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Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

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Univ.  of 
Toronto 
Library 


BEITRÄGE 


ZUK 


GESCHICHTE  DER  DEUTSCHEN  SPRACHE 
UND  LITERATUR 


UNTER     MITWIRKUNG     VON 
HERMANN  PAIL    UND    EDUARD  SIKVERS 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

WILHELM   BRAUNE. 


XXXII.  BAND. 


5, 


'^^ 


HALLE  A.  S. 

MAX    NIEMEYER 

77/78  GR.  STEINSTKASSE 
1907 


-^o 


INHALT. 


Seite 

Zur  altsächsischen  Genesis.    Von  "W.  Braune 1 

^'h(l.  braut  in  den  germanischen  sprachen.    Von  W.Braune.     .  30 

Ags.  neorxnaicov,^.     Von  A.  Leitzmann 60 

Runenstudien.  IT.  Die  altgermanischen  nmengedichte.  Von  E.  M. 

Meyer 07 

Studien  zu  den  werken  des  Strickers.    I.  Zur  Karl  Überlieferung. 

Von  Fr.  Wilhelm Hö 

Die   germanische    weltschöpfungssage   und   die   AlvissnuU.    Von 

K.Helm 99 

Ziu*  kritik  der  sage  von  Hertnits  kämpf  mit  den  Isungen.    Von 

K.Helm     .  ^ ^.     ...  113 

Zur     betonung    von     uhd.    Jiohtnder,    icachholder    u.  s.  w.      Von 

H  Schröder 120 

Ueher   den   plan    einer   iuschriftensammlung   zur  geschichte  der 

germanischen  Tölker.    Von  L.  Schmidt  und  0.  Fiebiger   .  129 

Etymologisches.    Von  E.  Lewy 13G 

Etymologische  miscellen.    Von  R.  Traut  mann 150 

Zu  Neidhard.    Von  H.  Paul 152 

Ahd.  bita.    Von  W.Braune 153 

Literatur 154 

Das  Eckenlied  und  seine  quellen.    Von  E.  C.  Boer 155 

Zur  althochdeutsclien  literatur.    3.   Zum  Hildebrandsliede.    Bei- 
träge zur  erklärung  des  textes.    Von  G.  Ehr is mann  .     .     .  260 
Die  westfälischen  feminina  auf  -te.    Von  F.  Holthausen  .     .     .  293 

Zu  Beitr.  32, 139,  fussn.  5.    Von  G.  C.  Uhleubeck 295 

Zu  Oswald  von  Wolkenstein.    Von  E.  Sever 296 

Die  abfassungszeit  des  Ackermanns  aus  Böhmen.  Von  A.  Leitz- 
mann       297 

Literatur 298 

Zur  FostbroeÖrasaga.   L  teil:  Die  visur.  (Lihalt  s.  4-iG).  Von  K.  H. 

Gaertner 299 

Die  sogenannten  reduplicierenden  verba  im  germanischen. .  Von 

S.  Feist 447 

(Literatur  s.447.  Uebersicht  über  die  red.  v.  im  germ.  s.448. 
—  I.  Einleitung.   Das  idg.  perfect  s.  458.  —  IL  Urgerm. 


INHALT. 

Seite 

und  gotische  red.  perfecta  s.  i67.  —  III.  Die  uordisch-west- 
germauischeii  perfecttypen  s.-i82.  —IV.  Sclilussbetrachtung 
s.  513). 
Nachträge  zur  vocalbalance  uud  -harnionie  im  altfriesischen.   Von 

W.  van  Helten 517 

Zu  Beiträge  32,  255.    VonA.  C.  Boer 532 

Zu  Heinrich  von  Freiberg.    Von  A.  Walin  er 533 

Die  eutwicklung  von  nasal   vor   stimmloser  spirans    im   nieder- 
deutschen.    Von  H.  Mutschmanu Sil 

Etwas  von  Streckformen  uud  ähnlichem.    Von  E.  Kövi  .     .     .     .  551 

Helmbrechts  haube.    Von  W.  Braune    .    .     . 555 

Nachträge  zu  braut.    Von  W.  Braune 559 

Zur  altsächsischen  Genesis.    Von  G.  Neckel 563 

Zur  altsächsischen  Genesis.    Von  F.  Holthauseu 567 

StaimhoH  cldudun.    Von  F.  Holthausen 568 

Nachtrag  zu  s.  293.    Von  F.  Holthausen 569 

Nachtrag  zu  s.  452  ff.     Von  S.  Feist 569 

Literatur 570 

Berichtigungen 570 


ZUR  ALTSACHSISOHEN  GENESIS. 

In  der  verfasserfrage  der  alts.  Genesis,  welche  ich  seiner 
zeit  auf  grund  der  alten  Sievers'schen  hj'pothese  zu  gunsten 
des  Helianddichters  beantwortet  hatte,  ist  durch  die  eindringen- 
den arbeiten  von  0.  Behaghel')  und  von  H.  Pauls 2)  nun  wol  so 
weit  klärung  geschaffen,  dass  man  die  neue  Sievers'sclie  hypo- 
these  gelten  lassen  muss,  welche  in  der  recension  meiner  aus- 
gäbe der  vatikanischen  bruchstücke^)  zuerst  ausgesprochen 
worden  ist.  Danach  ist  die  alts.  Genesis  das  werk  eines  schülers 
und  nachfolgers,  der  im  engen  anschluss  an  den  Heliand  dichtete. 
Für  die  weitere  Charakteristik  dieses  dichters  hat  Sievers  dort 
auch  bereits  die  grundlinien  gezogen,  die  von  Behaghel  und 
Pauls  weiter  ausgeführt  worden  sind.  Nach  Sievers  war  der 
Genesisdichter  'zwar  auch  phantasievoll  und  mit  einem  gewissen 
Schwünge  begabt,  wie  der  dichter  des  Heliand,  aber  ihm  nicht 
gewachsen  im  technischen,  fast  ein  stümper  in  allem,  was  vers 
und  Stilbehandlung  angeht,  auch  ihm  nicht  gewachsen  in  der 
kunst  des  geschlossenen  aufbaus  der  gedanken'. 

Die  unfreundliche  note,  welche  hiermit  schon  Sie  vers  gegen- 
über dem  Genesisdichter  angeschlagen  hatte,  ist  von  Behaghel 
und  Pauls  nach  möglichkeit  verstärkt  worden,  j\Iit  unrecht, 
wie  ich  glaube.  AVas  Sievers  hauptsächlich  zu  tadeln  hatte, 
dass  der  Genesisdichter  in  der  rhythmischen  und  stilistischen 
behandlung  des  alliterationsverses  nicht  auf  der  höhe  des 
Helianddichters  stehe*),  wird  man  zugeben  dürfen.  Aber  ich 
meine,  man  sollte  an  die  stelle  des  absoluten  Werturteils  lieher 

*)  Der  Hei.  uud  die  alts.  Genesis,  Giessen  1902. 
')  Studien  zur  alts.  Gen.,  Leipziger  diss.  1902,  uud  diese  Beitr.30, 142  ff. 
*)  Zs.  fdph.  27,  538.  —  Vgl.  auch  den  artikel  'Heliand'  in  Haucks  Real- 
eucyclupädie  f.  ])rot.  theol.  7  (1899),  G17  ff. 

*)  S.  hierzu  die  näheren  ausfiihrungen  von  Pauls,  Beitr.  30, 156  ff. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXU.  ^ 


2  BRAUNfi 

eine  historische  beurteilung  treten  lassen.  Offenbar  stand  der 
ältere  dichter  des  Heliaud  noch  fest  in  der  guten  alten  tra- 
dition  der  westg-ermanischen  epischen  alliterationsdichtung, 
welche  er  möglicherweise  früher  schon  ausgeübt  hatte,  ehe  er 
beg-ann,  als  christlicher  dichter  den  neuen  wein  in  alte  schlauche 
zu  fassen.  Wie  leicht  diese  dadurch  zersprengt  werden  konnten, 
sehen  wir  am  Muspilli.  Der  A^erfall  der  alten  technik  auf  dem 
deutschen  continent  im  9.  jli.  unter  der  herschaft  des  Christen- 
tums war  unaufhaltsam  und  Otfrid  zeigt  uns  in  den  anfangs- 
partien  seines  ersten  buches,  wie  die  letzten  reste  der  alten 
weise  durch  die  neue  kunstform  besiegt  Averden.i)  War  nun 
der  jüngere  dichter  der  Genesis  nicht  in  der  Übung  der  alten 
kunst  aufgewachsen,  sondern  nahm  seine  Schulung  und  sein 
Vorbild  wesentlich  am  Heliand,  so  wäre  seine  Inferiorität  im 
technischen  begreiflich  und  man  würde  besser  vermeiden,  aus- 
drücke wie  ' Stümper'  auf  einen  dichter  anzuwenden,  av elcher 
doch  anderseits  solchen  dichterischen  schwung  und  solche  selb- 
ständige auffassung  gegenüber  der  biblischen  quelle  zeigt,  wie 
ich  letzteres  in  meiner  einleitung  besonders  an  der  darstellung 
der  geschichte  vom  Untergang  Sodoms  aufgezeigt  habe.  Auch 
bis  jetzt  ist  mir  noch  keine  mittelalterliche  form  dieser  erzäh- 
lung  bekannt  geworden,  welche  eine  ähnliche  freiheit  der  auf- 
fassung gewagt  hätte.  Diese  für  einen  dichter  doch  sehr 
wesentlichen  eigenschaften  hat  niemand  ernstlich  dem  Genesis- 
dichter absprechen  können.  Nennt  ihn  Sievers  a.a.O.  'phan- 
tasievoll und  mit  einem  gewissen  schwunge  begabt',  so  gesteht 
Behaghel  in  seiner  ausgäbe  von  Heliand  und  Genesis  s.  xxiii 
sogar  zu,  dass  der  jüngere  dichter  sein  vorbild  (den  Heliand) 
an  selbständiger  gestaltungskraft  überrage.  Wenn  er  aber 
dann  fortfährt:  'Aber  er  ist  vielfach  ungeschickt  und  unklar 
und  es  fehlt  sogar  nicht  an  sprachwidrigen  ausdi-ucksweisen, 
die  aus  stumpfsinniger  nachahmung  bestimmter  Heliandstellen 
zu  erklären  sind',  —  so  sind  das  züge,  deren  richtigkeit  zu  er- 
weisen sich  allerdings  die  obengenannten  arbeiten  von  Behaghel 
und  Pauls  bemühen.  Aber  diese  züge  wollen  doch  schlecht 
passen  zu  dem  bilde  eines  phantasievollen  und  durch  selb- 
ständige gestaltungskraft  hervorragenden  dichters,  als  welchen 


1)  Vgl.  Sievers,  Beitr.  13, 133  ff. 


ZUR   ALTS.    GENESIS.  Ö 

wir  den  autor  der  Genesis  anerkennen  müssen.  Und  ich  bin 
der  nieinunsr.  dass  sowol  Beliaghel,  wie  Pauls  dem  Genesis- 
dichter vielfach  unrecht  getan  haben,  wenn  sie  darauf  aus- 
gehen, ihm  möglichst  viele  grobe  fehler  in  seiner  arbeit  an- 
zustreichen. Schon  Behaghels  recensenten  Jellinek  und  be- 
sonders Roediger')  haben  hier  viele  ungerechte  beurteilungen 
einzelner  stellen  bei  Beliaghel  zurückgewiesen  und  durch  rich- 
tigere auffassungen  ersetzt. 

Die  bemängelungen  von  ]3ehaghel  und  Pauls  gehen  zum 
grossen  teile  davon  aus,  dass  gezeigt  wird,  eine  ausdrucksweise 
der  Genesis  stimme  nicht  zu  der  des  Heliand.  Man  wird  das 
hier  beigebrachte  meist  dankbar  annehmen  können  und  in 
diesen  Verschiedenheiten  des  Sprachgebrauchs  eine  weitere 
stütze  der  —  von  Sievers  hauptsächlich  auf  grund  der  vers- 
technik  gewonnenen  —  ansieht  erkennen,  dass  wir  es  mit 
zwei  verschiedenen  Verfassern  zu  tun  haben.  Aber  das  darüber 
hinausgehende  bestreben  zu  zeigen,  dass  das  vom  Heliand 
abweichende  nun  auch  minderwertig  oder  sprachlich  falsch 
sei,  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  allein  der  Heliand- 
dichter  sich  habe  richtig  altsächsisch  ausdrücken  können. 
Gerade  wenn  der  Genesisverfasser  von  jenem  verschieden  war, 
so  dürfen  uns  solche  abweichungen  nicht  wunder  nehmen  und 
wir  können  ihm  zutrauen,  dass  er  besser  zu  beurteilen  ver- 
mochte, was  in  seiner  spräche  möglich  war,  als  wir  nachfahren, 
deren  horizont  darin  notwendigerweise  ein  beschränkter  sein 
muss.  Allen  in  dieser  richtung  sich  bewegenden  tadelsvoten 
stehe  ich  skeptisch,  ja  ablehnend  gegenüber.  Ich  will  das 
hier  durch  eingehendere  besprechung  einiger  beispiele  be- 
leuchten. 

Gen.  73.  Zu  tfkean  togean  bemerkt  Behaghel  s.  36  sehr 
richtig,  dass  es  im  Hei.  nur  in  dem  sinn  von  'ein  wunder- 
zeichen tun'  gebraucht  werde,  während  es  hier  heissen  muss 
'ein  äusseres  kennzeichen  setzen'  (posuitque  dominus  Cain  Sig- 
num, Gen.  4, 15).  Auch  der  ags.  dichter  sagt  (ags.  Gen.  A.  1043) 
hine  waldend  on  tirfcest  metod  tacen  sette,  freoctoheacen  frea. 
Pauls  diss.  s.  6  führt  diese  beobachtung  weiter  durch  den  nacli- 
weis,  dass  auch  an  vier  stellen  der  ags.  Gen.  B.  das  dem  tacen 


»)  Auz.fda.29,31ff.;  bz.  Herrigs  Archiv  111, 189  ft'. 


4  BRAUNE 

oäieivan  zu  gründe  liegende  tecan  togian  des  Originals  'ein 
zeichen  geben'  (als  äusseres  merkmal)  bedeute.  Pauls  begnügt 
sich  hier  damit,  die  Verschiedenheit  des  Sprachgebrauchs  zwi- 
schen Gen.  und  Hei.  hervorzuheben.  AVenn  aber  Behaghel 
weiter  einen  tadel  für  den  Genesisdichter  daran  knüpft  und 
Pauls  später  (Beitr.  30, 151)  Kögels  sicher  zutreffende  Über- 
setzung anzweifelt,  so  ist  das  eine  competenzüberschreitung. 
Soll  damit  gesagt  sein,  dass  togian  nur  'vor  äugen  stellen, 
zeigen',  nicht  al)er  'zufügen,  antun,  anheften'  bedeuten  dürfe, 
so  genügt  ein  hinweis  auf  Hei.  5291  so  huat  so  sia  im  tionono 
tiio  tuogian  imoldun  'was  sie  auch  Übels  ihm  da  antun  wollten' 
(Grein). 

Gen.  27.  Das  vielerörterte  liet  ina  undar  haha  liggian 
hat  Pauls,  diss.  s.  41  behandelt.  Ich  hatte  tindcr  haha  nach 
analogie  des  in  Hei.  und  Gen.  öfter  vorkommenden  under  hole 
als  'rückwärts,  zurück'  aufgefasst.  Dagegen  wollte  es  Kögel 
durch  'auf  der  erde'  übersetzen,  indem  er  im  Hei.  v.  4851  f. 
tliat  sie  linder  hac  fellun  alle  efno  san  erde  gisohtun  fälschlich 
under  hac  dem  in  terram  der  quelle  gleich  setzte.  Diese  heisst 
aber  vollständig  (Joh.  18, 6)  ahierunt  rctrorsum  et  ceciderunt 
in  terram  und  es  ist  klar,  dass  vielmehr  erde  gisohtun  das 
ceciderunt  in  terram  widergibt,  während  under  hac  fellun  dem 
ahierunt  retrorsum  entspricht.  Es  kann  also  auch  hier  under 
hac  nichts  anderes  als  'zurück'  heissen.')  Ries  und  andere 
wollten  dann  undar  haJca  mit  'auf  dem  rücken'  übersetzen, 
ein  sinn,  der  sich  aus  der  präposition  undar  absolut  nicht  ge- 
winnen lässt:  dann  müsste  es  schon  an  haha  heissen.  Deshalb 
kehrte  Jellinek,  Anz.  fda.  24, 220  zu  meiner  auffassung  zurück. 
Dessen  ausführungen  sich  anschliessend  betont  Pauls  nun 
richtig,  dass  die  Verbindung  under  hac  nur  zu  einer  richtungs- 
vorstellung  passe,  bei  liggian  erschien  dieses  aber  dem  dichter 
unmöglich.  Somit  schliesst  Pauls,  dass  undar  haha  ein  ver- 
fehlter ausdruck  sei.  Es  ist  zuzugeben,  dass  die  ursprüngliche 
geltung  eine  andere  gewesen  ist.  Eigentlich  scheint  nur  die 
Verbindung  mit  dem  verbum  sehan  berechtigt:   die  mehrzahl 

')  Vgl.  dazu  auch  die  reichen  belege  für  ags.  underbcec  bei  Jiosworth- 
l'üller  s.  1ÜÜ7,  darunter  z.  b.  obiges  ahierunt  retrorsum  des  Johauuesevau- 
geliuius  mit  Däeodonlng  underbcec  übersetzt;  desgl.  feallun  underbcec  'to 
fall  backwards'  mit  mehreren  belegen. 


ZUR   ALTS.   GENESIS.  5 

der  alts.  belege  von  under  hole  gehören  liierlier:  Hei.  5510 
icnder  h.  besah),  dazu  Gen.  304.  330.  334.  Hierbei  allein  kommt 
die  präp.  itndcr  zur  richtigen  geltung.  Denn  wenn  man  nach 
seinem  rücken  hinsielit,  so  muss  man  stets  zugleich  in  der 
richtung  nach  unten  blicken,  also  wie  schon  Jellinek  richtig 
umschreibt,  'in  die  richtung  unterhalb  des  rückens',  es  ist  dem- 
nach in  dieser  formel  die  bedeutung  'nach  hinten'  und  die 
eigentlich  der  präp.  gemässe  *nach  unten'  vereinigt.  Allmählich 
trat  die  letztere  zurück  und  die  bedeutung  'nach  hinten'  über- 
wog, so  dass  undcr  hak  schliesslich  schlechthin  'nach  hinten, 
zurück,  rückwärts'  ausdrücken  konnte.  So  ist  denn  schon 
die  Verbindung  mit  einem  beliebigen  verbum  der  bewegung, 
wie  undcr  hak  falhui  'nach  hinten,  rückwärts  fallen'  eine  Über- 
tragung, bei  der  der  ursprüngliche  sinn  der  präj».  undar  gar 
nicht  mehr  zur  geltung  kommt,  da  er  nur  in  der  sinnlichen 
anschauung  des  rückwärtsblickens  begründet  ist.  Wenn  nun 
so  dieses  utider  hak  eine  le])lose  formel  mit  der  bedeutung 
'zurück,  rückwärts'  geworden  war'),  so  war  es  nur  eine  weitere 
ganz  sprachgemässe  Übertragung,  wenn  der  Genesisdichter  in 
Verbindung  mit  einem  verbum  der  ruhe  undar  haka  anwandte. 
Dabei  ist  natürlich  von  der  ursprünglichen  bedeutung  der 
Präposition  ganz  abzusehen.  Solche  syntaktische  Übertragungen 
sind  freilich  historisch  betrachtet  'falsche'  analogien;  aber  auf 
ihnen  beruht  ja  die  Weiterentwicklung  der  lebenden  spräche 
und  wir  sollen  uns  wol  hüten,  diese  wendung  dem  Genesis- 
dichter als  grammatischen  Schnitzer  rot  anzustreichen.  Selbst 
wenn  diese  anwendungsweise  von  under  hak  auf  verben  der 
ruhe  nicht  durchgedrungen  sein  sollte  —  was  wir  aber  mangels 
weiterer  alts.  literatur  nicht  controlieren  können  —  so  wäre 
sie  doch  von  uns  als  äusserung  lebendiger  sprachbildender  kraft 
gebührend  zu  respectieren.^) 


')  Im  ags.  ist  davon  sogar  ein  adv.  underbcecling  'rückwärts'  abgeleitet 
(vgl.  Bosworth-Toller  b.  1097). 

*)  Als  beispiel  einer  solchen  schliesslicli  nicht  (Inrchgedrungenen  eyn- 
taktischen  unihildiing  möchte  ich  hier  die  construction  von  ze  mit  dem 
accus,  anführen,  wehdie  sich  in  dem  ahd.  Samariteringediclit  v.  2  findet:  er 
zeinen  hrunnon  kisaz.  Der  vcrsiidi  Erdmanns,  Zs.  fdidi.  24,  81'),  hier  den 
dativ  plur.  zeinen  hrunnön  aiizunelimeu,  liat  wol  bei  niemandem  lieifall 
gefunden :  ein  einheitsplural  bei  einem  concreteu  gegenstände,  wie  brunnu 
ist  undenkbar  und  zcn  houbiton  fordert  eine  erklärung  für  sich.    Nein,  hier 


b  BRAUNE 

GcD.  so  tadelt  Pauls  s.  38  die  anwendung  des  adj.  rp-im. 
Der  von  gott  vertluclite  Kain  geht  von  dannen  tnit  grinimo 
hugi.  Tasst  denn  das  in  den  Zusammenhang?  Man  sollte  hier 
alles  andere  eher  erwarten  als  das  grim.  Seine  rede  (v.  58 — 69) 
zeugt  doch  von  einer  ganz  entgegengesetzten  Stimmung,  die 
ja  so  natürlich  ist;  aber  an  stelle  eines  druhundian,  Jiriuiiig 
oder  dgl.  bringt  der  dichter  grim  »erzürnt,  wütend«.'  —  'Ma.n 
muss  sich  billig  verwundern,  wie  der  kritiker  durch  die  be- 
gierde,  fehler  anzustreichen,  die  fähigkeit  verliert,  sich  in  die 
anschauung  des  dichters  einzufühlen.  Freilich  hält  Kain,  nach- 
dem er  sieht,  dass  sein  frevel  entdeckt  ist  und  leugnen  niclits 
hilft,  eine  bussfertig  zerknirschte  rede.  Aber  da  er  mit  dieser 
komödie  seinen  zweck  nicht  erreicht,  sondern  der  herr  ihn  ver- 
flucht und  ihm  die  hüllenstrafe  in  aussieht  stellt,  da  hat  es  für 
ihn  keinen  nutzen  mehr,  den  druhundian  oder  hriauigan  zu 
spielen,  sondern  er  kehrt  seine  wahre  natur  wider  heraus  und 
geht  weg  mit  wut  im  herzen  ^mit  grimmo  lmgi\  Weiteres 
hierüber  s.  unten  s.  19. 

Gen.  332.  Als  Ungereimtheit  betrachtet  Behaghel  s.  44 
den  ausdruck  ihat  uuas  Lohthas  hrud,  than  lang  the  sin  an 
tlmn  landa  lihhian  muosta.  Er  bemerkt  dazu  spottend:  'die 
dame  muss  sich  recht  früh  verheiratet  haben,  wenn  sie  zeit 
ihres  lebens  Loths  hrud  gewesen  ist'.  Hier  hat  zwar  schon 
Roediger,  rec.  s.  192  den  verhöhnten  dichter  zu  rechtfertigen 
gesucht,  indem  er  Goethes  mythologische  frau  citiert  und  Jel- 
liuek,  rec.  s.  33  rät,  das  than  lang  nicht  so  zu  pressen:  aber 
den  kern  der  sache  haben  diese  dem  Genesisdichter  freund- 
licher gesinnten  kritiker  beide  nicht  erfasst,  Behaghel  ist  so 
überzeugt  von  der  schwachsinnigkeit  des  dichters,  dass  er  gar 
nicht  erst  untersucht,  wie  denn  tatsächlich  hrud  im  Heliand 
gebraucht  werde.  Er  geht  aus  von  der  meinung,  dass  hrud 
nur  'junge  frau,  jung  verheiratete'  bedeuten  könne.  Aber 
schon  Heyne  übersetzte  in  seinem  Heliandglossar  1866  hrud 
einfach  mit  'gattin,  frau'.    Und  es  ist  keine  stelle  des  Heliand, 


hat  bei  flem  dichter  die  richtungsvorstellnng  von  l-isaz  so  lebhaft  gewirkt, 
dass  er  ze  eben  mit  dem  richtungscasus  verl)unden  hat.  Der  accusativ  bei 
ze  auf  die  frage  M'ohin?  ist  ja  auch  sonst  ahd.,  ja  noch  mbd.,  vereinzelt 
versucht  worden,  vgl.  die  nachweise  Müllenhoifs,  Denkm.  10, 2  (zu  unserer 
stelle)  und  Kögel,  Litgesch.  i,  2, 475  f. 


ZUR   ALTS,   GENESIS.  7 

welche  uns  z\väii<i-e,  eine  andere  bedeutung  anzunehmen.  Nur 
die  erwägung,  dass  in  anderen  germanischen  sprachen  das  wort 
auf  die  jung  verlieiratete  beschränkt  werde,  kCinnte  uns  ge- 
statten, bei  dem  altsächsischen  bnid  die  bedeutung  'junge  frau' 
vorauszusetzen.  Diese  lässt  sich  anAvenden  auf  Hei.  1996,  wo 
von  der  hochzeit  von  Kana  gesagt  wird,  i/iar  scolda  man  cna 
hrud  (fchiüi  (eine  gattin  geben)  und  auch  der  neuvermählte 
lieisst  hier  hnidignmo  2050.  —  Desgleichen  gehört  hierher 
298.  301,  Avo  von  Joseph  gesagt  wird,  dass  er  sich  die  Maria 
ie  bnidiu  (zur  gattin)  gekauft  hatte.  Aber  da  er  sie  schwanger 
befand,  zauderte  er,  sie  wirklich  als  gattin  heimzuholen:  ni 
uuclde  sie  im  tc  hrudiu  tho  halon  im  ie  hinuon.  Hier  stehen 
hrud  und  kinua  zwar  als  Synonyma;  aber  wer  es  wünscht, 
kann  mit  bntd  den  begriff  'junge  frau'  verbinden.  —  Ebenso 
147  von  Zacharias  sidor  ic  sie  mi  te  brudi  gecos  'seit  ich  sie 
mir  zum  weihe  erwählte'.')  —  Auch  wenn  509  der  gemahl 
der  Anna  nach  siebenjähriger  ehe  noch  brudiyumo  genannt 
wird  {so  mosta  siu  mid  ira  brudigumon  bodlo  giimaldan  sihun 
uuintar  samad),  so  war  bei  ihres  mannes  tode  Anna  ihrem 
lebensalter  nach  doch  immer  noch  eine  junge  frau.  —  Anders 
steht  es  schon,  wenn  749  die  Bethlehemitischen  weiber,  deren 
kinder  von  zwei  jähren  und  darunter  Herodes  töten  lässt, 
bnidi  genannt  werden  {tJtoJi  ni  nioJtta  im  gio  serara  dad  icer- 
dan  . . .  unihun  managun,  brudiun  an  Jßeildecm).  Darunter 
sind  doch  nicht  nur  erstgebärende  junge  frauen  zu  verstehen, 
sondern  auch  solche,  die  daneben  schon  erwachsene  kinder 
gehabt  haben  können.  —  Deutlicher  ist  die  allgemeine,  nicht 
bloss  auf  die  junge  frau  beschränkte  anwendung  von  hrud 
auf  des  Pilatus  weib  5442.  Die  frau  des  hohen  Würdenträgers 
haben  wir  doch  keinen  anlass,  uns  als  junge  frau  vorzustellen. 
Der  dichter  gibt  mit  brnd  eben  hier  einfach  das  uxor  eins  der 
quelle  wider.  Und  iixor  'verheiratete  frau  jeglichen  lebens- 
alters'  ist  die  alleinige  bedeutung  von  bnal  in  der  alts.  dich- 
tung.  —  Das  lehrt  ferner  die  stelle  270(3  ff.,  wo  in  der  ge- 
schichte  des  Johannes  Baptista  von  Herodes  berichtet  wird, 
dass  er  'Herodiadem,  uxorem  Philippi  fratris  sui,  duxerat'.  Es 
heisst  da  huide  imu  be  theru  brudi  ihiu  er  sines  broder  uuas  idis 

')  Die  stelle  fehlt  in  Schmellers  glossar  uud  deshalb  auch  bei  Heyne. 


ö  BRAUNE 

an  ehti  'er  lebte  zusammen  mit  dem  weibe,  welches  vorher 
sein  bruder  besessen  hatte'.  Das  war  keine  junge  frau  mehr, 
denn  sie  hatte  von  seinem  bruder  mehrere  kinder  gehabt  {er 
uuarnn  iro  Tiind  odan  harn  he  is  hrodor);  sie  hatte  eine  be- 
reits erwachsene  tochter,  die  ja  in  dieser  geschichte  die  bekannte 
rolle  spielt.  Aber  trotzdem  heisst  sie  weiterhin  hnid:  tho 
higan  imu  thea  hrud  lahan  lohannes  tJie  godo.  Und  dass  man 
nicht  etwa  sagen  könne,  hier  sei  sie  hrud  mit  rücksicht  darauf 
genannt,  weil  sie  dem  Herodes  neu  vermählt  war,  zeigt  die 
fortsetzung:  Johannes  tadelt,  dass  er  hroder  hrud  an  is  hed 
nami  'das  weib  seines  verstorbenen  bruders'.  Wir  sehen,  hier 
befindet  sich  der  Genesisdichter  schon  in  der  guten  gesellschaft 
des  Helianddichters,  wenn  er  von  Loths  frau,  die  auch  er- 
wachsene töchter  hatte,  aussagt,  dass  sie  bis  zu  ihrem  schreck- 
lichen ende  Loths  hrud,  sein  eheweib,  gewesen  sei.  —  Noch 
lehrreicher  aber  ist  5523  ff.,  wo  in  widergabe  von  Luc.  23,  29 
Quoniam  ecce  venient  dies  in  quihus  d/'ccnt  'Beatae  steriles  et 
ventres  quae  non  genuerunV  gesagt  wird:  noh  uiiirtlmt  thiu  tid 
cuman  that  thia  muoder  thes  mendendia  sind,  hrudi  luäeono 
them  gio  harn  ni  uuarth  odan  an  aldre.  Hier  sind  muoder 
die  weiblichen  schösse,  und  lucteono  hrudi  die  jüdischen  frauen, 
welche  in  ehegemeinschaft  leben  und  doch  in  ihrem  ganzen 
leben  nicht  geboren  haben,  also  alte  weiber,  die  sich  mög- 
licherweise noch  'früher  verheiratet'  haben  als  Loths  weib. 

Und  dass  in  der  ags.  poesie  hryd  gerade  dieselbe  bedeutung 
hat  wäe  alts.  hrud  zeigt  uns  ein  blick  auf  die  quellen.  Um 
beweisende  beispiele  zu  finden,  brauchen  wir  nur  die  ags, 
Genesis  aufzuschlagen.  Da  sehen  wir  gleich  an  der  der  alts. 
Gen.  entsprechenden  stelle,  dass  auch  der  ags.  dichter  denselben 
ausdruck  anwendet.  Es  heisst  da  v.  2560:  Pa  J)cet  fyrgehrcec, 
leoda  lifsedal  Lothes  gehyrde  hryd  on  hurguni,  under  hcec  heseali. 
Und  eine  wahrhaft  classische  stelle  ist  ags.  Gen.  2340  ff.,  wo 
es  von  Abraham  bei  der  ankündigung  Isaacs  heisst:  he  .  .  . 
seif  ne  tvende,  ])cet  Mm  Sarra,  hryd  hlondenfeax  hrinjan  mealite 
on  ivoruld  sunu:  tviste  gearive,  Jjcet  poet  unflmru  ivintra  hcefde 
efne  teontij  s^teled  rimes.  Also  die  grauhaarige  hundertjährige 
Sara  ist  Abrahams  hryd,  d.i.  sein  eheweib!  Und  so  heisst  sie 
auch  sonst,  z.  b.  2386  ])wt  on  hure  ahof  hryd  Ähraliames  hiht- 
leasne  hlealitor,   2234  wo  Abraham  hryde   larum  (gemäss  der 


ZUR   ALTS.    GENESIS.  y 

anweisung-  seiner  ehefrau)  seine  magd  ins  bett  nimmt.  Ferner 
2782.  2798  und  andere  beispiele,  welche  zeigen,  dass  ags. 
hryd,  alts.  hriid,  nichts  weiter  heisst,  als  das  weib,  welches 
mit  ihrem  manne  geschlechtlichen  verkehr  hat  (vgl.  z.  b.  ags. 
Gen.  2715  jxvt  nie  Sarra  hryde  laste  beddrcste  ^estdh). 

In  welchem  Verhältnisse  diese  für  das  ags.  und  as.  erwiesene 
bedeiitung  von  hnid  zu  dem  gebrauche  in  den  anderen  ger- 
manischen sprachen  und  zur  etymoh)gie  des  wortes  steht,  er- 
örtert unten  ein  besonderer  artikel.  Hier  möchte  ich  nur  die 
allgemeine  regel  ins  gedächtnis  rufen,  dass  es  nicht  angängig 
ist,  nach  einer  vorgefassten  meinung  oder  nach  einer  von  aussen 
hergeholten  etj^mologie  die  bedeutung  eines  wortes  in  einer 
bestimmten  sprachstufe  zu  erschliessen.  Vielmehr  soll  man 
zuerst  nach  der  alterprobten  philologischen  methode  durch 
eingehende  erforschung  des  internen  Sprachgebrauchs  aus  dem 
zusammenhange  der  texte  feststellen,  welches  die  reale  bedeu- 
tung zu  der  betreffenden  zeit  war.  Erst  dann  kann  man  fragen, 
wie  sich  diese  bedeutung  mit  der  geltung  zu  anderer  zeit  und 
an  anderen  orten  oder  mit  der  etj-mologischen  herkunft  des 
Wortes  vermitteln  lasse.  Gegen  diese  regel  hat  Behaghel  an 
der  in  rede  stehenden  stelle  gefehlt,  ebenso  aber  auch  Grein, 
wenn  er  ^)  die  oben  besprochenen  verse  ags.  Gen.  2340  f.  über- 
setzt: 'da  er  ...  nicht  hoffte,  dass  die  greisgelockte  braut 
nun  noch  einen  söhn  ihm  möchte  an  die  weit  gebären'.  Das 
nhd.  braut  hat  in  seiner  bedeutung  mit  dem  ags.  hnjd  gar 
nichts  zu  schaffen  und  gibt  in  seiner  anwendung  hier  einen 
falschen,  grotesk -komischen  sinn  in  directem  gegensatze  zum 
original. 

Oeu.  24:7.  Ghmet  im  e.ft  thanan  gangan  te  is  gcstscli.  Be- 
haghel nimmt  s.  42  anstoss  an  yestseli.  Er  erklärt  gestseli  als 
'die  herberge  und  der  räum  des  hauses,  wo  die  gaste  bewirtet 
werden.  Wenn  daher  das  haus  des  Abraham,  das  er  nach 
der  rückkehr  vom  tempel  aufsucht,  gastseli  genannt  wird,  so 
ist  das  nichts  als  eine  Ungeschicklichkeit.'  Und  Jellinek,  reo. 
Anz.  fda.  29,  33  ist  mit  diesem  urteil  einverstanden.  —  Auch 
hier  fällt  der  Vorwurf  gegen  den  Genesisdichter  in  sich  zu- 
sammen:  auch  er  beruht  auf  einem  Verstösse  gegen  die  eben 


')  Dichtungen  der  Angelsachsen  1,  65. 


10  BRAUNE 

erörterte  methodische  regel.  Gewis  ist  gestscli,  wenn  wir  es 
nach  seinen  bestandteilen  etymologisch  erklären,  ein  saal  für 
gaste,  ein  räum,  in  dem  man  gaste  bewirtet  und  beherbergt. 
Diese  beiden  zwecke  waren  identisch:  man  denke  au  die  halle 
Heorot  im  Beowulf:  das  ist  ein  solcher  gastseli,  in  dem  die 
beiden  ihre  gelage  hielten  und  zugleich  ihr  nachtquartier 
hatten,  bis  sie  Grendel  störte.  Eine  solche  halle  ist  der 
hauptbau  eines  herrenhofes,  der  räum,  in  dem  der  hausherr 
repräsentierte.  Vgl.  M.  Hej-ne,  Das  deutsche  Wohnungswesen 
(Deutsche  hausaltertümer  1)  37  f.  Und  so  wurde  das  compositum 
gastseli  zu  einem  einheitlichen  begriffe,  in  dem  der  erste  teil 
des  compositums  nicht  mehr  in  seiner  eigentlichen  bedeutung 
zur  geltung  kam.  Das  alts.  gastseli  besagt  den  palastbau 
eines  Yornehmen  mannes  und  seine  bedeutungsentwicklung  ist 
dieselben  wege  gegangen,  wie  das  franz.  hoicl,  welches  'palais, 
vornehme  wohnuug'  bedeutet  oder  als  liötcl  de  ville  das  rat- 
haus  bezeichnet,  obwol  es  nach  seinem  etymon  Iwspitale  nur 
'gasthaus'  sein  sollte,  was  es  ja  auch  im  frz.  heute  daneben 
noch  bedeutet. 

Zum  erweise  dessen  überblicken  wir  die  stellen,  in  welchen 
gastseli  im  Hei.  vorkommt.  Vorab  diejenigen,  welche  die  ety- 
mologische deutung  Behaghels  noch  allenfalls  zulassen.  2002. 
Geng  imu  tJio  . . .  an  that  hoha  lins,  thar  the  heri  dranc,  iJica 
Iiideon  an  themu  gastseli.  Hier  heisst  also  der  festsaal,  that 
hoha  hus,  in  welchem  die  hochzeit  von  Kana  gefeiert  wird, 
gastseli.  —  Bei  der  beschreibung  des  festes,  welches  Herodes 
an  seinem  geburtstage  gibt,  heisst  der  festraum  gastseli  2733. 
2737.  2762.  2780.  Als  Variation  dazu  wird  zweimal  hus  ge- 
braucht. Und  wenn  2788  ff.  gesagt  wird:  Tho  unard  thar  an 
thene  gastseli  megincraft  mikü  manno  gesamnod  heritogono  an 
that  hus  thar  iro  herro  imas  an  is  Icuningstole,  so  versammeln 
sich  hier  zwar  gaste  in  dem  gastseli,  aber  dieser  ist  vor  allem 
doch  charakterisiert  als  des  Herodes  königshalle,  in  welcher 
er  seinen  königsthron,  seinen  hochsitz  hat.  —  In  dem  gleichnis 
vom  reichen  mann  heisst  es  3338:  Lazarus  lag  at  theni  durun 
foren  thar  he  thene  odagan  man  inne  uuisse  an  is  gestseli  gome 
thiggean.  Lazarus  liegt  also  hier  vor  der  tür  des  saales,  in 
welchem  der  reiche  schmaust  ('iacebat  ad  ianuani  eins  .  .  . 
cupiens   saturari   de   micis   quae   cadebant  de  mense  divitis 


ZUR   ALTS.   GENESIS,  11 

Luc.  16, 20  f.).  Dass  der  reiclie  gaste  bei  sich  hat,  ist  zwar 
weder  im  Hei.  noch  in  seiner  iiuelle  gesagt,  aber  aus  der 
ganzen  Situation  heraus  könnte  man  sich  das  allerdings  vor- 
stellen. Behaghel  wird  es  aus  dem  werte  f/cstscJi  folgern,  was 
ich  jedoch  für  unbegründet  halte.')  Denn  statt  ^«^v/«// könnte 
mit  eben  der  bedeutung  auch  das  einfache  seil  stehen,  wenn 
eine  alliteration  auf  s  nötig  gewesen  wäre.  Vgl.  z.  b.  3019 
oft  an  scli  innen  nnäar  iro  herron  disJce  hnelpos  huerhad;  oder 
549  sitzt  Herodes  an  is  seli,  womit  natürlich  sachlich  dasselbe 
gemeint  ist,  wie  mit  dem  königlichen  (ja.stseM  2733  f.  —  Nun 
wird  man  aber  meinen,  dass  zum  mindesten  079,  wo  die  magier 
in  Bethlehem  an  gastseli  gehen,  die  bedeutung  'herberge'  klar 
liege.  Doch  gerade  das  glaube  ich  vei-neinen  zu  sollen.  An 
ein  Wirtshaus  darf  man  hier  schon  gar  nicht  denken.  An 
unserer  stelle  ist  ein  solches  in  der  ([uelle  nicht  erwähnt  und 
das  diversorium  in  der  geburtsgeschichte  Luc.  2, 7  hat  der 
dichter  nicht  widergegeben  (s.  u.);  die  alid.  glossen  und  Über- 
setzungen (so  T.)  geben  es  durch  gasthüs  (Graff  4, 1054). 
"Wirtshäuser  waren  dem  altgermanischen  leben  zunächst  fremd, 
nur  für  beere  brauchte  man  lager  (Jicrihcrga),  einzelreisende 
wurden  durch  private  gastfreundschaft  untergebracht.  Der 
begriff  des  diversorium  konnte  dem  alts.  dichter  und  seinem 
publicum  wol  nur  theoretisch  bekannt  sein.  Jedenfalls  darf 
man  bei  dem  gastseli  nur  an  den  saalbau  eines  herrenhofes 
denken.  Und  der  gastseli,  in  dem  die  magier  übernachten, 
ist  kein  anderer  als  der  Josephs,  der  als  vornehmer  herr  in 
seiner  stadt  Bethlehem  einen  gastseli  hatte:  heisst  es  doch  von 
ihm  bald  danach  711:  tho  fon  tliem  droma  ansprang  losepli 
an  is  gestseli.  Ich  nehme  an,  Behaghel  hat  diese  letztere  stelle, 
in  erinnerung  an  das  diversorium  Luc.  2,  7,  dahin  verstanden, 
dass  Joseph  in  Bethlehem  sich  selbst  in  einer  herberge  be- 
funden habe,  denn  sonst  würde  er  sich  doch  über  Abrahams 
gestseli  in  der  Gen.  247  nicht  so  sehr  wundern.  Die  ganze 
Situation,  wie  sie  der  Helianddichter  darstellt,  ist  aber  eine 
völlig  andere,  als  sie  es  nach  dem  biblischen  berichte  sein  sollte. 
Während  dort  Joseph  und  :\Iaria  als  einfache  leute  nach  Beth- 


»)  Der  Franzose  würde  an  is  gestseli  bei  dem  reichen  manne  mit  dans 
son  hötel  übersetzen  können. 


12  BRAUNE 

lehem  ziehen  und  sich  mit  der  Unterkunft  kümmerlicli  behelfen 
müssen,  da  sie  in  der  herber^e  keinen  räum  finden,  so  ist  Joseph 
im  Heliand  ein  reicher  edeling  aus  königsgeschlecht;  er  zieht 
aus  mid  is  hiuuisca  (365),  also  mit  einer  stattlichen  schar, 
seinem  gefolge,  seinem  ingesinde'),  in  seine  Stadt  Bethlehem,  wo 
er  sein  hanchnaJml  (360),  sein  freies  stammgut  besass.^)  Das 
mussten  sich  die  hörer  als  vornehmen  herrensitz  denken:  thiu 
uuanomon  hcm  (358).  Hier  nahmen  Joseph  und  Maria  Woh- 
nung, hier  hatte  Joseph  natürlich  auch  seine  halle,  seinen 
saalbau  (is  gestseli  711).  Bei  dieser  darstellung  musste  frei- 
lich der  unscheinbare  satz  quia  non  erat  eis  locus  m  diversorio 


^)  Vgl.  des  Pilatus,  thcs  heritogcn  hiuuisJci  54-il ;  von  der  mauiischaft 
des  liauptmanns  von  Kapernaum  lieisst  es  2095  unclar  is  hiimiskea. 

^)  Die  falsche  Übersetzung  'forum  competens,  gerichtsstaud,  gerichts- 
stätte'  für  liandmahal,  welche  von  dem  alten  Sachsenspiegelherausgeber 
Zobel  (1535)  herrührt  und  von  Schnieller  in  sein  Heliandglossar  aufgenommen 
wurde  (vgl.  auch  Vilmar,  Alt.^  s.  40),  sollte  nach  1852,  nach  Homeyers  be- 
rühmter abhandlung  über  das  hantgemal  doch  endlich  abgetan  sein  (vgl. 
Zarncke,  Mhd.  wb.  2, 1,  25).  Trotzdem  ist  sie  aus  Schnieller- Vilmar  noch  in 
die  Heliandglossare  von  Hej'ne  und  Behaghel  übergegangen.  Dass  die  von 
Homeyer  erwiesene  bedeutung  'freies  stammgut,  erbsitz',  welche  aus  der 
mit  diesem  verknüpften  hausmarke  entstanden  auf  das  gut  selbst  übertragen 
Avurde,  auch  für  den  Heliand  gilt,  ist  schon  von  Homeyer  hervorgehoben  und 
wird  durch  die  parallelisierung  mit  odil  (346)  sichergestellt:  die  in  der  fremde 
befindlichen  sollten  ihr  odil,  ihr  Mndmahal,  also  ihren  freien  ererbten 
Stammsitz  aufsuchen.  Auch  die  dritte  stelle  des  Hei.  (4127),  wo  Jerusalem 
der  Juden  handmahal  endi  hoh'dstedi  'Stammsitz  und  hauptstadt'  heisst 
(vgl.  Homeyer  s.  31),  stimmt  dazu.  Homeyer  hat  aus  rechtsurkunden  gezeigt, 
dass  reichbegüterte  edle,  auch  wenn  ßie  auf  anderen  gutem  ihren  Wohnsitz 
hatten,  doch  nur  ihr  stammgut  als  hantgemal  bezeichneten.  Der  Heliand- 
dichter  stellt  es  also  so  dar,  dass  der  edeling  Joseph,  der  seine  hauptgüter 
in  Nazarethburg  hatte,  nach  seinem  Stammsitze  Bethlehem  zieht.  Wenn 
E.  Martin  zu  hantgevia^lde  Parz.  6, 19  (Parzivalcommentar  s.  17  f.)  erklärt, 
handmahal  heisse  im  alts.  'heimat',  so  ist  diese  abgeleitete  bedeutung,  die 
sich  vielleicht  einmal  hätte  entwickeln  können,  wenn  das  wort  nicht  mit 
dem  13.  jh.  ausgestorben  wäre,  doch  in  der  literarischen  und  rechtlichen 
Überlieferung  nirgends  bezeugt,  sondern  nur  die  concrete  bedeutung  eines 
landbesitzes,  eines  freien  stammguts,  eines  'praedium  libertatis'.  Am  wenig- 
sten wäre  schon  für  das  9.  jh.  des  Hei.  eine  solche  abgeleitete  bedeutung 
zu  erwarten:  sie  ist  nur  aus  dem  zusammenhange  der  biblischen  erzählung 
erschlossen,  unter  verkennung  der  tatsache,  dass  der  Helianddichter  stand 
und  Verhältnisse  des  Joseph  ganz  anders  erscheinen  lassen  will,  als  die 
biblische  quelle. 


ZUR   ALTS.    GENESIS.  13 

unter  den  tisch  fallen.  Da  geht  alles  hoch  her:  nach  der 
geburt  wickelt  Maria  das  kind  in  kostbare  gewänder  {hinuand 
ina  ...  fagaron  fratahun  380),  wobei  es  als  sonderbarer  zug 
erscheinen  musste,  dass  sie  das  kind  an  ena  crihhiun  (382. 
vgl.  407)  legte,  zu  dessen  erklärung  aber  auch  gar  nichts  bei- 
gebracht wird.')  Und  bei  der  namengebung  am  achten  tage 
treten  in  der  Umgebung  der  eitern  die  gefolgsmannen  Josephs 
als  lididos,  erlös  manaya  auf.  Nach  Lucas  wird  dann  weiter  die 
darstellung  im  tempel  erzählt,  welche  dort  damit  schliesst, 
dass  sie  heim  nach  Nazareth  und  Galiläa  ziehen.  Im  1'atian, 
des  dichters  quelle,  folgt  nun  unvermittelt  auf  Lucas  2  nach 
Matthäus  2  die  geschichte  von  den  magiern  aus  dem  Orient, 
in  welcher  Joseph  und  Maria  in  Bethlehem  wohnen.  Unser 
dichter  streicht  also  in  Luc.  2, 39  Nazareth  und  Galiläa:  er 
lässt  sie  einfach  von  Jerusalem  te  hus  ziehen  (531);  unter 
diesem  heim  war  so  nun  wider  Josephs  hamhuahal  Bethlehem 
zu  verstehen,  wo  die  jetzt  folgende  erzählung  spielt.  Die 
magier  werden  von  Herodes  nach  Bethlehem  gewiesen:  sie 
kommen  mit  ihren  gaben  in  Josephs  herrenhaus,  an  that  hus 
innan  (668)  und  überreichen  dieselben.  Die  gaben  nimmt 
ihnen  aber  nicht  Joseph,  der  vornehme  edeling,  selbst  ab, 
sondern  dazu  hat  er  seine  mannen,  sein  kiuuisJii,  seine  helidos 
und  erlös.  Es  heisst  675:  thea  man  stodun  garouua,  holde  for 
iro  herron,  thea  it  mid  iro  handun  san  fagaro  antfengim. 
"Wenn  darauf  nun  die  magier  an  gastseli  zum  schlafe  sich 
zurückziehen,  so  konnte  nach  dem  ganzen  zusammenhange  kein 
sächsischer  leser  oder  hörer  etwas  anderes  verstehen,  als  dass 
Joseph  ihnen  in  seinem  saalbau  nachtquartier  einräumte,  und 
der  dichter  wollte  auch  diese  auffasung  hervorrufen.    Nachdem 


')  Die  Philologie  alter  schule  würde,  wenn  sie  uur  den  zusaiumeuhaug- 
vorurteilsfrei  erwogen  und  die  biblische  erzählung  nicht  gekannt  hätte,  hier 
vielleicht  eine  Interpolation  gewittert  oder  cribbiun  durch  eine  conjectur  weg- 
geschafft haben.  —  Der  dichter  hatte  es  nicht  gewagt,  diesen  zug,  der  in 
der  kirchlichen  literatur  eine  so  grosse  bedeutuug  hat  (vgl. 'Jellinek,  Anz. 
fda.  21,  217),  ganz  zu  unterdrücken.  Er  betont  denn  auch  an  beiden  stellen 
im  sinne  der  kirchlichen  Schriftsteller  die  contrastwirkung  und  es  musste 
dem  unbefangenen  alts.  hörer  so  erscheinen ,  als  ob  die  hochadligeu  eitern 
Jesu  eine  krippe  eigens  herbeigeholt  hätten,  um  dadurch  eine  symbolische 
handluug  zu  begehen.  Vermutlich  wollte  in  der  tat  unser  dichter  diesen 
auscheiu  erwecken! 


14  BRAUNE 

dann  die  magier  abgereist  sind,  wird  Joseph  selbst  in  einer 
der  folgenden  nädite  schlafend  in  seiner  halle  {an  is  gestseli 
711)  ermahnt,  nach  Ägypten  zu  ziehen.  Er  unternimmt  die 
reise  natürlich  als  vornehmer  herr  wider  mit  seinem  stattlichen 
gefülge:  tliat  inan  (das  kind)  . . .  erlös  antleddun,  gumon  mid 
losepc  (755).  *).  Von  Ägypten  zieht  endlich  später  die  heilige 
familie  nach  Nazareth. 

In  den  beiden  jetzt  noch  zu  besprechenden  stellen  ist  nun 
aber  nicht  die  leiseste  mijglichkeit,  gasiscli  rein  etymologisch 
zu  erklären.  5310.  Stuodun  nitlümata  Indeon  far  thcni  gast- 
selie.  Hier  stehen  die  Juden  vor  des  Pilatus  amthause:  gast- 
scJi  ist  hier  also  die  widergabe  des  lateinischen  praetorium 
(Joh.  18,33  =  T.  195, 1),  welches  variierend  auch  fhinghüs  (5130. 
5137.  5172  =  ahd.  T.  thincJms),  palencea  (5304),  tMngstedi  {h^Oh. 
5340),  oder  einfach  that  hus  (5303.  5339)  und  seil  (5315)  ge- 
nannt wird.  Aus  dieser  anwendung  sehen  wir  deutlich,  dass 
in  dem  gastseli  eines  deutschen  fürsten,  in  welchem  feste  ge- 
feiert und  gaste  einquartiert  wurden,  auch  die  gerichtssitznngen 
abgehalten  wurden.  Es  ist  gastseli  eben  der  vornehmste  und 
grösste  räum  des  hofes,  für  öffentliches  auftreten  des  fürsten 
benutzt,  —  Und  dass  gastseli  schlechthin  als  gerichtshaus 
gebraucht  werden  kann,  zeigt  die  letzte  stelle  des  Hei.  1899, 
wo  es  ohne  Variation  steht.  Der  quellentext  (T.  44, 13):  'cum 
autem  tradent  vos  in  sinagogas  et  ad  magistratus  et  potestates, 
nolite  sollicite  esse,  qualiter  aut  quid  respondeatis'  wird  um- 
schrieben: gi  ni  tJmrhim  an  enigun  sorgun  imesan  an  immomu 
Jmgi  huergin,  tJian  man  in  for  thea  heri  ford,  an  tJiene  gast- 
seli gangan  hetid,  huat  gi  im  tJian  tegegnes  scidin  godoro  uuordo 
spahlicoro  gesprecan.  Soll  man  nun  hier  gastseli  geradezu  mit 
'gerichtsstätte'  (Vilmar,  Alt.^  46)  übersetzen?  Nein,  es  ist  aus 
altgermanischer  anschauung  heraus  der  räum  genannt,  in  wel- 


^)  Wie  die  gauze  Situation  misverstauden  werden  kann,  zeigt  Piper, 
der  in  seiner  ausgäbe  nicht  nur  zu  750  bemerkt:  'Dass  Joseph  noch  be- 
gleiter  hatte,  ist  in  sonstigen  quellen  nicht  gesagt',  sondern  auch  zu  675 
unter  aufzählung  verschiedener  ausichten  schwere  zweifei  hegt,  wer  denn 
thea  man,  holde  for  iro  herron  seien.  'Gegen  die  auffassung,  dass  Ihea  man 
Josephs  uiinisterialen  seien,  spricht,  dass  keine  form  der  sage  etwas  ähn- 
liches überliefert.'  Als  ob  der  Heiianddichter  für  seine  germanisieruug  und 
aristokratisierung  des  stoifs  überhaupt  quellen  haben  könnte! 


ZUR   ALTS.   GENESIS.  15 

chem  alles  öffentlidie  leiten  am  lierreiiliofe  sich  abspielte:  'fest- 
saal.  saalbau.  halle'  (vgl.  Heorot!)  Avi'inleii  für  alle  anweudung-s- 
Aveiseu  im  licl.  die  g-eiUigeiidcii  iiIhI.  Übersetzungen  des  Wortes 
(jastscU  sein.  Wenn  daher  Behagliel  in  seinem  glossar  dafür 
nur  die  beiden  Übersetzungen  'herberge.  Speisesaal'  angibt,  so 
ist  das  ohne  anschauung  von  der  zu  gründe  liegenden  sache  und 
ohne  erwägung  der  tatsächlichen  anwendung  nur  von  der 
etymologie  hergenommen.  A\'ir  würden  ebensogut  liutd  de  la 
legaiion  mit  'gasthof  der  gesantschaft'  oder  hötel  de  ville  mit 
Speisesaal  der  Stadt'  übersetzen  dürfen.  Denn  auch  der  ge- 
sante  wird  manchmal  logierbesuch  haben  und  die  stadt  ein 
festessen  in  ihrem  rathause  veranstalten. 

Jetzt  verstehen  wir  also,  dass  unser  Genesisdichter  keine 
'Ungeschicklichkeit'  begangen  hat,  wenn  er  den  Abraham  nach 
der  Unterredung  mit  dem  herrn  gangan  ie  is  gestseli  lässt. 
Der  vornehme  häuptling  Abraham  hat  natürlich  ebensogut 
einen  gestseli  wie  Herodes,  oder  wie  Joseph  in  Bethlehem, 
oder  wie  der  reiche  mann  im  evangelium.  Einen  solchen 
besitzt  auch  der  edeling  Loth  {adalbitrdig  man  260) :  ac  se 
gengun  im  an  is  gestseli  280,  nur  dass  ihm  Behaghel  diesen 
besitz  nicht  verdenkt,  weil  hier  zufällig  gaste  mit  im  spiel 
sind.  Wie  wir  im  Heliand  als  Variation  von  gastseli  mehrfacli 
Jms  gefunden  haben,  so  hätte  Abraham  an  unserer  stelle,  auch 
te  lius,  in  sein  haus,  gehen  können:  es  ist  eben  hier  der  vor- 
nehmste teil  des  herrenhofes,  der  gastseli,  für  das  ganze  gesetzt 
worden,  herbeigezogen  durch  das  bedürfnis  einer  alliteration 
zu  gangan. 


Damit  kommen  wir  zu  einem  anderen  vorwürfe,  den  man 
dem  Genesisdichter  glaubt  machen  zu  dürfen.  Nicht  genug, 
dass  man  diesem  'phantasievollen'  dichter  das  richtige  Sprach- 
gefühl für  seine  muttersprache  bestreitet  und  meint,  ihm  seinen 
wortgebrauch  corrigieren  zu  dürfen:  man  wähnt' sogar,  dass 
diese  angeblich  groben  Sprachfehler  einer  'stumpfsinnigen  nach- 
ahmung  bestimmter  Heliandstellen'  entsprungen  seien.  Er  soll 
mühselig  aus  dem  Heliand  seine  plirasen  zusammengestoppelt 
haben.  Von  diesem  standi)unkte  aus  sieht  Behaghel  auch  die 
stelle  an,   welche  uns  soeben  beschäftigt  hat.    Die  angebliche 


16  Braune 

'Ungeschicklichkeit'  in  der  anwendung  von  gastseli  soll  hervor- 
gerufen sein  'durch  die  Übernahme  der  alliterierenden  forrael 
aus  Hei.  1898  tJiau  man  iu  an  thene  gastseli  gangan  hetid.^ 
Allerdings  ist  auch  da  gastseli  mit  gangan  stabreimend  ge- 
bunden. Aber  das  war  doch  wol  nichts  so  absonderliches,  dass 
es  der  Genesisdichter  nur  aus  dieser  stelle  hätte  lernen  können. 
Und  gastseli  heisst  ja  dort  nicht  einmal,  was  es  nach  Behaghel 
allein  bedeuten  darf:  es  ist  'gerichtsstätte'.  Behaghel  hätte 
also  billig  seinen  Vorwurf  der  Ungeschicklichkeit  auch  auf  den 
Helianddichter  ausdehnen  sollen! 

Als  ein  weiteres  als  besonders  gravierend  betrachtetes 
beispiel  'stumpfsinniger  nachahmung'  will  ich  hier  nur  noch 
die  stelle  Gen.  48  {is  dror  sinJdt  nu  an  erSa,  siiet  sundar 
ligit)  etwas  näher  beleuchten.  In  ihrer  Verurteilung  sind  die 
kritiker  einig:  Behaghel  s.  39,  Pauls  diss.  s.  27  und  Jellinek, 
Anz.  fda.  29,  32  sehen  darin  baaren  unsinn,  der  sich,  wie  auch 
der  letztere  nach  Behaghel  behauptet,  durch  törichte  nach- 
ahmung von  Hei.  5903  erkläre.  Behaghels  äusserung  muss 
ich  ganz  hersetzen:  'Die  Verbindung  des  Zeitworts  liegen  mit 
dem  subject  blut  ist  an  sich  befremdlich,  noch  sonderbarer 
der  gedanke,  dass  das  blut  vom  körper  getrennt  liegt,  auf- 
fallend endlich  die  parallelisierung  des  fallens  und  des  liegens. 
Wir  haben  es  mit  einer  stumpfsinnigen  Verwendung  des  aus- 
drucks  zu  tun,  der  Hei.  5903  steht:  lag  thie  fano  sundar,  in 
der  nachbarschaft  von  hreogiuuadi  (5901),  das  die  Gen.  vierzig 
verse  später  (88)  gleichfalls  ganz  ungeschickt  verwendet.' 

Die  angezogene  stelle  des  Heliand  handelt  vom  besuche 
des  grabes  nach  der  auf erstehung.  Petrus  kommt  zum  grabe : 
gisah  thar  tJics  godes  harnes  hreogiuuadi  herren  sines  linin 
liggian,  mid  thiu  uuas  er  thie  lichamo  fagaro  hifangan;  lag 
thie  fano  sundar  mid  them  uuas  that  hohid  bihelid  helages 
Cristes.  Also  unser  dichter  hatte  diese  Heliandstelle  vor  sich. 
Die  Verbindung  von  lag  mit  sundar  müsste  ihm  so  neu  und 
verlockend  erschienen  sein,  dass  er  bloss  um  sie  anzubringen, 
einen  ganz  unmöglichen  gedanken  bildete,  —  wobei  man  sich 
nur  wundert,  dass  er  es  verstand,  lag  in  das  richtige  präsens  ligit 
umzusetzen  — ;  zugleich  notierte  er  sich  das  daneben  stehende 
hreogiuuadi  (vermutlich  ein  ilim  ebenso  neues  wort,  wie  dem 
die   Heliandlecture   beginnenden   jungen   Studenten!),    um    es 


ZUR   ALTS.   GENESIS.  17 

später,  in   ganz   anderem  zusanimenliange  und  felilerliaft,   in 
V.  87  anzubringen:  tlino  sin  bJtioday  uuiiosk  liyeinjinmuli!^) 

Nein,  diese  anknüpfung  der  Genesisstelle  ist  ganz  undenk- 
bar! Wenn  noch  in  der  Gen.  hrcufjluuadi  ebenso  dicht  bei  sundnr 
VhjH  stände,  wie  im  Hei.  bei  lag  sunchn;  oder  wenn  es  auch  in 
der  Gen.  liiesse  ligit  thic  fano  siindar,  dann  dürfte  man  viel- 
leicht von  einem  zusammentrelTen  reden,  das  mehr  als  zufall 
sein  könnte.  Aber  bloss  um  das  farblose  verbum  sundar 
liggian  anzubringen,  sollte  ein  dichter,  welcher  auch  nach 
Behaghel  den  des  Hei.  an  selbständiger  gestaltungskraft  über- 
ragt, einen  satz  zurecht  gemacht  haben,  der  nach  dem  urteil 
der  kritiker  ganz  albern  wäre?  Diese  auffassung  ist  von  vorn- 
herein als  unniöglich  zu  bezeichnen:  es  gilt  vielmehr,  den  uns 
auf  den  ersten  blick  frappierenden  gedanken  zu  verstehen,  zu 
zeigen,  wie  der  dichter  auf  ihn  kommen  konnte,  ohne  das 

^)  Nach  Behaghel  s.  39  f.  ist  das  deshalb  fehlerhaft ,  weil  im  Heliand 
hreogimiadi  \\m\  hreohcd,  im  ?ih([.  retuoh  'toteugewand"  bedeuten,  d.h.  'das 
gewaud,  das  dem  toten  angelegt  wird,  nicht  das,  das  er  trug,  als  er  getütet 
wurde,  und  nach  den  gesetzen  der  composition  kann  es  gar  nichts  anderes 
bedeuten.'  Im  alts.  und  ahd.  heisst  hreo  'leichnani'  (ags.  hraiv  auch  noch 
vom  lebenden  körper);  hreogmuadi  ist  also  nach  den  gesetzen  der  compo- 
sition 'die  gewandung  eines  leichnams'.  Dass  Abel  nach  seiner  tötung  ein 
hreo  war,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  also  ist  das  gewand  dieses  hreo  ein  hreo- 
ghiuadi.  Im  Hei.  ist  hrcogiuuaüi  nur  an  obiger  stelle  belegt  und  ist  dort 
allerdings  dem  Zusammenhang  nach  die  bekleidung  des  hreo  bei  der  be- 
stattung;  das  einmalige  hreohed  im  Hei.  heisst  'totenlager',  und  ahd.  ?t- 
tiiocha  steht  einmal  in  den  Prudentiusgl.  des  Clm.  1-1:395  in  der  bedeutung 
'leichentuch'  als  Übersetzung  von  exsequias  Gl.  2,  444,  57  (in  derselben  hs. 
Gl.  2,  438,  37  exsequiis  retiddin,  wo  bei  Prudentius  die  bedeutung  'leichen- 
feier'  vorliegt).  Woher  nehmen  wir  nach  dem  einzigen  belege  im  Hei. 
das  recht  zu  behaupten,  dass  hreocjhmadi  nur  dasjenige  gewand  heissen 
könne,  welches  dem  leichnam  zum  zweck  der  bestattung  angelegt  wird, 
wenn  die  andere  bedeutung  auch  sinngemäss  ist  und  uns  durch  einen  text 
unverdächtig  geboten  wird?  Uebrigens  hätte  Behaghel  selbst  bei  seiner 
auffassung  annehmen  können,  dass  Eva  das  blutige  gewand  auswusch,  um 
es  ihrem  söhne  dann  zum  zwecke  der  bestattung  wider  anzulegen.  Ich 
bleibe  dagegen  bei  der  von  Behaghel  als  'harmlos'  getadelten 'Übersetzung 
Kögels  'das  blutige  gewand  des  toten'  und  meine,  dass  Behaghel  hier  den 
umgekehrten  fehler  begeht  wie  bei  gastseli.  Während  er  dort  zu  gunsten 
der  etymologischen  deutung  die  reichlich  belegte  usuell  erweiterte  anwen- 
dung  nicht  gelten  lassen  wollte,  will  er  hier  die  weitere  etymologische 
bedeutung  zurückweisen  zu  gunsten  einer  angeblich  usuell  beschränkten, 
welche  aber  nur  durch  ein  einziges  beispiel  zu  stützen  wäre. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  2 


18  BRAUNE 

bequeme  anskiinftsmittel,  dass  wir  ihn  für  einen  halben  idioten 
halten,  für  den  die  grüsste  dummheit  gerade  gut  genug  ist. 

Der  Schlüssel  für  die  ganze  darstellung  unseres  dichters 
liegt  in  seiner  selbständigen  auffassungs weise  gegenüber  der 
biblischen  quelle,  welche  ich  schon  in  der  einleitung  meiner 
ausgäbe  s.  27  ff.  (=  N.  Heidelb.  jahrb.  4,  227  ff.)  hervorgehoben, 
hinsichtlich  der  Kainscene  aber  noch  nicht  scharf  genug  cha- 
rakterisiert habe.  Die  Umarbeitung  des  dichters  beruht  näm- 
lich darauf,  dass  er  in  der  Genesiserzählung  der  quelle  gegen- 
über seine  christlich-theologische  grundanschauung  zur  geltung 
bringen  will.  Wir  müssen  uns  klar  machen,  dass  die  hier  in 
betracht  kommende  partie  der  quelle  (yon  Gen.  2, 5  an)  dem 
jahwisten  angehört,  dem  ältesten  erzähler  des  pentateuchs. 
Dieser  kennt  noch  kein  jenseitiges  leben  mit  lohn  und  strafe: 
für  ihn  spielt  sich  alles  im  diesseits  ab.  Beim  sündenfall  in 
Gen.  3  w^erden  von  Jahwe  über  die  schlänge,  wie  über  das 
sündige  menschenpaar  nur  irdische  strafen  verhängt.  Und  der 
dichter  der  ags.  Gen.  A.,  der  gerade  hier  nach  schluss  der  alts. 
Gen.  B.  wider  einsetzt,  gibt  852 — 964  in  ganz  angemessener 
ausführung  die  strafreden  des  herru  wider:  er  geht  aber  in 
keiner  weise  über  die  audrohungen  irdischer  strafen  hinaus, 
die  er  in  der  quelle  fand.  Hätte  der  ags.  Übersetzer  uns  diese 
partie  noch  in  der  fassung  der  alts.  Gen.  B.  aufbewahrt,  so 
würde  deren  darstellung  ganz  anders  aussehen!')  Schon  aus 
den  vorhergehenden  stücken  der  Gen.  B.  sehen  wir  zur  genüge, 
dass  für  den  alts.  dichter  die  hauptstrafe  des  sündigen  ersten 
menschenpaares  im  jenseits  lag.  Vgl.  ags.  Gen.B.  730  ff.,  770  ff. 
und  790  ff.  =  alts.  Gen.  1  ff. 


^)  Mau  wäre  ueugierig  zu  wisseu,  wie  sich  der  dicliter  hier  mit  der 
schlauge  abfände.  Der  Augeisachse  behandelt  sie  gauz  realistisch  im  siuue 
des  jahwisteu  als  wirkliches  tier.  Nicht  einmal  die  beliebte  messiauische 
ausdeutuug  bringt  er,  sondern  nimmt  einfache  feiudschaft  zwischen  dem 
menschen  und  der  schlänge  an  (911  ff.)-  Unser  dichter  hatte  dagegen  die 
schlänge  als  reales  tier  ganz  ausgeschaltet.  Nach  ihm  nimmt  Satans  böte 
nur  'wurmes  gestalt'  an  (Gen.  B.  491),  die  schlauge  ist  ihm  also  reines 
blendwerk.  Einen  mittelweg  beschreitet  der  dichter  der  Wiener  Genesis, 
indem  er  den  bösen  geist  in  die  natter  fahren  lässt  (Fdgr.  2, 18, 17),  die 
darauf  von  gott  mit  der  alsbald  symbolisch  ausgedeuteten  strafe  belegt  wird. 
Für  den  alts.  dichter  aber  war  eine  zu  bestrafende  schlänge  gar  nicht  vor- 
haudeu:  nur  gegen  das  höllenreich  konnte  gott  seinen  zorn  richten. 


ZUR   ALTS.   GENESIS,  19 

Auf  diesem  gog-ensatze  der  weltanscliauimg  beruht  uuu 
auch  die  von  mir  a.  a.o.  in  ihrem  äusseren  verhiufe  schon  be- 
sprochene Umformung;  der  Unterredung-  zwischen  gott  und  Kain 
in  der  alts.  Genesis.  In  der  bibel  lässt  gott  auf  die  consta- 
tierung-  des  Verbrechens  (4, 9.  10)  sofort  die  strafe  folgen.  Kain 
wird  verflucht  und  seinem  ackerbau  miserfolg  auferlegt:  er 
soll  unstät  und  flüchtig  sein  auf  erden  (11.  12).  Also  eine  rein 
diesseitige  strafe.  Kain  ist  nun  reuig  und  zerknirscht  und 
spricht  die  befürchtung  aus,  dass  den  flüchtigen  erschlagen 
werde,  wer  ihn  finde  (13.  11).  Daraufhin  mildert  der  herr  die 
strafe,  indem  er  ihm  das  leben  zusichert,  worauf  Kain  sich 
wegbegibt  in  ein  anderes  land.  Der  altsächsische  dichter  hat 
das  für  keine  genügende  sühne  des  brudermordes  erachtet. 
Die  ganze  strafe  wird  an  den  schluss  der  rede  gottes  gesetzt : 
sie  besteht  in  der  ewigen  höllenqual,  der  ein  von  gewissens- 
bissen  gepeinigtes  leben  des  flüchtigen,  geächteten  Verbrechers 
vorangehen  soll.  AVie  schon  oben  s.  6  hervorgehoben,  fasst 
der  dichter  Kains  Charakter  nicht  als  reuig,  sondern  als  ver- 
stockt auf,  seine  reue  ist  nur  scheinbar,  sie  wird  kund  gegeben, 
als  er  das  verbrechen  entdeckt  sieht  und  soll  die  strafe  mildern. 
Aber  das  gelingt  nicht,  die  strafe  fällt  in  voller  strenge  auf 
ihn  und  ingrimmig  geht  er  von  dannen.  Auch  die  der  quelle 
gegenüber  sehr  frei  behandelte  folgende  fitte  80 — 150  (vgl. 
a.  a.  0,  28  f.)  ist  von  dieser  ungünstigen  auffassung  Kains  be- 
herscht.  Während  in  der  quelle  der  jahwist  nach  Kains  ab- 
schied von  gott  mit  einer  art  von  naivem  beifall  erzählt,  dass 
Kain  der  vater  eines  grossen  geschlechts  wird,  unter  dem  sich 
sehr  bedeutende  leute  befinden  (4, 17 — 24),  so  hat  unser  dichter 
das  als  nicht  zu  seiner  auffassung  stimmend  gestrichen.  Er 
wendet  sich  zu  den  eitern,  deren  trauer  und  klagen  über  das 
Unglück  er  in  selbständiger  ausführung  schildert,  anknüpfend 
an  die  erzählung  cap.  4,  25  f.,  dass  ihnen  als  ersatz  der  söhn 
Seth  geschenkt  wird.  Bei  besprechung  der  nachkommenschaft 
des  frommen  Seth  tritt  dann  erst  wdder  Kain  in  seinen  ge- 
sichtskreis,  von  dem  er  zu  melden  w'eiss,  dass  er  ein  rohes 
und  bijses  geschlecht  erzeugte.  Diese  seiner  auffassung  Kains 
gemässen  angaben  entnimmt  er  aus  Gen.  cap.  0, 1  ff.,  wo  zwar 
nicht  von  Kains  geschlecht  gesprochen  wird,  sondern  davon, 
dass  sich   die   kinder  gottes   mit  den  kindern   der  menschen 

2* 


20  BRAUNE 

vermischten,  wodurch  die  menschheit  böse  und  reif  für  die 
sündflut  wurde.  Die  deutung-  der  kinder  der  menschen  auf 
Kains  geschlecht  ist  allerdings  im  sinne  der  theologischen 
harmonistik.  aber  in  der  bibel  nicht  enthalten.  Auch  die  fol- 
genden ausführungen  bis  zum  schluss  der  fitte  bieten  christ- 
lich-mythologische gedanken  in  sehr  freiem  anschluss  an  die 
quelle.  —  Gegenüber  unserem  von  dem  gründe  gefestigter 
christlicher  auffassung  aus  die  naiv  heidnische  quelle  selb- 
ständig meisternden  und  umdeutenden  dichter  ist  nun  wider 
die  vergleichung  des  Angelsachsen  lehrreich,  der  ags.  Gen.  A. 
1002  ff.  die  Unterredung  des  herrn  mit.  Kain  in  reihenfolge 
und  Inhalt  genau  zur  bibel  stimmend  erzählt.  Er  bleibt  des- 
halb auch  der  biblischen  auffassung  des  Kain  treu,  welcher 
den  herrn  reuig  und  trauernd  {scomormod  1050)  verlässt. ')  In 
einer  längeren  ausführung  (1053 — 1103)  wird  dann  ganz  im 
sinne  des  jahwisten  die  stolze  nachkommenschaft  Kains  in 
durchaus  günstiger  beleuchtung  vorgeführt.  Um  so  merk- 
würdiger berührt  freilich  der  contrast,  wenn  der  Angelsachse 
später  (1250  ff.)  im  anschluss  an  Gen.  6, 1  der  allgemeinen 
theologischen  auffassung  folgend  die  'kinder  der  menschen' 
nun  kurzerhand  als  Kains  geschlecht  fasst^),  welches  ihm  jetzt 
auf  einmal  ein  'verfluchtes  volk'  ist,  das  er  nicht  genug  mis- 
billigen  kann.  Der  alts.  dichter  hat  consequenterweise  von 
dieser  letzteren  auffassung  aus  die  frühere  beifällige  erwähnung 
der  kinder  Kains  gestrichen  und  überhaupt  Kain  und  sein 
geschlecht  von  selbständigem  Standpunkte  aus  geschildert. 
Ich  habe  schon  in  der  einleitung  meiner  ausgäbe  s.  31  (bez.  231) 
die  angelsächsische  dichtung  herangezogen,  um  durch  das 
verfahren  des  Angelsachsen  die  unerhörte  Selbständigkeit  ins 
rechte  licht  zu  setzen,  mit  welcher  der  dichter  der  alts.  Gen. 
die  geschichte  Loths  und  des  Untergangs  von  Sodom  von 
grund  aus  umgestaltet  und  seiner  christlichen  auffassung  gemäss 
dargestellt  hat.  Die  vergleichung  der  darstellung  von  Kains 
bestrafung  bildet  dazu  ein  treffendes  seitenstück.  In  dieser 
souveränen  beherschung  der  quelle,  die  ihm  nur  als  rohmaterial 
dient,  das  er  nach  den  eigenen  ideen  umschmilzt  und  umgiesst, 


*)  Hiermit  würde  Pauls  zufrieden  sein  (oben  s.  6),  der  das  gleiche 
auch  von  unserem  dichter  zu  hören  verlangte. 

'')  Vgl.  Caines  cynne  im  eingaug  des  Beowulf  107  ff. 


ZUU   ALTS.    GENESIS.  21 

stellt  unser  dicliter  fast  auf  modernem  Standpunkte.  Yergieichen 
lässt  sicli  ilnu  unter  den  dichtem  des  deutsclien  niittelalters 
ganz  besonders  Wolfram  von  Esclienbacli,  der  im  Willehalm 
wie  im  Parzival  dem  übernoninienen  Stoffe  den  Stempel  seines 
g'eistes  aufgeprägt  hat. 

A\'ie  aber  der  Helianddichter  bei  der  aristokratisierung 
der  geburtsgeschichte  Jesu  als  unverständlichen  rest  aus  der 
quelle  die  krippe  hatte  stehen  lassen  (oben  s.  13),  so  ist  es  auch 
dem  Genesisdichter  zugestossen,  dass  er  bei  seiner  verinner- 
lichung-  und  Christianisierung  der  alttestamentlichen  geschichte 
motive  der  quelle  unterlassen  hat  zu  beseitigen,  die  in  ihrer 
urgestalt  wirksam  waren,  in  der  umdichtung  aber  zu  blinden 
motiven  geworden  sind.  Dahin  kann  man  schon  das  'äussere 
zeichen'  rechnen,  das  der  herr  dem  Kain  als  schütz  anheftet, 
als  er  dem  reuigen  seine  strafe  milderte.')  Unser  dichter 
hätte  es  weglassen  sollen,  wie  vieles  andere  aus  der  quelle. 
So  konnte  es  als  unklar  erscheinen,  vgl.  Behaghel  s.  37  f.  und 
oben  s.  3  f.  Vor  allem  aber  gehört  hierher  die  stelle  von  dem 
blute,  die  vielen  als  so  unverständlich  hat  vorkommen  wollen. 
"Wir  müssen  davon  ausgehen,  dass  für  den  jahwisten,  wie  über- 
haupt für  die  älteren  teile  des  A.  T.  ein  jenseitiges  leben  der 
Seele  mit  lohn  und  strafe  nicht  in  betracht  kommt.  ■^)  Beim 
tode  schied  sich  also  nicht  die  seele  zu  selbständigem  leben 
vom  körper,  sondern  als  symbol  des  lebens  und  der  seele  galt 
das  blut,  das  —  bei  der  allen  geläufigen  anschauung  des  ge- 
waltsamen todes  —  durch  seine  trennung  vom  körper  das 
ende  herbeiführte. '^  So  ist  es  denn  bei  Abels  tode  das  von 
der  erde  aufgenommene  blut  (terram,  que  aperuit  os  suum  et 
suscepit  sanguinem  fratris  tui  de  manu  tua),  welches  als  Ver- 
treter der  person  Abels  nun  gott  um  räche  anruft:  *vox  san- 
guinis fratris  tui  clamat  ad  me  de  terra'.     Diese  symbolische 


•)  Hierüber,  sowie  über  die  ganze  Stellung  der  Kaius^age  iu  dem 
berichte  des  jahwisten  vgl.  die  Untersuchung  von  B.  Stade  'Das  Kainszeichen', 
Zs.  f.  alttest.  wissensch.  14,  250  ff.  (auch  in  Stades  Akad.  reden  und  abhand- 
luHgen,  Giesseu  1899,  s.  229  ff.)- 

'^)  Vgl.  B.Stade,  Ueber  die  alttestamentlichen  Vorstellungen  vom  zu- 
stande nach  dem  tode.  Leipzig  1877,  und  Friedr.  Schwally,  Das  leben  nach 
dem  tode  nach  den  Vorstellungen  des  alten  Israel  . . .    Giessen  1892. 

')  S.  Schwally  8.  7  und  s.  52  f. 


22  BRAUNE 

Verwendung  des  blutes  als  träger  des  lebens  und  seines  ver- 
giessens  als  bild  des  todes  durchzieht  den  Sprachgebrauch  des 
ganzen  alten  testaments  •)  und  ist  auch  in  das  neue  testament 
und  den  christlichen  Sprachgebrauch  übergegangen:  man  denke 
nur  an  die  symbolische  anwendung  des  blutes  Christi  für 
Christi  tod.  Dem  Germanen  war  diese  bildliche  anwendung 
von  haus  aus  fremde)  und  der  dualismus  von  körper  und  blut, 
welchen  unser  christlicher  dichter  in  seiner  quelle  vorfand, 
musste  ihm  unverständlich  sein.  Wollte  er  folgerichtig  han- 
deln, so  musste  er  statt  dessen  den  christlichen  dualismus  von 
leib  und  seele  einführen,  das  blut  aus  dem  spiele  lassen  und 
statt  dessen  die  seele  Abels  zu  gott  gehen  und  dort  als  an- 
klägerin  Kains  auftreten  lassen.  Aber  in  ausehung  der  tat- 
sache,  dass  die  worte  'vox  sanguinis  etc.'  von  gott  selbst  ge- 
sprochen werden,  wagte  er  wol  nicht  ganze  arbeit  zu  machen 
und  sie  zu  unterdrücken.  Er  musste  also  einen  compromiss 
schliessen.  In  christlich -correcter  weise  führte  er  allerdings 
die  trennung  von  leib  und  seele  ein:   ihm  scola  Imarobat,  thie 


*)  "Weil  (las  blut  als  träger  und  symbol  des  lebens  betrachtet  wurde, 
war  den  Juden  auch  verboten  blut  zu  essen.  Vgl.  z.  b.  Gen.  9,  i.  Lev.  3, 17. 
Deuter.  12,  IC.  Und  auch  den  heidenchristen  suchte  man  zunächst  dieses 
altjüdische  gesetz  noch  aufzuzAvingen  (z.  b.  Acta  15,  20).  —  Die  fülle  der 
bildlichen  anwendung  des  blutes  zeigt  ein  blick  in  eine  bibelconcordauz 
unter  'blut',  z.  b.  'das  unschuldige  blut'  Ps.  93  (9i),  91  u.  oft,  'dein  blut 
sei  über  deinem  haupte'  2.  Sam.  1, 16  u. s.w.  —  Vgl.  auch  Herder,  Vom  geist 
der  ebräischen  poesie  (ed.  Suphau)  11,  381  f. 

^)  In  der  eddischeu  poesie  sind  die  zahlreichen  belege  von  bl6/j  (vgl. 
Gerings  Wörterbuch)  alle  nur  im  eigentlichen  sinne  zu  verstehen,  und  auch 
die  angelsächsische  dichtung  zeigt,  wenn  man  die  stellen  in  Greins  glossar 
s.v.  blöd  nachschlägt,  die  bildliche  Verwendung  nur  da,  wo  specifisch 
christliche  Avendungen  im  spiele  sind.  Im  Hei.  steht  Mod  4639.  -1879.  5709 
uud  dror  4751.  5538  im  eigentlichen  sinne  und  nur  5483  fare  is  dror  obar 
US,  is  hlnod  endi  is  hanethi  endi  obar  usa  harn  so  samo  (=  sanguis  eiixs 
super  nos  et  filios  nostros),  5152  ik  Jtchbiu  it  so  griolico  mid  mines  drohtines 
drore  gicopot  (von  Judas  'peccavi  tradens  sanguinem  iustuni')  steht  es  über- 
tragen für  'tod',  nicht  ohne  dass  der  dichter  noch  anlasse  der  quelle  durch 
Umschreibung  umgelit,  z.  b.  5478  das  'innocens  ego  sum  a  sanguine  iusti 
hominis'.. —  Bei  der  starken  einwirkung,  welche  in  langer  entwicklung  die 
biblisch-christliche  redeweise  auf  die  deutsche  spräche  ausgeübt  hat,  ist  es 
sehr  wol  denkbar,  dass  die  jetzige  häufige  Verwendung  der  übertragenen 
bedeutuug  von  blut,  wie  aus  dem  DWb.  2, 170  ff.  zu  ersehen  ist,  aus  dieser  | 
quelle  abzuleiten  wäre. 


ZUR   ALTS.   GENESIS.  23 

gcst  giamarmnod  an  godes  uuillean,  'die  seele  nimmt  ihren 
weg,  der  geist  trauervoll  in  gottes  schoss''):  der  gegensatz 
ist  der  blutige  leiclinam  {jiu  he  hluodig  ligit,  unndim  nuorig). 
Aber  um  nun  die  auffällige  tatsaclie  zu  motivieren,  dass  ausser 
der  seele  auch  das  blut  als  eine  vom  körper  verschiedene 
handelnde  individualität  auftritt  {dror  hrnopH  is  te  droldina 
sdbiuiX  bereitet  er  das  dadurch  vor,  dass  er  v.  48  ausdrücklich 
erwähnt,  wie  sich  das  blut  vom  körper  trennt,  auf  die  erde 
sinkt  und  nun  abgesondert  daliegt-),  so  dass  es  jetzt  als  sub- 
ject  auftreten  und  zum  herrn  rufen  kann.  Das  ergebnis 
dieses  compromisses  wird  auch  uns,  mit  einem  absoluten 
massstabe  gemessen,  nicht  vollkommen  befriedigen,  aber  wir 
werden  ihm  nicht  mit  kleinlichen  mittein  zu  leibe  gehen, 
sondern  es  historisch  begreifen  als  hervorgerufen  durch  die 
übereinanderschichtung  von  quelle  und  umdichtung.^)  Sind 
doch  auch  in  vielen  anderen  dichtungen  solche  schichten 
älterer  und  jüngerer  auffassung  übereinander  gelagert,  die  es 
dem  letzten  dichter  nicht  gelungen  ist  restlos  zu  verschmelzen. 
Ich  brauche  hier  nur  an  das  Nibelungenlied  oder  an  Goethes 
Faust  zu  erinnern. 


Die  vorstehenden  darlegungen  werden  hoffentlich  ergeben 
haben,  dass  es  ratsamer  ist,  an  die  altsächsische  Genesis  mit 
dem  guten  willen  heranzutreten  sie  zu  verstehen  und  sich  zu 
fragen,  was  wol  der  dichter  vernünftigerweise  gemeint  haben 
könne,  als  frisch  darauf  los  ihn  zu  tadeln  und  vorauszusetzen, 
dass  er  sich  in  seiner  muttersprache  nicht  richtig  habe  aus- 


')  Selbst  aiLS  der  verl)induiig  des  epithetons  giamarmnod  mit  gest  hat 
Pauls  s.  27  für  unsern  dichter  einen  strick  zu  drehen  gesucht:  'in  den  fünf 
helegstellen  des  Hei.  wird  giamarmnod,  wie  es  natürlich  ist,  nur  von  per- 
sonen  ausgesagt'.  Aber  ist  denn  hier  nicht  die  seele,  nachdem  sie  den  leich- 
nam  verlassen  hat,  die  Vertreterin  der  Persönlichkeit  Abels? 

'■')  Ich  fasse  also  dror  Zinkit  an  erda  —  suet  snndar  'ligit  nicht  als 
Variationen  auf  (Pauls  s.  27),  sondern  als  aufeinander  folgende  handlungen ; 
nur  die  subjecte  dror  und  sitet  sind  variierte  ausdrücke  für  dieselbe  sache. 
Wie  Pauls  dazu  kommt,  siiet  mit  'schweiss'  zu  übersetzen,  Verstehe  ich 
nicht,  wenn  er  es  nicht  etwa  im  sinne  der  nhd.  Jägersprache  nimmt. 

')  Vgl.  über  die  uachwirkung  des  abweichenden  Standpunktes  der 
quelle  auf  die  umdichtung  der  Sodomgeschichtc  Jellinek,  Anz.  fda.  21,  211)  f. 


24  BRAUNE 

drücken  können.  Wir  müssen  von  vornherein  ihm  zugestehen, 
dass  sein  sprach-  und  wortgebrauch,  falls  nicht  der  verdacht 
einer  handschriftlichen  corruptel  vorliegt,  an  sich  ebenso  be- 
rechtigt sei,  als  der  etwa  abweichende  des  Helianddichters. 
Ich  möchte  nun  zum  Schlüsse  versuchen,  die  beiden  dichter- 
persönlichkeiten  auf  grund  unserer  betrachtungen  noch  etwas 
schärfer  in  ihrer  gegenseitigen  Stellung  abzugrenzen  und  zu 
charakterisieren. 

^Venn  wir,  entgegen  meiner  früheren  auffassung  und  ent- 
gegen der  angäbe  der  praefatio,  deren  glaub  Würdigkeit  mir 
damit  endgiltig  beseitigt  zu  sein  scheint,  jetzt  annehmen,  dass 
im  altsächsischen  volke  zw^ei  so  bedeutende  und  eigenartige 
dichter  ungefähr  zur  selben  zeit  erstanden  sind,  so  muss  sich 
der  eine  zum  andern  im  Verhältnis  des  Schülers  zum  meister 
befunden  haben.  Denn  dass  die  zwei  unabhängig  von  einander, 
etwa  beide  nur  durch  die  ags,  geistliche  dichtung  angeregt, 
so  ähnliche  wege  gegangen  seien,  scheint  mir  ausgeschlossen 
zu  sein.  Der  nachfolger  aber  war,  wie  ich  schon  im  eingange 
Sievers  folgend  ausgeführt  habe,  der  Genesisdichter,  der  sich 
am  Heiland  geschult  und  aus  ihm  die  äusseren  kunstmittel 
der  alliterierenden  technik  handhaben  gelernt  hatte,  ohne  darin 
seinen  älteren  meister  ganz  zu  erreichen,  der  noch  fester  in 
der  tradition  der  altwestgermanischen  epischen  kunst  stand. 
Der  Genesisdichter  kannte  den  Heliand  sozusagen  in-  und 
auswendig.  Damit  erklären  sich  die  vielen  berülirungen  des 
sprach-  und  formelgebrauchs  durch  eine  beeinflussung,  welche 
wir  uns  aber  nur  als  einen  ungesuchten  und  unwillkürlichen 
anschluss  des  nachfolgers  als  sein  Vorbild  zu  denken  haben. 
Abzuweisen  ist  die  ansieht,  dass  der  Genesisdichter  sich 
kümmerlich  und  mechanisch  angeklammert  und  form  oder 
Inhalt  eines  gedankens  sich  nur  durch  die  absieht  der  nach- 
alimung  einer  bestimmten  Heliandstelle  habe  dictieren  lassen,  i) 

Eine  Verschiedenheit  der  beiden  dichterpersönlichkeiten 
glaube  ich  aber  jetzt  in  der  hinsieht  wahrzunehmen,  dass  der 

')  Für  die  Selbständigkeit  des  Genesisdicliters  gegenüber  dem  Heliand 
sprechen  schon  die  beobachtuugen  Edw.  Schröders  (Zs.  fda.  ü,  223  ff.),  der 
daselbst  s.  231  auch  den  misbrauch  des  Sievers'schen  'cento'  rügt.  Von 
einem  cento  kann  meiner  Überzeugung  nach  bei  der  alts.  Gen.  überhaupt 
nicht  die  rede  sein. 


ZUR   ALTS.    GENESIS.  25 

Genesisdichter  in  weit  höherem  grade  von  christlichem,  theo- 
logisch vertieften  denken  nnd  fühlen  beherscht  ist  als  sein 
Vorbild.  Es  würde  das  ebenfalls  zu  der  zeitlichen  aufeinander- 
folge sehr  wol  passen.  Der  ältere  dichter  schaut  noch  mit 
einem  äuge  zurück  nach  dem  germanischen  altertum:  nicht 
nur  in  der  besseren  beherschung  der  alten  kunstform,  sondern 
auch  in  der  germanischen  auffassung  und  darstellung  des 
Stoffes  ist  er  mehr  national  gerichtet.  Des  Helianddichters 
germanisierung  der  neutestamentlichen  geschichte  ist  ja  gewis 
von  Vilmar  etwas  übertrieben  worden.  In  seinen  lehrreichen 
und  anregenden  ausführungen  über  diese  frage  hat  Jellinek 
(Anz.  fda.  21,  215  ff.)  mit  recht  darauf  hingewiesen,  dass  vieles 
der  art  einfach  durch  die  anwendung  des  germanischen  alli- 
terationsstils  mit  seinem  formelschatze  und  seiner  idealisieren- 
den darstellung  ge Wissermassen  unwillkürlich  in  die  dicht ung 
hineingekommen  ist.  Aber  man  darf  auch  darin  nicht  zu  weit 
gehen.  Denn  so  manches,  was  wir  als  germanisierung  be- 
zeichnen müssen,  lässt  sich  nicht  ohne  bewussten  willensakt 
des  dichters  denken.  So  z.  b.  muss  er  sich  dessen  bewusst 
geAvesen  sein,  dass  er  die  Verhältnisse  der  eitern  Jesu  im 
Widerspruche  mit  der  quelle  geschildert  hat,  wenn  er  Joseph 
als  königssprossen  mit  gefolge  in  seinen  fürstlichen  erb- 
sitz in  Bethlehem  einziehen  lässt,  denn  er  unterdrückt  das 
Widerstrebende  diversorium  der  quelle.  Und  dass  er  Jesus 
selbst  als  könig  schildert,  ist  auch  nicht  bloss  rein  passive 
herübernahme  der  formein,  'die  das  germanische  epos  für  den 
begriff  könig  ausgebildet  hatte',  wie  Jellinek  will.  Wenn  J. 
sagt  (s.  216):  'Jesuni  wirklich  für  den  könig  der  Juden  zu 
halten,  fällt  dem  dichter  nicht  ein,  er  besitzt  zu  gute  histo- 
rische kenntnisse',  so  ist  das  sicher  richtig,  steht  aber  auch 
gar  nicht  in  frage!  Für  seine  person  weiss  er  das  sehr  wol: 
aber  er  Avill  bei  seinem  publikum  die  Wirkung  erzielen,  dass 
ihm  Jesus  im  lichte  eines  germanischen  königs  erscheine,  damit 
dadurch  dessen  gestalt  desto  erhabener  und  verehrungswürdiger 
werde.  Es  ist  also  bewusste  künstlerische  absieht  im  spiele. 
Und  wenn  er  z.  b.  bei  dem  einzug  des  königs  in  Jerusalem 
(3670  ff.)  die  tatsache  unterdrückte,  dass  dieser  auf  einem  esel 
einritt,  so  fehlte  ihm  nicht  die  historische  kenntnis;  er  konnte 
den  zug  auch  nicht  für  unwesentlich  halten,  denn  die  commen- 


26  BRAUNE 

tare  unterstreichen  den  esel  dick:  in  seinem  Hraban  zu  Math. 21 
hatte  er  gelesen:  'est  enim  animal  hoc  immundum  et  prae 
ceteris  paene  iumentis  magis  irrationabile  et  stultum  et  in- 
firmum  et  ignobile  et  oniferum  magis'.  Und  Otfrid  4,  5,  5  ff. 
deutet  denn  auch  nach  Hraban  den  esel  ganz  behaglich  spiri- 
taliter  aus:  'thas  selha  fihu  hinin  uiiir''  etc.  Aber  für  den 
Jesus,  wie  der  Helianddichter  ihn  seinen  landsleuten  darstellen 
wollte,  konnte  er  den  esel  absolut  nicht  brauchen.  Ich  glaube 
also  immer  noch,  dass  hierin  die  dichterische  tätigkeit  des 
Heliandverfassers  von  Kögel,  Lit.  1,  287  ff.  richtiger  aufgefasst 
ist,  als  von  Jellinek.') 

Demgegenüber  steht  der  Genesisdichter  auf  einem  anderen 
Standpunkte.  Er  germanisiert  nicht.  Denn  das  wenige,  was 
Jellinek  a.a.O.  s.  221  dafür  anzuführen  weiss,  erklärt  sich 
allerdings  in  seinem  sinne,  aus  der  spräche  des  germanischen 
epos  heraus.  Dass  Loth  Gen.  260  aitalhnrdig  man  genannt 
wird,  ist  nur  der  adäquate  germanische  ausdruck  für  die  tat- 
sache,  dass  Abraham  und  Loth  in  der  bibel  als  grosse  häupt- 
linge,  die  über  viele  mannschaften  gebieten,  dargestellt  werden, 
während  im  Heliand  solche  bezeichnungen  den  obscursten 
persönlichkeiten,  entgegen  der  riuelle,  beigelegt  werden,  'wo 
sogar  der  ungenannte  säemann  der  parabel  cn  aäales  man 
heisst'  (vgl.  Jellinek  s.  217).  Ebenso  tritt  mit  recht  Satan 
Gen.  B.  409  ff.  als  gefolgsherr  seiner  untergebenen  auf  und  wird 
Adam  835  ff.  der  pc^n  gottes,  seines  Jjeoden  genannt.  Aber 
auch  der  Genesisdichter  weicht  bewusst  von  seiner  biblischen 
quelle  ab.  Tut  dies  der  Helianddichter,  um  den  widerstreben- 
den Stoff  zu  germanisieren,  so  will  der  Genesisdichter  umgekehrt 
das  der  christlichen  anschauung  widersprechende  christiani- 
sieren. Wir  haben  oben  gesehen,  wie  er  den  rein  diesseitigen 
Standpunkt  des  jahwisten  in  der  darstellung  des  Sündenfalls 
und  der  geschichte  Kains  durch  den  Jenseitsstandpunkt  des 
Christentums   ersetzt  hat.     Und  auch  für   die  gestaltung  der 


1)  Vgl.  meiue  ausgäbe  der  alts.  Bibeldichtuiig  s.  30  (230).  —  Die  iiilialt- 
reiche  abhaudliiug  von  Brückner,  Der  Helianddichter  ein  laie  (Strassbnrg 
190-1:),  deren  hanpttliese  ich  mir  freilich  iu  keiner  weise  aneignen  kann,  ist 
doch  darin  verdienstvoll,  dass  sie  die  Selbständigkeit  des  dichters  seinen 
quellen  gegenüber  wider  mehr  hervorhebt. 


ZUR   ALTS.    GENESIS.  27 

geschichte  Abrahams  und  Lotlis ')  sind  ihm  die  anforderungen 
der  christlichen  ethik  massgebend  gewesen,  um  die  biblischen 
gestalten  von  ihren  weltlichen  schlacken  zu  befreien  und  sie 
zu  erbaulichen  mustern  christlicher  lebensführung  umzubilden. 
Von  den  beiden  dichtem  ist  der  des  Heliand  der  objectivere. 
Er  ist  seiner  hauptabsicht  nach  erzähler  und  hält  sich  ziem- 
lich eng  an  die  biblische  «luelle,  wenn  er  sie  auch  breit  aus- 
führt, veranlasst  durcli  die  tendenz  auszumalen  und  veranlasst 
durch  den  epischen  alliterationsstil,  dem  sich  der  fremde  stoff 
anbequemen  muss.  Aber  er  will  doch  seinen  hörern  diesen 
fremden  stoff  anschaulich  machen.  Dieser  absieht  dient  sowol 
die  germanisierende  gesammtdarstellung,  als  auch  so  mancher 
einzelzug.  durch  den  er  die  erzählung  belebt.  Wir  haben  also 
nicht  nötig,  mit  Jellinek  (Zs.  fda.  36, 170)  nach  einer  ([uelle  zu 
suchen,  wenn  für  das  biblische  'ego  enim  sum  senex,  et  uxor 
mea  processit  in  diebus  suis'  im  Hei.  144  ff.  Zacharias  concrete 
zahlangaben  macht,  die  man  in  keinem  commentar  zu  finden 
erwarten  darf,  da  nur  eine  dichterische  behandlung  sich  der- 
artige Zusätze  positiven  Inhalts  zur  bibel  gestatten  wird.  2) 
Hier  aber,  wo  die  ganze  rede  des  Zacharias  (141 — 158)  ein 
schönes  beispiel  solch  lebensvoller,  ausmalender  erweiterung 
der  knappen  bibel worte  ist.  sind  sie  durchaus  am  platze. 
Seinen  commontaren  entnimmt  der  dichter  nicht  gar  viel, 
hauptsächlich  hinweise  für  die  auffassung  der  biblischen  ge- 
schichten,  selten  dass  er  einen  Zuwachs  von  handlung  aus  den 
commentareu'^j  gewinnt. 


1)  Vgl.  hierzu  meine  ausf ülirungeu  alts.  Bibeklichtuug  s.  30  f.  (=  230  f.). 

'^)  Etwas  gaiiz  anderes  ist  es,  wenn  die  connnentare  bei  den  inagiern 
die  zalil  drei  bieten,  welche  daher  auch  von  unserem  dichter  (548)  über- 
nommen ist.  Hier  handelt  es  sich  nicht  um  eine  beliebig  ersonnene  zahl, 
sondern  um  eine  auf  dem  wege  theologischer  speculation  aus  den  dreifaclien 
gaben  der  quelle  erschlossene.    Diese  zahl  ist  Wissenschaft,  jene  ist  dichtung. 

^)  Das  bemerkenswerteste  beispiel  ist  wol  die  expedition  des  Satan 
zu  des  Pilatus  weib  5435  ff.,  die  doch  nur  eine  kurze  epis,ode  von  noch 
nicht  zwanzig  versen  bildet.  Hier  sind  betrachtungen  des  Hrabau  in 
körperlich  greifbare  handlung  umgesetzt.  —  Auch  die  ausgestaltung  der 
raagiergeschichte  ist  hierher  zu  rechnen,  die  ich  aber  nicht  mit  Jellinek 
(Zs.  fda.  30, 171)  nach  0.  Schade  auf  eine  orientalische  anknüpfung  an  Zara- 
tiishtra  zurückführen  kann,  da  diese  version,  die  zudem  auch  nicht  alles 
erklärt,  im  abeiidlande  erst  .seit  deml3.  jh.  auftaucht.  Für  unseren  dichter 
genügt  m.  e.  vollständig  die  von  seinen  commentaren  gebotene  anknüpfung 


28  BRAUNE 

Demgegenüber  ist  der  Genesisdicliter  der  subjectivere: 
wirkt  jener  mehr  durch  episch  anschauliche  bilder,  so  ist  er 
lyrisch  gerichtet.  Die  liebevoll  ausgebauten  reden  in  dem 
ags.  fragmente  sind  dafür  zeugnis;  insbesondere  ist  die  grosse 
rede  des  Satan  Gen.  B.  356 — 441  durch  höchsten  lyrischen 
Schwung  ausgezeichnet.  Dagegen  lässt,  was  mehrfach  schon 
gerügt  ist'),  die  anschaulichkeit  seiner  erzählungen  zu  wün- 
schen: er  will  mehr  gedanken  anregen,  als  scharf  gezeichnete 
handlungen  vorführen.  Er  entfernt  sich  weiter  von  der  bib- 
lischen erzählung,  und  setzt  ausgiebig  stoff  aus  der  christlichen 
mythologie  zu.  So  fügt  er  alts.  Gen.  132 — 150  den  Enoch-  und 
Antikristmythus  ein  und  das  ganze  fragment  über  den  sünden- 
fall  mit  mehr  als  600  versen  ist  nur  eine  freie  phantasie  über 
9  verse  der  Genesis  (cap.  2, 16.  17  und  3, 1 — 7).  Dabei  ist  die 
engel-  und  teufellehre  in  ihrer  vijllig  ausgebauten  christlich- 
mittelalterlichen  form  zu  gründe  gelegt.  Während  der  Heliand- 
dichter  der  teufelsauffassung  der  evangelien  darin  treu  bleibt, 
dass  bei  ihm  Satanas  höchstselbst  die  Versuchung  Christi  unter- 
nimmt (1030  ff.),  die  fahrt  zu  des  Pilatus  weib  vollführt  (5427  ff.) 
und  überall  als  einzelperson  erscheint  (2273.  2586.  4624.  4659), 
so  hat  der  Genesisdichter  die  dogmatische  auffassung  vom 
höllenstaat,  nach  welcher  Satanas  in  der  hölle  angekettet  liegt 
und  nur  durch  aussendung  seiner  mannen  in  der  weit  wirksam 
wird.  Er  tritt  hierbei  in  directem  gegensatz  zum  Heliaud- 
dichter,  nach  dessen  ansieht  Satan  selbst  das  erste  menschen- 
paar  verführt  hat  (1035  ff.),  während  der  Genesisdichter  aus- 
führlich schildert,  wie  auf  des  gefesselten  Satan  geheiss  sich 
einer  seiner  dieuer  auf  den  weg  macht  und  die  Verführung 
vollzieht,  ebenso  ausgerüstet  mit  dem  ludedhehn  (444),  wie 
Satan  selbst  im  Hei.  5452  bei  des  Pilatus  weib  an  hdktJidme 


an  die  alttestameutliclie  Bileamssage,  die  ja  von  altersher  in  engstem  Zu- 
sammenhang mit  der  magierlegende  steht,  und  sogar  in  ursächlichem:  denn 
die  bei  Matthaeus  überlieferte  magiergeschichte  ist  doch  nur  ersonnen 
worden,  damit  erfüllet  würde,  was  Bileam  Num.  2-i,  17  vom  stern  geweissagt 
hatte.  Die  kindheitsevaugelien,  wie  Über  de  iufantia,  haben  dann  nur  dieses 
System,  zu  allen  möglichen  auf  Christus  bezogenen  alttestamentlichen  an- 
spielungen  erfüUungsgeschichten  zu  erfinden,  weiter  ausgebaut.  Vgl.  hierzu 
auch  Brückner  s.  30  f.,  der  nur  die  von  Schade  gegebene  anknüpfung  nicht 
scharf  genug  zurückweist. 

1)  Vgl.  z.b.  Jellinek,  Anz.  fda.  2i,219f.)  Pauls,  Beitr.  30, 155  f. 


ZUR   ALTS,   GENESIS,  29 

hihelid  ersclieint.  Ist  also  der  Prelianddicliter  insoweit  tlieo- 
logiscli  informiert,  dass  er  die  verfülirung  der  ersten  menschen 
nicht  durcli  die  schkmge '),  sondern  dnrch  Satan  gescliehen  lässt, 
so  zeigt  sich  der  Genesisdicliter  doch  auch  hierin  weit  tiefer 
in  die  Gedankengänge  der  gelelirten  theologie  eingedrungen: 
seine  darstelhmg  des  sündenfalls  ist  nicht  melir  biblisclie, 
sondern  cliristlicli-do<i-matische  dichtung. 


Xaclitrag  zn  s.  G  (Gen.  332).  Bei  der  correctur  Ivommt  mir  der  ge- 
dauke,  ich  luiimte  violleiclit  Boliag-hel  iusuferii  misverstaiiden  lial)en,  als  er 
Gen.  332  nicht  an  bnid  als  'gattin'  anstoss  genomuion,  sondern  das  thun 
lang  in  der  weise  gedentet  liätte,  dass  sie  danacli  vom  augenblicke  ihrer 
geburt  an  Loths  frau  gewesen  sein  niüsste.  Ich  kann  es  zwar  eigentlich 
nicht  für  möglich  halten,  dass  Behaghel  sich  einer  solchen  rationalistischen 
pressnug  poetischen  ansdrucks  schuldig  gemacht  haben  sollte,  die  mit  dem 
von  mir  Beitr.  21,1  erwähnten  es  ruht  die  halbe  icelt  auf  gleicher  höhe 
stehen  würde.  Aber  wenn  ich  jetzt  sehe,  dass  er  in  seinem  Heliandglossar 
briul  einfach  mit  'frau'  übersetzt,  so  kann  ich  doch  die  möglichkeit  nicht 
von  der  band  weisen.  Jedenfalls  hat  Roediger  a  a.o.  s.  192  Behaghel  ebenso 
verstanden  wie  ich,  wenn  er  meint,  dass  B.  daran  anstoss  nehme,  dass  Loths 
weib,  die  mutter  erwachsener  kinder,  hnal  'junge  frau'  genannt  werde. 
Sollte  Behaghel  in  der  tat  die  andere  meinung  gehegt  haben,  so  würden 
meine  obigen  ausführnngen  nur  gegen  Roediger  gerichtet  sein.  Uebrigens 
muss  die  ausdrucksweise  des  Genesisdichters  selbst  vor  dem  nüchternsten 
verstände  bestehen,  wenn  man  an  thcni  landa  auf  Sodomaland  bezieht: 
denn  vor  ihrer  Verheiratung  mit  Loth  wird  die  frau  ja  in  einem  anderen 
lande  gelebt  haben. 

^)  Vgl.  hierzu  oben  s.  18,  anm. 

W,  BRAUNE. 


NHD.  BRAUT  IN  DEN  GEmiANISCHEN 
SPRACHEN. 

Oben  s.  G  ff.  hat  sicli  ergeben,  dass  in  der  alts.  und  ags. 
diclitung-  hrnd,  hryd  'gattin,  elieweib'  bedeutet.  Ohne  jede 
beschränkung'  auf  das  lebensalter  bezeichnet  das  wort  die  frau, 
insofern  sie  mit  dem  manne  in  der  ehe,  in  geschlechtlichem 
umgange  verbunden  ist.  Für  uns  handelt  es  sich  nun  um  die 
frage,  wie  sich  dazu  der  gebrauch  in  den  übrigen  germanischen 
sprachen  stellt  und  was  wol  die  grundbedeutung  und  etymologie 
des  Wortes  sein  mag.  Zur  beantwortung  dei'selben  liegt  für 
die  einzelnen  dialekte  reiches  material  in  den  Wörterbüchern 
bereit;  hinsichtlich  der  etymologie  verweise  ich  auf  die  arbeit 
von  Wiedemann,  Bezzenb.  Beitr.  27  (1902),  205  ff.,  wo  die  frühere 
etymologische  literatur  verzeichnet  und  erörtert  ist. 

Als  die  verbreite tste  bedeutung  von  nhd.  hraut  in  den 
germanischen  sprachen  ist  zunächst  festzustellen:  'neuvermählte, 
junge  frau',  und  zwar  vom  tage  der  hochzeit  an,  diesen  in- 
begriffen. Ausschliesslich  diese  bedeutung  hat  noch  jetzt  das 
neuengl.  hride,  vgl.  z.  b.  Grieb-Schröer,  Wb.  1,138:  ^hride  die 
braut  (und  zwar  nicht  wie  im  deutschen  =  die  verlobte,  son- 
dern nur  die  braut  am  hochzeitstage,  unmittelbar  vor,  während 
oder  nach  der  hochzeit,  ferner  abweichend  vom  deutschen  auch 
noch:)  die  junge  kürzlich  verheiratete  frau'*).    Zu  dieser  be- 


1)  Vgl.  Murray,  Dict.  1, 1095,  wo  auch  die  geschiclite  erzählt  wird,  dass 
Gladstoiie  im  parlameut  entsetzen  erregt  habe,  als  er  auf  eine  verlobte 
Prinzessin  das  wort  hriäc,  also  in  deutscher  weise,  anwandte.  Er  musste 
das  dann  in  hride  elect  verbessern.  Im  deutsch-engl.  encycl.  Wörterbuch  von 
Muret-Sauders  s.  387  steht  als  bedeutung  von  nhd.  hraut:  1)  verlobte:  he- 
irotheä  (or  affianced,  intended,  future)  hride,  intended  wife,  girl  emjaged; 
seine  braut:  his  intended;  2)  am  hochzeitstage  und  noch  kurz  darauf  hride 
(entsprechend  brüutigam  Muret-Sanders  s.  388).    Wo  also  englisch  hride  für 


BBAUT  IN   DEN   GERM,   SPRACHEN.  31 

(leutiing-  geliöi't  iiocli  ne.  (aber  veraltet)  bridaJnj  "llitterAVüclien' 
und  lo  hride  'hoirateir.  Dass  diese  ne.  bedcntung'  audi  mit 
dem  altdeutschen  g-ebrauclie  sich  teilweise  deckt,  ist  bekannt 
und  eben  dadurch  ist  ja  Ikdiag'liel  ())ez.  Koediger)  zu  seinem  üben 
besprochenen  mis\'erständnis  des  alts.  hrüd  gekommen. 

Nachdrücklichst  auszuschalten  ist  aber  vor  allem  die  be- 
deutung  der  nlid.  Schriftsprache,  wonach  braut  die  verlobte  ist, 
d.h.  das  versprochene  niädchen,  von  der  formellen  Verlobung 
an  bis  zum  hochzeitstage,  aber  auch  noch  diesen  selbst  ein- 
geschlossen bis  zu  dem  rechtlich  bindenden  act  vor  Standesamt 
und  kirche.  Von  da  ab  wird  aus  der  braut  die  'junge  frau' 
nach  unserem  heutigen  Sprachgebrauch,  der  damit  also  dem 
älteren  diametral  entgegengesetzt  ist.  Berührungspunkt  beider 
ist  der  tag  der  hochzeit.  Diese  besonderlieit  der  nhd.  bedeu- 
tung  des  Wortes  hraut  ist  deshalb  so  scharf  hervorzuheben, 
weil  in  den  darstellungen  und  Wörterbüchern  meist  die  Ver- 
wirrung herscht,  dass  dem  altgerm.  worte  daneben  aucli  die 
bedeutung  'verlobte'  zugeschrieben  wird.')  So  z.  b.  He^-ne, 
DWb.  1,483:  6ra»/  'verlobte  ... ,  ohäi.  prat,  mXiH.hriä  auch 
junge  frau,  neuvermählte';  Lexer,  Mhd.  wb.  1,  373  hrnt:  'die 
verlobte  oder  kürzlich  vermählte  braut,  junge  frau';  und  Gun- 
dermann. Zs.  f.  deutsche  wortf.  1,  245,  wo  er  die  verschiedenen 
bedeutungen  sundert,  stellt  als  erste  voran:  'verlobte,  nhd. 
in  der  Schriftsprache  ausschliesslich,  mhd.  hrnt,  ahd.  hrät^  ags. 
hryd,  an.  hriidr;  im  got.  hrtij)faj)s  brautlierr,  bi'äutigani'.  Hier 
und  anderwärts  wird  also  dem  ags.  hryd,  altn.  hrüJr  etc. 
neben  der  anderen  auch  die  bedeutung  'verlobte'  beigelegt. 
Das  ist  aber  ganz  falsch.  Die  braut  als  verlobte  ist  im  altn. 
nur  fcstarkonu,  festarniier,  der  nhd.  bräutigam  ist  altn.  festar- 
maör  und  so  bis  in  die  neunord.  sprachen,  z.  b.  scliwed.  fäsimö, 


uusern  speciell  nhd.  begriff  (=  verlobte)  gebraucht  werden  soll,  muss  es 
durch  ein  attribut  als  diejenige  bestimmt  werden,  Avelche  in  ziikuuft  einmal 
Iride  werden  soll. 

>)  Diesen  fehler  vermeidet  aber  Paul,  Dtscli.  wb.  s.v.  Imml:  'grund- 
bedeutung  „neuvermählte",  sie  wurde  so  bezeichnet  am  hochzeitstage  Avie 
noch  jetzt,  auch  bevor  die  Vermählung  schon  vollzogen  war;  von  daher  ist 
es  dann  in  die  bedeutung  „verlobte"  übergegangen.  Die  beziehuug  auf  die 
vollzogene  Vermählung  ist  noch  deutlich  in  zuss.  wie  brautJcammcr,  hntitt- 
beit,  brautnacht.^ 


32  BRAUNE 

dän.  fcestenw,  Icjceresie,  forlovede:  erst  mit  dem  lioclizeitstage 
tritt  dän.  und  scliwed.  hrud  in  seine  rechte.  Das  ags.  scheint 
für  verlobte  ein  eigenes  substantivum  nicht  gehabt  zu  liaben, 
für  verloben  wird  weddian,  heiveddian  gebraucht,  Verlobung  ist 
iveddung,  heiveddting]  die  ne.  entsprechung  ist  to  hefroth  und 
hcfrofhal  (vgl.  Murray  1, 832),  die  braut  muss  ne.  entweder 
durch  das  französische  fremdwort  fiancce,  oder  die  oben  s.  30, 
anm.  besprochenen  Umschreibungen  ausgedrückt  werden. 

Auf  deutschem  gebiete  war  in  alter  zeit  mahlkm  das 
verbum  des  Versprechens,  verlobens.  So  heisst  es  alts.  Hei. 
253  ff.:  Sea  en  thegan  Jiahda  Joseph  gimaJüH  ...  thea  Dauides 
doliier:  that  imas  so  dkirlic  imif,  idis  antheti  Also  alts.  ant- 
licti  ivif  ist  die  braut  im  nhd.  sinne.  Und  Hei.  297  heisst  es, 
dass  Joseph  tltca  magad  liabda,  thea  idis  anthctea  giholit  im  te 
hrndiu;  also  er  hatte  vor,  seine  braut  zum  weibe  zu  machen. i) 
Und  im  ahd.  und  mhd.  ist  ebenfalls  mahnlcn,  mehelen  das  wort 
des  verlobens.  2)  Belege  bei  Graff  2,  G51  f.  So  z.  b.  Wiener 
Genesis  (Fdgr.  2, 14, 14)  daniite  (mit  dem  ringe)  der  man  spidgct 
sin  tvib  maliilcn;  0.  1,8,1  ther  nuin  Hier  tlias  tvih  inahalta 
(Joseph).  Maria  hätte  nach  ahd.  und  mhd.  Sprachgebrauch 
niemals   als  Josephes  hrüt  bezeichnet  werden  können^),  wol 


')  Nur  an  diesen  beiden  stellen  ist  cuiiJuti  in  den  bss.  überliefert.  An 
zwei  weiteren  stellen,  wo  Heyne  anthcti  in  beziig  auf  verbeiratete  frauen 
in  seinen  text  setzt:  Hei.  506  und  2707,  ist  dieses  gar  nicbt  belegt,  sondern 
beide  male  cm  cJiti  C  'im  besitz',  während  M,  dem  diese  wenduug  unbekannt 
gewesen  zu  sein  scheint,  aniliehU,  bez.  onfe/if/ schreibt;  Bebagbel  liest  beide 
male  richtig  nach  0  an  ehti. 

^)  Im  mhd.  wird  auch  vestoien,  hevesie^ien  im  sinne  von  'verloben' 
gebraucht,  s.  Mhd.  wb.  3,  277;  die  belege  gehören  der  früheren  zeit  an :  spät- 
mlid.  kommt,  während  gleichzeitig  vermählen  seine  bedeutuug  verschob, 
verloben  auf,  über  dessen  entwicklung  s.  DWb.  12,  816ff.  Wie  es  scheint, 
ist  der  ausdruck  mehr  md.,  bei  Luther  schon  ganz  häufig;  doch  hat  dieser 
im  gleichen  sinne  auch  vertrauen,  vgl.  Luc.  2,  5  mit  Maria  seinem  vertrauten 
loeibe  (=  ovv  MaQiafx  r^  i/uvtjarevfiEvy  avxw).  Oberdeutsch  scheint  mahlen, 
vermählen  länger  bestand  gehabt  zu  haben,  vgl.  statt  Luthers  vertrauen 
bei  Eck  vermählen  und  Züricher  Bibel  vermächlen  (Kluge,  Luther  -  Lessiug 
s.  82).  S.  auch  DWb.  6, 1455  s.  v.  mahlen.  Daselbst  z.  b.  aus  der  Bibel  1483 
der  do  hat  yemehelt  ein  weih  (qui  despondit  uxorem  5.  Mos.  20,  7  =  Luther: 
toelcher  ein  tveih  im  vertrauet  hat). 

^)  Dagegen  0.  2,  8  in  der  erzählung  der  hochzeit  von  Kana  erscheint 
natürlich  hrüt  und  hrdtiyono. 


BBÄUT  IN  DEN   GERM.  SPRACHEN.  33 

aber  als  Josqjhcs  gimaliulthi,  vg-1.  T.  5,  12  mit  Mariun  hno 
yimahaltcro  gimalümn.  Das  eigentliche  alid.  substantivum 
für  iilid.  'bräutiaani'  und  'braut'  ist  alid.  gimaJialo  und 
gimaluda.  So  ist  in  einer  Keichenauer  glosse  zu  Matth.  1,  16 
Joseph  virum  Mariae  das  wort  virum  Gl.  1,  708,  27  mit  gima- 
helon  glossiert,  weil  er  nach  der  correcten  theologischen  auf- 
fassung  nur  ihr  Verlobter  war.  Ebenso  ist  in  demselben  glossar 
(dem  hier  noch  andere  hss.  zur  seite  stehen)  die  stelle  Matth. 
1,  20  Mariam  conjugon  tuam  das  conjugcni  durch  dogmatisch 
correcteres  gemahulun  widergegeben.  Gl.  1,709,0.')  So  ist 
denn  auch  noch  mhd.  der  gemaliele  und  diu  gemahele  der  rich- 
tige ausdruck  für  nlid.  bräutigam  und  braut,  wie  die  Wörter- 
bücher ausweisen.  Besonders  lehrreich  ist  die  anwendung  im 
armen  Heinrich,  wo  Heinrich  das  mädchen  in  liebkosendem 
scherz  sin  gemaliele  nennt  (a.  H.  S-tl  u.ö.).  Zarncke  im  Mhd.  wb. 
2,20  übersetzt  das  sehr  richtig  mit  'mein  bräutchen'  und  trüt- 
gemaliel  mit  'liebe  braut'.  Aber  schon  im  mhd.  wird  daneben 
gemahel  und  gemahele  auch  für  verheiratete  gebraucht,  welche 
bedeutung  ja  bekanntlich  im  nhd.  seit  dem  15.  IG.  jh.  die  ur- 
sprüngliche völlig-  verdrängt  hat.-)  Der  bedeutungsübergang  war 


')  Solche  stellen  dürfen  also  nicht  gebraucht  werden,  um  für  ahd. 
gemaluda  die  bedeutuug  conjux  zu  erweisen.  Ueberhaupt  muss  ein  für  alle 
mal  gewarnt  werden,  ahd.  glosseu  zu  bestimmten  Schriftstellern  bedeutungs- 
geschichtlich zu  verwerten,  ohne  die  stelle  im  zusammenhange  des  textes 
zu  prüfen.  —  Zur  vergleichung  möge  darauf  hingewiesen  werden,  dass  T. 
in  obigen  stellen  wörtlich  übersetzt,  also  Mt.  1, 16  virum  Mariae  mit  gomman 
Mariun  (ebenso  v.  19)  und  20  conjugem  mit  Mariun  tliina  gimalünni  wider- 
gibt, während  der  glossator  nachgedacht  hat. 

2)  Vielleicht  sind  schon  einige  spätahd.  stellen  für  diesen  bedeutungs- 
wandel  in  ansprach  zu  nehmen.  Bei  N.  Marc.  Cap.  (ed.  Piper  1, 69-1, 18)  ist 
einmal  conjuga  mit  stnero  gemälun  umschrieben.  Und  Williram  im  Hohen 
liede  übersetzt  das  sponsa  seiner  quelle  regelmässig  mit  gemahda  (z.  b. 
Cantic.  4,  8—12),  während  Luther  dem  alten  und  dem  allgemein  kirchlichen 
sprachgebrauche  gemässer  braut  dafür  anwendet.  —  Interessant  ist  auch 
der  beleg  aus  den  "Wiudbeiger  psalmeu,  wo  ps.  18,  6  et  ipse  tanquam  sponsu's 
procedens  de  thaJatno  suo  übersetzt  wird  mit  unde  er  selbe  also  der  ge- 
mahele furegeente  von  bette  sinem,  während  N.  richtiger  hat  tinde  er  selbo 
gieng  nz  also  brixdegomo  tizer  sinero  briutechamero.  Aber  diese  vereinzelten 
fälle  lassen  auch  andere  deutungen  zu,  vgl.  unten  s.  35.  Reiches  material 
zur  bedeutuugsgeschichte  von  gemahl  und  der  neubilduug  geviuhlin  s.  in 
den  artikeln  ß.  Hildebrands,  DWb.  4, 1,  2,  815U  ff. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXIl.  3 


34  BRAUNE 

vielleicht  auch  sachlich  dadurch  bedingt,  dass  auf  das  feierliche 
zusammensprechen  in  vielen  fällen  der  Vollzug  der  ehe  un- 
mittelbar folgte,  also  ein  brautstand  in  unserem  sinne  entfiel. 

Dass  man  entgegen  diesen  feststellungen  so  allgemein  in 
den  Wörterbüchern  dem  altdeutschen  und  ags.  worte  Irüt  auch 
die  bedeutung  von  nhd.  hraut  =  'verlobte'  zuschreibt,  dazu 
ist  der  anlass  der,  dass  sowol  in  ags.  als  in  ahd.  glossen  ags. 
hrijd,  ahd.  hrüt  bez.  trydsuma,  hrütkjomo  als  die  regelmässigen 
entsprechungen  von  lat.  sponsa,  sponsus  auftreten.  ')  Und 
ebenso  wird  in  der  biblischen  Übersetzungsliteratur  ags.  wie 
ahd.  das  sponsa,  sponsus  der  vulgata  widergegeben.  Ja  auch 
0.  2, 13,  9  gibt  Joh.  3,  29  qui  habet  sponsam  sponsus  est  durch 
Ther  hrut  habet,  in  uuar  min,  ther  scal  ther  bnitigomo  sin. 

Hier  rächt  sich  nun  der  umstand,  dass  wir  zu  sehr  im 
Sprachgefühl  des  classischen  lateins  befangen  sind  und  die  spät- 
lateinische entwicklung  zu  wenig  beachten.  Gewis  heisst  im 
classischen  latein  sponsa,  sponsus  der  bedeutung  des  verbums 
spondco  entsprechend  das,  was  wir  nhd.  durch  braut  und  hräu- 
tigam  widergeben.  2)  Aber  im  nachclassischen,  christlichen 
latein  hat  sich  dieselbe  bedeutungsverschiebung  vollzogen,  die 
wir  soeben  bei  ahd.  gimahalo,  gimahala  beobachtet  haben, 
welche  ursprünglich  dem  classisch-lat.  sponsa,  sponsus  ent- 
sprachen, heute  aber  zur  ausschliesslichen  bedeutung  von 
maritus  und  uxor  gelangt  sind.  Genau  so  weit  ist  das  latein 
nur  im  französischen  gegangen,  wo  cpoux  und  epouse  völlig 
dem  nhd.  gcmahl  und  gemahlin  gleichstehen.  Aber  im  mittel- 
latein  ist  sponsus  und  sponsa  doch  schon  auf  dem  Standpunkte 
angelangt,  den  heute  noch  das  italienische  zeigt,  wo  zwar  plur. 
sp)Osi  schlechthin  'ehegatten'  bedeutet,  aber  doch  die  singulare 
sposa  und  sposo  auch  noch  die  bedeutung  des  altdeutschen  brüt 


^)  Für  das  ags.  vgl.  in  Wrigbt-Wülker,  Aiiglosaxon  and  old  english 
vocabularies  (1888)  1, 171,  7.  9;  277, 19.  20;  310, 12.  13.  Doch  steht  daneben 
auch  hnjä  für  lat.  nimpha  171,  17,  nnpte  456,25,  hri/d^uma  füv  procits  ■42,5- 
4G6,  32.  528,  4.  —  Für  das  ahd.  vgl.  Graff  3,  293  unter  hntt  mit  den  Über- 
setzungen niipta,  sponsa  und  hndigomo  4,  200  f.  mit  sponsus,  auch  dem  in 
lat.  dichtem  dafür  gebrauchten  proeus. 

'^)  Forcellini,  Lex.  erklärt:  sponsa  est  mulier  alicui  promissa  in  ma- 
trimonium,  pacta,  sperata  et  nondum  uxor;  —  sponsus  est  is  qui  despousus 
est,  nondum  maritus,  Cic.  Horat. 


BRAUT  IN   DEN  GERM.   SPRACHEN.  35 

und  hrütigomo  festhalten,  d.  li.  die  neuvermählten.  jung*en  ehe- 
leute,  mit  einschluss  des  hochzeitsfestes,  bezeichnen.  Dagegen 
den  begriff  des  classisch-lat.  sponsn  und  des  nhd.  braut  drückt 
das  italienische  durch  promessa  sposa  oder  fnJansata  aus,  ent- 
sprechend das  mvi'&Q.promesso  sposo  oder  fidanzato  undderplural 
promcssi  sposi  =^  nhd.  'brautleute,  verlobte'. 

Die  bedeutungswandlung  von  sjwnsus,  sjwnsa  scheint  schon 
in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus  vollzogen  zu  sein. 
Forcellini  sagt,  nachdem  er  die  classische  bedeutung  angegeben 
hat  (s.  vor.  anm.):  'sponsa  dicitur  etiam  de  uxore,  sicut  sponsus 
de  marito'.  Er  verweist  dabei  auf  die  vulgata  (Matth.  25, 1) 
und  auf  inschriften  (z.  b.  Julia  Fortunata  vixit  annis  XXVIII 
cum  sponso  suo),  woselbst  also  schon  die  volle  bedeutung  'ma- 
ritus'  erreicht  ist.  Doch  ist  als  die  eigentliche  geltung  von 
sjwnsa,  Sjwnsiis  in  der  vulgata  die  des  ahd.  mhd.  hrüt,  hrüti- 
gomo zu  bezeichnen,  d.h.  die  neuvermählten  mit  einschluss 
der  hochzeitsfeier.  Wenn  also  z.  b.  in  den  Monseeer  fragm.  XX 
(Hench)  Matth.  25, 1  exienint  ohviam  sponso  et  sponsae  über- 
setzt wird  mit  fuorun  uz  ingegin  hrtitigomin  enti  hruti,  so  ent- 
spricht diese  Übersetzung  genau  dem  sinne  des  lateinischen: 
wir  haben  deshalb  keine  berechtigung,  ahd.  hrüt  dem  nhd. 
hratd  gleichzustellen.  Und  wenn  Williram,  wie  oben  (s.  33,  anm.  2) 
erwähnt,  das  sponsa  in  Cantic.  mit  gemdhela  widergibt,  so  kann 
ihm,  dem  classisch  gebildeten,  schon  dasselbe  passiert  sein,  wie 
unseren  heutigen  lexicographen:  er  hat  sich  vielleicht  durch 
die  ihm  aus  dem  cl assischen  latein  bekannte  grundbedeutung 
von  sponsa  verleiten  lassen'),  nicht  das  der  bedeutung  der 
vulgata  eigentlich  entsprechende  hrat  zu  setzen.  Denn  die 
auf  dem  Hohen  lied  und  der  geschichte  von  den  klugen  und 
törichten  Jungfrauen  (Matth.  25)  beruhende  kirchliche  an- 
schauungsw^eise  vom  himmlischen  bräutigam  und  der  kirche 
als  seiner  braut,  resp.  der  einzelnen  seele,  der  nonne,  als  braut 
Christi  ist  doch  viel  sinnlicher  gemeint,  als  die  anwenduug  des 
nhd.  braut  und  bräutigam  es  uns  heute  fühlen  lässt:  es  sind 
vielmehr   die  geistlichen  jungen  ehegatten,   der  sponsus  und 


')  Auch  das  iu  der  vulgata  übliche  despondere  uud  dcsponsare  für 
'verlubeu'  koimte  bei  sitonsus,  sjwnsa  vou  ueueiu  die  alte  bedeutung  wider 
wachrufen. 

3* 


3G  BRAUNE 

die  sponsa  der  vulgata,  so  wie  auch  noch  in  der  französischen 
kirchlichen  terminologie  hier  epoux  und  epouse  für  Christus 
und  die  kirche,  oder  die  nonne,  angewendet  wird  (vgl.  Littre, 
Dict.  1, 2, 1470). ')  Dem  entspricht  in  der  mhd.  geistlichen 
terminologie  hrüt  und  hriutgome.  Das  gegenstück  ist  die  be- 
kannte mhd.  schelte  des  tiuvels  brät,  w^odurch  eine  w^eibsperson 
als  teufelsbuhle  gekennzeichnet  wird,  so  wie  auch  in  Nib.  417,  4. 
426,  4  (L.)  des  tiuvels  wip  und  des  ühelen  tiuvels  hrüt  als  gleich- 
bedeutend von  Brünhild  gesagt  werden. 

Müssen  wir  sonach  den  begriff  'verlobte,  versprochene' 
von  dem  worte  hrut  in  allen  älteren  germanischen  sprachen 
vollständig  fernhalten,  als  dessen  wesentliches  moment  viel- 
mehr der  Vollzug  der  ehe  zu  gelten  hat,  so  ergibt  sich  daraus 
von  selbst,  dass  die  etymologische  Verknüpfung  mit  scr.  hrdvi-ti 
'er  spricht'  abzuvr eisen  ist.  Nach  dieser  von  Torp,  Uhlenbeck 
und  Hirt  gleichzeitig  aufgestellten  etymologie  sollte  hrruti- 
verbalabstractum  'das  sprechen'  sein,  woraus  sich  die  bedeutung 
'Verabredung,  Versprechung,  Verlobung'  entwickelt  hätte,  und 
daraus  wäre  dann  die  germ.  concrete  anwendung  erflossen. 
Trotz  der  ein  Wendungen  von  Wiedemann  a.  a.  o.  s.  20G,  der 
hervorhebt,  dass  scr.  hrdvlti  und  composita  nur  'sprechen', 
nirgends  aber  'versprechen,  verloben'  bedeuten,  hält  Uhlen- 
beck, Beitr.  30, 271  seine  etymologie  aufrecht.  Sie  ist  aber 
nach  der  bedeutung  unmöglich,  wie  jede  andere  etwa  aufzu- 
stellende etymologie,  die  von  dem  specifisch  nhd.  begriffe  'ver- 
lobte' ausgienge. 

Nachdem  also  die  besondere  nhd.  bedeutung  ausgeschlossen 
ist,  suchen  wir  nun  den  altgermanischen  Inhalt  des  Wortes 
schärfer  zu  fassen.  Wir  fangen  mit  dem  gotischen  au,  dessen 
als  Simplex  nur  einmal  (Matth.  10,  35)  belegtes  hrüj)s  fälschlich 
allgemein  als  'Schwiegertochter'  aufgefasst  wird.    Nein,  got. 

1)  Damit  identisch  siud  die  englischen  religiösen  termiui  the  hearenhj 
hr/degroom  für  Christus  und  bride  (or  sjyouse)  of  Jesus  Christ  für  kirche 
oder  nonne  (Muret- Sauders  a.a.O.),  Avelche  sonach  für  das  ne.  Sprachgefühl 
etwas  ganz  anderes  besagen,  als  unsere  entsprechenden  nhd.  ausdrücke 
heute  für  uns.  Doch  tritt  die  alte  bedeutung  noch  klar  hervor,  wenn  es 
hei  Schiller  im  Ritter  Toggenhurg  heisst:  'Die  ihr  suchet  trägt  den  schleier, 
ist  des  himmels  braut,  gestern  war  des  tages  feier,  der  sie  gott  getraut'. 
Die  eiusegnuug  der  nonne  gilt  als  geistliche  Vermählung. 


BEÄUT  IN   DEN   GERM.   SPRACHEN.  37 

hrujjs  bedeutet  genau  dasselbe  wie  alid.  hrüt.  Ganz  abgesehen 
davon,  dass  das  compos.  brü])faj)s  Mt.  9, 15;  Mc.  2, 19;  Luc.  5, 
34.  35  das  griechische  rvfi<pioj;  'junger  ehemann'  widergibt, 
also  dem  alid.  hrCitigomo  entspricht,  so  ist  auch  jenes  got. 
hrüps  die  Übersetzung  des  griech.  rt\u(fij.  Und  dieses  ist  die 
genaue  entsprecliung  des  ahd.  nihd.  brut,  es  bedeutet  'die  neu- 
vermählte, junge  frau'  die  zeit  des  hochzeitsfestes  mit  ein- 
geschlossen. Ulfilas  hat  also  hier  das  griechische  ri\uffT]  mit 
dem  diesem  worte  in  seiner  regulären  bedeutung  entsprechenden 
gotischen  hn'tps  übersetzt.  Nun  hat  allerdings  griech.  vvcfiuj 
Mt.  10,  35  (und  an  der  parallelstelle  Luc.  12,  53)  nach  dem  zu- 
sammenhange die  occasionelle  bedeutung  'Schwiegertochter''), 
eine  bedeutung,  welche  von  dem  griechischen  rvjtffr]  in  den 
wörterbücliern  nur  aus  diesen  neutestamentlichen  stellen  belegt 
wü-d.2)  Das  altgriechische  hatte  für  Schwiegertochter  in  rvöa, 
die  regelrechte  entsprecliung  des  aind.  snusd.  Wenn  in  der 
griech.  bibel  vv/jcpj  statt  dessen  angewandt  wird,  so  ist  diese 
Übertragung  ja  sachlich  naheliegend,  da  die  junge  frau  in  das 
haus  des  mannes  eintritt,  in  dessen  mutter  die  vvfiffrj  ihre 
Schwiegermutter   findet.-')      So    wäre    es    an   sich    nicht   aus- 


*)  M.  10,  35  ijld^ov  yuQ  öiy/caai  c(v'}(Jco7iov  xaxa  zov  TtazQog  avrov  xal 
Q^oyaxhQct  xata  zi/g  ^rjZQoq  avzfjg  xal  vv/uprjv  xaza  zrjg  nevd-SQäg  avtijq. 

^)  Vgl.  z.  b.  Stephani  thesaiirus  gr.  liiiguae  5, 1601  ff.;  Pape,  Grie'ch.-d. 
handwörterb.  2,  263. 

')  Im  neugriechischen  ist  diese  Übertragung  sogar  fest  geworden. 
Vgl.  z.  b.  Byzantius,  Dictionn.  Grec-franr-ais  (Ath.  1856)  s.  297:  'vi'^*/// 
1)  nyraphe  (mythol.)  2)  la  (uouvelle)  mariee,  l'epousee  3)  bru,  belle  fille, 
belle  soeur.'  Aber  im  älteren  griechisch  ist  die  bedeutung  ausserhalb  der 
bibel  bisher  nicht  nachgewiesen.  Und  es  scheint,  dass  im  bibelgriechischen 
die  Übertragung  von  vv(api]  auf  die  bedeutung 'Schwiegertochter'  erst  durch 
das  hebräische  veranlasst  ist.  Die  beiden  evangelienstellen  sind  nach- 
bildungen  von  Micha  7,  6,  wo  es  in  der  LXX  heisst:  öiözi  vwq  äzifiä'Qet 
nur^QU,  OvyäztjQ  tTiavaozrjaftai  inl  zr]v  fojtSfja  aizfjg,  vvj.i(pi]  inl  rz/V 
TifiUe^üv  avif]g.  Das  hebräische  wort,  welches  an  dieser  stelle  durch 
vviufij  gegeben  wird,  ist  n^s  (kallah),  ebenso  an  andern  stellen  des  A.  T., 
wo  Luther  'schnür'  übersetzt  (z.  b.  üen.  38, 11.  2-4).  Die  grundbedeutung 
dieses  hebräischen  Wortes  ist  aber  vv/.i(prj  im  sinne  des  ahd.  brut  =  vulgata 
sponsa:  in  den  betreffenden  stellen  des  Holien  liedes  steht  stets  hebr.  ns2, 
welches  in  der  LXX  ebenfalls  durch  i'v/x<p>j,  wie  in  der  vulgata  durch 
S2)0)isH  gegeben  wird.  Es  haben  also  die  LXX-übersetzer  statt  des  in  der 
griechischen  prosa  fehlenden  einfaclien  Wortes  für  den  begriff  'Schwieger- 
tochter'  (s.  folg.  anm.)  in  uachahmung  des  hebräischen  doppelsiuues  von 


38  BEAUNE 

geschlossen,  dass  aiicli  im  go tischen  freien  Sprachgebrauch  — 
statt  der  wahrscheinlich  noch  vorhandenen  entsprechimg  des 
ahd.  snur,  ags.  snoni  —  gelegentlich  einmal  hrüj)s  hätte  ge- 
braucht werden  können,  wo  es  sich  wie  in  Matth.  10, 35  um 
die  in  das  haus  der  eitern  eingetretene  'junge  frau'  des  sohnes 
handelte.  Aber  bewiesen  wird  das  durch  unsere  stelle  keines- 
falls, da  diese  der  eigenartigen  anwendung  des  griech.  vvftg)?] 
verdankt  wird.  Hätte  im  N.T.  j'vog  gestanden •),  so  würde 
uns  wol  auch  das  echt  gotische  wort  ^smi^ö  für  Schwieger- 
tochter erhalten  sein.  2)  Wir  werden  also  vorsichtiger  handeln, 
wenn  Avir  auch  in  unseren  gotischen  Wörterbüchern  hruj)s  mit 
'Junge  frau'  übersetzen  und  dabei  auf  die  eigentümliche  anwen- 
dung von  vvficp?]  im  griech.  original  und  dessen  got.  wider- 
gabe  durch  hrüps  verweisen. 

Mit  dem  gotischen  in  beziehung  stehen  sicher  auch  die 
belege  unseres  wortes  aus  der  römischen  Soldatensprache,  deren 
älteste  aus  dem  3.  und  anfang  des  4.  jh.'s  A.  v.  Domaszewski 
auf  drei  lateinischen  Soldateninschriften  aus  Bulgarien,  Serbien 
und  Kärnten  nachgewiesen  hat.  Diese  belege  sind  also  um 
ein  Jahrhundert  älter  als  Ulfilas.  Die  älteste  lat.  form  des 
Wortes  ist  hrutis  (bez.  hrutcs),  später  hnda.  Aber  auch  in  das 
mittelgriechische  ist  das  lat.  wort  als  ß{)ovTig  übergegangen. 
Ueber  diesen  gegenständ  handelt  zusammenfassend  G.  Gunder- 
mann, 'Das  deutsche  wort  braut  bei  Römern  und  Griechen', 
Zs.  f.  deutsche  wortforsch.  1, 240  ff.  und  speciell  über  mgriech. 
ßQovtig  R.  Löwe,  Kuhns  Zs.  39,  276  ff.  Zu  bruta  ist  das  ältere 
lat.  hrutis  gemäss  Gundermanns  treffender  erklärung  nach 
analogie  der  fem.  auf  a  umgebildet  worden,  wie  nc2)ta  aus 
älterem  neiHis  und  nura  aus  nurus. 

Zunächst  ist  die  form   des  lat.  Itridis  zu  erörtern.    Die 


■1^5  auch  vi\u<ftj  so  gebraucht.  Und  daher  ist  dann  dieses  vvfufij  auch  in 
das  N.  T.  gekommen.  [Doch  vgl.  über  hebraismen  in  der  griech.  bibel  Thumb 
in  Ilberg-Gerths  N.  Jahrbüchern  17  (1906)  s.  252  ff.]. 

1)  Freilich  ist  zu  erinnern,  dass  nach  atisweis  der  griech.  Wörterbücher 
wog  nur  noch  poetisch  war;  als  regelrechte  prosawidergabe  des  deutschen 
'Schwiegertochter'  geben  die  deutsch -griechischen  Wörterbücher  von  Pape 
und  Eost  (neben  dem  biblischen  rvfKprj)  rj  rov  viov  yvvi]  au,  also  wie  neu- 
alem.  sohnsfrau  oder  söhnerin  statt  des  verlorenen  sehrmv  (s.  DWb.  9, 1394). 

*)  Ygl.  dazu  unten  s.  31,  anm.  über  kriragot.  schuos. 


BEAUT  IN  DEN  GERM.   SPRACHEN.  39 

drei  alten  iiiscliriften  stammen  aus  dem  gebiete  der  unteren 
Donau.  Danach  hat  schon  v.  Domaszewski  mit  Wahrschein- 
lichkeit als  den  gebenden  germanischen  stamm  die  Goten  l)e- 
zeichnet.  Er  Avies  (X.  Heidelberger  jahrb.  3, 197)  auf  die  ver- 
nichtenden uiederlagen  der  Goten  unter  Claudius  (269)  hin, 
nach  denen  die  gefangenen  Goten  in  das  römische  lieer  ein- 
gereiht oder  zu  Colonen  des  limcs  harharus  gemacht  wurden. 
Durch  diese  elemente  konnte  der  lat.  heeressprache  zunächst 
dieser  gegenden  das  lehnwort  hrutis  zugeführt  werden.  Zur 
erklärung  der  form  knüpft  Gundermann  s.  245  an  den  got. 
nominativ  lrH])s  an  und  meint,  dass  die  Römer  die  beiden 
Spiranten  7'  +  ^"^  nicht  hätten  ohne  zwischenvocal  sprechen 
können,  indem  er  zugleich  auf  die  beginnende  assibilierung 
von  lat.  //  zu  si  hinweist.  Dass  das  i  der  alte  themavocal  sei, 
weist  er  ab.  Denn  dann  würde  einem  vorwuliilanischen  got. 
*hru(tis  vielmehr  lat.  hrudis,  griech.  ßgovöi^  entsprechen  müssen. 
Demgegenüber  will  R.  Loewe  die  entlehuung  nicht  aus  dem 
gotischen,  sondern  aus  dem  westgermanischen  geschehen  sein 
lassen,  welches  damals  die  form  des  nom.  als  hrudiz  geboten 
haben  könnte.  Aber  die  drei  alten  Inschriften  weisen  durch 
ihre  provenienz  doch  eher  in  die  nähe  der  Goten.  Und  wenn 
die  eine  der  Inschriften  aus  Teurnia  (Lurnfeld  a.  d.  Drau  in 
Kärnten)  stammt,  so  liegt  doch  auch  dies  der  Sphäre  der  Goten 
näher  als  der  Westgermanen.  AVäre  latein.  hrutis  ein  west- 
germ.  lehnwort,  so  würden  wir  es  am  frühesten  in  Inschriften 
aus  den  Rhein-  und  Neckargegenden  zu  erwarten  haben,  wo- 
selbst es  aber  vollständig  fehlt.  Und  die  Schwierigkeit,  dass 
westgerm.  hrüdi-  im  lateinischen  doch  auch  nur  als  hrudis  zu 
erwarten  wäre,  hat  Loewe  nicht  weggeschafft.  Ich  meine,  es 
muss  aus  geographischen  gründen  bei  der  entlehuung  aus  dem 
gotischen  bleiben,  —  und  auch  aus  sprachlichen.  Denn  gerade 
das  sonst  sehr  merkwürdige  lateinische  t,  griech.  x  des  lehn- 
wortes  lässt  sich  nur  aus  dem  gotischen  erklären.  Allerdings 
nur  unter  der  Voraussetzung,  dass  das  wort  got.  den  stamm 
hrülri-  und  nicht  hrüdi-  gehabt  hat.  Das  ist  aber  höchst  wahr- 
scheinlich. Denn  erstens  gibt  das  westgermanische  hrudi-  uns 
nicht  das  mindeste  recht,  ohne  weiteres  auch  ein  got.  hrfidi- 
zu  erschliessen.  In  den  worten  auf  idg.  -fi-suffix  fand  germ. 
grammatischer  Wechsel  statt,  der  dann  verschieden  ausgeglichen 


40  BRAUNE 

werden  konnte.  Solche  Verschiedenheiten  finden  sich  sogar 
innerhalb  des  westgermanischen  selbst.  So  z.  b.  niederfränkisch 
varth  und  ahd.  Ludwigslied  38  hinavarth  gegen  sonstiges  westg. 
fard,  ahd.  fart  (vgl.  auch  Ahd.  gr.  §  163  a.  6).  Das  gotische 
aber  hat  sehr  häufig  den  grammatischen  Wechsel  im  nomen 
entgegengesetzt  ausgeglichen,  wie  das  westgermanische.  Vgl. 
z.  b.  tagr  gegenüber  westgerm.  tahar,  ahd.  sahar  und  suffix-^i 
in  westgerm.  giburä,  aber  got.  gahaurjjs,  g.  gahanrj)ais  (ebenso 
das  im  westg.  fehlende  gatanrps  'Zerstörung',  dat.  gatmirj)ai). 
Und  wie  dem  westgerm.  naiidi-  (ags.  med,  ahd.  not)  ein  got. 
nau])s,  flect.  nanpai,  naujnm  (daneben  aber  compos.  naudibandi 
etc.)  gegenübersteht,  so  kann  auch  dem  westgerm.  hrüdi-  ein 
got.  hriij)s,  gen.  briijxiis  entsprochen  haben.  Einen  positiven 
beweis  dafür  entnehme  ich  daraus,  dass  im  gotischen  in  diesem 
Worte  niemals  auslautend  d  erscheint.  Wir  haben  es  einmal 
im  Simplex  acc.  sg.  bnij)  und  siebenmal  im  comp.  bru]>fa]}s. 
Das  letztere  erscheint  Mt.  9, 15  und  Mc.  2, 19  zweimal  im  nom. 
brifpfaßs  und  zweimal  im  gen.  brt(J)fadis.  Dass  aber  auch  im 
ev.  Lucas  (5,34.35),  wo  sonst  auslautendes  d  für  unechtes  J> 
so  häufig  ist,  alle  drei  male  die  form  bruj)-  erscheint,  das  lässt 
sich  nur  daraus  erklären,  dass  der  stamm  hrü])-  im  gotischen 
ein  echtes  ])  hatte.  Nicht  nur  stehen  in  der  Umgebung 
massenhaft  d  für  auslautend  unechtes  J)  (Luc.  5, 30  matjid, 
drigJiid]  34  magud,  36  lagjid,  aftaurnid),  sondern  neben  dem 
gen.  hri(J)fadis  erscheint  der  zweimalige  nominativ  als  hru])- 
fadsl  Also  das  kurzsilbige  faps,  welches  unechtes  J)  hat,  ist 
beide  male  fads  geschrieben,  während  das  laugsilbige  bru]) 
stets  das  Jj  bewahrt,  trotzdem  im  Lucas  grade  nach  langem 
Yocal  das  auslautende  d  herscht!  (vgl.  Got.  gr.  §  74,  anm.  1). 
Und  einen  zweiten  beweis  für  got.  echtes  p  in  bnijjs  gibt  uns 
eben  das  t  in  lat.  brutis.  Denn  es  ist  bekannt,  dass  got.  J) 
in  lat.  Schreibung  zwar  oft  durch  th,  aber  auch  oft  durch  t 
widergegeben  wird;  vgl.  z.  b.  Wrede,  Sprache  d.  Ostgoten  s.  170. 
Die  Schreibung  th  ist  für  die  Römer  eine  gelehrte.  Für  die 
harte  spirans  griech.  0^  und  germ.  p,  wo  sie  dieselbe  akustisch 
übernahmen,  sprachen  sie  ihr  t.  Noch  jetzt  sind  bei  lehn- 
worten  in  den  romanischen  sprachen  die  Vertreter  des  germ.  p 
mit  t  zusammengefallen.  Somit  beweist  das  t  in  lat.  brutis, 
dass  got.  brups  ein  echtes  p  hatte,  und  so  ist  die  entlehnung 


BBAUT  IN   DEN   GERM.   SPRACHEN.  41 

aus  dem  gotisclien  die  sachlicli  und  sprachlich  einzig-  mögliche. 
Wir  dürfen  nun  aber  noch  weiter  gehen  und  aus  hnttis  den 
schluss  ziehen,  dass  hundert  jähre  vor  Ulfilas  das  gotische  den 
nom.  noch  als  hrujiis  sprach,  dass  also  die  sj'nkope  des  nomi- 
nativvocals  erst  um  300  im  gotischen  eingetreten  sein  wird. 
Das  hat  auch  gar  nichts  unwahrscheinliches,  da  das  dem 
g'otischen  nächststellende  urnordische  die  endvocale  noch  we- 
sentlich länger  beliielt  und  auch  das  westgermanische,  welches 
nach  kurzer  silbe  noch  um  900  das  /  in  irini,  Jicti,  gripi  fest- 
hielt, wird  zur  zeit  des  Ulfilas  noch  hrudi(s)  im  nomin.  gehabt 
haben.  Gar  so  lange  vor  Tlfllas  können  wir  also  so  wie  so 
den  Schwund  der  endvocale  für  das  gotische  nicht  ansetzen. 

Ist  so  das  lat.  brutis  formell  ergebnisreich,  so  kommt  für 
die  bedeutungsgeschichte  in  betracht,  dass  in  dem  kreise  dieses 
lehn  Worts  nun  allerdings  die  bedeutung-  'Schwiegertochter'  auf- 
tritt. Das  ist  ohne  zweifei  der  fall  in  dem  späteren  hruta. 
Diese  form  erscheint  in  lateinischen  glossaren  des  8.  9.  Jahr- 
hunderts als  erklär ung  des  lat.  nurus,  welches  also  dem  Ver- 
fasser dieser  glossare  nicht  mehr  geläufig'  war.  Am  frühesten 
(mitte  des  8.  jh.'s)  belegt  ist  die  glosse  nurus  hruta  in  dem  der 
keronischen  glosseusippe  zu  gründe  liegenden  lat.-lateinischen 
glossar,  s.  Ahd.  gl.  1,  216, 20.  21,  vertreten  durch  K,  Ea  und  R.i) 


')  In  diesem  von  Gnudermaun  a.  a.  o.  nicht  erwähnten  ältesten  beleg 
findet  sich  nun  auch  eine  merkwürdige  althochdeutsche  glossierung. 
Das  glossar  E  bietet  zwar  nur  die  lateinische  glosse  nurus,  hruta; 
in  K  und  Ra  aber  steht  dazu  die  deutsche  glosse  proaion  K,  proatun  Ka, 
die  ich  bei  Kügel  nicht  besprochen  finde.  Man  würde  darin  oblique  casus 
eines  sw.  f.  hruota  zu  sehen  haben,  das  man  mit  hrüt  niciit  zusammen- 
bringen würde,  wenn  nicht  in  einer  Münchner  hs.  (12.  jh.;  Clm  13002)  der 
glossae  Salomonis  nurus  mit  uxor  filti  vel  brut  erklärt  Aväre,  s.  Gl.  4,  82, 1.  2; 
eine  andere  hs.  (Clm  17152)  hat  nurus  mit  sni'tr  übersetzt,  drei  weitere 
exemplare  des  glossars  (Cod.  Zwetl.  1,  Cod.  mon.  sctae  crucis  17,  alter  druck; 
vgl.  Gl.  4, 152, 44,  anm.)  haben  nur  die  lateinische  glossierung  mirus  vel 
hruta.  In  dem  hrut  von  Clm  13002  würde  man  nun  nach  der  überwiegen- 
den Schreibung  der  hs.  zunächst  ein  zu  jenem  proatun  von  KKa  im  stamm- 
vocal  autfällig  stimmendes,  aber  starkes  f.  bruot  sehen  können,  wenn  nicht 
die  bedeutung  des  zweiten  6  in  der  hs.  schwankte.  Und  da  bald  darauf 
(Gl.  4,  89,  21)  gerade  hrotigoum  erscheint,  so  ist  es  doch  nicht  zweifelhaft, 
dass  hrot  hier  als  hrut  zu  lesen  ist.  Daher  muss  man  das  proatun  in  KRa 
doch  wol  einer  confusion  der  original üljersetzung  zuschreiben  und  urteilen, 
dass  eigentlich  2)n(t  als  Übersetzung  von  nurus,  hruta  gemeint  war.    Wir 


42  BRAUNE 

Aus  einer  Erfurter  lis.  des  9.  jli.'s  liat  G.  Loewe  die  glosse 
naclig-e wiesen ')  und  man  wird  urteilen  dürfen,  dass  die  ent- 
steliung  der  lat.  glosse  wenigstens  dem  anfang  des  8.  oder 
dem  7.  Jahrhundert  zuzuschreiben  ist:  wahrscheinlich  rückt  sie 
aber  noch  weiter  zurück.  Wie  ist  nun  aber  die  brücke  zu 
schlagen  von  diesem  hruta  'Schwiegertochter'  der  glossare  zu 
dem  hruüs  der  Soldateninschriften  des  3.  4.  jli.'s  und  dem  mgriech. 
i:]QOvxiq'^  Denn  die  letzteren  belege  beschränken  sich  auf  das 
untere  Donaugebiet  und  die  Balkanhalbinsel,  während  die 
glossen  uns  in  das  hochdeutsche  gebiet  und  hinsichtlich  der 
entstehung  der  lateinischen  grundlage  des  keronischen  glossars 
doch  wol  in  den  gallischen  kreis  führen.  Auf  dieses  alte 
lateinische  glossar  gehen  sicherlich  die  übrigen  späteren 
glossenbelege  von  nurus  hruta  direct  oder  indirect  zurück. 
Wir  würden  dann  im  westlichen  culturkreise  nur  mit  einem 
einzigen  isolierten  Zeugnisse  für  hruta  zu  rechnen  haben.  Der 
lebendigen  mlat.  literatursprache  des  westens  gehört  dieses 
hruta  nicht  an:  es  muss  also  doch  wol  aus  dem  osten  irgend- 
wie durch  die  lateinische  heeressprache  dahin  verschleppt  sein, 
ohne  weitere  nachkommenschaft  zu  hinterlassen.  Die  östliche 
heimat  wird  schon  durch  die  auf  das  gotische  hmpi-  hinweisende 
form  mit  t  zweifellos  bewiesen.  2) 

Es  fragt  sich  nun  nach  der  ursprünglichen  bedeutung  dieses 
östlichen  lehnworts  hrutis,  ßQovTig.    Die  bedeutung  'schwieger- 


hätten  also  in  diesen  ahd.  glossierungen  die  einzigen  belege  der  bedeutung 
'Schwiegertochter'  für  hrnt  aus  dem  lebendigen  und  zusammenhängenden 
westgerm.  Sprachgebiete. 

')  Vgl.  Gundermann  s.  240  und  Goetz,  Corpus  gloss.  lat.  5,  314,  32  (Gloss. 
Amplou.  II  saec.  9). 

*)  Weniger  isoliert  würde  das  westliche  hruta  dastehen,  wenn  es  er- 
laubt wäre,  das  nordfranzösische  hruy,  hrn,  welches  afranz.  und  noch  jetzt 
nfrauz.  in  der  bedeutung  'Schwiegertochter'  vorliegt,  darauf  zurückzuführen. 
Das  ist  zwar  früher  mehrfach  geschehen  (vgl.  z.  b.  J.Grimm,  DWb.  2,  330; 
W.  Deecke,  Die  deutschen  verwantschaftsuamen,  1870,  s.  164),  lässt  sich  aber 
nicht  aufrecht  erhalten,  da  dann  das  afranz.  wort  notwendig  zweisilbig  sein 
müsste.  So  führt  man  denn  franz.  hru  allgemein  auf  directe  entlehnung 
aus  niederfränk.  brüd  zurück  (s.  G.  Körting,  Lat.-roman.  wörterb."'  s.  170). 
Ebenso  hat  ein  anderer  romanischer  dialekt,  der  rätoromanische,  aus  dem 
benachbarten  alemannischen  hrüt  sein  hrit,  breit  etc.  in  der  bedeutung 
'Schwiegertochter'  entlehnt.  Vgl.  dazu  E.  Tai)polet,  Die  roman.  verwant- 
schaftsnamen  (Strassburg  1895)  s.  130  f. 


BBÄUT  IN   DEN   GERM.   SPRACHEN.  43 

tocliter'  liegt  hier  nicht  zweifellos  vor.  Die  belege  des  griecli. 
ßQoi'Tig  bieten  sie  überhaupt  nicht,  bei  ihnen  ist  *  junge  frau, 
verheiratete  frau'  die  vorwiegende  bedeutung.  Für  die  drei 
lat.  Inschriften  hat  allerdings  v.  DomaszeAvski  die  bedeutung 
'Schwiegertochter'  angenommen,  indem  er  von  der  landläuligen 
Übersetzung  des  got.  br{(J)s  ausgieng.  Dass  dieses  argument 
nicht  sicher  ist,  haben  wir  oben  beim  gotischen  gesehen.  Auch 
ist  das  genaue  verwantschaftsverhältnis  der  unter  hmtis  zu 
verstehenden  jungen  frauen  aus  dem  zusammenhange  dieser 
Inschriften  nicht  sicher  zu  erkennen.  Immerhin  ist  die  be- 
deutung 'Schwiegertochter'  als  m()glich,  teilweise  sogar  als 
AAahrscheinlich  anzunehmen  und  das  westliche  hruta,  nnrus 
kann  als  stütze  dienen.  Gundermann  s.  24G  hat  die  frage  auf- 
geworfen, aus  welchem  gründe  die  römische  heeressprache  von 
den  Goten  das  wort  hrutis  aufgenommen  habe,  ohne  darauf 
eine  bestimmte  antwort  zu  wissen.  Keinesfalls  aber  darf  die 
antwort  die  sein,  welche  R.  Loewe  a.a.O.  278  f.  gibt.  Im  10.  jh. 
bei  Suidas  ist  ßQoiTiös^  mit  2LißvX).(a  oder  jrQ0<prJTiÖ8g  erklärt, 
Loewe  meint  deshalb,  die  germanische  frau  in  ihrer  eigen- 
schaft  als  seherin  sei  von  den  Soldaten  als  bmtis  bezeichnet 
worden.  Aber  alle  älteren  belege  des  griech.  ßQorriQ  be- 
deuten einfach  "junge  frau'')  und  auch  die  lat.  Inschriften 
besagen  dasselbe,  oder  das  daraus  abgeleitete  'Schwieger- 
tochter'. Für  Seherin  würden  die  Goten  wol  ein  anderes  wort 
gebraucht  haben,  als  grade  hni]>is,  dessen  bedeutungscentrum 
doch  sicher  'das  weib  in  seiner  geschlechtlichen  function'  ge- 
wesen ist. 

Vielmehr  scheint  mir  die  tatsache  der  beachtung  wert, 
dass  die  bedeutung  'Schwiegertochter'  unabhängig  in  drei 
verschiedenen  lateinisch-romanischen  entlehnungsgebieten  sich 
festgesetzt  hat:  im  nordfranz.,  rätoromanischen  und  im  Unter- 
donaulande, obwol  die  gebenden  germanischen  dialekte  das 
wort  in  dieser  bedeutung  nicht  gebrauchen:  das  niederfränki- 
sche und  das  alemannische  sicher  nicht  2),  und  auch  das  gotische 

')  Aus  welcher  trüben  quelle  Suidas  seine  angäbe  geschöpft  hat,  können 
wir  nicht  wissen:  jedenfalls  liegt  hier  aber  ein  misverständnis  vor,  denn 
im  10.  jh.  war  ß()oviiq  im  griechischen  schon  nicht  mehr  allgemein  ge- 
bräuchlich, wie  Gundermann  s.  244  feststellt. 

'')  Von  den  oben  s.  41,  anm.  1  erwähnten  ahd.  glossierungcn  abgesehen, 


44  BRAUNE 

zum  mindesten  nur  occasionell.  Es  scheint  also  die  aus  'junge 
frau'  sich  jederzeit  ungezwungen  entwickelnde  bedeutung 
'Schwiegertochter'  gewesen  zu  sein,  welche  das  wort  für  diese 
verschiedeneu  romauischen  gebiete  als  wünschenswerten  erwerb 
erscheinen  Hess  und  seine  festsetzung  begünstigte.  Voraus- 
setzung war,  dass  diese  gebiete  das  erb  wort  nurus  nicht  mehr 
kannten  und  einen  ersatz  dafür  brauchen  konnten.  Und  in 
der  tat  ist  dieser  verlust  auf  vielen  romanischen  gebieten  ein- 
getreten, ebenso  wie  im  spätgriech.  wog  verloren  war  (oben  s.38, 
anm.  1),  und  wie  im  deutschen  seit  dem  16.  jh.  das  alte  schnür 
allgemein  untergegangen  ist.')  Dabei  ward  diesen  entlehnungs- 
gebieten  das  germanische  wort  zuerst  in  seiner  eigentlichen 
bedeutung  bekannt  geworden  sein:  dafür  beweist  einmal  ßgorng 
'jungS  frau'  und  als  schlagende  parallele  das  frz.  bru,  w'elches 
nach  Tappolet  s.  131  in  gewissen  nordfranzösischen  dialekten 
noch  'nouvelle  mariee'  bedeutet.  Aber  diese  bedeutung  haftete 
nicht:  es  blieb  nur  die  daraus  abgeleitete  bedeutung 'Schwieger- 
tochter', welche  eine  lücke  ausfüllte. 

Dass  nun  das  ursprüngliche  bedeutungscentrum  von  hriid 
in  der  geschlechtlichen  function  lag,  das  lehren  ganz  besonders 
die  westgerm.  sprachen.  Am  deutlichsten  sprechen  hier  die 
älteren  deutschen  belege  vor  der  nhd.  Verschiebung  des  be- 
griffes.  Das  althochdeutsche  ist  nicht  allzu  ergiebig,  da  hier 
meist  kirchliche  Übersetzungsliteratur  vorliegt,  in  der  brüt  als 
widergabe  des  biblischen  sj^onsa  erscheint  2),  welches,  wde  oben 
gezeigt  ist,  im  wesentlichen  dem  ne.  bride  (braut  am  hochzeits- 
feste und  neuvermählte)  entspricht.  Die  belege  aus  0.  haben 
wir  schon  besprochen.     Im  N.  Marc.  Capeila  tritt  brüt  auf  als 


die  in  ihrer  Vereinzelung  wol  durch  das  lat.  hrnta  herbeigezogen  sind  und 
bestenfalls  die  principielle  niüglichkeit  einer  solchen  bedeutungsentwicklung 
auch  für  das  ahd.  dartun.  —  Aus  neuerer  zeit  bringt  W.  Schoof  (Die  deutschen 
verwandtschaftsnamen,  Zs.  f.  hochd.  mundarten  1, 193  It'.)  s.  274  aus  dem  Aar- 
gau die  analoge  Übertragung  die  jung  (junge  frau)  'Schwiegertochter'  bei. 
Und  umgekehrt  s.  271  die  anwendung  von  schnür,  suns  iveib  =  'sponsa, 
nova  nupta'. 

^)  lieber  beschränktes  weiterleben  in  mundarten  vgl.  Schoof  s.  272  f. 

')  Wenn  Graft"  3,  293  aus  einer  Berner  Prudentiushs.  des  ll.jh.'s  neben 
nupta  (Gl.  2,  527,  56)  auch  priit  als  Übersetzung  des  lat.  pacta  verzeichnet 
(pactam  Gl.  2,  527,  49  =  Prud.  contr.  Symm.  1,  258,  pactae  Gl.  2,  528, 17  = 
Prud.  c.  S.  1,  471),  so  ergibt  sich,  dass  hier  von  Prud.  pacta  poetisch  für  'die 


BBAÜT  IN  DEN  GERM.   SPRACHEN.  45 

jiingverraählte  ed.  Piper  1,  690,  7  {des  cömcnes  ihide  dero  hriite), 
sowie  als  noch  jungfräuliche  braut  am  hochzeitsfeste  828, 12, 
842,  2G,  wo  im  latein.  virgo  steht.  Diese  ausdehnung  des  be- 
griffs  hrüt  von  der  neuvermählten  auf  den  letzten  tag  ihres 
jungfräulichen  Standes  am  hochzeitsfeste  ist  eine  charakte- 
ristische erscheinung,  welche  den  ausgangspunkt  für  die  nhd. 
umdeutung  gebildet  hat,  aber  keinesfalls  dazu  führen  darf,  für 
das  germ.  wort  vom  grundbegriff  'Jungfrau,  integra'  (vgl.  Wiede- 
mann  s.  206.  208)  auszugehen.  Dass  vielmehr  die  geschlechts- 
function  das  wesentliche  ist  und  dass  der  hochzeitstag  nur 
durch  eine  art  vorausnähme  schon  zum  zustand  des  neuver- 
mähltseins  hinzugezogen  wird,  dafür  geben  aussergernumisclie 
sprachen  reichlich  belege.  Am  schlagendsten  ist  hier  die  ver- 
gleichung  des  neufranz.  Sprachgebrauchs.  Sachs -Yillatte,  En- 
cycl.  wb.  2,  307  gibt  für  nhd.  braut  folgende  nfrz.  entsprechungen 
an:  =  'verlobte':  fiancce,  futurc;  ^^  'braut  am  hochzeitstage': 
t'pousce,  (nouveUe)  marire;  und  für  nhd.  'bräutigam':  fiancc, 
fntnr  epoux]  aber  am  hochzeitstage:  marie.  Also  nhd.  'braut' 
und  'bräutigam'  werden  am  hochzeitstage  nfranz.  durchaus 
schon  mit  dem  worte  bezeichnet,  welches  den  stand  der  ehe- 
lichen Verbindung  bezeichnet,  grade  wie  bei  hrüt  und  hrätiyomo 
im  ahd.  Und  das  griech.  rrficpr/  wie  das  litauische  mnrtl 
(Wiedemann  s.  208)  haben  denselben  bedeutuugsumfang.  Wenn 
aber  Wiedemann  nun  sagt:  'wir  dürfen  annehmen,  dass  sowol 
das  litauische  als  auch  das  germanische  wort  ursprünglich 
»mannbares  w^eib«  ohne  rücksicht  auf  unberührtheit  bedeutet 
hat;  erst  mit  der  geburt  des  ersten  kindes  beginnt  ein  neuer 
abschnitt  im  leben  des  weibes',  —  so  widerspricht  dieser  Um- 
grenzung doch  der  westgermanische  Sprachgebrauch.  Dass  die 
geburt  des  ersten  kindes  nicht  endpunkt  des  begriffes  hrüt 
war,  zeigt  schon  das  ahd.  Hildebrandslied,  in  dem  Hildebrant 
die  2J>"«^  und  das  harn  univahsan  verlassen  hat.  Und  dass 
nicht  nur  mannbarkeit,  sondern  die  mit  dem  hochzeitstage 
beginnende  geschlechtliche  activität  das  kennzeichen  der  hrüt 


vermählte'  (im  uhd.  sinne)  gebraucht  ist,  die  Übersetzung  mit  ahd.  pral 
also  nichts  für  die  uhd.  bedeutung  beweist.  Auch  Vergil  Aen.  10,  79  braucht 
dieses  wort,  welches  in  lateinischer  prosa  allerdings  'verlobte'  hiess,  schon 
übertragen  —  ahd.  hrid.  In  Gl.  2,  715,  50  (cod.  Paris.)  ist  dieses  Vergilische 
pactas  mit  yemülda  gegeben. 


46  BRAUNE 

war,  lehren  uns  ganz  besonders  die  belege  aus  der  reichen 
mhd.  literatur,  wofür  die  mhd.  Wörterbücher  s.  v.  genügendes 
raaterial  beibringen.  Sehr  lehrreich  ist  die  von  Müller  aus- 
geschriebene stelle  aus  Heinrich  v.  Freiberg,  Tristan  8G7:  oiich 
yienc  Isöt,  Tristantes  trüt,  die  mit  dem  namen  was  ein  hrüt 
und  noch  der  iverhe  tvas  ein  maget  etc.,  wo  der  gegensatz 
zwischen  hrüt  und  maget  scharf  pointiert  erscheint.  Ebenso 
MSH  3, 418  a  ivürde  us  der  meide  niht  ein  hrüt  und  dazu  parallel 
in  derselben  Strophe  gleichbedeutend  ivürde  Ü2  der  meide  niht 
ein  wip.  Und  die  stelle  in  Hartmanns  Gregorius  385  ff.  si  ge- 
duhte:  smge  ich  stille,  so  ergät  des  tiuvels  wille  und  tvirde 
mtncs  hruoder  hrüt,  zeigt  deutlich,  dass  die  geschlechtliche 
Vereinigung  nach  mhd.  Sprachgefühl  das  wesentliche  moment 
des  begriffes  hrüt  bildete. 

Hierfür  zeugt  auch  das  abgeleitete  verbum  mhd.  hriuten, 
dessen  griindbedeutung  ist  'concumbere  cum  aliqua',  'ein  weib 
durch  das  beiliegen  zur  hriit  machen',  'futuere,  stuprare'.  Das 
wort  hat  eine  besonders  reiche  entwicklung  auf  niederländischem 
und  niederdeutschem  gebiete  genommen,  vgl.  für  das  mndl.  Yer- 
wijs-Verdam,  Wb.l,  1463:  hruden  'eene  vrouw  beslapen,  gemeen- 
schap  met  haar  oefenen'.  Ebenso  mnd.  hrüden  Schiller-Lübben 
1,434;  6,88.  AVährend  das  verb  im  nhd.  verloren  ist  (Grimms 
belege  im  DWb.  2,  333  miter  hrauten,  hräuten  reichen  knapp  bis 
ins  16.  Jh.),  so  finden  wir  nd.  noch  in  Laurembergs  Scherzgedicht 
4,686  hrüd  dine  mönie  'stupra  matrem  tuam'.  Ich  habe  in 
meinem  glossar  zu  Lauremberg  (Neudrucke  des  16.  17.  jh.'s, 
Halle  1879)  s.  89  dargelegt,  wie  aus  dieser  grundbedeutung 
sich  das  neund.  hrüden,  hrüen  zu  der  bedeutung  'vexare',  jem. 
belästigen,  plagen,  necken,  entwickelt  hat,  in  welcher  allein 
es  in  den  neund.  maa.  noch  heute  lebendig  ist,  während  oberd. 
sich  das  von  Hildebrand,  DWb.  4, 1,  2340  ausführlich  behandelte 
gcheien  in  ähnlicher  weise  gewandelt  hat.  Genau  wie  im 
niederdeutschen  hat  sich  im  neuniederländischen  das  verbum 
hruien  (älter  hruiden)  gestaltet.  Hierüber  haben  wir  im  Woorden- 
boek  der  Nederl.  taal  bd.3,1  (von  Muller  und  Kluijver)  s.  161911 
ausführliche  nach  Weisungen.  Das  nndl.  hruien  {hruiden)  bedeutet 
1)  'eine  frau  beschlafen'.  Dies  wird  aber  im  17.  jh.  schon  als 
vulgär  empfunden  und  verschwindet  dann.  2)  'vexare',  im  17. 
18.  Jahrhundert  sehr  gewöhnlich,   jetzt  aber  im  veralten.   — 


BBÄUT  IN  DEN   GERM.   SPRACHEN.  47 

Das  mild,  hrkdcn,  mnd.  mndl.  hnulen  sclieint  dem  südwestgferma- 
uiscLeu  eig-entümlicli  zu  sein:  weder  altn.  '''bnjJa  noch  ags. 
*bry(lan  finden  sich.  Und  auch  hier  ist  der  älteste  beleg  erst 
aus  N.'s  psalmen  (Graff  3,  294).  Es  konnte  also  dieses  verbum 
eine  jüngere  neubildung-  des  continental- deutschen  spracli- 
g-ebiets  sein,  -welches  mit  seiner  besonders  in  Xiederdeutschland 
mehr  nach  der  obscönen  seite  gerichteten  bedeutungsentwick- 
lung  für  uns  hier  dann  nur  insoweit  in  betracht  kommt,  als 
auch  dadurch  für  das  zu  gründe  liegende  ahd.  alts.  hn'it,  hnul  als 
centrale  bedeutung  gesichert  wird  'quae  concumbit  cuin  aliquo'. 
Wenn  also  im  altdeutschen  hrüt  die  bettgenossin  eines 
mannes  ist,  eine  bedeutung,  aus  der  auch  die  oben  s.  G  If.  von 
uns  festgestellte  weitere  anwendungsweise  der  alts.  und  ags. 
dichtung  sehr  wol  zu  verstehen  ist,  so  ist  doch  nach  zwei  selten 
hin  noch  die  grundbedeutung  näher  zu  definieren.  Einmal  ist 
hervorzuheben,  dass  in  allen  lebenden  neugermanischen  Schrift- 
sprachen das  woi-t  hrud,  hrant  sich  heute  nur  auf  das  legitime 
Verhältnis  bezieht,  nhd.  hyaiit  ist  die  verlobte,  nndl.  hnjiil,  neu- 
skand.  hnaJ  die  braut  unmittelbar  vor  der  hochzeit,  ne.  hrtde 
die  jungvermählte  mit  einschluss  des  hochzeitstages.  Aber 
diese  beschränkung  liegt  nicht  in  den  älteren  sprachen  vor. 
Quae  cum  aliquo  concumbit,  wird  nach  den  im  princip  mono- 
gamischen Verhältnissen  des  deutschen  altertums  in  den  meisten 
fällen  das  legitime  weib  sein.  Jedoch  kann  auch  jedes  illegi- 
time Verhältnis,  ja  jedes  weib,  zu  dem  ein  mann  in  gelegent- 
liche geschlechtliche  beziehungen  tritt,  mit  dem  worte  be- 
zeichnet werden.  Wenn  z.  b.  mndl.  (aus  der  Minnen  Loep  bei 
Yerwijs-Verdam,  Wb.  1,1469)  von  der  biblischen  Susanna  gesagt 
wird:  Susanna  soiide  tverden  hoirre  heyder  hnmt  ende  soude 
doen  al  hoer  (jheniiegen,  so  bezieht  sich  dieses,  ebenso  Avie  die 
vorhin  citierte  stelle  Hartm.  Gregor.  385  auf  den  einmaligen 
fall,  während  Kudr.  1029,  4  Hartmuots  worte  wer  Menge  mich 
darumhe,  oh  ich  iuch  mir  geicünnc  ze  einer  hriuie?,  wie  auch 
Kudruns  antwort  1030,  4  bestätigt,  sich  auf  das  Verhältnis  der 
Icebese  beziehen.  Aber  es  ist  durchaus  falsch,  wenn  Wörter- 
bücher die  bedeutungen  danach  gliedern.  So  definiert  das 
Mndl.  wb.  1, 1469  hruut  \)  De  verloofde  zooivel  als  de  jong- 
gehmvde  vromv^),  2)  hijslapster\  ähnlich  trennt  Lexer  die  beiden 


*)  De  verloofde  ist  falsch  und  uur  durch  die  daselbst  citierten  deutschen 


48  BRAUNE 

bedeutungen.  Denn  hrüt  ist  hinsichtlich  des  rechtlichen 
Verhältnisses  ganz  indifferent,  es  ist  an  sich  weder  nihd.  vriedel, 
noch  Jcehese,  noch  elich  tvtp  (eJcone),  sondern  alles  g'leichniässig 
in  einem,  es  bezieht  sich  rein  auf  das  sexuelle,  physiologische 
Verhältnis  zum  manne,  es  ist  das  weib,  welches  dem  manne 
beiliegt  oder  eben  im  begriff  ist  ihm  beizuliegen.  Insofern 
ist  am  rationellsten  Müllers  bedeutungsentwicklung  im  Mhd.  wb. 
1,273:  '1)  im  allgemeinen  bezeichnet  dieses  wort  eine  Weibs- 
person, die  einem  manne  unlängst  beigelegen  hat,  oder  näch- 
stens beiliegen  soll;  2)  daher  heisst  hriU  a)  die  rechtmässige 
gemalilin  kurz  vor  oder  bald  nach  der  Vermählung,  b)  die  bei- 
schläferin,  das  kebsweib'. 

Zweitens  haben  wir  nun  noch  nach  der  zeitlichen  be- 
grenzung  des  seinem  sachlichen  gehalte  nach  festgestellten 
begrift'es  von  germ.  hrüd  zu  fragen.  Insbesondere  wird  die 
frage  jetzt  zu  beantworten  sein,  von  der  wir  ausgegangen  sind, 
wie  sich  die  anwendung  des  alts.  ags.  hrüd,  hryd  auf  ehefrauen 
im  hohen  lebensalter,  also  die  bezeichnung  der  hundertjährigen 
Sara  als  Ahralmmes  hryd  zur  grundbedeutung  stellt.  Und  da 
wird  denn  doch  wol  die  antwort  die  sein  müssen,  dass  wir 
hierin  eine  erweiterung  des  gebrauchs  seitens  der  altwestgerm. 
alliterationspoesie  zu  sehen  haben.  Denn  die  Übereinstimmung 
der  germ.  sprachen  weist  auf  die  zeitliche  begrenzung  von 
hriid  auf  das  weib  jugendlichen  alters  hin.  Im  bereiche  des 
hochdeutschen  Sprachgebiets  ist  mir  kein  fall  bekannt,  wo 
hrüt  zeitlich  darüber  hinausreichte,  auch  die  nindl.  belege 
stimmen  dazu.  Auch  aus  dem  kreise  des  got.  hrnlis  mit  seinem 
mlat.  und  mgriech.  ableger  haben  wir  ebenfalls  nur  die  be- 
ziehung  auf  ein  junges  weib  kennen  gelernt.  Und  auf  dem 
englischen  Sprachgebiete  selbst  zeigt  das  ue.  hride,  abgesehen 
davon  dass  es  auf  das  legitime  Verhältnis  eingeengt  ist,  über- 
einstimmend mit  den  übrigen  germ.  sprachen  die  beschränkung 
auf  das  junge  weib.  Aus  dem  ags.  sind  mir  wenigstens  in 
der  prosa  keine  sicheren  beispiele  für  zeitlich  unbeschränkte 
geltung  von  hryd  aufgestossen.  Aus  der  me.  zeit  zeigen  die 
ziemlich  zahlreichen  belege  von  hrud,  hruid,  hrid,  hnrd  u. s.w. 
bei  Mätzuer,  Sprachpr.  2, 1,  350  f.  neben  der  ne.  bedeutung  noch 


Wörterbücher  verursacht.   Wie  die  heleg-e  ausweisen,  ist  die  bedeutung  genau 
dieselbe  wie  im  mhd. 


BBäUT  in   den   GERM.   SPRACHEN.  49 

eine  andere  ei'Aveiterung  des  gebrauclis  in  der  poetischen 
spräche.  Es  A\ird  das  wort  da  nämlich  absolut  gebraucht  für 
*  junges  weib,  mädchen,  Jungfrau',  ohne  rücksicht  auf  das 
A'erhältnis  zu  einem  manne,  z.  b.  J)enna  com  he  of  kis  doset, 
ivith  mony  der  hurdez  (Gawayn)  oder  von  Maria:  Ancs  mai- 
denes  sune  ihoren  ives  in  Bcdlecm  of  leiste  alre  hurden  (Laya- 
mon).  Dass  hier  nur  poetische  Übertragung  vorliegt,  ist  klar. 
Für  die  an  Wendung  der  ags.  poesie  auf  ältere  frauen  habe  ich 
aber  keine  nie.  beispiele  gefunden. 

Auf  sächsischem  gebiete  gibt  uns  dagegen  das  wb.  von 
Schiller -Lübben  unter  brut  und  hrudegam  (1,438.434)  be- 
merkenswerte belege  des  erweiterten  gebrauclis.  Z.  b.  in  einem 
Oldenburger  manuscript  (beschreibung  der  messe)  wird  vom 
priester  gesagt:  darna  hiddet  he  vor  den  paves  unde  vor  den 
Jceiscr,  der  na  nomet  he  sine  hriä.  Also  hier  wird  die  kaiseriu 
ohne  beziehuug  auf  das  lebensalter  in  einem  prosadeukmale 
des  Iceisers  hrüt  genannt.  'In  der  mnd.  Melusina  heisst  diese 
noch  hrüt,  nachdem  sie  Eeymund  zehn  söhne  geboren,  dieser 
ihr  hrudegam.'  Es  scheint  also  auf  sächsischem  gebiete  der  in 
der  alts.  poesie  uns  entgegentretende  gebrauch  tiefer  und  fester 
in  die  lebende  spräche  eingedrungen  zu  sein. 

Weit  enger  ist  die  anwendungsweise  des  Wortes  in  der 
altn.  prosaliteratur.  Daselbst  gilt  hrüdr  nicht  mehr  von  der 
jungen  frau,  sondern  nur  von  der  braut  während  der  hochzeits- 
feierlichkeiten,  zu  denen  aber  auch  schon  die  reise  zum  hause 
des  bräutigams,  wo  die  hochzeit  gehalten  wurde,  gehört:  die 
hrüdferö  oder  hrüdför,  s.  Cleasby-Yigfusson  s.  83.  84.  Mit  dem 
antritt  dieser  fahrt  wurde  die  bisherige  festarmey  zur  hniör, 
welcher  name  ihr  also  ev.  eine  reihe  von  tagen  zukam.  Die 
neunordischen  sprachen,  schwedisch,  dänisch,  nisl.  beschränken 
dagegen  den  iianien  hrud  auf  den  einzigen  tag  der  hochzeit; 
vgl.  z.  b.  Helms,  Wb.  d.  dänischen  spr.  1,  61  s.  v.  Brud  'braut, 
an  dem  tage  ilirer  hochzeit';  im  sinne  des  deutschen  'braut' 
als  verlobte  kommt  dän.  hrud  'nur  selten,  und  dann  poetisch' 
vor.  Hier  haben  wir  also  eine  vielleicht  unter  deutschem 
einfluss  stehende  poetische  erweiterung  des  begriffs  vor  uns. 

A\'ie  ist  nun  diese  von  den  übrigen  altgerm.  spraclien  ab- 
weichende anwendung  von  altn.  hrüdr,  dän.  scliwed.  tmid  auf- 
zufassen, indem  die  'junge  frau'  hier  vom  bedeutungsumfange 

Beitiäge  zur  Keschicl.le  der  ileutsclion  spräche.    XXXII.  ± 


50  BRAUNE 

ganz  ausg-esclilossen  ist?  ^yeY  vom  nhil.  Sprachgefühl  und  der 
etymologischen  Verlobungstheorie  ausgeht,  könnte  meinen,  dass 
das  skandinavische  brud  etwas  ursprünglicheres  darin  zeig^, 
dass  es  nur  den  endtermin  der  brautzeit  im  nhd.  sinne  bei- 
behalten habe.  Dass  es  sich  aber  umgekehrt  verhält,  dass 
vielmehr  das  nord.  brud,  welches  nur  noch  den  anfangstermin 
der  altgermanischen  brautzeit,  die  hochzeitsfeier,  festhält,  das 
hauptgebiet  seines  alten  bedeutungsumfangs  eingebüsst  hat, 
ist  ganz  unzweifelhaft.  Merkwürdig  ist  nur,  dass  schon  die 
altisl.  prosadenkmäler  diese  Verengung  zeigen.  Aber  einen 
ganz  ähnlichen  Vorgang,  der  im  geschichtlichen  verlauf  zu 
beobachten  ist,  zeigt  die  Verschiebung  des  begriffs  im  neu- 
niederländischen, womit  zugleich  ein  Zwischenglied  zum  noch 
weitergehenden  wandel  des  nhd.  gegeben  wird. 

Im  neuniederl.  bedeutet  nach  der  eingehenden  behandlung 
im  Neuniederl.  wb.  3,  1  (v.  Muller  en  Kluyver,  1902),  s.  1G20  ff. 
ndl.  bniid  nach  der  jetzt  geltenden  auffassung:  'ondertrouwde 
vrouw'  d.h.  durch  offizielle  anmeldung  bei  der  behörde  öffent- 
lich verlobte  frau.  'Strikt  genomen  derhalve  alleen  toepasselijk 
zoolang  het  paar  onder  de  geboden  Staat  (so  lange  das  öffent- 
liche aufgebot  währt),  van  de  aanteekening  tot  aan  de  huwelijks- 
voltrekking;  gemeenlijk  echter  ook  nog  gedurende  den  trouw- 
dag,  doch  dernaa  niet  meer,  aan  de  jonggehuwde  gegeven.'  Hier 
ist  also  die  bedeutungsverschiebung  nach  vorn  nur  auf  eine 
ganz  bestimmte  kurze  zeit  vor  dem  hochzeitstage  vollzogen 
(vgl.  die  zeit  der  altisl.  brüdför).  Aber  lange  nicht  so  weit 
wie  im  nhd.  Denn  die  nhd.  braut  lieisst  im  niederl.  verloofde, 
bis  das  aufgebot  angemeldet  ist,  dann  erst  wird  sie  bruid. 
Nur  bei  neuniederl.  dichtem  findet  sich  freierer  gebrauch.  Das 
Wb.  fährt  fort:  'Bij  dichters  ook  wel  eens,  evenals  in  het  nhd., 
in  ruimere  opvatting:  verloofde'. ')  Wichtig  ist,  dass  im  niederl. 
heute  bruid  nur  noch  bis  zum  hochzeitstage  incl.  reicht,  wie 
im  nhd.  und  altisl.,  während  die  ältere  spräche  grade  umgekehrt 
erst  vom  hochzeitstage  an  rechnet.  Dieser  ältere  gebrauch 
hat  im  niederl.  bis  ins  17.  jh.  gedauert.  Im  Woordenboek 
heisst  es  2)  'Naer  de  oudere  ruimere  opvatting  ook  in  toepas- 
sing  op   (jong)  gehuwde   vrouwen.     Thans  geheel  verouderd.' 


1)  Vgl.  die  oben  erwähnte  gleiche  Übertragung  bei  neudäuischen  dich- 
teru,  und  Gladstones  uiisbrauch  des  ue.  hride  oben  s.  30,  anm. 


BBAUT  IN   DEN   GEKM.   SPRACHEN.  51 

Die  belege  des  A\'b.  für  diesen  jetzt  veralteten  gebrauch  sind 
aus  Youdel,  Hooft  und  Bredero. ') 

Im  altn.  ist  also  diese  Verschiebung,  welche  das  haupt- 
gebiet der  altgerm.  bedeutung,  die  zeit  der  'jungen  frau'  ab- 
trennte und  nur  die  hochzeit  selbst  für  hrnär  übrig  Hess, 
■früher  als  in  anderen  germ.  sprachen  eingetreten:  im  12.  13.  Jh., 
zur  zeit  der  sagaschreibung,  sehen  wir  die  neue  geltung  schon 
durchgeführt.  Demgegenüber  beweisen  aber  die  hier  wie  sonst 
älteres  sprachgut  bewahrenden  altn.  poetischen  quellen, 
dass  darin  eine  Verengerung  des  alten  begriffs  liegt.  Das 
material  liegt  bei  Sveinbjörn  Egilsson  85  und  für  die  Edda 
vollständig  vor  in  Gerings  wfirterbuch  s.  133  f.  (Die  lieder  der 
Edda  hg.  v.  B.  Symoiis  und  H.  Gering,  bd.  2,  Halle  1903).  Hier 
zeigt  sich  die  altgermanische  bedeutung  noch  im  weitesten 
umfange.  Wenn  Gering  als  hauptbedeutung  an  die  spitze  stellt 
'verlebtes  oder  jungvermähltes  weib',  so  treffen  beide  defini- 
tionen  die  saclie  nicht  ganz  genau.  Das  'verlebtes'  ist  dem 
nhd.  gebrauch  zu  verdanken,  welcher,  wie  schon  hervorgehoben, 
so  oft  die  lexicugraphen  und  etymologen  irre  geführt  hat-); 
'jungvermählt'  aber  ist  zu  eng,  denn  in  der  altn.  poesie  ist 
IniÖr  noch  durchaus  nicht  auf  das  legitime  Verhältnis  be- 
schränkt, sondern  bezieht  sich  wie  im  mhd.  mndl.  gleicherweise 
auch  auf  die  aussereheliche  geschlechtsgemeinschaft,  weshalb 
Sv.  Egilsson  richtig  neben  'sponsa,  nj^mpha,  nova  nupta,  uxor' 
auch  'puella,  amica,  amasia'  umschreibt.  So  übersetzt  Gering 
selbst  Vkv.  35  die  stelle:  at  Jju  Jcvdjat  Icvön  Velunäm',  nehrüpe 
minne  at  hana  ver])er  in  seiner  Eddaübersetzung  s.  147  sehr 
richtig  mit  'dass  du  Wölunds  gattin  nicht  weh  bereitest  und 
meiner  geliebten  das  leben  nicht  raubst'.  Wenn  B^Jwildr  hier 
Yölunds  hnipr  heisst,  so  ist  diese  eigenschaft  durch  einen  not- 
zuchtsakt  begründet.  Vorher  aber  Ykv.  19  hatte  Völund  mit 
den  Worten  mi  herr  BQpvüdr  hrupar  minnar  hauya  raupet  seine 
gattin  Hervor  hrtipr  genannt,  welche  er  acht  jähre  besessen 
hatte.  Und  in  HH.  I,  44  pit  hrüpr  Granu  . . .  rast  'du  hast 
(als  Stute)  mit  dem  hengst  Grani  unzucht  getrieben'  ist  hrupr 

1)  Ganz  die  gleiche  bedeutungsumgrenzuiig  gibt  das  Woordeub.  für 
nndl.  hruidegom  (3, 1, 1G32). 

*)  Denu  selbst  in  stellen  wie  Alv.  1  li".  und  H.  Hv.  32.  4t  ist  hriipr  in 
allgemeinerem  sinne  zu  verstehen:  die  zur  hrü[jr  bestimmte,  die  geliebte. 

^* 


52  BRAUNE 

sogar  auf  tierische  Verhältnisse  ang-e^vant.  Andrerseits  ist 
auch  hervorzuheben,  dass  in  der  Edda  hn'iln-  als  gattiu 
schlechtliin,  ohne  heziehung  auf  jugendliches  alter,  augewant 
wird:  yg\.  jarla  hrüjjcr  'die  weiber  der  jarle'  Gp>r.  I,  3;  JQtna 
hriiper,  herserhja  hrüper  'weiber  von  riesen,  von  berserkern' 
Hrbl.  66.  99;  fyJkes  hrnpcr  'die  weiber  des  königs'  H,  Hv.  3.  Und 
so  citiert  denn  Sveinb.  Egils.  s.  123  eiginhrüdr  uxor  {sina  eigin- 
hrüöi  aus  der  Placidus  dräpa)  als  synonymum  des  prosaischen 
eiginkona.  Daneben  aber  wird  auch  in  der  altn.  poesie  meto- 
nymisch hrüdr  für  'weib'  im  allgemeinen  gebraucht,  ohne  be- 
ziehung  auf  das  Verhältnis  zu  einem  manne.  Hierin  haben 
W'ir,  wie  oben  im  mittelenglischen,  eine  poetische  Übertragung 
zu  sehen.  Die  beispiele  aus  der  Edda  stellt  Gering  zusammen. 
So  Grip.  16  von  Brynhild  hüpr  mcela  teh;  es  va]iJcaJ)e  vif  or 
svefne.  Hier  ist  hrüpr  synonym  mit  vif  gebraucht.  Oder  Vsp. 
22,  4  ce  vas  angan  illrar  hrnjmr  '(die  Zauberei)  war  stets  das 
vergnügen  bösen  weibes'. 

Wir  dürfen  also  auch  den  skandinavischen  sprachzweig 
auf  grund  des  ältesten  poetischen  gebrauchs  für  die  allgemein 
germanische  bedeutung  des  wortes  hrüd  in  anspruch  nehmen, 
die  ich  als  'mulier  quae  cum  viro  concumbit'  definiere.  Die 
geschlechtlich  active  frau  wird  der  Sachlage  nach  im  wesent- 
lichen die  frau  des  blühenden  alters  sein,  so  dass  also  das 
'junge  mit  dem  mann  verkehrende  weib'  den  bevorzugten 
bedeutungsumfang  darstellt.  Aber  auch  alle  anderen  ge- 
brauchsweisen  leiten  sich  daraus  unschwer  ab.  Besonders 
stark  entwickelt  ist  infolge  der  monogamischen  richtung  des 
geschlechtsverkehrs  die  einengung  auf  das  legitime  Verhältnis, 
so  dass  also  die  'jung  vermählte  frau'  eine  sehr  häufige  be- 
deutung ist.  Von  da  aus  kann  die  in  der  alts.  und  ags.  poesie 
besonders  deutlich  hervortretende  anwendung  auf  die  ehefrau 
ohne  rücksicht  auf  das  lebensalter  sich  ableiten,  andrerseits 
unter  stärkerer  betonung  des  jugendlichen  alters  die  beschrän- 
kung  auf  die  erste  zeit  der  jungen  ehe,  wie  sie  noch  heute 
das  ne.  hride  bewahrt  hat.  Da  aber  der  hochzeitstag  und  das 
hochzeitsfest  wie  bei  andern  Völkern  (griech.  in-fic/)],  franz. 
nouvelle  mariee)  schon  als  erster  tag  der  jungen  gemeinschaft 
in  den  w^  ortbegriff  einbezogen  wurde,  so  konnte  dieser  tag  und 
dieses  so  wichtige  fest  als  bedeutsamste  seite  des  wortumfangs 


BRAUT  IN   DEN   GERM,   SPRACHEN.  53 

specialisiert  werden,  unter  abstossung  der  auwendung  auf  die 
zeit  der  jungen  ehe.  So  in  den  skandinavischen  sprachen  seit 
der  sagazeit.  So  auch  im  neuniederländischen  nacli  dem 
17.  Jh.,  indem  dabei  der  brautname  auch  noch  auf  die  zeit  des 
öffentliclien  aufgebots  erstreckt  wurde.  So  endlich  mit  der 
vollkommensten  Verschiebung  im  nhd.,  welches  allein  die  be- 
zeichnung  'braut'  und  'bräutigam'  auf  die  ganze  zeit  des  ver- 
lobtseins  ausgedehnt  hat,  wobei  jedoch  lange  das  Sprachgefühl 
dafür  wach  blieb,  dass  das  hochzeitsfest  den  ausgangspunkt 
für  diese  namen  bilde.  Noch  Adelung  in  seinem  wörterbuche 
(2,  aufl.)  1,1168.  1170  definiert  braut:  'eine  verlobte  person 
weiblichen  geschlechts,  und  in  engerer  bedeutung,  eine  solche 
person  am  tage  der  hochzeit',  hräiäigam:  'eine  verlobte  person 
männlichen  geschlechts,  besonders  am  tage  der  hochzeit'. 

Es  wäre  nun  von  interesse  festzustellen,  wann  und  wo 
die  nhd,  bedeutungsverschiebung  eingetreten  ist,  dass  also 
hrant  nicht  nur  auf  das  hochzeitsfest  bezogen,  sondern  auch 
unabhängig  davon  auf  die  verlobte  angewant  wurde.  Durch 
diese  Verschiebung  ist  es  jetzt  so  weit  gekommen,  dass  in  der 
heutigen  hochsprache  das  bedeutungscentrum  des  nhd,  hraut 
gradezu  im  begriffe  der  Jungfräulichkeit,  der  unberührtheit  der 
verlobten  liegt,  so  dass  das  wort  einen  hohen  und  edlen  klang 
hat,  ganz  abweichend  von  dem  von  uns  festgestellten  alt- 
germanischen bedeutungscentrum.  Als  Vermittlung  zu  diesem 
heutigen  gebrauch  hin  wird  man  erwarten  können  anwendungs- 
weisen, die  gewissermassen  proleptisch  Iraut  auch  schon  auf 
frühere  zeitstufen  beziehen,  aber  dabei  doch  immer  in  hinsieht 
auf  die  nachfolgende  hochzeit  gemeint  sind.  Eine  solche  voraus- 
nähme ist  es,  wenn  der  Engländer  seine  verlobte  intendcd  brich 
u,s.  w.  nennt  (oben  s.  30,  anm.),  oder  die  vereinzelte  poetische 
anwendung  des  wortes  auf  die  verlobte  bei  neuniederländischen 
und  dänischen  dichtem.  Das  alles  ruht  noch  auf  dem  alten 
bedeutungscentrum. 

Aber  für  die  feststellung  dieses  Übergangs  lassen  unsere 
neueren  Wörterbücher  uns  sehr  im  stich,  da  die  Verfasser  meist 
gar  nicht  bemerkt  haben,  worauf  es  ankommt,  indem  sie  die 
nhd.  bedeutung,  durch  das  ahd.  brtU  =  sjwnsa  verleitet,  auch 
schon  dem  altdeutschen  zuschreiben.  Die  belege  in  Jacob 
Grimms   artikeln   braut  und  bräutigam   im  DAYb.  2,  330  ff.   be- 


54  BRAUNE 

zielien  sich  sämmtlicli  auf  die  liochzeit,  auch  die  aus  Luthers 
bibelsprache:  kein  einziger  bezeugt  ein  wandsfrei  die  dem  nhd. 
eigene  neue  bedeutung.  Auch  die  grosse  fülle  der  coniposita 
beweist  lediglich  für  den  altern  Sprachgebrauch.  Nur  hraiit- 
stand  (s.  338)  wäre  für  uns  wertvoll:  aber  der  älteste  beleg 
Grimms  ist  aus  Wagners  Kindesmörderin.  Wer  also  behaupten 
wollte,  erst  seit  der  classischen  periode  unserer  dichtung  habe 
hraut  die  neue  bedeutung  'verlobte'  entwickelt,  der  könnte 
durch  Grimms  DWb.  nicht  widerlegt  werden.  Aber  das  wäre 
doch  nicht  richtig.  Bei  durchsieht  der  literatur  ergibt  sich 
bald,  dass  dieser  gebrauch  älter  ist.  Geliert  übt  ihn'),  und 
Meta  in  ihrer  correspondenz  mit  Klopstock  unterschreibt  sich 
am  24.  nov.  1752  'deine  braut'  und  nennt  Klopstock  (an  Giseke 
27.  nov.  1753)  ihren  'liebenden  bräutigam'. 2)  Hier  liegt  schon 
ganz  das  heutige  bedeutungscentram  zu  gründe. 

Auch  Steinbach,  Vollst,  deutsches  wb.  (1734)  1, 189  f.  über- 
setzt braut  mit  sponsa.  desponsa,  desponsaia,  also  'verlobte' 
und  in  das  17.  jh.  führt  uns  sein  citat  aus  Hofmanswaldau: 
Da  ich  das  erste  mala  das  fremde  ivort  vernommen,  Wo 
seufftzer  worte  sind,  Älgerth  ist  meine  hraut,  während  sein 
zweites  dichtercitat  aus  Günther:  Wer  icollte  hey  der  hraut 
voll  finsterer  grillen  sitzen  mit  der  Übersetzung:  'Quis  vero 
rugosam  frontem  ad  nuptias  adferret'  auch  aus  der  alten  be- 
deutung zu  erklären  wäre.  —  Bei  Stieler,  Teutscher  Sprach- 
schatz (1691)  s.  224  wird  hraut  übersetzt:  sponsa,  desponsaia, 
nova  nupta  und  die  belege:  ^Einern  eine  hraut  verspreclicn 
despondere  filiam  alicui;  Sich  eine  hraut  nehmen  despondere 
sibi  alicujus  filiam'  zeigen  ebenfalls  die  neue  bedeutung.  Und 
A.  Grji^hius  nennt  in  der  Widmung  vom  Verliebten  gespenst 
und  dornrose  das  'fürstl.  fräulein  hrauV. 

Dagegen  führt  uns  Josua  Maaler,  der  in  seinem  Dict. 
germ.  1561  s.  77  hraut  mit  Nupta,  Sponsa,  Nympha,  Marita, 
Nova  nupta  übersetzt,  einen  Sprachgebrauch  vor,  der  durchaus 
noch  im  alten  bedeutungscentrum  w^urzelt.  Es  ist  deshalb 
bemerkenswert,  dass  schon  vorher  in  Luthers  Schriften  die 
anwendung  von  hraut  auf  die  verlobte  deutlich  vorhanden  ist. 


»)  Z.  b.  Zärtliche  schwesteru  1,4:    'anstatt  dass  ich  glaube,  Julchen 
heute  als  meine  braut  zu  sehen'. 

*)  Briefe  von  und  au  Kl.  ed.  Lappenberg-,  s.  114.  127. 


BRAUT  IN   DEN   GERM.   SPRACHEN.  55 

Die  vorwieg-ende  anwendung  der  worte  braut  und  hrüuügam 
bei  Luther  ist  allerdings  mit  der  lioclizeit  verknüpft.  Aber 
es  sind  genügend  beispiele  nachweisbar,  welche  davon  losgelöst 
nur  die  verlobten  im  nlid.  sinne  bezeichen.  Reichliche  belege 
für  hrant  und  Iva niiiidm  findet  man  im  10.  teil  der  Luther- 
ausgabe von  W'alch  (Halle  1744),  woselbst  s.  693—977  die  auf 
das  sechste  gebot  bezüglichen  Schriften  zusammen  abgedruckt 
sind.')  Indem  ich  die  zahlreichen  beispiele  des  älteren  ge- 
brauchs  ganz  übergehe  (hierher  auch  die  Lutherbelege  unter 
hraüt  in  Grimms  I)^^'b.),  führe  ich  nur  einige  stellen  an,  aus 
denen  die  neue  bedeutung  bei  Luther  klar  hervortritt.  Walch 
10,  718  nenn  mir  meine  braut  stirbt,  ehe  ich  sie  heimhole,  so 
darf  ich  nicht  nehmen  ihre  Schwester  (vgl.  s.  743);  s.  775  die 
verlobte  und  vertraute  braut,  die  noch  der  bräutigam  nicht  er- 
hmnt  (ähnlich  s.  922);  s.  926  der  öffentlichen  verlobten  braut 
(vgl.  924);  s.  933  gleichivie  der  pabst  erlaubt  und  gebeut,  dass 
eine  ehefrau  mag  ihren  mann  ans  dem  kloster  fordern,  also 
sollte  ers  auch  braut  und  bräutigam  erlaubet  und  geboten  haben, 
dass  sie  nicht  von  einander  ins  Jcloster  liefen.  Andere  stellen 
s.  896.  923.  931. 

Aus  der  deutschen  Schriftsprache  v  o  r  Luther  sind  niir  bis 
jetzt  sichere  beispiele  für  braut  =  'verlobte'  nicht  begegnet. 
Ich  habe  daraufhin  die  'Deutschen  privatbriefe  des  Ma.'  hg. 
von  Georg  Steinhausen  (Berlin  1899)  durchgesehen  und  darin 
aus  dem  15.  jh.  das  folgende  material  gefunden.  S.  45  (no.  58 
vom  23.  febr.  1442).  In  einer  hochzeitseinladung  an  seinen 
bruder  spricht  herzog  Wilhelm  von  Sachsen  von  seiner  braut, 
indem  er  sie  zweimal  unser  liebin  vertruweten  gemaheln  nennt, 
wobei  das  vertruiveten  wesentlich  ist  (vgl.  oben  s.  32,  anm.  2),  da 
das  einfache  gemahel  auch  schon  'gemahlin'  bedeuten  konnte, 
wie  es  im  selben  briefe  daneben  gebraucht  wird.  —  S.  320 
(no,  474  vom  21.  aug.  1496).  Herzogin  Sidonie  von  Sachsen 
schreibt  an  ihren  verlobten  söhn  Georg,  dessen  liochzeit  um 
Martini  sein  soll,  also  ein  Vierteljahr  vorher:  got  gehe  dir  und 
deiner  gemahel  gar  vil  gluchs  und  heiles,  wo  also  für  braut 
noch  das  einfache  gemahel  angewendet  wird.    Im  selben  briefe 

*)  Ich  eitlere  der  einfachheit  halber  nur  nach  dieser  ausgäbe,  zumal 
der  grössere  teil  der  betreffeudeu  schrifieu  iu  der  Weimarischeu  ausgäbe 
noch  nicht  erschienen  ist. 


56  BRAUNE 

neckt  sie  scherzend  ihren  söhn,  der  in  der  Zerstreutheit  einen 
brief  verwechselt  hat,  man  könne  auf  ihn  jetzt  das  Sprichwort 
anwenden :  dti  gliest  yn  geäancken  als  eyn  verlohte  mayt.  Also 
'zerstreut  wie  eine  braut'  würden  wir  das  ausdrücken.  Die- 
selbe wendet  dagegen  s.  319  (no.  473)  das  wort  hraut  an  im 
zusammenhange  mit  dem  hochzeitsfeste  (geschenk  an  die  braut 
bei  der  hochzeit).  —  Ebenso  auch  sonst  hraut  nur  bei  der 
hochzeit.  So  s.  295  (no,  434)  zweimal  in  einem  brief e  von  1491. 
Und  s.  198  (no.  288)  hochzeitseinladung  Albrechts  von  Branden- 
burg vom  6.  febr.  1479:  das  das  dich  hcillegen  sein  ivird  uff 
Sonntag  Valentini^)  . . .  unnd  ivirt  die  prent  auff  samhstag  davor 
Jiieher  konicn.  S.  157  (no.  224  vom  14.  febr.  1476)  schreibt  der- 
selbe an  Ulrich  von  Württemberg,  wünscht  glück  zur  bevor- 
stehenden hochzeit  von  dessen  tochter:  dar^u  euch  und  unser 
liehen  siviger,  auch  euer  tochter,  der  iireut  . . .  got  vil  glucJcs  geh. 
Die  beiden  letzten  stellen  kann  man  schon  als  beispiele  einer 
art  von  vorausnähme  ansehen,  indem  hier  vorher  diejenige  als 
'braut'  bezeichnet  wird,  welche  auf  der  hochzeit  diese  rolle  zu 
spielen  hat. 

Soweit  ich  bis  jetzt  urteilen  kann,  scheint  mir  der  gebrauch 
von  hraut  für  'verlobte'  aus  Ostmitteldeutschland  zu  stammen 
und  von  dorther  in  die  Schriftsprache  seit  Luther  aufgenommen 
zu  sein.  In  der  ostmitteldeutschen  mundart  meiner  an  der 
grenze  zwischen  Obersachsen  und  der  Lausitz  gelegenen  heimat 
ist  hraut  allgemein  volksüblich  für  die  verlobte  bis  zum  hoch- 
zeitstage  incl:  andere  Verwendungsarten  des  wortes,  insbeson- 
dere für  ein  illegitimes  Verhältnis,  oder  für  junge  frau,  sind 
daselbst  absolut  unbekannt.  Lagegen  scJieinen  die  süddeutschen 
und  westdeutschen  mundarten  den  früheren  gebrauch  festzu- 
halten. Der  Schweizer  Josua  Maaler  verzeichnet  noch  nach 
Luther,  wie  oben  erwähnt,  den  älteren  gebrauch.  J.  Grimm, 
DWb.  2,  332  führt  an,  'dass  in  deutschen  landstrichen  die  neu- 
vermählte den  namen  braut  ein  jähr  lang,  oder  bis  zu  den 
nächsten  ostern  fortführt-),  oder  selbst  bis  sie  kinder  geboren 
hat:  ich  hin  hraut  habe  von  meinem  ehemann  noch  keine  kinder. 
In  H.  Fischers  Schwäbischem  wh.  1, 1372  wird  als  schwäbisch 
verzeichnet  sie  ist  hraut  von  ihm  (unehelich  geschwängert).    Im 


')  Valentiuus  =  14.  februar,  der  1479  auf  eineu  soniitag  fiel. 
2)  Vgl.  Hertel,  Thüringer  Sprachschatz  s.  73. 


BRAUT  IN  DEN   GERM.   SPRACREN,  57 

allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  nach  den  dialektwörter- 
bücliern  zu  urteilen  die  mundavten  der  süd-  und  Avestdeutsclien 
gebiete  die  alten  bedeutungen  weiterführen:  insbesondere  ist 
für  das  legitime  Verhältnis  braut  hauptsächlich  in  beziehung 
auf  die  hoclizeit  in  gebrauch.  Nur  sehr  ausnahmsweise,  und 
vielleicht  durch  einwirkuug  der  Schriftsprache  tritt  die  aus- 
dehnung  auf  die  zeit  des  verlobtseins  hervor.') 

Von  dieser  abschweifung  auf  die  geschichte  der  nhd.  be- 
deutungsentwicklung,  die  freilich  nur  ein  versuch  ist  und  ohne 
systenmtische  Sammlung  aus  Schriftsprache  und  mundarten 
nicht  zu  ende  geführt  werden  kann,  kehren  wir  zurück  zu 
der  von  uus  festgestellten  grundbedeutung  und  sehen  zu,  ob 
von  dieser  aus  nun  die  frage  nach  der  etymologischen  Ver- 
knüpfung des  germ.  hrupi-,  hrücti-  mit  Worten  der  verwanten 
idg.  sprachen  sich  beantworten  lasse.  Nachdem  die  auf  grund 
der  Verlobungstheorie  gemachte  combination  schon  oben  s.  36 
ausgeschaltet  ist,  bleiben  immer  noch  eine  anzahl  von  hypo- 
thesen  zu  erörtern.  Schon  aus  lautlichen  gründen  ist  die 
Bopp'sche  von  .1.  Grimm  im  DWb.  2,  331  vertretene  anknüpfung 


1)  Freilich  sind  die  mundartenwörterbücher  hinsichtlich  der  begriffs- 
bestimmung  von  bratit  und  hräntigam  mangelhaft:  es  wäre  wünschenswert, 
.  dass  das  Verhältnis  zum  schriftsprachlichen  bedeutuugsumfang  überall  genau 
erörtert  würde.  Hervorzuheben  ist,  dass  in  ganz  Süddeutschland  statt  der 
schriftsprachlichen  ausdrücke  die  bezeichnungeu  hochze/ten'n  und  liochzeiter 
weit  verbreitet  sind.  Vgl.  z.  b.  Schraeller-Fromraann  1,371  (braut,  'öfter 
hört  man  indessen  beim  gemeinen  volke  die  hochzeiterinn'');  Schöpf,  Tirol, 
idiot.  209;  Martin-Lieuhart,  Elsäss.  wb.  2,  205,  und  für  das  südlichste  Ober- 
hessen Yilmar,  Kurh.  idiot.  172.  Mir  fiel  es  in  Giessen  einmal  bei  einem 
dienstmädcheu  dieses  gebiets  auf,  dass  sie  stets  von  ihrem  hochzeiler  sprach, 
zur  bezeichnung  ihres  verlobten,  also  im  sinne  unseres  schriftsprachlichen 
bräutüjam.  Es  hängt  dies  vielleicht  damit  zusammen,  dass  in  diesen  ge- 
bieten braut,  brüulifjam,  avo  sie  überliaupt  sich  gehalten  haben,  noch  auf 
dem  altdeutschen  bcdeutungscentrum  rulien.  —  Für  die  Pfalz  bezeugt  die 
angäbe  von  Ph.  Lenz  (Vergleich.  Wörterbuch  der  nhd.  spräche  u.  d..Handschuhs- 
heimer  dialekts,  Baden-Baden  1898,  s.  13):  '^braiit  i.  maini  höxlsaiivn,  neuer- 
dings auch  prauV  und  ^bräutigam  m.  meist  höxtsaiiv,  neuerdings  auch 
l)räiti]cam\  dass  hier  brant  und  hräiitigam  nur  durch  den  einfluss  der  hoch- 
sprache  um  sich  greifen,  während  hochzeiterin  und  hochzeiter  die  einheimi- 
schen ausdrücke  sind.  Aehnlich  dürfte  es  auch  in  den  übrigen  süddeutschen 
mundarten  liegen,  wenn  braut,  brüutiyam  nicht  in  der  alten,  sondern  in  der 
nhd.  bedentnng  angewendet  werden. 


58  BRAUNE 

an  aiiid.  präiidhä  'die  heimgeführte',  sowie  die  von  Bugge, 
Beitr.  13,  184  aufgestellte  deutung  als  idg.  par-udhi-s  'die 
heimgeführte'  definitiv  abzuweisen.  Und  zwar  nicht  nur  mit 
Wiedemaun  a.  a.  o.  wegen  des  germ.  h  =  p,  sondern  auch  des- 
halb, weil  der  durch  das  got.  brupi-  bezeugte  germ.  grammat. 
w^echsel  nur  auf  idg.  t  zurückführen  kann. 

Im  Vordergrunde  steht  jetzt  nach  Wiedemanns  eingehender 
befürwortung  die  Zusammenstellung  von  brupi-  mit  lit.  tnarü 
'braut,  junge  frau,  Schwiegertochter',  kret.  fiä^Tig  'Jungfrau'. 
Aber  selbst  wenn  man  zugibt,  dass  der  germ.  anlaut  hr  hier 
auf  idg.  mr  zurückgehe,  so  stimmen  die  Wörter  doch  sonst 
nicht  lautlich  überein.  Uhlenbeck  hat  Beitr.  30,  272  mit  recht 
geäussert:  'an  verwantschaft  von  hrn])s  mit  lit.  marfi  ist  wegen 
des  germ.  u  nicht  zu  denken.'  Und  wenn  Wiedemann  krimgot. 
mar^us^)  dazu  stellt,  so  ist  dieses  ja  grade  ein  gegenbeweis 
gegen  die  etymologie,  da  dadurch  klar  wird,  dass  sowol  die 
litauische  anlautsform,  wie  der  stamm vocal  genaue  germ.  ent- 
sprechung  in  marzus  fanden.  Hinsichtlich  der  bedeutung  kommt 
Wiedemann  unter  abweisung  von  'integra,  intacta'  (=  kret. 
[lÜQTic.  'Jungfrau')  zu  dem  Schlüsse,  dass  sowol  litauisch  marCi 
als  germ.  IrücM-  auf  die  grundlage  'mannbares  weib'  zurück- 
zuführen sei.  Für  germ,  hrupi  müssen  wir  das  jedenfalls 
zurückweisen,  da  dessen  absolute  anwendung,  ohne  bezieliung 
auf  den  verkehr  mit  dem  manne,  nur  hie  und  da  durch  poetische 
nietonymie  begegnet. 

Mir  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dass  die  zuerst  1838  von 
L.  Döderlein  begründete,  von  AViedemann  s.  205  besprochene 
Zusammenstellung  mit  lat.  Frütis  die  einzig  haltbare  coni- 
bination  ist.    Frutis  ist  als  ein  italischer  beinarae  der  Venus 


')  Wenn  übrigens  Wiedemann  s.  206  krimgot.  marzus  mit  'braut' 
übersetzt,  so  ist  das  ein  versehen.  Bei  Busbeck  ist  vielmehr  marzus 
nuptiae  überliefert,  während  darauf  folgt  schuos  sponsa,  dessen  jetzt  be- 
liebte zurückführung  auf  got.  sives  Löwe  (Die  reste  der  Germanen  s.  175) 
mit  recht  bekämpft.  Meiner  raeiuuug  nach  hat  nur  die  schon  öfter  vor- 
gebrachte Vermutung  etwas  für  sich,  wonach  schuos  (infolge  von  schreib- 
oder  druckfehler)  für  sclmos  stehe.  Das  Avürde  dann  nach  den  gesetzen 
der  krimgot.  lautlehre  (vgl.  Löwe  s.  136  ff.)  ganz  correcte  entsprechuug  eines 
altgot.  snuzö  sein  können,  das  wir  oben  s.  38  für  das  got.  schon  in  ansprach 
genommen  haben.  Busbecks  sponsa  würde  dann  natürlich  nicht  im  alt- 
Jateinischeu,  sondern  im  mlat.  sinne  als  'neuvermählte'  zu  verstehen  sein. 


BEALT   IN  DEN  GERM.  SPRACHEN.  59 

Überliefert  (bei  Solin):  Vcni(s  maicr  quae  Fnttis  dicitur:  sie 
■wird  daselbst  als  die  göttiii  erwäliut,  welclier  Aeneas  in  agro 
Laurenti  (also  in  Latiuni)  das  aus  Sicilien  mitgebrachte  Apliro- 
ditebild  weilit.  Die  zweite  nachricht  stammt  aus  Festus  bei 
Taulus  diac,  wo  Frutinal  als  iiinplnni  Vencris  Fruit  genannt 
Avird.  Nichts  spricht  für  eti'uskische  herkunft  des  namens 
(was  man  nach  Otfr.  Müller  früher  annahm),  und  die  alte 
Vermutung  Scaligers,  dass  er  aus  Aphrodite  umgebildet  sei, 
wird  schon  durch  das  lange  /7  widerlegt,  vgl.  Walde,  Lat.  ety- 
mol.  Wörterbuch,  Heidelberg  1906,  s.  249.  Vielmehr  ist  Frutis 
als  eine  der  originalitalischen  göttinnen  aufzufassen,  mit  wel- 
chen die  griechische  Aphrodite,  ebenso  wie  mit  der  römischen 
Venus,  nachträglich  identificiert  wurde.  Vgl.  "Wissowa,  Religion 
und  kultus  der  Reimer  (München  1902)  s.  23G:  'Aphrodite  wurde 
in  Korn  mit  Venus,  bei  den  Oskeru  mit  der  dort  heimischen 
Hcrentas,  anderswo  mit  einer  sonst  verschollenen  göttin  Frutis 
gleichgesetzt.'')  Und  dieses  Frutis  wird  von  Walde  a.a.O. 
nach  dem  vorgange  Corssens  (Aussprache  2^,  206)  mit  lat. 
frutcx  'als  bezeichnung  der  fruchtbarkeit'  verknüpft.  Dazu 
stimmt  auch  die  bezeichnung  als  beinarae  der  'Venus  mater' 
bei  Soliu. 

Mit  Frutis  trifft  nun  buchstäblich  das  urgotische  hrü])is 
zusammen  bis  auf  die  declinationsklasse.  Und  auch  sachlich 
ist  alles  in  Ordnung,  wenn  das  germanische  wort  seiner  grund- 
bedeutung  nach  als  'die  sich  begattende,  die  befruchtete,  die 
fruchtbare'  aufgefasst  werden  darf,  wie  sich  das  aus  unserer 
betrachtung  ergeben  hat.  Es  wird  nun  die  weitere  Vermutung 
gestattet  sein,  dass  altitalisch  frutis  ursprünglich  ein  dem  germ. 
hrüpi-,  hrüdi-  paralleles  appellativum  war,  welches  zum  götter- 
naraen  wurde.  Die  grosse  zahl  von  auffälligen  Wortüberein- 
stimmungen zwischen  italisch  und  germanisch  (vgl.  Hirt,  Zs. 
fdph.  29,  289  ff.)  wäre  sonacli  um  ein  schlagendes  beispiel  ver- 
mehrt. 


')  Auch  nach  Preller,  Köm.  mytliologie^  1,48-1  ff.  ist  Frutis  eine  echt 
altlateini.sche  göttin  (vgl.  noch  Jordans  anni.  s.  -iSG,  4).  Es  ist  also  schon 
sachJich  ungerechtfertigt,  die  etyinologie  des  Avortes  anderswo,  als  im  ita- 
lischen zu  suchen. 

W.  BRAUNE. 


AGS.  NEORXNA-WOm. 

Es  dürfte  kaum  einen  aufmerksamen  leser  der  ags.  dich- 
tungen  geben,  der  sich  nicht  über  die  rätselhafte  bezeichnung 
des  Paradieses  {neorxna-ivons,  ncrxna-icon^,  neirxna-tvonj;  zur 
form  vgl.  Sievers,  Ags.  gramm.  §  164.  anm.  1)  wider  und  immer 
wider  seine  gedanken  gemacht  hätte  in  der  stillen  hoffnung, 
doch  einmal  das  tiefe  dunkel  sich  lichten  zu  sehen,  das,  für 
den  etymologen  wie  für  den  mythologen  gleich  undurchdring- 
lich, darüber  ausgebreitet  ist.  Eätselhaft  ist  das  wort,  obwol 
es  Ettmüller  mit  vollem  recht  eine  'vexatissima  vox'  genannt 
hat,  im  gründe  bis  heute  geblieben  und  Edward  Schröder,  der 
letzthin  einen  interessanten  sprachlichen  unterschied  der  beiden 
Genesisdichter,  des  altsächsischen  und  des  angelsächsischen,  an 
ihm  nachwies  (Zs.  fda.  44,  223),  durfte  es  trotz  der  aufgestellten 
etymologien  als  'bisher  unerklärt'  bezeichnen. 

Das  wort  begegnet  ziemlich  häufig  in  der  dichtung  und 
der  geistlichen  prosa  der  Angelsachsen,  stets  mit  der  ganz 
klaren  und  sicheren  bedeutung  des  biblischen  paradieses,  der 
wohnstätte  unsrer  ersten  eitern  einerseits,  der  zukünftigen 
Stätte  unsrer  ewigen  Seligkeit  andrerseits.  Von  poetischen 
belegen,  die  ich  nirgends  vollständig  gesammelt  finde,  sind 
mir  folgende  bekannt:  Gen.  171.  208.  217.  854.  889.  929.  944. 
1924;  Andr.  102;  El  755;  Heiligenkai.  151;  Crist  1391.  1406; 
Guthl.  799 ;  Phon.  397.  Einige  prosabelege  bringt  Bosworth- 
Toller,  An  anglos.  dict.  s.  715  a  bei.  Beide  listen  werden  sich 
sicherlich  vermehren  lassen. 

Was  für  jede  weitere  sprachliche  betrachtung  als  sicheres 
fundament  zu  gelten  hat,  ist  folgendes.  Das  wort  ist  ein  nach 
Grimms  terminologie  uneigentliches  compositum,  dessen  erster 
bestandteil  nicht  wie  bei  den  eigentlichen  alten  composita  eine 
stamm-  oder  wurzelform,  sondern  eine  deutliche  flexionsform 


AGs.  neobxna-won:!;.  61 

darstellt,  -n-ons  ist  das  bekannte  altgerniauisclie  wort  für 
'feld,  wiese',  das  auch  in  got.  ivaggs  (womit  Wnlfila  Kor.  2, 12,  4 
jTaQäduoo^  Übersetzt),  aisl.  vangr,  as.  tvang,  alid.  -wanga  (Graff 
1,  894)  vorliegt,  neorxna-,  in  seiner  ursprünglichen  bedeutung 
von  den  ags.  scliriftstellern  wol  schon  nicht  mehr  empfunden, 
ist  formell  ein  regelmässiger  schwacher  gen.  plur.  eines  sub- 
stantivischen oder  adjectivischen  neorxa  (zur  flexion  der  ad- 
jectiva  vgl.  auch  Sievers,  Ags.  gramm.  §  304,  anm.  2).  Das 
brechungs-6'o  weist  auf  westgerm.  e  als  ursprünglichen  vocal 
des  Wortes. 

Mir  sind  fünf  etymologien  bekannt,  die  ich  zunächst 
einer  kurzen  kritischen  besprechung  unterwerfen  möchte  (bei 
der  Zusammenstellung  des  literarischen  materials  haben  mich 
Eduard  Sievers,  Ferdinand  Holthausen  und  A.  ß.  Gough  durch 
einzelne  nachweise  freundlich  unterstützt). 

1)  Die  älteste  deutung  hat  Jjje  in  seinem  1772  erschienenen 
Dictionarium  saxonico-  et  gotico - latiuum  gegeben:  'formatum 
ex  ne  negativo  et  veorc,  opus,  labor,  i.  e.  laboris  expers,  curis 
vacuus,  quietus  . . .  neorxena-vang  vel  -vong,  labore  vacuus 
Campus,  elj'sium,  paradisus'.  Kein  geringerer  als  Jakob  Grimm 
hat  sich  nach  anfänglicher  Opposition  zum  anwalt  dieser  er- 
klärung  gemacht.  Nachdem  er  (Gramm.  1 2,  268,  anm.)  Lyes 
deutung  'untreffend  und  ungrammatisch'  gefunden  und  ein 
nicht  belegtes  ags.  *neorxa  im  sinne  von  'gaudium,  amoenitas' 
angenommen  hatte,  um  eine  inhaltliche  parallele  zu  Notkers 
ivumiigarto,  zartgarto  und  Otfrieds  ivunnisamaz  feld  zu  ge- 
winnen, nimmt  er  später  (ebenda  2,  207.  3,726)  sie  als  'ziem- 
lich statthaft'  hin  und  setzt  *neorc-sa  unter  den  s-ableitungen 
im  sinne  von  'otium'  an,  ob  wol  es  so  wenig  wie  das  voraus- 
zusetzende *veorc-sa,  'labor',  nachzuweisen  sei.  Auch  in  der 
Mythologie  (^  s.  685)  hat  er  hieran  festgehalten.  Sprachlich 
hat  diese  ableitung  zweierlei  gegen  sich,  worüber  Grimm  sich, 
ob  wol  er  es  erkennt,  doch  etwas  zu  leicht  hinweggesetzt  hat: 
die  sonst  nirgends  belegte  Verschmelzung  der  negation  mit  dem 
stamme  iveorc-  und  die  Schwierigkeit,  das  s  der  ableitung 
sprachgeschichtlich  zu  deuten  und  zu  rechtfertigen.  Dass  ne 
mit  formen  der  häufig  geljrauchten  verba  ivitan,  wesan,  willan 
verschmilzt  und  diese  dabei  ihr  ic  verlieren,  ist  freilich  im  ags. 
sehr  geläufig  (Sievers,  Ags.  gramm.  §  420, 1.  427,3.  428,  anm.  2): 


62  LEITZMANN 

docli  berechtigt  diese  tatsaclie  noch  nicht  ohne  weiteres  zur 
annähme  der  gleichen  Verschmelzung-  bei  jedem  andern  an- 
lautenden tv,  zumal,  wie  hier,  bei  einem  nomen.  Bei  dem  s 
der  ableitung'  an  die  bildung  der  idg\  part.  perf.  act.  zu  denken, 
von  der  uns  isolierte  reste  wie  got.  henisjös  und  vielleicht  as, 
ecso  im  germ.  erhalten  sind,  lag  nahe,  wenn  man  den  mut 
hatte,  von  dem  an  sich  schon  schwankenden  boden  aus  eine 
brücke  nach  einem  unbekannten  ufer  zu  schlagen:  ich  meiner- 
seits glaube  nicht,  dass  die  deduction  von  Eeinius  (Anglia 
19,  554),  der  Jjjes  und  Grimms  gebäude  diesen  problematischen 
schlussstein  eingefügt  hat,  die  Zweifler  überzeugt. 

2)  Ziemlich  alt  ist  auch  der  versuch,  unser  wort  mit  dem 
namen  der  nornen  zusammenzubringen.  Schon  Grimm  (Gramm. 
1^,  268,  anm.)  erwähnt  ihn  ohne  nennung  eines  gewährsmannes, 
um  ihn  kurzerhand  abzulehnen.  Unter  seinem  Widerspruch 
(Myth.4,  nachtr.  s.  244)  ist  er  dann  von  Weinhold  (Zs.  fda. 
6,  461)  erneuert  und  von  Grein  (Sprachsch.  d.  ags.  dichter 
2,  291)  in  etwas  modificierter  form  gleichfalls  aufgestellt 
worden.  Beide  gelangen  zu  der  bedeutung  'n3nnpharum 
pratum'.  Ein  näheres  eingehen  auf  diese  darlegungen  kann 
ich  mir  ersparen,  da  die  art,  wie  Weinhold  und  Grein  zu  ihrem 
resultat  gelangen,  bei  unserer  heutigen  anschauung  germanischer 
lautgeschichte  nicht  mehr  ernstlich  discutiert  werden  kann. 
Auch  hier  soll  merkwürdigerweise  ein  unbekanntes  das  andere 
erklären,  denn  der  name  der  nornen  selbst  ist,  wenn  man  von 
Schades  deutung  (vgl.  Mogk  im  Grundr.  d.  germ.  phil.^S,  282; 
Golther,  Handb.  d.  germ.  myth.  s.  104,  anm.  3;  Meyer,  Myth.  d. 
Germ.  s.  251)  absieht,  die  doch  nichts  als  ein  kümmerlicher 
notbehelf  sein  kann,  so  gut  wie  völlig  dunkel.  Wenn  neuer- 
dings Falk  (Ark.  f.  nord.  fil.  10,  74,  anm.  1)  widerum  zu  einer 
'aue  der  schicksalsgöttinnen'  gelangt,  so  liegt  darin  eine  un- 
statthafte vermengung  nordischer  und  angelsächsischer  mytho- 
logeme,  ein  methodischer  fehler,  den  wol  nichts  anderes  als  die 
Sehnsucht  nach  einer  lösung  unseres  rätseis  verschuldet  hat. 

3)  Die  folgende  etymologie  setzt  widerum  eine  composition 
mit  der  negativpartikel  an.  EttmüUer  (Lex.  anglos.  s.  239) 
denkt  an  eine  Verbindung  von  ne  mit  einem  dem  got.  riqizeins 
entsprechenden  adjectiv  ags.  *ricsen,  aus  dem  durch  metathesis 
*ircsen,  *eorcsen  geworden  sein  soll,   und  kommt  so   zu  einem 


AGS.  NEOEXNÄ-WONZ-  63 

'hortus  spleiididns'.  Auch  diese  ableitung'  hat  sprachlich  vieles 
gegen  sich:  die  wnrzcl  von  got.  riqi^,  die  in  aisl.  relikr  und. 
dem  götternamen  Keijualivahanus  vorliegt,  fehlt  dem  ags. 
gänzlich;  ferner  ist  die  metathesis  des  vorvocalischen  r  nur 
für  nachfolgendes  vn  oder  r- Verbindungen  belegt  (Sievers, 
Ags.  granim.  §  170);  endlich  macht  die  annähme  einer  com- 
position  von  ne  mit  einem  nomen  von  lebendigem  begrifflichem 
inhalt  wie  'finsternis'  die  gleichen  b(^denken  rege,  die  auch 
der  ersten  deutung  von  selten  der  stannnbildungslehre  entgegen- 
standen (vgl.  hierzu  J^rugmann.  Kurze  vergl.  gramm.  d.  idg.  spr. 
§  379). 

4)  Aus  dem  kreise  des  gerni.  heraus  tritt  die  erklärung 
^narcissorum  canipus',  die  bei  T^^eo  (x\gs.  gloss.  s.  491.  604)  citiert 
wird,  deren  eigentlichen  Urheber  icli  aber,  falls  es  nicht  etwa 
Leo  selbst  ist,  nicht  habe  ermitteln  können.  ]\[it  dem  fremden 
namen  der  narzisse  gebildet,  könnte  das  wort  dann  wol  nur 
als  eine  ursprünglich  gelehrte  bildung  angesehen  werden,  mit 
der  man  entweder  direct  an  das  gr.  vdQxiooo^  oder  an  lat, 
narcissHS  vor  der  epoche  der  assibilierung  des  c  vor  palatal- 
vocal  (vgl.  Mej^er-Lübke  in  Gröbers  Grundr.  d.  rom.  phil.  1-,  472) 
anknüpfen  müsste,  also  in  ein  ziemliches  altertum,  jedenfalls 
vor  die  besiedelung  Britanniens  durch  die  Angelsachsen  zurück- 
zugehen genötigt  wäre,  was  schwer  glaublich  ist.  Leo  findet 
es  'schwer  begreiflich,  wie  der  gedanke  eines  narzissengartens 
in  die  phantasie  der  deutschen  Völker  gekommen  sein  sollte': 
aber  durch  gelehrte  Vermittlung  schiene  eine  Übertragung  der 
Vorliebe  und  bewunderung  der  klassischen  Völker  für  diese 
blume,  gleich  an  Schönheit  der  form  und  färbe  wie  an  lieb- 
lichkeit  und  stärke  des  geruchs,  die  ihnen  als  toten-  und 
zauberblume  sacrale  bedeutung  hatte  (vgl.  Wieselers  anhang 
zu  seiner  abhandlung  'Xarkissos',  Göttingen  185G;  Röscher, 
Ausf.  lex.  d.  gr.  u.  röm.  myth.  3, 1, 14),  nicht  so  unmöglich,  ja 
bei  weitem  sinnvoller  und  ansprechender  als  alle  bisher  er- 
örterten deutungen.  Sprachliche  er  wägungen  legen'  jedoch  ein 
entscheidendes  veto  ein:  die  ags.  brechung  ist  sicher  älter  als 
der  ?-umlaut  (Bremer,  Idg.  forsch.  4,  31;  Bülbring,  Ae.  elem. 
§  130,  anm.  3.  158);  unser  wort  zeigt  erstere,  kann  also  den 
fällen  des  letzteren  nicht  zugeordnet  werden. 

5)  Die  jüngste  etymologie  stammt  von  Bradley,  der  (The 


64  LElTZMANN 

academy  nr,  911  vom  19.  october  1889,  s.  254)  in  ncorxna-  ein 
compositum  *nco-rö]isna-  aus  got.  naus  und  röJisns  (got.  also 
etwa  *nmvi-röhsne-)  erkennen  will  und  so  zu  der  bedeutung- 
'field  of  tlie  palaces  of  tlie  dead'  gelangt.  Den  stamm  des  got. 
Ma«5  hatte  früher  bereits  Kluge  (Zs.  f.  vergl.  sprachf.  26,  84)  in 
dem  anlaut  des  wortes  finden  wollen,  ohne  eine  deutung  der. 
zweiten  hälfte  zu  wagen.  Bradleys  deutung  scheint  jetzt, 
wenigstens  in  England,  für  sicher  zu  gelten:  das  beweisen 
z.  b.  die  anmerkungen  zu  Cynewulfs  Crist  in  den  ausgaben  von 
Cook  und  Gollancz.  Methodisch  ist  gegen  diese  herleitung 
dasselbe  wie  gegen  die  zweite  einzuwenden,  dass  sie  ein  un- 
bekanntes durch  ein  anderes  zu  erklären  versucht.  Gesetzt 
auch,  dass  man  die  composition  als  solche  gelten  Hesse  und 
geneigt  wäre,  im  anlaut  den  rest  des  ausser  got.  naus  nur  im 
aisl.  ndr  vertretenen,  allen  westgerm.  dialekten  ganz  fehlenden 
Stammes  Hoter'  zu  erkennen,  so  steht  doch  got.  ruhsns,  mit 
dem  Wulfila  übrigens  stets  av?./]  übersetzt,  das  also  gar  nicht 
'palace'  bedeutet,  als  etymologisch  bisher  unerklärt  in  dunkler 
isoliertheit  da. 

Alle  diese  fünf  etymologien  sind  sprachlich  unmöglich  oder 
mindestens  unwahrscheinlich.  Wenn  ich  es  im  folgenden  wage, 
eine  neue  aufzustellen,  die  von  allen  bisherige;!  unabhängig 
ihren  eigenen  weg  geht,  so  ermutigt  mich  dabei  vor  allem  der 
gedanke,  dass  sie  formell  die  lautgeschichtlich  vorhandenen 
mögiichkeiten  streng  respectiert  und  auch  inhaltlich  eine  ge- 
wisse religionsgeschichtliche  Wahrscheinlichkeit  für  sich  in 
anspruch  nehmen  darf.  Sollte  sie  trotzdem  verworfen  und 
durch  eine  bessere  und  brauchbarere  ersetzt  werden,  so  werde 
ich  der  erste  sein,  sie  mit  freuden  aufzugeben. 

Ich  gehe  von  der  allbekannten  tatsache  aus,  dass  das 
ags.  X  häufig  als  eine  metathesis  eines  ursprünglichen  sc  auf- 
zufassen ist  (Sievers,  Ags.  gramni.  §  204,  3) :  wie  axe,  fixas,  dxian 
=  asce,  fiscas,  dscian  sind,  so  nehme  ich  neorxna-  für  ursprüng- 
liches *neorsciia-,  was  die  möglichkeit  gibt,  in  dem  ausgang 
des  Wortes  das  später  so  productive  sufflx  -ishi-  zu  erkennen, 
das  in  adjectivischen  bilduugen  ganz  allgemein  die  Zugehörig- 
keit, specieller  dann  die  herkunft,  die  abstammung  bezeichnet 
(vgl.  im  allgemeinen  Grimm,  Gramm.  2,  276.  372;  Kluge,  Nora, 
stammb.  d.  agerm.  dial.*''  §  209;    Wilmanns,  Deutsche  gramm.2 


AGS.  NEOBXNA-WONZ.  65 

2, 470).  In  dem  als  stamm  übrigbleibenden  ncr-  steckt  meiner 
ansieht  nach  ein  nrgerm.  *ncrj)-,  idg.  '^ncrt-,  das  uns  auch  im 
namen  der  oJittin  Ä''cr])i(s  (aisl.  NJQrÖr)  erhalten  ist.  Aus  "^ner])- 
isJca-  entstand  nach  den  westgerm.  sj^nkopierungsgesetzen,  die 
gerade  im  ags.  am  treuesten  erkennbar  sind  (Streitberg,  Ur- 
germ.  grannn.  §  14t)c),  zunächst  ^nerjhsla-,  dessen  dental  vor  s 
+  consonant  lautgesetzlich  schwand  wie  bei  aisl.  beiskr  zu 
Uta  (ebenda  §  129. 1).  Die  synkope  dürfte  zunächst  in  den 
vielsilbigen  formen  mit  längeren  endungen  eingetreten  sein,  zu 
denen  auch  der  gen.  plur.  unsres  compositums  gehört.  Dann 
hätten  wir  in  dem  worte  eine  uralte,  sicher  in  die  heidnische 
Vorzeit  zurückreichende  bilduug,  die  die  mythologische  Vor- 
stellung 'wiese  der  zur  Nerthus  gehörigen'  enthielte. 

Damit  scheint  zunächst  nicht  allzuviel  gewonnen  zu  sein, 
da  die  deutung  des  namens  der  taciteischen  Nerthus  selbst 
umstritten  ist.  Ich  bin  mit  Mogk  (in  Pauls  Grundr.  d.  germ. 
phil.-  3,  367)  der  ansieht,  dass  die  von  Noreen  (Abr.  d.  urgerm. 
lautl.  s.  209)  und  etwa  gleichzeitig  von  Kögel  (Gesch.  d.  d.  lit. 
1,22)  aufgestellte  etymologie,  die  Nerthus  mit  gr.  vegtsgoi, 
'untere  götter,  götter  der  unterweit',  zusammenstellt,  den  Vor- 
zug vor  allen  andern  verdient,  schon  allein  deshalb,  weil  sie 
am  besten  zu  dem  stimmt,  was  uns  Tacitus,  unser  einziger 
gewährsmann,  von  der  göttin  berichtet.  Er  verdeutlicht  seinen 
lesern  die  Nerthus  als  'terra  mater',  also  als  eine  chthonische 
gottheit:  passend  charakterisiert  sie  dann  schon  ihr  name  als 
'die  unterirdische',  eine  art  germanischer  Persephoneia  oder 
Demeter.  Tacitus  erzählt  ferner,  dass  der  Nerthus  menschen- 
opfer  dargebracht  wurden,  was  auf  ihre  beziehung  zum  toten- 
reich deutet.  So  können  'die  zur  Nerthus  gehörigen'  wol  nur 
die  verstorbenen  sein,  die  nach  ihrem  tode  in  ihrem  unter- 
irdischen i'eiche  leben,  und  ncorxna-ivon^  ist  in  seiner  ursprüng- 
lichen bedeutung  'die  wiese  der  unterirdischen,  der 
toten'.  Vielleicht  erblickt  einer  oder  der  andere  Skeptiker 
in  diesen  meinen  darlegungen  ein  argument,  das  seinerseits 
jene  etymologie  des  namens  Nerthus  fester  zu  stützen  im 
Stande  ist. 

Es  bleibt  mir  nun  nur  noch  die  aufgäbe,  die  vorausgesetzte 
grundbedeutung  des  seltsamen  wertes,  'toten wiese',  mit  der 
factisch    allein    belegten,    'paradies',    durch    einige    religions- 

Ueiträge  zur  geschichtc  der  deuUchen  spräche.     X-XXII.  5 


66  LEITZMANN,   AGS.  NEOEXNA-WON^. 

geschiclitliche  hinweise  glaubhaft  zu  vermitteln,  was  keine 
besonderen  Schwierigkeiten  macht.  Schon  oben  wies  ich 
darauf  hin,  dass  neorxna-tvons  beide  biblische  bedeutungen 
des  i)aradieses,  die  des  ortes  der  vergangenen  und  der  künf- 
tigen Seligkeit  (vgl.  Grimm,  Myth.-*  s.  685),  in  sich  vereinigt, 
sowol  für  das  paradies  Adams  wie  für  den  aufenthaltsort  der 
verstorbenen  frommen  gebraucht  wird.  Der  letztere,  der 
gröni  godes  wang  des  Heliand,  ist  für  die  naive  phantasie 
identisch  mit  dem  garten  Eden  der  Genesis,  die  an  den  home- 
rischen do(fo6eX6q  Xsifiiöv  erinnernde  biumenwiese,  an  der 
Blanscheflür  spilt  (von  der  nur  die  Selbstmörder  ausgeschlossen 
sind,  Flore  2422),  mit  dem  houmgarten  ivolgetän  unserer  mhd. 
Genesis.  Die  gläubige  Sehnsucht  stellt  sich  diesen  ort  der 
Seligkeit  an  sehr  verschiedenen  stellen,  bald  im  himmel,  bald 
an  einer  weit  entfernten,  den  sterblichen  unzugänglichen  stelle 
der  erde,  bald  unter  der  erde,  bald  in  hohlen  bergen,  bald  im 
wasser,  bald  im  finstern  waldesdunkel  vor;  an  all  diesen  orten 
ist  das  seelenreich,  über  das  die  totengöttin  herscht  (Mogk  in 
Pauls  Grundr.  d.  germ.  phil.2  3,  256;  Schrader,  Reallex.  d.  idg. 
altert,  s.  869).  Rohdes  'Psyche'  hat  uns  zuerst  eigentlich  diese 
Vorstellungen  verstehen  und  tiefer  auffassen  gelehrt.  So  hat 
es  auch  nichts  irgend  verwunderliches,  wenn  wir  einen  alten 
heidnisch-germanischen  ausdruck  für  ein  seelenreich  unter  der 
erde  die  erinnerung  an  die  alte  erdgöttin  unverstanden  fort- 
führen und  für  den  begriff  des  christlichen  paradieses  eintreten 
sehen. 

JENA,  4.  juni  1906.  ALBERT  LEITZMANN. 


RUNENSTUDIEN. 

IL') 

Die  jiKgerinaiiischeii  ruueiigediclite. 

Aus  dem  gerinanisclien  altertum  ist  uns  eine  grössere 
anzalil  von  'runengedicliten'  erhalten:  ein  angelsächsisches 
(Grein -Wülker,  Bibl.  d.  ags.  poesie  1,  331;  vgl.  Wülker,  Grund- 
riss  zur  gesch.  d.  ags.  lit.  s.  855),  ein  althochdeutsches  (MSD.  V; 
vgl.  anmerkgn.  s.  55),  ein  altnorwegisches  (Wimmer,  Runen- 
schrift s.  275  f.)  und  ein  isländisches  (s.  282;  zum  text  vgl. 
V.  Grienberger,  Zs.  fdph.  32,  301).  Es  sind  mnemotechnische 
absichten,  die  diese  literaturgattung  beherschen;  und  es  ist 
ganz  in  der  Ordnung,  dass  sie  bisher  fast  ausschliesslich  auf 
ihren  Inhalt  hin  untersucht  worden  sind,  nämlich  auf  die 
frage,  was  sie  für  entstehung  und  entwicklung  der  runen  lehren 
(so  bes.  von  Wimmer  a.  a.o.  s.  180  f.  275  f.).  Auf  ihren  etwaigen 
weiteren  wert  glaube  nur  ich  (Altgerm,  poesie  s.  2.  21  f.  517) 
hingedeutet  zu  haben.  Es  verlohnt  sich  vielleicht  doch,  diese 
dichtungen  auch  einmal  auf  ihre  form  zu  prüfen.  Gewis  ist 
ihr  literarischer  wert  gering;  obwol  die  anwendung  herkömm- 
licher poetischer  mittel  gelegentlich  einigen  schwing  in  diese 
Abecedarii  bringt,  so  dass  etwa  die  ags.  Ingstrophe  (v.  67  f.) 
einen  wirklich  dichterischen  eindruck  hinterlässt.  Aber  die 
poetische  form  im  eugern  sinne  verlohnt  bei  diesen  lehrversen 
doch  keine  eingehendere  Würdigung;  darin  steht  wol  jedes  von 
diesen  stücken  ohne  besondere  eigenheit  in  der  tradition  seiner 
zeit  und  seines  ortes.  Wol  aber  ist  es  die  gesammtanlage, 
die  aufmerksamkeit  fordert;  den  literarhistorischen  zusammen- 
hängen unserer  vier  exemplare  versuchen  wir  nachzugehen. 


>)  Vgl.  Beitr.  21, 162—184. 


68  MEYER 

Am  einfachsten  und  zugleich  am  lehrreichsten  steht  es 
um  die  beiden  nordischen  g-edichte.  Wimmer  bemerkt  (s.  180), 
dass  die  'isländische  runenreimerei',  wie  er  sich  verächtlich 
ausdrückt,  'mit  dem  norweg.  runeugedichte  eng  verwant  ist, 
aber  in  einzelnen  wesentlichen  punkten  doch  von  ihm  ab- 
weicht' und  ergänzt  (s.  281)  diese  wörtlich  widerholte  beob- 
achtung  durch  die  erklärung,  die  einwirkung  des  norweg. 
gedichtes  auf  das  isländische  sei  unverkennbar.  Von  vorn- 
herein nötig  ist  ja  diese  erklärung  nicht:  das  viel  Jüngere  drei- 
zeilige  gedieht  könnte  mit  dem  zweizeiligen  (das  W.  s.  80.  276 
an  den  schluss  des  12.  oder  anfang  des  13.  jh.'s  setzt)  auf  die- 
selbe quelle  zurückgehen.  Indes  wird  es  wol  mit  der  unmittel- 
baren abhängigkeit  seine  richtigkeit  haben.  Dass  aber  wirk- 
lich die  isländische  dichtung  jünger  ist,  unterliegt  trotz  ihrer 
altertümlicheren  auffassung  von  dss  ('Ase',  gegen  'flussmündung' 
in  dem  norweg.  gedieht,  vgl.  Wimmer  s.  197,  anm.)  keinem  zweifei 
und  wird  sich  bald  noch  deutlicher  herausstellen. 

Für  die  nähere  beziehung  beider  gedichte  spricht  zunächst 
der  umstand,  dass  beide  die  ältere  anordnung  m  l  haben  (ebd. 
s.  240),  die  sich  ohne  solchen  anhält  in  der  zeit  der  Island, 
dichtung  kaum  noch  finden  würde.  In  der  folge  stimmen 
beide  überhaupt  genau;  dagegen  hat  isl.  (wie  wir  der  kürze 
wegen  das  isl.  gedieht  bezeichnen  wollen;  ebenso  gebrauchen 
wir  hier  norw.  ags.  ahd.,  wo  kein  misverständnis  entstehen 
kann)  statt  V  ^^^  jüngere  zeichen  /  (Wimmer  s.  287;  vgl. 
V.  Grienberger,  Arkiv  for  nord.  fil.  11, 113).  Das  Abecedarium 
nordman.  hat,  um  dies  gleich  hier  auszuführen,  ebenfalls  genau 
diö  gleiche  anordnung,  während  ags.  abweicht. 

Wie  verhalten  sich  nun  die  beiden  nord.  gedichte  inhalt- 
lich zu  einander? 

Sie  sind  ihrer  anläge  nach  so  verschieden  wie  ihrer  metri- 
schen form  nach.  Das  gereimte  norw.  gedieht  nennt  zwar 
Tj'a'  und  Loki,  gibt  sich  aber  sonst  (str.  7.  11)  nachdrück- 
lich als  christlich  und  gelehrt,  dies  in  der  art  seiner  citate 
aus  der  heldensage  (str.  5.  10).  Die  alliterierende  isl.  reimerei 
archaisiert,  spricht  (str.  4)  in  heidnischem  ton  und  sammelt 
kenningar.  Die  gelehrsamkeit  bringt  sie  nur  als  anhang: 
jedesmal  ein  lat.  name  für  die  rune,  und  jedesmal  ein  mit 
dem  betreffenden  buchstaben  anlautendes  zeichen  für  'fürst', 


RUNENSTÜDIEN.  69 

SO  dass  Scherers  satz:  'eigentlich  brauchten  die  skalden  für 
jeden  biichstaben  ein  eigenes  wort'  (vgl.  meine  Altgerm.  poesie 
s.  145)  recht  augenfällig  illustriert  wird.  Xorw.  steht  innerhalb 
der  naiv  sich  entwickelnden  tradition,  isl.  gehört  den  philo- 
logischen Spielereien  der  insel  an,  deren  epoche  vielleicht  die 
Alvissmäl  mit  ihren  aufgereimten  kenningar  eröffnen. 

Diese  Verschiedenheit  von  anläge  und  tendenz  hätte  natür- 
lich das  ältere  gedieht  schon  umgestalten  müssen,  wenn  es 
nicht  viel  stärker  noch  die  metrische  neugestaltung  getan 
hätte.  Der  dichter  half  sich  sehr  einfach;  er  nahm  fast 
überall  den  anfang  von  norw.  herüber,  gleichsam  als  sein 
thema.  und  fügte  nun  Variationen  eigenen  stils  hinzu: 
1)  fe  v(vldr  frcenda  rögc  —  fe  er  frienda  rog 
3)  ^urs  vceldr  hvenna  hvillu  —  purs  er  kvenna  Jcvöl 

6)  haun  er  harna  hplvan  —  kann  er  harna  hol 

7)  hagall  er  kaldastr  korna  —  hagall  er  kaldakorn 
10)  dr  er  gumna  göÖe  —  dr  er  giimna  goöi 

12)  Tyr  er  minendr  dsa  —  Tyr  er  einhendr  dss 

Zuweilen  versetzt  er  auch  den  alten  eingang  ins  innere: 

8)  nand  gcrer  nceppa  koste  —  {naiid . .  ^  ok  Jjungr  kostr 
14)  maär  er  moldar  auki  —  {maÖr . . .)  ok  moldar  auki. 

Selten  verändert  er  die  norw.  eröffnungszeile  inhaltlich: 

5)  reid  kvosda  rossom  vossta  —  {reiö . . .)  ok  jörs  erfidi, 
dies  mit  Versetzung  combiniert, 

13)  bjarkan  er  lanfgrönstr  Uma  —  hjarkan  er  laufgat  lim. 

Als  wesentlich  verschieden  bleiben  also  übrig  2)  4)  9)  11) 
15)  16).  Bei  diesen  sechs  nicht  benutzten  anfangszeilen  — 
etwa  dem  dritten  teil  —  liegen  aber  jedesmal  bestimmte  Ur- 
sachen vor.  Bei  ür  und  öss  sind  die  runennamen  anders  auf- 
gefasst  (für  oss  vgl.  oben;  'ymher  skür,  skür  er  ür,  ür  er  rüna- 
stafr'  Wimmer  s.  287);  ebenso  steht  es  mit  dem  dritten  vocali- 
schen  anlaut  yr.  Bei  den  andern  aber  spielt  das  klima  mit' 
Der  Isländer  hat  nämlich  sozusagen  die  ganze  melodie  in  dur 
transponiert;  wo  irgend  möglich  bringt  er  eis  und  kälte  an. 
Eis  macht  er  (2j  aus  dem  norweg.  schnee  (vgl.  für  das  norweg. 
renntier  MüUenhoff,  DA.  5, 285);  von  Schneegestöber  lässt  er  (7) 
den  hagel  umgeben  sein.    So  fasst  er  denn  auch  das  eis  selbst 


70  MEYER 

(9)  nicht  als  verbindende  brücke,  sondern  als  harte  rinde  des 
gebundenen  flusses,  und  die  sonne  selbst  ist  ihm  (11)  Zer- 
störer der  eismassen,  so  dass  er  sie  nicht,  wie  der  norweg. 
dichtergenosse,  im  strahlenden  glänz  sieht,  sondern  von  den 
wölken  in  der  faust  gehalten  wie  ein  schild.  Endlich  würde 
auch  die  ab  weichung  in  der  Schilderung  des  wassers  (15),  das 
der  Norw.  als  bewegten  Wasserfall,  der  Isländer  als  quelle  oder 
stehendes  gewässer  malt,  klimatisch  erklärt  werden  können, 
wenn  hier  nicht  andere  beziehungen  eingriffen. 

Also:  wo  kein  bestimmter  grund  zur  Veränderung  vorliegt, 
behält  isl.  die  norw.  anfangszeile  immer  bei.  Dagegen  ist  auch 
nicht  eine  einzige  zweite  zeile  benutzt!  Der  wolf  läuft  nicht 
in  seinem  wald,  und  das  renntier  nicht  auf  seinem  schnee; 
Eegin  schmiedet  ihm  nicht  der  Schwerter  bestes  und  Frode 
gebietet  nicht  den  festesten  frieden;  von  dem  schmied  oder 
dem  blinden  mann  ist  so  wenig  die  rede  wie  vom  habicht 
und  nicht  einmal  der  nackte  im  froste  findet  erwälmung. 
Christus  fehlt,  aber  Loki  auch.  Auch  versetzt  finden  sich  alle 
diese  dinge  nicht,  und  nichts  umgekehrt  von  der  todesstunde 
(9)  oder  dem  tempelherren  (12)  bei  dem  stabreimdichter! 

Das  wäre  nun  so  weit  ganz  einfach.    Der  Isländer  schlägt 
nach  dem  norweg.  textbuch  die  tasten  an  und  phantasiert  dann 
weiter.    Aber  diese  fortführungen,  in  denen  er  von  dem  nicht 
nzuzweifelnden  vorbild  ganz  unabhängig  ist,  berühren  sich  den- 
noch merkwürdig  mit  den  zweiten  hälften  des  norweg.  gedichtes! 

Zu  diesen  nämlich  finden  sich  parallelen,  freilich  nicht  so 
nah  wie  zu  den  ersten  zeilen  bei  dem  Isländer,  an  sehr  ehr- 
würdiger stelle:  in  den  H^vamäl! 

2)  opt  leypr  rceinn  d  hjarne  . . .  hrein  i  pdfjalle  Hqv. 

(Sijmons)  89 
8)  noMan  hodr  i  froste  —  neiss  es  n0kkvi])r  halr  49. 

Hier,  wird  man  sagen,  sei  nur  einmal  ein  landschaftsbild, 
das  andere  mal  ein  trivialer  erfahrungssatz  beiden  stellen 
gemein.  Nun  aber  kommt  die  berühmte  priamel  Hqv.  84  f.  (vgl. 
jetzt  über  sie  Eulings  vortreffliches  buch  über  diese  dichtungs- 
art).  Da  finden  wir  der  reihe  nach:  den  bogen  (isl.  16),  die  bren- 
nende lohe  (norw.  16),  den  schnappenden  wolf  (norw.  1);  dann 
(nach  der  krähe,  dem  Wildschwein,  dem  entwurzelten  bäum) 


RUNENSTÜDTEN.  71 

vaxanda  vage,  vellanda  Jcatle 
isl.  15  vellanda  vatn  oh  viör  Jcctill, 

AVeiter  den  pfeil  (isl.  16)  —  und  dann  andere  unzuver- 
lässige dinge;  darunter  eis  (norw.  und  isl.  9)  und  schwert 
(norw.  4 — 8). 

Das  ist  für  den  engen  räum  zweier  Strophen  der  H(>v. 
viel  an  übereinstimmenden  schlagworten  —  und  nur  auf  diese, 
wie  wir  noch  sehen  werden,  kommt  es  an.  Nun  mag  einiges 
sprichwörtlich  sein  (vgl.  Heinzel-Detter  s.  117  zu  83,1—4). 
Aber  man  betrachte  sich  nun  einmal  die  zweiten  hälften  von 
norw.  näher!  Zieht  man  die  ab,  zu  denen  wir  parallelen  an- 
führten (1.  2.  4.  5.  8.  9)  und  ferner  die  berufungen  auf  altn. 
sage  und  mythologie  (5.  10.  13)  oder  christliches  bekenntnis 
(7.  11),  so  bleiben  verzweifelt  armselige  Sätze  übrig.  'Nur 
selten  macht  unglück  jemanden  frohl'  (3).  Nun  —  Geliert 
macht  ja  aucli  in  der  'Sclnvedischen  gräfin'  (Werke  4,  310) 
die  tiefsinnige  bemerkung:  'Es  ist  wol  wahr,  dass  das  unglück 
an  und  für  sich  nichts  angenehmes  ist;  allein  es  ist  es  doch 
in  der  folge  und  in  dem  zusammenhange.'  Gut;  aber  'unglück 
macht  den  mann  bleich'  (6);  'den  blinden  muss  man  führen' 
(9);  'oft  hat  der  schmied  zu  blasen'  (12);  'gold  sind  kleinode' 
(15)...  Entschuldigt  die  reinmot  solche  banalitäten?  Ich 
glaube  nicht.  Vielmehr  denke  ich:  der  Norweger  fand  eine 
reihe  von  guten  versen  vor,  gerade  wie  der  Isländer  auch. 
Aber  dieser  wusste  sich  zu  helfen:  er  dichtete  ganz  gewandt 
kenningar  hinzu,,  nötigenfalls  den  Norweger  plündernd.  Der 
aber  war  ein  stümper:  wo  er  nicht  in  einen  bereit  liegenden 
Vorrat  von  überlieferten  schlagworten  greifen  konnte,  fielen 
ihm  nur  die  selbstverständlichsten  dinge  ein. 

Damit,  denke  ich,  wären  wir  ein  gut  stück  weiter.  "Wir 
hätten  festgestellt: 

1)  dem  Norweger  lag  bereits  eine  feste  reihe  von  runen- 
versen  vor:  je  ein  stabreimender  vers  auf  16  runennamen,    . 

2)  er  und  der  Isländer  berührten  sich  irgendwie  sei  es 
mit  den  H^v.,  sei  es  mit  versen,  die  diese  voraussetzen. 

Die  abhängigkeit  des  isl.  von  dem  norw.  gedieht  wird  da- 
durch nicht  erschüttert:  die  Übereinstimmungen  und  mehr  noch 
die  einheitliche  art  der  änderungen  lässt  uns  daran  festhalten, 


72  MEYER 

dass  wirklich  gerade  dies  uns  vorliegende  ältere  gedieht  und 
nicht  bloss  seine  quelle  von  dem  jüngeren  benutzt  wurde.  Aber 
diese  quelle  mag  nebenher  von  isl.  ausgebeutet  sein. 

Was  für  eine  quelle  war  es,  aus  der  beide  gedichte  und 
vielleicht  ausserdem  der  compilator  der  Hqv.  oder  seine  quellen 
sich  bereichert  haben? 

