 5 5 1,76 0,798
EB, 1 > Bau 3,30 0,574
478 K. Glaessner und E. P. Pick,
Im Gegensatz zu der oben geäußerten Vermutung fiel der
Versuch negativ aus.
Daß bei den mitgeteilten Versuchen die bloße diuretische
Wirkung der injizierten Aminosäuren auszuschließen war, beweist
ein Experiment, bei welchem zur Erzielung einer Harnflut Chloral-
hydrat mit Coffein injiziert wurde.
Versuch XI. Chloralhydrat und Coffein.
Br Chloral- : Zucker- Harn-
Tag Phlorizin hydrat Coffein gehalt N-Gehalt menge
g sg 8 g g ccm
L. 1 — _ 2,66 0,756 50
Dr ee 1 0,3 0,3 2,86 1,456 160
= GR | 1 _- — 3,0 0,682 60
Die bloße harntreibende Wirkung hat, wie aus dieser Tabelle
hervorgeht, gar keinen Einfluß auf die Größe der Zuckerausscheidung.
Nach den vorliegenden Versuchen scheint die Schluß-
folgerung berechtigt, daß neben dem Serum, das geringe
Wirksamkeit entfaltet, eine Reihe von Aminosäuren die
Zuckerausfuhr beim Phlorizindiabetes zu steigern im-
stande ist!). Es wirken Alänin, Glykokoll, Asparagin fast
gleich stark, etwas schwächer Glutaminsäure und Leucin.
Milchsaures Natron hat geringe Wirkung. Es versagt
die Wirkung bei Zufuhr von Acetamid und bei harn-
treibenden Agentien wie Coffein und Chloralhydrat.
Somit müssen wir den Schluß ziehen, daß beim gefütterten
phlorizinglykosurischen Tiere (Kaninchen) die Amino-
säuren deutlich steigernd auf die Zuckerausscheidung
wirken. Diese Wirkung ist zum Teil auf die stickstoff-
freien Gruppen zurückzuführen, wie ein Versuch mit
Milchsäure beweist, jedenfalls aber ist die Stellung der
Aminogruppe von Wichtigkeit, wie aus dem negativen
Ausfall des Acetamidversuchs hervorgeht. Daß es nicht
bloß harntreibende Wirkungen sind, erscheint durch den
diuretischen Versuch bewiesen.
') In jüngster Zeit ist eine Mitteilung von Baer und Blum: „Über
die Einwirkung ehemischer Substanzen auf die Zuckerausscheidung und
Acidose“ [diese Beiträge 10, 80 (1907)] erschienen, in welcher die Autoren
zum Teil zu ähnlichen Schlüssen kommen, wie wir. Es sei uns der Hinweis
gestattet, daß unsere Versuche im wesentlichen bereits im September 1905
auf der Naturforscherversammlung in Meran mitgeteilt wurden. Siehe
Verh. Deutscher Naturforscher u. Ärzte, Meran 1905, 8. 411.
a 2 a ZU 4 + Zu
Über Phlorizindiabetes.
B. Versuche am Hungertier.
Versuch I. Glutaminsäure.
479
Ein Kaninchen wurde nach achttägigem Hungern mit Phlorizin in-
Jiziert und weiterhin unter ständiger Phlorizinwirkung gehalten.
Tag Phlorizin | Harnmenge Zuckergehalt N-Gehalt Injiziert
g ccm 8 8 8
Bau n. 1 40 0,44 0,336 —
a 1 40 0,44 0,364 5
Glutaminsäure
a 3 1 120 0,52 2,24 -
Glutaminsäure scheint gar keinen Einfluß auf die Zucker-
kurve beim Hungertier zu haben, trotzdem die Resorption, wie
aus der Stickstoffkurve hervorgeht, eine vollständige ist.
Versuch II.
Alanın
Ein Kaninchen wurde nach achttägigem Hungern unter ständige
Phlorizinwirkung gesetzt.
Tag Phlorizin | Harnmenge Zuckergehalt N-Gehalt ren
g ccm g 8
Be. ;; 1 80 1,54 1,372 —
lee, 1 120 2,64 2,156 5e Alanin
Re Ne:. 1 40 2,86 0,672 —
Alanin hat eine nicht übermäßig hohe Zuckersteigerung im
Urin zur Folge, die der Steigerung in der Stickstoffausfuhr ent-
spricht.
Es wirken also, wie aus den beiden Beispielen er-
sichtlich, auf Hungertiere die Aminosäuren in viel
schwächerem Maße ein. Die bei gefütterten Tieren
weniger wirksame Glutaminsäure versagt hier vollständig,
während das bei normalen Tieren am stärksten wirkende
Alanin einen nur geringfügigen Effekt hat. Ob dabei
der Mangel an Glykogen von Einfluß ist, oder ob der hungernde
Organismus die nicht stickstoffhaltigen Anteile der Aminosäuren
stärker retiniert als der gefütterte, kann nach diesen Versuchen
nicht sicher entschieden werden.
Während Almagia und Embden bei ihren pankreaslosen
Hungertieren nach Alaninzufuhr noch Steigerung der Zucker-
ausscheidung konstatieren konnten, finden wir einen Versuch bei
480 K. Glaessner und E. P. Pick,
R. Hirsch, der bei seinem mit Phlorizin vergifteten Hungertier
nach Alaninverfütterung gar keinen Ausschlag erzielen konnte. Der
erstere Befund würde mit unseren Ergebnissen in Parallele zu
bringen sein.
2. Über den Angriffsort des Phlorizins.
v. Mering, der Entdecker des Phlorizindiabetes, hat bekanntlich
die Wirkung des Giftes so erklärt, daß unter dem Einfluß desselben
die Niere für Zucker leichter durchgängig werde. Minkowski,
der sich im wesentlichen der Ansicht v. Merings anschloß, ent-
wickelte in weiterer Folge eine viel bekämpfte Anschauung, daß
die Wirkung des Phlorizins so zu verstehen sei, daß das Glykosid
in Phloretin und Glykose zerfalle, die Glykose ausgeschieden werde,
während das Phloretin sich neuerdings mit dem Blutzucker ver-
binde und so eine längere Zeit dauernde Glykosurie zustande
käme. Neben anderen Gründen spricht gegen die Richtigkeit
seiner Theorie vor allem die jetzt bekannt gewordene Tatsache,
daß das Phlorizin unverändert zur Ausscheidung gelangt (Cremer,
Yokota). Er hat denn auch später selbst seine Anschauungen
modifiziert.
Einen weiteren Wendepunkt in der Erkenntnis der Phlorizin-
wirkung bedeutet unstreitig der geistvolle Versuch von Zuntz, der
nach Injektion von Phlorizin in die Arterie einer Niere aus dem
Ureter dieser Niere früher Zucker im Harn auftreten sah als aus dem
Ureter der Niere der anderen Seite. Die letzte bedeutsame Arbeit
über das schwierige Problem verdanken wir Pavy, Brodie und
Siau; diese Autoren konnten in erster Linie den Zuntzschen Ver-
such durchaus bestätigen. In weiteren Versuchen fanden sie, daß bei
künstlicher Durchblutung von Nieren mit defibriniertem Blut, dem
Phlorizin zugesetzt worden war, im Harn (bzw. Sekret) der durch-
bluteten Niere mehr Zucker auftrete, als durch die Abnahme des
Blutzuckers erklärt werden könne. Sie geben der Meinung Aus-
druck, daß die Niere unter dem Einfluß des Phlorizins imstande
sei, aus spezifischen Eiweißkörpern des Blutes, die zuckerbildende
Gruppen besäßen, die Glykose abzuspalten und machen den treffen-
den Vergleich mit der Bildung des Milchzuckers in den Milch-
drüsen, woselbst ja ein ähnlicher, vielleicht fermentativer Prozeß
verläuft. Ferner beobachteten sie nach Ausschaltung aller Organe,
wenn nur die Niere erhalten und durchblutet war, am Hunde durch
Phlorizin erzeugte Glykosurie; sie konnten somit die Bedeutung
anderer Organe für die Entstehung des Phlorizindiabetes vernach-
Über Phlorizindiabetes. 481
lässigen, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß die Autoren
recht geringe Zuckerwerte — sowohl bei Durchblutung der Nieren
- als am eviscerierten Tiere — erhielten, so daß eine Revision dieser
Versuche nicht von der Hand zu weisen wäre. Endlich machten
sie die interessante Beobachtung, daß nach Evisceration beim
Hunde unter dauernder Phlorizinwirkung Zufuhr von frischem
defibriniertem Blut in das Gefäßsystem die schon stark gesunkene
Glykosurie aufs neue in die Höhe schnellen ließ.
