Univ. of
Toronto
Library
BEITRÄGE
ZUK
GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SPRACHE
UND LITERATUR
UNTER MITWIRKUNG VON
HERMANN PAIL UND EDUARD SIKVERS
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM BRAUNE.
XXXII. BAND.
5,
'^^
HALLE A. S.
MAX NIEMEYER
77/78 GR. STEINSTKASSE
1907
-^o
INHALT.
Seite
Zur altsächsischen Genesis. Von "W. Braune 1
^'h(l. braut in den germanischen sprachen. Von W.Braune. . 30
Ags. neorxnaicov,^. Von A. Leitzmann 60
Runenstudien. IT. Die altgermanischen nmengedichte. Von E. M.
Meyer 07
Studien zu den werken des Strickers. I. Zur Karl Überlieferung.
Von Fr. Wilhelm Hö
Die germanische weltschöpfungssage und die AlvissnuU. Von
K.Helm 99
Ziu* kritik der sage von Hertnits kämpf mit den Isungen. Von
K.Helm . ^ ^. ... 113
Zur betonung von uhd. Jiohtnder, icachholder u. s. w. Von
H Schröder 120
Ueher den plan einer iuschriftensammlung zur geschichte der
germanischen Tölker. Von L. Schmidt und 0. Fiebiger . 129
Etymologisches. Von E. Lewy 13G
Etymologische miscellen. Von R. Traut mann 150
Zu Neidhard. Von H. Paul 152
Ahd. bita. Von W.Braune 153
Literatur 154
Das Eckenlied und seine quellen. Von E. C. Boer 155
Zur althochdeutsclien literatur. 3. Zum Hildebrandsliede. Bei-
träge zur erklärung des textes. Von G. Ehr is mann . . . 260
Die westfälischen feminina auf -te. Von F. Holthausen . . . 293
Zu Beitr. 32, 139, fussn. 5. Von G. C. Uhleubeck 295
Zu Oswald von Wolkenstein. Von E. Sever 296
Die abfassungszeit des Ackermanns aus Böhmen. Von A. Leitz-
mann 297
Literatur 298
Zur FostbroeÖrasaga. L teil: Die visur. (Lihalt s. 4-iG). Von K. H.
Gaertner 299
Die sogenannten reduplicierenden verba im germanischen. . Von
S. Feist 447
(Literatur s.447. Uebersicht über die red. v. im germ. s.448.
— I. Einleitung. Das idg. perfect s. 458. — IL Urgerm.
INHALT.
Seite
und gotische red. perfecta s. i67. — III. Die uordisch-west-
germauischeii perfecttypen s.-i82. —IV. Sclilussbetrachtung
s. 513).
Nachträge zur vocalbalance uud -harnionie im altfriesischen. Von
W. van Helten 517
Zu Beiträge 32, 255. VonA. C. Boer 532
Zu Heinrich von Freiberg. Von A. Walin er 533
Die eutwicklung von nasal vor stimmloser spirans im nieder-
deutschen. Von H. Mutschmanu Sil
Etwas von Streckformen uud ähnlichem. Von E. Kövi . . . . 551
Helmbrechts haube. Von W. Braune . . . 555
Nachträge zu braut. Von W. Braune 559
Zur altsächsischen Genesis. Von G. Neckel 563
Zur altsächsischen Genesis. Von F. Holthauseu 567
StaimhoH cldudun. Von F. Holthausen 568
Nachtrag zu s. 293. Von F. Holthausen 569
Nachtrag zu s. 452 ff. Von S. Feist 569
Literatur 570
Berichtigungen 570
ZUR ALTSACHSISOHEN GENESIS.
In der verfasserfrage der alts. Genesis, welche ich seiner
zeit auf grund der alten Sievers'schen hj'pothese zu gunsten
des Helianddichters beantwortet hatte, ist durch die eindringen-
den arbeiten von 0. Behaghel') und von H. Pauls 2) nun wol so
weit klärung geschaffen, dass man die neue Sievers'sclie hypo-
these gelten lassen muss, welche in der recension meiner aus-
gäbe der vatikanischen bruchstücke^) zuerst ausgesprochen
worden ist. Danach ist die alts. Genesis das werk eines schülers
und nachfolgers, der im engen anschluss an den Heliand dichtete.
Für die weitere Charakteristik dieses dichters hat Sievers dort
auch bereits die grundlinien gezogen, die von Behaghel und
Pauls weiter ausgeführt worden sind. Nach Sievers war der
Genesisdichter 'zwar auch phantasievoll und mit einem gewissen
Schwünge begabt, wie der dichter des Heliand, aber ihm nicht
gewachsen im technischen, fast ein stümper in allem, was vers
und Stilbehandlung angeht, auch ihm nicht gewachsen in der
kunst des geschlossenen aufbaus der gedanken'.
Die unfreundliche note, welche hiermit schon Sie vers gegen-
über dem Genesisdichter angeschlagen hatte, ist von Behaghel
und Pauls nach möglichkeit verstärkt worden, j\Iit unrecht,
wie ich glaube. AVas Sievers hauptsächlich zu tadeln hatte,
dass der Genesisdichter in der rhythmischen und stilistischen
behandlung des alliterationsverses nicht auf der höhe des
Helianddichters stehe*), wird man zugeben dürfen. Aber ich
meine, man sollte an die stelle des absoluten Werturteils lieher
*) Der Hei. uud die alts. Genesis, Giessen 1902.
') Studien zur alts. Gen., Leipziger diss. 1902, uud diese Beitr.30, 142 ff.
*) Zs. fdph. 27, 538. — Vgl. auch den artikel 'Heliand' in Haucks Real-
eucyclupädie f. ])rot. theol. 7 (1899), G17 ff.
*) S. hierzu die näheren ausfiihrungen von Pauls, Beitr. 30, 156 ff.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXU. ^
2 BRAUNfi
eine historische beurteilung treten lassen. Offenbar stand der
ältere dichter des Heliaud noch fest in der guten alten tra-
dition der westg-ermanischen epischen alliterationsdichtung,
welche er möglicherweise früher schon ausgeübt hatte, ehe er
beg-ann, als christlicher dichter den neuen wein in alte schlauche
zu fassen. Wie leicht diese dadurch zersprengt werden konnten,
sehen wir am Muspilli. Der A^erfall der alten technik auf dem
deutschen continent im 9. jli. unter der herschaft des Christen-
tums war unaufhaltsam und Otfrid zeigt uns in den anfangs-
partien seines ersten buches, wie die letzten reste der alten
weise durch die neue kunstform besiegt Averden.i) War nun
der jüngere dichter der Genesis nicht in der Übung der alten
kunst aufgewachsen, sondern nahm seine Schulung und sein
Vorbild wesentlich am Heliand, so wäre seine Inferiorität im
technischen begreiflich und man würde besser vermeiden, aus-
drücke wie ' Stümper' auf einen dichter anzuwenden, av elcher
doch anderseits solchen dichterischen schwung und solche selb-
ständige auffassung gegenüber der biblischen quelle zeigt, wie
ich letzteres in meiner einleitung besonders an der darstellung
der geschichte vom Untergang Sodoms aufgezeigt habe. Auch
bis jetzt ist mir noch keine mittelalterliche form dieser erzäh-
lung bekannt geworden, welche eine ähnliche freiheit der auf-
fassung gewagt hätte. Diese für einen dichter doch sehr
wesentlichen eigenschaften hat niemand ernstlich dem Genesis-
dichter absprechen können. Nennt ihn Sievers a.a.O. 'phan-
tasievoll und mit einem gewissen schwunge begabt', so gesteht
Behaghel in seiner ausgäbe von Heliand und Genesis s. xxiii
sogar zu, dass der jüngere dichter sein vorbild (den Heliand)
an selbständiger gestaltungskraft überrage. Wenn er aber
dann fortfährt: 'Aber er ist vielfach ungeschickt und unklar
und es fehlt sogar nicht an sprachwidrigen ausdi-ucksweisen,
die aus stumpfsinniger nachahmung bestimmter Heliandstellen
zu erklären sind', — so sind das züge, deren richtigkeit zu er-
weisen sich allerdings die obengenannten arbeiten von Behaghel
und Pauls bemühen. Aber diese züge wollen doch schlecht
passen zu dem bilde eines phantasievollen und durch selb-
ständige gestaltungskraft hervorragenden dichters, als welchen
1) Vgl. Sievers, Beitr. 13, 133 ff.
ZUR ALTS. GENESIS. Ö
wir den autor der Genesis anerkennen müssen. Und ich bin
der nieinunsr. dass sowol Beliaghel, wie Pauls dem Genesis-
dichter vielfach unrecht getan haben, wenn sie darauf aus-
gehen, ihm möglichst viele grobe fehler in seiner arbeit an-
zustreichen. Schon Behaghels recensenten Jellinek und be-
sonders Roediger') haben hier viele ungerechte beurteilungen
einzelner stellen bei Beliaghel zurückgewiesen und durch rich-
tigere auffassungen ersetzt.
Die bemängelungen von ]3ehaghel und Pauls gehen zum
grossen teile davon aus, dass gezeigt wird, eine ausdrucksweise
der Genesis stimme nicht zu der des Heliand. Man wird das
hier beigebrachte meist dankbar annehmen können und in
diesen Verschiedenheiten des Sprachgebrauchs eine weitere
stütze der — von Sievers hauptsächlich auf grund der vers-
technik gewonnenen — ansieht erkennen, dass wir es mit
zwei verschiedenen Verfassern zu tun haben. Aber das darüber
hinausgehende bestreben zu zeigen, dass das vom Heliand
abweichende nun auch minderwertig oder sprachlich falsch
sei, geht von der Voraussetzung aus, dass allein der Heliand-
dichter sich habe richtig altsächsisch ausdrücken können.
Gerade wenn der Genesisverfasser von jenem verschieden war,
so dürfen uns solche abweichungen nicht wunder nehmen und
wir können ihm zutrauen, dass er besser zu beurteilen ver-
mochte, was in seiner spräche möglich war, als wir nachfahren,
deren horizont darin notwendigerweise ein beschränkter sein
muss. Allen in dieser richtung sich bewegenden tadelsvoten
stehe ich skeptisch, ja ablehnend gegenüber. Ich will das
hier durch eingehendere besprechung einiger beispiele be-
leuchten.
Gen. 73. Zu tfkean togean bemerkt Behaghel s. 36 sehr
richtig, dass es im Hei. nur in dem sinn von 'ein wunder-
zeichen tun' gebraucht werde, während es hier heissen muss
'ein äusseres kennzeichen setzen' (posuitque dominus Cain Sig-
num, Gen. 4, 15). Auch der ags. dichter sagt (ags. Gen. A. 1043)
hine waldend on tirfcest metod tacen sette, freoctoheacen frea.
Pauls diss. s. 6 führt diese beobachtung weiter durch den nacli-
weis, dass auch an vier stellen der ags. Gen. B. das dem tacen
») Auz.fda.29,31ff.; bz. Herrigs Archiv 111, 189 ft'.
4 BRAUNE
oäieivan zu gründe liegende tecan togian des Originals 'ein
zeichen geben' (als äusseres merkmal) bedeute. Pauls begnügt
sich hier damit, die Verschiedenheit des Sprachgebrauchs zwi-
schen Gen. und Hei. hervorzuheben. AVenn aber Behaghel
weiter einen tadel für den Genesisdichter daran knüpft und
Pauls später (Beitr. 30, 151) Kögels sicher zutreffende Über-
setzung anzweifelt, so ist das eine competenzüberschreitung.
Soll damit gesagt sein, dass togian nur 'vor äugen stellen,
zeigen', nicht al)er 'zufügen, antun, anheften' bedeuten dürfe,
so genügt ein hinweis auf Hei. 5291 so huat so sia im tionono
tiio tuogian imoldun 'was sie auch Übels ihm da antun wollten'
(Grein).
Gen. 27. Das vielerörterte liet ina undar haha liggian
hat Pauls, diss. s. 41 behandelt. Ich hatte tindcr haha nach
analogie des in Hei. und Gen. öfter vorkommenden under hole
als 'rückwärts, zurück' aufgefasst. Dagegen wollte es Kögel
durch 'auf der erde' übersetzen, indem er im Hei. v. 4851 f.
tliat sie linder hac fellun alle efno san erde gisohtun fälschlich
under hac dem in terram der quelle gleich setzte. Diese heisst
aber vollständig (Joh. 18, 6) ahierunt rctrorsum et ceciderunt
in terram und es ist klar, dass vielmehr erde gisohtun das
ceciderunt in terram widergibt, während under hac fellun dem
ahierunt retrorsum entspricht. Es kann also auch hier under
hac nichts anderes als 'zurück' heissen.') Ries und andere
wollten dann undar haJca mit 'auf dem rücken' übersetzen,
ein sinn, der sich aus der präposition undar absolut nicht ge-
winnen lässt: dann müsste es schon an haha heissen. Deshalb
kehrte Jellinek, Anz. fda. 24, 220 zu meiner auffassung zurück.
Dessen ausführungen sich anschliessend betont Pauls nun
richtig, dass die Verbindung under hac nur zu einer richtungs-
vorstellung passe, bei liggian erschien dieses aber dem dichter
unmöglich. Somit schliesst Pauls, dass undar haha ein ver-
fehlter ausdruck sei. Es ist zuzugeben, dass die ursprüngliche
geltung eine andere gewesen ist. Eigentlich scheint nur die
Verbindung mit dem verbum sehan berechtigt: die mehrzahl
') Vgl. dazu auch die reichen belege für ags. underbcec bei Jiosworth-
l'üller s. 1ÜÜ7, darunter z. b. obiges ahierunt retrorsum des Johauuesevau-
geliuius mit Däeodonlng underbcec übersetzt; desgl. feallun underbcec 'to
fall backwards' mit mehreren belegen.
ZUR ALTS. GENESIS. 5
der alts. belege von under hole gehören liierlier: Hei. 5510
icnder h. besah), dazu Gen. 304. 330. 334. Hierbei allein kommt
die präp. itndcr zur richtigen geltung. Denn wenn man nach
seinem rücken hinsielit, so muss man stets zugleich in der
richtung nach unten blicken, also wie schon Jellinek richtig
umschreibt, 'in die richtung unterhalb des rückens', es ist dem-
nach in dieser formel die bedeutung 'nach hinten' und die
eigentlich der präp. gemässe *nach unten' vereinigt. Allmählich
trat die letztere zurück und die bedeutung 'nach hinten' über-
wog, so dass undcr hak schliesslich schlechthin 'nach hinten,
zurück, rückwärts' ausdrücken konnte. So ist denn schon
die Verbindung mit einem beliebigen verbum der bewegung,
wie undcr hak falhui 'nach hinten, rückwärts fallen' eine Über-
tragung, bei der der ursprüngliche sinn der präj». undar gar
nicht mehr zur geltung kommt, da er nur in der sinnlichen
anschauung des rückwärtsblickens begründet ist. Wenn nun
so dieses utider hak eine le])lose formel mit der bedeutung
'zurück, rückwärts' geworden war'), so war es nur eine weitere
ganz sprachgemässe Übertragung, wenn der Genesisdichter in
Verbindung mit einem verbum der ruhe undar haka anwandte.
Dabei ist natürlich von der ursprünglichen bedeutung der
Präposition ganz abzusehen. Solche syntaktische Übertragungen
sind freilich historisch betrachtet 'falsche' analogien; aber auf
ihnen beruht ja die Weiterentwicklung der lebenden spräche
und wir sollen uns wol hüten, diese wendung dem Genesis-
dichter als grammatischen Schnitzer rot anzustreichen. Selbst
wenn diese anwendungsweise von under hak auf verben der
ruhe nicht durchgedrungen sein sollte — was wir aber mangels
weiterer alts. literatur nicht controlieren können — so wäre
sie doch von uns als äusserung lebendiger sprachbildender kraft
gebührend zu respectieren.^)
') Im ags. ist davon sogar ein adv. underbcecling 'rückwärts' abgeleitet
(vgl. Bosworth-Toller b. 1097).
*) Als beispiel einer solchen schliesslicli nicht (Inrchgedrungenen eyn-
taktischen unihildiing möchte ich hier die construction von ze mit dem
accus, anführen, wehdie sich in dem ahd. Samariteringediclit v. 2 findet: er
zeinen hrunnon kisaz. Der vcrsiidi Erdmanns, Zs. fdidi. 24, 81'), hier den
dativ plur. zeinen hrunnön aiizunelimeu, liat wol bei niemandem lieifall
gefunden : ein einheitsplural bei einem concreteu gegenstände, wie brunnu
ist undenkbar und zcn houbiton fordert eine erklärung für sich. Nein, hier
b BRAUNE
GcD. so tadelt Pauls s. 38 die anwendung des adj. rp-im.
Der von gott vertluclite Kain geht von dannen tnit grinimo
hugi. Tasst denn das in den Zusammenhang? Man sollte hier
alles andere eher erwarten als das grim. Seine rede (v. 58 — 69)
zeugt doch von einer ganz entgegengesetzten Stimmung, die
ja so natürlich ist; aber an stelle eines druhundian, Jiriuiiig
oder dgl. bringt der dichter grim »erzürnt, wütend«.' — 'Ma.n
muss sich billig verwundern, wie der kritiker durch die be-
gierde, fehler anzustreichen, die fähigkeit verliert, sich in die
anschauung des dichters einzufühlen. Freilich hält Kain, nach-
dem er sieht, dass sein frevel entdeckt ist und leugnen niclits
hilft, eine bussfertig zerknirschte rede. Aber da er mit dieser
komödie seinen zweck nicht erreicht, sondern der herr ihn ver-
flucht und ihm die hüllenstrafe in aussieht stellt, da hat es für
ihn keinen nutzen mehr, den druhundian oder hriauigan zu
spielen, sondern er kehrt seine wahre natur wider heraus und
geht weg mit wut im herzen ^mit grimmo lmgi\ Weiteres
hierüber s. unten s. 19.
Gen. 332. Als Ungereimtheit betrachtet Behaghel s. 44
den ausdruck ihat uuas Lohthas hrud, than lang the sin an
tlmn landa lihhian muosta. Er bemerkt dazu spottend: 'die
dame muss sich recht früh verheiratet haben, wenn sie zeit
ihres lebens Loths hrud gewesen ist'. Hier hat zwar schon
Roediger, rec. s. 192 den verhöhnten dichter zu rechtfertigen
gesucht, indem er Goethes mythologische frau citiert und Jel-
liuek, rec. s. 33 rät, das than lang nicht so zu pressen: aber
den kern der sache haben diese dem Genesisdichter freund-
licher gesinnten kritiker beide nicht erfasst, Behaghel ist so
überzeugt von der schwachsinnigkeit des dichters, dass er gar
nicht erst untersucht, wie denn tatsächlich hrud im Heliand
gebraucht werde. Er geht aus von der meinung, dass hrud
nur 'junge frau, jung verheiratete' bedeuten könne. Aber
schon Heyne übersetzte in seinem Heliandglossar 1866 hrud
einfach mit 'gattin, frau'. Und es ist keine stelle des Heliand,
hat bei flem dichter die richtungsvorstellnng von l-isaz so lebhaft gewirkt,
dass er ze eben mit dem richtungscasus verl)unden hat. Der accusativ bei
ze auf die frage M'ohin? ist ja auch sonst ahd., ja noch mbd., vereinzelt
versucht worden, vgl. die nachweise Müllenhoifs, Denkm. 10, 2 (zu unserer
stelle) und Kögel, Litgesch. i, 2, 475 f.
ZUR ALTS, GENESIS. 7
welche uns z\väii<i-e, eine andere bedeutung anzunehmen. Nur
die erwägung, dass in anderen germanischen sprachen das wort
auf die jung verlieiratete beschränkt werde, kCinnte uns ge-
statten, bei dem altsächsischen bnid die bedeutung 'junge frau'
vorauszusetzen. Diese lässt sich anAvenden auf Hei. 1996, wo
von der hochzeit von Kana gesagt wird, i/iar scolda man cna
hrud (fchiüi (eine gattin geben) und auch der neuvermählte
lieisst hier hnidignmo 2050. — Desgleichen gehört hierher
298. 301, Avo von Joseph gesagt wird, dass er sich die Maria
ie bnidiu (zur gattin) gekauft hatte. Aber da er sie schwanger
befand, zauderte er, sie wirklich als gattin heimzuholen: ni
uuclde sie im tc hrudiu tho halon im ie hinuon. Hier stehen
hrud und kinua zwar als Synonyma; aber wer es wünscht,
kann mit bntd den begriff 'junge frau' verbinden. — Ebenso
147 von Zacharias sidor ic sie mi te brudi gecos 'seit ich sie
mir zum weihe erwählte'.') — Auch wenn 509 der gemahl
der Anna nach siebenjähriger ehe noch brudiyumo genannt
wird {so mosta siu mid ira brudigumon bodlo giimaldan sihun
uuintar samad), so war bei ihres mannes tode Anna ihrem
lebensalter nach doch immer noch eine junge frau. — Anders
steht es schon, wenn 749 die Bethlehemitischen weiber, deren
kinder von zwei jähren und darunter Herodes töten lässt,
bnidi genannt werden {tJtoJi ni nioJtta im gio serara dad icer-
dan . . . unihun managun, brudiun an Jßeildecm). Darunter
sind doch nicht nur erstgebärende junge frauen zu verstehen,
sondern auch solche, die daneben schon erwachsene kinder
gehabt haben können. — Deutlicher ist die allgemeine, nicht
bloss auf die junge frau beschränkte anwendung von hrud
auf des Pilatus weib 5442. Die frau des hohen Würdenträgers
haben wir doch keinen anlass, uns als junge frau vorzustellen.
Der dichter gibt mit brnd eben hier einfach das uxor eins der
quelle wider. Und iixor 'verheiratete frau jeglichen lebens-
alters' ist die alleinige bedeutung von bnal in der alts. dich-
tung. — Das lehrt ferner die stelle 270(3 ff., wo in der ge-
schichte des Johannes Baptista von Herodes berichtet wird,
dass er 'Herodiadem, uxorem Philippi fratris sui, duxerat'. Es
heisst da huide imu be theru brudi ihiu er sines broder uuas idis
') Die stelle fehlt in Schmellers glossar uud deshalb auch bei Heyne.
ö BRAUNE
an ehti 'er lebte zusammen mit dem weibe, welches vorher
sein bruder besessen hatte'. Das war keine junge frau mehr,
denn sie hatte von seinem bruder mehrere kinder gehabt {er
uuarnn iro Tiind odan harn he is hrodor); sie hatte eine be-
reits erwachsene tochter, die ja in dieser geschichte die bekannte
rolle spielt. Aber trotzdem heisst sie weiterhin hnid: tho
higan imu thea hrud lahan lohannes tJie godo. Und dass man
nicht etwa sagen könne, hier sei sie hrud mit rücksicht darauf
genannt, weil sie dem Herodes neu vermählt war, zeigt die
fortsetzung: Johannes tadelt, dass er hroder hrud an is hed
nami 'das weib seines verstorbenen bruders'. Wir sehen, hier
befindet sich der Genesisdichter schon in der guten gesellschaft
des Helianddichters, wenn er von Loths frau, die auch er-
wachsene töchter hatte, aussagt, dass sie bis zu ihrem schreck-
lichen ende Loths hrud, sein eheweib, gewesen sei. — Noch
lehrreicher aber ist 5523 ff., wo in widergabe von Luc. 23, 29
Quoniam ecce venient dies in quihus d/'ccnt 'Beatae steriles et
ventres quae non genuerunV gesagt wird: noh uiiirtlmt thiu tid
cuman that thia muoder thes mendendia sind, hrudi luäeono
them gio harn ni uuarth odan an aldre. Hier sind muoder
die weiblichen schösse, und lucteono hrudi die jüdischen frauen,
welche in ehegemeinschaft leben und doch in ihrem ganzen
leben nicht geboren haben, also alte weiber, die sich mög-
licherweise noch 'früher verheiratet' haben als Loths weib.
Und dass in der ags. poesie hryd gerade dieselbe bedeutung
hat wäe alts. hrud zeigt uns ein blick auf die quellen. Um
beweisende beispiele zu finden, brauchen wir nur die ags,
Genesis aufzuschlagen. Da sehen wir gleich an der der alts.
Gen. entsprechenden stelle, dass auch der ags. dichter denselben
ausdruck anwendet. Es heisst da v. 2560: Pa J)cet fyrgehrcec,
leoda lifsedal Lothes gehyrde hryd on hurguni, under hcec heseali.
Und eine wahrhaft classische stelle ist ags. Gen. 2340 ff., wo
es von Abraham bei der ankündigung Isaacs heisst: he . . .
seif ne tvende, ])cet Mm Sarra, hryd hlondenfeax hrinjan mealite
on ivoruld sunu: tviste gearive, Jjcet poet unflmru ivintra hcefde
efne teontij s^teled rimes. Also die grauhaarige hundertjährige
Sara ist Abrahams hryd, d.i. sein eheweib! Und so heisst sie
auch sonst, z. b. 2386 ])wt on hure ahof hryd Ähraliames hiht-
leasne hlealitor, 2234 wo Abraham hryde larum (gemäss der
ZUR ALTS. GENESIS. y
anweisung- seiner ehefrau) seine magd ins bett nimmt. Ferner
2782. 2798 und andere beispiele, welche zeigen, dass ags.
hryd, alts. hriid, nichts weiter heisst, als das weib, welches
mit ihrem manne geschlechtlichen verkehr hat (vgl. z. b. ags.
Gen. 2715 jxvt nie Sarra hryde laste beddrcste ^estdh).
In welchem Verhältnisse diese für das ags. und as. erwiesene
bedeiitung von hnid zu dem gebrauche in den anderen ger-
manischen sprachen und zur etymoh)gie des wortes steht, er-
örtert unten ein besonderer artikel. Hier möchte ich nur die
allgemeine regel ins gedächtnis rufen, dass es nicht angängig
ist, nach einer vorgefassten meinung oder nach einer von aussen
hergeholten etj^mologie die bedeutung eines wortes in einer
bestimmten sprachstufe zu erschliessen. Vielmehr soll man
zuerst nach der alterprobten philologischen methode durch
eingehende erforschung des internen Sprachgebrauchs aus dem
zusammenhange der texte feststellen, welches die reale bedeu-
tung zu der betreffenden zeit war. Erst dann kann man fragen,
wie sich diese bedeutung mit der geltung zu anderer zeit und
an anderen orten oder mit der etj-mologischen herkunft des
Wortes vermitteln lasse. Gegen diese regel hat Behaghel an
der in rede stehenden stelle gefehlt, ebenso aber auch Grein,
wenn er ^) die oben besprochenen verse ags. Gen. 2340 f. über-
setzt: 'da er ... nicht hoffte, dass die greisgelockte braut
nun noch einen söhn ihm möchte an die weit gebären'. Das
nhd. braut hat in seiner bedeutung mit dem ags. hnjd gar
nichts zu schaffen und gibt in seiner anwendung hier einen
falschen, grotesk -komischen sinn in directem gegensatze zum
original.
Oeu. 24:7. Ghmet im e.ft thanan gangan te is gcstscli. Be-
haghel nimmt s. 42 anstoss an yestseli. Er erklärt gestseli als
'die herberge und der räum des hauses, wo die gaste bewirtet
werden. Wenn daher das haus des Abraham, das er nach
der rückkehr vom tempel aufsucht, gastseli genannt wird, so
ist das nichts als eine Ungeschicklichkeit.' Und Jellinek, reo.
Anz. fda. 29, 33 ist mit diesem urteil einverstanden. — Auch
hier fällt der Vorwurf gegen den Genesisdichter in sich zu-
sammen: auch er beruht auf einem Verstösse gegen die eben
') Dichtungen der Angelsachsen 1, 65.
10 BRAUNE
erörterte methodische regel. Gewis ist gestscli, wenn wir es
nach seinen bestandteilen etymologisch erklären, ein saal für
gaste, ein räum, in dem man gaste bewirtet und beherbergt.
Diese beiden zwecke waren identisch: man denke au die halle
Heorot im Beowulf: das ist ein solcher gastseli, in dem die
beiden ihre gelage hielten und zugleich ihr nachtquartier
hatten, bis sie Grendel störte. Eine solche halle ist der
hauptbau eines herrenhofes, der räum, in dem der hausherr
repräsentierte. Vgl. M. Hej-ne, Das deutsche Wohnungswesen
(Deutsche hausaltertümer 1) 37 f. Und so wurde das compositum
gastseli zu einem einheitlichen begriffe, in dem der erste teil
des compositums nicht mehr in seiner eigentlichen bedeutung
zur geltung kam. Das alts. gastseli besagt den palastbau
eines Yornehmen mannes und seine bedeutungsentwicklung ist
dieselben wege gegangen, wie das franz. hoicl, welches 'palais,
vornehme wohnuug' bedeutet oder als liötcl de ville das rat-
haus bezeichnet, obwol es nach seinem etymon Iwspitale nur
'gasthaus' sein sollte, was es ja auch im frz. heute daneben
noch bedeutet.
Zum erweise dessen überblicken wir die stellen, in welchen
gastseli im Hei. vorkommt. Vorab diejenigen, welche die ety-
mologische deutung Behaghels noch allenfalls zulassen. 2002.
Geng imu tJio . . . an that hoha lins, thar the heri dranc, iJica
Iiideon an themu gastseli. Hier heisst also der festsaal, that
hoha hus, in welchem die hochzeit von Kana gefeiert wird,
gastseli. — Bei der beschreibung des festes, welches Herodes
an seinem geburtstage gibt, heisst der festraum gastseli 2733.
2737. 2762. 2780. Als Variation dazu wird zweimal hus ge-
braucht. Und wenn 2788 ff. gesagt wird: Tho unard thar an
thene gastseli megincraft mikü manno gesamnod heritogono an
that hus thar iro herro imas an is Icuningstole, so versammeln
sich hier zwar gaste in dem gastseli, aber dieser ist vor allem
doch charakterisiert als des Herodes königshalle, in welcher
er seinen königsthron, seinen hochsitz hat. — In dem gleichnis
vom reichen mann heisst es 3338: Lazarus lag at theni durun
foren thar he thene odagan man inne uuisse an is gestseli gome
thiggean. Lazarus liegt also hier vor der tür des saales, in
welchem der reiche schmaust ('iacebat ad ianuani eins . . .
cupiens saturari de micis quae cadebant de mense divitis
ZUR ALTS. GENESIS, 11
Luc. 16, 20 f.). Dass der reiclie gaste bei sich hat, ist zwar
weder im Hei. noch in seiner iiuelle gesagt, aber aus der
ganzen Situation heraus könnte man sich das allerdings vor-
stellen. Behaghel wird es aus dem werte f/cstscJi folgern, was
ich jedoch für unbegründet halte.') Denn statt ^«^v/«// könnte
mit eben der bedeutung auch das einfache seil stehen, wenn
eine alliteration auf s nötig gewesen wäre. Vgl. z. b. 3019
oft an scli innen nnäar iro herron disJce hnelpos huerhad; oder
549 sitzt Herodes an is seli, womit natürlich sachlich dasselbe
gemeint ist, wie mit dem königlichen (ja.stseM 2733 f. — Nun
wird man aber meinen, dass zum mindesten 079, wo die magier
in Bethlehem an gastseli gehen, die bedeutung 'herberge' klar
liege. Doch gerade das glaube ich vei-neinen zu sollen. An
ein Wirtshaus darf man hier schon gar nicht denken. An
unserer stelle ist ein solches in der ([uelle nicht erwähnt und
das diversorium in der geburtsgeschichte Luc. 2, 7 hat der
dichter nicht widergegeben (s. u.); die alid. glossen und Über-
setzungen (so T.) geben es durch gasthüs (Graff 4, 1054).
"Wirtshäuser waren dem altgermanischen leben zunächst fremd,
nur für beere brauchte man lager (Jicrihcrga), einzelreisende
wurden durch private gastfreundschaft untergebracht. Der
begriff des diversorium konnte dem alts. dichter und seinem
publicum wol nur theoretisch bekannt sein. Jedenfalls darf
man bei dem gastseli nur an den saalbau eines herrenhofes
denken. Und der gastseli, in dem die magier übernachten,
ist kein anderer als der Josephs, der als vornehmer herr in
seiner stadt Bethlehem einen gastseli hatte: heisst es doch von
ihm bald danach 711: tho fon tliem droma ansprang losepli
an is gestseli. Ich nehme an, Behaghel hat diese letztere stelle,
in erinnerung an das diversorium Luc. 2, 7, dahin verstanden,
dass Joseph in Bethlehem sich selbst in einer herberge be-
funden habe, denn sonst würde er sich doch über Abrahams
gestseli in der Gen. 247 nicht so sehr wundern. Die ganze
Situation, wie sie der Helianddichter darstellt, ist aber eine
völlig andere, als sie es nach dem biblischen berichte sein sollte.
Während dort Joseph und :\Iaria als einfache leute nach Beth-
») Der Franzose würde an is gestseli bei dem reichen manne mit dans
son hötel übersetzen können.
12 BRAUNE
lehem ziehen und sich mit der Unterkunft kümmerlicli behelfen
müssen, da sie in der herber^e keinen räum finden, so ist Joseph
im Heliand ein reicher edeling aus königsgeschlecht; er zieht
aus mid is hiuuisca (365), also mit einer stattlichen schar,
seinem gefolge, seinem ingesinde'), in seine Stadt Bethlehem, wo
er sein hanchnaJml (360), sein freies stammgut besass.^) Das
mussten sich die hörer als vornehmen herrensitz denken: thiu
uuanomon hcm (358). Hier nahmen Joseph und Maria Woh-
nung, hier hatte Joseph natürlich auch seine halle, seinen
saalbau (is gestseli 711). Bei dieser darstellung musste frei-
lich der unscheinbare satz quia non erat eis locus m diversorio
^) Vgl. des Pilatus, thcs heritogcn hiuuisJci 54-il ; von der mauiischaft
des liauptmanns von Kapernaum lieisst es 2095 unclar is hiimiskea.
^) Die falsche Übersetzung 'forum competens, gerichtsstaud, gerichts-
stätte' für liandmahal, welche von dem alten Sachsenspiegelherausgeber
Zobel (1535) herrührt und von Schnieller in sein Heliandglossar aufgenommen
wurde (vgl. auch Vilmar, Alt.^ s. 40), sollte nach 1852, nach Homeyers be-
rühmter abhandlung über das hantgemal doch endlich abgetan sein (vgl.
Zarncke, Mhd. wb. 2, 1, 25). Trotzdem ist sie aus Schnieller- Vilmar noch in
die Heliandglossare von Hej'ne und Behaghel übergegangen. Dass die von
Homeyer erwiesene bedeutung 'freies stammgut, erbsitz', welche aus der
mit diesem verknüpften hausmarke entstanden auf das gut selbst übertragen
Avurde, auch für den Heliand gilt, ist schon von Homeyer hervorgehoben und
wird durch die parallelisierung mit odil (346) sichergestellt: die in der fremde
befindlichen sollten ihr odil, ihr Mndmahal, also ihren freien ererbten
Stammsitz aufsuchen. Auch die dritte stelle des Hei. (4127), wo Jerusalem
der Juden handmahal endi hoh'dstedi 'Stammsitz und hauptstadt' heisst
(vgl. Homeyer s. 31), stimmt dazu. Homeyer hat aus rechtsurkunden gezeigt,
dass reichbegüterte edle, auch wenn ßie auf anderen gutem ihren Wohnsitz
hatten, doch nur ihr stammgut als hantgemal bezeichneten. Der Heliand-
dichter stellt es also so dar, dass der edeling Joseph, der seine hauptgüter
in Nazarethburg hatte, nach seinem Stammsitze Bethlehem zieht. Wenn
E. Martin zu hantgevia^lde Parz. 6, 19 (Parzivalcommentar s. 17 f.) erklärt,
handmahal heisse im alts. 'heimat', so ist diese abgeleitete bedeutung, die
sich vielleicht einmal hätte entwickeln können, wenn das wort nicht mit
dem 13. jh. ausgestorben wäre, doch in der literarischen und rechtlichen
Überlieferung nirgends bezeugt, sondern nur die concrete bedeutung eines
landbesitzes, eines freien stammguts, eines 'praedium libertatis'. Am wenig-
sten wäre schon für das 9. jh. des Hei. eine solche abgeleitete bedeutung
zu erwarten: sie ist nur aus dem zusammenhange der biblischen erzählung
erschlossen, unter verkennung der tatsache, dass der Helianddichter stand
und Verhältnisse des Joseph ganz anders erscheinen lassen will, als die
biblische quelle.
ZUR ALTS. GENESIS. 13
unter den tisch fallen. Da geht alles hoch her: nach der
geburt wickelt Maria das kind in kostbare gewänder {hinuand
ina ... fagaron fratahun 380), wobei es als sonderbarer zug
erscheinen musste, dass sie das kind an ena crihhiun (382.
vgl. 407) legte, zu dessen erklärung aber auch gar nichts bei-
gebracht wird.') Und bei der namengebung am achten tage
treten in der Umgebung der eitern die gefolgsmannen Josephs
als lididos, erlös manaya auf. Nach Lucas wird dann weiter die
darstellung im tempel erzählt, welche dort damit schliesst,
dass sie heim nach Nazareth und Galiläa ziehen. Im 1'atian,
des dichters quelle, folgt nun unvermittelt auf Lucas 2 nach
Matthäus 2 die geschichte von den magiern aus dem Orient,
in welcher Joseph und Maria in Bethlehem wohnen. Unser
dichter streicht also in Luc. 2, 39 Nazareth und Galiläa: er
lässt sie einfach von Jerusalem te hus ziehen (531); unter
diesem heim war so nun wider Josephs hamhuahal Bethlehem
zu verstehen, wo die jetzt folgende erzählung spielt. Die
magier werden von Herodes nach Bethlehem gewiesen: sie
kommen mit ihren gaben in Josephs herrenhaus, an that hus
innan (668) und überreichen dieselben. Die gaben nimmt
ihnen aber nicht Joseph, der vornehme edeling, selbst ab,
sondern dazu hat er seine mannen, sein kiuuisJii, seine helidos
und erlös. Es heisst 675: thea man stodun garouua, holde for
iro herron, thea it mid iro handun san fagaro antfengim.
"Wenn darauf nun die magier an gastseli zum schlafe sich
zurückziehen, so konnte nach dem ganzen zusammenhange kein
sächsischer leser oder hörer etwas anderes verstehen, als dass
Joseph ihnen in seinem saalbau nachtquartier einräumte, und
der dichter wollte auch diese auffasung hervorrufen. Nachdem
') Die Philologie alter schule würde, wenn sie uur den zusaiumeuhaug-
vorurteilsfrei erwogen und die biblische erzählung nicht gekannt hätte, hier
vielleicht eine Interpolation gewittert oder cribbiun durch eine conjectur weg-
geschafft haben. — Der dichter hatte es nicht gewagt, diesen zug, der in
der kirchlichen literatur eine so grosse bedeutuug hat (vgl. 'Jellinek, Anz.
fda. 21, 217), ganz zu unterdrücken. Er betont denn auch an beiden stellen
im sinne der kirchlichen Schriftsteller die contrastwirkung und es musste
dem unbefangenen alts. hörer so erscheinen , als ob die hochadligeu eitern
Jesu eine krippe eigens herbeigeholt hätten, um dadurch eine symbolische
handluug zu begehen. Vermutlich wollte in der tat unser dichter diesen
auscheiu erwecken!
14 BRAUNE
dann die magier abgereist sind, wird Joseph selbst in einer
der folgenden nädite schlafend in seiner halle {an is gestseli
711) ermahnt, nach Ägypten zu ziehen. Er unternimmt die
reise natürlich als vornehmer herr wider mit seinem stattlichen
gefülge: tliat inan (das kind) . . . erlös antleddun, gumon mid
losepc (755). *). Von Ägypten zieht endlich später die heilige
familie nach Nazareth.
In den beiden jetzt noch zu besprechenden stellen ist nun
aber nicht die leiseste mijglichkeit, gasiscli rein etymologisch
zu erklären. 5310. Stuodun nitlümata Indeon far thcni gast-
selie. Hier stehen die Juden vor des Pilatus amthause: gast-
scJi ist hier also die widergabe des lateinischen praetorium
(Joh. 18,33 = T. 195, 1), welches variierend auch fhinghüs (5130.
5137. 5172 = ahd. T. thincJms), palencea (5304), tMngstedi {h^Oh.
5340), oder einfach that hus (5303. 5339) und seil (5315) ge-
nannt wird. Aus dieser anwendung sehen wir deutlich, dass
in dem gastseli eines deutschen fürsten, in welchem feste ge-
feiert und gaste einquartiert wurden, auch die gerichtssitznngen
abgehalten wurden. Es ist gastseli eben der vornehmste und
grösste räum des hofes, für öffentliches auftreten des fürsten
benutzt, — Und dass gastseli schlechthin als gerichtshaus
gebraucht werden kann, zeigt die letzte stelle des Hei. 1899,
wo es ohne Variation steht. Der quellentext (T. 44, 13): 'cum
autem tradent vos in sinagogas et ad magistratus et potestates,
nolite sollicite esse, qualiter aut quid respondeatis' wird um-
schrieben: gi ni tJmrhim an enigun sorgun imesan an immomu
Jmgi huergin, tJian man in for thea heri ford, an tJiene gast-
seli gangan hetid, huat gi im tJian tegegnes scidin godoro uuordo
spahlicoro gesprecan. Soll man nun hier gastseli geradezu mit
'gerichtsstätte' (Vilmar, Alt.^ 46) übersetzen? Nein, es ist aus
altgermanischer anschauung heraus der räum genannt, in wel-
^) Wie die gauze Situation misverstauden werden kann, zeigt Piper,
der in seiner ausgäbe nicht nur zu 750 bemerkt: 'Dass Joseph noch be-
gleiter hatte, ist in sonstigen quellen nicht gesagt', sondern auch zu 675
unter aufzählung verschiedener ausichten schwere zweifei hegt, wer denn
thea man, holde for iro herron seien. 'Gegen die auffassung, dass Ihea man
Josephs uiinisterialen seien, spricht, dass keine form der sage etwas ähn-
liches überliefert.' Als ob der Heiianddichter für seine germanisieruug und
aristokratisierung des stoifs überhaupt quellen haben könnte!
ZUR ALTS. GENESIS. 15
chem alles öffentlidie leiten am lierreiiliofe sich abspielte: 'fest-
saal. saalbau. halle' (vgl. Heorot!) Avi'inleii für alle anweudung-s-
Aveiseu im licl. die g-eiUigeiidcii iiIhI. Übersetzungen des Wortes
(jastscU sein. Wenn daher Behagliel in seinem glossar dafür
nur die beiden Übersetzungen 'herberge. Speisesaal' angibt, so
ist das ohne anschauung von der zu gründe liegenden sache und
ohne erwägung der tatsächlichen anwendung nur von der
etymologie hergenommen. A\'ir würden ebensogut liutd de la
legaiion mit 'gasthof der gesantschaft' oder hötel de ville mit
Speisesaal der Stadt' übersetzen dürfen. Denn auch der ge-
sante wird manchmal logierbesuch haben und die stadt ein
festessen in ihrem rathause veranstalten.
Jetzt verstehen wir also, dass unser Genesisdichter keine
'Ungeschicklichkeit' begangen hat, wenn er den Abraham nach
der Unterredung mit dem herrn gangan ie is gestseli lässt.
Der vornehme häuptling Abraham hat natürlich ebensogut
einen gestseli wie Herodes, oder wie Joseph in Bethlehem,
oder wie der reiche mann im evangelium. Einen solchen
besitzt auch der edeling Loth {adalbitrdig man 260) : ac se
gengun im an is gestseli 280, nur dass ihm Behaghel diesen
besitz nicht verdenkt, weil hier zufällig gaste mit im spiel
sind. Wie wir im Heliand als Variation von gastseli mehrfacli
Jms gefunden haben, so hätte Abraham an unserer stelle, auch
te lius, in sein haus, gehen können: es ist eben hier der vor-
nehmste teil des herrenhofes, der gastseli, für das ganze gesetzt
worden, herbeigezogen durch das bedürfnis einer alliteration
zu gangan.
Damit kommen wir zu einem anderen vorwürfe, den man
dem Genesisdichter glaubt machen zu dürfen. Nicht genug,
dass man diesem 'phantasievollen' dichter das richtige Sprach-
gefühl für seine muttersprache bestreitet und meint, ihm seinen
wortgebrauch corrigieren zu dürfen: man wähnt' sogar, dass
diese angeblich groben Sprachfehler einer 'stumpfsinnigen nach-
ahmung bestimmter Heliandstellen' entsprungen seien. Er soll
mühselig aus dem Heliand seine plirasen zusammengestoppelt
haben. Von diesem standi)unkte aus sieht Behaghel auch die
stelle an, welche uns soeben beschäftigt hat. Die angebliche
16 Braune
'Ungeschicklichkeit' in der anwendung von gastseli soll hervor-
gerufen sein 'durch die Übernahme der alliterierenden forrael
aus Hei. 1898 tJiau man iu an thene gastseli gangan hetid.^
Allerdings ist auch da gastseli mit gangan stabreimend ge-
bunden. Aber das war doch wol nichts so absonderliches, dass
es der Genesisdichter nur aus dieser stelle hätte lernen können.
Und gastseli heisst ja dort nicht einmal, was es nach Behaghel
allein bedeuten darf: es ist 'gerichtsstätte'. Behaghel hätte
also billig seinen Vorwurf der Ungeschicklichkeit auch auf den
Helianddichter ausdehnen sollen!
Als ein weiteres als besonders gravierend betrachtetes
beispiel 'stumpfsinniger nachahmung' will ich hier nur noch
die stelle Gen. 48 {is dror sinJdt nu an erSa, siiet sundar
ligit) etwas näher beleuchten. In ihrer Verurteilung sind die
kritiker einig: Behaghel s. 39, Pauls diss. s. 27 und Jellinek,
Anz. fda. 29, 32 sehen darin baaren unsinn, der sich, wie auch
der letztere nach Behaghel behauptet, durch törichte nach-
ahmung von Hei. 5903 erkläre. Behaghels äusserung muss
ich ganz hersetzen: 'Die Verbindung des Zeitworts liegen mit
dem subject blut ist an sich befremdlich, noch sonderbarer
der gedanke, dass das blut vom körper getrennt liegt, auf-
fallend endlich die parallelisierung des fallens und des liegens.
Wir haben es mit einer stumpfsinnigen Verwendung des aus-
drucks zu tun, der Hei. 5903 steht: lag thie fano sundar, in
der nachbarschaft von hreogiuuadi (5901), das die Gen. vierzig
verse später (88) gleichfalls ganz ungeschickt verwendet.'
Die angezogene stelle des Heliand handelt vom besuche
des grabes nach der auf erstehung. Petrus kommt zum grabe :
gisah thar tJics godes harnes hreogiuuadi herren sines linin
liggian, mid thiu uuas er thie lichamo fagaro hifangan; lag
thie fano sundar mid them uuas that hohid bihelid helages
Cristes. Also unser dichter hatte diese Heliandstelle vor sich.
Die Verbindung von lag mit sundar müsste ihm so neu und
verlockend erschienen sein, dass er bloss um sie anzubringen,
einen ganz unmöglichen gedanken bildete, — wobei man sich
nur wundert, dass er es verstand, lag in das richtige präsens ligit
umzusetzen — ; zugleich notierte er sich das daneben stehende
hreogiuuadi (vermutlich ein ilim ebenso neues wort, wie dem
die Heliandlecture beginnenden jungen Studenten!), um es
ZUR ALTS. GENESIS. 17
später, in ganz anderem zusanimenliange und felilerliaft, in
V. 87 anzubringen: tlino sin bJtioday uuiiosk liyeinjinmuli!^)
Nein, diese anknüpfung der Genesisstelle ist ganz undenk-
bar! Wenn noch in der Gen. hrcufjluuadi ebenso dicht bei sundnr
VhjH stände, wie im Hei. bei lag sunchn; oder wenn es auch in
der Gen. liiesse ligit thic fano siindar, dann dürfte man viel-
leicht von einem zusammentrelTen reden, das mehr als zufall
sein könnte. Aber bloss um das farblose verbum sundar
liggian anzubringen, sollte ein dichter, welcher auch nach
Behaghel den des Hei. an selbständiger gestaltungskraft über-
ragt, einen satz zurecht gemacht haben, der nach dem urteil
der kritiker ganz albern wäre? Diese auffassung ist von vorn-
herein als unniöglich zu bezeichnen: es gilt vielmehr, den uns
auf den ersten blick frappierenden gedanken zu verstehen, zu
zeigen, wie der dichter auf ihn kommen konnte, ohne das
^) Nach Behaghel s. 39 f. ist das deshalb fehlerhaft , weil im Heliand
hreogimiadi \\m\ hreohcd, im ?ih([. retuoh 'toteugewand" bedeuten, d.h. 'das
gewaud, das dem toten angelegt wird, nicht das, das er trug, als er getütet
wurde, und nach den gesetzen der composition kann es gar nichts anderes
bedeuten.' Im alts. und ahd. heisst hreo 'leichnani' (ags. hraiv auch noch
vom lebenden körper); hreogmuadi ist also nach den gesetzen der compo-
sition 'die gewandung eines leichnams'. Dass Abel nach seiner tötung ein
hreo war, ist nicht zu bezweifeln, also ist das gewand dieses hreo ein hreo-
ghiuadi. Im Hei. ist hrcogiuuaüi nur an obiger stelle belegt und ist dort
allerdings dem Zusammenhang nach die bekleidung des hreo bei der be-
stattung; das einmalige hreohed im Hei. heisst 'totenlager', und ahd. ?t-
tiiocha steht einmal in den Prudentiusgl. des Clm. 1-1:395 in der bedeutung
'leichentuch' als Übersetzung von exsequias Gl. 2, 444, 57 (in derselben hs.
Gl. 2, 438, 37 exsequiis retiddin, wo bei Prudentius die bedeutung 'leichen-
feier' vorliegt). Woher nehmen wir nach dem einzigen belege im Hei.
das recht zu behaupten, dass hreocjhmadi nur dasjenige gewand heissen
könne, welches dem leichnam zum zweck der bestattung angelegt wird,
wenn die andere bedeutung auch sinngemäss ist und uns durch einen text
unverdächtig geboten wird? Uebrigens hätte Behaghel selbst bei seiner
auffassung annehmen können, dass Eva das blutige gewand auswusch, um
es ihrem söhne dann zum zwecke der bestattung wider anzulegen. Ich
bleibe dagegen bei der von Behaghel als 'harmlos' getadelten 'Übersetzung
Kögels 'das blutige gewand des toten' und meine, dass Behaghel hier den
umgekehrten fehler begeht wie bei gastseli. Während er dort zu gunsten
der etymologischen deutung die reichlich belegte usuell erweiterte anwen-
dung nicht gelten lassen wollte, will er hier die weitere etymologische
bedeutung zurückweisen zu gunsten einer angeblich usuell beschränkten,
welche aber nur durch ein einziges beispiel zu stützen wäre.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. 2
18 BRAUNE
bequeme anskiinftsmittel, dass wir ihn für einen halben idioten
halten, für den die grüsste dummheit gerade gut genug ist.
Der Schlüssel für die ganze darstellung unseres dichters
liegt in seiner selbständigen auffassungs weise gegenüber der
biblischen quelle, welche ich schon in der einleitung meiner
ausgäbe s. 27 ff. (= N. Heidelb. jahrb. 4, 227 ff.) hervorgehoben,
hinsichtlich der Kainscene aber noch nicht scharf genug cha-
rakterisiert habe. Die Umarbeitung des dichters beruht näm-
lich darauf, dass er in der Genesiserzählung der quelle gegen-
über seine christlich-theologische grundanschauung zur geltung
bringen will. Wir müssen uns klar machen, dass die hier in
betracht kommende partie der quelle (yon Gen. 2, 5 an) dem
jahwisten angehört, dem ältesten erzähler des pentateuchs.
Dieser kennt noch kein jenseitiges leben mit lohn und strafe:
für ihn spielt sich alles im diesseits ab. Beim sündenfall in
Gen. 3 w^erden von Jahwe über die schlänge, wie über das
sündige menschenpaar nur irdische strafen verhängt. Und der
dichter der ags. Gen. A., der gerade hier nach schluss der alts.
Gen. B. wider einsetzt, gibt 852 — 964 in ganz angemessener
ausführung die strafreden des herru wider: er geht aber in
keiner weise über die audrohungen irdischer strafen hinaus,
die er in der quelle fand. Hätte der ags. Übersetzer uns diese
partie noch in der fassung der alts. Gen. B. aufbewahrt, so
würde deren darstellung ganz anders aussehen!') Schon aus
den vorhergehenden stücken der Gen. B. sehen wir zur genüge,
dass für den alts. dichter die hauptstrafe des sündigen ersten
menschenpaares im jenseits lag. Vgl. ags. Gen.B. 730 ff., 770 ff.
und 790 ff. = alts. Gen. 1 ff.
^) Mau wäre ueugierig zu wisseu, wie sich der dicliter hier mit der
schlauge abfände. Der Augeisachse behandelt sie gauz realistisch im siuue
des jahwisteu als wirkliches tier. Nicht einmal die beliebte messiauische
ausdeutuug bringt er, sondern nimmt einfache feiudschaft zwischen dem
menschen und der schlänge an (911 ff.)- Unser dichter hatte dagegen die
schlänge als reales tier ganz ausgeschaltet. Nach ihm nimmt Satans böte
nur 'wurmes gestalt' an (Gen. B. 491), die schlauge ist ihm also reines
blendwerk. Einen mittelweg beschreitet der dichter der Wiener Genesis,
indem er den bösen geist in die natter fahren lässt (Fdgr. 2, 18, 17), die
darauf von gott mit der alsbald symbolisch ausgedeuteten strafe belegt wird.
Für den alts. dichter aber war eine zu bestrafende schlänge gar nicht vor-
haudeu: nur gegen das höllenreich konnte gott seinen zorn richten.
ZUR ALTS. GENESIS, 19
Auf diesem gog-ensatze der weltanscliauimg beruht uuu
auch die von mir a. a.o. in ihrem äusseren verhiufe schon be-
sprochene Umformung; der Unterredung- zwischen gott und Kain
in der alts. Genesis. In der bibel lässt gott auf die consta-
tierung- des Verbrechens (4, 9. 10) sofort die strafe folgen. Kain
wird verflucht und seinem ackerbau miserfolg auferlegt: er
soll unstät und flüchtig sein auf erden (11. 12). Also eine rein
diesseitige strafe. Kain ist nun reuig und zerknirscht und
spricht die befürchtung aus, dass den flüchtigen erschlagen
werde, wer ihn finde (13. 11). Daraufhin mildert der herr die
strafe, indem er ihm das leben zusichert, worauf Kain sich
wegbegibt in ein anderes land. Der altsächsische dichter hat
das für keine genügende sühne des brudermordes erachtet.
Die ganze strafe wird an den schluss der rede gottes gesetzt :
sie besteht in der ewigen höllenqual, der ein von gewissens-
bissen gepeinigtes leben des flüchtigen, geächteten Verbrechers
vorangehen soll. AVie schon oben s. 6 hervorgehoben, fasst
der dichter Kains Charakter nicht als reuig, sondern als ver-
stockt auf, seine reue ist nur scheinbar, sie wird kund gegeben,
als er das verbrechen entdeckt sieht und soll die strafe mildern.
Aber das gelingt nicht, die strafe fällt in voller strenge auf
ihn und ingrimmig geht er von dannen. Auch die der quelle
gegenüber sehr frei behandelte folgende fitte 80 — 150 (vgl.
a. a. 0, 28 f.) ist von dieser ungünstigen auffassung Kains be-
herscht. Während in der quelle der jahwist nach Kains ab-
schied von gott mit einer art von naivem beifall erzählt, dass
Kain der vater eines grossen geschlechts wird, unter dem sich
sehr bedeutende leute befinden (4, 17 — 24), so hat unser dichter
das als nicht zu seiner auffassung stimmend gestrichen. Er
wendet sich zu den eitern, deren trauer und klagen über das
Unglück er in selbständiger ausführung schildert, anknüpfend
an die erzählung cap. 4, 25 f., dass ihnen als ersatz der söhn
Seth geschenkt wird. Bei besprechung der nachkommenschaft
des frommen Seth tritt dann erst wdder Kain in seinen ge-
sichtskreis, von dem er zu melden w'eiss, dass er ein rohes
und bijses geschlecht erzeugte. Diese seiner auffassung Kains
gemässen angaben entnimmt er aus Gen. cap. 0, 1 ff., wo zwar
nicht von Kains geschlecht gesprochen wird, sondern davon,
dass sich die kinder gottes mit den kindern der menschen
2*
20 BRAUNE
vermischten, wodurch die menschheit böse und reif für die
sündflut wurde. Die deutung- der kinder der menschen auf
Kains geschlecht ist allerdings im sinne der theologischen
harmonistik. aber in der bibel nicht enthalten. Auch die fol-
genden ausführungen bis zum schluss der fitte bieten christ-
lich-mythologische gedanken in sehr freiem anschluss an die
quelle. — Gegenüber unserem von dem gründe gefestigter
christlicher auffassung aus die naiv heidnische quelle selb-
ständig meisternden und umdeutenden dichter ist nun wider
die vergleichung des Angelsachsen lehrreich, der ags. Gen. A.
1002 ff. die Unterredung des herrn mit. Kain in reihenfolge
und Inhalt genau zur bibel stimmend erzählt. Er bleibt des-
halb auch der biblischen auffassung des Kain treu, welcher
den herrn reuig und trauernd {scomormod 1050) verlässt. ') In
einer längeren ausführung (1053 — 1103) wird dann ganz im
sinne des jahwisten die stolze nachkommenschaft Kains in
durchaus günstiger beleuchtung vorgeführt. Um so merk-
würdiger berührt freilich der contrast, wenn der Angelsachse
später (1250 ff.) im anschluss an Gen. 6, 1 der allgemeinen
theologischen auffassung folgend die 'kinder der menschen'
nun kurzerhand als Kains geschlecht fasst^), welches ihm jetzt
auf einmal ein 'verfluchtes volk' ist, das er nicht genug mis-
billigen kann. Der alts. dichter hat consequenterweise von
dieser letzteren auffassung aus die frühere beifällige erwähnung
der kinder Kains gestrichen und überhaupt Kain und sein
geschlecht von selbständigem Standpunkte aus geschildert.
Ich habe schon in der einleitung meiner ausgäbe s. 31 (bez. 231)
die angelsächsische dichtung herangezogen, um durch das
verfahren des Angelsachsen die unerhörte Selbständigkeit ins
rechte licht zu setzen, mit welcher der dichter der alts. Gen.
die geschichte Loths und des Untergangs von Sodom von
grund aus umgestaltet und seiner christlichen auffassung gemäss
dargestellt hat. Die vergleichung der darstellung von Kains
bestrafung bildet dazu ein treffendes seitenstück. In dieser
souveränen beherschung der quelle, die ihm nur als rohmaterial
dient, das er nach den eigenen ideen umschmilzt und umgiesst,
*) Hiermit würde Pauls zufrieden sein (oben s. 6), der das gleiche
auch von unserem dichter zu hören verlangte.
'') Vgl. Caines cynne im eingaug des Beowulf 107 ff.
ZUU ALTS. GENESIS. 21
stellt unser dicliter fast auf modernem Standpunkte. Yergieichen
lässt sicli ilnu unter den dichtem des deutsclien niittelalters
ganz besonders Wolfram von Esclienbacli, der im Willehalm
wie im Parzival dem übernoninienen Stoffe den Stempel seines
g'eistes aufgeprägt hat.
A\'ie aber der Helianddichter bei der aristokratisierung
der geburtsgeschichte Jesu als unverständlichen rest aus der
quelle die krippe hatte stehen lassen (oben s. 13), so ist es auch
dem Genesisdichter zugestossen, dass er bei seiner verinner-
lichung- und Christianisierung der alttestamentlichen geschichte
motive der quelle unterlassen hat zu beseitigen, die in ihrer
urgestalt wirksam waren, in der umdichtung aber zu blinden
motiven geworden sind. Dahin kann man schon das 'äussere
zeichen' rechnen, das der herr dem Kain als schütz anheftet,
als er dem reuigen seine strafe milderte.') Unser dichter
hätte es weglassen sollen, wie vieles andere aus der quelle.
So konnte es als unklar erscheinen, vgl. Behaghel s. 37 f. und
oben s. 3 f. Vor allem aber gehört hierher die stelle von dem
blute, die vielen als so unverständlich hat vorkommen wollen.
"Wir müssen davon ausgehen, dass für den jahwisten, wie über-
haupt für die älteren teile des A. T. ein jenseitiges leben der
Seele mit lohn und strafe nicht in betracht kommt. ■^) Beim
tode schied sich also nicht die seele zu selbständigem leben
vom körper, sondern als symbol des lebens und der seele galt
das blut, das — bei der allen geläufigen anschauung des ge-
waltsamen todes — durch seine trennung vom körper das
ende herbeiführte. '^ So ist es denn bei Abels tode das von
der erde aufgenommene blut (terram, que aperuit os suum et
suscepit sanguinem fratris tui de manu tua), welches als Ver-
treter der person Abels nun gott um räche anruft: *vox san-
guinis fratris tui clamat ad me de terra'. Diese symbolische
•) Hierüber, sowie über die ganze Stellung der Kaius^age iu dem
berichte des jahwisten vgl. die Untersuchung von B. Stade 'Das Kainszeichen',
Zs. f. alttest. wissensch. 14, 250 ff. (auch in Stades Akad. reden und abhand-
luHgen, Giesseu 1899, s. 229 ff.)-
'^) Vgl. B.Stade, Ueber die alttestamentlichen Vorstellungen vom zu-
stande nach dem tode. Leipzig 1877, und Friedr. Schwally, Das leben nach
dem tode nach den Vorstellungen des alten Israel . . . Giessen 1892.
') S. Schwally 8. 7 und s. 52 f.
22 BRAUNE
Verwendung des blutes als träger des lebens und seines ver-
giessens als bild des todes durchzieht den Sprachgebrauch des
ganzen alten testaments •) und ist auch in das neue testament
und den christlichen Sprachgebrauch übergegangen: man denke
nur an die symbolische anwendung des blutes Christi für
Christi tod. Dem Germanen war diese bildliche anwendung
von haus aus fremde) und der dualismus von körper und blut,
welchen unser christlicher dichter in seiner quelle vorfand,
musste ihm unverständlich sein. Wollte er folgerichtig han-
deln, so musste er statt dessen den christlichen dualismus von
leib und seele einführen, das blut aus dem spiele lassen und
statt dessen die seele Abels zu gott gehen und dort als an-
klägerin Kains auftreten lassen. Aber in ausehung der tat-
sache, dass die worte 'vox sanguinis etc.' von gott selbst ge-
sprochen werden, wagte er wol nicht ganze arbeit zu machen
und sie zu unterdrücken. Er musste also einen compromiss
schliessen. In christlich -correcter weise führte er allerdings
die trennung von leib und seele ein: ihm scola Imarobat, thie
*) "Weil (las blut als träger und symbol des lebens betrachtet wurde,
war den Juden auch verboten blut zu essen. Vgl. z. b. Gen. 9, i. Lev. 3, 17.
Deuter. 12, IC. Und auch den heidenchristen suchte man zunächst dieses
altjüdische gesetz noch aufzuzAvingen (z. b. Acta 15, 20). — Die fülle der
bildlichen anwendung des blutes zeigt ein blick in eine bibelconcordauz
unter 'blut', z. b. 'das unschuldige blut' Ps. 93 (9i), 91 u. oft, 'dein blut
sei über deinem haupte' 2. Sam. 1, 16 u. s.w. — Vgl. auch Herder, Vom geist
der ebräischen poesie (ed. Suphau) 11, 381 f.
^) In der eddischeu poesie sind die zahlreichen belege von bl6/j (vgl.
Gerings Wörterbuch) alle nur im eigentlichen sinne zu verstehen, und auch
die angelsächsische dichtung zeigt, wenn man die stellen in Greins glossar
s.v. blöd nachschlägt, die bildliche Verwendung nur da, wo specifisch
christliche Avendungen im spiele sind. Im Hei. steht Mod 4639. -1879. 5709
uud dror 4751. 5538 im eigentlichen sinne und nur 5483 fare is dror obar
US, is hlnod endi is hanethi endi obar usa harn so samo (= sanguis eiixs
super nos et filios nostros), 5152 ik Jtchbiu it so griolico mid mines drohtines
drore gicopot (von Judas 'peccavi tradens sanguinem iustuni') steht es über-
tragen für 'tod', nicht ohne dass der dichter noch anlasse der quelle durch
Umschreibung umgelit, z. b. 5478 das 'innocens ego sum a sanguine iusti
hominis'.. — Bei der starken einwirkung, welche in langer entwicklung die
biblisch-christliche redeweise auf die deutsche spräche ausgeübt hat, ist es
sehr wol denkbar, dass die jetzige häufige Verwendung der übertragenen
bedeutuug von blut, wie aus dem DWb. 2, 170 ff. zu ersehen ist, aus dieser |
quelle abzuleiten wäre.
ZUR ALTS. GENESIS. 23
gcst giamarmnod an godes uuillean, 'die seele nimmt ihren
weg, der geist trauervoll in gottes schoss''): der gegensatz
ist der blutige leiclinam {jiu he hluodig ligit, unndim nuorig).
Aber um nun die auffällige tatsaclie zu motivieren, dass ausser
der seele auch das blut als eine vom körper verschiedene
handelnde individualität auftritt {dror hrnopH is te droldina
sdbiuiX bereitet er das dadurch vor, dass er v. 48 ausdrücklich
erwähnt, wie sich das blut vom körper trennt, auf die erde
sinkt und nun abgesondert daliegt-), so dass es jetzt als sub-
ject auftreten und zum herrn rufen kann. Das ergebnis
dieses compromisses wird auch uns, mit einem absoluten
massstabe gemessen, nicht vollkommen befriedigen, aber wir
werden ihm nicht mit kleinlichen mittein zu leibe gehen,
sondern es historisch begreifen als hervorgerufen durch die
übereinanderschichtung von quelle und umdichtung.^) Sind
doch auch in vielen anderen dichtungen solche schichten
älterer und jüngerer auffassung übereinander gelagert, die es
dem letzten dichter nicht gelungen ist restlos zu verschmelzen.
Ich brauche hier nur an das Nibelungenlied oder an Goethes
Faust zu erinnern.
Die vorstehenden darlegungen werden hoffentlich ergeben
haben, dass es ratsamer ist, an die altsächsische Genesis mit
dem guten willen heranzutreten sie zu verstehen und sich zu
fragen, was wol der dichter vernünftigerweise gemeint haben
könne, als frisch darauf los ihn zu tadeln und vorauszusetzen,
dass er sich in seiner muttersprache nicht richtig habe aus-
') Selbst aiLS der verl)induiig des epithetons giamarmnod mit gest hat
Pauls s. 27 für unsern dichter einen strick zu drehen gesucht: 'in den fünf
helegstellen des Hei. wird giamarmnod, wie es natürlich ist, nur von per-
sonen ausgesagt'. Aber ist denn hier nicht die seele, nachdem sie den leich-
nam verlassen hat, die Vertreterin der Persönlichkeit Abels?
'■') Ich fasse also dror Zinkit an erda — suet snndar 'ligit nicht als
Variationen auf (Pauls s. 27), sondern als aufeinander folgende handlungen ;
nur die subjecte dror und sitet sind variierte ausdrücke für dieselbe sache.
Wie Pauls dazu kommt, siiet mit 'schweiss' zu übersetzen, Verstehe ich
nicht, wenn er es nicht etwa im sinne der nhd. Jägersprache nimmt.
') Vgl. über die uachwirkung des abweichenden Standpunktes der
quelle auf die umdichtung der Sodomgeschichtc Jellinek, Anz. fda. 21, 211) f.
24 BRAUNE
drücken können. Wir müssen von vornherein ihm zugestehen,
dass sein sprach- und wortgebrauch, falls nicht der verdacht
einer handschriftlichen corruptel vorliegt, an sich ebenso be-
rechtigt sei, als der etwa abweichende des Helianddichters.
Ich möchte nun zum Schlüsse versuchen, die beiden dichter-
persönlichkeiten auf grund unserer betrachtungen noch etwas
schärfer in ihrer gegenseitigen Stellung abzugrenzen und zu
charakterisieren.
^Venn wir, entgegen meiner früheren auffassung und ent-
gegen der angäbe der praefatio, deren glaub Würdigkeit mir
damit endgiltig beseitigt zu sein scheint, jetzt annehmen, dass
im altsächsischen volke zw^ei so bedeutende und eigenartige
dichter ungefähr zur selben zeit erstanden sind, so muss sich
der eine zum andern im Verhältnis des Schülers zum meister
befunden haben. Denn dass die zwei unabhängig von einander,
etwa beide nur durch die ags, geistliche dichtung angeregt,
so ähnliche wege gegangen seien, scheint mir ausgeschlossen
zu sein. Der nachfolger aber war, wie ich schon im eingange
Sievers folgend ausgeführt habe, der Genesisdichter, der sich
am Heiland geschult und aus ihm die äusseren kunstmittel
der alliterierenden technik handhaben gelernt hatte, ohne darin
seinen älteren meister ganz zu erreichen, der noch fester in
der tradition der altwestgermanischen epischen kunst stand.
Der Genesisdichter kannte den Heliand sozusagen in- und
auswendig. Damit erklären sich die vielen berülirungen des
sprach- und formelgebrauchs durch eine beeinflussung, welche
wir uns aber nur als einen ungesuchten und unwillkürlichen
anschluss des nachfolgers als sein Vorbild zu denken haben.
Abzuweisen ist die ansieht, dass der Genesisdichter sich
kümmerlich und mechanisch angeklammert und form oder
Inhalt eines gedankens sich nur durch die absieht der nach-
alimung einer bestimmten Heliandstelle habe dictieren lassen, i)
Eine Verschiedenheit der beiden dichterpersönlichkeiten
glaube ich aber jetzt in der hinsieht wahrzunehmen, dass der
') Für die Selbständigkeit des Genesisdicliters gegenüber dem Heliand
sprechen schon die beobachtuugen Edw. Schröders (Zs. fda. ü, 223 ff.), der
daselbst s. 231 auch den misbrauch des Sievers'schen 'cento' rügt. Von
einem cento kann meiner Überzeugung nach bei der alts. Gen. überhaupt
nicht die rede sein.
ZUR ALTS. GENESIS. 25
Genesisdichter in weit höherem grade von christlichem, theo-
logisch vertieften denken nnd fühlen beherscht ist als sein
Vorbild. Es würde das ebenfalls zu der zeitlichen aufeinander-
folge sehr wol passen. Der ältere dichter schaut noch mit
einem äuge zurück nach dem germanischen altertum: nicht
nur in der besseren beherschung der alten kunstform, sondern
auch in der germanischen auffassung und darstellung des
Stoffes ist er mehr national gerichtet. Des Helianddichters
germanisierung der neutestamentlichen geschichte ist ja gewis
von Vilmar etwas übertrieben worden. In seinen lehrreichen
und anregenden ausführungen über diese frage hat Jellinek
(Anz. fda. 21, 215 ff.) mit recht darauf hingewiesen, dass vieles
der art einfach durch die anwendung des germanischen alli-
terationsstils mit seinem formelschatze und seiner idealisieren-
den darstellung ge Wissermassen unwillkürlich in die dicht ung
hineingekommen ist. Aber man darf auch darin nicht zu weit
gehen. Denn so manches, was wir als germanisierung be-
zeichnen müssen, lässt sich nicht ohne bewussten willensakt
des dichters denken. So z. b. muss er sich dessen bewusst
geAvesen sein, dass er die Verhältnisse der eitern Jesu im
Widerspruche mit der quelle geschildert hat, wenn er Joseph
als königssprossen mit gefolge in seinen fürstlichen erb-
sitz in Bethlehem einziehen lässt, denn er unterdrückt das
Widerstrebende diversorium der quelle. Und dass er Jesus
selbst als könig schildert, ist auch nicht bloss rein passive
herübernahme der formein, 'die das germanische epos für den
begriff könig ausgebildet hatte', wie Jellinek will. Wenn J.
sagt (s. 216): 'Jesuni wirklich für den könig der Juden zu
halten, fällt dem dichter nicht ein, er besitzt zu gute histo-
rische kenntnisse', so ist das sicher richtig, steht aber auch
gar nicht in frage! Für seine person weiss er das sehr wol:
aber er Avill bei seinem publikum die Wirkung erzielen, dass
ihm Jesus im lichte eines germanischen königs erscheine, damit
dadurch dessen gestalt desto erhabener und verehrungswürdiger
werde. Es ist also bewusste künstlerische absieht im spiele.
Und wenn er z. b. bei dem einzug des königs in Jerusalem
(3670 ff.) die tatsache unterdrückte, dass dieser auf einem esel
einritt, so fehlte ihm nicht die historische kenntnis; er konnte
den zug auch nicht für unwesentlich halten, denn die commen-
26 BRAUNE
tare unterstreichen den esel dick: in seinem Hraban zu Math. 21
hatte er gelesen: 'est enim animal hoc immundum et prae
ceteris paene iumentis magis irrationabile et stultum et in-
firmum et ignobile et oniferum magis'. Und Otfrid 4, 5, 5 ff.
deutet denn auch nach Hraban den esel ganz behaglich spiri-
taliter aus: 'thas selha fihu hinin uiiir'' etc. Aber für den
Jesus, wie der Helianddichter ihn seinen landsleuten darstellen
wollte, konnte er den esel absolut nicht brauchen. Ich glaube
also immer noch, dass hierin die dichterische tätigkeit des
Heliandverfassers von Kögel, Lit. 1, 287 ff. richtiger aufgefasst
ist, als von Jellinek.')
Demgegenüber steht der Genesisdichter auf einem anderen
Standpunkte. Er germanisiert nicht. Denn das wenige, was
Jellinek a.a.O. s. 221 dafür anzuführen weiss, erklärt sich
allerdings in seinem sinne, aus der spräche des germanischen
epos heraus. Dass Loth Gen. 260 aitalhnrdig man genannt
wird, ist nur der adäquate germanische ausdruck für die tat-
sache, dass Abraham und Loth in der bibel als grosse häupt-
linge, die über viele mannschaften gebieten, dargestellt werden,
während im Heliand solche bezeichnungen den obscursten
persönlichkeiten, entgegen der riuelle, beigelegt werden, 'wo
sogar der ungenannte säemann der parabel cn aäales man
heisst' (vgl. Jellinek s. 217). Ebenso tritt mit recht Satan
Gen. B. 409 ff. als gefolgsherr seiner untergebenen auf und wird
Adam 835 ff. der pc^n gottes, seines Jjeoden genannt. Aber
auch der Genesisdichter weicht bewusst von seiner biblischen
quelle ab. Tut dies der Helianddichter, um den widerstreben-
den Stoff zu germanisieren, so will der Genesisdichter umgekehrt
das der christlichen anschauung widersprechende christiani-
sieren. Wir haben oben gesehen, wie er den rein diesseitigen
Standpunkt des jahwisten in der darstellung des Sündenfalls
und der geschichte Kains durch den Jenseitsstandpunkt des
Christentums ersetzt hat. Und auch für die gestaltung der
1) Vgl. meiue ausgäbe der alts. Bibeldichtuiig s. 30 (230). — Die iiilialt-
reiche abhaudliiug von Brückner, Der Helianddichter ein laie (Strassbnrg
190-1:), deren hanpttliese ich mir freilich iu keiner weise aneignen kann, ist
doch darin verdienstvoll, dass sie die Selbständigkeit des dichters seinen
quellen gegenüber wider mehr hervorhebt.
ZUR ALTS. GENESIS. 27
geschichte Abrahams und Lotlis ') sind ihm die anforderungen
der christlichen ethik massgebend gewesen, um die biblischen
gestalten von ihren weltlichen schlacken zu befreien und sie
zu erbaulichen mustern christlicher lebensführung umzubilden.
Von den beiden dichtem ist der des Heliand der objectivere.
Er ist seiner hauptabsicht nach erzähler und hält sich ziem-
lich eng an die biblische «luelle, wenn er sie auch breit aus-
führt, veranlasst durcli die tendenz auszumalen und veranlasst
durch den epischen alliterationsstil, dem sich der fremde stoff
anbequemen muss. Aber er will doch seinen hörern diesen
fremden stoff anschaulich machen. Dieser absieht dient sowol
die germanisierende gesammtdarstellung, als auch so mancher
einzelzug. durch den er die erzählung belebt. Wir haben also
nicht nötig, mit Jellinek (Zs. fda. 36, 170) nach einer ([uelle zu
suchen, wenn für das biblische 'ego enim sum senex, et uxor
mea processit in diebus suis' im Hei. 144 ff. Zacharias concrete
zahlangaben macht, die man in keinem commentar zu finden
erwarten darf, da nur eine dichterische behandlung sich der-
artige Zusätze positiven Inhalts zur bibel gestatten wird. 2)
Hier aber, wo die ganze rede des Zacharias (141 — 158) ein
schönes beispiel solch lebensvoller, ausmalender erweiterung
der knappen bibel worte ist. sind sie durchaus am platze.
Seinen commontaren entnimmt der dichter nicht gar viel,
hauptsächlich hinweise für die auffassung der biblischen ge-
schichten, selten dass er einen Zuwachs von handlung aus den
commentareu'^j gewinnt.
1) Vgl. hierzu meine ausf ülirungeu alts. Bibeklichtuug s. 30 f. (= 230 f.).
'^) Etwas gaiiz anderes ist es, wenn die connnentare bei den inagiern
die zalil drei bieten, welche daher auch von unserem dichter (548) über-
nommen ist. Hier handelt es sich nicht um eine beliebig ersonnene zahl,
sondern um eine auf dem wege theologischer speculation aus den dreifaclien
gaben der quelle erschlossene. Diese zahl ist Wissenschaft, jene ist dichtung.
^) Das bemerkenswerteste beispiel ist wol die expedition des Satan
zu des Pilatus weib 5435 ff., die doch nur eine kurze epis,ode von noch
nicht zwanzig versen bildet. Hier sind betrachtungen des Hrabau in
körperlich greifbare handlung umgesetzt. — Auch die ausgestaltung der
raagiergeschichte ist hierher zu rechnen, die ich aber nicht mit Jellinek
(Zs. fda. 30, 171) nach 0. Schade auf eine orientalische anknüpfung an Zara-
tiishtra zurückführen kann, da diese version, die zudem auch nicht alles
erklärt, im abeiidlande erst .seit deml3. jh. auftaucht. Für unseren dichter
genügt m. e. vollständig die von seinen commentaren gebotene anknüpfung
28 BRAUNE
Demgegenüber ist der Genesisdicliter der subjectivere:
wirkt jener mehr durch episch anschauliche bilder, so ist er
lyrisch gerichtet. Die liebevoll ausgebauten reden in dem
ags. fragmente sind dafür zeugnis; insbesondere ist die grosse
rede des Satan Gen. B. 356 — 441 durch höchsten lyrischen
Schwung ausgezeichnet. Dagegen lässt, was mehrfach schon
gerügt ist'), die anschaulichkeit seiner erzählungen zu wün-
schen: er will mehr gedanken anregen, als scharf gezeichnete
handlungen vorführen. Er entfernt sich weiter von der bib-
lischen erzählung, und setzt ausgiebig stoff aus der christlichen
mythologie zu. So fügt er alts. Gen. 132 — 150 den Enoch- und
Antikristmythus ein und das ganze fragment über den sünden-
fall mit mehr als 600 versen ist nur eine freie phantasie über
9 verse der Genesis (cap. 2, 16. 17 und 3, 1 — 7). Dabei ist die
engel- und teufellehre in ihrer vijllig ausgebauten christlich-
mittelalterlichen form zu gründe gelegt. Während der Heliand-
dichter der teufelsauffassung der evangelien darin treu bleibt,
dass bei ihm Satanas höchstselbst die Versuchung Christi unter-
nimmt (1030 ff.), die fahrt zu des Pilatus weib vollführt (5427 ff.)
und überall als einzelperson erscheint (2273. 2586. 4624. 4659),
so hat der Genesisdichter die dogmatische auffassung vom
höllenstaat, nach welcher Satanas in der hölle angekettet liegt
und nur durch aussendung seiner mannen in der weit wirksam
wird. Er tritt hierbei in directem gegensatz zum Heliaud-
dichter, nach dessen ansieht Satan selbst das erste menschen-
paar verführt hat (1035 ff.), während der Genesisdichter aus-
führlich schildert, wie auf des gefesselten Satan geheiss sich
einer seiner dieuer auf den weg macht und die Verführung
vollzieht, ebenso ausgerüstet mit dem ludedhehn (444), wie
Satan selbst im Hei. 5452 bei des Pilatus weib an hdktJidme
an die alttestameutliclie Bileamssage, die ja von altersher in engstem Zu-
sammenhang mit der magierlegende steht, und sogar in ursächlichem: denn
die bei Matthaeus überlieferte magiergeschichte ist doch nur ersonnen
worden, damit erfüllet würde, was Bileam Num. 2-i, 17 vom stern geweissagt
hatte. Die kindheitsevaugelien, wie Über de iufantia, haben dann nur dieses
System, zu allen möglichen auf Christus bezogenen alttestamentlichen an-
spielungen erfüUungsgeschichten zu erfinden, weiter ausgebaut. Vgl. hierzu
auch Brückner s. 30 f., der nur die von Schade gegebene anknüpfung nicht
scharf genug zurückweist.
1) Vgl. z.b. Jellinek, Anz. fda. 2i,219f.) Pauls, Beitr. 30, 155 f.
ZUR ALTS, GENESIS, 29
hihelid ersclieint. Ist also der Prelianddicliter insoweit tlieo-
logiscli informiert, dass er die verfülirung der ersten menschen
nicht durcli die schkmge '), sondern dnrch Satan gescliehen lässt,
so zeigt sich der Genesisdicliter doch auch hierin weit tiefer
in die Gedankengänge der gelelirten theologie eingedrungen:
seine darstelhmg des sündenfalls ist nicht melir biblisclie,
sondern cliristlicli-do<i-matische dichtung.
Xaclitrag zn s. G (Gen. 332). Bei der correctur Ivommt mir der ge-
dauke, ich luiimte violleiclit Boliag-hel iusuferii misverstaiiden lial)en, als er
Gen. 332 nicht an bnid als 'gattin' anstoss genomuion, sondern das thun
lang in der weise gedentet liätte, dass sie danacli vom augenblicke ihrer
geburt an Loths frau gewesen sein niüsste. Ich kann es zwar eigentlich
nicht für möglich halten, dass Behaghel sich einer solchen rationalistischen
pressnug poetischen ansdrucks schuldig gemacht haben sollte, die mit dem
von mir Beitr. 21,1 erwähnten es ruht die halbe icelt auf gleicher höhe
stehen würde. Aber wenn ich jetzt sehe, dass er in seinem Heliandglossar
briul einfach mit 'frau' übersetzt, so kann ich doch die möglichkeit nicht
von der band weisen. Jedenfalls hat Roediger a a.o. s. 192 Behaghel ebenso
verstanden wie ich, wenn er meint, dass B. daran anstoss nehme, dass Loths
weib, die mutter erwachsener kinder, hnal 'junge frau' genannt werde.
Sollte Behaghel in der tat die andere meinung gehegt haben, so würden
meine obigen ausführnngen nur gegen Roediger gerichtet sein. Uebrigens
muss die ausdrucksweise des Genesisdichters selbst vor dem nüchternsten
verstände bestehen, wenn man an thcni landa auf Sodomaland bezieht:
denn vor ihrer Verheiratung mit Loth wird die frau ja in einem anderen
lande gelebt haben.
^) Vgl. hierzu oben s. 18, anm.
W, BRAUNE.
NHD. BRAUT IN DEN GEmiANISCHEN
SPRACHEN.
Oben s. G ff. hat sicli ergeben, dass in der alts. und ags.
diclitung- hrnd, hryd 'gattin, elieweib' bedeutet. Ohne jede
beschränkung' auf das lebensalter bezeichnet das wort die frau,
insofern sie mit dem manne in der ehe, in geschlechtlichem
umgange verbunden ist. Für uns handelt es sich nun um die
frage, wie sich dazu der gebrauch in den übrigen germanischen
sprachen stellt und was wol die grundbedeutung und etymologie
des Wortes sein mag. Zur beantwortung dei'selben liegt für
die einzelnen dialekte reiches material in den Wörterbüchern
bereit; hinsichtlich der etymologie verweise ich auf die arbeit
von Wiedemann, Bezzenb. Beitr. 27 (1902), 205 ff., wo die frühere
etymologische literatur verzeichnet und erörtert ist.
Als die verbreite tste bedeutung von nhd. hraut in den
germanischen sprachen ist zunächst festzustellen: 'neuvermählte,
junge frau', und zwar vom tage der hochzeit an, diesen in-
begriffen. Ausschliesslich diese bedeutung hat noch jetzt das
neuengl. hride, vgl. z. b. Grieb-Schröer, Wb. 1,138: ^hride die
braut (und zwar nicht wie im deutschen = die verlobte, son-
dern nur die braut am hochzeitstage, unmittelbar vor, während
oder nach der hochzeit, ferner abweichend vom deutschen auch
noch:) die junge kürzlich verheiratete frau'*). Zu dieser be-
1) Vgl. Murray, Dict. 1, 1095, wo auch die geschiclite erzählt wird, dass
Gladstoiie im parlameut entsetzen erregt habe, als er auf eine verlobte
Prinzessin das wort hriäc, also in deutscher weise, anwandte. Er musste
das dann in hride elect verbessern. Im deutsch-engl. encycl. Wörterbuch von
Muret-Sauders s. 387 steht als bedeutung von nhd. hraut: 1) verlobte: he-
irotheä (or affianced, intended, future) hride, intended wife, girl emjaged;
seine braut: his intended; 2) am hochzeitstage und noch kurz darauf hride
(entsprechend brüutigam Muret-Sanders s. 388). Wo also englisch hride für
BBAUT IN DEN GERM, SPRACHEN. 31
(leutiing- geliöi't iiocli ne. (aber veraltet) bridaJnj "llitterAVüclien'
und lo hride 'hoirateir. Dass diese ne. bedcntung' audi mit
dem altdeutschen g-ebrauclie sich teilweise deckt, ist bekannt
und eben dadurch ist ja Ikdiag'liel ())ez. Koediger) zu seinem üben
besprochenen mis\'erständnis des alts. hrüd gekommen.
Nachdrücklichst auszuschalten ist aber vor allem die be-
deutung der nlid. Schriftsprache, wonach braut die verlobte ist,
d.h. das versprochene niädchen, von der formellen Verlobung
an bis zum hochzeitstage, aber auch noch diesen selbst ein-
geschlossen bis zu dem rechtlich bindenden act vor Standesamt
und kirche. Von da ab wird aus der braut die 'junge frau'
nach unserem heutigen Sprachgebrauch, der damit also dem
älteren diametral entgegengesetzt ist. Berührungspunkt beider
ist der tag der hochzeit. Diese besonderlieit der nhd. bedeu-
tung des Wortes hraut ist deshalb so scharf hervorzuheben,
weil in den darstellungen und Wörterbüchern meist die Ver-
wirrung herscht, dass dem altgerm. worte daneben aucli die
bedeutung 'verlobte' zugeschrieben wird.') So z. b. He^-ne,
DWb. 1,483: 6ra»/ 'verlobte ... , ohäi. prat, mXiH.hriä auch
junge frau, neuvermählte'; Lexer, Mhd. wb. 1, 373 hrnt: 'die
verlobte oder kürzlich vermählte braut, junge frau'; und Gun-
dermann. Zs. f. deutsche wortf. 1, 245, wo er die verschiedenen
bedeutungen sundert, stellt als erste voran: 'verlobte, nhd.
in der Schriftsprache ausschliesslich, mhd. hrnt, ahd. hrät^ ags.
hryd, an. hriidr; im got. hrtij)faj)s brautlierr, bi'äutigani'. Hier
und anderwärts wird also dem ags. hryd, altn. hrüJr etc.
neben der anderen auch die bedeutung 'verlobte' beigelegt.
Das ist aber ganz falsch. Die braut als verlobte ist im altn.
nur fcstarkonu, festarniier, der nhd. bräutigam ist altn. festar-
maör und so bis in die neunord. sprachen, z. b. scliwed. fäsimö,
uusern speciell nhd. begriff (= verlobte) gebraucht werden soll, muss es
durch ein attribut als diejenige bestimmt werden, Avelche in ziikuuft einmal
Iride werden soll.
>) Diesen fehler vermeidet aber Paul, Dtscli. wb. s.v. Imml: 'grund-
bedeutung „neuvermählte", sie wurde so bezeichnet am hochzeitstage Avie
noch jetzt, auch bevor die Vermählung schon vollzogen war; von daher ist
es dann in die bedeutung „verlobte" übergegangen. Die beziehuug auf die
vollzogene Vermählung ist noch deutlich in zuss. wie brautJcammcr, hntitt-
beit, brautnacht.^
32 BRAUNE
dän. fcestenw, Icjceresie, forlovede: erst mit dem lioclizeitstage
tritt dän. und scliwed. hrud in seine rechte. Das ags. scheint
für verlobte ein eigenes substantivum nicht gehabt zu liaben,
für verloben wird weddian, heiveddian gebraucht, Verlobung ist
iveddung, heiveddting] die ne. entsprechung ist to hefroth und
hcfrofhal (vgl. Murray 1, 832), die braut muss ne. entweder
durch das französische fremdwort fiancce, oder die oben s. 30,
anm. besprochenen Umschreibungen ausgedrückt werden.
Auf deutschem gebiete war in alter zeit mahlkm das
verbum des Versprechens, verlobens. So heisst es alts. Hei.
253 ff.: Sea en thegan Jiahda Joseph gimaJüH ... thea Dauides
doliier: that imas so dkirlic imif, idis antheti Also alts. ant-
licti ivif ist die braut im nhd. sinne. Und Hei. 297 heisst es,
dass Joseph tltca magad liabda, thea idis anthctea giholit im te
hrndiu; also er hatte vor, seine braut zum weibe zu machen. i)
Und im ahd. und mhd. ist ebenfalls mahnlcn, mehelen das wort
des verlobens. 2) Belege bei Graff 2, G51 f. So z. b. Wiener
Genesis (Fdgr. 2, 14, 14) daniite (mit dem ringe) der man spidgct
sin tvib maliilcn; 0. 1,8,1 ther nuin Hier tlias tvih inahalta
(Joseph). Maria hätte nach ahd. und mhd. Sprachgebrauch
niemals als Josephes hrüt bezeichnet werden können^), wol
') Nur an diesen beiden stellen ist cuiiJuti in den bss. überliefert. An
zwei weiteren stellen, wo Heyne anthcti in beziig auf verbeiratete frauen
in seinen text setzt: Hei. 506 und 2707, ist dieses gar nicbt belegt, sondern
beide male cm cJiti C 'im besitz', während M, dem diese wenduug unbekannt
gewesen zu sein scheint, aniliehU, bez. onfe/if/ schreibt; Bebagbel liest beide
male richtig nach 0 an ehti.
^) Im mhd. wird auch vestoien, hevesie^ien im sinne von 'verloben'
gebraucht, s. Mhd. wb. 3, 277; die belege gehören der früheren zeit an : spät-
mlid. kommt, während gleichzeitig vermählen seine bedeutuug verschob,
verloben auf, über dessen entwicklung s. DWb. 12, 816ff. Wie es scheint,
ist der ausdruck mehr md., bei Luther schon ganz häufig; doch hat dieser
im gleichen sinne auch vertrauen, vgl. Luc. 2, 5 mit Maria seinem vertrauten
loeibe (= ovv MaQiafx r^ i/uvtjarevfiEvy avxw). Oberdeutsch scheint mahlen,
vermählen länger bestand gehabt zu haben, vgl. statt Luthers vertrauen
bei Eck vermählen und Züricher Bibel vermächlen (Kluge, Luther - Lessiug
s. 82). S. auch DWb. 6, 1455 s. v. mahlen. Daselbst z. b. aus der Bibel 1483
der do hat yemehelt ein weih (qui despondit uxorem 5. Mos. 20, 7 = Luther:
toelcher ein tveih im vertrauet hat).
^) Dagegen 0. 2, 8 in der erzählung der hochzeit von Kana erscheint
natürlich hrüt und hrdtiyono.
BBÄUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 33
aber als Josqjhcs gimaliulthi, vg-1. T. 5, 12 mit Mariun hno
yimahaltcro gimalümn. Das eigentliche alid. substantivum
für iilid. 'bräutiaani' und 'braut' ist alid. gimaJialo und
gimaluda. So ist in einer Keichenauer glosse zu Matth. 1, 16
Joseph virum Mariae das wort virum Gl. 1, 708, 27 mit gima-
helon glossiert, weil er nach der correcten theologischen auf-
fassung nur ihr Verlobter war. Ebenso ist in demselben glossar
(dem hier noch andere hss. zur seite stehen) die stelle Matth.
1, 20 Mariam conjugon tuam das conjugcni durch dogmatisch
correcteres gemahulun widergegeben. Gl. 1,709,0.') So ist
denn auch noch mhd. der gemaliele und diu gemahele der rich-
tige ausdruck für nlid. bräutigam und braut, wie die Wörter-
bücher ausweisen. Besonders lehrreich ist die anwendung im
armen Heinrich, wo Heinrich das mädchen in liebkosendem
scherz sin gemaliele nennt (a. H. S-tl u.ö.). Zarncke im Mhd. wb.
2,20 übersetzt das sehr richtig mit 'mein bräutchen' und trüt-
gemaliel mit 'liebe braut'. Aber schon im mhd. wird daneben
gemahel und gemahele auch für verheiratete gebraucht, welche
bedeutung ja bekanntlich im nhd. seit dem 15. IG. jh. die ur-
sprüngliche völlig- verdrängt hat.-) Der bedeutungsübergang war
') Solche stellen dürfen also nicht gebraucht werden, um für ahd.
gemaluda die bedeutuug conjux zu erweisen. Ueberhaupt muss ein für alle
mal gewarnt werden, ahd. glosseu zu bestimmten Schriftstellern bedeutungs-
geschichtlich zu verwerten, ohne die stelle im zusammenhange des textes
zu prüfen. — Zur vergleichung möge darauf hingewiesen werden, dass T.
in obigen stellen wörtlich übersetzt, also Mt. 1, 16 virum Mariae mit gomman
Mariun (ebenso v. 19) und 20 conjugem mit Mariun tliina gimalünni wider-
gibt, während der glossator nachgedacht hat.
2) Vielleicht sind schon einige spätahd. stellen für diesen bedeutungs-
wandel in ansprach zu nehmen. Bei N. Marc. Cap. (ed. Piper 1, 69-1, 18) ist
einmal conjuga mit stnero gemälun umschrieben. Und Williram im Hohen
liede übersetzt das sponsa seiner quelle regelmässig mit gemahda (z. b.
Cantic. 4, 8—12), während Luther dem alten und dem allgemein kirchlichen
sprachgebrauche gemässer braut dafür anwendet. — Interessant ist auch
der beleg aus den "Wiudbeiger psalmeu, wo ps. 18, 6 et ipse tanquam sponsu's
procedens de thaJatno suo übersetzt wird mit unde er selbe also der ge-
mahele furegeente von bette sinem, während N. richtiger hat tinde er selbo
gieng nz also brixdegomo tizer sinero briutechamero. Aber diese vereinzelten
fälle lassen auch andere deutungen zu, vgl. unten s. 35. Reiches material
zur bedeutuugsgeschichte von gemahl und der neubilduug geviuhlin s. in
den artikeln ß. Hildebrands, DWb. 4, 1, 2, 815U ff.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXIl. 3
34 BRAUNE
vielleicht auch sachlich dadurch bedingt, dass auf das feierliche
zusammensprechen in vielen fällen der Vollzug der ehe un-
mittelbar folgte, also ein brautstand in unserem sinne entfiel.
Dass man entgegen diesen feststellungen so allgemein in
den Wörterbüchern dem altdeutschen und ags. worte Irüt auch
die bedeutung von nhd. hraut = 'verlobte' zuschreibt, dazu
ist der anlass der, dass sowol in ags. als in ahd. glossen ags.
hrijd, ahd. hrüt bez. trydsuma, hrütkjomo als die regelmässigen
entsprechungen von lat. sponsa, sponsus auftreten. ') Und
ebenso wird in der biblischen Übersetzungsliteratur ags. wie
ahd. das sponsa, sponsus der vulgata widergegeben. Ja auch
0. 2, 13, 9 gibt Joh. 3, 29 qui habet sponsam sponsus est durch
Ther hrut habet, in uuar min, ther scal ther bnitigomo sin.
Hier rächt sich nun der umstand, dass wir zu sehr im
Sprachgefühl des classischen lateins befangen sind und die spät-
lateinische entwicklung zu wenig beachten. Gewis heisst im
classischen latein sponsa, sponsus der bedeutung des verbums
spondco entsprechend das, was wir nhd. durch braut und hräu-
tigam widergeben. 2) Aber im nachclassischen, christlichen
latein hat sich dieselbe bedeutungsverschiebung vollzogen, die
wir soeben bei ahd. gimahalo, gimahala beobachtet haben,
welche ursprünglich dem classisch-lat. sponsa, sponsus ent-
sprachen, heute aber zur ausschliesslichen bedeutung von
maritus und uxor gelangt sind. Genau so weit ist das latein
nur im französischen gegangen, wo cpoux und epouse völlig
dem nhd. gcmahl und gemahlin gleichstehen. Aber im mittel-
latein ist sponsus und sponsa doch schon auf dem Standpunkte
angelangt, den heute noch das italienische zeigt, wo zwar plur.
sp)Osi schlechthin 'ehegatten' bedeutet, aber doch die singulare
sposa und sposo auch noch die bedeutung des altdeutschen brüt
^) Für das ags. vgl. in Wrigbt-Wülker, Aiiglosaxon and old english
vocabularies (1888) 1, 171, 7. 9; 277, 19. 20; 310, 12. 13. Doch steht daneben
auch hnjä für lat. nimpha 171, 17, nnpte 456,25, hri/d^uma füv procits ■42,5-
4G6, 32. 528, 4. — Für das ahd. vgl. Graff 3, 293 unter hntt mit den Über-
setzungen niipta, sponsa und hndigomo 4, 200 f. mit sponsus, auch dem in
lat. dichtem dafür gebrauchten proeus.
'^) Forcellini, Lex. erklärt: sponsa est mulier alicui promissa in ma-
trimonium, pacta, sperata et nondum uxor; — sponsus est is qui despousus
est, nondum maritus, Cic. Horat.
BRAUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 35
und hrütigomo festhalten, d. li. die neuvermählten. jung*en ehe-
leute, mit einschluss des hochzeitsfestes, bezeichnen. Dagegen
den begriff des classisch-lat. sponsn und des nhd. braut drückt
das italienische durch promessa sposa oder fnJansata aus, ent-
sprechend das mvi'&Q.promesso sposo oder fidanzato undderplural
promcssi sposi =^ nhd. 'brautleute, verlobte'.
Die bedeutungswandlung von sjwnsus, sjwnsa scheint schon
in den ersten Jahrhunderten nach Christus vollzogen zu sein.
Forcellini sagt, nachdem er die classische bedeutung angegeben
hat (s. vor. anm.): 'sponsa dicitur etiam de uxore, sicut sponsus
de marito'. Er verweist dabei auf die vulgata (Matth. 25, 1)
und auf inschriften (z. b. Julia Fortunata vixit annis XXVIII
cum sponso suo), woselbst also schon die volle bedeutung 'ma-
ritus' erreicht ist. Doch ist als die eigentliche geltung von
sjwnsa, Sjwnsiis in der vulgata die des ahd. mhd. hrüt, hrüti-
gomo zu bezeichnen, d.h. die neuvermählten mit einschluss
der hochzeitsfeier. Wenn also z. b. in den Monseeer fragm. XX
(Hench) Matth. 25, 1 exienint ohviam sponso et sponsae über-
setzt wird mit fuorun uz ingegin hrtitigomin enti hruti, so ent-
spricht diese Übersetzung genau dem sinne des lateinischen:
wir haben deshalb keine berechtigung, ahd. hrüt dem nhd.
hratd gleichzustellen. Und wenn Williram, wie oben (s. 33, anm. 2)
erwähnt, das sponsa in Cantic. mit gemdhela widergibt, so kann
ihm, dem classisch gebildeten, schon dasselbe passiert sein, wie
unseren heutigen lexicographen: er hat sich vielleicht durch
die ihm aus dem cl assischen latein bekannte grundbedeutung
von sponsa verleiten lassen'), nicht das der bedeutung der
vulgata eigentlich entsprechende hrat zu setzen. Denn die
auf dem Hohen lied und der geschichte von den klugen und
törichten Jungfrauen (Matth. 25) beruhende kirchliche an-
schauungsw^eise vom himmlischen bräutigam und der kirche
als seiner braut, resp. der einzelnen seele, der nonne, als braut
Christi ist doch viel sinnlicher gemeint, als die anwenduug des
nhd. braut und bräutigam es uns heute fühlen lässt: es sind
vielmehr die geistlichen jungen ehegatten, der sponsus und
') Auch das iu der vulgata übliche despondere uud dcsponsare für
'verlubeu' koimte bei sitonsus, sjwnsa vou ueueiu die alte bedeutung wider
wachrufen.
3*
3G BRAUNE
die sponsa der vulgata, so wie auch noch in der französischen
kirchlichen terminologie hier epoux und epouse für Christus
und die kirche, oder die nonne, angewendet wird (vgl. Littre,
Dict. 1, 2, 1470). ') Dem entspricht in der mhd. geistlichen
terminologie hrüt und hriutgome. Das gegenstück ist die be-
kannte mhd. schelte des tiuvels brät, w^odurch eine w^eibsperson
als teufelsbuhle gekennzeichnet wird, so wie auch in Nib. 417, 4.
426, 4 (L.) des tiuvels wip und des ühelen tiuvels hrüt als gleich-
bedeutend von Brünhild gesagt werden.
Müssen wir sonach den begriff 'verlobte, versprochene'
von dem worte hrut in allen älteren germanischen sprachen
vollständig fernhalten, als dessen wesentliches moment viel-
mehr der Vollzug der ehe zu gelten hat, so ergibt sich daraus
von selbst, dass die etymologische Verknüpfung mit scr. hrdvi-ti
'er spricht' abzuvr eisen ist. Nach dieser von Torp, Uhlenbeck
und Hirt gleichzeitig aufgestellten etymologie sollte hrruti-
verbalabstractum 'das sprechen' sein, woraus sich die bedeutung
'Verabredung, Versprechung, Verlobung' entwickelt hätte, und
daraus wäre dann die germ. concrete anwendung erflossen.
Trotz der ein Wendungen von Wiedemann a. a. o. s. 20G, der
hervorhebt, dass scr. hrdvlti und composita nur 'sprechen',
nirgends aber 'versprechen, verloben' bedeuten, hält Uhlen-
beck, Beitr. 30, 271 seine etymologie aufrecht. Sie ist aber
nach der bedeutung unmöglich, wie jede andere etwa aufzu-
stellende etymologie, die von dem specifisch nhd. begriffe 'ver-
lobte' ausgienge.
Nachdem also die besondere nhd. bedeutung ausgeschlossen
ist, suchen wir nun den altgermanischen Inhalt des Wortes
schärfer zu fassen. Wir fangen mit dem gotischen au, dessen
als Simplex nur einmal (Matth. 10, 35) belegtes hrüj)s fälschlich
allgemein als 'Schwiegertochter' aufgefasst wird. Nein, got.
1) Damit identisch siud die englischen religiösen termiui the hearenhj
hr/degroom für Christus und bride (or sjyouse) of Jesus Christ für kirche
oder nonne (Muret- Sauders a.a.O.), Avelche sonach für das ne. Sprachgefühl
etwas ganz anderes besagen, als unsere entsprechenden nhd. ausdrücke
heute für uns. Doch tritt die alte bedeutung noch klar hervor, wenn es
hei Schiller im Ritter Toggenhurg heisst: 'Die ihr suchet trägt den schleier,
ist des himmels braut, gestern war des tages feier, der sie gott getraut'.
Die eiusegnuug der nonne gilt als geistliche Vermählung.
BEÄUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 37
hrujjs bedeutet genau dasselbe wie alid. hrüt. Ganz abgesehen
davon, dass das compos. brü])faj)s Mt. 9, 15; Mc. 2, 19; Luc. 5,
34. 35 das griechische rvfi<pioj; 'junger ehemann' widergibt,
also dem alid. hrCitigomo entspricht, so ist auch jenes got.
hrüps die Übersetzung des griech. rt\u(fij. Und dieses ist die
genaue entsprecliung des ahd. nihd. brut, es bedeutet 'die neu-
vermählte, junge frau' die zeit des hochzeitsfestes mit ein-
geschlossen. Ulfilas hat also hier das griechische ri\uffT] mit
dem diesem worte in seiner regulären bedeutung entsprechenden
gotischen hn'tps übersetzt. Nun hat allerdings griech. vvcfiuj
Mt. 10, 35 (und an der parallelstelle Luc. 12, 53) nach dem zu-
sammenhange die occasionelle bedeutung 'Schwiegertochter''),
eine bedeutung, welche von dem griechischen rvjtffr] in den
wörterbücliern nur aus diesen neutestamentlichen stellen belegt
wü-d.2) Das altgriechische hatte für Schwiegertochter in rvöa,
die regelrechte entsprecliung des aind. snusd. Wenn in der
griech. bibel vv/jcpj statt dessen angewandt wird, so ist diese
Übertragung ja sachlich naheliegend, da die junge frau in das
haus des mannes eintritt, in dessen mutter die vvfiffrj ihre
Schwiegermutter findet.-') So wäre es an sich nicht aus-
*) M. 10, 35 ijld^ov yuQ öiy/caai c(v'}(Jco7iov xaxa zov TtazQog avrov xal
Q^oyaxhQct xata zi/g ^rjZQoq avzfjg xal vv/uprjv xaza zrjg nevd-SQäg avtijq.
^) Vgl. z. b. Stephani thesaiirus gr. liiiguae 5, 1601 ff.; Pape, Grie'ch.-d.
handwörterb. 2, 263.
') Im neugriechischen ist diese Übertragung sogar fest geworden.
Vgl. z. b. Byzantius, Dictionn. Grec-franr-ais (Ath. 1856) s. 297: 'vi'^*///
1) nyraphe (mythol.) 2) la (uouvelle) mariee, l'epousee 3) bru, belle fille,
belle soeur.' Aber im älteren griechisch ist die bedeutung ausserhalb der
bibel bisher nicht nachgewiesen. Und es scheint, dass im bibelgriechischen
die Übertragung von vv(api] auf die bedeutung 'Schwiegertochter' erst durch
das hebräische veranlasst ist. Die beiden evangelienstellen sind nach-
bildungen von Micha 7, 6, wo es in der LXX heisst: öiözi vwq äzifiä'Qet
nur^QU, OvyäztjQ tTiavaozrjaftai inl zr]v fojtSfja aizfjg, vvj.i(pi] inl rz/V
TifiUe^üv avif]g. Das hebräische wort, welches an dieser stelle durch
vviufij gegeben wird, ist n^s (kallah), ebenso an andern stellen des A. T.,
wo Luther 'schnür' übersetzt (z. b. üen. 38, 11. 2-4). Die grundbedeutung
dieses hebräischen Wortes ist aber vv/.i(prj im sinne des ahd. brut = vulgata
sponsa: in den betreffenden stellen des Holien liedes steht stets hebr. ns2,
welches in der LXX ebenfalls durch i'v/x<p>j, wie in der vulgata durch
S2)0)isH gegeben wird. Es haben also die LXX-übersetzer statt des in der
griechischen prosa fehlenden einfaclien Wortes für den begriff 'Schwieger-
tochter' (s. folg. anm.) in uachahmung des hebräischen doppelsiuues von
38 BEAUNE
geschlossen, dass aiicli im go tischen freien Sprachgebrauch —
statt der wahrscheinlich noch vorhandenen entsprechimg des
ahd. snur, ags. snoni — gelegentlich einmal hrüj)s hätte ge-
braucht werden können, wo es sich wie in Matth. 10, 35 um
die in das haus der eitern eingetretene 'junge frau' des sohnes
handelte. Aber bewiesen wird das durch unsere stelle keines-
falls, da diese der eigenartigen anwendung des griech. vvftg)?]
verdankt wird. Hätte im N.T. j'vog gestanden •), so würde
uns wol auch das echt gotische wort ^smi^ö für Schwieger-
tochter erhalten sein. 2) Wir werden also vorsichtiger handeln,
wenn Avir auch in unseren gotischen Wörterbüchern hruj)s mit
'Junge frau' übersetzen und dabei auf die eigentümliche anwen-
dung von vvficp?] im griech. original und dessen got. wider-
gabe durch hrüps verweisen.
Mit dem gotischen in beziehung stehen sicher auch die
belege unseres wortes aus der römischen Soldatensprache, deren
älteste aus dem 3. und anfang des 4. jh.'s A. v. Domaszewski
auf drei lateinischen Soldateninschriften aus Bulgarien, Serbien
und Kärnten nachgewiesen hat. Diese belege sind also um
ein Jahrhundert älter als Ulfilas. Die älteste lat. form des
Wortes ist hrutis (bez. hrutcs), später hnda. Aber auch in das
mittelgriechische ist das lat. wort als ß{)ovTig übergegangen.
Ueber diesen gegenständ handelt zusammenfassend G. Gunder-
mann, 'Das deutsche wort braut bei Römern und Griechen',
Zs. f. deutsche wortforsch. 1, 240 ff. und speciell über mgriech.
ßQovtig R. Löwe, Kuhns Zs. 39, 276 ff. Zu bruta ist das ältere
lat. hrutis gemäss Gundermanns treffender erklärung nach
analogie der fem. auf a umgebildet worden, wie nc2)ta aus
älterem neiHis und nura aus nurus.
Zunächst ist die form des lat. Itridis zu erörtern. Die
■1^5 auch vi\u<ftj so gebraucht. Und daher ist dann dieses vvfufij auch in
das N. T. gekommen. [Doch vgl. über hebraismen in der griech. bibel Thumb
in Ilberg-Gerths N. Jahrbüchern 17 (1906) s. 252 ff.].
1) Freilich ist zu erinnern, dass nach atisweis der griech. Wörterbücher
wog nur noch poetisch war; als regelrechte prosawidergabe des deutschen
'Schwiegertochter' geben die deutsch -griechischen Wörterbücher von Pape
und Eost (neben dem biblischen rvfKprj) rj rov viov yvvi] au, also wie neu-
alem. sohnsfrau oder söhnerin statt des verlorenen sehrmv (s. DWb. 9, 1394).
*) Ygl. dazu unten s. 31, anm. über kriragot. schuos.
BEAUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 39
drei alten iiiscliriften stammen aus dem gebiete der unteren
Donau. Danach hat schon v. Domaszewski mit Wahrschein-
lichkeit als den gebenden germanischen stamm die Goten l)e-
zeichnet. Er Avies (X. Heidelberger jahrb. 3, 197) auf die ver-
nichtenden uiederlagen der Goten unter Claudius (269) hin,
nach denen die gefangenen Goten in das römische lieer ein-
gereiht oder zu Colonen des limcs harharus gemacht wurden.
Durch diese elemente konnte der lat. heeressprache zunächst
dieser gegenden das lehnwort hrutis zugeführt werden. Zur
erklärung der form knüpft Gundermann s. 245 an den got.
nominativ lrH])s an und meint, dass die Römer die beiden
Spiranten 7' + ^"^ nicht hätten ohne zwischenvocal sprechen
können, indem er zugleich auf die beginnende assibilierung
von lat. // zu si hinweist. Dass das i der alte themavocal sei,
weist er ab. Denn dann würde einem vorwuliilanischen got.
*hru(tis vielmehr lat. hrudis, griech. ßgovöi^ entsprechen müssen.
Demgegenüber will R. Loewe die entlehuung nicht aus dem
gotischen, sondern aus dem westgermanischen geschehen sein
lassen, welches damals die form des nom. als hrudiz geboten
haben könnte. Aber die drei alten Inschriften weisen durch
ihre provenienz doch eher in die nähe der Goten. Und wenn
die eine der Inschriften aus Teurnia (Lurnfeld a. d. Drau in
Kärnten) stammt, so liegt doch auch dies der Sphäre der Goten
näher als der Westgermanen. AVäre latein. hrutis ein west-
germ. lehnwort, so würden wir es am frühesten in Inschriften
aus den Rhein- und Neckargegenden zu erwarten haben, wo-
selbst es aber vollständig fehlt. Und die Schwierigkeit, dass
westgerm. hrüdi- im lateinischen doch auch nur als hrudis zu
erwarten wäre, hat Loewe nicht weggeschafft. Ich meine, es
muss aus geographischen gründen bei der entlehuung aus dem
gotischen bleiben, — und auch aus sprachlichen. Denn gerade
das sonst sehr merkwürdige lateinische t, griech. x des lehn-
wortes lässt sich nur aus dem gotischen erklären. Allerdings
nur unter der Voraussetzung, dass das wort got. den stamm
hrülri- und nicht hrüdi- gehabt hat. Das ist aber höchst wahr-
scheinlich. Denn erstens gibt das westgermanische hrudi- uns
nicht das mindeste recht, ohne weiteres auch ein got. hrfidi-
zu erschliessen. In den worten auf idg. -fi-suffix fand germ.
grammatischer Wechsel statt, der dann verschieden ausgeglichen
40 BRAUNE
werden konnte. Solche Verschiedenheiten finden sich sogar
innerhalb des westgermanischen selbst. So z. b. niederfränkisch
varth und ahd. Ludwigslied 38 hinavarth gegen sonstiges westg.
fard, ahd. fart (vgl. auch Ahd. gr. § 163 a. 6). Das gotische
aber hat sehr häufig den grammatischen Wechsel im nomen
entgegengesetzt ausgeglichen, wie das westgermanische. Vgl.
z. b. tagr gegenüber westgerm. tahar, ahd. sahar und suffix-^i
in westgerm. giburä, aber got. gahaurjjs, g. gahanrj)ais (ebenso
das im westg. fehlende gatanrps 'Zerstörung', dat. gatmirj)ai).
Und wie dem westgerm. naiidi- (ags. med, ahd. not) ein got.
nau])s, flect. nanpai, naujnm (daneben aber compos. naudibandi
etc.) gegenübersteht, so kann auch dem westgerm. hrüdi- ein
got. hriij)s, gen. briijxiis entsprochen haben. Einen positiven
beweis dafür entnehme ich daraus, dass im gotischen in diesem
Worte niemals auslautend d erscheint. Wir haben es einmal
im Simplex acc. sg. bnij) und siebenmal im comp. bru]>fa]}s.
Das letztere erscheint Mt. 9, 15 und Mc. 2, 19 zweimal im nom.
brifpfaßs und zweimal im gen. brt(J)fadis. Dass aber auch im
ev. Lucas (5,34.35), wo sonst auslautendes d für unechtes J>
so häufig ist, alle drei male die form bruj)- erscheint, das lässt
sich nur daraus erklären, dass der stamm hrü])- im gotischen
ein echtes ]) hatte. Nicht nur stehen in der Umgebung
massenhaft d für auslautend unechtes J) (Luc. 5, 30 matjid,
drigJiid] 34 magud, 36 lagjid, aftaurnid), sondern neben dem
gen. hri(J)fadis erscheint der zweimalige nominativ als hru])-
fadsl Also das kurzsilbige faps, welches unechtes J) hat, ist
beide male fads geschrieben, während das laugsilbige bru])
stets das Jj bewahrt, trotzdem im Lucas grade nach langem
Yocal das auslautende d herscht! (vgl. Got. gr. § 74, anm. 1).
Und einen zweiten beweis für got. echtes p in bnijjs gibt uns
eben das t in lat. brutis. Denn es ist bekannt, dass got. J)
in lat. Schreibung zwar oft durch th, aber auch oft durch t
widergegeben wird; vgl. z. b. Wrede, Sprache d. Ostgoten s. 170.
Die Schreibung th ist für die Römer eine gelehrte. Für die
harte spirans griech. 0^ und germ. p, wo sie dieselbe akustisch
übernahmen, sprachen sie ihr t. Noch jetzt sind bei lehn-
worten in den romanischen sprachen die Vertreter des germ. p
mit t zusammengefallen. Somit beweist das t in lat. brutis,
dass got. brups ein echtes p hatte, und so ist die entlehnung
BBAUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 41
aus dem gotisclien die sachlicli und sprachlich einzig- mögliche.
Wir dürfen nun aber noch weiter gehen und aus hnttis den
schluss ziehen, dass hundert jähre vor Ulfilas das gotische den
nom. noch als hrujiis sprach, dass also die sj'nkope des nomi-
nativvocals erst um 300 im gotischen eingetreten sein wird.
Das hat auch gar nichts unwahrscheinliches, da das dem
g'otischen nächststellende urnordische die endvocale noch we-
sentlich länger beliielt und auch das westgermanische, welches
nach kurzer silbe noch um 900 das / in irini, Jicti, gripi fest-
hielt, wird zur zeit des Ulfilas noch hrudi(s) im nomin. gehabt
haben. Gar so lange vor Tlfllas können wir also so wie so
den Schwund der endvocale für das gotische nicht ansetzen.
Ist so das lat. brutis formell ergebnisreich, so kommt für
die bedeutungsgeschichte in betracht, dass in dem kreise dieses
lehn Worts nun allerdings die bedeutung- 'Schwiegertochter' auf-
tritt. Das ist ohne zweifei der fall in dem späteren hruta.
Diese form erscheint in lateinischen glossaren des 8. 9. Jahr-
hunderts als erklär ung des lat. nurus, welches also dem Ver-
fasser dieser glossare nicht mehr geläufig' war. Am frühesten
(mitte des 8. jh.'s) belegt ist die glosse nurus hruta in dem der
keronischen glosseusippe zu gründe liegenden lat.-lateinischen
glossar, s. Ahd. gl. 1, 216, 20. 21, vertreten durch K, Ea und R.i)
') In diesem von Gnudermaun a. a. o. nicht erwähnten ältesten beleg
findet sich nun auch eine merkwürdige althochdeutsche glossierung.
Das glossar E bietet zwar nur die lateinische glosse nurus, hruta;
in K und Ra aber steht dazu die deutsche glosse proaion K, proatun Ka,
die ich bei Kügel nicht besprochen finde. Man würde darin oblique casus
eines sw. f. hruota zu sehen haben, das man mit hrüt niciit zusammen-
bringen würde, wenn nicht in einer Münchner hs. (12. jh.; Clm 13002) der
glossae Salomonis nurus mit uxor filti vel brut erklärt Aväre, s. Gl. 4, 82, 1. 2;
eine andere hs. (Clm 17152) hat nurus mit sni'tr übersetzt, drei weitere
exemplare des glossars (Cod. Zwetl. 1, Cod. mon. sctae crucis 17, alter druck;
vgl. Gl. 4, 152, 44, anm.) haben nur die lateinische glossierung mirus vel
hruta. In dem hrut von Clm 13002 würde man nun nach der überwiegen-
den Schreibung der hs. zunächst ein zu jenem proatun von KKa im stamm-
vocal autfällig stimmendes, aber starkes f. bruot sehen können, wenn nicht
die bedeutung des zweiten 6 in der hs. schwankte. Und da bald darauf
(Gl. 4, 89, 21) gerade hrotigoum erscheint, so ist es doch nicht zweifelhaft,
dass hrot hier als hrut zu lesen ist. Daher muss man das proatun in KRa
doch wol einer confusion der original üljersetzung zuschreiben und urteilen,
dass eigentlich 2)n(t als Übersetzung von nurus, hruta gemeint war. Wir
42 BRAUNE
Aus einer Erfurter lis. des 9. jli.'s liat G. Loewe die glosse
naclig-e wiesen ') und man wird urteilen dürfen, dass die ent-
steliung der lat. glosse wenigstens dem anfang des 8. oder
dem 7. Jahrhundert zuzuschreiben ist: wahrscheinlich rückt sie
aber noch weiter zurück. Wie ist nun aber die brücke zu
schlagen von diesem hruta 'Schwiegertochter' der glossare zu
dem hruüs der Soldateninschriften des 3. 4. jli.'s und dem mgriech.
i:]QOvxiq'^ Denn die letzteren belege beschränken sich auf das
untere Donaugebiet und die Balkanhalbinsel, während die
glossen uns in das hochdeutsche gebiet und hinsichtlich der
entstehung der lateinischen grundlage des keronischen glossars
doch wol in den gallischen kreis führen. Auf dieses alte
lateinische glossar gehen sicherlich die übrigen späteren
glossenbelege von nurus hruta direct oder indirect zurück.
Wir würden dann im westlichen culturkreise nur mit einem
einzigen isolierten Zeugnisse für hruta zu rechnen haben. Der
lebendigen mlat. literatursprache des westens gehört dieses
hruta nicht an: es muss also doch wol aus dem osten irgend-
wie durch die lateinische heeressprache dahin verschleppt sein,
ohne weitere nachkommenschaft zu hinterlassen. Die östliche
heimat wird schon durch die auf das gotische hmpi- hinweisende
form mit t zweifellos bewiesen. 2)
Es fragt sich nun nach der ursprünglichen bedeutung dieses
östlichen lehnworts hrutis, ßQovTig. Die bedeutung 'schwieger-
hätten also in diesen ahd. glossierungen die einzigen belege der bedeutung
'Schwiegertochter' für hrnt aus dem lebendigen und zusammenhängenden
westgerm. Sprachgebiete.
') Vgl. Gundermann s. 240 und Goetz, Corpus gloss. lat. 5, 314, 32 (Gloss.
Amplou. II saec. 9).
*) Weniger isoliert würde das westliche hruta dastehen, wenn es er-
laubt wäre, das nordfranzösische hruy, hrn, welches afranz. und noch jetzt
nfrauz. in der bedeutung 'Schwiegertochter' vorliegt, darauf zurückzuführen.
Das ist zwar früher mehrfach geschehen (vgl. z. b. J.Grimm, DWb. 2, 330;
W. Deecke, Die deutschen verwantschaftsuamen, 1870, s. 164), lässt sich aber
nicht aufrecht erhalten, da dann das afranz. wort notwendig zweisilbig sein
müsste. So führt man denn franz. hru allgemein auf directe entlehnung
aus niederfränk. brüd zurück (s. G. Körting, Lat.-roman. wörterb."' s. 170).
Ebenso hat ein anderer romanischer dialekt, der rätoromanische, aus dem
benachbarten alemannischen hrüt sein hrit, breit etc. in der bedeutung
'Schwiegertochter' entlehnt. Vgl. dazu E. Tai)polet, Die roman. verwant-
schaftsnamen (Strassburg 1895) s. 130 f.
BBÄUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 43
tocliter' liegt hier nicht zweifellos vor. Die belege des griecli.
ßQoi'Tig bieten sie überhaupt nicht, bei ihnen ist * junge frau,
verheiratete frau' die vorwiegende bedeutung. Für die drei
lat. Inschriften hat allerdings v. DomaszeAvski die bedeutung
'Schwiegertochter' angenommen, indem er von der landläuligen
Übersetzung des got. br{(J)s ausgieng. Dass dieses argument
nicht sicher ist, haben wir oben beim gotischen gesehen. Auch
ist das genaue verwantschaftsverhältnis der unter hmtis zu
verstehenden jungen frauen aus dem zusammenhange dieser
Inschriften nicht sicher zu erkennen. Immerhin ist die be-
deutung 'Schwiegertochter' als m()glich, teilweise sogar als
AAahrscheinlich anzunehmen und das westliche hruta, nnrus
kann als stütze dienen. Gundermann s. 24G hat die frage auf-
geworfen, aus welchem gründe die römische heeressprache von
den Goten das wort hrutis aufgenommen habe, ohne darauf
eine bestimmte antwort zu wissen. Keinesfalls aber darf die
antwort die sein, welche R. Loewe a.a.O. 278 f. gibt. Im 10. jh.
bei Suidas ist ßQoiTiös^ mit 2LißvX).(a oder jrQ0<prJTiÖ8g erklärt,
Loewe meint deshalb, die germanische frau in ihrer eigen-
schaft als seherin sei von den Soldaten als bmtis bezeichnet
worden. Aber alle älteren belege des griech. ßQorriQ be-
deuten einfach "junge frau'') und auch die lat. Inschriften
besagen dasselbe, oder das daraus abgeleitete 'Schwieger-
tochter'. Für Seherin würden die Goten wol ein anderes wort
gebraucht haben, als grade hni]>is, dessen bedeutungscentrum
doch sicher 'das weib in seiner geschlechtlichen function' ge-
wesen ist.
Vielmehr scheint mir die tatsache der beachtung wert,
dass die bedeutung 'Schwiegertochter' unabhängig in drei
verschiedenen lateinisch-romanischen entlehnungsgebieten sich
festgesetzt hat: im nordfranz., rätoromanischen und im Unter-
donaulande, obwol die gebenden germanischen dialekte das
wort in dieser bedeutung nicht gebrauchen: das niederfränki-
sche und das alemannische sicher nicht 2), und auch das gotische
') Aus welcher trüben quelle Suidas seine angäbe geschöpft hat, können
wir nicht wissen: jedenfalls liegt hier aber ein misverständnis vor, denn
im 10. jh. war ß()oviiq im griechischen schon nicht mehr allgemein ge-
bräuchlich, wie Gundermann s. 244 feststellt.
'') Von den oben s. 41, anm. 1 erwähnten ahd. glossierungcn abgesehen,
44 BRAUNE
zum mindesten nur occasionell. Es scheint also die aus 'junge
frau' sich jederzeit ungezwungen entwickelnde bedeutung
'Schwiegertochter' gewesen zu sein, welche das wort für diese
verschiedeneu romauischen gebiete als wünschenswerten erwerb
erscheinen Hess und seine festsetzung begünstigte. Voraus-
setzung war, dass diese gebiete das erb wort nurus nicht mehr
kannten und einen ersatz dafür brauchen konnten. Und in
der tat ist dieser verlust auf vielen romanischen gebieten ein-
getreten, ebenso wie im spätgriech. wog verloren war (oben s.38,
anm. 1), und wie im deutschen seit dem 16. jh. das alte schnür
allgemein untergegangen ist.') Dabei ward diesen entlehnungs-
gebieten das germanische wort zuerst in seiner eigentlichen
bedeutung bekannt geworden sein: dafür beweist einmal ßgorng
'jungS frau' und als schlagende parallele das frz. bru, w'elches
nach Tappolet s. 131 in gewissen nordfranzösischen dialekten
noch 'nouvelle mariee' bedeutet. Aber diese bedeutung haftete
nicht: es blieb nur die daraus abgeleitete bedeutung 'Schwieger-
tochter', welche eine lücke ausfüllte.
Dass nun das ursprüngliche bedeutungscentrum von hriid
in der geschlechtlichen function lag, das lehren ganz besonders
die westgerm. sprachen. Am deutlichsten sprechen hier die
älteren deutschen belege vor der nhd. Verschiebung des be-
griffes. Das althochdeutsche ist nicht allzu ergiebig, da hier
meist kirchliche Übersetzungsliteratur vorliegt, in der brüt als
widergabe des biblischen sj^onsa erscheint 2), welches, wde oben
gezeigt ist, im wesentlichen dem ne. bride (braut am hochzeits-
feste und neuvermählte) entspricht. Die belege aus 0. haben
wir schon besprochen. Im N. Marc. Capeila tritt brüt auf als
die in ihrer Vereinzelung wol durch das lat. hrnta herbeigezogen sind und
bestenfalls die principielle niüglichkeit einer solchen bedeutungsentwicklung
auch für das ahd. dartun. — Aus neuerer zeit bringt W. Schoof (Die deutschen
verwandtschaftsnamen, Zs. f. hochd. mundarten 1, 193 It'.) s. 274 aus dem Aar-
gau die analoge Übertragung die jung (junge frau) 'Schwiegertochter' bei.
Und umgekehrt s. 271 die anwendung von schnür, suns iveib = 'sponsa,
nova nupta'.
^) lieber beschränktes weiterleben in mundarten vgl. Schoof s. 272 f.
') Wenn Graft" 3, 293 aus einer Berner Prudentiushs. des ll.jh.'s neben
nupta (Gl. 2, 527, 56) auch priit als Übersetzung des lat. pacta verzeichnet
(pactam Gl. 2, 527, 49 = Prud. contr. Symm. 1, 258, pactae Gl. 2, 528, 17 =
Prud. c. S. 1, 471), so ergibt sich, dass hier von Prud. pacta poetisch für 'die
BBAÜT IN DEN GERM. SPRACHEN. 45
jiingverraählte ed. Piper 1, 690, 7 {des cömcnes ihide dero hriite),
sowie als noch jungfräuliche braut am hochzeitsfeste 828, 12,
842, 2G, wo im latein. virgo steht. Diese ausdehnung des be-
griffs hrüt von der neuvermählten auf den letzten tag ihres
jungfräulichen Standes am hochzeitsfeste ist eine charakte-
ristische erscheinung, welche den ausgangspunkt für die nhd.
umdeutung gebildet hat, aber keinesfalls dazu führen darf, für
das germ. wort vom grundbegriff 'Jungfrau, integra' (vgl. Wiede-
mann s. 206. 208) auszugehen. Dass vielmehr die geschlechts-
function das wesentliche ist und dass der hochzeitstag nur
durch eine art vorausnähme schon zum zustand des neuver-
mähltseins hinzugezogen wird, dafür geben aussergernumisclie
sprachen reichlich belege. Am schlagendsten ist hier die ver-
gleichung des neufranz. Sprachgebrauchs. Sachs -Yillatte, En-
cycl. wb. 2, 307 gibt für nhd. braut folgende nfrz. entsprechungen
an: = 'verlobte': fiancce, futurc; ^^ 'braut am hochzeitstage':
t'pousce, (nouveUe) marire; und für nhd. 'bräutigam': fiancc,
fntnr epoux] aber am hochzeitstage: marie. Also nhd. 'braut'
und 'bräutigam' werden am hochzeitstage nfranz. durchaus
schon mit dem worte bezeichnet, welches den stand der ehe-
lichen Verbindung bezeichnet, grade wie bei hrüt und hrätiyomo
im ahd. Und das griech. rrficpr/ wie das litauische mnrtl
(Wiedemann s. 208) haben denselben bedeutuugsumfang. Wenn
aber Wiedemann nun sagt: 'wir dürfen annehmen, dass sowol
das litauische als auch das germanische wort ursprünglich
»mannbares w^eib« ohne rücksicht auf unberührtheit bedeutet
hat; erst mit der geburt des ersten kindes beginnt ein neuer
abschnitt im leben des weibes', — so widerspricht dieser Um-
grenzung doch der westgermanische Sprachgebrauch. Dass die
geburt des ersten kindes nicht endpunkt des begriffes hrüt
war, zeigt schon das ahd. Hildebrandslied, in dem Hildebrant
die 2J>"«^ und das harn univahsan verlassen hat. Und dass
nicht nur mannbarkeit, sondern die mit dem hochzeitstage
beginnende geschlechtliche activität das kennzeichen der hrüt
vermählte' (im uhd. sinne) gebraucht ist, die Übersetzung mit ahd. pral
also nichts für die uhd. bedeutung beweist. Auch Vergil Aen. 10, 79 braucht
dieses wort, welches in lateinischer prosa allerdings 'verlobte' hiess, schon
übertragen — ahd. hrid. In Gl. 2, 715, 50 (cod. Paris.) ist dieses Vergilische
pactas mit yemülda gegeben.
46 BRAUNE
war, lehren uns ganz besonders die belege aus der reichen
mhd. literatur, wofür die mhd. Wörterbücher s. v. genügendes
raaterial beibringen. Sehr lehrreich ist die von Müller aus-
geschriebene stelle aus Heinrich v. Freiberg, Tristan 8G7: oiich
yienc Isöt, Tristantes trüt, die mit dem namen was ein hrüt
und noch der iverhe tvas ein maget etc., wo der gegensatz
zwischen hrüt und maget scharf pointiert erscheint. Ebenso
MSH 3, 418 a ivürde us der meide niht ein hrüt und dazu parallel
in derselben Strophe gleichbedeutend ivürde Ü2 der meide niht
ein wip. Und die stelle in Hartmanns Gregorius 385 ff. si ge-
duhte: smge ich stille, so ergät des tiuvels wille und tvirde
mtncs hruoder hrüt, zeigt deutlich, dass die geschlechtliche
Vereinigung nach mhd. Sprachgefühl das wesentliche moment
des begriffes hrüt bildete.
Hierfür zeugt auch das abgeleitete verbum mhd. hriuten,
dessen griindbedeutung ist 'concumbere cum aliqua', 'ein weib
durch das beiliegen zur hriit machen', 'futuere, stuprare'. Das
wort hat eine besonders reiche entwicklung auf niederländischem
und niederdeutschem gebiete genommen, vgl. für das mndl. Yer-
wijs-Verdam, Wb.l, 1463: hruden 'eene vrouw beslapen, gemeen-
schap met haar oefenen'. Ebenso mnd. hrüden Schiller-Lübben
1,434; 6,88. AVährend das verb im nhd. verloren ist (Grimms
belege im DWb. 2, 333 miter hrauten, hräuten reichen knapp bis
ins 16. Jh.), so finden wir nd. noch in Laurembergs Scherzgedicht
4,686 hrüd dine mönie 'stupra matrem tuam'. Ich habe in
meinem glossar zu Lauremberg (Neudrucke des 16. 17. jh.'s,
Halle 1879) s. 89 dargelegt, wie aus dieser grundbedeutung
sich das neund. hrüden, hrüen zu der bedeutung 'vexare', jem.
belästigen, plagen, necken, entwickelt hat, in welcher allein
es in den neund. maa. noch heute lebendig ist, während oberd.
sich das von Hildebrand, DWb. 4, 1, 2340 ausführlich behandelte
gcheien in ähnlicher weise gewandelt hat. Genau wie im
niederdeutschen hat sich im neuniederländischen das verbum
hruien (älter hruiden) gestaltet. Hierüber haben wir im Woorden-
boek der Nederl. taal bd.3,1 (von Muller und Kluijver) s. 161911
ausführliche nach Weisungen. Das nndl. hruien {hruiden) bedeutet
1) 'eine frau beschlafen'. Dies wird aber im 17. jh. schon als
vulgär empfunden und verschwindet dann. 2) 'vexare', im 17.
18. Jahrhundert sehr gewöhnlich, jetzt aber im veralten. —
BBÄUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 47
Das mild, hrkdcn, mnd. mndl. hnulen sclieint dem südwestgferma-
uiscLeu eig-entümlicli zu sein: weder altn. '''bnjJa noch ags.
*bry(lan finden sich. Und auch hier ist der älteste beleg erst
aus N.'s psalmen (Graff 3, 294). Es konnte also dieses verbum
eine jüngere neubildung- des continental- deutschen spracli-
g-ebiets sein, -welches mit seiner besonders in Xiederdeutschland
mehr nach der obscönen seite gerichteten bedeutungsentwick-
lung für uns hier dann nur insoweit in betracht kommt, als
auch dadurch für das zu gründe liegende ahd. alts. hn'it, hnul als
centrale bedeutung gesichert wird 'quae concumbit cuin aliquo'.
Wenn also im altdeutschen hrüt die bettgenossin eines
mannes ist, eine bedeutung, aus der auch die oben s. G If. von
uns festgestellte weitere anwendungsweise der alts. und ags.
dichtung sehr wol zu verstehen ist, so ist doch nach zwei selten
hin noch die grundbedeutung näher zu definieren. Einmal ist
hervorzuheben, dass in allen lebenden neugermanischen Schrift-
sprachen das woi-t hrud, hrant sich heute nur auf das legitime
Verhältnis bezieht, nhd. hyaiit ist die verlobte, nndl. hnjiil, neu-
skand. hnaJ die braut unmittelbar vor der hochzeit, ne. hrtde
die jungvermählte mit einschluss des hochzeitstages. Aber
diese beschränkung liegt nicht in den älteren sprachen vor.
Quae cum aliquo concumbit, wird nach den im princip mono-
gamischen Verhältnissen des deutschen altertums in den meisten
fällen das legitime weib sein. Jedoch kann auch jedes illegi-
time Verhältnis, ja jedes weib, zu dem ein mann in gelegent-
liche geschlechtliche beziehungen tritt, mit dem worte be-
zeichnet werden. Wenn z. b. mndl. (aus der Minnen Loep bei
Yerwijs-Verdam, Wb. 1,1469) von der biblischen Susanna gesagt
wird: Susanna soiide tverden hoirre heyder hnmt ende soude
doen al hoer (jheniiegen, so bezieht sich dieses, ebenso Avie die
vorhin citierte stelle Hartm. Gregor. 385 auf den einmaligen
fall, während Kudr. 1029, 4 Hartmuots worte wer Menge mich
darumhe, oh ich iuch mir geicünnc ze einer hriuie?, wie auch
Kudruns antwort 1030, 4 bestätigt, sich auf das Verhältnis der
Icebese beziehen. Aber es ist durchaus falsch, wenn Wörter-
bücher die bedeutungen danach gliedern. So definiert das
Mndl. wb. 1, 1469 hruut \) De verloofde zooivel als de jong-
gehmvde vromv^), 2) hijslapster\ ähnlich trennt Lexer die beiden
*) De verloofde ist falsch und uur durch die daselbst citierten deutschen
48 BRAUNE
bedeutungen. Denn hrüt ist hinsichtlich des rechtlichen
Verhältnisses ganz indifferent, es ist an sich weder nihd. vriedel,
noch Jcehese, noch elich tvtp (eJcone), sondern alles g'leichniässig
in einem, es bezieht sich rein auf das sexuelle, physiologische
Verhältnis zum manne, es ist das weib, welches dem manne
beiliegt oder eben im begriff ist ihm beizuliegen. Insofern
ist am rationellsten Müllers bedeutungsentwicklung im Mhd. wb.
1,273: '1) im allgemeinen bezeichnet dieses wort eine Weibs-
person, die einem manne unlängst beigelegen hat, oder näch-
stens beiliegen soll; 2) daher heisst hriU a) die rechtmässige
gemalilin kurz vor oder bald nach der Vermählung, b) die bei-
schläferin, das kebsweib'.
Zweitens haben wir nun noch nach der zeitlichen be-
grenzung des seinem sachlichen gehalte nach festgestellten
begrift'es von germ. hrüd zu fragen. Insbesondere wird die
frage jetzt zu beantworten sein, von der wir ausgegangen sind,
wie sich die anwendung des alts. ags. hrüd, hryd auf ehefrauen
im hohen lebensalter, also die bezeichnung der hundertjährigen
Sara als Ahralmmes hryd zur grundbedeutung stellt. Und da
wird denn doch wol die antwort die sein müssen, dass wir
hierin eine erweiterung des gebrauchs seitens der altwestgerm.
alliterationspoesie zu sehen haben. Denn die Übereinstimmung
der germ. sprachen weist auf die zeitliche begrenzung von
hriid auf das weib jugendlichen alters hin. Im bereiche des
hochdeutschen Sprachgebiets ist mir kein fall bekannt, wo
hrüt zeitlich darüber hinausreichte, auch die nindl. belege
stimmen dazu. Auch aus dem kreise des got. hrnlis mit seinem
mlat. und mgriech. ableger haben wir ebenfalls nur die be-
ziehung auf ein junges weib kennen gelernt. Und auf dem
englischen Sprachgebiete selbst zeigt das ue. hride, abgesehen
davon dass es auf das legitime Verhältnis eingeengt ist, über-
einstimmend mit den übrigen germ. sprachen die beschränkung
auf das junge weib. Aus dem ags. sind mir wenigstens in
der prosa keine sicheren beispiele für zeitlich unbeschränkte
geltung von hryd aufgestossen. Aus der me. zeit zeigen die
ziemlich zahlreichen belege von hrud, hruid, hrid, hnrd u. s.w.
bei Mätzuer, Sprachpr. 2, 1, 350 f. neben der ne. bedeutung noch
Wörterbücher verursacht. Wie die heleg-e ausweisen, ist die bedeutung genau
dieselbe wie im mhd.
BBäUT in den GERM. SPRACHEN. 49
eine andere ei'Aveiterung des gebrauclis in der poetischen
spräche. Es A\ird das wort da nämlich absolut gebraucht für
* junges weib, mädchen, Jungfrau', ohne rücksicht auf das
A'erhältnis zu einem manne, z. b. J)enna com he of kis doset,
ivith mony der hurdez (Gawayn) oder von Maria: Ancs mai-
denes sune ihoren ives in Bcdlecm of leiste alre hurden (Laya-
mon). Dass hier nur poetische Übertragung vorliegt, ist klar.
Für die an Wendung der ags. poesie auf ältere frauen habe ich
aber keine nie. beispiele gefunden.
Auf sächsischem gebiete gibt uns dagegen das wb. von
Schiller -Lübben unter brut und hrudegam (1,438.434) be-
merkenswerte belege des erweiterten gebrauclis. Z. b. in einem
Oldenburger manuscript (beschreibung der messe) wird vom
priester gesagt: darna hiddet he vor den paves unde vor den
Jceiscr, der na nomet he sine hriä. Also hier wird die kaiseriu
ohne beziehuug auf das lebensalter in einem prosadeukmale
des Iceisers hrüt genannt. 'In der mnd. Melusina heisst diese
noch hrüt, nachdem sie Eeymund zehn söhne geboren, dieser
ihr hrudegam.' Es scheint also auf sächsischem gebiete der in
der alts. poesie uns entgegentretende gebrauch tiefer und fester
in die lebende spräche eingedrungen zu sein.
Weit enger ist die anwendungsweise des Wortes in der
altn. prosaliteratur. Daselbst gilt hrüdr nicht mehr von der
jungen frau, sondern nur von der braut während der hochzeits-
feierlichkeiten, zu denen aber auch schon die reise zum hause
des bräutigams, wo die hochzeit gehalten wurde, gehört: die
hrüdferö oder hrüdför, s. Cleasby-Yigfusson s. 83. 84. Mit dem
antritt dieser fahrt wurde die bisherige festarmey zur hniör,
welcher name ihr also ev. eine reihe von tagen zukam. Die
neunordischen sprachen, schwedisch, dänisch, nisl. beschränken
dagegen den iianien hrud auf den einzigen tag der hochzeit;
vgl. z. b. Helms, Wb. d. dänischen spr. 1, 61 s. v. Brud 'braut,
an dem tage ilirer hochzeit'; im sinne des deutschen 'braut'
als verlobte kommt dän. hrud 'nur selten, und dann poetisch'
vor. Hier haben wir also eine vielleicht unter deutschem
einfluss stehende poetische erweiterung des begriffs vor uns.
A\'ie ist nun diese von den übrigen altgerm. spraclien ab-
weichende anwendung von altn. hrüdr, dän. scliwed. tmid auf-
zufassen, indem die 'junge frau' hier vom bedeutungsumfange
Beitiäge zur Keschicl.le der ileutsclion spräche. XXXII. ±
50 BRAUNE
ganz ausg-esclilossen ist? ^yeY vom nhil. Sprachgefühl und der
etymologischen Verlobungstheorie ausgeht, könnte meinen, dass
das skandinavische brud etwas ursprünglicheres darin zeig^,
dass es nur den endtermin der brautzeit im nhd. sinne bei-
behalten habe. Dass es sich aber umgekehrt verhält, dass
vielmehr das nord. brud, welches nur noch den anfangstermin
der altgermanischen brautzeit, die hochzeitsfeier, festhält, das
hauptgebiet seines alten bedeutungsumfangs eingebüsst hat,
ist ganz unzweifelhaft. Merkwürdig ist nur, dass schon die
altisl. prosadenkmäler diese Verengung zeigen. Aber einen
ganz ähnlichen Vorgang, der im geschichtlichen verlauf zu
beobachten ist, zeigt die Verschiebung des begriffs im neu-
niederländischen, womit zugleich ein Zwischenglied zum noch
weitergehenden wandel des nhd. gegeben wird.
Im neuniederl. bedeutet nach der eingehenden behandlung
im Neuniederl. wb. 3, 1 (v. Muller en Kluyver, 1902), s. 1G20 ff.
ndl. bniid nach der jetzt geltenden auffassung: 'ondertrouwde
vrouw' d.h. durch offizielle anmeldung bei der behörde öffent-
lich verlobte frau. 'Strikt genomen derhalve alleen toepasselijk
zoolang het paar onder de geboden Staat (so lange das öffent-
liche aufgebot währt), van de aanteekening tot aan de huwelijks-
voltrekking; gemeenlijk echter ook nog gedurende den trouw-
dag, doch dernaa niet meer, aan de jonggehuwde gegeven.' Hier
ist also die bedeutungsverschiebung nach vorn nur auf eine
ganz bestimmte kurze zeit vor dem hochzeitstage vollzogen
(vgl. die zeit der altisl. brüdför). Aber lange nicht so weit
wie im nhd. Denn die nhd. braut lieisst im niederl. verloofde,
bis das aufgebot angemeldet ist, dann erst wird sie bruid.
Nur bei neuniederl. dichtem findet sich freierer gebrauch. Das
Wb. fährt fort: 'Bij dichters ook wel eens, evenals in het nhd.,
in ruimere opvatting: verloofde'. ') Wichtig ist, dass im niederl.
heute bruid nur noch bis zum hochzeitstage incl. reicht, wie
im nhd. und altisl., während die ältere spräche grade umgekehrt
erst vom hochzeitstage an rechnet. Dieser ältere gebrauch
hat im niederl. bis ins 17. jh. gedauert. Im Woordenboek
heisst es 2) 'Naer de oudere ruimere opvatting ook in toepas-
sing op (jong) gehuwde vrouwen. Thans geheel verouderd.'
1) Vgl. die oben erwähnte gleiche Übertragung bei neudäuischen dich-
teru, und Gladstones uiisbrauch des ue. hride oben s. 30, anm.
BBAUT IN DEN GEKM. SPRACHEN. 51
Die belege des A\'b. für diesen jetzt veralteten gebrauch sind
aus Youdel, Hooft und Bredero. ')
Im altn. ist also diese Verschiebung, welche das haupt-
gebiet der altgerm. bedeutung, die zeit der 'jungen frau' ab-
trennte und nur die hochzeit selbst für hrnär übrig Hess,
■früher als in anderen germ. sprachen eingetreten: im 12. 13. Jh.,
zur zeit der sagaschreibung, sehen wir die neue geltung schon
durchgeführt. Demgegenüber beweisen aber die hier wie sonst
älteres sprachgut bewahrenden altn. poetischen quellen,
dass darin eine Verengerung des alten begriffs liegt. Das
material liegt bei Sveinbjörn Egilsson 85 und für die Edda
vollständig vor in Gerings wfirterbuch s. 133 f. (Die lieder der
Edda hg. v. B. Symoiis und H. Gering, bd. 2, Halle 1903). Hier
zeigt sich die altgermanische bedeutung noch im weitesten
umfange. Wenn Gering als hauptbedeutung an die spitze stellt
'verlebtes oder jungvermähltes weib', so treffen beide defini-
tionen die saclie nicht ganz genau. Das 'verlebtes' ist dem
nhd. gebrauch zu verdanken, welcher, wie schon hervorgehoben,
so oft die lexicugraphen und etymologen irre geführt hat-);
'jungvermählt' aber ist zu eng, denn in der altn. poesie ist
IniÖr noch durchaus nicht auf das legitime Verhältnis be-
schränkt, sondern bezieht sich wie im mhd. mndl. gleicherweise
auch auf die aussereheliche geschlechtsgemeinschaft, weshalb
Sv. Egilsson richtig neben 'sponsa, nj^mpha, nova nupta, uxor'
auch 'puella, amica, amasia' umschreibt. So übersetzt Gering
selbst Vkv. 35 die stelle: at Jju Jcvdjat Icvön Velunäm', nehrüpe
minne at hana ver])er in seiner Eddaübersetzung s. 147 sehr
richtig mit 'dass du Wölunds gattin nicht weh bereitest und
meiner geliebten das leben nicht raubst'. Wenn B^Jwildr hier
Yölunds hnipr heisst, so ist diese eigenschaft durch einen not-
zuchtsakt begründet. Vorher aber Ykv. 19 hatte Völund mit
den Worten mi herr BQpvüdr hrupar minnar hauya raupet seine
gattin Hervor hrtipr genannt, welche er acht jähre besessen
hatte. Und in HH. I, 44 pit hrüpr Granu . . . rast 'du hast
(als Stute) mit dem hengst Grani unzucht getrieben' ist hrupr
1) Ganz die gleiche bedeutungsumgrenzuiig gibt das Woordeub. für
nndl. hruidegom (3, 1, 1G32).
*) Denu selbst in stellen wie Alv. 1 li". und H. Hv. 32. 4t ist hriipr in
allgemeinerem sinne zu verstehen: die zur hrü[jr bestimmte, die geliebte.
^*
52 BRAUNE
sogar auf tierische Verhältnisse ang-e^vant. Andrerseits ist
auch hervorzuheben, dass in der Edda hn'iln- als gattiu
schlechtliin, ohne heziehung auf jugendliches alter, augewant
wird: yg\. jarla hrüjjcr 'die weiber der jarle' Gp>r. I, 3; JQtna
hriiper, herserhja hrüper 'weiber von riesen, von berserkern'
Hrbl. 66. 99; fyJkes hrnpcr 'die weiber des königs' H, Hv. 3. Und
so citiert denn Sveinb. Egils. s. 123 eiginhrüdr uxor {sina eigin-
hrüöi aus der Placidus dräpa) als synonymum des prosaischen
eiginkona. Daneben aber wird auch in der altn. poesie meto-
nymisch hrüdr für 'weib' im allgemeinen gebraucht, ohne be-
ziehung auf das Verhältnis zu einem manne. Hierin haben
W'ir, wie oben im mittelenglischen, eine poetische Übertragung
zu sehen. Die beispiele aus der Edda stellt Gering zusammen.
So Grip. 16 von Brynhild hüpr mcela teh; es va]iJcaJ)e vif or
svefne. Hier ist hrüpr synonym mit vif gebraucht. Oder Vsp.
22, 4 ce vas angan illrar hrnjmr '(die Zauberei) war stets das
vergnügen bösen weibes'.
Wir dürfen also auch den skandinavischen sprachzweig
auf grund des ältesten poetischen gebrauchs für die allgemein
germanische bedeutung des wortes hrüd in anspruch nehmen,
die ich als 'mulier quae cum viro concumbit' definiere. Die
geschlechtlich active frau wird der Sachlage nach im wesent-
lichen die frau des blühenden alters sein, so dass also das
'junge mit dem mann verkehrende weib' den bevorzugten
bedeutungsumfang darstellt. Aber auch alle anderen ge-
brauchsweisen leiten sich daraus unschwer ab. Besonders
stark entwickelt ist infolge der monogamischen richtung des
geschlechtsverkehrs die einengung auf das legitime Verhältnis,
so dass also die 'jung vermählte frau' eine sehr häufige be-
deutung ist. Von da aus kann die in der alts. und ags. poesie
besonders deutlich hervortretende anwendung auf die ehefrau
ohne rücksicht auf das lebensalter sich ableiten, andrerseits
unter stärkerer betonung des jugendlichen alters die beschrän-
kung auf die erste zeit der jungen ehe, wie sie noch heute
das ne. hride bewahrt hat. Da aber der hochzeitstag und das
hochzeitsfest wie bei andern Völkern (griech. in-fic/)], franz.
nouvelle mariee) schon als erster tag der jungen gemeinschaft
in den w^ ortbegriff einbezogen wurde, so konnte dieser tag und
dieses so wichtige fest als bedeutsamste seite des wortumfangs
BRAUT IN DEN GERM, SPRACHEN. 53
specialisiert werden, unter abstossung der auwendung auf die
zeit der jungen ehe. So in den skandinavischen sprachen seit
der sagazeit. So auch im neuniederländischen nacli dem
17. Jh., indem dabei der brautname auch noch auf die zeit des
öffentliclien aufgebots erstreckt wurde. So endlich mit der
vollkommensten Verschiebung im nhd., welches allein die be-
zeichnung 'braut' und 'bräutigam' auf die ganze zeit des ver-
lobtseins ausgedehnt hat, wobei jedoch lange das Sprachgefühl
dafür wach blieb, dass das hochzeitsfest den ausgangspunkt
für diese namen bilde. Noch Adelung in seinem wörterbuche
(2, aufl.) 1,1168. 1170 definiert braut: 'eine verlobte person
weiblichen geschlechts, und in engerer bedeutung, eine solche
person am tage der hochzeit', hräiäigam: 'eine verlobte person
männlichen geschlechts, besonders am tage der hochzeit'.
Es wäre nun von interesse festzustellen, wann und wo
die nhd, bedeutungsverschiebung eingetreten ist, dass also
hrant nicht nur auf das hochzeitsfest bezogen, sondern auch
unabhängig davon auf die verlobte angewant wurde. Durch
diese Verschiebung ist es jetzt so weit gekommen, dass in der
heutigen hochsprache das bedeutungscentrum des nhd, hraut
gradezu im begriffe der Jungfräulichkeit, der unberührtheit der
verlobten liegt, so dass das wort einen hohen und edlen klang
hat, ganz abweichend von dem von uns festgestellten alt-
germanischen bedeutungscentrum. Als Vermittlung zu diesem
heutigen gebrauch hin wird man erwarten können anwendungs-
weisen, die gewissermassen proleptisch Iraut auch schon auf
frühere zeitstufen beziehen, aber dabei doch immer in hinsieht
auf die nachfolgende hochzeit gemeint sind. Eine solche voraus-
nähme ist es, wenn der Engländer seine verlobte intendcd brich
u,s. w. nennt (oben s. 30, anm.), oder die vereinzelte poetische
anwendung des wortes auf die verlobte bei neuniederländischen
und dänischen dichtem. Das alles ruht noch auf dem alten
bedeutungscentrum.
Aber für die feststellung dieses Übergangs lassen unsere
neueren Wörterbücher uns sehr im stich, da die Verfasser meist
gar nicht bemerkt haben, worauf es ankommt, indem sie die
nhd. bedeutung, durch das ahd. brtU = sjwnsa verleitet, auch
schon dem altdeutschen zuschreiben. Die belege in Jacob
Grimms artikeln braut und bräutigam im DAYb. 2, 330 ff. be-
54 BRAUNE
zielien sich sämmtlicli auf die liochzeit, auch die aus Luthers
bibelsprache: kein einziger bezeugt ein wandsfrei die dem nhd.
eigene neue bedeutung. Auch die grosse fülle der coniposita
beweist lediglich für den altern Sprachgebrauch. Nur hraiit-
stand (s. 338) wäre für uns wertvoll: aber der älteste beleg
Grimms ist aus Wagners Kindesmörderin. Wer also behaupten
wollte, erst seit der classischen periode unserer dichtung habe
hraut die neue bedeutung 'verlobte' entwickelt, der könnte
durch Grimms DWb. nicht widerlegt werden. Aber das wäre
doch nicht richtig. Bei durchsieht der literatur ergibt sich
bald, dass dieser gebrauch älter ist. Geliert übt ihn'), und
Meta in ihrer correspondenz mit Klopstock unterschreibt sich
am 24. nov. 1752 'deine braut' und nennt Klopstock (an Giseke
27. nov. 1753) ihren 'liebenden bräutigam'. 2) Hier liegt schon
ganz das heutige bedeutungscentram zu gründe.