Wir  erinnern  uns,  dass  in  einem  fall  eine  analoge  benutzung 
älterer  verse  in  den  Hqv.  bereits  aufgedeckt  ist.  Allerdings 
ist  der  nachweis,  den  ich  vor  bald  zwanzig  jähren  geliefert 
zu  haben  glaube,  nirgends  beachtet  worden:  die  Ungunst,  unter 
der  meine  'Altgermanische  poesie'  zunächst  bei  einem  sehr 
einflussreichen  kritiker  und  infolge  dessen  dann  auch  bei  dem 
gelehrten  publikum  zu  leiden  hatte,  liess  auch  das,  was  von 
Wilmanns  vorwürfen  gar  nicht  berührt  wurde,  vernachlässigen. 
Aber  trotzdem  ich  die  frage  seitdem  widerholt,  allein  und  auch 
in  Übungen,  durchgeprüft  habe,  vermag  ich  die  genaue  Über- 
einstimmung von  altn.  Hov.  76.  77  (Sijmons)  mit  ags.  Wanderer 
108.  109  auch  heute  noch  nicht  als  zufällig  anzusehen: 

deyr  fe,  deyja  frcendr,  deyr  sjdlfr  it  sama  — 

her  hiÖ  feoh  Icene,  her  Mö  freond  Icene 

her  hid  mon  Icene,  her  hidmccg  Icene  (vgl.  Altg.  poesie  s.  321). 

Identisch  sind  1)  das  paar  fe  und  frcendr,  2)  der  sinn  des 
ganzen  Spruches.  Variiert  ist  sjdlfr  in  die  alliterierende  auf- 
lösung  7non  +  mceg,  was  sich  aus  dem  verschiedenen  metrischen 
bau  (gerade  wie  gewisse  änderungen  von  isl.  gegenüber  norw.) 
fast  unvermeidlich  ergab.  Die  einfachste  und,  wie  mir  scheint, 
die  einzig  mögliche  erklärung  bleibt  danach  die  annähme,  dass  als 
gemeinsame  quelle  ein  anaphorischer  dreizeiler  von  gnomischem 
Charakter  vorlag;  denn  die  ganz  isoliert  dastehende  benutzung 
eines  altn.  gedichtes  durch  den  Engländer  anzunehmen  würde 
grosse  Schwierigkeiten  machen.  Wenn  ich  (a.  a.  o.  s.  322)  hinzu- 
setzte, diesem  dreizeiler  hätten  verschiedene  variierende  zweite 
hälften  angebaut  werden  können,  um  ihn  verschiedenen  fällen 
anzupassen,  so  ist  diese  durch  die  parallelstellen  des  Hqv,  ge- 
gebene Vermutung  jetzt  durch  das  Verhältnis  des  isl.  zum  norw. 
runengedicht  völlig  festgestellt  und  die  analogie  mit  Useners 
Paroimiacus  (Altgriech.  versbau  s.  53)  und  Reitzensteins  Sko- 
lion  kann  jeden  weiteren  zweifei  beheben.  Wir  werden  nun  auch 


RUNENSTUDIEN.  73 

kaum  noch  mit  Müllenhoff  (D.  alt.  5, 280)  in  der  den  Hakonarmäl 
angehängten  visa  eine  einscliränkende  anwendung  des  Edda- 
spruches sehen  dürfen;  vielmehr  liegt  auch  hier  nur  eine  andere 
variierende  weiterführung  vor,  die  mit  ihrem  wortpaar  'land  und 
lehn"  dem  ags.  'mann  und  mitgesippter'  genau  entspricht.  Die 
chronologische  Verwertung  des  vermeintlichen  citats  wird  deshalb 
aufgegeben  werden  müssen.  Ja  der  kern  des  Spruches  scheint 
noch  800  jähre  später  gelebt  zu  haben,  und  trieb  da  noch 
vielleicht  frische  sprossen.  Sophie  von  la  Koche,  Wielands 
einstige  geliebte  und  Bettinens  schreibselige  grossmutter,  lernte 
in  England  einen  gelehrten  jungen  Isländer  kennen,  'mitten 
in  der  fi-eude,  eine  art  von  Stammbaum  aus  den  zeiten  der 
altdänischen  könige  zu  entziffern.  —  Mich  interessierte  es  un- 
gemein, jemand  aus  dieser  gegend  kennen  zu  lernen,  und  die 
Überzeugung  zu  haben,  dass  der  angeborene  geist  bei  feuer- 
bergen, bei  eis  und  wasser  aufwächst  und  seinen  flug  nimmt. 
Ich  bat  den  äusserst  gefälligen  mann  um  seinen  namen  und 
einige  worte  in  seiner  muttersprache.  Er  war  gleich  bereit 
und  schrieb: 

Detjr  englisch  Dies  —  Es  sterben 

folk  —  human  hind  —  die  menschen, 

deyr  —  dies  —  es  sterben 

viner  —  friends  —  unsere  freunde; 

enn  —  hut  —  aber 

mannord  —  fame  —  der  rühm 

goatt  —  god  —  gott 

livir  —  lives  —  leben 

altid  —  ever  —  immer. 

Grim  Jonson  Thorkeim.' 
(Sophie  V.  la  Roche,  Mein  Schreibtisch,  Leipzig  1795;  bd.2, 133). 

Diese  hübsche  Busbecquiade  des  jungen  Isländers  kann 
nicht  einfach  ein  ungenaues  citat  von  Hov.  76  sein;  und  die 
ersetzung  des  veralteten  fe  durch  foIJc  und  fracndr  durch  viner 
wie  die  aufnähme  von  gott  (wenn  hier  nicht  irgend  welche 
confusion  mit  gops  vgl.  H^v.  77  vorliegt!)  machen  ein  fortleben 
des  alten  satzes  wahrscheinlich,  der  sich  fast  ein  Jahrtausend 
lang  immer  neuen  sprach-  und  denkformen  angepasst  hatte. 

Aber  freilich  wäre  dabei  schliesslich,  wie  es  wol  so  geht, 


74  MEYER 

gerade  der  kern  des  kerns  verloren  gegangen.  Denn  wenn 
or])stirr  oder  dömr  durch  mannord  verdrängt  wird  (so  schon 
bei  S.  G.  Jonsson  vgl.  Heinzel-Detter  2, 112),  so  betrifft  das  ein 
beiwerk;  aber  mit  dem  wort  fe  geht  wahrscheinlich  die  wurzel 
der  ganzen  'isländischen  moralischen  sentenz'  (wie  die  ebenso  mo- 
ralische als  sentenziöse  frau  v.Laroche  sich  ausdrückt)  verloren. 

Dass  die  altn.  fassung  älter  ist  als  die  ags.  macht  schon 
der  kräftige  altertümliche  ton  wahrscheinlich;  das  ags.  Wort- 
paar lässt  sich  leicht  als  auflösung  eines  einfachen  ausdrucks 
erklären,  während  das  umgekehrte  kaum  angeht.  Auch  scheint 
im  'Wanderer'  die  epiphora  an  den  einfiuss  des  endreims  zu 
erinnern.  Bei  der  von  mir  nachgewiesenen  grossen  häufigkeit 
der  anaphorischen  dreizeiler  vorzugsweise  gnomischen  Inhalts 
nicht  nur  in  der  altn.,  sondern  in  aller  altgerm.  dichtung 
(a. a.o.  s.  315  f.)  wird  man  unbedenklich  behaupten  dürfen:  der 
dichter  des  'Wanderer'  kannte  eine  solche  halbstrophe,  die 
mit  der  ersten  hälfte  von  llqv.  IQ.  77  so  gut  wie  identisch 
war.  Ist  doch  eine  solche  sticliische  Umformung  eines  alten 
dreizeilers  im  ags.  auch  sonst  wahrscheinlich  (a.  a.  o.  s.  319). 

Immerhin  sagen  wir  nur:  die  vorschwebende  halbstrophe 
sei  mit  der  doppelt  überlieferten  altn.  'so  gut  wie  identisch' 
gewesen.  Denn  so  kräftig  der  ausdruck  in  den  beiden  ersten 
halbversen  ist,  so  blass  und  abstract  ist  das  sjdlfr  des  dritten. 
Hier  könnte  das  ags.  —  in  Umformung!  —  älteres  gut  wahren: 
auf  fe  und  fraendr  folgte  vielleicht  ursprünglich  maör.  Dahin 
deutet  das  spätere  isl.  mannord. 

Dafür  spricht  nun  aber  noch  anderes.  Vergleichen  wir 
mit  dem  ags.  Spruch  von  der  Vergänglichkeit  aller  dinge  im 
'Wanderer'  diejenigen  teile  des  ags.  runenliedes,  die  mit  ihm 
die  stich  Worte  teilen,  so  finden  wir  sie  auch  inhaltlich  sehr 

feoh  hyP  frofur  fira  gehwylcum; 

sceal  dedh  manna  gehivylc  miclun  hyt  daelan, 

gif  he  wile  for  drihtne  domes  hleotan 

man  hyp  on  myrgpe  Ms  magan  leof: 
sceal  peak  anra  gehivylc  oörum  sivican, 
foröani  dryhten  ivyle  dorne  sine 
Paet  earme  flcesc  eorpan  hetcecan. 

(Grein -Wülker  I  331, 1  f.  59  f.) 


RUNENSTUDIEN.  75 

Ich  lege  natürlich  kein  gewicht  auf  das  geJuvylc,  mit  dem 
der  ags.  pedant  sich  auch  sonst  (z.  b.  bei  Jiorn)  behilft.  Aber 
das  ist  doch  merkwürdig,  dass  der  begleitspruch  der  7M-rune 
die  unzuverlässigkeit  der  freunde  (freilich  in  der  moralisieren- 
den art  der  Angelsachsen  sie  vom  hygienischen  auf  den  etlii- 
schen  Standpunkt  übertragend!)  mit  dem  urgerm.  Spruch  teilt, 
der  mit  dem  ersten  runennamen  anhebt!  Und  die  letzten 
Worte  des  ganzen  gedichtes  kehren  mit  ihrem  ucra  (jesivicaj) 
zu  dem  saal  J)eaJi  unra  (jekicilc  od  nun  sivican  zurück.  — 
Ferner  aber  treffen  wir  bei  ags.  man  wider  als  echowort  und 
reim  macg,  wie  in  dem  verspaar  des  ''A\'anderers'. 

Gewis  hat  die  inhaltliche  Übereinstimmung  an  sich  nichts 
auffallendes.  Dass  dem  menschen  nichts  treu  bleibt  als  sein 
moralisches  verdienst  lehrt  auch  die  alte  indische  und  christ- 
liche fabel  von  den  ungetreuen  freunden,  die  z.  b.  Herder  er- 
neuert hat  und  die  noch  bei  Schiller  nachklingt: 

Poch  ach!  schon  in  des  weges  mitte 
Verloren  die  begleiter  sich  . . . 

Aber  bei  dem  Runenlied  wird  diese  Übereinstimmung  durch 
die  des  wortgebrauchs  gestützt.  Die  ags.  stellen:  Wanderer 
V.  108.  109  und  Eunenlied  v.  59  f.  teilen  das  entscheidende  Wort- 
paar und  den  gleichen  sinn:  an  diesen  verbau  hat  Wand.  61  f. 
dann  wider,  ganz  wie  die  norw.  runendichtung,  eine  christliche 
moralisation  gehäugt. 

Wir  gehen  wider  zu  der  Edda  zurück  und  finden  Hqv.  69 
die  gleiche  klimax  wie  in  den  beiden  /e-strophen  und  mit  dem 
gleichen  Schlagwort: 

Esat  ma])r  alz  vesall,  ])ot  se  illa  heul: 
siimr  es  af  simom  smll, 
sumr  af  frcendoni,  sumr  af  fe  erno 
sumr  af  verhorn  vel. 

Die  zweite  hälfte  entspricht  der  ersten  von  Höv.  76.  77: 
freunde  und  vermögen  und  gar  eigene  leistungeri  sind  das 
höchste  glück;  aber  die  Umstellung,  die  einmal  das  wort  fe 
mit  einem  begleitwort  auszustatten  zwingt  und  dadurch  die 
entsprechung  stört,  lässt  an  der  ursprünglichkeit  der  anord- 
nung  in  den  /e-strophen  nicht  zweifeln. 

Wir  blicken  zurück,    ^^'ir  finden:   ein  fester  alter  drei- 


76  MEYER 

zeiler  liegt  vor  imsern  altn.  und  ags.  resten.  Er  lautete  etwa : 
'die  habe  bleibt  nicht,  die  freunde  bleiben  nicht,  der  mensch 
selbst  bleibt  nicht,'  Diese  halbstrophe  ist  Hov.  76.  77  mit  ge- 
ringer änderiing  bewahrt,  Wand.  108.  109  in  einen  Vierzeiler 
umgedichtet,  wobei  das  schon  in  der  nähe  liegende  w^ortpaar 
ma7i -{- mceg  benutzt  wurde;  sie  ist  Hqv.  69  als  zweite  hälfte 
auf  eine  andere  erste  liälfte  gesetzt  worden,  wobei  der  ganze 
Inhalt  der  ausgeführten  Strophen  Hov.  76.  77  hineingepresst 
wurde;  sie  hat  endlich  auch  dem  dichter  des  runenliedes  wahr- 
scheinlich vorgeschwebt,  als  er  zu  ma7i,  vielleicht  auch  als  er 
zu  feoh  begleitverse  zu  dichten  hatte. 

Das  ags.  runenlied  ist  nun  aber  sonst  formell  und  inhalt- 
lich von  den  beiden  nord.  ganz  unabhängig;  nur  gerade  mit 
beider  /cf-strophen  zeigt  es  leise  inhaltliche  berührungen,  mehr 
noch  bei  seinem  m  als  bei  seinem  f;  doch  legen  wir  hierauf 
kein  gewicht.  Wol  aber  glauben  wir  jetzt  so  weit  zu  sein, 
dass  wir  zur  beantwortung  jener  frage  schreiben  können:  'was 
für  eine  quelle  war  es,  aus  der  beide  nord.  gedichte  und  viel- 
leicht ausserdem  der  compilator  der  Hov.  oder  seine  quellen 
sich  bereichert  haben?'  Wir  antworten:  ein  urgerm.  runen- 
gedicht,  das  auf  jeden  runennamen  einen  dreizeiler  (oder  viel- 
leicht auch  nur  ein  reimpaar)  setzte. 

Dies  altgerm.  runengedicht  scheint  uns  benutzt 

1)  unmittelbar  in  den  /e'-strophen  der  Hqv.  und  den  man- 
versen  des  ags.  runenliedes, 

2)  mittelbar  an  andern  stellen  der  Hqv.; 
es  scheint  uns  nachgebildet 

1)  in  den  ersten  halbversen  des  norw.  und  danach 

2)  in  denen  des  isl.  reimgedichts  (hier  mit  Versetzungen). 
Wo  soll  es  in  den  Hov.  noch  benutzt  sein?    Zunächst, 

wie  wir  sahen,  in  der  umkehr  Hc^v.  69.  Ferner  in  der  häufung 
Hqv.  69.  Hier  treffen  wir  fast  lauter  variierte  runennamen: 
die  'brennende  lohe'  (Gering,  Edda  s.  97)  entspricht  kann,  der 
pfeil  und  das  eis  sind  runennamen;  der  bäum  variiert  hjarlcan, 
die  woge  logr,  das  schwert  (die  waffe  des  nahkampfs,  nauä, 
wie  der  speer  die  des  fernkampfs,  hagall)  gehört  zu  naM. 
Und  so  erklären  sich  denn  die  oben  nachgewiesenen  be- 
ziehungen  so  wol  des  norw.  als  des  isl.  runengedichtes:  beide 


RTJNENSTÜDIEN,  77 

haben  unabhängig'  von  einander  aus  einem  alten  gedieht  ge- 
schöpft, das  zu  ' Wasser'  die  woge  und  den  kessel  nannte,  wie 
zu  'besitz'  fe  und  frcendr,  wie  zu  'mann'  den  gesippten.  Ausser- 
dem aber  hat  die  walirscheinlicli  selbst  uralte  priamel  von 
der  rechten  zeit  zum  loben  (irov.  80)  —  uralt,  wenn  ich  sie 
auch  nach  Euling  nicht  mehr  für  urgerm.  halten  darf  —  einem 
dichterling  zum  Vorbild  gedient,  der  nach  ihrem  muster  eine 
anzahl  unzuverlässiger  oder  gefährlicher  dinge  zusammentrug 
(vgl.  Miilleuhoff  a.a.O.  s.  262),  zum  teil  mit  benutzung  einer 
Variante  jener  priamel  (darauf  weist  die  widerkehr  von  schwert, 
eis  und  braut),  zum  teil  mit  ausbeutung  des  alten  raisonnieren- 
den  runenkatalogs.  Denn  dass  dieser  vielfach  vor  gefährlichen 
oder  unzuverlässigen  dingen  warnte,  zeigen  noch  seine  Über- 
reste bei  f  und  m,  zeigt  die  fortdauer  dieser  tradition  in  der 
ags.  runen-moralisation. 

Aber  hiermit  sind,  glaube  ich,  die  spuren  des  alten  Abe- 
cedarius  in  der  grossen  eddischen  spruchsammlung  noch  nicht 
erschöpft. 

Durchweg  charakterisieren  sich  die  runen-gnomen  dadurch, 
dass  als  erster  stab  der  runenname  sie  eröffnet,  ein  tj^pisch 
damit  verbundenes  wort  darauf  reimt,  und  der  Inhalt  senten- 
ziös  ist,  meist  in  gestalt  einer  Warnung  —  ganz  wie  etwa  bei 
den  sehr  vergleichbaren  stundenrufen  der  christlichen  nacht- 
wächter: 

Nur  elf  jünger  blieben  treu, 
Gieb,  dass  je  kein  abfall  sei. 

Zwölf  uhr  ist  das  ziel  der  zeit: 
Mensch  bedenk  die  ewigkeit. 

Eins  ist  not,  o  treuer  gott, 
Gieb  uns  einen  seligen  tod. 
u.  s.  w. 
(J.  Wichner,  Stuudenrufe  u.  lieder  d.  deutschen  nachtwächter  s.  34  f.) 

Analogien  in  der  gestalt  des  'Goldenen  ABC  fehlen  erst 
recht  nicht. 

In  den  H()v.  beginnen  nun  die  Strophen  durchaus  nicht 
besonders  häufig  mit  Substantiven.  Nimmt  man  zum  vergleich 
etwa  die  Vaf.,  so  findet  man  in  ihnen  unter  55  Strophen  2  mit 
appellativen,  10  mit  eigennamen,  8  mit  substantivierten  adjectivi- 
schen  neutris  eröffnet,  im  ganzen  also  20  substantivisch  an- 


78  MEYER 

fangend  (18  mit  verbalformen,  10  mit  adjectiven,  12  mit  Par- 
tikeln). Oder  in  prymskv.  fangen  von  31  Strophen  (bei  einer  fehlt 
der  anfang)  nur  eine  mit  einem  pronomen  und  eine  mit  einem 
substantivierten  adjectiv  an,  keine  mit  einem  eigennamen 
(2  mit  adjectiven,  16  mit  verbalformen,  nicht  weniger  als  11 
mit  Partikeln).  Man  wird  also  sagen  dürfen,  dass  die  sub- 
stantivische Stropheneröffnung  eine  ausnähme  ist:  selbst  die 
frage-  und  antwortstrophen  der  Vaf.  bringen  noch  nicht  die 
hälfte  aller  visur  in  diese  form,  appellativische  anfange  aber 
sind  überraschend  selten.  Wo  sie  nun  in  den  H(}v.  begegnen, 
treten  sie  auffallenderweise  zumeist  in  gruppen  auf,  und  oben- 
drein sind  diese  gruppen  oft  durch  parallelverse  verbunden: 

H(^v.  3 — 5  elds  —  vats  —  vits  es  j)Qrf 
„    10.  11  hyr^e  betre  herrat  ma])r  hrauto  at, 
„    36.  37  hü  es  hetra,  J)öt  lüet  se 
„    38.  41  vQpnom  — 
„    42.  43  vin  sinom. 

Anders  steht  es  innerhalb  der  70  Strophen  der  alten 
Spruchsammlung  nur  mit  str.  32.  50  und  72.  Denn  str.  68 
Eldr  es  haztr  . . .  gehört  wol  zu  den  seligpreisungen  36.  37  als 
Superlativ:  ausserdem  aber  steht  das  Stichwort  wol  zu  dem 
von  51  und  wahrscheinlich  auch  von  57  {elde  heitare  —  hrandr 
af  hrande)  in  beziehung.  Vor  allem  aber:  diese  drei  Strophen 
(51.  57.  68)  beginnen  mit  dem  variierten  runennamen  kaun; 
ebenso  die  letzte  ausnähme,  str.  39,  mit  dem  runennamen  fei 
Mit  verschwindenden  ausnahmen  (str.  32.  50.  72)  beginnen  also 
substantivisch  nur  solche  Strophen,  die  parallelen  neben  sich 
haben,  oft  (wie  besonders  str.  36.  37)  eigentliche  Variationen. 

Ganz  ähnlich  steht  es  aber  auch  in  solchen  fällen,  wo  ein 
substantivisches  Stichwort  an  zweiter  stelle  steht,  aber  mit 
dem  reim.  Das  gilt  vor  allem  für  die  Strophen,  von  denen 
wir  ausgiengen:  dei/r  fe  str.  76.  77;  aber  auch  für  die  vielen 
Strophen,  die  das  freilich  naheliegende  appellativum  malw  regiert: 

ösnjallr  mapr  str.  16, 

ösnotr  maj>r  str.  24 — 27  (79);  vgl.  mePalsnotr  sJcyle  manna 
Jiverr  str.  54 — 56, 

vesall  mapr  str.  22;  vgl.  str.  69, 

Variante:  gr^pogr  halr  str.  20. 


RUNENSTÜDIEN.  79 

Ich  glaube:  der  typus  hü  es  hetra  ist  unmittelbar  von 
runenbegleitversen  abhängig-  und  die  Strophen  mit  mapr,  fe, 
eldr  gehen  mittelbar  oder  unmittelbar  auf  solche  alte  Sprüche 
zurück.  Wo  dagegen  nur  im  inhalt,  nicht  im  aufbau  zu  runen- 
namen  wie  gäbe  und  wahn  (str.  40)  oder  see  (str.  53)  und  viel- 
leicht dem  problematischen  ags.  j)cord  (str.  32)  beziehungen 
vorhanden  sind,  scheint  mir  ein  genealogischer  Zusammenhang 
unwahrscheinlich.  Immerhin  ist  an  die  ähnlichkeit  von  H()v. 
49  mit  norw.  8  nochmals  zu  erinnern. 

Aber  über  den  norden  reichen  die  spuren  des  altgerm. 
stabreimenden  runenkatalogs  mit  seinen  variierten  nachsätzen 
nur  selten  heraus:  mehr  als  die  Überbleibsel  im  'Wanderer' 
und  in  zwei  stellen  des  ags.  runenliedes  wage  ich  nicht  zu 
behaupten.  Das  ags.  gedieht  ist  beinahe,  das  ahd.  ganz  un- 
abhängig von  der  in  norw.  und  isl.  nachwirkenden  tradition. 

Schon  der  bau  des  ags.  gedichts  ist  ja  charakteristisch 
verschieden.  Die  beiden  nordischen,  so  sehr  sie  im  aufbau 
sonst  abweichen,  teilen  das  wesentlichste:  die  Isolierung  der 
runen;  ags.  und  ahd.  ist  sie  aufgehoben.  Nicht  einmal  die 
dreizahl  der  verse  —  die  allerdings  vorherseht  —  ist  durch- 
geführt: vierzeilig  sind  eoJh,  eh,  man,  Ickju,  Jng,  ac\  die  schluss- 
rune  ear  hat  sogar  fünf,  luEgl  dagegen  nur  zwei  zeilen. 

Dazu  kommt  dann  die  grosse  zahl  der  neuen  zeichen  oder 
bedeutungen  {porn  gegen  purs,  os;  doch  vgl.  v.  Grienberger, 
Arkiv  11, 112).  Culturhistorische  Verschiebungen  kommen  dazu: 
die  rune  des  reitens  betrachten  die  nordleute  mitleidig  vom 
Standpunkt  des  bedrückten  rosses  —  der  Engländer  mit  fröh- 
lichem hochgefühl  von  dem  des  Sportsmannes  (doch  steht  hier 
der  Isländer  schon  vermittelnd  zwischen  den  beiden).  Noch 
merkwürdiger  ist  das  naturgefühl,  das  die  von  eis  glänzende 
landschaft  bewundert,  statt  nur  über  frost  und  gefahr  zu 
klagen,  oder  in  der  Schilderung  der  von  dem  Isländer  nüchtern- 
praktisch betrachteten  birke;  beim  w^asser  steht  w'ider  gerade, 
dieser  dem  andern  inselbe wohner  näher  als  dem  söhn  des  nor- 
dischen contineuts.  Im  ganzen  aber  kann  ags.  als  bew'eis 
dafür  dienen,  dass  die  Übereinstimmungen  zwischen  norw.  und 
isl.  nicht  zufällig  sind:  wie  wären  sie  sonst  in  dem  ags.  gedieht 
so  ganz  vermieden,  dass  (ausser  bei  den  besprochenen  zeilen) 


80  MEYER 

nur  etwa  noch  das  wort  'körn'  bei  'hagel'  einen  leisen  anklang 
liefert? 

Wir  dürfen  also  zuversichtlich  urteilen:  das  ags.  runen- 
lied  (vgl.  auch  Wimmer  s.  83)  steht  zu  dem  von  uns  voraus- 
gesetzten altgerm.  runenkatalog  in  sehr  geringen,  zu  den  uns 
erhaltenen  nord.  runengedichten  in  gar  keinen  beziehungen. 
Dagegen  vertritt  es  immer  noch  dieselbe  tradition  wie  sie 
alle:  moralisierende,  im  ausdruck  typische  Sprüche  werden  an 
den  runennamen  gehängt;  ja  es  hat  diese  tradition  treuer  ge- 
wahrt als  isl.,  das  vielfach  zu  einer  blossen  auf  Zählung  von 
heiti  und  kenningar  entartet  ist. 

Das  Abecedarium  nordmannicum  endlich  steht  ganz  ausser- 
halb dieser  tradition.  Ihm  fehlt  die  Isolierung  der  runen  völlig: 
hat  in  ags.  noch  jede  ihre  eigene  ' Strophe',  so  sind  hier  zwei 
oder  drei  in  einen  vers  gedrückt.  Ihr  fehlt  der  sentenziöse, 
wie  überhaupt  jeder  Inhalt:  es  ist  lediglich  ein  alliterierender 
denkvers  ziemlich  roher  art.  Man  schreibt  die  aufzeichnung 
einem  Angelsachsen  zu  (MSD.  Anm.  s.  56)  besonders  der  ags. 
form  rät  wegen  (doch  vgl.  v.  Grienberger,  Arkiv  for  nord.  fil. 
11,168);  andere  formen  aber  zeugen  für  unmittelbare  Über- 
lieferung aus  dem  norden,  und  die  anordnung  braucht  ebenfalls 
nicht  von  dem  altenglischen  fuj^ark  abzuhängen  (^^lmmer 
s.  236).  Die  nüchterne  sachliche  art  spricht  nicht  für  einen 
Angelsachsen;  sollte  nicht  einfach  ein  Niedersachse  die  nordi- 
schen runen  in  einen  denkvers  gebracht  haben,  wie  der  Isländer 
(v.  Grienberger  a.a.O.  11,104)  sie  notierte?  So  erklärte  sich 
auch  am  einfachsten,  dass  ahd.  von  der  tradition  der  alten 
runengedichte  so  völlig  unberührt  ist. 

Wir  glauben  damit  unsere  aufgäbe,  das  literarhistorische 
Verhältnis  der  alten  runengedichte  festzustellen,  gelöst  zu  haben. 
Aber  es  entsteht  noch  eine  weitere  fi-age.  Was  ergibt  sich 
hieraus  für  alter  und  geschichte  der  runennamen? 

Dass  die  germ.  runennamen  den  runen  von  anfang  an 
angehört  haben,  nahm  Wimmer  (s.  71.  271,  bes.  s.  140)  als 
bewiesen  an.  Mit  recht  fand  aber  v.  Friesen  in  seiner  wich- 
tigen fortführung  der  Untersuchungen  über  die  runenschrift 
(Eunskriftens  härkomst  s.  15  f.)  die  frage  einer  neuen  prüfung 
bedürftig.  Denn  zunächst  steht  nur  dies  fest,  dass  die  runen- 
namen älter  sind  als  die  altn.  und  ags.  Sonderentwicklung  des 


RUNENSTUDIEN.  81 

fu]?arks:  die  Übereinstimmung-  liegt  klar  zu  tage,  die  ab- 
weicluingen  lassen  sich  durchweg  phonetisch  begründen.  Aber 
die  gotischen  namen,  für  die  allerdings  das  gleiche  gilt,  können 
später  zu  den  got.  zeichen  hinzugefügt  sein;  der  cod.  Salisb. 
selbst  gehört  ja  erst  der  zweiten  liälfte  des  8.  jh.'s  (a.  a.  o.) 
an.  —  Indes  erklärt  sich  v.  Friesen  selbst  schliesslich  dafür, 
dass  die  runen  bereits  in  Osteuropa  'akrophone'  namen  —  und 
dann  doch  jedenfalls  im  wesentlichen  die  jetzt  überlieferten 
trugen.  Hierfür  macht  er  auch  (s.  117)  die  ähnlichkeit  der 
slavischen  buchstabennamen  geltend,  auf  die  mit  gewohntem 
Scharfsinn  bereits  J.  Grimm  (zu  W.Grimms  Literatur  der  runen: 
in  dessen  Ivleinen  Schriften  3,  129)  hingewiesen  hatte.  Die 
Slaven  hätten  dann  wol  die  bezeichnungen  von  den  Goten 
entlehnt  (v.  Friesen  s.  17). 

Nun  ist  zunächst  an  der  Selbständigkeit  der  germ.  namen 
schwerlich  zu  zweifeln:  ihr  princip  weicht  (wie  auch  v.  Friesen 
a.a.O.  betont.)  völlig  von  dem  nüchtern  lautierenden  oder  halb- 
lautierenden der  Griechen  und  der  Lateiner  ab,  über  das  jetzt 
W.  Schulze  (Die  lat.  buchstabennamen,  Sitzungs-ber.  der  pr.  akad. 
d.  wiss.,  28.  april  1904)  mit  unerschöpflicher  gelehrsamkeit  und 
unbeirrbarer  klarheit  gehandelt  hat.  Diese  Selbständigkeit  be- 
ruht aber  auf  der  Verbindung  des  runennameus  mit  einem 
begriff.  Es  ist  schwer  denkbar,  dass  diese  art  der  namen- 
gebung  späterer  zeit  gehören  könnte.  Als  die  Semiten  ihren 
ersten  buchstaben  'das  haus'  nannten,  stand  ihnen  eine  alte 
ideographische  bedeutung  gewis  noch  vor  äugen,  die  kein 
Grieche  mit  dem  sinnlosen  'alpha'  verbinden  konnte.  So  be- 
zeugen meiner  ansieht  nach  auch  die  runenworte  der  Germanen 
eine  ältere  begriff sschrift  (vgl.  meine  'Urgermanischen  runen', 
Beitr.  21, 179);  diese  aber  kann  nur  dann  noch  nachgewirkt 
haben,  als  das  neue  runenalphabet  ganz  frisch  w^ar.  Ein  spä- 
teres zurückgreifen  —  und  nun  gar  noch  in  übereinstimmender 
weise  bei  Skandinaviern  und  Angelsachsen!  —  scheint  mir 
undenkbar. 

Nicht  durchaus  notwendig,  aber  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit verbindet  sich  mit  dieser  annähme  die  von  der  bild- 
lichen bedeutung  der  altgerm.  runen;  eine  annähme,  vor  der 
Wimmer  (s.  143)  vielleicht  doch  mit  zu  grosser  entschiedenheit 
gewarnt  hat.    Uebrigens  verträgt  diese  hypothese  sich  eben- 

BcitrUge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  0 


82  MEYER 

sowol  mit  Wimmers  und  anderer  ablelinung  urgermanischer 
runen,  d.  li.  solcher  runen,  die  bei  den  Germanen  vor  einführung 
des  antikisierenden,  lat.  oder  griech.  Vorbildern  nachgebildeten 
alphabets  in  gebrauch  gewesen  wären  — ,  als  auch  mit  dem 
glauben  an  diese  'urrunen'.  Denn  auch  der  buchstabe,  der 
aus  rein  technischen  gründen  bei  der  nachbildung  irgend  eine 
bestimmte  form  angenommen  hatte,  konnte  nun  ideographisch 
gedeutet  werden,  wenn  nur  eben  an  alte  Ideogramme  (die 
keine  runen  gewesen  zu  sein  brauchen)  irgend  welche  erinne- 
rung  ^noch  lebte.  Weshalb  sollte  f;  nicht  als  'stierkopf  mit 
hörnern'  gedeutet  werden?  Eine  bezugnahme  auf  die  form  des 
Zeichens  liegt  doch,  wie  schon  die  Semiten  beweisen,  so  nahe! 
Wie  gern  machen  noch  heute  lehrer  von  solchen  mnemotech- 
nischen hilfsmitteln  gebrauch  und  erklären  etwa  die  Zahlzeichen 
als  mann  mit  pfeife  im  mund,  schwimmende  ente  u.s.w.  (vgl. 
meinen  aufsatz  'Literarische  ziffernspiele'  in  den  Treussischen 
Jahrbüchern'). 

Dass  mindestens  die  Vorstellung,  zwischen  dem  bild  und 
dem  namen  der  rune  hersche  eine  beziehung,  verbreitet  war, 
das  macht  eine  letzte  Vermutung,  die  ich  mit  aller  vorsieht 
anbringen  möchte,  wahrscheinlich  und  gibt  man  sie  zu,  so  ist 
die  gleichaltrigkeit  der  runennamen  mit  dem  altgerm.  runen- 
alphabet  vollends  mit  Sicherheit  erwiesen. 

W.Schulze  hat  (a.a.O.  s. 6f.)  das  alphabetische  stück  aus 
dem  Technopägnion  des  Ausonius  für  seine  forschungen  ver- 
wertet. Es  sind  hexameter,  die  auf  die  sich  folgenden  buch- 
staben  ausgehen,  wofür  zwar  (wie  in  den  nordischen  runen- 
gedichten)  nur  das  zeichen  gesetzt  ist.  Oefters  bezieht  sich 
(s.  8)  der  vers  auf  die  gestalt  des  buchstabens,  z.b.  für  //  und  ^: 
Hostilis  quae  forma  iugi  est,  liae  efficiet  11 
Maeandrum  flexusque  vagos  imitata  vagor  ^. 

Das  stück  de  litteris  monosyllabis  gehört  erst  der  zweiten 
ausgäbe  von  390  (s.  14)  an  und  fällt  in  eine  zeit,  in  der  gerade 
(nach  Schulzes  nachweis)  eine  neuerung  in  den  lat.  buchstaben- 
namen  sich  vollzog:  das  'lautieren',  das  vocallose  vortragen 
der  consonantengeräusche  ward  durch  das  'buchstabieren',  die 
'vollen  Silbenklänge'  ersetzt  (s.  14  f.)  —  genau  die  umkehr 
einer  Umwälzung,  die  in  Tiecks  und  Immermanns  Satiren  ihr 


RUNENSTÜDIEN.  83 

echo  fand.  Das  gedieht  selbst,  inertis  otii  mei  inutile  opus- 
culum,  scheint  isoliert  dazustehen;  denn  die  nicht  seltenen 
'alphabetischen  gedichte'  des  Augustinus  (Ebert,  Gesch.  d. 
christl.-lat.  lit.  1,  242),  Sedulius  (ebda.  s.  364)  und  vieler  anderer 
sind  ja  doch  nur  akrosticha  einer  bestimmten  art,  keine  buch- 
stabengedichte.  Deshalb  liaben  sie  auch  den  buchstaben  am 
anfang,  nicht.  Avie  Ausonius,  an  der  höchstbetonten  schluss- 
stelle.  Gerade  aber  dass  er  sie  am  ende  des  verses  hat,  lässt 
sein  gedieht  mit  den  germ.  runenliederu  vergleichen,  die  den 
buchstaben  (wenn  möglich)  am  anfang  zeigen:  das  ist  eben  in 
der  alliterationsdichtung  die  wichtigste  tonstelle.  Fernere 
ähnlichkeiten  bieten  die  bezugnahme  auf  die  form  des  buch- 
stabens,  die  wir  wenigstens  für  |5  und  andere  runen  voraus- 
setzen, und  der  ganze  versuch,  einen  buchstabenkatalog  mit 
poetischem  leben  zu  erfüllen.  —  Wäre  es  undenkbar,  dass  der 
consular  ein  germanisches  runengedicht  zum  vorbild  genommen 
hätte?  Liebte  es  doch  die  lat.  poesie  jener  zeit,  mit  der  ein- 
heimischen ein  wenig  zu  kokettieren;  Venantius  Fortunatus 
spielt  auf  die  leudos  an  und  der  Graeculus  in  der  taverne 
stopft  sein  distichon  gar  mit  gotischen  prostrufen.  Soll  doch 
sogar  schon  Ovid  in  der  spräche  der  Geten  —  die  denn  frei- 
lich auch  J.  Grimm  nicht  zu  Goten  machen  konnte!  —  ge- 
dichtet haben.  Nun  war  das  germ.  runenalphabet  noch  eine 
neue  erfindung:  um  300  setzt  es  Wimmer  (s.  176)  an,  310  ist 
Ausonius  geboren;  in  den  Rheingegenden,  in  die  man  den  Ur- 
sprung des  ful^arks  setzt,  musste  damals  für  jene  neuerung 
der  barbaren  noch  Interesse  herschen.  (Die  durch  Salins 
grosses  werk  über  die  altgerm.  tierornameutik  s.  146.  353  in 
neuen  fluss  gebrachte  frage  nach  den  verbreitungswegen  der 
runenschrift,  vgl.  z.  b.  Kauffmann,  Zs.  fdph.  37,  271,  hat  mit 
dieser  hypothese  nichts  zu  tun,  da  sie  ja  das  urspruugsgebiet 
des  ful^arks  nicht  berührt.) 

Ein  römischer  dichter  wäre  dann  der  letzte  und  sicherste 
zeuge  dafür,  dass  es  runengedichte  schon  zur  zeit  des  Ursprungs 
der  runenschrift  gab;  und  da  durch  ihn  auch  wahrscheinlich 
würde,  dass  diese  altgerm.  runenkataloge  auf  die  bilder  bezug 
nahmen,  würde  die  Identität  derselben  mit  den  uns  erhaltenen 
Verzeichnissen  von  runennamen  noch  vollends  sichergestellt. 
Denn  die  reste,  die  am  treuesten  bewahrt  scheinen,  sind  nun 

6* 


84  MEYER,   EUNENSTÜDIEN. 

einmal  die  am  leiclitesten  zu  deutenden  bilder:  f;  der  stier- 
kopf,  M  der  mann  mit  seinem  gesippten  mit  verschlungenen 
händen.  Da  aber  für  das  Schlagwort  (wie  noch  in  norw^  isl. 
ags.,  und  ebenso  bei  Ausonius!)  nur  das  zeichen  stand,  konnte 
es  auch  anders  gedeutet  werden  und  so  mag  hü  Hov.  36.  37 
leicht  einer  andern  Interpretation  von  ^  seinen  Ursprung  ver- 
danken. 

Das  aber  sind  Vermutungen,  von  nicht  geringer  Wahr- 
scheinlichkeit vielleicht,  aber  doch  Vermutungen;  dass  aber 
die  einführung  der  altgerm.  runenschrift  unmittelbar  zu  ge- 
reimten runenverzeichnissen  führte,  die  von  den  runennamen 
ausgiengen  und  gnomischen  Inhalts  waren,  sowie  dass  uns 
daraus  die  erste  und  bezeichnendste  zeile  bewahrt  ist,  das 
hoffen  wir  erwiesen  zu  haben. 

BEELIN,  29.  dez.  1905.  RICHARD  M.  MEYER. 


STUDIEN  ZU  DEN  WERKEN  DES  STRICKERS. 

1.    Zur  Karlüberlieferiiiifi:. 

Seit  dem  erscheinen  meiner  'Gescliiclite  der  hs.-licben  Über- 
lieferung von  Strickers  Karl  dem  grossen'')  sind  zwei  weitere 
hss.  des  Karl  zum  vorscliein  gekommen.  Von  beiden  gab  es 
nachricliten,  aber  beide  galten  entweder  für  verschollen,  oder 
wenigstens  die  eine  von  ihnen  glaubte  ich  §  15  mit  dem  Cgm. 
438  (H)  identificieren  zu  können. 

Von  der  Hamburger  lis.,  die  ich  im  folgenden  mit  Y  be- 
zeichne (vgl.  Bartsch,  Einl.  s.  xli)  erhielt  ich  zuerst  durch  Fritz 
Burg  nachricht,  dass  sie  noch  vorhanden  sei.  Sie  enthält  auch 
Wolframs  ^Mllehalm  und  bekanntlich  galt  sie  seit  Lachmanns 
vorrede  zu  Wolfram  von  Eschenbach  s.  xxxiv  für  unauffindbar. 
Selbst  in  der  5.  aufläge  der  Lachmannschen  ausgäbe  ist  diese 
notiz  unverändert  zu  lesen.  Dies  veranlasste  mich,  der  hs. 
keine  erwähnung  zu  tun. 

Die  zweite  wider  entdeckte  hs.  ist  die  ehemalige  Duis- 
burger hs.,  die  ich  zuerst  in  E.  J.  Kochs  Compendium  der 
deutschen  literaturgesch.  1 2, 103  erwähnt  fand  (vgl.  hÜ.  §  4). 
Sie  liegt  jetzt  in  Bonn  und  ist  vor  kurzem  von  K.  Drescher 
in  der  Zs.  fdph.  38,  367  f.  ausführlich,  aber  teilweise  verkehrt 
beschrieben  w^orden.2)  Dass  wir  es  wirklich  mit  der  Duis- 
burger hs.  zu  tun  haben,  ist  dadurch  bewiesen,  dass  auf  dem 
schnitt  oben  und  unten  je  zweimal  Äcad.  Duish.  eingebrannt 
ist.    Ich  bezeichne  die  hs.  mit  der  sigle  X. 

*)  Im  folgenden  ht\  abgekürzt. 

^)  Mit  recht  hat  Drescher  s.  369,  anm.  1  auf  eine  s.  92  mir  unter- 
gelaufene Verwirrung  aufmerksam  gemacht.  Z.  5  von  oben  des  §  97  ist  in 
§§  84  und  91  zu  verbessern  und  z.  8  von  oben  in  §§  83  und  90. 


86  WILHELM 

Weiterhin  sind  noch  zwei  Karlbruchstücke  hinzugekommen. 
Das  Molsberger  o  erwähnte  ich  noch  kurz  in  den  'Berich- 
tigungen und  nachtragen'  (hÜ.  s.  289);  leider  ist  aber  die  hs. 
nach  mitteilung  der  gräflich  von  Walderdorffschen  fideicommiss- 
verwaltung,  Molsberg,  d,  6.  juli  1906  'trotz  widerholten  eifrigen 
suchens'  nicht  wider  gefunden  worden. 

Ein  Brünner  fragment  teilte  A.  Schönbach  in  der  Zs.  fda. 
47, 446  f.  mit.    Es  wird  im  folgenden  die  sigle  p  führen. 

Nach  Dreschers  ausführungen  könnte  man  glauben,  mit  X 
ergäbe  sich  eine  ganz  neue  gruppe  von  Karlhss.  Das  ist  aber 
nicht  so.  Im  gegenteil,  die  hss.  X  und  Y  beweisen  wider  auf 
das  glänzendste  die  richtigkeit  meiner  gruppenansätze.  Beide 
hss.  sind  aber  äusserst  wichtig.  Sie  gehören  der  von  mir  als 
*ANd  bezeichneten  version  an  und  zwar  einem  Stadium,  in 
dem  die  grosse  lücke  vv.  5059—350,  die  für  die  hss.  AN  cha- 
rakteristisch ist,  noch  nicht  vorhanden  war.  Weiterhin  hat 
sich  aber  ergeben,  dass  das  bruchstück  k  nicht  wie  ich  hÜ. 
§  137  angenommen  hatte,  zur  gruppe  *CDEQV  gehört,  sondern 
zur  gruppe  *ANd,  denn  es  geht,  wie  zuerst  Fritz  Burg  richtig 
erkannte  und  mir  mitteilte,  mit  Y  auf  eine  gemeinsame  quelle 
zurück.  1) 

Die  auffindung  der  hss.  XY  hat  also  die  Überlieferungs- 
lage  wesentlich  gebessert,  denn  wir  können  jetzt  auch  die 
vv.  5059 — 350  mit  Sicherheit  nach  drei  gruppen  herstellen; 
ausserdem  ergab  aber  die  coUation  der  beiden  hss.  das  von 
vornherein  zu  erwartende  ergebnis:  die  hss.  AN  gehen  auf 
eine  in  kleinigkeiten  durch  einen  alemannischen  Schreiber 
stark  veränderte  vorläge  zurück.  Die  Jenilungruppe  ist,  als 
gesammtheit  genommen,  bei  weitem  besser  als  *ANd,  auf  der 
Bartschs  text  beruht.  Formen  wie  dur  gehören  nicht  dem 
Stricker,  nicht  den  hss.  XY  an.  sondern  nur  den  hss.  AN. 

Ich  gebe  zunächst  eine  beschreibung  der  hss.  XY. 

X.  Papierhs.  des  15.  jh.'s  (Ms.  Germ.  fol.  s.  500)  der  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Bonn  zu  266  bl.  +  3  vorgeklebten  bll., 


')  Auch  ich  war  zuerst  geneigt  gewesen,  k  als  zu  *ANd  gehörig  zu 
bezeichnen,  konnte  mich  aber  dann  wegen  des  'bruchstücks'  nicht  dazu 
entschliessen.  Ich  bemerke  übrigens,  dass  ich  §  137  die  einreihung  von  k 
in  die  gruppe  CDEQV  als  keineswegs  über  allen  zweifei  erhaben  hin- 
gestellt habe. 


STUDIEN   ZU   DEN   WERKEN   DES   STRICKERS.  87 

auf  denen  von  anderer,  aber  auch  dem  15,  jh.  angehörigen 
band  ein  register  gesclirieben  steht.  Das  Avasserzeichen  für 
die  registerbll.  zwei  gekreuzte  Schlüssel,  für  die  übrigen  eine 
wage.  Die  verse  sind  abgesetzt,  initialen  rot,  der  erste  buch- 
stabe  der  reimzeile  rot  durchstrichen.  Die  Zeilenzahl  ist  im 
anfang  25  auf  der  seite,  ungefähr  von  bl.  200  an  20 — 21,  noch 
später  sogar  20—19.  Die  hs.  beginnt  mit  v.  86  und  bricht  mit 
12130  ab.')  Richtig  hat  Drescher  erkannt,  dass  zwei  bände 
bei  der  niederschrift  des  textes  arbeiteten.  Die  eine  die  von 
zeile  6  der  ersten  textseite  bis  bl.  85  inclusive  schrieb,  wäh- 
rend von  der  anderen  bl.  86  f.  und  die  5  ersten  textzeilen  ge- 
schrieben wurden.  Diese  band  schreibt  auch  regelmässig 
Marsilies,  die  andere  dagegen  llarsiltus,  z.  b.  v.  1544.  Die 
hs.  ist  mit  colorierten  bildern  (s.  unten)  geschmückt.  Gegen- 
wärtig sind  noch  38  vorhanden.  Es  müssen  aber  noch  viel 
mehr  vorhanden  gewesen  sein.  lieber  jedem  bild  steht  ein 
rubrum,  das  über  die  bedeutuug  des  bildes  aufschluss  gibt. 
Nach  diesen  rubren  ist  nun  —  so  hat  schon  Drescher  richtig 
geschlossen  —  jenes  oben  erwähnte  register  geschrieben.  Das 
register  enthält  aber  48  Überschriften,  die  48.  ist  allerdings 
nicht  genauer  angegeben,  es  fehlen  also  9  bis  10  bilder.  Da, 
wo  bll.  herausgerissen  sind,  deutet  ein  unscheinbarer  farben- 
fleck  (meist  grün  vom  rasen,  was  darauf  hindeutet,  dass  die 
bll,  von  oben  nach  unten  herausgerissen  wurden)  auf  das  ehe- 
malige Vorhandensein  eines  solchen  bildes  hin.  So  lässt  sich 
noch  ziemlich  genau  feststellen,  welche  bilder  fehlen,  nämlich 
*1.  *2.  *3.  6.  20.  30.  33.  *44.  *46  und  *48,  von  den  unbesternten 
nummern  sind  noch  farbeureste  zu  sehen.  Der  einband,  Schweins- 
leder mit  pappe  gesteift,  stammt  höchstens  aus  der  mitte  des 
17.  jh.'s. 

Vor  dem  einbinden  muss  die  hs.  in  einem  schauderhaften 
zustand  gewesen  sein.  Damals  müssen  schon  eine  anzahl  bll. 
verloren  gegangen  sein  und  da  eine  lagenbezeichnung  von 
früher  nicht  vorhanden  war,  musste  sie  vom  besitzer,  der  die 
hs.  zum  binden  gab,  angefertigt  werden.    Er  teilte  von  A 


')  So  nach  Bartschs  Zählung.  Das  gedieht  hat  weniger  als  12206 
veree.  Dass  Bartschs  Karlausgabe  als  35.  bd.  der  'Bibl.  d.  litt.-ver.'  erschienen 
sein  soll  (Drescher  a.a.O.),  ist  doch  wol  bloss  ein  irrtum. 


88  WILHELM 

(register),  B— Z  ein.  Daran  schliessen  sich  noch  3  weitere 
lagen,  deren  bezeichnung  ich  aber  nicht  recht  ermitteln  konnte, 
da  sie  teilweise  beim  binden  Aveggeschnitten  wurden.  Ueber- 
haupt  war  der  rand  der  hs.  vor  dem  einbinden  wesentlich 
breiter.  Das  geht  auch  daraus  hervor,  dass  auf  der  seite,  die 
vv.  5844—64  enthält,  ein  teil  des  von  einer  band  des  17.  jh.'s 
an  den  rand  geschriebenen  goldenen  ABC  (vgl.  W.KL.  5,516) 
weggeschnitten  ist.  Die  fassung  ist  nicht  wertlos,  weil  sie 
dem  nd.  original  wahrscheinlich  näher  steht  als  die  des  Greifs- 
walder  gesangbuchs  von  1597.  Ich  teile  daher  das  frag- 
ment  mit: 

1)  Allein  auff  god  h 

Aiiff  mensclieu  zo  sag  gar 
Godt  ist  allein  der  gla 
Sunst  ist  kein  glaub 

2)  Bewar  dein  elir  hut  d 
es  ist  Torwar  dein  hoest 
wistu  dei  schantz  ein 
So  ist  es  vmb  dei  ehr 

3)  Claif  nicli  veil  dan 

es  wirdt  dir  geben  preis 
mitt  schwigen  nimad 
Claffen  zum  chrentz  bring 

4)  Dem  grossen  weich  acht  d 
das  er  dich  nitt  in  vngl 
Dem  kleinsten  auch  kein  v 
So  lebstu  stedes  in  ras 

5)  Erheb  dich  nitt  mitt  stoltzen 
Wan  du  hast  vberkhome 

es  wirdt  dir  süsten  ebe 

Eine  anzahl  von  versverlusten  sind  offenbar  erst  durch 
die  fehlenden  bll.  veranlasst  worden:  die  lücke  fällt  alle  mal 
zwischen  zwei  bll.  So  wird  es  sich  verhalten  mit  vv.  1 — 85 
(2  bll.),  275—478  (4  bll.),  1696-1771  (2  bll.),  2255—352  (2  bll.), 
3181—283  (2  bll.),  5641-64  (1  bl.),  8174-92  (1  bl.),  8764—76 
(1  bl),  11135—232  (3  bl.)  und  11633—92  (2  bll.).  Die  ganze 
hs.  dürfte  demnach,  rechnet  man  zu  den  266  bll.,  die  den  Karl- 
text enthalten,  2  +  4  +  2  +  2  +  2  +  1  +  1  +  1  +  3  +  2  bll.  + 
den  fehlenden  2  schlussbll,  aus  288  bll.  =  24  lagen  zu  12  bll. 
bestanden  haben.    Die  gegenwärtige  lageneinteilung  ist  viel 


STUDIEN   ZU   DEN   WERKEN   DES    STRICKERS.  89 

später  und  ganz  verwirrend,  oft  mussten  ja  nur  einzelne,  lose 
bll.  aneinander  geheftet  werden. 

Als  heimat  der  hs.  gibt  Drescher  den  nördlichen  teil  des 
ostfränkischen  gebietes  an.  Wie  Drescher  zu  einer  solchen 
bestimmung  kommen  konnte,  ist  mir  direct  unerfindlich.  Die 
hs.  weist  einen  ausgeprägten  elsässischen  dialekt  auf.  Die 
2.  pers.  plur.  geht  doch  nicht  im  ostfr.  auf  -cnt  aus,  sondern 
nur  auf  alemannisch -schwäbischen  gebiet.  Dazu  kommt  das 
fast  regelmässige  6  für  gemeinmhd.  ä,  also  nömen  Och  (=  Äche), 
der  intensitätsverlust  der  hd.  tenuis  dentalis,  besonders  im 
anlaut,  dun,  dot,  gedete,  dazu  die  nur  elsässische  form  dirte 
(=  dritte),  z.  b.  7518,  ferner  die  widergabe  von  mhd.  cv,  iu,  ou, 
i,  ü  durch  c,  ü,  ou,  l,  ü.  Hätte  Drescher  nur  einen  einzigen 
elsässischen  text  hergenommen,  etwa  die  Übersetzung  der 
Legenda  aurea,  er  hätte  diese  localisierung  nie  und  nimmer 
machen  können.  Zum  Elsass  scheinen  aber  auch  die  rainia- 
turen  zu  stimmen,  denn  die  hs.  macht  ganz  den  eindruck,  als 
sei  sie  in  der  schule  des  Diebolt  Lauber  in  Hagenau  ge- 
schi'ieben. 

Ich  lasse  jetzt  einen  abdruck  des  registers  folgen,  da  dieses 
zugleich  eine  anschauung  über  den  darstellungsiuhalt  der  bilder 
gibt.  Die  fehlenden  bilder  habe  ich  durch  ein  vorgesetztes  * 
gekennzeichnet. 

Bl.  Ib.*  Hie  fohet  sich  an  des  büclies  cappittel  das  do  heisset  keiser 
karles  buch  vnd  gemalet  mit  fignreu  viid  ist  dis  das  erste  Cappittel  von 
des  mannes  sj'nnen  vud  Vernunft,   (bis  hierher  rot) 

*  Das  ander  Cappittel  Als  keyser  karle  lag  vnd  slieff  vud  xij  ritter 
sin  hutent  vnd  ym  der  engel  ein  swert  von  hymel  brecht. 

*  Das  iij  Capp    als  keyser  karle  sich  zeichent  mit  dem  heiligen  crütz. 
Das   iiij   Cappittel    also   zwolff  beiden    zu   keyser   karle    geschicket 

wurdent. 

Das  V.  Capp.  zwolff  beiden  keyser  karle  botschafft  brochtent  von 
irem  hern. 

*  Das  vj  Cappittel  Also  die  heru  zu  rate  gingeut  vnd  woltent  zu 
ßülande  keren. 

Das  sübende  Cappittel  also  der  bischoff  mit  eine  grossen  folg  vor  den 
keyser  trat. 

Das  viij  Capp    also  genehm  myt  sechshundert  rittern  enweg  reit. 

Das  IX  Cappittel    also  genehm  marsilien  sine  swert  gab. 

Daa  X  Cappittel  also  die  kouige  vnd  die  hern  zu  dem  könige  mar- 
silien koment 


90  WILHELM 

Bl.  2  a.  Das  xj  Cappittel  Also  die  fursten  mit  einander  heim  zu  hoffe 
Ritten  vnd  der  helt  rulant  by  dem  lande  bleip. 

Das  xij  Capp  Also  die  fursten  vnd  die  herren  gegen  des  tages  schin 
vif  brochent 

Das  xiij  Cappittel  Also  Eulant  sich  bereit  vif  sine  fart  mit  so  gutem 
harnesch  der  er  finden  mochte. 

Das  xijij  Capp  Also  die  cristen  vnd  die  beiden  mit  grosser  schar  zfi- 
samen  koment 

Das  XV  Cappittel  Also  ein  konig  marsilies  dochf'^  begert  wer  es  das 
er  Rülande  angesiget. 

Das  xvj  Capp.  Als  Rulant  vnd  sin  her  sich  scharte  vnd  yedem  her 
ein  sunder  schar. 

Das  xvij  Cappittel  Also  das  her  die  cristen  vnd  die  beiden  zusamen 
kament. 

Das  xviij  Cappittel  Als  ein  grosse  her  der  beiden  erslagen  wart  von 
Rülanden 

Das  xix  Capp.  Also  der  grosse  falram  mit  eira  spies  kirdos  stac  das 
er  dot  bleip. 

*  Das  XX  Cappittell.   Als  der  beiden  funff  schar  erslagen  was. 
Das  xxj  Cappittel   Also  Rulant  vnd  gernolt  mit  einander  strittent. 
Bl.  2  b.    Das  xxij  Cappittel   Also  marsilies  der  heidensche  herre  sin 

her  teilte  vnd  wolt  wider  an  die  cristen. 

Das  xxiij  Cappittel  Also  der  bischoff  türpin  maugeu  heim  zertrant 
vnd  vil  der  beiden  nyder  slüg. 

Das  xxiiij  Capp.    Also  marsilies  der  konig  zwey  tusent  man  vff  rüstet. 

Das  XXV  Cappittel  Also  Rulant  swachet  an  sime  volg  vnd  er  sin  hörn 
blies  das  es  keiser  karle  bort  in  dem  slosz. 

Das  XXV]  Capp.  Also  Rulant  vnd  olj'fier  marsilien  alle  sin  banerbern 
erslügent. 

Das  xxvij  Cappittel  Also  Rulant  sinen  gesellen  vor  dot  lies  ligen  der 
was  genant  olifier  wan  er  an  die  beiden  reit. 

Das  xxviij  Capp.  Also  Rulant  vnd  turpin  vn  walther  allein  an  die 
beiden  stritten 

Das  xxix  Cappittel  Also  Rulant  vnd  der  bischoff  turpin  das  wal  be- 
hieltent  gegen  den  beiden  vnd  Rulant  sime  gesellen  den  heim  abbaut. 

*  Das  XXX  Cappittel  Also  der  helt  Rulant  sich  crützwisz  vff  einen 
stam  leit  vnd  das  swert  vnd  hentschüch  gegen  hj^mel  bot. 

Bl.  3  a.  Das  xxxj  Cappittel.  Also  keiser  in  den  tal  gon  rüntzifal  kam 
vnd  er  Rulant  dot  fant  ligen. 

Das  xxxij  Cappittel  Also  keiser  karle  des  nahtes  tromte,  wie  das  er 
solte  genesen  vnd  wie  ym  got  einen  engel  schicket. 

*  Das  xxxiij  Cappittell  Also  der  konig  balbigan  vil  herren  besament 
vnd  keyser  karle  vertriben  wolte. 

Das  xxxiiij  Capp.  Also  keyser  karle  sin  cristen  her  besament  hett 
vnd  wolte  mit  yn  an  die  heidensche  diet. 

Das  XXXV  Cappittel  Also  sich  keiser  karle  bereitet  vnd  sin  folg  scharte 
und  an  die  beiden  wolt  Riten. 


STUDIEN   ZU   DEN   WERKEN   DES   STRICKERS.  Ol 

Das  xxxvj  Capp.  Also  der  kSuig  balbigan  mit  sime  her  den  cristen 
begunde  nohen  vnd  do  bliescnt  aber  die  cristen  ir  hörner. 

Das  xxxvij  Cappittel  Also  die  cristen  vnd  die  beiden  züsamen  kament 
vnd  miteinander  stritten  vff  den  rossen 

Das  xxxviij  Capp.  Also  der  cristen  vnd  der  beiden  wol  hundert  tusent 
dot  lagent. 

Das  xxxvijij  Cappittell  Also  keyser  karle  vnd  der  konig  balbigan 
einen  strit  vor  allem  folg  miteinander  strittent. 

Bl.  3b.  Das  xl  Cappittel  Also  der  konig  balbigan  vnd  alle  sin  her 
erslagen  wart 

Das  xlj  Cappittel  Also  keiser  karle  ob  sinem  folg  stunt  vnd  sü  gar 
sere  claget. 

Das  xlij  Cappittel  Also  man  Rülanden  bestatet  in  die  erden  vnd  die 
cristen  alle. 

Das  xliij  Cappittel  Also  keiser  karle  vier  hern  in  das  laut  viande 
schicket. 

*  Das  xliiij  Capp.  Also  die  schöne  fröwe  vor  dem  keiser  clagte  iren 
bruder  vnd  iren  man  Rülanden. 

Das  xlv  Cappittel    Also  margroffe   otte  zu  genehmen  kam  in  einem 
walde. 

*  Das  xlvj  Capp  Also  keiser  karle  zu  gerichte  sas  vnd  genehm  vor 
yn  brocht  wart 

Das  xlvij  Cappittel  Also  pinabel  vnd  der  wenige  dietherich  mit- 
einander kempften 

Das  xlviij  Cappittel  — 

Y.  Papierhs.  des  15.  jh.'s.  (Cod.  Ms.  germ.  19)  der  stadt- 
bibliothek  zu  Hamburg,  in  folio,  zu  271  bll.  =  542  ss.  nach 
der  gegenwärtigen  Zählung,  die  aber  falsch  ist.  Bll.  8a — 79b 
steht  nach  dieser  Zählung  der  Karl,  bll.  81a  —  16Gb  der  Wille- 
halm Wolframs  und  bll.  168  a — 269  a  sp.  a  Rudolfs  Barlaam. 
Bl.  269  a  sp.  b  —  269  b  folgt  dann  noch  ein  medicinischer  tractat. 
Eigentlich  umfasste  die  hs.  aber  nur  270  bll.  Eine  läge  von 
6  unbeschriebenen  bll.  geht  dem  Karl  voraus,  mit  einem  ochsen- 
kopf  als  Wasserzeichen,  am  ähnlichsten  no.  258  bei  Keinz,  aber 
mit  einfach  laufender  Stange  und  stern,  wie  no.  104  bei  E.  Kirch- 
ner, Die  papiere  des  15.  jh.'s  im  Stadtarchive  zu  Frankfurt  a.M. 
und  deren  Wasserzeichen.  Frankfurt  a.  M.  1893.  Der  Karl  selbst 
umfasst  6  lagen  zu  je  12  bll.  Beim  Willehalm  umfassen  eben- 
falls die  5  ersten  lagen  je  12  bll,  die  6.  dagegen  nur  10,  die 
7.  aber  16.  Eine  lagenbezeichnung  fehlt  bei  beiden  werken. 
Die  8  ersten  lagen  des  Barlaam')  umfassen  ebenfalls  je  12  bll., 

';  Hier  sind  die  lagen  bezeichnet  Iq  u.s.w. 


92  WILHELM 

die  9.  und  letzte  aber  nur  10  und  von  diesen  sind  2  aus- 
geschnitten. 3  bll.  sind  also  fälschlich  mitgezählt  worden:  sie 
sind  erst  heim  binden  dazugekommen.  Das  erste  ist  das  auf  dem 
Vorderdeckel  des  einbandes  innen  eingeklebte  pergamentblatt, 
auf  dem  Karl  der  grosse  auf  einem  steinernen  thron  sitzend 
abgebildet  ist.  Der  kaiser  mit  weissem  hart  und  reich  ge- 
locktem haar  ist  mit  grünem  liursit,  das  vom  cingulum  mili- 
tare  umschlossen  ist,  und  einem  darüber  Avallenden,  innen  grau 
gefütterten  purpurmantel  angetan;  die  oberen  enden  des  man- 
tels  hält  eine  reich  verzierte  viereckige  fibel  zusammen,  das 
rechte  untere  ende  ist  über  die  knie  geschlagen  und  fällt  in 
reichem,  aber  hart  geratenem  faltenwurf  auf  den  boden  herab. 
Die  füsse  sind  nicht  zu  sehen.  Rechts  unten  am  thron  sitzt 
ein  hund.  Die  rechte  hüfte  des  kaisers  ist  stark  eingebogen, 
sein  haupt  wendet  er  zu  dem  rechts  oben  vom  himmel  kom- 
menden engel,  der  mit  der  linken  band  Durndart  dem  kaiser 
darreicht,  mit  der  rechten  die  botschaft  überbringt.  Karl  hat 
mit  der  rechten  band  das  schwert  am  knauf  ergriffen,  in  der 
linken  hält  er  ein  lilienscepter.  Auf  dem  haupt  trägt  er  einen 
purpurnen  spitzhut  mit  dreifacher  kröne.  Rechts  von  der 
kröne  ein  Spruchband,  links  ein  unausgeführtes  Wappenschild. 
Der  Untergrund  des  bildes  ist  blau,  der  rand  rot.  Das  zweite 
ursprünglich  nicht  zur  hs.  gehörige  blatt  ist  das  pergament- 
bl.  80,  das  auf  s.  b  die  bataille  d'Aliscanz  zeigt  und  das  dritte 
das  papierbl.  167,  mit  dem  selben  ochsenkopf  als  Wasserzeichen, 
den  die  bll.  1 — 6  aufweisen.  Dass  es  nur  ein  vorsetzbl.  ist, 
beweist  der  falz  zwischen  bl.  179b  und  180a.  Der  selbe 
ochsenkopf  geht  durch  die  lagen  des  Barlaam  als  Wasser- 
zeichen durch,  ausgenommen  die  vierte.  Diese  weist  das  gleiche 
zeichen  wie  die  lagen  des  Karl  und  des  Willehalm  auf:  eine 
glocke  am  ähnlichsten  Keinz  no.  189.  Alle  drei  [werke  sind 
von  verschiedenen  bänden  geschrieben.  Von  einer  band  ist 
der  Willehalm,  der  Barlaam  ist  dagegen  von  mehreren  ge- 
arbeitet (vieren?).  Der  Karl  wol  auch,  doch  ist  eine  bestimmte 
entscheidung  nicht  zu  treffen.  Alle  drei  werke  sind  zwei- 
spaltig geschrieben,  im  Karl  beträgt  die  Zeilenzahl  für  die 
spalte  44—40.  Der  Karl  und  der  Willehalm  dürften  aber 
früher  einmal  eine  hs.  für  sich  gebildet  haben.  Die  rubri- 
zierung ist  die  gleiche:   rote  und  blaue  initialen,  vor   allem 


SUUDIEN   ZU   DEN   WERKEN   DES   STIilCKERS.  93 

aber,  die  ersten  buclistaben  der  reimzeileii  sind  mit  einer  roten 
linie,  die  ununterbrochen  von  oben  bis  unten  die  spalte  durch- 
läuft, durchstrichen.  Das  scheint  auf  den  gleichen  rubricator 
zu  weisen.  Im  Barlaam  fehlt  eine  rubrizierung-.  Auf  bl.  271a 
(eigentlich  270)  ist  das  ex  libris  der  Uffenbachschen  bibliothek 
eingeklebt,  auf  die  Innenseite  des  hinteren  einbanddeckels 
eine  Urkunde  vom  jähre  1407.  Der  hölzerne,  mit  braunem 
leder  überzogene  einband  stammt  aus  dem  15.  jh.  Der  schnitt 
war  mit  einer  guirlande  von  stilisierten  grünen  blättern  und 
roten  fünfblättigen  blumen  verziert. 

Der  dialekt  der  hs.  (Karl)  ist  bairisch,  doch  nalie  dem 
ostschwäbischen.  Die  diphthongisierung  ist  für  i,  iu  und  ü 
durchgeführt,  ei  und  oii  erscheinen  meist  als  ai  und  au,  für 
k  wird  meist  ch  geschrieben.  Vgl.  ferner  chom  für  quam, 
pischolf  für  i)ischof.  Nach  Ostschwaben  weisen  sjmkopierte 
formen  wie  salge  manger  und  der  zusammenfall  der  schwachen 
nominativformen  sing,  der  adjectiva  mit  den  flexionslosen  formen 
(vgl.  Anal.  Germ.  s.  133),  z.  b.  hailig,  groz,  milt,  reich. 

Ich  kann  mich  jetzt  zur  feststellung  des  Verhältnisses  der 
beiden  hss.  zu  den  übrigen  Karlhss.  wenden.  Dass  XY  der 
gruppe  *ABCDEGJLMNOPQTy  angehören,  ist  unzweifelhaft, 
denn  in  den  fehlenden  versen  stimmen  sie  zu  ihr.  Ich  brauche 
hiefür  nur  auf  die  tabelle  in  den  anhängen  zur  liÜ.  zu  ver- 
weisen. Dass  beide  hss.  aber  mit  den  hss.  AN  auf  das  nächste 
verwant  sind,  beweist  das  fehlen  der  vv.  111 — 114  und  die 
Umstellung  der  vv.  6834/33  in  ANXY.  Die  vv.  10640/39  stellen 
nur  ANY  um,  X  dagegen  nicht,  doch  das  wird  eine  secundäre 
Umbildung  sein.  Die  gemeinsame  quelle  von  ANXY'  stellte 
v.  10640  vor  v.  10639,  um  den  relativsatz  nicht  von  mmre  zu 
trennen.  Der  Schreiber  *ANXY  gewahrte  aber  nicht,  dass 
dann  v.  10639  noch  mehr  in  der  luft  hängt,  als  er  dies  so  wie 
SO  tut.  X  nahm  daran  anstoss  und  stellte  die  ursprüngliche 
versfolge  wider  her.  Einmal  hat  Y  mit  N  eine  lücke  gemein. 
Es  fehlen  den  beiden  hss.  die  vv.  10002  —05.  Das  ist  aber, 
sicher  bloss  zufällig.  Die  Schreiber  Y  und  N  sprangen  unab- 
hängig von  einander  von  v.  10001  JDurndarten  auf  v.  10005 
Durndarte  ab. 

Ausser  diesen  gemeinsamen  lücken  und  Umstellungen  weist 
Y,  abgesehen  von  den  lesarten,  weder  mit  X  noch  ANg  weitere 


94  WILHELM 

Übereinstimmungen  auf.  Natürlich  fehlen  eine  anzahl  verse,  die 
weder  in  X  noch  in  ANg  noch  den  übrigen  Karlhss.  fehlen: 

440.  1775/76.  2G53.  2880.  3001/02.  3208.  3236—41.  3271. 
4382.  4643/44.  4684—86.  4841.  5250.  5407.  5784/85.  5998. 
6846.  7350.  7792.  9321.  9842.  10518.  10524.  10583.  10792. 
10824.  10848.  11408.  11600-04  (darüber  vgl.  hÜ.  §  175). 
11665/66.  11816  und  12082. 

Einmal  nur  weist  Y  eine  lücke  mit  HKRn  auf.  Es  fehlen 
die  vv.  5283/84.  Das  ist  natürlich  zufall,  der  Schreiber  von  Y 
(oder  *Yk?)  sprang  von  du  v.  5282  (in  Y  fehlt  en)  auf  du 
V.  5284  ab  und  schrieb  infolge  dessen  bei  v.  5285  weiter. 

Besonders  reich  ist  Y  an  Umstellungen  zweier  aufeinander 
folgender  verse,  z.  t.  sind  sie  ganz  sinnlos,  z.  t.  scheinen  sie 
bereits  einem  früheren  Stadium  (*Yk  oder  einem  directen  Vor- 
läufer dieser  Untergruppe  von  *ANXY  s.  u.)  der  zweigüber- 
lief erung  angehört  zu  haben.    Es  sind  folgende: 

266/65.  904/03.  1782/81.  2696/95.  3528/27.  5770/69. 
6344/43.  6528/27.  6798/97.  6834/33.  7066;65.  7130/29.9916/15. 

Die  hs.  X  weist  mit  N  drei  Übereinstimmungen  auf.  Die 
lücke  1459—62  und  die  Umstellungen  492/91  und  2900/899. 
Nichts  findet  sich  davon  in  der  hs.  A,  die  ich  eigens  zu  diesem 
zweck  eingesehen  habe,  und  es  muss  dabei  denn  doch  zufall 
im  spiel  sein.  Die  gruppe  AN  ist  so  geschlossen,  dass  der 
ansatz  einer  gemeinsamen  quelle  *AN  unbedingt  nötig  ist. 
Bei  vv.  1459  f.  dürften  die  Schreiber  X  und  N  vom  reim  ge- 
walt  :  halt  auf  einen  reim  Diebolt  :  solt  v.  1463  abgesprungen 
sein.  Für  die  Umstellung  v.  492/91,  es  handelt  sich  um  namen, 
weiss  ich  eine  psychologische  erklärung  nicht  zu  geben,  da- 
gegen für  die  andere  schon.  V.  2899  wollte  man  näher  an 
V.  2901  anrücken,  wie  ja  auch  die  beiden  gedanken  Ps.  108,  9 
nebeneinander  stehen. 

Was  sonst  in  X  sich  an  Umstellungen  und  lücken  findet, 
hat  mit  keiner  der  übrigen  Karlhss.  etwas  zu  tun.  Folgende 
lücken,  die  besternten  entstanden  wahrscheinlich  durch  blatt- 
verlust,  sind  vorhanden:  *1— 85.  *275— 478.  606—17,  727—51. 
773—900.  950.  1027—30.  1637—40.  *1696— 1771.  2077/78. 
2171—74.  *2255— 352.  2362—752.  *3181— 3283.  3324.  3717—26. 
3895—920.  4045—51.  4379/80.  4963/64.  5277/78.  5496.  *5641 
—64.   5913—46.   5969/70.   5996.    6051/52.   *8174— 192.   *8371. 


STUDIEN   ZU   DEN  WERKEN   DES   STRICKERS.  95 

8764—76.  9405  06.  9676/77.  10099—102.  *11135— 232.  11366 
—96.  *11633— 92.  12130—206. 

Umgestellt  sind  folgende  verse: 

242/41.  1212/11.  2828,27.  3104/05/03.  3646/45.  5524/23. 
5806/05.  5894  93.  7498/97.  9826/25.  10046/45.  11062,61. 

Schon  daraus  ergibt  sich  —  icli  zeichne,  um  räum  zu  er- 
sparen, das  bruchstiick  k  schon  im  voraus  in  den  Stammbaum 
—  folgendes  bild  der  gruppe  ANXY. 

*ANXY 


*AN 


*Yk  X  A  *Ng 


Y  k  N  g 

Die  lesarten  bestätigen  dieses  Verhältnis  nur  noch  mehr. 
Es  wäre  raumverschwendung,  eine  grosse  Sammlung  an  diesem 
orte  vorzunehmen.  Folgendes  Verzeichnis,  für  das  hÜ.  §  126 
heranzuziehen  ist,  mag  das  verhalten  der  hss.  XY  zu  AN  ver- 
anschaulichen. 

176  XY  =  AN  G38  X  =  AN,  Y  gebennt.  713  XY  =  AN  780  Y 
=  AN,  in  X  lücke.  809  Y  =  AN,  in  X  lücke.  816  Y  =  a^)  gegen  AN, 
in  X  lücke.  824  Y  =  AN,  in  X  lücke.  845  Y  =  «  gegen  AN,  in  X 
lücke.  1008  XY  =  AN.  1020  XY  =  AN.  1018  X  =  AN,  Y  =  a. 
1072  XY  =  a  gegen  AN.      1118   XY  =  «  gegen  AN.      1144  X  =  AN, 

Y  =  ci  wol  aber  secundür.  1169  XY  =  AN.  1202  XY^  =  AN.  1647 
XY  =  «  gegen  AN.  2048  Y  =  AN,  X  verderbt  unwurclichen.  2181  X 
=  AN,  Y  =  «  wol  secundür.  2250  XY  =  AN.  2334  Y  =  AN,  in  X 
lücke.  2342  Y  =  ß  gegen  AN,  in  X  lücke.  2551  Y'^  =  «  gegen  ANgFH, 
in  X  lücke.  2562  Y  =  «  gegen  ANg,  in  X  lücke.  2620  Y"  =  «  gegen 
ANg,  in  X  lücke.  2623/24  Y  =  ANg,  in  X  lücke.  2653  fehlt  Y,  in  X 
lücke.  2869  X  =  AN,  Y  =  «.  2909  X  =  AN,  Y  luisverstanden  Zer 
flucht.  2956  XY  =  AN.  9003  XY  =  «  gegen  AN.  9048  XY"  =  cc  gegen 
AN.  9054  X  =  ANLOR,  Y  =  «.  9078  XY  =  «  gegen  AN.  9110  X  = 
«  gegen  AN,  Y  vncz  =  «  hin  ze.  9165/66  XY  =  a  gegen  AN.  9168  dir 
fehlt  ANXY.  9182  XY  =  AN,  in  Y  fehlt  das  erste  dich.  9186  XY  =  « 
gegen  AN.  9198  Y  =  «  gegen  AN,  X  harte  =  a  vil.  9232  XY  =  « 
gegen  AN.    9234  XY  =  «  gegen  AN.    9248  XY  gegen  ANg  vnz  disiu  = 

Y  vnd  dies  (vgl.  LV  unt  disiv)  =  X  das  die  (vgl.  MO  unz  diu,  H  dasz 
die).    9278  XY  =  ANg.    9310  Yg  =  a^),  X  =  AN.    9319  X  =  «,  Y  = 


')  Vgl.  hü.  §  98,  anm. 

*)  Ob  hier  in  Yg  eine  unabhängig  von  einander  vorgenommene  con- 


96  WILHELM 

AN.  9320  XY  =  a  gegen  AN.  9402  XY  =  «  gegen  AN.  9412  Y  = 
AN,  «  dicke  da  ^  X  vil  da.  9418  XY  gegen  AN,  Y  mit  «  uns  =  X 
mich.  9422  XY  =  «  gegen  AN.  9424  XY  =  a  gegen  AN.  9525  XY  = 
a  gegen  AN.  9654/55  XY  =  a  gegen  AN.  9741  XY  =  AN.  9765  XY 
=  «  gegen  AN.  9797  XY  =  u  gegen  AN.  9811  XY  =  a  gegen  AN. 
9888  XY  =  ß  gegen  AN.  9899  XY  ==  «  gegen  AN.  9948  XY  =  « 
gegen  ANMFHR.  9978  XY  =-  u  gegen  AN.  9982  XY^  =  a  gegen  AN. 
9994  XY  =  «  gegen  AN.  10010  XY  =  AN  {Syt  her  X  orthographiscli). 
10040  XY  =  AN.  10289  XY  =  AN.  10320  XY  =  ANQR  {Unz  fehlt  X). 
10357  X  =  ß,  Y  =  AN.  10361  X  =  «,  Y  =  AN.  10588  Y  =  «,  X  = 
ANL.  10583  X  -=  ANDO,  Y  fehlt.  10586  XY  =  a  gegen  ANBLM. 
10624  XY  =  u  gegen  AN.  ;  10678  XY  =  a  gegen  AN.  10770  XY  = 
AN.  10855  XY  =  a  gegen  AN.  10866  XY  =  a  gegen  ANT.  10896  X 
=  «,  Y  =:AN.  11037  XY  =  u  gegen  AN.  11067  XY  =  AN.  11105/06 
XY  =  AN."  11315  X  =  «,  Y  =  AN.  11389  XY  =  «  gegen  AN.  11406 
X  =  ANO,  Y  =  ß  wol  secundär.  11436  XY  =  AN.  11501  XY  =  ANT. 
11822  XY  =  AN.  12121  X  =  ß,  Y  =  AN.  12188  Y  ==  AN,  X  fehlt 
der  schluss. 

Somit  bleibt  nur  nocli  der  nacliweis  für  die  nähere  ver- 
wantschaft  von  Y  und  k  zu  erbringen.  Dass  k  nicht  aus  X 
oder  Y  abgeschrieben  sein  kann,  dürfte  schon  aus  dem  alter 
des  bruchstückes  hervorgehen,  eher  wäre  an  das  umgekehrte 
zu  denken,  k  teilt  mit  Y  weder  das  fehlen  der  vv.  5784  85 
noch  die  Umstellung  5770/69.  Ebenso  sind  nur  in  X  die  vv. 
5806/05  umgestellt.  Dagegen  weist  k  mit  Y  gegen  X,  das 
in  diesem  falle  fast  ganz  mit  a  geht,  folgenden  fehler  vv. 
5197/98  auf:  Vnd  dich  selbe  welle  sehenden  Si  zerbrachen  daz 
unwenden  k  =  Und  dich  selb  ivell  sehenden  Sie  zerbrachen 
daz  vnbenden  Y  =  Vnd  dich  selben  gar  besehende  Sü  brochent 
dach  vnd  wende  X  =  Und  dich  selben  gar  geschende  Sie  ze- 
brachen dach  und  tuende  a.  Charakteristisch  für  die  nahe  ver- 
wantschaft  mit  Yk  ist  noch  v.  5062.  X  geht  mit  den  hss.  G, 
BLMP,  CDV  und  K,  vgl.  hÜ.  §  188.  Yk  stehen  mit  der 
Variante  JDa  inne  stacht  ein  starcher  (grozer  Y)  spiez  allein  da; 
oder  5126  Slüg  man  si  vast  auf  k.  Man  schlug  sy  vdst  awf  Y 
gegen  X  =  «;  oder  5194  spa^he  Yk  CDE  =  wcehe  Xa.  Diese 
lesart  bildete  für  mich  die  hauptveranlassung,  k  in  hÜ.  §  137 


jectur  vorliegt,  oder  ob  *AN  und  X  geist  aus  v.  9311  unabhänig  versehent- 
lich aufnahmen,  lässt  sich  kaum  entscheiden.  Ich  möchte  eher  das  erstere 
annehmen.  Die  conjectur  lag  nahe,  aber  der  hs.  L  ist  der  selbe  lapsus 
passiert,  wie  ANX. 


STUDIEN   ZU    DEN   WERKEN   DES    STRICKERS.  97 

(vgl.  auch  §  188)  der  gruppe  CDEQY  zuzuweisen.  Das  hat 
sich  jetzt  also  als  nicht  richtig  herausgestellt.  In  den  sonst 
§  137  von  mir  angeführten  fällen  geht  k  immer  mit  Y,  teil- 
weise auch  mit  XV.')  Die  Stellung  des  hruchstückes  im 
hss.-stemma  ist  also  jetzt  klar.  Den  stricten  nachweis,  dass 
Y  nicht  aus  k  abgeschrieben  sei.  kann  ich  nicht  erbringen. 
Es  wird  also  vorsichtiger  sein,  eine  gemeinsame  quelle,  *Yk, 
die  mit  X  und  *AN  unabhängig  auf  *ANXY  zurückgieng,  an- 
zusetzen. 

Yollkommen  über  allen  zweifei  erhaben  ist  auch  die  ein- 
reihung des  bruchslücks  d  nicht  (vgl.  hU.  §  128).  Da  sicli  die 
Umstellung  o92(3  25  in  XY  nicht  findet,  dürfte  das  bruchstück 
mit  *AX  näher  verwant  sein.  vv.  3902.  3903  und  3944  bleibt 
d  mit  GO  isoliert.  484G  steht  ein  AXXYQ,  fehlt  da.  Zu  3915 
ist  Y  hey  hcstat  zu  vergleichen.  4873  lesen  noch  TX  wie  Nd. 
3887  XY  =  da  gegen  AN.  3984  XY  =  d«  gegen  AN.  3997 
XY  =  AN  gegen  d^v-.  Es  muss  mit  der  möglichkeit  gerechnet 
werden,  dass  die  ANd  gemeinsame  Umstellung  nur  zufällig  ist. 
Ich  habe  das  bruchstück  d  daher  oben  gar  nicht  in  den 
Stammbaum  eingezeichnet,  denn  nun  ist  es  ja  praktisch  ohne 
jede  bedeutuug  und  theoretisch  von  sehr  bedingter. 

Sehr  zu  bedauern  ist,  dass  von  dem  Brünner  fragment  p 
nicht  mehr  erhalten  ist.  Es  gehört  zur  gruppe  GJO;  darauf 
hat  schon  Schönbach,  Zs.  fda.  47,  447  mit  recht  hingewiesen. 2) 

Mit  GJO  stimmt  p  in  folgenden  fällen  (vgl.  liÜ.  §  133): 
3081.  3082;  zu  GO  3085.  3109.  3116.  3152.  3159.  3164.  3176. 
3186,  vgl.  dazu  hÜ.  §  132.  Einmal  3182  ist  das  in  GOYLFHR 
fehlende  also  in  p  als  so  vertreten,  doch  das  kann  ein  secun- 
därer  einschub  sein. 

Vielleicht  gehört  das  bruchstück  näher  zu  *0f  als  zu  *GJ. 
Vgl.  3115  Tenabri  Op  ^=  Tanehri  G,  doch  möchte  ich  darauf 
nicht  allzu  viel  gewicht  legen. 

Alles  in  allem:  ändern  tun  die  beiden  widerentdeckten  hss. 
an  dem  aufgestellten  Überlieferungsstammbaum  nichts.    Auch 

')  V.5088  liest  k  mit  BLMTXY  aar  und  nicht  wie  §§  VM  und  188 
LI',  zu  lesen  ist  yar.     Darauf  hat  mich  F.Burg  aufmerksam  gemacht. 

'^)  Die  Zugehörigkeit  zur  gruppe  ABCDEüJLMNOl'QTVXY  wird  be- 
wiesen durch  das  fehlen  der  vv.  3135. 3ü. 

Ueiträge  zur  gescliichtc  der  deutschen  spräche-     XXXU.  ^ 


98        WILHELM,   STUDIEN   ZU   DEN   WERKEN   DES   STRICKERS. 

die  textgestalt  würden  sie  nicht  melir  wesentlich  zu  ändern 
vermögen.  Sie  geben  aber  noch  grössere  Sicherheit.  Vor  allem 
in  der  ehemaligen  gruppe  ANd.  Sie  ist  jetzt  durch  drei  von 
einander  unabhängige  quellen  vertreten,  *Yk,  X  und  *AN. 
*ANXY  stand  in  manchen  dingen  «  näher  als  *AN,  stimmt 
also  in  einer  anzahl  von  fällen  zu  =^GJO  und  *BCDELMPQTV, 
während  *AN  für  sich  steht.  Das  wichtigste  bleibt,  und  das 
ist  nicht  zu  unterschätzen,  dass  wir  jetzt  die  vv.  5059 — 350 
nach  den  drei  hauptgruppen  der  Karlhss.  herstellen  können. 
Das  ist  ein  entschiedener  gewinn. 

Selten  liegen,  bei  aller  compliziertheit  im  einzelnen,  hss.- 
verhältnisse  so  rein  und  klar  zu  tage  wie  in  der  Karl  Über- 
lieferung. Ich  freue  mich,  dass  auch  diese  neu  hinzugekom- 
menen hss.  meine  ansätze  mir  von  neuem  als  richtig  bestätigt 
haben. 

Kaum  ist  mit  diesen  neu  entdeckten  Karlhss.  ihre  zahl 
erschöpft.  Noch  drei  hss.  sind  in  hÜ.  §  15  aufgezählt,  über 
die  bis  jetzt  etwas  näheres  nicht  ermittelt  worden  ist.  Auf 
die  Cheltenhamer  hs.  U  niuss  ich  wol  für  immer  verzichten, 
es  scheint  wirklich  dort  das  wissenschaftliche  arbeiten  nicht 
erleichtert  zu  werden.  So  wäre  es  denn  mein  Avunsch,  wenn 
über  die  drei  erwähnten  Karlhss.  bald  klarheit  würde:  allzu 
lang  möchte  ich  die  neuausgabe  des  Karl  den  fachgenossen 
doch  nicht  mehr  vorenthalten. 

Schliesslich  bleibt  mir  noch  übrig,  herrn  oberbibliothekar 
dr.  H.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  herrn  bibliothekar  dr.  G.  Wolff  und 
herrn  secretär  dr.  Chr.  Ruepprecht  zu  danken:  sie  vermittelten 
die  Übersendung  der  hss.  A,  X  und  Y  an  die  hiesige  Universitäts- 
bibliothek, in  deren  räumen  ich  sie  mit  ruhe  und  muse  ein- 
sehen konnte. 

MÜNCHEN.  FRIEDRICH  WILHELM. 


1)1  K  GERMz\NISCIIE  WELTSCHOPFUNGSSAGE 
UND  DIE  ALVisSMAL. 

Die  von  R.  Kugel  (Literaturgeschichte  1,  32  ff.  42  ff.)  auf- 
gestellte these,  es  habe  im  anfang  des  8.  jh.'s  eine  'VQluspä' 
der  mitteldeutschen  stamme  gegeben  und  diese  müsse  mit  den 
nordischen  kosmogonischen  gedichten  (Voluspä,  Grimnismäl  40  f., 
YafJ'ri'iönismäl  21)  in  engem  textlichen  Zusammenhang  gestanden 
haben,  ja  sie  könne  vielleicht  sogar  die  directe  quelle  für  diese 
gewesen  sein,  hat  "wenig  glück  gehabt;  sie  ist  mit  seltener 
eiumütigkeit  abgelehnt  worden.') 

Neuerdings  ist  jedoch  in  G.  Schütte  dieser  these  ein  eifriger 
und  beredter  anwalt  erstanden.  In  seinem  aufsatz  über  die 
schüpfungssage  in  Deutschland  und  im  norden  (IF.  17,  444  ff.) 
macht  er  einen  versuch,  durch  eine  Untersuchung  a)  der  stoff- 
wahl,  b)  der  stofflich  bedingten  Ordnung,  c)  der  w^örtlich  be- 
dingten Ordnung  und  d)  der  Avortwahl  den  textlichen  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Wessobrunner  gebet,  dem  Anegenge,  der 
altfriesischen  erzählung  von  Adam  und  der  nordischen  Ymir- 
sage  nachzuweisen.  Der  nachweis  scheint  mir  jedoch  auf  einer 
grossen  kette  von  falschen  und  vorschnellen  Schlüssen  zu  be- 
ruhen und  völlig  misglückt  zU  sein. 

Seh.,  beginnt  (unter  a)  gleich  mit  einer  grossen  ungenauig- 
keit,  wenn  er  als  besonders  wichtig  den  umstand  hervorhebt, 
'dass  die  deutsche  weltuntergangssage  den  namen  Muspilli 
trägt,  der  mit  dem  zur  nordischen  Ragnar^k- sage  gehörigen 
Muspell  identisch  ist'.  Nein,  nicht  die  deutsche  weltunter- 
gangssage heisst  so,  sondern  das  ahd.  gedieht  hat  von  Schmeller 
diesen  namen  erhalten,   weil  das  wort  muspilli  im  text  vor- 


')  Vgl.  Heusler,  Auz.  Ida.  22,  243;  Siebs,  Zs.  fdpli.  29,  398  f. ;  Seemüller, 
Eupbor.  3,  485 ;  Golther,  Myth.  s.  505 ;  Kauffmaim,  Lit.-bl.  1895,  s.  44. 

7* 


100  HELM 

kommt.  Als  bedeutimg-  desselben  kann  aber  dem  ganzen  Zu- 
sammenhang nach  nichts  anderes  gewonnen  werden  als  'Unter- 
gang, Zerstörung',  und  aus  dem  zufälligen  vorkommen  dieses 
doch  wol  dem  gemeingermanischen  Wortschatz  angehörigen 
ausdrucks  (vgl.  auch  Grienberger,  Müspell,  IF.  16,  40  ff.),  in 
einer  so  allgemeinen  bedeutung,  die  von  der  des  nordischen 
Iluspell  doch  noch  sehr  verschieden  ist,  lässt  sich  gewis  nichts 
weiteres  schliessen. 

Seh.  weist  sodann  energisch  auf  die  auffallende  Überein- 
stimmung hin,  die  sich  in  dem  'ableitungsverhältnis  zwischen 
den  bestandteilen  der  weit  und  denen  des  erzeugenden  urwesens 
oder  des  erzeugten  Urmenschen'  findet,  nämlich  auf  die  glei- 
chungen  erde  =  fleisch,  aufhimmel  =;  hirnschale  u.s.w.  Aber 
diese  auf  den  ersten  blick  verblüffenden  Übereinstimmungen 
müssen  jede  beweiskraft  für  einen  textlichen  Zusammenhang 
verlieren,  sobald  wir  einen  blick  auf  das  Vergleichsmaterial 
werfen,  das  in  Grimms  Mythologie  1, 472  f.  und  nachtrag  und 
in  R.  M.  Mej^ers  aufsatz  über  Ymi  und  die  weltschöpfung  (Zs. 
fda.  37, 1  ff.)  zusammengestellt  ist,  und  daraus  sehen,  dass  teils 
dieselben,  teils  ähnliche  parallelen,  wie  wir  sie  aus  unseren 
denkmälern  kennen,  sich  bei  Honorius,  Ambrosius,  bei  den 
orphikern  und  in  anderen  antiken  quellen'),  aber  auch  in  alt- 
indischen, persischen,  cochinchinesischen,  japanischen,  ceylone- 
sischen, kalmückischen  und  esthnischen  sagen,  sowie  solchen 
von  den  Marianen  widerfinden.  'Wenn',  sagt  Schütte  s.  447, 
'dies  Vergleichsmaterial  schon  ungenügend  ist,  um  dem  als 
einheitlich  angenommenen  deutsch  -  nordischen  mythus  den 
Stempel  gelehrter  herkunft  aufzudrücken,  dann  ist  es  um  vieles 
ungenügender,  sobald  es  sich  darum  handelt,  die  deutsche  und 
nordische  fassung  von  einander  zu  trennen.'  Gewis.  Aber 
ich  glaube  wir  müssen  hinzufügen:  noch  viel  ungenügender, 
wenn  es  sich  darum  handelt,  die  deutsche  und  nordische  fassung 
in  textlichen  Zusammenhang  mit  einander  zu  setzen.  Dass  die 
Übereinstimmung  zwischen  beiden  nicht  rein  zufällig  ist,  sclieint 
mir  klar  —  insbesondere  halte  ich  es  für  unnötig,  bei  den 
deutschen  texten  an  entlehnung  aus  Honorius  zu  denken  — ; 
aber  die  ganze  Verwandtschaft  beruht  auf  der  Verwendung  der- 


•)  Ovid,  Metamorplioseu  4,657. 


DIE   GERM.   WELTSCHÖPFUNGSSAGE.  101 

selben  alten  Vorstellungen  und  formein  himmel  =  scliädel,  blut 
=  fliissigkeit  u. s. w.  (vgl.  aucli  Meyer  a.a.O.  s. 4f.).  A\^er  auf 
grund  dieser  tatsache  und  dieses  materials  einen  textlichen 
Zusammenhang-  zwischen  beiden  fassungen  annimmt,  der 
kann  mit  genau  dem  selben  oder  mit  noch  besserem  rechte 
einen  solchen  zwischen  der  Edda  und  den  orphikern  oder  dem 
cochinchinesischen  mythus  annehmen,  die  beide  doch  insofern 
noch  genauer  zu  den  nordischen  ([uellen  stimmen,  als  sie  den- 
selben entwicklungsgang  (urwesen  >  erde)  zeigen,  während 
in  den  deutsch  -  friesischen  texten  die  entwicklung-  genau  um- 
gekelirt  ist  (erde  >  Urmensch).  Dieser  Verschiedenheit  spricht 
allerdings  Seh.  jede  bedeutung  ab;  mir  scheint  sie,  wie  auch 
schon  anderen'),  ziemlich  schwerwiegend  zu  sein:  wenn  auch 
im  norden  wie  bei  uns  sich  das  gleiche  alte  material,  die 
gleichen  alten  gleichungen,  widerflnden,  so  sind  sie  in  diametral 
entgegengesetzter  weise  verwertet  worden,  das  eine  mal  zur 
darstellung  einer  kosmogonie,  das  andere  mal  zur  darstellung 
einer  anthropogonie.  Also  gerade  die  texte,  deren  Überein- 
stimmung Seil,  erweisen  will,  sind  auseinander  gegangen. 

b)  Zur  stofflichen  anordnung  übergehend  betont  Seh.,  dass 
wir  stets  derselben  reihenfolge:  erde,  auf  himmel,  berg,  bäum, 
mond,  sonne  begegnen.  Er  muss  allerdings  gleich  zwei  aus- 
nahmen konstatieren:  Alvissmäl  und  Muspilli;  'nur  zwei'  sagt 
er,  —  aber  unter  6  fällen  (die  verschiedenen  texte  der  Ymir- 
sage  stets  als  einen  gerechnet)  sind  z"«'ei  nicht  viel  weniger 
als  die  hälfte  und  jedenfalls  zu  viel,  um  sie  zu  solchen  aus- 
nahmen zu  stempeln,  die  —  mit  einem  viel  misbrauchten  wort 
—  nur  die  regel  bestätigen.  Auf  die  übrigen  vier  werden 
wir  aber  um  so  weniger  gewicht  legen,  wenn  wir  sehen, 
welche  sonstigen  anordnungsweisen  denn  überhaupt  möglich 
waren.  Seh.  fragt:  ist  die  (genannte)  reihenfolge  an  und 
für  sich  logisch  notwendig?',  und  verneint  dies;  denn  'wie 
kommen  berg  bäum  logisch  zwischen  himmel,  mond  und  sonne 
zu  stehen?'  Mir  scheint  die  anordnimg  dagegen  allerdings 
niclit  logisch  notwendig,  aber  doch  durchaus  logisch  verständ- 
lich und  naturgemäss.  Berg  und  bäum  stehen  eben  nicht  nur 
zwischen   himmel    und   mond -sonne,    sondern    zwischen   erde- 


')  Vgl.  Siebs  a.  a.  o.  s.  399  ff. 


102  HELM 

liimniel  und  moiid- sonne;  wir  dürfen  die  alten  alliterierenden 
formein  nicht  auseinander  reissen,  sondern  müssen  sie  jeweils 
als  ein  ganzes  betrachten;  wir  haben  somit  nur  drei  nicht  sechs 
glieder.  Wenn  nun  wie  ganz  unbedingt  nötig  erde-himmel  an 
erste  stelle  trat,  so  bleiben  überhaupt  nur  zwei  möglichkeiten 
der  sonstigen  anordnung  übrig:  die  untrennbare  formel  berg- 
baum  konnte  an  zweite  oder  dritte  stelle  treten.  Wäre  das 
letztere  gewählt  worden,  so  könnte  man  mit  demselben  recht, 
mit  welchem  Seh.  seine  frage  stellt,  fragen:  wie  kommen  himmel, 
sonne,  mond  zwischen  erde,  berg,  bäum?  Die  schulgrammatik 
würde  hier  von  einem  Chiasmus  sprechen;  demgegenüber  ist 
die  tatsächlich  vorliegende  anordnung  als  die  normale  zu  be- 
trachten: nachdem  erst  die  beiden  grossen  teile  des  alls  in  der 
reihenfolge  erde-himmel  geschaffen  sind,  folgen  nun  in  derselben 
Ordnung  erst  zwei  irdische,  dann  zwei  himmlische  dinge. 

c)  Die  tatsache,  dass  hier  alte  formein  vorliegen,  wird  im 
abschnitt  über  die  wörtlich  bedingte  Ordnung  nur  kurz  ge- 
streift; ihre  grundlegende  bedeutung  aber  hatte  Seh.  nicht 
erkannt.  Er  gleitet  rasch  über  sie  hinweg  mit  der  bemerkung, 
ein  zufälliges  zusammentreffen  so  vieler  formein  sei  kaum 
denkbar,  wobei  jedoch  übersehen  ist,  dass  —  da  doch  der  stoff 
gegeben  ist  —  dies  zusammentreffen  sehr  viel  von  seiner  auf- 
fälligkeit  verliert. 

Es  scheint  indessen,  dass  Seh.  auf  alle  die  bisher  bespro- 
chenen argumente  selbst  kein  zu  grosses  gewicht  legt,  desto 
höher  schätzt  er  sein  letztes  ein,  das  er  unter  d)  Wortwahl 
behandelt:  abgesehen  von  einigen  einzeln  stehenden  wörtlichen 
Übereinstimmungen  zwischen  den  einzelnen  gedichten  soll  die 
synonj'menliste  der  Alvissmäl  und  zwar  besonders  die  liste 
der  götterworte  seine  theorie  in  vollem  umfang  bestätigen. 
Es  ist  zwar  nicht  ganz  genau,  wenn  er  sagt,  dass  die  für  die 
Vanen,  die  Ginnregin,  Upregin,  Jotnen,  die  höllenbe wohner 
und  Dvergar  aufgestellten  worte  mit  dem  rassennamen,  zu  dem 
sie  gehören,  alliterieren;  dies  stimmt  nur  für  die  Vanen,  Ginn- 
regin und  Upregin,  unter  den  Worten  der  Jotnen  sind  jedoch 
zwei  mit  conson.  anlaut,  unter  denen  der  zwerge  je  eines  mit 
dem  anlaut  f  und  sl~,  unter  denen  der  hei  eines  mit  anlauten- 
dem m.  Immerhin  überwiegt  die  alliteratiou  stark,  und  es  wird 
dadurch  völlig  klar,  dass  wir  es  hier  mit  poetischen  construc- 


DIE   GEKM.   ^VELTSCHÖPFUNGSSAGE.  103 

tioiien  zu  tun  haben,  während  die  listen  der  menschen-,  götter-, 
äsen-  und  alfen-worte  nicht  so  erklärt  Averden  können;  Ursache 
genug,  sich  —  wie  man  es  auch  bisher  schon  getan  hat  —  zu 
fragen,  was  sie  eigentlich  bedeuten. 

In  den  götterworten  der  Alvissmäl  hat  man  bisher  fast 
allgemein  veraltete  worte  gesehen,  wie  dies  auch  Seh.  selbst 
schon  bei  einem  Vortrag  über  seine  theorie  von  'sehr  sach- 
kundiger Seite'  (vgl.  s.  452)  entgegengehalten  wurde.  Ihre 
bezeichnuug  als  worte  der  götter  hat  man  sich  wol  allgemein 
so  erklärt,  sie  seien  aus  dem  täglichen  gebrauch  geschwunden 
uud  nur  noch  in  höherer  kunstmässiger  spräche  gebraucht 
worden ,  besonders  wol  auch  in  denkmälern  religiösen  In- 
halts: formeln,  segen  u.  a.  erhalten  geblieben.  Seh.  kommt  zu 
ganz  anderen  resultaten.  Er  will  diese  worte  zum  grossen 
teil  als  unnordisch  erweisen  (vgl.  die  Zusammenstellung  s.  454f.) 
und  gründet  darauf  mm  seine  these,  die  weltschöpf ungssage 
sei  wie  die  gotisch  -  burgundisch  -  fränkische  heldensage  von 
Deutschland  nach  dem  norden  gewandert.  Dabei  seien  un- 
nordische Wörter  oder  wortformen  stehen  geblieben,  'so  wie  in 
der  heldensage  Erpr  statt  Jarpr,  Gottormr  aus  Godämar,  und 
zwar  in  der  weltschöpfungssage  besonders  viele,  weil  dies  eine 
l>ula,  d.h.  eine  katalogartige  auf  Zählung  war'.  Der  dichter 
der  Alvissmäl  habe  dann  die  als  fremd  erkannten  worte  mit 
ihren  synonymen  zusammengestellt  und  diese  liste  durch  ver- 
schiedene glossen  aus  eigenem  wissen  vermehrt,  z.  b.  'durch  die 
veralteten  urwörter  fold,  hjorr  und  die  jungen  englischen  lehn- 
wörter  harr  und  acte.'' 

Den  beweis  für  diese  behauptung  sucht  er  auf  zweierlei 
weise  zu  führen.  Einmal  zeigt  er  in  der  Zusammenstellung 
s.  454  f.,  dass  diese  worte  in  den  anderen  germanischen  sprachen 
ihre  entsprechungen  haben,  während  sie  im  nordischen  ajta£ 
Xtyöfieva  oder  doch  selten  sind.  Zweitens  interpretiert  er  die 
worte  mej)  (jojjum  dahin,  der  dichter  habe  damit  nicht  nur 
sagen  wollen  "bei  den  göttern',  sondern  auch  'bei  den  Goten' 
(=  Germanen)', 

Dass  diese  Interpretation  lautlich  unhaltbar  ist,  ist  den 
germanisten  bekannt;  man  könnte  sie  mit  stillschweigen  über- 
gehen, wenn  sie  nicht  in  eine  angesehene  Zeitschrift  geraten 
wäre,  —  ein  zufall,  der  bekanntlich  auch  den  verkehrtesten 


104  HELM 

einfallen  heute  oft  einen  freibrief  mitgibt,  so  dass  sie  un- 
besehen von  liand  zu  band  weiter  gehen.  Es  mag  also  aus- 
drücklich darauf  hingewiesen  werden,  dass  für  den  dental 
des  gotennamens  der  laut  wert  t,  nicht  l>,  absolut  feststeht. 
Griechische  und  römische  schriftsteiler  konnten  über  diesen 
punkt  im  zweifei  sein,  ein  Germane  aber  konnte  nicht 
schwanken,  die  lautwerte  sind  zu  deutlich  geschieden.  Hätte 
der  dichter  der  Alvissmäl  wirklich  etwa  in  einer  anwandlung 
mittelalterlich-gelehrter  et^nnologischer  Spielerei  den  von  Seh. 
angenommenen  doppelsinn  im  sinne  gehabt,  er  wäre  von 
seinen  lesern  gewis  gar  nicht  verstanden  worden.  Schon 
die  abwechslung  der  beiden  ausdrücke  tncj}  gojjnm  und  mcp 
ösom  hätte  den  sinn  des  ersteren,  wenn  ein  zweifei  über- 
haupt möglich  gewesen  wäre,  absolut  sicherstellen  müssen, 
zumal  es  sich  doch  im  gedieht  nur  um  die  verschiedenen 
mythologischen  gruppen  handelt,  denen  die  menschen  als  solche 
gegenübergestellt  werden  und,  wenn  wir  von  Sch.'s  interpre- 
tation  absehen,  sich  im  Wortlaut  nirgends  auch  nur  die  geringste 
spur  einer  gegenüberstellung  der  Nordmannen  und  der  übrigen 
Germanen  findet. 

Auch  was  Seh.  sachliches  zur  begründung  seiner  merkwür- 
digen interpretation  vorbringt,  ist  nicht  haltbar.  Die  berufung 
auf  die  Snorra-Edda  ist  ganz  zwecklos.  Dort  wird  in  der  An- 
leitung i)  berichtet,  wie  die  äsen  nach  Nordeuropa  einwandern 
und  sich  dort  mit  den  eingeborenen  vermischen,  wodurch  ihre 
spräche  hier  herschend  wird  und  zwar  ebensowol  in  Saxland 
als  in  den  nördlicheren  ländern  Norwegen,  Schweden,  Däne- 
mark. Es  wird  nicht  ein  gegensatz  zwischen  beiden  gebieten 
construiert,  in  der  weise  etwa,  dass  die  spräche  der  Germanen 
Deutschlands  als  asensprache  der  spräche  der  nordischen  länder 
entgegengesetzt  würde:  die  asensprache  bezeichnet  vielmehr 
aufs  deutlichste  die  gesammte  gruppe  der  germanischen  sprachen 
dieser  länder  im  gegensatz  zu  der  spräche  der  Urbevölkerung, 
welche  die  äsen  bei  ihrer  angeblichen  einwanderung  hier  vor- 
fanden. Der  gleich  darauf  folgende  hinweis  auf  England,  wo 
sich  diese  alte  spräche  noch  in  Ortsnamen  erhalten  habe,  zeigt 
noch  deutlicher,  wie  das  vorhergehende  gemeint  ist. 

')  Ed.  Arnamagu   s.  28f. 


DIE   GERM.   WELTSCHÖPFÜNGSSAGE.  105 

Die  bezeichnung  Gotaland  oder  Gautland  begegnet  in 
directem  Zusammenhang  mit  dieser  betrachtung  über  die 
spräche  überhaupt  nicht.  Skaldskaparmal  cap.  65  (Ed.  Arna- 
magn.  s.  531)  Avird  der  Ursprung  der  namen  Goten,  Goti,  Got- 
hind  oder  Gauthmd  allerdings  mit  Odin  in  Verbindung  ge- 
bracht, aber  natürlich  nicht  als  ableitungen  von  gop,  sondern 
von  Odins  beinamen  Gaiitr. 

Ganz  dieselben  anschauungen  wie  die  Snorris  begegnen 
uns  bei  dem  Verfasser  des  ersten  bruchstücks  dänischer  sagen, 
Fornmanna  Siigur  11,  105  f.  Auch  dort  hiU-en  wir  von  der 
einwauderung  der  Asiamenn  aus  Tyrkland  und  der  ausbreitung 
ihrer  spräche  über  Saxland.  Dänemark,  Schweden,  Norwegen 
und  einen  teil  Englands  —  also  über  das  ganze  germanische 
gebiet.  Und  auch  hier  ist  kein  gegensatz  zwischen  dieser 
Sprache  und  der  nordischen  gemacht,  sondern  das  nordische 
wird  ausdrücklich  mit  ihr  identificiert,  wenn  es  iieisst:  tungun 
l:om  meö  Jieini  nordr  liigat  er  ver  köllum  norraenu.  Kurz  darauf 
werden  nun  hier  Go(Mand  und  Go('*ijnö  genannt  als  die  alten 
namen  Dänemarks  und  seiner  bewohner  (a.a.O.  s.412  f.):  Skjöldr, 
sd  er  liuid  iok  ser,  pat  er  nu  lieitir  Danmörlc.  En  pu  voru 
Jicssi  Jünd,  er  Asiamenn  hygJn,  liöUiid  Goölönd,  en  foJkid  GodjoJ. 
Das  könnte  ja  heissen:  damals  wurden  diese  länder  Gotland 
genannt,  erhielten  den  namen  Gotland;  besser  scheint  mir  aber 
doch  in  den  Zusammenhang  zu  passen:  damals  hiessen  diese 
ländei-,  welche  jetzt  Dänemark  heissen,  Gotland.  Jedenfalls 
beachte  man,  dass  das  volk  Odins  gerade  vorher  durchaus 
nicht  GoÖjöö  heisst,  sondern  eben  Asiamenn,  und  dass  dem 
Verfasser  dieses  bruchstücks  Odin  und  seine  familie  keine 
götter  mehr  sind.  Uebrigens  stehen  diese  angaben  über  die 
namen  Goldand,  Goj^joö  und  die  über  die  spräche  der  Asiamenn, 
obwol  sie  in  diesem  bruchstück  nur  durch  wenige  sätze  ge- 
lrennt sind,  in  keinem  inneren  zusammenliang. 

Sehen  wir  nun,  wie  es  mit  Sch.'s  anderem  beweis  steht. 
Durch  seine  Zusammenstellung  s.  454  f.  will  er  uns  zeigen, 
dass  die  von  ihm  als  unnordisch  bezeichneten  worte  ihre  ent- 
sprechungen  ausserhalb  der  nordischen  sprachen  haben.    Das 


')  A.a.O.  s.  412  olc  gekk  sä  tunya  um  Saxland,  Vanmörk  ok  Sv/pjod, 
Xoreg  ok  um  nokkurn  hluta  Einglands. 


106  HELM 

ist  richtig-;  aber  zugleich  zeigt  uns  die  zusammeustellung,  dass 
genau  dasselbe  auch  bei  den  von  Seh.  als  alt  anerkannten 
Worten  fold  und  Ijorr  und  ebenso  bei  den  meisten  menschen- 
worten  der  fall  ist.  Die  tatsache,  dass  diese  parallelen  vor- 
handen sind,  darf  natürlich  für  die  menschen-  und  die  götter- 
worte  nicht  verschieden  beurteilt  werden,  sie  beweist  für 
letztere,  ebenso  wie  für  erstere,  zunächst  nur  den  gemein- 
germanischen Charakter,  so  lange  nicht  nachgewiesen  ist,  dass 
sie  zu  diesen  parallelen  in  einem  anderen  sprachgeschichtlichen 
Verhältnis  stehen  als  jene,  dass  sie  vor  allem  auch  in  ihrer 
lautform  unnordische  merkmale  an  sich  tragen,  welche  statt 
auf  Urverwandtschaft  mit  aussernordischen  parallelen,  auf  ent- 
lehnung  von  denselben  hindeuten. 

Das  in  frage  kommende  wortmaterial  beschränkt  Seh. 
zunäclist  selbst  dadurch,  dass  er  wie  schon  gesagt  fold  und 
hjörr^)  als  'veraltete  urwörter'  anerkennt.  Zwei  andere  harr 
und  aete  erklärt  er  für  junge  englische  lehnwörter,  weil  sie  im 
nord.  ajia^  Xsyöfisra  seien  und  ihre  entsprechungen  im  eng- 
lischen finden.    Ich  halte  dies  für  unhaltbar. 

Aete  ist  seiner  ganzen  bildung  nach  völlig  unanfechtbar; 
es  steht  in  demselben  Verhältnis  zum  verbum  eta  wie  ]cvce])e 
zu  JiveJ)a,  daaete  zu  geta,  laege  zu  liggja,  saete  zu  sitja.  Vom 
englischen  aete  f.  ("weizen')  ist  es  durch  das  geschlecht  unter- 
schieden. Uebrigens  begegnen  im  nord.  auch  die  composita 
üaete  und  Jirdaete  (Grg.  1,  35,  Fbr.  72). 

Barr  geht  auf  einen  germ.  neutralen  5-stamm  *baris  zurück, 
der  jedoch  frühe  schon  den  gleichlautenden  masc.  i-stämmen 
angegliedert  wurde.-)  AVir  sollten  dann  allerdings  eintritt 
des  «^-Umlauts  und  mithin  die  form  '"berr  erwarten;  es  ist 
aber  hier  wie  auch  bei  den  meisten  andern  kurzsilbigen 
/-Stämmen  im  paradigma  ausgleich  zu  gunsten  der  nicht  um- 
gelauteten  formen  eingetreten,  wodurch  der  umlaut  im  nom. 
schwand.  Aus  dem  englischen  hätte  das  wort  nur  in  der  form 
here,  mit  umlaut,  entlehnt  werden  können,  und  es  ist  schwer 
zu  sehen,   wodurch    diese   form    zu  umlautslosem   harr  hätte 


1)  Dieses  wird  von  Kluge,  Etym.  wb.^  s.  -iS  als  frenidwort  bezeicbuet. 

-)  Auch  im  gotischen  hätten  wir  wol  ein  masc.  *bars  zu  erwarten, 
während  sich  im  abgeleiteten  stoftadjectivum  lar/zeins  die  ältere  form 
erhielt. 


DIE   GEKM,   WELTSCHÖPFUNGSSAGE.  107 

umgestaltet  werden  sollen;  das  wort  hätte  vielmehr  gewis  den 
unilaut  beibehalten  und  wäre  entweder  mit  einem  neuen  nom. 
bcrr  wie  herr,  heör,  vcfr  Üectiert  worden,  oder  es  hätte  sich 
unter  beibehaltung  der  engl,  nominativform  an  die  schwachen 
masfulina  angeschlossen. 

Von  den  'vielen'  unnordischen  Worten,  die  Schütte  in  der 
weltschöpfungssage  annimmt,  blieben  also  nur  noch  fünf  übrig : 
vgUr,  smma,  njol,  fiine  und  marr,  das  aber  gar  nicht  der 
götter-goten-sprache  angehört,  sondern  der  spräche  der  zwerge; 
doch  darauf  soll  es  uns  ebensowenig  ankommen  wie  bei  acte, 
das  unter  den  Worten  der  riesen  genannt  ist. 

A\'enn  diese  werte  nun  wirklich  mit  der  weltschöpfungs- 
sage nach  dem  norden  gekommen  Avären,  so  dürften  wir  doch 
erwarten,  dass  sie  uns  auch  gerade  in  den  nord.  darstellungen 
der  Schöpfungssage  begegneten ')  und  zwar  an  ganz  ent- 
sprechenden stellen  wie  in  den  deutschen  und  fries.  texten, 
dass  sie  dagegen  sonst  in  nord.  texten  selten  sind.  Tatsäch- 
lich ist  der  Sachverhalt  aber  folgender: 

Vgllr  steht  —  ausser  der  einen  stelle  in  den  Alvissmäl  und 
zehn  weiteren  belegen  in  den  eddisclien  liedern  —  siebenmal 
in  den  '"Weltschöpfungsgedichten',  nämlich  Vm.  17,  3.  18,1.4; 
A'sp.  24,4.  32,3.  06,3;  Grm.  22,1,  aber  nirgends  in  einer 
deutlichen  beziehung  zur  Schöpfung.  In  den  entsprechenden 
deutschen  texten  steht  es  nicht. 

SiDüia  steht  nur  in  den  Alvissmäl.  Die  deutschen  texte 
haben  es  sämmtlich,  dagegen  fehlt  es  allen  drei  texten  der 
nordischen  scliöpfungssage. 

Njol  steht  ebenfalls  nur  in  den  Alvissmäl  und  fehlt  sämmt- 
lichen  deutschen  und  nordischen  texten. 

Marr  findet  sich  ausser  den  beiden  stellen  in  den  Alvissmäl 
und  zwei  weiteren  eddischen  belegen  je  einmal  in  Vsp.  (57, 1) 
und  Vm.  (48,  3),  in  den  Grimnismäl  nicht  und  auch  Vsp.  57  und 
Vm.  48  ohne  beziehung  zur  weltschöpfung.  Die  deutschen  quellen 
kennen  es  nicht.  2) 

')  Nicht  bloss  in  den  Alvissmäl,  denn  dass  diese  eine  glossensamnilung 
zur  scliöpfungssage  sind,  das  ist  ja  gerade  einer  der  punkte,  die  erst  des 
beweises  bedüi-feu. 

'^)  Schütte  ist  zwar  ofl'enbar  geneigt,  mareo  scu  im  "Wcssobr.  geb.  5 
wie  es  auch  früher  schon  vermutet  wurde,  als  compositum  =  got.  murisaiivs 


108  HELM 

Fime  stellt  ausser  in  den  Alvissmäl  und  an  fünf  weiteren 
eddischen  stellen  zweimal  in  Grm.  1.  2.  42, 2,  aber  ohne  die 
geringste  beziehung  zur  schöpfungssage.  In  Vsp.  und  Ym.  und 
ebenso  in  den  deutschen  texten  fehlt  es. 

Unsere  erwai'tung  wird  also  getäuscht:  gerade  da  wo 
diese  worte  —  unter  Voraussetzung  der  richtigkeit  von  Sch.'s 
theorie  —  stehen  sollten,  stehen  sie  nicht. 

Gehen  wir  nun  auf  die  lautform  ein,  so  sehen  wir,  dass 
auch  diese  nicht  —  wie  wir  verlangen  dürften  —  für  entlehnung 
spricht,  ja  dass  sie  zum  teil  sogar  bei  entlehnung  gar  nicht 
denkbar  wäre.  —  V^llr  ist  ein  musterbeispiel  für  sämmtliche 
nordische  lautgesetze,  die  bei  einem  wort  seiner  bildung  über- 
haupt in  erscheinung  treten  konnten.  Es  müsste  also  bereits 
in  urgermanischer  gestalt  entlehnt  worden  sein.  Die  bedeutung 
('gefllde')  passt  zu  der  des  entsprechenden  westgerm.  wortes 
gar  nicht,  so  dass  auch  von  dieser  seite  aus  jüngere  entlehnung 
ausgeschlossen  erscheint.  —  Marr  ist  masc,  im  got.  fem.,  sonst 
stets  neutrum.  Bei  junger  entlehnung  aus  dem  westgerma- 
nischen müsste  doch  wol  ebenfalls  neutrales  geschlecht  erwartet 
werden.  —  Ftme  hat  nur  im  got.  seine  genaue  entsprechung, 
sämmtliche  westgermanische  sprachen  kennen  schon  in  den 
ältesten  denkmälern  das  ^i-suffix  nur  in  ableitungen,  und  es 
geht  nicht  an,  der  theorie  Sch.'s  zu  liebe  etwa  fürs  8.  jh.  ein 
ahd.  funi^)  zu  reconstruieren.  —  Njöl  und  sunna  geben  durch 
ihr  aussehen  keine  auskunft  über  ihre  herkunft,  sie  fänden 
sowol  als  alte  nordische  wie  als  entlehnte  worte  lautlich  ihre 
genügende  erkläruug.  Das  geschlecht  von  njöl  macht  in  beiden 
fällen  Schwierigkeit. 

Jedenfalls  darf  also  festgestellt  werden,  dass  die  lautform 
dieser  fünf  worte  kein  kriterium  gegen  ihren  nordischen  cha- 


zu  fassen.  Dass  dies  nicht  ohne  weiteres  angeht,  hat  schon  Müllenhoff 
Z.Stelle  (MSD^  s.  5)  gezeigt,  und  die  einsetzung  eines  ahd.  *mariseo  ver- 
bietet das  metrum,  das  länge  des  a  fordert.  Es  liegt  ein  alter  vers  des 
typus  B  vor  (x  X  —  X  — )>  "i^r  sich  jedoch  infolge  der  vocalisation  des  aus- 
lautenden iv  in  einen  vers  vom  typus  aA  (x  x  —  X  —  X)  verwandelt  hat. 

*)  Portugies.  fona,  das  vielleicht  germanischer  herkunft  ist,  könnte 
ein  beleg  für  westgerm.  *fmii  im  6.  jh.  sein,  falls  es  aus  dem  suebischen 
und  nicht  vielmehr  ans  dem  westgotischen  stammt. 


DIE   GERM.  WELTSCHÖPFÜNG8SAGE.  109 

rakter  enthält,  ja  dass  einiges  aufs  entschiedenste  gegen  die 
entlehnung  spricht. 

Aber  auch  anderes  lässt  sich  für  nordische  lieimat  dieser 
Worte  geltend  machen.  Sehen  wir  ihre  Verbreitung  innerhalb 
der  nord.  dialekte  an,  so  ist  allerdings  festzustellen,  dass  njol 
und  ftiuc  in  diesen  ganz  verschwunden  zu  sein  scheinen; 
simna  ist  in  der  bezeichnung  des  sonntags  lebendig,  was 
jedoch  nicht  für  das  alter  des  Wortes  verwertet  werden  darf; 
denn  die  namen  der  Wochentage  sind  ziemlich  spät  nach  dem 
norden  gekommen  und  südgermanischer  einfluss  ist  hier  nicht 
ausgeschlossen:  auch  der  freitag  (scliwed.  dän.  fridag  =  frija- 
dayr)  trägt  keine  nord.  lautform.  Anders  liegen  die  Verhält- 
nisse bei  i-Qlh-  und  man:  Vgllr  ist  nicht  nur  in  norwegischen, 
altdäuischen,  altschwedischen  und  in  neuschwed.  dialekten 
lebendig,  sondern  auch  im  färüischeu,  das  sich  doch  schon  in 
der  zeit,  in  welcher  nach  Kögel- Schütte  die  schöpf ungssage 
erst  nach  dem  norden  gewandert  wäre,  von  den  übrigen  dia- 
lekten abzusondern  begann.  Dieselbe  Verbreitung  ist  auch  für 
marr  nachweisbar;  besondere  beachtung  verdienen  bei  diesem 
auch  die  altnorweg.-isl.  compositen  marhal-hi,  marrein,  mar- 
meniU,  wenn  sie  freilich  auch  nicht  unbedingt  hohes  alter 
beanspruchen  können;  die  sprachform  erlaubt  uns  darüber 
wenigstens  keine  weiteren  Schlüsse.  Dagegen  scheint  mir 
Frej'jas  beiname  Maröoll  doch  das  gepräge  hohen  alters  zu 
tragen:  um  junger  herkunft  zu  sein,  ist  er  viel  zu  wenig 
durchsichtig;  es  dürfte  schwer  sein,  ihn  aus  Freyjas  wesen 
heraus  als  junge  dichterische  benennung  zu  erklären.  Beson- 
ders wichtig  scheint  mir  dann  aber  das  vorkommen  des  wortes 
marr  in  zahlreichen  schwedischen  Ortsnamen  (vgl.  Rietz,  Svenskt 
dialekt-lexikon  s.  429),  wie  Marhj,  -häch,  -Strand,  -sjö,  -stad, 
Sandmar  u.s.  w.,  von  denen  wenigstens  die  auf  -hy  und  -stad 
zu  einer  recht  alten  schiebt  von  Ortsnamen  gehören;  die  an- 
siedlungen,  welche  solche  namen  trugen,  scheinen  in  Schweden 
(in  Norwegen  sind  sie  jünger)  zum  teil  bis  in  den  anfang  der 
t^isenzeit  zurückzureichen  und  zu  Tacitus'  zeit  grossenteils 
schon  bestanden  zu  haben;  vgl.  Hansen,  Landnäm  i  Norge 
s.  119  ff.  Die  schwedischen  belege  scheinen  mir  aber  nicht 
nur  wegen  des  hohen  ansatzes  dieser  Ortsnamen  bedeutungsvoll ; 
selbst  wer  diesen   nicht   als  richtig  anerkennt  und  ihn  lieber 


110  HKLM 

einige  Jahrhunderte  weiter  herimterrücken  will,  kann  die  tat- 
sachen  mit  Sch.'s  theorie  nicht  in  einklang  bringen.  Zunächst 
wissen  wir  gar  nicht,  ob  die  Schweden  dieselben  kosnio- 
gonischen  Vorstellungen  hatten  wie  die  Norweger;  die  er- 
klärung,  marr  sei  auch  nach  Schweden  mit  der  schöpfungs- 
sage  gekommen,  würde  also  völlig  in  der  luft  schweben.  Sehr 
viel  älter  als  die  gründung  der  ansiedlungen  Marhy,  Marstad 
könnte  die  einwauderung  der  schöpfungssage  aber  keinesfalls 
sein  —  selbst  wenn  man  sie  nicht  mit  Kögel  ins  achte  Jahr- 
hundert, sondern  etwa  schon  ins  sechste  setzen  wollte  —  und 
ein  Jung  entlehntes  und  noch  als  fremd  empfundenes  wort') 
verwendet  man  doch  nicht  zur  benennung  von  ansiedlungen! 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  auch 
unter  den  eddischen  stellen,  in  welchen  uns  die  fünf  'un- 
nordischen' Worte  Schuttes  belegt  sind,  einige  derart  sind, 
dass  ihnen  besonderes  alter  zuzukommen  scheint.  "Wo  in  den 
Grm.  der  dichter  von  den  beiden  feuern  berichtet,  zwischen 
die  Odinn  gesetzt  wird,  gebraucht  er  das  wort  eldr  (zwei- 
mal in  der  einleitenden  prosa  und  einmal  am  schluss),  Odinn 
aber  gebraucht  dieses  wort  zwar  auch  einmal  (str.  2, 1),  zwei- 
mal (str.  1, 2  und  42, 2)  aber  wendet  er  das  'götterwort'  an; 
die  erste  der  beiden  stellen  {gongumli  ßrr,  funi!)  könnte  wol 
eine  alte  beschwörungsformel  sein,  und  auch  die  andere  stelle, 
in  welcher  das  feuer  in  einen  uns  nicht  recht  klaren  Zu- 
sammenhang mit  Ullr  gesetzt  wird,  macht  den  ein  druck,  als 
ob  sie  weit  älter  2)  sei  als  die  verhältnismässig  jungen  Al- 
vissmäl. 

Einen  altertümlichen  eindruck  macht  auch  die  Verwendung 
von  vQU/r  Ysp.  24  und  besonders  in  den  beiden  sprichwörtlich 
scheinenden  stellen  Hov.  11,  3  vegnest  verra  vegra  hann  velli  at 
und  38  vöpnmn  sinimi  slcala  ma])r  velli  d  feil  ganga  framarr. 

Auch  für  fold,  dem  ja  auch  Seh.   schon  nord.  herkunft 


^)  Schütte  nimmt  ja  an,  dass  es  in  Norwegen  noch  weit  später  als 
fremd  empfunden  wurde. 

^)  Auch  Boer,  Arkiv  f.  n.  fil.  22, 152  betrachtet  die  Strophe  mit  einer 
reihe  von  anderen  als  interpolatiou.  Er  denkt  jedenfalls  aber  auch  nicht 
an  zufügung  neu  gedichteter  Strophen,  sondern  an  eiuschiebung  älterer 
Strophen.  Dass  übrigens  str.  42  zur  darstellung  der  kosmogonie  selbst  ge- 
hört, wie  B.  meint,  davon  kann  ich  mich  nicht  überzeugen. 


DIE   GERM.   WELTSCHÖPFUNGSSAGE.  111 

zugestanden  hat,  stehen  belege  dafür  genügend  zu  geböte: 
wir  finden  es  in  der  volkspoesie  Norwegens  und  der  Färöer 
und  ausserdem  in  Ortsnamen.  Auch  Sdm.  ;l,  2  {heil  sja  en 
ßgliiyta  fohl!)  macht  den  eindruck  einer  alten  formel. 

Es  wäre  nun  wol  denkbar,  dass  irgend  jemand,  angesichts 
des  reichen  für  marr  und  v{jllr  zu  geböte  stehenden  beweis- 
materials  desto  grösseres  gewicht  darauf  legen  würde,  dass 
für  fune  und  njol  ein  solches  nicht  vorliegt,  und  dass  er  darauf 
hin  Avenigstens  diese  beiden  worte  als  unnordisch  betrachten 
möchte.  Demgegenüber  niuss,  abgesehen  von  dem  oben  schon 
über  diese  worte  gesagten,  doch  daran  erinnert  werden,  dass 
es  in  allen  germanischen  sprachen  worte  gibt,  die  nur  in  den 
ältesten  Zeiten  vereinzelt  belegt,  offenbar  bereits  damals  im 
absterben  begriffen  sind  und  später  ganz  fehlen.  Auch  im 
deutschen  haben  wir  ja  in  der  ältesten  dichtung  solche 
worte  erhalten,  die  deshalb  als  germanisch  aber  undeutsch 
erscheinen  und  als  beleg  für  fremde  herkunft  einzelner 
denkmäler  verwertet  worden  sind.  Die  neueste  theorie  über 
die  entstehung  des  Hildebrandsliedes  stützt  sich  bekanntlich 
zum  teil  auf  solche  argumente.  Auch  im  anfang  des  Wesso- 
brunncr  gebets  stehen  aber  zwei  solche  worte:  ero  und  ufhhnil, 
von  denen  dieses  im  ahd.  überhaupt  ajia-^  liyö^arov  ist  und 
der  späteren  spräche  ganz  fehlt,  jenes,  abgesehen  von  einer 
reihe  sehr  unsicherer  spuren'),  mit  Sicherheit  nur  noch  einmal 
in  einer  glosse  belegt  ist  und  nur  im  adverb.  {ri)iencr  ver- 
steckt wirklich  fortlebt.  Es  wäre  ein  leichtes,  nach  Schuttes 
methode  mit  einer  einfachen  umkehrung  seiner  theorie  diese 
worte  als  lelmworte  zu  erklären  und  auf  grund  derselben  und 
der  Übereinstimmung  mit  der  nordischen  formel  etwa  eine  in 
das  G.  jh.  fallende  Wanderung  der  schöpfungssage  aus  dem 
norden  nach  Deutschland  festzustellen.  So  wenig  dies  erlaubt 
ist,  ebensowenig  kann  ich  Schuttes  Schlüsse  für  erlaubt  halten; 
auf  diesem  wege  käme  man  ja  schliesslich  dazu,  jedes  äjiag 
Xtyof/arov,  das  parallelen  in  einer  verwandten  spräche  besitzt, 
für  ein  lehnwort  zu  erklären. 

Wir  werden  also  doch  bei  der  alten  annähme  bleiben 
düi'fen,  dass  die  von  Seh.  beanstandeten  worte   alte  aus  dem 


•)  Vgl.  Bremer,  Zs.  fda.  31,  205;  MSD.3  2,3;  Grimm,  Gramm.  3,  221. 


112  HELM,   DIE   GERM.   WELTSCHÖPFUNGSSAGE. 

lebendigen  gebrauch  gekommene  worte  sind,  die  in  gehobener 
spräche  im  cultus  und  religiösen  formein  wol  noch  ihr  dasein 
fristeten. 

Die  Alvissmal  aber,  die  solche  worte  nebst  einer  grossen 
menge  anderer  metrischer  Umschreibungen  zusammenstellen, 
können,  das  ergibt  sich  zweitens  aus  diesen  zeilen,  auch  nicht 
mit  Seh.  speciell  als  ein  glossar  zur  schöpfungssage  betrachtet 
werden,  denn  die  glossierten  worte  stehen  in  dieser  grössten- 
teils gar  nicht;  sie  sind  vielmehr,  wie  man  das  ja  übrigens 
längst  erkannt  hat,  ganz  allgemein  eine  synonymenlection  für 
irgendwelche  dichterische  zwecke,  gekleidet  in  einen  woi't- 
streit  zwischen  Alviss  und  Thor. 

GIESSEN,  21.  dezember  1905.  KARL  HELM. 


ZUR  KRITIK  DER  SAGE 
VON  IIERTNITS  KAMPF  MIT  DEN  ISUNGEN. 

Die  culturelle  beeinflussung-  der  Tschechen  diircli  die 
Deutschen  im  niittehilter  äussert  sich  bekanntlich  u.  a.  auch 
darin,  dass  deutsche  sagen  bei  jenen  eingang-  gefunden  liaben. 
Eine  ganze  reihe  von  fällen,  in  welchen  dies  geschah,  ist  längst 
wol  bekannt.')  Auf  einen  weiteren,  bisher  nicht  beachteten, 
macht  nun  A.  Wallner  in  einem  Laibacher  programm^)  auf- 
merksam, in  welchem  er  die  in  der  Thidrekssaga  cap.  349 — 355 
enthaltene  sage  von  Hertnit  und  Ostacia  und  von  Hertnits 
kämpf  mit  Isung,  Fasolt  und  Thetleif  mit  der  tschechischen 
sage  vom  kämpf  des  Satzer  herzogs  AVlastislaw  gegen  den 
Prager  herzog  Neklan  und  seinen  helfer  ^Tur  zusammenstellt. 

Die  tschechische  sage  wird  uns  von  den  böhmischen  Chro- 
nisten in  verschiedenen  recensionen  überliefert.  Die  älteste 
ist  die  des  lat.  Chronicon  Boemorum  von  Cosmas  von  Prag  aus 
dem  anfang  des  12.jh.'s3),  herausgegeben  in  den  Mon.  Germ.  bist. 
Script.  IX;  darnach  ist  die  sage  von  Wallner  s.  8  ff.  abgedruckt. 
Daneben  stehen  nicht  unerheblich  abweichende  andere  berichte 
bei  späteren  autoren:  Dalimil  (f  1314),  Aeneas  Sylvius  (Hist. 


>)  Sie  sind  zusammeügestellt  bei  Wallner  s.  23. 

*)  A.  "Wallner,  Deutscher  mythus  in  der  tschechischen  ursage,  Lai- 
bach 1905. 

ä)  In  der  Praefatio  ad  magistruni  (Tervasium  Mon.  s.  31  ft'.  gibt  C. 
seihst  die  ahfassuugszeit  genauer  an.  Er  sagt:  Est  aittem  Jiaec  chronica 
composita  regnante  quarto  Heinrico  Romano  iinperatore  et  gubernante 
sanctam  ecclesiam  Dei  jyapa  Kalixto,  sub  temporibus  ducis  Boemorum 
Wladizlai  simtd  et  praesulis  Pragensts  ecclesiae  Hermanni.  Da  Calixtus 
(II)  von  1119—1124  papst  war  und  hischof  Hermann  von  Prag  1122  starb, 
ist  also  die  abfassung  der  chronik  zwischen  1119  und  1122  anzusetzen; 
danach  niuss  natürlich  quarlo  (Heinrico)  in  quinto  geändert  werden. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  3 


114  HELM 

Boliem.  1458),  Hajek  (Chronik  von  Böhmen  vom  jähre  1541), 
Dubravius  (Histor.  Boiemensis  1552);  W.  druckt  als  Vertreter 
dieser  sagenformen  die  von  Joh.  Sandel  1596  verfasste  Über- 
setzung von  Hajeks  bericht  ab. 

Trotzdem  diese  recension  uns  erst  in  verhältnismässig 
später  Überlieferung  begegnet,  kann  kein  zweifei  daran  be- 
stehen, dass  sie  manchen  zug  besser  bewahrt  hat  als  Cosmas, 
Das  erklärt  sich  ganz  einfach  daraus,  dass  die  sage  im  volke 
lebendig  geblieben  war,  so  dass  spätere  Chronisten  aus  frischer 
Überlieferung  schöpfen  und  auf  grund  dieser  ihre  literarischen 
quellen  ergänzen  konnten  (vgl.  AVallner  s.  13). 

Die  berührungspunkte  zwischen  der  tschechischen  sage 
und  der  von  Hertnit  sind  nicht  zu  verkennen,  und  W.  hat 
daraus  den  richtigen  schluss  gezogen,  dass  jene  von  dieser 
abhängig  ist.  Dagegen  hat  er  die  bedeutung  der  tschechischen 
sage  für  die  kritik  der  Hertnitsage  niclit  richtig  eingeschätzt. 
Er  wendet  sich  zu  einer  sehr  anfechtbaren  deutung  der  sage 
als  eines  Jahreszeitenmythus i)  und,  zum  teil  geblendet  durch 
dieses  ihm  vorschwebende  trugbild,  entscheidet  er  die  für  die 
sagenkritik  so  wichtige  frage  nach  dem  genaueren  Verhältnis 
beider  sagen  kurzer  band  dahin,  die  tschechische  fassung  gebe 
keinen  anhaltspunkt  für  eine  ursprünglichere  gestalt  der 
deutschen  sage,  ja  sie  bringe  dadurch  den  indirecten  bew'eis, 
dass  die  in  der  Thidrekssaga  vorliegende  Version  mindestens 
ins  11.  jh.  hinaufreiche.  Ich  halte  diesen  satz  zunächst  in 
seiner  ersten  hälfte  für  total  falsch:  tatsächlich  hilft  uns  die 
tschechische  sage,  eine  ältere  sagengestalt  zu  erkennen.  Eben 
deshalb  kann  sie  natürlich  dann  für  das  alter  der  version  in 
der  Thidrekssaga  nichts  beweisen. 

Wichtig  ist  für  die  sagenkritik  vor  allem  der  name  von 
Neklans  Helfer.  Derselbe  heisst  bei  Cosmas  von  Prag  in 
latinisierter  form  Tyrus;  der  ort  des  kampfes  heisst  campus 
Turzco  (bei  späteren  Tiirske  Pole).  Ein  Zusammenhang  zwischen 
beiden  namen  ist  kaum  abweisbar;  aber  welcher  art  war  der- 
selbe?    Man   könnte   denken,    von   dem    Ortsnamen    sei    der 


^)  Es  soll  nicht  bestritten  werden,  dass  mythisches  in  der  sage  steckt, 
sie  aber  mit  all  ihren,  znm  teil  deutlich  jüngeren,  einzelheiten  als  einen 
alten  einheitlichen  mythus  auszudeuten,  halte  ich  für  gänzlich  un- 
zulässig. 


ZUR   KKITIK   DP:R   SAGE    VON   HERTNITS   KAMPF.  115 

Personenname  *Tur  abgeleitet  worden,  der  dann  von  Cosmas 
latinisiert  worden  sei;  oder  es  könnte  umg-ekehrt  das  Schlacht- 
feld nach  dem  helden  genannt  worden  sein;  oder  endlich  die 
namen  waren  ursprünglich  ganz  unabhängig  von  einander  und 
haben  nur  ihrer  ähnliclikeit')  wegen  die  Realisierung  der  sage 
an  diesem  punkte  zur  folge  gehabt.  Für  alle  drei  möglich- 
keiten  bietet  ja  das  sagenmaterial  aller  Völker  beispiele.  In 
unserem  fall  wird,  wie  wir  sehen  werden,  die  erste  möglich- 
keit  ganz,  die  zweite  wahrscheinlich  ausscheiden. 

Bei  Dalimil  und  Hajek  heisst  der  held  Styr,  die  anderen 
jüngeren  Chronisten  zeigen  mehrfache  Varianten  davon  (Sder, 
Zdtrus,  Sdericus  u.  a.;  vgl.  A^'allner  s.  17,  anm.).  Da  dieser 
name  aus  dem  tschechischen  und  aus  der  tschechischen  sage 
nicht  erklärt  werden  kann,  hat  AVallner  ihn  als  das  deutsche 
Si'wr  aufgefasst,  wozu  zu  beachten  ist,  dass  die  vermutete 
tschechische  namensform  *I'«r  ebenfalls  'Stier'  bedeutet.  Natür- 
lich kann  nun  Styr  nicht  etwa  Übersetzung  eines  tschechischen 
^Tur  sein;  denn  wie  sollte  ein  Tscheche  dazu  kommen,  den 
tschechischen  namen  eines  tschechischen  helden  ins  deutsche 
zu  übertragen?  Nur  der  umgekehrte  Vorgang  wäre  denkbar: 
entlehnung  des  deutschen  namens  'Stier'  und  Übersetzung  ins 
tschechische  mit  nachfolgender  latinisierung.  AVenn  dies  der 
wirkliche  Sachverhalt  war,  könnte  natürlich  höchstens  der 
Ortsname  vom  personennamen  abgeleitet  sein,  wahrscheinlicher 
wäre  aber  die  erklärung,  dass  beide  namen  ursprünglich  un- 
abhängig von  einander  waren  und  erst  secundär  an  einander 
gerückt  wurden.  Nur  müsste,  damit  dieser  ganze  Vorgang 
wahrscheinlich  würde,  noch  erklärt  werden,  woher  denn  in 
einer  deutschen  von  den  Tschechen  entlehnten  fassung  der 
name  Stier  kommen  konnte.  Die  erklärung  scheint  mir  nicht 
besonders  schwer  zu  sein:  wir  werden  in  diesem  Stier  eine 
unter  anlehnung  an  vasel  vollzogene  deutsche  volksetjmiolo- 
gische  deutung  des  namens  Fasolt  zu  erblicken  haben,  den  in 
der  Thidrekssaga  einer  von  Isungs  heifern  trägt. 

Wallner  (s.  25,  anm.)  setzt  allerdings  *Tur  =  Thetleif,  ja 


>)  Mitwirken  konnte  ausser  der  uamensäbnlichkeit  auch  eine  auf 
Turzke  pole  befindliche  felsmasse,  welche  als  grab  des  helden  gedeutet 
wurde;  vgl.  Mon.  Genn.  a.a.O.  9.42,  anm.  99. 

8* 


116  HELM 

er  spricht  von  mytliisclier  wesensgleicliheit  beider  und  sieht 
in  dieser  den  eigentlichen  anlass  für  die  Übernahme  der  sage 
durch  die  Tschechen,  Aber  diese  gleichsetzung  lässt  sich  nicht 
aufrecht  halten.  Die  taten  Turs  und  Thetleifs  entsprechen 
sich  zwar  in  der  hauptsache:  durch  ihre  band  erhält  in  beiden 
sagen  der  feindliche  führer  die  tödliche  wunde.  Aber  der  tod 
Turs  und  Thetleifs  stimmt  nicht  überein.  Thetleif  wird  von 
Ostacia  in  drachengestalt  getötet.  Tur-Styr  fällt  von  vielen 
wunden  getroffen  durch  die  bände  seiner  gegner.  Sein  tod 
gleicht  also  eher  dem  des  Fasolt.,  der,  infolge  vielfacher  Ver- 
wundung ermattet,  endlich  von  Hertuit  niedergestochen  wird. 
Tur-Styr  vereinigt  also  in  sich  die  beiden  helfer  der  deutschen 
sage  und  zwar  hat  er  von  Fasolt  namen  und  todesart. 

Die  erklärung  für  dies  merkwürdige  Verhältnis,  dass  den 
beiden  heifern  der  deutschen  sage  in  der  tschechischen  nur 
einer  entspricht,  kann  auf  zweierlei  wegen  gesucht  werden. 
Entweder  ist  auf  Tur-Styr  alles  gehäuft  worden,  was  ursprüng- 
lich zwei  Personen  zukam,  —  oder  es  war  ursprünglich  nur 
ein  helfer  da  und  diese  eine  sagenligur  hat  sich  infolge  des 
eindringens  einer  ganz  neuen  gestalt  gespalten.  Die  ent- 
scheidung  zwischen  beiden  möglichkeiten  kann  uns  nicht 
schwer  fallen.  Dass  in  der  tat  Thetleif  der  sage  ursprünglich 
nicht  angehörte,  hat  man  schon  lange  erkannt;  vgl.  Jiriczek, 
Heldensagen  1,324.  Er  ist  überhaupt  eine  ziemlich  ver- 
schwommene heimatlose  sagengestalt,  die  den  verschiedensten 
sagen  angegliedert  worden  ist  (Jiriczek  a.a.O.  s.321  ff.;  Grimm, 
Heldensage'',  register  s.  505  s.v.  Dietleib).  Seine  Stellung  als 
•gegner  der  in  drachengestalt  kämpfenden  Ostacia  verdankt  er 
vielleicht  allein  dem  umstand,  dass  die  sage  auch  sonst  von 
einem  kämpf  zu  berichten  weiss,  den  er  mit  einem  meer- 
wunder, einem  merivihe,  zu  kämpfen  hat,  einem  nieerungetüm, 
das  wol  halb  als  drache,  halb  als  weib  gedacht  werden  muss. 
Schon  Müllenhoff  scheint  Zs.  fda.  12,  369  an  eine  beziehung 
zwischen  beiden  kämpfen  gedacht  zu  haben. 

Die  tschechische  sage  mit  ihrem  einen  helfer,  der  nicht  wie 
Thetleif  mit  dem  weib  in  drachengestalt  kämpft,  sondern  mehr 
Fasolt  entspricht,  scheint  mir  nun  als  ein  weiterer  beleg 
dafür  gelten  zu  müssen,  dass  Thetleif  ursprünglich  der  sage 
fremd  war.    Leider  können  wir  den  Zeitpunkt,  in  welchem  die 


ZUR   KRITIK   DER   SAGE   VON   HERTNITS   KAMPF.  117 

iibernalime  derselben  seitens  der  Tschechen  geschah,  nicht 
genau  feststellen,  spätestens  ist  sie  —  da  schon  Cosmas  die 
sage  berichtet  —  um  die  mitte  des  11.  jh.'s  anzusetzen;  damals 
v>3.r  also  Thetleif  mit  Hertnit  noch  nicht  verbunden. 

Gehört  nun  aber  Thetleif  der  sage  ursprünglich  nicht  an, 
so  fällt  natürlich  auch  Ostacia,  die  zweifellos  in  der  sage  alt 
ist,  ursprünglich  nicht  durch  seine  band.  Damit  wird  laum 
gegeben  für  eine  andere  erklärung  ihres  todes.  Müllenhoff, 
Zs.  fda.  12.  351  und  23, 127  vergleicht  die  geschichte  von  Hert- 
nit s  kamitf  gegen  die  Isungen  und  von  der  Unterstützung  durch 
Ostacia  mit  der  geschichte  von  Helgi  und  Kara.  Wenn  er 
erklärt,  beide  sagen  seien  im  gründe  genommen  dieselben,  so 
ist  das  allerdings  eine  etwas  vorschnelle  identificierung,  aber 
das  in  der  Helgisage  begegnende  motiv,  dass  der  held  seine 
im  kämpf  schützend  über  ihm  schwebende  geliebte  tödlich 
trifft,  scheint  doch  auch  in  der  Hertnitsage  ursprünglich  vor- 
handen gewesen  zu  sein;  auch  das  wird  durch  die  tschechische 
sage  noch  dargetan.  \Yir  haben  in  dieser  die  höchst  merk- 
würdige ei)isode  von  Straba,  der  unwissentlich  sein  weib  auf 
den  tod  Aei'wundet.  Die  nähereu  umstände,  unter  denen  dies 
geschieht.  geh()ren  ausschliesslich  der  tschechischen  sage  an, 
die  sich  den  verlauf  in  ganz  eigenartiger  weise  zurechtgelegt 
hat;  sie  interessieren  uns  hier  weiter  nicht.  Desto  wichtiger 
ist  für  uns  die  erzählung  vom  tode  des  weibes,  die  ganz  mit 
der  vom  tode  der  Ostacia  übereinstimmt.  Straba,  aus  der 
Schlacht  zurückkehrend,  findet  sein  weib  todwund  zu  hause 
vor;  sie  stirbt,  nachdem  er  noch  festgestellt  hat,  dass  die 
"wunden  von  ihm  selbst  herrühren.  Ebenso  findet  Hertnit,  als 
er  aus  der  Schlacht  heimkehrt,  sein  weib  todwund  zu  hause 
und  erkennt  nach  der  Thidrekssaga  nun  daran  erst,  dass 
sie  ihm  im  kämpfe  beigestanden  hat.  Drei  tage  darauf 
stirbt  sie. 

A\'enn  auch  die  rolle,  welche  die  frau  in  der  , Schlacht 
spielt,  in  der  tschechischen  sage  eine  ganz  andere  geworden 
ist '),  so  ist  doch  die  Schlusssituation  genau  so  geblieben,  wie 


^)  TVahrscLeinlich  bat  hier  eine  andere  sage  eingewirkt,  welche  davon 
erzählte,  wie  eine  frau  auf  der  seite  ihrer  geschlechtsgenossen  gegen  ihren 
eigenen  mann  kämpft. 


118  HELM 

sie  die  deutsche  sage  schildert.  Die  entlehnung-  Ist  hier  noch 
klar  zu  sehen,  und  es  scheint  naheliegend,  nun  auch  betreffs 
der  nächsten  Ursache  des  todes  von  der  tschechischen  auf  die 
deutsche  sage  zurückzuschliessen.  Hier  fehlt  es  uns  ja,  da 
wir  Thetleif  streichen  mussten,  an  einem  directen  gegner, 
der  Ostacias  tod  verursacht;  und  wenn  wir  uns  nun  fragen, 
wen  Thetleif  in  seiner  eigenschaft  als  töter  der  Ostacia  ab- 
gelöst haben  könnte,  so  wird  uns  nichts  anderes  übrig  bleiben, 
als  auf  grund  der  tschechischen  sage  zu  antwoi'ten:  ehe  Thet- 
leif in  die  sage  eingedrungen  war,  hat  Ostacia  von  ihrem 
eigenen  mann  die  todeswunde  erhalten.  Diesen  Vorgang  hätten 
wir  uns  dann  ganz  so  vorzustellen,  wie  die  Verwundung  der 
Kara  durch  Helgi. 

Unsere  auffassung  vom  tode  der  Ostacia  führt  mit  not- 
wendigkeit  eine  weitere  folgeruiig  nach  sich.  Jeder  ursprüng- 
lichen sage  wohnt  eine  ganz  bestimmte  logik  inne,  von  der 
höchstens  in  späten  bearbeitungen  abweichungen  denkbar  sind. 
In  unserem  fall  verlangt  es  die  logik  der  sage  meines  erachtens 
durchaus,  dass  der  held,  der  seine  schützerin  tödlich  verwundet 
hat,  vom  schlachtenglück  verlassen  wird  und  selbst  den  tod 
findet,  entweder  direct  im  kam.pf  oder  infolge  seiner  Verwun- 
dungen. Die  Thidrekssaga  weiss  davon  nichts,  in  ihr  wird 
Hertnit  vielmehr  wider  geheilt.  Aber  es  ist  leicht,  den  grund 
dafür  zu  erkennen.  Wir  haben  es  hier  mit  einem  kunstgriff 
zu  tun,  der  auch  sonst  in  sagen  nicht  selten  begegnet:  wenn 
von  irgend  einem  beiden  mehrfache  kämpfe  berichtet  werden 
(oft  nur  Varianten  eines  und  desselben  kämpf  es),  die  alle  mit 
seinem  tod  enden,  so  muss  bei  einer  Verknüpfung  der  ver- 
schiedenen berichte  in  einem  derselben  notwendig  der  tod  in 
eine  nahezu  tödliche  wunde  geändert  werden.  Ich  erinnere  nur 
an  die  behandlung  der  Baidersage  bei  Saxo  (vgl.  Kauffmann, 
Balder  s.  87).  So  erklärt  sich  auch  die  widerherstellung  Hertnits 
in  der  Thidrekssaga.  Dass  in  dieser  dann  später  doch  nichts 
mehr  von  Hertnit  erzählt  wird,  spricht  nicht  gegen  unsere 
annähme;  denn  wir  wissen,  dass  der  Verfasser  der  Thidreks- 
saga noch  weiteres  von  Hertnits  fernerem  leben  kannte,  wenn 
er  es  auch  nicht  aufnahm.  Am  schluss  von  cap.  355  sagt  er  es 
selbst  mit  deutlichen  werten:  Hcrtnid  Iwnungr  verdr  enn  hcill 
sinna  scira  oc  stijrir  sinu  riJci  Villcinalande  sva  sem  hoeyrer 


ZUR  KRITIK   DER  SAGE   VON   HERTNITS   KAMPF.  119 

cnn  i  sagu  lians.  oc  hann  vinnr  morg  storvirJce  medan  kann 
er  Iwnungr  i  VUlcinalandc ,  oc  af  iiauKm  er  allmihil  saga, 
J)0  at  J>ess  verde  nu  eigi  her  getet  i  J)cssare  frnsogn. 
Diese  grosse  sage,  von  der  hier  gesprochen  wird  und  die 
dem  Verfasser  der  Thidrekssaga  also  bekannt  war,  konnte 
weiteres  von  Hertnit  nur  erzählen,  wenn  sie  an  stelle  seines 
tiHies  im  kami)f  mit  den  Isungen  die  schwere  Verwundung 
treten  Hess.  Dass  dieser  kämpf  aber  wirklich  auch  isol- 
iert und  mit  tödlichem  ausgang  erzählt  wurde,  dafür  fehlt 
es  auch  nicht  an  einem  directen  beleg.  Die  tschechische  sage 
allerdiugs  kann  das  nicht  beweisen.  Wenn  dort  Wlastislaw, 
der  tschechische  Vertreter  des  Hertnit,  im  kämpfe  selbst  fällt, 
so  ist  dies  wol  ein  neuer  zug,  der  auf  historischen  reminis- 
cenzen  beruhen  mag.  In  der  den  Tschechen  bekannt  gewor- 
denen sagenform  muss  zweifellos  Hertnit  heimgekehrt  sein  und 
dort  sein  totwundes  weib  gefunden  haben.  Das  geht  aus  der 
übereinstimmenden  erzählung  von  Straba  klar  hervor;  und  die- 
selbe beweist  ausserdem  noch,  dass  in  dieser  sagenform  auch 
vom  tod  Hertnits  nach  der  schlacht  infolge  seiner  im  kämpf 
erhaltenen  Avunden  nicht  mehr  die  rede  war.  Diesen  ausgang 
kennt  aber  die  schwedische  fassung  (S)  der  Thidrekssaga,  in 
welcher  Hertnit  tatsächlich  nach  seiner  heimkehr  an  seinen 
wunden  stirbt.  Die  schwedische  Thidrekssaga  steht  im  all- 
gemeinen ja  der  norwegischen,  namentlich  der  fassung  der 
membrane,  recht  nahe  {yg\.  Boer,  Arkiv  f.  nord.  fil.  7,  205  ff.), 
sie  ist  aber  doch  keine  blosse  Übersetzung,  sondern  hat  selb- 
ständig einige  weitere  quellen  verarbeitet,  die,  wenn  sie  dem 
bearbeiter  auch  wol  in  dänischem  gewand  vorgelegen  haben, 
doch  im  letzten  ende  niederdeutscher  herkunft  gewesen  sein 
müssen;  das  beweisen  die  zahlreichen  in  ihr  erhaltenen  nd. 
namensformen  zur  genüge  (vgl.  Müllenhoff,  Zs.  fda.  12,  380  ff.). 
^^'enn  S  also  von  Hertnits  ende  zu  erzählen  weiss,  so  dürfen 
wir  darin  keine  willkürliche  änderung  des  bearbeiters  erblicken, 
sondern  müssen  eher  schliessen,  dass  ihm  auch  dafür  eine 
andere  quelle  bekannt  war,  welche  die  sage  von  Hertnit  und 
den  Isungen  noch  mit  ihrem  ursprünglichen  ende  erzählte. 

GIESSEX,  30.  april  1906.  KARL  HELM. 


ZUR  BPrrONUNG  VON  NHD.  HOLUNDER, 
WACHHOLDER  u.s.w. 

Hunderte  von  unzweifelhaft  echt  germanischen,  aber 
scheinbar  unregelmässig  betonten  Worten,  wie  scharlcnzen, 
schenvenzi'ln,  huranzen,  karnüffcln,  kajüte,  hahuse,  salbadern, 
Mahaidennann,  schlaßttclien,  schlaraffc,  krambamhel  {kramham- 
hidi)  U.S.W.,  machten  den  etymolog-en  bisher  die  grösste 
Schwierigkeit.  Eine  grosse  zalil  dieser  worte  wurde  für  ent- 
lehnt gehalten,  bei  anderen  suchte  man  sich  zu  helfen  durch 
annähme  sonst  nirgends  nachweisbarer  unbetonter  substantiv- 
präfixe  {ka-,  kar-,  sla-,  kla-,  schar-  u.  s.  w.)  oder  betonter  sui^xe 
{-astern,  -istern,  -isen,  -ädern,  -uts  u.s.w.),  oder  auch  durch 
annähme  von  accentverschiebung  {scldaraffc,  klabasicrn  u.s.w.). 

Für  mehr  als  300  worte  dieser  art  habe  ich  nachgewiesen  >), 
dass  da  weder  von  entlehnung,  noch  von  unbetonten  substantiv- 
präfixen  oder  betonten  Suffixen,  noch  auch  von  accentverschie- 
bung die  rede  sein  kann,  sondern  dass  da  entweder  svarabhakti- 
formen  vorliegen  [wie  z.  b.  sch{ar)tvenzeln  aus  schwänzeln]  oder 
präduplicationsformen  [wie  kr(atnh)dmhdi,  kr(amh)dmb-el  aus 
kramb-el]  oder  freie  Streckformen  [wie  kl{ah)dutermann  aus 
klautermann],  dass  in  all  diesen  Worten  nie  die  erste,  sondern 
von  jeher  die  zweite  silbe,  die  stamm vocalsilbe  den  haupt- 
accent  gehabt  hat,  und  dass  daher  das  betonungsgesetz  für  die 
historischen  perioden  des  germanischen  sich  nur  aufrecht  er- 
halten lässt,  wenn  man  darin  die  'erste  silbe'  oder  'Stamm- 
silbe' durch  'stamm vocalsilbe'  ersetzt. 2) 


1)  Zuerst  1904  Beitr.  29,  346—354  uud  jetzt  in  meinem  buche:  Streck- 
formen. Ein  bei  trag  zur  lehre  von  der  wortentstehuug  und  der  german. 
Wortbetonung.  Bd.  1, 1  der  zweiten  reihe  von  W.  Streitbergs  Germanischer 
hibliothek.  Heidelberg  1906. 

^)  Schon  die  urnord.  svarabhaktiformen  (waritu,  HarahanaR  u.s.w.) 
machen  diese  fassung  notwendig.  In  der  jirähistorischen  urzeit  des  genn. 
hat  natürlich  stets  die  erste  silbe  den  hauptaccent  gehabt. 


ZUR  BETONUNG  VON  NIID,  HOLUNDER.  121 

Damit  ist  die  grosse  masse  der  scheinbar  imregelmässig 
betonten  germanischen  worte.  wie  ich  glaube,  endgiltig  auf- 
geklärt, und  es  bleiben  nur  noch  wenige  zweifellos  echt  germ. 
Worte  des  nhd.,  die  sich  dem  accentgesetz  auch  in  der  von  mir 
vorgeschlagenen  fassung  nicht  fügen  wollen:  hohhulcr,  tvadiölder, 
maßhöhkr,  forillc,  hermdin,  horntsse,  lebend /(j. 

Für  all  diese  w^orte  pflegt  man  ja  'accent Verschiebung'  an- 
zunehmen. Mit  diesem  ausdruck  ist  natürlich  nichts  erklärt,  son- 
dern nur  eine  tatsache  und  zwar  eine,  wie  ich  im  folgenden  zu 
beweisen  glaube,  überhaupt  nicht  vorhandene  tatsache  behauptet. 

Eine  erklärung  ist  es  auch  nicht,  wenn  Kluge,  Et.  wb." 
unter  forcUe  die  betonung  dieser  worte  auf  die  schwere  ihrer 
mittelsilben  zurückführt.  Denn  das  ist  ja  gerade  die  frage, 
um  die  es  sich  hier  handelt:  wie  ist  es  so  gekommen,  dass 
diese  worte  entgegen  der  sonst  allgemeinen  Wirkung  des  accent- 
gesetzes  noch  heute  schwere  mittelsilben  haben? 

Wilmanns  Gr.  1-  §  340,  2  sagt:  'die  substantiva  {forclle, 
Jicrniclni,  JtoUundcr,  tvachlioldcr,  mafsholder)  und  das  verbum 
{schmarotzen)  sind  singulare  bildungen,  die  in  dieser  form  sonst 
nicht  vorkommen;  forelle,  liornisse,  hermtUn  sind  offenbar  unter 
den  einfluss  von  fremdwörtern  geraten  (vgl.  auch  die  übliche 
betonur.g  der  namen  Bücldin,  Pieucld'm,  Wölflin).  Lawine 
würde  sich  ihnen  anschliessen,  w'enn  das  wort  wirklich  deutsch 
ist  (Kluge,  Wb.).  HoUunder,  ma fsholder,  ivacliholder,  schmarotzen 
haben  den  schein  von  compositis  angenommen.' 

Schmarotzen  und  laicine  gehören  nicht  hierher.')  Im 
übrigen  stellt  auch  ^^'ilmanns  das  ganze  problem  auf  den  köpf. 
Denn  nicht  um  die  frage  handelt  es  sich:  wie  ist  es  gekommen, 
dass  worte  von  dieser  lautgestalt  den  accent  auf  der  zweiten 


')  Schmarotzen,  daneben  aucli  schmulotzen  und  vom  15.— 18.  jh.  schma- 
rutzen,  wird  g'anz  regelmässig  anf  der  stammvocalsilbe  betont;  es  ist  nicht 
schmar-uizen,  sondern  Streckform  sch)ii{ar)6lzen,  schm{ar)iitzen  von  schmatzen, 
schmutzen  'schmutzig,  geizig,  knauserig  sein'.  —  Lawine  ist  zweifellos 
entlehnt;  Kluges  einwand,  das  b  des  lat.  labina  hätte  im  deutschen  nur  h 
oder  f  ergeben  können,  beweist  nichts  dagegen.  Denn  das  wort  braucht 
nicht  unmittelbar  aus  dem  lat.  entleimt  zu  sein,  sondern  kann  doch  eben- 
sowol  aus  einem  roman.  dialekt  stammen,  z.  b.  aus  dem  rätorom.,  wo  lat. 
labina  zu  lacina  geworden  ist,  das  im  deutschen  nur  laivine  ergeben  konnte. 
Zu  schmarotzen  s.  verf.  Streckformen  s.  83 — 87;  zu  iawine  Körting,  Lat.- 
rom.  wb.'  s.  5. 


122  SCHRÖDER 

Silbe  haben?  —  sondern  darum:  wie  konnten  diese  worte  dem 
accentgesetz  zum  trotz  sich  eine  lautgestalt  bewahren,  die  die 
heutige  deutsche  gemeinsprache  zur  betonung  der  zweiten  silbe 
zwingt?  Nur  wer  Ursache  und  Wirkung  verwechselt,  wird  in 
den  aiisführungen  von  Wilmanns  und  Kluge  eine  lösung  des 
Problems  erblicken. 

Aber  auch  abgesehen  hiervon  ist  es  doch  nicht  angängig, 
die  betonung  hollünder,  wachhölder,  mafshölder  daraus  zu  er- 
klären, dass  diese  worte  den  schein  von  compositis  angenommen 
haben.  Denn  gerade  wenn  sie  nicht  nur  composita  zu  sein 
schienen,  sondern  es  auch  wirklich  wären  (*hol-lunder,  *wach- 
liolder,  *mafs-Jiolder),  so  müssten  sie  trotzdem  und  erst  recht 
den  hauptaccent  auf  der  ersten  silbe  haben.  Denn  es  gibt 
kein  einziges  substantivcompositum  desselben  typs  x  :=  x  ---?  ^^^ 
wie  diese  worte  betont  wird.  Alle  werden  x  =  x^  ^^^^  nicht 
x  =  xv^  betont") 

Ansprechender  ist  die  Vermutung,  die  Kaufmann  in  der 
letzten  (4.)  aufl.  seiner  Gr.  §  36  ausspricht:  'heimische  Wörter 
sind  von  einer  accent Verschiebung  betroffen  worden:  mhd. 
Uhentic  >  nhd.  lebendig,  mhd.  förhel  >  nhd.  forclle,  mhd.  hö- 
lundcr  >  nhd.  hollünder.  Diese  accentverschiebung  ist  ver- 
mutlich in  satzrhythmischen  gruppen  wie  sehr  lebendig,  hdch- 
forelle,  berghollündcr  erfolgt  (vgl.  bair.  lemlig  aus  Uhentic, 
Schwab,  forell  aus  förhel),  die  den  typen  vorsichtig  :  unvor- 
sichtig, urteile  :  Vorurteile  analog  sind.' 

Aber  auch  diese  auffassung  scheint  mir  nicht  zutreffend 
zu  sein.  Der  hinweis  auf  unvorsichtig,  Vorurteile  könnte  für 
unsere  frage  doch  nur  dann  entscheidend  sein,  wenn  aus  diesen 
compositionen  sich  wirklich  die  betonungsformen  vorsichtig 
(ohne  das  un-),  urteile  (ohne  das  vor-)  selbständig  gemacht 
hätten.  Das  ist  aber  nirgends  geschehen;  es  gibt  nur  ein 
vorsichtig,  kein  vorsichtig;  nur  urteile,  nicht  urteile.  Ausserdem 
müsste  auch  wol  nachgewiesen  werden,  dass  forclle,  hollünder 
u.  s.  Av.  meistens  als  zweite  giieder  von  compositis,  seltener 
selbständig  erscheinen.  Auch  dieser  nachweis  dürfte  sich 
schwerlich  führen  lassen. 


^)  Nur  janhägel  könnte  wol  als  einzige  ausnähme  angeführt  werden ; 
aber  nur  scheinbar;  denn  es  wird  seiner  entstehung  gemäss  (Jan,  auch 
Hans  Hagel,  wie  Hans  Wurst)  ganz  regelrecht  betont  wie  z.  b.  FrHz  Schuhe. 


ZUR  BETONUNG   VON   NHD.   HOLUNBEE-  123 

Ich  glaube  daher  l)ei  all  diesen  Substantiven  nicht  an  eine 
accent Verschiebung',  also  an  eine  Verletzung;  des  accentgesetzes. 
Denn  wenn  irgend  ein  gesetz  der  germanischen  Sprachgeschichte 
die  kraft  besessen  hat,  sich  gegen  nichtachtung  zu  wehren,  so 
ist  es  das  accentgesetz  für  das  einfache  wort.  Der  germanische 
accent,  der  im  einfachen  worte  solche  kraft  besitzt,  dass  er 
(vom  schwedischen  und  z.  t.  auch  dem  norwegischen  abgesehen) 
alle,  auch  die  ursprünglich  langen  vocale  der  flexionsilben  zu 
einem  schwachen  v,  o  degradieren  oder  —  noch  häufiger  — 
ganz  zum  verstummen  bringen  konnte;  der  zwei-,  drei-,  vier- 
silbige Worte  einsilbig  machen  oder  doch  der  einsilbigkeit 
naheführen  konnte;  der  zahlreiche  auch  der  widerstrebendsten 
lehnworte  vergewaltigt  und  unter  sein  strenges  gesetz  ge- 
zwungen hat:  ein  solcher  accent  lässt  sich  selbst,  so  lange  er 
leben  hat,  nicht  vergewaltigen,  aus  seiner  starken  Stellung 
nicht  verdrcängen. 

Ein  Vädp-astern,  aus  dem  E.  Hildebrand,  DW.  5,  888  und 
Kluge,  Et.  wb.  Idahdsicni  erklären,  hätte  nur  Mdpdster^i  > 
Uapstern  >  Mastern  werden  können,  nie  zu  Idapdsiern,  und 
natürlich  erst  recht  nicht  zu  nd.  llahdstern  (wie  wollte  man 
dann  auch  das  -astern  deuten?).  Ebensowenig  wie  aus  rotmffe 
ein  yo(^dff'{c),  rofzu/fXc),  aus  gahnaßc  ein  yüiid/f{e),  gänuß\e) 
U.S.W,  sich  entwickeln  konnte  und  sich  entwickelt  hat,  hätte 
sich  aus  einem  slnr-afj'e  (aus  dem  Kluge  nhd.  schlurdffe  erklärt) 
ein  sclilurdff'{e),  schlaruff'{e)^)  entwickeln  können,  sondern  nur 
ein  schlduraf  >  schldurdf  oder  schlürdf  >  schlürf.  S.  verf. 
Streckformen  s.  150  ff.  195  fl". 

Und  doch  bezeichnet  mhd.  holunder,  hölunter  denselben 
Strauch,  sambucus  nigra,  wie  ulid.  holunder.  Hat  hier  denn 
nicht  eine  accent  Verschiebung  stattgefunden?  —  Nein. 

Mhd.  holunder,  hölunter  konnte  sich  nur  zu  holnder  > 
holder  >  höl{l)er  >  hob'  oder  mit  assimilation  des  l  zu  hölnter 
>  hönter  >  hontr  weiter  entwickeln  und  hat  sich  in  der 
spräche,  d.h.  in  der  gesprochenen,  der  natürlichen  leben- 
digen Sprache  der  mundarten,   die  für  die  Wissenschaft  vom 


')  Diese  form  mit  u  in  der  zweiten  silbe,  die  sich  z.  b.  bei  Schotte], 
Haubtspr.  s.  4ö3a  findet,  wird  bei  der  erklärun^  des  Wortes  als  compositum 
von  a/fe  natürlich  nie  erwähnt. 


124  SCHRÖDER 

leben  der  spräche  allein  in  betraclit  kommen  kann,  auch 
tatsächlich  nur  in  dieser  richtung  entwickelt.  Keine  einzige 
mundart  hat  liolünder  ans  holunäer.  Dass  aber  in  der  ge- 
bildeten gemeinsprache  das  wort  heute  Jiohincler  lautet,  ist 
gerade  ein  beweis  für  die  kraft  des  accentgesetzes,  das  keine 
ausnahmen  duldet.  Denn  das  wort  Jiolunder  ist  zweifellos 
nicht  aus  dem  worte  Jiölundcr  selbst  entstanden,  sondern  aus 
dessen  Schriftbild,  und  zwar  nicht  vor  dem  18.  jh.,  s.  DW. 
4, 2, 1762.  Damals  war  aber  infolge  des  accentgesetzes  der 
mittelvocal  von  holimder  in  fast  allen  mundarten  schon  ge- 
schwunden '),  nur  in  einzelnen  thür.  gegenden  (s.  Hertel,  Thür. 
Sprachschatz  8.121)  und  im  meissnischen  (DW.  a.a.O.)  hat  er 
sich  gehalten.'-^)  Bei  dem  grossen  einfluss  aber,  den  diese 
mundart  gerade  im  18.  jh.  ausübte,  ist  es  begreiflich,  dass  ihre 
form  holimder  in  der  literatursprach e  herschend  wurde.  Da 
nun  die  deutsche  schrift  keine  accente  kennt,  so  musste  man 
in  allen  gegenden,  die  das  wort  in  der  lebendigen  spräche  nicht 
hatten  oder  in  denen  es  den  mittelvocal  eingebüsst  hatte 
{holder,  holler,  höh;,  honter,  hontr),  holimder  genau  so  lesen 
A\ie  alle  übrigen  worte  desselben  t3^pus,  und  das  sind  nur 
fremdworte  mit  dem  ton  auf  der  vorletzten  silbe:  (jamdnder, 
haUnder,  olednder,  salarnander,  zylindtr,  seJnmdc,  roiunde  u.s.w. 
Kein  mensch  würde,  wenn  ihm  wortbilder  begegneten,  wie 
*raliinder,  *balinder,  *trasinder,/^mu(jimdcr,  *bramander,  diese 
anders  als  mit  dem  accent  auf  der  zweiten  silbe  lesen,  also 
nur  nach  art  der  fremdworte,  eben  weil  der  energische  accent 
in  fast  allen  deutschen  mundarten   in  einfachen  germanischen 


1)  Schon  im  mhd.  sind  foriueu  wie  holnder,  holder,  holler,  hoJre  ganz 
gewöhnlich,  und  sogar  holr  findet  sich  schon  nihd.  in  holr-bläsarc,  holr- 
IMseii  Lexer,  Hwb.  1, 1327  ff. 

2)  [In  meiner  heimatsmiindart  (meissnisch-oherlausitzischer  übergaugs- 
dialekt,  vgl.  Beitr.  13,  581)  ist  die  form  des  wertes  höliw^,  mit  hanptton 
auf  dem  nhd.  gedehnten  o  und  nebenton  auf  dem  u;  im  compos.,  z.  b. 
höluvxhidrd  '  holunderbeere ',  trägt  das  u  einen  accent  dritten  grades,  wäh- 
rend die  dritte  und  fünfte  silbe  (x  und  d)  niedrigste  toustufe  haben.  — 
Ich  begrüsse  in  den  obigen  ausführuugen  eine  weitere  bestätiguug  der  in 
meiner  akad.  rede  (1901)  'über  die  einigung  der  deutschen  ausspräche "  ver- 
tretenen theorie  über  die  ausbildung  der  gesprochenen  nhd.  hochsprache  im 
anschluss  an  das  Schriftbild  der  auf  obersächsischem  gründe  festgesetzten 
schreibsprache.  —  W.  B.j 


ZUR  BETONUNG  VON  NHD.   IIOLUNDEB.  125 

Worten  dieses  tj'ps  den  niittelvocal  vernichtet  hat  und  solche 
wortbilder  eine  volksetyuiologische  deutung  als  deutsche  com- 
posita  nicht  zulassen.') 

Holunder  ist  also  nicht  aus  dem  worte  hölunder  ent- 
standen, sondern  aus  dessen  Schriftbild  hölunder.  Dieses  aber 
hat  keinen  accent  —  die  deutsche  schritt  kennt  überhaupt 
keine  accente  — ,  und  wo  kein  accent  vorhanden  ist,  da 
kann  auch  keiner  verschoben  werden,  sondern  nur  ge- 
setzt werden,  entweder  richtig  oder,  wie  in  unserni  falle: 
falsch.  Es  ist  also  nicht  möglich,  hier  von  accentverschiebung 
schlechthin  zu  reden. 

Genau  derselben  entwicklung  verdanken  icacholder,  forelle, 
hermeltn  ihre  betonung  in  der  heutigen  gebildeten  spräche. 
Wo  wachohhr  von  altersher  in  den  mundarten  sich  gehalten 
hat,  da  wird  es,  wie  die  dialektwörterbücher  lehren,  überall 
und  z\MAY  meist  mit  Unterdrückung  des  mittelvocals  oder  doch 
dessen  reducierung  zu  d,  auf  der  ersten  silbe  betont.  Auch 
wo  es  volksetymologisch  als  compositum  aufgefasst  wird,  betont 
die  mundart,  wie  es  ja  auch  nicht  anders  sein  kann,  stets  die 
erste  silbe,  z.  b.  eis.  (Martin-Lienhart  1,  326  a)  ivcelcholtdr,  tcdJc- 
holtdr,  ivceldtdr.  Auch  dies  pseudo- compositum  iv ach -holder 
kann  also  nicht,  wie  Wilmanns  meint,  die  heutige  gemein- 
deutsche ausspräche  hervorgerufen  haben  —  denn  jedermann 
spricht  doch  auch  hdchholder,  hirschholder  'viburnum  opulus', 
letzteres  auch  'sambucus  racemosa'  — ,  sondern  nur  die  in  der 
Schrift,  die  ja  überhaupt  am  alten  klebt,  festgehaltene  alte 
form  icacholder.  Dieses  accentlose  wortbild  aber  musste  (ebenso 
wie  Jiolunder)  überall  da,  wo  icdcholder  in  der  lebendigen  spräche 
nicht  oder  nicht  mehr  vorhanden  war,  und  auch  da,  wo  es 
den  niittelvocal  infolge  des  accents  eingebüsst  hatte,  ncichölder 
gelesen  werden,  also  mit  dem  ton  auf  der  vorletzten  silbe, 
wie  man  auch  jedes  beliebige  andere  wortbild  desselben  typs 
(z.  b.  *rasolder,  Himalder,  '^tranuldtr)  nicht  anders  lesen  würde, 
eben  weil  der  accent  nicht -coniponierte  germanische  worte 
dieses  typs  in  der  nhd.  gemeinsprache  unmöglich  gemacht  hat. 

Mafsholder  habe  ich  nie  gehört,  sondern  nur  gelesen  und, 


';  Alb  Itöl-nnder  oder  hö-lunäer  konnte  luau  das  wortbild  doch  nicht 
deuten. 


126  SCHRÖDER 

bis  ich  in  spracliwissenscliaftlichen  werken  die  betonung  mafs- 
holder  fand,  nie  daran  gedacht,  dass  das  wort  anders  als  auf 
der  ersten  silbe  betont  werden  könnte,  und  ich  habe  noch 
niemand  gefunden,  der  ein  mafshöJder  je  gehört  hat.  Auch 
das  DW.  6, 1741  erwähnt  diese  betonung  nicht.  Aber  sie  muss 
doch  wol  vorkommen.  Ist  das  aber  der  fall,  so  kann  sie 
sicherlich  nicht  aus  der  lebendigen  spräche  stammen,  denn 
alle  mundarten,  die  das  wort  haben,  betonen  die  erste  silbe, 
z.  b.  thür.  (HerteFs.  164)  mdselder,  mdselr,  eis.  (Martin-Lienhart 
1,325  b)  mdsholtdr,  meseltdr.  Auch  die  schon  früh  (im  16.  jh.) 
auftretende  volksetymologische  deutung  als  mas-holdir,  mafs- 
holder  kann  die  heiommg  mafshölder  nicht  hervorgerufen  haben; 
denn  composita  dieses  typs  x  =  x  ^  werden  ausnahmslos  x  =  X  ^ 
betont,  wie  auch  Mrschhölder,  hdchhölder,  erdhölder.  Es  kann 
also  auch  hier  nur  eine  leseform  vorliegen.  Das  Schriftbild 
massoUer  musste  überall,  wo  das  wenig  verbreitete  woj*t  nicht 
bekannt  war,  wie  ein  fremdwort  gelesen  werden.  Auch  wort- 
bilder  wie  "^rassolter,  *tvassolter,  *massidter  würde  jeder  beim 
lesen  auf  der  zweiten  silbe  betonen. 

Auch  forelle  wird  überall,  wo  es  von  altersher  in  der 
mundart  lebendig  ist,  auf  der  ersten  silbe  betont:  thür.  (Hertel 
s.  97),  bair.  (Schmeller  -  Frommann  l'^,  752),  schwäb.  (s.  oben 
Kauffmaun)  u. s.w.  Die  betonung  forelle  kann  daher  nicht  vom 
lebendigen  worte,  sondern  nur  von  seinem  Schriftbild  aus- 
gegangen sein,  das  wie  alle  worte  desselben  typs  {bagatelle, 
Zitadelle,  gazelle,  Impelle,  libelle,  iabelle  u.s.w.)  beim  lesen  nur 
auf  der  vorletzten  silbe  betont  Averden  konnte,  weil  eine  volks- 
etymologische deutung  des  wortbildes  als  compositum  {fö-relle 
oder  för-elle)  ausgeschlossen  war  und  echt  deutsche  einfache 
worte  dieses  typs  durch  die  Wirkung  des  accents  in  der  gemein- 
sprache  unmöglich  gemacht  sind. 

Hermelin,  mhd.  hermelin,  demin.  von  harm{e\  ahd.  harnio, 
bedeutet  im  mhd.  'allgemein  wiesei ',  im  nlid.  nur  noch  aus- 
schliesslich 'das  sibirische  wiesei,  mustela  erminea'.  Solange 
das  wort  in  den  mundarten  für  (verschiedene)  einheimische 
tiere  lebendig  war,  hatte  es,  wie  der  Schwund  des  mittelvocals 
Qiermlin,  hermlein)  zeigt  und  wie  es  sich  ja  auch  gehört,  den 
accent  auf  der  ersten  silbe.  Das  heutige  hermelin  kann  daher 
seine  Verbreitung  nur  der  literatur  (bes.  den  geschichts-,  ge- 


ZUR  BETONUNG   VON   NHD.   HOLUNDEB,  127 

scliichten-  und  naturgescliichtsbücliern)  und  die  mumificierung' 
seiner  lautgestalt  nur  der  kanzleispraclie  des  1(3.  und  17.  jli.'s 
verdanken,  die  ja  so  nianclie  mittelalterliche  form  weiter- 
gesclileppt  hat,  besonders  den  zahlreichen  kleiderordnungen, 
in  denen  nicht  nur  dem  einfachen  büroersmann,  sondern  auch 
adligen  und  sogar  grafen  das  tragen  des  kostbaren  hermelin- 
pelzes  immer  wider  verboten  wurde. 

Da  nun  nicht  nur  im  schriftdeutschen,  sondern  auch  in 
den  md.  und  bair.-östr.  mundarten  das  t  in  -Itn  diphthongiert 
war  und  das  nd.  dies  suffix  überhaupt  nicht  mehr  kannte,  so 
konnte  im  wortbild  hennelin  auf  dem  grössten  teil  des 
deutschen  Sprachgebiets  nicht  mehr  das  deminutiv  von  härm 
erkannt  werden,  das  überdies  wenig  verbreitet  war  und  in  der 
bedeutung  sich  auch  schon  ganz  von  hermelin  getrennt  hatte. 
Auch  eine  volksetymologische  deutuug  des  wortbildes  hermelin 
als  compositum,  her  -\-  mclin  oder  herme  +  Im,  Avar  natürlich 
ausgeschlossen.  Man  konnte  daher  das  accentlose  wortbild 
hermelin  gar  nicht  anders  lesen  als  mit  dem  hauptaccent  auf 
der  letzten  silbe;  denn  alle  worte  dieses  typs  werden  doch  so 
betont:  ruhi,  l-amin,  Jasmin,  medisin  und  vor  allem  Ortsnamen 
wie  Berlin,  titettin,  FehrhelUn,  Zärrcniin  u.s.  w. 

Auch  form  und  betonuug  von  Jiornisse  ist,  wie  die  dialekt- 
wörterbücher  zeigen,  nirgends  volkstümlich;  überall,  wo  das 
wort  in  den  mundarten  vorkommt,  ist  es  zweisilbig  und  wird 
auf  der  ersten  silbe  betont.  Hornisse  kann  daher  nicht  aus 
der  lebendigen  spräche,  sondern  nur  von  dem  schriftbilde  hör- 
nisse,  das  sich  schon  1734  bei  Steinbach  findet,  sich  herleiten 
lassen.  Dies  aber  lässt  weder  eine  volksetymologische  deutung 
als  compositum  (Iwr  +  msse  oder  hörn  +  isse)  zu,  noch  als  ab- 
leitung  von  hör-  oder  hörn-  (es  gibt  weder  ein  suffix  -nisse, 
noch  ein  suffix  -isse  im  nhd.).  Das  wortbild  hornisse  konnte 
daher  nur  mit  dem  hauptaccent  auf  der  vorletzten  silbe  gelesen 
werden,  wie  auch  jedes  andere  wort  desselben  typs  betont 
wird:  narsisse,  melisse,  vgl.  auch  adresse,'  Zypresse,  fincsse,  mä- 
tresse  u.s. w. 

Lebendig  hat  in  der  heutigen  gebildeten  gemeinsi)rache 
stets  den  accent  auf  der  zweiten  silbe,  während  es  im  mhd. 
regelrecht  lebentic,  Uhendic  betont  wurde.  In  der  wirklichen, 
d.  h.  der  gesprochenen  spräche  musste  der  starke  accent  natür- 


128  SCHRÖDER 

lieh  den  mittel vocal  vernicliten,  es  musste  folgende  entwick- 
liing  vor  sich  gehen:  Uhentic  >  Icbntic  >  lebmtic  >  Umtic 
(lembtic,  lemptic)  >  le.ntic  neben  h'hendic  >  —  >  lendic.  In 
der  tat  belegt  Lexer,  Hwb.  1,  1848  alle  diese  formen  auch 
schon  aus  dem  mhd.  und  sogar  das  schlussglied  dieser  entwick- 
lungsreihe  (Icntic)  schon  aus  dem  jähre  1292.  Auch  in  den 
heutigen  obd.  und  md.  mundarten  findet  sich  noch  die  ursprüng- 
liche betonung.  In  der  schrift  aber  hielt  sich,  wie  in  so 
manchem  andern  falle,  die  alte  form  lebendig.  Da  die  be- 
tonung lebendig  aber  durch  analog  gebildete  adjective,  deren 
es  überhaupt  nur  sehr  wenige  und  auch  nur  wenig  gebräuch- 
liche gegeben  hat,  nicht  gestützt  wurde  und  das  le-  nicht  als 
betontes  präflx  aufgefasst  werden  konnte,  so  musste  das  accent- 
lose  wortbild  lebendig  natürlich  wie  jedes  andere  desselben 
typs,  d,  h,  wie  ein  uncomponiertes  adjectiv  auf  -endig,  -ändig 
gelesen  werden,  also  mit  dem  ton  auf  -en.  Wir  haben  es  also 
auch  hier  nicht  mit  einer  in  der  lebendigen  spräche  vollzogenen 
entwicklung  zu  tun,  sondern  mit  einer  leseform. 

Das  beweist  auch  das  nd.  Wo  das  wort  (mnd.  levendich, 
also  mit  v,  gespr.  wie  nhd.  w\  wie  waldeck.  (Bauer -Collitz 
s.  67a)  Imcendich,  pomm.  (Dähnert  s.  275b)  Uwendig  '(der  ton 
auf  der  ersten  silbe)',  seinen  alten  accent  sich  bewahrt  hat, 
da  ist  auch  das  v,  iv  erhalten.  Wo  es  dagegen  den  accent 
auf  der  zweiten  silbe  hat,  da  hat  es  ausnahmslos  ein  b: 
ldbhi{d)ig.  Dies  b  aber  kann  nur  aus  dem  wortbilde  der  hd. 
Schriftsprache  stammen. 

So  erklären  sich,  scheint  mir,  alle  diese  betonungsformen 
der  nhd.  Schriftsprache  {holimder,  tvachölder,  mafshölder,  forelle, 
hermelin,  Jiornisse,  lebendig)  ganz  ungezwungen.  Ist  aber  diese 
erklärung  richtig;  stammen  diese  formen  nicht  aus  der  leben- 
digen spräche,  sind  sie  nicht  direct  auf  ihre  alten  mhd.  regel- 
recht auf  der  ersten  silbe  betonten  Vorgängerinnen  zurückzu- 
führen, sondern  auf  deren  Schriftbilder:  dann  kann  natürlich 
von  einer  accentverschiebung  im  eigentlichen  sinne  des  wertes 
nicht  die  rede  sein.  Denn  die  deutsche  Schreibung  kennt  keine 
accente,  und  wo  kein  accent  ist,  kann  auch  keiner  ver- 
schoben werden. 

KIEL,  juli  1906.  HEINRICH  SCHRÖDER. 


ÜBER  DEN  PLAN  EINER  INSCHRIFTEN- 
SAMMLUNG  ZUR  GESCHICHTE  DER 
GERMANISCHEN  VÖLKER. 

In  frülieren  zelten  pflegte  man  die  kenntnis  der  deutschen 
Urzeit  in  der  liauptsaclie  nur  auf  die  Zeugnisse  der  griechischen 
und  römischen  scliriftsteller  zu  gründen;  das  bikl,  das  aus  diesen 
zu  gewinnen  war,  konnte  naturgemäss  nur  ein  einseitiges  und 
lückenhaftes  sein.  Neuerdings  ist  die  forschung  auf  jenem 
gebiete  mit  erfolg  bemüht  gewesen,  durch  heranziehung  anderer 
hilfsmittel  eine  breitere  grundlage  zu  schaffen:  so  verdanken 
wir  der  benutzung  der  ergebnisse  der  Sprachgeschichte,  der 
]trähistorischen  archäologie,  der  anthropologie,  der  vergleichen- 
den ethnologie  und  Wirtschaftsgeschichte  u.  a.  disciplinen  eine 
wertvolle  erweiterung  und  Vertiefung  unseres  Wissens  und 
aufklärung  über  manche  wichtige  frage,  die  bisher  unbeant- 
wortet bleiben  musste.  Doch  ist  auch  die  griechisch-römische 
Überlieferung  keineswegs  ausgeschöpft;  ein  reiches,  noch  nicht 
genügend  verwertetes  material  bieten  uns  die  Inschriften, 
die  nicht  allein  für  die  antike  culturwelt  selbst,  sondern  auch 
für  die  mit  ihr  in  berührung  gekommenen  fremden  Völker  eine 
wichtige  (luelle  darstellen,  um  so  mehr,  als  sie  gleichzeitige, 
authentische  Zeugnisse  enthalten  und  die  je  später  immer 
dürftiger  werdenden  berichte  der  geschichtschreiber  ergänzen. 

Den  linguisten  bieten  sie  einen  reichen,  sprachlichen 
Stoff,  insbesondere  uamen,  und  diese  in  ihrer  echten,  durch 
keine  abschreiber  entstellten  ursprünglichen  gestalt.'  So  ist 
beispielsweise  durch  zwei  Inschriften  (C.  J.L.  111,4500;  X,  7290) 
Naristi  als  die  richtige  form  dieses  Völkernamens  festgestellt, 
während  die  lesarten  der  handschriften  der  schriftsteiler 
zwischen  Varisti  und  Naristi  schwanken.')    Der  Ursprung  des 


')  Vgl.  Boissevain  zu  Cassius  Dio  LXXI,  21. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXII. 


130  LUDW.  SCHMIDT   U.   OTTO  FIEBIGER 

deutschen  lehnworts  hruta  oder  Irutes  =  'Schwiegertochter, 
junge  frau'  ist  durch  eine  in  Norikum  und  zwei  in  den  Balkan- 
ländern gefundene  inschriften  klar  geworden:  dasselbe  ist  im 
3.  Jh.  n.  Chr.  durch  gotische  gefangene  bez.  Soldaten  dem  la- 
teinischen Sprachschatz  übermittelt  worden.') 

Die  mythologie  hat  durch  die  eutdeckung  einer  grossen 
zahl  von  altar-  und  votivsteinen ,  welche  die  namen  germani- 
scher gottheiten  enthalten,  eine  nicht  unwichtige  bereicherung 
erfahren:  es  erscheinen  hier  Mars  =  Tiu  (auch  mit  dem  bei- 
namen  Thingsus),  Mercurius  =  "Wodan  (bein.  Hanno),  Hercules 
=  Thonar  (bein.  Saxanus,  Magusanus),  die  göttinnen  Neha- 
lennia,  Hludana,  Vihansa,  Hariasa,  Harimella  etc.,  die  matres 
oder  matronae  mit  ihren  verschiedenen  beinamen  (Suleviae  etc.) 
u.  dgl.  m.2) 

Besonders  reichhaltig  aber  sind  die  ergebnisse  für  den 
historiker.  Es  sei  hier  zunächst  an  das  berühmte  psephisma 
von  Olbia  (C.  J.  Gr.  2058  u.  ö.)  erinnert,  das  allein  uns  von  dem 
vordringen  ostgermanischer  stamme,  der  Bastarnen  und  Skiren 
nach  dem  Schwarzen  meere  um  die  wende  vom  3.  zum  2.  jh. 
vor  Chr.  künde  gibt.  3)  Die  zahllosen  kriege,  die  die  römischen 
kaiser  gegen  die  die  grenzen  des  reiches  bedrohenden  ger- 
manischen Völker  zu  führen  hatten,  sind  zum  teil  nur  aus  in- 
schriften, insbesondere  aus  den  darauf  verzeichneten  sieges- 
titeln,  imperatorischen  acclamationen  u.  dgl.  bekannt.  Die 
geschichte  der  grossen  Völkerbewegung,  die  wir  unter  dem 
namen  des  Markomannenkrieges  zusammenzufassen  pflegen, 
.deren  verlauf  aus  der  trümmerhaften  Überlieferung  der  ge- 
schichtschreiber  nicht  genügend  zu  ersehen  ist,  konnte  in 
neuerer  zeit  namentlich  durch  inschriftliche  Zeugnisse  in 
helleres  licht  gerückt  werden.  Die  bisher  völlig  unbekannte 
tatsache,  dass  in  der  kaiserzeit  am  Neckar  Sweben  als  reichs- 
angehörige  gemeinde  (wahrscheinlich  nachkommen  der  Sweben 


1)  T.  Domaszewski  in  den  Neuen  Heidelberger  Jahrbüchern  3  (1893),  193  ff. 
und  im  Rhein,  museum  n.f.  55  (1900),  319  [vgl.  auch  oben  s.  38  ff.  W.B.]. 

-')  Vgl.  besonders  Golther,  Handbuch  der  germauischeu  mythologie 
(1895),  s.  463  ff.;  E.H.Meyer,  Mythologie  der  Germanen  (1903),  s.  12ff.; 
Dessau,  Inscriptiones  latinae  selectae  II,  1  (1902),  s.  202  ff.  u.  a. 

^)  Vgl.  namentlich  Stähelin  in  der  Festschrift  zum  60.  geburtstag  von 
Theod.  Plüss  (Basel  1905),  s.  46  ff. 


t>LAN  EINER   INSCIIRIFTENSAMMLUNG.  13l 

Ariovists)  sasseii,   ist  erst  durch   neuere   inschriftliche   funde 
gewonnen  worden. ') 

Der  grosse  wert  der  inschriftlichen  ([uellen  für  die  er- 
forschung  des  germanischen  altertums  steht  also  ausser  frage; 
die  ausbeutung  des  Stoffes  ist  aber  für  den  gennanisten  mit 
sclnvierigkeiten  verknüpft.  Diese  liegen  einmal  in  der  anläge 
unserer  grossen  Sammelwerke.  Denn  hier  werden  die  Inschriften 
nach  den  fundorten  verzeichnet;  die  register  aber,  soweit  solche 
vorhanden,  was  leider  nicht  immer  der  fall  ist,  sind  nicht  so 
angelegt,  um  dem  forscher  zu  ermögliclien,  eine  rasche  Über- 
sicht über  den  ungeheueren  stoff  zu  gewinnen  und  eine  aus- 
scheidung  des  für  ihn  brauchbaren  vorzunehmen,  um  so  weniger, 
als  es  sich  häutig  nur  um  versteckte,  nicht  ohne  weiteres  er- 
kennbare beziehungen  handelt.  Eine  zweite  Schwierigkeit 
erwächst  dem  germanisten  daraus,  dass  er  in  der  regel  nicht 
über  die  für  das  "Verständnis  der  Inschriften  notwendige 
kenntnis  der  lehren  der  epigraphik  verfügt.  Die  unterzeich- 
neten haben  sich  daher  entschlossen,  eine  Sammlung  der  für 
die  geschichte  der  germanischen  Völker  wichtigen  griechischen 
und  römischen  Inschriften  in  allgemein  verständlicher  lesung, 
unter  Aveglassung  unwesentliclier  stellen,  nebst  beifügung  eines 
connnentars  und  von  literaturnachweisen  herauszugeben.  Die 
anordnung  des  Stoffes  ist  geographisch,  nach  den  einzelnen 
Stämmen,  gedacht,  innerhalb  dieser  soweit  möglich  chrono- 
logisch. Zunächst  sind  die  Ostgermanen  in  angriff  genommen 
worden.  Als  endtermin  ist  im  allgemeinen  die  mitte  des 
sechsten  jahrliunderts  in  aussieht  genommen. 

Im  nachstehenden  seien  einige  proben  mitgeteilt,  die  von 
der  art  der  geplanten  Veröffentlichung  ein  bild  geben  sollen. 

M(arco)  Ulpio  Maximo  leg(ato)  Aug(usti)  pr(o) 
pr(aetore)')  c(larissimo)  v(iro)  praesidi...  Aurelii 
Cresce«5  et  Gainas  77  (=  centuriones)  leg(ionis) 
III.  kug{ustae)  Severiawae. 

CJL  Vm  2753.  18128.  Lambaesis  j.  Lambese. 

')  Unter  kaiser  Alexander  Severus  (222—235)  legat  von  Numidien,  vgl. 
Cagnat  l'armee  d'Afrique  1892,  s.  122. 

^)  Vgl.  Zangemeister  iu  den  Neuen  Heidelberger  Jahrbüchern  3  (1893), 
1  ff.;  Fabricius,  Die  besitznahme  Badens  durch  d.  Römer  (Heidelb.  1905),  a.  23. 


132  LUDW.  SCHMIDT   U.   OTTO   FIEBIGER 

Der  zweite  der  beiden  centurionen  mit  dem  namen  des 
■bekannten,  gegen  ende  des  vierten  Jahrhunderts  lebenden 
Gotenfülirers  ist  offenbar  gotischer  herknnft.  Bereits  im 
ersten  drittel  des  dritten  Jahrhunderts  finden  wir  demnach 
einen  Goten  im  römischen  heeresdienst,  was  sehr  bemerkens- 
wert ist.  —  Eine  frau  gotischer  abstammung,  namens  Annia 
Gaina,  lernen  wir  aus  der  leider  undatierbaren  stadtrömischen 
Inschrift  CJL  VI  28177  kennen. 

J(ovi)  O(ptimo)  M(aximo)  Statori  Fl(avius)  Ve- 
tulenus  7  (=  centurio)  leg(ionis)  III.  Ital(icae) 
reversus  ab  expeditione  Burica  ex  voto  posuit. 

CJL  III  5937.  Untersaal  bei  Kehlheim. 

Weihinschrift,  dem  schirmenden  Juppiter  von  einem  glück- 
lich aus  dem  Burenfeldzuge  heimgekehrten  centurio  der  von 
Mark  Aurel  begründeten  und  in  Eätien  stationierten  Legio 
III.  Italica  (Cass.  Dio  LV  24,  2)  errichtet.  Kämpfe  der  Römer 
mit  dem  reitervolk  der  Buri  —  vgl.  v.  Domaszewski,  Markus- 
säule s.  114  — ,  den  grenznachbarn  der  Quaden  (Tac,  Germ. 
43;  Cass.  Dio  LXXII  18),  fanden  während  des  zweiten  Jahr- 
hunderts nach  der  Überlieferung  nur  im  Markomannenkriege 
statt  (H.  Aug.  Marc.  22, 1).  Der  von  Cass.  Dio  LXXII  18  (vgl 
dazu  LXXIII  2, 4.  3, 1)  erwähnte  friedensschluss  mit  den  Buri 
erfolgte  gegen  ende  des  sogenannten  zweiten  germanischen 
krieges  der  jähre  179/180.  Nach  Strakosch- Grassmann,  Ge- 
schichte der  Deutschen  in  Oesterreich- Ungarn  I  (1895),  s.  66, 
anm.  1  fand  die  Expeditio  Burica  erst  unter  kaiser  Commodus 
statt,  eine  auffassung,  die  durch  die  angeführten  schriftsteller- 
zeugnisse  nicht  gestützt,  durch  Boissevains  neue  anordnung 
der  Diofragmente  dagegen  entschieden  widerlegt  wird. 

Domino  totius  orbis  Juliano  Augusto  ex  Oceano 
Britannico  vis')  per  barbaras  gentes  strage  re- 
sistentium  patef actis  adusque  Tigridem^)  una 
aestate  transvecto  Saturninius  Secundus  v(ir) 
c(larissimus)  praef{ectus)  praet(orio)3)  d{evotus) 
n(umini)  m(aiestati)g(we). 

CJL  III  247.  Ancyra,  j.  Angora. 

')  Für  viis.     "-')  Um  Julians  rühm  zu  erhöhen,  sind  die  angaben  über 


PLAN   EINER'  INSCHßlFTENSAMMLUNG,  133 

den  von  ihm  zurückgelegten  weg  übertrieben,  vgl.  damit  Amm.  Marc.  XXI 9, 3. 
XXII2,5.  3)  Von  Sallustius  Satnrninus  Secuiulus  (vgl.  CH.  VI17G4;  Cod. 
Theod.  X  3, 1)  zum  danke  für  seine  im  december  3()1  erfolgte  ernennung  zum 
praefeetus  praetorio  orientis  (Amm.  Marc.  XXII  3, 1)  dem  im  sommer  362  in 
Ancyra  (Amm.  Marc.  XXII  9,  8;  Cod.  Theod.  XIII 3, 5;  Allard,  Julien  II  [1903J 
338  ff.)  Aveilenden  kaiser  geweiht. 

In  gedrängter  kürze  kündet  die  fast  unbekannt  gebliebene 
insclirift  die  grossen,  von  Julian  in  der  zweiten  liälfte  des 
Jahres  361  errungenen  erfolge:  seinen  letzten  kämpf  mit  den 
Alemannen  und  seinen  denkwürdigen  zug  nach  Byzanz.  Um 
die  seinem  comes  Libino  zugefügte  niederlage  (Amm.  Marc. 
XXI  3,  2.  3.  4,  7)  zu  rächen  und  die  von  Constantius  immer 
aufs  neue  zum  widerstände  gereizten  Alemannen  (ebd.  XXI  3,  4) 
vor  seinem  zuge  nach  dem  fernen  osten  endgiltig  zu  unter- 
werfen, eilte  der  kaiser  im  hochsommer  361  (Zosim.  III 10, 1) 
plötzlich  von  Vienne  in  Gallien  an  den  Rhein,  wo  er  alsbald 
einen  letzten  entscheidenden  sieg  über  sie  errang  (Amm.  Marc. 
XXI  4,  7.  8;  Joh.  Antioch.  fragm.  177  =  Müller  fragm.  hist. 
Graec.  IV  s.  605;  Sozomen  hist.  eccles.  VI;  Mücke,  Julianus  I 
(1867)  s.  49;  Kellerbauer  im  Philologus  suppl.  IX  (1904)  s.  212; 
Allard  a.a.O.  s.  41).  Auf  dem  nun  folgenden  eilmarsche  von 
Eauraci  j.  Äugst  am  Rhein  (Amm.  Marc.  XXI  8, 1.  2)  durch 
den  südlichen  Schwarzwald  und  die  Rauhe  alp  an  die  Donau 
(Joh.  Antioch.  a.a.O.;  Zosim.  III  10  2;  Mücke  a.a.O.  s.  55),  wäh- 
rend der  beschleunigten  fahrt  auf  dieser  bis  Bononia  j.  Vidin 
in  Obermösien  (Amm.  Marc.  XXI  9, 2.  6;  Joh.  Antioch.  a.a.O.; 
Zosim.  11110,2.  3;  Kellerbauer  a.a.O.  s.  213;  Allard  a.a.O. 
s.  52  ff.)  und  schliesslich  auf  dem  zuge  durch  Thracien  (Amm. 
Marc.  XXII  2,2)  nach  Bj'zanz,  das  er  am  11.  december  glück- 
lich erreichte  (Amm.  Marc.  XXII  2,  4;  Socrates  hist.  eccles. 
IUI;  Mücke  a.a.O.  s.  57;  Kellerbauer  a.a.O.  s.  215;  Allard 
a.a.O.  s.  86)  musste  Julian  mit  einem  kleinen  beere  (Amm. 
Marc.  XXI  8,  2.  9,  8;  Zosim.  III  10,  2;  Allard  a.a.O.  s.  49)  weite 
strecken  feindlichen  gebietes  durchqueren,  die  er  nur  dank 
seinem  unaufhaltsamen  vorwärtsstürmen  (Amm.  Marc.  XXI  9, 
1.2.6;  Gregor.  Xaz.  or.  IV  47;  Mücke  a.a.O.  s,  54f.;  Allard 
a.  a.  0.  s.  49  f.)  ungefährdet  zurücklegte. 

Imp(erator)  Caesar  M(arcus)  Aurellius  Antoninus 
Plus  Felix  Aug(ustus)  Part(hicus)  Maximus  Bri- 


134  LUDW.  SCHMIDT   U.    OTTO  FIEBIGER 

t(annicus)  Maximus  ^r(ibunicia)  p(otestate)  XF/. i) 
viam  iuxta  Danuviiim  fieri  nissit  a  Boiioduru^) 
Saloatus)  n.  b.*)  XV. 

CJL  III  5755.  11846.  Bei  Eng-elhartszell. 

*)  213  n.  Chr.  Der  beiname  Germaniciis,  den  Caracalla  seit  dem  herbst 
dieses  jahres  führte,  fehlt  hier  noch.  ^)  Lies  Boüoduro.  ^)  Lies  Saloatum. 
^)  n.  h.  fälschlich  für  m.  p.  =  milia  passuum. 

Für  die  anläge  einer  Strasse  am  rechten  Donauiifer  von 
Boiioduruni  d.  i.  Innstadt-Passaii  stromabwärts  nach  dem  15 
milien  entfernten,  sonst  unbekannten,  etwa  bei  dem  heutigen 
Eanning  zu  suchenden  Saloatum,  dessen  name  sich  nach  See- 
fried (Verhandlungen  des  histor.  Vereins  für  Niederbayern  XL 
[1904]  s.  1 — 34)  offenbar  in  dem  südöstlich  von  Passau  gelegenen 
Saläth-  oder  Sauwalde  erhalten  hat,  waren  zweifellos  stra- 
tegische gründe  massgebend.  Dieselbe  dürfte  sich  213  n.  Chr. 
anlässlich  des  von  Caracalla  vor  seinem  Mainfeldzuge  an  Eä- 
tiens  grenzen  geführten  Germanenkrieges  (H.  Aug.  Carac.  5,  4) 
nötig  erwiesen  haben,  vgl.  hierzu  Holländer  in  der  Zeitschrift 
für  die  geschichte  des  Oberrheins  XXVI  (1874)  s.  277  f.  und 
Egger  im  Archiv  für  österreichische  geschichte  LXXXX  (1901) 
s.  134 — 136.  Des  kaisers  bautätigkeit  an  der  Donau  erwähnt 
überdies  Herodian  IV  7, 4.  Strakosch- Grassmann,  Geschichte 
der  Deutschen  in  Oesterreich  I  (1895)  s.  45  bringt  den  bau 
irrtümlich  mit  dem  Markomannenkriege  in  Zusammenhang. 

D(is)  M(anibus)  M(arco)  Aur(elio)  Flavo  mil{iti) 
leg{ionis)^)  ...  (7wpl(ario)  ei  interpetri^)  Germa- 
norum  off(icii)  co(n)s(ularis)  et  M(arco)  Aur(elio) 
...  an{noriini)  XIII  filio  communi  Aurelia  Quaeta 
marito  et  filio  ...  scribi  in  memoriam  iussit. 
CJL  III  10505.  Aquincum,  j.  Alt-Ofen. 

1)  Diese  ergänzung  rechtfertigt  CJL  HI  14349,  5.  ^)  Fälschlich  für 
Interpret!. 

AVie  zu  Cäsars  zeiten  ein  gewisser  Cn.  Pompeius  als  dol- 
metscher  im  auftrage  seines  legalen  Q.  Titurius  mit  dem  Ger- 
manenhäuptling Ambiorix  unterhandelte  (Caes.  b.  Gall.  V  36, 1), 
so  stand  M.  Aurelius  Flavus  als  interpres  Germanorum  im 
dienste  des  kaiserlichen  legatus  consularis  von  Niederpannonien 
und  führte  für  diesen  alle  Verhandlungen  mit  den  Germanen. 


PLAN  EINER   INSCHRIFTENSAMMLUNG.  135 

Gleich  dem  CJL  III  14349,  5  genannten  interpres  Sarmatarum 

—  vgl.  dazu  C.TTi  \1  5207:  '/'jQfi>;rii\:  Haofiiamr  —  war  er 
sicherlich  legionar  und  erhielt  für  seine  besondere  tätigkeit 
doppelten  sold. 

p 
In  Ajii  (Christo).  B(onae)  m(einoriae)  Sarmannn(a)e 

quiescenti  in  pace.  Martiribus  societa.') 

CJL  III  5972.  119(;i.  Regensburg. 

*)  Nahe  dem  grabe  der  märtyrer  bestattet. 

Grabinschrift  einer  Regensburger  Christin  germanischer 
abstammung.  etwa  aus  dem  fünften  Jahrhundert  n.  Chr.,  vgl. 
Ebner  in  Verhandlungen  des  histor.  Vereins  von  Oberpfalz 
und  Regensbui'g  XLV  (1893)  s.  167  ff.  Dass  das  germanische 
Clement  in  der  Regensburger  bevülkerung  des  vierten  und 
fünften  jalirhunderts  n.  Chr.  bereits  ziemlich  stark  vertreten 
war,  ergaben  die  Untersuchungen  der  zahlreichen  auf  den 
Regensburger  begräbnisplätzen  gefundenen  schädel,  vgl.  Ar- 
nold in  Beiträge  zur  anthropologie  Bayerns  XIV  (1901)  s.  92 
— 94.  Sarmannna,  m.  e.  aus  Sar  =  'rüstung'  —  vgl.  Alb. 
Heintze,  Die  altdeutschen  familiennamen,  2.  aufl.,  1903,  s.  226 

—  und  Mann  zusammengesetzt,  bedeutet  'frau  eines  wehr- 
haften mannes'. 

DRESDEN. 

LUDWIG  SCHMIDT.    OTTO  FIEBIGER. 


ETYMOLOGISCHES.O 

1.    lende  :  land. 

Ein  wort  bezeichnet  oft  sehr  verschiedene  teile  des  körpers 
und  der  landschaft;  vgi.  G.  Meyer,  IF.3,64;  Zupitza,  Gutt.  s.  115; 
BB.25,102  und  jetzt  Wood,  IF.  18,26;  z.b.: 

Ahd.  ivanga  'wange'  :  aisl.  vangr  'feld'  Pauli,  Körperteile 
s.  9  (mit  unrecht  von  Kluge"  s.  414  bezweifelt,  dessen  satz: 
'doch  haben  die  meisten  namen  für  körperteile  keinen  derartigen 
Ursprung'  mir  rätselhaft  ist). 2) 

Gr.  xvriiii]  'Unterschenkel',  nhd.  dial.  liamme  ' Schinken'  : 
gr.  xnjftog  'bergwald'  Fick,  KZ.  21,  368  (L.  Meyer,  Griech.  etym. 
2,330  hält  diese  Zusammenstellung  für  'unerwiesen');  Akzent! 

Ai.  Jcdta  'hüfte,  schlafe'  :  Idfalca  'bergabhang'  (s,  Zupitza, 
Gutt.  s.  159;  ahd.  scuUirra  kann  vielleicht  anderswohin  gestellt 
werden,  s.  KZ.  40, 421,  anm.  4). 


^)  Die  folgende  arbeit  ist  durch  schcärfere  formulierung'  und  entfernung 
von  allzu  hypotlietischem  aus  einer,  die  sich  mehrere  jähre  nicht  in  den 
händen  des  Verfassers  befand,  verbessert.  Was  in  dieser  zeit  von  andern 
gefunden  worden  ist,  habe  ich  nicht  mehr  ganz  berücksichtigt.  Das  ziel 
der  arbeit  war  und  ist,  ein  wenig  einige  anschau ungen  zu  ergründen, 
die  den  bedeutungswaudel  verursachen. 

*)  *uonJc-  :  got.  umvähs  'untadelhaft',  ags.  wöh,  as.  wah  'verkehrt' 
Uhleubeck,  Got.  wb."''  s.  159;  Zupitza,  Gutt.  8.142,  an.  ru  (väöa)  'tadeln', 
vä  'schade,  Unglück',  vangr  'falsch'  Noreen,  Urg.  1.  s.  222:  ahd.  wc'üii  'schön, 
zierlich';  zur  bed.  vgl.  gx.  xofx\p6g  'geziert,  verschlagen',  das  vielleicht  zu 
gr.  xäixnzüj  'krümmen',  lat.  cavipus  'feld'  gehört;  vgl.  noch  Trautmann, 
Zfdw.  7,  268  (ags.  geap,  wo  die  slav.  worte  [s.  Miklosich  unter  gXib-'] ,  die 
schon  Uhlenbeck,  Beitr.  27, 127  zu  gecq)  gestellt  hat,  übersehen  sind),  viel- 
leicht lat.  pränis  'krumm,  verkehrt,  schlecht'  :  an.  frär  'flink',  nhd.  froh 
(vgl.  lat.  rävus  :  nhd.  grau,  lat.  flavus  :  nhd.  blau)  :  aksl.  prava  'grade, 
recht'? 


ETYMOLOGISCHES.  137 

Got.  ams  •Schlüter'  :  aisl.  dss  'berggrat'  (Bethge  bei  Dieter, 
Altgerm.  dial.  §  115  d.  anm.  3). 

Gr.  X6g)o^  'hals'  :  'anhöhe'  =  lat.  coUus,  collnm  'hals',  aksl. 
l-oleno  'knie' :  lat.  coUis,  gr.  xoXcovög  'hügel'  (vgl.  Pauli,  Körper- 
teile s.  13).  >) 

Xksl.prustu,  lit.  pirs::tas  'finger' :  ai.  prsthd  'hervorragender 
rücken,  anhöhe,  first'  Brugmann,  IF.  11,  285. 

Gr.  JEfiog'  orvötrÖQog  tujtoq  xcd  vOftrjV  eyjov  xcu  xo  yvvcu- 
xsim'  aiiSolov  xal  imjrog'  xcd  xo  xov  6g:i}a?.{iov  xoTlov  Hesych. 
(vgl.  Döderlein,  Lat.syn.  2,  91)  :  iwnem  'himmel'  vgl.  Fick 2^192. 

Preuss.  dangns  'gaumen' :  'himmel';  vgl.  russ.  neho  'himmel' : 
ncbo  'gaumen'. 

Ai.  tdlu  'gaumen'  :  üda  'fläche',  nhd.  dieW^)  :  ir.  talam 
'erde'  (vgl.  Fick  2 ^  124). 

Got.  shuft  'haupthaar' :  got.  Imps  'hüfte' :  nhd.  schöpf:  ahd. 
hnfo  'häufen',  nhd.  hübel  (vgl.  ühlenbeck^  unter  liups,  sJcuft). 

Aisl.  her  dar  'schultern',  russ.  lörtysJci  'schultern'  Miklosich 
s.  157;  Zupitza,  Gutt.  s.  115  :  russ. /i'oV^öc'/a  'fersen'  :  mhd.hart 
'wald'"?    Ganz  anders  Osthoff,  Etj-m.  par.  1,46  u,  f. 

Preuss.  tcinsHs  'hals' :  ad  silvam,  quae  dicitur  Winse  Script, 
rer.  Prussic.  1, 138. 

Ir.  bern  'kluft' :  arm.  beran,  lit.  burnd  'muud'  Fick  2^,  163. 

Lat.  alvcus  'höhlung,  flussbett'  :  alrus  'bauch '3);  vgl.  ai. 
vaksdnä  'bauch,  flussbett'. 

Gr.  iü&^iug  'hals'  :  'erdzunge';  auch  mhd.  haJs  hat  ähnliche 
bedeutungen,  s.  Mhd.  wb.  1,  617. 

Aksl.  dlant,  lit.  delna  'handfläche'  :  nhd.  tcd^) 

Russ.  rot  'mund'  :  bulg.  riit  'hügel',  s.  Miklosich  s.  285.^) 


')  Oder  ist  es  doch  richtiger  hals  zu  *qUel-  'drehen'  zu  stellen?  s.  zu- 
letzt Niedermann,  IT.  18.  Anz.  76,  lit.  JcäJclas  :  nhd.  hrds  vielleicht  ähnlich 
wie  gr.  xvx?.og  :  aksl.  kolo  'rad'. 

*)  Da  nhd.  diele  eigentlich  'brett'  (vgl.  Kluge®  s.  77;  Trautmann,  Zfdw. 
7, 269)  ist,  wird  slav.  telo  (vgl.  Meringer,  IF.  18,  280)  hierher  gehören  und 
nirgend  sonst  wohin  (gewis  falsch  BB.  29, 178.  248). 

*)  :  ai.  *rdu  'kleines  wassergefäss,  floss,  nachen'?  oder  algäu  'weichen'? 

*)  Die  idg.  dM  'niedrig  sein'  (Kluge^  unter  ihal)  i^i  schlecht  begründet. 
Was  Kluge  unter  tenne  und  tanne  anführt,  scheint  anderswohin  zu  weisen. 
Ueber  tenne  s.  jetzt  sehr  gut  Trautmann,  Zfdw.  7,  269. 

*)  Hierher  (vgl.  die  bedeutungen  der  andern  verwandten  slav.  Wörter 
a.  a.  0.  und  Lex.  Palaeoslov.  809)  nhd.  reuten,  riester  (s.  Kluge®  s.  316). 


138  LEWY 

Nhd.  muncP)  :  lat.  mentiim  'kinn'  :  mons  'berg'^). 

Ahd. miila  'maul',  lett.  smauUs  'fresse'  (Leskien,  Abi.  s.309)  : 
aksl.  midi  'landspitze'  Schade-  s.  624. 

Nhd.  Stirn  :  gr.  ötlqvov  'brüst'  :  pr.  strannay  'lenden'  : 
aksl.  strana  'landstrich'  Kluge^  s.380;  Berneker,  Pr.  spr.  s.324.3) 

Nhd.  feld,  ai.  prthiin  'erde'  :  riiss.  plei^ö  'Schlüter'  (Miklo- 
sich  unter  pletje)  (:  gr.  jiXaxvi^  s.  Prellwitz^  s.  374)-'). 

Nhd.  lende,  lat.  lumhiis  {Hondh-u-  s.  Schmidt,  PN.  s.  6.  7; 
das  u  hindert,  da  jedenfalls  suffixal,  die  Zusammenstellung  nicht) : 
an.  lund  'das  zarte  fleisch  unter  den  nieren  am  rückgrat'  (Ge- 
ring s.  636)  :  nhd.  land  (s.  Uhlenbeck '-^  unter  land)  :  an.  lundr 
'hain'  (Much,  Zs.fda.42,170.  IF.9.  Anz.s.200)  :  vwlindan  'tal'^). 

2.    qi])us. 
Got.  qijms  'bauch'  :  ixgs.  codd  'hülse,  schote'  (Wood,  MLN. 
12,9)   :   ahd.  quediUa  'hautbläschen'^),  ndd.  quadel  'eine  um- 


*)  Hirt  (Beitr.  22, 228,  Ablaut  §  5G1)  verbindet  öro',««  mit  mitnd,  men- 
timi;  da  nirgends  eine  form  mit  sm-  vorliegt,  halte  ich  diese  Zusammen- 
stellung für  unwahrscheinlich,  ebenso  seine  Verbindung  von  arö^a^oq  mit 
magen  (schon  bei  Döderlein,  Lat.  syu.  6,  350  übrigens:  ^ ozöncc/oq,  bei  Homer 
die  kehle  . . .  Verhält  sich  magen  zu  oToiicr/og  ebenso  wie  stlis,  stlata  zu 
lis,  lata  ...?'))  weil  es  von  or6,ua  abgeleitet  ist  (-yo-  s.  L.Meyer,  Griech. 
etym.  2,210).  Ueber  magen  s.  Zupitza,  Gutt.  s.  134,  völlig  befriedigend, 
wenn  auch  bei  Kluge  fehlend;  vgl.  noch  nhd.  ranzen;  aksl.  zelqdo  'eichel'  : 
MqdöMi  'magen';  russ.  ri(A;flr  'armel,  schlauch,  vormagen  der  widerkäuer'; 
Wood,  MLN.  17,  9. 

-)  Lit.  mente  'Schulterblatt',  viente  'spatel'  aber  wol  zu  slav.  metq> 
'umrühren'  Leskien,  Bild.  d.  nom.  s.  266  (  :  lit.  metä,  slav.  rnefc?  'werfen', 
poln.  motac  'haspeln,  weifen',  gr.  /iwd-og  'schlachtgetümmel'  :  *me-n-th-). 

^)  :  *ster-  (lat.  sternere  u.s.w.);  vgl.  lit.  ^yetgs  'schulter'  :  gr.  Timcryvfd 
'ausbreiten';  lat.  latus  'seite'  :  latus  'breit'  :  *stel-  (aksl.  stlati  'ausbreiten'); 
ai.  üras  'brüst',  To'ü  'schenke!'  :  gr.  {i'^ii'^  'breit'  (vgl.  Fick  1*,  130;  hierher 
auch  nhd.  räum?). 

*)  :  lit.  Imdyne  'Schlupfwinkel',  lendk  'kriechen'  (Berneker,  Pr.  spr. 
s.  304);  vgl.  preuss.  Zint^vs  ' Winkel'  :  lit.  lankä  'tal'  :  ?e»Z:<i ' biegen "  (a.a.O. 
s.  805).  'Krümmen'  und  'kriechen'  stehen  sich  sehr  nahe  (H.Schröder,  IF. 
18,527);  der  wurzel  *lendh-  kommen  etwa  diese  bedeutungen  zu. 

^)  Die  bei  Zupitza,  Gutt.  s.  85  citierte  etymologie  von  quedilla  ist 
falsch,  s.  Trautmann,  Germ,  lautgesetze  s.  17;  hieraus  ersehe  ich,  dass  auch 
schon  Wood  (MLN.  19;  mir  jetzt  unzugänglich)  q/piis  und  quedilla  ver- 
bunden hat.  Obwol  auch  Uhlenbeck,  Beitr.  30,  304  Wood  citiert,  entscheidet 
er  sich  doch  für  v.  Grienberger.  So  darf  ich  die  betr.  worte  vielleicht  auch 
zusammenstellen. 


ETYMOLOGISCHES.  139 

schriebene  entzündete  anscliwellung  der  liaut'  (Schambacli)  : 
nhd.  hitteln  (vgl  Kluge e  s.  233,  DWb.  5,  2901)  :  ir.  hä  'lippe, 
mund',  lat.  hotidus  'wurst'  C^guc-tlo-)?^)  vgl.  gr.  (fvöx//  'wurst'  : 
östi.  hüuschel  (ein  gericht)  :  nhd.  hausch  (s.v.  Sablor,  KZ.  o  1,281) 
und  s.  131,  a.l.  133,  a.l. 

Die  Verbindung  vun  hei  mit  qijmn  wird  dabei  niclit  auf- 
i:t'geben  werden  müssen:  vgl.  gr.  otoiia  'mund'  :  got.  stihna 
■stimme',  lat.  lahrum,  labmm  'lippe'  :  ir.  Idbraim  'sprechen'. 
Andere  ausAvärtige  verwante  sind  wol  gr.  yvalov,  yavööq  u. s.w. 
(s.  Prelhvitz):  *(/»-.  Gv.ßvxxoi'  yvi'aixog  cdöolov"^)  ist  offenbar 
M'ööö<;  '■  meerestiefe',  vgl.  ai.  gahhd  'vulva',  gahhlrd  'tief  ( :  poln. 
(1(^1x1  'maul'  s.  ühlenbeck-  unter  icamba,  und  lit.  gunibas  'er- 
höhung-,  knorren,  gewächs  an  einem  organischen  körper;  kolik', 
aksl.  gqha  'sclnvamm'). 

Wegen  ne.  cluh  :  nhd.  Idolen,  ir.  lorg  'knüppel,  Schienbein'  : 
•schar' ').  lit.  lä'zmas  'menge,  schar' :  gr.  ctäxvg,  ai.  hähü  'arm'  : 
jra/i'v  'dick',  hahii  'viel''*)  wird  zu  qijms  vielleicht  auch  ge- 
hören nhd.  l-i(t(e  'herde,  schar'  (s.  DWb.  5, 2895;  eine  mir  nicht 
sehr  einleuchtende  etj-mologie  Fick  2*,  176;  vgl.  etwa  lit.  gttfa 

•herde'?). 

3.    hansts. 

Die  neuesten  deutungen  von  got.  hansts  'scheune'  u.s.w. 
(s.  Kluge  6  s.  30)  s.  bei  Ühlenbeck,  Beitr.  30,  264;  sie  lassen  einen 
neuen  versuch  vielleicht  doch  noch  zu.  Vielleicht  gehört  dazu 
nhd.  dial.  hanscJi  'bauch',  das  allerdings  auch  romanisch  sein 
kann  (vgl.  Staub-Tobler  4, 1405),  das  bei  Schade-  s.  40  mit  ai. 
hhamsas  'ein  bestimmter  teil  des  Unterleibes'  verglichen  wird, 
wozu  wol  auch  hhasdd  'hintern'.^)  Zwar  hat  Feist,  Beitr. 
15,546  gemeint,  dass  es  kaum  jemand  einfallen  wird,  'einen 
Zusammenhang  zwischen  dieser  skr.  gruppe   und  dem  germ. 


^)  Lat.  venter,  gr.  yaoxriQ  haben  weder  mit  einander,  noch  mit  ciipus 
etwas  zu  tun,  s.  Brugmann,  IF.  11,272,  anm.  1. 

*)  Vgl.  über  gr.  (Sl'/.za-  ywuixilov  cudolov  s.  Schulze,  KZ.  39,  611. 

3j  Die  frage,  ob  lat.  largiis  'reichlich'  hierher  gehört,  kann  ich  nicht 
unterdrücken;  vgl.  etwa  gr.  (hj/toq  'fett'  :  Sijuoq  'volk'? 

*)  Zu  den  lautverhältnissen  vgl.  gr.  b.vöävo)  :  rj(Svg,  ai.  aniti  :  ätman, 
uhd.  atem,    nhd.  spange  :  gr.  a(pTjx6aj  u.  ä. 

-•)  Ühlenbeck,  Ai.  wb.  s.  193  verbindet  diese  Wörter  mit  bübhasti  'zer- 
malmt', was  ich  nicht  verstehe;  auch  Persson  (Wurzelerw.  s.  99)  ist  nicht 
evident:  *bhes,  das  auch  in  bhasträ  'blasebalg'  vorliegen  soll. 


140  LEWY 

hans-  »stall«  anzunehmen',  aber  ich  kann  diesen  einfall  für 
nicht  so  absurd  halten  wegen: 

Ai.  dhärakä  'cunnus'  :  'behälter'; 

g'ot.  husd  'liort'  :  gT.  xvo&og  'cunnus'  vgl.  KZ.  40, 423; 

ai.  Jcosa  *fass,  Vorratskammer,  schote,  hodensack,  *vulva, 
*penis'  :  Icostha  ' eingeweide,  Unterleib,  Vorratskammer'  Uhlen- 
beck,  Ai.  wb.  s.  67 '); 

lat.  gremium  'schoss'  :  ai.  gräma  'dorf  Liden,  Stud.  s.  15 ; 

rnas.kiskd  'darm,  schlauch'  {*küs-i]m  s.  Miklosich  s.  158)2)  . 
nhd.  haus,  got.  -Ms  (vgl.  KZ.  40, 423,  anm.  2). 

Das  got.  hansti-  gegenüber  dem  *bansa-  der  anderen  dia- 
lekte  erklärt  sich  vielleicht  auch  durch  den  angenommenen 
bedeutuugsübergang:  durch  einfluss  eines  dem  nhd.  ivanst  ent- 
sprechenden Wortes  (vgl.  Kluge  ^  s.  414)? 

4.    gegen. 

Nur  wenige  präpositionen  lassen  sich  auf  pronominale 
elemente  zurückführen  (vgl.  aber  den  für  die  gescliichte  der 
Sprachwissenschaft  wichtigen  aufsatz  von  Grassmann,  KZ. 
23,  558),  sehr  viel  mehr  stehen  deutlich  in  beziehung  zu 
verbal-  und  nominalthemen  (vgl.  Reichelt,  BB.  26,  223)  ^),  und 
zwar  auch  zu  bezeichnungen  der  körperteile. 

Gr.  afufi  'um'  :  of/r/aXog  'nabel'; 

gr.  jivrog-  6  jTQwxTog  :  ?ihd.  fona  'von'  (Bezzenberger,  BB. 
27, 177.  23, 110;  wegen  as.  ahd.  fana  Braune,  Ahd.  gr.2  §  25, 
anm.  1;  Wilmanns  I^  §  226  wird  man  fona  nicht  aus  der 
«(-reihe  entfernen  müssen); 

idg.  *anti  'angesichts'  (s.  Brugmann,  K.  vgl.  gr.  §683)  : 
an.  emie  'stirn'  ( :  got.  andeis  'ende'  Noreen,  Urg.  1.  s.  138),  lat. 
anüae  'Stirnhaare',  lit.  antis  'busen'; 

ahd.  gagan,  ags.  (on)gean,  an.  gagn-  'gegen',  ahd.  ingagan, 


1)  Aehnliche  bedeutimgsübergänge  zeigen  sich  in  der  wurzel  *(ßielp-: 
gr.  xölnoq  'busen'  (Prellwitz''' s.  234)  :  xä}.m(;  'krug'  (:  cech.  sklepiti,  poln. 
sklepic  'wölben';  vgl.  aber  Miklosich  s.  118);  Tgl.  auch  ?i\.  udarä  'bauch'  : 
russ.  redrö  'eimer'. 

2)  Lit.  kiszJiä  'kniekehle  bei  menschen'  kanu  daher  wol  kaum  entlehnt 
sein;  dies  klingt  sehr  an  ai.  kisku  '  Vorderarm,  stil'  an,  zudem  es  auch  ge- 
hören könnte  trotz  der  ganz  abweichenden  deutung  Lidens,  Studien  s.  92. 

')  Vgl.  Brugmann,  K.  vgl.  gr.  §  609.  610  {*per-  :  got.  faran  Uhlenbeck* 
s.  11).  611.  615.  616.  618. 


ETYMOLOGISCHES.  141 

an.  i  gegn  'gegenüber,  entgegen',  /  gognom  'durch'  (Gering, 
Wl).  s.  367)  :  ai.jagJidua  Miinterbacke,  schamgegend',  gr.xoyojvt] 
'stelle  zwischen  den  schenkein'  (s.  A\'ackernagel,  Ai.gr.  1, 125).') 
Von  gagan  abgeleitet  ist  an.  gegna,  alid.  gaganen  'begegnen', 
wodurch  die  schon  längst  vermutete  bezieliung  zu  gaggan  (s. 
Schade^  s.  215)  klar  hervortritt.-) 

5.    rinde,  rund. 

Zu  nhd.  rinde  und  rand  gehört  nach  Wood,  ]\ILN.  15,  98 
ags.  reiidan  'zerreissen'.  Dazu  aus  dem  lit.  rantis  'kerbe', 
riutgs,  rintis  'kerbe',  renczii  'kerben'  (s.  Leskien,  Abi.  s.  340), 
was  wol  näher  liegt  als  das  von  Wood  beigebrachte.  Zur  be- 
deutung  vgl.  aksl.  h-aj^  'rand'^)  :  krojiti  'scindere'  :  lett.  Irija 
'rinde-')  (vgl.  :\liklosich  s.l37.  139;  Leskien,  Abi.  s.275;  Zupitza, 
Gutt.  S.126); 

aksl.  Ivra  'rinde',  lat.  coriuni  'feil,  rinde'-*)  :  ^]:cr-  gr.  xtlgco 
U.S.  w.; 

lit.  kranfas  'rand,  ufer'  :  an.  hrinda  'stossen'; 

lit.  rnnihas  'narbe  am  bäum',  lett.  rnhs  'kerbe',  slav.  rqhu 
'säum'  (Leskien,  Bild.  d.  nom.  s.  144,  189)  :poin.  rahic,  russ. 
rühit'  'hacken'.^) 

6.    schimpfen,  wröhjan,  schelten. 
Es  ist   zu  beobachten,   was  von  vornherein   auch  selbst- 
verständlich ist,   dass  Worte,  die  eine  ganz  bestimmte  art  des 
ausdrucks  der   gemütsbewegungen   bezeichnen,   auf  ganz   all- 
gemeine  bezeichnungen   des   'tönens,  krachens'   zurückgehen. 


•)  Als  genaue  becleutungsparallele  darf  man  wol  auch  anführen:  lat. 
contra  'gegen'  :  nhd.  hinter,  hintern;  zur  bed.  vgl.  noch  got.  aftra  'zurück, 
widerum'  :  nhd.  after. 

^)  Uhlenbeck,  Ai.  Avb.  s.  95  bemerkt  zu  ao/wvt]  '■*xu/ü)vi\  mit  a  aus  «'. 
Vielleicht  verhält  sich  (s.  aber  Prelhvitz'^  s.  2-40)  xoyßvr\,  jaghäna  (vgl.  gr. 
xo'/Mvoq  :  Wt.kälnas)  :  atjänghä  'Unterschenkel'  wie  gr.  Tie?.i6rög  'schwärz- 
lich' (*2)eled-nö-)  :  ?ä.  pändu  'weisslich-gelb'  {*2>d-n-cl-)  Liden,  Studien  s.  90), 
&]i(i.  balko  :  gY.(f(U.cr/^  'rundes  stück  holz'  (s.  Kluge'^  s.  28;  germanische 
■»-declinationl),  lat.  sf«^»«/« 'teich'  :  gr.  rt-rayog 'seichtes  wasser'  (?  Döder- 
leiu,  Lat.  syn.  fj,  347). 

^)  Wiedemann,  BB.  28, 33.  53  leuchtet  mir  nicht  ein,  ebensowenig  wie 
seine  wurzel  *ken-  'glänzen'  (für  ai.  kanya)  BB.  27, 199;  Yg\.  junge\ 

*)  Lat.  scortum  'feil'  :  nhd.  schtvarte? 

*)  *nt-m-b-  :  *rub-,  got.  raupjan,  lat.  rubus  (Walde  unter  rubus);  zur 
bed.  vgl.  nhd.  zausen  (Kluge*  s.  433). 


142  LEwy 

Worte,  die  'tadeln,  klagen'  bezeichnen,  stehen  auch  oft  in 
bezieliung-  zu  Worten,  die  'stossen,  schlagen,  werfen'  bezeichnen, 
die  widerum  von  denen  des  'krachens'  kaum  zu  trennen  sind.  Mit 
der  anführung  der  folgenden  beispiele  ist  natürlich  der  lauf  der 
bedeutungsentwicklung  im  einzelnen  falle  noch  nicht  bestimmt. 

Nhd.  scJiivören  :  ai.  svar  'tönen'  Uhlenbeck^  s.  143; 

mhd.  schimpf  'scherz'  (vgl.  Kluge ^'  s.  339)  :  lit.  slxümbu 
'tönen';  Osthoff,  BB. 29, 359  sucht  ausführlich  die  alte  Zusammen- 
stellung: schimpf  :  gr.  öxmjijco  zu  begründen  unter  annähme 
einer  öM-wurzel,  nasalinfix,  ablautsentgleisung  und  Wechsel 
zwischen  media  und  tenuis  im  auslaut.  Das  s.  266  von  ihm 
angeführte  gr.  xö^ißa  •  xoQfovtj  passt  auch  so  sehr  gut; 

nhd.  Idagen,  ai.  garh  'tadeln'  :  gr.  ßlif/r]  'blöken'  (s.  aber 
Prellwitz^s.  78); 

lat.  crimen  'anklage'  :  an.  hreimr  'geschrei'  Brugm^ann, 
IF.  9,  354,  von  Wiedemann,  BB.  28,  53,  anm.  1  bezweifelt; 

ir.  Uim  'anklagen'  :  gr.  Xcdsiv  ■  (fdtyysiv  Fick  2^,249; 

poln.  sJcarga  'klage,  anklage'  :  an.  sJairlc  'geräusch'  Schade 2 
s.  781;  Brugmann,  IF.  9,  354; 

got.  ivröhjan  'beschuldigen,  anklagen',  nhd.  rügen  (vgl. 
Kluge  6  s.  322)  :  lit.  reh'it,  rekiaii,  rcJäi  'schreien'  (aus  *vr-). 
Hierher  wol  auch  slav.  re/.'« 'sagen'  (vgl.  Miklosich  s.  274),  wol 
auch  lit.  verJiiii  'weinen'  (s.  Leskien,  Abi.  s.  356)  :  oksl.  vrücati 
'einen  laut  von  sich  geben'  Miklosich  s.  384,  und  ai.  vrascdti 
'zerreissen'  {:  ivröhjan  schon  L.Meyer,  Got.  spr.  §344;  vgl. 
weiter  Prellwitz  2  s.  395); 

gr.  yayyartvco  'verhöhnen'  (s.  Prellwitz  s.  88)  :  yoyjvC^cD 
'murmeln'  vgl.  unten  s.  145; 

nhd.  schelten  :  ahd.  scaltan  'fortstossen',  scalta  'stange' 
(vgl.  Johansson,  Bei tr.  14,  313;  Noreen,  Urg.  1.  s.  48;  Brugmann, 
Grdr.  1^,481),  so  auch  Kluge  gegenüber  Franck,  Anz.  fda.  21, 
303;  vgl.  gr.  xtXZoat  'schifte  ans  land  treiben'  :  yJXeodaL  'an- 
treiben, befehlen'; 

lett.  pelt  'schmähen',  gr.  üjtsiX?)  'drohung'  (Bezzenberger, 
BB.  27, 149;  Fröhde,  BB.  19,  242)  :  'pel  'schneiden'  (Miklosich 
pel-  2.  'jäten'  s.  235,  pol-  2.  s.  255); 

lit.  harü  'schelten' :  aksl.hrati  'kämpfen' :  an.  beria  'schlagen' 
(Brugmann,  Grdr.  1^^  513); 

lett.  lamät  'schimpfen'  :  aksl.  lomiti  'brechen',  nhd.  lahm] 


ETYMOLOGISCHES.  U3 

nlid.  spotten,  aksl.  spyti  'vergebens'  (Uhlenbeck,  Beitr.  22, 
196)  :  M.  jyothayati  'zermalmen'?') 

gr.  öxw.TTfo  'spotte,  scherze'  :  oxäjtxm  'grabe,  behacke'; 

got.  ns-priiitan  'belästigen,  schmähen'  :  lat.  trudere  'stossen', 
truäis  ' Stange'; 

poln.  6H;V.->i(<(,' "ausschelteu,  murmehr  :  riiss.  hiirkat'  'werfen, 
knurren'  Bezzenberger,  BB.  26, 187; 

lett.  rcju  'sclielten'  :  lit.  reju  'heftig  losschreien'  :  aksl. 
rvja  'stossen'  "W'iedemann,  Lit.  prt.; 

gr.  y.vöä^co  'beschimpfen'  {xvöo^  'rühm',  vgl.  gr.  xi'idoq 
'liebe,  kummer'  :  got.  hatis  'hass'),  oxvC^ofwi  'zürnen',  as.  for- 
liicatiui,  •d\n\.fir-hi(ä^an  'verfluchen',  ai.  hdsaijati  'schmähen'  (?)  : 
aksl.  hjdati  'werfen',  ai.  codati  'antreiben'  (vgl.  Zupitza,  Gutt. 
s.  117.  156.  56;  Prellwitz2  s.  249.  419;  z.  t.  anders). 

ahd.  lahan  'tadeln',  nhd.  laster  :  poln.  lach  'zerlumpter 
kerl'  :  lat.  lacerare  'zerreissen'  Solmsen,  KZ.  37,  580; 

Ywss.  2)i(ydt'  'schelten'  (:  Sii.  pnjä  'Verehrung'?)  :  lat.  j^h«- 
gere  'stechen'; 

gr.  öTvyog  'hass'  :  ndd.  stülpen  'stossen'  (Schade^  s.  886), 
ai.  tHüjati  'stossen'  s.  Zupitza,  Gutt.  s.  216; 

\&i.spernere  'verachten' :  dw.spyrna  'mit  dem  fusse  stossen '.2) 


0  ^S^-  S^-  /'t'^-Eoc  'vergeblich,  nichtig'  :  got.  gatnalicjan  Prellwitz'- 
s.  287,  lat.  frustra  :  ags.  breotan?  gr.  H'tüöoq  'lüge'  wollte  Fick,  GGA.1894  zu 
spotten  stellen;  es  gehört  aber  eher  zu  cech.  S/f??i/ 'höhnen,  betrügen',  poln. 
szyd  'spott,  höhn'  (*sudi-  Äliklosich  s.  34-1)  (lit.  s^«rf/ü' 'keifen'  ist  lehnwort 
Fortunatov,  BB.  3,  70);  *qliseud-. 

'^)  Zu  germ.  ^sjmran-  'sporn',  ahd.  sporo,  an.  ags.  ahd.  spor  'spur, 
fährte'  gehören  wol  auch  \a,t. perna  ' Schenkel,  hüfte',  gr.  neQva  ' Schinken' 
L.Meyer,  Griech.  etym.  2,  61'2,  tisqÖvt]  'stachel,  spange'  (vgl.  nhd.  Speiche  : 
m<\.sptche)-  'nagel'  [ :  nhd.  speck]  :  ai.  sphigi  'hinterbacke,  hüfte',  auch  Liden, 
Studien  s.  93).  Dass  lat.  perna  zu  nhd.  ferse  gehören  muss,  ist  nicht  nötig, 
dagegen  Persson,  Gerund.  s.  15,  anm.  4;  Petr,  B.  25,133  {-.^ä-parnü  'Üügel, 
blatt'  u. s. w.,  was  wol  auch  richtig  ist);  lat.  cena  :  gr.  xofji'vyvfu?  ''per: 
got.  faran  vgl.  Uhlenbeck,  Got.  wb.*  s.  41;  vgl.  noch  zur  bedeutung  nhd. 
finden,  ahd.  funden  'eilen,  gehen',  slav.  pq,tt  'weg'  u. s. w.  :  aksl.  p^ta,  pr. 
petitis  'ferse'  (vgl.  Pauli,  Körperteile  s.  24),  aksl.  p^tino,  lit.  pentmas  'sporn' 
Miklosich  s.  239,  \ett. indite  'knöchel  am  fuss  bei  mensch  undvieh;  buckel', 
lit.  peniis  'das  dicke  ende,  die  der  schneide  gegenüber  liegende  seite' 
(Kurschat);  auch  lit.  püncziai  'fesseln'?  Zu  dem  bedeutungsübergang 
gehen  :  finden  vgl.  Trautmanu,  BB.  29, 308,  vielleicht  auch  as.  gi-witan 
'gehen'  :  ai.  vindäti  'finden',  vedu  'weiss'?  vgl.  Schade '■'  s.  1190;  got.  lais 
'ich  weiss'  :  laisls  'spur'.  _    , 


144  LEWY 

7.    milhma. 

Wie  nlid,  ivolke  zu  ivelh  gehört  (s.  Klugem  s.  420),  so  got. 
m^7^wm 'wölke' 1)  zu  cech.  »w?/.-^^ 'feucht'  (Miklosich  s.  187)  und 
weiter  zu  slav.  *molJia,  slov.  mldka  'pfütze,  lache,  feuchte  wiese' 
(s.  Torbiörnsson,  Die  gemeinslav.  liquidametathese  1,  87).  Nun 
auch  deutlich  zu  gr.  fitXxiov  xqtjj'ij  (Hoffmann,  BB.  18, 289)  trotz 
Zupitza,  Gutt.  s.  135.  Allerdings  hat  fisXxiov  zunächst  wol  noch 
verwante  im  griech.  (s.  aber  Prellwitz  2  s.  280,  was  aber  im 
letzten  gründe  auch  mit  dem  folgenden  vereinbar  wäre),  gr. 
(läXxTj  'erfrieren',  (läXxioQ  'frostig,  kalt'  :  (liXxiov  =  got.  Tcalds 
'kalt'  :  aisl.  kelda  'quelle',  lit.  ssdltas  'kalt'  :  szalünis  'quelle' 
(Zupitza,  Gutt.  s.  80); 

gr.  jr?jYvXig  'eiskalt'  (:  ngriech.  jrr)/a>  'ich  mache  erstarren', 
alb.  mhiliem  'erstarren'  \^pa{n)g  'fest']  Brugmann,  Grdr.  1'^,  663), 
oicv/vri  (-g-sn-)  'frost,  reif  :  Jt7jyi]  'quelle'; 

gr.  QiytöTog  :  'PtyloTt] '  xq?]vi]  rfjg  ^ivcojiiöoq  Hesych.  Fick, 
BB.  22,  43; 

poln.  studzic  'kühlen'  :  studnia  'brunnen'  (Hoppe,  Altpreuss. 
monatsschr.  12, 290). 

Da  sich  die  begriffe  'frieren'  und  'brennen'  sehr  nahe 
stehen 2),  vgl.  noch  nhd.  brunnen  :  brennen'^)] 

lit.  versme  'quelle'  :  verdü  'kochen'; 

ndd. 50^  'brunnen' :  nM. sieden  (vgl.Uhlenbeck,Beitr.26,293). 

*)  Die  letzten  deutungen  now  milhma  bei  ühlenbeck,  Beitr.  30,  302. 

^)  Vgl.  an.  svalr  'kühl'  :  ags.  swelan  'glühen',  gr.  ccLS-()oq  'morgen- 
frische, kühle'  :  al'&co  'brennen'  ( :  nhd.  eis,  germ.  Hsam  aus  *idh-s?),  gr. 
xaüf.ia  'frost'  :  xaico  'brennen',  an.  gkejanda  'frost,  a  sharp  frost'  :  gldja 
'to  glow'  (Karsten,  Nom.  bild.  1,  66;  Bechtel,  Sinnl.  wahru.  s.  17;  Bugge,  KZ. 
19,440),  nhd.  frieren  :  »Ih.  pruS  'brennende  kohlen,  gl ut'  (Bnigmann,  Grdr. 
1^,  106);  vgl.  auch  noch  KZ.  40,  419,  anm.  2.  Zu  nhd.  schioelen  scheint  auch 
nhd.  schwellen,  schiviele  zu  gehören;  vgl.  lit.  tvinkti  'anschwellen'  :  lett. 
tvlkt  'vor  hitze  schmachten'  :  lit.  tvenkia  'es  ist  schwül'. 

ä)  Nhd.  brunnen,  gr.  (pQhaQ  (:  lat.  fervere  'sieden'  ii.s.  w.)  s.  Prellwitz'* 
s. 494;  &^z\\.  gr.  (fQvyoj  'rösten'  {:  cpQvyavov  'dürres  holz,  reissig'  Prellwiz^ 
s.  496);  zur  bedeutung  lit.  sjjh-gau  'braten'  :  spragh  'prasseln'  ndd.  s})riJc 
'verdorrtes  reis',  au.  s^ireJc  'stick'  s.  unten  s.  148,  la,t.  frlgo  'rösten,  braten' 
ist  gewis  irgend  wie  auf  frigus  'kälte'  bezogen  worden  (vgl.  anm.  1).  Lit. 
hrüzgas  'gesträuch'  (nach  Leskien,  Abi.  s.  315:  hruzgii  'rascheln')  :  an. 
brüsJcr  'haarbüschel'  Zupitza,  Gutt.  s.  160  :  an.  briösk  'knorpel',  nhd.  brausche 
'beule'  (s.  Kluge«  s.  56),  wol  auch  brausch  (s.  Gebhardt,  Beitr.  24,  409);  zur 
bedeutung  vgl.  lat.  splna  'dorn,  rückgrat'  :  aksl.  spina  'rücken'  (*spheig- 
snd  :  md.  spicher  'nagel'  u.s.w.  s.  s.  143,  a. 2). 


KTYMOLOGISCHES.  145 

8.    knecht. 

Ebensowenig"  wie  iilui.  Luabc  (s.  .lohansson,  KZ.  3G,  373; 
Franck,  Anz.  fda.  21,  312,  wogegen  mit  unrecht  Kluge,  Litbl. 
18115,  s.  39U)  g:ehört  nlid.  knecht  zu  der  wurzel  ?/en-,  wie  oft 
vermutet  worden  ist.  s.  z.  b.  Klug-ec  s.  214;  wie  soll  aber  das 
al)leitende  -e/it  des  g;erni.  hier  helfen?  Ags.  cniht,  ahd.  hieht 
•knabe,  Jüngling-,  knecht'  ist  "(pieg-fo-  'das  abgeschlagene  holz- 
stüek',  zu  bair.  knüchtcl  'knüttel,  prügel'  Schmeller-Frommann 
1, 1347,  mhd.  knacken  'krachen'  (s.  DWb.  5, 1328);  ags.  cnocian, 
an.  knoka  'schlagen,  puffen  :  mhd.  knocke  'gebein,  knocken'.') 
1  )ie  Wurzel  'geneg-  liegt  auch  —  noch  vieles  gerni.  hierlier,  z.  b. 
ags.  cancettan  'verspotten',  nhd.  knicken  —  sonst  im  idg.  vor: 
gr.  70771'Cw  'murmeln',  yiyY?.vfioi;  'gelenk',  yüyyXiov  'Überbein' 
( :  nhd.  knochen),  yöyyQoq  'auswuchs  an  bäumen',  gv.yayyavEVM 
•verhöhnen',  lit.  znegtere'ti  'stöhnen'  (vgl.  Zupitza,  Gutt.  s.  149. 
148.  144.  163;  Prellwitz^  s.  97.  88,  0.  s.  142);  sie  ist  durch  end- 
reduplication-)  aus  ^'gen-ii-  (lat.  ^emt  'knie',  gena  'wange'  u.s.w.) 
gebildet  (vgl.  lit.  gninzis  'knake'  Zupitza,  Gutt.  s.  148).  Das 
-H-  findet  sich  in  an.  knidr  'knoten',  neben  knottr  'klumpen' 
(vgl.  Kluge6s.216)?:') 

Zur  bedeutung^)  vgl.  Johansson  a.  a.o.^)  und  nhd.  ausdrücke 
wie  Jmlenscincengel  ( :  bninncnsehwengcT.),  stift,  (kleiner)  knopp, 
dien.stknoclien,  hengel,  flegel^  mh^J^cgel,  /.e/it'Z ' uneheliches  kind' 
( :  ahd.  kegil  'pfähl'  s.  Hildebrand,  DWb.  5,  390);  vielleicht  auch 
2)fannestielchc  'ungetauftes  kind"?  F.  "\V.  Xagl,  Deutsche  mund- 

')  Vgl.  Hildebrand,  DWb.  5, 1485:  'das  harte  wird  öfter  und  am  natür- 
liclisteu  von  dem  klaiige  bezeichnet,  den  es  beim  behandehi  gibt.' 

-)  Einige  beispiele  von  ähnlicher  anfangsreduiilication  s.  KZ.  -iO,  4-23. 

^)  Auch  diese  sippe  hat  sehr  reiche  Verwandtschaft  im  germ.  Ags. 
cnoU  'hüger,  mhd.  loiolle  'erdscholle'  (s.  Kluge*  s.  215)  gehört  wol  auch 
dazu:  *gnt-l6-  :  ahd.  knoclo,   knoto  'knoten',  ahd.  Jcnetan  'kneten'? 

*)  Einen  verwandten  bedentungsübergang  (vgl.  auch  Schröder,  Zs.  fda. 
42.  G5)  vgl.  in  gr.  nröfiüog  'schössling'  :  n('c(jUsvog  'Jungfrau',  lat.  virga 
'rute'  (  :  aksl.  vrüga  '  werfen'  ^^  lit.  vtfbas  'reis,  dünner  zweig'  :  ^-ot.  tvairpan 
'werfen'  gegen  Liden,  IF.  18.  49G)  :  virgo  'Jungfrau'  (Niedermann,  E  u.  i 
s.  74j;  ags.  eorl  'mann'  :  gr.  l'()vog  'schössling'  (Trautmaun,  BB.  29,  309; 
dazu  wol  noch  got.  arniba  'fest'  :  an.  ern  'frisch,  munter'). 

'')  Seine  wichtigen  ausführungen  scheint  Meringer,  IF.  18,  277  über- 
sehen zu  haben. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  Sprache.     XXXll,  \Q 


146  LEWY 

arten  1,  228.  Man  darf  sogar  erwägen,  ob  ausdrücke  wie 
Stiefel-^),  rechenhnecht  olme  weiteres  als  secimdär  betrachtet 
werden  dürfen. 

{).  stinken,  riechen. 
Dass  g-ot.  stigqan  'stossen'  und  nhd.  stinken  zusammen- 
gehören (trotz  der  zweifei  Kluges^s.  380  und  Uhlenbecks,  Et. 
w"b.2  s.  140),  ist  klar  wegen  an.  Jmita  'stossen'  :  gr.  x}-loa  'fett- 
dampf'.  lat.  mehr  'duft,  qualm',  (die  wider  Lagercrantz,  Zur 
griech.  lautgesch.  s.  30  nicht  zusammenbringen  kann  trotz  Prell- 
witz i  s.  154.  158).  Den  bedeutungsübergang  hat  bereits  Schade- 
872—73  (gegen  Pott,  E.f.2  3,  345.  349)  dargelegt;  vgl.  stechender 
geruch;  heissender  geschmacJc;  aksl.  smrüdeti  'stinken'  :  lat.  mor- 
dere  'beissen';  poln.  trade  'stossen,  riechen';  ai.  gandha  'geruch'  : 
gandh  'verletzen '2)  (s.  Franke,  WZfKM.  8,  239)3). 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  nhd.  riechen.  Mit  recht  schreibt 
Heyne  3, 107  dem  worte  die  ältere  bedeutung  'des  Stechens  und 
scharfen  einherfahrens^  zu,  'die  im  altnord.  noch  hervortritt', 
und  natürlich  nicht,  was  die  Wörterbücher  zu  glauben  ver- 
anlassen könnten,  secundär  ist.  Biechen  gehört  mit  nhd.  rüclcen 
(so  auch  Heyne;  vgl.  Kluge « s.  322)  und  ags.  roccettan  'rülpsen'^), 
ahd.  itarucJcen  'ruminare'  zusammen;  das  aussergerm.  s.  Schade^ 
s.  459  (vgl.  s.  719)  trotz  Kluge**  s.  317^)  :  gr.  sQtvyofuu  'sich  er- 
brechen' U.S.W.,  wozu  auch 6)  sd.  rujdti  'zerbrechen'  (vgl.  nhd. 


^)  Vgl.  poln.  pachole  'knäbleiu'  :  pacJiolek  'bursche,  Stiefelknecht', 
russ.  mal'cik  'knabe'  :  'Stiefelknecht'. 

^)  Got.  gunds  'geschwür'  ( :  an.  gandr  'stock';  \g\.  tihi.  tüunde  :  got. 
ivandus  'rute')?  anders  Trautmann,  Zfdw.  7,  268;  vgl.  nhd.  drüse  :  mhd. 
drasen  'duften,  schnauben'  (anders  Noreen,  Urg.  1.  s.  216)? 

3)  Auch  russ.  päxmit'  'riechen'  und  paxät'  'ackern,  pflügen'  u. s.w. 
(s.  Miklosich  s.  230)  könnten  verwant  sein. 

*)  Dies  identisch  mit  mhd.  ruckezen  'girren',  das  also  nicht  so  ohne 
weiteres  als  onomatopoetische  bildung,  wenn  damit  auch  junge  ge- 
meint ist,  betrachtet  werden  darf,  wie  Kluge"  s.  322  will;  vgl.  KZ.  40,  421, 
anm.  3. 

'•')  Die  Verbindung  von  riolihan  mit  swehhan  (Noreen,  Urg.  1.  s.  136,  Hirt. 
Abi.  §  674)  ist  lautlich  ganz  unbegründet. 

^)  Buj  :  ^Qsvyofxai  fehlt  bei  Uhlenbeck,  Ai.  wb.  und  Prellwitz,  steht 
aber  schon  bei  Benfey,  Griech.  wzllex.  2, 15,  in  einem  buche  also,  das  mit 
'veraltet'  genug  charakterisiert  scheint  (Hirt,  Handb.  d.  griech.  laut-  und 
formenl.  s.  8),  wol  also  nicht  einmal  mehr  'für  den  forscher  brauchbar'  (ebda. 


ETYMOLOGISCHES.  147 

hrcchcn  'vomere';  alid.  arrofoscn  'aufrülpseii'  :  au.  rjüfa  ^zer- 
brechen', lat.  riwtpo). 

10.    slei])s. 

Lat.  5/77.9,  lis  wird  immer  wider  (z.  b.  von  L.  Meyer,  Vgl. 
gr.  r-,l)6;  Kögel,  IF.3,296;  Ulilenbeck,  Beitr.  20,  328;  Ciardi- 
Duiire,  BB.  26,218;  Walde,  Lat.  etym.  wb.)  mit  alid.  strit  'streit' 
verbunden;  eher  ist  doch  jedenfalls  im  germ.  '^slJp-  zu  erwarten. 
Dies  liegt  denn  auch  im  got.  shij)s  i^sUiäja-)  'schlimm'  (vgl. 
Schade- s.  821;  Uhlenbeck- s.  135)  vor.  Strit  zu  ngs.  stridan 
'schreiten'  Wood,  Beitr.  24, 523. 

Zu  got.  slei])s  stellte  v.  Grienberger  s.  193  an.  leijrr  'ver- 
hasst"  U.S.W,  (s.  Kluge''  s.  244),  was  nahe  liegt  und  aucli  richtig 
sein  kann,  wenn  das  t  in  lat.  stlls  erst  im  lat.  eingeschoben 
worden  ist.  ]\ran  könnte  weiter  noch  an  lit.  lec^ic  'berühren' 
denken. 

11.  Einige  kreuzungen. 
Da  es  nur  eine  häufige  form  der  'wurzel Variation'  zu  sein 
scheint  i)  (vgl.  Brugmann,  Grdr.  12, 426;  Kluge,  P.  g.  1^,  378), 
dass  cons.  +  voc.  und  cons.  +  r  +  voc.  im  anlaut  wechseln, 
moclite  ich  nhd.  sprechen  :  ne.  speah  auch  nur  zu  den  scheinbaren 
beispielen  dafür  zählen.  Ags.  specan  hat  nämlich  auch  andre 
germ.  verwante:  rh.  spalr  'still,  einsichtig,  klug'  {:  dkfil.  pasiti 
'aufuierken',  pasiti  se  'sich  hüten'  nach  Schade-  s.846),  mhd.  </e- 

s.  2)  ist,  in  dem  aber  noch  manches  nützliche  zu  finden  ist  (siehe  z.b.  über 
vi\u(f)j  2, 182).  Bei  der  lockeren  art  des  damaligen  etymologisierens  finden 
sich  natürlich  oft  so  grosse  wortmassen  vereinigt,  dass  man  alles  mögliche 
richtige  hineinlegen  kann,  aber  es  finden  sich  auch  noch  manche  richtige 
wortgleichungeu,  die  erst  später  "widergefunden  worden  sind:  'lit.  pewa, 
gr.Tcofu'  2,75  (vgl.  Schulze,  Quaest.  epic.  8.45,  anm.2);  ai.  bibhemi,  ahd. 
biben  2, 105  (vgl.  Kluge,  KZ.  s.  26.  85  und  sonst).  Hier  möchte  ich  auch 
die  Zusammenstellung  von  lat.  pollex  'daumen'  und  russ.  pälec  'finger' 
für  den,  der  sie,  so  viel  ich  weiss,  zuerst  hat,  in  ansprach  nehmen:  Pauli, 
Körperteile  s.  22  (vgl.  Bezzenberger,  Beitr.  16,  120;  Fick  1*,  471;  Walde 
unter  pollex). 

')  S.  Wood,  IF.  18,4;  vgl.  auch  noch  mhd.  schölle,  schrolle  'schölle' 
(Schade- s.  807)  :  schölle  aus  *s/i|-H  (s.  Kluge*  s.  351),  schrolle  aus  *s7crut-l' 
( :  abd.  scrotan  'hauen';  anders  Schade-  s.  807;  Uhlenbeck,  Ai.  wb.  s.  94;  vgl. 
ai.  *dali  'schölle'  =  lit.  daUs  'teil',  :  lat.  dolare  'behauen'). 

10* 


148  LEWY 

spelde  'lautes  sprechen'  Schmeller-Frommann  2,656');  ferner 
ahd.  spaclta,  spaclio  '(dürres)  reis,  reisbüschel'  (Schade- s. 846); 
vgl.  an.  spreh  'stick'  {-.Mi.  spragh  'prasseln')  :  nlid.  sprechen 
(s.  Zupitza,  Gutt.  s.  162.  167);  zur  bedeutung-  vgl.  KZ.  40,  421, 
anm.  1  und  Uhlenbeck'-  s.  82.-) 

So  scheint  die  Vermutung  Holthausens,  IF.  6,  Anz.  107,  dass 
speak  sein  r  'vielleicht  durch  einfluss  von  spell  verloren  habe', 
überflüssig,  wenn  auch  sonst  recht  gut  möglich.  Derartige 
contaminationen,  kreuzungen'^)  könnte  man  wol  auch  sagen, 
können,  scheint  es,  gar  nicht  genug  erwogen  werden  (im  gegen- 
satz  zu  Kluge,  Litbl.  1895,  s.  379  über  Franck;  vgl.  auch  Brug- 
mann,  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1896,  27).  So  scheint  ahd. 
zivelga  'zweig'  aus  *^c/^a  (mhd.  zeige,  ags.  telga  'zweig'  :  an. 
telgia  'behauen',  lit.  dcdgis  'sense',  ir.  dlnigim  'spalte'  Zupitza, 
Gutt.  s.  181)  und  sivi,  zwtg  'zweig'  entstanden  zu  sein.'*) 

Got.  ana-trimpan  'hinzutreten'  ans  "^'stimpan  :  ahd.  stani- 
p>fön  (:  gr.  özef/ßco  Kluge"'  s.  375)  +  *(>•-  :  gr.  öiÖQäoxco  (Feist, 
Beitr.  15,552)? 

alid.  cmcJääo  'fussknöchel'-*)  =  anclial  'fussknöchel'  -|-  ahd. 

')  Für  ahd.  gespahe  'affabilitas'  ist  nach  Ahil.  gl.  4,  30  (vgl.  112)  ge- 
sprahe  zu  lesen. 