Überblicken wir die genannten Theorien und Versuche, so
erscheint vor allem die Ansicht, daß die Niere nur eine größere
Permeabilität für den Blutzucker annehme, nicht ganz mit den
Tatsachen vereinbar. Daß der Zucker aus den Eiweißkörpern der
Niere selbst stammt, erscheint ebenfalls aus rein rechnerischen
Gründen nicht sehr wahrscheinlich. Aber auch bei Durchsicht
der Pavyschen Versuche bleibt die Möglichkeit offen, daß der
Zucker beim Phlorizindiabetes nicht erst in der Niere gebildet
wird, so daß der Angriffspunkt des Giftes doch noch in ein anderes
Organ oder in das Blut selbst verlegt werden könnte. n
Wir haben deshalb eine Reihe von Versuchen angestellt, um
uns über den Ort, wo das Phlorizin im Tierkörper angreift, zu
orientieren und so vielleicht Anhaltspunkte über die Natur des
Phlorizindiabetes zu gewinnen. Zu diesem Zweck bedienten wir
uns der biologischen Methode des Phlorizinnachweises, indem wir
festzustellen versuchten, welches Organ nach einer Phlorizinvergiftung
‘ am meisten oder vorwiegend das Gift gebunden enthält.
A. Versuche an normalen Tieren.
Zuerst wurden die Experimente in der Weise angestellt, daß
wir Kaninchen mit einer bestimmten Menge Phlorizin vergifteten,
und sobald wir uns von der Resorption des Giftes durch das erste
Auftreten von Zucker im Harn überzeugt hatten, das Blut und
die Organe dieser Tiere anderen Tieren injizierten und nun bei
diesen wiederum die Giftwirkung mit Hilfe der Glykosurie nach-
zuweisen suchten.
Versuch I. Blut (Kaninchen).
18. IV. 4 Uhr 30 Min. nachmittags. Ein Kaninchen wird mit 2g
Phlorizin (subeutan) vergiftet, um 7 Uhr abends nach Auftreten der ersten
Zuckerreaktion im Harn getötet, das Blut (30 cem) defibriniert und einem
zweiten Kaninchen subeutan injiziert. Der Harn des zweiten Tieres zeigte
folgendes Verhalten:
Beitr. z. chem. Physiologie. X. 31
482 K. Glaessner und E. P. Pick,
Tag ı Harn (Tagesmenge) | Zuckergehalt
| ccm g
1 205 0,44
100 —
Versuch H. Blut (Kaninchen).
3. V. 8 Uhr morgens 2g Phlorizin injiziert, 3 Uhr 15 Min. entblutet;
das defibrinierte Blut (25 cem) einem zweiten Kaninchen subeutan beigebracht.
Tag Harn Zuckergehalt
cem g
RE NG 70 0,66
45 =
Mit Rücksicht auf die geringe Wirkung bei subeutaner Ein-
verleibung wurde das Blut in den folgenden Versuchen intra-
peritoneal zugeführt.
Versuch III. Blut (Kaninchen).
8. V. 2 Uhr nachmittags 2g Phlorizin injiziert. 4 Uhr 30 Min. nach-
mittags: der gelassene Harn gibt reichliche Zuckerreaktion. Das Kaninchen
wird entblutet, das Blut in 2ccem einer Oxalatlösung (4 proz.) aufgefangen,
und die Gesamtmenge (40 ccm) einem zweiten Tiere intraperitoneal bei-
gebracht.
Harn Zuckergehalt |
Tag Bemerkungen
Il ccm | [93 |
—_— 1 = — -—
1 | 15 0.66 erst Krämpfe, dann erholt sich
: das Tier.
2. | 40 0,88 normal
1]
re | 50 _— ”
Versuch IV. Blut (Kaninchen).
8. V. 2 Uhr nachmittags 2g Phlorizin injiziert. 7 Uhr 15 Min. abends
entblutet, das gesamte in 2cem einer 4 proz. Oxalatlösung aufgefangene Blut
einem zweiten Tiere injiziert.
T Harn Zuckergehalt
ag
ccm 121
rien u 42 0,1
to
nicht gemessen |
Über Phlorizindiabetes. 483
Versuch V. Blut (Kaninchen).
12. V. 11 Uhr vormittags 2g Phlorizin injiziert. 7 Uhr 15 Min. wird
das Tier getötet, das gesamte in Oxalatlösung aufgefangene Blut einem
zweiten Tiere intraperitoneal beigebracht.
Tag Harn Zucker rt
TE RTETTTE
2 Be 2
Versuch VI. Blut (Kaninchen).
22. V. 1 Uhr mittags 5g Phlorizin injiziert; das Tier wird 4 Uhr
30 Min. nachmittags getötet, das in Oxalatlösung aufgefangene Blut (50 ccm)
3 einem zweiten Tiere intraperitoneal beigebracht.
Tag | Harn | Zuckergehalt
ccm g
1. Ks A 50 0,4
2 48 0,4
NE ? 2
Die Größe der Phlorizingabe scheint demnach von geringer
Bedeutung zu sein, da in einzelnen Versuchen selbst 5g Phlorizin
keinen viel größeren Ausschlag hervorriefen als 29. Daß das
Oxalat als solches unter sonst gleichen Bedingungen keine Glykos-
urie erzeugt, konnten wir durch Kontrollversuche sicherstellen,
ebenso gelang es, nachzuweisen, daß das Phlorizin bei längerem
Stehen mit Blut oder Blutserum seine Wirksamkeit nicht einbüßt.
Aber auch Injektionen von in Blut und Blutserum gelöstem
Phlorizin haben wir zur Kontrolle ausgeführt und schon bei in-
traperitonealer Einverleibung von 0,5 g Phlorizin mit 50 cem Rinder-
serum deutliche Glykosurie erhalten (0,5 Proz.).
Da Kaninchen gegen Phlorizin weniger empfindlich sind als
Hunde, haben wir an diesen für Phlorizinversuche besonders ge-
eigneten Tieren einige Versuche in dem oben angedeuteten Sinne
ausgeführt.
Es wurden Kaninchen mit Phlorizin vergiftet und nach ‚dem
Auftreten der ersten Zuckermengen im Harn wurden die Tiere ent-
blutet, und das Blut (defibriniert), die Leber und Nieren Hunden
subceutan injiziert. Um die Versuche reiner zu gestalten und eine
bessere Resorption zu gewährleisten, wurde die Versuchsanordnung
später derart eingerichtet, daß den Hunden nicht Blut bzw. Organbrei
3l*
484 K. Glaessner und E. P. Pick,
als solche injiziert wurden, sondern die eingedampften und in
schwach alkalischem Wasser gelösten Rückstände von Alkohol-
extrakten des Blutes und der frisch zerriebenen Organe. Das
Phlorizin geht, wie wir uns selbst überzeugen konnten, quantitativ
in die alkoholischen Lösungen, und es mußte daher bei Gegenwart
von freiem Phlorizin die Glykosurie bei den injizierten Hunden
prompt auftreten.