Auch Steinbach, Vollst, deutsches wb. (1734) 1, 189 f. über-
setzt braut mit sponsa. desponsa, desponsaia, also 'verlobte'
und in das 17. jh. führt uns sein citat aus Hofmanswaldau:
Da ich das erste mala das fremde ivort vernommen, Wo
seufftzer worte sind, Älgerth ist meine hraut, während sein
zweites dichtercitat aus Günther: Wer icollte hey der hraut
voll finsterer grillen sitzen mit der Übersetzung: 'Quis vero
rugosam frontem ad nuptias adferret' auch aus der alten be-
deutung zu erklären wäre. — Bei Stieler, Teutscher Sprach-
schatz (1691) s. 224 wird hraut übersetzt: sponsa, desponsaia,
nova nupta und die belege: ^Einern eine hraut verspreclicn
despondere filiam alicui; Sich eine hraut nehmen despondere
sibi alicujus filiam' zeigen ebenfalls die neue bedeutung. Und
A. Grji^hius nennt in der Widmung vom Verliebten gespenst
und dornrose das 'fürstl. fräulein hrauV.
Dagegen führt uns Josua Maaler, der in seinem Dict.
germ. 1561 s. 77 hraut mit Nupta, Sponsa, Nympha, Marita,
Nova nupta übersetzt, einen Sprachgebrauch vor, der durchaus
noch im alten bedeutungscentrum w^urzelt. Es ist deshalb
bemerkenswert, dass schon vorher in Luthers Schriften die
anwendung von hraut auf die verlobte deutlich vorhanden ist.
») Z. b. Zärtliche schwesteru 1,4: 'anstatt dass ich glaube, Julchen
heute als meine braut zu sehen'.
*) Briefe von und au Kl. ed. Lappenberg-, s. 114. 127.
BRAUT IN DEN GERM. SPRACHEN. 55
Die vorwieg-ende anwendung der worte braut und hrüuügam
bei Luther ist allerdings mit der lioclizeit verknüpft. Aber
es sind genügend beispiele nachweisbar, welche davon losgelöst
nur die verlobten im nlid. sinne bezeichen. Reichliche belege
für hrant und Iva niiiidm findet man im 10. teil der Luther-
ausgabe von W'alch (Halle 1744), woselbst s. 693—977 die auf
das sechste gebot bezüglichen Schriften zusammen abgedruckt
sind.') Indem ich die zahlreichen beispiele des älteren ge-
brauchs ganz übergehe (hierher auch die Lutherbelege unter
hraüt in Grimms I)^^'b.), führe ich nur einige stellen an, aus
denen die neue bedeutung bei Luther klar hervortritt. Walch
10, 718 nenn mir meine braut stirbt, ehe ich sie heimhole, so
darf ich nicht nehmen ihre Schwester (vgl. s. 743); s. 775 die
verlobte und vertraute braut, die noch der bräutigam nicht er-
hmnt (ähnlich s. 922); s. 926 der öffentlichen verlobten braut
(vgl. 924); s. 933 gleichivie der pabst erlaubt und gebeut, dass
eine ehefrau mag ihren mann ans dem kloster fordern, also
sollte ers auch braut und bräutigam erlaubet und geboten haben,
dass sie nicht von einander ins Jcloster liefen. Andere stellen
s. 896. 923. 931.
Aus der deutschen Schriftsprache v o r Luther sind niir bis
jetzt sichere beispiele für braut = 'verlobte' nicht begegnet.
Ich habe daraufhin die 'Deutschen privatbriefe des Ma.' hg.
von Georg Steinhausen (Berlin 1899) durchgesehen und darin
aus dem 15. jh. das folgende material gefunden. S. 45 (no. 58
vom 23. febr. 1442). In einer hochzeitseinladung an seinen
bruder spricht herzog Wilhelm von Sachsen von seiner braut,
indem er sie zweimal unser liebin vertruweten gemaheln nennt,
wobei das vertruiveten wesentlich ist (vgl. oben s. 32, anm. 2), da
das einfache gemahel auch schon 'gemahlin' bedeuten konnte,
wie es im selben briefe daneben gebraucht wird. — S. 320
(no, 474 vom 21. aug. 1496). Herzogin Sidonie von Sachsen
schreibt an ihren verlobten söhn Georg, dessen liochzeit um
Martini sein soll, also ein Vierteljahr vorher: got gehe dir und
deiner gemahel gar vil gluchs und heiles, wo also für braut
noch das einfache gemahel angewendet wird. Im selben briefe
*) Ich eitlere der einfachheit halber nur nach dieser ausgäbe, zumal
der grössere teil der betreffeudeu schrifieu iu der Weimarischeu ausgäbe
noch nicht erschienen ist.
56 BRAUNE
neckt sie scherzend ihren söhn, der in der Zerstreutheit einen
brief verwechselt hat, man könne auf ihn jetzt das Sprichwort
anwenden : dti gliest yn geäancken als eyn verlohte mayt. Also
'zerstreut wie eine braut' würden wir das ausdrücken. Die-
selbe wendet dagegen s. 319 (no. 473) das wort hraut an im
zusammenhange mit dem hochzeitsfeste (geschenk an die braut
bei der hochzeit). — Ebenso auch sonst hraut nur bei der
hochzeit. So s. 295 (no, 434) zweimal in einem brief e von 1491.
Und s. 198 (no. 288) hochzeitseinladung Albrechts von Branden-
burg vom 6. febr. 1479: das das dich hcillegen sein ivird uff
Sonntag Valentini^) . . . unnd ivirt die prent auff samhstag davor
Jiieher konicn. S. 157 (no. 224 vom 14. febr. 1476) schreibt der-
selbe an Ulrich von Württemberg, wünscht glück zur bevor-
stehenden hochzeit von dessen tochter: dar^u euch und unser
liehen siviger, auch euer tochter, der iireut . . . got vil glucJcs geh.
Die beiden letzten stellen kann man schon als beispiele einer
art von vorausnähme ansehen, indem hier vorher diejenige als
'braut' bezeichnet wird, welche auf der hochzeit diese rolle zu
spielen hat.
Soweit ich bis jetzt urteilen kann, scheint mir der gebrauch
von hraut für 'verlobte' aus Ostmitteldeutschland zu stammen
und von dorther in die Schriftsprache seit Luther aufgenommen
zu sein. In der ostmitteldeutschen mundart meiner an der
grenze zwischen Obersachsen und der Lausitz gelegenen heimat
ist hraut allgemein volksüblich für die verlobte bis zum hoch-
zeitstage incl: andere Verwendungsarten des wortes, insbeson-
dere für ein illegitimes Verhältnis, oder für junge frau, sind
daselbst absolut unbekannt. Lagegen scJieinen die süddeutschen
und westdeutschen mundarten den früheren gebrauch festzu-
halten. Der Schweizer Josua Maaler verzeichnet noch nach
Luther, wie oben erwähnt, den älteren gebrauch. J. Grimm,
DWb. 2, 332 führt an, 'dass in deutschen landstrichen die neu-
vermählte den namen braut ein jähr lang, oder bis zu den
nächsten ostern fortführt-), oder selbst bis sie kinder geboren
hat: ich hin hraut habe von meinem ehemann noch keine kinder.
In H. Fischers Schwäbischem wh. 1, 1372 wird als schwäbisch
verzeichnet sie ist hraut von ihm (unehelich geschwängert). Im
') Valentiuus = 14. februar, der 1479 auf eineu soniitag fiel.
2) Vgl. Hertel, Thüringer Sprachschatz s. 73.
BRAUT IN DEN GERM. SPRACREN, 57
allgemeinen kann man sagen, dass nach den dialektwörter-
bücliern zu urteilen die mundavten der süd- und Avestdeutsclien
gebiete die alten bedeutungen weiterführen: insbesondere ist
für das legitime Verhältnis braut hauptsächlich in beziehung
auf die hoclizeit in gebrauch. Nur sehr ausnahmsweise, und
vielleicht durch einwirkuug der Schriftsprache tritt die aus-
dehnung auf die zeit des verlobtseins hervor.')
Von dieser abschweifung auf die geschichte der nhd. be-
deutungsentwicklung, die freilich nur ein versuch ist und ohne
systenmtische Sammlung aus Schriftsprache und mundarten
nicht zu ende geführt werden kann, kehren wir zurück zu
der von uus festgestellten grundbedeutung und sehen zu, ob
von dieser aus nun die frage nach der etymologischen Ver-
knüpfung des germ. hrupi-, hrücti- mit Worten der verwanten
idg. sprachen sich beantworten lasse. Nachdem die auf grund
der Verlobungstheorie gemachte combination schon oben s. 36
ausgeschaltet ist, bleiben immer noch eine anzahl von hypo-
thesen zu erörtern. Schon aus lautlichen gründen ist die
Bopp'sche von .1. Grimm im DWb. 2, 331 vertretene anknüpfung
1) Freilich sind die mundartenwörterbücher hinsichtlich der begriffs-
bestimmung von bratit und hräntigam mangelhaft: es wäre wünschenswert,
. dass das Verhältnis zum schriftsprachlichen bedeutuugsumfang überall genau
erörtert würde. Hervorzuheben ist, dass in ganz Süddeutschland statt der
schriftsprachlichen ausdrücke die bezeichnungeu hochze/ten'n und liochzeiter
weit verbreitet sind. Vgl. z. b. Schraeller-Fromraann 1,371 (braut, 'öfter
hört man indessen beim gemeinen volke die hochzeiterinn''); Schöpf, Tirol,
idiot. 209; Martin-Lieuhart, Elsäss. wb. 2, 205, und für das südlichste Ober-
hessen Yilmar, Kurh. idiot. 172. Mir fiel es in Giessen einmal bei einem
dienstmädcheu dieses gebiets auf, dass sie stets von ihrem hochzeiler sprach,
zur bezeichnung ihres verlobten, also im sinne unseres schriftsprachlichen
bräutüjam. Es hängt dies vielleicht damit zusammen, dass in diesen ge-
bieten braut, brüulifjam, avo sie überliaupt sich gehalten haben, noch auf
dem altdeutschen bcdeutungscentrum rulien. — Für die Pfalz bezeugt die
angäbe von Ph. Lenz (Vergleich. Wörterbuch der nhd. spräche u. d..Handschuhs-
heimer dialekts, Baden-Baden 1898, s. 13): '^braiit i. maini höxlsaiivn, neuer-
dings auch prauV und ^bräutigam m. meist höxtsaiiv, neuerdings auch
l)räiti]cam\ dass hier brant und hräiitigam nur durch den einfluss der hoch-
sprache um sich greifen, während hochzeiterin und hochzeiter die einheimi-
schen ausdrücke sind. Aehnlich dürfte es auch in den übrigen süddeutschen
mundarten liegen, wenn braut, brüutiyam nicht in der alten, sondern in der
nhd. bedentnng angewendet werden.
58 BRAUNE
an aiiid. präiidhä 'die heimgeführte', sowie die von Bugge,
Beitr. 13, 184 aufgestellte deutung als idg. par-udhi-s 'die
heimgeführte' definitiv abzuweisen. Und zwar nicht nur mit
Wiedemaun a. a. o. wegen des germ. h = p, sondern auch des-
halb, weil der durch das got. brupi- bezeugte germ. grammat.
w^echsel nur auf idg. t zurückführen kann.
Im Vordergrunde steht jetzt nach Wiedemanns eingehender
befürwortung die Zusammenstellung von brupi- mit lit. tnarü
'braut, junge frau, Schwiegertochter', kret. fiä^Tig 'Jungfrau'.
Aber selbst wenn man zugibt, dass der germ. anlaut hr hier
auf idg. mr zurückgehe, so stimmen die Wörter doch sonst
nicht lautlich überein. Uhlenbeck hat Beitr. 30, 272 mit recht
geäussert: 'an verwantschaft von hrn])s mit lit. marfi ist wegen
des germ. u nicht zu denken.' Und wenn Wiedemann krimgot.
mar^us^) dazu stellt, so ist dieses ja grade ein gegenbeweis
gegen die etymologie, da dadurch klar wird, dass sowol die
litauische anlautsform, wie der stamm vocal genaue germ. ent-
sprechung in marzus fanden. Hinsichtlich der bedeutung kommt
Wiedemann unter abweisung von 'integra, intacta' (= kret.
[lÜQTic. 'Jungfrau') zu dem Schlüsse, dass sowol litauisch marCi
als germ. IrücM- auf die grundlage 'mannbares weib' zurück-
zuführen sei. Für germ, hrupi müssen wir das jedenfalls
zurückweisen, da dessen absolute anwendung, ohne bezieliung
auf den verkehr mit dem manne, nur hie und da durch poetische
nietonymie begegnet.
Mir ist es nicht zweifelhaft, dass die zuerst 1838 von
L. Döderlein begründete, von AViedemann s. 205 besprochene
Zusammenstellung mit lat. Frütis die einzig haltbare coni-
bination ist. Frutis ist als ein italischer beinarae der Venus
') Wenn übrigens Wiedemann s. 206 krimgot. marzus mit 'braut'
übersetzt, so ist das ein versehen. Bei Busbeck ist vielmehr marzus
nuptiae überliefert, während darauf folgt schuos sponsa, dessen jetzt be-
liebte zurückführung auf got. sives Löwe (Die reste der Germanen s. 175)
mit recht bekämpft. Meiner raeiuuug nach hat nur die schon öfter vor-
gebrachte Vermutung etwas für sich, wonach schuos (infolge von schreib-
oder druckfehler) für sclmos stehe. Das Avürde dann nach den gesetzen
der krimgot. lautlehre (vgl. Löwe s. 136 ff.) ganz correcte entsprechuug eines
altgot. snuzö sein können, das wir oben s. 38 für das got. schon in ansprach
genommen haben. Busbecks sponsa würde dann natürlich nicht im alt-
Jateinischeu, sondern im mlat. sinne als 'neuvermählte' zu verstehen sein.
BEALT IN DEN GERM. SPRACHEN. 59
Überliefert (bei Solin): Vcni(s maicr quae Fnttis dicitur: sie
■wird daselbst als die göttiii erwäliut, welclier Aeneas in agro
Laurenti (also in Latiuni) das aus Sicilien mitgebrachte Apliro-
ditebild weilit. Die zweite nachricht stammt aus Festus bei
Taulus diac, wo Frutinal als iiinplnni Vencris Fruit genannt
Avird. Nichts spricht für eti'uskische herkunft des namens
(was man nach Otfr. Müller früher annahm), und die alte
Vermutung Scaligers, dass er aus Aphrodite umgebildet sei,
wird schon durch das lange /7 widerlegt, vgl. Walde, Lat. ety-
mol. Wörterbuch, Heidelberg 1906, s. 249. Vielmehr ist Frutis
als eine der originalitalischen göttinnen aufzufassen, mit wel-
chen die griechische Aphrodite, ebenso wie mit der römischen
Venus, nachträglich identificiert wurde. Vgl. "Wissowa, Religion
und kultus der Reimer (München 1902) s. 23G: 'Aphrodite wurde
in Korn mit Venus, bei den Oskeru mit der dort heimischen
Hcrentas, anderswo mit einer sonst verschollenen göttin Frutis
gleichgesetzt.'') Und dieses Frutis wird von Walde a.a.O.
nach dem vorgange Corssens (Aussprache 2^, 206) mit lat.
frutcx 'als bezeichnung der fruchtbarkeit' verknüpft. Dazu
stimmt auch die bezeichnung als beinarae der 'Venus mater'
bei Soliu.
Mit Frutis trifft nun buchstäblich das urgotische hrü])is
zusammen bis auf die declinationsklasse. Und auch sachlich
ist alles in Ordnung, wenn das germanische wort seiner grund-
bedeutung nach als 'die sich begattende, die befruchtete, die
fruchtbare' aufgefasst werden darf, wie sich das aus unserer
betrachtung ergeben hat. Es wird nun die weitere Vermutung
gestattet sein, dass altitalisch frutis ursprünglich ein dem germ.
hrüpi-, hrüdi- paralleles appellativum war, welches zum götter-
naraen wurde. Die grosse zahl von auffälligen Wortüberein-
stimmungen zwischen italisch und germanisch (vgl. Hirt, Zs.
fdph. 29, 289 ff.) wäre sonacli um ein schlagendes beispiel ver-
mehrt.
') Auch nach Preller, Köm. mytliologie^ 1,48-1 ff. ist Frutis eine echt
altlateini.sche göttin (vgl. noch Jordans anni. s. -iSG, 4). Es ist also schon
sachJich ungerechtfertigt, die etyinologie des Avortes anderswo, als im ita-
lischen zu suchen.
W. BRAUNE.
AGS. NEORXNA-WOm.
Es dürfte kaum einen aufmerksamen leser der ags. dich-
tungen geben, der sich nicht über die rätselhafte bezeichnung
des Paradieses {neorxna-ivons, ncrxna-icon^, neirxna-tvonj; zur
form vgl. Sievers, Ags. gramm. § 164. anm. 1) wider und immer
wider seine gedanken gemacht hätte in der stillen hoffnung,
doch einmal das tiefe dunkel sich lichten zu sehen, das, für
den etymologen wie für den mythologen gleich undurchdring-
lich, darüber ausgebreitet ist. Eätselhaft ist das wort, obwol
es Ettmüller mit vollem recht eine 'vexatissima vox' genannt
hat, im gründe bis heute geblieben und Edward Schröder, der
letzthin einen interessanten sprachlichen unterschied der beiden
Genesisdichter, des altsächsischen und des angelsächsischen, an
ihm nachwies (Zs. fda. 44, 223), durfte es trotz der aufgestellten
etymologien als 'bisher unerklärt' bezeichnen.
Das wort begegnet ziemlich häufig in der dichtung und
der geistlichen prosa der Angelsachsen, stets mit der ganz
klaren und sicheren bedeutung des biblischen paradieses, der
wohnstätte unsrer ersten eitern einerseits, der zukünftigen
Stätte unsrer ewigen Seligkeit andrerseits. Von poetischen
belegen, die ich nirgends vollständig gesammelt finde, sind
mir folgende bekannt: Gen. 171. 208. 217. 854. 889. 929. 944.
1924; Andr. 102; El 755; Heiligenkai. 151; Crist 1391. 1406;
Guthl. 799 ; Phon. 397. Einige prosabelege bringt Bosworth-
Toller, An anglos. dict. s. 715 a bei. Beide listen werden sich
sicherlich vermehren lassen.
Was für jede weitere sprachliche betrachtung als sicheres
fundament zu gelten hat, ist folgendes. Das wort ist ein nach
Grimms terminologie uneigentliches compositum, dessen erster
bestandteil nicht wie bei den eigentlichen alten composita eine
stamm- oder wurzelform, sondern eine deutliche flexionsform
AGs. neobxna-won:!;. 61
darstellt, -n-ons ist das bekannte altgerniauisclie wort für
'feld, wiese', das auch in got. ivaggs (womit Wnlfila Kor. 2, 12, 4
jTaQäduoo^ Übersetzt), aisl. vangr, as. tvang, alid. -wanga (Graff
1, 894) vorliegt, neorxna-, in seiner ursprünglichen bedeutung
von den ags. scliriftstellern wol schon nicht mehr empfunden,
ist formell ein regelmässiger schwacher gen. plur. eines sub-
stantivischen oder adjectivischen neorxa (zur flexion der ad-
jectiva vgl. auch Sievers, Ags. gramm. § 304, anm. 2). Das
brechungs-6'o weist auf westgerm. e als ursprünglichen vocal
des Wortes.
Mir sind fünf etymologien bekannt, die ich zunächst
einer kurzen kritischen besprechung unterwerfen möchte (bei
der Zusammenstellung des literarischen materials haben mich
Eduard Sievers, Ferdinand Holthausen und A. ß. Gough durch
einzelne nachweise freundlich unterstützt).
1) Die älteste deutung hat Jjje in seinem 1772 erschienenen
Dictionarium saxonico- et gotico - latiuum gegeben: 'formatum
ex ne negativo et veorc, opus, labor, i. e. laboris expers, curis
vacuus, quietus . . . neorxena-vang vel -vong, labore vacuus
Campus, elj'sium, paradisus'. Kein geringerer als Jakob Grimm
hat sich nach anfänglicher Opposition zum anwalt dieser er-
klärung gemacht. Nachdem er (Gramm. 1 2, 268, anm.) Lyes
deutung 'untreffend und ungrammatisch' gefunden und ein
nicht belegtes ags. *neorxa im sinne von 'gaudium, amoenitas'
angenommen hatte, um eine inhaltliche parallele zu Notkers
ivumiigarto, zartgarto und Otfrieds ivunnisamaz feld zu ge-
winnen, nimmt er später (ebenda 2, 207. 3,726) sie als 'ziem-
lich statthaft' hin und setzt *neorc-sa unter den s-ableitungen
im sinne von 'otium' an, ob wol es so wenig wie das voraus-
zusetzende *veorc-sa, 'labor', nachzuweisen sei. Auch in der
Mythologie (^ s. 685) hat er hieran festgehalten. Sprachlich
hat diese ableitung zweierlei gegen sich, worüber Grimm sich,
ob wol er es erkennt, doch etwas zu leicht hinweggesetzt hat:
die sonst nirgends belegte Verschmelzung der negation mit dem
stamme iveorc- und die Schwierigkeit, das s der ableitung
sprachgeschichtlich zu deuten und zu rechtfertigen. Dass ne
mit formen der häufig geljrauchten verba ivitan, wesan, willan
verschmilzt und diese dabei ihr ic verlieren, ist freilich im ags.
sehr geläufig (Sievers, Ags. gramm. § 420, 1. 427,3. 428, anm. 2):
62 LEITZMANN
docli berechtigt diese tatsaclie noch nicht ohne weiteres zur
annähme der gleichen Verschmelzung- bei jedem andern an-
lautenden tv, zumal, wie hier, bei einem nomen. Bei dem s
der ableitung' an die bildung der idg\ part. perf. act. zu denken,
von der uns isolierte reste wie got. henisjös und vielleicht as,
ecso im germ. erhalten sind, lag nahe, wenn man den mut
hatte, von dem an sich schon schwankenden boden aus eine
brücke nach einem unbekannten ufer zu schlagen: ich meiner-
seits glaube nicht, dass die deduction von Eeinius (Anglia
19, 554), der Jjjes und Grimms gebäude diesen problematischen
schlussstein eingefügt hat, die Zweifler überzeugt.
2) Ziemlich alt ist auch der versuch, unser wort mit dem
namen der nornen zusammenzubringen. Schon Grimm (Gramm.
1^, 268, anm.) erwähnt ihn ohne nennung eines gewährsmannes,
um ihn kurzerhand abzulehnen. Unter seinem Widerspruch
(Myth.4, nachtr. s. 244) ist er dann von Weinhold (Zs. fda.
6, 461) erneuert und von Grein (Sprachsch. d. ags. dichter
2, 291) in etwas modificierter form gleichfalls aufgestellt
worden. Beide gelangen zu der bedeutung 'n3nnpharum
pratum'. Ein näheres eingehen auf diese darlegungen kann
ich mir ersparen, da die art, wie Weinhold und Grein zu ihrem
resultat gelangen, bei unserer heutigen anschauung germanischer
lautgeschichte nicht mehr ernstlich discutiert werden kann.
Auch hier soll merkwürdigerweise ein unbekanntes das andere
erklären, denn der name der nornen selbst ist, wenn man von
Schades deutung (vgl. Mogk im Grundr. d. germ. phil.^S, 282;
Golther, Handb. d. germ. myth. s. 104, anm. 3; Meyer, Myth. d.
Germ. s. 251) absieht, die doch nichts als ein kümmerlicher
notbehelf sein kann, so gut wie völlig dunkel. Wenn neuer-
dings Falk (Ark. f. nord. fil. 10, 74, anm. 1) widerum zu einer
'aue der schicksalsgöttinnen' gelangt, so liegt darin eine un-
statthafte vermengung nordischer und angelsächsischer mytho-
logeme, ein methodischer fehler, den wol nichts anderes als die
Sehnsucht nach einer lösung unseres rätseis verschuldet hat.
3) Die folgende etymologie setzt widerum eine composition
mit der negativpartikel an. EttmüUer (Lex. anglos. s. 239)
denkt an eine Verbindung von ne mit einem dem got. riqizeins
entsprechenden adjectiv ags. *ricsen, aus dem durch metathesis
*ircsen, *eorcsen geworden sein soll, und kommt so zu einem
AGS. NEOEXNÄ-WONZ- 63
'hortus spleiididns'. Auch diese ableitung' hat sprachlich vieles
gegen sich: die wnrzcl von got. riqi^, die in aisl. relikr und.
dem götternamen Keijualivahanus vorliegt, fehlt dem ags.
gänzlich; ferner ist die metathesis des vorvocalischen r nur
für nachfolgendes vn oder r- Verbindungen belegt (Sievers,
Ags. granim. § 170); endlich macht die annähme einer com-
position von ne mit einem nomen von lebendigem begrifflichem
inhalt wie 'finsternis' die gleichen b(^denken rege, die auch
der ersten deutung von selten der stannnbildungslehre entgegen-
standen (vgl. hierzu J^rugmann. Kurze vergl. gramm. d. idg. spr.
§ 379).
4) Aus dem kreise des gerni. heraus tritt die erklärung
^narcissorum canipus', die bei T^^eo (x\gs. gloss. s. 491. 604) citiert
wird, deren eigentlichen Urheber icli aber, falls es nicht etwa
Leo selbst ist, nicht habe ermitteln können. ]\[it dem fremden
namen der narzisse gebildet, könnte das wort dann wol nur
als eine ursprünglich gelehrte bildung angesehen werden, mit
der man entweder direct an das gr. vdQxiooo^ oder an lat,
narcissHS vor der epoche der assibilierung des c vor palatal-
vocal (vgl. Mej^er-Lübke in Gröbers Grundr. d. rom. phil. 1-, 472)
anknüpfen müsste, also in ein ziemliches altertum, jedenfalls
vor die besiedelung Britanniens durch die Angelsachsen zurück-
zugehen genötigt wäre, was schwer glaublich ist. Leo findet
es 'schwer begreiflich, wie der gedanke eines narzissengartens
in die phantasie der deutschen Völker gekommen sein sollte':
aber durch gelehrte Vermittlung schiene eine Übertragung der
Vorliebe und bewunderung der klassischen Völker für diese
blume, gleich an Schönheit der form und färbe wie an lieb-
lichkeit und stärke des geruchs, die ihnen als toten- und
zauberblume sacrale bedeutung hatte (vgl. Wieselers anhang
zu seiner abhandlung 'Xarkissos', Göttingen 185G; Röscher,
Ausf. lex. d. gr. u. röm. myth. 3, 1, 14), nicht so unmöglich, ja
bei weitem sinnvoller und ansprechender als alle bisher er-
örterten deutungen. Sprachliche er wägungen legen' jedoch ein
entscheidendes veto ein: die ags. brechung ist sicher älter als
der ?-umlaut (Bremer, Idg. forsch. 4, 31; Bülbring, Ae. elem.
§ 130, anm. 3. 158); unser wort zeigt erstere, kann also den
fällen des letzteren nicht zugeordnet werden.
5) Die jüngste etymologie stammt von Bradley, der (The
64 LElTZMANN
academy nr, 911 vom 19. october 1889, s. 254) in ncorxna- ein
compositum *nco-rö]isna- aus got. naus und röJisns (got. also
etwa *nmvi-röhsne-) erkennen will und so zu der bedeutung-
'field of tlie palaces of tlie dead' gelangt. Den stamm des got.
Ma«5 hatte früher bereits Kluge (Zs. f. vergl. sprachf. 26, 84) in
dem anlaut des wortes finden wollen, ohne eine deutung der.
zweiten hälfte zu wagen. Bradleys deutung scheint jetzt,
wenigstens in England, für sicher zu gelten: das beweisen
z. b. die anmerkungen zu Cynewulfs Crist in den ausgaben von
Cook und Gollancz. Methodisch ist gegen diese herleitung
dasselbe wie gegen die zweite einzuwenden, dass sie ein un-
bekanntes durch ein anderes zu erklären versucht. Gesetzt
auch, dass man die composition als solche gelten Hesse und
geneigt wäre, im anlaut den rest des ausser got. naus nur im
aisl. ndr vertretenen, allen westgerm. dialekten ganz fehlenden
Stammes Hoter' zu erkennen, so steht doch got. ruhsns, mit
dem Wulfila übrigens stets av?./] übersetzt, das also gar nicht
'palace' bedeutet, als etymologisch bisher unerklärt in dunkler
isoliertheit da.
Alle diese fünf etymologien sind sprachlich unmöglich oder
mindestens unwahrscheinlich. Wenn ich es im folgenden wage,
eine neue aufzustellen, die von allen bisherige;! unabhängig
ihren eigenen weg geht, so ermutigt mich dabei vor allem der
gedanke, dass sie formell die lautgeschichtlich vorhandenen
mögiichkeiten streng respectiert und auch inhaltlich eine ge-
wisse religionsgeschichtliche Wahrscheinlichkeit für sich in
anspruch nehmen darf. Sollte sie trotzdem verworfen und
durch eine bessere und brauchbarere ersetzt werden, so werde
ich der erste sein, sie mit freuden aufzugeben.
Ich gehe von der allbekannten tatsache aus, dass das
ags. X häufig als eine metathesis eines ursprünglichen sc auf-
zufassen ist (Sievers, Ags. gramni. § 204, 3) : wie axe, fixas, dxian
= asce, fiscas, dscian sind, so nehme ich neorxna- für ursprüng-
liches *neorsciia-, was die möglichkeit gibt, in dem ausgang
des Wortes das später so productive sufflx -ishi- zu erkennen,
das in adjectivischen bilduugen ganz allgemein die Zugehörig-
keit, specieller dann die herkunft, die abstammung bezeichnet
(vgl. im allgemeinen Grimm, Gramm. 2, 276. 372; Kluge, Nora,
stammb. d. agerm. dial.*'' § 209; Wilmanns, Deutsche gramm.2
AGS. NEOBXNA-WONZ. 65
2, 470). In dem als stamm übrigbleibenden ncr- steckt meiner
ansieht nach ein nrgerm. *ncrj)-, idg. '^ncrt-, das uns auch im
namen der oJittin Ä''cr])i(s (aisl. NJQrÖr) erhalten ist. Aus "^ner])-
isJca- entstand nach den westgerm. sj^nkopierungsgesetzen, die
gerade im ags. am treuesten erkennbar sind (Streitberg, Ur-
germ. grannn. § 14t)c), zunächst ^nerjhsla-, dessen dental vor s
+ consonant lautgesetzlich schwand wie bei aisl. beiskr zu
Uta (ebenda § 129. 1). Die synkope dürfte zunächst in den
vielsilbigen formen mit längeren endungen eingetreten sein, zu
denen auch der gen. plur. unsres compositums gehört. Dann
hätten wir in dem worte eine uralte, sicher in die heidnische
Vorzeit zurückreichende bilduug, die die mythologische Vor-
stellung 'wiese der zur Nerthus gehörigen' enthielte.
Damit scheint zunächst nicht allzuviel gewonnen zu sein,
da die deutung des namens der taciteischen Nerthus selbst
umstritten ist. Ich bin mit Mogk (in Pauls Grundr. d. germ.
phil.- 3, 367) der ansieht, dass die von Noreen (Abr. d. urgerm.
lautl. s. 209) und etwa gleichzeitig von Kögel (Gesch. d. d. lit.
1,22) aufgestellte etymologie, die Nerthus mit gr. vegtsgoi,
'untere götter, götter der unterweit', zusammenstellt, den Vor-
zug vor allen andern verdient, schon allein deshalb, weil sie
am besten zu dem stimmt, was uns Tacitus, unser einziger
gewährsmann, von der göttin berichtet. Er verdeutlicht seinen
lesern die Nerthus als 'terra mater', also als eine chthonische
gottheit: passend charakterisiert sie dann schon ihr name als
'die unterirdische', eine art germanischer Persephoneia oder
Demeter. Tacitus erzählt ferner, dass der Nerthus menschen-
opfer dargebracht wurden, was auf ihre beziehung zum toten-
reich deutet. So können 'die zur Nerthus gehörigen' wol nur
die verstorbenen sein, die nach ihrem tode in ihrem unter-
irdischen i'eiche leben, und ncorxna-ivon^ ist in seiner ursprüng-
lichen bedeutung 'die wiese der unterirdischen, der
toten'. Vielleicht erblickt einer oder der andere Skeptiker
in diesen meinen darlegungen ein argument, das seinerseits
jene etymologie des namens Nerthus fester zu stützen im
Stande ist.
Es bleibt mir nun nur noch die aufgäbe, die vorausgesetzte
grundbedeutung des seltsamen wertes, 'toten wiese', mit der
factisch allein belegten, 'paradies', durch einige religions-
Ueiträge zur geschichtc der deuUchen spräche. X-XXII. 5
66 LEITZMANN, AGS. NEOEXNA-WON^.
geschiclitliche hinweise glaubhaft zu vermitteln, was keine
besonderen Schwierigkeiten macht. Schon oben wies ich
darauf hin, dass neorxna-tvons beide biblische bedeutungen
des i)aradieses, die des ortes der vergangenen und der künf-
tigen Seligkeit (vgl. Grimm, Myth.-* s. 685), in sich vereinigt,
sowol für das paradies Adams wie für den aufenthaltsort der
verstorbenen frommen gebraucht wird. Der letztere, der
gröni godes wang des Heliand, ist für die naive phantasie
identisch mit dem garten Eden der Genesis, die an den home-
rischen do(fo6eX6q Xsifiiöv erinnernde biumenwiese, an der
Blanscheflür spilt (von der nur die Selbstmörder ausgeschlossen
sind, Flore 2422), mit dem houmgarten ivolgetän unserer mhd.
Genesis. Die gläubige Sehnsucht stellt sich diesen ort der
Seligkeit an sehr verschiedenen stellen, bald im himmel, bald
an einer weit entfernten, den sterblichen unzugänglichen stelle
der erde, bald unter der erde, bald in hohlen bergen, bald im
wasser, bald im finstern waldesdunkel vor; an all diesen orten
ist das seelenreich, über das die totengöttin herscht (Mogk in
Pauls Grundr. d. germ. phil.2 3, 256; Schrader, Reallex. d. idg.
altert, s. 869). Rohdes 'Psyche' hat uns zuerst eigentlich diese
Vorstellungen verstehen und tiefer auffassen gelehrt. So hat
es auch nichts irgend verwunderliches, wenn wir einen alten
heidnisch-germanischen ausdruck für ein seelenreich unter der
erde die erinnerung an die alte erdgöttin unverstanden fort-
führen und für den begriff des christlichen paradieses eintreten
sehen.
JENA, 4. juni 1906. ALBERT LEITZMANN.
RUNENSTUDIEN.
IL')
Die jiKgerinaiiischeii ruueiigediclite.
Aus dem gerinanisclien altertum ist uns eine grössere
anzalil von 'runengedicliten' erhalten: ein angelsächsisches
(Grein -Wülker, Bibl. d. ags. poesie 1, 331; vgl. Wülker, Grund-
riss zur gesch. d. ags. lit. s. 855), ein althochdeutsches (MSD. V;
vgl. anmerkgn. s. 55), ein altnorwegisches (Wimmer, Runen-
schrift s. 275 f.) und ein isländisches (s. 282; zum text vgl.
V. Grienberger, Zs. fdph. 32, 301). Es sind mnemotechnische
absichten, die diese literaturgattung beherschen; und es ist
ganz in der Ordnung, dass sie bisher fast ausschliesslich auf
ihren Inhalt hin untersucht worden sind, nämlich auf die
frage, was sie für entstehung und entwicklung der runen lehren
(so bes. von Wimmer a. a.o. s. 180 f. 275 f.). Auf ihren etwaigen
weiteren wert glaube nur ich (Altgerm, poesie s. 2. 21 f. 517)
hingedeutet zu haben. Es verlohnt sich vielleicht doch, diese
dichtungen auch einmal auf ihre form zu prüfen. Gewis ist
ihr literarischer wert gering; obwol die anwendung herkömm-
licher poetischer mittel gelegentlich einigen schwing in diese
Abecedarii bringt, so dass etwa die ags. Ingstrophe (v. 67 f.)
einen wirklich dichterischen eindruck hinterlässt. Aber die
poetische form im eugern sinne verlohnt bei diesen lehrversen
doch keine eingehendere Würdigung; darin steht wol jedes von
diesen stücken ohne besondere eigenheit in der tradition seiner
zeit und seines ortes. Wol aber ist es die gesammtanlage,
die aufmerksamkeit fordert; den literarhistorischen zusammen-
hängen unserer vier exemplare versuchen wir nachzugehen.
>) Vgl. Beitr. 21, 162—184.
68 MEYER
Am einfachsten und zugleich am lehrreichsten steht es
um die beiden nordischen g-edichte. Wimmer bemerkt (s. 180),
dass die 'isländische runenreimerei', wie er sich verächtlich
ausdrückt, 'mit dem norweg. runeugedichte eng verwant ist,
aber in einzelnen wesentlichen punkten doch von ihm ab-
weicht' und ergänzt (s. 281) diese wörtlich widerholte beob-
achtung durch die erklärung, die einwirkung des norweg.
gedichtes auf das isländische sei unverkennbar. Von vorn-
herein nötig ist ja diese erklärung nicht: das viel Jüngere drei-
zeilige gedieht könnte mit dem zweizeiligen (das W. s. 80. 276
an den schluss des 12. oder anfang des 13. jh.'s setzt) auf die-
selbe quelle zurückgehen. Indes wird es wol mit der unmittel-
baren abhängigkeit seine richtigkeit haben. Dass aber wirk-
lich die isländische dichtung jünger ist, unterliegt trotz ihrer
altertümlicheren auffassung von dss ('Ase', gegen 'flussmündung'
in dem norweg. gedieht, vgl. Wimmer s. 197, anm.) keinem zweifei
und wird sich bald noch deutlicher herausstellen.
Für die nähere beziehung beider gedichte spricht zunächst
der umstand, dass beide die ältere anordnung m l haben (ebd.
s. 240), die sich ohne solchen anhält in der zeit der Island,
dichtung kaum noch finden würde. In der folge stimmen
beide überhaupt genau; dagegen hat isl. (wie wir der kürze
wegen das isl. gedieht bezeichnen wollen; ebenso gebrauchen
wir hier norw. ags. ahd., wo kein misverständnis entstehen
kann) statt V ^^^ jüngere zeichen / (Wimmer s. 287; vgl.
V. Grienberger, Arkiv for nord. fil. 11, 113). Das Abecedarium
nordman. hat, um dies gleich hier auszuführen, ebenfalls genau
diö gleiche anordnung, während ags. abweicht.
Wie verhalten sich nun die beiden nord. gedichte inhalt-
lich zu einander?
Sie sind ihrer anläge nach so verschieden wie ihrer metri-
schen form nach. Das gereimte norw. gedieht nennt zwar
Tj'a' und Loki, gibt sich aber sonst (str. 7. 11) nachdrück-
lich als christlich und gelehrt, dies in der art seiner citate
aus der heldensage (str. 5. 10). Die alliterierende isl. reimerei
archaisiert, spricht (str. 4) in heidnischem ton und sammelt
kenningar. Die gelehrsamkeit bringt sie nur als anhang:
jedesmal ein lat. name für die rune, und jedesmal ein mit
dem betreffenden buchstaben anlautendes zeichen für 'fürst',
RUNENSTÜDIEN. 69
SO dass Scherers satz: 'eigentlich brauchten die skalden für
jeden biichstaben ein eigenes wort' (vgl. meine Altgerm. poesie
s. 145) recht augenfällig illustriert wird. Xorw. steht innerhalb
der naiv sich entwickelnden tradition, isl. gehört den philo-
logischen Spielereien der insel an, deren epoche vielleicht die
Alvissmäl mit ihren aufgereimten kenningar eröffnen.
Diese Verschiedenheit von anläge und tendenz hätte natür-
lich das ältere gedieht schon umgestalten müssen, wenn es
nicht viel stärker noch die metrische neugestaltung getan
hätte. Der dichter half sich sehr einfach; er nahm fast
überall den anfang von norw. herüber, gleichsam als sein
thema. und fügte nun Variationen eigenen stils hinzu:
1) fe v(vldr frcenda rögc — fe er frienda rog
3) ^urs vceldr hvenna hvillu — purs er kvenna Jcvöl
6) haun er harna hplvan — kann er harna hol
7) hagall er kaldastr korna — hagall er kaldakorn
10) dr er gumna göÖe — dr er giimna goöi
12) Tyr er minendr dsa — Tyr er einhendr dss
Zuweilen versetzt er auch den alten eingang ins innere:
8) nand gcrer nceppa koste — {naiid . . ^ ok Jjungr kostr
14) maär er moldar auki — {maÖr . . .) ok moldar auki.
Selten verändert er die norw. eröffnungszeile inhaltlich:
5) reid kvosda rossom vossta — {reiö . . .) ok jörs erfidi,
dies mit Versetzung combiniert,
13) bjarkan er lanfgrönstr Uma — hjarkan er laufgat lim.
Als wesentlich verschieden bleiben also übrig 2) 4) 9) 11)
15) 16). Bei diesen sechs nicht benutzten anfangszeilen —
etwa dem dritten teil — liegen aber jedesmal bestimmte Ur-
sachen vor. Bei ür und öss sind die runennamen anders auf-
gefasst (für oss vgl. oben; 'ymher skür, skür er ür, ür er rüna-
stafr' Wimmer s. 287); ebenso steht es mit dem dritten vocali-
schen anlaut yr. Bei den andern aber spielt das klima mit'
Der Isländer hat nämlich sozusagen die ganze melodie in dur
transponiert; wo irgend möglich bringt er eis und kälte an.
Eis macht er (2j aus dem norweg. schnee (vgl. für das norweg.
renntier MüUenhoff, DA. 5, 285); von Schneegestöber lässt er (7)
den hagel umgeben sein. So fasst er denn auch das eis selbst
70 MEYER
(9) nicht als verbindende brücke, sondern als harte rinde des
gebundenen flusses, und die sonne selbst ist ihm (11) Zer-
störer der eismassen, so dass er sie nicht, wie der norweg.
dichtergenosse, im strahlenden glänz sieht, sondern von den
wölken in der faust gehalten wie ein schild. Endlich würde
auch die ab weichung in der Schilderung des wassers (15), das
der Norw. als bewegten Wasserfall, der Isländer als quelle oder
stehendes gewässer malt, klimatisch erklärt werden können,
wenn hier nicht andere beziehungen eingriffen.
Also: wo kein bestimmter grund zur Veränderung vorliegt,
behält isl. die norw. anfangszeile immer bei. Dagegen ist auch
nicht eine einzige zweite zeile benutzt! Der wolf läuft nicht
in seinem wald, und das renntier nicht auf seinem schnee;
Eegin schmiedet ihm nicht der Schwerter bestes und Frode
gebietet nicht den festesten frieden; von dem schmied oder
dem blinden mann ist so wenig die rede wie vom habicht
und nicht einmal der nackte im froste findet erwälmung.
Christus fehlt, aber Loki auch. Auch versetzt finden sich alle
diese dinge nicht, und nichts umgekehrt von der todesstunde
(9) oder dem tempelherren (12) bei dem stabreimdichter!
Das wäre nun so weit ganz einfach. Der Isländer schlägt
nach dem norweg. textbuch die tasten an und phantasiert dann
weiter. Aber diese fortführungen, in denen er von dem nicht
nzuzweifelnden vorbild ganz unabhängig ist, berühren sich den-
noch merkwürdig mit den zweiten hälften des norweg. gedichtes!
Zu diesen nämlich finden sich parallelen, freilich nicht so
nah wie zu den ersten zeilen bei dem Isländer, an sehr ehr-
würdiger stelle: in den H^vamäl!
2) opt leypr rceinn d hjarne . . . hrein i pdfjalle Hqv.
(Sijmons) 89
8) noMan hodr i froste — neiss es n0kkvi])r halr 49.
Hier, wird man sagen, sei nur einmal ein landschaftsbild,
das andere mal ein trivialer erfahrungssatz beiden stellen
gemein. Nun aber kommt die berühmte priamel Hqv. 84 f. (vgl.
jetzt über sie Eulings vortreffliches buch über diese dichtungs-
art). Da finden wir der reihe nach: den bogen (isl. 16), die bren-
nende lohe (norw. 16), den schnappenden wolf (norw. 1); dann
(nach der krähe, dem Wildschwein, dem entwurzelten bäum)
RUNENSTÜDTEN. 71
vaxanda vage, vellanda Jcatle
isl. 15 vellanda vatn oh viör Jcctill,
AVeiter den pfeil (isl. 16) — und dann andere unzuver-
lässige dinge; darunter eis (norw. und isl. 9) und schwert
(norw. 4 — 8).
Das ist für den engen räum zweier Strophen der H(>v.
viel an übereinstimmenden schlagworten — und nur auf diese,
wie wir noch sehen werden, kommt es an. Nun mag einiges
sprichwörtlich sein (vgl. Heinzel-Detter s. 117 zu 83,1—4).
Aber man betrachte sich nun einmal die zweiten hälften von
norw. näher! Zieht man die ab, zu denen wir parallelen an-
führten (1. 2. 4. 5. 8. 9) und ferner die berufungen auf altn.
sage und mythologie (5. 10. 13) oder christliches bekenntnis
(7. 11), so bleiben verzweifelt armselige Sätze übrig. 'Nur
selten macht unglück jemanden frohl' (3). Nun — Geliert
macht ja aucli in der 'Sclnvedischen gräfin' (Werke 4, 310)
die tiefsinnige bemerkung: 'Es ist wol wahr, dass das unglück
an und für sich nichts angenehmes ist; allein es ist es doch
in der folge und in dem zusammenhange.' Gut; aber 'unglück
macht den mann bleich' (6); 'den blinden muss man führen'
(9); 'oft hat der schmied zu blasen' (12); 'gold sind kleinode'
(15)... Entschuldigt die reinmot solche banalitäten? Ich
glaube nicht. Vielmehr denke ich: der Norweger fand eine
reihe von guten versen vor, gerade wie der Isländer auch.
Aber dieser wusste sich zu helfen: er dichtete ganz gewandt
kenningar hinzu,, nötigenfalls den Norweger plündernd. Der
aber war ein stümper: wo er nicht in einen bereit liegenden
Vorrat von überlieferten schlagworten greifen konnte, fielen
ihm nur die selbstverständlichsten dinge ein.
Damit, denke ich, wären wir ein gut stück weiter. "Wir
hätten festgestellt:
1) dem Norweger lag bereits eine feste reihe von runen-
versen vor: je ein stabreimender vers auf 16 runennamen, .
2) er und der Isländer berührten sich irgendwie sei es
mit den H^v., sei es mit versen, die diese voraussetzen.
Die abhängigkeit des isl. von dem norw. gedieht wird da-
durch nicht erschüttert: die Übereinstimmungen und mehr noch
die einheitliche art der änderungen lässt uns daran festhalten,
72 MEYER
dass wirklich gerade dies uns vorliegende ältere gedieht und
nicht bloss seine quelle von dem jüngeren benutzt wurde. Aber
diese quelle mag nebenher von isl. ausgebeutet sein.
Was für eine quelle war es, aus der beide gedichte und
vielleicht ausserdem der compilator der Hqv. oder seine quellen
sich bereichert haben?
Wir erinnern uns, dass in einem fall eine analoge benutzung
älterer verse in den Hqv. bereits aufgedeckt ist. Allerdings
ist der nachweis, den ich vor bald zwanzig jähren geliefert
zu haben glaube, nirgends beachtet worden: die Ungunst, unter
der meine 'Altgermanische poesie' zunächst bei einem sehr
einflussreichen kritiker und infolge dessen dann auch bei dem
gelehrten publikum zu leiden hatte, liess auch das, was von
Wilmanns vorwürfen gar nicht berührt wurde, vernachlässigen.
Aber trotzdem ich die frage seitdem widerholt, allein und auch
in Übungen, durchgeprüft habe, vermag ich die genaue Über-
einstimmung von altn. Hov. 76. 77 (Sijmons) mit ags. Wanderer
108. 109 auch heute noch nicht als zufällig anzusehen:
deyr fe, deyja frcendr, deyr sjdlfr it sama —
her hiÖ feoh Icene, her Mö freond Icene
her hid mon Icene, her hidmccg Icene (vgl. Altg. poesie s. 321).
Identisch sind 1) das paar fe und frcendr, 2) der sinn des
ganzen Spruches. Variiert ist sjdlfr in die alliterierende auf-
lösung 7non + mceg, was sich aus dem verschiedenen metrischen
bau (gerade wie gewisse änderungen von isl. gegenüber norw.)
fast unvermeidlich ergab. Die einfachste und, wie mir scheint,
die einzig mögliche erklärung bleibt danach die annähme, dass als
gemeinsame quelle ein anaphorischer dreizeiler von gnomischem
Charakter vorlag; denn die ganz isoliert dastehende benutzung
eines altn. gedichtes durch den Engländer anzunehmen würde
grosse Schwierigkeiten machen. Wenn ich (a. a. o. s. 322) hinzu-
setzte, diesem dreizeiler hätten verschiedene variierende zweite
hälften angebaut werden können, um ihn verschiedenen fällen
anzupassen, so ist diese durch die parallelstellen des Hqv, ge-
gebene Vermutung jetzt durch das Verhältnis des isl. zum norw.
runengedicht völlig festgestellt und die analogie mit Useners
Paroimiacus (Altgriech. versbau s. 53) und Reitzensteins Sko-
lion kann jeden weiteren zweifei beheben. Wir werden nun auch
RUNENSTUDIEN. 73
kaum noch mit Müllenhoff (D. alt. 5, 280) in der den Hakonarmäl
angehängten visa eine einscliränkende anwendung des Edda-
spruches sehen dürfen; vielmehr liegt auch hier nur eine andere
variierende weiterführung vor, die mit ihrem wortpaar 'land und
lehn" dem ags. 'mann und mitgesippter' genau entspricht. Die
chronologische Verwertung des vermeintlichen citats wird deshalb
aufgegeben werden müssen. Ja der kern des Spruches scheint
noch 800 jähre später gelebt zu haben, und trieb da noch
vielleicht frische sprossen. Sophie von la Koche, Wielands
einstige geliebte und Bettinens schreibselige grossmutter, lernte
in England einen gelehrten jungen Isländer kennen, 'mitten
in der fi-eude, eine art von Stammbaum aus den zeiten der
altdänischen könige zu entziffern. — Mich interessierte es un-
gemein, jemand aus dieser gegend kennen zu lernen, und die
Überzeugung zu haben, dass der angeborene geist bei feuer-
bergen, bei eis und wasser aufwächst und seinen flug nimmt.
Ich bat den äusserst gefälligen mann um seinen namen und
einige worte in seiner muttersprache. Er war gleich bereit
und schrieb:
Detjr englisch Dies — Es sterben
folk — human hind — die menschen,
deyr — dies — es sterben
viner — friends — unsere freunde;
enn — hut — aber
mannord — fame — der rühm
goatt — god — gott
livir — lives — leben
altid — ever — immer.
Grim Jonson Thorkeim.'
(Sophie V. la Roche, Mein Schreibtisch, Leipzig 1795; bd.2, 133).
Diese hübsche Busbecquiade des jungen Isländers kann
nicht einfach ein ungenaues citat von Hov. 76 sein; und die
ersetzung des veralteten fe durch foIJc und fracndr durch viner
wie die aufnähme von gott (wenn hier nicht irgend welche
confusion mit gops vgl. H^v. 77 vorliegt!) machen ein fortleben
des alten satzes wahrscheinlich, der sich fast ein Jahrtausend
lang immer neuen sprach- und denkformen angepasst hatte.
Aber freilich wäre dabei schliesslich, wie es wol so geht,
74 MEYER
gerade der kern des kerns verloren gegangen. Denn wenn
or])stirr oder dömr durch mannord verdrängt wird (so schon
bei S. G. Jonsson vgl. Heinzel-Detter 2, 112), so betrifft das ein
beiwerk; aber mit dem wort fe geht wahrscheinlich die wurzel
der ganzen 'isländischen moralischen sentenz' (wie die ebenso mo-
ralische als sentenziöse frau v.Laroche sich ausdrückt) verloren.
Dass die altn. fassung älter ist als die ags. macht schon
der kräftige altertümliche ton wahrscheinlich; das ags. Wort-
paar lässt sich leicht als auflösung eines einfachen ausdrucks
erklären, während das umgekehrte kaum angeht. Auch scheint
im 'Wanderer' die epiphora an den einfiuss des endreims zu
erinnern. Bei der von mir nachgewiesenen grossen häufigkeit
der anaphorischen dreizeiler vorzugsweise gnomischen Inhalts
nicht nur in der altn., sondern in aller altgerm. dichtung
(a. a.o. s. 315 f.) wird man unbedenklich behaupten dürfen: der
dichter des 'Wanderer' kannte eine solche halbstrophe, die
mit der ersten hälfte von llqv. IQ. 77 so gut wie identisch
war. Ist doch eine solche sticliische Umformung eines alten
dreizeilers im ags. auch sonst wahrscheinlich (a. a. o. s. 319).
Immerhin sagen wir nur: die vorschwebende halbstrophe
sei mit der doppelt überlieferten altn. 'so gut wie identisch'
gewesen. Denn so kräftig der ausdruck in den beiden ersten
halbversen ist, so blass und abstract ist das sjdlfr des dritten.
Hier könnte das ags. — in Umformung! — älteres gut wahren:
auf fe und fraendr folgte vielleicht ursprünglich maör. Dahin
deutet das spätere isl. mannord.
Dafür spricht nun aber noch anderes. Vergleichen wir
mit dem ags. Spruch von der Vergänglichkeit aller dinge im
'Wanderer' diejenigen teile des ags. runenliedes, die mit ihm
die stich Worte teilen, so finden wir sie auch inhaltlich sehr
feoh hyP frofur fira gehwylcum;
sceal dedh manna gehivylc miclun hyt daelan,
gif he wile for drihtne domes hleotan
man hyp on myrgpe Ms magan leof:
sceal peak anra gehivylc oörum sivican,
foröani dryhten ivyle dorne sine
Paet earme flcesc eorpan hetcecan.
(Grein -Wülker I 331, 1 f. 59 f.)
RUNENSTUDIEN. 75
Ich lege natürlich kein gewicht auf das geJuvylc, mit dem
der ags. pedant sich auch sonst (z. b. bei Jiorn) behilft. Aber
das ist doch merkwürdig, dass der begleitspruch der 7M-rune
die unzuverlässigkeit der freunde (freilich in der moralisieren-
den art der Angelsachsen sie vom hygienischen auf den etlii-
schen Standpunkt übertragend!) mit dem urgerm. Spruch teilt,
der mit dem ersten runennamen anhebt! Und die letzten
Worte des ganzen gedichtes kehren mit ihrem ucra (jesivicaj)
zu dem saal J)eaJi unra (jekicilc od nun sivican zurück. —
Ferner aber treffen wir bei ags. man wider als echowort und
reim macg, wie in dem verspaar des ''A\'anderers'.
Gewis hat die inhaltliche Übereinstimmung an sich nichts
auffallendes. Dass dem menschen nichts treu bleibt als sein
moralisches verdienst lehrt auch die alte indische und christ-
liche fabel von den ungetreuen freunden, die z. b. Herder er-
neuert hat und die noch bei Schiller nachklingt:
Poch ach! schon in des weges mitte
Verloren die begleiter sich . . .
Aber bei dem Runenlied wird diese Übereinstimmung durch
die des wortgebrauchs gestützt. Die ags. stellen: Wanderer
V. 108. 109 und Eunenlied v. 59 f. teilen das entscheidende Wort-
paar und den gleichen sinn: an diesen verbau hat Wand. 61 f.
dann wider, ganz wie die norw. runendichtung, eine christliche
moralisation gehäugt.
Wir gehen wider zu der Edda zurück und finden Hqv. 69
die gleiche klimax wie in den beiden /e-strophen und mit dem
gleichen Schlagwort:
Esat ma])r alz vesall, ])ot se illa heul:
siimr es af simom smll,
sumr af frcendoni, sumr af fe erno
sumr af verhorn vel.
Die zweite hälfte entspricht der ersten von Höv. 76. 77:
freunde und vermögen und gar eigene leistungeri sind das
höchste glück; aber die Umstellung, die einmal das wort fe
mit einem begleitwort auszustatten zwingt und dadurch die
entsprechung stört, lässt an der ursprünglichkeit der anord-
nung in den /e-strophen nicht zweifeln.
Wir blicken zurück, ^^'ir finden: ein fester alter drei-
76 MEYER
zeiler liegt vor imsern altn. und ags. resten. Er lautete etwa :
'die habe bleibt nicht, die freunde bleiben nicht, der mensch
selbst bleibt nicht,' Diese halbstrophe ist Hov. 76. 77 mit ge-
ringer änderiing bewahrt, Wand. 108. 109 in einen Vierzeiler
umgedichtet, wobei das schon in der nähe liegende w^ortpaar
ma7i -{- mceg benutzt wurde; sie ist Hqv. 69 als zweite hälfte
auf eine andere erste liälfte gesetzt worden, wobei der ganze
Inhalt der ausgeführten Strophen Hov. 76. 77 hineingepresst
wurde; sie hat endlich auch dem dichter des runenliedes wahr-
scheinlich vorgeschwebt, als er zu ma7i, vielleicht auch als er
zu feoh begleitverse zu dichten hatte.
Das ags. runenlied ist nun aber sonst formell und inhalt-
lich von den beiden nord. ganz unabhängig; nur gerade mit
beider /cf-strophen zeigt es leise inhaltliche berührungen, mehr
noch bei seinem m als bei seinem f; doch legen wir hierauf
kein gewicht. Wol aber glauben wir jetzt so weit zu sein,
dass wir zur beantwortung jener frage schreiben können: 'was
für eine quelle war es, aus der beide nord. gedichte und viel-
leicht ausserdem der compilator der Hov. oder seine quellen
sich bereichert haben?' Wir antworten: ein urgerm. runen-
gedicht, das auf jeden runennamen einen dreizeiler (oder viel-
leicht auch nur ein reimpaar) setzte.
Dies altgerm. runengedicht scheint uns benutzt
1) unmittelbar in den /e'-strophen der Hqv. und den man-
versen des ags. runenliedes,
2) mittelbar an andern stellen der Hqv.;
es scheint uns nachgebildet
1) in den ersten halbversen des norw. und danach
2) in denen des isl. reimgedichts (hier mit Versetzungen).
Wo soll es in den Hov. noch benutzt sein? Zunächst,
wie wir sahen, in der umkehr Hc^v. 69. Ferner in der häufung
Hqv. 69. Hier treffen wir fast lauter variierte runennamen:
die 'brennende lohe' (Gering, Edda s. 97) entspricht kann, der
pfeil und das eis sind runennamen; der bäum variiert hjarlcan,
die woge logr, das schwert (die waffe des nahkampfs, nauä,
wie der speer die des fernkampfs, hagall) gehört zu naM.
Und so erklären sich denn die oben nachgewiesenen be-
ziehungen so wol des norw. als des isl. runengedichtes: beide
RTJNENSTÜDIEN, 77
haben unabhängig' von einander aus einem alten gedieht ge-
schöpft, das zu ' Wasser' die woge und den kessel nannte, wie
zu 'besitz' fe und frcendr, wie zu 'mann' den gesippten. Ausser-
dem aber hat die walirscheinlicli selbst uralte priamel von
der rechten zeit zum loben (irov. 80) — uralt, wenn ich sie
auch nach Euling nicht mehr für urgerm. halten darf — einem
dichterling zum Vorbild gedient, der nach ihrem muster eine
anzahl unzuverlässiger oder gefährlicher dinge zusammentrug
(vgl. Miilleuhoff a.a.O. s. 262), zum teil mit benutzung einer
Variante jener priamel (darauf weist die widerkehr von schwert,
eis und braut), zum teil mit ausbeutung des alten raisonnieren-
den runenkatalogs. Denn dass dieser vielfach vor gefährlichen
oder unzuverlässigen dingen warnte, zeigen noch seine Über-
reste bei f und m, zeigt die fortdauer dieser tradition in der
ags. runen-moralisation.
Aber hiermit sind, glaube ich, die spuren des alten Abe-
cedarius in der grossen eddischen spruchsammlung noch nicht
erschöpft.
Durchweg charakterisieren sich die runen-gnomen dadurch,
dass als erster stab der runenname sie eröffnet, ein tj^pisch
damit verbundenes wort darauf reimt, und der Inhalt senten-
ziös ist, meist in gestalt einer Warnung — ganz wie etwa bei
den sehr vergleichbaren stundenrufen der christlichen nacht-
wächter:
Nur elf jünger blieben treu,
Gieb, dass je kein abfall sei.
Zwölf uhr ist das ziel der zeit:
Mensch bedenk die ewigkeit.
Eins ist not, o treuer gott,
Gieb uns einen seligen tod.
u. s. w.
(J. Wichner, Stuudenrufe u. lieder d. deutschen nachtwächter s. 34 f.)
Analogien in der gestalt des 'Goldenen ABC fehlen erst
recht nicht.
In den H()v. beginnen nun die Strophen durchaus nicht
besonders häufig mit Substantiven. Nimmt man zum vergleich
etwa die Vaf., so findet man in ihnen unter 55 Strophen 2 mit
appellativen, 10 mit eigennamen, 8 mit substantivierten adjectivi-
schen neutris eröffnet, im ganzen also 20 substantivisch an-
78 MEYER
fangend (18 mit verbalformen, 10 mit adjectiven, 12 mit Par-
tikeln). Oder in prymskv. fangen von 31 Strophen (bei einer fehlt
der anfang) nur eine mit einem pronomen und eine mit einem
substantivierten adjectiv an, keine mit einem eigennamen
(2 mit adjectiven, 16 mit verbalformen, nicht weniger als 11
mit Partikeln). Man wird also sagen dürfen, dass die sub-
stantivische Stropheneröffnung eine ausnähme ist: selbst die
frage- und antwortstrophen der Vaf. bringen noch nicht die
hälfte aller visur in diese form, appellativische anfange aber
sind überraschend selten. Wo sie nun in den H(}v. begegnen,
treten sie auffallenderweise zumeist in gruppen auf, und oben-
drein sind diese gruppen oft durch parallelverse verbunden:
H(^v. 3 — 5 elds — vats — vits es j)Qrf
„ 10. 11 hyr^e betre herrat ma])r hrauto at,
„ 36. 37 hü es hetra, J)öt lüet se
„ 38. 41 vQpnom —
„ 42. 43 vin sinom.
Anders steht es innerhalb der 70 Strophen der alten
Spruchsammlung nur mit str. 32. 50 und 72. Denn str. 68
Eldr es haztr . . . gehört wol zu den seligpreisungen 36. 37 als
Superlativ: ausserdem aber steht das Stichwort wol zu dem
von 51 und wahrscheinlich auch von 57 {elde heitare — hrandr
af hrande) in beziehung. Vor allem aber: diese drei Strophen
(51. 57. 68) beginnen mit dem variierten runennamen kaun;
ebenso die letzte ausnähme, str. 39, mit dem runennamen fei
Mit verschwindenden ausnahmen (str. 32. 50. 72) beginnen also
substantivisch nur solche Strophen, die parallelen neben sich
haben, oft (wie besonders str. 36. 37) eigentliche Variationen.
Ganz ähnlich steht es aber auch in solchen fällen, wo ein
substantivisches Stichwort an zweiter stelle steht, aber mit
dem reim. Das gilt vor allem für die Strophen, von denen
wir ausgiengen: dei/r fe str. 76. 77; aber auch für die vielen
Strophen, die das freilich naheliegende appellativum malw regiert:
ösnjallr mapr str. 16,
ösnotr maj>r str. 24 — 27 (79); vgl. mePalsnotr sJcyle manna
Jiverr str. 54 — 56,
vesall mapr str. 22; vgl. str. 69,
Variante: gr^pogr halr str. 20.
RUNENSTÜDIEN. 79
Ich glaube: der typus hü es hetra ist unmittelbar von
runenbegleitversen abhängig- und die Strophen mit mapr, fe,
eldr gehen mittelbar oder unmittelbar auf solche alte Sprüche
zurück. Wo dagegen nur im inhalt, nicht im aufbau zu runen-
namen wie gäbe und wahn (str. 40) oder see (str. 53) und viel-
leicht dem problematischen ags. j)cord (str. 32) beziehungen
vorhanden sind, scheint mir ein genealogischer Zusammenhang
unwahrscheinlich. Immerhin ist an die ähnlichkeit von H()v.
49 mit norw. 8 nochmals zu erinnern.
Aber über den norden reichen die spuren des altgerm.
stabreimenden runenkatalogs mit seinen variierten nachsätzen
nur selten heraus: mehr als die Überbleibsel im 'Wanderer'
und in zwei stellen des ags. runenliedes wage ich nicht zu
behaupten. Das ags. gedieht ist beinahe, das ahd. ganz un-
abhängig von der in norw. und isl. nachwirkenden tradition.
Schon der bau des ags. gedichts ist ja charakteristisch
verschieden. Die beiden nordischen, so sehr sie im aufbau
sonst abweichen, teilen das wesentlichste: die Isolierung der
runen; ags. und ahd. ist sie aufgehoben. Nicht einmal die
dreizahl der verse — die allerdings vorherseht — ist durch-
geführt: vierzeilig sind eoJh, eh, man, Ickju, Jng, ac\ die schluss-
rune ear hat sogar fünf, luEgl dagegen nur zwei zeilen.
Dazu kommt dann die grosse zahl der neuen zeichen oder
bedeutungen {porn gegen purs, os; doch vgl. v. Grienberger,
Arkiv 11, 112). Culturhistorische Verschiebungen kommen dazu:
die rune des reitens betrachten die nordleute mitleidig vom
Standpunkt des bedrückten rosses — der Engländer mit fröh-
lichem hochgefühl von dem des Sportsmannes (doch steht hier
der Isländer schon vermittelnd zwischen den beiden). Noch
merkwürdiger ist das naturgefühl, das die von eis glänzende
landschaft bewundert, statt nur über frost und gefahr zu
klagen, oder in der Schilderung der von dem Isländer nüchtern-
praktisch betrachteten birke; beim w^asser steht w'ider gerade,
dieser dem andern inselbe wohner näher als dem söhn des nor-
dischen contineuts. Im ganzen aber kann ags. als bew'eis
dafür dienen, dass die Übereinstimmungen zwischen norw. und
isl. nicht zufällig sind: wie wären sie sonst in dem ags. gedieht
so ganz vermieden, dass (ausser bei den besprochenen zeilen)
80 MEYER
nur etwa noch das wort 'körn' bei 'hagel' einen leisen anklang
liefert?
Wir dürfen also zuversichtlich urteilen: das ags. runen-
lied (vgl. auch Wimmer s. 83) steht zu dem von uns voraus-
gesetzten altgerm. runenkatalog in sehr geringen, zu den uns
erhaltenen nord. runengedichten in gar keinen beziehungen.
Dagegen vertritt es immer noch dieselbe tradition wie sie
alle: moralisierende, im ausdruck typische Sprüche werden an
den runennamen gehängt; ja es hat diese tradition treuer ge-
wahrt als isl., das vielfach zu einer blossen auf Zählung von
heiti und kenningar entartet ist.
Das Abecedarium nordmannicum endlich steht ganz ausser-
halb dieser tradition. Ihm fehlt die Isolierung der runen völlig:
hat in ags. noch jede ihre eigene ' Strophe', so sind hier zwei
oder drei in einen vers gedrückt. Ihr fehlt der sentenziöse,
wie überhaupt jeder Inhalt: es ist lediglich ein alliterierender
denkvers ziemlich roher art. Man schreibt die aufzeichnung
einem Angelsachsen zu (MSD. Anm. s. 56) besonders der ags.
form rät wegen (doch vgl. v. Grienberger, Arkiv for nord. fil.
11,168); andere formen aber zeugen für unmittelbare Über-
lieferung aus dem norden, und die anordnung braucht ebenfalls
nicht von dem altenglischen fuj^ark abzuhängen (^^lmmer
s. 236). Die nüchterne sachliche art spricht nicht für einen
Angelsachsen; sollte nicht einfach ein Niedersachse die nordi-
schen runen in einen denkvers gebracht haben, wie der Isländer
(v. Grienberger a.a.O. 11,104) sie notierte? So erklärte sich
auch am einfachsten, dass ahd. von der tradition der alten
runengedichte so völlig unberührt ist.
Wir glauben damit unsere aufgäbe, das literarhistorische
Verhältnis der alten runengedichte festzustellen, gelöst zu haben.
Aber es entsteht noch eine weitere fi-age. Was ergibt sich
hieraus für alter und geschichte der runennamen?
Dass die germ. runennamen den runen von anfang an
angehört haben, nahm Wimmer (s. 71. 271, bes. s. 140) als
bewiesen an. Mit recht fand aber v. Friesen in seiner wich-
tigen fortführung der Untersuchungen über die runenschrift
(Eunskriftens härkomst s. 15 f.) die frage einer neuen prüfung
bedürftig. Denn zunächst steht nur dies fest, dass die runen-
namen älter sind als die altn. und ags. Sonderentwicklung des
RUNENSTUDIEN. 81
fu]?arks: die Übereinstimmung- liegt klar zu tage, die ab-
weicluingen lassen sich durchweg phonetisch begründen. Aber
die gotischen namen, für die allerdings das gleiche gilt, können
später zu den got. zeichen hinzugefügt sein; der cod. Salisb.
selbst gehört ja erst der zweiten liälfte des 8. jh.'s (a. a. o.)
an. — Indes erklärt sich v. Friesen selbst schliesslich dafür,
dass die runen bereits in Osteuropa 'akrophone' namen — und
dann doch jedenfalls im wesentlichen die jetzt überlieferten
trugen. Hierfür macht er auch (s. 117) die ähnlichkeit der
slavischen buchstabennamen geltend, auf die mit gewohntem
Scharfsinn bereits J. Grimm (zu W.Grimms Literatur der runen:
in dessen Ivleinen Schriften 3, 129) hingewiesen hatte. Die
Slaven hätten dann wol die bezeichnungen von den Goten
entlehnt (v. Friesen s. 17).
Nun ist zunächst an der Selbständigkeit der germ. namen
schwerlich zu zweifeln: ihr princip weicht (wie auch v. Friesen
a.a.O. betont.) völlig von dem nüchtern lautierenden oder halb-
lautierenden der Griechen und der Lateiner ab, über das jetzt
W. Schulze (Die lat. buchstabennamen, Sitzungs-ber. der pr. akad.
d. wiss., 28. april 1904) mit unerschöpflicher gelehrsamkeit und
unbeirrbarer klarheit gehandelt hat. Diese Selbständigkeit be-
ruht aber auf der Verbindung des runennameus mit einem
begriff. Es ist schwer denkbar, dass diese art der namen-
gebung späterer zeit gehören könnte. Als die Semiten ihren
ersten buchstaben 'das haus' nannten, stand ihnen eine alte
ideographische bedeutung gewis noch vor äugen, die kein
Grieche mit dem sinnlosen 'alpha' verbinden konnte. So be-
zeugen meiner ansieht nach auch die runenworte der Germanen
eine ältere begriff sschrift (vgl. meine 'Urgermanischen runen',
Beitr. 21, 179); diese aber kann nur dann noch nachgewirkt
haben, als das neue runenalphabet ganz frisch w^ar. Ein spä-
teres zurückgreifen — und nun gar noch in übereinstimmender
weise bei Skandinaviern und Angelsachsen! — scheint mir
undenkbar.
Nicht durchaus notwendig, aber mit grosser Wahrschein-
lichkeit verbindet sich mit dieser annähme die von der bild-
lichen bedeutung der altgerm. runen; eine annähme, vor der
Wimmer (s. 143) vielleicht doch mit zu grosser entschiedenheit
gewarnt hat. Uebrigens verträgt diese hypothese sich eben-
BcitrUge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. 0
82 MEYER
sowol mit Wimmers und anderer ablelinung urgermanischer
runen, d. li. solcher runen, die bei den Germanen vor einführung
des antikisierenden, lat. oder griech. Vorbildern nachgebildeten
alphabets in gebrauch gewesen wären — , als auch mit dem
glauben an diese 'urrunen'. Denn auch der buchstabe, der
aus rein technischen gründen bei der nachbildung irgend eine
bestimmte form angenommen hatte, konnte nun ideographisch
gedeutet werden, wenn nur eben an alte Ideogramme (die
keine runen gewesen zu sein brauchen) irgend welche erinne-
rung ^noch lebte. Weshalb sollte f; nicht als 'stierkopf mit
hörnern' gedeutet werden? Eine bezugnahme auf die form des
Zeichens liegt doch, wie schon die Semiten beweisen, so nahe!
Wie gern machen noch heute lehrer von solchen mnemotech-
nischen hilfsmitteln gebrauch und erklären etwa die Zahlzeichen
als mann mit pfeife im mund, schwimmende ente u.s.w. (vgl.
meinen aufsatz 'Literarische ziffernspiele' in den Treussischen
Jahrbüchern').
Dass mindestens die Vorstellung, zwischen dem bild und
dem namen der rune hersche eine beziehung, verbreitet war,
das macht eine letzte Vermutung, die ich mit aller vorsieht
anbringen möchte, wahrscheinlich und gibt man sie zu, so ist
die gleichaltrigkeit der runennamen mit dem altgerm. runen-
alphabet vollends mit Sicherheit erwiesen.
W.Schulze hat (a.a.O. s. 6f.) das alphabetische stück aus
dem Technopägnion des Ausonius für seine forschungen ver-
wertet. Es sind hexameter, die auf die sich folgenden buch-
staben ausgehen, wofür zwar (wie in den nordischen runen-
gedichten) nur das zeichen gesetzt ist. Oefters bezieht sich
(s. 8) der vers auf die gestalt des buchstabens, z.b. für // und ^:
Hostilis quae forma iugi est, liae efficiet 11
Maeandrum flexusque vagos imitata vagor ^.
Das stück de litteris monosyllabis gehört erst der zweiten
ausgäbe von 390 (s. 14) an und fällt in eine zeit, in der gerade
(nach Schulzes nachweis) eine neuerung in den lat. buchstaben-
namen sich vollzog: das 'lautieren', das vocallose vortragen
der consonantengeräusche ward durch das 'buchstabieren', die
'vollen Silbenklänge' ersetzt (s. 14 f.) — genau die umkehr
einer Umwälzung, die in Tiecks und Immermanns Satiren ihr
RUNENSTÜDIEN. 83
echo fand. Das gedieht selbst, inertis otii mei inutile opus-
culum, scheint isoliert dazustehen; denn die nicht seltenen
'alphabetischen gedichte' des Augustinus (Ebert, Gesch. d.
christl.-lat. lit. 1, 242), Sedulius (ebda. s. 364) und vieler anderer
sind ja doch nur akrosticha einer bestimmten art, keine buch-
stabengedichte. Deshalb liaben sie auch den buchstaben am
anfang, nicht. Avie Ausonius, an der höchstbetonten schluss-
stelle. Gerade aber dass er sie am ende des verses hat, lässt
sein gedieht mit den germ. runenliederu vergleichen, die den
buchstaben (wenn möglich) am anfang zeigen: das ist eben in
der alliterationsdichtung die wichtigste tonstelle. Fernere
ähnlichkeiten bieten die bezugnahme auf die form des buch-
stabens, die wir wenigstens für |5 und andere runen voraus-
setzen, und der ganze versuch, einen buchstabenkatalog mit
poetischem leben zu erfüllen. — Wäre es undenkbar, dass der
consular ein germanisches runengedicht zum vorbild genommen
hätte? Liebte es doch die lat. poesie jener zeit, mit der ein-
heimischen ein wenig zu kokettieren; Venantius Fortunatus
spielt auf die leudos an und der Graeculus in der taverne
stopft sein distichon gar mit gotischen prostrufen. Soll doch
sogar schon Ovid in der spräche der Geten — die denn frei-
lich auch J. Grimm nicht zu Goten machen konnte! — ge-
dichtet haben. Nun war das germ. runenalphabet noch eine
neue erfindung: um 300 setzt es Wimmer (s. 176) an, 310 ist
Ausonius geboren; in den Rheingegenden, in die man den Ur-
sprung des ful^arks setzt, musste damals für jene neuerung
der barbaren noch Interesse herschen. (Die durch Salins
grosses werk über die altgerm. tierornameutik s. 146. 353 in
neuen fluss gebrachte frage nach den verbreitungswegen der
runenschrift, vgl. z. b. Kauffmann, Zs. fdph. 37, 271, hat mit
dieser hypothese nichts zu tun, da sie ja das urspruugsgebiet
des ful^arks nicht berührt.)
Ein römischer dichter wäre dann der letzte und sicherste
zeuge dafür, dass es runengedichte schon zur zeit des Ursprungs
der runenschrift gab; und da durch ihn auch wahrscheinlich
würde, dass diese altgerm. runenkataloge auf die bilder bezug
nahmen, würde die Identität derselben mit den uns erhaltenen
Verzeichnissen von runennamen noch vollends sichergestellt.
Denn die reste, die am treuesten bewahrt scheinen, sind nun
6*
84 MEYER, EUNENSTÜDIEN.
einmal die am leiclitesten zu deutenden bilder: f; der stier-
kopf, M der mann mit seinem gesippten mit verschlungenen
händen. Da aber für das Schlagwort (wie noch in norw^ isl.
ags., und ebenso bei Ausonius!) nur das zeichen stand, konnte
es auch anders gedeutet werden und so mag hü Hov. 36. 37
leicht einer andern Interpretation von ^ seinen Ursprung ver-
danken.
Das aber sind Vermutungen, von nicht geringer Wahr-
scheinlichkeit vielleicht, aber doch Vermutungen; dass aber
die einführung der altgerm. runenschrift unmittelbar zu ge-
reimten runenverzeichnissen führte, die von den runennamen
ausgiengen und gnomischen Inhalts waren, sowie dass uns
daraus die erste und bezeichnendste zeile bewahrt ist, das
hoffen wir erwiesen zu haben.
BEELIN, 29. dez. 1905. RICHARD M. MEYER.
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS.
1. Zur Karlüberlieferiiiifi:.
Seit dem erscheinen meiner 'Gescliiclite der hs.-licben Über-
lieferung von Strickers Karl dem grossen'') sind zwei weitere
hss. des Karl zum vorscliein gekommen. Von beiden gab es
nachricliten, aber beide galten entweder für verschollen, oder
wenigstens die eine von ihnen glaubte ich § 15 mit dem Cgm.
438 (H) identificieren zu können.
Von der Hamburger lis., die ich im folgenden mit Y be-
zeichne (vgl. Bartsch, Einl. s. xli) erhielt ich zuerst durch Fritz
Burg nachricht, dass sie noch vorhanden sei. Sie enthält auch
Wolframs ^Mllehalm und bekanntlich galt sie seit Lachmanns
vorrede zu Wolfram von Eschenbach s. xxxiv für unauffindbar.
Selbst in der 5. aufläge der Lachmannschen ausgäbe ist diese
notiz unverändert zu lesen. Dies veranlasste mich, der hs.
keine erwähnung zu tun.
Die zweite wider entdeckte hs. ist die ehemalige Duis-
burger hs., die ich zuerst in E. J. Kochs Compendium der
deutschen literaturgesch. 1 2, 103 erwähnt fand (vgl. hÜ. § 4).
Sie liegt jetzt in Bonn und ist vor kurzem von K. Drescher
in der Zs. fdph. 38, 367 f. ausführlich, aber teilweise verkehrt
beschrieben w^orden.2) Dass wir es wirklich mit der Duis-
burger hs. zu tun haben, ist dadurch bewiesen, dass auf dem
schnitt oben und unten je zweimal Äcad. Duish. eingebrannt
ist. Ich bezeichne die hs. mit der sigle X.
*) Im folgenden ht\ abgekürzt.
^) Mit recht hat Drescher s. 369, anm. 1 auf eine s. 92 mir unter-
gelaufene Verwirrung aufmerksam gemacht. Z. 5 von oben des § 97 ist in
§§ 84 und 91 zu verbessern und z. 8 von oben in §§ 83 und 90.
86 WILHELM
Weiterhin sind noch zwei Karlbruchstücke hinzugekommen.
Das Molsberger o erwähnte ich noch kurz in den 'Berich-
tigungen und nachtragen' (hÜ. s. 289); leider ist aber die hs.
nach mitteilung der gräflich von Walderdorffschen fideicommiss-
verwaltung, Molsberg, d, 6. juli 1906 'trotz widerholten eifrigen
suchens' nicht wider gefunden worden.
Ein Brünner fragment teilte A. Schönbach in der Zs. fda.
47, 446 f. mit. Es wird im folgenden die sigle p führen.
Nach Dreschers ausführungen könnte man glauben, mit X
ergäbe sich eine ganz neue gruppe von Karlhss. Das ist aber
nicht so. Im gegenteil, die hss. X und Y beweisen wider auf
das glänzendste die richtigkeit meiner gruppenansätze. Beide
hss. sind aber äusserst wichtig. Sie gehören der von mir als
*ANd bezeichneten version an und zwar einem Stadium, in
dem die grosse lücke vv. 5059—350, die für die hss. AN cha-
rakteristisch ist, noch nicht vorhanden war. Weiterhin hat
sich aber ergeben, dass das bruchstück k nicht wie ich hÜ.
§ 137 angenommen hatte, zur gruppe *CDEQV gehört, sondern
zur gruppe *ANd, denn es geht, wie zuerst Fritz Burg richtig
erkannte und mir mitteilte, mit Y auf eine gemeinsame quelle
zurück. 1)
Die auffindung der hss. XY hat also die Überlieferungs-
lage wesentlich gebessert, denn wir können jetzt auch die
vv. 5059 — 350 mit Sicherheit nach drei gruppen herstellen;
ausserdem ergab aber die coUation der beiden hss. das von
vornherein zu erwartende ergebnis: die hss. AN gehen auf
eine in kleinigkeiten durch einen alemannischen Schreiber
stark veränderte vorläge zurück. Die Jenilungruppe ist, als
gesammtheit genommen, bei weitem besser als *ANd, auf der
Bartschs text beruht. Formen wie dur gehören nicht dem
Stricker, nicht den hss. XY an. sondern nur den hss. AN.
Ich gebe zunächst eine beschreibung der hss. XY.
X. Papierhs. des 15. jh.'s (Ms. Germ. fol. s. 500) der Uni-
versitätsbibliothek zu Bonn zu 266 bl. + 3 vorgeklebten bll.,
') Auch ich war zuerst geneigt gewesen, k als zu *ANd gehörig zu
bezeichnen, konnte mich aber dann wegen des 'bruchstücks' nicht dazu
entschliessen. Ich bemerke übrigens, dass ich § 137 die einreihung von k
in die gruppe CDEQV als keineswegs über allen zweifei erhaben hin-
gestellt habe.
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS. 87
auf denen von anderer, aber auch dem 15, jh. angehörigen
band ein register gesclirieben steht. Das Avasserzeichen für
die registerbll. zwei gekreuzte Schlüssel, für die übrigen eine
wage. Die verse sind abgesetzt, initialen rot, der erste buch-
stabe der reimzeile rot durchstrichen. Die Zeilenzahl ist im
anfang 25 auf der seite, ungefähr von bl. 200 an 20 — 21, noch
später sogar 20—19. Die hs. beginnt mit v. 86 und bricht mit
12130 ab.') Richtig hat Drescher erkannt, dass zwei bände
bei der niederschrift des textes arbeiteten. Die eine die von
zeile 6 der ersten textseite bis bl. 85 inclusive schrieb, wäh-
rend von der anderen bl. 86 f. und die 5 ersten textzeilen ge-
schrieben wurden. Diese band schreibt auch regelmässig
Marsilies, die andere dagegen llarsiltus, z. b. v. 1544. Die
hs. ist mit colorierten bildern (s. unten) geschmückt. Gegen-
wärtig sind noch 38 vorhanden. Es müssen aber noch viel
mehr vorhanden gewesen sein. lieber jedem bild steht ein
rubrum, das über die bedeutuug des bildes aufschluss gibt.
Nach diesen rubren ist nun — so hat schon Drescher richtig
geschlossen — jenes oben erwähnte register geschrieben. Das
register enthält aber 48 Überschriften, die 48. ist allerdings
nicht genauer angegeben, es fehlen also 9 bis 10 bilder. Da,
wo bll. herausgerissen sind, deutet ein unscheinbarer farben-
fleck (meist grün vom rasen, was darauf hindeutet, dass die
bll, von oben nach unten herausgerissen wurden) auf das ehe-
malige Vorhandensein eines solchen bildes hin. So lässt sich
noch ziemlich genau feststellen, welche bilder fehlen, nämlich
*1. *2. *3. 6. 20. 30. 33. *44. *46 und *48, von den unbesternten
nummern sind noch farbeureste zu sehen. Der einband, Schweins-
leder mit pappe gesteift, stammt höchstens aus der mitte des
17. jh.'s.
Vor dem einbinden muss die hs. in einem schauderhaften
zustand gewesen sein. Damals müssen schon eine anzahl bll.
verloren gegangen sein und da eine lagenbezeichnung von
früher nicht vorhanden war, musste sie vom besitzer, der die
hs. zum binden gab, angefertigt werden. Er teilte von A
') So nach Bartschs Zählung. Das gedieht hat weniger als 12206
veree. Dass Bartschs Karlausgabe als 35. bd. der 'Bibl. d. litt.-ver.' erschienen
sein soll (Drescher a.a.O.), ist doch wol bloss ein irrtum.
88 WILHELM
(register), B— Z ein. Daran schliessen sich noch 3 weitere
lagen, deren bezeichnung ich aber nicht recht ermitteln konnte,
da sie teilweise beim binden Aveggeschnitten wurden. Ueber-
haupt war der rand der hs. vor dem einbinden wesentlich
breiter. Das geht auch daraus hervor, dass auf der seite, die
vv. 5844—64 enthält, ein teil des von einer band des 17. jh.'s
an den rand geschriebenen goldenen ABC (vgl. W.KL. 5,516)
weggeschnitten ist. Die fassung ist nicht wertlos, weil sie
dem nd. original wahrscheinlich näher steht als die des Greifs-
walder gesangbuchs von 1597. Ich teile daher das frag-
ment mit:
1) Allein auff god h
Aiiff mensclieu zo sag gar
Godt ist allein der gla
Sunst ist kein glaub
2) Bewar dein elir hut d
es ist Torwar dein hoest
wistu dei schantz ein
So ist es vmb dei ehr
3) Claif nicli veil dan
es wirdt dir geben preis
mitt schwigen nimad
Claffen zum chrentz bring
4) Dem grossen weich acht d
das er dich nitt in vngl
Dem kleinsten auch kein v
So lebstu stedes in ras
5) Erheb dich nitt mitt stoltzen
Wan du hast vberkhome
es wirdt dir süsten ebe
Eine anzahl von versverlusten sind offenbar erst durch
die fehlenden bll. veranlasst worden: die lücke fällt alle mal
zwischen zwei bll. So wird es sich verhalten mit vv. 1 — 85
(2 bll.), 275—478 (4 bll.), 1696-1771 (2 bll.), 2255—352 (2 bll.),
3181—283 (2 bll.), 5641-64 (1 bl.), 8174-92 (1 bl.), 8764—76
(1 bl), 11135—232 (3 bl.) und 11633—92 (2 bll.). Die ganze
hs. dürfte demnach, rechnet man zu den 266 bll., die den Karl-
text enthalten, 2 + 4 + 2 + 2 + 2 + 1 + 1 + 1 + 3 + 2 bll. +
den fehlenden 2 schlussbll, aus 288 bll. = 24 lagen zu 12 bll.
bestanden haben. Die gegenwärtige lageneinteilung ist viel
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS. 89
später und ganz verwirrend, oft mussten ja nur einzelne, lose
bll. aneinander geheftet werden.
Als heimat der hs. gibt Drescher den nördlichen teil des
ostfränkischen gebietes an. Wie Drescher zu einer solchen
bestimmung kommen konnte, ist mir direct unerfindlich. Die
hs. weist einen ausgeprägten elsässischen dialekt auf. Die
2. pers. plur. geht doch nicht im ostfr. auf -cnt aus, sondern
nur auf alemannisch -schwäbischen gebiet. Dazu kommt das
fast regelmässige 6 für gemeinmhd. ä, also nömen Och (= Äche),
der intensitätsverlust der hd. tenuis dentalis, besonders im
anlaut, dun, dot, gedete, dazu die nur elsässische form dirte
(= dritte), z. b. 7518, ferner die widergabe von mhd. cv, iu, ou,
i, ü durch c, ü, ou, l, ü. Hätte Drescher nur einen einzigen
elsässischen text hergenommen, etwa die Übersetzung der
Legenda aurea, er hätte diese localisierung nie und nimmer
machen können. Zum Elsass scheinen aber auch die rainia-
turen zu stimmen, denn die hs. macht ganz den eindruck, als
sei sie in der schule des Diebolt Lauber in Hagenau ge-
schi'ieben.
Ich lasse jetzt einen abdruck des registers folgen, da dieses
zugleich eine anschauung über den darstellungsiuhalt der bilder
gibt. Die fehlenden bilder habe ich durch ein vorgesetztes *
gekennzeichnet.
Bl. Ib.* Hie fohet sich an des büclies cappittel das do heisset keiser
karles buch vnd gemalet mit fignreu viid ist dis das erste Cappittel von
des mannes sj'nnen vud Vernunft, (bis hierher rot)
* Das ander Cappittel Als keyser karle lag vnd slieff vud xij ritter
sin hutent vnd ym der engel ein swert von hymel brecht.
* Das iij Capp als keyser karle sich zeichent mit dem heiligen crütz.
Das iiij Cappittel also zwolff beiden zu keyser karle geschicket
wurdent.
Das V. Capp. zwolff beiden keyser karle botschafft brochtent von
irem hern.
* Das vj Cappittel Also die heru zu rate gingeut vnd woltent zu
ßülande keren.
Das sübende Cappittel also der bischoff mit eine grossen folg vor den
keyser trat.
Das viij Capp also genehm myt sechshundert rittern enweg reit.
Das IX Cappittel also genehm marsilien sine swert gab.
Daa X Cappittel also die kouige vnd die hern zu dem könige mar-
silien koment
90 WILHELM
Bl. 2 a. Das xj Cappittel Also die fursten mit einander heim zu hoffe
Ritten vnd der helt rulant by dem lande bleip.
Das xij Capp Also die fursten vnd die herren gegen des tages schin
vif brochent
Das xiij Cappittel Also Eulant sich bereit vif sine fart mit so gutem
harnesch der er finden mochte.
Das xijij Capp Also die cristen vnd die beiden mit grosser schar zfi-
samen koment
Das XV Cappittel Also ein konig marsilies dochf'^ begert wer es das
er Rülande angesiget.
Das xvj Capp. Als Rulant vnd sin her sich scharte vnd yedem her
ein sunder schar.
Das xvij Cappittel Also das her die cristen vnd die beiden zusamen
kament.
Das xviij Cappittel Als ein grosse her der beiden erslagen wart von
Rülanden
Das xix Capp. Also der grosse falram mit eira spies kirdos stac das
er dot bleip.
* Das XX Cappittell. Als der beiden funff schar erslagen was.
Das xxj Cappittel Also Rulant vnd gernolt mit einander strittent.
Bl. 2 b. Das xxij Cappittel Also marsilies der heidensche herre sin
her teilte vnd wolt wider an die cristen.
Das xxiij Cappittel Also der bischoff türpin maugeu heim zertrant
vnd vil der beiden nyder slüg.
Das xxiiij Capp. Also marsilies der konig zwey tusent man vff rüstet.
Das XXV Cappittel Also Rulant swachet an sime volg vnd er sin hörn
blies das es keiser karle bort in dem slosz.
Das XXV] Capp. Also Rulant vnd olj'fier marsilien alle sin banerbern
erslügent.
Das xxvij Cappittel Also Rulant sinen gesellen vor dot lies ligen der
was genant olifier wan er an die beiden reit.
Das xxviij Capp. Also Rulant vnd turpin vn walther allein an die
beiden stritten
Das xxix Cappittel Also Rulant vnd der bischoff turpin das wal be-
hieltent gegen den beiden vnd Rulant sime gesellen den heim abbaut.
* Das XXX Cappittel Also der helt Rulant sich crützwisz vff einen
stam leit vnd das swert vnd hentschüch gegen hj^mel bot.
Bl. 3 a. Das xxxj Cappittel. Also keiser in den tal gon rüntzifal kam
vnd er Rulant dot fant ligen.
Das xxxij Cappittel Also keiser karle des nahtes tromte, wie das er
solte genesen vnd wie ym got einen engel schicket.
* Das xxxiij Cappittell Also der konig balbigan vil herren besament
vnd keyser karle vertriben wolte.
Das xxxiiij Capp. Also keyser karle sin cristen her besament hett
vnd wolte mit yn an die heidensche diet.
Das XXXV Cappittel Also sich keiser karle bereitet vnd sin folg scharte
und an die beiden wolt Riten.
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS. Ol
Das xxxvj Capp. Also der kSuig balbigan mit sime her den cristen
begunde nohen vnd do bliescnt aber die cristen ir hörner.
Das xxxvij Cappittel Also die cristen vnd die beiden züsamen kament
vnd miteinander stritten vff den rossen
Das xxxviij Capp. Also der cristen vnd der beiden wol hundert tusent
dot lagent.
Das xxxvijij Cappittell Also keyser karle vnd der konig balbigan
einen strit vor allem folg miteinander strittent.
Bl. 3b. Das xl Cappittel Also der konig balbigan vnd alle sin her
erslagen wart
Das xlj Cappittel Also keiser karle ob sinem folg stunt vnd sü gar
sere claget.
Das xlij Cappittel Also man Rülanden bestatet in die erden vnd die
cristen alle.
Das xliij Cappittel Also keiser karle vier hern in das laut viande
schicket.
* Das xliiij Capp. Also die schöne fröwe vor dem keiser clagte iren
bruder vnd iren man Rülanden.
Das xlv Cappittel Also margroffe otte zu genehmen kam in einem
walde.
* Das xlvj Capp Also keiser karle zu gerichte sas vnd genehm vor
yn brocht wart
Das xlvij Cappittel Also pinabel vnd der wenige dietherich mit-
einander kempften
Das xlviij Cappittel —
Y. Papierhs. des 15. jh.'s. (Cod. Ms. germ. 19) der stadt-
bibliothek zu Hamburg, in folio, zu 271 bll. = 542 ss. nach
der gegenwärtigen Zählung, die aber falsch ist. Bll. 8a — 79b
steht nach dieser Zählung der Karl, bll. 81a — 16Gb der Wille-
halm Wolframs und bll. 168 a — 269 a sp. a Rudolfs Barlaam.
Bl. 269 a sp. b — 269 b folgt dann noch ein medicinischer tractat.
Eigentlich umfasste die hs. aber nur 270 bll. Eine läge von
6 unbeschriebenen bll. geht dem Karl voraus, mit einem ochsen-
kopf als Wasserzeichen, am ähnlichsten no. 258 bei Keinz, aber
mit einfach laufender Stange und stern, wie no. 104 bei E. Kirch-
ner, Die papiere des 15. jh.'s im Stadtarchive zu Frankfurt a.M.
und deren Wasserzeichen. Frankfurt a. M. 1893. Der Karl selbst
umfasst 6 lagen zu je 12 bll. Beim Willehalm umfassen eben-
falls die 5 ersten lagen je 12 bll, die 6. dagegen nur 10, die
7. aber 16. Eine lagenbezeichnung fehlt bei beiden werken.
Die 8 ersten lagen des Barlaam') umfassen ebenfalls je 12 bll.,
'; Hier sind die lagen bezeichnet Iq u.s.w.
92 WILHELM
die 9. und letzte aber nur 10 und von diesen sind 2 aus-
geschnitten. 3 bll. sind also fälschlich mitgezählt worden: sie
sind erst heim binden dazugekommen. Das erste ist das auf dem
Vorderdeckel des einbandes innen eingeklebte pergamentblatt,
auf dem Karl der grosse auf einem steinernen thron sitzend
abgebildet ist. Der kaiser mit weissem hart und reich ge-
locktem haar ist mit grünem liursit, das vom cingulum mili-
tare umschlossen ist, und einem darüber Avallenden, innen grau
gefütterten purpurmantel angetan; die oberen enden des man-
tels hält eine reich verzierte viereckige fibel zusammen, das
rechte untere ende ist über die knie geschlagen und fällt in
reichem, aber hart geratenem faltenwurf auf den boden herab.
Die füsse sind nicht zu sehen. Rechts unten am thron sitzt
ein hund. Die rechte hüfte des kaisers ist stark eingebogen,
sein haupt wendet er zu dem rechts oben vom himmel kom-
menden engel, der mit der linken band Durndart dem kaiser
darreicht, mit der rechten die botschaft überbringt. Karl hat
mit der rechten band das schwert am knauf ergriffen, in der
linken hält er ein lilienscepter. Auf dem haupt trägt er einen
purpurnen spitzhut mit dreifacher kröne. Rechts von der
kröne ein Spruchband, links ein unausgeführtes Wappenschild.
Der Untergrund des bildes ist blau, der rand rot. Das zweite
ursprünglich nicht zur hs. gehörige blatt ist das pergament-
bl. 80, das auf s. b die bataille d'Aliscanz zeigt und das dritte
das papierbl. 167, mit dem selben ochsenkopf als Wasserzeichen,
den die bll. 1 — 6 aufweisen. Dass es nur ein vorsetzbl. ist,
beweist der falz zwischen bl. 179b und 180a. Der selbe
ochsenkopf geht durch die lagen des Barlaam als Wasser-
zeichen durch, ausgenommen die vierte. Diese weist das gleiche
zeichen wie die lagen des Karl und des Willehalm auf: eine
glocke am ähnlichsten Keinz no. 189. Alle drei [werke sind
von verschiedenen bänden geschrieben. Von einer band ist
der Willehalm, der Barlaam ist dagegen von mehreren ge-
arbeitet (vieren?). Der Karl wol auch, doch ist eine bestimmte
entscheidung nicht zu treffen. Alle drei werke sind zwei-
spaltig geschrieben, im Karl beträgt die Zeilenzahl für die
spalte 44—40. Der Karl und der Willehalm dürften aber
früher einmal eine hs. für sich gebildet haben. Die rubri-
zierung ist die gleiche: rote und blaue initialen, vor allem
SUUDIEN ZU DEN WERKEN DES STIilCKERS. 93
aber, die ersten buclistaben der reimzeileii sind mit einer roten
linie, die ununterbrochen von oben bis unten die spalte durch-
läuft, durchstrichen. Das scheint auf den gleichen rubricator
zu weisen. Im Barlaam fehlt eine rubrizierung-. Auf bl. 271a
(eigentlich 270) ist das ex libris der Uffenbachschen bibliothek
eingeklebt, auf die Innenseite des hinteren einbanddeckels
eine Urkunde vom jähre 1407. Der hölzerne, mit braunem
leder überzogene einband stammt aus dem 15. jh. Der schnitt
war mit einer guirlande von stilisierten grünen blättern und
roten fünfblättigen blumen verziert.
Der dialekt der hs. (Karl) ist bairisch, doch nalie dem
ostschwäbischen. Die diphthongisierung ist für i, iu und ü
durchgeführt, ei und oii erscheinen meist als ai und au, für
k wird meist ch geschrieben. Vgl. ferner chom für quam,
pischolf für i)ischof. Nach Ostschwaben weisen sjmkopierte
formen wie salge manger und der zusammenfall der schwachen
nominativformen sing, der adjectiva mit den flexionslosen formen
(vgl. Anal. Germ. s. 133), z. b. hailig, groz, milt, reich.
Ich kann mich jetzt zur feststellung des Verhältnisses der
beiden hss. zu den übrigen Karlhss. wenden. Dass XY der
gruppe *ABCDEGJLMNOPQTy angehören, ist unzweifelhaft,
denn in den fehlenden versen stimmen sie zu ihr. Ich brauche
hiefür nur auf die tabelle in den anhängen zur liÜ. zu ver-
weisen. Dass beide hss. aber mit den hss. AN auf das nächste
verwant sind, beweist das fehlen der vv. 111 — 114 und die
Umstellung der vv. 6834/33 in ANXY. Die vv. 10640/39 stellen
nur ANY um, X dagegen nicht, doch das wird eine secundäre
Umbildung sein. Die gemeinsame quelle von ANXY' stellte
v. 10640 vor v. 10639, um den relativsatz nicht von mmre zu
trennen. Der Schreiber *ANXY gewahrte aber nicht, dass
dann v. 10639 noch mehr in der luft hängt, als er dies so wie
SO tut. X nahm daran anstoss und stellte die ursprüngliche
versfolge wider her. Einmal hat Y mit N eine lücke gemein.
Es fehlen den beiden hss. die vv. 10002 —05. Das ist aber,
sicher bloss zufällig. Die Schreiber Y und N sprangen unab-
hängig von einander von v. 10001 JDurndarten auf v. 10005
Durndarte ab.
Ausser diesen gemeinsamen lücken und Umstellungen weist
Y, abgesehen von den lesarten, weder mit X noch ANg weitere
94 WILHELM
Übereinstimmungen auf. Natürlich fehlen eine anzahl verse, die
weder in X noch in ANg noch den übrigen Karlhss. fehlen:
440. 1775/76. 2G53. 2880. 3001/02. 3208. 3236—41. 3271.
4382. 4643/44. 4684—86. 4841. 5250. 5407. 5784/85. 5998.
6846. 7350. 7792. 9321. 9842. 10518. 10524. 10583. 10792.
10824. 10848. 11408. 11600-04 (darüber vgl. hÜ. § 175).
11665/66. 11816 und 12082.
Einmal nur weist Y eine lücke mit HKRn auf. Es fehlen
die vv. 5283/84. Das ist natürlich zufall, der Schreiber von Y
(oder *Yk?) sprang von du v. 5282 (in Y fehlt en) auf du
V. 5284 ab und schrieb infolge dessen bei v. 5285 weiter.
Besonders reich ist Y an Umstellungen zweier aufeinander
folgender verse, z. t. sind sie ganz sinnlos, z. t. scheinen sie
bereits einem früheren Stadium (*Yk oder einem directen Vor-
läufer dieser Untergruppe von *ANXY s. u.) der zweigüber-
lief erung angehört zu haben. Es sind folgende:
266/65. 904/03. 1782/81. 2696/95. 3528/27. 5770/69.
6344/43. 6528/27. 6798/97. 6834/33. 7066;65. 7130/29.9916/15.
Die hs. X weist mit N drei Übereinstimmungen auf. Die
lücke 1459—62 und die Umstellungen 492/91 und 2900/899.
Nichts findet sich davon in der hs. A, die ich eigens zu diesem
zweck eingesehen habe, und es muss dabei denn doch zufall
im spiel sein. Die gruppe AN ist so geschlossen, dass der
ansatz einer gemeinsamen quelle *AN unbedingt nötig ist.
Bei vv. 1459 f. dürften die Schreiber X und N vom reim ge-
walt : halt auf einen reim Diebolt : solt v. 1463 abgesprungen
sein. Für die Umstellung v. 492/91, es handelt sich um namen,
weiss ich eine psychologische erklärung nicht zu geben, da-
gegen für die andere schon. V. 2899 wollte man näher an
V. 2901 anrücken, wie ja auch die beiden gedanken Ps. 108, 9
nebeneinander stehen.
Was sonst in X sich an Umstellungen und lücken findet,
hat mit keiner der übrigen Karlhss. etwas zu tun. Folgende
lücken, die besternten entstanden wahrscheinlich durch blatt-
verlust, sind vorhanden: *1— 85. *275— 478. 606—17, 727—51.
773—900. 950. 1027—30. 1637—40. *1696— 1771. 2077/78.
2171—74. *2255— 352. 2362—752. *3181— 3283. 3324. 3717—26.
3895—920. 4045—51. 4379/80. 4963/64. 5277/78. 5496. *5641
—64. 5913—46. 5969/70. 5996. 6051/52. *8174— 192. *8371.
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS. 95
8764—76. 9405 06. 9676/77. 10099—102. *11135— 232. 11366
—96. *11633— 92. 12130—206.
Umgestellt sind folgende verse:
242/41. 1212/11. 2828,27. 3104/05/03. 3646/45. 5524/23.
5806/05. 5894 93. 7498/97. 9826/25. 10046/45. 11062,61.
Schon daraus ergibt sich — icli zeichne, um räum zu er-
sparen, das bruchstiick k schon im voraus in den Stammbaum
— folgendes bild der gruppe ANXY.
*ANXY
*AN
*Yk X A *Ng
Y k N g
Die lesarten bestätigen dieses Verhältnis nur noch mehr.
Es wäre raumverschwendung, eine grosse Sammlung an diesem
orte vorzunehmen. Folgendes Verzeichnis, für das hÜ. § 126
heranzuziehen ist, mag das verhalten der hss. XY zu AN ver-
anschaulichen.
176 XY = AN G38 X = AN, Y gebennt. 713 XY = AN 780 Y
= AN, in X lücke. 809 Y = AN, in X lücke. 816 Y = a^) gegen AN,
in X lücke. 824 Y = AN, in X lücke. 845 Y = « gegen AN, in X
lücke. 1008 XY = AN. 1020 XY = AN. 1018 X = AN, Y = a.
1072 XY = a gegen AN. 1118 XY = « gegen AN. 1144 X = AN,
Y = ci wol aber secundür. 1169 XY = AN. 1202 XY^ = AN. 1647
XY = « gegen AN. 2048 Y = AN, X verderbt unwurclichen. 2181 X
= AN, Y = « wol secundür. 2250 XY = AN. 2334 Y = AN, in X
lücke. 2342 Y = ß gegen AN, in X lücke. 2551 Y'^ = « gegen ANgFH,
in X lücke. 2562 Y = « gegen ANg, in X lücke. 2620 Y" = « gegen
ANg, in X lücke. 2623/24 Y = ANg, in X lücke. 2653 fehlt Y, in X
lücke. 2869 X = AN, Y = «. 2909 X = AN, Y luisverstanden Zer
flucht. 2956 XY = AN. 9003 XY = « gegen AN. 9048 XY" = cc gegen
AN. 9054 X = ANLOR, Y = «. 9078 XY = « gegen AN. 9110 X =
« gegen AN, Y vncz = « hin ze. 9165/66 XY = a gegen AN. 9168 dir
fehlt ANXY. 9182 XY = AN, in Y fehlt das erste dich. 9186 XY = «
gegen AN. 9198 Y = « gegen AN, X harte = a vil. 9232 XY = «
gegen AN. 9234 XY = « gegen AN. 9248 XY gegen ANg vnz disiu =
Y vnd dies (vgl. LV unt disiv) = X das die (vgl. MO unz diu, H dasz
die). 9278 XY = ANg. 9310 Yg = a^), X = AN. 9319 X = «, Y =
') Vgl. hü. § 98, anm.
*) Ob hier in Yg eine unabhängig von einander vorgenommene con-
96 WILHELM
AN. 9320 XY = a gegen AN. 9402 XY = « gegen AN. 9412 Y =
AN, « dicke da ^ X vil da. 9418 XY gegen AN, Y mit « uns = X
mich. 9422 XY = « gegen AN. 9424 XY = a gegen AN. 9525 XY =
a gegen AN. 9654/55 XY = a gegen AN. 9741 XY = AN. 9765 XY
= « gegen AN. 9797 XY = u gegen AN. 9811 XY = a gegen AN.
9888 XY = ß gegen AN. 9899 XY == « gegen AN. 9948 XY = «
gegen ANMFHR. 9978 XY =- u gegen AN. 9982 XY^ = a gegen AN.
9994 XY = « gegen AN. 10010 XY = AN {Syt her X orthographiscli).
10040 XY = AN. 10289 XY = AN. 10320 XY = ANQR {Unz fehlt X).
10357 X = ß, Y = AN. 10361 X = «, Y = AN. 10588 Y = «, X =
ANL. 10583 X -= ANDO, Y fehlt. 10586 XY = a gegen ANBLM.
10624 XY = u gegen AN. ; 10678 XY = a gegen AN. 10770 XY =
AN. 10855 XY = a gegen AN. 10866 XY = a gegen ANT. 10896 X
= «, Y =:AN. 11037 XY = u gegen AN. 11067 XY = AN. 11105/06
XY = AN." 11315 X = «, Y = AN. 11389 XY = « gegen AN. 11406
X = ANO, Y = ß wol secundär. 11436 XY = AN. 11501 XY = ANT.
11822 XY = AN. 12121 X = ß, Y = AN. 12188 Y == AN, X fehlt
der schluss.
Somit bleibt nur nocli der nacliweis für die nähere ver-
wantschaft von Y und k zu erbringen. Dass k nicht aus X
oder Y abgeschrieben sein kann, dürfte schon aus dem alter
des bruchstückes hervorgehen, eher wäre an das umgekehrte
zu denken, k teilt mit Y weder das fehlen der vv. 5784 85
noch die Umstellung 5770/69. Ebenso sind nur in X die vv.
5806/05 umgestellt. Dagegen weist k mit Y gegen X, das
in diesem falle fast ganz mit a geht, folgenden fehler vv.
5197/98 auf: Vnd dich selbe welle sehenden Si zerbrachen daz
unwenden k = Und dich selb ivell sehenden Sie zerbrachen
daz vnbenden Y = Vnd dich selben gar besehende Sü brochent
dach vnd wende X = Und dich selben gar geschende Sie ze-
brachen dach und tuende a. Charakteristisch für die nahe ver-
wantschaft mit Yk ist noch v. 5062. X geht mit den hss. G,
BLMP, CDV und K, vgl. hÜ. § 188. Yk stehen mit der
Variante JDa inne stacht ein starcher (grozer Y) spiez allein da;
oder 5126 Slüg man si vast auf k. Man schlug sy vdst awf Y
gegen X = «; oder 5194 spa^he Yk CDE = wcehe Xa. Diese
lesart bildete für mich die hauptveranlassung, k in hÜ. § 137
jectur vorliegt, oder ob *AN und X geist aus v. 9311 unabhänig versehent-
lich aufnahmen, lässt sich kaum entscheiden. Ich möchte eher das erstere
annehmen. Die conjectur lag nahe, aber der hs. L ist der selbe lapsus
passiert, wie ANX.
STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS. 97
(vgl. auch § 188) der gruppe CDEQY zuzuweisen. Das hat
sich jetzt also als nicht richtig herausgestellt. In den sonst
§ 137 von mir angeführten fällen geht k immer mit Y, teil-
weise auch mit XV.') Die Stellung des hruchstückes im
hss.-stemma ist also jetzt klar. Den stricten nachweis, dass
Y nicht aus k abgeschrieben sei. kann ich nicht erbringen.
Es wird also vorsichtiger sein, eine gemeinsame quelle, *Yk,
die mit X und *AN unabhängig auf *ANXY zurückgieng, an-
zusetzen.
Yollkommen über allen zweifei erhaben ist auch die ein-
reihung des bruchslücks d nicht (vgl. hU. § 128). Da sicli die
Umstellung o92(3 25 in XY nicht findet, dürfte das bruchstück
mit *AX näher verwant sein. vv. 3902. 3903 und 3944 bleibt
d mit GO isoliert. 484G steht ein AXXYQ, fehlt da. Zu 3915
ist Y hey hcstat zu vergleichen. 4873 lesen noch TX wie Nd.
3887 XY = da gegen AN. 3984 XY = d« gegen AN. 3997
XY = AN gegen d^v-. Es muss mit der möglichkeit gerechnet
werden, dass die ANd gemeinsame Umstellung nur zufällig ist.
Ich habe das bruchstück d daher oben gar nicht in den
Stammbaum eingezeichnet, denn nun ist es ja praktisch ohne
jede bedeutuug und theoretisch von sehr bedingter.
Sehr zu bedauern ist, dass von dem Brünner fragment p
nicht mehr erhalten ist. Es gehört zur gruppe GJO; darauf
hat schon Schönbach, Zs. fda. 47, 447 mit recht hingewiesen. 2)
Mit GJO stimmt p in folgenden fällen (vgl. liÜ. § 133):
3081. 3082; zu GO 3085. 3109. 3116. 3152. 3159. 3164. 3176.
3186, vgl. dazu hÜ. § 132. Einmal 3182 ist das in GOYLFHR
fehlende also in p als so vertreten, doch das kann ein secun-
därer einschub sein.
Vielleicht gehört das bruchstück näher zu *0f als zu *GJ.
Vgl. 3115 Tenabri Op ^= Tanehri G, doch möchte ich darauf
nicht allzu viel gewicht legen.
Alles in allem: ändern tun die beiden widerentdeckten hss.
an dem aufgestellten Überlieferungsstammbaum nichts. Auch
') V.5088 liest k mit BLMTXY aar und nicht wie §§ VM und 188
LI', zu lesen ist yar. Darauf hat mich F.Burg aufmerksam gemacht.
'^) Die Zugehörigkeit zur gruppe ABCDEüJLMNOl'QTVXY wird be-
wiesen durch das fehlen der vv. 3135. 3ü.
Ueiträge zur gescliichtc der deutschen spräche- XXXU. ^
98 WILHELM, STUDIEN ZU DEN WERKEN DES STRICKERS.
die textgestalt würden sie nicht melir wesentlich zu ändern
vermögen. Sie geben aber noch grössere Sicherheit. Vor allem
in der ehemaligen gruppe ANd. Sie ist jetzt durch drei von
einander unabhängige quellen vertreten, *Yk, X und *AN.
*ANXY stand in manchen dingen « näher als *AN, stimmt
also in einer anzahl von fällen zu =^GJO und *BCDELMPQTV,
während *AN für sich steht. Das wichtigste bleibt, und das
ist nicht zu unterschätzen, dass wir jetzt die vv. 5059 — 350
nach den drei hauptgruppen der Karlhss. herstellen können.
Das ist ein entschiedener gewinn.
Selten liegen, bei aller compliziertheit im einzelnen, hss.-
verhältnisse so rein und klar zu tage wie in der Karl Über-
lieferung. Ich freue mich, dass auch diese neu hinzugekom-
menen hss. meine ansätze mir von neuem als richtig bestätigt
haben.
Kaum ist mit diesen neu entdeckten Karlhss. ihre zahl
erschöpft. Noch drei hss. sind in hÜ. § 15 aufgezählt, über
die bis jetzt etwas näheres nicht ermittelt worden ist. Auf
die Cheltenhamer hs. U niuss ich wol für immer verzichten,
es scheint wirklich dort das wissenschaftliche arbeiten nicht
erleichtert zu werden. So wäre es denn mein Avunsch, wenn
über die drei erwähnten Karlhss. bald klarheit würde: allzu
lang möchte ich die neuausgabe des Karl den fachgenossen
doch nicht mehr vorenthalten.
Schliesslich bleibt mir noch übrig, herrn oberbibliothekar
dr. H. Schnorr v. Carolsfeld, herrn bibliothekar dr. G. Wolff und
herrn secretär dr. Chr. Ruepprecht zu danken: sie vermittelten
die Übersendung der hss. A, X und Y an die hiesige Universitäts-
bibliothek, in deren räumen ich sie mit ruhe und muse ein-
sehen konnte.
MÜNCHEN. FRIEDRICH WILHELM.
1)1 K GERMz\NISCIIE WELTSCHOPFUNGSSAGE
UND DIE ALVisSMAL.
Die von R. Kugel (Literaturgeschichte 1, 32 ff. 42 ff.) auf-
gestellte these, es habe im anfang des 8. jh.'s eine 'VQluspä'
der mitteldeutschen stamme gegeben und diese müsse mit den
nordischen kosmogonischen gedichten (Voluspä, Grimnismäl 40 f.,
YafJ'ri'iönismäl 21) in engem textlichen Zusammenhang gestanden
haben, ja sie könne vielleicht sogar die directe quelle für diese
gewesen sein, hat "wenig glück gehabt; sie ist mit seltener
eiumütigkeit abgelehnt worden.')
Neuerdings ist jedoch in G. Schütte dieser these ein eifriger
und beredter anwalt erstanden. In seinem aufsatz über die
schüpfungssage in Deutschland und im norden (IF. 17, 444 ff.)
macht er einen versuch, durch eine Untersuchung a) der stoff-
wahl, b) der stofflich bedingten Ordnung, c) der w^örtlich be-
dingten Ordnung und d) der Avortwahl den textlichen Zusammen-
hang zwischen dem Wessobrunner gebet, dem Anegenge, der
altfriesischen erzählung von Adam und der nordischen Ymir-
sage nachzuweisen. Der nachweis scheint mir jedoch auf einer
grossen kette von falschen und vorschnellen Schlüssen zu be-
ruhen und völlig misglückt zU sein.
Seh., beginnt (unter a) gleich mit einer grossen ungenauig-
keit, wenn er als besonders wichtig den umstand hervorhebt,
'dass die deutsche weltuntergangssage den namen Muspilli
trägt, der mit dem zur nordischen Ragnar^k- sage gehörigen
Muspell identisch ist'. Nein, nicht die deutsche weltunter-
gangssage heisst so, sondern das ahd. gedieht hat von Schmeller
diesen namen erhalten, weil das wort muspilli im text vor-
') Vgl. Heusler, Auz. Ida. 22, 243; Siebs, Zs. fdpli. 29, 398 f. ; Seemüller,
Eupbor. 3, 485 ; Golther, Myth. s. 505 ; Kauffmaim, Lit.-bl. 1895, s. 44.
7*
100 HELM
kommt. Als bedeutimg- desselben kann aber dem ganzen Zu-
sammenhang nach nichts anderes gewonnen werden als 'Unter-
gang, Zerstörung', und aus dem zufälligen vorkommen dieses
doch wol dem gemeingermanischen Wortschatz angehörigen
ausdrucks (vgl. auch Grienberger, Müspell, IF. 16, 40 ff.), in
einer so allgemeinen bedeutung, die von der des nordischen
Iluspell doch noch sehr verschieden ist, lässt sich gewis nichts
weiteres schliessen.
Seh. weist sodann energisch auf die auffallende Überein-
stimmung hin, die sich in dem 'ableitungsverhältnis zwischen
den bestandteilen der weit und denen des erzeugenden urwesens
oder des erzeugten Urmenschen' findet, nämlich auf die glei-
chungen erde = fleisch, aufhimmel =; hirnschale u.s.w. Aber
diese auf den ersten blick verblüffenden Übereinstimmungen
müssen jede beweiskraft für einen textlichen Zusammenhang
verlieren, sobald wir einen blick auf das Vergleichsmaterial
werfen, das in Grimms Mythologie 1, 472 f. und nachtrag und
in R. M. Mej^ers aufsatz über Ymi und die weltschöpfung (Zs.
fda. 37, 1 ff.) zusammengestellt ist, und daraus sehen, dass teils
dieselben, teils ähnliche parallelen, wie wir sie aus unseren
denkmälern kennen, sich bei Honorius, Ambrosius, bei den
orphikern und in anderen antiken quellen'), aber auch in alt-
indischen, persischen, cochinchinesischen, japanischen, ceylone-
sischen, kalmückischen und esthnischen sagen, sowie solchen
von den Marianen widerfinden. 'Wenn', sagt Schütte s. 447,
'dies Vergleichsmaterial schon ungenügend ist, um dem als
einheitlich angenommenen deutsch - nordischen mythus den
Stempel gelehrter herkunft aufzudrücken, dann ist es um vieles
ungenügender, sobald es sich darum handelt, die deutsche und
nordische fassung von einander zu trennen.' Gewis. Aber
ich glaube wir müssen hinzufügen: noch viel ungenügender,
wenn es sich darum handelt, die deutsche und nordische fassung
in textlichen Zusammenhang mit einander zu setzen. Dass die
Übereinstimmung zwischen beiden nicht rein zufällig ist, sclieint
mir klar — insbesondere halte ich es für unnötig, bei den
deutschen texten an entlehnung aus Honorius zu denken — ;
aber die ganze Verwandtschaft beruht auf der Verwendung der-
•) Ovid, Metamorplioseu 4,657.
DIE GERM. WELTSCHÖPFUNGSSAGE. 101
selben alten Vorstellungen und formein himmel = scliädel, blut
= fliissigkeit u. s. w. (vgl. aucli Meyer a.a.O. s. 4f.). A\^er auf
grund dieser tatsache und dieses materials einen textlichen
Zusammenhang- zwischen beiden fassungen annimmt, der
kann mit genau dem selben oder mit noch besserem rechte
einen solchen zwischen der Edda und den orphikern oder dem
cochinchinesischen mythus annehmen, die beide doch insofern
noch genauer zu den nordischen ([uellen stimmen, als sie den-
selben entwicklungsgang (urwesen > erde) zeigen, während
in den deutsch - friesischen texten die entwicklung- genau um-
gekelirt ist (erde > Urmensch). Dieser Verschiedenheit spricht
allerdings Seh. jede bedeutung ab; mir scheint sie, wie auch
schon anderen'), ziemlich schwerwiegend zu sein: wenn auch
im norden wie bei uns sich das gleiche alte material, die
gleichen alten gleichungen, widerflnden, so sind sie in diametral
entgegengesetzter weise verwertet worden, das eine mal zur
darstellung einer kosmogonie, das andere mal zur darstellung
einer anthropogonie. Also gerade die texte, deren Überein-
stimmung Seil, erweisen will, sind auseinander gegangen.
b) Zur stofflichen anordnung übergehend betont Seh., dass
wir stets derselben reihenfolge: erde, auf himmel, berg, bäum,
mond, sonne begegnen. Er muss allerdings gleich zwei aus-
nahmen konstatieren: Alvissmäl und Muspilli; 'nur zwei' sagt
er, — aber unter 6 fällen (die verschiedenen texte der Ymir-
sage stets als einen gerechnet) sind z"«'ei nicht viel weniger
als die hälfte und jedenfalls zu viel, um sie zu solchen aus-
nahmen zu stempeln, die — mit einem viel misbrauchten wort
— nur die regel bestätigen. Auf die übrigen vier werden
wir aber um so weniger gewicht legen, wenn wir sehen,
welche sonstigen anordnungsweisen denn überhaupt möglich
waren. Seh. fragt: ist die (genannte) reihenfolge an und
für sich logisch notwendig?', und verneint dies; denn 'wie
kommen berg bäum logisch zwischen himmel, mond und sonne
zu stehen?' Mir scheint die anordnimg dagegen allerdings
niclit logisch notwendig, aber doch durchaus logisch verständ-
lich und naturgemäss. Berg und bäum stehen eben nicht nur
zwischen himmel und mond -sonne, sondern zwischen erde-
') Vgl. Siebs a. a. o. s. 399 ff.
102 HELM
liimniel und moiid- sonne; wir dürfen die alten alliterierenden
formein nicht auseinander reissen, sondern müssen sie jeweils
als ein ganzes betrachten; wir haben somit nur drei nicht sechs
glieder. Wenn nun wie ganz unbedingt nötig erde-himmel an
erste stelle trat, so bleiben überhaupt nur zwei möglichkeiten
der sonstigen anordnung übrig: die untrennbare formel berg-
baum konnte an zweite oder dritte stelle treten. Wäre das
letztere gewählt worden, so könnte man mit demselben recht,
mit welchem Seh. seine frage stellt, fragen: wie kommen himmel,
sonne, mond zwischen erde, berg, bäum? Die schulgrammatik
würde hier von einem Chiasmus sprechen; demgegenüber ist
die tatsächlich vorliegende anordnung als die normale zu be-
trachten: nachdem erst die beiden grossen teile des alls in der
reihenfolge erde-himmel geschaffen sind, folgen nun in derselben
Ordnung erst zwei irdische, dann zwei himmlische dinge.
c) Die tatsache, dass hier alte formein vorliegen, wird im
abschnitt über die wörtlich bedingte Ordnung nur kurz ge-
streift; ihre grundlegende bedeutung aber hatte Seh. nicht
erkannt. Er gleitet rasch über sie hinweg mit der bemerkung,
ein zufälliges zusammentreffen so vieler formein sei kaum
denkbar, wobei jedoch übersehen ist, dass — da doch der stoff
gegeben ist — dies zusammentreffen sehr viel von seiner auf-
fälligkeit verliert.
Es scheint indessen, dass Seh. auf alle die bisher bespro-
chenen argumente selbst kein zu grosses gewicht legt, desto
höher schätzt er sein letztes ein, das er unter d) Wortwahl
behandelt: abgesehen von einigen einzeln stehenden wörtlichen
Übereinstimmungen zwischen den einzelnen gedichten soll die
synonj'menliste der Alvissmäl und zwar besonders die liste
der götterworte seine theorie in vollem umfang bestätigen.
Es ist zwar nicht ganz genau, wenn er sagt, dass die für die
Vanen, die Ginnregin, Upregin, Jotnen, die höllenbe wohner
und Dvergar aufgestellten worte mit dem rassennamen, zu dem
sie gehören, alliterieren; dies stimmt nur für die Vanen, Ginn-
regin und Upregin, unter den Worten der Jotnen sind jedoch
zwei mit conson. anlaut, unter denen der zwerge je eines mit
dem anlaut f und sl~, unter denen der hei eines mit anlauten-
dem m. Immerhin überwiegt die alliteratiou stark, und es wird
dadurch völlig klar, dass wir es hier mit poetischen construc-
DIE GEKM. ^VELTSCHÖPFUNGSSAGE. 103
tioiien zu tun haben, während die listen der menschen-, götter-,
äsen- und alfen-worte nicht so erklärt Averden können; Ursache
genug, sich — wie man es auch bisher schon getan hat — zu
fragen, was sie eigentlich bedeuten.
In den götterworten der Alvissmäl hat man bisher fast
allgemein veraltete worte gesehen, wie dies auch Seh. selbst
schon bei einem Vortrag über seine theorie von 'sehr sach-
kundiger Seite' (vgl. s. 452) entgegengehalten wurde. Ihre
bezeichnuug als worte der götter hat man sich wol allgemein
so erklärt, sie seien aus dem täglichen gebrauch geschwunden
uud nur noch in höherer kunstmässiger spräche gebraucht
worden , besonders wol auch in denkmälern religiösen In-
halts: formeln, segen u. a. erhalten geblieben. Seh. kommt zu
ganz anderen resultaten. Er will diese worte zum grossen
teil als unnordisch erweisen (vgl. die Zusammenstellung s. 454f.)
und gründet darauf mm seine these, die weltschöpf ungssage
sei wie die gotisch - burgundisch - fränkische heldensage von
Deutschland nach dem norden gewandert. Dabei seien un-
nordische Wörter oder wortformen stehen geblieben, 'so wie in
der heldensage Erpr statt Jarpr, Gottormr aus Godämar, und
zwar in der weltschöpfungssage besonders viele, weil dies eine
l>ula, d.h. eine katalogartige auf Zählung war'. Der dichter
der Alvissmäl habe dann die als fremd erkannten worte mit
ihren synonymen zusammengestellt und diese liste durch ver-
schiedene glossen aus eigenem wissen vermehrt, z. b. 'durch die
veralteten urwörter fold, hjorr und die jungen englischen lehn-
wörter harr und acte.''
Den beweis für diese behauptung sucht er auf zweierlei
weise zu führen. Einmal zeigt er in der Zusammenstellung
s. 454 f., dass diese worte in den anderen germanischen sprachen
ihre entsprechungen haben, während sie im nordischen ajta£
Xtyöfieva oder doch selten sind. Zweitens interpretiert er die
worte mej) (jojjum dahin, der dichter habe damit nicht nur
sagen wollen "bei den göttern', sondern auch 'bei den Goten'
(= Germanen)',
Dass diese Interpretation lautlich unhaltbar ist, ist den
germanisten bekannt; man könnte sie mit stillschweigen über-
gehen, wenn sie nicht in eine angesehene Zeitschrift geraten
wäre, — ein zufall, der bekanntlich auch den verkehrtesten
104 HELM
einfallen heute oft einen freibrief mitgibt, so dass sie un-
besehen von liand zu band weiter gehen. Es mag also aus-
drücklich darauf hingewiesen werden, dass für den dental
des gotennamens der laut wert t, nicht l>, absolut feststeht.
Griechische und römische schriftsteiler konnten über diesen
punkt im zweifei sein, ein Germane aber konnte nicht
schwanken, die lautwerte sind zu deutlich geschieden. Hätte
der dichter der Alvissmäl wirklich etwa in einer anwandlung
mittelalterlich-gelehrter et^nnologischer Spielerei den von Seh.
angenommenen doppelsinn im sinne gehabt, er wäre von
seinen lesern gewis gar nicht verstanden worden. Schon
die abwechslung der beiden ausdrücke tncj} gojjnm und mcp
ösom hätte den sinn des ersteren, wenn ein zweifei über-
haupt möglich gewesen wäre, absolut sicherstellen müssen,
zumal es sich doch im gedieht nur um die verschiedenen
mythologischen gruppen handelt, denen die menschen als solche
gegenübergestellt werden und, wenn wir von Sch.'s interpre-
tation absehen, sich im Wortlaut nirgends auch nur die geringste
spur einer gegenüberstellung der Nordmannen und der übrigen
Germanen findet.
Auch was Seh. sachliches zur begründung seiner merkwür-
digen interpretation vorbringt, ist nicht haltbar. Die berufung
auf die Snorra-Edda ist ganz zwecklos. Dort wird in der An-
leitung i) berichtet, wie die äsen nach Nordeuropa einwandern
und sich dort mit den eingeborenen vermischen, wodurch ihre
spräche hier herschend wird und zwar ebensowol in Saxland
als in den nördlicheren ländern Norwegen, Schweden, Däne-
mark. Es wird nicht ein gegensatz zwischen beiden gebieten
construiert, in der weise etwa, dass die spräche der Germanen
Deutschlands als asensprache der spräche der nordischen länder
entgegengesetzt würde: die asensprache bezeichnet vielmehr
aufs deutlichste die gesammte gruppe der germanischen sprachen
dieser länder im gegensatz zu der spräche der Urbevölkerung,
welche die äsen bei ihrer angeblichen einwanderung hier vor-
fanden. Der gleich darauf folgende hinweis auf England, wo
sich diese alte spräche noch in Ortsnamen erhalten habe, zeigt
noch deutlicher, wie das vorhergehende gemeint ist.
') Ed. Arnamagu s. 28f.
DIE GERM. WELTSCHÖPFÜNGSSAGE. 105
Die bezeichnung Gotaland oder Gautland begegnet in
directem Zusammenhang mit dieser betrachtung über die
spräche überhaupt nicht. Skaldskaparmal cap. 65 (Ed. Arna-
magn. s. 531) Avird der Ursprung der namen Goten, Goti, Got-
hind oder Gauthmd allerdings mit Odin in Verbindung ge-
bracht, aber natürlich nicht als ableitungen von gop, sondern
von Odins beinamen Gaiitr.
Ganz dieselben anschauungen wie die Snorris begegnen
uns bei dem Verfasser des ersten bruchstücks dänischer sagen,
Fornmanna Siigur 11, 105 f. Auch dort hiU-en wir von der
einwauderung der Asiamenn aus Tyrkland und der ausbreitung
ihrer spräche über Saxland. Dänemark, Schweden, Norwegen
und einen teil Englands — also über das ganze germanische
gebiet. Und auch hier ist kein gegensatz zwischen dieser
Sprache und der nordischen gemacht, sondern das nordische
wird ausdrücklich mit ihr identificiert, wenn es iieisst: tungun
l:om meö Jieini nordr liigat er ver köllum norraenu. Kurz darauf
werden nun hier Go(Mand und Go('*ijnö genannt als die alten
namen Dänemarks und seiner bewohner (a.a.O. s.412 f.): Skjöldr,
sd er liuid iok ser, pat er nu lieitir Danmörlc. En pu voru
Jicssi Jünd, er Asiamenn hygJn, liöUiid Goölönd, en foJkid GodjoJ.
Das könnte ja heissen: damals wurden diese länder Gotland
genannt, erhielten den namen Gotland; besser scheint mir aber
doch in den Zusammenhang zu passen: damals hiessen diese
ländei-, welche jetzt Dänemark heissen, Gotland. Jedenfalls
beachte man, dass das volk Odins gerade vorher durchaus
nicht GoÖjöö heisst, sondern eben Asiamenn, und dass dem
Verfasser dieses bruchstücks Odin und seine familie keine
götter mehr sind. Uebrigens stehen diese angaben über die
namen Goldand, Goj^joö und die über die spräche der Asiamenn,
obwol sie in diesem bruchstück nur durch wenige sätze ge-
lrennt sind, in keinem inneren zusammenliang.
Sehen wir nun, wie es mit Sch.'s anderem beweis steht.
Durch seine Zusammenstellung s. 454 f. will er uns zeigen,
dass die von ihm als unnordisch bezeichneten worte ihre ent-
sprechungen ausserhalb der nordischen sprachen haben. Das
') A.a.O. s. 412 olc gekk sä tunya um Saxland, Vanmörk ok Sv/pjod,
Xoreg ok um nokkurn hluta Einglands.
106 HELM
ist richtig-; aber zugleich zeigt uns die zusammeustellung, dass
genau dasselbe auch bei den von Seh. als alt anerkannten
Worten fold und Ijorr und ebenso bei den meisten menschen-
worten der fall ist. Die tatsache, dass diese parallelen vor-
handen sind, darf natürlich für die menschen- und die götter-
worte nicht verschieden beurteilt werden, sie beweist für
letztere, ebenso wie für erstere, zunächst nur den gemein-
germanischen Charakter, so lange nicht nachgewiesen ist, dass
sie zu diesen parallelen in einem anderen sprachgeschichtlichen
Verhältnis stehen als jene, dass sie vor allem auch in ihrer
lautform unnordische merkmale an sich tragen, welche statt
auf Urverwandtschaft mit aussernordischen parallelen, auf ent-
lehnung von denselben hindeuten.
Das in frage kommende wortmaterial beschränkt Seh.
zunäclist selbst dadurch, dass er wie schon gesagt fold und
hjörr^) als 'veraltete urwörter' anerkennt. Zwei andere harr
und aete erklärt er für junge englische lehnwörter, weil sie im
nord. ajia^ Xsyöfisra seien und ihre entsprechungen im eng-
lischen finden. Ich halte dies für unhaltbar.
Aete ist seiner ganzen bildung nach völlig unanfechtbar;
es steht in demselben Verhältnis zum verbum eta wie ]cvce])e
zu JiveJ)a, daaete zu geta, laege zu liggja, saete zu sitja. Vom
englischen aete f. ("weizen') ist es durch das geschlecht unter-
schieden. Uebrigens begegnen im nord. auch die composita
üaete und Jirdaete (Grg. 1, 35, Fbr. 72).
Barr geht auf einen germ. neutralen 5-stamm *baris zurück,
der jedoch frühe schon den gleichlautenden masc. i-stämmen
angegliedert wurde.-) AVir sollten dann allerdings eintritt
des «^-Umlauts und mithin die form '"berr erwarten; es ist
aber hier wie auch bei den meisten andern kurzsilbigen
/-Stämmen im paradigma ausgleich zu gunsten der nicht um-
gelauteten formen eingetreten, wodurch der umlaut im nom.
schwand. Aus dem englischen hätte das wort nur in der form
here, mit umlaut, entlehnt werden können, und es ist schwer
zu sehen, wodurch diese form zu umlautslosem harr hätte
1) Dieses wird von Kluge, Etym. wb.^ s. -iS als frenidwort bezeicbuet.
-) Auch im gotischen hätten wir wol ein masc. *bars zu erwarten,
während sich im abgeleiteten stoftadjectivum lar/zeins die ältere form
erhielt.
DIE GEKM, WELTSCHÖPFUNGSSAGE. 107
umgestaltet werden sollen; das wort hätte vielmehr gewis den
unilaut beibehalten und wäre entweder mit einem neuen nom.
bcrr wie herr, heör, vcfr Üectiert worden, oder es hätte sich
unter beibehaltung der engl, nominativform an die schwachen
masfulina angeschlossen.
Von den 'vielen' unnordischen Worten, die Schütte in der
weltschöpfungssage annimmt, blieben also nur noch fünf übrig :
vgUr, smma, njol, fiine und marr, das aber gar nicht der
götter-goten-sprache angehört, sondern der spräche der zwerge;
doch darauf soll es uns ebensowenig ankommen wie bei acte,
das unter den Worten der riesen genannt ist.
A\'enn diese werte nun wirklich mit der weltschöpfungs-
sage nach dem norden gekommen Avären, so dürften wir doch
erwarten, dass sie uns auch gerade in den nord. darstellungen
der Schöpfungssage begegneten ') und zwar an ganz ent-
sprechenden stellen wie in den deutschen und fries. texten,
dass sie dagegen sonst in nord. texten selten sind. Tatsäch-
lich ist der Sachverhalt aber folgender:
Vgllr steht — ausser der einen stelle in den Alvissmäl und
zehn weiteren belegen in den eddisclien liedern — siebenmal
in den '"Weltschöpfungsgedichten', nämlich Vm. 17, 3. 18,1.4;
A'sp. 24,4. 32,3. 06,3; Grm. 22,1, aber nirgends in einer
deutlichen beziehung zur Schöpfung. In den entsprechenden
deutschen texten steht es nicht.
SiDüia steht nur in den Alvissmäl. Die deutschen texte
haben es sämmtlich, dagegen fehlt es allen drei texten der
nordischen scliöpfungssage.
Njol steht ebenfalls nur in den Alvissmäl und fehlt sämmt-
lichen deutschen und nordischen texten.
Marr findet sich ausser den beiden stellen in den Alvissmäl
und zwei weiteren eddischen belegen je einmal in Vsp. (57, 1)
und Vm. (48, 3), in den Grimnismäl nicht und auch Vsp. 57 und
Vm. 48 ohne beziehung zur weltschöpfung. Die deutschen quellen
kennen es nicht. 2)
') Nicht bloss in den Alvissmäl, denn dass diese eine glossensamnilung
zur scliöpfungssage sind, das ist ja gerade einer der punkte, die erst des
beweises bedüi-feu.
'^) Schütte ist zwar ofl'enbar geneigt, mareo scu im "Wcssobr. geb. 5
wie es auch früher schon vermutet wurde, als compositum = got. murisaiivs
108 HELM
Fime stellt ausser in den Alvissmäl und an fünf weiteren
eddischen stellen zweimal in Grm. 1. 2. 42, 2, aber ohne die
geringste beziehung zur schöpfungssage. In Vsp. und Ym. und
ebenso in den deutschen texten fehlt es.
Unsere erwai'tung wird also getäuscht: gerade da wo
diese worte — unter Voraussetzung der richtigkeit von Sch.'s
theorie — stehen sollten, stehen sie nicht.
Gehen wir nun auf die lautform ein, so sehen wir, dass
auch diese nicht — wie wir verlangen dürften — für entlehnung
spricht, ja dass sie zum teil sogar bei entlehnung gar nicht
denkbar wäre. — V^llr ist ein musterbeispiel für sämmtliche
nordische lautgesetze, die bei einem wort seiner bildung über-
haupt in erscheinung treten konnten. Es müsste also bereits
in urgermanischer gestalt entlehnt worden sein. Die bedeutung
('gefllde') passt zu der des entsprechenden westgerm. wortes
gar nicht, so dass auch von dieser seite aus jüngere entlehnung
ausgeschlossen erscheint. — Marr ist masc, im got. fem., sonst
stets neutrum. Bei junger entlehnung aus dem westgerma-
nischen müsste doch wol ebenfalls neutrales geschlecht erwartet
werden. — Ftme hat nur im got. seine genaue entsprechung,
sämmtliche westgermanische sprachen kennen schon in den
ältesten denkmälern das ^i-suffix nur in ableitungen, und es
geht nicht an, der theorie Sch.'s zu liebe etwa fürs 8. jh. ein
ahd. funi^) zu reconstruieren. — Njöl und sunna geben durch
ihr aussehen keine auskunft über ihre herkunft, sie fänden
sowol als alte nordische wie als entlehnte worte lautlich ihre
genügende erkläruug. Das geschlecht von njöl macht in beiden
fällen Schwierigkeit.
Jedenfalls darf also festgestellt werden, dass die lautform
dieser fünf worte kein kriterium gegen ihren nordischen cha-
zu fassen. Dass dies nicht ohne weiteres angeht, hat schon Müllenhoff
Z.Stelle (MSD^ s. 5) gezeigt, und die einsetzung eines ahd. *mariseo ver-
bietet das metrum, das länge des a fordert. Es liegt ein alter vers des
typus B vor (x X — X — )> "i^r sich jedoch infolge der vocalisation des aus-
lautenden iv in einen vers vom typus aA (x x — X — X) verwandelt hat.
*) Portugies. fona, das vielleicht germanischer herkunft ist, könnte
ein beleg für westgerm. *fmii im 6. jh. sein, falls es aus dem suebischen
und nicht vielmehr ans dem westgotischen stammt.
DIE GERM. WELTSCHÖPFÜNG8SAGE. 109
rakter enthält, ja dass einiges aufs entschiedenste gegen die
entlehnung spricht.
Aber auch anderes lässt sich für nordische lieimat dieser
Worte geltend machen. Sehen wir ihre Verbreitung innerhalb
der nord. dialekte an, so ist allerdings festzustellen, dass njol
und ftiuc in diesen ganz verschwunden zu sein scheinen;
simna ist in der bezeichnung des sonntags lebendig, was
jedoch nicht für das alter des Wortes verwertet werden darf;
denn die namen der Wochentage sind ziemlich spät nach dem
norden gekommen und südgermanischer einfluss ist hier nicht
ausgeschlossen: auch der freitag (scliwed. dän. fridag = frija-
dayr) trägt keine nord. lautform. Anders liegen die Verhält-
nisse bei i-Qlh- und man: Vgllr ist nicht nur in norwegischen,
altdäuischen, altschwedischen und in neuschwed. dialekten
lebendig, sondern auch im färüischeu, das sich doch schon in
der zeit, in welcher nach Kögel- Schütte die schöpf ungssage
erst nach dem norden gewandert wäre, von den übrigen dia-
lekten abzusondern begann. Dieselbe Verbreitung ist auch für
marr nachweisbar; besondere beachtung verdienen bei diesem
auch die altnorweg.-isl. compositen marhal-hi, marrein, mar-
meniU, wenn sie freilich auch nicht unbedingt hohes alter
beanspruchen können; die sprachform erlaubt uns darüber
wenigstens keine weiteren Schlüsse. Dagegen scheint mir
Frej'jas beiname Maröoll doch das gepräge hohen alters zu
tragen: um junger herkunft zu sein, ist er viel zu wenig
durchsichtig; es dürfte schwer sein, ihn aus Freyjas wesen
heraus als junge dichterische benennung zu erklären. Beson-
ders wichtig scheint mir dann aber das vorkommen des wortes
marr in zahlreichen schwedischen Ortsnamen (vgl. Rietz, Svenskt
dialekt-lexikon s. 429), wie Marhj, -häch, -Strand, -sjö, -stad,
Sandmar u.s. w., von denen wenigstens die auf -hy und -stad
zu einer recht alten schiebt von Ortsnamen gehören; die an-
siedlungen, welche solche namen trugen, scheinen in Schweden
(in Norwegen sind sie jünger) zum teil bis in den anfang der
t^isenzeit zurückzureichen und zu Tacitus' zeit grossenteils
schon bestanden zu haben; vgl. Hansen, Landnäm i Norge
s. 119 ff. Die schwedischen belege scheinen mir aber nicht
nur wegen des hohen ansatzes dieser Ortsnamen bedeutungsvoll ;
selbst wer diesen nicht als richtig anerkennt und ihn lieber
110 HKLM
einige Jahrhunderte weiter herimterrücken will, kann die tat-
sachen mit Sch.'s theorie nicht in einklang bringen. Zunächst
wissen wir gar nicht, ob die Schweden dieselben kosnio-
gonischen Vorstellungen hatten wie die Norweger; die er-
klärung, marr sei auch nach Schweden mit der schöpfungs-
sage gekommen, würde also völlig in der luft schweben. Sehr
viel älter als die gründung der ansiedlungen Marhy, Marstad
könnte die einwauderung der schöpfungssage aber keinesfalls
sein — selbst wenn man sie nicht mit Kögel ins achte Jahr-
hundert, sondern etwa schon ins sechste setzen wollte — und
ein Jung entlehntes und noch als fremd empfundenes wort')
verwendet man doch nicht zur benennung von ansiedlungen!
Zum Schlüsse möchte ich darauf hinweisen, dass auch
unter den eddischen stellen, in welchen uns die fünf 'un-
nordischen' Worte Schuttes belegt sind, einige derart sind,
dass ihnen besonderes alter zuzukommen scheint. "Wo in den
Grm. der dichter von den beiden feuern berichtet, zwischen
die Odinn gesetzt wird, gebraucht er das wort eldr (zwei-
mal in der einleitenden prosa und einmal am schluss), Odinn
aber gebraucht dieses wort zwar auch einmal (str. 2, 1), zwei-
mal (str. 1, 2 und 42, 2) aber wendet er das 'götterwort' an;
die erste der beiden stellen {gongumli ßrr, funi!) könnte wol
eine alte beschwörungsformel sein, und auch die andere stelle,
in welcher das feuer in einen uns nicht recht klaren Zu-
sammenhang mit Ullr gesetzt wird, macht den ein druck, als
ob sie weit älter 2) sei als die verhältnismässig jungen Al-
vissmäl.
Einen altertümlichen eindruck macht auch die Verwendung
von vQU/r Ysp. 24 und besonders in den beiden sprichwörtlich
scheinenden stellen Hov. 11, 3 vegnest verra vegra hann velli at
und 38 vöpnmn sinimi slcala ma])r velli d feil ganga framarr.
Auch für fold, dem ja auch Seh. schon nord. herkunft
^) Schütte nimmt ja an, dass es in Norwegen noch weit später als
fremd empfunden wurde.
^) Auch Boer, Arkiv f. n. fil. 22, 152 betrachtet die Strophe mit einer
reihe von anderen als interpolatiou. Er denkt jedenfalls aber auch nicht
an zufügung neu gedichteter Strophen, sondern an eiuschiebung älterer
Strophen. Dass übrigens str. 42 zur darstellung der kosmogonie selbst ge-
hört, wie B. meint, davon kann ich mich nicht überzeugen.
DIE GERM. WELTSCHÖPFUNGSSAGE. 111
zugestanden hat, stehen belege dafür genügend zu geböte:
wir finden es in der volkspoesie Norwegens und der Färöer
und ausserdem in Ortsnamen. Auch Sdm. ;l, 2 {heil sja en
ßgliiyta fohl!) macht den eindruck einer alten formel.
Es wäre nun wol denkbar, dass irgend jemand, angesichts
des reichen für marr und v{jllr zu geböte stehenden beweis-
materials desto grösseres gewicht darauf legen würde, dass
für fune und njol ein solches nicht vorliegt, und dass er darauf
hin Avenigstens diese beiden worte als unnordisch betrachten
möchte. Demgegenüber niuss, abgesehen von dem oben schon
über diese worte gesagten, doch daran erinnert werden, dass
es in allen germanischen sprachen worte gibt, die nur in den
ältesten Zeiten vereinzelt belegt, offenbar bereits damals im
absterben begriffen sind und später ganz fehlen. Auch im
deutschen haben wir ja in der ältesten dichtung solche
worte erhalten, die deshalb als germanisch aber undeutsch
erscheinen und als beleg für fremde herkunft einzelner
denkmäler verwertet worden sind. Die neueste theorie über
die entstehung des Hildebrandsliedes stützt sich bekanntlich
zum teil auf solche argumente. Auch im anfang des Wesso-
brunncr gebets stehen aber zwei solche worte: ero und ufhhnil,
von denen dieses im ahd. überhaupt ajia-^ liyö^arov ist und
der späteren spräche ganz fehlt, jenes, abgesehen von einer
reihe sehr unsicherer spuren'), mit Sicherheit nur noch einmal
in einer glosse belegt ist und nur im adverb. {ri)iencr ver-
steckt wirklich fortlebt. Es wäre ein leichtes, nach Schuttes
methode mit einer einfachen umkehrung seiner theorie diese
worte als lelmworte zu erklären und auf grund derselben und
der Übereinstimmung mit der nordischen formel etwa eine in
das G. jh. fallende Wanderung der schöpfungssage aus dem
norden nach Deutschland festzustellen. So wenig dies erlaubt
ist, ebensowenig kann ich Schuttes Schlüsse für erlaubt halten;
auf diesem wege käme man ja schliesslich dazu, jedes äjiag
Xtyof/arov, das parallelen in einer verwandten spräche besitzt,
für ein lehnwort zu erklären.
Wir werden also doch bei der alten annähme bleiben
düi'fen, dass die von Seh. beanstandeten worte alte aus dem
•) Vgl. Bremer, Zs. fda. 31, 205; MSD.3 2,3; Grimm, Gramm. 3, 221.
112 HELM, DIE GERM. WELTSCHÖPFUNGSSAGE.
lebendigen gebrauch gekommene worte sind, die in gehobener
spräche im cultus und religiösen formein wol noch ihr dasein
fristeten.
Die Alvissmal aber, die solche worte nebst einer grossen
menge anderer metrischer Umschreibungen zusammenstellen,
können, das ergibt sich zweitens aus diesen zeilen, auch nicht
mit Seh. speciell als ein glossar zur schöpfungssage betrachtet
werden, denn die glossierten worte stehen in dieser grössten-
teils gar nicht; sie sind vielmehr, wie man das ja übrigens
längst erkannt hat, ganz allgemein eine synonymenlection für
irgendwelche dichterische zwecke, gekleidet in einen woi't-
streit zwischen Alviss und Thor.
GIESSEN, 21. dezember 1905. KARL HELM.
ZUR KRITIK DER SAGE
VON IIERTNITS KAMPF MIT DEN ISUNGEN.
Die culturelle beeinflussung- der Tschechen diircli die
Deutschen im niittehilter äussert sich bekanntlich u. a. auch
darin, dass deutsche sagen bei jenen eingang- gefunden liaben.
Eine ganze reihe von fällen, in welchen dies geschah, ist längst
wol bekannt.') Auf einen weiteren, bisher nicht beachteten,
macht nun A. Wallner in einem Laibacher programm^) auf-
merksam, in welchem er die in der Thidrekssaga cap. 349 — 355
enthaltene sage von Hertnit und Ostacia und von Hertnits
kämpf mit Isung, Fasolt und Thetleif mit der tschechischen
sage vom kämpf des Satzer herzogs AVlastislaw gegen den
Prager herzog Neklan und seinen helfer ^Tur zusammenstellt.
Die tschechische sage wird uns von den böhmischen Chro-
nisten in verschiedenen recensionen überliefert. Die älteste
ist die des lat. Chronicon Boemorum von Cosmas von Prag aus
dem anfang des 12.jh.'s3), herausgegeben in den Mon. Germ. bist.
Script. IX; darnach ist die sage von Wallner s. 8 ff. abgedruckt.
Daneben stehen nicht unerheblich abweichende andere berichte
bei späteren autoren: Dalimil (f 1314), Aeneas Sylvius (Hist.
>) Sie sind zusammeügestellt bei Wallner s. 23.
*) A. "Wallner, Deutscher mythus in der tschechischen ursage, Lai-
bach 1905.
ä) In der Praefatio ad magistruni (Tervasium Mon. s. 31 ft'. gibt C.
seihst die ahfassuugszeit genauer an. Er sagt: Est aittem Jiaec chronica
composita regnante quarto Heinrico Romano iinperatore et gubernante
sanctam ecclesiam Dei jyapa Kalixto, sub temporibus ducis Boemorum
Wladizlai simtd et praesulis Pragensts ecclesiae Hermanni. Da Calixtus
(II) von 1119—1124 papst war und hischof Hermann von Prag 1122 starb,
ist also die abfassung der chronik zwischen 1119 und 1122 anzusetzen;
danach niuss natürlich quarlo (Heinrico) in quinto geändert werden.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. 3
114 HELM
Boliem. 1458), Hajek (Chronik von Böhmen vom jähre 1541),
Dubravius (Histor. Boiemensis 1552); W. druckt als Vertreter
dieser sagenformen die von Joh. Sandel 1596 verfasste Über-
setzung von Hajeks bericht ab.
Trotzdem diese recension uns erst in verhältnismässig
später Überlieferung begegnet, kann kein zweifei daran be-
stehen, dass sie manchen zug besser bewahrt hat als Cosmas,
Das erklärt sich ganz einfach daraus, dass die sage im volke
lebendig geblieben war, so dass spätere Chronisten aus frischer
Überlieferung schöpfen und auf grund dieser ihre literarischen
quellen ergänzen konnten (vgl. AVallner s. 13).
Die berührungspunkte zwischen der tschechischen sage
und der von Hertnit sind nicht zu verkennen, und W. hat
daraus den richtigen schluss gezogen, dass jene von dieser
abhängig ist. Dagegen hat er die bedeutung der tschechischen
sage für die kritik der Hertnitsage niclit richtig eingeschätzt.
Er wendet sich zu einer sehr anfechtbaren deutung der sage
als eines Jahreszeitenmythus i) und, zum teil geblendet durch
dieses ihm vorschwebende trugbild, entscheidet er die für die
sagenkritik so wichtige frage nach dem genaueren Verhältnis
beider sagen kurzer band dahin, die tschechische fassung gebe
keinen anhaltspunkt für eine ursprünglichere gestalt der
deutschen sage, ja sie bringe dadurch den indirecten bew'eis,
dass die in der Thidrekssaga vorliegende Version mindestens
ins 11. jh. hinaufreiche. Ich halte diesen satz zunächst in
seiner ersten hälfte für total falsch: tatsächlich hilft uns die
tschechische sage, eine ältere sagengestalt zu erkennen. Eben
deshalb kann sie natürlich dann für das alter der version in
der Thidrekssaga nichts beweisen.
Wichtig ist für die sagenkritik vor allem der name von
Neklans Helfer. Derselbe heisst bei Cosmas von Prag in
latinisierter form Tyrus; der ort des kampfes heisst campus
Turzco (bei späteren Tiirske Pole). Ein Zusammenhang zwischen
beiden namen ist kaum abweisbar; aber welcher art war der-
selbe? Man könnte denken, von dem Ortsnamen sei der
^) Es soll nicht bestritten werden, dass mythisches in der sage steckt,
sie aber mit all ihren, znm teil deutlich jüngeren, einzelheiten als einen
alten einheitlichen mythus auszudeuten, halte ich für gänzlich un-
zulässig.