2)  Eine  aiislai;tvariante  zu  specun  ist  ahd.  sp'elwn  'spähen',  au.  spä 
'voraussehen,  prophezeien',  spä  f.  (s)  ' Weissagung,  traumgesicht'  (Noreen, 
Urg.  1.  s.  116),  wozu  nach  Lagercrantz,  KZ.  34,382  gr.  ccüJicc'C.ofiai  'begrüsscn'. 
Auch  diese  wurzeln  zeigen  parallelen  für  die  Zusammenstellung  von  sehen 
und  sagen  (Wiedemanu,  IF.  1,  258;  vgl.  Brugmann,  IF.  4,  318.  12,25;  Streit- 
herg,  Urg.  gr.  s.  68;  Zupitza,  Gutt.  s.  68;  Verf.,  KZ.  40,  422  gegenüber  Uhlen- 
beck-s.  125;  Kluge"  s. 361,  der  sehen  :  lat.  sequi  'unbedenklich'  findet,  Noreen, 
Urg.  1.  s.  118,  der  got.  saüvan  'nachspüren,  sehen'  heissen  läset);  vgl.  noch 
ahd.  hiogen  'sehen'  ( :  ags.  locian  =  *spe-1c- :  *spe-g-)  :  lat.  loqiior  'sprechen' 
(:ai.  lalcsä  'zeichen'  Kluge^s.  253;  Zupitza,  Gutt.  s. '209). 

^)  Ein  hübsches,  wenn  auch  ganz  individuelles  beispiel  aus  den  Script, 
rer.  Prussic.  2,621  {ni)  linigarent  (dolorem  eius),  wozu  in  anm.  1618: 
'Scheint  ein  aus  der  Vermischung  \on  m/tigare  wmMinire  von  unserm  Über- 
setzer neugeformtes  wort  zu  sein.' 

■*)  Vgl.  die  auseinandersetzungen  von  Solmsen,  Beitr.  27,  362,  die  nun 
wol  etwas  verändert  werden  müssen.  Das  von  ihm  nach  G.Meyer  zu  swig 
gestellte  alb.  (lege  'zweig'  könnte  als  *dögä  zu  nhd.  zacken,  ndl.  taJc  'zweig, 
ast,  zacken'  (Kluge ^  s.  431),  lit.  dagijs  'klette,  dorn',  lat.  digitus  'finger', 
got.  ielcan  'nehmen'  gehören.  Hier  haben  wir  ein  beispiel  der  secundären 
entstehung  des  wechseis  zwischen  cons.  +  voc.  und  cons.  +  u  +  voc. :  vgl.  oben. 

'■•)  Ags.  ondeaw,  onddeaw  s.  Sievers,  Ags.gr.-'  §198,  anm.  2. 


ETYMULOÜISCIIES.  1  iO 

l-Jdiva  'klaue';  vgl.  Kluge"  s.  95;  —  nlid.  stvirheln  aus  ahd.  zerhcn 
und  nhd.  icirhdn?  vgl.  Kluge"  s.  442; 

mild,  sisel  'penis',  aus  alid.  sers  'membrum  virile'')  und 
mild,  fisel  *penis'  (:  lit.p/s»  'coire')  Schade-  s.  1287  nach  Wacker- 
nagel. 

So  werden  sich  vielleicht  auch  die  sonderbaren  geschicke  des 
idg.  u  im  germ.  (s.  Brugmann,  Grdr.  1-  §  373,  3.  4  2))  erklären. 
So  erklärt  Brugmann,  K.  vgl.  gr.  s.  349,  anm.  1  öXidJugund,  ags, 
(/<'or/»(f  gegenüber  got.  iunda  'durch  anähnlichung  von  *ii(uunpi- 
au  ""OiiSKnJii-  -tüchtigkeit,  kräftige  junge  mannschaft«'.  Ich 
hatte  gedacht,  dass  jugund  von  jung  wie  leidund  von  leid 
{\\'ilmanns- 2.  §  226.  2)  abgeleitet,  und  das  erste  n  durch  dis- 
siniiiation  {*ni)i^u7i(Ji-)  geschwunden  sei;  über  ähnliches  in 
späterer  zeit  s.  Schröder,  Zs.  fda.  37, 124.  Eine  ganz  schlagende 
erklärung  bleibt  aber  wol  doch  noch  zu  finden. 

Dass  got.  sugil,  ags.  si/gel  'sonne'  in  beziehung  zu  ags. 
sicegle,  as.  sicigli  'leuchtend  steht,  ist  schon  beobachtet  worden 
(Wood;  Beitr.  30,311). 

Nhd.  hriklce,  germ.  %ruyjö  gehört  mit  nhd.  prügel  (s.  Kluge  »^ 
s.o9.  304)  auch  zu  der  wurzel,  die  in  nM.brechcn  vorliegt,  die  aber 
auch  verwante  mit  *gh  im  auslaut  hat  (vgl.  Johansson,  KZ.  36, 
345);  vgl.  mndd.  braJce  'zweig',  ndd.  hräkeu  pl,  'die  dicksten  äste 
der  bäume,  Stangenholz'  (Schambach  31,  312);  zur  bedeutung 
specl;c  'knüppelbrücke'  :  ahd.  spahho  'reisig'  Kluge ^  s.  369.^) 

Die  unwahrsclieinlichkeit  des  Überganges  von  u  in  Icu  hat 
Liden,  Studien  s.  31—37   gezeigt.     Ahd.  quec  neben  got.  qms 


^)  Die  ziisammeustelluiig  dieses  wortes  mit  gr.  ÖQÜ.oq'  nöoxh}  Fick, 
BB.  12:162;  Wb.  l',455;  Prelhvitzs  s.  121;  Johansson,  Beitr.  15,238  finde 
ich  nicht  ganz  zufriedenstellend.  Sollte  lat.  dorsiim  'rücken'  dazu  gehören 
(s.  Brugmann,  Grdr.  1',  687)?  Zur  bedeutmig  vgl.  z.  b.  ai.  bhaga  'weibliche 
schara'  :  an.  bak  'rücken'. 

-)  Ueber  den  §  373, 1  behandelten  Übergang  von  n  in  hh  s.  endlich 
wol  richtig  Trautmann,  Germ,  lautgesetze  s.  40  u.  f.  Hier  möchte  ich  doch 
auch  gegenüber  der  erklärung  von  an.  skegg  'hart'  als  'urspr.  Schattierung' 
(Brugmann,  Grdr.  1',  283)  fragen,  ob  dieser  bedeutuugswandel  überhaupt- 
denkbar ist,  und  irgendwo  seines  gleichen  hat;  vgl.  übrigens  ags.  sccacga 
'coraa"  Sievers,  Ags.gr.''  §216,2. 

')  Eine  beschreibung  einer  brücke,  wie  sie  diesen  Worten  zu  gründe 
liegen  mag.  finde  ich  zufällig  in  einer  novelle  F.  Kürnbergers,  Die  braut 
des  gelehrten  (Wien,  Daberkow)  s.  12. 


150  TRAUTMANN 

will  er  mit  liilfe  der  'gebrochenen  reduplication'  erklären. 
Sollte  nicht  einfliiss  von  got.  ivaMn  ( :  lat.  vigcre,  vegere,  vigil, 
s.  Uhlenbeck^  s.l66)  u.s.  w.  vorliegen?')  Beziehungen  zwischen 
qiiec  und  ivachar,  ivachal  beweist  mhd.  queclwlter  neben  nhd. 
ivacMolder-)  (s.  Wackernagel,  Wb.  zum  Altd.  leseb.-  cccxxxvi; 
vgl.  übrigens  lehenshaum;  wachholderbeerenmus  soll  das  leben 
verlängern). 


^)  Auch  von  got.  sn'kns? 

2)  Nicht  grade  wahrscheinlich  über  tvarhJwlder  Uhlenheck,  Beitr.  22;  196 : 
die  mannigfaltigen  dialektforraen  bleiben  mir  unklar. 

BRESLAU,  april  1906.  ERNST  LEWY. 


ETYMOLOGISCHE  MISCELLEN. 

1)  Ags.  ^rvaäa  m.  'der  busen',  mengl.  gredc  dass.  findet 
seine  entsprechung  in  ir.  grüad  'wange',  kymr.  grudä,  koru. 
grud  (Stokes,  Sprachschatz  s.  118f.).  Wie  die  bezeichnungen 
der  körperteile  schwanken,  ist  bekannt  (vgl.  z.  b.  Wood,  IF. 
18,  26  ff.);  so  stelle  ich  lat.  inippis  ' schiff shinterteil',  das  nach 
S.  Bugge,  BB.  14,  68;  Bezzenberger,  ib.  27, 176  ff.  zu  üix.  pi'inar 
'wider',  griech.  jivfiarog  'letzter'  u.s.w.  gehört,  da  hierbei 
die  zweite  silbe  von  xmppis  unklar  bleibt  (Walde,  Etj^m.  wb. 
s.  501  f.),  lieber  zu  lett.  im'X)s  'weiberbrust',  das  weiter  zu  lett. 
paupt  'schwellen'  gehört  (Leskien,  Ablaut  s.  306). 

2)  Ahd.  slimhi  f.  'Schiefheit',  mhd.  slimp,  slim  'schief, 
schräge,  verkehrt',  mndd.  slim  'schief,  krumm,  schlecht' 
(Schade,  Wb.^s.  823;  Heyne,  DWb.  9,  714)  empfangen,  da  die 
etymologie  Johanssons,  Beitr.  14,  303  1  auf  sich  beruhen  mag 
ihr  licht  von  lit.  nuslimpa  'entschlüpft',  slimpineti  'ent- 
schlüpfen', lett.  sllps  'schräge,  steil'  aus  slimpas  (Leskien, 
Ablaut  s.  360;  Nomina  s.  164),  nicht  sMpas,  wie  Falk-Torp, 
Etym.  ordb.  2,  223  meinen. 


ETYMOLOGISCHE  MISCELLEN.  151 

3)  Xhd.  sclileiclicn.  Ich  habe  •Germanische  lautgesetze' 
s.  14 11  auf  eine  neue  etymolooie  dieser  si])i)e  aufmerksam  ge- 
macht, die  ich  hier  ausführlicher  behandehi  will.  Ahd.  slichan 
st.  V.,  nihd.  sUchen  'schleichen',  nindd.  sUJcen  dass.,  mengl.  sllJcen 
'gleiten',  ahd.  sleicha  f.  'schleife,  Schlitten',  anord.  sUJcr  'glatt', 
sUkistemti  'Schleifstein',  ags.  slic  dass.,  sltc  'cuiining',  nüc- 
sUcod  'glossy'  können  nicht  getrennt  werden  von  mndd.  sUk, 
slick  'schlick,  schlämm',  mhd.  slich,  nndl.  sliJc,  slijh  dass. 
(Kluge,  Wb.6  s.  341  f.;  verfehlt  ist  also  Zupitza,  GG.  s.  199,  vgl. 
z.  b.  lett.  sWxsnis  'morast'  :  lit.  slcnJcü  'schleichen').  Zur  selben 
Sippe  gehören,  da  von  selten  der  bedeutung  nichts  dagegen 
spricht,  trotz  Zupitza  a.a.O.;  Falk-Torp  2,224.  225  auch  anord. 
sleilja  'lecken',  mhd.  slic,  slec  m.  'bissen',  siechen  'schlecken', 
wie  Fick,  BB.  6,  214  erkannt  hat.  Das  lit.  sleildmve  i.  'Wetz- 
stein', das  Fick  a.a.O.  vergleicht,  steht  für  sdeiJctuive,  muss 
also  fern  bleiben.  Unsere  germanische  sippe  hat  zunächst  ver- 
wante  im  slavischen:  aksl.  slbz-tki.  ^slq  öXioüov'  (vgl.  Meillet, 
Etudes  sur  l'etymologie  du  vieux  slave  s.  327),  russ.  sUzlcij 
'schlüpfrig',  slizh  f.  'schleim',  slisij  m.  plur,  'eine  art  schleife', 
serb.  slitimlc  'schlüpfrig',  poln.  slizlä  dass.,  slizac  siQ  'auf  dem 
eise  gleiten',  cech.  sUz  f.  'schleim'.  slMij  'schleimig',  sliznouü 
'ablecken'  (A'gl.  oben  anord.  sleilja  'lecken').  Aus  dem  kel- 
tischen sind  verwant  nach  Zupitza,  BB.  25,  96  f.  ir.  sligim 
'schmiere;  locke',  aus  dem  griech.  nach  Froehde,  BB.  3,  15  n 
/.iydtjv  'die  Oberfläche  streifend'. 

4)  Asächs.  fercal  (nur  Hei.  5775,  wo  nicht  sicher  zu  ent- 
scheiden ist,  ob  es  st.  m.  oder  n.  ist)  'verschluss,  riegel'  ist 
bisher  unerklärt  geblieben.  Ich  gehe  aus  von  dem  begriff 
'pflock,  keil,  überhaupt  etwas  aus  holz  zurechtgeschlagenes', 
das  sich  nun  nach  verschiedenen  richtungeii  differenzierte. 
Hierher  gehört  lit.  pergas  'fischerkahn'  (Leskien,  Xom.  s.  161) 
entsprechend  einer  menge  sprachlicher  bedeutungsparallelen 
(s.  z.  b.  Liden,  I>landade  spräkhistor.  bidrag  1, 12).  So  gehört 
lit.  Udas  'kahn'  (Leskien,  Xom.  s.  197)  nach  Liden  a.a.O.  zu 
aksl.  laty  'olla,  lebes',  poln.  latlca  'lebes',  die  sicherlich  zu 
mhd.  lade  m.  'brett,  bohle,  fensterladcn,  kauf  laden',  wofür 
Meringer,  IF.  16, 111  ff.  keine  auswärtigen  beziehungen  hat, 
in  beziehung  stehen.  AVie  nun  nach  Liden,  BB.  21,  98  f.  air. 
geind  'pflock'  u.  s. w.   zu  gonim  'verwunde,  töte'   u.s.w.,   lett. 


152  PAUL,    zu   NEIDHARD. 

galds  'brett,  tisch'  (übrigens  zunächst  mit  aksl.  glaäa  '§vXor' 
verwant)  nach  Meringer,  Stellung  des  bosn.  hauses  s.  93  n  f. 
zu  anord.  gelda  'verschneiden'  geliört,  so  gehören  asächs. 
fercal,  lit.  pergas  zu  armen.  harJcancm  'schlagen;  (holz)  zer- 
liauen;  (bäume)  fällen;  einschlagen',  air.  orgahn  'schlage,  er- 
schlage', skr.  parjdnya  'name  des  vedischen  gewitter-  und 
regengottes'  (Liden,  Armenische  Studien  s.  85  ff.  88  ff.). 

Juni  1906.  REINHOLD  TRAUTMANN. 


ZU  NEIDHARD. 

9,  31  ff.  schreibt  Haupt  (und  nach  ihm  Bartsch): 

Da  ist  für  trüren  veile 

nianeger  bände  vögele  sanc. 

'ir  süezen  klaue 

ich  ze  miuem  teile 

wil  diugen,  daz  er  uiine  ■vvuudeu  heile': 

also  sprach  ein  altiu  in  ir  geile. 

Der  was  von  der  Minne 
allez  ir  gemüete  erWagt. 
ein  stolz  in  magt 
sprach  »se,  küneginne, 
wie  manegen  du  berouhest  siner  sinne, 
mir  ist  not,  waz  erzenie  ich  gewinne.« 

'Diu  hat  mit  ir  sträle 
mich  verwundet  in  den  tot.' 

Hier  ist  auffallend,  wie  unvermittelt  die  Jungfrau  auftritt,  und 
zwar  mit  einer  klage  darüber,  dass  sie  die  Minne  (diese  ist 
zweifellos  mit  küneginne  gemeint)  ilires  Verstandes  beraubt 
habe,  wovon  doch  im  folgenden  keine  rede  mehr  ist.  Denn 
die  Worte  tvie  manegen  etc.  könnten  nicht  etwa  das  erstaunen 
über  die  Verliebtheit  der  alten  ausdrücken,  sonst  könnte  sie 
nicht  fortfahren  mir  ist  not.  Ausserdem  lässt  sich  für  se  als 
einleitung  des   ausrufes  kaum   eine   analogie  beibringen.    Es 


BRAUNE,    AHD.    BITA.  153 

entspricht  mit  einer  anrede  immer  unserem  da  (nimm  hin). 
In  der  einzigen  lis.  R  ist  si  überliefert.  Es  ist  zu  lesen  ein 
stolze  magt  sprach  si  'Jiünegmne  . .  gewinne.  Diu  etc.  P's  sind 
also  küneginne  etc.  worte  der  alten  ebenso  wie  die  folgende 
Strophe.  Es  handelt  sich  nur  um  liebesklage  der  alten,  nicht 
der  jungen.  Zu  vergleichen  ist  3,15:  dö  sprachs  ein  alte  in 
ir  geile  "'  trütgespil,  wo!  dan  mit  mir,  wo  allerdings  von  Haupt 
eine  änderung  vorgenommen  ist,  die  aber  wol  kaum  anfechtbar 
ist.     Die  einzige  hs.  C  hat  Do  sprach  es  ein  alfü. 

MÜNCHEN,  märz  1906.  H.  PAUL. 


AHD.  BITÄ. 

In  den  anmerkungen  zu  'Christus  und  die  Samariterin' 
(Denkm.3  2,  68)  führt  Müllenhoff  zugunsten  seiner  these,.dass 
Otfrid  dieses  gedieht  gekannt  habe,  auch  an,  dass  Otfrid  hita 
(statt  heta  oder  des  sonst  bei  ihm  gebräuchlichen  gibet)  nur 
an  der  stelle  brauche,  wo  es  ihm  durch  das  gedieht  Sam.  dar- 
geboten worden  sei.  In  der  ganzen  ahd.  literatur  komme  diese 
form  nur  noch  einmal  als  compositum  uhtihita  in  den  Schlett- 
städter  glossen  (Gl.  2,  681,  53)  vor.  Das  zusammentreffen 
scheint  bestechend.  Aber  es  erklärt  sich  ungezwungen  aus 
der  bedeutung  des  wortes.  Ahd.  hita  ist  nämlich  durchaus  zu 
trennen  von  ahd.  heta,  nlid.  hüte,  welches  letztere  erst  nhd., 
durch  anschluss  an  den  präsensvocal  von  hüten  umgebildet, 
das  mhd.  hete  verdrängt  hat.  Nhd.  hüte  ist  mit  mhd.  hetc 
gleichbedeutend:  es  bezeichnet  eine  einzelne  bestimmte  bitte. 
Und  in  diesem  sinne  konnte  0.  nur  heta  brauchen  (vgl.  11,4,41).'). 
Wider  etwas  anderes  bedeutet  ihm  gihet,  das  er  mehrmals  im 
sinne  von   oratio   'gebet'   anwendet.     Dagegen   l)edeutet   ahd. 


*)  Auch  Kögel,  Gesch.  d.  dtsch.  lit.  1,2,  Ui  idcntiliciert  fälschlich  ahd. 
bita  mit  beta  und  weiss  sogar,  dass  bita  'streng  mitteldeutsch'  sei! 


154  LITERATUR. 

Uta  'adoratio,  anbetung,  cultus',  also  eine  dauerliandlung.  Und 
dieses  wort  ist  im  ahd.  im  engen  anschluss  an  die  durative 
bedeutung  des  präsens  hitten  gebildet,  als  ein  von  heta  durchaus 
verschiedenes  wort.  Das  wird  durch  die  dritte  stelle  bewiesen. 
Die  glosse  uhtibifa  ist  Übersetzung  von  orgia  und  bezieht  sich 
auf  Vergil,  Georg.  4, 521  nocüirnique  orgia  Bacchi:  ulitihita 
bedeutet  also  'nächtlicher  cultus'.  So  musste  sich  das  wort 
Uta  von  selbst  einstellen,  wo  nicht  heta  =  nhd.  hüte  gemeint 
war,  sondern  cultus,  anbetung.  Und  es  verliert  sonach  alles 
auffällige,  wenn  in  der  geschichte  von  der  Samariterin  durch 
das  'adorare'  der  quelle  das  ahd.  wort  hita  ausgelöst  wurde, 
sowol  0.  IT,  14,  58  als  auch  Sam.  31. 

W.  BRAUNE. 


LITERATUR.*) 

J.  Peisker,  Die  älteren  beziehuiigen  der  Slawen  zu  Turkotataren  und 
Germanen  und  ihre  socialgeschichtliche  bedeutung.  Mit  4  blatt  abbildungen. 
(=  Neue  forschungen  zur  social-  und  Wirtschaftsgeschichte  der  Slawen.  I. 
Sonderabdr.  ans  der  Vierteljahrscbr.  f.  social-  u.  Wirtschaftsgeschichte.  3.) 
Stuttgart,  Kohlhammer  1905  (XII.  243  s.).  M.  6.00. 

[Darin  s.  57—101  nach  sachlichen  kategorien  geordnete  sainmlung  und 
eingehende  behandlung  der  in  das  altslawische  übergegangeneu  germanischen 
lehnwörter.] 

Bruno  Sjöros,  Mälabättr.  En  Studie  i  fornisländsk  metrik.  (Diss.) 
Helsiugfors  190G  (4  +  152  s.,  2  tafeln). 


*)  Da  die  'Beiträge'  recensioneu  nicht  bringen,  so  können  die  der 
redaction  eingesanten  Schriften,  soweit  sie  für  die  leser  der  Zeitschrift  von 
Interesse  sind,  nur  an  dieser  stelle  verzeichnet  werden.    W.  B. 


DAS  EOKKNLTEl)  UND  SEINE  QUELLEN. 

§  1.    Einleitende  bemerkungen. 

Im  29.  bände  dieser  Beiträge  hat  Freiberg-  durcli  eine 
vei'gleicluing  des  Eckenliedes  mit  einer  episode  im  Chevalier 
du  Papegau  zwischen  diesen  beiden  denkmälei'n  eine  reihe 
beziehnngen  aufgedeckt,  die  nicht  zufällig  sein  können,  und 
ist  zu  Schlüssen  gelangt,  die,  falls  sie  sich  als  richtig  erweisen 
sollten,  nicht  nur  für  das  Eckenlied,  sondern  auch  für  die 
vergleichende  literaturgeschichte  von  grosser  tragweite  sein 
würden.  Es  handelt  sich  um  nichts  weniger  als  um  die  über- 
fülirung  eines  Stoffes  aus  dem  brittischen  Sagenkreise  in  und 
ihre  angleichung  an  den  Sagenkreis  von  Dietrich  von  Bern. 
Freibergs  beweisführung  hat  mich  bei  ihrem  ersten  erscheinen 
zum  widersprucli  herausgefordert,  aber  dringende  beschäftigung 
mit  anderen  arbeiten  hat  mich  bisher  daran  verhindert,  auf 
diese  fragen  einzugehen.  Indem  ich  mich  nun  anschicke, 
meine  abweichende  auffassung  der  vorliegenden  daten  mit- 
zuteilen und  ausführlich  zu  begründen,  muss  ich  die  bemerkung 
vorausschicken,  dass  eine  directe  polemik  wider  Freibergs 
aufsatz  sich  an  vielen  stellen  nicht  vermeiden  lassen  wird. 
Doch  habe  ich  mich  beflissen,  der  kritik,  die  leider  nur  zu  oft 
das  wort  ergreifen  muss,  ein  rein  sachliches  gepräge  zu  geben, 
was  um  so  mehr  geboten  war,  als  der  scharfsinnige  junge  ge- 
lehrte, der  viel  hoffen  liess,  leider  nicht  mehr  unter  den 
lebenden  ist. 

Freibergs  methodischer  grundfehler  liegt  m.  e.  in  einem 
apriorismus,  der  ihn  von  unbewiesenen  thesen,  die  das,  was 
er  zu  beweisen  sucht  implizieren,  ausgehen  lässt,  und  ihn  dazu 
verführt,  einen  wichtigen  teil  des  materials  fast  unbenutzt 
liegen  zu  lassen. 

Reitrüge  lur  geschichte  der  deutschen  spräche.  XXXII.  j^|[ 


156  BOER 

Diese  als  axiomata  angenommenen  unbewiesenen  tliesen 
sind  die  folgenden: 

1)  Wenn  ein  literarischer  stoff  in  einem  französischen 
und  in  einem  mittelhochdeutschen  denkmal  überliefert  ist,  und 
die  ähnlichkeit  zwischen  beiden  denkmälern  so  gross  ist,  dass 
eine  entlehnung  angenommen  werden  muss,  so  muss  die  fran- 
zösische Überlieferung  die  quelle  der  deutschen  sein.') 

2)  Wenn  ein  mittelhochdeutsches  gedieht  aus  einer  fran- 
zösischen quelle  stammt,  so  muss  es  unmittelbar  aus  dem 
französischen  ins  hochdeutsche  übertragen  sein  (auf  die  mög- 
lichkeit  einer  Zwischenstufe  in  einem  anderen  dialekt  wird 
kein  bezug  genommen). 

3)  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  dasselbe  französische 
gedieht  mehr  als  einmal  in  einen  deutschen  dialekt  übertragen 
worden  sei  (wird  stillschweigend  vorausgesetzt). 

4)  Wenn  es  demnach  eine  dritte  Überlieferung  des  Stoffes 
gibt,  die  auf  eine  deutsche  quelle  zurückgeht  (in  casu  die  1).  s.), 
so  muss  das  eine  Übersetzung  oder  eine  bearbeitung  nach  einem 
hochdeutschen  muster  sein.  2) 

Jede  dieser  thesen  ist  nichts  als  eine  blosse  behauptung. 
Ich  stelle  ihnen  die  folgenden  gegenüber: 

1)  Wenn  ein  mittelalterlicher  stoff  sowol  in  einer  fran- 
zösischen wie  in  einer  deutschen  quelle  überliefert  ist,  so  muss 
durch  eine  besonders  darauf  gerichtete  Untersuchung  aus- 
gemacht werden,  wo  das  ursprüngliche  zu  suchen  ist.  Im 
vorliegenden  fall  darf  die  grössere  geschlossenheit  der  frz.  er- 
zählung  nicht  als  ein  beweis  für  ihre  ursprünglichkeit  angeführt 
Averden,  da  a)  die  überlieferten  recensionen  des  Eckenliedes 
eine  reihe  zutaten  enthalten,  die  Freiberg  für  die  älteste 
recension  nicht  gelten  lassen  will,  b)  auch  das  älteste  hd.  ge- 
dieht eine  übergangsform  nach  der  frz.  Überlieferung  repräsen- 


^)  Die  möglichkeit,  dass  das  Verhältnis  das  umgekehrte  sei,  wird  s.  7  f. 
in  wenigen  zeilen  kurz  zurückgewiesen. 

^)  S.  9— 10.  'Ist  die  quelle  des  süddeutschen  Eckenliedes  ein  frz.  ge- 
dieht ,  so  muss  die  ]).  s.  notwendigerweise  aus  diesem  deutschen  Eckenliede 
geschöpft  haben  ...  in  einem  falle  hat  der  sagaschreiber  sicherlich  ein 
hd.  gedieht  zur  vorläge  gehabt'  u. s. w. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  157 

tiereii  kann,  in  ^velchenl  fall  die  grössere  gesclilossenheit  das 
product  einer  fortgesetzten  entwicklung-  wäre.  An  der  ur- 
sprünglichkeeit  der  frz.  bearbeitnng  zn  zweifeln  liegt  aber 
nm  so  melir  grund  vor,  als  diese  nur  in  einem  vulksbuclie  des 
15.  jli.'s  überliefert  ist. 

2)  Wenn  ein  mlid.  gedieht  auf  eine  frz.  quelle  zurückgeht, 
so  kann  zwischen  diesen  beiden  eine  quelle  in  einem  anderen 
dialekte,  etwa  mittel-  oder  niederfränkisch',  liegen.  Um  so 
eher  ist  das  denkbar,  wo  der  kritiker  sich  genötigt  sieht,  die 
bekannte  mlid.  Überlieferung  auf  eine  ältere  deutsche  dichtung 
zurückzuführen,  von  der  sonst  nichts  bekannt  ist,  als  dass  sie 
die  quelle  einer  erzählung  der  piörekssaga  ist. 

3)  Dass  ein  und  dasselbe  werk  mehr  als  einmal  aus  dem 
französischen  in  einen  deutschen  dialekt  übertragen  worden 
istj  ist  ein  widerholt  constatierter  fall.  So  wurde  z.  b.  das 
lied  von  Troja  erst  von  Herbort  von  Fritzlar,  später  von 
Konrad  von  ^^'ürzburg  ins  hochdeutsche  übertragen. 

4)  Wenn  es  also  eine  dritte  Überlieferung  des  Stoffes  gibt, 
die  nach  der  ansieht  Freibergs  in  mancher  hinsieht  über  die 
bekannte  liochdeutsche  tradition  hinausgeht,  so  braucht  diese 
keineswegs  auf  eine  hochdeutsche  quelle  zurückzugehen.  Im 
gegenteil,  die  quelle  kann  sehr  wol  eine  niederdeutsche  sein, 
und  zwar  bestehen  in  diesem  fall  theoretisch  drei  möglich- 
keiten:  a)  die  niederdeutsche  und  die  hochdeutsche  quelle 
können  von  einander  unabhängig,  beide  aber  von  der  frz. 
quelle  abhängig  sein;  b)  eie  niederdeutsche  Überlieferung  kann 
die  gemeinsame  quelle  der  hochdeutschen  und  der  altnordischen, 
selbst  aber  von  der  frz.  Überlieferung  abhängig  sein;  c)  die 
niederdeutsche  tradition  kann  so  wol  die  quelle  der  altnordischen 
wie  der  hochdeutschen  und  der  frz.  Überlieferung  sein. 

Es  Ist  auf  grund  dieser  erwägungen  nicht  gestattet,  alle 
abweichungen  der  nordischen  version  von  der  mittelhoch- 
deutschen bez.  der  französischen,  sofern  man  sie  für  seine 
construction  nicht  brauchen  kann,  für  willkürliche  änderungen 
ihres  bearbeiters  (in  casu  des  sagaschreibers)  zu  erklären. 
Freibergs  grosser  methodischer  fehler  aber  ist,  dass  er,  von 
den  oben  s.  156  mitgeteilten  Sätzen  ausgehend,  die  piöreks- 
saga  vernachlässigt  hat,  und  sie  nur  da  benutzt,  wo  sie  seine 

11* 


158  BOER 

aus  einer  ausscliliessliclien  vergleichung-  der  beiden  anderen 
quellen  gewonnenen  resultate  zu  bestätigen  scheinen  kann. 

Ich  werde  im  folgenden  Freibergs  axiomata  an  der  Über- 
lieferung prüfen.  Auf  die  dritte  beliauptung  gehe  ich  nicht 
ein,  da  auch  ich  im  vorliegenden  fall  an  eine  widerholte  Über- 
setzung nicht  glaube.  Die  übrigen  thesen  bespreche  ich  in 
umgekehrter  reihenfolge  und  fasse  2)  und  4)  zusammen. 

Im  gründe  folgt  schon  aus  Freibergs  auffassung  des  Ver- 
hältnisses der  Überlieferungen  direct,  dass  die  erzählung  der 
I>.  s.  eine  selbständige  quelle  ist.  Wenn  diese  von  dem  alten 
Eckenliede  oder  einer  diesem  liede  sehr  nahe  stehenden  redac- 
tion  stammt,  während  die  auf  uns  gekommenen  texte  sämmt- 
lich  auf  eine  breite  Umarbeitung  zurückgehen,  so  muss  schon 
darum  bei  der  beurteiluug  der  Überlieferung  der  saga  eine 
grössere  autorität  als  den  drei  texten  des  Eckenliedes  zu- 
sammen zugestanden  werden.  Der  einzige  umstand,  der  es 
verbietet,  sie  einfach  an  die  stelle  dieser  texte  zu  stellen,  ist 
die  möglichkeit,  dass  in  der  saga  etwas  verloren  oder  hinzu- 
gefügt worden  sei.  Freiberg  nimmt  hier  viele  änderungen  und 
auslassuugen  an.  Aber  auf  keinen  fall  sollte  er  einen  Stamm- 
baum aufgestellt  haben,  in  der  der  saga  gar  kein  platz  an- 
gewiesen war.    Sein  Stammbaum  sieht  wie  folgt  aus: 

0    (original) 


E  P 

(Eckenlied)      (Chevalier  du  Papegau) 

Mit  E  ist  nun  allerdings  das  alte,  nur  in  einer  Umarbeitung 
auf  uns  gekommene  Eckenlied  gemeint,  aber  fortwährend 
werden  dafür  die  drei  texte  der  Umarbeitung  (Ldas)  sub- 
stituiert, und  obgleich  zugegeben  wird,  dass  die  saga  nicht 
von  Ldas,  sondern  von  E  stammt,  verfährt  Freiberg  doch 
durchgehend,  als  wäre  das  Verhältnis: 

0 


E  (d.  i.  Ldas) 
I 
P.S. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  159 

während  es  doch,  wenn  Freiberg  recht  hat,  sich  folgender- 
massen  gestaltet: 

0 


I 


V 

(breite  iimarbeituiig'l  p.  S. 

I 

Ldas 

Daraus  ergibt  sich  beim  ersten  anblick,  dass  bei  der  beurteilimg 
jedes  einzelnen  zuges  nicht  nur  die  saga  herangezogen  sein 
sollte,  sondern  auch,  dass  ihr,  da  sie  von  dem  noch  nicht  um- 
gearbeiteten liede  stammen  soll,  die  absolute  controle  über 
jede  angäbe  der  vorausgesetzten  Umarbeitung  zukam. 

Dass  bei  einem  solchen  Verhältnis  der  texte  das,  was  Frei- 
berg E  genannt  hat,  sehr  wol  ein  niederdeutsches  gedieht  ge- 
wesen sein  kann,  leuchtet  ein.  Die  Verweisungen  der  Umarbei- 
tung auf  eine  poetische  (luelle,  die  Freiberg  s.  3  nach  Zupitza 
zusammenstellt,  können  wahrhaftig  sein,  auch  wenn  der 
bearbeiter  kein  französisches  gedieht  gekannt  hat.  Freiberg 
verwechselt  hier  wie  sonst  E  mit  U.  AVelcher  der  dialekt 
der  quelle  des  liedes  war,  das  muss  durch  unabhängige  kriteria 
entschieden  werden.  Nach  meiner  ansieht  sprechen  für  eine 
nieder-  oder  mitteldeutsche')  quelle  die  folgenden  data: 

1)  Die  analogie  anderer  Stoffe,  die  sowol  in  der  p.  s.  wie 
in  der  mhd.  epischen  poesie  behandelt  worden  sind.  Unter 
diesen  steht  die  Nibelungenpoesie  in  erster  Knie. 

2)  Gerade  der  umstand,  dass  der  stoff  auch  in  einem  fran- 
zösischen roman  behandelt  worden  ist.  Die  alten  vermittler 
zwischen  fi'anzösischer  und  deutscher  poesie  waren  fränkische 
spielleute.  Nimmt  man  für  das  überlieferte  lied  eine  nieder- 
oder  höchstens  mitteldeutsche  quelle  an,  so  wird  sowol  eine 
etwaige  Übersetzung  aus  dem  französischen  wie  die  Über- 
führung des  Stoffes  aus  den  liheinlanden,  einerseits  nach  Süd- 
deutschland, anderseits  nach  dem  Norden  verständlich;  leugnet 


')  Die  eutscheiduüg  zwischen  diesen  beiden  möglichkeiteu  muss  auf 
eine  späteren  stelle  verschoben  werden. 


160  BOER 

man  sie,  so  muss  man  annehmen,  ein  oberdeutscher,  nach  der 
localisation  in  Tirol  zu  urteilen  wol  bairischer  dichter  habe 
das  frz.  gedieht  direct  in  seinen  dialekt  übertragen,  dieses 
oberdeutsche  gedieht  aber  sei  nachher  auf  diesem  oder  jenem 
mysteriösen  weg  widerum  aus  Süddeutscliland  nach  dem  norden 
gekommen  und  dem  Verfasser  der  1).  s.  bekannt  geworden. 

3)  Die  localisation  des  Stoffes  in  den  Rheinlanden. ')  Diese 
tatsache  würde  allein  zu  dem  nachweis,  dass  die  quelle  der 
saga  nicht  süddeutsch  war,  genügen.  Dass  Ecke  auf  dem 
Drachenfels  zu  hause  ist,  ist  doch  keine  erfindung  des  saga- 
schreibers.  Damit  fallen  alle  Schlüsse,  die  Freiberg  in  grosser 
Übereilung  aus  der  von  ihm  supponierten  Übersetzung  des 
Eckenliedes  aus  dem  französischen  in  bezug  auf  die  composition 
der  saga  gezogen  hat.''^)  Wäre  unser  zweck  kein  anderer,  als 
die  unStatthaftigkeit  dieser  Schlüsse  nachzuweisen,  wir  könnten 
es  hierbei  bewenden  lassen.  Aber  auch  diese  mühe  könnten 
wir  uns  erspart  haben,  da  es  zur  zeit  auch  ohne  das  zeugnis 
der  Eckenpoesie  feststeht,  dass  die  saga  niederdeutsche  quellen 
benutzt  hat. 

Von  weit  grösserer  bedeutung  erachte  ich  eine  richtigere 
beurteilung  dieser  Verhältnisse  für  die  hauptfrage,  wo  die 
heimat  des  Stoffes  ist.  Steht  es  so  fest,  dass  diese  mittel- 
oder  niederdeutsche  quelle  der  saga  eine  bearbeitung  eines 
französischen  Originals  ist,  oder  gibt  es  gründe  für  eine  ent- 
gegengesetzte auffassung?  Anders  gesagt:  geht  die  entwick- 
lung  der  erzählung  von  der  einfachen  darstellung  der  p.  s. 
über  eine  mehr  zusammengesetzte,  die  in  der  hochdeutschen 
bearbeitung  vorliegt  oder  von  der  diese  stammt,  bis  zu  der 
im  Chevalier  du  Papegau  überlieferten,  oder  ist  mit  Freiberg 
der  umgekehrte  weg  anzunehmen?  Sieht  man  zu,  so  zeigt  es 
sich,  dass  diese  frage  mit  jener  andern  identisch  ist,  ob  Frei- 


')  Damit  häiigt  auch  gewis  L  66,  6 — 8  ez  hat  mich  menge  raste  getragen 
mit  den  Jcreften  sin  enzwischen  Kölne  und  Spire  zusammen.  Dem  umarbeiter, 
der  Str.  66  dichtete,  war  diese  localisation  noch  bekannt.  —  Ueber  str.  1 
s.  §  12. 

^)  Freiberg  glaubt  (s.  11),  man  könne  an  diesem  fall  die  arbeitsweise 
des  Sagaschreibers  studieren,  'und  die  ergebnisse  dann  auch  für  die  erkeuntnis 
anderer  partien  der  saga  nutzbar  machen,  deren  entstehungsgeschichte 
weniger  durchsichtig'  sei. 


DAS    ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  161 

berg  recht  hat,  wenn  er  die  süddeutsche  und  die  in  der  p.  s. 
mitgeteilte  darstellung  zu  einer  gruppe  verbindet  und  diese 
der  französischen  gegenüberstellt  (Eckenlied  +  I).  s.  :  Ch.  du 
Papegau),  oder  ob  die  süddeutsche  zusammen  mit  der  fran- 
zösischen der  saga  gegenüberzustellen  ist.  Sieht  der  Stamm- 
baum aus  wie  folgt: 

Original 
(französisch) 


R  P 

(rheinisch,  mittel-  oder  niederfränkisch)       (französisch) 

U  p.  s. 

(hochdeutsch) 

oder  muss  man  vielmehr  gruppieren: 

Original 

(mittel-  oder  niederdeutsch) 


p.  S.  U   (breite  Umarbeitung) ') 

(d.  i.  HD  +  P) 


')  Ueher  das  Verhältnis  der  einzelnen  glieder  von  U  lässt  sich,  an- 
genommen, dass  dieser  Stammbaum  richtig  sei,  von  einem  aprioristischen 
Standpunkte  aus  nichts  sagen.  Es  ist  denkbar,  dass  P  der  hochdeutschen 
bearbeitung,  die  im  folgenden  HD  genannt  \Yird,  als  eine  selbständige 
redaction  gegenüber  steht.    In  diesem  fall  wird  die  untergruppieruug: 

T' 

HD  P 

! 
Ldas 

Es  ist  aber  auch  denkbar,  dass  P  von  HD  stammt  und  nur  den  einzelnen 
recensionen  Ldas  gegenüber  gestellt  werden  muss.    Also: 

ü  (=  HD) 

Ldas  P 

Endlich  ist  auch  ein  näheres  Verhältnis  von  P  zu  einzelnen  redactionen  von 
Ldas  von  vornherein  nicht  ausgeschlossen.  Die  nächsten  paragraphen  (2 — 10) 
sollen  dem  nachweis,  dass  Ldas  4- P  eine  gruppe  bilden,  gewidmet  sein. 
Dabei  werden  Ldas  vorläufig  als  eine  zusammengehörige  gruppe  (HD)  be- 
trachtet, während  die  gemeinsame  quelle  von  Ldas  +  P  als  U  bezeichnet 
wird.  Doch  ist  hierbei  stets  die  raöglichkeit  im  äuge  zu  behalten,  dass  am 
ende  U  sich  als  mit  HD  identisch  zeigen  werde.    Einzelne  gesichtspunkte 


162  BOER 

In  jenem  fall  sind  die  Übereinstimmungen  des  französischen 
textes,  sei  es  mit  der  saga,  sei  es  mit  dem  hd.  gediclite  oder 
einer  recension  desselben,  sofern  der  zufall  ausgeschlossen  ist, 
beweisend,  in  diesem  fall  die  zwischen  der  saga  und  einer 
der  anderen  quellen.  Nun  hat  P  mit  HD  eine  reihe  plusstellen 
gemein.  Diese  müssen  alle  echt  sein,  wenn  ersterer  Stamm- 
baum gilt.  Die  saga  hat  mit  jeder  der  beiden  anderen  recen- 
sionen  zumal  minusstellen  gemein.  Wenn  der  zweite  Stamm- 
baum recht  behält,  so  liegen  hier  Interpolationen  in  HD  bez. 
P  vor;  behält  er  unrecht,  so  beweist  das  fehlen  einer  stelle 
aus  P  in  HD  und  p.  s.  nichts  wider  solche  stellen. 

Freiberg  sieht  darin  einen  beweis  für  seine  hypothese, 
dass  die  erzählung  in  dem  französischen  romane  den  Charakter 
eines  Artus-  oder  Gawainromans,  also  eines  in  Deutschland 
nicht  einheimischen  Stoffes,  zeigt.  Die  deutsche  poesie  habe 
mehrere  für  einen  Gawainroman  charakteristische  züge  fallen 
lassen;  die  1).  s.  habe  das  abenteuerliche  nahezu  vollständig 
abgestreift.  Das  wäre  freilich  überaus  interessant,  wenn  es 
fest  stünde,  dass  Freibergs  ausgangspunkt  der  richtige  ist. 
Aber  jene  ähnlichkeit  mit  einem  Gawainromane  kann  auch 
die  folge  einer  angleichung  an  andere  romane  von  diesem 
typus  sein.  Eine  solche  angleichung  kann  allmählich  zu  stände 
gekommen  sein;  es  wäre  sogar  nicht  undenkbar,  dass  ein  un- 
bewusster  anfang  dazu  schon  in  der  P  zu  gründe  liegenden 
Umarbeitung  gemacht  wäre,  —  die  bedeutenderen  züge  finden 
sich  freilich  ausschliesslich  in  P,  —  wenn  man  in  betracht 
zieht,  dass  auch  HD  noch  züge  aufnimmt,  für  die  sich  seiten- 
stücke  in  brittischen  romanen  aufweisen  lassen,  —  man  ver- 
gleiche Freibergs  beurteilung  der  episode  mit  dem  wilden 
fräulein  (s.  68).  Wir  hätten  dann  von  einer  Spielmannsdichtung, 
die  einen  einheimischen  stoff  behandelte,  auszugehen,  und  die 
stufen  der  Umarbeitung,  die  schliesslich  zu  einer  erzählung  im 
Stil  der  Gawainromane  führten,  zu  constatieren.  Zwischen 
diesen  beiden  möglichkeiten  kann  erst  nach  einer  ausführ- 
licheren   besprechung    der    einzelnen    motive    eine   wähl  ge- 


für  die  beurteiluug  des  Verhältnisses  von  P  zu  Ldas  und  von  Ldas  unter- 
einander werden  sich  stellenweise  ergeben;  die  besprechung  dieser  fragen 
in  ihrem  Zusammenhang  aber  wird  auf  §  11.  12  verschoben. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  163 

troffen  werden.  Aber,  wie  schon  s.  155  bemerkt  wurde,  es 
genügt  dazu  nicht,  dass  man  den  französischen  text  mit  dem 
hoclideutj^chen  vergleicht  und  in  diesem  eine  reihe  Ungereimt- 
heiten nachweist;  man  muss  daneben  den  altnordischen  text 
zu  rate  ziehen,  und  fragen,  ob  der  mittelhochdeutsche  text, 
der  auf  keinen  fall  die  ursi)rüngliche  darstellung  enthält,  eine 
übergangsfürm  von  dieser  darstellungsform  zu  jener  oder  von 
jener  zu  dieser  ist.  Selbst  wenn  das  resultat  dem  von  Frei- 
berg gewonnenen  gleich  sein  ^^ürde,  so  dürfte  doch  diese 
arbeit  nicht  versäumt  werden,  denn  nur  auf  diesem  weg  ist 
Sicherheit,  sei  es  in  der  einen  oder  in  der  anderen  richtung, 
zu  erlangen. 

Zunächst  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  die  darstellung 
der  saga  sich  durch  jene  kürze  auszeichnet,  die  auch  sonst  ein 
merkmal  der  älteren  poesie  ist;  einzelne  wichtige  Situationen 
sind  etwas  breiter  ausgeführt,  aber  das  ganze  umfasst  doch 
nicht  mehr  als  12  bis  13  druckseiten.  Dennoch  ist  der  Zu- 
sammenhang überall  klar,  die  darstellung  nirgends  sprunghaft; 
nichts,  A\as  man  zum  Verständnis  der  erzählung  zu  wissen  von 
nöten  hat,  fehlt.  Das  Eckenlied  ist  weitschweifig  und  unklar, 
es  gefällt  sich  in  widerholungen,  und  Widersprüche  sind  häufig. 
Dieser  breite  stil  ist  aus  den  mhd.  epen  bekannt  genug,  und 
wie  er  entsteht,  lehrt  die  geschichte  des  Nibelungenliedes  zur 
genüge.  Das  gedieht  ist  auch  in  der  vorliegenden  form  kaum 
älter  als  etwa  die  mitte  des  13.  Jahrhunderts.  Viel  kürzer 
ist  der  französische  text;  er  enthält  das  meiste,  was  auch  im 
Eckenliede  steht,  aber  der  stil  ist  einfacher.  Inwiefern  das 
auf  eine  einfachere  quelle  hinweist  oder  eine  kürzung  eines 
längeren  poetischen  textes  bedeutet,  ist  noch  eine  offene  frage. 

§  2.  Die  einleitung. 
Durch  die  ausscheidung  solcher  abschnitte,  die  ausschliess- 
lich entweder  im  Eckenliede  oder  in  dem  französischen  roman 
enthalten  sind,  —  hier  eines  turniers,  bei  dem  die  dame,  die 
später  den  ritter  aussendet,  dem  sieger  ihre  band  verspricht, 
dort  einer  langen  Unterredung  zwischen  den  brüdern  über 
Dietrich  und  einiger  auf  seine  rüstung  sich  beziehender  einzel- 
heiten,  —  findet  Freiberg  für  die  gemeinschaftliche  quelle  von 
E  und  P  den  folgenden  Inhalt:   Am  hofe  der  herzogin  von 


i 


164  BOER 

Estrales  (auf  JochgTim,  in  der  wohnimg  der  königin  Seburc  E) 
erzählt  man  von  den  taten  des  papageienritters  (Dietrichs  von 
Bern  E),  des  besten  ritters,  den  es  auf  der  erde  gibt.  Die 
königin  wird  von  dem  wünsche,  ihn  zu  sehen,  ergriffen.  Am 
hofe  hält  sich  ein  starker  junger  held  von  riesiger  grosse  auf. 
Sie  verspricht  ihm  ihre  liebe,  falls  er  den  ritter  besiegen  (und 
zu  ihr  führen  E)  Averde.  Er  erklärt  sich  zu  dem  abenteuer 
bereit,  und  wird  des  ritters  band  (ihn  selbst  E)  der  königin 
zuführen.  Der  riese  waffnet  sich  (wird  von  der  königin  ge- 
waffnet  E);  besonders  wird  ein  trefflicher  panzer  erwähnt. 
Er  nimmt  abschied  und  begibt  sich  zu  fuss  auf  den  weg,  da 
kein  pferd  ihn  zu  tragen  vermag.  Unterschiede  sind  .vor- 
handen. E  nennt  drei  königinnen,  —  freilich  tritt  nur  eine 
in  den  Vordergrund;  —  P  kennt  nicht  mehr  als  eine  dame. 
P  hat  nach  Freiberg  das  echte.  —  In  E  ist  es  die  dame 
selbst,  die  ihrem  günstling  die  rüstung  anlegt.  Dieser  zug 
ist  nach  Freiberg  gedankenlos  aus  anderen  erzählungen  auf 
Ecke  übertragen.  Denn  da  dieser  ein  riese  sei,  könne  die 
dame  nicht  eine  rüstung  in  bereitschaft  haben,  die  ihm  passt. 
(Dass  der  panzer  von  Ortnit  stammt,  ist  ein  von  dem  oben 
genannten  unabhängiger  zug;  dieser  beruht  auf  dem  einfluss 
einer  anderen  erzählung.)  —  In  P  ist  der  riese  ein  unbequemer 
freier;  die  frau  stellt  an  ihn  die  schwere  f orderung  in  der  deut- 
lichen absieht,  ihn  von  dem  papageienritter  getötet  werden  zu 
lassen;  in  E  ist  Seburc  bloss  neugierig,  Dietrich  zu  sehen;  sie 
wünscht  aber  ihrem  ritter  das  beste  und  ist  ihm  wolgesinnt. 
Diese  Vorstellung  hält  Freiberg  für  die  abgeleitete,  da  der 
ritter,  um  Dietrich  zu  bewegen,  ihm  zu  folgen,  nicht  mit  ihm 
zu  kämpfen  genötigt  gewesen  wäre,  sondern  ihn  freundlich 
hätte  einladen  können,  ihm  zu  folgen.  Aus  der  darstellung 
von  P  wird  es  denn  auch  erklärt,  dass  es  am  Schlüsse  in  einer 
redaction  des  liedes  (as)  heisst,  die  dame  sei  über  Eckes  tod 
nicht  ausserordentlich  betrübt  gewesen.  —  Dass  in  all  diesen 
punkten  P  auf  dem  alten  Standpunkt  stehe,  wird  ferner  aus 
parallelen  erzählungen,  die  ein  mit  P  übereinstimmendes  aben- 
teuer von  Gawain  erzählen,  geschlossen. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  piörekssaga.  Die  einleitung 
fehlt  als  selbständige  erzählung.  Das  erklärt  Freiberg  da- 
raus, dass"  der  sagaschreiber  der  cyklischen  Verbindung  mit 


DAS   ECKENLTED   UND   SEINE   QUELLEN.  165 

anderen  erzähliingen  zu  liebe  bei  seiner  darstellung  von  Diet- 
rich ausgellt.  1)  Dass  diese  erklärung  nicht  genügt,  lehrt  eine 
unbefangene  betrachtung  von  c.  96  sofort.  Denn  allerdings 
geht  der  sagaschreiber  von  Dietrich  aus,  aber  er  überlässt  ihn 
bald  seinem  geschicke.  um  ein  halbes  capitel  der  beschreibung 
von  Eccas  tun  und  treiben  und  seinen  häuslichen  Verhältnissen 
zu  widmen.  Es  ist  klar,  dass  hier  auch  die  aufreizung  durch 
die  königin  angebracht  sein  könnte,  wenn  sie  dem  sagaschreiber 
bekannt  gewesen  wäre.  Dass  Dietrich  auf  abenteuer  aus- 
geritten ist,  ist  auch  keineswegs  eine  der  cyklischen  darstel- 
lung  dienende  änderung  des  sagaschreibers,  denn  dasselbe  ist 
im  Eckenliede  der  fall.  Und  wie  verträgt  es  sich  mit  den 
zwecken  der  cyklischen  darstellung,  dass  Dietrich  schon  im 
voraus  ein  zusammentreffen  mit  Ecca  zu  vermeiden  sucht? 
Nach  c.  96, 8  hatte  er  doch  die  absieht,  nicht  nach  Bern 
zurückzukehren,  bevor  er  so  berühmt  wie  vor  dem  unglück- 
lichen kämpfe  mit  Yiöga  sein  würde.  Wenn  er  also  doch  in 
der  saga  Ecca,  von  dem  er  gehört  hat,  aus  dem  wege  zu  gehen 
sucht,  so  muss  das  wol  die  Vorstellung  der  quelle  gewesen 
sein.  In  der  saga  fehlt  ferner  nichts,  was  zur  aufhellung  der 
Situation  erforderlich  ist;  die  darstellung  ist  die  der  alten  ein- 
gangsstrophe  L  69,  über  welche  vgl.  §  4. 

Auf  dem  Drachenfels-)   hat  ein  könig  namens  Drusian2) 
gewohnt.     Seine  witwe   hatte  neun  töchter   und   hatte   sich 


V)  Die  saga  trifft  darin  luit  L  str.  ß9  zusammen,  s.  unten  s.  176. 

*)  Jiriczek,  Deutsche  heldcnsagen  s.  208,  macht  die  richtige  bemerkung, 
dass  Drusiau  mit  Drasian  in  "Wolfdietrich  identisch  ist.  In  B  lautet  der 
name  auch  Drasian  (besserung?  drocian  in  S  kann  aus  Drusian  und  aus 
Drasian  entstellt  sein;  Binsian  A).  Aber  ohne  jeden  grund  nimmt  er  an, 
dass  der  name  aus  der  Wolfdietrichsage  entlehnt  und  dass  der  richtige 
Wohnort  des  fürsteu  Altenfelse  sei,  wie  Wolfdietrich  angibt.  Wenn  die 
saga  Drekanflis,  wo  Drusian  haust,  und  Aldinflis,  wo  ein  graf  Ludwig 
wohnt,  unterscheidet,  während  Wolfdietrich  nur  Altenfelse  kennt  und  da- 
selbst Drasian  wohnen  lässt,  so  ist  es  viel  wahrscheinlicher,  dass  die  beiden 
einander  ähnlichen  namen  in  Wolfdietrich  zusammengeworfen  sind,  als  dass 
in  der  saga  der  eine  name  sich  in  zwei  gespalten  habe.  Auch  die  Faselt- 
kaule im  Siebengebirge,  die  zwar  nicht  für  den  Ursprung,  aber  doch  für 
eine  localisation  beweisend  ist,  bestätigt,  dass  Drekanflis  das  echte  ist.  — 
Die  Übereinstimmung  dieser  quellen  lehrt,  selbst  Avenn  Jiriczek  recht  be- 
halten sollte,  wie  leichtsinnig  Freiberg  sich  mit  der  saga  abgefunden  hat. 
—  Ueber  den  LoÖvigr  der  saga  s.  §  9. 


166  BOER 

einem  beiden,  der  Ecca»)  hiess,  dem  vorzüglichsten  ritter  in 
allen  landen,  verlobt.  Er  hatte  die  gewohnheit,  in  voller 
rüstung  auf  die  jagd  zu  gehen,  und  Jeden  mann,  dem  er  be- 
gegnete und  der  vor  ihm  nicht  weichen  wollte,  zu  töten. 
Dietrich  verirrt  sich  in  dem  walde  und  stösst  auf  Ecca  (über 
die  auffälligkeit  der  begegnung  s.  unten).  Aus  dem  folgenden 
gespräche  erfährt  man,  dass  es  die  neun  Prinzessinnen  und 
deren  mutter  sind,  die  Ecca  zu  diesem  kämpfe  gerüstet  habe; 
er  kämpft,  um  bei  den  frauen  rühm  zu  erwerben. 

Die  Situation  ist  vollständig  klar.  Ecca  ist  der  typus 
des  raubritters,  der  bei  einer  voniehmen  dame  eine  ganz  be- 
sondere Stellung  einnimmt.  Er  ist  nicht  nur  der  Verteidiger 
ihres  landes,  er  weiss  bei  ihr  auch  dadurch  ehre  zu  erAverben, 
dass  er  den  an  ihrer  bürg  vorüberziehenden  rittern  auflauert 
und  sie  im  Zweikampf  besiegt.  Ihre  rüstungen  und  ihre  pferde 
und  was  sie  mehr  besitzen  mögen,  macht  er  zur  beute.  Das 
zeigt  c.  101.  Als  die  königin  Dietrich  in  Eccas  rüstung  zu 
pferde  sich  nahen  sieht,  freut  sie  sich  und  sagt  zu  ihren 
töchtern:  Ec  sa  nv  goÖ  tidendi:  Jicrra  Ecca  geck  liedan  i 
gcerqveld,  en  nv  riÖr  Jiann  til  borgaremiar  goöom  liesti,  oc  ma 
cc  af  J)vi  nv  at  visv  vita,  at  hannhevir  fcngit  sigr  af  noccorom 
capim.  —  Die  königin  selbst  versieht  Ecca  mit  waffen;  ob  sie 
ihm  eigenhändig  die  rüstung  angelegt  hat,  wird  nicht  klar.  2) 
Sie  hat  dabei  nicht  an  einen  bestimmten  kämpf  gedacht,  3)  — 
dass  Dietrich  sich  in  der  nähe  aufhält,  ist  ihr,  wie  aus  den 
eben  angeführten  worten  bestimmt  hervorgeht,  nicht  einmal 


*)  Das  a  in  Ecca  ist  das  a  der  altniederdeutschen  schwachen  flexi on. 
Aus  einem  mhd.  Ecke  wäre  unbedingt  an.  Elclce  geworden,  da  auch  hier 
die  enduug  des  schwachen  niasculinum  e  ist. 

^)  Cap.  98,  2 — 3  paer  hiuggo  mic  til  pessa  vigs  oc  fir/'r  peirra  soc  com 
ec  her  oc  pcrr  fengo  vier  pessor  vapn.  Auffallend,  vielleicht  richtig,  ist  in 
AB  die  lesart  lof  für  soc  (for  thera  shäcl  S,  das  nur  dem  sinn  nach  zu  M 
stimmt,  kann  eine  selbständige  änderung  sein). 

*)  Es  geht  nicht  an,  wo  die  Vorstellung  der  saga  absolut  unzweideutig 
ist,  wie  Paul  und  Freiberg  tun,  aus  den  worten  til  pessa  vigs  eine  ent- 
gegengesetzte auffassung  herauszuinterpretieren  und  auf  grund  dieser  Inter- 
pretation die  ganze  darstelluug  der  saga  für  eine  reihe  von  fälschungen  zu 
erklären.  Denn  es  ist  klar,  dass,  wenn  die  königinnen  Ecca  zu  seinen 
kämpfen  ausgerüstet  haben,  sie  ihn  auch  zu  diesem  kämpfe  ausgerüstet 
haben,  und  nur  dies  kann  Dietrich  interessieren  und  wird  ihm  deshalb 
von  Ecca  mitgeteilt. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  167 

bekannt;  er  aber  stellt  sich  die  aufgäbe,  stets  zu  wissen, 
welche  ritter  sich  dem  schlösse  nahen,  und  auch  Dietrichs 
ankunft  hat  er  ausgekundschaftet;  er  nennt  ihn,  wo  dieser 
sich  für  Heiniir  ausgibt,  bei  seinem  riclitig'en  namen. 

Dass  aber  aus  Eccas  Worten:  'neun  königstöchter  und  ihre 
mutter,  meine  geliebte.')  die  haben  mich  zu  diesem  kämpfe 
gerüstet,  und  um  ihretwillen  (oder:  ihres  lobes  Avegen)  bin 
ich  hierher  gekommen,  und  sie  gaben  mir  diese  waffen'  eine 
andere  auffassung  der  verliiiltnisse  abstrahiert  werden  kann, 
zeigen  die  jüngeren  interpretationsversuche.  Diese  sind  frei- 
lich "S'on  einem  älteren  ähnlichen  versuche  angeregt  worden. 
Kin  jüngerer,  sehr  weitschweifiger  dichter  verfasste  eine  ein- 
leitung,  in  der  er  die  ausrüstung  durch  die  königin  ausführ- 
lich beschrieb.  Die  worte  'zu  diesem  kämpfe'  fasste  er  so  auf, 
als  sei  es  gerade  die  bedeutung  dieses  besonderen  kampfes, 
nicht  Eccas  besondere  Stellung,  die  die  königin  dazu  veran- 
lasst hatte,  ihren  liebling  eigenhändig  mit  waffen  zu  versehen. 
Diese  neuerung  aber  bedurfte  einer  erklärung,  und  diese  wurde 
darin  gefunden,  dass  die  königin  sich  für  Dietrich  interessiert 
und  ihn  zu  sehen  wünscht.  So  im  Eckenliede.  In  dem  frz. 
roman  wird  das  neue  motiv  noch  weiter  ausgeführt,  es  ver- 
drängt das  hauptmotiv,  das  einmal  das  einzige  war;  hier  ist 
die  königin  von  liebe  zu  dem  fremden  ritter,  den  sie  nur  dem 
nanien  nach  kennt,  ergriffen;  ihr  eigener  ritter  wird  zu  einem 
unbequemen  freier,  und  nicht  länger  waffnet  sie  ihn,  sie  stellt 
vielmehr  an  ihn  die  forderung,  dass  er  ein  abenteuer,  dem  er 
nicht  gewachsen  ist,  bestehe.  Auf  diese  weise  hofft  sie  ihn 
los  zu  werden.  Damit  ist  eine  Situation  erreicht,  die  für  einen 
Gawainroman  charakteristisch  ist."-) 

Die  folgenden  einzelheiten  erfordern  noch  eine  gesonderte 


*)  Festarkona  ist  nur  ein  gemilderter  ausdruck  für  das  wol  vom  saga- 
schreiber  (oder  schon  in  seiner  unmittelbaren  quelle?)  nicht  richtig  ver- 
standene Verhältnis  der  dame  zu  ihrem  günstling. 

^)  In  der  jüngsten  und  schlechtesten  redaction  des  Eckenliedes  (as) 
findet  sich  diese  auffassuug  vorbereitet,  wo  die  königin  (str.  2(30  f.)  Dietrich 
dafür  lobt,  dass  er  sie  von  Ecke  erlöst  habe  (§  11).  —  Wenn  Freiberg  in 
L  Str.  98,  9  f.  ich  xccen  si  ein  des  lebens  bar  ttnder  lois  zivein  wellen  machen 
(dasselbe  str.  125, 9—10)  einen  beweis  dafür  sieht,  dass  die  darae  Eckes  tod 
wünsche,  so  beruht  dies  auf  seinem  parti  pris.  Mit  demselben  rechte  kann 
man  aus  der  stelle  lesen,  dass  sie  Dietrichs  tod  wünscht. 


168  BOER 

erwäg-ung.  In  der  Umarbeitung-  ist  der  ritter  ein  riese.  Diese 
Übertreibung-,  ein  merkmal  der  jüngeren  spielmannspoesie,  kennt 
die  quelle  noch  nicht.  Ecca  ist  weiter  nichts  als  ein  starker 
ritter.  Eine  inconcinnität,  die  aus  der  rieseng-estalt  folgt,  ist 
es,  dass  Eckes  rüstung  Dietrich  zu  gross  ist.  Darum  schneidet 
der  held  einen  teil  davon  ab.  In  P  wird  sogar  daraus,  dass 
der  riese  dem  beiden  den  rat  gibt,  ein  eine  spanne  breites 
stück,  das  er  selbst  hat  ansetzen  lassen,  abzuhauen.')  Es 
leuchtet  ein,  dass  Dietrich  damit  nicht  geholfen  ist.  Denn 
wenn  Ecke  ein  riese  ist,  so  ist  seine  rüstung  für  Dietrich 
nicht  nur  zu  lang,  sondern  auch  zu  weit.  Es  hängt  vielleicht 
mit  dieser  änderung  zusammen,  dass  der  charakteristische 
zug,  dass  Dietrich  in  Eccas  rüstung  zweimal  für  diesen  selbst 
angesehen  wird,  in  der  Umarbeitung  nahezu  verwischt  ist 2); 
freilich  hat  dazu  in  der  hochdeutschen  fassung  auch  ein 
anderer  umstand  mitgewirkt  (§  8). 

Aus  dieser  riesennatur  Eckes  wird  es  dann  weiter  erklärt, 
dass  er  zu  fuss  geht;  kein  pferd,  so  heisst  es,  könne  ihn  tragen.^) 
In  der  quelle  ist  Ecca  bei  der  begegnung  mit  Dietrich  zufällig 
zu  fuss;  und  das  ist  auch  die  auffassung  von  L  str.  69, 11 — 12: 
er  lic  da  Jieime  rosse  vil,  daz  ivas  niht  ivol  getan,  was  keinen  sinn 
hat,  wenn  kein  pferd  ihn  zu  tragen  vermag.  Ecca  bedauert 
es,  dass  er  sein  pferd  zu  hause  gelassen  hat,  da  er  nun  nicht, 


')  Der  panzer  stammt  also  von  einem  menschen  von  gewöhnlichen 
Proportionen.  Vielleicht  darf  man  darans  ableiten,  dass  auch  die  quelle 
von  P  wusste,  dass  es  Ortnits  panzer  ist. 

^)  In  eine  jüngere  scene  übertragen  findet  sich  der  zug  L  234, 3. 
Birkhilt  sagt  zu  Dietrich:  his  iviUekomen,  suii  Ecke.  Der  zug  fand  sich 
also  noch  in  der  directen  quelle  von  HD  an  seiner  alten  stelle. 

^)  Diese  consequenz  wii'd  allerdings  erst  in  P  in  aller  strenge  ge- 
zogen; in  HD  bietet  die  königin  Ecke  ein  pferd  an,  aber  dieser  will  es 
nicht  annehmen;  er  glaubt  er  könne  ohne  pferd  den  Berner  wol  erreichen 
(L  34  f.).  Freilich  meint  er,  das  pferd  werde  ihn  auf  die  länge  (34-,  7) 
nicht  tragen,  da  er  ohne  zu  ermüden  vierzehn  nachte  zu  gehen  beabsich- 
tige oder  im  stände  sei  (34, 11).  Also :  im  Eckenliede  ist  des  beiden  aus- 
dauer  grösser  als  die  des  stärksten  pferdes;  in  P  wird  daraus,  dass  er  'so 
gross  war,  dass  er  kein  pferd  fand,  welches  ihn  hätte  tragen  können  mit- 
sammt  seiner  rüstung'.  Zu  beachten  ist,  dass  as  einen  schritt  in  der  rich- 
sung  nach  P  hin  tun:  auf  das  widerholte  drängen  der  königin  sagt  Ecke 
(31,1):  ich  bin  zu  schwer.  L  hat  nur  (35,12):  vrouw,  ich  mac  tvol  ze 
fuoze.  erlänt  mi's,  dast  min  ger.    Aehnlich  d  39. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINß  QUELLEN.         169 

was  er  sonst  tun  würde,  den  zögernden  gegner  zum  kämpfe 
nötigen  kann.  Auch  diese  klage  findet  sich  im  Eckenliede 
wider,  L  74,4 — 6:  üf  minen  viiezen  ich  hie  stän:  in  mac  dich 
leider  niht  ergän,  daz  ist  mir  hardc  stvcere.  Ecke  vermag  also, 
da  er  zu  fuss  geht,  Dietrich,  der  zu  pferde  sitzt,  nicht  zu  er- 
reichen. Der  absolute  Widerspruch  dieser  alten  stelle  mit  der 
behauptung  der  einleitung.  Ecke  sei  seinem  gegner  tagelang 
zu  fuss  nachgelaufen  (vgl.  §  3),  ist  dem  umarbeiter  nicht  auf- 
gefallen, oder  er  hat  sich  darüber  leicht  hinweggesetzt.  — 
Als  c.  101  Dietrich  zu  pferde  sich  naht,  sieht  die  künigin  ihn 
für  Ecca  an. 

Dass  die  quelle  mehr  als  eine  königin  kannte,  lehrt  die 
Übereinstimmung  des  Eckenliedes  mit  der  saga.  Freilich  wird 
in  poesie  wie  in  märchen  häufig  eins  zu  drei,  aber  der  um- 
gekehrte Vorgang  ist  gerade  so  gut  möglich,  wenn  von  den 
dreien  nur  einer  in  den  Vordergrund  tritt.  Dass  hier  die 
dreizahl  mit  einer  dreifachen  hochzeit  zusammenhängt,  wird 
sich  weiter  unten  ergeben;  in  der  der  saga  zu  gründe  liegenden 
tradition  ist  freilich  die  dreizahl  zu  einer  neunzahl  gesteigert. 
Die  gemeinsame  quelle  wird  eine  königin  mit  drei  töchtern 
gekannt  haben;  die  königin  ist  Eccas  geliebte:  von  den  töch- 
tern ist  eine  dazu  bestimmt,  Dietrichs  frau  zu  werden.  In 
der  P.S.  wurden  aus  den  drei  töchtern  neun;  die  Umarbeitung 
hat  die  mutter  fallen  lassen;  darauf  hat  der  französische  roman 
von  den  drei  königinnen,  von  denen  schon  in  der  Umarbeitung 
nur  einer  eine  rolle  zufiel,  auch  nur  eine  beibehalten. 

Eine  unbefangene  vergleichung  der  Überlieferungen  der 
einleitung  führt,  wie  wir  gesehen  haben,  zu  dem  vorläufigen 
schluss,  dass  nicht  ein  Gawainroman  die  quelle  des  Eckenliedes 
und  der  in  der  p.  s.  mitgeteilten  episode  ist,  sondern  dass  die 
episode  im  Chevalier  du  Papegau  aus  einer  Umarbeitung  des 
alten  gedichtes  von  Ecca  geflossen  ist.  Inwiefern  sie  von  der 
hochdeutschen  bearbeitung  unabhängig  ist,  lässt  sich  noch  nicht 
entscheiden.  An  einzelnen  stellen  zeigt  sie  eine  nahe  berüh- 
rung  mit  as.  "\Mr  müssen  nun  untersuchen,  ob  die  fortsetzung 
unser  vorläufiges  resultat  bestätigt.') 


')  Wenn  Freiberg  aus  der  episode  im  Cbev.  du  Papegau  den  schluss 
zieht,  dass  einmal  Gawain  der  held  dieses  romans  gewesen  sei,  so  ist  dieser 


170  BOER 

§  3.    Die  begegnung  der  beiden. 

HD  und  P  erzählen,  dass  der  riese  auszieht,  seinen  gegner 
zu  suchen.  Zuerst  geht  er  nach  Bern,  bez.  dem  orte,  wo  der 
papageienritter  sich  zuletzt  aufgehalten  hat;  dort  vernimmt 
er,  dass  der  held  am  selben  morgen  abgereist  ist;  er  reist  ihm 
nach  und  holt  ihn  nach  einem  bez.  mehreren  tagen  ein.  In 
der  saga  treffen  sich  die  beiden,  nachdem  Dietrich,  in  der 
nähe  des  Drachenfels  angekommen,  Eccas  gebiet  betreten  und 
sich  im  walde  verirrt  bat.  Es  ist  klar,  dass  beide  darstel- 
lungen  mit  der  auffassung  von  Eckes  absiebten  und  seineu 
Verhältnissen  direct  zusammenhängen. 

Wenn  es  Ecke  besonders  darum  zu  tun  ist,  Dietrich  zu 
treffen,  so  muss  er  sich  wol  aufmachen,  ihn  zu  suchen.  Abzu- 
warten, dass  der  held  einmal  zufällig  seinem  scbloss  sich  nahen 
werde,  würde  ein  allzu  grosses  vertrauen  auf  den  zufall  ver- 
raten. Ist  Ecke  hingegen  nichts  als  ein  raubritter,  der  sich 
die  aufgäbe  stellt,  den  vorüberziehenden  rittern  aufzulauern 
und  mit  ihnen  zu  kämpfen,  so  hat  er  zwar  guten  grund,  den 
berühmten  Dietrich  von  Bern  nicht  ohne  kämpf  an  sich  vorbei- 
reiten zu  lassen,  aber  ihn  in  seiner  wohnung  aufzusuchen,  wird 
ihm  nicht  einfallen.  Die  eigentümliche  darstellung  der  saga 
beruht  also  nicht  auf  einer  kürzung,  die  man  ohne  weiteres 
dem  Sagaschreiber  in  die  schuhe  schieben  kann,  sondern  auf 
einer  vollständig  abweichenden  disposition  des  Stoffes,  und  da 
diese  bei  der  Übereinstimmung  zwischen  HD  und  P  nicht  die 
eines  aus  P  geflossenen  liedes,  das  wie  Freiberg  glaubt,  zu- 
gleich die  quelle  von  HD  wäre,  das  also  zwischen  P  und  HD 
liegen  würde,  sein  kann,  werden  wir  schon  durch  diese  erwägung 
zu  einer  gruppierung  HD  +  P  :  I).  s.  genötigt,  und  der  zweite 
der  s.  161  oben  aufgestellten  Stammbäume  bewährt  sich,  i) 


schluss  auch  deshalb  verfehlt,  weil  nach  seiner  eigenen  ansieht  die  episode 
im  roman  ein  junger  und  sehr  ungeschickt  angebrachter  einschub  ist.  Ueber 
die  frage,  wer  der  ursprüngliche  held  des  Chevalier  du  Papegau  ist,  wird 
hiermit  kein  urteil  ausgesprochen. 

^)  Eine  gruppierung  HD  +  p.  s.  :  P  Hesse  sich  bei  dieser  Sachlage 
nur  durch  die  annähme  einer  Zwischenstufe,  die  eine  gründliche  Verein- 
fachung und  zusammenarbeitung  repräsentieren  würde,  zwischen  dem  ver- 
lornen Eckenliede  und  der  saga  verfechten.  Eine  solche  Zwischenstufe  aber 
leugnet  Freiberg. 


DAS   ECKENLTED   UND   SEINE   QUELLEN.  171 

Welche  der  beiden  darstellung-en  ist  nun  die  natürlicliere? 
A\'as  Dietrich  betrifft:  dieser  ist  in  beiden  Überlieferungen  auf 
der  reise.  Nur  in  der  saga  ist  das  notwendig.  Denn  nur  wenn 
er  auf  die  reise  geht,  kann  er  die  gegend,  in  der  Kcca  haust, 
erreichen.  In  der  Umarbeitung-  ist  Dietrichs  abwesenheit  von 
hause  nicht  nur  eine  überflüssige,  sondern  auch  eine  störende 
einzellieit.  Denn  die  folge  davon  ist,  dass  Ecke  ihn  daheim 
nicht  antrifft  und  ihm  naclireisen  muss.  Um  ihn  zum  kämpfe 
zu  bewegen,  war  das  nicht  notwendig;  er  hätte  auch,  wie 
Viöga  p.  s.  c.  94  tut,  in  Bern  mit  ihm  kämpfen  können.  Dass 
ein  held  einem  gegner  nachreist,  ist  freilich  ein  landläufiges 
motiv,  das  nicht  nur  in  romanen  des  britischen  Sagenkreises 
begegnet.  Als  bcispiel  führe  ich  die  Gunnlaugs  saga  orms- 
tungu  an.  ]\Iehrere  tage  nacheinander  reist  Gunnlaugr  hinter 
seinem  feinde  Hrafn  her;  endlich  reist  er  eine  nacht  hindurch 
und  findet  den  gegner  am  frühen  morgen;  dann  wird  sofort 
zum  Zweikampf  geschritten.  A\'enn  es  nun  bewiesen  wäre, 
dass  die  quelle  des  Eckenliedes  ein  abenteuerroman  wäre,  so 
stände  nichts  der  möglichkeit  im  wege,  dass  jener  roman  auch 
diesen  zug  schon  enthalten  hätte;  er  kann  aber  bei  der  all- 
bekanntheit des  motivs  gerade  so  gut  neu  eingeführt  sein. 
Und  dass  das  tatsächlich  der  fall  ist,  wird,  ganz  abgesehen 
von  seinem  unwert  für  die  öconomie  der  erzählung,  zum  über- 
fiuss  durch  mehrere  umstände  bewiesen.  Zunächst  dadurch, 
dass  Ecke  zu  fuss  geht.  Allerdings  soll  die  beschleunigte 
reise  uns  davon  überzeugen,  wie  schnell  Ecke  laufen  kann, 
aber  wir  sahen  schon  s.  169,  dass  er  L  str.  74  den  gegner,  dem 
er  so  nahe  gekommen  ist,  dass  sie  zusammen  ein  gespräch 
führen,  doch  nicht  zu  erreichen  vermag,  da  dieser  zu  pferde 
sitzt.  Wenn  nun  Ecke  den  abstand  von  einigen  metern  nicht 
einholen  kann,  wie  gelingt  es  ihm  dann,  den  abstand  einer 
tagereise  innerhalb  eines  oder  zweier  tage  einzuholen?  So- 
dann ist  darauf  zu  achten,  dass  Dietrich  bald  nach  dem  kämpfe 
mit  Ecke,  nach  der  saga  noch  am  selben,  nach  der  dargtellung 
des  liedes  am  nächsten  tage  (L  192  redet  unrichtig  von  einem 
längeren  zeitabstand)  mit  Väsolt  zusammentrifft.  Das  ist  nur 
dann  möglich,  wenn  Dietrich  sich  in  der  nähe  von  Eckes  und 
Väsolts  Wohnung  aufhält. 

I)ie  entwicklung  der  motive  ist  demnach  diese:  ursprüng- 

Ueitriige  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXII.  '\^ 


172  BOER 

licli  ist  Dietrich  auf  abenteuer  ausgezogen.  Er  kommt  in  die 
nähe  von  Eccas  bürg  und  wünscht  den  kämpf  mit  diesem  ge- 
fährlichen gegner  zu  vermeiden.  Er  verirrt  sich  aber  in  dem 
walde,  der  die  bürg  lungibt,  und  wird  dort  von  dem  feinde, 
der  schon  von  seiner  anknnft  unterrichtet  ist,  und  dem  es 
keine  mühe  kostet,  den  verirrten  fremden  ritter  auszukund- 
schaften, überrascht. 

Der  umarbeiter,  der  Ecke  ausziehen  Hess,  Dietrich  zu 
suchen  und  ilm  mit  gewalt  vor  seine  herrin  zu  führen,  behielt 
doch  den  alten  zug,  dass  der  könig  auf  abenteuer  gezogen 
war,  bei.  Ecke  findet  daher  Dietrich  nicht  in  Bern.  Er  muss 
ihm  also  nachreisen.  Die  beschreibung  dieser  reise  schliesst 
sich  in  P  an  ähnliche  reisen  nach  bekanntem  muster  an. 

Das  Eckenlied  enthält  in  diesem  abschnitt  noch  ein  paar 
geringere  episoden,  die  in  P  fehlen.  Wiefern  dieselben  schon 
in  U  standen  und  von  P  ausgelassen  worden  sind,  ist  von 
unserem  bisherigen  stand])unkte  kaum  mit  Sicherheit  zu  ent- 
scheiden. Es  ist  der  zug,  dass  Hildebrand  Ecke  verspottet, 
ihm  aber  nachher  den  weg  zeigt  (das  zeigen  des  weges  auch 
in  P),  was  Freiberg  veranlasst,  an  Keye  als  vorbild  zu  denken, 
und  Eckes  kämpf  mit  dem  meervvunder.  Dass  schon  U  — 
wohin  Freiberg  das  original  setzt  —  eine  beschreibung  von 
Eckes  nächtlichem  zug  durch  den  wald  enthielt,  vermutet 
Freiberg  s.  31  vielleicht  mit  recht.  Auf  die  begegnung  mit 
Helferich  von  Lüne  (Lutringen)  muss  etwas  tiefer  eingegangen 
werden  (§  4). 

§  4.  Str.  L  69. 
An  der  stelle,  wo  Ecke  im  begriff  ist,  Dietrich  einzuholen, 
teilt  das  gedieht  eine  Strophe  mit  (L  69.  d  68.  s  63),  die  auch 
in  den  Carmina  Burana  (Schmeller  s.  71)  überliefert  ist.  Alle 
forscher,  die  über  das  Eckenlied  gehandelt  haben,  haben  sich 
auch  mit  dieser  Strophe  beschäftigt.     Sie  lautet  in  den  CB: 

Uns  seit  von  Lutringen  Helfrich, 

tvie  zivene  ritter  lohelich 

se  Samen e  hecliomen, 

ErekJce  unde  oiich  her  Dieterich. 

Sie  waren  beide  vraislich, 

da  von  si  schaden  namen. 


DAS  eckp:nlied  und  setne  quellen.  173 

Als  vinstcr  icas  der  tan, 

da  si  an  ander  funden. 

Her  Dietrich  rait  itiii  manncschraff't 

den  ivalt  also  iiucJumden; 

Ercl-e  der  chom  dar  gegan, 

er  lie  dtdicime  rosse  vil; 

daz  ivas  niht  icol  getan. 

\Ä  stimmen  im  ganzen  mit  diesem  texte  überein.  Die  wich- 
tigsten abweii'hnngen  sind:  z.  1  Uns]  Erst  L'),  Lutringen] 
Lhhc  L,  Lon  d;  z.  9  — 10  her  Dietrich  und  (und  fehlt  d)  der 
kiiene  man  n-ol  an  den  selben  stunden.  Die  abweichungen  in 
as  sind  bedeutender;  z.  1 — 2  lauten:  Wir  funden  Inje  geschriben 
sta)i.  icie  das  siven  unuerzagte  man  u. s.  w.;  z.  8 — 10  beruhen 
auf  Ld  8 — 10.  aber  Ld  10  ist  hier  z.  8  (da  zu  den  seJhen  stunden) 
und  z.  9 — 10  lauten  hier:  Herr  HcJc  der  ivolt  nie  abelan,  Den 
ireg  hat  er  gefunden.  Für  Hre{k)ke  der  CB  haben  Ldas  richtig 
Her  Eclc{e). 

Der  name  Helferich  von  Lüne  (Lutring-en)  ist  derselbe, 
den  auch  der  verwundete  ritter  führt,  den  Ecke  unmittelbar 
vciriier  am  wege  liegend  gefunden  hat.  Die  erste  frage,  die 
sich  an  die  Strophe  knüpft,  ist  demnach,  wer  der  ursprüng- 
liche träger  dieses  namens  ist.  Da  die  begegnung  mit  dem 
fremden  ritter  allgemein,  auch  von  Freiberg,  für  einen  jungen 
Zusatz  gehalten  wird,  ist  die  naheliegende  auffassung  die,  dass 
der  name  in  L  69  ursprünglich  ist,  dass  er  aber  von  einem 
interpolator,  der  einen  augenzeugen  als  berichterstatter  ein- 
führen wollte,  auf  den  ritter  übertragen  wurde.  Diese  ansieht 
hat  Fr.  Vogt  (Zs.  fdph.  25, 1  ff.)  ausgesprochen  und  mit  guten 
gründen  verfochten.  Er  hält  Helferich  von  Lutringen,  wie  er 
liest,  für  den  dichter  des  Eckenliedes  und  schliesst  aus  L  69, 
die  er  für  die  alte  eingangsstrophe  hält,  dass  die  ganze  ein- 
leitung  ein  jüngerer  zusatz  ist. 

Gegen  Vogts  erklärung  wendet  Freiberg  zunächst  ein, 
dass  auch  P  die  einleitung  enthält.  Diese  einwenduilg  ver- 
liert bei  unserer  auffassung  des  Verhältnisses  der  Überlieferungen 
ihre  bedeutung.  Da  P  und  Ldas  zusammen  auf  eine  breite 
Umarbeitung  zurückgehen,  kann  die  einleitung,  auch  wenn  sie 


•)  (1  bat:  Das  sait  uns. 

12* 


174  BOER 

in  P  enthalten  ist,  sehr  gut  ein  zusatz  von  U  sein.  Mehr  hat 
die  bemerkung  zu  bedeuten,  dass  der  stil  der  Strophe  ein  anderer 
ist  als  der  des  übrigen  gedichtes.  Sie  enthält  in  13  zeilen 
eine  reihe  mitteilungen,  wozu  die  einleitung  68  Strophen 
braucht.')  Freiberg  erklärt  darum  die  Strophe  als  eine  rentree 
en  matiere,  wie  solche  in  der  französischen  poesie  häufig  be- 
gegnen; der  dichter  hätte  nach  einer  pause  kurz  das,  was 
vorangeht,  widerholt.  Er  glaubt,  dass  as  die  richtigen  anfangs- 
zeilenbewahrt haben  (Wir  fundcti  liye  geschriben  stau  u.s.w.); 
der  name  Helfericli  von  Lutringen  käme  ursprünglicli  dem 
verwundeten  ritter  zu,  und  erst  ein  junger  dichter  (der  gemein- 
schaftlichen vorläge  von  Ld,  die  er,  aber  fälschlich,  für  näher 
verwant  ansieht)  hätte  ihn  in  L  69  aufgenommen,  um  den  be- 
richten dieser  Strophe  einen  schein  von  autenticität  zu  geben. 
Gegen  diese  hypothese  spricht  nun  schon  von  dem  Stand- 
punkte des  überlieferten  gedichtes,  Avas  Vogt  auch  für  seine 
ansieht  angeführt  hat,  dass  auch  in  as,  sogar  in  höherem  grade 
als  in  L,  dem  verwundeten  ritter  die  rolle  des  berichterstatters 
dadurch  zufällt,  dass  er  hier  ein  augenzeuge  des  kämpf  es  ist. 
Der  bericht,  dass  er  Ecke  nachschleicht  (as  62),  dient  nach 
Vogt  dem  zwecke,  zwischen  der  geschichte  von  dem  ver- 
wundeteten  Helferich  und  der  berufung  auf  Helferichs  aus- 
sage eine  Verbindung  zu  stände  zu  bringen.^)  Wenn  Freiberg 
dagegen  anführt,  dass  gerade  in  as  diese  Verbindung  dadurch 
aufgehoben  ist,  dass  die  in  rede  stehende  Strophe  (as  63)  den 
namen  Helferich  nicht  enthält,  so  übersieht  er,  dass  die  ände- 


^)  Der  einwand,  dass  der  umarbeiter  den  dichter  nicht  zu  einer  so 
traurigen  rolle  verurteilt  haben  könne  (s.  34),  ist  absolut  subjectiv.  Es  ist 
übrigens  nicht  so  sicher,  dass  er  sich  Helferich  gerade  als  den  dichter  vor- 
gestellt hat;  er  kann  in  ihm  auch  einen  berichterstatter  an  den  dichter 
gesehen  haben.  Dasselbe  gilt  von  der  behauptung,  dass  es  'auffallend' 
wäre,  '  wenn  sich  ein  dichter  in  der  ersten  zeile  seines  Werkes  mit  den 
Worten  Uns  seit  von  Lutringen  Helfrich,  also  doch  gewissermassen  zugleich 
als  hörer  einführte'.  Die  stelle  ist  in  keiner  hinsieht  auffallender  als  Klage 
4349  Uns  seit  der  tihtccre,  der  uns  tihte  ditze  nuere.  Helferich  von  Lüne 
oder  Lutringen  kann  wie  der  erste  dichter  der  Klage  von  einem  zweiten 
dichter,  der  deshalb  noch  nicht  U  gewesen  zu  sein  braucht,  als  dichter  be- 
zeichnet worden  sein.    Vgl.  übrigens  Vogt  a.  a.  o.  s.  9. 

*)  Die  Strophe  scheint  noch  jünger  als  as  130  ff.,  wo  Helfferich  zwar 
dem  Berner  (nicht  Ecke)  nach  schleichen  thette,  aber  ihn  doch  nicht  erreicht 
bat,  denn  Dietrich  sieht  ihn  erst,  als  er  eine  strecke  geritten  ist. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  175 

ruiio-  as  68.1-2  sehr  wol  von  einem  jüngeren  redactor  lier- 
rülireu  kann.  Aiicli  sonst  ist  die  Strophe  in  as  in  holiem  grade 
entstellt  (vgl.  die  Versetzung  von  z.  10;  näheres  unten).  Dass 
aber  z.  1  die  lesart  Wir  funden  hye  geschriben  stan  die  ursprüng- 
liche sein  sollte,  wird  durch  die  Übereinstimmung  der  übrigen 
texte  des  liedes  mit  dem  der  Carmina  Burana  widerlegt,  um 
so  deutlicher,  als  nicht  nur  das  L  gegenüber,  aber  auch  das 
.+  L  CB  gegenüber  eine  gruppe  bilden.  Für  den  nachweis 
jenes  Verhältnisses  verweise  ich  auf  §  11;  dieses  wird  durch 
gemeinschaftliche  fehler  in  Ldas  wie  z.  10  tvol  an  (da  zu)  den 
selben  stunden  über  den  icalt  also  unchmden  (vgl.  gleich  unten) 
sichergestellt.')  Schon  daraus  folgt  unmittelbar,  dass  z.  1  die 
durch  LdCB  bezeugte  lesart  Uns  {Erst)  seit  von  Lune  {Lu- 
tringen)  Uelfrich  älter  ist  als  die  von  as.  —  Die  hj'pothese,  dass 
li  69  eine  rentree  en  matiere  sei,  wird  ferner  dadurch  wider- 
legt, dass  die  stroplie  einen  bericht  enthält,  der  der  einleitung 
und  dem  Eckenliede  überhaupt  vollständig  unbekannt  ist, 
dessen  ursprünglichkeit  aber  durch  die  p.  s.  erwiesen  wird. 
Nach  z.  9 — 10  reitet  Dietrich  den  walt  also  unchiinden.-) 
Dietrich  ist  also  wie  in  der  saga  in  einen  ihm  unbekannten 
wald  geritten  und  hat  sich  dort  verirrt.  Dann  kommt  Ecke 
hinzu;  —  dass  dieser  den  weg  nicht  kennt,  wird  nicht  gesagt. 
Jetzt  wird  auch  der  zweck  der  weiteren  Umarbeitung  in  as 
klar.  Er  ist,  die  Strophe  der  neuen  Situation  anzupassen.  Ja 
also  finster  luas  der  than  da  zu  den  selben  stunden;  herr  Eck 
der  ivoU  nie  abelun  (also  obgleich  der  wald  finster  war),  den 
ueg  hat  er  gefunden.  Jetzt  ist  es  Ecke,  der  den  weg  nicht 
kennt,  ihn  aber  zu  finden  weiss. 

Eine  andere,  sogar  wörtliche,  Übereinstimmung  mit  der 
saga.  die  das  hohe  alter  der  Strophe  verbürgt,  zeigen  z.  12 — 13 
er  lie  daheime  rosse  vil;  daz  tvas  niht  koI  getan.    Die  bemer- 


')  Die  bemerkungeu  Vogts  a.a.O.  s.  2,  der  zeigt,  dass  auch  aus 
metrischen  gründen  (Ldas  führen  den  cäsurreim  ein)  der  Strophe  der  Car- 
mina  Buraua  der  Vorzug  zu  geben  ist,  lässt  Freiberg  vollständig  unbeachtet. 
Vogt  hat  jedoch  nicht  betont,  dass  as  eine  weitere  Verderbnis  von  Ld 
darstellen. 

*)  Schon  Vogt  a.a.O.  s. 2  macht  darauf  aufmerksam,  dass  CB  hier 
bestimmte  angaben  bietet,  und  dass  der  umstand,  dass  Dietrich  reitet,  mit 
z.  11  her  Ecke  (so  nach  L)  der  chom  dar  gegan  einen  gegeusatz  bildet.  — 
Im  vorübergehen  weise  ich  auf  die  altertümliche  construction  von  z.  10. 


176  BOER 

kung"  findet  sich  fast  wörtlich  in  der  saga  wider,  und  zwar 
noch  in  dem  gespräche  der  gegner  c.  98,  7—8  Osynio  (=  daz 
tcas  niht  tvol  getan)  let  ec  liest  minn  heinia  eftir\  sie  ist  gewis 
in  Eckes  munde  besser  am  platz  als  in  dem  des  dicliters.  Also 
repräsentiert  schon  str.  69  eine  ab  weichung,  die  aber  dem 
originale  bedeutend  uäher  steht  als  die  einleitung  der  Um- 
arbeitung. 

Wider  die  einleitung  spricht  schliesslich  überzeugend,  dass 
Väsolt,  der  doch  in  der  einleitung  vollständigen  aufschluss 
über  Eckes  absieht  mit  Dietrich  empfängt,  später  nicht  nur 
von  dem  kämpfe,  der  stattgefunden,  nichts  weiss,  sondern 
sogar  glaubt,  der  Berner  werde  seinen  bruder  im  schlafe 
ermordet  haben. 

Wenn  also  str.  L  69  in  der  fassung  der  CB  alt  ist,  so  hat 
Vogt  wol  recht,  wo  er  in  Helferich')  den  namen  eines  dich- 
ters  sucht.  2) 

Freilich  kann  nun  str.  L  69  nicht  die  alte  eingangsstrophe 
des  überlieferten  Eckenliedes  sein.  Die  stilistischen  einwen- 
dungen  gegen  eine  solche  meinung  belialten  ihre  kraft.  Aber 
nicht  nur  die  einleitung  ist  zugesetzt;  vielmehr  ist  das  ganze 
gedieht  umgearbeitet.  Kurz,  str.  69  ist  nicht  die  alte  eingangs- 
strophe des  Eckenliedes,  sondern  die  eingangsstrophe  des  alten 
Eckenliedes.  Dass  sie  bei  der  radicalen  Umarbeitung  erhalten 
blieb,  erklärt  sich  am  besten  daraus,  dass  sie  Helferich  als 
gewährsmann   nennt.     Die  Strophe   erschien   dem   umarbeiter 


^)  Ob  von  Lüne  oder  von  Lutringen  die  richtige  uamensform  ist,  er- 
scheint zweifelhaft.  Das  znsammeiigeheu  von  Ld  beweist  (vgl.  §  11),  dass 
HD  von  Lnne  hatte.  Anderseits  gehen  as  und  CB  zusammen,  as  wird 
Lutring,  Lutringen  der  nach  dem  zeuguis  vou  CB  landläufigen  strophe  ent- 
lehnt haben.  (Ueber  die  —  verhältnismässig  geringe  ■ —  möglichkeit,  dass 
CB  diese  lesart  aus  as  aufgenommen  habe,  s.  §  12)  Es  stehen  einander 
demnach  HD  und  CB  gegenüber.  Metrisch  ist  Lüne  richtiger  {Lutring  ist 
eine  jüngere  kürzung  in  as),  und  das  wird  wol  auch  das  echte  sein.  Dass 
der  name  einer  bekannten  landschaft  an  die  stelle  eines  unverstandenen 
namens  trat,  ist  ganz  verständlich. 

-)  Die  Übereinstimmung  zwischen  d  und  CB  lehrt,  dass  z.  1  uns  richtig 
ist;  erst  ist  eine  äuderung  von  L.  Ich  glaube  nicht,  dass  Vogt  t'rst  richtig 
durch  'erst  jetzt'  übersetzt.  Die  stelle  scheint  eher  auszusagen,  dass  der 
von  Dietrich  verwundete  Helferich  von  Lüne  der  erste  war,  der  Dietrichs 
kämpf  mit  Ecke  erzählt  hat.  Der  Schreiber  von  L  hat  ebensowenig  wie 
der  redactor  von  as  Helferich  als  einen  dichter  aufgefasst. 


DAS   ECKEIsTLlED   UND    SEINE   QUELLEN.  177 

■wichtig  geniio:,  um  ihrer  erklärung  zu  liebe  ciue  gauze  episode 
liiuzuzudichten.  Daraus  lässt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit schliessen.  das  Kckes  begegnung  mit  dem  verwundeten 
ritter  nicht  jünger  als  die  ihr  vorhei'gehendeu  Strophen  ist 
und  also  nodi  der  gemeinsamen  quelle  von  HD  und  P  an- 
gehört. Denn  wenn  str.  52— r)8  jünger  als  1(2)— 51  wären, 
so  würde  es  allerdings  auffallen,  dass  str.  69  bei  der  ent- 
stehung  der  einleitung  nicht  verloren  oder  doch  geändert  oder 
nach  dem  anfang  versetzt  worden  wäre.  Es  lässt  sich  kaum 
annehmen,  dass  ihr  platz  jemals  unmittelbar  nach  str.  1  (2) — 51 
gewesen  sei.  Es  verbietet  auch  nichts,  str.  52 — 58  ein  so  hohes 
alter  zuzuerkennen.  Die  einleitung  bis  str.  52  ist  gewis  nicht 
besser  als  diese  Strophen,  und  die  französische  bearbeitung 
kann  sehr  gut  die  kurze  episode  ausgelassen  haben. 

Es  verdient  beachtung,  dass  str.  L  68,  in  der  Ecke  Hel- 
ferich verbindet  und  sich  von  ihm  verabschiedet,  L  69  benutzt 
hat.  Z.  9  des  er  ril  grözen  schaden  nan  beruht  auf  69,  6  wcui 
si  dan  schaden  nämen.  Z.  5 — 7  da  von  un  geriten  hat  der  edel 
Bernwrc  mit  grözen  l-reftcn  in  den  tan  benutzt  69, 9  in  der 
alten  nur  in  CB  überlieferten  gestalt:  Her  Dietrich  rait  mit 
manneschraft^)]  vgl.  auch  69,  7  der  tan.-) 

Diese  entlehnungen  bestätigen  sowol  die  vorzügiichkeit 
von  CB  wie  das  hidiere  alter  von  L  69  gegenüber  jenen 
Strophen,  die  von  der  begegnung  mit  Helferich  erzählen.'^) 

Es  fällt  auf,  dass  auch  L  69,  wie  die  saga,  zuerst  Diet- 
rich, erst  darauf  Ecke  nennt  (vgl.  s.  164  f.).    Sechs  einleitende 


')  Wenn  der  dichter  von  L  68  nicht  den  sinn  umdreht  und  eine  ge- 
zwungene construction  herstellt,  beweist  69,  9,  dass  Zupitza  str.  68  irrtümlich 
nach  z.  6  unterpungiert  und  z.  7  zu  z.  8—9  zieht. 

■■';  In  der  L  6H  entsprechenden  Strophe  d  73  ist  L  69, 10  als  z.  8  auf- 
genommen, aber  in  der  jüngeren  aus  L  bekannten  fassung  (tvol  an  den- 
selben stunden).  Da  d  von  einer  L  nahestehenden  handschrift  stammt, 
geht  diese  redaction  auch  nur  sehr  selten  über  L  hinaus. 

^)  Yogt  glaubt,  dass  L  68  in  as  fehle,  und  zieht  daraus  den  schluss, 
dass  diese  Strophe  vielleicht  jünger  sei.  Aber  die  Strophe  fehlt  nicht;  in 
as  eutspriclit  str.  57.  Uebrigens  genügt  die  Übereinstimmung  von  Ld,  um 
die  echtheit  von  L  68  darzutun.  Freilich  lässt  as  aus,  dass  Ecke  Helferich 
verbindet:  dafür  wird  in  einer  zusatzstrophe  str.  62  erzählt,  dass  dieser 
seine  wunden  mit  einem  rasenstücke  zusammenhält,  was  doch  avoI  niemand 
für  ursprünglich  ansehen  wird. 


178  BOER 

Zeilen  handeln  von  dem  gewährsmann  und  dem  Inhalte  des 
liedes,  dann  folgt  eine  bemerkung  über  die  finsternis  des 
waldes,  dann  reitet  Dietrich  in  den  wald,  erst  darauf  kommt 
Ecke  hinzu.  Die  Umarbeitung  hebt  mit  Ecke  an;  der  Berner 
wird  nicht  eher  eingeführt  als  sein  feind,  der  ihm  nachläuft, 
ihn  erreicht  hat. 

In  dem  alten  liede  erfuhr  mau,  wie  in  der  saga,  erst  aus 
dem  gespräche  der  gegner,  dass  die  königinnen  Ecke  gerüstet 
haben.  Scheinbar  neu  ist  in  der  saga  nur  die  chronologische 
anknüpfung  des  abenteuers  an  einen  früheren  kämpf  Dietrichs, 
dessen  unglücklicher  ausgang  die  nächste  veranlassung  zu 
seiner  reise  ist.  In  dem  alten  liede,  das  nur  diese  eine  erzäh- 
lung  enthielt,  wird  für  die  reise  kein  grund  angegeben  sein; 
man  gieng  wol  davon  aus,  dass  der  held,  ausgeritten  ist;  vgl. 
jedoch  über  einen  in  der  quelle  enthaltenen  grund  zu  der  an- 
knüpfung in  der  saga  §  5. 

Dass  die  strophe  eine  eingangsstrophe  ist,  steht  in  Überein- 
stimmung mit  anderen  Strophen  der  Carmina  Burana,  wo  eine 
erste  strophe  eines  bekannten  gedichtes  als  metrisches  beispiel 
an  den  anfang  einer  reihe  lateinischer  Strophen  gestellt  wird. 
Vielleicht  darf  man  daraus  schliessen,  dass  schon  die  directe 
quelle  von  U  nicht  mehr  niederdeutsch  war.  Das  alte  lied 
wäre,  ehe  die  Umarbeitung  entstand,  in  den  dialekt  übertragen 
worden,  der  auch  der  von  U  ist. 

Es  muss  hier  auf  str.  L  144  ff.,  die  Freiberg  für  seine 
hypothese,  dass  str.  L  69  eine  rentree  en  matiere  sei,  zu  ver- 
werten sucht,  eingegangen  werden.  Die  stelle  ist  L  69  durch- 
aus unähnlich  und  entspricht  auch  in  keiner  hinsieht  der  de- 
flnition,  die  aus  anlass  dieser  strophe  von  einer  rentree  en 
matiere  als  einer  kurzen  recapitulation  des  vorhergehenden, 
die  den  liörer  in  die  Sachlage  hineinversetzen  soll,  gegeben 
wird.  AVährend  str.  L  69  in  13  verszeilen  nach  Freibergs 
auf  Zählung  sechs  tatsachen  mitteilt,  recapitulieren  str.  144  ff. 
gar  nichts,  sondern  sie  setzen  die  str.  L  141,4  angefangene 
klagerede  fort.  Sie  enthalten  keine  Inhaltsangabe  des  kampfes, 
sondern  höchstens  eine  breitredige  widerholung  oder  fortsetzung 
der  klage,  genau  so  lang  wie  deren  erste  hälfte.  Der  zweck 
der  erneuten  klage  ist  deutlich  der,  den  nachdruck  darauf  zu 
legen,  dass  Dietrich  nur  zögernd  an  seinem  gegner  den  reroup 


DAS   ECKENLIED    UND    SEINE    QUELLEN.  179 

begeht  (näheres  darüber  §  5.  6),  An  dem  geringen  alter  von 
Str.  L  Ui  ff.  zweifle  ich  niclit;  dass  sie  jünger  als  str.  141 — 143 
seien,  folgt  aber  darans  nicht;  mit  einer  rentree  en  matiere 
haben  sie  nicht  die  geringste  ähnlichkeit. 

§  5.    Das  gespräch  der  lielden  A'or  dem  kämpfe. 

^^'ir  gehen  von  hier  an  von  der  darstellung  der  saga  aus 
und  zeigen,  wie  aus  ihr  die  jüngere  entstanden  ist. 

C.  97.  Khe  Dietrich  es  gewahr  wird,  ist  Ecca  ihm,  der 
(i(  wiih-i  nott  in  den  wald  geritten  ist,  genaht  und  fragt,  wer 
dort  so  übermütig")  reitet.  In  seiner  abneigung  gegen  den 
kami>f  gibt  Dietrich  sich  für  Heimir  aus  und  sagt,  er  sei  auf 
dem  wege  zu  seinem  vater  Studas  in  Bertangaland.  Ecca 
spricht  die  Vermutung  aus,  dass  er  nicht  Heimir,  sondern 
Dietrich  sein  werde,  und  fordert  ihn  auf,  vor  einem  manne 
seinen  namen  nicht  zu  verhehlen,  worauf  der  könig  seine 
Identität  eingesteht.  Dann  beginnt  Ecca  ihn  herauszufordern 
und  preist  seine  waffen  an ;  der  könig  wird,  so  meint  er,  die- 
selben brauchen  können,  wenn  es  wahr  ist,  dass  er  vor  kui'zem 
im  kämpfe  mit  einem  dänischen  beiden  unterlegen  ist.  Diet- 
rich behauptet,  er  sei  zu  diesem  kämpfe  nicht  gerüstet;  auch 
könne  in  der  dunkelheit  der  nacht  keiner  den  andern  sehen. 
A\'enn  es  tag  wäre,  so  würde  er  nicht  z()gern,  auf  die  heraus- 
f orderung  einzugehen,  obgleich  er  schlechter  als  sein  gegner 
bewaffnet  sei.  —  C.  98.  Ecca  erzählt,  dass  neun  königstücliter 
und  ilu'e  mutter  ihn  zu  diesem  kämpfe  gerüstet  haben.  Dann 
beschreibt  er  seine  rüstung  ausführlich  und  fordert  Dietrich 
von  neuem  heraus.  Dieser  widerholt,  er  könne  in  der  nacht 
nicht  kämpfen,  rät  aber  Ecca,  ihn,  Avenn  der  tag  angebrochen 
sein  werde,  nicht  zu  reizen,  da  die  sache  dann  für  ihn  einen 
schlechten  ausgang  haben  werde.  —  C.  99.  Ecca  fährt  fort;  er 
fordert  nun  Dietrich  auf,  seines  lebens  und  der  ehre  bei  den 
trauen  wegen  zu  kämpfen.  Dann  ist  Dietrich  bereit.  Er  steigt 
von  seinem  pferde,  und  da  die  finsternis  ihn  daran  hindert, 
seinen  feind  zu  sehen,  schlägt  er  mit  seinem  schw^erte  funken 


*)  Die  form  des  adverbiums  stohliga  Aveist  keineswegs  auf  eine  hd. 
quelle.  Sowol  das  adj.  stolz  wie  das  adv.  stahl itja  begegnet  auch  in  nicht 
übersetzten  texten;  stoltr  aber  ist  selten  und  jung;  siehe  Vigfussou  und 
Fritzner  s.  v. 


180  BOER 

aus  dem  felsen.  Dasselbe  tut  Ecca.  Bei  diesem  schein  nahen 
sich  die  helden  einander. 

Wir  betrachten  zunächst  diesen  letzten  zug.  Die  finsternis 
der  nacht  ist  zugleich  für  Dietrich  ein  willkommener  grund, 
den  kämpf  zu  verweigern,  und  ein  wirkliches  hindernis.  Dies 
geht  auch  aus  dem  Eckenliede  noch  klar  hervor.  Schon  in 
der  alten  eingangsstrophe  wird  sie  in  den  Vordergrund  gerückt. 
Aber  auch  L  92  sagt  der  lield,  er  sei  zum  kämpfe  bereit:  weit 
ir  so  lange  Uten  hiz  der  tac  gtt  sinen  scJiin.  Auch  hier  weigert 
Dietrich  sich  nicht  zu  kämpfen,  aber  das  dunkel  steht  im  wege. 
Wenn  P  daraus  macht,  dass  der  held  den  riesen  bittet,  zu 
warten,  bis  er  ein  abenteuer  im  dienst  einer  anderen  dame 
bestanden  haben  werde,  so  ist  die  einmischung  eines  fremden 
motivs  aus  dem  britischen  Sagenkreise  klar  ersichtlich;  mit 
unserer  sage  hat  das  nichts  zu  tun.  Um  sich  einander 
nahen  zu  können,  schlagen  darauf  die  helden  feuer  aus  dem 
felsen.  Auch  der  umarbeiter  hat  sich  die  frage  gestellt,  wie 
Dietrich  und  Ecke  in  der  nacht  einander  zu  sehen  vermögen. 
Er  findet  heraus,  dass  ihre  beiden  hämische  wie  zwei  sonnen 
glänzen,  ihre  helme  aber  wie  zwei  Vollmonde.')  Aber  er  ver- 
gisst,  dass  dadurch  jeder  grund,  von  der  finsternis  des  Avaldes 
zu  reden,  hinfällig  wird,  und  dass  es  nunmehr  gar  keinen 
zweck  hat,  wenn  Dietrich  den  kämpf  bis  zum  morgenden  tage 
aufzuschieben  wünscht.  Dadurch  wird  auch  die  reminiscenz  an 
das  nächtliche  dunkel,  die  L  103,  5 — 6  bringt  {si  spraclien  heid 
'ivan  ivolt  es  tagen')  unverständlich;  z.  2 — 4  wird  das  daraus 
erklärt,  dass  von  den  schwertschlägen  der  schein  der  helme  er- 
bleicht (vom  glänze  der  rüstungen  ist  hier  nicht  mehr  die  rede). 2) 

Einen  weiteren  schritt  tut  die  französische  bearbeitung. 
Das  licht  kommt  von  einem  karfunkelstein  auf  dem  helme  des 
riesen.  Als  der  ritter  diesen  herabgesclilagen  hat,  entsteht 
eine  finsternis,  die  die  feinde  zur  Unterbrechung  des  kampfes 
nötigt.^)    Ueber  diese  pause  s.  §  6. 


1)  AVunderlichenveise  bemerkt  Dietrich  doch  die  ankuuft  des  riesen 
nicht;  er  sieht  nämlich  den  schein  von  Eckes  heim  für  einen  Widerschein 
seines  eigenen  helmes  au  (L  71). 

2)  Ueber  den  Widerspruch  mit  z.  7— 12  (12  so  si  ie  merc  hiuwen,  so 
ez  ie  vasier  brau)  s.  s.  188,  anm.  1. 

^)  Von  einem  karfuukel  ist  schon  in  der  bearbeitung-  das  die  rede. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  181 

Der  zng.  dass  Dietricli  sich  für  Heimir  ausgibt,  findet 
sicli  mir  in  der  saga.  Er  entspricht  vollständig  der  auf- 
fassung  der  alten  Überlieferung  von  Dietrichs  Charakter.  Kr 
vermeidet  nicht  bloss  den  kämpf  mit  Kcca,  er  fürchtet  ihn 
auch.  Erst  durrh  ein  starkes  seelisches  motiv  —  die  auf- 
forderung.  ehre  bei  den  frauen  zu  erwerben  —  lässt  er  sich 
dazu  bewegen;  dann  aber  erwacht  seine  heldenkraft.  Ob 
einem  modernen  leser  dieses  vermeiden  des  kampfes  des 
beiden  unwürdig  scheinen  mag,  tut  nichts  zur  sache;  auch  im 
Hede  sucht  er  den  kämpf  zu  ^•ormeiden.  und  L  84  gibt  er 
sogar  als  einen  doppelten  grund,  sich  mit  Ecke  nicht  einzu- 
lassen, an,  dass  er  kein  verlangen  hegt,  es  gegen  einen  so 
trefflich  gewaffneten  gegner  aufzunehmen.  Die  stelle  der  saga 
atmet  denselben  geist  wie  Dietrichs  niederlage  vor  Viöga,  die 
doch  auch  auf  einer  echten  tradition  beruht,  und  auf  Avelche 
Ecca  auch  anspielt.  Es  ist  durchaus  unmethodisch,  diese  an- 
spielung  aus  dem  einfachen  gründe,  dass  das  Eckenlied  nichts 
entsprechendes  hat,  auf  das  conto  des  sagaschreibers  zu -setzen: 
der  Sagaschreiber  hat  vielmehr  seinen  stoff  so  disponiert,  Avie 
er  in  der  saga  vorliegt,  weil  seine  quelle  diese  anspielung 
enthielt.  Wenn  Ecca  auf  den  unglückseligen  kämpf  mit  Yiöga 
anspielt,  so  muss  dieser  also  früher  stattgefunden  haben;  auf 
grund  dieser  erwägung  geht  in  der  saga  der  kämpf  mit  Viöga 
(c.  0-1)  dem  mit  Ecca  (c.  96  ff.)  unmittelbar  voran. ')  Die  an- 
spielung ist  von  gleicher  art  wie  die  auf  den  kämpf  mit  Hilde 


d  201  befindet  sich  in  Hiltegrim  ein  karfunkel ;  Dietrich  nimmt  ihn  heraus 
und  setzt  ihn  in  Eckes  heim  ein.  In  as  ist  die  mitteilung  in  entstellter 
form  nach  str.  58  übergeführt:  Do  leucht  des  Berners  Htltegrin;  die  nacht 
icard  nye  so  tunckel;  sein  hämisch  der  gab  Hechten  schein,  als  sani  er  wer 
karfunckel.  Aber  nur  P  lässt  de  riesen  einen  karfunkel  im  helmc  tragen 
und  zieht  daraus  weitere  consequenzen. 

*)  Sogar  das  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  es  eine 
nicht  in  der  quelle  enthaltene  zutat  des  sagaschreibers  ist,  dass  Dietrich 
ausgezogen  ist,  um  die  scbmach,  die  er  im  kämpfe  mit  ViÖga  erlitten  hat, 
auszuwischen.  Denn  eine  entstellte,  auf  den  kämpf  mit  Ecke  übertragene 
reminiscenz  daran  dürfte  in  as  136, 11 — 12  gen  Bcrne  Jioni  ich  nymmer  dar, 
biss  das  mein  schand  und  lasier  doch  wärt  vergessen  gar  erhalten  sein.  Da 
indessen  as  130  eine  interpolierte  Strophe  und  eine  entsprechende  an- 
sjiielung  in  Ld  nicht  überliefert  ist,  ist  diese  erklärung  der  stelle  nicht 
zwingend. 


182  BÜER 

und  Grim  im  Eckenlied;  es  ist  sog-ar  nicht  unwahrsclieinlich, 
dass  der  umarbeiter  jenen  durch  diesen  verdrängt  hat,  da  in 
der  einleitung-  Dietrich  gelobt  werden  sollte,  und  der  umarbeiter 
überhaupt  alles  vermeidet  oder  mildert,  was  den  rühm  seines 
beiden  zu  schmälern  im  stände  war. 

Dass  Dietrich  reitet  und  nicht,  wie  P  behauptet,  unter 
einem  bäume  liegt,  wird  schon  durch  die  Übereinstimmung 
zwischen  der  saga  und  dem  liede  bewiesen.  Aber  nur  in  der 
saga  hat  das  einen  sinn.  Denn  Dietrich  hat  absichtlich  zu 
seiner  reise  durch  den  wald  die  nacht  gewählt,  um  Eccas 
nachspürungen  zu  entgehen.  Wo  er,  wie  im  Eckenliede,  gar 
nicht  weiss,  welche  gefahr  ihm  droht,  da  hat  es  allerdings 
keinen  vernünftigen  zweck,  in  der  nacht  im  finstern  wald 
umherzuirren,  anstatt  sich  zur  ruhe  zu  legen.  Der  französische 
text  zieht  diese  consequenz.  Das  hat  einen  Aveiteren  grund 
in  der  aufnähme  eines  aus  ritterromanen  wolbekannten  motivs. 
Der  ritter  ist  hier  nämlich  von  einer  dame  begleitet.  Es 
leuchtet  nun  ein,  dass  er  unter  solchen  umständen  lieber  es 
sich  die  nacht  über  in  ihrer  gesellschaft  bequem  zu  machen 
als  die  abenteuerliche  reise  fortzusetzen  wünscht.') 

Auf  Dietrichs  geständnis,  dass  er  der  Berner  sei,  folgt 
die  herausforderung  und  die  anpreisung  der  waffen.  Als  es 
Ecca  dadurch  nicht  gelingt,  den  könig  zum  kämpfe  zu  bewegen, 
beschwört  er  ihn,  der  frauen  wegen  zu  kämpfen,  und  darauf 
geht  Dietrich  ein.  Das  Eckenlied  lässt  auch  dieses  argument 
seine  Wirkung  verfehlen  und  Dietrich  erst  seinen  entschluss 
fassen,  nachdem  Ecca  auf  gottes  hilfe  verzichtet  hat.  Ueber 
den  Ursprung  und  das  alter  dieser  einzelheit  ist  es  nicht  nötig, 
ein  wort  zu  verlieren.-)  Der  französische  roman  lässt  alle 
diese  erwägungen  beiseite;   der  ritter  ist  sofort  zum  kämpfe 


1)  Freiberg  bringt  es  fertig,  sogar  diese  Vorstellung  für  die  ursprüng- 
liche zu  erklären,  und  behauptet,  der  Eckendichter  lasse  Dietrich  zu  keinem 
anderen  zwecke  zu  jiferde  sitzen,  als  um  die  möglichkeit,  dass  der  riese 
ihn  ohne  weiteres  angreift,  zu  entfernen  und  so  eine  gelegenheit  für  das 
lange  gespräch,  das  er  die  gegner  führen  lassen  wollte,  und  dessen  Inhalt 
also  vollständig  von  ihm  ersonnen  sein  soll,  zu  schaffen.  Auch  hier  muss 
man  fragen,  wie  es  dazu  stimmt,  dass  Ecke  Dietrich  nachlaufen  und  ihn 
einholen  konnte  (s.  oben  s.  169.  171). 

2)  Ein  ausgaugspunkt  für  dieses  gerede  findet  sich  doch  in  der  quelle 
au  einer  anderen  stelle.    C.  lOi,  15  ff.   vor  dem  kämpfe  mit  dem  dracheu 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         183 

bereit;  er  bittet  nur  um  eine  kurze  frist  (s.  s.  180);  dann  greift 
der  riese  ihn  ohne  winteres  an. 

Auch  liier  glaubt  Freiberg-,  dass  die  französische  bearbei- 
tung  auf  dem  ursiiriinglichcn  Standpunkte  stehe.  Zwiscben 
der  anpreisung  der  waffcn  und  dem  zug,  dass  der  beld 
nachher  die  riistung  des  besiegten  anzieht,  besteht  natür- 
lich ein  zusannuenhang.  Nun  geschieht  dies  aucb  in  dem 
ft-anzösischcn  rumau.  In  der  späteren  ritterzeit  aber  wurde 
das  für  unpassend  gehalten.  Darum  ladet  der  besiegte  in  P 
ausdrücklich  seinen  gegner  zu  dem  reiuup  ein.  Das  hält  Frei- 
berg für  den  ausgangspunkt.  Im  liede  geschieht  das  zwar 
nicht,  aber  Dietrich  beklagt  in  übertriebenster  weise  des 
recken  tod.  Hier  tindet  sich  auch  die  anpreisung  der  waffen. 
Das  wäre  die  zweite  stufe.  In  der  saga  wären  die  furcht- 
baren klagen  und  die  selbstanklage  fortgelassen:  Dietrich 
zieht  ohne  gewissensbisse  die  rüstung  des  besiegten  an. 

Das  darf  man  ruhig  nennen  die  geschichtliche  entwick- 
hing auf  den  köpf  stellen.  Im  altertum  war  es  nicht  eine 
schände,  sondern  eine  ehre,  einem  getöteten  feind  die  waffen 
zu  nehmen;  ein  späteres  Zeitalter  erachtet  das  eines  beiden 
unwürdig.  Nun  wird  in  der  (juelle,  die  positiv  die  älteste  ist, 
gesagt,  dass  der  held  ohne  zögern  sich  die  waffen  des  gegners 
aneignet;  in  einer  jüngeren  quelle  tut  er  dasselbe,  aber  er 
macht  sich  darüber  heftige  vorwürfe,  und  es  findet  sich  in 
der  jüngeren  recension  dieser  ciuelle')  die  entschuldigung,  dass 
seine  eigene  rüstung  im  kämpfe  so  übel  zugerichtet  sei,  dass 
ihm  kein  anderer  weg  offen  stand.  In  einer  noch  jüngeren 
quelle  wird  er  von  dem  sterbenden  gegner  mit  den  waffen 
beschenkt.  Dass  der  held  die  rüstung  des  feindes  anlegt,  da- 
rüber sind  die  quellen  einig.  Ein  grund  dazu  ist  in  der 
jungen  quelle,  die  die  ursprüngliche  sein  soll,  nicht  vorhanden ; 
in  der  jüngsten  recension  des  Eckenliedes  wird  eine  not- 
erklärung  gesucht.  Jed(ir  ^'orurteilslose  v^'ivd  daher  schliessen, 
dass  dieser  zug  aus  einer  älteren  version  stammt,  wo  er  in 
einer   bestehenden  sitte  begründet  ist,   und   dass   sowol   die 


redet  Dietrich  von  dem,   er  ec  trui  a.    Es  ist  die  einzige  stelle  in  der  er- 
zähluug  der  saga,  die  ein  gottvertrauen  laut  werden  lüsst. 

';  d  l&Ö.  as  119.  L  weiss  jedoch  von  dieser  entschuldigung  noch  nichts. 


184  BOER 

selbstanklage  als  die  Schenkung  der  waffen  versuche  sind, 
die  alte  tradition  mit  den  jüngeren  ansichten  über  das',  was 
anständig  ist,  in  einklang  zu  bringen.  Nun  findet  sich  eine 
solche  Version,  die  die  beraubung  des  besiegten  als  etwas 
natürliches  auffasst,  in  der  ältesten  quelle.  Also  wird  der 
directe  beweis  für  das,  was  man  schon  auf  grund  der  jüngsten 
darstellungeu  vermuten  musste,  durch  die  aussage  einer  alten 
quelle  gebraclit.  Aber  nein,  der  Widerspruch,  dass  Dietrich 
unter  selbstanklagen  das  tut,  was  er  sich  selbst  als  eine 
schände  anrechnet,  muss  ursprünglich  sein,  und  um  zu  be- 
weisen, dass  die  älteste  quelle  die  abgeleitete  Vorstellung  hat, 
wird  behauptet,  dass  diese  Vorstellung,  die  die  alte  sitte  in 
ihrer  reinheit  abspiegelt,  durch  den  Verlust  von  zügen,  die 
nur  in  den  jüngeren  quellen  stehen  und  nur  als  die  folge 
einer  jüngeren  auffassung  in  die  Überlieferung  hineingeraten 
sein  können,  entstanden  sei. 

Die  beschreibuug  der  waffen  und  ihre  anpreisuug  sind 
also  keineswegs  ein  zusatz,  sondern  schon  durch  ihre  ausführ- 
lichkeit  eine  der  wichtigsten  hauptabschnitte  der  erzählung. 
Die  freundliche  bitte,  seine  rüstung  anzulegen,  die  in  P  der 
besiegte  gegner  an  den  sieger  richtet,  ist  iii  gewisser  hinsieht 
als  eine  umgedeutete  reminiscenz  an  die  auff orderung,  sich 
derselben  zu  bemächtigen,  aufzufassen.') 

Wir  betrachten  jetzt  die  anpreisung  der  waffen  für  sich. 
Auch  hier  ist  die  disposition  der  saga  vorzüglich.  Durch 
eine  gehässige  anspielung  auf  Dietrichs  unglücklichen  kämpf 
mit  Viöga  versucht  Ecca  ihn  zu  reizen,  und  zugleich  macht 
er  ihn  darauf  aufmerksam,  dass  hier  eine  gelegenheit  be- 
steht, rühm  und  zugleich  eine  waffeurüstung  zu  erwerben. 
Dietrich  weigert  sich;  er  lässt  zwar  durchblicken,  dass  er 
am  hellen  tage  den  kämpf  nicht  versagen  würde,  aber  es 
sieht  noch  fast  wie  eine  ausrede  aus;  dass  er  am  nächsten 
morgen  zum  kämpfe  bereit  sein  werde,  sagt  er  noch  nicht. 
Dann  führt  Ecca  die  sache  weiter  aus.  Eine  kurze  an- 
spielung auf  die  frauen,  die  ihn  gerüstet  haben,  —  darauf 

1)  Daraus  folgt  nicht,  dass  schon  U  diese  bitte  enthielt.  Denn  die 
aufforderung,  auf  die  sie  zurückgeht,  ist  noch  in  HD  erhalten.  —  Uehrigens 
enthielt  U  noch  einen  zweiten  ausgangspunkt  für  die  bitte,  s.  s.  197,  anm.l. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         185 

folgt  die  waffenbeschreibung:  heim,  pantzer,  scliild  —  leider 
kein  pferd;  sonst  wäre  der  fremde  wol  genötigt  zu  kämpfen. 
Soweit  redet  Ecca  kurz,  im  ganzen  S'/i  zeilen.  Dann  folgt 
die  beschreibung  des  Schwertes,  die  allein  25  zeilen  einnimmt. 
Jetzt  ist  Dietrich  schon  so  zornig,  dass  er  Ecca  bittet,  bis 
zum  tagesanbruch  zu  warten;  dann  wird  er  mit  ihm  kämpfen. 
Ecca  fährt  fort:  die  anpreisung  seines  goldes  (3'/ 2  seilen),  und 
damit  ein  schöner  Übergang  auf  sein  letztes,  entscheidendes 
argument:  'mehr  als  dieses  gold  brennt  mein  herz,  da  ich 
Jetzt  mit  dir  nicht  kämpfen  kann.  Aber  wenn  du  nicht  um 
das  gold  und  um  nu'int'  rüstung  kämpfen  willst,  so  tue  es 
deines  lehens  und  dieser  königinnen  halber'.  Durch  diese 
letzte  rhetorische  wendung  ist  Dietrich  überwunden;  er  ent- 
schliesst  sich,  nicht  länger  den  kämpf  aufzuschieben. 

Es  ist  kaum  ein  zufall,  dass  die  beschreibung  des  Schwertes 
Ekkisax  den  breiten  kern  der  herausforderung  bildet.  Wie 
man  auch  das  Verhältnis  des  namens  Ecca  zu  Ekkisax  auf- 
fasst  (vgl.  darüber  §  13),  dass  zwischen  diesen  beiden  irgend 
eine  bezieluing  besteht,  lässt  sich  nicht  leugnen,  und  damit 
hängt  es  zusammen,  dass  Ecca  zumal  das  seh  wert,  das  die 
Überlieferung  'als  das  von  Ecca  erworbene'  auffasst,  anpreist. 
Daran  schlies^t  sich,  vielleicht  secuudär,  eine  kurze  anpreisung 
der  übrigen  waffen.  Der  umarbeiter  hat  nicht  mehr  ver- 
standen, weshalb  das  seh  wert  ausführlicher  als  diese  be- 
schrieben werden  sollte,  und  er  fügt  nun  auch  breite  beschrei- 
bungen  der  anderen  waffenstücke  hinzu.  Fasst  man  den 
schluss  von  L  74  als  eine  allgemeine  einleitung  der  anpreisung 
auf,  so  sind  in  L  dem  panzer  3  Strophen  gewidmet  (75—77; 
75  bittet  Dietrich  um  die  besclireibung!  76  sagt  er  sogar,  dass 
er  mit  Ecke  nicht  mehr  reden  wolle,  so  lange  dieser  nicht 
die  gewünschte  auskuuft  gegeben  hat!),  dem  helme  1  strophe, 
dem  Schwerte  noch  5  (79 — 83)  —  kürzer  Hess  sich  die  alte 
erzählung  von  dem  umdichter  nicht  abmachen;  die  jüngeren 
redactionen  arbeiten  die  ganze  stelle  weiter  um.i) 

')  In  das  ist  die  stelle,  die  von  dem  Schwerte  handelt,  wie  auch  die 
vorangehende,  gekürzt;  statt  79—83  haben  as  eine  (6G),  die  L  79  (d  85) 
entspricht;  in  d  findet  sich  auch  eine  L  82  entsprechende  strophe  (87); 
d  8C  enthält  reminiscenzen  an  L  81,  während  d  88  ein  zusatz  ist.  — 
L  78,  die  vum  helme  handelt,   fehlt  in  as  vollständig;  d  erweitert  sie  zu 


186  BOER 

Abgesehen  von  diesen  neuerungen  ist  auch  die  schöne 
gliederung  der  alten  Überlieferung  zerstört.  Dietrichs  replik 
auf  die  erste  herausforderung,  die  die  folgende  so  schön  vor- 
bereitet, fehlt,  und  ebenso  jede  Steigerung  im  gespräche.  Der 
anschluss  von  rede  und  gegenrede  ist  in  dem  vorzüglichsten 
texte  des  liedes  wie  folgt:  72  Dietrich  fragt  den  riesen,  wes- 
halb er  ihm  nachlaufe.  73  Ecke  behauptet,  er  suche  Dietrich 
von  Bern  und  dieser  gibt  sich  sofort  zu  erkennen.  74  Ecke 
fordert  Dietrich  heraus,  sagt,  dass  er  ohne  pferd  ist,  dass  er 
durch  die  drie  h'ineg innen  gekommen  ist,  dass  Dietrich  hier 
schöne  Avaffen  gewinnen  kann.  75.  76  Dietrich  fordert  die 
beschreibung  (s.  oben).  77—83  Beschreibung.  84.  85  ganz 
zweckloses  hin-  und  herreden:  "wenn  dein  seh  wert  so  gut  ist, 
so  kämpfe  ich  nicht";  'nein,  es  ist  nicht  so  gut,  aber  du  bist 
ein  feigling'.')  In  der  breitredigen  str.  86  (z.  11)  findet  sich 
doch  an  der  alten  stelle  Dietrichs  Vorschlag,  bis  zum  morgen 
zu  warten.  Es  folgen  neue  inhaltsleere  phrasen:  87  schilt 
Ecke  Dietrich  von  neuem  feige  und  verflucht  den  weg,  den  er, 
Ecke,  gegangen  ist,  ihn  zu  suchen,  zieht  sich  aber  dadurch 
str.  88  einen  verweis  aus  dem  munde  des  Berners  zu,  da  er 
doch  diesen  weg  den  frauen  zu  liebe  zurückgelegt  habe; 
89  erklärt  Dietrich  noch  einmal,  er  wolle  nicht  kämpfen,  und 
bittet  Ecke,  die  frauen  von  ihm  zu  grüssen;  er  wolle  immer 
ihr  ritter  sein;  90  wird  er  zum  dritten  mal  feige  gescholten, 
und  sagt  zum  zweiten  mal,  dass  er  Ecke  niemals  etwas  zu 
leide  getan  habe;  91  wird  noch  einmal  der  panzer  angepriesen, 
und  jetzt  erfahren  wir,  dass  er  von  Ortnit  stamme;  93  be- 
hauptet Dietrich  zum  dritten  mal,  er  habe  Ecke  kein  leid  zu- 
gefügt, aber  morgen  sei  er  bereit,  den  kämpf  zu  wagen,  und 
in  diesem  stil  wird  das  gespräch  bis  str.  100  schluss  fortgesetzt. 
An  die  stelle  des  mit  gold  gefüllten  gürteis  der  quelle  tritt 
93  ein  homt,  das  Ecke  auf  seiner  brüst  trägt.  —  Wo  das 
echte  zu  suchen  ist,  darüber  kann  kein  zweifei  walten. 


zwei  Strophen  (89.  90),   setzt  aber  die  heim -Strophen   hinter  die  Strophen 
vom  Schwerte. 

*)  Z.  11 — 13  du  mäht  tool  heizen  Dieterich:  dem  vürsten  da  von  Berne 
tuost  aber  niht  gelich  ist  eine  entstellte  und  anders  gedeutete  remiuiscenz 
an  c.  97,  8—10  Sva  via  vera  sem  ßv  seyir,  at  pv  ser  Heimir,  en  pin  ravdd 
vceri  voenni  til,  at  pv  vcerir  PiÖricr  sialfr  svnr  Petmars  konongs. 


DAS   ECKENLIED   UND    SEINE   QUELLEN,  187 

Von  dem  Schwerte  erzählen  saga  und  lied  das  folgende: 
Nach  der  saga  hat  Alfricr,  von  dem  auch  Naglhring  stammt 
(vgl.  c.  16),  es  geschmiedet;  nach  dem  Eckenliede  ril  getwerge^), 
■was  der  mattere  ausdruck  ist.  Tief  unter  der  erde  (d.  i.  in 
einem  holen  hcrge  L  79,  6)  wurde  es  augefertigt;  durch  neun 
königreiche  musste  Alfricr  darauf  das  wasser  suchen,  wo  er 
es  härten  konnte.  Im  Eckenliede  ist  diese  stelle  (81, 5  ff.) 
von  dem  berichte,  dass  es  geschmiedet  wurde,  durch  zwei 
Strophen  getrennt.  Diese  enthalten  die  besclireibung.  die  in 
der  saga  richtiger  folgt.  Das  wasser  heisst  Treya  (in  L  Drul 
ze  Troige).  Die  beschreibung  selbst  ist  in  der  saga  ausführ- 
lich, aber  in  einem  knappen  stil  gehalten  (c.  98, 15— 27);  das 
lied  enthält  weniger  angaben,  braucht  aber  wie  gewöhnlich 
mehr  worte. 

Dann  wird  das  schwert  gestohlen,  von  Alfricr,  dem  grossen 
diebe.  Den  beinamen  {1iinn  midi  slclari)  hat  das  lied  bei- 
behalten (82,3  von  einem  argen  cliehe);  an  den  namen  des 
diebes  enthält  es  nur  die  reminiscenz  82, 4 — 5  dej-  kom  ge- 
sliclien  in  den  herc  reld  alsam  ein  iciJde  gchvcrcJ)  Das  Schwert 
wird  dem  Euotlieb  zugeführt;  nach  ihm  trägt  es  sein  söhn 
(so  in  beiden  quellen).  Dieser  heisst  in  der  saga  hinn  vngi 
Bozileif]  im  Hede  Herbort:  die  bemerkung  oc  Jjcir  med  drap 
hann  margan  mann  ist  zu  einer  Strophe  angeschwellt;  Herbort 
erschlug  damit  einen  riesen  namens  Hugebolt.  Darauf  hat 
mancher  königssohn  es  getragen  (c.  98,  32,  fehlt  im  Eckenliede). 

Es  ist  etwas  auffallendes  darin,  dass  Alfricr  zugleich  der 
Schmied  und  der  dieb  des  Schwertes  ist,  um  so  mehr,  da  nicht 
erzählt  wird,  dass  es  in  fremde  bände  übergegangen  war.  Die 
saga  erzählt  nur,  dass  Alfricr  heimlich  in  den  berg  seines 
Vaters,  der  also  der  rechtmässige  besitzer  zu  sein  scheint, 
kam.  Das  Eckenlied  macht  es  sich  leicht,  indem  es  an  keiner 
der  beiden  stellen  den  namen  Alberich  nennt.  Dass  aber  die 
geschichte  echt  ist,  lehrt  die  parallele  erzählung  ps.  s.  c.  16. 
Dietrich  nimmt  hier  den  zwerg  Alfricr  gefangen,   und  dieser 

■)  Dafür  die  yezicerge  as,  draiv  gezxoerge  d. 

*)  d  87  von  zweyen  argen  dihenn,  das  tcaren  (nur  dieser  ausdruck  ist 
besserj  zicey  icilde  gezwerck,  mit  listen 'kame{n)fs  in  den perck.  — Vielleicht 
erhalten  as  darin,  dass  der  zwerg,  der  Dietrich  und  Väsolt  nach  Metz  führt, 
1G8  Albriauus,  187  Albrian  heisst,  eine  reminiscenz  an  den  zwerg  Alberich. 

Ueitxage  zur  geschichte  der  lieuuchen  spräche.     XXXII.  \^ 


188  BOER 

wird  dadurch  sein  haiipt  lösen,  dass  er  den  beiden  zu  dem 
schätze  des  riesenpaares  Grimr  und  Hildr  verhilft.  Diese 
aber  können  nur  mit  ihrem  eigenen  Schwerte  Naglhring,  das 
Alfricr  gesclimiedet  hat,  besiegt  werden.  Alfricr  stielilt  das 
Schwert  und  gibt  es  Dietrich.  Das  ist  logisch  und  zugleich 
ein  unentbehrlicher  teil  der  erzählung.  Dass  ein  unhold  nur 
durch  sein  eigenes  seh  wert  verwundet  werden  kann,  ist  ein 
bekanntes  motiv.  Dass  Alfricr  das  von  ihm  selbst  geschmiedete 
Schwert  stehlen  nuiss,  um  es  Dietrich  zu  verschaffen,  ist  natür- 
lich, denn  es  ist  zur  zeit  nicht  sein  eigentum.  Und  die  er- 
zählung von  dem  diebstahl  ist  unentbehrlich,  da  Dietrich  das 
Schwert  in  dem  bevorstehenden  kämpfe  von  nöten  hat.  Wir 
dürfen  hieraus  schliessen,  dass  das  alte  gedieht  von  Ecca,  das 
der  saga  zu  gründe  liegt,  die  geschichte  von  der  entwendung 
des  Schwertes  der  erzälilung  von  dem  kämpfe  mit  Grimr  und 
Hildr  entlehnt  hatte.  Da  aber  der  diebstahl  für  unsere  er- 
zählung keine  folgen  hatte,  wurde  daran  des  weiteren  die 
bemerkung  geknüpft,  dass  das  schwert  darauf  dem  könige 
Ruodlieb  zugeführt  worden  sei.  Wie  Ecca  es  bekommen  hat, 
bleibt  ein  rätsei. 

§  6.    Der  kämpf. 
Die  beiden  beginnen  den  kämpf,  und  dieser  ist  anzusehen 
und  zu  hören  wie  blitz   und   donner,")    Das  währt,  bis  von 


^)  C  100,  3—4  Nv  er  sva  til  at  s/'a  er  eldr  rycr  or  vapnom  peirra  sem 
eldingar  se.  Diese  worte  siud  die  quelle  der  iinklareu  stelle  L  103,  7 — 12 
von  ir  beider  hehne  glast  den  risen  des  bediihte,  daz  alte  lieht  wcer  in  ein 
gast,  und  in  ein  niuives  Uüite.  da  versnnne)t  si  sicJi,  a)i:  so  st  ie  mere  hiuwen, 
so  ez  ie  vaster  hran.  Die  eUdingar,  blitze,  mit  denen  die  aus  dem  helme 
stiebenden  funken  verglichen  werden,  sind  hier  zu  einem  'neuen  lichte' 
geworden;  dieses  ist  aber  nicht  wirklich,  sondern  es  besteht  nur  in  der 
Vorstellung  der  kämpfenden;  tatsächlich  kommt  der  schein  von  den  helmen, 
von  denen  auch  das  neue  liclit  kam.  Also  bedeuten  die  verse:  'von  ihren 
Schlägen  nahm  der  lichtschefn  auf  ihren  helmen  in  dem  grade  zu,  dass  der 
riese  glaubte,  dieses  licht  sei  ein  anderes;  dem  war  aber  nicht  so;  der 
schein  der  helme  war  nur  erhöht'.  —  Die  stelle  steht  mit  den  unmittelbar 
vorhergehenden  z.  1—4  in  dem  grellsten  Widerspruch  (s.  s.  180  und  anm.  2). 
Hier  wird  gesagt,  dass  von  den  schwertschlägen  der  schein  der  helme  er- 
bleicht. Dieser  Widerspruch  erklärt  sich  daraus,  dass  z.  7 — 12  eine  freilich 
nicht  sehr  gute  widergabe  einer  stelle  der  quelle  sind,  während  z.  1 — 4 
eine  ansieht  des  umarbeiters  vertreten,  der  eine  erklärung  für  den  z.  5—6 


DAS   ECKENLIED   UND    SEINE   QUELLEN.  189 

beiden  allar  lifdir  abgehauen  sind.  Darunter  sind  g-ewis  die 
schihlc  zu  verstehen,  denn  Eccas  panzer  ist  nacli  dem  kämpfe 
unbeschädigt.')  Dann  versetzt  Ecca  seinem  g-egner  einen 
scldag.  dass  dieser  betäubt  daliegt,  und  nun  lässt  er  sich  auf 
ihn  fallen  und  bctlntht  ilni  mit  dem  tode,  wenn  er  sich  nicht 
ergeben  wi)lle.  Andernfalls  wird  er  ihn  gebunden  vor  die 
trauen  führen.  Hiese  rede  erweckt  Dietrichs  wut  von  neuem; 
es  gelingt  ihm.  seine  bände  zu  befreien,  und  nun  geht  es  an 
ein  ringen.  Endlich  kommt  Falka,  der  sich  von  dem  bäume, 
an  dem  er  angebunden  steht,  losreisst,  seinem  herrn  zu  hilfe 
und  zerschmettert  mit  seinen  Vorderbeinen  Ecca  den  rücken. 
Dietrich  steht  auf.  haut  dem  feinde  den  köpf  ab  und  zieht 
dessen  rüstung  an. 

Diese  scene  ist  in  der  Umarbeitung  zu  einem  abschnitt  von 
40  Strophen  (103—140.  149.  150)  erweitert.  Noch  sind  durch 
die  weitschweifige  darstellung  hindurch  die  hauptzüge  wider- 
zuerkennen. Das  übrige  besteht  aus  widerholungen  und  um- 
deutungen,  die  den  zweck  haben,  Dietrich  eine  schönere  rolle 
zuzuerteilen. 

Zunächst  wird  endlos  gekämpft  und  geschimpft.  Dass 
Ecke  Dietrich  zu  boden  schlägt,  ist  noch  aus  L  121  ersicht- 
lich: ez  valt  ir  ieüveders  haut  smcn  vient  lif  daz  laut.  Aber 
Dietrich  schlägt  auch  Ecke  nieder,  und  das  wird  einige  male 
widerholt:  str.  L  128  schlägt  er  so,  dass  Ecke  sem  vünften 
male  viel.  Nun  lässt  Dietrich  sich  auf  Ecke  fallen  (für:  Ecke 
auf  lUetrich)  und  beginnt  ihn  aufzufordern,  sich  zu  ergeben; 
dann  wird  er  ihn  leben  lassen  (L  129).  AViderholung  dieses 
motivs  L  131.  135.  137,  dabei  die  drohung,  dass  er  andernfalls 
sterben  werde.  Ferner  die  aufforderung,  sich  gefangen  vor 
die  frauen  führen  zu  lassen  (135),  worauf  Ecke  erklärt,  er 
wolle  lieber  sterben,  als  sich  von  den  frauen  verspotten  lassen 


ausgesprochenen  wnnsch  nach  dem  tagesanbrucli  snclit;  das  versuchen  ver- 
gebens, den  Widerspruch  zu  tilgen;  zwar  heisst  es  hier  schon  z.  6  das  licht 
ihet  sie  nit  maiden  d,  sich  zündt  an  feirr  so  schöne  as,  aber  z.  2  sich  ver- 
kert  peyder  hellem  schein  das,  und  in  d  ist  auch  z.  5  sie  tvünschten  peid,  es- 
solt  tagen  erhalten. 

';  Oder  ist  die  stelle  eine  reminiscenz  an  eine  bedeutend  ältere  form 
der  sage,  in  der  Dietrich  noch  nicht  Eccas  panzer,  nur  sein  schwert  er- 
beutete? 

13* 


190  BOER 

(136;  widerliolt  138,  vgl  auch  130,  die  auf  129  antwortet). 
Dass  es  ursprünglich  Ecke  ist,  der,  in  Übereinstimmung  sowol 
mit  der  saga  wie  mit  dem  allgemeinen  Inhalt  der  erzählung, 
noch  während  des  kämpf  es  Dietrich  droht,  ihn  zu  den  trauen 
zu  führen,  ersieht  man  noch  aus  111.  118.  119,  wo  diese 
drohung  ihm  in  den  mund  gelegt  ist.  —  Dann  wird  gerungen 
(132  f.),  und  auch  hier  scheint  Ecke,  obgleich  Dietrich  auf 
ihm  liegt,  noch  der  stärkere  zu  sein;  Dietrich  muss  ihm  die 
wunden  aufreissen,  um  nur  des  sieges  nicht  verlustig  zu  gehen; 
134  wird  der  ringkampf  fortgesetzt.  Hier  wird  statt  Dietrich 
(c.  100,  8  sva  at  kann  feil  i  svima  viÖ)  Ecke  hetouhet. 

Dass  Dietrich  dem  besiegten  den  köpf  abschlägt,  berichten 
L  149.  150,  aber  da  der  bearbeiter  das  unedel  fand,  liess  er 
ihn  das  auf  Eckes  bitte  tun,  obgleich  dieser  schon  zehn 
Strophen  vorher  von  ihm  durchstochen  und  darauf  seiner 
rüstung  beraubt  worden  war.  Dass  Dietrich  Ecke  durch- 
sticht, ist  natürlich  die  auffassung  des  umarbeiters;  dass  er 
ihm  dennoch  nachher  den  köpf  abschlägt,  ist  aus  der  quelle 
weiterg-eschleppt  und  umgedeutet.  Der  französische  romau 
lässt  diesen  nunmehr  sinnlos  gewordenen  zug  aus.')  Daraus 
schliesst  Freiberg-,  wie  zu  erwarten  war,  dass  das  abschlagen 
des  kopfes  unursprünglich  ist.  Die  saga  beweist  die  unhalt- 
barkeit  dieser  ansieht.  Es  ist  auch  die  alte  weise,  den  be- 
siegten feind  zu  behandeln.  Auch  hier  ist  in  der  älteren 
quelle  die  ältere  sitte  belegt.  Es  ergibt  sich  daraus,  dass 
das  abschlagen  des  kopfes  ursprünglich  mit  Dietrichs  besuch 
bei  den  königinnen  nichts  zu  schaffen  hat,  und  dass  die  Vor- 
stellung- von  d,  dass  er  Eckes  köpf  der  königin  in  den  schoss 
wirft,  eine  plumpe  torheit  ist,  womit  freilich  nicht  gesagt  ist, 
dass  sie  nicht  auch  die  von  L  war  (näheres  darüber  s.  §  10). 
Auch  dass  Dietrich  den  köpf  an  seinen  sattel  hängt  (L  150), 
ist,  obgleich  die  sitte  alt  ist,  kaum  ursprünglich,  denn  hier 
besteht  dazu  kein  grund,  und  abgesehen  von  der  schlussscene 
hört  man  von  dem  köpfe  weiter  nichts.  In  der  saga  fehlt 
auch  dieser  zug. 


1)  Auch  d  as  haben  das  abschlagen  des  kopfes  entfernt,  d  aber  enthält 
darauf  mehrere  anspielungen,  und  hier  führt  Dietrich  den  köpf  zu  den 
frauen. 


DAS   ECKENUED   UND   SEINE   QUELLEN.  191 

Als  einen  beitrag  zur  beiirteilung  der  conii)()siti()n  der  scene 
im  Eckenliede  führe  icli  nocli  das  folgende  an:  L  107,  11  ff. 
50  gar  verträten  si  äitz  //ra.s\,  daz  nieman  mohte  kiesen,  ivaz  da 
gestanden  was,  ausfiilirung  einer  früheren  stelle  der  quelle,  die 
Dietrichs  zorn  beschreibt,  c.  99, 18  f.  hann  trad  sva  fast  griotiÖ, 
at  iip  geelc  er  ßrir  fotom  hans  rard.  —  Mit  Eckes  verzieht 
auf  Gottes  hilfe  (oben  s.  182)  hängen  zusammen  str.  109.  112. 
111.  lli>.  122.  123.  121.  1->I  (die  mehrzahl  dieser  Strophen  ist 
ganz,  die  übrigen  zum  grossen  teil  der  ausführung  dieses 
themas  gewidmet).  Innerhalb  dieser  gruppe  widerholung  des 
ausdrucks  114,3  ud  na'm  duz  an  der  krefte?  122,1  Von  wan- 
ndn  ist  diu  kraft  dir  kamen '^  —  Widerholung  des  tagesanbruchs 
104,  110,  Avo  man  indessen  noch  in  der  Unterscheidung  zwischen 
dem  vogelgesang  und  dem  Sonnenaufgang  eine  stilistische  be- 
deutung  suchen  kann.  —  Widerholung  der  phrase  ieh  tvcen  si 
ein  des  lehens  bar  (vri)  imdr  uns  ziccin  ivellen  machen  98,  9 — 10. 
125,9—10;  derselbe  gedanke  noch  einmal  125,11  —  126,1. 

Ausgelassen  ist  der  zug,  dass  Dietrich  mit  hilfe  seines 
pferdes  den  sieg  erringt.  Der  rühm  des  beiden  durfte  nicht 
geschmälert  w^erden.  Darin  Edzardi  folgend,  glaubt  Freiberg, 
dass  dieser  zug  hier  unursi)rünglicli  und  der  Wolf  dietrichsage 
entlehnt  sei.  Auch  in  diesem  fall  müsste  man  die  aufnähme 
des  zuges  der  quelle  der  saga,  also  einer  redaction  des  alten 
liedes,  nicht  dem  sagaschreiber,  zuschreiben.  Aber  die  ab- 
hängigkeit  der  stelle  von  einer  Wolfdietrichüberlieferung  ist 
nichts  weniger  als  bewiesen.  Gegen  sie  ist  zunächst  zu  sagen, 
dass  der  zug  für  die  Eccadichtung  in  einer  alten  quelle,  für 
die  Wolfdietrichdichtung  nur  in  einem  aus  lauter  gestohlenen 
motiven  zusammengesetzten  mittelhochdeutschen  gedichte  be- 
legt ist.  Schon  das  spricht  für  die  Priorität  unserer  Überliefe- 
rung. Die  vergleichung  der  beiden  stellen  aber  lässt  keinen 
zweifei,  wo  das  echte  zu  suchen  ist.  In  der  saga  ist  die  hilfe, 
die  das  tier  seinem  lierrn  gewährt,  zugleich  möglich  und  ent- 
scheidend. Im  Wolfdietrich  vollführt  das  pferd  etwas  unmög- 
liches, und  die  tat  bleibt  ohne  jede  practisclie  folge.  In  der 
saga  sind  nämlich  die  parteien  einander  nahezu  gewachsen: 
Sie  kämpfen  fast  die  ganze  nacht  hindurch;  schliesslich  ringen 
sie;  wer  sieger  wird,  ist  unsicher,  aber  es  sieht  aus,  als  werde 
Ecca  die  oberhand  behalten.    Endlich  kann  das  pferd,  das  von 


192  BOER 

anfaiig-  an  dem  kämpfe  zugesehen  hat,  sich  nicht  länger  be- 
zwingen; mit  seinen  Vorderpfoten  zerbricht  er  dem  Ecca,  der 
über  Dietrich  liegt,  und  ihm  also  eine  geeignete  stelle  zum 
angriff  bietet,  den  rücken.  Das  ist  verständlich  und,  wie  ge- 
sagt, sogar  möglich.  Im  Wolfdietrich  (A  580  ff.)  legt  der  held 
sich  schlafen  bei  einer  ftteimvant.  Da  kommt  der  drache,  den 
er  sucht,  hergefahren.  Ein  zwerg  will  den  beiden  wecken, 
aber  wie  laut  er  auch  schreit,  alles  ist  vergebens.  Der  drache 
naht,  und  nun  heisst  es:  daz  ros  daz  brach  den  zoum  und  lief 
den  ivurm  an:  ez  treip  in  von  dem  herren  mit  strite  in  den 
tan.  Swanne  ez  den  wurm  ivilden  getreip  verre  dan,  so  lief  ez 
zuo  dem  herren  u.s.w.  Mit  einem  fusstritt  erweckt  es  den 
beiden,  und  als  dieser  das  pferd  naz  von  bluote  sieht,  erhebt 
er  sich  und  sucht  die  wohnung  des  drachen  auf.  Der  drache 
ist  ausgeflogen,  aber  fünf  junge  sind  zu  hause.  An  diesen 
glaubt  Wolfdietrich  keine  ehre  erwerben  zu  können;  er  lässt 
sie  liegen  und  kehrt  sich  üz  der  steines  tvant  icider  gm  dem 
walde.  Dort  trifft  er  den  drachen  im  kämpfe  mit  einem  löwen 
Er  läuft  ihn  an,  zerschlägt  sein  seh  wert  und  wird  von  dem 
drachen  zusammen  mit  dem  löwen  ergriffen,  in  die  höhle  ge- 
tragen und  dort  den  jungen  überliefert;  aber  seine  brünne 
schützt  ihn.  In  der  nacht  findet  er  Ortnits  brünne,  legt 
dieselbe  an,  und  besiegt  nach  einem  harten  kämpfe  die 
drachenbrut. 

Hier  ist  also  die  hilfe  des  pferdes  für  den  kämpf,  den 
der  held  allein  bestehen  muss,  von  keiner  bedeutung.  Um  den 
zug  anzubringen,  ist  eine  scene  hinzugefügt,  in  der  der  held 
wie  Ortnit  schlafend  von  dem  drachen  überrascht  wird.  Also 
eine  müssige  ausführung  nach  dem  muster  der  Ortnitdichtung. 
Die  heldentat  des  pferdes  aber  ist  absolut  unmöglich.  Der 
drache,  dem  ein  löwe  und  Wolfdietrich  in  Vereinigung  nichts 
anhaben  können,  der  beide  zusammen,  diesen  in  seinem  schwänz, 
aufhebt  und  in  seine  höhle  trägt,  lässt  sich  ohne  weiteres  von 
einem  pferde  vertreiben.  Durch  welche  mittel  das  dem  pferde 
gelingt,  erfahren  wir  nicht;  wie  die  einfachste  sache  auf  der 
weit  wird  gesagt,  dass  es  mit  strite  den  drachen  von  dem  herren 
in  den  tan  treip.  Freilich  ist  das  pferd  str.  589  naz  von  bluote 
und  590  sieht  der  held  an  dinem  sweize,  dass  der  drache  dort 
gewesen  ist,  aber  sonst  findet  sich  keine  spur  davon,  dass  das 


DAS  ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  193 

ungeheuer  dem  heldenraütig-en  pferde  auch  nur  den  geringsten 
widerstand  geboten  habe.  Demnacli  ist  der  kämpf  des  pferdes 
mit  dem  draclien  so  unmöglich  wie  unnütz  und  kann  nur  als 
eine  sehr  dürftige  reniiniscenz  an  eine  andere  erzählung,  in 
der  dem  pferd  eine  vernünftigere  rolle  zufiel,  verstanden  werden. 
Diese  erzählung  aber  ist  die  von  Ecca,  die  sich  in  der  saga 
findet.  ^lit  diesem  resultate  steht  es  in  Übereinstimmung,  dass 
der  sinnlose  auftritt  sicli  nur  in  Wolfdietrich  A  findet  (vgl. 
B  663  ff.  D  76  ff.). 

Bei  dieser  Sachlage  ist  auch  für  L  117  da^  ros  hegund 
neigen  rast  unih  des  rechen  ungemach^)  nur  eine  erklärung 
möglich,  nämlich  als  eine  reniiniscenz  an  die  teilnähme  des 
rosses  am  kämpf,  die  bei  der  entfernung  dieses  zuges  stehen- 
geblieben ist.-) 

Eine  ähnliche  stelle  der  saga  (c.  104),  wo  Dietrich  durch 
sein  pferd  von  einem  dyr  erlöst  wird,  wird  unter  dem  einfluss 
unserer  stelle  stehen;  auch  diese  beeinflussung  wird  schon  in 
der  quelle  stattgefunden  haben.  Sie  bezeugt  den  erfolg  des 
motivs  und  trägt  dadurch  zur  erklärung  seiner  aufnähme  in 
AVolfdietrich  A  bei.     Näheres  über  c.  104  §  9. 

Die  französische  Übersetzung  vereinfacht  die  erzählung  be- 
deutend und  trägt  hier  zum  Verständnis  der  Umarbeitung  nur 
wenig  bei.  Mit  den  Versionen  d  as  hat  sie  aber  eine  pause  im 
kämpfe  gemein.     AVie  verhält  es  sich  mit  diesem  motiv? 

Die  veranlassung  zur  Unterbrechung  des  kampfes  ist  ver- 
schieden. In  P  entsteht  dadurch,  dass  der  held  den  karfunkel- 
stein von  dem  helme  des  riesen  abschlägt,  eine  finsternis,  die 
zur  Unterbrechung  des  kampfes  nötigt;  in  das  bittet  der  er- 
müdete Dietrich  den  gegner  um  eine  frist,  die  dieser  ihm 
gewährt.    In  P   durchwachen   beide   den  rest  der   nacht,   da 


')  Daratis  sich  ser  iregen  d  (133),  iveijne  as  (92)! 

*)  Auch  Jiriczek,  D.  heldensagen  s.  194  entscheidet  sich  für  die  Prio- 
rität der  Eccadichtung.  Den  ziisamraenhaug  von  str.  117  mit  der  stelle 
der  saga  erkennt  er  nicht  an.  Aber  es  entspricht  ganz  der  weise  des  um- 
arbeiters,  von  den  berichten  der  quelle  nur  das  zu  entfernen',  was  seinen 
ansicliten  widersprach.  Durch  das  pferd  siegen  durfte  Dietrich  nicht,  aber 
das  tier  durfte  allerdings  seine  teilnähme  au  dem  geschicke  seines  herrn 
bekunden.  —  Uebrigens  ist  Jiriczek  ausschliesslich  auf  die  entstellte  lesart 
yon  as  aufmerksam  gewesen. 


194  BOER 

keiner  dem  andern  traut;  in  das  schläft  erst  der  riese,  darauf 
Dietrich,  von  seinem  feinde  treu  bewacht.  Die  einzelheiten 
sind  also  verschieden ;  docli  legt  die  gleichheit  des  hauptmotivs 
den  gedauken  an  einen  gemeinsamen  Ursprung  nahe.  Das  Hesse 
sich  wider  auf  zweierlei  weise  auffassen:  entweder  würde  der 
auftritt  schon  U  angehören  und  L  hätte  ihn  entfernt,  oder  P 
wäre  hier  näher  mit  das  verwant. 

Wir  fragen  zunächst,  ob  der  auftritt  aus  U  stammen  und 
in  L  verloren  sein  kann.')  Freibergs  m einung,  dass  ursprüng- 
lich der  kämpf  am  abend  erhoben  wurde,  und  dass  es  die 
nacht  war,  die  ihm  ein  vorläufiges  ziel  setzte,  entbehrt  jedes 
grundes;  sie  ist  ein  hoffnungsloser  versuch,  die  Unterbrechung 
des  kampfes  als  natürlich  zu  erklären.  Denn  nicht  nur  geht 
das  alte  gedieht  davon  aus,  dass  der  anfang  des  kampfes  in 
tiefste  nacht  fällt  2),  auch  die  Umarbeitung  weiss  das  noch, 
und  hier  nicht  nur  die  alte  eingangsstroplie.  Alle  Versionen 
—  sogar  P  —  sind  darüber  einig.  Es  wäre  nun  wol  denkbar, 
dass  der  umarbeiter,  der  die  geschichte  auf  jede  denkbare 
Aveise  in  die  länge  gezogen  hat,  zu  diesem  zwecke  auch  eine 
Unterbrechung  des  kampfes  eingeführt  hätte.  Aber  einen  rest 
dieser  auffassung  darf  man  in  L  104, 12  ff.  {si  säzen  unversunntn 
nider  von  siegen  groz.  Ir  heider  ruoive  ivas  unlanc)  nicht  suchen. 
Denn  einmal  findet  diese  kurze  Unterbrechung  am  morgen  statt. 
Schon  L  104, 1  singen  die  vögel  gern  tage.  ^)  Bald  darauf 
(108, 1)  leuchtet  der  tag;  HO,  1  geht  die  sonne  auf.  Was  des 
weiteren  absolut  verbietet,  L  104, 12  ff.  mit  der  nächtlichen 
ruhe  in  Verbindung  zu  bringen,  ist  der  umstand,  dass  diese 
stelle  sich  auch  in  d  findet  (124, 12  f.),  und  zwar  nach  der 
nächtlichen  ruhe.    Die  stellen  entsprechen  sich  wie  folgt: 

L  103  =  d  115  verlangen  nach  dem  tage 


1)  Dass  er  nicht  älter  als  U  ist,  lehrt  die 

'■')  Vollständig  unrichtig  ist  Freibergs  behauptung  (s.  52),  dass  Dietrich 
in  der  saga  gegen  morgen  Ecca  begegnet. 

^)  Dem  verlangen  nach  dem  tage  wurde  schon  103  ausdruck  gegeben. 
Ohne  grund  verwirft  Freiberg  die  von  d  gestützte  lesart  von  L  103,  5  si 
sprächen  beid:  v;an  ivoUe  ez  iaf/en  und  zieht  die  änderung  von  as,  die  nur 
den  Widerspruch  mit  z.  7—13,  über  den  s.  188,  anm.  1  zu  vergleichen 
ist,  glätten  Avill,  vor.  Das  verlangen  nach  dem  tage  beruht  auf  der  alten 
Situation. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  195 

d  116 — 122  nächtliche   episode   und   wideraiif- 
nahrae  des  kampfes 

L  104  =  d  124  die  vögel  singen.  Am  scliluss  der  Strophe 
die  Zeilen  si  sazen  unversunnen  u.s.w. 

L  105  =  d  125  (//•  hcidcr  ruoive  ivas  imlanc).  Fortsetzung 
des  kampfes 

L  106  --  d  126 

L  107  =  d  123 

L  108  =  d  127  der  tag  leuchtet 

L  109  fehlt  in  d;  dafür  eine  andere  128 

I.  HO  ==  d  129  die  sonne  geht  auf. 
Die  einzigen  abweichungen  sind,  dass  L  107  in  d  vor  L  104 
gesetzt  ist,  und  dass  für  L  109  eine  andere  Strophe  auftritt. 
Sonst  ist  die  alte  reihenfolge  richtig  beibehalten.  Die  nächt- 
liche Unterbrechung  des  kampfes  aber  steht  in  d  nicht,  wie 
man  erwarten  würde,  wenn  L  104, 12  —  105, 1  eine  reminisceuz 
daran  wäre,  zwischen  L  104  und  105,  sondern  vor  L  104,  nach 
dem  wünsch,  dass  es  tagen  m()ge,  aber  vor  der  erwälinung 
des  vogelgesangs.  Daraus  lässt  sich  schliessen,  dass  L  104, 12  ff. 
nicht  ein  rest,  sondern  der  ausgangspunkt  der  scene  d  116 — 122 
ist.  Dass  L  104  von  einer  kurzen  notgedrungenen  rast  redet, 
veranlasste  den  bearbeiter  der  vorläge  der  gruppe  das,  eine 
ähnliche  ausführliche  scene  hinzuzudichten.  Die  stelle  nach 
L  103,6,  aber  vor  L  104,1,  wo  schon  der  tag  anbricht,  war 
dazu  die  geeignete.  Nach  seiner  gewohnheit  aber  liess  er  auch 
L  104, 12  —  105, 1  stehen.  Erst  as  hat  diese  stelle  gestrichen. ') 
—  Die  stelle  L  104, 12  ff.  kann  nun  auch  der  ausgangspunkt  der 
nächtlichen  ruhe  in  P  sein.  Zu  dem  abgeschlagenen  karfunkel- 
stein ist  zu  bemerken,  dass  schon  das  lied  weiss,  dass  die  helme 
durch  die  schlage  ihren  schein  verlieren  (L  103,  2 — 4).     Einen 


*)  Ohne  jeden  grund  behauptet  f  reiberg  s.  52,  dass  d  die  darstelhing 
von  as  in  die  von  L  hineininterpoliert  habe.  Er  sieht  einen  Widerspruch 
darin,  'dass  Dietrich  erst  Avünscht,  es  möge  tagen,  und  dann  seinen  feind 
um  gewähruiig  der  nachtruhe  bittet'.  Wenn  ein  widersprach  vorhanden 
wäre,  so  würde  er  sich  daraus  erklären,  dass  eben  d  116 — 122  in  der  gruppe 
das  interpoliert  sind.  Aber  ein  widersprach  ist  nicht  da;  gerade  der  wünsch, 
da.ss  es  tagen  möge,  der  doch  nur  bedeuten  kann,  dass  die  nacht  die  Schreck- 
nisse des  kampfes  erhöht,  war  ein  grund,  die  Unterbrechung  an  dieser 
stelle  zu  interpolieren.  —  So  spricht  auch  diese  interpolation  für  L  103,5 
d  115, 5  gegen  as  77, 5  (s.  188,  anm,  1). 


19(3  BOER 

karfunkelstein  in  Dietrichs  heim  kennt  d  nnd  kannte  aucli  die 
quelle  von  as  (s.  s.  180,  anm.3).  Bei  der  Vorstellung  von  P,  dass 
das  einzige  licht  beim  kämpfe  von  dem  karfunkel  auf  Eckes 
heim  herrührt,  konnte  ein  bearbeiter  leicht  auf  den  einfall 
geraten,  als  die  folge  des  abschlagens  dieses  karfunkels  eine 
finsternis  eintreten  zu  lassen.  Auf  diese  weise  Hesse  sich  die 
ansieht  verfechten,  dass  die  Unterbrechung  des  kämpf  es  in  P 
von  der  in  das  unabhängig  sei;  ihr  gemeinschaftlicher  aus- 
gangspunkt  wäre  L  194, 12  — 105, 1.  Der  gedanke,  einen  kämpf 
von  der  finsternis  unterbrechen  zu  lassen,  lag  nicht  allzu  fern; 
aus  mehreren  romanen  ist  das  motiv  zur  genüge  bekannt 
(mehrere  stellen  hat  Freiberg  s.55  nach  Singer,  Anz.fda.27,323, 
anm.  angeführt).  Anderseits  ist  die  Übereinstimmung  zwischen 
d  as  und  P  auch  zu  gross,  um  eine  erklärung  wie  die  genannte 
wahrscheinlich  erscheinen  zu  lassen.  Wir  werden  demnach 
vorläufig  schliessen  müssen,  dass,  falls  alle  übrigen  data  dazu 
drängen  werden,  P  von  das  zu  trennen,  die  Übereinstimmung 
in  der  nächtlichen  ruhe  zur  not  als  zufällig  erklärt  werden 
kann,  wenn  aber  auch  andere  ül)ereinstimmungen  zwischen  P 
und  das  auf  ein  näheres  Verhältnis  zwischen  diesen  gruppen 
deuten,  diese  scene  unter  den  wichtigen  Zeugnissen  für  ein 
solches  Verhältnis  zu  zählen  sein  wird.    Das  nähere  §  11. 

Die  weise,  in  der  der  held  in  P  den  sieg  erficht,  hat  in 
der  spielmannspoesie  mehrere  seitenstücke.  In  der  p.  s.  sind 
hier  zu  erwähnen  die  kämpfe  mit  dem  riesen  Edgeirr  und 
Aspilian  (c.  106.  433).  Dem  riesen  wird  ein  bein  oder  ein 
schenkelstück  abgeschlagen;  dann  fällt  er  —  oder  lässt  sich 
fallen  —  und  verursacht  durch  seinen  lärm  ein  furchtbares 
getöse. 

Nachdem  in  der  quelle  Dietrich  Ecca  besiegt  und  ihm  den 
köpf  abgeschlagen  hat,  zieht  er  dessen  rüstung  an:  oc  aldrigi 
J)ycci2  hann  fyrr  set  hava  iamgoÖ  vapn  sem  pessor  ero. 

Die  neuerungen  in  U  sind  die  folgenden:  1)  die  brünne 
ist  zu  lang;  der  held  schneidet  ein  stück  davon  ab.  In  P 
gibt  sogar  der  besiegte  selber  diesen  rat.  Dass  diese  torheit 
ihren  grund  darin  hat,  dass  der  gegner  zu  einem  riesen  ge- 
macht worden  ist,  haben  wir  s.  168  gesehen.  2)  Dietrich  klagt 
sich  selbst  heftig  an.  Das  wird  schon  durch  die  Strophen,  in 
denen  er  zu  erkennen  gibt,  dass  er  so  gern  den  feind  schonen 


DAS   ECKENLJED   UND    SEINE   QUELLEN.  197 

möchte,  dass  er  es  aber  iiiclit  tun  kann,  da  dieser  ihn  sofort 
töten  würde,  falls  er  ihm  die  Gelegenheit  aufzustehen  Hesse 
(L  137.  139),  eingeleitet.  L  140,  wo  er  den  riesen  durchsticht, 
geschieht  das,  weil  micheJ  not  ihn  dazu  nötigt,  und  dann  be- 
ginnt die  schlussstrophe  der  klage,  von  der  schon  s.  178.  183  f. 
die  rede  war.  Der  text  der  predigt  ist,  dass  die  leute  mit 
dem  tinger  auf  Dietrich  deuten  wei'den  als  dem  Berncere,  der 
Mngc  stvclien  hau.  Wir  sind  hier  Aveit  von  dem  heldenideal 
entfernt  und  bei  einem  sentimentalen  ritterideal  angelangt,  das 
nur  in  der  literatur.  niemals  im  leben  existiert  hat,  das  zwar 
immer  kämpfen,  bei  leibe  aber  dem  gegner  nichts  böses  zu- 
fügen Avill.  Ungeachtet  der  lamentation  zieht  Dietrich  darauf 
doch  Eckes  rüstung  an  mit  dem  unerwarteten  Übergang:  swicch 
solch  (juot  nie  gewimne,  iedoch  so  ivil  ich  ivägen  gdn  und 
ncmcn  dir  die  hriinne:  so  hän  ich  reroup  dir  genomcn.  in  iveiz 
war  ich  vor  schänden  sol  in  die  ivclt  heliomen.  J^fan  würde 
freilich  erwarten,  dass  dieses  übermässige  Schamgefühl  ihn 
zurückgehalten  hätte,  aber  das  geschieht  nicht,  und  eine  nähere 
erklärung  des  rhoups  erhalten  wir  auch  nicht.  Ganz  albern 
ist  Str.  148,  wo  Dietrich  befürchtet,  man  werde  glauben,  dass 
er  den  beiden  im  schlaf  ermordet  habe;  die  stelle  ist  aus  p.  s. 
c.  102, 10  ff.,  wo  Fasolt  dem  beiden  diesen  Vorwurf  macht,  ab- 
strahiert. Ueber  die  törichte  str.  149.  150,  wo  Ecke  Dietrich 
auffordert,  seinen  köpf  abzuschlagen,  s.  s.  190. 

In  P  sind  die  motive  noch  etwas  weiter  verschoben.  Die 
bitte  des  besiegten  gegners  betrifft  nun  nicht  länger  das  ab- 
schlagen des  köpf  es,  das  ganz  ausgelassen  wird  (s.  190),  son- 
dern das  anziehen  der  rüstung');  er  gibt  sogar  den  rat,  ein 
stück  abzuschneiden  (s.  168)  und  lobt  die  rüstung  (eine  re- 
miniscenz  an  die  anpreisung  der  waffen  s.  184  und  anm.).  Von 
Dietrichs  selbstanklage  bleibt  übrig,  dass  der  held  mitleid 
fühlt;  ferner  werden  genealogische  mitteilungen  über  die  ab- 
kunft  des  riesen  gegeben-);  dann  folgt  die  mittel  hing  von 
lebensregeln,  beichte,  tod,  und  ein  primitives  begräbnis.^)   Dass 


*)  Eckes  bitte  au  Dietrich,   ihm  den  köpf  abzuschlagen,   ist  also  der 
zweite  ausgangspunkt  für  die  bitte  in  P  (vgl.  s.  184,  anm.). 
*)  Ein  ähnlicher  bericht  findet  sich  as  187. 
*)  Das  begräbnis  findet  sich  in  d  203. 


198  BOER 

wir  es  hier  mit  jungen  zutaten  zu  tun  haben,  ergibt  sich  so- 
fort und  wird  sogar  von  Freiberg  anerkannt. 

Wenn  in  der  saga  Ecca  Dietrich  gegenüber  seinen  namen 
nicht  nennt,  und  dieser  doch  weiss,  wen  er  besiegt  hat,  so  hat 
das  darin  seinen  grund,  dass  er  von  vornherein  weiss,  dass  er 
sich  in  Eccas  gebiete  aufhält.  In  der  Umarbeitung,  wo  Diet- 
rich von  einem  ihm  unbekannten  feinde  überfallen  wird,  ist 
es  nicht  klar,  wie  er  dessen  namen  zu  wissen  bekommt.  In 
d  (181)  stossen  wir  auf  eine  speculation  über  diesen  Wider- 
spruch: Dietrich  liest  es  von  einem  ringe,  den  Ecke  trägt,  ab. 
In  P  nennt  der  sterbende  riese  seinen  namen  und  gibt  zugleich 
auf  Schlüsse  über  seine  herkunft  (s.  s.  197). 

§  7.    Dietrichs  erster  ritt  nach  dem  Drachenfels. 

C.  101.  Dietrich  besteigt  sein  ross  und  reitet  aus  dem 
wald.  Es  ist  inzwischen  vollständig  tag  geworden.  Er  will 
nach  dem  Drachenfels  reiten  und  hofft  daselbst  Eccas  stelle 
einzunehmen.  Die  königin  sieht  ihn  sich  nahen  und  freut 
sich,  da  sie  glaubt,  dass  Ecca  einen  sieg  erfochten  hat.  Fest- 
lich gekleidet  gehen  die  frauen  hinaus,  dem  sieger  entgegen. 
Als  sie  aber  sehen,  dass  es  nicht  Ecca  ist,  der  sich  naht, 
wenden  sie  um,  und  teilen  die  Unglücksbotschaft  ihren  mannen 
mit.  Diese  waffnen  sich  und  reiten  hinaus,  ihren  herrn  zu 
rächen,  und  Dietrich  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  sich  vor 
der  Übermacht  schleunigst  möglich  davon  zu  machen. 

Von  diesen  ereignissen  weiss  die  Umarbeitung  scheinbar 
nichts.  Sie  lässt  den  beiden  zuerst  zu  einer  dame  kommen, 
die  seine  wunden  heilt;  dann  folgt  das  zusammentreffen  mit 
Yasolt. 

Die  allgemeine  ansieht,  dass  die  saga  Dietrichs  begegnung 
mit  den  frauen,  die  das  am  schluss  mitteilen,  vor  den  kämpf 
mit  Fasolt  stelle,  ist  nicht  ganz  richtig.  Ich  lege  keinen 
wert  darauf,  dass  der  besuch  auf  Jochgrim  in  L  nicht  über- 
liefert ist;  das  scheinen  zu  beweisen,  dass  ein  solcher  zu  HD 
gehört,  und  er  bildet  auch  den  logischen  abschluss  der  erzäh- 
lung.  Aber  dieser  besuch  correspondiert  nicht  mit  c.  101,  son- 
dern mit  c.  240  der  saga,  was  Freiberg  vollständig  übersehen 
hat.  Auf  den  kämpf  mit  Fasolt  und  die  sich  daran  schliessen- 
den  gemeinschaftlichen  abenteuer  der  beiden  beiden  folgt  in 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         199 

der  saga  eine  reihe  erzählungen,  die  mit  unserem  Stoffe  nicht 
zusammenhiiiigeii;  dann  bringt  c.240  den  sclihiss  der  g-escliichte. 
Dietrich  geht  mit  Fasold,  den  er  besiegt  und  mit  dem  er 
Waffenbrüderschaft  geschlossen  hat,  zu  den  königinnen,  und 
jetzt  wird  er  wol  empfangen.  Hie  mutter  ist  gestorben;  Diet- 
rich bekommt  eine  der  töchter  zur  frau,  Fasold  die  zweite, 
ein  dritter  genösse,  Dettleif,  den  jedenfalls  schon  die  tradition 
hinzugefügt  hatte,  die  dritte.  Näheres  über  diesen  abschnitt 
§  10.  Hier  sei  darauf  hingewiesen,  dass  die  mitteilung,  dass 
Dietrich  nach  dem  kämpfe  mit  Ecca  sich  auf  den  weg  nach 
dem  Drachenfels  begibt,  in  der  hoffnung,  an  p]ccas  statt  dort 
aufgenommen  zu  werden,  mit  diesem  schluss  der  erzählung  sich 
in  vollkommenem  einklang  befindet,  und  dass  der  schluss  gleich- 
falls voraussetzt,  dass  dieser  erste  versuch  mislingt.  Zu  seinem 
gelingen  ist  die  Versöhnung  mit  Fasold,  in  geringerem  grade 
auch  der  tod  der  alten  königin,  eine  notwendige  bedingung. 
Vorläufig  sind  die  frauen  unversöhnlich;  sie  rechnen  auf  Fa- 
sold als  ihren  beschützer;  und  Dietrich  macht  sich  aus  dem 
staube. 

Der  wahre  Sachverhalt  ist  also  dieser,  dass  nicht  der  Ver- 
fasser der  p.  s.  den  besuch  bei  den  frauen  versetzt  hat,  sondern 
dass  der  umarbeiter  den  ersten  besuch  bei  den  frauen  fallen 
gelassen  und  durch  einen  besuch  bei  einer  anderen  fi^au,  die 
den  beiden  heilt,  ersetzt  hat.  Der  grund  dazu  ist  leicht  er- 
sichtlich. Der  wünsch  der  frauen,  den  beiden  zu  sehen,  war 
zu  dem  cardinalen  punkt  der  erzählung  gemacht  worden;  es 
gieng  also  nicht  mehr  an,  sie  dem  Berner  gegenüber  eine 
feindliche  Stimmung  an  den  tag  legen  und  ihm  den  eintritt 
verweigern  zu  lassen.  Es  kam  hinzu,  dass  der  zug,  dass 
Dietrich  flieht,  dem  umarbeiter  anstössig  vorkam.  Anderseits 
bedurfte  der  hehl  der  pflege.  Dass  er  bei  der  wohnung  einer 
oder  mehrerer  frauen  ankam,  stand  in  der  quelle.  Was  war 
einfacher,  als  die  feindlich  gestimmte  frau  zu  einer  freund- 
schaftlich gesinnten  umzukalfatern  und  so  den  beiden  freund- 
lich empfangen  und  bewirten  zu  lassen?  Solche  damen  gehören 
zu  dem  stehenden  apparate  der  ritterromane. 

Dass  tatsächlich  Dietrichs  besuch  bei  der  frau,  die  ihn 
heilt,  nichts  anderes  ist  als  eine  Umbildung  des  mislungenen 
Versuchs,  auf  dem  Drachenfels  aufnähme  zu  finden,  zeigt  die 


200  BOER 

französische  bearbeituiig,  die  hier  die  ursprüngliche  darstellung 
der  Umarbeitung  besser  als  L  ')  bewahrt  hat,  aufs  deutlichste. 
Hier  finden  sich  noch  wörtliche  anklänge  an  JD.  s.  c.  101  und 
damit  übereinstimmende  einzelheiten.  Als  der  papageienritter 
aus  dem  walde  herauskam  (vgl.  c.  101, 2  er  hann  com  fram 
af  scoginom,  im  Eckenliede  verloren),  erblickte  er  auf  einem 
stattlichen  hügel  ein  schloss  und  ritt  darauf  zu  (vgl.  z.  2 — 3 
Nv  cBtler  Pidricr  sitt  rad.  at  hann  scal  riöa  til  horgarinnar 
Brecanflis).  Er  sieht  vier  fräulein  aus  dem  schlösse  hervor- 
reiten und  auf  ihn  zueilen  (vgl.  z.  11 — 12  Nv  ganga  Jxer  til 
gersima  sinna  oc  hva  sec  einl-ar  vel.  oc  ganga  nv  vt  i  mot 
hanom.  —  Die  vier  fräulein  in  P  entsprechen  noch  der  ur- 
sprünglichen dreizahl  der  mädchen,  die  vierte  ist  die  mutter, 
obgleich  P  das  vergessen  hat  und  die  mädchen  von  ihrer 
herrin  reden  lässt.  —  Im  Eckenliede  findet  Dietrich  Babehilt 
schlafend  unter  einem  bäum,  obgleich  es  sich  später  zeigt, 
dass  auch  sie  ein  schloss  besitzt.  —  Von  da  an  nimmt  die 
erzählung  die  neue  w^endung.  Aber  eine  reminiscenz  daran, 
dass  die  damen  niemand  anders  sind  als  die  trauen,  die  Ecke 
gerüstet  haben,  findet  sich  noch  iu  der  bemerkung  der  mäd- 
chen, dass  ihre  herrin  nicht  dulden  werde,  'dass  er  oder  ein 
anderer  gast  von  ihr  schimpf  oder  schände  in  ihrem  hause 
erlitte'.  In  der  darstellung  der  Umarbeitung  ist  das  eine 
müssige  bemerkung,  denn  der  held  hat  keinen  grund,  eine 
schimpfliche  behandlung  zu  erwarten,  und  er  hat  auch  eine 
solche  Vermutung  nicht  ausgesprochen,  er  hat  im  gegenteil 
auf  ihre  einladung,  im  schlösse  herberge  zu  nehmen,  geant- 
wortet (nach  Freibergs  Übersetzung),  'er  würde  sich  ja  dort 
ganz  sicher  fühlen  und  gerne  bleiben;  aber  er  sei  schwer  ver- 
wundet, da  er  auf  einer  abenteuerfahrt  begriffen  sei'.  Wenn 
darauf  die  fräulein  versichern,  dass  er  keinen  schimpf  oder 
schände  erleiden  werde,  so  kann  das  nur  eine  reminiscenz 
daran  sein,  dass  sie  Ecke  an  Dietrich  zu  rächen  hatten.  Die 
bemerkung  scheint  für  eine  Zwischenstufe  in  der  Umarbeitung 
Zeugnis  abzulegen:  ei'st  wurde  Dietrich  auf  dem  Drachenfels 
als  gast  aufgenommen  und  als  solcher,  obgleich  er  ein  feind 
war,  gut  bewirtet.     Darauf  wurden  die  frauen  zu  fremden 


1)  das  haben  die  begegnung  mit  Babehilt  ausgelassen. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         201 

frauen  gemacht.  Die  dritte  stufe  der  Umarbeitung  vertritt  L: 
die  fräulein  und  das  scliloss  werden  entfeint,  und  es  bleibt 
nur  Babeliilt,  die  Dietrich  unter  einem  bäume  findet,  zurück. 

§  8.     Das  zusammentreffen  mit  Fasold. 

('.  102.  Dietrich  reitet  wider  in  den  wald  und  sieht  einen 
mann  ihm  entgegen  reiten.  Das  ist  Fasold,  Eccas  bruder. 
Dieser  redet  ihn  als  seinen  bruder  an;  Dietrich  aber  sagt, 
dass  er  nicht  sein  bruder  sei,  sondern  ein  anderer  mann. 
Darauf  beginnt  Fasold  zu  schimpfen  und  behauptet,  der 
fremde  müsse  seinen  bruder  schlafend  ermordet  haben,  was 
Dietrich  leugnet.  C.  108.  Fasold  reitet  mit  gezogenem 
Schwerte  auf  Dietrich  zu  und  versetzt  ihm  einen  schlag, 
dass  dieser  betäubt  zu  boden  stürzt.  Da  es  seine  gewohnheit 
ist,  einem  gegner  niemals  mehr  als  einen  schlag  zu  versetzen, 
reitet  er  davon.  Dietrich  aber  steht  auf  und  reitet  ihm  nach; 
er  überredet  ihn,  umzuwenden  und  den  kämpf  zu  erneuern; 
und  diesmal  ist  der  Berner  der  glückliche;  er  besiegt  Fasold 
und  nötigt  ihn,  seine  waffen  aufzugeben.  Dietrich  will  nicht 
seinen  dienst  annehmen,  sondern  er  schliesst  brüderschaft  mit 
ihm.    Zusammen  setzen  sie  die  reise  fort. 

Dass  diese  darstellung  sowol  vor  der  französischen  wie 
vor  der  hochdeutschen  den  vorzug  verdient,  hat  bis  zu  einem 
gewissen  grade  sogar  Freiberg  (s.  67)  anerkannt.  Der  um- 
arbeiter  hat  den  zug  entfernt,  dass  Fasold,  durch  die  rüstung 
irregeführt,  glaubt,  dass  es  Ecca  ist,  der  sich  naht;  er  lässt 
Fasold  ohne  weiteres  auf  Dietrich  losstürmen.  In  der  frz. 
Übersetzung  erzählt  der  angreifer  später,  wer  er  ist,  und 
warum  er  den  litter  so  unversehens  überfallen  hat;  das  hoch- 
deutsche gedieht  arbeitet  die  geschichte  weiter  um  (s.  unten). 
Kin  zweiter  zug,  den  die  Umarbeitung  verloren  hat,  ist  der, 
dass  Dietrich  im  ersten  kämpfe  überwunden  wird  und  erst 
später  siegt. ')  Der  schlag,  durch  den  er  betäubt  daliegt,  wird 
zu  einem  schlag,  den  Fasold  empfängt,  und  damit  ist  der  kämpf 
zu  ende;  durch  die  farblose  mitteilung,  dass  er  einen  ganzen 
tag  währt,  und  dass  die  kämpfenden  einander  übel  zurichten, 
wii'd  der  verlust   der   charakteristischen   züge   gut   gemacht. 


')  Ueber  eine  remiuisceuz  dazu  s.  s.  203,  aum.  2. 


202  BOEß 

Zieht  man  in  betracht.  welch  ein  gefährlicher  feind  Ecca  ge- 
wesen ist,  und  was  also  von  Fasold  erwartet  Averden  kann, 
ferner,  dass  Dietrich  nach  dem  kämpfe  Fasold  als  ihm  eben- 
bürtig anerkennt  (c.  103  schluss:  scal  Icallas  hvarr  occarr  ann- 
ars  iamningi),  endlich,  dass  der  umarbeiter  alles  hinweginter- 
pretiert, was  seinem  beiden  zur  schände  gereichen  könnte, 
und  auch  im  kämpfe  mit  Ecca  den  zug,  dass  Dietrich  zu 
boden  geschlagen  wird,  verdunkelt  hat,  so  kann  man  nicht 
lange  darüber  zweifeln,  wo  die  echte  darstellung  zu  suchen 
ist.  In  der  französischen  bearbeitung  blickt  das  alte  noch 
durch  das  neue  durch.  Wenn  der  rittei-  seinem  feinde  um 
seines  bruders  willen  vergibt,  so  erkennt  man  c.  103,  24 — 26 
wider:  GriÖ  scallv  fa  at  mer.  en  ciyi  vil  ec  J)iggta  Jjina  J)ionasto. 
firir  ])vi  at  ec  dnip  hrodor  pinn.  oc  ma  ec  varla  trva  Per  meöan 
pat  er  obcett. 

Das  hochdeutsche  lied  hat  die  erzählung  fast  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit entstellt  durch  die  geschichte  von  dem  wilden 
fräulein,  das  von  Vasolt  gejagt  wird.  Es  ist  ein  umfang- 
reicher einschub,  von  dem  P  ganz  frei  ist.  Auch  in  HD  ist 
jedoch  aus  dem  gespräche  vor  dem  zweiten  kämpf,  der  ur- 
sprünglich der  einzige  ist'),  noch  zu  ersehen,  dass  Vasolt  an 
der  rüstung  seines  bruders  dessen  mörder  erkennt.  2)  Zwischen 
vielen  unnützen  reden  steht  str.  L  193.  195  der  Vorwurf,  dass 
Dietrich  durch  Eckes  tod  keine  ehre  erworben  habe;  194  Diet- 
richs antwort,  dass  Vasolt  lüge  (z.  5  da£  ist  vil  nach  gelogen 
yar  =  c.  102,  14  Osatt  segir  pv  par).  L  199  schlägt  Dietrich 
Vasolt  nieder  wie  in  P.  Uebrigens  nichts  charakteristisches; 
der  Stil  ist  derselbe  wie  in  dem  kämpfe  mit  Ecke;  197.  198 
widerholung  der  behauptung  (123),  dass  zwei  personen  in  einer 
kämpfen. 

Das  Eckenlied  hat  aber  die  erzählung  von  der  wilden  frau 
aufgenommen.  Die  ungeschickte  Verbindung  ist  ziemlich  all- 
gemein anerkannt;  schon  Zupitza  betont  sie  s.  xlvi,  vgl.  ferner 
Freiberg  s.  64.  68.  Letzterer  autor  führt  parallelen  aus  der 
Artusdichtung  an,  kommt  aber  zu  dem  Schlüsse,  dass  diese 
doch  nicht  das  Vorbild  abgegeben  haben  können,  da  der  ver- 


')  Dieses  gespräch  liat  P  ausgelassen. 
-)  L  193,  8  ich  kiuse  ganz  die  brilnne. 


DAS   KCKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  203 

folger  'etwas  dämonenhaftes  an  sicli  habe,  das  an  altheimische 
vorstell ung-en  von  sturmriesen  erinnern  kfinnte'.  In  der  tat 
lässt  sich  eine  beziehung:  zu  dem  wilden  Jäger  nicht  leugnen. 
Da  eine  ähnliche  erzählung-  im  Wunderer  widerkehrt,  erhebt 
sich  hier  die  frage,  welcher  quelle  die  priorität  zukommt. 
Aber  auch  abgesehen  davon  muss  man  fragen,  was  den  be- 
arbeiter  des  liedes  dazu  bewegte,  auf  Väsolt  züg-e  des  wilden 
Jägers  zu  übertragen.  Das  hat  gewis  in  der  auffassung  Vä- 
solts  als  eines  riesen').  die  aus  der  gleichen  auffassung-  seines 
bruders  unmittelbar  folgt,  seinen  ausgangspunkt.  Anderseits 
lässt  sich  die  geschichte  von  der  wilden  maid  von  der  Vor- 
stellung, dass  Fasold  sich  Dietrich  gegenüber  treulos  beträgt, 
nicht  trennen.  In  der  quelle  wurde  Fasold  zu  Dietrichs 
treuem  Waffenbruder  (näheres  §  9).  Noch  die  frz.  bearbeitung 
weiss  von  einem  widerholten  angriff  nichts.-)  Der  interpolator 
der  episode  von  dem  wilden  fräulein  Hess  den  beiden  dieses 
fräuleins  wegen  mit  Väsolt  kämpfen.  Der  ursprüngliche  kämpf 
wurde  dadurch  zu  einem  zweiten.  Väsolt  bricht  also  seinen 
eid;  er  wird  zu  einem  treulosen  freunde.  Da  er  nun  im  liede 
auch  nachher  in  dieser  rolle,  von  der  die  quelle  nichts  weiss, 
auftritt,  muss  ein  Zusammenhang  zwischen  diesen  abenteuern 
und  dem  mit  der  wilden  frau  bestehen.  Vielleicht  gelingt  es 
uns,  das  eine  durch  das  andere  zu  beleuchten. 

§  9.    Dietrichs  und  Fasolds  gemeinschaftliche    . 
reise. 

C.  104 — 107.  Die  neuen  freunde  begeben  sich  zusammen 
auf  den  weg  nach  Bern.  Unterwegs  haben  sie  die  folgenden 
abenteuer  zu  bestehen:  1)  einen  kämpf  mit  dyr  eAtt,  er  heitir 
elevans.   I'asold  rät  davon  ab;  Dietrich  lässt  sich  nicht  zurück- 


^)  In  der  saga  ist  Fasold  bloss  mikill  vexti  (c.  102,  5). 

'■')  Vielleicht  ist  darin ,  dass  Yäsolt  str.  1G8  dem  Benier  frieden  gibt, 
weil  dieser  verwundet  ist,  ihn  aber  str.  183  von  neuem  angreift,  eine  re- 
miniscenz  daran  erhalten,  dass  er  in  der  quelle  dem  Berner  nicht  mehr  als 
einen  schlag  versetzt  und  dann  davonreitet.  Vgl.  auch  172,  -I-t— 6  sol  ich 
von  minen  ivundcn  leben'^  ich  mnoz  im  strttes  vollen  gehen;  mich  muoz 
nach  im  hdaiujen  damit,  dass  Dietrich  c.  103,  sobald  er  sich  von  der  be- 
tiiubung,  die  durch  Fasolds  schlag  über  ihn  gekommen  ist,  erholt  hat, 
diesem  nachreitet  und  ihn  zum  kämpfe  herausfordert. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  ]L4 


204  BOEß 

halten;  endlich  siegt  er  mit  hilfe  Fasolds,  der  anfangs  an  dem 
kämpf  nicht  teilnimmt,  und  seines  pferdes  (widerliolung  von 
c,  100,  s.  s.  193);  2)  einen  kämpf  mit  einem  drachen,  aus  dessen 
rächen  sie  einen  lebenden  menschen,  Sistram  af  Fenedi,  erlösen. 
Dann  kommen  sie  3)  zu  dem  schlösse  des  grafen  Loövigr  auf 
Aldinflis,  der  inzwischen  Sistrams  pferd  in  seine  macht  be- 
kommen hat  und  es  herauszugeben  sich  weigert.  Durch  Diet- 
richs drohung  lässt  er  sich  jedoch  dazu  bewegen.  Darauf 
setzen  die  drei  kameraden  die  reise  fort. 

Keines  dieser  abenteuer  hängt  mit  der  haupthandlung  zu- 
sammen, und  es  ist  auch  sehr  wahrscheinlich,  dass  wir  es  hier 
mit  einem  auswuchs  der  Überlieferung  zu  tun  haben.  Darauf 
deutet  auch  die  widerholung  des  motivs,  dass  das  pferd  dem 
beiden  zu  hilfe  kommt.  Die  erweiterung  lässt  sich  psycholo- 
gisch w^ol  verstehen.  Dietrich  hat  einen  freund  erworben; 
dieser  soll  jetzt  erprobt  werden.  Dazu  dienen  ein  paar  kämpfe 
mit  Ungeheuern.  Die  bewirtung  auf  Aldinflis  soll  nur  den 
schrecken  beleuchten,  der  jetzt  von  Dietrichs  namen  ausgeht. 
Von  einer  anknüpfung  an  andere  sagen  kann  man  eigentlich 
nicht  reden.  Sistram  verhält  sich  vollständig  passiv  und  auch 
in  anderen  erzählungen  von  Dietrich  fällt  ihm  keine  rolle  von 
einiger  bedeutung  zu.  Dass  er  jünger  ist  als  die  dreifache 
hochzeit,  die  den  schluss  bildet  (§  10),  zeigt  der  umstand,  dass 
nicht  er,  sondern  pettleifr  der  dritte  bräutigam  ist. 

lieber  die  quellen  dieser  abenteuer  lässt  sich  nicht  viel 
sagen.  Anklänge  an  eine  fremde  sage  wird  man  vielleicht  in 
dem  drachenkampf  suchen  dürfen,  insofern  Sistrams  erlösung 
an  die  Ortnitsage  mahnt.  Doch  sind  die  unterschiede  so  durch- 
greifend (Ortnit  wird  von  dem  drachen  durch  daz  ivcrc  gesogen, 
Sistram  wird  durch  seine  rüstung  beschützt  und  später  erlöst) 
und  die  einzelheiten  des  kämpf  es  sind  so  eigentümlich  und  so 
genau  mitgeteilt,  dass  an  eine  directe  nachbildung  ebensowenig 
zu  denken  ist  als  an  eine  einfache  reminiscenz:  man  müsste 
eine  frei  ausgeführte  geschichte  auf  grund  einer  reminiscenz 
annehmen;  da  es  aber  keineswegs  feststeht,  dass  die  Ortnit- 
sage älter  als  diese  erzähl ung  ist,  bleibt  das  alles  sehr  unsicher. 
Der  kämpf  mit  dem  elephanten  kann  sehr  wol  die  erfindung 
eines  spielmanns  sein;  wenigstens  besteht  gar  kein  grund,  mit 
Jiriczek  (s.  209)  anzunehmen,  dass  er  unter  dem  einfluss  der 


Das  ECKENLIED  TXD  SEINE  QUELLEN.         205 

viel  weniger  einfachen  erzählung-  einer  jüngeren  quelle,  Wolf- 
dietricli  B,  stehe,  wo  der  held  einem  elephanten  zu  hilfe  kommt, 
und  wo  zum  iiberlluss  das  wandermotiv  von  dem  dankbaren 
tiere  augehängt  worden  ist,  —  eine  folge  davon,  dass  das  tier 
nicht  besiegt,  sondern  befreit  wird.  Ueber  den  besuch  bei  dem 
grafen  Ludwig  vgl.  oben  s.  1G5,  anm.  1.  Jedenfalls  hat  die  der 
saga  zu  gründe  liegende  tradition  die  geographischen  angaben 
besser  auseinander  gehalten  als  A^'olfdietrich,  und  so  wird  es 
sich  auch  mit  den  angaben  über  die  person  des  Ludwig  ver- 
halten. 

Dass  die  erweiterung  der  erzählung  der  quelle  der  saga 
angehört,  daran  kauu  man  nicht  zweifeln.  Es  fragt  sich  nun, 
ob  sie  auch  der  Umarbeitung  zu  gründe  liegt,  oder  ob  diese 
darin,  dass  sie  andere  abenteuer  —  also  nicht  diese  —  erzählt, 
wenigstens  negativ  auf  einem  älteren  Standpunkte  steht,  d.  h. 
ob  sie  von  einer  redaction  des  alten  liedes  stammt,  die  die 
gemeinsamen  abenteuer  der  beiden  beiden  nicht  kannte. 

Diese  frage  ist  schwer  zu  entscheiden.  Für  die  haupt- 
entwicklung  der  tradition  ist  sie  vielleicht  aucli  nicht  von 
grosser  bedeutung.  Die  hochdeutschen  Versionen  haben  dafür 
gesorgt,  die  alte  Vorstellung  so  gründlich  zu  verderben,  dass 
aus  ihrer  darstellung  tatsächlich  kaum  ein  einziger  schluss 
sich  mehr  mit  Sicherheit  ziehen  lässt.  Die  französische  be- 
arbeitimg  kennt  nur  einen  empfang  in  der  wolmung  des 
bruders  des  riesen,  aber  keine  gemeinsamen  abenteuer.  Es 
leuchtet  aber  ein,  dass  auf  das  alleinstehende  negative  zeugnis 
dieser  quelle  kein  grosser  wert  zu  legen  ist.  Die  entscheidung, 
ob  die  abenteuer  der  saga  U  bekannt  waren,  wird  durch  eine 
vergleichung  des  Eckenliedes,  namentlich  von  L  mit  der  saga 
gebracht  werden  müssen. 

Die  andeutungen  für  einen  Zusammenhang  sind  nur  gering. 
Am  stärksten  spricht  dafür  wol  der  einfache  umstand,  dass 
im  liede  wie  in  der  saga  Dietrich  und  Fasold  überhaupt  zu- 
sammen auf  reisen  gehen.  Diese  Vorstellung  konnte  zwar 
spontan  entstehen  —  und  das  ist  auch  geschehen  , — ,  aber 
weniger  leicht  zweimal  als  einmal. 

Einen  empfang  auf  einem  schloss  bei  einem  herrn,  der 
schliesslich  Dietrichs  Überlegenheit  anerkennt,  kennt  auch  das 
lied  (L  202—207);   dieser  besuch,  der  wol  auf  der  c.  107  mit- 

14* 


206  BOER 

geteilten  g-escliichte  zurückgeht,  steht  hier  am  anfang  der 
abenteuer. ') 

Mögliche  ausgangspunkte  für  die  Vorstellung  von  Väsolts 
untreue  finden  sich  in  der  saga  an  zwei  stellen.  C.  103 
(schluss)  will  Dietrich  Fasolds  dienst  nicht  annehmen,  da  er 
seinen  bruder  getötet  hat  und  ihm  nicht  vertrauen  zu  können 
glaubt,  so  lange  des  bruders  tod  nicht  gesühnt  ist.  Darum 
erwählt  er  ihn  zu  seinem  Waffenbruder.  Daraus  konnte  ein 
umarbeiter  abstrahieren,  dass  Fasold  tatsächlich  dem  Dietrich 
die  treue  gebrochen  hatte,  um  so  eher,  als  die  Umarbeitung 
die  Züge  fallen  lässt,  dass  Dietrich  das  erste  mal  von  Fasold 
besiegt  wird,  und  dass  er  ihn  als  ebenbürtig  anerkenut.  Die 
zweite  stelle  findet  sich  c.  104,  wo  Fasolt  sich  weigert,  Diet- 
rich in  dem  kämpf  mit  dem  elephanten  beizustehen.  Zwar 
hat  er  ihn  zuvor  gewarnt  und  kommt  er  ihm  in  der  not  zu 
liilfe,  aber  in  seiner  anfänglichen  Untätigkeit  ist  doch  etwas, 
was  als  mangel  an  ritterlicher  gesinnung  ausgelegt  werden 
kann.  Und  ähnlich  verhält  Väsolt  sich  in  einigen  der  aben- 
teuer der  Umarbeitung.  Er  greift  Dietrich  nicht  an,  sondern 
er  führt  ihn  an  orte,  wo  gefahren  ihm  drohen  und  wartet  un- 
tätig den  ausgang  der  kämpfe  ab  (str.  208  ff.  229  ff.).  Weniger 
hat  es  zu  bedeuten,  dass  in  der  saga  wie  im  liede  mit  un- 
holden gekämpft  wird,  denn  die  natur  der  unholde  ist  eine 
ganz  verschiedene;  hier  ist  der  bearbeiter  der  hochdeutschen 
Version  in  seiner  rumpelkammer  von  landläufigen  motiven  auf 
die  suche  gegangen.  Dort  hat  er  die  hexen  auf  Jochgrim 
gefunden. 

Es  muss  hier  auf  Jiriczeks  mythische  auffassung  der 
Überlieferung  eingegangen  werden.  Diese  gründet  sich  zum 
grossen  teil  auf  etymologien.  Jiriczek  erkennt  nämlich  an, 
dass  das  gewand  der  sage  so  vollständig  ein  episches  ist,  dass 
aus  den  ereignissen  für  eine  mythische  auffassung  der  sage 
keine  gründe  entnommen  werden  können.  Neben  den  etymo- 
logien kommen  ein  tiroler  Volksglaube  und  die  beschreibung 
Väsolts  (L  166)  in  betracht. 

Dass  Väsolts  weibliche  verwantschaft  namen  trägt,  die 


•)  In  P  ist  daraus  eine  bewirtung  in  der  wohnung  des  besiegten  ge- 
worden. Da  der  herr,  bei  dem  die  freunde  einkehren,  in  L  ein  vasall 
Väsolts  ist,  ist  der  abstand  zwischen  P  und  HD  noch  kein  bedeutender. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  207 

für  Sturm-  und  liageldämouen  trefflicli  passen,  lässt  sicli  nicht 
leugnen.  Aber  diese  unholde  kennt  Aveder  die  saga  noch  die 
franz()sische  bearbeitung.  Und  ebenso  verhält  es  sich  mit  der 
dämonischen  beschreibung-  von  Väsolts  äusserem  und  mit  seinem 
dämonischen  auftreten.  Auch  im  Eckenliede  beträgt  Väsolt 
sich  in  den  teilen,  denen  stellen  in  P  oder  in  der  saga  ent- 
sprechen, durcliaus  als  ein  menschlicher  ritter;  nur  wo  er  das 
wilde  fräulein  verfolgt,  haftet  an  ihm  etwas  dämonisches,  und 
hier  findet  sich  auch  die  in  rede  stehende  beschreibung-,  auf 
welche  Jiriczek  besonderen  naclulruck  legt.  Man  müsste  nun 
erwägen,  ob  es  mög-lich  wäre,  dass  P  und  p.  s.  unabhängig- 
von  einander  diese  züge  und  erzählungen  aufgegeben  hätten, 
wenn  nicht  auch  die  composition  des  liedes  sie  verurteilte 
(s.  oben  s.  202).  Dass  die  episode  mit  dem  wilden  fräulein 
absolut  unmöglich  ist,  wurde  §  8  ausführlich  g-ezeigt;  auch 
Freiberg  liat  das  richtig  g-esehen.  Die  'mythischen'  züge  sind 
demnach  zusätze  des  hochdeutschen  gedichtes.  Da  nun  die 
episode  mit  dem  wilden  fräulein  sich  von  den  kämpfen  mit 
Väsolts  weiblicher  verwantscluift  nicht  trennen  lässt,  und  jene 
in  allen  drei  redactionen  in  ähnlicher  weise  erzählt  wird,  so 
könnte  man  schon  daraus  schliessen,  dass  auch  diese  aus  der 
gemeinsamen  quelle  von  Ldas  stammen  und  nur  in  den  drei 
Versionen  verschieden  gestaltet  sind.  Ich  werde  §  11  den 
nachweis  führen,  dass  hier  wie  auch  sonst  die  darstellung  von 
L  dem  originale  noch  sehr  nahe  steht,  und  dass  die  von  das 
sich  aus  jener  ableiten  lassen. 

AVenn  Jiriczek  in  Zusammenhang  hiermit  auf  die  loca- 
lisation  auf  Jochgrim  und  auf  den  tiroler  Volksglauben,  der 
daselbst  wettermachende  hexen  kennt,  hinweist,  so  ist  auch 
dieser  Zusammenhang  nicht  zu  leugnen,  aber  der  schluss, 
dass  die  Eckesage  ursprünglich  auf  Jochgrim  zu  hause  sei, 
ist  nicht  zu  billigen.  Vielmehr  muss  man  schliessen,  dass 
derselbe  dichter,  der  die  episode  von  dem  wilden  fräulein  und 
die  kämpfe  mit  Väsolts  mutter  und  Schwester  einführte,  auch 
die  geschichte  auf  Jochgrim  localisiert  hat.  Dazu  stimmt, 
dass  auch  diese  localisation  nur  dem  hochdeutschen  gedieht 
bekannt  ist.  Sie  hat  ihren  grund  in  dem  tiroler  Volksglauben 
von  den  wettermachenden  hexen.  Die  drei  königinnen,  die 
Ecke  ausrüsteten,  betragen  sich  keineswegs  als  hexen,  vielmehr 


208  BOER 

als  ritterfrauen.  Die  Jochgrimmer  wetterfraiien  ihrerseits 
senden  keine  ritter  oder  kämpfer  aus;  sie  selbst  machen  das 
Avetter;  sie  sind  in  eigener  person  aggressiv.  In  ihnen  sind 
demnach  die  prototypen  nicht  jener  damen,  sondern  der  mutter 
und  Schwester  Väsolts  zu  suchen.  Das  einzige,  was  Jiriczek 
für  die  gleichsetzung  der  hexen  mit  frau  Seburc  und  ihren 
gespielen  anführt,  ist,  dass  auch  die  zahl  jener  wetterfrauen 
drei  ist,  aber  diese  zahl  ist  stereotyp  und  würde  demnach, 
selbst  wenn  die  zahl  der  königinnen  von  anfang  an  drei  — 
nicht  vier  —  wäre,  kaum  etwas  beweisen.  Nun  ist  aber  in 
d  die  zahl  der  riesinnen  gleichfalls  drei  (Rachin,  Kallech, 
Ritsch),  so  dass  auch  für  Väsolts  weibliche  verwantschaft  die 
dreizahl  belegt  ist.')  Und  was  endlich  den  umstand  betrifft, 
dass  im  liede  die  damen  auf  Jochgrim  wohnen,  so  ist  dieser 
eine  unumgängliche  folge  der  neuen  localisation.  Denn  wenn 
Yäsolt  auf  Jochgrim  wohnt,  so  wohnt  dort  auch  Ecke  und 
mit  ihm  die  drei  damen,  die  ihn  zum  kämpf  gerüstet  haben.^) 
Ich  glaube  auf  grund  dieser  data  leugnen  zu  dürfen,  dass 
auch  nur  ein  einziger  zug,  der  nicht  zu  der  in  dem  hoch- 
deutschen gedichte  sehr  ungeschickt  angebrachten  erweiterung 
gehört,  auf  einen  Zusammenhang  mit  sturmdämouen  oder 
anderen  mythischen  wesen  weist.  —  Wenn  Väsolt  in  einem 
sehr  jungen  wettersegen  angerufen  wird  (Grimm,  Myth.^  3,  494), 
so  kann  das  sehr  gut  auf  kenntnis  des  Eckenliedes  beruhen. 

Die  namen,  mit  denen  wir  ausschliesslich  zu  rechnen  haben, 
sind  Fasold  und  Ecca,  und  hier  lehrt  die  etymologie  nichts, 
da  sie  unbekannt  ist.  Bei  Fasold  geht  man  vollständig  im 
dunkeln,  bei  Ecca  hat  man  die  wähl  zwischen  mehreren  auf- 
fassungen.  Aber  selbst  dann,  wenn  Ecca,  wie  Jiriczek  an- 
nimmt, mit  agjan  zu  verbinden  wäre,  so  wäre  die  bedeutung 
so  allgemeiner  art,  dass  der  name  für  mythologische  construc- 
tionen  unbrauchbar  ist.    Näheres  über  diesen  namen  §  13. 

Kehren  wir  nun  zu  der  §  8  gestellten  frage,  warum  der 
bearbeiter  des  Eckenliedes  Yäsolt  als  wilden  Jäger  aufgefasst 


')  Da  L  mitten  in  dem  kämpf  mit  Uodelgart  abbricht,  lässt  sieb  nicht 
entscheiden,  welche  hier  die  zahl  der  riesinnen  war.  as  haben  zwei  von 
den  frauen  aufgeräumt. 

^)  Str.  1  hat  aber  die  erinuerung  daran  behalten,  dass  sie  in  Köln 
wohnen. 


DAS   ECKENLIPD   UND   SEINE   QUELLEN.  209 

liat,  zurück,  so  wird  die  antwort  lauten  niiissen:  weil  der  wulde 
Jäger  ein  sturmdämon  ist,  und  weil  (Ut  l)ru(ler  der  JochgTimer 
hexen  gleiclifalls  ein  stui'mdänion  ist.  JJie  episode  mit  dem 
wilden  tVäulein  ist  also  nur  ein  glied  einer  ganzen  reihe  von 
neuerungen,  die  alle  unmittelbar  mit  der  localisation  auf  Joch- 
grim  zusammenhängen. 

Uebersehen  wir  die  tätigkeit  des  hochdeutschen  bearbeiters 
in  dieser  partie,  so  ergibt  sich,  dass  seine  Selbständigkeit  hier 
grösser  ist  als  in  den  früheren  teilen  der  erzählung.  Während 
er')  sich  sonst  damit  begnügt,  motive  umzudeuten  und  auszu- 
führen, —  auch  die  lange  einleitung  ist  nicht  anders  zu  be- 
urteilen. —  hat  er  hier  eine  reihe  fremder  motive  aufgenommen. 
In  seiner  quelle  fand  er  nur  eine  g-emeinschaftliche  reise  Diet- 
richs und  Yäsolts,  ferner  gering-e  andeutungen  von  Yäsolts 
mög-licher  untreue.  Diese  untreue  war  ihm  aus  mehreren 
gründen  willkommen;  er  machte  sie  zum  ausgangspunkt  seiner 
erzählung.  Von  den  gemeinsamen  erlebnissen  der  beiden  hat 
er  die  bewirtung  bei  einem  fremden  herrn  beibehalten;  die 
geschichte  ist  aber  wesentlich  anders  gestaltet;  die  eigent- 
lichen abenteuer  —  den  kämpf  mit  dem  elephanten  und  mit 
dem  drachen  —  hat  er,  falls  die  quelle  sie  enthielt,  durch 
neue  kämpfe  ersetzt.  Hier  hat  er  an  einen  einheimischen 
aberglauben  angeknüpft.  Er  hat  die  ganze  geschichte  auf 
Jocligrim  localisiert  und  Dietrich  zuerst  einen  kämpf  mit 
Eckenot,  dann  mit  den  dort  hausenden  allgemein  bekannten 
Wetterfrauen  siegreich  bestehen  lassen.  Ein  jüngerer  dichter 
war  es  w^ol,  der  das  zusammentreffen  mit  den  gefährlichen 
bildsäulen,  das  nur  in  d  as  überliefert  ist  (L  fehlt  hier),  hinzu- 
gedichtet hat. 

Es  erübrig-t,  kurz  auf  das  Verhältnis  des  Eckenliedes  zum 
A\'underer  einzugehen.  Die  einander  gegenüberstehenden  hj'po- 
thesen  lauten,  dass  der  Wunderer  eine  rohe  widerholung  der 
scene  des  Eckenliedes  sei,  bez.  dass  beide  auf  eine  verlorene 
quelle,  also  eine  ältere  redaction  des  AVunderers  zurückgehen. 
Cm  letztere  annähme  wahrscheinlich  zu  machen,  müsste  man 
im  Wunderer  züge  nachweisen,  die  über  das  Eckenlied  hinaus- 


')  Von  einer  genauen  Unterscheidung  zwischen  dem  eigentum  von  HD 
und  U  wird  in  diesem  Zusammenhang  abgesehen,  vgl.  s.  161,  anm. 


210  BOER 

gehen.  Das  wird  gewis  schwer  halten.  Die  erzählung-  im 
Wunderer  ist,  namentlich  in  der  fassung-  des  Dresdener 
heldenbuches,  ausserordentlich  in  die  länge  gezogen,  aber  etwas, 
was  auf  eine  ältere  darstellung  als  die  des  Eckenliedes  deuten 
könnte,  kommt  dabei  nicht  heraus.  Dass  der  Wunderer  das 
fräulein  fressen  will,  sieht  nicht  ursprünglicher  aus,  als  dass 
er  sie  jagt,  konnte  aber  sehr  leicht  daraus  abgeleitet  werden; 
übrigens  will  er  es  Hdb.  1855, 11,533,  str.201.  Hdb.  1820—25, 
II,  69,  str.  161  nicht  fressen,  sondern  an  eyn  ivyd  hängen  wie 
im  Eckenliede.  Dass  der  Wunderer  erschlagen  wird,  braucht 
ebensowenig  ein  alter  zug  zu  sein;  wenn  der  Wunderer  der 
wilde  Jäger  ist,  woran  sich  nicht  zweifeln  lässt,  so  wissen 
zahlreiche  sagen  zu  erzählen,  dass  er  eine  frau  jagt;  darin 
aber,  dass  ein  held  es  mit  ihm  aufnimmt,  steht  unsere  Über- 
lieferung allein,  und  wenn  Dietrich  ihn  erschlägt,  so  zeugt 
das  eher  dafür,  dass  das  Verständnis  für  die  dem  Wunderer 
zu  gründe  liegende  gestalt  erloschen  war.  Anderseits  weist 
gerade  dieser  zug  auf  das  Eckenlied,  wo  Yäsolt  später  er- 
schlagen wird,  als  seine  quelle  zurück,  ja  es  scheint,  als  seien 
im  Wunderer  Ecke  und  Väsolt  zusammengeworfen  worden. 
Daraus  lässt  es  sich  erklären,  dass  Dietrich  dem  Wunderer 
den  köpf  abschlägt,  denselben  bei  den  haaren  ergreift  und 
ihn  triumphierend  in  den  palast  trägt,  wo  vil  Jxonig  und  honigyn 
ihm  entgegenkommen.  Der  dank  des  fräuleins  dafür,  dass  der 
held  sie  erlöst  hat,  folgt  freilich  aus  der  Situation;  wenn  man 
aber  in  betracht  zieht,  dass  die  feindschaft  des  Wunderers  da- 
raus erklärt  wird,  dass  er  sie  hat  heiraten  wollen,  so  zeigt  sich 
auch  hierin  eine  abhängigkeit  vom  Eckenliede  (as  261).  Dass  sie 
frau  Seid  heisst,  erklärt  sich  auf  dieselbe  weise;  Ecke  str.  160 
hat  frau  Babehilt  dem  Berner  zugewünscht,  vro  Soelde  wolle 
ihn  pflegen,  und  unmittelbar  darauf  trifft  er  mit  dem  wilden 
fräulein,  das  ihn  pflegt  und  kräuter  auf  seine  wunden  legt, 
zusammen.  Der  schluss,  dass  dieses  fräulein  frau  Seide  ge- 
heissen  habe,  lag  für  einen  rohen  nachdichter  des  15.  Jahr- 
hunderts nahe  genug.  Hingegen  möchte  ich  wissen,  wie  wol 
der  Eckendichter  daraus,  dass  die  wilde  meit  in  seiner  quelle 
Seide  geheissen  hätte,  abstrahiert  haben  könnte,  dass  Babehilt 
sagt:  vro  Scelde  ivil  dm  pflegen.  Aus  diesen  Verhältnissen 
lässt  sich  nur  ein  schluss  ziehen,  nämlich  der,  dass  das  gedieht 


DAS   ECKENLIED    UND   SEINE   QUELLEN.  211 

vom  AVunderer  auf  nachklängen  aus  dem  Eckenliede,   wie  es 
scheint  sogar  aus  as.  aufgebaut  ist.') 

§  10.    Der  au.^jgang-  der  gescliiclite. 

C.  240.  In  der  saga  reitet  Dietrich  zusammen  mit  Fasold 
und  einem  dritten  genossen,  der  \\o\  verliältnismässig  jung  ist 
und  mit  der  dreizald  der  Prinzessinnen  zusammenhängt')  — 
in  der  Überlieferung  tritt  pettleifr  in  die  rolle  ein  — ,  nach 
dem  Draclienfels.  Die  mutter  ist  gestorben;  die  freunde  hei- 
raten die  töoliter  (s.  oben  s.  U»0).  Dass  eine  dame  sich  von 
dem  ritter,  der  ihren  mann  oder  ihren  geliebten  erschlagen 
hat,  trösten  lässt,  ist  ein  bekanntes  motiv;  zu  vergleichen  ist 
Iweins  abenteuer  mit  Laudine.  Unsere  geschichte  bietet  eine 
Variante,  nach  der  der  sieger  die  tochter  anstatt  der  mutter 
zur  frau  bekommt.  Der  ausgang  ist  in  jeder  hinsiclit  ver- 
ständlich. 

Einen  ähnlichen  abschluss  hat  sogar  HD  noch  gekannt, 
nur  dass  nicht  die  tochter,  von  der  HD  nichts  weiss,  für  die 
mutter  eintrat.  In  as  kommt  Dietrich  nämlich  zu  der  dame 
und  wird  von  ihr  freundlich  aufgenommen.  Dass  er  sie 
heiratet  oder  ihre  liebe  erwirbt,  hat  freilich  diese  Version, 
und  wol  U  schon,  vergessen.  Das  hängt  vielleicht  damit  zu- 
sammen, dass  die  jüngere  poesie,  die  in  stets  höherem  grade 
auf  andere  taten  und  erlebnisse  der  beiden  als  die,  welche 
eben  erzählt  werden,  rücksicht  nimmt,  Dietrich  keine  frau  zu- 
gesellen wollte,  von  der  andere  quellen  nichts  wissen.  Dass 
Dietrich  zu  der  königin  kommt,  kann  auch  darum  keine  neue- 
rung  in  as  sein,  da  es  den  teudenzen  von  U,  der  den  wünsch 
der  frau,  ihn  zu  sehen,  zum  cardinalpunkte  der  erzälilung 
macht,  entspricht.  Dieser  zug  hat  sich  also  in  der  tradition 
bis  zu  ende  erhalten.  Dass  Dietrich  allein  kommt,  ist  hingegen 
eine  neuerung,  über  deren  alter  s.  s.  214;  in  der  quelle  war  er 
von  Fasold  begleitet. 

Die  oben  besprochenen  nachklänge  in  as  weisen  auf  die 
mitteilung  der  quelle,  dass  Dietrich  die  liebe  der  frau  erwarb, 

')  Die  aufsätze  von  Zimmerstädt  und  ^^'arnatscll  über  den  "Wunderer 
sind  mir  leider  nicht  zugänglich. 

'■')  Eine  vor  unserer  Überlieferung  liegende  tradition  kannte  vielleicht 
nur  eine  oder  zwei  frauen. 


212  BOER 

zurück.  Die  freiide  der  fürstin  über  Eckes  tod  und  die  auf- 
fassung-  des  beiden  als  eines  befreiers  beruhen  jedoch  auf 
einer  recht  jungen  Sonderentwicklung-  von  as  und  geben  ein 
weiteres  zeugnis  für  eine  nahe  berührung  zwischen  dieser 
gruppe  und  P  ab  (§11).  Denn  d  lehrt,  dass  noch  in  HD, 
sogar  in  der  directen  quelle  der  gruppe  d  as  der  zug,  aus  dessen 
Umbildung  die  Vorstellung,  dass  Seburg  sich  über  Eckes  tod 
freut,  entstanden  ist,  in  seiner  alten  gestalt  erhalten  war.  Es 
ist  die  §  7  erörterte  stelle  I).  s.  c.  101.  Als  die  königin  Diet- 
rich in  Eccas  rüstung  sich  nahen  sah,  freute  sie  sich,  denn 
sie  glaubte,  dass  Ecca  einen  sieg  erfochten  hatte;  ihre  freude 
aber  verkehrte  sich  in  tiefen  schmerz,  als  sie  zu  der  gewiss- 
heit gelangte,  dass  der  ritter,  der  hergesprengt  kam,  ein  anderer 
als  Ecca  war.  Als  U  an  die  stelle  dieses  absclmittes  die  be- 
wirtung  bei  einer  fremden  frau,  die  P  in  einer  an  ihren  Ur- 
sprung deutlich  erinnernden  gestalt  erhalten  hat,  aufnahm, 
musste  der  eben  angeführte  zug  entfernt  werden.  Aber  U 
hat  ihn  nach  dem  Schlüsse  versetzt  und  dort  steht  er  noch  in 
d  str,  322  Er  (Dietrich)  |)a^,  man  solt  in  lassen  ein.  ein  pot 
l'am  mi  der  kon(;i)gin,  und  sagt  ir  do  den  sif(e)n  vnd  vil  gar 
lieher  mcre  do,  der  sie  in  hertzen  ivurden  fro,  licr  Eck 
der  JiC))i  geriten.  'aive."  sprach  do  ein  roter  munt  der  edlen 
Tion(i)gincn,  'ich  furcht,  es  Jciim  vns  zu  der  stunt  zu  grossem 
vngeivinnen.'  der  pot  [der]  sprach:  'es  ist  ungelogenn,  er  fürt 
ein  michel  houhet  hangen  an  seijncm  satel  pogen!  Darauf  wird 
Dietrich  eingelassen;  als  er  aber  eingetreten  ist,  heisst  es:  ivie 
dein  sie  sein  hegerte. 

Das  ist  die  alte,  nur  nach  einer  anderen  stelle  versetzte 
Vorstellung  und  also  der  von  as  gegenüber,  w^o  die  freude  der 
königin  daraus  erklärt  wird,  dass  sie  Eckes  tod  vernimmt,  die 
ursprünglichere,  as  hat  den  alten  zug  umgedeutet  und  lässt 
Seburg  Dietrich  als  ihren  befreier  begrüssen. 

Da  nun  sowol  dieser  zug,  dass  die  königin  Dietrich  für 
Ecke  ansieht  und  sich  über  seine  ankunft  freut,  später  aber 
enttäuscht  wird,  als  jener  andere,  dass  Dietrich  von  ihr  gut 
aufgenommen  wird,  aus  der  quelle  stammt,  lässt  sich  der  schluss 
nicht  umgehen,  dass  beide  sich  in  der  tradition  von  der  quelle 
über  U  und  HD  bis  in  die  einzelnen  redactionen  von  HD  er- 
halten haben.    Von  U  an  standen  sie  neben  einander  in  der 


DAS  ECKENLIED  UND   SEINE   QUELLEN.  213 

schlussscene.  Diese  niuss  in  U  wie  folgt  gelautet  haben:  nach 
dem  kämpfe  mit  Fasold  ritt  Dietrich  zu  der  königin.  Als  sie 
ihn  kommen  sah,  freute  sie  sich,  denn  sie  glaubte,  es  sei  Ecke, 
der  sich  nahte;  sie  wurde  jedoch  sehr  enttäuscht,  als  sie  sah, 
dass  er  ein  fremder  war.  Dietrich  tröstete  sie  und  wurde  da- 
rauf gut  bewirtet.  Dass  er  ihre  liebe  erwarb,  braucht,  wie 
gesagt,  nicht  mehr  die  Vorstellung  von  U  gewesen  zu  sein. 

In  d  findet  sich  jedoch  an  der  stelle  der  bewirtung  ein 
anderer  ausgang.  der  gleichfalls  von  einem  alten  berichte  aus- 
gelit,  und  der  hanptsache  nach  wenigstens  schon  in  HD  ge- 
standen haben  muss.  Dietrich  benimmt  sich  in  D  den  frauen 
gegenüber  gar  nicht  höflich:  er  wirft  ihnen  Eckes  haupt  vor 
die  fiisse  und  reitet  von  dannen.  Die  unhöflichen  worte  und 
das  werfen  mit  dem  köpfe  können  das  eigentum  von  d  sein; 
dass  er  on  vrJouh  von  den  fraiccn  mit  gleiclifalls;  dass  er  aber 
den  köpf  nach  Jocligrim  führt,  wird  durch  die  Übereinstimmung 
zwischen  d  und  L  (§11)  als  ein  aus  HD  stammender  zug  er- 
wiesen. Den  ausgangspnnkt  dieser  erzälilung  bildet  der  be- 
richt  der  quelle,  dass  der  held  dem  von  ihm  besiegten  feinde 
den  köpf  abschlägt.  Dass  dies  der  alten  sitte  entspricht, 
wurde  s.  190  betont.  In  U  wurde  daraus,  dass  Dietrich  erst 
Ecke  durchsticht,  später  aber  auf  seine  bitte  ihn  enthauptet. 
Darauf  band  er  (in  U  oder  erst  in  HD)  den  köpf  an  seinen 
Sattel.  Auch  dieser  zug  widerspricht  der  alten  sitte  nicht 
und  könnte  insofern  alt  sein.  Da  er  aber  der  saga  nicht  be- 
kannt ist,  da  ferner  Fasold  Dietrich  nicht  an  Eckes  köpf, 
sondern  an  seiner  rüstung  erkennt,  da  schliesslich  str.  d  322, 
die  den  köpf  nennt,  str.  325  vorbereitet  und  auch  L  150  Diet- 
rich zu  dem  köpfe  spricht:  des  ivil  ich  dich  behalten  den  die 
dich  hüten  uz  gesant  und  teil  oiich  niht  erivinden,  ich  bring 
dich  in  ir  lant,  während  sonst  in  L  von  dem  köpfe  nirgends 
die  rede  ist  (s.  190),  muss  man  schliessen,  dass  das  anbinden 
des  kopfes  an  den  sattel  eine  neuerung  ist,  die  dem  zwecke 
dient,  Dietrich  den  köpf  zu  den  frauen  führen  zu  lassen.  Das 
tragen  des  kopfes  nach  Jocligrim  ist  auch  damit  in  Überein- 
stimmung, dass  im  liede  Dietrich  schon  während  des  kampfes 
Ecke  droht,  er  werde  ihn  zu  den  frauen  führen,  —  eine  Um- 
drehung der  entsprechenden  drohung  in  Eckes  munde.  Diese 
zusammenhänge  beweisen  unwiderleglich,  dass  der  zug,  dass 


214  BOER 

Dietrich  den  köpf  zu  den  frauen  führt,  nicht  jünger  als  HD 
ist.  Nehmen  wir  ihn  in  die  Inhaltsangabe  der  schlussscene 
auf,  so  erhält  diese  für  HD  folgende  gestalt:  die  königin  ist 
froh,  als  Dietrich  sich  naht,  denn  sie  sieht  ihn  für  Ecke  an. 
Dietrich  kommt  näher  und  zeigt  ihr  den  köpf,  den  er  ihrem 
geliebten  abgeschlagen  hat.  Sie  erschreckt  darüber  heftig, 
wird  aber  von  Dietrich  getröstet.  Darauf  wird  dieser  von 
den  frauen  gut  aufgenommen  und  bewirtet. 

In  d  wurde  die  freundschaftliche  aufnähme  fortgelassen; 
Dietrich  wirft  den  frauen  den  köpf  vor  die  füsse  und  reitet 
ohne  gruss  davon;  as  machte  die  aufnähme  zum  hauptthema 
und  verband  damit  den  durch  umdeutung  entstandenen  zug, 
dass  die  königin  über  Eckes  tod  frohlockt,  war  aber  dadurch 
genötigt,  den  bericht  über  Eckes  köpf  fortzulassen.') 

Ganz  anders  endet  die  geschichte  in  P.  Hier  kommt 
nicht  der  held,  sondern  der  bruder  des  riesen  zu  dem  schlösse 
der  dame.  Man  könnte  versucht  sein,  diesen  bericht  mit  dem 
von  HD  zu  combinieren  und  die  combination  auf  den  bericht 
der  quelle,  dass  Dietrich  und  Fasold  zusammen  nach  dem 
Drachenfels  reiten,  zurückzuführen.  Aber  d  322,  wo  Dietrich, 
wie  c.  101  der  saga  allein  diesen  besuch  abstattet,  und  wo 
die  frauen  glauben.  Ecke,  nicht  Ecke  und  Väsolt  sich  nahen 
zu  sehen,  'verbietet  eine  solche  combination, 2)    Schon  in  U 


1)  Die  directe  erzählung  von  der  euthanptimg  hatte  schon  die  quelle 
von  d  as  verloren.  Aber  das  steht  mit  der  bearbeitnug  der  schlussscene  in 
keinem  Zusammenhang,  sondern  damit,  dass  Dietrich  einige  Strophen  vorher 
Ecke  durchsticht. 

*)  Anderseits  kann  man  fragen,  ob  nicht  U  vielmehr  darin  etwas  altes 
bewahrt  haben  kann,  dass  Dietrich  allein  zu  den  frauen  kommt.  Fasolds 
ehe  mit  einer  der  Prinzessinnen  wäre  dann  eine  neuerung  der  quelle  der 
saga.  Aber  der  widerholte  besuch,  an  den  sowol  das  lied  wie  P  deutliche 
reminiscenzen  erhalten  haben,  widersprechen  auch  einer  solchen  hypothese. 
Denn  wenn  Dietrich  nach  Eccas  fall  unfreundlich  aufgenommen  wurde,  so 
bedurfte  es  eines  neuen  datums,  die  Stimmung  der  frauen  ihm  gegenüber 
sich  ändern  zu  lassen.  Dieses  neue  datum  ist  eben  der  umstand,  dass  er 
in  Fasolds  begleitung  widerkehrt.  —  Die  möglichkeit,  dass  es  sich  damit 
in  einer  früheren  periode,  als  der  kämpf  mit  Fasold  noch  nicht  in  die 
dichtung  aufgenommen  war,  vielleicht  anders  verhalten  habe,  und  dass  da- 
mals die  tradition  nur  einen  ritt  nach  dem  Drachenfels  kannte,  leugne  ich 
nicht.  Aber  diese  entwicklungsstufe  der  dichtung  liegt  in  den  quellen 
nicht  vor  (vgl.  §  13). 


DAS   ECKENLTED   UND    SEINE   QUELLEN.  215 

müssen  demnach  Dietrich  und  Väsolt  sich  wider  getrennt 
haben.  Ob  sie  hier  abschied  von  einander  nalimen,  wie  P, 
oder  ob  Yäsolt  von  Dietrich  getötet  wurde,  wie  das  und  wol 
aucli  der  verlorene  schluss  von  L  erzählen,  bleibe  dahin- 
gestellt. So  viel  lässt  sich  doch  sagen,  dass  Yäsolts  tod  als 
eine  folge  seiner  falschheit  dargestellt  wird  und  also  zugleich 
mit  den  abenteuern,  bei  denen  er  eine  zweideutige  rolle  spielt, 
aufgenommen  sein  muss.  Der  abschied  von  Väsolt  kann  dem- 
nach wol  eine  iibergangsstufe  repräsentieren.  Aber  der  besuch 
des  bruders  des  riesen  bei  der  frau  muss  eine  neuerung  in  P 
sein.  Diese  lässt  sich  psychologisch  avoI  verstehen.  Die  frau 
hat  den  riesen  absichtlich  in  sein  Unglück  geschickt,  um  sich 
seiner  zu  entledigen.  Der  nächste,  der  dazu  berufen  ist,  ihn 
zu  rächen,  ist  sein  bruder,  und  das  geschieht  denn  auch,  wo 
dieser  einer  der  Prinzessinnen  einen  arm  abschlägt,  liit  dem 
besuche  in  der  saga,  wo  Fasold  eine  der  Prinzessinnen  zur 
frau  bekommt,  hat  das  nicht  nur  nicht  die  geringste  ähnlich- 
keit.  es  steht  damit  auch  nicht  mehr  in  einen  genetischen 
Zusammenhang. 

§  11.    Das  Verhältnis  der  einzelnen  redactionen 
von  HD. 

lieber  die  redactionen  des  Eckenliedes  hat  Wilmanns,  Alt- 
deutsche Studien  (Berlin  1871)  s.  97  ff.  ausführlich  gehandelt. 
Er  gelangt  dort  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  recension  des  Dres- 
dener heldenbuches  (d)  und  die  namentlich  durch  die  ältesten 
drucke  (as)  repräsentierte  recension  von  der  nach  Zupitza  aus 
dem  Schlüsse  des  13.  jh.'s,  nach  Pfeiffer  aus  dem  14.  jh.  stam- 
menden handschrift  L  durchaus  unabhängig  und  auch  mit 
einander  nicht  näher  verwant  seien,  dass  aber  L  sowol  mit  d 
wie  mit  as  intime  berührungen  aufweise,  die  auf  eine  gemein- 
same vorläge  schliessen  lassen.  Daraus  würde  sich  ergeben, 
dass  sowol  d  wie  as  nicht  nur  L,  sondern  auch  L  +  as  bez.  d 
gegenüber  allein  das  richtige  enthalten  könne;  dem  kritiker 
verbleibt  dabei  die  freiheit,  ungehindert  aus  jeder  recension 
dasjenige  für  echt  zu  erklären,  was  er  brauchen  kann. 

Nehmen  wir  einen  augenblick  an,  dass  AMlmanns  aus  den 
vorliegenden  datis  mit  recht  auf  eine  nähere  verwantschaft 
von  1j  mit  teilen  von  d  und  anderen  teilen  von  as  geschlossen 


216 


BOER 


habe,  so  bleibt  doch  die  frage,  wie  man  sich  ein  solches  Ver- 
hältnis denn  vorzustellen  habe,  von  grossem  gewichte.  Am 
schlimmsten  für  L  würde  es  aussehen,  wenn  es  sich  auf  die 
folgende  weise  ausdrücken  Hesse: 


as 


d.  h,  wenn  L  aus  einer  contamination  der  mittelbaren  oder 
unmittelbaren  vorlagen  von  d  und  von  as  entstanden  wäre. 
Dadurch  würde  L  jeder  autorität  verlustig  gehen  und  man 
müsste  sich  wol  dazu  bequemen,  die  jungen  bearbeitungen  d 
und  as  der  stoffgeschichtlichen  forschung  zu  gründe  zu  legen. 
Aber  es  ist  klar,  dass  ein  etwaiges  näheres  Verhältnis 
von  L  zu  d  und  zu  as  auch  auf  andere  weise  erklärt  werden 
könnte.  Es  Hesse  sich  denken,  dass  L  mit  d  oder  as  eine 
gruppe  bildete,  während  die  dritte  redaction  mit  L  oder  der 
vorläge  von  L  contaminiert  wäre,  also  nach  einem  der  folgenden 
Schemata: 


oder    as 


L    as 


L    d 


Eine  dritte  mögiichkeit  wäre,  dass  d  und  as  beide  aus  zwei 
vorlagen  combiniert  wären,  deren  eine  L  oder  die  quelle  von 
L  wäre,  wobei  es  von  vornherein  unentschieden  bliebe,  ob  das 
unter  einander  näher  verwant  wären.    Also: 


oder 


d       L      as 


as^ 


as 


Diese  Schemata  könnten  noch  weiter  variiert  werden.  Worauf 
es  ankommt,  ist,  dass  in  allen  diesen  fällen  ein  näheres  ver- 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUßLLEN.         2l7 

liältnis  von  T.  zu  teilen  von  d  und  as  erklärlieh  wäi'e  und 
dennocli  L  durchaus  einheitlich  sein  würde.  Für  die  redac- 
tionen  d  und  as  aber  würde  daraus  folgen,  dass  ihre  Zeugnisse 
in  hohem  grade  verdächtig  sein  Avürden  und  dass  man  den- 
selben nur  im  not  fall  einen  entscheidenden  wert  beilegen  dürfte. 
Bei  dem  verhältnismässig  hohen  alter  (wenigstens  200  jähre 
vor  as!)  und  der  grossen  vorziigiichkeit  der  lesarten  von  L 
würde  aber  die  Avahrscheinlichkeit,  dass  einer  dieser  fälle  vor- 
läge, bedeutend  grösser  sein,  als  dass  L  aus  d  und  as  conta- 
miniert  sei.  Es  genügt  also  nicht  zu  erklären,  dass  L  mit  d 
und  mit  as  verwant  sei,  wenn  man  nicht  zugleich  zeigt,  wie 
denn  eine  solche  verwantschaft  zu  beurteilen  ist. 

Anderseits  haben  wir  keinen  grund,  zwischen  den  oben 
genannten  möglichkeiten  eine  wähl  zu  treffen,  so  lange  das 
nähere  Verhältnis  von  L  zu  d  und  as,  das  jene  hypothesen 
erklären  sollten,  nicht  bewiesen  ist.  Dazu  genügt  es  aber 
nicht,  auf  eine  noch  so  grosse  reihe  von  Übereinstimmungen 
li inzuweisen.  Denn  auch  eine  grosse  reihe  von  Übereinstim- 
mungen kann  aus  dem  originale  des  liedes  stammen;  nichts 
verbürgt  im  voraus,  dass,  wo  Ld  bez.  Las  gegenüber  as  bez. 
d  stehen,  die  alleinstehende  redaction  as  bez.  d  auch  nur  ein 
einziges  mal  das  richtige  haben  müsse.  Wenn  es  sich  aber 
zeigen  sollte,  dass  die  Übereinstimmungen  zwischen  Ld  bez. 
Las  aus  der  quelle')  stammten,  so  würde  ihre  grosse  anzahl 
nur  einen  beweis  für  die  vorzüglichkeit  von  L  darstellen, 
während  die  geringere  zahl  der  Übereinstimmungen  zwischen 
das  nur  bestätigen  würde,  dass  diese  redactionen,  wie  auch 
ein  flüchtiger  blick  in  den  text  lehrt,  sich  weiter  von  dem 
originale  entfernt  haben.  Die  grosse  zahl  der  Übereinstim- 
mungen zwischen  Ld  bez.  Las  verträgt  sich  demnach  sehr  wol 
mit  einer  der  folgenden  gruppierungen: 


as  oder 


as 


')  Wo  in  clor  Untersuchung  der  gruppe  Ldas  von  der  quelle  oder  dem 
originale  die  rede  ist,  ist  stets  das  original  des  hochdeutschen  liedes 
gemeint. 


218  BOER 

Anders  freilich  würden  diese  Übereinstimmungen  erklärt 
werden  müssen,  wenn  sie  einen  secundären  Charakter  zeigten. 
Gemeinschaftliche  fehler  weisen  auf  eine  gemeinschaftliche 
quelle.  Wilmanns  hat  denn  auch  auf  zwei  wegen  versucht, 
den  secundären  Charakter  eines  teils  dieser  Übereinstimmungen 
darzutun.  Seine  beweisführung  stützt  sich  auf  die  reimverhält- 
nisse  und  auf  den  Inhalt  einzelner  Strophen  oder  strophen- 
reihen,  die  L  zusammen  mit  d  oder  as  aufgenommen  oder  ver- 
loren haben  soll.  Ich  gehe  zunächst  auf  die  reime  ein  und 
wähle  als  Untersuchungsmaterial  dieselben  96  Strophen,  auf 
deren  Übereinstimmungen  AVilmanns  seine  theorie  aufgebaut 
hat.')  S.  106  wird  für  die  Übereinstimmung  in  reimwörtern 
in  96  Strophen,  in  denen  Ldas  verwant  sind,  die  folgende 
tabelle  aufgestellt: 

drei  verschiedene  reimwörter 


dasselbe 

reimwort 

1  in 

52 

Strophen 

2    „ 

56 

)5 

3   „ 

56 

>? 

4   „ 

50 

» 

5    „ 

45 

5) 

6   . 

46 

n 

7    „ 

12 

» 

8   „ 

44 

» 

9   „ 

9 

!J 

10   „ 

51 

J? 

11    „ 

39 

55 

12    „ 

43 

55 

in 

4 

Strophen 

55 

4 
8 

55 

55 

55 

55 

10 

55 

55 

21 

55 

55 

13 

55 

55 

42 

5) 

55 

14 

55 

55 

49 

55 

55 
55 

18 
13 

55 

51 

Da  es  sich  mir  bei  einer  sorgfältigen  prüfung  des  materials 
ergeben  hat,  dass  die  grosse  mehrzahl  dieser  zahlen  unrichtig 
ist  und  mehrere  sogar  erheblich  von  den  wahren  Verhält- 
nissen abweichen,  sehe  ich  mich  genötigt,  der  besprechung 
der  aus  ihnen  gezogenen  Schlüsse  eine  neue  statistische  Unter- 
suchung vorangehen  zu  lassen.  Damit  man  mir  aber  nicht 
vorwerfe,  dass  ich  behaupte,  was  ich  nicht  beweise,  teile  ich 


^)  Die  48  Strophen,  in  denen  L  ein  Verhältnis  zu  d  oder  as  zeigt, 
während  die  dritte  redaction  sich  nicht  vergleichen  lässt,  bleiben  natürlich 
bei  der  folgenden  reimstatistik,  die  das  Verhältnis  der  drei  redactionen  ins 
äuge  fasst,  ausser  betracht. 


DAS   ECKENLIKD   UND    SEINE   QUELLEN.  219 

zunächst  die  regeln  mit,  nach  denen  zweifelliafte  fälle  beurteilt 
Avorden  sind,  und  drucke  am  fuss  meiner  tabelle  sämmtliche 
Strophenzahlen  ab. 

I.  Wo  eine  redaction.  was  sehr  häufig-  geschieht,  die  reim- 
Avörter  eines  zeilenpaares  umkehrt,  "wie  z.  b.  L84, 4.  5  hcstän 
:  getan,  as  getan  :  hcstän,  haben  wir  es  in  den  einzelnen 
Zeilen  mit  verschiedenen  reimwörtern  zu  tun. 

II.  Wo  as  unter  einander  abweichen,  gelten  die  folgenden 
regeln:  1)  wenn  eine  von  beiden  mit  L  oder  d  oder  Ld  über- 
einstimmt, so  gilt  die  lesart  für  die  gruppe;  2)  wo  beide  von 
L  und  von  d  abweichen,  werden  drei  reimwörter  (bez.  Über- 
einstimmung von  Ld,  nicht  aber  vier  reimwörter)  constatiert. 
Sämmtliche  fälle  sind  in  den  anmerkungen  verzeichnet. 

III.  1)  Für  identische  reimwörter  gelten:  gleiche  zweite 
compositionsglieder,  mit  verschiedenen  präfixen  versehene 
gleiche  verba  [also  fälle  wie  20,  6 ')  missegie  L,  umbegee  s, 
vmhe  gie  a],  sowie  einen  vollständigen  reim  bildende  gleiche 
schwere  ableitungssüben. 

Die  fälle  für  letztere  gruppe  sind: 

a)  lieh:  13,8  vrümelichen  L,  ritterlichen  d;  36,3  minnec- 
liclie  Ld,  iuyendlichen  as;  113, 1  zorneclich  L,  kreff'tecltch  d; 
141,  3  jcemerlichen  Las,     clegeleichen  d. 

Nach  einigem  schwanken  wurden  hierher  gezählt:  22, 10 
sicherlich  L,  geleiche  (adj.)  d,  geleyche  (inf.)  as;  141,6  geliehen 
Las,  wunicJdeichen  d. 

b)  cere:  42,  6  Berncere  L,  purgcere  d.  Die  lesart  von  as 
hurgerinne  geht  auf  d  zurück,  weicht  aber  im  reime  ab. 

c)  leit:  170,11  unstceteJceit  L,  unsellicJcait  d,  vngestümig- 
Iceit  as. 

Hingegen  mussten  43, 1  ellentrich  Ld,  Icreffteclich  as  zwei 
reimwörter  constatiert  werden. 

2)  Für  identische  reime  gelten  auch  lautlich  gleiche  oder 
nur  durch  das  fehlen  bez.  Vorhandensein  eines  auslautenden  n 
unterschiedene,  dem  sinne  nach  aber  verschiedene  Wörter: 

17,  8  vermessen  (adj.)  Ld,  messen  (verb.)  as; 

30, 10  minnen  (inf.)  Ld,  minne  (subst.)  as; 

•)  Die  zahlen  nach  L,  wo  nicht  anders  angegeben. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  j_5 


220  BOEß 

118,  10  hellende  L,  auss  der  liende  d; 
119,6  liste  L,  listen  as,  verh'sten  (verb.)  d; 
126,  6  tverde{n)  (verb.)  Ld,  werde  (adj.)  as; 
172,  6  belangen  L,  langen  (adv.)  a  {lenger  s.). 

3)  Offenbare  entstellungen,  wobei  die  reimsilbe  ungeäudert 
geblieben  ist: 

185, 12  entrant  L,  zerirant  s,  entrant  a,  sii  tränt  d  (ent- 
stelliing  aus  s). 

4)  Abweichende  flectierte  formen  desselben  nomens  oder 
verbums.  Hier  ergeben  die  äussersten  fälle  absolut  abweichende 
reime,  es  ist  aber  unmöglich,  zwischen  den  einzelnen  fällen  eine 
scharfe  grenze  zu.  ziehen.  Da  nun  der  gebrauch  eines  verschie- 
denen tempus  in  einer  zeile  oder  in  einem  reimenden  zeilen- 
paar  auch  für  den  sinn  keine  erhebliche  abv\'eichung  bedeutet, 
erschien  es  am  zweckmässigsten,  diese  fälle  zu  den  gleichen 
reimen  zu  zählen.  Die  fälle  sind  (von  dem  reime  -el-en  wird 
hier  in  hinblick  auf  111,2  abgesehen): 

17,  7.  9  giht  }  gesiht  L,  jehen  j  seilen  d; 

20,4.  5  hescliiht  /  gesiht  L,    gesclielicn  /  gesehen  d; 

28.8  gewinnet  Las,   gewinnen  d; 

35, 11  gan  d,   geh  as  (der  schlimmste  fall); 

37,  3.  6  ersclirachte  /  erwachte  L,    erschrecket  /  erivecket  d; 

39.9  gesaeh  L,    gesehen  d; 

43,  8 — 10  verdriessen  J  gemessen  Las,  verdretvsset  /  genaivs- 

set  d; 
84,  8  gedcehte  L,  hedechte  s,  gedenlce  d  {fechte  a,  selbständige 

abweichung-); 
148,  6  gelouhte  L,   gekmhet  d  as. 

Als  verschiedene  reimwörter  sind  hingegen  aufzufassen : 
56,6  landen  Las,    eilenden  d; 
181,  6  mäzen  (subst.)  Las,    ungemessen  d. 

IV.  Verschiedene  ausdrücke  für  denselben  begriff  sind 
verschiedene  reime,  auch  wenn  auf  beiden  selten  ableitungen 
von  demselben  stamme,  die  nicht  mehr  in  die  kategorie  der 
flexion  fallen,  angewendet  worden  sind.  Von  diesem  gesichts- 
punkte  aus  sind  Bemmre  :  von  Berne  als  zwei  reimwörter  auf- 
zufassen.   Die  fälle  sind: 

29,  6  Bernwre  L,     von  Berne  as; 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  221 

40,6  Berncere  Las,     von  Berne  d; 
42,  8  Berncere  L,     von  Berne  as; 
73,3  Berncere  d,     von  Berne  Las. 

V.  Für  sich  zu  beurteilen  sind  die  folg-eiiden  fälle: 

1, 1  All rippi nein  ad,    Agrippian  s,    Gripmr  L.   Die  starke 

abweicliung  in  L  nötigt,   zwei  reimwörter  zu  con- 

statieren;') 
6,(3  gehrochen  Ld,  gerochen  as,  eine  offenbare  entstellung, 

aber  ein  anderes  wort,  das  hier  freilich  keinen  sinn 

hat,  vgl.  zu  33,6; 
29, 10  dröuicen  L,  irehend,  eine  unverständliche  entstellung-, 

die  aber  z.  8  die  änderung  von  lau  wen  in  leben  nach 

sich  gezogen  hat; 
33,  6  Jcoste  d.  Ja'stcn  as.   Jcestcn  ist  unsinn,  aber  kein  blosser 

schreib-  oder  druckfehler,  denn  z.  3  ist  im  anschluss 

daran  ein  neues  reimwort  eingeflickt  worden  {besten 

für  josfe  d); 
102,  11  crbart  (von  erbarn)  L,  hub  ...  entpar  (d.i.  empor)  d. 

Zwei  reimwörter. 
117.10  weil  gen  L,  5/t7<  wegen  d;   eine  auf  misverständnis 

beruhende  entstellung.    Verschiedene  reimwörter; 
167, 1  reit,  guit  in  d  scheint  ein  druckfehler  zu  sein;  das 

reimwort  wird  zu  den  gleichen  gezählt; 
174. 12  nie  L,  ie  d,  im  gleichen  sinn.   Gleiches  reimwort. 

VI.  \\o  in  einer  redaction  (L  oder  d)  eine  zeile  fehlt,  sind 
negative  Schlüsse,  die  sich  aus  einer  anderen  mit  ihr  reimenden 
zeile  ziehen  Hessen,  für  die  statistische  tabelle  benutzt  worden; 
die  zahl  der  fehlenden  Zeilen  steht  dann  in  der  tabelle  in 
klammern  (1  fall). 

Unsere  tabelle  bekommt  folgendes  aussehen^): 

ein  zwei  drei  unsicher,  da 

reimwort      reimwörter      reimwörter      1  vers  fehlt      summe 

z.  1  49  41  6  —  96 

2  52  36  8  —  .96 


')  üebrigens  ist  mit  Gripiär  etwas  anderes  gemeint  als  mit  Ayrip- 
piiii)an,  s.  s.  249,  anm.  1 . 
")  Die  fälle  sind: 

Z.  1.   Ldas:  Str.  2.  7.  8.  13.  15.  17.  19.  20.  21.  22.  26.  29.  80.  32.  33. 

15* 


^22  Boteß 


ein 

zwei 

drei 

unsicher, 

da 

reimwort 

reimwürter 

reimwörter 

1  vers  fehlt 

summe 

z.  3 

55 

33 

8 

— 

96 

4 

40 

41 

15 

— 

96 

5 

36 

32 

27 

1 

96 

6 

45 

36 

13 

2 

96 

7 

12 

41 

43 

• — 

96 

8 

41 

38 

16 

1 

96 

9 

8 

33 

54 

1 

96 

10 

45 

29 

22 

(1) 

96 

11 

40 

44 

12 

— 

96 

12 

42 

42 

12 

— 

96 

34.  35.  40.  44.  48.  50.  51.  57.  64.  65.  72.  74.  79.  84.  97.  99.  100.  103.  108. 

110.  117.  118.  122.  124.  125.  128.  140.  141.  143.  167.  168.  169.  171.  183. 
Ld:    Str.  12.  27.  28.  31.  36.  37.  38.  41.  42.  43.  56.  58.  59.  68.  69.  70. 

113.  123.  126.  127.  165.  170. 

Las:  Str.  6.  60.  71.  73.  102.  111.  114.  119.  148.  164.  172.  177.  181. 
182.  184. 

das:    Str.  1.  101.  112.  161. 

3  reimwörter:    str.  39.  87.  88.  162.  174.  185. 

Z.  2.  Ldas:  str.  2.  6.  7.  8.  13.  15.  17.  19.  20.  21.  22.  26.  33.  35.  40. 
43.  44.  48.  50.  51.  57.  64.  65.  71.  72.  74.  79.  84.  97.  99.  100.  101.  103. 
108.  117.  118.  122.  125.  126.  127.  128.  140.  141.  143.  164.  165.  167.  168. 
169.  170.  171.  183. 

Ld:  Str.  12.  27.  28.  29.  31.  32.  34.  36.  37.  38.  39.  41.  56.  58.  59.  68. 
69.  70.  111.  113.  123. 

Las:  Str.  60.73.  102.  114.  119.  124.  148.  162.  172.  177.  181.  182.  184. 

das:  Str.  1.  161. 

3  reimwörter:  str.  30.  42.  87.  88.  110.  112.  174.  185. 

Z.  3.  Ldas:  str.  1.  2.  6.  7.  8.  13.  15.  17.  19.  21.  22.  28.  31.  32.  34. 
36.  38.  39.  41.  43.  51.  56.  57.  60.  65.  69.  72.  79.  84.  97.  99.   101.  108.  110. 

111.  117.   119.   122.   123.   124.   125.   126.  127.  128.  140.  141.  143.  148.  168. 
169.  170.  172.  182.  183.  184. 

Ld:  Str.  12.  20.  27.  33.  37.  42.  59.  87.  113.  162.  164. 

Las:  Str.  26.  29.  30.  35.  40.  44.  58.  71.  73.  112.  114.  118.  167.  174. 
177.  181. 

das:  Str.  48.  74.  100.  102.  161.  185. 

3  reimwörter:  str.  50.  64  68.  70.  88.  103.  165.  171. 

Z.  4.  Ldas:  str.  1.  2.  7.  8.  13.  15.  17.  21.  22.  26.  28.  29.  32.  34.  39. 
40.  42.  48.  50.  60.  64.  65.  69.  73.  101.  102.  108.  110.  117.  118.  122.  124. 
125.  128.  141.  143.  148.  170.  174.  181. 

Ld:  Str.  19.  20.  27.  31.  33.  36.  37.  38.  41.  44.  59.  68.  74.  88.  103. 
162.  172. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  223 

Die  zahlen  der  zweiten  reilie  (2  reiniwörter)  verteilen  sich 
über  die  einzelnen  grnppen  wie  folgt: 

L(l  Las 

z.  1                   22  15 

2  21  13 

3  n  16 

4  17  21 

5  14  15 

6  14  17 

7  16  19 

8  19  17 

9  13  12 

10  13  13 

11  23  15 

12  24  13      5      42 


as 

summe 

4 

41 

2 

86 

6 

33 

3 

41 

3 

32 

5 

36 

6 

41 

2 

38 

8 

33 

3 

29 

6 

44 

Las:  Str.  6.  30.  35.  51.  56.  58.  72.  112.  114.  119.  123.  126.  127.  140. 
164.  167.  168.  169.  171.  184.  185. 

das:  Str.  57.  84.  161. 

3  reimwörter:  str.  12.  43.  70.  71.  79.  87.  97.  99.  100.  111.  113.  165. 
177.  182.  183. 

Z.  5.  Ldas:  str.  1.  2.  8.  15.  17.  22.  26.  28.  32.  34.  39.  40.  42.  44.  48. 
50.  59.  60.  65.  72.  73.  101.  102.  110.  118.  124.  125.  128.  140.  141.  143.  148. 
162.  170.  174.  181. 

Ld:  Str.  13.  19.  20.  27.  29.  31.  36.  37.  38.  41.  69.  74.  79.  103. 

Las:  Str.  6.  30.  56.  58.  108.  112.  114.  119.  127.  167.  169.  171.  177. 
182.  184. 

das:  Str.  57.  122.  161. 

3  reimwörter:  str.  7.  12.  33.  35.  43.  51.  64.  68.  70.  71.  84.  87.  88.  97. 
99.  100.  111.  113.  117.  123.  126.  164.  165.  168.  172.  183.  185. 

Unsicher:  str.  21  (L  fehlt.    Ldas  möglich). 

Z.  6.  Ldas:  str.  1.  2.  8.  13.  15.  17.  19.  21.  22.  31.  34.  39.  41.  43.  51. 
57.  60.  64.  69.  79.  84.  97.  101.  102.  108.  111.  117.  119.  123.  124.  125.  126. 
127.  128.  140.  141.  143.  148.  161.  162.  .168.  169.  182.  183.  184. 

Ld:  Str.  6.  12.  27.  28.  36.  37.  42.  59.  65.  68.  74.  113.  122.  164. 

Las:  Str.  26.  35.  40.  44.  48.  56.  58.  71.  72.  73.  112.  114.  118.  167.  172. 
177.  181. 

das:  Str.  7.  38.  99.  100.  185. 

3  reimwörter:  str.  20.  29.  32.  33.  50.  70.  88.  103.  110.  165.  170. 
171.  174. 

Unsicher:  str.  30  (L  fehlt.   Las  möglich).  87  (L  fehlt.   Ld  möglich). 

Z.  7.    Ldas:  str.  2.  8.  33.  41.  48.  58.  69.  70.  113.  143.  167.  168. 

Ld:  Str.  13.  17.  19.  27.  29.  31.  32.  37.  42.  51.  57.  60.  65.  71.  87.  148. 


224  BOER 

Aus  diesen  zahlen  lassen  sich  mit  gleichem  rechte  oder 
unrechte  ähnliche  Schlüsse  ziehen,  wie  AVilmanns  sie  aus  seinen 
zahlen  gezogen  hat.  Wir  gehen  jetzt  zu  der  besprechung 
dieser  Schlüsse  über.  Wilmanns  glaubt,  dass  in  der  gemein- 
schaftlichen vorläge  der  drei  fassungen  z.  7.  9  reimlos  gewesen 
seien.  Erst  allmählich  sei  in  den  ursprünglichen  langzeilen 
7 — 8  und  9 — 10  der  cäsurreim  eingeführt  worden;  die  durch- 
führung  dieser  neuer ung  aber  gehöre  erst  der  periode  der 
Sonderentwicklung  der  gruppen  Ld  und  Las  an.  Daraus  er- 
kläre es  sich,  dass  in  z.  7.  9  zwar  das  zusammengehen  zweier 
recensionen  keine  Seltenheit,  die  zahl  der  fälle  aber,  wo  das- 
selbe reimwort  in  allen  drei  recensionen  auftritt,  auf  12  bez.  9 
(wofür  8  einzusetzen  ist)  beschränkt  ist. 

Las:  Str.  21.  26.  34.  35.  M.  56.  101.  112.  117.  118.  124.  127.  141.  161. 
164.  171.  177.  183.  184. 

das:  Str.  28.  59.  103.  119.  123.  128. 

3  reimwörter:  str.  1.  6.  7.  12.  15.  20.  22.  30.  36.  38.  39.  40.  43.  50. 
64.  68.  72.  73.  74.  79.  84.  88.  97.  99.  100.  102.  108.  110.  111.  114.  122.  125. 
126.  140.  162.  165.  169.  170.  172.  174.  181.  182.  185. 

Z.  8.  Lflas:  str.  2.  6.  7.  8.  17.  19.  21.  26.  27.  28.  33.  34.  39.  41.  42. 
43.  44.  48.  51.  57.  58.  64.  71.  73.  74.  84.  97.  102.  108.  113.  119.  122.  123. 
128.  140.  143.  148.  168.  170.  171.  174. 

Ld:  Str.  12.  13.  20.  22.  29.  36.  38.  50.  56.  69.  70.  110.  118.  125.  161. 
164.  167.  177.  182. 

Las:  Str.  30.  31.  35.  59.  60.  88.  99.  101.  111.  114.  124.  141.  169.  181. 
183.  184.  185. 

das:  Str.  162.  165. 

3  reimwörter:  str.  1.  15.  32.  37.  40.  65.  68.  72.  79.  87.  100.  112.  117. 
126.  127.  172. 

Unsicher:  str.  103  (d  fehlt.   Ld  ist  möglich). 

Z.  9.    Ldas:  str.  2.  8.  28.  70.  141.  143.  167.  181. 

Ld:  Str.  6.  12.  17.  19.  29.  37.  39.  50.  57.  69.  87.  118.  122. 

Las:  Str.  21.  33.  35.  56.  101.  112.  117.  124.  127.  161.  164.  168. 

das:  Str.  22.  26.  34.  48.  64.  119.  123.  128. 

3  reimwörter:  str.  1.  7.  13.  15.  20.  27.  30.  31.  32.  36.  38.  40.  41.  42. 
43.  44.  51.  58.  59.  65.  68.  71.  72.  73.  74.  79.  84.  88.  97.  99.  100.  102.  103. 
108.  110.  111.  113.  114.  125.  126.  140.  148.  162.  165.  169.  170.  171.  172. 
174.  177.  182.  183.  184.  185. 

Unsicher :  str.  60  (d  fehlt.   Ld  ist  möglich). 

Z.  10.  Ldas:  str.  2.  6.  7.  8.  15.  17.  19.  21.  22.  26.  27.  30.  31.  33.  34. 
39.  42.  43.  44.  48.  51.  56.  57.  58.  64.  71.  73.  74.  97.  102.  108.  113.  119. 
122.  123.  125.  128.  141.  143.  148.  168.  170.  171.  174.  181. 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  225 

Dazu  ist  nun  zunäclist  zu  bemerken,  dass,  wenn  die  niedrige 
zahl  der  fälle,  wo  in  allen  diei  redactionen  in  z.  7.  0  dasselbe 
reiniwort  auftritt,  ausscliliesslich  darauf  beruhen  würde,  dass 
die  gemeinsame  quelle  diese  reime  noch  nicht  kannte,  man 
nicht  versteht,  warum  auch  für  die  übrigen  Zeilen  die  zahlen, 
die  die  gemeinsamen  reinu\  in  noch  höherem  grade  aber  die, 
welche  die  fälle,  dass  drei  reimwörter  auftreten,  angeben,  so 
erheblich  von  einander  abweichen.  Wenn  das  Verhältnis  für 
z.  1— G.  8.  10.  12  einigermassen  constant  wäre  und  nur  z.  7.  9 
eine  ausmihme  bildeten,  so  würde  Wilmanns  erklärung  wenig- 
stens principiell  genügen.  Aber  das  ist  nicht  der  fall.  Wäh- 
rend z.  1  nur  in  G  fällen  unter  9G  Strophen  drei  reimwörter 
hat,  steigt  die  zahl  allmählich   bis  zu  27  in  z.  5,  sinkt  dann 

Ld:  Str.  12.  3G.  41.  50.  69.  WS.  110.  118.  140.  164.  167.  177.  182. 
Las:  Str.  59.  60.  72.  88.  9!»-  101.  111.  112.  124.  169.  183.  184.  185. 
das:  Str.  114.  162.  165. 

3  reimwörter:  str.  1.  13.  20.  28.  29.  32.  35.  37.  38.  40.  65.  68.  70.  79. 
84.  87.  100.  117.  126.  127.  161.  172. 

Unsicher:  str.  60  (d  fehlt,  weicht  von  Las  ab). 

Z.  11.  Ldas :  str.  7.  8.  15.  19.  21.  26.  28.  29.  31.  32.  33.  34.  39.  40. 
41.  43.  44.  50.  56.  57.  59.  74.  87.  101.  114.  117.  118.  119.  123.  125.  143. 
148.  162.  165.  167.  168.  170.  177.  184.  185. 