Versuch VIM.
Ein Kaninchen erhält um '/,11 Uhr 2g Phlorizin subceutan und wird
'/,1 Uhr getötet. Das Blut des Tieres wird defibriniert, mit Alkohol extra-
hiert, der Alkohol abfiltriert, eingeengt und der Rückstand in schwache
Sodalösung aufgenommen. Diese Lösung wird einem Hunde subeutan bei-
gebracht; der Harn des Hundes zeigt einen Zuckergehalt von 1,1 Proz.
— 3,3g (entsprechend 300 g Harn).
Die Leber wurde unter Zusatz von Quarzsand zerrieben, mit Alkohol
extrahiert und wie beim Blute verfahren. Der Harn desselben Hundes ergibt
nach Injektion der Leberlösung 0,3 Proz. Zucker = 2g (entsprechend
60) ccm Harn).
Das Nierenextrakt (in gleicher Weise gewonnen) bewirkte an dem
gleichen Tiere eine Glykosurie von 0,66 Proz. = 1,5g (bei 250cem Harn).
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Phlorizin
beim normalen Tiere mit dem Blute kreist und in den
Organen enthalten ist, daß ferner seine physiologi-
sche Wirkung sowohl im defibrinierten Blute, wie auch
in den Organextrakten durch das Tierexperiment nach-
weisbar bleibt.
B. Versuche an nephrektomierten Tieren.
Da der Phlorizindiabetes insbesondere seit den Versuchen von
Zuntz als Nierendiabetes aufgefaßt wird, und auch die neueren
Forschungsergebnisse auf die wichtige Rolle der Niere bei dieser
(Glykosurie hinweisen, schien uns die Versuchsanordnung gerecht-
fertigt, nach Entfernung der Nieren die Schicksale des Phlorizins
zu verfolgen. In den oben angeführten Versuchen konnte gezeigt
werden, daß das Phlorizin durch seine spezifische Wirkung im Blute
und in den Organen der vergifteten Tiere mit Sicherheit nach-
weisbar ist; andererseits ist seit den Versuchen von Öremer,
Yokota u. a. bekannt, daß das Phlorizin quantitativ und wahr-
scheinlich unverändert den Körper durch den Harn verläßt. Es war
daher zu erwarten, daß beim nephrektomierten Tiere das Phlorizin,
falls dessen alleiniger Angriffspunkt in der Niere gelegen ist, oder
die Niere an sich durch das Phlorizin beeinflußt wird, quantitativ
Über Phlorizindiabetes. 485
und unverändert in den Organen und im Blute nachzuweisen ist.
Über den Einfluß der Nierenexstirpation auf die Phlorizinwirkung
liegen nun mehrere Beobachtungen vor, z. B. der Versuch Min-
kowskis, welcher lehrt, daß der Blutzucker nach Nierenexstirpation
nicht ansteigt, ohne daß es andererseits, wie Löwi zeigte, zu
größerer Glykogenansammlung in Muskeln oder Leber käme;
ferner gehört hierher die Mitteilung Lewandowskys, daß Ader-
lässe, welche bei normalen Tieren Hyperglykämie hervorrufen,
bei Phlorizintieren dieselbe nur nach Nephrektomie erzeugen.
Diese Angaben legten die Vermutung nahe, daß sich das Phlorizin
bei nephrektomierten Tieren anders verhalte als bei normalen. Wir
prüften daher, ob das Phlorizin auf seinem Wege zur Niere Ver-
änderungen erfährt.
Versuch I.
11 Uhr 20 Min. vormittags wurden einem Kaninchen beide Nieren extra-
peritoneal exstirpiert und darauf 2g Phlorizin (subeutan) injiziert.
Das Tier wurde um 4 Uhr 30 Min. nachmittags durch Entbluten getötet,
das Blut defibriniert und einem zweiten Kaninchen die gesamte Blutmenge
subcutan beigebracht.
Der Harn der nächsten 24 Stunden enthält keinen Zucker. Die Leber
des nephrektomierten Tieres wird mit sodahaltiger Kochsalzlösung und Quarz-
sand zerrieben und das Extrakt einem Kaninchen subeutan injiziert. Der
Harn des Tieres enthält ebenfalls keinen Zucker.
Da Kaninchen, wie oben bemerkt, gegen geringe Phlorizin-
gaben viel weniger empfindlich sind, als Hunde, wurden die
weiteren Versuche derart angestellt, daß das Blut und die Organ-
extrakte der nephrektomierten Kaninchen Hunden subcutan bei-
gebracht wurden.
Versuch I.
Einem Kaninehen werden um '/,4 Uhr nachmittags beide Nieren exstir-
piert und 1g& Phlorizin subcutan injiziert. Am nächsten Tage um 12 Uhr
mittags wird das Kaninchen entblutet und das in Oxalat aufgefangene Blut
(40 com) einem Hunde subeutan injiziert.
Harn des Hundes. 1. Tag: Zucker fehlt
” ” ” 2. ” ” „
(Polarisation — — 0,5 Proz.)
Versuch III.
Einem Tiere (Kaninchen) werden um 12 Uhr beide Nieren exstirpiert»
dann 2g Phlorizin injiziert. Um '/%,3 Uhr wird das Tier getötet, das in
oxalsaurem Natron aufgefangene Blut (50 ccm) einem Hunde subeutan injiziert:
Der Harn des Hundes (T'agesmenge) zeigt keinen Zucker.
486 K. Glaessner und E. P. Pick,
Versuch IV.
Um 1 Uhr wird bei einem Kaninchen die Nierenexstirpation vor-
genommen und demselben 3g Phlorizin subcutan injiziert; um 6 Uhr
wird das Tier entblutet (Oxalatblut), das Blut (20 cem) einem Hunde subeutan
beigebracht.
Harn des Hundes. r Tag h Menge 600cem, Zucker =1 Proz. = 6g&
Le >)
„ „ n Bu Zuckerfrei.
Der Leberbrei desselben Kaninchens wird in der Menge von 60 cem
einem zweiten Hunde subcutan beigebracht.
Harn des Hundes. 1. -. Menge 200 cem, Zueker fehlt (Linuksdrehung)
un ” RE
Par ® h; Ban, Zuckerfrei.
Die hier angeführten Versuche wurden in der gleichen Weise
wiederholt mit demselben Ergebnis angestellt; es zeigte sich
nämlich konstant, daß Mengen bis zu 3g Phlorizin, welche nephrek-
tomierten Kaninchen beigebracht worden waren, weder im Blute
noch in der Leber durch die glykosurische Wirkung beim Hunde
nachweisbar waren. Dosen von 3 g und darüber riefen schon
Glykosurie beim Hunde hervor.
Dieses überraschende Ergebnis konnte kaum durch die An-
nahme erklärt werden, daß das in den beigebrachten Flüssigkeiten
enthaltene Phlorizin nicht genügend resorbiert worden war, da wir
ja aus den Versuchen von Moritz und Prausnitz, sowie von
Löwi wissen, daß schon Spuren von Phlorizin bei Hunden Glyko-
surie erzeugen. Andererseits konnte der Einwand, daß die nephrek-
tomierten Kaninchen früher getötet worden waren, als die Resorp-
tion des gesamten injizierten Phlorizins stattgefunden hatte, dadurch
entkräftet werden, daß die Kaninchen 24 Stunden und darüber in
den vielfach variierten Versuchen nach Exstirpation der Nieren am
Leben selassen wurden. Man mußte sich also der Annahme zu-
neigen, daß das Phlorizin in dem der Nieren beraubten Organismus
derart verändert worden war, daß es sich physiologisch als un-
wirksam erwies, und es lag daher die Notwendigkeit vor, mit Hilfe
anderer Methoden die Abwesenheit des Phlorizins in den betreffen-
den Versuchen nachzuweisen.