ZUR KKITIK DP:R SAGE VON HERTNITS KAMPF. 115
Personenname *Tur abgeleitet worden, der dann von Cosmas
latinisiert worden sei; oder es könnte umg-ekehrt das Schlacht-
feld nach dem helden genannt worden sein; oder endlich die
namen waren ursprünglich ganz unabhängig von einander und
haben nur ihrer ähnliclikeit') wegen die Realisierung der sage
an diesem punkte zur folge gehabt. Für alle drei möglich-
keiten bietet ja das sagenmaterial aller Völker beispiele. In
unserem fall wird, wie wir sehen werden, die erste möglich-
keit ganz, die zweite wahrscheinlich ausscheiden.
Bei Dalimil und Hajek heisst der held Styr, die anderen
jüngeren Chronisten zeigen mehrfache Varianten davon (Sder,
Zdtrus, Sdericus u. a.; vgl. A^'allner s. 17, anm.). Da dieser
name aus dem tschechischen und aus der tschechischen sage
nicht erklärt werden kann, hat AVallner ihn als das deutsche
Si'wr aufgefasst, wozu zu beachten ist, dass die vermutete
tschechische namensform *I'«r ebenfalls 'Stier' bedeutet. Natür-
lich kann nun Styr nicht etwa Übersetzung eines tschechischen
^Tur sein; denn wie sollte ein Tscheche dazu kommen, den
tschechischen namen eines tschechischen helden ins deutsche
zu übertragen? Nur der umgekehrte Vorgang wäre denkbar:
entlehnung des deutschen namens 'Stier' und Übersetzung ins
tschechische mit nachfolgender latinisierung. AVenn dies der
wirkliche Sachverhalt war, könnte natürlich höchstens der
Ortsname vom personennamen abgeleitet sein, wahrscheinlicher
wäre aber die erklärung, dass beide namen ursprünglich un-
abhängig von einander waren und erst secundär an einander
gerückt wurden. Nur müsste, damit dieser ganze Vorgang
wahrscheinlich würde, noch erklärt werden, woher denn in
einer deutschen von den Tschechen entlehnten fassung der
name Stier kommen konnte. Die erklärung scheint mir nicht
besonders schwer zu sein: wir werden in diesem Stier eine
unter anlehnung an vasel vollzogene deutsche volksetjmiolo-
gische deutung des namens Fasolt zu erblicken haben, den in
der Thidrekssaga einer von Isungs heifern trägt.
Wallner (s. 25, anm.) setzt allerdings *Tur = Thetleif, ja
>) Mitwirken konnte ausser der uamensäbnlichkeit auch eine auf
Turzke pole befindliche felsmasse, welche als grab des helden gedeutet
wurde; vgl. Mon. Genn. a.a.O. 9.42, anm. 99.
8*
116 HELM
er spricht von mytliisclier wesensgleicliheit beider und sieht
in dieser den eigentlichen anlass für die Übernahme der sage
durch die Tschechen, Aber diese gleichsetzung lässt sich nicht
aufrecht halten. Die taten Turs und Thetleifs entsprechen
sich zwar in der hauptsache: durch ihre band erhält in beiden
sagen der feindliche führer die tödliche wunde. Aber der tod
Turs und Thetleifs stimmt nicht überein. Thetleif wird von
Ostacia in drachengestalt getötet. Tur-Styr fällt von vielen
wunden getroffen durch die bände seiner gegner. Sein tod
gleicht also eher dem des Fasolt., der, infolge vielfacher Ver-
wundung ermattet, endlich von Hertuit niedergestochen wird.
Tur-Styr vereinigt also in sich die beiden helfer der deutschen
sage und zwar hat er von Fasolt namen und todesart.
Die erklärung für dies merkwürdige Verhältnis, dass den
beiden heifern der deutschen sage in der tschechischen nur
einer entspricht, kann auf zweierlei wegen gesucht werden.
Entweder ist auf Tur-Styr alles gehäuft worden, was ursprüng-
lich zwei Personen zukam, — oder es war ursprünglich nur
ein helfer da und diese eine sagenligur hat sich infolge des
eindringens einer ganz neuen gestalt gespalten. Die ent-
scheidung zwischen beiden möglichkeiten kann uns nicht
schwer fallen. Dass in der tat Thetleif der sage ursprünglich
nicht angehörte, hat man schon lange erkannt; vgl. Jiriczek,
Heldensagen 1,324. Er ist überhaupt eine ziemlich ver-
schwommene heimatlose sagengestalt, die den verschiedensten
sagen angegliedert worden ist (Jiriczek a.a.O. s.321 ff.; Grimm,
Heldensage'', register s. 505 s.v. Dietleib). Seine Stellung als
•gegner der in drachengestalt kämpfenden Ostacia verdankt er
vielleicht allein dem umstand, dass die sage auch sonst von
einem kämpf zu berichten weiss, den er mit einem meer-
wunder, einem merivihe, zu kämpfen hat, einem nieerungetüm,
das wol halb als drache, halb als weib gedacht werden muss.
Schon Müllenhoff scheint Zs. fda. 12, 369 an eine beziehung
zwischen beiden kämpfen gedacht zu haben.
Die tschechische sage mit ihrem einen helfer, der nicht wie
Thetleif mit dem weib in drachengestalt kämpft, sondern mehr
Fasolt entspricht, scheint mir nun als ein weiterer beleg
dafür gelten zu müssen, dass Thetleif ursprünglich der sage
fremd war. Leider können wir den Zeitpunkt, in welchem die
ZUR KRITIK DER SAGE VON HERTNITS KAMPF. 117
iibernalime derselben seitens der Tschechen geschah, nicht
genau feststellen, spätestens ist sie — da schon Cosmas die
sage berichtet — um die mitte des 11. jh.'s anzusetzen; damals
v>3.r also Thetleif mit Hertnit noch nicht verbunden.
Gehört nun aber Thetleif der sage ursprünglich nicht an,
so fällt natürlich auch Ostacia, die zweifellos in der sage alt
ist, ursprünglich nicht durch seine band. Damit wird laum
gegeben für eine andere erklärung ihres todes. Müllenhoff,
Zs. fda. 12. 351 und 23, 127 vergleicht die geschichte von Hert-
nit s kamitf gegen die Isungen und von der Unterstützung durch
Ostacia mit der geschichte von Helgi und Kara. Wenn er
erklärt, beide sagen seien im gründe genommen dieselben, so
ist das allerdings eine etwas vorschnelle identificierung, aber
das in der Helgisage begegnende motiv, dass der held seine
im kämpf schützend über ihm schwebende geliebte tödlich
trifft, scheint doch auch in der Hertnitsage ursprünglich vor-
handen gewesen zu sein; auch das wird durch die tschechische
sage noch dargetan. \Yir haben in dieser die höchst merk-
würdige ei)isode von Straba, der unwissentlich sein weib auf
den tod Aei'wundet. Die nähereu umstände, unter denen dies
geschieht. geh()ren ausschliesslich der tschechischen sage an,
die sich den verlauf in ganz eigenartiger weise zurechtgelegt
hat; sie interessieren uns hier weiter nicht. Desto wichtiger
ist für uns die erzählung vom tode des weibes, die ganz mit
der vom tode der Ostacia übereinstimmt. Straba, aus der
Schlacht zurückkehrend, findet sein weib todwund zu hause
vor; sie stirbt, nachdem er noch festgestellt hat, dass die
"wunden von ihm selbst herrühren. Ebenso findet Hertnit, als
er aus der Schlacht heimkehrt, sein weib todwund zu hause
und erkennt nach der Thidrekssaga nun daran erst, dass
sie ihm im kämpfe beigestanden hat. Drei tage darauf
stirbt sie.
A\'enn auch die rolle, welche die frau in der , Schlacht
spielt, in der tschechischen sage eine ganz andere geworden
ist '), so ist doch die Schlusssituation genau so geblieben, wie
^) TVahrscLeinlich bat hier eine andere sage eingewirkt, welche davon
erzählte, wie eine frau auf der seite ihrer geschlechtsgenossen gegen ihren
eigenen mann kämpft.
118 HELM
sie die deutsche sage schildert. Die entlehnung- Ist hier noch
klar zu sehen, und es scheint naheliegend, nun auch betreffs
der nächsten Ursache des todes von der tschechischen auf die
deutsche sage zurückzuschliessen. Hier fehlt es uns ja, da
wir Thetleif streichen mussten, an einem directen gegner,
der Ostacias tod verursacht; und wenn wir uns nun fragen,
wen Thetleif in seiner eigenschaft als töter der Ostacia ab-
gelöst haben könnte, so wird uns nichts anderes übrig bleiben,
als auf grund der tschechischen sage zu antwoi'ten: ehe Thet-
leif in die sage eingedrungen war, hat Ostacia von ihrem
eigenen mann die todeswunde erhalten. Diesen Vorgang hätten
wir uns dann ganz so vorzustellen, wie die Verwundung der
Kara durch Helgi.
Unsere auffassung vom tode der Ostacia führt mit not-
wendigkeit eine weitere folgeruiig nach sich. Jeder ursprüng-
lichen sage wohnt eine ganz bestimmte logik inne, von der
höchstens in späten bearbeitungen abweichungen denkbar sind.
In unserem fall verlangt es die logik der sage meines erachtens
durchaus, dass der held, der seine schützerin tödlich verwundet
hat, vom schlachtenglück verlassen wird und selbst den tod
findet, entweder direct im kam.pf oder infolge seiner Verwun-
dungen. Die Thidrekssaga weiss davon nichts, in ihr wird
Hertnit vielmehr wider geheilt. Aber es ist leicht, den grund
dafür zu erkennen. Wir haben es hier mit einem kunstgriff
zu tun, der auch sonst in sagen nicht selten begegnet: wenn
von irgend einem beiden mehrfache kämpfe berichtet werden
(oft nur Varianten eines und desselben kämpf es), die alle mit
seinem tod enden, so muss bei einer Verknüpfung der ver-
schiedenen berichte in einem derselben notwendig der tod in
eine nahezu tödliche wunde geändert werden. Ich erinnere nur
an die behandlung der Baidersage bei Saxo (vgl. Kauffmann,
Balder s. 87). So erklärt sich auch die widerherstellung Hertnits
in der Thidrekssaga. Dass in dieser dann später doch nichts
mehr von Hertnit erzählt wird, spricht nicht gegen unsere
annähme; denn wir wissen, dass der Verfasser der Thidreks-
saga noch weiteres von Hertnits fernerem leben kannte, wenn
er es auch nicht aufnahm. Am schluss von cap. 355 sagt er es
selbst mit deutlichen werten: Hcrtnid Iwnungr verdr enn hcill
sinna scira oc stijrir sinu riJci Villcinalande sva sem hoeyrer
ZUR KRITIK DER SAGE VON HERTNITS KAMPF. 119
cnn i sagu lians. oc hann vinnr morg storvirJce medan kann
er Iwnungr i VUlcinalandc , oc af iiauKm er allmihil saga,
J)0 at J>ess verde nu eigi her getet i J)cssare frnsogn.
Diese grosse sage, von der hier gesprochen wird und die
dem Verfasser der Thidrekssaga also bekannt war, konnte
weiteres von Hertnit nur erzählen, wenn sie an stelle seines
tiHies im kami)f mit den Isungen die schwere Verwundung
treten Hess. Dass dieser kämpf aber wirklich auch isol-
iert und mit tödlichem ausgang erzählt wurde, dafür fehlt
es auch nicht an einem directen beleg. Die tschechische sage
allerdiugs kann das nicht beweisen. Wenn dort Wlastislaw,
der tschechische Vertreter des Hertnit, im kämpfe selbst fällt,
so ist dies wol ein neuer zug, der auf historischen reminis-
cenzen beruhen mag. In der den Tschechen bekannt gewor-
denen sagenform muss zweifellos Hertnit heimgekehrt sein und
dort sein totwundes weib gefunden haben. Das geht aus der
übereinstimmenden erzählung von Straba klar hervor; und die-
selbe beweist ausserdem noch, dass in dieser sagenform auch
vom tod Hertnits nach der schlacht infolge seiner im kämpf
erhaltenen Avunden nicht mehr die rede war. Diesen ausgang
kennt aber die schwedische fassung (S) der Thidrekssaga, in
welcher Hertnit tatsächlich nach seiner heimkehr an seinen
wunden stirbt. Die schwedische Thidrekssaga steht im all-
gemeinen ja der norwegischen, namentlich der fassung der
membrane, recht nahe {yg\. Boer, Arkiv f. nord. fil. 7, 205 ff.),
sie ist aber doch keine blosse Übersetzung, sondern hat selb-
ständig einige weitere quellen verarbeitet, die, wenn sie dem
bearbeiter auch wol in dänischem gewand vorgelegen haben,
doch im letzten ende niederdeutscher herkunft gewesen sein
müssen; das beweisen die zahlreichen in ihr erhaltenen nd.
namensformen zur genüge (vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 12, 380 ff.).
^^'enn S also von Hertnits ende zu erzählen weiss, so dürfen
wir darin keine willkürliche änderung des bearbeiters erblicken,
sondern müssen eher schliessen, dass ihm auch dafür eine
andere quelle bekannt war, welche die sage von Hertnit und
den Isungen noch mit ihrem ursprünglichen ende erzählte.
GIESSEX, 30. april 1906. KARL HELM.
ZUR BPrrONUNG VON NHD. HOLUNDER,
WACHHOLDER u.s.w.
Hunderte von unzweifelhaft echt germanischen, aber
scheinbar unregelmässig betonten Worten, wie scharlcnzen,
schenvenzi'ln, huranzen, karnüffcln, kajüte, hahuse, salbadern,
Mahaidennann, schlaßttclien, schlaraffc, krambamhel {kramham-
hidi) U.S.W., machten den etymolog-en bisher die grösste
Schwierigkeit. Eine grosse zalil dieser worte wurde für ent-
lehnt gehalten, bei anderen suchte man sich zu helfen durch
annähme sonst nirgends nachweisbarer unbetonter substantiv-
präfixe {ka-, kar-, sla-, kla-, schar- u. s. w.) oder betonter sui^xe
{-astern, -istern, -isen, -ädern, -uts u.s.w.), oder auch durch
annähme von accentverschiebung {scldaraffc, klabasicrn u.s.w.).
Für mehr als 300 worte dieser art habe ich nachgewiesen >),
dass da weder von entlehnung, noch von unbetonten substantiv-
präfixen oder betonten Suffixen, noch auch von accentverschie-
bung die rede sein kann, sondern dass da entweder svarabhakti-
formen vorliegen [wie z. b. sch{ar)tvenzeln aus schwänzeln] oder
präduplicationsformen [wie kr(atnh)dmhdi, kr(amh)dmb-el aus
kramb-el] oder freie Streckformen [wie kl{ah)dutermann aus
klautermann], dass in all diesen Worten nie die erste, sondern
von jeher die zweite silbe, die stamm vocalsilbe den haupt-
accent gehabt hat, und dass daher das betonungsgesetz für die
historischen perioden des germanischen sich nur aufrecht er-
halten lässt, wenn man darin die 'erste silbe' oder 'Stamm-
silbe' durch 'stamm vocalsilbe' ersetzt. 2)
1) Zuerst 1904 Beitr. 29, 346—354 uud jetzt in meinem buche: Streck-
formen. Ein bei trag zur lehre von der wortentstehuug und der german.
Wortbetonung. Bd. 1, 1 der zweiten reihe von W. Streitbergs Germanischer
hibliothek. Heidelberg 1906.
^) Schon die urnord. svarabhaktiformen (waritu, HarahanaR u.s.w.)
machen diese fassung notwendig. In der jirähistorischen urzeit des genn.
hat natürlich stets die erste silbe den hauptaccent gehabt.
ZUR BETONUNG VON NIID, HOLUNDER. 121
Damit ist die grosse masse der scheinbar imregelmässig
betonten germanischen worte. wie ich glaube, endgiltig auf-
geklärt, und es bleiben nur noch wenige zweifellos echt germ.
Worte des nhd., die sich dem accentgesetz auch in der von mir
vorgeschlagenen fassung nicht fügen wollen: hohhulcr, tvadiölder,
maßhöhkr, forillc, hermdin, horntsse, lebend /(j.
Für all diese w^orte pflegt man ja 'accent Verschiebung' an-
zunehmen. Mit diesem ausdruck ist natürlich nichts erklärt, son-
dern nur eine tatsache und zwar eine, wie ich im folgenden zu
beweisen glaube, überhaupt nicht vorhandene tatsache behauptet.
Eine erklärung ist es auch nicht, wenn Kluge, Et. wb."
unter forcUe die betonung dieser worte auf die schwere ihrer
mittelsilben zurückführt. Denn das ist ja gerade die frage,
um die es sich hier handelt: wie ist es so gekommen, dass
diese worte entgegen der sonst allgemeinen Wirkung des accent-
gesetzes noch heute schwere mittelsilben haben?
Wilmanns Gr. 1- § 340, 2 sagt: 'die substantiva {forclle,
Jicrniclni, JtoUundcr, tvachlioldcr, mafsholder) und das verbum
{schmarotzen) sind singulare bildungen, die in dieser form sonst
nicht vorkommen; forelle, liornisse, hermtUn sind offenbar unter
den einfluss von fremdwörtern geraten (vgl. auch die übliche
betonur.g der namen Bücldin, Pieucld'm, Wölflin). Lawine
würde sich ihnen anschliessen, w'enn das wort wirklich deutsch
ist (Kluge, Wb.). HoUunder, ma fsholder, ivacliholder, schmarotzen
haben den schein von compositis angenommen.'
Schmarotzen und laicine gehören nicht hierher.') Im
übrigen stellt auch ^^'ilmanns das ganze problem auf den köpf.
Denn nicht um die frage handelt es sich: wie ist es gekommen,
dass worte von dieser lautgestalt den accent auf der zweiten
') Schmarotzen, daneben aucli schmulotzen und vom 15.— 18. jh. schma-
rutzen, wird g'anz regelmässig anf der stammvocalsilbe betont; es ist nicht
schmar-uizen, sondern Streckform sch)ii{ar)6lzen, schm{ar)iitzen von schmatzen,
schmutzen 'schmutzig, geizig, knauserig sein'. — Lawine ist zweifellos
entlehnt; Kluges einwand, das b des lat. labina hätte im deutschen nur h
oder f ergeben können, beweist nichts dagegen. Denn das wort braucht
nicht unmittelbar aus dem lat. entleimt zu sein, sondern kann doch eben-
sowol aus einem roman. dialekt stammen, z. b. aus dem rätorom., wo lat.
labina zu lacina geworden ist, das im deutschen nur laivine ergeben konnte.
Zu schmarotzen s. verf. Streckformen s. 83 — 87; zu iawine Körting, Lat.-
rom. wb.' s. 5.
122 SCHRÖDER
Silbe haben? — sondern darum: wie konnten diese worte dem
accentgesetz zum trotz sich eine lautgestalt bewahren, die die
heutige deutsche gemeinsprache zur betonung der zweiten silbe
zwingt? Nur wer Ursache und Wirkung verwechselt, wird in
den aiisführungen von Wilmanns und Kluge eine lösung des
Problems erblicken.
Aber auch abgesehen hiervon ist es doch nicht angängig,
die betonung hollünder, wachhölder, mafshölder daraus zu er-
klären, dass diese worte den schein von compositis angenommen
haben. Denn gerade wenn sie nicht nur composita zu sein
schienen, sondern es auch wirklich wären (*hol-lunder, *wach-
liolder, *mafs-Jiolder), so müssten sie trotzdem und erst recht
den hauptaccent auf der ersten silbe haben. Denn es gibt
kein einziges substantivcompositum desselben typs x := x ---? ^^^
wie diese worte betont wird. Alle werden x = x^ ^^^^ nicht
x = xv^ betont")
Ansprechender ist die Vermutung, die Kaufmann in der
letzten (4.) aufl. seiner Gr. § 36 ausspricht: 'heimische Wörter
sind von einer accent Verschiebung betroffen worden: mhd.
Uhentic > nhd. lebendig, mhd. förhel > nhd. forclle, mhd. hö-
lundcr > nhd. hollünder. Diese accentverschiebung ist ver-
mutlich in satzrhythmischen gruppen wie sehr lebendig, hdch-
forelle, berghollündcr erfolgt (vgl. bair. lemlig aus Uhentic,
Schwab, forell aus förhel), die den typen vorsichtig : unvor-
sichtig, urteile : Vorurteile analog sind.'
Aber auch diese auffassung scheint mir nicht zutreffend
zu sein. Der hinweis auf unvorsichtig, Vorurteile könnte für
unsere frage doch nur dann entscheidend sein, wenn aus diesen
compositionen sich wirklich die betonungsformen vorsichtig
(ohne das un-), urteile (ohne das vor-) selbständig gemacht
hätten. Das ist aber nirgends geschehen; es gibt nur ein
vorsichtig, kein vorsichtig; nur urteile, nicht urteile. Ausserdem
müsste auch wol nachgewiesen werden, dass forclle, hollünder
u. s. Av. meistens als zweite giieder von compositis, seltener
selbständig erscheinen. Auch dieser nachweis dürfte sich
schwerlich führen lassen.
^) Nur janhägel könnte wol als einzige ausnähme angeführt werden ;
aber nur scheinbar; denn es wird seiner entstehung gemäss (Jan, auch
Hans Hagel, wie Hans Wurst) ganz regelrecht betont wie z. b. FrHz Schuhe.
ZUR BETONUNG VON NHD. HOLUNBEE- 123
Ich glaube daher l)ei all diesen Substantiven nicht an eine
accent Verschiebung', also an eine Verletzung; des accentgesetzes.
Denn wenn irgend ein gesetz der germanischen Sprachgeschichte
die kraft besessen hat, sich gegen nichtachtung zu wehren, so
ist es das accentgesetz für das einfache wort. Der germanische
accent, der im einfachen worte solche kraft besitzt, dass er
(vom schwedischen und z. t. auch dem norwegischen abgesehen)
alle, auch die ursprünglich langen vocale der flexionsilben zu
einem schwachen v, o degradieren oder — noch häufiger —
ganz zum verstummen bringen konnte; der zwei-, drei-, vier-
silbige Worte einsilbig machen oder doch der einsilbigkeit
naheführen konnte; der zahlreiche auch der widerstrebendsten
lehnworte vergewaltigt und unter sein strenges gesetz ge-
zwungen hat: ein solcher accent lässt sich selbst, so lange er
leben hat, nicht vergewaltigen, aus seiner starken Stellung
nicht verdrcängen.
Ein Vädp-astern, aus dem E. Hildebrand, DW. 5, 888 und
Kluge, Et. wb. Idahdsicni erklären, hätte nur Mdpdster^i >
Uapstern > Mastern werden können, nie zu Idapdsiern, und
natürlich erst recht nicht zu nd. llahdstern (wie wollte man
dann auch das -astern deuten?). Ebensowenig wie aus rotmffe
ein yo(^dff'{c), rofzu/fXc), aus gahnaßc ein yüiid/f{e), gänuß\e)
U.S.W, sich entwickeln konnte und sich entwickelt hat, hätte
sich aus einem slnr-afj'e (aus dem Kluge nhd. schlurdffe erklärt)
ein sclilurdff'{e), schlaruff'{e)^) entwickeln können, sondern nur
ein schlduraf > schldurdf oder schlürdf > schlürf. S. verf.
Streckformen s. 150 ff. 195 fl".
Und doch bezeichnet mhd. holunder, hölunter denselben
Strauch, sambucus nigra, wie ulid. holunder. Hat hier denn
nicht eine accent Verschiebung stattgefunden? — Nein.
Mhd. holunder, hölunter konnte sich nur zu holnder >
holder > höl{l)er > hob' oder mit assimilation des l zu hölnter
> hönter > hontr weiter entwickeln und hat sich in der
spräche, d.h. in der gesprochenen, der natürlichen leben-
digen Sprache der mundarten, die für die Wissenschaft vom
') Diese form mit u in der zweiten silbe, die sich z. b. bei Schotte],
Haubtspr. s. 4ö3a findet, wird bei der erklärun^ des Wortes als compositum
von a/fe natürlich nie erwähnt.
124 SCHRÖDER
leben der spräche allein in betraclit kommen kann, auch
tatsächlich nur in dieser richtung entwickelt. Keine einzige
mundart hat liolünder ans holunäer. Dass aber in der ge-
bildeten gemeinsprache das wort heute Jiohincler lautet, ist
gerade ein beweis für die kraft des accentgesetzes, das keine
ausnahmen duldet. Denn das wort Jiolunder ist zweifellos
nicht aus dem worte Jiölundcr selbst entstanden, sondern aus
dessen Schriftbild, und zwar nicht vor dem 18. jh., s. DW.
4, 2, 1762. Damals war aber infolge des accentgesetzes der
mittelvocal von holimder in fast allen mundarten schon ge-
schwunden '), nur in einzelnen thür. gegenden (s. Hertel, Thür.
Sprachschatz 8.121) und im meissnischen (DW. a.a.O.) hat er
sich gehalten.'-^) Bei dem grossen einfluss aber, den diese
mundart gerade im 18. jh. ausübte, ist es begreiflich, dass ihre
form holimder in der literatursprach e herschend wurde. Da
nun die deutsche schrift keine accente kennt, so musste man
in allen gegenden, die das wort in der lebendigen spräche nicht
hatten oder in denen es den mittelvocal eingebüsst hatte
{holder, holler, höh;, honter, hontr), holimder genau so lesen
A\ie alle übrigen worte desselben t3^pus, und das sind nur
fremdworte mit dem ton auf der vorletzten silbe: (jamdnder,
haUnder, olednder, salarnander, zylindtr, seJnmdc, roiunde u.s.w.
Kein mensch würde, wenn ihm wortbilder begegneten, wie
*raliinder, *balinder, *trasinder,/^mu(jimdcr, *bramander, diese
anders als mit dem accent auf der zweiten silbe lesen, also
nur nach art der fremdworte, eben weil der energische accent
in fast allen deutschen mundarten in einfachen germanischen
1) Schon im mhd. sind foriueu wie holnder, holder, holler, hoJre ganz
gewöhnlich, und sogar holr findet sich schon nihd. in holr-bläsarc, holr-
IMseii Lexer, Hwb. 1, 1327 ff.
2) [In meiner heimatsmiindart (meissnisch-oherlausitzischer übergaugs-
dialekt, vgl. Beitr. 13, 581) ist die form des wertes höliw^, mit hanptton
auf dem nhd. gedehnten o und nebenton auf dem u; im compos., z. b.
höluvxhidrd ' holunderbeere ', trägt das u einen accent dritten grades, wäh-
rend die dritte und fünfte silbe (x und d) niedrigste toustufe haben. —
Ich begrüsse in den obigen ausführuugen eine weitere bestätiguug der in
meiner akad. rede (1901) 'über die einigung der deutschen ausspräche " ver-
tretenen theorie über die ausbildung der gesprochenen nhd. hochsprache im
anschluss an das Schriftbild der auf obersächsischem gründe festgesetzten
schreibsprache. — W. B.j
ZUR BETONUNG VON NHD. IIOLUNDEB. 125
Worten dieses tj'ps den niittelvocal vernichtet hat und solche
wortbilder eine volksetyuiologische deutung als deutsche com-
posita nicht zulassen.')
Holunder ist also nicht aus dem worte hölunder ent-
standen, sondern aus dessen Schriftbild hölunder. Dieses aber
hat keinen accent — die deutsche schritt kennt überhaupt
keine accente — , und wo kein accent vorhanden ist, da
kann auch keiner verschoben werden, sondern nur ge-
setzt werden, entweder richtig oder, wie in unserni falle:
falsch. Es ist also nicht möglich, hier von accentverschiebung
schlechthin zu reden.
Genau derselben entwicklung verdanken icacholder, forelle,
hermeltn ihre betonung in der heutigen gebildeten spräche.
Wo wachohhr von altersher in den mundarten sich gehalten
hat, da wird es, wie die dialektwörterbücher lehren, überall
und z\MAY meist mit Unterdrückung des mittelvocals oder doch
dessen reducierung zu d, auf der ersten silbe betont. Auch
wo es volksetymologisch als compositum aufgefasst wird, betont
die mundart, wie es ja auch nicht anders sein kann, stets die
erste silbe, z. b. eis. (Martin-Lienhart 1, 326 a) ivcelcholtdr, tcdJc-
holtdr, ivceldtdr. Auch dies pseudo- compositum iv ach -holder
kann also nicht, wie Wilmanns meint, die heutige gemein-
deutsche ausspräche hervorgerufen haben — denn jedermann
spricht doch auch hdchholder, hirschholder 'viburnum opulus',
letzteres auch 'sambucus racemosa' — , sondern nur die in der
Schrift, die ja überhaupt am alten klebt, festgehaltene alte
form icacholder. Dieses accentlose wortbild aber musste (ebenso
wie Jiolunder) überall da, wo icdcholder in der lebendigen spräche
nicht oder nicht mehr vorhanden war, und auch da, wo es
den niittelvocal infolge des accents eingebüsst hatte, ncichölder
gelesen werden, also mit dem ton auf der vorletzten silbe,
wie man auch jedes beliebige andere wortbild desselben typs
(z. b. *rasolder, Himalder, '^tranuldtr) nicht anders lesen würde,
eben weil der accent nicht -coniponierte germanische worte
dieses typs in der nhd. gemeinsprache unmöglich gemacht hat.
Mafsholder habe ich nie gehört, sondern nur gelesen und,
'; Alb Itöl-nnder oder hö-lunäer konnte luau das wortbild doch nicht
deuten.
126 SCHRÖDER
bis ich in spracliwissenscliaftlichen werken die betonung mafs-
holder fand, nie daran gedacht, dass das wort anders als auf
der ersten silbe betont werden könnte, und ich habe noch
niemand gefunden, der ein mafshöJder je gehört hat. Auch
das DW. 6, 1741 erwähnt diese betonung nicht. Aber sie muss
doch wol vorkommen. Ist das aber der fall, so kann sie
sicherlich nicht aus der lebendigen spräche stammen, denn
alle mundarten, die das wort haben, betonen die erste silbe,
z. b. thür. (HerteFs. 164) mdselder, mdselr, eis. (Martin-Lienhart
1,325 b) mdsholtdr, meseltdr. Auch die schon früh (im 16. jh.)
auftretende volksetymologische deutung als mas-holdir, mafs-
holder kann die heiommg mafshölder nicht hervorgerufen haben;
denn composita dieses typs x = x ^ werden ausnahmslos x = X ^
betont, wie auch Mrschhölder, hdchhölder, erdhölder. Es kann
also auch hier nur eine leseform vorliegen. Das Schriftbild
massoUer musste überall, wo das wenig verbreitete woj*t nicht
bekannt war, wie ein fremdwort gelesen werden. Auch wort-
bilder wie "^rassolter, *tvassolter, *massidter würde jeder beim
lesen auf der zweiten silbe betonen.
Auch forelle wird überall, wo es von altersher in der
mundart lebendig ist, auf der ersten silbe betont: thür. (Hertel
s. 97), bair. (Schmeller - Frommann l'^, 752), schwäb. (s. oben
Kauffmaun) u. s.w. Die betonung forelle kann daher nicht vom
lebendigen worte, sondern nur von seinem Schriftbild aus-
gegangen sein, das wie alle worte desselben typs {bagatelle,
Zitadelle, gazelle, Impelle, libelle, iabelle u.s.w.) beim lesen nur
auf der vorletzten silbe betont Averden konnte, weil eine volks-
etymologische deutung des wortbildes als compositum {fö-relle
oder för-elle) ausgeschlossen war und echt deutsche einfache
worte dieses typs durch die Wirkung des accents in der gemein-
sprache unmöglich gemacht sind.
Hermelin, mhd. hermelin, demin. von harm{e\ ahd. harnio,
bedeutet im mhd. 'allgemein wiesei ', im nlid. nur noch aus-
schliesslich 'das sibirische wiesei, mustela erminea'. Solange
das wort in den mundarten für (verschiedene) einheimische
tiere lebendig war, hatte es, wie der Schwund des mittelvocals
Qiermlin, hermlein) zeigt und wie es sich ja auch gehört, den
accent auf der ersten silbe. Das heutige hermelin kann daher
seine Verbreitung nur der literatur (bes. den geschichts-, ge-
ZUR BETONUNG VON NHD. HOLUNDEB, 127
scliichten- und naturgescliichtsbücliern) und die mumificierung'
seiner lautgestalt nur der kanzleispraclie des 1(3. und 17. jli.'s
verdanken, die ja so nianclie mittelalterliche form weiter-
gesclileppt hat, besonders den zahlreichen kleiderordnungen,
in denen nicht nur dem einfachen büroersmann, sondern auch
adligen und sogar grafen das tragen des kostbaren hermelin-
pelzes immer wider verboten wurde.
Da nun nicht nur im schriftdeutschen, sondern auch in
den md. und bair.-östr. mundarten das t in -Itn diphthongiert
war und das nd. dies suffix überhaupt nicht mehr kannte, so
konnte im wortbild hennelin auf dem grössten teil des
deutschen Sprachgebiets nicht mehr das deminutiv von härm
erkannt werden, das überdies wenig verbreitet war und in der
bedeutung sich auch schon ganz von hermelin getrennt hatte.
Auch eine volksetymologische deutuug des wortbildes hermelin
als compositum, her -\- mclin oder herme + Im, Avar natürlich
ausgeschlossen. Man konnte daher das accentlose wortbild
hermelin gar nicht anders lesen als mit dem hauptaccent auf
der letzten silbe; denn alle worte dieses typs werden doch so
betont: ruhi, l-amin, Jasmin, medisin und vor allem Ortsnamen
wie Berlin, titettin, FehrhelUn, Zärrcniin u.s. w.
Auch form und betonuug von Jiornisse ist, wie die dialekt-
wörterbücher zeigen, nirgends volkstümlich; überall, wo das
wort in den mundarten vorkommt, ist es zweisilbig und wird
auf der ersten silbe betont. Hornisse kann daher nicht aus
der lebendigen spräche, sondern nur von dem schriftbilde hör-
nisse, das sich schon 1734 bei Steinbach findet, sich herleiten
lassen. Dies aber lässt weder eine volksetymologische deutung
als compositum (Iwr + msse oder hörn + isse) zu, noch als ab-
leitung von hör- oder hörn- (es gibt weder ein suffix -nisse,
noch ein suffix -isse im nhd.). Das wortbild hornisse konnte
daher nur mit dem hauptaccent auf der vorletzten silbe gelesen
werden, wie auch jedes andere wort desselben typs betont
wird: narsisse, melisse, vgl. auch adresse,' Zypresse, fincsse, mä-
tresse u.s. w.
Lebendig hat in der heutigen gebildeten gemeinsi)rache
stets den accent auf der zweiten silbe, während es im mhd.
regelrecht lebentic, Uhendic betont wurde. In der wirklichen,
d. h. der gesprochenen spräche musste der starke accent natür-
128 SCHRÖDER
lieh den mittel vocal vernicliten, es musste folgende entwick-
liing vor sich gehen: Uhentic > Icbntic > lebmtic > Umtic
(lembtic, lemptic) > le.ntic neben h'hendic > — > lendic. In
der tat belegt Lexer, Hwb. 1, 1848 alle diese formen auch
schon aus dem mhd. und sogar das schlussglied dieser entwick-
lungsreihe (Icntic) schon aus dem jähre 1292. Auch in den
heutigen obd. und md. mundarten findet sich noch die ursprüng-
liche betonung. In der schrift aber hielt sich, wie in so
manchem andern falle, die alte form lebendig. Da die be-
tonung lebendig aber durch analog gebildete adjective, deren
es überhaupt nur sehr wenige und auch nur wenig gebräuch-
liche gegeben hat, nicht gestützt wurde und das le- nicht als
betontes präflx aufgefasst werden konnte, so musste das accent-
lose wortbild lebendig natürlich wie jedes andere desselben
typs, d, h, wie ein uncomponiertes adjectiv auf -endig, -ändig
gelesen werden, also mit dem ton auf -en. Wir haben es also
auch hier nicht mit einer in der lebendigen spräche vollzogenen
entwicklung zu tun, sondern mit einer leseform.
Das beweist auch das nd. Wo das wort (mnd. levendich,
also mit v, gespr. wie nhd. w\ wie waldeck. (Bauer -Collitz
s. 67a) Imcendich, pomm. (Dähnert s. 275b) Uwendig '(der ton
auf der ersten silbe)', seinen alten accent sich bewahrt hat,
da ist auch das v, iv erhalten. Wo es dagegen den accent
auf der zweiten silbe hat, da hat es ausnahmslos ein b:
ldbhi{d)ig. Dies b aber kann nur aus dem wortbilde der hd.
Schriftsprache stammen.
So erklären sich, scheint mir, alle diese betonungsformen
der nhd. Schriftsprache {holimder, tvachölder, mafshölder, forelle,
hermelin, Jiornisse, lebendig) ganz ungezwungen. Ist aber diese
erklärung richtig; stammen diese formen nicht aus der leben-
digen spräche, sind sie nicht direct auf ihre alten mhd. regel-
recht auf der ersten silbe betonten Vorgängerinnen zurückzu-
führen, sondern auf deren Schriftbilder: dann kann natürlich
von einer accentverschiebung im eigentlichen sinne des wertes
nicht die rede sein. Denn die deutsche Schreibung kennt keine
accente, und wo kein accent ist, kann auch keiner ver-
schoben werden.
KIEL, juli 1906. HEINRICH SCHRÖDER.
ÜBER DEN PLAN EINER INSCHRIFTEN-
SAMMLUNG ZUR GESCHICHTE DER
GERMANISCHEN VÖLKER.
In frülieren zelten pflegte man die kenntnis der deutschen
Urzeit in der liauptsaclie nur auf die Zeugnisse der griechischen
und römischen scliriftsteller zu gründen; das bikl, das aus diesen
zu gewinnen war, konnte naturgemäss nur ein einseitiges und
lückenhaftes sein. Neuerdings ist die forschung auf jenem
gebiete mit erfolg bemüht gewesen, durch heranziehung anderer
hilfsmittel eine breitere grundlage zu schaffen: so verdanken
wir der benutzung der ergebnisse der Sprachgeschichte, der
]trähistorischen archäologie, der anthropologie, der vergleichen-
den ethnologie und Wirtschaftsgeschichte u. a. disciplinen eine
wertvolle erweiterung und Vertiefung unseres Wissens und
aufklärung über manche wichtige frage, die bisher unbeant-
wortet bleiben musste. Doch ist auch die griechisch-römische
Überlieferung keineswegs ausgeschöpft; ein reiches, noch nicht
genügend verwertetes material bieten uns die Inschriften,
die nicht allein für die antike culturwelt selbst, sondern auch
für die mit ihr in berührung gekommenen fremden Völker eine
wichtige (luelle darstellen, um so mehr, als sie gleichzeitige,
authentische Zeugnisse enthalten und die je später immer
dürftiger werdenden berichte der geschichtschreiber ergänzen.
Den linguisten bieten sie einen reichen, sprachlichen
Stoff, insbesondere uamen, und diese in ihrer echten, durch
keine abschreiber entstellten ursprünglichen gestalt.' So ist
beispielsweise durch zwei Inschriften (C. J.L. 111,4500; X, 7290)
Naristi als die richtige form dieses Völkernamens festgestellt,
während die lesarten der handschriften der schriftsteiler
zwischen Varisti und Naristi schwanken.') Der Ursprung des
') Vgl. Boissevain zu Cassius Dio LXXI, 21.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII.
130 LUDW. SCHMIDT U. OTTO FIEBIGER
deutschen lehnworts hruta oder Irutes = 'Schwiegertochter,
junge frau' ist durch eine in Norikum und zwei in den Balkan-
ländern gefundene inschriften klar geworden: dasselbe ist im
3. Jh. n. Chr. durch gotische gefangene bez. Soldaten dem la-
teinischen Sprachschatz übermittelt worden.')
Die mythologie hat durch die eutdeckung einer grossen
zahl von altar- und votivsteinen , welche die namen germani-
scher gottheiten enthalten, eine nicht unwichtige bereicherung
erfahren: es erscheinen hier Mars = Tiu (auch mit dem bei-
namen Thingsus), Mercurius = "Wodan (bein. Hanno), Hercules
= Thonar (bein. Saxanus, Magusanus), die göttinnen Neha-
lennia, Hludana, Vihansa, Hariasa, Harimella etc., die matres
oder matronae mit ihren verschiedenen beinamen (Suleviae etc.)
u. dgl. m.2)
Besonders reichhaltig aber sind die ergebnisse für den
historiker. Es sei hier zunächst an das berühmte psephisma
von Olbia (C. J. Gr. 2058 u. ö.) erinnert, das allein uns von dem
vordringen ostgermanischer stamme, der Bastarnen und Skiren
nach dem Schwarzen meere um die wende vom 3. zum 2. jh.
vor Chr. künde gibt. 3) Die zahllosen kriege, die die römischen
kaiser gegen die die grenzen des reiches bedrohenden ger-
manischen Völker zu führen hatten, sind zum teil nur aus in-
schriften, insbesondere aus den darauf verzeichneten sieges-
titeln, imperatorischen acclamationen u. dgl. bekannt. Die
geschichte der grossen Völkerbewegung, die wir unter dem
namen des Markomannenkrieges zusammenzufassen pflegen,
.deren verlauf aus der trümmerhaften Überlieferung der ge-
schichtschreiber nicht genügend zu ersehen ist, konnte in
neuerer zeit namentlich durch inschriftliche Zeugnisse in
helleres licht gerückt werden. Die bisher völlig unbekannte
tatsache, dass in der kaiserzeit am Neckar Sweben als reichs-
angehörige gemeinde (wahrscheinlich nachkommen der Sweben
1) T. Domaszewski in den Neuen Heidelberger Jahrbüchern 3 (1893), 193 ff.
und im Rhein, museum n.f. 55 (1900), 319 [vgl. auch oben s. 38 ff. W.B.].
-') Vgl. besonders Golther, Handbuch der germauischeu mythologie
(1895), s. 463 ff.; E.H.Meyer, Mythologie der Germanen (1903), s. 12ff.;
Dessau, Inscriptiones latinae selectae II, 1 (1902), s. 202 ff. u. a.
^) Vgl. namentlich Stähelin in der Festschrift zum 60. geburtstag von
Theod. Plüss (Basel 1905), s. 46 ff.
t>LAN EINER INSCIIRIFTENSAMMLUNG. 13l
Ariovists) sasseii, ist erst durch neuere inschriftliche funde
gewonnen worden. ')
Der grosse wert der inschriftlichen ([uellen für die er-
forschung des germanischen altertums steht also ausser frage;
die ausbeutung des Stoffes ist aber für den gennanisten mit
sclnvierigkeiten verknüpft. Diese liegen einmal in der anläge
unserer grossen Sammelwerke. Denn hier werden die Inschriften
nach den fundorten verzeichnet; die register aber, soweit solche
vorhanden, was leider nicht immer der fall ist, sind nicht so
angelegt, um dem forscher zu ermögliclien, eine rasche Über-
sicht über den ungeheueren stoff zu gewinnen und eine aus-
scheidung des für ihn brauchbaren vorzunehmen, um so weniger,
als es sich häutig nur um versteckte, nicht ohne weiteres er-
kennbare beziehungen handelt. Eine zweite Schwierigkeit
erwächst dem germanisten daraus, dass er in der regel nicht
über die für das "Verständnis der Inschriften notwendige
kenntnis der lehren der epigraphik verfügt. Die unterzeich-
neten haben sich daher entschlossen, eine Sammlung der für
die geschichte der germanischen Völker wichtigen griechischen
und römischen Inschriften in allgemein verständlicher lesung,
unter Aveglassung unwesentliclier stellen, nebst beifügung eines
connnentars und von literaturnachweisen herauszugeben. Die
anordnung des Stoffes ist geographisch, nach den einzelnen
Stämmen, gedacht, innerhalb dieser soweit möglich chrono-
logisch. Zunächst sind die Ostgermanen in angriff genommen
worden. Als endtermin ist im allgemeinen die mitte des
sechsten jahrliunderts in aussieht genommen.
Im nachstehenden seien einige proben mitgeteilt, die von
der art der geplanten Veröffentlichung ein bild geben sollen.
M(arco) Ulpio Maximo leg(ato) Aug(usti) pr(o)
pr(aetore)') c(larissimo) v(iro) praesidi... Aurelii
Cresce«5 et Gainas 77 (= centuriones) leg(ionis)
III. kug{ustae) Severiawae.
CJL Vm 2753. 18128. Lambaesis j. Lambese.
') Unter kaiser Alexander Severus (222—235) legat von Numidien, vgl.
Cagnat l'armee d'Afrique 1892, s. 122.
^) Vgl. Zangemeister iu den Neuen Heidelberger Jahrbüchern 3 (1893),
1 ff.; Fabricius, Die besitznahme Badens durch d. Römer (Heidelb. 1905), a. 23.
132 LUDW. SCHMIDT U. OTTO FIEBIGER
Der zweite der beiden centurionen mit dem namen des
■bekannten, gegen ende des vierten Jahrhunderts lebenden
Gotenfülirers ist offenbar gotischer herknnft. Bereits im
ersten drittel des dritten Jahrhunderts finden wir demnach
einen Goten im römischen heeresdienst, was sehr bemerkens-
wert ist. — Eine frau gotischer abstammung, namens Annia
Gaina, lernen wir aus der leider undatierbaren stadtrömischen
Inschrift CJL VI 28177 kennen.
J(ovi) O(ptimo) M(aximo) Statori Fl(avius) Ve-
tulenus 7 (= centurio) leg(ionis) III. Ital(icae)
reversus ab expeditione Burica ex voto posuit.
CJL III 5937. Untersaal bei Kehlheim.
Weihinschrift, dem schirmenden Juppiter von einem glück-
lich aus dem Burenfeldzuge heimgekehrten centurio der von
Mark Aurel begründeten und in Eätien stationierten Legio
III. Italica (Cass. Dio LV 24, 2) errichtet. Kämpfe der Römer
mit dem reitervolk der Buri — vgl. v. Domaszewski, Markus-
säule s. 114 — , den grenznachbarn der Quaden (Tac, Germ.
43; Cass. Dio LXXII 18), fanden während des zweiten Jahr-
hunderts nach der Überlieferung nur im Markomannenkriege
statt (H. Aug. Marc. 22, 1). Der von Cass. Dio LXXII 18 (vgl
dazu LXXIII 2, 4. 3, 1) erwähnte friedensschluss mit den Buri
erfolgte gegen ende des sogenannten zweiten germanischen
krieges der jähre 179/180. Nach Strakosch- Grassmann, Ge-
schichte der Deutschen in Oesterreich- Ungarn I (1895), s. 66,
anm. 1 fand die Expeditio Burica erst unter kaiser Commodus
statt, eine auffassung, die durch die angeführten schriftsteller-
zeugnisse nicht gestützt, durch Boissevains neue anordnung
der Diofragmente dagegen entschieden widerlegt wird.
Domino totius orbis Juliano Augusto ex Oceano
Britannico vis') per barbaras gentes strage re-
sistentium patef actis adusque Tigridem^) una
aestate transvecto Saturninius Secundus v(ir)
c(larissimus) praef{ectus) praet(orio)3) d{evotus)
n(umini) m(aiestati)g(we).
CJL III 247. Ancyra, j. Angora.
') Für viis. "-') Um Julians rühm zu erhöhen, sind die angaben über
PLAN EINER' INSCHßlFTENSAMMLUNG, 133
den von ihm zurückgelegten weg übertrieben, vgl. damit Amm. Marc. XXI 9, 3.
XXII2,5. 3) Von Sallustius Satnrninus Secuiulus (vgl. CH. VI17G4; Cod.
Theod. X 3, 1) zum danke für seine im december 3()1 erfolgte ernennung zum
praefeetus praetorio orientis (Amm. Marc. XXII 3, 1) dem im sommer 362 in
Ancyra (Amm. Marc. XXII 9, 8; Cod. Theod. XIII 3, 5; Allard, Julien II [1903J
338 ff.) Aveilenden kaiser geweiht.
In gedrängter kürze kündet die fast unbekannt gebliebene
insclirift die grossen, von Julian in der zweiten liälfte des
Jahres 361 errungenen erfolge: seinen letzten kämpf mit den
Alemannen und seinen denkwürdigen zug nach Byzanz. Um
die seinem comes Libino zugefügte niederlage (Amm. Marc.
XXI 3, 2. 3. 4, 7) zu rächen und die von Constantius immer
aufs neue zum widerstände gereizten Alemannen (ebd. XXI 3, 4)
vor seinem zuge nach dem fernen osten endgiltig zu unter-
werfen, eilte der kaiser im hochsommer 361 (Zosim. III 10, 1)
plötzlich von Vienne in Gallien an den Rhein, wo er alsbald
einen letzten entscheidenden sieg über sie errang (Amm. Marc.
XXI 4, 7. 8; Joh. Antioch. fragm. 177 = Müller fragm. hist.
Graec. IV s. 605; Sozomen hist. eccles. VI; Mücke, Julianus I
(1867) s. 49; Kellerbauer im Philologus suppl. IX (1904) s. 212;
Allard a.a.O. s. 41). Auf dem nun folgenden eilmarsche von
Eauraci j. Äugst am Rhein (Amm. Marc. XXI 8, 1. 2) durch
den südlichen Schwarzwald und die Rauhe alp an die Donau
(Joh. Antioch. a.a.O.; Zosim. III 10 2; Mücke a.a.O. s. 55), wäh-
rend der beschleunigten fahrt auf dieser bis Bononia j. Vidin
in Obermösien (Amm. Marc. XXI 9, 2. 6; Joh. Antioch. a.a.O.;
Zosim. 11110,2. 3; Kellerbauer a.a.O. s. 213; Allard a.a.O.
s. 52 ff.) und schliesslich auf dem zuge durch Thracien (Amm.
Marc. XXII 2,2) nach Bj'zanz, das er am 11. december glück-
lich erreichte (Amm. Marc. XXII 2, 4; Socrates hist. eccles.
IUI; Mücke a.a.O. s. 57; Kellerbauer a.a.O. s. 215; Allard
a.a.O. s. 86) musste Julian mit einem kleinen beere (Amm.
Marc. XXI 8, 2. 9, 8; Zosim. III 10, 2; Allard a.a.O. s. 49) weite
strecken feindlichen gebietes durchqueren, die er nur dank
seinem unaufhaltsamen vorwärtsstürmen (Amm. Marc. XXI 9,
1.2.6; Gregor. Xaz. or. IV 47; Mücke a.a.O. s, 54f.; Allard
a. a. 0. s. 49 f.) ungefährdet zurücklegte.
Imp(erator) Caesar M(arcus) Aurellius Antoninus
Plus Felix Aug(ustus) Part(hicus) Maximus Bri-
134 LUDW. SCHMIDT U. OTTO FIEBIGER
t(annicus) Maximus ^r(ibunicia) p(otestate) XF/. i)
viam iuxta Danuviiim fieri nissit a Boiioduru^)
Saloatus) n. b.*) XV.
CJL III 5755. 11846. Bei Eng-elhartszell.
*) 213 n. Chr. Der beiname Germaniciis, den Caracalla seit dem herbst
dieses jahres führte, fehlt hier noch. ^) Lies Boüoduro. ^) Lies Saloatum.
^) n. h. fälschlich für m. p. = milia passuum.
Für die anläge einer Strasse am rechten Donauiifer von
Boiioduruni d. i. Innstadt-Passaii stromabwärts nach dem 15
milien entfernten, sonst unbekannten, etwa bei dem heutigen
Eanning zu suchenden Saloatum, dessen name sich nach See-
fried (Verhandlungen des histor. Vereins für Niederbayern XL
[1904] s. 1 — 34) offenbar in dem südöstlich von Passau gelegenen
Saläth- oder Sauwalde erhalten hat, waren zweifellos stra-
tegische gründe massgebend. Dieselbe dürfte sich 213 n. Chr.
anlässlich des von Caracalla vor seinem Mainfeldzuge an Eä-
tiens grenzen geführten Germanenkrieges (H. Aug. Carac. 5, 4)
nötig erwiesen haben, vgl. hierzu Holländer in der Zeitschrift
für die geschichte des Oberrheins XXVI (1874) s. 277 f. und
Egger im Archiv für österreichische geschichte LXXXX (1901)
s. 134 — 136. Des kaisers bautätigkeit an der Donau erwähnt
überdies Herodian IV 7, 4. Strakosch- Grassmann, Geschichte
der Deutschen in Oesterreich I (1895) s. 45 bringt den bau
irrtümlich mit dem Markomannenkriege in Zusammenhang.
D(is) M(anibus) M(arco) Aur(elio) Flavo mil{iti)
leg{ionis)^) ... (7wpl(ario) ei interpetri^) Germa-
norum off(icii) co(n)s(ularis) et M(arco) Aur(elio)
... an{noriini) XIII filio communi Aurelia Quaeta
marito et filio ... scribi in memoriam iussit.
CJL III 10505. Aquincum, j. Alt-Ofen.
1) Diese ergänzung rechtfertigt CJL HI 14349, 5. ^) Fälschlich für
Interpret!.
AVie zu Cäsars zeiten ein gewisser Cn. Pompeius als dol-
metscher im auftrage seines legalen Q. Titurius mit dem Ger-
manenhäuptling Ambiorix unterhandelte (Caes. b. Gall. V 36, 1),
so stand M. Aurelius Flavus als interpres Germanorum im
dienste des kaiserlichen legatus consularis von Niederpannonien
und führte für diesen alle Verhandlungen mit den Germanen.
PLAN EINER INSCHRIFTENSAMMLUNG. 135
Gleich dem CJL III 14349, 5 genannten interpres Sarmatarum
— vgl. dazu C.TTi \1 5207: '/'jQfi>;rii\: Haofiiamr — war er
sicherlich legionar und erhielt für seine besondere tätigkeit
doppelten sold.
p
In Ajii (Christo). B(onae) m(einoriae) Sarmannn(a)e
quiescenti in pace. Martiribus societa.')
CJL III 5972. 119(;i. Regensburg.
*) Nahe dem grabe der märtyrer bestattet.
Grabinschrift einer Regensburger Christin germanischer
abstammung. etwa aus dem fünften Jahrhundert n. Chr., vgl.
Ebner in Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz
und Regensbui'g XLV (1893) s. 167 ff. Dass das germanische
Clement in der Regensburger bevülkerung des vierten und
fünften jalirhunderts n. Chr. bereits ziemlich stark vertreten
war, ergaben die Untersuchungen der zahlreichen auf den
Regensburger begräbnisplätzen gefundenen schädel, vgl. Ar-
nold in Beiträge zur anthropologie Bayerns XIV (1901) s. 92
— 94. Sarmannna, m. e. aus Sar = 'rüstung' — vgl. Alb.
Heintze, Die altdeutschen familiennamen, 2. aufl., 1903, s. 226
— und Mann zusammengesetzt, bedeutet 'frau eines wehr-
haften mannes'.
DRESDEN.
LUDWIG SCHMIDT. OTTO FIEBIGER.
ETYMOLOGISCHES.O
1. lende : land.
Ein wort bezeichnet oft sehr verschiedene teile des körpers
und der landschaft; vgi. G. Meyer, IF.3,64; Zupitza, Gutt. s. 115;
BB.25,102 und jetzt Wood, IF. 18,26; z.b.:
Ahd. ivanga 'wange' : aisl. vangr 'feld' Pauli, Körperteile
s. 9 (mit unrecht von Kluge" s. 414 bezweifelt, dessen satz:
'doch haben die meisten namen für körperteile keinen derartigen
Ursprung' mir rätselhaft ist). 2)
Gr. xvriiii] 'Unterschenkel', nhd. dial. liamme ' Schinken' :
gr. xnjftog 'bergwald' Fick, KZ. 21, 368 (L. Meyer, Griech. etym.
2,330 hält diese Zusammenstellung für 'unerwiesen'); Akzent!
Ai. Jcdta 'hüfte, schlafe' : Idfalca 'bergabhang' (s, Zupitza,
Gutt. s. 159; ahd. scuUirra kann vielleicht anderswohin gestellt
werden, s. KZ. 40, 421, anm. 4).
^) Die folgende arbeit ist durch schcärfere formulierung' und entfernung
von allzu hypotlietischem aus einer, die sich mehrere jähre nicht in den
händen des Verfassers befand, verbessert. Was in dieser zeit von andern
gefunden worden ist, habe ich nicht mehr ganz berücksichtigt. Das ziel
der arbeit war und ist, ein wenig einige anschau ungen zu ergründen,
die den bedeutungswaudel verursachen.
*) *uonJc- : got. umvähs 'untadelhaft', ags. wöh, as. wah 'verkehrt'
Uhleubeck, Got. wb."'' s. 159; Zupitza, Gutt. 8.142, an. ru (väöa) 'tadeln',
vä 'schade, Unglück', vangr 'falsch' Noreen, Urg. 1. s. 222: ahd. wc'üii 'schön,
zierlich'; zur bed. vgl. gx. xofx\p6g 'geziert, verschlagen', das vielleicht zu
gr. xäixnzüj 'krümmen', lat. cavipus 'feld' gehört; vgl. noch Trautmann,
Zfdw. 7, 268 (ags. geap, wo die slav. worte [s. Miklosich unter gXib-'] , die
schon Uhlenbeck, Beitr. 27, 127 zu gecq) gestellt hat, übersehen sind), viel-
leicht lat. pränis 'krumm, verkehrt, schlecht' : an. frär 'flink', nhd. froh
(vgl. lat. rävus : nhd. grau, lat. flavus : nhd. blau) : aksl. prava 'grade,
recht'?
ETYMOLOGISCHES. 137
Got. ams •Schlüter' : aisl. dss 'berggrat' (Bethge bei Dieter,
Altgerm. dial. § 115 d. anm. 3).
Gr. X6g)o^ 'hals' : 'anhöhe' = lat. coUus, collnm 'hals', aksl.
l-oleno 'knie' : lat. coUis, gr. xoXcovög 'hügel' (vgl. Pauli, Körper-
teile s. 13). >)
Xksl.prustu, lit. pirs::tas 'finger' : ai. prsthd 'hervorragender
rücken, anhöhe, first' Brugmann, IF. 11, 285.
Gr. JEfiog' orvötrÖQog tujtoq xcd vOftrjV eyjov xcu xo yvvcu-
xsim' aiiSolov xal imjrog' xcd xo xov 6g:i}a?.{iov xoTlov Hesych.
(vgl. Döderlein, Lat.syn. 2, 91) : iwnem 'himmel' vgl. Fick 2^192.
Preuss. dangns 'gaumen' : 'himmel'; vgl. russ. neho 'himmel' :
ncbo 'gaumen'.
Ai. tdlu 'gaumen' : üda 'fläche', nhd. dieW^) : ir. talam
'erde' (vgl. Fick 2 ^ 124).
Got. shuft 'haupthaar' : got. Imps 'hüfte' : nhd. schöpf: ahd.
hnfo 'häufen', nhd. hübel (vgl. ühlenbeck^ unter liups, sJcuft).
Aisl. her dar 'schultern', russ. lörtysJci 'schultern' Miklosich
s. 157; Zupitza, Gutt. s. 115 : russ. /i'oV^öc'/a 'fersen' : mhd.hart
'wald'"? Ganz anders Osthoff, Etj-m. par. 1,46 u, f.
Preuss. tcinsHs 'hals' : ad silvam, quae dicitur Winse Script,
rer. Prussic. 1, 138.
Ir. bern 'kluft' : arm. beran, lit. burnd 'muud' Fick 2^, 163.
Lat. alvcus 'höhlung, flussbett' : alrus 'bauch '3); vgl. ai.
vaksdnä 'bauch, flussbett'.
Gr. iü&^iug 'hals' : 'erdzunge'; auch mhd. haJs hat ähnliche
bedeutungen, s. Mhd. wb. 1, 617.
Aksl. dlant, lit. delna 'handfläche' : nhd. tcd^)
Russ. rot 'mund' : bulg. riit 'hügel', s. Miklosich s. 285.^)
') Oder ist es doch richtiger hals zu *qUel- 'drehen' zu stellen? s. zu-
letzt Niedermann, IT. 18. Anz. 76, lit. JcäJclas : nhd. hrds vielleicht ähnlich
wie gr. xvx?.og : aksl. kolo 'rad'.
*) Da nhd. diele eigentlich 'brett' (vgl. Kluge® s. 77; Trautmann, Zfdw.
7, 269) ist, wird slav. telo (vgl. Meringer, IF. 18, 280) hierher gehören und
nirgend sonst wohin (gewis falsch BB. 29, 178. 248).
*) : ai. *rdu 'kleines wassergefäss, floss, nachen'? oder algäu 'weichen'?
*) Die idg. dM 'niedrig sein' (Kluge^ unter ihal) i^i schlecht begründet.
Was Kluge unter tenne und tanne anführt, scheint anderswohin zu weisen.
Ueber tenne s. jetzt sehr gut Trautmann, Zfdw. 7, 269.
*) Hierher (vgl. die bedeutungen der andern verwandten slav. Wörter
a. a. 0. und Lex. Palaeoslov. 809) nhd. reuten, riester (s. Kluge® s. 316).
138 LEWY
Nhd. muncP) : lat. mentiim 'kinn' : mons 'berg'^).
Ahd. miila 'maul', lett. smauUs 'fresse' (Leskien, Abi. s.309) :
aksl. midi 'landspitze' Schade- s. 624.
Nhd. Stirn : gr. ötlqvov 'brüst' : pr. strannay 'lenden' :
aksl. strana 'landstrich' Kluge^ s.380; Berneker, Pr. spr. s.324.3)
Nhd. feld, ai. prthiin 'erde' : riiss. plei^ö 'Schlüter' (Miklo-
sich unter pletje) (: gr. jiXaxvi^ s. Prellwitz^ s. 374)-').
Nhd. lende, lat. lumhiis {Hondh-u- s. Schmidt, PN. s. 6. 7;
das u hindert, da jedenfalls suffixal, die Zusammenstellung nicht) :
an. lund 'das zarte fleisch unter den nieren am rückgrat' (Ge-
ring s. 636) : nhd. land (s. Uhlenbeck '-^ unter land) : an. lundr
'hain' (Much, Zs.fda.42,170. IF.9. Anz.s.200) : vwlindan 'tal'^).
2. qi])us.
Got. qijms 'bauch' : ixgs. codd 'hülse, schote' (Wood, MLN.
12,9) : ahd. quediUa 'hautbläschen'^), ndd. quadel 'eine um-
*) Hirt (Beitr. 22, 228, Ablaut § 5G1) verbindet öro',«« mit mitnd, men-
timi; da nirgends eine form mit sm- vorliegt, halte ich diese Zusammen-
stellung für unwahrscheinlich, ebenso seine Verbindung von arö^a^oq mit
magen (schon bei Döderlein, Lat. syu. 6, 350 übrigens: ^ ozöncc/oq, bei Homer
die kehle . . . Verhält sich magen zu oToiicr/og ebenso wie stlis, stlata zu
lis, lata ...?')) weil es von or6,ua abgeleitet ist (-yo- s. L.Meyer, Griech.
etym. 2,210). Ueber magen s. Zupitza, Gutt. s. 134, völlig befriedigend,
wenn auch bei Kluge fehlend; vgl. noch nhd. ranzen; aksl. zelqdo 'eichel' :
MqdöMi 'magen'; russ. ri(A;flr 'armel, schlauch, vormagen der widerkäuer';
Wood, MLN. 17, 9.
-) Lit. mente 'Schulterblatt', viente 'spatel' aber wol zu slav. metq>
'umrühren' Leskien, Bild. d. nom. s. 266 ( : lit. metä, slav. rnefc? 'werfen',
poln. motac 'haspeln, weifen', gr. /iwd-og 'schlachtgetümmel' : *me-n-th-).
^) : *ster- (lat. sternere u.s.w.); vgl. lit. ^yetgs 'schulter' : gr. Timcryvfd
'ausbreiten'; lat. latus 'seite' : latus 'breit' : *stel- (aksl. stlati 'ausbreiten');
ai. üras 'brüst', To'ü 'schenke!' : gr. {i'^ii'^ 'breit' (vgl. Fick 1*, 130; hierher
auch nhd. räum?).
*) : lit. Imdyne 'Schlupfwinkel', lendk 'kriechen' (Berneker, Pr. spr.
s. 304); vgl. preuss. Zint^vs ' Winkel' : lit. lankä 'tal' : ?e»Z:<i ' biegen " (a.a.O.
s. 805). 'Krümmen' und 'kriechen' stehen sich sehr nahe (H.Schröder, IF.
18,527); der wurzel *lendh- kommen etwa diese bedeutungen zu.
^) Die bei Zupitza, Gutt. s. 85 citierte etymologie von quedilla ist
falsch, s. Trautmann, Germ, lautgesetze s. 17; hieraus ersehe ich, dass auch
schon Wood (MLN. 19; mir jetzt unzugänglich) q/piis und quedilla ver-
bunden hat. Obwol auch Uhlenbeck, Beitr. 30, 304 Wood citiert, entscheidet
er sich doch für v. Grienberger. So darf ich die betr. worte vielleicht auch
zusammenstellen.
ETYMOLOGISCHES. 139
schriebene entzündete anscliwellung der liaut' (Schambacli) :
nhd. hitteln (vgl Kluge e s. 233, DWb. 5, 2901) : ir. hä 'lippe,
mund', lat. hotidus 'wurst' C^guc-tlo-)?^) vgl. gr. (fvöx// 'wurst' :
östi. hüuschel (ein gericht) : nhd. hausch (s.v. Sablor, KZ. o 1,281)
und s. 131, a.l. 133, a.l.
Die Verbindung vun hei mit qijmn wird dabei niclit auf-
i:t'geben werden müssen: vgl. gr. otoiia 'mund' : got. stihna
■stimme', lat. lahrum, labmm 'lippe' : ir. Idbraim 'sprechen'.
Andere ausAvärtige verwante sind wol gr. yvalov, yavööq u. s.w.
(s. Prelhvitz): *(/»-. Gv.ßvxxoi' yvi'aixog cdöolov"^) ist offenbar
M'ööö<; '■ meerestiefe', vgl. ai. gahhd 'vulva', gahhlrd 'tief ( : poln.
(1(^1x1 'maul' s. ühlenbeck- unter icamba, und lit. gunibas 'er-
höhung-, knorren, gewächs an einem organischen körper; kolik',
aksl. gqha 'sclnvamm').
Wegen ne. cluh : nhd. Idolen, ir. lorg 'knüppel, Schienbein' :
•schar' '). lit. lä'zmas 'menge, schar' : gr. ctäxvg, ai. hähü 'arm' :
jra/i'v 'dick', hahii 'viel''*) wird zu qijms vielleicht auch ge-
hören nhd. l-i(t(e 'herde, schar' (s. DWb. 5, 2895; eine mir nicht
sehr einleuchtende etj-mologie Fick 2*, 176; vgl. etwa lit. gttfa
•herde'?).
3. hansts.
Die neuesten deutungen von got. hansts 'scheune' u.s.w.
(s. Kluge 6 s. 30) s. bei Ühlenbeck, Beitr. 30, 264; sie lassen einen
neuen versuch vielleicht doch noch zu. Vielleicht gehört dazu
nhd. dial. hanscJi 'bauch', das allerdings auch romanisch sein
kann (vgl. Staub-Tobler 4, 1405), das bei Schade- s. 40 mit ai.
hhamsas 'ein bestimmter teil des Unterleibes' verglichen wird,
wozu wol auch hhasdd 'hintern'.^) Zwar hat Feist, Beitr.
15,546 gemeint, dass es kaum jemand einfallen wird, 'einen
Zusammenhang zwischen dieser skr. gruppe und dem germ.
^) Lat. venter, gr. yaoxriQ haben weder mit einander, noch mit ciipus
etwas zu tun, s. Brugmann, IF. 11,272, anm. 1.
*) Vgl. über gr. (Sl'/.za- ywuixilov cudolov s. Schulze, KZ. 39, 611.
3j Die frage, ob lat. largiis 'reichlich' hierher gehört, kann ich nicht
unterdrücken; vgl. etwa gr. (hj/toq 'fett' : Sijuoq 'volk'?
*) Zu den lautverhältnissen vgl. gr. b.vöävo) : rj(Svg, ai. aniti : ätman,
uhd. atem, nhd. spange : gr. a(pTjx6aj u. ä.
-•) Ühlenbeck, Ai. wb. s. 193 verbindet diese Wörter mit bübhasti 'zer-
malmt', was ich nicht verstehe; auch Persson (Wurzelerw. s. 99) ist nicht
evident: *bhes, das auch in bhasträ 'blasebalg' vorliegen soll.
140 LEWY
hans- »stall« anzunehmen', aber ich kann diesen einfall für
nicht so absurd halten wegen:
Ai. dhärakä 'cunnus' : 'behälter';
g'ot. husd 'liort' : gT. xvo&og 'cunnus' vgl. KZ. 40, 423;
ai. Jcosa *fass, Vorratskammer, schote, hodensack, *vulva,
*penis' : Icostha ' eingeweide, Unterleib, Vorratskammer' Uhlen-
beck, Ai. wb. s. 67 ');
lat. gremium 'schoss' : ai. gräma 'dorf Liden, Stud. s. 15 ;
rnas.kiskd 'darm, schlauch' {*küs-i]m s. Miklosich s. 158)2) .
nhd. haus, got. -Ms (vgl. KZ. 40, 423, anm. 2).
Das got. hansti- gegenüber dem *bansa- der anderen dia-
lekte erklärt sich vielleicht auch durch den angenommenen
bedeutuugsübergang: durch einfluss eines dem nhd. ivanst ent-
sprechenden Wortes (vgl. Kluge ^ s. 414)?
4. gegen.
Nur wenige präpositionen lassen sich auf pronominale
elemente zurückführen (vgl. aber den für die gescliichte der
Sprachwissenschaft wichtigen aufsatz von Grassmann, KZ.
23, 558), sehr viel mehr stehen deutlich in beziehung zu
verbal- und nominalthemen (vgl. Reichelt, BB. 26, 223) ^), und
zwar auch zu bezeichnungen der körperteile.
Gr. afufi 'um' : of/r/aXog 'nabel';
gr. jivrog- 6 jTQwxTog : ?ihd. fona 'von' (Bezzenberger, BB.
27, 177. 23, 110; wegen as. ahd. fana Braune, Ahd. gr.2 § 25,
anm. 1; Wilmanns I^ § 226 wird man fona nicht aus der
«(-reihe entfernen müssen);
idg. *anti 'angesichts' (s. Brugmann, K. vgl. gr. §683) :
an. emie 'stirn' ( : got. andeis 'ende' Noreen, Urg. 1. s. 138), lat.
anüae 'Stirnhaare', lit. antis 'busen';
ahd. gagan, ags. (on)gean, an. gagn- 'gegen', ahd. ingagan,
1) Aehnliche bedeutimgsübergänge zeigen sich in der wurzel *(ßielp-:
gr. xölnoq 'busen' (Prellwitz''' s. 234) : xä}.m(; 'krug' (: cech. sklepiti, poln.
sklepic 'wölben'; vgl. aber Miklosich s. 118); Tgl. auch ?i\. udarä 'bauch' :
russ. redrö 'eimer'.
2) Lit. kiszJiä 'kniekehle bei menschen' kanu daher wol kaum entlehnt
sein; dies klingt sehr an ai. kisku ' Vorderarm, stil' an, zudem es auch ge-
hören könnte trotz der ganz abweichenden deutung Lidens, Studien s. 92.
') Vgl. Brugmann, K. vgl. gr. § 609. 610 {*per- : got. faran Uhlenbeck*
s. 11). 611. 615. 616. 618.
ETYMOLOGISCHES. 141
an. i gegn 'gegenüber, entgegen', / gognom 'durch' (Gering,
Wl). s. 367) : ai.jagJidua Miinterbacke, schamgegend', gr.xoyojvt]
'stelle zwischen den schenkein' (s. A\'ackernagel, Ai.gr. 1, 125).')
Von gagan abgeleitet ist an. gegna, alid. gaganen 'begegnen',
wodurch die schon längst vermutete bezieliung zu gaggan (s.
Schade^ s. 215) klar hervortritt.-)
5. rinde, rund.
Zu nhd. rinde und rand gehört nach Wood, ]\ILN. 15, 98
ags. reiidan 'zerreissen'. Dazu aus dem lit. rantis 'kerbe',
riutgs, rintis 'kerbe', renczii 'kerben' (s. Leskien, Abi. s. 340),
was wol näher liegt als das von Wood beigebrachte. Zur be-
deutung vgl. aksl. h-aj^ 'rand'^) : krojiti 'scindere' : lett. Irija
'rinde-') (vgl. :\liklosich s.l37. 139; Leskien, Abi. s.275; Zupitza,
Gutt. S.126);
aksl. Ivra 'rinde', lat. coriuni 'feil, rinde'-*) : ^]:cr- gr. xtlgco
U.S. w.;
lit. kranfas 'rand, ufer' : an. hrinda 'stossen';
lit. rnnihas 'narbe am bäum', lett. rnhs 'kerbe', slav. rqhu
'säum' (Leskien, Bild. d. nom. s. 144, 189) :poin. rahic, russ.
rühit' 'hacken'.^)
6. schimpfen, wröhjan, schelten.
Es ist zu beobachten, was von vornherein auch selbst-
verständlich ist, dass Worte, die eine ganz bestimmte art des
ausdrucks der gemütsbewegungen bezeichnen, auf ganz all-
gemeine bezeichnungen des 'tönens, krachens' zurückgehen.
•) Als genaue becleutungsparallele darf man wol auch anführen: lat.
contra 'gegen' : nhd. hinter, hintern; zur bed. vgl. noch got. aftra 'zurück,
widerum' : nhd. after.
^) Uhlenbeck, Ai. Avb. s. 95 bemerkt zu ao/wvt] '■*xu/ü)vi\ mit a aus «'.
Vielleicht verhält sich (s. aber Prelhvitz'^ s. 2-40) xoyßvr\, jaghäna (vgl. gr.
xo'/Mvoq : Wt.kälnas) : atjänghä 'Unterschenkel' wie gr. Tie?.i6rög 'schwärz-
lich' (*2)eled-nö-) : ?ä. pändu 'weisslich-gelb' {*2>d-n-cl-) Liden, Studien s. 90),
&]i(i. balko : gY.(f(U.cr/^ 'rundes stück holz' (s. Kluge'^ s. 28; germanische
■»-declinationl), lat. sf«^»«/« 'teich' : gr. rt-rayog 'seichtes wasser' (? Döder-
leiu, Lat. syn. fj, 347).
^) Wiedemann, BB. 28, 33. 53 leuchtet mir nicht ein, ebensowenig wie
seine wurzel *ken- 'glänzen' (für ai. kanya) BB. 27, 199; Yg\. junge\
*) Lat. scortum 'feil' : nhd. schtvarte?
*) *nt-m-b- : *rub-, got. raupjan, lat. rubus (Walde unter rubus); zur
bed. vgl. nhd. zausen (Kluge* s. 433).
142 LEwy
Worte, die 'tadeln, klagen' bezeichnen, stehen auch oft in
bezieliung- zu Worten, die 'stossen, schlagen, werfen' bezeichnen,
die widerum von denen des 'krachens' kaum zu trennen sind. Mit
der anführung der folgenden beispiele ist natürlich der lauf der
bedeutungsentwicklung im einzelnen falle noch nicht bestimmt.
Nhd. scJiivören : ai. svar 'tönen' Uhlenbeck^ s. 143;
mhd. schimpf 'scherz' (vgl. Kluge ^' s. 339) : lit. slxümbu
'tönen'; Osthoff, BB. 29, 359 sucht ausführlich die alte Zusammen-
stellung: schimpf : gr. öxmjijco zu begründen unter annähme
einer öM-wurzel, nasalinfix, ablautsentgleisung und Wechsel
zwischen media und tenuis im auslaut. Das s. 266 von ihm
angeführte gr. xö^ißa • xoQfovtj passt auch so sehr gut;
nhd. Idagen, ai. garh 'tadeln' : gr. ßlif/r] 'blöken' (s. aber
Prellwitz^s. 78);
lat. crimen 'anklage' : an. hreimr 'geschrei' Brugm^ann,
IF. 9, 354, von Wiedemann, BB. 28, 53, anm. 1 bezweifelt;
ir. Uim 'anklagen' : gr. Xcdsiv ■ (fdtyysiv Fick 2^,249;
poln. sJcarga 'klage, anklage' : an. sJairlc 'geräusch' Schade 2
s. 781; Brugmann, IF. 9, 354;
got. ivröhjan 'beschuldigen, anklagen', nhd. rügen (vgl.
Kluge 6 s. 322) : lit. reh'it, rekiaii, rcJäi 'schreien' (aus *vr-).
Hierher wol auch slav. re/.'« 'sagen' (vgl. Miklosich s. 274), wol
auch lit. verJiiii 'weinen' (s. Leskien, Abi. s. 356) : oksl. vrücati
'einen laut von sich geben' Miklosich s. 384, und ai. vrascdti
'zerreissen' {: ivröhjan schon L.Meyer, Got. spr. §344; vgl.
weiter Prellwitz 2 s. 395);
gr. yayyartvco 'verhöhnen' (s. Prellwitz s. 88) : yoyjvC^cD
'murmeln' vgl. unten s. 145;
nhd. schelten : ahd. scaltan 'fortstossen', scalta 'stange'
(vgl. Johansson, Bei tr. 14, 313; Noreen, Urg. 1. s. 48; Brugmann,
Grdr. 1^,481), so auch Kluge gegenüber Franck, Anz. fda. 21,
303; vgl. gr. xtXZoat 'schifte ans land treiben' : yJXeodaL 'an-
treiben, befehlen';
lett. pelt 'schmähen', gr. üjtsiX?) 'drohung' (Bezzenberger,
BB. 27, 149; Fröhde, BB. 19, 242) : 'pel 'schneiden' (Miklosich
pel- 2. 'jäten' s. 235, pol- 2. s. 255);
lit. harü 'schelten' : aksl.hrati 'kämpfen' : an. beria 'schlagen'
(Brugmann, Grdr. 1^^ 513);
lett. lamät 'schimpfen' : aksl. lomiti 'brechen', nhd. lahm]
ETYMOLOGISCHES. U3
nlid. spotten, aksl. spyti 'vergebens' (Uhlenbeck, Beitr. 22,
196) : M. jyothayati 'zermalmen'?')
gr. öxw.TTfo 'spotte, scherze' : oxäjtxm 'grabe, behacke';
got. ns-priiitan 'belästigen, schmähen' : lat. trudere 'stossen',
truäis ' Stange';
poln. 6H;V.->i(<(,' "ausschelteu, murmehr : riiss. hiirkat' 'werfen,
knurren' Bezzenberger, BB. 26, 187;
lett. rcju 'sclielten' : lit. reju 'heftig losschreien' : aksl.
rvja 'stossen' "W'iedemann, Lit. prt.;
gr. y.vöä^co 'beschimpfen' {xvöo^ 'rühm', vgl. gr. xi'idoq
'liebe, kummer' : got. hatis 'hass'), oxvC^ofwi 'zürnen', as. for-
liicatiui, •d\n\.fir-hi(ä^an 'verfluchen', ai. hdsaijati 'schmähen' (?) :
aksl. hjdati 'werfen', ai. codati 'antreiben' (vgl. Zupitza, Gutt.
s. 117. 156. 56; Prellwitz2 s. 249. 419; z. t. anders).
ahd. lahan 'tadeln', nhd. laster : poln. lach 'zerlumpter
kerl' : lat. lacerare 'zerreissen' Solmsen, KZ. 37, 580;
Ywss. 2)i(ydt' 'schelten' (: Sii. pnjä 'Verehrung'?) : lat. j^h«-
gere 'stechen';
gr. öTvyog 'hass' : ndd. stülpen 'stossen' (Schade^ s. 886),
ai. tHüjati 'stossen' s. Zupitza, Gutt. s. 216;
\&i.spernere 'verachten' : dw.spyrna 'mit dem fusse stossen '.2)
0 ^S^- S^- /'t'^-Eoc 'vergeblich, nichtig' : got. gatnalicjan Prellwitz'-
s. 287, lat. frustra : ags. breotan? gr. H'tüöoq 'lüge' wollte Fick, GGA.1894 zu
spotten stellen; es gehört aber eher zu cech. S/f??i/ 'höhnen, betrügen', poln.
szyd 'spott, höhn' (*sudi- Äliklosich s. 34-1) (lit. s^«rf/ü' 'keifen' ist lehnwort
Fortunatov, BB. 3, 70); *qliseud-.
'^) Zu germ. ^sjmran- 'sporn', ahd. sporo, an. ags. ahd. spor 'spur,
fährte' gehören wol auch \a,t. perna ' Schenkel, hüfte', gr. neQva ' Schinken'
L.Meyer, Griech. etym. 2, 61'2, tisqÖvt] 'stachel, spange' (vgl. nhd. Speiche :
m<\.sptche)- 'nagel' [ : nhd. speck] : ai. sphigi 'hinterbacke, hüfte', auch Liden,
Studien s. 93). Dass lat. perna zu nhd. ferse gehören muss, ist nicht nötig,
dagegen Persson, Gerund. s. 15, anm. 4; Petr, B. 25,133 {-.^ä-parnü 'Üügel,
blatt' u. s. w., was wol auch richtig ist); lat. cena : gr. xofji'vyvfu? ''per:
got. faran vgl. Uhlenbeck, Got. wb.* s. 41; vgl. noch zur bedeutung nhd.
finden, ahd. funden 'eilen, gehen', slav. pq,tt 'weg' u. s. w. : aksl. p^ta, pr.
petitis 'ferse' (vgl. Pauli, Körperteile s. 24), aksl. p^tino, lit. pentmas 'sporn'
Miklosich s. 239, \ett. indite 'knöchel am fuss bei mensch undvieh; buckel',
lit. peniis 'das dicke ende, die der schneide gegenüber liegende seite'
(Kurschat); auch lit. püncziai 'fesseln'? Zu dem bedeutungsübergang
gehen : finden vgl. Trautmanu, BB. 29, 308, vielleicht auch as. gi-witan
'gehen' : ai. vindäti 'finden', vedu 'weiss'? vgl. Schade '■' s. 1190; got. lais
'ich weiss' : laisls 'spur'. _ ,
144 LEWY
7. milhma.
Wie nlid, ivolke zu ivelh gehört (s. Klugem s. 420), so got.
m^7^wm 'wölke' 1) zu cech. »w?/.-^^ 'feucht' (Miklosich s. 187) und
weiter zu slav. *molJia, slov. mldka 'pfütze, lache, feuchte wiese'
(s. Torbiörnsson, Die gemeinslav. liquidametathese 1, 87). Nun
auch deutlich zu gr. fitXxiov xqtjj'ij (Hoffmann, BB. 18, 289) trotz
Zupitza, Gutt. s. 135. Allerdings hat fisXxiov zunächst wol noch
verwante im griech. (s. aber Prellwitz 2 s. 280, was aber im
letzten gründe auch mit dem folgenden vereinbar wäre), gr.
(läXxTj 'erfrieren', (läXxioQ 'frostig, kalt' : (liXxiov = got. Tcalds
'kalt' : aisl. kelda 'quelle', lit. ssdltas 'kalt' : szalünis 'quelle'
(Zupitza, Gutt. s. 80);
gr. jr?jYvXig 'eiskalt' (: ngriech. jrr)/a> 'ich mache erstarren',
alb. mhiliem 'erstarren' \^pa{n)g 'fest'] Brugmann, Grdr. 1'^, 663),
oicv/vri (-g-sn-) 'frost, reif : Jt7jyi] 'quelle';
gr. QiytöTog : 'PtyloTt] ' xq?]vi] rfjg ^ivcojiiöoq Hesych. Fick,
BB. 22, 43;
poln. studzic 'kühlen' : studnia 'brunnen' (Hoppe, Altpreuss.
monatsschr. 12, 290).
Da sich die begriffe 'frieren' und 'brennen' sehr nahe
stehen 2), vgl. noch nhd. brunnen : brennen'^)]
lit. versme 'quelle' : verdü 'kochen';
ndd. 50^ 'brunnen' : nM. sieden (vgl.Uhlenbeck,Beitr.26,293).
*) Die letzten deutungen now milhma bei ühlenbeck, Beitr. 30, 302.
^) Vgl. an. svalr 'kühl' : ags. swelan 'glühen', gr. ccLS-()oq 'morgen-
frische, kühle' : al'&co 'brennen' ( : nhd. eis, germ. Hsam aus *idh-s?), gr.
xaüf.ia 'frost' : xaico 'brennen', an. gkejanda 'frost, a sharp frost' : gldja
'to glow' (Karsten, Nom. bild. 1, 66; Bechtel, Sinnl. wahru. s. 17; Bugge, KZ.
19,440), nhd. frieren : »Ih. pruS 'brennende kohlen, gl ut' (Bnigmann, Grdr.
1^, 106); vgl. auch noch KZ. 40, 419, anm. 2. Zu nhd. schioelen scheint auch
nhd. schwellen, schiviele zu gehören; vgl. lit. tvinkti 'anschwellen' : lett.
tvlkt 'vor hitze schmachten' : lit. tvenkia 'es ist schwül'.
ä) Nhd. brunnen, gr. (pQhaQ (: lat. fervere 'sieden' ii.s. w.) s. Prellwitz'*
s. 494; &^z\\. gr. (fQvyoj 'rösten' {: cpQvyavov 'dürres holz, reissig' Prellwiz^
s. 496); zur bedeutung lit. sjjh-gau 'braten' : spragh 'prasseln' ndd. s})riJc
'verdorrtes reis', au. s^ireJc 'stick' s. unten s. 148, la,t. frlgo 'rösten, braten'
ist gewis irgend wie auf frigus 'kälte' bezogen worden (vgl. anm. 1). Lit.
hrüzgas 'gesträuch' (nach Leskien, Abi. s. 315: hruzgii 'rascheln') : an.
brüsJcr 'haarbüschel' Zupitza, Gutt. s. 160 : an. briösk 'knorpel', nhd. brausche
'beule' (s. Kluge« s. 56), wol auch brausch (s. Gebhardt, Beitr. 24, 409); zur
bedeutung vgl. lat. splna 'dorn, rückgrat' : aksl. spina 'rücken' (*spheig-
snd : md. spicher 'nagel' u.s.w. s. s. 143, a. 2).
KTYMOLOGISCHES. 145
8. knecht.
Ebensowenig" wie iilui. Luabc (s. .lohansson, KZ. 3G, 373;
Franck, Anz. fda. 21, 312, wogegen mit unrecht Kluge, Litbl.
18115, s. 39U) g:ehört nlid. knecht zu der wurzel ?/en-, wie oft
vermutet worden ist. s. z. b. Klug-ec s. 214; wie soll aber das
al)leitende -e/it des g;erni. hier helfen? Ags. cniht, ahd. hieht
•knabe, Jüngling-, knecht' ist "(pieg-fo- 'das abgeschlagene holz-
stüek', zu bair. knüchtcl 'knüttel, prügel' Schmeller-Frommann
1, 1347, mhd. knacken 'krachen' (s. DWb. 5, 1328); ags. cnocian,
an. knoka 'schlagen, puffen : mhd. knocke 'gebein, knocken'.')
1 )ie Wurzel 'geneg- liegt auch — noch vieles gerni. hierlier, z. b.
ags. cancettan 'verspotten', nhd. knicken — sonst im idg. vor:
gr. 70771'Cw 'murmeln', yiyY?.vfioi; 'gelenk', yüyyXiov 'Überbein'
( : nhd. knochen), yöyyQoq 'auswuchs an bäumen', gv.yayyavEVM
•verhöhnen', lit. znegtere'ti 'stöhnen' (vgl. Zupitza, Gutt. s. 149.
148. 144. 163; Prellwitz^ s. 97. 88, 0. s. 142); sie ist durch end-
reduplication-) aus ^'gen-ii- (lat. ^emt 'knie', gena 'wange' u.s.w.)
gebildet (vgl. lit. gninzis 'knake' Zupitza, Gutt. s. 148). Das
-H- findet sich in an. knidr 'knoten', neben knottr 'klumpen'
(vgl. Kluge6s.216)?:')
Zur bedeutung^) vgl. Johansson a. a.o.^) und nhd. ausdrücke
wie Jmlenscincengel ( : bninncnsehwengcT.), stift, (kleiner) knopp,
dien.stknoclien, hengel, flegel^ mh^J^cgel, /.e/it'Z ' uneheliches kind'
( : ahd. kegil 'pfähl' s. Hildebrand, DWb. 5, 390); vielleicht auch
2)fannestielchc 'ungetauftes kind"? F. "\V. Xagl, Deutsche mund-
') Vgl. Hildebrand, DWb. 5, 1485: 'das harte wird öfter und am natür-
liclisteu von dem klaiige bezeichnet, den es beim behandehi gibt.'
-) Einige beispiele von ähnlicher anfangsreduiilication s. KZ. -iO, 4-23.
^) Auch diese sippe hat sehr reiche Verwandtschaft im germ. Ags.
cnoU 'hüger, mhd. loiolle 'erdscholle' (s. Kluge* s. 215) gehört wol auch
dazu: *gnt-l6- : ahd. knoclo, knoto 'knoten', ahd. Jcnetan 'kneten'?
*) Einen verwandten bedentungsübergang (vgl. auch Schröder, Zs. fda.
42. G5) vgl. in gr. nröfiüog 'schössling' : n('c(jUsvog 'Jungfrau', lat. virga
'rute' ( : aksl. vrüga ' werfen' ^^ lit. vtfbas 'reis, dünner zweig' : ^-ot. tvairpan
'werfen' gegen Liden, IF. 18. 49G) : virgo 'Jungfrau' (Niedermann, E u. i
s. 74j; ags. eorl 'mann' : gr. l'()vog 'schössling' (Trautmaun, BB. 29, 309;
dazu wol noch got. arniba 'fest' : an. ern 'frisch, munter').
'') Seine wichtigen ausführungen scheint Meringer, IF. 18, 277 über-
sehen zu haben.
Beiträge zur geschichte der deutschen Sprache. XXXll, \Q
146 LEWY
arten 1, 228. Man darf sogar erwägen, ob ausdrücke wie
Stiefel-^), rechenhnecht olme weiteres als secimdär betrachtet
werden dürfen.
{). stinken, riechen.
Dass g-ot. stigqan 'stossen' und nhd. stinken zusammen-
gehören (trotz der zweifei Kluges^s. 380 und Uhlenbecks, Et.
w"b.2 s. 140), ist klar wegen an. Jmita 'stossen' : gr. x}-loa 'fett-
dampf'. lat. mehr 'duft, qualm', (die wider Lagercrantz, Zur
griech. lautgesch. s. 30 nicht zusammenbringen kann trotz Prell-
witz i s. 154. 158). Den bedeutungsübergang hat bereits Schade-
872—73 (gegen Pott, E.f.2 3, 345. 349) dargelegt; vgl. stechender
geruch; heissender geschmacJc; aksl. smrüdeti 'stinken' : lat. mor-
dere 'beissen'; poln. trade 'stossen, riechen'; ai. gandha 'geruch' :
gandh 'verletzen '2) (s. Franke, WZfKM. 8, 239)3).
Aehnlich verhält es sich mit nhd. riechen. Mit recht schreibt
Heyne 3, 107 dem worte die ältere bedeutung 'des Stechens und
scharfen einherfahrens^ zu, 'die im altnord. noch hervortritt',
und natürlich nicht, was die Wörterbücher zu glauben ver-
anlassen könnten, secundär ist. Biechen gehört mit nhd. rüclcen
(so auch Heyne; vgl. Kluge « s. 322) und ags. roccettan 'rülpsen'^),
ahd. itarucJcen 'ruminare' zusammen; das aussergerm. s. Schade^
s. 459 (vgl. s. 719) trotz Kluge** s. 317^) : gr. sQtvyofuu 'sich er-
brechen' U.S.W., wozu auch 6) sd. rujdti 'zerbrechen' (vgl. nhd.
^) Vgl. poln. pachole 'knäbleiu' : pacJiolek 'bursche, Stiefelknecht',
russ. mal'cik 'knabe' : 'Stiefelknecht'.
^) Got. gunds 'geschwür' ( : an. gandr 'stock'; \g\. tihi. tüunde : got.
ivandus 'rute')? anders Trautmann, Zfdw. 7, 268; vgl. nhd. drüse : mhd.
drasen 'duften, schnauben' (anders Noreen, Urg. 1. s. 216)?
3) Auch russ. päxmit' 'riechen' und paxät' 'ackern, pflügen' u. s.w.
(s. Miklosich s. 230) könnten verwant sein.
*) Dies identisch mit mhd. ruckezen 'girren', das also nicht so ohne
weiteres als onomatopoetische bildung, wenn damit auch junge ge-
meint ist, betrachtet werden darf, wie Kluge" s. 322 will; vgl. KZ. 40, 421,
anm. 3.
'•') Die Verbindung von riolihan mit swehhan (Noreen, Urg. 1. s. 136, Hirt.
Abi. § 674) ist lautlich ganz unbegründet.
^) Buj : ^Qsvyofxai fehlt bei Uhlenbeck, Ai. wb. und Prellwitz, steht
aber schon bei Benfey, Griech. wzllex. 2, 15, in einem buche also, das mit
'veraltet' genug charakterisiert scheint (Hirt, Handb. d. griech. laut- und
formenl. s. 8), wol also nicht einmal mehr 'für den forscher brauchbar' (ebda.
ETYMOLOGISCHES. 147
hrcchcn 'vomere'; alid. arrofoscn 'aufrülpseii' : au. rjüfa ^zer-
brechen', lat. riwtpo).
10. slei])s.
Lat. 5/77.9, lis wird immer wider (z. b. von L. Meyer, Vgl.
gr. r-,l)6; Kögel, IF.3,296; Ulilenbeck, Beitr. 20, 328; Ciardi-
Duiire, BB. 26,218; Walde, Lat. etym. wb.) mit alid. strit 'streit'
verbunden; eher ist doch jedenfalls im germ. '^slJp- zu erwarten.
Dies liegt denn auch im got. shij)s i^sUiäja-) 'schlimm' (vgl.
Schade- s. 821; Uhlenbeck- s. 135) vor. Strit zu ngs. stridan
'schreiten' Wood, Beitr. 24, 523.
Zu got. slei])s stellte v. Grienberger s. 193 an. leijrr 'ver-
hasst" U.S.W, (s. Kluge'' s. 244), was nahe liegt und aucli richtig
sein kann, wenn das t in lat. stlls erst im lat. eingeschoben
worden ist. ]\ran könnte weiter noch an lit. lec^ic 'berühren'
denken.
11. Einige kreuzungen.
Da es nur eine häufige form der 'wurzel Variation' zu sein
scheint i) (vgl. Brugmann, Grdr. 12, 426; Kluge, P. g. 1^, 378),
dass cons. + voc. und cons. + r + voc. im anlaut wechseln,
moclite ich nhd. sprechen : ne. speah auch nur zu den scheinbaren
beispielen dafür zählen. Ags. specan hat nämlich auch andre
germ. verwante: rh. spalr 'still, einsichtig, klug' {: dkfil. pasiti
'aufuierken', pasiti se 'sich hüten' nach Schade- s.846), mhd. </e-
s. 2) ist, in dem aber noch manches nützliche zu finden ist (siehe z.b. über
vi\u(f)j 2, 182). Bei der lockeren art des damaligen etymologisierens finden
sich natürlich oft so grosse wortmassen vereinigt, dass man alles mögliche
richtige hineinlegen kann, aber es finden sich auch noch manche richtige
wortgleichungeu, die erst später "widergefunden worden sind: 'lit. pewa,
gr.Tcofu' 2,75 (vgl. Schulze, Quaest. epic. 8.45, anm.2); ai. bibhemi, ahd.
biben 2, 105 (vgl. Kluge, KZ. s. 26. 85 und sonst). Hier möchte ich auch
die Zusammenstellung von lat. pollex 'daumen' und russ. pälec 'finger'
für den, der sie, so viel ich weiss, zuerst hat, in ansprach nehmen: Pauli,
Körperteile s. 22 (vgl. Bezzenberger, Beitr. 16, 120; Fick 1*, 471; Walde
unter pollex).
') S. Wood, IF. 18,4; vgl. auch noch mhd. schölle, schrolle 'schölle'
(Schade- s. 807) : schölle aus *s/i|-H (s. Kluge* s. 351), schrolle aus *s7crut-l'
( : abd. scrotan 'hauen'; anders Schade- s. 807; Uhlenbeck, Ai. wb. s. 94; vgl.
ai. *dali 'schölle' = lit. daUs 'teil', : lat. dolare 'behauen').
10*
148 LEWY
spelde 'lautes sprechen' Schmeller-Frommann 2,656'); ferner
ahd. spaclta, spaclio '(dürres) reis, reisbüschel' (Schade- s. 846);
vgl. an. spreh 'stick' {-.Mi. spragh 'prasseln') : nlid. sprechen
(s. Zupitza, Gutt. s. 162. 167); zur bedeutung- vgl. KZ. 40, 421,
anm. 1 und Uhlenbeck'- s. 82.-)
So scheint die Vermutung Holthausens, IF. 6, Anz. 107, dass
speak sein r 'vielleicht durch einfluss von spell verloren habe',
überflüssig, wenn auch sonst recht gut möglich. Derartige
contaminationen, kreuzungen'^) könnte man wol auch sagen,
können, scheint es, gar nicht genug erwogen werden (im gegen-
satz zu Kluge, Litbl. 1895, s. 379 über Franck; vgl. auch Brug-
mann, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1896, 27). So scheint ahd.
zivelga 'zweig' aus *^c/^a (mhd. zeige, ags. telga 'zweig' : an.
telgia 'behauen', lit. dcdgis 'sense', ir. dlnigim 'spalte' Zupitza,
Gutt. s. 181) und sivi, zwtg 'zweig' entstanden zu sein.'*)
Got. ana-trimpan 'hinzutreten' ans "^'stimpan : ahd. stani-
p>fön (: gr. özef/ßco Kluge"' s. 375) + *(>•- : gr. öiÖQäoxco (Feist,
Beitr. 15,552)?
alid. cmcJääo 'fussknöchel'-*) = anclial 'fussknöchel' -|- ahd.
') Für ahd. gespahe 'affabilitas' ist nach Ahil. gl. 4, 30 (vgl. 112) ge-
sprahe zu lesen.
2) Eine aiislai;tvariante zu specun ist ahd. sp'elwn 'spähen', au. spä
'voraussehen, prophezeien', spä f. (s) ' Weissagung, traumgesicht' (Noreen,
Urg. 1. s. 116), wozu nach Lagercrantz, KZ. 34,382 gr. ccüJicc'C.ofiai 'begrüsscn'.
Auch diese wurzeln zeigen parallelen für die Zusammenstellung von sehen
und sagen (Wiedemanu, IF. 1, 258; vgl. Brugmann, IF. 4, 318. 12,25; Streit-
herg, Urg. gr. s. 68; Zupitza, Gutt. s. 68; Verf., KZ. 40, 422 gegenüber Uhlen-
beck-s. 125; Kluge" s. 361, der sehen : lat. sequi 'unbedenklich' findet, Noreen,
Urg. 1. s. 118, der got. saüvan 'nachspüren, sehen' heissen läset); vgl. noch
ahd. hiogen 'sehen' ( : ags. locian = *spe-1c- : *spe-g-) : lat. loqiior 'sprechen'
(:ai. lalcsä 'zeichen' Kluge^s. 253; Zupitza, Gutt. s. '209).
^) Ein hübsches, wenn auch ganz individuelles beispiel aus den Script,
rer. Prussic. 2,621 {ni) linigarent (dolorem eius), wozu in anm. 1618:
'Scheint ein aus der Vermischung \on m/tigare wmMinire von unserm Über-
setzer neugeformtes wort zu sein.'
■*) Vgl. die auseinandersetzungen von Solmsen, Beitr. 27, 362, die nun
wol etwas verändert werden müssen. Das von ihm nach G.Meyer zu swig
gestellte alb. (lege 'zweig' könnte als *dögä zu nhd. zacken, ndl. taJc 'zweig,
ast, zacken' (Kluge ^ s. 431), lit. dagijs 'klette, dorn', lat. digitus 'finger',
got. ielcan 'nehmen' gehören. Hier haben wir ein beispiel der secundären
entstehung des wechseis zwischen cons. + voc. und cons. + u + voc. : vgl. oben.
'■•) Ags. ondeaw, onddeaw s. Sievers, Ags.gr.-' §198, anm. 2.
ETYMULOÜISCIIES. 1 iO
l-Jdiva 'klaue'; vgl. Kluge" s. 95; — nlid. stvirheln aus ahd. zerhcn
und nhd. icirhdn? vgl. Kluge" s. 442;
mild, sisel 'penis', aus alid. sers 'membrum virile'') und
mild, fisel *penis' (: lit.p/s» 'coire') Schade- s. 1287 nach Wacker-
nagel.
So werden sich vielleicht auch die sonderbaren geschicke des
idg. u im germ. (s. Brugmann, Grdr. 1- § 373, 3. 4 2)) erklären.
So erklärt Brugmann, K. vgl. gr. s. 349, anm. 1 öXidJugund, ags,
(/<'or/»(f gegenüber got. iunda 'durch anähnlichung von *ii(uunpi-
au ""OiiSKnJii- -tüchtigkeit, kräftige junge mannschaft«'. Ich
hatte gedacht, dass jugund von jung wie leidund von leid
{\\'ilmanns- 2. § 226. 2) abgeleitet, und das erste n durch dis-
siniiiation {*ni)i^u7i(Ji-) geschwunden sei; über ähnliches in
späterer zeit s. Schröder, Zs. fda. 37, 124. Eine ganz schlagende
erklärung bleibt aber wol doch noch zu finden.
Dass got. sugil, ags. si/gel 'sonne' in beziehung zu ags.
sicegle, as. sicigli 'leuchtend steht, ist schon beobachtet worden
(Wood; Beitr. 30,311).
Nhd. hriklce, germ. %ruyjö gehört mit nhd. prügel (s. Kluge »^
s.o9. 304) auch zu der wurzel, die in nM.brechcn vorliegt, die aber
auch verwante mit *gh im auslaut hat (vgl. Johansson, KZ. 36,
345); vgl. mndd. braJce 'zweig', ndd. hräkeu pl, 'die dicksten äste
der bäume, Stangenholz' (Schambach 31, 312); zur bedeutung
specl;c 'knüppelbrücke' : ahd. spahho 'reisig' Kluge ^ s. 369.^)
Die unwahrsclieinlichkeit des Überganges von u in Icu hat
Liden, Studien s. 31—37 gezeigt. Ahd. quec neben got. qms
^) Die ziisammeustelluiig dieses wortes mit gr. ÖQÜ.oq' nöoxh} Fick,
BB. 12:162; Wb. l',455; Prelhvitzs s. 121; Johansson, Beitr. 15,238 finde
ich nicht ganz zufriedenstellend. Sollte lat. dorsiim 'rücken' dazu gehören
(s. Brugmann, Grdr. 1', 687)? Zur bedeutmig vgl. z. b. ai. bhaga 'weibliche
schara' : an. bak 'rücken'.
-) Ueber den § 373, 1 behandelten Übergang von n in hh s. endlich
wol richtig Trautmann, Germ, lautgesetze s. 40 u. f. Hier möchte ich doch
auch gegenüber der erklärung von an. skegg 'hart' als 'urspr. Schattierung'
(Brugmann, Grdr. 1', 283) fragen, ob dieser bedeutuugswandel überhaupt-
denkbar ist, und irgendwo seines gleichen hat; vgl. übrigens ags. sccacga
'coraa" Sievers, Ags.gr.'' §216,2.
') Eine beschreibung einer brücke, wie sie diesen Worten zu gründe
liegen mag. finde ich zufällig in einer novelle F. Kürnbergers, Die braut
des gelehrten (Wien, Daberkow) s. 12.
150 TRAUTMANN
will er mit liilfe der 'gebrochenen reduplication' erklären.
Sollte nicht einfliiss von got. ivaMn ( : lat. vigcre, vegere, vigil,
s. Uhlenbeck^ s.l66) u.s. w. vorliegen?') Beziehungen zwischen
qiiec und ivachar, ivachal beweist mhd. queclwlter neben nhd.
ivacMolder-) (s. Wackernagel, Wb. zum Altd. leseb.- cccxxxvi;
vgl. übrigens lehenshaum; wachholderbeerenmus soll das leben
verlängern).
^) Auch von got. sn'kns?
2) Nicht grade wahrscheinlich über tvarhJwlder Uhlenheck, Beitr. 22; 196 :
die mannigfaltigen dialektforraen bleiben mir unklar.
BRESLAU, april 1906. ERNST LEWY.
ETYMOLOGISCHE MISCELLEN.
1) Ags. ^rvaäa m. 'der busen', mengl. gredc dass. findet
seine entsprechung in ir. grüad 'wange', kymr. grudä, koru.
grud (Stokes, Sprachschatz s. 118f.). Wie die bezeichnungen
der körperteile schwanken, ist bekannt (vgl. z. b. Wood, IF.
18, 26 ff.); so stelle ich lat. inippis ' schiff shinterteil', das nach
S. Bugge, BB. 14, 68; Bezzenberger, ib. 27, 176 ff. zu üix. pi'inar
'wider', griech. jivfiarog 'letzter' u.s.w. gehört, da hierbei
die zweite silbe von xmppis unklar bleibt (Walde, Etj^m. wb.
s. 501 f.), lieber zu lett. im'X)s 'weiberbrust', das weiter zu lett.
paupt 'schwellen' gehört (Leskien, Ablaut s. 306).
2) Ahd. slimhi f. 'Schiefheit', mhd. slimp, slim 'schief,
schräge, verkehrt', mndd. slim 'schief, krumm, schlecht'
(Schade, Wb.^s. 823; Heyne, DWb. 9, 714) empfangen, da die
etymologie Johanssons, Beitr. 14, 303 1 auf sich beruhen mag
ihr licht von lit. nuslimpa 'entschlüpft', slimpineti 'ent-
schlüpfen', lett. sllps 'schräge, steil' aus slimpas (Leskien,
Ablaut s. 360; Nomina s. 164), nicht sMpas, wie Falk-Torp,
Etym. ordb. 2, 223 meinen.
ETYMOLOGISCHE MISCELLEN. 151
3) Xhd. sclileiclicn. Ich habe •Germanische lautgesetze'
s. 14 11 auf eine neue etymolooie dieser si])i)e aufmerksam ge-
macht, die ich hier ausführlicher behandehi will. Ahd. slichan
st. V., nihd. sUchen 'schleichen', nindd. sUJcen dass., mengl. sllJcen
'gleiten', ahd. sleicha f. 'schleife, Schlitten', anord. sUJcr 'glatt',
sUkistemti 'Schleifstein', ags. slic dass., sltc 'cuiining', nüc-
sUcod 'glossy' können nicht getrennt werden von mndd. sUk,
slick 'schlick, schlämm', mhd. slich, nndl. sliJc, slijh dass.
(Kluge, Wb.6 s. 341 f.; verfehlt ist also Zupitza, GG. s. 199, vgl.
z. b. lett. sWxsnis 'morast' : lit. slcnJcü 'schleichen'). Zur selben
Sippe gehören, da von selten der bedeutung nichts dagegen
spricht, trotz Zupitza a.a.O.; Falk-Torp 2,224. 225 auch anord.
sleilja 'lecken', mhd. slic, slec m. 'bissen', siechen 'schlecken',
wie Fick, BB. 6, 214 erkannt hat. Das lit. sleildmve i. 'Wetz-
stein', das Fick a.a.O. vergleicht, steht für sdeiJctuive, muss
also fern bleiben. Unsere germanische sippe hat zunächst ver-
wante im slavischen: aksl. slbz-tki. ^slq öXioüov' (vgl. Meillet,
Etudes sur l'etymologie du vieux slave s. 327), russ. sUzlcij
'schlüpfrig', slizh f. 'schleim', slisij m. plur, 'eine art schleife',
serb. slitimlc 'schlüpfrig', poln. slizlä dass., slizac siQ 'auf dem
eise gleiten', cech. sUz f. 'schleim'. slMij 'schleimig', sliznouü
'ablecken' (A'gl. oben anord. sleilja 'lecken'). Aus dem kel-
tischen sind verwant nach Zupitza, BB. 25, 96 f. ir. sligim
'schmiere; locke', aus dem griech. nach Froehde, BB. 3, 15 n
/.iydtjv 'die Oberfläche streifend'.
4) Asächs. fercal (nur Hei. 5775, wo nicht sicher zu ent-
scheiden ist, ob es st. m. oder n. ist) 'verschluss, riegel' ist
bisher unerklärt geblieben. Ich gehe aus von dem begriff
'pflock, keil, überhaupt etwas aus holz zurechtgeschlagenes',
das sich nun nach verschiedenen richtungeii differenzierte.
Hierher gehört lit. pergas 'fischerkahn' (Leskien, Xom. s. 161)
entsprechend einer menge sprachlicher bedeutungsparallelen
(s. z. b. Liden, I>landade spräkhistor. bidrag 1, 12). So gehört
lit. Udas 'kahn' (Leskien, Xom. s. 197) nach Liden a.a.O. zu
aksl. laty 'olla, lebes', poln. latlca 'lebes', die sicherlich zu
mhd. lade m. 'brett, bohle, fensterladcn, kauf laden', wofür
Meringer, IF. 16, 111 ff. keine auswärtigen beziehungen hat,
in beziehung stehen. AVie nun nach Liden, BB. 21, 98 f. air.
geind 'pflock' u. s. w. zu gonim 'verwunde, töte' u.s.w., lett.
152 PAUL, zu NEIDHARD.
galds 'brett, tisch' (übrigens zunächst mit aksl. glaäa '§vXor'
verwant) nach Meringer, Stellung des bosn. hauses s. 93 n f.
zu anord. gelda 'verschneiden' geliört, so gehören asächs.
fercal, lit. pergas zu armen. harJcancm 'schlagen; (holz) zer-
liauen; (bäume) fällen; einschlagen', air. orgahn 'schlage, er-
schlage', skr. parjdnya 'name des vedischen gewitter- und
regengottes' (Liden, Armenische Studien s. 85 ff. 88 ff.).
Juni 1906. REINHOLD TRAUTMANN.
ZU NEIDHARD.
9, 31 ff. schreibt Haupt (und nach ihm Bartsch):
Da ist für trüren veile
nianeger bände vögele sanc.
'ir süezen klaue
ich ze miuem teile
wil diugen, daz er uiine ■vvuudeu heile':
also sprach ein altiu in ir geile.
Der was von der Minne
allez ir gemüete erWagt.
ein stolz in magt
sprach »se, küneginne,
wie manegen du berouhest siner sinne,
mir ist not, waz erzenie ich gewinne.«
'Diu hat mit ir sträle
mich verwundet in den tot.'
Hier ist auffallend, wie unvermittelt die Jungfrau auftritt, und
zwar mit einer klage darüber, dass sie die Minne (diese ist
zweifellos mit küneginne gemeint) ilires Verstandes beraubt
habe, wovon doch im folgenden keine rede mehr ist. Denn
die Worte tvie manegen etc. könnten nicht etwa das erstaunen
über die Verliebtheit der alten ausdrücken, sonst könnte sie
nicht fortfahren mir ist not. Ausserdem lässt sich für se als
einleitung des ausrufes kaum eine analogie beibringen. Es
BRAUNE, AHD. BITA. 153
entspricht mit einer anrede immer unserem da (nimm hin).
In der einzigen lis. R ist si überliefert. Es ist zu lesen ein
stolze magt sprach si 'Jiünegmne . . gewinne. Diu etc. P's sind
also küneginne etc. worte der alten ebenso wie die folgende
Strophe. Es handelt sich nur um liebesklage der alten, nicht
der jungen. Zu vergleichen ist 3,15: dö sprachs ein alte in
ir geile "' trütgespil, wo! dan mit mir, wo allerdings von Haupt
eine änderung vorgenommen ist, die aber wol kaum anfechtbar
ist. Die einzige hs. C hat Do sprach es ein alfü.
MÜNCHEN, märz 1906. H. PAUL.
AHD. BITÄ.
In den anmerkungen zu 'Christus und die Samariterin'
(Denkm.3 2, 68) führt Müllenhoff zugunsten seiner these,.dass
Otfrid dieses gedieht gekannt habe, auch an, dass Otfrid hita
(statt heta oder des sonst bei ihm gebräuchlichen gibet) nur
an der stelle brauche, wo es ihm durch das gedieht Sam. dar-
geboten worden sei. In der ganzen ahd. literatur komme diese
form nur noch einmal als compositum uhtihita in den Schlett-
städter glossen (Gl. 2, 681, 53) vor. Das zusammentreffen
scheint bestechend. Aber es erklärt sich ungezwungen aus
der bedeutung des wortes. Ahd. hita ist nämlich durchaus zu
trennen von ahd. heta, nlid. hüte, welches letztere erst nhd.,
durch anschluss an den präsensvocal von hüten umgebildet,
das mhd. hete verdrängt hat. Nhd. hüte ist mit mhd. hetc
gleichbedeutend: es bezeichnet eine einzelne bestimmte bitte.
Und in diesem sinne konnte 0. nur heta brauchen (vgl. 11,4,41).').
Wider etwas anderes bedeutet ihm gihet, das er mehrmals im
sinne von oratio 'gebet' anwendet. Dagegen l)edeutet ahd.
*) Auch Kögel, Gesch. d. dtsch. lit. 1,2, Ui idcntiliciert fälschlich ahd.
bita mit beta und weiss sogar, dass bita 'streng mitteldeutsch' sei!
154 LITERATUR.
Uta 'adoratio, anbetung, cultus', also eine dauerliandlung. Und
dieses wort ist im ahd. im engen anschluss an die durative
bedeutung des präsens hitten gebildet, als ein von heta durchaus
verschiedenes wort. Das wird durch die dritte stelle bewiesen.
Die glosse uhtibifa ist Übersetzung von orgia und bezieht sich
auf Vergil, Georg. 4, 521 nocüirnique orgia Bacchi: ulitihita
bedeutet also 'nächtlicher cultus'. So musste sich das wort
Uta von selbst einstellen, wo nicht heta = nhd. hüte gemeint
war, sondern cultus, anbetung. Und es verliert sonach alles
auffällige, wenn in der geschichte von der Samariterin durch
das 'adorare' der quelle das ahd. wort hita ausgelöst wurde,
sowol 0. IT, 14, 58 als auch Sam. 31.
W. BRAUNE.
LITERATUR.*)
J. Peisker, Die älteren beziehuiigen der Slawen zu Turkotataren und
Germanen und ihre socialgeschichtliche bedeutung. Mit 4 blatt abbildungen.
(= Neue forschungen zur social- und Wirtschaftsgeschichte der Slawen. I.
Sonderabdr. ans der Vierteljahrscbr. f. social- u. Wirtschaftsgeschichte. 3.)
Stuttgart, Kohlhammer 1905 (XII. 243 s.). M. 6.00.
[Darin s. 57—101 nach sachlichen kategorien geordnete sainmlung und
eingehende behandlung der in das altslawische übergegangeneu germanischen
lehnwörter.]
Bruno Sjöros, Mälabättr. En Studie i fornisländsk metrik. (Diss.)
Helsiugfors 190G (4 + 152 s., 2 tafeln).
*) Da die 'Beiträge' recensioneu nicht bringen, so können die der
redaction eingesanten Schriften, soweit sie für die leser der Zeitschrift von
Interesse sind, nur an dieser stelle verzeichnet werden. W. B.
DAS EOKKNLTEl) UND SEINE QUELLEN.
§ 1. Einleitende bemerkungen.
Im 29. bände dieser Beiträge hat Freiberg- durcli eine
vei'gleicluing des Eckenliedes mit einer episode im Chevalier
du Papegau zwischen diesen beiden denkmälei'n eine reihe
beziehnngen aufgedeckt, die nicht zufällig sein können, und
ist zu Schlüssen gelangt, die, falls sie sich als richtig erweisen
sollten, nicht nur für das Eckenlied, sondern auch für die
vergleichende literaturgeschichte von grosser tragweite sein
würden. Es handelt sich um nichts weniger als um die über-
fülirung eines Stoffes aus dem brittischen Sagenkreise in und
ihre angleichung an den Sagenkreis von Dietrich von Bern.
Freibergs beweisführung hat mich bei ihrem ersten erscheinen
zum widersprucli herausgefordert, aber dringende beschäftigung
mit anderen arbeiten hat mich bisher daran verhindert, auf
diese fragen einzugehen. Indem ich mich nun anschicke,
meine abweichende auffassung der vorliegenden daten mit-
zuteilen und ausführlich zu begründen, muss ich die bemerkung
vorausschicken, dass eine directe polemik wider Freibergs
aufsatz sich an vielen stellen nicht vermeiden lassen wird.
Doch habe ich mich beflissen, der kritik, die leider nur zu oft
das wort ergreifen muss, ein rein sachliches gepräge zu geben,
was um so mehr geboten war, als der scharfsinnige junge ge-
lehrte, der viel hoffen liess, leider nicht mehr unter den
lebenden ist.
Freibergs methodischer grundfehler liegt m. e. in einem
apriorismus, der ihn von unbewiesenen thesen, die das, was
er zu beweisen sucht implizieren, ausgehen lässt, und ihn dazu
verführt, einen wichtigen teil des materials fast unbenutzt
liegen zu lassen.
Reitrüge lur geschichte der deutschen spräche. XXXII. j^|[
156 BOER
Diese als axiomata angenommenen unbewiesenen tliesen
sind die folgenden:
1) Wenn ein literarischer stoff in einem französischen
und in einem mittelhochdeutschen denkmal überliefert ist, und
die ähnlichkeit zwischen beiden denkmälern so gross ist, dass
eine entlehnung angenommen werden muss, so muss die fran-
zösische Überlieferung die quelle der deutschen sein.')
2) Wenn ein mittelhochdeutsches gedieht aus einer fran-
zösischen quelle stammt, so muss es unmittelbar aus dem
französischen ins hochdeutsche übertragen sein (auf die mög-
lichkeit einer Zwischenstufe in einem anderen dialekt wird
kein bezug genommen).
3) Es ist nicht anzunehmen, dass dasselbe französische
gedieht mehr als einmal in einen deutschen dialekt übertragen
worden sei (wird stillschweigend vorausgesetzt).
4) Wenn es demnach eine dritte Überlieferung des Stoffes
gibt, die auf eine deutsche quelle zurückgeht (in casu die 1). s.),
so muss das eine Übersetzung oder eine bearbeitung nach einem
hochdeutschen muster sein. 2)
Jede dieser thesen ist nichts als eine blosse behauptung.
Ich stelle ihnen die folgenden gegenüber:
1) Wenn ein mittelalterlicher stoff sowol in einer fran-
zösischen wie in einer deutschen quelle überliefert ist, so muss
durch eine besonders darauf gerichtete Untersuchung aus-
gemacht werden, wo das ursprüngliche zu suchen ist. Im
vorliegenden fall darf die grössere geschlossenheit der frz. er-
zählung nicht als ein beweis für ihre ursprünglichkeit angeführt
Averden, da a) die überlieferten recensionen des Eckenliedes
eine reihe zutaten enthalten, die Freiberg für die älteste
recension nicht gelten lassen will, b) auch das älteste hd. ge-
dieht eine übergangsform nach der frz. Überlieferung repräsen-
^) Die möglichkeit, dass das Verhältnis das umgekehrte sei, wird s. 7 f.
in wenigen zeilen kurz zurückgewiesen.
^) S. 9— 10. 'Ist die quelle des süddeutschen Eckenliedes ein frz. ge-
dieht , so muss die ]). s. notwendigerweise aus diesem deutschen Eckenliede
geschöpft haben ... in einem falle hat der sagaschreiber sicherlich ein
hd. gedieht zur vorläge gehabt' u. s. w.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 157
tiereii kann, in ^velchenl fall die grössere gesclilossenheit das
product einer fortgesetzten entwicklung- wäre. An der ur-
sprünglichkeeit der frz. bearbeitnng zn zweifeln liegt aber
nm so melir grund vor, als diese nur in einem vulksbuclie des
15. jli.'s überliefert ist.
2) Wenn ein mlid. gedieht auf eine frz. quelle zurückgeht,
so kann zwischen diesen beiden eine quelle in einem anderen
dialekte, etwa mittel- oder niederfränkisch', liegen. Um so
eher ist das denkbar, wo der kritiker sich genötigt sieht, die
bekannte mlid. Überlieferung auf eine ältere deutsche dichtung
zurückzuführen, von der sonst nichts bekannt ist, als dass sie
die quelle einer erzählung der piörekssaga ist.
3) Dass ein und dasselbe werk mehr als einmal aus dem
französischen in einen deutschen dialekt übertragen worden
istj ist ein widerholt constatierter fall. So wurde z. b. das
lied von Troja erst von Herbort von Fritzlar, später von
Konrad von ^^'ürzburg ins hochdeutsche übertragen.
4) Wenn es also eine dritte Überlieferung des Stoffes gibt,
die nach der ansieht Freibergs in mancher hinsieht über die
bekannte liochdeutsche tradition hinausgeht, so braucht diese
keineswegs auf eine hochdeutsche quelle zurückzugehen. Im
gegenteil, die quelle kann sehr wol eine niederdeutsche sein,
und zwar bestehen in diesem fall theoretisch drei möglich-
keiten: a) die niederdeutsche und die hochdeutsche quelle
können von einander unabhängig, beide aber von der frz.
quelle abhängig sein; b) eie niederdeutsche Überlieferung kann
die gemeinsame quelle der hochdeutschen und der altnordischen,
selbst aber von der frz. Überlieferung abhängig sein; c) die
niederdeutsche tradition kann so wol die quelle der altnordischen
wie der hochdeutschen und der frz. Überlieferung sein.
Es Ist auf grund dieser erwägungen nicht gestattet, alle
abweichungen der nordischen version von der mittelhoch-
deutschen bez. der französischen, sofern man sie für seine
construction nicht brauchen kann, für willkürliche änderungen
ihres bearbeiters (in casu des sagaschreibers) zu erklären.
Freibergs grosser methodischer fehler aber ist, dass er, von
den oben s. 156 mitgeteilten Sätzen ausgehend, die piöreks-
saga vernachlässigt hat, und sie nur da benutzt, wo sie seine
11*
158 BOER
aus einer ausscliliessliclien vergleichung- der beiden anderen
quellen gewonnenen resultate zu bestätigen scheinen kann.
Ich werde im folgenden Freibergs axiomata an der Über-
lieferung prüfen. Auf die dritte beliauptung gehe ich nicht
ein, da auch ich im vorliegenden fall an eine widerholte Über-
setzung nicht glaube. Die übrigen thesen bespreche ich in
umgekehrter reihenfolge und fasse 2) und 4) zusammen.
Im gründe folgt schon aus Freibergs auffassung des Ver-
hältnisses der Überlieferungen direct, dass die erzählung der
I>. s. eine selbständige quelle ist. Wenn diese von dem alten
Eckenliede oder einer diesem liede sehr nahe stehenden redac-
tion stammt, während die auf uns gekommenen texte sämmt-
lich auf eine breite Umarbeitung zurückgehen, so muss schon
darum bei der beurteiluug der Überlieferung der saga eine
grössere autorität als den drei texten des Eckenliedes zu-
sammen zugestanden werden. Der einzige umstand, der es
verbietet, sie einfach an die stelle dieser texte zu stellen, ist
die möglichkeit, dass in der saga etwas verloren oder hinzu-
gefügt worden sei. Freiberg nimmt hier viele änderungen und
auslassuugen an. Aber auf keinen fall sollte er einen Stamm-
baum aufgestellt haben, in der der saga gar kein platz an-
gewiesen war. Sein Stammbaum sieht wie folgt aus:
0 (original)
E P
(Eckenlied) (Chevalier du Papegau)
Mit E ist nun allerdings das alte, nur in einer Umarbeitung
auf uns gekommene Eckenlied gemeint, aber fortwährend
werden dafür die drei texte der Umarbeitung (Ldas) sub-
stituiert, und obgleich zugegeben wird, dass die saga nicht
von Ldas, sondern von E stammt, verfährt Freiberg doch
durchgehend, als wäre das Verhältnis:
0
E (d. i. Ldas)
I
P.S.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 159
während es doch, wenn Freiberg recht hat, sich folgender-
massen gestaltet:
0
I
V
(breite iimarbeituiig'l p. S.
I
Ldas
Daraus ergibt sich beim ersten anblick, dass bei der beurteilimg
jedes einzelnen zuges nicht nur die saga herangezogen sein
sollte, sondern auch, dass ihr, da sie von dem noch nicht um-
gearbeiteten liede stammen soll, die absolute controle über
jede angäbe der vorausgesetzten Umarbeitung zukam.
Dass bei einem solchen Verhältnis der texte das, was Frei-
berg E genannt hat, sehr wol ein niederdeutsches gedieht ge-
wesen sein kann, leuchtet ein. Die Verweisungen der Umarbei-
tung auf eine poetische (luelle, die Freiberg s. 3 nach Zupitza
zusammenstellt, können wahrhaftig sein, auch wenn der
bearbeiter kein französisches gedieht gekannt hat. Freiberg
verwechselt hier wie sonst E mit U. AVelcher der dialekt
der quelle des liedes war, das muss durch unabhängige kriteria
entschieden werden. Nach meiner ansieht sprechen für eine
nieder- oder mitteldeutsche') quelle die folgenden data:
1) Die analogie anderer Stoffe, die sowol in der p. s. wie
in der mhd. epischen poesie behandelt worden sind. Unter
diesen steht die Nibelungenpoesie in erster Knie.
2) Gerade der umstand, dass der stoff auch in einem fran-
zösischen roman behandelt worden ist. Die alten vermittler
zwischen fi'anzösischer und deutscher poesie waren fränkische
spielleute. Nimmt man für das überlieferte lied eine nieder-
oder höchstens mitteldeutsche quelle an, so wird sowol eine
etwaige Übersetzung aus dem französischen wie die Über-
führung des Stoffes aus den liheinlanden, einerseits nach Süd-
deutschland, anderseits nach dem Norden verständlich; leugnet
') Die eutscheiduüg zwischen diesen beiden möglichkeiteu muss auf
eine späteren stelle verschoben werden.
160 BOER
man sie, so muss man annehmen, ein oberdeutscher, nach der
localisation in Tirol zu urteilen wol bairischer dichter habe
das frz. gedieht direct in seinen dialekt übertragen, dieses
oberdeutsche gedieht aber sei nachher auf diesem oder jenem
mysteriösen weg widerum aus Süddeutscliland nach dem norden
gekommen und dem Verfasser der 1). s. bekannt geworden.
3) Die localisation des Stoffes in den Rheinlanden. ') Diese
tatsache würde allein zu dem nachweis, dass die quelle der
saga nicht süddeutsch war, genügen. Dass Ecke auf dem
Drachenfels zu hause ist, ist doch keine erfindung des saga-
schreibers. Damit fallen alle Schlüsse, die Freiberg in grosser
Übereilung aus der von ihm supponierten Übersetzung des
Eckenliedes aus dem französischen in bezug auf die composition
der saga gezogen hat.''^) Wäre unser zweck kein anderer, als
die unStatthaftigkeit dieser Schlüsse nachzuweisen, wir könnten
es hierbei bewenden lassen. Aber auch diese mühe könnten
wir uns erspart haben, da es zur zeit auch ohne das zeugnis
der Eckenpoesie feststeht, dass die saga niederdeutsche quellen
benutzt hat.
Von weit grösserer bedeutung erachte ich eine richtigere
beurteilung dieser Verhältnisse für die hauptfrage, wo die
heimat des Stoffes ist. Steht es so fest, dass diese mittel-
oder niederdeutsche quelle der saga eine bearbeitung eines
französischen Originals ist, oder gibt es gründe für eine ent-
gegengesetzte auffassung? Anders gesagt: geht die entwick-
lung der erzählung von der einfachen darstellung der p. s.
über eine mehr zusammengesetzte, die in der hochdeutschen
bearbeitung vorliegt oder von der diese stammt, bis zu der
im Chevalier du Papegau überlieferten, oder ist mit Freiberg
der umgekehrte weg anzunehmen? Sieht man zu, so zeigt es
sich, dass diese frage mit jener andern identisch ist, ob Frei-
') Damit häiigt auch gewis L 66, 6 — 8 ez hat mich menge raste getragen
mit den Jcreften sin enzwischen Kölne und Spire zusammen. Dem umarbeiter,
der Str. 66 dichtete, war diese localisation noch bekannt. — Ueber str. 1
s. § 12.
^) Freiberg glaubt (s. 11), man könne an diesem fall die arbeitsweise
des Sagaschreibers studieren, 'und die ergebnisse dann auch für die erkeuntnis
anderer partien der saga nutzbar machen, deren entstehungsgeschichte
weniger durchsichtig' sei.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 161
berg recht hat, wenn er die süddeutsche und die in der p. s.
mitgeteilte darstellung zu einer gruppe verbindet und diese
der französischen gegenüberstellt (Eckenlied + I). s. : Ch. du
Papegau), oder ob die süddeutsche zusammen mit der fran-
zösischen der saga gegenüberzustellen ist. Sieht der Stamm-
baum aus wie folgt:
Original
(französisch)
R P
(rheinisch, mittel- oder niederfränkisch) (französisch)
U p. s.
(hochdeutsch)
oder muss man vielmehr gruppieren:
Original
(mittel- oder niederdeutsch)
p. S. U (breite Umarbeitung) ')
(d. i. HD + P)
') Ueher das Verhältnis der einzelnen glieder von U lässt sich, an-
genommen, dass dieser Stammbaum richtig sei, von einem aprioristischen
Standpunkte aus nichts sagen. Es ist denkbar, dass P der hochdeutschen
bearbeitung, die im folgenden HD genannt \Yird, als eine selbständige
redaction gegenüber steht. In diesem fall wird die untergruppieruug:
T'
HD P
!
Ldas
Es ist aber auch denkbar, dass P von HD stammt und nur den einzelnen
recensionen Ldas gegenüber gestellt werden muss. Also:
ü (= HD)
Ldas P
Endlich ist auch ein näheres Verhältnis von P zu einzelnen redactionen von
Ldas von vornherein nicht ausgeschlossen. Die nächsten paragraphen (2 — 10)
sollen dem nachweis, dass Ldas 4- P eine gruppe bilden, gewidmet sein.
Dabei werden Ldas vorläufig als eine zusammengehörige gruppe (HD) be-
trachtet, während die gemeinsame quelle von Ldas + P als U bezeichnet
wird. Doch ist hierbei stets die raöglichkeit im äuge zu behalten, dass am
ende U sich als mit HD identisch zeigen werde. Einzelne gesichtspunkte
162 BOER
In jenem fall sind die Übereinstimmungen des französischen
textes, sei es mit der saga, sei es mit dem hd. gediclite oder
einer recension desselben, sofern der zufall ausgeschlossen ist,
beweisend, in diesem fall die zwischen der saga und einer
der anderen quellen. Nun hat P mit HD eine reihe plusstellen
gemein. Diese müssen alle echt sein, wenn ersterer Stamm-
baum gilt. Die saga hat mit jeder der beiden anderen recen-
sionen zumal minusstellen gemein. Wenn der zweite Stamm-
baum recht behält, so liegen hier Interpolationen in HD bez.
P vor; behält er unrecht, so beweist das fehlen einer stelle
aus P in HD und p. s. nichts wider solche stellen.
Freiberg sieht darin einen beweis für seine hypothese,
dass die erzählung in dem französischen romane den Charakter
eines Artus- oder Gawainromans, also eines in Deutschland
nicht einheimischen Stoffes, zeigt. Die deutsche poesie habe
mehrere für einen Gawainroman charakteristische züge fallen
lassen; die 1). s. habe das abenteuerliche nahezu vollständig
abgestreift. Das wäre freilich überaus interessant, wenn es
fest stünde, dass Freibergs ausgangspunkt der richtige ist.
Aber jene ähnlichkeit mit einem Gawainromane kann auch
die folge einer angleichung an andere romane von diesem
typus sein. Eine solche angleichung kann allmählich zu stände
gekommen sein; es wäre sogar nicht undenkbar, dass ein un-
bewusster anfang dazu schon in der P zu gründe liegenden
Umarbeitung gemacht wäre, — die bedeutenderen züge finden
sich freilich ausschliesslich in P, — wenn man in betracht
zieht, dass auch HD noch züge aufnimmt, für die sich seiten-
stücke in brittischen romanen aufweisen lassen, — man ver-
gleiche Freibergs beurteilung der episode mit dem wilden
fräulein (s. 68). Wir hätten dann von einer Spielmannsdichtung,
die einen einheimischen stoff behandelte, auszugehen, und die
stufen der Umarbeitung, die schliesslich zu einer erzählung im
Stil der Gawainromane führten, zu constatieren. Zwischen
diesen beiden möglichkeiten kann erst nach einer ausführ-
licheren besprechung der einzelnen motive eine wähl ge-
für die beurteiluug des Verhältnisses von P zu Ldas und von Ldas unter-
einander werden sich stellenweise ergeben; die besprechung dieser fragen
in ihrem Zusammenhang aber wird auf § 11. 12 verschoben.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 163
troffen werden. Aber, wie schon s. 155 bemerkt wurde, es
genügt dazu nicht, dass man den französischen text mit dem
hoclideutj^chen vergleicht und in diesem eine reihe Ungereimt-
heiten nachweist; man muss daneben den altnordischen text
zu rate ziehen, und fragen, ob der mittelhochdeutsche text,
der auf keinen fall die ursi)rüngliche darstellung enthält, eine
übergangsfürm von dieser darstellungsform zu jener oder von
jener zu dieser ist. Selbst wenn das resultat dem von Frei-
berg gewonnenen gleich sein ^^ürde, so dürfte doch diese
arbeit nicht versäumt werden, denn nur auf diesem weg ist
Sicherheit, sei es in der einen oder in der anderen richtung,
zu erlangen.
Zunächst sei noch darauf hingewiesen, dass die darstellung
der saga sich durch jene kürze auszeichnet, die auch sonst ein
merkmal der älteren poesie ist; einzelne wichtige Situationen
sind etwas breiter ausgeführt, aber das ganze umfasst doch
nicht mehr als 12 bis 13 druckseiten. Dennoch ist der Zu-
sammenhang überall klar, die darstellung nirgends sprunghaft;
nichts, A\as man zum Verständnis der erzählung zu wissen von
nöten hat, fehlt. Das Eckenlied ist weitschweifig und unklar,
es gefällt sich in widerholungen, und Widersprüche sind häufig.
Dieser breite stil ist aus den mhd. epen bekannt genug, und
wie er entsteht, lehrt die geschichte des Nibelungenliedes zur
genüge. Das gedieht ist auch in der vorliegenden form kaum
älter als etwa die mitte des 13. Jahrhunderts. Viel kürzer
ist der französische text; er enthält das meiste, was auch im
Eckenliede steht, aber der stil ist einfacher. Inwiefern das
auf eine einfachere quelle hinweist oder eine kürzung eines
längeren poetischen textes bedeutet, ist noch eine offene frage.
§ 2. Die einleitung.
Durch die ausscheidung solcher abschnitte, die ausschliess-
lich entweder im Eckenliede oder in dem französischen roman
enthalten sind, — hier eines turniers, bei dem die dame, die
später den ritter aussendet, dem sieger ihre band verspricht,
dort einer langen Unterredung zwischen den brüdern über
Dietrich und einiger auf seine rüstung sich beziehender einzel-
heiten, — findet Freiberg für die gemeinschaftliche quelle von
E und P den folgenden Inhalt: Am hofe der herzogin von
i
164 BOER
Estrales (auf JochgTim, in der wohnimg der königin Seburc E)
erzählt man von den taten des papageienritters (Dietrichs von
Bern E), des besten ritters, den es auf der erde gibt. Die
königin wird von dem wünsche, ihn zu sehen, ergriffen. Am
hofe hält sich ein starker junger held von riesiger grosse auf.
Sie verspricht ihm ihre liebe, falls er den ritter besiegen (und
zu ihr führen E) Averde. Er erklärt sich zu dem abenteuer
bereit, und wird des ritters band (ihn selbst E) der königin
zuführen. Der riese waffnet sich (wird von der königin ge-
waffnet E); besonders wird ein trefflicher panzer erwähnt.
Er nimmt abschied und begibt sich zu fuss auf den weg, da
kein pferd ihn zu tragen vermag. Unterschiede sind .vor-
handen. E nennt drei königinnen, — freilich tritt nur eine
in den Vordergrund; — P kennt nicht mehr als eine dame.
P hat nach Freiberg das echte. — In E ist es die dame
selbst, die ihrem günstling die rüstung anlegt. Dieser zug
ist nach Freiberg gedankenlos aus anderen erzählungen auf
Ecke übertragen. Denn da dieser ein riese sei, könne die
dame nicht eine rüstung in bereitschaft haben, die ihm passt.
(Dass der panzer von Ortnit stammt, ist ein von dem oben
genannten unabhängiger zug; dieser beruht auf dem einfluss
einer anderen erzählung.) — In P ist der riese ein unbequemer
freier; die frau stellt an ihn die schwere f orderung in der deut-
lichen absieht, ihn von dem papageienritter getötet werden zu
lassen; in E ist Seburc bloss neugierig, Dietrich zu sehen; sie
wünscht aber ihrem ritter das beste und ist ihm wolgesinnt.
Diese Vorstellung hält Freiberg für die abgeleitete, da der
ritter, um Dietrich zu bewegen, ihm zu folgen, nicht mit ihm
zu kämpfen genötigt gewesen wäre, sondern ihn freundlich
hätte einladen können, ihm zu folgen. Aus der darstellung
von P wird es denn auch erklärt, dass es am Schlüsse in einer
redaction des liedes (as) heisst, die dame sei über Eckes tod
nicht ausserordentlich betrübt gewesen. — Dass in all diesen
punkten P auf dem alten Standpunkt stehe, wird ferner aus
parallelen erzählungen, die ein mit P übereinstimmendes aben-
teuer von Gawain erzählen, geschlossen.
Wir wenden uns jetzt zur piörekssaga. Die einleitung
fehlt als selbständige erzählung. Das erklärt Freiberg da-
raus, dass" der sagaschreiber der cyklischen Verbindung mit
DAS ECKENLTED UND SEINE QUELLEN. 165
anderen erzähliingen zu liebe bei seiner darstellung von Diet-
rich ausgellt. 1) Dass diese erklärung nicht genügt, lehrt eine
unbefangene betrachtung von c. 96 sofort. Denn allerdings
geht der sagaschreiber von Dietrich aus, aber er überlässt ihn
bald seinem geschicke. um ein halbes capitel der beschreibung
von Eccas tun und treiben und seinen häuslichen Verhältnissen
zu widmen. Es ist klar, dass hier auch die aufreizung durch
die königin angebracht sein könnte, wenn sie dem sagaschreiber
bekannt gewesen wäre. Dass Dietrich auf abenteuer aus-
geritten ist, ist auch keineswegs eine der cyklischen darstel-
lung dienende änderung des sagaschreibers, denn dasselbe ist
im Eckenliede der fall. Und wie verträgt es sich mit den
zwecken der cyklischen darstellung, dass Dietrich schon im
voraus ein zusammentreffen mit Ecca zu vermeiden sucht?
Nach c. 96, 8 hatte er doch die absieht, nicht nach Bern
zurückzukehren, bevor er so berühmt wie vor dem unglück-
lichen kämpfe mit Yiöga sein würde. Wenn er also doch in
der saga Ecca, von dem er gehört hat, aus dem wege zu gehen
sucht, so muss das wol die Vorstellung der quelle gewesen
sein. In der saga fehlt ferner nichts, was zur aufhellung der
Situation erforderlich ist; die darstellung ist die der alten ein-
gangsstrophe L 69, über welche vgl. § 4.
Auf dem Drachenfels-) hat ein könig namens Drusian2)
gewohnt. Seine witwe hatte neun töchter und hatte sich
V) Die saga trifft darin luit L str. ß9 zusammen, s. unten s. 176.
*) Jiriczek, Deutsche heldcnsagen s. 208, macht die richtige bemerkung,
dass Drusiau mit Drasian in "Wolfdietrich identisch ist. In B lautet der
name auch Drasian (besserung? drocian in S kann aus Drusian und aus
Drasian entstellt sein; Binsian A). Aber ohne jeden grund nimmt er an,
dass der name aus der Wolfdietrichsage entlehnt und dass der richtige
Wohnort des fürsteu Altenfelse sei, wie Wolfdietrich angibt. Wenn die
saga Drekanflis, wo Drusian haust, und Aldinflis, wo ein graf Ludwig
wohnt, unterscheidet, während Wolfdietrich nur Altenfelse kennt und da-
selbst Drasian wohnen lässt, so ist es viel wahrscheinlicher, dass die beiden
einander ähnlichen namen in Wolfdietrich zusammengeworfen sind, als dass
in der saga der eine name sich in zwei gespalten habe. Auch die Faselt-
kaule im Siebengebirge, die zwar nicht für den Ursprung, aber doch für
eine localisation beweisend ist, bestätigt, dass Drekanflis das echte ist. —
Die Übereinstimmung dieser quellen lehrt, selbst Avenn Jiriczek recht be-
halten sollte, wie leichtsinnig Freiberg sich mit der saga abgefunden hat.
— Ueber den LoÖvigr der saga s. § 9.
166 BOER
einem beiden, der Ecca») hiess, dem vorzüglichsten ritter in
allen landen, verlobt. Er hatte die gewohnheit, in voller
rüstung auf die jagd zu gehen, und Jeden mann, dem er be-
gegnete und der vor ihm nicht weichen wollte, zu töten.
Dietrich verirrt sich in dem walde und stösst auf Ecca (über
die auffälligkeit der begegnung s. unten). Aus dem folgenden
gespräche erfährt man, dass es die neun Prinzessinnen und
deren mutter sind, die Ecca zu diesem kämpfe gerüstet habe;
er kämpft, um bei den frauen rühm zu erwerben.
Die Situation ist vollständig klar. Ecca ist der typus
des raubritters, der bei einer voniehmen dame eine ganz be-
sondere Stellung einnimmt. Er ist nicht nur der Verteidiger
ihres landes, er weiss bei ihr auch dadurch ehre zu erAverben,
dass er den an ihrer bürg vorüberziehenden rittern auflauert
und sie im Zweikampf besiegt. Ihre rüstungen und ihre pferde
und was sie mehr besitzen mögen, macht er zur beute. Das
zeigt c. 101. Als die königin Dietrich in Eccas rüstung zu
pferde sich nahen sieht, freut sie sich und sagt zu ihren
töchtern: Ec sa nv goÖ tidendi: Jicrra Ecca geck liedan i
gcerqveld, en nv riÖr Jiann til borgaremiar goöom liesti, oc ma
cc af J)vi nv at visv vita, at hannhevir fcngit sigr af noccorom
capim. — Die königin selbst versieht Ecca mit waffen; ob sie
ihm eigenhändig die rüstung angelegt hat, wird nicht klar. 2)
Sie hat dabei nicht an einen bestimmten kämpf gedacht, 3) —
dass Dietrich sich in der nähe aufhält, ist ihr, wie aus den
eben angeführten worten bestimmt hervorgeht, nicht einmal
*) Das a in Ecca ist das a der altniederdeutschen schwachen flexi on.
Aus einem mhd. Ecke wäre unbedingt an. Elclce geworden, da auch hier
die enduug des schwachen niasculinum e ist.
^) Cap. 98, 2 — 3 paer hiuggo mic til pessa vigs oc fir/'r peirra soc com
ec her oc pcrr fengo vier pessor vapn. Auffallend, vielleicht richtig, ist in
AB die lesart lof für soc (for thera shäcl S, das nur dem sinn nach zu M
stimmt, kann eine selbständige änderung sein).
*) Es geht nicht an, wo die Vorstellung der saga absolut unzweideutig
ist, wie Paul und Freiberg tun, aus den worten til pessa vigs eine ent-
gegengesetzte auffassung herauszuinterpretieren und auf grund dieser Inter-
pretation die ganze darstelluug der saga für eine reihe von fälschungen zu
erklären. Denn es ist klar, dass, wenn die königinnen Ecca zu seinen
kämpfen ausgerüstet haben, sie ihn auch zu diesem kämpfe ausgerüstet
haben, und nur dies kann Dietrich interessieren und wird ihm deshalb
von Ecca mitgeteilt.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 167
bekannt; er aber stellt sich die aufgäbe, stets zu wissen,
welche ritter sich dem schlösse nahen, und auch Dietrichs
ankunft hat er ausgekundschaftet; er nennt ihn, wo dieser
sich für Heiniir ausgibt, bei seinem riclitig'en namen.
Dass aber aus Eccas Worten: 'neun königstöchter und ihre
mutter, meine geliebte.') die haben mich zu diesem kämpfe
gerüstet, und um ihretwillen (oder: ihres lobes Avegen) bin
ich hierher gekommen, und sie gaben mir diese waffen' eine
andere auffassung der verliiiltnisse abstrahiert werden kann,
zeigen die jüngeren interpretationsversuche. Diese sind frei-
lich "S'on einem älteren ähnlichen versuche angeregt worden.
Kin jüngerer, sehr weitschweifiger dichter verfasste eine ein-
leitung, in der er die ausrüstung durch die königin ausführ-
lich beschrieb. Die worte 'zu diesem kämpfe' fasste er so auf,
als sei es gerade die bedeutung dieses besonderen kampfes,
nicht Eccas besondere Stellung, die die königin dazu veran-
lasst hatte, ihren liebling eigenhändig mit waffen zu versehen.
Diese neuerung aber bedurfte einer erklärung, und diese wurde
darin gefunden, dass die königin sich für Dietrich interessiert
und ihn zu sehen wünscht. So im Eckenliede. In dem frz.
roman wird das neue motiv noch weiter ausgeführt, es ver-
drängt das hauptmotiv, das einmal das einzige war; hier ist
die königin von liebe zu dem fremden ritter, den sie nur dem
nanien nach kennt, ergriffen; ihr eigener ritter wird zu einem
unbequemen freier, und nicht länger waffnet sie ihn, sie stellt
vielmehr an ihn die forderung, dass er ein abenteuer, dem er
nicht gewachsen ist, bestehe. Auf diese weise hofft sie ihn
los zu werden. Damit ist eine Situation erreicht, die für einen
Gawainroman charakteristisch ist."-)
Die folgenden einzelheiten erfordern noch eine gesonderte
*) Festarkona ist nur ein gemilderter ausdruck für das wol vom saga-
schreiber (oder schon in seiner unmittelbaren quelle?) nicht richtig ver-
standene Verhältnis der dame zu ihrem günstling.
^) In der jüngsten und schlechtesten redaction des Eckenliedes (as)
findet sich diese auffassuug vorbereitet, wo die königin (str. 2(30 f.) Dietrich
dafür lobt, dass er sie von Ecke erlöst habe (§ 11). — Wenn Freiberg in
L Str. 98, 9 f. ich xccen si ein des lebens bar ttnder lois zivein wellen machen
(dasselbe str. 125, 9—10) einen beweis dafür sieht, dass die darae Eckes tod
wünsche, so beruht dies auf seinem parti pris. Mit demselben rechte kann
man aus der stelle lesen, dass sie Dietrichs tod wünscht.
168 BOER
erwäg-ung. In der Umarbeitung- ist der ritter ein riese. Diese
Übertreibung-, ein merkmal der jüngeren spielmannspoesie, kennt
die quelle noch nicht. Ecca ist weiter nichts als ein starker
ritter. Eine inconcinnität, die aus der rieseng-estalt folgt, ist
es, dass Eckes rüstung Dietrich zu gross ist. Darum schneidet
der held einen teil davon ab. In P wird sogar daraus, dass
der riese dem beiden den rat gibt, ein eine spanne breites
stück, das er selbst hat ansetzen lassen, abzuhauen.') Es
leuchtet ein, dass Dietrich damit nicht geholfen ist. Denn
wenn Ecke ein riese ist, so ist seine rüstung für Dietrich
nicht nur zu lang, sondern auch zu weit. Es hängt vielleicht
mit dieser änderung zusammen, dass der charakteristische
zug, dass Dietrich in Eccas rüstung zweimal für diesen selbst
angesehen wird, in der Umarbeitung nahezu verwischt ist 2);
freilich hat dazu in der hochdeutschen fassung auch ein
anderer umstand mitgewirkt (§ 8).
Aus dieser riesennatur Eckes wird es dann weiter erklärt,
dass er zu fuss geht; kein pferd, so heisst es, könne ihn tragen.^)
In der quelle ist Ecca bei der begegnung mit Dietrich zufällig
zu fuss; und das ist auch die auffassung von L str. 69, 11 — 12:
er lic da Jieime rosse vil, daz ivas niht ivol getan, was keinen sinn
hat, wenn kein pferd ihn zu tragen vermag. Ecca bedauert
es, dass er sein pferd zu hause gelassen hat, da er nun nicht,
') Der panzer stammt also von einem menschen von gewöhnlichen
Proportionen. Vielleicht darf man darans ableiten, dass auch die quelle
von P wusste, dass es Ortnits panzer ist.
^) In eine jüngere scene übertragen findet sich der zug L 234, 3.
Birkhilt sagt zu Dietrich: his iviUekomen, suii Ecke. Der zug fand sich
also noch in der directen quelle von HD an seiner alten stelle.
^) Diese consequenz wii'd allerdings erst in P in aller strenge ge-
zogen; in HD bietet die königin Ecke ein pferd an, aber dieser will es
nicht annehmen; er glaubt er könne ohne pferd den Berner wol erreichen
(L 34 f.). Freilich meint er, das pferd werde ihn auf die länge (34-, 7)
nicht tragen, da er ohne zu ermüden vierzehn nachte zu gehen beabsich-
tige oder im stände sei (34, 11). Also : im Eckenliede ist des beiden aus-
dauer grösser als die des stärksten pferdes; in P wird daraus, dass er 'so
gross war, dass er kein pferd fand, welches ihn hätte tragen können mit-
sammt seiner rüstung'. Zu beachten ist, dass as einen schritt in der rich-
sung nach P hin tun: auf das widerholte drängen der königin sagt Ecke
(31,1): ich bin zu schwer. L hat nur (35,12): vrouw, ich mac tvol ze
fuoze. erlänt mi's, dast min ger. Aehnlich d 39.
DAS ECKENLIED UND SEINß QUELLEN. 169
was er sonst tun würde, den zögernden gegner zum kämpfe
nötigen kann. Auch diese klage findet sich im Eckenliede
wider, L 74,4 — 6: üf minen viiezen ich hie stän: in mac dich
leider niht ergän, daz ist mir hardc stvcere. Ecke vermag also,
da er zu fuss geht, Dietrich, der zu pferde sitzt, nicht zu er-
reichen. Der absolute Widerspruch dieser alten stelle mit der
behauptung der einleitung. Ecke sei seinem gegner tagelang
zu fuss nachgelaufen (vgl. § 3), ist dem umarbeiter nicht auf-
gefallen, oder er hat sich darüber leicht hinweggesetzt. —
Als c. 101 Dietrich zu pferde sich naht, sieht die künigin ihn
für Ecca an.
Dass die quelle mehr als eine königin kannte, lehrt die
Übereinstimmung des Eckenliedes mit der saga. Freilich wird
in poesie wie in märchen häufig eins zu drei, aber der um-
gekehrte Vorgang ist gerade so gut möglich, wenn von den
dreien nur einer in den Vordergrund tritt. Dass hier die
dreizahl mit einer dreifachen hochzeit zusammenhängt, wird
sich weiter unten ergeben; in der der saga zu gründe liegenden
tradition ist freilich die dreizahl zu einer neunzahl gesteigert.
Die gemeinsame quelle wird eine königin mit drei töchtern
gekannt haben; die königin ist Eccas geliebte: von den töch-
tern ist eine dazu bestimmt, Dietrichs frau zu werden. In
der P.S. wurden aus den drei töchtern neun; die Umarbeitung
hat die mutter fallen lassen; darauf hat der französische roman
von den drei königinnen, von denen schon in der Umarbeitung
nur einer eine rolle zufiel, auch nur eine beibehalten.
Eine unbefangene vergleichung der Überlieferungen der
einleitung führt, wie wir gesehen haben, zu dem vorläufigen
schluss, dass nicht ein Gawainroman die quelle des Eckenliedes
und der in der p. s. mitgeteilten episode ist, sondern dass die
episode im Chevalier du Papegau aus einer Umarbeitung des
alten gedichtes von Ecca geflossen ist. Inwiefern sie von der
hochdeutschen bearbeitung unabhängig ist, lässt sich noch nicht
entscheiden. An einzelnen stellen zeigt sie eine nahe berüh-
rung mit as. "\Mr müssen nun untersuchen, ob die fortsetzung
unser vorläufiges resultat bestätigt.')
') Wenn Freiberg aus der episode im Cbev. du Papegau den schluss
zieht, dass einmal Gawain der held dieses romans gewesen sei, so ist dieser
170 BOER
§ 3. Die begegnung der beiden.
HD und P erzählen, dass der riese auszieht, seinen gegner
zu suchen. Zuerst geht er nach Bern, bez. dem orte, wo der
papageienritter sich zuletzt aufgehalten hat; dort vernimmt
er, dass der held am selben morgen abgereist ist; er reist ihm
nach und holt ihn nach einem bez. mehreren tagen ein. In
der saga treffen sich die beiden, nachdem Dietrich, in der
nähe des Drachenfels angekommen, Eccas gebiet betreten und
sich im walde verirrt bat. Es ist klar, dass beide darstel-
lungen mit der auffassung von Eckes absiebten und seineu
Verhältnissen direct zusammenhängen.
Wenn es Ecke besonders darum zu tun ist, Dietrich zu
treffen, so muss er sich wol aufmachen, ihn zu suchen. Abzu-
warten, dass der held einmal zufällig seinem scbloss sich nahen
werde, würde ein allzu grosses vertrauen auf den zufall ver-
raten. Ist Ecke hingegen nichts als ein raubritter, der sich
die aufgäbe stellt, den vorüberziehenden rittern aufzulauern
und mit ihnen zu kämpfen, so hat er zwar guten grund, den
berühmten Dietrich von Bern nicht ohne kämpf an sich vorbei-
reiten zu lassen, aber ihn in seiner wohnung aufzusuchen, wird
ihm nicht einfallen. Die eigentümliche darstellung der saga
beruht also nicht auf einer kürzung, die man ohne weiteres
dem Sagaschreiber in die schuhe schieben kann, sondern auf
einer vollständig abweichenden disposition des Stoffes, und da
diese bei der Übereinstimmung zwischen HD und P nicht die
eines aus P geflossenen liedes, das wie Freiberg glaubt, zu-
gleich die quelle von HD wäre, das also zwischen P und HD
liegen würde, sein kann, werden wir schon durch diese erwägung
zu einer gruppierung HD + P : I). s. genötigt, und der zweite
der s. 161 oben aufgestellten Stammbäume bewährt sich, i)
schluss auch deshalb verfehlt, weil nach seiner eigenen ansieht die episode
im roman ein junger und sehr ungeschickt angebrachter einschub ist. Ueber
die frage, wer der ursprüngliche held des Chevalier du Papegau ist, wird
hiermit kein urteil ausgesprochen.