Ld:  Str.  6.  12.  20.  22.  27.  36.  37.  38.  51.  58.  60.  65.  69.  70.  73.  79. 
88.  99.  110.  122.  140.  174.  182. 

Las:  Str.  2.  48.  64.  72.  97.  111.  112.  113.  124.  127.  128.  161.  169. 
181.  183. 

das:  Str.  1.  17.  35.  42.  71.  108. 

3  reimwörter:  str.  13.  30.  68.  84.  100.  102.  103.  126.  141.  164.  171.  172. 

Z.  12.  Ldas:  str.  2.  7.  8.  17.  19.  21.  26.  29.  31.  32.  33.  34.  39.  40. 
41.  44.  50.  56.  57.  59.  73.  74.  87.  101.  113.  114.  117.  118.  119.  125.  140. 
141.  143.  148.  162.  165.  167.  168.  170.  177.  184.  185. 

Ld:  Str.  6.  12.  15.  20.  22.  27.  28.  37.  38.  43.  51.  58.  60.  65.  70.  79. 
84.  88.  99.  103.  110.  122.  174.  182. 

Las:  Str.  48.  64.  72.  97.  111.  112.  123.  124.  127.  128.  161.  169.  181. 

das:  Str.  1.  13.  42.  71.  108. 

3  reimwörter:  str.  30.  35.  36.  68.  69.  100.  102.  126.  164.  171.  172.  183. 

a  und  s  weichen  von  Ld  und  zugleich  von  einander  ab  in  den  folgenden 
fällen:  15,8.  20,7.  60,12.  65,4.  65,10.  70,2.  73,11.  74,7.  84,10.  114,7. 
172, 12.  177,  9. 

s  weicht  willkürlich  ab,  wo  a  mit  L  oder  d  oder  Ld  übereinstimmt: 
6,5.  21,6.  31,11.  44,11.  73,12.  88,10.  102,8.  117,6.  152,7.  172,6. 

a  weicht  willkürlich  ab  :  84,  8. 

a  hat  demnach  einen  besseren  text  als  s. 


226  BOER 

auf  13,  erreicht  in  z.  7.  9  ihren  höhepunkt  mit  43  bez.  54,  für 
z.  8  lautet  sie  16,  nach  z.  9  sinkt  sie  alhnählich:  22.  12.  12. 
Diese  zahlen  'zeigen,  dass  auch  die  abweichungen  in  z.  7.  9 
noch  in  anderen  Verhältnissen  als  der  einführung  des  Ccäsur- 
reims  ihren  grund  haben  müssen.') 

Ferner  lässt  es  sich  wahrscheinlich  machen,  dass  die  ge- 
meinsame quelle  von  Ldas  schon  eine  nicht  ganz  geringe  zahl 
an   reimen    in   z.  7.  9    enthalten  haben  muss.     Die  zahl   der 


')  Dieser  grund  wird  darin  zn  suclieu  sein,  dass  für  die  Umarbeitung 
eines  strophischen  gedichtes  im  allgemeinen  dieselben  regeln  gelten  wie 
für  die  reproduction  aus  dem  gedächtnisse.  Auch  der  umarbeiter  oder  ab- 
schreiber  nimmt  abschnitte  von  bestimmter  länge,  also  bei  strophischen 
gedichten  am  leichtesten  eine  Strophe,  zugleich  in  sich  auf  und  setzt  sich 
dann  an  die  arbeit.  Nun  ist  es  eine  bekannte  tatsache,  dass  in  solchen 
fällen  der  anfang  einer  Strophe  am  besten  erhalten  bleibt.  In  der  mitte 
findet  am  leichtesten  eine  einsinkung  des  gedächtnisses  statt.  Ferner  wirkt 
das  gedächtnis  am  besten,  wo  es  durch  ein  reiniwort  oder  dadurch,  dass 
der  anfang  eines  Satzes  bekannt  ist,  gestützt  wird.  Die  niaschine  läuft 
dann  bis  zu  dem  Schlüsse  des  satzes  ohne  stocken  ab.  Wenn  wir  diese 
bekannten  tatsachen  auf  das  Eckenlied  anwenden,  so  lässt  es  sich  leicht 
verstehen,  dass  z.  1 — 3  im  allgemeinen  gut  erhalten  sind;  wir  haben  hier 
den  anfang  der  Strophe  vor  uns,  der  satz  geht  der  regel  nach  bis  zum 
Schlüsse  von  z.  3,  und  z.  2  wird  durch  den  reim  mit  z.  1  gestützt.  Dem 
entsprechen  die  hohen  zahlen  49.  52.  55.  Etwas  ungünstiger  gestalten  sich 
die  Verhältnisse  für  z.4 — 6  Aber  noch  sind  wir  im  anfang  der  Strophe, 
noch  ist  der  inhalt  in  den  meisten  fällen  mit  z.  1—3  nahe  verwant,  und 
das  reimwort  in  z.  6  wird  durch  z.  3  gestützt.  Dem  entsprechen  die  zahlen 
40,  86.  45  (dass  z.  6  die  höchste  zahl  hat,  ist  nach  dem  gesagten  ganz  in 
der  Ordnung;  z.  5  steht  natürlich  hinter  z,  4,  von  der  sie  abhängig  ist, 
zurück).  Damit  ist  die  mitte  der  Strophe  und  zugleich  ein  vorläufiger  ab- 
schluss  erreicht.  Der  gedanke  nimmt  oft  eine  neue  Wendung,  ein  reimwort, 
das  dem  gedächtnis  zu  hilfe  kommen  könnte,  gibt  es  nicht:  nur  eine  un- 
gefähre Vorstellung  des  Inhaltes  ist  vorhanden,  und  die  folge  davon  ist, 
dass  für  z.  7  eine  neue  form  gesucht  wird.  Die  zahl  der  gleichen  reira- 
wörter  ist  hier  12.  Für  z.  9  muss  die  zahl,  da  z.  9  von  z.  7  abhängig  ist, 
notwendig  noch  niedriger  sein.  Für  z.  8  ist  sie  bedeutend  höher  (41), 
8  ist  an  10  (mit  45)  gebunden,  und  mit  z.  10  nahen  wir  uns  dem  Schlüsse 
der  Strophe;  wo  das  gedächtnis  wider  auflebt;  z.  11—12  zeigen  eine  etwas 
niedrigere  zahl  als  z.  10  (40  bez.  42),  die  zahlen  für  zwei  reimwörter  sind 
aber  bedeutend  höher  (44.  42  gegen  29;  3  reimwörter  12.  12  gegen  22). 
Diese  zahlen  scheinen  wenigstens  zu  beweisen,  dass  tatsächlich  neben  der 
einführung  des  cäsurreims  auch  die  niederschrift  nach  oberflächlicher  lectüre 
aus  dem  gedächtnis  als  ein  factor  für  die  beurteilung  der  abweichungen 
von  z.  7.  9  mit  in  rechuung  gezogen  werden  muss, 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         227 

gleichen  reimwörter  ist  für  z.  7  zwölf,  für  z.  9  acht;  davon 
kommen  5  fälle  auf  die  nämliche  Strophe.  Im  ganzen  sind  es 
also  15  Strophen,  in  denen  entweder  z.  7  oder  z.  9  oder  beide 
in  Ldas  dasselbe  reimwort  haben.  Auch  wenn  mau  nun,  um 
den  Zufall  so  viel  wie  möglich  zu  beschränken,  annehmen  will, 
dass  in  all  diesen  Strophen  ein  reim  dadurch  hergestellt  worden 
ist,  dass  entweder  z.  7  oder  z.  9  ungeändert  gelassen,  in  der 
correspondierenden  zeile  aber  ein  reimwort  eingeführt  worden 
sei,  so  würde,  wenn  diese  verse  in  der  quelle  nicht  reimten, 
daraus  doch  folgen,  dass  zwei  oder  sogar  drei  umarbeiter  in 
5  unter  15  fällen  auf  dasselbe  reimwort  verfallen  v»ären.  Da 
das  nicht  anzunehmen  ist,  werden  diese  fünf  reime  ganz  gems 
aus  der  gemeinsamen  quelle  stammen.  Die  übrigen  10  fälle 
aber  sehen  nicht  danach  aus,  als  seien  sie  anders  zu  beurteilen. 
Denn  hier  gehen  sechsmal  zwei  redactionen  auch  in  der  corre- 
spondierenden zeile  zusammen,  und  zwar  dreimal  Las,  einmal 
Ld,  zweimal  das.  Wer  diese  Übereinstimmungen  aus  conta- 
minationen  erklären  will,  kommt  wenigstens  damit  nicht  aus, 
dass  er  L  für  mit  d  und  as  verwant  erklärt;  mann  müsste 
dann  weiter  auf  eine  berührung  zwischen  d  und  as  schliessen. 
Wir  können  also  daraus,  dass  L  mit  d  und  mit  as  in 
z.  7.  9  eine  gewisse  zahl  gemeinsame  reime  hat,  nicht  schliessen, 
dass  L  mit  d.  und  mit  as  näher  verwant  ist.  Denn  wenn  die 
quelle  in  z.  7.  9  reime  enthielt,  so  lässt  sich  im  voraus  nicht 
sagen,  wie  gross  die  zahl  der  Strophen  war,  wo  diese  zeilen 
reimten;  die  Übereinstimmungen  zwischen  Ld  bez.  Las  in 
z.  7.  9  können  sehr  wol  aus  der  quelle  stammen.  Nur  dann 
würde  sich  aus  diesen  zahlen  etwas  schliessen  lassen,  wenn 
auch  hier  z.  7.  9  sich  von  den  übrigen  zeilen  abhüben,  und 
zwar  in  der  weise,  dass  die  berührungen  zwischen  Ld  und 
Las  relativ  häufiger,  wenigstens  nicht  weniger  häufig  als  in 
den  übrigen  zeilen  wären.  Auf  jeden  fall  aber  müsste,  wenn 
die  reime  in  z.  7.  9  in  einer  periode  einer  gemeinschaftlichen 
entwicklung  von  Ld  bez.  Las,  von  der  jedesmal  as  bez.  d  aus- 
geschlossen wären,  entstanden  wären,  also  jünger  wären  als 
die  Periode  der  gemeinsamen  entwicklung  von  das,  die  zahl 
der  Übereinstimmungen  zwischen  diesen  beiden  redactionen, 
die  schon  in  den  übrigen  zeilen  niedrig  ist,  hier  auf  ein  minimum 
herabsinken,  das  nicht  grösser  wäre  als  der  absolute  zufall 


228  BOER 

zulassen  würde;  eine  höhere  zahl  für  das  in  z.  7.  9  als  in  z.  1 
— 6.  8.  10—12  würde  Wilmanns  annähme  immitteroar  ad  ab- 
surdum führen. 

Ein  blick  in  unsere  zweite  tabelle  lehrt  nun.  dass  die 
Verhältnisse  tatsächlich  solche  sind,  die  "\Mlmanns  h3730these 
widerlegen.  Die  zahlen  für  das  zusammenoehen  zw^eier  redac- 
tionen  wechseln  bei  den  verschiedenen  zeilen  von  29  bis  44; 
z.  7.  9  weisen  die  mittleren  zahlen  41  und  33  auf.  Für  Ld 
gehen  die  zalilen  von  11  bis  24;  z.  7.  9  haben  die  verhältnis- 
mässig' niedrigen  zahlen  13.  16  (z.  7  hat  nur  z.  3  unter  sich). 
Für  Las  sind  die  äussersten  zahlen  12  und  21,  z.  9  hat  die 
niedrigste  zahl  12,  z.  7  hat  19.  Für  das  gehen  die  zahlen 
von  2  bis  8;  z.  7.  9  haben  die  beiden  höchsten  zahlen  6  und  8 
(daneben  noch  zweimal  6,  aber  keine  7  oder  8).  In  procent- 
rechnung  bekommen  wir  Übereinstimmung  zwischen: 


Ld 

Las 

das 

1 

5327,, 

«/o 

3624/,, 

^'o 

931/4. 

«/o 

2 

58'/3 

^'o 

36'/9 

Vo 

55/9 

Vo 

3 

33>/3 

«/<• 

48 '6/33 

Vo 

I8V1. 

Vo 

4 

41'«/.! 

«/o 

519/4, 

«/o 

7'^/4, 

Vo 

5 

433/4 

Vo 

46^8 

«/o 

ÖVs 

7o 

6 

388/9 

'lo 

472/9 

Ho 

138/9 

"/o 

7 

39 '/4, 

'Vo 

46%, 

% 

1420/4, 

''/o 

8 

50 

«/o 

44'4/,9 

V. 

55/,9 

Vo 

9 

3913/33 

Vo 

364/,, 

7o 

248/33 

Vo 

10 

4424/29 

^'o 

4424/29 

«/o 

10'"/-29 

Vo 

11 

523/n 

Vo 

34 '/i, 

^'o 

13Vii 

<^/o 

12 

57  Vt 

% 

3020/2, 

Vo 

11 '''/■i, 

«/o 

der  fälle,  wo  zwei  redactioiien  zusaminengeheu. 

Es  zeigt  sich,  dass  bei  Ld  z.  7  in  der  häufigkeit  der  Überein- 
stimmungen die  neunte,  z.  9  die  zehnte  stelle  einnimmt  (z.  3 
hat  eine  niedrigere  zahl;  z.  6  steht  z.  7  ganz  nahe). 

Bei  Las  nimmt  z.  7  die  fünfte,  z.  9  die  achte  stelle  ein. 

Bei  d  as  steht  z.  7  an  dritter,  z.  9  an  erster  stelle  mit 
248/33,  während  die  nächstfolgende  zeile  nur  18 '/,i  hat. 

Daraus  muss  man,  wenn  anders  die  Statistik  noch  etwas 
gelten  soll,  schliessen,  dass,  wenn  ein  teil  der  reime  in  z.  7.  9 
einer  periode  angehört,  in  der  zwei  der  überlieferten  redac- 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  229 

tionen  sich  zwar  von  der  dritten,  aber  noch  niclit  von  einander 
abg-ezweigt  liatten,  wir  für  diese  periode  weder  Ld  gegenüber 
as,  noch  Las  gegenüber  d,  sondern  d  as  gegenüber  L  zu  grup- 
pieren haben.  Und  da  die  zahl  der  fälle,  wo  in  allen  redac- 
tioneu  z.  7.  0  dasselbe  reimwort  haben,  so  äusserst  gering  ist, 
werden  wir  auch  wol  zu  dem  Schlüsse  gedrängt,  dass  in  der 
gemeinsamen  quelle  von  Ldas  noch  eine  gewisse  anzahl  Strophen 
dieses  reims  entbehrten.  A\'ir  werden  aber  schliessen  müssen, 
dass  die  IG  +  19  fälle,  in  denen  in  z.  7,  sow'ie  die  13  +  12 
fälle,  wo  in  z.  9  d  oder  as  mit  L  übereinstimmen,  schon  der 
quelle  angehörten.  Freilich  wird  ein  reim  der  quelle  nur 
durch  die  fälle  bewiesen,  wo  Ld  bez.  Las  zugleich  in  z.  7  und 
in  z.  9  übereinstimmen,  d.  i.  für  G  fälle  in  Ld,  10  in  Las,  zu- 
sammen mit  5  fällen  in  Ldas  21.  Zieht  man  aber  in  betracht, 
dass  sowol  d  wie  as  unaufhörlich  abweichen,  so  wird  man  be- 
rechtigt sein,  die  zahl  der  Strophen  der  gemeinsamen  quelle, 
wo  z.  7.  9  reimten,  bedeutend  hölier  anzuschlagen.  Wie  hoch, 
das  lässt  sich  auf  grund  der  gegebenen  data  nicht  entscheiden. 
Aber  ein  beträchtlicher  teil  der  fälle,  wo  in  z.  7.  9  drei  ver- 
schiedene reimwörter  auftreten,  wird,  wie  bei  den  übrigen 
Zeilen,  der  selbständigen  entwicklung  von  d  und  von  as  zuzu- 
schreiben sein. 

Dass  d  und  as  unter  einander  näher  verwant  sind,  findet 
man  bestätigt,  wenn  man  einige  stellen,  wo  sie  zusammen  von 
L  abweichen,  näher  betrachtet.  Die  gemeinsamen  fehler 
liegen  zum  greifen.  Ich  lasse  die  besprechung  einiger  stellen 
folgen. 

L  17.  d  17.  s  12.  Die  königin  gibt  den  W'Unsch  zu  er- 
kennen, den  Berner  zu  sehen:  wer  ist  der  Berncere,  dem  nu 
so  hohes  lohes  gihi  vil  menic  Jielt  vermessen?  Dann  folgt  z.  9 
— 11  oh  in  min  onge  niht  gesiht,  so  hat  min  cjot  veryezzen  und 
muo2  oucJi  yar  unscelic  sin.  Statt  dessen  das  Je/*  gsach  in 
nye,  das  ist  mir  leyd  (mve,  dass  ich  in  nit  sol  sehn  d).  Wie 
hat  Gott  mein  vergessen  (ich  kan  sein  nit  vergessen  [!]  d),  das 
ich  so  gar  unselig  (so  unglückhafiig  as)  hin. 

L  26.  d  29.  as  25.  Die  königin  gibt  zu  erkenhen,  dass 
ihre  Sehnsucht  gestillt  w'erden  würde,  wenn  sie  Dietrich  nur 
einmal  zu  sehen  bekäme;  z.  8— 10  ez  hcem  mir  Uht  se  guote, 
sceh   ich   den   fiirsten  lohes   rieh:   ich    lieze  in   uz   dem   muote. 


230  BOER 

das  führen  ganz  irrtümlich  das  präsens  ein:  es  koiupt  mir 
leicht  zu  gute,  und  ist  das  ich  den  held  gesteh  (ob  ich  in  nun 
ein  mal  ansich  as),  icli  lass  (los  d!)  in  aus  dem  (meim  as)  mute. 
31.  35.  26.  Die  königin  redet  von  dem  seh  wert,  das  sie 
Ecke  zur  hand  stellt;  sein  Imoph  ist  ein  j6chant\  sein  orthant 
i^t  rot  ruhbin;  dann  folgt  (z.  8 — 10):  si  seile  im  liebiu  mcere, 
daz  da  von  bortesklen  fin  des  swertes  vezzel  woere.  Statt 
z.  9- — 10  haben  as:  ivie  das  von  Alexandria  das  schwert  her- 
kommen wäre,  d:  tvie  das  von  Alexander  sein  (sie!  eine  letzte 
reminiscenz  an  fin  L)  sein  sesselporte  tvere.  Dass  von  der 
qualität,  nicht  von  der  herkunft  des  Schwertes  bez.  seiner 
einzelnen  teile  die  rede  ist,  zeigt  das,  was  vorher  über  den 
hioph  und  das  orthant  gesagt  ist,  und  auch  das,  was  folgt: 
ez  ivas  vil  ivär,  das  si  im  jach,  ivan  ez  her  Ecke  selbe  mit 
sinen  ougen  sach  (ähnlich  auch  das). 

33.  37.  27.  z.  1 — 6  lauten  in  L:  Si  bot  im  einen  niuwen 
schilt,  da  tvart  mit  sper  nie  durch  gczilt  von  keifier  stallte  juste. 
da  Mengen  tüsent  schellen  an  geivorht  von  koste  lohesam, 
der  daJite  in  da  zer  brüste.  —  Die  quelle  von  das  änderte 
juste  (z.  3)  in  joste  und  räumte  z.  6,  deren  reim  dadurch  un- 
möglich geworden  war,  auf.  Aus  z.  5  wurden  zwei  zeilen 
gemacht,  die  in  d  als  z.  5.  6  fungieren:  die  iraren  alrot  gid- 
dein  schon,  tvol  von  der  pestcn  koste.  Das  reimwort  für  z.  6 
stammt  aus  L  z.  5  {von  koste  lohesam).  Diese  lesart  von  d 
liegt  as  zu  gründe,  wo  des  weiteren  koste  zu  kesten  entstellt 
und  dann  auch  z.  3  umgearbeitet  wurde  (gemachet  nach  dem 
besten;  das  wort  besten  aus  d  z.  6;  in  L  stand  es  noch  nicht). 

34.  38.  29.  Ecke  will  das  ihm  angebotene  pferd  nicht 
annehmen;  z.  7 — 10  ez  treit  mich  doch  die  lenge  niht  mit  aller 
siner  krefte,  nu  ivizzent  vroiuve,  sivaz  mir  heschicht,  daz  ich 
mich  niht  behefte  (z.  11)  7)iit  rosse.  Die  quelle  von  das  schrieb 
z.  7  nit  und  konnte  nun  heschicht  nicht  als  reimwort  brauchen ; 
z.  9 — 10  lauten  hier:  nun  wolle  Gott,  das  ich  mich  nit  mit 
Teilten  hie  beheffte  (welche  spräche!).  So  noch  as  (a  nicht  j 
nicht).  In  d  wurde  aus  dem  reime  nit  j  nit  das  erste  (ui'- 
sprüugliche)  mt  durch  die  neuerung  (z.  7)  es  treit  mich  nit  ob 
ich  es  rit)  entfernt;  das  zweite  (jüngere)  nit  blieb  erhalten 
(zu  beachten  ist  der  schlechte  reim  nt  [=  rite]  j  nit). 

35.  39.  30.  z.  6— U.    Die  königin  spricht  zu  Ecke:   ivan 


DAS   ECKENLIED   UND    SEINE   QUELLEN.  231 

sprichet  mir  Jcein  erc,  wem  'daz  er  gar  venväsen  si,  der  dir 
gap  die  [hrünne  und  dir  niht  rosses  gap  da  hi.  phi  im  und 
stncm  liinne'.  da  von  rit  ez  die  wll  ez  iver.  —  Statt  der 
charakteristischen  z.  10  haben  as  die  leere  phrase:  iviU  du 
mir  eeren  günnen.  d  arbeitet  die  Strophe  um.  aber  die  stelle 
as  10  kehrt  z.  9 — 10  wider:  lier  Eclc,  ivilt  mir  der  eeren  gün, 
so  reit,  des  Jiah  ich  ere.     L  z.  10  ist  aucli  hier  verschwunden. 

37.  41.  32.  Eckes  reise  durch  das  gebirge.  d  und  as 
weichen  beide  selbständig-  bedeutend  ab.  Aber  einen  hübschen 
zug  hatte  schon  die  quelle  von  das  durch  eine  fade  bemerkung 
ersetzt.  Ecke  wird  von  den  wihleu  tieren  angegafft,  z.  7 — 12 
der  schilt,  den  er  zem  arme  truoc,  ivolt  clingens  nie  gesivtgen 
(9)  vögele  unde  tiere  genuoc  (10)  diu  hahien  zuo  den  stigeti 
(11)  und  scliouten  sin  vil  stvinde  vart.  (12)  sus  im  von  icilden 
tieren  vil  nach  geliaphet  nart.  —  In  d  sind  z.  7 — 8  nahezu 
ungeändert  erhalten.  Aus  9 — 11  wird:  der  tvilden  tyr  der  was 
genug,  die  forchten  sielt  gar  sere;  sie  fluchen  (d.i.  flohen)  in  al 
auf  der  fart.  z.  12  ist  dem  sinne  nach  erhalten:  von  mangen 
ivilden  tJiyrren  im  doch  ser  noch  gesechen  tvart.  Der  bedeu- 
tende fehler,  dass  die  tiere  nicht  hergelaufen  kommen,  sondern 
vor  Ecke  fliehen,  findet  sich  auch  in  as.  z.  7 — 8  werden  as  7 
tcenn  im  der  heim  nun  rürt  den  ast]  d  9 — 10  werden  as  8 — 10 
die  vögel  (d.  i.  L)  und  die  thiere  den  heim  hortend  erklingen  fast 
(reminiscenz  an  L  8),  sie  wurden  fliehen  (d.i.  d  fluchen) 
schiere.  —  z.  11 — 12  sind  völlig  entstellt:  das  im  von  ivilden 
thieren  geschehen  was  nije  mehr,  [geschehen  beruht  auf  ge- 
sehen (d),  das  in  der  quelle  von  d  as  für  das  charakteristische 
gekaphet  des  Originals  eingetreten  war. 

40.  45.  36.  Ecke  hat  von  dem  einsiedler  vernommen,  wo 
der  Berner  sich  aufhält;  er  dankt  ihm,  nimmt  aber  zugleich 
abschied,  z.  9 — 10  hier  mite  tvart  urloup  da  genomen.  den 
Stic  hat  er  im  zeigen,  z.  11 — 12  will  der  eremit  ihn  die  nacht 
über  bei  sich  behalten,  aber  vergebens.  —  In  der  quelle  von 
das  waren  z.  9 — 10  zu  Eckes  rede  gezogen;  aus  zeigen  war 
zielten  geworden:  10  d  er  sprach:  'her  tvirt  gesegen  dich  got; 
ich  wil  von  hinnen  ziehen.  In  as  wurde  ziehen  durch  das 
synonj-me  scheiden  ersetzt,  was  änderungen  in  z.  8  nach  sich 
gezogen  hat. 

50.  54.  42.    Ecke  geht  von  Bern,  unz  er  Trient  ane  sach. 


232  BOEß 

51  lieisst  es  dann:  Üf  Trient  die  hure  er  dannoch  gie.  Die 
quelle  von  das  schrieb  an  beiden  stellen  für  Trient  Tirold, 
Tyrol,  machte  also  Tirol  zu  einer  stadt;  so  d;  as  ändern  das 
zweite  mal  Tyrol  in  Trenclienhurg. 

72.  81.  60.  z.  3.  6  reimen  vcrre  j  herre.  z.  8.  10  JBerncere  j 
ivcere.  In  as  ist  ein  schlechter  reim  dadurch  entstanden,  dass 
z.  8  von  Berne  für  Berncere  geschrieben  wurde,  z.  3  hat 
vertze,  was  für  die  Strophe  in  dieser  gestalt  noch  ohne  bedeu- 
tung  ist.  In  d  ist  von  Beren  aus  z.  8  nach  z.  6  versetzt  und 
reimt  nun  auf  reren  in  z.  3;  ivcere  ist  aus  z.  10  nach  z.  8  ver- 
setzt, und  z.  9.  10  wurden  neu  bearbeitet,  wobei  z.  10  das 
reim  wort  mere  (d.  i.  nuere)  eing-eflickt  worden  ist. 

102.  114.  76.  Bis  zum  schluss  der  vorigen  Strophe  hat 
Ecke  das  wort  geführt.  Jetzt  hebt  Dietrich  zu  sprechen  an. 
z.  1—3  Er  sprach:  'diner  höchvart  mich  heviU,  das  du  mich 
hehvingen  tvilt,  daz  tvirt  dir  lihte  sivwre  .  .  '  (reim  in  z.  6  mcere). 
In  das  ist  Er  sprach  (z.  1)  fortgelassen,  z.  3  fehlt;  dafür  findet 
sich  die  phrase :  Und  das  sprach  der  Bernere  as,  sprach  da  der 
Per  euere  d.  —  d  arbeitet  z.  1 — 2  weiter  um. 

110.  129,  87.  z.  1 — 3  Bin  sunne  an  das  gehirge  gie,  dem 
Berner  wart  so  leide  nie,  er  hat  niht  schiltes  mere.  Statt  z.  2 
schreibt  die  quelle  von  das:  Sie  wonten pey  einander  ye.  So  d. 
as  ändert  das  noch  mit  nie  verwante,  unmöglich  gewordene 
ye  in  hie;  d  ändert  die  sinnlos  gewordene  in  as  erhaltene  z.  3 
und  schreibt:  Bieterich  hat  kein  schilt  mere. 

112.  141.  89.  z.  1 — 3  Er  sprach:  got  hilf  nach  miner  gir: 
du  hast  vil  giiotez  reht  ze  mir,  ivan  ich  dir  ivol  getrouive.  — 
z.  2  ist  charakteristisch,  und  auf  ihren  Inhalt  bezieht  sich  auch 
z.  3:  weil  der  Berner  auf  gott  vertraut,  liegt  diesem  die  pflicht 
ob,  ihm  zu  hilfe  zu  kommen.  In  der  quelle  von  d  as  ist  dieser 
gedanke  ausgefallen  und  hat  das  ganze  einen  matten  anstrich 
bekommen;  z.  1 — 2  sind  umgesetzt:  . . .  Herr  Gott,  hilf  mir, 
das  hitt  ich  dich  (phrase)  auss  rechter  gir.  d  geht  einen  schritt 
weiter,  lässt  die  neue  zweite  zeile  aus,  macht  z.  3  zu  2  mit 
dem  reimworte  dir  (tvan  ich  dos  tvol  getraice  dir)  und  flickt 
aus  dem  folgenden  eine  neue  dritte  zeile  ein:  das  ich  mug  auf 
in  haiven. 

119.  135.  94.  Ecke  sagt  (z.  11—12):  ivas  wcenest  du  deich 
sjiar  an  dir'f'  eimveder  lebende  cdd  töter  so  muostu  volgen  mir. 


DAS  ECKENUED   UND   SEINE   QUELLEN.  233 

—  d  entstellt  z.  11:  ivas  mainstn  das  ich  sndi  ])cy  dir.  So 
auch  as,  nur  ^iech  an  dir  (sitrh  aus  such  entstellt).  Quelle 
von  das  such  an  dir  aus  spar  an  dir  (L). 

122.  155.  103.  Ecke  wundert  sich  über  Dietrichs  kraft, 
z.  4 — 5:  dii  wonst  mir  vientUchcn  ht,  reht  als  ein  man  noch  in 
dir  si.  Nach  das  glaubt  Ecke,  dass  noch  zwei  männer  in 
Dietrich  seien;  z.  5  vo)i  art  als  oh  deiner  teeren  drei  as,  recht 
sam  doch  iveren  deyner  drey  d.  Aber  in  der  folgenden  Strophe: 
d  z.  4  du  vichtes,  sam  dein  iveren  ziven,  in  as  (völlig*  verderbt) 
z.  5  und  meyn  nit  das  dein(er)  seien{d)  ziven.  L  (z.  5)  und 
vihtest  als  din  zwene  sin. 

143.  183.  114.  Dietricli  beklagt  Eckes  tod.  Wenn  er  nur 
einen  anderen  nanien  trüge:  z.  2 — 8  und  ivwre  ich  niuwan 
vome  namen  (icJin  mochte  ivie  ich  hieze),  daz  icli  cht  anders 
tvcere  genant,  ald  wiere  vermürt  in  ein  sieinivant,  daz  mich 
der  name  lieze,  (7)  deich  niht  von  Berne  icmre  yeborn,  (8)  ivaz 
clagte  ich  dünne  mere?  —  z.  2—4  sind  in  das  ziemlich  gut 
erhalten.  Dann  folgt  (z.  5 — 8):  iver  ich  {oder  as)  vermauret 
in  ein  icant  der  mich  names  (sein  nun  as)  erlisse,  oder  dass 
ich  ye  ivart  geporn,  ivas  claget  ich  dan  mere  {das  Mag  ich 
immer  mehre  as).  —  Abgesehen  von  anderen  torheiten,  genügt 
wol  der  unsinn,  der  durch  die  auslassung  von  von  Berne  ent- 
steht, zur  beurteilung  der  stelle. 

148.  205.  129.  Dietrich  spricht  bei  Eckes  leiche  (z.6— 9): 
der  nu  des  geloubte  deich  dich  släfende  niht  envant,  dö  ich  dir 
stach  die  ivunden,  so  tvurde  ich  scelic  gar  hekant.  z.  6  schreiben 
das  an  die  stelle  des  Präteritum  das  präsens:  der  mir  es  nun 
gelaubet  as,  er  sprach,  der  mir  gelaubet  d.  Aber  z.  9  so  iver  ich 
noch  ein  selig  man  as.    d  setzt  hier  etwas  anderes  an  die  stelle. 

162.  215.  138.  z.  11  L  er  sprach:  vrou  ivie  ist  er  genant? 
d  schreibt  vor  er  ein  anorganisches  h:  nun  sag,  f'raiv,  tvie  ist 
her  genant?  Daraus  as:  Er  sprach  {=  L):  tvie  ist  der  Herr 
genant?  —  Quelle  von  das:  er  sprach:  vrou,  ivie  ist  her 
genant. 

Aehnliche  stellen  wie  die  oben  besprochenen  finden  sich 
nahezu  in  jeder  Strophe.  Sie  bestätigen,  was  man  im  voraus 
erwarten  konnte,  dass  nicht  die  einzige  alte  handschrift  aus 
supponierten  guten  vorlagen  zweier  in  erbärmlichster  weise 
verderbter  junger  texte  combiniert  ist,  dass  sie  vielmehr  dem 


234  BOER 

hoclideiitsclien  originale  noch  ganz  nalie  steht,  und  dass  die 
jungen  texte,  obgleich  beide  eine  unzahl  selbständiger  Ver- 
derbnisse aufweisen,  doch  von  einer  gemeinsamen  vorläge 
stammen,  die  sich  von  dem  originale  schon  weit  entfernt  hatte. 
Daraus  folgt,  dass  sowol  für  die  fragen  der  höheren  wie  der 
niederen  kritik  L  jeder  Untersuchung  durchaus  zu  gründe  ge- 
legt werden  muss,  und  dass  das  kein  grösseres  vertrauen  ver- 
dienen, als  jeder  unbefangene  beobachter  solchen  texten  ent- 
gegenbringt. Ein  Zeugnis  von  d  oder  as  wider  Las  bez.  Ld 
gilt  gar  nichts;  ein  solches  von  das  wider  L  hat  den  wert 
eines  Zeugnisses  einer  schlechten  recension  gegen  eine  gute. 
Nur  für  die  in  L  fehlenden  partien  sind  wir  auf  das  an- 
gewiesen. Die  vielen  Übereinstimmungen  aber  zwischen  L 
und  d  bez.  as  sind  als  Zeugnisse  für  L  aufzufassen. 

Dagegen  lässt  sich  nicht  einwenden,  dass  auch  L  ein 
breitrediges  gedieht  voller  Widersprüche  ist.  Diese  tatsache 
lässt  sich  allerdings  nicht  leugnen,  aber  sie  findet  in  der  Vor- 
geschichte der  hochdeutschen  bearbeitung  ihre  erklärung. 
Die  fehler  von  L  sind  im  grossen  und  ganzen  die  fehler  von 
HD.  Das  älteste  hochdeutsche  Eckenlied  ist  nun  einmal  eine 
grobe  bearbeitung,  sogar  wie  es  scheint  eine  doppelte  (näheres 
§  12)  eines  gut  zusammenhängenden  niederdeutschen  gedichtes; 
daran  lässt  sich  nichts  ändern.  Dass  L  eine  überaus  grosse 
anzahl  Strophen  enthält,  die  von  diesem  Standpunkte  inter- 
poliert genannt  werden  müssen,  ist  freilich  anzuerkennen  und 
wurde  im  laufe  dieser  Untersuchung  widerholt  hervorgehoben, 
aber  die  hoffnung,  mit  liilfe  von  d  oder  as  oder  diesen  recen- 
sionen  in  Vereinigung  solche  Interpolationen  aus  L  entfernen 
zu  können,  ist  eine  Illusion.  Der  einzige  weg,  auf  dem  über 
die  Vorgeschichte  auch  der  hochdeutschen  Überlieferung  sich 
etwas  ermitteln  lässt,  ist  die  vergleichung  mit  der  quelle,  die 
wie  wir  ausführlich  gezeigt  haben,  in  der  p.  s.  in  nahezu  un- 
geänderter  gestalt  vorliegt.  Zwar  fehlen  einige  male  in  as 
Strophen,  die  einen  durchaus  zufälligen  Charakter  tragen,  da 
aber  as  durchgehend  kürzen  und  auch  alte  Strophenreihen 
von  nicht  geringem  umfang  auslassen,  existiert  nicht  der  ge- 
ringste grund,  solche  in  as  fehlende  Strophen  für  zusätze  in 
Ld  anzusehen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  minusstellen 
von  das. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         235 

Um  die  gewonnenen  resultate  auch  von  dieser  seite  sicher 
zu  stellen,  empfiehlt  es  sich,  die  stellen,  wo  Wilmanns  das 
vor  L  den  vorzug-  gibt  oder  im  stroplienbestand  bez.  im  inhalt 
beriilirungen  zwischen  L  und  d  bez.  as  annimmt,  kurz  revue 
passieren  zu  lassen. 

Den  Vorzug  vor  L  verdienen  nach  Wilmanns  d  as  an  den 
folgenden  stellen: 

L  149.  150.  Eckes  enthauptung.  Die  stelle  wurde  schon 
ausführlich  besprochen,  d  macht  anspielungen  auf  die  ent- 
hauptung und  erzählt,  dass  Dietrich  den  köpf  nach  -Tochgrim 
führt;  die  enthauptung  stammt  aus  der  nd.  (luelle  und  ist  der 
ausgangspunkt  für  alles,  was  später  von  dem  köpfe  erzählt 
wird.  Auch  der  grund  der  auslassung  in  das  ist  uns  schon 
klar  geworden  (oben  s.  190,  vgl.  s.  214,  anm.  1). 

L  75 — 78  fehlen  nach  Wilmanns  in  das,  und  zwar,  wie  er 
annimmt,  mit  recht.  Aber  str.  78  enthält  die  aus  der  nd.  quelle 
stammende  anpreisung  des  helmes  (oben  s.  185).  i) 

L  85.  86  fehlen  in  das.  Aber  85,11  Da  maJit  wol  heizen 
Dieterich  wurde  s.  186,  anm.  als  eine  umgedeutete  reminiscenz 
an  eine  stelle  der  nd.  quelle  erkannt. 

L  93  —  95  fehlen  in  das.  Aber  die  anpreisung  des  bönit, 
geht  auf  eine  alte  stelle  zurück  (s.  186). 

L  151—160.  Die  begegnung  mit  Babehilt.  Der  auftritt  ist 
aus  einer  hauptepisode  der  nd.  quelle  entstanden;  ihr  fehlen  in 
das  ist  eines  der  wiclitigsten  Zeugnisse  dafür,  dass  diese 
beiden  recensionen  eine  gruppe  bilden,  die  längere  abschnitte 
auslässt. 

Ueber  L  91,  115 — 116  lässt  sich  nichts  näheres  sagen. 
Wenn  gründe  vorhanden  wären,  diese  Strophen  zu  streichen, 
so  könnte  man  sie  leicht  entbehren.  Welche  autorität  aber 
dem  negativen  zeugnis  von  das  zukommt,  das  wird  jetzt  wol 
hinlänglich  klar  geworden  sein. 

Ein  näheres  Verhältnis  zwischen  L  und  d  nimmt  Wilmanns 
an  folgenden  stellen  ein: 

L  80—83.  d  86—88,  vgl.  91.  94.    Die  stelle  fehlt  in  as. 


')  In  d  fehlt  tatsächlich  L  78  nicht,  ist  aber  zu  zwei  Strophen  erweitert, 
die  irrtümlich  auf  die  beschreibuug  des  Schwertes  folgen  (s.  s.  185,  anm.  1). 

Beiträge  zur  geschichle  der  deutschen  spräche.     XXXII.  J^(j 


236  BOER 

Es  ist  die  aus  der  nd.  quelle  stammende  geschichte  des  Schwertes 
(s.  187  f.),  die  as  ausgelassen  hat. 

L  104—106,  d  124—126  fehlen  in  as.  Es  ist  die  s.  193  ff. 
besprochene  kurze  Unterbrechung  des  kämpf  es,  die  ein  aus- 
gangspunkt  für  die  längere  in  das  wurde,  d  hat  beide  er- 
halten, as  hat  die  kürzere  scene  aufgegeben. 

lieber  die  übrigen  angeblichen  zusätze  in  Ld  lässt  sich 
weniger  sicheres  sagen.  Die  stellen  können  sämmtlich,  wie 
viele  andere,  wol  entbehrt  werden,  ohne  dass  man  den  verlust 
spüren  würde,  was  aber  wider  sie  angeführt  wird,  sind  lauter 
subjective  gründe.  Auf  das  fehlen  in  as  ist  nach  unseren 
bisherigen  erfahrungen   nicht   der   geringste   wert   zu   legen. 

—  Gegen  L  28 — 25,  d  23 — 25  wird  neben  ihrer  breite  an- 
geführt, dass  Ecke  'als  riese'  gottes  namen  nicht  im  munde 
führen  dürfe,  —  eine  blosse  behauptung.  Wir  haben  gesehen, 
dass  Ecke  von  anfang  an  nicht  einmal  ein  riese  ist.  Dasselbe 
gilt  von  den  bedenken  gegen  L  9.  130.  —  Zu  L  45—47.  d  50 
— 52  wird  für  L  sogar  eine  compilation  aus  zwei  redactionen, 
deren  eine  weder  zu  d  noch  zu  as  gehört,  angenommen  (also 
wären,  da  sonst  eine  combination  aus  d  und  as  angenommen 
wird,  für  L  wenigstens  drei  quellen  anzunehmen).  Zu  L  120 
wird  von  einem  'plan  der  dichtung'  geredet;  dieser  plan  aber 
ist  nicht  aus  einer  vergleichung  der  quellen  erschlossen,  son- 
dern frei  construiert,  L  144  muss  unecht  sein,  weil  Dietrich 
Eckes  namen  ausspricht,  L  175,  weil  das  wilde  fräulein  nicht 
nur  Dietrich,  sondern  auch  sein  pferd  versorgt.  Diese  argu- 
mentation  scheint  mir  wenig  dazu  geeignet,  die  vorzüglichkeit 
von  as  vor  Ld  dazutun. 

Für  eine  nähere  berührung  zwischen  L  und  as  werden 
von  Wilmanns  drei  neben  einander  stehende  stellen  angeführt: 
L  176,  as  150,  d  233.  —  L  177—180,  as  152—154,  d  235-238. 

—  L  172.  173,  as  147.  148,  d  229.  Auf  letztere  stelle  geht 
Wilmanns  nicht  ein;  selbstredend  ist  aber  die  vorzüglichkeit 
von  d  keineswegs.  So  viel  leuchtet  sofort  ein,  dass  wenigstens 
d  229,  5 — 6  machwerk  sind  (reim  in  d  lehin  /  sterben,  in  L 
leben  /  geben),  und  dass,  wenn  das  fräulein  L  179, 12.  d  229, 12 
von  den  'würzen'  redet,  mit  denen  sie  den  beiden  zu  heilen 
gedenkt,  es  wenigstens  ganz  angemessen  erscheint,  dass  Diet- 
rich L  173, 1  von  ivunden  seic  . . .  üf  das  lant.    Hier  hat  also 


DAS   ECKENLIED   UND   SEINE   QUELLEN.  237 

d  zwei  stroplien  zu  einer  zusammengezogen.  —  Was  L  176 
anbelangt,  hier  scheint  es  ganz  in  der  Ordnung,  dass  das 
fräulein.  nachdem  schon  der  geruch  des  krautes  Dietrich  zu 
gute  gekommen  ist,  ihn  nun  auch  seiner  brünne  entkleidet  und 
seine  wunden  mit  dem  kraute  einreibt.  In  d  treten  dafür  leere 
phrasen  an  die  stelle,  z.  3  mit  frcudcn,  one  laide,  6  des  volget  er 
der  maidc,  7 — 10  ein  trachen  icart  ir  do  cjezilt . . .  do  icacht 
die  mait  mit  sorgen.  Wahrlich,  das  sieht  nicht  aus  wie  die 
spräche  eines  dichters  aus  der  guten  zeit  der  mhd.  dichtung. 
Aehnlich  verhält  es  sich  auch  mit  L  177 — 180;  ob  mau  hier  im 
allgemeinen  den  inhalt  von  L  oder  von  d  vorzieht,  das  ist  reine 
geschmackssache,  —  gross  ist  der  abstand  nicht;  —  die  dar- 
stellung  in  d  aber  ist  wie  sonst  in  hohem  grade  verwässert, 
vgl.  z.  b.  d  235,5 — 6  ein  hundlein  1mm  auf  der  fart,  das  höret 
die  iunJc  fraive  mit  L  177,  6 — 7  vil  oftc  si  hedühte,  ez  liefen 
hunde  durch  den  icalt,  oder  d  236, 12  des  maint  die  tiigent- 
letche,  der  helt  und  der  wer  tot  mit  L  179, 12  si  schrie  vil 
litte  'iväfen!  histu  helihen  tot?' 

Wir  könnten  hiermit  von  dem  Verhältnis  der  recensionen 
Ldas  abschied  nehmen,  wenn  der  letzte  abschnitt  nicht  wäre. 
Die  frage,  ob  die  drei  bearbeituugen  sich  in  dieser  partie 
einander  gegenüber  ebenso  verhalten  wie  früher,  ist  für  die 
geschichte  des  textes  von  dem  grössten  gewichte.  Da  hier 
die  ab  weichungen  stets  grössere  Proportionen  annehmen,  ist 
man  gewohnt,  hier  von  drei  selbständigen  bearbeituugen  zu 
reden,  deren  jede  von  dem  ursprünglichen  Inhalte  etwas  be- 
wahrt haben  möge,  und  man  erlangt  dadurch  die  freiheit,  aus 
jeder  das  zu  wählen,  was  einem  beliebt.  Es  lässt  sich  aber 
auch  hier  der  nachweis  führen,  dass  das  zusammen  auf  eine 
redaction  zurückgehen,  die  aus  L  oder  einer  L  sehr  nahe 
stehenden  vorläge  entstellt  war,  und  dass  man  also  nur  da, 
wo  L  abbricht,  mit  der  grössten  vorsieht  zu  d  as  seine  Zuflucht 
nehmen  darf.  Das  behagen  an  den  kämpfen  mit  Ungeheuern 
hat  die  jüngeren  umdichter  dazu  verführt,  hier  noch  freier 
mit  dem  texte  zu  schalten,  als  in  den  ersten  200  Strophen 
geschehen  ist,  und  das  ist  auch  der  grund,  dass  as  und  d  hier 
auch  in  der  darstellung  der  begebenheiten  ziemlich  weit  aus- 
einandergehen.   Aber  doch  sind  es  dieselben  abenteuer,  von 

16* 


238  BOER 

denen  beide  recensionen  berichten;  nur  ist  die  reilienfolge  ge- 
stört. Die  änderungen  in  der  reilienfolge  aber  werden  durchaus 
verständlich,  wenn  man  nur  zwischen  L  und  d  bez.  as  das  not- 
wendige bindeglied  *das  einschaltet.  Es  zeigt  sich  dann,  dass  in 
jeder  folgenden  receusion  nur  geringe  Verschiebungen  statt- 
gefunden haben.  Das  resultat  der  Verschiebungen  ist  aller- 
dings ein  bedeutender  abstand  zwischen  den  überlieferten 
recensionen. 

In  L  wird  nach  Väsolts  besiegung  erzählt,  dass  Dietrich 
und  Väsolt  sich  zusammen  auf  den  weg  begeben.  Ihr  erster 
besuch  gilt  einem  herrn,  der  bisher  Väsolts  dienstmann  gewesen 
ist,  nun  aber  sich  Dietrich  unterwirft  (202—207).  Bei  tische 
wird  man  von  zwergen  bedient  (204,  7  —  8).  Darauf  reiten 
die  genossen  (208)  durch  den  wald  gen  einem  Jiolen  steine,  wo 
Eckenot  haust,  der,  als  er  Eckes  tod  vernimmt,  Dietrich  an- 
greift und  von  ihm  erschlagen  wird  (221).  Darüber  gerät  der 
held  mit  Väsolt,  der  Eckenots  tod  beklagt,  in  streit,  lässt  sich 
aber  beschwichtigen  (223.  224).  Dietrich  fragt  dann  (225), 
wer  diesen  stein  hie  hiutve,  und  bekommt  die  antwort,  es  sei 
Walrich;  Väsolt  gelobt  ihm,  ihm  beizustehen,  falls  Walrich 
Dietrich  angreifen  sollte  (226).  Dass  Walrich  dazu  bestimmt 
war,  eine  weitere  rolle  zu  spielen,  folgt  mit  Sicherheit  aus 
seiner  erwähnung.  Erst  aber  folgt  nun  die  begegnung  mit 
Väsolts  weiblicher  verwantschaft,  seiner  mutter  Birkhilt  (228) 
und,  nachdem  Dietrich  diese  erschlagen,  seiner  Schwester 
üodelgart  (239),  die  auf  ihr  geschrei  herbeigeeilt  kam. 
Damit  bricht  L  ab.  Mit  Sicherheit  lässt  sich  sagen,  dass 
noch  ein  auftritt  mit  Walrich  sich  angeschlossen  haben  muss, 
und  dass  Dietrich  am  Schlüsse  sich  allein,  wol  nachdem  er 
Väsolt  erschlagen  hatte  (s.  215),  nach  Jochgrim  begeben  hat 
(§  10),  wo  er  Eckes  köpf  den  frauen  vorzeigte.  Ob  die  hand- 
schrift  noch  andere  abenteuer  enthielt,  lässt  sich  nicht  ent- 
scheiden. 

d  erzählt  das  folgende:  Nach  Väsolts  besiegung  (266) 
reiten  die  beiden  in  den  wald.  In  der  nacht  besucht  Väsolt 
den  riesen  Zerre  (271)  und  berichtet  ihm  Eckes  tod.  Zerre 
bittet  ihn,  es  seiner  mutter,  die  Eckes  und  Väsolts  muhme 
ist,  zu  erzählen  (273);  bei  Kachin  sind  zwei  andere  riesinnen, 
Kallech  und  Kitsch  (274).    Väsolt  kehrt  zu  Dietrich  zurück 


DAS   ECKENLIED   UND  SEINE   QUELLEN.  230 

(277);  Eachin  aber  kommt  herbei,  um  Ecke  zu  rächen,  und 
wird  (290)  von  Dietrich  erschlagen.  Dann  schreit  sie  laut  auf 
(291),  worauf  Zerre  und  sein  bruder  Weiderich  herbeieilen. 
Zerre  wird  erschlagen  (296).  Weiderich  aber  beträgt  sich 
friedfertig  und  lobt  Dietrich  (297  ff.). 

Diese  scene  enthält  dieselben  elemente  wie  in  Jj  die  be- 
gegnung  mit  den  riesinnen.  Eachin  ist  Birkliilt  gleichzusetzen, 
Kallech  und  Eitsch  entsprechen  Uodelgart.  Der  kämpf  mit 
Uodelgart  ist  ausgelassen;  an  ihrer  stelle  werden  zwei  rie- 
sinnen genannt.  Da  dieser  kämpf  fehlt,  kommt  auf  Eachins 
geschrei  nicht  ihre  tochter,  sondern  ihre  söhne  heran.  Wei- 
derich ist  Walrich;  statt  eines  riesen  werden  deren  zwei 
erwähnt.  Wie  in  L  wird  ein  riese  vor  dem  kämpf  mit  der 
riesin  kurz  erwähnt.  Dietrichs  begegnung  mit  ihm  findet  wie 
dort  erst  nach  der  besiegung  der  riesin  statt.  Ob  L  zwei 
riesen  kannte,  und  ob  Walrich  hier  friedfertig  gestimmt  war, 
lässt  sich  nicht  entscheiden. 

Dann  kämpft  Dietrich  (300)  von  neuem  mit  Yäsolt  und 
erschlägt  ihn  (303, 1).  Weiderich  freut  sich  und  gibt  Dietrich 
zu  essen  (303).  Dietrich  trifft  Eckenut  vor  eynes  velses  icunt 
(300).  Dieser  greift  ihn  an,  als  er  den  tod  seiner  freunde 
erfährt,  und  wird  von  ihm  erschlagen  (311).  Der  auftritt 
correspondiert  mit  L  208—221. 

Dietrich  reitet  zu  einer  bürg,  wo  er  einen  kämpf  mit 
zwei  bildsäulen  besteht  (312  ff.).  Dann  reitet  er  (317)  gm 
Gocher  im. 

as  erzählen:  Nach  Väsolts  besiegung  reiten  die  beiden 
zu  einer  bürg  (Metz,  nach  179).  Ein  zwerg  zeigt  ihnen  den 
weg  (181). ')  Man  wird  gut  bewirtet  (183).  Yäsolt  behauptet, 
er  wolle  nicht  zwei  herren  haben,  und  schwört  dem  Dietrich 
einen  eid  (183.  184),  —  eine  umkehrung  des  zuges  aus  L,  dass 
der  wirt  nicht  zwei  herren  haben  soll  und  dem  Dietrich  an 
Väsolts  stelle  schwört.  Der  auftritt  correspondiert  mit  L 
202—207;  in  dem  zwerge  sind  die  dienenden  zwerge  (L  204) 
leicht  widerzuerkennen. 

»j  Der  iiame  des  zwerges  Albriaii(us)  (186.  187)  scheint  eine  entstel- 
luug  aus  Alberich,  dem  zwerge,  der  das  schwert  geschmiedet  hat,  zu  seiu 
(8. 187,  anm.  2). 


240  KOER 

Väsolt  reitet  zu  seiner  base  Rutze;  Dietrich  bleibt  in 
Metz  (187:  der  wirt  gibt  auskunft  über  Eckes  und  Väsolts 
g-esclilecht;  er  hat  diese  dinge  von  dem  zwerge  vernommen. 
Zusatz  in  as).  Dann  reitet  Dietrich  Väsolt  nach.  Dieser 
hat  Eutzes  söhnen,  zwei  gewaltigen  riesen,  seine  not  geklagt 
(189);  diese  greifen  den  Berner  an  (190)  und  werden  'er- 
schlagen (203.  205).  Das  erfährt  Rutze  von  Väsolt  (207);  sie 
greift  Dietrich  an  (211)  und  wird  erschlagen  (215;  z.  5  das 
heijn  ir  an  der  haute  hie  =  d  290, 11  das  linJce  pein  er  ir  ah 
scIiivanJi]  in  L  schlägt  er  ihr  den  köpf  ab).  —  Die  scene  ent- 
spricht dem  kämpfe  mit  der  riesenbrut  in  L  und  d,  nur  sind 
die  einzelnen  kämpfe  umgestellt;  zuerst  wird  mit  den  riesen, 
dann  mit  der  mutter  gekämpft.  Die  frau  ist  Väsolts  muhme 
wie  in  d;  die  riesen  sind  ihre  söhne;  die  namen  der  riesen 
sind  fortgelassen,  und  beide  sind  feindlich  gesinnt  (für  diesen 
zug  lässt  sich  die  priorität  nicht  bestimmen).  Von  den  drei 
riesinnen,  von  denen  auch  in  d  nur  eine  kämpft,  ist  nur  eine 
zurückgeblieben, 

Dietrich  und  Väsolt  kommen  zu  einer  bürg  (218),  wo 
Eckenut  wohnt  (220).  Väsolt  erzählt  Eckenöt,  wen  Dietrich 
erschlagen  hat.  Der  kämpf  mit  Eckenöt  is  durch  eine  unmög- 
liche erzählung  von  einem  bezauberten  apfel  ersetzt. 

Bei  einem  brunnen  setzt  der  Berner  den  heim  ab,  und  Väsolt 
wirft  denselben  in  verräterischer  absieht  hinunter  (233).  Dann 
kämpft  Dietrich  von  neuem  mit  Väsolt  (235),  lässt  sich  aber 
beschwichtigen.  Die  scene  ist  eine  törichte  ausführung  von 
L  223.  224,  wo  das  Zerwürfnis  mit  Väsolt  gleichfalls  unmittel- 
bar auf  die  Eckenötepisode  folgt,  aber  vernünftigerweise  auch 
eine  folge  davon  ist.  —  Väsolt  wird  nun  gebunden  (sinnlose 
ausführung  der  Situation). 

Man  kommt  zu  dem  sitze  der  königinnen  (239),  gen  Agrip- 
pia  (242),  wo  Dietrich  Väsolt  auf  seine  bitte  losbindet  (240). 
Vor  dem  tore  stehen  die  gefährlichen  bildsäulen  (244,  vgl. 
d  312),  die  Dietrich  beinahe  erschlagen  hätten  (245.  246). 
Zugleich  greift  Väsolt  ihn  an  (246);  es  entsteht  ein  harter 
kämpf;  die  drei  königinnen  kommen  heran  und  schauen  dem 
gef echte  zu  (246).  Dietrich  erschlägt  Väsolt  (249);  die  köni- 
ginnen aber  sind  verschwunden;  frau  Segburg  (sie)  lässt  den 
beiden  zu  sich  entbieten  (250);  er  reitet  fort  (251),  lässt  sich 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         241 

aber  durch  ein  edle  mayet  zur  rückkelir  bewegeu  imd  wird 
empfang-eu  (253). 

Vasolts  tod  eutspriclit  d  303.  Die  gescliichte  von  den 
bildsäulen  ist  in  die  schlussscene  aufgenommen;  es  wird  näm- 
lich erzählt,  dass  die  bildsäulen  vor  dem  tor  der  bürg,  wo  die 
königinnen  hausen,  stehen. 

Uebersehen  wir  diesen  stoff,  so  lässt  er  sich  in  die  folgen- 
den hauptabschnitte,  deren  reihenfolge  wir  nun  näher  betrachten 
müssen,  zusammenfassen : 

Eeihenfolge  der  quelle  (HD). 
I   besiegung  Vasolts. 
II   bewirtung  bei  einem  herrn,  der  Dietrich  treue  schwört. 

III  Kckenot.    Im  einzelnen: 

a.  kämpf  mit  Eckenot. 

h.  daraus  folgend:  Zerwürfnis  mit  Väsolt. 

IV  kämpf  mit  der  riesenfamilie,  und  zwar: 

a.  erwähnung  eines  riesen,  dessen  wohuung  man  sich 

naht. 
h.  kämpf  mit  Vasolts  mutter. 

c.  kämpf  mit  ihrer  tochter. 

d.  kämpf  mit  einem  oder  zwei  riesen  (den  unter  a 

genannten). 
V  (?)  gefahr  von  bildsäulen. 
VI  (?)  Vasolts  tod. 
VII   Dietrich  auf  Jochgrim. 
Das  ist  vollständig  die  reihenfolge  von  L.    Nur  ist  zu  bemerken, 
dass  L  in  IV  c.  abbricht,  und  dass  es  nicht  sicher  ist,  dass 
diese  redaction  schon  V  und  VI  enthielt.    In  bezug  auf  V  ist 
das  sogar  sehr  unwahrscheinlich;  eher  gehört  VI  schon  HD  an 
(s.  215).  Vasolts  betragen  in  L  ist  weniger  falsch  als  in  das; 
es  ist  möglich,  aber  kaum  wahrscheinlich,  dass  er  hier  noch 
in   freundschaft  von   Dietrich   abschied   nahm.     Dass   dieser 
schon  in  HD  allein  nach  Jochgrim  kam,  wurde  §  10  gezeigt. 
Reihenfolge  der  quelle  von  das. 
IV  ist  vor  III  gestellt  worden.    V  VI  gehören  jedenfalls 
schon  dieser  bearbeitung  an.     Innerhalb   IV  findet  sich  die 
neuerung,    dass    der   kämpf    mit   Uodelgart    ausgelassen    ist. 
Aber  eine  zweite  (auch  eine  dritte?)  riesin  wurde  noch  ge- 


242  BOER 

nannt. ')  IV  a.  wurde  daliin  geändert,  dass  Yasolt  liinterlistig 
allein  zu  einem  der  riesen  reitet  und  ihm  Eckes  tod  mitteilt. 
Die  zahl  der  riesen  ist  hier  ganz  bestimmt  zwei,  und  die  riesen 
sind  söhne  der  riesin  (diese  beiden  einzelheiten  stehen  für  die 
quelle  nicht  fest). 

Reihenfolge  in  d   (aus  dem  vorhergehenden  ab- 
geleitet). 
II   wird  ausgelassen. 

VI  (Väsolts  tod)  wird  vor  III  (Eckenot)  gestellt.  Die 
folge  davon  ist,  dass  III  h.  (das  Zerwürfnis  mit  Väsolt)  aus- 
fällt, und  dass  Dietrich  die  weiteren  aben teuer  allein  besteht.'^) 

Reihenfolge  von  as  (aus  der  quelle  von  das  ab- 
geleitet). 

V  VI  sind  in  VII  aufgenommen,  in  der  weise,  dass  ein 
teil  von  VII  vor  V  gestellt  wird,  was  des  Aveitereu  unzweck- 
mässige widerholungen  verursacht. 

Innerhalb  IV  sind  h  d  umgestellt,  während  c,  das  schon 
in  der  quelle  von  das  zu  der  erwähnung  eines  oder  zweier 
namen  herabgesunken  war,  fehlt.  Der  causalnexus  zwischen 
III  a.  und  III  b.  wird  durch  entstellung  von  III  a.  und  durch 
einen  eingeschobenen  auftritt  aufgehoben,  aber  die  alte  reihen- 
folge  bleibt  bestehen. 

Wir  fassen  diese  entwicklung  in  folgender  graphischen 
darstellung  zusammen: 

(luelle  und  L     I.  II.  III,  U.  IV,  ZTc~[d.  \?  VI?  VII.] 


quelle  von  das  I.  IL  IV,  a.  h.  (c.)  d.  III,  a.  h.  V.  VI.  VII. 


d      I.  —    IV,  a.  h.  (c.)  d.   VI.   III,  a.   V.   —   VII. 


quelle  von  das  I.  II.  IV,  a.  b.  (c.)  d.    III,  a.  b.   V.   VI.   VII. 

as  I.  IL  IV,  77.^^.  III,  a.  b.  (VII.)  V.  VL  VIL 

— ' — .  =  zusamraeuhäugeude  erzähluug 

[  ]  =  fehlt  in  L 

?  =  unsicher 

( )  =  sdnvache  reminiscenz  oder  vorläufige  vorwegnähme  eines  zuges. 


')  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  schon  HD  drei  riesiunen  kannte;  die  dritte 

kann  in  dem  verlornen  teil  von  L  genannt  gewesen  sein;  vgl.  s.  208,  anm.  1. 

^)  Es  wurde  oben  der  Übersichtlichkeit  wegen  davon  abgesehen,  dass 


DAS  ECKENLIED   UND    SEINE   QUELLEN.  243 

§  12.    Das  Verhältnis  der  französischen  bearbeitung 

(P)  zu  dem  hochdeutschen  gedichte  und  dessen 
einzelnen  recensionen. 

Scheinbar  sind  wir  im  vorhergehenden  widerholt  davon 
ausgegangen,  dass  die  redactionen  Ldas  zusammen  P  gegen- 
über eine  gruppe  bilden.  Die  gemeinsame  ([uelle  von  Ldas 
wurde  HD,  die  von  Ldas  +  P  wurde  U  genannt,  und  mehr- 
fach wurde  P  in  seiner  einzelentwicklung  Ldas  gegenüber- 
gestellt. Wir  müssen  uns  aber  jetzt  vergegenwärtigen,  was 
s.  161,  anm.  bemerkt  wurde,  dass  U  vorläufig  als  eine  noch 
nicht  genau  bestimmte  grosse  aufzufassen  sei,  in  bezug  auf 
welche  die  möglichkeit  offengelassen  werden  musste,  dass  sie 
sich  nachträglich  als  mit  HD  identisch  entpuppen  würde. 

Der  grund,  der  zweifei  an  der  Stellung  von  P  veranlasst, 
ist,  dass  die  tatsachen  einander  zu  widersprechen  scheinen. 
Im  §  2—10  unserer  Untersuchung  hat  es  sich  widerholt  ergeben, 
dass  P  die  in  allen  redactionen  von  HD  überlieferte  darstellung 
weiter  ausführt  oder  davon  ausgeht.  Aus  solchen  fällen  geht 
hervor,  dass  LdasP  zusammen  auf  eine  umgearbeitete  quelle 
zurückgehen;  die  quelle  von  P  könnte  hier  aber  gerade  so 
gut  HD  wie  L  oder  d  oder  as,  oder  auch  eine  vor  HD  liegende 
bearbeitung  sein.  Ferner  hat  es  sich  ergeben,  dass  HD  in 
einigen  fällen  von  der  darstellung,  die  P  zu  gründe  liegt, 
ausgeht  und  neues  hinzufügt.  Solche  stellen  scheinen  auf  eine 
gruppierung  Ldas  :  P  zu  deuten  und  die  annähme  zu  recTit- 
fertigen,  dass  U  vor  HD  liege.  Drittens  sind  wir  auf  solche 
fälle  gestossen,  wo  neuerungen  einzelner  redactionen  von  HD 
sich  in  P  widerfanden.  Diese  scheinen  dazu  zu  nötigen,  U 
mit  einer  redaction  von  HD  gleichzustellen.  Es  erscheint 
demnach  unumgänglich,  alle  diese  stellen  in  ihrem  Zusammen- 
hang zu  betrachten. 

Von  dieser  betrachtung  sind  alle  diejenigen  stellen  aus- 
geschlossen, wo  alle  recensionen,  die  saga  einbegriffen,  zu- 


auch  in  d,  wie  es  scheint  vmabliängig  von  as  die  anknnft  awf  Jochgrim. 
gespalten  ist.  Str.  317  kommt  Dietrich  nach  Gocherim,  dort  sitzen  drei 
künige,  die  er  besiegt;  dann  reitet  er  str.  321  geti  Jochrimen  zu  den  köni- 
giunen.  Jochrim  aber  ist  mit  Gocherim  identisch,  vgl.  d  21i,  und  die  drei 
künige  sind  eine  sinnlose  widerholung  der  drei  königinuen. 


244  BOER 

sammengelieii.  Aus  diesen  lässt  sich  selbstverständlich  in 
bezug  auf  die  gruppierung  nichts  schliessen.  Ebenso  solche, 
wo  P  die  gegebene  darstellung  selbständig  weiterführt.') 
Diese  haben  nur  insofern  einen  wert,  als  der  ausgangspunkt 
der  ausführung  in  P  die  darstellung  einer  bestimmten  gruppe 
sein  kann.  So  lässt  sich  aus  dem  furnier ,  dass  die  dame  am 
anfang  von  P  geben  lassen  will,  nichts  weiteres  schliessen, 
als  dass  die  quelle  von  P  die  einleitung  enthielt,  was  wir 
auch  ohne  diese  zutat  wissen  würden. 

I.  Dass  P  der  saga  gegenüber  mit  Ldas  auf  einer  linie 
steht,  hat  sich  hauptsächlich  aus  den  folgenden  datis  ergeben : 

1)  Die  einleitung.  —  Dass  die  königin  von  liebe  zu  Diet- 
rich ergriffen  ist,  ist  ausführung  davon,  dass  sie  sich  heftig 
danach  sehnt,  ihn  zu  sehen.  —  Zu  der  einleitung  gehört  auch, 
dass  der  riese  dem  beiden  nachreist.  Dass  der  held  unter 
einem  bäume  liegt,  als  der  riese  sich  ihm  naht,  ist  eine  neue- 
rung,  die  davon  ausgeht,  dass  der  riese  ihn  sucht,  also  die 
einleitung  voraussetzt. 

2)  Die  bitte  des  besiegten  riesen  an  den  sieger,  seine 
rüstuug  anzuziehen.  Das  geht  einerseits  auf  die  anpreisung 
der  w^affen  ((ßielle  und  HD),  anderseits  aber  auf  die  bitte,  ihm 
den  köpf  abzuschlagen  (HD,  s.  197,  anm.  1)  zurück. 

3)  Der  rat,  ein  stück  von  dem  hämisch  abzuschneiden, 
geht  auf  HD  zurück,  wo  Dietrich,  ohne  diesen  rat  empfangen 
zu  haben,  ein  stück  abtrennt. 

4)  Das  mitleid  des  beiden  mit  dem  besiegten  riesen  geht 
auf  Dietrichs  selbstanklage  (=  HD)  zurück. 

5)  Die  bewirtung  bei  dem  riesen  geht  auf  die  bewirtung 
bei  einem  dienstmann  des  riesen  (HD)  zurück.  Die  entspre- 
chende steile  der  quelle  steht  weiter  ab. 

II.  Innerhalb  HD  ergibt  sich  ein  näheres  Verhältnis  zwi- 
schen P  und  das  aus  den  folgenden  stellen: 

1)  Der  karfunkelstein  im  helme  des  riesen.  In  d  trägt 
Hiltegrim  einen  karfunkelstein;   in  as  ist  die  entsprechende 


1)  Hierher  gehören  einzelheiteu  wie  diese,  dass  anstatt  der  drei  köui- 
ginnen  deren  eine  aiiftritt,  dass  der  hekl  den  riesen  bittet,  den  kämpf  auf- 
zuschieben, bis  er  ein  abenteuer  im  dienste  einer  fremden  dame  wird  bestanden 
haben,  und  viele  andere. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         245 

stelle  verderbt,  aber  die  Vorstellung  von  d  liegt  as  zu  gründe 
(s.  180,  anm.  3). 

2)  Die  Unterbrechung  des  kämpf  es  (s.  193  ff.),  eine  sehr 
wichtige  gemeinschaftliche  neuerung. 

III.  Innerhalb  das  ergibt  sich  ein  näheres  Verhältnis 
zwischen  P  und  as  aus  den  folgenden  stellen: 

1)  Der  riese  ist  so  schwer,  dass  kein  pferd  ihn  zu  tragen 
vermag,  as  31  ich  bin  sn  scJnver  (vgl.  s.  168,  anm.  3).  In  Ld 
wird  nur  gesagt,  dass  Ecke  grössere  ausdauer  habe  als 
das  pferd. 

2)  Das  abschlagen  des  kopfes  ist  ausgelassen  wie  in  as. 
Zwar  fehlen  die  Strophen  auch  in  d,  aber  diese  redaction  ent- 
hält mehrere  anspielungen  auf  diese  tat,  und  Dietrich  trägt 
hier  den  köpf  nach  Jochgrim. 

3)  Die  eigentümlichen  genealogischen  mitteilungen.  In  as 
(str.  187)  hat  Eckes  vater  eine  irilde  meyd  beschlafen;  in  P 
hat  er  ein  mädchen  entehrt.  —  Die  speculationen  über  Eckes 
namen  in  d.  as.  P  scheinen  selbständig  zu  sein. 

4)  Der  riese  ist  ein  lästiger  liebhaber,  wie  as  str.  260. 
261,  wo  die  köuigin  Dietrich  preist,  der  sie  von  Ecke  er- 
löst hat. 

IV.  Ein  näheres  Verhältnis  zu  d  könnte  man  an  der  fol- 
genden stelle  vermuten: 

Der  ritter  begräbt  den  leichnani  des  riesen,  d.i.  d  203. 
Die  stelle  kann  aber  verhältnismässig  spät  in  as  ausgefallen 
sein,  sie  würde  dann  zu  II  zu  stellen  sein  und  würde  auch 
einer  gruppierung  d  >  asP  nicht  widersprechen. 

\'.  Für  ein  näheres  Verhältnis  zu  L  spricht  keine  ein- 
zige stelle. 

Zu  welchem  Schlüsse  diese  stellen  nötigen,  das  kann  nicht 
zweifelhaft  sein.  Die  gliederung  der  redactionen  liegt  in  den 
Übereinstimmungen  mit  P  klar  vor  äugen,  und  P  gehört  der 
jüngsten  gruppe  as  an.  Die  einzige  der  angeführten  stellen, 
die  dieser  auffassung  widersprechen  könnte,  lässt  sich  durch 
die  annähme  eines  Verlustes  in  as  leicht  neutralisieren;  alle 
übrigen  stellen  fügen  sich  von  selbst,  während  mit  der 
annähme,  dass  P  über  as  hinausgehe,  gruppe  III,  mit  der, 
dass  P  über   das   hinausgehe,    auch   II   und   IV   sich   nicht 


246  BOER 

vertragen.    Das  nahe  Verhältnis  zu  as  lässt  sich  also  nicht 
leugnen. 

Ferner  geht  aus  den  angeführten  stellen  klar  hervor,  dass 
nicht  as  von  P,  sondern  P  von  der  gruppe  as  abhängig  ist. 
Eine  etwaige  abhängigkeit  von  P  würde  sich  in  as  nur  so 
erklären  lassen,  dass  as  secundär  aus  einer  fremden  redaction, 
der  quelle  von  P,  züge  aufgenommen  hätte.  Aber  damit  blieben 
die  stellen  unerklärt,  wo  P  mit  d  as  übereinstimmt.  Man  müsste 
in  diesem  fall  annehmen,  dass  erst  die  quelle  von  das,  später 
die  von  as  von  der  quelle  von  P  beeinflusst  worden  wäre. 
Die  ent Wicklung  der  züge,  bei  denen  die  Übereinstimmungen 
stattfinden,  zeigt  auch,  dass  sie  in  as  organisch  entstanden 
sind.  Dass  der  riese  für  das  pferd  zu  schwer  ist,  geht 
wenigstens  von  HD  aus;  das  fehlen  jeder  andeutung  davon, 
dass  Dietrich  Eckes  köpf  abschlägt,  ist  in  as  die  consequenz 
davon,  dass  diese  tat  sclion  in  das  nicht  mehr  direct  erzählt 
wird,  setzt  also  die  ent  Wicklung  von  das  fort;  dass  die  königin 
sich  über  Eckes  tod  freut,  ist  eine  umdeutung  des  in  d  erhal- 
tenen zuges,  dass  sie  sich  freut,  als  sie  Dietrich  sich  nahen 
sieht;  daraus  entstand  die  Vorstellung,  dass  Ecke  ein  un- 
bequemer liebhaber  sei,  die  dann  in  P  nachträglich  aus  der 
schlussscene  auch  in  die  einleitung  aufgenommen  wurde. 
P  steht  also  an  allen  diesen  stellen  auf  der  jüngsten  stufe; 
die  möglichkeit  einer  beeinflussung  von  as  durch  P  ist  aus- 
geschlossen. 

Es  hat  sich  als  eine  unwiderlegliche  tatsache  ergeben,  dass 
die  französische  erzählung,  die  Freiberg  für  die  quelle  der  Über- 
lieferung in  all  ihren  Verzweigungen  erklärt  hat,  aus  der  jüngsten 
und  schlechtesten  redaction  des  Eckenliedes  entstanden  ist. 

Aber  es  gibt  doch  einzelne  stellen,  die  sich  von  diesem 
Standpunkte  aus  nicht  verstehen  lassen  und  darauf  hinzuweisen 
scheinen,  dass  P  stellenweise  über  HD  hinausgeht. 
Die  stellen  sind: 

1.  P  hat  Dietrichs  ersten  ritt  nach  dem  Drachenfels  in 
einer  ursprünglicheren  form  bewahrt  als  L  (s.  oben  s.  200), 
Die  tatsache  steht  fest,  die  beweiskraft  der  stelle  wird  aber 
dadurch  geschmälert,  dass  der  auftritt  nur  in  P  und  L,  nicht 
in  das  erhalten  ist.  Es  liesse  sich  nun  denken,  dass  die  dar- 
stellung  dieser  episode  in  L  nicht  die  von  HD  wäre.    Die 


DAS   ECKENLIED    UND   SEINE   QUELLEN.  247 

erzälilung  könnte  in  der  quelle  von  das  und  noch  in  der  von 
as  in  einer  reineren  form  als  in  L  erhalten  gewesen  sein. 
Daraus  wäre  sie  in  P  übergegangen;  das  aber  hätten  sie 
später  verloren.  Man  miisste  aber  in  diesem  fall  annehmen, 
dass  d  und  as  sie  unabhängig  von  einander  aufgegeben  hätten, 
was  freilich  nicht  unmöglich  wäre,  denn  das  stimmen  hier 
nicht  mit  einander  überein";  d  lässt  Dietrich  unmittelbar  nach 
dem  kämpfe  mit  Ecke  mit  der  wilden  mait  zusammentreffen, 
as  schalten  eine  zweite  begegnung  mit  Helferich  ein. 

AVichtiger  erscheint  das  bedenken,  dass  hier  zum  ersten 
mal  au  einer  wichtigen  stelle  die  darstelluug  von  d  as  ursprüng- 
licher als  die  von  L  gewesen  sein  sollte.  Die  erhaltene  Über- 
lieferung hat  dafür  kein  einziges  beispiel  aufzuweisen. 

2.  In  P  fehlen  der  auftritt  mit  der  wilden  maid  und  Vä- 
solts  und  Dietrichs  gemeinschaftliche  abenteuer  bis  auf  die 
auf  eine  scene  der  quelle  zurückgehende  bewirtung  bei  einem 
Vasallen  (in  P  bei  dem  bruder  des  riesen).  Wir  haben  es  hier 
mit  einer  minusstelle  zu  tun.  die  freilich  in  P  ausgelassen  sein 
könnte.  Aber  dabei  bleiben  doch  mehrere  einzelheiten  auffällig. 
Zunächst  diese,  dass  von  den  gemeinschaftlichen  erlebnissen 
der  beiden  nur  die  eine  episode,  die  auf  eine  stelle  der  quelle 
zurückgeht,  erhalten  sein  sollte,  während  alles  übrige  fehlt. 
Sodann  ist  zu  bedenken,  dass  durch  die  einschaltung  der  epi- 
sode mit  der  wilden  maid  der  kämpf  mit  Väsolt  in  HD  in 
hohem  grade  unverständlich  geworden  ist.  Dass  Väsolt  Diet- 
rich angreift,  um  seinen  bruder  zu  rächen,  kommt  in  HD  nur 
noch  in  zweiter  linie  in  betracht;  erst  wird  wegen  der  jung- 
fi'au  gekämpft;  in  P  aber  stürmt  der  bruder  des  riesen,  so- 
bald er  den  ritter  sich  nahen  sieht,  sofort  auf  ihn  ein.  Auch 
geht  der  zug  in  P,  da>ss  der  ritter  seinem  gegner  um  seines 
bruders  willen  vergibt,  auf  eine  stelle  der  quelle  zurück  (s.  202), 
in  HD  aber  ist  dieser  zug  verloren. 

3.  Der  abschied  von  dem  bruder  des  riesen.  In  das  erschlägt 
Dietrich  Väsolt.  Der  abschied  scheint  eine  Übergangsstufe  von 
der  Vorstellung  der  quelle,  wo  die  beiden  zusammen  nach  dem 
Drachenfels  reiten,  zu  der  von  das  zu  repräsentieren.  Zwar  wissen 
wir  nicht  mit  Sicherheit,  auf  welche  weise  in  L  Dietrich  und 
Väsolt  sich  trennten,  aber  auch  wenn  L  hier  mit  P  überein- 
stimmen sollte,  so  würde  P  hier  doch  über  d  as  hinausgehen. 


248  BOER 

Diese  züge  sclieinen  auf  eine  von  HD  unabliängige  quelle 
von  P  zu  deuten.  Nun  werden  wir  auch  noch  durch  andere 
erwägungen  zu  dem  Schlüsse  geführt,  dass  zwischen  der  quelle 
und  HD  eine  breite  Umarbeitung  liegt.  Es  lassen  sich  näm- 
lich in  HD  zwei  schichten  von  Zusätzen  bez.  änderungen 
nachweisen,  die  unmöglich  von  demselben  dichter  herrühren 
können.  Am  durchsichtigsten  sind  die  Verhältnisse  au  der 
auf  den  kämpf  mit  Ecke  folgenden  stelle.  Die  geschichte 
mit  Babehilt  beruht,  auch  in  ihrer  ältesten,  durch  P  bezeugten 
gestalt,  auf  einer  durchgreifenden  Umarbeitung  (s.  199  f.). 
Aber  die  begegnung  mit  der  wilden  maid  und  also  auch 
die  damit  zusammenhängenden  scenen  müssen  jünger  sein. 
Denn  es  findet  sich  hier  der  unlösliche  Widerspruch,  dass 
Dietrichs  wunden  erst  von  Babehilt,  darauf  von  der  wilden 
maid  geheilt  werden.')  Der  Widerspruch  ist  ein  so  schroffer, 
dass,  um  ihn  zu  beseitigen,  d  as  die  erste  heilung  ausgelassen 
haben.  Also  ist  HD  aus  einer  doppelten  Umarbeitung  ent- 
standen; die  zweite  ist  die  bisher  als  HD  bezeichnete. 

Nun  gehört,  wie  wir  s.  207  gezeigt  haben,  die  localisatiou 
auf  Jochgrim  der  zweiten  Umarbeitung  an,  und  es  sind  ent- 
scheidende gründe  vorhanden,  diese  localisatiou  mit  der  ältesten 
süddeutschen  bearbeitung  in  Verbindung  zu  stellen.  Die  ent- 
wicklung  der  poesie  weist  darauf,  dass  die  erste  Umarbeitung 
eine  rheinische,  wol  eine  mittelfränkische  war.  Darauf  weisen 
auch  einige  geographische  namen,  die  nicht  mehr  ganz  auf  dem 
Staudpunkt  der  quelle,  aber  noch  nicht  auf  dem  von  HD 
stehen.  Helferich  ist  str.  66  geritten  enztvischen  Kölne  und 
Spire^)\  str.  57  ist  er  selbvierd  ...  von  dem  Eine  geritten. 

In  diesem  zusammenhange  niuss  auch  auf  str.  1  näher  ein- 
gegangen werden.    Der  anfang  von  str.  2  scheint  in  der  tat, 


i 


1)  Zwar  werden  nach  L  155  die  wunden,  die  mit  frau  Babehilts  salbe 
bestrichen  werden,  dadurch  erst  am  dritten  tage  geheilt.  Das  konnte  aber 
für  denselben  dichter  unmöglich  ein  grund  sein,  die  heilung  noch  einmal 
zu  erzählen,  und  diesmal  von  kräutern,  die  unmittelbar  wirken,  zu  reden. 

^)  Wenn  er  in  derselben  Strophe  sagt,  ein  solches  pferd  wie  das  seine 
gebe  es  in  Walken  noch  in  Stire,  in  Swäbcii  noch  in.  Beiern  lant,  dar  zuo 
in  Francriche,  so  haben  diese  namen  keine  beweiskraft;  es  sollen  hier  nur 
einige  weit  auseinander  liegende  länder  genannt  werden,  z.  8  aber  lässt 
Helferich  selbst  von  Köln  nach  Speier  reiten. 


DAS   ECKENLTED   UND   SEINE   QUELLEN.  249 

wie  Zupitza  annimmt,  zu  beweisen,  dass  str.  1  jünger  als  diese 
ist.  Aber  die  erwähnimg  von  Köln  beweist,  dass  die  Strophe 
älter  als  HD  ist  und  der  periode  von  U  angehört.  Von  be- 
sonderem iuteresse  sind  die  ersten  zeilen,  die  in  L  lauten: 
Em  lant  daz  liies  sich  Gnpiär  {daz  ich  iu  sage,  das  ist  tvar) 
hl  heidenischcn  ztten.  T\'enn  d  as  dafür  Agrix-)pi{n)ayi  schreiben, 
so  ist  das  eine  handgreifliche  Verderbnis:  z.  2  lautet  hier:  das 
ivas  den  helden  {liaiden  d)  undcrthan,  und  um  mit  dieser  ein- 
geflickten zeile  einen  reim  herzustellen,  wurde  hinter  Agrip- 
pi{n)a,  das  mit  rücksicht  auf  Köln  in  z.  5  für  Gripiär  ge- 
schrieben war,  ein  unmögliches  n  hinzugefügt,  sich  Gripiär 
aber  ist  eine  einfache  entstellung  aus  sich  Ripuär,  das  land 
der  ripuarischen  Franken,  wozu  sowol  Köln  wie  der  Drachen- 
fels gehören.  Vollständig  richtig  heisst  es  z.  5  die  hauptstat 
drin  icas  Köhie  genant.^)  Der  name  J?/pHa>-  wird  gewis  nicht 
von  einem  süddeutschen  dichter  eingeführt  sein,  und  somit 
ergibt  sich  sogar  eine  zweite  noch  mitteldeutsche  redaction 
von  U.  Vielleicht  darf  man  aus  der  Strophe  ableiten,  dass  U 
ein  ripuarisches  gedieht  war.  Aus  der  Strophe  scheint  der 
stolz  des  Kipuariers  auf  die  schöne  hauptstadt  zu  reden. 

Es  ist  nun  gar  nicht  auffällig,  dass  spuren  von  dieser 
redaction  in  P  erhalten  sind.  "Wie  das  alte  niederdeutsche 
lied  nicht  zugleich  mit  der  entstehung  von  U  vergessen  war, 
aber  in  seiner  heimat  fortlebte  und  noch  im  13.  Jahrhundert 
in  der  1).  s.  aufgeschrieben  werden  konnte,  so  blieb  das  mittöl- 
rheiuische  gedieht  am  Ehein  erhalten,  nachdem  eine  ober- 
deutsche Umarbeitung  in  Süddeutschland  entstanden  und  ver- 
breitet worden  war.  Das  oberdeutsche  gedieht  verbreitete 
sich  später  über  seine  anfängliche  grenzen;  von  seiner  beliebt- 
heit  legen  die  drucke  zeugnis  ab.  Aber  die  redaction  as 
scheint  wider  in  der  Eheingegend,  —  vielleicht  sogar  auf  dem 
westlichen  Eheinufer  —  anstanden  zu  sein.  Das  wird  zwar 
nicht  durch  den  Strassburger  druck,  dem  ein  älterer  Augs- 
burger druck  zur  seite  steht,  bewiesen,  aber  dadurch,  dass 
die  localisation  am  Eheine  wider  mehr  in  den  Vordergrund 
tritt,  wahrscheinlich  gemacht.    Aus  as  ist  nämlich  Jochgrim 


*)  Dass  der  saal,  in  dem  str.  2  die  helden  sitzen,  in  Köln  stehe,  wird 
iu  L  nicht  gesagt ;  ob  U  hier  noch  den  Drachenfels  kannte,  lässt  sich  nicht 
entscheiden. 


250  BOER 

bis  auf  eine  stelle  (str.  14),  die  dafür  zeugt,  dass  die  redaction 
diese  localisation  gekannt  hat,  wider  verschwunden.  Ecke 
hat  Str.  167  dem  Berner  gedroht,  ihn  an  Rhein  gen  Agrippia 
zu  führen,  und  auch  str.  238.  242.  261  kommt  Dietrich  nach 
und  hält  sich  auf  in  Agrippa,  Agrippia.  str.  176  sagt  Yäsolt, 
dass  er  sü  Cölen  in  dem  lande  gut  von  dem  Berner  gesprochen 
habe.  Das  schliesst  freilich  alles  an  str.  1  an,  erklärt  sich 
aber  leichter  bei  einem  west-  als  bei  einem  ostdeutschen 
dichter.  Von  weit  grösserer  bedeutung  aber  ist  es,  dass  der 
herr,  bei  dem  Väsolt  und  Dietrich  einkehren,  in  Metz  wohnt 
(179.  186).  Weniger  sicher  ist  auch  die  localisation  von  Hel- 
ferich in  Lotringen  (statt  Lüne)  hierher  zu  stellen  (s.  176, 
anm.  1),  da  dieselbe  auch  in  CB  belegt  ist;  dass  sie  aber  auch 
in  as  auftritt,  kann  mit  den  tendeuzen  dieser  recension  wol 
zusammenhängen. 

Aus  dieser  sehr  beliebten  recension  ist  eine  mündliche 
prosaerzähluug  geflossen,  die  züge  aus  der  in  derselben  gegend 
bekannten  redaction  U  in  sich  aufnahm  und  dann  in  einem 
französischen  volksbuche  nacherzählt  wurde.  9  Eine  ältere 
französische  redaction  als  die  des  Volksbuches  hat  niemals 
existiert. 

Mit  diesem  resultate  stimmen  die  chronologischen  data 
aufs  beste  überein.  Das  alte  lied  wird  noch  dem  12.  Jahr- 
hundert angehören;  daraus  entstand  die  prosaerzähluug  der 
\).  s.  in  der  ersten  hälfte  des  13.  Jahrhunderts.  Um  die  wende 
des  Jahrhunderts  mag  aus  dem  alten  liede,  das  wol  kurz  zuvor 
in  einen  mittelrheinischen  dialekt  übersetzt  war,  U  entstanden 
sein.  Das  alter  von  HD  lässt  sich  nicht  genau  bestimmen, 
aber  älter  als  die  mitte  des  13.  jh.'s  ist  diese  redaction,  die 
einen  so  bedeutenden  rückgang  des  poetischen  geschmacks 
bekundet,  kaum;  die  älteste  hs.  gehört  im  besten  fall  dem 
Schlüsse  des  Jahrhunderts  an.    Jünger  ist  die  schlechte  be- 


*)  Aus  dieser  mündlichen  quelle  von  P  erklärt  es  sich  auch,  dass  der 
fall  des  riesen  im  anschluss  an  ähnliche  beliebte  erzählungeu  dargestellt 
wird  (oben  s.  196).  Aus  einem  solchen  rieseumärcheu  ist  der  zug  auf- 
genommen. —  Ob  die  Vorstellung  von  das,  dass  Dietrich  Eckes  und  Vä- 
solts  muhme  ein  bein  abschlägt,  ein  ausgangspunkt  dieser  neuerung  ge- 
wesen sei,  lasse  ich  dahingestellt  sein.  Der  zug  würde  dann  zu  den  s.  244  f. 
erörterten  Übereinstimmungen  zwischen  P  und  das  zu  stellen  sein. 


DAB   ECKENLIPD   UND   SEINE   QUELLEN. 


251 


arbeitung-  das;  sie  wird  aus  dem  14.  jalirliundert  stammen. 
Das  Dresdener  lieldenbucli  (d)  ist  vom  jähre  1472,  die  ältesten 
drucke  .sind  von  1491  und  1559;  die  redaction  as  muss  sich 
zu  anfang-  des  15.  jh.'s  von  d  abgezweigt  liaben.  Das  beweist 
der  französisclie  prosaroman,  der  in  der  vorlieg-enden  gestalt, 
der  einzigen,  die,  so  weit  wir  vermuten  können,  die  geschichte 
von  pA'ke  enthalten  hat,  nach  Heuckenkamp  dem  15.  Jahr- 
hundert angehört. 

l'iir  die  vollständige   Überlieferung-  lässt   sich   auf  grund 
der  gewonnenen  resultate  folgender  Stammbaum  aufstellen'): 

Q 

(Quelle  12.jalirli., 
iiiederdontsch:  Drekauflis,  Al(lius*la,  Rimslo  u.a.) 


P.  s.  Q2 

(l.hiilfte  (ende  12..iahr]i.,  mitteldeutsdie 

18.  jalirli.)  Übersetzung,  bezeugt  durch 

L  69  =  CB.  Noch  ohne  einleitung) 


u 

(nicht  vor  1200, 

breite  Umarbeitung.    Einleitung, 

raodernisierung,  Eipuär,  Köln, 

Spire,  Ein.) 


HD 

(ca.  1250,  wül  bairisch:  Jochgrim,  wildes 
frauloin,  riesenkämpfe.) 


L 

(ca.  1290) 


red.  das 

(14.  jahrh.) 


red.  as 
(anfang  15.  jh.  Westdeutsch. 
Jochgrim  versclnvindet. 
Metz.) 


a         s        P 

(1472)       (1491)  (1559)  (15.jh.) 
iJie  erhaltenen  glieder  sind  l'ett  gedruckt. 


>)  Zur  vergleichung  sei  hier  der  Stammbaum  mitgeteilt,  zu  dem  Frei- 
bergs hypothese  führt: 

UeitiUti<:  »ur  geschichte  der  deutitheii  Sprüche.    XXXll.  J^Y 


252  BOER 

§  13.    Die  Vorgeschichte  der  traditioii. 

Die  sage  von  Ecke,  so  wie  sie  in  der  ältesten  quelle  vor- 
liegt, ist  noch  eine  verhältnismässig  einfache  erzählung.  Doch 
ist  auch  sie  sclion  aus  mehreren  elementen  zusammengesetzt. 
Es  erübrigt,  sie  in  diese  demente  zu  zerlegen  und  ihren  kern 
zu  suchen. 

Schon  oben  wurde  betont,  dass  die  gemeinschaftlichen  aben- 
teuer  Dietrichs  und  Fasolds  der  jüngste  auswuchs  der  älteren 
sage  zu  sein  scheinen.  Zieht  man  sie  ab,  so  bleibt  doch  übrig, 
dass  Dietrich  an  Fasold  einen  genossen  erwirbt.  Das  hängt 
mit  der  ältesten  (norddeutschen)  version  der  Rosengarten- 
sage direct  zusammen;  im  kämpfe  mit  Isungs  beiden  in  Ber- 
tangaland steht  Fasold  auf  Dietrichs  seile.  Hier  werden  wir 
demnach  den  Ursprung  der  freundschaft  zwischen  Dietrich 
und  Fasold  zu  suchen  haben.  Das  verhältnismässig  junge 
alter  dieses  zuges  geht  daraus  hervor,  dass  er  über  die  Ecke- 
dichtung hinaus  nach  einem  anderen  gedichte  von  Dietrich 


Quelle  (französisch) 

(12.jahrh.) 

HD 

(spätestens  1200) 

P.S.              '           U 

(Übersetzung  ans  dem        (zweite  bocli- 
hocbdeutscben.  l.bälfte           deutsche 
ly.jabrh.)                  bearbeituug) 

1 

(ca.  1290)             d  as 

(U.jabrb.) 

as 

(15 

.  jabrb.) 

I 

*                                           da 

S 

(15.  ja 

ibrb.)                                            (1472)        (1491) 

(1559) 

P  würde  die  quelle  repräsentieren,  und  die  vielen  einzelnen  überein- 
stinimungen  zwischen  1*  und  as  würden  aus  der  quelle  stanimeu! 


DAS    KCKENMylKl)    TNM)    SEINE    l^UKLLEN.  253 

weist;  er  bezeugt  den  aiifang  einer  C3'klisclien  Verbindung-  der 
Dietrichsagen  noch  nicht  zu  einer  literarischen,  aber  doch  zu 
einer  ideellen  einheit.  Der  einzelne  dichter  nimmt  auf  den 
inhalt  anderer  erzählungen  bezug. 

"\"S'enn  aber  der  ausgang  des  kampfes  mit  Fasold  auf  grund 
der  Eosengartendichtung  entstanden  ist,  so  wird  für  diesen 
kämpf  sel])er  dasselbe  gelten  müssen.  Denn  es  ist  nicht  anzu- 
nehmen, dass  zwei  sagen  unabhängig  von  einander  die  gestalt 
Fasolds  entwickelt  haben  sollten.  Fasold  muss  entweder  in  der 
Rosengartensage  aus  der  Eccasage  oder  in  der  Eccasage  aus 
der  Kosengartensage  stannnen.  In  der  Eccasage  aber  spielt 
Fasold  eine  nachträgliche  rolle,  denn  der  kämpf  mit  Ecca  muss 
älter  als  der  mit  seinem  radier  sein,  um  so  mehr,  als  durch 
diesen  an  dem  resultate  jenes  kampfes  nichts  geändert  wird. 
AVir  werden  zu  dem  Schlüsse  gedrängt,  dass  der  kämpf  mit 
Fasold  keinen  anderen  Ursprung  hat  als  das  bedürfnis,  zu  er- 
klären, wie  Dietrich  zu  diesem  freunde  gelangt  ist. ')  Es  ver- 
hält sich  damit  \vie  mit  Sigfrids  drachenkampf,  wie  mit  dem 
Xibelungeniiorte  und  wie  mit  zahllosen  anderen  sagenmotiven. 
Zuerst  ist  ein  nacktes  factum  vorhanden,  —  die  erzählung  ist 
behufs  der  erklärung  des  factums  ersonnen.  Dietrichs  freund- 
schaft  mit  Fasold  geht  seinem  kämpfe  mit  Fasold  voran. 

In  dem  kämpfe  mit  Ecca  sind  zwei  motive  zu  unter- 
scheiden. Erstens:  es  wird  um  den  besitz  der  waffen  gekämpft, 
zweitens:  es  wird  der  königinnen  wegen  gekämpft.  Ein 
notwendiger  Zusammenhang  besteht  zwischen  diesen  beiden 
motiven  nicht;  eines  von  beiden  muss  das  primäre  sein.-) 
Nun  bekommt  Dietrich  am  Schlüsse  der  erzählung  die  tochter 
der  künigin  (bez.  sie  selbst)  zur  fi'au.  Aber  auch  Eccas  waffen 
eignet  er  sich  an.  Aus  dem  ausgang  der  geschichte  lässt  sich 
also  in  bezug  auf  die  priorität  kein  schluss  ziehen. 

^'on  grösserer  bedeutung  ist  die  darstellung  der  beiden 
motive.  Der  kämpf  um  die  dame  gehört  dem  Zeitalter  an, 
als  das  rittertum  seinen  einzug  in  die  poesie  zu  halten  be- 

')  Ueber  den  mntmasslicheu  ausgang  der  geschichte  vor  der  aufnähme 
des  kam](fes  mit  Fasold  s.  s.  214,  anra.  2.  Von  diesem  Standpunkte  aus  ist 
der  zweite  besuch  auf  dem  Drachenfels  nur  eine  widerholnng  des  ersten. 

")  Die  Überlieferung  verbindet  sie  dergestalt,  dass  sie  die  waffen  dem 
Ecca  von  den  königinnen  (der  künigin)  geschenkt  werden  lässt. 

17* 


254  BOER 

gönnen  hatte.  Wie  die  alte  diclitimg  sich  einen  kämpf  um 
ein  weih  vorstellt,  das  lehrt  die  Hildesage,  das  lehrt  die  Helgi- 
poesie,  das  lehren  die  isländischen  sogur.  Ein  moderner  geist 
weht  uns  aus  dieser  erzählung  an,  wo  ein  recke  einen  anderen 
herausfordert,  um  das  lob  der  frauen  zu  kämpfen.  In  der 
alten  poesie  raubt  man  eine  frau,  oder  man  nötigt  sie  ihrem 
vater  oder  bruder  oder  auch  ihrem  gatten  ab;  man  fordert 
den  glücklichen  besitzer  zum  kämpfe  heraus,  wie  Angantyr 
Hjälmarr  tut;  —  hier  wird  sie  ohne  auf f orderung  von  ihrem 
besitzer  als  kampfpreis  hingestellt.  Sehr  entwickelt  ist  das 
Verhältnis  zu  der  dame  noch  nicht.  Anfänge  eines  frauen- 
dienstes  sind  schon  vorhanden;  die  frau  waffnet  ihren  freund. 
Aber  sie  greift  noch  nicht  activ  in  die  haupthandlung  ein; 
sie  bildet  noch  einen  poetischen  hintergrund. 

Anders  verhält  es  sich  mit  Eccas  aufforderung  an  Diet- 
rich, sich  seiner  waffen  zu  bemächtigen.  Schon  die  hoffnungs- 
losen versuche  der  umarbeiter,  den  zug,  dass  Dietrich  Elccas 
Waffen  anlegt,  umzudeuten  und  hinwegzuinterpretieren,  zeigen, 
dass  wir  es  hier  mit  einem  alten  zuge  zu  tun  haben,  den  die 
zeit  des  rittertums  bald  nicht  mehr  verstand.  Sagen,  die  die 
erwerbung  kostbarer  waffen  erzählen,  kennt  das  altertum 
dutzendweise.    Zu  diesen  gehört  aucli  die  älteste  Eccasage. 

Den  niittelpunkt  der  Waffenbeschreibung  bildet  nun  die 
des  Schwertes  Ekkisax  (oben  s.  185.  187  f.).  Nachdem  wir  alle 
jüngeren  züge  abgestreift  haben,  bleibt  also  als  grundstock 
der  erzählung  das  übrig,  was  Freiberg  für  ein  verhältnismässig 
spät  in  die  dichtung  aufgenommenes  element  erklärt,  die  er- 
werbung des  Schwertes  Ekkisax.') 

Da  zwischen  dem  namen  des  Schwertes  und  dem  von 
Dietrichs  feinde  irgend  ein  Verhältnis  bestehen  muss,  kann 
man  demnach  die  sage  in  gewisser  hinsieht  als  eine  etymolo- 
gische bezeichnen,  wie  die  erzählung  von  dem  riesenpaare 
Hild  und  Grim,  die  den  zweck  hat,  zu  erklären,  dass  Dietrich 


1)  Eine  klare  eriniieruug-  an  die  bedeutung  des  Schwertes  hat  L  222 
erhalten.  Dietrich  spricht  zu  dem  Schwerte:  sH  ich  gewunnen  dich  hdn,  so 
iichaff'e  ich  swaz  ich  wil.  da  von  so  hän  ich  vröuden  vil,  und  ist  min  leit 
zerrunnen.  wan  ich  tveiz  Jceinez  me  so  guot:  von  golde  ist  rot  sin  scheide, 
davon  so  gestet  sich  mm  miiot,  stvie  ich  ez  habe  mit  leide  gewunnen  con 
den  Jcäenen  man  u.s.w. 


DAS  ECKENLIED  UND  SEINE  QUELLEN.         2oo 

den  heim  Hildegrim  besitzt.  Aber  so  ganz  einfach  liegen  die 
Verhältnisse  hier  docli  nicht.  AMr  müssen  daranf  etwas  tiefer 
eingehen. 

Der  name  des  Schwertes  enthält  wgerm.  (j.  Das  beweisen 
die  stellen,  wo  es  mit  r/  überliefert  ist,  wie  Eneide  5728,  wo  er 
Eggcsa{h)s  lantet.  •)  V'\\v  das  alte  lied  von  Ecca  gilt  gleich- 
falls (j\  L  80  heisst  das  seh  wert  Ein  sahs,  wofür  Müllenhoff 
Einsahs  schreibt-),  und  diese  conjectur  wird  durch  die  stelle 
der  quelle,  auf  die  L  80  unmittelbar  zurückgeht  (c.  98),  wo 
der  name  des  Schwertes  genannt  wird,  bestätigt.  Es  sind 
demnach  drei  formen:  Ellcisax,  Eggesa{h)s  und  Einsahs  (aus 
Eginsahs)  überliefert:  letztere  form  liegt  auch  afr.  Äinsiax 
(für  Ainsa.r).  was  im  roman  von  hlerabras  als  name  eines 
Schmiedes  vorkommt,  zu  gründe. 

Wenn  Eginsahs  das  ursprüngliche  ist,  so  ist  das  erste 
compositionsglied  das  in  eigennamen  wie  Eginhart  auftretende 
egin:  das  doppelte  //  von  Eggesahs  wäre  dann  aus  anlelmung 
an  egg  'spitze'  zu  erklären,  was  sich  bei  einem  schwertnamen 
wol  \erstehen  Hesse.  Eggesahs  'das  schwert  mit  der  scharfen 
schneide'  kann  aber  auch  ursprünglicher  sein;  in  diesem  fall 
beruht  die  form  mit  n  in  zweiter  silbe  und  mit  einfachem  g 
auf  anlelmung  an  andere  mit  egin  l)eginnende  eigennamen. 
Beide  möglichkeiten  müssen  vorläufig  offen  gelassen  werden; 
den  gesichtspunkt,  von  dem  aus  diese  frage  beurteilt  sein  will, 
werden  wir  bald  finden.  Wenn  nun  noch  in  HD  das  schwert 
Einsahs  heisst,  so  ist  es  klar,  dass  die  namensform  der  saga 
Ekkisax  unmöglich  darauf  beruhen  kann,  dass  die  quelle  eine 
hochdeutsche  gewesen  sei.  Denn  selbst  wenn  die  erzälilung 
der  saga  aus  einer  älteren  oder  jüngeren  redaction  des  hd. 
gedichtes  entstanden  wäre,  so  würde  doch  der  name  nur  Egin- 
oder  Einsahs  heissen  können,   da  das  ja   die  form  der  (luelle 


f)  Die  form  Eggeso ^^  ist  in  der  Eneide  niclit  überliefert,  sondern  nur 
von  Behaghel  für  den  dialekt  des  dichter»  erschlossen.  Nach  den  Varianten 
bei  Ettiiiüller  und  Beliaghel  haben:  ecchtSdUsli^A,  rckesachs  G,  hekesas^ü. 
In  Ettuiüllers  text  ist  Eclesas  geschrieben:  so  dürfte  auch  die  Wiener  lis. 
(w)  haben,  da  ich  in  meiner  coUation  dieser  hs.  keine  Variante' zu  Ettinüller 
angemerkt  habe.  Und  in  h  steht,  wie  ich  mich  durch  einsichtnahme  über- 
zeugte, ecke  sasz.    W.  B.j 

*)  Der  fehler  stammt  schon  aus  HD,  denn  in  d  .steht  an  der  corre- 
sijoudierendeu  stelle  (str.  94, 4)  Sach/'s;  ein  ist  ausgelassen. 


256  BOER 

sein  würde.  Ekläsax  weist  auch,  selbst  wenn  man  annimmt, 
dass  das  Ich  ein  product  der  hochdeutschen  lautverschiebung- 
sei,  keineswegs  auf  Eghisalis,  sondern  auf  das  aus  der  Eneide 
bekannte  Eggesahs  zurück.  Eine  andere  erklärung  für  die 
tenuis  in  Ekkisax  liegt  aber  ganz  nahe,  nämlich  die,  dass  die 
form  auf  anlehnung  an  Ecca  beruht.  Der  dichter,  der  zuerst 
das  Schwert  Ekldsax  nannte,  wollte  es  dadurch  als  das  von 
Ecca  erbeutete  bezeichnen.  Daraus  lässt  sich  aber  weiter 
schliessen,  dass  von  den  beiden  namensformen  Eggesahs  und 
EginsaJis  erstere  die  ursprünglichere  ist.  Denn  für  die  an- 
lehnung an  Ecca  war  die  notwendige  bedingung,  dass  zwischen 
dem  namen  des  Schwertes  und  dem  seines  besitzers  schon  eine 
nicht  allzu  geringe  ähnlichkeit  vorhanden  war.  Wenn  das 
Schwert  Eghisalis  hiess,  so  war  diese  bedingung  nicht,  wenn 
es  Eggesahs  hiess,  so  war  sie  erfüllt. 

Ferner  wird,  wenn  Eginsahs  die  ursprüngliche  form  und 
Ekhisax  daraus  entstanden  ist,  die  Zwischenstufe  Eggesahs 
nicht  genügend  erklärt,')  AVenn  aber  das  schwert  ursprüng- 
lich Eggesahs  hiess,  so  erklärt  sich  die  entstehung  von  Egin- 
sahs in  derselben  weise  wie  die  von  Ekldsahs:  im  ersten  com- 
positionsgliede  sah  man  den  namen  des  besitzers  und  man 
setzte  diesen  in  den  genetiv;  aus  Eggin-  aber  wurde  später 
durch  anlehnung  an  andere  namen  Eg'm-. 

Die  auffassung  des  ersten  gliedes  als  eines  mit  dem  des 
besitzers  gleichen  namens  scheint  ihren  grund  darin  zu  haben, 
dass  der  besitzer  seinerseits  schon  früher  in  gewissem  sinne 
nach  dem  Schwerte  benannt  worden  war,  so  dass  zwischen 
den  beiden  namen  ein  gewisser  rapport  bestand.  Von  hause 
aus  hat  freilich  der  name  Ecca  mit  Eggesahs  nichts  gemein. 
Es  'ist  kein  zufall,  dass  der  name  des  schwertbesitzers  in 
allen  quellen  ausschliesslich  mit  doppeltem  /.:  überliefert  ist.-) 


')  S.  255  wurde  zwar  der  niögliclikeit  gedacht,  dass  diese  Zwischen- 
stufe durch  aulehuuug  an  egg  entstanden  sei,  aber  nur  als  noterkläruug, 
wenn  es  keine  andere  gäbe;  der  abstand  zwischen  beiden  formen  bleibt 
ein  ziemlich  grosser.  Geht  man  von  eggesahs  aus,  so  wird  dieser  abstand 
überbrückt,  s.  gleich  unten  im  texte. 

2)  Wenn  L  Egge  schreibt,  so  muss  das  eine  orthographische  neuerung 
sein,  denn  die  reime,  auch  in  L  (str.  2,  3.  6  recken  /  Ecke,  211,  8.  10  Ecken  j 
recken,  212,8.  10  Ecken  'recken  u.a.)  Ichreu,  dass  für  HD  die  form  Ecke 
feststeht. 


DAS    ECItENLIED    LKD   SEINE   QUELLEN.  lüi 

Auch  das  lid.  gedieht,  das  das  scliwert  Einsahs  nennt, 
nennt  Dietrichs  gegner  Ed-(>.  Und  wie  Binz  zeigt,  ist  Ecca 
in  Engh\nd  in  Ortsnamen  häufig  belegt.  Jiriczek  glaubt,  dass 
wenigstens  ein  teil  dieser  namen  auf  das  bekanntsein  der 
Eckesage  weise,  und  da  er  Ecke  mit  got.  agis  zusammenstellt, 
schliesst  er  weiter  auf  ein  wandern  der  sage  nach  der  Voll- 
ziehung der  hd.  lautverschiebung  aus  den  Alpengegenden  nach 
England.  Diese  hypothese  lässt  sich  schwerlich  aufrecht  halten. 
Die  geschichte  der  sage  weist,  wie  oben  ausführlich  gezeigt 
wurde,  keineswegs  nach  den  Alpen,  sondern  nach  Xiederdeutsch- 
land,  und  die  annähme  einer  Avanderung  der  sage  nach  dem 
achten  Jahrhundert  aus  Süddeutschland  nach  England  entbehrt 
jeder  historischen  Voraussetzung.  Was  wir  in  der  ags.  poesie 
an  festländischen  sagen  finden,  ist  nahezu  vollständig  von  den 
Angelsachsen  selbst  bei  ihrer  einwanderung  importiert.  Aber 
zugegeben,  dass  noch  am  Schlüsse  des  achten  Jahrhunderts  und 
später  künde  von  deutschen  sagen  nach  England  gekommen 
sein  könne,  so  müsste  das  doch  auf  gelehrtem  wege  geschehen 
sein;  die  annähme,  dass  eine  zu  dieser  zeit  importierte  sage 
sich  einer  solchen  popularität  erfreut  hätte,  dass  zahlreiche 
Ortsnamen  die  erinnerung  an  sie  bewahrt  hätten,  während 
nichtsdestoweniger  die  ags.  poesie  von  ihr  nicht  die  geringste 
künde  hat,  ist  nichts  weniger  als  wahrscheinlich. 

Die  zahlreichen,  mit  Ecca  zusammengesetzten  englischen 
Ortsnamen  weisen  demnach  eher  auf  eine  frühere  periode,  die 
der  Übersiedelung  der  Angeln  und  Sachsen  nach  Brittanien, 
hin.  Man  hat  aber  nicht  den  geringsten  grund.  aus  ihnen  auf 
ein  bekanntsein  der  Eccasage  zu  schliessen.  Diese  namen 
lehren  nur,  dass  Ecca  zu  jener  zeit  in  England  ein  gebräuch- 
licher mannesname  war.  Dass  es  ein  sächsischer  name  war, 
bestätigt  die  Eccasage.  Das  /./.■  dieses  namens  ist  demnach, 
wie  schon  gesagt  wurde,  westgermanisch,  nicht  hochdeutsch; 
die  übei-lieferte  form  weist  auf  einen  stamm  ahjan-.  Auf  eine 
weitere  deutung  verzichte  ich. 

Fragt  man  nun  nach  dem  gründe,  w^eshalb  Dietrichs 
gegner  in  unserer  üljerlieferung  den  namen  Ecca  erhalten  hat, 
so  wird  die  erklärung  in  dem  namen  des  Schwertes  zu  suchen 
sein.  Die  sage  hat  den  ausschliesslichen  zweck,  zu  erklären, 
dass  Dietrich  das  schwert  Eggesahs  besitzt.    Der  dichter,  der 


258  BOER 

sich  zuerst  diese  aufgäbe  stellte,  hat  sich  vorg-estellt,  dass  das 
Schwert  von  einem  feinde  stamme,  nach  dem  es  benannt 
worden  sei.  Diesem  feinde  erteilte  er  den  ihm  bekannten  an 
Eggesahs  anklingenden  namen  Ecca.  Das  ist  auch  der  ganze 
Inhalt  der  geschichte.  Dass  der  kämpf  ein  schwerer  ist,  und 
dass  Ecca  das  seh  wert  anpreist,  sind  natürliche  folgen  dieser 
Vorstellung;  diese  züge  gehören  auch,  wie  wir  gesehen  haben, 
zu  der  ältesten  ausführung  des  motivs.  Erst  ein  späterer 
dichter  hat  die  consequenz  gezogen,  dass  dann  auch  das  schwert 
nicht  Eggesahs,  sondern  Eklcesahs  heissen  müsse. ')  Ein  anderer 
dichter  schloss  hingegen,  dass  wenn  Eggesahs  den  namen  des 
besitzers  enthalte,  nur  Egginsahs  die  richtige  form  sein  könne. 
Beide  etj'mologische  umdeutungen  weisen  direct  auf  den  frei- 
lich älteren  aber  doch  schon  secundären  Zusammenhang  zwischen 
Ecca  und  Eggesahs  zurück. 


Anhangsweise  mögen  ein  paar  scheingründe  für  die  hypo- 
these,  dass  der  stoff  ein  hochdeutscher  sei,  besprochen  werden. 
Euotlieh  heisst  in  der  saga  BozeUifr.  Jiriczek  glaubt,  dass  das 
s  dieses  namens  einen  mislungenen  versuch  eines  nieder- 
deutschen dichters,  den  namen  in  den  hochdeutschen  lautstand 
umzusetzen,  bezeichne  und  deshalb  beweise,  dass  dieser  dichter 
sich  des  hochdeutschen  Ursprunges  der  sage  bewusst  gewesen 
sei.  Dazu  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  der  name  liozelcifr 
in  dieser  hinsieht  in  der  p.  s.  nicht  allein  steht.  Dieselbe 
eigentümlichkeit  zeigen  die  namensformen  Gcrnoz,  Gernorz. 
Ich  habe  früher  (Arkiv  20, 166)  dafür,  unabhängig  von  Jiriczek, 
eine  ähnliche  erklärung  vorgeschlagen,  bin  jedoch  davon  (Unter- 
suchungen über  die  Nibelungensage  II,  202)  zurückgekommen, 
und  zwar  auf  grund  ähnlicher  erwägungen  als  die,  welche  dazu 
nötigen,  sie  für  Bozeleifr  zu  verwerfen.  Denn  da  die  deutsche 
Nibelungenpoesie  ebensowenig  wie  die  Eccapoesie  ihrem  Ur- 
sprünge nach  hochdeutsch  ist,  die  hochdeutsche  dichtung  viel- 
mehr vollständig  auf  der  niederdeutschen  beruht,  kann  das  ein- 
treten eines  z  für  t  unmöglich  in  einem  bewusstsein  von  dem 
hochdeutschen  Ursprung  des  Stoffes  seinen  grund  haben.    Die 


')  Die  wunderliche  etymologie,   die  die  saga  mitteilt .  kann  nur  von 
dem  sagasclireiber  herrühren. 


DAS  ECKENLIKI)  UND  SEINE  QUELLEN.         250 

hypothese  leidet  auch  an  einem  inneren  Widerspruch.  Denn 
angenommen,  die  dichtung  sei  ursprünglich  eine  hochdeutsche 
gewesen,  so  waren  doch  für  den  dichter,  der  z  für  t  einführte, 
nur  zwei  Standpunkte  miiglich.  Entweder  kannte  er  die  hoch- 
deutsche quelle,  —  in  diesem  falle  wusste  er  auch,  dass  der 
name  in  dieser  quelle  t  enthielt,  —  oder  er  kannte  nur  nieder- 
deutsclie  quellen.  —  dann  aber  konnte  er  sich  nicht  bewusst 
sein,  dass  die  überlief ung  eine  hochdeutsche  war.  Wenn  also 
das  z  einen  mislungenen  versuch,  den  namen  in  den  hoch- 
deutschen laut  stand  überzuführen,  bedeutet,  so  kann  das  un- 
möglich darauf  beruhen,  dass  die  sage  hochdeutsch  war,  son- 
dern es  bezeugt  vielmehr  die  ersten  anfange  einer  hoclideutsclien 
bearbeitung  durch  niederdeutsclie  si)ielleute  in  der  epoclie,  als 
schon  das  hochdeutsche  für  vornehmer  zu  gelten  anfieng.  Diese 
möglichkeit  leugne  ich  nicht,  aber  ich  behaupte  sie  auch  nicht, 
sondern  überlasse  künftigen  Untersuchungen  die  entscheidung. 
Auch  das  /.■/.•  von  Ehldsax  Hesse  eine  solche  deutung  zu,  wenn 
sich  dafür  oben  nicht  eine  befriedigendere  erklärung  ergeben 
hätte.  — 

Den  Ölbaum,  an  den  in  der  saga  Dietrich  sein  pferd  an- 
bindet, erkläre  ich  aus  der  i)llanzengeographie  der  nieder- 
fränkischen Spielleute,  die  nicht  unter  hochdeutschen,  sondern 
unter  fi-auzösischem  einfluss  steht.  Er  bezeugt  einen  nahen 
Zusammenhang  zwischen  niederfränkischer  und  sächsischer 
poesie.  Nach  den  alten  Ortsnamen  zu  urteilen,  gehört  das 
alte  gedieht  der  grenze  zwischen  diesen  beiden  dialekten  an. 

AMSTERDAM,  sept.  1906.  E.  C.  BOER. 


ZUR  ALTHOCHDEUTSCHEN  LITERATUR.') 
8.  Zum  Kildebraiidslierle. 

Beiträge  zur  erkläruiig  des  textes. 

Die  einzelnen  züge,  welclie  den  inlialt  des  Hildebrandslieds 
bilden,  sind  nicht  lediglicli  der  epischen  technik  entnommen, 
sondern  ein  wichtiger  teil  ist  geschöpft  aus  den  lebens- 
erscheinungen  der  zeit.  Den  epischen  motiven  gegenüber 
kann  man  diese  letzteren  historische  motive  nennen,  und  in 
diesem  sinne  ist  das  gedieht  stark  historisch  stilisiert.  Es  soll 
also  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  der  dichter  menschen  und 
ereignisse  der  Vergangenheit  lebhaft  schaute  und  in  sicheren 
umrissen  darstellte,  als  vielmehr  nur,  dass  er  seinen  gegenständ 
als  ein  bild  seiner  Umgebung,  seiner  zeit  erfasst  hat.  Allgemein, 
typisch  ist  demnach  die  darstellung  unter  allen  umständen, 
denn  auch  die  dem  leben  entnommenen  züge  sind,  wie  die 
epischen,  gemeingut  und  entsteigen  nicht  individueller  an- 
schauung  und  selbständiger  gestaltungskraft  (vgl.  zum  epischen 
bez.  historischen  stil  des  liedes  bes.  Kauffmann,  Philolog.  Studien. 
Festgabe  für  Sievers  s.  152  f.;  Seemüller,  Abhandlungen  zur 
german.  philologie.  Festgabe  für  Heinzel  s.  320  ff.). 

Schon  der  stoff,  der  kämpf  zwischen  zwei  sich  innig  nahe- 
stehenden mensclien,  ist  ein  beliebtes  thema  der  mittelalter- 
lichen erzählenden  dichtung,  und  solche  episoden  werden  gern 
als  rührende  bestandteile  in  den  gang  der  ereignisse  eingefügt 
(kämpf  des  vaters  und  sohnes  s.  Busse,  Beitr.  26,  7  ff. ;  kämpf 
zwischen  sonstigen  verwanten:  Hagen  und  Hetel,  Sigfrid  und 
Amelung  [Thidrekssaga  cap.  202  f.],  Parzival  und  Feirefiz,  Par- 
zival  und  Ither,  ins  komische  gewendet  zwischen  Alphart  und 


>)  Vgl.  Beitr.  28, 570.  21),  il8. 


ZUM    HILDEBRANDSLIEDE.  261 

Hildebraiid;  zwischen  freunden:  Waltliarius  und  Hagauo,  Riie- 
deger  und  Gernot,  Roland  und  Olivier,  Erec  und  Guivreiz, 
hvein  und  Gawein,  Parzival  und  Gawan). 

Ist  somit  der  sagenkern  ein  ei»isclies  motiv,  so  ist  die  form, 
in  welcher  sich  der  dichter  die  idee  des  Zweikampfes  vorstellt, 
eine  erscheinungsform  seiner  zeit:  der  Zweikampf  ist  ihm,  wie 
Kauffmann  erwiesen  hat  (a.a.u.  s.  150.  175,  mit  beziehung  auf 
Heiuzel,  Ostgot.  heldensage  s.4S;  s.  auch  l'^ranck.  Zs.  fda.  47.  34), 
ein  gottesgericht. 

Geschichte  und  liieratur  liefern  beispiele  für  fast  jeden 
einzelnen  zug:  keinen  bedeutenderen  hat  der  dichter  frei  er- 
tuiulen.  Sein  tah^nt  zeigt  sich  in  der  künstlerischen  gestaltung 
des  stotYes.  in  der  gruppierung  und  dem  ausserordentlich  wirk- 
samen autbau  der  gedanken.  Aber  aucli  in  diesem  mehr 
formalen  sidiaffen  zeigt  sieh  widerum  seine  beschränkmig,  denn 
eben  für  die  dramatische  füliruug  des  dialogs  hat  er  sich  an 
ein  bestimmtes  muster.  das  altdeutsche  gerichtsverfahren ,  ge- 
halten (s.  unten).  Zugleich  aber  hat  er  doch  gerade  damit 
dem  ganzen  eine  besondere  Stimmung  verliehen,  den  eindruck 
des  gegenwärtigen.  Und  hierin,  in  der  nationalisierung  des 
Stoffes  überhaupt,  beruht  die  stark  historische  färbung  des 
liedes.  Das  märchen  vom  kämpf  zwischen  vater  und  söhn  ist 
hineingestellt  in  den  beliebten  Sagenkreis  vom  grossen  Goten- 
könig Dieterich  und  der  dichter  selbst  hat  noch  mehr  getan, 
er  hat,  indem  er  den  Zweikampf  zu  einem  gottesgericht  {yg\. 
Kauffmann  a.  a.  o.)  ausdeutete,  die  sittlichen  elemente,  die  schon 
in  der  urfabel  im  keime  lagen,  übertragen  in  germanische  an- 
schauungen  und  in  germanischen  ^-olksglauben.  Denn  nach 
dem  glauben  der  Germanen  waltet  die  gottheit  des  kampfes, 
der  gott  ist  persönlich  in  der  schlacht  anwesend:  vclut  dco 
imperante,  quem  adesse  hellantihus  credunt  Tacitus,  Germ,  vii 
(J.  Grimm.  RA.  s.  928  ff.;  4.  auil.  von  Heusler  u.  Hübner  2,  588— 
593;  Müllenhoff,  D.altertumskunde4, 199  ff.).  Und  so  steht  auch 
der  Zweikampf,  sowol  der  gerichtliche  wie  der  kriegerische,  in 
gottes  band,  und  zwar  nach  heidnischem  wie  nach  christlichem 
glauben,  und  wird  demnach  ausdrücklich  als  ein  Judicium  dei 
aufgefasst  (J.Grimm.  RA.  a.a.O.;  Brunner,  D.RG.  1. 133.  182  f. 
2.  400  ff.:  Schröder.  D.RG»  86  ff.;  Fustel  de  Coulanges,  Histoire 
des  institutiuns  politiques  de  l'ancienne  France  3, 454  ff.  [mit 


262  EHRISMANN 

nachweisen  aus  den  volksgesetzen];  Baist.  Der  gerichtliche 
Zweikampf  nach  seinem  Ursprung-  und  im  Rolandslied,  Eoman. 
forsch.  5, 436 — 448 ;  Pfeffer,  Die  formalitäten  des  gottesgericht- 
lichen Zweikampfs,  Zs.  f.  roman.  philol.  9, 1 — 74).  Nicht  den  sinn 
eines  ordals  sondern  eines  Orakels  hat  jene  eigene  art  des 
Zweikampfs,  die  Tacitus,  Germ,  x  überliefert  hat:  Est  et  alia 
ohservatio  auspiciorum,  qua  gravium  hellorum  eventus  explorant. 
ejus  (jentis,  cum  qua  bellum  est,  captivum  quoquo  modo  inter- 
cepttmi  cum  electo  popidarium  siiorum  . . .  committunt;  victon'a 
Imius  vel  Ulms  pro  praeiudicio  accipitur. 

Procop  stellt  den  Zweikampf  noch  lediglich  als  kriege- 
risches Schauspiel  dar  ohne  den  religiös-symbolischen  sinn  eines 
Vorzeichens,  wenngleicli  der  verlauf  desselben  schon  den  der 
ganzen  Schlacht  vorausahnen  lässt.  Bell.  Got.  4, 31 :  Das  beer 
der  Goten  unter  Totilas  und  das  der  Römer  unter  Narses 
stehen  sich  lange  ruhig  gegenüber.  Da  sprengt  der  Gote 
Kokas  in  die  mitte  auf  die  feindliche  front  zu  und  fordert 
einen  zum  Zweikampf  heraus.  Der  Armenier  Anzalas  tritt  ihm 
entgegen.  Kokas  fällt.  Dann  folgt  die  Schlacht  mit  der  Ver- 
nichtung der  Goten.  —  Auch  Bell.  Got.  3,  4  die  gleiche  Situa- 
tion: Goten  und  Römer  stehen  einander  gegenüber,  der  Gote 
Wiliaris  ruft,  in  die  mitte  der  beere  sprengend,  alle  Römer 
zum  kämpfe  heraus,  Artabazes  nimmt  ihn  auf.  Der  ausgang 
jedoch  ist  verschieden:  beide  kämpf  er  sterben,  der  tragische 
tod  des  ihren  aber  erschütterte  die  ganze  hoffnung  der  Römer, 
so  dass  sie  schliesslich  in  wilder  flucht  davon  flohen. 

In  den  folgenden  beispielen  sind  es  vor  allem  drei 
punkte,  welche  dem  Zweikampf  den  Charakter  eines  vor- 
bedeutenden Zeichens  oder  auch  eines  gottesurteils  verleihen: 
Gott  wird  selbst  unmittelbar  als  beistand  angerufen;  oder  es 
ist  die  gerechte  sache,  welche  schon  von  vornherein  den  aus- 
gang bestimmt;  oder  der  Zweikampf  wird  schon  vorher  als 
entscheiduiigsmittel  vereinbart,  wobei  dann  oft  als  grund  an- 
gegeben ist,  dass  dadurch  ein  grösseres  blutbad  verhütet 
werden  solle. 

Jordan  es,  De  oiigine  Get.  cap.  17,  79  (kämpf  zwischen 
Gothen  und  Gepiden):  sed  causa  melior  vivacitasque  ingenii 
iubit  Gothos.  —  Cap.  23, 119:  sed  nihil  valet  multitudo  inbel- 
lium,  praesertim  ubi  et  deus  permittit.   —   Agathias  1,2 


ZUM   PILDEBRANDSLIEDE.  263 

(J.  Grimm,  D.RA.  s.  928):  Die  fiirsten  der  Franken  sollen  ihre 
Streitigkeiten  gütlich  beilegen.  Geschieht  dies  nicht,  so  müssen 
die  fürst en  das  recht  im  Zweikampf  suchen,  denn  es  ist  ni(;ht 
recht,  dass  wegen  ihres  persönlichen  zwistes  das  ganze  volk 
leiden  muss. 

Scharf  ausgeprägt  ist  die  idee  der  einheit  von  gott  und 
recht  bei  Gregor  v.  Tours  (vgl.  Hauck,  Kirchengeschichte 
12, 186  ff.);  so  besonders  Hist.  Franc.  IV,  14,  wo  könig  Chlothar 
mehrfach  seinen  Fianken  abrät,  gegen  die  Sachsen  zu  kämi)fen. 
die  das  recht  auf  ihrer  seite  hätten,  damit  sie  nicht  den  zorn 
gottes  erregten.  Als  er  schliesslich,  gegen  seine  eigene  Über- 
zeugung, dui-ch  die  Franken  gedrängt  doch  den  krieg  unter- 
nimmt, erleidet  er  in  der  tat  eine  schimpfliche  niederlage.  — 
X,  3:  Ein  Langobarde  ruft  dem  anrückenden  Frankenheere  zu: 
'Hodie  apjyarchif,  ciii  Bivinitas  ohtenere  victoriam  pnestiV 
Unde  mtt'Ucgi  datur,  hoc  Signum  sihi  Langohardi  praeparavisse. 
Der  Langobarde  wird  niedergeschlagen,  worauf  sich  das  beer 
seiner  landsleute  zur  flucht  wendet.  —  Y,  25:  Gunichramnus 
vero  cum  super  se  mortem  cerneret  immineri,  invocato  nomen 
Domini  et  virtutem  magnam  heati  Martini  elevatoque  confu 
Dracolenum  artat  in  fcmcihus.  —  VII,  14:  Ponas  hoc  in  Bei 
iudicio,  ut  Ille  discernat  cum  nos  in  campi  planitie  viderit.  — 
11,2  (vgl.  J.Grimm,  D.RA.  a.a.O.):  Vandalen  und  Alemannen 
stehen  einander  kampfbereit  gegenüber.  Da  sprach  der  Ale- 
mannenkönig: 'Qousque  heUurn  super  cmuhmi  populum  com- 
morttur?  Nicht  möge  so  viel  volks  auf  beiden  selten  um- 
kommen, sondern  zwei  von  uns  sollen  vortreten  und  unter 
sich  kämpfen,  ^^'essen  krieger  siegt,  der  soll  das  land  haben 
ohne  widerstreit.'  Das  volk  stimmte  zu,  damit  nicht  die  ganze 
menge  vor  der  spitze  des  Schwertes  fiele. 

Fredegar  IV,  25  (Mon.  Germ.  Script.  Rer.  Merov.  II,  130): 
Bertoald  schlägt  dem  Landerich  einen  Zweikampf  vor.  Die 
beere  sollen  in  der  ferne  bleiben.  Gott  soll  zwischen  ihnen 
beiden  richten;  vor  gott  wollen  sie  versprechen,  das  ver- 
sprochene ZU  halten.  —  Ueber  den  Zweikampf  Theodorichs 
mit  dem  Avaren  Xerxer  s.  Heinzel,  Ostgoth.  heldens'age  s.  35  ff.; 
Jiriczek,  D.  heldensagen  1, 140  ff. 

Origo  gentis  Langobardorum.  Die  entstehung  des 
Langobardennamens   ist   verknüpft  mit   dem   glauben    an   die 


264  EHRISMANN 

sieg-verleiliende  g-ottlieit.  Aber  beide  g-eguer,  die  \'andalen 
sowol  wie  die  Wiimiler,  flehen  liier  um  sieg-,  jene  zu  Godan, 
diese  zu  Frea,  seiner  frau.  Erhört  werden  kann  nur  eine 
partei,  und  die  entscheidung  fällt  aus  im  sinne  der  ironisch- 
humoristischen haltung  der  anekdote  {'ridicida  faliila'  Paul. 
Diac.  Hist.  Lang-.  I,  8) :  die  frau  behält  recht,  denn  der  ge- 
prellte gott  hat  durch  die  namengebung-  die  Winniler  gleich- 
sam adoptiert,  muss  ihnen  also  such  schütz  gewähren:  et  äedit 
eis  victoriam,  ut,  tibi  visum  essit,  vindicarent  et  se  victoriam 
haberent. 

Die  erzählung  der  Origo  hat  Paulus  Diac  onus  in  seine 
Historia  Langobardorum  aufgenommen  (1, 8).  Beispiele  für 
kriegerischen  Zweikampf  als  gottesurteil  bei  diesem  sind  Hist. 
Lang.  1, 12  (Zweikampf  mit  vorher  ausgemachter  bedingung: 
die  genossen  des  Siegers  erhalten  freien  durchzug  durch  das 
land  der  durch  den  besiegten  vertretenen);  I,  15  (dasselbe 
motiv  wie  I,  12);  V,  40.  41:  Cunincpert  schickt  einen  boten  an 
Alahis  mit  dem  auftrag,  ut  cum  eo  singulare  certamen  iniret, 
nee  opus  esset  utrorumque  exercitum  fatigare  . . .  (Cap.  41) 
'Siehe,  wie  viel  volks  auf  beiden  selten  versammelt  ist!  Was 
ist  es  nötig,  dass  eine  solche  menge  menschen  zu  gründe  gehe  ? 
Wir  wollen  uns  beide  im  Zweikampf  treffen  und  wem  von  uns 
der  herr  den  sieg  verleihen  wird,  der  soll  das  ganze  volk  heil 
und  unversehrt  regieren.' 

Ermoldus  Nigellus  111,375-462:  Der  Britte  Murman 
wappnet  sich  zum  kämpf.  In  der  Schlacht  trifft  er  den  Franken 
Coslus,  greift  ihn  mit  einer  scheltrede  an  384 — 389;  jener  er- 
widert sie  und  durchbohrt  ihn.  —  ITI,  543—618:  Gerichtlicher 
Zweikampf  zwischen  Bero  und  Sanilo;  vgl.  J.  Grimm,  RA.  4.  aufl. 
2,  592. 

Ei  eher  III,  76  ff.:  Zweikampf  zwischen  einem  Deutschen 
aus  Ottos  IL  heer  und  einem  Franzosen.  Der  Deutsche  stellt 
sich  an  der  Seinebrücke  auf  und  reizt  die  Franzosen  durch 
hohnreden.  Ein  Franzose  nimmt  den  kämpf  an,  schmähworte 
ausstossend  dringen  sie  auf  einander  ein;  der  Franzose  siegt. 
—  Zu  Wipo  und  Lambert  s.  J.  Grimm,  RA.  4. aufl.  588—593. 

In  den  altnordischen  zweikampfschilderungen,  bei  denen 
überhaupt  die  religiöse  beimischung  gering  ist,  tritt  die  be- 
deutung   des   Zweikampfs   als   Willensbefragung   der   gottheit 


ZUM    UILDE15KANDSL1EDE.  265 

zurück.  Nur  einige  beispiele  aus  Saxo  Graiinnaticiis  mögen 
hier  folg-eu:  Buch  L  Holder  s.2G  f.;  Jantzen  s.  40f.:  Hadingus, 
dem  Asmundus  gegeiiül)erstelieiid,  ruft  die  ihn  scliützenden  gött- 
lichen mächte  um  hilfe  an:  sofort  tritt  Vagnhofthus  an  seine 
Seite,  um  für  ihn  /u  kämptcu.  Flier  also  die  alte  anschauung-, 
dass  der  schutzgeist  leibhaftig  für  den  helden  eintritt.  — 
in.  Holder  s.83;  -iantzen  s.  133:  Durch  den  entscheidungskampf 
zweier  kann  ein  allgemeines  g-emetzel  vermieden  werden.  — 
IlT.  Holder  s.  107:  Jantzen  s.  172:  Hie  fülirer  wollen  ihre  sache 
ohne  beihilfe  ihrer  genossen  in  einem  Zweikampf  zum  austrag' 
bringen.  —  IX.  Holder  s.  306;  Jantzen  s.  479:  Sorlus  lässt  dem 
Kegnerus  die  \\  ahl  zwischen  schlacht  und  einzelkampf;  der  letz- 
tere wii'd  angenommen  und  findet  angesichts  der  beere  statt, 
utroque  excrcitu  inspectante. 

Der  Schroffheit  nordischen  reckentums  gegenüber  steht  in 
der  angelsächsischen  dichtung  eine  ahnungsvolle  frömmig- 
keit.  Avelclie  ihr  eine  eigenartige  Stimmung  verleiht.  Hier  ist 
denn  auch  der  kämpf  besonders  häufig  unter  gottes  ratschluss 
gestellt.  Schon  die  benennungen  gottes  als  des  si^ores  iveard, 
sisora  icealdend  seilend  settenö,  süÖweard  gumena  u.  a.  deuten 
dies  an. 

Beowulf  V.  299 :  gödfremmendra  sivylcum  gifeffe  hiö,  ödt 
[hc\  öone  hilde-rces  hdl  gedi^^ed.  438  ac  ic  mid  grdpe  sceal 
fön  wid  feonde  ond  ymh  feorh  sacan,  IdÖ  wid  Idömn;  öcer 
sehjfan  sceal  dryhtnes  dorne  se  de  hine  dead  nimeÖ.  478  "^od 
eade  mwg  öone  dol-sceadan  dceda  gehvcefan.  572  Wyrd  oft 
nereö  nnfcesne  eorl,  öonne  his  eilen  deah  (s.  unten).  685 
siÖÖan  ivitis  sod  an  swd  hwcedere  hond,  hdlig  dryhten,  mceröo 
demc,  sied  htm  gemet  Öince.  696  Ac  Ulm  dryJiten  forgeaf 
Kig-speda  geiviofn,  Wedera  Icodum  frofor  ond  ftiltum,  Ocet 
hie  feond  heora  Öurh  dnes  crceft  ealle  ofercömon,  selfes  mih- 
tmn;  söÖ  is  ,secy(fed,  ö(et  mihiig  god  manna  cynnes  ivcold  ivide- 
ferhd.  939  JSä  scealc  liafaö  öurh  drihtnes  mihi  dwd  gefrcmede. 
1552  nemne  . . .  hdlig  god  geweold  ivigsi^or;  iviiis  drihten,  ro- 
dera  rcedend  hit  on  ryht  gesced  ydelice.  2573  Beer  hc  Öij  fyrste. 
formun  dolore  ivealdan  [ne\  moste  —  swd  him  ivyrd  ne  j;escrdf 
—  hred  cet  hilde.  2682  Ilim  öcet  gifeöe  ne  ums,  Öijet  Mm 
irenna   ecge  mihton   helpan   (et   hilde.     2874   hwteöre   him  sod 


266  EHRISxMANN 

iide,  sigora  ivaldend,  dan  he  hijne  sijlfnc  ^etvrwe  dna  mid  ec^e, 
öd  hhn  IV (BS  eines  dearf. 

Wald  er  e  B  25  (Grein -Wülcker,  Bibl.  der  ags.  poesie  1, 1, 
s.  13,  vgl  Heinzel,  Ostgot.  lieldeiisage  s.  48f.):  Becüi  mce^  si^e 
syllan  se  de  symle  hyö  recen  and  rcedfest  rijhta  selnvilces:  sc 
öe  Mm  to  dam  halsau  lielpe  selifeö,  to  gode  gioce,  he  Öoer  ^earo 
finded,  $if  da  earnunsa  cer  gedenceÖ  (vgl.  Kraus,  Zs.  f.  d.  österr. 
gymii.  47,  329). 

Byrlitnoth  (Grein-Wülcker  s.  362)  94  ,sod  ana  iimt,  hiva 
Jjcere  tvcelstoive  ivealdan  mote. 

Ebenso  in  den  religiösen  epen:  Genesis  2057  cwced  Ömt 
htm  se  Jtdlga  ece  drihten  ead  mihte  cet  dam  spereniÖe  spede 
Icenan.  2072  him  on  fultum  srdp  heofonrices  ivcarÖ.  2107 
Wcere  du  ■^eivurdod  on  ivcra  rime  for  Öces  edsiim,  de  de  cesca 
tir  cet  ^üde  for^eafl  dcet  is  god  selfa,  se  de  hettendra  her^a 
drymmas  on  ^ewcald  ^ehrcec  u.s.  w. 

Daniel  4:  sidöan  durh  metodes  mcegen  on  Moyses  hand 
iveard  tvij  sifen  wi^ena  mwnieo. 

Judith  88:  Forgif  me,  swegles  ealdor,  sigor  and  soönc 
seUafan,  dcet  ic  mid  dys  siveorde  mote  geheawan  dysne  mordres 
Iryttan!  123  Uwfde  du  gefohten  foremcerne  hlced  Judith  (ßt 
güde,  stvd  hyre  god  ude,  sivegles  ealdor,  de  hyre  sigores  onleah. 
300  him  feng  dryhten  god  fcegre  on  fultum,  frea  celmihtig. 
342  Falles  dces  Judith  scegde  wuldor  iveroda  dryhtne,  de  hyre 
iveordmynde  geaf,  ...  sigorlean  in  sivegles  tculdre  u.s.w. 

Christ  673:  Sumum  iviges  sped  giefeö  mt  süde,  Öonne  gur- 
getrum  ofer  scildhreadan  sceotend  sendad,  flacor  fldngeweorc. 

Andreas  1436:  il/c  (gott)  is  miht  ofer  eall  [geond  middan- 
geard]  sigorsped  geseald;  auch  v.  459  f.  (s.  unten). 

Juliana  561:  scegdon  södlice,  dcet  he  sigora  gehivoes  ofer 
ealle  gesceaft  dna  iveolde,  ecra  eadgiefa. 

Alle  diese  angelsächsischen  stellen  sind  nur  religiöse  Stim- 
mungsbilder; sie  geben  nur  zeuguis  ab  für  den  Volksglauben, 
dass  der  erfolg  des  kampfes  bei  einer  höheren  macht  steht. 
Zur  handlung  ausgestaltet  ist  dagegen  das  thema  vom  Zweikampf 
in  den  beiden  althochdeutschen  epischen  liedern,  wie  im 
Hildebrandslied,  so,  aber  nur  episodenhaft,  im  Muspilli. 
Der  kämpf  zwischen  Elias  und  dem  antichrist  v.37 — 47  ist  ganz 
ausgesprochen   ein   gerichtlicher  Zweikampf,   die  entscheidung 


ZUM  HTLDEBRANDSLTEDE.  267 

Über  (las  reclit  bildet  den  gnmdg-edaiikeii.  Der  begriff  des 
rechtes  also  steht  im  mittelpimkt  Daher  die  ausdrücke  laie- 
roltrehtnnlson  37')?  rehtlernon  42;  daher  Jihcnfun  40,  da 
Jccmpfo,  mlat.  campio,  besonders  der  gerichtlich  bestellte 
fechter  ist  —  hier  Elias  als  Vertreter  der  rehfkernon,  der 
antichrist  als  solcher  für  das  gesinde  des  satanas;  endlich 
Jcösa,  die  gerichtliche  Streitsache,  der  prozess.  Da  Elias  das 
recht  verficht,  hilft  ihm  der  des  himmels  waltet,  der  antichrist 
hingegen,  der  kempfe  des  Unrechts,  an  dessen  seite  der  satanas 
steht  {-^  propuijnat,  s.  Steinmeyers  Anm.MSD2l34;  Kraus  a.ao. 
s.  345),  wird  verwundet  fallen  und  siegios  werden.  Die  Vor- 
stellung ist  vollständig  die  eines  germanischen  Judicium  dei. 

Aehnlich  ist  in  der  Summa  Theologiae  str.  11  (wie  an 
der  in  MSD  2^,208  aus  Otlohs  Tractat  de  tribus  quaestionibus 
angeführten  stelle)  Adam  als  kempfe  für  das  menschengeschlecht 
aufgestellt,  um  ein  einuuj  zu  ringen  mit  dem  gebot,  mandatum. 
Gott  gieng  mit  ihm  die  bedingung  ein,  dass  wenn  er  den  kämpf 
gegen  das  erste  im  paradies  auferlegte  gebot  siegreich  bestehe, 
die  menschheit  nicht  sterben  würde.-) 

Strassburger  Alexander  4610  ff.  (aus  der  lat.  Historia 
de  proeliis):  Alexander  bietet  dem  Porus  den  Zweikampf  an 
{nü  neni  cht  htninc  tcider  mich  und  ili  ein  einivich  ivider  dich 
4630  f.),  denn  es  sei  schände,  dass  ihre  beiden  beidenthalb  er- 
schlagen würden  4620.  Das  eimvich  (4645)  findet  zwischen 
den  beiden  beeren  statt  {dö  si  solden  striten,  dö  stunden  in 
beiden  stten  di  here,  aJse  da  gelohit  tvas  4650  ff.).  Bedingung 
ist,  dass  dem  sieger  die  leute  des  gegners  Untertan  würden 
4632  ff. 


')  Die  uueroltrehtuuhon  sind  die  weltlichen  rechtskundigen,  sapientes 
laici,  im  gegensatz  zu  den  goimanno  48,  sapientes  clerici,  das  erhellt  aus 
den  angelsächsischen  gesetzen  (s.  unten  s.  277),  wo  beide  einander  gegen- 
übergesetzt sind,  z.  b.  ßcem  ieldstan  tvitum  minre  peode  —  micelre 
^esommoi^a  ^odes  peowa  (Schmid,  Ges.  d.  Angelsachsen  Ine  Prol.  [s.  20], 
wo  noch  andere  beispiele  im  register  s.  G79a).  Die  ansieht  der  inieroltreht- 
uuison  i.st  die  dem  volkstümlichen  rechtsbcwusstseiu  entsprechende,  wonach 
der  Zweikampf  ein  rechtsurteil  ist  und  also  derjenige,  welcher  das  recht 
verficht,  siegen  muss;  die  der  gotmanno  ist  die  kirchliche,  wonach  Elias 
vom  antichrist  besiegt  und  getötet  wird.  Diese  leitet  dann  den  religiösen 
mjthus  vom  Weltuntergang  ein. 

*)  Jesus  warf  den  fürsten  dieser  weit  m  eimvigi  nieder,  Otfrid  4, 12,  62. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXII.  lg 


268  EHRTSMANN 

Kaiserchronik  11262  ff.  (Schröder):  Äin  ainwich  ivart 
duo  gelohet  zwischen  Heracliiis  und  Cosdras.  Heraclius  war 
bereit,  da.z  sin  da  werden  solte,  swes  got  uher  in  verhengen 
ivolte.  Der  Zweikampf  findet  auf  einer  brücke  statt,  zwischen 
den  beeren,  desgleichen  in  dem  mittelfränk.  Legendär,  Busch, 
Zs.  fdph.  10,  156.  624  ff.  (vgl.  Kinzel,  Lamprechts  Alexander 
Anra.  zu  v.  4631,  und  bei  Richer,  s.  oben  s.  264.)  —  14116  ff. 
Otacher  will  mit  Dieterich  angesichts  der  beere  fechten  {den 
lip  in  urteile  setzen  14118  ist  wol  ursprünglich  so  viel  als  'es 
auf  ein  gottesurteil  ankommen  lassen',  s.  auch  Rolandslied 
[Bartsch]  1664,  Rother  [Rückert]  3082). 

Gar  keine  beispiele  für  die  auffassung  des  Zweikampfs  als 
gottesgericht  enthält  das  Nibelungenlied.  Das  hängt  mit  dem 
zurücktreten  des  religiösen  dementes  in  diesem  gedichte  über- 
haupt zusammen.  Das  tiefere  empfinden  der  personen  erstreckt 
sich  nicht  auf  ein  relig-ioses  bedürfnis  und  so  sind  auch  beim 
kämpf  ihre  g-edanken  nicht  auf  gott  gewendet.  An  stelle  des 
demutsvoll  sich  bescheidenden  glaubens  tritt  bei  ihnen  ein 
starrer,  über  den  gemütern  lastender  fatalismus,  sie  fühlen  sich 
beherscht  von  der  düstern  gewalt  eines  unerbittlichen  Schick- 
sals (Kettner,  Die  Österreich.  Nibelungendichtung  s.  217 — 219). 
Der  schicksalsglaube  in  dieser  schroffen  form  ist  germanisch, 
heidnisch,  und  in  dieser  beziehung  ist  das  Nibelungenlied  alter- 
tümlicher als  das  Beowulfslied  in  seinem  trostreichen  gott- 
vertrauen. Aber  auch  gegenüber  dem  Hildebrandslied  liegt 
in  der  bedeutung  des  kampfes  ein  unterschied:  in  diesem  be- 
stimmen gott  und  recht  den  sieg,  im  Nibelungenlied  allein  die 
persönliche  tüchtigkeit  des  mannes. 

Um  so  mehr  frömmigkeit  pflegen  die  späteren  und  spiel- 
männischen  volksepiker,  oft  mit  Übertreibung,  mit  geflissent- 
lichem zurschautragen.  So  gehören  zu  dem  langgedehnten 
pathos  des  Alphartsliedes  auch  die  häufigen  religiösen  for- 
mein (Schönbach,  Das  Christentum  in  der  altdeutschen  helden- 
dichtung  s.  211 — 215).  Alle  lebensbedingungen  stehen  hier 
unter  gottes  lenkung,  so  liegt  auch  sieg  und  tod  in  seiner 
band:  ivil  mir  got  nü  helfen,  iivcr  tüsent  sige  ich  an  155,2; 
sivem  got  des  heiles  gunne,  der  vilere  den  sie  an  der  hant 
161,4;  sivem  got  des  heiles  gunne,  der  mac  ivol  gelehen  226,2. 
266,  2 ;  zvelt  ir  strites  ere  an  mir  beide  hegän,  so  sten  ich  niht 


ZUM   HILDEBRANDSLIEDE.  269 

alleine:  ich  wil  den  ze  helfe  hau,  Der  alles  reht  erkennet  und 
im  oiich  hi  gestät.  ja  getrüwe  ich  got  dem  giioten  das  er  mich 
niht  enlät  266,3  —  267,2;  tvir  sullen  uf  der  heide  teilen  den 
soll  mit  strit,  wem  es  got  gunnc.  der  danne  vellet  der  lit  233,  3  f. 

^hiiiiriert  ist  die  fromm igkeit  im  Eckenlied.  Der  held 
hat  alles  Selbstvertrauen  verloren,  Dietrich  ist  die  carricatur 
eines  recken,  ei-  siegt  lediglich  aus  dem  gründe,  weil  er  sich 
zu  gott  bekennt,  den  sein  gegner  Ecke  verschmäht,  str.  99, 12  f. 
100.  109.  112.  116, 4  ff.  124. 

Auch  in  Dietrichs  gebet  vor  der  Schlacht,  Dietrichs 
flucht  8721  ff.,  ist  der  durchziehende  gedanke,  dass  gott  dem 
rechte  hilft:  dar  sno  st  mir  diu  helfe  vriim,  herre  vater,  hei- 
liger geisf:  icant  du  min  reht  ivol  tveist  ...  nie  ruoche  mir  se 
helfe  Tiomen  und  niwan  als  ich  reht  hdn.  sivas  hiut  hie  schaden 
uirt  getan,  das  rihte,  vil  heiliger  Crist,  in  den  der  rehte  schuldec 
ist  . . .  und  ruofet  alle  Jesum  an,  ivan  er  uns  ivol  gehelfen  Jean. 
Ebenso  fleht  Dietrich  gottes  hilfe  an  zum  sieg  Rabenschlacht 
Str.  505,  6  ff.:  hitet  got,  das  er  uns  helfe  nach  dem  rehten  u. s.w., 
nii  hum  uns  got  se  helfe!  508,5  tiu  läse  uns  got  den  sie  an 
im  erwerben  509,6. 

Das  gebet  stärkt  den  sinkenden  und  hilft  ihm  zum  siege: 
Morolf  Str.  769  (Vogt):  Sine  hende  er  über  sich  bot:  'here,  nü 
hilf  mir  üser  not'  u.  s.w.,  770  E  er  das  tvort  ie  voUesprach,  got 
sante  im  ein  nüwe  craft.  In  der  höfischen  dichtung  ist  dieses 
motiv  ins  weltliche  geAvendet,  indem  der  ermattete  kämpf  er 
dui'ch  den  aublick  der  geliebten  wider  frische  kräfte  gewinnt 
(J.  Grimm,  Mythol.  s.  371  f.,  M3^thol.4  s.  330  f.). 

Noch  mögen  einige  beispiele  aus  dem  höfischen  epos 
folgen.  Chrestien  lässt  im  Ywain  zweimal  seineu  beiden  als 
kempfen  im  gottesurteil  auftreten,  einmal  für  die  auf  den  tod 
angeklagte  Lunete,  dann  für  die  ihres  erbes  geschmälerte 
tochter  des  grafen  vom  schwarzen  dorn.  Wir  können  auch 
leicht  die  beweggründe  erkennen,  weshalb  er  an  dieser  beson- 
deren art  des  Zweikampfs  gefallen  fand.  Zu  den  ritterpflichten 
gehört  es,  für  die  unterdrückten  einzustehen,  eine  öffentliche 
rechtsform  dafür  aber  war  eben  der  gerichtliche  Zweikampf, 
und  so  konnte  er  auf- diese  weise  eine  der  schönsten  ritter- 
tugenden  an  einem  in  seiner  zeit  gültigen  rechtsverfahren 
eindringlich    zur    darstelluug   bringen.    —    Die    betreffenden 

18* 


270  EHRTSMANN 

stellen  finden  sich  in  Hartmanns  bearbeitung  (zu  Chrestiens 
Ywain  vgl.  Pfeffer  a.a.O.  s.  19  f.)  5145 — 5450  (besonders  Iweins 
Worte:  'ivcent  ir  daz  ich  eine  si?  got  gestuont  der  wärheit  ie: 
mit  ten  beiden  hin  ich  hie.  ich  weiz  icol,  si  gestenf  mir'  u.s.w. 
5274  ff.,  und  darauf  der  truclisess:  'stces  ich  mich  vermoeze  ivider 
unsern  herren  got,  des  geuieng  ich  schaden  unde  spot  . . .  ich 
getrüiv  im  helfe  haz  dan  ir'  5282  ff.)  und  5625 — 7780. 

Weit  obenan  aber  im  ritterroman  steht  Gottfrids  giän- 
zende  Schilderung-  von  Tristans  Holmg-ang-,  Trist.  6450 — 7089. 
'Gott  und  recht'  bilden  den  leitgedanken,  sie  stehen  auf  Tri- 
stans Seite  und  zwar  ist  es  so  vorgestellt,  dass  gott  leibhaftig 
beim  kämpfe  anwesend  ist.  Die  bezeichnenden  stellen  sind: 
Morolt  'wir  suln  ez  hie  mit  handen,  ivir  zwene,  under  uns  leiden 
in  einem  ringe  scheiden,  iveder  ir  reht  Jtahet  oder  ich  6450 — 53; 
Tristan:  diz  muoz  ich  mit  gotes  helfe  erzeigen  und  mücze  den 
geveigen,  der  unreht  under  uns  beiden  habe  ...  daz  ich  daz 
reht  niht  breche  daz  min  her  Morolt  ...  zins  ze  rehte  nie 
qewan  ...  daz  wil  ich  mit  miner  hant  tvär  machen  und  ivär- 
bceren  6454 — 71;  so  u-as  andcrhalp  der  strU,  daz  eine  got, 
daz  ander  reht  68861;  'got  unde  reht,  tvä  sint  si  nuo,  Tri- 
standcs  stritgesellen?  op  si  im  iht  helfen  iv eilen,  des  nimet 
mich  michel  wunder'  6986;  got  unde  reht,  diu  riten  dö  in 
mit  rehtem  urteile  70001;  tmd  Tristan,  cdse  er  icart  getvar 
der  sinen  stritgesellen,  dö  ivuohs  im  muot  und  eilen  70091, 
und  darauf  fällt  er  Morolt  zu  boden;  am  ende  fasst  Tristan 
das  ergebnis  zusammen:  gott  hat  das  urteil  gesprochen  und 
das  recht  geoffenbart,  'der  rehte  und  der  geivoire  got  und  gotes 
getvwrlich  gebot  die  habent  din  unreht  wol  bedäht  und  reht  an 
mir  ze  rehte  bräht'. 

Endlich  sei  noch  hingewiesen  auf  die  ausführliche  Zwei- 
kampf Schilderung  Konrads  von  Würzburg  im  Engelhard 
4001  fl,  wo  der  rechtsstreit  ausläuft  in  das  alles  sittliche 
empfinden  auf  den  köpf  stellende  gaukelspiel  mit  got  und  der 
rehten  wärheit  (v.  4037.  4042). 

Aus  den  vorhergehenden  belegen  ist  zu  sehen,  in  welcher 
weise  das  thema  des  als  gottesgericht  aufgefassten  Zweikampfs 
in  geschichte  und  dichtung  aufgenommen  und  behandelt  ist. 
Der  ethische  grundgedanke,  dass  gott  des  rechtes  waltet,  ist 


ZUM  HILDEBRANDSLIEDE.  271 

auch  der  des  Hildebrandslieds.    Das  gedieht  steht  mit  dieser 
Idee  iumitten  einer  reichen  literatur. 

Die  hauptzüge  der  erzilhlung-  kehren  grossenteils  in  den 
kämpfen  des  Waltharius  wider. 

Hild.  4 — 6  die  helden  rüsten  sich:  Walth.4:74  Ducere  equum 
jiihet  et  sella  componcrc  sculptu]  481  Ne  tanlate,  viri,  praccin- 
gite  Corpora  ferro,  Fortia  squamosus  ihorax  jam  terya  recondat. 

Hild.  7 — 13  frage  nach  sippe  und  namen:  Walth.  575  per- 
(jant  primum  qui  cunda  requirant  Et  (jenus  et  pairkun  no- 
menquc  locumquc  rdictum^  587  die,  Iwmo,  quisnam  Sis  aut 
unde  venis. 

Hild.  14 — 29  nennung  des  namens,  erzählung  der  Schick- 
sale: AValth.  597  Waltharius  vocor,  ex  Aquitanis  siim  generatus, 
A  genitore  nieo  modicns  piier  ohsidis  ergo  Sum  dafus  ad  Hunos; 
ibi  vixi  nuncque  recessi  Concupiens  patrium  dulcemque  revisere 
gentoii. 

Hild. 30— 32  kämpf  zwischen  blutsverwanten:  Walth.  1239ff. 
kämpf  zwischen  freunden,  Waltharius  und  Hagano. 

Hild.  33— 35  versölmungsversuch  durch  geschenke:  Walth. 
611  si  nie  ccrtamine  laxat  . . .  ArmiUas  centum  de  ruhro  quippe 
metallo  Factas  transmittam,  quo  nomen  regis  honorem,  s.  auch 
662;  1263  Quod  si  consentis,  jam  tum  ditatus  ahibis  Eülogiis, 
rutilo  umhonem  complelo  metallo. 

Hild.  38—41  Vorwurf  der  hinterlist:  Walth.  790  O  versute 
dolis  ac  fraudis  conscie  scrpens,  Occultare  artus  squamoso  teg- 
mine  suetus  Ac  veluti  coluber  girum  collectus  in  unum  . . . ; 
1352  Tu  saltando  jocans  astu  me  ludere  iemptas! 

Hild.  46 — 48  höhn-  und  trutzreden  halten  im  Waltharius- 
liede  Werinhard  740  f.  {lias  jactitat  ore  loquelas  739),  Eckifrid 
761—763,  Hadawart  790—804,  Helmnod  991,  Günther  1230— 
1236,  Walther  selbst  752.  979  f.  1057  f.  1351—1355. 

Hild.  49 — 54  Hildebrands  klage  über  die  feindseligkeit 
seines  eigenen  kindes  entspricht  der  klage  Walthers  über  den 
bruch  der  freundschaft  gegenüber  Hagen  1239  ff. 

Hild.  55—57  der  Zweikampf  als  rechtsoffenbarüng:  Walth. 
702  Si  convincar,  quod  ^noelia  primus  Temptarim  seu  quid 
merui,  quod  talia  2)ossim  Jure  pati,  ahsque  mora  tua  nie  trans- 
verberet  hasta! 


272  EHRISMANN 

Hild.  58—62  entscliluss  zum  kämpf:  Waltli.672  WaUhnrius 
iandini:  ' Si  sie placcV  (nü  dih  es  so  ucl  hisiit)  inquit  'agamiis!' 
Diese  einzelnen  bestandteile  des  Walthariusliedes  zusammen- 
gesetzt und  unter  eine  einheitliche  fabel  gebracht  würden  eine 
dichtung  ergeben,  die  in  ihrer  äusseren  anläge,  ja  stellenweise 
bis  auf  die  ausdrucks weise,  dem  Hildebrandslied  sehr  ähnlich 
Aväre.  Aber  in  ihrem  inneren  wesen  würde  sie  von  diesem 
grundverschieden  sein.  Es  könnte  dort  nicht  heissen  Hhu  dir 
din  eilen  taoc',  es  würde  nur  darin  stehen  'volente  deo\  ^so 
gott  es  vergönnt'  (Walth.  570).  Es  wären  zwei  verschiedene 
rechts-  und  religionsanschauungen,  die  germanische  und  die 
kirchliche. 

Die  erzählung  führt  nicht  unmittelbar  in  die  handlung 
hinein;  auf  die  eingangsformel,  v.  1,  folgt  zuerst  das  situations- 
bild  mit  nennung  der  handelnden  personen:  v.  2.  3,  'heraus- 
f orderung  zwischen  zwei  beeren'.  Das  locale  ist  nicht  weiter 
ausgeführt,  eine  bestimmte  Situation  nicht  gezeichnet.  An- 
gesichts der  beere  fanden  viele  der  historischen  Zweikämpfe 
statt,  es  war  eine  bekannte  Vorstellung.  Der  dichter  benutzte 
sie,  um  damit  nur  im  allgemeinen  den  hintergrund  anzudeuten, 
vor  welchem  sich  die  ereignisse  abspielen.  •)  Kurz,  v.  2.  3 
bilden  den  prolog,  sie  enthalten  das  thema,  den  allgemeinen 
gedanken  über  den  Inhalt.  Sie  stehen  mit  v.  4—6  nicht  in 
historischem  Zusammenhang  wie  glieder  einer  kette  von  ereig- 
nissen,  sondern  sie  stehen  vor  der  erzählung,  vor  den  einzelnen 
Vorgängen,  als  einleitung.  Ein  solcher  prolog  gehört  zum  stil 
des  alten  epischen  liedes.  Er  hat  den  zweck,  die  handelnden 
personen  vorzustellen,  angäbe  der  besonderen  gelegenheit  ist 
nicht  nötig.  So  beginnt  die  erzählung  vom  kämpf  zwischen 
Elias  und  dem  antichrist  Muspilli  37  ff.:  zuerst  die  einleitungs- 
formel  37,  dann  das  thema  daz  scidi  der  cmticliristo  mit  Eliase 
imgan  38,  darauf  dann  der  beginn  der  ereignisse,  der  uuarch 

1)  Als  literarisches  motiv  ist  das  zusammentreffen  von  knndscliaftern 
beliebt,  vgl.  Kauffmaun  a. a. o.  s.  142 f.,  der  besonders  anf  Alpbart  verweist; 
vgl.  auch  Kibcluugeul.  str.  182  ff.  (Bartsch)  Liudegast  und  Sivrit,  Thidreks- 
saga  cap.325  Ecinold  und  Hildebrand,  auch  Willehalni  333, 16.  —  Aber  eine 
bestimmte  anschauung  will  der  dichter  mit  dem  'unter  heriun  tivem'  nicht 
erwecken. 


ZUxM   HILDEBRANDSLIEDE.  273 

ist  liKuäfanif,  rüstung"  zum  kämpf  (=Hild.  4 — 6):  Chlothar- 
lied  1 — 4  De  Chlothario  est  canere  rege  Francorum,  qui  ivit 
pucjnare  in  gcntcm  Saxomnn  u.s.w.;  Ludwigslied  1  [2]:  Einan 
liuning  uueis  ih,  Heizsit  her  Hludmg  [u.s.w.];  De  Heinvico 
1—4;  Psalm  138, 1.2  Uuellet  ir  gihoren  Daviden  den  giioton,  den 
stnen  touginon  sin;  ]\[odus  Liebinc  1  —  3  Adveriite,  omnes 
popidi,  ridicnlum  et  audite  (jnomodo  Smievum  mulier  et  ipse 
illam  defnidaret]  Merigarto  II,  1  eingangsformel:  Daz  ih  oiih 
horte  sagan,  v.  2 — 5  tliema:  daz  in  Tuscänc  rin  ein  uuazzer 
scöne  unt  sih  daz  perge  an  ein  zvisin  unter  derda  imte  man 
sin  so  manga  uuola  zehen  iiiche  lenga\  im  epischen  lied  des 
16.  jh.'s,  z. b.  Was  tcöllen  tvir  singen  und  heben  an?  ...  Wir 
singen  von  einem  Edelman,  der  heifst  Sehmid  von  der  Linden; 
im  bänkelsängerton,  z.  b.  der  eingang  von  Günthers  v.  d.  Forste 
Tagelied-ballade  ]irSH  2, 165b  (vgl.  Koethe,  Anz.fda.  16,78),  der 
Schlosser  von  AVien  im  Ambraser  liederbuch  no.  ccxvii  (Berg- 
mann s.  279),  und  so  noch  heute  in  den  moritaten  auf  unsern 
Jahrmärkten;  ebenso  der  eingang  der  Voluspä,  der  angel- 
sächsischen gedichte  vom  panther  (v.  8),  walfisch,  rebhuhn, 
von  der  botschaft  des  gemahls. 

Erst  mit  v.  4  Avird  die  handlung  in  bewegung  gesetzt  und 
zwar  wird  sie  eingeleitet  mit  der^  wappnung  der  beiden, 
V,  4—6.  Diese  ist  ein  stehendes  eingangsmotiv  bei  Zwei- 
kämpfen: Muspilli  39  der  iniarch  ist  Jduuäfanit;  Walthariiis 
474.  481,  s.  oben;  Ermoldus  Nigellus  s.  oben;  Fiiuisburg  14  Ba 
uras  nuenij  ^oldhladen  öe^n,  gijrde  hine  his  swurde;  da  to  dura 
eodon  drilitlice  cenrpan,  Si^efcrä  atid  Eaha  hijra  sivord  sdn^on: 
Nibelungen  (Bartsch)  182,  2.  428.  429.  435—437.  440.  2028,  4. 
2031,1;  Alphart  str.  123.  207  f.;  Ecke  str.  21— 24.  30—34; 
Thidrekssaga  cap.  18.  91,  und  sehr  oft  im  höfischen  epos.  — 
Genau  vorgeschrieben  war  die  bewaffnung  für  den  gerichtlichen 
Zweikampf:  Sachsenspiegel  (Landrecht)  I,  63,  4;  Schwaben- 
spiegel 351,  3.  404,  7  (Wackernagel  s.  312.  332). 

V.  7.  8.  Der  ehrwürdigere,  ältere  redet  zuerst  (Scherer, 
Lit.-gesch."^  s.  29),  er  ist  auch  zugleich  der  erfahrenere  (zu  fr 6t 
'alt'  s.  Steinmeyer, MSD.2:\  13,  zu  heroro  Edzardi,  Beitr.8,484ff.). 
Er  hat  den  Vorrang  in  Staatsgeschäften,  das  wort  vor  andern 
im  rate:  Tac.Germ.xi,moJc  rex  vel princeps, prout  aetas  ciiique, 
prout  nohilitas,  prout  decus  hellorum,  prout  facundia  est,  audi- 


274  EHRISMANN 

uniur;  beispiele  für  das  frühere  mittelalter  s.  bei  Waitz,  Ver- 
fassiing-sgescliichte  1^,  353  f.,  mhd.  alt  und  ivise,  gegensatz  junc 
und  tum}). 

\.  9  föMm  uuortum:  es  ist  kein  grund,  von  der  einfaclien 
Übersetzung  Laclimanns  'mit  wenigen  Worten'  abzuweichen. 
Die  erkundigung  nach  dem  namen  hatte  in  der  sitte  der  Ger- 
manen jedenfalls  ihre  fest  geregelte  form  (war  ceremoniell, 
vgl.  Kauffmann  a.  a.  o.  s.  145),  und  das  waren  wenige,  bestimmte 
fragen,  zunächst  nach  namen,  geschlecht  und  heimat.  Im 
Beowulflied  237 — 257  ist  allerdings  die  namensfrage  von  einem 
reichen  poetischen  rankenwerk  umschlungen,  ein  rhetorisches 
prachtstück,  aber  das  ist  dichterische  spräche  des  behaglich 
sich  ausbreitenden  epos,  während  die  knappe  fassung  des 
Hildebrandsliedes  sich  an  die  einfache  Wirklichkeit  hält.  Einen 
ähnlichen  gegensatz  zwischen  kurzer  und  langer  rede  enthält 
das  Beowulflied  selbst  mit  Wiglafs  kurzen  worten  {fea  icorda 
civced  2661)  2662—2668  gegenüber  seiner  weitschweifigen  an- 
spräche 2633 — 2660  (tcordrihta  fela  scegde  s^siöum  2631  f.), 
welche  mit  vielen  Variationen,  kenningar  und  Umschreibungen 
ausgeschmückt  ist.  Auf  den  umfang  der  rede  wurde  im  mittel- 
alter geachtet.  Wenig  worte  zu  machen  ist  Vorschrift  im 
gottesdienst,  im  gebet:  Otfrid  2,  21, 15  f.  Thunne  ir  hetot  ivizit 
thaz,  diiet  iz  liurzlichaz,  ni  ruachit  dnihthi  liarto  iliero  ma- 
nagfalton  ivorto;  In  herzen  hetot  hario  kurzero  tvorio  (nach 
Mat.  6,  7  nolite  multum  loqui);  Kelle,  Spec.  Eccl.  23, 14  Nv  svU 
aver  ir  die  hvrzen  rede  mit  der  Jcrefte  des  heiligen  geistcs 
7ner7cen;  Parz.  106,  22  f.  er  sprach  mit  kurzen  tvorten  sän  sine 
hihte;  Buch  der  Rügen,  Zs.  fda.  2, 92  v.  1646  f.  (zu  den  pre- 
digern)  daz  ir  mit  in  tvelt  reden  iht,  duz  si  nütze  und  kurz- 
lieh;  --  in  der  schule,  in  der  dialektik:  Notker,  Boeth.  3,  57 
(Piper  162,  20)  ddz  sdgeta  ih  före  Idngseimo,  nü  uuile  ih  iz 
liegrifen  chürzUcho:  in  fünf  kurzen  paragraphen,  in  §  54 — 58, 
werden  alle  beweise  zusammengefasst,  die  vorher  von  §  28 — 52 
(s.  141 — 162)  weitschweifig  {Idngseimo)  erörtert  worden  waren; 
Renner  19352  f.  Wer  könde  gröz  wunder  grözer  grtfen  3Iit 
kleinen  tvorten  ivol  hegrifen?  —  im  gesellschaftlichen  leben 
beim  verkehr  mit  vornehmen:  Facetus  LLS.  1,  571,  431  ff.  So 
du  iverhen  soll  hotschaft  Vor  herren,  dar  an  liget  kraft:  3Iit 
tvorten  eben  helle  Soltu  sy  sagen  snelle;  Renner  19960  ktcrze 


ZUM   HILDEBRANDSLIEDE.  275 

rede  mnt  vor  hcrren  tvol;  Wolfenbüttler  siindenfall  3598  ff. 
(vgl.  Heinzel,  Beschreibung  des  geistl.  Schauspiels  s.  186),  bes. 
3603  f.  It  is  der  Jieren  sede,  Se  mögen  niclii  liden  lange  rede] 
Exodus  Diem.  132, 20  Der  eJnmich  im  anturte  mit  luzzelcn 
Worten-,  Dietrichs  flucht  1273  f.  mit  kurzer  anticurt  der  h'inic 
sprach  zuo  den  holen  die  er  saeli\  Gauriel  y.  ]\runtab('l  076  Der 
riiter  Icurzltchen  sprach]  —  kurze  inschrift  (titulus):  Reimer 
18511  dit(  kurzen  worl  ...  an  den  vil  siveren  sUberinen  tiir- 
neiseren;  —  der  dichter  will  sich  kurz  fassen:  Otfrid  2,9,73 
Lang  ist  iz  zi  sagnnne,  ivio  iz  cptimit  al  zisamane;  iz  mag 
man  thoh  irrenton  mit  lurzlichen  worton,  5,  14,  5  Tlwh  ivill 
ih  es  mit  Killen  hiar  luzilin  gizellcn;  AVälscher  gast  (inhaltsver- 
zeiclmis  der  hs.  G)  s.  407,  z.  4  von  unten  Hie  spriche  ich  chürz- 
lichen  (bezieht  sich  auf  v.  4147  ff.),  s.  412,  z.  22  von  oben  Da 
sage  ich  chvrzlichen  (bezieht  sich  auf  v.  9710  ff.):  beide  male 
ist  die  auseinandersetzung  in  eine  anzahl  kurzer  punkte  ge- 
gliedert, s.  413,  z.  4  von  unten  ein  wenige  vorrede]  Rudolfs 
Weltchronik,  Yilmar,  Die  zwei  recensionen  s.  62,  170  f.  daz  ich 
daz  allez  tihten  teil  mit  ivarheil,  doch  kurzliche  u.  ö.;  Meier 
Helmbrecht  26  f.  mit  einer  kurzen  rede  sieht  künde  ich  iu 
daz  mmre]  Mai  und  Beaflor  9, 19  mit  kurzen  tvorten  ich  daz 
sage]  Konrads  v.  Wiirzburg  Silvester  2221 — 2224  durch  daz 
niht  iuwer  herze  trage  urdruz  von  langen  ic orten,  so  ivil  ich 
zallen  orten  hekürzen  niine  rede  alhic]  Renner  5757  f.  3Iit 
kurzen  iv orten  sül  ivir  riieren  Ein  gemeine  rede,  10431  f.  Ein 
dinc  künde  ich  in  allen  Mit  kurzen  tvorten]  vgl.  auch  DWb. 
5,2838.  2850  f.  Der  gegensatz:  frägoda  inan  ...  managon 
uuordon  Hei. 5270  (Kögel,  Grundr.2^,  79  [s.-a.];  Franck,  Zs.fda. 
47, 16,  anm.  2);  feala  icorda  ,scsprcec  ags.  Genesis  271  (aus  der 
as.  Gen.);  Und.  ic ölte  mit  langen  icorten  habe  Geworben  ir 
hotschaft  Renner  14542  f.,  u.  a. 

V.  9 — 11.  Die  namensfrage  gehört  zum  ceremoniell  der 
literarischen  zweikampfschilderungen  (so  auch  im  griechischen 
epos:  Diomedes  und  Glaukos,  Ilias  6, 123).  Auch  im  wirk- 
lichen, täglichen  leben  wird  der  unbekannte  nach  namen,  auch 
geschlecht  und  heimat,  gefragt  uud  für  gewöhnlich  wird  dei- 
aufforderung  sofort  entsprochen.  Statt  vieler  beispiele  für 
diese  sitte  im  alltagsverkehr  sei  nur  verwiesen  auf  den  ein- 
fachen hergang  in  den  Jakobsbrüdern  401  ff.;  im  epischen  stil: 


276  EHRTSMANN 

Beowulf  236  ff.;  Finnsbiirg  24  ff.;  Waltliarius  575.  587  (s.  oben), 
vgl. Kögel,  Gesch.  d.  d.  lit.  2, 303;  ferner  Nibel.  str.  1602  (Bartsch); 
Kudrun  str.  1431— 1436;  Biterolf  10874  ff.;  Rosengarten  (Holz) 
Str.  351;  Thidrekssaga  cap.  437;  im  Eckenlied  str.  75  wird  mit 
nngeschickter  neuerung  die  naniensfrage  auf  die  brünne  über- 
tragen. Ausser  dem  eigenen  namen  handelt  es  sich  um  das 
geschlecht  und  den  namen  des  vaters  im  Beowulf  260  ff.;  Wolf- 
dietrich B  Str.  367 — 369.  Die  nennung  des  vaters  entspricht 
germanischer  sitte,  vgl.  Haduhrant  gimahalta,  Hütibrantes  sunu, 
Bcoicidf  ma])elode,  hearn  Ecgjjeoives,  Sivrit  der  Sigemundes  sun, 
Hagcne  daz  Aldriänes  Jcint;  der  eigene  name  selbst  kann  fehlen: 
hearn  Ec^pcotvcs  =  Beoivulf,  hearn  Healfdenes  =  Hroö^dr, 
Sigemundes  harn  =  Sivrit. 

Bei  der  namensfrage  unterscheidet  sich  die  höfische  sitte 
von  der  germanischen  wesentlich  dadurch,  dass  erst  der  be- 
siegte seinen  namen  sagt,  und  dann  auch  nur  widerstrebend. 
Es  ist  das  zeichen  der  Sicherung,  wodurch  sich  der  unterlegene 
als  vasall  in  die  geAvalt  des  Siegers  begibt,  und  darin  liegt 
eine  entehrung.  Diese  höfische  auffassung  ist  auch  in  einige 
volkstümliche  epen  übergegangen:  Alphart  263  f.  Also  si)rach 
dö  Heime  'nü  saget  mir  imvcrn  namen,  tcerder  ritler  edele: 
desn  dürft  ir  iuch  niht  scliamen'  . . .  1)6  sprach  Alpliart  der 
junge  'es  wcer  niht  guot  getan,  das  mich  des  hetwunge  ein 
einiger  man,  das  ich  im  iemer  seite  se  rcJite  minen  namen, 
teer  min  geslehte  wcere:  des  miiestc  ich  mich  immer  schämen'; 
auch  dem  Witege  weigert  Alphart  sich  zu  nennen '),  str,  222  f., 
und  ausweichend  antwortet  er  dem  Wülfinc  str.  148;  Wolf- 
dietrich  B  str.  367  f.  gerne  müget  ir  hceren  ivie  der  heiser  sprach: 
'du  iverder  degen  Jäiene,  nu  sage  mir  dinen  namen,  das  ich  dich 
müge  erkennen:  des  soltu  dich  niht  schämen!  Do  sprach  Wolf- 
dictrich  'das  tccere  ein  sageheit,  und  solt  ich  von  minem  künne 
so  halde  htm  geseit,  teer  min  vater  ivwre  oder  tvanne  ich  st 
gehorn.'  Der  gefragte  gibt  einen  falschen  nameu  an:  Dietleib 
dem  Sigfrid,  Thidrekssaga  cap.  118,  dem  Dietrich  cap.  124, 
Dietrich  dem  Ecke  cap.  97. 

Im  jüngeren  Hildebrandslied  und  in  dem  entsprechenden 
abschnitt  der  Thidrekssaga  cap.  407  f.   ist   der  Vorgang  der 


')  Namensnenniuig  wird  verweigert:  Kanffmauu,  Balder  s.  198. 


ZUM  .HILDEBRANDSLIEDE.  277 

iiameiisfrage  ganz  verdreht,  beide  mal  in  Zusammenhang;  mit 
der  Umwandlung'  des  ethischen  g-ehaltes,  wodurch  aus  einem 
hochtragischen  ereignis  ein  possig-es  spielmannsstück  geworden 
war.  Im  jüngeren  lied  erfolgt  die  frage  erst  nacli  der  ent- 
scheidung  des  kampfes  wie  im  höfischen  epos,  in  der  Thidreks- 
saga  sind  die  auffassungen  des  älteren  und  des  jüngeren  liedes 
vereinigt,  indem  die  frage  sowol  vor  als  nach  dem  kämpf 
gestellt  wird. 

V.  15 — 20.  Die  exposition  ist  in  einer  *  rück  blickenden 
rede'  (Heusler.  Lied  und  epos  s.  11;  Kauffmann  a.a.O.  s.  175) 
gegeben  und  gehört  als  solche  zum  grundplan  des  situations- 
liedes.  Die  Vorgeschichte  aber,  die  entrollung  des  lebensbildes 
enthaltend,  ist  in  den  vater-sohn-kämpfen  ein  stehendes  motiv 
und  wird  selbst  da  angebracht,  wo  die  Schicksale  des  betref- 
fenden beiden  schon  aus  der  vorhergehenden  erzählung  bekannt 
sind,  wie  z.  b.  im  Wigamur  4050 — 4139,  im  Lai  de  ]\Iilun 
(Busse.  Beitr.  26, 13);  vgl.  aucli  A\'altharius  597  ff.  (oben  s.  271). 
(Notwendig  zur  gegenseitigen  erkennung  der  beiden  beiden  ist 
die  erzählung  der  Vorgeschichte  in  der  Glaukosepisode,  Ilias 
0,  145-231). 

V.  16  alte  anti  fröte  (s,  dazu  die  bemerkung  zu  v.  7.  8) 
sind  'glaubwürdige  zeugen'  (Zacher  in  seiner  zeitschr.  4,  469), 
jene  'glaubhaften  mäuner'  des  germanischen  öffentlichen  lebens, 
die,  ohne  officielle  ämter,  bei  verschiedenartigen  gelegenlieiten 
als  zeugen  zugezogen  werden  konnten,  so  besonders  beim  unter- 
schreiben von  Urkunden,  bei  gerichts Verhandlungen  (A\'aitz, 
Verfassungsgesch.  42,  405),  beim  königsgericht  (Schröder,  D.RG.'* 
385),  die  homines  honi,  xirohi,  vcraccs,  guote  liute^),  im  ags. 
die  icitan  'sapientes,  scniores,  ox)thnutes\  Jxßm  ieldstan  nitum 
'seniorum  sopientum'  {ßd\m\^,  Gesetze  der  Angelsachsen  s. 678  f., 
s.  oben  s.  267,  anm.  1).     Sie   waren   die   träger  jeglicher   über- 


')  Das  ist  die  schar  der  guten  mäiiner  im  Musp.  87  f.  dennc  stet  dar 
iimpi  euffilo  meni'gi,  gnotero  (jomöno,  vg'l.  Waitz  a.a.O.  anm.  5:  cum-  ihi 
residcrent  missi  et  judiccs  vel  pJures  bonis  hominihiis.  Wenn  im  .Mnsi»!!!! 
ausdrücklich  heschrieben  wird,  dass  der  richter  sitzt,  die  guteli  niänner  aber 
stehen,  so  ist  dazu  die  altsächsische  sitte  zu  vergleichen,  wie  sie  im  Heliand 
niedergelegt  ist:  Pilatus  als  richter  sowie  die  urteiler  sitzen,  aber  die  volks- 
gemeinde  steht  (der  umstand),  vgl.  Lagenpusch,  Das  german.  recht  im  He- 
liand s.  44  ff. 


278  EHRISMANN 

lieferung-,  besonders  auch  im  rechtsleben  (vgl.  Eikes  prolog 
zum  Sachsenspiegel,  Home.yer  1,  130.  151  —  153.  201 — 211). 
Mit  dem  ganzen  vers,  alte  anti  fröte,  dca  erhina  ivärun,  ist 
zu  vergleichen  die  ags.  forme!  ivise  eac  ivceron  on  ^edr- 
dasum  ivoroldivitan  Schmid  s.  386, 24 ,  auch  cerran  ivorld- 
ivisan  s.  248, 43,  ])d  witan  pe  sidÖan  ivderon  Eadward  Prol. 
s.  118;  diese  ivitan  sind  gesetzgeber  früherer  zeiten,  demnach 
verstorbene.  Zu  der  formel  in  epischer  Verwendung  vgl.  Beow. 
2G5  f.  liine  gearwe  geman  ivitena  ivel-htvylc  tvide  ^eond  eoröan; 
Öces  ne  ivendon  cer  ivitan  Scyld'msa  11^,  Stvylce  oft  hemearn 
cerran  mcelum  swidferMes  siÖ  snotor  ceorl  monig  901 1;  im 
zeugenbeweis:  Otfr.  1, 17,  27  So  scribim  uns  in  lante  man  in 
ivorolti  alte. 

Diese  erfahrenen  zeugen  sind  im  vorhergehenden  verse, 
V.  15,  noch  näher  bezeichnet  als  üsere  liuti.  Möllers  conjectur 
(Zur  ahd.  alliterationspoesie  s.  91  f.)  swäse  hat  viel  für  sich 
in  hinsieht  auf  Wihträds  gesetz  4,  wo  sivdese  mcen  genannt 
werden  als  'eigene,  zum  volk  gehörige  leute',  Volksgenossen, 
im  gegensatz  zu  celpeodige^)  mcen  (Schmid  s.  16);  im  Heliand 
201  ff.  Thö  föriin  iliar  uuise  man,  snelle  tesamne,  tltea  suä- 
sostiin  mest  sind  es,  mit  engerem  begriff,  die  sippegenossen, 
weise  leute  {uutse  man  201,  en  gifrödot  man,  the  so  filo  Consta 
uutsaro  uuordo,  hahde  giuuit  mikil  208  f.,  the  frödo  man,  the 
thar  Consta  ßo  mahlian  225),  in  rat  und  ansehen  eben  die 
'horaines  boni'.  Diese  niänner  nun  sind  hier  im  Heliand  zeugen, 
die  bei  der  namengebung  Johannes  des  täufers  zugegen  sind, 
im  Hildebrandsliede  aber  handelt  es  sich  ebenfalls  um  den 
namen,  und  so  wird  man  wol  annehmen  dürfen,  dass  der  dichter 
mit  den  alten  und  erfahrenen  leuten,  auf  deren  zeugnis  er  sich 
beruft,  hier  in  erster  linie  die  tauf  zeugen  im  äuge  hatte.  — 
Swäse  liuti,  oder  mit  derselben  bedeutung  tisere  liuti,  sind 
ferner  das  nämliche  wie  die  lantlüte  des  Sachsenspiegels,  'ein- 
gesessene eines  landes,  gerichtsbezirks,  namentlich  in  betreff 
ihrer  politischen  und  sonstigen  gerechtsame  (Hildebrand 
bei  Weiske,  Sachsenspiegel 5  s.  153);  in  der  Schweiz:  'das  wort 
ist  im  politischen  leben  ehrenvolle,  stehende  anrede',  Schweizer 


')  Man  muss  in  betraclit  ziehen,  wie  streng  in  den  germanischen  ge- 
setzen  zwischen  Volksgenossen  und  stammfremden  unterschieden  wird. 


ZÜM.HIT.DEBRANDSLIEDE.  279 

Idiot.  3, 1522;  'landstände',  vgl.  Sclimeller-Fr.  1,  U84  f.;  Lexer 
1, 1825.  —  Die  beiden  verse  15  und  42  mit  der  formel  cht 
sagf'hm  nn  (^iöller  a.a.O.;  Kögel,  Lit.-o-esch.  1,  77.  216)  stehen 
in  innerer  bezieliung  zusammen:  dort  werden  zur  beurkundung 
einer  der  lieiniat  zuständigen  saclie  auch  heimische  zeugen 
beigezogen,  Hildebrands  tod  aber,  der  in  der  fremde  statt- 
gefunden haben  soll,  muss  von  auswärtigen  leuten  beglaubigt 
werden. 

Y.  20  her  furlacf  in  Jnnfe  Inttila  sitten  u.  s.  w.  Die 
Salomonischen  formein  geben  unter  no.  8  (Zeumer,  Mon.  Germ. 
Form.  1, 401)  eine  besondere,  für  solche  fälle  giltige  Vorschrift 
'liarta  illins,  qui,  in  bellum  profecturus  vel  tthicumqne, 
mairem  cum  uxore,  cum  filio  vel  filia  parvula  reliqucrit. 
—  /«  laute,  das  g-egenteil  ist  ur  lernte  50.  in  lante  ist  eine 
von  Otfrid  häufig  gebrauchte  formel,  und  zwar  fast  immer  im 
g-egensatz  zu  einem  andern,  entfernten  land.  So  auch  hier: 
he)-  furlaet  in  lante ...  —  her  raet  östar  hina. 

V.  23  f.  sid  Bctrihhe  darhä  gistiiontun  fateres  mines:  vgl. 
Otfrid  1, 16,5  Sid  si  tharhen  higan  thes  Hohes  zi  iro  gomman, 
wo  die  bedeutung  'entbehren'  sicher  steht.  In  diesen  worten 
liegt  eine  hindeutung  auf  die  zukunft.  Die  dreifache  Steigerung 
V.  23  —  29  —  43  f.:  sid  Betrthlie  darhä  gistiiontun  fateres 
mines  —  ni  ivuniu  ih  iü  lih  hahhe  —  tot  ist  Hlltihrant  ist 
von  dramatischer  Wirkung  (vgl.  auch  Feussner,  Die  alliterie- 
renden ältesten  dichtungsreste  s.  27). 

V.  24  dat  Ullas  so  friuntlaos  man  (Hildebrand)  ist  stilistisch 
aufzufassen  wie  die  ags.  emphatischen  halbverse  öcet  ivces  göd 
cijnins  Beow.  863.  2390,  öoit  ivces  an  cijning  1885,  dmt  ivces 
mödi^  sec^  1812,  öa^t  tvces  ^eomiiru  idcs  1075,  dcet  w(bs  srim 
cyning  Deor  23.  —  so  ist  verstärkend  wie  Musp.  40  khenfun 
sint  so  Jcreftic,  diu  Msa  ist  so  mihhil,  63  Fidiu  ist  demo 
manne  so  guot\  zu  Otfrid  s.  Pipers  glossar  431. 

Y.  26  dechisto  wird  von  Kögel,  Lit.-gesch.  1,  219  zu  ahd. 
kideht  devotus  (H)  gestellt:  vgl.  Gensimundiis  ...  tanta  se 
Amalis  devotione  coniunxit,  Miillenhoff,  Zs.  fda.  12,  254. 

Mit  V.30  beginnt  der  zweite  teil  des  dialogs.  Namens- 
frage und  antwort  des  ersten  teils  verlaufen  in  einfach  berich- 
tendem tone,  jetzt  aber  wird  die  innere  bewegung  zur  erregung 


280  EHRISMANN 

und  drängt  nach  aussen;  auf  ruliig'e  Zwiesprache  folgt  leiden- 
schaftlicher wortstreit.  Die  nun  folgenden  gesprächsglieder 
sind  auch  auf  einem  besonderen  boden  erwachsen:  die  grund- 
lage  der  entwicklung  bildet  jetzt  der  altdeutsche  rechtsstreit. 
Dieses  liegt  in  dem  wesen  des  Stoffes,  denn  kämpf  und  prozess 
waren  den  Germanen  gleichstehende  begriffe;  der  germanische 
prozess  wurde  als  kämpf  aufgefasst,  die  Verhandlung  der  Par- 
teien war  ein  wortkrieg. 

Das  altdeutsche  prozess  verfahren  zerfällt  in  drei  teile: 
klage,  antwort  des  beklagten,  urteil;  auf  die  antwort  des  be- 
klagten kann  aber  noch  replik  und  duplik  folgen,  worauf  dann 
also  das  urteil  erst  hinter  diese  tritt.  Dieses  ist,  wenn  nicht 
endurteil,  ein  zweischneidiges  urteil,  dessen  beweis  durch  ge- 
richtlichen Zweikampf  erbracht  w^erden  kann,  der  durch  die 
herausforderuug  (kampfgruss)  eingeleitet  wird. 

Genau  in  dieser  entwicklung  verläuft  der  zweite  teil  des 
dialogs  im  Hildebrandsliede: 

I.  V. 30 — 32  ist  die  klage  (Hildebrand); 
IL  V.  36 — 44  antwort  des  beklagten  (Hadubrand); 

III.  V. 49— 57  replik  des  klägers  (Hildebrand); 

IV.  V.  46—48  +  58—62  kampfgruss  (Hadubrand)  und  er- 

widerung  (Hildebrand); 
V.  V.  63  —  schluss:  beweis  durch  das  gottesurteil  des  Zwei- 
kampfs. 

I,  V.  30— 32  die  klage.  Hildebrand  klagt  seinen  gegner 
an,  dass  er  das  verbrechen  des  verwantenmordes  begehe.  Der 
kläger  muss  die  Wahrheit  seiner  aussage  beteuern.  Das  Decr. 
Tass.  IV,  6  schreibt  vor:  Extendanms  dexteras  nostras  adjustum 
Judicium  Dei;  et  timc  manus  dexteras  utrique  ad  caelum  ex- 
tendant  >)  (Sohm,  Der  process  der  Lex  Salica  s.  148).  Die  be- 
teuerungsworte  sind  hier:  Wettu  irmingot  ohana  ah  hevane. 
Die  von  dem  irmingot  (Braune,  Beitr.  2L  1  ff.)  vertretene  ur- 
sprünglich heidnische  gottheit  ist  der  Mars  Thingsus,  der  gott 


^)  Gesten  köuueii  durch  den  vortragenden  Scop  wol  niclit  gemaclit 
worden  sein,  da  dessen  bände  mit  dem  schlagen  der  harfe  beschäftigt 
waren.  Denkt  man  sich  den  Vorgang  dramatisiert  (vgl.  KauiTmann  a.  a.  o. 
s.  176),  dann  muss  die  handbeweguug  gegen  den  Irmiugott  zum  himmel 
gerichtet  gewesen  sein.  —  Zur  symbolischen  gebärdensprache  im  ahd.  s. 
Muspilli  91  dar  scal  demie  hant  sprehhan,  hou^it  sagen. 


ZUM   HILDEBRANDSLIEDE,  281 

des  kampfes  und  des  gerichtes.  In  ah  hevane  liegt  die  Vor- 
stellung-, dass  die  gottlieit  leibhaftig  vom  liimmel  herunter  dem 
sie  anrufenden  zur  Seite  tritt. 

\.  31  f.  dat  da  neo  dana  halt  dinc  ni  gileifös  mit  sus  sippan 
ma)h  Die  juristische  formel  dinc  leitön  fällt  bei  dieser  Situa- 
tion begrifflich  zusammen  mit  'einen  Zweikampf  ausfechten'. 
gileiius  hat  den  sinn  und  die  bildung  eines  futurum  exactum. 
Der  satz  heisst  also:  ich  beteure  es  bei  gott,  dass  du  niemals 
(trotzdem  du  mich  gestorben  meinst,  vgl.  Jellinek,  Zs.  fda.  37, 
20  ff.)  mit  einem  so  nah  verwanten  mann  einen  Zweikampf 
geführt  haben  wirst.  Zukunft  und  Vergangenheit,  welche  in 
dem  futurum  exactum  vereinigt  sind,  lassen  sich  also  hier 
etwa  folgendernuissen  umschreiben:  wenn  du  jetzt  diesen  ge- 
richtsstreit  führen  (=  kämpfen)  wirst,  wird  dieses  ein  gerichts- 
streit  (=  kämpf)  sein,  wie  du  ihn  nie  mit  einem  so  nah  ver- 
wanten gekämpft  hast.  Dem  ganzen  satz  30—32  steht  im 
ausdruck  nahe  Witigs  schlussrede,  Thidrekssaga  cap.  333. 

V.  32  mit  sus  sippan  man.  Es  war  gesetzlich  bestimmt, 
dass  blutsverwante  nicht  mit  einander  kämpfen  sollen :  Sachsen- 
spiegel 1,  63,  3  hamplies  mac  oucJi  ein  man  sine  mäye  heivaren. 
ab  si  beide  sine  mäge  sin  . . .  daz  si  also  näh  gemäge  sin,  das 
si  durch  recht  zu  samene  nicht  rechten  suln;  Schwabenspiegel 
350,21  (Wackernagel  s.311);  Richthofen,  Altfries,  wb.  s.  1053b 
ther  (zwischen  den  nächsten  verwanten)  ne  mi  nen  stef  tha 
neu  strid  tivisk  risa,  vgl.  857  b  wellath  holda  ther  fore  kenipa 
and  hit  urliase.  Kampf  mit  verwanten  oder  freunden  ist  einer 
der  ärgsten  frevel,  darum  der  w^heruf  Hagens  sul  wir  tnit 
friunden  striten,  daz  st  got  geJcleit!  Nib.  2200,  3  (Bartsch),  und 
der  kämpf  mit  Ither  und  dessen  erschlagung  war  eine  der 
grossen  irrungen,  die  Parzival  die  lange  herzenspein  bereiteten 
(Parz.  475,  21.  23).  Yerwantenmord  als  todsünde  auch  Beow. 
588—590. 

V.  33 — 35  entspricht  dem  aussöhnungsversuch  von  selten 
der  verletzten  partei.  Die  gäbe  ist  bei  der  commendation  ein 
Symbol  von  Seiten  des  herrn,  wodurch  er  den  mann  in  sein 
schütz-  und  dienstverhältnis  aufnimmt.  Hildebraiid  der  vater 
deutet  dadurch  an,  dass  er  den  söhn  in  seine  munt,  sein  schutz- 
recht aufnehmen  und  ihn  als  glied  der  sippe  anerkennen  will. 
hi  huldl  heisst  also  'als  zeichen  meiner  huld,  als  zeichen  dass 


282  EHRISMANN 

icli  dir  meine  huld,  meine  väterliclie  munt  gewähre'.')  — 
Hadubrant  antwortet  auf  die  gäbe  mit  dem  rechtsspricliwort 
(Kögel,  Lit.-gesch.  1,  77.  2,  227)  tnit  gern  scal  mcm  geha  infähan 
V.  37.  Auf  den  hier  zu  gründe  liegenden  rechtlichen  Vor- 
gang leitet  das  in  der  Novaleser  chronik  überlieferte  beispiel 
dieser  formel  (vgl.  auch  Wigalois  13,  8  ff.),  w^o  die  dem  liango- 
barden  Algis  auf  dem  Speere  dargebotenen  armspangen  ein 
geschenk  Karls  des  grossen  sind.  Eechtsbegrifflich  liegt 
also  eine  Schenkung  vor,  und  in  der  tat  ist  die  rechtliche 
form  der  Schenkung  darreichung  und  annähme  der  gäbe  auf 
Schwert-  oder  speeresspitze  (v.  Amira  in  Pauls  Grundrisse  II, 
2,  187). 

II.  V.  36 — 44  die  antwort  des  beklagten,  Hadubrands. 
Sie  bestellt  in  der  ableugnung  des  klageinhalts:  ich  begehe 
keinen  frevel  durch  verwautenmord ,  denn  du  bist  nicht  mein 
vater.  Dafür  dass  Hildebrand  tot  sei,  zieht  er  zeugen  bei  v.  42  f. 

V.  38—41.  Der  Vorwurf  der  list  begegnet  öfter  in  germ. 
Zweikämpfen  (s.  oben  Waltharius,  Alphart  str.  132f.  u.ö.). 

V.  41.  Zu  der  syntaktischen  form  des  doppelten  so,  also 
. . .  so  (vgl.  Lachmann  s.  434)  ist  auch  das  stud — stvci  'wie  —  so' 
oder  'so  —  wie'  der  ags.  eidesformeln  beizuziehen  (mit  endstel- 
lung  des  verbums):  swd  ic  orfhcehhe,  sivd  ic  hit  mid  rihte  hejeat 
U.S.W.  Sclimid,  Gesetze,  anhang  x  (s.  406)  cap.  3,  stvd  ic  her  N. 
an  södre  s^^vitncsse  stände  . . . ,  stvd  ic  mid  minum  e^tmi  ofer- 
seali . . .  öcßt . . .  cap.  8  (andere  beispiele  in  cap.  2  [s.  404],  cap.  10 


^)  Ein  ähnlicher  gedanke  liegt  wol  auch  der  darreichung  des  Schildes 
von  Eüdeger  au  Hagen  Nibel.  2194—2201  (B.)  zu  gründe.  Wie  Hildebraud 
dem  söhne  das  kleinod  gehen  will,  um  ihn  von  dem  unnatürlichen  kämpfe 
abzuhalten,  so  reicht  Eüdeger  seine  gäbe  (2197,  3.  2198,  2.  2199,  3.  2201, 1), 
den  Schild,  Hagen,  um  ihn  dadurch  symbolisch  in  seinen  frieden  aufzunehmen. 
Dieser  verspricht  denn  auch  duz  nimmer  inch  genieret  in  airite  hie  min  liant 
2201,  3.  Dass  in  dieser  stelle  zwei  sich  widerstreitende  ideen  kreuzen,  die 
nicht  ursprünglich  neben  einander  gegangen  sein  konnten,  muss  mau  aus 
2201,  2—4  folgern,  denn  Hagen,  der  unbedingt  treue  vasall  der  Burgundeu- 
könige,  kann  sich  nicht  in  ein  huldverhältnis  zu  Eüdeger  begeben,  das  ihn 
zu  der  felonie  verleitet,  zu  sagen,  wenn  ihr  auch  alle  Bürgenden  totschlüget, 
so  würde  ich  doch  keine  band  gegen  euch  rühren  (vgl.  hierzu  Kettner,  Die 
Österreich.  Nibelungendichtung  s.  189).  —  Die  anerbietungen  des  Waltharius 
V.  662.  1262  (s.  oben  und  Kögel,  Grundriss  2',  181.  2^85  S.A.)  bedeuten 
lediglich  loskauf;  von  laddi  ist  keine  rede. 


ZUM .  HILDEBRANDSLIEDE.  283 

und  anh.xi  rechtsform el  [s.408]).')  Daraus  erklärt  sich  denn  auch 
das  u'ä-s6  der  schwäb.  trauformel  (MSD.  no.  xcix  und  anm.  zu 
z.  3)  =  'so-Avie';  ^l'a  ist  hier  also  entstellt  aus  >sw7i  'so'  oder 
'wie',  das  im  ahd.  sonst  nicht  belegt  ist.    Vgl.  auch  ]\tusp.  89  f. 

III.  V.  49 — 57  replik  des  klägers  (Hildebrand).  Für  ge- 
wöhnlich schliesst  mit  der  antwort  des  beschuldigten  die  Ver- 
handlung der  Parteien  ab,  doch  kann  auch  noch  ein  wider- 
legungsversuch  des  klägers  eintreten,  wie  z.  b.  in  Konrads  von 
Würzburg  Schwanritter  430  ff.  (R.  SchriJder.  Zs.  fda.  13, 142  f.). 
Dies  ist  auch  in  unserni  liede  der  fall.  ]\Iit  der  Zurückweisung 
von  Hildebrands  versöhnungserbieten  durch  Hadubrand  war 
eigentlich  die  Verhandlung  abgeschlossen,  aber  jener  macht 
noch  einmal  einen  versuch  zu  friedlicher  lösung.  Seine  Wider- 
rede besteht  aus  drei  teilen: 

1.  V.  49.  In  der  replik  fällt  dem  kläger  die  beruf ung  auf 
wissende  anheim  (Siegel,  Gesch.  d.  d.  gerichtsverfahrens  s.  142) ; 
Schwanritter  a.a.O.  v.433ff.  {die  hrieve  und  der  hantvesten  hraft). 
Die  Zeugenberufung  ist  hier  in  die  form  eines  gerüftes  ge- 
kleidet (über  das  gerüfte  vgl.  Grimm,  RA.  876.  878.  4.  aufl.  2, 
517—519;  Schröder,  D.RG.^  37.  77  f.  88;  Brunner,  D.RG.2, 481  f.), 
denn  v.  49  ist  ein  solches.  Welaga  ist  ein  gerüftewort,  wie 
aus  der  Verbindung  unoJago  unafane  Ahd.  glossen  1,  637,  20 
hervorgeht.  Angerufen  als  zeuge  wird  der  waltant  got.  We- 
wurt  geschieht  dadurch,  dass  Hadubrand  den  aussöhnungs- 
versuch  zurückgewiesen  hat.  Wcivurt  ist  nicht  "welischicksar 
im  allgemeinen,  sondern  speciell  wehtat,  Übeltat,  verbrechen; 
ags.  icyrd  bedeutet  nicht  nur  Schicksal,  sondern  auch  tat,  er- 
eignis,  ahd.  ghvurt  nicht  nur  angenehmes  Schicksal,  sondern 
auch  ein  angenehmes  ereignis  und  die  freudige  empfindung 
darüber.  Uebeltat  im  engern  sinne  ist  mordtat,  wie  got.  tvai- 
dedja  =  mörder  ist.  Der  satz  ist  also  ein  klageruf,  wie  er 
ausgestossen  Avird,  wenn  ein  mörder  auf  handhafter  tat  ertappt 
wird.  Ein  beispiel  aus  dem  wirklichen  leben  gibt  Ruodlieb 
Till,  16 f.  (Seiler)  'Hie'  ait  'est'  rector  'miserabills  utique 
rumor,  Quod  sit  percussus,  quo  non  melior  fuit  uJlus'. 


*)  Aehnlich  in  den  ags.  zaubersegen,  z.  b.  Greiu-"\\'ülcker  1, 1,  320  v.  11 
u.  ö. ;  im  zweiten  Merse1)urger  Zauberspruch  sose  (=  sösö)  —  so  so  —  wie  : 
söse  benrenkf,  sose  hluoirenki,  sose  lidirenki  ....  —  sose  (=  so  si)  gelimida 
$in.    Dieses  so  —  so  gehört  also  zum  syntaktischen  bestand  solenner  formein. 

Beiträge  ziir  geschichte  der  deutschen  Sprache.     XXXII.  \(J 


284  EHRISMANN 

2.  V.  50 — 54  klage  Hildebrands  über  das  furchtbare  ge- 
schick,  das  bevorsteht.  Sie  ist  ein  mahnruf  an  das  herz  des 
Sohnes.  Aut  rührung  berechnete  klagen  gehören  zum  festen 
bestand  des  epischen  stils,  ihnen  fällt  die  aufgäbe  zu,  die 
Seelenstimmung  auszumalen  und  der  harten  handlung  einen 
warmen  gefühlston  einklingen  zu  lassen.  —  V.  50—52  tragen 
das  gepräge  eines  gelfs,  eines  selbstruhms.  Als  recke  stellt 
sich  der  alte  dar  und  legt  sich  damit  einen  besondern  ehren- 
titel  bei,  wie  Sigefer}?  im  kämpf  um  Finnsburg  26  ff. 

V.51  sceotantero.  Kögel  ist  geneigt  (Lit.-gesch.  1,213.  223), 
diese  truppe  für  fusskämpfer  zu  halten  auf  grund  von  Tacitus 
Germ.  cap.  vi,  aber  die  dort  geschilderten  pedites  sind  ex  omni 
juventute  auserwählt  (vgl.  bes.  Müllenhoff,  ü.  altertumsk.  4, 174), 
was  auf  den  alten  recken  nicht  passen  würde.  Die  sceotend 
waren  sicher  beritten,  der  lield  des  germanischen  epos  ist  über- 
haupt nur  als  reiter  zu  denken.  Ihre  waffe,  nach  der  sie 
'schiesser'  genannt  wurden,  kann  nur  der  ger,  die  lanze  ge- 
wesen sein  (Meissner,  Zs.  fda.  42,  125  ff.),  nicht,  wie  Artur 
Köhler,  Germ.  13, 148  f.  erklärt,  der  bogen.  Hervorragend  tüch- 
tige krieger  waren  es  jedenfalls,  die  in  der  schlacht  einen 
wichtigen  posten  bekleideten.  Solche  erwägungen  führen  zu 
jener  auserwählten  schar,  welche  dazu  bestimmt  war,  den 
feind  im  anlauf  über  den  häufen  zu  werfen  und  durch  die 
wucht  ihrer  lanzen  das  feindliche  beer  zu  durchbrechen  (Procop 
IV,  32),  Diese  taktik  verfolgten  z.  b.  die  Goten  in  der  schlacht 
bei  Taginä,  nur  allzu  einseitig,  was  ihren  Untergang  herbei- 
führte (H.  Delbrück,  Geschichte  der  kriegskunst  2,  1,  374  ff.). 
Ein  prachtvolles  bild  eines  solchen  angriffs  germanischer 
reiterei  gibt  Ammianus  Marcellinus  XXI,  12, 20  ff.  (Delbrück 
a.a.O.  s.  2741).  Also  Vorkämpfer  wie  ags.  frum^dr  frum^dra 
(vgl.  dazu  bes.  Ags.  Genesis  2052.  2116),  was  dann  widerum 
passt  zu  den  worten  Hadubrands  her  tvas  eo  folches  at  ente  27. 
Und  aus  ihnen  mag  auch  wol  die  berittene  leibAvache  des 
fürsten  (Beow.  703)  gebildet  worden  sein  (Delbrück  s.  426). 

scerian  ist  zunächst  der  technische  ausdruck  für  ausheben 
zum  auf  gebot,  vgl.  Waitz,  Verfassungsgesch.  4-,  612  'scariti 
bezieht  sich  allgemein  auf  die  aufgebotene  mannschaft',  Du 
Gange  VII,  339c  'in  scaras  conscriptus  et  distributus'. 

3.  V.  55 — 57.    Die  beweismittel  sind  erschöpft,  das  gerüfte 


ZUM.  HILDEBRANDSLIEDE.  285 

musste  ins  leere  verhallen  und  mit  rührenden  worten  bloss 
konnte  Hildebrand  keinen  erfolg  mehr  erhoffen.  Den  letzten 
versuch,  den  solin  vom  kämpfe  abzuhalten,  macht  er,  indem 
er  ihn  an  das  göttliche  gesetz,  an  das  recht  mahnt,  ibii  du 
dar  enw  reht  liabes,  vgl.  Kauffmann  s.  150;  Franck,  Zs.  fda. 
47,  34.  Mit  der  berufung  auf  das  recht  schliesst  auch  Walther 
den  wortstreit  mit  Scaramund  v.  702 — 704,  vgl.  auch  ags.  A\'al- 
dere  B  25  ff.  (s.  oben),  ebenso  die  herzogin  von  Bouillon  ihre 
replik,  das  ivir  helmltcn  itnser  habe,  die  man  uns  liie  ivil  brechen 
übe  geivaltecliche  %ind  eine  reht  Schwanritter 479 — 481  (Zs. 
fda.  13, 143). 

V.  55  ibu  dir  diu  eilen  taoc,  v.  57  ibu  du  dar  enic  reht 
habes:  beide  bediugungen  scheinen  unvereinbar  zu  sein,  denn 
das  recht  ist  seinem  wesen  nach  von  der  körperlichen  tiichtig-- 
keit  unabhängig;  wenn  auch  die  kraft  Hadubrands  taugt,  so 
braucht  er  doch  damit  nicht  auch  das  recht  für  sich  zu  haben. 
Der  Widerspruch  liegt  in  der  reclitlich  unvollkommenen  natur 
des  zweikampfurteils  überhaupt,  indem  hier  "der  physische 
kämpf  zum  rechtsinstitut'  geworden  war  (v.  Amira^  s.  217). 
Der  Zweikampf  war  eben  ursprünglich  'ein  machtstreit'.  Diesem 
Zwiespalt,  der  im  gottesgericht  als  rechtsbeweis  liegt,  verleiht 
der  dichter  unwillkürlich  und  unbewusst  ausdruck  dadurch, 
dass  er  diese  beiden  bedingungen  gleichwertig  neben  einander 
stellt.  Mit  der  ersten,  ibu  dir  din  eilen  taoc,  hat  er  ohne 
weiteres  und  nur  formelhaft  ein  heidnisches  Sprichwort  auf- 
genommen (Kögel,  Grundrisse  s.  80,  s.-a.),  denn  heidnisch  ist 
der  glaube,  dass  dem  starken  das  glück  hilft:  Wyrd  oft  nereÖ 
unfcepie  eorl,  donne  Ms  eilen  dcah  Beow.  5721;  im  Andreas 
459  f.  nur  äusserlich  ins  christliche  übertragen,  indem  bloss 
'gott'  für  'Schicksal'  eingesetzt  ist:  äcet  nwfre  forlceted  lif sende 
god  eorl  on  eoröan,  gif  his  eilen  deah  (J.  Grimm,  Andreas  und 
Elene  s.  xlii).  Christlich  ist  die  anschauung  von  der  zum  sieg 
tauglich  machenden  kraft  nicht,  und  darum  ist  es  nur  folge- 
richtig, wenn  die  kirche  dem  gerichtlichen  Zweikampf  nicht 
geneigt  war  (vgl.  besonders  Waitz,  Verfassungsgesch. 42,428  f.).  •) 

Y.  55.  56  aodlihho  . . .  hcremo  (vgl.  Franck,  Zs.  fda.  47,  34) : 


1)  Hierher  gehören  besonders  des  Agobardus  von  Lyon  Streitschriften 
Ad  versus  legem  Gundobaldi  und  De  divinis  sententiis,  vgl.  Ebert,  Gesch.  d. 
lit.  d.  ma.  2, 213  ff.  u.  Reuter,  Gesch.  d.  religiösen  auf  kläruug  im  nia.  1,24—30. 

19* 


286  EHRISMANN 

wenn  dir  deine  kraft  taugt,  vor  allem  aber:  wenn  du  das 
recht  für  dich  hast,  dann  kannst  du  leicht  an  einem  so  alt- 
ehrwürdigen mann  den  sieg  gewinnen.  Leicht  wird  dem 
jungen  der  sieg  nicht  etwa  werden,  weil  er  in  seiner  jugend- 
kraft  dem  alten  naturgemäss  überlegen  ist,  sondern  nur  dann, 
wenn  die  beiden  bedingungen  eintreten,  die  in  den  Sätzen  mit 
ihn  ausgesprochen  sind,  besonders  die  zweite,  welche  die  erste, 
rein  formelhafte,  eigentlich  überflüssig  macht.  Mit  heremo  be- 
zeichnet sich  also  Hildebrand  nicht  als  alten  und  schwächeren 
mann,  der  an  kampfkraft  dem  jungen  nachsteht.  Eine  solche 
auffassung  würde  ganz  dem  geist  germanischen  heldentums 
widersprechen.  Im  gegenteil,  es  liegt  in  heremo  noch  ein 
nachklang  jener  von  stolzem  Selbstgefühl  getragenen  recken- 
worte  V.  50 — 52:  ein  altehrwürdiger  mann  von  so  heldenhafter 
Vergangenheit  (vgl.  O.Schroeder,  Bemerkungen  zum  Hildebrands- 
liede  s.  26).  Kraft  und  Selbstvertrauen  sind  die  tugenden  dieser 
menschen  von  der  kindheit  bis  zum  greisentum.  Noch  der 
totalte  Beowulf  will,  als  er  zum  letzten  heldengange  schreitet, 
fehde  suchen  und  ruhmestat  vollbringen  (v.  2512  ff.);  und  Wal- 
dere  fordert,  obwol  vom  kämpfe  ermüdet  (B 17),  doch  den  gegner 
trotzig  heraus  zu  weiterem  ringen,  auch  er,  wie  Hildebrand, 
im  letzten  gründe  nur  vor  der  siegbestinimenden  kraft  des 
rechts  sich  beugend. 

IV.  V.  46 — 48  kampfgruss.  Die  entscheidung  ist  vom  vater 
dem  söhn  zugeschoben  worden.  Schon  in  der  sage  ist  es  be- 
gründet, dass  es  zum  kämpf  kommen  und  darum  Hadubrand 
die  herausf Order ung  übernehmen  muss.  Er  tut  dieses  mit  dem 
kampfgruss  (vgl.  v.  Amira^  s.  218;  der  angeklagte  besonders 
hat  das  recht  auf  Zweikampf,  Waitz,  Yerfassungsgesch.  4^,  429  f.). 
Die  verse  46 — 48  also  enthalten  die  reizung  zum  kämpfe  und 
bilden,  der  sitte  gemäss,  eine  hohnrede.  Der  herausf  orderer 
knüpft  an  ein  bedeutungsvolles  wort  der  letzten  rede  seines 
gegners  an,  hrusti,  und  macht  dieses  zu  seinem  reizwort, 
daraus  entwickelt  er  den  spott,  dessen  spitze  darin  liegt,  dass 
er  gerade  das,  was  den  stolz  des  andern  ausmacht,  sein  recken- 
tum,  ins  lächerliche  zieht  (v.  47  f.  sind  antwort  auf  v.  50  f.  und 
auf  V.  56). 

An  der  rüstung  erkennt  man  den  recken.  Auch  der 
Wächter  der  Dänen  sieht  an  der  trefflichen  bewaffnung  Beo- 


ZUM   HILDEBRANDSLIEDE.  287 

wulfs  und  seiner  leute,  dass  sie  nicht  for  ivrmcsidum,  weil  sie 
den  weg  der  Verbannung-  beschritten,  den  Hrodgar  aufsuchten 
(Beow.  338  f.). 

Die  reizrede  ist  die  gewöhnliche  form  der  herausf orde- 
rung in  der  germanischen  heldendichtung.  Unmittelbar  ilir 
gleichgesetzt  ist  sie  an  verschiedenen  stellen  bei  Saxo:  nirsiim 
Ilaquini  pugilis  adhortacione  ])erstrictus,  prouocantis  nece 
ulcionem  irritate  quietis  exegit  II,  Holder  s.  50;  Vffo  siqtiidem 
filinm  regis  ad  secum  auidkts  decernendum  hortatus  u. s. w., 
und  später:  regis  fdium  ad  idcionem  interfecti  ...  impensio- 
ribus  ncrhis  sollicitat  IUI,  Holder  s.  116;  aduersarios  prius 
dictis  quam  armis  contemncndos  putahat;  liostes  coniminus 
aditos  prisüne  prouocacionis  uerhis  lacessere  insÜtit  III, 
Holder  s.  184;  vgl.  Nib.  2267,  2  (B.)  ir  endurfet  uns  nilit  reisen, 
Walth.  1260  Iwc  abscidc  nefas  neu  hella  lacessas;  auch  703. 

Eine  besondere  Zuspitzung  bekommt  die  reizrede  durch 
das  reizwort.  In  einem  bestimmten  Stichwort  drängt  sich 
gleichsam  der  ganze  verrat  von  witz  zusammen,  den  der 
herausforderer  auf  seinen  gegner  loslässt  und  worauf  dieser, 
so  gut  er  kann,  zu  parieren  sucht. 

Mannigfaltig  wie  die  kämpfe  selbst  sind  auch  die  vor- 
bereitenden reden  im  Walthariuslied  stilisiert  (s.  oben  s.  271). 
Xacli  dem  muster  eines  prozesses  verläuft  der  Zweikampf 
zwischen  "Walther  und  Kamalo:  1.  klage  (Kamalo)  616 — 648. 
652;  2.  antwort  (AValther),  loskauf sversuch  654—663;  3.kampf- 
gruss  (Kamalo)  665—667;  4.  annähme  des  Zweikampfs  (Walther) 
672.  Eine  einfachere  form  stellt  der  wortstreit  zwischen  Wal- 
ther und  Skaramund  dar,  wo  auf  klage  (Skaramund)  699 — 701 
und  antwort  (Walther)  702 — 704  sofort,  ohne  kampfgruss,  der 
Zweikampf  705  folgt.  Nur  in  reizreden  wird  die  Zwiesprache 
geführt  zwischen  Walther  und  Eckifrid  761 — 765,  mit  drei- 
maligem Stichwort  faunus  {faunus  763,  fauna  pliantasma  769, 
silvanus  faunus  lli),  und  ebenso  die  folgende  zwischen  Wal- 
tharius  und  Hadaward,  eine  Steigerung  der  vorhergehenden 
mit  dem  viermaligen  Stichwort  'schild'  {parma  798,  clipcus 
806,  parma  819,  scutum  840;  'Schild'  als  reizwort  auch  im 
jüngeren  Hildebraudsliede,  Kögel,  Lit.-gesch.  2,  310;  Althof,  Das 
AValtharilied  s.  88  motto;  Derselbe,  AValtharii  poesis  2,  233); 
widerholung  der  witzrede  in  zwei  aufeinanderfolgenden  kämpfen 


288  EHRISMANN 

(Raiidolf,  Helmnod):  pro  calvitio  ca2)Uis979,  mZreOOl;  einmaliger 
Wortwechsel  mit  späterem  holin  auf  den  gefallenen  (Werinliard) 
740  f.  743  f.  752;  desgleichen  1041—43.  44.  571  (Trogus). 

Ermoldus  Nigelliis  III,  445  (s.  oben  s.  264):  Stichwort  beide 
male  nmnera. 

Strassburger  Alexander:  Stichwort  vane  1857.  1865. 

Uie  wechselrede  zwischen  Bloedel  und  Dankwart  Nibe- 
lungenlied 1922—26  (B)  ist  wider  nach  dem  Schema  einer 
Parteienverhandlung  aufgebaut:  1923  klage  Bloedels  'dein 
bruder  Hagen  hat  Sigfrid  erschlagen,  das  musst  du  büssen', 
1924  antwort.  Dankwart  erklärt  sich  für  schuldlos,  1925  replik 
Bloedels  e^  täten  äine  mäge  und  sogleich  die  herausforderung, 
auf  die  Dankwart,  vor  dem  losschlagen,  nochmals  antwortet. 
Ein  längeres  Wortgefecht  liefern  Wolfhart  und  Volker  2265  ff., 
das  durch  das  reiz  wort  Wolfharts  seite  2269,  2,  welches  Volker 
aufnimmt  2271, 1,  abgeschlossen  wird.  In  dem  sehr  ironischen 
Wortwechsel  zwischen  Hildebraud  und  Hagen  2342—44  bildet 
suone  das  Streitwert. 

In  der  Herwig-Ludwig-scene  der  Kudrun  folgt  auf  die 
namensfrage  str.  1431  f.  die  klage  Herwigs  1433—35, 3  (du  hast 
Hetel  erschlagen  und  mein  weib  geraubt)  und  dann  gleich  die 
kampfliche  erwiderung  Ludwigs  mit  der  hohnspräche  1435,4 
— 1436,4,  worauf  der  kämpf  beginnt,  Käch  dem  selben 
tu  orte  ein  ander  liefen  an  die  zwcne  riche  künige. 

Im  Wolf  die  tr  ich  D.IV  drehen  sich  die  scheltreden  str. 
23  ff.  um  das  Schlagwort  henken  25,4.  26,1.  27,4,  die  von 
Str.  74  ff.  um  wide  74, 4,  halsivide  78,  2;  die  von  D.V  str.  172  ff. 
um  tiiivels  dienstman  11?,,  L  174,2;  s.  auch  Thidrekss.  c.  391.  400. 

Statt  eines  kampfdialogs  findet  sich  häufig  nur  eine  hohn- 
rede auf  den  niedergestreckten  gegner,  so  besonders  in  Konrads 
Rolandslied  (v.  4550  f.  5064  f.  6377  ff.  6386ff.).  In  den  wechsel- 
reden ist  hier  kein  anklang  an  den  deutschen  gerichtsgebrauch 
zu  finden,  es  sind  längere  mit  drohworten  versehene  Zwiegespräche 
wie  4021  ff.  und  4044  ff.  mit  4070  ff.  4227  ff.  und  4246  ff.  4385  ff. 
und  4402  ff.;  daneben  begegnen  auch  kürzere  schelten  von  nur 
einem  beiden  wie  4294  f.  4359  ff.  4555f.  Holmworte,  dem  ge- 
fallenen nachgerufen,  s.  auch  Waltharius  752.  1057  f.  (s.  oben 
S.271);  Lamprechts  Alexanderlied  (Vor.  hs.)  544;  Kaiserchronik 
7065  ff.  14075  ff.;  Eilharts  Tristr.  924  ff.;  Nibelungenl.  1927, 2. 


ZUM   HILDEBRANDSLIEDE.  289 

1963  4  (B.)  s.  Kettner  a.a.O.  s.  14;  Alphart  158,2—4;  Dietrichs 
fluclit  6757  ff.;  Wolfdietricli  D.V,  26, 3  f.  und  D.VII,  47,3  —  48,4; 
Yirginal  str.  735.  764  u.  ö. 

Das  höfische  epos  kennt  die  reizrede  in  der  form  und 
stofflichen  bedeutung-,  die  sie  im  volksepos  hat,  nicht.  Es 
kommen  avoI  aueli  Zwiegespräche  wälirend  des  kampfes  vor,  die 
in  ihrer  erregung  über  das  mass  der  gesellschaftliclien  Unter- 
haltung hinausgehen,  besonders  wenn  riesen  oder  räuber  oder 
die  komische  figur  der  Artusromane,  Keii,  dabei  beteiligt  sind, 
aber  zwischen  höfischen  herren  ist  diese  tonart  nicht  sitte 
(fürs  altfranzösische  vgl.  Hilka,  Die  directe  rede  als  stilistisches 
kunstmiitel  s.  46  und  119j. 

Eeizrede  und  gelf  sind  nicht  ein  und  dasselbe.  Gelf  ist 
prahlrede,  selbstruhm  (vgl.  u.a.  Kögel,  Lit.-gesch.  2,  302;  Panzer, 
Hilde-Gudrun  s.  415;  Haupt  bei  Beiger,  M.  H.  als  academischer 
lehrer  s.  40).  Er  kann,  wie  in  manchem  der  obigen  fälle'), 
in  der  reizrede  mit  enthalten  sein,  gehört  aber  nicht  notwendig 
dazu,  denn  das  wesen  des  gclfs  besteht  nur  darin,  dass  der 
Sprecher  seine  person  durch  Verkündigung  seiner  ruhmestaten 
erlieben  will,  nicht  dass  er  sich  über  einen  andern,  diesen  de- 
mütigend, erheben  will.  In  diesem  sinne  ist  der  gelf  ein  aus- 
druck  echt  germanischen  heldentums.  Der  rühm  ist  das 
höchste  begehren  des  germanischen  kriegers,  selbst  seine 
kraft  werke  zu  verkünden  sein  stolz.  So  redet  Beowulf,  der 
gefeierte  held,  manches  ruhmeswort  Q^esprcec  öd  sc  göda  sylp- 
ivorda  sum  675),  der  königin  gefällt  seine  ruhmesrede  {Bdm 
icife  öd  ivord  ivel  licodon,  gilp-cwide  "^eates  639  f.)  und  viele 
seiner  worte  sind  ^üp-sprcBc.  In  der  heroischen  zeit  hatte  das 
wort  keinen  tadelnden  nebenbegriff.  Dieser  kam  erst  durch 
die  christliche  anschauung  hinein,  der  zufolge  der  rühm  dieser 
weit  eitel  ist  und  die  superbia  das  laster  aller  laster.  Ein 
schönes  beispiel,  wie  hier  die  naive  heidnische  ruhmesfreude 
mit  der  christlichen  demut  in  widerstreit  steht,  gibt  Ekkehard 
im  Waltharius  560  ff.,  wo  sein  held  zuerst  in  stolzem  Selbst- 
gefühl sich  seines  sicheren  sieges  im  voraus  rühmt  um  dann, 
über  den  frevel  seiner  selbstbewussten  w^orte  erschreckend,  auf 


•)  Und  so  auch  Ulfilas  Galat.  5, 26  Ni  wairpainia  flautat  (prahle- 
risch), uns  niisso  ushaitandans  (herausf orderud) ;  zn  ushaäan  \g\.  K&i\&- 
manii  s.  Ii4. 


290  EHRISMANN 

den  knien  gott  um  verzeiliimg  zu  bitten,  €[iioä  talia  dixit  (vgl. 
Kögel,  Lit.-gescli.  2, 302). 

In  der  nordischen  diclitung  sind  die  Avortstreite  und  wett- 
gespräche  zu  einer  literarischen  gattung  ausgebildet,  deren 
berühmteste  Vertreter  Lokasenna  und  Harbardslied  sind.  Die 
Wortaufnahme,  die  hier  häufig  ist,  ist  aber  im  altnordischen 
überhaupt  ein  beliebtes  stilmittel,  vgl.  Heusler,  Zs.  fda.  46, 234 
(auch  Heusler  und  Ranisch,  Eddica  Minora,  bes.  s.  lxxi).  In 
der  althochdeutschen  literatur  ist  das  berühmteste  gesellschaft- 
liche spottspiel  die  Unterhaltung  zwischen  Walther  und  Hagen 
am  abschluss  des  Walthariusliedes. 

V.  V.  58 — 62  erwiderung  auf  die  herausforderung  (Hilde- 
brand). Der  kampfgruss  schloss  die  mündliche  Verhandlung 
ab,  er  hatte  den  Zweikampf  unabwendbar  zur  folge.  Hilde- 
braud  kann  nun  nicht  mehr  anders,  die  macht  des  rechts  und 
der  Sitte  verpflichten  ihn  zum  kämpf;  er  nimmt  ihn  an  mit 
den  Worten  58 — 62,  wobei  er  dem  gegner  die  schuld  zuschiebt 
{nü  diJi  es  so  ivel  lustit  58,  vgl.  st  sie  plaeet  Walth.  672).  Der 
dialog  schliesst  mit  dem  leitton  des  trutzgesprächs  'wer  wird 
die  rüstung  gewinnen?' 

Zum  kämpfe  selbst,  v.  63  bis  schluss  des  gedichtes,  ver- 
weise ich  besonders  auf  die  feinsinnigen  erläuterungen  Meissners, 
Zs.  fda.  42, 122—128  und  47,  400—412. 

Die  ausgeführteren  kampfgespräche  in  den  altdeutschen 
dichtungen  und  der  altdeutsche  process  nehmen  ein  und  den- 
selben verlauf.  Auf  grund  dieses  objectiven  beweismittels 
dürfte  die  versstellung  im  Hildebrandsliede  in  der  angegebenen 
weise  anzuordnen  sein,  so  dass  v.  46 — 48  erst  auf  v.  57  folgen 
und  dem  Hadubrand  zufallen. 

Bei  der  frage  nach  der  anordnung  des  dialogs  muss  auch 
das  jüngere  Hildebrandslied  beigezogen  werden.  Mit  dem 
alten  lied  stimmen  hier  überein  str.  6,  1 — 6.  7  =  v.  46 — 48, 
str.  7,  3 — 6  =  V.  50—52.  Die  reiheufolge  ist  also  dieselbe 
wie  die  in  der  handschriftlichen  Überlieferung  des  alten  liedes, 
umgekehrt  von  der  oben  aufgestellten.  Aber  dem  jüngeren 
liede  kommt  von  vornherein  keine  grosse  be^eiskraft  in  text- 
fragen zu,  da  hier  der  ursprüngliche  bestand  und  gerade  auch 
der  dialog  in  willkürlicher  weise  geändert  ist,  so  zwar  dass 


ZUM   HILDEBRAND8LIEDE.  291 

der  geist  des  alten  liedes  in  sein  gegenteil  verkehrt  ^vllrde. 
Zudem  konnte  gerade,  wie  die  vorgetragenen  beispiele  zeigten, 
das  tj'pische  Schema  der  kampfreden  aufs  mannigfaltigste 
variiert  werden.  Die  Umstellung  im  jüngeren  lied  lässt  sich 
auch  leicht  erklären.  Der  umdichter  hat  von  dem  alten 
dialog  überhaupt  nur  die  trutzreden  benutzt,  alles  dagegen 
was  vor  Hildbl.  46  (in  der  hs.)  steht,  unberücksicht  gelassen. 
"Wollte  er  nun  das  zusammentreffen  der  beiden  sofort  mit 
dem  Streitgespräch  beginnen,  so  musste  er  es  durch  Hadu- 
brand,  den  herausforderer,  eröffnen  lassen  (und  dieses  ist  schon 
im  plane  des  gedichtes  vorbereitet,  denn  gemäss  str.  2,  8  wird 
Hadubrand  den  vater  sofort  auf  der  marke  anrennen),  dem 
Hildebrand  konnte  er  unter  den  vorwaltenden  umständen  gar 
nicht  die  ersten  werte  gewähren,  da  dieser  nicht  mit  einer 
hohnrede,  sondern  mit  einer  versöhnenden  begonnen  hätte  (da 
soU  im  freunüich  zusprechen  4,  5).  Die  reizung  sollte  gleich 
den  anfang  des  dialogs  machen  —  der  dramatische  auf  bau 
des  ganzen  drängte  darauf  hin  — ,  diese  aber  fällt  dem 
gegenspieler  zu.  Am  nächsten  steht  hier  die  begegnung 
zwischen  Hadaward  und  Walther,  Waltharius  790  ff.,  wo  eben- 
falls der  gegner  den  kampfgruss  mit  der  anspielung  auf  die 
rüstung  einleitet. 

Unter  der  Voraussetzung  der  Umstellung  von  v.  46—48 
hinter  v.  57  entwickeln  sich  auch  die  Charaktere  der  beiden 
beiden,  die  mit  so  scharfen  strichen  gezeichnet  sind,  folge- 
richtig. Es  sind  psychologisch  abgerundete,  einfache  und 
nicht  complicierte  naturen,  deren  wille  auf  kraft  gestellt  ist, 
wie  sie  dem  stile  des  germanischen  epischen  liedes  eigen  sind, 
und  wir  müssen  uns  hüten,  zu  stark  modern  gefärbte  senti- 
mentale Stimmungen  in  sie  hineinzulegen.  Eecht  und  sitte 
sind  die  ethischen  gesetze,  unter  denen  das  leben  jener 
menschen  steht,  der  dawider  strebende  muss  untergehen.  Sie 
bilden  die  richtschnur  für  das  handeln  des  alten,  mag  ihm 
auch  ein  stück  seines  Innern  dabei  zertrümmert  werden.  Und 
noch  in  dem  bauer  des  dreizehnten  Jahrhunderts  lebt  ein  rest 
vom  alten  Hildebrand,  im  Helmbrecht,  der  Aveheh  herzens 
seinen  söhn  verflucht,  weil  er  sitte  und  recht  mit  füssen  ge- 
treten. Das  Schicksal  läuft  hier  wie  dort  ab:  der  vater  warnt, 
der  söhn  höhnt  und  rennt  blindlings  ins  verderben. 


292  EHRISMANN,   ZUM  HILDEBRANDSLIEDE. 

Die  Charaktere  eines  dichtwerkes  sind  in  dem  Stoffe  be- 
dingt. Im  Hildebrandsliede  gibt  schon  die  sage  die  richtung 
für  die  Seelenschilderung  der  beiden  handelnden  personen: 
rücksichtslose  Unbesonnenheit  auf  der  einen,  selbstbeherschung 
und  versöhnungsvolle  gute  auf  der  andern  seite  waren  dem 
dichter  schon  vorgezeichnet  als  die  herschenden  eigenschaften 
im  temperamente  seiner  beiden.  Aber  indem  hier  der  roh- 
stoff  der  sage  mit  individuell  germanischem  empfinden  durch- 
setzt und  der  kämpf  als  ein  Urteilsspruch  des  höchsten  wesens 
aufgefasst  ist,  kam  ein  religiöses  moment  in  die  innere  hand- 
lung,  mit  dem  die  beiden  naturen  in  einen  weiteren  contrast 
traten.  Nur  dem  vater  ist  ein  frommer  sinn  beigelegt,  nur 
in  seinen  Worten  ehrfurcht  vor  dem  gottgesetzten  recht  zu 
finden  (v.  30.  49.  57).  Das  ist  in  dem  wesen  des  Zweikampfs 
als  gottesgericht  begründet.  Von  vornherein  ist  bestimmt, 
dass  der  siegt,  der  das  recht  und  somit  gott  für  sich  hat, 
und  nur  diesem  kann  der  dichter  eine  fromme  gesinnung  ver- 
leihen, und  nicht  dem  besiegten,  der  für  das  unrecht  kämpft, 
sonst  würde  die  gerechtigkeit  gottes  mit  sich  in  Widerspruch 
geraten.  Der  siegende  ist  der  gerechte,  der  andere  ist  der 
lügner,  so  entscheidet  das  gottesgericht  (Vom  rechte,  Waag, 
D.  ged.  d.  11.  u.  12.  jh.'s  s.  73  v.  240  ff.). 

Für  die  germanische  anschauung  wurde  die  tragik,  welche 
in  dem  Vernichtungskampfe  zwischen  vater  und  söhn  schon 
für  das  allgemein  menschliche  empfinden  liegt,  noch  verstärkt 
dadurch,  dass  die  wichtigste  ethisch-politische  idee,  die  grund- 
lage  des  rechtsbewusstseins  und  der  Sittlichkeit,  die  heiligkeit 
der  sippe,  diu  trimvc,  verletzt  wird.  In  dem  conflict  zwischen 
dem  rech tsbewussts ein  und  dem  durch  das  Verhängnis  auf- 
erlegten pflichtgebot  liegt  der  tragische  grundgedauke  des 
gedichtes. 

HEIDELBERG.  G.  EHRISMANN. 


293 


DIE  WESTFÄLISCHEN  FEiMlNINA  AUF  -TE. 

In  den  westfälischen  mundarten  gibt  es  eine  ganze  menge 
von  fem.  auf  -te,  die  offenbar  jüngeren  Ursprungs  sind  und  auf 
suffix^vuc]lerung  beruhen  müssen.  Sie  bilden  zum  grössten  teile 
bezeiclmuugen  für  tiere.  pflanzen,  fruchte  und  gerate, 
und  die  endung  wird  vorzugsweise  an  zweisilbige,  auf  r  und  l 
ausgehende.  Wörter  angehängt.  Ich  gebe  zunächst  auf  grund 
von  AVoestes  Avörterbuch  eine  möglichst  vollständige  Sammlung 
der  in  betracht  kommenden  formen,  nach  bedeutungen  und 
endungen  geordnet. 

1)  Tiere:  a)  Wörter  auf  r:  hrummerfc  hummel,  dgrie 
dröhne  (ae.  dora),  Mferte  käfer,  fdlcrfe  Schmetterling  (neben 
ßlcr);  b)  auf  l:  {h)am]}elte,  amtselte,  ämentselte  ameise,  hritm- 
mdte  brummtliege.  bremse,  drässelte  drossel,  echelte  egel,  gösselte 
gänschen,  hiunmelte  hummel,  u-acli{t)clte  wachtel,  (jrunselte, 
grundelte,  hoddelte  (neben  hodde)  gründling,  haclceltc  Salamander 
(neben  Imclce),  ivispelte  wespe,  fismclte  molch;  c)  auf  m:  imte 
imme,  biene;  d)  auf  n:  spinnte  spinne;  e)  auf  f:  sivalße 
schwalbe,  tifte,  tidte  hündin  (neben  tidwe)\ 

2)  pflanzen  und  fruchte:  a)  auf  r:  älherte  erdbeere, 
hrammerte  hrcmmerie  brombeere,  Uspertc,  kasperte  johannis- 
oder  Stachelbeere  (eigl.  'kirschbeere'),  möllerte  Stachelbeere 
(eigl.  'maulbeere').  heberte  heide(l)beere,  ivälbertc  blau-,  wald- 
beere, himmcrte  himbeere,  sidbcrte  Stachelbeere  (s.  Woeste  unter 
larsherte).  ivisherte  dass.,  Jüperte  hagebutte,  kollerte,  ällerte 
holuuder,  sficrtc  Sauerampfer,  j»y7"e'"^^'  feldmohn  (eigtl.  'Jungfer'); 
b)  auf  l:  kesselte  hasel,  brammelte  brombeere,  juckelte  sclilaf- 
apfel,  huttelte  hagebutte,  ekelte  eichel,  ktvinkelte  preissei-,  heidel-, 
schneeballbeere,  mespelte,  ivispelte  mispel,  suckelte  geissblatt 
(engl.  koney-SKckle),  krosselte  pferdekümmel,  runkelte  runkel- 
rübe,  kärtreckeltc  hartriegel,  iv^kelte,  ivqckelte  wachholder,  triitn- 
melte  wdlde  birne,  kümmelte  himbeere,  taubnessel;  c)  sonstige 
fälle:  ceblätte  erdbeere,  slippetc  schlippenwurz,  wiesenknöterich; 

3)  gerate:  a)  auf  r\  sckollerte  flasche  aus  abgeschälter 
rinde,  gcete  geer;  b)  auf  l:  kudelte  weidenbastflasche,  basselte 
bastgefäss,  kuppelte  bastpfeife,  knickelte  schusser  (auch  knippel, 
knicker),  krummelte  hirten.stab; 

4)  sonstiges:  a)  auf  r:  ämmerte  feuerfunke  (mnd.  amer)\ 


204  IIOLTHAUSEN 

b)  auf  l:  plnyelte  kleinliches,  quängeliges  frauenzimmer,  snif- 
fcltc  liutzel,  verscbrumpfte  alte;  c)  auf  s:  fairste  ferse. 

Es  ist  mög-licli,  dass  Wörter,  bei  denen  die  endung  -tc 
stammliaft  war,  zu  dieser  Weiterbildung  als  muster  gedient 
haben.    Solche  dürften  sein: 

1)  tiere:  ammete,  ente  ameise,  ante  ente,  hüte  ziege,  Jmtte 
katze,  Icrotte  kröte,  motte  motte,  mutte  sau,  niote  nisse,  hörnte 
hornisse,  gelte  geize,  verschnittenes  schwein,  mite  milbe,  schrute 
truthahn; 

2)  pflanzen  und  fruchte:  ge^rste  gerste,  butte  butte, 
Jcrente  korinthe,  plante  pflanze,  sjyrute  sprosse,  widte  unkraut 
(zu  ivaite  weizen),  fachte  flehte,  kröte  rote  rübe  (=  carotte)\ 

3)  gerate:  /te^^e  Schüreisen,  idgeteegge  {mnd.egede),  sichte 
sense  (mnd.  segede),  tväte  senseneisen  (zu  ae.  hivcet),  sehnte 
schaufei,  slrde  krug,  stelle  stelze,  tvelte  walze,  lichte  leichte, 
tragband,  lachte  leuchte,  flachte  flechte,  seitenbrett  am  wagen, 
flaite  fliete,  tute  düte,  hliidte  stumpfes  messer,  Idaute  ackerwalze ; 

4)  sonstiges:  hhvelte  zettel  (mnd.  hevelte),  rüte  raute, 
flechte  flechte,  ivqrste  rist,  Imte  karte,  icäte  warze,  sülte  sülze, 
hiifte  abgekniffenes  stück,  Tdute  schölle  (zu  Idoss),  hlte,  hüte 
kreide. 

Doch  ist  damit  die  entstehung  des  suffixes  -te  noch  nicht 
hinreichend  erklärt,  es  sind  vielmehr  ähnliche  neubildungen 
bei  masculinis  heranzuziehen.  Bekanntlich  steht  hier  neben 
der  endung  -er  häufig  -ert,  vgl.  huffer-t  koffer,  puffer-t  puffer 
etc.,  worüber  Tamms  abhandlung:  Om  tyska  ändelser  i  svenskan 
(Upsala  univers.  ärsskrift,  1880)  s.  19  ff.  zu  vergleichen  ist. 
Er  geht  von  familiennamen  wie  Heiner -t,  Aler-t,  Ecker -t, 
Schober -t  etc.  aus,  die  sowol  mit  wie  ohne  -t  vorkommen  und 
verschiedener  herkunft  sind.  So  ist  Beiner  <  Begin-heri,  Rci- 
nert  dagegen  aus  Regin-hart  entstanden,  während  andre  berht 
oder  iverht  als  zweiten  bestandteil  enthalten.  Im  romanischen 
hat  sich  -hard  ja  sogar  zu  einem  besonderen  suffix  entwickelt, 
das  dann  in  lehn  Wörtern  wider  ins  germanische  kam,  wie  in 
ndd.  mostert,  mhd.  musthart  =  frz.  moutard,  it.  mostarda.  So 
konnte  -ert  analogisch  überall  statt  -er  eintreten  (bez.  im  nl. 
-aard  neben  -aar),  und  diese  formen  auf  -ert  sind  denn  auch 
im  ndd.  und  nl.  sehr  häufig  und  z.  t.  sogar  ins  dänische  und 
schwedische  gedrungen. 


DIE  WESTFÄLISCHEN  FEMININA  AUF  -TE.   —   UHLENBECK,      295 

Wenn  nun  masc.  auf  -er  unterschiedslos  formen  auf  -crt 
neben  sich  hatten,  so  lag  es  nahe,  auch  zu  fem.  auf  -er  solche 
auf  -erte  zu  bilden.  Im  ital.  gibt  es  ja  auch  solche  fem.  wie 
homb-arda,  most-arda,  vgl.  Tamm  a.a.O.  s.  21.  \\'ährend  die 
masc.  auf  -ert  im  ndd.  und  iil.  gewöhnlich  nur  nomina  actoris 
(oft  als  Spottnamen),  gerate  und  Werkzeuge  bezeichnen,  hat 
das  fem.  suffix  -te  nach  ausweis  der  von  mir  gesammelten 
beispiele  einen  grösseren  umfang  angenommen  und  sich  aucli 
nicht  auf  die  Wörter  mit  der  endung  -er  beschränkt,  sondern 
auch  die  auf  -el  und  sogar  einige  andre  ergriffen.  Hierzu 
mögen  zunächst  doppelbildungen  wie  hrummer  =  hrummel, 
hrammer  =  hrcwnneJ,  knicker  =  hiippel  u.  a.  den  anstoss  ge- 
geben haben,  dann  yeranlasste  wol  die  ähnliclikeit  der  bildung 
und  der  bedeutung  {ampelte  'ameise'  nach  ammete?  fwrte  'ferse' 
nach  iverste  'rist')  die  immer  zahlreichere  suffixiibertragung. 
Die  vielen  wiirter  mit  altem  -te  sind  dabei  gewiss  von  nicht 
zu  unterschätzendem  einfluss  gewesen. 

Meine  frühere,  von  Woeste  übernommene,  erklärung  des 
Suffixes  -te  in  meiner  Soester  muudart  §  156,  wonach  es  =  as, 
ivurt  sein  sollte,  nehme  ich  hiermit  natürlich  zurück.  Andre 
sind  mir  nicht  bekannt  geworden,  ich  vermag  auch  nicht  zu 
sagen,  wie  alt  die  interessante  bildung  ist  und  in  welchem 
umfange  sie  sich  verbreitet  hat.  Mangel  an  zeit  und  hilfs- 
mitteln  nötigen  mich,  den  gegenständ  zu  verlassen,  dessen 
weitere  behandlung  ich  jetzt  Specialforschern  auf  dem  gebiete 
des  niederdeutschen  überlassen  muss. 

KIEL,  dez.  1906.  F.  HOLTHAUSEN. 


ZU  BEITR.  32,  139,  fussn.  5. 

Dr.  Ernst  Lewy  behauptet,  dass  ich  aind.  hhmnsas,  hhasäd-  zu  bhas- 
' zermalmen'  gestellt  habe,  und  fügt  hinzu,  dass  er  das  nicht  verstehe.  Ich 
empfehle  Dr.Lewy  die  artikel  bäbhasti  'zermalmt',  hübhasti^\Aä%V,  bluhhsas, 
bhasät,  bhästrü  in  meinem  Etym.wb.der  aind.  spräche  nachzuschlagen.  Dann 
wird  er  sich  überzeugen  können,  dass  ich  den  furchtbaren  unsinn,  den  er 
mir  ganz  gelassen  zuschreibt,  niemals  gesagt  habe. 

LEIDEN.  C.  C.  UHLENBECK. 


296 

ZU  OSWALD  VON  WOLKENSTEIN. 

Bei  Oswald  80, 39  f.  ed.  Schatz  weist  das  adelige  fräulein 
die  Werbung  des  bauernbursclien  mit  den  Worten  ab:  Ge  smirh 
dem  (den  BC)  ivagen  und  drisch  den  rossen  fueter,  als  ander 
dein  geslächt.  —  Neidhart  55,  28  ff.  ed.  Haupt  sagt  von  den 
dörperlichen  tänzern,  sie  giengen  . . .  alle  tage  als  ein  gesmirter 
wagen  (sam  ein  gesclmiirhter  z),  chen  unde  lise,  nilit  Gedrungen, 
das  in  diu  sivert  uf  den  versen  Idungen. 

Diese  beiden  stellen  führt  schon  das  Mhd.  wb.  3, 425,  z.  32  f. 
als  belege  für  die  eigentliche  bedentung  des  verbs  sminven 
(in  obd.  quellen  des  14.  und  15.  jh.'s  und  der  folgezeit  noch, 
nach  DWb.  9, 1081, 1  smirben)  an,  jedoch  ohne  die  Vermutung 
eines  historischen  Zusammenhanges  zwischen  ihnen  auszu- 
sprechen, zumal  der  beleg  aus  Oswald  nur  dem  wörterbuche 
der  Beda  Weberschen  ausgäbe  (vgl.  no.  LXVII,  4, 12  ebenda) 
entnommen  ist. 

Neidharts  vergleich  muss  in  Oberdeutschland  zur  sprich- 
wörtlichen Charakteristik  der  bauern  geworden  sein,  wobei 
das  tertium  comparationis  leicht  verloren  gieng.  Eine  der- 
artige proverbielle  Verwendung  der  in  ihrem  wesen  bereits 
unverstandenen  phrase  liegt  bei  Oswald  vor,  dem  nur  mehr 
die  beziehung  auf  die  bauern  bekannt  ist.  Sie  wird  daher  von 
ihm  auch  erweitert  (und  drisch  den  rossen  fueter),  bleibt  aber 
als  witz  unwirksam,  da  nicht  ersichtlich  wird,  inwieweit  die 
angezogenen  tätigkeiten  den  stand  des  verachteten  bewerbers 
in  gewolltem  gegensatze  zu  dem  des  fräuleins  abfällig-komisch 
charakterisieren  sollen.  Dass  sich  Oswald  der  entlehnung  des 
gedankens,  also  des  citates  bewusst  war,  scheint  der  übrigens 
auch  verallgemeinernde  und  so  den  eindruck  des  sprichwört- 
lichen bewirkende  nachsatz  als  ander  dein  geslächt  zu  bekräf- 
tigen. Dafür  ist  auch  anzuführen,  dass  Neidharts  gedieht  im 
15.  jh.  in  Oberdeutschland  bekannt  war;  es  ist  nämlich  in  dem- 
selben alten  drucke  z  (Haupt  s.  vii  ff.)  enthalten,  der  hinter- 
einander zwei  Oswaldsche  lieder  (Schatz  s.  48)  in  die  Sammlung 
der  Neidharte  einfügt,  welche  tatsache  beweist,  dass  schon 
Oswalds  Zeitgenossen  den  engen  Zusammenhang  seiner  kunst 
und  der  Neidharts  instinktiv  richtig  erkannt  haben. 

Aus  diesen  beziehungen  scheint  für  die  textgestalt  der 
vorliegenden  Oswaldstelle  80, 39  f.  der  Vorzug  der  von  BC  ge- 


SEVER   —   LEITZMANN  297 

brachten  Variante  den  für  dein  A  zu  resultieren,  der  zunächst 
dadurch  an  bedeutung-  ge^vinnt,  dass  A  und  B  —  C  ist  aus 
B  geflossen  —  durchaus  gleichwertig  sind.  Obwol  das  pos- 
sessivum  an  dieser  stelle  der  anrede  volkstümlicher  ist  als  der 
blosse  farblose  artikel,  bezeichnet  gerade  der  den  sprichwört- 
lichen Charakter  der  phrase,  auf  den  es  ja  dem  dichter  an- 
kommt, wie  der  nachsatz  als  ander  dein  geslächt  beweist,  auf- 
fallend und  deutlich.  Ausserdem  ist  er  metrisch  noch  günstiger 
als  das  Possessivpronomen,  das  nur  bei  besonderer  aufmerksam- 
keit  des  vortragenden  ohne  schwachen  nebenton,  d.  i.  ohne 
misverständlich  wirkende  betonung  wegkommt. 

GRAZ,  december  1906.  ELYIRA  SEVER. 


DIE  ABFASSUNGSZEIT  DES  ACKERÄIANNS 
AUS  BÖHMEN. 

Johannes  von  Saaz  ist  zur  abfassung  seines  gesprächs 
zwischen  ackermann  und  tod  durch  das  abieben  seiner  gattin 
]Margarete  veranlasst  worden.  Nach  seiner  eigenen  angäbe 
(19, 13)  starb  sie  am  tage  Petri  kettenfeier  (1.  august)  im  jähre 
6599  nach  erschaffung.  der  weit.  Danach  bestimmt  Knieschek 
in  seiner  ausgäbe  (s.  82),  indem  er  die  Zählung  des  Eusebius 
zu  gründe  legt,  der  z.  b.  auch  Berthold  von  Eegensburg  an  zwei 
stellen  (1,72,13.  381,32)  folgt  (vgl.  übrigens  auch  Pfeiffers, an- 
merkung  zur  ersten  stelle),  1399  als  die  gemeinte  Jahreszahl. 
Diese  zahl  ist  dann  in  die  literaturgeschichten  übergegangen: 
vgl.  z.  b.  Scherer  s.  268;  Togt  in  Pauls  Grundr.-  2, 1,  349. 

Bei  dieser  Zeitbestimmung  hat  sich  nun  Knieschek  um  ein 
jähr  verrechnet.  Nach  der  bestimmung  des  Eusebius,  von  der 
er  mit  recht  ausgeht,  verflossen  von  der  Schöpfung  der  weit 
bis  zur  geburt  Christi  im  ganzen  5199  jähre.  Diese  von  der 
von  Johannes  angegebenen  zahl  6599  abgezogen,  ergibt  nicht 
1399,  sondern  1400  als  das  todesjahr  Margaretens,  also  als 
früheste  abfassungszeit  des  gesprächs.  So  hat  schon  der  Schreiber 
der  erst  nach  Kniescheks  ausgäbe  bekannt  gewordenen  ]\rün- 
chener  handschrift  die  Umrechnung  vollzogen  und  die  worte 
taiisent  vierhundert  eingeschoben  (Anz.fda.4,361).  Diese  Jahres- 
zahl ist  also  als  terminus  a  quo  festzuhalten. 


298  LEITZMANN 

Eine  weitere  historische  anspiehing-  im  texte  des  ge- 
sprächs,  auf  die  Knieschek  nicht  hingewiesen  hat,  ist  leider 
zu  unbestimmt,  um  sie  chronologisch  verwerten  zu  können. 
Im  17.  capitel  sagt  der  ackermann  (25,16):  ich  stunde  do  hei 
und  saJie  mit  meinen  äugen  zivo  ungeheuer  schar  volhes  (iede 
het  über  dreu  tausent  man)  mit  einander  streiten  auf  einer 
grünen  heide.  Offenbar  ist  einer  der  blutigen  zusammenstösse  in 
den  böhmischen  oder  mährischen  Unruhen  gemeint,  die  die  letzten 
kaiserjahre  Wenzels,  der  drei  wochen  nach  Marg-aretens  tode  ab- 
gesetzt wurde,  ausfüllten.  Aus  der  erwähnung  des  Heuscheuer- 
gebirg-es  (47,19  nach  Eoedigers  treffender  erklürung  im  Anz.fda. 
4,  357)  darf  man  wol  auf  einen  wenn  auch  vorübergehenden 
aufenthalt  des  Verfassers  im  nordöstlichen  Böhmen  schliessen. 

JENA,  22.  october  1906.  ALBERT  LEITZMANxN. 


LITERATUR. 

(Verzeichnis  bei  der  reclactiou  eiugegano-ener  Schriften ;  vgl.  s.  154.) 

Boer,  E.  C,  Untersnchungeu  über  den  Ursprung  und  die  entwickluug 
der  Nibelungensage.  2.  band.  Halle  1907.  —  VI.  224  s. 

Brodführer,  Eduard,  Beiträge  zur  syutax  Willirams,  unter  beson- 
derer berücksichtiguug  der  Wortstellung.    (Diss.)   Halle  1906.  —  74  s. 

Diels,  Paul,  Die  Stellung  des  verbums  in  der  älteren  ahd.  prosa 
(Palaestra  59).    Berlin  1906.  —  204  s. 

Gutjahr,  Emil  A.,  Die  Urkunden  deutscher  spräche  in  der  kanzlei 
Karls  IV.  1.  Der  kanzleistil  Karls  IV.  (=  Zur  entstehung  der  nhd.  Schrift- 
sprache. Studien  zur  deutschen  rechts-  und  Sprachgeschichte  II).  Leipzig 
1906.  —  XIV.  499  s. 

Juvancic,  Friedrich.  Über  Gallizismen  in  Lessings  kritischen  Schriften 
(S.-a.  aus  d.  Jahresber.  der  k.  k.  Staatsoberrealschule  zu  Laibach).  Laibach 
1906.  —  26  s.  8". 

Kluge,  Friedrich,  Unser  Deutsch.  Einführung  in  die  muttersprache. 
Leipzig  1907.  —  146  s. 

Meisinger,  Othmar,  Wörterbuch  der  Rappenauer  ninndart.  Nebst 
einer  Volkskunde  von  Eappenau.   Dortmund  1906.  —  IV.  235  s. 

Mogk,  Eugen,  Germanische  mythologie  (Sammlung  Göschen).  Leipzig 
1906.  —  129  s. 

Reuter,  Ernst,  Neuhochdeutsche  beitrage  zur  westgerm.  konsonanten- 
gemination.   (Diss.)   Freiburg  1906.  —  86  s. 

Schmidt,  Ernst,  Zur  entstehungsgeschichte  und  verfasserfrage  der 
Virginal  (Prager  Deutsche  Studien  2).   Prag  1906.  —  63  s. 

Wells,  Fred.  Lyman,  Linguistic  lapses  with  especial  reference  to 
the  perception  of  linguistic  sounds  (Archives  of  philosophy,  psychology 
and  scientific  methods  No.  6.  June  1906  =  Columbia  University  Contribu- 
tions  to  philosophy  and  psychology  Vol.  XIV  No.  3).  New  York.  —  110  s.  8°. 


ZUR  FOSTBROEBRASAGA. 

I.  TEIL:   DIE  VISUR. 

Cap.  I:  Allgemeines. 

Literatur:  A)  Einzelne  Strophen  der  Föstbroeörasaga  (Fbr.)O  sind 
gelegentlich  des  abdrucks  des  sagatextes  in  fussnoten  oder  anraerkungeu 
bereits  analysiert  worden:  vgl.  Olafs  saga  hins  helga.  En  kort  Saga  oni 
Kong  Olaf  den  Hellige,  fra  auden  halvdeel  af  d.  tolfte  aarhundrede.  1849 
(=lÜs[49]),  anm.  s.  109  (cap.  58),  s.  117  (cap.  88),  s.  119  (cap.  91),  s.  120 
(cap.  96  f.),  —  Saga  Olafs  konungs  eus  helga.  Udförligere  Saga  oni  Kong 
Olaf  den  Hellige.  Efter  det  feldste  fulstseudige  pergaments  liaandskrift  i 
det  Store  kongelige  bibliothek  i  Stockh.  Christ.  1853  (=  hüs  [53] ),  s.  292  -297 
(cap.  201 — 234),  —  Gudbr.  Yigfusson  u.  F.  Y.  Powell,  Corpus  poeticum  bo- 
reale  I— H.  Oxf.  1883  (=  Cpb),  II,  175  ff.,  —  Hauksbök,  udg.  af.  d.  kong. 
Nord.  Oldskr.  Selsk.  Kbh.  1892—1896  (=  H),  anmerkungen  s.  370—416,  — 
F.  Jönsson,  Heimskringla,  Nöregs  Koniinga  Sqgur  af  Suorri  Sturluson,  Kbh. 
1893—1900  (=  Hkr),  IV,  162  ff.  171  f.,  —  V.  Äsmundarson,  F6stbrteörasaga. 
Reykjav.  1899  (=  Fbr.  [99]),  Visnaskyriugar,  s.  148—162  —  oder  haben  als 
objecte  allgemeiner  Untersuchungen  gedient:  vgl.  K.  Gislason,  Om  helriin  i 
ferste  ok  tredje  liuie  af  regelni.  dröttkysett  . . .  Kbh.  1877,  —  Kahle,  Die 
Sprache  der  Skalden  auf  grund  der  binnen-  und  endreime,  verbunden  mit 
einem  rimarium.  Strassb.  1892,  —  Sievers,  Beitr.  5,  449 — 518.  8,  54—79. 
12, 486  f.,  —  ders..  Altgermanische  metrik.  Halle  1893,  —  Gislason,  Old- 
nordisk  Formisere,  Kbh.  1858  (s.  39),  —  Hoffory,  Bezzenb.  Beitr.  9,  83,  — 
F.  Jönsson,  Det  norsk-islandske  skjaldesprog,  omtr.  800—1300.   Kbh.  1901. 

B)  Im  strengeren  sinne  textkritisch  sind  in  der  hauptsache  nur  Boer, 
Zs.  fdph.  30,  31  ff.  31, 149  ff.,  —  Gislason,  Nj.  U,  vgl.  Register  til  Nj.  28  — 
und  F.  Jönsson,  Ark.  "VTI,  327  f.  bei  der  behandlung  einiger  weniger  visu- 
helmingar  der  Fbr.  vorgegangen.  Eine  umfassendere  besprechung  der 
Strophen  war  bisher  desideratum  (vgl.  Boer,  Zs.  fdph.  30,  33  f.). 

C)  Gedruckt  ist  die  Fbr.:  1.  in  FosthrwÖra  Saga  edr  Sagan  af  por- 
geiri  Hävarssyni  ok  pormoöi  Bersasyni  Kolbrünarskalldi.  Kbh.  1822;  — 
2.  bei  Gislason,  Föstbroeörasaga.  Kbh.  1852  in  d.  Nord.  Oldskrifter  (=  Fbr 


^)  Die  klammern  enthalten  die  im  folgenden  verwendeten  abkürzungen. 

Beiträge  zur  geschiclite  der  deutschen  spräche.    XXXII.  20 


300  GAERTNER 

[52]);  —  3.  in  Flateyjarbok.  Christ.  1862  (=  F.  1862):  II,  96—108.  148— 1G8. 
199-226.  339—343.  358—866;  —  4.  in  H.,  370—416;  —  5.  in  Fbr.  (99). 

D)  Nur  einzelne  Strophen  finden  sich:  1.  in  Fornmanna  Sogur,  eptir 
g'Qmlum  handritum  ütg.  Kbh.  1825  (=Fms.):  str.  35:  V,  ö4f.,  36:  s.  58,  37 — 
38:  s.  59  f.,  39:  s.  61,  42.  44:  s.  91,  43:  s.  92;  —  2.  in  Scripta  hist.  Islandorum 
de  rebus  gestis  veteruni  Borealiuni  ...  ed.  Soc.  reg.  antiqu.  Septentr.  I — XII : 
Hafu.1828  (=ShJ.)  Y:  str.  35:  s.  38,  36:  s.  62,  37—38:  s.  64,  39:  s.  65,  42: 
s.  95,  43:  s.  97,  44:  s.  96;  —  3.  Groenlands  historiske  Mindesmaerker,  I — III. 
ütg.  af  d.  Kgl.  Nord.  Oldskr.-Selsk.  Kbh.  1838  (^GhMni.):  str.  22— 34: 
11,250—419;  —  4.  Edda  Snorra  Sturlusonar.  Kbh.  1848.  I-in  (=Sn.E.): 
Str.  41:  II,  92  f.;  —  5.  lös  (49):  str.  85:  s.  67,  36.39:  s.  69,  40—42:  s.  72, 
43-44:  s.  73;  —  6.  hÖs  (53):  str.  35:  s.  205,  36:  s.207,  B7— 39:s.208, 
42.44:  S.222,  43:  s.223.;  —  7.  Cpb.:  II,  175  ff.;  —  8.  Tb.  Wisen,  Carmina 
Norroena,  Luudse  1886  (=  Carm.  Norr.):  str.  38.  39;  —  9.  G.  Storm,  Otte 
brudstykker  af  d.  seldste  Saga  om  Olav  den  Hellige.  Christ.  1893  (=  Otte 
brudst.),  Str.  19  auch  in  lös  (49)  s.91;  —  10.  Hkr.:  str.  35— 39.  42—44  = 

2,  457  ff.;  —  11.  Boer,  Grettissaga  Äsmundarsonar.  Halle  1900  (=Grett.): 
Str.  1:  s.  192,  6:  s.  104;  —  12.  Heusler-Ranisch,  Eddica  miuora.  1903:  str.  87 
—  38;  —  13.  Gering,  Die  lieder  der  älteren  Edda.  Paderb.  1904:  str.  24: 
s.  40  (84). 