Zu diesem Behufe versuchten wir einerseits das Phlorizin aus
den Organen und aus dem Blute der nephrektomierten Tiere durch
Alkoholextraktion zu gewinnen, andererseits dasselbe mit Hilfe der
äußerst empfindlichen Salzsäure-Vanillinprobe nachzuweisen. Was
die letzterwähnte Probe betrifft, so überzeugten wir uns, daß ihre
Über Phlorizindiabetes. AT
Empfindlichkeit eine sehr bedeutende ist. Es zeigte sich, daß noch
0,0002 & Phlorizin eine deutliche Reaktion gaben.
Die Extraktion des Phlorizins aus dem Blute und der Leber
der entnierten Kaninchen fand nach der im vorigen Abschnitt
geschilderten Methode statt (S. 484, Versuch VII).
Versuch V.
Y/s11l Uhr vormittags Nierenexstirpation am Kaninchen und Injektion
von ?g Phlorizin. Den nächsten Tag um '/,11 Uhr vormittags Entblutung.
Das alkoholische Extrakt des Blutes wurde eingedampft, der Rückstand in
alkalischem Wasser gelöst (10 cem) und die Flüssigkeit einem Hunde subcutan
beigebracht. Die Vanillin-Salzsäurereaktion war negativ; der Harn des
Hundes zeigte keinen Zucker.
Die Leber wurde in derselben Weise verarbeitet und injiziert. Das
Leberextrakt gab keine Vanillinreaktion; der Harn des Hundes gab
keine Zuckerreaktion.
Versuch VI.
Wie Versuch V, nur wurden 3g Phlorizin injiziert. Das Leberalkohol-
extrakt gab diesmal positive Vanillinreaktion. Der Harn des in-
jizierten Hundes enthielt am ersten Tage 8 Proz., am zweiten Tage 1,5 Proz.
Zucker.
Diese zwei Versuche mögen hier aus einer größeren Reihe
gleichartiger Versuche herausgegriffen werden; alle haben überein-
stimmend die vorhin erwähnte Annahme bestätigt, daß tatsächlich
im nephrektomierten Tiere das Phlorizin in Dosen bis zu 3g sich
derart verändert, daß es sich dem physiologischen und chemischen
Nachweise entzieht. |
Es stand noch die Möglichkeit offen, daß das Gift in irgend
eine Verbindung mit im Blute oder in den Organen vorhandenen
kolloidalen Substanzen getreten und so unwirksam geworden war.
Ein sicherer Beweis für diese Vermutung ließ sich jedoch nicht
erbringen. Es wurde versucht, diese hypothetischen Verbindungen
durch Säuren zu spalten und das Gift auf diese Weise frei und
wirksam zu machen. Wässerige und alkoholische Auszüge aus
Blut und den Organen der entnierten Tiere wurden mit verdünnten
(5 proz.) Lösungen von Essigsäure, Phosphorsäure, Schwefelsäure
und Salzsäure zum Teil auf dem Wasserbade, zum Teil über
freier Flamme unter dem Rückflußkühler in der Dauer von 1 bis
24 Stunden gekocht, die Spaltungsflüssigkeit neutralisiert und so-
wohl die Vanillinreaktion als die physiologische Wirkung der
resultierenden Flüssigkeiten geprüft. Das Ergebnis blieb in allen
Fällen ein negatives.
488 K. Glaessner und E. P. Pick,
Überblicken wir die Resultate der in dem zweiten
Teile unserer Untersuchungen angeführten Versuche, so
ergibt sich, daß beim normalen Tiere das Phlorizin bzw.
der wirksame Anteil desselben im Blute und in den
Organen nachweisbar ist, selbst wenn man den Ver-
suchstieren (Kaninchen) das Gift in kleinen Mengen bei-
bringt, daß es somit unverändert zur Niere gelangt. Da-
gegen entzieht sich bei nephrektomierten Tieren das
Phlorizin in Gaben bis zu 3g im Blute und in der Leber
physiologisch und chemisch dem Nachweis. Es geht
daraus hervor, daß das Vorhandensein der Niere für das
Intaktbleiben des Phlorizins bzw. seines giftigen Bestand-
teils unbedingt notwendig erscheint. Welche Rolle dabei
die Niere spielt, läßt sich aus den bisherigen Versuchen
nicht entscheiden. Darüber sollen uns erst weitere Versuche
aufklären.
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Bang, I. 1, 312, 320.
Bauer, F. 345.
Blum, L. 80.
Bohm, V. 1, 312.
Czyhlarz, E. v. 358.
Donath, H. 390.
Embden, G. 265.
Falta, W. 19.
Faubel, 0. 35.
Filehne, W. 299.
Fürth, O.v. 131, 174, 188, 358, 462.
Fuld, E. 123.
Ginsberg, W. 411.
Glaessner, K. 473.
Grote, F. 199.
Jerusalem, E. 131, 174.
Knoop, F. 111.
Liefmann, E. 265.
Ljungdahl, M. 1, 312.
Lüthje, H. 265.
Marum, A. 105.
Matter, OÖ. 251.
Moseati, G. 337.
Nürnberg, A. 125.
Öppenheimer, 8. 273.
Pauli, W. 53.
Pfeiffer, W. 324.
Pick, B.-P. 473:
Pollak, L. 232.
Sasaki, T. 120.
Saxl, P. 447.
Scholl, E. 188.
Schütz, J. 462.
Spiegler, E. 253.
Spiro, K. 277.
Staehelin, R. 199.
Zak, E. 287.
Autorenregister zu Band I bis X.
A.
Almagia, M. Jodoformbildende Sub-
stanz bei Durchblutung der Leber
6,59. Zuekerausscheidung pankreas-
loser Hunde nach Alanindarreichung
7, 298. Zersetzung der Harnsäure
durch die Organe des Säugetieres 7,
459. Absorptionsvermögen der
Knorpelsubstanz für Harnsäure 7,
466.
Aron, H. Verhalten des genuinen
Serums gegen tryptische Verdauung
4, 279.
B.
Babak,E. Morphogenetische Reaktion
des Darmkanals der Froschlarven auf
Muskelproteine 7, 323.
Baer, J. Physiologische Beziehungen
der S-haltigen Eiweißkörper 8, 326.
Einwirkung chemischer Substanzen
auf Zuckerausscheidung und Acidose
10, 80.
Baglioni, S. Muskeln, elektrische
Organe und Blutserum von Torpedo
ocellata 8, 456. Quantitative Zu-
sammensetzung verschiedener Körper-
flüssigkeiten von Seetieren 9, 50.
Bang, I. Nukleohiston 1, 189. Lym-
phatische Organe I, 4, 115; II, 4,
331: III, 4, 362; IV, 5, 317. Dar-
stellung der Guanylsäure 4, 175.
Labwirkung des Blutserums 5, 395.
Darstellung der Taurocholsäure 7,
148. Präeipitine 7, 149. Hämolysin-
bildung 8, .238. Glykogenumsatz in
der Kaninchenleber I, 9, 408; I1, 10, |
1; III, 10, 312. Leberdiastase bei
Pankreasdiabetes 10, 320.