^) Eine gruppierung HD + p. s. : P Hesse sich bei dieser Sachlage
nur durch die annähme einer Zwischenstufe, die eine gründliche Verein-
fachung und zusammenarbeitung repräsentieren würde, zwischen dem ver-
lornen Eckenliede und der saga verfechten. Eine solche Zwischenstufe aber
leugnet Freiberg.
DAS ECKENLTED UND SEINE QUELLEN. 171
Welche der beiden darstellung-en ist nun die natürlicliere?
A\'as Dietrich betrifft: dieser ist in beiden Überlieferungen auf
der reise. Nur in der saga ist das notwendig. Denn nur wenn
er auf die reise geht, kann er die gegend, in der Kcca haust,
erreichen. In der Umarbeitung- ist Dietrichs abwesenheit von
hause nicht nur eine überflüssige, sondern auch eine störende
einzellieit. Denn die folge davon ist, dass Ecke ihn daheim
nicht antrifft und ihm naclireisen muss. Um ihn zum kämpfe
zu bewegen, war das nicht notwendig; er hätte auch, wie
Viöga p. s. c. 94 tut, in Bern mit ihm kämpfen können. Dass
ein held einem gegner nachreist, ist freilich ein landläufiges
motiv, das nicht nur in romanen des britischen Sagenkreises
begegnet. Als bcispiel führe ich die Gunnlaugs saga orms-
tungu an. ]\Iehrere tage nacheinander reist Gunnlaugr hinter
seinem feinde Hrafn her; endlich reist er eine nacht hindurch
und findet den gegner am frühen morgen; dann wird sofort
zum Zweikampf geschritten. A\'enn es nun bewiesen wäre,
dass die quelle des Eckenliedes ein abenteuerroman wäre, so
stände nichts der möglichkeit im wege, dass jener roman auch
diesen zug schon enthalten hätte; er kann aber bei der all-
bekanntheit des motivs gerade so gut neu eingeführt sein.
Und dass das tatsächlich der fall ist, wird, ganz abgesehen
von seinem unwert für die öconomie der erzählung, zum über-
fiuss durch mehrere umstände bewiesen. Zunächst dadurch,
dass Ecke zu fuss geht. Allerdings soll die beschleunigte
reise uns davon überzeugen, wie schnell Ecke laufen kann,
aber wir sahen schon s. 169, dass er L str. 74 den gegner, dem
er so nahe gekommen ist, dass sie zusammen ein gespräch
führen, doch nicht zu erreichen vermag, da dieser zu pferde
sitzt. Wenn nun Ecke den abstand von einigen metern nicht
einholen kann, wie gelingt es ihm dann, den abstand einer
tagereise innerhalb eines oder zweier tage einzuholen? So-
dann ist darauf zu achten, dass Dietrich bald nach dem kämpfe
mit Ecke, nach der saga noch am selben, nach der dargtellung
des liedes am nächsten tage (L 192 redet unrichtig von einem
längeren zeitabstand) mit Väsolt zusammentrifft. Das ist nur
dann möglich, wenn Dietrich sich in der nähe von Eckes und
Väsolts Wohnung aufhält.
I)ie entwicklung der motive ist demnach diese: ursprüng-
Ueitriige zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. '\^
172 BOER
licli ist Dietrich auf abenteuer ausgezogen. Er kommt in die
nähe von Eccas bürg und wünscht den kämpf mit diesem ge-
fährlichen gegner zu vermeiden. Er verirrt sich aber in dem
walde, der die bürg lungibt, und wird dort von dem feinde,
der schon von seiner anknnft unterrichtet ist, und dem es
keine mühe kostet, den verirrten fremden ritter auszukund-
schaften, überrascht.
Der umarbeiter, der Ecke ausziehen Hess, Dietrich zu
suchen und ilm mit gewalt vor seine herrin zu führen, behielt
doch den alten zug, dass der könig auf abenteuer gezogen
war, bei. Ecke findet daher Dietrich nicht in Bern. Er muss
ihm also nachreisen. Die beschreibung dieser reise schliesst
sich in P an ähnliche reisen nach bekanntem muster an.
Das Eckenlied enthält in diesem abschnitt noch ein paar
geringere episoden, die in P fehlen. Wiefern dieselben schon
in U standen und von P ausgelassen worden sind, ist von
unserem bisherigen stand])unkte kaum mit Sicherheit zu ent-
scheiden. Es ist der zug, dass Hildebrand Ecke verspottet,
ihm aber nachher den weg zeigt (das zeigen des weges auch
in P), was Freiberg veranlasst, an Keye als vorbild zu denken,
und Eckes kämpf mit dem meervvunder. Dass schon U —
wohin Freiberg das original setzt — eine beschreibung von
Eckes nächtlichem zug durch den wald enthielt, vermutet
Freiberg s. 31 vielleicht mit recht. Auf die begegnung mit
Helferich von Lüne (Lutringen) muss etwas tiefer eingegangen
werden (§ 4).
§ 4. Str. L 69.
An der stelle, wo Ecke im begriff ist, Dietrich einzuholen,
teilt das gedieht eine Strophe mit (L 69. d 68. s 63), die auch
in den Carmina Burana (Schmeller s. 71) überliefert ist. Alle
forscher, die über das Eckenlied gehandelt haben, haben sich
auch mit dieser Strophe beschäftigt. Sie lautet in den CB:
Uns seit von Lutringen Helfrich,
tvie zivene ritter lohelich
se Samen e hecliomen,
ErekJce unde oiich her Dieterich.
Sie waren beide vraislich,
da von si schaden namen.
DAS eckp:nlied und setne quellen. 173
Als vinstcr icas der tan,
da si an ander funden.
Her Dietrich rait itiii manncschraff't
den ivalt also iiucJumden;
Ercl-e der chom dar gegan,
er lie dtdicime rosse vil;
daz ivas niht icol getan.
\Ä stimmen im ganzen mit diesem texte überein. Die wich-
tigsten abweii'hnngen sind: z. 1 Uns] Erst L'), Lutringen]
Lhhc L, Lon d; z. 9 — 10 her Dietrich und (und fehlt d) der
kiiene man n-ol an den selben stunden. Die abweichungen in
as sind bedeutender; z. 1 — 2 lauten: Wir funden Inje geschriben
sta)i. icie das siven unuerzagte man u. s. w.; z. 8 — 10 beruhen
auf Ld 8 — 10. aber Ld 10 ist hier z. 8 (da zu den seJhen stunden)
und z. 9 — 10 lauten hier: Herr HcJc der ivolt nie abelan, Den
ireg hat er gefunden. Für Hre{k)ke der CB haben Ldas richtig
Her Eclc{e).
Der name Helferich von Lüne (Lutring-en) ist derselbe,
den auch der verwundete ritter führt, den Ecke unmittelbar
vciriier am wege liegend gefunden hat. Die erste frage, die
sich an die Strophe knüpft, ist demnach, wer der ursprüng-
liche träger dieses namens ist. Da die begegnung mit dem
fremden ritter allgemein, auch von Freiberg, für einen jungen
Zusatz gehalten wird, ist die naheliegende auffassung die, dass
der name in L 69 ursprünglich ist, dass er aber von einem
interpolator, der einen augenzeugen als berichterstatter ein-
führen wollte, auf den ritter übertragen wurde. Diese ansieht
hat Fr. Vogt (Zs. fdph. 25, 1 ff.) ausgesprochen und mit guten
gründen verfochten. Er hält Helferich von Lutringen, wie er
liest, für den dichter des Eckenliedes und schliesst aus L 69,
die er für die alte eingangsstrophe hält, dass die ganze ein-
leitung ein jüngerer zusatz ist.
Gegen Vogts erklärung wendet Freiberg zunächst ein,
dass auch P die einleitung enthält. Diese einwenduilg ver-
liert bei unserer auffassung des Verhältnisses der Überlieferungen
ihre bedeutung. Da P und Ldas zusammen auf eine breite
Umarbeitung zurückgehen, kann die einleitung, auch wenn sie
•) (1 bat: Das sait uns.
12*
174 BOER
in P enthalten ist, sehr gut ein zusatz von U sein. Mehr hat
die bemerkung zu bedeuten, dass der stil der Strophe ein anderer
ist als der des übrigen gedichtes. Sie enthält in 13 zeilen
eine reihe mitteilungen, wozu die einleitung 68 Strophen
braucht.') Freiberg erklärt darum die Strophe als eine rentree
en matiere, wie solche in der französischen poesie häufig be-
gegnen; der dichter hätte nach einer pause kurz das, was
vorangeht, widerholt. Er glaubt, dass as die richtigen anfangs-
zeilenbewahrt haben (Wir fundcti liye geschriben stau u.s.w.);
der name Helfericli von Lutringen käme ursprünglicli dem
verwundeten ritter zu, und erst ein junger dichter (der gemein-
schaftlichen vorläge von Ld, die er, aber fälschlich, für näher
verwant ansieht) hätte ihn in L 69 aufgenommen, um den be-
richten dieser Strophe einen schein von autenticität zu geben.
Gegen diese hypothese spricht nun schon von dem Stand-
punkte des überlieferten gedichtes, Avas Vogt auch für seine
ansieht angeführt hat, dass auch in as, sogar in höherem grade
als in L, dem verwundeten ritter die rolle des berichterstatters
dadurch zufällt, dass er hier ein augenzeuge des kämpf es ist.
Der bericht, dass er Ecke nachschleicht (as 62), dient nach
Vogt dem zwecke, zwischen der geschichte von dem ver-
wundeteten Helferich und der berufung auf Helferichs aus-
sage eine Verbindung zu stände zu bringen.^) Wenn Freiberg
dagegen anführt, dass gerade in as diese Verbindung dadurch
aufgehoben ist, dass die in rede stehende Strophe (as 63) den
namen Helferich nicht enthält, so übersieht er, dass die ände-
^) Der einwand, dass der umarbeiter den dichter nicht zu einer so
traurigen rolle verurteilt haben könne (s. 34), ist absolut subjectiv. Es ist
übrigens nicht so sicher, dass er sich Helferich gerade als den dichter vor-
gestellt hat; er kann in ihm auch einen berichterstatter an den dichter
gesehen haben. Dasselbe gilt von der behauptung, dass es 'auffallend'
wäre, ' wenn sich ein dichter in der ersten zeile seines Werkes mit den
Worten Uns seit von Lutringen Helfrich, also doch gewissermassen zugleich
als hörer einführte'. Die stelle ist in keiner hinsieht auffallender als Klage
4349 Uns seit der tihtccre, der uns tihte ditze nuere. Helferich von Lüne
oder Lutringen kann wie der erste dichter der Klage von einem zweiten
dichter, der deshalb noch nicht U gewesen zu sein braucht, als dichter be-
zeichnet worden sein. Vgl. übrigens Vogt a. a. o. s. 9.
*) Die Strophe scheint noch jünger als as 130 ff., wo Helfferich zwar
dem Berner (nicht Ecke) nach schleichen thette, aber ihn doch nicht erreicht
bat, denn Dietrich sieht ihn erst, als er eine strecke geritten ist.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 175
ruiio- as 68.1-2 sehr wol von einem jüngeren redactor lier-
rülireu kann. Aiicli sonst ist die Strophe in as in holiem grade
entstellt (vgl. die Versetzung von z. 10; näheres unten). Dass
aber z. 1 die lesart Wir funden hye geschriben stan die ursprüng-
liche sein sollte, wird durch die Übereinstimmung der übrigen
texte des liedes mit dem der Carmina Burana widerlegt, um
so deutlicher, als nicht nur das L gegenüber, aber auch das
.+ L CB gegenüber eine gruppe bilden. Für den nachweis
jenes Verhältnisses verweise ich auf § 11; dieses wird durch
gemeinschaftliche fehler in Ldas wie z. 10 tvol an (da zu) den
selben stunden über den icalt also unchmden (vgl. gleich unten)
sichergestellt.') Schon daraus folgt unmittelbar, dass z. 1 die
durch LdCB bezeugte lesart Uns {Erst) seit von Lune {Lu-
tringen) Uelfrich älter ist als die von as. — Die hj'pothese, dass
li 69 eine rentree en matiere sei, wird ferner dadurch wider-
legt, dass die stroplie einen bericht enthält, der der einleitung
und dem Eckenliede überhaupt vollständig unbekannt ist,
dessen ursprünglichkeit aber durch die p. s. erwiesen wird.
Nach z. 9 — 10 reitet Dietrich den walt also unchiinden.-)
Dietrich ist also wie in der saga in einen ihm unbekannten
wald geritten und hat sich dort verirrt. Dann kommt Ecke
hinzu; — dass dieser den weg nicht kennt, wird nicht gesagt.
Jetzt wird auch der zweck der weiteren Umarbeitung in as
klar. Er ist, die Strophe der neuen Situation anzupassen. Ja
also finster luas der than da zu den selben stunden; herr Eck
der ivoU nie abelun (also obgleich der wald finster war), den
ueg hat er gefunden. Jetzt ist es Ecke, der den weg nicht
kennt, ihn aber zu finden weiss.
Eine andere, sogar wörtliche, Übereinstimmung mit der
saga. die das hohe alter der Strophe verbürgt, zeigen z. 12 — 13
er lie daheime rosse vil; daz tvas niht koI getan. Die bemer-
') Die bemerkungeu Vogts a.a.O. s. 2, der zeigt, dass auch aus
metrischen gründen (Ldas führen den cäsurreim ein) der Strophe der Car-
mina Buraua der Vorzug zu geben ist, lässt Freiberg vollständig unbeachtet.
Vogt hat jedoch nicht betont, dass as eine weitere Verderbnis von Ld
darstellen.
*) Schon Vogt a.a.O. s. 2 macht darauf aufmerksam, dass CB hier
bestimmte angaben bietet, und dass der umstand, dass Dietrich reitet, mit
z. 11 her Ecke (so nach L) der chom dar gegan einen gegeusatz bildet. —
Im vorübergehen weise ich auf die altertümliche construction von z. 10.
176 BOER
kung" findet sich fast wörtlich in der saga wider, und zwar
noch in dem gespräche der gegner c. 98, 7—8 Osynio (= daz
tcas niht tvol getan) let ec liest minn heinia eftir\ sie ist gewis
in Eckes munde besser am platz als in dem des dicliters. Also
repräsentiert schon str. 69 eine ab weichung, die aber dem
originale bedeutend uäher steht als die einleitung der Um-
arbeitung.
Wider die einleitung spricht schliesslich überzeugend, dass
Väsolt, der doch in der einleitung vollständigen aufschluss
über Eckes absieht mit Dietrich empfängt, später nicht nur
von dem kämpfe, der stattgefunden, nichts weiss, sondern
sogar glaubt, der Berner werde seinen bruder im schlafe
ermordet haben.
Wenn also str. L 69 in der fassung der CB alt ist, so hat
Vogt wol recht, wo er in Helferich') den namen eines dich-
ters sucht. 2)
Freilich kann nun str. L 69 nicht die alte eingangsstrophe
des überlieferten Eckenliedes sein. Die stilistischen einwen-
dungen gegen eine solche meinung belialten ihre kraft. Aber
nicht nur die einleitung ist zugesetzt; vielmehr ist das ganze
gedieht umgearbeitet. Kurz, str. 69 ist nicht die alte eingangs-
strophe des Eckenliedes, sondern die eingangsstrophe des alten
Eckenliedes. Dass sie bei der radicalen Umarbeitung erhalten
blieb, erklärt sich am besten daraus, dass sie Helferich als
gewährsmann nennt. Die Strophe erschien dem umarbeiter
^) Ob von Lüne oder von Lutringen die richtige uamensform ist, er-
scheint zweifelhaft. Das znsammeiigeheu von Ld beweist (vgl. § 11), dass
HD von Lnne hatte. Anderseits gehen as und CB zusammen, as wird
Lutring, Lutringen der nach dem zeuguis vou CB landläufigen strophe ent-
lehnt haben. (Ueber die — verhältnismässig geringe ■ — möglichkeit, dass
CB diese lesart aus as aufgenommen habe, s. § 12) Es stehen einander
demnach HD und CB gegenüber. Metrisch ist Lüne richtiger {Lutring ist
eine jüngere kürzung in as), und das wird wol auch das echte sein. Dass
der name einer bekannten landschaft an die stelle eines unverstandenen
namens trat, ist ganz verständlich.
-) Die Übereinstimmung zwischen d und CB lehrt, dass z. 1 uns richtig
ist; erst ist eine äuderung von L. Ich glaube nicht, dass Vogt t'rst richtig
durch 'erst jetzt' übersetzt. Die stelle scheint eher auszusagen, dass der
von Dietrich verwundete Helferich von Lüne der erste war, der Dietrichs
kämpf mit Ecke erzählt hat. Der Schreiber von L hat ebensowenig wie
der redactor von as Helferich als einen dichter aufgefasst.
DAS ECKEIsTLlED UND SEINE QUELLEN. 177
■wichtig geniio:, um ihrer erklärung zu liebe ciue gauze episode
liiuzuzudichten. Daraus lässt sich mit einiger Wahrscheinlich-
keit schliessen. das Kckes begegnung mit dem verwundeten
ritter nicht jünger als die ihr vorhei'gehendeu Strophen ist
und also nodi der gemeinsamen quelle von HD und P an-
gehört. Denn wenn str. 52— r)8 jünger als 1(2)— 51 wären,
so würde es allerdings auffallen, dass str. 69 bei der ent-
stehung der einleitung nicht verloren oder doch geändert oder
nach dem anfang versetzt worden wäre. Es lässt sich kaum
annehmen, dass ihr platz jemals unmittelbar nach str. 1 (2) — 51
gewesen sei. Es verbietet auch nichts, str. 52 — 58 ein so hohes
alter zuzuerkennen. Die einleitung bis str. 52 ist gewis nicht
besser als diese Strophen, und die französische bearbeitung
kann sehr gut die kurze episode ausgelassen haben.
Es verdient beachtung, dass str. L 68, in der Ecke Hel-
ferich verbindet und sich von ihm verabschiedet, L 69 benutzt
hat. Z. 9 des er ril grözen schaden nan beruht auf 69, 6 wcui
si dan schaden nämen. Z. 5 — 7 da von un geriten hat der edel
Bernwrc mit grözen l-reftcn in den tan benutzt 69, 9 in der
alten nur in CB überlieferten gestalt: Her Dietrich rait mit
manneschraft^)] vgl. auch 69, 7 der tan.-)
Diese entlehnungen bestätigen sowol die vorzügiichkeit
von CB wie das hidiere alter von L 69 gegenüber jenen
Strophen, die von der begegnung mit Helferich erzählen.'^)
Es fällt auf, dass auch L 69, wie die saga, zuerst Diet-
rich, erst darauf Ecke nennt (vgl. s. 164 f.). Sechs einleitende
') Wenn der dichter von L 68 nicht den sinn umdreht und eine ge-
zwungene construction herstellt, beweist 69, 9, dass Zupitza str. 68 irrtümlich
nach z. 6 unterpungiert und z. 7 zu z. 8—9 zieht.
■■'; In der L 6H entsprechenden Strophe d 73 ist L 69, 10 als z. 8 auf-
genommen, aber in der jüngeren aus L bekannten fassung (tvol an den-
selben stunden). Da d von einer L nahestehenden handschrift stammt,
geht diese redaction auch nur sehr selten über L hinaus.
^) Yogt glaubt, dass L 68 in as fehle, und zieht daraus den schluss,
dass diese Strophe vielleicht jünger sei. Aber die Strophe fehlt nicht; in
as eutspriclit str. 57. Uebrigens genügt die Übereinstimmung von Ld, um
die echtheit von L 68 darzutun. Freilich lässt as aus, dass Ecke Helferich
verbindet: dafür wird in einer zusatzstrophe str. 62 erzählt, dass dieser
seine wunden mit einem rasenstücke zusammenhält, was doch avoI niemand
für ursprünglich ansehen wird.
178 BOER
Zeilen handeln von dem gewährsmann und dem Inhalte des
liedes, dann folgt eine bemerkung über die finsternis des
waldes, dann reitet Dietrich in den wald, erst darauf kommt
Ecke hinzu. Die Umarbeitung hebt mit Ecke an; der Berner
wird nicht eher eingeführt als sein feind, der ihm nachläuft,
ihn erreicht hat.
In dem alten liede erfuhr mau, wie in der saga, erst aus
dem gespräche der gegner, dass die königinnen Ecke gerüstet
haben. Scheinbar neu ist in der saga nur die chronologische
anknüpfung des abenteuers an einen früheren kämpf Dietrichs,
dessen unglücklicher ausgang die nächste veranlassung zu
seiner reise ist. In dem alten liede, das nur diese eine erzäh-
lung enthielt, wird für die reise kein grund angegeben sein;
man gieng wol davon aus, dass der held, ausgeritten ist; vgl.
jedoch über einen in der quelle enthaltenen grund zu der an-
knüpfung in der saga § 5.
Dass die strophe eine eingangsstrophe ist, steht in Überein-
stimmung mit anderen Strophen der Carmina Burana, wo eine
erste strophe eines bekannten gedichtes als metrisches beispiel
an den anfang einer reihe lateinischer Strophen gestellt wird.
Vielleicht darf man daraus schliessen, dass schon die directe
quelle von U nicht mehr niederdeutsch war. Das alte lied
wäre, ehe die Umarbeitung entstand, in den dialekt übertragen
worden, der auch der von U ist.
Es muss hier auf str. L 144 ff., die Freiberg für seine
hypothese, dass str. L 69 eine rentree en matiere sei, zu ver-
werten sucht, eingegangen werden. Die stelle ist L 69 durch-
aus unähnlich und entspricht auch in keiner hinsieht der de-
flnition, die aus anlass dieser strophe von einer rentree en
matiere als einer kurzen recapitulation des vorhergehenden,
die den liörer in die Sachlage hineinversetzen soll, gegeben
wird. AVährend str. L 69 in 13 verszeilen nach Freibergs
auf Zählung sechs tatsachen mitteilt, recapitulieren str. 144 ff.
gar nichts, sondern sie setzen die str. L 141,4 angefangene
klagerede fort. Sie enthalten keine Inhaltsangabe des kampfes,
sondern höchstens eine breitredige widerholung oder fortsetzung
der klage, genau so lang wie deren erste hälfte. Der zweck
der erneuten klage ist deutlich der, den nachdruck darauf zu
legen, dass Dietrich nur zögernd an seinem gegner den reroup
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 179
begeht (näheres darüber § 5. 6), An dem geringen alter von
Str. L Ui ff. zweifle ich niclit; dass sie jünger als str. 141 — 143
seien, folgt aber darans nicht; mit einer rentree en matiere
haben sie nicht die geringste ähnlichkeit.
§ 5. Das gespräch der lielden A'or dem kämpfe.
^^'ir gehen von hier an von der darstellung der saga aus
und zeigen, wie aus ihr die jüngere entstanden ist.
C. 97. Khe Dietrich es gewahr wird, ist Ecca ihm, der
(i( wiih-i nott in den wald geritten ist, genaht und fragt, wer
dort so übermütig") reitet. In seiner abneigung gegen den
kami>f gibt Dietrich sich für Heimir aus und sagt, er sei auf
dem wege zu seinem vater Studas in Bertangaland. Ecca
spricht die Vermutung aus, dass er nicht Heimir, sondern
Dietrich sein werde, und fordert ihn auf, vor einem manne
seinen namen nicht zu verhehlen, worauf der könig seine
Identität eingesteht. Dann beginnt Ecca ihn herauszufordern
und preist seine waffen an ; der könig wird, so meint er, die-
selben brauchen können, wenn es wahr ist, dass er vor kui'zem
im kämpfe mit einem dänischen beiden unterlegen ist. Diet-
rich behauptet, er sei zu diesem kämpfe nicht gerüstet; auch
könne in der dunkelheit der nacht keiner den andern sehen.
A\'enn es tag wäre, so würde er nicht z()gern, auf die heraus-
f orderung einzugehen, obgleich er schlechter als sein gegner
bewaffnet sei. — C. 98. Ecca erzählt, dass neun königstücliter
und ilu'e mutter ihn zu diesem kämpfe gerüstet haben. Dann
beschreibt er seine rüstung ausführlich und fordert Dietrich
von neuem heraus. Dieser widerholt, er könne in der nacht
nicht kämpfen, rät aber Ecca, ihn, Avenn der tag angebrochen
sein werde, nicht zu reizen, da die sache dann für ihn einen
schlechten ausgang haben werde. — C. 99. Ecca fährt fort; er
fordert nun Dietrich auf, seines lebens und der ehre bei den
trauen wegen zu kämpfen. Dann ist Dietrich bereit. Er steigt
von seinem pferde, und da die finsternis ihn daran hindert,
seinen feind zu sehen, schlägt er mit seinem schw^erte funken
*) Die form des adverbiums stohliga Aveist keineswegs auf eine hd.
quelle. Sowol das adj. stolz wie das adv. stahl itja begegnet auch in nicht
übersetzten texten; stoltr aber ist selten und jung; siehe Vigfussou und
Fritzner s. v.
180 BOER
aus dem felsen. Dasselbe tut Ecca. Bei diesem schein nahen
sich die helden einander.
Wir betrachten zunächst diesen letzten zug. Die finsternis
der nacht ist zugleich für Dietrich ein willkommener grund,
den kämpf zu verweigern, und ein wirkliches hindernis. Dies
geht auch aus dem Eckenliede noch klar hervor. Schon in
der alten eingangsstrophe wird sie in den Vordergrund gerückt.
Aber auch L 92 sagt der lield, er sei zum kämpfe bereit: weit
ir so lange Uten hiz der tac gtt sinen scJiin. Auch hier weigert
Dietrich sich nicht zu kämpfen, aber das dunkel steht im wege.
Wenn P daraus macht, dass der held den riesen bittet, zu
warten, bis er ein abenteuer im dienst einer anderen dame
bestanden haben werde, so ist die einmischung eines fremden
motivs aus dem britischen Sagenkreise klar ersichtlich; mit
unserer sage hat das nichts zu tun. Um sich einander
nahen zu können, schlagen darauf die helden feuer aus dem
felsen. Auch der umarbeiter hat sich die frage gestellt, wie
Dietrich und Ecke in der nacht einander zu sehen vermögen.
Er findet heraus, dass ihre beiden hämische wie zwei sonnen
glänzen, ihre helme aber wie zwei Vollmonde.') Aber er ver-
gisst, dass dadurch jeder grund, von der finsternis des Avaldes
zu reden, hinfällig wird, und dass es nunmehr gar keinen
zweck hat, wenn Dietrich den kämpf bis zum morgenden tage
aufzuschieben wünscht. Dadurch wird auch die reminiscenz an
das nächtliche dunkel, die L 103, 5 — 6 bringt {si spraclien heid
'ivan ivolt es tagen') unverständlich; z. 2 — 4 wird das daraus
erklärt, dass von den schwertschlägen der schein der helme er-
bleicht (vom glänze der rüstungen ist hier nicht mehr die rede). 2)
Einen weiteren schritt tut die französische bearbeitung.
Das licht kommt von einem karfunkelstein auf dem helme des
riesen. Als der ritter diesen herabgesclilagen hat, entsteht
eine finsternis, die die feinde zur Unterbrechung des kampfes
nötigt.^) Ueber diese pause s. § 6.
1) AVunderlichenveise bemerkt Dietrich doch die ankuuft des riesen
nicht; er sieht nämlich den schein von Eckes heim für einen Widerschein
seines eigenen helmes au (L 71).
2) Ueber den Widerspruch mit z. 7— 12 (12 so si ie merc hiuwen, so
ez ie vasier brau) s. s. 188, anm. 1.
^) Von einem karfuukel ist schon in der bearbeitung- das die rede.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 181
Der zng. dass Dietricli sich für Heimir ausgibt, findet
sicli mir in der saga. Er entspricht vollständig der auf-
fassung der alten Überlieferung von Dietrichs Charakter. Kr
vermeidet nicht bloss den kämpf mit Kcca, er fürchtet ihn
auch. Erst durrh ein starkes seelisches motiv — die auf-
forderung. ehre bei den frauen zu erwerben — lässt er sich
dazu bewegen; dann aber erwacht seine heldenkraft. Ob
einem modernen leser dieses vermeiden des kampfes des
beiden unwürdig scheinen mag, tut nichts zur sache; auch im
Hede sucht er den kämpf zu ^•ormeiden. und L 84 gibt er
sogar als einen doppelten grund, sich mit Ecke nicht einzu-
lassen, an, dass er kein verlangen hegt, es gegen einen so
trefflich gewaffneten gegner aufzunehmen. Die stelle der saga
atmet denselben geist wie Dietrichs niederlage vor Viöga, die
doch auch auf einer echten tradition beruht, und auf Avelche
Ecca auch anspielt. Es ist durchaus unmethodisch, diese an-
spielung aus dem einfachen gründe, dass das Eckenlied nichts
entsprechendes hat, auf das conto des sagaschreibers zu -setzen:
der Sagaschreiber hat vielmehr seinen stoff so disponiert, Avie
er in der saga vorliegt, weil seine quelle diese anspielung
enthielt. Wenn Ecca auf den unglückseligen kämpf mit Yiöga
anspielt, so muss dieser also früher stattgefunden haben; auf
grund dieser erwägung geht in der saga der kämpf mit Viöga
(c. 0-1) dem mit Ecca (c. 96 ff.) unmittelbar voran. ') Die an-
spielung ist von gleicher art wie die auf den kämpf mit Hilde
d 201 befindet sich in Hiltegrim ein karfunkel ; Dietrich nimmt ihn heraus
und setzt ihn in Eckes heim ein. In as ist die mitteilung in entstellter
form nach str. 58 übergeführt: Do leucht des Berners Htltegrin; die nacht
icard nye so tunckel; sein hämisch der gab Hechten schein, als sani er wer
karfunckel. Aber nur P lässt de riesen einen karfunkel im helmc tragen
und zieht daraus weitere consequenzen.
*) Sogar das lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten, dass es eine
nicht in der quelle enthaltene zutat des sagaschreibers ist, dass Dietrich
ausgezogen ist, um die scbmach, die er im kämpfe mit ViÖga erlitten hat,
auszuwischen. Denn eine entstellte, auf den kämpf mit Ecke übertragene
reminiscenz daran dürfte in as 136, 11 — 12 gen Bcrne Jioni ich nymmer dar,
biss das mein schand und lasier doch wärt vergessen gar erhalten sein. Da
indessen as 130 eine interpolierte Strophe und eine entsprechende an-
sjiielung in Ld nicht überliefert ist, ist diese erklärung der stelle nicht
zwingend.
182 BÜER
und Grim im Eckenlied; es ist sog-ar nicht unwahrsclieinlich,
dass der umarbeiter jenen durch diesen verdrängt hat, da in
der einleitung- Dietrich gelobt werden sollte, und der umarbeiter
überhaupt alles vermeidet oder mildert, was den rühm seines
beiden zu schmälern im stände war.
Dass Dietrich reitet und nicht, wie P behauptet, unter
einem bäume liegt, wird schon durch die Übereinstimmung
zwischen der saga und dem liede bewiesen. Aber nur in der
saga hat das einen sinn. Denn Dietrich hat absichtlich zu
seiner reise durch den wald die nacht gewählt, um Eccas
nachspürungen zu entgehen. Wo er, wie im Eckenliede, gar
nicht weiss, welche gefahr ihm droht, da hat es allerdings
keinen vernünftigen zweck, in der nacht im finstern wald
umherzuirren, anstatt sich zur ruhe zu legen. Der französische
text zieht diese consequenz. Das hat einen Aveiteren grund
in der aufnähme eines aus ritterromanen wolbekannten motivs.
Der ritter ist hier nämlich von einer dame begleitet. Es
leuchtet nun ein, dass er unter solchen umständen lieber es
sich die nacht über in ihrer gesellschaft bequem zu machen
als die abenteuerliche reise fortzusetzen wünscht.')
Auf Dietrichs geständnis, dass er der Berner sei, folgt
die herausforderung und die anpreisung der waffen. Als es
Ecca dadurch nicht gelingt, den könig zum kämpfe zu bewegen,
beschwört er ihn, der frauen wegen zu kämpfen, und darauf
geht Dietrich ein. Das Eckenlied lässt auch dieses argument
seine Wirkung verfehlen und Dietrich erst seinen entschluss
fassen, nachdem Ecca auf gottes hilfe verzichtet hat. Ueber
den Ursprung und das alter dieser einzelheit ist es nicht nötig,
ein wort zu verlieren.-) Der französische roman lässt alle
diese erwägungen beiseite; der ritter ist sofort zum kämpfe
1) Freiberg bringt es fertig, sogar diese Vorstellung für die ursprüng-
liche zu erklären, und behauptet, der Eckendichter lasse Dietrich zu keinem
anderen zwecke zu jiferde sitzen, als um die möglichkeit, dass der riese
ihn ohne weiteres angreift, zu entfernen und so eine gelegenheit für das
lange gespräch, das er die gegner führen lassen wollte, und dessen Inhalt
also vollständig von ihm ersonnen sein soll, zu schaffen. Auch hier muss
man fragen, wie es dazu stimmt, dass Ecke Dietrich nachlaufen und ihn
einholen konnte (s. oben s. 169. 171).
2) Ein ausgaugspunkt für dieses gerede findet sich doch in der quelle
au einer anderen stelle. C. lOi, 15 ff. vor dem kämpfe mit dem dracheu
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 183
bereit; er bittet nur um eine kurze frist (s. s. 180); dann greift
der riese ihn ohne winteres an.
Auch liier glaubt Freiberg-, dass die französische bearbei-
tung auf dem ursiiriinglichcn Standpunkte stehe. Zwiscben
der anpreisung der waffcn und dem zug, dass der beld
nachher die riistung des besiegten anzieht, besteht natür-
lich ein zusannuenhang. Nun geschieht dies aucb in dem
ft-anzösischcn rumau. In der späteren ritterzeit aber wurde
das für unpassend gehalten. Darum ladet der besiegte in P
ausdrücklich seinen gegner zu dem reiuup ein. Das hält Frei-
berg für den ausgangspunkt. Im liede geschieht das zwar
nicht, aber Dietrich beklagt in übertriebenster weise des
recken tod. Hier tindet sich auch die anpreisung der waffen.
Das wäre die zweite stufe. In der saga wären die furcht-
baren klagen und die selbstanklage fortgelassen: Dietrich
zieht ohne gewissensbisse die rüstung des besiegten an.
Das darf man ruhig nennen die geschichtliche entwick-
hing auf den köpf stellen. Im altertum war es nicht eine
schände, sondern eine ehre, einem getöteten feind die waffen
zu nehmen; ein späteres Zeitalter erachtet das eines beiden
unwürdig. Nun wird in der (juelle, die positiv die älteste ist,
gesagt, dass der held ohne zögern sich die waffen des gegners
aneignet; in einer jüngeren quelle tut er dasselbe, aber er
macht sich darüber heftige vorwürfe, und es findet sich in
der jüngeren recension dieser ciuelle') die entschuldigung, dass
seine eigene rüstung im kämpfe so übel zugerichtet sei, dass
ihm kein anderer weg offen stand. In einer noch jüngeren
quelle wird er von dem sterbenden gegner mit den waffen
beschenkt. Dass der held die rüstung des feindes anlegt, da-
rüber sind die quellen einig. Ein grund dazu ist in der
jungen quelle, die die ursprüngliche sein soll, nicht vorhanden ;
in der jüngsten recension des Eckenliedes wird eine not-
erklärung gesucht. Jed(ir ^'orurteilslose v^'ivd daher schliessen,
dass dieser zug aus einer älteren version stammt, wo er in
einer bestehenden sitte begründet ist, und dass sowol die
redet Dietrich von dem, er ec trui a. Es ist die einzige stelle in der er-
zähluug der saga, die ein gottvertrauen laut werden lüsst.
'; d l&Ö. as 119. L weiss jedoch von dieser entschuldigung noch nichts.
184 BOER
selbstanklage als die Schenkung der waffen versuche sind,
die alte tradition mit den jüngeren ansichten über das', was
anständig ist, in einklang zu bringen. Nun findet sich eine
solche Version, die die beraubung des besiegten als etwas
natürliches auffasst, in der ältesten quelle. Also wird der
directe beweis für das, was man schon auf grund der jüngsten
darstellungeu vermuten musste, durch die aussage einer alten
quelle gebraclit. Aber nein, der Widerspruch, dass Dietrich
unter selbstanklagen das tut, was er sich selbst als eine
schände anrechnet, muss ursprünglich sein, und um zu be-
weisen, dass die älteste quelle die abgeleitete Vorstellung hat,
wird behauptet, dass diese Vorstellung, die die alte sitte in
ihrer reinheit abspiegelt, durch den Verlust von zügen, die
nur in den jüngeren quellen stehen und nur als die folge
einer jüngeren auffassung in die Überlieferung hineingeraten
sein können, entstanden sei.
Die beschreibuug der waffen und ihre anpreisuug sind
also keineswegs ein zusatz, sondern schon durch ihre ausführ-
lichkeit eine der wichtigsten hauptabschnitte der erzählung.
Die freundliche bitte, seine rüstung anzulegen, die in P der
besiegte gegner an den sieger richtet, ist iii gewisser hinsieht
als eine umgedeutete reminiscenz an die auff orderung, sich
derselben zu bemächtigen, aufzufassen.')
Wir betrachten jetzt die anpreisung der waffen für sich.
Auch hier ist die disposition der saga vorzüglich. Durch
eine gehässige anspielung auf Dietrichs unglücklichen kämpf
mit Viöga versucht Ecca ihn zu reizen, und zugleich macht
er ihn darauf aufmerksam, dass hier eine gelegenheit be-
steht, rühm und zugleich eine waffeurüstung zu erwerben.
Dietrich weigert sich; er lässt zwar durchblicken, dass er
am hellen tage den kämpf nicht versagen würde, aber es
sieht noch fast wie eine ausrede aus; dass er am nächsten
morgen zum kämpfe bereit sein werde, sagt er noch nicht.
Dann führt Ecca die sache weiter aus. Eine kurze an-
spielung auf die frauen, die ihn gerüstet haben, — darauf
1) Daraus folgt nicht, dass schon U diese bitte enthielt. Denn die
aufforderung, auf die sie zurückgeht, ist noch in HD erhalten. — Uehrigens
enthielt U noch einen zweiten ausgangspunkt für die bitte, s. s. 197, anm.l.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 185
folgt die waffenbeschreibung: heim, pantzer, scliild — leider
kein pferd; sonst wäre der fremde wol genötigt zu kämpfen.
Soweit redet Ecca kurz, im ganzen S'/i zeilen. Dann folgt
die beschreibung des Schwertes, die allein 25 zeilen einnimmt.
Jetzt ist Dietrich schon so zornig, dass er Ecca bittet, bis
zum tagesanbruch zu warten; dann wird er mit ihm kämpfen.
Ecca fährt fort: die anpreisung seines goldes (3'/ 2 seilen), und
damit ein schöner Übergang auf sein letztes, entscheidendes
argument: 'mehr als dieses gold brennt mein herz, da ich
Jetzt mit dir nicht kämpfen kann. Aber wenn du nicht um
das gold und um nu'int' rüstung kämpfen willst, so tue es
deines lehens und dieser königinnen halber'. Durch diese
letzte rhetorische wendung ist Dietrich überwunden; er ent-
schliesst sich, nicht länger den kämpf aufzuschieben.
Es ist kaum ein zufall, dass die beschreibung des Schwertes
Ekkisax den breiten kern der herausforderung bildet. Wie
man auch das Verhältnis des namens Ecca zu Ekkisax auf-
fasst (vgl. darüber § 13), dass zwischen diesen beiden irgend
eine bezieluing besteht, lässt sich nicht leugnen, und damit
hängt es zusammen, dass Ecca zumal das seh wert, das die
Überlieferung 'als das von Ecca erworbene' auffasst, anpreist.
Daran schlies^t sich, vielleicht secuudär, eine kurze anpreisung
der übrigen waffen. Der umarbeiter hat nicht mehr ver-
standen, weshalb das seh wert ausführlicher als diese be-
schrieben werden sollte, und er fügt nun auch breite beschrei-
bungen der anderen waffenstücke hinzu. Fasst man den
schluss von L 74 als eine allgemeine einleitung der anpreisung
auf, so sind in L dem panzer 3 Strophen gewidmet (75—77;
75 bittet Dietrich um die besclireibung! 76 sagt er sogar, dass
er mit Ecke nicht mehr reden wolle, so lange dieser nicht
die gewünschte auskuuft gegeben hat!), dem helme 1 strophe,
dem Schwerte noch 5 (79 — 83) — kürzer Hess sich die alte
erzählung von dem umdichter nicht abmachen; die jüngeren
redactionen arbeiten die ganze stelle weiter um.i)
') In das ist die stelle, die von dem Schwerte handelt, wie auch die
vorangehende, gekürzt; statt 79—83 haben as eine (6G), die L 79 (d 85)
entspricht; in d findet sich auch eine L 82 entsprechende strophe (87);
d 8C enthält reminiscenzen an L 81, während d 88 ein zusatz ist. —
L 78, die vum helme handelt, fehlt in as vollständig; d erweitert sie zu
186 BOER
Abgesehen von diesen neuerungen ist auch die schöne
gliederung der alten Überlieferung zerstört. Dietrichs replik
auf die erste herausforderung, die die folgende so schön vor-
bereitet, fehlt, und ebenso jede Steigerung im gespräche. Der
anschluss von rede und gegenrede ist in dem vorzüglichsten
texte des liedes wie folgt: 72 Dietrich fragt den riesen, wes-
halb er ihm nachlaufe. 73 Ecke behauptet, er suche Dietrich
von Bern und dieser gibt sich sofort zu erkennen. 74 Ecke
fordert Dietrich heraus, sagt, dass er ohne pferd ist, dass er
durch die drie h'ineg innen gekommen ist, dass Dietrich hier
schöne Avaffen gewinnen kann. 75. 76 Dietrich fordert die
beschreibung (s. oben). 77—83 Beschreibung. 84. 85 ganz
zweckloses hin- und herreden: "wenn dein seh wert so gut ist,
so kämpfe ich nicht"; 'nein, es ist nicht so gut, aber du bist
ein feigling'.') In der breitredigen str. 86 (z. 11) findet sich
doch an der alten stelle Dietrichs Vorschlag, bis zum morgen
zu warten. Es folgen neue inhaltsleere phrasen: 87 schilt
Ecke Dietrich von neuem feige und verflucht den weg, den er,
Ecke, gegangen ist, ihn zu suchen, zieht sich aber dadurch
str. 88 einen verweis aus dem munde des Berners zu, da er
doch diesen weg den frauen zu liebe zurückgelegt habe;
89 erklärt Dietrich noch einmal, er wolle nicht kämpfen, und
bittet Ecke, die frauen von ihm zu grüssen; er wolle immer
ihr ritter sein; 90 wird er zum dritten mal feige gescholten,
und sagt zum zweiten mal, dass er Ecke niemals etwas zu
leide getan habe; 91 wird noch einmal der panzer angepriesen,
und jetzt erfahren wir, dass er von Ortnit stamme; 93 be-
hauptet Dietrich zum dritten mal, er habe Ecke kein leid zu-
gefügt, aber morgen sei er bereit, den kämpf zu wagen, und
in diesem stil wird das gespräch bis str. 100 schluss fortgesetzt.
An die stelle des mit gold gefüllten gürteis der quelle tritt
93 ein homt, das Ecke auf seiner brüst trägt. — Wo das
echte zu suchen ist, darüber kann kein zweifei walten.
zwei Strophen (89. 90), setzt aber die heim -Strophen hinter die Strophen
vom Schwerte.
*) Z. 11 — 13 du mäht tool heizen Dieterich: dem vürsten da von Berne
tuost aber niht gelich ist eine entstellte und anders gedeutete remiuiscenz
an c. 97, 8—10 Sva via vera sem ßv seyir, at pv ser Heimir, en pin ravdd
vceri voenni til, at pv vcerir PiÖricr sialfr svnr Petmars konongs.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN, 187
Von dem Schwerte erzählen saga und lied das folgende:
Nach der saga hat Alfricr, von dem auch Naglhring stammt
(vgl. c. 16), es geschmiedet; nach dem Eckenliede ril getwerge^),
■was der mattere ausdruck ist. Tief unter der erde (d. i. in
einem holen hcrge L 79, 6) wurde es augefertigt; durch neun
königreiche musste Alfricr darauf das wasser suchen, wo er
es härten konnte. Im Eckenliede ist diese stelle (81, 5 ff.)
von dem berichte, dass es geschmiedet wurde, durch zwei
Strophen getrennt. Diese enthalten die besclireibung. die in
der saga richtiger folgt. Das wasser heisst Treya (in L Drul
ze Troige). Die beschreibung selbst ist in der saga ausführ-
lich, aber in einem knappen stil gehalten (c. 98, 15— 27); das
lied enthält weniger angaben, braucht aber wie gewöhnlich
mehr worte.
Dann wird das schwert gestohlen, von Alfricr, dem grossen
diebe. Den beinamen {1iinn midi slclari) hat das lied bei-
behalten (82,3 von einem argen cliehe); an den namen des
diebes enthält es nur die reminiscenz 82, 4 — 5 dej- kom ge-
sliclien in den herc reld alsam ein iciJde gchvcrcJ) Das Schwert
wird dem Euotlieb zugeführt; nach ihm trägt es sein söhn
(so in beiden quellen). Dieser heisst in der saga hinn vngi
Bozileif] im Hede Herbort: die bemerkung oc Jjcir med drap
hann margan mann ist zu einer Strophe angeschwellt; Herbort
erschlug damit einen riesen namens Hugebolt. Darauf hat
mancher königssohn es getragen (c. 98, 32, fehlt im Eckenliede).
Es ist etwas auffallendes darin, dass Alfricr zugleich der
Schmied und der dieb des Schwertes ist, um so mehr, da nicht
erzählt wird, dass es in fremde bände übergegangen war. Die
saga erzählt nur, dass Alfricr heimlich in den berg seines
Vaters, der also der rechtmässige besitzer zu sein scheint,
kam. Das Eckenlied macht es sich leicht, indem es an keiner
der beiden stellen den namen Alberich nennt. Dass aber die
geschichte echt ist, lehrt die parallele erzählung ps. s. c. 16.
Dietrich nimmt hier den zwerg Alfricr gefangen, und dieser
■) Dafür die yezicerge as, draiv gezxoerge d.
*) d 87 von zweyen argen dihenn, das tcaren (nur dieser ausdruck ist
besserj zicey icilde gezwerck, mit listen 'kame{n)fs in den perck. — Vielleicht
erhalten as darin, dass der zwerg, der Dietrich und Väsolt nach Metz führt,
1G8 Albriauus, 187 Albrian heisst, eine reminiscenz an den zwerg Alberich.
Ueitxage zur geschichte der lieuuchen spräche. XXXII. \^
188 BOER
wird dadurch sein haiipt lösen, dass er den beiden zu dem
schätze des riesenpaares Grimr und Hildr verhilft. Diese
aber können nur mit ihrem eigenen Schwerte Naglhring, das
Alfricr gesclimiedet hat, besiegt werden. Alfricr stielilt das
Schwert und gibt es Dietrich. Das ist logisch und zugleich
ein unentbehrlicher teil der erzählung. Dass ein unhold nur
durch sein eigenes seh wert verwundet werden kann, ist ein
bekanntes motiv. Dass Alfricr das von ihm selbst geschmiedete
Schwert stehlen nuiss, um es Dietrich zu verschaffen, ist natür-
lich, denn es ist zur zeit nicht sein eigentum. Und die er-
zählung von dem diebstahl ist unentbehrlich, da Dietrich das
Schwert in dem bevorstehenden kämpfe von nöten hat. Wir
dürfen hieraus schliessen, dass das alte gedieht von Ecca, das
der saga zu gründe liegt, die geschichte von der entwendung
des Schwertes der erzälilung von dem kämpfe mit Grimr und
Hildr entlehnt hatte. Da aber der diebstahl für unsere er-
zählung keine folgen hatte, wurde daran des weiteren die
bemerkung geknüpft, dass das schwert darauf dem könige
Ruodlieb zugeführt worden sei. Wie Ecca es bekommen hat,
bleibt ein rätsei.
§ 6. Der kämpf.
Die beiden beginnen den kämpf, und dieser ist anzusehen
und zu hören wie blitz und donner,") Das währt, bis von
^) C 100, 3—4 Nv er sva til at s/'a er eldr rycr or vapnom peirra sem
eldingar se. Diese worte siud die quelle der iinklareu stelle L 103, 7 — 12
von ir beider hehne glast den risen des bediihte, daz alte lieht wcer in ein
gast, und in ein niuives Uüite. da versnnne)t si sicJi, a)i: so st ie mere hiuwen,
so ez ie vaster hran. Die eUdingar, blitze, mit denen die aus dem helme
stiebenden funken verglichen werden, sind hier zu einem 'neuen lichte'
geworden; dieses ist aber nicht wirklich, sondern es besteht nur in der
Vorstellung der kämpfenden; tatsächlich kommt der schein von den helmen,
von denen auch das neue liclit kam. Also bedeuten die verse: 'von ihren
Schlägen nahm der lichtschefn auf ihren helmen in dem grade zu, dass der
riese glaubte, dieses licht sei ein anderes; dem war aber nicht so; der
schein der helme war nur erhöht'. — Die stelle steht mit den unmittelbar
vorhergehenden z. 1—4 in dem grellsten Widerspruch (s. s. 180 und anm. 2).
Hier wird gesagt, dass von den schwertschlägen der schein der helme er-
bleicht. Dieser Widerspruch erklärt sich daraus, dass z. 7 — 12 eine freilich
nicht sehr gute widergabe einer stelle der quelle sind, während z. 1 — 4
eine ansieht des umarbeiters vertreten, der eine erklärung für den z. 5—6
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 189
beiden allar lifdir abgehauen sind. Darunter sind g-ewis die
schihlc zu verstehen, denn Eccas panzer ist nacli dem kämpfe
unbeschädigt.') Dann versetzt Ecca seinem g-egner einen
scldag. dass dieser betäubt daliegt, und nun lässt er sich auf
ihn fallen und bctlntht ilni mit dem tode, wenn er sich nicht
ergeben wi)lle. Andernfalls wird er ihn gebunden vor die
trauen führen. Hiese rede erweckt Dietrichs wut von neuem;
es gelingt ihm. seine bände zu befreien, und nun geht es an
ein ringen. Endlich kommt Falka, der sich von dem bäume,
an dem er angebunden steht, losreisst, seinem herrn zu hilfe
und zerschmettert mit seinen Vorderbeinen Ecca den rücken.
Dietrich steht auf. haut dem feinde den köpf ab und zieht
dessen rüstung an.
Diese scene ist in der Umarbeitung zu einem abschnitt von
40 Strophen (103—140. 149. 150) erweitert. Noch sind durch
die weitschweifige darstellung hindurch die hauptzüge wider-
zuerkennen. Das übrige besteht aus widerholungen und um-
deutungen, die den zweck haben, Dietrich eine schönere rolle
zuzuerteilen.
Zunächst wird endlos gekämpft und geschimpft. Dass
Ecke Dietrich zu boden schlägt, ist noch aus L 121 ersicht-
lich: ez valt ir ieüveders haut smcn vient lif daz laut. Aber
Dietrich schlägt auch Ecke nieder, und das wird einige male
widerholt: str. L 128 schlägt er so, dass Ecke sem vünften
male viel. Nun lässt Dietrich sich auf Ecke fallen (für: Ecke
auf lUetrich) und beginnt ihn aufzufordern, sich zu ergeben;
dann wird er ihn leben lassen (L 129). AViderholung dieses
motivs L 131. 135. 137, dabei die drohung, dass er andernfalls
sterben werde. Ferner die aufforderung, sich gefangen vor
die frauen führen zu lassen (135), worauf Ecke erklärt, er
wolle lieber sterben, als sich von den frauen verspotten lassen
ausgesprochenen wnnsch nach dem tagesanbrucli snclit; das versuchen ver-
gebens, den Widerspruch zu tilgen; zwar heisst es hier schon z. 6 das licht
ihet sie nit maiden d, sich zündt an feirr so schöne as, aber z. 2 sich ver-
kert peyder hellem schein das, und in d ist auch z. 5 sie tvünschten peid, es-
solt tagen erhalten.
'; Oder ist die stelle eine reminiscenz an eine bedeutend ältere form
der sage, in der Dietrich noch nicht Eccas panzer, nur sein schwert er-
beutete?
13*
190 BOER
(136; widerliolt 138, vgl auch 130, die auf 129 antwortet).
Dass es ursprünglich Ecke ist, der, in Übereinstimmung sowol
mit der saga wie mit dem allgemeinen Inhalt der erzählung,
noch während des kämpf es Dietrich droht, ihn zu den trauen
zu führen, ersieht man noch aus 111. 118. 119, wo diese
drohung ihm in den mund gelegt ist. — Dann wird gerungen
(132 f.), und auch hier scheint Ecke, obgleich Dietrich auf
ihm liegt, noch der stärkere zu sein; Dietrich muss ihm die
wunden aufreissen, um nur des sieges nicht verlustig zu gehen;
134 wird der ringkampf fortgesetzt. Hier wird statt Dietrich
(c. 100, 8 sva at kann feil i svima viÖ) Ecke hetouhet.
Dass Dietrich dem besiegten den köpf abschlägt, berichten
L 149. 150, aber da der bearbeiter das unedel fand, liess er
ihn das auf Eckes bitte tun, obgleich dieser schon zehn
Strophen vorher von ihm durchstochen und darauf seiner
rüstung beraubt worden war. Dass Dietrich Ecke durch-
sticht, ist natürlich die auffassung des umarbeiters; dass er
ihm dennoch nachher den köpf abschlägt, ist aus der quelle
weiterg-eschleppt und umgedeutet. Der französische romau
lässt diesen nunmehr sinnlos gewordenen zug aus.') Daraus
schliesst Freiberg-, wie zu erwarten war, dass das abschlagen
des kopfes unursprünglich ist. Die saga beweist die unhalt-
barkeit dieser ansieht. Es ist auch die alte weise, den be-
siegten feind zu behandeln. Auch hier ist in der älteren
quelle die ältere sitte belegt. Es ergibt sich daraus, dass
das abschlagen des kopfes ursprünglich mit Dietrichs besuch
bei den königinnen nichts zu schaffen hat, und dass die Vor-
stellung- von d, dass er Eckes köpf der königin in den schoss
wirft, eine plumpe torheit ist, womit freilich nicht gesagt ist,
dass sie nicht auch die von L war (näheres darüber s. § 10).
Auch dass Dietrich den köpf an seinen sattel hängt (L 150),
ist, obgleich die sitte alt ist, kaum ursprünglich, denn hier
besteht dazu kein grund, und abgesehen von der schlussscene
hört man von dem köpfe weiter nichts. In der saga fehlt
auch dieser zug.
1) Auch d as haben das abschlagen des kopfes entfernt, d aber enthält
darauf mehrere anspielungen, und hier führt Dietrich den köpf zu den
frauen.
DAS ECKENUED UND SEINE QUELLEN. 191
Als einen beitrag zur beiirteilung der conii)()siti()n der scene
im Eckenliede führe icli nocli das folgende an: L 107, 11 ff.
50 gar verträten si äitz //ra.s\, daz nieman mohte kiesen, ivaz da
gestanden was, ausfiilirung einer früheren stelle der quelle, die
Dietrichs zorn beschreibt, c. 99, 18 f. hann trad sva fast griotiÖ,
at iip geelc er ßrir fotom hans rard. — Mit Eckes verzieht
auf Gottes hilfe (oben s. 182) hängen zusammen str. 109. 112.
111. lli>. 122. 123. 121. 1->I (die mehrzahl dieser Strophen ist
ganz, die übrigen zum grossen teil der ausführung dieses
themas gewidmet). Innerhalb dieser gruppe widerholung des
ausdrucks 114,3 ud na'm duz an der krefte? 122,1 Von wan-
ndn ist diu kraft dir kamen '^ — Widerholung des tagesanbruchs
104, 110, Avo man indessen noch in der Unterscheidung zwischen
dem vogelgesang und dem Sonnenaufgang eine stilistische be-
deutung suchen kann. — Widerholung der phrase ieh tvcen si
ein des lehens bar (vri) imdr uns ziccin ivellen machen 98, 9 — 10.
125,9—10; derselbe gedanke noch einmal 125,11 — 126,1.
Ausgelassen ist der zug, dass Dietrich mit hilfe seines
pferdes den sieg erringt. Der rühm des beiden durfte nicht
geschmälert w^erden. Darin Edzardi folgend, glaubt Freiberg,
dass dieser zug hier unursi)rünglicli und der Wolf dietrichsage
entlehnt sei. Auch in diesem fall müsste man die aufnähme
des zuges der quelle der saga, also einer redaction des alten
liedes, nicht dem sagaschreiber, zuschreiben. Aber die ab-
hängigkeit der stelle von einer Wolfdietrichüberlieferung ist
nichts weniger als bewiesen. Gegen sie ist zunächst zu sagen,
dass der zug für die Eccadichtung in einer alten quelle, für
die Wolfdietrichdichtung nur in einem aus lauter gestohlenen
motiven zusammengesetzten mittelhochdeutschen gedichte be-
legt ist. Schon das spricht für die Priorität unserer Überliefe-
rung. Die vergleichung der beiden stellen aber lässt keinen
zweifei, wo das echte zu suchen ist. In der saga ist die hilfe,
die das tier seinem lierrn gewährt, zugleich möglich und ent-
scheidend. Im Wolfdietrich vollführt das pferd etwas unmög-
liches, und die tat bleibt ohne jede practisclie folge. In der
saga sind nämlich die parteien einander nahezu gewachsen:
Sie kämpfen fast die ganze nacht hindurch; schliesslich ringen
sie; wer sieger wird, ist unsicher, aber es sieht aus, als werde
Ecca die oberhand behalten. Endlich kann das pferd, das von
192 BOER
anfaiig- an dem kämpfe zugesehen hat, sich nicht länger be-
zwingen; mit seinen Vorderpfoten zerbricht er dem Ecca, der
über Dietrich liegt, und ihm also eine geeignete stelle zum
angriff bietet, den rücken. Das ist verständlich und, wie ge-
sagt, sogar möglich. Im Wolfdietrich (A 580 ff.) legt der held
sich schlafen bei einer ftteimvant. Da kommt der drache, den
er sucht, hergefahren. Ein zwerg will den beiden wecken,
aber wie laut er auch schreit, alles ist vergebens. Der drache
naht, und nun heisst es: daz ros daz brach den zoum und lief
den ivurm an: ez treip in von dem herren mit strite in den
tan. Swanne ez den wurm ivilden getreip verre dan, so lief ez
zuo dem herren u.s.w. Mit einem fusstritt erweckt es den
beiden, und als dieser das pferd naz von bluote sieht, erhebt
er sich und sucht die wohnung des drachen auf. Der drache
ist ausgeflogen, aber fünf junge sind zu hause. An diesen
glaubt Wolfdietrich keine ehre erwerben zu können; er lässt
sie liegen und kehrt sich üz der steines tvant icider gm dem
walde. Dort trifft er den drachen im kämpfe mit einem löwen
Er läuft ihn an, zerschlägt sein seh wert und wird von dem
drachen zusammen mit dem löwen ergriffen, in die höhle ge-
tragen und dort den jungen überliefert; aber seine brünne
schützt ihn. In der nacht findet er Ortnits brünne, legt
dieselbe an, und besiegt nach einem harten kämpfe die
drachenbrut.
Hier ist also die hilfe des pferdes für den kämpf, den
der held allein bestehen muss, von keiner bedeutung. Um den
zug anzubringen, ist eine scene hinzugefügt, in der der held
wie Ortnit schlafend von dem drachen überrascht wird. Also
eine müssige ausführung nach dem muster der Ortnitdichtung.
Die heldentat des pferdes aber ist absolut unmöglich. Der
drache, dem ein löwe und Wolfdietrich in Vereinigung nichts
anhaben können, der beide zusammen, diesen in seinem schwänz,
aufhebt und in seine höhle trägt, lässt sich ohne weiteres von
einem pferde vertreiben. Durch welche mittel das dem pferde
gelingt, erfahren wir nicht; wie die einfachste sache auf der
weit wird gesagt, dass es mit strite den drachen von dem herren
in den tan treip. Freilich ist das pferd str. 589 naz von bluote
und 590 sieht der held an dinem sweize, dass der drache dort
gewesen ist, aber sonst findet sich keine spur davon, dass das
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 193
ungeheuer dem heldenraütig-en pferde auch nur den geringsten
widerstand geboten habe. Demnacli ist der kämpf des pferdes
mit dem draclien so unmöglich wie unnütz und kann nur als
eine sehr dürftige reniiniscenz an eine andere erzählung, in
der dem pferd eine vernünftigere rolle zufiel, verstanden werden.
Diese erzählung aber ist die von Ecca, die sich in der saga
findet. ^lit diesem resultate steht es in Übereinstimmung, dass
der sinnlose auftritt sicli nur in Wolfdietrich A findet (vgl.
B 663 ff. D 76 ff.).
Bei dieser Sachlage ist auch für L 117 da^ ros hegund
neigen rast unih des rechen ungemach^) nur eine erklärung
möglich, nämlich als eine reniiniscenz an die teilnähme des
rosses am kämpf, die bei der entfernung dieses zuges stehen-
geblieben ist.-)
Eine ähnliche stelle der saga (c. 104), wo Dietrich durch
sein pferd von einem dyr erlöst wird, wird unter dem einfluss
unserer stelle stehen; auch diese beeinflussung wird schon in
der quelle stattgefunden haben. Sie bezeugt den erfolg des
motivs und trägt dadurch zur erklärung seiner aufnähme in
AVolfdietrich A bei. Näheres über c. 104 § 9.
Die französische Übersetzung vereinfacht die erzählung be-
deutend und trägt hier zum Verständnis der Umarbeitung nur
wenig bei. Mit den Versionen d as hat sie aber eine pause im
kämpfe gemein. AVie verhält es sich mit diesem motiv?
Die veranlassung zur Unterbrechung des kampfes ist ver-
schieden. In P entsteht dadurch, dass der held den karfunkel-
stein von dem helme des riesen abschlägt, eine finsternis, die
zur Unterbrechung des kampfes nötigt; in das bittet der er-
müdete Dietrich den gegner um eine frist, die dieser ihm
gewährt. In P durchwachen beide den rest der nacht, da
') Daratis sich ser iregen d (133), iveijne as (92)!
*) Auch Jiriczek, D. heldensagen s. 194 entscheidet sich für die Prio-
rität der Eccadichtung. Den ziisamraenhaug von str. 117 mit der stelle
der saga erkennt er nicht an. Aber es entspricht ganz der weise des um-
arbeiters, von den berichten der quelle nur das zu entfernen', was seinen
ansicliten widersprach. Durch das pferd siegen durfte Dietrich nicht, aber
das tier durfte allerdings seine teilnähme au dem geschicke seines herrn
bekunden. — Uebrigens ist Jiriczek ausschliesslich auf die entstellte lesart
yon as aufmerksam gewesen.
194 BOER
keiner dem andern traut; in das schläft erst der riese, darauf
Dietrich, von seinem feinde treu bewacht. Die einzelheiten
sind also verschieden ; docli legt die gleichheit des hauptmotivs
den gedauken an einen gemeinsamen Ursprung nahe. Das Hesse
sich wider auf zweierlei weise auffassen: entweder würde der
auftritt schon U angehören und L hätte ihn entfernt, oder P
wäre hier näher mit das verwant.
Wir fragen zunächst, ob der auftritt aus U stammen und
in L verloren sein kann.') Freibergs m einung, dass ursprüng-
lich der kämpf am abend erhoben wurde, und dass es die
nacht war, die ihm ein vorläufiges ziel setzte, entbehrt jedes
grundes; sie ist ein hoffnungsloser versuch, die Unterbrechung
des kampfes als natürlich zu erklären. Denn nicht nur geht
das alte gedieht davon aus, dass der anfang des kampfes in
tiefste nacht fällt 2), auch die Umarbeitung weiss das noch,
und hier nicht nur die alte eingangsstroplie. Alle Versionen
— sogar P — sind darüber einig. Es wäre nun wol denkbar,
dass der umarbeiter, der die geschichte auf jede denkbare
Aveise in die länge gezogen hat, zu diesem zwecke auch eine
Unterbrechung des kampfes eingeführt hätte. Aber einen rest
dieser auffassung darf man in L 104, 12 ff. {si säzen unversunntn
nider von siegen groz. Ir heider ruoive ivas unlanc) nicht suchen.
Denn einmal findet diese kurze Unterbrechung am morgen statt.
Schon L 104, 1 singen die vögel gern tage. ^) Bald darauf
(108, 1) leuchtet der tag; HO, 1 geht die sonne auf. Was des
weiteren absolut verbietet, L 104, 12 ff. mit der nächtlichen
ruhe in Verbindung zu bringen, ist der umstand, dass diese
stelle sich auch in d findet (124, 12 f.), und zwar nach der
nächtlichen ruhe. Die stellen entsprechen sich wie folgt:
L 103 = d 115 verlangen nach dem tage
1) Dass er nicht älter als U ist, lehrt die
'■') Vollständig unrichtig ist Freibergs behauptung (s. 52), dass Dietrich
in der saga gegen morgen Ecca begegnet.
^) Dem verlangen nach dem tage wurde schon 103 ausdruck gegeben.
Ohne grund verwirft Freiberg die von d gestützte lesart von L 103, 5 si
sprächen beid: v;an ivoUe ez iaf/en und zieht die änderung von as, die nur
den Widerspruch mit z. 7—13, über den s. 188, anm. 1 zu vergleichen
ist, glätten Avill, vor. Das verlangen nach dem tage beruht auf der alten
Situation.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 195
d 116 — 122 nächtliche episode und wideraiif-
nahrae des kampfes
L 104 = d 124 die vögel singen. Am scliluss der Strophe
die Zeilen si sazen unversunnen u.s.w.
L 105 = d 125 (//• hcidcr ruoive ivas imlanc). Fortsetzung
des kampfes
L 106 -- d 126
L 107 = d 123
L 108 = d 127 der tag leuchtet
L 109 fehlt in d; dafür eine andere 128
I. HO == d 129 die sonne geht auf.
Die einzigen abweichungen sind, dass L 107 in d vor L 104
gesetzt ist, und dass für L 109 eine andere Strophe auftritt.
Sonst ist die alte reihenfolge richtig beibehalten. Die nächt-
liche Unterbrechung des kampfes aber steht in d nicht, wie
man erwarten würde, wenn L 104, 12 — 105, 1 eine reminisceuz
daran wäre, zwischen L 104 und 105, sondern vor L 104, nach
dem wünsch, dass es tagen m()ge, aber vor der erwälinung
des vogelgesangs. Daraus lässt sich schliessen, dass L 104, 12 ff.
nicht ein rest, sondern der ausgangspunkt der scene d 116 — 122
ist. Dass L 104 von einer kurzen notgedrungenen rast redet,
veranlasste den bearbeiter der vorläge der gruppe das, eine
ähnliche ausführliche scene hinzuzudichten. Die stelle nach
L 103,6, aber vor L 104,1, wo schon der tag anbricht, war
dazu die geeignete. Nach seiner gewohnheit aber liess er auch
L 104, 12 — 105, 1 stehen. Erst as hat diese stelle gestrichen. ')
— Die stelle L 104, 12 ff. kann nun auch der ausgangspunkt der
nächtlichen ruhe in P sein. Zu dem abgeschlagenen karfunkel-
stein ist zu bemerken, dass schon das lied weiss, dass die helme
durch die schlage ihren schein verlieren (L 103, 2 — 4). Einen
*) Ohne jeden grund behauptet f reiberg s. 52, dass d die darstelhing
von as in die von L hineininterpoliert habe. Er sieht einen Widerspruch
darin, 'dass Dietrich erst Avünscht, es möge tagen, und dann seinen feind
um gewähruiig der nachtruhe bittet'. Wenn ein widersprach vorhanden
wäre, so würde er sich daraus erklären, dass eben d 116 — 122 in der gruppe
das interpoliert sind. Aber ein widersprach ist nicht da; gerade der wünsch,
da.ss es tagen möge, der doch nur bedeuten kann, dass die nacht die Schreck-
nisse des kampfes erhöht, war ein grund, die Unterbrechung an dieser
stelle zu interpolieren. — So spricht auch diese interpolation für L 103,5
d 115, 5 gegen as 77, 5 (s. 188, anm, 1).
19(3 BOER
karfunkelstein in Dietrichs heim kennt d nnd kannte aucli die
quelle von as (s. s. 180, anm.3). Bei der Vorstellung von P, dass
das einzige licht beim kämpfe von dem karfunkel auf Eckes
heim herrührt, konnte ein bearbeiter leicht auf den einfall
geraten, als die folge des abschlagens dieses karfunkels eine
finsternis eintreten zu lassen. Auf diese weise Hesse sich die
ansieht verfechten, dass die Unterbrechung des kämpf es in P
von der in das unabhängig sei; ihr gemeinschaftlicher aus-
gangspunkt wäre L 194, 12 — 105, 1. Der gedanke, einen kämpf
von der finsternis unterbrechen zu lassen, lag nicht allzu fern;
aus mehreren romanen ist das motiv zur genüge bekannt
(mehrere stellen hat Freiberg s.55 nach Singer, Anz.fda.27,323,
anm. angeführt). Anderseits ist die Übereinstimmung zwischen
d as und P auch zu gross, um eine erklärung wie die genannte
wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Wir werden demnach
vorläufig schliessen müssen, dass, falls alle übrigen data dazu
drängen werden, P von das zu trennen, die Übereinstimmung
in der nächtlichen ruhe zur not als zufällig erklärt werden
kann, wenn aber auch andere ül)ereinstimmungen zwischen P
und das auf ein näheres Verhältnis zwischen diesen gruppen
deuten, diese scene unter den wichtigen Zeugnissen für ein
solches Verhältnis zu zählen sein wird. Das nähere § 11.
Die weise, in der der held in P den sieg erficht, hat in
der spielmannspoesie mehrere seitenstücke. In der p. s. sind
hier zu erwähnen die kämpfe mit dem riesen Edgeirr und
Aspilian (c. 106. 433). Dem riesen wird ein bein oder ein
schenkelstück abgeschlagen; dann fällt er — oder lässt sich
fallen — und verursacht durch seinen lärm ein furchtbares
getöse.
Nachdem in der quelle Dietrich Ecca besiegt und ihm den
köpf abgeschlagen hat, zieht er dessen rüstung an: oc aldrigi
J)ycci2 hann fyrr set hava iamgoÖ vapn sem pessor ero.
Die neuerungen in U sind die folgenden: 1) die brünne
ist zu lang; der held schneidet ein stück davon ab. In P
gibt sogar der besiegte selber diesen rat. Dass diese torheit
ihren grund darin hat, dass der gegner zu einem riesen ge-
macht worden ist, haben wir s. 168 gesehen. 2) Dietrich klagt
sich selbst heftig an. Das wird schon durch die Strophen, in
denen er zu erkennen gibt, dass er so gern den feind schonen
DAS ECKENLJED UND SEINE QUELLEN. 197
möchte, dass er es aber iiiclit tun kann, da dieser ihn sofort
töten würde, falls er ihm die Gelegenheit aufzustehen Hesse
(L 137. 139), eingeleitet. L 140, wo er den riesen durchsticht,
geschieht das, weil micheJ not ihn dazu nötigt, und dann be-
ginnt die schlussstrophe der klage, von der schon s. 178. 183 f.
die rede war. Der text der predigt ist, dass die leute mit
dem tinger auf Dietrich deuten wei'den als dem Berncere, der
Mngc stvclien hau. Wir sind hier Aveit von dem heldenideal
entfernt und bei einem sentimentalen ritterideal angelangt, das
nur in der literatur. niemals im leben existiert hat, das zwar
immer kämpfen, bei leibe aber dem gegner nichts böses zu-
fügen Avill. Ungeachtet der lamentation zieht Dietrich darauf
doch Eckes rüstung an mit dem unerwarteten Übergang: swicch
solch (juot nie gewimne, iedoch so ivil ich ivägen gdn und
ncmcn dir die hriinne: so hän ich reroup dir genomcn. in iveiz
war ich vor schänden sol in die ivclt heliomen. J^fan würde
freilich erwarten, dass dieses übermässige Schamgefühl ihn
zurückgehalten hätte, aber das geschieht nicht, und eine nähere
erklärung des rhoups erhalten wir auch nicht. Ganz albern
ist Str. 148, wo Dietrich befürchtet, man werde glauben, dass
er den beiden im schlaf ermordet habe; die stelle ist aus p. s.
c. 102, 10 ff., wo Fasolt dem beiden diesen Vorwurf macht, ab-
strahiert. Ueber die törichte str. 149. 150, wo Ecke Dietrich
auffordert, seinen köpf abzuschlagen, s. s. 190.
In P sind die motive noch etwas weiter verschoben. Die
bitte des besiegten gegners betrifft nun nicht länger das ab-
schlagen des köpf es, das ganz ausgelassen wird (s. 190), son-
dern das anziehen der rüstung'); er gibt sogar den rat, ein
stück abzuschneiden (s. 168) und lobt die rüstung (eine re-
miniscenz an die anpreisung der waffen s. 184 und anm.). Von
Dietrichs selbstanklage bleibt übrig, dass der held mitleid
fühlt; ferner werden genealogische mitteilungen über die ab-
kunft des riesen gegeben-); dann folgt die mittel hing von
lebensregeln, beichte, tod, und ein primitives begräbnis.^) Dass
*) Eckes bitte au Dietrich, ihm den köpf abzuschlagen, ist also der
zweite ausgangspunkt für die bitte in P (vgl. s. 184, anm.).
*) Ein ähnlicher bericht findet sich as 187.
*) Das begräbnis findet sich in d 203.
198 BOER
wir es hier mit jungen zutaten zu tun haben, ergibt sich so-
fort und wird sogar von Freiberg anerkannt.
Wenn in der saga Ecca Dietrich gegenüber seinen namen
nicht nennt, und dieser doch weiss, wen er besiegt hat, so hat
das darin seinen grund, dass er von vornherein weiss, dass er
sich in Eccas gebiete aufhält. In der Umarbeitung, wo Diet-
rich von einem ihm unbekannten feinde überfallen wird, ist
es nicht klar, wie er dessen namen zu wissen bekommt. In
d (181) stossen wir auf eine speculation über diesen Wider-
spruch: Dietrich liest es von einem ringe, den Ecke trägt, ab.
In P nennt der sterbende riese seinen namen und gibt zugleich
auf Schlüsse über seine herkunft (s. s. 197).
§ 7. Dietrichs erster ritt nach dem Drachenfels.
C. 101. Dietrich besteigt sein ross und reitet aus dem
wald. Es ist inzwischen vollständig tag geworden. Er will
nach dem Drachenfels reiten und hofft daselbst Eccas stelle
einzunehmen. Die königin sieht ihn sich nahen und freut
sich, da sie glaubt, dass Ecca einen sieg erfochten hat. Fest-
lich gekleidet gehen die frauen hinaus, dem sieger entgegen.
Als sie aber sehen, dass es nicht Ecca ist, der sich naht,
wenden sie um, und teilen die Unglücksbotschaft ihren mannen
mit. Diese waffnen sich und reiten hinaus, ihren herrn zu
rächen, und Dietrich bleibt nichts anderes übrig, als sich vor
der Übermacht schleunigst möglich davon zu machen.
Von diesen ereignissen weiss die Umarbeitung scheinbar
nichts. Sie lässt den beiden zuerst zu einer dame kommen,
die seine wunden heilt; dann folgt das zusammentreffen mit
Yasolt.
Die allgemeine ansieht, dass die saga Dietrichs begegnung
mit den frauen, die das am schluss mitteilen, vor den kämpf
mit Fasolt stelle, ist nicht ganz richtig. Ich lege keinen
wert darauf, dass der besuch auf Jochgrim in L nicht über-
liefert ist; das scheinen zu beweisen, dass ein solcher zu HD
gehört, und er bildet auch den logischen abschluss der erzäh-
lung. Aber dieser besuch correspondiert nicht mit c. 101, son-
dern mit c. 240 der saga, was Freiberg vollständig übersehen
hat. Auf den kämpf mit Fasolt und die sich daran schliessen-
den gemeinschaftlichen abenteuer der beiden beiden folgt in
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 199
der saga eine reihe erzählungen, die mit unserem Stoffe nicht
zusammenhiiiigeii; dann bringt c.240 den sclihiss der g-escliichte.
Dietrich geht mit Fasold, den er besiegt und mit dem er
Waffenbrüderschaft geschlossen hat, zu den königinnen, und
jetzt wird er wol empfangen. Hie mutter ist gestorben; Diet-
rich bekommt eine der töchter zur frau, Fasold die zweite,
ein dritter genösse, Dettleif, den jedenfalls schon die tradition
hinzugefügt hatte, die dritte. Näheres über diesen abschnitt
§ 10. Hier sei darauf hingewiesen, dass die mitteilung, dass
Dietrich nach dem kämpfe mit Ecca sich auf den weg nach
dem Drachenfels begibt, in der hoffnung, an p]ccas statt dort
aufgenommen zu werden, mit diesem schluss der erzählung sich
in vollkommenem einklang befindet, und dass der schluss gleich-
falls voraussetzt, dass dieser erste versuch mislingt. Zu seinem
gelingen ist die Versöhnung mit Fasold, in geringerem grade
auch der tod der alten königin, eine notwendige bedingung.
Vorläufig sind die frauen unversöhnlich; sie rechnen auf Fa-
sold als ihren beschützer; und Dietrich macht sich aus dem
staube.
Der wahre Sachverhalt ist also dieser, dass nicht der Ver-
fasser der p. s. den besuch bei den frauen versetzt hat, sondern
dass der umarbeiter den ersten besuch bei den frauen fallen
gelassen und durch einen besuch bei einer anderen fi^au, die
den beiden heilt, ersetzt hat. Der grund dazu ist leicht er-
sichtlich. Der wünsch der frauen, den beiden zu sehen, war
zu dem cardinalen punkt der erzählung gemacht worden; es
gieng also nicht mehr an, sie dem Berner gegenüber eine
feindliche Stimmung an den tag legen und ihm den eintritt
verweigern zu lassen. Es kam hinzu, dass der zug, dass
Dietrich flieht, dem umarbeiter anstössig vorkam. Anderseits
bedurfte der hehl der pflege. Dass er bei der wohnung einer
oder mehrerer frauen ankam, stand in der quelle. Was war
einfacher, als die feindlich gestimmte frau zu einer freund-
schaftlich gesinnten umzukalfatern und so den beiden freund-
lich empfangen und bewirten zu lassen? Solche damen gehören
zu dem stehenden apparate der ritterromane.
Dass tatsächlich Dietrichs besuch bei der frau, die ihn
heilt, nichts anderes ist als eine Umbildung des mislungenen
Versuchs, auf dem Drachenfels aufnähme zu finden, zeigt die
200 BOER
französische bearbeituiig, die hier die ursprüngliche darstellung
der Umarbeitung besser als L ') bewahrt hat, aufs deutlichste.
Hier finden sich noch wörtliche anklänge an JD. s. c. 101 und
damit übereinstimmende einzelheiten. Als der papageienritter
aus dem walde herauskam (vgl. c. 101, 2 er hann com fram
af scoginom, im Eckenliede verloren), erblickte er auf einem
stattlichen hügel ein schloss und ritt darauf zu (vgl. z. 2 — 3
Nv cBtler Pidricr sitt rad. at hann scal riöa til horgarinnar
Brecanflis). Er sieht vier fräulein aus dem schlösse hervor-
reiten und auf ihn zueilen (vgl. z. 11 — 12 Nv ganga Jxer til
gersima sinna oc hva sec einl-ar vel. oc ganga nv vt i mot
hanom. — Die vier fräulein in P entsprechen noch der ur-
sprünglichen dreizahl der mädchen, die vierte ist die mutter,
obgleich P das vergessen hat und die mädchen von ihrer
herrin reden lässt. — Im Eckenliede findet Dietrich Babehilt
schlafend unter einem bäum, obgleich es sich später zeigt,
dass auch sie ein schloss besitzt. — Von da an nimmt die
erzählung die neue w^endung. Aber eine reminiscenz daran,
dass die damen niemand anders sind als die trauen, die Ecke
gerüstet haben, findet sich noch iu der bemerkung der mäd-
chen, dass ihre herrin nicht dulden werde, 'dass er oder ein
anderer gast von ihr schimpf oder schände in ihrem hause
erlitte'. In der darstellung der Umarbeitung ist das eine
müssige bemerkung, denn der held hat keinen grund, eine
schimpfliche behandlung zu erwarten, und er hat auch eine
solche Vermutung nicht ausgesprochen, er hat im gegenteil
auf ihre einladung, im schlösse herberge zu nehmen, geant-
wortet (nach Freibergs Übersetzung), 'er würde sich ja dort
ganz sicher fühlen und gerne bleiben; aber er sei schwer ver-
wundet, da er auf einer abenteuerfahrt begriffen sei'. Wenn
darauf die fräulein versichern, dass er keinen schimpf oder
schände erleiden werde, so kann das nur eine reminiscenz
daran sein, dass sie Ecke an Dietrich zu rächen hatten. Die
bemerkung scheint für eine Zwischenstufe in der Umarbeitung
Zeugnis abzulegen: ei'st wurde Dietrich auf dem Drachenfels
als gast aufgenommen und als solcher, obgleich er ein feind
war, gut bewirtet. Darauf wurden die frauen zu fremden
1) das haben die begegnung mit Babehilt ausgelassen.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 201
frauen gemacht. Die dritte stufe der Umarbeitung vertritt L:
die fräulein und das scliloss werden entfeint, und es bleibt
nur Babeliilt, die Dietrich unter einem bäume findet, zurück.
§ 8. Das zusammentreffen mit Fasold.
('. 102. Dietrich reitet wider in den wald und sieht einen
mann ihm entgegen reiten. Das ist Fasold, Eccas bruder.
Dieser redet ihn als seinen bruder an; Dietrich aber sagt,
dass er nicht sein bruder sei, sondern ein anderer mann.
Darauf beginnt Fasold zu schimpfen und behauptet, der
fremde müsse seinen bruder schlafend ermordet haben, was
Dietrich leugnet. C. 108. Fasold reitet mit gezogenem
Schwerte auf Dietrich zu und versetzt ihm einen schlag,
dass dieser betäubt zu boden stürzt. Da es seine gewohnheit
ist, einem gegner niemals mehr als einen schlag zu versetzen,
reitet er davon. Dietrich aber steht auf und reitet ihm nach;
er überredet ihn, umzuwenden und den kämpf zu erneuern;
und diesmal ist der Berner der glückliche; er besiegt Fasold
und nötigt ihn, seine waffen aufzugeben. Dietrich will nicht
seinen dienst annehmen, sondern er schliesst brüderschaft mit
ihm. Zusammen setzen sie die reise fort.
Dass diese darstellung sowol vor der französischen wie
vor der hochdeutschen den vorzug verdient, hat bis zu einem
gewissen grade sogar Freiberg (s. 67) anerkannt. Der um-
arbeiter hat den zug entfernt, dass Fasold, durch die rüstung
irregeführt, glaubt, dass es Ecca ist, der sich naht; er lässt
Fasold ohne weiteres auf Dietrich losstürmen. In der frz.
Übersetzung erzählt der angreifer später, wer er ist, und
warum er den litter so unversehens überfallen hat; das hoch-
deutsche gedieht arbeitet die geschichte weiter um (s. unten).
Kin zweiter zug, den die Umarbeitung verloren hat, ist der,
dass Dietrich im ersten kämpfe überwunden wird und erst
später siegt. ') Der schlag, durch den er betäubt daliegt, wird
zu einem schlag, den Fasold empfängt, und damit ist der kämpf
zu ende; durch die farblose mitteilung, dass er einen ganzen
tag währt, und dass die kämpfenden einander übel zurichten,
wii'd der verlust der charakteristischen züge gut gemacht.
') Ueber eine remiuisceuz dazu s. s. 203, aum. 2.
202 BOEß
Zieht man in betracht. welch ein gefährlicher feind Ecca ge-
wesen ist, und was also von Fasold erwartet Averden kann,
ferner, dass Dietrich nach dem kämpfe Fasold als ihm eben-
bürtig anerkennt (c. 103 schluss: scal Icallas hvarr occarr ann-
ars iamningi), endlich, dass der umarbeiter alles hinweginter-
pretiert, was seinem beiden zur schände gereichen könnte,
und auch im kämpfe mit Ecca den zug, dass Dietrich zu
boden geschlagen wird, verdunkelt hat, so kann man nicht
lange darüber zweifeln, wo die echte darstellung zu suchen
ist. In der französischen bearbeitung blickt das alte noch
durch das neue durch. Wenn der rittei- seinem feinde um
seines bruders willen vergibt, so erkennt man c. 103, 24 — 26
wider: GriÖ scallv fa at mer. en ciyi vil ec J)iggta Jjina J)ionasto.
firir ])vi at ec dnip hrodor pinn. oc ma ec varla trva Per meöan
pat er obcett.
Das hochdeutsche lied hat die erzählung fast bis zur Un-
kenntlichkeit entstellt durch die geschichte von dem wilden
fräulein, das von Vasolt gejagt wird. Es ist ein umfang-
reicher einschub, von dem P ganz frei ist. Auch in HD ist
jedoch aus dem gespräche vor dem zweiten kämpf, der ur-
sprünglich der einzige ist'), noch zu ersehen, dass Vasolt an
der rüstung seines bruders dessen mörder erkennt. 2) Zwischen
vielen unnützen reden steht str. L 193. 195 der Vorwurf, dass
Dietrich durch Eckes tod keine ehre erworben habe; 194 Diet-
richs antwort, dass Vasolt lüge (z. 5 da£ ist vil nach gelogen
yar = c. 102, 14 Osatt segir pv par). L 199 schlägt Dietrich
Vasolt nieder wie in P. Uebrigens nichts charakteristisches;
der Stil ist derselbe wie in dem kämpfe mit Ecke; 197. 198
widerholung der behauptung (123), dass zwei personen in einer
kämpfen.
Das Eckenlied hat aber die erzählung von der wilden frau
aufgenommen. Die ungeschickte Verbindung ist ziemlich all-
gemein anerkannt; schon Zupitza betont sie s. xlvi, vgl. ferner
Freiberg s. 64. 68. Letzterer autor führt parallelen aus der
Artusdichtung an, kommt aber zu dem Schlüsse, dass diese
doch nicht das Vorbild abgegeben haben können, da der ver-
') Dieses gespräch liat P ausgelassen.
-) L 193, 8 ich kiuse ganz die brilnne.
DAS KCKENLIED UND SEINE QUELLEN. 203
folger 'etwas dämonenhaftes an sicli habe, das an altheimische
vorstell ung-en von sturmriesen erinnern kfinnte'. In der tat
lässt sich eine beziehung: zu dem wilden Jäger nicht leugnen.
Da eine ähnliche erzählung- im Wunderer widerkehrt, erhebt
sich hier die frage, welcher quelle die priorität zukommt.
Aber auch abgesehen davon muss man fragen, was den be-
arbeiter des liedes dazu bewegte, auf Väsolt züg-e des wilden
Jägers zu übertragen. Das hat gewis in der auffassung Vä-
solts als eines riesen'). die aus der gleichen auffassung- seines
bruders unmittelbar folgt, seinen ausgangspunkt. Anderseits
lässt sich die geschichte von der wilden maid von der Vor-
stellung, dass Fasold sich Dietrich gegenüber treulos beträgt,
nicht trennen. In der quelle wurde Fasold zu Dietrichs
treuem Waffenbruder (näheres § 9). Noch die frz. bearbeitung
weiss von einem widerholten angriff nichts.-) Der interpolator
der episode von dem wilden fräulein Hess den beiden dieses
fräuleins wegen mit Väsolt kämpfen. Der ursprüngliche kämpf
wurde dadurch zu einem zweiten. Väsolt bricht also seinen
eid; er wird zu einem treulosen freunde. Da er nun im liede
auch nachher in dieser rolle, von der die quelle nichts weiss,
auftritt, muss ein Zusammenhang zwischen diesen abenteuern
und dem mit der wilden frau bestehen. Vielleicht gelingt es
uns, das eine durch das andere zu beleuchten.
§ 9. Dietrichs und Fasolds gemeinschaftliche .
reise.
C. 104 — 107. Die neuen freunde begeben sich zusammen
auf den weg nach Bern. Unterwegs haben sie die folgenden
abenteuer zu bestehen: 1) einen kämpf mit dyr eAtt, er heitir
elevans. I'asold rät davon ab; Dietrich lässt sich nicht zurück-
^) In der saga ist Fasold bloss mikill vexti (c. 102, 5).
'■') Vielleicht ist darin , dass Yäsolt str. 1G8 dem Benier frieden gibt,
weil dieser verwundet ist, ihn aber str. 183 von neuem angreift, eine re-
miniscenz daran erhalten, dass er in der quelle dem Berner nicht mehr als
einen schlag versetzt und dann davonreitet. Vgl. auch 172, -I-t— 6 sol ich
von minen ivundcn leben'^ ich mnoz im strttes vollen gehen; mich muoz
nach im hdaiujen damit, dass Dietrich c. 103, sobald er sich von der be-
tiiubung, die durch Fasolds schlag über ihn gekommen ist, erholt hat,
diesem nachreitet und ihn zum kämpfe herausfordert.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. ]L4
204 BOEß
halten; endlich siegt er mit hilfe Fasolds, der anfangs an dem
kämpf nicht teilnimmt, und seines pferdes (widerliolung von
c, 100, s. s. 193); 2) einen kämpf mit einem drachen, aus dessen
rächen sie einen lebenden menschen, Sistram af Fenedi, erlösen.
Dann kommen sie 3) zu dem schlösse des grafen Loövigr auf
Aldinflis, der inzwischen Sistrams pferd in seine macht be-
kommen hat und es herauszugeben sich weigert. Durch Diet-
richs drohung lässt er sich jedoch dazu bewegen. Darauf
setzen die drei kameraden die reise fort.
Keines dieser abenteuer hängt mit der haupthandlung zu-
sammen, und es ist auch sehr wahrscheinlich, dass wir es hier
mit einem auswuchs der Überlieferung zu tun haben. Darauf
deutet auch die widerholung des motivs, dass das pferd dem
beiden zu hilfe kommt. Die erweiterung lässt sich psycholo-
gisch w^ol verstehen. Dietrich hat einen freund erworben;
dieser soll jetzt erprobt werden. Dazu dienen ein paar kämpfe
mit Ungeheuern. Die bewirtung auf Aldinflis soll nur den
schrecken beleuchten, der jetzt von Dietrichs namen ausgeht.
Von einer anknüpfung an andere sagen kann man eigentlich
nicht reden. Sistram verhält sich vollständig passiv und auch
in anderen erzählungen von Dietrich fällt ihm keine rolle von
einiger bedeutung zu. Dass er jünger ist als die dreifache
hochzeit, die den schluss bildet (§ 10), zeigt der umstand, dass
nicht er, sondern pettleifr der dritte bräutigam ist.
lieber die quellen dieser abenteuer lässt sich nicht viel
sagen. Anklänge an eine fremde sage wird man vielleicht in
dem drachenkampf suchen dürfen, insofern Sistrams erlösung
an die Ortnitsage mahnt. Doch sind die unterschiede so durch-
greifend (Ortnit wird von dem drachen durch daz ivcrc gesogen,
Sistram wird durch seine rüstung beschützt und später erlöst)
und die einzelheiten des kämpf es sind so eigentümlich und so
genau mitgeteilt, dass an eine directe nachbildung ebensowenig
zu denken ist als an eine einfache reminiscenz: man müsste
eine frei ausgeführte geschichte auf grund einer reminiscenz
annehmen; da es aber keineswegs feststeht, dass die Ortnit-
sage älter als diese erzähl ung ist, bleibt das alles sehr unsicher.
Der kämpf mit dem elephanten kann sehr wol die erfindung
eines spielmanns sein; wenigstens besteht gar kein grund, mit
Jiriczek (s. 209) anzunehmen, dass er unter dem einfluss der
Das ECKENLIED TXD SEINE QUELLEN. 205
viel weniger einfachen erzählung- einer jüngeren quelle, Wolf-
dietricli B, stehe, wo der held einem elephanten zu hilfe kommt,
und wo zum iiberlluss das wandermotiv von dem dankbaren
tiere augehängt worden ist, — eine folge davon, dass das tier
nicht besiegt, sondern befreit wird. Ueber den besuch bei dem
grafen Ludwig vgl. oben s. 1G5, anm. 1. Jedenfalls hat die der
saga zu gründe liegende tradition die geographischen angaben
besser auseinander gehalten als A^'olfdietrich, und so wird es
sich auch mit den angaben über die person des Ludwig ver-
halten.
Dass die erweiterung der erzählung der quelle der saga
angehört, daran kauu man nicht zweifeln. Es fragt sich nun,
ob sie auch der Umarbeitung zu gründe liegt, oder ob diese
darin, dass sie andere abenteuer — also nicht diese — erzählt,
wenigstens negativ auf einem älteren Standpunkte steht, d. h.
ob sie von einer redaction des alten liedes stammt, die die
gemeinsamen abenteuer der beiden beiden nicht kannte.
Diese frage ist schwer zu entscheiden. Für die haupt-
entwicklung der tradition ist sie vielleicht aucli nicht von
grosser bedeutung. Die hochdeutschen Versionen haben dafür
gesorgt, die alte Vorstellung so gründlich zu verderben, dass
aus ihrer darstellung tatsächlich kaum ein einziger schluss
sich mehr mit Sicherheit ziehen lässt. Die französische be-
arbeitimg kennt nur einen empfang in der wolmung des
bruders des riesen, aber keine gemeinsamen abenteuer. Es
leuchtet aber ein, dass auf das alleinstehende negative zeugnis
dieser quelle kein grosser wert zu legen ist. Die entscheidung,
ob die abenteuer der saga U bekannt waren, wird durch eine
vergleichung des Eckenliedes, namentlich von L mit der saga
gebracht werden müssen.
Die andeutungen für einen Zusammenhang sind nur gering.
Am stärksten spricht dafür wol der einfache umstand, dass
im liede wie in der saga Dietrich und Fasold überhaupt zu-
sammen auf reisen gehen. Diese Vorstellung konnte zwar
spontan entstehen — und das ist auch geschehen , — , aber
weniger leicht zweimal als einmal.
Einen empfang auf einem schloss bei einem herrn, der
schliesslich Dietrichs Überlegenheit anerkennt, kennt auch das
lied (L 202—207); dieser besuch, der wol auf der c. 107 mit-
14*
206 BOER
geteilten g-escliichte zurückgeht, steht hier am anfang der
abenteuer. ')
Mögliche ausgangspunkte für die Vorstellung von Väsolts
untreue finden sich in der saga an zwei stellen. C. 103
(schluss) will Dietrich Fasolds dienst nicht annehmen, da er
seinen bruder getötet hat und ihm nicht vertrauen zu können
glaubt, so lange des bruders tod nicht gesühnt ist. Darum
erwählt er ihn zu seinem Waffenbruder. Daraus konnte ein
umarbeiter abstrahieren, dass Fasold tatsächlich dem Dietrich
die treue gebrochen hatte, um so eher, als die Umarbeitung
die Züge fallen lässt, dass Dietrich das erste mal von Fasold
besiegt wird, und dass er ihn als ebenbürtig anerkenut. Die
zweite stelle findet sich c. 104, wo Fasolt sich weigert, Diet-
rich in dem kämpf mit dem elephanten beizustehen. Zwar
hat er ihn zuvor gewarnt und kommt er ihm in der not zu
liilfe, aber in seiner anfänglichen Untätigkeit ist doch etwas,
was als mangel an ritterlicher gesinnung ausgelegt werden
kann. Und ähnlich verhält Väsolt sich in einigen der aben-
teuer der Umarbeitung. Er greift Dietrich nicht an, sondern
er führt ihn an orte, wo gefahren ihm drohen und wartet un-
tätig den ausgang der kämpfe ab (str. 208 ff. 229 ff.). Weniger
hat es zu bedeuten, dass in der saga wie im liede mit un-
holden gekämpft wird, denn die natur der unholde ist eine
ganz verschiedene; hier ist der bearbeiter der hochdeutschen
Version in seiner rumpelkammer von landläufigen motiven auf
die suche gegangen. Dort hat er die hexen auf Jochgrim
gefunden.
Es muss hier auf Jiriczeks mythische auffassung der
Überlieferung eingegangen werden. Diese gründet sich zum
grossen teil auf etymologien. Jiriczek erkennt nämlich an,
dass das gewand der sage so vollständig ein episches ist, dass
aus den ereignissen für eine mythische auffassung der sage
keine gründe entnommen werden können. Neben den etymo-
logien kommen ein tiroler Volksglaube und die beschreibung
Väsolts (L 166) in betracht.
Dass Väsolts weibliche verwantschaft namen trägt, die
•) In P ist daraus eine bewirtung in der wohnung des besiegten ge-
worden. Da der herr, bei dem die freunde einkehren, in L ein vasall
Väsolts ist, ist der abstand zwischen P und HD noch kein bedeutender.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 207
für Sturm- und liageldämouen trefflicli passen, lässt sicli nicht
leugnen. Aber diese unholde kennt Aveder die saga noch die
franz()sische bearbeitung. Und ebenso verhält es sich mit der
dämonischen beschreibung- von Väsolts äusserem und mit seinem
dämonischen auftreten. Auch im Eckenliede beträgt Väsolt
sich in den teilen, denen stellen in P oder in der saga ent-
sprechen, durcliaus als ein menschlicher ritter; nur wo er das
wilde fräulein verfolgt, haftet an ihm etwas dämonisches, und
hier findet sich auch die in rede stehende beschreibung-, auf
welche Jiriczek besonderen naclulruck legt. Man müsste nun
erwägen, ob es mög-lich wäre, dass P und p. s. unabhängig-
von einander diese züge und erzählungen aufgegeben hätten,
wenn nicht auch die composition des liedes sie verurteilte
(s. oben s. 202). Dass die episode mit dem wilden fräulein
absolut unmöglich ist, wurde § 8 ausführlich g-ezeigt; auch
Freiberg liat das richtig g-esehen. Die 'mythischen' züge sind
demnach zusätze des hochdeutschen gedichtes. Da nun die
episode mit dem wilden fräulein sich von den kämpfen mit
Väsolts weiblicher verwantscluift nicht trennen lässt, und jene
in allen drei redactionen in ähnlicher weise erzählt wird, so
könnte man schon daraus schliessen, dass auch diese aus der
gemeinsamen quelle von Ldas stammen und nur in den drei
Versionen verschieden gestaltet sind. Ich werde § 11 den
nachweis führen, dass hier wie auch sonst die darstellung von
L dem originale noch sehr nahe steht, und dass die von das
sich aus jener ableiten lassen.
AVenn Jiriczek in Zusammenhang hiermit auf die loca-
lisation auf Jochgrim und auf den tiroler Volksglauben, der
daselbst wettermachende hexen kennt, hinweist, so ist auch
dieser Zusammenhang nicht zu leugnen, aber der schluss,
dass die Eckesage ursprünglich auf Jochgrim zu hause sei,
ist nicht zu billigen. Vielmehr muss man schliessen, dass
derselbe dichter, der die episode von dem wilden fräulein und
die kämpfe mit Väsolts mutter und Schwester einführte, auch
die geschichte auf Jochgrim localisiert hat. Dazu stimmt,
dass auch diese localisation nur dem hochdeutschen gedieht
bekannt ist. Sie hat ihren grund in dem tiroler Volksglauben
von den wettermachenden hexen. Die drei königinnen, die
Ecke ausrüsteten, betragen sich keineswegs als hexen, vielmehr
208 BOER
als ritterfrauen. Die Jochgrimmer wetterfraiien ihrerseits
senden keine ritter oder kämpfer aus; sie selbst machen das
Avetter; sie sind in eigener person aggressiv. In ihnen sind
demnach die prototypen nicht jener damen, sondern der mutter
und Schwester Väsolts zu suchen. Das einzige, was Jiriczek
für die gleichsetzung der hexen mit frau Seburc und ihren
gespielen anführt, ist, dass auch die zahl jener wetterfrauen
drei ist, aber diese zahl ist stereotyp und würde demnach,
selbst wenn die zahl der königinnen von anfang an drei —
nicht vier — wäre, kaum etwas beweisen. Nun ist aber in
d die zahl der riesinnen gleichfalls drei (Rachin, Kallech,
Ritsch), so dass auch für Väsolts weibliche verwantschaft die
dreizahl belegt ist.') Und was endlich den umstand betrifft,
dass im liede die damen auf Jochgrim wohnen, so ist dieser
eine unumgängliche folge der neuen localisation. Denn wenn
Yäsolt auf Jochgrim wohnt, so wohnt dort auch Ecke und
mit ihm die drei damen, die ihn zum kämpf gerüstet haben.^)
Ich glaube auf grund dieser data leugnen zu dürfen, dass
auch nur ein einziger zug, der nicht zu der in dem hoch-
deutschen gedichte sehr ungeschickt angebrachten erweiterung
gehört, auf einen Zusammenhang mit sturmdämouen oder
anderen mythischen wesen weist. — Wenn Väsolt in einem
sehr jungen wettersegen angerufen wird (Grimm, Myth.^ 3, 494),
so kann das sehr gut auf kenntnis des Eckenliedes beruhen.
Die namen, mit denen wir ausschliesslich zu rechnen haben,
sind Fasold und Ecca, und hier lehrt die etymologie nichts,
da sie unbekannt ist. Bei Fasold geht man vollständig im
dunkeln, bei Ecca hat man die wähl zwischen mehreren auf-
fassungen. Aber selbst dann, wenn Ecca, wie Jiriczek an-
nimmt, mit agjan zu verbinden wäre, so wäre die bedeutung
so allgemeiner art, dass der name für mythologische construc-
tionen unbrauchbar ist. Näheres über diesen namen § 13.
Kehren wir nun zu der § 8 gestellten frage, warum der
bearbeiter des Eckenliedes Yäsolt als wilden Jäger aufgefasst
') Da L mitten in dem kämpf mit Uodelgart abbricht, lässt sieb nicht
entscheiden, welche hier die zahl der riesinnen war. as haben zwei von
den frauen aufgeräumt.
^) Str. 1 hat aber die erinuerung daran behalten, dass sie in Köln
wohnen.
DAS ECKENLIPD UND SEINE QUELLEN. 209
liat, zurück, so wird die antwort lauten niiissen: weil der wulde
Jäger ein sturmdämon ist, und weil (Ut l)ru(ler der JochgTimer
hexen gleiclifalls ein stui'mdänion ist. JJie episode mit dem
wilden tVäulein ist also nur ein glied einer ganzen reihe von
neuerungen, die alle unmittelbar mit der localisation auf Joch-
grim zusammenhängen.
Uebersehen wir die tätigkeit des hochdeutschen bearbeiters
in dieser partie, so ergibt sich, dass seine Selbständigkeit hier
grösser ist als in den früheren teilen der erzählung. Während
er') sich sonst damit begnügt, motive umzudeuten und auszu-
führen, — auch die lange einleitung ist nicht anders zu be-
urteilen. — hat er hier eine reihe fremder motive aufgenommen.
In seiner quelle fand er nur eine g-emeinschaftliche reise Diet-
richs und Yäsolts, ferner gering-e andeutungen von Yäsolts
mög-licher untreue. Diese untreue war ihm aus mehreren
gründen willkommen; er machte sie zum ausgangspunkt seiner
erzählung. Von den gemeinsamen erlebnissen der beiden hat
er die bewirtung bei einem fremden herrn beibehalten; die
geschichte ist aber wesentlich anders gestaltet; die eigent-
lichen abenteuer — den kämpf mit dem elephanten und mit
dem drachen — hat er, falls die quelle sie enthielt, durch
neue kämpfe ersetzt. Hier hat er an einen einheimischen
aberglauben angeknüpft. Er hat die ganze geschichte auf
Jocligrim localisiert und Dietrich zuerst einen kämpf mit
Eckenot, dann mit den dort hausenden allgemein bekannten
Wetterfrauen siegreich bestehen lassen. Ein jüngerer dichter
war es w^ol, der das zusammentreffen mit den gefährlichen
bildsäulen, das nur in d as überliefert ist (L fehlt hier), hinzu-
gedichtet hat.
Es erübrig-t, kurz auf das Verhältnis des Eckenliedes zum
A\'underer einzugehen. Die einander gegenüberstehenden hj'po-
thesen lauten, dass der Wunderer eine rohe widerholung der
scene des Eckenliedes sei, bez. dass beide auf eine verlorene
quelle, also eine ältere redaction des AVunderers zurückgehen.
Cm letztere annähme wahrscheinlich zu machen, müsste man
im Wunderer züge nachweisen, die über das Eckenlied hinaus-
') Von einer genauen Unterscheidung zwischen dem eigentum von HD
und U wird in diesem Zusammenhang abgesehen, vgl. s. 161, anm.
210 BOER
gehen. Das wird gewis schwer halten. Die erzählung- im
Wunderer ist, namentlich in der fassung- des Dresdener
heldenbuches, ausserordentlich in die länge gezogen, aber etwas,
was auf eine ältere darstellung als die des Eckenliedes deuten
könnte, kommt dabei nicht heraus. Dass der Wunderer das
fräulein fressen will, sieht nicht ursprünglicher aus, als dass
er sie jagt, konnte aber sehr leicht daraus abgeleitet werden;
übrigens will er es Hdb. 1855, 11,533, str.201. Hdb. 1820—25,
II, 69, str. 161 nicht fressen, sondern an eyn ivyd hängen wie
im Eckenliede. Dass der Wunderer erschlagen wird, braucht
ebensowenig ein alter zug zu sein; wenn der Wunderer der
wilde Jäger ist, woran sich nicht zweifeln lässt, so wissen
zahlreiche sagen zu erzählen, dass er eine frau jagt; darin
aber, dass ein held es mit ihm aufnimmt, steht unsere Über-
lieferung allein, und wenn Dietrich ihn erschlägt, so zeugt
das eher dafür, dass das Verständnis für die dem Wunderer
zu gründe liegende gestalt erloschen war. Anderseits weist
gerade dieser zug auf das Eckenlied, wo Yäsolt später er-
schlagen wird, als seine quelle zurück, ja es scheint, als seien
im Wunderer Ecke und Väsolt zusammengeworfen worden.
Daraus lässt es sich erklären, dass Dietrich dem Wunderer
den köpf abschlägt, denselben bei den haaren ergreift und
ihn triumphierend in den palast trägt, wo vil Jxonig und honigyn
ihm entgegenkommen. Der dank des fräuleins dafür, dass der
held sie erlöst hat, folgt freilich aus der Situation; wenn man
aber in betracht zieht, dass die feindschaft des Wunderers da-
raus erklärt wird, dass er sie hat heiraten wollen, so zeigt sich
auch hierin eine abhängigkeit vom Eckenliede (as 261). Dass sie
frau Seid heisst, erklärt sich auf dieselbe weise; Ecke str. 160
hat frau Babehilt dem Berner zugewünscht, vro Soelde wolle
ihn pflegen, und unmittelbar darauf trifft er mit dem wilden
fräulein, das ihn pflegt und kräuter auf seine wunden legt,
zusammen. Der schluss, dass dieses fräulein frau Seide ge-
heissen habe, lag für einen rohen nachdichter des 15. Jahr-
hunderts nahe genug. Hingegen möchte ich wissen, wie wol
der Eckendichter daraus, dass die wilde meit in seiner quelle
Seide geheissen hätte, abstrahiert haben könnte, dass Babehilt
sagt: vro Scelde ivil dm pflegen. Aus diesen Verhältnissen
lässt sich nur ein schluss ziehen, nämlich der, dass das gedieht
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 211
vom AVunderer auf nachklängen aus dem Eckenliede, wie es
scheint sogar aus as. aufgebaut ist.')
§ 10. Der au.^jgang- der gescliiclite.
C. 240. In der saga reitet Dietrich zusammen mit Fasold
und einem dritten genossen, der \\o\ verliältnismässig jung ist
und mit der dreizald der Prinzessinnen zusammenhängt') —
in der Überlieferung tritt pettleifr in die rolle ein — , nach
dem Draclienfels. Die mutter ist gestorben; die freunde hei-
raten die töoliter (s. oben s. U»0). Dass eine dame sich von
dem ritter, der ihren mann oder ihren geliebten erschlagen
hat, trösten lässt, ist ein bekanntes motiv; zu vergleichen ist
Iweins abenteuer mit Laudine. Unsere geschichte bietet eine
Variante, nach der der sieger die tochter anstatt der mutter
zur frau bekommt. Der ausgang ist in jeder hinsiclit ver-
ständlich.
Einen ähnlichen abschluss hat sogar HD noch gekannt,
nur dass nicht die tochter, von der HD nichts weiss, für die
mutter eintrat. In as kommt Dietrich nämlich zu der dame
und wird von ihr freundlich aufgenommen. Dass er sie
heiratet oder ihre liebe erwirbt, hat freilich diese Version,
und wol U schon, vergessen. Das hängt vielleicht damit zu-
sammen, dass die jüngere poesie, die in stets höherem grade
auf andere taten und erlebnisse der beiden als die, welche
eben erzählt werden, rücksicht nimmt, Dietrich keine frau zu-
gesellen wollte, von der andere quellen nichts wissen. Dass
Dietrich zu der königin kommt, kann auch darum keine neue-
rung in as sein, da es den teudenzen von U, der den wünsch
der frau, ihn zu sehen, zum cardinalpunkte der erzälilung
macht, entspricht. Dieser zug hat sich also in der tradition
bis zu ende erhalten. Dass Dietrich allein kommt, ist hingegen
eine neuerung, über deren alter s. s. 214; in der quelle war er
von Fasold begleitet.
Die oben besprochenen nachklänge in as weisen auf die
mitteilung der quelle, dass Dietrich die liebe der frau erwarb,
') Die aufsätze von Zimmerstädt und ^^'arnatscll über den "Wunderer
sind mir leider nicht zugänglich.
'■') Eine vor unserer Überlieferung liegende tradition kannte vielleicht
nur eine oder zwei frauen.
212 BOER
zurück. Die freiide der fürstin über Eckes tod und die auf-
fassung- des beiden als eines befreiers beruhen jedoch auf
einer recht jungen Sonderentwicklung- von as und geben ein
weiteres zeugnis für eine nahe berührung zwischen dieser
gruppe und P ab (§11). Denn d lehrt, dass noch in HD,
sogar in der directen quelle der gruppe d as der zug, aus dessen
Umbildung die Vorstellung, dass Seburg sich über Eckes tod
freut, entstanden ist, in seiner alten gestalt erhalten war. Es
ist die § 7 erörterte stelle I). s. c. 101. Als die königin Diet-
rich in Eccas rüstung sich nahen sah, freute sie sich, denn
sie glaubte, dass Ecca einen sieg erfochten hatte; ihre freude
aber verkehrte sich in tiefen schmerz, als sie zu der gewiss-
heit gelangte, dass der ritter, der hergesprengt kam, ein anderer
als Ecca war. Als U an die stelle dieses absclmittes die be-
wirtung bei einer fremden frau, die P in einer an ihren Ur-
sprung deutlich erinnernden gestalt erhalten hat, aufnahm,
musste der eben angeführte zug entfernt werden. Aber U
hat ihn nach dem Schlüsse versetzt und dort steht er noch in
d str, 322 Er (Dietrich) |)a^, man solt in lassen ein. ein pot
l'am mi der kon(;i)gin, und sagt ir do den sif(e)n vnd vil gar
lieher mcre do, der sie in hertzen ivurden fro, licr Eck
der JiC))i geriten. 'aive." sprach do ein roter munt der edlen
Tion(i)gincn, 'ich furcht, es Jciim vns zu der stunt zu grossem
vngeivinnen.' der pot [der] sprach: 'es ist ungelogenn, er fürt
ein michel houhet hangen an seijncm satel pogen! Darauf wird
Dietrich eingelassen; als er aber eingetreten ist, heisst es: ivie
dein sie sein hegerte.
Das ist die alte, nur nach einer anderen stelle versetzte
Vorstellung und also der von as gegenüber, w^o die freude der
königin daraus erklärt wird, dass sie Eckes tod vernimmt, die
ursprünglichere, as hat den alten zug umgedeutet und lässt
Seburg Dietrich als ihren befreier begrüssen.
Da nun sowol dieser zug, dass die königin Dietrich für
Ecke ansieht und sich über seine ankunft freut, später aber
enttäuscht wird, als jener andere, dass Dietrich von ihr gut
aufgenommen wird, aus der quelle stammt, lässt sich der schluss
nicht umgehen, dass beide sich in der tradition von der quelle
über U und HD bis in die einzelnen redactionen von HD er-
halten haben. Von U an standen sie neben einander in der
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 213
schlussscene. Diese niuss in U wie folgt gelautet haben: nach
dem kämpfe mit Fasold ritt Dietrich zu der königin. Als sie
ihn kommen sah, freute sie sich, denn sie glaubte, es sei Ecke,
der sich nahte; sie wurde jedoch sehr enttäuscht, als sie sah,
dass er ein fremder war. Dietrich tröstete sie und wurde da-
rauf gut bewirtet. Dass er ihre liebe erwarb, braucht, wie
gesagt, nicht mehr die Vorstellung von U gewesen zu sein.
In d findet sich jedoch an der stelle der bewirtung ein
anderer ausgang. der gleichfalls von einem alten berichte aus-
gelit, und der hanptsache nach wenigstens schon in HD ge-
standen haben muss. Dietrich benimmt sich in D den frauen
gegenüber gar nicht höflich: er wirft ihnen Eckes haupt vor
die fiisse und reitet von dannen. Die unhöflichen worte und
das werfen mit dem köpfe können das eigentum von d sein;
dass er on vrJouh von den fraiccn mit gleiclifalls; dass er aber
den köpf nach Jocligrim führt, wird durch die Übereinstimmung
zwischen d und L (§11) als ein aus HD stammender zug er-
wiesen. Den ausgangspnnkt dieser erzälilung bildet der be-
richt der quelle, dass der held dem von ihm besiegten feinde
den köpf abschlägt. Dass dies der alten sitte entspricht,
wurde s. 190 betont. In U wurde daraus, dass Dietrich erst
Ecke durchsticht, später aber auf seine bitte ihn enthauptet.
Darauf band er (in U oder erst in HD) den köpf an seinen
Sattel. Auch dieser zug widerspricht der alten sitte nicht
und könnte insofern alt sein. Da er aber der saga nicht be-
kannt ist, da ferner Fasold Dietrich nicht an Eckes köpf,
sondern an seiner rüstung erkennt, da schliesslich str. d 322,
die den köpf nennt, str. 325 vorbereitet und auch L 150 Diet-
rich zu dem köpfe spricht: des ivil ich dich behalten den die
dich hüten uz gesant und teil oiich niht erivinden, ich bring
dich in ir lant, während sonst in L von dem köpfe nirgends
die rede ist (s. 190), muss man schliessen, dass das anbinden
des kopfes an den sattel eine neuerung ist, die dem zwecke
dient, Dietrich den köpf zu den frauen führen zu lassen. Das
tragen des kopfes nach Jocligrim ist auch damit in Überein-
stimmung, dass im liede Dietrich schon während des kampfes
Ecke droht, er werde ihn zu den frauen führen, — eine Um-
drehung der entsprechenden drohung in Eckes munde. Diese
zusammenhänge beweisen unwiderleglich, dass der zug, dass
214 BOER
Dietrich den köpf zu den frauen führt, nicht jünger als HD
ist. Nehmen wir ihn in die Inhaltsangabe der schlussscene
auf, so erhält diese für HD folgende gestalt: die königin ist
froh, als Dietrich sich naht, denn sie sieht ihn für Ecke an.
Dietrich kommt näher und zeigt ihr den köpf, den er ihrem
geliebten abgeschlagen hat. Sie erschreckt darüber heftig,
wird aber von Dietrich getröstet. Darauf wird dieser von
den frauen gut aufgenommen und bewirtet.
In d wurde die freundschaftliche aufnähme fortgelassen;
Dietrich wirft den frauen den köpf vor die füsse und reitet
ohne gruss davon; as machte die aufnähme zum hauptthema
und verband damit den durch umdeutung entstandenen zug,
dass die königin über Eckes tod frohlockt, war aber dadurch
genötigt, den bericht über Eckes köpf fortzulassen.')
Ganz anders endet die geschichte in P. Hier kommt
nicht der held, sondern der bruder des riesen zu dem schlösse
der dame. Man könnte versucht sein, diesen bericht mit dem
von HD zu combinieren und die combination auf den bericht
der quelle, dass Dietrich und Fasold zusammen nach dem
Drachenfels reiten, zurückzuführen. Aber d 322, wo Dietrich,
wie c. 101 der saga allein diesen besuch abstattet, und wo
die frauen glauben. Ecke, nicht Ecke und Väsolt sich nahen
zu sehen, 'verbietet eine solche combination, 2) Schon in U
1) Die directe erzählung von der euthanptimg hatte schon die quelle
von d as verloren. Aber das steht mit der bearbeitnug der schlussscene in
keinem Zusammenhang, sondern damit, dass Dietrich einige Strophen vorher
Ecke durchsticht.
*) Anderseits kann man fragen, ob nicht U vielmehr darin etwas altes
bewahrt haben kann, dass Dietrich allein zu den frauen kommt. Fasolds
ehe mit einer der Prinzessinnen wäre dann eine neuerung der quelle der
saga. Aber der widerholte besuch, an den sowol das lied wie P deutliche
reminiscenzen erhalten haben, widersprechen auch einer solchen hypothese.
Denn wenn Dietrich nach Eccas fall unfreundlich aufgenommen wurde, so
bedurfte es eines neuen datums, die Stimmung der frauen ihm gegenüber
sich ändern zu lassen. Dieses neue datum ist eben der umstand, dass er
in Fasolds begleitung widerkehrt. — Die möglichkeit, dass es sich damit
in einer früheren periode, als der kämpf mit Fasold noch nicht in die
dichtung aufgenommen war, vielleicht anders verhalten habe, und dass da-
mals die tradition nur einen ritt nach dem Drachenfels kannte, leugne ich
nicht. Aber diese entwicklungsstufe der dichtung liegt in den quellen
nicht vor (vgl. § 13).
DAS ECKENLTED UND SEINE QUELLEN. 215
müssen demnach Dietrich und Väsolt sich wider getrennt
haben. Ob sie hier abschied von einander nalimen, wie P,
oder ob Yäsolt von Dietrich getötet wurde, wie das und wol
aucli der verlorene schluss von L erzählen, bleibe dahin-
gestellt. So viel lässt sich doch sagen, dass Yäsolts tod als
eine folge seiner falschheit dargestellt wird und also zugleich
mit den abenteuern, bei denen er eine zweideutige rolle spielt,
aufgenommen sein muss. Der abschied von Väsolt kann dem-
nach wol eine iibergangsstufe repräsentieren. Aber der besuch
des bruders des riesen bei der frau muss eine neuerung in P
sein. Diese lässt sich psychologisch avoI verstehen. Die frau
hat den riesen absichtlich in sein Unglück geschickt, um sich
seiner zu entledigen. Der nächste, der dazu berufen ist, ihn
zu rächen, ist sein bruder, und das geschieht denn auch, wo
dieser einer der Prinzessinnen einen arm abschlägt, liit dem
besuche in der saga, wo Fasold eine der Prinzessinnen zur
frau bekommt, hat das nicht nur nicht die geringste ähnlich-
keit. es steht damit auch nicht mehr in einen genetischen
Zusammenhang.
§ 11. Das Verhältnis der einzelnen redactionen
von HD.
lieber die redactionen des Eckenliedes hat Wilmanns, Alt-
deutsche Studien (Berlin 1871) s. 97 ff. ausführlich gehandelt.
Er gelangt dort zu dem Schlüsse, dass die recension des Dres-
dener heldenbuches (d) und die namentlich durch die ältesten
drucke (as) repräsentierte recension von der nach Zupitza aus
dem Schlüsse des 13. jh.'s, nach Pfeiffer aus dem 14. jh. stam-
menden handschrift L durchaus unabhängig und auch mit
einander nicht näher verwant seien, dass aber L sowol mit d
wie mit as intime berührungen aufweise, die auf eine gemein-
same vorläge schliessen lassen. Daraus würde sich ergeben,
dass sowol d wie as nicht nur L, sondern auch L + as bez. d
gegenüber allein das richtige enthalten könne; dem kritiker
verbleibt dabei die freiheit, ungehindert aus jeder recension
dasjenige für echt zu erklären, was er brauchen kann.
Nehmen wir einen augenblick an, dass AMlmanns aus den
vorliegenden datis mit recht auf eine nähere verwantschaft
von 1j mit teilen von d und anderen teilen von as geschlossen
216
BOER
habe, so bleibt doch die frage, wie man sich ein solches Ver-
hältnis denn vorzustellen habe, von grossem gewichte. Am
schlimmsten für L würde es aussehen, wenn es sich auf die
folgende weise ausdrücken Hesse:
as
d. h, wenn L aus einer contamination der mittelbaren oder
unmittelbaren vorlagen von d und von as entstanden wäre.
Dadurch würde L jeder autorität verlustig gehen und man
müsste sich wol dazu bequemen, die jungen bearbeitungen d
und as der stoffgeschichtlichen forschung zu gründe zu legen.
Aber es ist klar, dass ein etwaiges näheres Verhältnis
von L zu d und zu as auch auf andere weise erklärt werden
könnte. Es Hesse sich denken, dass L mit d oder as eine
gruppe bildete, während die dritte redaction mit L oder der
vorläge von L contaminiert wäre, also nach einem der folgenden
Schemata:
oder as
L as
L d
Eine dritte mögiichkeit wäre, dass d und as beide aus zwei
vorlagen combiniert wären, deren eine L oder die quelle von
L wäre, wobei es von vornherein unentschieden bliebe, ob das
unter einander näher verwant wären. Also:
oder
d L as
as^
as
Diese Schemata könnten noch weiter variiert werden. Worauf
es ankommt, ist, dass in allen diesen fällen ein näheres ver-
DAS ECKENLIED UND SEINE QUßLLEN. 2l7
liältnis von T. zu teilen von d und as erklärlieh wäi'e und
dennocli L durchaus einheitlich sein würde. Für die redac-
tionen d und as aber würde daraus folgen, dass ihre Zeugnisse
in hohem grade verdächtig sein Avürden und dass man den-
selben nur im not fall einen entscheidenden wert beilegen dürfte.
Bei dem verhältnismässig hohen alter (wenigstens 200 jähre
vor as!) und der grossen vorziigiichkeit der lesarten von L
würde aber die Avahrscheinlichkeit, dass einer dieser fälle vor-
läge, bedeutend grösser sein, als dass L aus d und as conta-
miniert sei. Es genügt also nicht zu erklären, dass L mit d
und mit as verwant sei, wenn man nicht zugleich zeigt, wie
denn eine solche verwantschaft zu beurteilen ist.
Anderseits haben wir keinen grund, zwischen den oben
genannten möglichkeiten eine wähl zu treffen, so lange das
nähere Verhältnis von L zu d und as, das jene hypothesen
erklären sollten, nicht bewiesen ist. Dazu genügt es aber
nicht, auf eine noch so grosse reihe von Übereinstimmungen
li inzuweisen. Denn auch eine grosse reihe von Übereinstim-
mungen kann aus dem originale des liedes stammen; nichts
verbürgt im voraus, dass, wo Ld bez. Las gegenüber as bez.
d stehen, die alleinstehende redaction as bez. d auch nur ein
einziges mal das richtige haben müsse. Wenn es sich aber
zeigen sollte, dass die Übereinstimmungen zwischen Ld bez.
Las aus der quelle') stammten, so würde ihre grosse anzahl
nur einen beweis für die vorzüglichkeit von L darstellen,
während die geringere zahl der Übereinstimmungen zwischen
das nur bestätigen würde, dass diese redactionen, wie auch
ein flüchtiger blick in den text lehrt, sich weiter von dem
originale entfernt haben. Die grosse zahl der Übereinstim-
mungen zwischen Ld bez. Las verträgt sich demnach sehr wol
mit einer der folgenden gruppierungen:
as oder
as
') Wo in clor Untersuchung der gruppe Ldas von der quelle oder dem
originale die rede ist, ist stets das original des hochdeutschen liedes
gemeint.
218 BOER
Anders freilich würden diese Übereinstimmungen erklärt
werden müssen, wenn sie einen secundären Charakter zeigten.
Gemeinschaftliche fehler weisen auf eine gemeinschaftliche
quelle. Wilmanns hat denn auch auf zwei wegen versucht,
den secundären Charakter eines teils dieser Übereinstimmungen
darzutun. Seine beweisführung stützt sich auf die reimverhält-
nisse und auf den Inhalt einzelner Strophen oder strophen-
reihen, die L zusammen mit d oder as aufgenommen oder ver-
loren haben soll. Ich gehe zunächst auf die reime ein und
wähle als Untersuchungsmaterial dieselben 96 Strophen, auf
deren Übereinstimmungen AVilmanns seine theorie aufgebaut
hat.') S. 106 wird für die Übereinstimmung in reimwörtern
in 96 Strophen, in denen Ldas verwant sind, die folgende
tabelle aufgestellt:
drei verschiedene reimwörter
dasselbe
reimwort
1 in
52
Strophen
2 „
56
)5
3 „
56
>?
4 „
50
»
5 „
45
5)
6 .
46
n
7 „
12
»
8 „
44
»
9 „
9
!J
10 „
51
J?
11 „
39
55
12 „
43
55
in
4
Strophen
55
4
8
55
55
55
55
10
55
55
21
55
55
13
55
55
42
5)
55
14
55
55
49
55
55
55
18
13
55
51
Da es sich mir bei einer sorgfältigen prüfung des materials
ergeben hat, dass die grosse mehrzahl dieser zahlen unrichtig
ist und mehrere sogar erheblich von den wahren Verhält-
nissen abweichen, sehe ich mich genötigt, der besprechung
der aus ihnen gezogenen Schlüsse eine neue statistische Unter-
suchung vorangehen zu lassen. Damit man mir aber nicht
vorwerfe, dass ich behaupte, was ich nicht beweise, teile ich
^) Die 48 Strophen, in denen L ein Verhältnis zu d oder as zeigt,
während die dritte redaction sich nicht vergleichen lässt, bleiben natürlich
bei der folgenden reimstatistik, die das Verhältnis der drei redactionen ins
äuge fasst, ausser betracht.
DAS ECKENLIKD UND SEINE QUELLEN. 219
zunächst die regeln mit, nach denen zweifelliafte fälle beurteilt
Avorden sind, und drucke am fuss meiner tabelle sämmtliche
Strophenzahlen ab.
I. Wo eine redaction. was sehr häufig- geschieht, die reim-
Avörter eines zeilenpaares umkehrt, "wie z. b. L84, 4. 5 hcstän
: getan, as getan : hcstän, haben wir es in den einzelnen
Zeilen mit verschiedenen reimwörtern zu tun.
II. Wo as unter einander abweichen, gelten die folgenden
regeln: 1) wenn eine von beiden mit L oder d oder Ld über-
einstimmt, so gilt die lesart für die gruppe; 2) wo beide von
L und von d abweichen, werden drei reimwörter (bez. Über-
einstimmung von Ld, nicht aber vier reimwörter) constatiert.
Sämmtliche fälle sind in den anmerkungen verzeichnet.
III. 1) Für identische reimwörter gelten: gleiche zweite
compositionsglieder, mit verschiedenen präfixen versehene
gleiche verba [also fälle wie 20, 6 ') missegie L, umbegee s,
vmhe gie a], sowie einen vollständigen reim bildende gleiche
schwere ableitungssüben.
Die fälle für letztere gruppe sind:
a) lieh: 13,8 vrümelichen L, ritterlichen d; 36,3 minnec-
liclie Ld, iuyendlichen as; 113, 1 zorneclich L, kreff'tecltch d;
141, 3 jcemerlichen Las, clegeleichen d.
Nach einigem schwanken wurden hierher gezählt: 22, 10
sicherlich L, geleiche (adj.) d, geleyche (inf.) as; 141,6 geliehen
Las, wunicJdeichen d.
b) cere: 42, 6 Berncere L, purgcere d. Die lesart von as
hurgerinne geht auf d zurück, weicht aber im reime ab.
c) leit: 170,11 unstceteJceit L, unsellicJcait d, vngestümig-
Iceit as.
Hingegen mussten 43, 1 ellentrich Ld, Icreffteclich as zwei
reimwörter constatiert werden.
2) Für identische reime gelten auch lautlich gleiche oder
nur durch das fehlen bez. Vorhandensein eines auslautenden n
unterschiedene, dem sinne nach aber verschiedene Wörter:
17, 8 vermessen (adj.) Ld, messen (verb.) as;
30, 10 minnen (inf.) Ld, minne (subst.) as;
•) Die zahlen nach L, wo nicht anders angegeben.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. j_5
220 BOEß
118, 10 hellende L, auss der liende d;
119,6 liste L, listen as, verh'sten (verb.) d;
126, 6 tverde{n) (verb.) Ld, werde (adj.) as;
172, 6 belangen L, langen (adv.) a {lenger s.).
3) Offenbare entstellungen, wobei die reimsilbe ungeäudert
geblieben ist:
185, 12 entrant L, zerirant s, entrant a, sii tränt d (ent-
stelliing aus s).
4) Abweichende flectierte formen desselben nomens oder
verbums. Hier ergeben die äussersten fälle absolut abweichende
reime, es ist aber unmöglich, zwischen den einzelnen fällen eine
scharfe grenze zu. ziehen. Da nun der gebrauch eines verschie-
denen tempus in einer zeile oder in einem reimenden zeilen-
paar auch für den sinn keine erhebliche abv\'eichung bedeutet,
erschien es am zweckmässigsten, diese fälle zu den gleichen
reimen zu zählen. Die fälle sind (von dem reime -el-en wird
hier in hinblick auf 111,2 abgesehen):
17, 7. 9 giht } gesiht L, jehen j seilen d;
20,4. 5 hescliiht / gesiht L, gesclielicn / gesehen d;
28.8 gewinnet Las, gewinnen d;
35, 11 gan d, geh as (der schlimmste fall);
37, 3. 6 ersclirachte / erwachte L, erschrecket / erivecket d;
39.9 gesaeh L, gesehen d;
43, 8 — 10 verdriessen J gemessen Las, verdretvsset / genaivs-
set d;
84, 8 gedcehte L, hedechte s, gedenlce d {fechte a, selbständige
abweichung-);
148, 6 gelouhte L, gekmhet d as.
Als verschiedene reimwörter sind hingegen aufzufassen :
56,6 landen Las, eilenden d;
181, 6 mäzen (subst.) Las, ungemessen d.
IV. Verschiedene ausdrücke für denselben begriff sind
verschiedene reime, auch wenn auf beiden selten ableitungen
von demselben stamme, die nicht mehr in die kategorie der
flexion fallen, angewendet worden sind. Von diesem gesichts-
punkte aus sind Bemmre : von Berne als zwei reimwörter auf-
zufassen. Die fälle sind:
29, 6 Bernwre L, von Berne as;
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 221
40,6 Berncere Las, von Berne d;
42, 8 Berncere L, von Berne as;
73,3 Berncere d, von Berne Las.
V. Für sich zu beurteilen sind die folg-eiiden fälle:
1, 1 All rippi nein ad, Agrippian s, Gripmr L. Die starke
abweicliung in L nötigt, zwei reimwörter zu con-
statieren;')
6,(3 gehrochen Ld, gerochen as, eine offenbare entstellung,
aber ein anderes wort, das hier freilich keinen sinn
hat, vgl. zu 33,6;
29, 10 dröuicen L, irehend, eine unverständliche entstellung-,
die aber z. 8 die änderung von lau wen in leben nach
sich gezogen hat;
33, 6 Jcoste d. Ja'stcn as. Jcestcn ist unsinn, aber kein blosser
schreib- oder druckfehler, denn z. 3 ist im anschluss
daran ein neues reimwort eingeflickt worden {besten
für josfe d);
102, 11 crbart (von erbarn) L, hub ... entpar (d.i. empor) d.
Zwei reimwörter.
117.10 weil gen L, 5/t7< wegen d; eine auf misverständnis
beruhende entstellung. Verschiedene reimwörter;
167, 1 reit, guit in d scheint ein druckfehler zu sein; das
reimwort wird zu den gleichen gezählt;
174. 12 nie L, ie d, im gleichen sinn. Gleiches reimwort.
VI. \\o in einer redaction (L oder d) eine zeile fehlt, sind
negative Schlüsse, die sich aus einer anderen mit ihr reimenden
zeile ziehen Hessen, für die statistische tabelle benutzt worden;
die zahl der fehlenden Zeilen steht dann in der tabelle in
klammern (1 fall).
Unsere tabelle bekommt folgendes aussehen^):
ein zwei drei unsicher, da
reimwort reimwörter reimwörter 1 vers fehlt summe
z. 1 49 41 6 — 96
2 52 36 8 — .96
') üebrigens ist mit Gripiär etwas anderes gemeint als mit Ayrip-
piiii)an, s. s. 249, anm. 1 .
") Die fälle sind:
Z. 1. Ldas: Str. 2. 7. 8. 13. 15. 17. 19. 20. 21. 22. 26. 29. 80. 32. 33.
15*
^22 Boteß
ein
zwei
drei
unsicher,
da
reimwort
reimwürter
reimwörter
1 vers fehlt
summe
z. 3
55
33
8
—
96
4
40
41
15
—
96
5
36
32
27
1
96
6
45
36
13
2
96
7
12
41
43
• —
96
8
41
38
16
1
96
9
8
33
54
1
96
10
45
29
22
(1)
96
11
40
44
12
—
96
12
42
42
12
—
96
34. 35. 40. 44. 48. 50. 51. 57. 64. 65. 72. 74. 79. 84. 97. 99. 100. 103. 108.
110. 117. 118. 122. 124. 125. 128. 140. 141. 143. 167. 168. 169. 171. 183.
Ld: Str. 12. 27. 28. 31. 36. 37. 38. 41. 42. 43. 56. 58. 59. 68. 69. 70.
113. 123. 126. 127. 165. 170.
Las: Str. 6. 60. 71. 73. 102. 111. 114. 119. 148. 164. 172. 177. 181.
182. 184.
das: Str. 1. 101. 112. 161.
3 reimwörter: str. 39. 87. 88. 162. 174. 185.
Z. 2. Ldas: str. 2. 6. 7. 8. 13. 15. 17. 19. 20. 21. 22. 26. 33. 35. 40.
43. 44. 48. 50. 51. 57. 64. 65. 71. 72. 74. 79. 84. 97. 99. 100. 101. 103.
108. 117. 118. 122. 125. 126. 127. 128. 140. 141. 143. 164. 165. 167. 168.
169. 170. 171. 183.
Ld: Str. 12. 27. 28. 29. 31. 32. 34. 36. 37. 38. 39. 41. 56. 58. 59. 68.
69. 70. 111. 113. 123.
Las: Str. 60.73. 102. 114. 119. 124. 148. 162. 172. 177. 181. 182. 184.
das: Str. 1. 161.
3 reimwörter: str. 30. 42. 87. 88. 110. 112. 174. 185.
Z. 3. Ldas: str. 1. 2. 6. 7. 8. 13. 15. 17. 19. 21. 22. 28. 31. 32. 34.
36. 38. 39. 41. 43. 51. 56. 57. 60. 65. 69. 72. 79. 84. 97. 99. 101. 108. 110.
111. 117. 119. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 140. 141. 143. 148. 168.
169. 170. 172. 182. 183. 184.
Ld: Str. 12. 20. 27. 33. 37. 42. 59. 87. 113. 162. 164.
Las: Str. 26. 29. 30. 35. 40. 44. 58. 71. 73. 112. 114. 118. 167. 174.
177. 181.
das: Str. 48. 74. 100. 102. 161. 185.
3 reimwörter: str. 50. 64 68. 70. 88. 103. 165. 171.
Z. 4. Ldas: str. 1. 2. 7. 8. 13. 15. 17. 21. 22. 26. 28. 29. 32. 34. 39.
40. 42. 48. 50. 60. 64. 65. 69. 73. 101. 102. 108. 110. 117. 118. 122. 124.
125. 128. 141. 143. 148. 170. 174. 181.
Ld: Str. 19. 20. 27. 31. 33. 36. 37. 38. 41. 44. 59. 68. 74. 88. 103.
162. 172.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 223
Die zahlen der zweiten reilie (2 reiniwörter) verteilen sich
über die einzelnen grnppen wie folgt:
L(l Las
z. 1 22 15
2 21 13
3 n 16
4 17 21
5 14 15
6 14 17
7 16 19
8 19 17
9 13 12
10 13 13
11 23 15
12 24 13 5 42
as
summe
4
41
2
86
6
33
3
41
3
32
5
36
6
41
2
38
8
33
3
29
6
44
Las: Str. 6. 30. 35. 51. 56. 58. 72. 112. 114. 119. 123. 126. 127. 140.
164. 167. 168. 169. 171. 184. 185.
das: Str. 57. 84. 161.
3 reimwörter: str. 12. 43. 70. 71. 79. 87. 97. 99. 100. 111. 113. 165.
177. 182. 183.
Z. 5. Ldas: str. 1. 2. 8. 15. 17. 22. 26. 28. 32. 34. 39. 40. 42. 44. 48.
50. 59. 60. 65. 72. 73. 101. 102. 110. 118. 124. 125. 128. 140. 141. 143. 148.
162. 170. 174. 181.
Ld: Str. 13. 19. 20. 27. 29. 31. 36. 37. 38. 41. 69. 74. 79. 103.
Las: Str. 6. 30. 56. 58. 108. 112. 114. 119. 127. 167. 169. 171. 177.
182. 184.
das: Str. 57. 122. 161.
3 reimwörter: str. 7. 12. 33. 35. 43. 51. 64. 68. 70. 71. 84. 87. 88. 97.
99. 100. 111. 113. 117. 123. 126. 164. 165. 168. 172. 183. 185.
Unsicher: str. 21 (L fehlt. Ldas möglich).
Z. 6. Ldas: str. 1. 2. 8. 13. 15. 17. 19. 21. 22. 31. 34. 39. 41. 43. 51.
57. 60. 64. 69. 79. 84. 97. 101. 102. 108. 111. 117. 119. 123. 124. 125. 126.
127. 128. 140. 141. 143. 148. 161. 162. .168. 169. 182. 183. 184.
Ld: Str. 6. 12. 27. 28. 36. 37. 42. 59. 65. 68. 74. 113. 122. 164.
Las: Str. 26. 35. 40. 44. 48. 56. 58. 71. 72. 73. 112. 114. 118. 167. 172.
177. 181.
das: Str. 7. 38. 99. 100. 185.
3 reimwörter: str. 20. 29. 32. 33. 50. 70. 88. 103. 110. 165. 170.
171. 174.
Unsicher: str. 30 (L fehlt. Las möglich). 87 (L fehlt. Ld möglich).
Z. 7. Ldas: str. 2. 8. 33. 41. 48. 58. 69. 70. 113. 143. 167. 168.
Ld: Str. 13. 17. 19. 27. 29. 31. 32. 37. 42. 51. 57. 60. 65. 71. 87. 148.
224 BOER
Aus diesen zahlen lassen sich mit gleichem rechte oder
unrechte ähnliche Schlüsse ziehen, wie AVilmanns sie aus seinen
zahlen gezogen hat. Wir gehen jetzt zu der besprechung
dieser Schlüsse über. Wilmanns glaubt, dass in der gemein-
schaftlichen vorläge der drei fassungen z. 7. 9 reimlos gewesen
seien. Erst allmählich sei in den ursprünglichen langzeilen
7 — 8 und 9 — 10 der cäsurreim eingeführt worden; die durch-
führung dieser neuer ung aber gehöre erst der periode der
Sonderentwicklung der gruppen Ld und Las an. Daraus er-
kläre es sich, dass in z. 7. 9 zwar das zusammengehen zweier
recensionen keine Seltenheit, die zahl der fälle aber, wo das-
selbe reimwort in allen drei recensionen auftritt, auf 12 bez. 9
(wofür 8 einzusetzen ist) beschränkt ist.
Las: Str. 21. 26. 34. 35. M. 56. 101. 112. 117. 118. 124. 127. 141. 161.
164. 171. 177. 183. 184.
das: Str. 28. 59. 103. 119. 123. 128.
3 reimwörter: str. 1. 6. 7. 12. 15. 20. 22. 30. 36. 38. 39. 40. 43. 50.
64. 68. 72. 73. 74. 79. 84. 88. 97. 99. 100. 102. 108. 110. 111. 114. 122. 125.
126. 140. 162. 165. 169. 170. 172. 174. 181. 182. 185.
Z. 8. Lflas: str. 2. 6. 7. 8. 17. 19. 21. 26. 27. 28. 33. 34. 39. 41. 42.
43. 44. 48. 51. 57. 58. 64. 71. 73. 74. 84. 97. 102. 108. 113. 119. 122. 123.
128. 140. 143. 148. 168. 170. 171. 174.
Ld: Str. 12. 13. 20. 22. 29. 36. 38. 50. 56. 69. 70. 110. 118. 125. 161.
164. 167. 177. 182.
Las: Str. 30. 31. 35. 59. 60. 88. 99. 101. 111. 114. 124. 141. 169. 181.
183. 184. 185.
das: Str. 162. 165.
3 reimwörter: str. 1. 15. 32. 37. 40. 65. 68. 72. 79. 87. 100. 112. 117.
126. 127. 172.
Unsicher: str. 103 (d fehlt. Ld ist möglich).
Z. 9. Ldas: str. 2. 8. 28. 70. 141. 143. 167. 181.
Ld: Str. 6. 12. 17. 19. 29. 37. 39. 50. 57. 69. 87. 118. 122.
Las: Str. 21. 33. 35. 56. 101. 112. 117. 124. 127. 161. 164. 168.
das: Str. 22. 26. 34. 48. 64. 119. 123. 128.
3 reimwörter: str. 1. 7. 13. 15. 20. 27. 30. 31. 32. 36. 38. 40. 41. 42.
43. 44. 51. 58. 59. 65. 68. 71. 72. 73. 74. 79. 84. 88. 97. 99. 100. 102. 103.
108. 110. 111. 113. 114. 125. 126. 140. 148. 162. 165. 169. 170. 171. 172.
174. 177. 182. 183. 184. 185.
Unsicher : str. 60 (d fehlt. Ld ist möglich).
Z. 10. Ldas: str. 2. 6. 7. 8. 15. 17. 19. 21. 22. 26. 27. 30. 31. 33. 34.
39. 42. 43. 44. 48. 51. 56. 57. 58. 64. 71. 73. 74. 97. 102. 108. 113. 119.
122. 123. 125. 128. 141. 143. 148. 168. 170. 171. 174. 181.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 225
Dazu ist nun zunäclist zu bemerken, dass, wenn die niedrige
zahl der fälle, wo in allen diei redactionen in z. 7. 0 dasselbe
reiniwort auftritt, ausscliliesslich darauf beruhen würde, dass
die gemeinsame quelle diese reime noch nicht kannte, man
nicht versteht, warum auch für die übrigen Zeilen die zahlen,
die die gemeinsamen reinu\ in noch höherem grade aber die,
welche die fälle, dass drei reimwörter auftreten, angeben, so
erheblich von einander abweichen. Wenn das Verhältnis für
z. 1— G. 8. 10. 12 einigermassen constant wäre und nur z. 7. 9
eine ausmihme bildeten, so würde Wilmanns erklärung wenig-
stens principiell genügen. Aber das ist nicht der fall. Wäh-
rend z. 1 nur in G fällen unter 9G Strophen drei reimwörter
hat, steigt die zahl allmählich bis zu 27 in z. 5, sinkt dann
Ld: Str. 12. 3G. 41. 50. 69. WS. 110. 118. 140. 164. 167. 177. 182.
Las: Str. 59. 60. 72. 88. 9!»- 101. 111. 112. 124. 169. 183. 184. 185.
das: Str. 114. 162. 165.
3 reimwörter: str. 1. 13. 20. 28. 29. 32. 35. 37. 38. 40. 65. 68. 70. 79.
84. 87. 100. 117. 126. 127. 161. 172.
Unsicher: str. 60 (d fehlt, weicht von Las ab).
Z. 11. Ldas : str. 7. 8. 15. 19. 21. 26. 28. 29. 31. 32. 33. 34. 39. 40.
41. 43. 44. 50. 56. 57. 59. 74. 87. 101. 114. 117. 118. 119. 123. 125. 143.
148. 162. 165. 167. 168. 170. 177. 184. 185.
Ld: Str. 6. 12. 20. 22. 27. 36. 37. 38. 51. 58. 60. 65. 69. 70. 73. 79.
88. 99. 110. 122. 140. 174. 182.
Las: Str. 2. 48. 64. 72. 97. 111. 112. 113. 124. 127. 128. 161. 169.
181. 183.
das: Str. 1. 17. 35. 42. 71. 108.
3 reimwörter: str. 13. 30. 68. 84. 100. 102. 103. 126. 141. 164. 171. 172.
Z. 12. Ldas: str. 2. 7. 8. 17. 19. 21. 26. 29. 31. 32. 33. 34. 39. 40.
41. 44. 50. 56. 57. 59. 73. 74. 87. 101. 113. 114. 117. 118. 119. 125. 140.
141. 143. 148. 162. 165. 167. 168. 170. 177. 184. 185.
Ld: Str. 6. 12. 15. 20. 22. 27. 28. 37. 38. 43. 51. 58. 60. 65. 70. 79.
84. 88. 99. 103. 110. 122. 174. 182.
Las: Str. 48. 64. 72. 97. 111. 112. 123. 124. 127. 128. 161. 169. 181.
das: Str. 1. 13. 42. 71. 108.
3 reimwörter: str. 30. 35. 36. 68. 69. 100. 102. 126. 164. 171. 172. 183.
a und s weichen von Ld und zugleich von einander ab in den folgenden
fällen: 15,8. 20,7. 60,12. 65,4. 65,10. 70,2. 73,11. 74,7. 84,10. 114,7.
172, 12. 177, 9.
s weicht willkürlich ab, wo a mit L oder d oder Ld übereinstimmt:
6,5. 21,6. 31,11. 44,11. 73,12. 88,10. 102,8. 117,6. 152,7. 172,6.
a weicht willkürlich ab : 84, 8.
a hat demnach einen besseren text als s.
226 BOER
auf 13, erreicht in z. 7. 9 ihren höhepunkt mit 43 bez. 54, für
z. 8 lautet sie 16, nach z. 9 sinkt sie alhnählich: 22. 12. 12.
Diese zahlen 'zeigen, dass auch die abweichungen in z. 7. 9
noch in anderen Verhältnissen als der einführung des Ccäsur-
reims ihren grund haben müssen.')
Ferner lässt es sich wahrscheinlich machen, dass die ge-
meinsame quelle von Ldas schon eine nicht ganz geringe zahl
an reimen in z. 7. 9 enthalten haben muss. Die zahl der
') Dieser grund wird darin zn suclieu sein, dass für die Umarbeitung
eines strophischen gedichtes im allgemeinen dieselben regeln gelten wie
für die reproduction aus dem gedächtnisse. Auch der umarbeiter oder ab-
schreiber nimmt abschnitte von bestimmter länge, also bei strophischen
gedichten am leichtesten eine Strophe, zugleich in sich auf und setzt sich
dann an die arbeit. Nun ist es eine bekannte tatsache, dass in solchen
fällen der anfang einer Strophe am besten erhalten bleibt. In der mitte
findet am leichtesten eine einsinkung des gedächtnisses statt. Ferner wirkt
das gedächtnis am besten, wo es durch ein reiniwort oder dadurch, dass
der anfang eines Satzes bekannt ist, gestützt wird. Die niaschine läuft
dann bis zu dem Schlüsse des satzes ohne stocken ab. Wenn wir diese
bekannten tatsachen auf das Eckenlied anwenden, so lässt es sich leicht
verstehen, dass z. 1 — 3 im allgemeinen gut erhalten sind; wir haben hier
den anfang der Strophe vor uns, der satz geht der regel nach bis zum
Schlüsse von z. 3, und z. 2 wird durch den reim mit z. 1 gestützt. Dem
entsprechen die hohen zahlen 49. 52. 55. Etwas ungünstiger gestalten sich
die Verhältnisse für z.4 — 6 Aber noch sind wir im anfang der Strophe,
noch ist der inhalt in den meisten fällen mit z. 1—3 nahe verwant, und
das reimwort in z. 6 wird durch z. 3 gestützt. Dem entsprechen die zahlen
40, 86. 45 (dass z. 6 die höchste zahl hat, ist nach dem gesagten ganz in
der Ordnung; z. 5 steht natürlich hinter z, 4, von der sie abhängig ist,
zurück). Damit ist die mitte der Strophe und zugleich ein vorläufiger ab-
schluss erreicht. Der gedanke nimmt oft eine neue Wendung, ein reimwort,
das dem gedächtnis zu hilfe kommen könnte, gibt es nicht: nur eine un-
gefähre Vorstellung des Inhaltes ist vorhanden, und die folge davon ist,
dass für z. 7 eine neue form gesucht wird. Die zahl der gleichen reira-
wörter ist hier 12. Für z. 9 muss die zahl, da z. 9 von z. 7 abhängig ist,
notwendig noch niedriger sein. Für z. 8 ist sie bedeutend höher (41),
8 ist an 10 (mit 45) gebunden, und mit z. 10 nahen wir uns dem Schlüsse
der Strophe; wo das gedächtnis wider auflebt; z. 11—12 zeigen eine etwas
niedrigere zahl als z. 10 (40 bez. 42), die zahlen für zwei reimwörter sind
aber bedeutend höher (44. 42 gegen 29; 3 reimwörter 12. 12 gegen 22).
Diese zahlen scheinen wenigstens zu beweisen, dass tatsächlich neben der
einführung des cäsurreims auch die niederschrift nach oberflächlicher lectüre
aus dem gedächtnis als ein factor für die beurteilung der abweichungen
von z. 7. 9 mit in rechuung gezogen werden muss,
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 227
gleichen reimwörter ist für z. 7 zwölf, für z. 9 acht; davon
kommen 5 fälle auf die nämliche Strophe. Im ganzen sind es
also 15 Strophen, in denen entweder z. 7 oder z. 9 oder beide
in Ldas dasselbe reimwort haben. Auch wenn mau nun, um
den Zufall so viel wie möglich zu beschränken, annehmen will,
dass in all diesen Strophen ein reim dadurch hergestellt worden
ist, dass entweder z. 7 oder z. 9 ungeändert gelassen, in der
correspondierenden zeile aber ein reimwort eingeführt worden
sei, so würde, wenn diese verse in der quelle nicht reimten,
daraus doch folgen, dass zwei oder sogar drei umarbeiter in
5 unter 15 fällen auf dasselbe reimwort verfallen v»ären. Da
das nicht anzunehmen ist, werden diese fünf reime ganz gems
aus der gemeinsamen quelle stammen. Die übrigen 10 fälle
aber sehen nicht danach aus, als seien sie anders zu beurteilen.
Denn hier gehen sechsmal zwei redactionen auch in der corre-
spondierenden zeile zusammen, und zwar dreimal Las, einmal
Ld, zweimal das. Wer diese Übereinstimmungen aus conta-
minationen erklären will, kommt wenigstens damit nicht aus,
dass er L für mit d und as verwant erklärt; mann müsste
dann weiter auf eine berührung zwischen d und as schliessen.
Wir können also daraus, dass L mit d und mit as in
z. 7. 9 eine gewisse zahl gemeinsame reime hat, nicht schliessen,
dass L mit d. und mit as näher verwant ist. Denn wenn die
quelle in z. 7. 9 reime enthielt, so lässt sich im voraus nicht
sagen, wie gross die zahl der Strophen war, wo diese zeilen
reimten; die Übereinstimmungen zwischen Ld bez. Las in
z. 7. 9 können sehr wol aus der quelle stammen. Nur dann
würde sich aus diesen zahlen etwas schliessen lassen, wenn
auch hier z. 7. 9 sich von den übrigen zeilen abhüben, und
zwar in der weise, dass die berührungen zwischen Ld und
Las relativ häufiger, wenigstens nicht weniger häufig als in
den übrigen zeilen wären. Auf jeden fall aber müsste, wenn
die reime in z. 7. 9 in einer periode einer gemeinschaftlichen
entwicklung von Ld bez. Las, von der jedesmal as bez. d aus-
geschlossen wären, entstanden wären, also jünger wären als
die Periode der gemeinsamen entwicklung von das, die zahl
der Übereinstimmungen zwischen diesen beiden redactionen,
die schon in den übrigen zeilen niedrig ist, hier auf ein minimum
herabsinken, das nicht grösser wäre als der absolute zufall
228 BOER
zulassen würde; eine höhere zahl für das in z. 7. 9 als in z. 1
— 6. 8. 10—12 würde Wilmanns annähme immitteroar ad ab-
surdum führen.
Ein blick in unsere zweite tabelle lehrt nun. dass die
Verhältnisse tatsächlich solche sind, die "\Mlmanns h3730these
widerlegen. Die zahlen für das zusammenoehen zw^eier redac-
tionen wechseln bei den verschiedenen zeilen von 29 bis 44;
z. 7. 9 weisen die mittleren zahlen 41 und 33 auf. Für Ld
gehen die zalilen von 11 bis 24; z. 7. 9 haben die verhältnis-
mässig' niedrigen zahlen 13. 16 (z. 7 hat nur z. 3 unter sich).
Für Las sind die äussersten zahlen 12 und 21, z. 9 hat die
niedrigste zahl 12, z. 7 hat 19. Für das gehen die zahlen
von 2 bis 8; z. 7. 9 haben die beiden höchsten zahlen 6 und 8
(daneben noch zweimal 6, aber keine 7 oder 8). In procent-
rechnung bekommen wir Übereinstimmung zwischen:
Ld
Las
das
1
5327,,
«/o
3624/,,
^'o
931/4.
«/o
2
58'/3
^'o
36'/9
Vo
55/9
Vo
3
33>/3
«/<•
48 '6/33
Vo
I8V1.
Vo
4
41'«/.!
«/o
519/4,
«/o
7'^/4,
Vo
5
433/4
Vo
46^8
«/o
ÖVs
7o
6
388/9
'lo
472/9
Ho
138/9
"/o
7
39 '/4,
'Vo
46%,
%
1420/4,
''/o
8
50
«/o
44'4/,9
V.