E)  Beziehungen  zu  den  Strophen  oder  der  prosa  der  Fbr.  weisen  auf: 
1.  Fteröiske  Kvaeder,  sanilede  ved  V.  U.  Hammershseimb.  vulg.  af  d.  nord. 
Lit.  Samf.  1,855  (II,  xx);  —  2.  Codex  Frisianus.  En  Saml.  af  uorske  Konge 
Sagaer.  Christ.  1871  (s.  167);  —  3.  Ljosvetninga  Saga  ved  Vald.  Asmun- 
darson.  Eeykjav.  1896  (s.  118— 120);  —  4.  Laudnämabük  I— HI.  Hauksb. 
Sturlub.  Melab.  udg.  af  d.  Kgl.  nord.  Oldskr.-Selsk.  Kbh.  1900  (porgeirr 
Hävarsson  s.  13,  28  u.  160, 1.  pormciör  s.  43,  26  u.  48, 11  :  167, 18  u.  173,  3  : 
241, 13 ;  —  5.  vgl.  nochmals  D. 

F)  Zu  den  visur  der  Fbr.  vgl.  A  und  B,  ferner  1.  Isleudinga  Sqgur, 
udg.  efter  gainle  haaudskrifter  af  d.  Kong.  nord.  Oldskr.-Selsk.  I — IV. 
Kbh.  1843  (IV  =  Gislason,  Nj.  II);  —  2.  Edda  Snorra  Sturlusonar.  Kbh. 
1848  (111,525—540);  —  3.  Gudbr.  Vigfusson,  Sturlungasaga,  includ.  the 
Isleudinga  Saga  of  lavrman  Sturla  Thordsson  . . .  with  Prolegoiuena  etc. 
I— II.  Oxf.  1878  (II,  lix — Ix);  —  4.  Heinzel,  Beschreibung  der  isl.  saga, 
1880  (s.164);  —  5.  Cpb.  11,174.  175;  —  6.  G.  Vigfusson  u.  Powell,  Origines 
Islandicae,  I— H.  Oxf.  1905  (II,  674  ff.);  —  7.  K.  Gislason,  Efterl.  Skrifter 
I— n.   Kbh.  1895-1897  (II,  250  f.). 

G)  Bemerkungen  und  abhandlungen  zur  prosa  der  Fbr.:  1.  Arngrimr 
Jonsson,  Groenlaudia  (6.  cap.);  —  2.  Torfaeus,  Groenlaudia  (s.  157— 192);  — 

3.  ders.,  Historia  Norvegica  (III,  162, 190  ff.);  —  4.  Suhm,  Danmarks  Historie 
(in,  785  ff.);  —  5.  E.Müller,  Sagabibliothek  med  Anniperkninger  ok  inle- 
dende  Afhandlinger.  Kbh.  1817  (1,153  ff'.);  —  6.  Antiqu.  Russ.,  1852  (II,  343 
—350);  —  7.  Jon  porkelsson.  Um  Fagrskinnu  ok  ÖläfssQgu  helga  in  Safn 
til  Sogu  Islands  1856  (1,172  ff.);  —  8.  K.  Weiuhold,  Altnord,  leben.  Berl. 
1856;  —  9.  K.Maurer:  Über  die  ausdrücke:  altnordisch.,  altnorweg.,  und 
isl.  spräche.   Müuch.  1867 ;  —  10.  G.  Storm,  Snorre  Sturlasons  Historieskriv- 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  301 

ning:.  1873  (s.  231  ff.);  —  11.  Krist.  Kiihmd,  Bidrag  til  en  bist,  topograf. 
Beskrivelse  af  Island.  Kbh.  1877;  —  12.  Gering-,  Finnboga  Saga  bins 
Kamua.  1879  (vorrede,  s.  iv);  —  13.  Henzeu,  Über  die  träume  in  d.  anord. 
lit.  Leipz.  1890. 

H)  Literaturgescbicbten :  1.  Muncb,  Samlinger  til  d.  norske  Folks 
SprogogHist.  1851  (III);—  2.  R.  Keyser,  Nordnuendenes  Yidenskabelighed 
og  Literatur  i  Middelalderen.  Cbrist.  1800  (.s. 'i.'jS.  312  f.  -190);  —  3.  Guöm. 
porläksson,  Udsigt  over  de  Xorsk-Islandske  Skjalde  fra  9^^^  til  14^'«  Ärbun- 
drede.  Ebb.  1882  (s.  96ff.):  —  i.  F.  Jönsson,  Den  olduorske  og  oldislandske 
Litteraturs  Historie.  Kbb.  1894  (I,  581  ff.  u.  II,  465  ff.);  —  5.  H.  Jseger, 
Illustreret  Norsk  Literaturbistorie.  Krist.  1896  (1, 56  f.);  —  6.  Mogk,  in  Pauls 
Grundr.- 1902  (s.  755  f.  684  f.). 

I)  Literatur  ebne  directe  beziebung  zur  Fbr.:  1.  Skaldeudicbtung :  vgl. 
die  literaturangaben  in  Sievers,  Altgerm.  metr.  s.  91  und  von  Mogk  in  Pauls 
Grundr.  2-,  656;  —  2.  Zum  spracbmelodiscben:  a)  Sievers,  in  Verbandluugen 
deutscher  pbilologen  u.  scbulniäuner.  Wien  1893  (s.  370  ff.);  b)  ders..  Über 
sprachmelodiscbes  in  der  deutscbeu  dicbtung,  rectoratsrede  am  31.  oct.  1901. 
Leipz.;  —  3.  Noreen,  Altisl.  u.  altnorweg.  grammatik.  3.  auf  1.  Halle  1903; 

—  4.  0.  Eygb,  Norske  Gaardnavne.  Krist.  1897  (XV). 

K)  Lexika  und  andere  uacbscblagewerke:  1.  Sveinbjörn  Egilsson,  Le- 
xicon  poeticum  antiquae  linguae  Septentrionalis.  Kbb.  1800;  —  2.  B.  Gröndal 
(Egilsson),  Clavis  poetica  antiquae  Linguae  Septentrionalis.  Kbb.  1864;  — 
3.  GuÖbr.  Yig-fusson,  An  Icelandic-Euglisb  Uictionary  (by  Bieb.  Cleasby). 
Oxf.  1869:  —  4.  J.  Fritzuer,  Ordbog  over  d.  gamle  norske  Sprog.  Krist. 
u.  Leipzig  1806;  —  5.  Katalog  over  den  Arnamagua^auske  Haiidskrift- 
samüng  I;II.  udg.  af  Kommiss.  f.  d.  Arnaraagu.  Leg.  (Kat.);  —  6.  Katalog 
over  de  Oldnork-ishiudske  Handskrifter  i  det  Store  Kougel.  Bibliotek  og  i 
Universitetsbibliotek,  samt  den  Arnamagu.  Sämlings  Tilvsekst  1894—1899, 
udg.  af  Kommiss.  f.  d.  Aruam.  Leg.  Kb.  1900;  —  7.  Gödel,  Katalog  öfver 
Kongl.  Bibliotekets  Fornisländska  ock  Fornnorska  Handskrifter  (s.  164.  226. 
235.  262) ;  —  8.  Tb.  Mübius,  Catalogus  librorum  Islaudorum  et  Norvegicorum 
aetatis  mediae.  Skäldatal.  Lips.  1856;  —  9.  ders.,  Verzeichnis  der  auf  dem 
gebiete  der  anord.  spräche  u.  lit.  von  1855 — 1879  erschieneneu  Schriften.  Lpz. 
1880;  —  10.  Register  til  Njäla.  Andet  Bind  og  K.  Gislasons  Andre  Af- 
bandlinger.  Kbh.  1896,  i;dg.  af  d.  Kgl.  Nord.  Oldskr.-Selsk.;  —  11.  G.  Storm, 
Islandske  Annaler  indtil  1578.    Chiüst.  1888. 

Die  Fbr.  gehört  zu  den  sagas,  die  sich  durch  eine  relativ 
gute  Überlieferung  auszeichnen.  Diese  besteht  aus  folgenden 
handschriften: 

1)  Am  wertvollsten  sind  drei  membranen,  von  denen  nur. 
eine  die  Fbr.  vollständig  enthält: 

F  =  die  um  1390  niedergeschriebene  Flateyjarhök,  in  der  kgl.  biblio- 
tbek   zu   Kopenhagen.    No.  1005,  I — H,  fol.,  225  zweispaltige  pergam. -bl. 

—  XXXVII:  vpijliuf  fuatbradia  soyhu;  bl.  90  v.  a.  (=vord.  s. ;   linke,  erste 

20* 


302  GAERTNER 

spalte)  — 92  v.  b.  (b  =  rechte,  zweite  spalte);  97  r.  b.  (r  =  rückseite)  — 100 
r.  a.;  104  r.  a.  —108  v.  a;  (122  r.),  123  v;  125  v.  a.  -126  v.  a.  (vgl.  GhMiu. 
II,  258  f.)- 

H  =  Haukshöh:  AM.  544,  4to,  zum  grössteu  teil  von  Haukr  Erlendsson 
geschrieben  und  ca.  1325  vollendet.  Sie  gibt  nur  annähernd  die  letzten 
drei  fünftel  der  saga  wider  (vgl.  GhMra.  II,  255). 

M  =  3Iööruvallah()k:  AM.  132,  fol.  200  bl.  Diese  überliefert  nur  zwei 
fragmente,  aus  dem  anfang  und  der  mitte  der  erzählung:  bl.  198  v  — 201  r. 
saga  pormodar  oJc  ßorgeirs.  Nach  bl.  198,  das  schliesst:  standi  af  pormodi 
(Fbr.  [52]  s.  6,  27),  fehlt  ein  blatt;  bl.  199  beginnt:  klceÖtim  pviat  ...  (vgl. 
a.  a.  0.  s.  15,  28)  und  bricht  ab  mit  den  Worten  fceröer  goÖar  la(ßi  ok  (vgl. 
a.  a.  0.  s.  30,  28).  —  (vgl.  Isj.  II,  659-668  und  GhMra.  II,  255  f.). 

2)  Von  den  papierliss.  kommen  als  besonders  wichtig  in 
betracht: 

b  =  AM.  566  b,  4to.  52  bl.  geschrieben  ca.  1700  (vgl.  Kat,  I,  720 
[1413])  von  Asgeirr  Jönsson  (bl.  9— 52)  und  Ami  Magnüsson  (bl.  1 — 8). 
Die  Saga  pormodar  oc  porgeirs  schliesst  defect  mit  helldr  stoz  allt.  Ami 
Magnüsson  hat  auf  einem  zettel  eingangs  des  buches  bemerkt :  ex  menihrana 
med  in  folio  (d.  i.  AM.  132,  fol.)  rantar  nccrri  halfa  aptan  vkl  (vgl.  GhMm. 
II,  256). 

0  =  Ny  kgl.  sml.  1149,  fol.  137  bl.  aus  der  zweiten  hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts. —  s.  1 — 109  Saga  pormodar  ok  porgeirs,  laut  eines  vom  ein- 
geklebten zetteis  eine  abschrift  von  AM.  132. ')  Sie  endet:  ok  ser  hvar 
porgeirr  lileypr  (v.  Fbr.  [52]  s.  61,  23).  —  M  war  also  noch  bedeutend  voll- 
ständiger, als  Asgeirr  Jönsson  und  Oddur  Jönsson  (ca.  1770)  ihi'e  abschritten 
anfertigten,  b  und  c  ergänzen  M  nicht  unbeträchtlich:  vgl.  Fbr.  (52)  s.  6,27 
—15,28;  s.  30,  23 -63. 

i'i  aus  AM.  142,  fol.  —  bl.  1 — 54  v.:  Saga  fra  porgeiri  ok  pormode 
Kolbnmarskalldi.  —  Im  eiugauge  de»  ca.  1700  geschriebenen  folianten  hat 
Ami  Magnüsson  einen  zettel  eingeklebt  mit  folgenden  notizen:  'Epter 
Membrana  Regia  in  4to;  stöd  framan  a  bokinni  med  hende  Asgeirs  Jons 
sonar.  —  Ur  Num.  12.  Fra  Sal.  Assessor  Thormod  Toruesens  Enke  1720 ', 
vgl.  Ant.  Paisses.  II,  849.  GhMm.  II,  259. 

1-2  =  AM.  566  a,  4to.  —  32  bl.  ca.  1700  ebenfalls,  wie  r,,  von  Asgeirr 
Jönsson  geschrieben.  Das  fragment  beginnt  defect  mit  den  worten:  Nu 
skal  segia  fra  pormoÖi,  ausserdem  drei  Micken  nach  den  bl.  10.  14.  18. 
Zwei  notizen  von  Arni  Magnüsson  (auf  dem  vorblatt  und  auf  dem  rand 
von  bl.  1  V.)  besagen,  dass  es  sich  um  eine  abschrift:  'Ex  Membrana  in 
4to  Bibliothecae  Regiae'  handelt  (vgl.  GhMm.  II,  259  f.).  —  Da  der  original- 
codex  verloren  gegangen  ist,  repräsentieren  r,  und  r^  die  vierte  mem- 
brane:  R*. 


')  Ex  codice  membraneo  in  folio  inter  Msta.  A.  Magnsei  Num.  132  etc. 
(vgl.  GhMm.  n,  256.  257). 


ZUK   FOSTBKCEDR ASAGA.  303 

3)  Nur  secundären  wen,  als  abscliriften  verlorener,  anderer 
papierhss.  haben: 

(1  =  AM.  141,  fol.  —  571)1.,  geschriebeu  ca.  17(X)  von  A.sgeiiT  Jonsson: 
Wpphaf  fostbrcröra  soyhu.  Ami  Magnüsson  bezeugt:  'pesse  Fostbra'öra 
Saga  er  tekin  vir  Volumiue  no  9  peirra  böka  er  eg  keypte  epter  Etats- 
Kaad  Meyer  daudaim.  Descriptionem  huius  Exemplaris  vide  in  Consigna- 
tione  illoruni  librorunr  (vgl.  GliMra.  II,  257  f.). 

e  =r^  papierhs.  in  quart,  von  der  grossen  Üldfssaga  hins  helga,  im 
17.  jh.  auf  Island  geschrieben  (vgl.  GliMm.  II,  258). 

i  :=  die  von  einem  stümperhaften,  isländischen  Schreiber  angefertigten 
blätter  li — 31  v.  von  AM.  153,  fol.,  enthaltend  die  Saga  af  peim  Föst- 
hrabrum  porgeyre  Havardzsine,  og  pormöde  Kolbruna  Skalld,  geschrieben 
1711 — 1712,  nach  Jon  Signrössons  vermntung  von  ,]6u  Guttormsson  in  Hälmar 
(vgl.  Kat.  d.  AM.-sml.  1,107  [182]  und  GhMm.  11,260). 

k  =^  AM.  163  e,  fol.  38  bl.  einer  Sagann  fra  Porgeire  Ilavardz  Sine 
Og  pormode  Kolbruna  sMJlde.  Abschrift  (ende  des  17.  jh.'s)  'ur  bok  er 
eg  (Ami  Magnüsson)  feck  af  Jone  Thorlakssyue'  (GhMm.  II,  260). 

1  =  AM.  565  a,  -Ito,  'ur  bokum  sem  eg  (Arni  Magnüsson)  feck  af  Sr. 
Olafi  Gislasyni  ä  Hofi  i  Vopuafiröi'.  Die  hs.  (26  bl.),  ende  des  17.  jh.'s  von 
dem  priester  Olafr  Gislasou  geschrieben,  hat  als  aufschrift:  Saga  af  porgeiri 
liävarssyni  uc  pormüdi  Bersasynl  (vgl.  GhMm.  II,  260). 

m  =  AM.  566  c,  4to,  64  bl.  Hier  Bi/riast  Sagann  af  porgeire  Ha- 
rarssyne  og  pormöde  liolhrilnasMUde.  Arni  Magnüsson  bemerkt  auf  einem 
Zettel,  dass  die  hs.:  'er  rituö  1705  eptir  bok  i  folio  frä  Syslumauninum 
Olafi  Einarssyue'  (vgl.  GhMm.  II,  260  f.  und  Kat.  d.  AM.-sml.  I,  720  f.). 

n  =  bl.  1 — 2,  ein  unvollständiger  auszug  aus  Sagari  af  pormödi  Kol- 
brwnar  Skaald  in  AM.  164  i,  fol.,  geschrieben  im  17.  jh.  (vgl.  GhMm.  II,  261). 

4)  Nach  unbekannten  originalen  sind  geschrieben: 

0  =  bl.  226—263  der  papierhs.  AM.  426,  fol.  (vgl.  Kat.  d.  AM.-sml. 
1,317  f.),  sie  enthalten:  Sagann  Äff  porgeyre  Hüvarssyne  oh  pormöde  Kol- 
brunar  skällde. 

p  =  bl.  2037—2109  der  hs.  Thott.  984,  fol.  II.  tom.  (vgl.  Kat.  over 
oldu.-isl.  Hskr.  i  Kbh.  s.  318):  Sagann  af  porg.  Hdv.  s.  olc  Porm.  Jcolbrä- 
narskdldi. 

H  =  bl.  178-232  aus  Thott.  1768,  4to,  geschrieben  ende  des  17.  jh.'s 
von  AsgeiiT  Jonsson,  unter  11)  Sugann  af  pormöbi  etc.  (vgl.  Kat.  ov.  oldn.- 
isl.  Hskr.  s.  343). 

r  =  bl.  51  r  —  126  v.  aus  cod.  Add.  5,  4to.  Die  letzte  der  darin  auf- 
gezeichneten sagas  ist  die  Saga  Af  peim  Föstbro^örum  etc. '  (vgl.  Kat.  ov. 
oldn.  Hskr.  i  Kbh.  s.  433). 

s  =  bl.  89— 130,  aus  Papp.,  4to.  no.  4  der  kgl.  bibl.  zu  Stockh.;  an 
zweiter  stelle  findet  sich:  Saga  aß'  porgeyri  Jiavarssyne  ok  /jormodi  kol- 
brunarskalkle  (vgl.  Gödel,  Kat.  s.262  [182,  2J). 


304  GAEliTNER 

t  =  s.  452—533  aus  Kall.  620,  4to  (vgl.  Kat.  ov.  d.  oldn.-isl.  Hskr.  i 
Kbh.  s.  386  f.),  einem  IshindsJce  saget  nädray,  mit  nebenstehender  lat.  Über- 
setzung, als  uo.  5  FöstbrceÖra  saga. 

5)  Für  die  textkritik,  insbesondere  der  Strophen,  sind 
völlig  wertlos: 

1)  Annall  nr  Sögu  pörmöäar  Kolbnmar  SJcallds,  hvprfu  tu  er  hättad 
i  Eirelizfirde  og  Einarsfirde  =  bl.  -12  v.-r.  in  AM.  597  b,  4to  (vgl.  Kat.  d. 
AM.-üml.  1,764);  —  2)  ein  bruchstück  der  Fbr.,  eingeschoben  (bj.  52 — 53) 
in  eine  Grönlands  beskrivelse.  bl.  1—54  v.  aus  Ny  kgl.  sml.  1657,  4to. 
pap.  (vgl.  Kat.  ov.  d.  oldn.-isl.  Hskr.  i  Kbh.  s.  196  [561]);  —  3)  Annall 
ur  sogu  pormodar  Kolbrimarskalldz  etc.  =  bl.  93  v.  —  94  v.  der  AM.  281, 
4to.  pap.  (vgl.  Kat.  d.  AM.  sml.  1,533  [1014]);  —  4)  Excerpter  olc  opteg- 
nelser  om  Grönland  etc.  bl.  20v.  —  36v.  der  AM.  768,  4to  (vgl.  Kat.  d. 
AM.-sml.  11, 187  [1887]);  —  5)  A-Grip  ur  liistoryu  pormodar  Kolbrunar- 
skällds  etc.  =  bl.  30r.  —  34  der  AM.  115,  8vo.  pap.  (vgl.  Kat.  d.  AM.-sml. 
11,399);  —  6)  pattur  af  ponnode  Kolbmnaskalde  =  hl.  4:1-.  — 12  r.  der 
sml.  Rask  77.  pap.  (vgl.  Kat.  d.  AM.-sml.  II,  546). 

Ferner  abschriften  erhaltener  originale: 

1)  Die  FöstbroeÖrasaga  etc.  in  Ny  kgl.  sml.  1176  a.,  fol.  pap.,  aus  der 
zweiten  hälfte  des  18.  jh.'s,  nach  AM.  141,  fol.,  conf.  mit  AM.  132  und  142, 
fol.,  566  a— c,  4to.  Diese  hs.  liegt  der  Fbr.  von  1822  zu  gründe,  in  Suhms 
sml.  9,  fol.  (vgl.  Kat.  ov.  d.  oldn.-isl.  Hskr.  i  Kbh.  s.  129  [327]);  —  2)  die 
Fbr.  Af  porgeiri  ok  pormoÖ/  aus  den  Sögapu'ttir  ür  Olafs  sögu  Haralds- 
sonar  eptir  Flateyjarbök.  bl.  55  r.  — 113  der  Ny  kgl.  sml.  1712,  4to  (vgl. 
a.a.O.  s.  210);  —  3)  Fbr.  auf  bl.  18r.  — 22v.  der  Ny  kgl.  saml.  1790,  4to, 
geschrieben  nach  AM.  75  e,  fol.,  enthaltend  fragmente  einer  Saga  Olafs 
konungs  hins  helga  Haraldssonar  (vgl.  a.a.O.  s.  228  [688]);  —  4)  die  Fbr. 
der  Ny  kgl.  sml.  1815,  4to,  imp.,  eine  abschrift  von  AM.  566  a,  4to  (vgl. 
a.  a.  0.  s.  234  [715] ) ;  —  5)  Dimidia  pars  historiae  Thnrmodar  Kolbnmar- 
skallds  oc  porgeirs  Hävardssonar  in  Ny  kgl.  sml.  1816,  4to,  pap.,  ge- 
schrieben nach  AM.  566  c,  4to  (vgl.  a.a.O.  [716]);  —  6)  Saga  Af  pörgeire 
Hävarssyne  üg  pormöde  Kolbrunär  Skällde,  abschrift  nach  papp,  in  4to, 
no.  4  (2)  =  s,  enthalten  auf  bl.  145—248  des  papp.  fol.  no.  54  der  kgl.  bibl. 
in  Stockh.  (vgl.  Gödel,  Kat,  s.  164  [109,2]). 

Endlich  die  Übersetzungen: 

1)  Aus  AM.  776,  4to:  bl.  44 — 45  =  ein  bruchstück  der  Fbr.  in  dän. 
Übersetzung  (vgl.  Kat.  d.  AM.  sml.  11, 196);  —  2)  Vita  Sociorum  Thorgeiris 
Huvaris  filii  et  Thormodi  Bersii  ßii,  eine  lat.  Übersetzung  der  Fbr.  in  Ny 
kgl.  sml.  1176  b,  fol.  pap.  (vgl.  Kat.  ov.  d.  oldn.-isl.  Hskr.  1  Kbh.  s.  129  [328]); 
—  3)  eine  schwedische  Übersetzung  der  pormodar  saga  kolbriinarskälds 
auf  bl.  206—217  in  papp.  fol.  no.  98  der  kgl.  bibl.  zu  Stockh.  (vgl.  Gödel, 
Kat.  s.  225f.);  —  4)  eine  schAved.  Übersetzung  der  Fbr.:  Här  böriäs  Sagan 
af  Thorgeer  Havardzson  ock  Tliormod  Kolbrunars  Skalld  =  bl.  1 — 82  in 
Tapp.  fol.  no.106  der  kgl.  bibl.  in  Stockh.  (vgl.  Gödel,  Kat.  s.  285  [162,1]). 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  305 

Tu  der  einleituiig  zur  Hauksbuk,  s.  lxxv,  billigt  F.  Jonssoii 
zwar  die  in  den  GliMm.  II,  265 — 270  vorf^enommene  Scheidung- 
der  liss.  der  Fbr.  in  fünf  gruppen,  er  betont  aber:  <jives  der  i 
virJicUgheden  siJckert  hm  to  hovedidusser  af  händsJcrifter  af 
sagaen:  HmiJcsh.  pä  den  cnc  oy  alle  den  andre  jnl  den  anden 
side  (vgl.  dazu  noch  lxxviii,  2.abs.  u.  lxxix,  z.  5  ff.).  F.Jönsson 
vermutet  dann  ferner:  der  har  rimeligvis  fra  ferst  af  eksisteret 
to  forsJicUige  hearhejdcher  af  sagaen,  hvoraf  den  ene  sikhert 
stammer  fra  det  12.  ärh.,  og  den  anden,  sagaen  i  Haulcshok, 
meppe  er  meget  yngre. 

Zu  diesen  annahmen  stehen  die  ausfiihrungen  von  ^logk 
(in  Pauls  Grundr.  2-,  755  f.)  in  teils  geringerem,  teils  stärkerem 
Aviderspruch.  Mogk  sagt  dort:  'Der  Ifauksbok  steht  ohne 
zweiiel  die  fassung  AM.  132  näher  als  die  Flateyjai'bük,  was 
sich  schon  in  den  plusstrophen  jener  hdd.  zeigt.  Jedenfalls 
gehen  alle  hdd.  auf  gemeinsame  quelle  zurück,  von  der  sich 
aber  die  Ftb.  am  weitesten  entfernt,'  ...  'Styrmir  hat  um  1220 
in  seiner  Öläfssaga  helga  dies  (d.  i.  das  in  dem  anfange  des 
13.  jh.'s  von  einem  geistlichen  verfasste  werk  der  Fbr.)  bereits 
benützt  (Storm,  Snorre  Sturlas.  s.  40).  Eine  ältere  fassung  der 
saga  anzunehmen  haben  wir  keinen  grund.' 

]\rit  der  annähme  einer  verwantschaft  von  H  und  31,  auf 
grund  ihrer  gemeinsamen  plusstrophen,  gegenüber  F,  hat  Mogk 
die  Wichtigkeit  des  Strophenmaterials  als  beweismittel  für  das 
handschriftenverhältnis  der  Fbr.  bereits  angedeutet.  Ein  be- 
arbeiter  wird  sich  ja  auch  weniger  an  den  Strophen  vergriffen 
haben,  als  an  der  leichter  beweglichen  prosa.  Er  ward  viel- 
mehr im  allgemeinen  die  Strophen  möglichst  getreu  über- 
nommen und  nur  au  defecten  oder  verderbten  stellen  ein- 
gegriffen haben.  Danach  besitzen  also  die  lesarten  der  Strophen 
höhere  kritische  beweiskraft. 

Aus  alledem  und  nicht  zum  wenigsten  aus  dem  unangefoch- 
tenen satz,  dass  die  Strophen  pormoös  eine  hauptquelle  für  den 
sagaschreiber  bildeten,  erhellt  zur  genüge,  dass  sie  bei  der 
beurteilung  des  hss.-verhältnisses  der  Fbr.  eine  wichtige  rolle 
zu  spielen  haben.  Da  nun  aber  die  echtheit  einzelner  dieser 
visur  bestritten  worden  ist  (vgl.  Boer,  Zs.  fdph.  30,  32  ff.),  so 
sind  auch  in  dieser  hinsieht  die  Strophen  zunächst  specieller 
zu  untersuchen. 


306  GAERTNER 

Die  vorliegende  abliandlimg  will  deshalb  zu  ergründen 
versuchen,  welche  Schlüsse  das  strophenmaterial  in  bezug  auf 
das  Verhältnis  der  hss.  und  recensionen  der  Fbr.  zu  ziehen 
erlaubt.')  Dabei  sind  vorher  zu  erörtern:  1)  die  frage  nach 
der  ursprünglichen  gestalt  der  visur,  —  2)  die  frage  nach  deren 
echtheit. 

a)  Die  frage  nach  der  ursprünglichen  gestalt  der  Strophen 
ist  schon  verschiedentlich  behandelt  worden.  Für  einzelne 
Strophen  sind  dadurch  auch  bereits  glaubhafte  resultate  erzielt : 
ich  werde  mich  deshalb  auf  die  behandlung  noch  zweifelhafter 
stellen  beschränken  dürfen. 

b)  Den  Variantenapparat  habe  ich  möglichst  vollständig 
gegeben,  doch  mit  ausschluss  aller  bloss  orthographischer  Va- 
rianten (zumal  der  papierhss.!).  —  Zu  gründe  gelegt  wurde 
dabei  als  im  allgemeinen  ältester  zeuge  der  text  H^),  nur  für 
die  dort  mit  dem  eingangsstück  fehlenden  8  Strophen  der  von 
M  (bez.  b,  c),  und  für  die  in  den  Öläfssogur  enthaltenen  plus- 
strophen  der  von  F.  —  Ausgeschlossen  von  der  behandlung 
wurden  nur  die  in  der  lös  dem  pormoör  irrtümlich  zugeschrie- 
benen Strophen  ^ora  man  ek  ])ann  arm  vceria  (10s  s.  67)  und 
SJialai  oglaöan  iva  (10s  s.  69, 1),  die  in  Wirklichkeit  von  Ha- 
raldr  (vgl.  Hkr.  2,  466)  bez.  Gizurr  gullbrä^)  (vgl.  Hkr.  2, 460) 
gedichtet  sind;  —  2)  die  Strophe  Gceisli  stcendr  til  grindar 
(lös  s.  48),  die  dem  pormöör  nur  irrtümlich  durch  die  heraus- 
geber  der  lös  zugewiesen  ist  (vgl.  Sn.  E.  III,  522);  —  3)  die 
halbstrophe  Hve  lamia  ])er  Jmiir  —  der  hs.  K  in  den  Fms. 
(vgl.  Fms.  V,  59,  anm.  1),  von  Kali  Ssebjarnarson^);  —  4)  zwei 
visur,  auf  die  man  bisher  nicht  aufmerksam  geworden  ist: 
Veit  ek  fyrir  Erling  utan  und  Allvaldz  nvtv  alldir  im  Codex 
Frisianus  (vgl.  ausg.  Christ.  1871,  s.  167),  sie  stammen  von  pörör 
Kolbeinsson  (vgl.  Hkr.  1, 458). 

c)  Verglichen  habe  ich  ausser  den  gedruckten  fassungen 


^)  Wir  behalten  uns  vor,  in  einem  teil  II,  der  sich  dann  ausschliess- 
lich mit  dem  prosatext  befassen  würde,  den  nachweis  zu  führen,  dass  die 
aus  den  Strophenuntersuchungen  gewonnenen  resultate  auch  für  diesen 
giltigkeit  haben. 

2)  Nach  der  ausgäbe  der  Hauksbok  durch  das  kgl.  nord.  oldskr.-sel- 
skab.   Kbh.  1892-1896. 

»)  Sn.  E.  III,  334  f.  (anm.  1).  ")  Sn.  E.  HI,  539. 


ZUR  POSTBRCEDR ASAGA.  307 

derFbr.  1):  die  papierliss.  bcRiE,,  ferner  diklmnoq.  Der  directe 
kritische  wert  der  letzteren,  namentlich  von  d  und  q,  ist  zwar 
nicht  allzu  hoch  anzuschlagen,  sie  sind  aber  doch  für  einzelne 
zweifelhafte  stellen  nicht  belanglos,  ja  die  originale  von  iklni 
scheinen  auf  eine  gemeinsame  vorläge  zurückzugehen,  die 
ihrerseits  dem  text  von  M  sehr  nahe  stand;  iklm  überliefern 
also  möglicherweise  indirect  noch  einzelne,  in  bc  schon  nicht 
mehr  enthaltene  partien  der  fassung  von  ]\r. 

d)  Da  I}orm6ös  aufenthalt  bei  Kuütr  in  Dänemark  und  vor 
allem  sein  tod  bei  Stiklastaöir  (1030)  auch  in  einer  anzahl  be- 
arbeitungen  der  grossen  Olafssaga  hins  JicJga  behandelt  werden, 
so  sind  für  die  Strophen  19 — 22  noch  die  Varianten  der  lös  (1849), 
und  von  str.  35  an  auch  die  der  Hkr.  (hg.  von  F.  Jonsson,  Kph. 
1893—1900),  der  Fms.  (Kph.  1829)  lY.— V  und  der  historischeu 
Öldfssaga  hins  helga  (Christ.  1853)  herbeigezogen  worden. 

Von  den  in  diesen  ausgaben  collationierten  hss.  konimen 
für  unsere  Strophen  in  betracht:  für  Hkr.  1)  K  =  Kringla  in 
AM.  35.  36.  63,  fol.  (vgl.  Inledning  zur  Hkr.  s.ii);  —  2)  18  =-- 
Stockh.  18,  fol.,  pap.  (vgl.  a.a.O.  x  ff.);  —  3)  70  =  AM.  70,  fol., 
von  Asgeirr  geschrieben,  enthält  eine  abschrift  der  saga  Olafs 
h.  helga  nach  der  Kringla  (vgl.  a.a.O.  s.  xiii);  —  4)  J2  =  AM. 
38,  fol.,  eine  abschrift  der  gesammten  JöfrasJänna  (vgl.  a.a.O. 
s.  xxvi);  —  Für  Oldfss.  h.  helga  in  den  Fms.:  1)  A  =  AM.  61, 
fol.,  perg.  (vgl.  Formali  d.  Fms.  I^'V,  s.  1);  —  2)  B  ==  AÄI.  75  d^ 
4to2)  =  B^ejarbok  {\g[.  a.a.O.  s.2);  —  3)  C  =  AM.  325  (7) 
in  gross  quart,  perg.  fragm.  (vgl.  a.a.O.  s.3  f.);  —  4)  D  =  A]\l. 
325  (5),  4to,  perg.  (vgl.  a.a.O.  s.4f.);  —  5)  H  =  AM.  73,  fol., 
pap.  (vgl.  a.  a.  0.  s.  16).  K  =  perg.,  fol.,  in  der  kgl.  bibl.  in  Stockh., 
genannt  Konüngahöh  af  Bergi  dböta  (vgl.  a.a.O.  s.  18);  —  6)  L 
=  gl.  kgl.  sml.  1008,  fol,  perg.,  genannt  Thomasskinna  (vgl. 
a.  a.  0.  s.  20  ff.).  —  Der  ausgäbe  der  historischen  Oldfss.  h.  helga 
von  1853  liegt  zu  gründe:  die  Olof  Helges  Saga  des  perg.  in 
quart,  no,  2  (nicht  4  wie  in  der  ausg.  von  1853  s.  xlv  gedruckt 
steht)  der  kgl.  bibl.  zu  Stockh.  (vgl.  Gödel,  Kat.  s.  35  ff.)  und  der 
legendarischen  Oldfss.  h.  helga  von  1849,  no.  8,  fol.,  der  dela- 
gard.  sml.  der  univers.-bibl.  zu  Upsala. 


*)  Die  ausgäbe  der  Flateyjarbök  von  1862  ist  nachgeprüft  worden. 
2)  AM.75d,  fol.  =  AM.  68,  fol.  (vgl.  Kat.  d.  AM.-sml.  1,55). 


308 


GAEUTNER 


Cap.  II.    Zur  recoastructioii  des  stroplieiilextes. 

A.   Hergestellter  text. 


1.  Munda'k  sjalfr 
i  siiQru  egiida 
helzti  brätt 

lioftM  stinga. 

ef  porbjorg  p'essii  skäldi 

—  lion's  allsnotr  — 
eigi  byrgi. 

2.  Starf  liofsk  upp  l?a's  arfa 
auöveitir  let  dauöan 

—  liestreniiir  vas  hlunna 
liugsnjallr  —  Kloeings  falla; 
efnd  töksk  Hävars  hefndar 
hafstüös  J^a's  vas  Mööi 

—  hann  varö  hopp  at  vinna 
livettr  —  fimtian  vetra. 

3.  Aldrspelli  kveö'k  ollu 
Ingülfs  sonar  (Jnngat 
fiTtt  es  vig,  sem  ysettik) 
vald  alf^öurs  tjalda; 

feil  fyr  frseknum  stilli 
(fjortjon  vas  pat  Ijöna) 
[litt  vas  f>ar  til  pratu] 
l^orbrandr  drasils  vandar. 

■  4r.  A'el  diigir  verk  at  telja 
(väpna  hreggs)  fyr  seggjum. 
(oft  flygr  gränn  frä  gimni 
gjöör)  —  Butralda  lilööum  — ; 
l>ött  kunni  miin  minni 
margrjoöanda  ]>j6öar 
(ne  linekkik  j'vi)  J^akkar 
)?ess  vigs  fetils  stiga. 

5.  Frett  hefr  old,  at  ättum 
(imdlinus)  l^a's  svik  vinna 


(rjoöanda  nautk  räöa) 
rögsmenn  saman  gnöga. 
Enn  vil'k  enkis  minnask 
(oesi-dyrs  viö  styri 
raun  gatk  fyröa  fjona 
flöös)  nema  okkars  gööa. 

6.  Kapp  let  lioldr  [at  liepni 
liri(^  geröisk  pk  sveröa] 
(hratt  gat  hrafn  at  slita 
hold)  Mässyni  goldit. 

Enn  vas  vägs  at  vigi 
viggriöandi  siöan 
(hann  bar  greipr  at  gunui 
gjarna)  Skiifs  ok  Bjarna. 

7.  Sex  let  s?efar  faxa 
sviprunnr  heöan  (gunuar 
snjallr  vas  orr  at  ollu) 
undlinns  büinn  sinnum. 
Sjävoknum  reo  scekir 
sveima  (frä'k  l>at)  heiman 
[oft  vann  auöar  skiftir 
erring]  i  haf  knerri. 

8.  Hrundar  ber'k  a  heudi 
(hjaldr)  [urpum  \ni  skjaldi] 
(song)  h^fum  sär  of  fengit 
(siklings)  flugu  mikla; 
nsergi  's  hrafus  of  hefna 
lilunns  glapvigum  runni 
umn,ysandi  ossa 
ärkyndils  mä'k  sära. 

1).  lila  reö'k  ]'vi's  allar 
(ey-l)raupnis)  gaf'k  nieyju. 
(mer  barsk  döms  i  drauma 


ZUR  FüSTBR(EDRASAGA. 


309 


dis)  Kolbrimar  visur. 
pk  tok  (l^orna)  freyju  (?) 
(l^riuM-  kann  mart  en  prüöa) 
[liknunik  lieldr  \iö  Hildi 
liyitings]  ä  mer  viti. 

10.  Plus    braut     suart    til 

Snorra 
sverörjöör  ok  styr  geröi, 
hinn  es  lieiptir  nianna, 
Hciekils  sonar.  rceköi; 
varö  (eggja)  }^ar  ^^ggja 
[f»orgeirr  a  livot  nieirij 
(leiks  liefk  slikt  frä  soeki 
sannspurt)  bani  manna. 

11.  Ar  man'k  pegn,  liinn's 
J^arfan  Hävars  arfa  [f'öri, 
hlyra  hrafns,  meö  geiri 
happau(Mgi'  reo  dauöa. 

Dyrr  liefnöi  svä  sära 
(slikt  för  alt  af  riki) 
odds  ok  ernir  soddusk 
jöstyrandi  hlyra. 

12.  Njorör    gekk    ä    skse 

skoröu 
skeljeggr  (enn  l:'at  teljum) 
hjaldrs,  at  berja  vildi, 
hJQrgaldrs  meö  RQgnvaldi. 
Litt  sparöi  fjor  fyröa, 
fremöar  niildr  at  hildi, 
drengs  varö  däö  at  lengri, 
djarfra  Hävars  arfi. 

13.  Gant  veifk  at  son  Sleitu 
snarfengr  meö  liö  drengja 
hQlör  viö  haröar  deildir 
hjordjai-fan  nam  fjorvi; 
üfeigum  varö  eigi 
(almj^ings)  i  gny  malma 


(oft  verör  rik  peim's  roekir 
raun  styr)  fullu  launat. 

ll.  Golls  reo  j'orgeirr  ['olla 
J'vi  UiTest  griöa  resta, 
ser's  eigi  sä  fceri 
svinngeör  viö  liö  minna; 
9II  tük  seggr  enn  .snjalli 
s^nn,  leygs,  friöar  monnum, 
fljots  j>ä's  fyröa  nytir 
fullmoeli,  reo  tsela. 

15.  Stirör  reo  stafn  at  varöa 
strenghreins  togum  drengja 
(itr  |?vit)  ärr  (vas  heitinn 
auöstjori  l^rek)  fj(3rum, 

(äör)  sig  reynir  sinum 
(sär  hlutu  meör  at  hväru) 
üt  viö  eigi  litla 
erring  feil  ä  knerri. 

16.  Kent  hefr  fjorum   live 

frsendum 
folkbeitir  skal  veita 
dyrr  ]?ött  drengi  vseri 
dylgjusamt  at  fylgja. 
(f>8egs)  frä'k  l^orgeir  eiga 
(]?au  'ro  orö  komin  noröan 
handar  grjuts  frä  hreyti) 
hug  panns  viö  mun  brugöit. 

17.  Hauks  frä'k  lir?eva  loekja 
haröraeöis  }n-ot  braeöi 

viö  sviprunna  sennu 
sverös  aldrigi  veröa. 
Mär  het  maör  ok  l?örir 
mälsnjallr  es  let  falla 
(äör  frägum)  l^ar  (J^eira) 
J^orgeirr  (lokit  eirum), 

18.  Olli  fjorr  äör  felli 
(flugtrauör)  hjarar  dauöa 


310 


GAERTNER 


(sä  vas  rcjekjandi  enu  liki 
reggs)  Jn-ettian  segg:ja. 
|?ar  Iset'k  hjaldrs  fyr  liolöum 
liins,  es  prek  gat  viniia 
(mal  tea  min  at  deilask 
mjük)  viga  tal  lükask. 

19.  Loftimgu  gaft  lengi 
lätr  Imt's  Fäfnir  ätti 

])n  lezk  mer,  enn  mseri, 
merkr  frän^lims  vänir. 
[verör  em'k]  varga  myröir 
\iölendr  frä  p&r  siöarr 
eör  lieldr  um  sjö  sveldan 
[sliks]  rettar  skalk  vsetta. 

20.  Flestr  of  ser  hve  fasta 
fagrbünar  lief'k  tüna 

bäöar  heudr  ör  brendum 
barös  ]7J6ökoiiiiDgs  garöi; 
Eid  ä'k  jofri  at  gjalda, 
ungr,  peim  es  bregör  liungri 
djnps  (ber'k  giill  a  greipum) 
gräöugs  ära  (bäöum). 

21.  Hafa  ]:'6ttum  ek,  haettir 
hafs  soekjandi  ef  toekir 
hreins  viö  lialdi  minu 

livert  land  l^egit,  branda. 
Rikr  vil'k  meö  per,  rcekir 
randar  linns  ok  Finni 
rond  berum  iit  ä  andra 
eybaiigs  Ufa  ok  deyja. 

22.  Sex  hefk  alls  siz  üxu 
ona  bjaltaty  fjouir 

(kendr  em'k  viö  styr  stimdum) 
stälregüs  boöa  vegua; 
]^ü  em'k  enn  ok  (mank  manna 
morö)  varlega  oröinn 


ver  letum  ]'ö  ]?eira 
j'ritogr  skarar  bita. 

2o.  parf  sh's  l>er  skal  hvarfa 
]7eugill  fyr  kne  lengi 
(svarar  lioglega  liverju) 
hngborö  (konungr  oröi). 
Fair  'rom  ver  ne  fryju 
frsendr  orum  }->ä  v?endir 
(minnumk  meir  ä  annat 
mitt  starf)  konnngdjariir. 

24.  Ä  hverfanda  hveli  vorn 

{^eim  hjortu  skopup» 
ok  brigö  i  brjost  of  lagiö. 

25.  Betr  lezk  beita  skutli 
Baldr  (hoelisk  }?vi)  skjaldar 
[l?ollr  lileypr  hart  um  hellur 
lilunnjos]  an  ver,  kunna. 
Gorr  nian'k  Litt,  hveim  liarri 
hugdyrstr  skipar  fyrstum 
(veitti  oss,  sä's  ätti 

orms  torg)  i  skjaldborgu, 

26.  Hraeddur  mi^k  var  hinn 

er  meiddi 
liior  aldrigi  sviptir  tjalda; 
Skulfn  siöan  skips  i  älfi 
skjotlyndum  meöal  liärs  ok  f  öta, 
bieöi  tenniir,  bein  ok  iOöar; 
brann  vitskunnar  liverfi  p'ann 

veg 
fyrna  hart,  sem  eldr  ä  arni, 
(sezla  mikil  var  j^essi  hr^ezla). 

27.  Orvendi  trezk  undir 
(oft  finnumk  ]:»ess  minni) 
oll  es  fremö  of  fallin 
fjorneppr,  i  strä  greppi; 
ef  hreggboöa  hoggvit 
hefk  vart  i  skor  svarta 


ZUR   FOSTBROSDRASAGA. 


311 


nadda  borös  jnat  Niröi, 
nnettings,  bana  vaetta'k. 

28.  Undr's,  hvi  eigi  kendu 
elborvar  mik  gorva 

stals  (lief'k  mark  of  mäli 
mart  ok  skoft  et  svarta); 
biirgum'k,  längs  Init  lengra 
lif  vas  ty  skapat  drifu 
l'remja  svells,  enn  polli 
l'eim  aldrtili  seima. 

29.  Strengöi  j'ess  ä  pingi 
j^'arflyndr,  ef  mik  fyndi 
lioldr  at  liQggva  skyldi 
heit  lofgeröar  veiti. 

Naer  stoö'k  raiida  lyri 
(rekkr  lez'k  ei  mik  J^ekkia), 
gott's  at  Hiüdar  lietti 
hefr  smiör  faldiö  stefja. 

30.  Matka'k  liefnö  enn  Iirafni 
lirings  fekk  braö  ä  }'ingi 
Baldrs  (let'k  vigi  valdit) 
varga  setrs  viö  marga. 
Gnyl'olli  letk  gjalla 

(gort  hefk  fjr  mik)  s^-ortum 
[Meir  liet'ni  J^ö]  j^orna 
[j^org-eirs  vinir  fleiri]. 

31.  Skopta'k  enn,  ]^ä"s,  uppi, 
(nndarligt)  ä  sundi 

lirökr  dö  lieimskr  viö  kloeki 
(lians  razaklof  ganöi); 
Alla  leit'k  a  Ulli 
eggveörs  liugar  gieg-gum 
(setti  gaurr  ok  glotti) 
gunnfjön  (viö  mer  sjonir). 

32.  Er  fenguö  fe  fleira 
(flinvs  oft  kveöit)  Grimi 
mer  ok  miklu  faera, 


maeringr.  an  til  vceri; 
liann  hefr  liunds  verk  unnit, 
livinn  gerir  slikt  at  vinna, 
mietr,  en  ek  mennsku  bo-tta'k 
mina,  gramr,  ok  ]nna. 

33.  pollr,  va'k  porgrim  trolla 
(l'ar  laut  liarör  til  jaröar) 
äör  reö'k,  odda  hriöar, 
otrauör  Loöins  dauöa; 
par  nam'k  porkel  fJQrvi, 
l)orör  let  ond  enn  fjoröi, 
feldr  vas,  frsegr,  til  moldar 
Falgeirr,  sk^rungr  l'eira. 

U.  Eis  (hefk  illan  dila) 
ekkils  j^eim's  mik  seköii 
geig  vann'k  gervidraugiim 
(Groenlendingum  brendan) ; 
sär  munat  (soeki  tirar) 
sveröels  fromum  veröa, 
(hrings)  ä  hryggjar  tanga 
hoggroeddr  (nema  mer  lögi). 

35.  Brennum  oll  fyr  innan 
Inni  l»au's  ver  finnum, 
lond   (tegask  herr  meö  lij^rvi 
HerbJQrg  fyr  gram  ver  ja); 
ys  taki  allra  hüsa 
Innj'rondir  kol  sinna, 
angr  mun  kveykt  i  klungri 
kald,  ef  ek  mä  valda. 

30.  Ala  }?ryngr  at  eli, 
Qrstiklandi,  miklu 
skyldut  skelknir  holöar 
(skalmc^ld  vex  nü)  falma; 

H.  Brett  komum'  ver,  en  vei- 
valtafn  frekum  hrafni,      [tum 
(viksk  eigi  l>at  väga 
viggruör)  eöa  her  liggjum. 


312 


GAERTNER 


F.  Biiiimk  viö  sokn,  en  sloekni 
seggT  skyli  orö  um  foröask, 
es  at  geir]nngi  gongimi 
guunreifr  meö  Äleifi. 

37.  Dagr  es  uppkomiiin, 
äynj'd  liaua  fjaörar, 

Mal  es  vilmogura 
at  vinna  erfiöi; 
vaki  ok  vaki 
vina  iE  hofiiö, 
allir  enir  ceztu 
A(Mls  af  sinnar. 

38.  Här  enn  harögreipi! 
Hrülfr  skjotandi! 

settum  nieim  goöir 
]?eir's  ekki  flyja! 
vekka  yör  at  villi 
ne  at  vifs  rimum, 
lieldr  vekk'  yör  lioröum 
Hildar  at  leiki. 

39.  H.   per   iiiunk  eör  iiiiz 

oörum, 
allvaldz,  nair  skaldum, 
(noer  va'ttir  ]m  peira?), 
]?iiigdjarfr,  fyr  kne  hvarfa. 
Eikr  vilk  meÖ  ]?er,  roekir 
randar  linns  enn  svinni, 
(stondum  ar  ä  ondrum 
ej^baugs)  lifa  ok  deyja. 

40.  Ä  ser,  at  ver  vänim 
vigreifr  meö  iVleifi, 

Sär  fekk',  heldr,  at  liväru, 
livit  brüör,  ok  friö  litinn; 
skinn  ä  skildi  minum, 
skald  fekk  liriö  til  kalda; 


nar  liafa  oeski-ärar 
orvendan  mik  gorvan. 

•U.  Haraldr  vas  bitr  at  ber- 
boöreifr  meö  Aleifi;  [jask 

j'ar  gekk  hära  hj(^rva 
Hringr  ok  Dagr  at  pingi; 
reöu  l?ar  und  rauöar 
randir  prütt  at  standa 
(fekk  ben|7iönrr  blakkan 
björ)  dQglingar  fjörir. 

42.  Ort  vas  Äleifs  lijarta, 
6ö  fram(m)  konungr  (blööi 
rekin  bitu  stol  ä  Stikla- 
stQÖum),  kvaddisk  liö  boövar. 
ElpoUa  sä'k  alla 

Jalfaös,  nema  gram  sjalfan, 
(reyndr  vas  flestr,  i  fastri 
fleindrifu)  ser  lilifa. 

43.  Undrask  Qglis  landa 
eik,  livi  ver  'rom  bleikii? 
fär  vevör  fagr  af  särum 
fanii'k  Qrva  drif,  svanni! 
Mik  flu  malmr  enn  dokkvi 
niagni  keyrör  i  gagnum; 
livast  beit  hjarta  et  naesta 
hsettlikt  järn,  es  vaetti'k. 

44.  Emka'k  rauör,  ne  rau- 
rseör  grann  kona  raanni;   [öum 
järn  stendr  fast  et  forna 
fenstigi  mer  benja; 

pat  veklr  mer,  eu  msera, 
marglööar,  nii,  trööa, 
djüp  ok  danskra  vapna 
Dags  liriöar  spor  sviöa. 


ZUR  FOSTBRfEDRASAGA,  313 


B,   Kritischer  commeiitav. 

1.  steht:  M  (bl.  198r.)  bcE,  (s.  2)  kmq,  —  fehlt:  (HR,)>)  Fdil(n)o.  — 
g-edruckt:  Grett.  121  (Mtignüss.  1859).  —  Boer,  192.  Fbr.  (52)  3.  Fbr.(99)3. 

Text  nach  b:  1.  Munda  ek  sialfr.  —  2.  i  simum  egnda.  —  3.  liauUzti 
bratt.  —  i.  hoföi  stiuga.  —  5.  ef  porhjörg.  —  (i.  pessw  skalhli.  —  7.  hun 
er  allsnotr.  —  8.  eigi  byrgi-). 

Varianteu:  2.  cgncla  alle,  si/gda  Kj.  —  i.  stiuga]  stima  k. 

2.  steht:  bcE,  (s.  8)  F  (bl.  90  rb.)  dikraoq.  —  fehlt:  (HMRjtl»)-  —  ge- 
druckt: FII,96.    Fbr.  (52)  10.   Fbr.  (99)  11. 

Text  nach  b :  Starf  preifz  upp  pa  er  arfa.  —  2.  auöveit/r  let  dauöaun. 

—  3.  hestrenjt/r  var  hlun/ja.  —  4.  hugsniallr  kloeugs  falli.  —  5.  efnd  tok 
Ilavars  hefndar.  —  6.  hafstoös  pa  v«r  nioöi.  —  7.  hann  varö  haupp  at 
viuxa.  —  8.  hvetr  oJc  XV  vetra. 

Varianten:  1.  preifz]  prifust  o,  hofzst  Fd.  —  2.  letj  sig  Fd.  — 
3.  best-]  Inist-  Fd.  —  var]  ver  o.  —  -i-.  klsengs]  cR,dui,  klengs  F,  klaugs  o, 
klupuugs  ik.  —  falli  I  falla  Fd.  —  5.  tok]  tockzst  Fd,  jafnuade  o.  —  6.  haf- 
ckio,  hap-  Fd,  happ-  Riqp.  —  stoös]  slooöz  i,  slöds  kmo.  --  moöi]  Müpr  p. 

—  pa.  var]  pa  er  var  Fd,  pa  er  var]?  p,  pa  er  Rjq,  pn,  vid  ikmo.  — 
7.  varö]  hlaut  Fd  (hs.  F  hat  hla-aut).  —  haupp]  happ  Fdik.  —  8.  hvetr 
ok  XV  vetra  cRiqikmo  (fimmtan  ko),   huatr  XV  Fd. 

Auflösung:  Starf  hofsk^  npp  )?ä  es  auöveitir  let  arfa  Kbelugs* 
dauöan  falla;  hestreunir  hlunua  vas  hugsnjallr.  Efnd  hefndar  Hävars 
töksk^  pä  es  Müöi  hafstoös  vas  fimtian  vetra  —  hvettr,^  hann  varö*  hopp 
at  vinna. 

1.  In  z.  1  gebe  ich  mit  Egilss.,  vgl.  Fbr.  (52)  10-'),  der  Variante //ö/*'/'" 
von  Fd  den  vorzng  (vor  preifz  der  übrigen  hss.),  ebenso  in  z.  5  tölcslc,  vgl. 
Nj.II,  120  (vor  tük):  die  beiden  halbstrophen  weisen  dann  neben  gleicher 
aiiordnung  der  reime  auch  gleiche  satzconstructionen  auf  und  das,  war 
möglicherweise  ein  bewusst  angewantes  stilmittel,  das  die  Zusammensetzung 
der  Visa  aus  den  zwei  halbstrophen  besonders  klar  zum  ausdruck  bringt. 

—  2.  Vgl.  Kj.  n,  259,  dazu  auch  Jdceungs  ik.  —  3.  Z.  8  zeigt  zwar  in  bcR,q 
die  sechsgliedrige  dröttkvsettzeile,  doch  ist  ok  (das  in  Fd  fehlt)  der  iuter- 
polation  dringend  verdächtig,  und  die  scheinbare  metrische  lücke  durch 
auflösung  von  ftmtjan  zu  fimtiait  (Glslas.,  Aarb.  1879,  IGl  ft'.)  oder  /imUhtii 
(Kock,  Ark.  9, 138)  zu  beseitigen.  Auch  ein  anderes  visuorö  aus  einer  dräpa- 
strophe  pormoös  18,  i  reggs  prettjän  seggja  verlangt  noch  eine  analoge 
besserung.  Boer  (Zs.  fdph.  31, 149)  anderseits  will  für  hretr  {hvettr  Gislas. 
Xj.  II,  121)  hetja  einsetzen.    Aber  während  ein  verstypus  A^b  hetja  finitjän  \ 


1)  Die  klammer  deutet  an,  dass  die  betreffende  Strophe  in  eine  lücke 
der  hs.  fällt. 

2)  Xur  bei  den  membranen  werden  auf  lösungen  von  abkürzungen  durch 
cursivdruck  gekennzeichnet. 

*)  Gislas.  folgt  in  Fbr.  (52)   in  allen  kvaäene  der  redactiou  Egilssous 
(vgl.  Xj.  II,  119). 


314  GAEETNER 

vetra  nicht  allein  in  der  Fbr.,  sondern  allgemein  sehr  wenig  beliebt  ge- 
wesen zu  sein  scheint  (s.  unten),  ist  D.,  (hvettr  fimtian  vetra)  in  der  4.  und 
8.  zeile  mit  14  proc.  belegt.  Ausserdem  fällt  das  überdies  nur  spärlich  be- 
legte hetja  gegenüber  dem  in  allen  hss.  bezeugten  hretr  beim  Vortrag  aus 
dem  tonniveau  heraus  (vgl.  unten).  —  Hveti  (hvatleik),  conjectur  von  Jon 
porkelsson  (vgl.  Fbr.  [99]  148),  ist  als  pyrrhikhius  zurückzuweisen  (vgl.  Nj. 
II,  391).  —  4.  Fbr.  (99)  s.  148  hat  bar  (conjectur  von  Jon  porkelsson).  — 
NE.  Ein  visuorS  des  porSr  Sjareksson  lautet :  Starf  höfsk  iipp,  pä's  arfi 
(Hkr.  1, 217.  92, 5) ;  möglicherweise  machte  pormoör  in  2, 1  also  eine  ent- 
lehnung  von  p.  Sjärekss.,  der  im  ersten  viertel  des  ll.jh.'s  dichtete. 

3.  steht:  M  (bl.  199  v.  1.)  bcF  (bl.90r.b.)  R,  (s.  15  f.)  ikmoq.  —  fehlt: 
(SRiln).   —   gedruckt:  F  H,  100.    Fbr.  (52)  16  f.   Fbr.  (99)  20. 

Text  nach  M :  1.  Alldrspelli  kvaö  ek  ollu.  —  2.  Ingolfs  sonar  f>i>!gat. 

—  3.  friett  er  vig  sem  ek  vietti.  —  4.  valldr  alfauöurs  tiallda.  —  5.  flell 
firir  frseknum  stilli.  —  6.  fiortion  v«r  pat  liona.  —  7.  litt  var  ]yar 
tu  prsetu.  —  8.  ]7orbrandr  drasils  vandar. 

Varianten:    1.  Alldr-spelli]  -spüle  Fd,    -spell  R,,    alldrz  spielli  ikmo. 

—  kvaö  ikmoq]  kued  FdR,.  —  ollu]  ollum  Rj.  —  2.  pingat  miq]  pingiö  k, 
f>angat  o,  hingat  FdRi.  —  3.  er]  eru  FdR,.  —  vig]  fing  q.  —  sem] 
päd  m,  pau  er  Fd.  —  ek]  fehlt  Rj.  —  vietti  q,  vsetti  Ri,  veitti  imo] 
ueittag  Fd,  villde  k.  —  4.  alfauöurs]  hasleipnis  FdRj.  —  5.  frseknum] 
frsegium  Fd,  fregstum  R,.  —  stilli]  foUi  Ri.  —  6  f^  abbrev.  bRjkq] 
J^at  CO,  p'aö  im,  pa  Fd.  —  7.  var]  er  o.  —  par  q]  abbrev.  p  bFd,  pat 
cikmo.  —  8.  porbrandr  qiko]  -brand  FdRjm.  —  drasils]  drägils  k. 

Auflösung:  Ek  hveö  vakU  alfoöurs  tjalda-  ollu  aldrspelli  Ingolfs  sonar; 
pingat  es  frett  vig;  sem  vaettik.  porbrandr  feil  fyr  freeknum  stilli  drasils 
vandar;  ]>&t  vas  fjortjön  Ijona;  litt  vas  J>ar  til  prastu. 

Der  durch  alle  hss.  durchgehende  fehler  valdr  statt  des  durch  die 
construction  geforderten  acc.  valcl  zeigt,  dass  die  texte  aller  bekannten 
hss.  der  Fbr.  i)  (soweit  nicht  gegenseitige  beeinflussuug  vorliegt)  auf  ein 
und  dieselbe  vorläge  zurückgehen,  in  der  dieser  fehler  schon  enthalten 
war.  Der  redactor  des  textes  von  R,  (*R)  im  folgenden  mit  q  be- 
zeichnet) hat  einen  vereinzelten  besserungsversuch  gemacht,  offenbar,  ohne 
die  construction  verstanden  zu  haben.  Er  substituiert  ollum,  aldrspell  für 
ollu,  -spelli  und  vcetli  für  vceit/Jc  und  setzt  an:  eJc  Icred  aldrspell  Ingolfs 
sonar,  ollum  frett  eru  rhj  sem  vcetti  valdr  alfoöurs  tjalda.  Gegen  den  sinn 
dieser  fassung  ist  nichts  einzuwenden;  bedenklich  jedoch  ist,  dass  (>,  um 
das  metrum  in  z.  1  zu  wahren,  das  sonst  stets  durch  bragarmäl  mit  dem 
vorausgehenden  verb  verbundene  pron.  pers.  eJc  zum  selbständigen  Senkung 
bildenden  glied  erheben  musste.  —  2.  Zwischen  den  keuningar:  valdr  al- 
fgÖurs  tjalda  Mbcikmoq  und  valdr  hasleipnis  tjalda  FdRi  kann  man 
schwanken;  beide  umschreiben  correct:  praeliator  bez.  vir.  Da  in  dieser 
Strophe  M  jedoch  den  relativ  ursprünglichen  text  bewahrt  zu  haben  scheint 
(vgl.  z.  3,  wo  die  lesart  von  Fd   deutlich  unecht  ist:   die   von   pormöör 


*)  Mit  ausnähme  der  fragm.  HRaUl. 


ZUR   FUSTBRCEDRASAGA,  315 

gesprochenen,  sich  also  auf  ihn  zurückbeziehenden  werte  frett  cru  vig  Jmu's 
veitiak  würden  in  der  ausschliesslich  von  der  erschlagung  porbrands  durch 
porg-eirr  handelnden  Strophe  der  erüdrapa  (!)  sehr  befremden;  vgl.  ferner 
den  fehler  Porbrand  in  FdR,m),  bin  ich  für  annähme  der  lesart  von  M. 

4.  steht:  M  (bl.  200  v.  r.)  bcRi  (s.2'2)  ikmoq.  —  fehlt:  (HR^ln)  Fd.  — 
gedruckt:   Fbr.  (52)  22.    Fbr.  (99)  27. 

Text  nach  AI:  Vel  dug/r  vcrk  at  telia.  —  2.  vapna  hreg(/s  fyr  seg- 
giuH?.  —  3.  opt  Üygr  geirr  fra.  gun»i.  —  -t.  gioö  butrallda  hlioöa.  — 
ö.  )'at(  kyn»i  mun  min/d.  —  G.  marg  hroöanda  f>iodar.  —  7.  nie  ek  hneckig 
pri  J>ackar.  —  8.  pess  vigs  fetils  stiga. 

Varianten:  2.  vapna]  vopns  m.  —  hreggs]  hregg  m,  hrings  i.  — 
3.  opt]  ortt  0.  —  flygr  bcqkm]  filgur  i,  flu  o,  flugu  Ri.  —  geirr  bikoq] 
gron  Ri,  geirz  m.  —  gunni]  guma  o.  —  i.  hlioöaj  hloöuin  Ri.  —  mun] 
mer  R,,  mug  o.  —  minni]  niauna  o.  —  (3.  hroöanda  bcq]  -hroöande  ik, 
-horSande  m,  -joöanna  R,,  ok  marg-frööar  o,  —  J'ioöar]  pat  pioder  m.  — 
7.  hneckig  bcq]  hreckegg  k,  hverk  m,  huakka  er  at  peckum  R,.  —  8.  ab- 
weichend nur  o:  J'orgeire  vygs  ben  styga. 

Auflösung:  Vel  dugir  at  telja  verk  fyr  seggjum;  oft  flygr  grann 
gjoör  hreggs  väpna  frä  gunni;  Butralda  hlööum.  —  pott  pjoöar  kunni 
margrjööauda  stiga  fetils  mun  minni  pakkar  pess  vigs;  ne  hnekkik  pvi. 

Das  fehlen  der  skothending  in  z.  3  beruht  sicher  auf  textverderbnis, 
wie  schon  F.  Jöusson  (Ark.  7,  327)  und  Boer  (Zs.  fdph.  31, 149  f.)  bemerkt 
haben.  Ersterer  schlägt  keine  bestimmte  conjectur  vor.  Boer  setzt  für 
geirr:  genja  ein,  wodurch  neben  dem  reim  Übereinstimmung  mit  der  prosa- 
erzählung  erreicht  wird,  für  gunni  liest  er  ferner  grenni  (acc.  zu  grennir), 
für  gj6Ö:  gjöH.  Indem  er  dann  väpna  hreggs  gjöös  mit  frä  grenni  zur 
kenning  für  vir  verbindet  und  hljöda  für  aus  hlööum  verderbt  erklärt,  er- 
hält er  die  formell  correcte  halbstrophe: 

Vel  dugir  verk  at  telja        (väpna  hreggs),  fyr  seggjum 
(genja  flo  frä  grenni  gjöös)  —  Butralda  hlööum.  — 

So  geistvoll  diese  erklärung  auch  ist,  wird  man  sich  doch  nicht  verhehlen, 
dass  besonders  die  in  z.  3  vorgenommenen  änderungen  zur  erlangung  des 
reimes  (wobei  obendrein  aöalhending  in  I  entsteht!),  ziemlich  stark  sind 
und  —  abgesehen  von  flö  in  der  textlich  arg  verderbten  hs.  o  —  stützen 
für  diese  conjecturen  in  z.  3  nicht  vorhanden  sind.  —  Dass  Butralda  nicht 
mit  at  telja  verk  in  Verbindung  zu  bringen  ist,  wird  jeder  glauben  (vgl. 
Boer  a.a.O.),  ebenso  scheint  einzuleuchten,  wie  auch  F.  Jönsson  (a.a.o.)  ver- 
mutet, dass  vel  dugir  verk  at  telja  und  väpna  hreggs  gjöör  (notwendige 
conjectur  für  gjöd)  ihjgr  opt  frä  gunni  zusammengehörige  sätze  bilden, 
und  dass  man  einen  dritten  satz  erwartet,  hvori  Butraldis  drab  omtaltes 
(vgl.  Aarb.  7, 327,  anm.  1).  Diesen  satz  hat  Boer  (Zs.  fdph.  31, 150)  in  Bu- 
tralda hUbum  richtig  vermutet,  wie  die  ihm  unbekannte  Variante  von  Rj 
hlölhim  zu  bestätigen  scheint.  —  Vollständig  beziehungslos  bleil)t  nur  geirr 
Mikoq,  geirz  m,  das  aus  formellen  (skothendinglos)  und  sachlichen  gründen 
(Widerspruch  zur  prosa,  s.  Fbr.  [52]  22,  i — 7)  anstössig  ist.  Die  glücklichste 
lösung  scheint  widerum  die  lesart  von  Ri  zu  bieten:  grdn{n)  =  grär  = 
griseus.     Durch  dieses  adj.   wird  nicht  nur  der  in  z.  3  defecte  reim  her- 

Beitrage  zur  geschichle  der  deutschen  spräche.     XXXII.  21 


316  GAERTNER 

gestellt,  und  zwar  nonnale  skotliendmg,  sondern  es  ergibt  als  epitheton 
Omans  zu  gjödr  hreggs  väpna  ein  gutes  kenniugglied  (vgl.  Clav.  poet.  s.  18). 
Die  parentbese  lautet  dann:  opt  flygr  grünn  gjöör  hreggs  väpna  frägunni: 
oft  fliegt  der  graue  kampfvogel  (=  der  adler)  von  der  kampfgöttin  fort. 

—  Während  4, 1 — 4  in  Rj  dem  authentischen  text  am  nächsten  kommt, 
sind  die  Varianten  von  Ri  in  4,  5 — 8  wol  sämmtlich  zu  verwerfen ,  es  sei 
denn ,  dass  man  in  z.  5  vih-  acceptiere  und  construiert :  pött  pjüöar  kiinni 
margrjööanda  st/'ga  fetih,  minni  pakkar  wer  pess  vigs. 

6.  steht:  M  (bl.  200  r.  r.)  bcR,  (s.  25)  ikmoq.  —  fehlt:  (HR.ln)  Fd.  — 
gedruckt:   Fbr.  (52)  24 f.    Fbr.  (99)  30 f. 

Text  nach  M:  Friett  hef?'r  auUd  at  ättu.  —  2.  uudliuz  pa  er  suik 
vinwa.  —  3.  riööanda  naut  ek  räöa.  —  4.  rögsmewn  saman  gnoga.  — 
5.  enn  vil  enkis  mimiaz.  —  6.  aulli  dyrs  viÖ  styri.  —  7.  rän  (wahrscheinl.) 
gat  ek  fyröa  fiona.  —  8.  flioz  ne?Ha  ockars  goöa. 

Varianten:  1.  at  ättu]  f>a  er  attuig  R,.  —  2.  undlinz]  virölius  m.  — 

3.  rioSanda]  riöauda  q.    —    ek]  ei  i,    ej  mo,    ad  k.    —    räöa]  raöi  Rj.    — 

4.  rogs-]  röggur-  m.  —  gnöga]  gnöfa  k,  hoggva  m.  —  5.  vil]  vil  ek  alle. 

—  enkis  q,  engis  Ri]  ]?essa  i,  pess  k,  abbrev.  pess  mo.  —  6.  aulli  q] 
resi  R,,  ausi  i,  ausse  ko,  ausu  m.  —  7.  rän]  rsent  m,  ravn  Rj.  —  gat  ek] 
ek  fehlt  m,  set  ek  Rj.  —  fiöna]  fiora  ik,  fiorfe  ra,  fin»ia  Rj.  —  8.  ockars] 
ockar  ikmo,    ockara  R,. 

Auflösung:  Old  hefr  frett,  at  ättum  saman  gnoga  rögsmenn,  pä  es 
svik  vinna.  Ek  naut  räöa  rjoöanda  undlinns.  Enn  ek  vil  enkis  minnask 
nema  okkars  gööa.   Ek  gat  raun-  fyrÖa  fjona  viÖ  styri  oesi'  dyrs  flöös.^ 

1.  vgl.  Egilss.  Lex.  141.  —  2.  raun  nach  Ri.  —  3.  das  überlieferte 
fliöÖs,  gen.  sg.  zu  fljoö?  =  femina,  ist  hier  unmöglich. 

6.  steht:  M  (bl.  201  v.)  bcRi  (s.28)  ikmoq.  —  fehlt:  (HR^ln)  Fd.  — 
gedruckt:  Fbr.  (52)  27.  Fbr.  (99)  34.  Grett.  (59)  64.  Grett.  (F.  Jönsson)  104. 

Text  nach  M :  Kapjj  let  haullör  at  hepui.  —  2.  hriö  geröiz  pa  sueröa. 

—  3.  hratt  gat  hrafn  at  slita.  —  4.  hoUÖi  mäf  of  golldit.  —  5.  enn  var 
vigs  at  vigi.  —  6.  vig  riöandi  siöaü.  —  7.  fvnd  bar  greypr  at  gun»i.  — 
8.  giarnan  skufs  ok  biarna. 

Varianten:  1.  Kapp]  kapps  R,q.  —  at]  meö  Grett.  —  4.  holldi]  hold 
Grett.  0.  —  mäf]  mal  Rjikoq.  —  of  golldit]  siäliga  golldid  m,  Mäks  syui 
goldit  Grett.  —  7.  fuud]  koenu  Grett.  —  greypr  at  guuni]  greppur  ad 
g.  m,  greypur  at  grendumm  o.  —  8.  giarnan]  gjarna  Grett. 

Auflösung:  Holdr  let  Mäs  syni  kapp  goldit ;2  hriö  sveröa  geröisk  pä 
at  hepni;!  hrafn  gat  at  slita  hrätt  hold.  *  Enn  viggriöandi  vägs*  vas  siöan 
at  vigi  Sküfs  ok  Bjarna;  hann^  bar  gjarna ^  greipr  at  gunni. 

1.  Boer  (Grett.  104)  zieht  vieÖ  hepne  zu  hglör  let  kapp  goldit:  der  held 
vergalt  dem  söhne  Mäks  den  streit  mit  erfolg.  Diese  erklärung  will  mir 
weniger  glücklich  erscheinen,  als  die  in  Fbr.  (99)  beibehaltene  construction 
(s.  G4):  ai  hepni  gerl)isk  pä  hriö  sverÖa:  erfolgreich  (für  porgeirr  natürlich, 
ein  misverständnis  ist  wol  ausgeschlossen)  verlief  da  der  kämpf,  [denn]  der 
der  rabe  erhielt  zu  zerfleischen:  nicht  hrätt  holdi  (MRjikm),  sondern  hold 
(o.  Grett.).  —  2.  Ebenso  sicher  falsch  ist  die  lesart:  hgldr  let  kapp  Maf  of- 
goldit  (M)  oder  hgldr  let  kapps  mal  of  goldit  (Riq);  es  handelt  sich  nicht 


ZUR   FÜSTBR(EDRASAGA.  317 

nin  einen  streit  porg-eirs  mit  Märr,  sondern  mit  dessen  söhn  porgils  (vgl. 
Fbr.  [99J  28, 11  Porgils  var  Mässon).  In  Grett.  finden  wir  offenbar  die 
richtige  lesart  Jn>ldr  Ut  kapp  Mäks  syni  goldit  (vgl.  Grett.  [59]  Gl,  7  kann 
{Porgils)  var  kallaör  Porgils  Äläksson).  —  3.  Die  Varianten  der  Fbr.  in 
z.  7  fuml  und  z.  8  gjaruan  lassen  sich  nicht  halten.  Annehmbaren  text 
bietet  Grett.  Nach  Grett.  (59)  213  ist  zu  construieren  Emi  ras  viggridandi 
(is  qui  navi  vehitur  Egilss.  Lex.)  siüan  at  rigi  Skiifs  ok  Bjarna.  Vig-kccnn 
(peritus  puguae  Egilss.  Lex.)  bar  gjarna  greipr  at  gnnni.  Allein  es  ist  in 
Z.5  nur  skothending  erforderlich,  der  verdacht  liegt  also  nahe,  dass  vigs 
(z.  5),  beeindusst  von  dem  unmittelbar  folgenden  at  vigi  aus  rügs  verderbt 
ist:  viggriÖandi  rügs  =  vir. 

7.  steht:  M  (bl.  201  r.  r.)  bcRi  (s.  34)  iklraoq  (nur  z.  1).  —  fehlt:  (HRsU) 
Fd.  —  gedruckt:  Fbr.  (52)  29.    Fbr.  (99)  37. 

Text  nach  M:  Sex  liet  siefar  faxa.  —  2.  suiprun»r  heöau  guujiar.  — 
3.  sialfr  var  awrr  at  ollu.  —  i.  undlinz  buinn  sinnu?«.  —  5.  satt  attu?» 
reo  soek/r.  —  6.  sveims  froka  ek  pat  reina.  —  7.  opt  vau>i  auöar  skiptar. 
—  8.  erri«gs  i  haf  knerri. 

Varianten:  1.  sex]  vij  k.  —  faxa]  fara  k.  —  2.  heöan]  hiedins  o.  — 
5.  soekir]  sarer  i — m,  ssetter  o.  —  6.  fraka  ek]  fra  =  eka  i,  frae  ka  1, 
frake  o,  fracka  km.  —  f'at  abbrev.]  pa.5  ik,  viö  J7a5  m,  tytt  o.  —  reina] 
raka  o.  —  7.  vann]  var  k,  styrde  o.  —  auÖar]  auda  m,  auöz  o.  —  8.  er- 
riugs]  ernings  i. 

Auflösung:  Sviprunur  undlinns  let  faxa  stevar  sex  siuuum  büinn 
heöan;  sujallr  guunar  vas  Qrr  at  ollu.  Scßkir  sveima  reo  sjärokuum  knerri 
heiman  i  haf;  ek  fra  J7at;  oft  skiftir  auÖar  vann  erring. 

Nach  der  construction  Egilssons  (vgl.  Fbr.  [52]  29)  lautet  7, 1—4  sex 
Ut  scefar  faxa  srijnnoinr  heöan  (gunnar  sjalfr  vas  grr)  at  gllu  tindlinns 
büinn  sinmwi.  Gislas.  (Nj.  II,  103)  hat  gegen  diese  art  der  auf  lösuug  und 
gegen  diese,  sjalfr  mit  kann  identificierende  auffassung  Egilssons  berech- 
tigte bedenken  geltend  gemacht;  bemüht,  für  sjalfr  einen  annehmbaren  reim 
zu  substituieren,  gab  Gislas.  der  halbstrophe  die  gestalt: 

Sex  Ijet  ssevar  faxa  sviprunnr  hjeöan  gunnar 

(snjallr  var  orr  at  öllu  undlinns)  büinn  sinnum. 

Auch  F.  Jonsson  (Ark.  7, 327)  ist  überzeugt,  dass  sjalfr  verderbt  ist  aus 
einer  Form,  die  in  ihrer  ursprünglichen  gestalt  mit  gunnar  eine  kenning 
für  porgeirr  ergab,  wenngleich  er  glaubt,  dass  dctte  stcd  mä  i  hvert  fald 
ogsä  forbigäs;  an  der  bedeutung  von  at  gllu  =  ^  alting  hält  er  mit  recht 
fest.  Zwar  betont  Gislas.,  dass  at  gllu  =  omnino  nicht  belegt  sei:  dafür 
aber  erscheint  sicher  med  gllu  =  omnino  (Egilss.  Lex.  11),  meÖ  und  at 
wechseln  häufig  (vgl.  6, 1  med  hepne  Grett.,  at  hepne  Fbr.),  vgl.  auch  at 
gnügu.  —  Billigt  man  noch  snjallr  (z.  3),  das  mit  gunnar  die  von  F.  Jonsson 
gewünschte  Umschreibung  für  porgeirr  liefert,  so  erhält  die  parenthese  die 
gestalt  snjallr  gunnar  ras  grr  ut  gllu:  der  im  kämpf  gewante  war  in  allem 
tüchtig.  Die  Situation  ergibt,  dass  damit  auf  seine  seemannstüchtigkeit 
angespielt  werden  soll,  was  durchaus  sinngemäss  ist,  da  in  den  Strophen  der 
dräpa  bis  dahin  nur  pormöös  kämpfe  auf  Island  berührt  werden  (F.  Jünsson, 
Ark.  7, 328;.     Undlinns  endlich  vereinigt  sich  gut  mit  siiprun)ir  (=  is  (lui 

21* 


318  GAERTNER 

movet)  zu  einer  keimiiig  für  krieger,  die  in  ähnlicher  Zusammensetzung  in 
Str.  17,  3 — 4  widerkehrt:  viÖ  sviprunna  sverÖs.  —  Betrefts  snyaZ/y  (z.  3)  vgl. 
Gislas.  Nj.  II,  103.  —  Fbr.  (99)  hat  pollr  und  construiert  (s.  150,  7)  Gunnar 
sciprunnr  let  . . . ;  undlinns  pollr  vas  grr  at  gllu.  —  Str.  7, 5 — 8  ist  in  der 
überlieferten  gestalt  unverständlich.  In  z.  1  scheint  scekir  (M)  der  einzige 
rest  des  ursprünglichen  textes  zu  sein,  der  fehler  vermutlich  in  satt  attum 
zu  stecken,  zu  dem  sich  nur  in  o  *)  ein  reimwort  stctier  findet.  Gislas.  ver- 
mutet deshalb  sjdroJcnum.  —  Auch  z.  2  ist  in  M  reimlos  überliefert  sveims 
reina  (der  vers  fraJce,  fraJcak  raJca  o  ist  sicher  das  fabrikat  eines  redactors, 
der  unbekümmert  um  den  sinn,  um  jeden  preis  einen  reim  herstellen  wollte). 
Die  conjecturen  von  Egilsson  (Fbr.  [52]  29)  und  Boer  (Zs.  fdph.  31, 151),  der 
den  gen.  pl.  sveima  (für  sveims)  sehr  wahrscheinlich  macht,  treffen  wol  das 
richtige.  In  Fbr.  (99)  lautet  z.  6  seims-fm  ek  put;  heima;  die  conjectur 
scekir  seims  =  maör  lässt  sich  nur  halten,  wenn  man  das  pron.  pers.  ek 
zum  senkungbildenden  glied  erhebt  —  und  das  ist  bedenklich. 

8.  steht:  bcRj  (s.  3i)  ikmoq.  —  fehlt:  (HMR.n)  Fdl.  —  gedruckt;  Fbr. 
(52)  32.  Fbr.  (99)  41. 

Text  nach  b:  Hrund  bar  ek  af  hendi.  —  2.  hialldr  urpum  (am  raude 
lupum)  pa  skilZdi.  —  8.  saugn  (am  rande  -sogu)  hofu?«  sar  of  fengit.  — 
4.   Sikliugs  flugu  mikla.   —   5.  uu  (am  raude  nergi)  er  hrafns  of  hranwa. 

—  6.  hlunz  gaflviguwt  fam  rande  glapvigum)  runni.  —  7.  ym  nysandi 
ossa.  —  8.  Arkyndils  ma  ek  . . .  (am  raude  säran,  add). 

Varianten:  1.  hrund]  hrundar  R, ,  hrundit  iknio.  —  bar  ek]  ber  ek 
El,  hef  eg  ikm,  hefir  eg  o.  —  afj  a  Rj,  an  q.  —  2.  hialldr]  hialld  ik.  — 
urpum]  am  rande  in  b  lupum,  ferner  in  cikmo.  —  skilldi]  skalldi  Riikmo. 

—  3.  saugn]  saung  o,  sogu  b  (am  rand).  —  hofum]  heiir  R,.  —  4.  flugu] 
flavgo  Ri,  flug  k.  —  5.  nü]  nergi  b  (am  rand)  cikmo.  —  6.  gaflvigum] 
glapvigum  b  (am  rande)  cimk,  glafl-  Riq,  glaufuugum  o.  —  runni]  runninn 
ikmo.  —  8.  mä  ek]  giore  o.  —  saran  fehlt  bq,  wird  in  b  von  anderer  band 
am  rande  hinzugefügt,  sära  R),  saraun  ikmo. 

Auflösung:  Ek  ber'  ä^  hendi  mikla  flugu  hrindar';  hjaldr  sikliugs 
song-;  urpum^  pä  skjaldi;  hgfum  fengit  of  sär.  —  nsergi^  es,  umnysandi 
hrafns  hlunns!,  mä  ek^  hefna'*  ossa  sära  glapvigum  runni  arkyndils? 

1.  Die  in  b  verderbten  texttormen  werden  durch  die  Varianten  von 
Ri  zum  grössten  teil  richtig  gestellt:  vgl.  z.  1  hrundar,  herk,  ä,  z.  2  urpum. 

—  2.  vgl.  0.  —  3.  z.  5  ncergi  vgl.  cikmo.  —  4.  z.  5  ist  in  allen  hss.  un- 
verständlich; rargi  ist  neben  der  kenning  runni  (dat.)  hrafns  hhinns  be- 
ziehungslos; in  hranna  Qirann  ä'Ä;?)  muss  ein  von  mük  (z.  8)  abhängiger 
iefinitiv  stecken:  Egilss.  vermutet  of  hefna,  das  gleichzeitig  den  reim 
widerherstellt.  —  5.  In  Fbr.  (99)  41  wird  das  in  allen  hss.  belegte  ek  (z.  8) 
gestrichen  und  mmysandi  ärkindils  als  subject  zu  mä  of  hefna  ossa  sära 
gefasst.  Derartige  Umschreibungen  des  pronomens  der  1.  person  finden  sich 
jedoch  in  den  auf  Island  gedichteten  visur   sonst  nirgends   und   in   den 


0  7,5—8  lautet  in  o: 

Satt  attum  rieö  stetter  sveins  frake  tytt  raka 

opt  styrde  auöz  skippter  errings  i  haf  kuerre. 


ZUR.  FÖSTBRCEDRASAGA.  310 

übrigen,  vor  allem  den  Groenlandstrophen,  hat  der  die  strophe  vortragende 
porraöör  sich  meist  als  'poeta'  bezeichnet  (str.  27.  4  greppr,  str.  29,  8  smiör 
stefja).  Man  wird  daher  besser  (mit  Egilss.  Lex.  8815)  uminjsandi  äyJci/iulils 
als  anrede  an  Bersi  betrachten :  wann,  o  goldsucher,  vermag  ich  . . .  etc. 
Solche  vocative  stehen  aiich  in  anderen  Strophen  (vgl.  str.  23). 

9.  steht:  H  (371,12—15)  bcF  (bl.98r.r.)  dRi  (s.  42)  ikloq.  —  fehlt: 
(ME^n)  ra.  —  gedruckt:  H,  371.  F.  11,  1,5.5,3.  Fbr.  (,52)  39.  Fbr.  (99)  51. 
Cpb.  175,  1. 

Text  nach  H :  lila  reö  ek  pri  at  allar.  —  2.  eydravpuis  gaf  ek  freyiv 
(oder  meyiv  vgl.  anm.  1).  —  3.  me;-  barst  doms  i  dravma.  —  4.  dis  Kol- 
brvnar  visvr.  —  5.  pa  tok  ek  porna  freyiv.  —  6.  pruör  kan>t  mart  en 
prvöa.  —  7.  liknvjHZ  ek  helldr  \id  hilldi.   —  8.  hvitings  a  mer  viti. 

Varianten:  1.  pvi  at]  p\i  er  bikl.  —  2.  eydraupnis]  dreipnis  Ri,  ei- 
drnpnis  (z)  kl.  —  freyjv]  meyjv  (H,  anm.),  meyura  iL  —  3.  barst]  bar  Fd. 
—  5.  ]''oriia]  }>etta  Fd,  J^eirra  R,.  —  freyjv]  freyja  FdR,.  —  6.  mart] 
margt  kl.  —  en]  hin  Fdk.  —  7.  likmimz]  lyk  iunst  ik,  likünst  1.  —  ek] 
fehlt  bikl.  —  huitings]  huitnigz  1.  —  viti]  vit  d. 

Auflösung:  Rcö"k  j'vi  illa,  es  gafk  meyju  all.ar  Kolbrünarvisur;  dis 
ey-Draupnis'  barsk-  mer  i  doms  drauma.  prüör  porna"  kann  mart  en  pruöa; 
liknurak  heldr  viö  hvitings  Hildi;  viti  tok  ä  mer  freyju  (?).^ 

1.  In  z.  2  trennt  F.  Jousson  (H,  371)  ey  als  zeitadv.  von  Draupnis  ab 
und  bestimmt  nur  dis  Draupnis  zur  kenning  für  'frau'.  Ey  --^  semper, 
perpetuo  scheint  aber  in  dem  satze:  illa  reök  ]?vi  es  gafk  visur  zur  Cha- 
rakterisierung dauernder  tätigkeit  nicht  wol  angebracht.  —  Egilsson 
(Lex.  144)  verschmilzt  ey  mit  Draupnis  (eydraupnir  annuUus  =  contiuentor 
de.stillans),  in  der  annähme,  dass  ey  'interdum  in  compositis  videtur  em- 
phaticum  esse',  ey  wird  damit  zu  einer  partikel  degradiert,  die  ihrer  be- 
deutung  nach  sicher  entbehrlich  ist,  die  aber  vor  dem  reimlosen  nomeu 
Draupnis  hofnöstafr  und  frumhending  trägt.  —  Ich  vermute,  dass  ey  hier 
gar  nicht  adv.,  sondern  das  fem.  'insel'  ist,  das  nach  analogie  von  eybaugr 
(str.  39,  8)  mit  Draupnir  (zweisilbig!)  verbunden,  eine  kenning  für  'mare' 
ergeben  würde  (ähnliche  bilduugen :  vagdraupnir  =  vegr  +  draupnir  = 
equus  Su.  E.  11,  487.  571;  Egilss.  Lex.  858;  baf.sleipnir  Egilss.  Lex.  746  etc., 
in  denen  namen  für  mythologische  gegenstände  ebenfalls  die  function  der 
entsprechenden  landläufigen  termiui  übernommen  haben):  dis  ej'-Draupnis 
=  nympha  maris  =  femina.  —  2.  In  z.  3  möchte  ich  nicht  wie  F.  Jonsson 
der  Variante  in  F  'bar'  den  vorzug  geben  und  damit  döms  (in  allen  belegt) 
als  entstellung  aus  döm  erklären,  sondern  mit  Egilss.  (Lex.  102)  ansetzen: 
döms  draumr  =  somniura  praenuntium  fati,  quo  fatum  vel  poena  fatalis 
portenditur.  Im  zusammenhange :  dis  ey-Draupuis  barsk  mer  i  doms  di'auma 
=  es  zeigte  sich  mir  das  weih  im  'strafe -vorausverkündenden'  träum.  — 
3.  In  z.  5  hält  sich  F.  Jonsson  widerum  an  die  lesart  von  Fde  (petta)  und 
construiert  (vgl.  H,  371.  Fbr.  [99]  151):  pk  tök'k  ä  mer  petta  viti;  en  prüöa 
freyju  ]3rüÖr  kann  mart  ...;  freyju,  sagt  F.  Jonsson,  H,  371  anm.  3,  ma 
vjere  forvansket,  det  hele  -er  en  kvindekenniug.  —  Indes  die  Verwendung 
des  demonstrativs  als  artikel  wird  meist  gemieden;  auf  jeden  fall  aber 
glaube  ich  porna  Hbcikl  beibehalten  zu  müssen,  das  mit  prixör  eine  kenning 


320  GAERTNER 

für  femina  bilden  kaun:  prnör  porna  =  dea  spiculorum  (analog  bildnngen 
wie  f>orna  ]n;ndr  =  deus  spiculorum  s.  Egilss.  Lex.  915  oder  g-eirjn-viör  s. 
Egilss.  Lex.  925).  Als  solche  ist  sie  siibject  des  in  parenthese  zu  schlies- 
senden  satzes:  prüör  Jjorna  kann  niart  en  prüöa.  Nach  abzug  der  zweiten 
parenthese  bleibt  von  der  halbstrophe  pa  tok  ek  'freyju'  ä  mer  viti.  Ich 
vermute  ferner  in  ek  eine  Interpolation,  wie  sie  häufig  ist,  in  viti  das  sub- 
ject  des  satzes  und  construiere:  viti  tok  a  raer  (täka  ä  e-m  =  taugere, 
adtingere  aliquem  Egilss.  Lex.  809).  Mit  freyju  weiss  ich  ebenfalls  nichts 
rechtes  anzufangen.  Vielleicht  steckt  ein  Infinitiv  darin:  ]?ä  tök  [hon]  an- 
drohen (?),  ä  mer  viti  (?). 

10.  steht:  H  (373, 16  —  374, 1)  bcF  (bl.  90  v.  1.),  z.  7-8  fehlt,  d  (z.  7-8 
fehlt)  R,  (s.45)  ikoq.  —  fehlt:  (MR,n)  Im.  —  abgedruckt:  H,374.  F.n. 
156,  29.  Fbr.  (52)  42.  Fbr.  (99)  55. 

Text  nach  H:  Hvs  bravt  snart  ül  Suorra.  —  2.  sverörioör  oJc  styr 
geröi.  —  3.  hinn  er  heiftzr  mawna.  —  4.  Hsekils  svnar  rsk/r.  —  5.  varö 
eciadr  par  prioia.  —  6.  J^orgeiR  a  hvot  meiri.  -r-  7.  leygs  hefi  ek  slikt 
fra  soeki.  —  8.  sanspvrt  bani  mawna. 

Varianten:  1.  snart]  snaR  bEjik,  hart  Fd.  —  2.  -rioör]  -ruör  FdR,, 
moör  bik.  —  3.  heiftir]  heyttr  i,  heiptar  k.  —  Hsekils  sonar]  Heekil  sonar 
FdRi,  -sona  ik.  —  4.  reekir]  rfeki  Fd.  —  5.  varÖ  eggjaör]  vndeggiaör  bik. 

—  ]>&y]  f>a  bik.  —  priggja]  beggja  bik.  —  6.  porgeirr  a  hvot]  porgeir  at 
hvot  R],  porgeirr  huotu  Fd,  a  porgeyr  huot  ik.  —  z.  7-8  fehlt  in  Fd,  in 
d  steht  am  raude:  defect  ut  videtur  und  auf  dem  inneren  blatte:  videntur 
deficere  duo  versiculi.  —  7.  slikt]  sliks  bik.  —  soski  fehlt  Rj. 

Auflösung:  Sverörjöör',  hinn  es  rceköi-  heiftir  mauna  ok  geröi  styr, 
braut  snart  hüs  til  Snorra  Hoekils  sonar;  varö  par  bani  ]?riggja  mauna. 
j7orgeirr  a  hvot  meiri. ^  Ek  hef  sannspurt"  slikt*  fra  soeki  leiks*  eggja.^ 
1.  Fbr.  (99)  hat  s.  55  sverdruör,  s.  151  -rjöÖr;  auch  F.  Jonsson  (H,  373, 
aum.  1)  ist  geneigt,  srerdrudr  FAR^  zu  bevorzugen;  allein  die  Überlieferung 
der  str.  10  durch  H  ist  so  vorzüglich ,  dass  es  nicht  geraten  scheint,  ände- 
rungen  vorzunehmen.  —  2.  vgl.  H,373,  anm.2.  —  3.  So  Boer,  Zs.  fdph.  31, 152 
(Boer  gibt  für  a  hrüt  Hb  (b)  die  Variante  huctu  F  an;  c  in  hudu  ist  wol 
druckfehler  für  o,  da  in  F  wie  d  huoUi  steht);  für  diese  fassung  spricht 
auch  die  Variante  a  Jjorgeyr(r)  huot  meire  ik.  —  4.  F.  Jonsson  hat  leygs 
hef  Je  siks  fra  sosJci  sann  spurt  (vgl.  H,  373,  anm.  4).  —  Die  conjectur  Boers, 
leiks,  ist  in  k  belegt.  —  5.  F.  Jonsson  (in  H)  und  Fbr.  (99)  haben  eggjuör 
und  construieren :  porgeirr,  eggjuör  d  meiri  hvgt,  varÖ  /)ar  bani  priggja 
manna. 

11.  steht:  H  (375, 10 -12),  es  fehlt  z.  1—2,  bcRj  (s.  48)  ikmoq.  — 
fehlt:  (MR.n)  Fdl.  —  gedruckt:  H,  375.  Fbr.  (52)  45.  Fbr.  (99)  58. 

Text:  z.  1— 2  nach  b,  z.  3— 8  nach  H:  Ar  man  ek  fegn  hinn  er  pori. 

—  2.  ]>ar{s  fagrliga  arfa.  —  3.  Hlyra  hrafns  meÖ  geiri.  —  4.  hap^j  avöigr 
reo  davöa.  —  5.  dyR  hefndi  sva  sära.  —  6.  slikt  for  allt  af  iiiM.  — 
7.  oddz  ok  ernir  soddvz.  —  8.  iostyrandi  hlyra. 

Variauten:  1.  Ar]  aur  iko,  er  m.  —  man  ek]  var  m.  —  hinn]  pax 
Ri,  fehlt  0.  ]?ori]  poröe  m.  —  2.  parfs]  pars  Ri,  ]?arf  m.  —  fagrliga]  fagr 
gala  Rj.  —  3.  nieö]  viö  km.  —  4.  happauöigr]  happa  öigr  b.  —  davda]  kappi 


ZUR  FÖSTBRffiDRASAGA.  321 

bikmo.  —  5.  slikt]  slik  E,.  —  7.  ok]  ad  m,  oddur  crune  sadde  o,  oöi 
(i  wahrscheinlich)  en  varg-ai"  sauÖÖuz  R,.  —  8.  iostyrandij  iorsstyrandi  ho, 
jorz-  ikra,  jostyranda  R,. 

Anflüsiuig:  Ek  man  )'egn,  är  hrafiis  hlyra,  J^arfan  arfa  Hävars*,  hinn 
es  liappauöigr  reo  Jjöri  danöa  moö  geiri.  Pyri"  j'istyrandi''  hlyra  hefnöi 
svä  sära  odds  ok  ernir  SQddusk;  slikt  för  alt  af  riki. 

1.  fagrliga  bikmo  (z.2)  ist  im  zusammenhange  unverständlich.  F.  Jönsson 
(H,  375)  substituiert  deshalb,  wie  dies  im  hiublick  auf  arfa  nahe  lag  (vgl. 
12,8),  HacarA  dafür;  das  versmass  stellt  er  wider  her,  indem  er  arfa  als 
acc.  fasst  und  ihm  als  ei)itheton  ornans  parfan  beigibt.  —  Wie  verfiel  ein 
redactor  aber  gerade  auf  das  seltene  fayrliiju,  da,  wenn  die  stelle  in  seiner 
vorläge  defect  war  (vgl.  fa(jr  ijala  R,),  die  ergänzung  des  namens  von 
porgeirs  vater  zu  arfa  gewissermassen  auf  der  band  lag?  —  AVird  ferner 
die  halbstrophe  durch  drei  Umschreibungen  für  iDorgeirr:  ur{r)  hrafns  hlyra, 

—  pegn,  hinn  er  red  Pari  dauda,  —  parfr  arfi  Hävars  nicht  schwülstig? 
Kurz,  man  möchte  fagrlig-  für  ursprünglich  halten.  —  porgeirr  wird  von 
Öläfr  helgi  nach  Island  gesaut,  um  einen  hirdmadr  an  dem  bonden  pörir 
zu  rächen ,  er  ist  der  bevollmächtigte  böte  des  königs  (vgl.  Fbr.  [52]  44-,  23 
ek  heji  konunfis  ninhod  itl  pessa  mäls):  man  wird  also  «/•(>•)  z.  1  mit  'böte' 
übersetzen  dürfen.  Dem  iDorgeirr  gelang  es,  den  auftrag  zur  Zufriedenheit 
des  königs  auszuführen :  er  war  also  ein  ärr  parfr  =  ein  brauchbarer,  ge- 
eigneter hüte.  Man  erwartet  nur  noch  eine  wendung,  die  den  Ölafr  als 
auftraggeber  nennt:  arfi  =  in  erster  linie  haeres  +  hrafns  hlyra  =  haeres 
Davis,  kann  als  kenning  für  'mann'  gelten  und  arfi  fagrligs  hrafns  hlyra 
im  Zusammenhang  der  Strophe  wol  auf  Öläfr  bezogen  werden  (vgl.  ähnliche 
bildungen  wie  arfi  oöala  in  Vigfüss.  Lex.  unter  arfi,  oder  rex-kenningar 
wie  goiiinjordr  hhonin'ggs  =  custos  navis  etc.  in  ('lav.  poet.,  235).  Die 
construction  der  halbstrophe  würde  sein :  3Jan  eJc  parfan  är,  arfa  fagrligs 
hrafs  hlyra,  pegn,  hinn  er  hapjKiiidigr  red  Pöri  clauöa  med  geiri.  Die  am 
text  von  b— H  vorgenommenen  änderungeu  würden  nur  in  einer  art  tausch 
der  endsilben  bestehen:  fxirfs  —  fagrliga  — :  parfan  fagrligs.  Allein  wir 
räumen  ein,  dass  der  redactor,  der  den  vers  happa  cligr  red  kappi  '  machte ', 
auch  kurzsichtig  genug  gewesen  sein  kann,  nicht  &\\{  Hävars  zu  kommen. 

—  2.  R|  hat  jostyranda  und  will  danach  offenbar  construieren :  Dyrr  hefndi 
sära  jostyranda  hlyra;  indes  die  beziehung  der  kenning  auf  den  hirdmadr 
(vgl.  dazu  ärr  hrafns  hlyra  =  porgeirr  in  11, 1—4)  ist  ebenso  zu  verwerfen 
wie  die  Verwendung  des  einzelnen  dyrr  als  heiti  für  porgeirr. 

12.  steht:  H  (376,33-377,3)  bF  (bl.  99  v.  r.  —  99  r.  1.)  dR,  (s.  50) 
ikmoq.  —  fehlt:  (MR,n)  1.  —  gedruckt:  H,  377.  F.n,160.  Fbr.  (52)  47.  Fbr. 
(99)  61. 

Text  nachH:  Niordr  geck  a  ske  skoröv.  —  2.  skelecr  er  pat  telivj». 

—  3.  hialldrs  at  hf/ia  villdv?«.  —  4.  hiorgalldrs  me^  Rognvalldi.  —  5.  litt 
sparöi  fior  fjröa.  —  6.  fremöar  milldr  at  hilldi.  —  7.  dreug's  varö  daö  at 
lengri.  —  8.  diarfr  Havarar  arfi. 

Varianten:  ske,  skse  bo,  skie  R,]  skiö  Fdm,  skip  ik.  —  skoröu] 
skoröa  m.  —  2.  skeleggrj  skiellegur  o,  skyrligur  ikm.  —  erj  enu  FdbEii. 

—  3.  hialdrsj  hialldr  bRiikmo.  —  atj  er  bikmo.  —  villdum]  villdi  alle.  — 


322  GAERTNER 

4.  hior-]  hun-  Fd.  —  5.  fior]  fiora  i,  fe  E,.  —  fyröa]  firöa  d  (am  rande: 
vide  feröir).  —  6.  fremdar]  fremd  m.  —  milldr]  gilldiir  ikmo.  —  7.  drengs] 
drengr  bikmo.  —  varf)]  vann  bikmo,  var  c.  —  8.  Havarar]  Havars  Fdbirao, 
Havarös  k,  RaY&rlpaY  R,. 

Auflösung:  NJQrÖr  hjorgaldrs  gekk  skeljeggr^  ä  skse  skoröu  bjaldrs-, 
at  vildi  herja^  meö  Rognvaldi;  enn  pat  teljum.  Litt  sparöi  fremdar  mildr 
arfi  Hävars  fjor  djarfra  fyröa*  at  hildi;  däö  drengs  varö»  at  lengri. 

1.  Egilss.  (Lex.  722)  erklärt  skeleggr  (z.  2)  als  sJce-leggr  =  propositi 
tenax;  das  geht  nicht,  da  der  eingang  von  z.  2  dann  metrisch  anstüssig 
wäre:  kurzer  vocal  in  offener  silbe  vermag  nicht  hebung  zu  bilden  (vgl. 
Sievers,  Beitr.  15,  410).  Deshalb  ist  die  deutung  skel-eggr  (vgl.  skcl-punnar 
eggjar  in  Egilss.  Lex.)  —  uforfoerdet  (s.  F.  Jöusson,  H,  377,  anm.  2)  vorzu- 
ziehen. Nach  Sievers  (a.a.O.)  sind  geschlossene  silben  dann  zur  hebung- 
bildung  geeignet,  wenn  sie  im  Satzzusammenhang  geschlossen  gesprochen 
werden,  also  vor  if-consonanten  überhaupt  und  bei  vocalischem  anlaut  des 
folgewortes,  wenn  sie  kräftig  betont  und  infolgedessen  isoliert  werden. 
Letzteres  scheint  bei  skeleggr  (im  reime  mit  tel-ja)  vollauf  der  fall  zu  sein 
(vgl.  noch  Sievers,  Altgerra.  metr.  58.  3).  —  Vielleicht  darf  mau  auch  dem 
kurzen  vocal  in  skel-  eine  durch  position  absolut  gesicherte  hebnngsfähig- 
keit  dadurch  verschaffen,  dass  man,  den  ausführungen  von  Sievers  (Beitr. 
12, 486  ff.)  folgend,  eine  form  skel-j-eggr  ansetzt.  Die  tatsächliche  existenz 
dieses  thematischen,  vor  anderen  vocalen  als  e  erhaltenen  j,  in  den  von 
Sievers  a.  a.  o.  angeführten  compositis  Bnjnjulfr,  Eyjulfr,  Hcrjulfr,  Heyjangr, 
ferner  in  der  durch  die  Überlieferung  gesicherten  zeile  sU/rj-gld  cas  Jxl 
byrjitd  des  pjööölfr  skald  (Hkr.  3,  96)  und  die  wünschenswerte  einsetzung 
des  j  (vor  e)  in  den  drottkvpettzeilen  eines  Egill:  /  n/Ö-j-crß  Narfa  (Egilss. 
[1894]  166)  und  Ad-j-ils  blomn  naÖri  (a.a.O.  159)  etc.,  lassen  die  möglich- 
keit  der  Verwendung  von  skelj-eggr  dixrch  iDormöÖr  Avolbegründet  erscheinen; 
hat  pormöSr  sich  doch  auch  anderen  orts  älterer  sprachformen  bedient  (vgl. 
2,  4  Kloeings,  2,  8  fimtkin,  18,  4  pretkin),  vgl.  E.  Jonsson,  H,  877.  —  Als 
letztes  bliebe  anzunehmen,  dass  es  sich  bei  skel-eggr  um  eine  entstellung 
handelt,  vielleicht  aus  skelkeggr.'')  —  skelkr  m.  zu  skelkja  =  terrorem  in- 
jicere;  skelkeggi;  —  eggjaÖr  =  aualogiebildung  zu  tlr-eggjaör  gloriae  pa- 
randae  cupidus  (vgl.  Egilss.  Lex.);  Jijaldrs  skelkeggr 'w&re  einer,  der  begierig 
isit  nach  den  schrecken  des  kampfes  =  vir  bellicosus,  d.  i.  eine  kenniug, 
die  für  porgeirr,  der  im  begriff  ist,  sich  in  neue  abenteuer  zu  stürzen  und 
das  schiff  Eognvalds  besteigt,  pvi  at  vildi  herja,  sehr  bezeichnend  wäre. 

—  Diese  hypothese  wird  jedoch  unwahrscheinlich  durch  weitere  belege  für 
skeleggr:  bei  Steinn  Herdisarson  (Hkr.  3, 161)  aus  dem  11.  jh.:  skeJeggjaör 
fram  Icggja  und  in  Grett.  (Boerl80,2)  skeleggs  miiinis  veggja  (vgl.  aber  unten). 

—  2.  Z.  2  ändert  F.  Jonsson  das  in  allen  hss.  belegte  ßat  in  pann,  um  es  zu 
hjaldr  (bRiikmo)  zu  stellen:  teljum  enn  pann  hjaldr:  jeg  opregtier  ednu 
den  katnp.  Abgesehen  davon,  dass  bRi  in  str.  12  den  text  fehlerhafter 
überliefern  (vgl.  z.  5  fe  Ri,  7  drengr  b  etc.),  als  H.-F.  dürfte  pann  Maldr  zur 


')  Vgl.  etwas  ähnliches :  neben  skelk-vingr  m.  gladius  Su.  E.  I,  566,  2 
erscheint  Sn.  E.  II,  620  Skel-vlngr. 


ZUR.  FÖSTBR(EDRASAGA.  323 

bezeichnuna"  einer  kanipfreichen  wikingerfahrt  begrifflich  wol  zu  eng  sein: 
ich  isoliere  durch  die  parenthese  nur  enn  pat  teljum:  und  das  will  ich  noch 
aufzählen,  und  stelle  hjaldrs  (IIFd)  zu  ä  skw  slcoröit:  porgeirr  gieng  von 
seinem  haudelsschiff  auf  das  für  den  kämpf,  die  heerfahrt  bestimmte  schiff 
etc.  —  3.  he)/ja  vgl.  Gislas.,  Nj.  H,  122.  —  4.  vgl.  Gislas.,  Nj.  II,  122  ff.  857. 

13.  steht:  H  (379,24-380,2)  bcF  (bl.99r.r.)  deK,  (s.  f.7)  ikmn  (nur 
z.1-4)  op.  -  fehlt:  (MR,)  1.  —  gedruckt:  H,379.  F.  II,  163.  Fbr.  (52)52. 
Fbr.  (99)  68. 

Text  nach  H:  Gavt  veit  ek  at  svn  Sleitv.  —  2.  snarfongr  mtd  liö 
drengia.  —  3.  havlldr  var  haröar  deilld/r.  —  4.  hiorkrafj^'an  naf  fiorvi.  — 
5.  vfeigu?«  VrtTÖ  eigi.  —  6.  alm]'i>igs  i  gny  malnia.  —  7.  ok  verör  rik 
f>ei»!  er  rsek/r.  —  8.  ravn  stj'nfvllv  lavnaö. 

Varianten:  1.  Gaut]  Gautr  bim.  —  at]  fehlt  ikm.  —  2.  snarfengr] 
snarffeingan  Fde.  —  drengia]  preingra  n.  —  3.  haulldr]  havlld  d  (am  rande), 
helldur  n.  —  var]  vifS  ikm,  abbrev.  viö  FdRiU.  —  harÖar]  heröar  n.  — 
4.  hiorkraf]'an]  -diarfan  FdRjik,  -diarfr  b,  hiü  djarfa  m,  hiors  jrj^a  n.  — 
naf]  er  uam  Fd  (am  rande:  ei  nam)  e,  nam  Riikmn,  raeö  b.  —  5.  ufeigum] 
ofgeigiun  bim,  ofgeiuginu  k,  ofgeigum  Ri  —  in  Fde  lautet  z.  5  enn  hne 
orua  speunir.  —  7.  ok]  opt  bm,  optt  ik,  fehlt  Fde.  —  verör]  var]?  FdeRj. 

—  ]7eim  er]  p'eim  abbrev.  bR,i,  pess  km.  —  rtekir]  rteki  F,  ra?k  b.  — 
8.  stynfullu  launaö]  stinnfullu  launar  ik,  stinufuU  launa  m,  of  stopa 
launat  Fde. 

Auflösung:  Ek  veit,  at  hcilör,  snarfengr'  viö^  harÖar  deildir,  nam^ 
hji^r  djarfan*  Gaut,  son  Sleitu,  fjorvi:  meö  liödrengja. '  Eigi  öfeigum  varö 
fullu  launat  i  gu}'  malma;  oft  verör  rik  raun,  J^eim  es  njekir  styr^  almpings. 
1.  Egilss.  (s.  Nj.  II,  127)  fasst  snarfemjr  meö  liö  drengja  zusammen  und 
med  dabei  in  der  bedeutung  n'Ö.  Die  bedenken,  die  Gi.slas.  (a.a.O.)  gegen 
Jigldr  nam  Gaut  fjorvi  meÖ  liÖ  drengja  äussert,  nimmt  er  Nj.  11,  331  f. 
zurück.  —  F.  Jonssou  (H,  379)  construiert:  Veit'k,  at  hglÖr,  snarfengr  viö 
hardar  deildir  meÖ  liö  drengja,  nam  .  .  .  Den  gesammteu  satzteil  snarfengr 
. . .  drengja ')  dem  heiti  hglör  beizugeben,  scheint  im  hinblick  auf  die  prosa 
Avenig  angebracht.  Zur  Charakterisierung  von  porgeirs  kampftüchtigkeit 
dient  snarfengr  ciö  haröar  deildir,  nieö  liö  drengja  aber  besagt  (vgl.  Gis- 
las., Nj.  II,  331  f.),  dass  porgeirr  die  ermordung  Gauts  inmitten  von  dessen 
leuten   ausführte  (vgl.  Fbr.  [99]  68,  7-15).    —    2.  vgl.  Gislas.,  Nj.  II,  125. 

—  3.  ebenda  s.  125f.  —  4.  ebenda  s.  127.  —  5.  H, 379  construiert:  opt 
verör  rik  raun  peim  es  ra:kir  ahnping;  eigi  öfeigum  varö  stijnfullii  launat . . . 
Den  in  allen  hss.  belegten  gen.  uhnpings  zu  ändern,  halte  ich  für  bedenk- 
licher, als  anzunehmen,  dass  stynfidlu  ein  durch  das  vorausgehende  raun 
veranlasster  Schreibfehler  für  styr'^)  fullu  (=  at  fullu  =  omnino,  vgl.  Fbr. 
[52]  73,  25)  ist,  und  construiere  wie  oben.  —  In  13,5—8  der  recension  Fde 
scheint  folgende  construction  gefordert:  enn  orua  spennir  hne  i  gny  malma; 


')  In  Fbr.  (99)  152  wird  hglör  +  snarfengr  . . .  einfach  durch  hinn 
hrausti  hardagamuör  gegeben. 

'^)  Dadurch  wird  gleichzeitig  die  gefahr  eines  misklangs  beseitigt: 
raun  :  stynfuUu  :  launat. 


324  GAERTNER 

rik  raun  rarÖ  oft  launat  peitn  es  rceJcir  ofsiopa  almpings.  Es  liegt  kein 
gruud  vor,  dieser  allein  durch  F  vertretenen  lesart  vor  dem  nach  H  recon- 
struierbaren  text  den  vorzug  zu  geben. 

1-1.  steht:  H  (380,14-381,2)  bcdR,  (s.  58)  m  (z.5-6  fehlt) i)  oq.  — 
fehlt:  (MR,n)  Feikl.  —  gedruckt:  H,  381.  Fbr.  (52,  74).  Fbr.  (99)  69. 

Text  nach  H:  Gvllz  reö  porgeiR  polla.  —  2.  pri  nsest  griöa  pesta.  — 

3.  ser  er  hann  seyöis  tiaui.  —  4.  svingeör  med  liö  minwa.  —  5.  allt  tekr 
segr  en  snialli.  —  6.  sanlavgs  friöar  monnvM.  —  7.  fliot  J?a  er  fyröar 
nytan.  —  8.  fvUmseli  reÖ  taela. 

Varianten:  1.  reÖ]  rett  d.  —  porgeirr]  porgeir  bdRi.  —  polla] 
|7olle  ra.  —  2.  sesta]  e^sta  d  (am  rande:  lege  sesta).  —  3.  er]  in  d  am 
rande:    ec  videtur  esse  ei.    —    seyÖis  fiarri]  sa  fari  bRim,    sitt  feri  d.    — 

4.  svingeör]  savenn  friöar  manna  m.  —  5.  allt]  aull  bdEi.  —  tekr]  toc 
dRj.  —  6.  sanlavgs]  saunleiks  b,  sannligs  Rjd.  —  7.  fliot]  fliorz  b,  fljötz  m. 
—  fjTÖar]  friöar  m.  —  nytan]  nyta  bdR,,  nytja  m.  —  8.  nach  fuUmpeli  d 
steht  am  rande:  inscr.  videtur  oc  ei. 

Auflösung:  porgeirr  reo  ]7vi  naest  sesta  griöa  polla  gulls,  es  svinngeör 
sa  ser  eigi')  fceri  viö  minna  liö.  Enn  snjalli  seggr  tok'*  monnum  oll  full- 
m»li  friöar  sonn^,  pä  es  nytir  leygs^  fljöts  red  tsela  fyröa. 

1.  In  z.  3  ist  die  einführung  einer  uegationspartikel  notAveudig;  schon 
der,  welcher  den  text  der  hs.  d  übercorrigierte,  vermisste  die  negation  und 
wollte  er  durch  ei  ersetzt  wissen.  —  F.  Jönsson  (H,  381)  gibt  der  z.  3  die 
gestalt:  ser's  hann  säat  foeri  (vgl.  sä  fari  bRim).  Da  dieser  vers  aber  die 
einzige  ausnähme  einer  für  pormoör  allgemein  giltigen  metrischen  regel 
bilden  würde  (vgl.  unten)  vermute  ich:  Juinn  wurde,  wie  es  häufig  ge- 
schah, interpoliert;  das  dadurch  gestörte  metrum  aber  wurde  durch  an- 
lügung des  uegationssuffixes  -at  (das  in  den  erhaltenen  recensionen  wider 
verloren  gieng)  an  sä  für  die  selbständige  zweisilbige  partikel  e/'gi'  (in  dem 
verse  ser's  eigi  sä  foeri)  widerhergestellt.  —  2.  Conjectur  von  F.  Jönsson 
(H,  381),  in  Rid  belegt.  —  3.  F.  Jönsson  construiert  (a.a.O.):  enn  snjalli 
seggr  tök  monnum  oll  fiälmceli  friöar  sonn  (conject.  für  sann,  vgl.  savenn  m), 
ßä  es  fljöts  leygs  fergir  reÖ  tcela  nytan  und  commentiert:  fullmcEli  friÖar 
=  fuldkomne  sikkerheds  af taler;  fjöts  leygs  fergir  =  flodildens  fergir  = 
eu  gavmild  man,  hier  Torgrim  trolle.  Den  von  Boer  (Zs.  fdph.  30, 153  f ) 
gegen  diese  auffassung  gerichteten  bedenken  stimme  ich,  soweit  sie  gegen 
den  letzten  teil  von  14, 5  -  8  gerichtet  sind,  bei :  es  wäre  incorrect ,  wenn 
nur  porgrimr,  auf  den  sich  nach  F.  Jönsson  die  kenning  fljöts  leygs  *  fergir 
beziehen  soll,  hier  genannt  würde,  denn  an  der  ausfühning  des  'verrats' 
(d.  h.  des  friedensbruches  und  des  Überfalls)  ist  pörarin  und  sind  ihre  leute 
nicht  weniger  beteiligt.  Ferner  widerspricht  (wie  Boer  richtig  ausführt) 
der  satz  fljöts  leygs  fergir  reÖ  tcela  nytan  dem  logischen  gang  der  ereig- 
nisse.  —  Boer  (a.  a.  o.)  ändert  nyta  (z.  7)  in  flyta  (das  er  von  tök  abhängig 
macht),  fyrdar  (z.7)  in  fyrda,  sannleyks  (z.6)  in  sannleygs,  manni  (inonmim) 
z. 6  in  hranna,  fliorz  (fliot)  z.7  in  njötr  und  construiert:  enn  snjalli  seggr 


')  Der  Schreiber  geriet  von  scecenn  (z.  4)  in  z.6;  er  fährt  in  z.  4  fort: 
friöar  manna,  überspringt  also  z.  4— 6  {meö  liö  —  sanlavgs). 


ZÜR.FüSTBRCEDRASAGA.  325 

tök  flijfa  oll  fn'dar  fullmcvli,  pä  er  njötr  sannleijgs  liranna  red  taJa  fyrda. 
Angesichts  dieser  nicht  unerheblichen  ändernngen  ziehe  ich  vor,  mit  der 
Wendung  enn  sujalli  >^C(j(jr  tök  monman  all  fuUmtdi  fn'dar  sonn  (welche 
inhaltsreicher  ist  als  die  entsprechende  Boers)  der  auffassung  von  F.  Jönsson 
zu  folgen,  gebe  auch  in  z.  7  der  Variante  von  m  fliof::  {fUorz  b)  den  Vorzug, 
die  mit  leygs  (z.  6)  (vgl.  -leiks  b,  -ligs  Rjd)  zusammen  eine  bekannte  kenning 
für  gold  bildet,  nehme  aber  in  «///«/(  H  {nyta  bdR,)  eine  aus  mjtir  verderbte 
form  an:  mjtir  =  qui  iititur,  fruitur,  possidet  (vgl.  Egilss.  Lex.  608);  nytir 
leyys  fljöts  =  possessor  ignis  fluvii  (=  auri)  =  vir,  und  construiere:  pä 
es  nytir  leygs  fljöts  red  t(da  fyrda  (conjectur  von  Boer). 

15.  steht:  H  (382,7  —  383,2)  bcdR,  (s.  60)  ikmoq.  —  fehlt:  (MB.,n) 
Fei.  -  gedruckt:  H,  382  f.  Fbr.  (52)  75  (55).  Fbr.  (99)  72.  GhMm.  II,  294. 

Text  nach  H:  StirÖr  reÖ  stapn  aö  varöa.  —  2.  strengreius  togvwi 
drengia.  —  3.  itr  \>v\  at  är  var  heitin.  —  4.  avSstiori  prek  fiorc»;.  — 
5.  aör  sigreynar  sinvm.  —  6.  sar  hlvtv  me8r  a5  hvarv.  —  7.  ut  viö  eigi 
e?-n  litin.  —  8.  erring  feil  a  kncRi. 

Varianten:  1.  stirÖr]  striör  alle.  —  stapn]  stafn  alle.  —  aö]  a  ik.  — 
varöa]  veria  alle.  —  2.  -reins]  -hreins  R,,  -hestz  bd,  -hesta  ik.  —  togum] 
stungum  R,.  —  4.  -stjori]  styrir  R,.  —  5.  sig  rejnar]  sigr  reynir  bdik, 
sigr  eg?>  R,.  —  sinvm]  sarum  bdik.  —  6.  hlutu]  lutu  dR,,  hlupu  ik.  — 
aö  hvarv]  aÖ  vorum  k,  at  voro  bd.  —  7.  litin]  litla  alle.  —  8.  erriug] 
ernn«  alle. 

Auflösung:  StirÖr  ärr  strcnghreins  reÖ  at  varÖa  stafn  fjörum  teguni 
drengja,  pvit  auöstjöri  vas  heitinn  frekitr':  sigreynir  feil  üt  ä  siuum  kncrri 
viö  eigi  litla^  erring;  äör  meör  hlutu  sär  at  hväru.^ 

1.  Fbr.  (52)  75  zeigt  in  parenthese  itr  pvi  at  är  rar  heitinn  prek  — , 
danach  wäre  weiter  zu  construieren:  StirÖr  auöstjöri  red  stafn  streng  rcins 
aö  varda  fjörum  togum  drengja  (vgl.  Egilss.  Lex.  unter /)?•c/t^<r).  —  2.  F. 
Jonsson  (H,  382,  anm.  4)  schwankt  bez.  der  Stellung  und  bedeutung  von  at 
hvnru.  Der  satz  meÖr  hlutu  sötr  at  hvüru  wird  unnatürlich,  wenn  man  at 
hfäru  in  der  ursprünglichen  bedeutung  ^  hcegge  tilfcelde  fasst,  auch  die 
parenthese  würde  dann  überflüssig.  At  hväru  zu  äÖr  sigreynir  feil  zu 
stellen,  wie  F.  Jönsson  will,  scheint  auch  weniger  geraten,  als  umgekehrt 
äör  noch  zum  Schaltsatz  zu  ziehen :  es  fiel  der  kämpfer  draussen  auf  seinem 
schiff  in  gewaltigem  kämpf;  die  männer  (d.  i.  seine  gegner)  erhielten  jedoch 
vorher  wunden.  Dieser  gegensatz :  pörgeirr  fiel  zwar,  verkaufte  sein  leben 
aber  teuer,  ist  vielleicht  sinngemässer,  als  der  von  Egilss.  (Lex.  419)  an- 
genommene: tamen  homines  vulnera  acceperunt,  etsi  tam  impari  numero 
pugnaretur.  —  3.  Conjectur  nach  der  lesart  aller  hss. 

Kl.  steht:  H  (383,3—6)  bcdR,  (s.  60f.)  ikmoq.  —  fehlt:  (MR,n)  Fei. 
—  gedruckt:  H,  382.  Fbr.  (52)  55  (75).  Fbr.  (99)  72.  CxhMm.  II,  294. 

Text  nach  H:  Kent  hef?V  fiorr  hvaB  frsendv»?.  —  2.  folkbeit/r  s/:rd 
veita.  —  3.  dyrs  po  at  drengi  vrrri.  —  4.  dylgiv  samt  at  fylgia.  —  5.  psegs 
frse  ek  l)orgeir  eiga.  —  6.  pav  erv  orö  kowän  norf)au.  —  7.  handar  griotz 
fra  hreyti.  —  8.  hvg  J^an  e;-  viö  man  brvgf»iÖ. 

Varianten:  1.  fiorr]  fiorv  b,  fyrr  ikm.  —  fraendum]  fserum  k.  — 
2.  folkbeitir]  -hneitir  b,    folur  hneiter  ikmo,    -folkheitir  dR,.   —  3.  dyrs] 


326  GAERTNER 

dyrr  db,  flj-r  ikin.  —  at]  fehlt  m.  —  drengi]  drengra  Ri,  dreingur  ikm.  — 
vfEi-i]  vnegr  i.  —  4.  -samt]  -samr  dbikm.  —  5.  J'aegs]  pess  abbrev.  Rj, 
preggs  b,  precks  d.  —  iDorgeir]  porgeiR  d.  —  6.  pau  eru]  J^au  nu  m.  — 
komin]  kostum  ik,  kostinn  m.  —  7.  griotz]  griot  d.  —  hreyti]  hneite 
(n  wahrsch.)  m.  —  8.  ]7an(ii)er]  peim,  ohne  er  m.  —  man]  inun  bRiikm, 
mon  d. 

Prosaauflösung:  Dyrr^  folkbeitir-  hefir  kent  fJQrum^  hve  skal  veita 
frfendum,  ])öU  vjeri  dylgjusamt  at  fylgja  drengi.  ■•  Frak  porgeir  eiga  hug 
)7ann  es  viö  mun  brugöit- ;  pau  orö  ero  komin  uoröan  frä  hreyti  psegs^ 
gTJöts  handar. 

1.  Conjectur  nach  bdikm;  dyr-  wäre  beziehungslos,  wollte  man  es 
nicht  zu  folkbeitir  stellen.  —  2.  F.  Jonsson  (H,  382)  nimmt  an:  folk-fjors- 
&e/</i- =  mandlives-beder.  Boer  (Zs.  fdph.  31,  155)  betont  dagegen,  dass 
eine  solche  geschraubte  kenning  in  einer  strophe  so  schlichten  stils  'sehr 
Tinnatürlich' wirkt.  —  3.  Conjectur  von  Boer  (a.  a.  o.).  —  4.  Diese  casusform 
ist  nach  Egilss.  (Lex.)  nur  noch  in  der  Gisla  saga  Surssonar  (vgl.  ausgäbe 
■von  F.  Jönsson  1903,  93)  belegt:  vulgo  drcng.  —  5.  Mg  pann  er  vid  mim 
hritgÖä  =  auimi  fortitudinem ,  quae  omniura  laudibus  fevetur  (vgl.  Egilss. 
Lex.  unter  hrcgÖa  4);  vgl.  auch  Nj.  11,360.  —  Z.  8  kehrt  fast  unverändert 
isl.2n,36G  wider:  hug  ficnum  viÖ  bnigöit.  Eirikr  ividsjä);  vgl.  auch  eine 
zeile  des  Sighv.  poröarson:  hug,  pvi  at  eigi  brugöumsk  (Fms.  VI,  41, 15 ; 
F.  in,  268, 13a).  —  6.  Nach  F.  Jönsson  (H,  382):  p(rgr  =  som  man  gserne 
vil  raodtage,  tiltrsekkende.  —  Egilss.  gibt  noch  au:  pcegar  hnossir  =  pre- 
tiosa  cimelia;  —  dass  man  preggs  b  nicht  für  precks  d  einsetzen  und  für 
pccgs  substituieren  darf,  hat  Gislas.  (Efterl.  Skrift.  11,  243  If.)  gezeigt. 

17.  steht :   H  (383, 16  —  384,  3)  bcF  (bl.  100  v.  1.)  deR,  (s.  62)  ikmnoq. 

—  fehlt:  (MR,)  1.  —  gedruckt:  H,  384.  F.  II,  165.  Fbr.  (52)  56  (76).  Fbr. 
(99)  74.  GhMm.  II,  296. 

Text  nach  H:  Havs  fra  ek  hrsefa  Ijekia.   —    2.  harörteöis  prot  brseöi. 

—  3.  viö  sviprvnna  sen>iv.  —  4.  sv^röz  alldregi  veröa.  —  5.  Mär  het  ma^r 
ok  por/r.  —  6.  malsniallr  er  let  falla.  —  7.  aör  fragVHi  pa  pe/ra.  — 
8.  porgeiR  lokiö  eirvj». 

Varianten:  Havs]  Haufs  b,  Hanks  FdRiU,  Hvals  m.  —  hrsefa] 
harda  u.  —  Isekia]  Ifeki  Fde,  Isekiar  RiU,  lauka  bikm.  —  2.  harörpeöis] 
-rgeöi  n,  band-  bim.  —  brseöi]  bseöe  Fdebikm.  —  3.  sennu]  senn  nu  ik, 
fehlt  n.  —  4.  sveröz]  sverö  Fde.  —  alldregi]  allö-rey  i,  alldreie  mn, 
alldrei  k.  —  5.  Mär]  MaR  Fdeb.  —  6.  er]  fehlt  ikm.  —  fragum]  freek- 
num  m.  —  8.  porgeiR]  porgeirs  Fde.  —  eirum]  eiru  Fde. 

Auflösung:  Fräk  aldrigi  veröa  brpeöi  hauks^  Icekja  hreeva  J^rot  harö- 
rseöis  sennu  viö  sviprunua  sverös.  Mär  het  maör  ok  pörir,  es  mälsnjallr 
porgeirr  let  j^ar^  falla;  frägum  eirum  ]7eira^  lokit  äör. 

1.  Für  Haus  Hbik  (reim!).  —  2.  Für  ^«,  um  die  seltene  vocalische 
hending  zu  vermeiden.  —  3.  Fbr.  (52)  76, 1  paira,  conjectur,  \\m  viörhen- 
ding  zu  äör  zu  erhalten. 

18.  steht:   H  (384,9-5)  bcdRj   (s.  62)  imoq.    —   fehlt:   (MR^n)  Fekl. 

—  gedruckt:  H,  384.  Fbr.  (52)  56  (76).  Fbr.  (99)  74.  GhMm.  II,  298. 

Text  nach  H:   Olli  fiorr  äör  felli.   —   2.  llvgtravör  hiarar  davöa.   — 


ZUR  f6stbr(edrasaga.  327 

3.  sa  V((r  rrjeldaiuli  eu  R//.i.  —  4.  rec.s  .xiij.  sec.ia.  —  5.  ]>at  let  ek  hialldrs 
fyri  liavlldv)«.  —  G.  hinn  er  piek  gat  viiixa.  —  7.  mal  tia  min  ad  deilaz. 

—  8.  mivk  vissa  ek  tal  Ivkaz. 

Varianten:  1.  Olli  fjorr]  in  d  (am  rande):  pro  fyrr,  Aller  fjor  in.  — 
aör  felli]  aÖ  fielli  i,  raö  fiellu  m.  —  2.  fing-]  füll-  R,.  —  liiarar  (in  d  aus 
hiartat  corrigiert)]  hierar  E,,  ]'aiar  in.  —  3.  en]  fehlt  Ri.  —  4.  reos] 
reggis  bd,  reggnes  i,  Regu:^  in.  —  xiij]  xiiij  m,  xvi  R,.  —  5.  pat]  par 
alle.  —  let  ek]  ek  fehlt  im,  er  Rj.  —  hialldr.s]  hiallz  m,  hialldr  bd.  — 
fyri]  fyr  abbrev.  m,  fra  dRi.  —  (5.  hinn]  bann  ra.  —  gat]  kann  alle.  — 
7.  min  ad  deilaz]  min  ath  R,  (von  anderer  band  hinzugefügt:  niunat  deilaz), 
munat  dim.  —  S.  miuk]  fehlt  R,  (von  anderer  band  nachgetragen).  —  vissa 
ek  tal  lukaz]  viga  til  lukaz  bd,  til  vjga  lukazt  m,  til  vyga  aö  liukast  i, 
viga  tal  hniga  R,   (von  derselben  band  wie  z.  7— 8  til  lukaz  hinzugefügt). 

Prosaauf lüsung:  FJQrr^  bjarar  oUi  dauöa  J'rettian'^  seggja  äör  felli; 
sä  euu  riki  iwkjandiä  reggs  vas  flugtrauör;  ]?ar  lajt'k^  tal  viga  hins  es 
gat  vinua  Jn'ek  bialdrs,  fyr  bolöum  lükask;  min  mjük  mal  tea  at  deilask. 
1.  Vgl.  Nj.  II,  292  f.;  Egilss.  ^.onstruiert :  Fjorr  olli,  äÖr  felli,  dauöa 
prcüün  seggja.  Sä  enn  riki  hja?-ar  — reggs —  ro'kjandi  rar  flugtrauör.  — 
Egilss.  (Lex.  179)  jedoch  verbindet  hjurar  mit  fjgrr  (vgl.  Orms  eddubrot, 
Sa.  E.  U,  497,  20  ff.  und  construiert  danach  richtiger:  Hjarar  —  fjorr  olli, 
äör  felli,  dauöa  etc.  Sä  enn  riki  reggs  —  rcekjandi  var  flugtr.  —  2.  Zu 
z.  4  reggs  xiij  seggja  vgl.  schon  s.  313.  Gislas.  (Nj.  II,  292  f.)  macht  zwei 
vorschlage:  a)  mau  ersetze  das  seltene  regg-  durch  ein  reggi  (nom.  acc.  sg. 
und  pl.  und  dat.  sg.),  reggs  (18,  4)  aber  durch  reggis,  bez.  reggja.  —  b)  Die 
abnorme  kürze  der  z.  4  ist  auf  tiefer  gehende  eutstellung  zurückzuführen. 
Ich  meine,  dass  weder  a)  noch  b)  das  richtige  trifft:  zu  a):  das  in  b  (d) 
für  reggs  HR,  belegte  reggis  ist  jedenfalls  die  conjectur  eines  aufmerksamen 
Schreibers;  mit  berufung  auf  die  Seltenheit')  von  reggs  aber  reggis  anzu- 
nehmen, ist  mehr  als  'meget  betsenkeligt'.  Am  ehesten  denkbar  wäre  der 
gen.  pl.  regcija,  abhängig  von  rcekjandi:  Boer  (Zs.  fdph.  31, 155)  ist  geneigt, 
diese  lesart  aufzunehmen.  —  Indes  durch  prettian  (vgl.  H,  384,  prettäan 
Fbr.  [99])  für  pret Jan  werden  alle  Schwierigkeiten  gelöst:  ic)  wir  erhalten 
mit  reggs  prctiian  seggja  den  am  hall)strophenschlnss  ausserordentlich  be- 
liebten typus  Dg.  —  i-i)  rmkjandi  mit  dem  zweiten  kenningglied  im  sg. 
(reggs)  ist  die  üblichere  und  sinngemässere  combination.  —  y)  Die  con- 
jectur ist  derselben  art  wie  die  bei  str.  2  (vgl.  aum.  Geriugs  zu  Zs.  fdph. 
31,149).  Da  nun  str.  2  eine  unbestritten-)  echte  vLsa  der  erfidräpa  ist,  ge- 
winnen wir  mit  der  form  preüian  ein  indiciura,  das  die  Verfasserschaft 
pormoös  für  str.  18  wahrscheinlich  macht,  wodurch  auch  der  argwöhn 
gegen  das  unsichere  alter  der  Strophe  (vgl.  Boer  a.  a.  o.)  unbegründet  würde. 

—  3.  Z.  3  hält  Boer  für  zu  lang  und  möchte  nur  rmkir  lesen;   bez.  der 
tilgung  von  sä  entscheidet  er  sich  nicht.    Sicher  falsch  wäre  sä's  (praes. 


')  regg  erscheint  nicht  nur  in  den  skipaheiti  Sn.  E.  I,  581,  3  (581, 17 
vgl.  II,  481,  IIa.  564,5b.  624,6a),  und  als  dat.  sg.  reggi  im  Hattatal  34, 
sondern  auch  als  compositionsglied  regghuss,  reggstrind  etc. 

■•')  Abgesehen  von  G.  Vigiiiss.,  Orig.  Island.  II,  074  ff. 


328  GAERTNER 

für  sä  vas),  vermutlich  falsch  sä  zu  streichen.  Ich  schreihe  sä  v's  rceJc- 
jandi  —  enn  riti  =  D3  mit  zweisilbiger,  verschleif  barer  seukung  (zu  vs 
vgl.  Sievers,  Beitr.  6,  319)  und  bin  dann  nicht  versucht,  r<£ldr  zu  bevorzugen. 

—  4.  Egilss.  (Fbr.  [52]  56)  hat  Ut,  sah  hialdr  als  object  an  und  construierte 
danach:  ßar  let  hinn  er  gat  vinna  prek,  hjaldr  lükusk  fyri  hgldum. . .  Mit 
hinn  er  gat  vinna  prek  kann  nur  Jlorgeirr  gemeint  sein:  P orgeirr  let  hjaldr 
lükask  =  porgeirr  beendete  den  kämpf.  So  würde  mau  allenfalls  sagen, 
wenn  p.  siegreich  gewesen  wäre;  und  nun  noch  fyri  hglömn  (!).  Nicht 
hjaldr  ist  das  subject  des  v^on  let  abhängigen  acc.  c.  inf.-satzes,  sondern 
tal  (zu  telja),  also  in  erster  linie  =  aufzählung.  Da  es  sich  nur  um  die 
aufzählung  der  von  porgeirr  begangenen  todschläge  handeln  kann^),  so 
wird  man  für  vissa  ek  :  viga  dbRiim  einsetzen.  Ferner  stelle  ich  hjaldrs 
(HR,i)  zu  prek-  (prekr  hjaldrs  =  tapferkeit  im  kämpf)  und  mache  die 
ganze  Umschreibung  für  porgeirr  von  tal  viga  abhängig  (s.  oben). 

19.  steht:  lös  (1160)  F  (bl.  105  v.  1.)  de lÖs  (49)  s.  M,  1.  —  fehlt:  (Mn) 
HbcR.Eiiklmoq.  —  gedruckt:  Otte  brudst.  s.  4.  F,  II,  201.  Fbr.  (99)  s.  130 
lös.  (49)  s.  44.  91.  Cpb.  II,  175,  4. 

Text  nach  F:  Loftungu  gaftu  lengi.  —  2.  latr  pat  er  Fafnir  atti.  — 
3.  pu.  letz  mer  en  mteri.  —  4.  merkr  franoluns  uonir.  —  5.  uerdr  era  ek 
uarga  myrdir.  —  6.  uidlendr  fra  per  sidan.  —  7.  edr  helldr  um  sia  sialldan. 

—  8.  sliks  rettar  skal  ek  usetta. 

Varianten:  2.  fafnir]  faömer  lös  (49).  —  6.  uidlendr]  vij?lenz  d.  — 
7.  edr]  eöa  lös  (1160).  (49).  —  sia]  sio  alle  anderen,  zwischen  epr  und 
helldr  ist  in  d  er  übergeschrieben.  —  8.  vaetta]  veita  d  (am  rande: 
forti  vetta. 

Auflösung:  Enn  mseril  ]m  gaft  Loftungu  lengi  latr  f>at  es  Fafnir 
atti;  pü  lezk  mer  vänir  franoluns  merkr.  Emk  verör  sliks :  eör  skalk  vaetta 
rettar  frä  per  siöarr,  [es]  viölendr  varga  myröir'  heldr  um  sjo  sveldan? 

In  lös  (49)  wird  (s.  109)  str.  19,  5— 8  so  commentiert:  Viölendr  varga 
myröir!  ek  em  verÖr  sliks,  eÖa  heldr  um  sjaldan  skal  ek  siÖan  vcetta  rettar 
siu  (vente  Havets  Gnist  d.i.  Guliet)  frä  per.  —  Unklar  ist  der  satz:  aber 
sehr  selten  werde  ich  später  gold  erhoffen;  danach  müsste  pormoör  von 
Knütr  früher  sehr  oft  beschenkt  worden  sein:  doch  pormöör  ist  bis  dahin 
eben  gerade  leer  ausgegangen.  Auch  die  kenuing  für  gold:  rettar  sia  ist 
zweifelhaft.  Egilsson  (Lex.)  gibt  sia  fem.  zunächst  nur  durch  strictura 
wider  und  identificiert  es  dann  mit  elding  fem.  =  fulmen  (Jblöds  eldingar 
=  gladii);  in  der  lös  (s.  109)  wird  Gnist  dafür  angesetzt;  rettr  m.  (vgl. 
Egilss.  Lex.  659)  =  jactatio  marina,  d.  i.  stserkr  Sögang  und  keinesfalls, 
wie  lös  behauptet  wird,  =  Havet,   einfach  meer.    Ich  glaube  nicht,   dass 


1)  F.  Jonsson  (H,  384,  anm.  3)  will  tal  viga  auf  eine  anführung  der 
pretjan  seggja  deuten:  es  w^erden  in  str.  17  jedoch  nur  zwei  der  gefallenen 
namhaft  gemacht,  und  es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  die  übrigen  11  in 
verloren  gegangenen  Strophen  genannt  wurden :  tal  viga  bedeutet  vielmehr 
eine  Statistik  der  in  der  erfidräpa  erwähnten  mord taten  porgeirs,  die 
pormöör  mit  dem  bericht  von  porgeirs  letztem  kämpf  'scliliesst'  (vgl.  Icetk 
lükask). 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  329 

fiilmen  jactationis  iimrinae  Avirklich  als  kennin<i:  für  gold  gelten  darf.  — 
Der  küuig  hat  bis  dahin  nur  pürarinn  Loftunga  reich  beschenkt  und  [Jor- 
möör  mit  einer  Versprechung  abgefunden:  viuii  ek  gefa  per  jjniUkünn  mala 
sein  Pörarinn  hafde,  en  pat  nar  mork  gullz  s.  F.  II,  200,  5— 6).  An  dieses 
versprechen  erinnert  nun  pormoör  den  Knutr  in  str.  19,3 — 4,  um  dann 
selbstbewusst  fortzufahren:  Emk  verör  sliks.  In  rettar  vermute  ich  den 
gen.  zu  ri-ttr  m.  =  ins,  der  von  vaita  (i-cptta  cum  gen.  =  expectare  aliquid) 
abhängig  ist,  in  dem  ausdruckslosen  sh^an  eine  entstellung  aus  sidarr  und 
construiere:  eör  skal  ek  vcetta  retten-  frä  per  sidarr,  oder  soll  ich  mein  recht 
später  erhoffen?  Der  rest  der  strophe  enhält  schliesslich  nur  eine  poetische 
Umschreibung  von  sidarr:  unter  riölendr  rarga  imjrdir  =  weithinherschender 
mann  kann  nur  Knütr  verstanden  werden;  dieser  kam  nach  Dänemark,  um 
dort  seine  macht  atifs  neue  zu  befestigen  und  sich  durch  die  Unterwerfung 
Norwegens  die  vormacht  auf  der  see  zwischen  England  und  dem  östlichen 
continent  zu  sichern:  ich  sehe  deshalb  mit  Jon  porkelss.  (vgl.  Fbr.  [99] 
s.  161)  in  sjahlan  eine  entstellung  aus  sveklan  und  in  heldr  die  3.  sg. 
praes.  ind.  zu  hulda:  eör  skalk  rcvtia  rettar  frä  per  sidarr,  es  (terap.)  riö- 
lendr rarga  mgrdir  heldr  tun  sjü  sceldan:  oder  soll  ich  etwa  mein  recht 
von  dir  später  erhoffen,  wenn  der  ländergewaltige  fürst  auch  noch  die  weite 
see  besitzt?  Die  ganze  weudung  ist  halb  ironisch  zu  nehmen.  —  1.  Vgl. 
Hki-.  1. 217,  V.  92, 1  von  pörör  Sjäreksson. 

20.  steht:  lÜs  (1160)  F  (bl.  105  v.l.)  de  lös  (49)  s.  44, 2.  —  fehlt: 
(Mn)  HbcR.R.iklmoq.  —  gedruckt:  Otte  brudst.  s.  5.  F.  II,  201,  24.  lös  (49) 
a.  a.  0.  Fbr.  (99)  131.  Cpb.  II,  175,  5. 

Text  nach  F:  Flest  of  ser  hue  fasta.  —   2.  fagrbunar  hefui  ek  tuua. 

—  3.  badar  hendr  or  breidum.  —  4.  bardz  fiiodkonungs  garöe.  —  5.  elld  a 
ek  iofri  [at]')  giallda.  —  6.  ungr  peim  er  bregdr  hungri.  —  7.  diups  her 
ek  gull  a  greipum.  —  8.  gradugs  ara  badum. 

Varianten:  1.  flest]  flestr  lös  (1160).  (49).  —  2.  -bunar]  -buua  lös  (49). 

—  3.  breidum]  brsendom  lös  (49).  —  5.  at  fehlt  Fde  lös  (1160).  —  bregdr] 
br*gö  lös  (49).  —  8.  ara]  ar  lös. 

Auflösung:  Flestr  of  ser  hve  ek  hef  bäöar  hendr  fagrbunar ^  brendom 
fasta  tüna  bar?s  6r  garöi  f)j6Ökonungs;  ungr-  ä  ek  at  gjalda  djüpseld  iofri, 
J»eim  es  bregör^  hungri  ara*  gräöugs.    Ek  ber  gull  ä  baöum  greipum. 

1.  lös  (49)  wird  (s.  109)  str.  20, 1 — 4  construiert:  Flestr  of  ser  hce  ek 
hefi  bädar  hendr  fagrbunar  (conjectur)  (med)  brendum  barÖs  tüna  fasta 
6r  pjödkommgs  gardi:  brendum  dat.  sg.  zu  dem  particip  brendr;  dies  ist  als 
epitheton  des  goldes  zwar  selten  belegt  (nur  Sn.  E.  II,  104,  1  gibt  an: 
brendt  gidl  und  Hkr.  3, 150  [str.  120, 8]  brunnit  goll;  unter  den  epitheta 
auri  im  'Clavis  poet.'  s.  30  fehlt  es  ganz),  trotzdem  ist  die  Variante  von 
Fde  breidom  aus  reimtechnischen  gründen  abzulehnen  (vgl.  unten).  —  2.  Da 
auch  bei  den  consonantisch  auslautenden  formen  des  prouomens  contraction 
mit  der  relativpartikel  in  der  klassischen  zeit  als  norm  gilt  (vgl.  Sievers, 
Beitr.  5,  499  b)  möchte  man  peim  es  (z.6)  contrahieren;  es  ist  in  diesem  orö 
jedoch  Senkung  bildendes  glied.    Fbr.  (99)  161  liest,  um  die  einsilbige  form 


»)  at  F.  n,  201, 24  fehlt  in  F  (hs.). 


330  QAERTNER 

zu  ermöglichen:  ungum  (für  imgr)  und  construiert:  ek  ä  at  gjalda  djüpsehl 
umjiim  iofri.  —  Indes  in  Fde,  wie  lÖs  ist  nur  ungr  überliefert;  ferner: 
pormOör,  993—994  geboren  (vgl.  unten),  ist  nur  etwa  vier  jähre  älter  als 
Knütr  (geboren  998);  die  anrede  an  den  könig:  'ich  habe  dir,  dem  jungen 
fürsten  (Knütr  war  damals,  wie  wir  annehmen  müssen  1027,28,  ca.  29/30 
jähre  alt)  gold  zu  vergelten',  würde  sich  von  dem  fast  gleichaltrigen 
seltsam  ausnehmen.  Ungr  bleibt  damit  auf  pormoör,  der  damals  auch 
schon  83  jähre  zählte  (!),  sitzen:  eJc,  ungr,  ä  at  gjalda:  (obwol)  ich  noch 
jung  bin,  habe  ich  (doch  bereits)  zu  vergelten  etc.  Dieser  vers  (der  mit 
es  als  Senkung  bildender  silbe  einen  neuen  beleg  für  die  von  Sievers,  Beitr. 
8,  61  augeführten  6  ausnahmen  bildet)  gehört  einer  Strophe  an,  die  in  dem 
abschnitt  über  porraöös  aufenthalt  in  Dänemark  steht  (vgl.  unten).  — 
3.  Conjecturen  in  lös  (49)  für  -hüna,  brcegö,  är  der  hs. 

21.  Str.  21, 1—4  steht:  lös  (1160)  F  (bl.  105  v.  1.)  de  lös  (49)  s.  45.  — 
fehlt:  (Mn)  HbcRiR^  iklm.  —  gedruckt:  Otte  brudst.  s.  6.  F.  II,  202.  lös 
(49)  a.a.O.  Fbr.  (99)  133.  Cpb.  II,  175,6. 

Str.  21,  5—8  der  gruppe  lös  —  F  =  str.  39, 5—8  der  gruppe  H— EiR^. 

—  Str.  39,  5—8  von  lös  —  F  fehlt  in  Fbr. 

Str.  21,5—8  lös  — F  =  str.  39,  5— 8  (H  —  R1R2)  steht:  H,  413,7—8. 
lös  (1160)  F  (bl.  105  v.l.)  deRj  (s.  104)  R.ikmoq.  —  fehlt:  (Mbcn)  1.  —  ge- 
druckt: Otte  brudst.  F. lös  (49).  Cpb.  s.oben.  H,413.  Fbr.(52)  109.  Fbr.  (99)121. 

Str.  21, 1—4.  Text  nach  F:  Hafa  pottumzst  ek  hsettins.  —  2.  haps* 
saekiande  ef  tsekir.  —  3.  hreins  uid  halldi  minu.  —  4.  huert  land  pegit 
branda.  —  *F.  H,  202  hat  hafs. 

Varianten:  hsettins]  hsettinn  lös  (1160).  (49).  —  2.  haps]  hap  lös 
(1160).  (49). 

Str.  21,5—8  (lös  —  F)  =  39,  5-8  (H  — RA).  -  Text  nach  H:  Rikr 
vil  ek  med  ]?er  resir.  —  6.  randar  lindz  emt  svinni.  —  7.  stonduw  ar 
avndrum.  —  8.  eyheygs  lifa  ok  deyia. 

Varianten:  5.  resir]  roekir  lös  (1160).  (49)  FdeRiR^i— q.  —  6.  randar] 
randa  lös  (1160).  (49)  Fdeimoq,  rada  k.  —  lindz]  linndz  F  (F.  II,  202  hat 
linnz).  —  enn  svinni]  hinn  svinne  F,  hia  (am  rande  hinn)  svinne  d,  at 
fluni  RiR^q,  j  vinde  ikmo,  oc  Finni  lös  (1160).  (49).  —  7.  stoudum  ar 
avndrum]  är  a3  audra  Riirao,  stundum  ...  ist  in  R2  ausgestrichen  und  von 
anderer  band  ersetzt  durch:    rond  herum  ut  a  andra  lös  (1160).  (49)  Fde. 

—  8.  eyheygs]  ebaugs  lös,  eybaugs  alle. 

Auflösung  von  21, 1 — 4:  Ek  ]?6ttumk,  soekjandi  hreins  hafs',  hafa  ]?egit 
hvert  land,  ef  hsettir  branda  tcekir  viö  minu  haldi. 

1.  lös  (s.  109)  findet  sich  folgende  erläuterung:  Hcettinn  hreins  happs 
soikjandi  fromme  den  rene  Lykkes  Söger  d.  e.  Öläf)!  ek  pöltumk  hafa  pegit 
hverl  branda  land  (ethvert  Skjold  d.  e.  al  mulig  Beskyttelse),  ef  (pü)  takir 
viö  haldi  minu.  Diese  Interpretation  trifft  kaum  das  richtige:  hcettinn  ist 
nicht  'fromm',  sondern  animosus,  intrepidus  (vgl.  Egilss.  Lex.  333);  über- 
liefert ist  nicht  hap)ps,  sondern  hajjs  (Fde)  und  dieses  wol  nur  Schreiber- 
variante für  hafs  (vgl.  ähnliche  fälle  15,1  [s.  325]  stapn  H  :  stafn  bcRj, 
27,  4  [s.  335]  :  nefs  HRi,  neps  F,  nejjps  Ri  etc.) ;  —  ich  setze  deshalb  nicht 
sakjundi  hreins  /tajjips  :=  den  reue  Lykkes  Söger  an,   sondern  soikjandi 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  SSl 

hreins  liafs  (hafhreinn  =  maclis  pelagi  =  navis,  vgl.  Sn.  E.  I,  628  und  Egilss. 
Lex.  285)  =  petitor  navis  =  vir.  Nimmt  man  an,  dass  der  dichter  seine 
kenningar  der  Situation  anzupassen  suchte,  so  wird  man  swlcjandi  hreins 
haß  auf  pormüör  beziehen,  der  dem  wiking  Härekr  dadurcli  entkommt, 
dass  er  auf  das  schift' ÖUlfs  hinüberspringt  und  dieses  gewisserma.ssen  'auf- 
sucht'. Das  schiff  bedeutet  für  ihn  also  dasselbe  wie  ein  rettuug  bringendes 
gestade,  was  durch  den  satz  augedeutet  scheint:  ek  pöttumk  hafa  peyit 
hvert  land:  ich  würde  glauben,  ein  (festes)  land  erreicht  zu  haben,  voraus- 
gesetzt: ef  X . . .  ta-kir  vid  haldi  minu.  In  lös  ist  land  mit  hranda  zu  einer 
kenning  für  'schild'  verbunden  und  die  an  und  für  sich  zwar  mögliche, 
sonst  aber  uubelegte  combination  ihrerseits  widerum  in  übertragener  be- 
deutung  als  'Beskyttelse'  verwendet  worden.  —  Ich  sehe  in  hiettins  F, 
Jicettenn  lOs  eine  entstellung  aus  dem  bedeutungsverwanten  hoittir  (vgl. 
Fbr.  [99])  162  und  verbinde  mit  liattir:  hranda,  hcHtir  =  is,  qui  pericli- 
tatur,  h.  hranda  =  is,  qui  gladiorum  fortunam  periclitatur  =  iutrepidus 
bellator  (vgl.  Egilss.  Lex.  333  hcettir  vigs  =  qui  proelii  fortunam  pericli- 
tatur etc.).  Die  kenning  bezieht  sich  dann  auf  Oläfr  und  bildet  das  subject 
zu  tcekir:  construction  s.  oben. 

Zw  welcher  ersten  halbstrophe  gehört  aber  21,  5 — 8?  Da  gegen  den 
text  von  21,5 — 8  der  gruppe  F  —  lös:  hhin  svinne,  rikr  7-(Kkir  linns  randar, 
rilk  med  per  Ufa  ok  deyja  {rond  herum  üt  ä  andra  eyhaxigs)  und  den  Zu- 
sammenhang mit  21, 1—4  zunächst  ebensowenig  einzuwenden  ist,  wie  gegen 
39,5 — 8  der  gruppe  H  —  EiR,  (H,  413,  7— 8  enn  svinni,  rikr  rcekir^  linns 
randar!  vilk  med  per  Ufa  ok  deyja,  stgndum  är  ä  gndrum)  und  deren  Ver- 
einigung mit  39, 1 — 4  (vgl.  unten),  21, 5 — 8  aber  doch  nur  an  einer  stelle 
correct  sein  kann,  so  ist  klar,  dass  ein  redactor  in  z.  7  Veränderungen  vor- 
nahm, um  die  halbstrophe  inhaltlich  der  ihm  vorliegenden  ersten  strophen- 
hälfte  anzupassen.  Nun  schliesst  sich  in  Fde  lös  (auch  in  Hkr  hös  Fms) 
an  Str.  39, 1 — 4  eine  halbstrophe  au,  die  mit  39,1 — 4  in  demselben  grade 
schlecht  harmoniert,  wie  sie  sich  gut  an  str.  36, 1—4  anschliesst,  d.  h.  damit 
der  Überlieferung  der  Fbr.  folgt,  während  36,5—8  (nach  der  recension  der 
Öläfssogur)  von  versen  ausgefüllt  wird,  die  kaum  mehr  als  eine  Variation 
der  vorangehenden  halbstrophe  bilden  und  einer  nachdichtung  sehr  ähnlich 
sehen  (vgl.  unten).  —  Z.  7  von  str.  39,  5— 8  nach  H  — R1R2  lautet:  stQndmn 
är  ä  gndrum  erj-bangs.  Diese  Wendung  wäre  für  str.  21  der  recension  der 
F  —  lös  unmöglich,  da  pormöör  eben  erst  das  schiff  betreten  hat;  sie  ist 
in  F  ersetzt  durch  eine  zeile:  nmd  herum  üt  ä  andra,  die  wort  für  wort 
auch  in  der  Egilssaga  (vgl.  F.  Jonsson,  Egilss.  1894,  s.  264)  widerkehrt! 
Sieht  dies  nicht  ganz  danach  aus,  als  ob  ein  redactor,  der  die  in  der 
fassung  der  gruppe  H  —  R,R2  überlieferte  str.  21,5— 8  modificierte,  z.7  aus 
jener  vlsa  Egils  als  reminiscenz  verwertete?  —  Von  den  Varianten  zu  enn 
svinni  (z.  6)  HFde  spricht  besonders  ok  Finni  an,  denn  der  satz  vilk  meö 
per  ok  Finni  Ufa  ok  deyja  steht  mit  der  die  strophe  in  den  Öläfssogur 
einkleidenden  prosa  in  gutem  einklaug.  Ob  mau  aber  diese  lesart  auch  in 
Str.  39,  5—8  (nach  H)  einsetzen  soll ,  bleibt  sehr  fraglich ,  da  ein  Finnr  Ar- 
uason  in  Fbr.  nicht  auftritt  und  bei  StiklastaÖir  auch  in  deu  Öläfssc^gur 
nicht  erwähnt  wird.  —  Durch  die  combinatiousverhältnisse  scheint  jeden- 

Beiträge  zur  gcschichte  der  deutschen  spräche.    XXXII.  22 


332  GAfiRTNEß 

falls  angedeutet:  1)  die  griippe  H  — RiRj  weist  die  echte  auordnung  der 
balbstropheii  awf,  d.  h.  a)  21,  5 — 8,  mit  der  lesart  von  H  in  z.  7  gehört  zu 
39,1—4;  b)  die  sieb  in  der  recension  der  Ülafssogur  an  39,1—4  anschlies- 
sende balbstrophe  zu  36, 1—4.  2)  Str.  3G,  5—8  der  gruppe  der  Öläfssqgur 
und  ebenso  21, 1 — 4  sind  als  nachdiebtungen  verdächtig.  3)  lös  weist  mit 
ok  Finni  die  für  die  Ölafssogur  wahrscheinlichste  lesart  auf;  die  vermut- 
lich authentische  lesart  enn  sv/nne  Fde  weist  auf  gemeinschaftliche  vorläge 
mit  H  oder  directe  beeinflussung  durch  H  hin. 

22.  steht:  F  (bl.  105  v.  1.)  deR,  (s.  69, 2)  Rs  (bl.2r.)  lös  (s.66).  — 
fehlt:  (Mbcn)  Hiklmoq.  —  gedruckt:  F.  II,  203, 1.  lös  (a.a.O.).  Fbr.  (99)  113. 
Cpb.  II,  176, 12. 

Text  nach  F:  Sex  hefig  allz  sizst  uxu.  —  2.  on  hiallta  ty  fionir.  — 
3.  kendr  er  ek  viö  styr  stundum.  —  4.  stalregu.s  boda  uegnna.  —  5.  po 
em  ek  enn  at  mun  mauna.  —  6.  moröz  uarliga  ordinn.  —  7.  uer  letum 
f>o  peirra.  —  8.  pritogr  skarar  bita. 

Varianten:  1.  sizst]  sipan  R1R2,  er  lös.  —  uxu]  oro  lös.  —  2.  on] 
an  d,  en  RS  or  R2.  —  ty]  raer  RjRa  lös.  —  3.  er  ek]  em  ek  R1R2,  er  mek 
lös.  —  5.  po]  \>&  d,  nu  lös.  —  enn  at  mun]  ok  mun  R1R2,  enn  oc  narak 
lös.  —  6.  moröz  uarliga  ordinn]  morS  varlegra  foröom  lös.  —  8.  bita] 
fehlt  lös. 

Auflösung:  Ek  hef  vegna  alls  sex  boöa  stälregns,  six  fjönir  uxu  bjal- 
taty. '  —  emk  kendr  viÖ  styr  oua '  stundum.  Nu  emk  enn  varlega  uröinn 
f>ritegr  ok  ver  letum  f>ö  skarar  bita  —  (mank  morö  mauna). 

1.  Im  glossar  der  lös  wird  für  das  zweifelhafte  on  FlÖs  (an  de, 
en  R,,  or  R^  (in  z.  2):  *(mn  m.  'Sverd'  angegeben  (hjalta  önn,  det  med 
Hjalt  forsynede  Sverd).  In  Wirklichkeit  aber  existiert  kein  masc.  substau- 
tivum  önn  =  schwert,  sondern  nur  das  femininum  änn  oder  onn  oder  onn 
=  pars  aliquagladii;  vgl.  Egilss.  Lex.  624.  Sn.  E.  I,  568, 2.  H,  477.  620  (an- 
m.  II,  560).  Da  hjalt  n.  ebenfalls  nur  einen  schwertteil:  pomum  gladii  be- 
zeichnet, so  wird  man  vermeiden,  beide  termini  zu  einer  kenning  für 
'schwert'  zu  verbinden;  —  hjalta  wird  nach  analogie  von  bildungen  wie 
hjnlmtyr,  tyrr  fleina  etc.  zu  ty  (dat.)  zu  ziehen  sein,  wobei  hjalt  als  pars 
pro  toto  'gladius'  bezeichnet:  hjaltaty  =  pugnatori  =  mihi;  —  styrr,  in 
dem  Satze:  hendr  emk  viÖ  styr  stnndum  bedeutet  in  erster  liuie:  turba, 
tumultus  und  kommt  in  dieser  bedeutung  zumeist  in  appellationibus  pugnae 
vor:  styrr  stäla,  hjälma  etc.  "Vielleicht  ist  on  (z.  2)  also  eine  aus  ona 
(gen.  sg.  zu  oni  m.  (?)  =  pars  gladii,  vgl.  aber  Egilss.  Lex.  s.  623  unter 
ona)  verderbte  form  und  styrr  mit  ona  zur  kenning  für  pugna  zu  ver- 
einen, ona  wäre  dann  auflösung  der  ersten  hebung  eines  verses  vom 
typus  D4,  jedoch  mit  anstössiger  hending  {ona  :  fjönir),  wie  sie  einem 
nachdichter,  mit  dem  wir  es  in  str.  22, 1 — 4  zu  tun  haben,  wol  unterlai\fen 
konnte:  indes  non  liquet!  —  3.  Fbr.  (99)  162  bemerkt  zu  str.  22,  5—8 : 
hlutrinn  er  eitthvad  aflagaÖr:  mit  einiger  Sicherheit  steht  nur  der  satz: 
pö  emk  varlega  orÖinn  pritegr,  ver  letum  enn  bita  skarar  fest.  Fraglich 
bleibt,  was  mit  at  mun  manna  anzufangen  ist.  Will  man  pö  nicht  etwa 
aus  porn  verderbt  ansehen  (vgl.  Fbr.  [99]  162),  dies  mit  moros  FRiRade 
(z.  6)  vereinigen  und  construieren:  ver  letum  morös-porn  bita  skarar  peira 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  333 

—  cd  mim  manna  (analog  at  mun  handa  =  ex  deoriini  voluntate,  vgl. 
Egilss.  Lex.  unter  immr)  etwa  in  der  bedentung:  nach  dem  willen  der 
ixiänner,  weil  es  die  raänner  so  gewollt  hatten,  so  wird  man  am  besten 
dem  text  der  lös  folgen:  vgl.  oben  auflüsung.  —  2.  lös  (3.105)  wird  con- 
strniert:  üxh  vier  fjönir  hjulia  6n:  der  voxede  mig  Fiendskab  ved  det 
hjaltede  Sverd. 

23.  steht:  H  (385,12—15)  bcF  (bl.  105  v.r.)  deR,  (s.  G9)  R,  (bl.  2  v., 
Str.  23  steht  hier  vor  str.  22)  iklmoq.  —  fehlt:  (Mn).  —  gedruckt:  H,  385. 
F.  11,  203.  Fbr.  (52)  58.   Fbr.  (99)  76.    Cpb.  n,  175,  2.  GhMra.  II,  301. 

Text  nach  H:  f>arf  f>a  er  ]>er  ska\  hvarfa.  —  2.  ]?engill  iyn  kne 
lengi.  —  3.  svarar  ]>\  hoglega  hverivj«.  —  4.  hvgborö  "konvngv  oröi.  — 
5.  fair  erv  vw  en  fraevit.  —  6.  fraendr  vorvt«  pa  vaendiV.  —  7.  minvwiz 
meiR  a  anjiaö.  —  8.  mitt  starf  'konvng  diarf/r. 

Varianten:  1.  hvarfa]  hvarlla  Fd,  hverffa  1,  starfa  m.  —  2.  pengil] 
f>eingil:^  m.  —  lengi]  meinge  m.  —  3.  svarar  f»u]  svaradu  FdbR,Rj, 
svaraöe  ikl,  suara  m.  —  hoglega]  in  F  holiga  (F  18G0  hogliga).  — 
huerium]  hueriu  FdeRiEo,  hvorne  m,  huoriu  kl.  —  4.  -borö]  -borö:^  bRiR2- 

—  boröa  ikl,  -boröir  m.  —  5.  erv  um  en  fraevit]  eru  uer  ne  fryiu  Fd, 
freyja  bcRjR.ikl,  er  enn  ver  freyia  m.  —  G.  frsendr]  frjendum  RiR^m.  — 
vorum]  vorn  Fde,  erumm  m,  vor  Rj.  —  ]7a]  J76  RiR^,  ver  bcikl.  — 
viiendir]  ra^ndir  m.  —  7.  a  annad]  auuat  FdE,R.,  enn  annat  biklmo.  — 
8.  konuug]  kouge  m,  konungr  dE^l.  —  diarfirj  djarfr  d,  diarfan  bRiR^jikl, 
aruad  m. 

Auflösung:  Sa  es  skal  lengi  hvarfa*  fyr  kne  per,  J^engill,  J^arf  hug- 
borö;  svarar'^,  konungr,  hogliga  hverju^  orÖi.  Fair  erum  ver''  frsendr  ko- 
nungdjarfir;  orum  po  ne  vsendir''  fryju;  minnumk  meir  a  annat  mitt  starf. 

1.  hverfa:  Cpb.  11,175,2.  GhMm.  11,305,  anm.  3.  —  2.  Cpb.  (a.a.O.)  u. 
Fbr.  (52)  58  svarar  pü:  Ini  kann  wegbleiben  (vgl.  Sievers,  Beitr.  5,  510b); 
au  eineu  vers:  svarar  pü  högla  liverju  =  typus  A'  mit  auflüsung  der  ersten 
hebung  und  älterer  adv.-form,  ist  erst  in  zweiter  liuie  zu  denken.  — 
3.  Die  correctureu  im  text  von  H  z.  4  hverju  für  hcerium  (H)  und  z.  5  fair 
erum  ver,  ne  fryju  für  /".  erv  um  en  frcevit  (H)  werden  durch  die  mehrzahl 
der  hss.  gestützt ;  fair  'rom  ver  (23,  5)  ist  gekürzt  nach  Sievers,  Beitr.  5, 
495  d.  —  5.  vgl.  H,  385,  anm.  2. 

24.  steht:   H  (390,13—14)  F  (bl.  105  r.  1.)  deR,  (s.  74)  R,  (bl.7r.)  q. 

—  Hovamol  84.  —  fehlt:  (Mbcn)  iklmo.  —  gedruckt:  H,  390.  F.  H,  206. 
Edda  '(Gering)  40.   Fbr.  (52)  83.    Fbr.  (99)  85  f.   GhMm.  II,  320. 

Text  nach  H:  a  hverfanda  hveli.  —  5.  voro  pciin  hjorto  skoput.  — 
6.  brigö  i  briost  lagit. 

Varianten:  5.  voro]  eru  Fd,  er  R,R.2.  —  hiorto]  hiarta  Rjltj.  — 
skoput]  skapat  RiR.^.  —  6.  ok]  fehlt  H.  —  i]  um  R,.  —  lagit]  lagiu  R,, 
um  lagit  Höv.  (RKD),  um  lagiu  FdR„  of  lagi)?  Hf^v.  (SJF).    . 

25.  steht:  H  (392,30  —  393,3)  F  (bl.  106  v.l.)  deR,  (s.  78)  iklmoq.  — 
fehlt:  (MbcnR,).  —  gedruckt:  H,  393.  F.  II,  209.  Fbr.  (52)  86.  Fbr.  (99)  90. 

Text  nach  H:    Betr  lez  beita  skvtli.  —  2.  balldr  helir  pvi  skialldar. 

—  3.  pollr  hleypr  hart  vni  hellur.    —   4.   hlvii«ioz  en»  ver  kvnnum.    — 


S34  GAERTNER 

0.  gior  man  ek  hitt  hve  haui.  —  6.  livgdjTstr  skipar  fj'stu»;.  —  7.  veitti 
oss  sa  er  atti.  —  8.  orms  torg  i  skialldborgv. 

Varianten:  1.  lez]  kuadst  i.  —  2.  skialldar]  skialklur  k.  —  pvi] 
sier  m.  —  3.  hellur]  hellr  dEj.  —  4.  hlunnioz]  -rioöz  FdeRi.  —  kuunum] 
knnna  alle.  —  5.  man  ek]  useit  ek  FdeRiiklm.  —  hitt]  fehlt  iklm.  — 
hue]  hverium  Fd,  huorium  ikl,  hvürneun  m.  —  6.  -dyrstr]  -dyrstumm  km, 
-fyrstum  Riiklm.  —  8.  -torg]  -torgs  Fd.  —  skialld]  skalld  k. 

Auflösung:  Baldr  skjaldar  lezk  betr  kuuua^  beita  skutli  enn  ver; 
hcelisk''  p>vi;  pollr  hlunnjös  hleypr  hart  um  hellur.  Gorr  mank  hitt, 
hveim*  hugdyrstr  harri  skipar  fyrstum  i  skjaldborgu.  Sä  veitti  oss  orm- 
storg,  es  atti. 

1.  kunnmn  H  entstand  durch  das  versehen  eines  redactors,  der  die 
syntaktische  bindung  baldr  slcjaldar  lezh  betr  knnna  beita  shttJi  nicht  er- 
kannte und  deshalb  kiinna  zu  enn  ver  in  beziehung  brachte.  —  2.  Con- 
jectur  von  F.  Jönssou,  H,  393;  Egilss.  (Lex.  unter /ifrfa)  liest:  baldr  hcelir 
pvi  skjaldar:  vir  ea  re  gloriatur.  —  3.  Coujectur  von  F.  Jönssou  (vgl. /»'cm 
in  Fbr.  [52]  86). 

26.  steht:  F  (bl.  106  v.  r.)  deiklmo.  —  fehlt:  (Mbcn)  HRiR,q.  —  ge- 
druckt: F.  n,  211.  GhMm.  U,  338  f. 

Text  nach  F:  Hrseddr  uar  hinn  er  meiddi.  —  2.  hior  alldregi  suiptir 
tiallda.  —  3.  skulfu  sidau  skips  i  alfui.  —  4.  skiotlyndura  medal  härs  ok 
fota.  —  5.  bade  tennr,  biein  ok  «dar.  —  G.  brann  uitzskuunar  huerfui 
f>ann  ueg.  —  7.  liruna  hart  sem  elldr  a  ärnni.  —  8.  oezsla  raikil  var  pessi 
hrsesla  (in  F.  1860  hrsezsla). 

Varianten:  1.  miog]  fehlt  vor  uar  in  Fd,  von  anderer  band  hinzu- 
gefügt in  m.    —    2.  hior  alldregi]  hvoralldre  m.    —    3.  skips]  skuf:^  imkl. 

—  alfui]  alfu  ikm,  aelfu  1.  —  4.  hars]  haufs  iklm.  —  6.  uitzskunnar]  \yk 
-unnar  ik.  —  huerfui]  hurfu  i,  huorfu  klm.  —  panuveg]  panniun  iklm.  — 

7.  sem]  kom  iklm.    —   a]  af  iklm.    —   arnni]  ornne  i,    ornre  k,   jarue  m. 

—  8.  mikil]  miög. 

Auflösung:  Sviptir  tjalda,  hinn  er  alldrigi  meiddi  hjor,  var  mJQk 
hrseddur.'  Skulfu  siöan  i  skjötlyndum  alfi  skips  meöal  härs  ok  föta:  basöi 
tenuur',  bein  ok  seöar;  hverfi  vitskunnar  brann  fyrna  paun  veg  hart,  sem 
eldr  ä  arni;  sezla'^  mikil  var  pessi  hrsezla. 

1.  Der  svarabhakti-vocal  ist,  des  metrums  der  hrynhentstrophe  wegen, 
notwendigerweise  anzunehmen.  —  2.  Coutr.  pro  cesila,  cesiliga,  vel  portius 
pro  oirsla  ab  cersl,  Egilss.  Lex.  142. 

27.  steht:  H  (395,  29  —  396,  2)  F  (bl.  106  v.  r.)  deR,  (s.  81  f.)  R,  (bl.  11  r. 

—  12v.)  iklmoq.  —  fehlt:  (Mbcn).  —  gedruckt:  H,  396.  P\  II,  212.  Fbr. 
(52)  90.  Fbr.  (99)  94.  Cpb.  II,  175,  7.  GhMm.  II,  340. 

Text  nach  H:  Avrvende  trez  vnöir.  —  2.  opt  finnvmz  pat  min>ii.  — 
3.  avU  er  fremö  of  fallin.  —  4.  fiornefs  i  stra  grep^ji.  —  5.  ef  herc.boda 
hoggit.  —  6.  hefi  vart.  i  skarr.  svarta.  —  7.  nadda  borös  pvi  at  niröi.  — 

8.  nettings.  bana  vettag. 

Variauten:  aurvende]  auruendis  Fd,  orvendr  i.  —  trez]  tradst  im, 
redzst  Fde.  —  2.  linnumz]  ünnast  iklm.  —  pat]  pess  deRiR^ikloq,  pesse  m. 

—  3.  fremd  of]  frendum  Rj,   fremdum  R^,  fremar  vnim  i,   fremre  klm.   — 


ZUR  f6stbr(edrasaga.  335 

4.  nefs]  -neps  Fdem,  iiepps  E.;.  —  5.  hercljoda]  hreggboda  FdeRiR^,  -bo8 
aa  ik,  -boöa  er  1,  -bada  m.  —  6.  hefi]  hefi  ek  alle.  —  i  skavr]  a  skor  im, 

—  pvi  at]  pcit  F  (in  F.  1860  pvi  at).  —  niröi]  nyröinn  iklm,  yirpir 
EiRä.  —  8.  nettiiigs]  naetting  i.  —  bana  vettag]  bana  sar  vaett  eg  k, 
-veittak  iU.Ki. 

Anflüsnug:  011  freiiiö  es  of  falliii  greppi  i  strä;  fj()vne])pr'  trezk 
\indir  orvendi-,  fiumimk  oft  minni  pess  — :  ef  hefk'  li(;ggvit  varr  i  svarta 
skor  hregg'boöa  iiaettings,  pvit  vifttik  bana  Niröi  borös  nadda. 

1.  Conjectur  von  F.  Jönsson  {fjgrnepps  Cpb.  II,  175,  7.  GhMm.  II,  340): 
falla  i  strä  vgl.  H,  395,  aum.  1.  —  2.  orccndr  (vgl.  Gh Mm.  II,  340)  nur  i; 
die  angäbe  von  Egilss.  (Lex.  G30),   dass  A  (=  H)  orvenclr  habe,  ist  falsch, 

—  Egilss.  (Fbr.  [52]  90)  coustniiert:  oll  er  fremd  of  fallia  greppi,  ortende 
fjornepps  tres  nndir  i  strä  =  vita  hominis  fato  praepediti  conculcatnr  in 
stipula,  i.  e.  honio,  cui  praesens  immiuet  fatnm,  vel  domi  snae  moritur. 
So  wird  zAvar  das  in  allen  liss.  belegte  fjornepps  gerettet,  doch  bleiben 
bedenken  zurück:  z.  b.  orvendi  =  vita  ist  sonst  nicht  belegt.  —  Nach  der 
auf  die  visa  folgenden  prosa  (die  hier  sicherlich  im  anschluss  an  die  Strophe 
entstanden  ist):  rera  mä,  segir  pormodr,  at  elcki  hafi  milcit  oröit  hgggit; 
pvi  at  grrendr  maör  hjö  (Fbr.  [52]  90,  9—10)  und  mit  rücksicht  auf  Fbr. 
(52)39,9—10:  Sär  Ponnudar  hafdiz  illa,  oJc  lä  kann  lengi  oh  rar  jafnan 
grrendr  siöan,  medan  hann  lifdi,  scheint  es  mir  zweifellos,  dass  orvendi  in 
der  bedeutimg  grvhendr  =  linkshändig  steht  (vgl.  Vigfüss.  Lex.  768  und 
H,  395,  anm.  1.  396,  anni.  2).  —  3.  ek  fehlt  nur  in  H.  —  4.  herc-  in  H  wol 
schreibversehen. 

28.  steht:  H  (396,7—10)  F  (bl.  106  v.  r.)  deR,  (s.  82)  R^  (bl.  12  v. — 
12r.)iklmoq.  =  fehlt:  (Mbcn).  —  gedruckt:  H,396.  F.  11,212.  Fbr.  (52) 
90, 2.  Fbr.  (99)  95.  Cpb.  II,  176,  8.  GhMm.  H,  342. 

Text  nach  H:    Vudr  er  hvi  eigi  kenndv.   —   2.  elborvar  niik  giorva. 

—  3.    stals.   hefi  ek  mark  a  raali.     —    4.   mart  ok  skopt  hit  svarta.    — 

5.  bvrgvz  längs,  pviat  lengra.  —  6.  lif  var  mer  skapat  drifv.  —  7.  premia 
lindz  emi  poWnm.  —  8.  peim  alldr  tili  seima. 

Yarianteu:  1.  er]  fehlt  F.  —  hvi]  pvi  ikl,  f>vi  er  m.  —  2.  elborvar] 
almbauruar  dRjR^.  —  3.  hefi]  ber  Fdeiklmo.  —  mark]  mart  Fd  (am  rande: 
forti  mark)  e.  —  4.  mart]  margt  km,  mitt  1.  —  ok]  um  Fde  +  i— o.  — 
skopt  hit]  skiptiö  iklmo.  —  5.  burguz]  burgum^  Rj,  birgjumzst  FdeRa, 
biorgunst  ikhu.  —  längs]  langt  alle.  —  pvi  at]  enn  R,Rw.  —  6.  merj 
fehlt  ikl,  tj-  Fe,  tvy  m.  —  skapat]  setlac^  ikl.  —  7.  premia]  prenna 
dRoiklm.  —  lindz]  pollz  Fde,  svellz  Rj,  svell  Ii\  (am  rande:  pollz),  folk:^ 
iklm.  —  enn]  edr  F,  erRiR^,  og  ikl,  afm,  a?  de.  —  pollnm]  polli  alle.  — 
8.  alldr  tili]  alldi-i  til  R,,  alldur  til  k.  —  seima]  F  sei  |  iuia  (F.  1860  seima). 

Auflösung:  Undr  es,  hvi  elborvar  stäls  kendu  mik  eigi  gorva;  hefk 
mart  mark  af  mali  ok  skoft  et  svarta.'  Burgumk,  pvit  Ty-,  drifu  längs 
svells'  premja  vas  skapat  lengra  lif,  enn  aldrtili  peim  polli  seima. 

1.  F.  Jönsson  (H,  396,  vgl.  auch  Fbr.  [52]  und  Fbr.  [99])  schliesst  in 
Str. 28, 1—4  in  parenthese:  hefk  mark  mart.  Nach  einem  satze  wie:  undr 
CS  hvi  elbgrvar  stäls  eigi  koulu  tnik  ggrva  ä  mäli  ok  skoft  et  svarta  aber 
muss  dieser  parenthetische  satz  nur  als  widerholung  von  etwas  im  vorher- 


336  GAERTNER 

geheudeii  schon  viel  genauer  mitgeteilten  wirken :  ich  construiere  deshalb : 
undr  CS  hvi  eigi  elh.  st.  k.  m.  ggrra  und  lasse  als  hegründung  dafür  folgen: 
hefk  mart  mark  af  mäli  ok  skoft  et  svarta:  geben  doch  meine  stimme  und 
mein  schwarzer  haarschopf  so  gute  erkennungszeichen  ab!  —  2.  Vgl.  Fem. 

—  3.  Z.  7  ist  in  H  heudinglos  überliefert,  poll^  Fd  würde  einen  dritten 
nebenstab  liefern:  po-ll^  scheint  ein  durch  das  folgende  T^oZ/«  veranlasstes 
schreibversehen  zu  sein  für  sre-ll^  (R*),  svell  (Ro)  (vgl,  H,  396.  Cpb.  etc.). 

—  Ty  drifu  längs  svclls  premja  —  mihi:  vielleicht  wurde  das  erkennen 
dieser  kenning  die  directe  Ursache  für  die  Variante  in  H:  meV.  —  Man 
könnte  den  text  von  H  auch  formulieren:  hurgumk,  pvü  lengra  lif  mer 
vas  skapat,  enn  aldrtiU  drifu  längs  svells  premja  (=  kampftod)  [vas  skapat] 
polli  seima. 

29.  steht:  F  (bl.  106  v.r.)  deiklmo.  —  fehlt:  (Mbcn)  H  R.R.q.  —  ge- 
druckt: F.  II,  212.  Fbr.  (99)  95.  GhMm.  II,  344. 

Text  nach  F:    Strasingde  )7ess  a  pingi.  —  2.  parfiyndr  ef  mig  fyude. 

—  3.  haulldr  at  hoggua  skyllde.  —  4.  hseit  lofgerdar  uaeite.  —  5.  n?er 
stod  ek  randa  ryre.  —  6.  reckr  letzst  «i  mik  peckia.  —  7.  gott  er  pat 
huldar  hetti.  —  8.  hefir  halldit  smiör  stefja. 

Varianten:  1.  Strseingde]  streinge  m.  —  2.  piarflyndr]  pralindur  iklm. 

—  ef]  er  m.  —  4.  hmt]  biet  i.  —  5.  u?er  (in  m  von  der  gleichen  band 
am  rande  hinzugefügt).  —  ryre]  lyre  k.  —  6.  die  Wortstellung  in  ikl  ist 
mic  ei.  —  7.  at]  er  iklo.  —  hetti]  hsettu  iklm.  —  8.  halldit]  falliö  ikl, 
falldaö  m. 

Auflösung:  parflyndr  bolör  strengöi  J^ess  heit  ä  p'ingi,  ef  fyndi  )nik, 
at  hQggva  skyldi  beiti  lofgeröar.  Ek  stöö  n?ev  ryri  randa;  rekkr  lezk  ei' 
mik  pekkja;  gott  es  p>at  Huldar  hetti  hefr  faldit*  smiör'  stefja. 

1.  lezka  vgl.  Fbr.  (99)  156,  24,  anm.  4.  —  2.  ebenda,  anm.  5.  fuldip 
iklm  :  falda  huldar  hetti  =  pileo  occultanto  caput  velare,  ab  aliis  non 
cognosci  (Egilss.  Lex.  412).  —  3.  smidr  an  vierter  stelle  des  verses  (29,8) 
verstösst  gegen  die  regel  Craigie's  (vgl.  Ark.  16,  346,  §  7);  ich  vermute,  dass 
die  zeile  ursprünglich  lautete:  hefr  smidr  faldit  stefja,  und  dass  die  enge 
Zusammengehörigkeit  von  smidr  und  stefja  den  grund  für  die  Umstellung 
bildete. 

30.  steht:  H  (H,  397, 4-7)  F  (bl.  106r.r.)  deR,  (s.82f.)  Rj  (bl.  12  r.) 
ikmoq.  —  fehlt:  (Mbcn)  1.  —  gedruckt:  H,  397.  F.  E,  212.  Fbr.  (52)  90  f. 
Fbr.  (99)  96.  Cpb.  11, 176,  9.  GhMm.  11,  344. 

Text  nach  H:  Matt  ka  ek  hefnd  enu  hrafni.  —  2.  hrings  fekk  ek 
brand.  a  J>ingi.  —  8.  balldrs  let  ek  vigi  valldit.  —  4.  varga  setvrs  viö 
marga.  —  5.  meiR  hefni  )70  peiRa.  —  6.  porgeirss  Virnr  fleiri.  —  7.  gny- 
polli  let  ek  gialla.  —  8.  giort  hell  ek  fyri  mik  svartan. 

Varianten:  Matt  ka  ek]  M?etta  ek  Fde,  matkat  ek  RiR^q,  Mattkade 
imk.  —  enn]  nu  ikm.  —  2.  brand]  bragd  F,  braö  deRiR.^qikmo.  — 
3.  balldrs]  hialldrs  Fde.  —  vigi]  regni  ikm.  —  4.  seturs]  flet:^  Fde,  skers 
R,R,q,  tieys  ikm.  —  viö]  fyr  RiR-.q-  —  5.  (H)  =  z.  5  in  RiR.q.  =  z.  7 
in  Fdeikmo.  —  meirr]  meirri  ikm.  —  hefni]  hefndi  FdeR,Ro(},  heföe  m, 
haföe  ik.  —  6.  (H)  =  z.  6  in  RiR^q.  =  z.  8  in  Fdeikmo.  —  vinir] 
vinur  m,    vinar  i   (a  ist  dann  ausgestrichen  und  i  übergeschrieben).    — 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  337 

7  (H)  =  z.  7  in  EiE^q  =  z.5  in  Fdei— o.  —  In  i  ist  gialda  ans  gialla 
coi-rigiert).  —  8.  (H)  =  z.  8  in  R,,R.,q  =  z.  fi  in  Fdei— o.  —  giort]  gerst 
ikm.  —  mik]  Fde,  fehlt  ikm.  —  svartan]  suortuni  Fdeikni. 

Auflösung:  Matkak  hefnö  Baldrs  setrs  hrings  viö  inarga',  enn  lirafui 
fekk  bräö''  varga  ä  J?ingi;  letk  valdit  vigi.  Letk  gjalla  svortum^  gnypolli 
j'orna'';  gort  hefk  fyr  mik;  J^orgeirs  vinir  fleiri  hefni  pö  nieirr. 

1.  a)  Der  redactor  von  F.  constrnierte:  MuÜcalc  (nach  H)  hefnö  viö 
vuirga:  enn  eJc  fekk  hrüi)  varga  hjaldrs  lirafni  ä  pinffe  flHs  hrings:  man 
vermisst  aber  im  ersten  satz  die  angäbe,  um  wen  es  sich  handelt,  d.h. 
eine  kenuing  für  forgeirr,  die  der  text  von  H  mit  Baldrs  setrs  hrings 
bietet.  —  b)  Egilss.  (Fbr.  [ö'i]  90  f.):  Maika  ek  hcfnÖ  rid  inarga  {enn  hrafni 
fekk  ek  bräö)  [ek  Ut  valdit  vigi  baldrs  setrs  varga  ä  pingi  hrings].  — 
c)  Vigfüss.  (Cpb.  II,  176,  9) :  Matka  ek  hefnö  viÖ  inarga.  {enn  ek  fekk  hrafni 
brad  ä  pingi  hrings)  [tet  ek  valdit  vigi  Baldrs  setrs  varga].  Gegen  diese 
auf lösung  lassen  sich  einwände  erheben :  1.  betr.  des  ersten  satzes  s.  unter  a), 

2.  in  der  parenthese  ( )  ist  die  kenning  d  pingi  hrings,  mit  dem  zweiten 
gliede  im  sg.  austüssig  {pingi  =  conventus,  congressus  setzt  ein  gen.  ob- 
ject  im  pl.  voraus:  ping  boröa,  geira,  hjorva  oder  ein  unflectiertes  erstes 
compositionsglied:  geirping  etc.),  3.  die  kenning  in  der  parenthese  [  J  klingt 
ebenfalls  unwahrscheinlich :  setr  varga  =  locus  luporum  =  carapus  proelii, 
in  quo  caesoruni  corpora  jacent  (vgl.  Egilss.  Lex.  unter  vargr).  Am  nahe- 
liegendsten bleibt  Baldr  setrs  hrings  als  kenning  für  porgeirr  von  hefnö 
und  varga  von  bräö  abhängig  sein  zu  lassen,  «  pinge  wäre  dann  einfaches 
beiti  für  pugna  (vgl.  Egilss.  Lex.  unter  ping  d.)  und  F.  Jünsson,  H,  397). 
—  Str.  30,5-8  erklärt  F.  Jünsson  (a.a.o.)  (vgl.  auch  Fbr.  [99]  157  [25J) 
für  sehr  verderbt  ( :  gnijpollr  bildet  keine  vollständige  kenuing,  zu  gjalla 
erwartet  man  ein  object  [hogg  o.  ä.],  peira  bleibt  in  dem  unklaren  Zu- 
sammenhang der  Zeilen  [vgl.  die  Varianten]  unverständlich !),  gibt  aber  den 
text  der  hs.  unverändert  wider.  Der  besserungsversuch  von  Boer  (Zs.  fdph. 
31, 155  f.)  ist  wolgelungen.  —  2.  Vgl.  dR,Pt^qikm.  —  3.  Vgl.  Fdeikm:  wäh- 
rend in  F  mik  durch  anlehnung  an  svortum  (z.  6)  in  vier  geändert  wurde, 
geschah  das  umgekehrte  in  H:  svortum  wurde  hier  infolge  falscher  syn- 
taktischer Verbindung  mit  fyr  mik  zu  svartan.  —  4.  Conjectur  von  Boer 
(Zs.  fdph.  31,156). 

31.  steht:  H  (400,20  —  401,3)  F  (bl.  107  r.  1.)  deR,  (s.  87)  iklmoq.  — 
fehlt:  (MbcnR.,,  nach  bl.  12  fehlen  einige  blätter).  —  gedruckt:  H,  401. 
F.  II,  215.  Fbr."(52)  95.  Fbr.  (99)  101.  Cpb.  II,  176, 10.  GhMm.  11, 356. 

Text  nach  H:   Skopta  ek  enn  pa,  er  vpjji.  —  2.  vndarligs  a  svnd.  — 

3.  hrokr  do  hei7Hskr  viö  kleki.  —  4.  hans  raza  klof  ganöi.  —  5.  alla  leit 
ek  a  Ulli.  —  6.  eggveövrs  hvgar  glocvm.  —  7.  setti  gauR  ok  glott.  — 
8.  guöfion  viö  mer  sion/r. 

Varianten:  1.  Skopta]  Skapta  km,  skoppade  1.  —  enn]  einu  1,  fehlt 
in  allen.  —  2.  undarligs]  -ligt  FdeR,,  -ligr  i,  -legur  klmo.  —  a  sund]  a 
sunde  alle.  —  3.  viö]  fyr  ikm,  for  1.  —  4.  raza]  randa  iklm.  —  gandi] 
f>ande  iklm.  —  klof)  kolf  ra.  —  6.  gloggum]  gluca  R,.  —  7.  glott]  glotti 
alle.  —  8.  gud  fion]  guös-  R,,  gunn-  Fde.  —  viö]  fyr  m.  —  mer]  mig  m. 

Auflösung:   Skoftak  euu  uppi  ä  suudi,  pä's  heimskr  hrökr  —  hans 


338  GAERTNER 

razaklof  ganöi  imdarligt'    —    do  vi5  kloeki.    Ek   leit   alla   g-umifjön'   i 
hugar  gleggiim  Uli  eggveörs;  gaurr  setti  sjoiiir  viö  mer  ok  glotti. 

1.  Vgl.  FdeR,.  —  2.  Egilss.  (Lex.  281)  interpretiert  den  satz:  ek  leit 
alla  guöfjön  ä  hugar  gleggnm  Ulli  eggveörs  so:  vidi  omnem  impietatem  in 
ignavo  homine  (ex  ignavi  hominis  vultu  elucere.  —  F.  Jönssou  (H,  401) 
macht  die  wendung  etwas  wahrscheinlicher  diirch  eine  andere  auffassung 
Ton  guöfjön:  =  gudehad  d.  v.  s.  et  udseende,  som  viser,  i  hvor  höj  en 
grad  gudvorhadt  vedkommende  person  mä  have  vseret.  —  Befremdend 
wirkt  der  satz  trotzdem  mit  seiner  religiösen  färhung,  wie  sie  sonst  nir- 
gends zu  heohachten  ist.  Ich  folge  deshalb  lieber  der  Variante  von  Fde: 
gunnf'jon,  in  der  bede\itimg:  hass  gegen  kämpf;  das  kann  sein  entAveder 
aus  friedliebender  gesinnung  oder  aus  feigheit.  Letzteres  stimmt  gut  zu 
hugar  gleggum:  ek  leit  d  hugar  gleggnm  U.  eggr.  alla  gunnfjün:  ich  be- 
merkte bei  dem  feigen  kämpfer  seine  ganze  feigheit. 

32.  steht:  H  (409,26  —  410,3)  F  (bl.  108 v.l.)  deKj  (s.  lOOf.)  Eo 
(bl.  25  V.)  iklmoq.  —  fehlt:  (Mbcn).  —  gedruckt:  H,  410.  F.  H,  225.  Fbr. 
(52)  106.  Fbr.  (99)  118.  GhMm.  11,  398.  32,  5-8:  Nj.  II,  134. 

Text  nach  H:  per  fengut  fe  fleira.  —  2.  flim  er  opt  kvedit.  Grimi. 
—  3.  fengvt  myklu  meira.  —  4.  merings  en«  til  veri.  —  5.  bann  hef/r 
hvndz  verk  vnnit.  —  6.  hvin«  gerir  slikt  at  viiina.  —  7.  metr  enn  ek 
meztv  bettag.  —  8.  mina  gramr  ok  pina. 

Varianten:  1.  fleira]  fsera  Fd,  ferra  e.  —  3.  fengvt]  mer  ok  Fdeiklmo, 
fserit  RiRol-  —  meira]  fleira  Fde.  —  4.  merings]  mferiugr  alle.  —  til] 
]>ori  Fdei— 0.  —  6.  gerir]  getr  alle.  —  at]  edr  alle.  —  vinna]  minna 
FdeRiR.j,  minne  ikml.  —  7.  metr]  matt  E,R,.  —  meztu]  meni^sku  Fde 
RjR^m,  menska  ikl.  —  bettag]  b?etta  iklmo. 

Auflösung:  Er*  fenguö^,  mseringr,  Grimi  fleira  fe  ok  mer^  miklu 
faera  enn  til*  vseri.  flim  es  oft  kveöit:  bann  hefr'  unnit  hunds  verk  — 
hvinn  gerir  at  vinna  slikt  —  enn  ek  baettak  mensku^  mina  ok  f>ina, 
msetr  gramr! 

1.  Er  als  ältere  form.  —  2.  In  z.  1  haben  wir  eigentlich  drei  stuölar, 
doch  wird  der  anlaut  von  fenguÖ  (verb.  finit.)  nicht  als  störend  empfunden 
worden  sein,  da  fenguÖ  nur  die  nebentonige  Senkung  enthält;  noch  ein- 
wandsfreier  ist  hefr  (z.  5).  —  3.  fengut  nur  in  H.  Der  mit  den  äugen  ab- 
irrende Schreiber  setzte  für  mer  ok  (alle  hss.)  nochmals  fengud  (s.  z.  1). 
i)ass  es  eine  beabsichtigte  wortwiderholung  sei :  Er  fenguÖ  fe  fleira,  fenguö 
miklu  meira  Grimi  ...  ist  kaum  anzunehmen.  —  Durch  fenguÖ  entstand 
aber  in  z.  3  von  H  eine  falsche  alliteration  (auf/);  um  diese  zu  beseitigen 
und  den  durch  den  hofuöstafr  geforderten  reim  herzustellen,  schrieb  der 
Schreiber  meira.  —  4.  In  Fbr.  (52)  und  (99)  und  H,  410  ist  für  til  (HR,Ro) 
:  porf  Fdeiklmo  eingesetzt:  vgl.  dagegen  unten.  —  5.  Vgl.  FdeRiR.^qm. 

33.  steht:  H  (410,6-9)  F  (bl.  108  v.  1.)  deR,  (s.  101)  Ro  (bl.  25  v.  r.) 
iklmoq.  —  fehlt:  (Mbcn).  —  gedruckt:  H,  410.  F.  II,  225.  Fbr.  (52)  107.  Fbr. 
(99)118,2.  GhMm.  n,  398  f. 

Text  nach  H :  pollr  va  ek  porgmn  trolla.  —  2.  [--ar  hrt  harör  iaröar. 
—  3.  aör  reo  ek  odda  skvrar.  —  4.  otravör  Lodins.  davöa.  —  5.  par  nam 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  339 

ek  porkel  fiorvi.  —  6.  ]iorÖr  Ict  avnd  hiuji  fioröi.  —  7.  felldr  rar  fro<?r  til 
moUdar.  —  8.  Falgein.  skorvngr.  'pcira. 

Varianten:  va  ek]  mir  vo  alle.  —  2.  laut]  line  R,R..  —  tilj  (alle) 
ist  in  H  sicher  beim  zeilenwechsel  versehentlich  ausgelassen  (vgl.  Nj  II, 
131, 5  f.).  —  3.  reo  ek]  ek  fehlt  ikni,  reiö  ek  E,R.,.  —  odda]  oddar  ikl.  — 
skurar]  hrij'ar  alle.  —  6.  hinn]  en  R,,  enn  kl.  —  7.  in  d  für  frpegr  (alle) 
durchgestrichenes  falgeiR  (am  rande:  add.  fraegr).  —  raolldar]  folldar  alle. 

Auflüsung:  J^ollr-hriöar-odda!*  ek  vä  porgrim  trolla,  p&r  laut  hari^r 
til'^  jaröar'';  äör*  retMc  otrauör  LoÖins^  dauöa.  )'ar  nam'k  porkel  fjiirvi, 
porör  let  Qnd  enn  fjoröi,  feldr  vas  Falgeirr,  fraegr  skorungr  peira,  til  nioldar." 

1.  Fbr.  (99)  s.  158,  28  lässt  JwUr-hriÖar-odda  subject  zu  rä  sein,  hält 
ck  (nur  H)  also  für  zusatz  eines  Schreibers,  der  ein  subject  zu  rä  vermisste 
(vgl.  Nj.  II,  130, 1  v.  u.  ff.)  Da  str.  33,  wie  str.  32,  direct  an  den  könig  ge- 
richtet ist  und  in  32,1-4,  wie  32,5-8,  ein  heiti  für  könig  als  anredeform 
sich  ündet,  so  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  poUr-hriöar-odda  als  solche  zu 
bezeichnen  ist.  —  2.  Vgl.  Nj.  II.  131,  5  6,  H,  410,  anm.  2.  —  3.  Fbr.  (52) 
107  schliesst  in  klammer:  poUr  par  laut  hardr  til  jardar.  —  4.  Fbr.  (52) 
107  hat  är,  um  frumhendiug  zu  skürar  (H)  zu  erhalten.  —  Gislas.  (Nj.II,  131) 
möchte  glauben,  dass  dem  Schreiber  zeilen  wie  sJcjöit  bar  ek  skjdd  hinn 
hciia  —  (skc'dd  hiör,  at  GoÖvaldi)  är  til  eggja  skürar  —  öirauÖr  enn  frä 
raudan  (Hkr.  3,  267.  Fms.  VII,  155.  Mork.  udg.  189)  vorgeschM^ebt  haben.  — 
5.  Nj.  II,  127  f.  weist  Gislas.  die  Vermutung  von  F.  Magnussen  (GhMm.  II, 
417  f.)  zurück,  dass  man  für  Lodins  :  Ljöts  zu  lesen  habe.  —  6.  foldar  Fie 
EiR.,i— q  würde  einen  dritten  nebenstab  ergeben  (vgl.  Nj.  II,  131,  anm.  SH). 
'  U.  steht:  II  (410,18  —  411,3)  F  (bl.  108  v.l.)  deR,  (s.  101  f.)  R, 
(bl.  26v.)  ikmoq.  —  fehlt:  (Mbcn)  1.  —  gedruckt:  H,411.  F.  IL  226, 1.  Fbr. 
(52)  107.  Fbr.  (99)  119.  Cpb.  II,  176, 11.  GhMm.  II,  400,  2. 

Text  nach  H:  Eis  hef/r  illan  dila.  —  2.  ekkils  peir  er  mik  sektv.  — 
3.  geig  vanw  ek  gervi.  dra^gu)».  —  4.  Grenlej/dinguwi.  brendan.  —  5.  sa 
mvnat  seki  tiri.  —  6.  sverö  eis  fromu?«  ve?-Öa.  —  7.  hrings  a  hryciar 
tanga.  —  bog  greddr  nema  mer  legi. 

Varianten:  heftr]  hefig  alle.  —  dila]  doola  ikm.  —  2.  }?eir  er]  fieim 
er  Fde,  pess  er  RjR.^,  ]>o  ikm.  —  mik]  mier  ikm.  —  3.  geig]  gejeig  F 
(F.  1860  geig).  —  vann  ek]  ek  fehlt  ik,  nam  ek  RjqR.^  (von  später  band 
in  vann  umgeschrieben).  —  4.  Greu-lendingum]  -leudinga  alle.  —  brendan] 
brenda  alle  (aiich  F;  F.  1860  IL  226  hat  brendan).  —  5.  munat]  niun  RiR.. 
—  tiri]  tifnum  Fde,  tifua  RjRj;  löfum  ikm.  —  7.  a]  en  R,.  —  8.  bog 
greddr]  bog  dregr  Rj.  —  mer  logij  meck  Isegi  RjRo,  blseddi  ikm. 

Auflösung:  Hefk  brendan  Groenlendingum*  illan  dila;  vannk  gervi- 
draugum  eis  Ekkils.  ]5eim"s  seköu  mik,  geig.  Sär^  munat  veröa  höggru'ddr 
froraum*  sveröels  ä  hryggjar  tanga,  nema  lögi  mer,  soeki  tirar^  hrings. 

1.  Die  construction  in  F:  vannk  yercidraucjum  —  eis  —  Ekkils  Groen- 
lendinga  geig,  ist  nicht  unwahrscheinlich;  jedenfalls  konnte  tifroeulendinga 
(alle  hss.,  ausser  H)  unter  dem  einfluss  des  vorausgehenden  -draugum  nicht 
weniger  leicht  zu  Groenlendingum  werden,  wie  dieses  durch  brenda  zu 
Groenlendinga.  —  2.  F.  Jönsson  (H,  410)  vermutet  für  tiri  (H)  iicum  (vgl. 
-iifmnn  Fde,    tifca  RjRj)  :  hringr  =  svserd,  dets  sackiticar  =  sflgende. 


340  GAERTNER 

eroliroiule  g-uder.  oraskr.  for  krigere  el  iiipeiid  (vgl.  Egilss.  Lex.  692).  Die 
kenning  scheint  mir  zu  constniiert.  Durch  die  conjectur  erhält  man  ferner 
unbeliebte,  zudem  dreifache  vocalische  hending:  sä  mnnat  sa'käivum.  Ich 
halte  mich  deshalb  mehr  an  den  in  str.  34  fast  einwandsfreien  text  von  H 
und  vermute,  dass  tirl  (H)  =  dat.  sg.  zu  ttrr,  unter  dem  einfluss  des  un- 
mittelbar vorhergehenden  dativs  scrJc/',  aus  tirar  (gen.  sg.)  verderbt  ist;  zu 
sceJci  —  tirar  würde  als  drittes  kenningglied  hrings  gehören:  tirr  lirings  = 
schwertruhm,  dessen  scclcir  =  ruhmbegieriger  krieger  =  mann.  Da  ferner 
sä  (z.  5)  sowol  auf  dila  (z.  1),  so  F.  Jöusson,  H,  411,  wie  auf  gekj  (z.  3)  = 
acc.  zu  (jcujr  bezogen  werden  kann,  wodurch  eine  gewisse  Unklarheit  ent- 
steht, und  eine  im  allgemeinen  unbeliebte  engere  beziehuug  zwischen  den 
halbstrophen  hergestellt  wird,  darf  man  vielleicht  auch  sä  als  entstellt 
ansehen.  Sucht  man  zu  -tirar  eine  frumhending,  so  liegt  die  conjectur  sär 
nahe  (sär  =  illr  brendr  dili).  Construction  s.  oben.  —  3.  Cpb.  II,  176,  11 
hat  z.  6  srerdels  fra-tn  fra-mum  verda! 

35.  steht:  H  (411,13  —  412,3)  F  (sp.  486)  deRi  (s.  102)  R,  (b).26r.) 
iklmoq.   —   Hkr.  (3,457)  hös  (205)  Fms.V,54f.  lös  67.   —   fehlt:  (Mbcn). 

—  gedruckt  noch:  H,  412.  F.  II,  839.  Fbr.  (52)  108.  Fbr.  (99)  119  f.  Cpb.  II, 
176, 13.  Scr.  h.  Isl.  V,  58. 

Text  nach  H:  Bren)ivm  oll  fi/ri  innan.  —  2.  innin  pw  erver  rinuvm. 

—  lani  skal  heR  med  hiorvi.  —  4.  hvcr  biorg  fyri  gram  veria.  —  5.  ys 
taki  allra  hvsa.  —  6.  inn  prendir  kol  sinna.  —  7.  angr  mvn  kvej'kt  i 
hlvugri.  —  8.  kolld  ef  ek  raa  vallda. 

Varianten:  2.  innin]  innen  F,  inney  d  (am  rand:  inui)  R,RoKJ^Fms 
— BC  hös,  innfey  lös,  iney  q,  in>ie  iklmoFms — DKL,  lunaney  Fnis— A.  — 
pau  er]  fiau  at  Fms— A,  er  fehlt  1.  —  3.  laudj  lönd  Fms  10s,  hirnd  J.^  hÖs. 

—  skalj  skuhim  F,  tegast  Fms  lös  J^K  hÖs.  —  hen]  huer  F,  hier  iklmo, 
heim  dRiPt._;q.  —  4.  hver  biorg]  hver  borg  RjR./iFms— CD,  hver  bser  d, 
herbJQrg  Fms— H,  herbiorgum  Fl,  huubiorgum  ikm,  hun  beriumm  o,  hüs- 
bjorg  Fms— S,  herdjarfan  Fms— B.  —  fyri]  fehlt  FFms— B,  so  iklm,  sua  o. 

—  gram]  fehlt  iklmo,  grams  F.  —  veria]  vera  K  18, 75.  —  5.  ys]  hyss 
lös.  — -  taki]  taca  d,  hafui  FHkrFmshÖslÖs.  —  allra]  allir  lös.  —  Imsa] 
fehlt  hös  lös.  —  G.  inn  prendir]  inproender  lös,  Innprondi  hÖs.  —  sinua] 
suinna  d.  —  7.  muu]  man  dRjR.q,  skal  i— oHkrhÖslÖs.  —  kveykt]  kveik 
Fjns.  —  8.  kolld]  koll  Hkr,  kalld  F,  kallda  1,  kalldast  o.  —  ef]  er  lös. 

Auflösung:  Brennum  oll  lomP  fyr  innan  Inni^,  pau's  ver  finuum; 
herr  tegask^  verja  Herbjorg*  meö  hjorvi  fyr  gram.'*  Inuproendir  taki  kold 
kol  allra  sinna  husa;  ys  angr  mun  kveykt  i  klungri,  ef  ek  mä  valda. 

1.  Vgl.  JohÖsFmslÖs.  —  2.  F.  Jönsson  (11,412)  setzt,  dem  Vorschlag 
von  Egilss.  (Skr.  h.  Isl.  V,  59,  anm.  a)  folgend,  an:  Brennuvi  oll  iitni  fyr 
innan  Hoerbjgrg,  paivs  oer  finnum  und  zieht,  um  inni  iklmoFms — DKL  zu 
stützen,  noch  die  lesarten  innin  H  und  innen  F  heran.  Indes  eine  ent- 
stellung  von  inney  dRiR^qKJ.^Fms- BChÖslÖs  zu  innen  F,  unter  einwir- 
kung  von  innan  (z.  1)  ist  nicht  weniger  wahrscheinlich  (vgl.  Innaney 
[Fms — A],  das  ZAveifellos  unter  dem  einfluss  von  innan  [z.  1]  aus  Inney 
entstellt  ist).  Trotzdem  wird  das  handschriftlich  stark  gestützte  Inney  zu 
verwerfen  sein,  da  hier  von  '  inseln '  nicht  die  rede  sein  kann :  Öläfr  befindet 


ZÜE  FÖSTBRffiDRASAGA.  341 

aicli  mitten  im  Yeradal.  Nun  gibt  aber  Rygli,  Norske  Gaardnavne  XV,  143 
an:  'Jnndalr,  sms.  med  Inna,  som  er  Navn  paa  Vfprdalselvens  sydlige 
Hovedtillob,  kommende  fra  Insvandet,  hvis  spriudelige  Navn  kan  sluttes  at 
have  veeret  *Innir.'  Fasst  man  also  inni  nicht  als  u.  pl.  =  häuser,  sondern 
als  acc.  sg.  zu  Inyiir,  so  heisst  der  satz:  Brcnnmn  oll  hpul  fyr  innan  Inni: 
lasst  nns  alle  läiulereien  bis  zum  Iniiir  sengen  und  brennen.  Diese  angäbe 
steht  gut  im  einklang  mit  In)ipr<rndir  (z.  6),  das  in  der  halbstrophe  eben- 
falls die  oddheuding  des  zweiten  visuorö  liefert.  —  3.  Vgl.  KJo  hÖsFmslÖs 
(vgl.  auch  Sievers,  Beitr.  5,  466,  2.  a).  —  4.  F.  Jönsson  (H,  412)  behält 
Hverhjorg  (HHkrhüslÖs)  bei:  'et  ellers  unbekendt  stedsnavn'  (H,  411, 
anm.  1),  zieht  aber  auch  eine  Übersetzung  hver-hjorg  (=  pl.  zu  hverr-bjarf/) 
=  'kedel-klipperne'  in  erwägung  (vgl.  a.a.O.).  —  Egilss.  (Lex.  324)  schliesst 
sich  an  Fms^H  an  (vgl.  dazu  hcr-biorgum  Fl)  und  fasst  Uerbjgry  als  acc. 
pl.;  Herhjarga,  nomen  loci,  montis  v.  rupium,  in  Veradalo  (vgl.  S. h. I.  XII, 
664).  Die  construclion  wäre  dann  herr  tcgasJc  rerja  herbjorg  m.  hj.  f.  gram: 
das  volk  schickt  sich  an,  Herbjorg  gegen  den  künig  zu  verteidigen.  — 
5.  Cpb.  II,  176,  13  Brennoin  (dl  Herhiarg  j'yrir  innan  Inney  pau  es  ver 
finnom. 

3ß.  Den  gleichen  bau  wie  str.  36  in  H  zeigen  EiR.^qikmo,  dagegen 
erscheint  36,5—8  als  39,5—8  in  FdeHkrhÖsFmslÖs.  —  str.  36, 5— 8  dieser 
texte  fehlt  in  Fbr. 

36,1—4  (H)  steht:  II  (412,16)  F  (sp.  488)  deRi  (s.  103)  K,  (bl.27r. 
-28  V.)  ikmoq.  —  Hkr  2,  461.  hÜs  207,  3.  Fms  V,  58.  lös  69,  2. 

36,5—8  (H)  steht:  HR,R.qikmo:  a.a.O.  —  F  (sp.  489)  de  Hkr  2,  461. 
hÖs  208,  3.  Fms  V,  61.  lös  69,  3." 

36, 1—8  (H)  fehlt:  (Mbcn)  1.  —  gedruckt  noch:  11,416.  F.II,  341(z.  1 
—4).  U,  344  (z.  5—8).  fbr.  (99)  120  f.  Cpb.  II,  176, 14. 

Text  nach  H:  Ala.  prong  at  eli.  —  2.  a^rstiklaudi  raiklv.  —  3.  skylldv 
eigi  skelkner  havlldar.  —  4.  skalm  olld  vex  nv  falma.  —  5.  brott  komv»(z 
v^r  en  \cXXir.  —  6.  valtafn  frekum  hrafni.  —  7.  vex  eigi  j^ar  vagä.  — 
8.  vig^rvdr  eda  her  lioivm. 

Varianten:  1.  prong]  )>raungr  EiR./iJ.^FmslÖs,  Jn-yngr  hÖsHkr  (70), 
p>reyngr  K,  praumar  o,  praumur  im,  prumur  k.  —  2.  a;rstiklandi]  a  stik- 
landi  o,  or  stiklanda  Fde,  aul  stiklanda  lös,  avrscilandi  hÖs,  eöa  örstik- 
landann  Fms — A,  ad  sticklastoöum  ik,  ad  stikludi  m.  —  3.  skylldv  eigi] 
skielku  ey  i,  skielfku  ?ei  k,  skolku  o.  —  4.  oUdj  alld  o.  —  vexj  er  lös. 
—  5.  en|  ef  RiR.,q,  f>o  Fde,  potthOsFms,  pö  at  ikmoHkrlÖs.  —  vettir] 
veitum  R,R.^qikmo,  vffiitim  FdeHkrhÖsFmslÖs.  —  6.  valtafn]  -tamn  lös, 
-gafn  m,  -jafn  k.  —  7.  vex]  vist  FdeR./ilÖsikmo,  vizk  RiFms—KShÖs, 
vikz  J.j,  viz  K,  veizt  Fms — DL,  viunz  Fms— H.  —  eigi]  angu  lös,  eigum 
alle  a.  —  par]  pseir  lös,  vaer  ikmo,  pat  alle  and.  —  vaga]  vnga  lös.  — 
8.  viggrudr]  vygg-rydur  ik,  vig-  lös,  -runnr  Fms,  viggruft  o.  —  eÖa] 
fehlt  m.  —  her]  j^ar  FdeJ^hÖsFms. 

A\;flösung:  Orstiklandi',  ]7ryngr-  at  miklu  eli  Ala;  skalmold  vex 
nü;  hqlfiar  skyldnt  falma  skelknir.  Ver  komumk  brott  eÖa  liggjum  her 
(]Jat  viksk^  eigi)  viggruör  vägal  enu  veitum*  hrafni  valtafn. 

1.   F.  Jönsson  (H,  4, 163)  schwankt,  ob  arstiklandi  nicht  auf  einen  der 


342  GAERTNER 

anwesenden  skalden  zu  beziehen  ist.  Wenn  str.  36  au  riclitiger  stelle  steht 
(man  hat  keinen  grund  dies  zu  bezweifeln),  so  ergibt  sich,  zumal  aus  der 
antwort  des  köuigs,  dass  man  die  strophe  als  an  Öläfr  gerichtet  ansehen 
muss:  grsiiklcüuh'  also  als  anrede.  Diese  annähme  wird  gestützt  durch  die 
in  Fbr.  angefügte  zweite  halbstrophe,  die  mit  vigrjrudr  väga  ebenfalls  eine 
anredekenning  an  Öläfr  enthält.  —  36,  5—8  setzt  den  in  36, 1 — i  aus- 
geführten gedanken  logisch  fort,  steht  also  sicher  am  rechten  platz  (vgl. 
dagegen  unten):  königlicher  krieger!  es  beginnt  ein  gewaltiger  kämpf 
(diese  Interpretation  von  pryngr  at  etc.,  analog  einem  beispiel  wie  pryiujr 
at  saungi-i  srerda  ==  pugna  iustat  [Su.  E.  I,  G22, 1],  ist  der  von  F.  Jonsson 
pryngr  =  'nü  trsekker  det  sva;rt  sammen'  vielleicht  vorzuziehen):  der 
kämpf  wächst  nun  heran,  beginnt.  Männer,  ihr  solltet  nicht  wie  furcht- 
same bleich  Averden !  —  Uns  bleibt,  fährt  36,  5—8  fort,  nur  zweierlei :  ent- 
weder wir  kommen  mit  dem  leben  davon  oder  fallen  hier;  das  lässt  sich 
eben  nicht  ändern;  aber  wie  dem  auch  sei,  herr,  wir  wollen  unser  leben 
jedenfalls  so  teuer  wie  möglich  verkaufen.  —  2.  Vgl.  Hkr  (70)  hOs;  das 
praet.  j&ron(/  ist  unzulässig.  —  Cpb.  II,  176, 14  eonstruiert  pryngr  anstiklanda 
at  miklo  Äla  äi.  —  3.  Vgl.  J.  (s.  auch  Egilss.  Lex.  unter  rikja);  H,  412, 
anm.  4  hat  rizk  (RjFms — KShÖs)  =  rindsJc  a,f  lu'uda  'dreje\  sendre.  —  vex 
H  wird  Schreibfehler  sein,  veranlasst  durch  vex  (z.  4).  —  4.  Vgl.  EiR^qikmo. 
Hkr.  2,  464  hat  veitim,  abhängig  vonpöat.  Dass  man  der  coustruction  braut 
JiomumJc  rer,  räga  viggruÖr,  pö  at  rcitm  frehim  hrafni  valtafn,  eda  h'ggjum 
her  den  Vorzug  geben  darf,  glaube  ich  nicht,  da  der  concessivsatz  in  dem 
knapp  formulierten  alternativsatz  hrott  kom.  r.  eda  h.  liggjum  störend 
Avirken  muss. 

Str.  36, 5 — 8,  nach  der  recension  der  Öläfssogur,  steht:  FdeHkrhÖs 
FraslÖs  (vgl.36, 1— 4  nach  H).  —  fehlt:  (Mbcn)  HRiR.qiklmo.  —  gedruckt 
noch:  F.  11,341.  Cpb.  171,  43. 

Text  nach  F :  5.  buumzst  vid  sokn  en  sltekuir.  —  6.  seggir  skulu  ord 
um  fordai^st.  —  7.  er  at  geirj)inge  gaungum.  —  8.  gunnreifir  meö  01*ifl. 

Varianten:  slaeknir]  stekni  HkrFms— BCDHKShÖs,  slsekenn  lös.  — 
6.  seggir]  seggr  HkrhÖsFmslÖs.  —  skulu  Fde]  skyli  alle  and.  —  um]  of 
J^hÖs.  —  fordazst]  ofiaz  J^.  —  7.  gaungum]  gangum  lÖs.  —  8.  gunn- 
reifir] -reifr  KhÖs,  -reifs  Fms — BH,  reiß  Fms— K,  gunnlseifr  lös. 

Prosaauflösung:  Büumk  viÖ  sökn,  en  seggr  skyli  of  foröask  sloekni 
orö,  es  gungum  gunnreifr  at  geirpingi  meÖ  Aleifi. 

1.  Sämmtliche  Varianten  des  textes  von  Fde  erklären  sich  dadurch, 
dass  ein  Schreiber  seggr  als  seggir  schrieb  oder  schon  in  seiner  vorläge 
fand,  seggir  als  nom.  pl.  und  sla'kni  als  verderbtes  epitheton  zu  demselben 
auffasste  und  danach  consequent  änderte,  obgleich  er  dabei  gegen  das 
metrum  verstiess.  —  Cpb.  1, 171,  43  zieht  shvki  zu  seggr  und  macht  aus  en 
den  artikel  oin:  enn  slcekin  seggr  skyli  . . .  (vgl.  lös  en  sJockcnn).  — 
2.  36,  5—8  (nach  der  recension  der  Öläfss.)  freilich  ist  nicht  an  den  könig 
gerichtet,  von  dem  pormöör  wie  von  einer  dritten,  abwesenden  person 
spricht:  offenbar  spricht  er  die  worte  gnngum  gunnreifr  med  Aleifi  at  geir- 
pinge  vor  verzagten  \mi  feigen. 

37.  steht:  F  (sp.488)  de  o  (str. 37  steht  aber  vor  str.  36).  -   Hkr.  (2,463). 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  343 

hÖs  (208,1).  Fras.  V,59f.  —  fehlt:  (Mbon)  im,Il,(iiklm-l(')s.  —  gedruckt 
noch:  F.  II,  343.  Fbr.  (99)  la?  f.  Cp!).  I,  188, 1.  S.li.I.  V,  (J4.  Wisen,  Canu. 
norr.  1  (vgl.  auch  s.  115.  17G  t'f.). 

Text  nacli  F:  Dagr  er  up  koiiiinn.  —  2.  dynia  haiia  hadrar.  --  3.  mal 
er  uikingum  at  uaka.  —  4.  ok  viuiia  erfuide.  —  5.  uaki  ok  uaki.  —  (j.  lüna 
hofut.  —  7.  aller  hiuir  oezstu.  —  8.  Adils  ok  Suia. 

Varianten:  3.  mal  er  uikingum  Fde  (in  d  am  rande:  al.  et  rect.  vil- 
niQgum)]  null  er  vihnognm  HkrhÖsFms— A.  —  4.  ok]  at  IlkrhÜäFms— 
BHLS,  at  vekja  Fms  — A.  —  5.  ok  uakij  oc  i«  vaki  ,J„Fms,  oc  a  vaki  hüs. 
—  7.  hiuir]  enir  HkrhÖs.  —  jezstu]  aga'ztu  J^.  —  8.  ok  Suia]  ok  sinnar 
Fras  — KL,  d  (am  rande),  of  sinnar  HkrhÖsFms— A,  of  sinna  Fras— C. 

Auflösung:  Dagr  es  uppkomiun,  di'nja  hana  fjaörar,  mal  es  vilniQgum 
at  viuna  erfiöi.    Vaki  ok  vaki  se  vina  hqfuö,  allir  enir  oeztu  AÖils  of  sinnar. 

1.  Z.  3  ist  in  Fde  um  at  raka  zu  lang;  vermutlich  wurde  der  inlinitiv 
erst  eingesetzt,  nachdem  durch  vikingum  für  vilmogum  der  binnenreim  ver- 
loren gegangen  \\&x  {Mäl's  vikingum  at  cüka  =  D'  mit  zweisilbiger  Senkung 
und  k  als  hending).  —  vilmogum:  vgl.  HkrhÖsFms— A.  —  2.  ok  Fde,  es 
wurde  wol  für  at  substituiert,  nachdem  dort  in  z.  3  at  vaka  hinzugekommen 
war.  —  3.  Hkr.  (ausg.)  und  Cpb.  1, 188, 1  haben  vaki  ce  ok  vaki  (für  vaki 
ok  a  vaki  J.,¥ms);  dadurch  aber  wird  z.  5  event.  sechsgliedrig,  während 
z.  G  zu  kurz  bleibt.  Da  der  mdlahättr  im  allgemeinen  fünfgliedrige  verse 
hat  (vgl.  Sievers,  Altgerm.  metr.  71,  §  49),  wird  man  oi  zu  z.6  ziehen  und  als 
v^x  — I^X  (i'i»(i  ff  hüfud)  lesen  =  A*.^k,  mit  verkürzter  erster  hebung 
(über  die  möglickeit  des  eiutreteus  von  ~L  x  für  —  x  im  ersten  fusse  des 
mälahattr  vgl.  Sievers,  Beitr.  0,  348)  und  kürze  als  zweiter  hebung  (nach 
nebentoniger  silbe).  —  Wisen  (Carm.  norr.  1)  stellt  fc  voran:  (e  vina  hofuö 
und  liest  den  vers  als  typus  C*.:  x^xl^^X  (a. a.o.  s.  177;  vgl.  aucJi  Ark. 
3,  210).  Zwar  ist  der  ausgang  -L  x  im  princip  möglich  (Sievers,  Beitr.  G,  530), 
doch  folgt  die  Verkürzung  dann  in  der  regel  uumittelbar  auf  eine  hebung 
(vgl.  die  von  Sievers  angegebenen  beispiele).  —  4.  V^gl.  HkrhÖsFms— AKL. 

38.  steht:  F  (sp.  488)  de— Hkr  (2,403)  hÜs  (208)  Fms.  V,  60.  —  fehlt: 
(Mbcn)  HEiE.qiklmolÖs.  —  gedruckt  noch:  F.  II,  343.  Fbr.  (99)  137  f.  Cpb. 
1. 189.  S.  h.  T.  V,  62.  Wisen,  Carm.  norr.  1  (vgl.  s.  115  f.  176  ff.).  Edd.  min.  s.  31. 

Text  nach  F:  Harr  hinn  hardgra^ipe.  —  2.  Hrolfr  skiotande.  — 
3.  settgodir  menn.  —  4.  er  ecki  tiyia.  —  5.  uek  ek  ydr  at  vine.  —  6.  ne 
at  uitls  runnum.  —  7.  helldr  uek  ydr  at  horöum.  —  8.  Hilldar  Ipeike. 

Varianten:  1.  hinn]  enn  J^hÖs.  —  hard-greipe]  -geire  Fms — K, 
-greppi  Fms— L.  —  2.  Hrolfr]  Hröfr  hÖs.  —  3.  sett-godir]  settum-  KhÖs 
Fms — BHS.  —  menn]  munu  Fms — A.  —  4.  er]  peh  er  alle.  —  5.  uek  ek] 
vekka  ek  XJ.^  hÖs,  vekat  ek  Fms.  —  vini]  vifi  Fms — L.  —  6.  at  viüls 
runnum]  at  v.  rünum  Fms — C,  at  vifs  rünum  alle  and.  —  8.  la;ike]  leiri  hÖs. 

Auflösung:  Iliir  enn  harögreipi,  Ilrölfr  skjütandi,  settura  gööir  menn, 
peir  ekki  Üyjal  Vekka  ek  yör  at  vini  ne  at  vifs  rünum,  heldr  vek  ek  yör 
at  hQrÖum  Hildar  leiki. 

1.  cettuni  KhÖsFms— BHS  wird  durch  das  metrum  gefordert.  —  Hkr. 
(ausg.)  2,463  und  Cpb.  1, 139  haben  lettum  göÖir  menn:  der  versausgang  — 
ist  im  müluhättr  aber  unmöglich.     Wisen  (a. a. o.)  stellt  deuhalb  um:  menii 


344  GAERTNER 

cettum  fjobir,  analog  der  anordnung'  in  z.  1  und  2.  —  Allein  ein  typns  Ai 
X  — x|  — X  (vgl.  Carm.  norr.  178,  str.  2)  ist  deshalb  nnwahrscbeinlich,  weil 
da  mvnn  zur  eingangssenknug  herabgedrückt  wird,  während  es  doch,  dem 
satzacceut  nach,  denselben  nachdruck  beanspruchen  darf  wie  Här  und 
Ilrölfr,  zum  mindesten  aber,  da  es  reimlos  ist,  einen  nebenton.  Vielleicht 
entspricht  ein  vers  (Etiuni  menn  göÖir  diesen  forderungeu  am  besten:  metm 
erhält  einen  nebenton,  der  charakteristische  versausgang  bleibt  gewahrt, 
der  typus  A*2  —  X— I— X  (nach  Wisen  E.-,,  Carm.  norr.  177)  ist,  zumal 
in  I,  sehr  beliebt  (vgl.  Sievers'  ergebnisse  in  Altgerm.  metr.  s.  76,  8).  — 
2.  Das  in  allen  hss.  vorhandene  ek  (reJcTca  ek)  ist  vermutlich  interpoliert, 
da  es  beim  verschleifeu  des  auslautenden  mit  dem  anlautenden  vocal  (des 
die  nebentonige  Senkung  tragenden  pronomens  ycJr)  stört:  rckka  —  yör  ut 
vini  =  A*i  (vgl.  Altgerm.  metr.  76,  80),  nach  Wisen  (Carm.  norr.  178,  str.  2) 
Ej.  —  3.  Die  nach  bragarmäl  von  ek  {vekk')  um  ein  glied  zu  lange  z.  7 
würde  normalisiert  durch  transcription  von  at  nach  z.  8  (vgl.  Hkr.  Cpb.); 
da  A*2  der  üblichere  typus  ist,  wird  ihm  auch  ein  vers  wie  heldr  vekk  yÖr 
hgrdum  angehören.    Wisen  (a.  a.  o.)  nimmt  wider  E,  an. 

39.  39,5 — 8  nach  HE,R.^ikmoq  bildet  in  FdelÖs  den  zweiten  visu- 
helmingr  der  str.  21,  die  sich  nur  in  FdelÖs  findet.  In  FdeHkrhÜsFms 
lös  dagegen  ist  39, 5 — 8  identisch  mit  36, 5—8  der  recension  der  Fbr. 
(vgl.  Str.  36). 

39,1-4  (H)  steht:  H  (413,5-8)  F  (sp.  489)  deR,  (s.  104)  R,  (bl.  28  v.) 
ikmoq.  —  Hkr.  (2,464).  hÖs  (208).  Fms.  V,61.  lös.  —  fehlt:  (Mbcn)  1.  — 
gedruckt  noch:  F.  11,  343.  Fbr.  (52)  109.  Fbr.  (99)  121.  Cpb.  II,  175, 1—4. 
S.h.I.  V,65. 

39,  5—8  steht:  H  (413,  7—8)  F  (bl.  105  v.  1.)  deR,  (s.  104)  R,  (bl.  28  v.) 
ikmoq  lös  (s.  45).  —  fehlt:  (Mbcn)  1,  HkrhÖsFms.  —  gedruckt  noch:  H,  413. 
F.  II,  202,  29.  Fbr.  (99)  133.  Cpb.  II,  175,  6. 

Text  (39, 1 — 4)  nach  H :  per  mvn  ek  enn  vndz  odrujH.  —  2.  allvalldr 
nair  skalldu?».  —  3.  uer  vettiV  pv  peira..  —  4.  pingdiarfr  fyr  kne  hvarfa. 
—  Z.  5—8  vgl.  s.  330  f. 

Varianten:  per]  ytr  Rj,  Ner  lös.  —  mun]  man  lös.  —  2.  nair]  näit 
K  bös  lös.  —  3.  naer]  nserr  RiR.^,  niier  ikmo.  —  vettir]  vsenter  lÖsRiR^ 
qimo,  vsenst  k,  veitir  d.  —  4.  ping-]  hug-  ik.  —  fyr]  um  FdeR^qKFms — 
CDLShÖslÖs.  —  hvarfa]  hvarfla  FdeRiR.qFms— K,  huerffa  k. 

Auflösung:  Munk  eör,  piugdjarfr  allvaldr,  hvarfa-  fj'r  kne  per',  uuz 
näir  qörum  skäldum  —  nser  vsettir  pü  peira?  —  1.  yör  Fbr.  (52)  109  (vgl. 
ytr  Ri)  vernnitlich  eingesetzt,  um  frumhending  zu  görum  zu  schaffen;  da- 
durch entstehen  aber  drei  stnölar:  als  naheliegende  conjectur  für  enn  ergibt 
sich  edr  (vgl.  F.  Jonsson,  H.  u.  Hkr.).  —  2.  Vgl.  str.  23. 1—2. 

Zu  39,  5 — 8  vgl.  s.  83  f.  —  Während  sich  in  der  recension  der  Ölafs- 
sogur  die  halbstrophe  Brott  kovium  rer,  en  veiium  etc.  (vgl.  str.  36, 5 — 8) 
an  39, 1 — 4  völlig  unvermittelt  auschliesst  (vgl.  dagegen  F.  Jonsson,  H,  413), 
bildet  Str.  39,  5^ — 8  der  recension  der  Fbr.  eine  sinngemässe  fortsetzung  von 
Str.  39, 1 — 4  (H).  In  39, 1 — 4  gelobt  pormoör  dem  könige :  auch  fernerhin 
gedenke  ich  um  dich  zu  bleiben,  wenigstens  so  lange,  bis  du  deine  anderen 
skalden   wider  hast!    Damit  spielt  er  sarkastisch  auf  Sighvatr  poröarsou 


ZUR   FOSTBROSDRASAGA.  345 

an.  der  sich  damals  auf  einer  Imssfahrt  nach  Rom  befand.  Deshalb  ist  die 
weitere  rede  pormoös  ironisch  zu  nehmen:  wann  erwartest  du  eigentlich 
deinen  lieblingsskalden?  Er  fehlt,  da  wir  uns  zum  letzten  kämpf  um  deine 
fahne  scharen;  aber  ich  —  fährt  pormüör  str.  39,  5 — 8  fort  —  ich  will  mit 
dir  leben  und  sterben:  wir  standen  ja  schon  früher  zusammen  auf  dem 
schüfe  (es  wird  hier  offenbar  auf  seine  flucht  mit  Oläfr  [1028]  nach  osten 
angesijielt:  vgl.  H,  411,  6  ff.  Poniiödr  for  or.  laticli  med  Öläf't.  koirnuji  ok 
poldi  med  lianvm  aUa  rllegd.  haiin  for  ok  apt  med  hanvm  til  Koregs,  J/ri 
at  hamm  potti  heira  at  äeyja  med  hanrnt  en  Ufa  eptir  kann .. .),  d.h.  wir 
haben  ja  schon  früher  alle  gefahren  geteilt. 

40.  steht:  H  (4U)  F  (sp.  499)  deR,  (s.l04f.)  R.  (bl.  290  v.r.)  ikhnoq 
lös  (72,1).  —  fehlt:  (Mbcn)  HkrhÖsFms.  —  gedruckt  noch:  H,  414. 
F.  II,  363.  Fbr.  (52)  110, 1.  Fbr.  (99)  122, 1.  Cpb.  U,  176, 16. 

Text  nach  H:  A  ser  at  ver  voruw.  —  2.  vigrcifr  med  Oleifi.  — 
3.  sar  fekk  ek  helldr  at  hvarv.  —  4.  hvitings  ok  frid  litin*?.  —  5.  skiu  a 
skilldi  minu»;.  —  (i.  skalld  fekk  hrid  til  kallda.  —  7.  ner  hafa  ^skiaskar. 
—  8.  avrvendau.  mik.  gcrvau. 

Varianten:  1.  A  ser]  ]7at  sier  ikmo,  ]>w.  sier  1.  —  2.  -reifr]  reiür  alle 
(bis  auf  HlÖs).  —  3.  ek]  fehlt  Fdei~o.  —  at  hvaru]  huoriu  i,  eun  hvoru 
R,R^.  —  4.  hvitings]  huit  bruör  FdRiR^i— qlÖs.  —  ok]  enn  R,Roim.  — 
5.  skin]  skinn  Fikm,  skeyn  o.  —  fekk]  blaut  RiR.,q.  —  kallda]  kalldar  k, 
striöa  ßj.  —  7.  eski-askar]  oeske-oerar  lös.  —  8.  avrvendau]  eyrendau  Fde, 
erendan  RjR^,  ouendann  i,  ovendann  k,  ora^ndan  10s.  —  mik]  mer  i. 

Auflösung:  Ä  ser,  at  ver  värum^  heldr  vigreifr  meö  Äleifi,  hvit 
brüör!*  ek  fekk  at  hvaru  sar  ok  litinn  friö;  skinn  ä  skildi  minum;  skald 
fekk  til  kalda  hriö;  na'r  hafa  feski-tärar*  gQrvan  mik  Qrvendan." 

1.  Da  pormüör  in  z.  1  schwerlich  zugleich  von  seinen  mitkämpfern 
spricht,  —  die  frage  der  frau  ist  ebenfalls  nur  direct  an  ihn  gerichtet  — 
wird  man  rer  rürinn  als  plural  majest.  für  fui  nehmen,  wozu  der  sg. 
vigreifr  dann  nicht  in  Widerspruch  steht  (vgl.  dagegen  H,  414).  —  Fbr. 
(52)110,1  und  Cpb.  IL  176, 10  haben  vigreifir,  fassen  also  rer  värum  als 
fuimus,  was  gemäss  der  frage  der  frau:  livart  ertu  koniings  maör,  eöa  eriu 
af  honda  UM';'  wenig  wahrscheinlich  ist.  —  Boer  (Zs.  fdph.  31, 156  f.)  ver- 
mutet für  ut  ver  värum:  Vgr  at  värum  (Vgr  hvitings  =  dea  poculi);  ich 
möchte  diese  lesart  fast  der  gesammten  Überlieferung  vorziehen.  —  2.  F. 
Jonsson  ändert,  um  hvitings  unterzubringen,  heldr  in  Ilildr  (H, 414);  ich 
glaube,  dass  heldr  (alle  hss.)  besser  beizubehalten  und  dafür  hritings  (nur  H) 
gegen  huit  hrudr  (aller  anderen  hss.)  fallen  zu  lassen  ist,  —  wenn  man 
nicht  die  coujectur  Boers  (s.  oben)  annimmt.  —  3.  Z.  7  steht  die  verdächtige 
kenning  ^ski  askar.  Egilss.  (Lex.)  gibt  an  für  fski  n.  =  fraxinus  und  dann 
ensis,  ^ski-askr  =  fraxinus  gladii  =  pugnator,  vir.  —  1)  Diese  art  der 
Zusammensetzung  ist  ungewöhnlich:  behält  man  esZ;/ =  fraxinus  als  grund- 
wort  der  kenning  bei,  so  erwartet  man  das  zweite  glied,  askr  (=  gladius?) 
im  genitiv  sg.  oder  pl.,  oder  mit  t;ski  in  einer  festen  compositiousformel 
(ask-eski).  2)  Ungewöhnlich  ist  auch  die  Verwendung  zweier  fast  synonymer 
begriffe  bei  der  keuuingbildung.  Ich  vermute  mit  lös  (s.  72),  dass  askar 
unter  dem  einlluss  des  vorausgehenden  eski  aus  ärar  {==  pl.  zu  ärr  m.,  in 


346  GAERTNER 

appellationibns  vü-orum  häufig  venvant:  ürr  dlms  =  vir)  entstellt  ist  (vgl. 
oesJce-cerar  lös);  (sl'i  =  fraxinus  =  die  esche  und  die  eschene  wurflanze, 
bez.  lauze  überhaupt  (vgl.  H,  414,  anm.  3),  eskl-ärar,  nach  analogie  von 
hjalm-ürr  etc.  =  praeliatores,  viri.  —  4.  F.  Jünsson  (H,  414,  anm.  a)  sieht 
in  rucr  liafa  ceslä-askar  ggrcan  milc  (^rvendan  eine  humoristische  wendung: 
vielleicht  darf  man,  um  Zweideutigkeit  zu  vermeiden,  grcendr  hier  mit 
fflortuus  übertragen  (Egilss.  [Lex.  630]  gibtau:  grrendr  =  grendr,  eyrendr: 
von  gr  ■\- endi  [otid]  =  exanimus,  mortuus  [vgl.  Fms.  VII,  298  rar  kann 
eigi  eyrindr  =  mortuus] ) :  beinahe  haben  die  krieger  mich  getötet). 

41.  steht:  H  (414,17  —  415,2)  F  (sp.  499— 500)  deHj  (s.  105)  R., 
(bl.29r.)  qlÖs  (s.  72, 13).  —  fehlt:  (Mbcn)  iklmo— Hkr liÖs  Fms.  —  ge- 
druckt: H,415.  F.  11,365.  Fbr.  (52)  110.  Fbr.  (99)  122  f.  Cpb.  II,  177, 17. 
Sn.  E.  II,  93,  anm.  Islands  grammat.  lit.  II,  162. 

In  Fde  folgt  Str.  41  auf  str.  42  Ort  vas  . . . ,  ebenso  in  iklmo. 

Text  nach  H:  Haralldr  var  bitr  at  beriaz.  —  2.  boSreifr  me<)  Ole/ti. 
—  3.  f>ar  gekk  hardra  [hiorva].')  —  4.  Hringr  ok  Dagr  at  pingi.  — 
5.  reduz  peir  vnd  ranlar.  —  G.  randir  prvtt  at  standa.  —  7.  fekk  benÖiövR 
blakkan.  —  8.  bior  doglingar  fiorir. 

Varianten:  1.  var  bitr  at  beriaz]  sa  ek  at  vsel  varfiezc  lös.  —  2.  bod- 
reifr]  vigrseifr  lös.  —  3.  hardra]  hara  lös.  —  4.  Hringr]  Ringr  lÖs.  — 
5.  reduz]  reöu  alle.  —  vnd]  um  RiE2l-  —  7.  benöiövR]  benpiöurs  alle.  — 
blakkan]  blacki  FdeRiR.qlÖs,  blakkr  Sn.  E.  H,  92.  —  8.  bior]  biorr  Sn.  E. 

Auflösung:  BoÖreifr  Haraldr  vas  bitr  at  berjask^  raeö  Aleiti;  par 
gekk  Hringr  ok  Dagr  at  ]?iugi  hära'^  hjorva;  par^  reöu  fjorir  doglingar 
at  standa  prütt  und  rauöar  randar;  benpiöurr  fekk  blakkan  bjor. 

1.  In  z.  1—2  ist  in  der  gruppe  HRiF  eine  v-,  in  lös  eine  b-alliteration 
correct  durchgeführt.  Die  prosa  ist  an  die  Inhalte  der  zugehörigen  zeilen 
angepasst  und  lässt  erkennen,  dass  die  strophe  das  primärere  element  war. 
Da  nun  die  prosa  von  HRiF  ihrerseits  ursprünglicher  scheint  als  die  von 
lös-),  so  wird  man  auch  eine  grössere  ursprünglichkeit  des  str.-textes  von 
HRjF  voraussetzen  dürfen.  Beachtet  man  ferner,  dass  z.  1  in  lös  ein  E^ 
(mit  auflösung  der  ersten  hebung),  in  HR^F  dagegen  ein  für  die  strophen- 
eingänge  charakteristisches  A^  ist,  —  dass  durch  Haraldr  :  vardisk  in  I 
aSalhending  geschaffen  wird,  —  dass  für  den  rest  der  strophe  der  text  der 
gruppe  HRjF  den  ausschlag  gibt,  —  dass  die  recension  der  Fbr.  hier  mit 
F,  einem  Vertreter  der  recensionen  der  Öläfssogur  übereinstimmt,  so  scheint 
geboten,  die  lesart  der  lös  hintanzusetzen.  —  2.  Vgl.  Nj.  II,  543.  —  In 
Fbr.  (99)  160,  34,  anm.  1  wird  haröra  HFdeRjR.q  als  conjectur  des  J.  por- 
kelsson  angegeben  {harör  ist  als  epitheton  zu  schwert  nicht  belegt).  — 
3.  Vgl.  Fbr.  (99)  160,  34,  anm.  2. 


1)  Fehlt  in  H. 

2)  Z.  3— 4  besagt,  dass  in  z.  1 — 2  von  angriff  die  rede  sein  soll:  dazu 
passt  H:  Har.  r.  bitr  at  herjask.  In  lös.  dagegen  spricht  z.  l:  Rar.  sälc 
at  V.  vardisk  von  Verteidigung:  d.i.  eine  gewisse  inconsequeuz  in  der  dar- 
stellung. 


ZUR  FUSTBR(EDRASAGA.  347 

42.  steht:  H  (415,4-6)  F  (sp.  499)  deRi  (s.  105)  E,  (W-SOv.)  iklinoq. 

—  Hkr  (2,5Ü1)  bös  (s.  222, 1)  Fms.  V,  91.  1Ü3  (s.  72,  3).   —   fehlt:   (Mbcn). 

—  gedruckt  uoch:  H,  415.  F.  11,364, 10.  Fbr.  (52)  111.  Fbr.  (99)  123.  Cpb. 
11,170,15.  S.h.LV,95f. 

Text  nach  H:    Aurt  var  Olafs  hiarta.   —    2.  oö  iram  konmuß-  bloöi. 

—  3.  rekin  bitv  stal  a  Stikla.  —  4.  stoduin  kvu(hliz  liö  borva.  —  5.  el- 
polla  sa  ek  alla.  —  G.  ialfads  uema  gram  sialfau.  —  7.  reyndr  verdr  flestr 
i  fastri.  —  8.  fleindrifv  ser  hlifa. 

Variauten:  1.  var  OlafsJ  hefir  Olafr  RiEiq.  —  2.  o5  fram  kuuungr 
bloöi]  -goöe  J.j,  o8  fr.  kr  i  blopi  Fdeiklrao,  oÖ  fr.  gramr  i  bloöi  Fms — A, 
gramr  i  vals  bloöi  Fms— K,  i  väl  blöÖi  Fms— L,  oö  gramr  i  styr  i  bloöe 
lös.  —  3.  bitu]  ero  K.  —  a]  i  Hkr  (18,  70).  —  Stikla-J  Stiklar-  J.diÖs.  — 
4.  kvaddiz  HKiR^Fms — A]  kuaddi  alle  aud.,  voll  (at  leöro)  lös.  —  borva] 
baixövar  FdeEiRjqiklo,    til  Boövar  Hkr  Fms  m.    —    5.  elpolla]  y  poUa  lös. 

—  sa  ek]  kvit  ek  Fdei  -  o,  fra  ec  K,  ek  fehlt  Fms.  —  6.  ialfads]  -foös  Ri 
hÖsFms  — S,  iolfaörs  lös,  almuedrs  FdeRaqi — oFms— C,  jalmveörs  Fms— A, 
jdlf-  Fms— DH,  jalmliöös  Jj.  —  7.  rej-ndr]  reyud  ikm,  reinda  o.  —  verör] 
verda  i— o,  varö  lös,  uar  FeRiR^qHkrhÖsFras.  —  ilestr]  liesta  o,  um 
liest  Fd. 

Auflüsuug:  Hjarta  Aleifs  vas  Qrt;  konungr  öö^  fram  ä  StiklastQöum; 
liö  kvaddisk^  boövar'':  stäl  blöÖi  reckiu  bitu.  Sa'k  alla  elpolla  Jalfaös 
hlifa  ser,  nema  gram  sjalfau;  flestr  vas*  reyndr ^  i  fastri  fleiudrifu. 

1.  Cpb.  U,  176, 15  öÖ  gramr  i  styr  blöÖi  (vgl.  lÖs),  hÖs  konungr  üö 
fram  i  hloÖi:  die  redactoren  der  hss.,  welche  /  hlööi  aufvpeisen,  schalteten 
die  Präposition  vermutlich  ein,  weil  sie  die  syntaktische  beziehung  von 
hlööi  zu  rekin  nicht  erkannten.  —  Metrisch  möglich  wäre  der  vers:  oö 
framm  konungr  i  blüÖi  (=Ai,  mit  auflösung  der  zweiten  hebung).  — 
2.  F.  Jönsson  in  Hkr.  (2,501;  vgl.  dazu  aber  anm.  4)  und  Cpb.  (a.a.  o.)  haben 
kcaddi  Yiei — oHkrhÖs:  liÖ  kvadcli  bgdvar  =  milites  proelium  postularent; 

—  ich  ziehe  kvaddisk  vor:  Öläfr  war  auf  StiklastaÖir  vorgerückt  und  dort 
kvaddisk  liÖ  bgÖvar  (kveÖjask  =  inter  se  salutare  =  sich  treffen)  =  sie 
wurden  handgemein:  stäl  blööi  rekin  bitu.  —  3.  bgrva  H  ist  des  binnen- 
reims  wegen  unmöglich.  —  4.  Vgl.  FeRiR.q  etc.  —  Die  präsentische  form 
verör  (Hi — o)  ist  austössig.  —  5.  F.  Junsson  (H,  415)  schliesst  nur  in  paren- 
these  flestr  ras  reyndr;  reyndr  =  particip  =  expertus  aber  fordert  noch 
eine  nähere  bestimmung:  i  fastri  fleindrifu  (vgl.  Fbr.  [52]  111  und  Cpb. 
n,  176, 15. 

43.  steht:  F  (sp.500)  deR,  (s.  106)  K,  (bl.  31  v.)  iklmoq.  —  Hkr 
(2,  502  f.)  bös  (s.223)  Fms.  V,  92.  lös  (s.  73, 1).  —  fehlt:  (Mbcn)  H.  —  ge- 
druckt noch:  F.  H,  365.  Fbr.  (99)  146.  Cpb.  H,  177, 18.  S.h.I.  V,  97. 

In  HkrhOsFms  geht  str.  44  voraus,  d.h.  die  letzte  von  pormöör  ge-, 
dichtete  visa  ist  dort  str.  43. 

Text  nach  F :  Undrazst  Qglis  landa.  —  2.  seik  hui  ver  sem  blseikir.  — 
3.  farr  verdr  fagur  af  sarum.  —  4.  fann  ek  c^rua  drif  euanni.  —  5.  mik  Ho 
malmr  hin  dockui.  —  0.  magni  keyrör  j  gegnum.  —  7.  huast  bant  hiartat 
nsesta.  —  hetligt  jarnn  er  ek  a-tla. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutscheu  spräche.   XXXII.  23 


348  GAfiRTNER 

Varianten:  1.  og-lis]  eyglis  K,  seglis  lOsk.  —  landa]  leuda  m,  kindar] 
lös.  —  2.  hvi]  at  KiEaqoJolÖs,  pvi  il,  f>at  ni.  —  ver  sem]  vaer  sjeum  m, 
erura  ko,  erim  Fms— A,  verrom  bÖs.  —  3.  verör]  veröa  k.  —  af]  med  d, 
far  er  fagur  p>a  saerist  o.  —  4.  orua]  ervar  o.  —  5.  flo]  flaug  lös.  —  hin] 
enn  EiRoqilmoJoliÖslÖs,  fehlt  k.  —  dockvi]  deykcvi  hÖs,  klekkvi  K.  — 
6.  magni]  af  megni  d.  —  keyrör]  keyröum  1.  —  i  gegnum]  i  gognum  Hkr 
hÖs.  —  8.  ek  setla]  SBtla  vsetta  1,  vsetta  ikmo,  v^etti  RiRoHkrhÖsEms, 
vsente  lös. 

Auflösung:  Eik  landa  Qglis  undrask,  hvi  ver  erum  bleikir?  fär  verÖr 
fagr  af  särum:  ek  fann  drif  (jrva,  svanni!  Enn  dQkkvi  malmr  Üo,  magni 
keyrör,  i  gagnum  mik;  htettlikt  järn  beit  bvast  bjarta  et  nsesta  es* 
ek  vsetti.  2 

1.  Zu  es  vgl.  s.  330.  —  2.  vcetti  =  setla  (F) ;  vielleicht  wollte  der 
redactor  von  F  mit  cetla  umfangreicheren  vollreim  herstellen:  hetligt  :  etla 
gegen  hcettUkt  :  vcetti.  Auch  vcetta  ikmo  =  expectavi,  speravi  lässt  sich 
verteidigen,  da  jpormöör  der  festen  boffmtng  gelebt  hatte,  Öläfr  nicht  über- 
leben zu  müssen. 

44.  steht:  H  (416, 12-15)  F  (sp.  500)  deR,  (s.  107)  R^  (bl.  32  v.)  ikmoq. 

—  Hkr.  (2,502).  hÖs  (s.  222,  2).  Fms.  V,  91,  f.  lös  (s.  73).  —  fehlt:  (Mbcn)  1. 

—  gedruckt  noch:  H,416.  F.  II,  366.  Fbr.(52)112.  Fbr.  (99)  124.  Cp.  II,  177. 
S.h.Is.V,96. 

Text  nach  H:  Emka  ek  ra)dr  ne  raidu?».  —  2.  redr  gronrt  kona 
mauni.  —  3.  iarn.  stendr  farst  hit  forna.  —  4.  fenstigi  mer  benia.  -— 
5.  ]pat  velldr  mer  hin  mcera.  —  marglodar  nv  tj-o8a.  —  7.  draipniss  dyRa 
vapna.  —  8.  Dags.  hridar.  spor.  svida. 

Varianten:  Emka  ek]  Emkat  ec  dRiRjqFlÜso,  Einkade  eg  i,  Einkada 
klm.  —  rauör]  rjöör  Hkr  hÖs  Fms  lös.  —  ra)dumj  riopom  FdeRiR.^i— q, 
rioöa  lös.  —  2.  gronn]  gran  oFms-C,  graun  ikl.  —  kona]  skogul  FdeRj 
R.,qHkrhÖsFms.  —  3.  iarn  stendr  farst  hit  forna]  haicasetrs  hin  huita  F 
deRiR^qKFms— A,  hauka  latrs  en  hv.  J^Fms— DH,  havclatrs  en  hv.  hÖs, 
haukasetrs  um  hsettin  lÖs.  —  4.  fenstigi  mer  benia]  -styga  mo,  ferstiga  Ik, 
fen  siga  i,  hugfar  um  mik  saran  FdeRiR^q,  hyggr  far  Hkr  hÖs  Fms  lös.  — 
pat  HlÖs]  hitt  alle  and.  —  hin  maera]  en  msera  lÖsi— o,  at  melldrar  Fde 
Hkr  bös  Fms,  ef  melldrar  J.,.  —  6.  margloöar  nu  troöa]  mordueniande  feniu 
FdeRiR^qHkrhÖsFms— A,  -veuaudi  Fms— DH,  margs  deyjaudi  Fms— K, 
mot  feggiaöra  spiota  lös.  —  7.  drapniss  dyaa  vapna]  dyrna  i,  diuft  ok 
danskra  vaima  FdeRj,  diup  R,qHkrhÖsFms— CDL,  drep  Fms— H,  drypr 
Fms-S.  —  8.  Dags  hridar]  Dag  hryöar  ikm,  dals-  Hkr  (K  18,  70),  dal- 
hÖs.  —  sviöa]  fehlt  FdeRiR.qklm,  von  späterer  band  hinzugefügt:  io. 

Auflösung:  Emka  ek  rauör,  :  grann  kona  raeör  ne  rauöum*  manni: 
et  forna  jarn  stendr  fast  fenstigi  benja  mer'^;  pat  veldr  mer,  en  msera  troÖa 
margloöar,  (at)  djüp  spor  hriöar  Dags  ok  danskra^  väpna  sviöa  mer  uü. 

1.  F.  Jonsson  (H,  416)  behält  die  lesart  Emka  rauör  en  raubnm  bei 
und  will  rauÖum  als  rothaarig  deuten :  '  En  hentydning  til  liendes  tilstede- 
Vöerende  redhärede  og  radskaeggede  mand ! '  Da  die  construction  von  44,  5—8 
offenbar  ist:  ßat  veldr,  (at)  djüp  spor  hriöar  Dags  ok  danskra  väpna  sviÖa 
mer  mi,   —   weist  ßat  auf  den  Inhalt  des  vorausgehenden  zurück :   Emka 


ZUR   FüSTBRCEDRASAGA.  349 

raiiör,  en  hvHa  grann  slvgid  setrs  hcndca  —  hyggr  für  um  milc  si'iran:  — 
rceÖr  rauöum  manni:  d.  h.  den  pormüör  schmerzen  die  wunden  nur  deshalb 
so  sehr,  weil  sich  'diefrau',  die  sich  des  besitzes  eines  rotliaarigeu  mannes 
erfreut,  nicht  um  ihn  kümmert!  Gewiss  eine  seltsame  erklürung',  die  sich 
in  dem  munde  des  sterbenden  doppelt  merkwürdig  ausnimmt.  Ueberdies 
zeigt  sich,  besonders  in  den  recensiouen  der  üläfssiiga,  die  frau  ausserordent- 
lich um  ihn  besorgt. 

Nur  die  combination  der  in  str.  44:  starke  anklänge  zeigenden  texte 
yon  H  und  lös  ermöglicht  eine  sinngemässe  fassuug  der  str.  44.  —  pormöSr 
trifft,  schwer  verwundet,  auf  die  pflegerin;  diese  fragt  ihn  nicht  nur,  was 
ihm  fehle,  sondern  bemüht  sich  durch  Untersuchung  der  wunde,  durch  an- 
wendung  von  heilmitteln,  seine  schmerzen  zu  lindern  (vgl.  F.  II,  365,  24  ff.). 
Dies  sclieint  in  der  Strophe  augedeutet  zu  werden  durch:  EmJca  ek 
rcniÖr,  ne  grann  (grgnn)  kona  ra'dr  raudum  manni:  nicht  hilft  die  schmäch- 
tige frau  dem  rotwangigen  manne  mehr,  d.h.  die  frau  würde  auch  nicht 
mehr  helfen  können,  selbst  wenn  icb  noch  rotwangig  wäre,  denn :  et  forna 
Jörn  stendr  fast  fenstigi  henja  mer.  Die  beziehung  von  ßat  (z.  5)  ist  jetzt 
klar:  eben  der  umstand,  dass  der  pfeil  so  unbeweglich  in  der  wunde  fest- 
steckt —  scirä  ras  soUit  (Hkr.  II,  503,  20)  —  veranlasst  es,  dass  die  wunden 
brennen.  —  2.  Str.  44, 1—4  wird  in  lös  (49)  anm.  zu  cap.  97  construiert: 
J^k  emkat  rjüdr,  ne  rceÖr  haukusetrs  grann  kona  rjöda  manni,  für  ]ia;ttin 
hyggr  um  mik  säran;  —  in  Hkr.  4,172  und  hÖs  s.  296,  anm.  1  dagegen: 
Emkat  rjobr,  en  Jivita,  gronn  haukasetrs  (hauklatrs  hÖs)  Skggid  rceÖr  rauÖum 
manni;  für  hyggr  of  mik  säran.  —  3.  Vgl.  F.  Jonsson  (H,  416);  draupnis 
mos  lässt  sich  kaum  unterbringen:  dass  draupnir  hier  heiti  sein  soll 
(vgl.  lös  49  s.  120)  ist  unwahrscheinlich,  da  es  sonst  nur  als  kenniugglied 
auftritt. 

Cap.  III.    Zur  eclitlieitsfrage. 

A.   Allgemeines. 

1.  I)ormüör,  der  solin  Bersis  (Bersi  var  son  HallcUrs,  faÖir 
Pormödar  IcolhrünarsMlds,  vgl.  Isl.  sog.  Kbli.  1843.  1, 150)  und 
der  iJorgerör  (vgl.  Fbr.  [99]  3,  28),  var  d  hce  peim  er  d  'Dijröil- 
myri'^)  lieitir,  jedenfalls  aber  im  Isaf j^rögebiet,  geboren.  Hier 
wuchs  er  auch  auf,  zusammen  mit  porgeirr  Hävarsson-),  mit 
dem  er  in  frühem  alter  den  blutsbrüderbund  schloss.  Nach 
einiger   zeit   des   Zusammenlebens,    die  durch  streif züge  und 


')  Dieser  name  wird  in  F.  II,  92  ausgelassen  und  Kaluud'  hat  in  Hist. 
top.  Beskrivelse  af  Isl.  1, 569  ff.  glaubhaft  nachgewiesen,  dass  diese  angäbe 
falsch  ist. 

^)  lJa:tr  Alfs  i  Dölum  vom  peir  Porgerör,  er  ätti  Äri  Marsson  ok 
Pörelfr,  er  ätti  Ilavarr,  son  Einws  Klepssonar,  [jeirra  son  Porgeirr  (vgl. 
Isl.  SQg.  1, 115). 

23* 


350  GAERTNER 

zalilreiclie  g-ewalttaten  ausgefüllt  war,  erfolgte  im  sommer 
1012')  ein  brucli  der  freundscliaft.  porgeirr  begab  sich,  nach- 
dem ihm  wegen  einer  reihe  von  morden  der  boden  Islands  zu 
heiss  geworden  war,  auf  wikingerfahrten  und  brachte  nur  die 
winter  der  nächsten  elf  jähre  abwechselnd  bei  Öläfr  oder  bei 
|)orgils  Arason  in  Reykjahol  zu.  Solange  porgeirr  sich  auf 
wikingerfahrten  befand,  lebte  pormoör  zumeist  in  Laugabol 
bei  seinem  vater  oh  var  oneö  hönum  nokkura  vetr  (vgl.  a.a.O. 
s.  46);  er  hatte  in  dieser  zeit  verschiedene  liebesabenteuer, 
deren  eines  ihm  seinen  beinamen  einbrachte.  Auf  einer  der 
fahrten  machte  er  nämlich  die  bekanntschaft  der  iJorbjorg, 
der  tochter  der  Katla  {er  hjö  i  Arnardal;  hon  var  ekkja  Glüms) 
ok  var  i  Arnardal  lidlfan  mdnud  (vgl.  a.a.O.  s. 48, 14).  Dort 
verfasst  er  ein  lofkvceöi  auf  porbjorg  kolbrün;  zum  dank  dafür 
gibt  ihm  Katla  einen  ring  ok  mcelti :  ek  gef  per  Jjat  kenningar- 
nafn,  at  Jm  skalt  heita  Pormoör  kolbrünarskdld. 

Da  diese  erlebnisse  pormuös  (von  denen  uns  auch  zwei 
lausavisur  berichten,  die,  wenn  sie  echt  wären,  die  einzigen 
sein  würden,  die  uns  von  den  auf  Island  gedichteten  erhalten 
sind)  in  die  zeit  fallen,  welche  vor  der  ankuuft  porgeirs  auf 
der  insel  (a.  1018)  liegt,  und  pormoör  bereits  'einige  winter' 
nach  1012  in  Laugaböl  zugebracht  hatte,  so  werden  die  Kol- 
hrünarvisur'^)  zwischen  1015  und  dem  herbst  1017  entstanden 
sein=^);  sie  sind  alle  verloren  gegangen''),  d.h.  \delieicht  nie 
aufgezeichnet  worden.  —  Im  jähre  1023  fiel  porgeirr  im 
kämpfe  gegen  die  beiden  ausländischen  häuptlinge  porgrimr 
Einarsson,  er  kalladr  var  trölli,  groMlenzkr  madr  und  porarinn 
ofsi  porvaldsson,  norölenzkr  maör,  und,  eingedenk  des  einst 
geleisteten  schwurest),  brach  pormoör  noch  im  sommer  des- 
selben Jahres  auf,  um  den  tod  seines  blutsbruders  zu  rächen. 
Zuvor  aber  dichtete  er  noch  eine  erfidrdpa^)  auf  porgeirr,  von 


1)  Vermutlich ;  vgl.  unten. 

*)  Bezeugt  in  den  Isl.  sog.  Kbli.  18-13,  1, 136  Glmnr  ätti  fyrr  Kgtlu, 
ok  var  peirra  döttir  Porljgrg  kolbrün,  er  ßormöör  orii  um. 

^)  Sn.  E.  111,537  setzt  1016  an,  'fortasse  paulo  posterius'. 

*)  Von  anderen  verlorenen  liebesliedern  erzählt  F.  II,  153  Spretta  upp 
af  honum  (einstaka  mannsaungs  visur. 

*)  at  sä  skyldi  annars  hefna  er  lengr  lifÖi  (Fbr.  [99]  s.  5, 6). 