Bauer, Fr. Inosinsäure und Muskel-
pentose 10, 345.
Baum, Fr. Neues Produkt der Pan-
kreasselbstverdauung 3, 439.
Bayer, H. Plasteinogene Substanz 4,
554.
Becker, G. Zeitgesetz des mensch-
lichen Labferments 7, 89.
Bednarski, B. Einwirkung von En-
zymen aufeinander 1, 289.
Bergmann, G.von. Überführung von
Cystin in Taurin 4, 192. Reststick-
stoff 6, 27. Verbindungen mit
Naphtalinsulfochlorid im Blut 6, 40.
Bethe, A. Färbung tierischer Ge-
webe 6, 399.
Bial, M. Gepaarte Glykuronsäure in
Fäces 2, 528; nach Menthol 2, 532.
Biberfeld, J. Wasser- und Salz-
aufnahme durch Epidermis 5, 449.
Bielfeld, P. Eisengehalt der mensch-
lichen Leberzellen 2, 251.
Blum, L. Schicksal des Cystins 5,
1. Antitoxinbildung bei Autolyse 5,
142. Labferment 9, 74. Einwirkung
chemischer Substanzen auf Zucker-
ausscheidung und Acidose 10, 80.
Blumenthal, Ferd. Isovaleraldehyd
und Aceton aus Gelatine %2,. 238.
Hippursäurebestimmung 3, 385.
Blumenthal, Franz. Assimilations-
grenze der Zuckerarten 6, 329.
Boehme, W. Labferment 9, 74.
Bohm, V. Glykogenumsatz in Kanin-
chenleber I, 9, 408; IL, 10, 1; IH,
10, 312.
492
Bonanni, A. Borneol- und Menthol-
elykuronsäure 1, 304.
Bondi,S.
7, 514.
Borchardt, L. Acetonbestimmung
S, 62. Aminosäuren und Aceton-
körperausscheidung 9, 116.
Braunstein, A. Hippursäurebestim-
mung 3, 385.
C.
Campbell, D. G. Cholalsäure bei Cy-
stinurie 5, 401.
Claus, R. Pankreas und Glykolyse I,
6, 214; II, 6. 343.
Comessatti, G. Assimilationsgrenze
des Zuckers 9, 67.
Conradi, H. Autolyse und Blut-
gerinnung 1, 136. Bildung bakteri-
zider Stoffe bei Autolyse 1, 193.
Czapek, F. N-Gewinnung u. Eiweib-
bildung bei Pflanzen I, 1, 538; II, 2,
557; lIl, 3, 47. Bildung von Säure
und Alkali in künstlichen Nähr-
substanzen von Schimmelpilzen 8,
302.
Özyhlarz, E.v. Peroxydasen 10, 358.
D.
Dautwitz, F. Lipoide und Serum-
hämolyse 9, 431.
Dauwe, F. Fermentabsorption durch
Kolloide 6, 426.
Donath, Hedw.
390.
Dreser,
Pankreassteapsin 10,
H. Harnaeidität 6, 177.
Freie HÜl des Magensaftes 8, 255.
Duceceschi, V. Aromatische Gruppe
1, 889. Biut-
serinnung bei Wirbellosen 3, 378.
Duchätek, FE.
der Knochensubstanz 3, 322,
im Kiweißmolekül
jakterielle Zersetzung
|
E.
Kllinger, A.
und Gallenabsonderung 2,
Tryptophan 4, 171.
Iymphagoge Wirkung
297.
Verteilung der Salicylsäure |
|
ı Filehne, W.
Autorenregister zu Band I bis X.
Embden, G. Ätherschwefelsäurebil-
dung 1, 310. Gepaarte Glykuron-
säure 2, 591. Albumosen in Darm-
wand und Blut 3, 120. Suprarenin
4,421. Alaninfütterung am pankreas-
losen Hund 5, 507. Zuckerbildung
in der Leber 6, 44. Jodoformbildende
Substanz der Leber 6, 59. Fütterungs-
versuche am pankreaslosen Hund 6,
63. Pankreas und Glykolyse I, 6,
214; II, 6, 345. Zuckerausscheidung
pankreasloser Hunde nach Alanin 7,
298. Aminosäuren aus normalem
Harn 7, 411. Acetonbildung in der
Leber I, 8, 121; II, 8, 129. Außen-
temperatur und Bleizuckergehalt 10,
265.
Emerson, R.L. Oxyphenyläthylamin,
fermentative CO,-Abspaltune 1, 501.
Engel, A. Zeit- und Fermentgesetz
des Pankreassteapsins 7, 77.
Eppinger, H. Bildung von Allantoin
6, 237. Theorie der Harnstoffbildung
6, 481. Glyoxylsäure 6, 492.
Erben, F. Proteolytisches Ferment
bei Leukämie 5, 461.
d’Errico, G. Harnsekretion bei Hüh-
nern 9, 453.
Euler, H. Katalasen 7, 1.
R,
Falta, W. Fütterung mit künstlicher
Nahrung 7, 313. Einfluß verschie-
dener Ernährung auf Kraft- und
Stoffwechsel 9, 333. Stoffwechsel u.
Energieverbrauch bei pankreaslosen
Hunden 10, 199.
&,
speichel und
Trypsins 10, 35.
Menschlicher Bauch-
Fermentgesetz des
Faubel,
Feinsehmidt, .JJ). Zuckerzerstörendes
Ferment 4, 511.
Wasser- und Salzauf-
5, 449.
Lipoidlöslichkeit des Rieinusöls 10,
299.
nahme durch Epidermis
Autorenregister
Forschbach, J. Glykosaminkohlen-
säureester beim pankreasdiabetischen
Tier 8, 313.
Forssmann, J. Hämolysinbildung 8,
238.
Fraenkel, A. Ricin auf Fischblut 4,
224.
Fraenkel, S. Abbau des
8, 156. Diastase 8, 389.
Freund, W. Warmblütermuskel 4,
438.
Friedmann, E.
Histidins
Konstitution des
Eiweißeystins 2, 433; 3, 1. «-Thio-
milchsäure 3, 184; 8, 326. Mer-
kaptursäuren 4, 486. Adrenalin 6,
92; 8, 3.
Fromme, A. Fettspaltende Fermente
der Magenschleimhaut 7, 51.
Fürth, O.v. Tyrosinasen und Pig-
mentbildung 1, 229. Suprarenin 1,
243; 4, 421. Glykoproteide niederer
Tiere 1, 252. Gerinnung der Muskel-
eiweibkörper und Totenstarre 3, 543.
Fett bei Keimung ölhaltiger Samen
4, 430.. Oxydativer Abfall der Eiweib-
körper 6, 296. Chitosanverbindungen
aus Sepienschulpen 8, 163. Einfluß
der Galle auf Pankreas 9, 28. Me-
lanotische Pigmente 10, 131. Guanyl-
säure 10, 174. Nitrochitine 10, 188.
Peroxydasen 10, 358. Fettresorption
aus isolierten Darmschlingen 10, 462.
Fuhrmann, F. Präcipitine u. Lysine
3.47.
Fuld, E. Verbindungen von Eiweib-
körpern mit Metaphosphorsäure 2,
155. Milchgerinnung durch Lab 2,
169. Bordetsches Laktoserum 2,
425; 3, 523. Zeitgesetz des Fibrin-
ferments 2, 514. Gerinnungshem-
mende Agentien und Vogelplasma 5,
171. Molkeneiweib 10, 123.
6.
Gamgee, H. Optische Aktivität des
Hämoglobins und Globins 4, 1;
der Nukleoproteide von Pankreas,
Thymus und Nebenniere 4, 10.
zu Band I bis X.