55/,9
Vo
9
3913/33
Vo
364/,,
7o
248/33
Vo
10
4424/29
^'o
4424/29
«/o
10'"/-29
Vo
11
523/n
Vo
34 '/i,
^'o
13Vii
<^/o
12
57 Vt
%
3020/2,
Vo
11 '''/■i,
«/o
der fälle, wo zwei redactioiien zusaminengeheu.
Es zeigt sich, dass bei Ld z. 7 in der häufigkeit der Überein-
stimmungen die neunte, z. 9 die zehnte stelle einnimmt (z. 3
hat eine niedrigere zahl; z. 6 steht z. 7 ganz nahe).
Bei Las nimmt z. 7 die fünfte, z. 9 die achte stelle ein.
Bei d as steht z. 7 an dritter, z. 9 an erster stelle mit
248/33, während die nächstfolgende zeile nur 18 '/,i hat.
Daraus muss man, wenn anders die Statistik noch etwas
gelten soll, schliessen, dass, wenn ein teil der reime in z. 7. 9
einer periode angehört, in der zwei der überlieferten redac-
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 229
tionen sich zwar von der dritten, aber noch niclit von einander
abg-ezweigt liatten, wir für diese periode weder Ld gegenüber
as, noch Las gegenüber d, sondern d as gegenüber L zu grup-
pieren haben. Und da die zahl der fälle, wo in allen redac-
tioneu z. 7. 0 dasselbe reimwort haben, so äusserst gering ist,
werden wir auch wol zu dem Schlüsse gedrängt, dass in der
gemeinsamen quelle von Ldas noch eine gewisse anzahl Strophen
dieses reims entbehrten. A\'ir werden aber schliessen müssen,
dass die IG + 19 fälle, in denen in z. 7, sow'ie die 13 + 12
fälle, wo in z. 9 d oder as mit L übereinstimmen, schon der
quelle angehörten. Freilich wird ein reim der quelle nur
durch die fälle bewiesen, wo Ld bez. Las zugleich in z. 7 und
in z. 9 übereinstimmen, d. i. für G fälle in Ld, 10 in Las, zu-
sammen mit 5 fällen in Ldas 21. Zieht man aber in betracht,
dass sowol d wie as unaufhörlich abweichen, so wird man be-
rechtigt sein, die zahl der Strophen der gemeinsamen quelle,
wo z. 7. 9 reimten, bedeutend hölier anzuschlagen. Wie hoch,
das lässt sich auf grund der gegebenen data nicht entscheiden.
Aber ein beträchtlicher teil der fälle, wo in z. 7. 9 drei ver-
schiedene reimwörter auftreten, wird, wie bei den übrigen
Zeilen, der selbständigen entwicklung von d und von as zuzu-
schreiben sein.
Dass d und as unter einander näher verwant sind, findet
man bestätigt, wenn man einige stellen, wo sie zusammen von
L abweichen, näher betrachtet. Die gemeinsamen fehler
liegen zum greifen. Ich lasse die besprechung einiger stellen
folgen.
L 17. d 17. s 12. Die königin gibt den W'Unsch zu er-
kennen, den Berner zu sehen: wer ist der Berncere, dem nu
so hohes lohes gihi vil menic Jielt vermessen? Dann folgt z. 9
— 11 oh in min onge niht gesiht, so hat min cjot veryezzen und
muo2 oucJi yar unscelic sin. Statt dessen das Je/* gsach in
nye, das ist mir leyd (mve, dass ich in nit sol sehn d). Wie
hat Gott mein vergessen (ich kan sein nit vergessen [!] d), das
ich so gar unselig (so unglückhafiig as) hin.
L 26. d 29. as 25. Die königin gibt zu erkenhen, dass
ihre Sehnsucht gestillt w'erden würde, wenn sie Dietrich nur
einmal zu sehen bekäme; z. 8— 10 ez hcem mir Uht se guote,
sceh ich den fiirsten lohes rieh: ich lieze in uz dem muote.
230 BOER
das führen ganz irrtümlich das präsens ein: es koiupt mir
leicht zu gute, und ist das ich den held gesteh (ob ich in nun
ein mal ansich as), icli lass (los d!) in aus dem (meim as) mute.
31. 35. 26. Die königin redet von dem seh wert, das sie
Ecke zur hand stellt; sein Imoph ist ein j6chant\ sein orthant
i^t rot ruhbin; dann folgt (z. 8 — 10): si seile im liebiu mcere,
daz da von bortesklen fin des swertes vezzel woere. Statt
z. 9- — 10 haben as: ivie das von Alexandria das schwert her-
kommen wäre, d: tvie das von Alexander sein (sie! eine letzte
reminiscenz an fin L) sein sesselporte tvere. Dass von der
qualität, nicht von der herkunft des Schwertes bez. seiner
einzelnen teile die rede ist, zeigt das, was vorher über den
hioph und das orthant gesagt ist, und auch das, was folgt:
ez ivas vil ivär, das si im jach, ivan ez her Ecke selbe mit
sinen ougen sach (ähnlich auch das).
33. 37. 27. z. 1 — 6 lauten in L: Si bot im einen niuwen
schilt, da tvart mit sper nie durch gczilt von keifier stallte juste.
da Mengen tüsent schellen an geivorht von koste lohesam,
der daJite in da zer brüste. — Die quelle von das änderte
juste (z. 3) in joste und räumte z. 6, deren reim dadurch un-
möglich geworden war, auf. Aus z. 5 wurden zwei zeilen
gemacht, die in d als z. 5. 6 fungieren: die iraren alrot gid-
dein schon, tvol von der pestcn koste. Das reimwort für z. 6
stammt aus L z. 5 {von koste lohesam). Diese lesart von d
liegt as zu gründe, wo des weiteren koste zu kesten entstellt
und dann auch z. 3 umgearbeitet wurde (gemachet nach dem
besten; das wort besten aus d z. 6; in L stand es noch nicht).
34. 38. 29. Ecke will das ihm angebotene pferd nicht
annehmen; z. 7 — 10 ez treit mich doch die lenge niht mit aller
siner krefte, nu ivizzent vroiuve, sivaz mir heschicht, daz ich
mich niht behefte (z. 11) 7)iit rosse. Die quelle von das schrieb
z. 7 nit und konnte nun heschicht nicht als reimwort brauchen ;
z. 9 — 10 lauten hier: nun wolle Gott, das ich mich nit mit
Teilten hie beheffte (welche spräche!). So noch as (a nicht j
nicht). In d wurde aus dem reime nit j nit das erste (ui'-
sprüugliche) mt durch die neuerung (z. 7) es treit mich nit ob
ich es rit) entfernt; das zweite (jüngere) nit blieb erhalten
(zu beachten ist der schlechte reim nt [= rite] j nit).
35. 39. 30. z. 6— U. Die königin spricht zu Ecke: ivan
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 231
sprichet mir Jcein erc, wem 'daz er gar venväsen si, der dir
gap die [hrünne und dir niht rosses gap da hi. phi im und
stncm liinne'. da von rit ez die wll ez iver. — Statt der
charakteristischen z. 10 haben as die leere phrase: iviU du
mir eeren günnen. d arbeitet die Strophe um. aber die stelle
as 10 kehrt z. 9 — 10 wider: lier Eclc, ivilt mir der eeren gün,
so reit, des Jiah ich ere. L z. 10 ist aucli hier verschwunden.
37. 41. 32. Eckes reise durch das gebirge. d und as
weichen beide selbständig- bedeutend ab. Aber einen hübschen
zug hatte schon die quelle von das durch eine fade bemerkung
ersetzt. Ecke wird von den wihleu tieren angegafft, z. 7 — 12
der schilt, den er zem arme truoc, ivolt clingens nie gesivtgen
(9) vögele unde tiere genuoc (10) diu hahien zuo den stigeti
(11) und scliouten sin vil stvinde vart. (12) sus im von icilden
tieren vil nach geliaphet nart. — In d sind z. 7 — 8 nahezu
ungeändert erhalten. Aus 9 — 11 wird: der tvilden tyr der was
genug, die forchten sielt gar sere; sie fluchen (d.i. flohen) in al
auf der fart. z. 12 ist dem sinne nach erhalten: von mangen
ivilden tJiyrren im doch ser noch gesechen tvart. Der bedeu-
tende fehler, dass die tiere nicht hergelaufen kommen, sondern
vor Ecke fliehen, findet sich auch in as. z. 7 — 8 werden as 7
tcenn im der heim nun rürt den ast] d 9 — 10 werden as 8 — 10
die vögel (d. i. L) und die thiere den heim hortend erklingen fast
(reminiscenz an L 8), sie wurden fliehen (d.i. d fluchen)
schiere. — z. 11 — 12 sind völlig entstellt: das im von ivilden
thieren geschehen was nije mehr, [geschehen beruht auf ge-
sehen (d), das in der quelle von d as für das charakteristische
gekaphet des Originals eingetreten war.
40. 45. 36. Ecke hat von dem einsiedler vernommen, wo
der Berner sich aufhält; er dankt ihm, nimmt aber zugleich
abschied, z. 9 — 10 hier mite tvart urloup da genomen. den
Stic hat er im zeigen, z. 11 — 12 will der eremit ihn die nacht
über bei sich behalten, aber vergebens. — In der quelle von
das waren z. 9 — 10 zu Eckes rede gezogen; aus zeigen war
zielten geworden: 10 d er sprach: 'her tvirt gesegen dich got;
ich wil von hinnen ziehen. In as wurde ziehen durch das
synonj-me scheiden ersetzt, was änderungen in z. 8 nach sich
gezogen hat.
50. 54. 42. Ecke geht von Bern, unz er Trient ane sach.
232 BOEß
51 lieisst es dann: Üf Trient die hure er dannoch gie. Die
quelle von das schrieb an beiden stellen für Trient Tirold,
Tyrol, machte also Tirol zu einer stadt; so d; as ändern das
zweite mal Tyrol in Trenclienhurg.
72. 81. 60. z. 3. 6 reimen vcrre j herre. z. 8. 10 JBerncere j
ivcere. In as ist ein schlechter reim dadurch entstanden, dass
z. 8 von Berne für Berncere geschrieben wurde, z. 3 hat
vertze, was für die Strophe in dieser gestalt noch ohne bedeu-
tung ist. In d ist von Beren aus z. 8 nach z. 6 versetzt und
reimt nun auf reren in z. 3; ivcere ist aus z. 10 nach z. 8 ver-
setzt, und z. 9. 10 wurden neu bearbeitet, wobei z. 10 das
reim wort mere (d. i. nuere) eing-eflickt worden ist.
102. 114. 76. Bis zum schluss der vorigen Strophe hat
Ecke das wort geführt. Jetzt hebt Dietrich zu sprechen an.
z. 1—3 Er sprach: 'diner höchvart mich heviU, das du mich
hehvingen tvilt, daz tvirt dir lihte sivwre . . ' (reim in z. 6 mcere).
In das ist Er sprach (z. 1) fortgelassen, z. 3 fehlt; dafür findet
sich die phrase : Und das sprach der Bernere as, sprach da der
Per euere d. — d arbeitet z. 1 — 2 weiter um.
110. 129, 87. z. 1 — 3 Bin sunne an das gehirge gie, dem
Berner wart so leide nie, er hat niht schiltes mere. Statt z. 2
schreibt die quelle von das: Sie wonten pey einander ye. So d.
as ändert das noch mit nie verwante, unmöglich gewordene
ye in hie; d ändert die sinnlos gewordene in as erhaltene z. 3
und schreibt: Bieterich hat kein schilt mere.
112. 141. 89. z. 1 — 3 Er sprach: got hilf nach miner gir:
du hast vil giiotez reht ze mir, ivan ich dir ivol getrouive. —
z. 2 ist charakteristisch, und auf ihren Inhalt bezieht sich auch
z. 3: weil der Berner auf gott vertraut, liegt diesem die pflicht
ob, ihm zu hilfe zu kommen. In der quelle von d as ist dieser
gedanke ausgefallen und hat das ganze einen matten anstrich
bekommen; z. 1 — 2 sind umgesetzt: . . . Herr Gott, hilf mir,
das hitt ich dich (phrase) auss rechter gir. d geht einen schritt
weiter, lässt die neue zweite zeile aus, macht z. 3 zu 2 mit
dem reimworte dir (tvan ich dos tvol getraice dir) und flickt
aus dem folgenden eine neue dritte zeile ein: das ich mug auf
in haiven.
119. 135. 94. Ecke sagt (z. 11—12): ivas wcenest du deich
sjiar an dir'f' eimveder lebende cdd töter so muostu volgen mir.
DAS ECKENUED UND SEINE QUELLEN. 233
— d entstellt z. 11: ivas mainstn das ich sndi ])cy dir. So
auch as, nur ^iech an dir (sitrh aus such entstellt). Quelle
von das such an dir aus spar an dir (L).
122. 155. 103. Ecke wundert sich über Dietrichs kraft,
z. 4 — 5: dii wonst mir vientUchcn ht, reht als ein man noch in
dir si. Nach das glaubt Ecke, dass noch zwei männer in
Dietrich seien; z. 5 vo)i art als oh deiner teeren drei as, recht
sam doch iveren deyner drey d. Aber in der folgenden Strophe:
d z. 4 du vichtes, sam dein iveren ziven, in as (völlig* verderbt)
z. 5 und meyn nit das dein(er) seien{d) ziven. L (z. 5) und
vihtest als din zwene sin.
143. 183. 114. Dietricli beklagt Eckes tod. Wenn er nur
einen anderen nanien trüge: z. 2 — 8 und ivwre ich niuwan
vome namen (icJin mochte ivie ich hieze), daz icli cht anders
tvcere genant, ald wiere vermürt in ein sieinivant, daz mich
der name lieze, (7) deich niht von Berne icmre yeborn, (8) ivaz
clagte ich dünne mere? — z. 2—4 sind in das ziemlich gut
erhalten. Dann folgt (z. 5 — 8): iver ich {oder as) vermauret
in ein icant der mich names (sein nun as) erlisse, oder dass
ich ye ivart geporn, ivas claget ich dan mere {das Mag ich
immer mehre as). — Abgesehen von anderen torheiten, genügt
wol der unsinn, der durch die auslassung von von Berne ent-
steht, zur beurteilung der stelle.
148. 205. 129. Dietrich spricht bei Eckes leiche (z.6— 9):
der nu des geloubte deich dich släfende niht envant, dö ich dir
stach die ivunden, so tvurde ich scelic gar hekant. z. 6 schreiben
das an die stelle des Präteritum das präsens: der mir es nun
gelaubet as, er sprach, der mir gelaubet d. Aber z. 9 so iver ich
noch ein selig man as. d setzt hier etwas anderes an die stelle.
162. 215. 138. z. 11 L er sprach: vrou ivie ist er genant?
d schreibt vor er ein anorganisches h: nun sag, f'raiv, tvie ist
her genant? Daraus as: Er sprach {= L): tvie ist der Herr
genant? — Quelle von das: er sprach: vrou, ivie ist her
genant.
Aehnliche stellen wie die oben besprochenen finden sich
nahezu in jeder Strophe. Sie bestätigen, was man im voraus
erwarten konnte, dass nicht die einzige alte handschrift aus
supponierten guten vorlagen zweier in erbärmlichster weise
verderbter junger texte combiniert ist, dass sie vielmehr dem
234 BOER
hoclideiitsclien originale noch ganz nalie steht, und dass die
jungen texte, obgleich beide eine unzahl selbständiger Ver-
derbnisse aufweisen, doch von einer gemeinsamen vorläge
stammen, die sich von dem originale schon weit entfernt hatte.
Daraus folgt, dass sowol für die fragen der höheren wie der
niederen kritik L jeder Untersuchung durchaus zu gründe ge-
legt werden muss, und dass das kein grösseres vertrauen ver-
dienen, als jeder unbefangene beobachter solchen texten ent-
gegenbringt. Ein Zeugnis von d oder as wider Las bez. Ld
gilt gar nichts; ein solches von das wider L hat den wert
eines Zeugnisses einer schlechten recension gegen eine gute.
Nur für die in L fehlenden partien sind wir auf das an-
gewiesen. Die vielen Übereinstimmungen aber zwischen L
und d bez. as sind als Zeugnisse für L aufzufassen.
Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass auch L ein
breitrediges gedieht voller Widersprüche ist. Diese tatsache
lässt sich allerdings nicht leugnen, aber sie findet in der Vor-
geschichte der hochdeutschen bearbeitung ihre erklärung.
Die fehler von L sind im grossen und ganzen die fehler von
HD. Das älteste hochdeutsche Eckenlied ist nun einmal eine
grobe bearbeitung, sogar wie es scheint eine doppelte (näheres
§ 12) eines gut zusammenhängenden niederdeutschen gedichtes;
daran lässt sich nichts ändern. Dass L eine überaus grosse
anzahl Strophen enthält, die von diesem Standpunkte inter-
poliert genannt werden müssen, ist freilich anzuerkennen und
wurde im laufe dieser Untersuchung widerholt hervorgehoben,
aber die hoffnung, mit liilfe von d oder as oder diesen recen-
sionen in Vereinigung solche Interpolationen aus L entfernen
zu können, ist eine Illusion. Der einzige weg, auf dem über
die Vorgeschichte auch der hochdeutschen Überlieferung sich
etwas ermitteln lässt, ist die vergleichung mit der quelle, die
wie wir ausführlich gezeigt haben, in der p. s. in nahezu un-
geänderter gestalt vorliegt. Zwar fehlen einige male in as
Strophen, die einen durchaus zufälligen Charakter tragen, da
aber as durchgehend kürzen und auch alte Strophenreihen
von nicht geringem umfang auslassen, existiert nicht der ge-
ringste grund, solche in as fehlende Strophen für zusätze in
Ld anzusehen. Aehnlich verhält es sich mit den minusstellen
von das.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 235
Um die gewonnenen resultate auch von dieser seite sicher
zu stellen, empfiehlt es sich, die stellen, wo Wilmanns das
vor L den vorzug- gibt oder im stroplienbestand bez. im inhalt
beriilirungen zwischen L und d bez. as annimmt, kurz revue
passieren zu lassen.
Den Vorzug vor L verdienen nach Wilmanns d as an den
folgenden stellen:
L 149. 150. Eckes enthauptung. Die stelle wurde schon
ausführlich besprochen, d macht anspielungen auf die ent-
hauptung und erzählt, dass Dietrich den köpf nach -Tochgrim
führt; die enthauptung stammt aus der nd. (luelle und ist der
ausgangspunkt für alles, was später von dem köpfe erzählt
wird. Auch der grund der auslassung in das ist uns schon
klar geworden (oben s. 190, vgl. s. 214, anm. 1).
L 75 — 78 fehlen nach Wilmanns in das, und zwar, wie er
annimmt, mit recht. Aber str. 78 enthält die aus der nd. quelle
stammende anpreisung des helmes (oben s. 185). i)
L 85. 86 fehlen in das. Aber 85,11 Da maJit wol heizen
Dieterich wurde s. 186, anm. als eine umgedeutete reminiscenz
an eine stelle der nd. quelle erkannt.
L 93 — 95 fehlen in das. Aber die anpreisung des bönit,
geht auf eine alte stelle zurück (s. 186).
L 151—160. Die begegnung mit Babehilt. Der auftritt ist
aus einer hauptepisode der nd. quelle entstanden; ihr fehlen in
das ist eines der wiclitigsten Zeugnisse dafür, dass diese
beiden recensionen eine gruppe bilden, die längere abschnitte
auslässt.
Ueber L 91, 115 — 116 lässt sich nichts näheres sagen.
Wenn gründe vorhanden wären, diese Strophen zu streichen,
so könnte man sie leicht entbehren. Welche autorität aber
dem negativen zeugnis von das zukommt, das wird jetzt wol
hinlänglich klar geworden sein.
Ein näheres Verhältnis zwischen L und d nimmt Wilmanns
an folgenden stellen ein:
L 80—83. d 86—88, vgl. 91. 94. Die stelle fehlt in as.
') In d fehlt tatsächlich L 78 nicht, ist aber zu zwei Strophen erweitert,
die irrtümlich auf die beschreibuug des Schwertes folgen (s. s. 185, anm. 1).
Beiträge zur geschichle der deutschen spräche. XXXII. J^(j
236 BOER
Es ist die aus der nd. quelle stammende geschichte des Schwertes
(s. 187 f.), die as ausgelassen hat.
L 104—106, d 124—126 fehlen in as. Es ist die s. 193 ff.
besprochene kurze Unterbrechung des kämpf es, die ein aus-
gangspunkt für die längere in das wurde, d hat beide er-
halten, as hat die kürzere scene aufgegeben.
lieber die übrigen angeblichen zusätze in Ld lässt sich
weniger sicheres sagen. Die stellen können sämmtlich, wie
viele andere, wol entbehrt werden, ohne dass man den verlust
spüren würde, was aber wider sie angeführt wird, sind lauter
subjective gründe. Auf das fehlen in as ist nach unseren
bisherigen erfahrungen nicht der geringste wert zu legen.
— Gegen L 28 — 25, d 23 — 25 wird neben ihrer breite an-
geführt, dass Ecke 'als riese' gottes namen nicht im munde
führen dürfe, — eine blosse behauptung. Wir haben gesehen,
dass Ecke von anfang an nicht einmal ein riese ist. Dasselbe
gilt von den bedenken gegen L 9. 130. — Zu L 45—47. d 50
— 52 wird für L sogar eine compilation aus zwei redactionen,
deren eine weder zu d noch zu as gehört, angenommen (also
wären, da sonst eine combination aus d und as angenommen
wird, für L wenigstens drei quellen anzunehmen). Zu L 120
wird von einem 'plan der dichtung' geredet; dieser plan aber
ist nicht aus einer vergleichung der quellen erschlossen, son-
dern frei construiert, L 144 muss unecht sein, weil Dietrich
Eckes namen ausspricht, L 175, weil das wilde fräulein nicht
nur Dietrich, sondern auch sein pferd versorgt. Diese argu-
mentation scheint mir wenig dazu geeignet, die vorzüglichkeit
von as vor Ld dazutun.
Für eine nähere berührung zwischen L und as werden
von Wilmanns drei neben einander stehende stellen angeführt:
L 176, as 150, d 233. — L 177—180, as 152—154, d 235-238.
— L 172. 173, as 147. 148, d 229. Auf letztere stelle geht
Wilmanns nicht ein; selbstredend ist aber die vorzüglichkeit
von d keineswegs. So viel leuchtet sofort ein, dass wenigstens
d 229, 5 — 6 machwerk sind (reim in d lehin / sterben, in L
leben / geben), und dass, wenn das fräulein L 179, 12. d 229, 12
von den 'würzen' redet, mit denen sie den beiden zu heilen
gedenkt, es wenigstens ganz angemessen erscheint, dass Diet-
rich L 173, 1 von ivunden seic . . . üf das lant. Hier hat also
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 237
d zwei stroplien zu einer zusammengezogen. — Was L 176
anbelangt, hier scheint es ganz in der Ordnung, dass das
fräulein. nachdem schon der geruch des krautes Dietrich zu
gute gekommen ist, ihn nun auch seiner brünne entkleidet und
seine wunden mit dem kraute einreibt. In d treten dafür leere
phrasen an die stelle, z. 3 mit frcudcn, one laide, 6 des volget er
der maidc, 7 — 10 ein trachen icart ir do cjezilt . . . do icacht
die mait mit sorgen. Wahrlich, das sieht nicht aus wie die
spräche eines dichters aus der guten zeit der mhd. dichtung.
Aehnlich verhält es sich auch mit L 177 — 180; ob mau hier im
allgemeinen den inhalt von L oder von d vorzieht, das ist reine
geschmackssache, — gross ist der abstand nicht; — die dar-
stellung in d aber ist wie sonst in hohem grade verwässert,
vgl. z. b. d 235,5 — 6 ein hundlein 1mm auf der fart, das höret
die iunJc fraive mit L 177, 6 — 7 vil oftc si hedühte, ez liefen
hunde durch den icalt, oder d 236, 12 des maint die tiigent-
letche, der helt und der wer tot mit L 179, 12 si schrie vil
litte 'iväfen! histu helihen tot?'
Wir könnten hiermit von dem Verhältnis der recensionen
Ldas abschied nehmen, wenn der letzte abschnitt nicht wäre.
Die frage, ob die drei bearbeituugen sich in dieser partie
einander gegenüber ebenso verhalten wie früher, ist für die
geschichte des textes von dem grössten gewichte. Da hier
die ab weichungen stets grössere Proportionen annehmen, ist
man gewohnt, hier von drei selbständigen bearbeituugen zu
reden, deren jede von dem ursprünglichen Inhalte etwas be-
wahrt haben möge, und man erlangt dadurch die freiheit, aus
jeder das zu wählen, was einem beliebt. Es lässt sich aber
auch hier der nachweis führen, dass das zusammen auf eine
redaction zurückgehen, die aus L oder einer L sehr nahe
stehenden vorläge entstellt war, und dass man also nur da,
wo L abbricht, mit der grössten vorsieht zu d as seine Zuflucht
nehmen darf. Das behagen an den kämpfen mit Ungeheuern
hat die jüngeren umdichter dazu verführt, hier noch freier
mit dem texte zu schalten, als in den ersten 200 Strophen
geschehen ist, und das ist auch der grund, dass as und d hier
auch in der darstellung der begebenheiten ziemlich weit aus-
einandergehen. Aber doch sind es dieselben abenteuer, von
16*
238 BOER
denen beide recensionen berichten; nur ist die reilienfolge ge-
stört. Die änderungen in der reilienfolge aber werden durchaus
verständlich, wenn man nur zwischen L und d bez. as das not-
wendige bindeglied *das einschaltet. Es zeigt sich dann, dass in
jeder folgenden receusion nur geringe Verschiebungen statt-
gefunden haben. Das resultat der Verschiebungen ist aller-
dings ein bedeutender abstand zwischen den überlieferten
recensionen.
In L wird nach Väsolts besiegung erzählt, dass Dietrich
und Väsolt sich zusammen auf den weg begeben. Ihr erster
besuch gilt einem herrn, der bisher Väsolts dienstmann gewesen
ist, nun aber sich Dietrich unterwirft (202—207). Bei tische
wird man von zwergen bedient (204, 7 — 8). Darauf reiten
die genossen (208) durch den wald gen einem Jiolen steine, wo
Eckenot haust, der, als er Eckes tod vernimmt, Dietrich an-
greift und von ihm erschlagen wird (221). Darüber gerät der
held mit Väsolt, der Eckenots tod beklagt, in streit, lässt sich
aber beschwichtigen (223. 224). Dietrich fragt dann (225),
wer diesen stein hie hiutve, und bekommt die antwort, es sei
Walrich; Väsolt gelobt ihm, ihm beizustehen, falls Walrich
Dietrich angreifen sollte (226). Dass Walrich dazu bestimmt
war, eine weitere rolle zu spielen, folgt mit Sicherheit aus
seiner erwähnung. Erst aber folgt nun die begegnung mit
Väsolts weiblicher verwantschaft, seiner mutter Birkhilt (228)
und, nachdem Dietrich diese erschlagen, seiner Schwester
üodelgart (239), die auf ihr geschrei herbeigeeilt kam.
Damit bricht L ab. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass
noch ein auftritt mit Walrich sich angeschlossen haben muss,
und dass Dietrich am Schlüsse sich allein, wol nachdem er
Väsolt erschlagen hatte (s. 215), nach Jochgrim begeben hat
(§ 10), wo er Eckes köpf den frauen vorzeigte. Ob die hand-
schrift noch andere abenteuer enthielt, lässt sich nicht ent-
scheiden.
d erzählt das folgende: Nach Väsolts besiegung (266)
reiten die beiden in den wald. In der nacht besucht Väsolt
den riesen Zerre (271) und berichtet ihm Eckes tod. Zerre
bittet ihn, es seiner mutter, die Eckes und Väsolts muhme
ist, zu erzählen (273); bei Kachin sind zwei andere riesinnen,
Kallech und Kitsch (274). Väsolt kehrt zu Dietrich zurück
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 230
(277); Eachin aber kommt herbei, um Ecke zu rächen, und
wird (290) von Dietrich erschlagen. Dann schreit sie laut auf
(291), worauf Zerre und sein bruder Weiderich herbeieilen.
Zerre wird erschlagen (296). Weiderich aber beträgt sich
friedfertig und lobt Dietrich (297 ff.).
Diese scene enthält dieselben elemente wie in Jj die be-
gegnung mit den riesinnen. Eachin ist Birkliilt gleichzusetzen,
Kallech und Eitsch entsprechen Uodelgart. Der kämpf mit
Uodelgart ist ausgelassen; an ihrer stelle werden zwei rie-
sinnen genannt. Da dieser kämpf fehlt, kommt auf Eachins
geschrei nicht ihre tochter, sondern ihre söhne heran. Wei-
derich ist Walrich; statt eines riesen werden deren zwei
erwähnt. Wie in L wird ein riese vor dem kämpf mit der
riesin kurz erwähnt. Dietrichs begegnung mit ihm findet wie
dort erst nach der besiegung der riesin statt. Ob L zwei
riesen kannte, und ob Walrich hier friedfertig gestimmt war,
lässt sich nicht entscheiden.
Dann kämpft Dietrich (300) von neuem mit Yäsolt und
erschlägt ihn (303, 1). Weiderich freut sich und gibt Dietrich
zu essen (303). Dietrich trifft Eckenut vor eynes velses icunt
(300). Dieser greift ihn an, als er den tod seiner freunde
erfährt, und wird von ihm erschlagen (311). Der auftritt
correspondiert mit L 208—221.
Dietrich reitet zu einer bürg, wo er einen kämpf mit
zwei bildsäulen besteht (312 ff.). Dann reitet er (317) gm
Gocher im.
as erzählen: Nach Väsolts besiegung reiten die beiden
zu einer bürg (Metz, nach 179). Ein zwerg zeigt ihnen den
weg (181). ') Man wird gut bewirtet (183). Yäsolt behauptet,
er wolle nicht zwei herren haben, und schwört dem Dietrich
einen eid (183. 184), — eine umkehrung des zuges aus L, dass
der wirt nicht zwei herren haben soll und dem Dietrich an
Väsolts stelle schwört. Der auftritt correspondiert mit L
202—207; in dem zwerge sind die dienenden zwerge (L 204)
leicht widerzuerkennen.
»j Der iiame des zwerges Albriaii(us) (186. 187) scheint eine entstel-
luug aus Alberich, dem zwerge, der das schwert geschmiedet hat, zu seiu
(8. 187, anm. 2).
240 KOER
Väsolt reitet zu seiner base Rutze; Dietrich bleibt in
Metz (187: der wirt gibt auskunft über Eckes und Väsolts
g-esclilecht; er hat diese dinge von dem zwerge vernommen.
Zusatz in as). Dann reitet Dietrich Väsolt nach. Dieser
hat Eutzes söhnen, zwei gewaltigen riesen, seine not geklagt
(189); diese greifen den Berner an (190) und werden 'er-
schlagen (203. 205). Das erfährt Rutze von Väsolt (207); sie
greift Dietrich an (211) und wird erschlagen (215; z. 5 das
heijn ir an der haute hie = d 290, 11 das linJce pein er ir ah
scIiivanJi] in L schlägt er ihr den köpf ab). — Die scene ent-
spricht dem kämpfe mit der riesenbrut in L und d, nur sind
die einzelnen kämpfe umgestellt; zuerst wird mit den riesen,
dann mit der mutter gekämpft. Die frau ist Väsolts muhme
wie in d; die riesen sind ihre söhne; die namen der riesen
sind fortgelassen, und beide sind feindlich gesinnt (für diesen
zug lässt sich die priorität nicht bestimmen). Von den drei
riesinnen, von denen auch in d nur eine kämpft, ist nur eine
zurückgeblieben,
Dietrich und Väsolt kommen zu einer bürg (218), wo
Eckenut wohnt (220). Väsolt erzählt Eckenöt, wen Dietrich
erschlagen hat. Der kämpf mit Eckenöt is durch eine unmög-
liche erzählung von einem bezauberten apfel ersetzt.
Bei einem brunnen setzt der Berner den heim ab, und Väsolt
wirft denselben in verräterischer absieht hinunter (233). Dann
kämpft Dietrich von neuem mit Väsolt (235), lässt sich aber
beschwichtigen. Die scene ist eine törichte ausführung von
L 223. 224, wo das Zerwürfnis mit Väsolt gleichfalls unmittel-
bar auf die Eckenötepisode folgt, aber vernünftigerweise auch
eine folge davon ist. — Väsolt wird nun gebunden (sinnlose
ausführung der Situation).
Man kommt zu dem sitze der königinnen (239), gen Agrip-
pia (242), wo Dietrich Väsolt auf seine bitte losbindet (240).
Vor dem tore stehen die gefährlichen bildsäulen (244, vgl.
d 312), die Dietrich beinahe erschlagen hätten (245. 246).
Zugleich greift Väsolt ihn an (246); es entsteht ein harter
kämpf; die drei königinnen kommen heran und schauen dem
gef echte zu (246). Dietrich erschlägt Väsolt (249); die köni-
ginnen aber sind verschwunden; frau Segburg (sie) lässt den
beiden zu sich entbieten (250); er reitet fort (251), lässt sich
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 241
aber durch ein edle mayet zur rückkelir bewegeu imd wird
empfang-eu (253).
Vasolts tod eutspriclit d 303. Die gescliichte von den
bildsäulen ist in die schlussscene aufgenommen; es wird näm-
lich erzählt, dass die bildsäulen vor dem tor der bürg, wo die
königinnen hausen, stehen.
Uebersehen wir diesen stoff, so lässt er sich in die folgen-
den hauptabschnitte, deren reihenfolge wir nun näher betrachten
müssen, zusammenfassen :
Eeihenfolge der quelle (HD).
I besiegung Vasolts.
II bewirtung bei einem herrn, der Dietrich treue schwört.
III Kckenot. Im einzelnen:
a. kämpf mit Eckenot.
h. daraus folgend: Zerwürfnis mit Väsolt.
IV kämpf mit der riesenfamilie, und zwar:
a. erwähnung eines riesen, dessen wohuung man sich
naht.
h. kämpf mit Vasolts mutter.
c. kämpf mit ihrer tochter.
d. kämpf mit einem oder zwei riesen (den unter a
genannten).
V (?) gefahr von bildsäulen.
VI (?) Vasolts tod.
VII Dietrich auf Jochgrim.
Das ist vollständig die reihenfolge von L. Nur ist zu bemerken,
dass L in IV c. abbricht, und dass es nicht sicher ist, dass
diese redaction schon V und VI enthielt. In bezug auf V ist
das sogar sehr unwahrscheinlich; eher gehört VI schon HD an
(s. 215). Vasolts betragen in L ist weniger falsch als in das;
es ist möglich, aber kaum wahrscheinlich, dass er hier noch
in freundschaft von Dietrich abschied nahm. Dass dieser
schon in HD allein nach Jochgrim kam, wurde § 10 gezeigt.
Reihenfolge der quelle von das.
IV ist vor III gestellt worden. V VI gehören jedenfalls
schon dieser bearbeitung an. Innerhalb IV findet sich die
neuerung, dass der kämpf mit Uodelgart ausgelassen ist.
Aber eine zweite (auch eine dritte?) riesin wurde noch ge-
242 BOER
nannt. ') IV a. wurde daliin geändert, dass Yasolt liinterlistig
allein zu einem der riesen reitet und ihm Eckes tod mitteilt.
Die zahl der riesen ist hier ganz bestimmt zwei, und die riesen
sind söhne der riesin (diese beiden einzelheiten stehen für die
quelle nicht fest).
Reihenfolge in d (aus dem vorhergehenden ab-
geleitet).
II wird ausgelassen.
VI (Väsolts tod) wird vor III (Eckenot) gestellt. Die
folge davon ist, dass III h. (das Zerwürfnis mit Väsolt) aus-
fällt, und dass Dietrich die weiteren aben teuer allein besteht.'^)
Reihenfolge von as (aus der quelle von das ab-
geleitet).
V VI sind in VII aufgenommen, in der weise, dass ein
teil von VII vor V gestellt wird, was des Aveitereu unzweck-
mässige widerholungen verursacht.
Innerhalb IV sind h d umgestellt, während c, das schon
in der quelle von das zu der erwähnung eines oder zweier
namen herabgesunken war, fehlt. Der causalnexus zwischen
III a. und III b. wird durch entstellung von III a. und durch
einen eingeschobenen auftritt aufgehoben, aber die alte reihen-
folge bleibt bestehen.
Wir fassen diese entwicklung in folgender graphischen
darstellung zusammen:
(luelle und L I. II. III, U. IV, ZTc~[d. \? VI? VII.]
quelle von das I. IL IV, a. h. (c.) d. III, a. h. V. VI. VII.
d I. — IV, a. h. (c.) d. VI. III, a. V. — VII.
quelle von das I. II. IV, a. b. (c.) d. III, a. b. V. VI. VII.
as I. IL IV, 77.^^. III, a. b. (VII.) V. VL VIL
— ' — . = zusamraeuhäugeude erzähluug
[ ] = fehlt in L
? = unsicher
( ) = sdnvache reminiscenz oder vorläufige vorwegnähme eines zuges.
') Es ist nicht unmöglich, dass schon HD drei riesiunen kannte; die dritte
kann in dem verlornen teil von L genannt gewesen sein; vgl. s. 208, anm. 1.
^) Es wurde oben der Übersichtlichkeit wegen davon abgesehen, dass
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 243
§ 12. Das Verhältnis der französischen bearbeitung
(P) zu dem hochdeutschen gedichte und dessen
einzelnen recensionen.
Scheinbar sind wir im vorhergehenden widerholt davon
ausgegangen, dass die redactionen Ldas zusammen P gegen-
über eine gruppe bilden. Die gemeinsame ([uelle von Ldas
wurde HD, die von Ldas + P wurde U genannt, und mehr-
fach wurde P in seiner einzelentwicklung Ldas gegenüber-
gestellt. Wir müssen uns aber jetzt vergegenwärtigen, was
s. 161, anm. bemerkt wurde, dass U vorläufig als eine noch
nicht genau bestimmte grosse aufzufassen sei, in bezug auf
welche die möglichkeit offengelassen werden musste, dass sie
sich nachträglich als mit HD identisch entpuppen würde.
Der grund, der zweifei an der Stellung von P veranlasst,
ist, dass die tatsachen einander zu widersprechen scheinen.
Im § 2—10 unserer Untersuchung hat es sich widerholt ergeben,
dass P die in allen redactionen von HD überlieferte darstellung
weiter ausführt oder davon ausgeht. Aus solchen fällen geht
hervor, dass LdasP zusammen auf eine umgearbeitete quelle
zurückgehen; die quelle von P könnte hier aber gerade so
gut HD wie L oder d oder as, oder auch eine vor HD liegende
bearbeitung sein. Ferner hat es sich ergeben, dass HD in
einigen fällen von der darstellung, die P zu gründe liegt,
ausgeht und neues hinzufügt. Solche stellen scheinen auf eine
gruppierung Ldas : P zu deuten und die annähme zu recTit-
fertigen, dass U vor HD liege. Drittens sind wir auf solche
fälle gestossen, wo neuerungen einzelner redactionen von HD
sich in P widerfanden. Diese scheinen dazu zu nötigen, U
mit einer redaction von HD gleichzustellen. Es erscheint
demnach unumgänglich, alle diese stellen in ihrem Zusammen-
hang zu betrachten.
Von dieser betrachtung sind alle diejenigen stellen aus-
geschlossen, wo alle recensionen, die saga einbegriffen, zu-
auch in d, wie es scheint vmabliängig von as die anknnft awf Jochgrim.
gespalten ist. Str. 317 kommt Dietrich nach Gocherim, dort sitzen drei
künige, die er besiegt; dann reitet er str. 321 geti Jochrimen zu den köni-
giunen. Jochrim aber ist mit Gocherim identisch, vgl. d 21i, und die drei
künige sind eine sinnlose widerholung der drei königinuen.
244 BOER
sammengelieii. Aus diesen lässt sich selbstverständlich in
bezug auf die gruppierung nichts schliessen. Ebenso solche,
wo P die gegebene darstellung selbständig weiterführt.')
Diese haben nur insofern einen wert, als der ausgangspunkt
der ausführung in P die darstellung einer bestimmten gruppe
sein kann. So lässt sich aus dem furnier , dass die dame am
anfang von P geben lassen will, nichts weiteres schliessen,
als dass die quelle von P die einleitung enthielt, was wir
auch ohne diese zutat wissen würden.
I. Dass P der saga gegenüber mit Ldas auf einer linie
steht, hat sich hauptsächlich aus den folgenden datis ergeben :
1) Die einleitung. — Dass die königin von liebe zu Diet-
rich ergriffen ist, ist ausführung davon, dass sie sich heftig
danach sehnt, ihn zu sehen. — Zu der einleitung gehört auch,
dass der riese dem beiden nachreist. Dass der held unter
einem bäume liegt, als der riese sich ihm naht, ist eine neue-
rung, die davon ausgeht, dass der riese ihn sucht, also die
einleitung voraussetzt.
2) Die bitte des besiegten riesen an den sieger, seine
rüstuug anzuziehen. Das geht einerseits auf die anpreisung
der w^affen ((ßielle und HD), anderseits aber auf die bitte, ihm
den köpf abzuschlagen (HD, s. 197, anm. 1) zurück.
3) Der rat, ein stück von dem hämisch abzuschneiden,
geht auf HD zurück, wo Dietrich, ohne diesen rat empfangen
zu haben, ein stück abtrennt.
4) Das mitleid des beiden mit dem besiegten riesen geht
auf Dietrichs selbstanklage (= HD) zurück.
5) Die bewirtung bei dem riesen geht auf die bewirtung
bei einem dienstmann des riesen (HD) zurück. Die entspre-
chende steile der quelle steht weiter ab.
II. Innerhalb HD ergibt sich ein näheres Verhältnis zwi-
schen P und das aus den folgenden stellen:
1) Der karfunkelstein im helme des riesen. In d trägt
Hiltegrim einen karfunkelstein; in as ist die entsprechende
1) Hierher gehören einzelheiteu wie diese, dass anstatt der drei köui-
ginnen deren eine aiiftritt, dass der hekl den riesen bittet, den kämpf auf-
zuschieben, bis er ein abenteuer im dienste einer fremden dame wird bestanden
haben, und viele andere.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 245
stelle verderbt, aber die Vorstellung von d liegt as zu gründe
(s. 180, anm. 3).
2) Die Unterbrechung des kämpf es (s. 193 ff.), eine sehr
wichtige gemeinschaftliche neuerung.
III. Innerhalb das ergibt sich ein näheres Verhältnis
zwischen P und as aus den folgenden stellen:
1) Der riese ist so schwer, dass kein pferd ihn zu tragen
vermag, as 31 ich bin sn scJnver (vgl. s. 168, anm. 3). In Ld
wird nur gesagt, dass Ecke grössere ausdauer habe als
das pferd.
2) Das abschlagen des kopfes ist ausgelassen wie in as.
Zwar fehlen die Strophen auch in d, aber diese redaction ent-
hält mehrere anspielungen auf diese tat, und Dietrich trägt
hier den köpf nach Jochgrim.
3) Die eigentümlichen genealogischen mitteilungen. In as
(str. 187) hat Eckes vater eine irilde meyd beschlafen; in P
hat er ein mädchen entehrt. — Die speculationen über Eckes
namen in d. as. P scheinen selbständig zu sein.
4) Der riese ist ein lästiger liebhaber, wie as str. 260.
261, wo die köuigin Dietrich preist, der sie von Ecke er-
löst hat.
IV. Ein näheres Verhältnis zu d könnte man an der fol-
genden stelle vermuten:
Der ritter begräbt den leichnani des riesen, d.i. d 203.
Die stelle kann aber verhältnismässig spät in as ausgefallen
sein, sie würde dann zu II zu stellen sein und würde auch
einer gruppierung d > asP nicht widersprechen.
\'. Für ein näheres Verhältnis zu L spricht keine ein-
zige stelle.
Zu welchem Schlüsse diese stellen nötigen, das kann nicht
zweifelhaft sein. Die gliederung der redactionen liegt in den
Übereinstimmungen mit P klar vor äugen, und P gehört der
jüngsten gruppe as an. Die einzige der angeführten stellen,
die dieser auffassung widersprechen könnte, lässt sich durch
die annähme eines Verlustes in as leicht neutralisieren; alle
übrigen stellen fügen sich von selbst, während mit der
annähme, dass P über as hinausgehe, gruppe III, mit der,
dass P über das hinausgehe, auch II und IV sich nicht
246 BOER
vertragen. Das nahe Verhältnis zu as lässt sich also nicht
leugnen.
Ferner geht aus den angeführten stellen klar hervor, dass
nicht as von P, sondern P von der gruppe as abhängig ist.
Eine etwaige abhängigkeit von P würde sich in as nur so
erklären lassen, dass as secundär aus einer fremden redaction,
der quelle von P, züge aufgenommen hätte. Aber damit blieben
die stellen unerklärt, wo P mit d as übereinstimmt. Man müsste
in diesem fall annehmen, dass erst die quelle von das, später
die von as von der quelle von P beeinflusst worden wäre.
Die ent Wicklung der züge, bei denen die Übereinstimmungen
stattfinden, zeigt auch, dass sie in as organisch entstanden
sind. Dass der riese für das pferd zu schwer ist, geht
wenigstens von HD aus; das fehlen jeder andeutung davon,
dass Dietrich Eckes köpf abschlägt, ist in as die consequenz
davon, dass diese tat sclion in das nicht mehr direct erzählt
wird, setzt also die ent Wicklung von das fort; dass die königin
sich über Eckes tod freut, ist eine umdeutung des in d erhal-
tenen zuges, dass sie sich freut, als sie Dietrich sich nahen
sieht; daraus entstand die Vorstellung, dass Ecke ein un-
bequemer liebhaber sei, die dann in P nachträglich aus der
schlussscene auch in die einleitung aufgenommen wurde.
P steht also an allen diesen stellen auf der jüngsten stufe;
die möglichkeit einer beeinflussung von as durch P ist aus-
geschlossen.
Es hat sich als eine unwiderlegliche tatsache ergeben, dass
die französische erzählung, die Freiberg für die quelle der Über-
lieferung in all ihren Verzweigungen erklärt hat, aus der jüngsten
und schlechtesten redaction des Eckenliedes entstanden ist.
Aber es gibt doch einzelne stellen, die sich von diesem
Standpunkte aus nicht verstehen lassen und darauf hinzuweisen
scheinen, dass P stellenweise über HD hinausgeht.
Die stellen sind:
1. P hat Dietrichs ersten ritt nach dem Drachenfels in
einer ursprünglicheren form bewahrt als L (s. oben s. 200),
Die tatsache steht fest, die beweiskraft der stelle wird aber
dadurch geschmälert, dass der auftritt nur in P und L, nicht
in das erhalten ist. Es liesse sich nun denken, dass die dar-
stellung dieser episode in L nicht die von HD wäre. Die
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 247
erzälilung könnte in der quelle von das und noch in der von
as in einer reineren form als in L erhalten gewesen sein.
Daraus wäre sie in P übergegangen; das aber hätten sie
später verloren. Man miisste aber in diesem fall annehmen,
dass d und as sie unabhängig von einander aufgegeben hätten,
was freilich nicht unmöglich wäre, denn das stimmen hier
nicht mit einander überein"; d lässt Dietrich unmittelbar nach
dem kämpfe mit Ecke mit der wilden mait zusammentreffen,
as schalten eine zweite begegnung mit Helferich ein.
AVichtiger erscheint das bedenken, dass hier zum ersten
mal au einer wichtigen stelle die darstelluug von d as ursprüng-
licher als die von L gewesen sein sollte. Die erhaltene Über-
lieferung hat dafür kein einziges beispiel aufzuweisen.
2. In P fehlen der auftritt mit der wilden maid und Vä-
solts und Dietrichs gemeinschaftliche abenteuer bis auf die
auf eine scene der quelle zurückgehende bewirtung bei einem
Vasallen (in P bei dem bruder des riesen). Wir haben es hier
mit einer minusstelle zu tun. die freilich in P ausgelassen sein
könnte. Aber dabei bleiben doch mehrere einzelheiten auffällig.
Zunächst diese, dass von den gemeinschaftlichen erlebnissen
der beiden nur die eine episode, die auf eine stelle der quelle
zurückgeht, erhalten sein sollte, während alles übrige fehlt.
Sodann ist zu bedenken, dass durch die einschaltung der epi-
sode mit der wilden maid der kämpf mit Väsolt in HD in
hohem grade unverständlich geworden ist. Dass Väsolt Diet-
rich angreift, um seinen bruder zu rächen, kommt in HD nur
noch in zweiter linie in betracht; erst wird wegen der jung-
fi'au gekämpft; in P aber stürmt der bruder des riesen, so-
bald er den ritter sich nahen sieht, sofort auf ihn ein. Auch
geht der zug in P, da>ss der ritter seinem gegner um seines
bruders willen vergibt, auf eine stelle der quelle zurück (s. 202),
in HD aber ist dieser zug verloren.
3. Der abschied von dem bruder des riesen. In das erschlägt
Dietrich Väsolt. Der abschied scheint eine Übergangsstufe von
der Vorstellung der quelle, wo die beiden zusammen nach dem
Drachenfels reiten, zu der von das zu repräsentieren. Zwar wissen
wir nicht mit Sicherheit, auf welche weise in L Dietrich und
Väsolt sich trennten, aber auch wenn L hier mit P überein-
stimmen sollte, so würde P hier doch über d as hinausgehen.
248 BOER
Diese züge sclieinen auf eine von HD unabliängige quelle
von P zu deuten. Nun werden wir auch noch durch andere
erwägungen zu dem Schlüsse geführt, dass zwischen der quelle
und HD eine breite Umarbeitung liegt. Es lassen sich näm-
lich in HD zwei schichten von Zusätzen bez. änderungen
nachweisen, die unmöglich von demselben dichter herrühren
können. Am durchsichtigsten sind die Verhältnisse au der
auf den kämpf mit Ecke folgenden stelle. Die geschichte
mit Babehilt beruht, auch in ihrer ältesten, durch P bezeugten
gestalt, auf einer durchgreifenden Umarbeitung (s. 199 f.).
Aber die begegnung mit der wilden maid und also auch
die damit zusammenhängenden scenen müssen jünger sein.
Denn es findet sich hier der unlösliche Widerspruch, dass
Dietrichs wunden erst von Babehilt, darauf von der wilden
maid geheilt werden.') Der Widerspruch ist ein so schroffer,
dass, um ihn zu beseitigen, d as die erste heilung ausgelassen
haben. Also ist HD aus einer doppelten Umarbeitung ent-
standen; die zweite ist die bisher als HD bezeichnete.
Nun gehört, wie wir s. 207 gezeigt haben, die localisatiou
auf Jochgrim der zweiten Umarbeitung an, und es sind ent-
scheidende gründe vorhanden, diese localisatiou mit der ältesten
süddeutschen bearbeitung in Verbindung zu stellen. Die ent-
wicklung der poesie weist darauf, dass die erste Umarbeitung
eine rheinische, wol eine mittelfränkische war. Darauf weisen
auch einige geographische namen, die nicht mehr ganz auf dem
Staudpunkt der quelle, aber noch nicht auf dem von HD
stehen. Helferich ist str. 66 geritten enztvischen Kölne und
Spire^)\ str. 57 ist er selbvierd ... von dem Eine geritten.
In diesem zusammenhange niuss auch auf str. 1 näher ein-
gegangen werden. Der anfang von str. 2 scheint in der tat,
i
1) Zwar werden nach L 155 die wunden, die mit frau Babehilts salbe
bestrichen werden, dadurch erst am dritten tage geheilt. Das konnte aber
für denselben dichter unmöglich ein grund sein, die heilung noch einmal
zu erzählen, und diesmal von kräutern, die unmittelbar wirken, zu reden.
^) Wenn er in derselben Strophe sagt, ein solches pferd wie das seine
gebe es in Walken noch in Stire, in Swäbcii noch in. Beiern lant, dar zuo
in Francriche, so haben diese namen keine beweiskraft; es sollen hier nur
einige weit auseinander liegende länder genannt werden, z. 8 aber lässt
Helferich selbst von Köln nach Speier reiten.
DAS ECKENLTED UND SEINE QUELLEN. 249
wie Zupitza annimmt, zu beweisen, dass str. 1 jünger als diese
ist. Aber die erwähnimg von Köln beweist, dass die Strophe
älter als HD ist und der periode von U angehört. Von be-
sonderem iuteresse sind die ersten zeilen, die in L lauten:
Em lant daz liies sich Gnpiär {daz ich iu sage, das ist tvar)
hl heidenischcn ztten. T\'enn d as dafür Agrix-)pi{n)ayi schreiben,
so ist das eine handgreifliche Verderbnis: z. 2 lautet hier: das
ivas den helden {liaiden d) undcrthan, und um mit dieser ein-
geflickten zeile einen reim herzustellen, wurde hinter Agrip-
pi{n)a, das mit rücksicht auf Köln in z. 5 für Gripiär ge-
schrieben war, ein unmögliches n hinzugefügt, sich Gripiär
aber ist eine einfache entstellung aus sich Ripuär, das land
der ripuarischen Franken, wozu sowol Köln wie der Drachen-
fels gehören. Vollständig richtig heisst es z. 5 die hauptstat
drin icas Köhie genant.^) Der name J?/pHa>- wird gewis nicht
von einem süddeutschen dichter eingeführt sein, und somit
ergibt sich sogar eine zweite noch mitteldeutsche redaction
von U. Vielleicht darf man aus der Strophe ableiten, dass U
ein ripuarisches gedieht war. Aus der Strophe scheint der
stolz des Kipuariers auf die schöne hauptstadt zu reden.
Es ist nun gar nicht auffällig, dass spuren von dieser
redaction in P erhalten sind. "Wie das alte niederdeutsche
lied nicht zugleich mit der entstehung von U vergessen war,
aber in seiner heimat fortlebte und noch im 13. Jahrhundert
in der 1). s. aufgeschrieben werden konnte, so blieb das mittöl-
rheiuische gedieht am Ehein erhalten, nachdem eine ober-
deutsche Umarbeitung in Süddeutschland entstanden und ver-
breitet worden war. Das oberdeutsche gedieht verbreitete
sich später über seine anfängliche grenzen; von seiner beliebt-
heit legen die drucke zeugnis ab. Aber die redaction as
scheint wider in der Eheingegend, — vielleicht sogar auf dem
westlichen Eheinufer — anstanden zu sein. Das wird zwar
nicht durch den Strassburger druck, dem ein älterer Augs-
burger druck zur seite steht, bewiesen, aber dadurch, dass
die localisation am Eheine wider mehr in den Vordergrund
tritt, wahrscheinlich gemacht. Aus as ist nämlich Jochgrim
*) Dass der saal, in dem str. 2 die helden sitzen, in Köln stehe, wird
iu L nicht gesagt ; ob U hier noch den Drachenfels kannte, lässt sich nicht
entscheiden.
250 BOER
bis auf eine stelle (str. 14), die dafür zeugt, dass die redaction
diese localisation gekannt hat, wider verschwunden. Ecke
hat Str. 167 dem Berner gedroht, ihn an Rhein gen Agrippia
zu führen, und auch str. 238. 242. 261 kommt Dietrich nach
und hält sich auf in Agrippa, Agrippia. str. 176 sagt Yäsolt,
dass er sü Cölen in dem lande gut von dem Berner gesprochen
habe. Das schliesst freilich alles an str. 1 an, erklärt sich
aber leichter bei einem west- als bei einem ostdeutschen
dichter. Von weit grösserer bedeutung aber ist es, dass der
herr, bei dem Väsolt und Dietrich einkehren, in Metz wohnt
(179. 186). Weniger sicher ist auch die localisation von Hel-
ferich in Lotringen (statt Lüne) hierher zu stellen (s. 176,
anm. 1), da dieselbe auch in CB belegt ist; dass sie aber auch
in as auftritt, kann mit den tendeuzen dieser recension wol
zusammenhängen.
Aus dieser sehr beliebten recension ist eine mündliche
prosaerzähluug geflossen, die züge aus der in derselben gegend
bekannten redaction U in sich aufnahm und dann in einem
französischen volksbuche nacherzählt wurde. 9 Eine ältere
französische redaction als die des Volksbuches hat niemals
existiert.
Mit diesem resultate stimmen die chronologischen data
aufs beste überein. Das alte lied wird noch dem 12. Jahr-
hundert angehören; daraus entstand die prosaerzähluug der
\). s. in der ersten hälfte des 13. Jahrhunderts. Um die wende
des Jahrhunderts mag aus dem alten liede, das wol kurz zuvor
in einen mittelrheinischen dialekt übersetzt war, U entstanden
sein. Das alter von HD lässt sich nicht genau bestimmen,
aber älter als die mitte des 13. jh.'s ist diese redaction, die
einen so bedeutenden rückgang des poetischen geschmacks
bekundet, kaum; die älteste hs. gehört im besten fall dem
Schlüsse des Jahrhunderts an. Jünger ist die schlechte be-
*) Aus dieser mündlichen quelle von P erklärt es sich auch, dass der
fall des riesen im anschluss an ähnliche beliebte erzählungeu dargestellt
wird (oben s. 196). Aus einem solchen rieseumärcheu ist der zug auf-
genommen. — Ob die Vorstellung von das, dass Dietrich Eckes und Vä-
solts muhme ein bein abschlägt, ein ausgangspunkt dieser neuerung ge-
wesen sei, lasse ich dahingestellt sein. Der zug würde dann zu den s. 244 f.
erörterten Übereinstimmungen zwischen P und das zu stellen sein.
DAB ECKENLIPD UND SEINE QUELLEN.
251
arbeitung- das; sie wird aus dem 14. jalirliundert stammen.
Das Dresdener lieldenbucli (d) ist vom jähre 1472, die ältesten
drucke .sind von 1491 und 1559; die redaction as muss sich
zu anfang- des 15. jh.'s von d abgezweigt liaben. Das beweist
der französisclie prosaroman, der in der vorlieg-enden gestalt,
der einzigen, die, so weit wir vermuten können, die geschichte
von pA'ke enthalten hat, nach Heuckenkamp dem 15. Jahr-
hundert angehört.
l'iir die vollständige Überlieferung- lässt sich auf grund
der gewonnenen resultate folgender Stammbaum aufstellen'):
Q
(Quelle 12.jalirli.,
iiiederdontsch: Drekauflis, Al(lius*la, Rimslo u.a.)
P. s. Q2
(l.hiilfte (ende 12..iahr]i., mitteldeutsdie
18. jalirli.) Übersetzung, bezeugt durch
L 69 = CB. Noch ohne einleitung)
u
(nicht vor 1200,
breite Umarbeitung. Einleitung,
raodernisierung, Eipuär, Köln,
Spire, Ein.)
HD
(ca. 1250, wül bairisch: Jochgrim, wildes
frauloin, riesenkämpfe.)
L
(ca. 1290)
red. das
(14. jahrh.)
red. as
(anfang 15. jh. Westdeutsch.
Jochgrim versclnvindet.
Metz.)
a s P
(1472) (1491) (1559) (15.jh.)
iJie erhaltenen glieder sind l'ett gedruckt.
>) Zur vergleichung sei hier der Stammbaum mitgeteilt, zu dem Frei-
bergs hypothese führt:
UeitiUti<: »ur geschichte der deutitheii Sprüche. XXXll. J^Y
252 BOER
§ 13. Die Vorgeschichte der traditioii.
Die sage von Ecke, so wie sie in der ältesten quelle vor-
liegt, ist noch eine verhältnismässig einfache erzählung. Doch
ist auch sie sclion aus mehreren elementen zusammengesetzt.
Es erübrigt, sie in diese demente zu zerlegen und ihren kern
zu suchen.
Schon oben wurde betont, dass die gemeinschaftlichen aben-
teuer Dietrichs und Fasolds der jüngste auswuchs der älteren
sage zu sein scheinen. Zieht man sie ab, so bleibt doch übrig,
dass Dietrich an Fasold einen genossen erwirbt. Das hängt
mit der ältesten (norddeutschen) version der Rosengarten-
sage direct zusammen; im kämpfe mit Isungs beiden in Ber-
tangaland steht Fasold auf Dietrichs seile. Hier werden wir
demnach den Ursprung der freundschaft zwischen Dietrich
und Fasold zu suchen haben. Das verhältnismässig junge
alter dieses zuges geht daraus hervor, dass er über die Ecke-
dichtung hinaus nach einem anderen gedichte von Dietrich
Quelle (französisch)
(12.jahrh.)
HD
(spätestens 1200)
P.S. ' U
(Übersetzung ans dem (zweite bocli-
hocbdeutscben. l.bälfte deutsche
ly.jabrh.) bearbeituug)
1
(ca. 1290) d as
(U.jabrb.)
as
(15
. jabrb.)
I
* da
S
(15. ja
ibrb.) (1472) (1491)
(1559)
P würde die quelle repräsentieren, und die vielen einzelnen überein-
stinimungen zwischen 1* und as würden aus der quelle stanimeu!
DAS KCKENMylKl) TNM) SEINE l^UKLLEN. 253
weist; er bezeugt den aiifang einer C3'klisclien Verbindung- der
Dietrichsagen noch nicht zu einer literarischen, aber doch zu
einer ideellen einheit. Der einzelne dichter nimmt auf den
inhalt anderer erzählungen bezug.
"\"S'enn aber der ausgang des kampfes mit Fasold auf grund
der Eosengartendichtung entstanden ist, so wird für diesen
kämpf sel])er dasselbe gelten müssen. Denn es ist nicht anzu-
nehmen, dass zwei sagen unabhängig von einander die gestalt
Fasolds entwickelt haben sollten. Fasold muss entweder in der
Rosengartensage aus der Eccasage oder in der Eccasage aus
der Kosengartensage stannnen. In der Eccasage aber spielt
Fasold eine nachträgliche rolle, denn der kämpf mit Ecca muss
älter als der mit seinem radier sein, um so mehr, als durch
diesen an dem resultate jenes kampfes nichts geändert wird.
AVir werden zu dem Schlüsse gedrängt, dass der kämpf mit
Fasold keinen anderen Ursprung hat als das bedürfnis, zu er-
klären, wie Dietrich zu diesem freunde gelangt ist. ') Es ver-
hält sich damit \vie mit Sigfrids drachenkampf, wie mit dem
Xibelungeniiorte und wie mit zahllosen anderen sagenmotiven.
Zuerst ist ein nacktes factum vorhanden, — die erzählung ist
behufs der erklärung des factums ersonnen. Dietrichs freund-
schaft mit Fasold geht seinem kämpfe mit Fasold voran.
In dem kämpfe mit Ecca sind zwei motive zu unter-
scheiden. Erstens: es wird um den besitz der waffen gekämpft,
zweitens: es wird der königinnen wegen gekämpft. Ein
notwendiger Zusammenhang besteht zwischen diesen beiden
motiven nicht; eines von beiden muss das primäre sein.-)
Nun bekommt Dietrich am Schlüsse der erzählung die tochter
der künigin (bez. sie selbst) zur fi'au. Aber auch Eccas waffen
eignet er sich an. Aus dem ausgang der geschichte lässt sich
also in bezug auf die priorität kein schluss ziehen.
^'on grösserer bedeutung ist die darstellung der beiden
motive. Der kämpf um die dame gehört dem Zeitalter an,
als das rittertum seinen einzug in die poesie zu halten be-
') Ueber den mntmasslicheu ausgang der geschichte vor der aufnähme
des kam](fes mit Fasold s. s. 214, anra. 2. Von diesem Standpunkte aus ist
der zweite besuch auf dem Drachenfels nur eine widerholnng des ersten.
") Die Überlieferung verbindet sie dergestalt, dass sie die waffen dem
Ecca von den königinnen (der künigin) geschenkt werden lässt.
17*
254 BOER
gönnen hatte. Wie die alte diclitimg sich einen kämpf um
ein weih vorstellt, das lehrt die Hildesage, das lehrt die Helgi-
poesie, das lehren die isländischen sogur. Ein moderner geist
weht uns aus dieser erzählung an, wo ein recke einen anderen
herausfordert, um das lob der frauen zu kämpfen. In der
alten poesie raubt man eine frau, oder man nötigt sie ihrem
vater oder bruder oder auch ihrem gatten ab; man fordert
den glücklichen besitzer zum kämpfe heraus, wie Angantyr
Hjälmarr tut; — hier wird sie ohne auf f orderung von ihrem
besitzer als kampfpreis hingestellt. Sehr entwickelt ist das
Verhältnis zu der dame noch nicht. Anfänge eines frauen-
dienstes sind schon vorhanden; die frau waffnet ihren freund.
Aber sie greift noch nicht activ in die haupthandlung ein;
sie bildet noch einen poetischen hintergrund.
Anders verhält es sich mit Eccas aufforderung an Diet-
rich, sich seiner waffen zu bemächtigen. Schon die hoffnungs-
losen versuche der umarbeiter, den zug, dass Dietrich Elccas
Waffen anlegt, umzudeuten und hinwegzuinterpretieren, zeigen,
dass wir es hier mit einem alten zuge zu tun haben, den die
zeit des rittertums bald nicht mehr verstand. Sagen, die die
erwerbung kostbarer waffen erzählen, kennt das altertum
dutzendweise. Zu diesen gehört aucli die älteste Eccasage.
Den niittelpunkt der Waffenbeschreibung bildet nun die
des Schwertes Ekkisax (oben s. 185. 187 f.). Nachdem wir alle
jüngeren züge abgestreift haben, bleibt also als grundstock
der erzählung das übrig, was Freiberg für ein verhältnismässig
spät in die dichtung aufgenommenes element erklärt, die er-
werbung des Schwertes Ekkisax.')
Da zwischen dem namen des Schwertes und dem von
Dietrichs feinde irgend ein Verhältnis bestehen muss, kann
man demnach die sage in gewisser hinsieht als eine etymolo-
gische bezeichnen, wie die erzählung von dem riesenpaare
Hild und Grim, die den zweck hat, zu erklären, dass Dietrich
1) Eine klare eriniieruug- an die bedeutung des Schwertes hat L 222
erhalten. Dietrich spricht zu dem Schwerte: sH ich gewunnen dich hdn, so
iichaff'e ich swaz ich wil. da von so hän ich vröuden vil, und ist min leit
zerrunnen. wan ich tveiz Jceinez me so guot: von golde ist rot sin scheide,
davon so gestet sich mm miiot, stvie ich ez habe mit leide gewunnen con
den Jcäenen man u.s.w.
DAS ECKENLIED UND SEINE QUELLEN. 2oo
den heim Hildegrim besitzt. Aber so ganz einfach liegen die
Verhältnisse hier docli nicht. AMr müssen daranf etwas tiefer
eingehen.
Der name des Schwertes enthält wgerm. (j. Das beweisen
die stellen, wo es mit r/ überliefert ist, wie Eneide 5728, wo er
Eggcsa{h)s lantet. •) V'\\v das alte lied von Ecca gilt gleich-
falls (j\ L 80 heisst das seh wert Ein sahs, wofür Müllenhoff
Einsahs schreibt-), und diese conjectur wird durch die stelle
der quelle, auf die L 80 unmittelbar zurückgeht (c. 98), wo
der name des Schwertes genannt wird, bestätigt. Es sind
demnach drei formen: Ellcisax, Eggesa{h)s und Einsahs (aus
Eginsahs) überliefert: letztere form liegt auch afr. Äinsiax
(für Ainsa.r). was im roman von hlerabras als name eines
Schmiedes vorkommt, zu gründe.
Wenn Eginsahs das ursprüngliche ist, so ist das erste
compositionsglied das in eigennamen wie Eginhart auftretende
egin: das doppelte // von Eggesahs wäre dann aus anlelmung
an egg 'spitze' zu erklären, was sich bei einem schwertnamen
wol \erstehen Hesse. Eggesahs 'das schwert mit der scharfen
schneide' kann aber auch ursprünglicher sein; in diesem fall
beruht die form mit n in zweiter silbe und mit einfachem g
auf anlelmung an andere mit egin l)eginnende eigennamen.
Beide möglichkeiten müssen vorläufig offen gelassen werden;
den gesichtspunkt, von dem aus diese frage beurteilt sein will,
werden wir bald finden. Wenn nun noch in HD das schwert
Einsahs heisst, so ist es klar, dass die namensform der saga
Ekkisax unmöglich darauf beruhen kann, dass die quelle eine
hochdeutsche gewesen sei. Denn selbst wenn die erzälilung
der saga aus einer älteren oder jüngeren redaction des hd.
gedichtes entstanden wäre, so würde doch der name nur Egin-
oder Einsahs heissen können, da das ja die form der (luelle
f) Die form Eggeso ^^ ist in der Eneide niclit überliefert, sondern nur
von Behaghel für den dialekt des dichter» erschlossen. Nach den Varianten
bei Ettiiiüller und Beliaghel haben: ecchtSdUsli^A, rckesachs G, hekesas^ü.
In Ettuiüllers text ist Eclesas geschrieben: so dürfte auch die Wiener lis.
(w) haben, da ich in meiner coUation dieser hs. keine Variante' zu Ettinüller
angemerkt habe. Und in h steht, wie ich mich durch einsichtnahme über-
zeugte, ecke sasz. W. B.j
*) Der fehler stammt schon aus HD, denn in d .steht an der corre-
sijoudierendeu stelle (str. 94, 4) Sach/'s; ein ist ausgelassen.
256 BOER
sein würde. Ekläsax weist auch, selbst wenn man annimmt,
dass das Ich ein product der hochdeutschen lautverschiebung-
sei, keineswegs auf Eghisalis, sondern auf das aus der Eneide
bekannte Eggesahs zurück. Eine andere erklärung für die
tenuis in Ekkisax liegt aber ganz nahe, nämlich die, dass die
form auf anlehnung an Ecca beruht. Der dichter, der zuerst
das Schwert Ekldsax nannte, wollte es dadurch als das von
Ecca erbeutete bezeichnen. Daraus lässt sich aber weiter
schliessen, dass von den beiden namensformen Eggesahs und
EginsaJis erstere die ursprünglichere ist. Denn für die an-
lehnung an Ecca war die notwendige bedingung, dass zwischen
dem namen des Schwertes und dem seines besitzers schon eine
nicht allzu geringe ähnlichkeit vorhanden war. Wenn das
Schwert Eghisalis hiess, so war diese bedingung nicht, wenn
es Eggesahs hiess, so war sie erfüllt.
Ferner wird, wenn Eginsahs die ursprüngliche form und
Ekhisax daraus entstanden ist, die Zwischenstufe Eggesahs
nicht genügend erklärt,') AVenn aber das schwert ursprüng-
lich Eggesahs hiess, so erklärt sich die entstehung von Egin-
sahs in derselben weise wie die von Ekldsahs: im ersten com-
positionsgliede sah man den namen des besitzers und man
setzte diesen in den genetiv; aus Eggin- aber wurde später
durch anlehnung an andere namen Eg'm-.
Die auffassung des ersten gliedes als eines mit dem des
besitzers gleichen namens scheint ihren grund darin zu haben,
dass der besitzer seinerseits schon früher in gewissem sinne
nach dem Schwerte benannt worden war, so dass zwischen
den beiden namen ein gewisser rapport bestand. Von hause
aus hat freilich der name Ecca mit Eggesahs nichts gemein.
Es 'ist kein zufall, dass der name des schwertbesitzers in
allen quellen ausschliesslich mit doppeltem /.: überliefert ist.-)
') S. 255 wurde zwar der niögliclikeit gedacht, dass diese Zwischen-
stufe durch aulehuuug an egg entstanden sei, aber nur als noterkläruug,
wenn es keine andere gäbe; der abstand zwischen beiden formen bleibt
ein ziemlich grosser. Geht man von eggesahs aus, so wird dieser abstand
überbrückt, s. gleich unten im texte.
2) Wenn L Egge schreibt, so muss das eine orthographische neuerung
sein, denn die reime, auch in L (str. 2, 3. 6 recken / Ecke, 211, 8. 10 Ecken j
recken, 212,8. 10 Ecken 'recken u.a.) Ichreu, dass für HD die form Ecke
feststeht.
DAS ECItENLIED LKD SEINE QUELLEN. lüi
Auch das lid. gedieht, das das scliwert Einsahs nennt,
nennt Dietrichs gegner Ed-(>. Und wie Binz zeigt, ist Ecca
in Engh\nd in Ortsnamen häufig belegt. Jiriczek glaubt, dass
wenigstens ein teil dieser namen auf das bekanntsein der
Eckesage weise, und da er Ecke mit got. agis zusammenstellt,
schliesst er weiter auf ein wandern der sage nach der Voll-
ziehung der hd. lautverschiebung aus den Alpengegenden nach
England. Diese hypothese lässt sich schwerlich aufrecht halten.
Die geschichte der sage weist, wie oben ausführlich gezeigt
wurde, keineswegs nach den Alpen, sondern nach Xiederdeutsch-
land, und die annähme einer Avanderung der sage nach dem
achten Jahrhundert aus Süddeutschland nach England entbehrt
jeder historischen Voraussetzung. Was wir in der ags. poesie
an festländischen sagen finden, ist nahezu vollständig von den
Angelsachsen selbst bei ihrer einwanderung importiert. Aber
zugegeben, dass noch am Schlüsse des achten Jahrhunderts und
später künde von deutschen sagen nach England gekommen
sein könne, so müsste das doch auf gelehrtem wege geschehen
sein; die annähme, dass eine zu dieser zeit importierte sage
sich einer solchen popularität erfreut hätte, dass zahlreiche
Ortsnamen die erinnerung an sie bewahrt hätten, während
nichtsdestoweniger die ags. poesie von ihr nicht die geringste
künde hat, ist nichts weniger als wahrscheinlich.
Die zahlreichen, mit Ecca zusammengesetzten englischen
Ortsnamen weisen demnach eher auf eine frühere periode, die
der Übersiedelung der Angeln und Sachsen nach Brittanien,
hin. Man hat aber nicht den geringsten grund. aus ihnen auf
ein bekanntsein der Eccasage zu schliessen. Diese namen
lehren nur, dass Ecca zu jener zeit in England ein gebräuch-
licher mannesname war. Dass es ein sächsischer name war,
bestätigt die Eccasage. Das /./.■ dieses namens ist demnach,
wie schon gesagt wurde, westgermanisch, nicht hochdeutsch;
die übei-lieferte form weist auf einen stamm ahjan-. Auf eine
weitere deutung verzichte ich.
Fragt man nun nach dem gründe, w^eshalb Dietrichs
gegner in unserer üljerlieferung den namen Ecca erhalten hat,
so wird die erklärung in dem namen des Schwertes zu suchen
sein. Die sage hat den ausschliesslichen zweck, zu erklären,
dass Dietrich das schwert Eggesahs besitzt. Der dichter, der
258 BOER
sich zuerst diese aufgäbe stellte, hat sich vorg-estellt, dass das
Schwert von einem feinde stamme, nach dem es benannt
worden sei. Diesem feinde erteilte er den ihm bekannten an
Eggesahs anklingenden namen Ecca. Das ist auch der ganze
Inhalt der geschichte. Dass der kämpf ein schwerer ist, und
dass Ecca das seh wert anpreist, sind natürliche folgen dieser
Vorstellung; diese züge gehören auch, wie wir gesehen haben,
zu der ältesten ausführung des motivs. Erst ein späterer
dichter hat die consequenz gezogen, dass dann auch das schwert
nicht Eggesahs, sondern Eklcesahs heissen müsse. ') Ein anderer
dichter schloss hingegen, dass wenn Eggesahs den namen des
besitzers enthalte, nur Egginsahs die richtige form sein könne.
Beide etj'mologische umdeutungen weisen direct auf den frei-
lich älteren aber doch schon secundären Zusammenhang zwischen
Ecca und Eggesahs zurück.
Anhangsweise mögen ein paar scheingründe für die hypo-
these, dass der stoff ein hochdeutscher sei, besprochen werden.
Euotlieh heisst in der saga BozeUifr. Jiriczek glaubt, dass das
s dieses namens einen mislungenen versuch eines nieder-
deutschen dichters, den namen in den hochdeutschen lautstand
umzusetzen, bezeichne und deshalb beweise, dass dieser dichter
sich des hochdeutschen Ursprunges der sage bewusst gewesen
sei. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass der name liozelcifr
in dieser hinsieht in der p. s. nicht allein steht. Dieselbe
eigentümlichkeit zeigen die namensformen Gcrnoz, Gernorz.
Ich habe früher (Arkiv 20, 166) dafür, unabhängig von Jiriczek,
eine ähnliche erklärung vorgeschlagen, bin jedoch davon (Unter-
suchungen über die Nibelungensage II, 202) zurückgekommen,
und zwar auf grund ähnlicher erwägungen als die, welche dazu
nötigen, sie für Bozeleifr zu verwerfen. Denn da die deutsche
Nibelungenpoesie ebensowenig wie die Eccapoesie ihrem Ur-
sprünge nach hochdeutsch ist, die hochdeutsche dichtung viel-
mehr vollständig auf der niederdeutschen beruht, kann das ein-
treten eines z für t unmöglich in einem bewusstsein von dem
hochdeutschen Ursprung des Stoffes seinen grund haben. Die
') Die wunderliche etymologie, die die saga mitteilt . kann nur von
dem sagasclireiber herrühren.
DAS ECKENLIKI) UND SEINE QUELLEN. 250
hypothese leidet auch an einem inneren Widerspruch. Denn
angenommen, die dichtung sei ursprünglich eine hochdeutsche
gewesen, so waren doch für den dichter, der z für t einführte,
nur zwei Standpunkte miiglich. Entweder kannte er die hoch-
deutsche quelle, — in diesem falle wusste er auch, dass der
name in dieser quelle t enthielt, — oder er kannte nur nieder-
deutsclie quellen. — dann aber konnte er sich nicht bewusst
sein, dass die überlief ung eine hochdeutsche war. Wenn also
das z einen mislungenen versuch, den namen in den hoch-
deutschen laut stand überzuführen, bedeutet, so kann das un-
möglich darauf beruhen, dass die sage hochdeutsch war, son-
dern es bezeugt vielmehr die ersten anfange einer hoclideutsclien
bearbeitung durch niederdeutsclie si)ielleute in der epoclie, als
schon das hochdeutsche für vornehmer zu gelten anfieng. Diese
möglichkeit leugne ich nicht, aber ich behaupte sie auch nicht,
sondern überlasse künftigen Untersuchungen die entscheidung.
Auch das /.■/.• von Ehldsax Hesse eine solche deutung zu, wenn
sich dafür oben nicht eine befriedigendere erklärung ergeben
hätte. —
Den Ölbaum, an den in der saga Dietrich sein pferd an-
bindet, erkläre ich aus der i)llanzengeographie der nieder-
fränkischen Spielleute, die nicht unter hochdeutschen, sondern
unter fi-auzösischem einfluss steht. Er bezeugt einen nahen
Zusammenhang zwischen niederfränkischer und sächsischer
poesie. Nach den alten Ortsnamen zu urteilen, gehört das
alte gedieht der grenze zwischen diesen beiden dialekten an.
AMSTERDAM, sept. 1906. E. C. BOER.
ZUR ALTHOCHDEUTSCHEN LITERATUR.')
8. Zum Kildebraiidslierle.
Beiträge zur erkläruiig des textes.
Die einzelnen züge, welclie den inlialt des Hildebrandslieds
bilden, sind nicht lediglicli der epischen technik entnommen,
sondern ein wichtiger teil ist geschöpft aus den lebens-
erscheinungen der zeit. Den epischen motiven gegenüber
kann man diese letzteren historische motive nennen, und in
diesem sinne ist das gedieht stark historisch stilisiert. Es soll
also damit nicht gesagt sein, dass der dichter menschen und
ereignisse der Vergangenheit lebhaft schaute und in sicheren
umrissen darstellte, als vielmehr nur, dass er seinen gegenständ
als ein bild seiner Umgebung, seiner zeit erfasst hat. Allgemein,
typisch ist demnach die darstellung unter allen umständen,
denn auch die dem leben entnommenen züge sind, wie die
epischen, gemeingut und entsteigen nicht individueller an-
schauung und selbständiger gestaltungskraft (vgl. zum epischen
bez. historischen stil des liedes bes. Kauffmann, Philolog. Studien.
Festgabe für Sievers s. 152 f.; Seemüller, Abhandlungen zur
german. philologie. Festgabe für Heinzel s. 320 ff.).
Schon der stoff, der kämpf zwischen zwei sich innig nahe-
stehenden mensclien, ist ein beliebtes thema der mittelalter-
lichen erzählenden dichtung, und solche episoden werden gern
als rührende bestandteile in den gang der ereignisse eingefügt
(kämpf des vaters und sohnes s. Busse, Beitr. 26, 7 ff. ; kämpf
zwischen sonstigen verwanten: Hagen und Hetel, Sigfrid und
Amelung [Thidrekssaga cap. 202 f.], Parzival und Feirefiz, Par-
zival und Ither, ins komische gewendet zwischen Alphart und
>) Vgl. Beitr. 28, 570. 21), il8.
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 261
Hildebraiid; zwischen freunden: Waltliarius und Hagauo, Riie-
deger und Gernot, Roland und Olivier, Erec und Guivreiz,
hvein und Gawein, Parzival und Gawan).
Ist somit der sagenkern ein ei»isclies motiv, so ist die form,
in welcher sich der dichter die idee des Zweikampfes vorstellt,
eine erscheinungsform seiner zeit: der Zweikampf ist ihm, wie
Kauffmann erwiesen hat (a.a.u. s. 150. 175, mit beziehung auf
Heiuzel, Ostgot. heldensage s.4S; s. auch l'^ranck. Zs. fda. 47. 34),
ein gottesgericht.
Geschichte und liieratur liefern beispiele für fast jeden
einzelnen zug: keinen bedeutenderen hat der dichter frei er-
tuiulen. Sein tah^nt zeigt sich in der künstlerischen gestaltung
des stotYes. in der gruppierung und dem ausserordentlich wirk-
samen autbau der gedanken. Aber aucli in diesem mehr
formalen sidiaffen zeigt sieh widerum seine beschränkmig, denn
eben für die dramatische füliruug des dialogs hat er sich an
ein bestimmtes muster. das altdeutsche gerichtsverfahren , ge-
halten (s. unten). Zugleich aber hat er doch gerade damit
dem ganzen eine besondere Stimmung verliehen, den eindruck
des gegenwärtigen. Und hierin, in der nationalisierung des
Stoffes überhaupt, beruht die stark historische färbung des
liedes. Das märchen vom kämpf zwischen vater und söhn ist
hineingestellt in den beliebten Sagenkreis vom grossen Goten-
könig Dieterich und der dichter selbst hat noch mehr getan,
er hat, indem er den Zweikampf zu einem gottesgericht {yg\.
Kauffmann a. a. o.) ausdeutete, die sittlichen elemente, die schon
in der urfabel im keime lagen, übertragen in germanische an-
schauungen und in germanischen ^-olksglauben. Denn nach
dem glauben der Germanen waltet die gottheit des kampfes,
der gott ist persönlich in der schlacht anwesend: vclut dco
imperante, quem adesse hellantihus credunt Tacitus, Germ, vii
(J. Grimm. RA. s. 928 ff.; 4. auil. von Heusler u. Hübner 2, 588—
593; Müllenhoff, D.altertumskunde4, 199 ff.). Und so steht auch
der Zweikampf, sowol der gerichtliche wie der kriegerische, in
gottes band, und zwar nach heidnischem wie nach christlichem
glauben, und wird demnach ausdrücklich als ein Judicium dei
aufgefasst (J.Grimm. RA. a.a.O.; Brunner, D.RG. 1. 133. 182 f.
2. 400 ff.: Schröder. D.RG» 86 ff.; Fustel de Coulanges, Histoire
des institutiuns politiques de l'ancienne France 3, 454 ff. [mit
262 EHRISMANN
nachweisen aus den volksgesetzen]; Baist. Der gerichtliche
Zweikampf nach seinem Ursprung- und im Rolandslied, Eoman.
forsch. 5, 436 — 448 ; Pfeffer, Die formalitäten des gottesgericht-
lichen Zweikampfs, Zs. f. roman. philol. 9, 1 — 74). Nicht den sinn
eines ordals sondern eines Orakels hat jene eigene art des
Zweikampfs, die Tacitus, Germ, x überliefert hat: Est et alia
ohservatio auspiciorum, qua gravium hellorum eventus explorant.
ejus (jentis, cum qua bellum est, captivum quoquo modo inter-
cepttmi cum electo popidarium siiorum . . . committunt; victon'a
Imius vel Ulms pro praeiudicio accipitur.
Procop stellt den Zweikampf noch lediglich als kriege-
risches Schauspiel dar ohne den religiös-symbolischen sinn eines
Vorzeichens, wenngleicli der verlauf desselben schon den der
ganzen Schlacht vorausahnen lässt. Bell. Got. 4, 31 : Das beer
der Goten unter Totilas und das der Römer unter Narses
stehen sich lange ruhig gegenüber. Da sprengt der Gote
Kokas in die mitte auf die feindliche front zu und fordert
einen zum Zweikampf heraus. Der Armenier Anzalas tritt ihm
entgegen. Kokas fällt. Dann folgt die Schlacht mit der Ver-
nichtung der Goten. — Auch Bell. Got. 3, 4 die gleiche Situa-
tion: Goten und Römer stehen einander gegenüber, der Gote
Wiliaris ruft, in die mitte der beere sprengend, alle Römer
zum kämpfe heraus, Artabazes nimmt ihn auf. Der ausgang
jedoch ist verschieden: beide kämpf er sterben, der tragische
tod des ihren aber erschütterte die ganze hoffnung der Römer,
so dass sie schliesslich in wilder flucht davon flohen.
In den folgenden beispielen sind es vor allem drei
punkte, welche dem Zweikampf den Charakter eines vor-
bedeutenden Zeichens oder auch eines gottesurteils verleihen:
Gott wird selbst unmittelbar als beistand angerufen; oder es
ist die gerechte sache, welche schon von vornherein den aus-
gang bestimmt; oder der Zweikampf wird schon vorher als
entscheiduiigsmittel vereinbart, wobei dann oft als grund an-
gegeben ist, dass dadurch ein grösseres blutbad verhütet
werden solle.
Jordan es, De oiigine Get. cap. 17, 79 (kämpf zwischen
Gothen und Gepiden): sed causa melior vivacitasque ingenii
iubit Gothos. — Cap. 23, 119: sed nihil valet multitudo inbel-
lium, praesertim ubi et deus permittit. — Agathias 1,2
ZUM PILDEBRANDSLIEDE. 263
(J. Grimm, D.RA. s. 928): Die fiirsten der Franken sollen ihre
Streitigkeiten gütlich beilegen. Geschieht dies nicht, so müssen
die fürst en das recht im Zweikampf suchen, denn es ist ni(;ht
recht, dass wegen ihres persönlichen zwistes das ganze volk
leiden muss.
Scharf ausgeprägt ist die idee der einheit von gott und
recht bei Gregor v. Tours (vgl. Hauck, Kirchengeschichte
12, 186 ff.); so besonders Hist. Franc. IV, 14, wo könig Chlothar
mehrfach seinen Fianken abrät, gegen die Sachsen zu kämi)fen.
die das recht auf ihrer seite hätten, damit sie nicht den zorn
gottes erregten. Als er schliesslich, gegen seine eigene Über-
zeugung, dui-ch die Franken gedrängt doch den krieg unter-
nimmt, erleidet er in der tat eine schimpfliche niederlage. —
X, 3: Ein Langobarde ruft dem anrückenden Frankenheere zu:
'Hodie apjyarchif, ciii Bivinitas ohtenere victoriam pnestiV
Unde mtt'Ucgi datur, hoc Signum sihi Langohardi praeparavisse.
Der Langobarde wird niedergeschlagen, worauf sich das beer
seiner landsleute zur flucht wendet. — Y, 25: Gunichramnus
vero cum super se mortem cerneret immineri, invocato nomen
Domini et virtutem magnam heati Martini elevatoque confu
Dracolenum artat in fcmcihus. — VII, 14: Ponas hoc in Bei
iudicio, ut Ille discernat cum nos in campi planitie viderit. —
11,2 (vgl. J.Grimm, D.RA. a.a.O.): Vandalen und Alemannen
stehen einander kampfbereit gegenüber. Da sprach der Ale-
mannenkönig: 'Qousque heUurn super cmuhmi populum com-
morttur? Nicht möge so viel volks auf beiden selten um-
kommen, sondern zwei von uns sollen vortreten und unter
sich kämpfen, ^^'essen krieger siegt, der soll das land haben
ohne widerstreit.' Das volk stimmte zu, damit nicht die ganze
menge vor der spitze des Schwertes fiele.
Fredegar IV, 25 (Mon. Germ. Script. Rer. Merov. II, 130):
Bertoald schlägt dem Landerich einen Zweikampf vor. Die
beere sollen in der ferne bleiben. Gott soll zwischen ihnen
beiden richten; vor gott wollen sie versprechen, das ver-
sprochene ZU halten. — Ueber den Zweikampf Theodorichs
mit dem Avaren Xerxer s. Heinzel, Ostgoth. heldens'age s. 35 ff.;
Jiriczek, D. heldensagen 1, 140 ff.
Origo gentis Langobardorum. Die entstehung des
Langobardennamens ist verknüpft mit dem glauben an die
264 EHRISMANN
sieg-verleiliende g-ottlieit. Aber beide g-eguer, die \'andalen
sowol wie die Wiimiler, flehen liier um sieg-, jene zu Godan,
diese zu Frea, seiner frau. Erhört werden kann nur eine
partei, und die entscheidung fällt aus im sinne der ironisch-
humoristischen haltung der anekdote {'ridicida faliila' Paul.
Diac. Hist. Lang-. I, 8) : die frau behält recht, denn der ge-
prellte gott hat durch die namengebung- die Winniler gleich-
sam adoptiert, muss ihnen also such schütz gewähren: et äedit
eis victoriam, ut, tibi visum essit, vindicarent et se victoriam
haberent.
Die erzählung der Origo hat Paulus Diac onus in seine
Historia Langobardorum aufgenommen (1, 8). Beispiele für
kriegerischen Zweikampf als gottesurteil bei diesem sind Hist.
Lang. 1, 12 (Zweikampf mit vorher ausgemachter bedingung:
die genossen des Siegers erhalten freien durchzug durch das
land der durch den besiegten vertretenen); I, 15 (dasselbe
motiv wie I, 12); V, 40. 41: Cunincpert schickt einen boten an
Alahis mit dem auftrag, ut cum eo singulare certamen iniret,
nee opus esset utrorumque exercitum fatigare . . . (Cap. 41)
'Siehe, wie viel volks auf beiden selten versammelt ist! Was
ist es nötig, dass eine solche menge menschen zu gründe gehe ?
Wir wollen uns beide im Zweikampf treffen und wem von uns
der herr den sieg verleihen wird, der soll das ganze volk heil
und unversehrt regieren.'
Ermoldus Nigellus 111,375-462: Der Britte Murman
wappnet sich zum kämpf. In der Schlacht trifft er den Franken
Coslus, greift ihn mit einer scheltrede an 384 — 389; jener er-
widert sie und durchbohrt ihn. — ITI, 543—618: Gerichtlicher
Zweikampf zwischen Bero und Sanilo; vgl. J. Grimm, RA. 4. aufl.
2, 592.
Ei eher III, 76 ff.: Zweikampf zwischen einem Deutschen
aus Ottos IL heer und einem Franzosen. Der Deutsche stellt
sich an der Seinebrücke auf und reizt die Franzosen durch
hohnreden. Ein Franzose nimmt den kämpf an, schmähworte
ausstossend dringen sie auf einander ein; der Franzose siegt.
— Zu Wipo und Lambert s. J. Grimm, RA. 4. aufl. 588—593.
In den altnordischen zweikampfschilderungen, bei denen
überhaupt die religiöse beimischung gering ist, tritt die be-
deutung des Zweikampfs als Willensbefragung der gottheit
ZUM UILDE15KANDSL1EDE. 265
zurück. Nur einige beispiele aus Saxo Graiinnaticiis mögen
hier folg-eu: Buch L Holder s.2G f.; Jantzen s. 40f.: Hadingus,
dem Asmundus gegeiiül)erstelieiid, ruft die ihn scliützenden gött-
lichen mächte um hilfe an: sofort tritt Vagnhofthus an seine
Seite, um für ihn /u kämptcu. Flier also die alte anschauung-,
dass der schutzgeist leibhaftig für den helden eintritt. —
in. Holder s.83; -iantzen s. 133: Durch den entscheidungskampf
zweier kann ein allgemeines g-emetzel vermieden werden. —
IlT. Holder s. 107: Jantzen s. 172: Hie fülirer wollen ihre sache
ohne beihilfe ihrer genossen in einem Zweikampf zum austrag'
bringen. — IX. Holder s. 306; Jantzen s. 479: Sorlus lässt dem
Kegnerus die \\ ahl zwischen schlacht und einzelkampf; der letz-
tere wii'd angenommen und findet angesichts der beere statt,
utroque excrcitu inspectante.
Der Schroffheit nordischen reckentums gegenüber steht in
der angelsächsischen dichtung eine ahnungsvolle frömmig-
keit. Avelclie ihr eine eigenartige Stimmung verleiht. Hier ist
denn auch der kämpf besonders häufig unter gottes ratschluss
gestellt. Schon die benennungen gottes als des si^ores iveard,
sisora icealdend seilend settenö, süÖweard gumena u. a. deuten
dies an.
Beowulf V. 299 : gödfremmendra sivylcum gifeffe hiö, ödt
[hc\ öone hilde-rces hdl gedi^^ed. 438 ac ic mid grdpe sceal
fön wid feonde ond ymh feorh sacan, IdÖ wid Idömn; öcer
sehjfan sceal dryhtnes dorne se de hine dead nimeÖ. 478 "^od
eade mwg öone dol-sceadan dceda gehvcefan. 572 Wyrd oft
nereö nnfcesne eorl, öonne his eilen deah (s. unten). 685
siÖÖan ivitis sod an swd hwcedere hond, hdlig dryhten, mceröo
demc, sied htm gemet Öince. 696 Ac Ulm dryJiten forgeaf
Kig-speda geiviofn, Wedera Icodum frofor ond ftiltum, Ocet
hie feond heora Öurh dnes crceft ealle ofercömon, selfes mih-
tmn; söÖ is ,secy(fed, ö(et mihiig god manna cynnes ivcold ivide-
ferhd. 939 JSä scealc liafaö öurh drihtnes mihi dwd gefrcmede.
1552 nemne . . . hdlig god geweold ivigsi^or; iviiis drihten, ro-
dera rcedend hit on ryht gesced ydelice. 2573 Beer hc Öij fyrste.
formun dolore ivealdan [ne\ moste — swd him ivyrd ne j;escrdf
— hred cet hilde. 2682 Ilim öcet gifeöe ne ums, Öijet Mm
irenna ecge mihton helpan (et hilde. 2874 hwteöre him sod
266 EHRISxMANN
iide, sigora ivaldend, dan he hijne sijlfnc ^etvrwe dna mid ec^e,
öd hhn IV (BS eines dearf.
Wald er e B 25 (Grein -Wülcker, Bibl. der ags. poesie 1, 1,
s. 13, vgl Heinzel, Ostgot. lieldeiisage s. 48f.): Becüi mce^ si^e
syllan se de symle hyö recen and rcedfest rijhta selnvilces: sc
öe Mm to dam halsau lielpe selifeö, to gode gioce, he Öoer ^earo
finded, $if da earnunsa cer gedenceÖ (vgl. Kraus, Zs. f. d. österr.
gymii. 47, 329).
Byrlitnoth (Grein-Wülcker s. 362) 94 ,sod ana iimt, hiva
Jjcere tvcelstoive ivealdan mote.
Ebenso in den religiösen epen: Genesis 2057 cwced Ömt
htm se Jtdlga ece drihten ead mihte cet dam spereniÖe spede
Icenan. 2072 him on fultum srdp heofonrices ivcarÖ. 2107
Wcere du ■^eivurdod on ivcra rime for Öces edsiim, de de cesca
tir cet ^üde for^eafl dcet is god selfa, se de hettendra her^a
drymmas on ^ewcald ^ehrcec u.s. w.
Daniel 4: sidöan durh metodes mcegen on Moyses hand
iveard tvij sifen wi^ena mwnieo.
Judith 88: Forgif me, swegles ealdor, sigor and soönc
seUafan, dcet ic mid dys siveorde mote geheawan dysne mordres
Iryttan! 123 Uwfde du gefohten foremcerne hlced Judith (ßt
güde, stvd hyre god ude, sivegles ealdor, de hyre sigores onleah.
300 him feng dryhten god fcegre on fultum, frea celmihtig.
342 Falles dces Judith scegde wuldor iveroda dryhtne, de hyre
iveordmynde geaf, ... sigorlean in sivegles tculdre u.s.w.
Christ 673: Sumum iviges sped giefeö mt süde, Öonne gur-
getrum ofer scildhreadan sceotend sendad, flacor fldngeweorc.
Andreas 1436: il/c (gott) is miht ofer eall [geond middan-
geard] sigorsped geseald; auch v. 459 f. (s. unten).
Juliana 561: scegdon södlice, dcet he sigora gehivoes ofer
ealle gesceaft dna iveolde, ecra eadgiefa.
Alle diese angelsächsischen stellen sind nur religiöse Stim-
mungsbilder; sie geben nur zeuguis ab für den Volksglauben,
dass der erfolg des kampfes bei einer höheren macht steht.
Zur handlung ausgestaltet ist dagegen das thema vom Zweikampf
in den beiden althochdeutschen epischen liedern, wie im
Hildebrandslied, so, aber nur episodenhaft, im Muspilli.
Der kämpf zwischen Elias und dem antichrist v.37 — 47 ist ganz
ausgesprochen ein gerichtlicher Zweikampf, die entscheidung
ZUM HTLDEBRANDSLTEDE. 267
Über (las reclit bildet den gnmdg-edaiikeii. Der begriff des
rechtes also steht im mittelpimkt Daher die ausdrücke laie-
roltrehtnnlson 37')? rehtlernon 42; daher Jihcnfun 40, da
Jccmpfo, mlat. campio, besonders der gerichtlich bestellte
fechter ist — hier Elias als Vertreter der rehfkernon, der
antichrist als solcher für das gesinde des satanas; endlich
Jcösa, die gerichtliche Streitsache, der prozess. Da Elias das
recht verficht, hilft ihm der des himmels waltet, der antichrist
hingegen, der kempfe des Unrechts, an dessen seite der satanas
steht {-^ propuijnat, s. Steinmeyers Anm.MSD2l34; Kraus a.ao.
s. 345), wird verwundet fallen und siegios werden. Die Vor-
stellung ist vollständig die eines germanischen Judicium dei.
Aehnlich ist in der Summa Theologiae str. 11 (wie an
der in MSD 2^,208 aus Otlohs Tractat de tribus quaestionibus
angeführten stelle) Adam als kempfe für das menschengeschlecht
aufgestellt, um ein einuuj zu ringen mit dem gebot, mandatum.
Gott gieng mit ihm die bedingung ein, dass wenn er den kämpf
gegen das erste im paradies auferlegte gebot siegreich bestehe,
die menschheit nicht sterben würde.-)
Strassburger Alexander 4610 ff. (aus der lat. Historia
de proeliis): Alexander bietet dem Porus den Zweikampf an
{nü neni cht htninc tcider mich und ili ein einivich ivider dich
4630 f.), denn es sei schände, dass ihre beiden beidenthalb er-
schlagen würden 4620. Das eimvich (4645) findet zwischen
den beiden beeren statt {dö si solden striten, dö stunden in
beiden stten di here, aJse da gelohit tvas 4650 ff.). Bedingung
ist, dass dem sieger die leute des gegners Untertan würden
4632 ff.
') Die uueroltrehtuuhon sind die weltlichen rechtskundigen, sapientes
laici, im gegensatz zu den goimanno 48, sapientes clerici, das erhellt aus
den angelsächsischen gesetzen (s. unten s. 277), wo beide einander gegen-
übergesetzt sind, z. b. ßcem ieldstan tvitum minre peode — micelre
^esommoi^a ^odes peowa (Schmid, Ges. d. Angelsachsen Ine Prol. [s. 20],
wo noch andere beispiele im register s. G79a). Die ansieht der inieroltreht-
uuison i.st die dem volkstümlichen rechtsbcwusstseiu entsprechende, wonach
der Zweikampf ein rechtsurteil ist und also derjenige, welcher das recht
verficht, siegen muss; die der gotmanno ist die kirchliche, wonach Elias
vom antichrist besiegt und getötet wird. Diese leitet dann den religiösen
mjthus vom Weltuntergang ein.
*) Jesus warf den fürsten dieser weit m eimvigi nieder, Otfrid 4, 12, 62.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. lg
268 EHRTSMANN
Kaiserchronik 11262 ff. (Schröder): Äin ainwich ivart
duo gelohet zwischen Heracliiis und Cosdras. Heraclius war
bereit, da.z sin da werden solte, swes got uher in verhengen
ivolte. Der Zweikampf findet auf einer brücke statt, zwischen
den beeren, desgleichen in dem mittelfränk. Legendär, Busch,
Zs. fdph. 10, 156. 624 ff. (vgl. Kinzel, Lamprechts Alexander
Anra. zu v. 4631, und bei Richer, s. oben s. 264.) — 14116 ff.
Otacher will mit Dieterich angesichts der beere fechten {den
lip in urteile setzen 14118 ist wol ursprünglich so viel als 'es
auf ein gottesurteil ankommen lassen', s. auch Rolandslied
[Bartsch] 1664, Rother [Rückert] 3082).
Gar keine beispiele für die auffassung des Zweikampfs als
gottesgericht enthält das Nibelungenlied. Das hängt mit dem
zurücktreten des religiösen dementes in diesem gedichte über-
haupt zusammen. Das tiefere empfinden der personen erstreckt
sich nicht auf ein relig-ioses bedürfnis und so sind auch beim
kämpf ihre g-edanken nicht auf gott gewendet. An stelle des
demutsvoll sich bescheidenden glaubens tritt bei ihnen ein
starrer, über den gemütern lastender fatalismus, sie fühlen sich
beherscht von der düstern gewalt eines unerbittlichen Schick-
sals (Kettner, Die Österreich. Nibelungendichtung s. 217 — 219).
Der schicksalsglaube in dieser schroffen form ist germanisch,
heidnisch, und in dieser beziehung ist das Nibelungenlied alter-
tümlicher als das Beowulfslied in seinem trostreichen gott-
vertrauen. Aber auch gegenüber dem Hildebrandslied liegt
in der bedeutung des kampfes ein unterschied: in diesem be-
stimmen gott und recht den sieg, im Nibelungenlied allein die
persönliche tüchtigkeit des mannes.
Um so mehr frömmigkeit pflegen die späteren und spiel-
männischen volksepiker, oft mit Übertreibung, mit geflissent-
lichem zurschautragen. So gehören zu dem langgedehnten
pathos des Alphartsliedes auch die häufigen religiösen for-
mein (Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen helden-
dichtung s. 211 — 215). Alle lebensbedingungen stehen hier
unter gottes lenkung, so liegt auch sieg und tod in seiner
band: ivil mir got nü helfen, iivcr tüsent sige ich an 155,2;
sivem got des heiles gunne, der vilere den sie an der hant
161,4; sivem got des heiles gunne, der mac ivol gelehen 226,2.
266, 2 ; zvelt ir strites ere an mir beide hegän, so sten ich niht
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 269
alleine: ich wil den ze helfe hau, Der alles reht erkennet und
im oiich hi gestät. ja getrüwe ich got dem giioten das er mich
niht enlät 266,3 — 267,2; tvir sullen uf der heide teilen den
soll mit strit, wem es got gunnc. der danne vellet der lit 233, 3 f.
^hiiiiriert ist die fromm igkeit im Eckenlied. Der held
hat alles Selbstvertrauen verloren, Dietrich ist die carricatur
eines recken, ei- siegt lediglich aus dem gründe, weil er sich
zu gott bekennt, den sein gegner Ecke verschmäht, str. 99, 12 f.
100. 109. 112. 116, 4 ff. 124.
Auch in Dietrichs gebet vor der Schlacht, Dietrichs
flucht 8721 ff., ist der durchziehende gedanke, dass gott dem
rechte hilft: dar sno st mir diu helfe vriim, herre vater, hei-
liger geisf: icant du min reht ivol tveist ... nie ruoche mir se
helfe Tiomen und niwan als ich reht hdn. sivas hiut hie schaden
uirt getan, das rihte, vil heiliger Crist, in den der rehte schuldec
ist . . . und ruofet alle Jesum an, ivan er uns ivol gehelfen Jean.
Ebenso fleht Dietrich gottes hilfe an zum sieg Rabenschlacht
Str. 505, 6 ff.: hitet got, das er uns helfe nach dem rehten u. s.w.,
nii hum uns got se helfe! 508,5 tiu läse uns got den sie an
im erwerben 509,6.
Das gebet stärkt den sinkenden und hilft ihm zum siege:
Morolf Str. 769 (Vogt): Sine hende er über sich bot: 'here, nü
hilf mir üser not' u. s.w., 770 E er das tvort ie voUesprach, got
sante im ein nüwe craft. In der höfischen dichtung ist dieses
motiv ins weltliche geAvendet, indem der ermattete kämpf er
dui'ch den aublick der geliebten wider frische kräfte gewinnt
(J. Grimm, Mythol. s. 371 f., M3^thol.4 s. 330 f.).
Noch mögen einige beispiele aus dem höfischen epos
folgen. Chrestien lässt im Ywain zweimal seineu beiden als
kempfen im gottesurteil auftreten, einmal für die auf den tod
angeklagte Lunete, dann für die ihres erbes geschmälerte
tochter des grafen vom schwarzen dorn. Wir können auch
leicht die beweggründe erkennen, weshalb er an dieser beson-
deren art des Zweikampfs gefallen fand. Zu den ritterpflichten
gehört es, für die unterdrückten einzustehen, eine öffentliche
rechtsform dafür aber war eben der gerichtliche Zweikampf,
und so konnte er auf- diese weise eine der schönsten ritter-
tugenden an einem in seiner zeit gültigen rechtsverfahren
eindringlich zur darstelluug bringen. — Die betreffenden
18*
270 EHRTSMANN
stellen finden sich in Hartmanns bearbeitung (zu Chrestiens
Ywain vgl. Pfeffer a.a.O. s. 19 f.) 5145 — 5450 (besonders Iweins
Worte: 'ivcent ir daz ich eine si? got gestuont der wärheit ie:
mit ten beiden hin ich hie. ich weiz icol, si gestenf mir' u.s.w.
5274 ff., und darauf der truclisess: 'stces ich mich vermoeze ivider
unsern herren got, des geuieng ich schaden unde spot . . . ich
getrüiv im helfe haz dan ir' 5282 ff.) und 5625 — 7780.
Weit obenan aber im ritterroman steht Gottfrids giän-
zende Schilderung- von Tristans Holmg-ang-, Trist. 6450 — 7089.
'Gott und recht' bilden den leitgedanken, sie stehen auf Tri-
stans Seite und zwar ist es so vorgestellt, dass gott leibhaftig
beim kämpfe anwesend ist. Die bezeichnenden stellen sind:
Morolt 'wir suln ez hie mit handen, ivir zwene, under uns leiden
in einem ringe scheiden, iveder ir reht Jtahet oder ich 6450 — 53;
Tristan: diz muoz ich mit gotes helfe erzeigen und mücze den
geveigen, der unreht under uns beiden habe ... daz ich daz
reht niht breche daz min her Morolt ... zins ze rehte nie
qewan ... daz wil ich mit miner hant tvär machen und ivär-
bceren 6454 — 71; so u-as andcrhalp der strU, daz eine got,
daz ander reht 68861; 'got unde reht, tvä sint si nuo, Tri-
standcs stritgesellen? op si im iht helfen iv eilen, des nimet
mich michel wunder' 6986; got unde reht, diu riten dö in
mit rehtem urteile 70001; tmd Tristan, cdse er icart getvar
der sinen stritgesellen, dö ivuohs im muot und eilen 70091,
und darauf fällt er Morolt zu boden; am ende fasst Tristan
das ergebnis zusammen: gott hat das urteil gesprochen und
das recht geoffenbart, 'der rehte und der geivoire got und gotes
getvwrlich gebot die habent din unreht wol bedäht und reht an
mir ze rehte bräht'.
Endlich sei noch hingewiesen auf die ausführliche Zwei-
kampf Schilderung Konrads von Würzburg im Engelhard
4001 fl, wo der rechtsstreit ausläuft in das alles sittliche
empfinden auf den köpf stellende gaukelspiel mit got und der
rehten wärheit (v. 4037. 4042).
Aus den vorhergehenden belegen ist zu sehen, in welcher
weise das thema des als gottesgericht aufgefassten Zweikampfs
in geschichte und dichtung aufgenommen und behandelt ist.
Der ethische grundgedanke, dass gott des rechtes waltet, ist
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 271
auch der des Hildebrandslieds. Das gedieht steht mit dieser
Idee iumitten einer reichen literatur.
Die hauptzüge der erzilhlung- kehren grossenteils in den
kämpfen des Waltharius wider.
Hild. 4 — 6 die helden rüsten sich: Walth.4:74 Ducere equum
jiihet et sella componcrc sculptu] 481 Ne tanlate, viri, praccin-
gite Corpora ferro, Fortia squamosus ihorax jam terya recondat.
Hild. 7 — 13 frage nach sippe und namen: Walth. 575 per-
(jant primum qui cunda requirant Et (jenus et pairkun no-
menquc locumquc rdictum^ 587 die, Iwmo, quisnam Sis aut
unde venis.
Hild. 14 — 29 nennung des namens, erzählung der Schick-
sale: AValth. 597 Waltharius vocor, ex Aquitanis siim generatus,
A genitore nieo modicns piier ohsidis ergo Sum dafus ad Hunos;
ibi vixi nuncque recessi Concupiens patrium dulcemque revisere
gentoii.
Hild. 30— 32 kämpf zwischen blutsverwanten: Walth. 1239ff.
kämpf zwischen freunden, Waltharius und Hagano.
Hild. 33— 35 versölmungsversuch durch geschenke: Walth.
611 si nie ccrtamine laxat . . . ArmiUas centum de ruhro quippe
metallo Factas transmittam, quo nomen regis honorem, s. auch
662; 1263 Quod si consentis, jam tum ditatus ahibis Eülogiis,
rutilo umhonem complelo metallo.
Hild. 38—41 Vorwurf der hinterlist: Walth. 790 O versute
dolis ac fraudis conscie scrpens, Occultare artus squamoso teg-
mine suetus Ac veluti coluber girum collectus in unum . . . ;
1352 Tu saltando jocans astu me ludere iemptas!
Hild. 46 — 48 höhn- und trutzreden halten im Waltharius-
liede Werinhard 740 f. {lias jactitat ore loquelas 739), Eckifrid
761—763, Hadawart 790—804, Helmnod 991, Günther 1230—
1236, Walther selbst 752. 979 f. 1057 f. 1351—1355.
Hild. 49 — 54 Hildebrands klage über die feindseligkeit
seines eigenen kindes entspricht der klage Walthers über den
bruch der freundschaft gegenüber Hagen 1239 ff.
Hild. 55—57 der Zweikampf als rechtsoffenbarüng: Walth.
702 Si convincar, quod ^noelia primus Temptarim seu quid
merui, quod talia 2)ossim Jure pati, ahsque mora tua nie trans-
verberet hasta!
272 EHRISMANN
Hild. 58—62 entscliluss zum kämpf: Waltli.672 WaUhnrius
iandini: ' Si sie placcV (nü dih es so ucl hisiit) inquit 'agamiis!'
Diese einzelnen bestandteile des Walthariusliedes zusammen-
gesetzt und unter eine einheitliche fabel gebracht würden eine
dichtung ergeben, die in ihrer äusseren anläge, ja stellenweise
bis auf die ausdrucks weise, dem Hildebrandslied sehr ähnlich
Aväre. Aber in ihrem inneren wesen würde sie von diesem
grundverschieden sein. Es könnte dort nicht heissen Hhu dir
din eilen taoc', es würde nur darin stehen 'volente deo\ ^so
gott es vergönnt' (Walth. 570). Es wären zwei verschiedene
rechts- und religionsanschauungen, die germanische und die
kirchliche.
Die erzählung führt nicht unmittelbar in die handlung
hinein; auf die eingangsformel, v. 1, folgt zuerst das situations-
bild mit nennung der handelnden personen: v. 2. 3, 'heraus-
f orderung zwischen zwei beeren'. Das locale ist nicht weiter
ausgeführt, eine bestimmte Situation nicht gezeichnet. An-
gesichts der beere fanden viele der historischen Zweikämpfe
statt, es war eine bekannte Vorstellung. Der dichter benutzte
sie, um damit nur im allgemeinen den hintergrund anzudeuten,
vor welchem sich die ereignisse abspielen. •) Kurz, v. 2. 3
bilden den prolog, sie enthalten das thema, den allgemeinen
gedanken über den Inhalt. Sie stehen mit v. 4—6 nicht in
historischem Zusammenhang wie glieder einer kette von ereig-
nissen, sondern sie stehen vor der erzählung, vor den einzelnen
Vorgängen, als einleitung. Ein solcher prolog gehört zum stil
des alten epischen liedes. Er hat den zweck, die handelnden
personen vorzustellen, angäbe der besonderen gelegenheit ist
nicht nötig. So beginnt die erzählung vom kämpf zwischen
Elias und dem antichrist Muspilli 37 ff.: zuerst die einleitungs-
formel 37, dann das thema daz scidi der cmticliristo mit Eliase
imgan 38, darauf dann der beginn der ereignisse, der uuarch
1) Als literarisches motiv ist das zusammentreffen von knndscliaftern
beliebt, vgl. Kauffmaun a. a. o. s. 142 f., der besonders anf Alpbart verweist;
vgl. auch Kibcluugeul. str. 182 ff. (Bartsch) Liudegast und Sivrit, Thidreks-
saga cap.325 Ecinold und Hildebrand, auch Willehalni 333, 16. — Aber eine
bestimmte anschauung will der dichter mit dem 'unter heriun tivem' nicht
erwecken.
ZUxM HILDEBRANDSLIEDE. 273
ist liKuäfanif, rüstung" zum kämpf (=Hild. 4 — 6): Chlothar-
lied 1 — 4 De Chlothario est canere rege Francorum, qui ivit
pucjnare in gcntcm Saxomnn u.s.w.; Ludwigslied 1 [2]: Einan
liuning uueis ih, Heizsit her Hludmg [u.s.w.]; De Heinvico
1—4; Psalm 138, 1.2 Uuellet ir gihoren Daviden den giioton, den
stnen touginon sin; ]\[odus Liebinc 1 — 3 Adveriite, omnes
popidi, ridicnlum et audite (jnomodo Smievum mulier et ipse
illam defnidaret] Merigarto II, 1 eingangsformel: Daz ih oiih
horte sagan, v. 2 — 5 tliema: daz in Tuscänc rin ein uuazzer
scöne unt sih daz perge an ein zvisin unter derda imte man
sin so manga uuola zehen iiiche lenga\ im epischen lied des
16. jh.'s, z. b. Was tcöllen tvir singen und heben an? ... Wir
singen von einem Edelman, der heifst Sehmid von der Linden;
im bänkelsängerton, z. b. der eingang von Günthers v. d. Forste
Tagelied-ballade ]irSH 2, 165b (vgl. Koethe, Anz.fda. 16,78), der
Schlosser von AVien im Ambraser liederbuch no. ccxvii (Berg-
mann s. 279), und so noch heute in den moritaten auf unsern
Jahrmärkten; ebenso der eingang der Voluspä, der angel-
sächsischen gedichte vom panther (v. 8), walfisch, rebhuhn,
von der botschaft des gemahls.
Erst mit v. 4 Avird die handlung in bewegung gesetzt und
zwar wird sie eingeleitet mit der^ wappnung der beiden,
V, 4—6. Diese ist ein stehendes eingangsmotiv bei Zwei-
kämpfen: Muspilli 39 der iniarch ist Jduuäfanit; Walthariiis
474. 481, s. oben; Ermoldus Nigellus s. oben; Fiiuisburg 14 Ba
uras nuenij ^oldhladen öe^n, gijrde hine his swurde; da to dura
eodon drilitlice cenrpan, Si^efcrä atid Eaha hijra sivord sdn^on:
Nibelungen (Bartsch) 182, 2. 428. 429. 435—437. 440. 2028, 4.
2031,1; Alphart str. 123. 207 f.; Ecke str. 21— 24. 30—34;
Thidrekssaga cap. 18. 91, und sehr oft im höfischen epos. —
Genau vorgeschrieben war die bewaffnung für den gerichtlichen
Zweikampf: Sachsenspiegel (Landrecht) I, 63, 4; Schwaben-
spiegel 351, 3. 404, 7 (Wackernagel s. 312. 332).
V. 7. 8. Der ehrwürdigere, ältere redet zuerst (Scherer,
Lit.-gesch."^ s. 29), er ist auch zugleich der erfahrenere (zu fr 6t
'alt' s. Steinmeyer, MSD.2:\ 13, zu heroro Edzardi, Beitr.8,484ff.).
Er hat den Vorrang in Staatsgeschäften, das wort vor andern
im rate: Tac.Germ.xi,moJc rex vel princeps, prout aetas ciiique,
prout nohilitas, prout decus hellorum, prout facundia est, audi-
274 EHRISMANN
uniur; beispiele für das frühere mittelalter s. bei Waitz, Ver-
fassiing-sgescliichte 1^, 353 f., mhd. alt und ivise, gegensatz junc
und tum}).
\. 9 föMm uuortum: es ist kein grund, von der einfaclien
Übersetzung Laclimanns 'mit wenigen Worten' abzuweichen.
Die erkundigung nach dem namen hatte in der sitte der Ger-
manen jedenfalls ihre fest geregelte form (war ceremoniell,
vgl. Kauffmann a. a. o. s. 145), und das waren wenige, bestimmte
fragen, zunächst nach namen, geschlecht und heimat. Im
Beowulflied 237 — 257 ist allerdings die namensfrage von einem
reichen poetischen rankenwerk umschlungen, ein rhetorisches
prachtstück, aber das ist dichterische spräche des behaglich
sich ausbreitenden epos, während die knappe fassung des
Hildebrandsliedes sich an die einfache Wirklichkeit hält. Einen
ähnlichen gegensatz zwischen kurzer und langer rede enthält
das Beowulflied selbst mit Wiglafs kurzen worten {fea icorda
civced 2661) 2662—2668 gegenüber seiner weitschweifigen an-
spräche 2633 — 2660 (tcordrihta fela scegde s^siöum 2631 f.),
welche mit vielen Variationen, kenningar und Umschreibungen
ausgeschmückt ist. Auf den umfang der rede wurde im mittel-
alter geachtet. Wenig worte zu machen ist Vorschrift im
gottesdienst, im gebet: Otfrid 2, 21, 15 f. Thunne ir hetot ivizit
thaz, diiet iz liurzlichaz, ni ruachit dnihthi liarto iliero ma-
nagfalton ivorto; In herzen hetot hario kurzero tvorio (nach
Mat. 6, 7 nolite multum loqui); Kelle, Spec. Eccl. 23, 14 Nv svU
aver ir die hvrzen rede mit der Jcrefte des heiligen geistcs
7ner7cen; Parz. 106, 22 f. er sprach mit kurzen tvorten sän sine
hihte; Buch der Rügen, Zs. fda. 2, 92 v. 1646 f. (zu den pre-
digern) daz ir mit in tvelt reden iht, duz si nütze und kurz-
lieh; -- in der schule, in der dialektik: Notker, Boeth. 3, 57
(Piper 162, 20) ddz sdgeta ih före Idngseimo, nü uuile ih iz
liegrifen chürzUcho: in fünf kurzen paragraphen, in § 54 — 58,
werden alle beweise zusammengefasst, die vorher von § 28 — 52
(s. 141 — 162) weitschweifig {Idngseimo) erörtert worden waren;
Renner 19352 f. Wer könde gröz wunder grözer grtfen 3Iit
kleinen tvorten ivol hegrifen? — im gesellschaftlichen leben
beim verkehr mit vornehmen: Facetus LLS. 1, 571, 431 ff. So
du iverhen soll hotschaft Vor herren, dar an liget kraft: 3Iit
tvorten eben helle Soltu sy sagen snelle; Renner 19960 ktcrze
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 275
rede mnt vor hcrren tvol; Wolfenbüttler siindenfall 3598 ff.
(vgl. Heinzel, Beschreibung des geistl. Schauspiels s. 186), bes.
3603 f. It is der Jieren sede, Se mögen niclii liden lange rede]
Exodus Diem. 132, 20 Der eJnmich im anturte mit luzzelcn
Worten-, Dietrichs flucht 1273 f. mit kurzer anticurt der h'inic
sprach zuo den holen die er saeli\ Gauriel y. ]\runtab('l 076 Der
riiter Icurzltchen sprach] — kurze inschrift (titulus): Reimer
18511 dit( kurzen worl ... an den vil siveren sUberinen tiir-
neiseren; — der dichter will sich kurz fassen: Otfrid 2,9,73
Lang ist iz zi sagnnne, ivio iz cptimit al zisamane; iz mag
man thoh irrenton mit lurzlichen worton, 5, 14, 5 Tlwh ivill
ih es mit Killen hiar luzilin gizellcn; AVälscher gast (inhaltsver-
zeiclmis der hs. G) s. 407, z. 4 von unten Hie spriche ich chürz-
lichen (bezieht sich auf v. 4147 ff.), s. 412, z. 22 von oben Da
sage ich chvrzlichen (bezieht sich auf v. 9710 ff.): beide male
ist die auseinandersetzung in eine anzahl kurzer punkte ge-
gliedert, s. 413, z. 4 von unten ein wenige vorrede] Rudolfs
Weltchronik, Yilmar, Die zwei recensionen s. 62, 170 f. daz ich
daz allez tihten teil mit ivarheil, doch kurzliche u. ö.; Meier
Helmbrecht 26 f. mit einer kurzen rede sieht künde ich iu
daz mmre] Mai und Beaflor 9, 19 mit kurzen tvorten ich daz
sage] Konrads v. Wiirzburg Silvester 2221 — 2224 durch daz
niht iuwer herze trage urdruz von langen ic orten, so ivil ich
zallen orten hekürzen niine rede alhic] Renner 5757 f. 3Iit
kurzen iv orten sül ivir riieren Ein gemeine rede, 10431 f. Ein
dinc künde ich in allen Mit kurzen tvorten] vgl. auch DWb.
5,2838. 2850 f. Der gegensatz: frägoda inan ... managon
uuordon Hei. 5270 (Kögel, Grundr.2^, 79 [s.-a.]; Franck, Zs.fda.
47, 16, anm. 2); feala icorda ,scsprcec ags. Genesis 271 (aus der
as. Gen.); Und. ic ölte mit langen icorten habe Geworben ir
hotschaft Renner 14542 f., u. a.
V. 9 — 11. Die namensfrage gehört zum ceremoniell der
literarischen zweikampfschilderungen (so auch im griechischen
epos: Diomedes und Glaukos, Ilias 6, 123). Auch im wirk-
lichen, täglichen leben wird der unbekannte nach namen, auch
geschlecht und heimat, gefragt uud für gewöhnlich wird dei-
aufforderung sofort entsprochen. Statt vieler beispiele für
diese sitte im alltagsverkehr sei nur verwiesen auf den ein-
fachen hergang in den Jakobsbrüdern 401 ff.; im epischen stil:
276 EHRTSMANN
Beowulf 236 ff.; Finnsbiirg 24 ff.; Waltliarius 575. 587 (s. oben),
vgl. Kögel, Gesch. d. d. lit. 2, 303; ferner Nibel. str. 1602 (Bartsch);
Kudrun str. 1431— 1436; Biterolf 10874 ff.; Rosengarten (Holz)
Str. 351; Thidrekssaga cap. 437; im Eckenlied str. 75 wird mit
nngeschickter neuerung die naniensfrage auf die brünne über-
tragen. Ausser dem eigenen namen handelt es sich um das
geschlecht und den namen des vaters im Beowulf 260 ff.; Wolf-
dietrich B Str. 367 — 369. Die nennung des vaters entspricht
germanischer sitte, vgl. Haduhrant gimahalta, Hütibrantes sunu,
Bcoicidf ma])elode, hearn Ecgjjeoives, Sivrit der Sigemundes sun,
Hagcne daz Aldriänes Jcint; der eigene name selbst kann fehlen:
hearn Ec^pcotvcs = Beoivulf, hearn Healfdenes = Hroö^dr,
Sigemundes harn = Sivrit.
Bei der namensfrage unterscheidet sich die höfische sitte
von der germanischen wesentlich dadurch, dass erst der be-
siegte seinen namen sagt, und dann auch nur widerstrebend.
Es ist das zeichen der Sicherung, wodurch sich der unterlegene
als vasall in die geAvalt des Siegers begibt, und darin liegt
eine entehrung. Diese höfische auffassung ist auch in einige
volkstümliche epen übergegangen: Alphart 263 f. Also si)rach
dö Heime 'nü saget mir imvcrn namen, tcerder ritler edele:
desn dürft ir iuch niht scliamen' . . . 1)6 sprach Alpliart der
junge 'es wcer niht guot getan, das mich des hetwunge ein
einiger man, das ich im iemer seite se rcJite minen namen,
teer min geslehte wcere: des miiestc ich mich immer schämen';
auch dem Witege weigert Alphart sich zu nennen '), str, 222 f.,
und ausweichend antwortet er dem Wülfinc str. 148; Wolf-
dietrich B str. 367 f. gerne müget ir hceren ivie der heiser sprach:
'du iverder degen Jäiene, nu sage mir dinen namen, das ich dich
müge erkennen: des soltu dich niht schämen! Do sprach Wolf-
dictrich 'das tccere ein sageheit, und solt ich von minem künne
so halde htm geseit, teer min vater ivwre oder tvanne ich st
gehorn.' Der gefragte gibt einen falschen nameu an: Dietleib
dem Sigfrid, Thidrekssaga cap. 118, dem Dietrich cap. 124,
Dietrich dem Ecke cap. 97.
Im jüngeren Hildebrandslied und in dem entsprechenden
abschnitt der Thidrekssaga cap. 407 f. ist der Vorgang der
') Namensnenniuig wird verweigert: Kanffmauu, Balder s. 198.
ZUM .HILDEBRANDSLIEDE. 277
iiameiisfrage ganz verdreht, beide mal in Zusammenhang; mit
der Umwandlung' des ethischen g-ehaltes, wodurch aus einem
hochtragischen ereignis ein possig-es spielmannsstück geworden
war. Im jüngeren lied erfolgt die frage erst nacli der ent-
scheidung des kampfes wie im höfischen epos, in der Thidreks-
saga sind die auffassungen des älteren und des jüngeren liedes
vereinigt, indem die frage sowol vor als nach dem kämpf
gestellt wird.
V. 15 — 20. Die exposition ist in einer * rück blickenden
rede' (Heusler. Lied und epos s. 11; Kauffmann a.a.O. s. 175)
gegeben und gehört als solche zum grundplan des situations-
liedes. Die Vorgeschichte aber, die entrollung des lebensbildes
enthaltend, ist in den vater-sohn-kämpfen ein stehendes motiv
und wird selbst da angebracht, wo die Schicksale des betref-
fenden beiden schon aus der vorhergehenden erzählung bekannt
sind, wie z. b. im Wigamur 4050 — 4139, im Lai de ]\Iilun
(Busse. Beitr. 26, 13); vgl. aucli A\'altharius 597 ff. (oben s. 271).
(Notwendig zur gegenseitigen erkennung der beiden beiden ist
die erzählung der Vorgeschichte in der Glaukosepisode, Ilias
0, 145-231).
V. 16 alte anti fröte (s, dazu die bemerkung zu v. 7. 8)
sind 'glaubwürdige zeugen' (Zacher in seiner zeitschr. 4, 469),
jene 'glaubhaften mäuner' des germanischen öffentlichen lebens,
die, ohne officielle ämter, bei verschiedenartigen gelegenlieiten
als zeugen zugezogen werden konnten, so besonders beim unter-
schreiben von Urkunden, bei gerichts Verhandlungen (A\'aitz,
Verfassungsgesch. 42, 405), beim königsgericht (Schröder, D.RG.'*
385), die homines honi, xirohi, vcraccs, guote liute^), im ags.
die icitan 'sapientes, scniores, ox)thnutes\ Jxßm ieldstan nitum
'seniorum sopientum' {ßd\m\^, Gesetze der Angelsachsen s. 678 f.,
s. oben s. 267, anm. 1). Sie waren die träger jeglicher über-
') Das ist die schar der guten mäiiner im Musp. 87 f. dennc stet dar
iimpi euffilo meni'gi, gnotero (jomöno, vg'l. Waitz a.a.O. anm. 5: cum- ihi
residcrent missi et judiccs vel pJures bonis hominihiis. Wenn im .Mnsi»!!!!
ausdrücklich heschrieben wird, dass der richter sitzt, die guteli niänner aber
stehen, so ist dazu die altsächsische sitte zu vergleichen, wie sie im Heliand
niedergelegt ist: Pilatus als richter sowie die urteiler sitzen, aber die volks-
gemeinde steht (der umstand), vgl. Lagenpusch, Das german. recht im He-
liand s. 44 ff.
278 EHRISMANN
lieferung-, besonders auch im rechtsleben (vgl. Eikes prolog
zum Sachsenspiegel, Home.yer 1, 130. 151 — 153. 201 — 211).
Mit dem ganzen vers, alte anti fröte, dca erhina ivärun, ist
zu vergleichen die ags. forme! ivise eac ivceron on ^edr-
dasum ivoroldivitan Schmid s. 386, 24 , auch cerran ivorld-
ivisan s. 248, 43, ])d witan pe sidÖan ivderon Eadward Prol.
s. 118; diese ivitan sind gesetzgeber früherer zeiten, demnach
verstorbene. Zu der formel in epischer Verwendung vgl. Beow.
2G5 f. liine gearwe geman ivitena ivel-htvylc tvide ^eond eoröan;
Öces ne ivendon cer ivitan Scyld'msa 11^, Stvylce oft hemearn
cerran mcelum swidferMes siÖ snotor ceorl monig 901 1; im
zeugenbeweis: Otfr. 1, 17, 27 So scribim uns in lante man in
ivorolti alte.
Diese erfahrenen zeugen sind im vorhergehenden verse,
V. 15, noch näher bezeichnet als üsere liuti. Möllers conjectur
(Zur ahd. alliterationspoesie s. 91 f.) swäse hat viel für sich
in hinsieht auf Wihträds gesetz 4, wo sivdese mcen genannt
werden als 'eigene, zum volk gehörige leute', Volksgenossen,
im gegensatz zu celpeodige^) mcen (Schmid s. 16); im Heliand
201 ff. Thö föriin iliar uuise man, snelle tesamne, tltea suä-
sostiin mest sind es, mit engerem begriff, die sippegenossen,
weise leute {uutse man 201, en gifrödot man, the so filo Consta
uutsaro uuordo, hahde giuuit mikil 208 f., the frödo man, the
thar Consta ßo mahlian 225), in rat und ansehen eben die
'horaines boni'. Diese niänner nun sind hier im Heliand zeugen,
die bei der namengebung Johannes des täufers zugegen sind,
im Hildebrandsliede aber handelt es sich ebenfalls um den
namen, und so wird man wol annehmen dürfen, dass der dichter
mit den alten und erfahrenen leuten, auf deren zeugnis er sich
beruft, hier in erster linie die tauf zeugen im äuge hatte. —
Swäse liuti, oder mit derselben bedeutung tisere liuti, sind
ferner das nämliche wie die lantlüte des Sachsenspiegels, 'ein-
gesessene eines landes, gerichtsbezirks, namentlich in betreff
ihrer politischen und sonstigen gerechtsame (Hildebrand
bei Weiske, Sachsenspiegel 5 s. 153); in der Schweiz: 'das wort
ist im politischen leben ehrenvolle, stehende anrede', Schweizer
') Man muss in betraclit ziehen, wie streng in den germanischen ge-
setzen zwischen Volksgenossen und stammfremden unterschieden wird.
ZÜM.HIT.DEBRANDSLIEDE. 279
Idiot. 3, 1522; 'landstände', vgl. Sclimeller-Fr. 1, U84 f.; Lexer
1, 1825. — Die beiden verse 15 und 42 mit der formel cht
sagf'hm nn (^iöller a.a.O.; Kögel, Lit.-o-esch. 1, 77. 216) stehen
in innerer bezieliung zusammen: dort werden zur beurkundung
einer der lieiniat zuständigen saclie auch heimische zeugen
beigezogen, Hildebrands tod aber, der in der fremde statt-
gefunden haben soll, muss von auswärtigen leuten beglaubigt
werden.
Y. 20 her furlacf in Jnnfe Inttila sitten u. s. w. Die
Salomonischen formein geben unter no. 8 (Zeumer, Mon. Germ.
Form. 1, 401) eine besondere, für solche fälle giltige Vorschrift
'liarta illins, qui, in bellum profecturus vel tthicumqne,
mairem cum uxore, cum filio vel filia parvula reliqucrit.
— /« laute, das g-egenteil ist ur lernte 50. in lante ist eine
von Otfrid häufig gebrauchte formel, und zwar fast immer im
g-egensatz zu einem andern, entfernten land. So auch hier:
he)- furlaet in lante ... — her raet östar hina.
V. 23 f. sid Bctrihhe darhä gistiiontun fateres mines: vgl.
Otfrid 1, 16,5 Sid si tharhen higan thes Hohes zi iro gomman,
wo die bedeutung 'entbehren' sicher steht. In diesen worten
liegt eine hindeutung auf die zukunft. Die dreifache Steigerung
V. 23 — 29 — 43 f.: sid Betrthlie darhä gistiiontun fateres
mines — ni ivuniu ih iü lih hahhe — tot ist Hlltihrant ist
von dramatischer Wirkung (vgl. auch Feussner, Die alliterie-
renden ältesten dichtungsreste s. 27).
V. 24 dat Ullas so friuntlaos man (Hildebrand) ist stilistisch
aufzufassen wie die ags. emphatischen halbverse öcet ivces göd
cijnins Beow. 863. 2390, öoit ivces an cijning 1885, dmt ivces
mödi^ sec^ 1812, öa^t tvces ^eomiiru idcs 1075, dcet w(bs srim
cyning Deor 23. — so ist verstärkend wie Musp. 40 khenfun
sint so Jcreftic, diu Msa ist so mihhil, 63 Fidiu ist demo
manne so guot\ zu Otfrid s. Pipers glossar 431.
Y. 26 dechisto wird von Kögel, Lit.-gesch. 1, 219 zu ahd.
kideht devotus (H) gestellt: vgl. Gensimundiis ... tanta se
Amalis devotione coniunxit, Miillenhoff, Zs. fda. 12, 254.
Mit V.30 beginnt der zweite teil des dialogs. Namens-
frage und antwort des ersten teils verlaufen in einfach berich-
tendem tone, jetzt aber wird die innere bewegung zur erregung
280 EHRISMANN
und drängt nach aussen; auf ruliig'e Zwiesprache folgt leiden-
schaftlicher wortstreit. Die nun folgenden gesprächsglieder
sind auch auf einem besonderen boden erwachsen: die grund-
lage der entwicklung bildet jetzt der altdeutsche rechtsstreit.
Dieses liegt in dem wesen des Stoffes, denn kämpf und prozess
waren den Germanen gleichstehende begriffe; der germanische
prozess wurde als kämpf aufgefasst, die Verhandlung der Par-
teien war ein wortkrieg.
Das altdeutsche prozess verfahren zerfällt in drei teile:
klage, antwort des beklagten, urteil; auf die antwort des be-
klagten kann aber noch replik und duplik folgen, worauf dann
also das urteil erst hinter diese tritt. Dieses ist, wenn nicht
endurteil, ein zweischneidiges urteil, dessen beweis durch ge-
richtlichen Zweikampf erbracht w^erden kann, der durch die
herausforderuug (kampfgruss) eingeleitet wird.
Genau in dieser entwicklung verläuft der zweite teil des
dialogs im Hildebrandsliede:
I. V. 30 — 32 ist die klage (Hildebrand);
IL V. 36 — 44 antwort des beklagten (Hadubrand);
III. V. 49— 57 replik des klägers (Hildebrand);
IV. V. 46—48 + 58—62 kampfgruss (Hadubrand) und er-
widerung (Hildebrand);
V. V. 63 — schluss: beweis durch das gottesurteil des Zwei-
kampfs.
I, V. 30— 32 die klage. Hildebrand klagt seinen gegner
an, dass er das verbrechen des verwantenmordes begehe. Der
kläger muss die Wahrheit seiner aussage beteuern. Das Decr.
Tass. IV, 6 schreibt vor: Extendanms dexteras nostras adjustum
Judicium Dei; et timc manus dexteras utrique ad caelum ex-
tendant >) (Sohm, Der process der Lex Salica s. 148). Die be-
teuerungsworte sind hier: Wettu irmingot ohana ah hevane.
Die von dem irmingot (Braune, Beitr. 2L 1 ff.) vertretene ur-
sprünglich heidnische gottheit ist der Mars Thingsus, der gott
^) Gesten köuueii durch den vortragenden Scop wol niclit gemaclit
worden sein, da dessen bände mit dem schlagen der harfe beschäftigt
waren. Denkt man sich den Vorgang dramatisiert (vgl. KauiTmann a. a. o.
s. 176), dann muss die handbeweguug gegen den Irmiugott zum himmel
gerichtet gewesen sein. — Zur symbolischen gebärdensprache im ahd. s.
Muspilli 91 dar scal demie hant sprehhan, hou^it sagen.
ZUM HILDEBRANDSLIEDE, 281
des kampfes und des gerichtes. In ah hevane liegt die Vor-
stellung-, dass die gottlieit leibhaftig vom liimmel herunter dem
sie anrufenden zur Seite tritt.
\. 31 f. dat da neo dana halt dinc ni gileifös mit sus sippan
ma)h Die juristische formel dinc leitön fällt bei dieser Situa-
tion begrifflich zusammen mit 'einen Zweikampf ausfechten'.
gileiius hat den sinn und die bildung eines futurum exactum.
Der satz heisst also: ich beteure es bei gott, dass du niemals
(trotzdem du mich gestorben meinst, vgl. Jellinek, Zs. fda. 37,
20 ff.) mit einem so nah verwanten mann einen Zweikampf
geführt haben wirst. Zukunft und Vergangenheit, welche in
dem futurum exactum vereinigt sind, lassen sich also hier
etwa folgendernuissen umschreiben: wenn du jetzt diesen ge-
richtsstreit führen (= kämpfen) wirst, wird dieses ein gerichts-
streit (= kämpf) sein, wie du ihn nie mit einem so nah ver-
wanten gekämpft hast. Dem ganzen satz 30—32 steht im
ausdruck nahe Witigs schlussrede, Thidrekssaga cap. 333.
V. 32 mit sus sippan man. Es war gesetzlich bestimmt,
dass blutsverwante nicht mit einander kämpfen sollen : Sachsen-
spiegel 1, 63, 3 hamplies mac oucJi ein man sine mäye heivaren.
ab si beide sine mäge sin . . . daz si also näh gemäge sin, das
si durch recht zu samene nicht rechten suln; Schwabenspiegel
350,21 (Wackernagel s.311); Richthofen, Altfries, wb. s. 1053b
ther (zwischen den nächsten verwanten) ne mi nen stef tha
neu strid tivisk risa, vgl. 857 b wellath holda ther fore kenipa
and hit urliase. Kampf mit verwanten oder freunden ist einer
der ärgsten frevel, darum der w^heruf Hagens sul wir tnit
friunden striten, daz st got geJcleit! Nib. 2200, 3 (Bartsch), und
der kämpf mit Ither und dessen erschlagung war eine der
grossen irrungen, die Parzival die lange herzenspein bereiteten
(Parz. 475, 21. 23). Yerwantenmord als todsünde auch Beow.
588—590.
V. 33 — 35 entspricht dem aussöhnungsversuch von selten
der verletzten partei. Die gäbe ist bei der commendation ein
Symbol von Seiten des herrn, wodurch er den mann in sein
schütz- und dienstverhältnis aufnimmt. Hildebraiid der vater
deutet dadurch an, dass er den söhn in seine munt, sein schutz-
recht aufnehmen und ihn als glied der sippe anerkennen will.
hi huldl heisst also 'als zeichen meiner huld, als zeichen dass
282 EHRISMANN
icli dir meine huld, meine väterliclie munt gewähre'.') —
Hadubrant antwortet auf die gäbe mit dem rechtsspricliwort
(Kögel, Lit.-gesch. 1, 77. 2, 227) tnit gern scal mcm geha infähan
V. 37. Auf den hier zu gründe liegenden rechtlichen Vor-
gang leitet das in der Novaleser chronik überlieferte beispiel
dieser formel (vgl. auch Wigalois 13, 8 ff.), w^o die dem liango-
barden Algis auf dem Speere dargebotenen armspangen ein
geschenk Karls des grossen sind. Eechtsbegrifflich liegt
also eine Schenkung vor, und in der tat ist die rechtliche
form der Schenkung darreichung und annähme der gäbe auf
Schwert- oder speeresspitze (v. Amira in Pauls Grundrisse II,
2, 187).
II. V. 36 — 44 die antwort des beklagten, Hadubrands.
Sie bestellt in der ableugnung des klageinhalts: ich begehe
keinen frevel durch verwautenmord , denn du bist nicht mein
vater. Dafür dass Hildebrand tot sei, zieht er zeugen bei v. 42 f.
V. 38—41. Der Vorwurf der list begegnet öfter in germ.
Zweikämpfen (s. oben Waltharius, Alphart str. 132f. u.ö.).
V. 41. Zu der syntaktischen form des doppelten so, also
. . . so (vgl. Lachmann s. 434) ist auch das stud — stvci 'wie — so'
oder 'so — wie' der ags. eidesformeln beizuziehen (mit endstel-
lung des verbums): swd ic orfhcehhe, sivd ic hit mid rihte hejeat
U.S.W. Sclimid, Gesetze, anhang x (s. 406) cap. 3, stvd ic her N.
an södre s^^vitncsse stände . . . , stvd ic mid minum e^tmi ofer-
seali . . . öcßt . . . cap. 8 (andere beispiele in cap. 2 [s. 404], cap. 10
^) Ein ähnlicher gedanke liegt wol auch der darreichung des Schildes
von Eüdeger au Hagen Nibel. 2194—2201 (B.) zu gründe. Wie Hildebraud
dem söhne das kleinod gehen will, um ihn von dem unnatürlichen kämpfe
abzuhalten, so reicht Eüdeger seine gäbe (2197, 3. 2198, 2. 2199, 3. 2201, 1),
den Schild, Hagen, um ihn dadurch symbolisch in seinen frieden aufzunehmen.
Dieser verspricht denn auch duz nimmer inch genieret in airite hie min liant
2201, 3. Dass in dieser stelle zwei sich widerstreitende ideen kreuzen, die
nicht ursprünglich neben einander gegangen sein konnten, muss mau aus
2201, 2—4 folgern, denn Hagen, der unbedingt treue vasall der Burgundeu-
könige, kann sich nicht in ein huldverhältnis zu Eüdeger begeben, das ihn
zu der felonie verleitet, zu sagen, wenn ihr auch alle Bürgenden totschlüget,
so würde ich doch keine band gegen euch rühren (vgl. hierzu Kettner, Die
Österreich. Nibelungendichtung s. 189). — Die anerbietungen des Waltharius
V. 662. 1262 (s. oben und Kögel, Grundriss 2', 181. 2^85 S.A.) bedeuten
lediglich loskauf; von laddi ist keine rede.
ZUM . HILDEBRANDSLIEDE. 283
und anh.xi rechtsform el [s.408]).') Daraus erklärt sich denn auch
das u'ä-s6 der schwäb. trauformel (MSD. no. xcix und anm. zu
z. 3) = 'so-Avie'; ^l'a ist hier also entstellt aus >sw7i 'so' oder
'wie', das im ahd. sonst nicht belegt ist. Vgl. auch ]\tusp. 89 f.
III. V. 49 — 57 replik des klägers (Hildebrand). Für ge-
wöhnlich schliesst mit der antwort des beschuldigten die Ver-
handlung der Parteien ab, doch kann auch noch ein wider-
legungsversuch des klägers eintreten, wie z. b. in Konrads von
Würzburg Schwanritter 430 ff. (R. SchriJder. Zs. fda. 13, 142 f.).
Dies ist auch in unserni liede der fall. ]\Iit der Zurückweisung
von Hildebrands versöhnungserbieten durch Hadubrand war
eigentlich die Verhandlung abgeschlossen, aber jener macht
noch einmal einen versuch zu friedlicher lösung. Seine Wider-
rede besteht aus drei teilen:
1. V. 49. In der replik fällt dem kläger die beruf ung auf
wissende anheim (Siegel, Gesch. d. d. gerichtsverfahrens s. 142) ;
Schwanritter a.a.O. v.433ff. {die hrieve und der hantvesten hraft).
Die Zeugenberufung ist hier in die form eines gerüftes ge-
kleidet (über das gerüfte vgl. Grimm, RA. 876. 878. 4. aufl. 2,
517—519; Schröder, D.RG.^ 37. 77 f. 88; Brunner, D.RG.2, 481 f.),
denn v. 49 ist ein solches. Welaga ist ein gerüftewort, wie
aus der Verbindung unoJago unafane Ahd. glossen 1, 637, 20
hervorgeht. Angerufen als zeuge wird der waltant got. We-
wurt geschieht dadurch, dass Hadubrand den aussöhnungs-
versuch zurückgewiesen hat. Wcivurt ist nicht "welischicksar
im allgemeinen, sondern speciell wehtat, Übeltat, verbrechen;
ags. icyrd bedeutet nicht nur Schicksal, sondern auch tat, er-
eignis, ahd. ghvurt nicht nur angenehmes Schicksal, sondern
auch ein angenehmes ereignis und die freudige empfindung
darüber. Uebeltat im engern sinne ist mordtat, wie got. tvai-
dedja = mörder ist. Der satz ist also ein klageruf, wie er
ausgestossen Avird, wenn ein mörder auf handhafter tat ertappt
wird. Ein beispiel aus dem wirklichen leben gibt Ruodlieb
Till, 16 f. (Seiler) 'Hie' ait 'est' rector 'miserabills utique
rumor, Quod sit percussus, quo non melior fuit uJlus'.
*) Aehnlich in den ags. zaubersegen, z. b. Greiu-"\\'ülcker 1, 1, 320 v. 11
u. ö. ; im zweiten Merse1)urger Zauberspruch sose (= sösö) — so so — wie :
söse benrenkf, sose hluoirenki, sose lidirenki .... — sose (= so si) gelimida
$in. Dieses so — so gehört also zum syntaktischen bestand solenner formein.
Beiträge ziir geschichte der deutschen Sprache. XXXII. \(J
284 EHRISMANN
2. V. 50 — 54 klage Hildebrands über das furchtbare ge-
schick, das bevorsteht. Sie ist ein mahnruf an das herz des
Sohnes. Aut rührung berechnete klagen gehören zum festen
bestand des epischen stils, ihnen fällt die aufgäbe zu, die
Seelenstimmung auszumalen und der harten handlung einen
warmen gefühlston einklingen zu lassen. — V. 50—52 tragen
das gepräge eines gelfs, eines selbstruhms. Als recke stellt
sich der alte dar und legt sich damit einen besondern ehren-
titel bei, wie Sigefer}? im kämpf um Finnsburg 26 ff.
V.51 sceotantero. Kögel ist geneigt (Lit.-gesch. 1,213. 223),
diese truppe für fusskämpfer zu halten auf grund von Tacitus
Germ. cap. vi, aber die dort geschilderten pedites sind ex omni
juventute auserwählt (vgl. bes. Müllenhoff, ü. altertumsk. 4, 174),
was auf den alten recken nicht passen würde. Die sceotend
waren sicher beritten, der lield des germanischen epos ist über-
haupt nur als reiter zu denken. Ihre waffe, nach der sie
'schiesser' genannt wurden, kann nur der ger, die lanze ge-
wesen sein (Meissner, Zs. fda. 42, 125 ff.), nicht, wie Artur
Köhler, Germ. 13, 148 f. erklärt, der bogen. Hervorragend tüch-
tige krieger waren es jedenfalls, die in der schlacht einen
wichtigen posten bekleideten. Solche erwägungen führen zu
jener auserwählten schar, welche dazu bestimmt war, den
feind im anlauf über den häufen zu werfen und durch die
wucht ihrer lanzen das feindliche beer zu durchbrechen (Procop
IV, 32), Diese taktik verfolgten z. b. die Goten in der schlacht
bei Taginä, nur allzu einseitig, was ihren Untergang herbei-
führte (H. Delbrück, Geschichte der kriegskunst 2, 1, 374 ff.).
Ein prachtvolles bild eines solchen angriffs germanischer
reiterei gibt Ammianus Marcellinus XXI, 12, 20 ff. (Delbrück
a.a.O. s. 2741). Also Vorkämpfer wie ags. frum^dr frum^dra
(vgl. dazu bes. Ags. Genesis 2052. 2116), was dann widerum
passt zu den worten Hadubrands her tvas eo folches at ente 27.
Und aus ihnen mag auch wol die berittene leibAvache des
fürsten (Beow. 703) gebildet worden sein (Delbrück s. 426).
scerian ist zunächst der technische ausdruck für ausheben
zum auf gebot, vgl. Waitz, Verfassungsgesch. 4-, 612 'scariti
bezieht sich allgemein auf die aufgebotene mannschaft', Du
Gange VII, 339c 'in scaras conscriptus et distributus'.
3. V. 55 — 57. Die beweismittel sind erschöpft, das gerüfte
ZUM. HILDEBRANDSLIEDE. 285
musste ins leere verhallen und mit rührenden worten bloss
konnte Hildebrand keinen erfolg mehr erhoffen. Den letzten
versuch, den solin vom kämpfe abzuhalten, macht er, indem
er ihn an das göttliche gesetz, an das recht mahnt, ibii du
dar enw reht liabes, vgl. Kauffmann s. 150; Franck, Zs. fda.
47, 34. Mit der berufung auf das recht schliesst auch Walther
den wortstreit mit Scaramund v. 702 — 704, vgl. auch ags. A\'al-
dere B 25 ff. (s. oben), ebenso die herzogin von Bouillon ihre
replik, das ivir helmltcn itnser habe, die man uns liie ivil brechen
übe geivaltecliche %ind eine reht Schwanritter 479 — 481 (Zs.
fda. 13, 143).
V. 55 ibu dir diu eilen taoc, v. 57 ibu du dar enic reht
habes: beide bediugungen scheinen unvereinbar zu sein, denn
das recht ist seinem wesen nach von der körperlichen tiichtig--
keit unabhängig; wenn auch die kraft Hadubrands taugt, so
braucht er doch damit nicht auch das recht für sich zu haben.
Der Widerspruch liegt in der reclitlich unvollkommenen natur
des zweikampfurteils überhaupt, indem hier "der physische
kämpf zum rechtsinstitut' geworden war (v. Amira^ s. 217).
Der Zweikampf war eben ursprünglich 'ein machtstreit'. Diesem
Zwiespalt, der im gottesgericht als rechtsbeweis liegt, verleiht
der dichter unwillkürlich und unbewusst ausdruck dadurch,
dass er diese beiden bedingungen gleichwertig neben einander
stellt. Mit der ersten, ibu dir din eilen taoc, hat er ohne
weiteres und nur formelhaft ein heidnisches Sprichwort auf-
genommen (Kögel, Grundrisse s. 80, s.-a.), denn heidnisch ist
der glaube, dass dem starken das glück hilft: Wyrd oft nereÖ
unfcepie eorl, donne Ms eilen dcah Beow. 5721; im Andreas
459 f. nur äusserlich ins christliche übertragen, indem bloss
'gott' für 'Schicksal' eingesetzt ist: äcet nwfre forlceted lif sende
god eorl on eoröan, gif his eilen deah (J. Grimm, Andreas und
Elene s. xlii). Christlich ist die anschauung von der zum sieg
tauglich machenden kraft nicht, und darum ist es nur folge-
richtig, wenn die kirche dem gerichtlichen Zweikampf nicht
geneigt war (vgl. besonders Waitz, Verfassungsgesch. 42,428 f.). •)
Y. 55. 56 aodlihho . . . hcremo (vgl. Franck, Zs. fda. 47, 34) :
1) Hierher gehören besonders des Agobardus von Lyon Streitschriften
Ad versus legem Gundobaldi und De divinis sententiis, vgl. Ebert, Gesch. d.
lit. d. ma. 2, 213 ff. u. Reuter, Gesch. d. religiösen auf kläruug im nia. 1,24—30.
19*
286 EHRISMANN
wenn dir deine kraft taugt, vor allem aber: wenn du das
recht für dich hast, dann kannst du leicht an einem so alt-
ehrwürdigen mann den sieg gewinnen. Leicht wird dem
jungen der sieg nicht etwa werden, weil er in seiner jugend-
kraft dem alten naturgemäss überlegen ist, sondern nur dann,
wenn die beiden bedingungen eintreten, die in den Sätzen mit
ihn ausgesprochen sind, besonders die zweite, welche die erste,
rein formelhafte, eigentlich überflüssig macht. Mit heremo be-
zeichnet sich also Hildebrand nicht als alten und schwächeren
mann, der an kampfkraft dem jungen nachsteht. Eine solche
auffassung würde ganz dem geist germanischen heldentums
widersprechen. Im gegenteil, es liegt in heremo noch ein
nachklang jener von stolzem Selbstgefühl getragenen recken-
worte V. 50 — 52: ein altehrwürdiger mann von so heldenhafter
Vergangenheit (vgl. O.Schroeder, Bemerkungen zum Hildebrands-
liede s. 26). Kraft und Selbstvertrauen sind die tugenden dieser
menschen von der kindheit bis zum greisentum. Noch der
totalte Beowulf will, als er zum letzten heldengange schreitet,
fehde suchen und ruhmestat vollbringen (v. 2512 ff.); und Wal-
dere fordert, obwol vom kämpfe ermüdet (B 17), doch den gegner
trotzig heraus zu weiterem ringen, auch er, wie Hildebrand,
im letzten gründe nur vor der siegbestinimenden kraft des
rechts sich beugend.
IV. V. 46 — 48 kampfgruss. Die entscheidung ist vom vater
dem söhn zugeschoben worden. Schon in der sage ist es be-
gründet, dass es zum kämpf kommen und darum Hadubrand
die herausf Order ung übernehmen muss. Er tut dieses mit dem
kampfgruss (vgl. v. Amira^ s. 218; der angeklagte besonders
hat das recht auf Zweikampf, Waitz, Yerfassungsgesch. 4^, 429 f.).