«)  Vgl.  Islenzkar  FornsQgur,  Kopeuh.  1880,  s.  254,  Iff.  (Ljosvetninga- 


ZUR  f6stbr(edbasaga.  351 

der  unsere  saga  insgesammt  noch  15  stroplien  überliefert.') 
Um  die  räche  mit  aussieht  auf  erfolg  ins  werk  setzen  zu 
können,  begibt  er  sich  zu  künig  Oläfr  nach  Norwegen,  der  ihn 
wol  aufnimmt,  und  bei  dem  er  den  Avinter  von  1023 — 24  zu- 
bringt. Aus  diesem  ersten  aufenthalt  pormoös  bei  Oläfr  ist 
uns  nur  eine  visa  (str.  23)  erhalten.  Dass  es  nicht  die  einzige 
gewesen  ist,  die  er  während  dieser  monate  schuf,  darf  als  sicher 
angenommen  werden.  Ob  er  aber  ein  liva^öi  um  Olaf  lionuny 
liinn  hchja  oder  gar  eine  Oldfsdnipa  verfasst  hat,  steht  keines- 
wegs fest.  2)  Im  früh  jähr  1024  brach  pormöör  nach  Grönland 
auf,  und  dort  entstand  eine  ganze  reilie  weiterer  lausavisur, 
von  denen  G  erhalten  sind  (die  stroplien  25.  27 — 31).  Nach 
vollendeter  räche  kehrte  er  1027  nach  Norwegen  zurück 3), 
um  für  die  zukunft  einer  der  treuesten  gefolgsmannen  Olafs 
zu  werden.  Aus  diesem  einjährigen  aufenthalt  am  norwegi- 
schen hof  kennen  wir  drei  visur  (32 — 34);  dagegen  existiert 
keine,  die  uns  über  seine  flucht  mit  Oläfr  und  wenigen  ge- 
fährten  nach  osten  und  den  aufenthalt  von  1029  in  Gardaviki 
berichtete.  Die  Strophen  pormoös  setzen  erst  wider  ein  am 
Vorabend  der  schlacht  bei  Stildastadlr  (1030),  als  pormöör  dem 
Öläfr  in  einer  visa  den  rat  gibt,  die  besitzungen  der  feinde 
durch  feuer  zu  vernichten.  Am  morgen  der  schlacht  recitiert 
er,  von  Öläfr  aufgefordert 4),  die  Bjarkamäl  en  fornu    (von 


saga):  i  pann  ihna  var  PormöÖr  Kolbrünarskäld  farinn  at  drepa  Pörgrim 
trosUa  tu  Grcenlands,  en  hefna  Porge/rs  liävarssonar.  Hann  orti  ok  erfi- 
dräpu,  er  mun  sanna  pann  athurd. 

')  Dass  uns  aber  nocli  eine  grosse  anzahl  derselben  fehlen,  geht  aus 
einzelnen  bemerkungen  der  saga  hervor,  in  denen  der  sagamaör  sich  auf 
Strophen  als  quelle  beruft :  vgl.  z.  b.  Fbr.  (52)  s.  28,  22  und  25  (ok  hefir  Por- 
möÖr si-ä  um  ort,  at  ... ;    at  pvi  sem  I^.  hefir  um  ort). 

^)  Wenn  F.  Jonsson  (Sn.  E.  UI,  534)  aus  den  worten  Skiifs  an  Grima: 
PormoÖr,  skäld  ok  hirömaör  Öläfs  komings  (PMI,  216)  und  den  worten, 
die  der  draxnnmäör  Öläfr  zu  Grira  i  Vik  spricht:  farir  eftir  Pormödi  hirö- 
manni  minum  ok  skäldi  (Fbr.  [52J  104,28)  folgert,  dass  porraoör,  bevor  er 
nach  Grönland  gieng,  ein  gedieht  auf  den  könig  verfasste,  so  ist  das  wol 
zu  Aveit  gegangen,  wenngleich  pormöör  im  Skäldatal  untei;  den  skalden 
Öläfs  hh.  genannt  wird  (Sn.  E.  EI,  253). 

')  Also  nicht  über  Dänemark,  vgl.  unten. 

*)  Dass  gerade  pormöör  vom  könige  dazu  ausersehen  wurde,  scheint 
zu  bestätigen,  was  auch  anderenorts  erwähnt  wird:  dasspormöör  ein  feuriger 
recitator  gewesen  sei;  vgl.  F.  II,  2(X)  und  lös  cap.  57. 


352  GAERTNER 

denen  in  einzelnen  hss.  zwei  Strophen  angeführt  werden),  nm 
die  mannen  zum  blutigen  tageswerk  zu  wecken^),  und  ausser- 
dem im  poetischen  wechselgespräch  mit  einigen  anderen  skalden 
die  Strophen  36.  39.  Die  schlacht  beginnt,  Öläfr  fällt  und  am 
ende  wird  auch  pormöör  durch  einen  pfeilschuss  tödlich  ver- 
wundet. Er  schleppt  sich  noch  zu  einer  verbandsstätte,  bei 
der  eine  frau  den  dienst  eines  arztes  versieht,  und  im  gespräch 
mit  ihr  dichtet  er  seine  letzten  Strophen. 

2.  Die  44  Strophen  der  Fbr.  lassen  sich  in  zwei  gruppen 
zerlegen:  1)  drottkvsett-,  2)  nicht  -  dröttkvsettstrophen.  Zu 
letzteren  gehören:  a)  zwei  kviölingar  (str.  1.  24),  von  denen 
der  ersteh)  sich  in  eine  der  Grett.  entnommenen  prosaepisode 
eingelegt  findet  —  die  übrigens  in  F.  fehlt  — ,  während  der 
zweite  aus  den  Hävamal  stammt  (vgl.  str.  24,  s.  333);  b)  die 
beiden  eingangsstrophen  der  im  fünfgliedrigen  mälahättr  ab- 
gefassten  'Bjarkamäl  en  fornu'  (die  Strophen  37.  38);  c)  jene 
Strophe  in  hrynhent,  über  deren  secundären  Ursprung  kein 
zweifei  herscht^) 

Sämmtliche  übrigen  39  Strophen  dagegen  gehören  der 
ersten  gruppe  an,  und  sind  bis  auf  str.  4  unter  dem  namen 
pormoös  überliefert.    Da  sich  die  fünf  Strophen  der  gruppe  2 


')  Nach  beendigtem  weckruf  sagte  Oläfr  Icalla  eJc  JccceÖä  HüsJcarlahvgt 
(vgl.  Fbr.  [52]  s.  108,  24). 

2)  Der  kviölingr  zeigt,  nach  contraction  von  Jiön  er  (z.7)  zu  höiis 
(vgl.  Sievers,  Beitr.  5,  493,  2)  und  bragannäl  in  z.  1  (Beitr.  5,  501  a.),  regel- 
mässigen Wechsel  von  drei-  (1,3)  und  viersilbigen  versen  (2,4),  ist  also 
hviöuhättr: 


Mundak  sjalfr 

-^xl 

— 

F(A) 

i  suQru  egnda 

Xvl^X  i 

-X 

Co 

helzti  brätt 

-xl 

— 

F(A) 

hQfÖi  stinga 

-^xl 

-X 

A: 

ef  porbJQrg 

1    1 
X  — 1 

— 

F(C,) 

pessu  skäldi 

r        1 
-X  i 

-X 

A, 

(hon's  allsnotr) 

1   1 

x-l 

— 

F(CO 

ekki  bj'rgi 

/        1 

-xl 

-X 

Ai 

Von  den  katalektischeu  versen  zeigt  keiner  auflösung  oder  verschleifung, 
unter  den  viergliedrigeu  aber  erscheint  einC.^;  den  hqfuöstafr  trägt  regel- 
mässig die  erste  hebung  der  zweiten  halbverse,  die  ersten  weisen  nur  einen 
Stab  auf,  der  von  dem  nomen  der  zeile  getragen  wird. 

3)  Vgl.  auch  F.  Jönsson,  Hauksb.,  einl.  HI,  lxxviii  und  Litt.  bist.  II,  466. 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  353 

a  priori  als  späte  naclidiclitung  (str.  26)  oder  als  fremde  pro- 
ducte  documentieren,  so  kann  sich  eine  untersiicliung  über 
die  eclitheit  der  Strophen  der  Fbr.  auf  die  39  drottkvoettvisur 
bescliränken. 

3.  Von  diesen  sind  als  unecht  bisher  angegriffen  worden : 
von  Boer  (Zs.  fdph.  30,  32  f.  und  Grett.  32)  die  Strophen  12.  33; 
von  Vigfiisson  jedoch  nicht  weniger  als  drei  viertel  aller  visur : 
Schon  im  Cpb.  II,  174f.  hatte  dieser  erklärt:  'The  dirge  Thor- 
geir's-drapa  in  the  Saga  is  spurious  . . .  and  most  of  the  Crreen- 
land  improvisations  are  not  authentic;  but  the  verses  relating 
to  the  last  scenes  of  the  king's  and  his  own  life,  some  twenty 
stanzas  in  all ';  ma}-  in  part  be  genuine  and  have  a  real  and 
peculiar  beauty  of  their  own'.-)  Dieses  urteil  wird  in  den 
Orig.  Isl.  n,  67-1:  noch  etwas  näher  begründet:  'there  are  attri- 
buted  to  Tliormod  some  sixteen  stanzas  of  an  Encomiura  on 
Thorgar  3),  they  contrast  very  markedly  with  other  poetry  set 
down  to  Thormod."  Selbst  wenn  ihm  (Vigfüss.)  dieser  kontrast 
so  deutlich  fühlbar  geworden  wäre,  Hessen  sicli  dafür  plausible 
erklärungen  finden.  Wenn  die  strophe  der  dräpa  einen  anderen 
Charakter  zeigt  als  die  improvisationsstrophe,  die  lausavisa,  so 
darf  das  kaum  wunder  nehmen  (vgl.  weiter  unten);  ferner  liegt 
eine  gewisse  zeit  zwischen  der  abfassung  der  dräpa  und.  den 
'stanzas  of  real  and  peculiar  beauty',  ca.  vier  Jahre,  innerhalb 
deren  sich  pormoör  vervollkomnnien  konnte  und  auch  sicher 
vervollkommnet  hat;  endlich  ward  pormoör  durch  seine  reise 
nach  Norwegen  (1023)  in  eine  ganz  andere  Schaffenssphäre 
versetzt.  Hatte  er  bis  dahin,  wie  sich  Vigfüss.  (a.a.o.)  aus- 
drückt, "dry,  tasteless  and  intricate  conglomerates  of  high- 
sounding  words'  verfasst,  so  lernte  er  jetzt  am  hofe  Olafs 
technisch  hervorragende  skalden  kennen,  denen  er  wol  manches 
ablauschen  konnte,  sodass  seine  visur  sich  nun  weniger  trocken. 


*)  Hier  hat  Vigfüss.  nicht  gerechnet,  denn  nach  abzng  der  Strophen 
der  erfidräpa  nnd  Grrenlaudsvlsur  bleiben  tatsächlich  nur  9  übrig,  die  sich 
auf  sein  (iDormoÖs)  oder  des  königs  leben  beziehen. 

■■')  Ueber  den  irrtum,  den  Vigfüss.  in  den  nächsten  zeilen -begeht  (bei. 
der  begründung,  dass  pormöör  nicht  der  Verfasser  der  str.  19  sein  könne). 
Tgl.  unten. 

^)  Auch  hier  ein  kleiner  rechenfehler;  es  können  deren  nicht  mehr 
wie  15  sein:  str.  18  ist  die  letzte  dräpastrophe  und  nicht  zur  dräpa  ge- 
hören: der  kviölingr  (1)  und  die  lausavisur  8.  9. 


354  GAERTNER 

weniger  g-esclimacklos  und  weniger  lioclitrabend  gestalteten. 
—  Yigfüss,  sind  weiterhin  die  15  Strophen  der  erfidräpa  als 
'mere  hutcher's  bills'  erschienen.  Diese  bezeichnnng  kann  je- 
doch nicht  gelten  für  die  visur  5.  7.  12.  14,  denn  in  keiner 
ist  von  einer  gewalttat  pormoös  die  rede;  von  den  übrigen  11 
beziehen  sich  allein  4  (15  —  18)  auf  die  Schilderung  von  dem 
heldenhaften  tode  porgeirs,  wie  es  denn  ganz  natürlich  ist, 
dass  gerade  diese  episode  eingehender  behandelt  Avurde;  also 
bleiben  nur  7  'butchers  bills'  übrig.')  Vigfüss.  meint  schliess- 
lich, diese  seien  'far  too  unpoetic,  elaborate,  and  styleless  to 
have  lived  in  people's  memories  and  have  been  handed  down 
from  S.  Olave's  time.'  Auch  dieser  ansieht  kann  ich  nicht  bei- 
stimmen. Ich  möchte  die  dräpastrophen  weder  inhaltlich  noch 
formell  direct  unpoetisch  nennen,  wenn  ich  auch  zugebe,  dass 
die  visur  wenig  Originalität  zeigen;  nachahmungstalent  (das  in 
zahlreichen  anklängen  an  die  producte  anderer  skalden  zum 
ausdruck  kommt)  ist  jedoch  dem  pormoör  keinesfalls  abzu- 
sprechen. —  Die  formale  glätte,  durch  die  sich  jede  einzelne 
Visa  auszeichnet,  verstärkte  in  Vigfüss.  nur  den  eindruck,  dass 
er  es  mit  'too  elaborate'  mach  werken  zu  tun  habe  und  doch 
wird  sie  sich  höchst  einfach  aus  der  art  und  weise  der  ent- 
stehung  der  dräpa  erklären  lassen;  die  lausavisa  ist  eben 
ein  augenblicksproduct  und  deshalb  weniger  durchdacht, 
weniger  geglättet,  die  dräpa  dagegen  das  werk  von  stunden 
oder  tagen. 2)  Dass  endlich  diese  Strophen,  die  beim  vortrage 
einen  ausserordentlich  wuchtigen  eindruck  hervorbringen,  sich 
im  gedächtnis  des  volkes  nicht  hätten  fortpflanzen  können, 
möchte  ich  ebenfalls  bezweifeln.  Aus  den  verschiedensten 
andeutungen  ersehen  wir,  was  für  eine  bekannte  und  berüch- 
tigte persönlichkeit  porgeirr  war.  Der  tod  dieses  shögarmadr, 
der  es  bis  zum  Mrdmadr  Olafs  gebracht  hatte,  wird  deshalb 
im  ganzen  nordwestlichen  teile  Islands  befriedigung  oder  an- 
teilnahme  hervorgerufen  haben;  eine  erfi-drdpa  aber  auf  diesen 
kühnen  wiking,  über  den  vielleicht  damals  schon  manche  er- 


^)  Vgl.  dazu  F.  Jönssons  erklärung  des  wortes  dnqya  =  'dasliedvom 
vom  falle  der  männer  im  kämpf. 

2)  Von  Egill  wird  besonders  gerübmt,  dass  es  ihm  gelungen  sei,  in 
einer  nacht  ein  lobgedicht  auf  könig  Eirikr  blööox  zu  verfassen,  d.i.  ein 
sogen,  hgftidlmisn,  vgl.  Egilssaga,  von  F.  Jousson  hgg.  1894:,  s.  200,  53. 


ZüK  FOSTBRCEDRASAGA.  355 

Zählung  im  volke  umlief,  musste  dementsprechend  auf  all- 
gemeines Interesse  stossen  und  überall  da  einschlagen,  wo 
porgeirs  name  jemals  genannt  war.  Einen  hauptschlag  gegen 
die  dräpa  will  Vigfüss.  dadurch  führen,  dass  er  in  str.  12 
einen  anachronismus  nachzuweisen  sucht.  Selbst  wenn  dieser 
besteht  (Avofür  \'igfüss.'  ausfülirungen  keinen  vollgiltigen  be- 
Aveis  erbringen,  vgl.  unten),  darf  damit  nicht  über  alle  anderen 
drapastrophen  der  stab  gebrochen  werden.  In  dem  urteile 
über  Str.  12:  ...  it  follows  that  Thorgar  could  by  no  possibility 
have  gone  warring  with  earl  Rognv.,  and  that  the  whole  En- 
comium  must  be  spurious,  and  all  the  prose  supported  by  it 
worthless  aud  base'  (vgl.  Orig.  Isl.  II,  674)  . . .  wird  die  nahe- 
liegende möglichkeit  ausser  acht  gelassen,  dass  der  prosabericht 
das  ursprünglichere  w^ar  und  dass  die  strophe  secundär  hinzu- 
gedichtet wurde.  Ebenso  unhaltbar  wie  die  ansichten  Vigfüss.' 
über  die  Strophen,  können  die  über  pormöös  Charakter  und 
die  ursprünglichen  partien  der  alten  I)orgeirsdräpa  genannt 
werden'),  vgl  Orig.  Isl.  II,  675.  Vigfüssou  gegenüber  Averden 
ausdrücklich  als  echt  bezeichnet:  die  Strophen  19 — 22  von  F, 
Jonsson,  Hauksb.,  Einl.  III,  lxxx — lxxxi;  str.  22  in  GhMm.  II, 
2761;  Str. 29  von  F.  Jonsson  a.a.O.  lxxviii;  str.  41  von  Maurer, 
*Die  ausdrücke'. ..  s.97  f.  —  Seinerseits  zu  w^it  geht  F.  Jonsson, 
Sn.  E.  III,  534,  wenn  er  nicht  nur  die  Strophen  der  drapa, 
sondern  auch  sämmtliche  21  lausavisur  pormoös  'ohne  allen 
Zweifel'  für  echt  erklärt. 

4.  pormoör  Kolbrünarskald  dichtete  etwa  1015—1030; 
bis  zur  zeit  der  schriftlichen  fixierung  der  saga  (nach  Mogk, 
Pauls  Grundr.  II-,  756,  anfang  des  13.  jh.'s:  terminus  ad  quem 
1220 -)  vergiengen  fast  noch  200  jähre,  während  deren  die 

1)  Ich  hoffe  in  dem  vorbehaltenen  teil  II  den  nachweis  zu  führen,  dass 
sämmtliche  drei  episodeu,  die  Vigfüsson,  Orig.  Isl.  II.  GTö  f.  als  echte  und 
älteste  bestaudteile  einer  porgeirsdräpa  bezeichnet,  der  jüngeren  und  jüngsten 
Schicht  der  Fbr.  angehören.  —  "Wie  widersprechend  hier  die  meinungen 
sind,  dafür  nur  ein  beispiel:  Vigfüss.  bezeichnet  (Orig.  Isl.  II,  675)  als  echten 
bestandteil  eines  alten  J?attr  von  porgeirr  unter  a)  'die  geschichte  von  den 
drei  outlaws  und  ihrem  benehmen',  die  die  Grettissaga  in  'verdünnter  form' 
enthalte.  Boer  dagegen  (Grett.  XXXII  und  Zs.  fdph.  30,  47)  erklärt  'die 
uachricht  über  Grettirs  begegnung  mit  porgeirr  und  pormöflr'  als  aus  der 
Grettissaga  entlehnt.  ^)  G.  Storm,  Snorre  Sturlassons  Ilistorie- 

skrivning  s.  53:  die  Fbr.  ist  älter  als  1210-1220. 


356  GAERTNER 

Strophen  vermutlich  nur  in  der  mündlichen  tradition  fortlebten. 
Innerhalb  dieser  langen  zeit  mögen  schon  die  meisten  dich- 
tungen  pormoös  verloren  gegangen ,  d.  h.  vergessen  worden 
sein.  Erst  als  ein  sagamaör  x  darangieng,  die  geschichte  der 
blutsbrüder  aufzuzeichnen,  mag  er  wol  die  vorhandenen  reste 
gesammelt  haben,  als  stoffquelle  und  als  controllmittel  für  die 
mündliche  tradition,  die  dann  erst  wichtig  wurde,  wenn  jene 
ursprünglichere  quelle  versiegte.  Aus  der  combination  poeti- 
scher berichte  und  volkstümlicher  erzählungen  gieng  die  Fbr. 
in  ihrer  ältesten  gestalt  hervor,  nicht  ohne  den  Stempel  der 
Individualität  ihres  ersten  aufzeichners  an  sich  zu  tragen.') 
—  In  die  saga  sind  als  belege  für  die  Wahrheit  der  einzelnen 
episoden  eine  anzahl  von  Strophen  eingefügt  2),  die  gleichzeitig 
den  poetischen  schmuck  abgeben.  Letzterer  umstand  ist  dann 
wol  die  Ursache  für  verschiedene  nachdichtungen  geworden. 
Musste  ein  autor  eine  lücke  in  der  Strophenerzählung  durch 
erzählungen  aus  der  lebendigen  tradition  ausfüllen,  so  mag  in 
ihm  der  Avunsch  entstanden  sein,  dieses  sein  eigenstes  lite- 
rarisches product  ebenfalls  mit  Strophen  zu  schmücken,  die 
nebenbei  den  anschein  erwecken  konnten,  als  handele  es  sich 
um  'belegstrophen'.  War  nun  der  sagamaör  der  Fbr.  zugleich 
skalde^),  so  liegt  auch  für  unsere  Strophen  die  möglichkeit 
vor,  dass  sich  unter  ihnen  secundäres  gut  findet.  —  A\'odurch 
sind  aber  etwaige  fälschungen  als  solche  zu  erkennen? 

5.  Durch:  1.  sachliche  oder  historische  Unmöglichkeit  des 
Inhalts;  —  2.  sprachgeschichtliche  anstösse  im  reim;  —  3.  Ver- 
wendung unanschaulicher,  unnatürlicher  epitheta  und  ge- 
schraubter kenningar;  —  4.  einen  der  indivualität  des  dichters 
schlecht  rechuung  tragenden  ^geist  der  dichtung'. 

Indef  die  drei  letzteren  kriterien  haben  nur  bedingten 
kritischen  wert.  Wurde  die  saga  bereits  um  1200  fixiert,  zu 
einer  zeit,  wo  die  für  die  kritik  wichtigsten  lautwandlungen 
sich  erst  vollzogen  oder  kurz  vorher  vollzogen  hatten,  so  war 


^)  Selbst  weim  wir  also  den  archetypus  besässen,  Avürdeu  wir  keinen 
rückschluss  auf  die  mündliche  tradition  machen  können. 

^)  Snorri  forderte  geradezu  das  eitleren  von  skaldeustrophen  als  Avich- 
tigsteu  quellen  historischer  sQgur. 

^)  Bezeugt  ist  ein  solcher  fall  in  den  Sturl.  I,  8  Ingimundr  car  frccdi- 
maör  inikill  oJc  für  injgk  meö  sogur  ok  senti  vel  kvceöum  ok  orti  (jöö  kvceöi. 


ZUR  f6stbrct:drasaga.  357 

es  auch  noch  dem  sagamaör  möglich,  Strophen  zu  liefern,  für 
die  sich  durch  lautliche  kriterien  der  nachweis  der  unechtheit 
nicht  führen  lässt.  Zum  zweiten  brauchte  sich  ein  geschickter 
nachahmer  nur  innerhalb  des  milieus  zu  halten,  aus  dem  die 
kenningar  der  echten  quellenstrophen  geschöpft  waren,  um 
damit  jede  spur  zu  verwischen;  denn  die  möglichkeit,  dass 
auch  ein  skalde  der  epigonenzeit  sich  so  intensiv  in  den  alten 
poetischen  geist  des  wikingtums  einleben  konnte,  um  dessen 
anschauungen  gemäss  zu  dichten,  muss  zugestanden  werden. 
—  Das  unter  4.  angeführte  kriterium  endlich  ist  zu  viel  ge- 
fühlsmoment. 

Die  kritischen  hilfsmittel  wären  damit  erschöpft,  wollte 
man  nicht  noch  das  rein  formale,  das  technische  und  die 
'theorie  von  der  Sprachmelodie'  heranziehen.  —  Um  skalde  zu 
werden,  musste  man  nicht  nur  talent  entfalten,  sondern  sich 
auch  eine  gewisse  technische  fertigkeit  aneignen,  d.  h.  die 
skaldenkunst  war  eine  kunst,  die  ei-lernt  werden  musste.  Da 
nun  bei  dem  so  fest  gegliederten  bau  des  dröttkvsefr  hättr 
der  freiheit  des  dichters  von  anfang  an  gewisse  beschränkungen 
auferlegt  waren,  und  der  fluss  seiner  verse  immer  wider  in 
dieselbe  enge  bahn  geleitet  wurde,  so  ist  es  ganz  natürlich, 
wenn  sich  au  einzelnen  ausgezeichneten  stellen  der  Strophe 
eine  art  gewohnheitsnorm  der  versbilduug  entwickelte,  wenn 
sich  der  dichter  aus  seiner  praxis  heraus,  vielleicht  vollständig 
unbewusst  und  ganz  individuell,  etwas  wie  ein  reimsystem 
schuf,  an  das  er  sich  bei  Unterbringung  des  binnenreims  und 
der  alliteration'),  bei  der  gruppierung  der  kenningarglieder  etc. 
in  den  einzelnen  Strophen  mehr  oder  weniger  streng  hielt. 
Ist  dies  aber  der  fall,  begegnen  in  den  Strophen  beständig 
dergleichen  technische  Charakteristika,  so  wird  man  darin  ein 
zeichen  für  eine  engere  verwantschaft  der  Strophen  erblicken 
dürfen,  die  auf  einheit  des  autors  zurückweist;  und  umgekehrt: 
vereinigt  eine  Strophe  erscheinungen  in  sich,  die  der  sonstigen 
technik  des  angegebenen  Verfassers  nicht  entsprechen  oder 
doch  dort  seltene  ausnahmen  bilden,  so  ist  damit  grund  ge- 
geben, von  vornherein  an  der  echtheit  der  betreffenden  Strophe 


1)  D.h.  soweit  er  dabei  nicht  erheblich  gegen  'die  natürlichen  be- 
tonuugsgesetze'  verstiess,  also  in  erster  linie  bei  annähernd  gleicher  reim- 
fiihigkeit  der  einzelnen  versglieder. 


358  GAERTNER 

ZU  zweifeln.  —  Zwar  lässt  sich  auf  diesem  wege  allein  ein 
entsclieidendes  urteil  noch  nicht  gewinnen,  aber  mindestens 
stützen  doch  solche  formale  anstösse  die  Verdachtsmomente, 
die  von  anderer  seite  her  kommen. 

Als  6.  kriterium  betrachte  ich  das  'melodische'.  Die 
hierauf  bezüglichen  Untersuchungen  stützen  sich  auf  die  von 
Sievers  fixierten  sätze,  deren  anwendbarkeit  auch  auf  die 
nordischen  texte  z.  t.  unter  dessen  mitwirkung  geprüft  wurde. 
Ausserdem  habe  ich  noch  eine  grosse  anzahl  weiterer  lese- 
proben  mit  anderen  Versuchspersonen  angestellt,  die  alle 
durchaus  gleichmässige  resultate  ergaben.  Es  steht  mir  dar- 
nach fest,  dass  auch  alle  echten  Strophen  iDormöös  eine  einheit- 
liche tonlage  und  tonführung  besitzen  und  dass  abweichungen 
davon  auf  unechtheit  oder  textverderbnis  hinweisen. 

Nach  meiner  persönlichen  intonationsweise  fordern  die 
verse  pormöös  weder  eine  ausgesprochen  hohe,  noch  eine  be- 
sonders tiefe  Stimmlage:  sie  sind  mit  mittelhoher  stimme  zu 
sprechen.  Nirgends  springen  einzelne  hebungen  merklich  aus 
dem  allgemeinen  touniveau  hervor.  Die  tonbewegung  ist  nicht 
stark,  aber  deutlich  bemerkbar;  das  endstück  erhebt  sich  über 
das  vorderstück.  Die  Schlusszeilen  der  halbstrophen  endlich 
zeigen  stark-fallende  melodiekurven  und  klingen  in  einer  tiefen 
kadenznote  aus. 

Diesem  melodischen  Schema  fügen  sich  anstandslos  ein: 
die  Str.  2.  3.  5—8.  10.  11.  13—18.  22,5—8.  23.  25,1—4.  27—32. 
34—36.  39—42.  44.  —  Die  übrigen  visur  (abgesehen  von  den 
überhaupt  nicht  in  betracht  kommenden  str.  1.  24.  26.  37.  38), 
d.  h.  also  4.  9.  12.  19.  20.  21, 1—4.  25, 5—8.  33.  43  weisen 
andere  melodien  auf.  Ein  zufall  will  es,  dass  diese  von  ver- 
schiedenen autoren  stammenden  Strophen  durchweg  tiefschluss 
haben,  im  gegensatz  zu  den  typischen  hochschlüssen  pormoös. 

Ich  schalte  hier  die  für  die  kriterien  2.  3.  5  sich  nötig 
machenden  Voruntersuchungen  und  Zusammenstellungen  ein: 
a)  über  die  spräche  pormöös,  b)  eine  tabelle  der  kenningar, 
geordnet  nach  der  anzahl  der  glieder  der  einzelnen  kenningar, 
c)  eine  Untersuchung  über  die  reimtechnik  pormöös,  verbunden 
mit  einem  rimarium. 

Wenn  wir  versuchen,  auf  grund  der  uns  unter  pormoös 
namen  überlieferten  Strophen  eine  kurze  darstellung  zu  geben: 


ZUR  f6stbr(EDRasaga.  35d 

a)  von  seiner  spräche  und  b)  seiner  reimtechnik,  so  werden 
wir,  was  die  letztere  anlangt,  a  priori  ähnliche  ergebnisse  zu 
erwarten  haben,  wie  sie  die  Untersuchungen  Kahles  für  die 
skaldeu  des  beginnenden  11.  jh.'s  ergaben.')  Was  dann  die 
spräche  anbetrifft,  so  verzichte  ich  auf  eine  umfassende  laut- 
und  formenlehre,  die  sich  im  ganzen  mit  den  von  F.  Jonsson 
zusammen  gestellten  normen  decken  würde*)  und  begnüge 
mich  mit  der  heraushebung  einiger  charakteristischer  züge. 

B.   Die  spräche  pormöös. 
I.   Vocalisiiuis. 

Der  sogenannte  jüngere  «-umlaut  ist  zwar  erst  ca.  1200 
in  Island  vollständig  durchgeführt,  doch  reicht  der  umlauts- 
process,  auch  bei  erhaltenem  u,  bis  hinauf  ins  10.  jh. 

Das  Vorhandensein  des  jüngeren  «-umlauts  in  pormuös 
Versen  wird  bewiesen  durch  30,6  ggrt^)  hefk  fyr  mik  svQrtum, 
41, 4  stQÖum  kvaddisk  liÖ  hgövar\  in  14, 6  sgnn  leyys  friöar 
mgiinum  ist  der  reim  erst  durch  conjectur  hergestellt.  —  Ent- 
gegen diesen  umgelauteten  formen  wird  durch  die  aöalhending 
unumgelauteter  vocal  gefordert^):  1.  bei  geschwundenem  u\ 
a)  in  35,  8  kald,  ef  ek  md  valda  (zu  erwarten  war  kgJd),  b)  in 
44,2  rceör  (jrann  kona  munni  {i\\v  yronn);  2.  bei  erhaltenem  u: 
a)  in  39, 2  allvcddr  ndir  skdldum,  b)  in  43,  G  magni  keyrdr  i 
gagnmn. 

pormoör  hat  also,  der  praxis  anderer  skalden  entsprechend, 
umgelautete  und  unumgelautete  formen  neben  einander  ver- 
wendet; bei  dem  geringen  umfang  unseres  materials  lässt  sich 
natürlich  nicht  sagen,  ob  er  eine  der  beiden  arten  consequent 
bevorzugte,  ob  er  im  princip  mit  umgelauteten  formen  arbeitete 
und  nur  da,  wo  es  die  aöalhending  erheischte,  zu  den  unum- 
gelauteten  griff.  So  viel  aber  scheint  sicher,  dass  in  denjenigen 
ersten  halbversen,  wo  durch  die  beibehaltung  einer  unumgelau- 


1)  Vgl.  Kahle,  Die  spräche  der  Skalden  auf  grund  der  Ijiiineu-  uud 
endreime.  Strassb.  1892.  —  Kahle  ver-vvendet  vou  pormuör  nur  die  Strophen 
35 — 44,  sodass  die  folgenden  ausführungen  als  materialergiinzuugen  gelteii 
dürfen. 

2)  F.  Jönsson,  Det  norsk-isl.  Skjaldespr.  omtr.  800—1300,  Kbh.  1901. 
*)  Vgl.  dazu  28,  2  elbgnar  viik  ggrca  «  dem  adjectivstamni  garvu). 
*)  Vgl.  noch  Wininier,  Die  runenschrift  s.  317f. 


36Ö  aAERTNER 

teten  form  vollreim  entstanden  wäre  (z.  b.  in  7,  3  snjallr  vas 
grr  at  ollu),  der  jüngere  zt-umlaut  als  'nur  halbreim  bewirkendes' 
element  einzutreten  hat. 

Der  r-umlaut,  der  primäres  und  durch  «-umlaut  aus  a  ent- 
standenes e  zu  ö  macht,  ist  in  pormöös  versen  nicht  belegt; 
doch  zeigen  die  drei  visuorö :  31,  6  eggvedrs  :  gleggum,  6, 2  ger- 
öisli :  sverda,  10,  2  sverö-  :  gerdi,  in  denen  das  durch  e-umlaut 
aus  a  entstandene  e  mit  altem  e  reimt,  dass  der  f-umlaut  noch 
nicht  zu  wirken  vermocht  hat  (vgl.  Kahle  a.  a.  o.  s.  42  f.). 

In  zwei  ersten  halbversen  dagegen  (4, 1  Vel  dugir  verh  at 
telja  und  12,  7  drengs  varö  dad  at  lengri,  beide  als  unecht  zu 
bezeichnen ')  [vgl.  weiter  unten] )  scheint  aöalhending  durch  den 
reim  von  altem  e  :  umlauts-c  vermieden  werden  zu  sollen. 

Zu  8,  4  QrstiJdandi  mildu  (nicht  myldu)  vgl.  Gislason,  Om 
helrim  etc.  s.  13  ff. 

Obwol  die  brechung  der  starktonigen  e  erst  um  900  ein- 
getreten zu  sein  scheint  (vgl.  Kahle  a.  a.  o.  s.  50),  vermag  Kahle 
doch  nirgends  ein  ungebrochenes  e  nachzuweisen.  Hoffory  da- 
gegen (Ark.  f.  n.  f.  1, 44  ff.)  setzt  in  dem  visufjoröungr  des 
pjoöulfr  hinn  hvinverski  verit  7ned  oss  uns  verdi,  veör;  nii  er 
hrim  fyrir  JaÖri  der  aöalhending  wegen  die  form  Edri  mit 
ungebrochenem  laut  für  Jaöri  ein.  —  F.  Jonsson,  Zs.  fdph. 
18,  109,  fordert  ferner  für  Cpb.  II,  14, 4  hildar-vcss  oJc  Jjiasa 
den  reim  ve^  :  pesa  und  stimmt  der  Vermutung  von  Mogk  zu, 
dass  ziu'  zeit  pjoöolfs  die  a-brechung  noch  nicht  vollständig 
durchgedrungen  war  (vgl.  auch  eine  zeile  Egils  aus  dem  jähre 
976  erj)gr(ßns  mer  ver^a  (F.  Jonsson,  ausg.  d.  Egils.  1894,  s.  266). 
—  In  iDormuös  versen  indes  ist  sowol  a-  wie  w-brechung  überall 
durchgeführt;  einwandsfreie  belege  bieten  sich  jedoch  nur  für 
die  a-brechung,  da  die  durch  u  gebrochenen  formen  mit  io 
entweder  in  ersten  halbversen  stehen  oder  in  zv/eiten  wider 
nur  mit  ig  reimen:  vgl.  lijor  :  ßQvvi  etc. 

Dagegen  reimt  ia  mit  a  in  II  8  m.,  und  zwar  steht  ia: 

1.  vor  l  +  cons.  4  m.    (snjallr  2  m.   2,4.  17,6,   sJcjaldar  25,2, 

tjalda  8,4;    —    2.  vor  r  +  cons.  4  m.   (3  m.  vor  r  -[-  f:  djarfr 

89,  4,  djarfir  28,  8,  djarfra  12,  8,  1  m.  vor  r  +  ö:  jaröar  33, 2). 

Zu  den  von  Kahle  (a.  a.  o.  s.  54)  angeführten  beispielen,  in 


')  Ueber  i  :  ce  Tgl.  unten. 


ZUR   FUSTBRCEDRASAGA.  361 

denen  durch  den  reim  ein  überg-ang-  von  c  in  i  vor  n  +  cons. 
festgelegt  wird,  liefern  die  verse  pormOös  mit  3,  2  Inyolfs  sonar 
^ingat  einen  weiteren  siclieren  beleg. 

ei  für  gewöhnliches  d  verlangt  der  reim  noch  für  Aleifi 
3G,  8.  40,  2.  42,  2. 

Während  'ersatzdehnung'  mehrmals  begegnet  {i  hvdru  40, 3 
und  42,  8  fjörir),  ist  die  erst  seit  ca.  1200  auftretende  dehnuiig 
der  a,  o,  o,  u  vor  If-,  lg-,  Ih-,  Im-,  Ip-  in  pormoös  versen  noch 
nicht  anzunehmen ;  deshalb  wird  auch  in  der  vermutlich  echten 
Str.  42  jalfaös  (z.  6)  noch  mit  kürze  anzusetzen  sein  (vgl.  Egilss. 
Lex.  s.  445  jalfaör  zu  jdlfa  =  jdlmd). 

II.   Consonautismus. 

1.  a)  f  geht  etwa  in  der  zweiten  hälfte  des  10.  jli.'s  (vgl. 
Kahle  a.  a.  o.  s.  68)  vor  s,  t  in  p  über.  Ob  dieser  Übergang 
schon  zu  l:>orm6ös  zeit  vollzogen  w^ar,  ist  aus  seinen  versen 
nicht  zu  ersehen:  der  reim  7,  7  opt  vann  auöar  slcipür  beweist 
nichts,  da  auch  das  p  von  skipta  nach  ausweis  von  ags.  sciftan 
bereits  germanisch  /"ist  (vgl.  jedoch  Noreen,  Grammatik  §  232,  2, 
wo  für  sl-ipta  :  *sJcipafjan  zu  gründe  gelegt  wird). 

b)  Eeime  von  halbvocalischem  u  mit  der  spirans  f,  oder 
von  halbvocalischem  i  mit  der  spirans  g  finden  sich  bei  por- 
möör  nicht, 

2.  Den  vorliterarischen  Übergang  von  IM,  nnd  in  Id,  ?id 
(nach  Noreen,  Grammatik  §  230,  Ib;  vgl.  dazu  noch  Geländer, 
Ark.  22,  24  ff.)  belegen  reime  wie  29,  2  J)arflg7idr  ef  r,iih  fyndi, 
34, 4  Groenlendingum  hrendan.  —  Bedeutend  jünger  ist  (ca. 
1250)  Id  für  Id  nach  kurzer  silbe.  In  pormoös  18,  5  Imr  Icet'Jc 
(hjaldrs)  fyr  hgldum  und  36, 3  shjlditt  shelknir  hgldai-  bleibt 
also  die  hending  Id  :  M  bestehen,  i)  Ob  hier  nur  reim  der 
ersten  consonanten  oder  gruppenreim  beabsichtigt  ist  (nach 
Geländer,  vgl.  unten  anm.  1,  also  reim  von  Id  :  Id),  lässt  sich 
nicht  mit  Sicherheit  entscheiden.    Es  hat  aber  den  anschein, 

')  Geländer,  Ark.  XXII,  61  sagt:  'Att  av  detta  ord  (/io/7>/;)  förekominer 
en  form  holör  (raeö  ö  efter  kort  stavelse  pä  Z),  är  erkänt  ok  visas  sllväl 
av  handskriftsformer  som  ocksä  av  rim  meö  lÖ  :  lö.  Emellertid  bar  mau 
ocksa  ausett  sig  büra  räkna  med  en  form  hauldr,  med  diftong  eck  d  . .. 
Under  alla  forliiillanden  behöva  vi  alltsä  icke  med  Kable  räkua  dessa  rim 
bialdr  :  liulpar  tili  rim  pa  Ib  :  hl,  dar  ö  följer  efter  kort  stavelse. 


3G2  GAERTNEÜ 

als  ob  letzteres  der  fall  sei;  denn  18,  5  und  36, 3  sind  neben 
dem  nicht  absolut  lüerhergeliörig-en  6, 1  die  einzigen  belege  für 
den  reim  von  erstem  consonanten  zu  erstem  consonanten  je 
einer  gruppe. 

3.  Zweimal,  7, 1  und  22, 1,  begegnet  der  reim  x  :  x\  wie  x 
nur  eine  graphische  darstellung  der  consonantengruppe  Ics  be- 
deutet (vgl.  17, 1  llaulis  :  IceJija),  so  hat  das  spätere  s  im  all- 
gemeinen den  lautwert  ^5,  unbekümmert  um  seinen  verschieden- 
artigen Ursprung.  Die  zu  gründe  liegenden  lautverbindungen 
ts,  J)s,  Us,  nns,  ds  (vgl.  Hoffory  in  Bezzenb.  ßeitr.  9,  69  ff.)  sind 
bei  pormoör  noch  überall  durcli  den  reim  gesichert:  vgl.  für 
t  -^  s:  fljöts  J)d's  fyrda  nytir,  16,  7  handar  grjöts  frd  hreyti] 
—  für  ^  +  s:  2,6  hafstöÖs  Jjd's  vas,  Modi,  5,8  jlöös,  nenia 
okJcars  goda,  17,4  sverd,  aldrigi  verda,  20,4  hards  pjödkonungs 
gardi,  27,  7  nadda  hords  pvü  Nirdi 

4.  Auch  Uz,  nns  für  lls,  nns  (vgl.  Hoffory  a.  a.  o.  s.  79)  kennt 
pormoör  nicht:  er  reimt  stets  II  {s)  :  II  in  14,1  Gulls  red  P or- 
geirr ])olla\  nn{s)  :  nn  in  5,2  undUnns,]jd's  svik  vinna,  in  7,4 
undlinns,  hitinn  sinnum,  39, 6  randar  linns  [enn  sv'mni  (ok 
Finni),  8, 6  hlunns,  glapvigum  runni. 

5.  Dass  auch  dds  erhalten  war,  zeigt  der  reim  11,  7  odds 
oJc  ernir  sgdduslc  (gegen  Hoffory  a.  a.  o.  s.  83  ods  oh  ernir 
sgddiisJc). 

6.  Kahle,  Skaldensprache  s.  82,  führt  beispiele  an,  wo  margt 
in  mart  verwandelt  wurde,  'weil  eine  der  spräche  nicht  ge- 
läufige gruppe  von  drei  consonanten  entstanden  ist':  q  ist, 
nachdem  es  vor  t  stimmlos  geworden  war,  zwischen  r  und  t 
lautgesetzlich  ausgefallen;  auch  iDormoör  reimt  mari :  svarta. 

Die  unter  I)ormöös  uamen  überlieferten  drottkvaettstrophen 
zeigen  sonach  sprachformen,  die  nicht  jünger  sind  als  ca.  1200. 

C.   Kenningar,  viökenningar,  halfkenningar. 

I.   Kenningar. 

a)  drei-  und  niehrgliedrige: 

1.  Mann.  7, 1  undlinns  sviprunnr  (=  porgeirr) 

ß)  Krieger.  10,  2  eggja  leiks  soekir  (=  porgeirr) 

4,2  fetils  stiga  margrj6Öandi(=por-      12,1  hjorgaldrs  Njordr  (=  porgeirr) 

geirr)  17, 1  brseva  loekja  liauks  brseöir  (= 

5, 1  undlinns  rjoöaudi  (=  porgeirr)  porgeirr) 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA. 


363 


17,1 
2-2, 1 
27,  2 
27,2 
28,1 
28,2 

30,1 
30.  2 
33,1 
34,1 

34,2 

39,2 
42,  2 

2,1 
2,2 
34 

3,2 

5,2 

G,2 

8,2 

11,1 


sverös  svipmunir  (=-^  viri) 
stülregns  boöi  (=  pl.  adversarii) 
noetting-3  breggboöi  (porgriinr) 
iiadcla  borös  Njijrör  (porgriinr) 
stäls  elbQrvar  (=  pl.  adversarii) 
laugs  ]7remja  svells  drifu  Tyr 
(=  poriuöör) 

hriiigs  setrs  Eahlr  (=  porgeirr) 
poriia  guy]?üllr  (=  porgrimr) 
odda  hriöar  ]^ollr  (=  ponuüör) 
ekkils  eis  gervidi'axigar  (=  ad- 
versarii) 

hriugs  tirar  scvkir  (=  adver- 
sarius) 

randar  liinis  npkii'  (=  Öläfr) 
jalfaös  elpollr  (=  pl.  viri) 

ß)  Seemauu. 
bhiuua  Lestreniiir  (=  porgeirr) 
hafstöös  MoÖi  (=  porgeirr) 
bäsleipnis  tjalda  valdr  (=  por- 
geirr) 
drasils  vandar  stillir   (=  por- 
geirr) 
floös   (psi-dyrs   styrir    (=  por- 
geirr) 

vägs  viggriöandi  (=  porgeirr) 
hluuus  brafus  ruimr  (Kolbakr) 
hlyra  brafus  ürr  (==  porgeirr) 


11,2  blii'ra  jöstjrandi  (-^porgeirr) 
15,1  streiigbreiiis  ärr  (^^  porgeirr) 
21,1  bafs  hreins  stifkjaudi  (pormoör) 
25,1  blunnjüs    f>ollr    (=    fpnoianir 

porgr's) 
3G,  2  väga  viggn'iör  (--  Öläfr) 
>')  Allgemeine  kenuingar. 
8, 1  ärkyndils  umn3'saiidi  (=  Bersi) 
14,  2  fljöts  leygs  uytir  (=  porgeirr) 
l(i,  2  handar  grjots  breytir  (=  por- 
geirr) 

2.  Dichter. 
29, 1  lofgeröar  veitir  (=  pormoör) 

3.  Frau. 

9. 1  dis  ey-Draupnis  (=-  porbJQrg) 
43, 1  Qglis  lauda  eik  (=  kouau) 
44,  2  margloöar  troöa  (=  konan) 

4.  Gold. 

19,  1  lättr,  pat  es  Fafuir  ätti 
19, 1  frängluns  nierkr 

20. 1  barös  tnna  fasti 

5.  Rabe. 

4, 1  vapiia  breggs  gräim  gjt'iör 
0.  Schiff. 

39. 2  ey-baugs  oudr  •  ■ 

7.  Wunde. 
44,  1  benja  fenstigr. 


b)  Zweigliedrige  kenningar. 


1.  Mann.  7, 

a)  Krieger.  14, 

10, 1  sverörjoör  (=  porgeirr)  15, 

15,  2  sigreyuir  (=  porgeirr)  IG, 
18, 1  hjarar  fJQrr  (=  porgeirr) 

21, 1  bsettir  branda  (=  Ölafr)  18, 

22. 1  bjalta  Tyr  (=  pormoör) 

19. 2  varga  myröir  (=  Knütr)  29, 

25. 1  skjaldar    Baldr    (=  forunantr 

porgrims)  31, 

29. 2  rauda  r^rir  (=  Falgeirr) 

31, 2  eggveörs  Ullr  (=  Falgeirr)  35, 

30. 1  Qrstiklandi  (=  Öläfr) 

40.2  cEski-ärar  (=  pugnatores)  9, 
ß)  Allgemeine  kenningar.  9, 

2. 1  auöveitir  (=  porgeirr) 

7,  2  aui5ar  .skiftir  (^^  porgeirr)  5, 

Beitrüge  zur  geschichte  <ier  deutschen  spräche. 


2  seinia  soekir  (=  porgeirr) 
1  gulls  poUr  (=  viri) 
1  auöstjörir  (=  porgeirr) 
1  folkbeitir  (=  porgeirr) 
y)  Seemann. 

1  reggs  roekjandi  (=  porgeirr) 

2.  Dichter. 

2  stefja  smiör  (=  pormoör) 

3.  Feigheit. 
2  gunnfjön 

4.  Feuer. 

2  ys  angr  1 

5.  Frau. 

2  porna  prüör  (=  porbJQrg) 
2  hvitings  Hildr  (=  porbJQrg) 

G.  Gegner. 
1  rogsmenn 
XXXII.  2i 


364  GAERTNER 

7.  Gold.  10.  Rabe. 

20,  2  djüps  eldr  41,  2  ben]?i5urr 
25,2  onus  torg  11.  Schulterblatt. 

8.  Herz,  gemüt.  34,2  qryggjar  tangi 

23. 1  hugborö  12.  Schiff. 

9.  Kampf.  7, 1  ssevar  faxi 

G,  1  sveröa  hriö  12, 1  skoröu  sker 

13.2  malma  gnyr  13.  Speise,  frass. 
13, 2  almping-  30, 1  varga  braö 

22. 1  ona  styrr  (?)  36, 2  valtafn 

34.2  sverö-el  14.  Tod. 
36, 1  Ala  el                                                3, 1  Aldr-spell 

36. 1  skalmold  3,  2  fjortjöu 

36. 2  (F)  geirping  28, 2  aldrtili 

41, 1  hJQrva  ping  15.  Wiinde. 

42,  2  fleiiidrifa  44, 1  väpna  spor. 

43, 1  Qrva  drif 

IL   Viökenningar. 

2. 1  Kloeings  arfi  =  JoÖiirr  6,  4  Mas  son  =  povgils 

3.2  Ingolfs  son  =  porbrandr  11,2  l^arfr  Havars  arfi  =  porgeirr. 

TII.  Halfkenningar. 
4, 1  gunnr  =  frau,  göttin  40, 1  hvit  brüSr  =  frau. 

11,7  oddr  =  Schwert  40,2  hriÖ  =  kämpf 

15, 1  stafii  =  schiff  41,  2  blakkr  bjorr  =  blnt 

30, 1  piug  =  kämpf  42, 1  stal  =  schwert. 

Die  kenning-ar  bestätigen  das  s.  354  ausgesprochene  urteil. 
Originell  sind  iJormuös  kenningar  nur  zum  kleineren  teil,  am 
meisten  nocli  in  der  dräpa.  Zalilreiclie  anklänge  an  die  poeti- 
schen form  ein  anderer  dichter  (vgl.  s.  314.  326  etc.)  scheinen  zu 
beweisen,  dass  er  in  der  skaldenpoesie  seiner  zeit  wol  bewan- 
dert war  und  —  was  besonders  in  den  lausavisur  bemerkbar 
wird  —  es  verstand  diese  kenntnis  geschickt  zu  verwerten. 

Häufige  Verwendung  derselben  glieder  bei  der  bildung  von 
kenningar  {swJcir  4  m.,  Jwllr  6  m.  14, 1.  25, 1.  28,  2.  30, 2.  33, 1. 
42, 2)  weist  auf  eine  gewisse  schablonenmässigkeit  hin.  Wenig 
empfehlenswert  ist  auch,  dass  bei  der  auswahl  der  kenningar 
die  Situation  oft  unbeobachtet  bleibt.  —  Vollendet  ist  dagegen 
seine  reiratechnik. 

D.   Die  reimtechnik  pormoös. 
Die  allgemeinen  gesetze  für  die  Verwendung  der  allitera- 
tion  und  der  aöalhending  sind  ausnahmslos  gewahrt.    Gegen 


ZUR  -fostbrcedrasagA.  365 

die  speciellere  forderung,   dass  der  liQfuöstafr  die  erste  silbe 
treffen  miiss,  ist  niemals  Verstössen. 

Entgegen  der  norm  erscheint  aöalhending  in  I ')  a)  sicher  in  2, 1 
Starf  höfsk  npp  pa's  arfa,  2,  5  efnd  toksk  Hävars  liefndar,  femer  iu  13,  5. 
28,3.  30,3.  40,5;  —  b)  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  in  23,1  parf  sä's 
l^er  skal  hvarfa  (ungeachtet  einer  an  sich  möglichen  conjectur  'hverfa'; 
die  handschriftliche  Überlieferung  hat  bis  auf  1  [hverfla]  durchweg  hvarfa. 
Vgl.  dazu  39,  4  ]nngdjarfr,  fyr  kne  hvarfa,  wo  hvarfa  durch  den  reim  ge- 
fordert wird). 

Flu-  die  39  drottkvjiettstrophen  der  Fbr.  ergäbe  das  (bei  7  fällen) 
■i,  48  proc.  aller  ersten  halbverse.  In  Wirklichkeit  erhalten  wir  aber  den 
procentsatz  5,  83,  da  sämmtliche  7  fälle  in  den  vermutlich  nur  echten  120'-') 
ersten  halbversen  stehen. 

c)  Zweifelhaft  iu  7,3  sujallr  vas  orr  at  qIIu  (allu);  14,1  Gulls  (Golls) 
reo  porgeirr  polla;  39,7  stQndum  är  ä  Qudrum  (andrum);  40,3  sär  fekk', 
heldr,  at  hväru  (hvcru);  *43,  3  fär  veror  fagr  af  sorum  (särum).  Nehmen  wir 
noch  in  14, 1. 3)  39,  7.<)  (g  :  g)  und  *43,  3=")  aöalhending  als  bestehend  an«), 
so  erhalten  wir  den  relativ  hohen  procentsatz  G,4. 

Kaum  mehr  als  skothendiug  aber  bieten :  3,  3  frett  es  vig,  sem  vsettik '), 
7,3  snjallr  vas  Qrr  at  ollu^)  und  83,1  pollr,  vä'k  porgrim  trQlla. 

Die  form  des  sclilussstückes  der  drottkygettzeile  ist  bei 
pormuör  überall  ge-\valirt.  Die  formen  des  inneren  verses 
fügen  sich  durchaus  den  von  Sievers  aufgestellten  fünf  typen. 
Das  viergliedrige  vorderstück  ist  zumeist  auch  nur  viersilbig, 
doch  ist  aufKisung-  nicht  selten. 

Am  zahlreichsten  ist  belegt: 

1.  Auflösung  der  ersten  senkungssilbe  in  A,  nämlich  Hrn.;  die. auf- 
gelösten formen  sind:  Iigfmn  8,3,  diigir  4,1,  nenia  5,8,  hlutu  15,  G,  berum 
21,7,  gerir  32,0,  hafa  40,7;  bis  auf  nema  also  sämmtlich  verba  finita  und 
auxiliaria. 

2.  Seltener  findet  sich  auflösung  oder  verschleifung  in  erster  hebung: 
3  m.:  fair  23, 5,  bnuinJc  F  Sß,  ö,  Hanildr  4:1, 1.  Auf lösung  von  erster  hebung 
und  erster  Senkung  zugleich  nur  42,  3  rekin  hitu  stgl  ä  Stikla-. 


^)  I  =  im  folgenden:  erster,  II  =  zweiter  halbvers. 

^)  Von  den  156  I  der  39  visur  wurden  abgezogen:  die  I  der  str.  4.  9. 
12.  19.  20.  21,1.  22,1.  25,2.  33.  43. 

°)  Vgl.  eine  zeile  Haralds  konungs:  Golls,  es  ferr  meö  skolli  Hkr. 
3, 148;  gulls  ist  als  junge  sprachform  besser  zu  meiden. 

*)  Es  ist  wol  unstatthaft,  für  eine  der  umgelauteten  formen  die  ent- 
sprechende unumgelautete  einzusetzen.   Der  reim  g  :  o  ist  sonst  in  II  belegt. 

'-)  S.  oben  s.359f. 

*)  w-umlaut  von  d  ist  kaum  belegt,  s.  Kahle  a.  a.  o.  s.  32. 

')  Trotz  des  reimes  rätar  :  vcetta  (*19, 8),  vgl.  Nj.  II,  G02  f. 

*)  Vgl.  unten. 

24* 


366  ÖAERTNER 

3.  Nur  je  2m.  findet  sich:  a)  auflösung  der  zweiten  hebiing  von  A 
16, 1  fjgrum  und  39,  8  Ufa  und  b)  auf  lösung  der  zweiten  Senkung  in  IG,  G 
komm  und  28,  G  sJcapat. 

i.  In  dem  typus  D  und  E  erscheint  auf  lösung  a)  des  Senkungsgliedes 
(2  m.  nema  34:,8.  42,  G  und  eöa36,S),  h)  der  ersten  hehung  in  23,3,  einem 
Da3  und  in  22,  5  einem  E^.  i) 

5.  Verschleif  bare,  zweisilbige  Senkung  haben  in  A  20,5,  in  C  18,3,  in 
D  21,  2.  —  Ob  in  18,  3  sä  vas  rceJcjandi  enn  riJd  gleichzeitig  zweisilbige 
eingangssenkung  wie  in  F  36,  7  es  cd  geirpituß  ggngum  anzunehmen  oder  ras 
zu  vs  zu  verkürzen  ist,  kann  nicht  mit  voller  Sicherheit  entschieden  werden 
(vgl.  jedoch  Sievers,  Beitr.  5,  494 b  und  unten). 

Von  den  24  zweisilbig-en  gliedern  in  pormuös  versen 
kommen  10  in  II  und  14  in  I  zu  stehen.  Der  häufigkeits- 
unterschied  59,  3  proc.  in  I,  41,  7  proc.  in  II  ist  relativ  gering- 
im  Verhältnis  zu  der  sonst  bestehenden  grösseren  neigung-  zur 
auflösung  in  I  (vgl.  Sievers,  Beitr.  5, 464  ff.);  doch  hat  es  den 
anschein,  als  ob  pormoör  auflösung  eines  mehr  nach  dem  vers- 
inneren gelegenen  giiedes  (z.  b.  zweite  hebung  von  A,  Senkung 
von  D,  E)  im  allgemeinen  nur  in  II  gebilligt  habe.  Von  8 
derartigen  fällen  gehören  7  den  II  an  (in  I  nur  16, 1  Kent 
hefr  fjgrum  live  frcendtim  und  hier  ist  fjgrum  conjectur!  (vgl. 
s.  326,  anm.  3  zu  str.  16). 

Der  schlussfuss  -  x  wird  fast  durchweg  von  einem  selb- 
ständigen, zweisilbigen  worte  gebildet,  in  der  mehrzahl  der 
fälle  (194  =  62,2  proc.)  einem  nomen;  die  übrigen  118  schluss- 
stücke  zeigen  14  pronomina,  18  adverbia  und  partikehi,  52  verba 
finita  und  34  Infinitive. 

a)  20,7  proc.  aller  substantiva  unter  den  nominibus  sind  genitive  pl., 
zumeist  teilstücke  von  kenningar,  deren  erste  glieder  entweder  im  selben 
visuorö  stehen  2)  (vgl.  3,  4.  4,2.  4,8.  6,2.  11,8.  13,6.  29,  8  etc.)  oder  in  der 
zugehörigen  halbzeile  folgen »)  (vgl.  38,7.  41,3.  43,1.  44,7). 

b)  31  m.  erscheint  ein  dat.  sg.,  abhängig  von  einer  vorausgehenden 
Präposition.  Die  häufigkeit  dieser  erscheinung  wird  darin  ihre  erklärung 
finden,  dass  die  tonlosen  präpositionen  für  die  bildung  der  zweiten  Senkung 
in  dem  weitaus  beliebtesten  typus  A  ein  sehr  bequemes  material  abgeben. 

c)  Den  Infinitiven  geht  in  einem  drittel  der  fälle  (10  m.)  die  tonlose 
Partikel  at  voraus  oder  ein  regierendes  hilfsverb  (einsilbiges  praeteritum) : 


1)  Di^,  W  =  Dj  bez.  E  mit  alliteratiou  der  hebungen  b  :  c. 
*)  Diese  technik  ist  fast  ausnahmslos  beschränkt  auf  die  dräpa;  dagegen: 
3)  Die  Vorausstellung  des  genitivischen  kenningargliedes  tritt  erst  in 
den  letzten  lausavisur  pormöös  auf. 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  367 

let   (4  m.  2,2.  6,1.  7,2.   17,6,    7« a-  18, 5,  Uzk  2h,\.   Ict'Jc  noj^,   m)ll,4. 

14. 1.  14,  8.  15, 1,  reÖu  41,  5). 

Nur  in  4  zweiten  halbzeilen  ist  an  die  stelle  des  zwei- 
silbigen sclilnssfnsses  ein  dreisilbig-es  nonien,  mit  einem  starken 
nebenton  auf  der  zweiten  silbe,  getreten:  12,4  ÜQynvaldi,  F  36,8. 
40,  2.  41,  2  Aleifi.  Wenn  wir  auch  noch  skjnJdborgu  25,  8  liier- 
herrechnen ').  so  tritt  diese  erscheinung  doch  nur  in  insgesammt 
5  Zeilen  auf,  d.i.  3,2  proc.  der  gradzahligen  visuor(\  —  Dem 
Schlussstück  l^x  ist  der  vordere  teil  der  betr.  verse  gleich 2); 
wir  erhalten  also  klare  E,-verse  mit  tonlosen  präpositionen  in 
den  Senkungen  und  zweisilbigen  compositis  als  eingangsgliederu 
{hjgrfjaldrs,  gunn-,  vig-,  hoÖ-reifr,  ormstorg). 

Von  Verkürzungen  der  hebungen  und  nebenhebungen  be- 
gegnen folgende  drei  arten: 

1.  ^'el•kurznllg  der  zweiten  hebung  tles  typus  A  (A.^k),  nach  voraus- 
gehender starknebentoniger  silbe,  belegt  27  m.  =  16,6  proc,  davon  2g  m. 
in  II,  nur  einmal  in  I  14,3  sers  hami  säat  fcerl.-')  In  der  hauptsache 
trifft  die  Verkürzung  nomiua,  nur  in  8, 4.  17,  8  ein  verb  und  5,  4.  7, 2  ein 
adverb.  —  In  2,  4.  7,  4.  *14, 3  und  39, 2  ist  die  kürze  durch  antritt  einer 
vocalisch  anlautenden  endung  bez.  der  negationspartikel  -at  an  einen  aus- 
lautenden, ursprünglich  langen  vocal  entstanden. 

2.  Verkürzung  der  nebenhebung  im  typus  D  (=  D^)  in  11  fällen: 
2,  8.  3,  4.  6,  4.  17,  4.  18,  4.  19,  4.  20,  4.  22,  6.  23,  3.  28,  8.  41,  7.  Auf  das  die 
eingangshebuug  bildende  \yort  (8  m.  nomina)  folgt  hier  meist  ein  dreisilbiges 
compositum  von  der  form  — -^x-  In  2,  8  la-ettr  —  fhnt/'an  veträ  und  18,4 
rcgys)  prcttlan  seggja  linden  wir  wider  Verkürzung  eines  langen  neben- 
tonigen vocals  vor  vocal. 

Schwieriger  ist  die  entscheidung,  ob  wir  es  mit  D^  oder  A.^k  zu  tun 
haben  in  den  zeilen  4,  8  pess  vigs  f'etils  sl/'ya,  21,  4  hrert  land  pegü,  hranda, 

32.2.  44,2,  wo  auf  die  alliterierende  eingangshebuug  zunächst  ein  die 
frumhending  tragendes  einsilbiges  glied  folgt,  das  seinerseits  einem  zwei- 
silbigen nomen,  bez.  part.  von  der  form  L  x  vorangeht.  Der  umstand,  dass 
in  allen  vier  zeilen  die  frumhending  auf  dem  zweiten  gliede  steht,  kann 
für  Aok  kein  kriterium  abgeben,  da  in  27  A^k-versen  zwar  15m.  hlut- 
hending  vorliegt,  aber  auch  12  m.  oddhending. 

Da  in  dem  gekünstelten  bau  des  dröttkvaett  dem  satzaccent  oft  arg 
gewalt  angetan  wird,  wird  man  auch  21,4  und  32,2  unter  A.^k  belassen 
(für  das  sonst  D^  in  frage  käme);  für  4,8  und  44,2  r(E(ir  grann  kona 
manni  als  Dj  lassen  sich  ebenfalls  keine  triftigen  gründe  geltend  machen; 

1 


)  Craigie,  Ark.  16,  361,  anm.  1. 
2)  Vgl.  Sievers,  Altg.  metrik  s.  104. 
')  Vgl.  aber  die  conjectur  oben  s.  324. 


368  GAERTNER 

3.  Verkürzuug  der  zweiten  hebuug  eiues  Ci  iu  27,  5  ef  hregghoöa  hoggvit 

4.  Die  verkürziiug:  der  zweiten  hebnng  und  der  nebenhebung  findet 
im  allgemeinen  nur  in  11  statt. 

Die  allgemeinen  regeln  über  die  tonabstufung  der  einzelnen 
Wortkategorien  scheinen  in  den  verschiedenen  typen  mit  ver- 
schiedener genauigkeit  eingehalten  zu  sein.  —  Abgesehen 
von  II,  wo  der  hofiiöstafr  ausnahmslos  nomina  und  starktonige 
werte  trifft!),  scheinen  die  natürlichen  ton  Verhältnisse  am 
besten  in  den  typen  Ai  und  Cj  beibehalten  zu  sein.  Die 
ersten  beiden  hebungen  von  Ai  werden  56  m.  von  starktonigen 
nominibus  gebildet,  die  in  50  proc.  der  fälle  gleichzeitig  die 
stu(Mar  tragen;  11  m.  trägt  die  Stammsilbe  eines  verb.  fin.  die 
liebung,  die  6  m.  alliterationslos  bleibt  (vgl.  20,1  flestr  of  ser 
Jive  fasta,  ferner  8,1.  9,1.  21,1.  31,5.  36,1),  sonst  aber  mit- 
alliteriert (vgl.  3,  5  feil  fyr  frcehium  siilli,  fernert23,  7.  33,  7 
(part.  praet.)  36,3,  43,1).  —  Wird  der  erste  nebenstab  von 
einer  adverbialpartikel  gestellt,  so  trägt  die  zAveite  hebung 
dann  stets  den  zweiten  nebenstab,  wenn  sie  durch  ein  nomen 
gebildet  wii^d  (vgl.  33,  5  par  namli  PorJcel  fjgrvi,  ferner  4, 1. 
7,  7.  9, 5.  33, 3.  43, 3).  —  Starktonige  pronomina  werden  im  all- 
gemeinen den  nominibus  gleichgestellt.  So  kann  z.  b.  in  II 
ein  pronomen,  das  einen  gewissen  nachdruck  verlangt,  vor 
einem  die  zweite  hebung  bildenden  nomen  den  hauptstab 
tragen;  vgl.  z.  b.  16,6  pau  'ro  ord  komin  norÖan,  ferner  18,6. 
32,  8  etc.  —  Treten  aber  in  I  nomen  und  wenig  betontes  pro- 
nomen als  erste  hebungen  auf^  so  alliteriert  das  nomen  {yg\. 
z.  b,  23, 5  fair  'rom  ver  ne  fryju)  stets,  meist  reimen  jedoch 
beide;  vgl.  2,  7  Jiann  vard  hopp  at  vinna,  ferner  23,1.  32,3.  43,5. 

Aehnlich  verhalten  sich  verb.  finit.  (zu  nomen  bez.  pro- 
nomen) in  erster  hebung.  Das  nomen  zieht  stets  einen  stab 
auf  sich  (vgl.  7,  6  sveima  [frd'k  pai]  lieimau  etc.);  doch  auch 
das  verbalglied  ist  principiell  von  der  alliteration  nicht  aus- 
geschlossen 2)  (vgl.  8,  3  [sgng]  hofum  sdr  of  fcngit);  ferner 
10,  3.  40,  5). 


')  Dazu  gehören  auch  verse  wie  32,  8  mma,  gramr,  ok  pina  oder  42, 2 
öd  frarn{m)  Tconimgr  (blodi.  Als  beispiel  für  die  dem  satzaccent  gegenüber 
freiere  skaldische  technik  kann  gelten  33, 2  par  laut  hardr  til  jaröar,  wo 
das  schwachtonige/)(«r  alliterierend  dem  nomen  vorausgeht;  vgl.  auch  42,2  etc. 

-;  Eine  art  ausnähme  von  diesen  wol  gemeingiltigen  regeln  büdet  41, 5 


ZUR   FÖSTBRO-^DRASAGA.  369 

Bei  den  übrig-eii  typen  werden  (im  gegensatz  zu  A, ,  C,) 
die  natüi'liclien  abstufungen  oft  vernachlässigt.  So  gehen 
z.  b.  in  A;.  oft  nomina  und  sonstige  starktonige  Wörter  ohne 
alliteration  schwaclitonigen  und  docli  alliteriei-enden  Wörtern 
voran;  vgl.  z.  b.  2, 1  Starf  Mfsk  upp  l)d'n  arfa,  ferner  3, 7. 
11,5.  21,7.  25,5.  35,7.  40,3  etc.;  ebenso  bei  K^  in  11,5  IJyrr 
hefndi  svd  sdni,  ferner  30,  7.  39,  3.  —  Umgekehrt  alliterieren, 
besonders  in  E  und  D,  zahlreiche  voranstehende  schwachtonige 
Wörter  im  vorzuge  vor  nominibus  und  anderen  starktonigen 
Wörtern.  So  in  k-X:  14.2  J)vi  ncest  griÖa  cesta;  in  D  z.  b.  28,8 
Jfcim  aldrtili  seima\  in  E:  27,6  heflc  vart  i  slior  svarta  etc. 

Diese  nichtberücksichtigung  der  natürlichen  abstufungen 
lässt  es  öfters  unsicher  erscheinen,  welchem  typus  ein  vers 
zuzurechnen  ist;  namentlich  gilt  das  bezüglich  der  Scheidung 
der  typen  D  und  E  (vgl.  unten). 

Alliteration.  In  11  trifft  der  hauptstab  natürlich  stets 
die  erste  silbe.  was  im  allgemeinen  wol  auf  einen  absteigenden 
Charakter  der  II  schliessen  lässt. 

In  I  überwiegt  dagegen  1)  das  auf  ansteigende  betonung 
hindeutende  alliterationsschema  2  :  3  (d.  h.  alliteration  der 
zweiten  und  dritten  hebung),  da  73  aller  I,  d.i.  46,8  proc, 
mit  den  hebungen  2  und  3  alliterieren;  davon  stellt  A3,  das 
in  der  eingangszeile  der  drapastrophen  nahezu  typisch  ist, 
allein  55  belege;  die  übrigen  verteilen  sich  auf  B  (10,5),  D 
(2:  23,3  und  41,7)  und  E  (15). 

2)  Mit  32, 7  proc.  folgt  die  alliteration  der  hebungen  1:2; 
47  der  51  fälle  gehören  allein  dem  typus  A,  an,  die  übrigen 
dem  typus  A^k. 

3)  Die  übrigen  29  I  (d.s.  20,5  proc.)  reimen  1:3.») 


redu  peir  und  rauÖar,  wo  das  allerdings  touscbwache  piou.  pers.  pcir  alli- 
terationslos hinter  dem  verb.  finit.  zurückstehen  muss. 

')  Der  auf  ball  einer  anzahl  dieser  I  lässt  deutlich  erkennen,  warum 
sie  dem  schema  angehören;  vgl.  z.  b.  8,1  Hrundar  berk  ä  hendi,  9,1  Jlla 
rcd'k  ßci's  (dlar,  ferner  20^  1.  21,1.  23,5.  31,5.  36,1.  42,5  (nebenbei  be- 
merkt: in  sämmtlichen  eingängen  von  visuhelraingar  werden  die  hebungen 
1  :  3  von  nominibus  gebildet,  hebung  2  jedoch  von  schwachtonigeu  verbis 
linitis  oder  pronominibus  pers.  (vgl.  23,  5  Fair  'vom  ver  ne  fr>)ju  und  42,  5). 
—  In  7  von  diesen  8  fällen  scheint  die  zweite  hebung  sogar  für  ungeeignet 
gehalten  worden  zu  sein,  wenigstens  die  frurahending  aufzunehmen.    Der 


370  GAERTNER 

Schon  anm.  1  zus. 369  ist  angedeutet,  dass  der  liending') 
die  rolle  eines  ausgieichenden  elements  zugekommen  sein 
möge,  indem  der  dichter  den  nicht  am  Stabreim  beteiligten, 
aber  doch  tonstarken  versgliedern  (wie  nominibus,  starkneben- 
tonigen ableitungssilben  und  zweiten,  nominalen  gliedern  von 
compositis)  die  frumhending  zuwies,  um  diesen  gliedern  dadurch 
eine  gewisse  formelle  auszeichnung  zu  verleihen. 

Der  binnenreim.  a)  Ueber  aöalhending  vergleiche  bereits 
Seite  365. 

b)  Bezüglich  des  consonantischen  teils  der  hendingar  ist 
folgendes  zu  beachten: 

1.  Es  reimt  einfacher  consonant  mit  einfachem  consonant:  c:)  in  I 
58  m.;  ß)  in  II  61m.;   28  von  diesen  fällen  sind  ganz  rein,   dagegen  folgt 

1)  in  10  belegen  auf  den  reimenden  consonanten,  sei  es  in  frumhending, 
sei  es  in  oddheuding,  das  flexivische  r  des  nominativs")  (in  4,4.  9,6.  15,3. 
31,3.  33,4.  36,8.  39,5.  40,2.  41,2.  44,1);  —  2)  in  14  belegen  genitivi- 
sches s  (2,  6.  4,  8.  5,  4.  5,  8.  6,  5.  9, 3.  14,  7.  16,  7.  17, 1.  20,  7.  21,  3.  28,  3. 
30,8);  —  3)  in  9  belegen  einer  der  halbvocale  ,7  und  to^)  (i  und  u)  (4,1. 
9,  2.  13, 4.  18,  3.  23,  3.  35,  4.  39,  8.  41, 1.  42,  4.  44,  4). 

2.  Es  reimt  einfacher  consonant  mit  geminata  im  silbenauslaut :  a)  in 
I  k  :  kJc,  vgl.  43,  5  31ik  flö  malmr  enn  dokkvi,  34,  2.    r  :  rr,  vgl.  11,  5  Dpr 

einzige  vers,  avo  dies  geschiebt  (21, 1  Hafa  pöUum  ck,  Juettir),  ist  auch  sonst 
metrisch  anstössig.  Die  zeilen  16,  7  handar  grjöts  frä  lireyti,  ferner  27,  7. 
28,7  bilden  die  zweite  hebung  mit  einem  nomen,  das  einen  nebenstab 
fordern  konnte;  wenn  der  dichter  trotzdem  das  Schema  1  :  3  verwante,  so 
geschah  dies  wol  aus  einer  art  'reimbequemlichkeit';  doch  bat  er  dann  der 
zweiten  nominalen  hebung  die  frumhending  überwiesen.  Der  einzige  fall, 
Avo  die  zweite  hebung  vollständig  leer  ausgeht,  wo  die  alliterierende  erste 
hebung  gleichzeitig  oddheuding  bildet,  lindet  sich  20,3  häöar  hendr  ör 
breiÖum  (vgl.  jedoch  s.  375,  anm.  1).    Dem  Schema  1  :  3  gehören  ferner  an: 

2)  4  Ci  und  1  C3,  wie  zu  erwarten,  da  die  zweite  hebung  im  typus  C  weit 
schwächer  ist  als  die  erste  und  nicht  geeignet  erscheint,  vor  dieser  den 
ersten  Stab  zu  tragen.  —  3)  Je  ein  Dj  (8, 7)  iind  Ej  (5, 3).  —  4)  10  fälle 
der  typengruppe  Ej— D*4,  von  denen  wir  mit  vorbehält  27, 1.  30, 5  dem 
typus  D4  und  2,  3.  3, 1.  7, 5.  13, 5.  19, 1.  36,  7.  42, 5  dem  typus  Ej  zuteilen 
(vgl.  unten).  —  Auch  bei  ihnen  scheint  das  schema  1  :  3  dadurch  erklärt, 
dass  die  zweite  hebung,  bis  auf  36,7  (ßat),  von  einem  verb.  fin.  gebildet 
wird ,  während  die  hebungen  1  (ausser  in  36,  7)  und  3  (bis  auf  13, 5  eipi 
und  27, 1  undir)  auf  nominalsilben  ruhen. 

^)  D.  h.  nur  der  frumhending,  da  die  viörhending  an  das  fünfte  vers- 
glied  gebunden  ist. 

'')  In  20,  6.  42, 7  reimt  dagegen  das  r  mit. 
3)  Vgl.  Gislason,  Nj.  II,  926  ff. 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  371 

hefnäl  svä  sära,  feruer  16,  o.  35,  3.  s  :  ss  8,  7.  t :  tt,  vgl.  3,  7  Utt  ras  ßar 
tu  prcetti,  ferner  0,  3.  36,  5.  32,  7.  n  :  nn  40,  5.  ß)  In  IT  findet  sich,  ausser 
dem  reim  rr  :  r  in  10,  6  P orgeirr  :  mein',  17,  8  Porgeirr  :  eiruin,  33,8  Fal- 
geirr  :  peira,  kein  beispiel  für  den  reim  von  einfacher  consonanz  mit  genii- 
nata  (im  silbenauslaut). 

3.  Es  reimt  geminata  mit  geminata  (eingerechnet  wurden  wider  a) 
die  fälle,  wo  auf  die  geraiuata  noch  eine  flexionsendnng  folgt:  6  m.  -r  2,4 
7,2.3.  17,6.  25,3.  33,1.  —  lim.  -s  4,2.  5,2.  7,4.  8,6.  11,7.  14.1.  18,4. 
21,6.  27,4.  28,7.  39,6;  —  oder  b)  ein  halbvocal  27,5.  36,8). 

a)  In  I  ddn,l,  gg  27,  b  (ggj  10,  b),  U-4,7.  41,7,  II  13  m.'),  nn  12  m.«), 
rr  25,  5,  tt  6  m.»)  =  s.  s.  37  m. ;  —  ß)  in  II II,  tt  je  3  ra.'),  nn  17  m.  >),  gg  4  m.'), 
rr  7, 8.  15,  8,  Ick  29, 6,  pp  27,  4  =  s.  s.  31  m. 

4.  Es  reimt  ein  consonant  einer  gruppe  mit  einer  gemiuata:  tc)  in  I 
pn  :  jjp  6, 1.  rt  :  rr  10, 1,  i)t  :  pp  31, 1,  tr  :  tt  32,  7;  —  ß)  in  II  tr  :  tt  19,  2, 
kk  :  kp  34,  2.  Diese  fälle  lassen  sich  an  gruppe  2  anschliesscn,  wenn  man 
als  regel  aufstellt,  dass  alle  eigentlichen  flexionsendungen  und  consonanten 
von  ableitungssilben  (insbesondere  die  dentale  des  praeteritalsuffixes  der 
schwachen  verba)  beim  reim  ausser  acht  bleiben  dürfen,  aber  nicht  müssen, 
vgl.  die  gegenbeispiele  30,  6  gort :  srgrtiu»,  28,  4  mart :  siiirtd,  29,  7  gott 
:  hetti,  43,  7  hrast  :  nirsta ;  auch  das  suffixale  -t)  reimt  mit  in  12,  5  sparöi 
:  fyrdn;  vgl.  dazu  31, 1.  34,2. 

5.  Es  reimt  einfacher  consonant  mit  dem  ersten  consonanten  einer 
gruppe.  —  Lassen  wir  auch  hier  art  und  herkunft  der  gruppenbildenden 
consonanten  zunächst  ausser  betracht,  so  reimen:  a)  in  I  k  :  ä:Z  42,  3,  j)  :  pn 
44,  7,  r  :  rn  30,  7,  t :  Ü  15,  7,  t :  tr  15,  3;  —  ß)  in  U  k  :  kt  11,  6,  g  :  gd  16,  8, 
k  :  kd  10, 4,  /)•  :  fj  29, 8. 

Von  diesen  belegen  gehören  jedoch  nur  42,  3  rekin  :  Stikhi-,  44,  7  djitp 
:  räpna  (vgl.  nom.  rapn),  30,  7  meir  :  porna  und  15,  3  itr  :  heitinn  streng 
genommen  hierher;  nach  dem  unter  4)  bemerkten  gehören  dagegen  zu 
gruppe  1:  aus  I  15,  7  üt :  litla;  aus  II  10,  4  Hoekils  :  roekdi,  11,  6  sUkt :  riki, 
16,  8  hug  :  brugdit  und  29,  8  hefr  :  stefja.  —  Diese  'freieren'  hendingar  (ein- 
facher consonant  zu  erstem  cousouauteu  einer  gruppe)  finden  sich  übrigens 
Avider  nur  in  I. 

Ueber  die  art  und  Stellung  der  hending  in  den  zeilen  10,  7  Iciks  hef'k 
slikt  frä  sccki,  14,  8  fidlmaii,  rcD  ta-Ja,  25, 1  lietr  lezk  beita  sktdli,  33,  3  äÖr 
red'k,  odda  liridar,  33,  5  par  namlc  Porkel  fjgrvi,  34, 1  Eis  hef'k  (Ulan  dihi), 
41,  3 /)ar  gekk  liära  hjgrva  vgl.  s.  375.  —  Auch  diese  reime  gehören,  ab- 
gesehen von  14,  8,  sämmtlich  wider  den  ersten  halbversen  an. 

Zu  abteilung  5  (bez.  1)  kann  als  relativ  sicher  noch  gerechnet  worden 
33,  3  —  wo  das  zweite  der  drei  Ö  in  eine  schwere  senkungssilbc  zu  stellen 
kommt  und  damit  hinter  ('ii)r  zurücktreten  niuss,  das  gleichzeitig  den  ersten 
nebenstub  liefert. 

6.  Es  reimt  der  erste  consonant  einer  gruppe  mit  dem  ersten  conso- 
nanten einer  zweiten  gruppe.   —  In  I  16, 1  Kcnt :  frcemhun,  18,5  hjaldrs 


')  L'eber  die  belegstellen  vgl.  das  rimarium. 


372  GAERTNER 

:  hgldum  (hauldum'^)^)  und  36,3  ski/ldnt :  hglÖur  (hanldar?)^);  in  II  31,4 
Jians  :  fjanöi.  —  Betreffs  31,  4  vgl.  abteilung-  4.  —  16, 1  schliesst  sicli  ara 
besten  den  unter  5.  aufgeführten  reimen  an. 

Nach  ausschluss  aller  zweifelhaften  fälle  bleiben  für  den  ersten  halb- 
vers  nur  5  der  unter  5.  u.  6.  angegebenen  belege  bestehen,  das  sind  4, 2proc. 
von  120  I.  —  Der  vergleich  mit  den  von  Kahle,  Skaldensprache  s.  6  ff.  ge- 
gebenen procentsiitzen  zeigt,  dass  die  techuik  pormöös  sehr  entwickelt  und 
fortgeschritten  war.  Bestätigt  wird  dies  urteil  dadurch,  dass  der  zweite 
halbvers  keinen  einzigen  richtigen  beleg  für  diesen  '  unvollkommenen  reim ' 
aufAveist. 

7.  Es  reimt  zweiconsonantige  gruppe  mit  einer  zweiconsonantigen 
gruppe:  a)  skothending  89m.:  kl,  nd  je  7  m.,  —  iu/ Gm..  —  rÖbm.,  —  fn, 
ks,  rf,  rn,  st  je  2m.,  —  ör,  lÖ,  pt,  rt  je  Im.  —  b)  aöalliending  53m.:  rÖ 
11  m.,  —  Id  8m.,  —  nd  Im.,  —  ng  Gm.,  —  rf  4m.,  —  rt  8m.,  —  gn,  kl, 
Im,  rg,  rn  je  2  m.,  —  fn,  If,  st,  ir  je  1  m.  (eingerechnet  sind  wider  die 
verse,  bei  denen  auf  die  frumhending-gruppe  noch  eine  flexionsenduug  folgt: 
1)  -s  8, 5.  17, 4.  20,  4.  22, 4.  27, 7.  80,  2.  34,  7.  —  2)  -r  a)  28, 1.  29, 2. 
38,2.  6.  39,2.  4.  41,4.  —  ß)  22,3  und  33,7  (part.  praet.).^)  —  y)  9,7. 
12,  7.  19,  7.  28,  5  {hcldr,  got.  lialdis).  —  d)  12,  8  djarfra  und  39,  7  midrum. 
—  3)  30, 1  hefnö  :  Jirafni,  29, 1  strengDi :  pingi. 

8.  Es  reimt  eine  consonantengruppe  mit  dem  eingang  einer  umfang- 
reicheren gruppe:  12,3  hjaldr-s,  12,4  galdr-s,  30,3  Baldr-s  :  Id;  ferner 
43, 1  undr-ask  :  land-a,  28, 1  undr  's,  hei  eigi  kendu.  —  Man  beachte 
widerum  das  Zahlenverhältnis  4  (I)  :  1  (II). 

Vergleicht  mau  diese  reime  mit  den  unter  6.  aufgeführten  5  'unvoll- 
kommenen', so  ergibt  sich  eine  Steigerung  des  procentsatzes  in  I  von  3,5 
auf  6, 2  und  in  II  von  0  auf  0, 7. 

9.  Es  reimt  eine  dreiconsonantige  gruppe  mit  einer  gleichartigen 
gruppe:  a)  in  I  2,  5  fnd,  35,7  ngr,  42,7  str  (10,5  ggj).  —  ß)  in  U  20,6 
ngr,  25,6  rst  (erste  gruppe  noch  mit  flexiv.  -r:  dyrstr).  (16,4  Igj).  Sind 
Str.  20  und  str.  25,  5—8  nicht  von  pormoör  (vgl.  unten),  so  zeigt  dieser  drei- 
consonantigen  reim  nur  in  I  (3  mal). 

10.  Durch  langen  vocal  gebildeter  binnenreim  ist  nur  in  23, 5  {fair 
:  fryju)  zu  constatieren,  ein  beweis  für  die  Unbeliebtheit  der  vocalischen 
hendiug. 

Die  regel,  dass  die  reimende  gruppe  nicht  über  eine  com- 
positionsfiige  hinweggreifen  solle,  ist  von  pormoör  sowol  für 
aöalliending,  wie  skothending  streng  eingehalten  worden.  Doch 
auch  von  dieser  regel  gibt  es  sonst  genug  ausnahmen;  mir  ist 
also  zweifelhaft,  ob  nicht  doch  der  reim  gö  besteht  in  16, 8 
}mg^]janns  vid  mun  hrnxjöit.  —  Den  auslautenden  vocal  eines 


')  Vgl.  dazu  oben  s.  361  f.  und  anm.  1. 

-)  Vgl.  jedoch  auch  reime  wie  2, 8  hveiir  :  cet(t)ra. 


ZUR  FÜSTBR(EDRASAGA.  373 

Wortes  fasst  pormoör  mit  dem  anlautenden  consonanten  des 
näclisten  nur  in  22,  8  J)ri-tügr  :  Uta  zusammen. 

Bemerkenswert  ist  vielleicht  nocli,  dass  in  4  visuorc^  fium- 
und  viörliending:  ZAveisilbig  sind:  6,  8  {(jjarna)  SJcüfs  oJc  Bjarna\ 
7,6  sveima  {fra'k  pat)  liciman;  30,4  varga  sctrs  viÖ  mar(ja\ 
32, 8  mina,  gramr,  ok  Juna.  1  )iese  reime  geben  den  lialb- 
stroplien,  an  deren  schluss  sie  stehen,  einen  wirkungsvollen 
a'bschluss. 

Die  rhythmischen  typen,  purniuör  liebt  es,  seinen 
Versen-  entweder  aufsteigende  oder  fallend-steigende  betonung 
zu  geben.  Damit  hängt  natürlich  die  Verwendung  der  ein- 
zelnen typen  eng  zusammen.  —  Aufsteigenden  Charakter  haben 
schon  an  sich  die  typen  A^,  B»,  D',  E»'),  die  46,8  proc.  aller 
I  (156)  für  sich  in  anspruch  nehmen.  Sie  sind  auf  1  be- 
schränkt, da  II  stets  mit  dem  hofuöstafr  einsetzt  und  von  da 
aus  absinkt;  darum  fehlen  auch  B  und  C  in  IL  In  I  spielen 
sie  gleichfalls  keine  rolle;  pormoör  zieht  es  vielmehr  wie  alle 
vor,  die  dr6ttkv;ettzeilen  mit  einer  hebung  zu  beginnen.  Am 
stärksten  kommt  diese  neigung  in  der  ersten  zeile  der  stroi»he 
zum  ausdruck,  für  die  B  und  C  offenbar  vollständig  verpönt 
waren.  —  Insgesammt  sind  belegt:  typus  B  Im.  (d.i.  für  I 
[156]  0,64  proc),  typus  C  5  m.  (=  für  I  3, 2  proc),  typus  D  nur 
4  m.  =  mit  ca.  2,56  proc.  in  I,  dagegen  43  m.  =  mit  27, 6  proc. 
in  II.  —  EtAvas  weniger  charakteristisch  ist  das  verteilungs^ 
Verhältnis  beim  typus  E:  25  m.  in  I  (16  proc.  aller  I),  aber  42  m. 
in  II  (=  27  proc);  von  jenen  25  E  in  I  sind  aber  15  E^!  — 
Die  weitaus  grösste  masse  sowol  für  I  wie  für  II  liefert  A 
mit  seinen  untertypen:  in  1  120  belege  (=76,9  proc.  aller  I), 
in  II  72  (=  46, 1  proc.  aller  II). 

begegnet  in  I  61m.,  in  11  37m.  —  Belege:  2,7.  3,5.  4,1.  2.  5,5.  6.  8. 
6,3.8.  7,1.6.7.  8,1.3.  9,1.5.6.  10,3.  11,2.3.6.7.  12,3.6.7.8. 
13, 3.  7.  15, 1.  3.  6.  7.  16, 3.  4.  6.  7.  17, 1.  5.  18, 6.  7.  19, 2.  5.  20, 1.  3. 
5.  8.  21, 1.  3.  23, 1.  5.  7.  25. 1.  27,  7.  28, 1.  4.  6.  7.  29,  3.  6.  30,  2.  4. 
31,  2.  3.  5.  32,  3.  6.  7.  8.  33,  2.  3.  5.  6.  7.  34,  1.  2.  3.  5.  7,  35,  2.  5.  8. 
36, 1.  3.  6.  39,  6.  40..  5.  6.  41,  4.  5.  6.  43,  1.  2.  3.  5.  6.  7.  8.  44,  7.  — 
Das  viergliedrige  vorderstück  von  II  weist  auf:  a)  2  ra.  dreisilbiges  +  ein- 


*)  C*  ist  wegen  der  geringen  stärke  der  zweiten  hebung  in  C  von 
selbst  ausgeschlossen. 


374  GAERTNER 

silbiffem  wort:  in  16,  i  chjlgjnsamt  at  fylgja  mii  Si,  2  (ioidarl/gt)  d  siaifh'; 
b)  3  ni.  zweisilbiges  +  zweisilbigem  wort,  iu  11,2  parfan  Härars  arfa, 
12,  8  djarfra  Häcars  arfi,  20,  8  (jräöwjs  üra  (bädum)  gegenüber  nur  2  be- 
legen in  I  (36,  3  shjlthit  skelkmr  hoWar  und  -±3, 1).  —  4  einsilbige  wovte 
weisen  auf  in  I  13  zeilen :  2,  7  hann  varÖ  hopp  at  rinna,  6,  3.  12,  7.  15, 1.  3. 

17.5.  18,7.  20,1.  23,1.  31,3.  33,7.  43,3.5;  —  in  n  12  zeilen:  9,6  })rü<ir 
Mnn  mart  en  prüda,  ferner  11,  6.  18,  6.   28,  i.  29, 6.  30, 2.   33, 2.  6.   35, 8. 

40.6.  41,4.  43,2.  —  Das  erste  und  dritte  glied  wird  in  7  von  den  12  bei- 
spielen  in  II  (=  58,  3  proc.)  durch  je  ein  nomen  gebildet  (vgl.  9,  6  prüdr 
Jainn  mart  ...,  ferner  11,6.  28,4.  30,4.  33,6.  40,6.  41,4;  in  den  übrigen 
durch  nomen  -|-  adverbialpartikel  (vgl.  29,  6  rehlcr  Iczk  ei  miJc  peJckja,  33,  2) 
oder  prononien  (vgl.  35,  8  hdd,  ef  ek  iiiä  ralda,  18,  6.  43,  2).  In  I  findet 
sich  au  erster  und  dritter  stelle  iu  obigen  13  zeilen:  a)  nomina  7m.  = 
53,  8  proc.  (6,3  hrutt  gut  hrafn  at  slita,   12,7.   15,1.3.   17,5.  31,3.  33,7); 

—  b)  nomen  und  pronomen  4  m.  (vgl.  2,  7  liann  vard  MPP  «^  vinna,  18, 7. 
23,1.  43,5);  —  c)  nomen  und  adverb  Im.  (43,3  für  verör  fagr  af  särum) ; 

—  d)  nomen  und  verb  1  m.  (20, 1  Flestr  of  ser  hcc  fasta). 

Die  Stellung  der  alliteration  und  der  hendingar  in  Ai  ist  für  II  folgende: 
die  erste  hebuug  (=  silbe)  trägt,  wie  in  allen  II,  den  hofuöstafr,  während 
die  erste  und  dritte  haupttouige  silbe  die  hendingar  enthalten.  —  Bezeichnen 
wir  im  folgenden  die  drei  für  die  alliteration  in  betracht  kommenden  he- 
bungen  mit  a,  b,  c  und  die  die  hendingar  enthaltenden  tousilbeu  (bez. 
nebentonsilben)  mit  a,  ß,  y  (bez.  n),  so  ergibt  sich  z.  b.  als  reiraschema, 
d.  h.  als  Schema  für  die  Stellung  von  alliteration  und  hending,  für  A,  in  II 
a  —  ay  (vgl.  9,6  prüdr  kann  mari  en  prüda);  aiTsnahmen  (mit  dem  Schema 
a  —  ßy)  bilden  nur  1Q,Q)  pau  'ro  ord  komiii  norhan,  ^3,2  par  laut  harÖr 
tu  jardar,  F  36,  6  seggr  skijli  orÖ  nm  fordask. 

In  I  ist  das  reimschema  ab  —  ay  (vgl.  11,  3  hlyra  hrafns,  med  geiri) 
50  ni.  vertreten,  das  schema  ac  —  ßy  4  m.  (vgl.  16,  7  handar  grjöts  frä  hreyti, 
ferner  21, 1.  27,  7.  28,  7).  —  das  Schema  ac  —  ay  7  m.  (vgl.  8, 1  Hrundar 
herk  ä  hendi,  ferner  9, 1.  20, 1.  [3].  31,  5.  36, 1.  42,  5). 

a)  In  I  steht  im  eingange  ein  zweisilbiges  wort  12  m.  (11  m.  ein 
nomen,  1  m.  ein  pronomen)  =  33, 3  proc. ;  in  II  auch  nur  12  m.  =  19. 8  proc. ; 

—  h)  I  enthält  31  zeilen  mit  zweisilbigem  worte  an  dritter  stelle,  d.  i. 
50  proc,  denen  II  nur  3  (vgl.  19,  2  läir  pats  Fäfnir  ätti,  ferner  5,  S.  33,  5 
entgegenzustellen  hat,  d.i.  8, Iproc^) 

Die  in  a)  auftretenden  Schemata  sind:  a)  für  I  1)  ac  — (.7=  7  m.,  vgl. 
8, 1  Hrundar  ber'k  ä  hendi  (das  überwiegen  dieser  Stellung  der  stäbe  und 
hendingar  erklärt  sich  daraus,  dass  in  6  der  7  fälle  die  zweite  hebung 
durch  ein  verb.  finit.  oder  (1  m.  41,  5  rcdu  par  und  raxidar)  tonschwaches 
pron.  gebildet  wird;  nur  1  m.  steht  in  alliterations-  und  hendingloser 
zweiter  hebung  ein  nomen:  20,3  hädar  hendr  6r  breidwn;  diese  zeile  ist 


')  Beliebt  zur  ausfüllung  der  ersteu  Senkung  ist  hier,  wie  auch  in 
den  Zeilen  mit  4  einsilbigen  werten  als  ersten  gliedern,  das  verb.  finit.  (ein- 
schl. hilfszeitwort),  es  ist  14  bez.  13  m.  belegt:  ein  zeichen  für  die  geringe 
tonstärke  dieser  wortgattung. 


ZUR  FÜSTBRCEDRASAGA.  375 

als  incorrect  zu  bezeichnen,  da  alle  übrigen  hierhergehörigen  A,,  mit  ein- 
silbigem nomeu  an  dritter  stelle,  tatsächlich  das  Schema  ab  —  «}'  (vgl.  11,3 
hlyra  Jirafiis,  med  geiri,  23,7  etc.)  oder  ac  — ;>'}-  (vgl.  27,7  iiadda  bori)a pr/'t 
Nirdi,  28,7  etc.)  haben,  i)  —  ^i)  für  II  1)  a  — «y  =  8  m.  (das  die  zweite 
hebuug  bildende  alliterations-  und  heudiuglose  glied  ist  2  m.  verbum  linituni 
und  1  m.  pronomen);  —  2)  a  —  ßy  ■-=  4  m.  (das  die  frumhending  tragende 
glied  ist  stets  nomen). 

A« 

ist  der  iu  I  am  häutigsten  belegte  typus  neben  A, ,  nämlich  55  m.,  d.i. 
35,9procent.  —  Belege  für  A^:  2,1.  5.  3,3.  7,  4,3.  5,1.  7.  6,1.  5.  7. 
7,3.  8,5.  9,3.7.  10,1.7.  11,1.  13,7.  14,1.5.  16,1.  18,1.5.  19,3. 
20,  7.  22,  1.  25,3.  5.  7.  27,  3.  28,  3.  5.  29,  1.  5.  7.  30,1.  3.  31,1.  7. 
35,1.3.7.  36,5.  39,1.5.7.  40,3.7.  41,3.7.  42,1.3.  44,1.3.5.— 
Besonders  beliebt  scheint  A3  im  ersten  visuorö  gewesen  zu  sein,  da  von  35 
Stropheneingängen  allein  15  diesem  typus  angehören  (von  den  vermutlich 
echten  12  Strophen  der  drapa:  2.  3.  5.  6.  7.  10.  13.  14.  15.  16.  17.  18 
allein  8).  —  Da  bei  drei  nominibus  in  I  jedes  derselben  entweder  am  stab- 
oder  binnenreim  beteiligt  sein  muss,  die  Stellung  der  alliteration  iu  A3 
aber  dieselbe  bleibt  (bc),  so  kann  als  schema  für  die  Stellung  von  alliteration 
und  heuding  nur  bc  —  ay  auftreten,  belegt  37  m.  =  66  proc.  der  A^  (vgl. 
z.  b.  2,  1  Siarf  höfsk  xijjp  pas  arfa  etc.  —  Besteht  jedoch  das  die  erste 
hebuug  tragende  glied  nur  aus  einem  relativ  tonschwachen  wort  (verb. 
tinit.  oder  pron.)  so  erscheint  das  schema  bc  —  ßy  (19  m.  =  33  proc.  der  A»; 
vgl.  4, 3  oft  flygr  grünn  frd  gunni  oder  9,  3  mir  harsk  döms  i  dranma 
oder  28, 5  burgumk,  längs  pvit  lengra).  —  Eeimloses  nomen  in  erster 
hebung  haben  nur  10, 1  {Hüs),  35,  3  {hnd),  42,  7  (reyitdr),  die  übrigen  14 
A3  mit  dem  schema  bc  —  ßy  haben  in  der  ersten  hebuug  entweder  verb. 
tinit.  =  5  m.  (vgl.  9, 7  liknumk,  28,  5  hurgmnk,  30, 1  Matkak,  F  36,  5  himmk, 
44, 1  emka)  oder  partikel  =  5  m.  {oft  4,  3.  13,  7,  enn  6,  5,  noergi  8,  5,  pur 
18,  5)  oder  pronomina  {mir  9,  3,  p)ä  19,  3,  pir  39, 1,  Ijat  44,  5).  —  Da  bei 
zwei  nominibus  iu  zweiter  und  dritter  hebung  beide  sowol  alliteration  wie 
hending  tragen,  wird  man  41,3  par  gekk  hära  hjgrva  mit  anscheinend 
dreifacher  hending  r  zu  bc— /?/ rechneu,  dagegen  10,7  Iciks)  liefk  sUkt  frä 
sceki  wol  besser  zu  bc  —  ay.  Von  37  belegen  dieser  scheraas  zeigen  25, 
d.i.  67, 6  proc,  ein  durch  hending  ausgezeichnetes  nomen  an  erster  stelle; 
die  übrigen  zwölf  7  m.  ein  verl).  finit.  (18, 1  oUi,  25,  7  veitli,  29, 1  strcngdi, 
31,1  Skoptak,  31,7  setti,  35,1  Brennum,  39,7  sPpidum),  4  m.  eine  adv. 
Partikel  (29,  5.  40,  7  ncer,  25,  5  Ggrr,  39,  5  Brott),  1  m.  kann.  Es  ist  be- 
merkenswert, dass  in  50  proc.  dieser  12  fälle  die  den  ersten  stab  tragende 
zweite  hebung  der  zeile  ebenfalls  durch  ein  relativ  tonschAvaches  wort  ge- 
bildet wird,  das  offenbar  ungeeignet  schien,  noch  die  frumhending  aufzu.- 
nehmen  (vgl.  25,  7  oss,  29, 1  pess,  31, 1  enn,  39,  7  är,  25,  5  hiii,  36,  5  vir). 
Das  viergliedrige  vorderstück  der  55  A3  wird  gebildet:  34  m.  durch 


*)  ^&1-  jedoch  die  lesart  der  zeile  in  lOs  (s.  oben  s.  370,  anm.)  bäöar 
hendr  6r  brendom,  mit  normalem  schema  ab  —  ßy. 


376  GAERTNER 

vier  einsilbige  Wörter  (23  nach  dem  Schema  bc  —  «}',  11  nach  bc  —  ßy), 
13  m.  von  einem  zweigliedrigen  +  zwei  je  eingliedrigen,  und  8  m.  von  je 
zwei  eingliedrigen  +  einem  zweigliedrigen  worte.  —  Erwähnenswert  ist 
jedenfalls,  dass  danach  bei  60  proc.  aller  A3  das  vorderstück  durch  vier 
einsilbige  worte  gefüllt  ist  (bei  Ai  nur  in  34,7  proc.)  und  dass  in  allen 
den  42  A'"*,  in  denen  die  erste  hebung  durch  ein  einsilbiges  wort  gebildet 
wird,  die  nachfolgende  Senkung  ein  verb.  fiuit.  (einschl.  hilfsverb)  enthält. 

ist  avif  II  beschränkt,  wo  es  33m.  (d.i.  21,15  proc.  aller  II)  belegt i)  ist. 
Belege:  2,4.  3,2.8.  4,8.  5,4.  7,2.4.  8,4.  10,4.8.  14,2.6.  15,2. 
17, 8.  18, 2.  21, 4.  22, 4.  8.  23,  4.  8.  25,  6.  27,  8.  30,  8.  31,  6.  32,  2. 
33,  4.  33,  8.  34,  6.  36,  6.  39,  2.  8.  42, 2.  44,  2.  —  Die  bei  A^k  möglichen 
Schemata  für  die  Stellung  von  alliteration  und  hending  können  nur  sein: 
1)  a  —  ay  (vgl.  5,  4  rögsmenn  saman  gnuga):  —  2)  a  —  ny,  vgl.  2,  4  hug- 
snjallr  —  Klocings  falla  (die  frumhending  steht  in  der  nebentonigen  Senkung), 
da  der  hofuöstafr  nur  die  erste  hebung  trifft  und  die  zweite  verkürzte 
hebung  aöalhending  nicht  bilden  kann.  Schema  a  —  c.y  ist  14  m.,  schema 
a  —  ny  19  m.  belegt. 

In  26  der  Ask  werden  die  ersten  beiden  glieder  durch  ein  compositum 
der  form  —  -1  gebildet  und  nur  in  6  fällen  von  zwei  einsilbigen  Worten 
(4,  8  pess  r/g.%  14,  2  ßri  ncest,  21,  4  hrert  land,  23,  8  miit  starf,  32, 2  ßm's 
oft,  42,2  o5  framm,  44,2  rcebr  grann),  von  denen  das  zweite  sich  meist 
syntaktisch  eng  an  das  vorhergehende  anschliesst. 

Die  nebentonige  Senkung  kann,  wie  das  14  m.  belegte  Schema  a  —  ay 
(vgl.  z.  b.  3,  2  Ingolfs  sonar  (pingat)  beweist,  der  hending  entbehren,  wenn 
sie  auf  relativ  schwachtonige  versglieder,  meist  ableitungssilben,  zu  stehen 
kam:  3,2  Ingolfs,  8,4  siMings,  10,4  Hcekih,  10,8  sannspiirt,  22,8  ßri- 
tegr,  27,  8  ncetthigs.  —  Steht  an  zweiter  stelle  dagegen  ein  selbständiges 
wort  oder  compositionsglied ,  so  trägt  dieses  stets  die  frumhending: 
4, 8  pess  vigs  ( :  st/ga),  21,  4  hreri  land  ( :  hranda),  44, 2  rcEÖr  grann 
{•.mannt),  2,4  hug-snjallr  (:  falla),  7,2  svip-runnr  (:  gunnar),  7,4  tind- 
linns  ( :  sinnum),  18, 2  fhig-iraitdr  (  :  dauöa),  39,  2  all-valdr  (  :  sJcaldum), 
36,6  ral-tafn  (•.hrafni);  —  vgl.  dazu  noch  die  namensformen  wie  33,8 
Fal-geirr  ( :  peira),  3,  8  Porbrandr  (  :  vandar),  17,  8  I^orgeirr  ( :  einnn), 
30,  8  Porgeirs  ( :  flei7i). 

A,l 
ist  nur  zweimal  einwandsfrei  belegt:  in  15,8  erring  feil  ä  Jcnerri  und  34, 4 
Gr(enlendingwn  brendan.  —  Einen  dritten  beleg  würde  35,  2  mit  der  lesart 
Hkr,  hüs  (vgl.  oben  s.  340  f.)  bieten :  Inn-ey  pau's  rer  ftmmm ;  die  lesart  der 
Fms  (DKL)  etc.  (vgl.  a.a.O.):  Inni pau's  ver  finnum  aber  ermöglicht  die 
Überführung  von  35,  2  nach  Aj. 

Aab, 
d.  h.  A  mit  nebenton  in  zweiter  Senkung,  ist  nur  4  m.,  d.  i.  in  2,56  proc.  ver- 
treten :  vgl.  16, 5  (pcegs)  frak  I->orgeir  eigu,  32,  5  kann  he  fr  Imnds  rerk  unnit, 

Vgl.  dazu  noch  s.  377. 


ZUR  FüSTBRffiDRASAGA.  377 

ferner  33, 1.  -it,  1.  —  Auch  hier  wird  die  erste  Senkung  (wie  überall  in  A») 
durch  ein  verb.  finit.  gebildet,  dem  in  erster  hebung  nomiua  (bez.  pro- 
nomina,  vgl.  32,  5)  mit  stab  und  oddhending  vorausgehen.  Das  reimsciiema 
ist  ab  —  ay. 

B 
ist  nur  durch   10,5  rarö  (eg(/ja)  par  pn'ggja  einigermassen  sicher  belegt; 
—  17,  7  {a()r  fräyum)  par  (peira)  und  40, 1  A  sei;  at  ver  vörinn  dagegen 
gehören  eher  zu  E'  (vgl.  unten). 

C 

ist  im.  sicher  belegt:  a)  3m.  Cj,  mit  dem  normalen  schema  ac  —  ßy  (vgl. 
15,5  (ädr)  sigrei/nir  s/iium,  ferner  17,3.  F3G,7);  erste  +  zweite  hebung  werden 
durch  ein  compositum  gebildet,  dessen  starktoniger,  erster  teil  die  allitera- 
tion,  dessen  schwächer  betonter  zweiter  teil  die  frumhending  trägt;  — 
b)  Im.  C3  27,5  ef  hreggboöa  hoygnt,  hier  steht  jedoch,  weil  die  zweite 
hebung  kurz  ist,  die  hending  in  der  ersten  hebung.  —  Zu  Ci  wird,  wegen 
der  Stellung  der  Stäbe,  noch  zu  rechnen  sein:  18,3  sä  vas  rakjandi  enn 
riki,  mit  zweisilbiger  eingangssenkung  und  verschleifbarer  zweiter  Senkung. 

D 

kommt  nur  4  m.  in  I,  aber  43  m.  in  II  vor  und  zwar  in  allen  seinen 
Unterarten : 

1.  Dl  kann  als  gesichert  gelten:  a)  in  4,6  margrjoöanda  pjööur, 
ferner  6,6.  8,7,  11,8.  36,2,  avo  die  ersten  4  glieder  der  zeile  durch  ein 
compositum  von  der  form  _L|-!--!-x  gebildet  werden;  —  b)  in  4,4  gjuör  — 
ButraUa  hlöbum,  ferner  8,6.  9,4.  13,8.  21,2.  29,4.  42,8,  wo  es  sich  um 
zwei  nomina  von  der  form  -!-j-!-Ax  handelt;  —  mit  einiger  Wahrschein- 
lichkeit gehört  ferner  noch  c)  hierher:  2,6  haf-stöÖs  pas  vas  Modi. 

Die  reim,stellung  scheint  streng  geregelt  zu  sein.  Die  beispiele  unter 
a)  desgl.  noch  2,  6  haben  das  schema  a  —  ßy,  d.  h.  die  frumhending  trifft 
die  Stammsilbe  des  zweiten  gliedes  des  viersilbigen  noniinalcompositums. 
Von  den  7  Di  unter  b)  haben  6  das  schema  a  —  ay;  nur  in  21,2  (!)  Iiafs 
soekjandi  ef  Uelcir  ist  das  zunächst  mit  hreins  z.  3  zusammengehörige  sak- 
jandi  am  binnenreime  beteiligt. 

2.  a)  D2  ist  nur  2m.  sicher  belegt:  in  23,3  svara)-  höglega  hrerju 
und  41,  7  fehle  henpiöurr  blakkun,  beide  Zeilen  mit  alliteration  der  hebungen 
2  und  3,  also  gleichzeitig  dem  typus  D'  angehörend;  —  b)  in  9  fällen: 
2,8  hvettr  —  fimtian  retra,  3,4  vald  alfgöurs  ijalda,  6,4/io/(?)  Müsstjni  goldü, 
17,  4  sverö  aldrigi  verÖa,  18,  4  reggs)  prettkm  seggja,  19,  4  merkr  friir^duns 
vänir,  20,  4  harbs pjodkonungs  gardi,  22,  6  morö)  rarliga  oröinn,  28,  Speim 
aldrlili  seima,  kommt  A^k  el)enfalls  kaum  in  frage. 

Die  verkürzte  nebentonige  Senkung  gehört  6  m.  einem  nominal-,  2  ra. 
(2,  8.  18, 4)  einem  numeralcompositum  an  und  2  m.  adverbien  (17,  4.  22,  6). 
8  der  unter  b)  augeführten  9  visuorö  haben  das  schema  a  —  uy;  eine  aus- 
nähme macht  nur  19, 4  merkr  frnncthms  vänir  mit  dem  schema  a  —  ßy 
für  D,. 


378  GAERTNER 

Auf  die  scliwierigkeit  der  Scheidung  zwischeu  D^  und  E,  ist  schon 
s.  3G9  hingewiesen  worden.  Auf  grund  der  natürlichen  satzhindung  rechne 
ich  zu  Di  23  verse,  von  denen  21  auf  II  (vgl.  2,2  uuöreitir  let  dauöan, 
G,  2.  8,2.  9,2  {ey-Draupnis)  (jafk  meyjv,  11,4  hapjjaudigr  reo  dmiDa,  13,4 
hj(^rdjarfan  nam  fjgrvi,  14,  8  fullmoili,  red  kein,  IG,  2  folkbeüir  skal  veita, 
17,6  mülsnjallr  es  let  falla,  18,8.  19,8.  20,2  fagrhknar  hefk  tüna,  20,6 
imgr,  ßeim  es  bregÖr  hungri  [A?],  22,2  ona  hjaltaty  fjönir,  23,6.  25,2. 
27, 2  oft  finniimk  pess  minni,  29,  2  parflyndr,  ef  mik  fyndi,  31,  8  gunnfjön 
[vtd  vier  sjönir,  42,  8  fleindrifu)  ser  hltfa,  43,  4  fannk  grva  drif,  svanni), 
und  2  auf  I  (vgl.  21,1  ^grcendi  treÖsk  undir,  30,5  gnypolli  leVk  gjaUa) 
kommen.  —  27, 1  und  30,  5  sind  neben  8,  7  ummjsandi  ossa  =  D,  und 
23,2.  42,7  =  Da^  (vgl.  s.  377)  die  einzigen  belege  für  D  in  I;  sie  haben 
beide  das  Schema  ac  —  ßy.  Dass  die  nebentonige  Senkung  keine  hending 
hat,  ist  erklärlich,  da  sie  auf  verb.  finit.  ruht. 

Ganz  denselben  auf  bau  zeigen  in  II  19,8  (sliks)  rettar  skaJk  vcktta, 
ferner  11,4.  14,8.  16,2.  17,6.  20,2.  In  31,  8  gunnfjön  (viö  nur  sjönir)  wnCi 
29,  2  parflyndr,  ef  mik  fyndi  (in  beiden  nur  ein  zweigliedriges  compositum 
an  erster  stelle)  und  in  42, 8  fleindrifu)  ser  hlifa  jedoch  steht  statt  des 
verb.  finit.  (vor  dem  von  diesem  abhängigen  und  den  schlussfuss  bildenden 
Infinitiv:  uomina  haben  nur  11,4  [dauöa],  20,2  [tüna])  ein  an  das  folgende 
nomen  (vgl.  31,  8)  bez.  verb.  infinit,  (vgl.  42,  8)  oder  verb.  finit.  (vgl.  29,  2) 
sich  eng  anschliessendes  pronomen.  —  In  2, 2  audveittr  let  dauöan,  ferner 
in  9,2.  12,2.  13,4.  20,6  erscheint  dagegen  das  schema  a  —  ay;  das  die 
zweite  hebuug  tragende  nomen  ist  darin  von  der  hending  ausgeschlossen. 
Gründe  hierfür  lassen  sich  kaum  angeben,  ausser  bei  20,6  migr,  peim  es 
bregör  hungri,  wo  das  zweite  ein  relativ  nur  schwachtoniges  pronomen  ist. 
9, 2,  12,  2.  20, 6  gehören  zweifelhaften  Strophen  an. 

Ueber  die  silbenzahl  der  die  viergliedrigen  vorderstücke  der  D  füllenden 
Wörter  gibt  folgende  tabelle  aufschluss: 

Dl  Do  D,3  D, 

14-1  +  1  +  1  —  —  —  1 

1  +  1  +  2  1  —  —  — 
1+2  +  1  —  —  —  8 

2  +  1  +  1  1  —  —  3 
1+3  7921 

3  +  1  _  _  _  8 

4  5  _  _  _ 

E 

ist  nach  A  (192  m.  =  61, 5  proc.  aller  verse)  am  zahlreichsten  vertreten, 
nämlich  67  m.  =  21, 4  proc.  Die  hauptmasse  der  belege  findet  sich  in  11 
(E,  3,  6.  5,  2.  7,  8.  8,  8.  9,  8.  10,  2.  6.  12,  2.  4.  13,  2.  6.  14,  4.  15,  4.  16,  8. 
17, 2.  19,  6.  20, 2.  23,  2.  25, 4.  8.  27,  4.  6.  28,  2.  30,  6.  31, 4.  32,  4.  34,  8. 
35,4.6.  36,4.8  viggrudr)  eöa  her  liggjum,  39,4.  39,8.  40,2.4.8.  41,2. 
42,  4.  G.    44,  4.  6.  8)  =  42,  in  I  nur  10  m.  (a)  Ei  2,  3  hestrennir  vas  hlunna, 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  379 

3,1  AldrspcUi  kvcd'k  oUu,  5;  3.  7,5  SJnrolnnim  rcÖ  sojJcir,  13,5  öfeigum 
varÖ  eijii,  14,  3  scr's  eiyi  sa  fa'vi,  li),  1  Loftinuin  (jaft  lenyi,  39,  5  Bikr, 
vilk  med  per,  rtckir,  36,7  viksk  cigi  pal  rüfja,  42.5  Elpollu  mk,  alla;  — 
b)  E-  4,5  pött  kuiDii  mitn  minni,  4,7.  11,5.  12,1.  5.  13,1.  17,7.  19,7. 
22,  3.  5.  7.   30,  7.   32, 1.    39,  3.    40, 1). 

Zu  El  lassen  sich  mit  Sicherheit  rechueu:  in  II: 

1)  15  Zeilen  (wie  5,  2  loidlinns]  pas  svik  vinna,  ferner  7,  8.  10,  2.  G. 
13,  2.  6.  14,  4.  15,  4.  17,  2.  23,  2.  27,  4.  32,  4.  35,  4.  39,  4.  42,  6),  in  denen  im 
eingange  ein  zweisilbiges  nomen  (meist  compositum)  steht,  dessen  erstes 
glied  den  hofuöstafr  trägt  (8  m.  zugleich  die  oddhending  7,  8.  10,  2.  13,  6. 
14, 4.  23,  2.  32,  4.  35,  4.  42,  6),  und  dessen  zweites  glied  (7  m.  die  frum- 
hendiug  enthaltend:  5,2.  10,6.  13,2.  15,4.  17,2.  27,4.  39,4)  einen  starken 
rhythmischen  nebenton  tragen  kann  und  deren  viertes  glied  widerum  durch 
ein  nomen  gebildet  wird.  Dieses  ist  entweder  a)  ein  nomen  mit  kurzem 
stamniTocal :  5,  2  svik,  7,  8  Iiaf,  10,  2  sti/r,  10,  6  hrpt,  13,  2  und  14,  4  liö, 
li),iprek,  11,2  prot,  35,4  und  42,6  (jravi;  —  oder  b)  ein  nomen  mit 
langem,  aber  auslautendem  vocal :  13,  6  fjny,  23,  2  und  39,  4  kne,  27,  4  strä 
(vgl.  Craigie,  Ark.  16, 343  ff.). 

2.   5  Zeilen  (wie   12, 4  hjprgaldrs  med  liogncaldt,   25, 8    ormstorg)  i 
skjaldborgu,  F  36,  8  gunnreifr  med  Äleifi,  ferner  40,  2.  41,  2),  d.  h.  verse,  in 
denen  die  zweite  hebung  von  dem   ersten  gliede  eines  dreisilbigen  com- 
positums  getragen  wird,  das  gleichzeitig  den  schlussfuss  —  x  liefert. 
Zur  masse  der  weniger  gesicherten  Ei  gehören: 

a)  7  visuorö  (8,8  ürkgndils!  mü'k  sunt,  20,2  fagrhunar  hef'k  täna, 
28,2  elhgrvar  mik  ggrca,  35,6  Innprcendir  kol  sinna,  40,8  grvendan  mik 
ggi-ran,  44, 4  fenst/'gi  vier  benja,  44, 6  marglöÖar,  nü,  iroÖa)  mit  drei- 
gliedrigem eingaug.sglied  (das  durchgehends  ein  dreigliedriges  compositum 
ist,  dessen  erster  teil  4m.  [8,8.  35,6.  40,8.  44,4]  auch  die  oddhending 
enthält);  —  b)  8  visuorÖ  (3.6  fjgrtjön  ras  put  Ijöna,  9,8  hritings)  ä  mir 
vitl,  12,  2  skeleggr  (cnn  pat  teljum),  19,  6  viölcndr  frä  per  siÖarr,  25,  4 
hhinnjös)  an  rer,  kunna,  34,  8  höggru-ddr,  nema  mcr  logt,  36,  4  skalmgld 
vex  nü  —  falma,  36, 8  viggruÖr)  eÖa  her  liggjum)  mit  zweigliedrigem 
compositum  im  eingang,  dessen  er-stes  glied  ebenfalls  7  m.  (in  9,8.  12,2. 
19,6.  25,4.  34,8.  36,4.  36,8)  zugleich  die  oddhending  enthält;  —  c)  3  vi- 
suorö (31,  4  hans  rassa  klöf  ganÖi,  42,  4  stgÖum,  kvaddisk  liö  bgörar,  44,  8 
Dags  hriöar  spor  scida)  mit  eingliedrigem  eiugangswort,  dem  jedoch  ein 
die  nebentonige  Senkung  enthaltendes  zweigliedriges  compositum  folgt;  — 
d)  4  visuorö  (16, 8  hug  pamis  cid  mun  brugdit,  27,  6  hef'k  cart  i  skgr 
svaHa,  30,  6  {ggrt  hef'k  fyr  mik)  svgrtum,  40,  4  hvit  brüdr.  ok  friÖ  litinn) 
mit  vier  einsilbigen  Wörtern  im  vorderstück,  von  denen  das  erste  nur  in 
27,  6  Qief'k  vart  :  svarta)  hendinglos  blieb. 

Die  unter  a)  (mit  ausnähme  von  35, 6  Innprwndir  kol  sinna)  und 
unter  b)  angeführten  belege,  dazu  noch  30,  6  {ggi't  hef'k  fyr  mik)  scgrtum 
aus  gruppe  d)  stimmen  darin  überein,  dass  ihre  zweite  hebung  von  einem 
relativ  tunschwachen  wort  (von  einem  prouomen  in  3, 6.  9,  8.  19,  6.  25, 4. 
28,2.  30,6.  34,8.  40,8.  44,  4  —  einem  advcrb  in  36,4.  44,  6  [jmj,  36, 8  [/(er] 

Beitrage  zur  gcscliichtc  der  deutschen  spräche.     XXXII.  25 


380  GAERTNER 

—  einem  verb.  finit.  in  S,8[mal-],  20,  2  [heflc])  gebildet  wird,  das  jedoch 
mit  dem  folgenden  wort  in  keinem  engeren  syntaktischen  zusammenhange 
steht;  es  erscheint  also  vor  dem  5.  gliede  eine  art  syntaktischen  bruches, 
und  es  ist  damit  'gelegenheit  ziir  bildung  einer  pause'  gegeben  (vgl. 
Sievers,  Altgerm,  nietrik  s.  105). 

Zu  E,  gehören  in  I: 

1.  mit  Sicherheit:  3  visuorö  (5,3  rjäÖanäa  nuut'k  räÖa,  14,3  sers  eigi 
sä  fceri,  39,  5  Bikr,  villi  meÖ  per,  raekir) ;  —  2.  weniger  sicher :  7  visuorö 
(2,  3  hestrennir  vas  hlunna,  3, 1  AldrspelU  hveÖ'k  ollu,  7,  5  Sjäroknum  reo 
scekir,  13, 5  öfeigum  varÖ  eigi,  19, 1  Loftungu  gaft  lengi,  36,  7  {oiksk  eigi 
pat)  räga,  42,  5  ElpoUa  sä'k  alla)  mit  dreigliedrigem  compositum  im  ein- 
gange (ausgenommen  36,  7)  und  hendingloser  zweiter  hebung,  die  6  m.  auf 
verb.  finit.  (bez.  hilfsverb)  und  Im.  auf  einem  pronomen  ruht;  vor  dem 
fünften  gliede  ist  jedoch  widerum  ein  syntaktischer  bruch  zu  constatieren 
(vgl.  oben  s.  379). 

El  hat  in  II:  a)  23  m.  das  reimschema  a  —  ay  (vgl.  7,8  erring)  i  haf 
knerri,  8,  8  ärkyndils)  mä'k  sära,  ferner  9,  8.  10,  2.  12,  2.  13,  6.  14,  4.  16,  8. 
19,  6.  23,  2.  25,  4.  30,  6.  31,  4.  32,  4.  34,  8.  35,  4.  G.  86,  4.  36,  8.  40,  4.  8. 
42,4.  6.  44,4);  —  b)  18  m.  das  Schema  a  —  nj'  (vgl.  3,6  fjorijön  vas  pat 
Ijöna,  5,  2  {undlinns)  pä's  srik  vinna,  10,  6  Porgeirr  ä  Jivgt  meiri,  ferner 
12,  4.  13,  2.  15,  4.  17,  2.  20,  2.  25,  8.  27,  4.  6.  28,  2.  36,  8.  39, 4.  40,  2.  41,  2. 
44,  6.  8);  die  die  frumhendiug  tragende  nebentonige  Senkung  ist  fast  durch- 
weg entweder  a)  die  Stammsilbe  des  zweiten  gliedes  eines  uominalcompo- 
situms  (Yg].  12, 4:  hjprgaldrs  meö  Eggnvaldi,  ferner  3, 6.  5,2.  10,6.  15,4. 
17,2.  20,2.  25,8.  27,4.  28,8.  F  36, 8.  39,4.  40,2.  41,2.  44,6);  —  oder  ß)  ein 
selbständiges  uomen  (vgl.  27,  6  hef'k  rart  i  skor  svarta,  44,  8  Dags  hri- 
öar  . . .  ).  In  der  gruppe  a)  jedoch  werden  in  nicht  weniger  als  9  (von  23) 
fällen  die  hendinglosen  neben tpnigen  Senkungen  entweder  1.  durch  ab- 
leitungssilben  gebildet  (yg].  7,1  erring,  9,8  hritings,  2'6,2  pengill,  32,4 
moiringr,  etc.) ;  —  oder  2.  durch  schwach  tonige  Wörter  (vgl.  16, 8  Jn(g 
panns  . . . ,   30.  6  gort  hefk  . . . ,   42,  4  sigdiim  kraddisk  . . . ). 

Für  E^  (nur  in  I)  sind  gesichert: 
1.   die  Zeilen  11, 5  Dyrr  hefnöi  svä  sära,    12, 1  Njgrdr  gekk  ä  skce 
skorÖu,  ferner  13, 1.  22,3.7.  30,7.  32,1.  39,3  mit  dem  reimschema  hc  —  ay; 

—  2.  [4, 5  pott  kunni  mim  minni,  4,  7  {ne  hnekkik  pvi)  pakhir,  12,  5  Litt 
sparüi  fjgr  fyröa,  *19,  7  edr  Qieldr  nü  sjö  sveldan):  sämmtlich  mit  dem 
reimschema  bc  —  ny  und  einem  verb.  finit.,  das  die  frumhendiug  trägt,  an 
zweiter  stelle.  —  Zweifelhafter  sind  3.  17, 7  {ädr  frägum)  Jxir  (peira), 
22,  5  pö  emk  enn  ok  matik  manna  und  40, 1  A  ser,  at  ver  vgnnn,  weil  das 
tonverhältnis  der  ersten  beiden  glieder  nicht  ohne  weiteres  gegeben  ist. 

—  17,  7.  22,  5.  40, 1  könnten  mit  dem  Schema  bc  —  ßy  auch  dem  typus  B^ 
(vgl.  s. 377)  zugerechnet  werden;  ich  belasse  sie  aber  iiuter  E^,  da  die  im 
eingang  stehenden  partikelu  eines  gewissen  siunesnachdrucks  nicht  ent- 
behren und  40,1,  als  B',  dreifache  hending  auf  r  aufweisen  würde:  A  ser, 
at  ver  vorum. 


ZUR  FÖSTBKCEDRASAGA.  381 

Die  vorstellenden  ausführungen  dürften  gleichzeitig  einiges 
für  die  eclitlieitsfrage  verwertbare  material  zu  tage  gefördert 
haben,  insofern  namentlich  die  Strophen  4.  9.  12.  19.  20.  21.  23 
(vgl.  bes.  s.  309  anm.  375.  377.  378  etc.)  abweiclmngen  von  den 
sonst  bei  porniö(M'  geltenden  regeln  aufweisen. 

Anhangsweise  seien  hier  noch  einige  der  von  Craigie  im 
Ark.  16,  341  ff.  aufgestellten  sätze  an  den  visur  der  Fbr.  geprüft. 

Die  summe  der  1)  und  E  mit  einsilbigem,  starktonigem 
gliede  an  vierter  stelle  beträgt  85.  Ordnen  wir  diese  nach 
der  Verteilung  der  silben  auf  die  ersten  drei  glieder,  so  erhalten 
■\vir  in  der  hauptsache  vier  klassen: 

l.klasse  25  visuorö  nach  dem  Schema  3  +  1  |  I-x 

2.  „       26       „  „        „  „  2  +  1  +  1  l^x 

3.  „       12       „  „        „  „       1  +  1  +  1  +  11  Ix 
^-      „       22       „          „        „          „  1+2  +  11 -ix 

a)  l.klasse.  Von  den  25  zeilen  dieser  klasse  zeigen  nur  3  (10,4.  17,2. 
35,  G)  ein  nomeu  an  vierter  stelle  und  zwar  correct  ein  kurzsilbiges.  17  ni. 
ist  das  vierte  glied  ein  verb,  sowol  «)  ein  kurzsilbiges  (zuweilen  mit  suffi- 
gierten iironominibus :  2,  3  ras,  18,  4  num,  23,  1  sJcal,  3,  1  Jccedk,  9,  2  fjafk, 
20,2  fiefJ:,  19,1  ga/'t),  als  auch  ß)  ein  positionslauges  (13,  5  ra?-^),  y)  ein 
verbum  mit  auslautendem,  langem  vocal  und  brägarmäl:  42,5  sä'k,  8,8 
viah;  6)  ein  verbum  mit  langem  vocal  oder  diphthongen  +  einfachem 
consonauten  (2,  2.  30, 5  let'k,  7,  5.  11,  4.  14,  8  reo,  5,  3  nant'k).  Pronomina 
an  vierter  stelle  sind  ebenso  selten  wie  nomina  (28,  2.  40,  8  mik,  42,  8  sir, 
44,4  mtr)\  von  adverbien  begegnet  nur  im  44,6. 

b)  2.  klasse.  12  der  26  belege  zeigen  nomina  an  vierter  stelle :  8  kurz- 
silbige  (5,  2  srik,  7,  8  haf,  10,  2  stijr,  10,  6  hegt,  13,  2.  14,  4  liö,  35,  4.  42,  6 
gram),  dazu  4  mit  auslautendem,  langem  vocal  (13,  6  gny,  23,  2.  39,  4  kne, 
27,4  strä.  —  Fehlerhaft  wäre  32,  4  y^pr/"  nach  der  lesart  von  Fdeiklm;  man 
hat  also  der  lesart  tu  von  H*R  den  vorzug  zu  geben.  —  Auffällig  ist  in 
klasse  2  die  geringe  zahl  von  verben  an  vierter  stelle:  2  (d.i.  7,7  proc.  : 
68  proc.  in  klasse  1),  2,  6  ras,  17,  6  Ut.  Relativ  häutig  (nämlich  8  m.)  er- 
scheint dafür  ein  prouomen  (9,8.  31,8.  34,8  mir,  3,6.  \2,2  pat,  25,4  vir, 
29, 2  mik,  19,  6y>cv-j;  das  ad  verb  ist  wider  selten:  32,  4  til,  36,  4  nü,  36,8  her. 

c)  3.  klasse.  Sie  weist  nur  12  beispiele  auf,  6  davon  mit  normal  kurz- 
silbigem  nomen  au  vierter  stelle  (13, 1  son,  16,  8.  22,  5  mnn,  22, 3  styr, 
27,  6  skor,  40,  4  friÖ),  dazu  12, 1  skce,  19,  7  sjo.  Von  den  übri'gen  4  haben- 
3  pronomina  (30,6  mik,  39,5  hir,  40,1  vir)  und  nur  20,6  tmgr  peim  es 
hregör  hungri  ein  verbum,  also  ein  weiteres  beispiel  zu  den  von  Craigie 
(Ark.  16,  357)  verzeichneten. 

d)  4.  klasse.  Von  den  22  belegen  haben  8  ein  nomen  als  viertes  glied ; 
u)  kurzsilbige:  4,  5  w»(»,  12,  5 /j'oj-,  18,  8  H  '^^A  ^W,  -12,4  liö,  43,4  ärif, 

25* 


382 


GAERTNER 


44,8  S2)or;  —  /?)  nur  32,1  mit  fe  ein  langsilbiges.  Von  den  übrigen  14 
belegen  zeigen  a)  8  (d.  i.  35  proc.  :  40  proc.  in  klasse  1,  7  proc.  in  2,  0  proc. 
in  3)  adverbia  an  vierter  stelle  (6,  2.  8,  2.  23,  G  ßä,  17,  7  par,  11,  5  sc«, 
22,7.  '60,1  p6);  —  ^)  5  pronomina  {^,7.  25,2  pvi,  21,2  pess,  39,  3  >», 
36,  7  pat);  —  y)  2  verba  (14,  3  sä,  19,  8  shalk). 

Aus  diesen  zusammenstellung'en  g-elit  liervor:  1)  Als  nomina 
an  vierter  stelle  der  D-  und  E-verse  sind  nur  zulässig  solche 
mit  kurzem  vocal  oder  auslautendem,  langem  vocal.  2)  Ad- 
verbia an  vierter  stelle  sind  in  klasse  1.  2.  3  ausserordentlich 
selten,  scheinen  aber  derselben  regel  zu  folgen  wie  die  nomina. 
Dagegen  entziehen  sich  ihr  3.  die  verba.  Wir  finden  als  vierte 
glieder  auch  langsilbige  verba  {vard,  nauü'U).  Es  wird  diese 
erscheinung  zwar  nicht,  wie  Craigie  (a.a.  o.  s.  352)  will,  mit 
absoluter  nachdruckslosigkeit,  aber  doch  mit  dem  geringeren 
nachdruck  der  verba  finita  zusammenhängen. 


E.  Rimarium. 
Die  Zahlenreihe  links  gibt  Strophe  und  zeile,  die 
rechts  seite  und  zeile  in  Fbr.  (99)  an. 


reilie 


and 

3,  8  porbraudr  :  vandar 

20,10 

I.    Aöalhendin 

gar. 

21,4  land  :  branda 

133,8 

afn 

41,  6  randir  :  standa 

123,4 

G,  G  valtafn  :  hrafni  Fbr. 

.(99)120,30 

ann 

agu 

10,  8  sannspurt  :  manna 

55, 17 

43,  G  uiagui  :  gagnum 

146, 13 

43,  4  fann'k  :  svanui 

146, 11 

ald 

44,  2  grann  :  mauni 

124,  22 

2,  4  vald  :  tjalda 

20,6 

arö 

8,  2  bjaldr  :  skjaldi 

41,18 

20,4  barös  :  garöi 

131,  8 

12,  4  hjorgaldrs  :  RQgnvaldi     61, 19 

33,  2  barör  :  jaröar 

118, 15 

25,  2  Baldr  :  skjaldar 

90,10 

arf 

35,  8  kald  :  valda 

120,  2 

11,2  parfan  :  arfa 

58, 17 

39,  2  allvaldr  :  skaldum 

121,8 

12,  8  djarfra  :  ai-fi 

61,  23 

40,6  skald  :  kalda 

122, 21 

23,  8  starf  :  konungdjarfir 

76,26 

alf 

39,  4  pingdjarfr  :  bvarfa 

121, 10 

42,  G  jalfaös  :  sjalfan 

123, 14 

arg 

all 

30,  4  varga  :  marga 

96,9 

2,4  hiigsnjallr  :  falla 

11,13 

arn 

17,  G  nidlsnjallr  :  falla 

73,28 

6,  8  gjarua  :  Bjarua 

34,18 

ahn 

art 

13,  G  alm]7ing  :  nialma 

68,22 

27,6  vart  :  svarta 

94, 27 

36,  4  skalmc^ld  :  faluia 

120, 28 

28,4  mart  :  svarta 

95,11 

All 
31,4  bans  :  gauöi 

101, 27 

ao 
20,  8  gräöugs  :  bäSum 

131, 12 

ZUR  FOSTBKCEDRASAGA. 


383 


73,  2i 
"G.  24 
69,  20 
118.4 


erö 
130,  22        6,  2  gerSisk  :  sverfta 

10,  2  sverftrjöflr  :  geröi 
41,24      17,4  sverös  :  veröa 
72,  1()      34,6  sveröels  :  verfta 

eiT 
130, 20       7,  8  erring-  :  knerri    . 
15,  8  erring  :  knerri 

et 
2,8  hvettr  :  vettra 

ett  :  5?ett 
19,8  rettar  :  vtetta 

36,  8  viggniör  :  liggjum 

ikl 
8,  4  sikliugs  :  mikla 
69,  23      36,  2  orstiklandi  :  iiiiklu 
ild 

94,  29       12,  6  niildr  :  hildi 
146, 15  ing 

3,  2  Ingülfs  :  pingat 
95,28      30,2  hriugs  :  pingi 
41,  4  Hringr  :  pingi 

'^'  "^        5,  2  undliniis  :  vinna 
101,30        7  4  undlinns  :  siunum 
14,4  SA'inngeÖr  :  minna 
133,27       \i^^Q  hinns  :  vinna 

27,  2  finnurak  :  niiuui 
119,  5      32,  6  hvinn  :  vinna 
35,  2  Inni  :  finnum 

95,  26      35^  (3  Innfroendir  :  sinna 
39,  6  linns  :  svinni 

61,17  ., 

6,  6  viggriftandi  :  si?ian 
1-1: -■!      19,6  viMendr  :  siöan 
44.  8  hriöar  :  sviöa 


19,  4  frän-idnns  :  vänir 

är 
8,  8  ärkyndils  :  sära 
15,  6  sär  :  livcärn 

ät 
19.  2  lätr  :  ätti 

17,  2  har?»rpeÖis  :  brsefti 

aend 
23,  6  frsendr  :  vtendir 

;p1 
14,  8  fnllnitrli  :  t?ela 

?er 
32,  4  niferingr  :  va?ri 

sest 
14,  2  nsest  :  sesta 

;ptt 
27,  8  nsettings  :  vastti'k 

43,  8  h?ettlikt  :  vsetti'k 

ef 
29,  8  hefr  :  stefja 

egg 
4,2  hreggs  :  seggjum 
18,4  reggs  :  seggja 
31,6  eggveörs  :  glegguni 

egn 

22,  4  stälregns  :  vegua 

ek 
34,2  ekkils  :  seköu 

ekk 
29,6  rekkr  :  pekkja 

cl 
12,  2  skeleggr  :  teljnm 

en 

44,  4  fen8tigi  :  benja 

end 
34,  4  Groenleudiugum  :  brendau  110, 7  if 

eng  28,  6  -lif  :  drifu 

13,2  snarfengr  :  drengja  68,18      42,  8  fleindrifu  :  hlifa 

1."),  2  strenghreins  :  drengja      72,12  io- 

23,  2  l^engill  :  lengi  76,  20      4^  ^  ^igg  :  stiga 

epp  ik 

27,4  fJQrnepps  :  greppi  94,25      n^g  slikl  :  riki 

er  im 

35, 4  herbjc^rg  :  verja  119,  29      32,  2  liim  :  ürimi 


34,12 
55, 11 
73,  26 
119,9 

37,12 

72,18 

11,17 

130, 26 

121,2 

41,  20 
120,  26 

61,21 

20,4 

96,7 

123,2 

Bl,l 

37,8 

69, 25 

.74,6 

94,  23 

1  IS,  6 

110,27 

110,31 

121, 12 

34, 16 
130,  24 
124, 28 

95,13 
123, 16 

27,21 

58,21 

118,2 


84 

GAERTNER 

in 

und 

l,  8  niiiia  :  ]^ina 

118,8 

31,2 

nndarligt  :  snnde 

101,  25 

is 

nngr 

),  4  dis  :  visur 

51,20 

20,6 

nngr  :  hnngri 

131,10 

it 

unn 

),  8  hvitings  :  viti 

51,24 

7,2 

sviprunnr  :  gunnar 

37,6 

J,  8  ]7iit0gT  :  bita 

133, 29 

8,6 

hlunns  :  runni 

41,22 

),  4  hvit  :  litinn 

122, 19 

25,4 

hh;nnj6s  :  kunna 

90,12 

old 

üö 

),  4  hold  :  goldit 

34,14 

29,6 

iTÜÖr  :  prüöa 

51,22 

orö 

ük 

),  6  orö  :  uoröan 

72,24 

18,8 

nijük  :  li'ikask 

74,8 

>,  6  (F)  raorös  :  oröinn 

133,  29 

ün 

t,  4  hugborö  :  oröi 

76,22 

20,2 

fagrbvinar  :  tüua 

131,6 

i,  6  porör  :  fjoröi 

118, 19 

auö 

;,  6  (F)  orö  :  foröask 

120, 30 

2,2 

auöveitir  :  dauöan 

11,11 

org 

11,4 

happauöigr  :  dauöa 

58,19 

,  8  orms  torg  :  skjaldborg 

u  90,  16 

18,2 

flugtrauör  :  dauÖa 

74,2 

6Ö 

33,  4 

otrauör  :  dauÖa 

118, 17 

,  6  hafstöös  :  MöÖi 

11,15 

auu 

,4  gjöör  :  hlüöum 

27,17 

13,8 

raun  :  launat 

68,24 

,  6  margrjööanda  :  pjööar 

27,19 

eif 

>,  8  flöös  :  gööa 

31,7 

36,  8  (F)  gunnreifr  :  Aleifi 

121,2 

,  2  öö  :  blööi 

123, 10 

40,2  vigreifr  :  Aleifi 

122, 17 

,  6  margloöar  :  troöa 

124,  26 

41,2 

boöreifr  :  Aleifi 

122,  30 

ög 

eik 

,  4  rogsmenu  :  gnöga 

31,3 

43,2 

eik  :  bleikir 

146,9 

,8  höggroeddr  :  lögi 

119, 11 

eim 

ön 

7,6 

sveinia  :  heiman 

37,10 

,  6  fJQrtj6ü  :  Ijöua 

20,8 

28,8 

peim  :  seima 

95,19 

,  2  ön  (V)  :  fjonir 

133, 25 

eir 

,8  gunnfjön  :  sjöuir 

102,2 

10,  6  porgeirr  :  meiri 

55, 15 

6r 

17,  8  porgeir    :  eiruni 

73,  30 

,  4  auöstjori  :  fjörum 

72, 14 

30,  8  porgeirs  :  fieiri 

96,13 

,  8  björ  :  fjörir 

123, 16 

33,  8  Falgeirr  :  peira 

118,21 

tj  +  x 

eit 

,  4  hJQrdjarfan  :  fjorvi 

68,  20 

16,2 

folkbeitir  :  veita 

72,20 

,  6  sonn  :  mQunum 

69,27 

29.  4  heit  :  veiti 

95,24 

,  2  elbQrvar  :  gQrva 

95,9 

ey 

,  6  gQrt  ;  svortnm 

96,11 

9,2 

ey-Draupnis  :  meyju 

51, 18 

,  8  orvendan  :  gorvan 

122,  23 

39,8 

ey-baugs  :  deyja 

121, 14 

,  4  stoöum  :  boövar 

123,  2 

yigj 

«k 

16,4 

dylgjusant  :  fylgja 

72,22 

),  4  Hffikils  :  rceköi 

55, 13 

yrst 

,  2  soekjandi  :  toekir 

133,6 

25,6 

hugdyrstr  :  fyrstum 

90,14 

ug 

ynd 

,  8  liug  :  brugöit 

72,26 

29,2 

parÜyndr  :  fyudi 

95,  22 

ZUR  FOSTBRCEDBASAGA. 


385 


yr 

kn 

5,6  cpsi-dyrs  :  styri 

31,5 

36,  5  (F)  S()kn  :  slo-kni 

120, 29 

11,8  jöstyrandi  :  hlyra 

58,23 

kk 

Aöalhendingar  in  I: 

7,4  linekki  :  |?akkar 

37,8 

2, 1  Starf  :  arfa 

11,10 

41,  7  fekk  :  blakkau 

123, 15 

2,  5  efnd  :  hefudar 

11,14 

ks 

13,5  öfeigum  :  eigi 

68,21 

7, 1  sex  :  faxa 

37,5 

23, 1  f'arfa  :  livarfa 

76,19 

22, 1  sex  :  oxu 

133,24 

28,  3  stäls  :  raäli 

95,10 

1 

30,  3  Baldrs  :  valdit 

96,8 

4,  1  vel  :  telja 

27, 14 

33, 1  follr  :  Trolla 

118,14 

18,  7  nicäl  :  deilask 

74,7 

39,  7  stQndum  :  ondrum 

121,13 

34, 1  eis  :  dila 
36, 1  Äla  :  eli 

119,4 

40,  5  skinn  :  minura 

122, 20 

120,25 

43,  3  fär  :  särum 

146, 10 

Id  :  Ifi 

13,  3  holör  :  deildir 

68,19 

n.   Skot  hendingar. 

18,  5  hjaldrs  :  h()lÖum 

74,5 

dd 

36,3  skyldut  :  holöar 

120, 27 

11, 7  odds  :  soddnsk 

58,22 

Id 

6 

9,  7  heldr  :  Hildi 

51,23 

5,  3  rjööanda  :  räöa 

31,2 

12,3  hjaldrs  :  vildi 

61,18 

20,  3  bäöar  :  breiöum 

131,7 

19,  7  heldr  :  sjaldan 

130,  25 

33,  3  äör  :  hriöar 

118, 16 

20,  5  eld  :  gjalda 

131,9 

39, 1  eör  :  QÖrum 

121,7 

29,  3  hQldr  :  skyldi 

95,  23 

41,  5  reöu  :  raiu^ar 

123, 13 

33,  7  feldr  :  moldar 

118, 20 

44,  1  rjöör  :  rauöiim 

124, 21 

11 

fn 

3, 1  Aldrspelli  :  ollu 

20,3 

8,  5  hrafns  :  lief  na 

41,6 

3, 5  feil  :  stilli 

20,7 

30, 1  hefnö  :  lirafni 

96,6 

7,3  sujallr  :  ollu 

37,7 

ft 
7,  7  oft  :  skiftir 

37,11 

9, 1  nia  :  allar 
14,  1  Gulls  :  ]?olla 

51,17 

69,22 

6,  0  vags  :  vigi 

34,15 

14,5  oll  :  snjalli 

69,  26 

16,  5  pisgs  :  eiga 

72,23 

18, 1  Olli  :  felli 

74,1 

34,  3  geig  :  gervidraugum 

119.6 

25,3  follr  :  hellur 

90,11 

36,  7  eigi  :  väga 

123, 15 

27,  3  oll  :  falliu 

94,24 

RR 

28,  7  svells  :  )7olli 

95, 14 

10,5  eggja  :  Jriggja 

55, 14 

30,5  gnypolli  :  gjalla 

96,10 

27,5  hreggboöa  :  liQggvit 

94,  26 

31,  5  Alla  :  Ulli 

101,28 

k 

42,  5  Elfolla  :  alla 

123, 13 

7,  5  Sjäroknum  :  soekir 
10,7  leiks  :  soeki 

37,9 
55,16 

m 
9,  3  döms  :  drauma 

51,19 

13,7  rik  :  roekir 

68,23 

n 
5,  7  raun  :  fjöna 

31,6 

17, 1  Hauks  :  Irjekja 

73,  23 

15,  5  sigreynir  :  sinum 

72, 15 

18,  3  HJ-kjandi  :  riki 

74,3 

16, 1  Kent  :  fraendum 

72,19 

31,3  hrökr  :  kUfki 

101,  26 

21,  3  hreins  :  minu 

133,7 

39,  5  Rikr  :  ra^kir 

121,11 

nd 

41,  3  rekin  :  Stikla- 

123,  1 

8, 1  Hrundar  :  heudi 

41,17 

43,  5  mik  :  dekkvi 

146, 12 

22, 3  keudr  :  stundum 

133,  26 

386 


GAEKTNER 


27, 1  Orveudi  :  uudir 
28, 1  Unrlr  :  kendu 
39,  7  stoiidum  :  oiidrnm 
43, 1  uiidrask  :  landa 

ng 
8,  3  soiig  :  feugit 
19, 1  Loftiingu  :  lengi 
28,  5  längs  :  leugra 
29, 1  Strengöi  :  pingi 

34,  7  hrings  :  tauga 
P  36,  7  geirpiDgi  :  goiiguiii 

iigr 

35,  7  angr  :  khiiigri 

im 
2,3  hest-rennir  :  lihnma 
2,  7  hanii  :  viuna 
4,3  gräun  :  gunni 

4,  5  knuni  :  niinni 

5,  5  Enn  :  minnaz 

6,  7  hann  :  gunni 
10,3  hinn  :  manna 
17,  3  sviijruuua  :  senuu 

22,  5  enn  :  manna 

23,  7  luinnumk  :  annat 
32,  5  hann  :  uunit 
35, 1  Brenuum  :  innan 

P 
6, 1  Kapp  :  hepni 
20,  7  djüps  :  greipum 
31, 1  Skoptak  :  uppi 
44,  7  djüp  :  väpna 
r 
10, 1  snart  :  Snorra 
11,1  Ar  :  )7Ön 
11,5  Djrr  :  säia 
11,  3  hlyra  :  geiri 
14,  3  ser  :  focri 

vseri 

f>6rir 

lüseri 

i?eira 

:  liveijn 


16,3  dyrr  : 
17,  5  Mär  : 
19,  3  mer  : 
22,  7  Ter  : 
23, 3  svarar 

29,  5  nser  :  ryii 

30,  7  meir  :  )7orna 
32, 1  Er  :  fleira 

32,  8  nier  :  fsera 

33,  5  J?ar  :  fjtjrvi 


94,22 

95,8 

121, 13 

146,  8 

41,19 
130, 19 

95,12 

95,21 
119,10 

121,1 

120, 1 

11,12 

11,16 

'    27,16 

27,18 

31,4 

34,17 

55, 12 

73,25 

133,  28 

76,  25 

118,5 

119,  26 

34,11 

131,9 

101,  24 

124,27  ■ 

55,10 
58,16 
58,20 
58,18 
69,  24 
72,21 
73,  27 
130,  21 
133,  30 
76,  21 
95,25 
96,12 
118,1 
118,  3 
118, 18 


34,  5  sar  :  soeki-tirar 

35,  3  herr  :  hjorvi 
39,  3  nper  :  J>eira 
40, 1  ser  :  värum 
40,7  nperi  :  -ärar 

41, 1  Haraldr  :  berjask 
41,3  f>ar  :  hjorva 
44,5  mer  :  msera 

rö 

12, 1  Njorör 

12,  5  sparfii 

15, 1  StirÖr  : 

19,  5  verör  : 


27,  7  borös 
44,  3  järn  : 


25,  5  Gorr 


42, 1  Ort  :  h 


:  skoröu 

fyröa 

varöa 

:  myröir 

:  NirÖi 

rn 

foiTia 

rr 

harri 

rt 

lijarta 

s 

8,  7  umnysaudi  :  ossa 

35,5  ys  :  husa 

st 
20,  1  flestr  :  fasta 

43,  7  hvast  :  naesta 

str 
42,  7  flestr  :  fastri 

t 
3,  7  litt  :  prsetu 

6,  3  hrätt  :  slita 

13, 1  Gaut  :  SIeitu 

14,  7  fljöts  :  nytir 
15,3  itr  :  heitinu 

15,  7  üt  :  litla 

16,  7  grjöts  :  Lreyti 


25, 1  Betr  : 
32,  7  msetr 
36,5  Brott 

3,  3  frett  : 
5, 1  frett  : 


skutli 
:  ba?ttak 
:  veitum 
tt 
Viettik 
ättum 
21, 1  JJöttum  haettir 
25,7  veitti  :  atti 
29,  7  gütt  :  hetti 
31,  7  setti  :  glotti 

vocal 
23,  5  fäii'  :  fryju 


119,8 
119,28 

121,9 
122, 16 
122,  22 
122, 29 

123,1 
124,  25 

61, 16 
61,  20 
72,11 
130,3 
94,28 

124, 23 

90,13 

123,9 

41,23 
119,30 

131,5 

146. 14 

123. 15 

20,9 
34,13 
68,17 
69,  28 
72,13 
72, 17 
72,25 
90,9 
118,7 
121, 11 

20,5 
30,29 
133,5 
90,15 
95,27 
102,1 

76,  23 


ZUR   FÖSTBKCEDRASAGA.  387 

F.  Echt  und  unecht. 

I.   Die  erfidräpa. 

Als  Strophen  aus  der  erfidräpa  werden  in  allen  receusionen 
als  pormöös  eigentum  bezeichnet: 

Str.  2   Sem  porm.  kvaö  b]  cikrao,    orti  Fd,    petta  segir  porni.  K,. 
Str.  3   f»etta  getr  porm.  i     [erfidräpu  jDorgeirs   Mikmo,     [i   porgeirs 

dräpu  Ri,     pessa  atburöar  getr  porm.  i  porg's  dräpu  Fd. 
Str.  5   porm.   vikr  ä  riQkkut  i   porgeirs  dräpu    ä  nnsf>ükka  peira   [i 

)">essu  erendi  M  (ä  fehlt  in  ik),  fehlt  o. 
Str.  6   pessa   (f>ara  R,)   viga   getr]    porni.   i   porgeii's  drap\i  HF,    sva 

segir  Grett.  cap.  27. 
Str.  10   pessa  (pessara  d),    atburöar  (hlutar  m,    viga  Fd,    tiöenda  Rj) 

getr  pormöör  i   porgeirs  drapu    [i  pessu  erindi  M,    [fehlt 

FdmR,. 

"Weder  spräche  noch  inhalt  geben  anlass  zu  irgend  welchem 
verdacht  gegen  die  richtigkeit  dieser  Überlieferung.  Bedenk- 
lich könnte  h()chstens  das  fehlen  von  Strophe  5  und  6  in  Fd 
sein.  Dafür  sind  drei  erklärungen  möglich:  a)  Strophe  5  und  6 
waren  in  der  vorläge  von  F  nicht  vorhanden;  —  b)  sie  wurden 
von  dem  redactor  aus  irgend  einem  gründe  absichtlich  aus- 
gelassen; —  c)  sie  sind  nachdichtungen  eines  redactors  des 
textes  M.  Für  echtheit  der  Strophe  spricht  indes:  1.  der  directe 
hinweis  in  der  prosai.><chen  einleitung,  dass  das  Zerwürfnis 
zwischen  den  blutsbrüdern  in  der  dräpa  wirklich  berührt  war 
(vgl.  Fbr.  [52]  24. 27);  eine  übergehung  dieses  folgereichsten 
geschelinisses  in  porgeirs  leben  würde  auch  höchst  ])efremdlich 
berühren;  —  2.  die  grosse  formale  verwantscliaft  mit  den 
übrigen  Strophen  der  dräpa;  —  3.  die  Unanfechtbarkeit  des 
Inhalts  und  folgendes:  J  mispoJcka  peiia  wird  in  str.  5  eigent- 
lich nur  angespielt  mit  den  worten:  Enn  vük  einsMs  minnast 
ncma  oJdars  yööa.  Dass  die  erste  halbstrophe  mit  F.  Jonsson 
(Jitt.  hist.  11,468)  dahin  zu  deuten  sei  'at  der  har  vferet  bag- 
vaskere,  der  har  steftet  ufred  imellem  fostbroedrene'  ist  mir 
nicht  glaublich,  denn  es  handelt  sich  anscheinend  (wie  auch 
der  satz  vilk  etc.  andeutet)  um  ein  ganz  persönliches,  nicht 
ein  durch  dritte  herbeigeführtes  Zerwürfnis,  und  die  wendung: 
dttnm  roysmenn  saman  gnuya  —  Jid's  svik  vinna  will  kaum 
mehr  besagen  als:  wir  hatten  zusammen  genug  listige,  ver- 
schlagene gegner.  —  Für  die  in  der  prosa  gegebene  motivie- 


388  GAERTNER 

rung  des  Streites  zwischen  den  fösthrmdir  bildet  die  strophe 
jedenfalls  keine  stütze.  Auch  das  spricht  entschieden  zu 
gunsten  der  strophe,  denn  der  in  der  prosa  angegebene  grund 
für  die  trennung  ist  kaum  ernst  zu  nehmen:  porgeirr  erklärt 
da:  el'lci  var  mcr  ])etta  alhugat,  at  eJc  vilda,  cit  vit  reyndim  med 
oJcJcr  hardfengi.  Wenn  I)orm6ör  mit  den  Worten :  i  hug  Jcomper, 
meöan  Jni  mcelti  trotzdem  auf  der  Scheidung  der  freundschaft 
besteht,  so  klingt  das  sehr  gezwungen,  jedenfalls  würde  danach 
I)orm6ös  blutsbrüderliche  treue  hier  in  recht  merkwürdigem 
licht  erscheinen.  Es  sieht  eher  danach  aus,  als  ob  der  anlass 
zur  trennung  weit  ernsterer  natur  war,  als  ob  porgeirr  sich 
eines  schweren  Vertrauensbruches  oder  eines  anderen  Verstosses 
gegen  die  freundschaft  schuldig  gemacht  habe,  dessen  nähere 
einzellieiten  pormoör  in  der  dräpa  schonend  übergieng  und 
nur  mit  den  angeführten  Worten  berührte.  Der  sagamaör  sah 
sich  infolgedessen  gerade  bei  der  begründung  jenes  wichtigen 
Vorfalls  von  seiner  quelle  im  stiche  gelassen.  Es  liegt  deshalb 
nahe,  zu  vermuten,  dass  er  die  in  der  prosa  geschilderte  epi- 
sode,  soweit  ihn  dabei  nicht  die  mündliche  tradition  unter- 
stützte, selbständig  erfand,  indem  er  die  in  der  strophe  ent- 
haltene andeutung  und  das  übermütige,  zu  gewalttaten  neigende 
wesen  porgeirs  zum  ausgangspunkt  nahm.  Gerade  die  nicht 
durch  authentische  erzählung  klargestellte  trennung  der  bluts- 
brüder  hat  zu  weiterer  sagenbildung  und  weiteren  deutungs- 
versuchen  anlass  gegeben:  das  beweisen  der  erweiternd  auf- 
geputzte bericht  und  besonders  die  in  der  Fbr.  der  Öläfssaga 
folgenden  abenteuer,  endlich  die  späte  interpretation  des 
Fseröers  Tormann  skald^):  str.  6  fyrri  ImgsaÖi  tu  fals  oh  svik, 
ddur  tu  mcelti  hdta;  str.  7  Hoyr  taÖ  tu  min  fosthrödir,  vit 
haldum  hdcfir  saman,  taJc  tu  iJcki  for  dlvara  tad  eg  mcelti  i  gaman. 
Auch  der  str.  6  ist  ein  gewisses  alter  gesichert,  denn  der 
Verfasser  der  Grett.  (deren  entstehung  nach  Boer  um  1250  an- 
zusetzen ist)  hat  sie  als  echte  strophe  pormoös  eingestellt:  sie 
gehörte  also  einer  um  1250  vorhandenen  fassung  der  Fbr.  an, 
die  später  die  vorläge  für  M  (F?)  gebildet  hat.  2) 

')  Vgl.  F<«röiske  Kvpeder,  Kopeuh.  1855,  11,111,  fusst  sicherlich  auf 
secundären  quellen. 

^)  Textliche  aukläuge  zeigen  str.  G  und  hÖs,  s.  233,  3  v.  u. :  Svä  er  sagt 
i  jloclii  peini  er  ortr  var  um  Svein  Icong.  Alftfa  son  (hÖs): 


ZUR   FÖSTBR(EDUA8AGA.  389 

Auch  die  Strophen  5.  6  sind  also  wol  als  echt  zu  be- 
zeichnen. Nähme  man  an,  dass  der  redactor  des  textes  von  F 
dieselben  in  seiner  vorläge  wirklich  nicht  vorfand,  so  würde 
man  den  billigen  schluss  ziehen  dürfen,  dass  derselben  auch 
die  Strophen  4.  7.  8.  11.  14 — 16,  18  fehlten,  sodass  im  ersten 
haupt teile  der  saga,  bis  zu  porgeirs  tod,  nur  vorhanden  waren 
die  Strophen  2.  3.  10.  12.  13.  17.  Im  nächsten  hauptabschnitt 
der  saga:  'pormöös  räche  für  porgeirr  und  sein  ende  bei  Stika- 
staöir',  kehrt  sich  dieses  Verhältnis  bei  dem  text  der  F  gerade 
um,  indem  dieser  nicht  nur  alle  Strophen  von  MH,  sondern 
auch  plusstrophen  (19.  20.  21,1—4.  36,5—8.  43)  und  unter 
diesen  auch  vermutlich  echte  (22,  5—8.  29)  enthält.  Beachtet 
man  dabei,  dass  gerade  die  stellen  in  F  stark  überarbeitet 
sind,  an  denen  man,  analog  dem  text  der  übrigen  hss.,  Strophen 
erwartet  (vgl.  für  str.  5  F.  II,  105,  wo  an  die  stelle  der  Strophe 
die  episode  von  Torfi  und  IL  107,  wo  statt  der  zwischen  z.  17 
und  18  fehlenden  str.  6  von  z.  19  ab  eine  phantastische  erzäh- 
lung  von  dem  Schafhirten  /  Uuassafdl  eingeschoben  ist),  so 
Avird  man  zu  der  Vermutung  gedi'ängt,  dass  wir  es  in  teil  I 
des  textes  von  F  mit  einer  starken  Umarbeitung  einer  saga- 
form zu  tun  haben,  in  der  die  Strophen  absichtlich  ausgelassen 
sind;  welche  gesichtspunkte  dabei  massgebend  Avaren,  lässt 
sich  natürlich  nicht  angeben  (vgl.  unten). 

Nicht  direct  der  dräpa  werden  in  der  prosa  die  Strophen 
4.  7.')  11 — 18  zugewiesen. 

Str.  -i    Um  penna  atburö   er   petta   [ereiuli   ort  Mik,     |  kveöit  o,     of 

peniia  atburÖ  orti  porm.  pessa  visu  Ri 
Str.  7   at  f>vi  er  (sem  Ei)  porm.  segir  Mik,    sem  porm.  quat  o,    sem 

X>.  kuaöir  i  porgeirs  dräpu  1 
Str.  11   Svä  segir  pormoör  H,    um  penna  atburö  orti  pormöör  petta 

[erindi  Mik,     |felilt  mo,    visu  pessa  E,, 
str.  12   Svä  segir  p.  H]    orti  Fd,    svä  sem  p.  orti  um  bcR,,    so  sem 

p.  orte    [visu  mk,     [fehlt  o,    i  visu  i 
Str.  13   Svä  segir  p.   H,    um  ]?enna  atburft  quat  [).  visu  Fd]     orti  p. 

visu  ]?essa  bcEjik 

Fbr.  z.  8—4  hratt  gat  hratu  at  slita      hÖs.  z.  7—8  hrdtt  gafsk  lioUd  at  slita 
hold  —  Mäs  syni  goldit  hrafni  skeif^ar  stafna. 

*)  Vgl.  bei  Str.  7  die  Variante  in  1:  sem  Porm.  kvaöir  i  ßorgeirs  drupu, 
möglicherweise  keine  secundäre  lesart,  da  1  dem  membraueutext  sehr  nahe 
kommt. 


390  GAERTNER 

str.  14   Svä  seg.  p.  HRjd,    sem  p.  orti  um  l)cm. 
str.  15   Svä  q.  p.  H,    svä  sem  p.  orti  um  bciko,  '  svä  fehlt  in  R,d 
Str.  16   ohne  prosaeingang-  in  Hbcik,    oc  enn  kvaS  haun  R,d 
Str.  17    Svä  seg.  p.  H,    um   f>enna  atburde  quat  pm.    [visu  f>essa  F. 
[fehlt  in  d,    um  peuna  atburö  orti  p.    [visur  ]?essar  bcik 
[fehlt  m,    um  pessa  atburöi  orti  p.  visu  fessa  Ri 
Str.  18    ok  en  kvaö  hann  nur  Rj. 

Trotz  der  grossen  freilieit  in  der  gestaltung  dieser  ein- 
gangsformeln  —  offenbar  hatte  jeder  redactor  oder  Schreiber 
eine  lieblingswendimg,  die  er  stereotyp  verwante  (vgl.  svd 
segir  ]).  H,  um  ])enna  atburd  orti  um  etc.  M)  —  lassen  sämmt- 
liche  recensionen  (und  demnach  auch  wol  schon  ihre  quelle) 
den  Zusatz  'aus  der  erfidräpa'  weg,  vielleicht  aus  keinem 
anderen  gründe,  als  weil  der  vorausgegangene  fünfmalige 
genaue  hinweis  auf  die  quelle  ihm  genügend  schien.  — 
Immerhin  könnten  etwa  nachgedichtete  Strophen  am  ersten 
in  dieser  abteilung  zu  finden  sein. 

Auffällig  ist  die  prosaformel  zu  str.  4,  in  der  der  name 
des  dichters  nicht  genannt  wird.i)  -)  Dieser  mangel  findet 
sich  sonst  nur  noch  bei  der  hrynhentr.  26.  —  Zwar  sagt 
F.  Jönsson  (Sn.  E.  III,  535,  anm.  3):  'hie  diserte  non  dicitur  str. 
ex  hoc  carmine  Thormodi  esse,  sed  nemo  dubitare  potest,  quin 
sit,  praesertim  cum  ipsa  se  unam  ex  pluribus,  verbo  telja  esse 
indicet';  indes  sind  damit  doch  nicht  alle  bedenken  zerstört. 
Die  Sätze  hlödiim  Butralda  (z.  4)  und  ne  hnekJciJc  Jivi  (z.  7) 
zeigen  klar,  dass  die  Strophe  als  von  porgeirr  recitiert  gedacht 
wurde.  Dass  aber  ein  held,  von  dem  in  allen  übrigen  Strophen 
nur  als  von  einem  nach  trotzigen  taten  aus  dem  leben  ge- 
schiedenen die  rede  ist,  sich  in  der  zu  seiner  Verherrlichung 
gedichteten  erfldrapa  selbst  hätte  verherrlichen  sollen  3),  ist 
höchst  unwahrscheinlich.  Str.  4  müsste  dann  etwa  von  por- 
geirr  selbst  gedichtet  und  nachher  von  pormoör  in  die  dräpa 
aufgenommen  worden  sein.    Dem  widerspricht  aber  die  wen- 


^)  Heinzel  (Beschreibimg  der  isl.  saga  s.  164)  meint  deshalb,  str.  4 
stamme  von  einer  person,  welche  gar  nicht  in  der  saga  vorkomme  und  nur 
auf  porgeirr  gedichtet  habe. 

2)  In  E,  begegeguet  zwar  der  name,  doch  sind  gerade  dort  die  ein- 
leitungen  stark  modificiert  (vgl.  zu  str.  11.  17)  bez.  völlig  durch  neuen  text 
ersetzt  worden  (vgl.  zu  str.  16. 18). 

^)  Vel  (lugir  verk  at  telja  fyr  segyjum. 


ZUR    FOSTBliCEDR ASAGA.  391 

(luiig-  diKjir  VC)-],-  nt  telja,  die  auf  ein  grösseres  ganze  hin- 
deutet; ausserdem  wäre  die  lausavisa  das  einzige  Zeugnis  für 
dichterische  betätigung  porgeirs'),  denn  ausdrücke  ^Yie  enn 
snjalli  und  mdlsnjallr  beweisen  für  eine  solche  nichts;  auch 
im  sagatext  wird  von  einer  skaldentätigkeit  bei  ilim  nirgends 
geredet,  auch  nicht  bei  seinem  zusammentreffen  mit  könig 
Uhifr.2) 

Wir  haben  es  also  walu'scheinlich  doch  mit  einer  nach- 
dichtung  zu  tun.  Diese  wird  früh  anzusetzen  sein,  weil  sprach- 
li':he  kriterien  fehlen,  die  auf  spätere  zeit  hindeuten.  Sie  ist 
auch  ganz  geschickt  gemacht  und  hat  den  ton  der  drapa  ge- 
troffen. Trotzdem  weist  die  technik  einiges  anomale  auf: 
zunäclist  vermisst  man  den  für  die  echte  drapa  typischen  ein- 
gang  A3  (E3)  (vgl.  s.  375),  dafür  erscheint  das  sonst  nur  in  den 
lausavisur  als  erstes  visuorö  geduldete  A, ;  in  z.  4  finden  wir 
ferner  ein  nur  an  dieser  stelle  belegtes  D^;  in  den  z.  5.  7  den 
im  ganzen  seltenen  tj^pus  (B^)  E^.  Auch  ist  der  zweite  teil 
der  kenning  margrjööanda  fetils  siiga  hier  nicht  ganz  ohne 
anstoss:  Fdla  stigr  (mit  gen.  pl.)  bezeichnet  ganz  richtig  (vgl. 
Egilsson  777)  die  zwischen  den  riemen  des  wehrgehänges 
verlaufende  schwertscheide.  So  ist  die  kenning  tatsächlich 
verwant  in  Isl.  s^g.  1. 163:  feüa  sUgs  at  vigi  {vigr  fetla  stigs 
=  vibratio  gladii  =  pugna).  In  unserer  Strophe  aber  geht 
ein  gut  teil  der  deutlichkeit  des  bildes  verloren:  rjödandi  sHga 
fetils  =  der  röter  der  balken  des  (einzelnen)  riemens  ist  fast 
ein  nykrat.  Offenbar  hat  der  dichter  (dem  vielleicht  jener 
vers  aus  den  Isl.  sQg.  bekannt  war)  nur  dem  rhythmus  zuliebe 
(er  will  das  Schema  A^k)  den  sg.  für  den  pl.  gesetzt.  Dass 
der  redactor  von  F  die  unechtheit  der  Strophe  erkannt  und 
sie  deshalb  ausgelassen  habe,  ist  kaum  glaublich:  auch  die 


^)  Die  angaben  von  Mog-k  (PaulsGrundr.  2-,  755,  §  195):  'Sie  (die  Fbr.) 
enthält  die  lebensgeschichte  »der  beiden  skalden«  porgeir  Hävarssou  (f  1024) 
und  pormöö  Kolbrünarskald'  etc.  und  weiter  unten:  'Die  hauptquellen  des 
Verfassers  sind  neben  der  mündlichen  traditiou  die  gedichte  »der  beiden- 
skalden«  etc.  sind  wol  nur  auf  ein  versehen  zurückzuführen. 

^)  F.  n,  108  heisst  es:  Kgr.  haud  Porgciri  med  ser  at  rem  ok  Jju 
gerdizst  Porgeirr  hirdmadr  Olafs  kommgs  oder  Fbr.  (52)  s.  40, 19  f.  NU  er 
at  seygja  frä  Porgeiri  Hürarssy)ii,  hirömanni  Olafs  koniaigs;  vgl.  dagegen 
Fbr  (52)  95,  26  PormdÖr,  skcild  ok  hirÖmaÖr  Olafs  koitioigs. 


392  GAERTNER 

näclisteii  vier,  vermutlich  doch  echten  Strophen,   sind  ja  von 
ihm  übergangen  worden. 

Als  unecht  ist  insbesondere  str,  12  angegriffen  worden, 
Boer  (Zs.  fdph.  30, 32—33)  will  auf  grund  von  beziehungen 
zwischen  str.  12  einerseits  und  den  str.  4  (s.  20),  35  (s.  170), 
II.  III  (s.  316  f.)  der  Grett.  anderseits  die  Strophen  I — IV 
(31(3  f.)  der  Grett.  und  unsere  str.  12  ein  und  demselben  dichter 
zuweisen.  Vorausgesetzt,  dass  die  directe  beziehung  wirklich 
vorhanden  ist,  hätte  bei  dem  höheren  alter  der  Fbr.  zunächst 
die  annähme  näher  gelegen,  dass  der  redactor  der  Grett.  aus 
Fbr.  entlehnt  habe.  Diesen  einwand  sucht  Boer  dadurch  zu 
entkräften,  dass  er  auf  die  weitere  Übereinstimmung  der  str.  12 
mit  str.  4  und  35  der  Grett.  hinweist,  von  denen  jede  wider 
einer  älteren  redactionsschicht  der  saga  angehören  soll.  Boers 
hypothese  steht  und  fällt  also  mit  der  annähme  einer  drei- 
fachen textconstitution  der  überlieferten  Grett.  Selbst  wenn 
man  diese  dreiheit  als  bewiesen  ansehen  wollte  (vgl.  jedoch 
Mogk,  Pauls  Grundr.  II-,  757),  erbringen  doch  meines  erachtens 
die  aus  str.  4  und  35  angezogenen  parallelen  keinen  wirklichen 
beweis  von  deren  einfluss  auf  str.  12.  Es  heisst  in  Grett. 
str.  4,  z.  5 — 6:  Nu  verpr  d  skce  sJcor])0  —  shalde  sigr  —  at 
stiya,  in  der  Fbr.,  str,  12, 1 — 2  aber:  Njgrdr  geJck  d  slcoe  skordu 
slccleggr  —  enn  ]mt  teljum;  die  Übereinstimmung  bestellt  also 
nur  in  der  kenning:  shcer  slcoröu  'equus  destinae'  =  'navis', 
Aehnliche  bildungen  begegnen  vor  allem  in  Strophen  späterer 
s^gur  in  menge:  d  ske  haröa  Öknejingasaga  82,4,  ske  hranda 
Rafns  Saga  Sveinbjarnar  sonar  str.  16  (Bisk,  syg,  I,  667),  d  ske 
sundra  Placitus  driipa  17.  str,  etc.  oder  hersi  skordu  Sn.  E.  I, 
442,  2,  drasill  skordu  Sn.  E.  1, 498,  3  etc.,  und  Übereinstimmungen 
in  kenningar  sind  auch  anderswo  ganz  gewöhnlich.  Es  ist 
also  auch  wol  möglich,  dass  beide  dichter  unabhängig  von 
einander  auf  die  gleiche  kenning  verfallen  sind  (die  ab- 
weichende lesart  in  F:  d  skid  skordu  ist  nach  Craigie,  Ark, 
16, 346,  §  7  falsch).  —  Noch  weniger  besagt  die  parallele 
drcngr  :  Icngi  in  II,  4  (str.  35,  8)  :  drengs  at  lengri  in  12,  7, 
denn  diese  beiden  Wörter  werden  überhaupt  sehr  gern  zur 
aöalhending   gebunden.')   —    Jedenfalls   genügen   die   beiden 

^)  lu  der  Grett.  begegnet  das  Avortpaar  iiiclit  nur  IT, -1  (s.  olG)  und  35,  8, 


ZUR   FOSTRUOEDRASAGA.  393 

Übereinstimmungen  nicht,  um  darzutun,  dass  der  dichter  der 
Strophen  I— IV  der  Grett.  (die  nach  Boer  das  späteste  produet 
in  der  Grett.  sind),  'als  er  daran  gieng,  auch  für  die  Fbr. 
neue  Strophen  zu  schaffen',  die  str.  4  und  35  der  älteren  saga- 
schichten  der  Grett.  plünderte.  Damit  fällt  aber  auch  die 
In'pothese  von  .  der  Identität  der  dichter;  denn  nun  hindert 
uns  nichts  mehr  (vgl.  Zs.  fdph.  30,  32, 14  y.  u.  ff.)  anzunehmen, 
der  dichter  der  jungen  Strophen  I^IV  der  Grett.  habe  die 
Strophen  der  Fbr.  benutzt,  die  ihm  als  quelle  für  die  Grett. 
(vgl.  Str.  6  etc.)  natürlich  bekannt  war.  So  würde  sich  auch 
das  auftreten  von  sMegyr^)  (das  von  Boer  a.a.O.  s.  32,  anm.  3 
als  'jung'  bezeichnet  wird,  obwol  shd-cgyjaör  im  11.  jh.  bei 
Steinn  Herdisarson  [vgl.  Hkr.  3,  str.  130  ß]  belegt  ist)  gut  er- 
klären. —  Die  ai)alhending  -arf  in  II,  8  dagegen  ist  widerum 
so  gäng  und  gäbe,  dass  von  einer  directen  beziehung  zu  12,  8 
nicht  die  rede  zu  sein  braucht. 

Für  parfur  Grett.  IT,  8  möchte  ich  die  annähme  eines 
svarabhaktivocals  nicht  ablehnen;  für  Fbr.  12,  8  ist  aber  der 
conjectur  von  Gislason  (Nj.  IL  123/24)  djarfra  der  Vorzug  zu 
geben  2);  denn  wenn  der  redactor  von  H  bei  seiner  vorläge 
(die  bis  etwa  1300  hinaufführt)  svarabhaktivocal  in  (IJarfr  nicht 
für  ausgeschlossen  gehalten  hätte,  hätte  er  schwerlich  zu  einer 
so  verzweifelten  conjectur,  wie  Hdvarar  für  Hdvars,  gegriffen. 
Ausserdem  muss  ich  der  strophe  ein  alter  beimessen,  das  ein 
auftreten  des  svarabhakti  übeiliaupt  ausschliesst  (vgl.  unten). 

Gegen  die  annähme  gleichen  Verfassers  für  Fbr.  str.  12 
und  Grett.  I — IV  sprechen  noch  kleine  formelle  züge;  in  Fbr.  12 
steht  die  aöalhending  dr-eng  :  l-cng  in  I,  in  Grett.  II,  4,  den 
späteren,  strengeren  forderungen  gemäss,  in  II.  —  Fbr.  12,  7 
hat  ein  klares  A,  (a  =  er/),  II,  4  D,  drenyr  el  sltddi  lengi. 


sondern  auch  10,  0  und  als  skotliending-  32, 7  drengr  :  Igngum.  Auch  in 
Fbr.  sind  dreng-  wie  leng-  als  reimworte  noch  oft  belegt  (vgl.  das  rimariuni), 
vgl.  ferner  hüs.  80,  34  drengr  :  lengra  von  Sighvatr  poröarson  etc. 

')  Boer  weist  in  seiner  ausgäbe  der  Grett.  (s.  317  1'.,  anm.  zu  str.  III) 
die  Schreibung  skeljeggr  als  'sprachwidrig'  (?)  zurück  und  meiiit,  dass  die 
kurze  erste  silbe  des  wertes  die  zeile  metrisch  verdirbt.  In  Wirklichkeit 
ist  es  jedoch  gar  kein  metrischer  Verstoss  (vgl.  s.  58  ff.);  minnis  Gr.  III,  2 
ist  metrisch  falsch,  wenn  der  Verfasser  nicht  schon  skeleggr  sprach! 

")  Bez.  Boers  anm.  2  (s.  Zs.  fdph.  30,  32)  ist  noch  auf  Nj.  II,  857  zu  ver- 
weisen. 


394  GAERTNER 

A\^as  endlich  das  enge  zusammenstehen  von  Identitäten  an- 
langt (vgl.  Boer  a.  a.  o.  s.  32  f.,  anm.  3),  so  kann  dabei  der  zufall 
eine  rolle  gespielt  haben,  sonst  könnte  man  z.  b.  mit  demselben 
recht  auch  behaupten,  dass  Fbr.  str.  7  von  'demselben'  dichter 
sei  wie  Grett.  I — IV: 

Fbr,  7,  7  oft  vann  auöar  shiftir 
Grett.  1, 1  oft  (opt)  nam  sligpum  shifta  {skipta) 
Fbr.  7,  4  sex  sinnum,  Grett.  II,  1  einu  sinni 
Fbr.  7,  6  seims  frei  eJc  Jjat . . .  Grett.  IV,  1  vüf  frei  ek  pat  . . . 
ausserdem  henscefar  Grett.  6,  4  :  Fbr.  7, 1  etc. 

Ueberhaupt  ist  die  zahl  gleicher  kenningar  {fjortjon  3,  G  : 
Grett.  28, 8  etc.),  nomina  und  verba  in  den  Strophen  beider 
sogur  verhältnismässig  gross.  So  weisen  die  Strophen  15.  16 
allein  je  6  solcher  übereinstimmender  wortformen  auf  (str.  15 
varda,  dreng-,  itr,  sdr,  at  hvdru,  d  knerri,  —  str.  16  frcenda, 
dyrr,  drengi,  frd'k,  handar,  frd  Jireyti),  die  aber  zum  geläufigsten 
Wortgut  gehören. 

Das  schwerwiegendste  bedenken  gegen  die  echtheit  der 
Strophe  hat  F.  Jonsson  ausgesprochen  (Litt.  hist.  II,  468):  die 
durch  die  Strophe  geschaffenen  chronologischen  Schwierigkeiten 
sind  in  der  tat  nicht  wegzuleugnen.  Nach  den  übereinstim- 
menden berichten  der  annalen  (vgl.  Isl.  Annal.  106):  Porfmnr 
jarl  ok  Brüsi  jarl  Sigurdar  synir  gdfu  Orkneyiar  i  vald  Oldfs 
konungs  im  jähre  1021;  sie  fuhren  nach  Norwegen,  um  mit 
Oläfr  wegen  der  Übergabe  zu  verhandeln,  und  Brüsi  haföi 
med  ser  Bggnvald  son  sinn;  var  hann  pd  x.  vetra  gamall,  d.  h. 
Rognvaldr  war  ca.  1010, 11  geboren  (vgl.  Hkr.  2,  207, 17  f.).  Da 
er  var  aiistr  eptir  med  Oldfi  konungi  (Hkr.  2,  213, 1  f.),  müsste 
seine  wikingerfahrt  mit  porgeirr,  von  der  str,  12  berichtet, 
vor  diese  zeit  fallen,  etwa  in  den  sommer  von  1020  oder  1021, 
Vigfüsson,  der  im  Timatal  (8afn.  1, 464)  an  der  echtheit  der 
Strophe  noch  unbedingt  festhält,  nimmt  deshalb  an,  dass  Rogn- 
valdr damals  nicht  erst  9 — 10  jähre  zählte,  sondern  'aö  hann 
var  ]ni  fulltiöa  maör  er  orustan  ä  Stiklastoöum  varö,  liafi  verit 
meir  en  19  vetra  l'ä.' ')  Diese  hypothese  bereitet  indes  schwierig- 


')  Dass  mau  den  chronologischen  angaben  der  Hkr.  in  der  tat  mit  vor- 
sieht begegnen  luuss,  sclieiut  folgende  rechnung  zu  ergeben:  Firn  vetra  'eda 
fjürum'  t'jjtir  füll  ülciß  Tri/gyrasonar  (a.  1000)  für  Siijurör  jarl  (der  vater 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  395 

keiten;  sie  zwingt,  die  geburt  Rognvalds  etwa  ins  jähr  1002 
zu  verlegen  und  die  des  jarl  Brüsi,  seines  vaters,  dementspre- 
chend zum  mindesten  in  den  anfang  der  achtziger  jähre;  dann 
wäre  aber  RQgnvaldr  nahezu  ebenso  alt  gewesen  wie  sein 
olieim  porfinnr  und  dieser  fast  zwei  Jahrzehnte  jünger  als  sein 
Stiefbruder  Brüsi  (Brüsi  war  nicht  der  älteste  der  söhne  des 
jarl  Sigurt^r,  es  giengen  voraus:  Hundi  oder  Hvelpr  [Hkr.  2, 
198,26]  und  Sunarliöi  [Hkr.  2, 199,  3]);  beides  ist  der  Orkney- 
ingasaga gemäss  höchst  unwahrscheinlich.  —  In  den  Orig.  Isl. 
11,674  ist  G,  Vigfüss.  anderer  meinung  geworden:  die  Strophe 
und  mit  ihr  'the  whole  Encomium  must  be  spurious';  die  aus- 
führungen  Vigfüssons  sind  nur  zum  teil  zu  billigen:  porgeirr 
ist  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  schon  1023  gefallen  und 
E^gnvaldr  war  bei  Olafs  tod  nicht  mehr  ein  knabe,  sondern 
ein  Jüngling  von  18  jähren,  der  den  könig  nach  Garöariki 
begleitete;  endlich  lehnt  Vigfüss.  rundweg  die  möglichkeit  ab, 
dass  EQgnvaldr  'being  at  that  time  a  boy'  (s.  674)  vor  1024 — 
1025  (dem  todesjahr  porgeirs)  an  einer  derartigen  fahrt  habe 
teilnehmen  können  und  er  folgert  dementsprechend  weiter:  'the 
hero  (porgeirr)  is  praised  for  exploits  that  took  place  after 
bis  death'  (vgl.  II,  674  u.).  —  Anders  Finnr  Magnussen,  GhMm. 
II,  278.  anm.  1):  'hans  (Brüsa)  Sön  Eögnvald  var  da  kun  en 
Dreng,  men  gammel  nok  til  at  deeltage  i  Toget,  for  Övelses 
Skj'ld.'  —  Auch  ich  halte  nicht  für  unmöglich,  dass  Brüsi, 
der  im  herbste   1021   seinen  söhn  nach  Norwegen  mitnahm. 


des  jarl  Brüsi  und  des  jarl  porfinnr,  welch  letzterer  aus  einer  zweiten 
ehe,  mit  der  tochter  des  Skotakonungs  Melkölms  hervorgegangen  war) 
tu  Islands  ...  1  /jeiri  ferö  feil  Sigiirör  jarl  i  lirjans-orrostu  (s.  Hkr.  2, 199, 
4 — 8),  das  wäre  demnach  ca.  1005.  Porfinnr  Siguröarson,  heisst  es  Hkr. 
2, 199, 11  weiter,  var  jx'i  V  retra:  er  wäre  danach  ca.  1000  geboren  worden. 
—  Dieses  resultat  stimmt  sehr  schlecht  überein  mit  dem  aus  den  annalen 
zu  erscbliessenden ;  in  den 'Annales  regii'  steht  unter  dem  jähre  lOOi:  Por- 
finnr jarl  Siguröar  sonr  ricti  i  Orkneyium  Ixij  (=  62)  är.  (vgl.  Hkr.  2, 
214,  IG  kann  red  meirr  en  Ix.  vetra);  da  hann  töh  jarldöm  V  vetra  gamall 
(s.  Hkr.  2, 199, 12—15)  hat  er  also  ein  alter  von  67  jähren  erreicht.  —  Por- 
finnr varö  sott  daiiör  ä  ofanverÖnm  d^giim  Ilaruldz  Sigxiröarsonar  (s.  Hkr. 
2, 214, 16  f.);  setzen  wir  danach  und  im  hinblick  auf  die  Aunales  Henrik 
Hayers  (Isl.  Annal.  58),  die  unter  1065  angeben:  Fall  Ilarallds  kommgs 
Siguröar  sonar  . . .  das  todesjahr  porfinns  auf  spätestens  1064  fest,  so  würde 
das  geburtsjahr  doch  schon  nach  997  fallen! 

Beiträge  zur  gcsctiichte  der  deuuchen  spraclie.    XXXII.  26 


396  GAERTNEli 

ihm  schon  im  frühjahre  desselben  Jahres  erlaubt  habe,  an 
einer  wikingfahrt  teilzunehmen,  bezweifle  aber,  dass  (wie  nach 
der  Strophe  vermutet  werden  muss)  R^gnvaldr  der  alleinige, 
selbständige  Unternehmer  war,  dem  sich  porgeirr  dann  an- 
schloss.  —  Die  prosaberichte  lauten  ja  ganz  verschieden: 
nach  F.  trifft  porgeirr  auf  den  Orknej'-en  den  liggnvaldr  jarll 
Brüsa  son,  hüinn  tu  hernaöar;  diese  angäbe  ist  entschieden 
falsch:  nicht  Engnvaldr,  sondern  Bn'isi  und  porfinnr  waren  die 
damaligen  jarle  der  inseln,  R^gnvaldr  konnte  also  damals  noch 
gar  nicht  jarl  sein  (vgl.  Orig.  Isl.  II,  674).  Eichtiger  indes  als 
in  H  scheint  der  weitere  bericht  in  F  über  zweck  und  ziel 
der  heerfahrt:  F.  II,  160  berichtet:  uilängar  margir  lagu  um 
eyjarnar.  H:  sie  waren  bereit  i  herferö  tu  S'ko{t)landz.  In 
der  Orkneyinga  saga  s.  26  wird  nämlich  ausdrücklich  erwähnt, 
dass  der  jarl  Brüsi  (!)  sich  verpflichtet  hatte,  die  inseln  gegen 
Wikingereinfälle  zu  schützen;  zu  einer  heerfahrt  nach  Schott- 
land aber  lag  wenig  grund  vor,  da  die  jarle  der  Orkneyiar 
mit  dem  schottischen  fürsten  in  frieden  lebten:  hatte  doch 
Sigurör  jarl  eine  tochter  des  königs  Melkolm  zum  weibe  ge- 
habt. Ich  halte  daher  den  prosatext  von  H  für  authentisch 
und  vermute,  dass  er  ursprünglich  folgenden  Wortlaut  hatte: 
Iteir  Jcomu  viö  OrJcneyiar;  J)d  var  Porfmnr  iall  oh  Brüsi  iall, 
hrodir  hans,  hüin{n)  i  lierferö  til  ShoÜandz  ok  selr  pd  P orgeirr 
sTiipit  oh  rcez  i  lid  med  Bri'isa  iarli . . .  oh  fengu  Jjeir  sigr  hvar 
seni  peir  foru.  —  Ungenau  ist  darin  nur  die  angäbe  von  der 
heerfahrt  nach  Schottland;  wahrscheinlich  war  der  saga- 
schreiber  hier  über  das  eigentliche  motiv  falsch  unterrichtet. 
Dass  gerade  Brüsi  als  Unternehmer  der  fahrt  genannt  wird, 
passt  gut  zu  der  notiz  in  der  Orkneyinga  saga  (vgl.  oben).  Ver- 
mutlich blieb  porfinnr  jarl  zur  Verwaltung  der  inseln  zurück. 
—  In  diesen  text  (in  dem  bis  dahin  von  RQgnvaldr  noch  nicht 
die  rede  war)  fügte  ein  redactor  str.  12  ein,  in  der  Eognvaldr 
gerade  eine  wichtige  rolle  spielt;  gleichzeitig  setzte  er  in  die 
prosa  den  in  H  überlieferten  satz  med  Brüsa  jarli  var  pd 
Eognvaldr  . . .  ein.  Dieser  verrät  sich  als  Interpolation  nicht 
nur  durch  seine  höhere  Stimmlage,  sondern  auch  durch  den 
inhalt:  in  ra;z  i  lid  Brüsa  jarli  war  bereits  gesagt,  dass  por- 
geirr  sich  dem  Brüsi  angeschlossen  habe,  in  oh  var  Porgeirr 
med  hannm  wird  dieselbe  aussage  widerholt,  nur  variiert,  in 


ZUR   FÜSTBRCEDRASAGA.  397 

engerem  anschliisse  an  den  stropheninlialt  (also  7ned  hanum 
Avol  auf  Rggnvaldr  zu  beziehen).  Gelegentlich  des  berichtes 
von  der  fahrt  Brüsis  zu  Öläfr  (1021)  heisst  es  in  der  Hkr. 
(2,207,17)  ganz  ähnlich:  Brüsi  liafdi  meö  ser  llggiivald  son 
sinn.  Möglicherweise  wurde  diese  angäbe  von  dem  redactor 
l^enutzt,  um  die  anwesenheit  Eognvalds  bei  dem  wikingzug 
zu  motivieren.  Der  redactor  von  F  hielt  sich  offenbar  noch 
mehr  an  die  Strophe.  p]r  erwähnt  porfinnr  und  Brüsi  über- 
haupt nicht  mehr  und  erhält  dadurcli  einen  text,  der  zwar 
genau  zu  der  Strophe  stimmt,  aber  dafür  Jedoch  die  oben  er- 
w^ähuten,  sachlichen  Irrtümer  enthält. 

Aus  alledem  geht  wol  hervor,  dass  wir  es  wirklich  mit 
einer  unechten  Strophe  zu  tun  haben,  deren  Verfasser  stofflich 
noch  sclilechter  orientiert  war  als  der  Verfasser  der  prosa  in  H, 
und  nur  deshalb  den  erst  nach  porgeirs  tod  eine  gewisse  rolle 
spielenden  Rognvaldr  für  Brüsi  einsetzen  konnte.  Finnr  Mag- 
nussen (GhMm.  II,  278)  erklärt  sich  die  besondere  erwähnung 
Rognvalds  (und  nicht  Brüsis  oder  beider)  dadurch,  dass  'denne 
R^genvald  opholdt  sig  ved  Kong  Olaf  Haraldsöns  Hof  paa 
samme  Tid  som  Thormod,  hvorfor  Skalden  mäskee,  i  sin  Drapa 
over  Thorgeir,  udtrj^kkelig  har  naevnt  hans  ngevn'.  —  Wir 
haben  allen  grund  anzunehmen,  dass  die  erfidrapa  noch  auf 
Island,  kurze  zeit  nach  porgeirs  tod  entstanden  ist,  zu  einer 
zeit,  als  pormöör  den  RQgnvaldr  noch  gar  nicht  kannte,  i) 

Die  formale  correctheit  der  Strophe  zeigt  den  Verfasser 
im  besitz  gewanter  technik.  Die  kenningar  ergeben  w'enig; 
die  Umschreibung  hjgrgaldrs  Njorär  steht  allerdings  unter  den 
25  kenningar  für  porgeirr  insofern  isoliert,  als  sie  die  einzige 
ist,  die  einen  mj'thischen  namen  in  die  kenning  einbezieht 
(vgl.  s.  362  ff.).  Die  reime  gewähren  in  lautlicher  beziehung 
ebenfalls  keine  anhaltspunkte.  Die  Strophe  wird  also  ziemlich 
früh  nachgedichtet  sein. 


')  Die  episode  selber  ist  mit  geAvisslieit  als  echt  anzusehen.  Chrono- 
logisch lässt  sie  sich  anstandslos  einreihen:  im  frühjahr  1021  kommt  por- 
geirr  auf  den  Orkneyiar  an,  unternimmt  mit  Briisi  die  fahrt  gegen  die 
räuberischen  Avikinge,  und  spät  im  herbst  fahren  sowol  er  wie  Brüsi  und 
Rognvaldr  nach  Norwegen.  Im  frühjahr  1022  kehren  porgeirr  und  lUugi 
nach  Island  zurück,  verbringen  den  Avinter  1022 — 1028  in  Reykjahül  und 
im  frühjahr  1023  wird  dann  porgeiiT  erschlagen  (vgl.  s.  398). 

26* 


398  GAERTNER 

Str.  7.  Die  festlegung  der  Chronologie  der  einzelnen  er- 
eignisse  bereitet  grosse  Schwierigkeiten.  Die  einzigen  ganz 
sicheren  dateu  sind:  1.  die  Übergabe  der  Orkneyiar  an  Oläfr 
i.  j,  1021  (indirect  wichtig);  2.  die  flucht  pormoös  mit  könig 
Öläfr  nach  Garöariki,  die  nach  den  Annales  regii  (Isl.  Annal. 
s.  107)  1029  stattfand;  3.  das  todesjahr  pormöös,  das  jähr  der 
Schlacht  bei  Stiklastaöir,  1030.  —  Zu  2.  ist  Jedoch  zu  be- 
merken, dass  schon  1028  Knütr  hinn  riki  kom  til  Noregs  oh 
lagdi  rihit  undir  sik  (s.  Annal.  regii  107),  und  noch  im  spät- 
herbst  desselben  Jahres,  1028'):  Pormödr  för  ör  lancli  med 
Öldfl  (vgl.  Fbr.  [52J  107, 1  v.  u.)  zunächst  nach  Schweden -)  (vgl. 
GhMm,  II,  279)  und  von  da  erst  nach  Garöariki.  Zwar  wird 
in  der  saga  nicht  angegeben,  welche  zeit  zwischen  dieser  aus- 
fahrt und  der  rückkehr  pormoös  von  seinem  zuge  nach  Groen- 
land  verflossen  sei,  es  heisst  nur:  nü  var  Pormöör  med  Olaf 
konung  i  goöri  viröingu  etc.  (Fbr.  [52]  107,  3  v.  u.),  doch  wird 
man  diese  ankunft  von  pormoör  (mit  Bj^ru  und  Sküfr  zu- 
sammen) in  Norwegen  in  den  Spätherbst  des  jahres  1027  ver- 
legen dürfen.  Da  es  iDormoör  daran  gelegen  sein  musste,  bald 
zu  Öläfr  zu  gelangen,  um  ihn  von  dem  glücklichen  ausgang 
der  fahrt  in  kenntnis  zu  setzen,  geht  er  mit  Sküfr  in  Nor- 
wegen an  land,  und  nur  Björn  fährt  weiter  nach  Dänemark, 
um  sich  von  dort  aus  auf  die  Pilgerfahrt  nach  Eom  zu  be- 
geben. —  Der  aufenthalt  pormoös  in  Groenland  hat,  wenn  wir 
dem  bericht  der  saga  folgen,  genau  vier  jähre  umfasst.  '^)  Von 
porgeirs  tod  an,  der  nach  der  oben  aufgestellten  Chronologie 
(vgl.  s.  397,  anm.)  in  das  frühjahr  1023  fällt,  gibt  uns  die  saga 
stets  in  unmittelbarem  zusammenhange  stehende  daten: 

Pormöör  kolbrknarslcäld  nncli  illa  eftir  fall  Porgeirs,  ok  för  pat  sama 
snmar  ütan  ok  Eyjölfr  ör  Olafs  dal  ok  Porgeirr  höfleysa,  föstbroöir  Jians, 
i  Grimarösi;  peir  töku  land  norÖr  ä  Halogalandi  i  Loföt.  f^ormöör  för  ä 
fund  Öläfs  kormngs  ens  helga  . . .  Fbr.  (52)  77,  23  ff.  1023 

1)  S.h.I.  V,  355  Ex  Norvegia  fiigit,  cum  15  liiemes  rex  Norvegiae  fuerat 
(vgl.  hÖs.  s.  188). 

*)  S.li.  I.  V,  356;  för  kann  fyrst  til  GnÖhranzdala,  cn  papan  üt  ä 
Heiömaurc  (hÖs.  188);  kann  för  of  Noregi  austr  um  Eipascog  til  Vermalanz 
ok  pä  üt  i  Vatsb.  . . .  oc  com  fram  ä  Neriki  (hÖs.  189)  . . .  SiÖan  er  Ölafr 
var  comimi  i  Garöariki  . . .  (hÖs.  195). 

ä)  Vigfüssou  (Orig.  Isl.  II,  676)  freilich  meint :  '  one  year  aud  a  half  will 
fully  account  for  the  iiecessary  and  niore  probable  part  of  the  tale.' 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA,  399 

pä  er  PormöÖr  JiolbnhiarsMld  hafdi  rerit  einn  celr  ineö  Öläfi 
Iconungi  1023—24, 

pä  bjd  Ski'ifr  Groenlemlingr  shp  sitt  til  GranJamh  (a.  a.o.  80,8)  .  .  . 
TeJcr  PormöÖr  scr  pä  fari  med  Sknf  (&.&.O.  SO,  lö)  im  frühjahr  1024: 

Sid  um  haustit  töko  peir  Gracuhoid  1024 

Ski'p  kom  i  EirixfjorÖ  (a.  a.  o.  82, 15).  —  Pormüdr  für  til  oistar  i 
BraUahliö  (a.  a.  o.  82,  30)  med  porkel  Leifssoii.  Affaradacf  jölanna  (also,  da 
das  jiilfest  auf  den  14.  deceniber  fiel  und  ursiirünglich  drei  tage  dauerte, 
vgl.  "Weinhold,  Altnord,  leben  s.  380,  ev.  am  17.  dec.  1024),  hjoycjuz  menn  ä 
hroit  . . .  I^ormödr  Jtgggr  i  liofui)  Lodni  svä  pat  kann  feil  pe<jar  dauÖr 
tu  jaröar  1024—25 

Um  siimarit  eptir  pessa  atbt(rdi,  also  1025, 

furo  menn  til  pings  i  Garda  i  Einarsfjord  (a.  a.  o.  86,  8) ;  Pormödr 

hgggr  i  Jigfuö  I^orgrimi  ok  klyfr  hann  i  heröar  nibr:  1025 

So  Avird  pormöör  sclcr  skugarmadr  um  vigit  1025 

Nie  flytja  Sküfr  ok  Bjarni  I^ormöÖ  til  Einarsfjord,  ok  fylgja  hönum 
i  hellt  pann  er  nie  er  kalladr  PormöÖahellir  (a.a.O.  91,  13).  Einn  güdan 
vedrdag  rceds  Porgeirr  brott  frü  hcUinum  (a.a.O.  92,  1  f.)  ...  I^orgcirr  hoggr 
bäÖum  hgndum  i  hgfud  I^orkatU  ok  klyfr  huysinn  (a.a.O.  93, 12)  1025 

Pormödr  hjö  meÖal  herda  pordi  (a.  a.o.  93,20)  1025 

Falgeirr  drucknar  (a.  a.  o.  94,  8)  . . .  2'ekr  Griina  cid  I^ormödi 
(a.a.O.  96,3)  1025 

La  P^onnödr  12  viünuöi  i  särum  (a.a.O.  96,10)  1025—26 

pä  er  einn  vetr  var  lidinn  frä  pessitm.  atburdum  (1025 — 26)  ....  rar 
pö  ekki  gröit  sär  hans.  Um  värit  curö  sä  atburdr  at  pöröis  ä  Longunesi 
(a.a.O.  96, 13  f.)  ...  1026 

pä  er  I^ormööi'  var  ordinn  heill  madr,  pä  ßuttu  peir  Skiifr  ok  Bjarni 
PormöÖ  heim  ä  Stokkanes  . . .  par  rar  I^ormöÖr  den  dritten  winter  = 
Winter  1026—27 

pormöör  und  Sigurör  verwunden  den  Ljötr  schwer,  doch  auch  por- 
möör wird  am  knie  verwundet.  —  Ok  er  hunn  cur  heill  madr  ordinn  peira 
ärerka,  pä  flytr  Steinarr  J^ormöd  lil  skips  pcira.^)  —  Eptir  pingit  var 
Sküfr  albicinn  til  brottferdar  (a.a.O.  105,28)  ...  Stiga  peir  ä  skip,  I^or- 
möör  ok  Sküfr,  ferst  peim.  vel,  taka  Noreg  (a.  a.  o.  106,  5  if.)  im  herbst  1027 

Demnach  darf  Fbr.  docli  wol  als  liistorisch  glaubwürdig- 
bezeichnet  werden.  Andererseits  ist  die  rechnung  für  die  zeit 
vor  dem  erscheinen  Jjormöc^s  auf  den  Orkney -inseln  ziemlich 
unsicher.  —  Nach  der  Zeittafel  von  Finnr  Magnüsson  (GhMm. 
II,  277  f.)  kommt  I)orm6(^r  schon   im  sommer  1020  nach  den 


')  In  der  prosa  haben  wir  a.a.O.  100, 19 pa  fystiz  Pormödr  ör  utib.  . . . 
a.  a.o.  105,  28  Eptir  pingit  . . .  eine  interpolatiou,  verraten  schon  durch  105,  24 
pä  flytr  Steinarr  PormöÖ  til  skips  peira! 


400  GAERTNER 

Orkuey-inseln,  er  geht  dort  mit  Brüsi  und  dessen  söhn  Rogn- 
valdr  auf  die  Leerfahrt  gegen  die  wikinger,  gelangt  aber  erst 
im  herbste  des  folgenden  Jahres  (1021)  nach  Norwegen.  Finnr 
Magnüsson  gieng  dabei  von  dem  von  Finnr  Johnsen  angesetzten 
termin  für  den  aufenthalt  porm6(^s,  Dorgeirs  und  Grettirs  in 
Reykjahöl  bei  porgils  Ärason  aus,  nämlich  dem  winter  1019 
— 1020.  Indes  die  angäbe  über  das  zusammentreffen  dieser 
drei  männer  ist  durchaus  nicht  gesichert:  wir  hören  nur  in 
der  recension  der  Öläfssaga  davon,  und  hier  ist  die  betreffende 
kurze  episode  sicherlich  interpoliert  (Boer,  Grett.  XXXII  nimmt 
an,  dass  sie  aus  der  Grett.  stammt  und  setzt  als  jähr  der  be- 
gegnung  1016—1017  an).  —  Ferner  ist  es  unwahrscheinlich, 
dass  pormöör  mit  Rognvaldr  (?)  —  Brüsi  den  ganzen  sommer 

1020  hindurch  bis  zum  nächsten  herbst  1021  auf  der  heer- 
fahrt  gewesen  wäre:  von  einem  Winteraufenthalt  1020 — 1021 
wird  ebenfalls  nichts  erwähnt.  Ich  traue  deshalb  dem  saga- 
bericht  und  nehme   demnach   an:    porgeirr  kam  im  früh  jähr 

1021  zu  den  Orkney -inseln,  verbrachte  den  sommer  auf 
wikingerfahrten,  oJi  sid  um  hausfit  för  hann  til  Xöregs  (Fbr. 
[52]  47, 24).  —  Verfolgen  wir  von  hier  aus  die  erzählung 
rückwärts,  so  ergibt  sich  folgendes  bild: 

Im  Spätherbst  (um  vetrinn)  1020 

war  porgeirr  /  Steingrhiisfjprö  til  Bofär  gefahren  und  hatte  dort  den  pörir 
getütet.    Den  vorausgehenden  winter  1019—20 

brachte  er  bei  Öläfr  zu  (a.  a.  o.  66, 21),  ferr  ä  fund  Olafs  konungs  ok  er  med 
hönum  pann  vetr.    Um  varit  desselben  Jahres,  1019, 

hatte  er  den  Hoekil  Snorri  a  Hvitstodum  erschlagen,  den  winter  1018 — 19 
aber  in  Eeykjahol  zugebracht.  —  pat  var  eit  sumar,  1018, 

er  hann  kom  skipi  sinu  i  Hritä  ok  hell  siÖan  upp  i  Gljüfrä. 

Wir  wissen  auf  grund  der  bisherigen  ausführungen,  dass 
er  die  winter  von  1019—20  und  1021—22  bei  Öläfr  verlebte. 
Nach  ausweis  der  str.  7  unternahm  pormoör  aber  6  fahrten 
von  Island  aus  {Sex  sinniim  Ut . . . )  und  da  er  var  annan  vetr 
jafnan  med  Oldß  konungi  i  Noregi,  en  annan  d  Islandi,  so 
musste  die  erste  ausfahrt  (wenn  wir  voraussetzen,  dass  er  den 
winter  von  1023 — 24  widerum  bei  Öläfr  zu  verbringen  be- 
absichtigte [den  winter  1022-  23  weilte  er  in  Reykjahöl,  vgl. 
oben],  und  deshalb  sein  unternehmen  gegen  porgrimr  Einarsson 
als  letzte  ausfahrt  rechnen),   1013  stattgefunden  haben,  die 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  401 

zweite  danach  1015,  die  dritte  1017.  die  vierte  1019  und  die 
fünfte  1021.  Von  der  zweiten  und  dritten  und  damit  aus  den 
sommern  1013—17  wissen  wir  von  I)orgeirr  niclits  fest  datier- 
bares. Wir  können  nur  aus  der  oben  citierten  kurzen  notiz 
erschliessen.  dass  er  die  winter  von  1013 — 14.  1015 — IG.  1017 
— 1018  (was  wider  zu  seiner  ankunft  im  sommer  1018  in  Is- 
land stimmt)  in  Norwegen  zubrachte.  Ueber  seine  isländischen 
aufentlialte  lieisst  es:  jafnan  loni  hann  slcijfi  sitm  i  B(^rgar- 
fjoni,  ok  hjeldu  pci  i  Flöa  i  Norörd  olc  settl  par  tipp  d  vetrum, 
firir  vestan  dna,  par  sem  ni'i  er  IcaUat  Porgeirshröf,  pat  er 
sädr  frd  liolii pvi  er  SmidjuhoU  heitir  (a.a.O.  29. 10 — 13).  Aus- 
führlicher wird  nur  seine  erste  ausreise  geschildert.  >)  Auf 
den  sommer  1014  oder  1016  bezieht  sich  somit  siclierlich  die 
nachricht,  dass  Porgeirr  för  Imupfor  säör  til  Vindlanäz,  ok  var 
par  litill  fridr  i  penna  tima  liaupmgnnum  noröan  6r  londum. 
Af  pessum  ferd  varö  hann  dgcetr.  —  Ohne  nachricht  sind  wir 
nur  über  die  sommer  1015.  1017  und  1014  oder  1016.  —  Gehen 
wir  von  1013,  seiner  ersten  ausfahrt  in  der  zeit  noch  weiter 
rückwärts,  so  gehört  in  das  zeitige  frühjahr  1018 

die  eiinordung  Sküfs  uud  Bjarnis  kurz  vor  der  ausfahrt;  skip  stöö  uppi  i 
Norörd  i  Flöa ;  par  car pä  sJcipa  hnfn  tiö  (a.  a.  o.  25,  5).  Im  vorhergehenden 
frühling,  also  .   1012, 

für  Porgeirr  til  Isafjardur,  panijat  . . .  peir  fara  nordr  ä  Strander  . . . 
peir  Porgeirr  ok  Porinödr  röro  pat  sumar  ä  Strgnclum  (a.  a.  o.  24:,  6)  1012; 
dort  erfolgt  ihre  trenuung;  um  haustiÖ  seiii  Porgeirr  upp  skip  sitt  iiorör 
ä  Strpnchiin  (a.a.O.  24,25).  Siöan  för  hann  ä  Heykjaliöla  til  Porgils  ok  var 
par  um  oetrinn  1012 — 13; 

den  Winter  1011—12 

hatte  er  ebenfalls  in  Eeykjahol  verlebt.  —  Vorausgegangen  war  folgendes: 
Im  frühjahr  1011,  er  värar  ok  veÖrdtta  hatnar,  pa  flöta  peir  skipi  sinn  ok 
hka  pat  (a.a.O.  18,30)  ...peir  fara  nordr  ä  Strandir  (a.a.O.  19, 1)  ...  Um 
haustiö  1011 

föro  peir  noröan  af  Strondam  til  Isafjaröar  ok  sellu  upp  akip  sitt  .  .  . 

1)  Austmenn  leggja  skipi  sinu  üt  til  Seljaeyrar  (a.a.O.  28,  6)  . . .  relkti 
ilti  i  hafi  nokkura  hriÖ,  sjä  at  lyktum  land  firir  stafni  ...  ok  er  pat  Irland 
(a.  a.  0.  28, 12) ;  peir  föro  paöan  til  Englands  ok  coro  par  tun  hriö  —  ok 
hefir  Pormöör  svä  um  ort,  at  Porgeirr  Poigi  par  gööar  gjäfir  af  hof- 
dingjum.  Eptir  pat  för  hann  til  Danmerkr,  ok  fekk  par  scä  mikla  rirÖing, 
at  Danir  tignuöu  hann  nerr  sem  konung,  at  pvi,  sem  Pormöör  heftr  um 
ort.  Siöan  för  hann  til  Noregs  ok  ä  fund  Olafs  konungs  ens  helga  (a.a.O. 
28,27)  ok  pä  geröiz  hann  hirÖmaör  Olafs  konungs. 


402  GAERTNER 

Yerr  PormöÖr  tu  fpöur  sins;  Jiorgeirr  tötet  noch  den  Butralda  im  spät- 
herbst  '  1011 
Ih-o  peir  med  kenni  (S/'grfljöd)  im  winter  1010—11 
Um  värit  eptir  ßessi  tidendi  (der  ermordung  jQÖiirs  durch  Jiorgeirr  1009) 
rez  Pörelfr  vestr  ä  BeyJcjanes  (a.  a.  o.  12,  30).  /)ai  sumar  1010 
var  scez  ä  vig  peira  JöÖurs  ...  Vöro  peir  ßormuör  enir  heztu  einir,  ... 
letu  rcida  yfir  um  smnarit  i  ymsa  Stade  ...  oJc  er  homit  var  at  vetri,  .  .  . 
peir  siglöu  üt  6r  Isafirdi;  ein  nnwetter  verschlägt  sie  zu  Sigrfljöö  und  auf 
ihre  auiforderung  hin  überfallen  sie  im  winter  (fara  yfir  fjordinn  ä  isi 
a.a.O.  15,22)  den  Ingolfr  und  den  Jtorbrandr  1010 — 11 
pä  Möbi  hafstods  vas  15  rctra,  er  vig  petta  rard  (vgl.  str.  2  und  a.a.O.  17); 
—  es  handelt  sich  um  die  ermordung  JoÖurs  durch  pcrgeirr  im  sommer  1009; 

iDorgeirr  muss  demzufolge  bereits  etwa  994  geboren  sein. 
Pormödr  var  nolchiru  ellri,  en  pö  var  Porgeirr  sterl'ari  (a.  a.  o. 
s.  6);  da  nonkuru  eine  sehr  relative  Zeitangabe  ist,  brauchen 
wir  die  geburt  pormöös  nicht  weit  von  994  zu  verlegen,  viel- 
leicht sogar  noch  in  dasselbe  jähr  (vgl.  GhMm.  11,276;  daselbst 
meint  Finnr  Magnussen:  pormöör  sei  nur  deshalb  als  der  ältere 
ausgegeben,  weil  er  dem  porgeirr  überlegen  war?). 

Mit  diesem  resultat  (pormöör  geboren  993 — 94,  porgeirr 
ca.  994)  steht  in  gutem  einklange  eine  Zeitangabe,  die  der 
zweiten  hälfte  der  str.  22  zu  entnehmen  ist.  Diese  Strophe 
ist  in  den  grossen,  nur  in  F  enthaltenen  prosaabschnitt  ein- 
gefügt. Da  die  str.  22  vor  könig  ()lafr  recitiert  wird  (und 
zwar  im  herbst  vor  Ioorm6("^s  ausfahrt  nach  Grönland,  also 
1023),  trifft  die  angäbe  der  Strophe:  Eml;  {Pornwdr)  varliga 
oröinn  Ph-itecjr  ganz  das  richtige,  indem  sie  ebenfalls  auf  993 
— 994  als  geburtszeit  pormoös  hindeutet.  Diese  beziehung 
aber  wird  in  frage  gestellt  durch  die  angäbe:  liefh  sex  hoöa 
stdlregns  vegna  im  ersten  visuhelmingr,  denn  bis  1023  hat 
pormöör  nur  den  Ingolfr  getötet,  wenngleich  es  nicht  aus- 
geschlossen ist,  dass  uns  von  seinen  übrigen  gewalttaten  nichts 
berichtet  wird  (vgl.  str.  5  Frett  liefr  glä,  at  dttum  rögsmenn 
saman  gnoga!).  Die  lösung  der  Schwierigkeiten  wird  so  zu 
versuchen  sein:  die  zweite  halbstrophe  ist  tatsächlich  gelegent- 
lich pormoös  erster  begegnung  mit  könig  Öläfr  citiert,  1023, 
sie  steht  demnach  in  F  am  richtigen  platze.  Der  Inhalt  des 
Satzes:  ver  letum  ])6  hita  skarar  mords  at  mun  manna  bezieht 
sich  auf  taten  des  skalden  in  seiner  heimat.  Die  erste  halb- 
strophe ist  secundär  hinzu oder  besser  —  vorausgedichtet 


ZUR  FOSTBROEDRASAGA.  403 

worden.  Sie  hat  höhere  tonh^ge  als  die  zweite  halbstroplie 
und  deutliche  tiefschlüsse  gegenüber  den  für  pormöAr  charak- 
teristischen hochschlüssen  (in  22,  5—8);  auch  sonst  verrät  sich 
22, 1 — 4  durch  verdächtige,  unklare  kenningar,  wie  *on(i  styrr 
und  *hjalta-Ty  (22,2)  mit  dem  anomalen  reimschema  a  —  ay, 
demzufolge  die  zwei  nomina  hjalta-  und  Ty  reimlos  bleiben. 
Weil  aber,  wie  erwähnt,  der  inhalt  der  ersten  halbstroplie 
schlecht  zu  der  umgebenden  prosa  stimmte,  hielt  man  die 
ganze  str.  22  für  an  falscher  stelle  citiert  und  nahm  an,  dass 
sie  nach  pormöös  rückkehr  (vgl.  Sn.  E.  III,  538),  etwa  nach 
Str.  32  gesprochen  sei.  Allein  auch  hier  macht  die  zahl  '6' 
Schwierigkeiten.  In  str.  33  nämlich  nennt  pormöör  nur  fünf 
von  ihm  getötete  gegner;  nicht  erwähnt  wird  (nach  Gislason, 
Nj.  II,  137:  mit  gutem  recht)  die  ermordung  des  Ljotr  l)6run- 
narsonr  und  dreier  seiner  leute  durch  pormoör  und  Steinarr. 
"Wollten  wir  annehmen,  dass  pormoör  nicht  nur  einen  der  vier 
gegner  erlegte  (Steinarr  deren  drei),  sondern  mindestens  zwei, 
so  würde  die  zahl  der  auf  Grönland  getöteten  7  betragen, 
also  auch  dann  keine  Übereinstimmung  mit  22, 1 — 4.  Ausserdem 
wäre  man,  wenn  die  Strophe  erst  gelegentlich  der  zweiten  be- 
gegnung  pormöös  mit  Öläfr  gesprochen  worden  wäre,  auf  grund 
der  zweiten  halbstroplie  gezwungen,  das  geburtsjahr  pormoös 
nach  997  (vgl.  Fbr.  [99]  Timatal:  Feeddr  Pormöds  MbrimarsJc. 
998)  zu  verlegen;  die  folge  wäre  dann,  dass  die  auf  str.  7 
fassende  Chronologie  umgeworfen  und  damit  die  echtheit  der 
Strophe  unmöglich  würde.')  Belassen  wir  dagegen  das  frag- 
ment  22, 5 — 8  an  der  ihm  von  F  angewiesenen  stelle,  so 
werden  nicht  nur  sämmtliche  Schwierigkeiten  gelöst,  sondern 
die  Strophe  vermag  eine  weitere  stütze  für  die  auf  str.  7  und 
der  prosa  basierende  Chronologie  abzugeben. 

Str.  11  begegnet  z.  7  handschriftlich  die  form  odds.  Fiunr 
Jonsson  vermutet  darin  den  nanien  Oddr  und  construiert: 
jostijrandi  Idyra  liefndi  sdra  Odds.  Von  einem  Oddr  ist  in 
der  saga  sonst  nii'gends  weiter  die  rede:   der  name  des  von 


')  Finnr  Magnüsson  (GhMm.  II,  277)  glaubt,  dass  die  Strophe  bereits 
in  Groenland  verfasst  sei,  'hvortil  den  netop  vilde  passe';  aber  auch  dies 
ist  wegen  chronologischer  bedenken  zurückzuweisen,  da  die  stropbc  nicht 
vor  1025  entstanden  sein  könnte,  in  welchem  jähre  er  die  drei  briider  er- 
mordete, den  Loöinn  und  porgrimr. 


404  GAERTNER 

I)()rir  verwundeten  gefolgsmannen  Olafs,  den  dieser  durcli  por- 
geirr  räclien  lässt,  wird  in  F  ausgelassen:  liami  smröe  Jconungs- 
mann  miJdu  sari  (F.  II,  157);  in  H  wird  der  mann  zwar  genannt, 
doch  lieisst  er  da  nicht  Oddr,  sondern  porflnnr  (Fbr.  [52]  67). 
Das  würde  zunächst  den  verdacht  erwecken,  1.  dass  str.  11 
eine  nachdichtung  ist,  in  der  eine  falsche  namensform  im  reim 
benutzt  wurde,  2.  dass  ein  redactor  der  H-version  die  Strophe 
in  den  text  einstellte,  ohne  die  namensverschiedenheit  zu  be- 
merken, 3.  dass  in  den  späteren  texten  der  Widerspruch  auf 
kosten  der  prosa  beseitigt  wurde,  indem  man  den  namen  I)or- 
finnr  (Bergfinnr :  vgl.  F.  Jonsson,  Litt.  hist.  II,  468)  einfach  eli- 
minierte (vgl.  einen  ähnlichen  fall  bei  str.  12,  wo  in  der  prosa 
von  F  die  namen  des  Bn'isi  und  des  porfinnr  jarl  ebenfalls 
beseitigt  wurden).  Indes  macht  die  Strophe  einen  so  ursprüng- 
lichen eindruck  und  fügt  sich  so  gut  in  den  gesammtcharakter 
der  erfidrfipa  ein,  auch  zeigt  sie  in  spräche  und  bau,  in  melodie 
und  tonhöhe  eine  so  weitgehende  Übereinstimmung  mit  den 
visur  der  dräpa,  dass  von  einer  nachdichtung  nicht  wirklich 
die  rede  sein  kann.  Ich  glaube  deshalb,  dass  es  mit  dem  Por- 
ßinr  von  H  zwar  seine  richtigkeit  hat,  dass  dagegen  oddr  nicht 
der  name  des  gefolgsmannen,  sondern  ein  heiti  für  schwert  ist 
(oddr  =  spitze,  schwertspitze  als  pars  pro  toto  für  gladius: 
es  rächte  der  wackere  kämpe  die  schwertw'unden  [porfinns] ). 
Zu  Str.  18  vgl.  die  ausführungen  s.  327  f. 

IL    Die  lausavisur. 

Erwiesen  sich  schon  die  Strophen  der  erfidräpa  nicht 
durchweg  als  echt,  so  stossen  wir  bei  den  lausavisur  (die 
nicht,  wie  jene,  glieder  eines  ursprünglich  festgefügten  ganzen 
waren)  in  noch  höherem  masse  auf  nachdichtungen.  Während 
im  ersten  teile  der  saga  der  redactor  no.  1  jede  bedeutendere 
handlung  mit  einer  Strophe  belegt,  begegnen  im  zweiten  teile 
nach  Str.  23  umfangreiche  prosapartien  ohne  poetischen  schmuck 
(vgl.  Fbr.  [52]  78—86.  95—106  etc.),  denen  dann  wider  grosse 
strophencomplexe  folgen,  die  in  einen  belebten  dialog  eingefügt 
sind.  Da  aber  jene  strophenfreien  teile  ebenfalls  der  Zwie- 
gespräche nicht  entbehren  und  für  den  gang  der  handlung  wich- 
tige episoden  enthalten,  so  scheint  sich  hier  der  sagaschreiber 
ausschliesslich  auf  mündliche  tradition  gestützt  zu  haben. 


ZUR  f6stbr(edrasaga.  405 

Str.  0.  Tm  ersten  teile  der  saga,  den  man  'porgeirs  leben 
und  tod'  und  "pornKuM-  auf  Island'  überschreiben  könnte,  stehen 
nur  zwei  lausavisur  {S,  9),  eine  in  der  episode  von  pöröis,  die 
andere  in  der  von  porbj^rg-  kolbrün;  sie  wären  danach  zwischen 
1013 — lOlG  entstanden.  —  AA'ährend  erstere  im  allgemeinen 
den  eindruck  der  echtheit  macht,  weist  str.  9  ein  curiosum 
auf:  fast  sämmtliche  kenningar  der  drapa  sind  dem  anschauungs- 
kreis  des  täglichen  lebens  entnommen '),  str.  9  wäre  damit  die 
ei^te  und  einzige  der  auf  Island  verfassten  strojjhen,  in  der 
mj'thologische  kenningar,  zudem  in  starker  anhäuf ung,  ent- 
gegentreten: e^'-Draupnis  dis;  en  pri'iöa  prüör,  Hildr  hvitings! 
—  Technisch  steht  die  Strophe  ungefähr  auf  gleicher  höhe 
mit  der  als  nachdichtung  erkannten  str.  4,  mit  der  sie  auch 
sonst  verwante  züge  aufweist,  die  auf  den  gleichen  Verfasser 
deuten:  nahezu  vollständige  iibereinstimmung  im  auf  bau  der 
verse  (die  typenfolge  in  der  ersten  halbstr.:  A],Ai — D.,,  A^Dj; 
zu  4,1  [vel-telja]  und  12,7  [drengs  :  lengri,  vgl.  s.  360]),  der 
ähnliche  einsatz  mit  einem  qualitäts-adv.  {vel,  üla).  das  vor- 
kommen mj-thologischer  kenningar,  bez.  termini  und  nicht 
zum  wenigsten  das  gleiche  melodische  Schema.  —  Schon  die 
den  Strophen  8.  9  vorausgehende  Situationsschilderung  (Rersi 
erkundigt  sich  in  beiden  fällen  teilnehmend  nach  dem  miss- 
geschick  seines  sohnes)  leistete  einer  nachdichtung  für  die 
porbjorg-episode  Vorschub. 

Darf  man  also  str.  9  als  nachdichtung  ansehen,  so  muss 
pormoör  am  hofe  Olafs  seine  technik,  besonders  seinen  schätz 
von  kenningar  sehr  vervollkommnet  haben.  Solange  er  auf 
Island  weilte,  entnahm  er  die  kenningar  ausschliesslich  dem 
leben  der  krieger  und  Seefahrer.  2)  Das  wird  aber  anders, 
nachdem  sich  pormoör  eine  Zeitlang  als  skalde  am  hofe  Olafs 
aufgehalten  hat.  Von  dieser  zeit  an  weisen  seine  lausavisur 
eine  reiche  auswahl  mj^thologischer  namen  in  den  kenningar  3) 


^)  Ausgenommen  sind  nur:  frä  Gunni  str.  4,  3  (!),  terminns  =  kampf- 
göttin;  NjorÖr  hjorgulärs  str.  12, 1  (!)  und  das  nicht  schwerwi'cgeude  valdr 
alfpdurs  tjalda  str.  3. 

*)  Die  so  gearteten  Umschreibungen  vermögen  für  die  echtheit  der 
Ftrophen,  sowie  für  die  Zusammengehörigkeit  der  auf  Island  entstandenen, 
ein  wertvolles  kriterium  abzugeben. 

^)  So  vor  allem  in  den  Grönlands-strophen. 


406  GAERTNER 

auf:  z,  b.  25,  2  Baldr  skjaldar,  27,  7  NjgrÖr  nadda  hords,  28,  6 
Ti'jr  längs  premja  svells  drifu,  30,  3  Baldr  lirmgs  setrs,  31,  5 
Ullr  eggvedrs  etc.  Dass  auf  ihn  die  uälie  des  grossen  Siglivatr 
nicht  ohne  einfluss  gewesen  ist,  darf  als  sicher  angenommen 
werden. 

Zu  pormoös  aufenthalt  bei  Knütr.  Ueber  die  echtheit 
dieses  nur  in  der  Öläfss.-version  der  Fbr.  aufgezeichneten  be- 
richtes  ist  viel  gestritten  worden  (vgl.  F.  Junsson,  Sn.  E.  III, 
527  ff.  Litt.  bist.  11,469.  Finnr  Magnüsson,  GhMm.  II,  276  ff. 
Guöbr.  Vigfüsson,  Cpb.  II,  175  und  Orig.  Isl.  II,  677).  Der  gang 
der  erzählung  ist  folgender:  I)orgeirr  ist  gefallen  (1023),  l3or- 
möör  erinnert  sich  alsbald  des  von  ihm  geleisteten  eides,  sein 
einziges  ziel  ist  die  räche  für  Jjorgeirr.  Da  dieser  ein  gefolgs- 
mann  Olafs  war,  so  muss  auch  der  könig  darauf  bedacht  sein, 
für  die  ihm  selber  durch  porgeirs  ermordung  zugefügte  schmach 
räche  zu  nehmen,  pormöör  begibt  sieb  also  eiligst  zu  (3läfr, 
um  sich  diesem  als  räclier  anzubieten.  Von  dieser  reise  ist 
einiges  mitgeteilt:  H  PormöÖr  för  ^at  sama  sumar  utan  . . . 
J)eir  töhu  land  nordr  d  Halogalandi  i  Loföt,  PormöÖr  för  d 
fund  Olafs  l'onungs  ens  helga ')  •  •  •  sagdi  kann  liönum  pd  alla 
athurdi  um  fall  hans  (Fbr.  [52J  77).  Gegen  die  genauigkeit 
dieses  berichtes  ist  nichts  einzuwenden;  derjenige  in  F  und 
lös  dagegen  weist  grosse  Unklarheit,  vielleicht  eine  absicht- 
liche Verschleierung  und  Verheimlichung  von  wolbekanntem  auf. 
Es  lieisst  in  F.  II,  199:  pat  sama  sumar  sem  hann  (Porgeirr) 
var  veginn,  för  Pormödr  ütan  vestr  j  Vadli  oJc  er  ecki  sagt  af 
fcrdum  peira-)  fyrr  en  peir  komu  fram  j  Danmork.  J)d  reo  par 
firir  Knilir  hinn  riki.  ...  In  Wirklichkeit  aber  Weilte  Knütr 
.  damals  (1023)  in  England  und  kam  erst  gegen  ende  des  jahres 
1027  nach  Dänemark,  wo  er  1027  — 1028  überwinterte  (vgl. 
S.  h.I.  V,  355  und  liÖs  s.  161:  Kniitr  kongr  . . .  com  . . .  til  Dan- 
mercr  ok  lagdi  til  Limafjardar).    Der  bericht  von  F,   soweit 


0  Vgl.  eiue  notiz  in  Hkr.  II,  272, 15  =  hOs.  cap.  113,  s.  125  =  lös.  1859, 
cap.  113  =  F.  II,  239  =  Form.  V,  280  Föru  af  Islandi  margir  met  —  orda 
menn,  j)cir  er  handgegnir,  gerdusk  Öläfl  kommgi;  par  var  . . .  Porgeirr 
Hävarsson,  Pormödr  Kolbrünarskäld  ... 

^)  Wer  gemeint  ist,  ob  Avie  in  H  pormöör  und  die  föstbroeör  porgeirr 
hofleysa  und  Eyjölfr,  oder  Sküfr  und  Bjarui,  die  den  pormoör  auf  seiner 
fahrt  von  Grönland  nach  Norwegen  begleiteten,  bleibt  unklar. 


ZUR  FÖSTBROEDRASAGA.  407 

ihm  danach  nocli  ein  historischer  kern  zugestanden  werden 
darf,  ist  demnach  zum  mindesten  an  falscher  stelle  eingesclialtet; 
dann  bleibt  nur  eiue  möglichkeit,  nämlich  anzunehmen:  1.  dass 
das  erzählte  sich  auf  der  riickreise  I)orm6ös  von  Grönland 
nach  Norwegen  abspielte,  also  unmittelbar  vor  seiner  zweiten 
begeguung  mit  Oläfr,  2.  dass  pormuör  mit  seinen  beiden  ge- 
fährten  (?)  durch  ungünstige  winde  aus  dem  kurs  verschlagen 
wurde  und  infolge  von  nebel  anfang  des  herbstes  (1027)  nach 
Dänemark  geriet  (vgl.  8n.  E.  III,  530).  —  Dieser  annähme 
stehen  aber  manche  gründe  entgegen:  als  nächste  folgerung 
ergibt  sich  dann,  dass  die  durch  str.  21  gestützte  erzählung 
von  pormoös  Jiucht  auf  das  scliifl;  des  königs  (vgl.  F.  II,  201/02) 
erfunden  ist,  da  sie  nur  auf  eine  erste  begeguung  mit  (3läfr 
bezogen  werden  kann,  während  eine  solche  bereits  vier  jähre 
früher  (1023),  also  vor  der  Grönlandsfahrt,  stattgefunden 
haben  muss.  Auch  das  übrige  (pormoös  aufenthalt  bei  Knütr 
und  die  fahrt  mit  dem  wiking  Härekr)  ist  stark  verdächtig: 
zunächst  müsste  die  klare  erzählung  in  H  von  der  trennung 
Bjarnis  von  pormöör  und  JSkiifr  unecht  sein;  es  müsste  erfunden 
sein,  dass  die  letzteren  beiden  in  Norwegen  an  land  gehen, 
nachdem  sie  vorher  die  habe  geteilt  haben,  dass,  während 
Bjarni  mit  dem  schiffe  allein  weiterfährt  und  nach  Eom  pil- 
gert, Sküfr  in  Norwegen  bleibt  und  dort  seinen  lebensabend 
beschliesst.  Was  bietet  uns  dafür  der  text  von  F?  nichts 
darüber,  wer  pormöös  begleiter  auf  dieser  fahrt  waren,  nichts 
darüber,  durch  welche  umstände  sie  nach  Dänemark  ver- 
schlagen wurden:  auch  in  dem  späteren  bericlit  von  pormoös 
rückkehr  zu  Oläfr  verschwindet  Sküfr  spurlos  aus  der  saga, 
vgl.  F.  II,  225,  :  statt  alledem  nur  die  trockene  auskunft:  peir 
könnt  fram  i  Danmercr  . . .  var  hönum  (Knüti)  sagt  frei  Por- 
moöi  ...  oh  sendir  honung)-  eftir  lionum  oh  bad  hann  Jcoma  d 
sinn  fund.  Das  klingt  so,  als  wäre  pormoör  absichtlich  zu- 
nächst nach  Dänemark  gefahren,  obwol  er  (wie  str.  23  aus- 
drücklich betont  wird:  minnumic  meir  d  annat  mitt  starf)  die 
ausführung  der  räche  als  sein  einziges  ziel  betrachtet  hatte. 
Die  lös  berichtet  das  auftauchen  pormöös  an  Knuts  hof  etwas 
anders,  ohne  dass  sie  vermocht  hätte,  es  wahrscheinlicher  zu 
machen;  der  redactor  hat  sich  die  sache  sehr  erleichtert:  die 
fabel  von  pormöös  berufung  ist  nichts  weiter  als  eine  Variation 


408  öAERTNEß 

der  vorhergehenden  notiz  (a.  a.o.  s.  43),  wo  Kniitr  verg-eblich 
eine  einladung  an  Sigurörsun  Aka  Vaugssunar  ergehen  lässt, 
der  es  vorzieht,  bei  künig  Öläfr  zu  bleiben. 

Der  bericht  von  der  abenteuerlichen  ersten  begegnung 
pormoös  mit  Öläfr  musste  als  unecht  bezeichnet  werden,  so- 
bald man  ihn  als  eine  scene  aus  pormöös  rückreise  von  Groen- 
land  (zur  zweiten  Zusammenkunft  mit  Oläfr)  betrachtet.  Damit 
wird  zugleich  der  glaube  an  die  echtheit  der  Härekr  -  episode 
schwer  erschüttert,  denn  diese  ist  mit  dem  folgenden  dadurch 
eng  verknüpft,  dass  pormoör  gegen  ende  der  wikingerfahrt 
von  Häreks  schiff  auf  das  königsschiff  hinüberspringt  und  so 
jene  erste  begegnung  herbeiführt.  Den  kernpunkt  der  ganzen 
erzählung  könnte  ein  durch  irgendwelche  umstände  veranlasstes 
zusammentreffen  pormoös  mit  Knütr  —  und  zwar  nach  seiner 
Grönlandfahrt  —  in  Dänemark  bilden,  von  wo  aus  er  sich  zu 
Öläfr  zurückfand.  Ein  redactor,  der  diese  episode  zu  früh  in 
den  Zusammenhang  der  erzählung  einstellt,  erfindet  nun  die 
an  grossen  unwahrscheinlichkeiten  laborierende  Härekr-  und 
fluchtgeschichte.  —  Nimmt  man  einen  solchen  dänischen 
auf  enthalt  aber  an,  wie  ihn  der  erste  teil  der  'Interpolation' 
schildert,  so  gerät  man  mit  der  Chronologie  in  conflict,  die 
für  die  jähre  1021—1030  als  leidlich  gesichert  gelten  darf. 
Wir  wissen,  dass  pormuör  erst  im  herbste  1027  nach  Norwegen 
bez.  Dänemark  gelangt  sein  kann.  Nach  der  rede  Knuts  zu 
schliessen  (vgl.  auch  str.  19):  uar  med  oss  Pörarinn  loftunga 
traf  pormöör  den  pörarinn  nicht  mehr  bei  Knütr  an.  In  der 
hös  1)  jedoch,  die  in  einem  besonderen  abschnitte  über  pörarinn 
loftunga  handelt  (s.  180)  und  hier  entschieden  glaubwürdig  ist, 
wird  ausdrücklich  bemerkt:  Pörarinn  krösar  Jn-i  at  liann  var 
i  för  med  Knüti  lionimgi,  er  liann  com  i  Noreg,  mit  anderen 
Worten:  pörarinn  weilte  nicht  nur  um  jene  zeit  bei  Knütr, 
sondern  hielt  sich  auch  noch  im  nächsten  jähre  bei  ihm  auf. 
Weiter  heisst  es  in  F:  nachdem  pormöör  durch  das  angebot 
Knuts  {])at  var  mork  gulU  F.  II,  200,  6)  sich  hat  bewegen 
lassen,  einstweilen  in  Dänemark  zu  bleiben  (!),  er  kann  J)ar 
um  hriö  ...   oli   oft  kvaö  kann  visur  um  Jmt  er  viö  har   (von 


')  Vgl.  auch  10s  s.  59  fra  pesse  fcerö  Knuz  kgs.  scegir  Poraremi  lof- 
tunga i  drapo  pceirri  er  hann  kvad  um  Knut  konong. 


ZUR  fAstbrcedrasaga.  409 

diesen  Strophen  ist  natürlich  nichts  erhalten).  . . .  Liör  ml 
sumarit,  . . .  danach  wird  man  veranlasst  zu  erlauben,  dass  der 
prosaschreiber  den  poi-moör  den  ganzen  sonnner  über  bei  Knütr 
weilend  gedacht  habe,  und  doch  kam  iJormocM-  überhaupt  erst 
im  herbst,  ja  Spätherbst,  dahin.  Den  nächsten  sommer  (1028) 
soll  er  nach  F  auf  dem  wikingsehiffe  Häreks  verbracht  haben 
und  soll  ihm  erst  at  alidnu  siimri  die  flucht  gelungen  sein: 
zu  einer  zeit,  wo  Olafr  bereits  auf  vollem  rückzuge  vor  Knütr 
til  Vikrinnar  war. 

Der  einzige  grund  dafür,  dass  man  noch  immer  und  mit 
Zähigkeit  an  einem  aufenthalte  pormOös  in  Dänemark  und 
seiner  aufnähme  bei  üläfr  festgehalten  hat,  ist  die  existenz 
von  drei  visur  (19—21)'),  die  den  prosabericht  stützen  und 
ihm  dadurch  den  schein  der  echtheit  verleihen.  Wären  aber 
auch  diese  unecht,  so  würde  diese  frage  vermutlich  für  den 
gesammten  abschnitt  abgetan  sein. 

Str.  19.  Die  prosa,  in  die  str.  19  eingelegt  ist,  enthält 
eigentlich  nur  eine  besonders  in  F  breit  angelegte  Variation 
des  in  F.  II,  204,  7  ff.  erzählten  abschieds  pormoös  von  Oläfr 
vor  seiner  abreise  nach  Groenland,  der  dort  mit  den  kurzen 
Worten:  Jcommgr  gaf  Pormodi  hring  oh  sverö ])d  er  Jjeir  sJcildu.iSt 
erwähnt  wird.  Jener  andere  bericht  aber  zeigt  durchaus  weit- 
läufigen Stil  2)  und  eine  dialogtechnik,  die  von  der  gedrungenen, 
an  die  klassischen  sogur  erinnernden  spräche  der  meisten 
Partien  in  H  weit  verschieden  ist.  Er  hat  ganz  die  breite 
erzählermanier  der  'bearbeiter'  mit  ihren  gesuchten  motiven 
und  unwahrscheinlichen  Situationen.  •'-) 

Anders  die  Strophe:  ihr  echt  skaldischer  Charakter  kann 
nicht  abgeleugnet  werden.    ]\russ  aber  deswegen  pormöör  der 


1)  Die  episode  findet  sich  auch  in  der  ältesten  Ölafss.  li.  lielga  (1160). 

*)  Die  ganze  darstellungsweise  fällt  aus  dem  rahmen  des  ührigen 
heraus.  Das  würde  noch  klarer  hervortreten,  wenn  F  nicht  bereits  stark 
im  sinne  der  gesammten  lös.  überarbeitet  wäre. 

^)  Z.b.  gelegentlich  I)orm6ös  ab.schied  von  Knütr;  dieser  gibt  seinem 
skalden  nicht  sofort  eine  mark  goldes,  wie  vereinbart,  sondern  zunächst 
nur  eine  halbe  (obwol  er  sein  versprechen  genau  kennt,  wie  sein  spätere)- 
ausspruch  ^af  er  satt  ...  beweist),  sodass  jDorraöör  gezwungen  ist,  noch- 
mals deutlicher  auf  seiner  forderung  zu  bestehen,  die  den  künig  veraiüasst, 
noch  einen  zweiten  ring  herauszugeben.  Es  folgt  eine  volltönende  dank- 
strophe  pormoös. 


410  GAERTNER 

Verfasser  dieser  stroplie  sein?  Gewiss  niclit,  denn  das  geht 
weder  aus  inlialtliclien,  noch  formalen  gründen  mit  notwendig- 
keit  hervor.  Sie  könnte  ebensogut  von  einem  anderen  skalden 
am  hofe  Knuts  verfasst  sein'),  und  wäre  dann  nach  1028,  bis 
zu  welchem  jähre  porarinn  bei  Kniitr  weilt),  aber  noch  vor 
1035  (dem  todesjahre  Knuts)  entstanden.  —  Kann  weiterhin 
iDormoör  der  dichter  sein?  Auch  diese  frage  werden  wir  ver- 
neinend beantworten  müssen,  wenn  wir  irgend  auf  die  Wider- 
sprüche gewicht  legen,  die  den  übereinstimmenden  angaben 
der  beiden  Öläfssagas  gegenüber  zu  tage  traten  (vgl.  s.  406  ff.). 
Für  einen  anderen  dichter  hingegen  sprechen  vor  allem  gründe 
formaler  natur.  Unter  den  kenningar  fallen  die  zwei  kenningar 
für  gold  auf  (z.  2, 4),  die  der  Sphäre  der  eddischen  dichtung 
entnommen  sind;  es  sind  dies  (neben  orms  torg  in  str.  25,  8  : 
25,  5 — 8  stammt  vermutlich  ebenfalls  nicht  von  pormöör),  die 
einzigen,  die  auf  die  bekanntschaft  des  dichters  mit  eddischen 
Stoffen  hindeuten.  2)  Dass  pormoör  diese  Stoffe  gekannt  habe, 
will  ich  zugeben,  doch  bezweifle  ich,  dass  er  die  betreffenden 
kenningar  daher  entnommen  hat;  denn  sonst  würden  sich  unter 
den  übrigen  90  kenningar  doch  gewiss  noch  öfters  anklänge 
an  die  alten  lieder  finden.  Auch  der  aufbau  der  strophe  ist 
nicht  einwandfrei:  in  I  erscheint  in  z.  1  ausnahmetypus  D4; 
die  Strophe  setzt  verhältnismässig  schwer  ein,  nach  dem  Schema 
ac  —  n/,  während  sich  sonst  in  den  normalen  eingangszeilen 
der  Strophen  der  Fbr.  fast  durchgängig  eine  ansteigende  be- 
touung  geltend  macht;  z.  4  zeigt  das  für  ^Dj  nur  noch  einmal 
(21,4!)  belegte  Schema  a  —  /?/,  gegenüber  den  8  fällen  mit  nor- 
malem a  —  «7  (vgl.  s.  377);  über  den  reim  ett :  cett  vgl.  Nj.  II,  602  f. 
Str.  20.  Auch  diese  strophe  ist  nach  dem  bisher  erörterten 
von  vornherein  etwas  verdächtig.  Sie  macht  mit  ihrem  dürf- 
tigen Inhalt  wenig  den  eindruck  der  ursprünglichkeit,  sondern 
eher  den  eines  paradestückes,  das  den  dank  des  skalden  an 


1)  Vigfüss.,  Cpb.  II,  175  bemerkt:  'As  to  tbe  verse  spoken  to  Loftuug 
(?)  it  can  harcllj'  be  Thormod's  for  Tborariu  was  not  a  poet  of  St.  Olaf, 
but  of  Knut  and  bis  sou ' ;  er  übersiebt  dabei  aber,  dass  sieb  uacb  der  prosa 
pormöör  zu  dieser  zeit  ebenfalls  an  Knuts  hof  aufbiüt! 

^)  Z.2  lütr  pais  Fäfnir  ätti  zeigt  eine  merkwürdige  äbnlicbkeit  mit 
einer  zeile  Eyvinds  (Hkr.  1,  228, 101,  8):  h'dr,  minn  fad/r  ätti  {fahner  lös 
</rtö«>  +  /fl/'mV?). 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  411 

den  künig  in  eine  wirkungsvolle  form  kleiden  soll,  um  für 
pormoör  einen  effectvollen  abgang  zu  schaffen;  auf  die  stroplie 
folgt  dann  nur  noch  die  kurze  bemerkung;  nü  sJciljast  peir 
Kni'dr  honimgr.  —  Zwischen  str.  19  und  20  bestellt  eine  augen- 
fällige Verschiedenheit:  dort  ein  an  positiven  aussagen  reicher 
Inhalt  (1.  pü  gaft  Loftungu  Idtr  pat  es  Fdfnir  dtti,  2.  }ü  Uz 
me'r  vdnir  merhr  frdnolmis,  3.  sJcalJc  vcetta  rettar,  4.  ek  em 
verör  sJiks),  hier  so  gut  wie  keiner:  in  beiden  halbstrophen 
wird  nur  versichert,  dass  der  dichter  reich  beschenkt  worden 
sei,  —  dort  eine  schlichte,  kraftvolle  spräche,  hier  eine  fast 
schwülstige  ausdrucksweise.  Diese  Verschiedenheit  kommt 
auch  im  auf  bau  der  Strophen  zum  ausdruck:  dort  in  den 
ersten  halbzeilen  ein  regelmässiger  Wechsel  von  anschwellender 
(z.  3, 7)  und  absteigender  betonung  (z.  1,  5),  hier  in  den  z.  1,  3 
zwei  verse  mit  dem  reimschema  ac  —  ay  (bez.  SiC~ßy).  — 
Die  minderwertigkeit  von  str.  20  erhellt  auch  noch  aus  ver- 
schieden einzelheiten.  Der  satz:  her'k  d  Idöiim  greipum  in 
der  zweiten  halbstrophe  ist  nur  eine  Variation  von  hefk  fagr- 
hunar  hdöar  Jicndr  in  der  ersten;  nichtsdestoweniger  bilden 
die  beiden  phrasen  den  kern  ihrer  halbstrophen.  Der  dichter 
rühmt  sich  hier  ferner,  schon  in  so  jungen  jähren  dem  könige 
für  reiche  geschenke  dank  zu  schulden:  pormöör  war  aber  zu 
der  zeit,  in  welche  die  Strophe  fallen  muss  (1027—28),  bereits 
33 — 34  jähre  alt!  Kaum  verständlicher  würde  die  wähl  des 
epithetons  imgr,  wenn  wir,  nach  der  prosaerzählung  in  F,  die 
Strophe  bereits  in  das  jähr  1023 — 24  verlegen  dürften.  Da 
dieser  prosabericht  aber  sicherlich  falsches  enthält  und  der 
Inhalt  von  str.  20  sich  bis  zu  einem  gewissen  grade  von 
ihm  abhängig  zeigt,  so  ist  damit  auch  die  unechtheit  der 
Strophe  erwiesen.  —  Das  visuorö  6  iingr  Jjeim  es  hregör 
klungri  ferner  kann  nur  mit  der  seltenen  auflösung  peim  es 
statt  des  üblichen  J!)ems  gelesen  werden  (vgl.  s.  329  ff.):  denn 
gegen  die  annähme  einer  ausspräche  ungur  statt  ungr  (die 
übrigens  wider  die  unechtheit  der  Strophe  dartun  würde, 
spricht  das  relativ  hohe  alter  der  Strophe,  die  niclit  später 
als  um  1200  entstanden  sein  dürfte  (vgl.  unten).  Erwähnt 
seien  auch  einige  stärkere  Übereinstimmungen  zwischen  str. 
20,3—4  der  Fbr.  und  58,5—6  der  Grett: 

Fbr.  20, 3 — 4  hüöar  hendr  or  breiöuiii    \\    hard  pjoÖkomings  garöi 

Eeiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXII.  27 


412  GAERTNER 

Grett.  31, 1— 2  Heöan  reiÖ  ä  braut  beider    ||    barÖviggs 
Grett.  58,5 — G  hrar  eh  rc5  of  bw.  breiÖan    \\    barp/joa. 

Boer  (Zs.  fdpli.  30, 19  ff.)  hat  Grett.  str.  81  und  58,  auf  grund 
ihrer  Übereinstimmungen,  bereits  als  die  arbeit  eines  dichters 
bezeichnet;  ob  er  auch,  wenn  ihm  die  Übereinstimmungen 
jener  beiden  Strophen  mit  str.  20  bekannt  gewesen  wäre, 
analog  seinem  vorgehen  bei  str.  12  (zu  Grett.  I  und  II),  für 
jene  den  gleichen  Verfasser  angenommen  haben  würde,  möchte 
ich  bezweifeln:  Boer  stellt  nämlich  die  Strophen  31, 58  in 
eine  gruppe  c,  die  nur  Strophen  eines  dichters  enthält,  vgl. 
Zs.  fdph.  30,  21,  die  Strophen  I  und  II  aber  in  eine  gruppe  d, 
die  sich  ebenfalls  aus  interpolirten  visur  zusammensetzt.  Man 
würde  danach,  wenn  man  der  hypothese  Boers  folgt,  annehmen 
müssen,  dass  zwei  redactoren  unabhängig  von  einander  sowol 
die  Grett.  wie  die  Fbr.  bearbeiteten  und  beide  sagas  durch 
neudichtungen  bereicherten  und  dabei  ihre  eigenen  Strophen 
plünderten. 

Str.  21.  Wie  schon  angedeutet  (vgl.  s.  331  f.)  steht  die 
zweite  halbstrophe  an  falscher  stelle,  d.  h.  sie  gehört  in  Wirk- 
lichkeit zu  39, 1—4  (H);  der  Widerspruch,  den  die  lesart  ston- 
dum  dr  d  Qndntm^)  mit  21,1 — 4  ergeben  würde,  ist  durch 
die  conjectur  rgnd  herum  tit  d  andra  beseitigt.  Die  Variante 
der  lös  (1160  und  1849)  Bikr  vilk  med  per  oh  Finne  bietet 
für  die  Ölafss()gur  zweifellos  den  ursprünglicheren  text.  Der 
hier  gemeinte  Finnr  Arnason  hatte  sicli  nach  dem  prosabericht 
um  pormoös  begnadigung  durch  Öhlfr  verdient  gemacht.  Später 
taucht  Finnr  noch  einmal  auf  und  wird  mit  genannt  unter 
denen,  die  Öläfr  auf  der  ostfahrt  begleiteten  (vgl.  10s  58 — 59). 
—  Die  halbstrophe  ist  (wie  das  auch  in  H  geschehen  ist)  in 
die  Schilderung  des  Vorabends  der  schlacht  bei  Stiklastaöir 
einzustellen:  l)orm6ör  erinnert  den  könig  an  die  bereits  mit 
Finnr  Arnason  gemeinsam  bestandenen  gefahren  und  gelobt, 
zugleich  im  namen  Finns,  noclimalige  treue.  Der  schwur:  vilk 
med  ])er  oh  Finni  Ufa  oh  deyja  würde  jedenfalls  bedeutend  an 
Wirkung  verlieren,  wenn  wir  ihn  bei  der  zweiten  begegnung 
pormöös  mit  Öläfr  (1027)  geleistet  zu  denken  hätten. 2)    Wäh- 


^)  Vgl.  eine-  Strophe  Grett.  s.  60  Stondom  upp  pot  nndir  etc. 
-)  1023  ist  definitiv  ausgeschlossen. 


ZtlR   FOSTBRa^DRASAGA.  41-3 

rend  pormoör  mit  Finnr  vor  1027  kaum  in  berülirung  gekommen 
ist,  klingt  es  in  der  Strophe,  als  kenne  er  ihn  als  einen  alten 
erprobten  waffengetahrten. 

Nach  alledem  scheint  sich  folgendes  bild  zu  ergeben:  ein 
redactor  x,  der  für  seine  Interpolation  (über  pormoös  aufent- 
halt  an  Knuts  hof  und  die  flucht  zu  Ölafr)  stro])hen  brauchte, 
griff  nach  der  halbstr.  39,  5— 8  (H),  weil  sie  ihm  ungefähr  in 
den  rahmen  passte,  nachdem  er  vorher  in  z.  7  jene  geschickte, 
vielleicht  auf  reminiscenz  beruhende  änderung  (vgl.  s.  331.  412) 
vorgenommen  hatte  (str.  19  entlehnte  er  einem  anderen  autor, 
Str.  20  dagegen  ist  sein  eigenes  machwerk). 

Zu  39,5—8  dichtete  er  eine  erste  halbstrophe  hinzu,  die 
zugleich  die  antwort  auf  eine  frage  des  königs  bildet  (dasselbe 
ist  der  fall  in  str.  19  und  20).  Die  art  und  weise,  wie  er  dies 
tat  (vgl.  z.  b.  die  aufeinanderfolge  der  tj^pen)  beweist,  dass  er 
mit  dem  autor  von  str.  20  identisch  ist.  Auch  er  verrät  sich 
durch  einzelne  eigenheiten:  z.  1  Hafa  Jwttmn  eh  hcettir:  ek 
als  Senkung  bildende  silbe;  z.  2  hafs  scelcjandi  ef  taeUr,  D,, 
nach  dem  ausnahmeschema  a  —  ßy  (vgl.  s.  377)  und  unbeliebter 
verschleifung  in  der  Senkung  (vgl.  auch  20,5);  z.  4  der  zweite 
ausnahmefall  für  ^Do  (vgl.  noch  19,  4)  mit  dem  scliema  a  —  ay. 

Zu  Str.  22  vgl.  s.  402  f.  —  22, 5—8  ist  echt  und  wurde 
von  pormoör  gelegentlich  seines  ersten  Zusammentreffens  mit 
Üläfr  verfasst.  Der  redactor  der  Interpolation  (dem  dies  jeden- 
falls bekannt  war)  Hess  sie  deshalb  am  richtigen  ort  stehen 
(wenngleich  er  den  bericht  selber  in  der  bekannten  weise 
modulierte),  dichtete  aber  eine  neue  erste  halbstrophe  hinzu, 
die  sich  durch  ihre  beziehung  auf  die  secundäre  prosa  und 
durch  formale  anomalien  als  unecht  kenntlich  macht. 

Die  lös  (1849)  cap,  88  lässt  den  pormoör  diese  Strophe 
kurz  vor  der  Schlacht  (1030)  sprechen.  Diese  version  ist 
ebenfalls  aus  chronologischen  gründen  unglaublich*),  denn 
pormoör  könnte  dann  erst  um  das  jähr  1000  geboren  sein: 
damit  würde  aber  die  Unterbringung  aller  der  hier  in  frage 
stehenden  ereignisse  in  den  Zeitraum  von  30  jähren  (1000—^ 
1030)  unmöglich  werden. 

Str.  25.    Hier  treten  uns  ähnliche  Verhältnisse  entgegen 


')  Vgl.  Safn  til  sogu  Tsl.  I,  4GG  ff. 

27* 


414  GAERTNER 

wie  bei  str.  21.  —  Fbr.  (52)  s.  86, 17—24  stellt  folgende  episode: 
iDorgrims  schiff  ist  eben  angekommen,  alle  laufen  zum  strande; 
Pormöör  var  par  vid  staddr,  oh  tök  upp  selsJcutü  einn,  er  peir 
JigfÖu  d  land  hastat,  oh  luv  d.  Enn  fgrunautr  Porgrims  tehr 
tu  shutüsins  oh  mcelti:  'Lumi  af  shutUnum,  maÖr,  ^vi  at  per 
mun  iil  lüils  goma,  pottii  lialdir  d;  oh  pat  cetta  eh,  at  pii 
munir  lüit  hunna  at  beita  shutUnum.'  Hann  svarar  svd:  'Ovist 
Pyhhir  mer,  livdrt  pü  heitir  hctr  enn  eh.'  'Efalaust  mun  Pat,' 
sagdi  hinn.  Damit  bricht  die  prosa  ab,  die  also  nichts  weiter 
als  einen  recht  bedeutungslosen  Wortwechsel  zwischen  einem 
prahlenden  mannen  des  porgrimr  und  dem  widersprechenden 
Dormoör  erzählt.  Man  würde  sich  wundern,  dass  der  saga- 
schreiber  einen  so  farblosen  bericht  aufgenommen  hat,  wenn 
nicht  zu  vermuten  wäre,  dass  ihn  das  Vorhandensein  der  str. 
25, 1 — 4  dazu  bestimmte.  Die  sätze:  Baldr  shjalda  lezh  hetr 
hunna  heita  shutli  enn  ver  und  hcelish  pvi,  die  auch  den  kern 
der  prosaerzählung  ausmachen,  waren  aber  hier  nicht  allein 
controllsätze  für  die  volkstümliche  Überlieferung,  sondern  auf 
ihnen  scheint  überhaupt  die  ganze  episode  zu  beruhen.  Dass 
die  übrigen  quellen  des  sagaschreibers  hier  mangelhaft  waren, 
geht  daraus  hervor,  dass  die  prosa  völlig  im  unklaren  darüber 
lässt,  wie  der  Zwischenfall  ausgegangen  ist:  denn  auf  die 
herausfordernde  prahlrede  des  Schiffers  muss  doch  noch  irgend 
etwas  erfolgt  sein,  worauf  25,3  —  4  anspielt.')  Vielleicht 
deutete  der  sagaschreiber  in  der  überlieferten  erzählung  nur 
die  ihm  verständlichen  zeilen  der  Strophe  selbständig  aus,  und 
brach  dann  rasch  ab,  da  er  mit  dem  parenthetischen  satz  pollr 
}ileyx)r  . . .  nichts  anzufangen  wusste.  —  Jedenfalls  ist  str.  25, 
1 — 4  echt,  denn  die  halbstrophe  ist  ganz  im  stil  der  übrigen 
Groenlandsvisur  gedichtet  und  zeigt  keinerlei  technische  ab- 
normitäten. 

Die  sich  anschliessende  halbstrophe  steht  weder  an  rechter 
stelle,  noch  ist  sie  von  pormoör  verfasst.  —  Nach  25,  1 — 4 
erwartet  man  eine  halbstrophe,  die  aussagt,  was  den  f^runautr 
porgrims  veranlasste:   at  hlaupa  hart  of  hellur\  aber  nichts 


')  pollr  hlunnjos  hleypr  Jtart  of  helhtr:  I)orm65r  scheint  danach  dem 
prahlhaus  einen  gewaltigen  schrecken  eingejagt  zu  haben,  dass  er  in  wilder 
flucht  davonatUrmt. 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  415 

dergleichen  findet  sich  in  25,5—8:  der  dichter  denkt  vielmehr 
daran,  wen  sein  herr  (wer  damit  gemeint  ist,  ergibt  sich  nicht 
aus  der  Situation)  als  ersten  in  die  "schildburg'  einstellt  und 
mit  gold  beschenkte,  solange  er  es  selbst  besass.  Solche  ge- 
danken  kann  man  sich  wol  in  einem  "gilpcwide'  vor  anderen 
kriegern  ausgesproclien  denken,  aber  im  Zusammenhang  mit 
25, 1—4  (wo  der  dichter  mit  dem  armseligen  harinmier  einen 
Wortwechsel  hat)  wirken  sie  direct  abgeschmackt.  Das  heiti 
hutjdijrstr  harri  könnte  sich,  wenn  die  Strophe  pormuAs  eigen- 
tum  wäre,  nur  auf  Öläfr  beziehen.  Vor  1025  aber  (dem  jähre, 
in  dem  str.  25  entstanden  sein  müsste)  war  I)ormo(')r  nur  zu 
einem  kurzen  Winteraufenthalt  bei  Olafr  gewesen,  vom  spät- 
herbst  1023  bis  frühjahr  1024;  innerhalb  dieser  zeit  hat  er 
kaum  gelegenheit  gefunden,  sich  so  auszuzeichnen,  dass  ihn 
der  könig  zum  Vorkämpfer  i  sl-jaldbonju  bestimmte.  Von 
irgend  welchen  kriegerischen  Unternehmungen  Olafs,  der  1023 
— 1024  in  Niöarüs  überwinterte,  wird  nirgends  etwas  berichtet, 
und  in  der  saga  heisst  es  von  pormOör  nur:  Konungr  mcelti : 
Vellcominn  shaltu  med  oss  vera,  oh  pat  vilda  eh,  ef  nier  ymuz 
Uf  tu,  at  hefnt  yrdi  Porgeirs  . . .  Fbr.  (52)  s.  77,  29  ff.  ...  Ko- 
nungr mcdtl :  Shemmtan  man  vcra  at  shdldshap  J)inum.  Litlu 
sidarr  geröis  Pormödr  hirdmadr  Olafs  honungs  ...  Fbr.  (52) 
s.  78, 9 — 11  . . .  J)d  er  Pormödr  holhrünarshdld  liafÖi  verit  einn 
vctr  med  Oldft  honnnyi,  ])d  ...  a.a.O.  80, 7  ff.:  von  kämpfen 
und  auszeichnuug  durch  tapferkeit  kann  also  keine  rede  sein. ') 
Die  halbstrophe  könnte  demnach  unmöglich  bereits  in  Grön- 
land verfasst  sein  und  damit  fallen  str.  21, 1 — 4  und  21,  5 — 8 
auseinander.  Dem  Inhalt  nach  möchte  man  str.  25,  5 — 8  etwa 
nach  dem  vortage  von  Stiklastaöir  verlegen,  ja  es  scheint, 
dass  dieser  halbstrophe  ein  ganz  bestimmter  ort  innerhalb  der 
saga  angewiesen  werden  kann:  nämlich  das  in  F  (11,340)  mit 
Tüshipan  honungs  um  folhit  überschriebene  capitel  271.  Es 
heisst  dort:  Svd  er  sagt  at  Oldfr  honungr  fylhti  lide  sinu. 
Jjd  shipade  Jicinn  shicddhorg  Jid  er  hallda  shyllde  firir  honum 
j  bardaga  oh  hina  sterhuzstu  menn  valdi  kann  par-  til  oh  ])d. 


')  Von  porgeirr  dagegen  wird  berichtet,  nachdem  er  Öläfs  hirdinadr 
geworden  war:  Konungr  lagdi  inikla  cirdiny  ä  Portjcir,  pvi  at  hann  reyndis 
•  oUum  mannraioium  enn  rokvasti  maör  ok  goör  drengr  Fbr.  (52)  s.  29,  3—5. 