495
Gentzen, M. Tryptophan 4, 171.
Gierke, E. N-Gehalt von Tumoren
mit Schilddrüsenbau 3, 286.
Ginsberg, W. ÖOxyproteinsäure-
fraktion des Harns 10, 411.
Githens, Th.St. Nahrungs- u. Blut-
entziehung, Einfluß auf Blutplasma
5, 515.
Glaessner, K. Vorstufen der Magen-
fermente 1, 1; ihre örtliche Ver-
breitung 1, 24 Entstehung der
Kynurensäure 1, 34. Brunnersche
Drüsen 1, 105. Ätherschwefelsäure-
bildung 1, 310. Umwandlung der
Albumosen durch Darmschleimhaut
1, 328. Antitryptische Wirkung des
Blutes 4, 79. Phlorizindiabetes 10,
473.
Gonnermann, M. Rübeninvertase 5,
512.
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rung auf Ausscheidung von Gallen-
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der Kolloide 5, 432.
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Darmschleimhaut 6, 192; und andere
Organe 7, 165.
Grote, F. Einfluß verschiedener Er-
nährung auf Kraft- und Stoffwechsel
9, 333. Stoffwechsel und Energie-
verbrauch bei pankreaslosen Hunden
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Gümbel, Th. N-Verteilung im Eiweib-
molekül 5, 297.
H.
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149.
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Hamburg, M. Diastase I, 8, 389.
Hausmann, M. Wirkung des Schwe-
fels auf Eiweibkörper 5, 213.
Hausmann, W. Abrin 2, 134. Bio-
logischer As-Nachweis 5, 397. Ent-
giftung desSaponin durch Cholesterin
6, 567.
494
Heffter, A. Wirkung des Schwefels
auf Eiweißkörper 5, 213.
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kreasenzym? 2, 102.
Heymann, F. Pseudomuein 2, 201.
Hildebrandt, H. Halogensubsti-
tuierte Toluole und Amidobenzoe-
säuren 3, 365. Nerol, Geraniol,
Cyklogeraniol 4, 251. Toluidine 7,
433. Gilykosidische Struktur ge-
paarter Glykuronsäuren 7, 438.
Phenylalkylamine und Phenylalkyl-
ammoniumbasen 9, 470.
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463.
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elobins und Globins 4, 1.
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Physiologische Bedeutung d. Kolloide
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in Fäces nach Menthol 2, 532.
I.
Glyoxylsäure 7, 473.
Purinbasen der Heringslake
Inada, R.
Isaak, 8.
5, 500.
Iwanoff, K. S.
membranen bei Bakterien und Pilzen
1, 524.
Kiweißstoffe u. Zell-
J.
Rieinimmunität I, 1, 51;
Fermente
4, 212.
Wesorptions-
Jacoby, M.
11.2,
3, 446. Ürotinimmunität
Empfindlichkeit
vermören bei normalen
Intracelluläre
532.
und
und immu-
Kohn, E.
Autorenregister zu Band I bis X.
nisierten Tieren 6, 113.
der Salicylsäure 7, 514.
Jankowsky, P. Harnacidität 3, 525.
Jelinek, J. Anaerober Stoffwechsel
und alkoholische Gärung 3, 460.
Jerusalem,E. Melanotische Pigmente
10, 131. Guanylsäure 10, 174.
Jones, W. Optische Aktivität von
Nukleoproteiden 4, 10.
Verteilung
K.
Kalberlah, F. Acetonbildung in der
Leber 8, 121. |
Kammann. Roggenpollen und Heu-
fiebergift 5, 346.
Kelly, Agnes. Ätherschwefelsäuren,
Taurin, Glyein bei niederen Tieren
5, 377.
Kisch, F. Postmortaler Glykogen-
schwund 8, 210.
Klercker, Kj. O. af. Kreatin- und
Kreatininausscheidung $, 59.
Knoop, Fr. Albumosen in Darmwand
und Blut 3, 120. Abbau : aromati-
scher Fettsäuren 6, 150. Kohle-
hydrate und N-haltige Produkte 6,
392. Histidin 7, 144; 8, 406; 10,
111.
Säure- und Alkalibildung
in künstlichen Nährsubstraten 8, 302.
Kraus, Fr. Fettwanderung bei Phos-
phorvergiftung 2, 86.
Krüger, F. Chloroform und Hämo-
globin 3, 67.
Kumagawa, M.
185.
Kurajeff, D. Koagulierende Wirkung
des Papayotins 1, 121. Koagulosen
und Plasteine 2, 411; 4, 476.
Fettbestimmung 4,
L.
Landsteiner, K. Antitryptische Wir-
kung des Blutes 4, 262; Lipoide und
Serumhämolyse 9, 431.
Lang, 8. Desamidierung 5, 321.
Lange, F. Aminosäuren und Aceton-
|
körperausscheidung 9, 116.
Autorenregister
Langstein, L. Kynurensäure 1, 34.
Gerinnbare Stoffe des Eierklars 1, 83.
Kohlehydrate aus kristallisiertem
Serumalbumin 1, 259. Endprodukte
der peptischen Verdauung I, 1, 507;
II, 2, 229. Albumosen im Blute 3,
373. Ovomukoid 3, 510. Ochronose
4, 145. Eiweibkörper des Blutplasmas
bei Infektionen 5, 69. Reststickstoff
6, 27. Kohlehydrate aus Eiweiß-
körpern 6, 349. Laktase und Zucker-
ausscheidung bei magendarmkranken
Säuglingen 7, 575.
Laqueur, E. Kasein 3, 193. Kasein
und Parakasein, Labwirkung 7, 273.
Fettspaltende Fermente des Magens
8, 281.
Leersum, E. C. van. Gepaarte Gly-
_ kuronsäure in Galle 3, 522; im tieri-
schen Harn 3, 574. Oreinprobe zum
Nachweis der Glykuronsäure 5, 510.
Lefmann, G. Komplementverbrauch
bei Hämolyse 9, 80.
Lewin, ©. Bildung von Phenol und
Indoxyl, Beziehung zur Glykuron-
säure 1, 472.
Liebermeister, G. Nukleoproteid
des Blutserums 8, 439.
Liefmann, E. Außentemperatur und
Blutzucker 10, 265.
Lipstein, A. Aminosäuren bei Gicht
und Leukämie 7, 527.
Ljungdahl, M. Glykogenumsatz in
der Kaninchenleber I, 9, 408; II, 10,
1, 21,10, 312.
Loeb, L. Blutkoagulation bei Arthro-
poden 5, 191, 534; 6, 260; 8, 67; 9,
185.
Loebiseh, W. Nukleinsäure-Eiweiß-
verbindungen, Milchdrüse 8, 191.
Löhlein, W. Pepsin- und Trypsin-
bestimmung 7, 120.
Loew, 0. Zuckerbildung aus Protein-
stoffen 1, 567. Eiweißbildung bei
Pilzen 4, 247.
Lombroso, U. Pankreas und Kohle-
hydrate 8, 51.
Lüthje, H. . Außentemperatur und
Blutzucker 10, 265.
zu Band I bis X.
495
Lukomnik, J. Plasteine 9, 205.
Lust, F. A. Antikörper gegen Crotin
6, 132.
Luzzatto, R. Pentosurie, Arabinose
6, 87. Abbau der Säuren der Propan-
reihe 7, 456.
M.
Magnus-Alsleben, E. Giftigkeit des
normalen Darminhalts 6, 503.
Magnus-Levy, A. Säurebildung bei
Autolyse der Leber 2, 261.
Malfatti, H. Harntrübung beim
Kochen $, 472.