Die verse 46 — 48 also enthalten die reizung zum kämpfe und
bilden, der sitte gemäss, eine hohnrede. Der herausf orderer
knüpft an ein bedeutungsvolles wort der letzten rede seines
gegners an, hrusti, und macht dieses zu seinem reizwort,
daraus entwickelt er den spott, dessen spitze darin liegt, dass
er gerade das, was den stolz des andern ausmacht, sein recken-
tum, ins lächerliche zieht (v. 47 f. sind antwort auf v. 50 f. und
auf V. 56).
An der rüstung erkennt man den recken. Auch der
Wächter der Dänen sieht an der trefflichen bewaffnung Beo-
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 287
wulfs und seiner leute, dass sie nicht for ivrmcsidum, weil sie
den weg der Verbannung- beschritten, den Hrodgar aufsuchten
(Beow. 338 f.).
Die reizrede ist die gewöhnliche form der herausf orde-
rung in der germanischen heldendichtung. Unmittelbar ilir
gleichgesetzt ist sie an verschiedenen stellen bei Saxo: nirsiim
Ilaquini pugilis adhortacione ])erstrictus, prouocantis nece
ulcionem irritate quietis exegit II, Holder s. 50; Vffo siqtiidem
filinm regis ad secum auidkts decernendum hortatus u. s. w.,
und später: regis fdium ad idcionem interfecti ... impensio-
ribus ncrhis sollicitat IUI, Holder s. 116; aduersarios prius
dictis quam armis contemncndos putahat; liostes coniminus
aditos prisüne prouocacionis uerhis lacessere insÜtit III,
Holder s. 184; vgl. Nib. 2267, 2 (B.) ir endurfet uns nilit reisen,
Walth. 1260 Iwc abscidc nefas neu hella lacessas; auch 703.
Eine besondere Zuspitzung bekommt die reizrede durch
das reizwort. In einem bestimmten Stichwort drängt sich
gleichsam der ganze verrat von witz zusammen, den der
herausforderer auf seinen gegner loslässt und worauf dieser,
so gut er kann, zu parieren sucht.
Mannigfaltig wie die kämpfe selbst sind auch die vor-
bereitenden reden im Walthariuslied stilisiert (s. oben s. 271).
Xacli dem muster eines prozesses verläuft der Zweikampf
zwischen "Walther und Kamalo: 1. klage (Kamalo) 616 — 648.
652; 2. antwort (AValther), loskauf sversuch 654—663; 3.kampf-
gruss (Kamalo) 665—667; 4. annähme des Zweikampfs (Walther)
672. Eine einfachere form stellt der wortstreit zwischen Wal-
ther und Skaramund dar, wo auf klage (Skaramund) 699 — 701
und antwort (Walther) 702 — 704 sofort, ohne kampfgruss, der
Zweikampf 705 folgt. Nur in reizreden wird die Zwiesprache
geführt zwischen Walther und Eckifrid 761 — 765, mit drei-
maligem Stichwort faunus {faunus 763, fauna pliantasma 769,
silvanus faunus lli), und ebenso die folgende zwischen Wal-
tharius und Hadaward, eine Steigerung der vorhergehenden
mit dem viermaligen Stichwort 'schild' {parma 798, clipcus
806, parma 819, scutum 840; 'Schild' als reizwort auch im
jüngeren Hildebraudsliede, Kögel, Lit.-gesch. 2, 310; Althof, Das
AValtharilied s. 88 motto; Derselbe, AValtharii poesis 2, 233);
widerholung der witzrede in zwei aufeinanderfolgenden kämpfen
288 EHRISMANN
(Raiidolf, Helmnod): pro calvitio ca2)Uis979, mZreOOl; einmaliger
Wortwechsel mit späterem holin auf den gefallenen (Werinliard)
740 f. 743 f. 752; desgleichen 1041—43. 44. 571 (Trogus).
Ermoldus Nigelliis III, 445 (s. oben s. 264): Stichwort beide
male nmnera.
Strassburger Alexander: Stichwort vane 1857. 1865.
Uie wechselrede zwischen Bloedel und Dankwart Nibe-
lungenlied 1922—26 (B) ist wider nach dem Schema einer
Parteienverhandlung aufgebaut: 1923 klage Bloedels 'dein
bruder Hagen hat Sigfrid erschlagen, das musst du büssen',
1924 antwort. Dankwart erklärt sich für schuldlos, 1925 replik
Bloedels e^ täten äine mäge und sogleich die herausforderung,
auf die Dankwart, vor dem losschlagen, nochmals antwortet.
Ein längeres Wortgefecht liefern Wolfhart und Volker 2265 ff.,
das durch das reiz wort Wolfharts seite 2269, 2, welches Volker
aufnimmt 2271, 1, abgeschlossen wird. In dem sehr ironischen
Wortwechsel zwischen Hildebraud und Hagen 2342—44 bildet
suone das Streitwert.
In der Herwig-Ludwig-scene der Kudrun folgt auf die
namensfrage str. 1431 f. die klage Herwigs 1433—35, 3 (du hast
Hetel erschlagen und mein weib geraubt) und dann gleich die
kampfliche erwiderung Ludwigs mit der hohnspräche 1435,4
— 1436,4, worauf der kämpf beginnt, Käch dem selben
tu orte ein ander liefen an die zwcne riche künige.
Im Wolf die tr ich D.IV drehen sich die scheltreden str.
23 ff. um das Schlagwort henken 25,4. 26,1. 27,4, die von
Str. 74 ff. um wide 74, 4, halsivide 78, 2; die von D.V str. 172 ff.
um tiiivels dienstman 11?,, L 174,2; s. auch Thidrekss. c. 391. 400.
Statt eines kampfdialogs findet sich häufig nur eine hohn-
rede auf den niedergestreckten gegner, so besonders in Konrads
Rolandslied (v. 4550 f. 5064 f. 6377 ff. 6386ff.). In den wechsel-
reden ist hier kein anklang an den deutschen gerichtsgebrauch
zu finden, es sind längere mit drohworten versehene Zwiegespräche
wie 4021 ff. und 4044 ff. mit 4070 ff. 4227 ff. und 4246 ff. 4385 ff.
und 4402 ff.; daneben begegnen auch kürzere schelten von nur
einem beiden wie 4294 f. 4359 ff. 4555f. Holmworte, dem ge-
fallenen nachgerufen, s. auch Waltharius 752. 1057 f. (s. oben
S.271); Lamprechts Alexanderlied (Vor. hs.) 544; Kaiserchronik
7065 ff. 14075 ff.; Eilharts Tristr. 924 ff.; Nibelungenl. 1927, 2.
ZUM HILDEBRANDSLIEDE. 289
1963 4 (B.) s. Kettner a.a.O. s. 14; Alphart 158,2—4; Dietrichs
fluclit 6757 ff.; Wolfdietricli D.V, 26, 3 f. und D.VII, 47,3 — 48,4;
Yirginal str. 735. 764 u. ö.
Das höfische epos kennt die reizrede in der form und
stofflichen bedeutung-, die sie im volksepos hat, nicht. Es
kommen avoI aueli Zwiegespräche wälirend des kampfes vor, die
in ihrer erregung über das mass der gesellschaftliclien Unter-
haltung hinausgehen, besonders wenn riesen oder räuber oder
die komische figur der Artusromane, Keii, dabei beteiligt sind,
aber zwischen höfischen herren ist diese tonart nicht sitte
(fürs altfranzösische vgl. Hilka, Die directe rede als stilistisches
kunstmiitel s. 46 und 119j.
Eeizrede und gelf sind nicht ein und dasselbe. Gelf ist
prahlrede, selbstruhm (vgl. u.a. Kögel, Lit.-gesch. 2, 302; Panzer,
Hilde-Gudrun s. 415; Haupt bei Beiger, M. H. als academischer
lehrer s. 40). Er kann, wie in manchem der obigen fälle'),
in der reizrede mit enthalten sein, gehört aber nicht notwendig
dazu, denn das wesen des gclfs besteht nur darin, dass der
Sprecher seine person durch Verkündigung seiner ruhmestaten
erlieben will, nicht dass er sich über einen andern, diesen de-
mütigend, erheben will. In diesem sinne ist der gelf ein aus-
druck echt germanischen heldentums. Der rühm ist das
höchste begehren des germanischen kriegers, selbst seine
kraft werke zu verkünden sein stolz. So redet Beowulf, der
gefeierte held, manches ruhmeswort Q^esprcec öd sc göda sylp-
ivorda sum 675), der königin gefällt seine ruhmesrede {Bdm
icife öd ivord ivel licodon, gilp-cwide "^eates 639 f.) und viele
seiner worte sind ^üp-sprcBc. In der heroischen zeit hatte das
wort keinen tadelnden nebenbegriff. Dieser kam erst durch
die christliche anschauung hinein, der zufolge der rühm dieser
weit eitel ist und die superbia das laster aller laster. Ein
schönes beispiel, wie hier die naive heidnische ruhmesfreude
mit der christlichen demut in widerstreit steht, gibt Ekkehard
im Waltharius 560 ff., wo sein held zuerst in stolzem Selbst-
gefühl sich seines sicheren sieges im voraus rühmt um dann,
über den frevel seiner selbstbewussten w^orte erschreckend, auf
•) Und so auch Ulfilas Galat. 5, 26 Ni wairpainia flautat (prahle-
risch), uns niisso ushaitandans (herausf orderud) ; zn ushaäan \g\. K&i\&-
manii s. Ii4.
290 EHRISMANN
den knien gott um verzeiliimg zu bitten, €[iioä talia dixit (vgl.
Kögel, Lit.-gescli. 2, 302).
In der nordischen diclitung sind die Avortstreite und wett-
gespräche zu einer literarischen gattung ausgebildet, deren
berühmteste Vertreter Lokasenna und Harbardslied sind. Die
Wortaufnahme, die hier häufig ist, ist aber im altnordischen
überhaupt ein beliebtes stilmittel, vgl. Heusler, Zs. fda. 46, 234
(auch Heusler und Ranisch, Eddica Minora, bes. s. lxxi). In
der althochdeutschen literatur ist das berühmteste gesellschaft-
liche spottspiel die Unterhaltung zwischen Walther und Hagen
am abschluss des Walthariusliedes.
V. V. 58 — 62 erwiderung auf die herausforderung (Hilde-
brand). Der kampfgruss schloss die mündliche Verhandlung
ab, er hatte den Zweikampf unabwendbar zur folge. Hilde-
braud kann nun nicht mehr anders, die macht des rechts und
der Sitte verpflichten ihn zum kämpf; er nimmt ihn an mit
den Worten 58 — 62, wobei er dem gegner die schuld zuschiebt
{nü diJi es so ivel lustit 58, vgl. st sie plaeet Walth. 672). Der
dialog schliesst mit dem leitton des trutzgesprächs 'wer wird
die rüstung gewinnen?'
Zum kämpfe selbst, v. 63 bis schluss des gedichtes, ver-
weise ich besonders auf die feinsinnigen erläuterungen Meissners,
Zs. fda. 42, 122—128 und 47, 400—412.
Die ausgeführteren kampfgespräche in den altdeutschen
dichtungen und der altdeutsche process nehmen ein und den-
selben verlauf. Auf grund dieses objectiven beweismittels
dürfte die versstellung im Hildebrandsliede in der angegebenen
weise anzuordnen sein, so dass v. 46 — 48 erst auf v. 57 folgen
und dem Hadubrand zufallen.
Bei der frage nach der anordnung des dialogs muss auch
das jüngere Hildebrandslied beigezogen werden. Mit dem
alten lied stimmen hier überein str. 6, 1 — 6. 7 = v. 46 — 48,
str. 7, 3 — 6 = V. 50—52. Die reiheufolge ist also dieselbe
wie die in der handschriftlichen Überlieferung des alten liedes,
umgekehrt von der oben aufgestellten. Aber dem jüngeren
liede kommt von vornherein keine grosse be^eiskraft in text-
fragen zu, da hier der ursprüngliche bestand und gerade auch
der dialog in willkürlicher weise geändert ist, so zwar dass
ZUM HILDEBRAND8LIEDE. 291
der geist des alten liedes in sein gegenteil verkehrt ^vllrde.
Zudem konnte gerade, wie die vorgetragenen beispiele zeigten,
das tj'pische Schema der kampfreden aufs mannigfaltigste
variiert werden. Die Umstellung im jüngeren lied lässt sich
auch leicht erklären. Der umdichter hat von dem alten
dialog überhaupt nur die trutzreden benutzt, alles dagegen
was vor Hildbl. 46 (in der hs.) steht, unberücksicht gelassen.
"Wollte er nun das zusammentreffen der beiden sofort mit
dem Streitgespräch beginnen, so musste er es durch Hadu-
brand, den herausforderer, eröffnen lassen (und dieses ist schon
im plane des gedichtes vorbereitet, denn gemäss str. 2, 8 wird
Hadubrand den vater sofort auf der marke anrennen), dem
Hildebrand konnte er unter den vorwaltenden umständen gar
nicht die ersten werte gewähren, da dieser nicht mit einer
hohnrede, sondern mit einer versöhnenden begonnen hätte (da
soU im freunüich zusprechen 4, 5). Die reizung sollte gleich
den anfang des dialogs machen — der dramatische auf bau
des ganzen drängte darauf hin — , diese aber fällt dem
gegenspieler zu. Am nächsten steht hier die begegnung
zwischen Hadaward und Walther, Waltharius 790 ff., wo eben-
falls der gegner den kampfgruss mit der anspielung auf die
rüstung einleitet.
Unter der Voraussetzung der Umstellung von v. 46—48
hinter v. 57 entwickeln sich auch die Charaktere der beiden
beiden, die mit so scharfen strichen gezeichnet sind, folge-
richtig. Es sind psychologisch abgerundete, einfache und
nicht complicierte naturen, deren wille auf kraft gestellt ist,
wie sie dem stile des germanischen epischen liedes eigen sind,
und wir müssen uns hüten, zu stark modern gefärbte senti-
mentale Stimmungen in sie hineinzulegen. Eecht und sitte
sind die ethischen gesetze, unter denen das leben jener
menschen steht, der dawider strebende muss untergehen. Sie
bilden die richtschnur für das handeln des alten, mag ihm
auch ein stück seines Innern dabei zertrümmert werden. Und
noch in dem bauer des dreizehnten Jahrhunderts lebt ein rest
vom alten Hildebrand, im Helmbrecht, der Aveheh herzens
seinen söhn verflucht, weil er sitte und recht mit füssen ge-
treten. Das Schicksal läuft hier wie dort ab: der vater warnt,
der söhn höhnt und rennt blindlings ins verderben.
292 EHRISMANN, ZUM HILDEBRANDSLIEDE.
Die Charaktere eines dichtwerkes sind in dem Stoffe be-
dingt. Im Hildebrandsliede gibt schon die sage die richtung
für die Seelenschilderung der beiden handelnden personen:
rücksichtslose Unbesonnenheit auf der einen, selbstbeherschung
und versöhnungsvolle gute auf der andern seite waren dem
dichter schon vorgezeichnet als die herschenden eigenschaften
im temperamente seiner beiden. Aber indem hier der roh-
stoff der sage mit individuell germanischem empfinden durch-
setzt und der kämpf als ein Urteilsspruch des höchsten wesens
aufgefasst ist, kam ein religiöses moment in die innere hand-
lung, mit dem die beiden naturen in einen weiteren contrast
traten. Nur dem vater ist ein frommer sinn beigelegt, nur
in seinen Worten ehrfurcht vor dem gottgesetzten recht zu
finden (v. 30. 49. 57). Das ist in dem wesen des Zweikampfs
als gottesgericht begründet. Von vornherein ist bestimmt,
dass der siegt, der das recht und somit gott für sich hat,
und nur diesem kann der dichter eine fromme gesinnung ver-
leihen, und nicht dem besiegten, der für das unrecht kämpft,
sonst würde die gerechtigkeit gottes mit sich in Widerspruch
geraten. Der siegende ist der gerechte, der andere ist der
lügner, so entscheidet das gottesgericht (Vom rechte, Waag,
D. ged. d. 11. u. 12. jh.'s s. 73 v. 240 ff.).
Für die germanische anschauung wurde die tragik, welche
in dem Vernichtungskampfe zwischen vater und söhn schon
für das allgemein menschliche empfinden liegt, noch verstärkt
dadurch, dass die wichtigste ethisch-politische idee, die grund-
lage des rechtsbewusstseins und der Sittlichkeit, die heiligkeit
der sippe, diu trimvc, verletzt wird. In dem conflict zwischen
dem rech tsbewussts ein und dem durch das Verhängnis auf-
erlegten pflichtgebot liegt der tragische grundgedauke des
gedichtes.
HEIDELBERG. G. EHRISMANN.
293
DIE WESTFÄLISCHEN FEiMlNINA AUF -TE.
In den westfälischen mundarten gibt es eine ganze menge
von fem. auf -te, die offenbar jüngeren Ursprungs sind und auf
suffix^vuc]lerung beruhen müssen. Sie bilden zum grössten teile
bezeiclmuugen für tiere. pflanzen, fruchte und gerate,
und die endung wird vorzugsweise an zweisilbige, auf r und l
ausgehende. Wörter angehängt. Ich gebe zunächst auf grund
von AVoestes Avörterbuch eine möglichst vollständige Sammlung
der in betracht kommenden formen, nach bedeutungen und
endungen geordnet.
1) Tiere: a) Wörter auf r: hrummerfc hummel, dgrie
dröhne (ae. dora), Mferte käfer, fdlcrfe Schmetterling (neben
ßlcr); b) auf l: {h)am]}elte, amtselte, ämentselte ameise, hritm-
mdte brummtliege. bremse, drässelte drossel, echelte egel, gösselte
gänschen, hiunmelte hummel, u-acli{t)clte wachtel, (jrunselte,
grundelte, hoddelte (neben hodde) gründling, haclceltc Salamander
(neben Imclce), ivispelte wespe, fismclte molch; c) auf m: imte
imme, biene; d) auf n: spinnte spinne; e) auf f: sivalße
schwalbe, tifte, tidte hündin (neben tidwe)\
2) pflanzen und fruchte: a) auf r: älherte erdbeere,
hrammerte hrcmmerie brombeere, Uspertc, kasperte johannis-
oder Stachelbeere (eigl. 'kirschbeere'), möllerte Stachelbeere
(eigl. 'maulbeere'). heberte heide(l)beere, ivälbertc blau-, wald-
beere, himmcrte himbeere, sidbcrte Stachelbeere (s. Woeste unter
larsherte). ivisherte dass., Jüperte hagebutte, kollerte, ällerte
holuuder, sficrtc Sauerampfer, j»y7"e'"^^' feldmohn (eigtl. 'Jungfer');
b) auf l: kesselte hasel, brammelte brombeere, juckelte sclilaf-
apfel, huttelte hagebutte, ekelte eichel, ktvinkelte preissei-, heidel-,
schneeballbeere, mespelte, ivispelte mispel, suckelte geissblatt
(engl. koney-SKckle), krosselte pferdekümmel, runkelte runkel-
rübe, kärtreckeltc hartriegel, iv^kelte, ivqckelte wachholder, triitn-
melte wdlde birne, kümmelte himbeere, taubnessel; c) sonstige
fälle: ceblätte erdbeere, slippetc schlippenwurz, wiesenknöterich;
3) gerate: a) auf r\ sckollerte flasche aus abgeschälter
rinde, gcete geer; b) auf l: kudelte weidenbastflasche, basselte
bastgefäss, kuppelte bastpfeife, knickelte schusser (auch knippel,
knicker), krummelte hirten.stab;
4) sonstiges: a) auf r: ämmerte feuerfunke (mnd. amer)\
204 IIOLTHAUSEN
b) auf l: plnyelte kleinliches, quängeliges frauenzimmer, snif-
fcltc liutzel, verscbrumpfte alte; c) auf s: fairste ferse.
Es ist mög-licli, dass Wörter, bei denen die endung -tc
stammliaft war, zu dieser Weiterbildung als muster gedient
haben. Solche dürften sein:
1) tiere: ammete, ente ameise, ante ente, hüte ziege, Jmtte
katze, Icrotte kröte, motte motte, mutte sau, niote nisse, hörnte
hornisse, gelte geize, verschnittenes schwein, mite milbe, schrute
truthahn;
2) pflanzen und fruchte: ge^rste gerste, butte butte,
Jcrente korinthe, plante pflanze, sjyrute sprosse, widte unkraut
(zu ivaite weizen), fachte flehte, kröte rote rübe (= carotte)\
3) gerate: /te^^e Schüreisen, idgeteegge {mnd.egede), sichte
sense (mnd. segede), tväte senseneisen (zu ae. hivcet), sehnte
schaufei, slrde krug, stelle stelze, tvelte walze, lichte leichte,
tragband, lachte leuchte, flachte flechte, seitenbrett am wagen,
flaite fliete, tute düte, hliidte stumpfes messer, Idaute ackerwalze ;
4) sonstiges: hhvelte zettel (mnd. hevelte), rüte raute,
flechte flechte, ivqrste rist, Imte karte, icäte warze, sülte sülze,
hiifte abgekniffenes stück, Tdute schölle (zu Idoss), hlte, hüte
kreide.
Doch ist damit die entstehung des suffixes -te noch nicht
hinreichend erklärt, es sind vielmehr ähnliche neubildungen
bei masculinis heranzuziehen. Bekanntlich steht hier neben
der endung -er häufig -ert, vgl. huffer-t koffer, puffer-t puffer
etc., worüber Tamms abhandlung: Om tyska ändelser i svenskan
(Upsala univers. ärsskrift, 1880) s. 19 ff. zu vergleichen ist.
Er geht von familiennamen wie Heiner -t, Aler-t, Ecker -t,
Schober -t etc. aus, die sowol mit wie ohne -t vorkommen und
verschiedener herkunft sind. So ist Beiner < Begin-heri, Rci-
nert dagegen aus Regin-hart entstanden, während andre berht
oder iverht als zweiten bestandteil enthalten. Im romanischen
hat sich -hard ja sogar zu einem besonderen suffix entwickelt,
das dann in lehn Wörtern wider ins germanische kam, wie in
ndd. mostert, mhd. musthart = frz. moutard, it. mostarda. So
konnte -ert analogisch überall statt -er eintreten (bez. im nl.
-aard neben -aar), und diese formen auf -ert sind denn auch
im ndd. und nl. sehr häufig und z. t. sogar ins dänische und
schwedische gedrungen.
DIE WESTFÄLISCHEN FEMININA AUF -TE. — UHLENBECK, 295
Wenn nun masc. auf -er unterschiedslos formen auf -crt
neben sich hatten, so lag es nahe, auch zu fem. auf -er solche
auf -erte zu bilden. Im ital. gibt es ja auch solche fem. wie
homb-arda, most-arda, vgl. Tamm a.a.O. s. 21. \\'ährend die
masc. auf -ert im ndd. und iil. gewöhnlich nur nomina actoris
(oft als Spottnamen), gerate und Werkzeuge bezeichnen, hat
das fem. suffix -te nach ausweis der von mir gesammelten
beispiele einen grösseren umfang angenommen und sich aucli
nicht auf die Wörter mit der endung -er beschränkt, sondern
auch die auf -el und sogar einige andre ergriffen. Hierzu
mögen zunächst doppelbildungen wie hrummer = hrummel,
hrammer = hrcwnneJ, knicker = hiippel u. a. den anstoss ge-
geben haben, dann yeranlasste wol die ähnliclikeit der bildung
und der bedeutung {ampelte 'ameise' nach ammete? fwrte 'ferse'
nach iverste 'rist') die immer zahlreichere suffixiibertragung.
Die vielen wiirter mit altem -te sind dabei gewiss von nicht
zu unterschätzendem einfluss gewesen.
Meine frühere, von Woeste übernommene, erklärung des
Suffixes -te in meiner Soester muudart § 156, wonach es = as,
ivurt sein sollte, nehme ich hiermit natürlich zurück. Andre
sind mir nicht bekannt geworden, ich vermag auch nicht zu
sagen, wie alt die interessante bildung ist und in welchem
umfange sie sich verbreitet hat. Mangel an zeit und hilfs-
mitteln nötigen mich, den gegenständ zu verlassen, dessen
weitere behandlung ich jetzt Specialforschern auf dem gebiete
des niederdeutschen überlassen muss.
KIEL, dez. 1906. F. HOLTHAUSEN.
ZU BEITR. 32, 139, fussn. 5.
Dr. Ernst Lewy behauptet, dass ich aind. hhmnsas, hhasäd- zu bhas-
' zermalmen' gestellt habe, und fügt hinzu, dass er das nicht verstehe. Ich
empfehle Dr.Lewy die artikel bäbhasti 'zermalmt', hübhasti^\Aä%V, bluhhsas,
bhasät, bhästrü in meinem Etym.wb.der aind. spräche nachzuschlagen. Dann
wird er sich überzeugen können, dass ich den furchtbaren unsinn, den er
mir ganz gelassen zuschreibt, niemals gesagt habe.
LEIDEN. C. C. UHLENBECK.
296
ZU OSWALD VON WOLKENSTEIN.
Bei Oswald 80, 39 f. ed. Schatz weist das adelige fräulein
die Werbung des bauernbursclien mit den Worten ab: Ge smirh
dem (den BC) ivagen und drisch den rossen fueter, als ander
dein geslächt. — Neidhart 55, 28 ff. ed. Haupt sagt von den
dörperlichen tänzern, sie giengen . . . alle tage als ein gesmirter
wagen (sam ein gesclmiirhter z), chen unde lise, nilit Gedrungen,
das in diu sivert uf den versen Idungen.
Diese beiden stellen führt schon das Mhd. wb. 3, 425, z. 32 f.
als belege für die eigentliche bedentung des verbs sminven
(in obd. quellen des 14. und 15. jh.'s und der folgezeit noch,
nach DWb. 9, 1081, 1 smirben) an, jedoch ohne die Vermutung
eines historischen Zusammenhanges zwischen ihnen auszu-
sprechen, zumal der beleg aus Oswald nur dem wörterbuche
der Beda Weberschen ausgäbe (vgl. no. LXVII, 4, 12 ebenda)
entnommen ist.
Neidharts vergleich muss in Oberdeutschland zur sprich-
wörtlichen Charakteristik der bauern geworden sein, wobei
das tertium comparationis leicht verloren gieng. Eine der-
artige proverbielle Verwendung der in ihrem wesen bereits
unverstandenen phrase liegt bei Oswald vor, dem nur mehr
die beziehung auf die bauern bekannt ist. Sie wird daher von
ihm auch erweitert (und drisch den rossen fueter), bleibt aber
als witz unwirksam, da nicht ersichtlich wird, inwieweit die
angezogenen tätigkeiten den stand des verachteten bewerbers
in gewolltem gegensatze zu dem des fräuleins abfällig-komisch
charakterisieren sollen. Dass sich Oswald der entlehnung des
gedankens, also des citates bewusst war, scheint der übrigens
auch verallgemeinernde und so den eindruck des sprichwört-
lichen bewirkende nachsatz als ander dein geslächt zu bekräf-
tigen. Dafür ist auch anzuführen, dass Neidharts gedieht im
15. jh. in Oberdeutschland bekannt war; es ist nämlich in dem-
selben alten drucke z (Haupt s. vii ff.) enthalten, der hinter-
einander zwei Oswaldsche lieder (Schatz s. 48) in die Sammlung
der Neidharte einfügt, welche tatsache beweist, dass schon
Oswalds Zeitgenossen den engen Zusammenhang seiner kunst
und der Neidharts instinktiv richtig erkannt haben.
Aus diesen beziehungen scheint für die textgestalt der
vorliegenden Oswaldstelle 80, 39 f. der Vorzug der von BC ge-
SEVER — LEITZMANN 297
brachten Variante den für dein A zu resultieren, der zunächst
dadurch an bedeutung- ge^vinnt, dass A und B — C ist aus
B geflossen — durchaus gleichwertig sind. Obwol das pos-
sessivum an dieser stelle der anrede volkstümlicher ist als der
blosse farblose artikel, bezeichnet gerade der den sprichwört-
lichen Charakter der phrase, auf den es ja dem dichter an-
kommt, wie der nachsatz als ander dein geslächt beweist, auf-
fallend und deutlich. Ausserdem ist er metrisch noch günstiger
als das Possessivpronomen, das nur bei besonderer aufmerksam-
keit des vortragenden ohne schwachen nebenton, d. i. ohne
misverständlich wirkende betonung wegkommt.
GRAZ, december 1906. ELYIRA SEVER.
DIE ABFASSUNGSZEIT DES ACKERÄIANNS
AUS BÖHMEN.
Johannes von Saaz ist zur abfassung seines gesprächs
zwischen ackermann und tod durch das abieben seiner gattin
]Margarete veranlasst worden. Nach seiner eigenen angäbe
(19, 13) starb sie am tage Petri kettenfeier (1. august) im jähre
6599 nach erschaffung. der weit. Danach bestimmt Knieschek
in seiner ausgäbe (s. 82), indem er die Zählung des Eusebius
zu gründe legt, der z. b. auch Berthold von Eegensburg an zwei
stellen (1,72,13. 381,32) folgt (vgl. übrigens auch Pfeiffers, an-
merkung zur ersten stelle), 1399 als die gemeinte Jahreszahl.
Diese zahl ist dann in die literaturgeschichten übergegangen:
vgl. z. b. Scherer s. 268; Togt in Pauls Grundr.- 2, 1, 349.
Bei dieser Zeitbestimmung hat sich nun Knieschek um ein
jähr verrechnet. Nach der bestimmung des Eusebius, von der
er mit recht ausgeht, verflossen von der Schöpfung der weit
bis zur geburt Christi im ganzen 5199 jähre. Diese von der
von Johannes angegebenen zahl 6599 abgezogen, ergibt nicht
1399, sondern 1400 als das todesjahr Margaretens, also als
früheste abfassungszeit des gesprächs. So hat schon der Schreiber
der erst nach Kniescheks ausgäbe bekannt gewordenen ]\rün-
chener handschrift die Umrechnung vollzogen und die worte
taiisent vierhundert eingeschoben (Anz.fda.4,361). Diese Jahres-
zahl ist also als terminus a quo festzuhalten.
298 LEITZMANN
Eine weitere historische anspiehing- im texte des ge-
sprächs, auf die Knieschek nicht hingewiesen hat, ist leider
zu unbestimmt, um sie chronologisch verwerten zu können.
Im 17. capitel sagt der ackermann (25,16): ich stunde do hei
und saJie mit meinen äugen zivo ungeheuer schar volhes (iede
het über dreu tausent man) mit einander streiten auf einer
grünen heide. Offenbar ist einer der blutigen zusammenstösse in
den böhmischen oder mährischen Unruhen gemeint, die die letzten
kaiserjahre Wenzels, der drei wochen nach Marg-aretens tode ab-
gesetzt wurde, ausfüllten. Aus der erwähnung des Heuscheuer-
gebirg-es (47,19 nach Eoedigers treffender erklürung im Anz.fda.
4, 357) darf man wol auf einen wenn auch vorübergehenden
aufenthalt des Verfassers im nordöstlichen Böhmen schliessen.
JENA, 22. october 1906. ALBERT LEITZMANxN.
LITERATUR.
(Verzeichnis bei der reclactiou eiugegano-ener Schriften ; vgl. s. 154.)
Boer, E. C, Untersnchungeu über den Ursprung und die entwickluug
der Nibelungensage. 2. band. Halle 1907. — VI. 224 s.
Brodführer, Eduard, Beiträge zur syutax Willirams, unter beson-
derer berücksichtiguug der Wortstellung. (Diss.) Halle 1906. — 74 s.
Diels, Paul, Die Stellung des verbums in der älteren ahd. prosa
(Palaestra 59). Berlin 1906. — 204 s.
Gutjahr, Emil A., Die Urkunden deutscher spräche in der kanzlei
Karls IV. 1. Der kanzleistil Karls IV. (= Zur entstehung der nhd. Schrift-
sprache. Studien zur deutschen rechts- und Sprachgeschichte II). Leipzig
1906. — XIV. 499 s.
Juvancic, Friedrich. Über Gallizismen in Lessings kritischen Schriften
(S.-a. aus d. Jahresber. der k. k. Staatsoberrealschule zu Laibach). Laibach
1906. — 26 s. 8".
Kluge, Friedrich, Unser Deutsch. Einführung in die muttersprache.
Leipzig 1907. — 146 s.
Meisinger, Othmar, Wörterbuch der Rappenauer ninndart. Nebst
einer Volkskunde von Eappenau. Dortmund 1906. — IV. 235 s.
Mogk, Eugen, Germanische mythologie (Sammlung Göschen). Leipzig
1906. — 129 s.
Reuter, Ernst, Neuhochdeutsche beitrage zur westgerm. konsonanten-
gemination. (Diss.) Freiburg 1906. — 86 s.
Schmidt, Ernst, Zur entstehungsgeschichte und verfasserfrage der
Virginal (Prager Deutsche Studien 2). Prag 1906. — 63 s.
Wells, Fred. Lyman, Linguistic lapses with especial reference to
the perception of linguistic sounds (Archives of philosophy, psychology
and scientific methods No. 6. June 1906 = Columbia University Contribu-
tions to philosophy and psychology Vol. XIV No. 3). New York. — 110 s. 8°.
ZUR FOSTBROEBRASAGA.
I. TEIL: DIE VISUR.
Cap. I: Allgemeines.
Literatur: A) Einzelne Strophen der Föstbroeörasaga (Fbr.)O sind
gelegentlich des abdrucks des sagatextes in fussnoten oder anraerkungeu
bereits analysiert worden: vgl. Olafs saga hins helga. En kort Saga oni
Kong Olaf den Hellige, fra auden halvdeel af d. tolfte aarhundrede. 1849
(=lÜs[49]), anm. s. 109 (cap. 58), s. 117 (cap. 88), s. 119 (cap. 91), s. 120
(cap. 96 f.), — Saga Olafs konungs eus helga. Udförligere Saga oni Kong
Olaf den Hellige. Efter det feldste fulstseudige pergaments liaandskrift i
det Store kongelige bibliothek i Stockh. Christ. 1853 (= hüs [53] ), s. 292 -297
(cap. 201 — 234), — Gudbr. Yigfusson u. F. Y. Powell, Corpus poeticum bo-
reale I— H. Oxf. 1883 (= Cpb), II, 175 ff., — Hauksbök, udg. af. d. kong.
Nord. Oldskr. Selsk. Kbh. 1892—1896 (= H), anmerkungen s. 370—416, —
F. Jönsson, Heimskringla, Nöregs Koniinga Sqgur af Suorri Sturluson, Kbh.
1893—1900 (= Hkr), IV, 162 ff. 171 f., — V. Äsmundarson, F6stbrteörasaga.
Reykjav. 1899 (= Fbr. [99]), Visnaskyriugar, s. 148—162 — oder haben als
objecte allgemeiner Untersuchungen gedient: vgl. K. Gislason, Om helriin i
ferste ok tredje liuie af regelni. dröttkysett . . . Kbh. 1877, — Kahle, Die
Sprache der Skalden auf grund der binnen- und endreime, verbunden mit
einem rimarium. Strassb. 1892, — Sievers, Beitr. 5, 449 — 518. 8, 54—79.
12, 486 f., — ders.. Altgermanische metrik. Halle 1893, — Gislason, Old-
nordisk Formisere, Kbh. 1858 (s. 39), — Hoffory, Bezzenb. Beitr. 9, 83, —
F. Jönsson, Det norsk-islandske skjaldesprog, omtr. 800—1300. Kbh. 1901.
B) Im strengeren sinne textkritisch sind in der hauptsache nur Boer,
Zs. fdph. 30, 31 ff. 31, 149 ff., — Gislason, Nj. U, vgl. Register til Nj. 28 —
und F. Jönsson, Ark. "VTI, 327 f. bei der behandlung einiger weniger visu-
helmingar der Fbr. vorgegangen. Eine umfassendere besprechung der
Strophen war bisher desideratum (vgl. Boer, Zs. fdph. 30, 33 f.).
C) Gedruckt ist die Fbr.: 1. in FosthrwÖra Saga edr Sagan af por-
geiri Hävarssyni ok pormoöi Bersasyni Kolbrünarskalldi. Kbh. 1822; —
2. bei Gislason, Föstbroeörasaga. Kbh. 1852 in d. Nord. Oldskrifter (= Fbr
^) Die klammern enthalten die im folgenden verwendeten abkürzungen.
Beiträge zur geschiclite der deutschen spräche. XXXII. 20
300 GAERTNER
[52]); — 3. in Flateyjarbok. Christ. 1862 (= F. 1862): II, 96—108. 148— 1G8.
199-226. 339—343. 358—866; — 4. in H., 370—416; — 5. in Fbr. (99).
D) Nur einzelne Strophen finden sich: 1. in Fornmanna Sogur, eptir
g'Qmlum handritum ütg. Kbh. 1825 (=Fms.): str. 35: V, ö4f., 36: s. 58, 37 —
38: s. 59 f., 39: s. 61, 42. 44: s. 91, 43: s. 92; — 2. in Scripta hist. Islandorum
de rebus gestis veteruni Borealiuni ... ed. Soc. reg. antiqu. Septentr. I — XII :
Hafu.1828 (=ShJ.) Y: str. 35: s. 38, 36: s. 62, 37—38: s. 64, 39: s. 65, 42:
s. 95, 43: s. 97, 44: s. 96; — 3. Groenlands historiske Mindesmaerker, I — III.
ütg. af d. Kgl. Nord. Oldskr.-Selsk. Kbh. 1838 (^GhMni.): str. 22— 34:
11,250—419; — 4. Edda Snorra Sturlusonar. Kbh. 1848. I-in (=Sn.E.):
Str. 41: II, 92 f.; — 5. lös (49): str. 85: s. 67, 36.39: s. 69, 40—42: s. 72,
43-44: s. 73; — 6. hÖs (53): str. 35: s. 205, 36: s.207, B7— 39:s.208,
42.44: S.222, 43: s.223.; — 7. Cpb.: II, 175 ff.; — 8. Tb. Wisen, Carmina
Norroena, Luudse 1886 (= Carm. Norr.): str. 38. 39; — 9. G. Storm, Otte
brudstykker af d. seldste Saga om Olav den Hellige. Christ. 1893 (= Otte
brudst.), Str. 19 auch in lös (49) s.91; — 10. Hkr.: str. 35— 39. 42—44 =
2, 457 ff.; — 11. Boer, Grettissaga Äsmundarsonar. Halle 1900 (=Grett.):
Str. 1: s. 192, 6: s. 104; — 12. Heusler-Ranisch, Eddica miuora. 1903: str. 87
— 38; — 13. Gering, Die lieder der älteren Edda. Paderb. 1904: str. 24:
s. 40 (84).
E) Beziehungen zu den Strophen oder der prosa der Fbr. weisen auf:
1. Fteröiske Kvaeder, sanilede ved V. U. Hammershseimb. vulg. af d. nord.
Lit. Samf. 1,855 (II, xx); — 2. Codex Frisianus. En Saml. af uorske Konge
Sagaer. Christ. 1871 (s. 167); — 3. Ljosvetninga Saga ved Vald. Asmun-
darson. Eeykjav. 1896 (s. 118— 120); — 4. Laudnämabük I— HI. Hauksb.
Sturlub. Melab. udg. af d. Kgl. nord. Oldskr.-Selsk. Kbh. 1900 (porgeirr
Hävarsson s. 13, 28 u. 160, 1. pormciör s. 43, 26 u. 48, 11 : 167, 18 u. 173, 3 :
241, 13 ; — 5. vgl. nochmals D.
F) Zu den visur der Fbr. vgl. A und B, ferner 1. Isleudinga Sqgur,
udg. efter gainle haaudskrifter af d. Kong. nord. Oldskr.-Selsk. I — IV.
Kbh. 1843 (IV = Gislason, Nj. II); — 2. Edda Snorra Sturlusonar. Kbh.
1848 (111,525—540); — 3. Gudbr. Vigfusson, Sturlungasaga, includ. the
Isleudinga Saga of lavrman Sturla Thordsson . . . with Prolegoiuena etc.
I— II. Oxf. 1878 (II, lix — Ix); — 4. Heinzel, Beschreibung der isl. saga,
1880 (s.164); — 5. Cpb. 11,174. 175; — 6. G. Vigfusson u. Powell, Origines
Islandicae, I— H. Oxf. 1905 (II, 674 ff.); — 7. K. Gislason, Efterl. Skrifter
I— n. Kbh. 1895-1897 (II, 250 f.).
G) Bemerkungen und abhandlungen zur prosa der Fbr.: 1. Arngrimr
Jonsson, Groenlaudia (6. cap.); — 2. Torfaeus, Groenlaudia (s. 157— 192); —
3. ders., Historia Norvegica (III, 162, 190 ff.); — 4. Suhm, Danmarks Historie
(in, 785 ff.); — 5. E.Müller, Sagabibliothek med Anniperkninger ok inle-
dende Afhandlinger. Kbh. 1817 (1,153 ff'.); — 6. Antiqu. Russ., 1852 (II, 343
—350); — 7. Jon porkelsson. Um Fagrskinnu ok ÖläfssQgu helga in Safn
til Sogu Islands 1856 (1,172 ff.); — 8. K. Weiuhold, Altnord, leben. Berl.
1856; — 9. K.Maurer: Über die ausdrücke: altnordisch., altnorweg., und
isl. spräche. Müuch. 1867 ; — 10. G. Storm, Snorre Sturlasons Historieskriv-
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 301
ning:. 1873 (s. 231 ff.); — 11. Krist. Kiihmd, Bidrag til en bist, topograf.
Beskrivelse af Island. Kbh. 1877; — 12. Gering-, Finnboga Saga bins
Kamua. 1879 (vorrede, s. iv); — 13. Henzeu, Über die träume in d. anord.
lit. Leipz. 1890.
H) Literaturgescbicbten : 1. Muncb, Samlinger til d. norske Folks
SprogogHist. 1851 (III);— 2. R. Keyser, Nordnuendenes Yidenskabelighed
og Literatur i Middelalderen. Cbrist. 1800 (.s. 'i.'jS. 312 f. -190); — 3. Guöm.
porläksson, Udsigt over de Xorsk-Islandske Skjalde fra 9^^^ til 14^'« Ärbun-
drede. Ebb. 1882 (s. 96ff.): — i. F. Jönsson, Den olduorske og oldislandske
Litteraturs Historie. Kbb. 1894 (I, 581 ff. u. II, 465 ff.); — 5. H. Jseger,
Illustreret Norsk Literaturbistorie. Krist. 1896 (1, 56 f.); — 6. Mogk, in Pauls
Grundr.- 1902 (s. 755 f. 684 f.).
I) Literatur ebne directe beziebung zur Fbr.: 1. Skaldeudicbtung : vgl.
die literaturangaben in Sievers, Altgerm. metr. s. 91 und von Mogk in Pauls
Grundr. 2-, 656; — 2. Zum spracbmelodiscben: a) Sievers, in Verbandluugen
deutscher pbilologen u. scbulniäuner. Wien 1893 (s. 370 ff.); b) ders.. Über
sprachmelodiscbes in der deutscbeu dicbtung, rectoratsrede am 31. oct. 1901.
Leipz.; — 3. Noreen, Altisl. u. altnorweg. grammatik. 3. auf 1. Halle 1903;
— 4. 0. Eygb, Norske Gaardnavne. Krist. 1897 (XV).
K) Lexika und andere uacbscblagewerke: 1. Sveinbjörn Egilsson, Le-
xicon poeticum antiquae linguae Septentrionalis. Kbb. 1800; — 2. B. Gröndal
(Egilsson), Clavis poetica antiquae Linguae Septentrionalis. Kbb. 1864; —
3. GuÖbr. Yig-fusson, An Icelandic-Euglisb Uictionary (by Bieb. Cleasby).
Oxf. 1869: — 4. J. Fritzuer, Ordbog over d. gamle norske Sprog. Krist.
u. Leipzig 1806; — 5. Katalog over den Arnamagua^auske Haiidskrift-
samüng I;II. udg. af Kommiss. f. d. Arnaraagu. Leg. (Kat.); — 6. Katalog
over de Oldnork-ishiudske Handskrifter i det Store Kougel. Bibliotek og i
Universitetsbibliotek, samt den Arnamagu. Sämlings Tilvsekst 1894—1899,
udg. af Kommiss. f. d. Aruam. Leg. Kb. 1900; — 7. Gödel, Katalog öfver
Kongl. Bibliotekets Fornisländska ock Fornnorska Handskrifter (s. 164. 226.
235. 262) ; — 8. Tb. Mübius, Catalogus librorum Islaudorum et Norvegicorum
aetatis mediae. Skäldatal. Lips. 1856; — 9. ders., Verzeichnis der auf dem
gebiete der anord. spräche u. lit. von 1855 — 1879 erschieneneu Schriften. Lpz.
1880; — 10. Register til Njäla. Andet Bind og K. Gislasons Andre Af-
bandlinger. Kbh. 1896, i;dg. af d. Kgl. Nord. Oldskr.-Selsk.; — 11. G. Storm,
Islandske Annaler indtil 1578. Chiüst. 1888.
Die Fbr. gehört zu den sagas, die sich durch eine relativ
gute Überlieferung auszeichnen. Diese besteht aus folgenden
handschriften:
1) Am wertvollsten sind drei membranen, von denen nur.
eine die Fbr. vollständig enthält:
F = die um 1390 niedergeschriebene Flateyjarhök, in der kgl. biblio-
tbek zu Kopenhagen. No. 1005, I — H, fol., 225 zweispaltige pergam. -bl.
— XXXVII: vpijliuf fuatbradia soyhu; bl. 90 v. a. (=vord. s. ; linke, erste
20*
302 GAERTNER
spalte) — 92 v. b. (b = rechte, zweite spalte); 97 r. b. (r = rückseite) — 100
r. a.; 104 r. a. —108 v. a; (122 r.), 123 v; 125 v. a. -126 v. a. (vgl. GhMiu.
II, 258 f.)-
H = Haukshöh: AM. 544, 4to, zum grössteu teil von Haukr Erlendsson
geschrieben und ca. 1325 vollendet. Sie gibt nur annähernd die letzten
drei fünftel der saga wider (vgl. GhMra. II, 255).
M = 3Iööruvallah()k: AM. 132, fol. 200 bl. Diese überliefert nur zwei
fragmente, aus dem anfang und der mitte der erzählung: bl. 198 v — 201 r.
saga pormodar oJc ßorgeirs. Nach bl. 198, das schliesst: standi af pormodi
(Fbr. [52] s. 6, 27), fehlt ein blatt; bl. 199 beginnt: klceÖtim pviat ... (vgl.
a. a. 0. s. 15, 28) und bricht ab mit den Worten fceröer goÖar la(ßi ok (vgl.
a. a. 0. s. 30, 28). — (vgl. Isj. II, 659-668 und GhMra. II, 255 f.).
2) Von den papierliss. kommen als besonders wichtig in
betracht:
b = AM. 566 b, 4to. 52 bl. geschrieben ca. 1700 (vgl. Kat, I, 720
[1413]) von Asgeirr Jönsson (bl. 9— 52) und Ami Magnüsson (bl. 1 — 8).
Die Saga pormodar oc porgeirs schliesst defect mit helldr stoz allt. Ami
Magnüsson hat auf einem zettel eingangs des buches bemerkt : ex menihrana
med in folio (d. i. AM. 132, fol.) rantar nccrri halfa aptan vkl (vgl. GhMm.
II, 256).
0 = Ny kgl. sml. 1149, fol. 137 bl. aus der zweiten hälfte des 18. Jahr-
hunderts. — s. 1 — 109 Saga pormodar ok porgeirs, laut eines vom ein-
geklebten zetteis eine abschrift von AM. 132. ') Sie endet: ok ser hvar
porgeirr lileypr (v. Fbr. [52] s. 61, 23). — M war also noch bedeutend voll-
ständiger, als Asgeirr Jönsson und Oddur Jönsson (ca. 1770) ihi'e abschritten
anfertigten, b und c ergänzen M nicht unbeträchtlich: vgl. Fbr. (52) s. 6,27
—15,28; s. 30, 23 -63.
i'i aus AM. 142, fol. — bl. 1 — 54 v.: Saga fra porgeiri ok pormode
Kolbnmarskalldi. — Im eiugauge de» ca. 1700 geschriebenen folianten hat
Ami Magnüsson einen zettel eingeklebt mit folgenden notizen: 'Epter
Membrana Regia in 4to; stöd framan a bokinni med hende Asgeirs Jons
sonar. — Ur Num. 12. Fra Sal. Assessor Thormod Toruesens Enke 1720 ',
vgl. Ant. Paisses. II, 849. GhMm. II, 259.
1-2 = AM. 566 a, 4to. — 32 bl. ca. 1700 ebenfalls, wie r,, von Asgeirr
Jönsson geschrieben. Das fragment beginnt defect mit den worten: Nu
skal segia fra pormoÖi, ausserdem drei Micken nach den bl. 10. 14. 18.
Zwei notizen von Arni Magnüsson (auf dem vorblatt und auf dem rand
von bl. 1 V.) besagen, dass es sich um eine abschrift: 'Ex Membrana in
4to Bibliothecae Regiae' handelt (vgl. GhMm. II, 259 f.). — Da der original-
codex verloren gegangen ist, repräsentieren r, und r^ die vierte mem-
brane: R*.
') Ex codice membraneo in folio inter Msta. A. Magnsei Num. 132 etc.
(vgl. GhMm. n, 256. 257).
ZUK FOSTBKCEDR ASAGA. 303
3) Nur secundären wen, als abscliriften verlorener, anderer
papierhss. haben:
(1 = AM. 141, fol. — 571)1., geschriebeu ca. 17(X) von A.sgeiiT Jonsson:
Wpphaf fostbrcröra soyhu. Ami Magnüsson bezeugt: 'pesse Fostbra'öra
Saga er tekin vir Volumiue no 9 peirra böka er eg keypte epter Etats-
Kaad Meyer daudaim. Descriptionem huius Exemplaris vide in Consigna-
tione illoruni librorunr (vgl. GliMra. II, 257 f.).
e =r^ papierhs. in quart, von der grossen Üldfssaga hins helga, im
17. jh. auf Island geschrieben (vgl. GliMm. II, 258).
i := die von einem stümperhaften, isländischen Schreiber angefertigten
blätter li — 31 v. von AM. 153, fol., enthaltend die Saga af peim Föst-
hrabrum porgeyre Havardzsine, og pormöde Kolbruna Skalld, geschrieben
1711 — 1712, nach Jon Signrössons vermntung von ,]6u Guttormsson in Hälmar
(vgl. Kat. d. AM.-sml. 1,107 [182] und GhMm. 11,260).
k =^ AM. 163 e, fol. 38 bl. einer Sagann fra Porgeire Ilavardz Sine
Og pormode Kolbruna sMJlde. Abschrift (ende des 17. jh.'s) 'ur bok er
eg (Ami Magnüsson) feck af Jone Thorlakssyue' (GhMm. II, 260).
1 = AM. 565 a, -Ito, 'ur bokum sem eg (Arni Magnüsson) feck af Sr.
Olafi Gislasyni ä Hofi i Vopuafiröi'. Die hs. (26 bl.), ende des 17. jh.'s von
dem priester Olafr Gislasou geschrieben, hat als aufschrift: Saga af porgeiri
liävarssyni uc pormüdi Bersasynl (vgl. GhMm. II, 260).
m = AM. 566 c, 4to, 64 bl. Hier Bi/riast Sagann af porgeire Ha-
rarssyne og pormöde liolhrilnasMUde. Arni Magnüsson bemerkt auf einem
Zettel, dass die hs.: 'er rituö 1705 eptir bok i folio frä Syslumauninum
Olafi Einarssyue' (vgl. GhMm. II, 260 f. und Kat. d. AM.-sml. I, 720 f.).
n = bl. 1 — 2, ein unvollständiger auszug aus Sagari af pormödi Kol-
brwnar Skaald in AM. 164 i, fol., geschrieben im 17. jh. (vgl. GhMm. II, 261).
4) Nach unbekannten originalen sind geschrieben:
0 = bl. 226—263 der papierhs. AM. 426, fol. (vgl. Kat. d. AM.-sml.
1,317 f.), sie enthalten: Sagann Äff porgeyre Hüvarssyne oh pormöde Kol-
brunar skällde.
p = bl. 2037—2109 der hs. Thott. 984, fol. II. tom. (vgl. Kat. over
oldu.-isl. Hskr. i Kbh. s. 318): Sagann af porg. Hdv. s. olc Porm. Jcolbrä-
narskdldi.
H = bl. 178-232 aus Thott. 1768, 4to, geschrieben ende des 17. jh.'s
von AsgeiiT Jonsson, unter 11) Sugann af pormöbi etc. (vgl. Kat. ov. oldn.-
isl. Hskr. s. 343).
r = bl. 51 r — 126 v. aus cod. Add. 5, 4to. Die letzte der darin auf-
gezeichneten sagas ist die Saga Af peim Föstbro^örum etc. ' (vgl. Kat. ov.
oldn. Hskr. i Kbh. s. 433).
s = bl. 89— 130, aus Papp., 4to. no. 4 der kgl. bibl. zu Stockh.; an
zweiter stelle findet sich: Saga aß' porgeyri Jiavarssyne ok /jormodi kol-
brunarskalkle (vgl. Gödel, Kat. s.262 [182, 2J).
304 GAEliTNER
t = s. 452—533 aus Kall. 620, 4to (vgl. Kat. ov. d. oldn.-isl. Hskr. i
Kbh. s. 386 f.), einem IshindsJce saget nädray, mit nebenstehender lat. Über-
setzung, als uo. 5 FöstbrceÖra saga.
5) Für die textkritik, insbesondere der Strophen, sind
völlig wertlos:
1) Annall nr Sögu pörmöäar Kolbnmar SJcallds, hvprfu tu er hättad
i Eirelizfirde og Einarsfirde = bl. -12 v.-r. in AM. 597 b, 4to (vgl. Kat. d.
AM.-üml. 1,764); — 2) ein bruchstück der Fbr., eingeschoben (bj. 52 — 53)
in eine Grönlands beskrivelse. bl. 1—54 v. aus Ny kgl. sml. 1657, 4to.
pap. (vgl. Kat. ov. d. oldn.-isl. Hskr. i Kbh. s. 196 [561]); — 3) Annall
ur sogu pormodar Kolbrimarskalldz etc. = bl. 93 v. — 94 v. der AM. 281,
4to. pap. (vgl. Kat. d. AM. sml. 1,533 [1014]); — 4) Excerpter olc opteg-
nelser om Grönland etc. bl. 20v. — 36v. der AM. 768, 4to (vgl. Kat. d.
AM.-sml. 11, 187 [1887]); — 5) A-Grip ur liistoryu pormodar Kolbrunar-
skällds etc. = bl. 30r. — 34 der AM. 115, 8vo. pap. (vgl. Kat. d. AM.-sml.
11,399); — 6) pattur af ponnode Kolbmnaskalde = hl. 4:1-. — 12 r. der
sml. Rask 77. pap. (vgl. Kat. d. AM.-sml. II, 546).
Ferner abschriften erhaltener originale:
1) Die FöstbroeÖrasaga etc. in Ny kgl. sml. 1176 a., fol. pap., aus der
zweiten hälfte des 18. jh.'s, nach AM. 141, fol., conf. mit AM. 132 und 142,
fol., 566 a— c, 4to. Diese hs. liegt der Fbr. von 1822 zu gründe, in Suhms
sml. 9, fol. (vgl. Kat. ov. d. oldn.-isl. Hskr. i Kbh. s. 129 [327]); — 2) die
Fbr. Af porgeiri ok pormoÖ/ aus den Sögapu'ttir ür Olafs sögu Haralds-
sonar eptir Flateyjarbök. bl. 55 r. — 113 der Ny kgl. sml. 1712, 4to (vgl.
a.a.O. s. 210); — 3) Fbr. auf bl. 18r. — 22v. der Ny kgl. saml. 1790, 4to,
geschrieben nach AM. 75 e, fol., enthaltend fragmente einer Saga Olafs
konungs hins helga Haraldssonar (vgl. a.a.O. s. 228 [688]); — 4) die Fbr.
der Ny kgl. sml. 1815, 4to, imp., eine abschrift von AM. 566 a, 4to (vgl.
a. a. 0. s. 234 [715] ) ; — 5) Dimidia pars historiae Thnrmodar Kolbnmar-
skallds oc porgeirs Hävardssonar in Ny kgl. sml. 1816, 4to, pap., ge-
schrieben nach AM. 566 c, 4to (vgl. a.a.O. [716]); — 6) Saga Af pörgeire
Hävarssyne üg pormöde Kolbrunär Skällde, abschrift nach papp, in 4to,
no. 4 (2) = s, enthalten auf bl. 145—248 des papp. fol. no. 54 der kgl. bibl.
in Stockh. (vgl. Gödel, Kat, s. 164 [109,2]).
Endlich die Übersetzungen:
1) Aus AM. 776, 4to: bl. 44 — 45 = ein bruchstück der Fbr. in dän.
Übersetzung (vgl. Kat. d. AM. sml. 11, 196); — 2) Vita Sociorum Thorgeiris
Huvaris filii et Thormodi Bersii ßii, eine lat. Übersetzung der Fbr. in Ny
kgl. sml. 1176 b, fol. pap. (vgl. Kat. ov. d. oldn.-isl. Hskr. 1 Kbh. s. 129 [328]);
— 3) eine schwedische Übersetzung der pormodar saga kolbriinarskälds
auf bl. 206—217 in papp. fol. no. 98 der kgl. bibl. zu Stockh. (vgl. Gödel,
Kat. s. 225f.); — 4) eine schAved. Übersetzung der Fbr.: Här böriäs Sagan
af Thorgeer Havardzson ock Tliormod Kolbrunars Skalld = bl. 1 — 82 in
Tapp. fol. no.106 der kgl. bibl. in Stockh. (vgl. Gödel, Kat. s. 285 [162,1]).
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 305
Tu der einleituiig zur Hauksbuk, s. lxxv, billigt F. Jonssoii
zwar die in den GliMm. II, 265 — 270 vorf^enommene Scheidung-
der liss. der Fbr. in fünf gruppen, er betont aber: <jives der i
virJicUgheden siJckert hm to hovedidusser af händsJcrifter af
sagaen: HmiJcsh. pä den cnc oy alle den andre jnl den anden
side (vgl. dazu noch lxxviii, 2.abs. u. lxxix, z. 5 ff.). F.Jönsson
vermutet dann ferner: der har rimeligvis fra ferst af eksisteret
to forsJicUige hearhejdcher af sagaen, hvoraf den ene sikhert
stammer fra det 12. ärh., og den anden, sagaen i Haulcshok,
meppe er meget yngre.
Zu diesen annahmen stehen die ausfiihrungen von ^logk
(in Pauls Grundr. 2-, 755 f.) in teils geringerem, teils stärkerem
Aviderspruch. Mogk sagt dort: 'Der Ifauksbok steht ohne
zweiiel die fassung AM. 132 näher als die Flateyjai'bük, was
sich schon in den plusstrophen jener hdd. zeigt. Jedenfalls
gehen alle hdd. auf gemeinsame quelle zurück, von der sich
aber die Ftb. am weitesten entfernt,' ... 'Styrmir hat um 1220
in seiner Öläfssaga helga dies (d. i. das in dem anfange des
13. jh.'s von einem geistlichen verfasste werk der Fbr.) bereits
benützt (Storm, Snorre Sturlas. s. 40). Eine ältere fassung der
saga anzunehmen haben wir keinen grund.'
]\rit der annähme einer verwantschaft von H und 31, auf
grund ihrer gemeinsamen plusstrophen, gegenüber F, hat Mogk
die Wichtigkeit des Strophenmaterials als beweismittel für das
handschriftenverhältnis der Fbr. bereits angedeutet. Ein be-
arbeiter wird sich ja auch weniger an den Strophen vergriffen
haben, als an der leichter beweglichen prosa. Er ward viel-
mehr im allgemeinen die Strophen möglichst getreu über-
nommen und nur au defecten oder verderbten stellen ein-
gegriffen haben. Danach besitzen also die lesarten der Strophen
höhere kritische beweiskraft.
Aus alledem und nicht zum wenigsten aus dem unangefoch-
tenen satz, dass die Strophen pormoös eine hauptquelle für den
sagaschreiber bildeten, erhellt zur genüge, dass sie bei der
beurteilung des hss.-verhältnisses der Fbr. eine wichtige rolle
zu spielen haben. Da nun aber die echtheit einzelner dieser
visur bestritten worden ist (vgl. Boer, Zs. fdph. 30, 32 ff.), so
sind auch in dieser hinsieht die Strophen zunächst specieller
zu untersuchen.
306 GAERTNER
Die vorliegende abliandlimg will deshalb zu ergründen
versuchen, welche Schlüsse das strophenmaterial in bezug auf
das Verhältnis der hss. und recensionen der Fbr. zu ziehen
erlaubt.') Dabei sind vorher zu erörtern: 1) die frage nach
der ursprünglichen gestalt der visur, — 2) die frage nach deren
echtheit.
a) Die frage nach der ursprünglichen gestalt der Strophen
ist schon verschiedentlich behandelt worden. Für einzelne
Strophen sind dadurch auch bereits glaubhafte resultate erzielt :
ich werde mich deshalb auf die behandlung noch zweifelhafter
stellen beschränken dürfen.
b) Den Variantenapparat habe ich möglichst vollständig
gegeben, doch mit ausschluss aller bloss orthographischer Va-
rianten (zumal der papierhss.!). — Zu gründe gelegt wurde
dabei als im allgemeinen ältester zeuge der text H^), nur für
die dort mit dem eingangsstück fehlenden 8 Strophen der von
M (bez. b, c), und für die in den Öläfssogur enthaltenen plus-
strophen der von F. — Ausgeschlossen von der behandlung
wurden nur die in der lös dem pormoör irrtümlich zugeschrie-
benen Strophen ^ora man ek ])ann arm vceria (10s s. 67) und
SJialai oglaöan iva (10s s. 69, 1), die in Wirklichkeit von Ha-
raldr (vgl. Hkr. 2, 466) bez. Gizurr gullbrä^) (vgl. Hkr. 2, 460)
gedichtet sind; — 2) die Strophe Gceisli stcendr til grindar
(lös s. 48), die dem pormöör nur irrtümlich durch die heraus-
geber der lös zugewiesen ist (vgl. Sn. E. III, 522); — 3) die
halbstrophe Hve lamia ])er Jmiir — der hs. K in den Fms.
(vgl. Fms. V, 59, anm. 1), von Kali Ssebjarnarson^); — 4) zwei
visur, auf die man bisher nicht aufmerksam geworden ist:
Veit ek fyrir Erling utan und Allvaldz nvtv alldir im Codex
Frisianus (vgl. ausg. Christ. 1871, s. 167), sie stammen von pörör
Kolbeinsson (vgl. Hkr. 1, 458).
c) Verglichen habe ich ausser den gedruckten fassungen
^) Wir behalten uns vor, in einem teil II, der sich dann ausschliess-
lich mit dem prosatext befassen würde, den nachweis zu führen, dass die
aus den Strophenuntersuchungen gewonnenen resultate auch für diesen
giltigkeit haben.
2) Nach der ausgäbe der Hauksbok durch das kgl. nord. oldskr.-sel-
skab. Kbh. 1892-1896.
») Sn. E. III, 334 f. (anm. 1). ") Sn. E. HI, 539.
ZUR POSTBRCEDR ASAGA. 307
derFbr. 1): die papierliss. bcRiE,, ferner diklmnoq. Der directe
kritische wert der letzteren, namentlich von d und q, ist zwar
nicht allzu hoch anzuschlagen, sie sind aber doch für einzelne
zweifelhafte stellen nicht belanglos, ja die originale von iklni
scheinen auf eine gemeinsame vorläge zurückzugehen, die
ihrerseits dem text von M sehr nahe stand; iklm überliefern
also möglicherweise indirect noch einzelne, in bc schon nicht
mehr enthaltene partien der fassung von ]\r.
d) Da I}orm6ös aufenthalt bei Kuütr in Dänemark und vor
allem sein tod bei Stiklastaöir (1030) auch in einer anzahl be-
arbeitungen der grossen Olafssaga hins JicJga behandelt werden,
so sind für die Strophen 19 — 22 noch die Varianten der lös (1849),
und von str. 35 an auch die der Hkr. (hg. von F. Jonsson, Kph.
1893—1900), der Fms. (Kph. 1829) lY.— V und der historischeu
Öldfssaga hins helga (Christ. 1853) herbeigezogen worden.
Von den in diesen ausgaben collationierten hss. konimen
für unsere Strophen in betracht: für Hkr. 1) K = Kringla in
AM. 35. 36. 63, fol. (vgl. Inledning zur Hkr. s.ii); — 2) 18 =--
Stockh. 18, fol., pap. (vgl. a.a.O. x ff.); — 3) 70 = AM. 70, fol.,
von Asgeirr geschrieben, enthält eine abschrift der saga Olafs
h. helga nach der Kringla (vgl. a.a.O. s. xiii); — 4) J2 = AM.
38, fol., eine abschrift der gesammten JöfrasJänna (vgl. a.a.O.
s. xxvi); — Für Oldfss. h. helga in den Fms.: 1) A = AM. 61,
fol., perg. (vgl. Formali d. Fms. I^'V, s. 1); — 2) B == AÄI. 75 d^
4to2) = B^ejarbok {\g[. a.a.O. s.2); — 3) C = AM. 325 (7)
in gross quart, perg. fragm. (vgl. a.a.O. s.3 f.); — 4) D = A]\l.
325 (5), 4to, perg. (vgl. a.a.O. s.4f.); — 5) H = AM. 73, fol.,
pap. (vgl. a. a. 0. s. 16). K = perg., fol., in der kgl. bibl. in Stockh.,
genannt Konüngahöh af Bergi dböta (vgl. a.a.O. s. 18); — 6) L
= gl. kgl. sml. 1008, fol, perg., genannt Thomasskinna (vgl.
a. a. 0. s. 20 ff.). — Der ausgäbe der historischen Oldfss. h. helga
von 1853 liegt zu gründe: die Olof Helges Saga des perg. in
quart, no, 2 (nicht 4 wie in der ausg. von 1853 s. xlv gedruckt
steht) der kgl. bibl. zu Stockh. (vgl. Gödel, Kat. s. 35 ff.) und der
legendarischen Oldfss. h. helga von 1849, no. 8, fol., der dela-
gard. sml. der univers.-bibl. zu Upsala.
*) Die ausgäbe der Flateyjarbök von 1862 ist nachgeprüft worden.
2) AM.75d, fol. = AM. 68, fol. (vgl. Kat. d. AM.-sml. 1,55).
308
GAEUTNER
Cap. II. Zur recoastructioii des stroplieiilextes.
A. Hergestellter text.
1. Munda'k sjalfr
i siiQru egiida
helzti brätt
lioftM stinga.
ef porbjorg p'essii skäldi
— lion's allsnotr —
eigi byrgi.
2. Starf liofsk upp l?a's arfa
auöveitir let dauöan
— liestreniiir vas hlunna
liugsnjallr — Kloeings falla;
efnd töksk Hävars hefndar
hafstüös J^a's vas Mööi
— hann varö hopp at vinna
livettr — fimtian vetra.
3. Aldrspelli kveö'k ollu
Ingülfs sonar (Jnngat
fiTtt es vig, sem ysettik)
vald alf^öurs tjalda;
feil fyr frseknum stilli
(fjortjon vas pat Ijöna)
[litt vas f>ar til pratu]
l^orbrandr drasils vandar.
■ 4r. A'el diigir verk at telja
(väpna hreggs) fyr seggjum.
(oft flygr gränn frä gimni
gjöör) — Butralda lilööum — ;
l>ött kunni miin minni
margrjoöanda ]>j6öar
(ne linekkik j'vi) J^akkar
)?ess vigs fetils stiga.
5. Frett hefr old, at ättum
(imdlinus) l^a's svik vinna
(rjoöanda nautk räöa)
rögsmenn saman gnöga.
Enn vil'k enkis minnask
(oesi-dyrs viö styri
raun gatk fyröa fjona
flöös) nema okkars gööa.
6. Kapp let lioldr [at liepni
liri(^ geröisk pk sveröa]
(hratt gat hrafn at slita
hold) Mässyni goldit.
Enn vas vägs at vigi
viggriöandi siöan
(hann bar greipr at gunui
gjarna) Skiifs ok Bjarna.
7. Sex let s?efar faxa
sviprunnr heöan (gunuar
snjallr vas orr at ollu)
undlinns büinn sinnum.
Sjävoknum reo scekir
sveima (frä'k l>at) heiman
[oft vann auöar skiftir
erring] i haf knerri.
8. Hrundar ber'k a heudi
(hjaldr) [urpum \ni skjaldi]
(song) h^fum sär of fengit
(siklings) flugu mikla;
nsergi 's hrafus of hefna
lilunns glapvigum runni
umn,ysandi ossa
ärkyndils mä'k sära.
1). lila reö'k ]'vi's allar
(ey-l)raupnis) gaf'k nieyju.
(mer barsk döms i drauma
ZUR FüSTBR(EDRASAGA.
309
dis) Kolbrimar visur.
pk tok (l^orna) freyju (?)
(l^riuM- kann mart en prüöa)
[liknunik lieldr \iö Hildi
liyitings] ä mer viti.
10. Plus braut suart til
Snorra
sverörjöör ok styr geröi,
hinn es lieiptir nianna,
Hciekils sonar. rceköi;
varö (eggja) }^ar ^^ggja
[f»orgeirr a livot nieirij
(leiks liefk slikt frä soeki
sannspurt) bani manna.
11. Ar man'k pegn, liinn's
J^arfan Hävars arfa [f'öri,
hlyra hrafns, meö geiri
happau(Mgi' reo dauöa.
Dyrr liefnöi svä sära
(slikt för alt af riki)
odds ok ernir soddusk
jöstyrandi hlyra.
12. Njorör gekk ä skse
skoröu
skeljeggr (enn l:'at teljum)
hjaldrs, at berja vildi,
hJQrgaldrs meö RQgnvaldi.
Litt sparöi fjor fyröa,
fremöar niildr at hildi,
drengs varö däö at lengri,
djarfra Hävars arfi.
13. Gant veifk at son Sleitu
snarfengr meö liö drengja
hQlör viö haröar deildir
hjordjai-fan nam fjorvi;
üfeigum varö eigi
(almj^ings) i gny malma
(oft verör rik peim's roekir
raun styr) fullu launat.
ll. Golls reo j'orgeirr ['olla
J'vi UiTest griöa resta,
ser's eigi sä fceri
svinngeör viö liö minna;
9II tük seggr enn .snjalli
s^nn, leygs, friöar monnum,
fljots j>ä's fyröa nytir
fullmoeli, reo tsela.
15. Stirör reo stafn at varöa
strenghreins togum drengja
(itr |?vit) ärr (vas heitinn
auöstjori l^rek) fj(3rum,
(äör) sig reynir sinum
(sär hlutu meör at hväru)
üt viö eigi litla
erring feil ä knerri.
16. Kent hefr fjorum live
frsendum
folkbeitir skal veita
dyrr ]?ött drengi vseri
dylgjusamt at fylgja.
(f>8egs) frä'k l^orgeir eiga
(]?au 'ro orö komin noröan
handar grjuts frä hreyti)
hug panns viö mun brugöit.
17. Hauks frä'k lir?eva loekja
haröraeöis }n-ot braeöi
viö sviprunna sennu
sverös aldrigi veröa.
Mär het maör ok l?örir
mälsnjallr es let falla
(äör frägum) l^ar (J^eira)
J^orgeirr (lokit eirum),
18. Olli fjorr äör felli
(flugtrauör) hjarar dauöa
310
GAERTNER
(sä vas rcjekjandi enu liki
reggs) Jn-ettian segg:ja.
|?ar Iset'k hjaldrs fyr liolöum
liins, es prek gat viniia
(mal tea min at deilask
mjük) viga tal lükask.
19. Loftimgu gaft lengi
lätr Imt's Fäfnir ätti
])n lezk mer, enn mseri,
merkr frän^lims vänir.
[verör em'k] varga myröir
\iölendr frä p&r siöarr
eör lieldr um sjö sveldan
[sliks] rettar skalk vsetta.
20. Flestr of ser hve fasta
fagrbünar lief'k tüna
bäöar heudr ör brendum
barös ]7J6ökoiiiiDgs garöi;
Eid ä'k jofri at gjalda,
ungr, peim es bregör liungri
djnps (ber'k giill a greipum)
gräöugs ära (bäöum).
21. Hafa ]:'6ttum ek, haettir
hafs soekjandi ef toekir
hreins viö lialdi minu
livert land l^egit, branda.
Rikr vil'k meö per, rcekir
randar linns ok Finni
rond berum iit ä andra
eybaiigs Ufa ok deyja.
22. Sex hefk alls siz üxu
ona bjaltaty fjouir
(kendr em'k viö styr stimdum)
stälregüs boöa vegua;
]^ü em'k enn ok (mank manna
morö) varlega oröinn
ver letum ]'ö ]?eira
j'ritogr skarar bita.
2o. parf sh's l>er skal hvarfa
]7eugill fyr kne lengi
(svarar lioglega liverju)
hngborö (konungr oröi).
Fair 'rom ver ne fryju
frsendr orum }->ä v?endir
(minnumk meir ä annat
mitt starf) konnngdjariir.
24. Ä hverfanda hveli vorn
{^eim hjortu skopup»
ok brigö i brjost of lagiö.
25. Betr lezk beita skutli
Baldr (hoelisk }?vi) skjaldar
[l?ollr lileypr hart um hellur
lilunnjos] an ver, kunna.
Gorr nian'k Litt, hveim liarri
hugdyrstr skipar fyrstum
(veitti oss, sä's ätti
orms torg) i skjaldborgu,
26. Hraeddur mi^k var hinn
er meiddi
liior aldrigi sviptir tjalda;
Skulfn siöan skips i älfi
skjotlyndum meöal liärs ok f öta,
bieöi tenniir, bein ok iOöar;
brann vitskunnar liverfi p'ann
veg
fyrna hart, sem eldr ä arni,
(sezla mikil var j^essi hr^ezla).
27. Orvendi trezk undir
(oft finnumk ]:»ess minni)
oll es fremö of fallin
fjorneppr, i strä greppi;
ef hreggboöa hoggvit
hefk vart i skor svarta
ZUR FOSTBROSDRASAGA.
311
nadda borös jnat Niröi,
nnettings, bana vaetta'k.
28. Undr's, hvi eigi kendu
elborvar mik gorva
stals (lief'k mark of mäli
mart ok skoft et svarta);
biirgum'k, längs Init lengra
lif vas ty skapat drifu
l'remja svells, enn polli
l'eim aldrtili seima.
29. Strengöi j'ess ä pingi
j^'arflyndr, ef mik fyndi
lioldr at liQggva skyldi
heit lofgeröar veiti.
Naer stoö'k raiida lyri
(rekkr lez'k ei mik J^ekkia),
gott's at Hiüdar lietti
hefr smiör faldiö stefja.
30. Matka'k liefnö enn Iirafni
lirings fekk braö ä }'ingi
Baldrs (let'k vigi valdit)
varga setrs viö marga.
Gnyl'olli letk gjalla
(gort hefk fjr mik) s^-ortum
[Meir liet'ni J^ö] j^orna
[j^org-eirs vinir fleiri].
31. Skopta'k enn, ]^ä"s, uppi,
(nndarligt) ä sundi
lirökr dö lieimskr viö kloeki
(lians razaklof ganöi);
Alla leit'k a Ulli
eggveörs liugar gieg-gum
(setti gaurr ok glotti)
gunnfjön (viö mer sjonir).
32. Er fenguö fe fleira
(flinvs oft kveöit) Grimi
mer ok miklu faera,
maeringr. an til vceri;
liann hefr liunds verk unnit,
livinn gerir slikt at vinna,
mietr, en ek mennsku bo-tta'k
mina, gramr, ok ]nna.
33. pollr, va'k porgrim trolla
(l'ar laut liarör til jaröar)
äör reö'k, odda hriöar,
otrauör Loöins dauöa;
par nam'k porkel fJQrvi,
l)orör let ond enn fjoröi,
feldr vas, frsegr, til moldar
Falgeirr, sk^rungr l'eira.
U. Eis (hefk illan dila)
ekkils j^eim's mik seköii
geig vann'k gervidraugiim
(Groenlendingum brendan) ;
sär munat (soeki tirar)
sveröels fromum veröa,
(hrings) ä hryggjar tanga
hoggroeddr (nema mer lögi).
35. Brennum oll fyr innan
Inni l»au's ver finnum,
lond (tegask herr meö lij^rvi
HerbJQrg fyr gram ver ja);
ys taki allra hüsa
Innj'rondir kol sinna,
angr mun kveykt i klungri
kald, ef ek mä valda.
30. Ala }?ryngr at eli,
Qrstiklandi, miklu
skyldut skelknir holöar
(skalmc^ld vex nü) falma;
H. Brett komum' ver, en vei-
valtafn frekum hrafni, [tum
(viksk eigi l>at väga
viggruör) eöa her liggjum.
312
GAERTNER
F. Biiiimk viö sokn, en sloekni
seggT skyli orö um foröask,
es at geir]nngi gongimi
guunreifr meö Äleifi.
37. Dagr es uppkomiiin,
äynj'd liaua fjaörar,
Mal es vilmogura
at vinna erfiöi;
vaki ok vaki
vina iE hofiiö,
allir enir ceztu
A(Mls af sinnar.
38. Här enn harögreipi!
Hrülfr skjotandi!
settum nieim goöir
]?eir's ekki flyja!
vekka yör at villi
ne at vifs rimum,
lieldr vekk' yör lioröum
Hildar at leiki.
39. H. per iiiunk eör iiiiz
oörum,
allvaldz, nair skaldum,
(noer va'ttir ]m peira?),
]?iiigdjarfr, fyr kne hvarfa.
Eikr vilk meÖ ]?er, roekir
randar linns enn svinni,
(stondum ar ä ondrum
ej^baugs) lifa ok deyja.
40. Ä ser, at ver vänim
vigreifr meö iVleifi,
Sär fekk', heldr, at liväru,
livit brüör, ok friö litinn;
skinn ä skildi minum,
skald fekk liriö til kalda;
nar liafa oeski-ärar
orvendan mik gorvan.
•U. Haraldr vas bitr at ber-
boöreifr meö Aleifi; [jask
j'ar gekk hära hj(^rva
Hringr ok Dagr at pingi;
reöu l?ar und rauöar
randir prütt at standa
(fekk ben|7iönrr blakkan
björ) dQglingar fjörir.
42. Ort vas Äleifs lijarta,
6ö fram(m) konungr (blööi
rekin bitu stol ä Stikla-
stQÖum), kvaddisk liö boövar.
ElpoUa sä'k alla
Jalfaös, nema gram sjalfan,
(reyndr vas flestr, i fastri
fleindrifu) ser lilifa.
43. Undrask Qglis landa
eik, livi ver 'rom bleikii?
fär vevör fagr af särum
fanii'k Qrva drif, svanni!
Mik flu malmr enn dokkvi
niagni keyrör i gagnum;
livast beit hjarta et naesta
hsettlikt järn, es vaetti'k.
44. Emka'k rauör, ne rau-
rseör grann kona raanni; [öum
järn stendr fast et forna
fenstigi mer benja;
pat veklr mer, eu msera,
marglööar, nii, trööa,
djüp ok danskra vapna
Dags liriöar spor sviöa.
ZUR FOSTBRfEDRASAGA, 313
B, Kritischer commeiitav.
1. steht: M (bl. 198r.) bcE, (s. 2) kmq, — fehlt: (HR,)>) Fdil(n)o. —
g-edruckt: Grett. 121 (Mtignüss. 1859). — Boer, 192. Fbr. (52) 3. Fbr.(99)3.
Text nach b: 1. Munda ek sialfr. — 2. i simum egnda. — 3. liauUzti
bratt. — i. hoföi stiuga. — 5. ef porhjörg. — (i. pessw skalhli. — 7. hun
er allsnotr. — 8. eigi byrgi-).
Varianteu: 2. cgncla alle, si/gda Kj. — i. stiuga] stima k.
2. steht: bcE, (s. 8) F (bl. 90 rb.) dikraoq. — fehlt: (HMRjtl»)- — ge-
druckt: FII,96. Fbr. (52) 10. Fbr. (99) 11.
Text nach b : Starf preifz upp pa er arfa. — 2. auöveit/r let dauöaun.
— 3. hestrenjt/r var hlun/ja. — 4. hugsniallr kloeugs falli. — 5. efnd tok
Ilavars hefndar. — 6. hafstoös pa v«r nioöi. — 7. hann varö haupp at
viuxa. — 8. hvetr oJc XV vetra.
Varianten: 1. preifz] prifust o, hofzst Fd. — 2. letj sig Fd. —
3. best-] Inist- Fd. — var] ver o. — -i-. klsengs] cR,dui, klengs F, klaugs o,
klupuugs ik. — falli I falla Fd. — 5. tok] tockzst Fd, jafnuade o. — 6. haf-
ckio, hap- Fd, happ- Riqp. — stoös] slooöz i, slöds kmo. -- moöi] Müpr p.
— pa. var] pa er var Fd, pa er var]? p, pa er Rjq, pn, vid ikmo. —
7. varö] hlaut Fd (hs. F hat hla-aut). — haupp] happ Fdik. — 8. hvetr
ok XV vetra cRiqikmo (fimmtan ko), huatr XV Fd.
Auflösung: Starf hofsk^ npp )?ä es auöveitir let arfa Kbelugs*
dauöan falla; hestreunir hlunua vas hugsnjallr. Efnd hefndar Hävars
töksk^ pä es Müöi hafstoös vas fimtian vetra — hvettr,^ hann varö* hopp
at vinna.
1. In z. 1 gebe ich mit Egilss., vgl. Fbr. (52) 10-'), der Variante //ö/*'/'"
von Fd den vorzng (vor preifz der übrigen hss.), ebenso in z. 5 tölcslc, vgl.
Nj.II, 120 (vor tük): die beiden halbstrophen weisen dann neben gleicher
aiiordnung der reime auch gleiche satzconstructionen auf und das, war
möglicherweise ein bewusst angewantes stilmittel, das die Zusammensetzung
der Visa aus den zwei halbstrophen besonders klar zum ausdruck bringt.
— 2. Vgl. Kj. n, 259, dazu auch Jdceungs ik. — 3. Z. 8 zeigt zwar in bcR,q
die sechsgliedrige dröttkvsettzeile, doch ist ok (das in Fd fehlt) der iuter-
polation dringend verdächtig, und die scheinbare metrische lücke durch
auflösung von ftmtjan zu fimtiait (Glslas., Aarb. 1879, IGl ft'.) oder /imUhtii
(Kock, Ark. 9, 138) zu beseitigen. Auch ein anderes visuorö aus einer dräpa-
strophe pormoös 18, i reggs prettjän seggja verlangt noch eine analoge
besserung. Boer (Zs. fdph. 31, 149) anderseits will für hretr {hvettr Gislas.
Xj. II, 121) hetja einsetzen. Aber während ein verstypus A^b hetja finitjän \
1) Die klammer deutet an, dass die betreffende Strophe in eine lücke
der hs. fällt.
2) Xur bei den membranen werden auf lösungen von abkürzungen durch
cursivdruck gekennzeichnet.
*) Gislas. folgt in Fbr. (52) in allen kvaäene der redactiou Egilssous
(vgl. Xj. II, 119).
314 GAEETNER
vetra nicht allein in der Fbr., sondern allgemein sehr wenig beliebt ge-
wesen zu sein scheint (s. unten), ist D., (hvettr fimtian vetra) in der 4. und
8. zeile mit 14 proc. belegt. Ausserdem fällt das überdies nur spärlich be-
legte hetja gegenüber dem in allen hss. bezeugten hretr beim Vortrag aus
dem tonniveau heraus (vgl. unten). — Hveti (hvatleik), conjectur von Jon
porkelsson (vgl. Fbr. [99] 148), ist als pyrrhikhius zurückzuweisen (vgl. Nj.
II, 391). — 4. Fbr. (99) s. 148 hat bar (conjectur von Jon porkelsson). —
NE. Ein visuorS des porSr Sjareksson lautet : Starf höfsk iipp, pä's arfi
(Hkr. 1, 217. 92, 5) ; möglicherweise machte pormoör in 2, 1 also eine ent-
lehnung von p. Sjärekss., der im ersten viertel des ll.jh.'s dichtete.
3. steht: M (bl. 199 v. 1.) bcF (bl.90r.b.) R, (s. 15 f.) ikmoq. — fehlt:
(SRiln). — gedruckt: F H, 100. Fbr. (52) 16 f. Fbr. (99) 20.
Text nach M : 1. Alldrspelli kvaö ek ollu. — 2. Ingolfs sonar f>i>!gat.
— 3. friett er vig sem ek vietti. — 4. valldr alfauöurs tiallda. — 5. flell
firir frseknum stilli. — 6. fiortion v«r pat liona. — 7. litt var ]yar
tu prsetu. — 8. ]7orbrandr drasils vandar.
Varianten: 1. Alldr-spelli] -spüle Fd, -spell R,, alldrz spielli ikmo.
— kvaö ikmoq] kued FdR,. — ollu] ollum Rj. — 2. pingat miq] pingiö k,
f>angat o, hingat FdRi. — 3. er] eru FdR,. — vig] fing q. — sem]
päd m, pau er Fd. — ek] fehlt Rj. — vietti q, vsetti Ri, veitti imo]
ueittag Fd, villde k. — 4. alfauöurs] hasleipnis FdRj. — 5. frseknum]
frsegium Fd, fregstum R,. — stilli] foUi Ri. — 6 f^ abbrev. bRjkq]
J^at CO, p'aö im, pa Fd. — 7. var] er o. — par q] abbrev. p bFd, pat
cikmo. — 8. porbrandr qiko] -brand FdRjm. — drasils] drägils k.
Auflösung: Ek hveö vakU alfoöurs tjalda- ollu aldrspelli Ingolfs sonar;
pingat es frett vig; sem vaettik. porbrandr feil fyr freeknum stilli drasils
vandar; ]>&t vas fjortjön Ijona; litt vas J>ar til prastu.
Der durch alle hss. durchgehende fehler valdr statt des durch die
construction geforderten acc. valcl zeigt, dass die texte aller bekannten
hss. der Fbr. i) (soweit nicht gegenseitige beeinflussuug vorliegt) auf ein
und dieselbe vorläge zurückgehen, in der dieser fehler schon enthalten
war. Der redactor des textes von R, (*R) im folgenden mit q be-
zeichnet) hat einen vereinzelten besserungsversuch gemacht, offenbar, ohne
die construction verstanden zu haben. Er substituiert ollum, aldrspell für
ollu, -spelli und vcetli für vceit/Jc und setzt an: eJc Icred aldrspell Ingolfs
sonar, ollum frett eru rhj sem vcetti valdr alfoöurs tjalda. Gegen den sinn
dieser fassung ist nichts einzuwenden; bedenklich jedoch ist, dass (>, um
das metrum in z. 1 zu wahren, das sonst stets durch bragarmäl mit dem
vorausgehenden verb verbundene pron. pers. eJc zum selbständigen Senkung
bildenden glied erheben musste. — 2. Zwischen den keuningar: valdr al-
fgÖurs tjalda Mbcikmoq und valdr hasleipnis tjalda FdRi kann man
schwanken; beide umschreiben correct: praeliator bez. vir. Da in dieser
Strophe M jedoch den relativ ursprünglichen text bewahrt zu haben scheint
(vgl. z. 3, wo die lesart von Fd deutlich unecht ist: die von pormöör
*) Mit ausnähme der fragm. HRaUl.
ZUR FUSTBRCEDRASAGA, 315
gesprochenen, sich also auf ihn zurückbeziehenden werte frett cru vig Jmu's
veitiak würden in der ausschliesslich von der erschlagung porbrands durch
porg-eirr handelnden Strophe der erüdrapa (!) sehr befremden; vgl. ferner
den fehler Porbrand in FdR,m), bin ich für annähme der lesart von M.
4. steht: M (bl. 200 v. r.) bcRi (s.2'2) ikmoq. — fehlt: (HR^ln) Fd. —
gedruckt: Fbr. (52) 22. Fbr. (99) 27.
Text nach AI: Vel dug/r vcrk at telia. — 2. vapna hreg(/s fyr seg-
giuH?. — 3. opt Üygr geirr fra. gun»i. — -t. gioö butrallda hlioöa. —
ö. )'at( kyn»i mun min/d. — G. marg hroöanda f>iodar. — 7. nie ek hneckig
pri J>ackar. — 8. pess vigs fetils stiga.
Varianten: 2. vapna] vopns m. — hreggs] hregg m, hrings i. —
3. opt] ortt 0. — flygr bcqkm] filgur i, flu o, flugu Ri. — geirr bikoq]
gron Ri, geirz m. — gunni] guma o. — i. hlioöaj hloöuin Ri. — mun]
mer R,, mug o. — minni] niauna o. — (3. hroöanda bcq] -hroöande ik,
-horSande m, -joöanna R,, ok marg-frööar o, — J'ioöar] pat pioder m. —
7. hneckig bcq] hreckegg k, hverk m, huakka er at peckum R,. — 8. ab-
weichend nur o: J'orgeire vygs ben styga.
Auflösung: Vel dugir at telja verk fyr seggjum; oft flygr grann
gjoör hreggs väpna frä gunni; Butralda hlööum. — pott pjoöar kunni
margrjööauda stiga fetils mun minni pakkar pess vigs; ne hnekkik pvi.
Das fehlen der skothending in z. 3 beruht sicher auf textverderbnis,
wie schon F. Jöusson (Ark. 7, 327) und Boer (Zs. fdph. 31, 149 f.) bemerkt
haben. Ersterer schlägt keine bestimmte conjectur vor. Boer setzt für
geirr: genja ein, wodurch neben dem reim Übereinstimmung mit der prosa-
erzählung erreicht wird, für gunni liest er ferner grenni (acc. zu grennir),
für gj6Ö: gjöH. Indem er dann väpna hreggs gjöös mit frä grenni zur
kenning für vir verbindet und hljöda für aus hlööum verderbt erklärt, er-
hält er die formell correcte halbstrophe:
Vel dugir verk at telja (väpna hreggs), fyr seggjum
(genja flo frä grenni gjöös) — Butralda hlööum. —
So geistvoll diese erklärung auch ist, wird man sich doch nicht verhehlen,
dass besonders die in z. 3 vorgenommenen änderungen zur erlangung des
reimes (wobei obendrein aöalhending in I entsteht!), ziemlich stark sind
und — abgesehen von flö in der textlich arg verderbten hs. o — stützen
für diese conjecturen in z. 3 nicht vorhanden sind. — Dass Butralda nicht
mit at telja verk in Verbindung zu bringen ist, wird jeder glauben (vgl.
Boer a.a.O.), ebenso scheint einzuleuchten, wie auch F. Jönsson (a.a.o.) ver-
mutet, dass vel dugir verk at telja und väpna hreggs gjöör (notwendige
conjectur für gjöd) ihjgr opt frä gunni zusammengehörige sätze bilden,
und dass man einen dritten satz erwartet, hvori Butraldis drab omtaltes
(vgl. Aarb. 7, 327, anm. 1). Diesen satz hat Boer (Zs. fdph. 31, 150) in Bu-
tralda hUbum richtig vermutet, wie die ihm unbekannte Variante von Rj
hlölhim zu bestätigen scheint. — Vollständig beziehungslos bleil)t nur geirr
Mikoq, geirz m, das aus formellen (skothendinglos) und sachlichen gründen
(Widerspruch zur prosa, s. Fbr. [52] 22, i — 7) anstössig ist. Die glücklichste
lösung scheint widerum die lesart von Ri zu bieten: grdn{n) = grär =
griseus. Durch dieses adj. wird nicht nur der in z. 3 defecte reim her-
Beitrage zur geschichle der deutschen spräche. XXXII. 21
316 GAERTNER
gestellt, und zwar nonnale skotliendmg, sondern es ergibt als epitheton
Omans zu gjödr hreggs väpna ein gutes kenniugglied (vgl. Clav. poet. s. 18).
Die parentbese lautet dann: opt flygr grünn gjöör hreggs väpna frägunni:
oft fliegt der graue kampfvogel (= der adler) von der kampfgöttin fort.
— Während 4, 1 — 4 in Rj dem authentischen text am nächsten kommt,
sind die Varianten von Ri in 4, 5 — 8 wol sämmtlich zu verwerfen , es sei
denn , dass man in z. 5 vih- acceptiere und construiert : pött pjüöar kiinni
margrjööanda st/'ga fetih, minni pakkar wer pess vigs.
6. steht: M (bl. 200 r. r.) bcR, (s. 25) ikmoq. — fehlt: (HR.ln) Fd. —
gedruckt: Fbr. (52) 24 f. Fbr. (99) 30 f.
Text nach M: Friett hef?'r auUd at ättu. — 2. uudliuz pa er suik
vinwa. — 3. riööanda naut ek räöa. — 4. rögsmewn saman gnoga. —
5. enn vil enkis mimiaz. — 6. aulli dyrs viÖ styri. — 7. rän (wahrscheinl.)
gat ek fyröa fiona. — 8. flioz ne?Ha ockars goöa.
Varianten: 1. at ättu] f>a er attuig R,. — 2. undlinz] virölius m. —
3. rioSanda] riöauda q. — ek] ei i, ej mo, ad k. — räöa] raöi Rj. —
4. rogs-] röggur- m. — gnöga] gnöfa k, hoggva m. — 5. vil] vil ek alle.
— enkis q, engis Ri] ]?essa i, pess k, abbrev. pess mo. — 6. aulli q]
resi R,, ausi i, ausse ko, ausu m. — 7. rän] rsent m, ravn Rj. — gat ek]
ek fehlt m, set ek Rj. — fiöna] fiora ik, fiorfe ra, fin»ia Rj. — 8. ockars]
ockar ikmo, ockara R,.
Auflösung: Old hefr frett, at ättum saman gnoga rögsmenn, pä es
svik vinna. Ek naut räöa rjoöanda undlinns. Enn ek vil enkis minnask
nema okkars gööa. Ek gat raun- fyrÖa fjona viÖ styri oesi' dyrs flöös.^
1. vgl. Egilss. Lex. 141. — 2. raun nach Ri. — 3. das überlieferte
fliöÖs, gen. sg. zu fljoö? = femina, ist hier unmöglich.
6. steht: M (bl. 201 v.) bcRi (s.28) ikmoq. — fehlt: (HR^ln) Fd. —
gedruckt: Fbr. (52) 27. Fbr. (99) 34. Grett. (59) 64. Grett. (F. Jönsson) 104.
Text nach M : Kapjj let haullör at hepui. — 2. hriö geröiz pa sueröa.
— 3. hratt gat hrafn at slita. — 4. hoUÖi mäf of golldit. — 5. enn var
vigs at vigi. — 6. vig riöandi siöaü. — 7. fvnd bar greypr at gun»i. —
8. giarnan skufs ok biarna.
Varianten: 1. Kapp] kapps R,q. — at] meö Grett. — 4. holldi] hold
Grett. 0. — mäf] mal Rjikoq. — of golldit] siäliga golldid m, Mäks syui
goldit Grett. — 7. fuud] koenu Grett. — greypr at guuni] greppur ad
g. m, greypur at grendumm o. — 8. giarnan] gjarna Grett.
Auflösung: Holdr let Mäs syni kapp goldit ;2 hriö sveröa geröisk pä
at hepni;! hrafn gat at slita hrätt hold. * Enn viggriöandi vägs* vas siöan
at vigi Sküfs ok Bjarna; hann^ bar gjarna ^ greipr at gunni.
1. Boer (Grett. 104) zieht vieÖ hepne zu hglör let kapp goldit: der held
vergalt dem söhne Mäks den streit mit erfolg. Diese erklärung will mir
weniger glücklich erscheinen, als die in Fbr. (99) beibehaltene construction
(s. G4): ai hepni gerl)isk pä hriö sverÖa: erfolgreich (für porgeirr natürlich,
ein misverständnis ist wol ausgeschlossen) verlief da der kämpf, [denn] der
der rabe erhielt zu zerfleischen: nicht hrätt holdi (MRjikm), sondern hold
(o. Grett.). — 2. Ebenso sicher falsch ist die lesart: hgldr let kapp Maf of-
goldit (M) oder hgldr let kapps mal of goldit (Riq); es handelt sich nicht
ZUR FÜSTBR(EDRASAGA. 317
nin einen streit porg-eirs mit Märr, sondern mit dessen söhn porgils (vgl.
Fbr. [99J 28, 11 Porgils var Mässon). In Grett. finden wir offenbar die
richtige lesart Jn>ldr Ut kapp Mäks syni goldit (vgl. Grett. [59] Gl, 7 kann
{Porgils) var kallaör Porgils Äläksson). — 3. Die Varianten der Fbr. in
z. 7 fuml und z. 8 gjaruan lassen sich nicht halten. Annehmbaren text
bietet Grett. Nach Grett. (59) 213 ist zu construieren Emi ras viggridandi
(is qui navi vehitur Egilss. Lex.) siüan at rigi Skiifs ok Bjarna. Vig-kccnn
(peritus puguae Egilss. Lex.) bar gjarna greipr at gnnni. Allein es ist in
Z.5 nur skothending erforderlich, der verdacht liegt also nahe, dass vigs
(z. 5), beeindusst von dem unmittelbar folgenden at vigi aus rügs verderbt
ist: viggriÖandi rügs = vir.
7. steht: M (bl. 201 r. r.) bcRi (s. 34) iklraoq (nur z. 1). — fehlt: (HRsU)
Fd. — gedruckt: Fbr. (52) 29. Fbr. (99) 37.
Text nach M: Sex liet siefar faxa. — 2. suiprun»r heöau guujiar. —
3. sialfr var awrr at ollu. — i. undlinz buinn sinnu?«. — 5. satt attu?»
reo soek/r. — 6. sveims froka ek pat reina. — 7. opt vau>i auöar skiptar.
— 8. erri«gs i haf knerri.
Varianten: 1. sex] vij k. — faxa] fara k. — 2. heöan] hiedins o. —
5. soekir] sarer i — m, ssetter o. — 6. fraka ek] fra = eka i, frae ka 1,
frake o, fracka km. — f'at abbrev.] pa.5 ik, viö J7a5 m, tytt o. — reina]
raka o. — 7. vann] var k, styrde o. — auÖar] auda m, auöz o. — 8. er-
riugs] ernings i.
Auflösung: Sviprunur undlinns let faxa stevar sex siuuum büinn
heöan; sujallr guunar vas Qrr at ollu. Scßkir sveima reo sjärokuum knerri
heiman i haf; ek fra J7at; oft skiftir auÖar vann erring.
Nach der construction Egilssons (vgl. Fbr. [52] 29) lautet 7, 1—4 sex
Ut scefar faxa srijnnoinr heöan (gunnar sjalfr vas grr) at gllu tindlinns
büinn sinmwi. Gislas. (Nj. II, 103) hat gegen diese art der auf lösuug und
gegen diese, sjalfr mit kann identificierende auffassung Egilssons berech-
tigte bedenken geltend gemacht; bemüht, für sjalfr einen annehmbaren reim
zu substituieren, gab Gislas. der halbstrophe die gestalt:
Sex Ijet ssevar faxa sviprunnr hjeöan gunnar
(snjallr var orr at öllu undlinns) büinn sinnum.
Auch F. Jonsson (Ark. 7, 327) ist überzeugt, dass sjalfr verderbt ist aus
einer Form, die in ihrer ursprünglichen gestalt mit gunnar eine kenning
für porgeirr ergab, wenngleich er glaubt, dass dctte stcd mä i hvert fald
ogsä forbigäs; an der bedeutung von at gllu = ^ alting hält er mit recht
fest. Zwar betont Gislas., dass at gllu = omnino nicht belegt sei: dafür
aber erscheint sicher med gllu = omnino (Egilss. Lex. 11), meÖ und at
wechseln häufig (vgl. 6, 1 med hepne Grett., at hepne Fbr.), vgl. auch at
gnügu. — Billigt man noch snjallr (z. 3), das mit gunnar die von F. Jonsson
gewünschte Umschreibung für porgeirr liefert, so erhält die parenthese die
gestalt snjallr gunnar ras grr ut gllu: der im kämpf gewante war in allem
tüchtig. Die Situation ergibt, dass damit auf seine seemannstüchtigkeit
angespielt werden soll, was durchaus sinngemäss ist, da in den Strophen der
dräpa bis dahin nur pormöös kämpfe auf Island berührt werden (F. Jünsson,
Ark. 7, 328;. Undlinns endlich vereinigt sich gut mit siiprun)ir (= is (lui
21*
318 GAERTNER
movet) zu einer keimiiig für krieger, die in ähnlicher Zusammensetzung in
Str. 17, 3 — 4 widerkehrt: viÖ sviprunna sverÖs. — Betrefts snyaZ/y (z. 3) vgl.
Gislas. Nj. II, 103. — Fbr. (99) hat pollr und construiert (s. 150, 7) Gunnar
sciprunnr let . . . ; undlinns pollr vas grr at gllu. — Str. 7, 5 — 8 ist in der
überlieferten gestalt unverständlich. In z. 1 scheint scekir (M) der einzige
rest des ursprünglichen textes zu sein, der fehler vermutlich in satt attum
zu stecken, zu dem sich nur in o *) ein reimwort stctier findet. Gislas. ver-
mutet deshalb sjdroJcnum. — Auch z. 2 ist in M reimlos überliefert sveims
reina (der vers fraJce, fraJcak raJca o ist sicher das fabrikat eines redactors,
der unbekümmert um den sinn, um jeden preis einen reim herstellen wollte).
Die conjecturen von Egilsson (Fbr. [52] 29) und Boer (Zs. fdph. 31, 151), der
den gen. pl. sveima (für sveims) sehr wahrscheinlich macht, treffen wol das
richtige. In Fbr. (99) lautet z. 6 seims-fm ek put; heima; die conjectur
scekir seims = maör lässt sich nur halten, wenn man das pron. pers. ek
zum senkungbildenden glied erhebt — und das ist bedenklich.
8. steht: bcRj (s. 3i) ikmoq. — fehlt: (HMR.n) Fdl. — gedruckt; Fbr.
(52) 32. Fbr. (99) 41.
Text nach b: Hrund bar ek af hendi. — 2. hialldr urpum (am raude
lupum) pa skilZdi. — 8. saugn (am rande -sogu) hofu?« sar of fengit. —
4. Sikliugs flugu mikla. — 5. uu (am raude nergi) er hrafns of hranwa.
— 6. hlunz gaflviguwt fam rande glapvigum) runni. — 7. ym nysandi
ossa. — 8. Arkyndils ma ek . . . (am raude säran, add).
Varianten: 1. hrund] hrundar R, , hrundit iknio. — bar ek] ber ek
El, hef eg ikm, hefir eg o. — afj a Rj, an q. — 2. hialldr] hialld ik. —
urpum] am rande in b lupum, ferner in cikmo. — skilldi] skalldi Riikmo.
— 3. saugn] saung o, sogu b (am rand). — hofum] heiir R,. — 4. flugu]
flavgo Ri, flug k. — 5. nü] nergi b (am rand) cikmo. — 6. gaflvigum]
glapvigum b (am rande) cimk, glafl- Riq, glaufuugum o. — runni] runninn
ikmo. — 8. mä ek] giore o. — saran fehlt bq, wird in b von anderer band
am rande hinzugefügt, sära R), saraun ikmo.
Auflösung: Ek ber' ä^ hendi mikla flugu hrindar'; hjaldr sikliugs
song-; urpum^ pä skjaldi; hgfum fengit of sär. — nsergi^ es, umnysandi
hrafns hlunns!, mä ek^ hefna'* ossa sära glapvigum runni arkyndils?
1. Die in b verderbten texttormen werden durch die Varianten von
Ri zum grössten teil richtig gestellt: vgl. z. 1 hrundar, herk, ä, z. 2 urpum.
— 2. vgl. 0. — 3. z. 5 ncergi vgl. cikmo. — 4. z. 5 ist in allen hss. un-
verständlich; rargi ist neben der kenning runni (dat.) hrafns hhinns be-
ziehungslos; in hranna Qirann ä'Ä;?) muss ein von mük (z. 8) abhängiger
iefinitiv stecken: Egilss. vermutet of hefna, das gleichzeitig den reim
widerherstellt. — 5. In Fbr. (99) 41 wird das in allen hss. belegte ek (z. 8)
gestrichen und mmysandi ärkindils als subject zu mä of hefna ossa sära
gefasst. Derartige Umschreibungen des pronomens der 1. person finden sich
jedoch in den auf Island gedichteten visur sonst nirgends und in den
0 7,5—8 lautet in o:
Satt attum rieö stetter sveins frake tytt raka
opt styrde auöz skippter errings i haf kuerre.
ZUR. FÖSTBRCEDRASAGA. 310
übrigen, vor allem den Groenlandstrophen, hat der die strophe vortragende
porraöör sich meist als 'poeta' bezeichnet (str. 27. 4 greppr, str. 29, 8 smiör
stefja). Man wird daher besser (mit Egilss. Lex. 8815) uminjsandi äyJci/iulils
als anrede an Bersi betrachten : wann, o goldsucher, vermag ich . . . etc.
Solche vocative stehen aiich in anderen Strophen (vgl. str. 23).
9. steht: H (371,12—15) bcF (bl.98r.r.) dRi (s. 42) ikloq. — fehlt:
(ME^n) ra. — gedruckt: H, 371. F. 11, 1,5.5,3. Fbr. (,52) 39. Fbr. (99) 51.
Cpb. 175, 1.
Text nach H : lila reö ek pri at allar. — 2. eydravpuis gaf ek freyiv
(oder meyiv vgl. anm. 1). — 3. me;- barst doms i dravma. — 4. dis Kol-
brvnar visvr. — 5. pa tok ek porna freyiv. — 6. pruör kan>t mart en
prvöa. — 7. liknvjHZ ek helldr \id hilldi. — 8. hvitings a mer viti.
Varianten: 1. pvi at] p\i er bikl. — 2. eydraupnis] dreipnis Ri, ei-
drnpnis (z) kl. — freyjv] meyjv (H, anm.), meyura iL — 3. barst] bar Fd.
— 5. ]''oriia] }>etta Fd, J^eirra R,. — freyjv] freyja FdR,. — 6. mart]
margt kl. — en] hin Fdk. — 7. likmimz] lyk iunst ik, likünst 1. — ek]
fehlt bikl. — huitings] huitnigz 1. — viti] vit d.
Auflösung: Rcö"k j'vi illa, es gafk meyju all.ar Kolbrünarvisur; dis
ey-Draupnis' barsk- mer i doms drauma. prüör porna" kann mart en pruöa;
liknurak heldr viö hvitings Hildi; viti tok ä mer freyju (?).^
1. In z. 2 trennt F. Jousson (H, 371) ey als zeitadv. von Draupnis ab
und bestimmt nur dis Draupnis zur kenning für 'frau'. Ey --^ semper,
perpetuo scheint aber in dem satze: illa reök ]?vi es gafk visur zur Cha-
rakterisierung dauernder tätigkeit nicht wol angebracht. — Egilsson
(Lex. 144) verschmilzt ey mit Draupnis (eydraupnir annuUus = contiuentor
de.stillans), in der annähme, dass ey 'interdum in compositis videtur em-
phaticum esse', ey wird damit zu einer partikel degradiert, die ihrer be-
deutung nach sicher entbehrlich ist, die aber vor dem reimlosen nomeu
Draupnis hofnöstafr und frumhending trägt. — Ich vermute, dass ey hier
gar nicht adv., sondern das fem. 'insel' ist, das nach analogie von eybaugr
(str. 39, 8) mit Draupnir (zweisilbig!) verbunden, eine kenning für 'mare'
ergeben würde (ähnliche bilduugen : vagdraupnir = vegr + draupnir =
equus Su. E. 11, 487. 571; Egilss. Lex. 858; baf.sleipnir Egilss. Lex. 746 etc.,
in denen namen für mythologische gegenstände ebenfalls die function der
entsprechenden landläufigen termiui übernommen haben): dis ej'-Draupnis
= nympha maris = femina. — 2. In z. 3 möchte ich nicht wie F. Jonsson
der Variante in F 'bar' den vorzug geben und damit döms (in allen belegt)
als entstellung aus döm erklären, sondern mit Egilss. (Lex. 102) ansetzen:
döms draumr = somniura praenuntium fati, quo fatum vel poena fatalis
portenditur. Im zusammenhange : dis ey-Draupuis barsk mer i doms di'auma
= es zeigte sich mir das weih im 'strafe -vorausverkündenden' träum. —
3. In z. 5 hält sich F. Jonsson widerum an die lesart von Fde (petta) und
construiert (vgl. H, 371. Fbr. [99] 151): pk tök'k ä mer petta viti; en prüöa
freyju ]3rüÖr kann mart ...; freyju, sagt F. Jonsson, H, 371 anm. 3, ma
vjere forvansket, det hele -er en kvindekenniug. — Indes die Verwendung
des demonstrativs als artikel wird meist gemieden; auf jeden fall aber
glaube ich porna Hbcikl beibehalten zu müssen, das mit prixör eine kenning
320 GAERTNER
für femina bilden kaun: prnör porna = dea spiculorum (analog bildnngen
wie f>orna ]n;ndr = deus spiculorum s. Egilss. Lex. 915 oder g-eirjn-viör s.
Egilss. Lex. 925). Als solche ist sie siibject des in parenthese zu schlies-
senden satzes: prüör Jjorna kann niart en prüöa. Nach abzug der zweiten
parenthese bleibt von der halbstrophe pa tok ek 'freyju' ä mer viti. Ich
vermute ferner in ek eine Interpolation, wie sie häufig ist, in viti das sub-
ject des satzes und construiere: viti tok a raer (täka ä e-m = taugere,
adtingere aliquem Egilss. Lex. 809). Mit freyju weiss ich ebenfalls nichts
rechtes anzufangen. Vielleicht steckt ein Infinitiv darin: ]?ä tök [hon] an-
drohen (?), ä mer viti (?).
10. steht: H (373, 16 — 374, 1) bcF (bl. 90 v. 1.), z. 7-8 fehlt, d (z. 7-8
fehlt) R, (s.45) ikoq. — fehlt: (MR,n) Im. — abgedruckt: H,374. F.n.
156, 29. Fbr. (52) 42. Fbr. (99) 55.
Text nach H: Hvs bravt snart ül Suorra. — 2. sverörioör oJc styr
geröi. — 3. hinn er heiftzr mawna. — 4. Hsekils svnar rsk/r. — 5. varö
eciadr par prioia. — 6. J^orgeiR a hvot meiri. -r- 7. leygs hefi ek slikt
fra soeki. — 8. sanspvrt bani mawna.
Varianten: 1. snart] snaR bEjik, hart Fd. — 2. -rioör] -ruör FdR,,
moör bik. — 3. heiftir] heyttr i, heiptar k. — Hsekils sonar] Heekil sonar
FdRi, -sona ik. — 4. reekir] rfeki Fd. — 5. varÖ eggjaör] vndeggiaör bik.
— ]>&y] f>a bik. — priggja] beggja bik. — 6. porgeirr a hvot] porgeir at
hvot R], porgeirr huotu Fd, a porgeyr huot ik. — z. 7-8 fehlt in Fd, in
d steht am raude: defect ut videtur und auf dem inneren blatte: videntur
deficere duo versiculi. — 7. slikt] sliks bik. — soski fehlt Rj.
Auflösung: Sverörjöör', hinn es rceköi- heiftir mauna ok geröi styr,
braut snart hüs til Snorra Hoekils sonar; varö par bani ]?riggja mauna.
j7orgeirr a hvot meiri. ^ Ek hef sannspurt" slikt* fra soeki leiks* eggja.^
1. Fbr. (99) hat s. 55 sverdruör, s. 151 -rjöÖr; auch F. Jonsson (H, 373,
aum. 1) ist geneigt, srerdrudr FAR^ zu bevorzugen; allein die Überlieferung
der str. 10 durch H ist so vorzüglich , dass es nicht geraten scheint, ände-
rungen vorzunehmen. — 2. vgl. H,373, anm.2. — 3. So Boer, Zs. fdph. 31, 152
(Boer gibt für a hrüt Hb (b) die Variante huctu F an; c in hudu ist wol
druckfehler für o, da in F wie d huoUi steht); für diese fassung spricht
auch die Variante a Jjorgeyr(r) huot meire ik. — 4. F. Jonsson hat leygs
hef Je siks fra sosJci sann spurt (vgl. H, 373, anm. 4). — Die conjectur Boers,
leiks, ist in k belegt. — 5. F. Jonsson (in H) und Fbr. (99) haben eggjuör
und construieren : porgeirr, eggjuör d meiri hvgt, varÖ /)ar bani priggja
manna.
11. steht: H (375, 10 -12), es fehlt z. 1—2, bcRj (s. 48) ikmoq. —
fehlt: (MR.n) Fdl. — gedruckt: H, 375. Fbr. (52) 45. Fbr. (99) 58.
Text: z. 1— 2 nach b, z. 3— 8 nach H: Ar man ek fegn hinn er pori.
— 2. ]>ar{s fagrliga arfa. — 3. Hlyra hrafns meÖ geiri. — 4. hap^j avöigr
reo davöa. — 5. dyR hefndi sva sära. — 6. slikt for allt af iiiM. —
7. oddz ok ernir soddvz. — 8. iostyrandi hlyra.
Variauten: 1. Ar] aur iko, er m. — man ek] var m. — hinn] pax
Ri, fehlt 0. ]?ori] poröe m. — 2. parfs] pars Ri, ]?arf m. — fagrliga] fagr
gala Rj. — 3. nieö] viö km. — 4. happauöigr] happa öigr b. — davda] kappi
ZUR FÖSTBRffiDRASAGA. 321
bikmo. — 5. slikt] slik E,. — 7. ok] ad m, oddur crune sadde o, oöi
(i wahrscheinlich) en varg-ai" sauÖÖuz R,. — 8. iostyrandij iorsstyrandi ho,
jorz- ikra, jostyranda R,.
Anflüsiuig: Ek man )'egn, är hrafiis hlyra, J^arfan arfa Hävars*, hinn
es liappauöigr reo Jjöri danöa moö geiri. Pyri" j'istyrandi'' hlyra hefnöi
svä sära odds ok ernir SQddusk; slikt för alt af riki.
1. fagrliga bikmo (z.2) ist im zusammenhange unverständlich. F. Jönsson
(H, 375) substituiert deshalb, wie dies im hiublick auf arfa nahe lag (vgl.
12,8), HacarA dafür; das versmass stellt er wider her, indem er arfa als
acc. fasst und ihm als ei)itheton ornans parfan beigibt. — Wie verfiel ein
redactor aber gerade auf das seltene fayrliiju, da, wenn die stelle in seiner
vorläge defect war (vgl. fa(jr ijala R,), die ergänzung des namens von
porgeirs vater zu arfa gewissermassen auf der band lag? — AVird ferner
die halbstrophe durch drei Umschreibungen für iDorgeirr: ur{r) hrafns hlyra,
— pegn, hinn er red Pari dauda, — parfr arfi Hävars nicht schwülstig?
Kurz, man möchte fagrlig- für ursprünglich halten. — porgeirr wird von
Öläfr helgi nach Island gesaut, um einen hirdmadr an dem bonden pörir
zu rächen , er ist der bevollmächtigte böte des königs (vgl. Fbr. [52] 44-, 23
ek heji konunfis ninhod itl pessa mäls): man wird also «/•(>•) z. 1 mit 'böte'
übersetzen dürfen. Dem iDorgeirr gelang es, den auftrag zur Zufriedenheit
des königs auszuführen : er war also ein ärr parfr = ein brauchbarer, ge-
eigneter hüte. Man erwartet nur noch eine wendung, die den Ölafr als
auftraggeber nennt: arfi = in erster linie haeres + hrafns hlyra = haeres
Davis, kann als kenning für 'mann' gelten und arfi fagrligs hrafns hlyra
im Zusammenhang der Strophe wol auf Öläfr bezogen werden (vgl. ähnliche
bildungen wie arfi oöala in Vigfüss. Lex. unter arfi, oder rex-kenningar
wie goiiinjordr hhonin'ggs = custos navis etc. in ('lav. poet., 235). Die
construction der halbstrophe würde sein : 3Jan eJc parfan är, arfa fagrligs
hrafs hlyra, pegn, hinn er hapjKiiidigr red Pöri clauöa med geiri. Die am
text von b— H vorgenommenen änderungeu würden nur in einer art tausch
der endsilben bestehen: fxirfs — fagrliga — : parfan fagrligs. Allein wir
räumen ein, dass der redactor, der den vers happa cligr red kappi ' machte ',
auch kurzsichtig genug gewesen sein kann, nicht &\\{ Hävars zu kommen.
— 2. R| hat jostyranda und will danach offenbar construieren : Dyrr hefndi
sära jostyranda hlyra; indes die beziehung der kenning auf den hirdmadr
(vgl. dazu ärr hrafns hlyra = porgeirr in 11, 1—4) ist ebenso zu verwerfen
wie die Verwendung des einzelnen dyrr als heiti für porgeirr.
12. steht: H (376,33-377,3) bF (bl. 99 v. r. — 99 r. 1.) dR, (s. 50)
ikmoq. — fehlt: (MR,n) 1. — gedruckt: H, 377. F.n,160. Fbr. (52) 47. Fbr.
(99) 61.
Text nachH: Niordr geck a ske skoröv. — 2. skelecr er pat telivj».
— 3. hialldrs at hf/ia villdv?«. — 4. hiorgalldrs me^ Rognvalldi. — 5. litt
sparöi fior fjröa. — 6. fremöar milldr at hilldi. — 7. dreug's varö daö at
lengri. — 8. diarfr Havarar arfi.
Varianten: ske, skse bo, skie R,] skiö Fdm, skip ik. — skoröu]
skoröa m. — 2. skeleggrj skiellegur o, skyrligur ikm. — erj enu FdbEii.
— 3. hialdrsj hialldr bRiikmo. — atj er bikmo. — villdum] villdi alle. —
322 GAERTNER
4. hior-] hun- Fd. — 5. fior] fiora i, fe E,. — fyröa] firöa d (am rande:
vide feröir). — 6. fremdar] fremd m. — milldr] gilldiir ikmo. — 7. drengs]
drengr bikmo. — varf)] vann bikmo, var c. — 8. Havarar] Havars Fdbirao,
Havarös k, RaY&rlpaY R,.
Auflösung: NJQrÖr hjorgaldrs gekk skeljeggr^ ä skse skoröu bjaldrs-,
at vildi herja^ meö Rognvaldi; enn pat teljum. Litt sparöi fremdar mildr
arfi Hävars fjor djarfra fyröa* at hildi; däö drengs varö» at lengri.
1. Egilss. (Lex. 722) erklärt skeleggr (z. 2) als sJce-leggr = propositi
tenax; das geht nicht, da der eingang von z. 2 dann metrisch anstüssig
wäre: kurzer vocal in offener silbe vermag nicht hebung zu bilden (vgl.
Sievers, Beitr. 15, 410). Deshalb ist die deutung skel-eggr (vgl. skcl-punnar
eggjar in Egilss. Lex.) — uforfoerdet (s. F. Jöusson, H, 377, anm. 2) vorzu-
ziehen. Nach Sievers (a.a.O.) sind geschlossene silben dann zur hebung-
bildung geeignet, wenn sie im Satzzusammenhang geschlossen gesprochen
werden, also vor if-consonanten überhaupt und bei vocalischem anlaut des
folgewortes, wenn sie kräftig betont und infolgedessen isoliert werden.
Letzteres scheint bei skeleggr (im reime mit tel-ja) vollauf der fall zu sein
(vgl. noch Sievers, Altgerra. metr. 58. 3). — Vielleicht darf mau auch dem
kurzen vocal in skel- eine durch position absolut gesicherte hebnngsfähig-
keit dadurch verschaffen, dass man, den ausführungen von Sievers (Beitr.
12, 486 ff.) folgend, eine form skel-j-eggr ansetzt. Die tatsächliche existenz
dieses thematischen, vor anderen vocalen als e erhaltenen j, in den von
Sievers a. a. o. angeführten compositis Bnjnjulfr, Eyjulfr, Hcrjulfr, Heyjangr,
ferner in der durch die Überlieferung gesicherten zeile sU/rj-gld cas Jxl
byrjitd des pjööölfr skald (Hkr. 3, 96) und die wünschenswerte einsetzung
des j (vor e) in den drottkvpettzeilen eines Egill: / n/Ö-j-crß Narfa (Egilss.
[1894] 166) und Ad-j-ils blomn naÖri (a.a.O. 159) etc., lassen die möglich-
keit der Verwendung von skelj-eggr dixrch iDormöÖr Avolbegründet erscheinen;
hat pormöSr sich doch auch anderen orts älterer sprachformen bedient (vgl.
2, 4 Kloeings, 2, 8 fimtkin, 18, 4 pretkin), vgl. E. Jonsson, H, 877. — Als
letztes bliebe anzunehmen, dass es sich bei skel-eggr um eine entstellung
handelt, vielleicht aus skelkeggr.'') — skelkr m. zu skelkja = terrorem in-
jicere; skelkeggi; — eggjaÖr = aualogiebildung zu tlr-eggjaör gloriae pa-
randae cupidus (vgl. Egilss. Lex.); Jijaldrs skelkeggr 'w&re einer, der begierig
isit nach den schrecken des kampfes = vir bellicosus, d. i. eine kenniug,
die für porgeirr, der im begriff ist, sich in neue abenteuer zu stürzen und
das schiff Eognvalds besteigt, pvi at vildi herja, sehr bezeichnend wäre.
— Diese hypothese wird jedoch unwahrscheinlich durch weitere belege für
skeleggr: bei Steinn Herdisarson (Hkr. 3, 161) aus dem 11. jh.: skeJeggjaör
fram Icggja und in Grett. (Boerl80,2) skeleggs miiinis veggja (vgl. aber unten).
— 2. Z. 2 ändert F. Jonsson das in allen hss. belegte ßat in pann, um es zu
hjaldr (bRiikmo) zu stellen: teljum enn pann hjaldr: jeg opregtier ednu
den katnp. Abgesehen davon, dass bRi in str. 12 den text fehlerhafter
überliefern (vgl. z. 5 fe Ri, 7 drengr b etc.), als H.-F. dürfte pann Maldr zur
') Vgl. etwas ähnliches : neben skelk-vingr m. gladius Su. E. I, 566, 2
erscheint Sn. E. II, 620 Skel-vlngr.
ZUR. FÖSTBR(EDRASAGA. 323
bezeichnuna" einer kanipfreichen wikingerfahrt begrifflich wol zu eng sein:
ich isoliere durch die parenthese nur enn pat teljum: und das will ich noch
aufzählen, und stelle hjaldrs (IIFd) zu ä skw slcoröit: porgeirr gieng von
seinem haudelsschiff auf das für den kämpf, die heerfahrt bestimmte schiff
etc. — 3. he)/ja vgl. Gislas., Nj. H, 122. — 4. vgl. Gislas., Nj. II, 122 ff. 857.
13. steht: H (379,24-380,2) bcF (bl.99r.r.) deK, (s. f.7) ikmn (nur
z.1-4) op. - fehlt: (MR,) 1. — gedruckt: H,379. F. II, 163. Fbr. (52)52.
Fbr. (99) 68.
Text nach H: Gavt veit ek at svn Sleitv. — 2. snarfongr mtd liö
drengia. — 3. havlldr var haröar deilld/r. — 4. hiorkrafj^'an naf fiorvi. —
5. vfeigu?« VrtTÖ eigi. — 6. alm]'i>igs i gny malnia. — 7. ok verör rik
f>ei»! er rsek/r. — 8. ravn stj'nfvllv lavnaö.
Varianten: 1. Gaut] Gautr bim. — at] fehlt ikm. — 2. snarfengr]
snarffeingan Fde. — drengia] preingra n. — 3. haulldr] havlld d (am rande),
helldur n. — var] vifS ikm, abbrev. viö FdRiU. — harÖar] heröar n. —
4. hiorkraf]'an] -diarfan FdRjik, -diarfr b, hiü djarfa m, hiors jrj^a n. —
naf] er uam Fd (am rande: ei nam) e, nam Riikmn, raeö b. — 5. ufeigum]
ofgeigiun bim, ofgeiuginu k, ofgeigum Ri — in Fde lautet z. 5 enn hne
orua speunir. — 7. ok] opt bm, optt ik, fehlt Fde. — verör] var]? FdeRj.
— ]7eim er] p'eim abbrev. bR,i, pess km. — rtekir] rteki F, ra?k b. —
8. stynfullu launaö] stinnfullu launar ik, stinufuU launa m, of stopa
launat Fde.
Auflösung: Ek veit, at hcilör, snarfengr' viö^ harÖar deildir, nam^
hji^r djarfan* Gaut, son Sleitu, fjorvi: meö liödrengja. ' Eigi öfeigum varö
fullu launat i gu}' malma; oft verör rik raun, J^eim es njekir styr^ almpings.
1. Egilss. (s. Nj. II, 127) fasst snarfemjr meö liö drengja zusammen und
med dabei in der bedeutung n'Ö. Die bedenken, die Gi.slas. (a.a.O.) gegen
Jigldr nam Gaut fjorvi meÖ liÖ drengja äussert, nimmt er Nj. 11, 331 f.
zurück. — F. Jonssou (H, 379) construiert: Veit'k, at hglÖr, snarfengr viö
hardar deildir meÖ liö drengja, nam . . . Den gesammteu satzteil snarfengr
. . . drengja ') dem heiti hglör beizugeben, scheint im hinblick auf die prosa
Avenig angebracht. Zur Charakterisierung von porgeirs kampftüchtigkeit
dient snarfengr ciö haröar deildir, nieö liö drengja aber besagt (vgl. Gis-
las., Nj. II, 331 f.), dass porgeirr die ermordung Gauts inmitten von dessen
leuten ausführte (vgl. Fbr. [99] 68, 7-15). — 2. vgl. Gislas., Nj. II, 125.
— 3. ebenda s. 125f. — 4. ebenda s. 127. — 5. H, 379 construiert: opt
verör rik raun peim es ra:kir ahnping; eigi öfeigum varö stijnfullii launat . . .
Den in allen hss. belegten gen. uhnpings zu ändern, halte ich für bedenk-
licher, als anzunehmen, dass stynfidlu ein durch das vorausgehende raun
veranlasster Schreibfehler für styr'^) fullu (= at fullu = omnino, vgl. Fbr.
[52] 73, 25) ist, und construiere wie oben. — In 13,5—8 der recension Fde
scheint folgende construction gefordert: enn orua spennir hne i gny malma;
') In Fbr. (99) 152 wird hglör + snarfengr . . . einfach durch hinn
hrausti hardagamuör gegeben.
'^) Dadurch wird gleichzeitig die gefahr eines misklangs beseitigt:
raun : stynfuUu : launat.
324 GAERTNER
rik raun rarÖ oft launat peitn es rceJcir ofsiopa almpings. Es liegt kein
gruud vor, dieser allein durch F vertretenen lesart vor dem nach H recon-
struierbaren text den vorzug zu geben.
1-1. steht: H (380,14-381,2) bcdR, (s. 58) m (z.5-6 fehlt) i) oq. —
fehlt: (MR,n) Feikl. — gedruckt: H, 381. Fbr. (52, 74). Fbr. (99) 69.
Text nach H: Gvllz reö porgeiR polla. — 2. pri nsest griöa pesta. —
3. ser er hann seyöis tiaui. — 4. svingeör med liö minwa. — 5. allt tekr
segr en snialli. — 6. sanlavgs friöar monnvM. — 7. fliot J?a er fyröar
nytan. — 8. fvUmseli reÖ taela.
Varianten: 1. reÖ] rett d. — porgeirr] porgeir bdRi. — polla]
|7olle ra. — 2. sesta] e^sta d (am rande: lege sesta). — 3. er] in d am
rande: ec videtur esse ei. — seyÖis fiarri] sa fari bRim, sitt feri d. —
4. svingeör] savenn friöar manna m. — 5. allt] aull bdEi. — tekr] toc
dRj. — 6. sanlavgs] saunleiks b, sannligs Rjd. — 7. fliot] fliorz b, fljötz m.
— fjTÖar] friöar m. — nytan] nyta bdR,, nytja m. — 8. nach fuUmpeli d
steht am rande: inscr. videtur oc ei.
Auflösung: porgeirr reo ]7vi naest sesta griöa polla gulls, es svinngeör
sa ser eigi') fceri viö minna liö. Enn snjalli seggr tok'* monnum oll full-
m»li friöar sonn^, pä es nytir leygs^ fljöts red tsela fyröa.
1. In z. 3 ist die einführung einer uegationspartikel notAveudig; schon
der, welcher den text der hs. d übercorrigierte, vermisste die negation und
wollte er durch ei ersetzt wissen. — F. Jönsson (H, 381) gibt der z. 3 die
gestalt: ser's hann säat foeri (vgl. sä fari bRim). Da dieser vers aber die
einzige ausnähme einer für pormoör allgemein giltigen metrischen regel
bilden würde (vgl. unten) vermute ich: Juinn wurde, wie es häufig ge-
schah, interpoliert; das dadurch gestörte metrum aber wurde durch an-
lügung des uegationssuffixes -at (das in den erhaltenen recensionen wider
verloren gieng) an sä für die selbständige zweisilbige partikel e/'gi' (in dem
verse ser's eigi sä foeri) widerhergestellt. — 2. Conjectur von F. Jönsson
(H, 381), in Rid belegt. — 3. F. Jönsson construiert (a.a.O.): enn snjalli
seggr tök monnum oll fiälmceli friöar sonn (conject. für sann, vgl. savenn m),
ßä es fljöts leygs fergir reÖ tcela nytan und commentiert: fullmcEli friÖar
= fuldkomne sikkerheds af taler; fjöts leygs fergir = flodildens fergir =
eu gavmild man, hier Torgrim trolle. Den von Boer (Zs. fdph. 30, 153 f )
gegen diese auffassung gerichteten bedenken stimme ich, soweit sie gegen
den letzten teil von 14, 5 - 8 gerichtet sind, bei : es wäre incorrect , wenn
nur porgrimr, auf den sich nach F. Jönsson die kenning fljöts leygs * fergir
beziehen soll, hier genannt würde, denn an der ausfühning des 'verrats'
(d. h. des friedensbruches und des Überfalls) ist pörarin und sind ihre leute
nicht weniger beteiligt. Ferner widerspricht (wie Boer richtig ausführt)
der satz fljöts leygs fergir reÖ tcela nytan dem logischen gang der ereig-
nisse. — Boer (a. a. o.) ändert nyta (z. 7) in flyta (das er von tök abhängig
macht), fyrdar (z.7) in fyrda, sannleyks (z.6) in sannleygs, manni (inonmim)
z. 6 in hranna, fliorz (fliot) z.7 in njötr und construiert: enn snjalli seggr
') Der Schreiber geriet von scecenn (z. 4) in z.6; er fährt in z. 4 fort:
friöar manna, überspringt also z. 4— 6 {meö liö — sanlavgs).
ZÜR.FüSTBRCEDRASAGA. 325
tök flijfa oll fn'dar fullmcvli, pä er njötr sannleijgs liranna red taJa fyrda.
Angesichts dieser nicht unerheblichen ändernngen ziehe ich vor, mit der
Wendung enn sujalli >^C(j(jr tök monman all fuUmtdi fn'dar sonn (welche
inhaltsreicher ist als die entsprechende Boers) der auffassung von F. Jönsson
zu folgen, gebe auch in z. 7 der Variante von m fliof:: {fUorz b) den Vorzug,
die mit leygs (z. 6) (vgl. -leiks b, -ligs Rjd) zusammen eine bekannte kenning
für gold bildet, nehme aber in «///«/( H {nyta bdR,) eine aus mjtir verderbte
form an: mjtir = qui iititur, fruitur, possidet (vgl. Egilss. Lex. 608); nytir
leyys fljöts = possessor ignis fluvii (= auri) = vir, und construiere: pä
es nytir leygs fljöts red t(da fyrda (conjectur von Boer).
15. steht: H (382,7 — 383,2) bcdR, (s. 60) ikmoq. — fehlt: (MB.,n)
Fei. - gedruckt: H, 382 f. Fbr. (52) 75 (55). Fbr. (99) 72. GhMm. II, 294.
Text nach H: StirÖr reÖ stapn aö varöa. — 2. strengreius togvwi
drengia. — 3. itr \>v\ at är var heitin. — 4. avSstiori prek fiorc»;. —
5. aör sigreynar sinvm. — 6. sar hlvtv me8r a5 hvarv. — 7. ut viö eigi
e?-n litin. — 8. erring feil a kncRi.
Varianten: 1. stirÖr] striör alle. — stapn] stafn alle. — aö] a ik. —
varöa] veria alle. — 2. -reins] -hreins R,, -hestz bd, -hesta ik. — togum]
stungum R,. — 4. -stjori] styrir R,. — 5. sig rejnar] sigr reynir bdik,
sigr eg?> R,. — sinvm] sarum bdik. — 6. hlutu] lutu dR,, hlupu ik. —
aö hvarv] aÖ vorum k, at voro bd. — 7. litin] litla alle. — 8. erriug]
ernn« alle.
Auflösung: StirÖr ärr strcnghreins reÖ at varÖa stafn fjörum teguni
drengja, pvit auöstjöri vas heitinn frekitr': sigreynir feil üt ä siuum kncrri
viö eigi litla^ erring; äör meör hlutu sär at hväru.^
1. Fbr. (52) 75 zeigt in parenthese itr pvi at är rar heitinn prek — ,
danach wäre weiter zu construieren: StirÖr auöstjöri red stafn streng rcins
aö varda fjörum togum drengja (vgl. Egilss. Lex. unter /)?•c/t^<r). — 2. F.
Jonsson (H, 382, anm. 4) schwankt bez. der Stellung und bedeutung von at
hvnru. Der satz meÖr hlutu sötr at hvüru wird unnatürlich, wenn man at
hfäru in der ursprünglichen bedeutung ^ hcegge tilfcelde fasst, auch die
parenthese würde dann überflüssig. At hväru zu äÖr sigreynir feil zu
stellen, wie F. Jönsson will, scheint auch weniger geraten, als umgekehrt
äör noch zum Schaltsatz zu ziehen : es fiel der kämpfer draussen auf seinem
schiff in gewaltigem kämpf; die männer (d. i. seine gegner) erhielten jedoch
vorher wunden. Dieser gegensatz : pörgeirr fiel zwar, verkaufte sein leben
aber teuer, ist vielleicht sinngemässer, als der von Egilss. (Lex. 419) an-
genommene: tamen homines vulnera acceperunt, etsi tam impari numero
pugnaretur. — 3. Conjectur nach der lesart aller hss.
Kl. steht: H (383,3—6) bcdR, (s. 60f.) ikmoq. — fehlt: (MR,n) Fei.
— gedruckt: H, 382. Fbr. (52) 55 (75). Fbr. (99) 72. CxhMm. II, 294.
Text nach H: Kent hef?V fiorr hvaB frsendv»?. — 2. folkbeit/r s/:rd
veita. — 3. dyrs po at drengi vrrri. — 4. dylgiv samt at fylgia. — 5. psegs
frse ek l)orgeir eiga. — 6. pav erv orö kowän norf)au. — 7. handar griotz
fra hreyti. — 8. hvg J^an e;- viö man brvgf»iÖ.
Varianten: 1. fiorr] fiorv b, fyrr ikm. — fraendum] fserum k. —
2. folkbeitir] -hneitir b, folur hneiter ikmo, -folkheitir dR,. — 3. dyrs]
326 GAERTNER
dyrr db, flj-r ikin. — at] fehlt m. — drengi] drengra Ri, dreingur ikm. —
vfEi-i] vnegr i. — 4. -samt] -samr dbikm. — 5. J'aegs] pess abbrev. Rj,
preggs b, precks d. — iDorgeir] porgeiR d. — 6. pau eru] J^au nu m. —
komin] kostum ik, kostinn m. — 7. griotz] griot d. — hreyti] hneite
(n wahrsch.) m. — 8. ]7an(ii)er] peim, ohne er m. — man] inun bRiikm,
mon d.
Prosaauflösung: Dyrr^ folkbeitir- hefir kent fJQrum^ hve skal veita
frfendum, ])öU vjeri dylgjusamt at fylgja drengi. ■• Frak porgeir eiga hug
)7ann es viö mun brugöit- ; pau orö ero komin uoröan frä hreyti psegs^
gTJöts handar.
1. Conjectur nach bdikm; dyr- wäre beziehungslos, wollte man es
nicht zu folkbeitir stellen. — 2. F. Jonsson (H, 382) nimmt an: folk-fjors-
&e/</i- = mandlives-beder. Boer (Zs. fdph. 31, 155) betont dagegen, dass
eine solche geschraubte kenning in einer strophe so schlichten stils 'sehr
Tinnatürlich' wirkt. — 3. Conjectur von Boer (a. a. o.). — 4. Diese casusform
ist nach Egilss. (Lex.) nur noch in der Gisla saga Surssonar (vgl. ausgäbe
■von F. Jönsson 1903, 93) belegt: vulgo drcng. — 5. Mg pann er vid mim
hritgÖä = auimi fortitudinem , quae omniura laudibus fevetur (vgl. Egilss.
Lex. unter hrcgÖa 4); vgl. auch Nj. 11,360. — Z. 8 kehrt fast unverändert
isl.2n,36G wider: hug ficnum viÖ bnigöit. Eirikr ividsjä); vgl. auch eine
zeile des Sighv. poröarson: hug, pvi at eigi brugöumsk (Fms. VI, 41, 15 ;
F. in, 268, 13a). — 6. Nach F. Jönsson (H, 382): p(rgr = som man gserne
vil raodtage, tiltrsekkende. — Egilss. gibt noch au: pcegar hnossir = pre-
tiosa cimelia; — dass man preggs b nicht für precks d einsetzen und für
pccgs substituieren darf, hat Gislas. (Efterl. Skrift. 11, 243 If.) gezeigt.
17. steht : H (383, 16 — 384, 3) bcF (bl. 100 v. 1.) deR, (s. 62) ikmnoq.
— fehlt: (MR,) 1. — gedruckt: H, 384. F. II, 165. Fbr. (52) 56 (76). Fbr.
(99) 74. GhMm. II, 296.
Text nach H: Havs fra ek hrsefa Ijekia. — 2. harörteöis prot brseöi.
— 3. viö sviprvnna sen>iv. — 4. sv^röz alldregi veröa. — 5. Mär het ma^r
ok por/r. — 6. malsniallr er let falla. — 7. aör fragVHi pa pe/ra. —
8. porgeiR lokiö eirvj».
Varianten: Havs] Haufs b, Hanks FdRiU, Hvals m. — hrsefa]
harda u. — Isekia] Ifeki Fde, Isekiar RiU, lauka bikm. — 2. harörpeöis]
-rgeöi n, band- bim. — brseöi] bseöe Fdebikm. — 3. sennu] senn nu ik,
fehlt n. — 4. sveröz] sverö Fde. — alldregi] allö-rey i, alldreie mn,
alldrei k. — 5. Mär] MaR Fdeb. — 6. er] fehlt ikm. — fragum] freek-
num m. — 8. porgeiR] porgeirs Fde. — eirum] eiru Fde.
Auflösung: Fräk aldrigi veröa brpeöi hauks^ Icekja hreeva J^rot harö-
rseöis sennu viö sviprunua sverös. Mär het maör ok pörir, es mälsnjallr
porgeirr let j^ar^ falla; frägum eirum ]7eira^ lokit äör.
1. Für Haus Hbik (reim!). — 2. Für ^«, um die seltene vocalische
hending zu vermeiden. — 3. Fbr. (52) 76, 1 paira, conjectur, \\m viörhen-
ding zu äör zu erhalten.
18. steht: H (384,9-5) bcdRj (s. 62) imoq. — fehlt: (MR^n) Fekl.
— gedruckt: H, 384. Fbr. (52) 56 (76). Fbr. (99) 74. GhMm. II, 298.
Text nach H: Olli fiorr äör felli. — 2. llvgtravör hiarar davöa. —
ZUR f6stbr(edrasaga. 327
3. sa V((r rrjeldaiuli eu R//.i. — 4. rec.s .xiij. sec.ia. — 5. ]>at let ek hialldrs
fyri liavlldv)«. — G. hinn er piek gat viiixa. — 7. mal tia min ad deilaz.
— 8. mivk vissa ek tal Ivkaz.
Varianten: 1. Olli fjorr] in d (am rande): pro fyrr, Aller fjor in. —
aör felli] aÖ fielli i, raö fiellu m. — 2. fing-] füll- R,. — liiarar (in d aus
hiartat corrigiert)] hierar E,, ]'aiar in. — 3. en] fehlt Ri. — 4. reos]
reggis bd, reggnes i, Regu:^ in. — xiij] xiiij m, xvi R,. — 5. pat] par
alle. — let ek] ek fehlt im, er Rj. — hialldr.s] hiallz m, hialldr bd. —
fyri] fyr abbrev. m, fra dRi. — (5. hinn] bann ra. — gat] kann alle. —
7. min ad deilaz] min ath R, (von anderer band hinzugefügt: niunat deilaz),
munat dim. — S. miuk] fehlt R, (von anderer band nachgetragen). — vissa
ek tal lukaz] viga til lukaz bd, til vjga lukazt m, til vyga aö liukast i,
viga tal hniga R, (von derselben band wie z. 7— 8 til lukaz hinzugefügt).
Prosaauf lüsung: FJQrr^ bjarar oUi dauöa J'rettian'^ seggja äör felli;
sä euu riki iwkjandiä reggs vas flugtrauör; ]?ar lajt'k^ tal viga hins es
gat vinua Jn'ek bialdrs, fyr bolöum lükask; min mjük mal tea at deilask.
1. Vgl. Nj. II, 292 f.; Egilss. ^.onstruiert : Fjorr olli, äÖr felli, dauöa
prcüün seggja. Sä enn riki hja?-ar — reggs — ro'kjandi rar flugtrauör. —
Egilss. (Lex. 179) jedoch verbindet hjurar mit fjgrr (vgl. Orms eddubrot,
Sa. E. U, 497, 20 ff. und construiert danach richtiger: Hjarar — fjorr olli,
äör felli, dauöa etc. Sä enn riki reggs — rcekjandi var flugtr. — 2. Zu
z. 4 reggs xiij seggja vgl. schon s. 313. Gislas. (Nj. II, 292 f.) macht zwei
vorschlage: a) mau ersetze das seltene regg- durch ein reggi (nom. acc. sg.
und pl. und dat. sg.), reggs (18, 4) aber durch reggis, bez. reggja. — b) Die
abnorme kürze der z. 4 ist auf tiefer gehende eutstellung zurückzuführen.
Ich meine, dass weder a) noch b) das richtige trifft: zu a): das in b (d)
für reggs HR, belegte reggis ist jedenfalls die conjectur eines aufmerksamen
Schreibers; mit berufung auf die Seltenheit') von reggs aber reggis anzu-
nehmen, ist mehr als 'meget betsenkeligt'. Am ehesten denkbar wäre der
gen. pl. regcija, abhängig von rcekjandi: Boer (Zs. fdph. 31, 155) ist geneigt,
diese lesart aufzunehmen. — Indes durch prettian (vgl. H, 384, prettäan
Fbr. [99]) für pret Jan werden alle Schwierigkeiten gelöst: ic) wir erhalten
mit reggs prctiian seggja den am hall)strophenschlnss ausserordentlich be-
liebten typus Dg. — i-i) rmkjandi mit dem zweiten kenningglied im sg.
(reggs) ist die üblichere und sinngemässere combination. — y) Die con-
jectur ist derselben art wie die bei str. 2 (vgl. aum. Geriugs zu Zs. fdph.
31,149). Da nun str. 2 eine unbestritten-) echte vLsa der erfidräpa ist, ge-
winnen wir mit der form preüian ein indiciura, das die Verfasserschaft
pormoös für str. 18 wahrscheinlich macht, wodurch auch der argwöhn
gegen das unsichere alter der Strophe (vgl. Boer a. a. o.) unbegründet würde.
— 3. Z. 3 hält Boer für zu lang und möchte nur rmkir lesen; bez. der
tilgung von sä entscheidet er sich nicht. Sicher falsch wäre sä's (praes.
') regg erscheint nicht nur in den skipaheiti Sn. E. I, 581, 3 (581, 17
vgl. II, 481, IIa. 564,5b. 624,6a), und als dat. sg. reggi im Hattatal 34,
sondern auch als compositionsglied regghuss, reggstrind etc.
■•') Abgesehen von G. Vigiiiss., Orig. Island. II, 074 ff.
328 GAERTNER
für sä vas), vermutlich falsch sä zu streichen. Ich schreihe sä v's rceJc-
jandi — enn riti = D3 mit zweisilbiger, verschleif barer seukung (zu vs
vgl. Sievers, Beitr. 6, 319) und bin dann nicht versucht, r<£ldr zu bevorzugen.
— 4. Egilss. (Fbr. [52] 56) hat Ut, sah hialdr als object an und construierte
danach: ßar let hinn er gat vinna prek, hjaldr lükusk fyri hgldum. . . Mit
hinn er gat vinna prek kann nur Jlorgeirr gemeint sein: P orgeirr let hjaldr
lükask = porgeirr beendete den kämpf. So würde mau allenfalls sagen,
wenn p. siegreich gewesen wäre; und nun noch fyri hglömn (!). Nicht
hjaldr ist das subject des v^on let abhängigen acc. c. inf.-satzes, sondern
tal (zu telja), also in erster linie = aufzählung. Da es sich nur um die
aufzählung der von porgeirr begangenen todschläge handeln kann^), so
wird man für vissa ek : viga dbRiim einsetzen. Ferner stelle ich hjaldrs
(HR,i) zu prek- (prekr hjaldrs = tapferkeit im kämpf) und mache die
ganze Umschreibung für porgeirr von tal viga abhängig (s. oben).
19. steht: lös (1160) F (bl. 105 v. 1.) de lÖs (49) s. M, 1. — fehlt: (Mn)
HbcR.Eiiklmoq. — gedruckt: Otte brudst. s. 4. F, II, 201. Fbr. (99) s. 130
lös. (49) s. 44. 91. Cpb. II, 175, 4.
Text nach F: Loftungu gaftu lengi. — 2. latr pat er Fafnir atti. —
3. pu. letz mer en mteri. — 4. merkr franoluns uonir. — 5. uerdr era ek
uarga myrdir. — 6. uidlendr fra per sidan. — 7. edr helldr um sia sialldan.
— 8. sliks rettar skal ek usetta.
Varianten: 2. fafnir] faömer lös (49). — 6. uidlendr] vij?lenz d. —
7. edr] eöa lös (1160). (49). — sia] sio alle anderen, zwischen epr und
helldr ist in d er übergeschrieben. — 8. vaetta] veita d (am rande:
forti vetta.
Auflösung: Enn mseril ]m gaft Loftungu lengi latr f>at es Fafnir
atti; pü lezk mer vänir franoluns merkr. Emk verör sliks : eör skalk vaetta
rettar frä per siöarr, [es] viölendr varga myröir' heldr um sjo sveldan?
In lös (49) wird (s. 109) str. 19, 5— 8 so commentiert: Viölendr varga
myröir! ek em verÖr sliks, eÖa heldr um sjaldan skal ek siÖan vcetta rettar
siu (vente Havets Gnist d.i. Guliet) frä per. — Unklar ist der satz: aber
sehr selten werde ich später gold erhoffen; danach müsste pormoör von
Knütr früher sehr oft beschenkt worden sein: doch pormöör ist bis dahin
eben gerade leer ausgegangen. Auch die kenuing für gold: rettar sia ist
zweifelhaft. Egilsson (Lex.) gibt sia fem. zunächst nur durch strictura
wider und identificiert es dann mit elding fem. = fulmen (Jblöds eldingar
= gladii); in der lös (s. 109) wird Gnist dafür angesetzt; rettr m. (vgl.
Egilss. Lex. 659) = jactatio marina, d. i. stserkr Sögang und keinesfalls,
wie lös behauptet wird, = Havet, einfach meer. Ich glaube nicht, dass
1) F. Jonsson (H, 384, anm. 3) will tal viga auf eine anführung der
pretjan seggja deuten: es w^erden in str. 17 jedoch nur zwei der gefallenen
namhaft gemacht, und es ist kaum anzunehmen, dass die übrigen 11 in
verloren gegangenen Strophen genannt wurden : tal viga bedeutet vielmehr
eine Statistik der in der erfidräpa erwähnten mord taten porgeirs, die
pormöör mit dem bericht von porgeirs letztem kämpf 'scliliesst' (vgl. Icetk
lükask).
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 329
fiilmen jactationis iimrinae Avirklich als kennin<i: für gold gelten darf. —
Der küuig hat bis dahin nur pürarinn Loftunga reich beschenkt und [Jor-
möör mit einer Versprechung abgefunden: viuii ek gefa per jjniUkünn mala
sein Pörarinn hafde, en pat nar mork gullz s. F. II, 200, 5— 6). An dieses
versprechen erinnert nun pormoör den Knutr in str. 19,3 — 4, um dann
selbstbewusst fortzufahren: Emk verör sliks. In rettar vermute ich den
gen. zu ri-ttr m. = ins, der von vaita (i-cptta cum gen. = expectare aliquid)
abhängig ist, in dem ausdruckslosen sh^an eine entstellung aus sidarr und
construiere: eör skal ek vcetta retten- frä per sidarr, oder soll ich mein recht
später erhoffen? Der rest der strophe enhält schliesslich nur eine poetische
Umschreibung von sidarr: unter riölendr rarga imjrdir = weithinherschender
mann kann nur Knütr verstanden werden; dieser kam nach Dänemark, um
dort seine macht atifs neue zu befestigen und sich durch die Unterwerfung
Norwegens die vormacht auf der see zwischen England und dem östlichen
continent zu sichern: ich sehe deshalb mit Jon porkelss. (vgl. Fbr. [99]
s. 161) in sjahlan eine entstellung aus sveklan und in heldr die 3. sg.
praes. ind. zu hulda: eör skalk rcvtia rettar frä per sidarr, es (terap.) riö-
lendr rarga mgrdir heldr tun sjü sceldan: oder soll ich etwa mein recht
von dir später erhoffen, wenn der ländergewaltige fürst auch noch die weite
see besitzt? Die ganze weudung ist halb ironisch zu nehmen. — 1. Vgl.
Hki-. 1. 217, V. 92, 1 von pörör Sjäreksson.
20. steht: lÜs (1160) F (bl. 105 v.l.) de lös (49) s. 44, 2. — fehlt:
(Mn) HbcR.R.iklmoq. — gedruckt: Otte brudst. s. 5. F. II, 201, 24. lös (49)
a. a. 0. Fbr. (99) 131. Cpb. II, 175, 5.
Text nach F: Flest of ser hue fasta. — 2. fagrbunar hefui ek tuua.
— 3. badar hendr or breidum. — 4. bardz fiiodkonungs garöe. — 5. elld a
ek iofri [at]') giallda. — 6. ungr peim er bregdr hungri. — 7. diups her
ek gull a greipum. — 8. gradugs ara badum.
Varianten: 1. flest] flestr lös (1160). (49). — 2. -bunar] -buua lös (49).
— 3. breidum] brsendom lös (49). — 5. at fehlt Fde lös (1160). — bregdr]
br*gö lös (49). — 8. ara] ar lös.
Auflösung: Flestr of ser hve ek hef bäöar hendr fagrbunar ^ brendom
fasta tüna bar?s 6r garöi f)j6Ökonungs; ungr- ä ek at gjalda djüpseld iofri,
J»eim es bregör^ hungri ara* gräöugs. Ek ber gull ä baöum greipum.
1. lös (49) wird (s. 109) str. 20, 1 — 4 construiert: Flestr of ser hce ek
hefi bädar hendr fagrbunar (conjectur) (med) brendum barÖs tüna fasta
6r pjödkommgs gardi: brendum dat. sg. zu dem particip brendr; dies ist als
epitheton des goldes zwar selten belegt (nur Sn. E. II, 104, 1 gibt an:
brendt gidl und Hkr. 3, 150 [str. 120, 8] brunnit goll; unter den epitheta
auri im 'Clavis poet.' s. 30 fehlt es ganz), trotzdem ist die Variante von
Fde breidom aus reimtechnischen gründen abzulehnen (vgl. unten). — 2. Da
auch bei den consonantisch auslautenden formen des prouomens contraction
mit der relativpartikel in der klassischen zeit als norm gilt (vgl. Sievers,
Beitr. 5, 499 b) möchte man peim es (z.6) contrahieren; es ist in diesem orö
jedoch Senkung bildendes glied. Fbr. (99) 161 liest, um die einsilbige form
») at F. n, 201, 24 fehlt in F (hs.).
330 QAERTNER
zu ermöglichen: ungum (für imgr) und construiert: ek ä at gjalda djüpsehl
umjiim iofri. — Indes in Fde, wie lÖs ist nur ungr überliefert; ferner:
pormOör, 993—994 geboren (vgl. unten), ist nur etwa vier jähre älter als
Knütr (geboren 998); die anrede an den könig: 'ich habe dir, dem jungen
fürsten (Knütr war damals, wie wir annehmen müssen 1027,28, ca. 29/30
jähre alt) gold zu vergelten', würde sich von dem fast gleichaltrigen
seltsam ausnehmen. Ungr bleibt damit auf pormoör, der damals auch
schon 83 jähre zählte (!), sitzen: eJc, ungr, ä at gjalda: (obwol) ich noch
jung bin, habe ich (doch bereits) zu vergelten etc. Dieser vers (der mit
es als Senkung bildender silbe einen neuen beleg für die von Sievers, Beitr.
8, 61 augeführten 6 ausnahmen bildet) gehört einer Strophe an, die in dem
abschnitt über porraöös aufenthalt in Dänemark steht (vgl. unten). —
3. Conjecturen in lös (49) für -hüna, brcegö, är der hs.
21. Str. 21, 1—4 steht: lös (1160) F (bl. 105 v. 1.) de lös (49) s. 45. —
fehlt: (Mn) HbcRiR^ iklm. — gedruckt: Otte brudst. s. 6. F. II, 202. lös
(49) a.a.O. Fbr. (99) 133. Cpb. II, 175,6.
Str. 21, 5—8 der gruppe lös — F = str. 39, 5—8 der gruppe H— EiR^.
— Str. 39, 5—8 von lös — F fehlt in Fbr.