416  GAERTNER 

er  snarpazstir  vom.  ])d  Jcallade  sJcalld  sin  tu  sin  oh  hat  pd 
ganga  j  sldalldhorgina  . . .  ])ar  rar  2)d  Pormödr  l-olbrünarsMld. 
Gissorr  giülhrdrfostri.  Hofgarda  Befr  oJc  hinn  fiorde  Porfinnr 
munnr.  . . .  •)  Nach  den  reden  fiorfinns  {stondum  mgi  siio 
Jtrgngt,  lagsmaör,  at  ceigi  ndi  Sighuatr  sJialld  rumi  sinu)  und 
l3ormöös  (ceinge  feJc  rum  firir  Sighuati  ])ö  at  mcela  cetti  vid 
yör)  zu  urteilen,  sind  sie  einstimmig  der  meinung,  dass,  wenn 
Sighuatr  anwesend  wäre,  er  den  ersten  platz  einnehmen 
würde.  Darauf  scheint  unsere  halbstrophe  anzuspielen:  Gfsrr 
mank  hitt,  Jiveim  Jmgdijrstr  liarri  släpar  (vielleicht  verderbt 
aus  sJiipadi:  Ai  mit  auflösung  der  zweiten  hebung)  fyrstum  i 
sl-jaldhorgu:  "genau  weiss  ich  (erinnere  ich  mich),  wen  der 
hochgesinnte  herr  zum  ersten  in  der  schildburg  bestimmen 
wird';  angespielt  wird  damit  auf  Sighvatr  (vgl.  porfinns  worte: 
}>d  er  kann  (SigJivatr)  Jcemr,  kann  mun  uera  vilia  firir  konungi 
oh  ceigi  mun  honungi  annat  liha  (F.  II,  340).  —  Zwischen 
diese  reden  jedenfalls  gehört  die  halbstrophe  und  höchstwahr- 
scheinlich ist  sie  verfasst  von  porfinnr,  dem  einzigen  unter 
den  versammelten  drei  skalden^),  der  mit  tiefschluss  dichtet 
(wie  Str.  25,  5—8  verlangt);  Gizurr  und  pormöör  dagegen  ge- 
brauchen den  hochschluss.3)  —  Auch  in  technischer  beziehung 
weist  25,  5—8  manche  eigenheiten  auf,  die  wir  bei  pormöör 
kaum  finden:  die  form  shjaldhoryu  als  verschluss  (analog  dem 
zweimal  gesicherten  Äleifi  [ein  drittes  mal  in  36, 8  F],  das 
offenbar  eine  art  geduldeter  reimformel  war,  wie  die  zahl- 
reichen belege  zu  beweisen  scheinen)  bleibt  neben  Rognvaldi 
in  der  unechten  str.  12  der  einzige  fall  für  w-x  ^im  schluss 
der  dröttkvaettzeile;  ferner  z.  8  die  für  die  Strophen  der  Fbr. 
befremdende  kenuing  onus  torg  aus  dem  Sagenkreis  der  Edda- 
lieder (vgl.  s.  410  f.). 

1)  In  Hkr. 2,259  heisst  es  wol  richtiger: ^örtr  var  pä  PormöÖr  kolbrünar- 
skäld  oh  Gizurr  gullhrä,  föstri  Hofgaröarefs  ok  inn  iij.  Porfinnr  munnr. 

'-)  Nach  dem  bericht  der  F  sind  es  deren  vier,  da  auch  HofgarSa-Refr 
noch  genannt  wird,  der  aber,  obgleich  sie  alle  sogda  at  pat  vceri  vel  fdllit 
at  yrkia  pa  aminningar-visur  nockurar  um  pau  tidende  er pa  munde  bratt 
at  hcndi  berazst  (F.  U,  341, 1 — 2),  sich  nicht  in  einer  strophe  anslässt. 
Eine  strolche  von  ihm  (Hkr.  2,491)  erfordert  hohe  Stimmlage  und  tiefschluss; 
25, 5—8  dagegen  liegt  bedeutend  tiefer. 

^)  Ebenso  Egill  Skallagrimsson ,  Sighvatr,  Eiuarr  Skvilasou,  Bjarni 
gullbrdrskäld. 


ZUR   rÖSTBRCEDR ASAGA.  417 

Str.  29  fehlt  in  H,  E,  (R.,).  Sie  ist  aber  ganz  im  geist 
der  übrigen  grünländischen  visur  abgefasst,  nnd  bedenken 
gegen  sie  sind  nicht  zu  erlieben.  Sie  wird  also  echt  sein  und 
war  wol  nur  durch  versehen  in  einer  von  H  und  R,  benutzten 
vorläge  ausgelassen  (ähnlich  wie  vielleicht  str.  41  in  den  hss. 
der  Hkr..  vgl.  ]\laurer,  Die  ausdrücke  s.  97  f. ').  Strophe,  wie 
einkleidende  prosa  (F.  11, 212)  lassen  sich  ohne  alle  Schwierig- 
keit auch  in  H  zwischen  str.  28  und  auökendr  madr  em  ek  . . . 
einfügen. 

Str.  36.  Die  richtige  Zusammensetzung  dieser  Strophe  ist: 
36, 1—4  (H,  F)  +  39.  5—8  (F),  die  von  str.  39:  39, 1—4  (H,  F) 
+  39,  5—8  H  =  21,  5—8  F.  —  Die  halbstrophen  21, 1—4  (F) 
und  36,  5—8  (F),  die  durch  diese  anordnung  beziehungslos 
werden  und  der  Oläfss.  allein  angeboren,  sind  unechte  ergän- 
zungen.  Für  21, 1—4  glaube  ich  dies  s.  331  f.  und  412  f.  nach- 
gewiesen zu  haben;  zu  36,5 — 8  vgl.  s.  342.  Dass  36,5 — 8  (F) 
nachdichtung  ist  und  nicht  fälschlicherAveise  nur  zu  36,  1 — 4 
gestellt  wurde,  scheint  sich  aus  dem  eng  an  die  erste  halb- 
strophe  sich  anpassenden  inhalt  zu  ergeben,  der  eigentlich  nur 
eine  Variation  des  vorausgehenden  bildet. 

Str.  36,  5 — 8  (F)  weist  starke  anklänge  an  andere  Strophen 

'^^^'■*    F.  36,  7 — 8  es  at  geirpingc  gaungum    ||   gtmnre/fir  med  Alceifi 
vgl.  -K),  2  vigreifir  med  Äleifi 

vgl.  41,2— 4:  boöreifr  med  Äleifi;  \\  pur  geJck  hcirdra  hjorva  ||  Hringr 
ok  Dagr  at  pingi; 

endlich  an  eine  strophe  Gizurs  (F.  11,  341),  von  der  sämmtliche 
eingangsworte  der  ersten  drei  zeilen:  Slulu,  ord,  hiiiunk  ...  d 
pinge  im  texte  verwant  sind.  Es  ist  deshalb  ziemlich  sicher, 
dass  der  dichter  von  str.  36, 5 — 8  die  unmittelbar  vorher- 
gehende und  die  folgenden  visur  geplündert  hat.  Auffällig  ist 
die  grosse  zahl  von  auflösungc^n  innerhalb  d«r  vier  zeilen: 
z.  5  auflösung  der  ersten  hebung,  z.  6.  7  auflösung  der  ersten 
Senkung,  davon  in  z.  7  der  einzige  fall  für  zweisilbige  ein- 
gangssenkuug;  z.  6  das  ungewöhnliche  reimschema  a  —  ^7  eines 
Ai  (in  II)  vgl.  s.  375;  ausser  dem  recht  simplen  und  geläufigen, 
'geirl^ing'  weist  die  halbstrophe  keine  kenning  auf,  was  eben- 
falls gegen  die  gewohnheit  pormöös  ist. 


')  Vgl.  aber  uuten. 


418  GAERTNER 

Zu  Str.  39  s.  s.  344  f.  Die  in  H  bestehende  Zusammensetzung 
der  halbstroplien  ist  die  einzig  sinngemässe. 

Ueberblicken  wir  die  gesammtlieit  der  ecliten  Strophen, 
so  tritt  überall  ein  einheitlicher  Charakter  zu  tage.  Den  ge- 
schlossensten eindruck  machen  die  Strophen  der  dräpa,  nament- 
lich in  beziehung  auf  das  technische  element.  Charakteristisch 
sind  dabei  auch  1.  die  auffällig  häufigen,  zumeist  von  den 
präteritalformen  let  und  red  abhängigen  intlnitivconstructionen : 
2,2.  14,1—2.  15,1.  17,  G.  18,5;  vgl.  dazu  noch  i),  1.  7,2  etc.; 
—  2.  die  Vorliebe,  die  visuorö  mit  einem  adverb  einsetzen  zu 
lassen,  das  die  erste  hebuug  eines  A  bildet  und  zuweilen  mit- 
reimt: 3,8  litt,  1,1.  13,7  opt  etc.  (auch  in  späteren  visur,  vgl. 
25,1  Betr,  27,2  opt,  Sö.h  meir  etc.;  —  3.  innerhalb  der  stets 
dem  gleichen  anschauungskreis  entnommenen  kenningar  eine 
reihe  ähnlicher  bildungen:  ein  part.  praes.  (zuweilen  mit  vor- 
gesetztem Substantiv,  welches  dann  das  syntaktische  subject 
des  verbums  ist)  verbunden  mit  einem  gen.  sg.  oder  pl.,  der 
in  unseren  beispielen  zweimal  vorangehendem,  zweimal  nach- 
folgendem und  einmal  demselben  visuorö  angehört;  vgl.  5, 1—4 
undlinns  rjödanda,  6, 2  vdgs  viyyndandl,  8,  2  drkyndils  umny- 
sandi,  11,2  hhjra  jöstyrandi,  18,1  reyys  roel-jandi.  Diese  bil- 
dungen sind  auf  die  dräpa  beschränkt;  nur  36, 2  begegnet 
noch  die  form  Qrst'iklandi,  doch  ohne  den  charakteristischen 
genetiv. 

Eine  art  gruppe  bilden  ferner  die  Groenlandvisur  nach 
zwei  selten  hin:  1.  durch  die  neigung,  den  hauptbegriff  der 
kenning  der  mythologie  zu  entlehnen;  2.  durch  die  neigung, 
die  person  des  dichters  entweder  durch  eine  kenning  (vgl. 
29,4  lofgeröar  reitir  =  me.  F.  11,212,7;  29,8  smiör  stefja  = 
me.  28,  2.  Ty  lanys  Irremja  scells  =  mihi)  zu  umschreiben 
oder  durch  ein  wort  für  dichter  {sJcdId,  greppr  etc.)  zu  kenn- 
zeichnen. 

Die  bisher  als  unecht  ausgeschiedenen  visur:  (1).  4.  9.  12. 
19.  20.  21, 1.  22, 1.  (24).  25,  2.  (26).  (37—38).  39,  2  F  weichen, 
neben  str.  33  und  43,  auch  in  der  Sprachmelodie  von  den 
übrigen  ab  (sie  liegen  auf  einem  merklich  höheren  tonniveau 
und  weisen  tiefschluss  auf);  wenn  nun  unter  letzteren  nur 
Str.  33  und  43  die  gleichen  melodischen  Verhältnisse  zeigen  wie 
die   bereits   als   unecht   erkannten   Strophen,   so   werden  wir 


ZUR  "FÖSTBRCEDRASAGA.  419 

danach  auch  diese  beiden  Strophen  (33  und  43)  als  unecht  aus- 
zuscheiden haben,  obwol  sonst  entscheidende  beweise  für  un- 
echtheit  sich  niclit  erbringen  lassen. 

Str.  33  gibt  in  richtiger  reihenfolge  eine  aufzählung  der 
A^on  pormuör  auf  Grönland  erschlagenen;  nur  Ljötr  poruu- 
narson  bleibt  ungenannt,  nach  Gislasons  Vermutung  (vgl.  Xj. 
II,  13):  weil  Steinarr  am  kämpfe  mitbeteiligt  war;  dennoch 
befremdet  es,  dass  dieser  kämpf,  der  doch  für  pormtuM-  und 
Steinarr  sehr  rühmlich  verlief  (sie  töteten  den  Ljötr  und  drei 
seiner  knechte)  unerwähnt  bleibt.  —  Ungewöhnlich  für  l)or- 
moör  wäre  die  Verwendung  einer  kenning  neben  dem  pronomen 
in  l)oUr  odda  hridar  ek  i:d  Porgrim  etc.,  ungewöhnlich  eine 
construction  wie  eJc  nam  Porkcl  fjorri,  anomal  eine  anzahl 
reimtechnischer  erscheinuugen:  ganz  unbeliebtes  Anb  in  z.  1,  5 
(Vgl.  s.  376 f.);  reim  ab — ay  in  z.  1;  die  m()gliclikeit  der  annähme 
dreier  liendingar,  sowol  in  z.  3  wie  z.  5  ])ar  :  hardr  :  jardar; 
])ar  namJc  PorJiel  fJQrvi. 

Noch  weniger  anlass  zu  ausstellungen  gibt  str.  43,  deren 
erste  zeile  ebenfalls  das  schema  ab  — «/  aufweist;  doch  lässt 
der  umstand,  dass  der  bericht  der  Öläfssaga  (über  die  um- 
stände bei  {)ormöös  tod)  aus  verschiedenen  parallelerzählungen 
combiniert  ist,  eine  nachdichtung  als  sehr  wol  möglich  er- 
scheinen. Jedenfalls  steht  so  viel  fest,  dass  H,  w^elche  die 
Str.  43  nicht  überliefert,  den  einen  der  in  der  Öläfssaga,  be- 
nutzten parallelberichte  in  seiner  ursprünglichen  reinheit  auf- 
bewahrt hat  und  damit  wol  den  authentischen  text  darbietet 
(vgl.  K,  Maurer,  Die  ausdrücke  s.  88). 

Hiernach  schalte  ich  von  den  44  Strophen  der  Fbr.  nun 
definitiv  als  unecht  aus  die  vfsur:  (1).  4.  9.  12.  19.  20.  21, 1. 
22,1.  (24).  25,2.  26.  33.  (37.  38).  39,  2  (F).  43.') 


•)  Ueber  verwantschaft  und  gleiche  autorschaft  einzelner  dieser  Strophen 
vgl.  oben  s.  418  f.  und  unten. 


420  GAERTNER 

Cap.  IV.    Das  liandscliriftenveiiililtnis  der  Fbr. 

I.    Das  Verhältnis  der  membrauen  HMF*R. 
a)  Strophenplus  und  strophenminus. 

Nach  dem  Strophenmaterial  allein  ergibt  sich,  bei  Ver- 
wertung des  oben  über  echtheit  und  unechtheit  der  einzelnen 
visur  vorgetragenen,  folgendes  bild: 

Von  teil  I  der  saga,  der  nach  str.  18  seinen  abschluss 
findet,  liegt  in  der  H  die  ununterbrochene  strophenreihe  9 — 18 
vor;  da  diese  durchaus  der  von  MR,  entspricht,  so  ist  anzu- 
nehmen, dass  der  text  der  H,  bez.  dessen  vorläge,  die  in  M 
und  R,  für  den  sagaanfang  überlieferten  Strophen  ebenfalls 
enthalten  hat:  ob  auch  str.  1,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  ent- 
scheiden: aber  es  ist  höchst  unwahrscheinlich,  da  der  kviölingr 
dem  stoffkreis  der  Grett.  entnommen  ist  und  sammt  der  be- 
gleitenden prosa  in  M  und  Ri  eine  deutliche  Interpolation 
bildet,  H  dagegen  einen  von  einschüben  nahezu  fi-eien  text 
darstellt.  Möglicherweise  darf  auch  das  fehlen  von  str.  1  in 
F  als  hilfsbeweis  für  diese  meinung  gelten  (vgl.  unten). 

Der  durch  diese  beziehungen  eng  verbundenen  gruppe 
M — H— Ri  (q)  gegenüber  nimmt  der  text  von  F  dadurch  eine 
Sonderstellung  ein,  dass  er  von  den  18  visur  in  M — Ri  (bez. 
event.  17  in  H)  nur  7  überliefert  (str.  2.  3.  9.  10  [z.  7—8  fehlt]. 
12.  13.  17).  Das  ist  jedoch  keinesfalls  das  primärere,  denn  die 
modiflcationen  des  prosatextes  an  den  stellen,  wo  sonst  über- 
lieferte Strophen  fehlen  (welclie  offenbar  v;illkürlich  ausgelassen 
sind)  deuten  jedenfalls  auf  starke  Umarbeitung  einer  dem  text 
von  M — R,  ( — H)  nahe  verwanten  fassung  hin.  —  Mit  F  stimmt 
vollständig  überein:  e,  dagegen  d  nur  bis  str.  13;  von  hier  ab 
benutzt  es  noch  einen  anderen  text,  dem  es  die  in  F  fehlenden 
Strophen  14.  15.  16.  18  entnommen  hat.  Nur  im  fehlen  von 
Str.  1  erinnern  an  Fde  noch:  i  (es  fehlt  noch  str.  14)  und  o; 
beide  sind  sonst  lückenlos. 

In  diesem  bilde,  das  sich  erst  nach  heranziehung  der 
detailvarianten  schärfer  umreissen  lässt,  tritt  bei  teil  II  der 
saga  eine  wesentliche  Verschiebung  ein,  indem  Fde  nicht  nur 
sämmtliche  Strophen  von  HMRj  aufweisen,  sondern  auch  eine 
ganze  reihe  von  plusstrophen,  so  vor  allem  die  Strophen  19—21, 


ZUR  FOSTBRCEDRASAGA.  421 

in  denen  Fde  zusammengehen  mit  dem  ältesten  text  der  Öläfs- 
sng-ur  liins  helga.  Um  so  auffälliger  ist  es  daher,  dass  E1R2 
mit  der  zur  hälfte  echten  str.  22  auf  selten  der  ()l;ifss(^)gur 
steht;  daraus  ergibt  sich  zweierlei:  1.  F  weist  in  den  str.  19 
—  22  eine  starke  beziehung  zur  lös  auf  und  zwar  zu  einer 
von  deren  ältesten  fassungen,  da  str.  19 — 21  auch  in  den  alten 
fragmenten  der  lös  (1160)  enthalten  sind  (vgl.  Otte  brudst.  s.4  ff.). 
2.  Es  besteht  bei  str.22  ein  enger  connex  zwischen  derrecension 
der  Fbr.  in  RiR.,  und  der  lös  (bez.  F),  der  sonst  nur  noch  ein- 
mal hervortritt:  bei  der  vermutlich  unechten  str.  43,  die  nur 
in  H  fehlt.  —  Sonst  besteht  allenthalben  weitgehende  Überein- 
stimmung zwischen  PI  und  R1R2:  in  beiden  fehlt  die  späte  str.  26, 
ebenso  wie  die  echte  str.  29,  in  beiden  finden  wir  dieselbe  Zu- 
sammensetzung der  str.  36  und  39  (vgl.  oben  s.  341  f.  344  f.),  in 
beiden  fehlt  der  verweis  auf  die  zwei  eingangsstrophen  der 
Bjarkamäl  etc. 

Genau  ebenso  verhält  sich  nur  (\]  alle  anderen  papierhss. 
aber  (ik[l]mo)  geben  ausser  dem  kviölingr  der  Hävamäl  und 
den  Strophen  19—22  bis  str.  36  sämmtliche  der  in  Fde  ent- 
haltenen visur  wider.  Auf  a1)hängigkeit  von  der  Fbr.  lässt 
nur  schliessen;  1.  das  obenerwähnte  Strophenminus  (19 — 22  und 
37-  -38),  2.  die  gleiche  composition  der  str.  36  und  39  in  HRt 
R2qikmol;  bezeichnend  für  die  enge  Zusammengehörigkeit  der 
hss.  i — 0  ist  der  umstand,  dass  die  in  HlÖsFdeR|R.2(i  vorhan- 
dene str.  41  'Haraldr  etc.'  ebenso  wie  in  den  historischen  Öläfs- 
sogur  h.  helga  fehlt.  Diese  letzteren  gehen  bez.  der  strophen- 
überlieferung  völlig  zusammen:  es  fehlen  in  ihnen  str.  40  und  41, 
die  Str.  36  und  39  haben  die  auch  den  betreffenden  visur  der 
lös  (+ F)  eigene,  d.h.  unrichtige  Zusammensetzung  (s.  oben 
s.  417).  Die  lös  steht  dagegen  insofern  der  Fbr.  näher,  als 
sie  nicht  nur  str.  37  und  38  anführt,  sondern  auch  die  in  den 
historischen  ÖläfssQgui'  nicht  überlieferten  str.  40  und  41. 

b)    Die  textvarianten. 

Nach  porgeirs  leben  lässt  sich  auch  im  Strophenbestand 
ein  einschnitt  machen:  bis  str.  18  verlaufen  die  drei  Strophen- 
reihen von  H*M*R  lückenlos  parallel,  bis  str.  18  sind  zahl- 
reiche Strophen  in  Fe  übersprungen,  nach  str.  18  setzt  die 
Überlieferung  der  lös  ein.    Es  wird  sich  deshalb  empfehlen, 


422  GAERTNER 

zunächst  nur  für  den  ersten  sagateil,  der  ausschliesslich  aus 
quellen  der  Fbr.  geflossen  sein  muss,  die  verwantschaftsgrade 
zwischen  den  bereits  gruppierten  texten  näher  zu  bestimmen. 
Unter  den  membrantexten  HM(bc)  und  *R  (R1R2)  nimmt 
H  eine  hervorragende  Stellung  ein,  weil  sie  die  älteste  und 
die  relativ  beste  Überlieferung  der  Fbr.  enthält.  Was  speciell 
unsere  Strophen  anbetrifft,  so  sind  die  visur  bis  str.  24  von 
Haukr  Erlendsson  selbst,  die  übrigen  von  seinem  ersten 
secretär  geschrieben  (von  s.  387, 14  der  ausgäbe  an,  vgl.  einl. 
XLVib).  Hauks  strophentexte  zeichnen  sich  gegenüber  denen 
seines  secretärs  durch  grössere  formale  correctheit  aus  (vgl. 
unten),  wodurch  nur  bestätigt  wird,  was  F.  Jonsson  a.  a.  0. 
XXXVI  a.)  ausspricht:  'Haukr  Erlendsson  udmaerker  sig  i  det 
hele  som  en  omhyggelig  ok  korrekt  afskriver';  dass  auch  er 
'har  ikke  lielt  undgaet  en  del  af  de  saedvanlige  afskriverfejl, 
laesefejl  ok  overspringelser'  ist  nur  natürlich;  so  wenn  er  str. 
10,  5  (ausg.  373, 19)  eoiadr  Jmr  für  eygja])ar  (vgl.  Boer,  Zs.  fdph. 
31, 151),  12,  2  (ausg.  377, 1)  er  für  enn,  12,  3  villdum  für  cildi 
schreibt,  wobei  sein  äuge  möglicherweise  auf  teljum  abschweifte. 
Ein  stark  redigierender  abschreiber  aber  (Vigfüsson,  Fortale 
XVIII,  F.  III:  dagegen  schon  F.  Jonsson,  einl.  lxxvii)  ist  er 
schw^erlich  gewesen,  wenigstens  geht  das  aus  den  visur  der  H 
nicht  hervor.  Nur  an  einzelnen  stellen,  die  er  für  defect  hielt, 
machte  er  kleine  besserungsversuche.  Spuren  dieser  tätigkeit 
sind  vermutlich: 

12,  8  djarfr  Hävarar  arfl  (ausg.  ;577, 8)  :  corr.  *(ljarfra  Hävars  arfi, 
18,  8  (ausg.  384,  5)  vissa  ek  tal  (corr.  viga  tal),  10,  4  rcekir  (vgl.  rceki  Fd) 
:  corr.  "^'raeköi.  —  Minderwertigen  text  bietet  nur  str.  14  (ausg.  380, 14  — 
381, 1),  z.  3  seybis  fiam  (corr.  sa  fceri  bR,),  z.  5  allt  (corr.  oll  bdRi),  tekr 
(corr.  tük  dRi),  z.  6  sannlaugs  (lei/gs  b,  corr.  '^sannleiks),  z.  7  fijöt  (fliorz  b) 
fyrbar  mjtan)  (corr.  '^njöts  fyröa  flytja). 

Die  zahlreichen  Varianten  (d.  h.  correcturen)  aller  hss.  zu 
den  Zeilen  3.  6.  7  scheinen  darauf  hinzuweisen,  dass  der  text 
der  letzten  vorläge  bereits  stark  verderbt  war,  als  die  ver- 
schiedenen abschriften  vorgenommen  wurden.  —  Dasselbe  gilt 
vielleicht  für  eine  anzahl  anderer  fälle: 

25,  5  hue  HRj,  huerimn  Fd,  huorium  ikl,  corr.  *hveim,  28,  7  linds  H, 
pollz  Fde,  corr.  svells  Rj,  34,  5  tiri  H,  iifimm  Fde,  tifua  R,R2,  löfiim  ikm, 
corr.  *tirar. 


ZUR  f6stbr(EDRasaqa.  423 

Klarer  noch,  weil  es  sich  dabei  um  Übereinstimmungen  in 
fehlem  handelt,  weisen  auf  gemeinsame  quelle  hin: 

IG,  ii<h/rs  H  (ausg.  383,  3)  ß,,  corr.  *(hjn;  11,2  purfs  fagdiga  b,  fuyr- 
gaki  El,  fehlt  H  (ausg.  375, 10),  corr.  *ßarfan  Hävars  arfa,  IG,  1  fjgrr  H 
(ausg.  3S3,  3)  dE,,  florv  b,  corr.  *fj{)rum,  etc. 

Ob  die  vorläge  für  H  mit  dem  archetj'pus  der  Fbr.  iden- 
tisch ist,  lässt  sich  vorläufig  nicht  entscheiden  (vgl.  jedoch 
unten).  Die  entstellungen  in  den  Strophentexten  von  H  sind 
sämmtlich  nicht  schwerwiegender  natur;  man  wird  deshalb 
vermuten  dürfen,  dass  die  vorläge  von  H  die  visur  noch  in 
guter  Überlieferung  gekannt  hat,  und  danach  H  direct  auf 
eine  älteste  fassung  der  Fbr.  zurückgehen  lassen  dürfen,  die 
ich  mit  X  bezeichne. 

Die  mit  H  verwanten,  aber  nicht  direct  von  ihr  abhängigen 
hss.  *M  und  *R  besitzen,  ebenso  wie  H,  die  unechten  Strophen 
l».  12;  beide  werden  danach  auch  bereits  in  x  enthalten  ge- 
wesen sein.  Betreffs  der  str.  1  aber  bleibe  ich  der  meinung, 
dass  weder  H  noch  deren  vorläge  die  Grettisepisode  +  ein- 
gelegtem kvicMingr  besass;  ich  glaube  also  an  engere  verwant- 
schaft  von  M — Ri  gegenüber  H  und  halte  danach  in  der  ent- 
wickelungsreihe  x  >  M*R  die  annähme  eines  Zwischengliedes 
(das  ich  y  nennen  will)  für  notwendig,  welches  neben  einer 
Überarbeitung  von  x  noch  weitere  sagenelemente  benutzte. 
Diese  Zwischenstufe  y  lässt  sich  erschliessen  aus  einer  anzahl 
von  Übereinstimmungen  in  MRi,  die  auf  Irrtümer  etc.  in  einer 
gemeinsamen  vorläge  zurückgehen  und  durch  die  MR,  in  wider- 
sprach tritt  ZU  H  bez.  x:  vgl.  10, 1  snarr  (*MR,)  :  corr.  S7iart  H, 
12,  3  hiulldr  (corr.  kialdrs  HF),  13,  5  ofyeigin  b(M),  ofgeigum  Ri 
(corr. ufeigum  H),  15, 1  veria  (reim Verstoss)  bR,  :  corr.  varäaE.  etc. 

Das  verwantschaftsschema  m-«— j'— >*R  wird  sichergestellt: 
durch  die  Übereinstimmung  von  M  und  *R  in  str.  2,  die  sich 
auch  auf  die  fehler  erstreckt:  vgl.  2,2  fallt  (corr.  Jcalla  Fd), 
4,  4  gjöJ  :  corr.  gjöär,  6,  4  JiolkU  :  corr.  hold,  6,4  Maf  of  goldit  M 
:  corr.  Mdks  stjni  goldit  Grett.;  der  redactor  von  *R  (ich  nenne 
ihn  im  folgenden  q)  liest  l  für  f  und  vermutet:  mal  of  goldit 
(vgl.  s.  316  f.),  6,  8  gjarnan  :  corr.  gjarna  Grett. 

Es  ist  auch  nicht  wahrscheinlich,  dass  in  2, 8  hvettr  ok 
ftmtjdn  vetra  die  ergäuzung  des  ok  von  dem  redactor  des  textes 
von  M  (im  folgenden  ,9  genannt)  und  von  (>  unabhängig  von 


424  GAERTNER 

einander  vorgenommen  wäre.  Auch  hier  wird  man  auf  die 
vorläge  y  zurückgreifen  müssen.  Denn  direct  ist  weder  M 
von  *K  noch  *R  von  M  abhängig,  sonst  würde  man  z.  b.  nicht 
verstehen,  wie  ß  sich  vergeblich  hätte  bemühen  müssen,  zu 
der  in  seiner  vorläge  vorgefundenen  entstellung  hajijKi  digr 
(corr.  happauöigr)  den  fehlenden  reim  zu  suchen,  da  ß  diesen 
ja  einfach  aus  *R  hätte  entnehmen  können.  >)  Ausserdem  sind 
die  differenzen  zwischen  den  beiden  fassungen  so  stark,  dass 
man  sich  fast  versucht  fühlen  möchte,  z Avischen  y  und  M*E, 
noch  zwei  Zwischenbearbeitungen  "^M,  und  *Ej  einzuschalten; 
zwingend  beweisen  lässt  sich  freilich  eine  solche  annähme 
nicht.  —  Geschickt  war  die  arbeit  der  beiden  redactoren  ß 
und  Q  jedenfalls  nicht;  beide  copieren  entweder  getreulich  die 
fehler  von  y  oder  sie  verändern  ihre  vorläge  gewaltsam,  weil 
sie  gewisse  constructionen  ihrer  vorläge  nicht  verstehen. 
Rechnet  man  zu  dieser  Willkür  noch  ein  gut  teil  liüchtigkeit, 
so  ist  der  verhältnismässig  grosse  umfang  der  abweichungen 
zwischen  H  und  *R  immerhin  erklärlich. 

Als  directe  schreibversehen  oder  unmotivierte  änderungen 
des  redactors  ß  kann  man  bezeichnen:  3,  3  es  :  corr.  eru  FRj, 
8,1  hrund  :  coiT.  hrundar  ü^,  8,Q  gaflnyum  :  richtigem  *glcq)- 
vigum,  4,  6  marglirodanda  :  richtigem  *-rj6äanda,  10,  5  vndegg- 
jaör  :  vard  eggjaör  HFR, ,  15,2  strenghestz  (vgl. -Are ms  HR j) 
etc.  Wie  mechanisch  ß  arbeitete,  geht  daraus  hervor,  dass  er 
in  3, 1  und  8, 1  die  praesentia  Icved  ek  und  her  eh  in  die  ent- 
sprechenden praeteritalformen  verwandelte,  vermutlich,  weil  er 
das  praeteritum  in  der  erfidräpa  durchführen  wollte,  ohne  zu 
bemerken,  dass  das  kveö  eJc  sich  nicht  auf  porgeirr,  sondern 
den  die  Strophe  recitiereuden  pormöör  bezieht  und  dass  str.  8 
ebenfalls  einen  derzeit  gegenwärtigen  zustand  betrifft. 

Um  tiefer  greifende  conjecturen  handelt  es  sich  in: 

10,  5  beggja  :  priggja  HFRi  (offenbar  bezog  ß  die  angäbe  heggja  auf 
den  prosasatz  'Laiik  svä  peiri  atsökn  at  porgeirr  vä  pä  bäöa'  (Fbr.  [99] 
8.54,25).  Er  vergass  aber  dabei,  dass  porgeirr  uicbt  mir  die  huskarlar 
Snorris,  sondern  vorher  diesen  selbst  getötet  hatte,  also  doch  drei  mäuner 


^)  In  *R  ist  der  reim  durch  conjectur  (■<  happa  digr)  hergestellt; 
dass  dies  happauöigr  von  der  lesart  von  M  aus  gemacht  sein  sollte,  ist 
ganz  unwahrscheinlich;  die  Selbständigkeit  von  *R  wird  garantiert  durch 
richtige  lesarten  wie  4,  3  gränn  :  geirr  M  (vgl.  s.  315). 


7.VR   FUSTBRCEDRASAGA.  425 

im  ganzen);  in  4,3  geirr  für  grann  Rj  (wobei  der  reim  verloren  gieng);  in 
12,  7  (wo  ß  den  steifen  satz  düö  drengs  varÖ  at  lengri  durch  die  einfachere 
Avenduug  dreugr  vann  dnö  at  lengri  ersetzte);  in  16,4  (wo  er  dyhjjusamr 
zu  dyrr  in  beziehung  brachte);  in  18,4  reggi)^  (corr.  regga,  um  das  durch 
pretjän  \coty. ßn't/'a)i\  fiinfgliedrig  gewordene  visuorö  zu  heilen);  in  18,5 
lijaldr  (corr.  hjahlrs.  indem  er  den  uoc.  wahrscheinlich  direct  von  lnl'ir  ab- 
hängig machte)  etc. 

Ganz  ähnlich  mag  der  redactor  q  bei  *R  verfahren  sein; 
auch  bei  ihm  fehlt  es  nicht: 

1.  an  versehen'),  vgl.  11,6  sl/k  (corr.  sUkt  alle  hss.),  15,5  sigr  egir 
(corr.  sig  reynir  H),  18,  4  XVI  (corr.  XIII),  15,  2  stungiim  (corr.  togum) 
etc.;  —  2.  an  unmotivierten  änderungen  oder  kurzsichtigen  conjecturen: 
vgl.  11,7  vargar  (ernir  alle  hss.),  12,5  fc  (fjgr  alle  hss.),  18,2  fuU-traudr 
ijhig-  alle  hss.),  8,  5  poili  für  stilli  (aus  dem  q  augenscheinlich  nichts  zu 
machen  wusste:  der  rest  der  kenniug,  drasils  vandai;  folgt  erst  z.  8),  4,6 
margjoöanna  (corr.  marg-rjöMnda),  5,  7  ftnna  (corr.  fjona  M),  7,  8  okkara 
(corr,  ockars  M),  6, 1  kap2)S  (q  las  jedenfalls  mal  für  3Iüf,  zu  dem  er  dann 
Ä'rtjj^s  gestellt  wissen  wollte:  lioldr  Ut  of  goldit  kapps  mal,  11,8  jostyranda 
(corr.  styra)idi  alle  hss.;  q  construierte :  Dyrr  (alleinstehendes  adj.  als  ter- 
minus  für  mann!;  hefndi  svä  sära  jostyranda  Myra),  12,  S  Härarßar  (corr. 
Hürars),  da  voraussichtlich  der  vers  schon  in  der  vorläge  mit  djarfr  defect 
war.  —  In  18,  7 — 8  scheint  Asgeirr  Jönsson  von  der  vorläge  im  stich  ge- 
lassen worden  zu  sein,  denn  die  beiden  reim  Wörter  mjük  läkask  fehlten 
ursprünglich  und  sind,  ebenso  wie  munat  dciluz  in  z.  7  erst  von  später 
band  hinzugefügt  worden.  Dass  die  defecte  bereits  in  y  vorhanden  gewesen 
seien,  ist  schAverlich  anzunehmen,  da  M  correcten  text  aufweist ;  ich  möchte 
deshalb  die  änderung  von  hniga,  z.  8,  zu  viga  (die  aber  die  zeile  nicht 
vollständig  heilt)  auf  die  rechnung  des  Asgeirr  Jönsson  setzen;  denn  dass 
diesem  Ix  in  stark  corrnmpierter  fassung  vorlag,  scheint  aus  den  übrigen 
fehlerhaften  lesarten  in  str.  18  (Ri)  hervorzugehen. 

Ueber  die  fassung  von  F  (die  nach  Guöbr.  Vigfüsson.  Pro- 
leg, z.  Sturl.  s.  Lx.  Orig.  M.  II,  673  unsere  saga  'am  besten' 
widergeben  soll),  ist  folgendes  zu  bemerken.  Die  Strophen 
enthalten  ungewöhnlich  viele  Schreibfehler  und  andei-e  Irr- 
tümer 2),  was,  wie  Vigfüsson  wol  richtig  vermutet,  darin  seine 
erklärung  findet,  'at  Afskriverne  ikke  have  forstaaet  sig  paa 
de  gamle  ok  kunstige  Viser'  (vgl.  F.  III,  xix).  Am  klarsten 
zeigt  sich  das  in  str.  10,  wo  der  redactor  von  F,  trotz  des 


^)  Wie  viele  davon  auf  die  rechnung  des  Schreibers  von  R,  zu  setzen 
sind,  kann  freilich  nicht  angegeben  werden,  da  Ro  die  zweite  von  Asgeirr 
Jönsson  angefertigte  abschritt  erst  später  einsetzt  (vgl.  unten). 

")  Vgl.  2,  3  hast-  (corr.  hest-),  2,  8  hvair  (corr.  hvcttr).  3, 1  sinlle  (corr. 
-spelU),  10,  6  Imota  (corr.  a  hvoi),  17,  8  eiru  (corr.  ciriivi)  etc. 


426  GAERTNER 

hyfuöstafr  s  (sver&rndr),  das  wort  Ht'is  als  stabtragencl  ansieht 
und  danach  für  snarf  (den  echten  stabträger)  hart  einsetzt.  — 
Es  begegnen  aber  auch  einige  stärkere  ab  weichungen,  die, 
wenn  wir  sie  den  redactoren  von  F  zusclireiben  müssen,  die 
annähme  Vigfüssons,  'at  de  for  det  meste  liave  ladet  sig  noie 
med  at  vsere  slette  ok  rette  Afskrivere'  etwas  zweifelhaft  er- 
scheinen lassen  würden.  Für  einzelne  solche  änderungen  ist 
der  grund  nicht  ersichtlich: 

Vgl.  2,  7  hlmit  (vard  alle  hss.),  13,  5  enn  hne  prva  spennir  (corr.  üfeigum 
vard  eigi  H),  13,  8  of  stopa  (corr.  stynfullu  H),  13,  7  peim  raki  (corr.  pcitti 
es  roelcir);  andere  sind  direct  unverständlich:  2,2  sik  (corr.  Ut  alle  hss.), 
12,4  hnngaldrs  (corr.  hjor-),  17,1  l(eJci  (corr.  IceJcja  H);  noch  andere  end- 
lich enthalten  directe  Verstösse :  13,  2  wird  durch  snarfeingan  (corr.  snar- 
fengr  alle  hss.)  die  zeile  siebengliedrig,  12, 1  skiÖ  (corr.  sJccb  alle  hss.)  ver- 
stösst  gegen  die  metrische  regel  (Craigie,  Ark.  16,  346  f.),  17,  5  sverö  (corr. 
sverds,  abhängig  von  sripnmna  acc.  pl.);  in  der  zweiten  hälfte  von  str.  17 
soll  ofi'enbar  construiert  werden:  Mär  het  maör  ok  Pur/r  es  mülsnjallr  Ut 
falla  —  frägum,  äör  pvilokit  eirwiu  peira  Porgeirs;  allein  die  Verwendung 
des  alleinstehenden  starken  adj.  mülsnjallr  als  ausdruck  für  'mann'  ist  be- 
denklich. 

Auch  über  die  näheren  beziehuugen  der  F  zu  den  übrigen 
recensionen  können  die  Strophen  auskunft  geben:  mit  M  teilt 
F  nur  die  verderbte  form  hcedi  (corr.  hrceöi  HRi),  die  wol  von 
zwei  Schreibern  versehentlich,  aber  unabhängig  von  einander 
für  das  seltene  hroeöi  eingesetzt  worden  sein  kann.  Für  enge 
verwan tschaft  von  F  mit  *R  (E,)  zeugen  dagegen: 

3,  4  häsleipnis  (vgl.  alfpÖurs  *M),  9,  5  freyja  (vgl.  freyju  Hb),  10,  2 
sverÖ-rudr  (-rjodr  H,  -moÖr  V),  10,  4  Hcekil  sonar  (corr.  Hcekils  sonar  Hb), 
13,  4  hjnrdjarfan  (-cljarfr  b,  -kraff)an  H). 

Neben  diesen  Übereinstimmungen  zwischen  F  und  *R  aber 
auch  eine  reihe  von  Varianten: 

In  2, 4  zeigt  F  (für  falli  MRi)  den  richtigen  Infinitiv  ftdla,  3, 1  hat 
für  die  in  Ri  durchgeführte  conjectur  (ddrspell  die  nur  durch  ein  schreib- 
versehen aus  aldrspelU  (M)  verderbte  form  -spüle,  3, 5  haben  MFd  stilli, 
Ri  die  conjectur  polli,  12,4  HFde  hialdrs:  vermutlich  unrichtigem  hialdr 
bRiikmo,  12,  5  fe  R,F  und  alle  anderen  hss.  fjoi%  12,  8  haben  H  mit  Hä- 
varar  und  R,  mit  Hävarpar  verunglückte  metrische  besserungsversuche, 
Fdei — 0  das  allein  mögliche  Hävars,  17,2  Fdebi — o  hosÖe,  HRj  corr.  hrcsM. 

Dies  freilich  nicht  allzu  reiche  material  lässt  immerhin 
folgende  Schlüsse  zu:  1.  F  hat  unleugbare  beziehungen  zu  *R 
(bez.  umgekehrt),  dagegen  bestehen  solche  zwischen  y  (Ri  +  M) 


ZUR  t'OSTBRCEDRASAGA. 


427 


und  F  nicht  1);  —  2.  F  enthält  zuweilen  echteren  text  als  *R 
(R,);  dies  spricht  (da  man  doch  den  redactoren  der  F  so  viele 
glückliche  conjecturen  nicht  zutrauen  kann)  dafür,  dass  F  ent- 
weder: a)  neben  *R  noch  eine  zweite,  dem  ursprünglichen  text 
der  Strophen  noch  sehr  nahe  stehende  recension  heranzog-,  oder 
b)  eine  quelle  benutzte,  die  einen  dem  text  x  zwar  nahe  ver- 
wanten,  zuweilen  aber  noch  älteren  text  hatte,  und  zu  dem 
*K  in  einem  gewissen  abhängigkeitsverhältnis  stand. 

Die  erstere  annähme  ist  unAvahrscheinlich,  denn  wie  die 
Untersuchung  der  str.  19—34  s.  428  ft".  ergeben  wird,  ist  *R  teil- 
weise abhängig  von  einer  auf  ein  älteres  x*  zurückgehenden 
fassung  y*.  welche  die  directe  vorläge  für  F  bildete;  wir 
erhalten  also  folgendes  Schema,  das  auch  die  unter  b)  an- 
gedeuteten beziehungen  mit  enthält: 


10s 


Grett. 


H 


M 


Ri 


Ro 


Nach  diesem  Schema  erklären  sich  am  einfachsten:  das 
fehlen  der  str.  1  in  F,  die  anklänge  von  *R  an  F,  trotz  enger 
verwantschaft  mit  M  und  entfernterer  mit  H  etc.  —  Strophen- 
auslassungen in  grösserer  zahl  finden  sich,  wie  ich  annehme, 
erst  in  F.  Freilich  befremdet  es,  dass  die  redactoren  von  F 
(die  in  teil  II  eine  menge  unechter  visur  und  offensichtliche 
fälschungen,  z.  b.  str.  26,  aufgenommen  haben)  im  ersten  teil 
nicht  nur  61  proc.  aller  Strophen  ausliessen,  sondern  gleich- 
zeitig auch  die  betreffenden  prosapartien  merklich  umarbeiteten. 
Indes  ist  zu  bedenken,  dass  die  Fbr.  nur  als  teilerzählung  in 
die  (Jläfssaga  h.  helga  eingestellt  ist,  und  da  nur  der  zweite 


*)  Wenigstens  nicht  nach  aitsweis  der  Strophen ;  vgl.  aber  die  beziehungen 

von  y  zu  *y  s.  s.  4415. 

Beiträge  2ur  geschichte  der  deutschen  spräche     XXXII.  28 


428  GAERTNER 

teil  der  Fbr.  nähere  bezieliiingen  zu  dieser  enthält,  so  ist  es 
doch  wider  verständlich,  wenn  der  erste  teil  von  Fbr.  gekürzt 
und  dabei  der  grösste  teil  der  erfidräpa  als  für  die  Öläfssaga 
bedeutungslos  weggelassen  w^urde.  Wir  dürfen  deshalb  nicht 
erstaunt  sein,  wenn  wir  im  zweiten  teile  auf  andere  Verhält- 
nisse stossen. 

Es  wird  sich  empfehlen,  diesen  zweiten  teil  nochmals  in 
zwei  abschnitte  zu  zerlegen:  1,  pormöör  im  auslande,  2.  por- 
moös  tod,  von  dem  auch  in  sämmtlichen  recensionen  der 
grossen  Öläfssaga  h.  helga  erzählt  wird.  —  Der  erstere  ab- 
schnitt enthält  die  str.  19 — 34.  Nach  dem  plus  und  minus  an 
Strophen  (oben  s.  420  f.)  steht  *R  zwar,  wie  M,  auf  selten  von 
H,  es  weist  aber  mit  str.  22  nach  F — lös  hinüber:  der  redactor 
von  *E,  Q,  hat  hier  neben  y  also  noch  eine  zweite  quelle  be- 
nutzt. Da  F  als  solche  nicht  in  betracht  kommt,  so  wird  diese 
identisch  sein  mit  der  vorläge  von  F,  wie  sich  s.  430.  432  f.  435  f. 
ergeben  wird,  bereits  enge  beziehungen  zu  einer  frühen  fassung 
der  10s  auf v/ies.  q  entnahm  ihr  nur  die  zur  half te  echte  str.  22 
(nicht  19 — 21!),  vermutlich,  weil  diese  nichts  mehr  mit  der 
voraufgehenden,  unhistorischen  episode  von  Knütr  und  Härekr 
zu  tun  hat  und  sich  deshalb  ohne  Schwierigkeit  in  den  text 
y  einordnen  liess,  der  von  M  (b)  getreu  widergegeben  wird, 
und  dem  auch  q  im  übrigen  folgte. 

Was  die  einzelvarianten  anlangt,  so  weist  H  von  str.  25 
an  eine  unzahl  von  flüchtigkeiten  und  sinnlosen  conjecturen 
auf  9,  denen  in  den  vorhergehenden  Strophen  (9—18.  23.  24) 
nur  eine  beschränkte  anzahl  zur  seite  steht.  Diese  auffallende 
Verschlechterung  des  textes  von  H  erklärt  sich  daraus,  dass 
der  text  von  str.  25  an  nicht  mehr  von  Haukr  Erlendsson, 
sondern  von  seinem  ersten  secretär  geschrieben  ist  (s.  oben 
s.  422).  An  schlechten  conjecturen,  die  vermutlich  diesem  zur 
last  fallen,  verzeichne  ich  beispielsweise: 

25, 4  kunnnm  für  Jcunna  (im  unmittelbareu  anschluss  an  das  vorher- 
gehende prouomeu  reV),  28,7 ßoUum  {con:poIU&\\e  hss.),  27,5  iindarligs  (corr. 
undarligt  FEi),   33,  3  mit  reimverletzung  sJcurar  (für  hriöar  alle  hss.)  etc. 


0  Vgl.  27,5  herahoda  (corr. /ire^^- alle  hss.),  30,4se^Mrs,  'd\,Q€ggceÖurs, 
während  Haukr  niemals  svarahhakti  schreibt,  31,2  ü  snnd  (corr.  simdi), 
81,  7  glott  (corr.  glotti),  32,  3  fengut,  widerholt  nach  z.  1  für  vier  oh,  34,  i 
liefir  (corr.  hefk)  etc. 


ZUR   FüSTBRCEDRASAGA.  429 

Im  übrigen  aber  kommt  der  strophentext  von  H  dem 
ecliten  text  widerum  am  nächsten.  Wir  dürfen  also  auch 
hier  an  dem  Schema  x  >  H  festhalten,  zumal  str.  2G  (eine 
nachdichtung-  des  14.  jh.'s)  in  H  und  K,  fehlt. 

Ueber  die  Stellung  von  *]\[  (bc)  zu  den  übrigen  fassungen 
kann  nur  str.  23.  die  einzige  der  in  b  noch  aus  dem  zweiten 
teil  der  saga  überlieferten  Strophen,  auskunft  geben.  Dass 
*M  (b)  von  H  unabhängig  ist  (vgl.  dazu  s.  423  ff.),  scheint  auch 
daraus  hervorzugehen,  dass  *]\I  (b)  mit  hveriu  dem  text  aller 
anderen  liss.  folgt,  während  H  huernim  hat.  Sonst  aber  zeigt 
*M  (b)  in  Str.  23  neben  weitgehender  Übereinstimmung  mit  H 
(z.  1  hvarfa  [hvarfJa  Fd],  z.  6  framdr  [frcEndum  RiR.^m],  vorum 
[HbR2ikl],  minnumz  23,  7,  Jcommg  23,  8)  eine  noch  engere  ver- 
wantschaft  mit  RiR,:  23,4  Imghordz  bRi  :  corr.  -hord  HFd, 
23,5  eru  ver  ne  freyja  bcRjRji — m  :  corr.  crum  ver  ne  freyju 
Fd,  23,8  cljarfan  bRjRakl  :  corr.  döarfir  HF,  djarfr  d. 

Der  oben  s.  427  aufgestellte  Strophenstammbaum  bleibt 
also  betreffs  *M  (bc)  auch  bei  str.  23  bestehen.  Bemerkenswert 
sind  die  lesarten  von  23,  4.  5.  8  insofern,  als  sie  beweisen,  dass 
F  nicht  von  *R')  abhängig  sein  kann.  Das  bestätigt  sich  auch 
bei  den  folgestrophen  an  vielen  stellen: 

Vgl.  27,  3  fremd  of  :  frcndum  E,R.,  27,  7  Xrrdi  :  riröir  R,Rj,  28,  2 
elbormr  HFi— m,  al»i-  RiRad,  28,  8  alldr  tili  HFi— m,  alldri  tu  Rj,  32,  7 
rn^tr  HFi— m,  matt  R.R^,  33,2  laut  HF  :  hne  R,R„  34,3  rann  ekUF 
:  nam  ek  UiRo,  34,8  Jwg-grw.ddr  :  hogdregr  R,,  mer  logi  HF,  meck  Icegi 
RiRj  etc. 

Dem  text  von  F  fehlt  es  zwar  auch  diesmal  nicht  an 
Verderbnissen  (vgl.  20,1  flest  [corr.  flestr  lös],  21,1  hoettins 
[corr.  VicBttir'],  25,8  torgs  [corr.  iorg  HR,],  27,1  aurvendis  F 
[corr.  aurvende  alle  hss.],  30,2  hragd  [corr.  ^»•«(TR,]  etc.),  aber 
die  meisten  sind  kaum  mehr  als  schreibversehen  und  brauchen 
nicht  aus  y*  übernommen  zu  sein.  Wenn  aber  die  F  den 
anderen  hss.  gegenüber  allein  die  richtige  lesart  bietet  (vgl. 
z.  b.  30,  6  svortiun  [in  HRiR.q  das  fälschlicherweise  noch  von 
fyr  abhängig  gemachte  svartan\  28,  6  ty  Fe,  toy  m  [falsch  mer. 
HdRiR,qj,  31,8  gunnfjuyi  :  guöfjon  Hiklm,  guös-  R,  etc.),  — 
wenn  sie  allein  neben  den  str.  19 — 21  und  neben  der  richtigen 
reihenfolge  der  Zeilen  in  str.  30  die  sicher  echte  str.  29  enthält, 


*)  Und  damit  auch  nicht  von  dem  mit  *R  nahe  verwanten  *M. 

28* 


430  GAERTNER 

kann  sie  in  allen  diesen  fällen  weder  auf  *R  noch  auf  das 
ebenfalls  bereits  durch  fehler  entstellte  x^)  zurückgehen,  son- 
dern sie  muss  den  text  aus  einer  anderen,  älteren,  weniger 
verfälschten  quelle  der  Fbr.  bezogen  haben.  2)  Wir  müssen 
also  neben  dem  text  x  noch  eine  zweite  quelle  x*  voraus- 
setzen, die  gegenüber  x  (H)  einige  plusstrophen  und  einzelne 
visur  in  echterer  gestalt  enthielt.  Eine  Verbindung  zwischen 
diesem  x*  und  der  grossen  Ölafssaga  hat  jedenfalls  ursprüng- 
lich nicht  bestanden:  x*  ist  vielmehr  die  älteste  fassung  der 
Fösthradrasaga,  oder  besser:  der  saga  von  pormöör  kolbrünar- 
skäld  und  I^orgeirr  Havarsson. 

Die  Strophen  19—22  sind  in  F  mit  der  Fbr.  vereinigt. 
Diese  combination  kann  aber  nicht  erst  von  den  redactoren 
von  F  vorgenommen  sein,  denn  bereits  *R  ist  mit  str.  22 
(später  noch  str.  43  und  einzelnen  Varianten)  von  der  legen- 
darischen Ölafssaga  beeinflusst,  und  dieser  einfluss  kann  weder 
von  F  noch  von  x*  herrühren.  Man  wird  daher  auch  hier 
eine  Zwischenfassung  y*  erschliessen  dürfen,  die  die  berichte 
der  lös  mit  der  Fbr.  combiniert  hatte,  und  in  dieser  gestalt 
sowol  für  *R.,  wie  für  F  als  quelle  diente.  AVelche  recension 
der  legendarischen  Ölafssaga  dem  redactor  von  y*  als  quelle 
diente,  ist  nicht  sicher  zu  bestimmen,  keinesfalls  aber  die  sog. 
kurze  lös.  des  kodex  Delagard.  no.  8,  da  F  und  dieser  text  an 
vielen  stellen  von  einander,  abweichen.  Am  wahrscheinlichsten 
sind  die  in  frage  kommenden  Strophen  aus  einer  älteren  legen- 
darischen Ölafssaga  genommen,  die  vermutlich  mit  dem  text 
identisch  war,  den  die  Otte  brudst.  (s.  4  ff.)  fragmentarisch 
überliefern.  Die  Selbständigkeit  der  F  gegenüber  dem  kodex 
Delag.  und  ihre  nähere  verwantschaft  mit  dem  text  der  Otte 
brudst.  scheint  durch  einige  wenige  Varianten  angedeutet: 
20,  3  hreiöom  Otte  brudst.  (lös  1160)  F  :  hrendom  lös  (49),  20,  5 
at  fehlt  Otte  brudst.  (lös  1160)  F. 

Was  die  Stellung  von  *R  (für  das  von  str.  22  an  die 
doppelüberlieferung  R1R2  einsetzt)  zu  F  angeht,  so  besagen  die 
textvarianten,  dass  *R  zurückgehen  muss:  1.  auf  y,  2.  auf  y*. 


^)  Repräsentirt  durch  *R  und  die  ebenfalls  hier  fehlerhafte  H. 

^)  Die  hypothese  wird  durch  das  gleichzeitige  Vorhandensein  von  str.  26 
in  F  nicht  unmöglich  gemacht,  da  die  uachdichtung  erst  von  den  compila- 
toreu  von  F  aus  einer  späten  quelle  in  die  saga  aufgenommen  ist. 


ZUR   FOSTBRCEDRASAGA.  431 

Die  beziehungen  von  ^R  zu  y  werden  bestätigt  durch  ein 
in  wiclitigen  punkten  bemerkenswertes  zusamraengelien  mit  H: 
vgl.  neben  der  auslassung  der  Strophen  19.  20.  21  (F).  2G.  29 
die  Übereinstimmung  der  reihenfolge  der  visnorc")  in  str.  30,  5—8, 
ferner  einzel Varianten  wie:  30,3  halldrs  :  Jäalldr.^  Fdc,  30,6 
svartan  :  svortum  Fcd,  32,  1  fJeira,  z.  3  mcira  (der  irrtum 
kann  in  x  auf  folgende  weise  entstanden  sein:  der  Schreiber 
oder  redactor  widerholte  in  z.  3  versehentlich  das  fengut 
von  z.  1  für  mcr  ok  [vgl.  FJ;  das  ergab  mit  dem  fleira 
am  schluss  von  z.  3  einen  falschen  f-reim  [hofuöstafr  mce- 
ritujr];  der  redactor  stellte  nun  den  reim  auf  seine  weise  da- 
durch wider  her,  dass  er  mcira  ansetzte,  vgl.  HK|);  —  fwrit 
Ri  für  fengut  (vermutlich  secundäre  conjectur)  etc.  —  Ausser- 
dem zeigt  *R  viele  falsche  lesarten,  mit  denen  es  isoliert 
dasteht: 

Vgl.  25,3  hellr  als  schlussfuss,  27,3  frenduin  E,,  fremdum  Kj  (corr. 
fremd  of  HFd),  28,2  almhaurvar  RiR^d  (vgl.  elbonar  alle  hss.),  28,8 
alldri  tu  (alldr  tili  alle  hss.),  32, 7  müU  {metr  alle  hss.),  34, 3  nam  ck 
(cann  eJc  alle  hss.),    34-,  8  hogdregr  Ri  (corr.  hoggreddr  HFdeR.^)  etc. 

Die  richtige  lesart  hat  er  dagegen  (wahrscheinlich  von  y* 
her)  offenbar  bewahrt  in  28,  7  scclls  R ,  {sreU  Ro,  linch^  H,  poU^ 
[spec.  conjectur  in  Fde])  und  30,2  6m(T  (RjRodeikm)  :  hrand  H, 
bragÖ  F  (spec.  schreibversehen). 

Die  beziehung  von  *R  zu  y*  wird  bestätigt  (abgesehen 
von  dem  auftreten  von  str.  22  in  *R)  durch  eine  reihe  von 
Übereinstimmungen  zwischen  F  und  *R  (RjRo)  gegenüber  allen 
anderen  hss.: 

Vgl.  25,  4  Munn-riodz  {-ioz  Hiklm),  28. 5  lamjt  (corr.  längs  H),  31, 1 
enn  fehlt  FdRiR^ikm  (vorhanden  in  H),  32,6  minna  FdeRiR.^,  mitmi  ikm 
(corr.  cinnu  H),  33,1  ro  FRjRJ— m  (corr.  ra  ek  H),  33,7  folldar  FRiR.j 
i — m  (corr.  violldar  R),  34,4  brenda  (corr.  hrendan'R)  etc. 

Complicierter  noch  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Strophen 
35—44.  —  Da  nur  HR,R.;  (i— q)  in  str.  36  und  39  die  richtige 
anordnung  der  visuhelmingar  aufweisen,  alle  anderen  aber  die 
Umstellung  der  halbstrophen  und  die  nachdichtung  39,5 — 8, 
so  müssten  letztere,  d.h.  F(de)lÖsHkrhÖsFms  eine  engere 
gruppe  mit  gemeinsamer  vorläge  bilden.  Diese  strenge  Schei- 
dung gilt  aber  nicht  für  alle  Strophen,  denn  die  vermutlich 
echten  str.  40.  41  fehlen  nur  in  HkrhÖsFms,  str.  43  nur  in  H. 


432  GAERTNEll 

Daraus  scheint  her  vorzugehen:  1.  In  dem  complex  der  Oläfs- 
S9gur  bilden  HkrhÖsFms  die  engere  einheit;  2.  F  steht  zu 
10s  in  naher  beziehung;  3.  lös — Fb,  Hkr — hÖs — Fms  beweisen 
mit  Str.  36.  39.  43  ihre  ursprüngliche  verwantschaft;  4.  *R  zeigt 
bis  auf  Str.  43  (fehlt  H)  vollständige  Übereinstimmung  mit  H. 
—  Genauer  festgelegt  ist  bereits  punkt  2  mit  dem  Schema : 
lös  <  ^o^^,i^=iag. no.s  und  punkt  4,  vgl.  s.  427,  d.h.  *R  entnahm 
die  in  y  nicht  enthaltene  str.  43  aus  y*,  stand  also  aucli  zu 
dem  ast  lös — F  in  beziehung. 

Bereits  um  1160  wurde  eine  Oläfssaga  h.  lielga  auf- 
gezeichnet (vgl.  Storni,  Snorris  Historieskrivn.  s.  37ff.).  Wir 
kennen  sie  aber  nur  aus  den  bereits  citierten  acht  bruch- 
stücken  (vgl.  G.  Storm,  Otte  brudstykker  af  d.  seldste  Saga  om 
Olav  d.  Hellige.  Christ.  1893),  die  ihrerseits  hss.  aus  dem  13. 
und  14.  jh.  entstammen.  Zufälligerweise  überliefern  diese  frag- 
mente  die  str.  19.  20.  21  (vgl.  a.a.O.  s. 4— 6). 

Ihrem  alter  nach  könnte  diese  lös  (1160)  allen  erhaltenen 
Öläfssogur  bereits  als  quelle  gedient  haben,  aber  auch  der  ihr 
zeitlich  wol  am  nächsten  stehenden  Oläfssaga  h.  helga  des 
Styrmir  (um  1220),  die  verloren  gegangen  ist. 

Da  nun  y*  (F)  und  lös  (1849),  v\ie  Snorris  hÖs  ebenfalls 
auf  eine  ältere  legendarische  Oläfssaga  h.  helga  zurückgehen 
müssen,  so  liegt  die  annähme  nahe,  dass  der  redactor  der  lös 
(1849),  wie  der  von  y*  (F)  direct  auf  der  lös  (1160)  fassen, 
während  Snorri  möglicherweise  noch  eine  weitere  recension 
der  lös  benutzte,  event.  das  werk  Styrmirs. 

Die  lös  (1160)  enthielt  bereits,  wie  erwähnt,  die  als  Inter- 
polation erkannte  episode  von  pormoör,  Knütr  und  Härekr, 
sammt  str.  19—21;  offenbar  handelt  es  sich  dabei  um  einen 
I»ättr  aus  pormoös  leben,  der  von  dem  redactor  der  lös  (1160) 
in  die  erzählung  eingestellt  wurde,  um  den  Iiormoör,  der  bei 
der  Schilderung  der  letzten  tage  Öläfs  stark  in  den  Vorder- 
grund tritt,  vorher  schon  in  die  saga  einzuführen.  Man  braucht 
jedoch  den  redactor  keineswegs  als  erfinder  der  fabulösen  epi- 
sode hinzustellen,  es  mögen  im  volke  viel  dergleichen  unver- 
bürgte erzählungen  über  pormöör  cursiert  haben.  Der  redactor 
griff  nur  diesen  für  seine  zwecke  geeigneten  bericht  auf,  stutzte 
ihn  zurecht  und  schaltete  vermutlich  die  visur  19 — 22  ein;  ob 
er  die  str.  20.  21, 1—4.  22, 1—4  dichtete,  ist  nicht  mit  bestimmt- 


ZUR   FOSTBRCEDR ASAGA.  433 

heit  zu  entscheiden,  doch  würde  dieser  annähme  nichts  im 
wege  stehen.  —  AVeitere  spuren  einer  Überarbeitung-  (die  eben- 
falls auf  den  redactor  der  lOs  [1160J  zurückg-elien  kann)  zeigen 
die  prosatexte  der  recensionen  F — lös  (1849)  bei  den  Strophen 
40 — 44.  Wie  Maurer,  Die  ausdrücke  s.  88  ff.,  gezeigt  hat,  wird 
die  Schilderung  der  dem  tode  borniuc^s  unmittelbar  vorauf- 
gehenden begebenheiten  gebildet  durch  eine  combination  unter 
sich  parallel  verlaufender  belichte,  von  denen  uns  H  'die  eine 
der  zu  gründe  liegenden  erzählungen  in  ihrer  reinheit  auf- 
beAvahrt  hat'  (vgl.  Maurer  a. a. o.  s.  88).  —  Dadurch  wird  die 
arbeitsweise  des  redactors  der  lös  (event.  lös  1160)  und  des 
redactors  der  H  (welch  letzterer  die  Fbr.  später  schrieb  als 
jener  seine  lös  redigierte)  trefflich  charakterisiert:  auf  der 
einen  seite  unbegrenztes  vertrauen  auf  die  erzählungen  des 
Volkes  und  damit  zusammenhängend  das  bestreben,  durch 
combination  der  variierenden  Schilderungen  der  Wahrheit  am 
nächsten  zu  kommen;  auf  der  andern  seite  eine  streng  histo- 
rische dispositionsweise  und  eine  gewisse  Zurückhaltung  der 
volkstümlichen  tradition  gegenüber.  —  Ich  bin  deshalb  der 
Überzeugung,  dass  der  redactor  von  H  den  am  wenigsten  durch 
Zusätze  erweiterten  text  besass  und  die  Strophen  in  ihrer 
reinsten  gestalt  kannte.  Die  erfidräpa  freilich  mag  auch  ihm 
nicht  mehr  im  vollen  umfange  vorgelegen  haben  (vgl.  die  un- 
echten Strophen  4.  12);  immerhin  enthalten  H  und  M  alle  der 
uns  überlieferten  dräpastrophen.  Wenn  dagegen  die  lausa- 
visur  ein  minus  von  7  Strophen  aufweisen,  so  wird  dem  ent- 
sprechenden plus  der  übrigen  recensionen  mit  vorsieht  zu  be- 
gegnen sein.  Der  verdacht  bestätigt  sich:  die  Strophen  19. 
20.  21,  1—4.  22,  1—4  konnten,  selbst  wenn  sie  auch  dem 
redactor  der  H  bekannt  waren,  vor  einer  historischen  kritik 
nicht  bestehen,  str.  26  ist  jung  und  str.  43  nachdichtung.  An 
echtem  gut  lässt  H  nur  str.  22, 5— 8.  29  vermissen. 

Wenn  F  (y*)  alle  diese  Strophen  enthält,  so  ist  das  keines- 
Avegs  ein  beweis  füi-  besondere  gute,  wie  Vigfüsson  anzunehmen 
scheint,  sondern  nur  das  resultat  der  arbeitsweise  ihrer  redac: 
toren,  die  sich  weniger  auf  eine  solide  tradition  stützen  wollten, 
als  interpolieren,  was  unter  lJormö('»s  namen  an  Strophen  um- 
lief, die  fehlendes  durch  nachdichtungen  ergänzten,  sobald 
durch  falsche  Zusammensetzung  von  halbstrophen   fragmente 


434  GAERTNER 

von  visur  entstanden  waren.  —  Da  str.  25,  obwol  sie  in  allen 
recensionen  der  Fbr.  begegnet,  bereits  eine  solche  irrtümliche 
composition  von  visuhelmingar  aufweist,  muss  man  annehmen, 
so  lange  man  nicht  x,  x*  auf  gleiche  vorläge,  bez.  x  auf  x* 
zurückführt,  dass  str.  25  in  dieser  gestalt  schon  in  der  münd- 
lichen tradition  vorhanden  war. 

Was  endlich  die  Stellung  der  historischen  Ölafssogur  oder 
der  Hkr  +  hOs  +  Fms  zu  den  übrigen  Oläfssagatexten  anlangt, 
so  ist  bereits  festgestellt  (vgl.  Mogk  a.a.O.  s.  814),  dass  eine  der 
quellen  Snorris  die  älteste  legendarische  Ölafssaga  gewesen 
ist.  Um  welche  der  von  uns  angenommenen  fassungen  es  sich 
dabei  handelt,  ist  schwer  zu  ermitteln.  Am  wenigsten  zu- 
sagend scheint  mir  die  annähme  Maurers,  a.a.O.  s.  138,  dass  es 
in  erster  linie  StjTmirs  werk  gewesen  sei,  welches  Snorri  als 
vorläge  für  die  biographie  des  königs  benutzte.  Snorri  war 
viel  zu  gründlich,  als  dass  er  eine  secundäre  quelle  ausschliess- 
lich verwante,  wo  eine  primärere  ihm  vermutlich  zugäng- 
lich war. 

Die  Strophen  40.  41  fehlen  nur  in  den  historischen  Ölafs- 
sogur, nicht  in  lös  (1849)  und  F  (y*)  und  danach  wol  auch 
nicht  ursprünglich  in  der  ältesten  lös  (1160).  Dafür  gibt  es 
nur  zwei  erklärungen:  a)  Snorri  folgte  hier  nicht  der  ältesten 
lös,  sondern  einer  anderen,  event.  noch  älteren  fassung,  in 
W'elcher  die  beiden  visur  noch  nicht  enthalten  waren.  Für 
diese  annähme  könnte  sprechen,  dass  die  historischen  Ölafs- 
sogur die  grosse  Interpolation  (mit  str.  19—22)  ebenfalls  nicht 
enthalten,  von  der  ich  mit  Zuversicht  annehme,  dass  sie  erst 
von  dem  redactor  der  lös  (1160)  eingestellt  wurde.  Wahr- 
scheinlicher indes  ist  b),  dass  Snorri  die  Strophen  40.  41  aus- 
liess  und  zwar,  weil  er  die  ganze  stelle  einer  umfänglichen 
bearbeitung  unterzog,  indem  er  die  durch  die  combination  ver- 
schiedener quellenberichte  verwickelten  Situationsschilderungen 
mit  verständiger  kritik  umgestaltete,  vor  allem  vereinfachte 
und  unverbürgtes  ausmerzte;  diesem  vorgehen  könnte  auch  die 
episode  von  pormöör  und  Knütr,  sammt  ihren  Strophen,  zum 
Opfer  gefallen  sein. 

Die  hÖs  (1853)  und  die  Ölafssaga  h.  helga  der  in  den 
Fms  vereinigten  hss.  können  nur  secundäres  Interesse  be- 
anspruchen, da  die  hÖs  lediglich  einen  ausfluss  der  Snorrischen 


ZUR   FOSTBKCEDRASAGA.  435 

saga  bedeutet  (vgl.  ^[ogk,  a.a.O.  s.  107;  über  Maurers  an- 
sprechende hypotliese  bez.  Snorris  Hkr  und  die  hOs  vgl.  Die 
ausdrücke  s.  186  ff.),  und  die  hss.,  auf  denen  die  ausgäbe  der 
saga  in  den  Fms  beruht,  durchgehends  jüngere  fassungen  der 
hös  mit  mannigfachen  erweiterungen  darstellen. 

Eine  vergleichung  der  lesarten  kann  zur  fixierung  der 
Stellung  der  texte  manches  beitragen,  wenngleich  ich  für  die. 
die  hss.  der  Fms  betreffenden  resultate  —  wegen  des  der  aus- 
gäbe der  Fms  beigegebenen  mangelhaften  Variantenapparates 

—  nicht  einstehen  kann. 

Ich  übergehe  dabei  die  nur  einfach  belegten  vaiianten, 
bei  denen  es  sich  fast  diirclnveg  um  entstellungen  handelt,  die 
den  redactoren  des  betreffenden  Strophentextes,  bez.  den  Schrei- 
bern der  hss.  zur  last  zu  legen  sind: 

vgl.  iü  H  36, 5  vettir,  36,  7  vex,  iO,  4  hvUings,  41,  5  redte:,  42,  4  borca 
etc. ;  in  F  35, 4  grains,  42,  7  um  flesl,  43,  8  ek  cetia,  F  36,  6  seggir  skulu  etc. ; 

—  in  lös  35,  5  hjss,  allir',  36,  2  er  aulstiMandi,  36, 7  ceigu,  vnga  etc. ;  —  in 
hös  35,  6  Innßrocndi,  36,  2  attrskilandi,  42,  3  Stiklar-  etc. ;  —  in  Fms  LD 
reist,  H  vintiz,  in  *R  (Riß.jq)  40,  5  Maut,  striöa,  35,  3  heim,  42, 1  hefir 
(Jläfr  etc. ;  —  in  Hkr  35,  3  vera  (K,  18,  75),  ero  K,  43,  5  klcekkci  K  etc. 

Die  qualitative  Überlegenheit  des  textes  von  H  (<  x)  ist 
widerum  augenscheinlich:  nicht  nur  in  bezug  auf  echtheit  und 
anordnung  der  visur,  sondern  auch  auf  den  text  im  einzelnen, 

—  Die  alte  verwantschaft  (x  <  "  <  '^_^^  zwischen  H  und  *fi, 
kommt  zum  ausdruck  in: 

35,3  skal  :  skulum  F  (richtig  iegast  Hkr  hÖs  lös  Fms),  35,5  taki'BB.i 
RoFras — B  :  liafui  alle  and.,  42,4  A-mrZffe  HR,Fms — A  :  qiiaÖuz 'R.,(\, 
kvaddi  alle  and.  etc. ;  —  die  daneben  bestehende  beziehuwg  y*  <C  ^  '^^^'"'^ 
gesichert  durch  36,  7  eigum  EiRoFdi— q  :  richtigem  eigi  aller  and.,  23, 1 
hvarfla  RjR.FdFms — K  :  livarfu  alle  and.;  vor  allem  aber  durch  str.  44, 
■\vo  bis  auf  das  bedeutungslose  rauör  (HRiR.i — q)  :  rjöör  (alle  and.)  Va- 
rianten zwischen  RjR^  und  F  überhaupt  nicht  auftreten. 

Das  abhängigkeitsverhältnis  der  F  (bez.  y*)  von  den  beiden 
hauptquellen:  a)  der  Fbr,  (x*),  b)  der  lös  (1160)  wird  durch 
einzelne  Varianten  gut  charakterisiert.  Zu  a)  vgl,  35,  2  innin, 
innen  HF  {inne  Fms — DKLikmo,  Innaney  Fms — A,  Inney  alle 
and.),  35,  3  sJcal  HKiRoi— Q,  shdum  F  :  tegast  alle  and.,  44, 1 
rauör  HFRiR,i — q  :  rjöör  alle  and.,  35,  7  niiin  HFFms — A, 
man  E,R-2d  :  skal  alle  and.,  36, 1  In'Qncj  HFd  —  pranngr  R,R, 
qKJsJo  :  richtigem  Jmjngr  KhÖs.  ~  Die  in  str.  41  vollkommene 


436  GAERTNER 

übereinstimmiuig-  von  F  mit  H  und  R1E2  gegenüber  dem  ver- 
mutlich weniger  echten  text  in  10s  (1849)  wird  für  a)  nichts 
beweisen,  da  es  möglich  ist,  dass  die  Varianten  erst  in  der 
lOs  (bez.  dem  Cod.  Delag.  no.  8)  entstanden  sind;  auch  hier 
kann  also  F  (y*)  auf  dem  ältesten  text  der  saga  fussen,  wie 
dies  voraussichtlich  überall  da  der  fall  ist,  wo  F  mit  lös  (und 
den  historischen  Oläfssogur)  zusammengeht,  —  Beweisend 
wirken  nur  die  Strophen  36.  39.  43;  die  übrigen  Übereinstim- 
mungen zwischen  F  und  den  anderen  Öläfssogur  gegenüber 
den  texten  der  Fbr.  bestehen  fast  durchweg  in  correcten  les- 
arten,  denen  H  wahrscheinlich  erst  aus  letzter  hand  verderbte 
entgegenstellt:  vgl.  36,5  v^ttir,  40,4  hvüings  etc. 

Eine  merkwürdige  durchkreuzung  der  seitherigen  ergeb- 
nisse  bringt  str.  44.  —  F*R(EiE,;)  stimmen  sowol  unter- 
einander, als  auch  in  jedem  einzelnen  falle  mit  der  mehrzahl 
der  historischen  Öläfssogur  überein,  so  dass  man  damit  wider 
die  bekannten  beziehungen  erhielte;  die  lös  (49)  jedoch  zeigt 
einen  von  allen  anderen  hss.  stark  abweichenden  text,  der  in 
einigen  zeilen  beziehungen  zu  dem  durch  H  repräsentierten 
text  der  Fbr.  aufweist. 

Vgl.  Str.  44,  2  Jcona  HlÖ.s(49)i— 0  :  sJcogul  FdEjR.qHkrliÖsFins,  z.  5 
ßat  HlÖs  (49)  :  hitt  alle  aiid.,  hin  mcera  H,  en  nucra  lös  (49)  :  at  melldrar 
alle  and.,  z.  7  drniipnis  dyRa  vapna  HlÖs(49)Fms — Ai — 0  :  djüp  oTc 
dansJcra  vapna  alle  and.  —  Zu  den  historischen  Öläfssogur  und  F  stimmt 
sie  nur  in  z.  5  mit  Imyfar  FdEjE^q  :  richtigem  hygyr  far  lÖs(49)Hkr 
hÖsFms  und  teilweise  in  z.  3  haulcaksetr^  um  hccttin  :  haiiJcasetrs  hin  huita 
FdEiß.qKFms— A  (vgl.  s.  348).  Ausserdem  steht  lös  (49)  mit  der  lesart 
liiot  aggiaöra  (z.  6)  und  rjöÖa  (z.  1)  vollständig  allein. 

Diese  Schwierigkeiten  lösen  sich,  wenn  wir  annehmen,  dass 
Str.  44  in  dem  ältesten  sagatext  (lös  1160?)  stark  verderbt 
war,  worauf  die  in  allen  recensionen  zahlreichen  Varianten 
hinzudeuten  scheinen.  Die  vorhandenen  reste,  vermute  ich 
ferner,  stimmten  mit  der  in  H  überlieferten  fassung  überein. 
Während  dann  der  redactor  der  lös  (1849)  zur  füllung  der 
lücken  eigene  conjecturen  verwante,  und  eine  mit  den  histo- 
rischen Öläfssogur  sich  berührende  oder  identische  tradition 
nur  wenig  benutzte,  hielt  sich  y*  (von  ihm  aus  *EF)  genauer 
an  diese;  die  möglichkeit  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass,  wie 
dies  in  den  historischen  Öläfssogur  vielleicht  schon  bei  str.  40 
und  41  geschehen  war,  und  später  von  den  compilatoreu  der 


ZUR  roSTBKCEDRASAGA,  437 

F  verschiedentlicli  getan  wurde  (vgl.  F.  IT,  07.  68.  III,  237  etc.), 
die  historischen  sogur  und  y^^  sich  hier  an  Styrmirs  Öläfssaga 
hielten. 

Durch  zahlreiche  Übereinstimmungen  zwischen  den  histo- 
risclieii  Öläfssogur  und  der  lös  wii-d  bewiesen,  dass  sämmt- 
liclie  Ölafssogur  h.  helga  auf  eine  ältere  redaction  einer  lüs 
zurückgehen  (event.  auf  lös  (1160):  vgl.  35,2  Inney  l(')sKJ2 
hÖsFms— BC  :  innm  HF  etc.,  35,3  tegast  lÖsKJJiÖsFms  :  shul 
HEiRo,  sJculum  F,  36, 1  prengr  lÖs.T.,,  pryngr  K70hÖs,  Jiraungr 
R,R.Fms  :  prmmg  RF,  44,1  r/Jc/r  lÖsHkrhÖsFms  :  rauör  HF 
RiEoi— q>  44,8  sv0a  nur  in  HlÖsHkrhÖsFms.  —  Dadurch, 
dass  svida  sowol  in  den  Strophen  der  Fbr.,  wde  denen  der  Olafs- 
.«aga  belegt  ist,  scheint  bewiesen,  dass  die  kleine  episode,  welche 
in  FdEiRoi — Q  zur  motivierung  des  fehlens  von  sn'dfa  am 
strophenschluss  steht  (vgl.  F.  11,  366)  secundären  Ursprungs  ist 
und  vermutlich  von  dem  redactor  von  y'-'"  erfunden  wurde. 

II.  Zur  Stellung  der  legendarischen  und  historischen 

Ölafssogur. 
Hier  tritt  überall  die  enge  verwantschaft  zwischen  hös 
(1853)  :  Hkr  hervor,  bes.  zwischen  hÖs  und  J.^;  vgl.  F  36,6  of, 
um  alle  and.,  42,  3  SiiJdar  :  Stilda  alle  and.,  44,  3  liaulia  latrs 
cn  J.jFms — DH,  hauclatrs  en  hÖs,  44,  4  mordueniande  feniu  J« 
hÖs(FR,R2dqFms— A)  etc.  —  Nicht  minder  augenfiillig  ist 
die  zwischen  F  und  Fms — A:  \g\.  36,5  (nach  F)  slwJcnir 
:  slcehni  alle  and.,  42,  2  i  hUdl  :  lUdi  alle  and.,  42,  6  almvcÖrs 
FFms — C,  jahnvcdiS  Fms — A  :  ialfaös  HK  etc. 

Unklar  bleibt  wegen  des  geringen  materials  die  Stellung 
der  übrigen  texte  der  Fms;  deutlich  wird  nur  die  nahe  ver- 
wantschaft mit  Hkr  und  hÖs.  Die  Varianten  einzelner  texte 
beweisen  jedoch,  dass  deren  redactoren  noch  andere  ([uellen 
benutzten,  so  lässt  inni  35, 2  in  Fms — DKL  vielleicht  auf  den 
einfluss  von  HF  schliessen,  tahi  35,  5  in  Fms— B  auf  den  von 
H*R  und  hvarfla  30,  4  in  Fms— K  auf  den  von  *F*R. 

III.   Die  Stellung  der  papierhandschriften. 
b,  c  sind  genaue  abschritten  der  membrane  M,  wie  auch 
aus  aufzeichnungen  des  Arni  Magniisson  hervorgeht. 

Neben  b,  c  sind  am  wichtigsten  RjR2.  —  GhMm.  II,  259  f. 


438  QAERTNER 

heisst  es  von  AM  566  A  4to  =  H  {^=  Eo),  ebenso  wie  R^  durch 
AsgeiiT  Jonsson  von  einem  cod.  ex  bibl.  regia  abgeschrieben: 
'es  findet  sich,  dass  sie  (R-i),  soweit  sie  reicht,  genau  mit  Ri 
übereinstimmt'.  Diese  genaue  Übereinstimmung  ist  aber  nicht 
buchstäblich,  da  die  Strophentexte  eine  grosse  anzahl  von 
Varianten  aufweisen:  vgl.  23,8  konung  RhRiFik  :  honungr 
R2de,  27,3  frendum  Rj,  fremdum  R^,  28,7  premia  RiHF, 
prenna  B.^^,  28,7  svells  R,,  svell  R^  etc.  Die  verderbten 
formen  finden  sich  meist  in  R2;  dadurch  wird  die  Vermutung 
gestützt  (vgl.  GhMm..  II,  260),  dass  *R  (ebenso  wie  M)  zu  Äsgeirr 
Jönssons  lebzeiten  defect  wurde  und  zwar  so,  dass  Äsgeirr 
noch  die  vollständige  saga  für  pormöör  Torfenson  abschrieb 
und,  nachdem  sie  in  *R  verstümmelt  war,  die  für  Arui  Mag- 
nüsson.  Zwei  lesarten  scheinen  zu  beweisen,  dass  er  dabei  F 
zu  rate  zog:  42,  6  ialfoös  :  almvedrs  FdRoqi — 0,  44,  7  djuft 
oli  FdR2  :  djup  alle  and. 

Zu  d  vgl.  GhMm.  11,257  f.;  dort  heisst  es:  "D  scheint  sicher 
in  vielem  bis  zur  vollständigen  genauigkeit  mit  der  grossen 
saga  von  könig  Öiäfr  übereinzustimmen.  Doch  hat  D  ver- 
schiedene visur,  welche  in  F  fehlen.'  Es  sind  dies  str.  14 — 16. 
18;  in  ihnen  geht  d  bis  auf  wenige  kleine  ausnahmen  mit  b 
(M)  zusammen;  vgl.  beweisende  Übereinstimmungen  wie:  15,  2 
strenghestz  (richtig  -hreins),  15,  5  sdrum  (richtig  sinum),  16,  4 
dylgjiisamr  (richtig  -samt),  16,  5  Jjreggs  (richtig  ])cegs),  18,  4 
rcggis  (richtig  reggs),  hialldr  (richtig  hialldrs)  etc.,  'd.  h.  die 
vorläge  von  d  war  combiniert  aus  F  und  b  (M).  und  zwar  so, 
dass  da,  wo  F  ein  minus  an  text  bez.  Strophen  aufwies,  dieses 
aus  M  ergänzt  wurde. 

Einzelne  Übereinstimmungen  in  fehlem  zwischen  d  und  Rj 
(*R)  einerseits  (vgl.  14, 6  sannligs  :  -leiks  b,  lags  H,  16, 2 
lieitir  :  Jmeitir  b,  heitir  H)  und  d  und  R^  andrerseits  (vgl.  23, 8 
konungr  R^de,  28,  7  prenna  R.dikl  etc.),  erklären  sich  wol  so, 
dass  Äsgeirr  an  einigen  stellen  die  ebenfalls  von  ihm  geschrie- 
benen texte  RiRv  zur  vergleichung  heranzog,  bez.  reminiscenzen 
verwertete. 

Doch  auch  in  35,1  mwe?/  RiRodlÖsKJiFms — BChÖsq 
:  innen  HF  etc.,  35,3  57caZ  RiR^dHi — q  :  shulum  F,  35,3  heim 
RiR  ,qd  :  liuer  F,  35,  4  gram  RiR.qdlÖsHkrhÖsFms  :  grams  F, 
35,5  taca  d,    takt  HRiR^i -q  :  liafui  F,   alle  and.,    35,7  man 


ZUR   FüSTBRCRDRASAGA.  439 

E,R-2(ld  :  mim  FHFms,  sl-al  alle  aud.  etc.  scheint  *R  (R1R2) 
auf  d  gewirkt  zu  liaLeu.  Dauacli  hätte  sich  der  redactor  von 
d*  neben  ^l  zur  reconstruction  seiner  texte  noch  der  recension 
*R  bedient;  und  da  es  sich  um  identitäten  von  str.  85  an  han- 
delt, so  ist  wahrscheinlich,  dass  ^\  an  diesen  stellen  damals 
bereits  fragment  war. 

Eine  noch  grössere  Übereinstimmung  wie  d  mit  F  zeigt  e 
mit  F;  e  wird  deshalb  die  abschrift  einer  vorläge  sein,  die 
F  nahe  verwant,  event.  mit  ihr  identisch  war  (vgl.  noch  (ihMm. 
II,  258). 

In  dem  sagaexcerpt  n  (bl.  1—2)  stehen  nur  die  beiden 
Strophen  13  und  17;  von  ihnen  zeigt  besonders  str.  13  starke 
textverderbnis  (vgl.  z.  2  ])reingra  [richtig  drengia],  z.  3  helldur 
[richtig  haulklr],  herÖar  (richtig  haröar]),  str.  17  einzelne 
anklänge  an  R,  (vgl.  z.  1  IceJciar  Rin,  Icelcia  H,  IceJci  Fcd, 
Jfcmks  FdRjU  :  Haiiss  alle  and.,  z.  2  hrcü&i  HRiU  :  hceöe  alle 
anderen). 

Die  papierhss.  iklmo.  —  Deren  vorlagen  (i*  =  ursprüng- 
lich im  besitz  des  Björn  Jonsson  auf  Skardsaa;  k*  =  ein  buch, 
das  Arni  Magniisson  von  einem  gewissen  Jon  Thorlaksson  (aus 
Isl.)  erhalten  hatte;  1*  =  ein  buch  des  Öhlfr  Gislason  'ä  Hofl 
i  ^'opnafirdi';  m*  =  ein  folioband  des  Schulzen  Oläfr  Einarson; 
0*  (vgl.  s.  303)  erweisen  sich  als  eng  verwant  (vgl.  z.  b.  das 
geschlossene  auftreten  von  ikmlo  in  fehlerhaften  Varianten  wie 
8, 12.  23,  4  -horöa  ikl,  27,  7  nyröinn  ikl,  29,  2.  6—8,  ferner  die 
richtige  zeilenfolge  in  30,  5—8;  als  einzelfälle  noch  32,  6  minni 
iklm  [richtig  vinna  H,  minna  alle  and.],  33,  3  oädar  ikl  :  odda 
alle  and.,  84,  5  löfum  ikm  :  *//rar,  35,  2  inne  iklmoFms— DKL, 
35,  4  grams  fehlt  iklmo,  42,  7  veröa  iklmo)  und  gehen  direct 
oder  indirect,  das  lässt  sich  kaum  entscheiden,  auf  eine  bez. 
einzelne  vorlagen  zurück,  die  sowol  zu  *R  wie  zu  F,  wie  zu 
b  (M),  d.  h.  also  zu  allen  bekannten  recensionen  der  Fbr.  in 
enger  beziehung  stand  bez.  standen:  a)  39,  7  dr  w  andra  R,imo, 
30,5  veitim  RiR.qikmo,  25,6  Imgfyrsium  R,iklm;  vermutlich 
auch  35,3  s/taZ  HRiR.iklmo,  35,  5  faA-i  HRiRaqikmo  bestätigen 
die  verwantschaft  von  iklmo  mit  *R;  —  b)  deutlicher  noch  ist 
die  mit  F,  vgl  42,  2  öd  fr.  kr  i  hlööi  Fdikmo,  42,  5  Wd  eh 
Fdikmo,  32,3  mer  oh  Fdeiklm  :  fengut  H,  foßrit  R,R2,  32,4 
imeringr  Fdiklmo,  porf  Fdeiklmo;   dass  iklmo  dabei  aber  von 


440  GAERTNER 

F  nicht  sclavisch  abhängig-  sind,  zeigen,  ausser  selbständigen 
Varianten,  die  Übereinstimmungen  mit  H*R  und  besonders 
mit  b  (M). 

Die  Übereinstimmungen  zwischen  b  (M)  und  iklmo  sind 
durchaus  beweisend  (vgl,  4, 1  geirr  [richtig  grdnn  R,],  4, 8 
liliöda  [richtig  hloöum  Rj];  ferner  besonders  die  str,  6 — 9; 
10,  2  mödr  bik  :  rjödr  H,  ruör  alle  and.,  10,  5  vndeggiadr  ])a 
bik  [richtig  vard  eggj.  par  alle],  hcggja  bik  :  ptiggja  alle  and., 
11,4  happa  digr  :  Imppi  bikmo  etc.). 

Eine  besonders  eng  verwante  gruppe  ist  ikl  (vgl.  23, 4 
hugborda  ikl  :  huglord  HFd,  horÖ2  bRiR-,  liauglordir  m,  29,  8 
falliö  ikl  :  halldit  Fd,  falldad  ra.  29,  6  mic  ei  ikl  :  cei  mik 
Fdmo);  ihre  verwantschaft  mit  b  (M)  zeigen:  7,7  auäar  bikl 
:  auda  m,  audz  o,  9, 1  pvi  er  bikl  :  pvi  at  alle  and.,  23,  G 
vorum  HbR2ikl  :  vom  Fde,  erumm  m,  vor  R, ,  23,  6  ver  bcikl 
:  pa  HFde,  p6  R1R2;  vgl.  dazu  nochmals  10,5  und  11,4. 

Resultat:  1.  die  Übereinstimmungen  (s.  oben  und  weitere 
belege:  12,  3  er  bikmo  :  at  alle  and.,  12,  7  drengr  bikmo  :  drengs 
a.  a,  13,5  ofgeiginn  bim,  of geinginn  k,  16,2  -hneitir  bikmo 
:  heitir  H,  heitir  dRi  etc.),  sowol  in  einzelnen  Varianten,  wie 
im  auslassen  von  Strophen  (vgl.  str.  19—22.  24.  36,  2  nach  F, 
37  [bis  auf  0].  38.  41)  beweisen  den  zwischen  i*k*l*m*o*  be- 
stehenden Zusammenhang;  2.  enger  verwant  noch  zeigen  sich 
i*k*l*,  was  sich  aus  einer  gemeinsamen  vorläge  für  i*k*l"  er- 
klären wird,  da  auf  grund  einzelner  Varianten  eine  directe 
abhängigkeit  der  texte  untereinander  unwahrscheinlich  ist; 
1  (1*)  hat  ausserdem  andere  quellen  noch  benutzt,  da  es,  ebenso 
wie  m  (m*)  im  prosatext  ganz  eigenartige  Interpolationen 
aufweist,  die  in  allen  anderen  hss.  fehlen;  3.  die  sonst  meist 
sinnlosen  Varianten  in  m  und  0  (bez.  m*,  0*)  setzen  der  vor- 
läge von  i*k*l*  gegenüber  stark  verderbte  quellentexte 
voraus,  die  zwar  mit  jener  ursprünglich  verwant,  vielleicht 
identisch  waren,  in  m*o*  (bez.  erst  in  mo)  aber  sehr  über- 
arbeitet wurden. 

q  ist  eine  auf  den  buchstaben  genaue  abschrift  von  R2 
(vgl.  s.  421). 


ZUR   FOSTBRCKDRASAGA.  441 

Cap.  Y.    Schluss. 

Nach  dem  Stammbaum,  der  sich  aus  dem  strophenmaleiial 
der  hss.  der  Fbr.  ergibt,  ist  die  von  F.  Jönsson  vorgenommene 
Scheidung  der  texte  in  zwei  hauptklassen  mit  H  auf  der  einen 
und  allen  übrigen  hss.  auf  der  anderen  seite,  nicht  zu  halten. 
A'iehnehr  machen  H*M*R  eine  durch  die  gemeinsame  vorläge 
X  zusammengehaltene  gruppe  aus.  Von  dieser  aus  führt  *R 
zu  einer  zweiten  gruppe  hinüber  mit  der  quelle  x*;  diese 
gruppe  zeigt  directe  beziehungen  zur  grossen  Ölafssaga  li.  helga 
und  wird  allein  durch  F  und  den  von  dieser  abhängigen  hss. 
gebildet.  Es  bestätigt  sich  also  die  annähme  von  Mogk  (vgl. 
Pauls  Grundr.  2,  755):  'Der  Hauksbuk  steht  ohne  zweifei  die 
fassung  AM  132  näher  als  die  Flateyjarbük  . . . ' 

Die  recensionen  x  und  x*  entsprechen  den  von  F.  Junsson 
(H,  einleit.  lxxxi)  angenommenen  'to  forskellige  bearbejdelser 
af  sagaen,  hvoraf  den  ene  [x''']  sikkert  stammer  fra  det  12. 
aarli.,  og  den  anden  [x]  sagaen  i  Hauksbök,  n?eppe  er  meget 
yngre';  doch  ist  die  letztere  keinesfalls  ganz  unabhängig  von 
X*  entstanden.    Dafür  spricht: 

1.  der  umstand,  dass  x  wie  x*  vermutlich  die  gleichen 
uachdichtungen  besassen  (str.  9.  12), 

2.  dass  in  str.  25  in  beiden  bereits  die  visuhelmingar  falsch 
combiniert  waren:  ein  fehler,  den  man  schwerlich  bereits  der 
volkstümliclien  tradition  zurechnen  darf, 

'S.  die  Übereinstimmung  in  der  angäbe  iir  erfidrdpu,  näm- 
lich gerade  nur  bei  den  Strophen  2.  3  (5.  6).  10, 

4.  eine  zahl  gemeinsamer  fehler:  vgl.  3,4  valldr  Mli,Fik 
moq  (richtig  *vald),  12,  8  djarfr  (richtig  *djarfra),  34,  5  tiri  H, 
iifmim  Fde,    tifua  Ri'R^j    ^'^furn  ikm  (richtig  '■'tirar)  etc. 

Nach  alledem  scheint  folgendes  möglich  und  wahrschein- 
lich: 1.  X*  ist  die  ursprünglichste  fassung  der  Fbr.;  2.  x*  ent- 
hielt bereits  die  str.  2—18.  22  als  fragnient  (nur  22,  5—8).  23 
— 25  (letztere  bereits  in  falscher  composition).  27 — 35.  36  als 
fragnient  (nur  36,1 — 4).  39  (die  zusammengehörigen  halbstropheu 
event.  getrennt),  40.  41.  44;  3.  ein  redactor  gestaltete  x*  zu  x 
um.  Er  gieng  dabei  gegen  die  in  x*  sorglos  zusammengestellten 
berichte  streng  historisch  vor  und  schaltete  fabelhaftes  aus. 
Vielleicht  stützte  er  sich  auf  eine  noch  directere  tradition  als  x*. 


442  GAERTNER 

Die  Strophen  hat  er  jedenfalls  nicht  nur  in  weit  reinerer  ge- 
stalt  gekannt,  als  der  in  den  OläfssQg'ur  überlieferten,  sondern 
auch,  wenigstens  was  die  Strophen  36.  39  anlangt,  in  ihrer 
echten  Zusammensetzung.  Möglicherweise  Hess  er  die  nur 
fragmentarische  str.  22  aus,  weil  er  sie  nicht  durch  nachdich- 
tung  ergänzen  wollte;  str.  29  ist  von  ihm  jedenfalls  versehent- 
lich übergangen  worden;  4.  der  redactor  der  ältesten  ülafssaga 
h.  helga  (event.  der  von  1160)  ist  nach  meiner  meinung  der- 
jenige, von  dem  a)  die  in  der  mündlichen  tradition  (vgl.  x*) 
nur  fragmentarische  str.  22  vervollständigt  und  als  letzte  str. 
in  die  von  ihm  redigierte  episode  von  Knütr  und  Härekr  ein- 
gestellt wurde;  von  dem  b)  die  str.  20.  21, 1—4  verfasst  wurden, 
indem  er  den  zweiten  der  in  der  mündlichen  Überlieferung  event. 
bereits  getrennten  visuhelmingar  von  str.  39  (vgl.  x*)  als  str. 
21,5 — 8  in  die  Interpolation  einstellte,  die  beziehungslosen  halb- 
strophen  39,  1 — 4.  36,  5 — 8  fälschlicherweise  combinierte  und 
die  nun  ihrerseits  defect  gewordene  str.  36, 1 — 4  duixh  nach- 
dichtung  ergänzte;  von  dem  c)  die  Verwirrung  in  der  Schilde- 
rung von  pormöös  letzten  stunden  angerichtet  wurde  (vgl. 
Maurer,  Die  ausdrücke  s.  88  ff.),  indem  er  verschiedene  berichte 
der  mündlichen  tradition  zu  einem  widerspruchsvollen  ganzen 
vereinigte.  Eine  unmittelbare  folge  solcher  combination  mag 
Str.  43  sein,  die  dem  erweiterten  bericht  als  poetischer  schmuck 
beigegeben  wurde. 

Dass  wir  berechtigt  sind,  die  visur  und  visuhelmingar 
20.  21, 1—4.  22, 1—4.  36, 5—8  (nach  F).  43  für  die  arbeit 
eines  mannes  zu  halten,  geht,  wegen  des  geringen  umfanges 
des  materials,  zwar  nicht  aus  formellen  Charakteristika  mit 
Sicherheit  hervor,  wol  aber  aus  der  einheitlichkeit  des  melo- 
dischen elements.  Str.  19  dagegen  gehört  einer  anderen  ton- 
höhe  an;  ich  glaube  deshalb,  dass  str.  19  von  einem  anderen 
dichter  stammt  und  von  dem  redactor  der  ältesten  10s  (event. 
1160)  in  diese  partie  eingestellt  wurde. 

5.  Während  Snorri  den  bericht  der  redaction  von  1160, 
vielleicht  unter  heranziehung  der  Styrmirschen  vita  von  Olafr, 
mit  verständiger  kritik  umarbeitete,  folgt  der  redactor  von  y*, 
der  die  weitere  Vereinigung  von  Fbr.  mit  Olafssaga  h.  helga 
vollzieht,  dem  text  von  1160  in  jedem  punkte,  übernimmt  also 
von  diesem,  wie  von  x*,  sämmtliche  visur. 


ZUR    FOSTBlitEDKASAGA.  443 

6.  Die  recensioii  y  =  .  auf  die  auch  *R  an  einigen  stellen 
zurückgeht,  unterwirft  ein  redactor  der  F  in  ihrem  ersten 
teile  einer  umfassenden  Umarbeitung,  bei  der  auch  die  str. 
4—8.  11. 14— IG.  18  fallen  (von  einem  'allmählich  müde  werden' 
des  Überarbeiters,  wie  F.  Jonsson  meint,  vgl.  H,  einl.  lxxvii, 
kann  kaum  gesprochen  werden).  Der  redactor  stutzte  ofl'enbar 
nur  die  für  die  Öläfssaga  wenig  wichtigen  partien  der  Fbr. 
nach  seinem  gutdünken  zurecht,  beschränkte  sich  aber  in  der 
Umarbeitung  merklich,  sobald  die  Fbr.  mit  der  eigentlichen  (')lafs- 
saga  wider  fühlung  bekam;  erst  unter  ihm  geriet  str. 20  in  die 
Fbr.  und  gieng  von  hier  aus  in  die  texte  der  papierhss.  über. 

Dieses  im  princip  nur  für  die  Strophen  giltige  verwant- 
schaftssj'stem  wird  auf  grund  der  Untersuchung  des  saga- 
textes  nur  insofern  geringfügige  änderungen  erfahren,  als 
einzelne  redactoren  sich  betreffs  der  visur  eng  au  ihre  vor- 
läge hielten,  während  sie  zur  erweiterung  der  prosa  noch 
andere  quellen  heranzogen.  So  zeigen  sich  z.  b.  in  den  prosa- 
texten beziehungen  zwischen  F  und  M,  die  nach  ausweis  der 
Strophen  so  gut  wie  nicht  vorhanden  waren  (s.  s.  426).  Da 
*R  meist  mitgeht,  werden  wir  nicht,  wie  F.  Jonsson,  annehmen, 
dass  M  die  directe  vorläge  für  F  bildete,  sondern,  da  M  und 
*R  beide  auf  y  zurückgehen,  im  übrigen  aber  selbständige 
recensionen  darstellen,  umgekehrt  vermuten:  der  redactor  von 
y  hielt  sich  zwar,  was  die  Strophen  anlangt,  eng  an  seine 
vorläge  x,  arbeitete  aber  in  die  prosa  noch  fremde  saga- 
elemente  hinein  (vgl.  Grettis-episoden) ,  und  zog  eine  weitere 
quelle  der  Fbr.  an,  aus  der  er  den  text  von  x  bereicherte: 
vermutlich  eine  der  späteren  fassung  der  F  verwante  recension, 
y*,  die  der  redactor  von  *E,  für  die  Strophen  nochmals  beson- 
ders in  anspruch  nahm  (vgl.  str.  22.  43),  während  der  redactor 
von  M  sich  hier  enger  an  y  anschloss. 

Zweierlei  will  F".  Jonsson  definitiv  festgelegt  wissen:  1.  die 
vollkommene  Unselbständigkeit  der  recension  der  Fbr.  in  F, 
indem  er  H,  einl.  lxxviii  ausführt:  'Flat's  tekst  er  opstä  et 
säledes,  at  dens  redactor  bade  har  haft  for  sig  Hauksbogens 
og  1320,  og  undertiden  holdt  sig  til  den  ferste*;  ...  2.  die 
absolute  Überlegenheit  der  H:  'Hauksbogens  tekst  er  unbe- 
tinget  den  oprindeligste  og  niest  legte'  (vgl.  H,  einl.  lxxvi). 

Zu  1.   a)   Der  arbeits weise  des  redactors  der  Fbr.   in  F 

Beitrag-:  rur  geschichte  der  deutscheu  spräche.   XX XU,  29 


444  GAERTNER 

nach  zu  urteilen,  ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  dieser 
(dem  es  nur  darauf  ankam,  stofflich  neues  aus  anderen  SQgur 
zu  gewinnen  und  der  solche  Interpolationen  nur  einer  flüch- 
tigen Umarbeitung  unterwarf)  zur  controlle  seines  quellen- 
textes  und  zur  genaueren  fixierung  seines  eigenen,  ausserdem 
einen  älteren  text  benutzte,  für  dessen  plötzliche  bevorzugung 
an  den  einzelnen  stellen  ein  grund  nicht  ersichtlich  ist;  b)  es 
bleiben  dann  die  fragen  offen:  wie  kommt  es,  dass  F,  die 
nach  F.  Jönsson  nur  aus  secundären  quellen  fliesst,  an  vielen 
stellen  allein  den  echten  text  bietet  (was  F.  Jönsson  selbst 
zugestehen  muss;  vgl.  H,  einl.  lxxvii);  wie  kommt  es,  dass  F, 
als  einziger  text,  Strophen  nicht  nur  in  correcterer  gestalt 
(vgl.  z.  b.  Str.  30),  sondern  auch  in  grösserer  anzahl  gekannt 
hat  (vgl.  Str.  22, 5— 8,  29)');  wie  kommt  es,  dass  die  kgl. 
membrane  [*R],  die  'ungefähr  auf  derselben  stufe  steht  wie 
132  [M]',  die  str.  22  (43)  besitzt,  die  in  M  fehlt.  Auf  diese 
und  andere  fragen  (besonders  betreffs  Snorris  vorläge)  geben 
F.  Junssons  resultate  keine  befriedigende  antwort;  deshalb  wird 
auf  grund  der  gegenbedenken  die  F.  Jönssonsche  hypothese 
über  die  entstehung  des  textes  der  F  fallen  zu  lassen  sein.-) 
Ich  leite  die  hss.  nach  nebenstehendem  Stammbaum  ab. 

Zu  2.  F.  Jönsson  bekämpft  in  H,  einl.  lxxvi  die  hypothese 
von  Vigfüsson  (Stürlunga,  Proleg.  Iix — Ix),  dass  wir  in  dem 
text  von  (132-)  Fiat,  eine  'edition  of  a  much  earlier  composition' 
hätten,  indem  er  im  gegenteil  behauptet,  'dass  die  redaction 
von  H  unbedingt  die  bessere'  sei  (vgl.  H,  einl.  lxxv,  24)  und 
dass  'der  text  der  H  unbedingt  der  ursprünglichste  und  ech- 
teste' genannt  werden  müsse  (vgl.  H,  einl.  lxxvi  v.  u.).  —  Dazu 
ist  zu  bemerken,  dass  die  ansieht  von  Vigfüsson  in  der  tat  im 
princip  richtig  scheint,  indem  F  auf  die  älteste  fassung  der 
Fbr.  (x*)  zurückgeht.  Dieses  Verhältnis  kommt  in  der  haupt- 
sache  nur  noch  in  den  Strophen  zum  ausdruck;  der  sagatext 
hingegen  ist  mehrfach  stark  überarbeitet  worden,  so  dass  H 
schliesslich  zwar  nicht  den  ursprünglichsten  und  absolut  ech- 


*)  Die  Öläfssogur,  welche  diesen  teil  der  Fbr.  gar  nicht  kennen, 
kommen  als  quelle  nicht  in  betracht;  ebensowenig  wol  die  späte  tradition 
des  li.jh's. 

^)  Die  möglichkeit  an  und  für  sich  —  einer  heuutziing-  von  H  und  M 
durch  den  redactor  der  F  —  gebe  ich  selbstverständlich  zu. 


ZUR   FÖSTBR(EDRASAGA. 


44: 


CO 


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CO 


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f— P^  — O^ 


P^— -l 


CD 


o 


' M 


-4*1 


V — xi 


L 


29* 


446  GAERTNER,   ZUR   f6stBR(EDRASAGA, 

testen  text  widergibt,  wie  F.  Jonsson  will,  wol  aber  den  relativ 
besten,  da  x,  das  zwar  auf  x*  zurückgeht,  daneben  jedoch 
noch  eine  bessere  tradition  (besonders  der  visur)  als  x'^  ge- 
kannt zu  haben  scheint,  in  der  H  vermutlich  nur  leicht  über- 
arbeitet wurde  (vgl.  auch  Mogk,  Pauls  Grundr.  2-,  756, 1  f.). 

Da  die  entstehung  von  x*  bereits  ca.  1210  anzusetzen 
und  ein  directer  einlhiss  der  Grettissaga  auf  die  Fbr.  erst  für 
y  mit  Sicherheit  anzunehmen  ist,  wird  in  Boers  h3q30tliese, 
betreffs  der  Grettissaga  (vgl.  die  ausgäbe  der  Grettissaga 
XXXII:  'auch  die  2.  Umarbeitung  der  Grs.  gehört  noch  dem 
13.  jh.  an;  spätestens  entstand  sie  in  den  ersten  jähren  des 
14.jh.'s;  denn  die  hss.  derFbrs.,  deren  gemeinschaftliche  vorläge 
von  dieser  Umarbeitung  beeinflusst  wurde  (ZGrs.  32)  reichen 
hoch  in  das  14.  jh.  hinauf  —  der  beweissatz  zu  streichen  sein. 


INHALT.  ,,„3 

Cap.  I.   Allgemeines 299 

Cap.  IL   Znr  reconstruction  des  stropbeutextes 308 

A.  Hergestellter  text 308 

B.  Kritischer  commeutar 313 

Cap.  III.  Zur  echtheitsfrage 349 

A.  Allgemeines 349 

1.  pormüSr  Kolbrüuarskäld 349 

2.  Gruppierung  der  Strophen 352 

3.  Das  echtheitsproblem  in  der  Fbr.-literatur     .  353 

4.  Die  Strophen  der  quelle  der  Fbr 355 

5.  lieber  die  kritischen  hilfsmittel 356 

B.  Die  spräche  pormöös 359 

C.  Die  keuuingar,  viökenningar,  halfkenningar  .     .    .  3G2 

D.  Die  reimtechnik  pormöös 364 

E.  Rimarium 382 

F.  Echt  und  unecht 387 

I.  Die  erlidräpa 387 

II.  Die  lausavisur 404 

Cap.  IV.    Das  handschriftenverhältnis  der  Fbr 420 

I.  Das  Verhältnis  der  membranen  HMF*R  zu  einander  420 

a)  Stropheuplus  und  stropheuminus 420 

b)  Die  textvarianten 421 

IL  Die  historischeu  und  legendarischen  Oläfssogur     .  437 

III.  Die  Stellung  der  papierhand Schriften 437 

Cap.  V.   Schluss 441 

LEIPZIG.  K.  H.  GAERTNEK. 


DIK  SOGENANNTEN  REDUPLICIEK  ENDEN 
VERBA  BT  GERMANISCHEN. 

Literatur. 

Scherer,  Zur  g'escbiclite  der  deutschen  spräche'^,  s.  267  ff. 
—    Zs.  f.  d.  üstr.  gymu.  24  (1878),  s.  295  ff. 

Sievers,  Beitr.  1,  öOift'. 

Pokorny,  Ueber  die  redupl.  jiraeterita  der  geriii.  sprachen  u.s.w., 
Wissenschaft!,  abhandlungen,  Wien  u.  Leipzig  (187-}-). 

Schmidt,  Vocalismus  II,  s.  428  ff. 

Hoff  ory.  Die  redupl.  praeterita  im  altnordischen,  Kuhns  Zs.  27,  .593  ff. 

Holthausen,  Die  redupl.  verba  im  germanischen,  Kuhns  Zs.  27, 618 ff. 

Osthoff,  Zur  reduplicationslebre,  Beitr.  8,  540  ff. 

Ljung-stedt,  Anmiirkningar  tili  det  starka  preteritum  i  germanska 
spräk,  Upsala  1887. 

Ottmann,  Die  redupl.  praeterita  in  den  germ.  sjjraclien  (Jahresbericht 
der  realschule  zu  Alzei,  1890),  Leipzig  1890. 

Holz,  Urgerm.  geschlossenes  c  und  vcrwantes,  Leipzig  1890. 

Lichtenberger,  De  verbis  quae  redupl.  praet.  etc.  exhibebant,  Nancy 
1891  (Berger-Levrault  &  Cie). 

Zarncke,  Beitr.  15,  350  ff. 

Brugmann,  IF.  6,  89  ff'. 

Franck,  Zs.  fda.  40,  24  ff. 

Bethge  in  Dieters  Laut-  u.  formenlehre  der  altgerm.  dialekte,  s.  361  ff. 

Hoffmann,  FEPA^:  Abh.  z.  idg.  Sprachgeschichte.  Festschrift  zu 
A.  Ficks  70.  geburtstag,  Göttingen  1903,  s.  33ff.  (citiert:  Hoffmann,  F.). 

L  0  e  w  e ,  Kuhns  Zs.  40,  266  ff. 

Janko,  IF.  20,  229  ff.  (hier  findet  mau  eine  ganz  ausführliche  auf- 
zählung  der  einschlägigen  literatur). 

Einschlägige  arbeiten,  die  sich  nicht  ausschlie.sslich  mit  unserm  gegen- 
ständ bescliäftigen,  sind  an  der  in  betracht  kommenden  stelle  dieser  abhaud- 
lung  angeführt. 


448 


FEIST 


Uebersicht  über  die  reduplicierenden 


Urgerm.       \        Gotisch 


Altisländisch 


Altschwed. 


1)  aikan    zu-   \  af-aikan,  -aiaik, 
sprechen          1  — 

2)  aikan  rasen  \ 

8)  alpan              \  — .  — ,  us-alj^ans 
i 

4)  *aran,  arjan  arjan,  — ,  — 

5)  aukan 


— ,  — ,  eikenn 
— ,  — ,  aldenn 


6)  ausan 

7)  aul^an 

8)  bannan 

9)  bauan 

10)  bautan 

11)  began 

12)  besan 

13)  blandan 

14)  blean 

15)  blesau 

16)  blöan 

17)  blötan 

18)  b-nauan 

19)  bredan 

20)  brükan 


aukan,  -aiauk,  —  ,  anka,  iok,  j;L  iukom, 

ankenu 
I 
\  aiisa,  iös,  pl.  iusom, 

ausenn 


— ,  audenn 


büa,  biö,/jZ.  biiiggom, 
büeun 

bauta,  — ,  -bautenn 


blandan,  — ,  —      blanda,   blett,  blan- 
denn 


— ,  — ,  uf-blesans 

blötan,  — ,  — 
b-nauan,  — ,  — 


bläsa,  bles,  bläsenn 

blöta,  biet,  blötenn 
— ,  b-nere(3.s<i(.),  — 


brapa,  — ,  brapin 


DIE    REDÜPLTCIERENDEN    VERBA. 


449 


verben  des  germanischen. 


A 1 1  e  n  g  1  i  s  c  li 


A 1 1  s  ä  c  h  s  i  s  c  li  AI  t  Ium"  lid  e  ti  t  s  c  h 


in-eichit  Cd.  1,621,51, 
in-eihan  Gl  1, 111, 12 

erran,  iar,  gi-aran 

— ,  — ,  eacen 

— ,  — ,  Oean,  fn'es.  aken 

— ,  — ,  eaden 
hnnnan.   hpoii.  hnnnrn 

— .  — ,  ödan 

frifü.  hnnna,   Iipn    p.-linn- 

})flnnan     l)ian.  o-il-iannnn 

biiau,   -  ,  ^ebün 
beatan,  beot,  beaten 


büan,  — , 


mndl.  basen,  bies, 


buan,  — ,  w/if/.gebüwen, 
pl.  birunn 


bägan,  biag. 


blondan,  blend  (bleond),       blandan,  blend,  —  blautan,  bliant,  giblan- 

blonden  I       tau 


hläwan,    bleow,    altics.      aostfr.  blö   (Zs.  [da.  40, 
blew,  bldweu  38  ff.) 


blüwan,  bleow,  blöwen 
blotan,  bleot.  blöten 


bläsan,  blias,  gibläsan 


bluozan,  blioz,  giblözan, 
2)1.  plenizzun 


nvian  (?) 

brädan,  bred,  gibrädan       brätan,  briat,  gibrätan 
— ,  — ,  gibrukau  ' 


450 


FEIST 


Urgerm. 

Gotisch 

Altisländisch 

Altschwed. 

21)  dredan 

22)  fähan 

fahan,  faifah,  — 

fä,  fekk,  pl.  fingom, 

fa,  fik  (faek),  pl. 

fangeun 

fingo,  fangin 

28)  fall  au 

falla,  feil,  fallenn 

falla,  tiol  (fael, 
fal),  fallin 

24)  falpan 

— ,  faifalf»,  — 

fakla,  feit,  faldenn 

25)  fejan  (?) 

faian,  — ,  — 

26)  flöan 

27)  flökan 

— ,  faiflök,  — 

— ,  — ,  flökenn 

28)  fraisan 

fraisan,  faifrais, 

29)  gangan 

gaggan,  — ,  us- 

ganga,gekk,p?.gin- 

ganga,  gik  (nsc/,w. 

gaggans 

gom,  gingenn 

gaek),  gaugin 

30)  g-nauan  vgl. 

gnüa,  gnera,  gnüenu 

no.l8 

31)  gretan 

gretan,  gaigröt, 

grata,  gret  (greit), 

grata ,    graet. 

— 

gratenu 

(gret,  pl.  grito), 
grätiu 

32)  gröan 

groa,  grera,  gröenn 

33)  hähan 

hahan,    -haihah, 

hanga,  hekk,j)Z.  hen- 
gom,  haugenn 

34)  haitan 

haitan,    haihait, 

heita,  het  (heit,  hei- 

heta,    häet,    he- 

35)  haldan 


toni),  heiteuu  tinu  (rim.  hai- 

ta;  agutn.  hlt, 
mschiv.  het)  *) 

haldan,  — ,  hal-      halda, helt(?(/'>i. heilt) ;  halda,hiolt(haelt, 
dans  haldenn  |      halt),  haldin 


1)  Rnnschwed.  perf.  aä  ist  wol  als  hait  aufzufassen  (Noreen,  Altschwed. 
gramm.  s.  444). 


DIE   REDÜPf.ICIERENDEN   VERDA. 


451 


Altenglisch 


A  1 1  s  ii  c  li  s  i  s  c  h 


011  -  drtedan,    -dred  (Ps. 
i(.  )iorth.  ondreord) 

fön,  fenj,  fonjen 

feallan,  feoll,  feallen 

fealdan,  feold,  fealden 

flöwau,  fleow,  flöweu 
flocan  (?)i) 


ant-dradan.  -dri-d. 


A 1 1  h  1 1  c  h  d  0  n  t  s  c  h 


in-trätan,  -triat, 


faban,  feng  (ficn,q:\  fan-  '    fähan,    fiang    {(hmchcn 
gan  fieg,  fcnc),  givang'an 

fallan,  {el(l),  -fallan  fallan,  fial,  gifallan 


faldan,  fiald,  gifaldan 


-,  — ,  far-Höcaii,  fries. 
iir-flokiii 


— ,  — ,  far-ilnahhan 


jan^an,    seon^    (saug-,      g^^Uöa",    geug  (gieiig),      gaugaii,   giang  (kenc), 
Sen^-de),  jonjeu  gaiigan  gigaugan 


— ,  griat  (gnot)2),  —        mM.gväzen(sckw.verb) 


jröwau,  j;reow,  jröwen      niruU.  groieii.  grien,  - 

""        '  ! 

hon,  hen^,  honten           i    — ,  — ,  -haugaa  hälian,  -henc,  hiang.  gi- 

'  haiigan 

hdtau,  hct  (hebt),  häteu       hetau,  het  (liiet),  gihc-  heizau,  hiaz  i^ca-heiz)^), 

I        tau;  /'r.  Int  (R)  giheizan 


iiealdau,  heold,  haldeu       haldan,  held  (hield),  gi-      haltaii,hialt(bi-]ieilt?)^) 
haldau,  fr.  pl.  bilden  gibaltan 

')  Vgl.  Sievers,  Beitr.  9,  287. 

^)  Oder  eher  zu  griotan,  grcotan  =  &e.  ^reotan,  perf.  f,rcat?  (Hoffmanu, 
/'.  s.  56).    Anders  Eoediger,  Zs.  fda.  20,  243  und  Janko,  IF.  20, 283  f. 

')  Vgl.  Singer,  Beitr.  11,294  und  Janko,  IF.  20,  270. 

*)  Vgl.  Singer  a.a.u.  c/-foniien  finden  sich  z.  b.  im  text  B  der  Fuldaer 
beichte,  daneben  aber  auch  /e-formeu:  jurlciz  neben  furl'ese. 


452 


FEIST 


Urgerm. 


Gotisch        i      Altisländisch  Altschwed. 


3(i)  hau(w)Avaii 


37)  hlanpan  us-hlaiipan 


38)  hlöan 

39)  hnaupan 
(hniupan?) 

40)  hrüpan 


41)  hwesan 

42)  hwetan 

43)  hwöpan 

44)  knean 


hQgg(i\)a,  hiö,  pl.  hi-  j  hugga,  hiog,  nin. 


oggoni,  hogenn 


ha(u)k,  pl.  (h)u- 
ku,  huggin 


(h)]anpa,  (h)liop,  pl.    lapa,  ngnfn.  laii- 
(h)lupoin,   anonv.      pa,  lop,  p/.  hipu, 


lep,  (h)laupenn 


ngutn.  perf.l3L}i\i 
=  mschiü.  lep; 
nschiced.  liep. 
lepin 


huäta,  — ,  huätenn 


hwöpau,    hwai- 
hwöp,  — 


45)  krean 

! 

46)  laikaii  laikau,  lailaik,- 


47)  laiian  (Beitr. '  — ,  lailoun  (3.|)Z.), 
11, 56)  — 


48)  letan 


letan,  lailot,  — 


49)  maitan  maitan,  maimait, 


lei^a,  lek,  leikenn       leka,  agutn.  lai- 

I     ka,  lä;k,  nschw. 

i 

\ek,perf.2}l.\iko 


lata  (lata) ;  let  (leit),    lata,    laet   (let), 
auch   lit,    pl   li-        löt,  iTt,  j)i.litu, 


tom,  lätenn 


latin 


DIE   REDUPLICIERENDEN    VERBA. 


453 


Altenfflisch 


A 1 1  p  ä  c  h  5!  i  P  c  h 


AltlKirlxInu  terh 


lieawan,  heow,  heaweu 


lia(u)wan,  -heu,  gihai;- 
wan'),  i^crf.  mudl. 
bieu,  pl.  hieuwen 


houwan,  liio  (bin),  pl. 
biowun  (binwun),  gi- 
liouwan 


hleapan,  hleop,  bleapen,      v-l'lfTan). -hlieimn, -bli-      (h)lo\ifan,leof  (liof.liaf), 
pl.h\\\\wn(r(7i.?.fy.)  opiin,  fr.  hläpa,  lilei».  )«7^/. ;//.  luffcii,  ^ilou- 

opt.  hliopc  fan 


blöwan,  bleow, 


a-bneapan    {oder  hneo- 
pan?),  bneop,  -hneapen 

bropaii,  hieop,  — 


bröpaii,    briop   (hreop),      bruofaii,  briof  (hriuf),- 
fr.  roep,  by-(h)ropen 


hwösan*},  hweos,  — 

hwöpan,  bweop.  — 

cuäwan,  cneow.  north. 
cnsew,  altws.  cnew, 
cnäwen 

cräwan,  creow,  cräwen      myuU.  craien,  crieu 

läcan,  lec,  )iorth.  leolc, 
lären 


for-bwiUau,  -bwet,  —         farwäi^aii, -\viaz,-\väzan 


Iffetan,  let,  north,  leort,       lätan,  let  (lief),  gil.ätan      läzaii.  liaz, -loiz,  giläzan 
lateu 


meizan,  miaz,  gameizan 


')  Oder  eber  hwctsani  Sievers  a.a.O. 
')  Fries.  hä(u)iven. 


454 


FEIST 


Urgerm. 

Gotisch 

Altisländisch 

Altschwed. 

50)  mean 

51)  prangan 

— ,  — ,  ana-prag- 
gans 

52)  redan 

ga-redan,  -rairnf), 
—  (ga-ra)7ans) 

räda,  red  (reid),  rä- 
denn 

räpa,   r*J7  (re}?), 
räf^in 

53)  rciau 

roa,  rera,  röeun 

54)  saltan 

saltau,    — ,    un- 
saltans 

55)  sejan 

saian,  saisö,  — 

sa,  sera,  säenn 

56)  skaipan 

skaidan,    skai- 
skaip,  — 

57)  skaldan 

58)  skef>an 

59)  skrautan 

. 

60)  slepan 

slepan,    saislep, 
-saizlep,  — 

61)  snanan 

snüa,  snera,  snüenn 

62)  söaii 

söa,  — ,  soenn 

63)  spaldau 

64)  spannan 

65)  spöan 

66)  staldan 

ga-staldan,  stai- 
stald,  — 

67)  stautau 

stautan,  — ,  — 

68)  swaipan 

sueipa,  sneip,  suei- 
penn 

DIE   REDÜPLICIEHENDEN   VEKBA. 


455 


Alteugliscli 

Altsäclisisch 

A 1 1  li  u  c  h  d  e  u  t  s  c  h 

lila  wall,  uieow.  luäweii 

rifedan,  nort/i.  reord,  pl. 
ri'don,  riiHleu 

rädaii,  red  (rieil),  girä- 
dan 

nitan,  riat,  girätau 

ruwau,  reow,  -röwen 

— ,  — .  sealteu 

salzau,  sialz,  gisalzan 

säwan   (sf«wau),   seow, 

north,   seavv,   säwen, 
alhcs.  sew 

scädan,  sced,  scäden  (sce- 
adau,  scead.  sceaden) 

skethan,    skedaii,    ske- 
dan(M),  -scetli,  gisce- 
thau 

skeidan,  skiad,  giskei- 
dau  (-sceitan) 

Skaldan,  — ,  — 

skaltan,  s^kialt,  giskal- 
tan 

ndd.  skädeu  (Beitr.  11, 
552) 

skrOtan,  skreot,  -skrerot, 
giskrOtau 

sUepan    (sUipau),    slep 
(sleap),  sht'pen 

slapau,  slep,  asläpau 

slafaii,  sliaf,  gisläfaii 
spaltau,  spialt,  gispaltau 

sponuan.   speoii  (spen), 
spoiinau 

spaunau,  — ,  — 

span(n)au,  spiau,  gispa- 
nau 

spuwan,speow,3e-sp6wen 

stealdau,  steold,  — 

— ,  stiet,  te-stötau 

stOzaii,  stiaz  (steroz), 
gistOzau 

swäpau,  sweop,  swapen 
{daneben  a-swopen) 

sweifau,  mhd.  swief,  — 

456 


FEIST 


Urgerra. 

Gotisch 

Altisländiscli 

Altscliwed. 

69)  swögau 

70)  taisan 

71)  tekan 

tekan,  taitök,  — 

72)  flaihan 

ga  -  plaihan,   — , 

73)  prean 

74)  waldan 

waldan,  — ,  — 

valda,  valt  (vul- 
te),  valdit  (vul- 
lit) 

75)  walkan 

76)  wallan 

77)  waltan 

78)  wejan 

waian,  waiwö,  — 

79)  wöpjan 

80)  wrötan? 

Vereinzelte  formen  des  altenglischen:  1)  ä-blon^ne  (Lind.  Matth.  26,  8); 
2)  ä-breot  'er  tötete'  (Beow.  2931);  3)  heof,  heofon  zu  heofan,  as.  hiohun. 
QhA.hiuban,  got.})\.  Im fitm;  ä-hneop  'pflückte  ab'  (Leg.  of  Guöläc);  ^e-neop 
(Exod.  475)  zu  got.  dishniupan,  (Ushnvpnan,  aschwed.  nijUpa  'kneife';  onreocl 
'inbuit'  (Corpus  Gloss.  1129)  zu  ae.  hreodan  'schmücken',  part.  hroden  = 
^i^X.hrodenn  'gefärbt'.  —  Auch  deo^  (Beow.  851)?  Vgl.  Hoffmann,  /'.  s.  55 
und  Sievers,  Ags.  gramm.=ä  §  39G,  anni.  5,  s.  223.  —  Vereinzelte  form  des 
altsächsischen:  anskiann  C  5798  =  ae.  sciön  Beow.  303  (?). 


Die  red.  verba  nach  ihren  praeser\svoealen  geordnet: 
1)  a-Stämme  (20): 
alpän,    arjan,    hannan,    blandan,  fallan,    falpan,   fa(n)han,   gangan, 
hcüdan,  ha{n)han,  prangan,   scütan,  skaldan,  spaldan,  spannan,  staldan, 
waldan,  wcdkun,  ivallan,  tcaltan. 


DIE   REDÜPLICIERENDEN   VEKBA. 


457 


Altenglisch 


Altsächsiscb 


AI  thocluleutscli 


swojau,  sweoj,  swü^en 

swügan    ((•<//.  Beitr.  11, 

280) 

zeisan,  zias,  — 

örawan,  öreow,  Öräwen 

thräan,  — ,  — 

weaUlan,  weold,  weal-  ;    walilan,  -weld  (-wiekl),      waltan,  wialt,  — 
den 


wealcau,  weolc,  wealcen 
weallan,  weoll,  weallen 


wallan,  wel(l), 


Avalkaii,  — ,  giwalchen 
wallan,  wial,  — 
vviilzan,  wialz  ("?),  — 


wäwau,  weow,  wawen    |    ?»nd/.  wäien,  wiey,woei, 
— ,  mvfries.  vve 


wepan,    weop    (wep), 
wöpen 

wrutan 


wOpiau,     wiop    (weop,      wuufan,  wiuf  (wiuf), 
wiep),  wepiu  I 


2)  oi-Stäuirae  (10): 

aikan  (2  mal),    fraismt,    haittw,    laiJcan,    viaitan,    skaipnn,    sttaipan 
taisan,  /jIciükih. 

3)  öM-Stämme  (14): 

(mkuyi,  ausan,  anpmi,  hautan,  lianwan.  hlcmjxm,  hnmqian  (?), 
skrautan,  stantan;  hmiun,  hnuuun,  gnauan,  lanan,  snauaii. 

4)  e-Stämme  (21): 

bPgan,  besau,  hUsan,  hredan,  drzdan,  grrtan,  hursan,  hivPtun,  Man, 
ridun,  skepan,  sUpan,  ickan;  hleun,  kmun,  krcun,  mi-un,  preuii;  fijan,' 
ssjan,  wejan. 

5)  ö-Stämme  (15): 

blötati,  b}-ökatt,  flukan,  hrvjjjaii,  liwöpan,  swöyuii,  ivöpjuii,  wrDtan  {^^); 
blüan,  flüuH,  gröan,  hlöan,  röan,  süun,  spöan. 


458  FEIST 

I.  Einleitung.  —  Das  iilg.  perfect. 

Die  frage  nach  der  weiterentwickelung  des  indogerm.  per- 
fects  im  germanisclien  war  seit  der  mitte  der  neunziger  jalire 
des  vorigen  Jahrhunderts  für  längere  zeit  aus  dem  Vordergründe 
der  germanistisclien  forschung  zurückgetreten;  sie  hat  indes 
in  den  letzten  jähren  wider  eine  erhöhte  beachtung  gefunden. 
Kurz  hintereinander  haben  A.  Hoff  mann,  /'.  (1903),  R.  Loewe 
in  Kuhns  Zs.  40, 266  ff.  (1906)  und  endlich  J.  Janko,  IF.  20, 229  ff. 
(1906)  den  sogenannten  reduplicierenden  verben  des  germa- 
nischen zum  teil  sehr  eingehende  Untersuchungen  gewidmet. 
Im  letzten  gründe  spitzt  sich  jede  Untersuchung,  die  auf' diesem 
äusserst  verwickelten  gebiete  angestellt  wird,  auf  folgenden 
punkt  zu:  haben  die  verben  des  sog.  c^-  bez.  eo-typus  im  perfect 
in  den  nordisch- westgerm.  mundarten  einstmals  ein  redupliciertes 
perfect  wie  die  entsprechenden  Zeitwörter  des  gotischen  besessen, 
oder  sind  diese  perfecta  aus  einer  anderen  grundform  erwachsen? 
Während  bis  auf  Brugmanns  aufsatz,  IF.6,89ff.  (1896)  allgemein 
angenommen  wurde,  dass  alle  germ.  dialekte  einmal  reduplicierte 
perfecta  aufzuweisen  hatten,  aus  denen  die  ablautenden  perfecta 
des  e--  und  eo-typus  herzuleiten  sind,  hat  der  genannte  gelehrte 
die  behauptung  aufgestellt,  dass  in  ihnen  alte  reduplicationslose 
praeterita  zu  erblicken  sind,  die  teils  lautgesetzlich,  teils  ana- 
logisch auf  hochstufenformen  mit  ei  und  m  als  stammvocal 
zurückgehen.  Gleichzeitig  mit  Brugmann  hat  ein  amerika- 
nischer gelehrter,  Wood  in  den  Germanic  Studies  2,  27  ff. 
(Chicago  1896),  denselben  weg  zur  erklärung  der  nordisch-west- 
germ.  perfectbildungen  beschritten.  Dagegen  wante  sich  Hoff- 
mann in  dem  genannten  aufsatz  und  wies  durch  eingehende 
etymologische  Untersuchungen  nach,  dass  zu  keinem  der  prae- 
sentia  mit  -ai-  und  -au-  als  wurzelvocal  Stammesformen  mit  ci 
und  m  sicher  nachzuweisen  sind.  Indes  nimmt  er  für  die 
verben  mit  e  im  praesensstamm  {lelan)  ein  von  diesem  ver- 
schiedenes e  im  perfect  (an.  let)  an,  das  er  aus  geschleifter 
idg.  betonung  entstehen  lässt,  während  ersteres  idg.  stosston 
besessen  habe.  Im  anschluss  daran  lässt  er  aus  einem  urgerm. 
aorist  He'üie  (zu  got.  laiJcan)  und  '■^'stmte  (zu  got.  stautan)  mit 
Verlust  der  letzten  silbe  geschleift  betonte  dehnstufige  formen 
Heile,  *steut  entstehen,  die  den  ausgangspunkt  für  die  germ. 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  459 

perfecta  des  t'-  und  fo-typus  darstellen  sollten.  Auf  dasselbe 
ziel,  aber  unter  anderen  Voraussetzungen  steuert  Janko  zu,  der 
anstatt  geschleift  betonter  Urformen,  deren  zulässig-keit  er  be- 
streitet, solche  mit  e-  und  (7-ablaut  statuiert,  also  *hcita,  Vwita, 
gekürzt  urgerm.  *//«//«  und  '•hldqia,  "'hlöupa,  gekürvA  Vdmtpa ; 
das  e"-  des  perfects  in  Vet  lässt  er  in  minder  betonter  silbe 
^Jt'lct  entstanden  sein  und  gestützt  durch  ein  lautgesetzlich 
erwachsenes  e'-  in  '''heta  aus  *Jieita  in  die  haupttonige  stelle 
übertragen  werden.  Alle  diese  forscher  sind  also  einig  in  dem 
punkte,  dass  die  c--  und  fo-typen  bei  den  sog.  reduplicierenden 
verben  auf  reduplicationslose  grundformen  (Hoffmann  bezeichnet 
sie  als  aoriste,  Janko  nennt  sie  praeterita)  zurückgehen.  In 
der  erklärung  des  Ursprungs  dieser  grundformen  gehen  sie 
indes  ganz  verschiedene  wege.') 

Auf  dem  älteren  Standpunkt,  die  perfecta  des  e'^-  und  fo-typus 
aus  reduplicierten  formen  zu  erklären,  behant  dagegen  Loewe 
in  dem  erwähnten  aufsatz.  Obwol  er  in  manchen  einzelheiten, 
wie  auch  Janko  a.a.O.  s.  307  anerkennt,  das  richtige  trifft,  so 
kann  ich  ihm  trotzdem  in  der  hauptsache,  in  seiner  erklärung 
des  Verlustes  der  reduplication  nicht  beistimmen.  Er  sieht  als 
dessen  ursaclie  eine  'haplologische'  dissimilation  an,  d.h.  von 
zwei  gleichlautenden  silben  wird  die  eine,  in  unserm  falle  die 
erste,  die  reduplicationssilbe,  unterdrückt.  Beispiele  für  die 
haplologie  gibt  es,  wie  Loewe  selbst  in  Kuhns  Zs.  35, 609  ff. 
ausführt,  vereinzelt  in  allen  idg.  sprachen:  ai.  gcvrdhas  aus 
*geva-rrdhas  'lieb,  wert'  (Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  der  idg. 
spr.  s.  2441);  gr.  afi(/OQtvg  wol  aus  'hi{/(fi-ffOQti''g  (vgl.  ahd. 
suhar,  ncihar  'zuber')  'zweihenkliger  krug';  got.  mvisfr  wol 
aus  *aivi-tvistr  (vgl.  ahd.  tvist  'aufenthalt,  wohnung')  'schaf- 
stall';  nhd.  falter  aus  mhd.  vivulter  (daneben  bajT.  feifalfer, 
auch  vielfach  volksetymologisch  umgedeutet),  u.  ähnl.  m.  Im 
letzteren  falle  ist  die  veranlassung  des  haplologischen  Schwundes 
der  ersten  silbe  wol  der  umstand,  dass  der  nebenton  auf  der 
zweiten  silbe  vivulter  zum  hauptton  wurde,  wie  in  nhd.  lebendig, 
hoUünder,  ivachholder  u.a.,  und  zunächst  t  zu  /  gekürzt,  dann 
zu  lautschwachem  s  wurde,  das  endlich  schwand. 

Aber  die  haplologische  dissimilation,  die  sich  in  grösserem 


')  Näheres  über  Iloft'nianiis  und  Jaukos  erklärungsversuclie  s.  w.  u. 

Ueilräge  lur  geschichtc  der  deutsclien  spräche.     XXXIl.  30 


4G0  FEIST 

umfang"  im  keltisclien  Sprachgebiet  nacliweisen  lässt,  ist  auf 
g-ermanischem  boden  immer  nur  eine  vereinzelte  erscheinung- 
g-eblieben.  Auch  tritt  sie  in  der  regel  nur  bei  solchen  Wörtern 
auf,  deren  etymologische  beziehungen  dem  sprachbewusstsein 
verdunkelt  oder  entschwunden  sind;  bei  bildungen  aber,  deren 
Zugehörigkeit  zu  einer  umfangreichen  und  productiven  formen- 
kategorie  klar  empfunden  werden  musste,  wie  dies  bei  den 
reduplicierten  perfectformen  der  fall  war,  kann  eine  so  durch- 
greifende Unterdrückung  eines  charakteristischen  bestandteils 
aus  lautmechanischen  gründen  nicht  zugegeben  werden.  Denn 
die  Verhältnisse  im  neugriechischen,  wo  öaoy.aXog  für  *didd6- 
xaXoc,  YQafifitvo^  für  agr.  ytyQUfifiti'oj:  erscheint  (G.  Meyer, 
Gr.  gramm.3  §  549,  s.  G29),  dürfen  nicht  ohne  weiteres  mit  den- 
jenigen in  den  altgermanischen  dialekten  verglichen  werden, 
da  hier  eine  weit  ältere  und  von  fremden  idiomen  anscheinend 
nicht  wesentlich  beeinflusste  sprachstufe  vorliegt.  Eher  schon 
könnte  das  baltisch  -  slavische  zum  vergleich  herangezogen 
werden,  wo  bei  dem  einzig  erhaltenen  particip  des  sonst  unter- 
gegangenen perfects  die  reduplication  fehlt  (ich  sage  nicht:  ver- 
loren ist):  aksl.  crhtb  {=  \it.  Idries)  zu  cihfn  'ich  schneide'  = 
ai.  cahrtvds-  (Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  s.  547).  Aber  ver- 
einzelte 'restformen'  (über  den  ausdruck  vgl.  E.Hermann,  Kuhns 
Zs.  39,  609)  einer  kategorie  sollten  gerade  infolge  ihrer  Isolie- 
rung ihre  ursprüngliche  gestalt  bewahren.')  Statt  also  bei 
den  baltisch-slavischen  parfc.  perf.  angleichung  an  den  verbal- 
stamm des  praesens  oder  mit  Loewe  haplologische  dissimilation 
anzunehmen,  vermute  ich  (mit  Lorentz,  IF.  8,  73  oder  Bethge 
in  Dieters  Laut-  und  formenlehre  der  altgerm.  dialekte  s.  376), 
dass  im  indogerm.  die  reduplication  bei  dem  sog.  part.  perf. 
überhaupt  gefehlt  hat,  da  der  anschluss  dieser  adjectivbildung 
an  das  perfectsystem  erst  secundär  erfolgt  ist;  vgl.  formen  wie 
^i.dägvas  'dienend',  mulJiras  'gütig',  5«/«'ä5 'erobernd'  (Whitney, 
Sanskrit  Grammar-  §  790,  s.  282);  gw  ([u^i-axvia  'ringsum 
schreiend',  hom.  ayvia  'Strasse'  zu  ajco  (Brugmann,  Gr.  gramm.3 


1)  Vgl.  J.  Erdmann,  Zs.  f.  d.  minularten,  190ü,  s.  151  ff.  und  passini,  wo 
isolierte  Avürtcr  in  altertümlicher  lautg-estaltung  aus  des  verf.  mundart 
(Bingen  a.  Eh.)  angeführt  werden.  —  Auch  für  ältere  sin'acliperiuden  lässt 
sich  aus  diesen  tatsächlichen  helegen  anscheinend  uuregelmässiger  laut- 
gestaltung  mancherlei  aufklärung  erzielen. 


DIE    UEDUPLICIERENDEN    VEUBA.  461 

s.  32-t);  ähnlich  beim  part.  perf.  pass.  auf  der  alten  inschrift 
von  Gortyn:  xaraftliitvior  toji>  TioXiaräv  (G.  Meyer,  Griech. 
granim.^  §  549,  s.  020);  vgl.  auch  die  isolierten  formen  got. 
U-nisjös  "die  eitern'.  ti'eiticoJ)s  'zeuge';  ae.  c^si<i)sa  =  as.  ccso 
'besitzer'  (zu  got.  aih,  aignm  aus  *aigusja?),  u.a.m. 

Auch  im  indicativ  perfecti  hat  bekanntlich  im  indogerma- 
nischen die  reduplication  vereinzelt  gefehlt,  vgl.  ai.  rcda,  gv. 
olöu,  got.  wait,  abulg.  rede  (mit  medialer  endung)  'ich  weiss', 
apreuss.  icaldimai  (plural),  lat.  tidi  (?)  oder  ai.  ^e  'hat  im  be- 
sitz' =  got.  aili  zu  gr.  Jon.  o/xf  'ist  gleich'  (Brugmann,  Grund- 
riss  2.  2, 1212),  vielleicht  auch  -ai.  dda,  \^i.  edl,  got.  fr-et  'ass', 
lit.  i'd-usi  (part.  perf.). ') 

Aus  den  einzelsprachen  lassen  sich  die  beispiele  für  das 
fehlen  der  reduplication  im  perfect  noch  vermehren;  so  fehlt 
sie  im  indischen  in  der  älteren  wie  in  der  jüngeren  spräche 
sehr  häufig:  ai.  sdrpa  neben  sasdrpa  (vgl.  Brugmann  a.a.O. 
und  Whitney,  Sanskrit  Grammar^  i^  790,  s.  282);  ebenso  im 
griechischen:  oixa  =  toty.a  aus  *JtJoixa  (bei  Herodot),  yev- 
fif{>a  (Theokrit  14,  51),  .'Hy/.wfcVo^- (A'^Z  458,  40)  und  vielfach  in 
den  glossen  des  Hesych,  deren  formen  vielleicht  der  Volks- 
sprache entlehnt  sind,  die  die  reduplication,  gleichwie  das 
mittel-  und  neugriechische,  in  weiterem  umfang  entbehrt  haben 
mag  (G.  Meyer,  Gr.  gramm.3  §  549,  s.  628  f.).  Ganz  erloschen 
ist  die  reduplication  im  armenischen  und  baltisch  -  slavischen 
und  auch  das  keltische  bewahrt  nur  im  irischen  einige  reste 
(s.  w.  u.  s,  472),  ebenso  in  gall.  dede  =  lat.  dedit  oder  mcymr. 
ciglef  'ich  hörte'. 

Ein  beispiel  der  fehlenden  reduplication  geht  scheinbar 
durchs  indische,  lateinische  und  germanische,  nämlich  ai.  scdinid 
=  lat.  sedivius  =--  got.  setiDii  'sasseu'.  Vielfach  wird  ein  '■'^cdjnie 
schon  für  das  indogerm.  vorausgesetzt;  mau  dachte  an  eine 
schon  idg.  ersatzdehnung  *scsdomc,  *sezdomc,  *scd9)m'.  Dagegen 
bemerkt  Luewe  a.a.O.  s.  290  mit  recht,  dass  z  vor  d  nur  im 
indischen  und  allenfalls  im  lateinischen  schwinden  konnte;  ai, 
n'idus  =  lat.  n'idus,  aber  ahd.  nest  aus  *nizdunr.  ebenso  av. 
hazdyät  aus  ""'sazdijät  (opt.  perf.  zur  wzl.  sed,  vgl.  Hübschmann, 


')  So  Hirt,  Ug.  ablaiit  s.  194.     Anders  Lorentz,  IF.  8,  71  »'.,  der  redu- 
plication annimiut,  jedenfalls  im  aingular. 

30* 


462  FEIST 

Kuhns  Zs.  26,  325);  arm.  ost  =  gr.  öCo^  =  got.  asts  aus  idg. 
'^ozJos,  U.S.W.  x4.ber  der  versuch  Loewes,  die  form  *sed3me 
doch  für  das  indogerm.  zu  retten,  indem  er  folgendes  laut- 
gesetz  aufstellt:  'folgt  auf  eine  aus  consonant  -f-  c  bestehende 
haupttonige  anfangssilbe  derselbe  consonant  +  vocal,  so 
schwindet  der  consonant  an  zweiter  stelle  {^'sesddmd,  "^sedämd, 
^sedmd,  a.  a.  o.  s,  310)'  muss  als  misglückt  bezeichnet  werden, 
da  Loewe  für  dieses  ad  hoc  statuierte  'gesetz'  selbst  aus- 
nahmen zugeben  muss:  ae.  didc,  as.  deda,  alid.  tda  (aus  einem 
idg.  aorist  ""dlicdhöm  oder,  wie  Hirt,  Idg.  abl.  s.  192  will,  =  ai. 
imp.  ddud]iäni),  aisl.  sera  (zu  sd  'säen')  =  got.  saisö  (zu  saian), 
aisl.  rera  (zu  röa  'rudern')  u.  älinl.  mehr.  Auch  bemerkt  Janko 
a.a.O.  s.  308  ganz  richtig,  dass  der  idg.  plural  '^sesdome  (mit 
Schwundstufe)  und  nicht  "^scsodDinc  lauten  müsste. 

Lateinisch  sedl  lässt  sich  freilich  zur  not  aus  "^sezd'i  her- 
leiten; vgl.  z.  b.  cedu  aus  *ce-sdö  'ich  gehe  einher',  ce  deiktische 
Partikel,  *^f/ö  zur  wzl.  sed-  in  gr.  böog,  abulg.  choditi  'gehen' 
(Brugmann,  IF.  13, 85).  Aber  es  liegt  doch  viel  näher,  sed'i 
direct  mit  got.  seium  zu  verbinden  ')  und  es  auf  eine  linie  mit 
formen  wie  vcnimus  =  got.  qenmm,  clepimus  =  got.  Jdefuni, 
freywms  =  got.  hrekum,  edinius  =  got.  fr-etmn  zu  stellen  und 
e  als  dehnstufen  vocal  der  e-wurzel  aufzufassen,  über  dessen 
entstehung  freilich  noch  keine  klarheit  geschaffen  ist  (vgl. 
Hoffmann,  F.  s.  62  oder  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  s.  542 
und  s.  544). 

Wenn  aber  auch  die  gleichung  ai.  sedimd  =  got.  scium 
aus  unserer  betrachtung  ausscheiden  muss,  so  bleibt  doch  genug 
material  übrig,  um  den  schluss  zu  erlauben,  dass  die  redupli- 
cation  nicht  zu  den  unentbehrlichen  kennzeichen  des  perfects 
im  indogerm.  gehörte  (vgl.  Brugmann,  Grundriss  2,  2, 1208  und 
IF.  6, 91));  ja,  das  gänzliche  fehlen  derselben  in  der  centralen 
gruppe  der  baltisch-slavisch-armenischen  satem-sprachen  führt 
geradezu  zu  der  annähme,  dass  der  perfecttypus,  den  wir  be- 
sonders im  indischen  und  griechischen  so  consequent  durch- 
geführt finden,   erst  einzelsprachlich  entstanden  ist,  und  dass 


')  Es  wäre  dies  überhaupt  notwendig ,  wenn  Loreiitz  a.  a.  o.  s.  79  mit 
der  gleichung-  lat.  salit  aus  -'scdid  =  ai.  asädU  (TA)  3.  sing.  aor.  opt.  — 
got.  seiet  recht  behielte. 


\ 


DIE   REDUPIJCIERENDEN   VERBA.  463 

in  der  idg-.  grimdsprache  sioli  nur  die  ansalze  dazu  fanden. 
Es  wird  uns  dies  glaubhafter  erscheinen,  wenn  wir  uns  des 
ursi'rungs  der  reduplication  erinnern,  aus  der  doi»itelsetzung' 
der  sog",  wurzel.  wie  sie  sicli  in  den  ai.  iiraesenticn  mit  int«'iisiv- 
bedeutung-  findet:  hhdnhluuii,  später  hdnhharil  zur  ^^'zl.  hliur- 
•tragen',  wobei  das  bindevocalische  )  mit  schwankender  ([uan- 
tität  (dessen  Ursprung-  wol  in  den  auf  ci  ausstehenden  zwei- 
silbigen basen  zu  suchen  ist.  s.  Brugmann,  Kuize  vgl.  gramm. 
s.  502)  nnd  die  in  älterer  zeit  noch  erhaltene  aspiration  im 
anfang  die  Selbständigkeit  des  ersten  gliedes  beweisen.')  Diese 
art  der  reduplication,  welche  die  am  frühesten  belegte  ist, 
kommt  bei  über  20  wurzeln  in  der  älteren  spräche  vor  (Whitney, 
a.a.O.  §  1002.  c).  Dass  sie  schon  in  idg.  zeit  vorhanden  war, 
beweisen  gleichungen  wie  av.  fra-yrä-yräye'ti  'er  weckt  auf 
und  gr.  t-YQf'j-yoQa  'bin  wach';  ai.  jar-hhurwii  'zapple'  =  gr. 
.TOQ-(fvQcj  'bin  in  unruhiger  bewegung';  arm.  mr-mram  =  gr. 
(WQ({V()co  =  lat.  murmiiro  'nuirmele';  abulg.  gla-yolja  'ich 
spreche'  und  viele  andere.  Daneben  kommt  schon  im  ältesten 
indisch  auch  eine  verkürzte  form  der  reduplication  vor:  neben 
badbadhc  findet  sich  hähadhc  'er  drängt'.  Weiter  verkürzt  ist 
die  reduplicationssilbe  in  den  zahlreichen  reduplicierten  praesens- 
bildungen  besonders  des  indischen  und  griechischen  mit  redu- 
ciertem  vocal  o  oder  /  in  der  ersten  silbe:  ai.  dddanii  =  gr. 
öidofti  --=  abulg.  dadeih  oder  ai.  tisthämi  =  gr.  'torrna  ='  lat. 
sisio  oder  ai.  hihhcmi  ^=  ahd.  hihcm  n.  s.  w'. 

Die  am  weitesten  fortgescln-ittene  lautliche  entwickelung 
der  reduplication  finden  Avir  im  perfectum,  das  schon  in  idg. 
zeit  den  reduplicationsvocal  e  besass  (daneben  c,  s.  Brugmann 
a.a.O.  s.  543  und  weiter  unten).  Wir  dürfen  daher  erwarten, 
dass  auch  in  begrifflicher  hinsieht  das  perfect  den  endpunkt 
einer  laugen  entwickelung  darstellt. 

Von  haus  aus  hatte  die  reduplication  wie  jede  wortwider- 
holung  steigernde  (intensiv-)  Wirkung,  mit  der  sich  der  iterative 
sinn  verbinden  konnte:  m.  j^rli/dsprii/as  'sehr  lieb'  (m,an  beachte 
die  betonung!),  lat.  mente,  ahd.  sdbsclbo  u. s.  w.  Iterative  be- 
deutung  hat  sich  besonders  bei  den  verben,  die  Wirkungen 


')  Auch   doppelaccente   wie  ai.  hdl-haliti  oder  accentscliwaukungen: 
dadhitä  :  dädhita  (a.a.O.  s.  481)  führen  zu  demselbeu  schhiss. 


464  FEIST 

auf  die  sinne  ausdrücken,  erhalten:  ai. «ZuZ/s  (subst .),  gwoXoXvCro, 
lat.  ulidare  'wehklagen'.    Aber  auch  bei  den  prcäsentien  mit 
i  in  der  reduplicationssilbe  lassen  sich  noch  spuren  iterativer 
bedeutung  nachweisen:  ?ii.  jigdmi  =  gr.  ßißrjfu  'ich  schreite', 
d,  h.  ich  setze  widerholt  den  f uss  auf.    Diese  art  verba,  bei 
denen  die  iterative  bedeutung  in  die  gegenwärtig  zuständliche 
übergegangen  ist,  bilden  mit  zahlreichen  anderen:  'h-oida  'ich 
habe  gesehen  und   weiss',    "^memona  'ich  habe  widerholt  im 
sinn  gehabt  und  entsinne  mich  nun'  eine  brücke  zur  entwicke- 
lung  der  bedeutung  des  perfects.    Erstreckt  sich  nämlich  die 
iterative  Wirkung  nicht  mehr  bis  in  die  gegenwart,  so  ist  der 
gegenAvärtig  dauernde  zustand  in  den  gegenwärtig  vollendeten 
übergegangen:  ai.  daddrga  =  gr.  deöoQxa  'ich  habe  widerholt 
gesehen  und  diese  tätigkeit  jetzt  abgeschlossen '.    Loewe  a.a.o. 
s.  277  beschränkt  sich  m.  e.  auf  eilt  zu  enges  gebiet,  Avenn  er 
die  entstehung  der  perfectiven  actionsart  allein  auf  die  verba 
zurückführt,  die  ein  lustgefühl  bezeichnen,  und  annimmt,  dass 
dies  aus  der  Vergangenheit  stammende  lustgefühl  in  die  gegen- 
wart hineinrage   (subjective   Intensität).     Wir   brauchen  also 
durchaus  nicht  auf  eine  erklärung  der  bedeutungsentwickelung 
des  perfects  zu  verzichten,  wie  Brugmann  a.  a.  o.  s.  509  es  Avill, 
wenn  auch  dieser  Vorgang  weit  in  die  idg.  vorzeit  zurückgeht. 
Wann  sie  indes  vor  sich  gieng,  ob  vor  oder  nach  dem  Inkraft- 
treten der  lautgesetze,  die  den  idg.  ablaut  schufen,  braucht 
uns  hier  nicht  zu  kümmern,  obwol  mit  Bartholomae,  Wochen- 
schrift f.  klass.  pliil.  17,  1223   anzunehmen   ist,   dass  das  zu- 
sammenwachsen von  reduplications-  und  Stammsilbe  nicht  in 
so   früher   zeit   stattfand.     Dafür   spricht   auch,   dass   neben 
kurzem  e  als  reduplicationsvocal  sich  in  historischer  zeit  auch 
e  noch  findet,  das  Brugmann,  Grundriss  2, 2, 1208  auch  für  die 
idg.  zeit  ansetzt,  während  Hirt,  Idg.  abl.  s.  195  c  als  dehnstufe 
von  c  auf  die  3.  plur.  beschränkt.    Langen  reduplicationsvocal 
finden  wir  in  ai.  jagära,  dädhära  -=  gathav.  dädre   von  wzl. 
dhar-  halten  (Whitney  a.a.o.  §  786)  und  in  gr.  ötjöt/araL  (nicht 
dtidi'y^Tta  wie  in  vielen  Homerausgaben  steht,  s.  Brugmann, 
Kurze  vgl.  gramm.  s.  482).     Das   auftreten  des   langen   vocals 
kann  doch  nur  unter  dem  einfluss  des  accents  erfolgt  sein; 
wir  haben  also  wie  im  ai.  praes.  hdlhaliti  auch  für  das  perfect 
ursprünglich  einen  doppelten  accent  anzusetzen:   einen  accent 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  465 

auf  der  rediiplicationssilbe  und  einen  zweiten  auf  dem  stamm 
bez.  der  endung.  Den  beweis  liierfür  wollen  wii'  in  folgendem 
zu  bringen  versuclien. 

Der  Singular  des  idg.  perfects  hatte  o-vocalisnms:  griech. 
ötöoQxa,  yeyoi'a,  XtXoi.-ra,  tUjXovOa,  got.  gaf,  staig,  hau])  U.S.w.; 
der  plural  besass  die  Schwundstufe  ai.  dadrcmd,  gr.  '/t'/ai.uv  (aus 
yr/ufiEi'),  TtOra/Jtr,  rtxXantv  (Hirt,  Idg.  abl.  s.  186),  ai.  vkhnd 
=  gv.iöfisv  =  got.  ivition;  got  hunduw,  icaurpuni  u.s.w.  Im 
sing,  entspricht  die  gr.  betonungsweise,  die  allerdings  secundär 
infolge  des  dreisilbengesetzes  entstanden  sein  wird,  eher  dem 
zustand,  den  wir  für  die  uridg.  zeit  voraussetzen  dürfen,  als 
die  indische  Stammbetonung.  Denn  allgemein  wird  jetzt  an- 
genommen (Hirt,  Idg.  abl.  s.  155  ff.  oder  Brugniann,  Kurze  vgl. 
gramm.  s.  1 15  f.),  dass  o  in  der  e- reihe  kein  hochstuf envocal 
war,  und  bei  Stammbetonung  daddrea  eher  der  vocal  c  zu  er- 
warten ist,  vgl.  ytjtva  bei  de  Saussure,  Memoire  sur  le  Systeme 
primitif  s.  12  f.  Formen  wie  ''bhercsi  und  ""gmcsos  (c  trotz  des 
nachtons),  anderseits  '^dcdörka  und  '^bJiöros  lässt  Hirt,  Idg.  abl. 
s.  155  f.  als  unerklärt  ans  dem  spiel  und  hält  für  *dcdorJca 
speciell  eine  tonfolge  de'dorka  für  unmöglich,  da  c  in  der  redu- 
plicationssilbe  schwaches  e  sei.  Dies  halte  ich  für  weniger 
beweiskräftig  als  das  aisl.  scra  =  got.  saisö,  dessen  r  für  nr- 
germ.  z  auf  stammbetonung  hinweist.')  Aber  wenn  auch  in 
der  zeit  vor  der  Sprachtrennung  der  accent  im  sing,  perf;  auf 
der  Stammsilbe  mhte,  so  muss  dies  von  anfang  an  durchaus 
nicht  so  gewesen  sein.  Im  gegenteil!  die  entstehnng  dei-  redu- 
plication  aus  doppelsetznng  des  Stammes  wie  in  ai.  hdlhaliti 
mit  doppeltem  accent  weist  gerade  auf  ursprüngliche  betonung 
der  reduplicationssilbe  hin.  Hirt,  Idg.  abl.  s.  158  umgeht  die 
Schwierigkeit  durch  die  annähme,  die  o-formen  stammten  von 
enklitischer  betonung  her;  also  '^dedcrlca,  aber  "^piodorlia  (vgl. 
lat.  velim,  ae.  icille  neben  nulim  aus  '^nevolim,  ae.  7icUe). 
Weiterhin  (s.  159)  kommt  Hirt  dann  zu  der  hypothese,  für  den 
sing.  perf.  doppelte  vocalisation,  einen  Wechsel  von  e  und  o 
anzunehmen;  endlich  (s.  1()0}  glaubt  er  eine  frühzeitige  accenf- 
verschiebung  dafür  verantwortlich  machen  zu  sollen.    Damit 


')  Got.  saizlep  ueben  saisUp  möchte  ich  hier  aus  dem  spiele  lasseu; 
vielleicht  entstand  z  nur  unter  dem  eiiifluss  des  benachbarten  stimmhaften  l. 


466  FEIST 

kommen  wir  zu  der  annähme  einer  ursprünglichen  betonung 
der  reduplicationssilbe,  die  ja  Hirt  s.  195  für  die  3.  plur.  perf. 
postuliert  und  die  ich  mit  rücksicht  auf  formen  wie  ai.  jägära, 
liom.  d/'/dtxTo  für  höchst  wahrscheinlich  halte. 

Diese  stufe  ist  für  uns  natürlich  nur  hypothetisch  zu  er- 
schliessen;  die  reconstruction  der  idg-.  betonungsverliältnisse  im 
perfect  ergibt  im  sing,  "dedörka,  im  plur.  dcdrhne.  Ja,  Hirt 
hält  a.  a.  o.  s.  194  f.  den  auf  die  Stammsilbe  fallenden  ton  für 
so  stark,  dass  c  in  der  reduplicationssilbe  zu  schwachem  e 
wurde  und  unmittelbar  vor  dem  ton  schwand,  so  dass  die  got. 
formen  gaf  u.  s.  w.  lautgesetzlich  Avären  gegenüber  ai.  daddrga, 
gr.  diöoQxa.  Er  setzt  also  ein  idg.  perfectparadigma  wde  folgt 
au:  sing,  '^soda  (=  got.  sat  'sass"),  *sodtha,  ""sode,  plur.  '^'sezdmc, 
sczde,  *sezdr.  Dagegen  wendet  sich  Brugmann,  Kurze  vgl. 
gramm.  s.  5431  mit  recht,  wie  mir  scheint,  und  nimmt  an, 
dass  im  perfect  reduplicierte  und  nicht  reduplicierte  formen, 
ähnlich  wie  im  praesens,  nebeneinander  standen,  und  dass  in 
den  verschiedenen  sprachen  verschieden  ausgeglichen  wurde. 
Dieser  ansieht,  die  sich  mit  der  oben  s.  462  vorgetragenen 
deckt,  schliesse  ich  mich  an. 

Die  verhältnismässig  spätere  ausbildung  des  perfects  zum 
eigenartigen  und  festgefügten  tempus  ist  übrigens  von  ver- 
schiedenen Seiten  anerkannt.  So  widmet  ihm  Hirt,  IF.  17, 6(})  ff. 
eine  betrachtung,  au  deren  schluss  er  meint:  'dass  sich  im 
perfectum  ein  altertümlicherer  zustand  erhalten  hat,  als 
in  den  übrigen  verbalformen,  stinnnt  zu  dem,  w'as  wir  sonst 
beobachten  können'.  Er  citiert  ferner  Wundt,  Völkerpsycho- 
logie 1,2, 142:  'Nachdem  das  praesens  und  andere  an  seine 
bildung  sich  anschliessende  zeit-  und  modusformen  längst  zu 
wahren,  mit  dem  persönlichen  pronomen  oder  personalsuffixen 
gebildeten  verbalformen  differenziert  sind,  bleibt  für  das  per- 
fectum vielfach  noch  ein  ausdruck  bestehen,  der  sich  in  seiner 
struktur  widerum  als  ein  mit  dem  Possessivpronomen  verbun- 
denes nomen  aufweist.'  Hirts  annähme,  dass  im  perfect  der 
reine  stamm  ohne  endung  gebraucht  wurde,  findet  von  selten 
des  germanischen  in  formen  wie  saisu,  tvanvö  u.  ähnl.  jedenfalls 
eine  stütze. 

Bei  der  noch  wenig  gefestigten  struktur  des  perfects  im 
indogermanischen,  wie  wir  sahen,  halte  ich  es  für  unnötig, 


DIE   REDÜPLICIEKENDEN   VERBA.  467 

neben  den  germ.  perfecten  noch  mit  Hoffinann,  r.  s.  51  f.  nnsere 
Zuflucht  zu  imperfecten  bez.  dehnstuligen,  geschleift  betonten 
practeriten  zu  nehmen,  oder  mit  Janko  s.  202  urg-erm.  ]irae- 
teiitalformen  ohne  reduplicalion,  d.  li.  mit  aoristischem  stamm 
und  angefügten  perfectischen  endungen  anzunehmen.  Das 
fehhMi  der  reduplication  haben  wir.  wie  ich  hoffe,  genügend 
gerechtfertigt  —  liier  spielen  die  praeteritopraesentia  icaif, 
man  u.  a.,  die  schon  im  urgeini.  ohne  reduplication  waren,  als 
vorl)ildcr  auch  eine  gewisse  rolle  —  (s.  weiter  unten)  —  und  in 
der  erklärung  der  vocalischen  Verhältnisse  der  verba  des  t:^- 
und  t^ö-typus  gehe  ich  andere  wege  wie  die  beiden  genannten 
gelehrten.    Doch  darüber  später. 

Auf  der  im  vorhergehenden  geschaffenen  grundlage  weiter- 
bauend, wollen  wir  nunmehr  an  die  betrachtung  der  german. 
reduplicierten  perfectbildungen  gehen. 

II.  lrgerinai)ische  und  gotisclie  reduplicierte  perfecta. 

Schon  in  der  Ursprache  ist  die  Vereinheitlichung  der 
perfectbildung  nur  unter  der  annähme  weitreichender  analogie- 
wirkungeu  zu  verstehen;  die  germ.  dialekte  sind  den  ana- 
logischen  einfiüssen  auch  in  der  gemeinsamen  nrgerm.  periode 
viia  in  ihrem  sonderleben  gerade  bei  der  perfectbildung  in 
hervorragendem  masse  zugänglich  gewesen. 

Ausgehend  von  den  schon  im  indogerm.  vertretenen  redu- 
plicationslosen  perfeetformen  hat  das  nrgermanische  die  redu- 
plication in  weitem  umfang  aufgegeben  und  sich  zur  Charak- 
terisierung des  perfects  mit  dem  ablaut  begnügt.  Von  dem 
grossen  reichtum  der  idg.  Ursprache  an  Zeitformen  der  Ver- 
gangenheit (imperfect,  aoriste  verschiedener  bildungsweise, 
perfect,  plusfiuamperfect)  hat  das  urgermanische  nur  das  per- 
fect  als  einzige  zeitform  der  Vergangenheit  bewahrt'),  gleich- 
wie das  altslavische  ausser  dem  aorist  und  einem  neugebildeten 
imperfect  keine  von  den  vielen  Zeitformen  der  grundsprache 
bewahrt  und  moderne  slav.  dialekte  (z.  b.  russisch)  sogar  auf 
eine  zeitform  der  Vergangenheit  reduciert  sind. 

Die  einschränkung  der  reduplication  auf  verhältnismässig 

')  An  die  von  Hoffmann  nnd  Janko  angenommene  erhaltung:  von  idg. 
aoristformeu  (s.  oben;  im  germ.  glaube  ich  nicht. 


468  FEIST 

wenige  verba  (21  belegte  reduplicierte  perfecta  im  gotischen, 
wovon  manche  aber  ihre  reduplication  erst  secundär  erhalten 
haben,  s.w.ii.;  2 — 3  im  altisländischen;  5  sichere,  daneben  auch 
einige  zu  erschliessende  [s.  w.  u.],  im  altenglischen)  geschah 
sicher  unter  dem  einfluss  der  in  den  germ.  mundarten  zahl- 
reich vertretenen  sog.  praeteritopraesentia,  von  denen  eines 
idg.  "^voida  schon  in  der  Ursprache  keine  redui)lication  hatte, 
während  z.  b.  dem  germ.  man  das  reduplicierte  gr.  fttfioi'a, 
lat.  mcmini  entspricht.  Solche  praeteritopraesentia  besitzt  das 
gotische  13,  das  altisländische  10,  das  altenglische  12,  das  alt- 
hochdeutsche 11;  ihre  zahl  ist  so  ansehnlich,  dass  sie  auf  die 
gestalt  der  übrigen  perfecta,  mit  denen  sie  gleiche  ablauts- 
stufe  aufweisen,  beeinflussend  wirken  konnten,  zumal  sie  zu 
den  häufigst  angewendeten  verben  gehören. 

Die  erhaltung  der  reduplication  bei  einer  anzahl  verben 
erklärt  sich  daraus,  dass  sie  entweder  keinen  ablaut  im  per- 
fect  besassen  {slcpan  :  saisUp)  oder,  wenn  sie  einen  solchen 
noch  aufwiesen,  keiner  der  bestehenden  ablautsgruppen  sich 
einreihen  konnten  {Ictan  :  lailöt,  saian  :  saisö;  ein  ablaut  c  bez. 
ai  :  ö  besteht  nur  bei  den  reduplicierend-ablautenden  verben). 
Ausserdem  ist  bei  den  verben  Ulan,  -rcdau  und  grctan  mit 
riicksicht  auf  nord.-westgerm.  perfecta  (ae.  as.  let,  aisl.  as,  red, 
aisl.  (jyci)  auch  ein  urgerm.  perfect  mit  t^s-vocal  (also  ent- 
sprechend got.  Hauet,  'h'airep,  ''^gaüjyct)  anzusetzen'),  so  dass 
die  erhaltung  der  reduplication  auch  aus  dem  fehlen  des  ab- 
lauts  erklärt  werden  könnte.  Die  (^-formen  im  perfect  hätten 
alsdann  die  y- formen  zur  annähme  (bez.  beibehaltung)  der 
reduplication  veranlasst.  Nur  für  got.  telcan  —  taitölc  kann 
dieser  umstand  nicht  ins  fehl  geführt  werden,  da  dieses  Zeit- 
wort keine  nebenformen  mit  c-vocal  im  perfect  aufweist;  viel- 
mehr war  das  ö-perfect  auch  im  nordischen  so  fest,  dass  vom 
tiefstufigen  praesens  taka  aus  dies  zeitwort  ganz  in  die  ablaut- 
klasse  a  —  ö  übertrat:  aisl.  talza  —  toh.  Dieses  zeitwort  ist 
somit  einer  der  unantastbaren  belege  für  den  ablaut  e — ö — a 
im  urgermanischen.  Denn  bei  den  vocalisch  auslautenden 
verben  got.  5««a;j  —  saisö  und  ivahvan  —  tvahvö  weist  letzteres 


')  Vergleiche  deu  ablaut  e  :  o  in  gr.  ('(tgcoya  neben  dial.  tQQtjyvZa,  dor. 
o.<p--cV}xa  neben  'uiau,  s.  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  s.  545. 


DIE    KEDUrr.ICIERENDEN    VKIIBA.  409 

wenigstens  mit  altwfrs.  ivc  und  iiiiidl.  u-icij  auf  ein  urgerni. 
g'-perfect  (Janko  a,  a.  o.  s.  285);  saian  —  saisö  verlangt  mit  aisl. 
sd  —  scra  aus  *,s7>ö,  *6^t'.S6i  dagegen  auch  ein  urgerm.  ö-perfect, 
so  dass  wir  hier  ein  Aveiteres  beispiel  des  a1)kiutes  c  (bez.  c/) 
—  (7  hätten,  das  die  reduplication  bewahrte,  weil  keine  formen- 
kategorie  oliue  dieselbe  vorhanden  war,  an  die  es  sich  liätte 
anschliessen  können.  Das  auslautende  ö  im  sing,  saisö,  uaiwo 
ist  allerdings  restituiert  aus  dem  plural  sdi.sonm,  icdiivottiii, 
denn  idg.  ö  im  auslaut  liätte  zu  got.  a  werden  müssen. 

l>ie  got.  perfecta  lailot,  rairop,  tcutok  u.  s.  w.  bewahren  die 
vooalstufe  des  Singulars  auch  im  ]»luial  gleichwie  die  verba 
der  rt  — ö-klasse.  Das  ist  natürlich  nicht  der  ursprüngliche 
zustand;  Avir  sollten  im  plural  die  tiefstufe  der  wurzel  erwarten, 
den  vocal  a  also  (mit  rücksicht  auf  got.  lats,  garajicms,  aisl. 
iaka):  '^IcJalmc,  ''rcraitmc/^ldalnnc  u.s.w.  In  der  tat  liegt  die 
lautgesetzliche  entwickelung  dieser  formen  mit  synkope  des 
mittelvocals  nach  kurzer  silbe  (vgl.  Dieter,  Laut-  und  formen- 
lehre  1,  91  und  Weyhe.  Beitr.  30,  84  ff.  und  31,  43  ff.)  in  ae.  leort 
für  "^leoJt,  rcord  (ondrcord  dagegen  ist  nach  rcord  gebildet), 
ferner  in  ae.  Icolc  zu  Idccui  =  got.  lailcan  (und  ae.  heht  zu 
hdtan  =  got.  haifan)  vor.  Die  pluralformen  sind  auf  den 
Singular  übertragen,  co  für  c  durch  sog.  brechung  (Sievers, 
Ags.  gramm.-'  §  79.  80,  s.  36  ff.). ')  Diese  formen  beweisen  auch, 
dass  im  urgermanischen  die  reduplication  noch  nicht  verloren 
war,  l)esonders  im  plural  bei  regulärer  tiefstufe  der  wurzel, 
und  hier  wol  erst  infolge  der  Übertragung  der  hochstufe  des 
Singulars  auf  den  plural  geschwunden  ist.^) 

Die  tief  stufe  im  plural  ist  auch  bei  den  langvocalischen 
perfecten  der  a— ö-klasse  einst  vorhanden  gewesen:  aisl.  uxom 
aus  *ituhsuni,  vielleicht  ein  urgerm.  redupl.  plural  '^H{c}uhsme 
zu  ivuhsaii  (Kluge,  Grundriss  der  germ.  phil.  12,437);  ae.  perf. 
wcoc,  plur.  u-cocum  aus  '''ncukmc  (?)  neben  icoc  zu  ivcvcnan. 
Besonders  zahlreich  sind  im  nordisch-westgermanischen  tief- 
stufige plurale  bei  langvocalischen  reduplicierenden  verben: 
ae.  {Icolc  nach)  Icolcum  aus  *h'U/iU)ti  zu  Idcau  und'  (liclit  nach) 

')  Anders  (durch  it-umlaut)  von  Weyhe,  Beitr.  31,  48  erklärt. 

*)  Janko  s.  268  f.  lässt  die  sing,  leolc,  heht  aus  '"lelaika,  ndail;  *kUlc, 
"klk  und  *hehaita,  '^hehaif,  *hchet,  heht  sich  regelrecht  entwickeln.  Ich  halte 
obige  deutung  (Übertragung  aus  dem  plural)  für  richtiger. 


470  FEIST 

hclitum  aus  '"heJntiiiii.  zu  hcetaii]  aisl.  svipom  zum  sing,  sueip 
zu  sueqKi  (Noreen,  Altisl.  gramm.3  §  492,  s,  300),  litom  zum  sing, 
leit  zu  Idtu  (ibid.  §  166,2,  s.  129);  hlupom  zu  /J/Jj;  von  hlaupa 
(ibid.  §  493)  =  wn.  Qi)liqm,  mscliw.  lopu  (Noreen,  Altschwed. 
gramm,  §  542,  s.  446)  =  mlid.  luffen  (vgl.  auch  das  on.  part. 
lopin  mit  nlid.  dial.  (jcloff'cii);  agutn.  lilio  zu  laiha  (ibid.  §  541, 
anm.  s.  444);  msclnved.  fullo  zu  falla  aus  '^ filme?  (ibid.  §  543, 
s.  447).  Natürlich  fallen  diese  vereinzelten  reste  ablautender 
plurale  dem  gleichmachungstriebe  der  spräche  zum  opfer;  der 
hochstufenvocal  des  Singulars,  der  den  tempuscharakter  deut- 
licher zum  ausdruck  bringt,  siegt  gleichwie  im  griechischen, 
wo  jtEJxXrj'/a  :  .-rs.Th'/'/aftsv  genau  dem  got.  faißöJc  :  faiflökum 
entspricht,  während  wir  im  idg.  einen  sing.  ^pejMga  neben 
dem  plur.  ^pepla(jme{n)  anzusetzen  haben  (vgl.  dor.  aor.  pass, 
LtXayriv). 

Von  der  vocalabstufuug  im  perfect  ist  im  gotischen  keine 
spur  mehr  erhalten;  wie  diese  durch  ausgleiclmng  untcrgieng, 
so  ist  auch  der  vocal  der  reduplicationssilbe,  wo  sie  erhalten 
blieb,  durch  analogie  zu  gleichfijrmigen  ai  geworden.  Dieses 
ai  für  lautgesetzlich  zu  erwartendes  i  aus  idg.  c  war  berech- 
tigt vor  li  und  r  und  ist  von  hier  aus  auf  die  anderen  verba 
mit  reduplication  übertragen  worden.  Belegt  sind  im  gotischen 
von  Verben,  die  mit  li  oder  r  anlauten,  folgende  perfecta:  lud- 
liait  zu  haitan,  liaihüh  zu  liähan,  htvaihwöp  zu  hivüpan\  nicht 
belegt  sind  die  perfecta  von  haldan  und  lüaupan.  Zwar  hält 
Wilmanns.  Deutsche  grammatik  3,  23  es  für  wenig  wahrschein- 
lich, dass  der  gotische  reduplicationsvocal  ai  von  den  verben, 
die  mit  li  und  r  anlauten,  herstammt;  aber  er  vermag  keine 
bessere  erklärung  zu  geben.  Wir  haben  keinen  grund,  uns 
der  allgemeinen  ansieht  nicht  anzuschliessen  (vgl.  z.  b.  Bethge 
in  Dieters  Laut-  und  formenlehre  der  altgerm.  dialekte  §  22,  b, 
anm.  4,  s,  27  oder  Streitberg,  Got.  elementarbuch 2  §50,  s.  63) 
und  an  der  analogischen  weiterverbreitung  des  ai  von  den 
genannten  verben  aus  nicht  festzuhalten,  zumal  wenn  wir  einen 
blick  auf  die  tabelle  s.  450  ff.  warfen.  Wir  ersehen  daraus,  dass 
die  verba  mit  h  und  r  als  anfangsconsonanten  nicht  nur  der 
zahl  nach  stark  vertreten  sind  (14  auf  81  redupl.  verba),  son- 
dern auch  z.  t.  zu  den  weitverbreitetsten  und  gebräuchlichsten 
gehören    {hähan,   Imian,   haldan,   hauwan,   lüaupan).    Es   ist 


DIE    REDUPLTCIERENDEN   VERIU.  471 

dalier  durcliaus  iiiclit  umvalirsclieinlich,  dass  das  got.  ai  der 
reduplicationssilbe  von  diesen  Zeitwörtern  aus  verallgemeinert 
worden  ist. 

Diese  Übertragung  wird  uns  nuch  glaubhafter  dünken, 
wenn  wir  sehen,  dass  der  ausgleichende  trieb  im  gotischen 
in  einem  fall  sogar  die  ganze  reduplicationssilbe  betroffen 
hat.  Ich  meine  bei  den  mit  sf,  sie  (und  sj))  anlautenden 
Verben.  Belegt  sind  die  perfecta  -staistald  von  -skddan  und 
shüshdä  von  sJcaidaii;  dem  perfect  slcaisJcaid  entspricht  ai. 
cichvda,  plur.  clchidnid;  die  idg.  wurzel  ist  slilmit-,  skluiid-  (vgl. 
Verfasser,  (Trundriss  der  got.  etymologie  s.  102;  anders  Hoffmann, 
r.  s.  42  ff.),  deren  tiefstufe  akhid-  sich  im  av.  als  skt  reflectiert; 
daher  av.  hisidyät  aus  '"si-sLhid-let  (Hübschmann,  Zs.  d.  d.  morg. 
ges.  35, 425  f.  und  Burg,  Kuhns  Zs.  29, 358  ff.).  Im  lateinischen 
finden  wir  das  perfect  scicidi  gebildet  wie  67t'//,  d.  h.  mit  er- 
leichterung  der  Stammsilbe,  während  das  indische  und  griech. 
die  reduplicationssilbe  erleichtern:  ai.  tasthaä,  plur.  tasthimd 
=  gr.  kOTCifai'  aus  '■sc-stanien.  Ueberall  also  finden  wir  bei 
den  mit  sJc  und  67'  anlautenden  verben  in  den  reduplicierten 
formen  dissimilation,  sei  es  im  anlaut  der  reduplicationssilbe, 
sei  es  im  anlaut  der  Stammsilbe,  nirgends  treffen  wir  den 
gotischen  typus  an.  Brugmann,  Kurze  ^■gl.  gramm.  §  G25,  s.  484 
meint  nun,  'man  habe  bei  den  wurzeln  mit  s  +  consonant  im 
altindischen,  italischen  und  germanischen  eine  grössere  Überein- 
stimmung zwischen  reduplications-  und  wurzelanlaut  dadurch 
bewirkt,  dass  man  den  verschlusslaut  auch  in  der  reduplication 
aufnahm,  worauf  dann  freilich,  ausser  im  gotischen,  wider 
dissimiliert  wurde.'  Da  nach  dem  Ursprung  der  reduplication, 
der  doppelsetzung  der  wurzel,  von  anfang  an  die  Verbindung 
s  -h  verschlusslaut  an  beiden  stellen  vorhanden  gewesen  sein 
muss,  so  nimmt  demnach  Brugmann  für  die  idg.  urzeit  zuerst 
einen  act  der  dissimilation  und  später  wider  einen  act  der 
gleichsetzung  an.  Die  genannten  indogerm.  sprachen  hätten 
dann  sämmtlich,  mit  der  alleinigen  ausnähme  einer  mundart 
des  germanischen  sprachzweigs,  wider  dissimiliert.  Statt  einer 
so  umständlichen  und  unwahrscheinlichen  erklärung  nehmen 
wir  doch  einfacher  an,  dass  die  ursprüngliche  gleichheit  von 
reduplications-  und  Stammanlaut  schon  in  indogerm.  zeit  durch 
dissimilation,  sei  es  des  ersten,  sei  es  des  zweiten  gliedes,  be- 


472  FEIST 

seitigt  wurde   und   den   tatsäclilicli  vorhandenen  formen  platz 
niaclite.     Das  gotische  hat  —  ob   übereinstimmend  mit  den 
anderen  gerni.  mundarten  lässt  sich  mangels  sicherer  beispiele') 
nicht  entscheiden   —   den   ursprünglichen  idg.  zustand  wider 
hergestellt  und   zwar  infolge  des  ausgleichenden  triebes,  der 
diese  mundart  auch  zur  Verallgemeinerung  des  reduplications-  ^ 
vocals  ai  veranlasste.'-)    Diese  annähme  wird  auch  durch  den  \ 
umstand  begünstigt,  dass  wir  bei  dem  nächsten  nachbar  des  • 
germanischen,   dem  keltischen,   den  im  griechischen  und   ira-   i 
nischen  vertretenen  reduplicationstypus  antreffen:  air.  sescahid  i 
(=  ai.  casJcdnda)  3.  sing.  perf.  zu  scendim  'springe'  (Fick,  Idg.  ]■ 
wb.  2*,  307)   oder  sescaing   zu  mir.   scingim  'springe  heraus'  lij 
(weitere  beispiele  s.  bei  Brugmann,  Grundriss  2, 2,  1245).  i 

Osthoi'f,   Zur  reduplicationslehre,   Beitr.  8,  543  sieht  sest-, 
sesk-  und  sesj)-  als  den  idg.  typus  der  reduplication  an;  daneben 
aber  findet   er   vier  typen  (a.  a.  o.  s.  541):   test-,  stet-,  stes-  und  i, 
stest-  in  den  einzelnen  sprachen  vertreten,  die  er,  ähnlich  wie  ii 
Brugmann,  aus  einem  ausgeglichenen  reduplicationstypus  stest-  r 
wider  einzelsprachlich  dissimiliert  sein  lässt  (s.  546).    Der  typus  ! , 
stes-  sei   allerdings   nur  in  einer  germ.  mundart,   im  althoch-  i! 
deutschen,  verti-eten:  ^stestatita  wurde  zu  ^stesaüta,  weiter  zu  j' 
^stesaüta,  *sterut  =  ahd.  steroz;  s  in  den  germ.  mundarten  als  j; 
2  nach  Verners    gesetz,   vgl.   an.  sera  aus  *ise^ä,   *sesö]   dies  ii 
^   finde  sich  in   den  sog.  r-formen  des  ahd.  {steroz,  pleruzzun  Si 
u.  s.  w.)  wider.    Obwol  sich  viele  spätere  forscher  dieser  ansieht  ; 
anschlössen  (Ottmaun  in  der  im  literaturverzeichnis  genannten  ! 
Schrift;  Loewe  a.a.O.  s.  344;  Janko  a.a.O.  s.  272),  so  kann  ich 
mich   doch   von   der  richtigkeit   dieser  erklärung  nicht   über-  ji 
zeugen   (ebenso   Holz  a.a.O.  s.  28;   Zarncke,  Beitr.  15,  350  ff.;  i 
Wilmanns,  Deutsche  granim.  3,  38).     Darüber  s,  näheres  weiter 
unten. 

Ich  erkenne  vielmehr  drei  idg.  typen  an:  sest-,  test-,  stet-, 
die  sich  entweder  einzelsprachlich  aus  dem  ursprünglichen 
typus  stest-  entwickelten  oder  vielleicht  schon  im  indogerm. 
als  rivalen  vorhanden  waren,  da  ja  das  perfect  kein  schon 


^)  Docb  siehe  weiter  unten  zweifelhaftes  north,  hlcßa. 
^)  Ueber  ähnliche  Vorgänge  im  griechischen  vgl.  Brugmann,  Kurze  vgl. 
gramm.  §  625,  s.  48i. 


DIE   REDUPLICIERENDKN    VERBA.  473 

ursprachlicli  fest  gefiig-tes  tempus  war.  Avie  wir  ohm  (s.  46G) 
sahen.  Welcher  von  den  ihcn  iyiicn  im  ui'gcnn.  iKt  hci-schende 
geworden  war.  lässt  siedi  nicht  sagHMi.  keiiiesl'alls  al)er  glaube 
ich  an  eine  ununterbrochene  Überlieferung  eines  uridg.tyj»us,s7r.s7- 
bis  ins  gotische.    Dies  ist  übrigens  auch  Osthoffs  ansieht  a.a.o. 

Freilieh  lässt  sich  ausser  den  beiden  got.  perfecteu  sidi- 
stciJd  und  sJ>-aishiid  in  den  gerni.  mundarten  kein  beispiel  für 
ein  redupliciertes  perfect  eines  mit  s  +  consonant  anlautenden 
Zeitworts  finden.  Für  das  reduplicierte  praesens  des  idg.  typus 
sist-:  av.  hi.^kiiii,  gr.  'i6tj,6i,  lat.  sistit  dagegen  haben  wir  viel- 
leicht ein  beispiel  in  alid.  scstoui,  falls  Kluges  erklärung  dieser 
form  als  redupliciertes  praesens  (r>eitr.  8,  513  ff.)  das  richtige 
trifft.  Dieser  umstand  spricht  natürlich  auch  nicht  zu  gunsten 
der  ursprünglichkeit  des  got.  ty-pus  stcst-.  Loewe  a.a.O.  s.  261 
stellt  sich  auf  Brugmanns  Standpunkt  und  sieht  stest-  für  den 
idg.  typus  an.  der  im  gotischen  erhalten  geblieben  sei. 

Indessen  ist  auch  noch  ein  anderer  umstand  zu  erwähnen, 
der  gegen  eine  directe  Überlieferung  der  reduplicierten  perfect- 
formen  vom  idg.  ins  gotische  zu  sprechen  scheint.  Hätte 
nämlich  eine  solche  stattgefunden  und  wäre  reduplications- 
und  Stammsilbe  überall  eng  zusaijimengewachsen  gewesen,  so 
müssten  wir  wie  in  aisl.  sem  (aus  "^sczö)  oder  got.  saizUp 
(neben  saislep)  doch  noch  mannigfache  nachwirkungen  von 
Verners  gesetz  bei  den  got,  redupl.  perfecten  anzutreffen  er- 
warten. Aber  wie  bei  dem  dem  aisl.  sera  entsprechenden  got. 
saisü  das  stammanlautende  s  unter  dem  deutlichen  bewusst- 
sein  der  Zusammengehörigkeit  dieser  form  mit  den  nicht  redu- 
plicierten formen  des  verbums  saian  wider  hergestellt  ist,  so 
linden  wir  ebenso  wenig  bei  anderen  got.  reduplicierten  per- 
fecten (ausser  saizlep  neben  saislep,  ^.^ÄQo)  eine  spur  von  Yerners 
gesetz  im  Stammanlaut.  Freilich  auch  nicht  im  stammauslaut. 
Denn  ausser  bei  den  zwei  praeteritopraesentien  parf,  plur. 
paurhum  und  alh,  plur.  aigiim  ist  der  sog.  grammatische 
Wechsel  im  gotischen  (im  stammauslaut)  überall  zu  gunsten 
der  slammbetonten  formen  ausgeglichen.  Die  zu  erwartenden 
perfecta  got.  *fehlöh  =  gr.  jitJiXjiya  oder  '''fchah  =  lat.  2'>^P>Hi 
sind  durch  ausgeglichene  faiflol-  und  faifah.  ersetzt  und  eben.so 
sind  die  meisten  anderen  reduplicierten  i)eifecta  keine  directen 
nachkommen  idg.  formen. 


474  FEIST 

Dass  Verners  gesetz  bei  den  im  gotischen  reduplicierenden 
veiben  im  auslaut  einmal  lebendig  gewesen  sein  muss,  ergibt 
sich  ans  den  übrigen  germ.  mnndarten.  So  steht  im  ahd. 
haltlian  neben  Jialdan,  gifaltan  neben  yifaldan,  viangum, 
hiangimi  neben  vianc,  liianc.  Msceitcm,  zasccitan  neben  sl-eidan. 
Ebenso  finden  sich  spuren  des  grammatischen  wechseis  bei  den 
sog.  reduplicierenden  Zeitwörtern  im  altisländischen:  fd  (aus 
^fanhan)  'fangen',  plur.  perf.  fingom,  fengom,  part.  perf.  fingenn, 
fengenn,  ferner  das  schon  öfter  genannte  sera,  pl.  serom  (aus 
*sezö,  '^sezdmd)  zu  sd  'säen';  hell,  plur.  hcldom  (aus  """hell),  hei- 
dorn)  zu  halda  'halten';  fdl  (aus  '''felj)),  plur.  fcldom  zu  falda 
'den  köpf  bedecken'  (vgl.  Noreen,  Aisl.  gramm.3  §  307,  2,  a  und  3, 
s.  200  f.  und  Altschwed.  gramm.  §  340,  2,  a  und  3,  s.  268  f.).  Im 
altenglisclien  sind  es  ebenfalls  die  beiden  verben  fon  (aus 
*fanhan)  und  hon  (aus  '^'hanhan)  die  in  den  perfecten  fens, 
Jiens  und  den  participien  fönten,  houscn  grammat.  Wechsel 
zeigen.  Das  altsächsische  weist  die  gleiche  erscheinung  auf 
in  fähan,  perf.  plur.  fcngum  und  in  hi-hähan,  part.  hihangan. 
Demnach  war  der  sog.  grammatische  Wechsel  auch  bei  den 
reduplicierenden  verben  einst  im  germanischen  vorhanden. 

Ist  der  im  vorhergehenden  entAvickelte  entstehungsgang 
des  urgerm.  perfectums  richtig,  so  musste  eine  so  grosse  mannig- 
faltigkeit  von  formen:  singular  und  plural  mit  oder  ohne  redu- 
plication;  bei  letzterem  eintreten  des  sog.  grammatischen 
wechseis;  hochstufe  der  wurzel  im  singular,  tief  stufe  im  plural; 
vielleicht  auch  die  Wirkung  des  Yernerschen  gesetzes  im 
Stammanlaut  —  notgedrungen  zur  analogischen  ausgleichung 
führen,  wie  es  übrigens  auch  im  griechischen  geschah  (G.  Meyer, 
Griech.  gramm.3  §543,  s.  022  und  Brugmann,  Griech.  gramm. ^ 
§  385,  s.  324).  Das  ergebnis  dieser  ausgleichungen  stellt  sich 
am  deutlichsten  im  gotischen  dar:  wo  das  perfect  nicht  durch 
den  ablaut  gekennzeichnet  ist,  wird  die  reduplication  erhalten 
bez.  neu  hergestellt;  der  nur  vor  h  Qiiv)  und  r  berechtigte 
reduplicationsvocal  ai  wird,  infolge  des  häufigen  gebrauchs 
der  betr.  verba  (s.  tabelle  s.  450  ff.),  verallgemeinert;  der  hoch- 
stufenvocal  des  Singulars  {ß,  ö,  ai,  au,  vielleicht  auch  a)  wird 
auf  den  plural  übertragen. 

Zwei  Schwierigkeiten  bei  der  erklärung  der  gotischen 
reduplicierenden  verben  sind  im  vorhergehenden  besprochen 


DIE   UEDUPLTCIRRENDEN   VRRHA.  475 

worden:  der  auffallende  reduplicationssyiJU.s  .stc.^t-  und  die 
Verallgemeinerung-  des  reduplicationsvocals  «/.  Eine  dritte 
Schwierigkeit  bieten  die  ablautsverliältnisse  der  stanimvocale 
des  praesens  und  des  perfects. 

Abgesehen  von  den  schon  erwähnten  Zeitwörtern  des 
ablaultA'pus  chez.ai  —  u  :  Iclan  —  IcüM,  saian  —  saisö  ist  bei 
sämiutlichen  gruppeu  der  reduplicierten  perfecta  der  vocal 
gieicli  dem  praesensvocal.  In  betracht  kommen  folgende  vocale: 

a  z.h. -staldan staistald]  c  z.h.  sIc^uüi  —  saislej);  ü  z.h.JmU- 

pan—-]iuai]iivüp\  ai  z.  b.  fraisan  —  fai frais:  au  z.  b.  aulcan  — 
aiauli. 

i>etrachten  wir  zunächst  die  verba  mit  dem  stammvocal  a. 
Nur  zwei  perfecta  mit  dem  vocal  ä  sind  belegt:  -staistald  und 
faifalp;  von  anderen  verben  kommen  vor:  saJtan,  haldan,  wul- 
dan,  -alpan,  hlandan,  -pragyan  (?),  gaggan;  ferner  mit  ersatz- 
dehnung  des  a  für  ausg-efallenes  n:  fähan,  perfect  faifah  und 
Jalhan.  perfect  JiaiJiäh. 

Die  erklärung-  der  ablautsverliältnisse  wird  dadurch  er- 
schwert, dass  nicht  alle  hierherfallenden  verba  etymologisch 
sicher  deut'oar  sind.  Haldan  zu  abulg'.  Jclada  'lade',  saltan  zu 
\-\i.sallo  aus  '""saldo,  ivaldan  zu  ?i\)\\\g.vlada,  lit.frtW^^i 'walten''), 
faJJian  zw  iü.  j^u/a-  'falte',  gr.  J/jr^(;t?;o^ 'doppelt',  alpan  zw  lat. 
aleo,  fahan  zu  lat.  pango  sind  zwar  mehr  oder  minder  sicher 
etymologisiert ;  indes  ist  das  ablautsverhältnis  der  hier  überall 
anzusetzenden  wurzel  mit  «-vocal  bis  jetzt  nicht  aufgeklärt. 
Es  ist  zweifelhaft,  ob  wir  einen  ablaut  ä  —  o  annehmen  dürfen, 
dessen  gegentoniges  o  dem  a  der  germ.  perfectformen  zu  gründe 
liegen  würde,  entsprechend  dem  ablaut  e  —  o  (vgl.  Hirt,  Idg-. 
abl.  s.  IGl  f.;  Brug-mann,  Kurze  vgl.  gramm.  s.  UG).  Haben  Avir 
aber  eine  starre  a-Avurzel  anzunehmen,  so  ist  die  ei-haltung 
oder  analogische  widerherstellung-  der  reduplication  zur  kenn- 
zeicliuung  des  perfects  notwendig  gewesen. 

Dagegen  gehen  auf  eine  e — o- wurzel  zurück:  hlandan 
zu  alnilg.  hli^da  'irre,  schweife  umher',  lett.  hlinda  'unstät' 
U.S.W.    (Hoffmann,  r.  s.  58)-);    ferner   gangan    zu    lit.  zcngih, 

')  T'hleubeck,  Beitr.  3(i,  \\2'.]  f.  sieht  dio  balto-slav.  verlja  als  entlehnt  ans 
"lern  gennauischen  an ;  dageyen  spricht  die  ableitung  ahiily.  rlaslh  'macht'  n.  a. 
'■)  Ebenso  Uhleubeck,  Beitr.  30,  2G81'.,  der  auch  lliiuh  heranzieht. 

Beitrage  rur  gcschichtc  der  dcuuchen  spräche.    XXXII.  31 


476  FEIST 

zenldi  'schreiten',  prakvnga  ' iibersclireitimg-,  simde';  vielleicht 
auch  das  schon  oben  genannte  icaldan,  wenn  Hoffmann  a.a.o, 
mit  der  Zusammenstellung  mit  lit.  weldu,  tveldm  'regieren, 
besitzen',  pa-ivcldu  'ererbe',  tvelde-iojis  'erbe'  u.s.w.  recht  hat. 
Aber  Hoffmann  geht  noch  weiter;  er  behauptet  auf  s.  57:  'der 
weitaus  grösste  teil  dieser  stamme  [d.h.  mit  dem  praesens- 
vocal  a]  folgt  dem  c  :  o  ablaute.'  Das  dürfte  nach  der  oben 
gegebenen  liste,  wenigstens  für  das  indogermanische,  nicht 
erwiesen  sein.  Auch  bei  den  nur  im  nordisch- westgermanischen 
belegten  verben:  fallan,  slmldan,  spaldan,  sixinnan,  walkan, 
icallnn,  ivaltan  ist  idg.  e  —  o  ablaut  nicht  nachzuweisen;  für 
fallan  zu  lat.  fallo,  spaldan  zu  ai.  wzl.  sphnt-,  spliat-  aus  '*sphalt- 
ist  sogar  eher  eine  idg.  «-wurzel  anzunehmen.  Innerlialb  des 
germanischen  ist  freilich  bei  vielen  dieser  verben  e-vocalisation 
nachweisbar;  so  bei  tvallan  neben  aisl.  vella,  sJcaldan  neben  afr. 
scelda,  ahd.  slcltan  'schelten';  spaldan  ist  vielleicht  mit  got. 
spilda  verwant;  ivaltan  stellt  sich  zu  aisl.  velta  u.a.m.  Sie  ist 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  secundären,  erst  einzel- 
sprachlichen oder  gar  mundartlichen  Ursprungs,  gleichwie  sich 
z.b.  aus  einem  ae.  perfect  gan^,  das  ich  als  gleichartig  mit  einem 
urgerm.  redupl.  perfect  *gegang  zu  gaggan  auffasse,  nachträg- 
lich ein  praesens  sin^an  einstellte;  denn  an  eine  directe  ab- 
stammung  von  ae.  gin^an  aus  der  idg.  wurzel  ghcngh-  glaube 
ich  nicht. 

Bei  den  verben  mit  a-vocal  im  praesens  geben  uns  die 
etymologischen  beziehungen  folgendes  bild:  die  grösste  anzahl 
zeigt  in  anderen  idg.  sprachen  ebenfalls  «-vocalisation  im  prae- 
sens; einige  haben  auswärtige  beziehungen,  bei  denen  e-vocal 
im  praesens  sich  findet  (das  einzig  sichere  beispiel  ist  gangan: 
lit.  rh'ülcti,  das  aber  mit  rücksicht  auf  germ.  ^gehni,  ""ge-mi  = 
ahd.  gäm,  gern  noch  selbst  der  erklärung  bedarf '),  andere  solche 
innerhalb  der  übrigen  germ.  dialekte.  Bei  diesen  letzteren 
ist  der  a-vocal  des  perfects  kaum  aus  idg.  o  zu  erklären; 
wahrscheinlicher  bei  den  verben,  denen  eine  idg.  e  —  o  wurzel 
entspricht.  Dann  kann  aber  das  a  des  praesens  schwer  er- 
klärt werden;  an  ein  tief  stufiges  a  aus  idg.  d  wie  in  daddja 


')  Hirt,  Idg.  abl.  s.  158  erklärt  (janfjan  neben  \ii. zenyih,  hlandan  neben 
lit.  hlendiiüs  'ich  verfinstere  mich'  aus  idg.  o-vocalisatiou. 


DIE    REDUPLTCIEUENDKN    VERBA.  477 

aus  idg.  'hlh^nj  (vgl.  ai.  dhdyämi;  l>remer,  Beitr.  11.  55)  ist  nicht 
zu  deukeii,  da  dieser  reductionsvocal  nur  bei  schweren  basen 
nachgewiesen  ist  (vgl.  z.  b.  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  §  213, 
s.  141).  Es  fiele  also  das  a  aus  idg.  o  der  praesentien  (jüiKjan, 
hhmdan  u.  älml.  in  die  kategorie  unerklärter  o  in  basen  mil 
grundvocal  c,  zu  denen  Brugmann  a.a.O.  s.  1 10  die  literatur 
angibt,  wenn  wir  nicht  etwa  die  gleichheit  dieses  idg.  o  mit 
dem  des  perfects  annehmen  wollen. 

Die  9  germ.  verba  mit  dem  wurzelvocal  ai  hat  Hoffmann. 
r.  s.  38  ff.  einer  eingehenden  etymologischen  Untersuchung 
unterworfen.  Im  gotischen  sind  7  belegt,  dabei  0  perfecta: 
Jutitan  —  luühait,  maitan  —  mainiait,  shaidan  —  slMisliaid,  frai- 
sun  —  fai frais,  laihan  —  lailailc,  -aiJcan,  -aiail:  und  -Jdailian  ohne 
belegtes  perfect;  dazu  aus  anderen  mundarten  '■taisan  (ahd. 
ceisan)  und  *swaii)an  (ae.  swdpan,  an.  sveipa).  Ueber  allen 
zweifei  sicher  etymologisiert  ist  nur  shiidan  :  ai.  chinddmi, 
gr.  o/Jyo),  lat.  scindo,  caedo,  lit.  slceda  =  lett.  slaida  'span' 
u.s.-vv.  Es  liegt  absolut  kein  grund  vor,  mit  Hoffmann  a.a.O. 
s.  44  f.  (s.  daselbst  auch  die  einschlägige  literatur  >')  lat.  c«C(/o 
von  got.  slaidau,  aus  einer  idg.  wurzel  (s)khait,  {s)k]taid-  zu 
trennen,  um  slcaidan  in  die  e?/o/- reihe  zu  zwängen,  zumal 
bei  hiilan  zu  lit.  Jdigyti  auch  kein  sicherer  beweis  für  dessen 
Zugehörigkeit  zu  ihr  vorliegt,  denn  air.  Ueg  'kalb'  stellt  sich 
nur  vermutungsweise  hierher,  ebenso  wie  ai.  rcjate  'hüpft, 
bebt'  und  gr.  i/LeXiC^co  'erschüttere'.  "Wenn  aber  *taisan  Avirk- 
lich  mit  Fick,  Vgl.  Wörterbuch  1',  450  zu  gr.  öalm  'zerteile' 
zu  stellen  ist,  so  haben  wir  natürlich  auch  eine  «/-wurzel 
*dai{s)-  anzusetzen.  Nichts  beweisend,  weil  nur  problematisch, 
sind  die  etymologien  von  -aihan,  die  bei  den  verschiedenen 
forschern  ganz  widerspruchsvoll  lauten  (s.  die  literatur  weiter 
unten  s.  499,  anm.  1),  von  fraisan  zu  gr.  :nti{)ct.cü,  lat.  ex-perior 
nach  Hirt,  Idg.  abl.  s.  121,  aus  fra-isan  zu  xed.  iccJidti  'sucht', 
gv. 't'fjifiog  'Sehnsucht',  abulg. /.v/iY/// 'suchen',  ahd.  eishön  u. s.w. 
nach  Hoffmann  a.a.  o.  s.  38,  wider  anders  Brugmann,  (.Trundriss 
1-,  920;  sHai2Mn  hat  keine  auswärtigen  beziehungen;  mailan 
nur  sehr  unsichere  (Hoffmann  a.a.O.  s.  45). 


')  Auch  Uhlenbeck,  Beitr. 30, 380  ist  niclit  ge^a-ii  die  Iroimuug  von  cuedo 
uud  gut.  skaidun,  ohue  iudes  nähere  griiude  auzugeheu. 

31* 


478  FEIST 

Es  ist  also  keinesweg-s  aasgemaclit,  wie  Hoffmaiin  a.  a.o. 
s.  46  will,  dass  die  reduplicierenden  verba  mit  ai  als  stamm- 
vocal  zur  cijoi-reiiie  geliören.  Alles,  was  wir  von  ihnen 
wissen,  ist,  dass  neben  dem  stammvocal  ai  auch  t  als  ablauts- 
stufe  vorkommt,  wie  es  Osthoff,  Morph,  unters.  4,  323  ff.  schon 
nachgewiesen  hat.  Ob  jenes  ai  auf  idg.  ai  oder  äi  zurück- 
geht, lässt  sich  nicht  erweisen;  oi  ist  bei  den  sicher  etymo- 
logisierten beispielen  als  Ursprung  ausgeschlossen. 

Aehnlich  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  verben  mit  au 
als  stammvocal.  Das  gotische  kennt  nur  drei:  auJcan  zu  lat. 
augco,  lit.  dugu  'wachse',  ai.  öjas  'kraft',  also  idg.  «?<-wurzel'); 
die  tiefstufe  «  ist  in  ai.  ugrds  'kräftig'  belegt;  stautan  zu 
ai.  tuddmi,  lat.  tundo  'stosse';  endlich  /(7aitj)a;i  ohne  sichere 
etymologie.  Vermutungsweise  wird  Hanau  als  praesens  zu  dem 
perfect  3.  pl  lailöim  angesetzt  (Bremer,  Beitr.  11, 56);  doch 
hätte  au  hier  nicht  diphthongischen  wert,  sondern  den  eines 
offenen  ö,  und  deshalb  kann  dies  verb  hier  ausscheiden. 
Ebenso  können  wir  hauan  übergehen,  da  es  zwar  in  den 
übrigen  mundarten  nach  art  der  sog.  reduplicierenden  verba 
perfect  und  particip  (aisl.  hio,  hiienn)  bildet,  aber  im  gotischen 
schwach  flectiert  wird;  auch  ist  der  lautwert  des  au  nicht 
sicher  (s.  verf.,  Grundriss  der  got.  etyniologie  s.  17),  Aus  den 
anderen  germ.  mundarten  sind  folgende  verba  mit  dem  stamm- 
vocal au  belegt:  aisl.  au$a  zu  gr.  '^avco  in  tsavaai  und  xaravöai 
(Hes3"cli),  t^-ava-Ti'iQ  Aeschyl.,  lat.  h-aurio,  also  idg.  wurzel- 
vocal  au\  hautvan  (as.  hauwan,  alid.  liouwan,  ae.  lieaivan,  aisl. 
ligggua)  wird  zu  abulg.  liova,  inf.  Jwvati,  lit.  Jcduju  'schmiede' 
gestellt;  also  ist  auch  hier  wahrscheinlich  idg.  au  als  wurzel- 
vocal  anzusetzen.  Die  verba  germ.  *auj)ati,  %autan,  Vmaiquin, 
*nauan,  *shrautan  (s.  liste  s.  448  ff.)  sind  entweder  gar  nicht 
oder  nur  sehr  unsicher  etymologisiert  (s.  Hoff  mann  a.a.O.  s.48ff.). 
können  also  zur  entscheidung  der  frage,  ob  idg.  au  oder  ou  zu 
gründe  liegt,  nichts  beitragen. 

Das  resultat  ist  also  bei  den  verben  mit  au  als  stamm- 
vocal das  gleiche  wii  bei  denen  mit  ai,  nämlich,  dass  nichts 
dafür  spricht,  dass  sie  einst  zur  idg.  e/o -reihe  gehörten,  und 
dass  die  sicheren  beispiele  vielmehr  für  idg.  aii  als  wurzel- 


^)  "Weitere  beziehung-eu  zur  basis  a^ege-  s.  bei  Hirt,  Idg.  abl.  s.  133. 


DI1<]   KEDUPLTCIERENDEN    VERBA.  479 

vocal  sprechen.  Wir  gelangen  also  bei  ruhiger  priifiing  des 
et3iiiologiscli  durchsichtigeu  niaterials  zu  dem  entgegengesetzten 
resuUat  wie  Hoffmann,  der  s.  5-1:  sagt:  'erstens  ist  nur  für  2 
oder  :?  praesentia  der  sichere  nach  weis  erbracht,  dass  sie  ur- 
sprüngliches ai  und  an  enthalten,  und  das  sind  gerade  die 
seltensten'.  Warum  z.b.  auJcan  oder  aisl.  (iiis((  zu  den  S(dteusten 
Verben  gezahlt  werden,  Aveiss  ich  nicht.  Dann  fahrt  Hoffmann 
fort:  "ihnen  stehen  in  gleicher  anzalil  solche  gegenüber,  deren 
-ai-,  -an-  mit  Sicherheit  als  idg.  -oi-,  -ou-  in  die  ablautsreihe 
ei :  oi,  eu  :  on  fällt'.  Nach  meiner  ansieht  ist  von  allen  verben 
mit  -(//-  oder  -an-  kein  einziges  mit  Sicherheit  zur  e/o- reihe 
zu  rechnen  und  von  denen  mit  -a-  auch  nur  wenige  wie  hlan- 
dan,  (jaijgan  und  waldan  (s.  oben  s.  475  f.).  Zwar  schliesst  sich 
Janko  a.  a.  o.  s.  262  rückhaltslos  an  Hoffmanns  darlegung  an 
und  erkennt  seine  'im  ganzen  unverrückbaren  resultate'  an. 
Aber  er  tut  es  im  hinblick  auf  seine  eigene  erklärung  des 
gerra.  c-  bez.  cö-tj'pus,  die  er  mittels  dehnstufiger  formen  des 
e,o-ablauts  ""hvita  hez. '■'hüita  (s.  264)  und  '^hJcn2nihez.'''hlön2')a 
zu  geben  unternimmt.  Jankos  hypothese  steht  oder  fällt  mit 
der  annähme  oder  ablehnung  der  Zugehörigkeit  der  verben 
mit  «/  und  au  als  stammvocal  zur  e/o -reihe.  Für  mich  ist 
sie  demnach  verfehlt,  ebenso  wie  Hoffmanns  theorie  der  ge- 
schleift betonten  dehnstufigen  'Heik  und  stcnt  bez.  sie 2),  die 
nirgends  Zustimmung  gefunden  hat,  so  viel  ich  sehe. 

Demnach  sind  die  verba  mit  a-,  ai-  und  au-  als  stamm- 
vocal, die  im  gotischen  ein  redupliciertes  perfect  bilden,  auch 
vom  Standpunkt  des  indogermanischen  aus,  teils  als  starre, 
nicht  ablautende  wurzeln  (w-stammvocal)  wie  die  verba  mit  c 
und  ö  als  stammvocal,  teils  als  solche  mit  nur  einer  reductions- 
stufe  ai  :  i,  au  :  u  aufzufassen.  Letztere  sind  im  gotischen 
ebenfalls  zu  starren  wurzeln  geworden,  nicht  aber  in  den 
anderen  germanischen  mund  arten,  wovon  s.  469  f.  die  rede  war. 

Um  das  perfect  als  solches  mit  einem  unterscheidenden 
merknml  zu  kennzeichnen  gegenüber  dem  praesens,  bot  sich 
die  reduplication.  Als  altererbt  kann  sie  aber  nicht  bei  allen 
reduplicierten  perfecten  gelten.  Bei  den  vocalisch  anlautenden 
aianJc,  aiaih,  *aiaus  (aisl.  ios)  ist  dies  von  vornherein  aus- 
geschlossen, da  idg.  "eduga  u.  s.  w.  zu  ^'duga  contrahiert  worden 
wäre,  vgl.  *ä(jom  (aus  *eagoni,   imp.  zu  *a(/ö)  =  ai.  äja)n,  gr. 


480  FEIST 

dor.  äyor  (Brugmann,  Kurze  vgl.  g-ramm.  s,  485).  Diese  formen 
sind  also  als  analogiebildungen  nach  consonantiscli  anlautenden 
wurzeln  zu  betrachten  (Brugmann,  IF.  6,  99).  Da  sie  auch  im 
altnordischen  vertreten  sind  (aisl.  ws,  iöh\  so  reichen  sie  in 
die  urgerm.  zeit  oder  wenigstens  in  die  got.-nord,  Sprach- 
gemeinschaft zurück;  da  aber  die  participien  perfecti  von 
aid'an,  nämlich  ae.  vacan,  as,  öcan,  fries.  äken,  auch  in  west- 
germ.  mundarten  vorliegen,  so  liegt  m.  e.  kein  grund  vor,  das 
perfect  *eaul;  ''cöh  nicht  auch  als  westgermanisch  einst  vor- 
handen anzunehmen. 

Weiterhin  haben  wir  oben  s.  471  ff.  zu  zeigen  versucht,  dass 
auch  die  reduplication  der  perfecta  -staistald  und  slcaishdp 
nicht  als  altererbt  gelten  kann.')  Ferner  ist  meist  analogisch 
umgebildet  die  redupiicationssilbe,  die  eigentlich  den  vocal  i 
=-  idg.  e  aufweisen  sollte,  nach  dem  muster  der  sehr  gebräuch- 
lichen mit  //.  und  r  anlautenden  verba   (vgl.  tabelle  s.  450  ff.). 

Alle  diese  umstände  drängen  uns,  im  verein  mit  den  schon 
oben  s.  473  f.  angeführten  tatsachen,  zu  dem  Schlüsse,  dass  die 
reduplicierten  gotischen  perfecta  durchaus  nicht  alle  auf  so 
hohe  altertümlichkeit  anspruch  haben,  wie  öfters  angenommen 
wird.  Ein  gewisser  stamm  wird  als  urgermanisch  und  daher 
wol  als  altererbt  gelten  können;  doch  beweist  die  Überein- 
stimmung mehrerer  mundarten  noch  durchaus  nicht  die  Über- 
lieferung einer  form  aus  idg.  zeit,  da  gemeinsame  neubildung 
vorliegen  kann,  wie  wir  oben  an  den  beispielen  got.  aiaulc  == 
aisl.  iok  u.s.w.  zeigten. 

Als  im  urgermanischen  vorhandene  reduplicierte  perfecta 
dürfen  wir  vom  Standpunkt  des  germanischen  aus  folgende 
ansetzen:  haitan,  liaihait  wegen  ae.  licht;  -redan,  -rairö]}  wegen 
ae.  reord\  letan,  laüöt  wegen  ae.  leort;  lail-an,  lailaik  wegen 
ae.  lcolc\  saian,  saisü  wegen  an.  sera'^)\  hivailiicöp  wegen  ae. 
hiveop  aus  ^htvehivöp.  Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt,  dass 
nicht  noch  viele  andere  reduplicierte  perfecta  schon  im  ur- 
germ. vorhanden  waren,  oder  dass  von  den  oben  genannten 

')  Auch  faifrais  ist,  falls  fruisan  als  fra-isan  aufzufassen  ist  (Hofi'mauu 
a.a.O.  s.  38.  Brugmann,  Gnmdriss  l'',  920)  natürlich  als  spätere  analogie- 
hildung  anzusehen. 

'■*)  Germ,  sesoa  kann  sogar  wegen  gr.  dor.  cnf-ko-^a  schon  als  idg.  an- 
gesetzt werden  (s.  weiter  unten). 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  481 

alle  aus  iäg.  zeit  ererbt  Avaren;  unser  niaterial  iriclit  nicht 
weiter  und  wir  müssen  dalier  alle  weiter  oehenden  Schlüsse 
unterlassen. 

Yom  g-esichtspunkt  des  indogermanischen  aus  können  wir 
als  altererbt  ansetzen:  saiso  ^  gr.  dor.  üq-to-xa;  fa}fh,k  -  : 
gr.  jrt.7rArt7«;  faifali  =  lat.  pepayi,  pci)i<ji\  .skaiskaid  =  ai.  ci- 
chcda,  lat.  scichU  (abgesehen  von  der  art  der  redui»lication,  s. 
oben  s.  471).  Weitere  sichere  vergleiche  fehlen;  aber  das  mag 
Zufall  sein,  ebenso  wie  anderseits  nicht  mit-  Sicherheit  zu  sagen 
ist,  ob  die  4  verglichenen  perfectgruppen  überall  aus  der  urzeit 
stammen  oder  einzelsprachliche  bildung  sind. 

Dass  neben  den  im  gotischen  abgeläuteten  und  redupli- 
cierten  perfecta  laUöt,  gaiyröl  und  rahöp  auch  urgermanische 
formen  mit  t^—yocal  anzusetzen  sind,  ist  schon  oben  s.  468 
erwähnt.  Die  Übereinstimmung  aller  germanischen  mundarten 
weist  darauf  hin;  so  entspricht  dem  got.  lailöt  aisl.  ae.  Ut, 
ahd.  liaz,  liez,  dem  got.  gaigröt  aisl.  gret,  dem  gotischen  rairö]) 
aisl.  )■(']),  ahd.  riat.  Daher  sind  entweder  urgerm.  doppel- 
formeu  im  perfect  anzusetzen:  ""le-t :  Hot,  ''""gye-t  :  ''''gröt,  *re'^J) 
:  *röp  (vgl.  Janko  a.a.O.  s.  203  f.  u.  277  f.),  die  in  dem  gleichen 
Verhältnis  zu  einander  stehen  wie  gr.  dial.  l(>()?jyviu  zu  '^()(iojyu 

—  und  diese  annähme  ist  wegen  aschwed.  löt ')  die  wahrschein- 
lichere,  zum  mindesten  für   das  got.-nordische  (Janko  s.  278) 

—  oder  wir  müssten  die  (7-formen  als  einzeldialektische  neue- 
rung  des  gotischen  bez.  altostnordischen  ansehen.  Das  zeitwort 
got.  tckan,  perf.  iailök,  aisl.  taka,  perf.  tok  ist  bekanntlich  in 
den  anderen  germ.  mundarten  nicht  vertreten  (ae.  takan  ist 
lehnwort  aus  dem  dänischen);  es  ist  ein  beleg  für  das  Vorhanden- 
sein der  tiefstufe  idg.  o  des  ablauts  e  —  ö  auch  im  praesens 
(aisl.  takü),  während  sie  sich  bei  den  übrigen  Zeitwörtern 
dieser  ablautsgruppe  nur  im  particip  perfect  oder  in  adjecti- 
vischen  bildungen  nachweisen  lässt  (ga-nij>ans  zu  redan,  lats 
=^  lat.  lassus  zu  letan,  aisl.  taka  zu  iekan,  ndd.  slap  =  abulg. 
slahh  zu  slepan).  Zu  sivpau  ist  bekanntlich  nur  das  perfect 
saisicj)  (saidcj)),  also  ohne  merklichen  ablaut  belegt;  ob  indes' 
die  beiden  got.  e  ursprünglich  identisch  waren,  ist  nicht  sicher. 
ürugmann,  Kurze  vgl.  granim.  §  101,  anm..  s.  14  erkennt  zwei 

*)  Noreou,  Altscbwe<l.  granim.  §  544,  s.  448. 


482  FEIST 

got.  e  an,  von  denen  c'  (in  letnn  z.  b.)  oft  als  ei  auftritt,  c^ 
dagegen  (in  her  z.  b.)  niemals.  Das  e  in  saislep  {saislep)  fasst 
man  yielfacli  mit  rücksiclit  auf  alid.  sliaf  als  c""-  auf,  und  doch 
findet  sich  anasaisleip  Luc.  8, 23  (mit  allerdings  nachträglich 
wegradiertem  /,  aber  das  geschah  auch  in  manaseidai  Luc.  9, 13) 
mit  ei  für  e-  wie  bei  e'.  Es  ist  also  fraglich,  ob  das  gotische, 
zur  zeit  der  niederschrift  der  Codices  natürlich,  also  im  5.  bis 
6.  jh.  n.  Chr.,  noch  eine  Unterscheidung  zwischen  den  beiden 
ursprünglich  ungleichen  e  machte;  darüber  näheres  weiter 
unten.  Hat  es  aber  auch  früher  schon  keinen  unterschied  mehr 
gekannt,  so  würde  dieser  umstand  die  bevorzugung  der  ö-formen 
im  perfect  erklärlich  machen. 

Bei  den  verben  sakin  und  icakm  ist  das  ö  des  perfects 
wegen  gr.  dtf-tojy.a  als  idg.  anzusehen.  Freilich  kann  das 
auslautende  ö  in  saisö  und  wanvö  nicht  lautgesetzlich  sein,  da 
auslautendes  u  im  gotischen  zu  a  wird;  vgl.  haira  aus  idg. 
■"bJierö  =  gr.  q)t()co.  Das  u  des  Singulars  ist  aus  dem  pliiral 
saisömn  wider  hergestellt,  wo  es  aber  wahrscheinlich  auch  nicht 
ursprünglich  ist,  sondern  schon  in  urgerm.  oder  gar  vorgerm. 
zeit  aus  dem  Singular  eindrang,  da  der  plural  des  reduplicierten 
perfects  tiefstufe  der  wurzel  im  idg.  aufwies. 

111.    Die  nordisch -wcstgormanisclieu  perfecltypeii. 

Während  im  gotischen  der  perfecttypus  der  reduplicierenden 
Zeitwörter  ein  einheitlicher  ist,  wenn  auch  viele  verba  ein  redu- 
pliciertes  perfect  erst  durch  analogie,  nicht  durch  Vererbung 
aus  idg.  zeit  erlangt  haben,  wie  wir  im  vorstehenden  bewiesen 
ZU  haben  glauben,  so  liegen  in  den  anderen  germ.  mundarten 
bei  den  verben,  die  im  gotischen  ein  redui)liciertes  perfect 
bilden,  und  solchen,  die  mit  ihnen  auf  eine  stufe  zu  stellen 
sind,  folgende  vier  perfecttypen  vor: 

1:  ein  redupliciertes  perfect  (aisl.  sera), 

2 :  ein  perfect  mit  hochstufe  des  Stammes  im  Singular  und 

und  tiefstufe  im  plural  (aisl.  Icit  [lit\  pl.  litom), 
3:  ein  perfect  mit  dem  vocal  e-  (aisl.  ae.  c,  ahd.  ia,  ie), 
4:  ein  perfect  mit  dem  vocal  eo. 

Diese  4  kategorien  werden  wir  nacheinander  ins  äuge  fassen 
und  dabei  die  nord.- westgermanischen  mundarten  einheitlich 


DTK    IJEDUri.ICIEKENDKN    VKKHA.  483 

betrachten,  da  sie  alle  dieselben  tA'pen  aufweisen  und  dalier 
Avol  gemeinschaftlich  an  der  entwickelung-  derselben  teil- 
genoninien  haben.  Altererbt  Avaren  nur  die  typen  1  und  2, 
für  die  wir  entprechungen  in  den  anderen  idg.  siirachen  finden; 
gemeinsame  neubildung  der  nord.-westgcrni.  mundarten  sind 
die  t^'pen  3  und  4.  Diese  beiden  letzteren  werden  häufig  auch 
als  'contractionstj'pus'  bezeichnet,  da  man  annahm  und  noch 
vielfach  annimmt,  dass  der  vocal  c-  und  der  diphthong  co 
durch  contraction  des  e  der  reduplicationssilbe  mit  dem  a,  c 
(aus  t-  oder  ai)  bez.  u  (aus  ö  oder  au)  der  Stammsilbe  ent- 
standen seien. 

An  diesem  entwicklungsgang  nehmen  auch  die  angel- 
sächsischen mundarten  teil;  es  bestand  also  eine  ununter- 
brochene räumliche  continuität  zwischen  den  nordischen  und 
festländischen  Germanen.  Da  nun  in  der  ersten  liälfte  des 
fünften  Jahrhunderts  durch  die  auswanderung  der  angel- 
sächsischen Stämme  nach  Brittannien  eine  liicke  entstand,  die 
sich  später  und  noch  heute  durch  die  schroffe  dialektspaltung 
an  der  deutsch-dänischen  grenze  im  gegensatz  zu  dem  sonst 
zu  beobachtenden  allmählichen  Übergang  von  einer  mundart 
zur  andern  zu  erkennen  gibt,  so  müssen  wir  die  ausbildung 
des  nordisch-westgermanischen  contractionstj'pus  um  400  n.Chr. 
etwa  als  abgeschlossen  ansehen.') 

Damit  hätten  wir  einen  terminus  ad  ({uem.  feinen  terminus 
a  quo  gewinnen  wir  durch  den  umstand,  dass  das  gotische  an 
dieser  entwickelung  nicht  mehr  teilnimmt;  sie  niuss  also  nach 
der  zeit  der  trennung  des  gotischen  von  den  übrigen  germ. 
mundarten  angesetzt  werden.  Um  200  n.Chr.  ungefähr  haben 
die  Goten  ihre  neuen  Wohnsitze  am  Schwarzen  meer  erreicht.-) 
Demnach  muss  die  entstehung  des  sog.  contractionstypus  in 
die  zeit  zwischen  200  und  400  n.  Chr.  fallen. 

Wie  ist  nun  dieser  typus  zu  stände  gekommen?  —  Der 
name  'contractionstypus'  spiegelt  die  ältere  ansieht  über  seine 
entstehung  wider.  Man  gieng  von  der  Voraussetzung-  aus,  die 
oben  schon  erwähnt  wurde,  der  perfectvocal  c-  und  -diphthong 

')  Bethge  iu  Dieters  Laut-  und  formenlehre  s.  3G3  meint,  dass  er  wäh- 
rend und  nach  der  Völkerwanderung  entstand  und  vom  nordischen  ausgieng. 

'")  Vgl.  Sievers,  (iot.  spräche  in  Pauls  Grundr.  1  (t.  aull.),  -107  ff.;  Streit- 
berg, Got.  elemeutarbuch-  s,  7. 


484  FEIST 

CO  seien  'contractionsproducte'.  Das  wäre  freilich  eine  ganz 
plausible  erklärung,  wenn  nicht  der  zwischen  reduplication 
und  Stammsilbe  stehende  stammanlautende  consonant  bez.  die 
consonantengruppe  einige  Schwierigkeiten  machte.  Ihr  ausfall 
muss  lautgesetzlich  erklärt  werden.  Früher  half  man  sich 
mit  Scherer  (Zs.  f.  d.  östr.  gymn.  24  (1873),  296)  durch  die  an- 
nähme: 'diese  perfecta  reduplicata  sind  ein  ganz  exceptionelles 
gebiet,  worin  dinge  geschehen,  die  anderwärts  in  der  spräche 
nicht  möglich  wären'.  Heute  kann  man  sich  mit  einer  solchen 
erklärung  nicht  mehr  zufrieden  geben.  Trotzdem  sind  auch 
noch  anhänger  des  consonantenausfalls  yorhanden,  so  LoeAve 
in  seinem  genannten  aufsatz,  der  den  ausfall  des  stammanlau- 
tenden consonanten  durch  haplologische  dissimilation  zu  recht- 
fertigen sucht.  Wir  haben  diese  annähme  ob.  s.459  f.  abgelehnt. 

Eine  zweite  möglichkeit,  zu  einer  erklärung  des  e--  und 
co-typus  zu  gelangen,  erörterten  Brugmann,  IF.  6, 89  ff.  und 
gleichzeitig  Wood,  Germ.  Studies  2, 27  ff.  Zunächst  ausgehend 
von  den  verben  mit  stamm A^ocal  ai  und  au  (haitan,  stautan), 
sahen  sie  in  den  reduplicationslosen  perfecten  des  nordisch- 
westgermanischen hochstufige  Stammformen  dieser  verba  (;'"heit, 
''"staut),  die  sich  zu  jenen  verhielten  wie  got.  teJcan  zu  an.  taJca. 
Zu  erklären  bleibt  dann  noch  das  perfect-e  der  verba  mit  a 
als  praesensvocal  (tcaldan)  und  das  perfect-eo  derjenigen  mit 
ö  im  praesens  (''hröjmn).  Sie  werden  als  analogiebildungen 
nach  dem  muster  der  verben  mit  ai  (und  au)  als  praesensvocal 
erklärt,  unter  anlehnung  an  ein  dehnstufiges  c  =  nord-wgerm.  a 
der  verba  des  e/o-ablauts  {gangan,  waldan).  Dem  gegenüber 
hat  van  Helfen  (Beitr.  21,  445)  eingewendet,  dass  die  numerisch 
schwächere  a^-klasse  kaum  im  stände  gewesen  sei,  die  an  zahl 
weit  beträchtlichere  a-klasse  zu  beeinflussen.  Ob  dieser  ein- 
wand stichhaltig  ist,  werden  wir  später  zu  erwägen  haben. 
Ebenso  haben  wir  die  auf  der  von  Brugmann  geschaffenen 
basis  fussenden  erklärungsversuche  von  Hoff  mann,  F.  s.  33  ff. 
(grundformen  leihe,  *stcutc,  woraus  'Heile,  -"sfeiä  mit  schleifton) 
sowie  von  Janko,  IF.  20,  252  ff.  (grundformen  'Hieita,  '^höita  und 
^hleupa,  'Hilöupa)  später  noch  einer  eingehenderen  betrachtung 
zu  unterwerfen,  wenn  wir  an  die  erklärung  des  nord.-west- 
germ.  t-^-  bez.  eo-typus  herantreten  werden. 

Hier  will  ich  zunächst  nur  meine  principiellen  bedenken 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  485 

gegen  diese  neuerdings  beliebt  gewordenen  methoden  äussern. 
Es  scheint  mir  der  weg  verlkängnisvoll  zu  sein,  l)ei  der  äusserst 
verwickelten  und  durch  analogische  bccindussungen  in  weit- 
gehendem masse  veränderten  pei-fectbildung  der  sog.  redupli- 
cierenden  Zeitwörter  zu  viele  formen  auf  die  lautgesetzliche 
entwickeluug  hypothetischer  grnndformeu  zurückzufiiliren.  Die 
ansetzuug  einer  grundform  ■■Idcupa  oder  'Idoupa  entbehrt  doch 
jeder  realen  unterläge;  sie  ist  ein  rein  constructives  gebilde 
noch  dazu  auf  ungewisser  grundlagc  (c'o-ablaut).  Wenn  wir 
im  gotischen  schon  beobachtet  haben,  wie  wenige  perfect- 
formen  als  altererbt  gelten  können,  wie  das  ganze  System  von 
mannigfachen  analogiebildnngen  durchkreuzt  wurde,  so  dürfen 
wir  bei  den  erst  aus  einer  weit  späteren  zeit  (4(J0  Jahre  später 
und  noch  mehr)  überlieferten  formen  des  nordisch-westgerma- 
nischen der  analogiewirkung  eine  noch  weit  grössere  rolle  zu- 
erteilen. Alle  vorhandenen  perfectformen  erklären  zu  wollen, 
ist  überhaupt  eine  vergebliche  mühe,  da  uns  ja  nur  ein  be- 
schränktes material  zu  geböte  steht  und  viele  bedingungen 
der  gegenseitigen  beeinflussung  von  perfectformen  naturgemäss 
'uns  entgehen  müssen.  Unsere  aufgäbe  kann  in  der  liauptsache 
nur  diejenige  sein,  die  haupttypen  lautgesetzlich  oder  auf  ana- 
logischem wege  zu  erklären  und  ihre  ausbreitung  zu  verfolgen. 
"Wir  beginnen  mit  den  altererbten  typen. 

A.  ßeduplicierte  perfecta  im  nordisch- 
westgermanischen. 
I.  Das  altisländische  besitzt  folgende  reduplicierte 
perfecta:  1)  scm  zu  sei  'säen'  =  go\.  saiso  zw  Sdian.  Das  alt- 
isl.  ist  in  doppelter  beziehung  ursprünglicher  wie  das  gotische: 
a)  es  zeigt  mit  r  für  urnord.  ;^^  die  regelrechte  entwickelung 
eines  urgerm.  ses6{a),  während  das  gotische  für  lautgesetzliches 
z  das  wurzelanlautende  s  eingesetzt  hat;  b)  auslautendes  a  in 
scra  ist  die  reguläre  entwickelung  eines  urgerm.  ö,  nachdem 
der  accent  auf  die  reduplicationssilbe  getreten  war;  das  gotische 
auslautende  ü  ist  aus  dem  plural  widerhergestellt.  —  2)  rcrd 
zu  roa  'rudere'.  —  Ferner  finden  wir  das  perfect  3)  snera  zu 
snmi  'wenden'.  Xoreen,  Altisl.  gramm.'*  §  40G,  s.  30'2  erklärt 
snera  aus  '''snezu,  ohne  weiteres  über  die  entstehung  dieser 
form  zu  sagen;  er  schliesst  sich  also  an  Zarncke,  Beitr.  15, 353 


486  FEIST 

an,  der  sncra  analogiebilduiig  nach  scra  sein  lässt.  Ostlioff, 
Beitr,  8,  554  nimmt  folgenden  entwickelungsgang  an:  *sesndwa, 
*snesndica,  ^'snesdica,  "^snezdu,  *snezö.  Aber  mit  recht  hebt 
Loewe  a.a.O.  s.  340f.  hervor,  dass  gegen  Osthof fs  entwicke- 
liingsgang  das  ganz  gleichartige  got.  saülep  spricht,  das  eben- 
falls ''"slaizep  hätte  ergeben  müssen,  wenn  Osthoffs  a.a.O.  for- 
mulierte gesetz:  'folgten  sich  in  zwei  unmittelbar  benachbarten 
Silben  eines  wortes  identische  und  mit  s  beginnende  consonanten- 
gruppen,  so  fielen  aus  der  zweiten  alle  hinter  dem  Zischlaut 
stehenden  consonanten  aus',  haltbar  wäre.  Loewe  setzt  folgende 
Proportion  an:  "^seö  (got.  saia)  :  ^sezöa  =  "^snuö  :  {^seznai'ia, 
später)  seznöa.  In  "^sezüa  wurde  5  als  wurzelhaft,  ''^ezöa  als 
endung  empfunden,  daher  fügte  man  ebenso  '''esöa,  später  -era 
an  das  als  wurzel  aufgefasste  sn-  von  snüa  an.  Wider  anders 
erklärt  Janko  a.a.O.  s. 289  das  perfect  snera  aus  ursprüng- 
lichem "''sc-3nü{n)  zum  ehemaligen  Infinitiv  "^snoa  (=  ae.  snöican), 
mit  analogischer  Schwundstufe  snüa  (vgl.  wn.  hüa  neben  sel- 
tenem anorw.  höa;  Noreen,  Altisl.  gramm.^  §  125,  anm.  2  und  3). 
—  Auch  4)  grem  zu  gröa  'grünen'  erklärt  Janko  a.a.O.  aus 
*gre-ru(n),  sagt  aber  dabei  nicht,  ob  er  diese  form  als  laut- 
gesetzlich ansieht  oder  als  analogiebildung  (röa  :  rcra  =  gröa 
:  grem),  wozu  ich  neige,  und  die  Janko  bei  5)  gnera  zu  gni'ia 
'schaben'  und  6)  hnox  (3.  sing.)  zu  ^«u« 'reiben'  (Xoreen,  Alt- 
isl. gramm.^  §  49G  und  anm.  2)  anerkennt.  —  Aber  liegt  es  nicht 
näher,  bei  sncra  auch  von  vornherein  analogiebildung  nach 
scra  und  reru  anzunehmen,  statt  sich  auf  complicierte  und 
nicht  beweisbare  constructionen  einzulassen?  Das  element 
-era  wurde  im  altisländischen  fast  als  suffix  aufgefasst;  es 
ergibt  sich  dies  daraus,  dass  die  ablautenden  verba  Idosa 
(perf.  7taH5)  'wählen'  und  friosa  {\}&\±  fraus)  'frieren'  auch  in 
dessen  bannkreis  gezogen  werden.  Nach  dem  plural  Icorom 
und  frorom  (mit  tief  stufe  und  gramm.  Wechsel)  stellt  sich  ein 
sing.  Iwra  und  frm-a  ein  (schwach  flectiert,  s.  Noreen  a.a.O. 
§  478,  anm.  1,  s.  291),  neben  dem  sich  die  formen  hcra  und 
frera  unter  offenkundiger  anlehnung  an  obige  entsprechende 
perfecta  einfinden. 

Sicher  redupliciert,  wenn  auch  erst  infolge  urgerm.  neu- 
bildung,  sind  7)  aisl.  ioh  =  got.  aiauh  zu  auM  'vermehren' 
und  8)  aisl.  ios  zu  ausa  'schöpfen'  aus  urgerm.  *eausa  (urgerm. 


DIE   REDUrrJCIERENDEN   VERBA.  487 

au  in  unbetonter  silbe  wird  im  westgenn.  und  nurd.  zu  ö). 
Wie  scra  und  rera  nianclie  neubildungen  nach  sich  zogen,  so 
liaben  auch  iölc  und  ios  analogiscli  beein (hissend  gewirkt,  wo- 
rüber weiter  unten;  —  1»)  aisl.  hiö  zu  hg(jg{H)a  'hauen'  kann 
nach  der  gleichung  ""'auJmn  :  *cm(Jca  =  *Jiauu'an  :  *licauira 
neu  gebildet  sein,  kann  aber  auch  auf  ein  urnord.  redupliciertes 
Hiehauu-a,  Viehuir,  ^IicUw,  "^Juv,  hiu  zurückgelien  (Xoreen,  Alt- 
isl.  grannn.3  §  97.  224.  227,  d). 

IL  Das  altenglische,  speciell  das  anglische  und  die 
poesie,  weist  eine  beträchtliche  anzahl  reduplicierter  perfecta 
auf:  1)  heht  zu  hdtan  •heissen';  —  2)  rcord  zu  rcedau  'raten'; 
—  3)  kort  zu  Iceian  'lassen';  —  4)  IcoJc  zu  Idcan  'springen'.  Da 
das  schwinden  des  langen  stammvocals  im  Singular  nicht  zu 
erklären  ist '),  so  sieht  man  meist  (vgl.  z.  b.  Kluge,  Pauls  Grund- 
riss  1'-, 437)  die  singularformen  als  übeilragen  aus  dem  pluial 
an.  ein  Vorgang,  den  wir  bei  got.  saisu  und  ivaiuo  ebenfalls 
annehmen  nmssten  (s.  482).  Als  pluralformen  sind  anzusetzen 
urgerm.  '^hehitiün  zu  liaitan,  Helihmi  zu  lailian  (vgl.  agutn.  lilco 
bei  Noreen,  Altschwed.  gramm.  §  541.  s.  444);  Hdidum  zu  Iceian, 
vgl.  got.  lats  oder  ''Helitiün,  vgl.  aisl.  lito,  agutn.  litu\  ■remditm 
zu  rcedan,  vgl.  got.  garapans.  Die  Synkope  von  mittelvocalen 
darf  mit  AVeyhe,  Beitr.  30,  84  ff.  auch  nach  kurzem  stammvocal 
für  erwiesen  gelten.  So  kommen  wir  zu  ae.  Urformen  '■Jtchtum, 
*ldlinm,  Heltum,  ^rerdum.  Während  die  erste  form  unverändert 
in  heht-)  fortlebt,  liegen  die  drei  letzteren  als  Icolc,  leort  und 
reord  vor.  Man  nimmt  meist  an,  dass  e  zu  eo  wurde  infolge 
von  'brechung'  vor  Ic  und  r  +  consonant  (Sievers,  Angelsächs. 
gramm.-*  §  79  ff.);  leort  für  Helt  zeigt  dissimilation  des  zweiten  l. 
^\'eyhe,  Beitr,  31,  48  dagegen  lä.sst  eo  durch  «-umlaut  aus  dem 
plural  "hlailcum,  Heläkim,  'Helucun  entstehen.  Zwei  bedenken 
stellen  sich  dieser  annähme  entgegen:  erstens  ist  eine  tief- 
stufe Helihin  anzusetzen  (s.  oben);  zweitens  wäre  dann  bei 
heht  auch  umlaut  zu  Hieoht  zu  erwarten.  Auch  Janko  s.  209 
bleibt  lieber  bei  der 'brechung'  des  c  zu  eo.    Freilidi  ist  noch 

')  Doch  s.  Jauko  (a.a.O.  s. 2G8),  der  die  eutwicklungsrcihe  *lcJaik, 
IckJc,  *hli'lc,  *ldk  ansetzt  und  ae.  sicdc  =  got.  stcaleüi-a  und  hivilc  —  g-ot. 
ItH-ileiks  vergleicht  (nacli  Kluge  in  Pauls  Grundriss  1-,  lUCK). 

*)  Warum  hier  die  brechung  zu  eo  uuterhlieb,  ist  strittig;  s.  darüber 
Janko  a.a.O.  8.209  und  weiter  unten. 


488  FEIST 

zu  erklären,  weslialb  licht  nicht  der  brecliung  unterlag.  Ten 
Brink,  Anglia  1,  514  und  524  postulierte  zwar  mit  rücksiclit 
auf  me.  hihtc,  higlite  ein  ae.  *hcoJd;  doch  scheint  mir  Bülbrings 
deutung-,  Altengl.  elementarbuch  s.  58  zutreffender,  dass  wegen 
des  helleren  timbre  von  h  in  *heJiitum  (nicht  '■hehet  wie  Bül- 
bring-  will)  die  brechung  unterblieben  sei;  —  5)  ae.  ondreord 
(Ps.  und  North.)  von  on-drcEdan,  ist  analogiebildung-  nach  dem 
muster  rcedan.  :  rcord  =  ond-raedan  :  ond-reord^);  —  6)  ae. 
heoiv  zu  hcaivan  könnte  auf  urgerm.  "'hehmnca,  *heIwwa/^heDw 
zurückgehen  (Sievers,  Ags.  gramm.'^  §  218,  s.  111);  —  bei  7)  hcold 
zu  ]icaldan\  —  8)  iveoUl  zu  iücaldan\  —  9)  loeolc  zu  tveaican; 
—  10)  tceoU  zu  iveallwi]  —  11)  trcotv  zu  ivdivan  und  12)  iceop 
zu  n-qnin  ist  die  möglichkeit  vorhanden,  auf  reduplicierte  bil- 
dungen  *hc{h)alda,  ''''irew{(i)lka,  '■Hveir{a)lla,  -'iceivö''-),  u-ew{9)pa 
zurückzugreifen;  bei  wcolc  könnte  man  auch  an  brechung  aus 
'■irclk  denken;  das  wahrscheinlichste  ist,  dass  analogische  be- 
einliussung  eine  ebenso  grosse  rolle  si»ielt  wie  ursprüngliche 
reduplication,  ohne  dass  wir  bei  dem  mangel  an  belegten 
Zwischenstufen  die  grenzen  beider  bestimmen  können. 

Eine  umstrittene  form  ist  13)  north,  hlcfla  (Lindisfarne 
Gospels,  Joh.  20,  22),  das  Füchsel,  Anglia  24, 75  als  redupliciertes 
l)erfect  von  ae.  hJdwan  anspricht.  Es  übersetzt  an  der  betr. 
stelle  lat.  rnsitflavit;  daneben  aber  findet  sich  eine  zweite,  aus 
der  ersten  corrigierte  Übersetzung  sehleou  (d.  h.  .sMcoiv),  die 
Sievers,  Beitr.  20, 557  für  die  richtige  ansieht  und  hiefla  als 
Schreibfehler  verwirft.  Immerhin  aber  besteht  die  möglich- 
keit, dass  ein  jüngerer  Schreiber  die  alte,  nicht  mehr  ver- 
standene form  übersetzt  hat,  wie  Loewe  a.a.O.  s. 321  ff.  will. 
Freilich  würden  wir  eher  eine  form  ""befla  (vgl.  got.  saislcp) 
erwarten.     Wir  kommen  höchstens  zu  einem  non  liquet.^) 

III.  Das  althochdeutsche  besitzt  ein  perfect,  das  als 
redupliciert  angesehen  werden  muss:  üir,  iaritm  zu  einem 
j-praesens  erien,  erren   =  got.  arjan  'pflügen',   part.  perf.  gi- 

1)  [Vgl.  Pog-atsclier,  Auglia  Beiblatt  14, 182ff.,  der  ondrddun  als  wahres 
compositum  von  rddan  erklärt.  —  W.  B.] 

^)  *t(;ewü  wird  *iceo,  vgl.  afries.  tvc,  miidl.  icoei,  wici/;  vom  praesens 
aus  tritt  stamm  auslautendes  u-  an  *iceo  au. 

2)  S.  deu  naclitrag  am  schluss. 


DIE   REDUPLTCIERENDEN   VKUBA.  489 

aran.  Alul.  iar  aus  *car^)  wie  aisl.  iok  =  g-üt.  aiaul-  aus  ur- 
gerni.  cauJc;  daneben  findet  sich  das  perfect  vor,  das  nach 
Kögel.  Beitr.  16.  502  nacli  der  gleicliung  swcricn  :  swuor  ^^ 
er  im  :  i(or  o;ebihlet  sein  soll;  indes  hindert  nichts,  vor  :  ^aran 
aufzufassen  wie  aisl.  iök  :  tala,  also  entstanden  durch  über- 
tritt in  die  a/ö-klasse. 

Was  sich  sonst  noch  von  reduplicierten  formen  im  ahd. 
linden  soll,  muss  als  zweifelhafte  vermutuno-  hing-estellt  werden. 
Es  sind  in  erster  linie  die  sog.  r-perfecta,  die  hier  zu  erwähnen 
sind:  1)  ana-stcroz  Gl.  1,282,  glosse  zu  impingchant  (statt  im- 
2)in(jebat)  im  Eeichenauer  codex;  in  der  i\Iurbacher  abschrift 
desselben  ist  deshalb  anasterozun  verbessert;  —  2)  Jci-slrcrot 
Gl.  1,  281,  glosse  zu  incidit-  —  3)  pleruzzun  Gl.  1,  409,  glosse 
zu  adoUrent,  aus  dem  lieichenauer  codex  und  4)  ca-plcruzzi 
Gl.  1,312,  glosse  zu  immolarci  (hs.  St.  Paul  in  Lavandthal, 
Kärnten).  —  Auf  bairischem  Sprachgebiet  finden  sich  (nach 
Kögel,  Beitr.  20,  500  f.)  in  den  Prudentiusglossen  (Gl.  2,  542,  7) 
stiriz  =  prosiihigit,  auch  verkürzt  als  stirz  (Gl.  2,  444,  22),  das 
der  Schreiber  selbst  durch  ahd.  simrnta  übersetzt.  Durch  das 
i'egelmässige  stks  ist  es  ersetzt  Gl.  2,  508, 1  und  530,  34;  Gl. 
2, 542, 19  findet  sich  siiriz  =  puinuicrat.  Ferner  die  form 
steraz  (in  den  Vergilglossen  2,  609,  50)  =  arictat,  die  der 
Schreiber  nachträglich  in  stias  verbesserte;  in  derselben  hand- 
schrift  (Gl.  2,  670, 10)  lesen  wir  farstcrc  =  proterrei.  Zweifel- 
haft ist  ein  r-perfect  in  einer  'i'rierer  handschrift  (Gl.  2,  33, 1) 
anagc-Jierzon  =  indidscre;  das  ie  legt  nahe,  r  nur  als  Schreib- 
fehler für  z  anzusehen.  —  Auf  fränkischem  boden  findet  sich 
bei  Otfrid  von  hiian  :  biruun  4,4,59  und  hiruuius  2,7,18. 
Auch  bei  verben,  die  nicht  zu  den  reduplicierenden  zählen, 
findet  sich  der  r-typus:  ^hd.  scrirun  (daneben  eine  «t'-form 
crscrimm  in  den  Mainzer  glossen),  ferner  part.  perf.  (jiscriran 
(das  Zarncke,  Beitr.  15,  351  f.  nicht  nachweisen  kauu'^));  an- 
schliessend an  letzteres  in  späterer  zeit  (11./12.  jh.)  pe-spiren 
Denkm.  90,  23. 

Wie  die  älteren  germanisten  Grimm,  Laclimann  und  Müllen- 


')  Vgl.  Loewe  a.a.o.  s.  oOS;  dazu  Jauko  a.a.O.  s.  313  und  ]5riig;iiiann, 
Kurze  vgl.  gramui.  s.  544;  eiue  giundfurm  *r-r  wie  *et  'ass'  ist  iiiclit  denkbar, 
da  sie  *('(/■  ergeben  liätte. 

'•)  Doch  findet  sich  z.  b.  Gl.  "2,  775,  6  erscrirena  =  condamaiu. 


490  FEIST 

hoff  sieht  Zarncke,  Beitr.  15, 350  ff.  in  dem  r  dieser  formen 
einen  hiatusdeckenden  hiut,  und  noch  neuerdings  schliesst  sich 
Yv'ilmanns,  Deutsche  gramm.  3,38  dieser  ansiclit  an,  da  er  es 
für  sehr  zweifelhaft  liält,  ob  man  einige  dieser  formen  durch 
reduplication  (s.  weiter  unten)  erklären  dürfe;  allgemein  ahd. 
sei  r  nur  in  scrirun,  giscriran.  In  diesen  formen  sehen  jüngere 
forscher  (Streitberg,  Urgerm.  gramm.  s.  281  oder  Brugmann, 
Kurze  vgl.  gramm.  s.  541)  reste  eines  idg.  s-aorists.  Gegen 
diese  erkhärung  wendet  sich  Loewe  a.a.O.  s. 266,  und  Brug- 
mann selbst  vermutet  a.  a.  o.  an  anderer  stelle  (§  798  anm,, 
s.  598)  Zusammenhang  mit  den  r-endungen  des  arischen  und 
italokeltischen  (ai.  3.  pl.  vidur,  lat.  videre  =  vidcnmt). 

Einen  ganz  anderen  weg  zur  aufhellung  dieser  viel- 
gedeuteten ahd.  r-formen  hatte  Osthoff,  Beitr.  8,  540  ff.  be- 
schritten. Er  sah  in  ahd.  sfero^  eine  reduplicierte  perfect- 
form,  deren  entwickelungsgang  er  folgendermassen  ansetzt: 
''■'staidan,  perfect  *stcstaäta  (vgl.  got.  -staistald),  '^stesaüta,  *ste- 
zaüta  (nach  Verners  gesetz),  '^steröt  >  ahd.  stcros.  Dement- 
sprechend construiert  Loewe  a.  a.  o.  s.  344  f.  die  entwickelung 
von  ahd.  hi-sln-erot  zu  ''shraiidan  aus  -^shesh-aüda,  *sJ:csraüda, 
^sh-esailda,  "'sh-ezaüda,  ''"sTcreröd  >  ahd.  sJcrcrof]  scrirun  aus 
''^sliesh-imc,  '*sl-ezrimc,  ^slcrizime  u.s.  w.,  oder  gar  mhd.  siriren 
aus  '■'S2)cspume,  '^spesume,  ""spezume  u.s.  w.i)  Aber  jeder  un- 
befangene muss  zugeben,  dass  Osthoffs  erklärung  von  steroz 
zw^ir  recht  annehmbar  aussieht,  aber  den  fehler  aufweist,  dass 
sie  sich  auf  ein  ad  hoc  angenommenes  'dissimilationsgesetz' 
stützt,  das  sonst  nicht  nachweisbar  ist;  Loewes  entwickelungs- 
reihen  aber  nehmen  sich  auf  dem  papier  vielleicht  ganz  gut 
aus;  in  Wirklichkeit  wird  niemand  überzeugt  sein,  dass  sie  im 
leben  der  spräche  vorhanden  gewesen  sind.  Wir  haben  ferner 
schon  oben  s.  471f.  nachzuweisen  versucht,  dass  der  gotische 
reduplicationstypus  -staisiald  u.s. w.  secundär  ist  und  nicht 
ohne  weiteres  auf  die  übrigen  germ.  dialekte  ausgedehnt 
werden  darf. 

Das  r  endlich,  das  sich  in  ahd.  biruiin,  hirmiuis  findet, 
wird  wider  auf  eine  andere  art  erklärt.  Kluge,  Pauls  Grund- 
riss  r^,  436  vergleicht  ai.  habhUüa  und  lässt  ein  urgerm.  *behüwa 


^)  Auch  Jauko  a.  a.  o.  s.  274:  steht  auf  ähulichem  Standpunkt. 


DIE    REDUPLICIERENDEN   VERBA.  491 

ZU  %ezHiva  dissimiliert  werden;  aus  letzterein  entstellt  durch 
weiterent Wickelung  alid.  hintun  {=  iivf^evm.'hc-Hirmc).^) 

Lautgesetzlich  erklärt  werden  bei  allen  diesen  versuchen 
nur  nicht  die  formen  2ilcn(z::un  und  ca-pJcru.~si  zu  alid.  Uho-üu. 
Hier  niuss  auf  jeden  fall  entweder  nach  der  älteren  annähme 
ein  hiatusdeckendes  r  eintreten  oder  wir  mü.'^sen  an  analogische 
neuschüpfung  nach  einem  der  obigen  inuster  denken.  Da  fragt 
es  sich  jedenfalls,  ob  es  nicht  richtiger  ist,  wie  bei  dem  alt- 
isländischen  (s.  oben  s.  485  f.).  bei  allen  r-formen  des  althoch- 
deutschen an  analogische  entstehung  zu  denken,  anstatt  sich 
auf  complicierte  und  unbeweisbare  cunstructive  erklärungen 
einzulassen.  Zarncke  meinte  am  a.a.O.,  dass  alle  r-formen 
in  Keichenau  im  8.  jli.  von  ein  und  demselben  Schreiber  ge- 
braucht worden  seien,  doch  wies  Kögel,  Beitr.  IG,  500  nach, 
dass  sie  sich  auch  auf  bairischem  gebiet  finden,  und  inzwischen 
sind  sie  auch  aus  rheinfränkischen  glossenwerken  nachgewiesen 
Avorden.    ^^'ir  müssen  sie  also  für  allgemein  ahd.  ansehen. 

Yielleicht  gehen  wir  bei  der  erklärung  der  r-formen  durch 
analogische  Schöpfung  gerade  von  dem  sonst  nicht  deutbaren 
lütriuzun  aus.  Das  ahd.  mag  wie  das  altisläudische  (und 
gemeinsam  mit  den  anderen  germ.  dialekten)  einst  ein  redu- 
pliciertes  perfect  von  *se(j)an  'säen'  und  *räan  'rudern'  be- 
sessen haben:  *5erö  und  *rerö  (got,  saisö  =  aisl.  sera  und  aisl. 
rera).-)  Nach  der  proportion  *röan  :  *rerö  =  hlozun  :  hleruz 
wurde  ausser  diesem  geschaffen  stözan  :  steröz  {6  erst  ahd. 
aus  germ.  au  vor  t  ^=  ahd.  s),  ebenso  slcrotan  :  sJcreröt.  Bair. 
stcraz  mag  die  lautgesetzliche  entwickelung  eines  gekürzten 
siero^  sein,  stiris  mit  i  in  der  Stammsilbe  aus  tief  stufigem 
'""stiruzun  (u-umlaut,  vgl.  Kögel  a.a.O.  s.  501)  entstanden  sein; 
stirz  endlich  aus  '"^stiruz  wie  hirz  aus  hiruz.  Erkennen  wir 
die  möglichkeit  an,  dass  einst  im  westgermanischen  ein  '^scru 
und  '"^rerU  vtji'handen  war,  so  bietet  die  analogische  weiter- 
verbreitung eines  perfectischen  -ero-  keine  anderen  Schwierig- 
keiten   als    die    gleiche    erscheinung   in   aisl.  sncra   zu   snna, 

')  So  auch  noch  neuestcns  Janko  a.  a.  o.  s.  27G. 

*)  Vgl.  Holz,  Urgenii.  geschl.  r-  s.  45;  Loewe  a.a.O.  s.  3-18.  Auch  Janko, 
1  F.  20,  285  vermutet  ein  'verschollenes  Avestgcrin.  perf.  *.sesö('0-'  Franck, 
Z8.fJa.4Ü,25  vertrat  ebenfalls  die  ansieht,  dass  die  redupl.  perfecta  genieingut 
aller  germ.  muudarten  gewesen  seien. 

Beiträge  zur  gcschichte  der  deutschen  spräche.     XXXIl,  32 


492  iPEisT 

gnera  zu  gm'ia,  grera  zu  griia  und  hncre  zu  Imna  (s.  aucli 
oben  s.  485  f.). 

Aus  einer  anzalil  derartiger  formen  mit  innerem  r  konnte 
sich  allerdings  die  Vorstellung  eines  hiatusfüllenden  r  im  ver- 
gleich mit  fo-perfecten  von  demselben  stamme  {steroz  :  steos, 
^hleroz  :  Ueos  u. s.w.)  entwickeln  und  zur  weiterverbreitung 
dieses  r  auf  formen  wie  scrinm  neben  scriun,  giscn'ran  neben 
giscrian,  pe-spirai  neben  sjrien  führen.  Otfrids  hirnun  und 
hiruwis  fügen  sich  ebenso  leicht  hier  ein,  da  wir  ein  perfect 
*6eo,  hiu  (vgl.  aisl.  hio),  pl.  ^bimviim  (aisl.  hiuggom)  zu  erwarten 
haben');  ein  *bnium  fordert  aber  geradezu,  wenn  ich  so  sagen 
darf,  ein  hiatusdeckendes  r  heraus. 

Sind  die  vorstehenden  ausführungen  richtig,  so  wären  wir, 
teilweise  wenigstens,  zu  den  anschauungen  der  älteren  ger- 
manisten  zurückgekehrt,  unter  ablehnung  der  complicierten  und 
unwahrscheinlichen  erklärungsversuche  jüngerer  forscher,  und 
damit  scheiden  die  r-perfecta  aus  der  reihe  ursprünglich  redu- 
plicierter  perfecta  aus. 

B.   Der  hochstuf entypus  im  nordischen  und 
althochdeutschen. 

Während  die  gotischen  reduplicierten  perfecta  keine  ab- 
stuf ung  zwischen  Singular  und  plural  aufweisen,  sind  im  nor- 
disch-westgermanischen noch  vereinzelte  fälle  von  tiefstufigen 
pluralen  bei  langvocalischen  wurzeln  erhalten.  Wir  haben 
dieselben  schon  oben  s.  469  f.  betrachtet;  hier  erübrigt  uns  noch, 
die  zu  diesen  tiefstufigen  pluralen  vorliegenden  hochstufigen, 
reduplicationslosen  singulare  aufzuzählen.  Hoffmann,  F.  s.  57 
erkennt  'delmstufige,  geschleift  betonte  praeterita'  an,  wie 
auch  Janko,  IF.  20, 262  'dehnstufige  formen'  ansetzt.  Letzterer 
vergleicht  die  dehnstufigen  s-aoristformen  des  altindischen  und 
griechischen,  die  nach  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  §  703, 
s.  538  bei  den  leichten  basen  im  ind.  sing.  act.  dehnstufe,  im 
plural  Schwundstufe  aufwiesen:  ai.  sing.  aor.  act.  dräut- s- am 
zur  wzl.  rudh-  'hemmen',  dväM-am  =  lat,  vexi,  aksl.  ves^  zur 
wzl.  jiegh-  'fahren';  gr.  eösi^a  =  lat.  dtxl  zur  wzl.  delk-  'Aveisen'. 


')  Vgl.  hauioan,  perf.  hiu  (oberdeutsch)  und  hio  (fränkisch)  s.  Braune, 
Ahd.  gramm.'^  §  354,  anm.  2,  s.  250. 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  493 

Die  scliwnndstufe  liegi  noch  vor  in  gr.  löav  neben  analogisclieni 
(lelinstuligcn  //ö«j'  aus  "^'/jiöav  zur  wz!.  vcidh-  'wissen'. 

1  )ie  in  den  germanisclien  mundarten  vorliegenden  beispiele 
verlangen  nun  nicht  unbedingt  dehnstufe  der  wurzel;  bei  fast 
allen  kommen  wir  mit  der  normalhochstufe  aus.  Ks  liegt  des- 
halb kein  grund  vor.  mit  Janko  a.a.O.  s. 263  neben  dem  vom 
l)raesens  nur  durch  die  reduplication  unterschiedenen  pcrfect 
ein  durch  (T-färbung  (sicl)  ausgezeichnetes  dehn-  und  ein 
schwundstufiges  praeteritum  anzusetzen.  Das  fehlen  der 
reduplication  im  perfect  haben  wir  oben  s.  461  fl".  schon  für  das 
indogerm.  erwiesen,  und  zur  ansetzung  von  grundformen  wie 
*(//c)/<o//a  oder  ""höita  zu  einer  wzl.  hait-  sind  wir  durch  nichts 
berechtigt.    Prüfen  wir  nunmehr  die  einzelnen  beispiele. 

Aisl.  heit  "hiess'  zu  heita  stellt  sich  neben  ahd.  ca-lieis 
(Gh.  3;  s.  Singer.  Beitr.  11,294);  dem  aisl.  leit,  plur.  litom  ver- 
gleicht sich  aschwed.  let,  plur.  litii  und  ahd.  fur-leis  (Fuldaer 
beichte  z.  11  in  MSD^,  73,  241  f.  im  text  A  aus  Göttingen;  die 
texte  B  in  Fulda  und  C  in  Rom  haben  h)  und  ftr-leizssi  (Isidor 
25,  a,  23).^).  Es  geht  wol  nicht  an,  in  ahd.  ei  mit  Braune, 
Ahd.  gramm.2  §  36,  anm.  3  nur  eine  ältere  Schreibung  von  ie 
zu  sehen,  obwol  sich  in  derselben  Fuldaer  beichte,  aus  der 
die  e/-form  stammt  und  in  demselben  text  A  z.  16  auch  gilüezi 
ebenso  wie  in  den  beiden  anderen  texten  findet,  weil  das  aisl. 
lieit  eine  stütze  für  ahd.  -heiz  abgibt.  Germ,  "^haita  nun  mit 
'imperfectischer'  wurzelstufe  hat  sich  ursprünglich  vom  praes. 
*haitö  genügend  unterschieden,  um  als  charakteristische  form 
der  Vergangenheit  empfunden  zu  w^erden;  in  historischer  zeit 
aber,  als  die  endung  a  geschwunden  war,  fiel  es  mit  dem  im- 
perativ des  praesens,  einer  vielgebrauchten  form,  zusammen. 
So  erklärt  es  sich,  dass  ein  ersatz  für  das  perfect  '^hait  ge- 
schaffen werden  musste.    Doch  darüber  später. 

Schwieriger  zu  erklären  ist  das  germ.  perfect  Haita,  neben 
dem  sich  ""Ic-ta  (aisl.  Ut,  ae.  let,  as.  IH,  ahd.  liaz),  Vita  (aisl. 
tit,  aschwed.  lit)  und  Höta  (got.  lailöt,  aschwed.  lot) .  finden. 
Die  tiefstufe  Helitnw  des  plurals  liegt  in  aisl.  litom,  aschwed. 
litu  mit  abfall  der  reduplication  und  in  ae.  leort,  leortom  (s. 
oben  s.  487)  vor.    Das  perfect  Vaita  (aisl.  leit,   aschwed.  ht, 


')  Vgl.  Persson,  Bezz.  Beitr.  19,  280. 