Marum, A. Glykogen und Acidose
bei Phlorizindiabetes 10, 105.
Matter, O0. Harnfärbung bei Lysol-
vergiftung 10, 251.
Mayer, Mart. Bluteiweißbkörper bei
Infektionen 5, 69.
Mayer, Paul. Indoxyl-, Phenol- und
Glykuronsäureausscheidung bei Phlo-
rizindiabetes 2, 217.
Mayr, R. Neutralsalzwirkung auf
Färbbarkeit und Fixierung nervösen
Gewebes 7, 548.
Mendel, L. B.e Taurin in Muskeln
von Weichtieren 5, 582.
Meyer, Kurt. Diffusion in Gallerten
1, 393. Acetylglykosamin 9, 134.
Michaelis, L. Hemmung der Prä-
cipitinreaktion 4, 59. Farbbasen und
Farbsäuren $, 38.
Mochizuki, J. Tryptische Eiweib-
spaltung 1, 44.
Mörner, K.A.H. Harneiweiß 5, 524.
Moll, L. Antiurease 2, 344. Um-
wandlung von Albumin in Globulin
4, 563; 7, 31l. Blutveränderungen
nach Eiweißinjektion 4, 578.
Moraczewski, W.v. Schwefelgehalt
der Kasein-Verdauungsprodukte 5,
489.
Morawitz, P. Vorstufen des Fibrin-
ferments 4, 381. Blutgerinnung 5,
133. Wiederersatz der Bluteiweib-
körper 7, 153. Postmortale Blut-
veränderungen 8, 1.
496
Moscati, G@.
Muskeln 10, 337.
Müller, Paul Th. Knochenmark-
veränderungen nach PBakterienein-
spritzung 6, 454.
N.
Neuberg, C. Pseudomucin 2, 201.
Kjeldahlbestimmung 2, 214. Iso-
valeraldehyd u. Aceton aus Gelatine
2, 238.
Noeggerath, C. T. Fütterungsver-
suche mit künstlicher Nahrung 7,
313.
Nürnberg, A. Koagulierende Wir-
kung autolytischer Organextrakte 4,
543. Jodothyrin 10, 125.
v.
OÖbermayer, F. J. Veränderungen
des Brechungsvermögens von Glyko-
siden und Eiweibkörpern 7, 331.
Präeipitinwirkung 7, 455.
Offer, R.Th. Neue N-haltige Kohle-
hydrate 8, 399.
OÖppenheimer,C. Trypsinverdauung
und Präcipitinreaktion 4, 259. Pa-
renteral eingeführtes Eiweiß 4, 263.
Serum und tryptische Verdauung 4,
979: 5, 412.
Öppenheimer, N.
20,273,
Örgelmeister, G.
Alanıin ım Harn
Argininbestim-
mung mit Permanganat 7, 21.
Orgler, A.
583.
Oswald, A. 545.
Jodierte Spaltungsprodukte des Ei-
weiß 3, 391. Jodbindende Gruppe
der Proteinstoffe 3, 514.
D, 234.
Aceton aus Ovalbumin 1,
Thyreoglobulin 2,
Harneiweiß
Rs
Blutscheibenstroma u.
6, 543; II, 6, 552. Wir-
kung des Rieins auf Leeithin 7, 457.
Pauli, W. Physikalische Zustands-
änderungen der Kolloide I, 2, 1; II,
3, 225; 111, 5, 27: IV. O.2RBBEUN EIG,
531; VI, 10, 583.
Paseucei, OÖ.
Hämolyse I,
Glykogengehalt der| Petry, E.
Autorenregister zu Band I bis X.
Chemie maligner Ge-
schwülste 2, 94. CO,-Verteilung im
Blut 3, 247. Leberzellen in physi-
kalisch-chemischer Beziehung 5, 245.
Labwirkung auf Kasein 8, 339.
Pfaundler,M. Harnveränderung nach
Stauung im Ureter 2, 336.
Pfeiffer, W. Zersetzung der Harn-
säure durch Nierengewebe 7, 463.
Harnsäuresynthese 10, 324.
Philippson, P. Schilfschläuche zur
Dialyse 1, 80.
Pick, E. P. Immunkörper ,% 381:
1I, 1, 393; 1II, 1, 445. Peptische
Spaltungsprodukte des Fibrins (Di-
nitroalbumosen) 2, 481. Verände-
rungen des Brechungsvermögens von
Glykosiden und Eiweißkörpern 7,
331. Präcipitinwirkung 7, 455.
Phlorizindiabetes 10, 473.
Pick, Fr. Glykogenspaltendes Leber-
ferment 3, 163.
Pitra, J. Knochensubstanzzersetzung
durch Bakterien 3, 322.
Plaut, M. Aminosäuren im Tierkörper
1, 425.
Pohl, J. Organeiweiß I, 7, 381.
Pollak, L. Schicksal der Rhodanate
2, 430. Einheitliche und spezifische
Natur des Pankreastrypsins 6, 9.
Oxydationsprodukte d. Glyeylelyeins
1, 16. Abspaltung von Aceton aus
acetessigsauren Salzen 10, 232.
Pommerenig, E. Guanidinzersetzung
1, 561.
Pons, Ch. Ausscheidung der Chon-
droitinschwefelsäure 9, 393.
Porges, OÖ. Globuline des Blutserums
3, 277.
Proescher, F. Krötengift 1, 575.
Przibram, H. Charakterisierung von
Tierklassen auf Grund ihres Muskel-
plasmas 2, 143.
0.
Spezifische Erythrolyse
„ 1
(Juinan, Cl.
5, 9.
Autorenregister zu Band I bis X.
R.
Raaschou, C.A. Guanylsäure 4, 175.
Raper, H.S. Eiweißpeptone II, 9, 168.
Reach, F. Magenverdauung und -Re-
sorption 4, 139.
Reese, H. Aminosäuren aus Harn 7,
411; ihr Verhalten im Tierkörper 7,
425.
Reh, A. Autolyse der Lymphdrüsen
3, 569.
Reichel, H. Fermentwirkung und
Fermentverlust I, 6, 68; II, 7, 479.
Beeinflussung und Natur d. Labungs-
vorganges I, %, 485; II, S, 15; III,
8, 365.
Reiss, E. DBrechungskoeffizient der
Bluteiweißkörper 4, 150. Ferment
und kolloidale Lösungen 7, 151.
Optisch - aktive Aminosäuren aus
Harn 8, 332.
Rodhain, J. Antistreptokokkenserum
3, 451.
Röhmann,F. Silberverbindungen des
Kaseins 3, 288. Sekret der Bürzel-
drüsen 5, 110.
Rona, P. Physikalische Zustands-
änderung der Gelatine 2, 1.
Rosenberg,S. Tryptische Verdauung
von Eiweiß 5, 412.
Rosenfeld, F. Phenylglycin 4, 379.
Indolbildung beim hungernden Ka-
ninchen 5, 83.
Rosenfeld, L. Hydrolytische Spal-
tungsprodukte des Kaseoplasteins 9,
215.
Rothera, C.A. N-Bindung im Eiweiß
5, 442.
Russo, M. Chitosanverbindungen aus
Sepienschulpen 8, 163.
S.
Sachs, H. Kreuzspinnengift 2, 125.
Sackur, 0. Kasein 3, 193.
Salomon,H. Fütterung am pankreas-
losen Hund 6, 63; mit Alanin 5, 507.
Acetonbildung durch Leber 8, 129.
Samuely, F. Melanine aus Eiweib
2, 355.
Beitr, z. chem. Physiologie, X.
497
4 Sasaki, K. Nichtdialysable Stoffe des
Harns 9, 386.