Str. 21,5—8 lös — F = str. 39, 5— 8 (H — R1R2) steht: H, 413,7—8.
lös (1160) F (bl. 105 v.l.) deRj (s. 104) R.ikmoq. — fehlt: (Mbcn) 1. — ge-
druckt: Otte brudst. F. lös (49). Cpb. s.oben. H,413. Fbr.(52) 109. Fbr. (99)121.
Str. 21, 1—4. Text nach F: Hafa pottumzst ek hsettins. — 2. haps*
saekiande ef tsekir. — 3. hreins uid halldi minu. — 4. huert land pegit
branda. — *F. H, 202 hat hafs.
Varianten: hsettins] hsettinn lös (1160). (49). — 2. haps] hap lös
(1160). (49).
Str. 21,5—8 (lös — F) = 39, 5-8 (H — RA). - Text nach H: Rikr
vil ek med ]?er resir. — 6. randar lindz emt svinni. — 7. stonduw ar
avndrum. — 8. eyheygs lifa ok deyia.
Varianten: 5. resir] roekir lös (1160). (49) FdeRiR^i— q. — 6. randar]
randa lös (1160). (49) Fdeimoq, rada k. — lindz] linndz F (F. II, 202 hat
linnz). — enn svinni] hinn svinne F, hia (am rande hinn) svinne d, at
fluni RiR^q, j vinde ikmo, oc Finni lös (1160). (49). — 7. stoudum ar
avndrum] är a3 audra Riirao, stundum ... ist in R2 ausgestrichen und von
anderer band ersetzt durch: rond herum ut a andra lös (1160). (49) Fde.
— 8. eyheygs] ebaugs lös, eybaugs alle.
Auflösung von 21, 1 — 4: Ek ]?6ttumk, soekjandi hreins hafs', hafa ]?egit
hvert land, ef hsettir branda tcekir viö minu haldi.
1. lös (s. 109) findet sich folgende erläuterung: Hcettinn hreins happs
soikjandi fromme den rene Lykkes Söger d. e. Öläf)! ek pöltumk hafa pegit
hverl branda land (ethvert Skjold d. e. al mulig Beskyttelse), ef (pü) takir
viö haldi minu. Diese Interpretation trifft kaum das richtige: hcettinn ist
nicht 'fromm', sondern animosus, intrepidus (vgl. Egilss. Lex. 333); über-
liefert ist nicht hap)ps, sondern hajjs (Fde) und dieses wol nur Schreiber-
variante für hafs (vgl. ähnliche fälle 15,1 [s. 325] stapn H : stafn bcRj,
27, 4 [s. 335] : nefs HRi, neps F, nejjps Ri etc.) ; — ich setze deshalb nicht
sakjundi hreins /tajjips := den reue Lykkes Söger an, sondern soikjandi
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. SSl
hreins liafs (hafhreinn = maclis pelagi = navis, vgl. Sn. E. I, 628 und Egilss.
Lex. 285) = petitor navis = vir. Nimmt man an, dass der dichter seine
kenningar der Situation anzupassen suchte, so wird man swlcjandi hreins
haß auf pormüör beziehen, der dem wiking Härekr dadurcli entkommt,
dass er auf das schift' ÖUlfs hinüberspringt und dieses gewisserma.ssen 'auf-
sucht'. Das schiff bedeutet für ihn also dasselbe wie ein rettuug bringendes
gestade, was durch den satz augedeutet scheint: ek pöttumk hafa peyit
hvert land: ich würde glauben, ein (festes) land erreicht zu haben, voraus-
gesetzt: ef X . . . ta-kir vid haldi minu. In lös ist land mit hranda zu einer
kenning für 'schild' verbunden und die an und für sich zwar mögliche,
sonst aber uubelegte combination ihrerseits widerum in übertragener be-
deutung als 'Beskyttelse' verwendet worden. — Ich sehe in hiettins F,
Jicettenn lOs eine entstellung aus dem bedeutungsverwanten hoittir (vgl.
Fbr. [99]) 162 und verbinde mit liattir: hranda, hcHtir = is, qui pericli-
tatur, h. hranda = is, qui gladiorum fortunam periclitatur = iutrepidus
bellator (vgl. Egilss. Lex. 333 hcettir vigs = qui proelii fortunam pericli-
tatur etc.). Die kenning bezieht sich dann auf Oläfr und bildet das subject
zu tcekir: construction s. oben.
Zw welcher ersten halbstrophe gehört aber 21, 5 — 8? Da gegen den
text von 21,5 — 8 der gruppe F — lös: hhin svinne, rikr 7-(Kkir linns randar,
rilk med per Ufa ok deyja {rond herum üt ä andra eyhaxigs) und den Zu-
sammenhang mit 21, 1—4 zunächst ebensowenig einzuwenden ist, wie gegen
39,5 — 8 der gruppe H — EiR, (H, 413, 7— 8 enn svinni, rikr rcekir^ linns
randar! vilk med per Ufa ok deyja, stgndum är ä gndrum) und deren Ver-
einigung mit 39, 1 — 4 (vgl. unten), 21, 5 — 8 aber doch nur an einer stelle
correct sein kann, so ist klar, dass ein redactor in z. 7 Veränderungen vor-
nahm, um die halbstrophe inhaltlich der ihm vorliegenden ersten strophen-
hälfte anzupassen. Nun schliesst sich in Fde lös (auch in Hkr hös Fms)
an Str. 39, 1 — 4 eine halbstrophe au, die mit 39,1 — 4 in demselben grade
schlecht harmoniert, wie sie sich gut an str. 36, 1—4 anschliesst, d. h. damit
der Überlieferung der Fbr. folgt, während 36,5—8 (nach der recension der
Öläfssogur) von versen ausgefüllt wird, die kaum mehr als eine Variation
der vorangehenden halbstrophe bilden und einer nachdichtung sehr ähnlich
sehen (vgl. unten). — Z. 7 von str. 39, 5— 8 nach H — R1R2 lautet: stQndmn
är ä gndrum erj-bangs. Diese Wendung wäre für str. 21 der recension der
F — lös unmöglich, da pormöör eben erst das schiff betreten hat; sie ist
in F ersetzt durch eine zeile: nmd herum üt ä andra, die wort für wort
auch in der Egilssaga (vgl. F. Jonsson, Egilss. 1894, s. 264) widerkehrt!
Sieht dies nicht ganz danach aus, als ob ein redactor, der die in der
fassung der gruppe H — R,R2 überlieferte str. 21,5— 8 modificierte, z.7 aus
jener vlsa Egils als reminiscenz verwertete? — Von den Varianten zu enn
svinni (z. 6) HFde spricht besonders ok Finni an, denn der satz vilk meö
per ok Finni Ufa ok deyja steht mit der die strophe in den Öläfssogur
einkleidenden prosa in gutem einklaug. Ob mau aber diese lesart auch in
Str. 39, 5—8 (nach H) einsetzen soll , bleibt sehr fraglich , da ein Finnr Ar-
uason in Fbr. nicht auftritt und bei StiklastaÖir auch in deu Öläfssc^gur
nicht erwähnt wird. — Durch die combinatiousverhältnisse scheint jeden-
Beiträge zur gcschichte der deutschen spräche. XXXII. 22
332 GAfiRTNEß
falls angedeutet: 1) die griippe H — RiRj weist die echte auordnung der
balbstropheii awf, d. h. a) 21, 5 — 8, mit der lesart von H in z. 7 gehört zu
39,1—4; b) die sieb in der recension der Ülafssogur an 39,1—4 anschlies-
sende balbstrophe zu 36, 1—4. 2) Str. 3G, 5—8 der gruppe der Öläfssqgur
und ebenso 21, 1 — 4 sind als nachdiebtungen verdächtig. 3) lös weist mit
ok Finni die für die Ölafssogur wahrscheinlichste lesart auf; die vermut-
lich authentische lesart enn sv/nne Fde weist auf gemeinschaftliche vorläge
mit H oder directe beeinflussung durch H hin.
22. steht: F (bl. 105 v. 1.) deR, (s. 69, 2) Rs (bl.2r.) lös (s.66). —
fehlt: (Mbcn) Hiklmoq. — gedruckt: F. II, 203, 1. lös (a.a.O.). Fbr. (99) 113.
Cpb. II, 176, 12.
Text nach F: Sex hefig allz sizst uxu. — 2. on hiallta ty fionir. —
3. kendr er ek viö styr stundum. — 4. stalregu.s boda uegnna. — 5. po
em ek enn at mun mauna. — 6. moröz uarliga ordinn. — 7. uer letum
f>o peirra. — 8. pritogr skarar bita.
Varianten: 1. sizst] sipan R1R2, er lös. — uxu] oro lös. — 2. on]
an d, en RS or R2. — ty] raer RjRa lös. — 3. er ek] em ek R1R2, er mek
lös. — 5. po] \>& d, nu lös. — enn at mun] ok mun R1R2, enn oc narak
lös. — 6. moröz uarliga ordinn] morS varlegra foröom lös. — 8. bita]
fehlt lös.
Auflösung: Ek hef vegna alls sex boöa stälregns, six fjönir uxu bjal-
taty. ' — emk kendr viÖ styr oua ' stundum. Nu emk enn varlega uröinn
f>ritegr ok ver letum f>ö skarar bita — (mank morö mauna).
1. Im glossar der lös wird für das zweifelhafte on FlÖs (an de,
en R,, or R^ (in z. 2): *(mn m. 'Sverd' angegeben (hjalta önn, det med
Hjalt forsynede Sverd). In Wirklichkeit aber existiert kein masc. substau-
tivum önn = schwert, sondern nur das femininum änn oder onn oder onn
= pars aliquagladii; vgl. Egilss. Lex. 624. Sn. E. I, 568, 2. H, 477. 620 (an-
m. II, 560). Da hjalt n. ebenfalls nur einen schwertteil: pomum gladii be-
zeichnet, so wird man vermeiden, beide termini zu einer kenning für
'schwert' zu verbinden; — hjalta wird nach analogie von bildungen wie
hjnlmtyr, tyrr fleina etc. zu ty (dat.) zu ziehen sein, wobei hjalt als pars
pro toto 'gladius' bezeichnet: hjaltaty = pugnatori = mihi; — styrr, in
dem Satze: hendr emk viÖ styr stnndum bedeutet in erster liuie: turba,
tumultus und kommt in dieser bedeutung zumeist in appellationibus pugnae
vor: styrr stäla, hjälma etc. "Vielleicht ist on (z. 2) also eine aus ona
(gen. sg. zu oni m. (?) = pars gladii, vgl. aber Egilss. Lex. s. 623 unter
ona) verderbte form und styrr mit ona zur kenning für pugna zu ver-
einen, ona wäre dann auflösung der ersten hebung eines verses vom
typus D4, jedoch mit anstössiger hending {ona : fjönir), wie sie einem
nachdichter, mit dem wir es in str. 22, 1 — 4 zu tun haben, wol unterlai\fen
konnte: indes non liquet! — 3. Fbr. (99) 162 bemerkt zu str. 22, 5—8 :
hlutrinn er eitthvad aflagaÖr: mit einiger Sicherheit steht nur der satz:
pö emk varlega orÖinn pritegr, ver letum enn bita skarar fest. Fraglich
bleibt, was mit at mun manna anzufangen ist. Will man pö nicht etwa
aus porn verderbt ansehen (vgl. Fbr. [99] 162), dies mit moros FRiRade
(z. 6) vereinigen und construieren: ver letum morös-porn bita skarar peira
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 333
— cd mim manna (analog at mun handa = ex deoriini voluntate, vgl.
Egilss. Lex. unter immr) etwa in der bedentung: nach dem willen der
ixiänner, weil es die raänner so gewollt hatten, so wird man am besten
dem text der lös folgen: vgl. oben auflüsung. — 2. lös (3.105) wird con-
strniert: üxh vier fjönir hjulia 6n: der voxede mig Fiendskab ved det
hjaltede Sverd.
23. steht: H (385,12—15) bcF (bl. 105 v.r.) deR, (s. G9) R, (bl. 2 v.,
Str. 23 steht hier vor str. 22) iklmoq. — fehlt: (Mn). — gedruckt: H, 385.
F. 11, 203. Fbr. (52) 58. Fbr. (99) 76. Cpb. n, 175, 2. GhMra. II, 301.
Text nach H: f>arf f>a er ]>er ska\ hvarfa. — 2. ]?engill iyn kne
lengi. — 3. svarar ]>\ hoglega hverivj«. — 4. hvgborö "konvngv oröi. —
5. fair erv vw en fraevit. — 6. fraendr vorvt« pa vaendiV. — 7. minvwiz
meiR a anjiaö. — 8. mitt starf 'konvng diarf/r.
Varianten: 1. hvarfa] hvarlla Fd, hverffa 1, starfa m. — 2. pengil]
f>eingil:^ m. — lengi] meinge m. — 3. svarar f»u] svaradu FdbR,Rj,
svaraöe ikl, suara m. — hoglega] in F holiga (F 18G0 hogliga). —
huerium] hueriu FdeRiEo, hvorne m, huoriu kl. — 4. -borö] -borö:^ bRiR2-
— boröa ikl, -boröir m. — 5. erv um en fraevit] eru uer ne fryiu Fd,
freyja bcRjR.ikl, er enn ver freyia m. — G. frsendr] frjendum RiR^m. —
vorum] vorn Fde, erumm m, vor Rj. — ]7a] J76 RiR^, ver bcikl. —
viiendir] ra^ndir m. — 7. a annad] auuat FdE,R., enn annat biklmo. —
8. konuug] kouge m, konungr dE^l. — diarfirj djarfr d, diarfan bRiR^jikl,
aruad m.
Auflösung: Sa es skal lengi hvarfa* fyr kne per, J^engill, J^arf hug-
borö; svarar'^, konungr, hogliga hverju^ orÖi. Fair erum ver'' frsendr ko-
nungdjarfir; orum po ne vsendir'' fryju; minnumk meir a annat mitt starf.
1. hverfa: Cpb. 11,175,2. GhMm. 11,305, anm. 3. — 2. Cpb. (a.a.O.) u.
Fbr. (52) 58 svarar pü: Ini kann wegbleiben (vgl. Sievers, Beitr. 5, 510b);
au eineu vers: svarar pü högla liverju = typus A' mit auflüsung der ersten
hebung und älterer adv.-form, ist erst in zweiter liuie zu denken. —
3. Die correctureu im text von H z. 4 hverju für hcerium (H) und z. 5 fair
erum ver, ne fryju für /". erv um en frcevit (H) werden durch die mehrzahl
der hss. gestützt ; fair 'rom ver (23, 5) ist gekürzt nach Sievers, Beitr. 5,
495 d. — 5. vgl. H, 385, anm. 2.
24. steht: H (390,13—14) F (bl. 105 r. 1.) deR, (s. 74) R, (bl.7r.) q.
— Hovamol 84. — fehlt: (Mbcn) iklmo. — gedruckt: H, 390. F. H, 206.
Edda '(Gering) 40. Fbr. (52) 83. Fbr. (99) 85 f. GhMm. II, 320.
Text nach H: a hverfanda hveli. — 5. voro pciin hjorto skoput. —
6. brigö i briost lagit.
Varianten: 5. voro] eru Fd, er R,R.2. — hiorto] hiarta Rjltj. —
skoput] skapat RiR.^. — 6. ok] fehlt H. — i] um R,. — lagit] lagiu R,,
um lagit Höv. (RKD), um lagiu FdR„ of lagi)? Hf^v. (SJF). .
25. steht: H (392,30 — 393,3) F (bl. 106 v.l.) deR, (s. 78) iklmoq. —
fehlt: (MbcnR,). — gedruckt: H, 393. F. II, 209. Fbr. (52) 86. Fbr. (99) 90.
Text nach H: Betr lez beita skvtli. — 2. balldr helir pvi skialldar.
— 3. pollr hleypr hart vni hellur. — 4. hlvii«ioz en» ver kvnnum. —
S34 GAERTNER
0. gior man ek hitt hve haui. — 6. livgdjTstr skipar fj'stu»;. — 7. veitti
oss sa er atti. — 8. orms torg i skialldborgv.
Varianten: 1. lez] kuadst i. — 2. skialldar] skialklur k. — pvi]
sier m. — 3. hellur] hellr dEj. — 4. hlunnioz] -rioöz FdeRi. — kuunum]
knnna alle. — 5. man ek] useit ek FdeRiiklm. — hitt] fehlt iklm. —
hue] hverium Fd, huorium ikl, hvürneun m. — 6. -dyrstr] -dyrstumm km,
-fyrstum Riiklm. — 8. -torg] -torgs Fd. — skialld] skalld k.
Auflösung: Baldr skjaldar lezk betr kuuua^ beita skutli enn ver;
hcelisk'' p>vi; pollr hlunnjös hleypr hart um hellur. Gorr mank hitt,
hveim* hugdyrstr harri skipar fyrstum i skjaldborgu. Sä veitti oss orm-
storg, es atti.
1. kunnmn H entstand durch das versehen eines redactors, der die
syntaktische bindung baldr slcjaldar lezh betr knnna beita shttJi nicht er-
kannte und deshalb kiinna zu enn ver in beziehung brachte. — 2. Con-
jectur von F. Jönssou, H, 393; Egilss. (Lex. unter /ifrfa) liest: baldr hcelir
pvi skjaldar: vir ea re gloriatur. — 3. Coujectur von F. Jönssou (vgl. /»'cm
in Fbr. [52] 86).
26. steht: F (bl. 106 v. r.) deiklmo. — fehlt: (Mbcn) HRiR,q. — ge-
druckt: F. n, 211. GhMm. U, 338 f.
Text nach F: Hrseddr uar hinn er meiddi. — 2. hior alldregi suiptir
tiallda. — 3. skulfu sidau skips i alfui. — 4. skiotlyndura medal härs ok
fota. — 5. bade tennr, biein ok «dar. — G. brann uitzskuunar huerfui
f>ann ueg. — 7. liruna hart sem elldr a ärnni. — 8. oezsla raikil var pessi
hrsesla (in F. 1860 hrsezsla).
Varianten: 1. miog] fehlt vor uar in Fd, von anderer band hinzu-
gefügt in m. — 2. hior alldregi] hvoralldre m. — 3. skips] skuf:^ imkl.
— alfui] alfu ikm, aelfu 1. — 4. hars] haufs iklm. — 6. uitzskunnar] \yk
-unnar ik. — huerfui] hurfu i, huorfu klm. — panuveg] panniun iklm. —
7. sem] kom iklm. — a] af iklm. — arnni] ornne i, ornre k, jarue m.
— 8. mikil] miög.
Auflösung: Sviptir tjalda, hinn er alldrigi meiddi hjor, var mJQk
hrseddur.' Skulfu siöan i skjötlyndum alfi skips meöal härs ok föta: basöi
tenuur', bein ok seöar; hverfi vitskunnar brann fyrna paun veg hart, sem
eldr ä arni; sezla'^ mikil var pessi hrsezla.
1. Der svarabhakti-vocal ist, des metrums der hrynhentstrophe wegen,
notwendigerweise anzunehmen. — 2. Coutr. pro cesila, cesiliga, vel portius
pro oirsla ab cersl, Egilss. Lex. 142.
27. steht: H (395, 29 — 396, 2) F (bl. 106 v. r.) deR, (s. 81 f.) R, (bl. 11 r.
— 12v.) iklmoq. — fehlt: (Mbcn). — gedruckt: H, 396. P\ II, 212. Fbr.
(52) 90. Fbr. (99) 94. Cpb. II, 175, 7. GhMm. II, 340.
Text nach H: Avrvende trez vnöir. — 2. opt finnvmz pat min>ii. —
3. avU er fremö of fallin. — 4. fiornefs i stra grep^ji. — 5. ef herc.boda
hoggit. — 6. hefi vart. i skarr. svarta. — 7. nadda borös pvi at niröi. —
8. nettings. bana vettag.
Variauten: aurvende] auruendis Fd, orvendr i. — trez] tradst im,
redzst Fde. — 2. linnumz] ünnast iklm. — pat] pess deRiR^ikloq, pesse m.
— 3. fremd of] frendum Rj, fremdum R^, fremar vnim i, fremre klm. —
ZUR f6stbr(edrasaga. 335
4. nefs] -neps Fdem, iiepps E.;. — 5. hercljoda] hreggboda FdeRiR^, -bo8
aa ik, -boöa er 1, -bada m. — 6. hefi] hefi ek alle. — i skavr] a skor im,
— pvi at] pcit F (in F. 1860 pvi at). — niröi] nyröinn iklm, yirpir
EiRä. — 8. nettiiigs] naetting i. — bana vettag] bana sar vaett eg k,
-veittak iU.Ki.
Anflüsnug: 011 freiiiö es of falliii greppi i strä; fj()vne])pr' trezk
\indir orvendi-, fiumimk oft minni pess — : ef hefk' li(;ggvit varr i svarta
skor hregg'boöa iiaettings, pvit vifttik bana Niröi borös nadda.
1. Conjectur von F. Jönsson {fjgrnepps Cpb. II, 175, 7. GhMm. II, 340):
falla i strä vgl. H, 395, aum. 1. — 2. orccndr (vgl. Gh Mm. II, 340) nur i;
die angäbe von Egilss. (Lex. G30), dass A (= H) orvenclr habe, ist falsch,
— Egilss. (Fbr. [52] 90) coustniiert: oll er fremd of fallia greppi, ortende
fjornepps tres nndir i strä = vita hominis fato praepediti conculcatnr in
stipula, i. e. honio, cui praesens immiuet fatnm, vel domi snae moritur.
So wird zAvar das in allen liss. belegte fjornepps gerettet, doch bleiben
bedenken zurück: z. b. orvendi = vita ist sonst nicht belegt. — Nach der
auf die visa folgenden prosa (die hier sicherlich im anschluss an die Strophe
entstanden ist): rera mä, segir pormodr, at elcki hafi milcit oröit hgggit;
pvi at grrendr maör hjö (Fbr. [52] 90, 9—10) und mit rücksicht auf Fbr.
(52)39,9—10: Sär Ponnudar hafdiz illa, oJc lä kann lengi oh rar jafnan
grrendr siöan, medan hann lifdi, scheint es mir zweifellos, dass orvendi in
der bedeutimg grvhendr = linkshändig steht (vgl. Vigfüss. Lex. 768 und
H, 395, anm. 1. 396, anni. 2). — 3. ek fehlt nur in H. — 4. herc- in H wol
schreibversehen.
28. steht: H (396,7—10) F (bl. 106 v. r.) deR, (s. 82) R^ (bl. 12 v. —
12r.)iklmoq. = fehlt: (Mbcn). — gedruckt: H,396. F. 11,212. Fbr. (52)
90, 2. Fbr. (99) 95. Cpb. II, 176, 8. GhMm. H, 342.
Text nach H: Vudr er hvi eigi kenndv. — 2. elborvar niik giorva.
— 3. stals. hefi ek mark a raali. — 4. mart ok skopt hit svarta. —
5. bvrgvz längs, pviat lengra. — 6. lif var mer skapat drifv. — 7. premia
lindz emi poWnm. — 8. peim alldr tili seima.
Yarianteu: 1. er] fehlt F. — hvi] pvi ikl, f>vi er m. — 2. elborvar]
almbauruar dRjR^. — 3. hefi] ber Fdeiklmo. — mark] mart Fd (am rande:
forti mark) e. — 4. mart] margt km, mitt 1. — ok] um Fde + i— o. —
skopt hit] skiptiö iklmo. — 5. burguz] burgum^ Rj, birgjumzst FdeRa,
biorgunst ikhu. — längs] langt alle. — pvi at] enn R,Rw. — 6. merj
fehlt ikl, tj- Fe, tvy m. — skapat] setlac^ ikl. — 7. premia] prenna
dRoiklm. — lindz] pollz Fde, svellz Rj, svell Ii\ (am rande: pollz), folk:^
iklm. — enn] edr F, erRiR^, og ikl, afm, a? de. — pollnm] polli alle. —
8. alldr tili] alldi-i til R,, alldur til k. — seima] F sei | iuia (F. 1860 seima).
Auflösung: Undr es, hvi elborvar stäls kendu mik eigi gorva; hefk
mart mark af mali ok skoft et svarta.' Burgumk, pvit Ty-, drifu längs
svells' premja vas skapat lengra lif, enn aldrtili peim polli seima.
1. F. Jönsson (H, 396, vgl. auch Fbr. [52] und Fbr. [99]) schliesst in
Str. 28, 1—4 in parenthese: hefk mark mart. Nach einem satze wie: undr
CS hvi elbgrvar stäls eigi koulu tnik ggrva ä mäli ok skoft et svarta aber
muss dieser parenthetische satz nur als widerholung von etwas im vorher-
336 GAERTNER
geheudeii schon viel genauer mitgeteilten wirken : ich construiere deshalb :
undr CS hvi eigi elh. st. k. m. ggrra und lasse als hegründung dafür folgen:
hefk mart mark af mäli ok skoft et svarta: geben doch meine stimme und
mein schwarzer haarschopf so gute erkennungszeichen ab! — 2. Vgl. Fem.
— 3. Z. 7 ist in H heudinglos überliefert, poll^ Fd würde einen dritten
nebenstab liefern: po-ll^ scheint ein durch das folgende T^oZ/« veranlasstes
schreibversehen zu sein für sre-ll^ (R*), svell (Ro) (vgl, H, 396. Cpb. etc.).
— Ty drifu längs svclls premja — mihi: vielleicht wurde das erkennen
dieser kenning die directe Ursache für die Variante in H: meV. — Man
könnte den text von H auch formulieren: hurgumk, pvü lengra lif mer
vas skapat, enn aldrtiU drifu längs svells premja (= kampftod) [vas skapat]
polli seima.
29. steht: F (bl. 106 v.r.) deiklmo. — fehlt: (Mbcn) H R.R.q. — ge-
druckt: F. II, 212. Fbr. (99) 95. GhMm. II, 344.
Text nach F: Strasingde )7ess a pingi. — 2. parfiyndr ef mig fyude.
— 3. haulldr at hoggua skyllde. — 4. hseit lofgerdar uaeite. — 5. n?er
stod ek randa ryre. — 6. reckr letzst «i mik peckia. — 7. gott er pat
huldar hetti. — 8. hefir halldit smiör stefja.
Varianten: 1. Strseingde] streinge m. — 2. piarflyndr] pralindur iklm.
— ef] er m. — 4. hmt] biet i. — 5. u?er (in m von der gleichen band
am rande hinzugefügt). — ryre] lyre k. — 6. die Wortstellung in ikl ist
mic ei. — 7. at] er iklo. — hetti] hsettu iklm. — 8. halldit] falliö ikl,
falldaö m.
Auflösung: parflyndr bolör strengöi J^ess heit ä p'ingi, ef fyndi )nik,
at hQggva skyldi beiti lofgeröar. Ek stöö n?ev ryri randa; rekkr lezk ei'
mik pekkja; gott es p>at Huldar hetti hefr faldit* smiör' stefja.
1. lezka vgl. Fbr. (99) 156, 24, anm. 4. — 2. ebenda, anm. 5. fuldip
iklm : falda huldar hetti = pileo occultanto caput velare, ab aliis non
cognosci (Egilss. Lex. 412). — 3. smidr an vierter stelle des verses (29,8)
verstösst gegen die regel Craigie's (vgl. Ark. 16, 346, § 7); ich vermute, dass
die zeile ursprünglich lautete: hefr smidr faldit stefja, und dass die enge
Zusammengehörigkeit von smidr und stefja den grund für die Umstellung
bildete.
30. steht: H (H, 397, 4-7) F (bl. 106r.r.) deR, (s.82f.) Rj (bl. 12 r.)
ikmoq. — fehlt: (Mbcn) 1. — gedruckt: H, 397. F. E, 212. Fbr. (52) 90 f.
Fbr. (99) 96. Cpb. 11, 176, 9. GhMm. 11, 344.
Text nach H: Matt ka ek hefnd enu hrafni. — 2. hrings fekk ek
brand. a J>ingi. — 8. balldrs let ek vigi valldit. — 4. varga setvrs viö
marga. — 5. meiR hefni )70 peiRa. — 6. porgeirss Virnr fleiri. — 7. gny-
polli let ek gialla. — 8. giort hell ek fyri mik svartan.
Varianten: Matt ka ek] M?etta ek Fde, matkat ek RiR^q, Mattkade
imk. — enn] nu ikm. — 2. brand] bragd F, braö deRiR.^qikmo. —
3. balldrs] hialldrs Fde. — vigi] regni ikm. — 4. seturs] flet:^ Fde, skers
R,R,q, tieys ikm. — viö] fyr RiR-.q- — 5. (H) = z. 5 in RiR.q. = z. 7
in Fdeikmo. — meirr] meirri ikm. — hefni] hefndi FdeR,Ro(}, heföe m,
haföe ik. — 6. (H) = z. 6 in RiR^q. = z. 8 in Fdeikmo. — vinir]
vinur m, vinar i (a ist dann ausgestrichen und i übergeschrieben). —
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 337
7 (H) = z. 7 in EiE^q = z.5 in Fdei— o. — In i ist gialda ans gialla
coi-rigiert). — 8. (H) = z. 8 in R,,R.,q = z. fi in Fdei— o. — giort] gerst
ikm. — mik] Fde, fehlt ikm. — svartan] suortuni Fdeikni.
Auflösung: Matkak hefnö Baldrs setrs hrings viö inarga', enn lirafui
fekk bräö'' varga ä J?ingi; letk valdit vigi. Letk gjalla svortum^ gnypolli
j'orna''; gort hefk fyr mik; J^orgeirs vinir fleiri hefni pö nieirr.
1. a) Der redactor von F. constrnierte: MuÜcalc (nach H) hefnö viö
vuirga: enn eJc fekk hrüi) varga hjaldrs lirafni ä pinffe flHs hrings: man
vermisst aber im ersten satz die angäbe, um wen es sich handelt, d.h.
eine kenuing für forgeirr, die der text von H mit Baldrs setrs hrings
bietet. — b) Egilss. (Fbr. [ö'i] 90 f.): Maika ek hcfnÖ rid inarga {enn hrafni
fekk ek bräö) [ek Ut valdit vigi baldrs setrs varga ä pingi hrings]. —
c) Vigfüss. (Cpb. II, 176, 9) : Matka ek hefnö viÖ inarga. {enn ek fekk hrafni
brad ä pingi hrings) [tet ek valdit vigi Baldrs setrs varga]. Gegen diese
auf lösung lassen sich einwände erheben : 1. betr. des ersten satzes s. unter a),
2. in der parenthese ( ) ist die kenning d pingi hrings, mit dem zweiten
gliede im sg. austüssig {pingi = conventus, congressus setzt ein gen. ob-
ject im pl. voraus: ping boröa, geira, hjorva oder ein unflectiertes erstes
compositionsglied: geirping etc.), 3. die kenning in der parenthese [ J klingt
ebenfalls unwahrscheinlich : setr varga = locus luporum = carapus proelii,
in quo caesoruni corpora jacent (vgl. Egilss. Lex. unter vargr). Am nahe-
liegendsten bleibt Baldr setrs hrings als kenning für porgeirr von hefnö
und varga von bräö abhängig sein zu lassen, « pinge wäre dann einfaches
beiti für pugna (vgl. Egilss. Lex. unter ping d.) und F. Jünsson, H, 397).
— Str. 30,5-8 erklärt F. Jünsson (a.a.o.) (vgl. auch Fbr. [99] 157 [25J)
für sehr verderbt ( : gnijpollr bildet keine vollständige kenuing, zu gjalla
erwartet man ein object [hogg o. ä.], peira bleibt in dem unklaren Zu-
sammenhang der Zeilen [vgl. die Varianten] unverständlich !), gibt aber den
text der hs. unverändert wider. Der besserungsversuch von Boer (Zs. fdph.
31, 155 f.) ist wolgelungen. — 2. Vgl. dR,Pt^qikm. — 3. Vgl. Fdeikm: wäh-
rend in F mik durch anlehnung an svortum (z. 6) in vier geändert wurde,
geschah das umgekehrte in H: svortum wurde hier infolge falscher syn-
taktischer Verbindung mit fyr mik zu svartan. — 4. Conjectur von Boer
(Zs. fdph. 31,156).
31. steht: H (400,20 — 401,3) F (bl. 107 r. 1.) deR, (s. 87) iklmoq. —
fehlt: (MbcnR.,, nach bl. 12 fehlen einige blätter). — gedruckt: H, 401.
F. II, 215. Fbr."(52) 95. Fbr. (99) 101. Cpb. II, 176, 10. GhMm. 11, 356.
Text nach H: Skopta ek enn pa, er vpjji. — 2. vndarligs a svnd. —
3. hrokr do hei7Hskr viö kleki. — 4. hans raza klof ganöi. — 5. alla leit
ek a Ulli. — 6. eggveövrs hvgar glocvm. — 7. setti gauR ok glott. —
8. guöfion viö mer sion/r.
Varianten: 1. Skopta] Skapta km, skoppade 1. — enn] einu 1, fehlt
in allen. — 2. undarligs] -ligt FdeR,, -ligr i, -legur klmo. — a sund] a
sunde alle. — 3. viö] fyr ikm, for 1. — 4. raza] randa iklm. — gandi]
f>ande iklm. — klof) kolf ra. — 6. gloggum] gluca R,. — 7. glott] glotti
alle. — 8. gud fion] guös- R,, gunn- Fde. — viö] fyr m. — mer] mig m.
Auflösung: Skoftak euu uppi ä suudi, pä's heimskr hrökr — hans
338 GAERTNER
razaklof ganöi imdarligt' — do vi5 kloeki. Ek leit alla g-umifjön' i
hugar gleggiim Uli eggveörs; gaurr setti sjoiiir viö mer ok glotti.
1. Vgl. FdeR,. — 2. Egilss. (Lex. 281) interpretiert den satz: ek leit
alla guöfjön ä hugar gleggnm Ulli eggveörs so: vidi omnem impietatem in
ignavo homine (ex ignavi hominis vultu elucere. — F. Jönssou (H, 401)
macht die wendung etwas wahrscheinlicher diirch eine andere auffassung
Ton guöfjön: = gudehad d. v. s. et udseende, som viser, i hvor höj en
grad gudvorhadt vedkommende person mä have vseret. — Befremdend
wirkt der satz trotzdem mit seiner religiösen färhung, wie sie sonst nir-
gends zu heohachten ist. Ich folge deshalb lieber der Variante von Fde:
gunnf'jon, in der bede\itimg: hass gegen kämpf; das kann sein entAveder
aus friedliebender gesinnung oder aus feigheit. Letzteres stimmt gut zu
hugar gleggum: ek leit d hugar gleggnm U. eggr. alla gunnfjün: ich be-
merkte bei dem feigen kämpfer seine ganze feigheit.
32. steht: H (409,26 — 410,3) F (bl. 108 v.l.) deKj (s. lOOf.) Eo
(bl. 25 V.) iklmoq. — fehlt: (Mbcn). — gedruckt: H, 410. F. H, 225. Fbr.
(52) 106. Fbr. (99) 118. GhMm. 11, 398. 32, 5-8: Nj. II, 134.
Text nach H: per fengut fe fleira. — 2. flim er opt kvedit. Grimi.
— 3. fengvt myklu meira. — 4. merings en« til veri. — 5. bann hef/r
hvndz verk vnnit. — 6. hvin« gerir slikt at viiina. — 7. metr enn ek
meztv bettag. — 8. mina gramr ok pina.
Varianten: 1. fleira] fsera Fd, ferra e. — 3. fengvt] mer ok Fdeiklmo,
fserit RiRol- — meira] fleira Fde. — 4. merings] mferiugr alle. — til]
]>ori Fdei— 0. — 6. gerir] getr alle. — at] edr alle. — vinna] minna
FdeRiR.j, minne ikml. — 7. metr] matt E,R,. — meztu] meni^sku Fde
RjR^m, menska ikl. — bettag] b?etta iklmo.
Auflösung: Er* fenguö^, mseringr, Grimi fleira fe ok mer^ miklu
faera enn til* vseri. flim es oft kveöit: bann hefr' unnit hunds verk —
hvinn gerir at vinna slikt — enn ek baettak mensku^ mina ok f>ina,
msetr gramr!
1. Er als ältere form. — 2. In z. 1 haben wir eigentlich drei stuölar,
doch wird der anlaut von fenguÖ (verb. finit.) nicht als störend empfunden
worden sein, da fenguÖ nur die nebentonige Senkung enthält; noch ein-
wandsfreier ist hefr (z. 5). — 3. fengut nur in H. Der mit den äugen ab-
irrende Schreiber setzte für mer ok (alle hss.) nochmals fengud (s. z. 1).
i)ass es eine beabsichtigte wortwiderholung sei : Er fenguÖ fe fleira, fenguö
miklu meira Grimi ... ist kaum anzunehmen. — Durch fenguÖ entstand
aber in z. 3 von H eine falsche alliteration (auf/); um diese zu beseitigen
und den durch den hofuöstafr geforderten reim herzustellen, schrieb der
Schreiber meira. — 4. In Fbr. (52) und (99) und H, 410 ist für til (HR,Ro)
: porf Fdeiklmo eingesetzt: vgl. dagegen unten. — 5. Vgl. FdeRiR.^qm.
33. steht: H (410,6-9) F (bl. 108 v. 1.) deR, (s. 101) Ro (bl. 25 v. r.)
iklmoq. — fehlt: (Mbcn). — gedruckt: H, 410. F. II, 225. Fbr. (52) 107. Fbr.
(99)118,2. GhMm. n, 398 f.
Text nach H : pollr va ek porgmn trolla. — 2. [--ar hrt harör iaröar.
— 3. aör reo ek odda skvrar. — 4. otravör Lodins. davöa. — 5. par nam
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 339
ek porkel fiorvi. — 6. ]iorÖr Ict avnd hiuji fioröi. — 7. felldr rar fro<?r til
moUdar. — 8. Falgein. skorvngr. 'pcira.
Varianten: va ek] mir vo alle. — 2. laut] line R,R.. — tilj (alle)
ist in H sicher beim zeilenwechsel versehentlich ausgelassen (vgl. Nj II,
131, 5 f.). — 3. reo ek] ek fehlt ikni, reiö ek E,R.,. — odda] oddar ikl. —
skurar] hrij'ar alle. — 6. hinn] en R,, enn kl. — 7. in d für frpegr (alle)
durchgestrichenes falgeiR (am rande: add. fraegr). — raolldar] folldar alle.
Auflüsung: J^ollr-hriöar-odda!* ek vä porgrim trolla, p&r laut hari^r
til'^ jaröar''; äör* retMc otrauör LoÖins^ dauöa. )'ar nam'k porkel fjiirvi,
porör let Qnd enn fjoröi, feldr vas Falgeirr, fraegr skorungr peira, til nioldar."
1. Fbr. (99) s. 158, 28 lässt JwUr-hriÖar-odda subject zu rä sein, hält
ck (nur H) also für zusatz eines Schreibers, der ein subject zu rä vermisste
(vgl. Nj. II, 130, 1 v. u. ff.) Da str. 33, wie str. 32, direct an den könig ge-
richtet ist und in 32,1-4, wie 32,5-8, ein heiti für könig als anredeform
sich ündet, so ist wahrscheinlich, dass auch poUr-hriöar-odda als solche zu
bezeichnen ist. — 2. Vgl. Nj. II. 131, 5 6, H, 410, anm. 2. — 3. Fbr. (52)
107 schliesst in klammer: poUr par laut hardr til jardar. — 4. Fbr. (52)
107 hat är, um frumhendiug zu skürar (H) zu erhalten. — Gislas. (Nj.II, 131)
möchte glauben, dass dem Schreiber zeilen wie sJcjöit bar ek skjdd hinn
hciia — (skc'dd hiör, at GoÖvaldi) är til eggja skürar — öirauÖr enn frä
raudan (Hkr. 3, 267. Fms. VII, 155. Mork. udg. 189) vorgeschM^ebt haben. —
5. Nj. II, 127 f. weist Gislas. die Vermutung von F. Magnussen (GhMm. II,
417 f.) zurück, dass man für Lodins : Ljöts zu lesen habe. — 6. foldar Fie
EiR.,i— q würde einen dritten nebenstab ergeben (vgl. Nj. II, 131, anm. SH).
' U. steht: II (410,18 — 411,3) F (bl. 108 v.l.) deR, (s. 101 f.) R,
(bl. 26v.) ikmoq. — fehlt: (Mbcn) 1. — gedruckt: H,411. F. IL 226, 1. Fbr.
(52) 107. Fbr. (99) 119. Cpb. II, 176, 11. GhMm. II, 400, 2.
Text nach H: Eis hef/r illan dila. — 2. ekkils peir er mik sektv. —
3. geig vanw ek gervi. dra^gu)». — 4. Grenlej/dinguwi. brendan. — 5. sa
mvnat seki tiri. — 6. sverö eis fromu?« ve?-Öa. — 7. hrings a hryciar
tanga. — bog greddr nema mer legi.
Varianten: heftr] hefig alle. — dila] doola ikm. — 2. }?eir er] fieim
er Fde, pess er RjR.^, ]>o ikm. — mik] mier ikm. — 3. geig] gejeig F
(F. 1860 geig). — vann ek] ek fehlt ik, nam ek RjqR.^ (von später band
in vann umgeschrieben). — 4. Greu-lendingum] -leudinga alle. — brendan]
brenda alle (aiich F; F. 1860 IL 226 hat brendan). — 5. munat] niun RiR..
— tiri] tifnum Fde, tifua RjRj; löfum ikm. — 7. a] en R,. — 8. bog
greddr] bog dregr Rj. — mer logij meck Isegi RjRo, blseddi ikm.
Auflösung: Hefk brendan Groenlendingum* illan dila; vannk gervi-
draugum eis Ekkils. ]5eim"s seköu mik, geig. Sär^ munat veröa höggru'ddr
froraum* sveröels ä hryggjar tanga, nema lögi mer, soeki tirar^ hrings.
1. Die construction in F: vannk yercidraucjum — eis — Ekkils Groen-
lendinga geig, ist nicht unwahrscheinlich; jedenfalls konnte tifroeulendinga
(alle hss., ausser H) unter dem einfluss des vorausgehenden -draugum nicht
weniger leicht zu Groenlendingum werden, wie dieses durch brenda zu
Groenlendinga. — 2. F. Jönsson (H, 410) vermutet für tiri (H) iicum (vgl.
-iifmnn Fde, tifca RjRj) : hringr = svserd, dets sackiticar = sflgende.
340 GAERTNER
eroliroiule g-uder. oraskr. for krigere el iiipeiid (vgl. Egilss. Lex. 692). Die
kenning scheint mir zu constniiert. Durch die conjectur erhält man ferner
unbeliebte, zudem dreifache vocalische hending: sä mnnat sa'käivum. Ich
halte mich deshalb mehr an den in str. 34 fast einwandsfreien text von H
und vermute, dass tirl (H) = dat. sg. zu ttrr, unter dem einfluss des un-
mittelbar vorhergehenden dativs scrJc/', aus tirar (gen. sg.) verderbt ist; zu
sceJci — tirar würde als drittes kenningglied hrings gehören: tirr lirings =
schwertruhm, dessen scclcir = ruhmbegieriger krieger = mann. Da ferner
sä (z. 5) sowol auf dila (z. 1), so F. Jöusson, H, 411, wie auf gekj (z. 3) =
acc. zu (jcujr bezogen werden kann, wodurch eine gewisse Unklarheit ent-
steht, und eine im allgemeinen unbeliebte engere beziehuug zwischen den
halbstrophen hergestellt wird, darf man vielleicht auch sä als entstellt
ansehen. Sucht man zu -tirar eine frumhending, so liegt die conjectur sär
nahe (sär = illr brendr dili). Construction s. oben. — 3. Cpb. II, 176, 11
hat z. 6 srerdels fra-tn fra-mum verda!
35. steht: H (411,13 — 412,3) F (sp. 486) deRi (s. 102) R, (b).26r.)
iklmoq. — Hkr. (3,457) hös (205) Fms.V,54f. lös 67. — fehlt: (Mbcn).
— gedruckt noch: H, 412. F. II, 839. Fbr. (52) 108. Fbr. (99) 119 f. Cpb. II,
176, 13. Scr. h. Isl. V, 58.
Text nach H: Bren)ivm oll fi/ri innan. — 2. innin pw erver rinuvm.
— lani skal heR med hiorvi. — 4. hvcr biorg fyri gram veria. — 5. ys
taki allra hvsa. — 6. inn prendir kol sinna. — 7. angr mvn kvej'kt i
hlvugri. — 8. kolld ef ek raa vallda.
Varianten: 2. innin] innen F, inney d (am rand: inui) R,RoKJ^Fms
— BC hös, innfey lös, iney q, in>ie iklmoFms — DKL, lunaney Fnis— A. —
pau er] fiau at Fms— A, er fehlt 1. — 3. laudj lönd Fms 10s, hirnd J.^ hÖs.
— skalj skuhim F, tegast Fms lös J^K hÖs. — hen] huer F, hier iklmo,
heim dRiPt._;q. — 4. hver biorg] hver borg RjR./iFms— CD, hver bser d,
herbJQrg Fms— H, herbiorgum Fl, huubiorgum ikm, hun beriumm o, hüs-
bjorg Fms— S, herdjarfan Fms— B. — fyri] fehlt FFms— B, so iklm, sua o.
— gram] fehlt iklmo, grams F. — veria] vera K 18, 75. — 5. ys] hyss
lös. — - taki] taca d, hafui FHkrFmshÖslÖs. — allra] allir lös. — Imsa]
fehlt hös lös. — G. inn prendir] inproender lös, Innprondi hÖs. — sinua]
suinna d. — 7. muu] man dRjR.q, skal i— oHkrhÖslÖs. — kveykt] kveik
Fjns. — 8. kolld] koll Hkr, kalld F, kallda 1, kalldast o. — ef] er lös.
Auflösung: Brennum oll lomP fyr innan Inni^, pau's ver finuum;
herr tegask^ verja Herbjorg* meö hjorvi fyr gram.'* Inuproendir taki kold
kol allra sinna husa; ys angr mun kveykt i klungri, ef ek mä valda.
1. Vgl. JohÖsFmslÖs. — 2. F. Jönsson (11,412) setzt, dem Vorschlag
von Egilss. (Skr. h. Isl. V, 59, anm. a) folgend, an: Brennuvi oll iitni fyr
innan Hoerbjgrg, paivs oer finnum und zieht, um inni iklmoFms — DKL zu
stützen, noch die lesarten innin H und innen F heran. Indes eine ent-
stellung von inney dRiR^qKJ.^Fms- BChÖslÖs zu innen F, unter einwir-
kung von innan (z. 1) ist nicht weniger wahrscheinlich (vgl. Innaney
[Fms — A], das ZAveifellos unter dem einfluss von innan [z. 1] aus Inney
entstellt ist). Trotzdem wird das handschriftlich stark gestützte Inney zu
verwerfen sein, da hier von ' inseln ' nicht die rede sein kann : Öläfr befindet
ZÜE FÖSTBRffiDRASAGA. 341
aicli mitten im Yeradal. Nun gibt aber Rygli, Norske Gaardnavne XV, 143
an: 'Jnndalr, sms. med Inna, som er Navn paa Vfprdalselvens sydlige
Hovedtillob, kommende fra Insvandet, hvis spriudelige Navn kan sluttes at
have veeret *Innir.' Fasst man also inni nicht als u. pl. = häuser, sondern
als acc. sg. zu Inyiir, so heisst der satz: Brcnnmn oll hpul fyr innan Inni:
lasst nns alle läiulereien bis zum Iniiir sengen und brennen. Diese angäbe
steht gut im einklang mit In)ipr<rndir (z. 6), das in der halbstrophe eben-
falls die oddheuding des zweiten visuorö liefert. — 3. Vgl. KJo hÖsFmslÖs
(vgl. auch Sievers, Beitr. 5, 466, 2. a). — 4. F. Jönsson (H, 412) behält
Hverhjorg (HHkrhüslÖs) bei: 'et ellers unbekendt stedsnavn' (H, 411,
anm. 1), zieht aber auch eine Übersetzung hver-hjorg (= pl. zu hverr-bjarf/)
= 'kedel-klipperne' in erwägung (vgl. a.a.O.). — Egilss. (Lex. 324) schliesst
sich an Fms^H an (vgl. dazu hcr-biorgum Fl) und fasst Uerbjgry als acc.
pl.; Herhjarga, nomen loci, montis v. rupium, in Veradalo (vgl. S. h. I. XII,
664). Die construclion wäre dann herr tcgasJc rerja herbjorg m. hj. f. gram:
das volk schickt sich an, Herbjorg gegen den künig zu verteidigen. —
5. Cpb. II, 176, 13 Brennoin (dl Herhiarg j'yrir innan Inney pau es ver
finnom.
3ß. Den gleichen bau wie str. 36 in H zeigen EiR.^qikmo, dagegen
erscheint 36,5—8 als 39,5—8 in FdeHkrhÖsFmslÖs. — str. 36, 5— 8 dieser
texte fehlt in Fbr.
36,1—4 (H) steht: II (412,16) F (sp. 488) deRi (s. 103) K, (bl.27r.
-28 V.) ikmoq. — Hkr 2, 461. hÜs 207, 3. Fms V, 58. lös 69, 2.
36,5—8 (H) steht: HR,R.qikmo: a.a.O. — F (sp. 489) de Hkr 2, 461.
hÖs 208, 3. Fms V, 61. lös 69, 3."
36, 1—8 (H) fehlt: (Mbcn) 1. — gedruckt noch: 11,416. F.II, 341(z. 1
—4). U, 344 (z. 5—8). fbr. (99) 120 f. Cpb. II, 176, 14.
Text nach H: Ala. prong at eli. — 2. a^rstiklaudi raiklv. — 3. skylldv
eigi skelkner havlldar. — 4. skalm olld vex nv falma. — 5. brott komv»(z
v^r en \cXXir. — 6. valtafn frekum hrafni. — 7. vex eigi j^ar vagä. —
8. vig^rvdr eda her lioivm.
Varianten: 1. prong] )>raungr EiR./iJ.^FmslÖs, Jn-yngr hÖsHkr (70),
p>reyngr K, praumar o, praumur im, prumur k. — 2. a;rstiklandi] a stik-
landi o, or stiklanda Fde, aul stiklanda lös, avrscilandi hÖs, eöa örstik-
landann Fms — A, ad sticklastoöum ik, ad stikludi m. — 3. skylldv eigi]
skielku ey i, skielfku ?ei k, skolku o. — 4. oUdj alld o. — vexj er lös.
— 5. en| ef RiR.,q, f>o Fde, potthOsFms, pö at ikmoHkrlÖs. — vettir]
veitum R,R.^qikmo, vffiitim FdeHkrhÖsFmslÖs. — 6. valtafn] -tamn lös,
-gafn m, -jafn k. — 7. vex] vist FdeR./ilÖsikmo, vizk RiFms—KShÖs,
vikz J.j, viz K, veizt Fms — DL, viunz Fms— H. — eigi] angu lös, eigum
alle a. — par] pseir lös, vaer ikmo, pat alle and. — vaga] vnga lös. —
8. viggrudr] vygg-rydur ik, vig- lös, -runnr Fms, viggruft o. — eÖa]
fehlt m. — her] j^ar FdeJ^hÖsFms.
A\;flösung: Orstiklandi', ]7ryngr- at miklu eli Ala; skalmold vex
nü; hqlfiar skyldnt falma skelknir. Ver komumk brott eÖa liggjum her
(]Jat viksk^ eigi) viggruör vägal enu veitum* hrafni valtafn.
1. F. Jönsson (H, 4, 163) schwankt, ob arstiklandi nicht auf einen der
342 GAERTNER
anwesenden skalden zu beziehen ist. Wenn str. 36 au riclitiger stelle steht
(man hat keinen grund dies zu bezweifeln), so ergibt sich, zumal aus der
antwort des köuigs, dass man die strophe als an Öläfr gerichtet ansehen
muss: grsiiklcüuh' also als anrede. Diese annähme wird gestützt durch die
in Fbr. angefügte zweite halbstrophe, die mit vigrjrudr väga ebenfalls eine
anredekenning an Öläfr enthält. — 36, 5—8 setzt den in 36, 1 — i aus-
geführten gedanken logisch fort, steht also sicher am rechten platz (vgl.
dagegen unten): königlicher krieger! es beginnt ein gewaltiger kämpf
(diese Interpretation von pryngr at etc., analog einem beispiel wie pryiujr
at saungi-i srerda == pugna iustat [Su. E. I, G22, 1], ist der von F. Jonsson
pryngr = 'nü trsekker det sva;rt sammen' vielleicht vorzuziehen): der
kämpf wächst nun heran, beginnt. Männer, ihr solltet nicht wie furcht-
same bleich Averden ! — Uns bleibt, fährt 36, 5—8 fort, nur zweierlei : ent-
weder wir kommen mit dem leben davon oder fallen hier; das lässt sich
eben nicht ändern; aber wie dem auch sei, herr, wir wollen unser leben
jedenfalls so teuer wie möglich verkaufen. — 2. Vgl. Hkr (70) hOs; das
praet. j&ron(/ ist unzulässig. — Cpb. II, 176, 14 eonstruiert pryngr anstiklanda
at miklo Äla äi. — 3. Vgl. J. (s. auch Egilss. Lex. unter rikja); H, 412,
anm. 4 hat rizk (RjFms — KShÖs) = rindsJc a,f lu'uda 'dreje\ sendre. — vex
H wird Schreibfehler sein, veranlasst durch vex (z. 4). — 4. Vgl. EiR^qikmo.
Hkr. 2, 464 hat veitim, abhängig vonpöat. Dass man der coustruction braut
JiomumJc rer, räga viggruÖr, pö at rcitm frehim hrafni valtafn, eda h'ggjum
her den Vorzug geben darf, glaube ich nicht, da der concessivsatz in dem
knapp formulierten alternativsatz hrott kom. r. eda h. liggjum störend
Avirken muss.
Str. 36, 5 — 8, nach der recension der Öläfssogur, steht: FdeHkrhÖs
FraslÖs (vgl.36, 1— 4 nach H). — fehlt: (Mbcn) HRiR.qiklmo. — gedruckt
noch: F. 11,341. Cpb. 171, 43.
Text nach F : 5. buumzst vid sokn en sltekuir. — 6. seggir skulu ord
um fordai^st. — 7. er at geirj)inge gaungum. — 8. gunnreifir meö 01*ifl.
Varianten: slaeknir] stekni HkrFms— BCDHKShÖs, slsekenn lös. —
6. seggir] seggr HkrhÖsFmslÖs. — skulu Fde] skyli alle and. — um] of
J^hÖs. — fordazst] ofiaz J^. — 7. gaungum] gangum lÖs. — 8. gunn-
reifir] -reifr KhÖs, -reifs Fms — BH, reiß Fms— K, gunnlseifr lös.
Prosaauflösung: Büumk viÖ sökn, en seggr skyli of foröask sloekni
orö, es gungum gunnreifr at geirpingi meÖ Aleifi.
1. Sämmtliche Varianten des textes von Fde erklären sich dadurch,
dass ein Schreiber seggr als seggir schrieb oder schon in seiner vorläge
fand, seggir als nom. pl. und sla'kni als verderbtes epitheton zu demselben
auffasste und danach consequent änderte, obgleich er dabei gegen das
metrum verstiess. — Cpb. 1, 171, 43 zieht shvki zu seggr und macht aus en
den artikel oin: enn slcekin seggr skyli . . . (vgl. lös en sJockcnn). —
2. 36, 5—8 (nach der recension der Öläfss.) freilich ist nicht an den könig
gerichtet, von dem pormöör wie von einer dritten, abwesenden person
spricht: offenbar spricht er die worte gnngum gunnreifr med Aleifi at geir-
pinge vor verzagten \mi feigen.
37. steht: F (sp.488) de o (str. 37 steht aber vor str. 36). - Hkr. (2,463).
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 343
hÖs (208,1). Fras. V,59f. — fehlt: (Mbon) im,Il,(iiklm-l(')s. — gedruckt
noch: F. II, 343. Fbr. (99) la? f. Cp!). I, 188, 1. S.li.I. V, (J4. Wisen, Canu.
norr. 1 (vgl. auch s. 115. 17G t'f.).
Text nacli F: Dagr er up koiiiinn. — 2. dynia haiia hadrar. -- 3. mal
er uikingum at uaka. — 4. ok viuiia erfuide. — 5. uaki ok uaki. — (j. lüna
hofut. — 7. aller hiuir oezstu. — 8. Adils ok Suia.
Varianten: 3. mal er uikingum Fde (in d am rande: al. et rect. vil-
niQgum)] null er vihnognm HkrhÖsFms— A. — 4. ok] at IlkrhÜäFms—
BHLS, at vekja Fms — A. — 5. ok uakij oc i« vaki ,J„Fms, oc a vaki hüs.
— 7. hiuir] enir HkrhÖs. — jezstu] aga'ztu J^. — 8. ok Suia] ok sinnar
Fras — KL, d (am rande), of sinnar HkrhÖsFms— A, of sinna Fras— C.
Auflösung: Dagr es uppkomiun, di'nja hana fjaörar, mal es vilniQgum
at viuna erfiöi. Vaki ok vaki se vina hqfuö, allir enir oeztu AÖils of sinnar.
1. Z. 3 ist in Fde um at raka zu lang; vermutlich wurde der inlinitiv
erst eingesetzt, nachdem durch vikingum für vilmogum der binnenreim ver-
loren gegangen \\&x {Mäl's vikingum at cüka = D' mit zweisilbiger Senkung
und k als hending). — vilmogum: vgl. HkrhÖsFms— A. — 2. ok Fde, es
wurde wol für at substituiert, nachdem dort in z. 3 at vaka hinzugekommen
war. — 3. Hkr. (ausg.) und Cpb. 1, 188, 1 haben vaki ce ok vaki (für vaki
ok a vaki J.,¥ms); dadurch aber wird z. 5 event. sechsgliedrig, während
z. G zu kurz bleibt. Da der mdlahättr im allgemeinen fünfgliedrige verse
hat (vgl. Sievers, Altgerm. metr. 71, § 49), wird man oi zu z.6 ziehen und als
v^x — I^X (i'i»(i ff hüfud) lesen = A*.^k, mit verkürzter erster hebung
(über die möglickeit des eiutreteus von ~L x für — x im ersten fusse des
mälahattr vgl. Sievers, Beitr. 0, 348) und kürze als zweiter hebung (nach
nebentoniger silbe). — Wisen (Carm. norr. 1) stellt fc voran: (e vina hofuö
und liest den vers als typus C*.: x^xl^^X (a. a.o. s. 177; vgl. aucJi Ark.
3, 210). Zwar ist der ausgang -L x im princip möglich (Sievers, Beitr. G, 530),
doch folgt die Verkürzung dann in der regel uumittelbar auf eine hebung
(vgl. die von Sievers angegebenen beispiele). — 4. V^gl. HkrhÖsFms— AKL.
38. steht: F (sp. 488) de— Hkr (2,403) hÜs (208) Fms. V, 60. — fehlt:
(Mbcn) HEiE.qiklmolÖs. — gedruckt noch: F. II, 343. Fbr. (99) 137 f. Cpb.
1. 189. S. h. T. V, 62. Wisen, Carm. norr. 1 (vgl. s. 115 f. 176 ff.). Edd. min. s. 31.
Text nach F: Harr hinn hardgra^ipe. — 2. Hrolfr skiotande. —
3. settgodir menn. — 4. er ecki tiyia. — 5. uek ek ydr at vine. — 6. ne
at uitls runnum. — 7. helldr uek ydr at horöum. — 8. Hilldar Ipeike.
Varianten: 1. hinn] enn J^hÖs. — hard-greipe] -geire Fms — K,
-greppi Fms— L. — 2. Hrolfr] Hröfr hÖs. — 3. sett-godir] settum- KhÖs
Fms — BHS. — menn] munu Fms — A. — 4. er] peh er alle. — 5. uek ek]
vekka ek XJ.^ hÖs, vekat ek Fms. — vini] vifi Fms — L. — 6. at viüls
runnum] at v. rünum Fms — C, at vifs rünum alle and. — 8. la;ike] leiri hÖs.
Auflösung: Iliir enn harögreipi, Ilrölfr skjütandi, settura gööir menn,
peir ekki Üyjal Vekka ek yör at vini ne at vifs rünum, heldr vek ek yör
at hQrÖum Hildar leiki.
1. cettuni KhÖsFms— BHS wird durch das metrum gefordert. — Hkr.
(ausg.) 2,463 und Cpb. 1, 139 haben lettum göÖir menn: der versausgang —
ist im müluhättr aber unmöglich. Wisen (a. a. o.) stellt deuhalb um: menii
344 GAERTNER
cettum fjobir, analog der anordnung' in z. 1 und 2. — Allein ein typns Ai
X — x| — X (vgl. Carm. norr. 178, str. 2) ist deshalb nnwahrscbeinlich, weil
da mvnn zur eingangssenknug herabgedrückt wird, während es doch, dem
satzacceut nach, denselben nachdruck beanspruchen darf wie Här und
Ilrölfr, zum mindesten aber, da es reimlos ist, einen nebenton. Vielleicht
entspricht ein vers (Etiuni menn göÖir diesen forderungeu am besten: metm
erhält einen nebenton, der charakteristische versausgang bleibt gewahrt,
der typus A*2 — X— I— X (nach Wisen E.-,, Carm. norr. 177) ist, zumal
in I, sehr beliebt (vgl. Sievers' ergebnisse in Altgerm. metr. s. 76, 8). —
2. Das in allen hss. vorhandene ek (reJcTca ek) ist vermutlich interpoliert,
da es beim verschleifeu des auslautenden mit dem anlautenden vocal (des
die nebentonige Senkung tragenden pronomens ycJr) stört: rckka — yör ut
vini = A*i (vgl. Altgerm. metr. 76, 80), nach Wisen (Carm. norr. 178, str. 2)
Ej. — 3. Die nach bragarmäl von ek {vekk') um ein glied zu lange z. 7
würde normalisiert durch transcription von at nach z. 8 (vgl. Hkr. Cpb.);
da A*2 der üblichere typus ist, wird ihm auch ein vers wie heldr vekk yÖr
hgrdum angehören. Wisen (a. a. o.) nimmt wider E, an.
39. 39,5 — 8 nach HE,R.^ikmoq bildet in FdelÖs den zweiten visu-
helmingr der str. 21, die sich nur in FdelÖs findet. In FdeHkrhÜsFms
lös dagegen ist 39, 5 — 8 identisch mit 36, 5—8 der recension der Fbr.
(vgl. Str. 36).
39,1-4 (H) steht: H (413,5-8) F (sp. 489) deR, (s. 104) R, (bl. 28 v.)
ikmoq. — Hkr. (2,464). hÖs (208). Fms. V,61. lös. — fehlt: (Mbcn) 1. —
gedruckt noch: F. 11, 343. Fbr. (52) 109. Fbr. (99) 121. Cpb. II, 175, 1—4.
S.h.I. V,65.
39, 5—8 steht: H (413, 7—8) F (bl. 105 v. 1.) deR, (s. 104) R, (bl. 28 v.)
ikmoq lös (s. 45). — fehlt: (Mbcn) 1, HkrhÖsFms. — gedruckt noch: H, 413.
F. II, 202, 29. Fbr. (99) 133. Cpb. II, 175, 6.
Text (39, 1 — 4) nach H : per mvn ek enn vndz odrujH. — 2. allvalldr
nair skalldu?». — 3. uer vettiV pv peira.. — 4. pingdiarfr fyr kne hvarfa.
— Z. 5—8 vgl. s. 330 f.
Varianten: per] ytr Rj, Ner lös. — mun] man lös. — 2. nair] näit
K bös lös. — 3. naer] nserr RiR.^, niier ikmo. — vettir] vsenter lÖsRiR^
qimo, vsenst k, veitir d. — 4. ping-] hug- ik. — fyr] um FdeR^qKFms —
CDLShÖslÖs. — hvarfa] hvarfla FdeRiR.qFms— K, huerffa k.
Auflösung: Munk eör, piugdjarfr allvaldr, hvarfa- fj'r kne per', uuz
näir qörum skäldum — nser vsettir pü peira? — 1. yör Fbr. (52) 109 (vgl.
ytr Ri) vernnitlich eingesetzt, um frumhending zu görum zu schaffen; da-
durch entstehen aber drei stnölar: als naheliegende conjectur für enn ergibt
sich edr (vgl. F. Jonsson, H. u. Hkr.). — 2. Vgl. str. 23. 1—2.
Zu 39, 5 — 8 vgl. s. 83 f. — Während sich in der recension der Ölafs-
sogur die halbstrophe Brott kovium rer, en veiium etc. (vgl. str. 36, 5 — 8)
an 39, 1 — 4 völlig unvermittelt auschliesst (vgl. dagegen F. Jonsson, H, 413),
bildet Str. 39, 5^ — 8 der recension der Fbr. eine sinngemässe fortsetzung von
Str. 39, 1 — 4 (H). In 39, 1 — 4 gelobt pormoör dem könige : auch fernerhin
gedenke ich um dich zu bleiben, wenigstens so lange, bis du deine anderen
skalden wider hast! Damit spielt er sarkastisch auf Sighvatr poröarsou
ZUR FOSTBROSDRASAGA. 345
an. der sich damals auf einer Imssfahrt nach Rom befand. Deshalb ist die
weitere rede pormoös ironisch zu nehmen: wann erwartest du eigentlich
deinen lieblingsskalden? Er fehlt, da wir uns zum letzten kämpf um deine
fahne scharen; aber ich — fährt pormüör str. 39, 5 — 8 fort — ich will mit
dir leben und sterben: wir standen ja schon früher zusammen auf dem
schüfe (es wird hier offenbar auf seine flucht mit Oläfr [1028] nach osten
angesijielt: vgl. H, 411, 6 ff. Poniiödr for or. laticli med Öläf't. koirnuji ok
poldi med lianvm aUa rllegd. haiin for ok apt med hanvm til Koregs, J/ri
at hamm potti heira at äeyja med hanrnt en Ufa eptir kann .. .), d.h. wir
haben ja schon früher alle gefahren geteilt.
40. steht: H (4U) F (sp. 499) deR, (s.l04f.) R. (bl. 290 v.r.) ikhnoq
lös (72,1). — fehlt: (Mbcn) HkrhÖsFms. — gedruckt noch: H, 414.
F. II, 363. Fbr. (52) 110, 1. Fbr. (99) 122, 1. Cpb. U, 176, 16.
Text nach H: A ser at ver voruw. — 2. vigrcifr med Oleifi. —
3. sar fekk ek helldr at hvarv. — 4. hvitings ok frid litin*?. — 5. skiu a
skilldi minu»;. — (i. skalld fekk hrid til kallda. — 7. ner hafa ^skiaskar.
— 8. avrvendau. mik. gcrvau.
Varianten: 1. A ser] ]7at sier ikmo, ]>w. sier 1. — 2. -reifr] reiür alle
(bis auf HlÖs). — 3. ek] fehlt Fdei~o. — at hvaru] huoriu i, eun hvoru
R,R^. — 4. hvitings] huit bruör FdRiR^i— qlÖs. — ok] enn R,Roim. —
5. skin] skinn Fikm, skeyn o. — fekk] blaut RiR.,q. — kallda] kalldar k,
striöa ßj. — 7. eski-askar] oeske-oerar lös. — 8. avrvendau] eyrendau Fde,
erendan RjR^, ouendann i, ovendann k, ora^ndan 10s. — mik] mer i.
Auflösung: Ä ser, at ver värum^ heldr vigreifr meö Äleifi, hvit
brüör!* ek fekk at hvaru sar ok litinn friö; skinn ä skildi minum; skald
fekk til kalda hriö; na'r hafa feski-tärar* gQrvan mik Qrvendan."
1. Da pormüör in z. 1 schwerlich zugleich von seinen mitkämpfern
spricht, — die frage der frau ist ebenfalls nur direct an ihn gerichtet —
wird man rer rürinn als plural majest. für fui nehmen, wozu der sg.
vigreifr dann nicht in Widerspruch steht (vgl. dagegen H, 414). — Fbr.
(52)110,1 und Cpb. IL 176, 10 haben vigreifir, fassen also rer värum als
fuimus, was gemäss der frage der frau: livart ertu koniings maör, eöa eriu
af honda UM';' wenig wahrscheinlich ist. — Boer (Zs. fdph. 31, 156 f.) ver-
mutet für ut ver värum: Vgr at värum (Vgr hvitings = dea poculi); ich
möchte diese lesart fast der gesammten Überlieferung vorziehen. — 2. F.
Jonsson ändert, um hvitings unterzubringen, heldr in Ilildr (H, 414); ich
glaube, dass heldr (alle hss.) besser beizubehalten und dafür hritings (nur H)
gegen huit hrudr (aller anderen hss.) fallen zu lassen ist, — wenn man
nicht die coujectur Boers (s. oben) annimmt. — 3. Z. 7 steht die verdächtige
kenning ^ski askar. Egilss. (Lex.) gibt an für fski n. = fraxinus und dann
ensis, ^ski-askr = fraxinus gladii = pugnator, vir. — 1) Diese art der
Zusammensetzung ist ungewöhnlich: behält man esZ;/ = fraxinus als grund-
wort der kenning bei, so erwartet man das zweite glied, askr (= gladius?)
im genitiv sg. oder pl., oder mit t;ski in einer festen compositiousformel
(ask-eski). 2) Ungewöhnlich ist auch die Verwendung zweier fast synonymer
begriffe bei der keuuingbildung. Ich vermute mit lös (s. 72), dass askar
unter dem einlluss des vorausgehenden eski aus ärar {== pl. zu ärr m., in
346 GAERTNER
appellationibns vü-orum häufig venvant: ürr dlms = vir) entstellt ist (vgl.
oesJce-cerar lös); (sl'i = fraxinus = die esche und die eschene wurflanze,
bez. lauze überhaupt (vgl. H, 414, anm. 3), eskl-ärar, nach analogie von
hjalm-ürr etc. = praeliatores, viri. — 4. F. Jünsson (H, 414, anm. a) sieht
in rucr liafa ceslä-askar ggrcan milc (^rvendan eine humoristische wendung:
vielleicht darf man, um Zweideutigkeit zu vermeiden, grcendr hier mit
fflortuus übertragen (Egilss. [Lex. 630] gibtau: grrendr = grendr, eyrendr:
von gr ■\- endi [otid] = exanimus, mortuus [vgl. Fms. VII, 298 rar kann
eigi eyrindr = mortuus] ) : beinahe haben die krieger mich getötet).
41. steht: H (414,17 — 415,2) F (sp. 499— 500) deHj (s. 105) R.,
(bl.29r.) qlÖs (s. 72, 13). — fehlt: (Mbcn) iklmo— Hkr liÖs Fms. — ge-
druckt: H,415. F. 11,365. Fbr. (52) 110. Fbr. (99) 122 f. Cpb. II, 177, 17.
Sn. E. II, 93, anm. Islands grammat. lit. II, 162.
In Fde folgt Str. 41 auf str. 42 Ort vas . . . , ebenso in iklmo.
Text nach H: Haralldr var bitr at beriaz. — 2. boSreifr me<) Ole/ti.
— 3. f>ar gekk hardra [hiorva].') — 4. Hringr ok Dagr at pingi. —
5. reduz peir vnd ranlar. — G. randir prvtt at standa. — 7. fekk benÖiövR
blakkan. — 8. bior doglingar fiorir.
Varianten: 1. var bitr at beriaz] sa ek at vsel varfiezc lös. — 2. bod-
reifr] vigrseifr lös. — 3. hardra] hara lös. — 4. Hringr] Ringr lÖs. —
5. reduz] reöu alle. — vnd] um RiE2l- — 7. benöiövR] benpiöurs alle. —
blakkan] blacki FdeRiR.qlÖs, blakkr Sn. E. H, 92. — 8. bior] biorr Sn. E.
Auflösung: BoÖreifr Haraldr vas bitr at berjask^ raeö Aleiti; par
gekk Hringr ok Dagr at ]?iugi hära'^ hjorva; par^ reöu fjorir doglingar
at standa prütt und rauöar randar; benpiöurr fekk blakkan bjor.
1. In z. 1—2 ist in der gruppe HRiF eine v-, in lös eine b-alliteration
correct durchgeführt. Die prosa ist an die Inhalte der zugehörigen zeilen
angepasst und lässt erkennen, dass die strophe das primärere element war.
Da nun die prosa von HRiF ihrerseits ursprünglicher scheint als die von
lös-), so wird man auch eine grössere ursprünglichkeit des str.-textes von
HRjF voraussetzen dürfen. Beachtet man ferner, dass z. 1 in lös ein E^
(mit auflösung der ersten hebung), in HR^F dagegen ein für die strophen-
eingänge charakteristisches A^ ist, — dass durch Haraldr : vardisk in I
aSalhending geschaffen wird, — dass für den rest der strophe der text der
gruppe HRjF den ausschlag gibt, — dass die recension der Fbr. hier mit
F, einem Vertreter der recensionen der Öläfssogur übereinstimmt, so scheint
geboten, die lesart der lös hintanzusetzen. — 2. Vgl. Nj. II, 543. — In
Fbr. (99) 160, 34, anm. 1 wird haröra HFdeRjR.q als conjectur des J. por-
kelsson angegeben {harör ist als epitheton zu schwert nicht belegt). —
3. Vgl. Fbr. (99) 160, 34, anm. 2.
1) Fehlt in H.
2) Z. 3— 4 besagt, dass in z. 1 — 2 von angriff die rede sein soll: dazu
passt H: Har. r. bitr at herjask. In lös. dagegen spricht z. l: Rar. sälc
at V. vardisk von Verteidigung: d.i. eine gewisse inconsequeuz in der dar-
stellung.
ZUR FUSTBR(EDRASAGA. 347
42. steht: H (415,4-6) F (sp. 499) deRi (s. 105) E, (W-SOv.) iklinoq.
— Hkr (2,5Ü1) bös (s. 222, 1) Fms. V, 91. 1Ü3 (s. 72, 3). — fehlt: (Mbcn).
— gedruckt uoch: H, 415. F. 11,364, 10. Fbr. (52) 111. Fbr. (99) 123. Cpb.
11,170,15. S.h.LV,95f.
Text nach H: Aurt var Olafs hiarta. — 2. oö iram konmuß- bloöi.
— 3. rekin bitv stal a Stikla. — 4. stoduin kvu(hliz liö borva. — 5. el-
polla sa ek alla. — G. ialfads uema gram sialfau. — 7. reyndr verdr flestr
i fastri. — 8. fleindrifv ser hlifa.
Variauten: 1. var OlafsJ hefir Olafr RiEiq. — 2. o5 fram kuuungr
bloöi] -goöe J.j, o8 fr. kr i blopi Fdeiklrao, oÖ fr. gramr i bloöi Fms — A,
gramr i vals bloöi Fms— K, i väl blöÖi Fms— L, oö gramr i styr i bloöe
lös. — 3. bitu] ero K. — a] i Hkr (18, 70). — Stikla-J Stiklar- J.diÖs. —
4. kvaddiz HKiR^Fms — A] kuaddi alle aud., voll (at leöro) lös. — borva]
baixövar FdeEiRjqiklo, til Boövar Hkr Fms m. — 5. elpolla] y poUa lös.
— sa ek] kvit ek Fdei - o, fra ec K, ek fehlt Fms. — 6. ialfads] -foös Ri
hÖsFms — S, iolfaörs lös, almuedrs FdeRaqi — oFms— C, jalmveörs Fms— A,
jdlf- Fms— DH, jalmliöös Jj. — 7. rej-ndr] reyud ikm, reinda o. — verör]
verda i— o, varö lös, uar FeRiR^qHkrhÖsFras. — ilestr] liesta o, um
liest Fd.
Auflüsuug: Hjarta Aleifs vas Qrt; konungr öö^ fram ä StiklastQöum;
liö kvaddisk^ boövar'': stäl blöÖi reckiu bitu. Sa'k alla elpolla Jalfaös
hlifa ser, nema gram sjalfau; flestr vas* reyndr ^ i fastri fleiudrifu.
1. Cpb. U, 176, 15 öÖ gramr i styr blöÖi (vgl. lÖs), hÖs konungr üö
fram i hloÖi: die redactoren der hss., welche / hlööi aufvpeisen, schalteten
die Präposition vermutlich ein, weil sie die syntaktische beziehung von
hlööi zu rekin nicht erkannten. — Metrisch möglich wäre der vers: oö
framm konungr i blüÖi (=Ai, mit auflösung der zweiten hebung). —
2. F. Jönsson in Hkr. (2,501; vgl. dazu aber anm. 4) und Cpb. (a.a. o.) haben
kcaddi Yiei — oHkrhÖs: liÖ kvadcli bgdvar = milites proelium postularent;
— ich ziehe kvaddisk vor: Öläfr war auf StiklastaÖir vorgerückt und dort
kvaddisk liÖ bgÖvar (kveÖjask = inter se salutare = sich treffen) = sie
wurden handgemein: stäl blööi rekin bitu. — 3. bgrva H ist des binnen-
reims wegen unmöglich. — 4. Vgl. FeRiR.q etc. — Die präsentische form
verör (Hi — o) ist austössig. — 5. F. Junsson (H, 415) schliesst nur in paren-
these flestr ras reyndr; reyndr = particip = expertus aber fordert noch
eine nähere bestimmung: i fastri fleindrifu (vgl. Fbr. [52] 111 und Cpb.
n, 176, 15.
43. steht: F (sp.500) deR, (s. 106) K, (bl. 31 v.) iklmoq. — Hkr
(2, 502 f.) bös (s.223) Fms. V, 92. lös (s. 73, 1). — fehlt: (Mbcn) H. — ge-
druckt noch: F. H, 365. Fbr. (99) 146. Cpb. H, 177, 18. S.h.I. V, 97.
In HkrhOsFms geht str. 44 voraus, d.h. die letzte von pormöör ge-,
dichtete visa ist dort str. 43.
Text nach F : Undrazst Qglis landa. — 2. seik hui ver sem blseikir. —
3. farr verdr fagur af sarum. — 4. fann ek c^rua drif euanni. — 5. mik Ho
malmr hin dockui. — 0. magni keyrör j gegnum. — 7. huast bant hiartat
nsesta. — hetligt jarnn er ek a-tla.
Beiträge zur geschichte der deutscheu spräche. XXXII. 23
348 GAfiRTNER
Varianten: 1. og-lis] eyglis K, seglis lOsk. — landa] leuda m, kindar]
lös. — 2. hvi] at KiEaqoJolÖs, pvi il, f>at ni. — ver sem] vaer sjeum m,
erura ko, erim Fms— A, verrom bÖs. — 3. verör] veröa k. — af] med d,
far er fagur p>a saerist o. — 4. orua] ervar o. — 5. flo] flaug lös. — hin]
enn EiRoqilmoJoliÖslÖs, fehlt k. — dockvi] deykcvi hÖs, klekkvi K. —
6. magni] af megni d. — keyrör] keyröum 1. — i gegnum] i gognum Hkr
hÖs. — 8. ek setla] SBtla vsetta 1, vsetta ikmo, v^etti RiRoHkrhÖsEms,
vsente lös.
Auflösung: Eik landa Qglis undrask, hvi ver erum bleikir? fär verÖr
fagr af särum: ek fann drif (jrva, svanni! Enn dQkkvi malmr Üo, magni
keyrör, i gagnum mik; htettlikt järn beit bvast bjarta et nsesta es*
ek vsetti. 2
1. Zu es vgl. s. 330. — 2. vcetti = setla (F) ; vielleicht wollte der
redactor von F mit cetla umfangreicheren vollreim herstellen: hetligt : etla
gegen hcettUkt : vcetti. Auch vcetta ikmo = expectavi, speravi lässt sich
verteidigen, da jpormöör der festen boffmtng gelebt hatte, Öläfr nicht über-
leben zu müssen.
44. steht: H (416, 12-15) F (sp. 500) deR, (s. 107) R^ (bl. 32 v.) ikmoq.
— Hkr. (2,502). hÖs (s. 222, 2). Fms. V, 91, f. lös (s. 73). — fehlt: (Mbcn) 1.
— gedruckt noch: H,416. F. II, 366. Fbr.(52)112. Fbr. (99) 124. Cp. II, 177.
S.h.Is.V,96.
Text nach H: Emka ek ra)dr ne raidu?». — 2. redr gronrt kona
mauni. — 3. iarn. stendr farst hit forna. — 4. fenstigi mer benia. -—
5. ]pat velldr mer hin mcera. — marglodar nv tj-o8a. — 7. draipniss dyRa
vapna. — 8. Dags. hridar. spor. svida.
Varianten: Emka ek] Emkat ec dRiRjqFlÜso, Einkade eg i, Einkada
klm. — rauör] rjöör Hkr hÖs Fms lös. — ra)dumj riopom FdeRiR.^i— q,
rioöa lös. — 2. gronn] gran oFms-C, graun ikl. — kona] skogul FdeRj
R.,qHkrhÖsFms. — 3. iarn stendr farst hit forna] haicasetrs hin huita F
deRiR^qKFms— A, hauka latrs en hv. J^Fms— DH, havclatrs en hv. hÖs,
haukasetrs um hsettin lÖs. — 4. fenstigi mer benia] -styga mo, ferstiga Ik,
fen siga i, hugfar um mik saran FdeRiR^q, hyggr far Hkr hÖs Fms lös. —
pat HlÖs] hitt alle and. — hin maera] en msera lÖsi— o, at melldrar Fde
Hkr bös Fms, ef melldrar J.,. — 6. margloöar nu troöa] mordueniande feniu
FdeRiR^qHkrhÖsFms— A, -veuaudi Fms— DH, margs deyjaudi Fms— K,
mot feggiaöra spiota lös. — 7. drapniss dyaa vapna] dyrna i, diuft ok
danskra vaima FdeRj, diup R,qHkrhÖsFms— CDL, drep Fms— H, drypr
Fms-S. — 8. Dags hridar] Dag hryöar ikm, dals- Hkr (K 18, 70), dal-
hÖs. — sviöa] fehlt FdeRiR.qklm, von späterer band hinzugefügt: io.
Auflösung: Emka ek rauör, : grann kona raeör ne rauöum* manni:
et forna jarn stendr fast fenstigi benja mer'^; pat veldr mer, en msera troÖa
margloöar, (at) djüp spor hriöar Dags ok danskra^ väpna sviöa mer uü.
1. F. Jonsson (H, 416) behält die lesart Emka rauör en raubnm bei
und will rauÖum als rothaarig deuten : ' En hentydning til liendes tilstede-
Vöerende redhärede og radskaeggede mand ! ' Da die construction von 44, 5—8
offenbar ist: ßat veldr, (at) djüp spor hriöar Dags ok danskra väpna sviÖa
mer mi, — weist ßat auf den Inhalt des vorausgehenden zurück : Emka
ZUR FüSTBRCEDRASAGA. 349
raiiör, en hvHa grann slvgid setrs hcndca — hyggr für um milc si'iran: —
rceÖr rauöum manni: d. h. den pormüör schmerzen die wunden nur deshalb
so sehr, weil sich 'diefrau', die sich des besitzes eines rotliaarigeu mannes
erfreut, nicht um ihn kümmert! Gewiss eine seltsame erklürung', die sich
in dem munde des sterbenden doppelt merkwürdig ausnimmt. Ueberdies
zeigt sich, besonders in den recensiouen der üläfssiiga, die frau ausserordent-
lich um ihn besorgt.
Nur die combination der in str. 44: starke anklänge zeigenden texte
yon H und lös ermöglicht eine sinngemässe fassuug der str. 44. — pormöSr
trifft, schwer verwundet, auf die pflegerin; diese fragt ihn nicht nur, was
ihm fehle, sondern bemüht sich durch Untersuchung der wunde, durch an-
wendung von heilmitteln, seine schmerzen zu lindern (vgl. F. II, 365, 24 ff.).
Dies sclieint in der Strophe augedeutet zu werden durch: EmJca ek
rcniÖr, ne grann (grgnn) kona ra'dr raudum manni: nicht hilft die schmäch-
tige frau dem rotwangigen manne mehr, d.h. die frau würde auch nicht
mehr helfen können, selbst wenn icb noch rotwangig wäre, denn : et forna
Jörn stendr fast fenstigi henja mer. Die beziehung von ßat (z. 5) ist jetzt
klar: eben der umstand, dass der pfeil so unbeweglich in der wunde fest-
steckt — scirä ras soUit (Hkr. II, 503, 20) — veranlasst es, dass die wunden
brennen. — 2. Str. 44, 1—4 wird in lös (49) anm. zu cap. 97 construiert:
J^k emkat rjüdr, ne rceÖr haukusetrs grann kona rjöda manni, für ]ia;ttin
hyggr um mik säran; — in Hkr. 4,172 und hÖs s. 296, anm. 1 dagegen:
Emkat rjobr, en Jivita, gronn haukasetrs (hauklatrs hÖs) Skggid rceÖr rauÖum
manni; für hyggr of mik säran. — 3. Vgl. F. Jonsson (H, 416); draupnis
mos lässt sich kaum unterbringen: dass draupnir hier heiti sein soll
(vgl. lös 49 s. 120) ist unwahrscheinlich, da es sonst nur als kenniugglied
auftritt.
Cap. III. Zur eclitlieitsfrage.
A. Allgemeines.
1. I)ormüör, der solin Bersis (Bersi var son HallcUrs, faÖir
Pormödar IcolhrünarsMlds, vgl. Isl. sog. Kbli. 1843. 1, 150) und
der iJorgerör (vgl. Fbr. [99] 3, 28), var d hce peim er d 'Dijröil-
myri'^) lieitir, jedenfalls aber im Isaf j^rögebiet, geboren. Hier
wuchs er auch auf, zusammen mit porgeirr Hävarsson-), mit
dem er in frühem alter den blutsbrüderbund schloss. Nach
einiger zeit des Zusammenlebens, die durch streif züge und
') Dieser name wird in F. II, 92 ausgelassen und Kaluud' hat in Hist.
top. Beskrivelse af Isl. 1, 569 ff. glaubhaft nachgewiesen, dass diese angäbe
falsch ist.
^) lJa:tr Alfs i Dölum vom peir Porgerör, er ätti Äri Marsson ok
Pörelfr, er ätti Ilavarr, son Einws Klepssonar, [jeirra son Porgeirr (vgl.
Isl. SQg. 1, 115).
23*
350 GAERTNER
zalilreiclie g-ewalttaten ausgefüllt war, erfolgte im sommer
1012') ein brucli der freundscliaft. porgeirr begab sich, nach-
dem ihm wegen einer reihe von morden der boden Islands zu
heiss geworden war, auf wikingerfahrten und brachte nur die
winter der nächsten elf jähre abwechselnd bei Öläfr oder bei
|)orgils Arason in Reykjahol zu. Solange porgeirr sich auf
wikingerfahrten befand, lebte pormoör zumeist in Laugabol
bei seinem vater oh var oneö hönum nokkura vetr (vgl. a.a.O.
s. 46); er hatte in dieser zeit verschiedene liebesabenteuer,
deren eines ihm seinen beinamen einbrachte. Auf einer der
fahrten machte er nämlich die bekanntschaft der iJorbjorg,
der tochter der Katla {er hjö i Arnardal; hon var ekkja Glüms)
ok var i Arnardal lidlfan mdnud (vgl. a.a.O. s. 48, 14). Dort
verfasst er ein lofkvceöi auf porbjorg kolbrün; zum dank dafür
gibt ihm Katla einen ring ok mcelti : ek gef per Jjat kenningar-
nafn, at Jm skalt heita Pormoör kolbrünarskdld.
Da diese erlebnisse pormuös (von denen uns auch zwei
lausavisur berichten, die, wenn sie echt wären, die einzigen
sein würden, die uns von den auf Island gedichteten erhalten
sind) in die zeit fallen, welche vor der ankuuft porgeirs auf
der insel (a. 1018) liegt, und pormoör bereits 'einige winter'
nach 1012 in Laugaböl zugebracht hatte, so werden die Kol-
hrünarvisur'^) zwischen 1015 und dem herbst 1017 entstanden
sein=^); sie sind alle verloren gegangen''), d.h. \delieicht nie
aufgezeichnet worden. — Im jähre 1023 fiel porgeirr im
kämpfe gegen die beiden ausländischen häuptlinge porgrimr
Einarsson, er kalladr var trölli, groMlenzkr madr und porarinn
ofsi porvaldsson, norölenzkr maör, und, eingedenk des einst
geleisteten schwurest), brach pormoör noch im sommer des-
selben Jahres auf, um den tod seines blutsbruders zu rächen.
Zuvor aber dichtete er noch eine erfidrdpa^) auf porgeirr, von
1) Vermutlich ; vgl. unten.
*) Bezeugt in den Isl. sog. Kbli. 18-13, 1, 136 Glmnr ätti fyrr Kgtlu,
ok var peirra döttir Porljgrg kolbrün, er ßormöör orii um.
^) Sn. E. 111,537 setzt 1016 an, 'fortasse paulo posterius'.
*) Von anderen verlorenen liebesliedern erzählt F. II, 153 Spretta upp
af honum (einstaka mannsaungs visur.
*) at sä skyldi annars hefna er lengr lifÖi (Fbr. [99] s. 5, 6).
«) Vgl. Islenzkar FornsQgur, Kopeuh. 1880, s. 254, Iff. (Ljosvetninga-
ZUR f6stbr(edbasaga. 351
der unsere saga insgesammt noch 15 stroplien überliefert.')
Um die räche mit aussieht auf erfolg ins werk setzen zu
können, begibt er sich zu künig Oläfr nach Norwegen, der ihn
wol aufnimmt, und bei dem er den Avinter von 1023 — 24 zu-
bringt. Aus diesem ersten aufenthalt pormoös bei Oläfr ist
uns nur eine visa (str. 23) erhalten. Dass es nicht die einzige
gewesen ist, die er während dieser monate schuf, darf als sicher
angenommen werden. Ob er aber ein liva^öi um Olaf lionuny
liinn hchja oder gar eine Oldfsdnipa verfasst hat, steht keines-
wegs fest. 2) Im früh jähr 1024 brach pormöör nach Grönland
auf, und dort entstand eine ganze reilie weiterer lausavisur,
von denen G erhalten sind (die stroplien 25. 27 — 31). Nach
vollendeter räche kehrte er 1027 nach Norwegen zurück 3),
um für die zukunft einer der treuesten gefolgsmannen Olafs
zu werden. Aus diesem einjährigen aufenthalt am norwegi-
schen hof kennen wir drei visur (32 — 34); dagegen existiert
keine, die uns über seine flucht mit Oläfr und wenigen ge-
fährten nach osten und den aufenthalt von 1029 in Gardaviki
berichtete. Die Strophen pormoös setzen erst wider ein am
Vorabend der schlacht bei Stildastadlr (1030), als pormöör dem
Öläfr in einer visa den rat gibt, die besitzungen der feinde
durch feuer zu vernichten. Am morgen der schlacht recitiert
er, von Öläfr aufgefordert 4), die Bjarkamäl en fornu (von
saga): i pann ihna var PormöÖr Kolbrünarskäld farinn at drepa Pörgrim
trosUa tu Grcenlands, en hefna Porge/rs liävarssonar. Hann orti ok erfi-
dräpu, er mun sanna pann athurd.
') Dass uns aber nocli eine grosse anzahl derselben fehlen, geht aus
einzelnen bemerkungen der saga hervor, in denen der sagamaör sich auf
Strophen als quelle beruft : vgl. z. b. Fbr. (52) s. 28, 22 und 25 (ok hefir Por-
möÖr si-ä um ort, at ... ; at pvi sem I^. hefir um ort).
^) Wenn F. Jonsson (Sn. E. UI, 534) aus den worten Skiifs an Grima:
PormoÖr, skäld ok hirömaör Öläfs komings (PMI, 216) und den worten,
die der draxnnmäör Öläfr zu Grira i Vik spricht: farir eftir Pormödi hirö-
manni minum ok skäldi (Fbr. [52J 104,28) folgert, dass porraoör, bevor er
nach Grönland gieng, ein gedieht auf den könig verfasste, so ist das wol
zu Aveit gegangen, wenngleich pormöör im Skäldatal untei; den skalden
Öläfs hh. genannt wird (Sn. E. EI, 253).
') Also nicht über Dänemark, vgl. unten.
*) Dass gerade pormöör vom könige dazu ausersehen wurde, scheint
zu bestätigen, was auch anderenorts erwähnt wird: dasspormöör ein feuriger
recitator gewesen sei; vgl. F. II, 2(X) und lös cap. 57.
352 GAERTNER
denen in einzelnen hss. zwei Strophen angeführt werden), nm
die mannen zum blutigen tageswerk zu wecken^), und ausser-
dem im poetischen wechselgespräch mit einigen anderen skalden
die Strophen 36. 39. Die schlacht beginnt, Öläfr fällt und am
ende wird auch pormöör durch einen pfeilschuss tödlich ver-
wundet. Er schleppt sich noch zu einer verbandsstätte, bei
der eine frau den dienst eines arztes versieht, und im gespräch
mit ihr dichtet er seine letzten Strophen.
2. Die 44 Strophen der Fbr. lassen sich in zwei gruppen
zerlegen: 1) drottkvsett-, 2) nicht - dröttkvsettstrophen. Zu
letzteren gehören: a) zwei kviölingar (str. 1. 24), von denen
der ersteh) sich in eine der Grett. entnommenen prosaepisode
eingelegt findet — die übrigens in F. fehlt — , während der
zweite aus den Hävamal stammt (vgl. str. 24, s. 333); b) die
beiden eingangsstrophen der im fünfgliedrigen mälahättr ab-
gefassten 'Bjarkamäl en fornu' (die Strophen 37. 38); c) jene
Strophe in hrynhent, über deren secundären Ursprung kein
zweifei herscht^)
Sämmtliche übrigen 39 Strophen dagegen gehören der
ersten gruppe an, und sind bis auf str. 4 unter dem namen
pormoös überliefert. Da sich die fünf Strophen der gruppe 2
') Nach beendigtem weckruf sagte Oläfr Icalla eJc JccceÖä HüsJcarlahvgt
(vgl. Fbr. [52] s. 108, 24).
2) Der kviölingr zeigt, nach contraction von Jiön er (z.7) zu höiis
(vgl. Sievers, Beitr. 5, 493, 2) und bragannäl in z. 1 (Beitr. 5, 501 a.), regel-
mässigen Wechsel von drei- (1,3) und viersilbigen versen (2,4), ist also
hviöuhättr:
Mundak sjalfr
-^xl
—
F(A)
i suQru egnda
Xvl^X i
-X
Co
helzti brätt
-xl
—
F(A)
hQfÖi stinga
-^xl
-X
A:
ef porbJQrg
1 1
X — 1
—
F(C,)
pessu skäldi
r 1
-X i
-X
A,
(hon's allsnotr)
1 1
x-l
—
F(CO
ekki bj'rgi
/ 1
-xl
-X
Ai
Von den katalektischeu versen zeigt keiner auflösung oder verschleifung,
unter den viergliedrigeu aber erscheint einC.^; den hqfuöstafr trägt regel-
mässig die erste hebung der zweiten halbverse, die ersten weisen nur einen
Stab auf, der von dem nomen der zeile getragen wird.
3) Vgl. auch F. Jönsson, Hauksb., einl. HI, lxxviii und Litt. bist. II, 466.
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 353
a priori als späte naclidiclitung (str. 26) oder als fremde pro-
ducte documentieren, so kann sich eine untersiicliung über
die eclitheit der Strophen der Fbr. auf die 39 drottkvoettvisur
bescliränken.
3. Von diesen sind als unecht bisher angegriffen worden :
von Boer (Zs. fdph. 30, 32 f. und Grett. 32) die Strophen 12. 33;
von Vigfiisson jedoch nicht weniger als drei viertel aller visur :
Schon im Cpb. II, 174f. hatte dieser erklärt: 'The dirge Thor-
geir's-drapa in the Saga is spurious . . . and most of the Crreen-
land improvisations are not authentic; but the verses relating
to the last scenes of the king's and his own life, some twenty
stanzas in all '; ma}- in part be genuine and have a real and
peculiar beauty of their own'.-) Dieses urteil wird in den
Orig. Isl. n, 67-1: noch etwas näher begründet: 'there are attri-
buted to Tliormod some sixteen stanzas of an Encomiura on
Thorgar 3), they contrast very markedly with other poetry set
down to Thormod." Selbst wenn ihm (Vigfüss.) dieser kontrast
so deutlich fühlbar geworden wäre, Hessen sicli dafür plausible
erklärungen finden. Wenn die strophe der dräpa einen anderen
Charakter zeigt als die improvisationsstrophe, die lausavisa, so
darf das kaum wunder nehmen (vgl. weiter unten); ferner liegt
eine gewisse zeit zwischen der abfassung der dräpa und. den
'stanzas of real and peculiar beauty', ca. vier Jahre, innerhalb
deren sich pormoör vervollkomnnien konnte und auch sicher
vervollkommnet hat; endlich ward pormoör durch seine reise
nach Norwegen (1023) in eine ganz andere Schaffenssphäre
versetzt. Hatte er bis dahin, wie sich Vigfüss. (a.a.o.) aus-
drückt, "dry, tasteless and intricate conglomerates of high-
sounding words' verfasst, so lernte er jetzt am hofe Olafs
technisch hervorragende skalden kennen, denen er wol manches
ablauschen konnte, sodass seine visur sich nun weniger trocken.
*) Hier hat Vigfüss. nicht gerechnet, denn nach abzng der Strophen
der erfidräpa nnd Grrenlaudsvlsur bleiben tatsächlich nur 9 übrig, die sich
auf sein (iDormoÖs) oder des königs leben beziehen.
■■') Ueber den irrtum, den Vigfüss. in den nächsten zeilen -begeht (bei.
der begründung, dass pormöör nicht der Verfasser der str. 19 sein könne).
Tgl. unten.
^) Auch hier ein kleiner rechenfehler; es können deren nicht mehr
wie 15 sein: str. 18 ist die letzte dräpastrophe und nicht zur dräpa ge-
hören: der kviölingr (1) und die lausavisur 8. 9.
354 GAERTNER
weniger g-esclimacklos und weniger lioclitrabend gestalteten.
— Yigfüss, sind weiterhin die 15 Strophen der erfidräpa als
'mere hutcher's bills' erschienen. Diese bezeichnnng kann je-
doch nicht gelten für die visur 5. 7. 12. 14, denn in keiner
ist von einer gewalttat pormoös die rede; von den übrigen 11
beziehen sich allein 4 (15 — 18) auf die Schilderung von dem
heldenhaften tode porgeirs, wie es denn ganz natürlich ist,
dass gerade diese episode eingehender behandelt Avurde; also
bleiben nur 7 'butchers bills' übrig.') Vigfüss. meint schliess-
lich, diese seien 'far too unpoetic, elaborate, and styleless to
have lived in people's memories and have been handed down
from S. Olave's time.' Auch dieser ansieht kann ich nicht bei-
stimmen. Ich möchte die dräpastrophen weder inhaltlich noch
formell direct unpoetisch nennen, wenn ich auch zugebe, dass
die visur wenig Originalität zeigen; nachahmungstalent (das in
zahlreichen anklängen an die producte anderer skalden zum
ausdruck kommt) ist jedoch dem pormoör keinesfalls abzu-
sprechen. — Die formale glätte, durch die sich jede einzelne
Visa auszeichnet, verstärkte in Vigfüss. nur den eindruck, dass
er es mit 'too elaborate' mach werken zu tun habe und doch
wird sie sich höchst einfach aus der art und weise der ent-
stehung der dräpa erklären lassen; die lausavisa ist eben
ein augenblicksproduct und deshalb weniger durchdacht,
weniger geglättet, die dräpa dagegen das werk von stunden
oder tagen. 2) Dass endlich diese Strophen, die beim vortrage
einen ausserordentlich wuchtigen eindruck hervorbringen, sich
im gedächtnis des volkes nicht hätten fortpflanzen können,
möchte ich ebenfalls bezweifeln. Aus den verschiedensten
andeutungen ersehen wir, was für eine bekannte und berüch-
tigte persönlichkeit porgeirr war. Der tod dieses shögarmadr,
der es bis zum Mrdmadr Olafs gebracht hatte, wird deshalb
im ganzen nordwestlichen teile Islands befriedigung oder an-
teilnahme hervorgerufen haben; eine erfi-drdpa aber auf diesen
kühnen wiking, über den vielleicht damals schon manche er-
^) Vgl. dazu F. Jönssons erklärung des wortes dnqya = 'dasliedvom
vom falle der männer im kämpf.
2) Von Egill wird besonders gerübmt, dass es ihm gelungen sei, in
einer nacht ein lobgedicht auf könig Eirikr blööox zu verfassen, d.i. ein
sogen, hgftidlmisn, vgl. Egilssaga, von F. Jousson hgg. 1894:, s. 200, 53.
ZüK FOSTBRCEDRASAGA. 355
Zählung im volke umlief, musste dementsprechend auf all-
gemeines Interesse stossen und überall da einschlagen, wo
porgeirs name jemals genannt war. Einen hauptschlag gegen
die dräpa will Vigfüss. dadurch führen, dass er in str. 12
einen anachronismus nachzuweisen sucht. Selbst wenn dieser
besteht (Avofür \'igfüss.' ausfülirungen keinen vollgiltigen be-
Aveis erbringen, vgl. unten), darf damit nicht über alle anderen
drapastrophen der stab gebrochen werden. In dem urteile
über Str. 12: ... it follows that Thorgar could by no possibility
have gone warring with earl Rognv., and that the whole En-
comium must be spurious, and all the prose supported by it
worthless aud base' (vgl. Orig. Isl. II, 674) . . . wird die nahe-
liegende möglichkeit ausser acht gelassen, dass der prosabericht
das ursprünglichere w^ar und dass die strophe secundär hinzu-
gedichtet wurde. Ebenso unhaltbar wie die ansichten Vigfüss.'
über die Strophen, können die über pormöös Charakter und
die ursprünglichen partien der alten I)orgeirsdräpa genannt
werden'), vgl Orig. Isl. II, 675. Vigfüssou gegenüber Averden
ausdrücklich als echt bezeichnet: die Strophen 19 — 22 von F,
Jonsson, Hauksb., Einl. III, lxxx — lxxxi; str. 22 in GhMm. II,
2761; Str. 29 von F. Jonsson a.a.O. lxxviii; str. 41 von Maurer,
*Die ausdrücke'. .. s.97 f. — Seinerseits zu w^it geht F. Jonsson,
Sn. E. III, 534, wenn er nicht nur die Strophen der drapa,
sondern auch sämmtliche 21 lausavisur pormoös 'ohne allen
Zweifel' für echt erklärt.
4. pormoör Kolbrünarskald dichtete etwa 1015—1030;
bis zur zeit der schriftlichen fixierung der saga (nach Mogk,
Pauls Grundr. II-, 756, anfang des 13. jh.'s: terminus ad quem
1220 -) vergiengen fast noch 200 jähre, während deren die
1) Ich hoffe in dem vorbehaltenen teil II den nachweis zu führen, dass
sämmtliche drei episodeu, die Vigfüsson, Orig. Isl. II. GTö f. als echte und
älteste bestaudteile einer porgeirsdräpa bezeichnet, der jüngeren und jüngsten
Schicht der Fbr. angehören. — "Wie widersprechend hier die meinungen
sind, dafür nur ein beispiel: Vigfüss. bezeichnet (Orig. Isl. II, 675) als echten
bestandteil eines alten J?attr von porgeirr unter a) 'die geschichte von den
drei outlaws und ihrem benehmen', die die Grettissaga in 'verdünnter form'
enthalte. Boer dagegen (Grett. XXXII und Zs. fdph. 30, 47) erklärt 'die
uachricht über Grettirs begegnung mit porgeirr und pormöflr' als aus der
Grettissaga entlehnt. ^) G. Storm, Snorre Sturlassons Ilistorie-
skrivning s. 53: die Fbr. ist älter als 1210-1220.
356 GAERTNER
Strophen vermutlich nur in der mündlichen tradition fortlebten.
Innerhalb dieser langen zeit mögen schon die meisten dich-
tungen pormoös verloren gegangen , d. h. vergessen worden
sein. Erst als ein sagamaör x darangieng, die geschichte der
blutsbrüder aufzuzeichnen, mag er wol die vorhandenen reste
gesammelt haben, als stoffquelle und als controllmittel für die
mündliche tradition, die dann erst wichtig wurde, wenn jene
ursprünglichere quelle versiegte. Aus der combination poeti-
scher berichte und volkstümlicher erzählungen gieng die Fbr.
in ihrer ältesten gestalt hervor, nicht ohne den Stempel der
Individualität ihres ersten aufzeichners an sich zu tragen.')
— In die saga sind als belege für die Wahrheit der einzelnen
episoden eine anzahl von Strophen eingefügt 2), die gleichzeitig
den poetischen schmuck abgeben. Letzterer umstand ist dann
wol die Ursache für verschiedene nachdichtungen geworden.
Musste ein autor eine lücke in der Strophenerzählung durch
erzählungen aus der lebendigen tradition ausfüllen, so mag in
ihm der Avunsch entstanden sein, dieses sein eigenstes lite-
rarisches product ebenfalls mit Strophen zu schmücken, die
nebenbei den anschein erwecken konnten, als handele es sich
um 'belegstrophen'. War nun der sagamaör der Fbr. zugleich
skalde^), so liegt auch für unsere Strophen die möglichkeit
vor, dass sich unter ihnen secundäres gut findet. — A\'odurch
sind aber etwaige fälschungen als solche zu erkennen?
5. Durch: 1. sachliche oder historische Unmöglichkeit des
Inhalts; — 2. sprachgeschichtliche anstösse im reim; — 3. Ver-
wendung unanschaulicher, unnatürlicher epitheta und ge-
schraubter kenningar; — 4. einen der indivualität des dichters
schlecht rechuung tragenden ^geist der dichtung'.
Indef die drei letzteren kriterien haben nur bedingten
kritischen wert. Wurde die saga bereits um 1200 fixiert, zu
einer zeit, wo die für die kritik wichtigsten lautwandlungen
sich erst vollzogen oder kurz vorher vollzogen hatten, so war
^) Selbst weim wir also den archetypus besässen, Avürdeu wir keinen
rückschluss auf die mündliche tradition machen können.
^) Snorri forderte geradezu das eitleren von skaldeustrophen als Avich-
tigsteu quellen historischer sQgur.
^) Bezeugt ist ein solcher fall in den Sturl. I, 8 Ingimundr car frccdi-
maör inikill oJc für injgk meö sogur ok senti vel kvceöum ok orti (jöö kvceöi.
ZUR f6stbrct:drasaga. 357
es auch noch dem sagamaör möglich, Strophen zu liefern, für
die sich durch lautliche kriterien der nachweis der unechtheit
nicht führen lässt. Zum zweiten brauchte sich ein geschickter
nachahmer nur innerhalb des milieus zu halten, aus dem die
kenningar der echten quellenstrophen geschöpft waren, um
damit jede spur zu verwischen; denn die möglichkeit, dass
auch ein skalde der epigonenzeit sich so intensiv in den alten
poetischen geist des wikingtums einleben konnte, um dessen
anschauungen gemäss zu dichten, muss zugestanden werden.
— Das unter 4. angeführte kriterium endlich ist zu viel ge-
fühlsmoment.
Die kritischen hilfsmittel wären damit erschöpft, wollte
man nicht noch das rein formale, das technische und die
'theorie von der Sprachmelodie' heranziehen. — Um skalde zu
werden, musste man nicht nur talent entfalten, sondern sich
auch eine gewisse technische fertigkeit aneignen, d. h. die
skaldenkunst war eine kunst, die ei-lernt werden musste. Da
nun bei dem so fest gegliederten bau des dröttkvsefr hättr
der freiheit des dichters von anfang an gewisse beschränkungen
auferlegt waren, und der fluss seiner verse immer wider in
dieselbe enge bahn geleitet wurde, so ist es ganz natürlich,
wenn sich au einzelnen ausgezeichneten stellen der Strophe
eine art gewohnheitsnorm der versbilduug entwickelte, wenn
sich der dichter aus seiner praxis heraus, vielleicht vollständig
unbewusst und ganz individuell, etwas wie ein reimsystem
schuf, an das er sich bei Unterbringung des binnenreims und
der alliteration'), bei der gruppierung der kenningarglieder etc.
in den einzelnen Strophen mehr oder weniger streng hielt.
Ist dies aber der fall, begegnen in den Strophen beständig
dergleichen technische Charakteristika, so wird man darin ein
zeichen für eine engere verwantschaft der Strophen erblicken
dürfen, die auf einheit des autors zurückweist; und umgekehrt:
vereinigt eine Strophe erscheinungen in sich, die der sonstigen
technik des angegebenen Verfassers nicht entsprechen oder
doch dort seltene ausnahmen bilden, so ist damit grund ge-
geben, von vornherein an der echtheit der betreffenden Strophe
1) D.h. soweit er dabei nicht erheblich gegen 'die natürlichen be-
tonuugsgesetze' verstiess, also in erster linie bei annähernd gleicher reim-
fiihigkeit der einzelnen versglieder.
358 GAERTNER
ZU zweifeln. — Zwar lässt sich auf diesem wege allein ein
entsclieidendes urteil noch nicht gewinnen, aber mindestens
stützen doch solche formale anstösse die Verdachtsmomente,
die von anderer seite her kommen.
Als 6. kriterium betrachte ich das 'melodische'. Die
hierauf bezüglichen Untersuchungen stützen sich auf die von
Sievers fixierten sätze, deren anwendbarkeit auch auf die
nordischen texte z. t. unter dessen mitwirkung geprüft wurde.
Ausserdem habe ich noch eine grosse anzahl weiterer lese-
proben mit anderen Versuchspersonen angestellt, die alle
durchaus gleichmässige resultate ergaben. Es steht mir dar-
nach fest, dass auch alle echten Strophen iDormöös eine einheit-
liche tonlage und tonführung besitzen und dass abweichungen
davon auf unechtheit oder textverderbnis hinweisen.
Nach meiner persönlichen intonationsweise fordern die
verse pormöös weder eine ausgesprochen hohe, noch eine be-
sonders tiefe Stimmlage: sie sind mit mittelhoher stimme zu
sprechen. Nirgends springen einzelne hebungen merklich aus
dem allgemeinen touniveau hervor. Die tonbewegung ist nicht
stark, aber deutlich bemerkbar; das endstück erhebt sich über
das vorderstück. Die Schlusszeilen der halbstrophen endlich
zeigen stark-fallende melodiekurven und klingen in einer tiefen
kadenznote aus.
Diesem melodischen Schema fügen sich anstandslos ein:
die Str. 2. 3. 5—8. 10. 11. 13—18. 22,5—8. 23. 25,1—4. 27—32.
34—36. 39—42. 44. — Die übrigen visur (abgesehen von den
überhaupt nicht in betracht kommenden str. 1. 24. 26. 37. 38),
d. h. also 4. 9. 12. 19. 20. 21, 1—4. 25, 5—8. 33. 43 weisen
andere melodien auf. Ein zufall will es, dass diese von ver-
schiedenen autoren stammenden Strophen durchweg tiefschluss
haben, im gegensatz zu den typischen hochschlüssen pormoös.
Ich schalte hier die für die kriterien 2. 3. 5 sich nötig
machenden Voruntersuchungen und Zusammenstellungen ein:
a) über die spräche pormöös, b) eine tabelle der kenningar,
geordnet nach der anzahl der glieder der einzelnen kenningar,
c) eine Untersuchung über die reimtechnik pormöös, verbunden
mit einem rimarium.
Wenn wir versuchen, auf grund der uns unter pormoös
namen überlieferten Strophen eine kurze darstellung zu geben:
ZUR f6stbr(EDRasaga. 35d
a) von seiner spräche und b) seiner reimtechnik, so werden
wir, was die letztere anlangt, a priori ähnliche ergebnisse zu
erwarten haben, wie sie die Untersuchungen Kahles für die
skaldeu des beginnenden 11. jh.'s ergaben.') Was dann die
spräche anbetrifft, so verzichte ich auf eine umfassende laut-
und formenlehre, die sich im ganzen mit den von F. Jonsson
zusammen gestellten normen decken würde*) und begnüge
mich mit der heraushebung einiger charakteristischer züge.
B. Die spräche pormöös.
I. Vocalisiiuis.
Der sogenannte jüngere «-umlaut ist zwar erst ca. 1200
in Island vollständig durchgeführt, doch reicht der umlauts-
process, auch bei erhaltenem u, bis hinauf ins 10. jh.
Das Vorhandensein des jüngeren «-umlauts in pormuös
Versen wird bewiesen durch 30,6 ggrt^) hefk fyr mik svQrtum,
41, 4 stQÖum kvaddisk liÖ hgövar\ in 14, 6 sgnn leyys friöar
mgiinum ist der reim erst durch conjectur hergestellt. — Ent-
gegen diesen umgelauteten formen wird durch die aöalhending
unumgelauteter vocal gefordert^): 1. bei geschwundenem u\
a) in 35, 8 kald, ef ek md valda (zu erwarten war kgJd), b) in
44,2 rceör (jrann kona munni {i\\v yronn); 2. bei erhaltenem u:
a) in 39, 2 allvcddr ndir skdldum, b) in 43, G magni keyrdr i
gagnmn.
pormoör hat also, der praxis anderer skalden entsprechend,
umgelautete und unumgelautete formen neben einander ver-
wendet; bei dem geringen umfang unseres materials lässt sich
natürlich nicht sagen, ob er eine der beiden arten consequent
bevorzugte, ob er im princip mit umgelauteten formen arbeitete
und nur da, wo es die aöalhending erheischte, zu den unum-
gelauteten griff. So viel aber scheint sicher, dass in denjenigen
ersten halbversen, wo durch die beibehaltung einer unumgelau-
1) Vgl. Kahle, Die spräche der Skalden auf grund der Ijiiineu- uud
endreime. Strassb. 1892. — Kahle ver-vvendet vou pormuör nur die Strophen
35 — 44, sodass die folgenden ausführungen als materialergiinzuugen gelteii
dürfen.
2) F. Jönsson, Det norsk-isl. Skjaldespr. omtr. 800—1300, Kbh. 1901.
*) Vgl. dazu 28, 2 elbgnar viik ggrca « dem adjectivstamni garvu).
*) Vgl. noch Wininier, Die runenschrift s. 317f.
36Ö aAERTNER
teten form vollreim entstanden wäre (z. b. in 7, 3 snjallr vas
grr at ollu), der jüngere zt-umlaut als 'nur halbreim bewirkendes'
element einzutreten hat.
Der r-umlaut, der primäres und durch «-umlaut aus a ent-
standenes e zu ö macht, ist in pormöös versen nicht belegt;
doch zeigen die drei visuorö : 31, 6 eggvedrs : gleggum, 6, 2 ger-
öisli : sverda, 10, 2 sverö- : gerdi, in denen das durch e-umlaut
aus a entstandene e mit altem e reimt, dass der f-umlaut noch
nicht zu wirken vermocht hat (vgl. Kahle a. a. o. s. 42 f.).
In zwei ersten halbversen dagegen (4, 1 Vel dugir verh at
telja und 12, 7 drengs varö dad at lengri, beide als unecht zu
bezeichnen ') [vgl. weiter unten] ) scheint aöalhending durch den
reim von altem e : umlauts-c vermieden werden zu sollen.
Zu 8, 4 QrstiJdandi mildu (nicht myldu) vgl. Gislason, Om
helrim etc. s. 13 ff.
Obwol die brechung der starktonigen e erst um 900 ein-
getreten zu sein scheint (vgl. Kahle a. a. o. s. 50), vermag Kahle
doch nirgends ein ungebrochenes e nachzuweisen. Hoffory da-
gegen (Ark. f. n. f. 1, 44 ff.) setzt in dem visufjoröungr des
pjoöulfr hinn hvinverski verit 7ned oss uns verdi, veör; nii er
hrim fyrir JaÖri der aöalhending wegen die form Edri mit
ungebrochenem laut für Jaöri ein. — F. Jonsson, Zs. fdph.
18, 109, fordert ferner für Cpb. II, 14, 4 hildar-vcss oJc Jjiasa
den reim ve^ : pesa und stimmt der Vermutung von Mogk zu,
dass ziu' zeit pjoöolfs die a-brechung noch nicht vollständig
durchgedrungen war (vgl. auch eine zeile Egils aus dem jähre
976 erj)gr(ßns mer ver^a (F. Jonsson, ausg. d. Egils. 1894, s. 266).
— In iDormuös versen indes ist sowol a- wie w-brechung überall
durchgeführt; einwandsfreie belege bieten sich jedoch nur für
die a-brechung, da die durch u gebrochenen formen mit io
entweder in ersten halbversen stehen oder in zv/eiten wider
nur mit ig reimen: vgl. lijor : ßQvvi etc.
Dagegen reimt ia mit a in II 8 m., und zwar steht ia:
1. vor l + cons. 4 m. (snjallr 2 m. 2,4. 17,6, sJcjaldar 25,2,
tjalda 8,4; — 2. vor r + cons. 4 m. (3 m. vor r -[- f: djarfr
89, 4, djarfir 28, 8, djarfra 12, 8, 1 m. vor r + ö: jaröar 33, 2).
Zu den von Kahle (a. a. o. s. 54) angeführten beispielen, in
') Ueber i : ce Tgl. unten.
ZUR FUSTBRCEDRASAGA. 361
denen durch den reim ein überg-ang- von c in i vor n + cons.
festgelegt wird, liefern die verse pormOös mit 3, 2 Inyolfs sonar
^ingat einen weiteren siclieren beleg.
ei für gewöhnliches d verlangt der reim noch für Aleifi
3G, 8. 40, 2. 42, 2.
Während 'ersatzdehnung' mehrmals begegnet {i hvdru 40, 3
und 42, 8 fjörir), ist die erst seit ca. 1200 auftretende dehnuiig
der a, o, o, u vor If-, lg-, Ih-, Im-, Ip- in pormoös versen noch
nicht anzunehmen ; deshalb wird auch in der vermutlich echten
Str. 42 jalfaös (z. 6) noch mit kürze anzusetzen sein (vgl. Egilss.
Lex. s. 445 jalfaör zu jdlfa = jdlmd).
II. Consonautismus.
1. a) f geht etwa in der zweiten hälfte des 10. jli.'s (vgl.
Kahle a. a. o. s. 68) vor s, t in p über. Ob dieser Übergang
schon zu l:>orm6ös zeit vollzogen w^ar, ist aus seinen versen
nicht zu ersehen: der reim 7, 7 opt vann auöar slcipür beweist
nichts, da auch das p von skipta nach ausweis von ags. sciftan
bereits germanisch /"ist (vgl. jedoch Noreen, Grammatik § 232, 2,
wo für sl-ipta : *sJcipafjan zu gründe gelegt wird).
b) Eeime von halbvocalischem u mit der spirans f, oder
von halbvocalischem i mit der spirans g finden sich bei por-
möör nicht,
2. Den vorliterarischen Übergang von IM, nnd in Id, ?id
(nach Noreen, Grammatik § 230, Ib; vgl. dazu noch Geländer,
Ark. 22, 24 ff.) belegen reime wie 29, 2 J)arflg7idr ef r,iih fyndi,
34, 4 Groenlendingum hrendan. — Bedeutend jünger ist (ca.
1250) Id für Id nach kurzer silbe. In pormoös 18, 5 Imr Icet'Jc
(hjaldrs) fyr hgldum und 36, 3 shjlditt shelknir hgldai- bleibt
also die hending Id : M bestehen, i) Ob hier nur reim der
ersten consonanten oder gruppenreim beabsichtigt ist (nach
Geländer, vgl. unten anm. 1, also reim von Id : Id), lässt sich
nicht mit Sicherheit entscheiden. Es hat aber den anschein,
') Geländer, Ark. XXII, 61 sagt: 'Att av detta ord (/io/7>/;) förekominer
en form holör (raeö ö efter kort stavelse pä Z), är erkänt ok visas sllväl
av handskriftsformer som ocksä av rim meö lÖ : lö. Emellertid bar mau
ocksa ausett sig büra räkna med en form hauldr, med diftong eck d . ..
Under alla forliiillanden behöva vi alltsä icke med Kable räkua dessa rim
bialdr : liulpar tili rim pa Ib : hl, dar ö följer efter kort stavelse.
3G2 GAERTNEÜ
als ob letzteres der fall sei; denn 18, 5 und 36, 3 sind neben
dem nicht absolut lüerhergeliörig-en 6, 1 die einzigen belege für
den reim von erstem consonanten zu erstem consonanten je
einer gruppe.
3. Zweimal, 7, 1 und 22, 1, begegnet der reim x : x\ wie x
nur eine graphische darstellung der consonantengruppe Ics be-
deutet (vgl. 17, 1 llaulis : IceJija), so hat das spätere s im all-
gemeinen den lautwert ^5, unbekümmert um seinen verschieden-
artigen Ursprung. Die zu gründe liegenden lautverbindungen
ts, J)s, Us, nns, ds (vgl. Hoffory in Bezzenb. ßeitr. 9, 69 ff.) sind
bei pormoör noch überall durcli den reim gesichert: vgl. für
t -^ s: fljöts J)d's fyrda nytir, 16, 7 handar grjöts frd hreyti]
— für ^ + s: 2,6 hafstöÖs Jjd's vas, Modi, 5,8 jlöös, nenia
okJcars goda, 17,4 sverd, aldrigi verda, 20,4 hards pjödkonungs
gardi, 27, 7 nadda hords pvü Nirdi
4. Auch Uz, nns für lls, nns (vgl. Hoffory a. a. o. s. 79) kennt
pormoör nicht: er reimt stets II {s) : II in 14,1 Gulls red P or-
geirr ])olla\ nn{s) : nn in 5,2 undUnns,]jd's svik vinna, in 7,4
undlinns, hitinn sinnum, 39, 6 randar linns [enn sv'mni (ok
Finni), 8, 6 hlunns, glapvigum runni.
5. Dass auch dds erhalten war, zeigt der reim 11, 7 odds
oJc ernir sgdduslc (gegen Hoffory a. a. o. s. 83 ods oh ernir
sgddiisJc).
6. Kahle, Skaldensprache s. 82, führt beispiele an, wo margt
in mart verwandelt wurde, 'weil eine der spräche nicht ge-
läufige gruppe von drei consonanten entstanden ist': q ist,
nachdem es vor t stimmlos geworden war, zwischen r und t
lautgesetzlich ausgefallen; auch iDormoör reimt mari : svarta.
Die unter I)ormöös uamen überlieferten drottkvaettstrophen
zeigen sonach sprachformen, die nicht jünger sind als ca. 1200.
C. Kenningar, viökenningar, halfkenningar.
I. Kenningar.
a) drei- und niehrgliedrige:
1. Mann. 7, 1 undlinns sviprunnr (= porgeirr)
ß) Krieger. 10, 2 eggja leiks soekir (= porgeirr)
4,2 fetils stiga margrj6Öandi(=por- 12,1 hjorgaldrs Njordr (= porgeirr)
geirr) 17, 1 brseva loekja liauks brseöir (=
5, 1 undlinns rjoöaudi (= porgeirr) porgeirr)
ZUR FOSTBRCEDRASAGA.
363
17,1
2-2, 1
27, 2
27,2
28,1
28,2
30,1
30. 2
33,1
34,1
34,2
39,2
42, 2
2,1
2,2
34
3,2
5,2
G,2
8,2
11,1
sverös svipmunir (=-^ viri)
stülregns boöi (= pl. adversarii)
noetting-3 breggboöi (porgriinr)
iiadcla borös Njijrör (porgriinr)
stäls elbQrvar (= pl. adversarii)
laugs ]7remja svells drifu Tyr
(= poriuöör)
hriiigs setrs Eahlr (= porgeirr)
poriia guy]?üllr (= porgrimr)
odda hriöar ]^ollr (= ponuüör)
ekkils eis gervidi'axigar (= ad-
versarii)
hriugs tirar scvkir (= adver-
sarius)
randar liinis npkii' (= Öläfr)
jalfaös elpollr (= pl. viri)
ß) Seemauu.
bhiuua Lestreniiir (= porgeirr)
hafstöös MoÖi (= porgeirr)
bäsleipnis tjalda valdr (= por-
geirr)
drasils vandar stillir (= por-
geirr)
floös (psi-dyrs styrir (= por-
geirr)
vägs viggriöandi (= porgeirr)
hluuus brafus ruimr (Kolbakr)
hlyra brafus ürr (== porgeirr)
11,2 blii'ra jöstjrandi (-^porgeirr)
15,1 streiigbreiiis ärr (^^ porgeirr)
21,1 bafs hreins stifkjaudi (pormoör)
25,1 blunnjüs f>ollr (= fpnoianir
porgr's)
3G, 2 väga viggn'iör (-- Öläfr)
>') Allgemeine kenuingar.
8, 1 ärkyndils umn3'saiidi (= Bersi)
14, 2 fljöts leygs uytir (= porgeirr)
l(i, 2 handar grjots breytir (= por-
geirr)
2. Dichter.
29, 1 lofgeröar veitir (= pormoör)
3. Frau.
9. 1 dis ey-Draupnis (=- porbJQrg)
43, 1 Qglis lauda eik (= kouau)
44, 2 margloöar troöa (= konan)
4. Gold.
19, 1 lättr, pat es Fafuir ätti
19, 1 frängluns nierkr
20. 1 barös tnna fasti
5. Rabe.
4, 1 vapiia breggs gräim gjt'iör
0. Schiff.
39. 2 ey-baugs oudr • ■
7. Wunde.
44, 1 benja fenstigr.
b) Zweigliedrige kenningar.
1. Mann. 7,
a) Krieger. 14,
10, 1 sverörjoör (= porgeirr) 15,
15, 2 sigreyuir (= porgeirr) IG,
18, 1 hjarar fJQrr (= porgeirr)
21, 1 bsettir branda (= Ölafr) 18,
22. 1 bjalta Tyr (= pormoör)
19. 2 varga myröir (= Knütr) 29,
25. 1 skjaldar Baldr (= forunantr
porgrims) 31,
29. 2 rauda r^rir (= Falgeirr)
31, 2 eggveörs Ullr (= Falgeirr) 35,
30. 1 Qrstiklandi (= Öläfr)
40.2 cEski-ärar (= pugnatores) 9,
ß) Allgemeine kenningar. 9,
2. 1 auöveitir (= porgeirr)
7, 2 aui5ar .skiftir (^^ porgeirr) 5,
Beitrüge zur geschichte <ier deutschen spräche.
2 seinia soekir (= porgeirr)
1 gulls poUr (= viri)
1 auöstjörir (= porgeirr)
1 folkbeitir (= porgeirr)
y) Seemann.
1 reggs roekjandi (= porgeirr)
2. Dichter.
2 stefja smiör (= pormoör)
3. Feigheit.
2 gunnfjön
4. Feuer.
2 ys angr 1
5. Frau.
2 porna prüör (= porbJQrg)
2 hvitings Hildr (= porbJQrg)
G. Gegner.
1 rogsmenn
XXXII. 2i
364 GAERTNER
7. Gold. 10. Rabe.
20, 2 djüps eldr 41, 2 ben]?i5urr
25,2 onus torg 11. Schulterblatt.
8. Herz, gemüt. 34,2 qryggjar tangi
23. 1 hugborö 12. Schiff.
9. Kampf. 7, 1 ssevar faxi
G, 1 sveröa hriö 12, 1 skoröu sker
13.2 malma gnyr 13. Speise, frass.
13, 2 almping- 30, 1 varga braö
22. 1 ona styrr (?) 36, 2 valtafn
34.2 sverö-el 14. Tod.
36, 1 Ala el 3, 1 Aldr-spell
36. 1 skalmold 3, 2 fjortjöu
36. 2 (F) geirping 28, 2 aldrtili
41, 1 hJQrva ping 15. Wiinde.
42, 2 fleiiidrifa 44, 1 väpna spor.
43, 1 Qrva drif
IL Viökenningar.
2. 1 Kloeings arfi = JoÖiirr 6, 4 Mas son = povgils
3.2 Ingolfs son = porbrandr 11,2 l^arfr Havars arfi = porgeirr.
TII. Halfkenningar.
4, 1 gunnr = frau, göttin 40, 1 hvit brüSr = frau.
11,7 oddr = Schwert 40,2 hriÖ = kämpf
15, 1 stafii = schiff 41, 2 blakkr bjorr = blnt
30, 1 piug = kämpf 42, 1 stal = schwert.
Die kenning-ar bestätigen das s. 354 ausgesprochene urteil.
Originell sind iJormuös kenningar nur zum kleineren teil, am
meisten nocli in der dräpa. Zalilreiclie anklänge an die poeti-
schen form ein anderer dichter (vgl. s. 314. 326 etc.) scheinen zu
beweisen, dass er in der skaldenpoesie seiner zeit wol bewan-
dert war und — was besonders in den lausavisur bemerkbar
wird — es verstand diese kenntnis geschickt zu verwerten.
Häufige Verwendung derselben glieder bei der bildung von
kenningar {swJcir 4 m., Jwllr 6 m. 14, 1. 25, 1. 28, 2. 30, 2. 33, 1.
42, 2) weist auf eine gewisse schablonenmässigkeit hin. Wenig
empfehlenswert ist auch, dass bei der auswahl der kenningar
die Situation oft unbeobachtet bleibt. — Vollendet ist dagegen
seine reiratechnik.
D. Die reimtechnik pormoös.
Die allgemeinen gesetze für die Verwendung der allitera-
tion und der aöalhending sind ausnahmslos gewahrt. Gegen
ZUR -fostbrcedrasagA. 365
die speciellere forderung, dass der liQfuöstafr die erste silbe
treffen miiss, ist niemals Verstössen.
Entgegen der norm erscheint aöalhending in I ') a) sicher in 2, 1
Starf höfsk npp pa's arfa, 2, 5 efnd toksk Hävars liefndar, femer iu 13, 5.
28,3. 30,3. 40,5; — b) mit grosser Wahrscheinlichkeit in 23,1 parf sä's
l^er skal hvarfa (ungeachtet einer an sich möglichen conjectur 'hverfa';
die handschriftliche Überlieferung hat bis auf 1 [hverfla] durchweg hvarfa.
Vgl. dazu 39, 4 ]nngdjarfr, fyr kne hvarfa, wo hvarfa durch den reim ge-
fordert wird).
Flu- die 39 drottkvjiettstrophen der Fbr. ergäbe das (bei 7 fällen)
■i, 48 proc. aller ersten halbverse. In Wirklichkeit erhalten wir aber den
procentsatz 5, 83, da sämmtliche 7 fälle in den vermutlich nur echten 120'-')
ersten halbversen stehen.
c) Zweifelhaft iu 7,3 sujallr vas orr at qIIu (allu); 14,1 Gulls (Golls)
reo porgeirr polla; 39,7 stQndum är ä Qudrum (andrum); 40,3 sär fekk',
heldr, at hväru (hvcru); *43, 3 fär veror fagr af sorum (särum). Nehmen wir
noch in 14, 1. 3) 39, 7.<) (g : g) und *43, 3=") aöalhending als bestehend an«),
so erhalten wir den relativ hohen procentsatz G,4.
Kaum mehr als skothendiug aber bieten : 3, 3 frett es vig, sem vsettik '),
7,3 snjallr vas Qrr at ollu^) und 83,1 pollr, vä'k porgrim trQlla.
Die form des sclilussstückes der drottkygettzeile ist bei
pormuör überall ge-\valirt. Die formen des inneren verses
fügen sich durchaus den von Sievers aufgestellten fünf typen.
Das viergliedrige vorderstück ist zumeist auch nur viersilbig,
doch ist aufKisung- nicht selten.
Am zahlreichsten ist belegt:
1. Auflösung der ersten senkungssilbe in A, nämlich Hrn.; die. auf-
gelösten formen sind: Iigfmn 8,3, diigir 4,1, nenia 5,8, hlutu 15, G, berum
21,7, gerir 32,0, hafa 40,7; bis auf nema also sämmtlich verba finita und
auxiliaria.
2. Seltener findet sich auflösung oder verschleifung in erster hebung:
3 m.: fair 23, 5, bnuinJc F Sß, ö, Hanildr 4:1, 1. Auf lösung von erster hebung
und erster Senkung zugleich nur 42, 3 rekin hitu stgl ä Stikla-.
^) I = im folgenden: erster, II = zweiter halbvers.
^) Von den 156 I der 39 visur wurden abgezogen: die I der str. 4. 9.
12. 19. 20. 21,1. 22,1. 25,2. 33. 43.
°) Vgl. eine zeile Haralds konungs: Golls, es ferr meö skolli Hkr.
3, 148; gulls ist als junge sprachform besser zu meiden.
*) Es ist wol unstatthaft, für eine der umgelauteten formen die ent-
sprechende unumgelautete einzusetzen. Der reim g : o ist sonst in II belegt.
'-) S. oben s.359f.
*) w-umlaut von d ist kaum belegt, s. Kahle a. a. o. s. 32.
') Trotz des reimes rätar : vcetta (*19, 8), vgl. Nj. II, G02 f.
*) Vgl. unten.
24*
366 ÖAERTNER
3. Nur je 2m. findet sich: a) auflösung der zweiten hebiing von A
16, 1 fjgrum und 39, 8 Ufa und b) auf lösung der zweiten Senkung in IG, G
komm und 28, G sJcapat.
i. In dem typus D und E erscheint auf lösung a) des Senkungsgliedes
(2 m. nema 34:,8. 42, G und eöa36,S), h) der ersten hehung in 23,3, einem
Da3 und in 22, 5 einem E^. i)
5. Verschleif bare, zweisilbige Senkung haben in A 20,5, in C 18,3, in
D 21, 2. — Ob in 18, 3 sä vas rceJcjandi enn riJd gleichzeitig zweisilbige
eingangssenkung wie in F 36, 7 es cd geirpituß ggngum anzunehmen oder ras
zu vs zu verkürzen ist, kann nicht mit voller Sicherheit entschieden werden
(vgl. jedoch Sievers, Beitr. 5, 494 b und unten).
Von den 24 zweisilbig-en gliedern in pormuös versen
kommen 10 in II und 14 in I zu stehen. Der häufigkeits-
unterschied 59, 3 proc. in I, 41, 7 proc. in II ist relativ gering-
im Verhältnis zu der sonst bestehenden grösseren neigung- zur
auflösung in I (vgl. Sievers, Beitr. 5, 464 ff.); doch hat es den
anschein, als ob pormoör auflösung eines mehr nach dem vers-
inneren gelegenen giiedes (z. b. zweite hebung von A, Senkung
von D, E) im allgemeinen nur in II gebilligt habe. Von 8
derartigen fällen gehören 7 den II an (in I nur 16, 1 Kent
hefr fjgrum live frcendtim und hier ist fjgrum conjectur! (vgl.
s. 326, anm. 3 zu str. 16).
Der schlussfuss - x wird fast durchweg von einem selb-
ständigen, zweisilbigen worte gebildet, in der mehrzahl der
fälle (194 = 62,2 proc.) einem nomen; die übrigen 118 schluss-
stücke zeigen 14 pronomina, 18 adverbia und partikehi, 52 verba
finita und 34 Infinitive.
a) 20,7 proc. aller substantiva unter den nominibus sind genitive pl.,
zumeist teilstücke von kenningar, deren erste glieder entweder im selben
visuorö stehen 2) (vgl. 3, 4. 4,2. 4,8. 6,2. 11,8. 13,6. 29, 8 etc.) oder in der
zugehörigen halbzeile folgen ») (vgl. 38,7. 41,3. 43,1. 44,7).
b) 31 m. erscheint ein dat. sg., abhängig von einer vorausgehenden
Präposition. Die häufigkeit dieser erscheinung wird darin ihre erklärung
finden, dass die tonlosen präpositionen für die bildung der zweiten Senkung
in dem weitaus beliebtesten typus A ein sehr bequemes material abgeben.
c) Den Infinitiven geht in einem drittel der fälle (10 m.) die tonlose
Partikel at voraus oder ein regierendes hilfsverb (einsilbiges praeteritum) :
1) Di^, W = Dj bez. E mit alliteratiou der hebungen b : c.
*) Diese technik ist fast ausnahmslos beschränkt auf die dräpa; dagegen:
3) Die Vorausstellung des genitivischen kenningargliedes tritt erst in
den letzten lausavisur pormöös auf.
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 367
let (4 m. 2,2. 6,1. 7,2. 17,6, 7« a- 18, 5, Uzk 2h,\. Ict'Jc noj^, m)ll,4.
14. 1. 14, 8. 15, 1, reÖu 41, 5).
Nur in 4 zweiten halbzeilen ist an die stelle des zwei-
silbigen sclilnssfnsses ein dreisilbig-es nonien, mit einem starken
nebenton auf der zweiten silbe, getreten: 12,4 ÜQynvaldi, F 36,8.
40, 2. 41, 2 Aleifi. Wenn wir auch noch skjnJdborgu 25, 8 liier-
herrechnen '). so tritt diese erscheinung doch nur in insgesammt
5 Zeilen auf, d.i. 3,2 proc. der gradzahligen visuor(\ — Dem
Schlussstück l^x ist der vordere teil der betr. verse gleich 2);
wir erhalten also klare E,-verse mit tonlosen präpositionen in
den Senkungen und zweisilbigen compositis als eingangsgliederu
{hjgrfjaldrs, gunn-, vig-, hoÖ-reifr, ormstorg).
Von Verkürzungen der hebungen und nebenhebungen be-
gegnen folgende drei arten:
1. ^'el•kurznllg der zweiten hebung tles typus A (A.^k), nach voraus-
gehender starknebentoniger silbe, belegt 27 m. = 16,6 proc, davon 2g m.
in II, nur einmal in I 14,3 sers hami säat fcerl.-') In der hauptsache
trifft die Verkürzung nomiua, nur in 8, 4. 17, 8 ein verb und 5, 4. 7, 2 ein
adverb. — In 2, 4. 7, 4. *14, 3 und 39, 2 ist die kürze durch antritt einer
vocalisch anlautenden endung bez. der negationspartikel -at an einen aus-
lautenden, ursprünglich langen vocal entstanden.
2. Verkürzung der nebenhebung im typus D (= D^) in 11 fällen:
2, 8. 3, 4. 6, 4. 17, 4. 18, 4. 19, 4. 20, 4. 22, 6. 23, 3. 28, 8. 41, 7. Auf das die
eingangshebuug bildende \yort (8 m. nomina) folgt hier meist ein dreisilbiges
compositum von der form — -^x- In 2, 8 la-ettr — fhnt/'an veträ und 18,4
rcgys) prcttlan seggja linden wir wider Verkürzung eines langen neben-
tonigen vocals vor vocal.
Schwieriger ist die entscheidung, ob wir es mit D^ oder A.^k zu tun
haben in den zeilen 4, 8 pess vigs f'etils sl/'ya, 21, 4 hrert land pegü, hranda,
32.2. 44,2, wo auf die alliterierende eingangshebuug zunächst ein die
frumhending tragendes einsilbiges glied folgt, das seinerseits einem zwei-
silbigen nomen, bez. part. von der form L x vorangeht. Der umstand, dass
in allen vier zeilen die frumhending auf dem zweiten gliede steht, kann
für Aok kein kriterium abgeben, da in 27 A^k-versen zwar 15m. hlut-
hending vorliegt, aber auch 12 m. oddhending.
Da in dem gekünstelten bau des dröttkvaett dem satzaccent oft arg
gewalt angetan wird, wird man auch 21,4 und 32,2 unter A.^k belassen
(für das sonst D^ in frage käme); für 4,8 und 44,2 r(E(ir grann kona
manni als Dj lassen sich ebenfalls keine triftigen gründe geltend machen;
1
) Craigie, Ark. 16, 361, anm. 1.
2) Vgl. Sievers, Altg. metrik s. 104.
') Vgl. aber die conjectur oben s. 324.
368 GAERTNER
3. Verkürzuug der zweiten hebuug eiues Ci iu 27, 5 ef hregghoöa hoggvit
4. Die verkürziiug: der zweiten hebnng und der nebenhebung findet
im allgemeinen nur in 11 statt.
Die allgemeinen regeln über die tonabstufung der einzelnen
Wortkategorien scheinen in den verschiedenen typen mit ver-
schiedener genauigkeit eingehalten zu sein. — Abgesehen
von II, wo der hofiiöstafr ausnahmslos nomina und starktonige
werte trifft!), scheinen die natürlichen ton Verhältnisse am
besten in den typen Ai und Cj beibehalten zu sein. Die
ersten beiden hebungen von Ai werden 56 m. von starktonigen
nominibus gebildet, die in 50 proc. der fälle gleichzeitig die
stu(Mar tragen; 11 m. trägt die Stammsilbe eines verb. fin. die
liebung, die 6 m. alliterationslos bleibt (vgl. 20,1 flestr of ser
Jive fasta, ferner 8,1. 9,1. 21,1. 31,5. 36,1), sonst aber mit-
alliteriert (vgl. 3, 5 feil fyr frcehium siilli, fernert23, 7. 33, 7
(part. praet.) 36,3, 43,1). — Wird der erste nebenstab von
einer adverbialpartikel gestellt, so trägt die zAveite hebung
dann stets den zweiten nebenstab, wenn sie durch ein nomen
gebildet wii^d (vgl. 33, 5 par namli PorJcel fjgrvi, ferner 4, 1.
7, 7. 9, 5. 33, 3. 43, 3). — Starktonige pronomina werden im all-
gemeinen den nominibus gleichgestellt. So kann z. b. in II
ein pronomen, das einen gewissen nachdruck verlangt, vor
einem die zweite hebung bildenden nomen den hauptstab
tragen; vgl. z. b. 16,6 pau 'ro ord komin norÖan, ferner 18,6.
32, 8 etc. — Treten aber in I nomen und wenig betontes pro-
nomen als erste hebungen auf^ so alliteriert das nomen {yg\.
z. b, 23, 5 fair 'rom ver ne fryju) stets, meist reimen jedoch
beide; vgl. 2, 7 Jiann vard hopp at vinna, ferner 23,1. 32,3. 43,5.
Aehnlich verhalten sich verb. finit. (zu nomen bez. pro-
nomen) in erster hebung. Das nomen zieht stets einen stab
auf sich (vgl. 7, 6 sveima [frd'k pai] lieimau etc.); doch auch
das verbalglied ist principiell von der alliteration nicht aus-
geschlossen 2) (vgl. 8, 3 [sgng] hofum sdr of fcngit); ferner
10, 3. 40, 5).
') Dazu gehören auch verse wie 32, 8 mma, gramr, ok pina oder 42, 2
öd frarn{m) Tconimgr (blodi. Als beispiel für die dem satzaccent gegenüber
freiere skaldische technik kann gelten 33, 2 par laut hardr til jaröar, wo
das schwachtonige/)(«r alliterierend dem nomen vorausgeht; vgl. auch 42,2 etc.
-; Eine art ausnähme von diesen wol gemeingiltigen regeln büdet 41, 5
ZUR FÖSTBRO-^DRASAGA. 369
Bei den übrig-eii typen werden (im gegensatz zu A, , C,)
die natüi'liclien abstufungen oft vernachlässigt. So gehen
z. b. in A;. oft nomina und sonstige starktonige Wörter ohne
alliteration schwaclitonigen und docli alliteriei-enden Wörtern
voran; vgl. z. b. 2, 1 Starf Mfsk upp l)d'n arfa, ferner 3, 7.
11,5. 21,7. 25,5. 35,7. 40,3 etc.; ebenso bei K^ in 11,5 IJyrr
hefndi svd sdni, ferner 30, 7. 39, 3. — Umgekehrt alliterieren,
besonders in E und D, zahlreiche voranstehende schwachtonige
Wörter im vorzuge vor nominibus und anderen starktonigen
Wörtern. So in k-X: 14.2 J)vi ncest griÖa cesta; in D z. b. 28,8
Jfcim aldrtili seima\ in E: 27,6 heflc vart i slior svarta etc.
Diese nichtberücksichtigung der natürlichen abstufungen
lässt es öfters unsicher erscheinen, welchem typus ein vers
zuzurechnen ist; namentlich gilt das bezüglich der Scheidung
der typen D und E (vgl. unten).
Alliteration. In 11 trifft der hauptstab natürlich stets
die erste silbe. was im allgemeinen wol auf einen absteigenden
Charakter der II schliessen lässt.
In I überwiegt dagegen 1) das auf ansteigende betonung
hindeutende alliterationsschema 2 : 3 (d. h. alliteration der
zweiten und dritten hebung), da 73 aller I, d.i. 46,8 proc,
mit den hebungen 2 und 3 alliterieren; davon stellt A3, das
in der eingangszeile der drapastrophen nahezu typisch ist,
allein 55 belege; die übrigen verteilen sich auf B (10,5), D
(2: 23,3 und 41,7) und E (15).
2) Mit 32, 7 proc. folgt die alliteration der hebungen 1:2;
47 der 51 fälle gehören allein dem typus A, an, die übrigen
dem typus A^k.
3) Die übrigen 29 I (d.s. 20,5 proc.) reimen 1:3.»)
redu peir und rauÖar, wo das allerdings touscbwache piou. pers. pcir alli-
terationslos hinter dem verb. finit. zurückstehen muss.
') Der auf ball einer anzahl dieser I lässt deutlich erkennen, warum
sie dem schema angehören; vgl. z. b. 8,1 Hrundar berk ä hendi, 9,1 Jlla
rcd'k ßci's (dlar, ferner 20^ 1. 21,1. 23,5. 31,5. 36,1. 42,5 (nebenbei be-
merkt: in sämmtlichen eingängen von visuhelraingar werden die hebungen
1 : 3 von nominibus gebildet, hebung 2 jedoch von schwachtonigeu verbis
linitis oder pronominibus pers. (vgl. 23, 5 Fair 'vom ver ne fr>)ju und 42, 5).
— In 7 von diesen 8 fällen scheint die zweite hebung sogar für ungeeignet
gehalten worden zu sein, wenigstens die frurahending aufzunehmen. Der
370 GAERTNER
Schon anm. 1 zus. 369 ist angedeutet, dass der liending')
die rolle eines ausgieichenden elements zugekommen sein
möge, indem der dichter den nicht am Stabreim beteiligten,
aber doch tonstarken versgliedern (wie nominibus, starkneben-
tonigen ableitungssilben und zweiten, nominalen gliedern von
compositis) die frumhending zuwies, um diesen gliedern dadurch
eine gewisse formelle auszeichnung zu verleihen.
Der binnenreim. a) Ueber aöalhending vergleiche bereits
Seite 365.
b) Bezüglich des consonantischen teils der hendingar ist
folgendes zu beachten:
1. Es reimt einfacher consonant mit einfachem consonant: c:) in I
58 m.; ß) in II 61m.; 28 von diesen fällen sind ganz rein, dagegen folgt
1) in 10 belegen auf den reimenden consonanten, sei es in frumhending,
sei es in oddheuding, das flexivische r des nominativs") (in 4,4. 9,6. 15,3.
31,3. 33,4. 36,8. 39,5. 40,2. 41,2. 44,1); — 2) in 14 belegen genitivi-
sches s (2, 6. 4, 8. 5, 4. 5, 8. 6, 5. 9, 3. 14, 7. 16, 7. 17, 1. 20, 7. 21, 3. 28, 3.
30,8); — 3) in 9 belegen einer der halbvocale ,7 und to^) (i und u) (4,1.
9, 2. 13, 4. 18, 3. 23, 3. 35, 4. 39, 8. 41, 1. 42, 4. 44, 4).
2. Es reimt einfacher consonant mit geminata im silbenauslaut : a) in
I k : kJc, vgl. 43, 5 31ik flö malmr enn dokkvi, 34, 2. r : rr, vgl. 11, 5 Dpr
einzige vers, avo dies geschiebt (21, 1 Hafa pöUum ck, Juettir), ist auch sonst
metrisch anstössig. Die zeilen 16, 7 handar grjöts frä lireyti, ferner 27, 7.
28,7 bilden die zweite hebung mit einem nomen, das einen nebenstab
fordern konnte; wenn der dichter trotzdem das Schema 1 : 3 verwante, so
geschah dies wol aus einer art 'reimbequemlichkeit'; doch bat er dann der
zweiten nominalen hebung die frumhending überwiesen. Der einzige fall,
Avo die zweite hebung vollständig leer ausgeht, wo die alliterierende erste
hebung gleichzeitig oddheuding bildet, lindet sich 20,3 häöar hendr ör
breiÖum (vgl. jedoch s. 375, anm. 1). Dem Schema 1 : 3 gehören ferner an:
2) 4 Ci und 1 C3, wie zu erwarten, da die zweite hebung im typus C weit
schwächer ist als die erste und nicht geeignet erscheint, vor dieser den
ersten Stab zu tragen. — 3) Je ein Dj (8, 7) iind Ej (5, 3). — 4) 10 fälle
der typengruppe Ej— D*4, von denen wir mit vorbehält 27, 1. 30, 5 dem
typus D4 und 2, 3. 3, 1. 7, 5. 13, 5. 19, 1. 36, 7. 42, 5 dem typus Ej zuteilen
(vgl. unten). — Auch bei ihnen scheint das schema 1 : 3 dadurch erklärt,
dass die zweite hebung, bis auf 36,7 (ßat), von einem verb. fin. gebildet
wird , während die hebungen 1 (ausser in 36, 7) und 3 (bis auf 13, 5 eipi
und 27, 1 undir) auf nominalsilben ruhen.
^) D. h. nur der frumhending, da die viörhending an das fünfte vers-
glied gebunden ist.
'') In 20, 6. 42, 7 reimt dagegen das r mit.
3) Vgl. Gislason, Nj. II, 926 ff.
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 371
hefnäl svä sära, feruer 16, o. 35, 3. s : ss 8, 7. t : tt, vgl. 3, 7 Utt ras ßar
tu prcetti, ferner 0, 3. 36, 5. 32, 7. n : nn 40, 5. ß) In IT findet sich, ausser
dem reim rr : r in 10, 6 P orgeirr : mein', 17, 8 Porgeirr : eiruin, 33,8 Fal-
geirr : peira, kein beispiel für den reim von einfacher consonanz mit genii-
nata (im silbenauslaut).
3. Es reimt geminata mit geminata (eingerechnet wurden wider a)
die fälle, wo auf die geraiuata noch eine flexionsendnng folgt: 6 m. -r 2,4
7,2.3. 17,6. 25,3. 33,1. — lim. -s 4,2. 5,2. 7,4. 8,6. 11,7. 14.1. 18,4.
21,6. 27,4. 28,7. 39,6; — oder b) ein halbvocal 27,5. 36,8).
a) In I ddn,l, gg 27, b (ggj 10, b), U-4,7. 41,7, II 13 m.'), nn 12 m.«),
rr 25, 5, tt 6 m.») = s. s. 37 m. ; — ß) in II II, tt je 3 ra.'), nn 17 m. >), gg 4 m.'),
rr 7, 8. 15, 8, Ick 29, 6, pp 27, 4 = s. s. 31 m.
4. Es reimt ein consonant einer gruppe mit einer gemiuata: tc) in I
pn : jjp 6, 1. rt : rr 10, 1, i)t : pp 31, 1, tr : tt 32, 7; — ß) in II tr : tt 19, 2,
kk : kp 34, 2. Diese fälle lassen sich an gruppe 2 anschliesscn, wenn man
als regel aufstellt, dass alle eigentlichen flexionsendungen und consonanten
von ableitungssilben (insbesondere die dentale des praeteritalsuffixes der
schwachen verba) beim reim ausser acht bleiben dürfen, aber nicht müssen,
vgl. die gegenbeispiele 30, 6 gort : srgrtiu», 28, 4 mart : siiirtd, 29, 7 gott
: hetti, 43, 7 hrast : nirsta ; auch das suffixale -t) reimt mit in 12, 5 sparöi
: fyrdn; vgl. dazu 31, 1. 34,2.
5. Es reimt einfacher consonant mit dem ersten consonanten einer
gruppe. — Lassen wir auch hier art und herkunft der gruppenbildenden
consonanten zunächst ausser betracht, so reimen: a) in I k : ä:Z 42, 3, j) : pn
44, 7, r : rn 30, 7, t : Ü 15, 7, t : tr 15, 3; — ß) in U k : kt 11, 6, g : gd 16, 8,
k : kd 10, 4, /)• : fj 29, 8.
Von diesen belegen gehören jedoch nur 42, 3 rekin : Stikhi-, 44, 7 djitp
: räpna (vgl. nom. rapn), 30, 7 meir : porna und 15, 3 itr : heitinn streng
genommen hierher; nach dem unter 4) bemerkten gehören dagegen zu
gruppe 1: aus I 15, 7 üt : litla; aus II 10, 4 Hoekils : roekdi, 11, 6 sUkt : riki,
16, 8 hug : brugdit und 29, 8 hefr : stefja. — Diese 'freieren' hendingar (ein-
facher consonant zu erstem cousouauteu einer gruppe) finden sich übrigens
Avider nur in I.
Ueber die art und Stellung der hending in den zeilen 10, 7 Iciks hef'k
slikt frä sccki, 14, 8 fidlmaii, rcD ta-Ja, 25, 1 lietr lezk beita sktdli, 33, 3 äÖr
red'k, odda liridar, 33, 5 par namlc Porkel fjgrvi, 34, 1 Eis hef'k (Ulan dihi),
41, 3 /)ar gekk liära hjgrva vgl. s. 375. — Auch diese reime gehören, ab-
gesehen von 14, 8, sämmtlich wider den ersten halbversen an.
Zu abteilung 5 (bez. 1) kann als relativ sicher noch gerechnet worden
33, 3 — wo das zweite der drei Ö in eine schwere senkungssilbc zu stellen
kommt und damit hinter ('ii)r zurücktreten niuss, das gleichzeitig den ersten
nebenstub liefert.
6. Es reimt der erste consonant einer gruppe mit dem ersten conso-
nanten einer zweiten gruppe. — In I 16, 1 Kcnt : frcemhun, 18,5 hjaldrs
') L'eber die belegstellen vgl. das rimarium.
372 GAERTNER
: hgldum (hauldum'^)^) und 36,3 ski/ldnt : hglÖur (hanldar?)^); in II 31,4
Jians : fjanöi. — Betreffs 31, 4 vgl. abteilung- 4. — 16, 1 schliesst sicli ara
besten den unter 5. aufgeführten reimen an.
Nach ausschluss aller zweifelhaften fälle bleiben für den ersten halb-
vers nur 5 der unter 5. u. 6. angegebenen belege bestehen, das sind 4, 2proc.
von 120 I. — Der vergleich mit den von Kahle, Skaldensprache s. 6 ff. ge-
gebenen procentsiitzen zeigt, dass die techuik pormöös sehr entwickelt und
fortgeschritten war. Bestätigt wird dies urteil dadurch, dass der zweite
halbvers keinen einzigen richtigen beleg für diesen ' unvollkommenen reim '
aufAveist.