32* 


494  FEIST 

alid.  -Icis)  als  naclibilduiig  eines  ""Itaita  aufzufassen,  wie  Janko 
s.  283  und  passim  es  tut,  halte  ich  für  unannehmbar.  Die  ety- 
mologie  von  germ.  letan  ist  nicht  ganz  feststehend;  einerseits 
vergleicht  man  lit.  Uidiu,  h'idmi  'lasse',  lanUnti  'laufen  lassen', 
ludaidas  'lose',  was  uns  zur  annähme  einer  schweren  ein- 
silbigen Wurzel  Ickl-  berechtigt  (Hirt,  Idg.  abl.  s.3G);  ander- 
seits zieht  man  lat,  lassus  aus  Had-tos  heran,  was  neben  got. 
lats,  air.  lese,  gr.  Xrjöitvxojtiäv,  x£7(i/7]xtvai  (Hesycli)  i),  alb. 
ro&-  'ich  mache  müde',  alb.  geg.  I'q,,  tosk.  l's  (aus  'Hddnö)  'lasse' 
eine  wzl.  led-  und  den  e—ö — a-ablaut  voraussetzt.  Alle 
Schwierigkeiten,  auch  die  verschiedenen  perfecta  des  ger- 
manischen, erklären  sich  am  besten  durch  die  annähme  zweier 
basen  leid  (ablaut  ei,  e-,  ai  =  idg.  di,  t)  und  led-  (ablaut  e— 
ö — e — 9),  die  sich  im  germanischen  kreuzten.  Das  gotische 
kennt  nur  die  basis  led-  {letan  :  lailöt  :  lats);  das  nordisch- 
westgermanische hat  daneben  die  basis  lehl-  bewahrt,  aber 
sie  auf  das  perfect  beschränkt:  germ.  *lait{a)  ist  idg.  *le]i-da 
(oder  *ldida)\  *le-t(a)  ist  aus  iäg.*le{i)d-tJia  entsprungen;  *lU{a) 
und  Hitum  entsprechen  der  reductions-  bez.  Schwundstufe  idg. 
leid,  lul-,l)d-.  Natürlich  wäre  es  vergebliche  mühe,  heute 
noch  ermitteln  zu  wollen,  unter  welchen  bedingungen  jede 
einzelne  form  entstanden  ist;  es  muss  uns  genügen,  die  ver- 
schiedenen typen  lautgesetzlich  zu  rechtfertigen  (vgl.  die  ta- 
belle  bei  Hirt,  Idg.  abl.  s.  33). 

Auch  für  haitan  ist  eine  ähnliche  erklärung  möglich  wie 
für  letan.  Es  gibt  nur  eine  etymologie  von  haitan,  die  einige 
Wahrscheinlichkeit  hat,  nämlich  von  Brugmann,  IF.  G,  89  f.  Er 
verbindet  es  mit  lat.  ac-cio,  ac-ct-re,  ct-tare  und  weiterhin  mit 
gr.  'Air im,  xlrvfiai  'bewege,  bewege  mich'.  HolTmann,  r. 
s.  40  f.  erkennt  nur  den  vergleich  mit  lat.  accio  u.s.w.  an. 
Ich  halte  auch  diesen  für  zu  weit  hergeholt.  Nehmen  wir 
haitan  als  tiefstufe  ^koid-  einer  wzl.  iTiid-  an,  so  könnte  das 
perfect  '''haita  die  fortsetzung  der  reductionsstufe  *kanl-  sein 
(s.  Hirt  a.  a.  0.).  Eine  etymologische  anknüpf ung  lässt  sich  an 
gr,  x/jöco  'betrübe',  xtjdog  (dor.  xädog)  'sorge',  xtxadch'  'be- 
trübt' gewinnen;  die  idg.  basis  laid-,  Jcäd-  hätte  die  bedeutung 
'schelten'  gehabt,  aus  der  sich  einerseits  die  bedeutung  'be- 
trüben', andererseits  'rufen,  heissen'  entwickelte. 

1)  Sütterlin,  IF.  6, 9Ü  f. 


DIE   REDUPLTCIERENDEN   VERBA.  '195 

Ich  will  diese  erklärimg  aber  nur  als  eine  mügliclikeit 
liiustellen,  wie  ich  überhaupt  auf  die  mügliclikeit  hinweisen 
will,  dass  in  den  praesentien  der  sog.  reduplicierenden  Zeit- 
wörter oft  tiefstufige  praesentia  (vgl.  Brugmann.  Kurze  vgl. 
gramm.  §  655  ff.,  s.  509  ff.)  langvocalischer  wurzeln  vorliegen 
]uögen.  an  die  zuweilen  'formantien'  antraten,  wie  sie  z.  b. 
Hruginann  bei  der  oben  angeführten  etymologie  von  haltan 
annimmt.  Dann  wäre  auch  das  perfect  ursprünglich  nicht 
ablautlos  gewesen,  wie  es  jetzt  den  anschein  hat.  Nehmen 
wir  als  beispiel  fcihan  aus  ^fanJian,  dem  nach  Hirt,  Idg.  abl. 
s.  31  eine  idg.  basis  j)«Ä-  zu  gründe  liegt.  Wie  lat.  pango 
ist  auch  germ.  ""fanlia  ein  tiefstufiges  praesens  mit  nasalinfix 
(Brugmann  a.a.O.  §671,  s.  515)  idg.  *pd)ifcö,  mit  secundärer 
wurzelbetunung  (im  gotischen  in  allen  zelten,  in  den  anderen 
germ.  dialekten  noch  mit  sog.  grammatischem  Wechsel  im 
perfect  und  part.  perf.).  Die  scliwundstufe  liegt  auch  vor  in 
got.  fagrs  aus  idg.  jjaArd^  (Brugmann  a.a.O.  s.  141).  Das  per- 
fect aber  hat  im  sing,  die  reductionsstufe  d  nicht  besessen;  das 
idg.  paradigma  des  verbums  hat  also  gelautet:  praesens  "^p.mhü, 
perfect  pepahlm.  Da  reductions-  und  Schwundstufe  im  ger- 
manischen a  zusammenfallen,  so  war  der  unterschied  im 
tempusvocal  verwischt,  wie  das  gotische  zeigt. 

Ausser  -Tieiz  und  -leiz  finden  sich  vereinzelt  im  ahd.  noch 
einige  e?-perfecta,  die  Singer,  Beitr.  11, 294  aufzählt.  Es  sind 
us-sceit  Sb  zu  sJceidan,  hi-heiU  und  int-plicing  im  text  B  der 
Fuldaer  beichte  (MSD^  s.  241  f.),  pi-lieialt  K  zu  haltan  bez. 
fähan;  endlich  untar-feiUe  Eb  zu  fallan  und  reüim  (0  4,28,  9  P) 
zu  rätan.  Von  allen  diesen  fasse  ich  nur  -sceit  als  organische 
form  auf,  dem  Janko  s.  270  ein  erschlossenes  ws.  *scdd  (?), 
palatalisiert  scead  vergleicht.')  Aber  auch  die  übrigen  bei- 
spiele  nur  als  graphische  Varianten  der  regulären  /e- perfecta 
aufzufassen,  geht  nicht  an,  da  sich  auch  im  nordischen  c/-formen 
finden.  Im  aisl.  findet  sich  heilt  (neben  hclf)  für  helt  (Noreen, 
Altisl.  gramm.3  §  494,  anm.  1,  s.  301);  reij)  für  rrp,  greit  neben 
grä  (ibid.  §  495,  anm.  1,  s.  302).  Entsprechende  formen  sind 
aschwed.  Icl-,  rcp  und  gret  (Noreen,  Altschwed.  gramm.  §  511, 
s.  448).    Ja,  es  findet  sich  sogar  aisl.  gcingu  zu  gangn  (Noreen, 

')  Sievers,  Ags.  gramm.^  §  76, 2,  s.  35. 


496  FEIST 

Altisl.  gramm.''  §  98,  s.  81),  das  auch  im  altsäclisisclieii  -gcing 
(Ess.  giüss.)  auftritt. 

Alle  diese  fälle  sprechen  für  die  annähme,  dass  im  nordisch- 
westg-ermanischen  einmal  ein  nicht  zur  entfaltung  gelangter 
ei-typus  sich  auszubilden  begann,  der  dem  siegreichen  c^-typus 
allerdings  frühzeitig  unterlag-  und  nur  einzelne  spuren  seines 
daseins  hinterliess.  Der  ursi)rung  dieses  eZ-tj^pus  ist  natürlich 
in  lautgesetzlichen  perfectformen  wie  '''hau,  Hait,  '"'''sJcaid  u.  älml. 
zu  suchen. 

Als  Vertreter  dieses  ^i-tj'pus  sehe  ich  auch  das  aisl.  per- 
fect  siieip,  plur.  suipom  zu  sueiixi  'fegen,  "wickeln'  an,  das  aber 
hauptsächlich  schwach  flectiert  wird.  Also  auch  hier  ist  die 
ci-iorm  in  den  hintergrund  gedrängt  worden. 

Hochstuf envocalismus  zeigen  auch  folgende  perfecta:  run- 
schwed.  ha{u)h  =  aschwed.  liogg  zu  runschwed.  ha{u)liua  = 
aschwed.  hogg(u)a  'hauen';  aschwed.  valt  zu  valda,  fal  zu  falla 
(vgl.  Noreeu,  Aschw.  gramm.  §  542,  s.  445  und  §  543,2,  s.  447 
und  anm.  7,  s.  448).  Ferner  ae.  gans  zu  sangan  und  die  reihe 
c'ö-perfecta,  die  sich  in  der  liste  s.  456  findet,  i) 

Nicht  unerwähnt  bleibe  eine  ansieht,  die  das  e^'-perfect 
(aisl.  leit,  lieit,  siicip  u.s.w.)  aus  analogieschöpfung-  nach  den 
tief  stufigen  pluralen  litom,  Viitoni,,  suiponi  unter  anlehnung-  an 
die  Z-klasse  {gripa  u.s.w.)  entstehen  lässt;  also  griponi  :  greip 
=  litom  :  leit  (vgl.  Loewe,  Kuhns  Zs.  40,  325  f.).  Diese  auf- 
fassung  lehnen  wir  nach  obigen  ausführungen  natürlich  ab; 
wol  aber  bewirkte  der  tiefstufige  plural  die  entstehung  seltener 
singularformen  mit  pluralvocal,  wie  aschwed.  lup,  auch  lop, 
lopp,  mschwed.  ful,  aschwed.  fkil,  iiUe  (zu  valda),  aschwed.  hiog, 
mschwed.  hug  u.  a.,  die  bei  Noreen,  Altschwed.  gramm.  §  541  ff., 
s.  444  ff.  und  Altisl.  gramm.^  §  493  ff.,  s.  300  ff.  aufgezählt  sind. 

C.   Der  e2-typus  des  perfects. 

Im  vorhergehenden  haben  wir  gesehen,  dass  der  aus  idg. 
zeit  übernommene,  im  gotischen  noch  productive  reduplicatious- 
typus  in  den  nordisch -westgermanischen  mundarten  erstarrt 
ist  und  ausstirbt;  wir  haben  ferner  gesehen,  dass  der  wurzel- 


')  Vgl.  dazu  Hoffmauii,  F.  s.  55  f.,  wo  auch  as.  griot  zu  as.  (jriolan  = 
ae.  ^inotan  gestellt  und  hierher  gezogen  wird. 


DIE   REDUPLICIEUENDEN   VERBA.  497 

yocaltypus  im  perfect  sich  wef>:eii  der  <;-Ieichlieil  des  .stuiinu- 
vocals  im  praesens  und  perfect  und  der  dadurcli  bewirkten 
<>-erino-en  Unterscheidung  dieser  heiden  Zeiten  —  allein  durch 
die  endungen,  und  auch  da  nur  zum  teil,  da  in  nianclien  mund- 
arten  die  endungen  einzelner  personen  des  praesens  und  per- 
fecls  zusammenfielen,  wie  im  nord.  heider  l.plur.  —  ebenfalls 
nicht  zu  erhalten  vermag;  endlich  fanden  wir  im  nordischen 
und  althochdeutschen  ausätze  zur  entwickelung  eines  e/-typus, 
herrührend  von  idg.  ei-  und  ^TZ-basen,  der  aber  nicht  zur  aus- 
bildung  gelaugte. 

Productiv  ist  in  allen  deutschen  mundarten  dagegen  der 
ß2-typus  geworden;  er  ist  auch  —  mit  alleiniger  ausnähme 
des  altenglischen  —  der  ausgebreitetste  in  historischer  zeit. 
Die  älteren  und  auch  neuere  versuchCj  ihn  zu  erklären,  gehen 
aus  von  einem  intervocalischen  consonantenschwund.  Das  ur- 
germ.  perfect  ''lichait  z.  b.  sollte  nach  diesei-  ansieht  über  ■^hchct, 
""hevt  (mit  au^fall  des  intervocalischen  h)  zu  hct  contrahiert 
werden.  Diese  erklärung  stimmt  für  das  altnordische,  avo  in- 
lautendes h  (ausser  zwischen  kurzem  vocal  und  s  und  vocal 
und  /)  schwindet:  aisl.  sid  =  got.  saihvan,  auch  für  das  alt- 
englische: seou  =  got.  saihvan.  Dagegen  bleibt  im  althoch- 
und  -niederdeutschen  inlautendes  h  erhalten:  sehan,  w'enn  es 
auch  zum  schwachen  hauclilaut  geworden  ist.  Da  Avir  schon 
oben  ausgeführt  haben,  dass  eine  erscheinung,  die  gleich- 
massig  in  den  westgerm.-nordischen  mundarten  auftritt,  auch 
eine  einheitliche  erklärung  verlangt,  so  können  wir  mit  dem 
Schwund  des  intervocalischen  h  in  den  nordisch-angelsächsischen 
mundarten  nichts  anfangen.  Zudem  setzten  wir  s.  483  die  ent- 
stehung  des  nordisch-v/estgermanischen  v--  bez. eo-tj'pus  zwischen 
200 — 400  an,  und  zu  dieser  zeit  ist  das  intervocalische  h  auch 
im  altenglischen  noch  erhalten,  wie  die  Epinaler  glossen  aus 
dem  anfang  des  8.  jh.'s  beweisen,  die  es  noch  besitzen:  thohac 
=  WS.  ctö,  ivUlmm  =  v^s.  tvld{ii)m  u.s.av.  (Sievers,  Ags.  gramm.^' 
§  218,  2,  anm.  3).  Ebenso  zeigen  nord.  runeninschriften  aus  der 
älteren  zeit  noch  das  intervocalische  h,  so  der  stein  von  Einang ' 
aus  dem  4.  jh.,  dessen  inschrift  lautet:  Bajan  pan  runo  faihuto 
=  aisl.  Dagr  Jjcer  rünar  (für  lautgesetzliches  ■^•nhia)  fäj)a 
(lautgesetzlich  ^ce/*«  zu  fd  'malen'  =  urgerm.  'fai/ijan  zu 
got.  faihs  'bunt').    Wenn  wir  also  an  einer  einheitlichen  er- 


498  FEIST 

klänuig  des  nordisch -westgermanisclien  (---typus  festhalten, 
können  wir  an.  ae.  het  auch  nicht  mittels  Schwund  des  inter- 
vocalischen  h  aus  Vielict  ableiten. 

Ebensowenig'  können  wir  das  von  Loewe  a.a.O.  s.  319  ge- 
gebene gesetz  annehmen:  'folgt  auf  eine  aus  consonant  +  c 
bestehende  haupttonige  anfangssilbe  derselbe  consonant  + 
vocal,  so  schwindet  der  consonant  an  zweiter  stelle',  also 
z.  b.  Man,  perfect  Hclet,  Heet,  let.  Wir  haben  bereits  s.  4G2 
gezeigt,  dass  dieses  angebliche  gesetz  für  das  germanische 
nicht  haltbar  ist,  v>'as  auch  Loewe  indirect  durch  die  Zu- 
lassung zahlreicher  ausnahmen  zugeben  muss  (aisl.  scra  aus 
*sesö,  rera,  ae.  dide  u.s.w.);  es  ist  natürlich  für  das  germanische 
gänzlich  irrelevant,  dass  ein  solches  dissimilationsgesetz  für  das 
keltische  aufgestellt  worden  ist. 

Ottmann,  Die  redupl.  praeterita  in  den  germ.  sprachen, 
1890,  steht  auf  dem  gleichen  ablehnenden  Standpunkt  gegen- 
über der  ausstossung  innerer  consonanten;  aber  um  die  ent- 
stehuug  des  c^.typus  zu  erklären,  greift  er  zu  einem  in  der 
germ.  lautlehre  ganz  vereinzelt  dastehenden  fall,  dem  neben- 
einander von  got.  mizdo,  ae.  mcord  und  ae.  med,  as.  rncda, 
miedet,  ahd.  miata,  mieten  'miete,  lohn'.  Germ,  mizdö  geht  auf 
idg.  ""'mizdliä  zurück:  ai.  mldJid,  abulg.  mkda,  gr.  fiioD-üg;  wie 
das  germ.  '^nicdö  zu  erklären  ist,  untersucht  Ottmann  weiter 
nicht.  Er  nimmt  einfach  in  allen  perfecten,  die  r  vor  stamm- 
auslautendem consonant  aufweisen,  ausfall  des  r  und  ersatz- 
dehnung  an:  ae.  *rerd  >  'hrd,  "^leri  >  Het]  auch  iu  Osthoffs 
reduplicationstypen  slces-,  spes-,  stes-,  also:  '''sJcerld  (zu  sJcaldan) 
>  '^slxeld,  -"sperlt  (zu  speiltein)  >  *speU  u.s.w.  Es  liegt  auf 
der  band,  dass  diese  erklärung  noch  unhaltbarer  ist  wie  die 
oben  abgelehnte  durch  den  ausfall  innerer  consonanz,  da  sie 
sich  nur  auf  ein  vereinzeltes  beispiel  stützt,  das  zudem  in  keiner 
beziehung  zu  den  in  frage  kommenden  verben  steht. 

Einen  weiteren  erklärungsversuch  macht  Zarncke,  Beitr. 
15,352.  Er  leitet  den  c^.typus  ab  von  einem  lautgesetzlich 
entstandenen  '^ek  zu  aiJcan  (^^eaiJc,  -"ceJc,  '"eh),  '^clp  zu  ^cdjxiii 
(*ealj)  <  ■^clj))  und  *]iet  zu  haüan.  Das  letzte  beispiel  haben 
wir  oben  abgelehnt;  got.  tis-al^ems  hat  kein  belegtes  perfect 
(es  hätte  aber  vermutlich  *«/«//>  gelautet)  und  im  aisl.  kommt 
auch  nur  das  part.  perf.  eddcnn  vor.    *ÄlJjan  war  demnach  im 


DIE    REDUrLTCIEKENDEN    VEUHA.  109 

germanisclien  avoI  ein  imvollständig-es  zeilwort,  das  wir  iiiclit 
in  einem  erschlossenen  perfect  ''elji  als  mnster  für  neubildiingen 
gebrauchen  dürfen.  Es  bleibt  also  nur  got.  -aiail-  als  sicheres 
beispiel,  von  dem  aber  nur  feststellt,  dass  es  auch  im  alt- 
liochd.  vorkam  (ahd.  cihJiau);  das  aisl.  eihcnn  'rasend'  gehiat 
der  bedeutung  wegen  kaum  dazu.')  T^ebrigens  luätte  Zariicke 
noch  germ.  *mr  zu  arjan  (ahd.  iar)  hinzufügen  können. 

Holz,  Urgerm.  geschl.  c  s.  3G  will  den  c^-t^^pus  aus  diesem 
westgerm.  *<r  und  *c//)  ableiten,  indem  er  die  gleichungen 
aufstellt:  *ärö  (hochstufiges  praesens  zur  wzl.  ar-)  :  ^cra  = 
Hätü  :  Heta  und  ■'allw  :  "^clpa  ^=  "^haldö  :  */((7t?rt  (diese  grund- 
form  ist  nicht  über  allen  zweifei,  vielleicht  ist  schon  urgerm. 
*/;(7(?(.-  anzusetzen,  s.  weiter  unten).  Seine  aufstelluugen  haben 
anklang  gefunden  bei  Bethge  in  Dieters  Laut-  und  formenlehre 
s.  361;  s.  dagegen  Loewe  a.a.o.  s.  317. 

In  ein  neues  Stadium  tritt  die  erklärung  des  t^^.fyp^ii;;  ^lit 
Brugmanns  aufsatz  IF.  6,  89  ff.  Dieser  forscher  und  gleich- 
zeitig mit  ihm  AVood,  Germanic  Studies  2,  27  ff.  trennen  die 
nord.-westgerm.  c- -perfecta  (und  co-perfecta)  ihrem  Ursprünge 
nach  ganz  von  den  reduplicierten  formen  got.  haiJtait  und  aiaiih 
und  sehen  darin  urgerm.  reduplicationslose  perfecta  "^hcifa  und 
*sfcNta  (nord.-westgerm.  '''hct  und  ^steot),  die  sich  zum  praesens 
hüta  und  sfauia  verhalten  sollen  wie  got.  teJcan  zu  aisl.  tal-a. 
Natürlich  kann  alsdann  das  c^-perfect  der  ci- stamme  nur 
durch  Übertragung  von  den  «/-wurzeln  herrühren  (a.a.O. 
s.  94  f.).  2) 

Gegen  die  theorie  Brugmanns  und  Woods  wante  sich 
Hoff  mann,  /'.  s.  33  ff.  Zunächst  zeigt  er,  dass  der  lang- 
diphthong  ca  nur  unsichere  und  spärliche  belege  aufzuweisen 
hat  (ahd.  (jiumo  aus  "^yheumö  neben  ahd.  goumo  und  guomo  = 
aisl.  gömr  oder  ahd.  stiuri  aus  ■■sfenn-?).  Dagegen  ist  i'i  gut 
beglaubigt  (vgl.  Jellineck,  Beitr.  15,  297  ff.  und  Sievers,  ibid. 
18, 409  ff.).    Aber  die  entwickelung  dieses  cj  in  den  einzel- 


')  Vgl.  zur  etyinologie  von  aikan:  Osthoff,  Beitr.  13,  395  f.  und  14, 319 f.; 
Kugel,  ibid.  16,512;  Uhleiibeck,  ibid.  30, 253;  Hoffuiaun  T.  s.  39. 

2)  Die  doppelte  eut\Yickhuig  des  ci  zu  kUaii  im  praesens  und  Ic-t  im 
perfect  erklärt  Brugmaiiu  aus  einer  verschiedeuheit  der  8ill)eiigreiize:  idg. 
*leido  wird  ""Isdo  {ci  steht  in  ulfener  silbe);  ^Irhltha  (2.  sing,  perf.)  behiilt 
das  ei  in  geschlossener  silbe  (Thundrlss  1'-.  203). 


500  FEIST 

sprachen  ist  nicht  die  von  Brugmann  angenommene;  das  gegen- 
teil  ist  der  fall:  in  geschlossener  silbe  fällt  der  zweite  com- 
ponent  aus  (ai.  ras,  räm  =  lat.  res,  "^rem  >  rem,  stamm  ra, 
vgl.  ai.  plur.  räy-as),  dagegen  gr.  (ptQrji  mit  auslautendem  lang- 
diphthong.  Wenn  wir  das  nebeneinander  von  germ.  leH-  und 
leH-  erklären  wollten,  so  könne  das  nur  durch  eine  verschie- 
dene idg-.  betonungsweise  geschehen;  leH-  sei  gestossen,  leH- 
geschleift  betont  gewesen.  Um  nun  die  ei-  (bez.  m-)  diphthonge 
auch  bei  den  ai-  (und  au-)  stammen  nachweisen  zu  können, 
versucht  Hoffmanu  alle  ai-  (und  au-)  verben  in  die  e/o- reihe 
zu  bringen,  wogegen  wir  uns  schon  oben  s.  478  f.  erklärt  haben. 
Die  perfectformen  Heiice  (zu  lailcan)  und  *steute  (zu  stautan) 
sollten  mit  verlust  des  auslautenden  vocals  zu  geschleift  be- 
tonten üik  und  Stent  w^erden,  aus  denen  westgerm.-nord.  ''"leVc 
und  *steut  erwuchsen.  Die  verba  mit  dem  praesensvocal  a 
werden  ebenfalls  für  die  c/o-reihe  reclamiert  (s.  oben  s.  475  f.), 
und  das  e— perfect  hier  durch  dehnstufiges,  unter  dem  schleif  ton 
als  e  erhalten  gebliebenes  idg.  e  (praesens  gangan,  perfect 
*'geiig)  erklärt. 

Auf  einem  ganz  entgegengesetzten  Standpunkt  steht  Loewe, 
Kuhns  Zs.  40, 266  ff.  Er  kehrt  zu  der  alten  contractionstheorie 
zurück,  sucht  aber  den  ausfall  des  stammanlautenden  conso- 
nanten  durch  sog.  'haplologie'  zu  erkläran.  AVir  haben  den 
versuch  bereits  s.  459  ff.  als  verfehlt  bezeichnet. 

Als  letzter  in  der  reihe  ist  Janko  zu  erwähnen,  der  in  den 
IF.  20, 229  ff.  das  wort  ergreift.  Nachdem  er  zuerst  über  das 
germ.  e'^  gehandelt  hat  (s.  darüber  w^eiter  unten),  wendet  er 
sich  s.  252  ff.  zu  den  sog.  reduplicierenden  Zeitwörtern  des 
germanischen.  Er  setzt  neben  den  reduplicierten  perfecten 
{goi.  hailiald,  aisl.  5em,  Sie.  hellt  u.s.w.)  reduplicatiouslose  hoch- 
stufige aoristformen  an:  '^heita,  *limta  und  ViU'iqxi,  Hüöupa, 
aus  denen  sich  der  e-  j^ez.  eo-typus  entwickelt  habe.  Bei 
den  verben  mit  dem  stamm vocal  c'  (got.  letan)  lässt  er  das  c- 
des  perfects  in  nebentoniger  stelle  {;H6lct)  erhalten  geblieben 
und  von  da  in  die  tonstelle  eingerückt  sein.  Bei  den  verben 
der  a-klasse  (lialdan)  wird  widerum  ein  dehnstufiges  perfect 
*helda  angesetzt,  das  zu  '^'licld  verkürzt  wurde;  vor  nasal  + 
consonant  gieng  dies  e  in  i  über  (*/?»6  zu  fausan);  daneben 
wird  ein  "^liolda  angesetzt,  das  sich  zu  Vialda  verkürzte.    Das 


DIE   REDUrLICIERENDEN   VERBA.  501 

perfect-cc)  der  verben  mit  o  als  stammvocal  will  -lanko  eben- 
falls lautg-esetzlich  erklären  (s.  290);  es  ist  ihm  dies  nur  auf 
sehr  g-ezwung-ene  weise  möglich  (urgerm.  *hivchivop,  *hive/iicÖp, 
*hw(j{h)n-tq),  "^hwcup  mit  schwinden  des  intervocalisclicn  ic  wie 
in  "^neivim  =  got.  niun). 

Jankos  theorie  beruht  auf  den  von  ihm  bedingungslos 
anerkannten  (s.  262)  darlegnngen  Hoffmanns,  wonach  die  verba 
mit  a,  ai,  au  im  praesens  für  die  e/o-reihe  reclamiert  werden. 
Da  wir  oben  die  haltlosigkeit  dieser  behanptung  bewiesen 
haben,  so  fallen  auch  Jankos  erklärungs versuche  des  c--  und 
(?ü-typus  in  sich  zusammen. 

Die  frag-e  nach  der  entstehung  des  c'-typus  hängt  eng 
zusammen  mit  der  frage  nach  der  herknnft  des  germ.  c-  über- 
haupt, wie  schon  Holthausen  in  Kuhns  Zs.  27, 618  f.  richtig 
erkannt  hat.  Die  meisten  forscher  sind  jetzt  einig  darin, 
dass  c-  aus  dem  idg.  langdiphthongen  0  abzuleiten  ist  und 
geschlossen  ausgesprochen  wurde  (Jellineck,  Beitr.  15,  208  ff.; 
Sievers,  ibid.  16,  238  ff.  und  18,  403;  Brugmann,  IV.  6,  89  f.; 
Franck,  Zs.  fda.  40,  51  ff.  u.a.m.).  Zuletzt  hat  über  e-  aus- 
führlich gehandelt  Janko,  IF.  20,  229  ff.,  wo  auch  die  ein- 
schlägige literatur  in  grosser  Vollständigkeit  verzeichnet  ist. 

Germ,  c-  liegt  vor  in  got.  aisl.  ae.  ahd.  her  iiier';  got. 
alid.  fera  'seite';  got.  mcs,  ahd.  niias  'tisch";  got.  KrcJcs  'Grieche', 
ahd.  Chrcchi]  ahd.  nicfa,  as.  7)icda,  ae.  med  'miete';  ahd.  ^eri 
'schön';  ahd.  Jceii,  ae.  cen  'kien';  ahd.  sMri  'schnell';  ahd.  Wclaiif, 
ae.  Wcland  '\Vieland'  u.a.,  auch  in  vielen  meist  aus  dem  la- 
teinischen stammenden  fremdwörtern  (s.  Streitberg,  Ui'germ. 
gramm.  §  79;  Braune,  Got.gramm.s  §  8,  s.6;  Braune,  Ahd.  gramm.- 
§  36,  s.  24;  Sievers,  Ags.  gramm.s  §  58,  s.  28). 

Dass  germ.  e-  in  engem  Zusammenhang  mit  einem  ci -  di- 
phihong  steht,  ergibt  sich  schon  aus  den  germ.  mundarten. 
So  hat  ahd.  mcta  eine  nebenform  meida,  afr.  mcde  steht  neben 
niide,  meide-,  ahd.  stiaga  wechselt  mit  sü(ja\  got.  iveis,  ahd. 
wir  entspricht  aisl.  vcr\  ahd.  seari  gehört  zu  aisl.  Ürr,  ae.  as. 
tir  'rühm';  neben  ahd.  tviara  'goldschmuck'  steht  aisl.  virr, 
ae.  vir  dass.;  mlid.  iciegc  gehört  zu  ivcigoi  'schwanken';  got. 
her  steht  im  ablautsverhältnis  zu  hi-mma,  hi-na,  hi-fa,  hi-dro 
und  neben  ahd.  her  steht  hir  (bei  TatianOl.  2,  vgl.  Sievers, 
Beitr.  16,  246)  und  hir;  ahd,  skeri  'scharfsinnig,  helle'  gehört 


502  FEIST 

zu  got.  sJceirs,  an.  sJcirr,  ae.  as.  slir  'klar,  hell';  ae.  cc'n,  ahd. 
Jcin  stellt  sicli  zu  ae.  einem  'sich  spalten'  u.a.m. 

Aber  auch  die  etymologien  der  germ.  Wörter  mit  c  -  weisen 
auf  idg.  f/-diplithong.  Nehmen  wir  die  sicheren  Beispiele  zu- 
erst: ahd.  sJicii,  got.  sl-cirs,  an.  sMrr,  ae.  as.  sJdr  neben  got. 
slceinan,  aisl.  sMna,  ae.  as.  slclnan  gehören  zu  einer  idg.  wzl. 
{s)kha-,  die  in  ai.  cliäi/ä  'glänz',  gr.  oxid  'schatten'  vorliegt. 
Ahd.  zeri,  siuri  neben  an.  tirr,  ae,  as.  tir  ist  eine  r-erweiterung 
einer  idg.  basis  da-,  die  sich  in  av.  dui&ra  'äuge',  daema  'ge- 
siebt', ai.  siiditis  'schönen  glänz  habend'  widerfindet;  der 
demonstrativstamm  germ.  hi-  (her,  Im-,  hi-üi)  steckt  in  lat.  eis, 
ei-tra,  gr.  ov-xi,  alb.  si-viet  'heuer',  lit.  szis,  abulg.  Sh  'dieser'; 
die  idg.  basis  ist  also  l-cl-. ')  Andere  etymologien  sind  unsicher. 
So  Avenn  Uhlenbeck,  Beitr.  30,  275  got.  fera,  ahd.  fiara  aus  idg. 
{s)phei-rä  zur  basis  (s)phci-  'sich  ausdehnen'  stellt:  lat.  sjjes, 
abulg.  S2)eti  'erfolg  haben',  lit.  s^ieju,  speti  'müsse  haben',  ai. 
sphirds  'reichlich,  gross'  (vgl.  auch  Hirt,  Idg.  abl.  s.  30). 

Schwierigkeiten  macht  die  erklärung  von  germ.  ^incdo 
(ahd.  meta,  as.  meda,  ae.  med\  *nieidö  (ahd.  meida,  afr.  meide) 
und  *;;«>t?ö  (got.  mizdo,  ae.  meord).  Nur  der  stamm  *mizdo- 
findet  sich  in  anderen  idg.  sprachen:  abulg.  mhzda,  gr.  fuo&6g, 
ai.  midlidm  (aus  *niizdhdm,  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  §  278, 
s.  196),  av.  mizda.  Eine  Vermittlung  ist  nur  denkbar,  wenn 
wir  neben  der  idg.  basis  *mizdlio-  eine  zweite  basis  "^meidho- 
ansetzen;  diese  beiden  basen  fasse  ich  als  erweiterungen  mit 
dem  gleichen  Avurzeldeterminativ  dli  von  zwei  idg.  wurzeln,  die 
'messen'  bedeuten,  auf:  mizdho-  zur  wzl.  med-  (gr.  ^töoj,  lat. 
meditari,  air.  midim,  got.  miian)-)  und  meklJio-  zur  wzl.  mei- 
(in  ai.  rndfrCi,  lat.  metior,  abulg.  mcra,  ahd.  mdz,  s.  Hirt,  Idg. 
abl.  s.  30).  Diese  beiden  wurzeln  med-  und  mei-  haben  sich  schon 
im  idg.  gekreuzt,  und  so  wurde  die  tiefstufe  ini-  (ai.  mitds)  der 
letzteren  auf  jene  und  umgekehrt  die  wurzelstufe  med-  der 
ersteren  auf  diese  übertragen  (gr.  i/bTQoi').  Aus  idg.  "^niezdho- 
entstand  durch  diese  beeinflussung  "^mizdho-,  das  wie  %ie{i)dJw- 
die  bedeutung  'die  zumessung'  gehabt  hat.    Die  seltenere  form 


')  Ahd.  stiecja  neben  stitja  gehört  zu  germ.  stajan,  idg.  wzl.  steifjh, 
gr.  oTfi'/u)  etc.,  bei  der  die  ?i-stufe  nicht  belegt  ist. 

'■')  Ueber  den  idg.  lautwaudel  *mcd-(lho-  über  *medHlho-  zu  *mezd/io- 
Tgl.  Brugmann,  Kurze  vgl.  gramm.  §  261, 4,  s.  179. 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  503 

alid.  afries.  meida,  meide  g-eht  auf  idg-.  '■nnidlo  zurück  oder 
ist  wahrsclieinlicher  ursprünglich  ein  endbetonter  casus  des 
hochstufigen  nic{f)dhö. 

:\Iit  dem  im  vorstellenden  untersuchten  germ.  e-  (ahd.  c(i, 
ia,  ie)  aus  idg.  ei,  &  ist  das  c"^  des  sog.  c-typus  der  redupli- 
cierenden  zeit^Yürter  identisch  und  macht  die  gleidie  weitere 
ent Wickelung  mit  jenem  durch.  Ehe  w'w  aber  zu  dessen  be- 
trachtung  übergehen  können,  müssen  wir  nocli  einen  blick 
werfen  auf  das  auch  im  gotischen  im  perfect  auftretende  <•, 
wofür  allerdings  nur  ein  ])eleg  vorhanden  ist:  slcpan  :  saislrp 
{saizUp),  da  die  übrigen  verba  mit  c  im  praesens  den  ablaut- 
"S'ocal  ö  im  perfect  haben  (letan  :  laiJöt,  (jrclan  :  gaiyröl,  -rcdun 
:  -rairöj),  iclcan  :  taitüli).  Nach  dem  Verhältnis  von  ae.  sJd^pan 
:  sli'p,  ahd.  slufan  :  sliaf  wurde  nun  auch  für  das  gotische 
ein  unterschied  zwischen  den  beiden  e  des  praesens  und  des 
perfects  statuiert,  indem  mau  got.  saislcp  und  ae.  sUp,  ahd. 
sliaf  einfach  gleichsetzte.  Dem  gegenüber  ist  zunächst  zu 
betonen,  dass  sich  aus  den  gotischen  handschriften  kein  unter- 
schied zwischen  den  beiden  e  herausfinden  lässt,  da  sie  beide 
gleiclimässig  mit  ei  wechseln,  wie  das  got.  e  überhaupt,  was 
auf  eine  geschlossene  ausspräche  bei  beiden  hinweist  (perfect 
anasaisleip  Luc.  8,  23,  allerdings  mit  nachträglich  wegradiertem 
i,  was  aber  auch  z.  b.  in  manuseidai  Luc.  9, 13  geschah),  h^ine 
gleichsetzung  des  got.  perfects  suislep  und  des  westgerni,  shp 
ist  aber  weder  nötig  noch  überhaupt  wahrscheinlich.  Der 
nordisch-westgerm.  (;2.t,ypus  hat  weder  mit  der  reduplication, 
noch  mit  dem  praesentischen  e'  irgend  welchen  Zusammen- 
hang. Er  ist  erwachsen  auf  dem  boden  der  idg.  eV-basen, 
die  sicher  mehr  germanischen  verben  zu  gründe  liegen,  als 
wir  jetzt  noch  nachweisen  können.  Wir  haben  schon  oben 
eine  idg.  wzl.  lud-  behandelt  und  daneben  eine  idg.  wzl.  Uid- 
wahrscheinlich  zu  machen  gesucht  (s.  s.  494).  Die  hochslufe  im 
Singular  des  perfects  musste  germ.  UH  ergeben,  die  tiefstufe 
im  plural  luit-  oder  llt-  (aus  idg.  hid-  bez.  leid-)  lauten  (vgl. 
Hirt,  Idg.  abl.  s.  33).  Schon  in  idg.  zeit  standen  heben  den 
Q-wurzeln  vielfach  c^- wurzeln,  die  entweder  selbständigen  Ur- 
sprungs gewesen  oder  aus  jenen  durch  auslall  des  /  unter 
gewissen  noch  näher  zu  erforschenden  bedingungen  (vgl.  Hrug- 
mann,  Grundr.  1-,  20G;  Streitberg,  Urgerm.  gramm.,  nachtrage 


504  FEIST 

s.  371  f.;  Hoffmann,  F.  s.  35;  Bezzenberger,  ibid.  s.  163  und  s.  169, 
anni.  2)  sich  secimdär  entwickelten  und  in  den  einzelspraclien 
zu  selbständigem  dasein  gelangten.  So  hängt  got.  redan,  ai- 
rudhyatc,  abulg.  raditi  wol  mit  ai.  ras,  lat.  res  (basis  ra-  im 
äi.  plural  rdyas)  zusammen;  bei  dieser  etjmiologie  würde  auch 
das  ahd.  reitim  bei  Otfrid  eine  gute  erklärung  finden.  Die 
A'erba  got.  saian  und  tvaian  gehen  mit  ziemlicher  Sicherheit 
auf  ^/-wurzeln  zurück  (s.  Hirt,  Idg.  abl.,  no.  52,  anm.,  s.  30  und 
no.  383,  s.  101  f.),  wenn  wir  formen  wie  abulg.  svja,  lit.  seju 
und  2kh\\\g.vcja,\\i.vejas,  ai.  väyüs  'wind'  heranziehen');  daher 
ist  auch  hier  ein  e^.perfect  et,ymologisch  berechtigt,  das  die 
ndd.  perfecta  as.  odar-se-u  (Hei.  2545  C),  mnl.  sie-u  und  tvie-ii 
in  der  tat  aufweisen.  2)  Bei  ihnen  wurde  aus  dem  praesens  (van 
Helfen,  Beitr.  20,  524)  die  endung  der  ersten  person  -u  (as.  säjii) 
angefügt;  oder  vielleiclit  ist  ein  einmal  vorhandener  verbal- 
stamm mit  dem  wurzeldeterminativ  iv  (ae.  sdivan,  ivdivanY) 
anzunehmen.  Nicht  unmijglich  ist  auch,  dass  -u  aus  dem  per- 
fect  as.  gi-Jieu,  mndl.  hieu  herstammt,  w^o  es  wairzelhaft  ist  (ahd. 
as.  hauivan,  ae.  lieawan,  vgl.  abulg.  Icovci.,  lit.  Muju  'schmiede, 
schlage').  Ueberhaupt  war  im  niederdeutschen  die  perfect- 
endung  -{i)eu  productiv,  vgl.  grieu  zu  groeien  und  crieu  zu 
craien  (Kögel,  Beitr.  16,  501  f.  und  Franck,  Mndl.  gramm.  s.  154). 
Es  ist  nicht  zu  beanstanden,  dass  wir  bei  den  verben 
redan,  saian,  waian  u.  a.  mit  sog.  wurzeldeterminativen  ope- 
rieren. Ein  solches  liegt  z.  b.  sicher  vor  in  got.  Ucsan,  aisl. 
Udsa,  ahd.  hJäsan  neben  ahd.  hJäen^)\  ae.  hldivan  hat  an  stelle 
des  5  ein  iv  als  Wurzelerweiterung.  Als  idg.  wurzel  ist  daher 
'■'^bhlc-  anzusetzen,  die  mit  ^hhlä-  in  lat.  fläre  in  einem  noch 
unaufgeklärten  Zusammenhang  stehen  muss.  Vielleicht  ist 
eine  gemeinsame  w^zl.  hhel-  anzunehmen,  die  dem  ahd.  as.  ae. 
helgan  'aufschwellen'  ebenfalls  zu  gründe  liegt.  Wir  können 
bis  jetzt  noch  wenig  sicheres  über  die  Wurzelerweiterungen 
sagen ;  man  vgl.  z.  b.  Brugmanns  ansieht  in  Kurze  vgl.  gramm. 
§367,  s.  296f.    Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  an  die  wzl. 

^)  Vgl.  auch  ahd.  as.  säjan,  ahd.  tvujan,  afries.  tmja. 
2)  Kein  erhalten  im  afries.  perf.  opt.  xve  zu  *wia,  s.  Siebs,  Pauls  Gruud- 
riss  12,1321. 

^)  Vgl.  lat.  perf.  se-v-i. 

")  Aostfries.  *hlia  —  perfect  hie,  Siebs  in  Pauls  Grundriss  1^,  1321. 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERHA.  505 

Ihel-  neben  e  nnd  ä  auch  ein  determinativ  n  antrat,  so  dass 
wir  auch  hle(s)an  zu  den  (j/-basen  rechnen  könnten. 

Denn  das  nebeneinanderbestehen  von  c-  und  (■/-basen 
ist  ausser  bei  den  sog-,  redupliciercnden  Zeitwörtern  auch  nocli 
sonst  im  germanischen  nachweisbar.  So  finden  Avir  nelx'U 
g-ewr.hnlicheni  ahd.  fcili  'feil'  ancli  fäli  (im  Voc.  St.  (-ialli)  und 
in  aisl.  fair  haben  wir  die  tiefstufe  der  anzusetzen(hin  idg-. 
wzl.  2nil-,  pcl-,  zu  der  gr.  jicoUofjai  "verkaufen'  im  abh\uts- 
verhältnis  steht  (vgl.  Hirt,  Idgl.  abl.  s.  36). 

Die  Verbreitung  der  ei-  und  r7/-basen  war  im  indogerma- 
nischen wol  noch  grösser,  als  wir  jetzt  nachweisen  können; 
vgl.  die  liste  bei  Hirt.  Idg.  abl.  s.  34  ff.,  die  sich  noch  im  laufe 
der  zeit  wird  vervollständigen  lassen.  Eben  deshalb  wird  es 
auch  nicht  möglich  sein,  die  ausdehnung  dieser  basen  unter 
den  sog.  reduplicierenden  verben  des  germanischen  ganz  zu 
überschauen;  es  muss  daher  der  nachweis  genügen,  dass  wir 
l)ei  einer  anzahl  verben  wäe  letan,  redan,  saian,  waian  die 
Zugehörigkeit  zu  alten  c«- basen  annehmen  müssen  und  bei 
anderen  sie  Avenigstens  vermuten  dürfen. 

Neben  dem  e--typus  war  in  allen  mundarten  auch  ein 
?-typus  vertreten: 

Aisl.  hleit  zu  hlanda,  feil  zu  falla,  feit  zu  falda,  hell 
(selten  hell)  zu  halda.  Vor  nasal  +  consonant  wurde  dieses 
r  schon  urgermanisch  zu  i,  daher  aisl.  feJcJc  (aus  */?wÄ-,  vgl. 
Xoreen,  Aisl.  gramm.^  §  257,  8,  s.  109),  plural  fmgom  zu  fd, 
gell;  plur.  ginyom  zu  ganga  und  kelcl,  pl.  Jiengom  (c  nach  dem 
sing.)  zu  hanga.  Im  altenglischen  finden  wir  Uend  zu  hlandan, 
fcns  zu  fön,  henj  zu  hon^);  im  altfriesischen  treffen  wir  aofi\ 
heng,  fnig,  geng,  ferner  hen(ii),  plur.  hennon,  ^fell  im  opt.  fori- 
felle-  i\\\h\  g{h)eng{h)-,  -feng,.  aber  daneben  gili)mg{h),  (oiit)- 
fingh  (vgl.  Siebs,  Pauls  Grundriss  V^,  s.  1218  f.). 

Das  altsächsische  besitzt  fel{l),  feng,  geng,  held,  spenn, 
gkveld,  tvelQ),  aber  keine  «-formen^);  das  althochdeutsche  weist 
kenc,  Tcengun  {gengun),  —  fenc,  fengun  —  henc  in  der  l'ragmenta 

*)  Ae.  feoU,  .seong,  heold,  steohl  (auch  weok,  weolä,  weoU?)  setzen 
ebenfalls  kurzformen  mit  c  voraus,  das  aber  zu  co  gebrochen  ist,  vgl.  Jauko 
a.  a.  0.  s.  300  f. 

2)  Die  ('-formen  überwiegen  bedeutend  die  /e- formen  (180  gegen  24, 
wovon  20  im  anfaug). 


506  FEIST 

Theodisca  und  dem  Isidor  auf;  andere  beispiele  wie  j^i-fcl  Ra. 
oder  helt  Gl.  R.  lassen  niclit  ersehen,  ob  c  oder  e  vorliegt. 

Das  mittelniederländisclie  zeigt  vcl,  plur.  vellen,  helt,  plur. 
Iielden;  indes  nur  i- formen  bei  vinc,  vinghen,  hinc,  hmglien, 
gliinc,  ghinghcn  (Franck.  Mittelniederl,  gramm.  §  153). 

Seit  Sievers,  Beitr.  1,504  ff.  die  ansieht  äusserte,  dass  die 
(^-formen  bei  den  wurzeln  auf  doppelten  consonant  die  ursprüng- 
licheren sind,  hat  sich  die  forschung  stets  auf  diesen  boden 
gestellt,  aber  die  g-formen  aus  ^-perfecten  entstehen  lassen;  so 
Franck,  Zs.  fda.  40,  30  f.  und  Mittelniederl.  gramm.  a.a.O.;  Loewe, 
Kuhns  Zs.  40,  327.  Janko  a.  a.  o.  s.  298  sieht  die  t -kurzformen 
als  ältere  selbständige  bildungen  an,  worin  wir  ihm  aber  nicht 
folgen  können,  da  wir  seine  und  Hoffmanns  annähme,  den 
Stämmen  mit  a  +  doppelconsonanz  lägen  durchgehends  e- wurzeln 
zu  gründe,  als  unbewiesen  abgelehnt  haben. 

Wir  nehmen  vielmehr  folgenden  entwickelungsgang  an: 
Als  infolge  des  Schwindens  bez.  nichtVorhandenseins  der  redu- 
plication  im  perfect  sich  im  nordisch-westgermanischen  ungefähr 
um  300  n.  Chr.  geburt  (s.  oben  s.  483)  das  bedürfnis  nach  einer 
schärferen  Charakterisierung  der  zeit  der  Vergangenheit  be- 
merkbar machte,  da  wählte  man  das  in  mehreren  beispielen 
vorliegende  e^,  das  schon  frühzeitig  von  den  t/- wurzeln  auf 
die  «/-wurzeln  übergegriffen  hatte:  *leH,  *rcd,  ^wc"^,  *sc-,  '*heH 
und  vielleicht  noch  andere.  Vor  doppelconsonanz  wurde  e- 
entweder  verkürzt:  *]ic-ld  wurde  also  zu  held  und  vergleicht 

sich  der  kürzung  von  germ.  *umida  aus  idg.  *vcntö vgl.  ai. 

vätas  —  oder  germ.  *fersno  aus  idg.  *persnä,  vgl.  ai.  pärsim 
(ßrugmann,  Vgl.  kurze  gramm.  s.  218)  u.  a.  m.;  oder  eine  andere 
möglichkeit  ist,  dass  in  -''held  von  vornherein  kurzer  vocal  vor- 
handen ist,  der  nach  der  gleichung  '''ladü  :  *le''-da  =  *haldö 
:  Viclda  eingetreten  war.  Später  tritt  in  den  meisten  mund- 
arten  wider  langer  vocal  ein,  so  im  altfriesischen:  aofries, 
held,  iveld;  im  altsächsischen:  hield  (für  *held),  gieng  u.s.  w.; 
im  althochdeutschen:  fiang,  gianc,  Mang,  und  zwar  nach  dem 
muster  der  langsilbigen  verba.  Das  mittelniederländische  hat 
nur  selten  ie  angenommen,  meist  nur  in  den  grenzdialekten 
(Franck,  Mndl.  gramm.  §  153);  das  altnordische  überhaupt 
nicht,  und  das  altenglische  hat,  wie  schon  gesagt,   von  vorn- 


DIE   REDUPLICIERENDEN    VERRA.  507 

herein   hier  meist   co -perfecta'),   wovon  nocli  später   die  rede 
sein  wird. 

Ueberblicken  wir  nunnielir  die  ausbreit ung-  des  c-tj^pus 
in  den  einzebien  mundarten.  Im  altnordischen  liat  er  nicht 
wesentlich  über  seine  anfänglichen  grenzen  hinausgegriffen: 
aisl.  het  zu  he'da,  Ict  zu  lata,  rcp  zu  rdlia,  lies  zu  hldsa,  gret 
zu  grata  und  h'Jc  zu  IciJca;  aschwed.  hm  zu  heta,  gra-t  zu  grata, 
liBt  zu  lata,  ra'J)  zu  räjta  und  hvJc  zu  tcJia.'-) 

Die  dem  nicht  zur  entfaltung  gelangten  tv-typus  (s.  üben 
s.  496)  angehörigen  aisl.  heit  =  mschwed.  hat,  aisl.  leit  = 
mschwed.  Ict,  aisl.  reil)  =  aschwed.  rc]),  aisl.  grcit  ^=  aschwed. 
gret,  aisl.  heilt  und  mschwed.  IcJc  sind  bereits  besprochen; 
ebenso  haben  wir  die  nebenformen  aisl.  agutn.  iit,  plur.  Uto 
bezw.  Uta,  agutn.  hlf  u. s.w.  bereits  (oben  s.  470)  als  lautgesetz- 
liche tief-  bez.  schwundstufenformen  der  ei-  und  ä/-wurzeln  zu 
erweisen  gesucht. 

Das  altenglische  hat  den  e'^-typus  ebenfalls  nicht  sehr 
ausgedehnt.  Von  den  in  allen  mundarten  vertretenen  und 
daher  wol  altertümlichsten  formen  sind  hier  belegt:  hct  zu 
Jtdtan,  let  zu  Icefan,  red  zu  rcedan,  lec  zu  Idcan,  siej)  zu  sldepan, 
ferner  -dred  zu  ondrcBdan  und  sced  zu  scddan. 

Das  altfriesische  weist  als  zum  e^-tj^pus  gehörig  auf: 
afries.  het,  let,  awfries.  red,  nordfries.  slep.  Hier  bemerken 
wir  nun  zum  ersten  mal  ein  weitergreifen  des  c^-typus,  wenn 
wir  perfecten  wie  aofries.  held  und  wcld  begegnen;  ja  sogar 
in  das  gebiet  des  sonstigen  co-typus  ist  e^  eingedrungen  im 
fries.  hlep  zu  hlöpa  'laufen'  (s.  auch  weiter  unten  s.  512).  Da- 
neben finden  wir  die  tiefstuflgen  2-i)erfecta,  besonders  im 
Rüstringer  dialekt,  zahlreich .  vertreten:  hit,  Iit,  Mld,  icild 
(diese  beiden  auch  awfries.),  ferner  wg.  Up  zu  löpa  und  rip 
(ein  afries.  *hrep  voraussetzend)  zu  röpa  'rufen'.  Freilich 
kann  %  hier  speciell  friesische  Verengung  von  e  sein  (vgl.  zu 


•)  Abgesehen  von  einigen  e- perfecten  wie  ^en^  Gen.  G2C  und  834,  das 
Sievers,  Ags.  gramm.^  §  396,  anm.  1  zwar  nicht  als  echt  ags.  gelten  lassen 
will;  das  schwache  perfect  ^en^de  entstand  aher  doch  wol  durch  anfügung 
von  -de  an  jenes. 

-)  Aisl.  blöta  —  perf.  biet  beweist  die  ausdehnung  der  r--typus  auch 
auf  die  verba  mit  ö-vocal  wie  im  friesischen  Idcp  zu  tdäpa. 

Beiträge  jur  geschichte  der  deutschen  spräche.     XXXU.  33 


508  FEIST 

allen  hier  genannten  formen  Siebs  in  Pauls  Grundriss  1^, 
1218  f.).  1) 

Das  altsäclisisclie  hat  Mi,  Jet,  red,  sUp,  daneben  an-ürkJ, 
for-hwef,  -scetli.  Der  r-tyi)LLs  ist  vertreten  mit  hlenä,  (eng,  feil, 
(jcng,  hcld,  tvcld,  tvell]  doch  finden  sich  auch  die  langformen 
fieng,  gieng,  Meld,  ivield.  Ueber  heu  zu  ha{ii)wan  handelt 
Kugel,  Beitr.  16,  501;  es  stellt  sich  neben  ohar-seu  Hei.  2545  C, 
das  wir  schon  oben  s.  504  besprochen  haben.  Ein  *heii,  wie 
wir  wol  ansetzen  müssen,  ist  natürlich  einem  "^sc-u  nach- 
gebildet, dessen  n  d.  h.  w  entweder  wurzelerweiternd  (vgl  lat. 
scv'i)  oder  */<(ut  entlehnt  ist. 

Die  weiteste  ausdehnung  hat  der  e'^-typus  im  althoch- 
deutschen gefunden,  vielleicht  unterstützt  durch  das  lautliche 
zusammenfallen  des  aus  c""-  entwickelten  ia  mit  dem  aus  *ea 
entstandenen  ia  in  iar  zu  erien  aus  "^arjan,  neben  dem  viel- 
leicht in  vorliterarischer  zeit  noch  perfecta  wie  ein  dem  got. 
aiaiJ^  entsprechendes  '^ecJ:  zu  "^'eihan  u.  a.  vorhanden  gewesen 
sind"^)  (vgl.  Zarncke,  Beitr.  15, 352);  beweisen  lässt  sich  diese 
annähme  freilich  nicht,  aber  auch  nicht  ganz  von  der  band 
weisen.  Auch  die  verba  mit  a  +  doppelconsonanz  (Jialdan 
U.S.W.)  haben  sich  früh  im  ahd.  dem  e"^-  bez.  m-typus  an- 
geschlossen; formen  wie  fhig,  geng,  lieng  sind  nur  in  ältester 
zeit  und  selten  auf  fränkischem  boden,  also  dem  niederdeutschen 
benachbart,  zu  belegen  (s.  oben  s.  505  f.). 

D.   Der  eo-typus  des  perfects. 

Alle  erklärungsversuche,  die  für  den  e^-tj^p^g  aufgestellt 
worden  sind,  die  contractionstheorie,  Brugmanns  deutung  aus 
idg.  lang-diphthong,  Hoffmanns  geschleift  betonter  und  Jankos 
der  e-reihe  angehöriger  t^-diphthong,  kehren  bei  dem  eö-tj^pus 
wider.  Wir  haben  oben  s.  497  ff.  gesehen,  dass  keiner  dieser 
versuche  voll  befriedigt.  Wir  werden  zunächst  eine  andere 
theorie  prüfen  und  dann  den  tatsächlich  vorliegenden  bestand 


*)  Zu  erwähnen  ist  noch  allerdings  unsicheres  awfr.  (jheencjh,  d.  h.  geng 
zu  ganga  (Siebs  a.  a.  o.  s.  1219). 

*)  Falsch  ist  natürlich  die  ansetzung  urgerni.  formen  Avie  *er,  *?lp,  *?k. 
die  Avie  got.  -et  =  ahd.  %,  ae.  let,  an.  ät,  im  ahd.  *ar,  *älä  und  *ah  er- 
geben hätten.  Sehr  gekünstelt  ist  die  deutung  von  Loewe  a.  a.o.  s.  308; 
vgl.  auch  Janko  a.  a.  o.  s.  313. 


DIE   REDUPLICIKRKNDEN    VKURA.  509 

an  fö-perfecten  in  den  einzelnen  mundarten  nacheinander  be- 
t  rächten. 

Hoffoiy,  Knhns  Zs.  27,  597  nnd  Holthausen,  Knlins  Zs. 
27,  G20f.  haben  zuerst  m.  w.  den  versuch  o-eniacht.  die  ro-\m-- 
fecta  im  nordischen  wie  aucli  im  westg-ermanisclien  als  analogie- 
bildung-en  nach  den  perfecten  vocalisch  anlautender  stamme 
urgerm.  "^cauh  zu  (atkdn,  '\-(ti(s  zu  ausan  und  "^cauj)  zu  ""aujxui 
zu  erklären.  Holthausen  meint  a.a.O.:  'Nach  analogie  dieser 
drei  vcrba  liildeten  sodann  alle  reduplicierenden  verba  von 
der  form  stantan  ihr  praeteritum  mit  eo,  an.  iö,  ae.  eo,  ahd. 
as.  eo,  10.  Dass  später  jene  formen,  die  durch  regelrechte 
entwickelung  zu  dieser  neuen  reihe  den  anlass  gegeben  hatten, 
im  westgermanischen  ganz  oder  zum  teil  sclnvanden,  konnte 
natürlich  die  einmal  durchgeführte  bildung  nicht  Avider  be- 
seitigen.' Gegen  diese  erklärung  hat  Behaghel,  Lit.-blatt  1890, 
s.  284  eingewendet,  dass  die  perfecta  germ.  ■^'caul:,  '■'eaiis  und 
"^(■anj)  im  westgermanischen  nicht  belegt  seien.  Obwol  ich 
diesen  einwand  nicht  für  ausschlaggebend  halte,  so  bin  ich 
doch  auch  der  ansieht,  dass  eine  so  weitgehende  analogie- 
bildung  nach  nur  drei  dazu  in  den  westgermanischen  mund- 
arten früh  ausgestorbenen  formen  noch  einer  stütze  bei  den 
conson antisch  anlautenden  verben  bedürfe.  Eine  solche  lässt 
sich  in  der  tat  finden  nnd  wir  werden  sehen,  dass  die  co-per- 
fecta  in  der  mnndart  die  grösste  ausbreitung  gefunden  haben, 
wo  sie  die  meisten  lautgesetzlich  entstandenen  formen  auf- 
zuweisen haben,  nämlich  im  altenglischen.  Ueberhaupt  ist 
von  vornherein  bei  den  <?o-perfecten,  ebenso  wie  bei  den 
e—perfecten  nicht  anzunehmen,  dass  ihre  Verbreitung  nur  von 
einem  punkte  aus  stattgefunden  hat,  sondern  wir  müssen  an- 
nehmen, dass  verschiedene  momente  zusammentrafen,  um  diese 
ausbreitung  zu  l)egünstigen.  Ausser  bei  den  vocalisch  an- 
lautenden Stämmen  lassen  sich  in  allen  mundarten  auch  sonst 
nwh  lautgesetzlich  entwickelte  eo -perfecta  nachweisen,  die 
meisten,  wie  schon  gesagt,  im  altenglischen. 

Im  altnordischen  liegt,  ausser  den  schon  genannten  laut- 
gesetzlichen perfecten  aisl.  iök  =  got.  aiauJc  zu  auka  und  ios 
zu  ausa,  noch  ein  perfect  vor,  das  regulär  aus  einem  urgerm. 
redupl.  perfect  entwickelt  sein  kann:  aisl.  hio  zu  ho(j(j{u)a. 
Es  sind  folgende  stufen  anzunehmen:  wvgtrm.^hcliaüiva,  urnord. 

33* 


510  FElSt 

*hehöw(a),  *}ieötü  (Noreen,  Altisl.  granim.'^  §  224,  s.  147  f.),  aisl. 
Mo  (ebenda,  §  97,  s.  80  und  §  227,  d,  s.  150).  Der  plural  aisl. 
huggom,  rscliwed.  nhu  =  msclnved.  hnggo,  lioggo  erklärt  sich 
aus  tiefstufig'em  urgerm.  ■■\he)huwme.  Zwischen  singular  und 
plural  fanden  dann  mannigfache  heeinflussungen  statt,  die  sich 
in  den  aisl.  formen  plur.  Moggom,  rschwed.  {h)iuhu,  aschwed. 
sing'.  Mog,  hieg^),  mschwed.  hug,  plural  hioggo  zeigen;  mschwed. 
finden  sich  spät  auch  die  sing,  liag,  hyg,  die  beeinflussung  durch 
den  Infinitiv  liogga,  hugga  verraten  oder  auch  direct  aus  dem 
plural  liuggo,  hoggo   und  dem  singular  hiflg  contaminiert  sind. 

Nur  als  analogiebildungen  nach  obigen  mustern  können 
wir  aisl.  hlaupa  —  liliöp  und  hüa  —  hio  auffassen. 

Das  altenglische  ist  reich  an  eo-perfecten,  die  indes  dop- 
pelten Ursprungs  sind  und  teils  mit  länge  als  co,  teils  als  eo 
anzusetzen  sind.  Dass  es  in  urgermanischer  zeit  auch  die 
perfecta  '^eaulc,  *eaup  besass,  ist  deshalb  anzunehmen,  weil  es 
noch  in  historischer  zeit  die  participien  eacan  'gross'  (=  as. 
ökmi  'schwanger',  fries.  äken,  aisl.  aul:enn  'vermehrt')  und 
eaden  'geboren'  (=  as.  ödati  'bescheert',  aisl.  aupenn)  aufzu- 
weisen hat;  ausserdem  ist  wie  in  as.  ökian,  ahd.  ouhhön  ein 
schwach  flectiertes  verb  iec{e)an  vertreten  (auch  aisl.  auJca 
fiectiert  schwach;  vgl.  Noreen,  Altisl.  gramm.  §  493,  anm.  2, 
s.  300). 

Der  langdiphthong  eo  kann  lautgesetzlich  entstanden  sein 
in  heotv  zu  h'aivan  ("^Jiehaiuva,  *hcJwiv{a),  *heötv),  iveold  zu 
tvealdim  {*tveu'ald,  'Hveidd)^  iveolc  zu  ivealcan  {^Hvhvalk,  *ivetilJc), 
hiveop  zu  hwö^Kin  {ViweJuvdp,  ^hiveUp  oder  nach  dem  plural 
'^htvehivopum,  wie  Zarncke,  Beitr.  15,  352  will)  2);  endlich  wroiv 
zu  ivdwan  aus  einem  plur.  'hvetimw,  Hveum,  contaminiert  mit 
dem  singular  "^tve  und  dem  angehängten  iv. 

Der  kurzdiphthong  eo  ergab  sich  infolge  der  sog.  brechung 
oder  des  «-umlauts  (s.  darüber  Weylie,  Beitr.  31, 48  und  Janko 
a.  a.  0.  s.  267  ff.)  in  den  formen  reord,  ondreord,  leort,  leolc. 

Weiter  ergab  sich  der  kurzdiphthong  eo  aus  dem  perfect  e 
der  Verben  mit  a  +  doppelconsonanz  im  praesens   entweder 

')  ie  statt  io  erst  spät  (seit  1350). 

2)  Janko  a.a.O.  s. 300f.  iiiramt  eine  etwas  verschiedene  entwickehmg 
an  mit  demselben  endresultat. 


DIE   REDUiPLICIERENDEN   VERBA.  511 

durch  brechung-  oder  durcli  n-nmlaut  aus  dem  plural.  Erstere 
findet  statt  von  ;•  +  cons.,  Ic  und  Jh  (Sievers,  Ags.  granim.-'' 
§  79  f.);  es  käme  daher  nur  iveoJc  in  betraclit,  das  aber  aucli 
als  tceolc  aufgefasst  und  als  ursprünglich  redupliciert  angesehen 
werden  kann.  ?7-unilaut  kann  in  betraclit  kommen  vor  II,  nn, 
ml  (Sievers,  Ags.  gramm.''  §  104)  in  feoll  zu  fcallan,  s}}eon  zu 
s])annan,  beon  zu  hannan. 

Wir  haben  also  etwa  ein  dutzend  formen  mit  co  und  co 
m\  perfect,  wo  dieser  diphthong  lautgesetzlich  zu  erkhären  ist. 
Dazu  die  hypothetisch  für  das  urenglische  vorausgesetzten 
höh  zu  "^auJcan  und  ""cöp  zu  ■'Uiujnni.  Diesen  zahlreichen 
( (;-perfecten  gegenüber  konnten  wir  für  das  urenglische  nur 
fünf  lautgesetzlich  entstandene  e^. perfecta  aufstellen  (s.  oben 
s.  506).  Dies  Verhältnis  erklärt  m.  e.  am  deutlichsten  das 
überwiegen  des  co-typus  im  altenglischen.  Sehen  wir  nun  im 
einzelnen  zu,  wie  die  analogische  weiterverbreitung  der  eo-per- 
fecta  erfolgt  sein  mag. 

Urengl.  '^cök  zu  '■ealcan  und  '""cö])  zu  *eaj)an  ergaben  die 
muster  für  ae.  hcot  zu  hcatan,  Mnq^  zu  liUapcm  und  d-hneop 
zu  ä-hncapan.  Ferner  diente  luvopan  :  Imeop  als  muster  für 
die  verben  mit  6  im  praesens:  hlowan  :  Ih'oiv,  hJotan  :  hUot, 
jlöivcüi  :  fh'ow,  grölvan  :  ^rcoiv,  Idöivan  :  hlcow,  Jiropan  :  lircop, 
löiciui  :  rcoiv,  spoivan  :  spx'ow,  swö^an  :  swcog.  Ebenso  ivdivan 
:  ivcow  als  muster  für  die  verba  mit  «  im  praesensstamm, 
unter  denen  svoiv  zu  sdwan  vielleicht  durch  doppeltes  antreten 
des  wurzeldeterminativs  iv  sich  erklärt  (vgl.  as.  -seu,  seu  +  tv 
=  *seiiw):  es  sind  dies:  bldivan:  hlcow,  cndivan  :  cneotv,  crdwan 
:  creotv,  mdivan  :  meoiv  (auf  diese  lässt  sich  obige  erklärung 
von  seoto  ebenfalls  anwenden,  auch  sind  perfecta  wie  afries. 
hic,  mndl.  crieu  ebenfalls  belegt,  *cneu  und  *meu  dagegen  nicht), 
ferner  sivdpan  :  sivtop ')  und  Ördivan  :  öreoiv.  Bei  den  verben 
mit  germ.  a  +  doppelconsonanz  im  praesens  boten  sich  als 
muster  iveolc,  fcoll,  speon,  beon,  daher  fcaldan  :  feold,  healdcm 
:  hcold,  sealtan  :  scolt,  stcaldan  :  stcold,  sansan  :  scous.  End- 
lich zog  iccpan  :  weop  noch  *hicesan  :  kivcos  nach  sich;  ictpan 
aus  urgerm.  '^ivüpjan  (got.  as.  wöpjan,  ahd.  louoffen,  mhd.  ivüefcn) 
setzt  ein  älteres  'hcupan  voraus,  wie  dem  got.  liröpjan  ein  ae. 

')  Scherer,  Zs.  f.  d.  östr.  gymu.  24, 299. 


512  FEIST 

as.  hröpan,  ahd.  hruofan  gegenüberstellt;  "^ivöiKin  aber  konnte 
nur  ein  perfect  '^ivcöp  aus  ^ivewop  ergeben. 

Wenn  auch  im  altenglischen  das  eo- perfect  infolge  ana- 
logischer einflüsse  bei  weitem  das  übergewicht  über  das 
e-- perfect  erlangt  hat,  so  sind  trotzdem  noch  manche  reste 
alter  J-perfecta  erhalten.  Blcnd  zu  hlondan  zeigt  sogar  noch 
die  alte,  urwestgerm.-nord.  kürze  des  e  vor  doppelconsonanz, 
ebenso  fens  zu  fön  und  hens  zu  liön  (s.  oben  s.  505).  i)  Deutlich 
erkennen  wir  im  opt.  seice  (altws.  Cura  past.  und  merc.  R'), 
sowie  in  der  2.  sing,  north,  scewe,  von  dem  urgerm.  perfectum 
*5c'-  mittels  des  determinativs  iv  abgeleitete  formen.  Das 
merc.  heu  entspricht  dem  as.  -heu,  mndl.  Neu  (s.  oben  s.  504); 
north.  hUuu,  plur.  hleivnn  findet  sein  gegenstück  in  aostfr.  hie 
(Franck,  Zs.  fda,  40, 38  ff.);  altwests.  merc.  north,  on-cneiv,  so- 
wie north,  plur.  hrewun  sind  ebenfalls  solche  alte,  versprengte 
e 2- perfecta  (s.  Sievers,  Ags,  gramm.  §  396,  2,  anm.  8,  s.  224). 

Vereinzelte  eo-perfecta  wie  d-hrcot  'er  tötete'  (Beow.  2931), 
heof  zw  heofan,  «-/iwc'op  ' er  pflückte  ab '  (Leg.  of  GmMäc),  ^encop 
(Exodus  475)  zu  got.  dis-hniupan,  aschwed.  njupa  'kneifen',  on- 
rcod  'imbuit'  (Corp.  gioss.  1129)  zu  ae.  hrcodan  'schmücken'  u.a., 
die  Hoffmann,  F.  s.  55  bespricht,  erklären  sich  am  leichtesten 
als  analogiebildungen  nach  dem  im  altenglischen  verbreiteten 
eo-t3q)us  des  perfects.'^) 

[Ueber  north,  speoft,  heoft  s.  nachtrag.] 

Die  nichtwestsächsischen  mundarten  (kentisch,  mercisch, 
northumbrisch),  bei  denen  co  und  ea  niclit  streng  geschieden 
werden  (Sievers,  Ags.  gramm.  §  150,3,  s.  69  f.)  haben  auch  den 
diphthong  ca  im  perfect;  so  in  den  Lindisfarne  Gospels:  ok- 
dreard  19,  8,  ondreardon  6, 19,  fecdl  11,  32,  bcheald  1,  36,  schcald 
17,12  u.a.m. 

Das  altfriesische  ist  arm  an  eo-perfecten;  vielleicht  ist 
awfr.  hliope  (opt.  zum  ind.  hlep  von  hläpa  'laufen')  und  röp 
{roep)  zu  hröpa  'rufen'  hierherzurechnen.  Neben  röp  ist  übri- 
gens ein  */wej;  wegen  wg.  rip  (Sylt  rrep?)  vorauszusetzen  (vgl. 
Siebs,  Pauls  Grundriss  1^,  1219). 


^)  Auch  ,je»,j  Gen.  G2ß  und  834  sowie  spenn  Geu.  445  sind  hier  zu 
nennen,  die  Sievers,  Ags.  gramm. ^  §396,  anm.  1  nicht  als  ae.  gelten  lässt. 
-)  fc'o  auch  das  perf.  hcuf  zu  hcofun  und  spätws.  hrcow  zu  hrcowan. 


DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA.  513 

Das  altsäclisisclie  besitzt  von  verben  mit  gerni.  au  =  as.  ö 
im  stamm:  a-hliopim  (M  4857)  von  a-hlüpcm,  wo  der  Cott.  a-hlic- 
2)(Ui  hat;  ebenso  in  den  Oxf.  glossen  stict  zu  siotan.  Von  verben 
mit  germ.  ö  als  stammvocal  sind  belegt:  hiop  zu  Urupan  'rufen', 
iciop  zu  icnpiun  (ja-praesens,  vgl,  got.  hropjan)  'weinen'  im 
Mou.;  daneben  hat  der  Mon.  wie  der  Cott.  auch  co  in  hreop; 
einmal  findet  sich  ia  in  hriapun  (Ess.  gloss.).  Ein  opt.  perf. 
ist  wiopin  (Cott.  Mon.  5522),  neben  dem  sich  im  Cott.  ifcphi, 
also  mit  übertritt  zu  den  (J--perfecten  findet.') 

Im  altsächsischen  ist  durch  den  zusammenfall  von  germ. 
au  und  u  die  Übertragung  des  eo-perfects  von  den  urgerm. 
Vorbildern  '"^auhan  :  *cök,  *ausan  :  cos,  auetau  :  '^cöct,  *hauican 
:  hcö  auf  die  ö-stämme  ermöglicht  worden. 

Im  althochdeutschen  ist  derselbe  process  anzunehmen;  hier 
bildeten  verba  wie  sfözan  (=  got.  st  au  tan),  scrotan  (aus  ur- 
germ. ""sJcrautan)  die  brücke.  Belegt  sind  die  perfecta  von 
loufan,  homvan,  stozan,  scrotan  (urgerm.  au  im  stamm)  und 
hluozan,  {h)ruofan,  ivuofan  (urgerm.  u  im  stamm).  Neben  den 
beiden  letzteren  haben  sich  aus  den  germ.  j-praesentien  "^hrup- 
Jan,  *ivöpjan  schwache  verba  {h)ruofen,  wuofen  entwickelt. 

Versprengte  reste  sind  (far-)fiuohhan  part,  perf.  zu  germ. 
*flöJian\  mhd.  geluiven  dass.  zu  ahd.  hiuin,  das  sonst  schwach 
tlectiert. 

Der  perfectvocal  co  wird  später  (9.  Jh.)  zu  io  (ia  bei  Ot- 
frid)  und  endlich  zu  ic,  wodurch  er  mit  dem  aus  e^  entstan- 
denen ic  zusammenfällt.  Oberdeutsch  wird  io  vor  labial  zu  iu: 
Huf,  riuf,  wiuf\  so  auch  Idu,  plural  hiuiven  bei  Xotker. 

IV.    Schlussbetrachtung. 

Wir  haben  im  vorhergehenden  die  perfectbildung  der  sog. 
reduplicierenden  Zeitwörter  einer  eingehenden  betrachtung 
unterworfen,  die  früheren  erklärungs versuche  kritisch  be- 
leuchtet   und   sie   teils   zu   widerlegen   versucht,    soweit    sie 


»)  Eigentümlich  ist  das  eo-perfect  griot  C,  (jriat  31  4072  zu  as.  ^'yrätcui 
(got.  gretan  :  gaigrot).  Hoftmann  F.  s.  56  stellt  es  zu  as.  greotan  =  ae. 
srcotan;  Rüdiger,  A uz.  f da.  20, 243  f.  sieht  iu  letzterem  eiue  contamiuation 
vou  *grätan  und  *reuian,  ae.  reotan,  ahd.  n'ozau  und  setzt  griot  =  got. 
gaigrot. 


614  FEIST 

unhaltbar  erscliieiien,  teils  angenommen,  wenn  sie  eine  an- 
sprechende deutung  der  sehr  verwickelten  Verhältnisse  auf 
diesem  gebiete  zu  enthalten  schienen.  Es  erübrigt  nunmehr, 
in  kurzen  worten  die  ergebnisse  der  vorstehenden  Untersuchung 
zusammenzufassen. 

1.  Das  indogerm.  perfect  konnte  mit  und  ohne  rediiplication 
gebraucht  werden. 

2.  Die  reduplication,  die  z.  t.  schon  in  indogermanischer 
zeit  bei  den  sog.  praeteritopraesentien  fehlte,  wurde  im  ger- 
manischen in  grössei'em  umfang  aufgegeben,  wenn  der  ablaut 
das  perfect  genügend  kennzeichnete. 

3.  In  urgermanischer  zeit  w^aren  in  allen  germ.  mundarten 
reduplicierte  perfecta  vorhanden;  doch  nur  im  gotischen  ist 
diese  kategorie  noch  einigermassen  productiv. 

4.  Erhalten  blieb  die  reduplication  im  gotischen  bei  feh- 
lendem ablaut  oder  bei  dem  nur  vereinzelt  vertretenen  ablaut 
e(ai):ö,  der  sich  keiner  grösseren  ablautsgruppe  angliederte. 

5.  In  der  zeit  zwischen  200—400  n.  Chr.  geburt  vollzogen 
die  nordisch -westgermanischen  mundarten  den  Übergang  zum 
c2-  bez.  eo-perfecttypus. 

6.  Zunächst  lagen  noch  andere  perfecttypen  im  kami)f  mit 
dem  e--  bez.  eo-typus:  der  hochstufentypus  (runschwed.  A<:(((0^^ 
zu  hauivan,  aisl.  sucip  zu  suei]}a,  ae.  sang  zu  Mangan  u. s.w.) 
und  der  e?-typus  (aisl.  Icit,  ahd.  -leisz  u.s.v\'.). 

7.  Gesiegt  hat  bei  den  hellvocalischen  wurzeln  (germ.«, 
ai,  e  im  stamm)  der  e'—typus,  dessen  erklärung  von  indogerm. 
ä"- wurzeln  auszugehen  hat.  Dies  ist  Brugmanns  theorie  (IF. 
G,  89  ff.),  die  deshalb  anzunehmen  ist,  weil  sie  auch  schon  aus 
dem  germanischen  selbst  sich  ergibt;  alle  Wörter  mit  e-  haben 
verwante  formen  mit  stammhaftem  *  neben  sich.  Die  aus- 
breitung  dieses  c^-typus  gieng  auf  analogischem  wege  vor  sich 
von  einer  beschränkten  anzahl  beispiele  aus:  urgerm.  VüM,  '*rckl, 
*se-,  "^'we-,  '^heH  und  vielleicht  von  noch  anderen  verben,  deren 
etymologie  bisher  nicht  ermittelt  ist. 

8.  Der  eo-typus  gieng  ebenfalls  nur  von  wenigen  typen 
aus  (urgerm.  '^ccmJc,  '^eaus,  ^cmip,  urnord.  urengl.  */?to(«r)  aus 
Viehainva)  und  erlangte,  mit  ausnähme  des  alt  englischen,  in 
allen  germ.  mundarten  nur  geringe  ausdehnung. 


DIE   REDU^LICIERENDEN   VERBA.  515 

9.  Das  alteng-lisclie  entwickelte  neben  dem  allgemein-germ. 
fo-typus  infolge  seiner  besonderen  lautverliältnisse  ein  co-per- 
fect,  das  sicli  ebenfalls  anf  analog-isidicm  wege  ansbreitete. 
Hier  nnr  blieb  der  co-typus  deshall)  auch  lebenskräftig; 

10.  in  allen  übrigen  mundarten  ist  er  in  dem  verbreiteteren 
r--typus  zuletzt  aufgegangen,  allerdings  auch  infolge  regel- 
rechter lautlicher  entwickelung  (im  alid.). 


Bei  der  prüfung  der  ausführungen  in  dem  vorliegenden 
aufsatz  wird  man  leicht  die  grundsätze  herausfinden,  die  mich 
bei  der  erklärung  der  perfectformen  der  sog.  reduplicierenden 
Zeitwörter  geleitet  haben.  Ich  will  sie  in  einigen  wortcn  noch 
kurz  zusammenfassen. 

Ich  halte  es  vorerst  für  einen  merhodischcn  fehler,  von 
construierten  indogermanischen  ui-formen  aus  an  die  erklärung 
der  C--  und  eo-perfecta  in  den  germanischen  mumhirten  heran- 
zutreten. Diese  erklärung  muss  zunächst  von  dem  tatsächlich 
belegten  material  ausgehen;  die  ansetzung  einer  vorgerm.  form 
ist  m.  e.  nur  dann  berechtigt,  wenn  sie  durch  germ.  laut- 
verhältnisse  gestützt  und  gefordert  v/ird.  Aus  diesem  gründe 
stimme  ich  Brugnianns  deutung  des  c--perfects  aus  idg.  c^-di- 
phthong  zu,  weil  im  germanischen  selbst  enge  beziehungen 
zwischen  c-  und  dem  f -laut  bestehen,  wie  oben  s.  501  f.  gezeigt 
worden  ist.  Dieses  germ.  c'-  ist  auch  im  gotischen  vertreten 
und  wechselt  auch  hier  mit  l  ab  {]ier,  hidrc);  ob  es  in  dem 
einzig  belegten  reduplicierten  perfect  mit  c  als  stammvocal 
(.saislej))  vorliegt,  ist  nicht  zu  entscheiden,  aber  nicht  wahr- 
scheinlich (s.  oben  s.  503).  Wo  im  westgerm.-nord.  der  ablaut 
c'  :  c2  vorliegt  {"^leHö :  *Ic-t),  hat  das  gotische  den  ablaut  c'  :  ö 
{leta  :  lailöt). 

Dagegen  verwerfe  ich  die  annähme  eines  (~?(-diphthongen 
als  Vorstufe  für  das  co- perfect.  Zunächst  ist  die  existenz 
dieses  langdiphthongen  weder  vom  germanischen  noch  vom. 
indogermanischen  aus  sicher  erweisbar;  sodann  ist  es  durchaus 
nicht  ntitig  anzunehmen,  dass  das  C'-  und  t'o-perfect  den 
gleichen  Ursprung  haben.  Das  letztere  kann  auf  einem  andern 
boden  erwachsen  sein  als  jenes,  was  ich  auch  annehme. 


516  FEIST,   DIE   REDUPLICIERENDEN   VERBA. 

Für  metliodiscli  verfehlt  (nicht  nur  wegen  der  nicht  be- 
wiesenen Zugehörigkeit  zur  c  o-reihe  bei  den  in  frage  kommenden 
Zeitwörtern)  halte  ich  0.  Hoffmanns  ansetzung  von  aoristfornien 
Hälic  und  "^stellte.  Es  gibt  bis  jetzt  keinen  beweis  dafür,  dass 
im  germanischen  der  idg.  aorist  weitergelebt  habe  (abgesehen 
von  einigen  zweifelhaften  fällen  wie  ahd.  scrirun  u.  ähnl); 
eine  nicht  sicher  als  vorhanden  nachgewiesene  formenkategorie 
aber  zur  aufhellung  unerklärter  verbalformen  zu  verwenden, 
ist  ein  circulus  vitiosus,  ein  beweis  aus  irrigen  Voraussetzungen, 
der  abzulehnen  ist. 

Nicht  anders  steht  es  um  Jankos  dehnstufenformen  '^heita, 
*huita,  Vileupa,  *Jilöupa.  Sie  sind  construiert,  um  die  germ. 
e2-  bez.  CO -perfecta  zu  erklären;  der  beweis  für  ihr  einstiges 
Vorhandensein  steht  auf  schwachen  füssen.  Altiudische  dehn- 
stufige 5-aoriste  wie  aräil-sam,  dhhäul'sam  u.s.w.  gehören  doch 
einer  ganz  anderen  formenkategorie  (dem  5-aorist)  an  und  sind 
zudem  so  selten,  dass  sie  nicht  schlankweg  auf  das  germanische 
übertragen  werden  dürfen,  wo  sie  sonst  nicht  nachweisbar  sind. 

Ebensowenig  vermag  ich  mich  mit  Osthoffs  deutung  der 
ahd.  r-perfecta  zu  befreunden,  so  wenig  Widerspruch  sich  auch 
gegen  das  aus  idg.  '■^sfcstaada  dissimilierte  germ.  ''^stcsaüta  = 
ahd.  stcroz  erhoben  hat.  Eine  dissimilation  von  ^^stest-  zu  '^stcs- 
ist  im  germanischen  anderwärts  nicht  zu  belegen,  der  urgerm. 
reduplicationstypus  *stest-  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft  (s. 
oben  s.  471  f.). 

Alle  oben  genannten  erklärungsversuche  haben  den  fehler 
gemein,  construierte  idg.  laute  und  lautgesetze,  deren  Vor- 
handensein bez.  berechtigung  unerwiesen  ist  und  die  ad  hoc 
statuiert  sind,  zur  aufhellung  innergermanischer  Verhältnisse 
zu  verwenden.  Ich  hoffe,  in  meinen  ausführungen  über  die 
germ.  reduplicierenden  Zeitwörter  diesen  fehler  vermieden 
zu  haben. 

BERLIN  N  54,  18.  märz  1907.  S.  FEIST. 


NACHTK.VGE  ZUR  VOCALBALAXCE 
UND  -HAKMONIE  TM  ALTFRIKSLSCHKN. 

1.  !ii  Beitr.  20. 178  ff.  hat  Kock  betreffs  der  riistriiigischen 
behaiiillung-  von  /  und  u  in  den  endungssilben  folgendes  hervor- 
gehoben: 

(f.  die  vocale  bleiben  in  minder  seh  wach  toniger  silbe 
stehend  in  der  reg-el  erhalten  nach  unmittelbar  vorangehender, 
minderstarktoniger  (kurzer)  silbe')  (vocalbalance)-);  vgl. 
nifji"''),  lüiti,  ivetir,  godi,  efrcmid,  fidiransunu,  itsilc,  ivetiron  etc., 
sJalun,  muynn,  ivaluheron,  liavnn,  synufh,  -e,  sikur,  sigun,  siinu, 
gadur,  himule,  iritlmme  etc.; 

ß.  der  zweite  compositionsteil,  dessen  endsilbe,  indem  die 
kurze  vorsilbe  nicht  minderstarktonig,  sondern  stark- 
nebentonig" gesprochen  wurde,  der  vocalbalance -regel  nicht 
unterworfen  war,    also  seh  wach  ton  igen  accent  hatte,   be- 

')  Zur  bezeichnuiig-  der  accentvarietiiten  verwende  ich  die  termiui: 
starktoiiig  für  lange  toiisilbe;  minderstarktonig  für  kurze  tonsilbe; 
starknebentonig:  für  die  haiiptsilbe  von  exspiratoiisch  reduciertem  zweiten 
teil  eines  nominalcompositnms  bez.  von  en-  oder  proklitisch  gesprochenem 
Simplex;  schwachnebentonig  1.  für  die  sogen,  schwere,  durch  vocallänge 
oder  Position  lange  endungssilbe,  2.  für  dnrch  tonreducierung  geschwächte, 
ursprünglich  starknelientonige  hauptsilbe  des  zweiten  teils  eines  nominal- 
compositnms; minder  seh  wach  tonig  1.  für  durch  minderstarktonige  vorsilbe 
bedingte  endungssilbe,  2.  für  durch  einfache  tonreducierung  geschwächte, 
xirsprünglich  schwere  endungssilbe;  seh  wach  tonig  1.  für  durch  stark- 
tonige  bez.  neben-  oder  schwachtonige  vorsilbe  bedingte  endungsilbe,  2.  für 
durch  zweifache  tonreducierung  geschwächte,  urspr.  schwere  endungssilbe.. 

^)  Die  balance  entspricht  also  der  basis  von  westgerm.  bekanntlich 
nach  kurzer  tonsilbe  nicht  syn-  oder  apokopierten  -i-,  -u-,  -i,  -u. 

^)  Die  belegsteilen  erwähne  ich  hier  und  im  folgenden  nicht,  wenn 
die  belege  richtig  in  v.  R.'s  Wb.  verzeichnet  sind.  Sonst  eitlere  ich  nach 
v.  K.'s  ausgäbe. 


518  VAN   HELTEN 

haiiptet,  trotz  dieser  betonung.  durch  anlehniing  an  das  simplex 
ebenfalls  sein  i  oder  u;  vgl.  northhiri,  orlovi,  dllistailml,  tliing- 
stapnlc  etc.; 

7.  nach  e  und  0  der  tonsilbe  wird  regel  «  durchbrochen, 
indem  trotz  des  minderschwachen  accents  das  i  nach  ton- 
silbigem e  manchmal,  das  u  nach  c  bez.  0  der  tonsilbe 
regelmässig  zu  c  bez.  0  Avird  (vocalharmonie);  vgl.  leere, 
ehreJccn,  tele  (nrspr.  wi-stamm),  sthereJca  etc.,  mcnotc,  tcyotha, 
felo,  dcgon,  hodon,  oJogad  etc.; 

(S.  in  unmittelbar  nach  starktoniger  (langer)  wurzel- 
(1.  hauptton-)  silbe  stehender  scliwachtoniger  endungssilbe 
und  in  silben,  die  von  der  wurzel-  (1.  hauptton-)  silbe  durch 
eine  Zwischensilbe  getrennt  sind,  d.  h.  nach  schwach-  bez. 
minderschwachtoniger  silbe  stehen,  wird  schwachtoniges 
i  bez.  «  zu  e  bez.  0;  vgl.  liode,  ivralde,  thornena,  Wepüinge, 
tliiüvetlie,  honnere,  holdere,  itsile  etc.,  höJcon,  cläthon,  Ifiton, 
sundroge,  icrocli,  pilugrimon,  höderon,  palmeron,  hemetJwga, 
mcleJion  etc.'); 

£.  in  formell  zusammengesetzten  w'örteni  mit  (von  Kock 
als  semifortis  bezeichnetem)  nebenton  auf  der  betreffenden 
silbe  bleiben  /  und  u  meist  erhalten;  ausnahmsweise  begegnen 
hier  e  und  0  (bedingungen  für  solche  ausnahmen  werden  von 
Iv.  nicht  formuliert);  \g\.  panning,  irthhivinge,  tivintich,  heligon, 
frtswli,  mannisJca,  fiärdunga  etc.,  woneben  Uvintcga,  lielega,  frl- 
sesJi,  ^'mannesldik,  sellonge  etc.; 

C.  sporadisch  findet  sich  einige  male  i  (statt  e)  unmittelbar 
vor  s  in  lang-  und  mehrsilbigen  Wörtern,  und  zwar  besonders, 
wenn  die  vorhergehende  silbe  einen  i-laut  hat;  vgl.  lindis, 
s'üii's,  monnis,  hindis  etc.  neben  normalen  Idndes,  slnes,  monnes, 
ethes,  thinges,  eniges  etc. 


')  Vgl.  die  unter  fast  gleichen  bedingungen  erfolgte,  auf  schwache 
betonung-  hinweisende  westgerm.  syn-  und  apokojie  von  -/(-)  und  -u{-) ;  nur 
in  drei-  und  mehrsilbigen  formen  blieb  bekanntlich  -u  nach  schwachtoniger 
paenultima  regelrecht  erhalten,  was  für  diesen  fall  auf  minderschwachen 
ton  der  ultima  schliessen  lässt  (vgl.  Beitr.  17,  288  ff.). 

lauter  den  belegen  für  -e(-)  beachte  noch  bei  Kock  nicht  erwähnte: 
thcnne,  eile  (aus  '^thenn/,  *elli,  s.  IF.  19,  183),  die  comi)arativbilduugen 
aldera,  -on  (wegen  aldmnon  s.  unten  VI/),  sibhera,  crmnhcra,  crgera, 
längere,  sendebodon  (Gramm.  §  SOj/)  und  rltheres  bovis. 


ZUR   VOCALIU LANCE   IM   Af.TFRIESISCHEN,  519 

Zu  diesen  recht  dankeuswertcn  und  anregenden,  in  der 
liauptsaclie  das  richtig-e  treffenden  beiuerkuiigen  niüclitc  ich 
einiges  berichtigende  oder  ergänzende  naclit ragen. 

II.  Von  den  von  Kock  als  belegen  für  seine  regeln  ciiicrten 
formen  sind  einige  als  nicht  hierher  gehörige  zu  streichen: 

thcne  acc.  sg.  m.,  dede  fecit,  hcdc  'hatte'  und  thohidc  als 
ind.,  müre,  stifne  vocem,  hllle  'höUe'  und  irthhiv'mne  als  casus 
des  sg.  eines  ja- Stammes,  sme  dat.  pl.,  (dh  nom.  dat.  pl.  liez. 
adverb,  vne  acc.  sg.  fem.,  age  oculus,  lisc  noster,  jlftine  schwacher 
nom.  pl.  ntr.,  öthcrne  acc.  sg.  m.,  hkcre  dat.  sg.  fem.,  die  geni- 
live  Sinnes,  dönies-,  ütheres  (180.  181)  •),  deren  -e(-)  nicht  auf 
-/(-)  zurückgeht  (wegen  der  genitive  s.  unten  VII); 

letore  compar.,  hcligona  (184. 185)  mit  -o-  aus  -ü-  und  ferosie, 
erosta,  erost,  hagosta,  deren  -o-  nicht  unbedingt,  z.  t.  gar  nicht 
auf  -n-  zurückzuführen  (vgl.  unten  VIII  d). 

In  slela's,  cthelcs  (180),  die  als  belege  für  -e-  nach  c-haltiger 
tonsilbe  aufgeführt  sind,  liegen  bildungen  vor  mit  e  (vgl.  Gramm. 
§170  und  Z.  awfries.  lexicologie  15  ff.). 

Meni,  su'ilith,  fill  (179)  sind  falsche  lesarten  bez.  fehler  für 
mcnic  (Gramm,  s.  155,  fussn.  2),  '■stvlUh  (s.  Zoll. 2)  zu  *siveUa), 
*asUi  (Zofl.  zu  *asili). 

III.  a.  Neben  den  auf  westgerm.  /  oder  «  zurückgehenden 
endungsvocalen  sind  als  durch  neubildung  entstandene  hervor- 
zuheben: 

aus  -e-  (umlant  von  -n-  oder  -a-)  vor  r  +  i  bez.  f/  (aus  j) 
entstandenes  -i-  in  fidiria  {=  ahd.  faktreo;  vorfries.  umlauts-c 
für  a  durch  anlehnung  an  fedcr),  fidiransunu,  mudiransnnu 
(nichtsynkope  von  nach  starktoniger  tonsilbe  stehendem  vocal 
und  in  der  folge  regelwidrige  qualitative  erhaltung  von  -i-, 
beides  durch  anlehnung  an  die  für  'vatersbruder'  verwante 
form),  clagire,  wotiire;  (ob  auch  in  honnerc,  fiuchterc,  halderc, 
skippere,  sintere,  scnvere,  ködere  etc.  -ere  auf  -iri  zurückgeht 
oder  die  assimilierung  sich  beschränkte  auf  mit  mindersclnvach- 


')  Die  eiageklaramerten  zahlen  bezeichnen  hier  und  im  folgenden  die 
Seiten  von  Kocks  abhandlung'. 

*)  Diese  sigle  bezeichnet  mein  demnächst  erscheinendes  Supplement  zu 
V.  R.'s.  \Vb.:  'Zur  lexicologie  des  altostfriesiacheu'. 


520  VAN  KELTEN 

toniger  paenultima   gesprochenes   -eri   lässt    sich    nicht   ent- 
scheiden) ; 

-■i,  das  sich  aus  -e  (=  as.  -a,  ags.  -e)  nacli  i  oder  t  der  ton- 
silbe  oder  der  (bei  nicht  orthotonierter  ansspraclie  reducierten) 
nebentonsilLe  +  folgendem  1,  r  oder  n  entwickelte  in  den 
prononiinalformen  hiui^),  hiri  und  in  Jtinli  'während'  (für  '^htvile 
dat.  oder  acc.  sg\),  sine  'sehne'  (nom.);  (hierneben  m'me,  thine 
mit  durch  systemzwang  erhaltenem  -e); 

aus  -e-  (für  -a-)  als  compositionsfuge  vor  -Wc  hervor- 
gegangenes -'/-  in  (jodilil-{c)  (183),  simiUllie,  woneben  natheVtk 
aus  *9ZäthiWi  (dem  tuittelike  541,  30  zu  gründe  liegendes  *ivitti- 
like  hat  altes  -f). 

ß.  Ausserdem  ist  zu  beachten,  dasä,  wie  aus  dem  beleg- 
material  hervorgeht,  der  opt.  praes.  und  der  dat.  sg.  masc.  und 
ntr.  von  nach  der  a-declination  llectierten  substantiva  altes  -i 
hatten,  indem  die  endung  des  opt.  prt.  in  das  praet.  ein- 
gedrungen war  bez.  auf  altes  -7  zurückgehendes  suffix  des 
instrumental-locals,  der  auch  dativ-function  übernommen  hatte 
(vgl.  Gramm.  §  152,  anm.).  die  alte  endung  -e  (aus  -ai)  gänzlich 
verdrängt  hatte: 

{bi)fari,  Urfari,  misfari,  (hejnhni,  ofnimi,  himi,  lemi,  (hc)- 
ivtri,  w^oneben  formen  mit  -c  nach  kurzer  tonsilbe  nur,  wenn 
der  unten  IV  /  erwähnte  factor  mitwirkte,  hre]ie,hcscl-e,  sivere; 

(joäi,  holt,  hovi,  släpi,  woneben  nur  kurzsilbige  formen  mit 
-e  nach  IV /,  Iclce  tergo,  cMe  (dat.  oder  loc.  zu  *f/eZ  'tal'),  steve.-) 

¥i\Y  die  endung  von  bifindite,  hidde,  gunge,  ünvinne,  stiöre, 

dele,  liehhc  etc.  und  riucJde,  thingathe,  göde,  hüsnie,  slcätc,  iceine, 

,  ethe  etc.  ist  demzufolge  ein  -i  als  Vorstufe  geltend  zu  machen. 


')  Weg-en  des  widerbolt  begeguenden  hine  aus  hi  -\-  {e)ne  und  wegen 
des  zweimal  in  R-  belegten,  durcb  anlebnung  an  die  neubildnug  thine  ent- 
standenen hine  s.  Zoü.  zn  hi. 

'^)  Auf  altes  -i  für  *-I  des  instrnmental-loeals  zurückgebende  endung 
des  dat.  sg.  masc.  und  ntr.  starker  adjectivischer  flexion  kommt  bier  nicbt 
in  betracbt:  der  zusammenfall  von  regelrecbt  entwickeltem  -e  des  dat.  sg. 
mit  -e  (aus  -ai)  des  dat.  pl.  dieser  flexion  (vgl.  Beitr.  14, 28Ü)  biitte  Ver- 
wendung von  -e  aucb  für  den  dat.  sg.  kurzsiibiger  formen  zur  folge  baben 
können.  Uebrigens  bieten  die  rüstr.  quellen  keinen  dat.  sg.  masc.  ueutr, 
oder  loc.  eines  kurzsilbigen  adjectivs. 


ZUR   VOCALBALANCE   IM   ALTFRIESISCHEN.  521 

IV.  Die  von  Kock  erschlossene,  nacli  Wirkung  der  vocal- 
balance  sich  g-eltend  machende  und  die  ([ualität  von  niinder- 
schwaclitoniger  kürze  beeiiitlussende  vocalharmonio  (180.  184; 
s.  auch  oben  1 7)  ist.  was  die  behandlung-  des  /  IxMrifl't,  anders 
zu  fassen.  Es  wirkte  hier  aut  rein  lautlichem  wcg-e  ein  c  der 
folgesilbe  (auch  durch  die  balance  aus  i  entstandenes)  ein; 
e  der  Vorsilbe  war  nur  als  hilfsfactor  tätig-,  insofern  es  bei 
der  wähl  zwischen  doppelformen  mit  regelrechtem  /  und  mit 
analogisch  oder  durch  ausgleich  für  /  eing-etretenem  e  bevur- 
zugung  von  bildungen  letzterer  kategorie  förderte, 

rt.  Assimilierende  einwirkung  von  e  der  endsilbe  auf 
minderscliwachtoniges  i  der  paenultima  ergibt  sich  aus  neben 
irin{-)  begegnendem  iven{-),  dessen  e  nur  aus  ivcnes,  '*ivene 
(für  *ivhies,  -e)  herrühren  kann.i)  Desgleichen  in  sthcrelce 
(ags.  cirice)'-),  in  aus  henefJia  (pl.)  'klage  auf  wergeld',  elhc- 
linga,  -on,  hemethoga  'geistlicher'  (eig.  'chorhemd  tragender', 
s.  Zfdwf.  7, 284)  zu  erschliessenden  henetlie,  ethele,  hcmctlie 
(dagegen  lemifhe  und  daran  angelehnte  composita  in-,  hirth-, 
reg-,  "^'liärcdlemifhe  mit  -i-  aus  dem  häufig  verwanten  plur, 
{-)lemiiha).  Dass  diese  belege  in  der  regel  auch  e  in  der 
tonsilbe  aufweisen,  ist  begreiflich:  i  der  paenultima  (wenn 
nicht  durch  jüngere  genesis  entstanden,  vgl.  oben  III«)  bedingte 
eben  umlaut  von  vorangehendem  a,  u.  Doch  ergibt  sich  aus 
{c)fcyin,  toferin,  csldpin,  dass  der  tonsilbige  vocal  nicht  als 
der  erzeuger  von  e  der  folgesilbe  zu  gelten  hat.  "V'ielmehr  ist 
mit  rücksicht  auf  die  eine  und  die  andere  der  oben  betouten 
tatsachen  für  in  der  regel   mit  -cn{-)  erscheinende  participia, 


1)  Kock  möchte  dies  i  imd  e  als  auoigauische  laute  ausser  dem  bereicli 
seiner  regelu  halten  (180),  woraus  zu  folgern,  dass  er  die  epenthesis  in  eine 
der  Wirkung  der  vocalbalance  nachf^jlgende  periode  verlegen  wolle.  Man 
beachte  indessen,  dass  ein  beweis  für  solche  Chronologie  kaum  zu  erbringen 
wäre  und  es  andrerseits  nicht  zu  übersehen,  dass  die  qualität  der  irrationalen 
vocale  von  älliom  'schwager'  und  withume  'zur  kirche  gehörender  räum' 
(dos  ecclesiae)  genau  zur  regel  der  balance  stimmt.  Sodann  ist  zu  betonen, 
dass  die  entstehung  eines  diminutivs  tcPpin  (s.  unten  VI  a)  auf,  zuvor  ent- 
wickelte *w?}nn  und  -en  hinweist  und  so  zur  folgerung  nötigt,  dass  die 
vocalentfaltnng  in  langsilbigen  formen,  mitbin  a  fortiori  in  kurzsilbigen 
bereits  vor  der  reducierung  von  -i  zu  -e  stattgefunden. 

•-)  Die  entstehung  von  e  der  tonsilbe  beruht  auf  einem  process,  wo- 
rüber gehandelt  wird  in  Zofl.  s.  v. 


522  VAN  HELTEN 

e-,  Erheden,  {e)hreJcen,  hile]cen{a),  {e)siveren,  hisiveren{a),  Urstvcren, 
esliepcn,  herena,  {thnic]i)(e)sleien,  nrstelen,  {(^leeren,  nteieven, 
dieser  eutwickelungsgaiig'  zu  statuieren:  durch  -e,  -es,  -erc, 
■era  hervorgerufenes  e  des  ableitung'ssuffixes  drang'  aucli  in 
die  unflectierte  form  ein  und  wurde  hier  vorlierschend  durch 
die  nntwirkung-  von  vorsilbigeni  e.  Dagegen  {e)hitln,  ofesni- 
tliin,  esJcrivm^),  nimm,  ekimin,  ovir-,  ürgripin,  higripin,  wo 
dieser  hilfsfactor  nicht  mitwirkte. 

Neben  den  schwaclien  participien  {tjlemtd,  efrenüd,  ivirid 
mit  regelrechtem  -i-  wol  durcli  zufall  kein  angelehntes  lemed 
oder  ähnl. 

Sonst  beachte  noch  shtelon  clavibus,  Jwnep  'knebelbart' 
mit  aus  *sleieUs,  -e,  ^kenepes,  -e  stammendem  -c-. 

ß.  Kurzsilbigem  ja-,  i-  und  m- stamm  kam  als  simplex 
minderschvvachtoniges  -i  zu,  als  zweitem  compositionsteil  aber 
-e,  indem  hier  die  paenultima  nicht  minderstarktonig,  sondern 
starknebentonig  gesprochen  wurde.  Also  hin,  biti,  stidi  nom. 
acc.  sg.  (auch  hiri  dat.  sg.  mit  nach  lllß  zu  beurteilender 
endung,  ili  'schwiele',  sjnri  dat.  sg.  mit  altem  -i  der  /-stamme), 
clagi  gen.  dat.  acc.  sg.  (aus  '"dagin  für  '^clagen^)\  doch  in-, 
ntrcne  (vgl.  ags.  ryne),  tlinichkeme,  *onl-eme  (zu  folgern  aus 
onhemes),  hushrel'e,  Mrüistcde,  nedivere,  mantele  ' magzahl '. 
[Beachte  auch  zu  alid.  Jachin  zu  haltendes  alterletsen,  woneben 
übrigens  möglicherweise  nach  a  aus  den  flectierten  formen 
auf  -es,  -e  entstandenes  letsen.]  Daneben  durch  häufige  ein- 
"wirkung  der  simplexform  auf  die  des  compositionsteils  7iorth- 
hiri,  onliimi,  instepi,  hirtlistidi,  nedwiri  (vgl.  die  dative  sthereJc- 
liovi,  hovislxotl,  orlovi).  Nur  selten  aber  umgekehrt,  durch  die 
form  des  compositionsteils  beeinflusste  simplicia  auf  -e,  und 
zwar  nur  dann,  wenn  ein  e  der  paenultima  mitwirkte: 
hreke,  stede. 

7.  Durch  regelrechte  entwickelung  bez.  durch  anlehnung 
entstanden  in  bestimmten  flexionskategorien  neben  kurzsilbigen 
formen  mit  -i  lang-  und  mehrsilbige  bez.  auch  kurzsilbige 
mit  -e.    Die  bildungen  mit  -e  bildeten  die  majorität  und  diese 


*)  In   eshrevin  R^  542,  21  liegt  Schreibfehler  vor  der  üherliefernden, 
nicht  allzix  selten  unrichtige  lesart  aufweisenden  Oelrich'schen  abschrift. 
"-)  S.  Zofl.  s.  Y. 


ZUR   VOCALBALÄNCE   IM   AI/rFRIESISCIlEN.  523 

konnte  so  gelegentlicli  substituierung-  iliier  endung  für  das  -/ 
der  minorität  veranlassen.  Solche  angle ioliung  aber  beschränkte 
sich,  offenbar  wider  durch  den  oben  hervorgehobenen  hilfs- 
factor,  auf  bildungen  mit  c  in  der  tonsilbe.  Man  beachte  die 
oben  III  .ö'  aufgeführten  praesentia  opt.  und  dative,  hrelie  etc., 
leke  etc.,  und  halte 

die  neben  niyi,  gripi,  iviti,  icili,  mmji  begegnenden  prae- 
terita  opt.  kere,  ürtege  zu  cöine,  slüije,  füre,  Ersiöde,  hildc,  tUdc, 
ieve,  ivere,  gulde,  iirde,  forifellc,  Jifdc,  hirdradc,  siJcurade, 
sachte  etc.; 

die  neben  clagi  (s.  oben  ß)  begegnenden  tele  'spräche  vor 
gericht'i),  u-ere  'besitz'  zu  here,  feie,  siönc,  helde  'liuld',  Iwli- 
hrede  'hirnblatt'  (mit  hell-  =  ahd.Äe?7,  vgl. Gramm.  §  2(3,  anm.  1); 

die  /-Stämme  hrene  'geruch',  here  (masc.)  'küre' 2)  zu  in-, 
rdrtne,  thruchkeme  etc.  (s.  oben  ,:(). 

6.  Ein  gegenstück  zu  dieser  e-harmonie  bietet  gewisser- 
massen  eine  schwachtoniges  /  der  endsilbe  conservierende  har- 
monie.  die  zu  beobachten  in  hinli  (s.  Illa),  in  nicht  orthoto- 
nierten  pronominalformen  hmi,  hiri  (s.  III«)  und  partikeln 
-»ilthi,  u'ithir  (in  orthotonierten  Mni,  hiri,  mithi,  ivithir{-)  hatte 
-/(-)  mindersclnvachen  ton),  hershiiri,  rcdskipi  (das  i  der  paen- 
ultima  nicht  aus  umlauts-c,  sondern  aus  im  ablaut  zu  a  von 
*-sl-02)i  stehendem  e'^)),  szerekspili^):  tonsilbiger  bez.  starkneben- 
toniger ?-laut  verhinderte  die  entstehung  von  -e  aus  schwach- 
betontem -i.  Ausnahmen  durch  systemzwang:  szerekspile'-'),  strldc, 
Icinde  dat.,  strlde,  hU{g)e  opt.  praes.,  thritnine^),  elive  'leblos',  sibhe 
(beachte  die  regelrechtes  -e  aufweisenden  ia-  und  ja -stamme 


')  Beeinflus?aug  des  wortes  durch  mantele  'magzahl'  ist  aus  gemaii- 
tischem  gründe  nicht  anzunehmen. 

'^)  Nach  für  andere  luuudarten  belegtem  ürkere  anzusetzendes  ürkere 
kommt  hier  als  beeinfli;ssendes  compositum  niclit  in  betracht,  weil  für  letz- 
teres nicht  überwiegende  Verwendung  anzunehmen. 

*)  Zu  dieser  fassung  nötigt  berücksichtigung  des  Constanten  (nicht, 
wie  in  as.  -scipi,  -sceiyi,  mit  e  wechselnden)  i  in  afries.  -scip{i),  ags.  -sciiye. 

")  Mit  in  nebentoniger  silbe  aus  U  gekürztem  /;  vgl.  thrimine  'ein 
drittel  betragend'  bez.  (bei  substantivischer  Verwendung)  'drittel'  aus  //(;•/ 
-f  jh/)(U  (subst.)  +  ?■(«)-  =  'ein  dreimal  geringeres  quantum  betragend'. 

'-)  Annahme  einer  beeinflussung  durch  den  dat.  des  simplex  ist  aus- 
geschlossen, weil  für  ein  simplex  spill  als  regelrechter  dat.  sinUi  anzu- 
setzen ;  ausserdem  war  das  simplex  vermutlich  bereits  früh  ausser  kurs  ge- 

Baiträg--  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.   XXXII.  34 


524  VAN  HELTEN 

geve,  ganse,  clene,  mene,  ovirhere,  en-,  Hvihete,  üvifrcthe,  gers- 
falle,  unlendc,  {un)siede,  stalle,  unäfte  etc.  und  neue). 

V.  Die  bildimgen,  "worin,  indem  die  beding-ung-  für  assi- 
milierung fehlte  (s.  IV«)  bez.  vorsilbiges  e  sich  nicht  als 
hilfsfactor  betätigte  (s.  IV),  nach  e  der  ton-  oder  (bei  nominal- 
composita)  der  starknebentonigen  silbe  endungssilbiges  i  sich 
behauptete,  erscheinen  zum  teil  mit  erhaltenem  c  der  vorsilbe 
zum  teil  mit  dafür  durch  einwirkung-  von  i  der  folgesilbe  ein- 
getretenem i.  Diese  verschiedene  behandlung  ist  folgender- 
massen  zu  formulieren. 

Vor  -n(-)  wird  c  zu  i,  auch  wenn  ein  sonst  die  i-entwicke- 
lung  verhindernder  consonant  das  e  anlautet:  hiri  (mit  hiri- 
ferd,  -füll;,  -fona  etc.),  northhiri,  spiri,  nediviri  (woneben  ned- 
were),  (be)tvin,  tvirid  (vgl.  1\ a.  ß.  HIß).  Ausnahme  to-,  {e)ferin 
(s.  IV  a)  durch  systemzwang  (vgl.  das  praet.  för,  -on  und 
die  alten  participialbildungen  '""-grevm,  *-stepin  neben  "^gruf, 
*stöp,  -on). 

Vor  dental,  guttural  bez.  l  -f  ?(-)  wird  e  zu  /,  wenn  kein 
m,  lü,  luv  oder  h  das  e  anlautet:  itsile  calcari,  stlütle  'kessel' 
dat.  (fehler  für  stJiitile?),  ililende  'elend',  fidiria,  fidiransunu 
(s.  III  a),  stidi  (woneben  stede)  mit  Jiirthstidi  (vgl.  lY  ß),  *asili 
'lieferung'  (s.  Zofl.  s.  v.);  dagegen  menie  'quantität'  (Gramm. 
s.  155,  fussn.  2,  aus  '''menigt  mit  -igt  für  '^-egl),  megitha  puellas 
{-i-  für  -e-  in  -id^i  des  dativs),  ivetir,  -e,  -on,  mit  inivetir,  (Jijwelik, 
-era,  iähivelik,  -es,  -ere  (wegen  des  zum  suflix  herabgesunkenen 
compositionsteiles  s.  VI  d),  helihrede  (s.  IV  /).  Die  ausnähme 
edila  (pro)avus  (aus  ^aäilö  mit  ad:-  =  ot-  in  aksl.  oiici  pater, 
s.  Zfdwf.  7, 279)  begreift  sich  als  die  folge  von  anlehnung  au 
ethele  als  epitheton  ornans. 

Vor  labial  -f-  i(-)  bleibt  e,  wenn  es  kein  h  oder  sli  an- 
lautet: Icmithe,  lemith  3.  sg*.  ind.,  lenii  opt.,  {e)lemkl  126,6.  10. 
16.  33,  efremid,  instepi,  hemilinga,  alsem'm,  to  semine,  Wepilinge] 
doch  elümin,  onkimi  (woneben  "^onkeme,  thruclikenic,  s.  IV  ß), 
eskipin  (woneben  eskepen,  s.  IV«)- 


stellt,    wenigstens  wurde  sein  Zusammenhang  mit  beregtem  compositum 
nicht  mehr  empfunden. 

Der  dat.  szertlcspele  steht  als  regelrechte  bildung  zu  *szerekspel  (vgl. 
tsierspel  im  2.  Ems.  text). 


ZUR   VOCALBALANCE    TM   A f/rFRIESTSCHEN.  525 

yi.  c.  In  den  bildung-en  mit  -ing,  -ingc,  -ig,  -isl:  etc. 
erblickt  Kock  (181)  formell  zusammeng'esetzte  wiU'ter  mit 
semifortis  auf  der  betreffenden  silbe.  Die  bezeiclinung  dürfte 
eher  zutreffen  für  formen  mit  -lilc,  -släpi  (s.  IVd),  denen  mit 
rücksiclit  auf  das  constante  i  (godilil;  -e,  sitmililce,  näthcUk, 
jcstlila,  ivittdilce  541,30,  liäflihe,  räflile,  iccliiicJdiJie,  *ma7ines]:- 
///.•i),  nmvcrthUle,  wrahUlJca,  her-,  redsl-ipi,  */lodsJci2^i^);  wegen 
der  anders  zu  beurteilenden  Jnvelik,  -es  s.  YI<3)  für  starken 
nebenton  eingetretener  sclnvaclinebentoniger  accent  beizu- 
messen. In  panning,  -ig,  plicJitich.  rfDiiiska  etc.  sowie  in  den 
formen  mit  alten  -m,  -in  (stamm  -mi),  -itti  (=  alid.  -izzi,  mlid. 
-t^e),  -innia,  -nissia  {=  ags.  -nisse,  -nesse).  wozu  unflect.  -nis, 
■nes,  liegen  echte  derivata  vor  mit  sogen,  schwerer  (langer), 
urspr.  schwachnebentoniger  endungssilbe,  die 

zunächst  durch  accentschwächung-,  wenn  möglich,  als 
raiuderschwachtonige  ultima  oder  paenultima  gekürzt  wurde, 
d.h.  quantitative  reduction  des  langen  vocals  oder  kürzung 
langer  consonanz  erlitt, 

dann  aber  als  gekürzte  endsilbe  (insofern  diese  nicht  nach 
kurzer  tonsilbe  stand)  durcli  nochmalige  accentschwächung  (zu 
schwachtoniger  silbe)  ihr  /  zu  e  reducierte,  wenn  nicht  den 
voeal  auslautender  consonant  solche  qualitätsänderung  ver- 
hinderte, 

als  gekürzte  paenultima  oder  als  paenultima,  die,  indem  die 
zweifache  consonanz  {sk)  in  der  folgesilbe  gesprochen  wurde, 
ihre  positionslänge  einbüsste,  wie  im  oben  IV«  erwähnten 
fall,  trotz  ihres  minderschwachen  tons  durch  e  der  endsilbe 
zu  e  umgelautet  wurde. 

So  begreifen  sich  als  fast  immer  mit  -ew(-),  -et-  begegnend 
die  adjectiva  mit  -?n-suffix,  die  verbalia  auf  -m  (deren  flexion 
sich  normal  hierdurch  kennzeichnet,  dass  aus  -t  des  gen.  und 
dat.  sg.  hervorgegangenes  -e  auch  im  nom.  und  acc.  dem  suffix 
angehängt  wird-)),  ein  collectiv  auf  -itti,  die  feminina  auf  -innia 
und  -nissia: 


')  Im  ms.  mansesJclik,  ioldshipun  (vgl.  unten  VIII y). 
*)  Wegen  -c  und  -i  aus  -t  für  -m  (in  tele,  here  etc.  und  dacji,  *((sili) 
s.  oben  IV ^5.  y  und  V. 

34* 


526  VAN   HELTElf 

benena,  hetJiena,  l'ersten,  -a,  -c,  etsena,  cspene,  geldcne,  ej^ena, 
thornena,  stenetia; 

sin-,  simi-,  spreJi-,  imverdene,  -a,  hU{g)ene,  hingen-,  hre-, 
net{ta)skrcdene,  ofleäene,  nlfstrevene,  tvainddepeyie  etc.; 

lenete  'gebeine'; 

lungene  (vgl.  Beitr.  30,  250),  ivöstene] 

heftnese,  sJci^mese,  ürdemnese  (alle  fem,  gen.). 

In  den  zweisilbigen  suffixen  rief  -e  des  sg.  (beim  collectiv 
auch  -es)  ein  e  der  paenultima  hervor;  nur  der  paennltima  von 
seltner  verwanten  plnralia  kam  regelrechtes  i  vor  (/,  o  der 
folgesilbe  zu.  Für  alte  -in  und  -in-  musste  -en{-)  lautgesetz- 
lich eintreten  in  der  ultima  (zur  beachtung:  die  überlieferten 
formen  haben  alle  lange  tonsilbe)  und  in  der  (ante)paenultima 
vor  c  der  folgesilbe;  der  hier  entwickelte  voc.  verdrängte  den 
endungen  -ina,  -inon  zukommendes  /;  nur  einmal  findet  sich 
eine  indirecte  spur  desselben  in  hethhi. 

Als  fortsetzungen  von  bildungen  mit  diminutivsuffix  -in 
begegnen  auf  andern  'fenster'  (aus  *o*ndidünn  eig.  'atem- 
türchen',  vgl.  Beitr.  14,  232;  IF.  19, 178)  und  zu  ags.  nosdyrl  zu 
haltendes  nostern  hinweisende  pluralia  anderna,  nosterna\  hier 
also  sogar  ausfall  von  e  der  endsilbe  (wodurch  auch  Schwund 
von  durch  r  und  n  erdrücktem  l).  Doch  gibt  es  daneben 
einen  indirecten  beweis  für  -in-  besagter  derivata,  näml.  icepin 
'waffe':  in  durch  vocalentfaltung  entstandenen  *'tcepen{-)  und 
*wepin{-)  (anorganisches  /  aus  dem  dat.  'hvepini  für  'hvepm) 
fielen  die  endungen  formell  zusammen  mit  auf  -m{-)  zurück- 
gehenden diminutivsuf fixen;  daher  gelegentlich  fassung  des 
nomens  als  diminutivbildung  (vgl.  mnl.  ivapijn,  -in,  bei.  in 
meiner  Mnl.  gr.  §  30(3  und  6),  was  Verwendung  von  *u-epen 
mit  "^wepenes,  -e  und  'Hvepina,  -on  veranlasste,  woraus  die  über- 
lieferte form. 

Für  die  adjectiva  mit  altem  -lg  wäre  a  priori  vorhersehen- 
des endungssilbiges  e  zu  gewärtigen.  Doch  gewährt  die  Über- 
lieferung ein  anderes  bild;  man  vgl.  die  von  Kock  (181)  auf- 
geführten belege  plicliticlt,  cnich,  cniga,  -ene  etc.  und  enigcs  -e, 
-{e)ra,  imsJceldich,  unweldicli,  heJctvardiga,  tveldiga,  iechtich,  -iya 
116, 19,  monich,  -igere,  woneben  seltnere  %msl-eldech,  weldeya 
etc.  (181)  und  helege,  sl'eldega.  Es  spielte  hier  offenbar  das 
g  eine  rolle,  indem  es  in  der  schwachtonigen  ultima  i  vor 


ZUR  VOCALBALANCE   IM   ALTFRIESISCHEN.  527 

qualitativer  afficiernng  scliützte.  so  dass  e  nur  in  -c\ges,  -c,  -ene, 
■crc,  -era  entstehen  konnte. 

Auf  zusammenfall  von  auf  -(igi-)  zurückgehender  endung 
mit  einem  reflex  von  -7^(-)  (durch  Schwächung  von  a  zu  e 
iielen  als  fortsetzungen  der  suffixe  beiderlei  -e\g-  zusammen) 
•weisen  hin  monidi,  -igere,  hcliga,  -mm,  -on,  helega,  -e,  -ana,  -on 
(vgl.  ahd.  as.  manag,  lie'dag,  hcJag). 

Beachte  auch  (in  Zofl.  s.  v.  erläutertes)  auf  *äsaga  (^=  as. 
tosago,  ?iM.  csago)  zurückgehendes,  durch  fassung  des  nomens 
als  substantivierten  /«/-adjectivs  zu  äsiga  bez.  äsega  (letztere 
form  nur  27,  U.  124, 17)  entwickeltes  nomen. 

Den  derivata  auf  -isic  kam  e  der  eiidungssilbe  zu  in  flec- 
tierten  -e\sJce,  -es  etc.;  sonst  -i\.^Jc-  und  -isJc  als  minderschwach- 
tonige  silbe.  Dies  Verhältnis  wird  numerisch  reflectiert  durch 
die  überlieferten  formen;  s.  rUmishc,  frlsisJc,  cohiisk  (Gramm, 
s.  54),  niannisM,  danisJca,  denishi,  israhelisJce,  agripinisJca 
(Gramm,  s.  61)  und  frlscsJc  (Gramm,  s.  54),  rRmesJca,  -e,  friscslia, 
-c  (Gramm,  s.  61).  numsesJdiJi  (1.  manncsJdik)  mit  -e-  durch  an- 
lehnung  an  eine  adjectivform  "^mannesh. 

In  -rag,  tiect.  -inga,  -inges  etc.  und  in  -inge  (aus  -higa) 
behauptet  sich  i  ausnahmslos;  es  wirkten  hier  zweifache  con- 
sonanz  und  die  gutturale  qualität  derselben  zusammen.  Belege 
die  bei  Kock  (181)  citierten  sowie  Kawing{es)  5,  7.  8,  frtlinga, 
-on,  ethclingon,  ivinknUingar,  liiöstringa,  hüsing,  -es,  -e,  tvits- 
ingon,  und  nedsJcininge,  WepiUnge,  homolinge  (181)  sowie 
llcndinge,  munddinge,  insJcathmge,  stcmplinga,  irthhivinge,  hc- 
milinga,  liäveddusinga,  hävetdusinghe.  Nach  -ing  richtete  sich 
-ig  der  doppelformen  hinig^  hüsig,  thredkn'iUg,  pannig  (181). 

ß.  Nach  in  a  erörtertem  ist  für  die  paenultima  von  durch 
metathesis  entstandenem  -ilsa  minderschwacher  accent  und 
die  unm()glichkeit  von  durch  assimilierung  hervorgerufenem  e 
geltend  zu  machen.  Hiernach  begreift  sich  hlödilsa;  woneben 
indessen  auch  hlödcisa,  dreppelsa  'schwelle',  ivlitiaiemelsa  durch 
anlehnung  an  formen  mit  -el  {^dreppel  =  dreppd  anderer  quellen 
und  gristd,  sprangel,  blgerdele,  aus  spedelspring  zu  er^chliessen- 
des  ""spedd). 

■/.  Ebenso  ist  minderschwache,  das  i  erhaltende  betonung 
der  endsilbe  von  erstem  compositionsteil  beizumessen  in:  al- 
dinnon  'amtszeuge'  (eig.  'älterer')  mit  d'ih-,  huraldirmon  'deich- 


528  VAN  HELTEN 

geschworener''),  ivepinröft  'waffengerüfte',  hclichdraclda  ^um 
die  kirclie  lierumliegeuder  räum,  innerhalb  dessen  die  heiligen- 
bilder  herumgetragen  wurden'  (s.  Zofl.  s.v.).  iechüchlihe,  Icinig- 
rike,  hdlimhredc  (s.  Gr.  §  26,  anm.  1).  Daneben  erscheinende 
etlieldöm  'fähigkeit  zum  besitze  von  erbeigen  tum'  (s.  Zofl.  zu 
elhel  'erbeigen  besitzend'),  spcdelsiiriny  'speichelfluss'  begreifen 
sich  als  die  folgen  von  anleimung  an  das  simplex. 

ö.  Zur  endung  (zunächst  zu  schwachnebentoniger,  dann 
zu  minderschwacher  bez.  schwacher)  herabgesunkenen  com- 
positionsteil  haben,  wie  aus  der  behandlung  der  schlussilben 
hervorgeht  (vgl.  oben  a  und  /):  {]i)ivdik,  -era,  iäliivcWi,  -es,  -ere 
und  hwelel;  htvelece  542,  30  (vgl.  auch  durch  vocal-  und  con- 
sonantensynkope  entstandene  eh  quisque,  alseh  talis),  tivilij 
mit  hvüifia'^),  ä{u)wet  (aus  *äiviht),  näivet,  -es,  -is,  Uvinticli, 
thrUich,  fiilwertich,  sextich,  siugiinticli,  acJitantich,  sextiga,  siu- 
guntiga,  ttvintigosta  und  tivintega,  hvmiegosta. 

111.  Das  i  in  der  von  Kock  (181  f.)  hervorgehobenen, 
sporadisch  nach  langer  tousilbe  oder  starknebentoniger  bez. 
schwachtoniger  silbe  stehenden  genitivendung  -is  {läningis 
27,273),  thredJcnilingis  bb,  12.  57,9.17,  däddolgis,  slnis,  cnis 
25, 1.  121, 4.  6,  ieldis,  monnis  25, 1.  55,  5,  Mndis  23,  23.  43,  25. 
53,21.22.  55,4.  67,3,  Iliddiseh-c,  herdis,hlödis,  nCucetis,  hisTxopis, 
scloveris,  faxfangis,  ivlchtgoldis  116,  26.  119, 12.  14.  19.  20  etc. '), 
apostolis,  hundis,  tvordi{s))  kann  eben  seiner  Stellung  und  regel- 
losigkeit  wegen  nicht  mit  den  anderen  i  der  endungssilben  in 
eine  linie  gestellt  werden.  Es  begreift  sich  indessen  bei  fol- 
gender annähme.  Zur  zeit,  w'orin  noch  altes  -e  (aus  -«?)  und 
urspr.  instrumental-locales  -/  als  dativsuffixe  fungierten,  konnten 
diese  doppelformen  entstehung  von  gelegentlich  im  gen.  neben 


1)  Kocks  Vermutung  (182),  es  läge  hier  von  einer  anderen  muudart 
oder  spräche  übernommene  beuennung  vor,  ist  demnach  eutbelirlicb. 

^)  Das  l  der  tonsilbe  entstand  nicht,  ■\vie  IF.  18, 109  angenommen  wurde, 
auf  hiutgesetzlichem  wege  (vgl.  oben  VI);  es  ist  hier,  wie  wahrscheinlich 
auch  für  as.  twilif,  mhd.  zwdif,  an  Substitution  von  compositionselement 
iici-  für  twe-  zu  denken. 

^)  Nicht  25,22,  wo  die  hs.  -es  bietet. 

")  Die  grosse  mehrzahl  der  auf  s.  119—121  bei  v.  E.  stehenden  loicht- 
goldis  beruhen  aber  auf  auf  lösung  von  in  der  hs.  begegnenden  siglen  wicht 
(j.  oder  10.  g. 


ZUR   VOCALBALANCE   IM    ALTFRIESISCHEN.  529 

■es  verwanten  -is  veranlassen  (wegen  eines  ähnllclien  Vorgangs 
im  as.  vgl.  Beitr.  21, 488,  fussn.).  Indem  nun  endungs-i  vor 
tautosyllabischem  s  nicht  der  vocalbalance  unterworfen  war, 
sondern  auch  bei  schwacher  betonung  seine  qualität  behauptete 
(man  beachte  aucli  die  Gramm.  §  153  erwähnten,  nicht  seltenen 
-is  des  genit.  in  anderen  ofries.  mundarten,  die  für  durch  die 
rüstr.  vocalbalance  erhaltenen  i  ein  e  oder  .9  aufweisen)'), 
blieb  diese  sporadische  endung  ungeändert,  so  dass  in  der 
überlieferten  spräche  mit  altem,  weit  häufigerem  -es  neugebil- 
detes -is  wechselte.  Dass  aber  im  gegensatz  zu  diesem  aus- 
nahmsweise verwanten  -is  die  kurzsilbigen  nomina  constantes 
-is  gewähren,  ist  leicht  verständlich:  (jodis  (auch  in  (jodisJiäs), 
sJ:ipis,  hovis  (in  hovislioti),  ilis  (in  ilislcrcdene,  wenn  hier  näm- 
lich nicht  iJi-  als  stamm  vorliegt)  neben  dat.  godi,  shipi,  Jiovi, 
ili  (s.  III  p' und  I V  p')j  iit^iis  neben  anzusetzendem  dat.  lithi; 
dagegen  onJcemcs  neben  (nach  IV. >)  anzusetzendem  dat.  onl:emc. 

VIII.  Bezüglich  Kocks  ausführungeu  über  die  behandlung 
von  endungs-u  (183  ff.)  ist  wenig  zu  bemerken: 

a.  Zu  den  belegen  für  nach  kurzer  tonsilbe  erhaltenes  u 
füge  hinzu:  staind,  tvikun,  lithun  dat.  pl.,  hnigun  inclinaverunt, 
iiuHivt'rdcnc,  sliadmvepne  (s.  Gramm.  §  89a),  ividuben,  staruhlind 
(wegen  icithume  vgl.  noch  oben  s.  521,  fussn.  1). 

Zu  denen  für  durch  e  oder  0  der  tonsilbe  hervorgerufenes 
u  (wovon  letore,  feroste  nach  II  zu  streichen)  gehören  noch: 
sJccro,  -0)1  'Pflugscharen',  bodo  'geböte',  fretholäs,  ürtcgon,  Iceron 
(praet.  zu  Uriiä{n),  Jciäsa),  melokoii,  seloveris,  leyore,  lesoJca 
'runzeln',  rekon  'in  Ordnung  gehalten',  letJwgade. 


*)  Hiernach  wäre  auch,  für  das  suftix  der  2.  sg.  praes.  ind.  der  starken 
verba  und  der  schwachen  1.  klasse  -ist  zu  erwarten.  Ein  directer  beleg 
dafür  findet  sich  nun  zwar  nicht  (nicht  synkopierte  endung  ist  überhaupt 
nur  einmal  belegt  durch  brengest  F  34,  denn  bennest,  {tö)süliest,  die  Gramm. 
§  276.  289,  anni.  1  als  praesentia  aufgeführt  wurden,  sind  praeterita);  doch 
weisen  die  (seltenen)  formen  mit  -it(h)  nichtrüstringischer  quellen,  beritQi) 
BE  (Gramm.  286  ;9),  icerithW,  uimithB'EK  knmiihB\  .s/</f  Frgm.  2b,  11, 
farä{h)  F  (Gr.  §273«),  offalUt  F  (Gr.  §276  A  kivit  F  (Gr.  §288«),  auf  die 
existenz  hin  von  -ist:  regelrecht  entwickelt  musste  die  endung  für  die 
3.sg.  in  den  nichtrüstr.  mundarten  -et{h)  bez.  -ot{h)  lauten;  statt  dessen 
auftretendes  -ä(h)  kann  nur  auf  anlehnung  an  -ist  beruhen,  wie  brengest 
auf  IrengetQi)  F  98. 104. 


530  VAN   HELTEN 

Die  ausnalime,  in  Eq.  124, 15.  542, 18  neben  einmaligem 
Uthm  539, 10  belegtes  litJioti,  begreift  sicli  so:  wie  zu  slccro, 
hodo  als  dat.  pl.  sJceron,  hodon  standen,  hatte  anzusetzender 
dat.  släpun  einen  nom.  acc.  pl.  sldpii  neben  sich;  zu  regel- 
rechtem lithun  aber  stand  als  nom.  acc.  pl.  litld  (s.  IX);  hier- 
durch entbelirte  die  dativform  eine  stütze  und  konnte  dem 
einfiuss  der  überaus  häufigen  foi-men  auf  -on  erliegen. 

ß.  Unter  den  zahlreichen  belegen  für  durch  die  balance 
entstandenes  o  (wegen  zu  streichender  erosta  etc.  s.  11)  hebe 
ich  nur  die  bildungen  mit  -ocli,  -og-,  wie  lierocli,  sundroge  etc. 
(s.  Gramm.  §  68.  75),  und  andlova  'elf  (s.  IF.  18, 107)  hervor. 
Das  praeterito-praesens  thuron  steht  für  tlmrvon  (184). 

Als  ausnahmen  sind  zu  erwähnen:  walduivaxe,  -a  'rücken- 
muskulatur'  (s.  Zofl.  i.  v.)  mit  vor  tv  erhaltenem  «;  siügun, 
ningun  durch  einwirkung  von  sigun,  nigun. 

/.  Eine  parallele  zu  in-,  utrcnc  etc.  (s.  TV  ß)  bietet  ondevon 
'fussknöcheln'  (vgl.  Zofl.  zu  onclef?);  ioldsldpun  ist  verschreibung 
für  in  ilodsliipi  (s.  Zofl.  zu  'Hlodslcipl  und  nachtr.  dazu).  Auf 
anlehnung  beruhen  fidiran-,  müdiran-,  fcthan-,  emcssunu,  thlng- 
stapulc,  dlJcstatlml. 

d.  Betreffs  der  behandlung  von  u  in  urspr.  schwerer,  zu 
minderschwachtoniger  silbe  reducierter,  geschlossener  paen- 
ultima  (vgl.  VI «)  folgendes.  Die  qualität  des  vocals  bleibt 
erhalten  in  tvundimgon,  hutvnge,  fiärdimga,  mimiusta,  -e,  fiaiver- 
tindusta  (wegen  dieses  u  yg\.  IF.  16,  68),  siugunda,  -c,  nifi- 
gimda,  -e,  acMunda\  nur  bei  e  oder  o  bez.  ö  entlialtender, 
vorangehender  tonsilbe  lässt  sich  der  nämliche  Vorgang  beob- 
achten, der  sich  bei  minderschwachtonigem  u  nach  kurzer 
tonsilbe  flndet  {sl-ero,  hodo  etc.):  sellonge,  icedenvon{d)longa, 
liüronga,  ongosta  (dat.  zu  ^(- stamm  '^ongost).  In  ändlofta,  -e 
beruht  o  auf  anlehnung  an  andlova  (s.  oben  ß). 

In  eftrost,  erost,  -a,  ferost,  für  deren  -o\st-  und  -ost  minder- 
schwache betonung  geltend  zu  machen  (vgl.  zu  VI«  ausgeführtes), 
kann  der  endungsvocal  auf  -u-  (vgl.  minnusta,  -c)  zurückgelien 
oder  altes  -o-  aus  -ö-  repräsentieren. 

8.    In  liärsum  'gehorsam'  (vgl.  ahd.  Icehör o)  liegt  parallel- 

')  Koeks  (leutuiig  von  lilhon  (ISi)  köunte  nur  in  der  formel  hi  lihbanda 
livon  nnä  hi  onfesta  lithon  12-i,  15,  begeg-uende  form  erklären. 


ZUR  VOCALBATjANCE   IM    ALTFRIESISCHEN.  531 

bilduug  vor  zu  den  -Wc  enthaltenden  composita  (vgl.  VI «); 
also  sclnvaclmebentoniges  -sum,  dessen  u  erhalten  blieb  (im 
gegensatz  zu  äthom,  worüber  oben  s.  521,  fussn.  1). 

TX.  Zusammengefasst  sind  also  als  die  ergebnisse  der 
materialmusterung  folgende  principien  zu  fixieren: 

schwachtonige  i  und  «  werden  zu  c  (Id.  VI«)  und  o 
(I.(j.  VIII ,9.  /);  conservierend  wirkt  hier  aber  ein,  auf  i  ein  t 
der  tonsilbe  oder  starknebentoniger  silbe  (IV  6)  bez.  nach  i 
stehender  tautosAilabischer  guttural  (VI«.  (3),  auf  u  folgendes 
lü  (VIII,:?); 

minderschwachtoniges  i  bleibt  erhalten,  wenn  nicht 
assiniilicrung  durch  folgendes  schwachtoniges  e  bez.  aus- 
gleichung  oder  analogiebildung  eintritt  (I«.  IV a.  ß.  /.  VI«,  j-/. 
■/.  d);  tonsilbiges  c  Avirkt  conservierend  ein  auf  durch  aus- 
gleichung  oder  analogiebildung  für  /  eingetretenes  c  (IV«.  ß  /); 

minderschwachtoniges  u  bleibt  erhalten,  wenn  nicht 
tonsilbiges  c  oder  u  qualitative  Schwächung  des  vocals  ver- 
anlasst (I«.  VIII«.  ß.  ö). 

Zum  schluss  einige  formen,  die  in  der  einen  oder  der 
anderen  hinsieht  eine  specielle  bemerkung  erfordern: 

nosi  und  der  nom.  acc.  pl.  IHld  mit  angelehntem  skhiifhi 
(s.  Zoll,  zu  iiosi  und  Itth); 

üiir{-)  und  over(-),  ersteres  als  orthotonierte  form  mit 
minderschwaclitoniger  ultima,  das  andere  als  nicht  orthotonierte 
form  mit  schwachtoniger  ultima; 

fori{-),  woneben  kein  fore{-),  indem  erstere  form  die  andere 
verdrängt  hatte; 

ü)ii,  das  sowol  was  die  entstehung  der  endsilbe  (vgl.  ahd. 
änu,  -0,  -a,  as.  äno)  als  was  die  erhaltung  des  i  angeht  durch 
berufung  von  beeinflussendem  initJii  (worüber  IV  6)  begreiflich 
wird  (die  Gramm,  s.  51  vorgeschlagene  fassung,  -ni  für  -im 
durch  anlehnung  an  ni  'nicht'  ist  unstatthaft,  weil  die  rüstr. 
mundart  7ie  und  wi  als  negative  partikel  verwante;  Kocks 
ansetzung  von  öni  (182)  hat  wol  nur  als  notbehelf  zu  gelten); 

ags.  ivjle  (aus  *neivili)  entsprechendes  neli,  woneben  ndc 
mit  -c  durch  anlehnung  an  den  opt.  nelle  unter  mitwirkung 
von  e  der  vorsilbe  (vgl.  IV-/;  neben  ncli,-e  regelrechtes  iviJi)] 


532    VAN  IIELTEN,  VOCALBALANCE  IM  ALTFR.  —  BOER,  NACHTRAG. 

unibibürar  'umwoliner'  mit  -U-  als  sclireibfeliler  (s.  Zofl. 
zu  imibe)\ 

pilugrimon  mit  durch  einwirkung  von  gleichbedeutendem 
tvdliibera,  -hora  (eig.  'stabträger')  für  -i-  (vgl.  ahd.  piligrlm) 
substituiertem  -u-  und  mit  nach  VI«  den  flectierten  formen 
zukommendem  -i-  der  paenultima. 

[Nachtrag.  Beachte  noch  sibbistä  mit  regelrechtem  -i-  (vgl.  rümislca 
etc.,  S.527).] 

GRONINGEN.  W.  VAN  HELTEN. 


ZU  BEITRÄGE  32,  255. 

Braune  hat  a.  a.  o.  in  einer  fnssuote  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
die  form  Eggesas  in  der  Eneide  nicht  tatsächlich  überliefert,  sondern  von 
Behaghel  construiert  worden  ist.  Ich  bemerke  dazu,  dass  meine  erklärung 
des  namens  dadurch  nicht  betroffen  wird,  da  die  form  mit  g  durch  die 
uamensformeu  Einsahs  und  Ainsiax  sichergestellt  wird,  eine  form  mit  gg 
aber  zwischen  der  mit  g  und  der  mit  JiJc  das  notwendige  bindeglied  ist. 
Wenn  aber  eine  form  mit  gg  existiert  hat,  so  kann  sie  auch  die  ursprüng- 
liche gewesen  sein,  auch  wenn  sie  nicht  erhalten  ist. 

AMSTERDAM.  ■  R.  C.  BOER. 


zu  HEINRICH  VON  FRp:iBERG. 

Diese  Überschrift  Avill  mir  andeuten,  dass  die  folgenden 
boiueikungen  zu  Heinrichs  Tristan,  zu  der  Legende  vom  hl. 
kreuz,  der  ]\itterfahrt  Jolianns  von  Michelsberg  und  dem 
schwank  vom  Schrätel  durch  die  neue  Freibergausgabe  von 
Alois  Bernt  angeregt  sind.  Der  ansieht  des  herausgebers, 
dass  alle  diese  gedichte,  selbst  der  anonyme  Schrätelsclnvank, 
dem  Verfasser  des  Tristan  zugehören,  kann  ich  durchaus  nicht 
beipflichten  (vgl.  meine  anzeige  in  der  Zeitschrift  f.  d,  österr. 
gj-mn.,  juli  1907). 

Tristan. 

88  die  töten  mit  den  toten  dort,  die  lebenden  mit  den  lehcnden 
hie!  Dieser  ausruf,  mit  dem  Heinrich  das  lob  meister  Gotfrids 
abschliesst,  ist  eine  anspielung  auf  den  bekannten  Spruch  des 
Marners  (XIV,  18),  der  die  sänger  der  verflossenen  zeit  beklagt: 
sanycs  meister  lebent  noch:  si  sint  in  des  födes  vart.  Tote  mit 
den  töten,  lebende  mit  den  lebenden  sin! 

58  der  trimcen  stic,  der  züchte  pfat  hat  er  mit  an  gcborncn 
triten  gebeut  nach  herlichen  siten.  Beckstein  versteht  gebent 
und  weder  Singer  (Zs.  fdph.  29,  73)  noch  Bernt  haben  dagegen 
etwas  einzuwenden.  Die  phrase  einen  ivec  ebenen  ist  im  mhd. 
sehr  selten  zu  belegen  {er  ebenoht  uns  den  gotes  tvech  Diemer 
322,25);  um  so  häufiger  begegnet  eine  strafe,  einen  ivec  {stic, 
pfat)  bern,  besonders  in  übertragener  bedeutung:  stvcr  dine 
tvegc  mit  icärheit  bert  Ernst  36  a;  er  hat  die  tviten  sträse  leider 
ze  lange  gebcrte  Tund.  2172;  den  hellepfat  bern  Willeh.  38, 15; 
vgl.  noch  Greg.  3065;  Freid.  'o<),  11;  Lieders,  2,  514;  Hadamars 
Jagd  Str.  9.  Dass  der  herausgeber  an  gebent  nicht  anstoss 
nahm,   erkläre  ich  mir  aus  seinen  Suchenwirt-citaten  (einl. 


534  WALLNER 

s.  205f.),  von  denen  er  folgende  zu  unserm  verse  stellt:  der 
eren  sträz  gepatven  hat  er  mit  vleiz  und  ivol  gepent  1, 146;  si 
hat  der  cm  strafe  gehent  mit  gansen  freicden  2,52;  er  hat  ge- 
pent  der  cm  pan  10,  80.  Er  hätte  noch  1, 204  hinzufügen 
können:  Er  hat  gehent  strdss  unde  steig  die  zuo  den  ern  laittcn. 
Die  Schreibung  mit  tenuis  (gepent)  und  die  versetzte  betonung 
selbst  im  reim  1, 146  zeigen,  dass  hier  nicht  denen  vorliegen 
kann;  der  reim  in  1,147  des  pesten  er  sich  gerne  ivent  ver- 
bietet aber  auch  an  hern  zu  denken  (vgl.  24, 94  Mein  fnozz 
der  sargen  sträzzen  pert  :  beschert).  Es  kann  hier  nur  eine 
nebenform  von  hancn  vorliegen,  nämlich  heuen.  Das  DWb. 
belegt  diese  form  erst  aus  Opitz,  die  mhd.  -ubb.  übergehen  sie 
sammt  den  Suchenwirtsteilen,  Nur  Lexer  verzeichnet  in  den 
nachtragen:  'der  zühte  pfat  henen  Trist.  H.  60';  aber  dagegen 
spricht  die  nähere  bestimmung  mit  an  gehornen  triten  :  vgl. 
Parz.  790,  5  so  daz  mit  triten  icart  gehert;  Gotfrid  17123  den 
(esterich)  hdn  ich  so  mit  triten  zcrhert.  Setzt  man  herii  ein, 
so  erklärt  sich  auch  das  auffallende  beiwort  mit  an  gehornen 
triten,  an  dem  Singer  und  Bernt  sich  stossen,  leicht  als  spiel 
mit  dem  gleichklang,  wie  es  Heinrich  nach  Gotfrids  Vorbild 
liebt  (vgl.  einl.  s.  52). 

1000  'vriimt  lieher  und  hcrre  Tristant!  F  hat  vrvnt  lichcr 
herre  vn  tr.,  0  frut  It're.  vnd  liehe  her  tr.  Die  lesart  von  0 
gehört  in  den  text:  vriunt  hcrre  und  liehe,  her  Tristant;  denn 
vriimtherrc  ist  formelhaft  (vgl.  z.  b.  Gotfr.  1555)  und  liehe  ist 
hier  nicht  adj.,  sondern  das  besonders  in  der  anrede  häufige  sw. 
subst.  liehe  'geliebter'.  Demnach  ist  die  stelle  unter  den  gemein- 
samen fehlem  einl.  s.  18  zu  streichen  und  die  anm.  zu  tilgen. 

2230  (16  uü  der  künic  ein  lützel  gaz 

uud  in  der  mäze  überuam, 
daz  in  zu  redene  gezam, 
do  vrägete  er  . . . 

Bernt  interpretiert  in  den  anmerkungen:  'Als  der  könig  ein 
wenig  gegessen  hatte  und  es  in  der  rechten  art  (oder  >>nach 
massgabe  der  umstände«?)  auf  sich  nahm,  was  ihm  (bei  Tische) 
zu  reden  oblag,  da  fragte  er.'  Fast  jedes  wort  reizt  da  zum 
widersi)ruch.  Für  mich  steht  es  ausser  zweifei,  dass  hier  nicht 
das  fem.  mäze  vorliegt,  sondern  der  gen.  plur.  von  maz  'speise'; 
ühernemen  'bewältigen'   (ivere  es  aber  sach,  dasz  sie  der  ivein 


zu   IIEINUlCn   VON    FREIBERG.  535 

iibcrneme  Grimm,  Weist.  1,  759;  üer  ungewohnte  ivcin  halte  mich 
so  nhcrnommcn  Arnim.  Sanders  2. 418)  passt  liier  nicht  recht. 
Unpersönlich  cunstruiert  kann  ich  das  verb  im  mhd.  nicht 
nachweisen  {Es  hat  mich  gerade  heute  ühernommen  Heer,  König 
d.  Bernina  s.  131).  Ich  halte  die  vorliegende  construction  für 
angeglichen  an  die  von  hedriezen,  erdriezen  =  und  in  der  nutze 
erdröz,  wobei  man  an  üherdröz  stf.  als  associationsbrücke  denken 
könnte. 

3G12  Tristan  snochte  ez  —  das  kind  Tantrisel  —  und  vant 
in.  Das  ist  eine  verqnickung  zweier  lesarten.  0  fasst  Tristan 
als  snbj.  und  schreibt  also  suchtes  =^  suchte  sie,  nämlich  Isöt 
und  'J'antrisel;  F  nimmt  'J'ristan  als  obj.  und  schreibt  daher 
Tristande.  Dieser  acc.  ist  in  den  text  zu  setzen.  Vgl.  Tristane 
660.  5597.  6177;  Tristande  3890.  5587.  5808;  Tristanen  5405; 
sonst  Tristanden.  Der  nom.  ist  nur  in  der  lesart  von  0  mög- 
lich, da  Tristan  keinen  grund  hat,  den  knaben  zu  suchen. 

5100  ohem,  du  bist  gestalt 

glich  einem  rechten  toren, 

an  houl)te,  an  glänze,  au  oren. 

glatzc  ist  zu  schreiben;  vgl.  5062  sin  reidez  här  er  ahe  schar. 
An  der  gleichen  stelle  bei  Eilhart  .spricht  das  kind  nur  von 
Tristans  kahlheit:  oheme  ...  da  histn  andirs  getan  den  htr  he- 
vorn:  dir  ist  daz  här  ahe  geschorn.  Eilh.  8695—8700.  A^'ie 
ich  sehe,  denkt  an  glatze  schon  Bechstein,  hält  aber  für  mög- 
lich, dass  glänz  wortspielend  für  glatz  stehe.  Das  halte  ich 
hier  für  ausgeschlossen.  Dass  übrigens  glantze  schon  in  der 
vorläge  stand,  verrät  die  hs.  0,  deren  bedachtsamer  Schreiber 
das  unverständliche  wort  fortlässt. 

5399  ich  rase  niht  ein  hiinne.  Die  hss.  haben  nindert  ein 
Ivnnc  F;  nit  ein  künne  0.  Bernt  gibt  (s.  121 — 123)  eine  aus- 
tührliche  begründung  seiner  conjectur,  die  ihm  'einen  eminent 
dialektischen  reim'  liefert,  und  verwertet  sie  sogar  für  Hein- 
richs spräche  und  Stil  (s.  50.  118.  126).  Gewiss  befremdet  die 
stelle  auf  den  ersten  blick,  doch  nötigt  sie  weder  zu  Bernls 
änderuug,  noch  zu  dem  ausweg,  den  Bechstein,  einer  Vermutung 
Bechs  folgend,  einschlagen  möchte:  ein  Icunne  als  anrede  an 
Brangäne  zu  fassen.  Bichtig  ist  m.  e.  die  stelle  im  DWb.  be- 
urteilt, das  von  kunne  'art'  {Eurus,  ivintchunni  Graff  4,  441, 
'eine  wiudart'j   ausgeht.     Von   mhd.   belegen   sei   angeführt: 


536  WALLNER 

würze  manige  Itunne  Lampr.  Alex.  5024,  alles  spÜes  cliunne 
Genes.,  Fundgr.  36,  5,  mit  frenden  maneger  h'lnne  Lanz.  2359, 
hidtern  maneger  lünne  Parz.  760,13,  von  mancher  lumie  varicen 
cldr  Karlm.  161,  58.  Diesen  verallg-emeinernden  sinn  hat  das 
woit  dann  auch  in  der  negation:  ze  lang,  se  Hl;  ze  tünne  noch 
lieine  Icrunihe  hünne  liaüen  die  här  der  oiigcnhrä  AValth.  von 
Rheinau  25,  59.  Die  nähere  bestimmimg,  hier  vielleicht  schon 
adjectivisch,  erscheint  in  recht  loser  Verbindung  bei  Herrn. 
V.  Fritzlar  255,  8  Do  stürben  si  -in  dem  füre  und  nielcein  här 
icart  an  in  vorsenget  noch  nielcein  hunne  an  iren  kleidern 
(=  irer  hleider).  Die  hier  beg-eguende  ko})pelung  von  nieJiehi 
limine  mit  der  bildlichen  negation  niekein  hur  zeigt  uns  den 
weg,  der  zu  unserer  stelle  (Trist.  3599)  führt:  aus  der  Wendung 
kein  hiune  'durchaus  nichts'  (vgl.  keinen  wis,  deJieine  tvis) 
wird  nach  analogie  von  niht  ein  här  u.  dergi.  schliesslich  niht 
ein  kunne.  Nicht  nur  das  zeugnis  der  beiden  Tristanhss. 
opfert  Bernt  seiner  conjectur;  er  versucht  auch,  sie  in  dem 
eben  angezogenen  mystikercitat  —  wider  gegen  zwei  hss.  — 
unterzubringen,  um  diese  stütze  der  Überlieferung  zu  beseitigen. 
Aber  wäre  denn  der  grob  dialektische  reim  hunne  :  wunne 
Heinrich  überhaupt  zuzutrauen? 

5499  der  was  iu  beiden  gar  gebaz 

und  liete  in  ouch  bewiset  daz. 
ber  was  eins  bopsen  berzen  guuoc. 

Ebenso  unglaublich  ist  0  er,  hatte  ein  hose  herze  gnuoc.  Die 
herstellung  des  ursprünglichen  Wortlauts  halte  ich  für  möglich. 
Heinrich  gebraucht  meist  das  demonstr.-pron.  das  im  vers- 
schluss  zugleich  als  conjunction.  Unserer  stelle  ähnlich  sind 
die  satzgebilde  1027  ir  mochtet  mir  hescheinen  daz  \  ir  mir 
weret  nicht  gehaz  und  3456  si  ivinkete  im  und  erscheinete  i| 
mit  ir  spilnden  äugen  daz  \  sie  iveste  niiaves  eteivaz.  Vgl. 
ferner  Trist.  375.  1623.  2656.  5413.  5863.  Leg.  750.  Sicher 
ist,  dass  in  der  vorläge  der  beiden  hss.  in  v.  5501  das  prädicat 
fehlte,  weil  F  es  mit  was,  0  mit  hatte  ergänzt.    V\\y  erhalten 

^^^^'-  und  bete  in  oucb  bewiset,  daz 

er  ein  boesez  berze  gnuoc. 

Dadurch  wird  klar,  dass  gnuoc  verlesen  ist  aus  getruoc.  Ur- 
sprünglich dürfte  die  stelle  gelautet  haben: 


zu   HEINRICH    VON   FKEIBERG.  5>Y 

und  hete  ie  ouch  bewiset  daz 
er  in  ein  ba^soz  lierze  trnoc. 

(Vgl.  einem  ein  lioldez  herze  tragen)   Daraus  maclite  die  vorläge 

der  was  in  beiden  gar  gehaz 
nnd  bete  in  ouch  bewiset  daz  — 
er  ein  boesez  lierze  getrnoc. 

Die  abscbreiber  mussten  nun  den  letzten  vers  als  hauptsatz 
verstehen,  wobei  ein  unleserliches  yetmoc  mitwirkte.  Sie  er- 
gänzten also,  jeder  auf  seine  weise,  das  prädicat.  W\i  dem 
verspaar  er  in  ein  hivsez  herze  trnoc  und  was  üf  valsche  rete 
Iduoc  lässt  sich  vergleichen  5897  und  in  irm  herzen  also 
l:luoc,  daz  si  mit  listen  daz  an  trnoc. 

5669  die  jagenden  jageten  im  dö  nacli, 

in  allen  was  zn  im  so  gacli 
sam  dem  valken  zu  dem  luoder. 
wä  wart  ie  bezzer  ruoder, 
dan  sin  kolbe  da  was? 

5671  sam  ralkcn  F.  v.  5672  lautet  in  F  wart  ie  Icein  hezzer 
ruoder.  AVarum  hier  die  schlechten  Varianten  von  0  vor- 
gezogen wurden,  verstehe  ich  nicht.  In  5671  ist  der  plur. 
sam  valken  in  hinblick  auf  die  verfolgende  schar  doch  gewiss 
bezeichnender  und,  auch  metrisch  besser.  Und  den  nächsten 
vers  ändert  augenscheinlich  0  wegen  des  positiv  gebrauchten 
lein,  wie  z.  b.  auch  in  3208  {oh  Tristan  der  junge  . . ,  mit  keiner 
—  (1.  i.  irgendeiner  —  list  entrimne)  hs.  0  das  kein  ausmerzt 
und  mit  eyncher  list  schreibt. 

5777  so  kleine  ein  vogel  noch  ein  müs, 

der  müge  kumeu  in  daz  hüs. 

Es  muss  daz  heissen  (F  da^  m.  0  daz  da)  und  dieser  beleg  für 
gemeinsame  falsche  Überlieferung  ist  einl.  s.  18  zu  streichen. 

6402  der  segel  ist  wiz,  den  ich  da  hän 

\\i  dem  mer  aldort  gesehen. 

Ein  nettes  verspaar!  Das  echte  hat  0  der  segel  der  ist  ivis 
gedan,  den  ich  hau  uff  dem  se  geseen.  Vgl,  6388  ivte  ist  der 
segel  getan?  (Ulrich  3384  tvie  der  segel  si  getan).  Eilh.  9305 
wie  din  segil  si  getan;  9377  (H)  ivie  daz  segel  getan  ivär.  Die 
ganze  partie  6316—6752  ist  im  ausdruck  von  Eilhart  abhängig. 
Das  wort  segel  als  versfuss  darf  doch  bei  einem  dichter  nicht 


538  WAT.LNER 

befremden,  für  den  sicli  'das  Verhältnis  der  altern  und  jungen 
beliandlung-  der  kurzen  silben  als  tonträg-er'  im  Tristan  wie 
359  :  784  stellt,  für  stamme  in  g  wie  99  :  153  (einl.  s.  129). 

C620  er  jach:  'sich,  werlt,  diz  ist  din  löu, 

den  du  zu  jungest  gäbest  iu, 
die  dir  zu  dienest  ireu  sin, 
lip  und  herze  neigen: 
den  kanstu  kurze  erzeigen 
die  valschen  in  der  letzten  stunt. 

Frö  Werlt  ist  einem  mhd.  dichter  doch  zu  geläufig,  als  dass 
man  in  v.  0620  nicht  personiflcation  annehmen  sollte.  —  Kurse 
in  6624  ist  eine  von  Bernt  übernommene  conjectur  Bechsteins 
für  Icvrlce  F,  äüclxc  0.  luirc  ' auserwälilt,  klar,  deutlich'  wäre 
nicht  unpassend,  doch  müsste  man  das  adv.  kurcUche  erwarten. 
Bedenklich  ist  auch  das  subst.  die  valschen  =  die  velsche. 
Das  ducke  in  0  erinnert  an  die  gleiche  lesart  dieser  hs. 
in  3820,  wo  F  schreibt:  ist  da  iht  valscher  kvtte  hie.  Kvtte 
ist  ebenso  anstössig  wie  Icvrke  und  es  liegt  nahe,  beides  für 
Verderbnisse  desselben  Wortes  zu  halten,  dem  der  Schreiber 
von  0  auswiche.  Dann  würde  sich  auch  an  beiden  stellen 
das  gleiche  attribut  {valsch)  ergeben.  Bernt  hat  nach  einem 
Vorschlag  von  J.  Peters  in  3820  kuste  eingesetzt.  Dessen  vage 
bedeutung  würde  ja  auch  in  6624  nichts  verderben,  aber  es 
lässt  die  starken  graphischen  ab  weichungen  hier  und  dort 
unerklärt.  Des  rätseis  lösung  bietet  sich  vielmehr  in  der 
lesart  von  0:  ducke  ist  echt.  Der  Schreiber  von  F  zeigt  einen 
hang  zur  metathese,  den  man  schon  krankhaft  nennen  muss. 
Er  schreibt  furnt  {vrunt),  vrusten  {vursicn),  torst,  verdorz, 
tüiltherte,  kanppe,  pfalc  {iiflac),  hrege,  durcte,  vrit  {ivirt),  ivrat, 
wlat,  zwivlat,  strab,  hruc  (hure),  druck  einl.  s.  6;  ich  notierte 
mir  noch  man  (nani)  76,  bran  {harn)  2249,  j)?/iac  4342,  kart 
(kraft)  1426,  ziiser  {suzer)  4899.  Offenbar  gehört  kvite  in  die 
gleiche  kategorie  und  ist  metathese  für  tvcke,  und  ebenso  steht 
es  um  kvrke.  In  der  anm.  zu  6624  heisst  es  nämlich:  ^kvrke  F, 
das  r  nicht  ganz  sicher,  legt  vielleicht  nahe,  an  kvcke  =  qtiec 
zu  denken'.  Es  steht  zweifellos  kvcke  in  der  hs.,  denn  dies 
unwort  ist  das  product  einer  kreuzung  zwischen  kvtte  und 
tvcke,  ähnlich  wie  in  2718  chhe  (aus  ehre  und  erhe).  Uebrigens 
ist  auch  der  Schreiber  von  0  an  der  stelle  entgleist.  Er  schreibt 


zu   HEINRICH   VON   FREIBERG.  589 

6625  die  faUschcit  st.  die  valschen^),  was  nur  auf  augenblick- 
liclier  verweclislung-  des  eben  gesclirie])enen  düclic  mit  dicke 
beruhen  dürfte.  Dies  wort  ist  ihm  freilich  weitaus  geläufiger, 
da  er  jedes  oße  durch  dicke  ersetzt.  —  Eine  der  metathesen 
von  F  ist  auch  5820  in  den  text  geraten:  ir  suU  mine  ycsfe 
stn  htnt  und  vür  biz  morgen.  F  hat  hin  vü  vur,  0  noch  hint 
rnd  fni.  Xatilrlich  ist  0  zu  folgen,  da  F  hier  wie  2037.  2059 
und  6027  (sogar  auf  rasuri)  das  mt  zu  rur  entstellt. 

6635  diu  zucker  ie  des  smeckens  pflac, 

daz  enzunte  siu  nächsmac. 

Nach  den  vorliergehenden  antithesen  honic  —  galle,  rösenhluome 
—  dorn,  wei:^c  —  distelcn  erwartet  man  zu  zucker  ein  ähnliches 
gegenstück,  etwa  das  essichte  (oder  senefte)  sin  nächsmac  (vgl. 
Engelh.  2117  f/ir  der  süezen  wimne  mete  der  sorgen  ezzich 
frinhen;  Fraueiilob  MSH  3, 142  (3)  Vil  maniger  zucker  rifet,  der 
doch  mit  sencre  slifet).  Aber  das  beiden  hss.  gemeinsame  enz- 
(lis.  0  hat  vfs  cnizcan)  weist  wol  auf  eine  verbalform  enzeante, 
die  der  Schreiber  von  F  nicht  verstand  und  der  von  0  nicht 
zu  widei'liolen  wagte. 

Legende. 

482  Im  apparat  fehlt  das  hsl.  panleichn,  das  durch  Scherers 
abschrift  (Anz.  8, 306),  Pfeiffers  Uebungsbuch  und  Berufs  eigene 
collation  (einl.  s.  20)  gesichert  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit,  däss 
j)anleichn  für  2^ci'nleichn  (vgl.  jmiUche  Trist.  2807.  6805)  ver- 
schrieben ist,  darf  nicht  verwischt  werden. 

778  tvan  man  dar  innc  —  in  dem  (in  den)  weilier  — 
u-uosch  und  truoc  iegUches  Juden  töten  lij).  Die  Umstellung 
tcuosch  und  truoc,  in  Verbindung  mit  der  sprachlichen  härte 
dar  innc,  ist  zu  auffallend;  statt  truoc  ist  twuoc  zu  schreiben; 
Vgl.  si  chom  in  die  armuot,  den  Unten  ivuosch  si  unde  tivuoc 
Kaiserchron.  (Schmeller  2, 1175). 

Ritterfahrt. 
19  her  Erec  unde  Gamurct.    Erec  ist  conjectur  vdHagens 
für  hsl.  ecke.    In  diesem  fall  ist  aber  her  zu  streichen.    Denn 


*)  Zur  iiacUstellung  des  adj.  \g\.mtmt  den  f inen  hü^;  zur  phrase  vgl. 
Suchenwirt  21, 119  0  ivelt,  daz  sint  dein  tücJce. 

Beiträge  zur  geschichte  ilcr  deutschen  spräche.     XXXll,  35 


540  WAT.LNER 

liat  -wirklich  erst  der  Schreiber  hier  ecJ;e  eingesetzt,  dann 
fasste  er  eben  enxl-  als  {h)er  eck  anf. 

23  den  armen  rifter  Tristant.  Die  hs.  hat  cdhrant.  Sclion 
vdHagen  fand  es  auffallend,  dass  der  Tristandichter  in  dieser 
aufzählung-  seinen  beiden  übergehe.  Auch  Ernst  Kraus  (Jan 
z  Michalovic)  vermisste  ihn  und  so  schlug  denn  Knieschek 
(Literaturbl.  1890, 137)  vor,  den  Albrant  durch  Tristant  zu 
ersetzen,  obwol  er  es  'mindestens  seltsam'  findet,  dass  ein 
dichter  von  dem  beiden  seines  haupt Werkes  sagen  sollte:  u-an 
mir  das  ist  von  im  helcant,  daz  er  ein  giioter  rifter  was.  (Und 
sollte  man  von  diesem  dichter  nicht  Tristan  erwarten,  statt 
der  nebenform  Tristant?)  Aber,  meint  Knieschek,  'wie  könnte 
Albrant  der  arme  rittcr  genannt  werden,  da  es  Wolfdietrich 
10, 100  einfach  heisst:  do  was  tot  gelegen  Albrant  ein  degen?'' 
Es  ist  ihm  unersichtlich,  wie  der  dichter  überhaui)t  zu  dieser 
untergeordneten  gestalt  der  Wolfdietrichsage  käme.  —  Meines 
erachtens  ist  es  willkür,  die  namen  Eclce  und  Albrant  hier 
auszumerzen,  zumal  der  Verfasser  der  Eitterfahrt  auch  im 
Wortschatz  verrät,  dass  er  der  volkstümlichen  dichtung  nahe- 
steht. Und  wenn  er  neben  Artusrittern  auch  beiden  der 
Chansons  de  geste  (Wilhelm)  und  Vertreter  antiker  romane 
nennt  (Athis  und  Prophilias,  Alexander),  so  gehciren  füglich 
in  diese  bunte  reihe  auch  gestalten  aus  der  deutscheu  heklen- 
sage  liinein. 

Ueber  Albrant  waltet  ein  eigener  unstern:  wo  der  name 
auftaucht,  wird  er  getilgt!  In  der  Kolmarer  liederhandschrift 
ist  der  Marnerspruch  Singe  ich  den  Hüten  miniu  liet  in  zwei 
fassungen  erhalten.  Während  die  eine  schreibt  der  sibcnde 
tvil  etesivaz  Heimen  ald  heren  Witchen  sturm,  Sigfrides  ald 
heren  Eggen  tot,  steht  in  der  andern  (Fol.  568a):  der  sibende 
ivil  etewaz  von  tvitticli  und  von  heimen  strit  von  des  jungen 
alhrandes  tot.  Holtzmann  bemerkt  dazu  (Germ.  5, 445):  'statt 
albrandes  ist  wol  alphartes  herzustellen,  und  so  hätten  wir 
ein  Zeugnis  für  das  gedieht  Alpharts  tod.' 

Alebrand  heisst  nun  bekanntlich  in  der  Thidrikssaga  und 
im  Volkslied  Hildebrands  söhn.  Vielleicht  darf  als  stütze  der 
lesart  ein  Frauenlobspruch  angezogen  werden,  der  das  Villon- 
tliema  Mais  oii  sont  les  neiges  d'antan  in  einer  ähnlichen 
aufzählung  aus  der  heldensage  variiert  (Ettmüller  s.  161): 


zu   HEINRICH   VON    FREIBERG.  541 

Ach  got,  nu  wist  ich  gerne, 
Wit  komeu  hin  die  starken  mau 
Wolfhart,  Witig-  nnt  Heime, 
Ililbrant  und  oncli  der  herre  Ilsan. 

(Cod.  Pal.:  Wolfhart,  Wiüich  und  Helm  Und  auch  der  here 
Uikhran).  Hier  wird  also,  auch  unmittelbar  nach  AVittich 
und  Heime,  Albrands  vater  Hildebrand  genannt. 

.Tedesfalls  sollte  man  geg-enüber  der  naheliegenden  ände- 
i'ung  Holtznianns  die  mügiichkeit  betonen,  dass  uns  in  dieser 
lesart  neben  dem  nordischen  Zeugnisse  in  der  Asmundarsaga 
Kappabana ')  ein  deutsches  vorliege  für  den  tragischen  aus- 
gang  des  Plildebrandsliedes.  Und  diese  mügiichkeit  wird  durch 
die  stelle  in  Heinrichs  Ritterfahrt  noch  verstärkt. 

Selbst  angenommen,  die  Schreiber  hätten  den  namen  AJ- 
hrant  eingesetzt,  eigenmächtig  oder  infolge  eines  lesefehlers, 
Avie  unwahrscheinlich  das  auch  wäre:  so  zeigt  doch  ihre  Über- 
einstimmung, dass  sie  einen  Albrant  als  hervorragende  gestalt 
der  heldensage  kennen.  Heinrichs  Ritterfahrt  nennt  ihn  mit 
einem  beklagenden  beiwort  und  der  Marnerspruch  bringt  dafür 
die  aufklärung  durch  die  erwähnung  seines  frühen  todes,  der 
in  einem  eigenen  liede  erzählt  wurde.  Wer  soll  das  sein, 
wenn  nicht  Hildebrands  söhn?  Das  er  ein  guoter  ritter  was, 
meldet  von  diesem  auch  die  Thidrikssaga,  die  doch  ein  deutsches 
gedieht  widergibt:  Emji  maör  i  Onilunyalandi  er  hans  rnah', 
sua  er  kann  goör  riddari,  sagt  Konrad  zu  meister  Hilde- 
brand, nachdem  er  ihn  gemahnt  hat:  Mail  viö  hann  Jcurtelslega 
ok  seg  at  J)v  crt  hans  faöir  (vgl.  du  soll  im  freunÜicJi  zusprechen 
icol  durch  den  luillen  mein  Uhland  uo.  132,  str.  4)  Thidrikssaga, 
cap.  406. 

142  des  Schildes  veli  bezogen  ivas  mit  nimven  röten  mar- 
derJceln  . . .  dar  in  icls  hermeUn  ein  gender  leive  ivas  gesniten. 
In  seiner  paraphrase  einl.  s.  26  gibt  Bernt  die  stelle  wider: 
'auf  rotem  feile  (1.  felde)  aus  marderfellen  ist  ein  gehender 
löwe  eingeschnitten.'  Das  ist  kaum  richtig,  denn  marderkehlen 
und  hermelin  sind  heraldische  termini  für  die  rote'  und  die 
weisse  tinctur.  Die  ganze  ausdrucksweise  wird  der  heraldischen 
kuustsprache  angehören.    Auch  gender  ist  ein  solcher  terminus; 


')  Und  bei  Saxo  358;  vgl.  Jiriczek,  Deutsche  heldeusageu  1,285. 

35* 


642  WALLNER 

'gehend'  wird  ein  Wappentier  genannt,  wenn  es  einen  vordem 
und  einen  hintern  f iiss  aufhebt.  E.  Kraus  (und  vdHagen)  setzten 
daher  mit  unrecht  g inender  {ginder;  hs.)  in  ihre  texte.  Unser 
beleg  ist  auch  bei  Lexer  1, 1017  zu  streichen. 

170  von  einem  haldiktne  ivart  im  ein  himel  ertraJit,  tif 
vier  schefte  gemacht  gar  schone  zu  den  zitcn.  Lexer  (1,  1283) 
citiert  die  stelle  nach  der  hs.:  gar  schone  zu  den  silen  und 
merkt  an,  dass  vdHagen  ßUen  st.  sUen  geschrieben  habe. 

206  (loch  nicht  lauge  wart  gespart, 

daz  der  künic  ritterlich 
hiez  in  ir  wäfen  zieren  sich 
zwene  ritter  nz  erweit. 

Das  gegen  die  hs.  ergänzte  wart  ist  nicht  notwendig,  denn 
man  kann  lesen  doch  nicht  lange  gespart  daz  der  Id'mic  ritter- 
lich hiez  ...  Es  liegt  wider  die  schon  beim  Tristan  zweimal 
berührte  Verwendung  des  daz  —  dort  im  versschluss  —  als 
dem.-pron.  und  zugleich  als  conjunctiou  vor. 

Schrätel  und  wasserbär. 
36  ivan  in  der  ähent  des  tages  ttvanc.  Das  metrisch  und 
sprachlich  überschüssige  tages  ist  zu  streichen:  wan  in  der 
ahent  des  hefzvanc,  daz  er  Ute  vasfe.  Die  form  hetwanc  st. 
twcinc  wird  durch  die  construction  gefordert.  Aus  demselben 
gründe  muss  177  f.  umgestellt  werden: 

lind  der  släf  in  des  betwanc, 
daz  er  sich  leite  üf  eine  haue. 

56  swie  ofte  im  harte  uud  süre 

wart  sin  lipnar  mit  uot. 

Das  ist  eine  conjectur  AVackernagels  für  hsl.  ivie  ofte  im  wart 
vnde  soiver  sin  lijniar  mit  not.  —  vnde  soiver  halte  ich  für  ver- 
lesen oder  'verbessert'  aus  vnsüre.  Vgl.  die  drohung  im  Priester- 
leb. 225  Entriiven,  daz  wirt  in  vil  unsonr.  Das  wort  ist  eine 
kreuzung  aus  süre  und  unsuoze.    Es  ist  also  herzustellen: 

swie  ofte  im  wart  unsüre 
sine  lipnar  mit  not. 

Vgl.  sine  gestalt  102,  sine  koste  172  (sin  nur  vor  vocal.  anlaut 
und  vor  h:  98.  119.  244.  309).  Zu  dem  versschluss  misüre  vgl 
250.  268.  341. 


zu   HEINRICH    VON   FRETBERG.  543 

118  uu  habe  oucli  ich  die  vreise  sin 

uiide  sin  untät  gevlogen 
und  habe  micli  gar  von  im  gezog-en, 
des  ich  mich  au  iueh  seihen  ziehe  ( :  vihe). 

Die  lis.  hat  den  reim  zieh  :  vidi;  Wackeriiagel  schrieb  sie  :  vie. 
Die  alte  crux  wird  aus  der  weit  geschafft,  wenn  man  liest: 
des  ich  an  iuch  selbe  jihe  'was  ich  selbst  euch  gesteh'.  Der 
Schreiber  hat  jihe  in  zihe  verlesen  und  deshalb  mich  eingeflickt. 
\g\.  Graf  Kud.  H  20  des  tvil  ich  an  iuch  alle  jehen. 

159  (er  gab  . . .)  sinem  bereu  eiuen  wider, 

der  im  doch  süre  guuoc  wart  sider. 

\\'as  die  hs.  bietet,  gibt  keinen  sinn,  ob  man  das  im  nun  auf 
den  bauer  oder  auf  den  baren  bezieht.  Wackernagel  hat  seinen 
Vorschlag  der  im  doch  sider  gnuoc  wart  ivider  später  selbst 
zurückgezogen.  Vielleicht  ist  zu  lesen:  des  im  doch  suone 
gnuoc  wart  sider  'was  ihm  doch  späterhin  reichlich  vergolten 
Avurde'.  Die  construction  wäre  nach  mir  wirt  huoz  gebildet; 
vgl.  huoze  linde  suone  der  hin  ich  tu  bereit  Nib.  1928,  3. 

191  daz  ir  die  wärheit  wizzet: 

ez  hete  ein  vleischel  gespiezet 
an  einen  spiez  iseuin. 

•  Den  nid.  Charakter  der  spräche  Heinrichs  auffällig  bezeugend 
und  dem  gesetze  Zwierzinas  entsprechend  scheint  die  binduug 
i  :  ie,  allerdings  nicht  in  geschlossener  silbe:  icizzet :  gespieset 
Schret.  191,  vielleicht  auch  ziehe  :  vihe  Schret.  121';  einl.  s.  97. 
—  Die  formen  der  hs,  gespizzet  und  spiz  müssen  unbedingt 
bleiben,  denn  hier  ist  eben  nicht  von  spiez,  spiezcn  die  rede, 
sondern  von  sjnz  'bratspiess',  spizzen  'an  den  bratspiess  stecken' 
Lexer  3,11041).  Daher  ist  auch  212  spizze  und  223  spiz  zu 
belassen. 

GRAZ,  im  märz  1907,  ANTON  WALLNER. 


DIE  ENTWICKLUNG  VON  Nx\SAL  VOR  STIMM- 
LOSER SPIRANS  IM  NIEDERDEUTSCHEN. 

Es  soll  in  den  folgenden  zeilen  der  versiicli  gemacht  werden, 
die  entwickliing-  von  nasal  vor  stimmloser  spirans  in  den  neii- 
niederdentsclien  dialekten  zu  klären.  Ich  habe  es  nicht  als 
meine  aufgäbe  betrachtet,  das  ganze  problem  in  seinen  viel- 
fachen Verzweigungen  zu  verfolgen:  dazu  fehlt  mir  die  nötige 
umfassende  Sachkenntnis;  es  ist  nur  meine  absieht,  einen  neuen 
gesichtspunkt  zu  entwickeln. 

Während  die  as.  denkmäler  den  ausfall  eines  nasals  vor 
den  stimmlosen  Spiranten  s,  f,  J)^)  consequent  durchführen'^), 
scheint  dieser  lautliche  Vorgang  in  bezug  auf  p,  das  sich  unter- 
dessen zu  d  (und  daraus  späterhin  zu  nn^))  entwickelt  hat,  im 
mnd.  und  neund.  aufgehoben  zu  sein^);  auch  vor  5  und  /'  tritt 
gelegentlich  ein  m  oder  n  auf,  in  mnd.  denkmälern  jedoch  un- 
gleich häufiger  als  in  den  modernen  dialekten.  Van  Helfen 
hat  eine  erklärung  für  diese  eigentümliche  erscheinung  zu  geben 
versucht^),  der  auch  andere,  wenn  auch  zurückhaltend,  zu- 
gestimmt haben.'')  Nach  dieser  ansieht  hätten  im  as.  doppel- 
formen bestanden:  formen,  in  denen  der  spirant  zu  derselben 
silbe  gehörte  wie  der  nasal,  hätten  diesen  verloren  (z,  b.  munp 
>  mud),  die  übrigen  ihn  aber  bewahrt  (z.  b.  muti-J)-  >  mimd-). 
In  dem  dialekt  des  Helianddichters  seien  die  nasallosen  formen 


')  Von  dem  vollständig  parallelen  Vorgang  des  ausfallens  von  //  vor  / 
sehe  ich  hier  als  einer  gemeingerm.  erscheinnng  ab. 

^)  Holthauseu,  As.  elementarbuch  §  191.  192. 

3)  Wrede,  Zs.  fda.  43,  341. 

")  ders.  ib. 

^)  IF.  5, 190  ff. 

•5)  Behaghel,  Pauls  Grdr.  l'-*  720,  §  98;  Morsbach,  Beibl.  z.  Anglia  7,  327; 
Bülbring,  Ae.  elementarbuch  1,  §  122,  anm.  1. 


NASAL   VOR   STIMMLOSER   SPIRAXS   IM   ND.  515 

zur  ausschliessliclien  herscliaft  gelangt,  indem  sie  die  übrigen 
nach  den  gesetzen  der  analogie  verdrängten.  Später  aber  soll 
(lieser  dialekt  entweder  untergegangen  sein,  oder  unter  dem 
einflusse  einer  früher  latenten,  vielleicht  volkstümlichen  unter- 
strömung  sich  verändert  haben. 

Diese  theorie  hat  aber  manches  bedenkliche.  Haben  doppel- 
formen  bestanden,  so  müssten  diese  doch  im  as.  viel  häutiger 
belegt  sein;  die  wenigen  fälle  mit  and  statt  ö/V)  erklärt  man 
wol  mit  recht  als  auf  dem  Vernerschen  gesetze  beruhend.-) 
Und  wie  sollte  im  übrigen  die  verschwindend  kleine  zahl  der 
einsilbigen  formen  des  st,  verbums  den  sieg  über  die  mehrsilbigen 
davontragen  können?  Es  kommt  ausserdem  noch  der  umstand 
dazu,  dass  die  mnd.  quellen  den  nasal  vor  s  und  f  viel  häufiger 
aufweisen  als  die  heutigen  dialekte:  jene  doppelformigkeit  müsste 
also  Jahrhunderte  lang  in  der  spräche  bestanden  haben,  um 
sich  von  zeit  zu  zeit  bemerkbar  zu  machen.  Für  einen  dialekt, 
der,  wie  das  niederdeutsche,  so  starke  hinneigung  zu  analogie- 
bildungen  zeigt,  ist  etwas  derartiges  kaum  anzunehmen. 

Ich  gehe  demgegenüber  von  der  ansieht  aus,  dass  im  as. 
ebenso  wie  im  anglo-fries.^)  der  Verlust  der  nasale  vor  s,  f,  Jj 
stricte  durchgeführt  worden  ist,  und  zwar  unter  dehnung 
und  nasalierung^)  der  vorangehenden  vocale.  Bei  5  und  f 
hat  sich  dieser  zustand  bis  in  die  heutigen  dialekte  erhalten; 
nur  ist  denasalierung  und  gelegentlich  kürzung  des  vocals 
eingetreten.  Alle  formen  mit  nasal  vor  5  und  f  sind  durchaus 
als  fremde  eindringlinge  zu  betrachten,  mit  ausnähme  der- 
jenigen fälle,  in  denen  eine  andere  erklärung  möglich  ist:  wenn 
nämlich  die  analogie  in  einem  paradigma  von  einfluss  gewesen 
ist,  oder  wenn  der  nasal  erst  dann,  nachdem  das  gesetz  aufgehört 
hatte  zu  wirken,  durch  synkope  mit  dem  Spiranten  zusammen- 
gestossen  ist.^)  Für  eine  derartige  annähme  spricht  schon 
der  allgemeine  Charakter  der  in  mnd.  zeit  zu  schriftlichen 
aufzeichnungen  benutzten  spräche,  die  mit  künstlichen,  nicht 


')  ä  stellt  im  folgenden  für  alle,  vor  nasal  +  consonaut  möglichen  vocale. 
'■')  Holthausen  a.  a.  0.  §  192,  anm. 

3)  Biilbring,  Ae.  elementarlnich  §  122;  Siebs,  P.  Grdr.  P,  1176,  §  10. 
*)  Sievers,  Ags.  gramm.^  §186,  anm.  2;  Sweet,  History  of  Engl.  Sounds 
1888,  §  531. 

5)  Holthausen  a.a.O.  §  192. 


546  MUTSCHMANN 

bodenständigen,  hoclideutschen  elementen  stark  durchsetzt  ist.') 
Aber  auch  der  umstand,  dass  jene  undialektischen  formen  in 
den  mnd.  quellen  zahlreicher  sind  als  in  den  lebenden  Volks- 
sprachen, ist  ein  beweis  für  ihre  herkunft. 

Bei  2)  liegt  die  sache  allerdings  anders:  wäre  as,  ap  nicht 
regelmässig  durch  späteres  and  (bez.  ant)  vertreten,  d.  h.  gienge 
seine  entwicklung  mit  der  von  as  und  äf  parallel,  so  würde 
der  soeben  entwickelten  theorie  nichts  im  wege  stehen.  Aber 
auch  diese  bedenken,  die  für  die  drei  Spiranten  eine  gleich- 
artige entwicklung  verlangen,  könnten  beseitigt  werden,  und 
das  Problem  eine  befriedigende  lösung  finden,  wenn  es  gelingen 
sollte,  die  auf  den  ersten  blick  paradox  scheinende  behauptung 
zu  beweisen:  «/>  habe  sich  natur gemäss  unter  ihm  eigen- 
tümlichen Verhältnissen,  im  gegensatze  zu  äs  und  af,  zu  and 
entwickelt. 

Gehen  wir  näher  auf  die  lautlichen  Vorgänge  beim 
schwinden  des  nasals  ein,  so  werden  v>'ir,  wie  sich  aus  den 
späteren  betrachtungen  ergeben  wird,  zu  der  notwendigen 
annähme  gedrängt,  dass  der  nasal  dem  folgenden  Spiranten 
vollständig  homorgan  war;  beide  laute  wurden  mit  denselben 
Organen,  an  der  gleichen  stelle  erzeugt.  Dieses  liefert  uns 
einen  anhaltspunkt  für  die  Chronologie:  es  setzt  nämlich  eine 
zeit  voraus,  in  der  das  f  noch  bilabial  gesprochen  wurde. 2) 
Denn  der  labio-dentale  nasal  kann,  wenn  er  überhaupt  ent- 
steht, nur  für  sehr  kurze  zeit  sich  erhalten;  die  meisten  Sprecher 
sind  nämlich  gezwungen,  bei  seiner  ausspräche  die  zunge 
gegen  die  oberen  Schneidezähne  zu  legen,  um  einen  vollstän- 
digen verschluss  zu  erzielen;  sie  sprechen  also  den  dentalen 
nasal,  so  dass  die  articulation  der  Unterlippe  ohne  einfluss  ist 
und  gänzlich  unterlassen  wird.  Als  beispiel  möge  die  aus- 
spräche der  hochd.  Wörter  wie  sanft,  Jianf,  rauft  dienen,  in 
denen  wir  entweder  das  bilabiale  m,  oder  häufiger  noch  das 
dentale  n  hören,  das  ja  auch  in  der  schrift  ausgedrückt  wird. 

In  der  folgenden  tabelle  sind  nun  die  lautcomplexe  ans, 
amf,  and  dargestellt,  und  zwar  derartig,  dass  die  gleichzeitigen 


')  Jostes,  Schriftsprache  u.  volksdialekte,  Jahrb.  d.  Vereins  f.  ud.  sprachf. 
9,  85  ff.;  H.  Jellinghaus,  Westfäl.  gramm.,  Bremen  1877,  §  4. 

»)  Kluge,  Vorgesch.  P.  Grdr.  1^  365;  Bnigmaun,  Grdr.  l^,  §568. 


NASAL   VOR   STIMMLOSER   SPIRANS   IM   ND. 


)17 


Stellungen  der  hauptsächlich  in  betraclit  kommenden  organe  — 
Stimmbänder,  veliim,  zung-e  und  lippen  —  registriert  worden  sind. 


Stimmbänder!       Nasenrauin  Zunge  u.  lippen 


I.         stimmton 


n.         stimmtou 


III.     aufhören  des 
stimmtous 


verschluss  des        die  dem  vocal  eig-en- 
nasoi!l\aiinl>:  tümliche  Stellung' 


senken  des         I      verschluss  des 
gaumensesrels  nasals 


verschliessen  des 
naseukanals 


n.  Dl 


bildung-  einer  enge     $^  f^  p 

durch  öffnen  des 
verschlusses  unter  II 


Der  erste  schritt  der  entwicklung  war  nun  die  nasalierung 
des  Yocals,  d.  h.  das  frühzeitige  senken  des  gaumensegels 
während  der  articulation  von  I.  Ob  dieses  ausschliesslich 
vor  nasal  +  stimmloser  spirans  (mit  einschluss  von  /,  s.  oben 
s.  544,  anm.  1)  stattfand,  oder  nur  ein  teil  einer  vielleicht  alle 
germanischen  sprachen  durchziehenden  tendenz  zur  nasalierung 
ist'),  kann  noch  nicht  entschieden  werden. 

]\nt  diesem  schritt  war  aber  der  nasalconsonant  seines 
hauptcharakteristicums  beraubt:  die  nasalität  diente  nicht 
mehr  dazu,  ihn  von  seiner  Umgebung  nachdrücklich  abzu- 
heben. Der  laut  ?^  oder  m  Avurde  in  dieser  Verbindung  nur 
noch  charakterisiert  durch  den  dentalen  bez.  labialen  ver- 
schluss, dessen  Wirkung  sehr  gering  war.  Setzen  wir  nun 
den  fall  grösster  Wahrscheinlichkeit,  dass  nämlich  die  nasale 
den  folgenden  Spiranten  vollständig  homorgan  waren'-),  worauf 


')  Man  vergleiche  die  ausnahmestellung  der  vocale  vor  nasal  +  con- 
sonant  im  germ. ;  den  ausfall  des  ?;  vor  /,  die  entwicklung  von  -wgerm.  ä 
im  fries.  und  ae.,  auch  die  uasalierungserscheiuungen  der  uordischpu  sprachen. 
Noreen,  P.  Grdr.  !'■*,  554,  §  24;  581,  §111;  s.  auch  Wyld,  Historical  Study  of 
the  Mother  Tongue  etc.,  London  1906,  s.  76. 

*)  Die  n  vor  s  und  /j  waren  also  verschieden;  nach  der  Sweetschen 
terminologie  würde  mau  das  erste  als  blade,  das  zweite  als  point-teeth 
nasal  bezeichnen. 


548  MUTSCHMANN 

ich  sclion  oben  liiiig-ewiesen  habe,  so  folgt  daraus,  dass  zwischen 
beiden  ein  hörbarer  gleitlant  (off-glide)  nicht  vorhanden  war. ') 
Somit  war  das  bilden  des  verschlusses  fast  ohne  akustische 
Wirkung,  und  wurde  um  so  eher  unterlassen,  als  mit  diesem 
schritt  eine  organische  Vereinfachung  der  articulation  ver- 
bunden war.  Anstatt  den  verschluss  zu  bilden  und  ihn  dann 
an  derselben  stelle  für  die  enge  des  Spiranten  zu  öffnen,  unter- 
liess  man  das  erstere  vollständig;  nur  wurde  die  Zeitdauer 
des  nasals  durch  die  Verlängerung  der  articulation  des  vocals 
ausgefüllt.  Das  endergebnis  war  also  ein  langer,  nasa- 
lierter vocal  vor  stimmloser  spirans:  äs,  af,  äp.  Aller- 
dings findet  die  nasalität  in  den  as.  (und  ae.)  quellen  keine 
bezeichnung.  Aber  hieran  dürfen  wir  keinen  anstoss  nehmen : 
ist  doch  auch  die  als  sicher  nachgewiesene  nasale  ausspräche 
der  vor  germ.  ijx  entstandenen  langen  vocale  unbezeichnet  ge- 
blieben.-) In  noch  viel  grösserem  umfange  zeigen  die  altnord. 
quellen  diese  graphische  nachlässigkeit.  s) 

Die  nasalvocale  müssen  sich  unter  dem  tone  bis  in  die 
mnd.  zeit  hinein  als  solche  erhalten  haben;  in  unbetonten 
Silben  gieng  mit  der  kürzung  wol  auch  die  nasale  ausspräche 
verloren.^)  Jedenfalls  war  sie  aber  noch  in  den  Stammsilben 
vorhanden  —  und  damit  komme  ich  zu  dem  kernpunkt  meiner 
ausführ ungen  —  als  der  Lautwandel  J)  >  d  die  nd.  dialekte 
von  Süden  her  vorschreitend  ergriff.  &)  Welches  auch  immer 
die  gründe  dieses  in  der  Sprachgeschichte  häufigen  Vorganges 
sein  mögen,  das  ergebnis  war  jedenfalls  ein  laut,  der  dem  d 
sehr  ähnlich  war  und  bald  mit  ihm  zusammenfiel.  Mit  diesem 
lautwandel  stellte  sich  aber  in  der  Verbindung  «/>  der 
nasalconsonant  w^ider  ein.    Das  charakteristicum  des  d  ist 


')  Icli  verweise  hier  ausdrücklich  auf  die  ausführungen  Sweets:  'lu 
Speech  the  general  priuciple  is  to  take  the  shortest  way  betweeu  two 
Sounds.  This  often  results  in  conibinations  which  are  effected  without 
auy  glide  at  alL  This  is  regularly  the  case  in  sequences  of  couso- 
nauts  having  the  same  place  and  differing  only  in  form.' 
a.  a.  0.  §  82. 

-)  Kluge,  Vorgesch.  P.  Grdr.  1-,  412,  §  127;  Sievers,  Ags.  gramm."  §  67; 
Bülbring  a.a.O.  §  121. 

^)  Kahle,  Altisl.  elementarb.  §  36 ;  Noreen  a.  a.  o. 

'')  Holthauseu  a.a.o.  §  135.  405,  anm.  1;  Sweet  a.a.O.  §  154. 

»)  Braune,  Beitr.  1,  53  ff. 


NASAL   VOR   STIMMLOSER   SPIRANS   IM   ND. 


549 


die  explosioii:  der  verschluss,  der  hierzu  notweudigerweise  ge- 
hiklet  werden  muss,  ist  derselbe  wie  beim  n.  Der  ^-leitlaut 
(on-glide),  der  sich  zAvischen  dem  d,  d.  h.  dem  öffnen  des  ver- 
schlusses, und  dem  nasalierten  vocal  entwickelt,  ist  also  ein 
nasalierter  dental  ein  n.  aj)  gieug-  also  in  diid  über;  ob  die 
kiirzung"  des  vocals  gleichzeitig  erfolgte  —  wie  ich  anzunehmen 
geneigt  bin  —  oder  später,  entzieht  sich  der  beobachtung. 
Die  folgende  tafel,  die  nach  demselben  jirincip  wie  die  auf 
s.  547  augelegt  ist,  zeigt  die  Verhältnisse  deutlicher  als  eine 
erklärung;  dieses  zu  tun  vermag. 


Stimmbänder  Xasenraum  Zung-e  u.  lippen 


stimmtou  senken  des  die  dem  vocal  eigen- 

gaumensegcls       j    lümliche  Stellung 


11. 


stimmten 


senken  des 
gaiimensegels 


dentaler  verschluss, 
die  explosion  (III) 
des  d  vorbereitend 


m. 


stimmton 


verschhiss  des 
nasenkanals 


öffnen  des  dentalen 
verschlusses 


^^'ill  man  sich  von  der  möglichkeit,  ja  notwendigkeit  eines 
Überganges  von  äj)  zu  and  überzeugen,  so  versuche  man  bloss 
dp,  uiul  dann  äd  zu  sprechen.  Ich  selbst  habe  die  akustische 
Wirkung  dieser  lautverbindungen  häufig  festgestellt  bei  kindern 
in  den  ersten  Schuljahren,  die,  sofern  ihnen  eine  nasalierende 
ausspräche  —  also  besonders  das  französische  —  unbekannt 
ist,  für  diese  zwecke  die  geeignetsten  Versuchspersonen  sein 
dürften.  Da  der  laut  ]>  im  deutschen  nicht  vorhanden  ist, 
sah  ich  mich  veranlasst,  einen  ähnlichen  Spiranten,  am  besten  s, 
zu  substituieren.  Liess  ich  die  franz.  Wörter  lance  (las)  und 
lande  (lad)  nach  dem  gehör  niederschreiben,  so  erhielt  ich 
stets  ergebnisse  wie  etwa  die  folgenden:  lahs,  lars  —  lahndc, 
lande  u.  dergl;  im  ersteren  falle  wurde  also  ein  langer  vocal, 
im  zweiten  ein  n  deutlich  gehört. 

Kehren  wir  nun  zu  den  nd.  Verhältnissen  zurück:  es  muss 


550       MUTSCHMANN,   NASAL   VOR    STIMMLOSER   SPIRANS   IM   ND. 

also  eine  zeit  gegeben  haben,  in  der  die  as.  Verbindungen  äs, 
af  und  äp  durch  ns,  äf  und  and  vertreten  waren.  Später 
wurde  die  nasalierung  der  vocale  aufgegeben;  die  consonanten 
aber  wurden  hiervon  nicht  betroffen.  Dabei  fand  die  neue 
lautverbindung  nd  (<  aj))  eine  besondere  stütze  in  den  zahl- 
reichen Wörtern  mit  ursprünglichem  nd,  wie  z.  b.  as.  liand, 
bindan.  Beide  teilten  nun  dasselbe  Schicksal:  sie  blieben 
erhalten  wie  sie  sich  ja  in  den  heutigen  dialekten  vorfiriden. 
Sollte  man  der  soeben  vorgetragenen  theorie  seine  Zu- 
stimmung geben,  so  wäre  damit  die  annähme  von  doppel- 
formen überflüssig  gemacht  worden;  Kögels  ansieht,  nd  sei 
unsächsisch,  fände  hierin  —  v>'enigstens  für  das  as. ')  —  eine 
bestätigung.  Auch  dürfte  man  das  fehlen  des  n  in  der  Ver- 
bindung Avg.  nj)  nicht  mehr  zu  einem  kennzeichen  des  dialekts 
des  Heliand  machen,  und  hierauf  fussend,  diesen  unter  den 
heutigen  mundarten  zu  ermitteln  suchen.-) 


^)  Natürlich  mit  ansnabrae  der  auf  s.  5i5  (u.  aum.  5)  angeführten  fälle. 
-)  Jostes,  Zs.  fda.  40, 172. 

GÖTTINGEN,  im  februar; 
BONN,  im  april  1907. 

HEINEICH  MUTSCHMANN. 


I<:TWAS  von  STRECKFORMEN  UND 
ÄHNLICHEM. 

Dr.  Heinrich  Schröder  hat  in  seinen  'Streckformen'  (Heidel- 
berg- 1906)  den  sprach-  nnd  dialektforschern  ein  werkzeng-  g-e- 
liefert,  mit  Avelchem  sie  wie  mit  dietrichen  und  hanptschlüsseln 
viele  sprachliche  wertheimschlösser  anfsperren  können;  und  es 
is't  nur  zu  verwundern,  dass  unter  allen  deutschen  etymologen, 
von  Adelung  bis  auf  Kluge,  sich  niemand  fand,  der  diesen  ein- 
fachen und  doch  so  fruchtbaren  gedanken  erfasst  hat.') 

Wie  sind  aber  auch  diese  Streckformen,  durch  die  so 
manches  wort  derart  entstellt  wurde,  dass  man  es  als  fremd- 
wort  betrachten  kann,  entstanden?  Sie  entstanden  und  ent- 
stehen noch  heutzutage,  so  wie  Volkslieder.  Sie  leben  im 
Volke,  ohne  dass  jemand  —  wenigstens  in  den  meisten  fällen 
—  den  autor  kennt.  Sie  entstehen  im  volke  nach  unbekannten 
gesetzen,  wie  die  pflanze  auf  der  ilur. 

Dass  Streckformen  auch  heute  noch  entstehen,  habe  ich 
im  monat  november  vorigen  jalires  erfahren.  Ich  war  damals 
in  einer  Weinstube,  wo  der  wirt  Paul  Klein,  ein  gewesener 
Schneider,  also  kein  wissenschaftlich  gebildeter  mann,  obwol 
er  drei  sprachen  spriclit,  seine  Stammgäste  mit  wüi'sten  trac- 
tierte.  Auf  die  frage:  warum  er  bei  so  warmer  Witterung 
Schweine  schlachte?  antwortete  er  —  wahrscheinlich  weil  er 
sich  vor  den  gasten  genierte  und  keinen  obsc<)nen  ausdruck 
gebrauchen  wollte  — :  'ich  musste  die  sau  sciilacliten,  denn 
sie  wollte  nicht  fressen,  sondern  nur  hahiJcein.^  Er  bildete 
sich  also  aus  einem  slavischen  wort  eine  deutsche  Streckform. 
Im  slavischen  heisst  httJial  so  viel  wie:  nach  dem  eher  ver- 


1)  [Kluge  hat  allerdings  Litbl.  190ß,  s.  393  ff.  Schröders  erklärmigs- 
priucip  völlig  abgewiesen.  Vgl.  jetzt  zur  frage  der  wortbetonuug  A.  Geb- 
liardt,  Zs.  f.  deutsche  mundarteu  2, 155  fl'.  —  W.  B.J 


552  Kövi 

langen,  coTre  von  den  Schweinen  gesagt;  mit  dem  infix  al  und 
der  deutschen  endung  ein  bildete  er  die  Streckform  liahd-ein, 
die  man  natürlich  in  keinem  wissenschaftliclien,  auch  in  keinem 
dialektwörterbuch  finden  wird  und  die  —  wenn  sie  irgendwo 
gedruckt  erschiene  —  zu  den  buntesten  erklärungen  anlass 
geben  würde;  auch  habe  ich  dieses  wort  bis  jetzt  nirgends 
bei  den  deutschen  bauern  in  Zipsen  gefunden  und  gehört. 

Auf  solche  und  ähnliche  weise  können  somit  noch  immer 
neue  Streckformen  entstehen,  die  den  etymologen  ohne  Schröders 
fingei-zeige  in  seinen  SStreckformen'  harte  nüsse  zu  knacken 
geben. 

Schröder  sagt  selbst  (s.  250):  'Die  meisten  Streckformen 
kann  man  doch  nur  aus  den  seit  der  mitte  des  18.  jh.'s  er- 
schienenen Wörterbüchern  der  volksmundarten  kennen  lernen.' 

Auch  die  Zips,  deren  'Zeitschrift  für  und  aus  Ungarn  1804' 
schon  A.  Schmeller  in  betracht  zog,  dürfte  hierfür  beachtung 
verdienen,  zumal  hier  zw^ei  hauptdialekte  in  vielleicht  zwanzig 
verschiedenen  abtönungen  gesprochen  werden. 

Von  den  ca.  300  Streckformen,  die  Schröder  gesammelt 
und  erklärt  hat,  sind  vielleicht  zwanzig  auch  den  Deutschen 
in  Zipsen  geläufig,  wenn  auch  zuweilen  in  anderer  bedeutung ; 
dafür  aber  gibt  es  Streckformen,  die  in  keinem  deutschen  wörter- 
buche  zu  finden  sind,  und  da  bis  jetzt  noch  kein  Wörterbuch 
der  Zipser  mundart  erschienen  ist,  so  erlaube  ich  mir  hier  an 
dieser  stelle  einige  derselben  anzuführen: 

1)  Mit  dem  infix  cj/j:  schlapurde  {ßlapurdd),  scJilurdc  < 
slör{d)en,  schlören,  scldüren  =  schlottern,  schleppen,  nachlässig- 
trägen;  daher  schlamiye,  schlumpe,  schlapurde,  besonders  was 
den  anzug  betrifft;  s.  Schm.  2,  523;  Weig.  2,  588  und  Sehr.  s.  186. 

2)  Mit  dem  infix  ar:  tscharaclien  {tsardxn)  <  tschachen, 
schachen,  Sachen^),  namentlich  allerhand  'alte  Sachen',  die  mau 
im  '/5c/iarac/<ew-niagazin'  (=  rnmpelkammer)  aufbewahrt,  da 
man  sie  doch  nicht  vernichten  will. 

3)  Mit  dem  infix  atz:  taldtzen  (tcddlsn)  <  tule^i,  dalen  = 
lallen,  stammeln,  schwatzen;  subst.  taldtzer. 

0  Die  verseliiebung  des  s  oder  ss  iu  seh  ist  in  der  mundart  häufig; 
z.  b.  irz.  chassieren  wird  gesprochen:  (SaS/rij)  'tanzend  oder  müssig  herum- 
gehen'.   Betreffs  der  Verstärkung  des  §  iu  ß  siehe  Bei tr.  19, 318. 


ETWAS   VON   STKECKFORMEN.  5^0 

4)  ]\rit  dem  infix  no:  tmnotschen  {tranötsn)  <  tratschen, 
tratschen  =  scliwatzeii,  klatsclien. 

5)  Mit  dem  iniix  drr.  schividritteln  (svidritln)  <  schiciiteln, 
schwetteln  Sclim.  2,  682  =  sclnvadern,  schwatzen;  mh^i.  schwi- 
drnlle  {svidrnh).  In  diesem  wort  ist  das  infix  g-ekürzt  und 
zugleich  gestreckt.  Uebrigens  ist  nU,  idl^  eine  slavische  endung, 
wie  z.  b.  in  papidle  <  papni,  Wiener  ma.  für  'mund,  maul'; 
ferner  in  fnrhdle  <  furl^eln.  S.  Sclim.  tanmdle  =  tanzsaal, 
tanzboden  im  freien  (z.  b.  im  Leibitzer  Schwefelbad).  Diese 
wtirter  haben  den  hauptton  auch  auf  der  zweiten  silbe  und 
sind  doch  nicht  Streckformen. 

6)  ]\[it  dem  infix  nsch:  pisnschchen  ipi^us/,'})  <  P'i^X'J^  *^i^'^- 
zu  2)use  =  katze. 

7)  Mit  dem  infix  di:  rcdihaeu  >  re{di)lcacn  (reZv?)  =  rücken, 
rütteln,  möbel  geräuschvoll  hin  und  herschieben.  Die  infinitiv- 
endung-  aen  ist  in  der  ma.  häufig  und  volksüblich. 

8)  Mit  dem  infix  ilco:  ßfschil'okchi  {fdsilcQUn)  <  fitschehi 
und  ficlxen  durch  contamination  entstanden  und  durch  das  infix 
gestreckt.  Die  Streckform  hat  dieselbe  bedeutung  wie  fdscheln 
und  ficl-en,  nämlich  coire. 

9)  Mit  dem  infix  ott:  hrankotte  <  ltranli{ott)e  =  kränkelnde 
person.    Hier  drückt  das  infix  ein  iterativum  aus. 

10)  ]\Iit  dem  infix  id:  zapidchen  {tsapidyd)  <  zap{nl)chcn, 
zapchcn  dim.  von  za^)  <  slav.  caplm  =  ziege.  Die  Streckform 
wird  übrigens  auch  als  kuhname  gebraucht. 

Es  gibt  ferner  in  der  Zipser  ma.  den  Streckformen  ähn- 
liche Wörter,  die  ebenfalls  unregelmässig  betont  werden,  d.h. 
nicht  die  erste,  sondern  die  zweite  silbe  hat  den  ton.  So  z.  b. 
momök.  Dieses,  man  kann  sagen  durch  reduplication  gestreckte 
wort  hat  zum  stamm  mok  (s.  Gesammtw'b.  von  Kaltschmidt)  sd. 
ein  langsamer  m.,  ein  langsames  tier.  Daher  gilt  in  Zipsen 
momök  als  nebenform  zur  bezeichnung  der  laus. 

Ferner  hat  die  ma.  auch  lehnwörter  aus  der  slav.  und  ung. 
spräche,  die  ebenfalls  unregelmässig  betont  werden  und  daher 
wie  Streckformen  erscheinen,  aber  keine  sind.    So  z.  b. 

mazöchc  {matsoyd)  nbf.  von  Stiefmutter  <slaA^  mutka  =  mutter. 

hiitschorm  {butsurii)  (allerhand  alte  möbel)  <  ung.  lidor  = 
möbeln. 


554  KÖVI,  ETWAS   VON   STRECKFORMEN. 

2')nl'(r  <  \mg.  2^aUcr  =^  arbeiter,  aufseher. 
paripp  <  wwg.  paripa  =  reitpferd. 
topdnlien  {iopanhi)   <   iing.  topänißa  ( — ^)  =  frauen- 
sclmlie,  ii.s.w. 

Schliesslicli  erlaube  icli  mir  nocli  eine  kurze  bemerkuiig 
zu  den  'Streckformen'  von  H.  Schröder.  Der  autor  spricht  in 
i}  345  die  ansieht  aus,  dass  die  Streckformen  aus  den  geheim- 
sprachen entstanden  sind,  die  'türkensprache',  'räuhersprache', 
'rotAvelsch'  u.s.w.  genannt  werden.  Der  ung.  dichter  . 7.  Arany 
hisst  den  teufelsbeschv/örer  in  dem  gediclit  'Joka  ördöge'  fol- 
gendermassen  spreclien:  'Turgudorgod  mirgit  forgogargadtargäl? 
argadoi'gosorgom  margarargadtärgal'  u.s.w.  Der  dichter  nennt 
diese  Streckung  'vogelsprache'.  Streicht  man  in  jeder  silbe 
rg  -|-  Yocal,  so  bleiben  zwei  verständliche  Sätze:  'Tudod  mit 
fogadtiU?   Adosom  maiadtdl.'') 

Derartige  geheim  sprachen  machen  sich  gymnasialschüler 
untereinander  aus  jux  oder  Spielerei;  dialektsprache  und  Streck- 
formen sind  aber  meines  wissens  daraus  nicht  entstanden. 

Endlich  sei  erwähnt,  dass  es  in  der  Zipser  ma.  einige  Wörter 
gibt,  die  gegen  das  germ.  betonungsgesetz  Verstössen.  Solche 
sind:  jud^nnd  =  Jüdin,  ferner  einige  s.  g.  kalendertage,  Avie: 
hirdnl)  =  Karl  d.  gr.  (28.  Jan.),  margr(itj  Margaretha  (13.  juli), 
scüiieil)  Samuel  {26.  aug.),  miyjilj  Michael  (29.  sep.),  martlud 
Martin  (11.  nov.),  sm^ino  Simon  (28.  oct.);  of  sim^ind  jnd,  fällt 
dr  sn^l  of  dl  hud  (bauernregel). 


^)  'Weisst  was  du  versprochen?    Meiu  scliulduer  bist  g-eblieben. ' 
IGLÖ  (Ungarn,  Zips).  EMERICH  KÖVI. 


HKOIIUIECIITS  HAUBE. 

F.Keinz,  Helnibredit2s.  78  sagt  zu  v.29:  'wol  mag  mancher 
leser  sicli  wiinderii  über  die  menge  dessen,  was  auf  der  liaube 
dargestellt  war,  und  die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  der  dichter 
die  gelegenheit  benutzte,  um  seine  kenntnis  der  sagen  dai'zu- 
legen.  Doch  ist  das  ganze  nicht  so  ungeheuerlich,  als  es  auf 
den  ersten  blick  scheint.'  Diese  auffassung  ist  zu  beanstanden. 
Zwar  kann  man  sich  nach  Keinzens  ausführungen  a.a.O.  und 
den  correcturen  derselben  durch  Panzer,  Beitr.  27, 104  f.  allen- 
falls vorstellen,  wie  der  dichter  die  haube  gedacht  wissen  will. 
Aber  dass  die  ganze  Schilderung  der  liaube  mit  ihren  darstel- 
lungen  aus  den  Sagenkreisen  von  Troja,  Karl,  Dietrich  von  Bern 
und  aus  der  höfischen  gegenwart  nicht  nur  kein  reales  urbild 
gehabt  haben  kann,  wie  Keinz  annehmen  möchte'),  sondern 
dass  eine  solche  wunderhaube  überhaupt  nur  als  groteske 
Phantasie  zu  verstehen  ist,  darin  werden  heute  vielleicht  die 
meisten  mit  mir  übereinstimmen.  Und  zwar  wollte  der  dichter 
nicht  etwa  bloss  mit  seiner  sagenkenntnis  prunken,  wie  Iveinz 
meinte,  sondern  die  ganze  haubenschilderung  in  ihren  unglaub- 
lichen einzelheiten  ist  vom  dichter  offenbar  in  humoristischer 
absieht  gegeben. 2)  Sein  satirisches  epos  hat  überhaupt  die 
höfische  erzählungspoesie  zum  hintergrunde,  auf  die  zahlreiche 
deutliche  und  versteckte  beziehungen  sprachlicher  und  sach- 
licher art  hinweisen.     Ohne  stete  rücksichtnahme  auf  diese 


')  Auch  Schultz,  Huf.lebenl,2-il  (=-  s.326)  übersetzt  allzu  vertrauensvoll 
Ilelmbrechts  haube  in  die  Wirklichkeit.  —  Skeptischer  äussert  sich  dagegen 
A.Hagelstang-e,  Südd.  l)auernlebeu  im  ma.  s.42;  vgl.  auch  Inowraelawer,  Meier 
Helrabr.  Breslauer  progr.  1882,  s.  18  und  W.  Stoewer,  Das  kulturliistor.  im 
Meier  H.  Bochum  1891,  s.  12  (HO). 

*)  Schon  die  eingangsformel  zu  der  laugen  Schilderung  viit  einer  kurzen 
rede  sieht  (v.  2G)  trägt  den  schalk  au  der  stirn. 

Ueiliage  zur  i,'t:schiclite  ilcr  Juutschen  Sprache.     XXXII.  3G 


556  iBRAUNE 

bezielmngen  ist  ein  genaueres  Verständnis  des  gediclites  nicht 
müglicliJ)  So  ist  denn  auch  die  Schilderung  der  bildwerke 
auf  der  hauhe  erklärlich,  wenn  man  die  vielen  beschreibungen 
von  bildlichen  darstellungen  auf  waffen,  teppichen  und  gewän- 
dern  im  äuge  hat,  welche  in  den  höfischen  epen  sich  finden. 
vSolcher  pomphafter  beschreibungen  vereinigte  nun  unser  dichter 
in  drolliger  weise  eine  ganze  anzahl  auf  dem  unmöglichen 
räume  einer  haube. 

Ist  das  höfische  epos  für  die  darstellung  Wernhers  die 
Vorbedingung,  so  liegt  in  sachlicher  hinsieht  das  fundament 
seiner  dichtung  bei  Neidhart.  Dass  von  Neidhart  der  Helm- 
brecht nicht  losgelöst  werden  kann,  ist  gegenüber  Keinz  s.  79 
von  Eudloff  (Unters,  zu  M.  Helmbr.  Diss.  Rostock  1878,  s.  15  ff.) 
und  Panzer  (Beitr.  27, 109  ff.)  hinlänglich  erhärtet.  Zwar  wird 
man  Wernher  nicht  einen  blossen  nachahmer  Neidharts  nennen 
dürfen,  denn  dann  hätte  er  lieder  gemacht,  die  sich  unter  den 
pseusoneidhartischen  befinden  würden:  seine  leistung  ist  selb- 
ständig dadurch,  dass  er  motive  aus  Neidharts  lyrik  auf  das 
epische  gebiet  überträgt  und  mit  lebhaft  anschauender  Phan- 
tasie ausgestaltet.  2)  Aber  doch  liegt  nicht  nur  der  grundton 
von  Wernhers  gedieht  in  der  um  weit  Neidharts,  sondern  aus 
ihm  stammt  die  keimzelle  der  ganzen  conception.  Panzer,  ein- 
leitung  s.  viii  spricht  seine  zweifei  aus  an  der  früher  allzu 
vertrauensselig  angenommenen  geschichtlichkeit  der  Helm- 
brechterzählung. Ich  möchte  diese  zweifei  verstärken  bis  zu 
der  positiven  behauptung,  dass  sie  als  ganzes  betrachtet  un- 
geschichtlich  sei.  Im  einzelnen  hat  gewiss  Wernher  auf  grund 
eigener  anschauung  gestaltet,  er  hat  seine  geschichte  in  einer 
ihm  bekannten  gegend  localisiert,  er  hat  aus  dem  leben  der 
bauern  auch  wol  motive  der  erzählung  entnommen:  ich  will 


^)  Ich  weise  z.  b.  auf  das  misverstäiulnis  von  Keinz  hin,  der  zu  v.  37 
sich  abmüht,  den  Spehthart  zu  erklären,  bei  dem  er  es  für  unmöglich 
hält,  an  den  weit  entlegenen  Spessart  zu  denken  und  vergeblich  einen 
wald  dieses  namens  in  der  nähe  sucht.  Den  Spessart  aber  kannte  der 
dichter  als  berühmten  wald  aus  der  literatur.  Vom  Nibelungenliede  ab- 
gesehen, kommt  er  ja  bei  Wolfram  mehrfach  vor:  und  dass  er  dessen  ge- 
dichte  kannte,  zeigt  ja  schon  die  nachbilduug  der  stelle  über  Veldeke  Parz. 
404,  28  im  Helmbr.  217  ff. 

^)  Zur  weiteren  Würdigung  der  dichterischen  Selbständigkeit  Wernhers 
vgl.  besonders  Panzers  einleitung  s.  xv  f. 


HELMBRECHTS   HAUBE,  557 

es  sogar  für  mitglich  lialten,  dass  die  bestraf uiig-  eines  bäuer- 
lichen Täubers  ihm  aus  der  Wirklichkeit  und  aus  der  geschil- 
dei'ten  geg-end  zugeflossen  sei.  Aber  die  figur  des  üppigen 
jungen  bauern,  der  es  den  rittern  gleich  tun  will,  hat  er  aus 
einer  bestimmt  nachweisbaren  stelle  Neidharts  entnommen. 
Die  vier  Strophen  N.  85,  37 —  86,  30,  welche  Keinz"^  s.  78  nur 
als  parallele  gelten  lassen  will,  Panzer,  Beitr.  27, 109  f.  schon 
als  quelle  für  stolT  und  ausdrucksweise  vergleicht,  sind  geradezu 
als  grundlage  der  ganzen  Helmbrechterzälilung  zu  bezeichnen. 
Daher  hat  A\'ernher  die  anregung  zur  composition  seiner  er- 
zählung  empfangen, ') 

Neidharts  bauer  Hildemar,  der  mit  den  hovelhtten  rivali- 
sieren will,  zeichnet  sich  ganz  besonders  aus  durch  eine  praclit- 
liaube,  auf  welcher  ü^en  vogelin  mit  siden  i\f  genät  sind.  Das 
motiv  wird  zwei  Strophen  hindurch  ausgeführt  und  in  der 
dritten  wird  gedroht,  dass  die  ritter  ihm  die  haube  abzerren 
und  seine  seidenen  vögel  ihm  wegfliegen  werden,  Dass  dieser 
bauer  das  modell  ist,  nach  welchem  ^^'ernher  seinen  jungen 
Helmbrecht  erfunden  und  ausgestaltet  hat,  ist  um  so  ein- 
leuchtender, wenn  wir  erkennen,  dass  die  erste  uns  freilich 
nicht  erhaltene  fassung  des  gedichts  dem  urbild  noch  getreuer 
gewesen  ist.  Ich  glaube  nämlich  annehmen  zu  sollen,  dass 
die  grotesk  übertreibende  ausmalung  der  haube,  also  die  partie 
von  V,  26 — 103  der  ersten  niederschrift  des  gedichtes  noch  nicht 
angehört  hat. 

Eine  mit  seidenen  vögeln  reichlich  bestickte  haube  liegt 
im  bereich  des  möglichen  und  in  dem  eingange  des  M.  H.  v.  15 
— 19  ist  vorerst  auch  nur  von  einer  solchen  die  rede:  diu  ivas 
von  bilden  iccehe:  ich  tvcen  ieman  gescpJic  so  manegen  vogel 
nf  hüben:  sitcche  undc  laben,  die  ivären  al  dar  üf  genät. 
Diese  siteche  \inde  tühen  hat  man  sich  also  unter  den  bilden 
auf  der  haube  zunächst  zu  denken,  genau  der  haube  Hildemars 
bei  Neidhart  entsprechend.  Nur  diese  ausschmückung  der 
haube  wird  in  den  späteren  erwähnungen  vorausgesetzt.    Mit 


*)  Ich  möchte  hier  aber  nicht  unterlassen,  darauf  hinzuweisen,  dass 
die  ältere,  sonst  manches  verfehlte  enthaltende  arbeit  von  C.  Schröder, 
Germ.  10,  455  ff".,  doch  schon  die  geschichtlichkeit  der  Heinibrechthandlung 
bestimmt  leugnet  und  ein  gewisses  Verhältnis  derselben  zu  dem  liede  Neid- 
harts vermutet  (s.  459). 


558  BRAUNE 

keinem  worte  wird  auf  die  unmögliclien  bildwerke  angespielt, 
die  der  dicliter  einer  humoristischen  laune  folgend  hinterher 
noch  in  die  liaube  hineingearbeitet  hat.    Man  vergleiche: 
275    und  niiuer  wöeheu  hüben 
nnd  den  sidinen  tubeu 
die  dar  üf  näten  frouweu. 
429    so  liüete  diner  hüben 
nnd  der  sidinen  tüben, 
daz  man  die  indert  rüere. 
1879    nü  Miete  der  hüben,  Helmbreht! 

so  breit  als  ein  phenniuc 
beleip  ir  niht  bi  einander, 
sitiche  imd  galander, 
sparwfere  und  turteltüben, 
die  genäten  üf  der  hüben, 
die  wurden  gestreut  üf  den  wec. 

Besonders  die  letzte  stelle,  wo  die  haube  mit  ihren  vögeln 
zerpflückt  wird,  wie  es  ähnlich  Neidhart  seinem  Hildemar  an- 
droht, wäre  in  dieser  fassung  doch  geradezu  undenkbar,  wenn 
Wernher,  als  er  sie  dichtete,  schon  etwas  anderes  und  viel 
grossartigeres  auf  der  haube  gewusst  hätte,  als  nur  eben 
Vögel  mancher  art.  Wo  die  haube  sonst  erwähnt  wird  (303  ff. 
510  ff.),  erscheint  sie  nur  neben  den  anderen  schönen  kleidnngs- 
stücken  als  das  vornehmste.  So  wird  also  in  der  ersten  fassung 
des  eingangs  die  haube  mit  iliren  seidenen  vögeln  neben  der 
V.  131  —  223  beschriebenen  übrigen  herrlichen  ausstattung 
Helmbrechts  wol  den  ersten,  aber  nicht  einen  so  überragenden 
und  alles  erdrückenden  platz  eingenommen  haben,  wie  jetzt. 
Wenn  man  nun  nach  der  genaueren  Umgrenzung  der  Inter- 
polation fragt,  so  meine  ich  nicht,  dass  man  eine  solche  sauber 
ausscheiden  könne:  der  dichter  wird  die  nähte  durch  um- 
arbeiten verwischt  haben.  Kann  man  wol  mit  Sicherheit  die 
verse  26 — 103  als  neu  bezeichnen,  so  muss  doch  auch  schon 
die  frage  v.  20  tvcU  ir  nü  hoßren  ivaz  da  stät?  neu  sein.  Da- 
rauf folgt  aber  nun  nicht  gleich  die  antwort,  sondern  es  werden 
unzweckmässig  erst  die  personalien  von  vater  und  söhn  21 — 25 
eingeschoben.  Das  sieht  sehr  nach  umordnung  einer  früheren 
fassung  aus.  i)    Aber  auch  die  erzählung  von  der  herkunf t  der 


1)  Auch  der  nachdenkliche  Schreiber  der  hs.  B  hat  daran  anstoss  ge- 
nommen und  V.  21— 26  gestrichen.    Vgl.  Panzer,  Beitr.  27,  99. 


HELMBRECHTS   HAUBE.   —   NACHTRÄGE   ZU   BBAUT.         550 

liaiibe  (104—130)  scheint  mir  eine  ältere  darstelhmg  ersetzt 
zu  haben,  v.  277  steht  der  phiral  die  dar  üf  näfen  fromven 
im  Widerspruch  mit  der  einen  nonne,  die  nacli  v.  109  die  haube 
g-enäht  haben  soll.  Der  plural  ist  das  ursprüngliche.  Denn 
auch  in  der  quelle  N.  80, 9  hat  eine  mehrzahl  an  Hildemars 
haube  genälit:  da  hat  manic  hendel  sine  ringcr  zno  genieret,  e  si 
si  gezierten.  Unter  den  fromven,  die  für  Helmbrecht  arbeiteten, 
sind  natürlich  nicht  edeldamen,  sondern  klosterfrauen  zu  ver- 
stehen. Es  dürfte  also  in  der  ersten  fassung  Gotelind  die  nennen 
eines  klosters  mit  der  haube  beschäftigt  haben,  die  sich  wacker 
tummeln  mussten,  was  da  gewiss  ebenso  nach  Neidhart  hervor- 
gelioben  war,  wie  gleich  nachher  137  bei  der  leinwand  icol  siben 
icchtere  von  der  schwierigen  webarbeit  davonliefen,  ehe  sie 
fertig  Avurde.  Bei  der  Umarbeitung  des  eingangs  aber  lockte 
es  nun  den  dichter,  statt  der  indifferenten  mehrzahl  der  mmncn 
die  mit  derbem  scherz  gewürzte  geschichte  von  der  entlaufenen 
nonne  anzubringen:  er  vergass  jedoch  v.  277  den  auf  die  erste 
fassung  bezüglichen  plural  fromven  wegzuschaffen,  gleiclnvie 
er  in  den  späteren  erwähnungen  der  haube  es  bei  den  ursprüng- 
lichen Vogelstickereien  bewenden  und  die  umdichtung  unberück- 
sichtigt Hess. 

Wir  dürfen  also  mit  Wahrscheinlichkeit  sagen,  dass  statt 
der  verse  20 — 130  in  der  ersten  fassung  ein  anderer  viel  kürzerer 

passus  gestanden  haben  wird. 

W.  BRAUNE. 


NACHTRÄGE  ZU  BRAUT. 

Meine  oben  s.  30  ff,  gegebenen  ausführungen  über  hraut  in 
den  germanischen  sprachen  haben  sich  freundlicher  beachtung 
zu  erfreuen  gehabt,  wie  dies  aus  den  mannigfachen  zuschritten 
hervorgeht,  in  denen  zustimmend  weiteres  material  zur  ergäu- 
zung  meiner  darlegungen  beigebracht  wird.  Nicht  alle  diese 
dankbarst  in  empfang  genommenen  beisteuern  will  ich  jetzt 
mitteilen,  da  viele  doch  nur  aus  einzelbelegen  bestehen,  die 
das  von  mir  gezeichnete  bild  wol  bereichern,  aber  nicht  wesent- 
lich verändern  würden.    Nur  einige  mitteilungen  und  beobach- 


560  BRAUNE 

tung-en,  die  mir  eine  darüber  liinausg-eliende  förderung*  zu 
bringen  sclieinen,  mögen  hier  eine  stelle  finden.') 

Mein  verehrter  College  A.v.Domaszewski,  der  das  verdienst 
hat,  zuerst  auf  hrutis  in  den  lateinischen  Soldateninschriften  des 
3.  jh.'s  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  hatte  die  gute,  mir  im 
anschluss  an  s.  38ff.  zu  schreiben: 

'Eme  erneute  prüfnng  der  drei  inschrifteii,  Avelche  das  wort  brutis 
nenuen,  hat  mich  überzeugt,  dass  die  hedeutmig  'tochter'  nach  dem  Zu- 
sammenhang der  texte  Aveit  wahrscheinlicher  ist. 

An  sich  ist  die  nennung  der  nuriis  auf  familiengrahschriften  sehr 
selten  und  tritt  nur  auf  in  Verbindung  mit  dem  söhne,  dem  sie  angetraut 
war,  oder  den  enkeln,  die  sie  geboren  hatte  (CLL.  II 1953.  2752.  2923; 
III  4211.  4231.  4459.  5143.  5523.  8174;  V  4859;  VIII  835.  2604.  3412; 
1X2450;  X2015.  7809;  XII  88.  215.  344.  832.  3032). 

Dieser  in  der  art  des  verwantschaftsverhältliisses  begründeten  regel 
entsprechen  aber  die  drei  iaschriften  nicht.  Denn  nur  in  C.  I.  L.  III  12666 
wäre  die  beziehuug  auf  den  in  der  grabschrift  genannten  söhn  möglich. 
In  den  beiden  anderen  (CLL.  1114756.  12377)  wird  die  junge  frau  nach 
dem  ehepaar  allein  genannt.  Demnach  wird  man  für  hrides  die  bedeutung 
filia  anzunehmen  haben,  und  zwar  zeigen  eben  Ihre  darlegungen,  dass 
eine  verheiratete  tochter  gemeint  ist.  Für  diesen  begriif  gibt  es  im 
lateinischen  kein  wort;  das  bestreben  ihn  auszudrücken,  hat  die  ent- 
lehuung  des  Wortes  hervorgerufen.  A.v.Domaszewski.' 

Hiernach  kommen  also  die  alten  Inschriften  als  zeugen  für 
eine  bedeutung  'Schwiegertochter'  bei  gut.  hyüj>s  fernerhin 
nicht  mehr  in  betracht,  vielmehr  ist  dessen  alleinige  bedeutung* 
^pvficfT],  junge  frau'  nun  auch  von  dieser  seile  her  als  gesichert 
anzusehen. 

Für  die  bedeutungsgeschichte  des  Wortes  auf  niederländi- 
schem Sprachgebiet  (vgl.  oben  s.  50  f.)  verdanke  ich  wertvolle 
beitrage  herrn  prof.  J.  H.  Gallee  in  Utrecht.  Derselbe  hat, 
veranlasst  durch  meinen  artikel,  jüngst  eiue  den  freunden  der 
Volkskunde  vieles  interessante  bietende  beschreibung  der  hocli- 
zeitsgebräuche  auf  dem  lande  in  seiner  heimat  (Vor den  in  der 
grafschaft  Zutphen)  veröffentlicht.  2)    Hiernach  und  nach  brief- 


^)  0.  Behaghel  teilt  mir  freundlichst  mit,  dass  er  as.  briul  Gen.  332 
in  der  von  mir  nachträglich  (oben  s.  29)  vermuteten  weise  gefasst  habe,  so 
dass  also  in  der  tat  meine  ansführungen  zur  as.  bedeutung  von  hrud  (s.  6  if.) 
nur  als  gegen  Eoediger,  nicht  gegen  Behaghel  gerichtet  zu  betrachten  sind. 

'^)  'Bruiloft  in  de  eerste  helft  der  19<-  eeuw  in't  Oosten  van  Nederland' 
in  den  'Driemaandelijksche  Bladen,  uitgegeveu  door  de  A''ereeniging  tot 
onderzoek  van  Taal  en  Volksleven'.    VI.  Jaargang,  no.  4.  —  Des  Verfassers 


NACHTRÄGE   ZU  BRAUT.  561 

liehen  mitteilungen  stellt  sich  die  jetzt  geltende  erweiterte  ndl. 
bedeutung-  von  hruid  als  sehr  neu  heraus.  Erst  in  der  Xapo- 
leouischen  zeit  wurde  die  in  der  regel  vierzehn  tage  vor  der 
hochzeit  stattfindende  öffentliche  einschreibung  gesetzlich  ein- 
geführt, erst  seit  dieser  zeit  wurde  der  nanie  der  hruid  auf 
diese  zwei  wochen  vor  der  hochzeit  ausgedehnt.  Aber  auf 
dem  lande  galt  noch  im  anfange  des  vorigen  Jahrhunderts 
hruid  für  die  junge  frau  nur  von  dem  tage  ab,  an  welchem  sie 
feierlich  aus  dem  hause  ihrer  eitern  in  das  haus  des  mannes 
abgeholt  und  die  ehe  vollzogen  wurde  (vgl.  die  altn.  hrüdferd). 
Die  kirchliche  einsegnung  fand  erst  am  nächsten  sonntag,  also 
meist  mehrere  tage  nach  Vollzug  der  ehe  statt.  Und  noch 
in  der  mitte  des  19.  jh.'s  wurde  sie  im  Sprachgebrauch  der 
landleute  hruid  'wenn  sie  zum  act  der  trauung  fuhr  und  blieb 
es,  so  lange  die  festlichkeiten  der  hochzeit,  3 — 8  tage  nach  der 
trauung,  dauerten'.  Einen  genaueren  endpunkt  vermag  Gallee 
nicht  anzugeben:  'Wanneer  de  bruid  haar  titel  verloor  kan 
ik  niet  juist  aangeven.  Ik  meen  dat  zij,  als  de  week  van  de 
bruiloft  vorbij  was,  ook  niet  raeer  dien  titel  voerde,  raaer  nauw- 
keurig  kan  ik  het  niet  zeggen.'  AVesentlich  ist  es,  dass  das 
wort  hruid  erst  infolge  der  einführung  der  gesetzlichen  formen 
der  civilehe  auf  eine  bestimmte  zeit  vor  der  hochzeit  aus- 
gedehnt worden  ist  und  jetzt  also  der  virgo  zukommt,  wäh- 
rend es  nach  dem  früheren  Sprachgebrauch  nur  der  jung  ver- 
heirateten galt.  Noch  für  seine  Jugendzeit  äussert  sich  Gallee: 
'Eine  hraut  sich  als  virgo  zu  denken,  jeder  bauer  würde  darüber 
gelacht  haben!' 

Die  geschichte  der  nlid.  bedeutungsentwicklung  des  wortes 
hraut  vermag  ich  auch  heute  noch  nicht  mit  grösserer  Sicher- 
heit festzustellen,  als  dies  oben  s.  53  ff.  geschehen  ist.  Doch 
hat  sich  mir  die  auffassuirg  weiter  befestigt,  dass  die  nhd. 
bedeutung  in  Ostmitteldeutschland  zu  hause  ist  und  dass  Süd- 
und  Westdeutschland  die  alte  bedeutung  festgehalten  hat,  so- 
weit nicht  durch  die  hochsprache  der  nhd.  gebrauch  eingedrungen 
ist.  Zwei  interessante  belege  aus  dem  16.  jh.  möchte  ich  dafür 
noch  anführen. 

angaben  fussen  auf  seinen  kindheitserinuerunft-en  ans  den  fünfziger  jähren 
des  vorigen  Jahrhunderts  und  auf  den  bis  in  die  Napoleouische  zeit  zurück- 
gehenden erzählungen  seines  yaters  und  grossvaters. 


562  BRAUNE,   NACHTRÄGE   ZU  BBAUT. 

Der  eine  ans  Hans  Sachs,  Sämmtliclie  fabeln  und  schwanke, 
ed.  Götze-Drescher  4,  s.  302,  wo  in  no.  438  v.  5.  29  junge  braut 
für  die  junge  fraii  eines  alten  mannes  angewendet  wird,  wel- 
cher selbst  der  alte  hreutigam  genannt  wird,  beide  ohne  be- 
ziehnng  auf  das  liochzeitsfest,  sondern  für  beliebige  zeit  danach. 
Noch  interessanter  ist  der  zweite  aus  des  Elsässers  Jacob  Frey 
gartengesellschaft  c.  74  (Lit.  verein  209,  s.  88),  auf  welchen  mich 
herr  dr.  R.  Petsch  freundlichst  aufmerksam  gemacht  hat.  Da- 
selbst steht  braut  noch  in  der  ganz  allgemeinen  grundbedeutung 
von  succuba.  Eine  lustige  gärtnerin  wird  von  einem  ihr  be- 
gegnenden reuter  neckend  gefragt:  'liebe  fraw,  ir  sind  gar 
frölich,  ich  mein  ir  seyend  hin  acht  ein  braut  gewesen. 
Die  fraw  sagt:  ich  weifs  nit,  lieber  man,  würt  eins  also  frö- 
lich, wann  eins  ein  braut  ist?'  Als  der  reuter  dies  bejaht, 
weist  sie  auf  ihren  trägen  und  unlustigen  esel  hin  und  sagt: 
'ey  so  bitt  ich  euch  freuntlich,  machen  mir  meinen  esel  da 
auch  zu  einer  braut!  Das  thü  der  teufel,  sagt  der  reuter, 
der  esel  müfs  meiuthalben  ein  jungfraw  ersterben.'  Hier 
haben  wir  noch  deutlich  die  mhd.  antithese  von  mdt  und  brüt. 
AVo  in  Süddeutschland  diese  ganz  allgemeine  bedeutung  vor- 
lierschend  war,  da  begreift  es  sich,  dass  für  das  legitime  Ver- 
hältnis die  ausdrücke  braut  und  bräntigam  durch  die  neu- 
geprägten Iwchze'derin  und  hoclizeiter  ersetzt  Averden  konnten. 
Natürlich  zunächst  wie  braut  und  bräutigam  nur  auf  das  hoch- 
zeitsfest bezogen.  Bemerkenswert  ist  aber,  dass  auch  bei 
ihnen  die  Verschiebung  auf  die  zeit  vor  der  hochzeit  (=  braut 
und  bräutigam  im  nhd.  sinne)  stattgefunden  hat. 

W.  BRAUNE. 


ZUR  ALTSÄCHSISCHEN  GENESIS. 

Mit  recht  und  mit  erfolg  liat  A\\  Braune  (oben  s.  1  ff.)  eine 
retlungdes  Genesisdicliters  unternouimen.  Im  foli^enden  möchte 
ich  auf  zwei  der  von  ihm  liervorgehobenen  punkte  zurück- 
kommen, in  denen  zwar,  wie  ich  glaube,  l^raunes  auffassung- 
einer  moditication  bedarf,  die  aber  gerade  dadurch  an  Sicher- 
heit zu  gewinnen  scheinen. 

1.  Lief  Ina  undar  haJxa  liggian  (Gen.  27)  erklärt  B.  neu 
und  auf  den  ersten  blick  bestechend  aus  widcr  hak  {bc)schan 
'nach  rückwärts  blicken',  denn,  sagt  er,  'wenn  man  nach  seinem 
rücken  hinsieht,  so  muss  man  stets  zugleich  in  der  richtung 
nach  unten  blicken'.  Letzteres  ist  ohne  zweifei  richtig,  aber 
wer  sagt  uns,  dass  es  sich  bei  diesem  ausdruck  ursprünglich 
um  ein  hinblicken  nach  dem  eigenen  rücken  handelte?  Die 
belege  können  das  nicht  stützen,  und  die  allgemeine  Wahrschein- 
lichkeit wol  auch  nicht,  denn  der  versuch,  einen  teil  des  eigenen 
rückens  ins  äuge  zu  fassen,  ist  nicht  gerade  eine  häufige  ge- 
bärde. '\\'ollte  man  dennoch  diesen  ausgangspunkt  gelten  lassen, 
so  müsste  man  annehmen,  das  hinschauen  nach  dem  eigenen 
rücken  habe  den  ausdruck  hergegeben  zunächst  für  'den  köpf 
weit  zur  seite  drehen',  dann  auch  für  'sich  umsehen',  'nach 
einem  rückwärts  gelegenen  punkte  sehen'.  Eine  solche  ent- 
wicklung  ist  aber  ganz  unglaubhaft,  denn  wer  sich  umsieht, 
dreht  in  der  regel  den  ganzen  körper  oder  wenigstens  den 
Oberkörper,  so  dass  sein  blick  dem  rücken  kaum  näher  kommt. 
Mag  man  die  sache  betrachten,  von  welcher  seite  man  will: 
das  verbum  schan  kommt  für  die  erklärung  des  undar  schwer- 
lich in  betracht. 

Unsere  erste  aufgäbe  muss  sein,  einen  gebrauch  der  prä- 
position  undar  zu  finden,  an  den  sich  undcr  bal-e,  under  hak 
anknüi)fen  lassen.  Es  ist  klar,  das  gewidmliche  'unter'  Avie  in 
as.  undar  themo  lakana,  undar  erön  kommt  hier  nicht  in 
frage.  Es  gab  aber  im  an.,  ae.  und  wul  auch  as.  noch  einen 
anderen  gebrauch  von   unier,  der  unsern  redensarten  näher 


564  NECKEL 

liegt:  an.  sc  pn,  hvar  sitia  und  solar  gafli,  H3111.  12,2;  hami 
hiö  lU  d  McdalfcllsstrQud  undir  FelU,  Nj.  c.  9  (reiche  belege  bei 
Fritzner  3,  784  f.);  ae.  hCd  itndcr  heorge,  Beow.211;  iindcr  mist- 
hleodum,  ebd.  710;  codon  undcr  Earna  nws,  ebd.  3031;  nnder 
ivealliun,  Gen.  2418  (Boswortli- Toller  1096).  Die  präposition 
bezeiclmet  liier  eine  stelle  am  fusse  eines  berges  oder  einer 
wand.  Von  einem  entfernteren  punkte,  ebenso  von  der  spitze 
des  hohen  gegenständes  erscheint  jene  stelle  unter  dem  letz- 
teren, nämlich  unterhalb  des  teiles,  den  der  auf  ihr  befindliche 
körper  nicht  verdeckt,  bez.  unterhalb  der  spitze.  Dieselbe 
anschauung-  niuss  auch  einen  ring  oder  einen  andern  gegen- 
ständ, den  A  hinter  sich  geworfen  hat,  unter  A"s  rücken  er- 
blicken. Wie  der  berg  über  das  boot  aufragt,  so  der  stehende 
mensch  über  den  boden  und  was  darauf  liegt.  "Wir  begreifen 
somit,  wie  man  dazu  kam,  eine  stelle  auf  dem  boden  hinter 
dem  rücken  jemandes  als  under  holte  zu  bezeichnen,  eine  dort- 
hin gerichtete  bewegung  durch  nndcr  hole  zu  beschreiben. 

Bleiben  wir  zunächst  bei  der  richtungsvorstellung,  so  A'er- 
stehen  wir  sogleich  einen  ausdruck  wie  ae.  hie  eodon  undcrbccc: 
ihre  füsse  traten  auf  die  stellen,  die  eben  noch  hinter  ihrem 
rücken  lagen,  also  entweder  'sie  traten  zurück',  um  dann  wider 
stehen  zu  bleiben,  oder  'sie  traten  den  rückweg  an',  daher 
auch  "'sie  kehrten  zurück'  (auch  dieser  nhd.  ausdruck  ist  ur- 
sprünglich Ingressiv).  Erst  von  hier  aus  erklärt  sich  nun 
under  hah  sehan:  es  setzt  ebenfalls  die  Vorstellung  der  ober- 
halb des  boden s  nach  rückwärts  verlaufenden  linie  voraus. 

Etwas  anders  ist  das  Verhältnis  bei  ae.  feallan  imderho^c 
'hinten  über  fallen'.  Die  tmder  hole  gerichtete  bewegung  kommt 
hier  ihrer  natur  nach  sehr  bald  zum  abschluss,  und  die  aus 
ihr  hervorgehende  läge  deckt  nun  der  ausdruck  undcr  haJce. 
Daher  liet  ina  undar  huJca  liggion.  Der  Wortlaut  dieses 
Satzes  und  der  Zusammenhang  suggerieren  gleichmässig  das 
fallen:  *fallcm  under  halx,  *hmgan  under  hole.  AVollte  man 
eine  wendung  wie  diese  analysieren,  statt  sie  abzuleiten, 
so  käme  v.'underliches  zeug  heraus.  Sie  ist  einfach  durch 
analogiewirkungen  entstanden.  Ausser  faUan  haben  vielleicht 
auch  solche  fälle  schwach  eingewirkt,  avo  von  dem  liegen 
eines  gegenständes  hinter  dem  rücken  eines  stehenden  menschen 
die  rede  war. 


ZUR  ALTSÄCHSISCHEN  GENESIS.  565 

Da  wir  derg-estalt  die  umstrittene  redensart  zwanglos  in 
ein  altg-rrniauisclies  spracligefühl  einordnen  können,  dürfen  wir 
sie  unbedenklich  mit  Braune  u.  a.  für  gutes  altsäcUsiscli  halten. 
Ich  möclite  sie  nicht  bloss  zum  richtigen,  sondern  zum  aller- 
nrwüclisigsten,  echtesten  altsächsisch  rechnen.  Wir  haben  hier 
eine  jener  wilden  blnmen,  die  die  bunte  beide  der  altgerma- 
nischen dialekte  dem  Sprachforscher  wertvoller  machen  als 
jeden  literarischen  garten.  Die  Hies'sche  Übersetzung  'auf 
dem  rücken'  kommt  dem  sinne  relativ  am  nächsten,  ist  aber 
eben  nur  eine  Übersetzung. 

2.  Gestsdi  (Gen.  247)  hat  man  als  \gastsaal,  herberge' 
aufgefasst  und  daraus  einen  Vorwurf  für  den  Genesisdichter 
gewonnen.  Dem  widerspricht  Braune  mit  durchschlagenden 
gründen.  Er  zeigt,  dass  as.  (jastscli,  gestsdi  nur  schlechtweg 
der  stattliche,  zur  aufnähme  von  gasten  taugliche  wohnbau 
eiues  vornehmen  mannes  ist.  Er  verweist  auf  die  parallele 
entwicklung  des  frz.  holcl  Das  ist  gewiss  ein  lehrreicher 
vergleich,  doch  hat  er,  wie  mir  scheint,  B.  verleitet,  die  acten 
zu  früh  zu  schliessen.  Das  verblasste  as.  gastscli  ist  nicht 
direct  aus  der  bedetitung  'hospitale'  entwickelt. 

Am  altnorwegischen  königshofe  gab  es  die  Institution  der 
gcstir.  Das  wai'en  nachrichtenträger,  geheimpolizisten,  exectitiv- 
beamte,  kurz  solche  königliche  diener,  die  nicht  dauernd  in 
der  königshalle  lebten,  sondern  nur  von  zeit  zu  zeit  dorthin 
zurückkehrten.  Sie  gehörten  aber  zur  Mrd.  Die  einrichtung 
ist  höchstens  so  alt  wie  Harald  Schönhaar  (A.  Bugge,  Yester- 
landenes  Indi^ydelse  s.  70  ff.),  der  name  gcstr  für  einen  königs- 
niann  aber  offenbar  weit  älter.  Das  zeigen  die  westgerm. 
sprachen.  Im  mhd.  bedeutet  gast  auch  'krieger'  (Müller  im 
Mhd.  wb.  1,  485).  Besonders  lehrreich  ist  die  Verbindung  mit 
dem  Possessivpronomen,  so  in  einem  DWb.4, 1, 1458  mitgeteilten 
belege  aus  Lamprechts  Alexander: 

des  habe  wir,  kuniuc,  laster, 

(laz  unser  zweier  geste 

so  lauge  samet  vehteu. 

In  der  ae.  poesie  scheint  scest  an  einigen  stellen  ebenfalls  die 
bedeutung  'krieger'  zu  haben.  Am  beweiskräftigsten  ist  die 
Zusammensetzung  fede-s(vst,  die  Beow.  1970  und  El.  844  belegt 
ist.    Man  übersetzt  sie  mit  'zu  fasse  kommender  gast'  oder 


566  NECKEL 

cälml,  aber  das  ist  doch  höchst  gesucht.  Wir  haben  vielmehr 
eine  parallelbildmig  zu  fede-cempa  (BeoAV.  1544.  2853)  anzu- 
erkennen. Gwst  ist  ein  sjiionjmuni  von  cempa.  Schon  Jacob 
Grimm  liat  zu  Elene  844  angemerkt:  ^gestas  hier  bloss  viri, 
homines,  die  gleich  darauf  auch  (Bödinsas  und  corlas  heissen'. 
Hierher  gehört  endlich  auch  die  schon  von  andern  mit  den 
gestir  des  norwegischen  königs  zusammengestellte  Inschrift  von 
Stentofta,  die  Noreen,  An.  gr.  1,  343  ende  des  7.  jh.'s  datiert. 
Sie  stellt  die  'gaste'  eines  gewissen  Hadwolf  auf  eine  linie  mit 
seinen  söhnen.') 

Wir  schliessen  somit,  dass  "^gastiz  schon  früh  als  eine  der 
bezeichnungen  für  den  gefolgsmann  gegolten  hat.  Eine  sach- 
liche erklärung  für  diesen  terminus  bietet  sicli  leicht  dar.  Die 
gef olgschaft  ist  wol  aus  der  freiwilligen  heeresfolge  bei  weiteren 
Zügen  hervorgegangen  (Caesar,  B.G.  0,  23,  7—8).  Aus  der  beute- 
verteiluiig  und  dem  siegesschmaus  nach  der  rückkehr  konnte 
sich  leicht  ein  vorübergehendes  gastverhältnis  entwickeln. 
Diese  stufe  schuf  den  ausdruck  ''"gastis  für  den  getreuen,  der 
später  der  ständige  hausgenosse  des  edlen  wurde  (ae.  hcocl^cncuf, 
lieorÖgeneaf). 

Der  anorw.  gebrauch  des  Wortes  beruht  auf  einer  secun- 
dären  umdeutung:  gcstr  ist  der  nur  vorübergehend  in  der 
königshalle  anwesende. '':)  Eine  ähnliche  Verengung  hat  sich 
das  83'nonymum  hüshirl  gefallen  lassen  müssen.  Während  es 
ursprünglich  jedem  gefolgsmann  zugekommen  war,  bezeichnete 
es  fortan  einen  aus  der  dritten  oder  untersten  klasse  des  ge- 
folges  (vgl.  Finnur  Jonsson,  Nord.  Tidskr.  f.  fil.  14, 153). 

Auf  grund  des  gesagten  darf  behauptet  werden:  in  as. 
gastseli,  ae.  gestsele  (Beow.  994)  steckt  ein  altes  wort  ""gasti- 
'gefolgsmann',  das  mit  diesem  ausdruck  bezeichnete  gebäude 
ist  die  halle,  in  der  der  fürst  mit  seinem  gefolge  V\-olmt. 
Weil  das  gefolge  das  hauptmerkmal  des  grossen  herrn  war, 
erschien  gastseli  als  ein  besonders  geeignetes  wort,  das  herren- 
haus   als   solches   zu  charakterisieren.     Was  zunächst  dabei 


^)  Man  vergleiche  auch  den  HleicmjasÜR  des  goldenen  horus  (v.  Grien- 
berger,  Zs.  fdph.  39,  66)  und  an.  heimpegl  (Cleasby-Vigf.  252). 

*)  Eine  andere  dentuug,  die  A.  Bugge  a.a.O.  mit  recht  ablehnt,  geben 
der  Königsspiegel  und  die  Hiröskrä  (a.a.O.  s.  70  und  Fritzner  1, 590).  — 
Bugges  herleitung  der  institution  aus  Frankreich  hat  wenig  für  sich. 


ZUR  AS.  GENESIS.   —   IIOLTHAUSEN,  ZVÜ  AS.  GENESIS.         5G7 

vorschwebte,  war  natürlich  die  grosse,  der>hang-g-estreckte  an- 
blick  des  herschattliclien  gnsfsdi.  * 

Älir  scheint,  dass  diese  deutung  eine  liicke  in  JJi-aunes 
erörterungen  ausfüllt,  die  notwendig  der  ausfüllung  bedurfte, 
Gasfseh'  als  'haus  für  gaste',  daher  'herrenhaus'  ist  doch  an 
sich  viel  weniger  einleuchtend  als  'domus  comitum'.  Die  ge- 
legentlichen gastereien  sind  für  den  altgerm.  fürstenhof  weit 
weniger  bezeichnend  als  das  alltägliche  schmausen  und  trinken 
der  streitbaren  hausgenossenscliaft.  Der  kleine  bauer  dagegen 
sass  einsam  mit  seiner  familie  ya\  hause.  Als  illustration  fällt 
einem  sogleich  Heorot  ein,  Hrolfr  kraki,  J^rmunrekr  in  den 
Ham(>ismal,  FroiM's  tod  in  der  Hrolfssaga,  um  weiterer  nor- 
discher beispiele  zu  geschweigen. 

BKESLAU,  3.  märz  1907.  G.  NECKEL. 


ZUR  ALTSACHSISCIIEN  GENESIS. 

V.  287  f.  ist  überliefert:       füitfngal  sang 

fora  (laga  huoam. 
Die  zahlreichen  besserungsvorschläge  sind  in  Beliaghels  aus- 
gäbe s.  238  verzeichnet.  In  der  Überzeugung,  dass  keiner 
völlig  befriedigt,  wage  ich  im  engsten  anschluss  an  die  hs. 
einen  neuen:  man  lese  hruomag  'fröhlich'  statt  des  sinnlosen 
hioaml^)  Das  wort  steht  im  Heliand  v.944f.  than  cu  lango  sccd  \ 
tmesan  euiia  Jiugi  hrömag  und  v.  4926  ihm  Jieri  iinard  tlies  so 
Jirömeg  (in  Beliaghels  ausgäbe);  es  ist  ferner  im  ahd.  als  hruo- 
mac,  -ig  und  im  ae.  als  hremig  überliefert.  Das  fröhliche 
krähen  des  hahnes  gerade  vor  dem  schrecklichen  untergange 
der  Stadt  ist  ein  für  den  dichter  der  Genesis  charakteristischer 
zug!  —  Dass  in  v.  287  eine  Umstellung  vorzunehmen  sei,  davon 
bin  ich  nach  wie  vor  überzeugt. 
V.  321  ff.  lauten  in  der  hs.: 

al  uuarö  farsiiihlit 
Sodomariki:  that  is  enig  theg  iii  ginas, 
ac  so  bidoö  it  an  dOÖseu,  so  it  noli  te  daga  stendit, 
üuodas  gifuUit. 


*)  Auch  Martin,  QF.  100, 48  schlägt  jetzt  hruomag  vor  (l'orr.-uote). 


568  HOtTHAüSEN 

Mit  Cosijn  seg  für  ßwg  einsetzend  möchte  ich  jetzt  nur  noch 
hiäoü  in  hiilrös  'fiei,*  sank'  bessern,  um  einen  tadellosen  vers 
und  sinn  zu  erhalten.  Dann  werden  alle  von  Behaghel  a.  a.  o. 
s.  239  f.  angeführten  änderung-en  überflüssig!  Bidrös  steht  wie 
hivallan  Gen.  233  und  das  häufige  hifallan  im  Heliand  und  ahd., 
hefeallan  im  ae.  =  fullan,  desgl.  hisank  Gen.  320  und  hisunJd 
Hei.  5692  für  einfaches  sinJcan;  es  entspricht  genau  dem  ae. 
hcdreosan,  das  allerdings  nur  im  part.  prt.  hedroren  'gefallen, 
beraubt'  erscheint,  dod  für  dros  ist  offenbar  durch  das  folgende 
doö  veranlasst!  Denkbar  wäre  auch  hidöf,  -död  ==  ae.  hedeaf 
Hauchte'. 


STAIMBOET  CHLUDÜN. 

Wenn  ich  diese  alte  crux  des  ahd.  Hildebrandsliedes  (v.  G5b 
nach  Braunes  Ahd,  leseb.^  s.  79)  hier  von  neuem  behandle,  so 
geschieht  dies  in  der  hoffnung,  eine  noch  nicht  vorgebrachte 
besserung  des  ersten  wertes  rechtfertigen  zu  können.  Man 
hat  staim  bald  als  stein  'edelstein'  oder  'färbe'  (so  Meissner 
in  der  Zs.  f da.  47,  400  ff.),  bald  als  stcim  'gewühl,  gedränge' 
(vgl.  Wadstein,  Göteborgs  högskolas  ärskrift  1903)  gefasst: 
beiden  erklärungen  widerspricht  schon  die  sonstige  bezeich- 
nung  des  alten  diphthongen  cd,  der  teils  als  ei,  teils  als  e,  §,  ce 
oder  ac,  aber  niemals  als  ai  erscheint!  Da  der  text  des  ge- 
dichtes  auch  sonst  durch  Schreibfehler  entstellt  ist,  möchte  ich 
hier  ebenfalls  einen  solchen  annehmen  und  das  in  der  hs. 
nicht  ganz  deutliche  staim  als  Verlesung  oder  verschreibung 
für  Sturm  'kämpf  ansehen.  Sturmhort  'kampfschild'  würde 
vorzüglich  passen  (vgl.  Wadstein  a.  a.  o.  s.  38  f.)  und  sich  den 
zahlreichen  mhd.  compositis  mit  stürm-  anschliessen;  cJüudim 
ist  gewiss  von  Wackernagel  richtig  in  chlubun  'kloben,  spal- 
teten' (trans.)  gebessert  und  wenn  wir  noch  mit  Klaeber,  Mod. 
Lang.  Notes  21,  no.  4,  s.  110  in  v.  63  b  ascM  für  asdim  lesen, 
lautet  die  ganze  stelle  (v.  63  ff.)  mit  berichtigter  Zeichen- 
setzung: ^^  lettuu  se  gerist        ascki  scritan 

scarpen  scfirim:        dat  in  dem  sciltini  stuiit! 
65  dö  stöpim  tosamaue,        stnrmbort  chlubun, 
heuwun  harmlicco        huitte  scilti. 

KIEL,  februar— märz  1907.  F.  HOLTHAUSEN. 


NACHTRAG.  —  FEIST,  NACHTRAG.  569 


NACHTRAG  ZU  IS.  293. 

Zu  (Ion  auf  s.  293  unter  l)b  g-onannten  tieren  g-eliört  nocli 
iriJiceJfc  'käfer'  neben  einfachem  widhel,  ne.  irccvil;  hn  mnd. 
erscheint  das  suffix  -te  schon  in  cmelte  'kornwurni,  bäum-,  blatt- 
laus'  =  cmel,  nl.  emclt,  ofries.  ämel,  ae.  cemü,  cmcl,  ymcl,  got. 
"^amil-s,  ^^'ori■lber  van  Zandt  Cortelyou  in  Hoops'  Anglist,  forsch. 
19,  51  f.  luuulelt.  Dann  hätte  nocli  auf  das  ae.  suffix  -ctc  bei 
tiernamen  in  Kluges  Nom.  stammbild.'-  §  60,  anm.  1  verwiesen 
werden  sollen,  obwol  dieses  in  den  behandelten  westfälischen 
Wörtern  kaum  anzunehmen  ist  oder  höchstens  in  solchen  wie 
ammctc,  ligrntc  als  ein  ausgangspunkt  der  neubildung  in  be- 
tracht  kommt. 

KIEL,  im  februar  1907.  F.  HOLTHAUSEN. 


NACHTRAG  ZU  S.  452.  478.  488  u.  494. 

Wiilirenil  des  dnickes  meiner  abhaudlung-  erschien  im  ersten  lieft  des 
38.  bandes  der  Englischen  Studien  s.  28  ff.  ein  artikel  von  R.  Jordan,  in  dem 
die  north,  perfecta  spcoft  und  heoft  als  reduplicierte  bildungen'  der  Zeit- 
wörter siJcoican  und  beatan  erklärt  werden.  Speoft  aus  *speft  (mit  ??-um- 
laut)  für  *spe-p(x)t-  zu  einem  verb  '*spüian  (oder  *speaian),  das  sich  in 
spaiencle  'expuens'  (Lindisf.  Gosp.  Matth.  27,  30)  widerfinde.  Jordan  lässt 
urg-erm.  jji  auch  einzeldialektisch  noch  zu  ft  Averden  und  führt  als  beweis 
uefte  neben  nepie  aus  lat.  nepeta  an.  Dieser  beweis  scheint  mir  auf 
schwachen  füssen  zu  stehen ;  ausserdem  weist  das  part.  perf.  ^espeofiad  (in 
der  hs.  E-^  gcspiUeä)  hid  'conspuetur'  doch  auf  ein  schwaches  verb  spcoftan 
hin,  das  Bosworth-Toller,  Anglo-Saxon  dict.  s.  901  zweifelnd  ansetzt.  Beoft 
aus  *he-h{x)t-  zu  beatan  ist  ebenso  unsicher,  da  sich  neben  mid  hondnm 
beoftum  'lamentabautur'  (eig.  sich  zum  zeichen  des  Schmerzes  mit  den 
bänden  auf  die  brüst  schlagen)  auch  schwach  flectiertes  hond-boiftadon 
(Luc.  23,  27)  und  in  modernen  nordenglischen  mundarten  neben  einem  perfect 
beft  'schlug'  auch  ein  praesentisches  bcft  findet,  ^^'enn  Jordans  hypothese 
auch  sehr  geistvoll  ist,  so  darf  sie  bis  auf  weiteres  doch  nur  als  sehr  un- 
sicher gelten.  —  Ferner  möchte  ich  als  praesens  zu  lailötm  nun  doch  lieber 
*laia  ansetzen  aus  idg.  *l9iö  zu  einer  wzl.  *?rtj-,  vgl.  ai.  rayati,  abulg. 
lajq,  lit.  loju  'belle'.  —  Das  ati  in  bauan  fasse  ich  jetzt  als  echten  di- 
phthong  (aus  idg.  *öu  entstanden).  —  Zu  der  vermutungsweise  auf  s.  494 
aufgestellten  etymologie  von  huitan  vgl.  man  got.  bihait  'streit'  und  dessen 
germ.  verwante.  ^   pj^jg-p 


)70  LITERATUR.   —   BERICHTIGUNGEN. 


LITERATUR. 

(Verzeichnis  bei  der  redaction  eing-egangener  Schriften,  vgl.  s.  154.) 

Hering-,  Max,  Untersuchungen  über  Judith,  ein  nid.  gedieht  des  13.  jh.'s. 
(Diss.)  Halle  1907.  —  71s. 

John,  Eduard,  Nihelungennot  und  Nibelungenlied.  Ein  neuer  beitrag 
zur  kritik  und  erklärung  der  Nibelungen.  I.  u.  IL  abteilung.  (Progr.)  "Wert- 
heim 1905.  1907.  —   25  +  26  s.  4°. 

Kauffmann,  Priedr.,  Deutsche  metrik  in  ihrer  geschichtlichen  ent- 
wicklung.   2.  auf  1.    Marburg  1907.  —  viii,  254  s. 

Korlen,  Artur,  Statwechs  gereimte  weltchrouik  MS.  no.777  Hannover. 
Akad.  abhandlung.  Uppsala  1906.  —  iv,  287  s.  [Darin  auch  abdruck  des  3962 
verse  umfassenden  mnd.  gedichts.] 

Müller,  Artur,  Das  niederrheiuische  Marienloh.  (Diss.)  Berlin  1907. 
—  122  s. 

Priese,  Oskar,  Wortschatz  des  Otfrid.  Ein  deutsch-althochdeutsches 
Wörterbuch.   (Progr.  der  oberrealschule.)   Halle  1907.  —  50  s. 

Rauff,  Willy,  Untersuchungen  zu  Biterolf  und  Dietleip.  (Bonner  diss.) 
Berlin  1907.  —  68  s. 

[Reinbot  von  Durne].  Der  heilige  Georg  Pteinbots  v.  D.  nach  sämmt- 
lichen  handschriften  herausgegeben  von  Carl  von  Kraus  (Germauische 
bibliothek.  III.  abt.  Hg.  von  C.  von  Kraus  u.  R.  Zwierzina.  1.  bd.)  Heidelberg 
1907.  —  Lxxxiv,  308  s. 

Sohönbach,  Anton  B.,  Studien  zur  geschiclite  d.  altdeutschen  predigt. 
S.Stück:  Ueber  leben,  bildung  und  persönlichkeit  Bertholds  von  Regensburg 
II.  Wien  (Sitzungsberichte  der  k.  akademie,  phil.-hist.  kl.  105.)  1907.  —  106  s. 

Sprachen  und  mundarten.  Sonderabdruck  ans  dem  'Geographischen 
lexikon  der  Schweiz'.  Neuenburg  1907.  —  38  s.  —  [Darin  s.  1—20:  Die 
deutsche  spräche  der  Schweiz  von  Albert  Bachmann.] 

Stahl,  Wilh.,  Ulrich  von  Singenberg,  der  truchsess  von  Sankt  Gallen. 
(Diss.)   Rostock  1907.  —  127  s. 

"\^'right,  Joseph,  Historical  German  Grammar.  \'ol.  I.  Phonology, 
Wordformation  and  accidence.    Oxford  (1907).  —  xv,  314  s. 


Bericlitiguugeii. 

S. 32  z.  1  v.u.  lies  hriäigomo 

S.  38  z.  1  V.  u.     „  s.  58  (statt  s.  31) 

S.  73  z.  10  V.  u.  „  Thorkelin  (statt  Thorkeim) 

S.  308  Str.  6,  7     „  gunni 

S.  312  Str.  39,  2  „  allvaldr. 


Druck  von  Khrhardt  Karras,  Halle  a.  S. 

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Beiträge  zur  Geschichte  der 

3003 

deutschen  Sprache  und 

B5 

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