Sasaki, T. Benzoylpolypeptid des
Asparagins 10, 120.
Satta, @. Acetonbildung I, 6, 1; II,
6, 376; 7%, 458. N-Verteilung im
Harn .6, 358.
Savare, M. Fermente der Placenta
9, 141. Indialysable Stoffe im
Frauenharn 9, 401.
Sa Mengenverhältnisse der
Muskeleiweißkörper (Totenstarre) 9,
1. Autolyse und Zellverfettung 10,
447,
Schlesinger, E. Autolytische Pro-
zesse 4, 87.
Schloss, E. Glyoxylsäure $, 445.
Schmidt, F. Acetonbildung in Leber
8, 129.
Schmidt-Nielsen, S. Autolyse des
Fischfleisches 3, 266. Autolyse und
Muskelsaft 4, 182. Enzyme und
Licht 5, 355; 8, 481; und Radium-
strahlen 5, 398; 6, 175. Aussalzbar-
keit des Kaseins und Parakaseins 9,
311. Molkeneiweib u. Labgerinnung
9, 322.
Schneider, H. Tyrosinase und Pig-
mentbildung 1, 229.
Scholl, E. Nitrochitine 10, 188.
Schröder, H. Enzyme in der Loh-
blüte 9, 153.
Schröder, R. Proteinsubstanzen der
Hefe 2, 389.
Schrumpf, P.
396.
Schütz, J. Proteolytisches Enzym
der Hefe 3, 4335. Hemmung der
Pepsinwirkung durch Salze 5, 406.
Einfluß d. Galle auf Pankreaswirkung
9, 28. Fettresorption aus isolierten
Darmschlingen 10, 462.
Schulz, F. N. Charakterisierung der
Fiweißstoffe durch Goldzahl 3, 137.
Automatische Pipette 3, 161.
Schumm, 0. Autolyse der leukämi-
schen Milz 3, 576; Blut bei
Leukämie 4, 442; 5,583. Albumosen
im Blut 4, 453. Autolyse 7, 175.
32
Pepsindarstellung 6,
im
498
Schur, H. Hämolyse 3, 89. Autolyse
1. 176,
Schwarz, L. Säurebildung in der
Magenschleimhaut 5, 56.
Schwarz, OÖ. Antipepsine 6, 524.
Schwarzschild, M. Wirkungsweise
des Trypsins 4, 155.
Shibata,K. Amide spaltende Enzyme
bei Pflanzen 5, 384.
Siegert, F. Fett bei’ Leberautolyse
1, 114. Fettsäuren im Fett der Neu-
geborenen 1, 183.
Simon, Ch.E. Cholalsäure bei Cystin-
urie 5, 401.
Slowtzoff, B. Bindung des Hg und
As durch Leber 1, 281; der Cu 2,
307. Hungerstoffwechsel: I. Insekten
4, 23; I. Weinbergsschnecke 4,
460; III. Libellen 6, 163; IV. Hum-
meln 6, 170. Leeithinresorption am
Darm %, 508. Lecithinwirkung auf
Stoffwechsel 8, 370. Labgerinnung
9,149.
Sommer, A. Fettwanderung bei P-
Intoxikation 2, 86.
Spiegler, E. Haarpigment I, 4, 40;
II, 10, 253.
Spiro, K. Säurevergiftung 1, 269.
Aromatische Gruppe des Leims 1,
347. >Serumglobuline und Muskel-
plasma 1, 78. Diurese und Isotonie
2, 149. Globuline des Blutserums
3, 277. Fällung von Kolloiden 4,
300. Gerinnungshemmende Agentien
», 171. Lösung und Quellung von
Kolloiden 5, 276. Fermentwirkung
und Fermentverlust I, 6, 68; 11, 7,
479. Natur des
Labungsvorganges I, 7, 485; II, 8,
15; III, 8, 365. NH,- und Harnstoff-
bestimmung 9, 481. Kohlehydrat-
stoffwechsel 10, 277.
Stade, W, Fettspaltendes
des Magens 3, 291.
Staehelin, R. Kraft- u. Stoffwechsel
bei verschiedener Ernährung 9, 333;
an pankreaslosen Hunden 10, 199.
Steinitz, F,
mit Kohlehydraten, chemische Zu-
Beeinflussung und
l'erment
Kinseitige Ernährung
Autorenregister zu Band I bis X.
sammensetzung des Säuglings 6, 206.
Laktase und Zuckerausscheidung 7,
575.
Steyrer, H. Osmotische Harnanalyse
2, 312. Chemie des entarteten Mus-
kels 4, 234.
Stoklasa, J. Bakterielle Zersetzung
der Knochensubstanz 3, 322. Anae-
rober Stoffwechsel und Gang der
höheren Pflanzen 3, 460.
Stolte, K. Schicksal der Aminosäuren
5, 15.
Stookey, L.B. Eiweißpeptone 7, 590.
Sugg, E. Proteolytische Enzyme der
Milch 5, 571.
Suto, K. Fettbestimmung 4, 185.
Swain, R. E. Skatosin 3, 442.
IE
Tauber, S. Derivate des Taurins und
Synthese der Taurocholsäure 4, 323.
Türkel, R. Zuckerabspaltende Sub-
stanz in der Leber 9, 89.
U.
Urano, F. Bindungsweise d. Kreatins
im Muskel 9, 104. Einwirkung von
Säureanhydriden auf Kreatin und
Kreatinin 9, 183.
V
Vandevelde, A. J.J. H,O, auf En-
zyme d, 558. Proteolytische Enzyme
der Milch 5, 571.
Vitek, E. Anaerober
höherer Pflanzen 3, 460.
Vogt, H. Zeitlicher Ablauf d. Eiweiß-
zersetzung bei verschiedener Nah-
rung 8, 409.
Stoffwechsel
W.
Waele, H.de. Proteolytische Enzyme
der Milch 5, 571.
Waldvogel, R. Bedingungen der
Acetonbildung 7, 150.
Autorenregister
Weisert, R. Einfluß einseitiger
Kohlehydratnahrung beim Säugling
6, 206.
Wiechowski,W. Hippursäuresynthese
(, 204. Methode zur Unter ‘suchung
überlebender Organe 9, 232. Harn-
säure zerstörendes Ferment 9, 247;
deren Produkte 9, 295.
Wiener, H. Symnthetische Bildung
der Harnsäure ‘2, 42. on
zerstörendes Ferment 9, 247.
Windaus, A. Beziehung zwischen
Kohlehydrat und N -haltigen Pro-
dukten des Stoffwechsels 657392:
Histidin 7, 144; 8, 406.
Winterstein, E. N-haltige Bestand-
teile einiger Pilze 2, 404.
MWojezyuski, A. Einwirkung von
Enzymen aufeinander 1, 289.
Wolff, H. Fäulnis von Fleisch und
Bernsteinsäuregehalt 4, 254. Milch-
zu Band I bis X. 499
weißer Ascites 5, 208. Melanotische
Pigmente 5, 476.
Wröblewski, A. Einwirkung von
Enzymen Auer 1.289.
ET.
Yokota,K. Ausscheidung des Phlor-
rhizins 5, 313,
2.
Zak, E. Proteolytisches Ferment von
Baec. pyocyaneus 10, 237.
Zdarek, E. Ochronose 4, 378.
Zinser, A. Fettvordauung im Magen
1a. DV:
Zsigmondy, A. Verwendbarkeit der
Goldzahl für Eiweißstoffe 3,3197.
Zunz, E. Verlauf der peptischen
Eiweißspaltung 2, 435. Verdauung
und Resorption der Eiweißkörper im
Magen und Duodenum 3, 339.
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lung von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig, betr. Ladenburg,
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