7. Es reimt zweiconsonantige gruppe mit einer zweiconsonantigen
gruppe: a) skothending 89m.: kl, nd je 7 m., — iu/ Gm.. — rÖbm., — fn,
ks, rf, rn, st je 2m., — ör, lÖ, pt, rt je Im. — b) aöalliending 53m.: rÖ
11 m., — Id 8m., — nd Im., — ng Gm., — rf 4m., — rt 8m., — gn, kl,
Im, rg, rn je 2 m., — fn, If, st, ir je 1 m. (eingerechnet sind wider die
verse, bei denen auf die frumhending-gruppe noch eine flexionsenduug folgt:
1) -s 8, 5. 17, 4. 20, 4. 22, 4. 27, 7. 80, 2. 34, 7. — 2) -r a) 28, 1. 29, 2.
38,2. 6. 39,2. 4. 41,4. — ß) 22,3 und 33,7 (part. praet.).^) — y) 9,7.
12, 7. 19, 7. 28, 5 {hcldr, got. lialdis). — d) 12, 8 djarfra und 39, 7 midrum.
— 3) 30, 1 hefnö : Jirafni, 29, 1 strengDi : pingi.
8. Es reimt eine consonantengruppe mit dem eingang einer umfang-
reicheren gruppe: 12,3 hjaldr-s, 12,4 galdr-s, 30,3 Baldr-s : Id; ferner
43, 1 undr-ask : land-a, 28, 1 undr 's, hei eigi kendu. — Man beachte
widerum das Zahlenverhältnis 4 (I) : 1 (II).
Vergleicht mau diese reime mit den unter 6. aufgeführten 5 'unvoll-
kommenen', so ergibt sich eine Steigerung des procentsatzes in I von 3,5
auf 6, 2 und in II von 0 auf 0, 7.
9. Es reimt eine dreiconsonantige gruppe mit einer gleichartigen
gruppe: a) in I 2, 5 fnd, 35,7 ngr, 42,7 str (10,5 ggj). — ß) in U 20,6
ngr, 25,6 rst (erste gruppe noch mit flexiv. -r: dyrstr). (16,4 Igj). Sind
Str. 20 und str. 25, 5—8 nicht von pormoör (vgl. unten), so zeigt dieser drei-
consonantigen reim nur in I (3 mal).
10. Durch langen vocal gebildeter binnenreim ist nur in 23, 5 {fair
: fryju) zu constatieren, ein beweis für die Unbeliebtheit der vocalischen
hendiug.
Die regel, dass die reimende gruppe nicht über eine com-
positionsfiige hinweggreifen solle, ist von pormoör sowol für
aöalliending, wie skothending streng eingehalten worden. Doch
auch von dieser regel gibt es sonst genug ausnahmen; mir ist
also zweifelhaft, ob nicht doch der reim gö besteht in 16, 8
}mg^]janns vid mun hrnxjöit. — Den auslautenden vocal eines
') Vgl. dazu oben s. 361 f. und anm. 1.
-) Vgl. jedoch auch reime wie 2, 8 hveiir : cet(t)ra.
ZUR FÜSTBR(EDRASAGA. 373
Wortes fasst pormoör mit dem anlautenden consonanten des
näclisten nur in 22, 8 J)ri-tügr : Uta zusammen.
Bemerkenswert ist vielleicht nocli, dass in 4 visuorc^ fium-
und viörliending: ZAveisilbig sind: 6, 8 {(jjarna) SJcüfs oJc Bjarna\
7,6 sveima {fra'k pat) liciman; 30,4 varga sctrs viÖ mar(ja\
32, 8 mina, gramr, ok Juna. 1 )iese reime geben den lialb-
stroplien, an deren schluss sie stehen, einen wirkungsvollen
a'bschluss.
Die rhythmischen typen, purniuör liebt es, seinen
Versen- entweder aufsteigende oder fallend-steigende betonung
zu geben. Damit hängt natürlich die Verwendung der ein-
zelnen typen eng zusammen. — Aufsteigenden Charakter haben
schon an sich die typen A^, B», D', E»'), die 46,8 proc. aller
I (156) für sich in anspruch nehmen. Sie sind auf 1 be-
schränkt, da II stets mit dem hofuöstafr einsetzt und von da
aus absinkt; darum fehlen auch B und C in IL In I spielen
sie gleichfalls keine rolle; pormoör zieht es vielmehr wie alle
vor, die dr6ttkv;ettzeilen mit einer hebung zu beginnen. Am
stärksten kommt diese neigung in der ersten zeile der stroi»he
zum ausdruck, für die B und C offenbar vollständig verpönt
waren. — Insgesammt sind belegt: typus B Im. (d.i. für I
[156] 0,64 proc), typus C 5 m. (= für I 3, 2 proc), typus D nur
4 m. = mit ca. 2,56 proc. in I, dagegen 43 m. = mit 27, 6 proc.
in II. — EtAvas weniger charakteristisch ist das verteilungs^
Verhältnis beim typus E: 25 m. in I (16 proc. aller I), aber 42 m.
in II (= 27 proc); von jenen 25 E in I sind aber 15 E^! —
Die weitaus grösste masse sowol für I wie für II liefert A
mit seinen untertypen: in 1 120 belege (=76,9 proc. aller I),
in II 72 (= 46, 1 proc. aller II).
begegnet in I 61m., in 11 37m. — Belege: 2,7. 3,5. 4,1. 2. 5,5. 6. 8.
6,3.8. 7,1.6.7. 8,1.3. 9,1.5.6. 10,3. 11,2.3.6.7. 12,3.6.7.8.
13, 3. 7. 15, 1. 3. 6. 7. 16, 3. 4. 6. 7. 17, 1. 5. 18, 6. 7. 19, 2. 5. 20, 1. 3.
5. 8. 21, 1. 3. 23, 1. 5. 7. 25. 1. 27, 7. 28, 1. 4. 6. 7. 29, 3. 6. 30, 2. 4.
31, 2. 3. 5. 32, 3. 6. 7. 8. 33, 2. 3. 5. 6. 7. 34, 1. 2. 3. 5. 7, 35, 2. 5. 8.
36, 1. 3. 6. 39, 6. 40.. 5. 6. 41, 4. 5. 6. 43, 1. 2. 3. 5. 6. 7. 8. 44, 7. —
Das viergliedrige vorderstück von II weist auf: a) 2 ra. dreisilbiges + ein-
*) C* ist wegen der geringen stärke der zweiten hebung in C von
selbst ausgeschlossen.
374 GAERTNER
silbiffem wort: in 16, i chjlgjnsamt at fylgja mii Si, 2 (ioidarl/gt) d siaifh';
b) 3 ni. zweisilbiges + zweisilbigem wort, iu 11,2 parfan Härars arfa,
12, 8 djarfra Häcars arfi, 20, 8 (jräöwjs üra (bädum) gegenüber nur 2 be-
legen in I (36, 3 shjlthit skelkmr hoWar und -±3, 1). — 4 einsilbige wovte
weisen auf in I 13 zeilen : 2, 7 hann varÖ hopp at rinna, 6, 3. 12, 7. 15, 1. 3.
17.5. 18,7. 20,1. 23,1. 31,3. 33,7. 43,3.5; — in n 12 zeilen: 9,6 })rü<ir
Mnn mart en prüda, ferner 11, 6. 18, 6. 28, i. 29, 6. 30, 2. 33, 2. 6. 35, 8.
40.6. 41,4. 43,2. — Das erste und dritte glied wird in 7 von den 12 bei-
spielen in II (= 58, 3 proc.) durch je ein nomen gebildet (vgl. 9, 6 prüdr
Jainn mart ..., ferner 11,6. 28,4. 30,4. 33,6. 40,6. 41,4; in den übrigen
durch nomen -|- adverbialpartikel (vgl. 29, 6 rehlcr Iczk ei miJc peJckja, 33, 2)
oder prononien (vgl. 35, 8 hdd, ef ek iiiä ralda, 18, 6. 43, 2). In I findet
sich au erster und dritter stelle iu obigen 13 zeilen: a) nomina 7m. =
53, 8 proc. (6,3 hrutt gut hrafn at slita, 12,7. 15,1.3. 17,5. 31,3. 33,7);
— b) nomen und pronomen 4 m. (vgl. 2, 7 liann vard MPP «^ vinna, 18, 7.
23,1. 43,5); — c) nomen und adverb Im. (43,3 für verör fagr af särum) ;
— d) nomen und verb 1 m. (20, 1 Flestr of ser hcc fasta).
Die Stellung der alliteration und der hendingar in Ai ist für II folgende:
die erste hebuug (= silbe) trägt, wie in allen II, den hofuöstafr, während
die erste und dritte haupttouige silbe die hendingar enthalten. — Bezeichnen
wir im folgenden die drei für die alliteration in betracht kommenden he-
bungen mit a, b, c und die die hendingar enthaltenden tousilbeu (bez.
nebentonsilben) mit a, ß, y (bez. n), so ergibt sich z. b. als reiraschema,
d. h. als Schema für die Stellung von alliteration und hending, für A, in II
a — ay (vgl. 9,6 prüdr kann mari en prüda); aiTsnahmen (mit dem Schema
a — ßy) bilden nur 1Q,Q) pau 'ro ord komiii norhan, ^3,2 par laut harÖr
tu jardar, F 36, 6 seggr skijli orÖ nm fordask.
In I ist das reimschema ab — ay (vgl. 11, 3 hlyra hrafns, med geiri)
50 ni. vertreten, das schema ac — ßy 4 m. (vgl. 16, 7 handar grjöts frä hreyti,
ferner 21, 1. 27, 7. 28, 7). — das Schema ac — ay 7 m. (vgl. 8, 1 Hrundar
herk ä hendi, ferner 9, 1. 20, 1. [3]. 31, 5. 36, 1. 42, 5).
a) In I steht im eingange ein zweisilbiges wort 12 m. (11 m. ein
nomen, 1 m. ein pronomen) = 33, 3 proc. ; in II auch nur 12 m. = 19. 8 proc. ;
— h) I enthält 31 zeilen mit zweisilbigem worte an dritter stelle, d. i.
50 proc, denen II nur 3 (vgl. 19, 2 läir pats Fäfnir ätti, ferner 5, S. 33, 5
entgegenzustellen hat, d.i. 8, Iproc^)
Die in a) auftretenden Schemata sind: a) für I 1) ac — (.7= 7 m., vgl.
8, 1 Hrundar ber'k ä hendi (das überwiegen dieser Stellung der stäbe und
hendingar erklärt sich daraus, dass in 6 der 7 fälle die zweite hebung
durch ein verb. finit. oder (1 m. 41, 5 rcdu par und raxidar) tonschwaches
pron. gebildet wird; nur 1 m. steht in alliterations- und hendingloser
zweiter hebung ein nomen: 20,3 hädar hendr 6r breidwn; diese zeile ist
') Beliebt zur ausfüllung der ersteu Senkung ist hier, wie auch in
den Zeilen mit 4 einsilbigen werten als ersten gliedern, das verb. finit. (ein-
schl. hilfszeitwort), es ist 14 bez. 13 m. belegt: ein zeichen für die geringe
tonstärke dieser wortgattung.
ZUR FÜSTBRCEDRASAGA. 375
als incorrect zu bezeichnen, da alle übrigen hierhergehörigen A,, mit ein-
silbigem nomeu an dritter stelle, tatsächlich das Schema ab — «}' (vgl. 11,3
hlyra Jirafiis, med geiri, 23,7 etc.) oder ac — ;>'}- (vgl. 27,7 iiadda bori)a pr/'t
Nirdi, 28,7 etc.) haben, i) — ^i) für II 1) a — «y = 8 m. (das die zweite
hebuug bildende alliterations- und heudiuglose glied ist 2 m. verbum linituni
und 1 m. pronomen); — 2) a — ßy ■-= 4 m. (das die frumhending tragende
glied ist stets nomen).
A«
ist der iu I am häutigsten belegte typus neben A, , nämlich 55 m., d.i.
35,9procent. — Belege für A^: 2,1. 5. 3,3. 7, 4,3. 5,1. 7. 6,1. 5. 7.
7,3. 8,5. 9,3.7. 10,1.7. 11,1. 13,7. 14,1.5. 16,1. 18,1.5. 19,3.
20, 7. 22, 1. 25,3. 5. 7. 27, 3. 28, 3. 5. 29, 1. 5. 7. 30,1. 3. 31,1. 7.
35,1.3.7. 36,5. 39,1.5.7. 40,3.7. 41,3.7. 42,1.3. 44,1.3.5.—
Besonders beliebt scheint A3 im ersten visuorö gewesen zu sein, da von 35
Stropheneingängen allein 15 diesem typus angehören (von den vermutlich
echten 12 Strophen der drapa: 2. 3. 5. 6. 7. 10. 13. 14. 15. 16. 17. 18
allein 8). — Da bei drei nominibus in I jedes derselben entweder am stab-
oder binnenreim beteiligt sein muss, die Stellung der alliteration iu A3
aber dieselbe bleibt (bc), so kann als schema für die Stellung von alliteration
und heuding nur bc — ay auftreten, belegt 37 m. = 66 proc. der A^ (vgl.
z. b. 2, 1 Siarf höfsk xijjp pas arfa etc. — Besteht jedoch das die erste
hebuug tragende glied nur aus einem relativ tonschwachen wort (verb.
tinit. oder pron.) so erscheint das schema bc — ßy (19 m. = 33 proc. der A»;
vgl. 4, 3 oft flygr grünn frd gunni oder 9, 3 mir harsk döms i dranma
oder 28, 5 burgumk, längs pvit lengra). — Eeimloses nomen in erster
hebung haben nur 10, 1 {Hüs), 35, 3 {hnd), 42, 7 (reyitdr), die übrigen 14
A3 mit dem schema bc — ßy haben in der ersten hebuug entweder verb.
tinit. = 5 m. (vgl. 9, 7 liknumk, 28, 5 hurgmnk, 30, 1 Matkak, F 36, 5 himmk,
44, 1 emka) oder partikel = 5 m. {oft 4, 3. 13, 7, enn 6, 5, noergi 8, 5, pur
18, 5) oder pronomina {mir 9, 3, p)ä 19, 3, pir 39, 1, Ijat 44, 5). — Da bei
zwei nominibus iu zweiter und dritter hebung beide sowol alliteration wie
hending tragen, wird man 41,3 par gekk hära hjgrva mit anscheinend
dreifacher hending r zu bc— /?/ rechneu, dagegen 10,7 Iciks) liefk sUkt frä
sceki wol besser zu bc — ay. Von 37 belegen dieser scheraas zeigen 25,
d.i. 67, 6 proc, ein durch hending ausgezeichnetes nomen an erster stelle;
die übrigen zwölf 7 m. ein verl). finit. (18, 1 oUi, 25, 7 veitli, 29, 1 strcngdi,
31,1 Skoptak, 31,7 setti, 35,1 Brennum, 39,7 sPpidum), 4 m. eine adv.
Partikel (29, 5. 40, 7 ncer, 25, 5 Ggrr, 39, 5 Brott), 1 m. kann. Es ist be-
merkenswert, dass in 50 proc. dieser 12 fälle die den ersten stab tragende
zweite hebung der zeile ebenfalls durch ein relativ tonschAvaches wort ge-
bildet wird, das offenbar ungeeignet schien, noch die frumhending aufzu.-
nehmen (vgl. 25, 7 oss, 29, 1 pess, 31, 1 enn, 39, 7 är, 25, 5 hiii, 36, 5 vir).
Das viergliedrige vorderstück der 55 A3 wird gebildet: 34 m. durch
*) ^&1- jedoch die lesart der zeile in lOs (s. oben s. 370, anm.) bäöar
hendr 6r brendom, mit normalem schema ab — ßy.
376 GAERTNER
vier einsilbige Wörter (23 nach dem Schema bc — «}', 11 nach bc — ßy),
13 m. von einem zweigliedrigen + zwei je eingliedrigen, und 8 m. von je
zwei eingliedrigen + einem zweigliedrigen worte. — Erwähnenswert ist
jedenfalls, dass danach bei 60 proc. aller A3 das vorderstück durch vier
einsilbige worte gefüllt ist (bei Ai nur in 34,7 proc.) und dass in allen
den 42 A'"*, in denen die erste hebung durch ein einsilbiges wort gebildet
wird, die nachfolgende Senkung ein verb. fiuit. (einschl. hilfsverb) enthält.
ist avif II beschränkt, wo es 33m. (d.i. 21,15 proc. aller II) belegt i) ist.
Belege: 2,4. 3,2.8. 4,8. 5,4. 7,2.4. 8,4. 10,4.8. 14,2.6. 15,2.
17, 8. 18, 2. 21, 4. 22, 4. 8. 23, 4. 8. 25, 6. 27, 8. 30, 8. 31, 6. 32, 2.
33, 4. 33, 8. 34, 6. 36, 6. 39, 2. 8. 42, 2. 44, 2. — Die bei A^k möglichen
Schemata für die Stellung von alliteration und hending können nur sein:
1) a — ay (vgl. 5, 4 rögsmenn saman gnuga): — 2) a — ny, vgl. 2, 4 hug-
snjallr — Klocings falla (die frumhending steht in der nebentonigen Senkung),
da der hofuöstafr nur die erste hebung trifft und die zweite verkürzte
hebung aöalhending nicht bilden kann. Schema a — c.y ist 14 m., schema
a — ny 19 m. belegt.
In 26 der Ask werden die ersten beiden glieder durch ein compositum
der form — -1 gebildet und nur in 6 fällen von zwei einsilbigen Worten
(4, 8 pess r/g.% 14, 2 ßri ncest, 21, 4 hrert land, 23, 8 miit starf, 32, 2 ßm's
oft, 42,2 o5 framm, 44,2 rcebr grann), von denen das zweite sich meist
syntaktisch eng an das vorhergehende anschliesst.
Die nebentonige Senkung kann, wie das 14 m. belegte Schema a — ay
(vgl. z. b. 3, 2 Ingolfs sonar (pingat) beweist, der hending entbehren, wenn
sie auf relativ schwachtonige versglieder, meist ableitungssilben, zu stehen
kam: 3,2 Ingolfs, 8,4 siMings, 10,4 Hcekih, 10,8 sannspiirt, 22,8 ßri-
tegr, 27, 8 ncetthigs. — Steht an zweiter stelle dagegen ein selbständiges
wort oder compositionsglied , so trägt dieses stets die frumhending:
4, 8 pess vigs ( : st/ga), 21, 4 hreri land ( : hranda), 44, 2 rcEÖr grann
{•.mannt), 2,4 hug-snjallr (: falla), 7,2 svip-runnr (: gunnar), 7,4 tind-
linns ( : sinnum), 18, 2 fhig-iraitdr ( : dauöa), 39, 2 all-valdr ( : sJcaldum),
36,6 ral-tafn (•.hrafni); — vgl. dazu noch die namensformen wie 33,8
Fal-geirr ( : peira), 3, 8 Porbrandr ( : vandar), 17, 8 I^orgeirr ( : einnn),
30, 8 Porgeirs ( : flei7i).
A,l
ist nur zweimal einwandsfrei belegt: in 15,8 erring feil ä Jcnerri und 34, 4
Gr(enlendingwn brendan. — Einen dritten beleg würde 35, 2 mit der lesart
Hkr, hüs (vgl. oben s. 340 f.) bieten : Inn-ey pau's rer ftmmm ; die lesart der
Fms (DKL) etc. (vgl. a.a.O.): Inni pau's ver finnum aber ermöglicht die
Überführung von 35, 2 nach Aj.
Aab,
d. h. A mit nebenton in zweiter Senkung, ist nur 4 m., d. i. in 2,56 proc. ver-
treten : vgl. 16, 5 (pcegs) frak I->orgeir eigu, 32, 5 kann he fr Imnds rerk unnit,
Vgl. dazu noch s. 377.
ZUR FüSTBRffiDRASAGA. 377
ferner 33, 1. -it, 1. — Auch hier wird die erste Senkung (wie überall in A»)
durch ein verb. finit. gebildet, dem in erster hebung nomiua (bez. pro-
nomina, vgl. 32, 5) mit stab und oddhending vorausgehen. Das reimsciiema
ist ab — ay.
B
ist nur durch 10,5 rarö (eg(/ja) par pn'ggja einigermassen sicher belegt;
— 17, 7 {a()r fräyum) par (peira) und 40, 1 A sei; at ver vörinn dagegen
gehören eher zu E' (vgl. unten).
C
ist im. sicher belegt: a) 3m. Cj, mit dem normalen schema ac — ßy (vgl.
15,5 (ädr) sigrei/nir s/iium, ferner 17,3. F3G,7); erste + zweite hebung werden
durch ein compositum gebildet, dessen starktoniger, erster teil die allitera-
tion, dessen schwächer betonter zweiter teil die frumhending trägt; —
b) Im. C3 27,5 ef hreggboöa hoygnt, hier steht jedoch, weil die zweite
hebung kurz ist, die hending in der ersten hebung. — Zu Ci wird, wegen
der Stellung der Stäbe, noch zu rechnen sein: 18,3 sä vas rakjandi enn
riki, mit zweisilbiger eingangssenkung und verschleifbarer zweiter Senkung.
D
kommt nur 4 m. in I, aber 43 m. in II vor und zwar in allen seinen
Unterarten :
1. Dl kann als gesichert gelten: a) in 4,6 margrjoöanda pjööur,
ferner 6,6. 8,7, 11,8. 36,2, avo die ersten 4 glieder der zeile durch ein
compositum von der form _L|-!--!-x gebildet werden; — b) in 4,4 gjuör —
ButraUa hlöbum, ferner 8,6. 9,4. 13,8. 21,2. 29,4. 42,8, wo es sich um
zwei nomina von der form -!-j-!-Ax handelt; — mit einiger Wahrschein-
lichkeit gehört ferner noch c) hierher: 2,6 haf-stöÖs pas vas Modi.
Die reim,stellung scheint streng geregelt zu sein. Die beispiele unter
a) desgl. noch 2, 6 haben das schema a — ßy, d. h. die frumhending trifft
die Stammsilbe des zweiten gliedes des viersilbigen noniinalcompositums.
Von den 7 Di unter b) haben 6 das schema a — ay; nur in 21,2 (!) Iiafs
soekjandi ef Uelcir ist das zunächst mit hreins z. 3 zusammengehörige sak-
jandi am binnenreime beteiligt.
2. a) D2 ist nur 2m. sicher belegt: in 23,3 svara)- höglega hrerju
und 41, 7 fehle henpiöurr blakkun, beide Zeilen mit alliteration der hebungen
2 und 3, also gleichzeitig dem typus D' angehörend; — b) in 9 fällen:
2,8 hvettr — fimtian retra, 3,4 vald alfgöurs ijalda, 6,4/io/(?) Müsstjni goldü,
17, 4 sverö aldrigi verÖa, 18, 4 reggs) prettkm seggja, 19, 4 merkr friir^duns
vänir, 20, 4 harbs pjodkonungs gardi, 22, 6 morö) rarliga oröinn, 28, Speim
aldrlili seima, kommt A^k el)enfalls kaum in frage.
Die verkürzte nebentonige Senkung gehört 6 m. einem nominal-, 2 ra.
(2, 8. 18, 4) einem numeralcompositum an und 2 m. adverbien (17, 4. 22, 6).
8 der unter b) augeführten 9 visuorö haben das schema a — uy; eine aus-
nähme macht nur 19, 4 merkr frnncthms vänir mit dem schema a — ßy
für D,.
378 GAERTNER
Auf die scliwierigkeit der Scheidung zwischeu D^ und E, ist schon
s. 3G9 hingewiesen worden. Auf grund der natürlichen satzhindung rechne
ich zu Di 23 verse, von denen 21 auf II (vgl. 2,2 uuöreitir let dauöan,
G, 2. 8,2. 9,2 {ey-Draupnis) (jafk meyjv, 11,4 hapjjaudigr reo dmiDa, 13,4
hj(^rdjarfan nam fjgrvi, 14, 8 fullmoili, red kein, IG, 2 folkbeüir skal veita,
17,6 mülsnjallr es let falla, 18,8. 19,8. 20,2 fagrhknar hefk tüna, 20,6
imgr, ßeim es bregÖr hungri [A?], 22,2 ona hjaltaty fjönir, 23,6. 25,2.
27, 2 oft finniimk pess minni, 29, 2 parflyndr, ef mik fyndi, 31, 8 gunnfjön
[vtd vier sjönir, 42, 8 fleindrifu) ser hltfa, 43, 4 fannk grva drif, svanni),
und 2 auf I (vgl. 21,1 ^grcendi treÖsk undir, 30,5 gnypolli leVk gjaUa)
kommen. — 27, 1 und 30, 5 sind neben 8, 7 ummjsandi ossa = D, und
23,2. 42,7 = Da^ (vgl. s. 377) die einzigen belege für D in I; sie haben
beide das Schema ac — ßy. Dass die nebentonige Senkung keine hending
hat, ist erklärlich, da sie auf verb. finit. ruht.
Ganz denselben auf bau zeigen in II 19,8 (sliks) rettar skaJk vcktta,
ferner 11,4. 14,8. 16,2. 17,6. 20,2. In 31, 8 gunnfjön (viö nur sjönir) wnCi
29, 2 parflyndr, ef mik fyndi (in beiden nur ein zweigliedriges compositum
an erster stelle) und in 42, 8 fleindrifu) ser hlifa jedoch steht statt des
verb. finit. (vor dem von diesem abhängigen und den schlussfuss bildenden
Infinitiv: uomina haben nur 11,4 [dauöa], 20,2 [tüna]) ein an das folgende
nomen (vgl. 31, 8) bez. verb. infinit, (vgl. 42, 8) oder verb. finit. (vgl. 29, 2)
sich eng anschliessendes pronomen. — In 2, 2 audveittr let dauöan, ferner
in 9,2. 12,2. 13,4. 20,6 erscheint dagegen das schema a — ay; das die
zweite hebuug tragende nomen ist darin von der hending ausgeschlossen.
Gründe hierfür lassen sich kaum angeben, ausser bei 20,6 migr, peim es
bregör hungri, wo das zweite ein relativ nur schwachtoniges pronomen ist.
9, 2, 12, 2. 20, 6 gehören zweifelhaften Strophen an.
Ueber die silbenzahl der die viergliedrigen vorderstücke der D füllenden
Wörter gibt folgende tabelle aufschluss:
Dl Do D,3 D,
14-1 + 1 + 1 — — — 1
1 + 1 + 2 1 — — —
1+2 + 1 — — — 8
2 + 1 + 1 1 — — 3
1+3 7921
3 + 1 _ _ _ 8
4 5 _ _ _
E
ist nach A (192 m. = 61, 5 proc. aller verse) am zahlreichsten vertreten,
nämlich 67 m. = 21, 4 proc. Die hauptmasse der belege findet sich in 11
(E, 3, 6. 5, 2. 7, 8. 8, 8. 9, 8. 10, 2. 6. 12, 2. 4. 13, 2. 6. 14, 4. 15, 4. 16, 8.
17, 2. 19, 6. 20, 2. 23, 2. 25, 4. 8. 27, 4. 6. 28, 2. 30, 6. 31, 4. 32, 4. 34, 8.
35,4.6. 36,4.8 viggrudr) eöa her liggjum, 39,4. 39,8. 40,2.4.8. 41,2.
42, 4. G. 44, 4. 6. 8) = 42, in I nur 10 m. (a) Ei 2, 3 hestrennir vas hlunna,
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 379
3,1 AldrspcUi kvcd'k oUu, 5; 3. 7,5 SJnrolnnim rcÖ sojJcir, 13,5 öfeigum
varÖ eijii, 14, 3 scr's eiyi sa fa'vi, li), 1 Loftinuin (jaft lenyi, 39, 5 Bikr,
vilk med per, rtckir, 36,7 viksk cigi pal rüfja, 42.5 Elpollu mk, alla; —
b) E- 4,5 pött kuiDii mitn minni, 4,7. 11,5. 12,1. 5. 13,1. 17,7. 19,7.
22, 3. 5. 7. 30, 7. 32, 1. 39, 3. 40, 1).
Zu El lassen sich mit Sicherheit rechueu: in II:
1) 15 Zeilen (wie 5, 2 loidlinns] pas svik vinna, ferner 7, 8. 10, 2. G.
13, 2. 6. 14, 4. 15, 4. 17, 2. 23, 2. 27, 4. 32, 4. 35, 4. 39, 4. 42, 6), in denen im
eingange ein zweisilbiges nomen (meist compositum) steht, dessen erstes
glied den hofuöstafr trägt (8 m. zugleich die oddhending 7, 8. 10, 2. 13, 6.
14, 4. 23, 2. 32, 4. 35, 4. 42, 6), und dessen zweites glied (7 m. die frum-
hendiug enthaltend: 5,2. 10,6. 13,2. 15,4. 17,2. 27,4. 39,4) einen starken
rhythmischen nebenton tragen kann und deren viertes glied widerum durch
ein nomen gebildet wird. Dieses ist entweder a) ein nomen mit kurzem
stamniTocal : 5, 2 svik, 7, 8 Iiaf, 10, 2 sti/r, 10, 6 hrpt, 13, 2 und 14, 4 liö,
li),iprek, 11,2 prot, 35,4 und 42,6 (jravi; — oder b) ein nomen mit
langem, aber auslautendem vocal : 13, 6 fjny, 23, 2 und 39, 4 kne, 27, 4 strä
(vgl. Craigie, Ark. 16, 343 ff.).
2. 5 Zeilen (wie 12, 4 hjprgaldrs med liogncaldt, 25, 8 ormstorg) i
skjaldborgu, F 36, 8 gunnreifr med Äleifi, ferner 40, 2. 41, 2), d. h. verse, in
denen die zweite hebung von dem ersten gliede eines dreisilbigen com-
positums getragen wird, das gleichzeitig den schlussfuss — x liefert.
Zur masse der weniger gesicherten Ei gehören:
a) 7 visuorö (8,8 ürkgndils! mü'k sunt, 20,2 fagrhunar hef'k täna,
28,2 elhgrvar mik ggrca, 35,6 Innprcendir kol sinna, 40,8 grvendan mik
ggi-ran, 44, 4 fenst/'gi vier benja, 44, 6 marglöÖar, nü, iroÖa) mit drei-
gliedrigem eingaug.sglied (das durchgehends ein dreigliedriges compositum
ist, dessen erster teil 4m. [8,8. 35,6. 40,8. 44,4] auch die oddhending
enthält); — b) 8 visuorÖ (3.6 fjgrtjön ras put Ijöna, 9,8 hritings) ä mir
vitl, 12, 2 skeleggr (cnn pat teljum), 19, 6 viölcndr frä per siÖarr, 25, 4
hhinnjös) an rer, kunna, 34, 8 höggru-ddr, nema mcr logt, 36, 4 skalmgld
vex nü — falma, 36, 8 viggruÖr) eÖa her liggjum) mit zweigliedrigem
compositum im eingang, dessen er-stes glied ebenfalls 7 m. (in 9,8. 12,2.
19,6. 25,4. 34,8. 36,4. 36,8) zugleich die oddhending enthält; — c) 3 vi-
suorö (31, 4 hans rassa klöf ganÖi, 42, 4 stgÖum, kvaddisk liö bgörar, 44, 8
Dags hriöar spor scida) mit eingliedrigem eiugangswort, dem jedoch ein
die nebentonige Senkung enthaltendes zweigliedriges compositum folgt; —
d) 4 visuorö (16, 8 hug pamis cid mun brugdit, 27, 6 hef'k cart i skgr
svaHa, 30, 6 {ggrt hef'k fyr mik) svgrtum, 40, 4 hvit brüdr. ok friÖ litinn)
mit vier einsilbigen Wörtern im vorderstück, von denen das erste nur in
27, 6 Qief'k vart : svarta) hendinglos blieb.
Die unter a) (mit ausnähme von 35, 6 Innprwndir kol sinna) und
unter b) angeführten belege, dazu noch 30, 6 {ggi't hef'k fyr mik) scgrtum
aus gruppe d) stimmen darin überein, dass ihre zweite hebung von einem
relativ tunschwachen wort (von einem prouomen in 3, 6. 9, 8. 19, 6. 25, 4.
28,2. 30,6. 34,8. 40,8. 44, 4 — einem advcrb in 36,4. 44, 6 [jmj, 36, 8 [/(er]
Beitrage zur gcscliichtc der deutschen spräche. XXXII. 25
380 GAERTNER
— einem verb. finit. in S,8[mal-], 20, 2 [heflc]) gebildet wird, das jedoch
mit dem folgenden wort in keinem engeren syntaktischen zusammenhange
steht; es erscheint also vor dem 5. gliede eine art syntaktischen bruches,
und es ist damit 'gelegenheit ziir bildung einer pause' gegeben (vgl.
Sievers, Altgerm, nietrik s. 105).
Zu E, gehören in I:
1. mit Sicherheit: 3 visuorö (5,3 rjäÖanäa nuut'k räÖa, 14,3 sers eigi
sä fceri, 39, 5 Bikr, villi meÖ per, raekir) ; — 2. weniger sicher : 7 visuorö
(2, 3 hestrennir vas hlunna, 3, 1 AldrspelU hveÖ'k ollu, 7, 5 Sjäroknum reo
scekir, 13, 5 öfeigum varÖ eigi, 19, 1 Loftungu gaft lengi, 36, 7 {oiksk eigi
pat) räga, 42, 5 ElpoUa sä'k alla) mit dreigliedrigem compositum im ein-
gange (ausgenommen 36, 7) und hendingloser zweiter hebung, die 6 m. auf
verb. finit. (bez. hilfsverb) und Im. auf einem pronomen ruht; vor dem
fünften gliede ist jedoch widerum ein syntaktischer bruch zu constatieren
(vgl. oben s. 379).
El hat in II: a) 23 m. das reimschema a — ay (vgl. 7,8 erring) i haf
knerri, 8, 8 ärkyndils) mä'k sära, ferner 9, 8. 10, 2. 12, 2. 13, 6. 14, 4. 16, 8.
19, 6. 23, 2. 25, 4. 30, 6. 31, 4. 32, 4. 34, 8. 35, 4. G. 86, 4. 36, 8. 40, 4. 8.
42,4. 6. 44,4); — b) 18 m. das Schema a — nj' (vgl. 3,6 fjorijön vas pat
Ijöna, 5, 2 {undlinns) pä's srik vinna, 10, 6 Porgeirr ä Jivgt meiri, ferner
12, 4. 13, 2. 15, 4. 17, 2. 20, 2. 25, 8. 27, 4. 6. 28, 2. 36, 8. 39, 4. 40, 2. 41, 2.
44, 6. 8); die die frumhendiug tragende nebentonige Senkung ist fast durch-
weg entweder a) die Stammsilbe des zweiten gliedes eines uominalcompo-
situms (Yg]. 12, 4: hjprgaldrs meö Eggnvaldi, ferner 3, 6. 5,2. 10,6. 15,4.
17,2. 20,2. 25,8. 27,4. 28,8. F 36, 8. 39,4. 40,2. 41,2. 44,6); — oder ß) ein
selbständiges uomen (vgl. 27, 6 hef'k rart i skor svarta, 44, 8 Dags hri-
öar . . . ). In der gruppe a) jedoch werden in nicht weniger als 9 (von 23)
fällen die hendinglosen neben tpnigen Senkungen entweder 1. durch ab-
leitungssilben gebildet (yg]. 7,1 erring, 9,8 hritings, 2'6,2 pengill, 32,4
moiringr, etc.) ; — oder 2. durch schwach tonige Wörter (vgl. 16, 8 Jn(g
panns . . . , 30. 6 gort hefk . . . , 42, 4 sigdiim kraddisk . . . ).
Für E^ (nur in I) sind gesichert:
1. die Zeilen 11, 5 Dyrr hefnöi svä sära, 12, 1 Njgrdr gekk ä skce
skorÖu, ferner 13, 1. 22,3.7. 30,7. 32,1. 39,3 mit dem reimschema hc — ay;
— 2. [4, 5 pott kunni mim minni, 4, 7 {ne hnekkik pvi) pakhir, 12, 5 Litt
sparüi fjgr fyröa, *19, 7 edr Qieldr nü sjö sveldan): sämmtlich mit dem
reimschema bc — ny und einem verb. finit., das die frumhendiug trägt, an
zweiter stelle. — Zweifelhafter sind 3. 17, 7 {ädr frägum) Jxir (peira),
22, 5 pö emk enn ok matik manna und 40, 1 A ser, at ver vgnnn, weil das
tonverhältnis der ersten beiden glieder nicht ohne weiteres gegeben ist.
— 17, 7. 22, 5. 40, 1 könnten mit dem Schema bc — ßy auch dem typus B^
(vgl. s. 377) zugerechnet werden; ich belasse sie aber iiuter E^, da die im
eingang stehenden partikelu eines gewissen siunesnachdrucks nicht ent-
behren und 40,1, als B', dreifache hending auf r aufweisen würde: A ser,
at ver vorum.
ZUR FÖSTBKCEDRASAGA. 381
Die vorstellenden ausführungen dürften gleichzeitig einiges
für die eclitlieitsfrage verwertbare material zu tage gefördert
haben, insofern namentlich die Strophen 4. 9. 12. 19. 20. 21. 23
(vgl. bes. s. 309 anm. 375. 377. 378 etc.) abweiclmngen von den
sonst bei porniö(M' geltenden regeln aufweisen.
Anhangsweise seien hier noch einige der von Craigie im
Ark. 16, 341 ff. aufgestellten sätze an den visur der Fbr. geprüft.
Die summe der 1) und E mit einsilbigem, starktonigem
gliede an vierter stelle beträgt 85. Ordnen wir diese nach
der Verteilung der silben auf die ersten drei glieder, so erhalten
■\vir in der hauptsache vier klassen:
l.klasse 25 visuorö nach dem Schema 3 + 1 | I-x
2. „ 26 „ „ „ „ 2 + 1 + 1 l^x
3. „ 12 „ „ „ „ 1 + 1 + 1 + 11 Ix
^- „ 22 „ „ „ „ 1+2 + 11 -ix
a) l.klasse. Von den 25 zeilen dieser klasse zeigen nur 3 (10,4. 17,2.
35, G) ein nomeu an vierter stelle und zwar correct ein kurzsilbiges. 17 ni.
ist das vierte glied ein verb, sowol «) ein kurzsilbiges (zuweilen mit suffi-
gierten iironominibus : 2, 3 ras, 18, 4 num, 23, 1 sJcal, 3, 1 Jccedk, 9, 2 fjafk,
20,2 fiefJ:, 19,1 ga/'t), als auch ß) ein positionslauges (13, 5 ra?-^), y) ein
verbum mit auslautendem, langem vocal und brägarmäl: 42,5 sä'k, 8,8
viah; 6) ein verbum mit langem vocal oder diphthongen + einfachem
consonauten (2, 2. 30, 5 let'k, 7, 5. 11, 4. 14, 8 reo, 5, 3 nant'k). Pronomina
an vierter stelle sind ebenso selten wie nomina (28, 2. 40, 8 mik, 42, 8 sir,
44,4 mtr)\ von adverbien begegnet nur im 44,6.
b) 2. klasse. 12 der 26 belege zeigen nomina an vierter stelle : 8 kurz-
silbige (5, 2 srik, 7, 8 haf, 10, 2 stijr, 10, 6 hegt, 13, 2. 14, 4 liö, 35, 4. 42, 6
gram), dazu 4 mit auslautendem, langem vocal (13, 6 gny, 23, 2. 39, 4 kne,
27,4 strä. — Fehlerhaft wäre 32, 4 y^pr/" nach der lesart von Fdeiklm; man
hat also der lesart tu von H*R den vorzug zu geben. — Auffällig ist in
klasse 2 die geringe zahl von verben an vierter stelle: 2 (d.i. 7,7 proc. :
68 proc. in klasse 1), 2, 6 ras, 17, 6 Ut. Relativ häutig (nämlich 8 m.) er-
scheint dafür ein prouomen (9,8. 31,8. 34,8 mir, 3,6. \2,2 pat, 25,4 vir,
29, 2 mik, 19, 6y>cv-j; das ad verb ist wider selten: 32, 4 til, 36, 4 nü, 36,8 her.
c) 3. klasse. Sie weist nur 12 beispiele auf, 6 davon mit normal kurz-
silbigem nomen au vierter stelle (13, 1 son, 16, 8. 22, 5 mnn, 22, 3 styr,
27, 6 skor, 40, 4 friÖ), dazu 12, 1 skce, 19, 7 sjo. Von den übri'gen 4 haben-
3 pronomina (30,6 mik, 39,5 hir, 40,1 vir) und nur 20,6 tmgr peim es
hregör hungri ein verbum, also ein weiteres beispiel zu den von Craigie
(Ark. 16, 357) verzeichneten.
d) 4. klasse. Von den 22 belegen haben 8 ein nomen als viertes glied ;
u) kurzsilbige: 4, 5 w»(», 12, 5 /j'oj-, 18, 8 H '^^A ^W, -12,4 liö, 43,4 ärif,
25*
382
GAERTNER
44,8 S2)or; — /?) nur 32,1 mit fe ein langsilbiges. Von den übrigen 14
belegen zeigen a) 8 (d. i. 35 proc. : 40 proc. in klasse 1, 7 proc. in 2, 0 proc.
in 3) adverbia an vierter stelle (6, 2. 8, 2. 23, G ßä, 17, 7 par, 11, 5 sc«,
22,7. '60,1 p6); — ^) 5 pronomina {^,7. 25,2 pvi, 21,2 pess, 39, 3 >»,
36, 7 pat); — y) 2 verba (14, 3 sä, 19, 8 shalk).
Aus diesen zusammenstellung'en g-elit liervor: 1) Als nomina
an vierter stelle der D- und E-verse sind nur zulässig solche
mit kurzem vocal oder auslautendem, langem vocal. 2) Ad-
verbia an vierter stelle sind in klasse 1. 2. 3 ausserordentlich
selten, scheinen aber derselben regel zu folgen wie die nomina.
Dagegen entziehen sich ihr 3. die verba. Wir finden als vierte
glieder auch langsilbige verba {vard, nauü'U). Es wird diese
erscheinung zwar nicht, wie Craigie (a.a. o. s. 352) will, mit
absoluter nachdruckslosigkeit, aber doch mit dem geringeren
nachdruck der verba finita zusammenhängen.
E. Rimarium.
Die Zahlenreihe links gibt Strophe und zeile, die
rechts seite und zeile in Fbr. (99) an.
reilie
and
3, 8 porbraudr : vandar
20,10
I. Aöalhendin
gar.
21,4 land : branda
133,8
afn
41, 6 randir : standa
123,4
G, G valtafn : hrafni Fbr.
.(99)120,30
ann
agu
10, 8 sannspurt : manna
55, 17
43, G uiagui : gagnum
146, 13
43, 4 fann'k : svanui
146, 11
ald
44, 2 grann : mauni
124, 22
2, 4 vald : tjalda
20,6
arö
8, 2 bjaldr : skjaldi
41,18
20,4 barös : garöi
131, 8
12, 4 hjorgaldrs : RQgnvaldi 61, 19
33, 2 barör : jaröar
118, 15
25, 2 Baldr : skjaldar
90,10
arf
35, 8 kald : valda
120, 2
11,2 parfan : arfa
58, 17
39, 2 allvaldr : skaldum
121,8
12, 8 djarfra : ai-fi
61, 23
40,6 skald : kalda
122, 21
23, 8 starf : konungdjarfir
76,26
alf
39, 4 pingdjarfr : bvarfa
121, 10
42, G jalfaös : sjalfan
123, 14
arg
all
30, 4 varga : marga
96,9
2,4 hiigsnjallr : falla
11,13
arn
17, G nidlsnjallr : falla
73,28
6, 8 gjarua : Bjarua
34,18
ahn
art
13, G alm]7ing : nialma
68,22
27,6 vart : svarta
94, 27
36, 4 skalmc^ld : faluia
120, 28
28,4 mart : svarta
95,11
All
31,4 bans : gauöi
101, 27
ao
20, 8 gräöugs : bäSum
131, 12
ZUR FOSTBKCEDRASAGA.
383
73, 2i
"G. 24
69, 20
118.4
erö
130, 22 6, 2 gerSisk : sverfta
10, 2 sverftrjöflr : geröi
41,24 17,4 sverös : veröa
72, 1() 34,6 sveröels : verfta
eiT
130, 20 7, 8 erring- : knerri .
15, 8 erring : knerri
et
2,8 hvettr : vettra
ett : 5?ett
19,8 rettar : vtetta
36, 8 viggniör : liggjum
ikl
8, 4 sikliugs : mikla
69, 23 36, 2 orstiklandi : iiiiklu
ild
94, 29 12, 6 niildr : hildi
146, 15 ing
3, 2 Ingülfs : pingat
95,28 30,2 hriugs : pingi
41, 4 Hringr : pingi
'^' "^ 5, 2 undliniis : vinna
101,30 7 4 undlinns : siunum
14,4 SA'inngeÖr : minna
133,27 \i^^Q hinns : vinna
27, 2 finnurak : niiuui
119, 5 32, 6 hvinn : vinna
35, 2 Inni : finnum
95, 26 35^ (3 Innfroendir : sinna
39, 6 linns : svinni
61,17 .,
6, 6 viggriftandi : si?ian
1-1: -■! 19,6 viMendr : siöan
44. 8 hriöar : sviöa
19, 4 frän-idnns : vänir
är
8, 8 ärkyndils : sära
15, 6 sär : livcärn
ät
19. 2 lätr : ätti
17, 2 har?»rpeÖis : brsefti
aend
23, 6 frsendr : vtendir
;p1
14, 8 fnllnitrli : t?ela
?er
32, 4 niferingr : va?ri
sest
14, 2 nsest : sesta
;ptt
27, 8 nsettings : vastti'k
43, 8 h?ettlikt : vsetti'k
ef
29, 8 hefr : stefja
egg
4,2 hreggs : seggjum
18,4 reggs : seggja
31,6 eggveörs : glegguni
egn
22, 4 stälregns : vegua
ek
34,2 ekkils : seköu
ekk
29,6 rekkr : pekkja
cl
12, 2 skeleggr : teljnm
en
44, 4 fen8tigi : benja
end
34, 4 Groenleudiugum : brendau 110, 7 if
eng 28, 6 -lif : drifu
13,2 snarfengr : drengja 68,18 42, 8 fleindrifu : hlifa
1."), 2 strenghreins : drengja 72,12 io-
23, 2 l^engill : lengi 76, 20 4^ ^ ^igg : stiga
epp ik
27,4 fJQrnepps : greppi 94,25 n^g slikl : riki
er im
35, 4 herbjc^rg : verja 119, 29 32, 2 liim : ürimi
34,12
55, 11
73, 26
119,9
37,12
72,18
11,17
130, 26
121,2
41, 20
120, 26
61,21
20,4
96,7
123,2
Bl,l
37,8
69, 25
.74,6
94, 23
1 IS, 6
110,27
110,31
121, 12
34, 16
130, 24
124, 28
95,13
123, 16
27,21
58,21
118,2
84
GAERTNER
in
und
l, 8 niiiia : ]^ina
118,8
31,2
nndarligt : snnde
101, 25
is
nngr
), 4 dis : visur
51,20
20,6
nngr : hnngri
131,10
it
unn
), 8 hvitings : viti
51,24
7,2
sviprunnr : gunnar
37,6
J, 8 ]7iit0gT : bita
133, 29
8,6
hlunns : runni
41,22
), 4 hvit : litinn
122, 19
25,4
hh;nnj6s : kunna
90,12
old
üö
), 4 hold : goldit
34,14
29,6
iTÜÖr : prüöa
51,22
orö
ük
), 6 orö : uoröan
72,24
18,8
nijük : li'ikask
74,8
>, 6 (F) raorös : oröinn
133, 29
ün
t, 4 hugborö : oröi
76,22
20,2
fagrbvinar : tüua
131,6
i, 6 porör : fjoröi
118, 19
auö
;, 6 (F) orö : foröask
120, 30
2,2
auöveitir : dauöan
11,11
org
11,4
happauöigr : dauöa
58,19
, 8 orms torg : skjaldborg
u 90, 16
18,2
flugtrauör : dauÖa
74,2
6Ö
33, 4
otrauör : dauÖa
118, 17
, 6 hafstöös : MöÖi
11,15
auu
,4 gjöör : hlüöum
27,17
13,8
raun : launat
68,24
, 6 margrjööanda : pjööar
27,19
eif
>, 8 flöös : gööa
31,7
36, 8 (F) gunnreifr : Aleifi
121,2
, 2 öö : blööi
123, 10
40,2 vigreifr : Aleifi
122, 17
, 6 margloöar : troöa
124, 26
41,2
boöreifr : Aleifi
122, 30
ög
eik
, 4 rogsmenu : gnöga
31,3
43,2
eik : bleikir
146,9
,8 höggroeddr : lögi
119, 11
eim
ön
7,6
sveinia : heiman
37,10
, 6 fJQrtj6ü : Ijöua
20,8
28,8
peim : seima
95,19
, 2 ön (V) : fjonir
133, 25
eir
,8 gunnfjön : sjöuir
102,2
10, 6 porgeirr : meiri
55, 15
6r
17, 8 porgeir : eiruni
73, 30
, 4 auöstjori : fjörum
72, 14
30, 8 porgeirs : fieiri
96,13
, 8 björ : fjörir
123, 16
33, 8 Falgeirr : peira
118,21
tj + x
eit
, 4 hJQrdjarfan : fjorvi
68, 20
16,2
folkbeitir : veita
72,20
, 6 sonn : mQunum
69,27
29. 4 heit : veiti
95,24
, 2 elbQrvar : gQrva
95,9
ey
, 6 gQrt ; svortnm
96,11
9,2
ey-Draupnis : meyju
51, 18
, 8 orvendan : gorvan
122, 23
39,8
ey-baugs : deyja
121, 14
, 4 stoöum : boövar
123, 2
yigj
«k
16,4
dylgjusant : fylgja
72,22
), 4 Hffikils : rceköi
55, 13
yrst
, 2 soekjandi : toekir
133,6
25,6
hugdyrstr : fyrstum
90,14
ug
ynd
, 8 liug : brugöit
72,26
29,2
parÜyndr : fyudi
95, 22
ZUR FOSTBRCEDBASAGA.
385
yr
kn
5,6 cpsi-dyrs : styri
31,5
36, 5 (F) S()kn : slo-kni
120, 29
11,8 jöstyrandi : hlyra
58,23
kk
Aöalhendingar in I:
7,4 linekki : |?akkar
37,8
2, 1 Starf : arfa
11,10
41, 7 fekk : blakkau
123, 15
2, 5 efnd : hefudar
11,14
ks
13,5 öfeigum : eigi
68,21
7, 1 sex : faxa
37,5
23, 1 f'arfa : livarfa
76,19
22, 1 sex : oxu
133,24
28, 3 stäls : raäli
95,10
1
30, 3 Baldrs : valdit
96,8
4, 1 vel : telja
27, 14
33, 1 follr : Trolla
118,14
18, 7 nicäl : deilask
74,7
39, 7 stQndum : ondrum
121,13
34, 1 eis : dila
36, 1 Äla : eli
119,4
40, 5 skinn : minura
122, 20
120,25
43, 3 fär : särum
146, 10
Id : Ifi
13, 3 holör : deildir
68,19
n. Skot hendingar.
18, 5 hjaldrs : h()lÖum
74,5
dd
36,3 skyldut : holöar
120, 27
11, 7 odds : soddnsk
58,22
Id
6
9, 7 heldr : Hildi
51,23
5, 3 rjööanda : räöa
31,2
12,3 hjaldrs : vildi
61,18
20, 3 bäöar : breiöum
131,7
19, 7 heldr : sjaldan
130, 25
33, 3 äör : hriöar
118, 16
20, 5 eld : gjalda
131,9
39, 1 eör : QÖrum
121,7
29, 3 hQldr : skyldi
95, 23
41, 5 reöu : raiu^ar
123, 13
33, 7 feldr : moldar
118, 20
44, 1 rjöör : rauöiim
124, 21
11
fn
3, 1 Aldrspelli : ollu
20,3
8, 5 hrafns : lief na
41,6
3, 5 feil : stilli
20,7
30, 1 hefnö : lirafni
96,6
7,3 sujallr : ollu
37,7
ft
7, 7 oft : skiftir
37,11
9, 1 nia : allar
14, 1 Gulls : ]?olla
51,17
69,22
6, 0 vags : vigi
34,15
14,5 oll : snjalli
69, 26
16, 5 pisgs : eiga
72,23
18, 1 Olli : felli
74,1
34, 3 geig : gervidraugum
119.6
25,3 follr : hellur
90,11
36, 7 eigi : väga
123, 15
27, 3 oll : falliu
94,24
RR
28, 7 svells : )7olli
95, 14
10,5 eggja : Jriggja
55, 14
30,5 gnypolli : gjalla
96,10
27,5 hreggboöa : liQggvit
94, 26
31, 5 Alla : Ulli
101,28
k
42, 5 Elfolla : alla
123, 13
7, 5 Sjäroknum : soekir
10,7 leiks : soeki
37,9
55,16
m
9, 3 döms : drauma
51,19
13,7 rik : roekir
68,23
n
5, 7 raun : fjöna
31,6
17, 1 Hauks : Irjekja
73, 23
15, 5 sigreynir : sinum
72, 15
18, 3 HJ-kjandi : riki
74,3
16, 1 Kent : fraendum
72,19
31,3 hrökr : kUfki
101, 26
21, 3 hreins : minu
133,7
39, 5 Rikr : ra^kir
121,11
nd
41, 3 rekin : Stikla-
123, 1
8, 1 Hrundar : heudi
41,17
43, 5 mik : dekkvi
146, 12
22, 3 keudr : stundum
133, 26
386
GAEKTNER
27, 1 Orveudi : uudir
28, 1 Unrlr : kendu
39, 7 stoiidum : oiidrnm
43, 1 uiidrask : landa
ng
8, 3 soiig : feugit
19, 1 Loftiingu : lengi
28, 5 längs : leugra
29, 1 Strengöi : pingi
34, 7 hrings : tauga
P 36, 7 geirpiDgi : goiiguiii
iigr
35, 7 angr : khiiigri
im
2,3 hest-rennir : lihnma
2, 7 hanii : viuna
4,3 gräun : gunni
4, 5 knuni : niinni
5, 5 Enn : minnaz
6, 7 hann : gunni
10,3 hinn : manna
17, 3 sviijruuua : senuu
22, 5 enn : manna
23, 7 luinnumk : annat
32, 5 hann : uunit
35, 1 Brenuum : innan
P
6, 1 Kapp : hepni
20, 7 djüps : greipum
31, 1 Skoptak : uppi
44, 7 djüp : väpna
r
10, 1 snart : Snorra
11,1 Ar : )7Ön
11,5 Djrr : säia
11, 3 hlyra : geiri
14, 3 ser : focri
vseri
f>6rir
lüseri
i?eira
: liveijn
16,3 dyrr :
17, 5 Mär :
19, 3 mer :
22, 7 Ter :
23, 3 svarar
29, 5 nser : ryii
30, 7 meir : )7orna
32, 1 Er : fleira
32, 8 nier : fsera
33, 5 J?ar : fjtjrvi
94,22
95,8
121, 13
146, 8
41,19
130, 19
95,12
95,21
119,10
121,1
120, 1
11,12
11,16
' 27,16
27,18
31,4
34,17
55, 12
73,25
133, 28
76, 25
118,5
119, 26
34,11
131,9
101, 24
124,27 ■
55,10
58,16
58,20
58,18
69, 24
72,21
73, 27
130, 21
133, 30
76, 21
95,25
96,12
118,1
118, 3
118, 18
34, 5 sar : soeki-tirar
35, 3 herr : hjorvi
39, 3 nper : J>eira
40, 1 ser : värum
40,7 nperi : -ärar
41, 1 Haraldr : berjask
41,3 f>ar : hjorva
44,5 mer : msera
rö
12, 1 Njorör
12, 5 sparfii
15, 1 StirÖr :
19, 5 verör :
27, 7 borös
44, 3 järn :
25, 5 Gorr
42, 1 Ort : h
: skoröu
fyröa
varöa
: myröir
: NirÖi
rn
foiTia
rr
harri
rt
lijarta
s
8, 7 umnysaudi : ossa
35,5 ys : husa
st
20, 1 flestr : fasta
43, 7 hvast : naesta
str
42, 7 flestr : fastri
t
3, 7 litt : prsetu
6, 3 hrätt : slita
13, 1 Gaut : SIeitu
14, 7 fljöts : nytir
15,3 itr : heitinu
15, 7 üt : litla
16, 7 grjöts : Lreyti
25, 1 Betr :
32, 7 msetr
36,5 Brott
3, 3 frett :
5, 1 frett :
skutli
: ba?ttak
: veitum
tt
Viettik
ättum
21, 1 JJöttum haettir
25,7 veitti : atti
29, 7 gütt : hetti
31, 7 setti : glotti
vocal
23, 5 fäii' : fryju
119,8
119,28
121,9
122, 16
122, 22
122, 29
123,1
124, 25
61, 16
61, 20
72,11
130,3
94,28
124, 23
90,13
123,9
41,23
119,30
131,5
146. 14
123. 15
20,9
34,13
68,17
69, 28
72,13
72, 17
72,25
90,9
118,7
121, 11
20,5
30,29
133,5
90,15
95,27
102,1
76, 23
ZUR FÖSTBKCEDRASAGA. 387
F. Echt und unecht.
I. Die erfidräpa.
Als Strophen aus der erfidräpa werden in allen receusionen
als pormöös eigentum bezeichnet:
Str. 2 Sem porm. kvaö b] cikrao, orti Fd, petta segir porni. K,.
Str. 3 f»etta getr porm. i [erfidräpu jDorgeirs Mikmo, [i porgeirs
dräpu Ri, pessa atburöar getr porm. i porg's dräpu Fd.
Str. 5 porm. vikr ä riQkkut i porgeirs dräpu ä nnsf>ükka peira [i
)">essu erendi M (ä fehlt in ik), fehlt o.
Str. 6 pessa (f>ara R,) viga getr] porni. i porgeii's drap\i HF, sva
segir Grett. cap. 27.
Str. 10 pessa (pessara d), atburöar (hlutar m, viga Fd, tiöenda Rj)
getr pormöör i porgeirs drapu [i pessu erindi M, [fehlt
FdmR,.
"Weder spräche noch inhalt geben anlass zu irgend welchem
verdacht gegen die richtigkeit dieser Überlieferung. Bedenk-
lich könnte h()chstens das fehlen von Strophe 5 und 6 in Fd
sein. Dafür sind drei erklärungen möglich: a) Strophe 5 und 6
waren in der vorläge von F nicht vorhanden; — b) sie wurden
von dem redactor aus irgend einem gründe absichtlich aus-
gelassen; — c) sie sind nachdichtungen eines redactors des
textes M. Für echtheit der Strophe spricht indes: 1. der directe
hinweis in der prosai.><chen einleitung, dass das Zerwürfnis
zwischen den blutsbrüdern in der dräpa wirklich berührt war
(vgl. Fbr. [52] 24. 27); eine übergehung dieses folgereichsten
geschelinisses in porgeirs leben würde auch höchst ])efremdlich
berühren; — 2. die grosse formale verwantscliaft mit den
übrigen Strophen der dräpa; — 3. die Unanfechtbarkeit des
Inhalts und folgendes: J mispoJcka peiia wird in str. 5 eigent-
lich nur angespielt mit den worten: Enn vük einsMs minnast
ncma oJdars yööa. Dass die erste halbstrophe mit F. Jonsson
(Jitt. hist. 11,468) dahin zu deuten sei 'at der har vferet bag-
vaskere, der har steftet ufred imellem fostbroedrene' ist mir
nicht glaublich, denn es handelt sich anscheinend (wie auch
der satz vilk etc. andeutet) um ein ganz persönliches, nicht
ein durch dritte herbeigeführtes Zerwürfnis, und die wendung:
dttnm roysmenn saman gnuya — Jid's svik vinna will kaum
mehr besagen als: wir hatten zusammen genug listige, ver-
schlagene gegner. — Für die in der prosa gegebene motivie-
388 GAERTNER
rung des Streites zwischen den fösthrmdir bildet die strophe
jedenfalls keine stütze. Auch das spricht entschieden zu
gunsten der strophe, denn der in der prosa angegebene grund
für die trennung ist kaum ernst zu nehmen: porgeirr erklärt
da: el'lci var mcr ])etta alhugat, at eJc vilda, cit vit reyndim med
oJcJcr hardfengi. Wenn I)orm6ör mit den Worten : i hug Jcomper,
meöan Jni mcelti trotzdem auf der Scheidung der freundschaft
besteht, so klingt das sehr gezwungen, jedenfalls würde danach
I)orm6ös blutsbrüderliche treue hier in recht merkwürdigem
licht erscheinen. Es sieht eher danach aus, als ob der anlass
zur trennung weit ernsterer natur war, als ob porgeirr sich
eines schweren Vertrauensbruches oder eines anderen Verstosses
gegen die freundschaft schuldig gemacht habe, dessen nähere
einzellieiten pormoör in der dräpa schonend übergieng und
nur mit den angeführten Worten berührte. Der sagamaör sah
sich infolgedessen gerade bei der begründung jenes wichtigen
Vorfalls von seiner quelle im stiche gelassen. Es liegt deshalb
nahe, zu vermuten, dass er die in der prosa geschilderte epi-
sode, soweit ihn dabei nicht die mündliche tradition unter-
stützte, selbständig erfand, indem er die in der strophe ent-
haltene andeutung und das übermütige, zu gewalttaten neigende
wesen porgeirs zum ausgangspunkt nahm. Gerade die nicht
durch authentische erzählung klargestellte trennung der bluts-
brüder hat zu weiterer sagenbildung und weiteren deutungs-
versuchen anlass gegeben: das beweisen der erweiternd auf-
geputzte bericht und besonders die in der Fbr. der Öläfssaga
folgenden abenteuer, endlich die späte interpretation des
Fseröers Tormann skald^): str. 6 fyrri ImgsaÖi tu fals oh svik,
ddur tu mcelti hdta; str. 7 Hoyr taÖ tu min fosthrödir, vit
haldum hdcfir saman, taJc tu iJcki for dlvara tad eg mcelti i gaman.
Auch der str. 6 ist ein gewisses alter gesichert, denn der
Verfasser der Grett. (deren entstehung nach Boer um 1250 an-
zusetzen ist) hat sie als echte strophe pormoös eingestellt: sie
gehörte also einer um 1250 vorhandenen fassung der Fbr. an,
die später die vorläge für M (F?) gebildet hat. 2)
') Vgl. F<«röiske Kvpeder, Kopeuh. 1855, 11,111, fusst sicherlich auf
secundären quellen.
^) Textliche aukläuge zeigen str. G und hÖs, s. 233, 3 v. u. : Svä er sagt
i jloclii peini er ortr var um Svein Icong. Alftfa son (hÖs):
ZUR FÖSTBR(EDUA8AGA. 389
Auch die Strophen 5. 6 sind also wol als echt zu be-
zeichnen. Nähme man an, dass der redactor des textes von F
dieselben in seiner vorläge wirklich nicht vorfand, so würde
man den billigen schluss ziehen dürfen, dass derselben auch
die Strophen 4. 7. 8. 11. 14 — 16, 18 fehlten, sodass im ersten
haupt teile der saga, bis zu porgeirs tod, nur vorhanden waren
die Strophen 2. 3. 10. 12. 13. 17. Im nächsten hauptabschnitt
der saga: 'pormöös räche für porgeirr und sein ende bei Stika-
staöir', kehrt sich dieses Verhältnis bei dem text der F gerade
um, indem dieser nicht nur alle Strophen von MH, sondern
auch plusstrophen (19. 20. 21,1—4. 36,5—8. 43) und unter
diesen auch vermutlich echte (22, 5—8. 29) enthält. Beachtet
man dabei, dass gerade die stellen in F stark überarbeitet
sind, an denen man, analog dem text der übrigen hss., Strophen
erwartet (vgl. für str. 5 F. II, 105, wo an die stelle der Strophe
die episode von Torfi und IL 107, wo statt der zwischen z. 17
und 18 fehlenden str. 6 von z. 19 ab eine phantastische erzäh-
lung von dem Schafhirten / Uuassafdl eingeschoben ist), so
Avird man zu der Vermutung gedi'ängt, dass wir es in teil I
des textes von F mit einer starken Umarbeitung einer saga-
form zu tun haben, in der die Strophen absichtlich ausgelassen
sind; welche gesichtspunkte dabei massgebend Avaren, lässt
sich natürlich nicht angeben (vgl. unten).
Nicht direct der dräpa werden in der prosa die Strophen
4. 7.') 11 — 18 zugewiesen.
Str. -i Um penna atburö er petta [ereiuli ort Mik, | kveöit o, of
peniia atburÖ orti porm. pessa visu Ri
Str. 7 at f>vi er (sem Ei) porm. segir Mik, sem porm. quat o, sem
X>. kuaöir i porgeirs dräpu 1
Str. 11 Svä segir pormoör H, um penna atburö orti pormöör petta
[erindi Mik, |felilt mo, visu pessa E,,
str. 12 Svä segir p. H] orti Fd, svä sem p. orti um bcR,, so sem
p. orte [visu mk, [fehlt o, i visu i
Str. 13 Svä segir p. H, um ]?enna atburft quat [). visu Fd] orti p.
visu ]?essa bcEjik
Fbr. z. 8—4 hratt gat hratu at slita hÖs. z. 7—8 hrdtt gafsk lioUd at slita
hold — Mäs syni goldit hrafni skeif^ar stafna.
*) Vgl. bei Str. 7 die Variante in 1: sem Porm. kvaöir i ßorgeirs drupu,
möglicherweise keine secundäre lesart, da 1 dem membraueutext sehr nahe
kommt.
390 GAERTNER
str. 14 Svä seg. p. HRjd, sem p. orti um l)cm.
str. 15 Svä q. p. H, svä sem p. orti um bciko, ' svä fehlt in R,d
Str. 16 ohne prosaeingang- in Hbcik, oc enn kvaS haun R,d
Str. 17 Svä seg. p. H, um f>enna atburde quat pm. [visu f>essa F.
[fehlt in d, um peuna atburö orti p. [visur ]?essar bcik
[fehlt m, um pessa atburöi orti p. visu fessa Ri
Str. 18 ok en kvaö hann nur Rj.
Trotz der grossen freilieit in der gestaltung dieser ein-
gangsformeln — offenbar hatte jeder redactor oder Schreiber
eine lieblingswendimg, die er stereotyp verwante (vgl. svd
segir ]). H, um ])enna atburd orti um etc. M) — lassen sämmt-
liche recensionen (und demnach auch wol schon ihre quelle)
den Zusatz 'aus der erfidräpa' weg, vielleicht aus keinem
anderen gründe, als weil der vorausgegangene fünfmalige
genaue hinweis auf die quelle ihm genügend schien. —
Immerhin könnten etwa nachgedichtete Strophen am ersten
in dieser abteilung zu finden sein.
Auffällig ist die prosaformel zu str. 4, in der der name
des dichters nicht genannt wird.i) -) Dieser mangel findet
sich sonst nur noch bei der hrynhentr. 26. — Zwar sagt
F. Jönsson (Sn. E. III, 535, anm. 3): 'hie diserte non dicitur str.
ex hoc carmine Thormodi esse, sed nemo dubitare potest, quin
sit, praesertim cum ipsa se unam ex pluribus, verbo telja esse
indicet'; indes sind damit doch nicht alle bedenken zerstört.
Die Sätze hlödiim Butralda (z. 4) und ne hnekJciJc Jivi (z. 7)
zeigen klar, dass die Strophe als von porgeirr recitiert gedacht
wurde. Dass aber ein held, von dem in allen übrigen Strophen
nur als von einem nach trotzigen taten aus dem leben ge-
schiedenen die rede ist, sich in der zu seiner Verherrlichung
gedichteten erfldrapa selbst hätte verherrlichen sollen 3), ist
höchst unwahrscheinlich. Str. 4 müsste dann etwa von por-
geirr selbst gedichtet und nachher von pormoör in die dräpa
aufgenommen worden sein. Dem widerspricht aber die wen-
^) Heinzel (Beschreibimg der isl. saga s. 164) meint deshalb, str. 4
stamme von einer person, welche gar nicht in der saga vorkomme und nur
auf porgeirr gedichtet habe.
2) In E, begegeguet zwar der name, doch sind gerade dort die ein-
leitungen stark modificiert (vgl. zu str. 11. 17) bez. völlig durch neuen text
ersetzt worden (vgl. zu str. 16. 18).
^) Vel (lugir verk at telja fyr segyjum.
ZUR FOSTBliCEDR ASAGA. 391
(luiig- diKjir VC)-],- nt telja, die auf ein grösseres ganze hin-
deutet; ausserdem wäre die lausavisa das einzige Zeugnis für
dichterische betätigung porgeirs'), denn ausdrücke ^Yie enn
snjalli und mdlsnjallr beweisen für eine solche nichts; auch
im sagatext wird von einer skaldentätigkeit bei ilim nirgends
geredet, auch nicht bei seinem zusammentreffen mit könig
Uhifr.2)
Wir haben es also walu'scheinlich doch mit einer nach-
dichtung zu tun. Diese wird früh anzusetzen sein, weil sprach-
li':he kriterien fehlen, die auf spätere zeit hindeuten. Sie ist
auch ganz geschickt gemacht und hat den ton der drapa ge-
troffen. Trotzdem weist die technik einiges anomale auf:
zunäclist vermisst man den für die echte drapa typischen ein-
gang A3 (E3) (vgl. s. 375), dafür erscheint das sonst nur in den
lausavisur als erstes visuorö geduldete A, ; in z. 4 finden wir
ferner ein nur an dieser stelle belegtes D^; in den z. 5. 7 den
im ganzen seltenen tj^pus (B^) E^. Auch ist der zweite teil
der kenning margrjööanda fetils siiga hier nicht ganz ohne
anstoss: Fdla stigr (mit gen. pl.) bezeichnet ganz richtig (vgl.
Egilsson 777) die zwischen den riemen des wehrgehänges
verlaufende schwertscheide. So ist die kenning tatsächlich
verwant in Isl. s^g. 1. 163: feüa sUgs at vigi {vigr fetla stigs
= vibratio gladii = pugna). In unserer Strophe aber geht
ein gut teil der deutlichkeit des bildes verloren: rjödandi sHga
fetils = der röter der balken des (einzelnen) riemens ist fast
ein nykrat. Offenbar hat der dichter (dem vielleicht jener
vers aus den Isl. sQg. bekannt war) nur dem rhythmus zuliebe
(er will das Schema A^k) den sg. für den pl. gesetzt. Dass
der redactor von F die unechtheit der Strophe erkannt und
sie deshalb ausgelassen habe, ist kaum glaublich: auch die
^) Die angaben von Mog-k (PaulsGrundr. 2-, 755, § 195): 'Sie (die Fbr.)
enthält die lebensgeschichte »der beiden skalden« porgeir Hävarssou (f 1024)
und pormöö Kolbrünarskald' etc. und weiter unten: 'Die hauptquellen des
Verfassers sind neben der mündlichen traditiou die gedichte »der beiden-
skalden« etc. sind wol nur auf ein versehen zurückzuführen.
^) F. n, 108 heisst es: Kgr. haud Porgciri med ser at rem ok Jju
gerdizst Porgeirr hirdmadr Olafs kommgs oder Fbr. (52) s. 40, 19 f. NU er
at seygja frä Porgeiri Hürarssy)ii, hirömanni Olafs koniaigs; vgl. dagegen
Fbr (52) 95, 26 PormdÖr, skcild ok hirÖmaÖr Olafs koitioigs.
392 GAERTNER
näclisteii vier, vermutlich doch echten Strophen, sind ja von
ihm übergangen worden.
Als unecht ist insbesondere str, 12 angegriffen worden,
Boer (Zs. fdph. 30, 32—33) will auf grund von beziehungen
zwischen str. 12 einerseits und den str. 4 (s. 20), 35 (s. 170),
II. III (s. 316 f.) der Grett. anderseits die Strophen I — IV
(31(3 f.) der Grett. und unsere str. 12 ein und demselben dichter
zuweisen. Vorausgesetzt, dass die directe beziehung wirklich
vorhanden ist, hätte bei dem höheren alter der Fbr. zunächst
die annähme näher gelegen, dass der redactor der Grett. aus
Fbr. entlehnt habe. Diesen einwand sucht Boer dadurch zu
entkräften, dass er auf die weitere Übereinstimmung der str. 12
mit str. 4 und 35 der Grett. hinweist, von denen jede wider
einer älteren redactionsschicht der saga angehören soll. Boers
hypothese steht und fällt also mit der annähme einer drei-
fachen textconstitution der überlieferten Grett. Selbst wenn
man diese dreiheit als bewiesen ansehen wollte (vgl. jedoch
Mogk, Pauls Grundr. II-, 757), erbringen doch meines erachtens
die aus str. 4 und 35 angezogenen parallelen keinen wirklichen
beweis von deren einfluss auf str. 12. Es heisst in Grett.
str. 4, z. 5 — 6: Nu verpr d skce sJcor])0 — shalde sigr — at
stiya, in der Fbr., str, 12, 1 — 2 aber: Njgrdr geJck d slcoe skordu
slccleggr — enn ]mt teljum; die Übereinstimmung bestellt also
nur in der kenning: shcer slcoröu 'equus destinae' = 'navis',
Aehnliche bildungen begegnen vor allem in Strophen späterer
s^gur in menge: d ske haröa Öknejingasaga 82,4, ske hranda
Rafns Saga Sveinbjarnar sonar str. 16 (Bisk, syg, I, 667), d ske
sundra Placitus driipa 17. str, etc. oder hersi skordu Sn. E. I,
442, 2, drasill skordu Sn. E. 1, 498, 3 etc., und Übereinstimmungen
in kenningar sind auch anderswo ganz gewöhnlich. Es ist
also auch wol möglich, dass beide dichter unabhängig von
einander auf die gleiche kenning verfallen sind (die ab-
weichende lesart in F: d skid skordu ist nach Craigie, Ark,
16, 346, § 7 falsch). — Noch weniger besagt die parallele
drcngr : Icngi in II, 4 (str. 35, 8) : drengs at lengri in 12, 7,
denn diese beiden Wörter werden überhaupt sehr gern zur
aöalhending gebunden.') — Jedenfalls genügen die beiden
^) lu der Grett. begegnet das Avortpaar iiiclit nur IT, -1 (s. olG) und 35, 8,
ZUR FOSTRUOEDRASAGA. 393
Übereinstimmungen nicht, um darzutun, dass der dichter der
Strophen I— IV der Grett. (die nach Boer das späteste produet
in der Grett. sind), 'als er daran gieng, auch für die Fbr.
neue Strophen zu schaffen', die str. 4 und 35 der älteren saga-
schichten der Grett. plünderte. Damit fällt aber auch die
In'pothese von . der Identität der dichter; denn nun hindert
uns nichts mehr (vgl. Zs. fdph. 30, 32, 14 y. u. ff.) anzunehmen,
der dichter der jungen Strophen I^IV der Grett. habe die
Strophen der Fbr. benutzt, die ihm als quelle für die Grett.
(vgl. Str. 6 etc.) natürlich bekannt war. So würde sich auch
das auftreten von sMegyr^) (das von Boer a.a.O. s. 32, anm. 3
als 'jung' bezeichnet wird, obwol shd-cgyjaör im 11. jh. bei
Steinn Herdisarson [vgl. Hkr. 3, str. 130 ß] belegt ist) gut er-
klären. — Die ai)alhending -arf in II, 8 dagegen ist widerum
so gäng und gäbe, dass von einer directen beziehung zu 12, 8
nicht die rede zu sein braucht.
Für parfur Grett. IT, 8 möchte ich die annähme eines
svarabhaktivocals nicht ablehnen; für Fbr. 12, 8 ist aber der
conjectur von Gislason (Nj. IL 123/24) djarfra der Vorzug zu
geben 2); denn wenn der redactor von H bei seiner vorläge
(die bis etwa 1300 hinaufführt) svarabhaktivocal in (IJarfr nicht
für ausgeschlossen gehalten hätte, hätte er schwerlich zu einer
so verzweifelten conjectur, wie Hdvarar für Hdvars, gegriffen.
Ausserdem muss ich der strophe ein alter beimessen, das ein
auftreten des svarabhakti übeiliaupt ausschliesst (vgl. unten).
Gegen die annähme gleichen Verfassers für Fbr. str. 12
und Grett. I — IV sprechen noch kleine formelle züge; in Fbr. 12
steht die aöalhending dr-eng : l-cng in I, in Grett. II, 4, den
späteren, strengeren forderungen gemäss, in II. — Fbr. 12, 7
hat ein klares A, (a = er/), II, 4 D, drenyr el sltddi lengi.
sondern auch 10, 0 und als skotliending- 32, 7 drengr : Igngum. Auch in
Fbr. sind dreng- wie leng- als reimworte noch oft belegt (vgl. das rimariuni),
vgl. ferner hüs. 80, 34 drengr : lengra von Sighvatr poröarson etc.
') Boer weist in seiner ausgäbe der Grett. (s. 317 1'., anm. zu str. III)
die Schreibung skeljeggr als 'sprachwidrig' (?) zurück und meiiit, dass die
kurze erste silbe des wertes die zeile metrisch verdirbt. In Wirklichkeit
ist es jedoch gar kein metrischer Verstoss (vgl. s. 58 ff.); minnis Gr. III, 2
ist metrisch falsch, wenn der Verfasser nicht schon skeleggr sprach!
") Bez. Boers anm. 2 (s. Zs. fdph. 30, 32) ist noch auf Nj. II, 857 zu ver-
weisen.
394 GAERTNER
A\^as endlich das enge zusammenstehen von Identitäten an-
langt (vgl. Boer a. a. o. s. 32 f., anm. 3), so kann dabei der zufall
eine rolle gespielt haben, sonst könnte man z. b. mit demselben
recht auch behaupten, dass Fbr. str. 7 von 'demselben' dichter
sei wie Grett. I — IV:
Fbr, 7, 7 oft vann auöar shiftir
Grett. 1, 1 oft (opt) nam sligpum shifta {skipta)
Fbr. 7, 4 sex sinnum, Grett. II, 1 einu sinni
Fbr. 7, 6 seims frei eJc Jjat . . . Grett. IV, 1 vüf frei ek pat . . .
ausserdem henscefar Grett. 6, 4 : Fbr. 7, 1 etc.
Ueberhaupt ist die zahl gleicher kenningar {fjortjon 3, G :
Grett. 28, 8 etc.), nomina und verba in den Strophen beider
sogur verhältnismässig gross. So weisen die Strophen 15. 16
allein je 6 solcher übereinstimmender wortformen auf (str. 15
varda, dreng-, itr, sdr, at hvdru, d knerri, — str. 16 frcenda,
dyrr, drengi, frd'k, handar, frd Jireyti), die aber zum geläufigsten
Wortgut gehören.
Das schwerwiegendste bedenken gegen die echtheit der
Strophe hat F. Jonsson ausgesprochen (Litt. hist. II, 468): die
durch die Strophe geschaffenen chronologischen Schwierigkeiten
sind in der tat nicht wegzuleugnen. Nach den übereinstim-
menden berichten der annalen (vgl. Isl. Annal. 106): Porfmnr
jarl ok Brüsi jarl Sigurdar synir gdfu Orkneyiar i vald Oldfs
konungs im jähre 1021; sie fuhren nach Norwegen, um mit
Oläfr wegen der Übergabe zu verhandeln, und Brüsi haföi
med ser Bggnvald son sinn; var hann pd x. vetra gamall, d. h.
Rognvaldr war ca. 1010, 11 geboren (vgl. Hkr. 2, 207, 17 f.). Da
er var aiistr eptir med Oldfi konungi (Hkr. 2, 213, 1 f.), müsste
seine wikingerfahrt mit porgeirr, von der str, 12 berichtet,
vor diese zeit fallen, etwa in den sommer von 1020 oder 1021,
Vigfüsson, der im Timatal (8afn. 1, 464) an der echtheit der
Strophe noch unbedingt festhält, nimmt deshalb an, dass Rogn-
valdr damals nicht erst 9 — 10 jähre zählte, sondern 'aö hann
var ]ni fulltiöa maör er orustan ä Stiklastoöum varö, liafi verit
meir en 19 vetra l'ä.' ') Diese hypothese bereitet indes schwierig-
') Dass mau den chronologischen angaben der Hkr. in der tat mit vor-
sieht begegnen luuss, sclieiut folgende rechnung zu ergeben: Firn vetra 'eda
fjürum' t'jjtir füll ülciß Tri/gyrasonar (a. 1000) für Siijurör jarl (der vater
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 395
keiten; sie zwingt, die geburt Rognvalds etwa ins jähr 1002
zu verlegen und die des jarl Brüsi, seines vaters, dementspre-
chend zum mindesten in den anfang der achtziger jähre; dann
wäre aber RQgnvaldr nahezu ebenso alt gewesen wie sein
olieim porfinnr und dieser fast zwei Jahrzehnte jünger als sein
Stiefbruder Brüsi (Brüsi war nicht der älteste der söhne des
jarl Sigurt^r, es giengen voraus: Hundi oder Hvelpr [Hkr. 2,
198,26] und Sunarliöi [Hkr. 2, 199, 3]); beides ist der Orkney-
ingasaga gemäss höchst unwahrscheinlich. — In den Orig. Isl.
11,674 ist G, Vigfüss. anderer meinung geworden: die Strophe
und mit ihr 'the whole Encomium must be spurious'; die aus-
führungen Vigfüssons sind nur zum teil zu billigen: porgeirr
ist mit grosser Wahrscheinlichkeit schon 1023 gefallen und
E^gnvaldr war bei Olafs tod nicht mehr ein knabe, sondern
ein Jüngling von 18 jähren, der den könig nach Garöariki
begleitete; endlich lehnt Vigfüss. rundweg die möglichkeit ab,
dass EQgnvaldr 'being at that time a boy' (s. 674) vor 1024 —
1025 (dem todesjahr porgeirs) an einer derartigen fahrt habe
teilnehmen können und er folgert dementsprechend weiter: 'the
hero (porgeirr) is praised for exploits that took place after
bis death' (vgl. II, 674 u.). — Anders Finnr Magnussen, GhMm.
II, 278. anm. 1): 'hans (Brüsa) Sön Eögnvald var da kun en
Dreng, men gammel nok til at deeltage i Toget, for Övelses
Skj'ld.' — Auch ich halte nicht für unmöglich, dass Brüsi,
der im herbste 1021 seinen söhn nach Norwegen mitnahm.
des jarl Brüsi und des jarl porfinnr, welch letzterer aus einer zweiten
ehe, mit der tochter des Skotakonungs Melkölms hervorgegangen war)
tu Islands ... 1 /jeiri ferö feil Sigiirör jarl i lirjans-orrostu (s. Hkr. 2, 199,
4 — 8), das wäre demnach ca. 1005. Porfinnr Siguröarson, heisst es Hkr.
2, 199, 11 weiter, var jx'i V retra: er wäre danach ca. 1000 geboren worden.
— Dieses resultat stimmt sehr schlecht überein mit dem aus den annalen
zu erscbliessenden ; in den 'Annales regii' steht unter dem jähre lOOi: Por-
finnr jarl Siguröar sonr ricti i Orkneyium Ixij (= 62) är. (vgl. Hkr. 2,
214, IG kann red meirr en Ix. vetra); da hann töh jarldöm V vetra gamall
(s. Hkr. 2, 199, 12—15) hat er also ein alter von 67 jähren erreicht. — Por-
finnr varö sott daiiör ä ofanverÖnm d^giim Ilaruldz Sigxiröarsonar (s. Hkr.
2, 214, 16 f.); setzen wir danach und im hinblick auf die Aunales Henrik
Hayers (Isl. Annal. 58), die unter 1065 angeben: Fall Ilarallds kommgs
Siguröar sonar . . . das todesjahr porfinns auf spätestens 1064 fest, so würde
das geburtsjahr doch schon nach 997 fallen!
Beiträge zur gcsctiichte der deuuchen spraclie. XXXII. 26
396 GAERTNEli
ihm schon im frühjahre desselben Jahres erlaubt habe, an
einer wikingfahrt teilzunehmen, bezweifle aber, dass (wie nach
der Strophe vermutet werden muss) R^gnvaldr der alleinige,
selbständige Unternehmer war, dem sich porgeirr dann an-
schloss. — Die prosaberichte lauten ja ganz verschieden:
nach F. trifft porgeirr auf den Orknej'-en den liggnvaldr jarll
Brüsa son, hüinn tu hernaöar; diese angäbe ist entschieden
falsch: nicht Engnvaldr, sondern Bn'isi und porfinnr waren die
damaligen jarle der inseln, R^gnvaldr konnte also damals noch
gar nicht jarl sein (vgl. Orig. Isl. II, 674). Eichtiger indes als
in H scheint der weitere bericht in F über zweck und ziel
der heerfahrt: F. II, 160 berichtet: uilängar margir lagu um
eyjarnar. H: sie waren bereit i herferö tu S'ko{t)landz. In
der Orkneyinga saga s. 26 wird nämlich ausdrücklich erwähnt,
dass der jarl Brüsi (!) sich verpflichtet hatte, die inseln gegen
Wikingereinfälle zu schützen; zu einer heerfahrt nach Schott-
land aber lag wenig grund vor, da die jarle der Orkneyiar
mit dem schottischen fürsten in frieden lebten: hatte doch
Sigurör jarl eine tochter des königs Melkolm zum weibe ge-
habt. Ich halte daher den prosatext von H für authentisch
und vermute, dass er ursprünglich folgenden Wortlaut hatte:
Iteir Jcomu viö OrJcneyiar; J)d var Porfmnr iall oh Brüsi iall,
hrodir hans, hüin{n) i lierferö til ShoÜandz ok selr pd P orgeirr
sTiipit oh rcez i lid med Bri'isa iarli . . . oh fengu Jjeir sigr hvar
seni peir foru. — Ungenau ist darin nur die angäbe von der
heerfahrt nach Schottland; wahrscheinlich war der saga-
schreiber hier über das eigentliche motiv falsch unterrichtet.
Dass gerade Brüsi als Unternehmer der fahrt genannt wird,
passt gut zu der notiz in der Orkneyinga saga (vgl. oben). Ver-
mutlich blieb porfinnr jarl zur Verwaltung der inseln zurück.
— In diesen text (in dem bis dahin von RQgnvaldr noch nicht
die rede war) fügte ein redactor str. 12 ein, in der Eognvaldr
gerade eine wichtige rolle spielt; gleichzeitig setzte er in die
prosa den in H überlieferten satz med Brüsa jarli var pd
Eognvaldr . . . ein. Dieser verrät sich als Interpolation nicht
nur durch seine höhere Stimmlage, sondern auch durch den
inhalt: in ra;z i lid Brüsa jarli war bereits gesagt, dass por-
geirr sich dem Brüsi angeschlossen habe, in oh var Porgeirr
med hannm wird dieselbe aussage widerholt, nur variiert, in
ZUR FÜSTBRCEDRASAGA. 397
engerem anschliisse an den stropheninlialt (also 7ned hanum
Avol auf Rggnvaldr zu beziehen). Gelegentlich des berichtes
von der fahrt Brüsis zu Öläfr (1021) heisst es in der Hkr.
(2,207,17) ganz ähnlich: Brüsi liafdi meö ser llggiivald son
sinn. Möglicherweise wurde diese angäbe von dem redactor
l^enutzt, um die anwesenheit Eognvalds bei dem wikingzug
zu motivieren. Der redactor von F hielt sich offenbar noch
mehr an die Strophe. p]r erwähnt porfinnr und Brüsi über-
haupt nicht mehr und erhält dadurcli einen text, der zwar
genau zu der Strophe stimmt, aber dafür Jedoch die oben er-
w^ähuten, sachlichen Irrtümer enthält.
Aus alledem geht wol hervor, dass wir es wirklich mit
einer unechten Strophe zu tun haben, deren Verfasser stofflich
noch sclilechter orientiert war als der Verfasser der prosa in H,
und nur deshalb den erst nach porgeirs tod eine gewisse rolle
spielenden Rognvaldr für Brüsi einsetzen konnte. Finnr Mag-
nussen (GhMm. II, 278) erklärt sich die besondere erwähnung
Rognvalds (und nicht Brüsis oder beider) dadurch, dass 'denne
R^genvald opholdt sig ved Kong Olaf Haraldsöns Hof paa
samme Tid som Thormod, hvorfor Skalden mäskee, i sin Drapa
over Thorgeir, udtrj^kkelig har naevnt hans ngevn'. — Wir
haben allen grund anzunehmen, dass die erfidrapa noch auf
Island, kurze zeit nach porgeirs tod entstanden ist, zu einer
zeit, als pormöör den RQgnvaldr noch gar nicht kannte, i)
Die formale correctheit der Strophe zeigt den Verfasser
im besitz gewanter technik. Die kenningar ergeben w'enig;
die Umschreibung hjgrgaldrs Njorär steht allerdings unter den
25 kenningar für porgeirr insofern isoliert, als sie die einzige
ist, die einen mj'thischen namen in die kenning einbezieht
(vgl. s. 362 ff.). Die reime gewähren in lautlicher beziehung
ebenfalls keine anhaltspunkte. Die Strophe wird also ziemlich
früh nachgedichtet sein.
') Die episode selber ist mit geAvisslieit als echt anzusehen. Chrono-
logisch lässt sie sich anstandslos einreihen: im frühjahr 1021 kommt por-
geirr auf den Orkneyiar an, unternimmt mit Briisi die fahrt gegen die
räuberischen Avikinge, und spät im herbst fahren sowol er wie Brüsi und
Rognvaldr nach Norwegen. Im frühjahr 1022 kehren porgeirr und lUugi
nach Island zurück, verbringen den Avinter 1022 — 1028 in Reykjahül und
im frühjahr 1023 wird dann porgeiiT erschlagen (vgl. s. 398).
26*
398 GAERTNER
Str. 7. Die festlegung der Chronologie der einzelnen er-
eignisse bereitet grosse Schwierigkeiten. Die einzigen ganz
sicheren dateu sind: 1. die Übergabe der Orkneyiar an Oläfr
i. j, 1021 (indirect wichtig); 2. die flucht pormoös mit könig
Öläfr nach Garöariki, die nach den Annales regii (Isl. Annal.
s. 107) 1029 stattfand; 3. das todesjahr pormöös, das jähr der
Schlacht bei Stiklastaöir, 1030. — Zu 2. ist Jedoch zu be-
merken, dass schon 1028 Knütr hinn riki kom til Noregs oh
lagdi rihit undir sik (s. Annal. regii 107), und noch im spät-
herbst desselben Jahres, 1028'): Pormödr för ör lancli med
Öldfl (vgl. Fbr. [52J 107, 1 v. u.) zunächst nach Schweden -) (vgl.
GhMm, II, 279) und von da erst nach Garöariki. Zwar wird
in der saga nicht angegeben, welche zeit zwischen dieser aus-
fahrt und der rückkehr pormoös von seinem zuge nach Groen-
land verflossen sei, es heisst nur: nü var Pormöör med Olaf
konung i goöri viröingu etc. (Fbr. [52] 107, 3 v. u.), doch wird
man diese ankunft von pormoör (mit Bj^ru und Sküfr zu-
sammen) in Norwegen in den Spätherbst des jahres 1027 ver-
legen dürfen. Da es iDormoör daran gelegen sein musste, bald
zu Öläfr zu gelangen, um ihn von dem glücklichen ausgang
der fahrt in kenntnis zu setzen, geht er mit Sküfr in Nor-
wegen an land, und nur Björn fährt weiter nach Dänemark,
um sich von dort aus auf die Pilgerfahrt nach Eom zu be-
geben. — Der aufenthalt pormoös in Groenland hat, wenn wir
dem bericht der saga folgen, genau vier jähre umfasst. '^) Von
porgeirs tod an, der nach der oben aufgestellten Chronologie
(vgl. s. 397, anm.) in das frühjahr 1023 fällt, gibt uns die saga
stets in unmittelbarem zusammenhange stehende daten:
Pormöör kolbrknarslcäld nncli illa eftir fall Porgeirs, ok för pat sama
snmar ütan ok Eyjölfr ör Olafs dal ok Porgeirr höfleysa, föstbroöir Jians,
i Grimarösi; peir töku land norÖr ä Halogalandi i Loföt. f^ormöör för ä
fund Öläfs kormngs ens helga . . . Fbr. (52) 77, 23 ff. 1023
1) S.h.I. V, 355 Ex Norvegia fiigit, cum 15 liiemes rex Norvegiae fuerat
(vgl. hÖs. s. 188).
*) S.li. I. V, 356; för kann fyrst til GnÖhranzdala, cn papan üt ä
Heiömaurc (hÖs. 188); kann för of Noregi austr um Eipascog til Vermalanz
ok pä üt i Vatsb. . . . oc com fram ä Neriki (hÖs. 189) . . . SiÖan er Ölafr
var comimi i Garöariki . . . (hÖs. 195).
ä) Vigfüssou (Orig. Isl. II, 676) freilich meint : ' one year aud a half will
fully account for the iiecessary and niore probable part of the tale.'
ZUR FOSTBRCEDRASAGA, 399
pä er PormöÖr JiolbnhiarsMld hafdi rerit einn celr ineö Öläfi
Iconungi 1023—24,
pä bjd Ski'ifr Groenlemlingr shp sitt til GranJamh (a. a.o. 80,8) . . .
TeJcr PormöÖr scr pä fari med Sknf (&.&.O. SO, lö) im frühjahr 1024:
Sid um haustit töko peir Gracuhoid 1024
Ski'p kom i EirixfjorÖ (a. a. o. 82, 15). — Pormüdr für til oistar i
BraUahliö (a. a. o. 82, 30) med porkel Leifssoii. Affaradacf jölanna (also, da
das jiilfest auf den 14. deceniber fiel und ursiirünglich drei tage dauerte,
vgl. "Weinhold, Altnord, leben s. 380, ev. am 17. dec. 1024), hjoycjuz menn ä
hroit . . . I^ormödr Jtgggr i liofui) Lodni svä pat kann feil pe<jar dauÖr
tu jaröar 1024—25
Um siimarit eptir pessa atbt(rdi, also 1025,
furo menn til pings i Garda i Einarsfjord (a. a. o. 86, 8) ; Pormödr
hgggr i Jigfuö I^orgrimi ok klyfr hann i heröar nibr: 1025
So Avird pormöör sclcr skugarmadr um vigit 1025
Nie flytja Sküfr ok Bjarni I^ormöÖ til Einarsfjord, ok fylgja hönum
i hellt pann er nie er kalladr PormöÖahellir (a.a.O. 91, 13). Einn güdan
vedrdag rceds Porgeirr brott frü hcUinum (a.a.O. 92, 1 f.) ... I^orgcirr hoggr
bäÖum hgndum i hgfud I^orkatU ok klyfr huysinn (a.a.O. 93, 12) 1025
Pormödr hjö meÖal herda pordi (a. a.o. 93,20) 1025
Falgeirr drucknar (a. a. o. 94, 8) . . . 2'ekr Griina cid I^ormödi
(a.a.O. 96,3) 1025
La P^onnödr 12 viünuöi i särum (a.a.O. 96,10) 1025—26
pä er einn vetr var lidinn frä pessitm. atburdum (1025 — 26) .... rar
pö ekki gröit sär hans. Um värit curö sä atburdr at pöröis ä Longunesi
(a.a.O. 96, 13 f.) ... 1026
pä er I^ormööi' var ordinn heill madr, pä ßuttu peir Skiifr ok Bjarni
PormöÖ heim ä Stokkanes . . . par rar I^ormöÖr den dritten winter =
Winter 1026—27
pormöör und Sigurör verwunden den Ljötr schwer, doch auch por-
möör wird am knie verwundet. — Ok er hunn cur heill madr ordinn peira
ärerka, pä flytr Steinarr J^ormöd lil skips pcira.^) — Eptir pingit var
Sküfr albicinn til brottferdar (a.a.O. 105,28) ... Stiga peir ä skip, I^or-
möör ok Sküfr, ferst peim. vel, taka Noreg (a. a. o. 106, 5 if.) im herbst 1027
Demnach darf Fbr. docli wol als liistorisch glaubwürdig-
bezeichnet werden. Andererseits ist die rechnung für die zeit
vor dem erscheinen Jjormöc^s auf den Orkney -inseln ziemlich
unsicher. — Nach der Zeittafel von Finnr Magnüsson (GhMm.
II, 277 f.) kommt I)orm6(^r schon im sommer 1020 nach den
') In der prosa haben wir a.a.O. 100, 19 pa fystiz Pormödr ör utib. . . .
a. a.o. 105, 28 Eptir pingit . . . eine interpolatiou, verraten schon durch 105, 24
pä flytr Steinarr PormöÖ til skips peira!
400 GAERTNER
Orkuey-inseln, er geht dort mit Brüsi und dessen söhn Rogn-
valdr auf die Leerfahrt gegen die wikinger, gelangt aber erst
im herbste des folgenden Jahres (1021) nach Norwegen. Finnr
Magnüsson gieng dabei von dem von Finnr Johnsen angesetzten
termin für den aufenthalt porm6(^s, Dorgeirs und Grettirs in
Reykjahöl bei porgils Ärason aus, nämlich dem winter 1019
— 1020. Indes die angäbe über das zusammentreffen dieser
drei männer ist durchaus nicht gesichert: wir hören nur in
der recension der Öläfssaga davon, und hier ist die betreffende
kurze episode sicherlich interpoliert (Boer, Grett. XXXII nimmt
an, dass sie aus der Grett. stammt und setzt als jähr der be-
gegnung 1016—1017 an). — Ferner ist es unwahrscheinlich,
dass pormöör mit Rognvaldr (?) — Brüsi den ganzen sommer
1020 hindurch bis zum nächsten herbst 1021 auf der heer-
fahrt gewesen wäre: von einem Winteraufenthalt 1020 — 1021
wird ebenfalls nichts erwähnt. Ich traue deshalb dem saga-
bericht und nehme demnach an: porgeirr kam im früh jähr
1021 zu den Orkney -inseln, verbrachte den sommer auf
wikingerfahrten, oJi sid um hausfit för hann til Xöregs (Fbr.
[52] 47, 24). — Verfolgen wir von hier aus die erzählung
rückwärts, so ergibt sich folgendes bild:
Im Spätherbst (um vetrinn) 1020
war porgeirr / Steingrhiisfjprö til Bofär gefahren und hatte dort den pörir
getütet. Den vorausgehenden winter 1019—20
brachte er bei Öläfr zu (a. a. o. 66, 21), ferr ä fund Olafs konungs ok er med
hönum pann vetr. Um varit desselben Jahres, 1019,
hatte er den Hoekil Snorri a Hvitstodum erschlagen, den winter 1018 — 19
aber in Eeykjahol zugebracht. — pat var eit sumar, 1018,
er hann kom skipi sinu i Hritä ok hell siÖan upp i Gljüfrä.
Wir wissen auf grund der bisherigen ausführungen, dass
er die winter von 1019—20 und 1021—22 bei Öläfr verlebte.
Nach ausweis der str. 7 unternahm pormoör aber 6 fahrten
von Island aus {Sex sinniim Ut . . . ) und da er var annan vetr
jafnan med Oldß konungi i Noregi, en annan d Islandi, so
musste die erste ausfahrt (wenn wir voraussetzen, dass er den
winter von 1023 — 24 widerum bei Öläfr zu verbringen be-
absichtigte [den winter 1022- 23 weilte er in Reykjahöl, vgl.
oben], und deshalb sein unternehmen gegen porgrimr Einarsson
als letzte ausfahrt rechnen), 1013 stattgefunden haben, die
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 401
zweite danach 1015, die dritte 1017. die vierte 1019 und die
fünfte 1021. Von der zweiten und dritten und damit aus den
sommern 1013—17 wissen wir von I)orgeirr niclits fest datier-
bares. Wir können nur aus der oben citierten kurzen notiz
erschliessen. dass er die winter von 1013 — 14. 1015 — IG. 1017
— 1018 (was wider zu seiner ankunft im sommer 1018 in Is-
land stimmt) in Norwegen zubrachte. Ueber seine isländischen
aufentlialte lieisst es: jafnan loni hann slcijfi sitm i B(^rgar-
fjoni, ok hjeldu pci i Flöa i Norörd olc settl par tipp d vetrum,
firir vestan dna, par sem ni'i er IcaUat Porgeirshröf, pat er
sädr frd liolii pvi er SmidjuhoU heitir (a.a.O. 29. 10 — 13). Aus-
führlicher wird nur seine erste ausreise geschildert. >) Auf
den sommer 1014 oder 1016 bezieht sich somit siclierlich die
nachricht, dass Porgeirr för Imupfor säör til Vindlanäz, ok var
par litill fridr i penna tima liaupmgnnum noröan 6r londum.
Af pessum ferd varö hann dgcetr. — Ohne nachricht sind wir
nur über die sommer 1015. 1017 und 1014 oder 1016. — Gehen
wir von 1013, seiner ersten ausfahrt in der zeit noch weiter
rückwärts, so gehört in das zeitige frühjahr 1018
die eiinordung Sküfs uud Bjarnis kurz vor der ausfahrt; skip stöö uppi i
Norörd i Flöa ; par car pä sJcipa hnfn tiö (a. a. o. 25, 5). Im vorhergehenden
frühling, also . 1012,
für Porgeirr til Isafjardur, panijat . . . peir fara nordr ä Strander . . .
peir Porgeirr ok Porinödr röro pat sumar ä Strgnclum (a. a. o. 24:, 6) 1012;
dort erfolgt ihre trenuung; um haustiÖ seiii Porgeirr upp skip sitt iiorör
ä Strpnchiin (a.a.O. 24,25). Siöan för hann ä Heykjaliöla til Porgils ok var
par um oetrinn 1012 — 13;
den Winter 1011—12
hatte er ebenfalls in Eeykjahol verlebt. — Vorausgegangen war folgendes:
Im frühjahr 1011, er värar ok veÖrdtta hatnar, pa flöta peir skipi sinn ok
hka pat (a.a.O. 18,30) ...peir fara nordr ä Strandir (a.a.O. 19, 1) ... Um
haustiö 1011
föro peir noröan af Strondam til Isafjaröar ok sellu upp akip sitt . . .
1) Austmenn leggja skipi sinu üt til Seljaeyrar (a.a.O. 28, 6) . . . relkti
ilti i hafi nokkura hriÖ, sjä at lyktum land firir stafni ... ok er pat Irland
(a. a. 0. 28, 12) ; peir föro paöan til Englands ok coro par tun hriö — ok
hefir Pormöör svä um ort, at Porgeirr Poigi par gööar gjäfir af hof-
dingjum. Eptir pat för hann til Danmerkr, ok fekk par scä mikla rirÖing,
at Danir tignuöu hann nerr sem konung, at pvi, sem Pormöör heftr um
ort. Siöan för hann til Noregs ok ä fund Olafs konungs ens helga (a.a.O.
28,27) ok pä geröiz hann hirÖmaör Olafs konungs.
402 GAERTNER
Yerr PormöÖr tu fpöur sins; Jiorgeirr tötet noch den Butralda im spät-
herbst ' 1011
Ih-o peir med kenni (S/'grfljöd) im winter 1010—11
Um värit eptir ßessi tidendi (der ermordung jQÖiirs durch Jiorgeirr 1009)
rez Pörelfr vestr ä BeyJcjanes (a. a. o. 12, 30). /)ai sumar 1010
var scez ä vig peira JöÖurs ... Vöro peir ßormuör enir heztu einir, ...
letu rcida yfir um smnarit i ymsa Stade ... oJc er homit var at vetri, . . .
peir siglöu üt 6r Isafirdi; ein nnwetter verschlägt sie zu Sigrfljöö und auf
ihre auiforderung hin überfallen sie im winter (fara yfir fjordinn ä isi
a.a.O. 15,22) den Ingolfr und den Jtorbrandr 1010 — 11
pä Möbi hafstods vas 15 rctra, er vig petta rard (vgl. str. 2 und a.a.O. 17);
— es handelt sich um die ermordung JoÖurs durch pcrgeirr im sommer 1009;
iDorgeirr muss demzufolge bereits etwa 994 geboren sein.
Pormödr var nolchiru ellri, en pö var Porgeirr sterl'ari (a. a. o.
s. 6); da nonkuru eine sehr relative Zeitangabe ist, brauchen
wir die geburt pormöös nicht weit von 994 zu verlegen, viel-
leicht sogar noch in dasselbe jähr (vgl. GhMm. 11,276; daselbst
meint Finnr Magnussen: pormöör sei nur deshalb als der ältere
ausgegeben, weil er dem porgeirr überlegen war?).
Mit diesem resultat (pormöör geboren 993 — 94, porgeirr
ca. 994) steht in gutem einklange eine Zeitangabe, die der
zweiten hälfte der str. 22 zu entnehmen ist. Diese Strophe
ist in den grossen, nur in F enthaltenen prosaabschnitt ein-
gefügt. Da die str. 22 vor könig ()lafr recitiert wird (und
zwar im herbst vor Ioorm6("^s ausfahrt nach Grönland, also
1023), trifft die angäbe der Strophe: Eml; {Pornwdr) varliga
oröinn Ph-itecjr ganz das richtige, indem sie ebenfalls auf 993
— 994 als geburtszeit pormoös hindeutet. Diese beziehung
aber wird in frage gestellt durch die angäbe: liefh sex hoöa
stdlregns vegna im ersten visuhelmingr, denn bis 1023 hat
pormöör nur den Ingolfr getötet, wenngleich es nicht aus-
geschlossen ist, dass uns von seinen übrigen gewalttaten nichts
berichtet wird (vgl. str. 5 Frett liefr glä, at dttum rögsmenn
saman gnoga!). Die lösung der Schwierigkeiten wird so zu
versuchen sein: die zweite halbstrophe ist tatsächlich gelegent-
lich pormoös erster begegnung mit könig Öläfr citiert, 1023,
sie steht demnach in F am richtigen platze. Der Inhalt des
Satzes: ver letum ])6 hita skarar mords at mun manna bezieht
sich auf taten des skalden in seiner heimat. Die erste halb-
strophe ist secundär hinzu oder besser — vorausgedichtet
ZUR FOSTBROEDRASAGA. 403
worden. Sie hat höhere tonh^ge als die zweite halbstroplie
und deutliche tiefschlüsse gegenüber den für pormöAr charak-
teristischen hochschlüssen (in 22, 5—8); auch sonst verrät sich
22, 1 — 4 durch verdächtige, unklare kenningar, wie *on(i styrr
und *hjalta-Ty (22,2) mit dem anomalen reimschema a — ay,
demzufolge die zwei nomina hjalta- und Ty reimlos bleiben.
Weil aber, wie erwähnt, der inhalt der ersten halbstroplie
schlecht zu der umgebenden prosa stimmte, hielt man die
ganze str. 22 für an falscher stelle citiert und nahm an, dass
sie nach pormöös rückkehr (vgl. Sn. E. III, 538), etwa nach
Str. 32 gesprochen sei. Allein auch hier macht die zahl '6'
Schwierigkeiten. In str. 33 nämlich nennt pormöör nur fünf
von ihm getötete gegner; nicht erwähnt wird (nach Gislason,
Nj. II, 137: mit gutem recht) die ermordung des Ljotr l)6run-
narsonr und dreier seiner leute durch pormoör und Steinarr.
"Wollten wir annehmen, dass pormoör nicht nur einen der vier
gegner erlegte (Steinarr deren drei), sondern mindestens zwei,
so würde die zahl der auf Grönland getöteten 7 betragen,
also auch dann keine Übereinstimmung mit 22, 1 — 4. Ausserdem
wäre man, wenn die Strophe erst gelegentlich der zweiten be-
gegnung pormöös mit Öläfr gesprochen worden wäre, auf grund
der zweiten halbstroplie gezwungen, das geburtsjahr pormoös
nach 997 (vgl. Fbr. [99] Timatal: Feeddr Pormöds MbrimarsJc.
998) zu verlegen; die folge wäre dann, dass die auf str. 7
fassende Chronologie umgeworfen und damit die echtheit der
Strophe unmöglich würde.') Belassen wir dagegen das frag-
ment 22, 5 — 8 an der ihm von F angewiesenen stelle, so
werden nicht nur sämmtliche Schwierigkeiten gelöst, sondern
die Strophe vermag eine weitere stütze für die auf str. 7 und
der prosa basierende Chronologie abzugeben.
Str. 11 begegnet z. 7 handschriftlich die form odds. Fiunr
Jonsson vermutet darin den nanien Oddr und construiert:
jostijrandi Idyra liefndi sdra Odds. Von einem Oddr ist in
der saga sonst nii'gends weiter die rede: der name des von
') Finnr Magnüsson (GhMm. II, 277) glaubt, dass die Strophe bereits
in Groenland verfasst sei, 'hvortil den netop vilde passe'; aber auch dies
ist wegen chronologischer bedenken zurückzuweisen, da die stropbc nicht
vor 1025 entstanden sein könnte, in welchem jähre er die drei briider er-
mordete, den Loöinn und porgrimr.
404 GAERTNER
I)()rir verwundeten gefolgsmannen Olafs, den dieser durcli por-
geirr räclien lässt, wird in F ausgelassen: liami smröe Jconungs-
mann miJdu sari (F. II, 157); in H wird der mann zwar genannt,
doch lieisst er da nicht Oddr, sondern porflnnr (Fbr. [52] 67).
Das würde zunächst den verdacht erwecken, 1. dass str. 11
eine nachdichtung ist, in der eine falsche namensform im reim
benutzt wurde, 2. dass ein redactor der H-version die Strophe
in den text einstellte, ohne die namensverschiedenheit zu be-
merken, 3. dass in den späteren texten der Widerspruch auf
kosten der prosa beseitigt wurde, indem man den namen I)or-
finnr (Bergfinnr : vgl. F. Jonsson, Litt. hist. II, 468) einfach eli-
minierte (vgl. einen ähnlichen fall bei str. 12, wo in der prosa
von F die namen des Bn'isi und des porfinnr jarl ebenfalls
beseitigt wurden). Indes macht die Strophe einen so ursprüng-
lichen eindruck und fügt sich so gut in den gesammtcharakter
der erfidrfipa ein, auch zeigt sie in spräche und bau, in melodie
und tonhöhe eine so weitgehende Übereinstimmung mit den
visur der dräpa, dass von einer nachdichtung nicht wirklich
die rede sein kann. Ich glaube deshalb, dass es mit dem Por-
ßinr von H zwar seine richtigkeit hat, dass dagegen oddr nicht
der name des gefolgsmannen, sondern ein heiti für schwert ist
(oddr = spitze, schwertspitze als pars pro toto für gladius:
es rächte der wackere kämpe die schwertw'unden [porfinns] ).
Zu Str. 18 vgl. die ausführungen s. 327 f.
IL Die lausavisur.
Erwiesen sich schon die Strophen der erfidräpa nicht
durchweg als echt, so stossen wir bei den lausavisur (die
nicht, wie jene, glieder eines ursprünglich festgefügten ganzen
waren) in noch höherem masse auf nachdichtungen. Während
im ersten teile der saga der redactor no. 1 jede bedeutendere
handlung mit einer Strophe belegt, begegnen im zweiten teile
nach Str. 23 umfangreiche prosapartien ohne poetischen schmuck
(vgl. Fbr. [52] 78—86. 95—106 etc.), denen dann wider grosse
strophencomplexe folgen, die in einen belebten dialog eingefügt
sind. Da aber jene strophenfreien teile ebenfalls der Zwie-
gespräche nicht entbehren und für den gang der handlung wich-
tige episoden enthalten, so scheint sich hier der sagaschreiber
ausschliesslich auf mündliche tradition gestützt zu haben.
ZUR f6stbr(edrasaga. 405
Str. 0. Tm ersten teile der saga, den man 'porgeirs leben
und tod' und "pornKuM- auf Island' überschreiben könnte, stehen
nur zwei lausavisur {S, 9), eine in der episode von pöröis, die
andere in der von porbj^rg- kolbrün; sie wären danach zwischen
1013 — lOlG entstanden. — AA'ährend erstere im allgemeinen
den eindruck der echtheit macht, weist str. 9 ein curiosum
auf: fast sämmtliche kenningar der drapa sind dem anschauungs-
kreis des täglichen lebens entnommen '), str. 9 wäre damit die
ei^te und einzige der auf Island verfassten strojjhen, in der
mj'thologische kenningar, zudem in starker anhäuf ung, ent-
gegentreten: e^'-Draupnis dis; en pri'iöa prüör, Hildr hvitings!
— Technisch steht die Strophe ungefähr auf gleicher höhe
mit der als nachdichtung erkannten str. 4, mit der sie auch
sonst verwante züge aufweist, die auf den gleichen Verfasser
deuten: nahezu vollständige iibereinstimmung im auf bau der
verse (die typenfolge in der ersten halbstr.: A],Ai — D.,, A^Dj;
zu 4,1 [vel-telja] und 12,7 [drengs : lengri, vgl. s. 360]), der
ähnliche einsatz mit einem qualitäts-adv. {vel, üla). das vor-
kommen mj-thologischer kenningar, bez. termini und nicht
zum wenigsten das gleiche melodische Schema. — Schon die
den Strophen 8. 9 vorausgehende Situationsschilderung (Rersi
erkundigt sich in beiden fällen teilnehmend nach dem miss-
geschick seines sohnes) leistete einer nachdichtung für die
porbjorg-episode Vorschub.
Darf man also str. 9 als nachdichtung ansehen, so muss
pormoör am hofe Olafs seine technik, besonders seinen schätz
von kenningar sehr vervollkommnet haben. Solange er auf
Island weilte, entnahm er die kenningar ausschliesslich dem
leben der krieger und Seefahrer. 2) Das wird aber anders,
nachdem sich pormoör eine Zeitlang als skalde am hofe Olafs
aufgehalten hat. Von dieser zeit an weisen seine lausavisur
eine reiche auswahl mj^thologischer namen in den kenningar 3)
^) Ausgenommen sind nur: frä Gunni str. 4, 3 (!), terminns = kampf-
göttin; NjorÖr hjorgulärs str. 12, 1 (!) und das nicht schwerwi'cgeude valdr
alfpdurs tjalda str. 3.
*) Die so gearteten Umschreibungen vermögen für die echtheit der
Ftrophen, sowie für die Zusammengehörigkeit der auf Island entstandenen,
ein wertvolles kriterium abzugeben.
^) So vor allem in den Grönlands-strophen.
406 GAERTNER
auf: z, b. 25, 2 Baldr skjaldar, 27, 7 NjgrÖr nadda hords, 28, 6
Ti'jr längs premja svells drifu, 30, 3 Baldr lirmgs setrs, 31, 5
Ullr eggvedrs etc. Dass auf ihn die uälie des grossen Siglivatr
nicht ohne einfluss gewesen ist, darf als sicher angenommen
werden.
Zu pormoös aufenthalt bei Knütr. Ueber die echtheit
dieses nur in der Öläfss.-version der Fbr. aufgezeichneten be-
richtes ist viel gestritten worden (vgl. F. Junsson, Sn. E. III,
527 ff. Litt. bist. 11,469. Finnr Magnüsson, GhMm. II, 276 ff.
Guöbr. Vigfüsson, Cpb. II, 175 und Orig. Isl. II, 677). Der gang
der erzählung ist folgender: I)orgeirr ist gefallen (1023), l3or-
möör erinnert sich alsbald des von ihm geleisteten eides, sein
einziges ziel ist die räche für Jjorgeirr. Da dieser ein gefolgs-
mann Olafs war, so muss auch der könig darauf bedacht sein,
für die ihm selber durch porgeirs ermordung zugefügte schmach
räche zu nehmen, pormöör begibt sieb also eiligst zu (3läfr,
um sich diesem als räclier anzubieten. Von dieser reise ist
einiges mitgeteilt: H PormöÖr för ^at sama sumar utan . . .
J)eir töhu land nordr d Halogalandi i Loföt, PormöÖr för d
fund Olafs l'onungs ens helga ') • • • sagdi kann liönum pd alla
athurdi um fall hans (Fbr. [52J 77). Gegen die genauigkeit
dieses berichtes ist nichts einzuwenden; derjenige in F und
lös dagegen weist grosse Unklarheit, vielleicht eine absicht-
liche Verschleierung und Verheimlichung von wolbekanntem auf.
Es lieisst in F. II, 199: pat sama sumar sem hann (Porgeirr)
var veginn, för Pormödr ütan vestr j Vadli oJc er ecki sagt af
fcrdum peira-) fyrr en peir komu fram j Danmork. J)d reo par
firir Knilir hinn riki. ... In Wirklichkeit aber Weilte Knütr
. damals (1023) in England und kam erst gegen ende des jahres
1027 nach Dänemark, wo er 1027 — 1028 überwinterte (vgl.
S. h.I. V, 355 und liÖs s. 161: Kniitr kongr . . . com . . . til Dan-
mercr ok lagdi til Limafjardar). Der bericht von F, soweit
0 Vgl. eiue notiz in Hkr. II, 272, 15 = hOs. cap. 113, s. 125 = lös. 1859,
cap. 113 = F. II, 239 = Form. V, 280 Föru af Islandi margir met — orda
menn, j)cir er handgegnir, gerdusk Öläfl kommgi; par var . . . Porgeirr
Hävarsson, Pormödr Kolbrünarskäld ...
^) Wer gemeint ist, ob Avie in H pormöör und die föstbroeör porgeirr
hofleysa und Eyjölfr, oder Sküfr und Bjarui, die den pormoör auf seiner
fahrt von Grönland nach Norwegen begleiteten, bleibt unklar.
ZUR FÖSTBROEDRASAGA. 407
ihm danach nocli ein historischer kern zugestanden werden
darf, ist demnach zum mindesten an falscher stelle eingesclialtet;
dann bleibt nur eiue möglichkeit, nämlich anzunehmen: 1. dass
das erzählte sich auf der riickreise I)orm6ös von Grönland
nach Norwegen abspielte, also unmittelbar vor seiner zweiten
begeguung mit Oläfr, 2. dass pormuör mit seinen beiden ge-
fährten (?) durch ungünstige winde aus dem kurs verschlagen
wurde und infolge von nebel anfang des herbstes (1027) nach
Dänemark geriet (vgl. 8n. E. III, 530). — Dieser annähme
stehen aber manche gründe entgegen: als nächste folgerung
ergibt sich dann, dass die durch str. 21 gestützte erzählung
von pormoös Jiucht auf das scliifl; des königs (vgl. F. II, 201/02)
erfunden ist, da sie nur auf eine erste begeguung mit (3läfr
bezogen werden kann, während eine solche bereits vier jähre
früher (1023), also vor der Grönlandsfahrt, stattgefunden
haben muss. Auch das übrige (pormoös aufenthalt bei Knütr
und die fahrt mit dem wiking Härekr) ist stark verdächtig:
zunächst müsste die klare erzählung in H von der trennung
Bjarnis von pormöör und JSkiifr unecht sein; es müsste erfunden
sein, dass die letzteren beiden in Norwegen an land gehen,
nachdem sie vorher die habe geteilt haben, dass, während
Bjarni mit dem schiffe allein weiterfährt und nach Eom pil-
gert, Sküfr in Norwegen bleibt und dort seinen lebensabend
beschliesst. Was bietet uns dafür der text von F? nichts
darüber, wer pormöös begleiter auf dieser fahrt waren, nichts
darüber, durch welche umstände sie nach Dänemark ver-
schlagen wurden: auch in dem späteren bericlit von pormoös
rückkehr zu Oläfr verschwindet Sküfr spurlos aus der saga,
vgl. F. II, 225, : statt alledem nur die trockene auskunft: peir
könnt fram i Danmercr . . . var hönum (Knüti) sagt frei Por-
moöi ... oh sendir honung)- eftir lionum oh bad hann Jcoma d
sinn fund. Das klingt so, als wäre pormoör absichtlich zu-
nächst nach Dänemark gefahren, obwol er (wie str. 23 aus-
drücklich betont wird: minnumic meir d annat mitt starf) die
ausführung der räche als sein einziges ziel betrachtet hatte.
Die lös berichtet das auftauchen pormöös an Knuts hof etwas
anders, ohne dass sie vermocht hätte, es wahrscheinlicher zu
machen; der redactor hat sich die sache sehr erleichtert: die
fabel von pormöös berufung ist nichts weiter als eine Variation
408 öAERTNEß
der vorhergehenden notiz (a. a.o. s. 43), wo Kniitr verg-eblich
eine einladung an Sigurörsun Aka Vaugssunar ergehen lässt,
der es vorzieht, bei künig Öläfr zu bleiben.
Der bericht von der abenteuerlichen ersten begegnung
pormoös mit Öläfr musste als unecht bezeichnet werden, so-
bald man ihn als eine scene aus pormöös rückreise von Groen-
land (zur zweiten Zusammenkunft mit Oläfr) betrachtet. Damit
wird zugleich der glaube an die echtheit der Härekr - episode
schwer erschüttert, denn diese ist mit dem folgenden dadurch
eng verknüpft, dass pormoör gegen ende der wikingerfahrt
von Häreks schiff auf das königsschiff hinüberspringt und so
jene erste begegnung herbeiführt. Den kernpunkt der ganzen
erzählung könnte ein durch irgendwelche umstände veranlasstes
zusammentreffen pormoös mit Knütr — und zwar nach seiner
Grönlandfahrt — in Dänemark bilden, von wo aus er sich zu
Öläfr zurückfand. Ein redactor, der diese episode zu früh in
den Zusammenhang der erzählung einstellt, erfindet nun die
an grossen unwahrscheinlichkeiten laborierende Härekr- und
fluchtgeschichte. — Nimmt man einen solchen dänischen
auf enthalt aber an, wie ihn der erste teil der 'Interpolation'
schildert, so gerät man mit der Chronologie in conflict, die
für die jähre 1021—1030 als leidlich gesichert gelten darf.
Wir wissen, dass pormuör erst im herbste 1027 nach Norwegen
bez. Dänemark gelangt sein kann. Nach der rede Knuts zu
schliessen (vgl. auch str. 19): uar med oss Pörarinn loftunga
traf pormöör den pörarinn nicht mehr bei Knütr an. In der
hös 1) jedoch, die in einem besonderen abschnitte über pörarinn
loftunga handelt (s. 180) und hier entschieden glaubwürdig ist,
wird ausdrücklich bemerkt: Pörarinn krösar Jn-i at liann var
i för med Knüti lionimgi, er liann com i Noreg, mit anderen
Worten: pörarinn weilte nicht nur um jene zeit bei Knütr,
sondern hielt sich auch noch im nächsten jähre bei ihm auf.
Weiter heisst es in F: nachdem pormöör durch das angebot
Knuts {])at var mork gulU F. II, 200, 6) sich hat bewegen
lassen, einstweilen in Dänemark zu bleiben (!), er kann J)ar
um hriö ... oli oft kvaö kann visur um Jmt er viö har (von
') Vgl. auch 10s s. 59 fra pesse fcerö Knuz kgs. scegir Poraremi lof-
tunga i drapo pceirri er hann kvad um Knut konong.
ZUR fAstbrcedrasaga. 409
diesen Strophen ist natürlich nichts erhalten). . . . Liör ml
sumarit, . . . danach wird man veranlasst zu erlauben, dass der
prosaschreiber den poi-moör den ganzen sonnner über bei Knütr
weilend gedacht habe, und doch kam iJormocM- überhaupt erst
im herbst, ja Spätherbst, dahin. Den nächsten sommer (1028)
soll er nach F auf dem wikingsehiffe Häreks verbracht haben
und soll ihm erst at alidnu siimri die flucht gelungen sein:
zu einer zeit, wo Olafr bereits auf vollem rückzuge vor Knütr
til Vikrinnar war.
Der einzige grund dafür, dass man noch immer und mit
Zähigkeit an einem aufenthalte pormOös in Dänemark und
seiner aufnähme bei üläfr festgehalten hat, ist die existenz
von drei visur (19—21)'), die den prosabericht stützen und
ihm dadurch den schein der echtheit verleihen. Wären aber
auch diese unecht, so würde diese frage vermutlich für den
gesammten abschnitt abgetan sein.
Str. 19. Die prosa, in die str. 19 eingelegt ist, enthält
eigentlich nur eine besonders in F breit angelegte Variation
des in F. II, 204, 7 ff. erzählten abschieds pormoös von Oläfr
vor seiner abreise nach Groenland, der dort mit den kurzen
Worten: Jcommgr gaf Pormodi hring oh sverö ])d er Jjeir sJcildu.iSt
erwähnt wird. Jener andere bericht aber zeigt durchaus weit-
läufigen Stil 2) und eine dialogtechnik, die von der gedrungenen,
an die klassischen sogur erinnernden spräche der meisten
Partien in H weit verschieden ist. Er hat ganz die breite
erzählermanier der 'bearbeiter' mit ihren gesuchten motiven
und unwahrscheinlichen Situationen. •'-)
Anders die Strophe: ihr echt skaldischer Charakter kann
nicht abgeleugnet werden. ]\russ aber deswegen pormöör der
1) Die episode findet sich auch in der ältesten Ölafss. li. lielga (1160).
*) Die ganze darstellungsweise fällt aus dem rahmen des ührigen
heraus. Das würde noch klarer hervortreten, wenn F nicht bereits stark
im sinne der gesammten lös. überarbeitet wäre.
^) Z.b. gelegentlich I)orm6ös ab.schied von Knütr; dieser gibt seinem
skalden nicht sofort eine mark goldes, wie vereinbart, sondern zunächst
nur eine halbe (obwol er sein versprechen genau kennt, wie sein spätere)-
ausspruch ^af er satt ... beweist), sodass jDorraöör gezwungen ist, noch-
mals deutlicher auf seiner forderung zu bestehen, die den künig veraiüasst,
noch einen zweiten ring herauszugeben. Es folgt eine volltönende dank-
strophe pormoös.
410 GAERTNER
Verfasser dieser stroplie sein? Gewiss niclit, denn das geht
weder aus inlialtliclien, noch formalen gründen mit notwendig-
keit hervor. Sie könnte ebensogut von einem anderen skalden
am hofe Knuts verfasst sein'), und wäre dann nach 1028, bis
zu welchem jähre porarinn bei Kniitr weilt), aber noch vor
1035 (dem todesjahre Knuts) entstanden. — Kann weiterhin
iDormoör der dichter sein? Auch diese frage werden wir ver-
neinend beantworten müssen, wenn wir irgend auf die Wider-
sprüche gewicht legen, die den übereinstimmenden angaben
der beiden Öläfssagas gegenüber zu tage traten (vgl. s. 406 ff.).
Für einen anderen dichter hingegen sprechen vor allem gründe
formaler natur. Unter den kenningar fallen die zwei kenningar
für gold auf (z. 2, 4), die der Sphäre der eddischen dichtung
entnommen sind; es sind dies (neben orms torg in str. 25, 8 :
25, 5 — 8 stammt vermutlich ebenfalls nicht von pormöör), die
einzigen, die auf die bekanntschaft des dichters mit eddischen
Stoffen hindeuten. 2) Dass pormoör diese Stoffe gekannt habe,
will ich zugeben, doch bezweifle ich, dass er die betreffenden
kenningar daher entnommen hat; denn sonst würden sich unter
den übrigen 90 kenningar doch gewiss noch öfters anklänge
an die alten lieder finden. Auch der aufbau der strophe ist
nicht einwandfrei: in I erscheint in z. 1 ausnahmetypus D4;
die Strophe setzt verhältnismässig schwer ein, nach dem Schema
ac — n/, während sich sonst in den normalen eingangszeilen
der Strophen der Fbr. fast durchgängig eine ansteigende be-
touung geltend macht; z. 4 zeigt das für ^Dj nur noch einmal
(21,4!) belegte Schema a — /?/, gegenüber den 8 fällen mit nor-
malem a — «7 (vgl. s. 377); über den reim ett : cett vgl. Nj. II, 602 f.
Str. 20. Auch diese strophe ist nach dem bisher erörterten
von vornherein etwas verdächtig. Sie macht mit ihrem dürf-
tigen Inhalt wenig den eindruck der ursprünglichkeit, sondern
eher den eines paradestückes, das den dank des skalden an
1) Vigfüss., Cpb. II, 175 bemerkt: 'As to tbe verse spoken to Loftuug
(?) it can harcllj' be Thormod's for Tborariu was not a poet of St. Olaf,
but of Knut and bis sou ' ; er übersiebt dabei aber, dass sieb uacb der prosa
pormöör zu dieser zeit ebenfalls an Knuts hof aufbiüt!
^) Z.2 lütr pais Fäfnir ätti zeigt eine merkwürdige äbnlicbkeit mit
einer zeile Eyvinds (Hkr. 1, 228, 101, 8): h'dr, minn fad/r ätti {fahner lös
</rtö«> + /fl/'mV?).
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 411
den künig in eine wirkungsvolle form kleiden soll, um für
pormoör einen effectvollen abgang zu schaffen; auf die stroplie
folgt dann nur noch die kurze bemerkung; nü sJciljast peir
Kni'dr honimgr. — Zwischen str. 19 und 20 bestellt eine augen-
fällige Verschiedenheit: dort ein an positiven aussagen reicher
Inhalt (1. pü gaft Loftungu Idtr pat es Fdfnir dtti, 2. }ü Uz
me'r vdnir merhr frdnolmis, 3. sJcalJc vcetta rettar, 4. ek em
verör sJiks), hier so gut wie keiner: in beiden halbstrophen
wird nur versichert, dass der dichter reich beschenkt worden
sei, — dort eine schlichte, kraftvolle spräche, hier eine fast
schwülstige ausdrucksweise. Diese Verschiedenheit kommt
auch im auf bau der Strophen zum ausdruck: dort in den
ersten halbzeilen ein regelmässiger Wechsel von anschwellender
(z. 3, 7) und absteigender betonung (z. 1, 5), hier in den z. 1, 3
zwei verse mit dem reimschema ac — ay (bez. SiC~ßy). —
Die minderwertigkeit von str. 20 erhellt auch noch aus ver-
schieden einzelheiten. Der satz: her'k d Idöiim greipum in
der zweiten halbstrophe ist nur eine Variation von hefk fagr-
hunar hdöar Jicndr in der ersten; nichtsdestoweniger bilden
die beiden phrasen den kern ihrer halbstrophen. Der dichter
rühmt sich hier ferner, schon in so jungen jähren dem könige
für reiche geschenke dank zu schulden: pormöör war aber zu
der zeit, in welche die Strophe fallen muss (1027—28), bereits
33 — 34 jähre alt! Kaum verständlicher würde die wähl des
epithetons imgr, wenn wir, nach der prosaerzählung in F, die
Strophe bereits in das jähr 1023 — 24 verlegen dürften. Da
dieser prosabericht aber sicherlich falsches enthält und der
Inhalt von str. 20 sich bis zu einem gewissen grade von
ihm abhängig zeigt, so ist damit auch die unechtheit der
Strophe erwiesen. — Das visuorö 6 iingr Jjeim es hregör
klungri ferner kann nur mit der seltenen auflösung peim es
statt des üblichen J!)ems gelesen werden (vgl. s. 329 ff.): denn
gegen die annähme einer ausspräche ungur statt ungr (die
übrigens wider die unechtheit der Strophe dartun würde,
spricht das relativ hohe alter der Strophe, die niclit später
als um 1200 entstanden sein dürfte (vgl. unten). Erwähnt
seien auch einige stärkere Übereinstimmungen zwischen str.
20,3—4 der Fbr. und 58,5—6 der Grett:
Fbr. 20, 3 — 4 hüöar hendr or breiöuiii \\ hard pjoÖkomings garöi
Eeiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. 27
412 GAERTNER
Grett. 31, 1— 2 Heöan reiÖ ä braut beider || barÖviggs
Grett. 58,5 — G hrar eh rc5 of bw. breiÖan \\ barp/joa.
Boer (Zs. fdpli. 30, 19 ff.) hat Grett. str. 81 und 58, auf grund
ihrer Übereinstimmungen, bereits als die arbeit eines dichters
bezeichnet; ob er auch, wenn ihm die Übereinstimmungen
jener beiden Strophen mit str. 20 bekannt gewesen wäre,
analog seinem vorgehen bei str. 12 (zu Grett. I und II), für
jene den gleichen Verfasser angenommen haben würde, möchte
ich bezweifeln: Boer stellt nämlich die Strophen 31, 58 in
eine gruppe c, die nur Strophen eines dichters enthält, vgl.
Zs. fdph. 30, 21, die Strophen I und II aber in eine gruppe d,
die sich ebenfalls aus interpolirten visur zusammensetzt. Man
würde danach, wenn man der hypothese Boers folgt, annehmen
müssen, dass zwei redactoren unabhängig von einander sowol
die Grett. wie die Fbr. bearbeiteten und beide sagas durch
neudichtungen bereicherten und dabei ihre eigenen Strophen
plünderten.
Str. 21. Wie schon angedeutet (vgl. s. 331 f.) steht die
zweite halbstrophe an falscher stelle, d. h. sie gehört in Wirk-
lichkeit zu 39, 1—4 (H); der Widerspruch, den die lesart ston-
dum dr d Qndntm^) mit 21,1 — 4 ergeben würde, ist durch
die conjectur rgnd herum tit d andra beseitigt. Die Variante
der lös (1160 und 1849) Bikr vilk med per oh Finne bietet
für die Ölafss()gur zweifellos den ursprünglicheren text. Der
hier gemeinte Finnr Arnason hatte sicli nach dem prosabericht
um pormoös begnadigung durch Öhlfr verdient gemacht. Später
taucht Finnr noch einmal auf und wird mit genannt unter
denen, die Öläfr auf der ostfahrt begleiteten (vgl. 10s 58 — 59).
— Die halbstrophe ist (wie das auch in H geschehen ist) in
die Schilderung des Vorabends der schlacht bei Stiklastaöir
einzustellen: l)orm6ör erinnert den könig an die bereits mit
Finnr Arnason gemeinsam bestandenen gefahren und gelobt,
zugleich im namen Finns, noclimalige treue. Der schwur: vilk
med ])er oh Finni Ufa oh deyja würde jedenfalls bedeutend an
Wirkung verlieren, wenn wir ihn bei der zweiten begegnung
pormöös mit Öläfr (1027) geleistet zu denken hätten. 2) Wäh-
^) Vgl. eine- Strophe Grett. s. 60 Stondom upp pot nndir etc.
-) 1023 ist definitiv ausgeschlossen.
ZtlR FOSTBRa^DRASAGA. 41-3
rend pormoör mit Finnr vor 1027 kaum in berülirung gekommen
ist, klingt es in der Strophe, als kenne er ihn als einen alten
erprobten waffengetahrten.
Nach alledem scheint sich folgendes bild zu ergeben: ein
redactor x, der für seine Interpolation (über pormoös aufent-
halt an Knuts hof und die flucht zu Ölafr) stro])hen brauchte,
griff nach der halbstr. 39, 5— 8 (H), weil sie ihm ungefähr in
den rahmen passte, nachdem er vorher in z. 7 jene geschickte,
vielleicht auf reminiscenz beruhende änderung (vgl. s. 331. 412)
vorgenommen hatte (str. 19 entlehnte er einem anderen autor,
Str. 20 dagegen ist sein eigenes machwerk).
Zu 39,5—8 dichtete er eine erste halbstrophe hinzu, die
zugleich die antwort auf eine frage des königs bildet (dasselbe
ist der fall in str. 19 und 20). Die art und weise, wie er dies
tat (vgl. z. b. die aufeinanderfolge der tj^pen) beweist, dass er
mit dem autor von str. 20 identisch ist. Auch er verrät sich
durch einzelne eigenheiten: z. 1 Hafa Jwttmn eh hcettir: ek
als Senkung bildende silbe; z. 2 hafs scelcjandi ef taeUr, D,,
nach dem ausnahmeschema a — ßy (vgl. s. 377) und unbeliebter
verschleifung in der Senkung (vgl. auch 20,5); z. 4 der zweite
ausnahmefall für ^Do (vgl. noch 19, 4) mit dem scliema a — ay.
Zu Str. 22 vgl. s. 402 f. — 22, 5—8 ist echt und wurde
von pormoör gelegentlich seines ersten Zusammentreffens mit
Üläfr verfasst. Der redactor der Interpolation (dem dies jeden-
falls bekannt war) Hess sie deshalb am richtigen ort stehen
(wenngleich er den bericht selber in der bekannten weise
modulierte), dichtete aber eine neue erste halbstrophe hinzu,
die sich durch ihre beziehung auf die secundäre prosa und
durch formale anomalien als unecht kenntlich macht.
Die lös (1849) cap, 88 lässt den pormoör diese Strophe
kurz vor der Schlacht (1030) sprechen. Diese version ist
ebenfalls aus chronologischen gründen unglaublich*), denn
pormoör könnte dann erst um das jähr 1000 geboren sein:
damit würde aber die Unterbringung aller der hier in frage
stehenden ereignisse in den Zeitraum von 30 jähren (1000—^
1030) unmöglich werden.
Str. 25. Hier treten uns ähnliche Verhältnisse entgegen
') Vgl. Safn til sogu Tsl. I, 4GG ff.
27*
414 GAERTNER
wie bei str. 21. — Fbr. (52) s. 86, 17—24 stellt folgende episode:
iDorgrims schiff ist eben angekommen, alle laufen zum strande;
Pormöör var par vid staddr, oh tök upp selsJcutü einn, er peir
JigfÖu d land hastat, oh luv d. Enn fgrunautr Porgrims tehr
tu shutüsins oh mcelti: 'Lumi af shutUnum, maÖr, ^vi at per
mun iil lüils goma, pottii lialdir d; oh pat cetta eh, at pii
munir lüit hunna at beita shutUnum.' Hann svarar svd: 'Ovist
Pyhhir mer, livdrt pü heitir hctr enn eh.' 'Efalaust mun Pat,'
sagdi hinn. Damit bricht die prosa ab, die also nichts weiter
als einen recht bedeutungslosen Wortwechsel zwischen einem
prahlenden mannen des porgrimr und dem widersprechenden
Dormoör erzählt. Man würde sich wundern, dass der saga-
schreiber einen so farblosen bericht aufgenommen hat, wenn
nicht zu vermuten wäre, dass ihn das Vorhandensein der str.
25, 1 — 4 dazu bestimmte. Die sätze: Baldr shjalda lezh hetr
hunna heita shutli enn ver und hcelish pvi, die auch den kern
der prosaerzählung ausmachen, waren aber hier nicht allein
controllsätze für die volkstümliche Überlieferung, sondern auf
ihnen scheint überhaupt die ganze episode zu beruhen. Dass
die übrigen quellen des sagaschreibers hier mangelhaft waren,
geht daraus hervor, dass die prosa völlig im unklaren darüber
lässt, wie der Zwischenfall ausgegangen ist: denn auf die
herausfordernde prahlrede des Schiffers muss doch noch irgend
etwas erfolgt sein, worauf 25,3 — 4 anspielt.') Vielleicht
deutete der sagaschreiber in der überlieferten erzählung nur
die ihm verständlichen zeilen der Strophe selbständig aus, und
brach dann rasch ab, da er mit dem parenthetischen satz pollr
}ileyx)r . . . nichts anzufangen wusste. — Jedenfalls ist str. 25,
1 — 4 echt, denn die halbstrophe ist ganz im stil der übrigen
Groenlandsvisur gedichtet und zeigt keinerlei technische ab-
normitäten.
Die sich anschliessende halbstrophe steht weder an rechter
stelle, noch ist sie von pormoör verfasst. — Nach 25, 1 — 4
erwartet man eine halbstrophe, die aussagt, was den f^runautr
porgrims veranlasste: at hlaupa hart of hellur\ aber nichts
') pollr hlunnjos hleypr Jtart of helhtr: I)orm65r scheint danach dem
prahlhaus einen gewaltigen schrecken eingejagt zu haben, dass er in wilder
flucht davonatUrmt.
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 415
dergleichen findet sich in 25,5—8: der dichter denkt vielmehr
daran, wen sein herr (wer damit gemeint ist, ergibt sich nicht
aus der Situation) als ersten in die "schildburg' einstellt und
mit gold beschenkte, solange er es selbst besass. Solche ge-
danken kann man sich wol in einem "gilpcwide' vor anderen
kriegern ausgesproclien denken, aber im Zusammenhang mit
25, 1—4 (wo der dichter mit dem armseligen harinmier einen
Wortwechsel hat) wirken sie direct abgeschmackt. Das heiti
hutjdijrstr harri könnte sich, wenn die Strophe pormuAs eigen-
tum wäre, nur auf Öläfr beziehen. Vor 1025 aber (dem jähre,
in dem str. 25 entstanden sein müsste) war I)ormo(')r nur zu
einem kurzen Winteraufenthalt bei Olafr gewesen, vom spät-
herbst 1023 bis frühjahr 1024; innerhalb dieser zeit hat er
kaum gelegenheit gefunden, sich so auszuzeichnen, dass ihn
der könig zum Vorkämpfer i sl-jaldbonju bestimmte. Von
irgend welchen kriegerischen Unternehmungen Olafs, der 1023
— 1024 in Niöarüs überwinterte, wird nirgends etwas berichtet,
und in der saga heisst es von pormOör nur: Konungr mcelti :
Vellcominn shaltu med oss vera, oh pat vilda eh, ef nier ymuz
Uf tu, at hefnt yrdi Porgeirs . . . Fbr. (52) s. 77, 29 ff. ... Ko-
nungr mcdtl : Shemmtan man vcra at shdldshap J)inum. Litlu
sidarr geröis Pormödr hirdmadr Olafs honungs ... Fbr. (52)
s. 78, 9 — 11 . . . J)d er Pormödr holhrünarshdld liafÖi verit einn
vctr med Oldft honnnyi, ])d ... a.a.O. 80, 7 ff.: von kämpfen
und auszeichnuug durch tapferkeit kann also keine rede sein. ')
Die halbstrophe könnte demnach unmöglich bereits in Grön-
land verfasst sein und damit fallen str. 21, 1 — 4 und 21, 5 — 8
auseinander. Dem Inhalt nach möchte man str. 25, 5 — 8 etwa
nach dem vortage von Stiklastaöir verlegen, ja es scheint,
dass dieser halbstrophe ein ganz bestimmter ort innerhalb der
saga angewiesen werden kann: nämlich das in F (11,340) mit
Tüshipan honungs um folhit überschriebene capitel 271. Es
heisst dort: Svd er sagt at Oldfr honungr fylhti lide sinu.
Jjd shipade Jicinn shicddhorg Jid er hallda shyllde firir honum
j bardaga oh hina sterhuzstu menn valdi kann par- til oh ])d.
') Von porgeirr dagegen wird berichtet, nachdem er Öläfs hirdinadr
geworden war: Konungr lagdi inikla cirdiny ä Portjcir, pvi at hann reyndis
• oUum mannraioium enn rokvasti maör ok goör drengr Fbr. (52) s. 29, 3—5.
416 GAERTNER
er snarpazstir vom. ])d Jcallade sJcalld sin tu sin oh hat pd
ganga j sldalldhorgina . . . ])ar rar 2)d Pormödr l-olbrünarsMld.
Gissorr giülhrdrfostri. Hofgarda Befr oJc hinn fiorde Porfinnr
munnr. . . . •) Nach den reden fiorfinns {stondum mgi siio
Jtrgngt, lagsmaör, at ceigi ndi Sighuatr sJialld rumi sinu) und
l3ormöös (ceinge feJc rum firir Sighuati ])ö at mcela cetti vid
yör) zu urteilen, sind sie einstimmig der meinung, dass, wenn
Sighuatr anwesend wäre, er den ersten platz einnehmen
würde. Darauf scheint unsere halbstrophe anzuspielen: Gfsrr
mank hitt, Jiveim Jmgdijrstr liarri släpar (vielleicht verderbt
aus sJiipadi: Ai mit auflösung der zweiten hebung) fyrstum i
sl-jaldhorgu: "genau weiss ich (erinnere ich mich), wen der
hochgesinnte herr zum ersten in der schildburg bestimmen
wird'; angespielt wird damit auf Sighvatr (vgl. porfinns worte:
}>d er kann (SigJivatr) Jcemr, kann mun uera vilia firir konungi
oh ceigi mun honungi annat liha (F. II, 340). — Zwischen
diese reden jedenfalls gehört die halbstrophe und höchstwahr-
scheinlich ist sie verfasst von porfinnr, dem einzigen unter
den versammelten drei skalden^), der mit tiefschluss dichtet
(wie Str. 25, 5—8 verlangt); Gizurr und pormöör dagegen ge-
brauchen den hochschluss.3) — Auch in technischer beziehung
weist 25, 5—8 manche eigenheiten auf, die wir bei pormöör
kaum finden: die form shjaldhoryu als verschluss (analog dem
zweimal gesicherten Äleifi [ein drittes mal in 36, 8 F], das
offenbar eine art geduldeter reimformel war, wie die zahl-
reichen belege zu beweisen scheinen) bleibt neben Rognvaldi
in der unechten str. 12 der einzige fall für w-x ^im schluss
der dröttkvaettzeile; ferner z. 8 die für die Strophen der Fbr.
befremdende kenuing onus torg aus dem Sagenkreis der Edda-
lieder (vgl. s. 410 f.).
1) In Hkr. 2,259 heisst es wol richtiger: ^örtr var pä PormöÖr kolbrünar-
skäld oh Gizurr gullhrä, föstri Hofgaröarefs ok inn iij. Porfinnr munnr.
'-) Nach dem bericht der F sind es deren vier, da auch HofgarSa-Refr
noch genannt wird, der aber, obgleich sie alle sogda at pat vceri vel fdllit
at yrkia pa aminningar-visur nockurar um pau tidende er pa munde bratt
at hcndi berazst (F. U, 341, 1 — 2), sich nicht in einer strophe anslässt.
Eine strolche von ihm (Hkr. 2,491) erfordert hohe Stimmlage und tiefschluss;
25, 5—8 dagegen liegt bedeutend tiefer.
^) Ebenso Egill Skallagrimsson , Sighvatr, Eiuarr Skvilasou, Bjarni
gullbrdrskäld.
ZUR rÖSTBRCEDR ASAGA. 417
Str. 29 fehlt in H, E, (R.,). Sie ist aber ganz im geist
der übrigen grünländischen visur abgefasst, nnd bedenken
gegen sie sind nicht zu erlieben. Sie wird also echt sein und
war wol nur durch versehen in einer von H und R, benutzten
vorläge ausgelassen (ähnlich wie vielleicht str. 41 in den hss.
der Hkr.. vgl. ]\laurer, Die ausdrücke s. 97 f. '). Strophe, wie
einkleidende prosa (F. 11, 212) lassen sich ohne alle Schwierig-
keit auch in H zwischen str. 28 und auökendr madr em ek . . .
einfügen.
Str. 36. Die richtige Zusammensetzung dieser Strophe ist:
36, 1—4 (H, F) + 39. 5—8 (F), die von str. 39: 39, 1—4 (H, F)
+ 39, 5—8 H = 21, 5—8 F. — Die halbstrophen 21, 1—4 (F)
und 36, 5—8 (F), die durch diese anordnung beziehungslos
werden und der Oläfss. allein angeboren, sind unechte ergän-
zungen. Für 21, 1—4 glaube ich dies s. 331 f. und 412 f. nach-
gewiesen zu haben; zu 36,5 — 8 vgl. s. 342. Dass 36,5 — 8 (F)
nachdichtung ist und nicht fälschlicherAveise nur zu 36, 1 — 4
gestellt wurde, scheint sich aus dem eng an die erste halb-
strophe sich anpassenden inhalt zu ergeben, der eigentlich nur
eine Variation des vorausgehenden bildet.
Str. 36, 5 — 8 (F) weist starke anklänge an andere Strophen
'^^^'■* F. 36, 7 — 8 es at geirpingc gaungum || gtmnre/fir med Alceifi
vgl. -K), 2 vigreifir med Äleifi
vgl. 41,2— 4: boöreifr med Äleifi; \\ pur geJck hcirdra hjorva || Hringr
ok Dagr at pingi;
endlich an eine strophe Gizurs (F. 11, 341), von der sämmtliche
eingangsworte der ersten drei zeilen: Slulu, ord, hiiiunk ... d
pinge im texte verwant sind. Es ist deshalb ziemlich sicher,
dass der dichter von str. 36, 5 — 8 die unmittelbar vorher-
gehende und die folgenden visur geplündert hat. Auffällig ist
die grosse zahl von auflösungc^n innerhalb d«r vier zeilen:
z. 5 auflösung der ersten hebung, z. 6. 7 auflösung der ersten
Senkung, davon in z. 7 der einzige fall für zweisilbige ein-
gangssenkuug; z. 6 das ungewöhnliche reimschema a — ^7 eines
Ai (in II) vgl. s. 375; ausser dem recht simplen und geläufigen,
'geirl^ing' weist die halbstrophe keine kenning auf, was eben-
falls gegen die gewohnheit pormöös ist.
') Vgl. aber uuten.
418 GAERTNER
Zu Str. 39 s. s. 344 f. Die in H bestehende Zusammensetzung
der halbstroplien ist die einzig sinngemässe.
Ueberblicken wir die gesammtlieit der ecliten Strophen,
so tritt überall ein einheitlicher Charakter zu tage. Den ge-
schlossensten eindruck machen die Strophen der dräpa, nament-
lich in beziehung auf das technische element. Charakteristisch
sind dabei auch 1. die auffällig häufigen, zumeist von den
präteritalformen let und red abhängigen intlnitivconstructionen :
2,2. 14,1—2. 15,1. 17, G. 18,5; vgl. dazu noch i), 1. 7,2 etc.;
— 2. die Vorliebe, die visuorö mit einem adverb einsetzen zu
lassen, das die erste hebuug eines A bildet und zuweilen mit-
reimt: 3,8 litt, 1,1. 13,7 opt etc. (auch in späteren visur, vgl.
25,1 Betr, 27,2 opt, Sö.h meir etc.; — 3. innerhalb der stets
dem gleichen anschauungskreis entnommenen kenningar eine
reihe ähnlicher bildungen: ein part. praes. (zuweilen mit vor-
gesetztem Substantiv, welches dann das syntaktische subject
des verbums ist) verbunden mit einem gen. sg. oder pl., der
in unseren beispielen zweimal vorangehendem, zweimal nach-
folgendem und einmal demselben visuorö angehört; vgl. 5, 1—4
undlinns rjödanda, 6, 2 vdgs viyyndandl, 8, 2 drkyndils umny-
sandi, 11,2 hhjra jöstyrandi, 18,1 reyys roel-jandi. Diese bil-
dungen sind auf die dräpa beschränkt; nur 36, 2 begegnet
noch die form Qrst'iklandi, doch ohne den charakteristischen
genetiv.
Eine art gruppe bilden ferner die Groenlandvisur nach
zwei selten hin: 1. durch die neigung, den hauptbegriff der
kenning der mythologie zu entlehnen; 2. durch die neigung,
die person des dichters entweder durch eine kenning (vgl.
29,4 lofgeröar reitir = me. F. 11,212,7; 29,8 smiör stefja =
me. 28, 2. Ty lanys Irremja scells = mihi) zu umschreiben
oder durch ein wort für dichter {sJcdId, greppr etc.) zu kenn-
zeichnen.
Die bisher als unecht ausgeschiedenen visur: (1). 4. 9. 12.
19. 20. 21, 1. 22, 1. (24). 25, 2. (26). (37—38). 39, 2 F weichen,
neben str. 33 und 43, auch in der Sprachmelodie von den
übrigen ab (sie liegen auf einem merklich höheren tonniveau
und weisen tiefschluss auf); wenn nun unter letzteren nur
Str. 33 und 43 die gleichen melodischen Verhältnisse zeigen wie
die bereits als unecht erkannten Strophen, so werden wir
ZUR "FÖSTBRCEDRASAGA. 419
danach auch diese beiden Strophen (33 und 43) als unecht aus-
zuscheiden haben, obwol sonst entscheidende beweise für un-
echtheit sich niclit erbringen lassen.
Str. 33 gibt in richtiger reihenfolge eine aufzählung der
A^on pormuör auf Grönland erschlagenen; nur Ljötr poruu-
narson bleibt ungenannt, nach Gislasons Vermutung (vgl. Xj.
II, 13): weil Steinarr am kämpfe mitbeteiligt war; dennoch
befremdet es, dass dieser kämpf, der doch für pormtuM- und
Steinarr sehr rühmlich verlief (sie töteten den Ljötr und drei
seiner knechte) unerwähnt bleibt. — Ungewöhnlich für l)or-
moör wäre die Verwendung einer kenning neben dem pronomen
in l)oUr odda hridar ek i:d Porgrim etc., ungewöhnlich eine
construction wie eJc nam Porkcl fjorri, anomal eine anzahl
reimtechnischer erscheinuugen: ganz unbeliebtes Anb in z. 1, 5
(Vgl. s. 376 f.); reim ab — ay in z. 1; die m()gliclikeit der annähme
dreier liendingar, sowol in z. 3 wie z. 5 ])ar : hardr : jardar;
])ar namJc PorJiel fJQrvi.
Noch weniger anlass zu ausstellungen gibt str. 43, deren
erste zeile ebenfalls das schema ab — «/ aufweist; doch lässt
der umstand, dass der bericht der Öläfssaga (über die um-
stände bei {)ormöös tod) aus verschiedenen parallelerzählungen
combiniert ist, eine nachdichtung als sehr wol möglich er-
scheinen. Jedenfalls steht so viel fest, dass H, w^elche die
Str. 43 nicht überliefert, den einen der in der Öläfssaga, be-
nutzten parallelberichte in seiner ursprünglichen reinheit auf-
bewahrt hat und damit wol den authentischen text darbietet
(vgl. K, Maurer, Die ausdrücke s. 88).
Hiernach schalte ich von den 44 Strophen der Fbr. nun
definitiv als unecht aus die vfsur: (1). 4. 9. 12. 19. 20. 21, 1.
22,1. (24). 25,2. 26. 33. (37. 38). 39, 2 (F). 43.')
•) Ueber verwantschaft und gleiche autorschaft einzelner dieser Strophen
vgl. oben s. 418 f. und unten.
420 GAERTNER
Cap. IV. Das liandscliriftenveiiililtnis der Fbr.
I. Das Verhältnis der membrauen HMF*R.
a) Strophenplus und strophenminus.
Nach dem Strophenmaterial allein ergibt sich, bei Ver-
wertung des oben über echtheit und unechtheit der einzelnen
visur vorgetragenen, folgendes bild:
Von teil I der saga, der nach str. 18 seinen abschluss
findet, liegt in der H die ununterbrochene strophenreihe 9 — 18
vor; da diese durchaus der von MR, entspricht, so ist anzu-
nehmen, dass der text der H, bez. dessen vorläge, die in M
und R, für den sagaanfang überlieferten Strophen ebenfalls
enthalten hat: ob auch str. 1, ist nicht mit Sicherheit zu ent-
scheiden: aber es ist höchst unwahrscheinlich, da der kviölingr
dem stoffkreis der Grett. entnommen ist und sammt der be-
gleitenden prosa in M und Ri eine deutliche Interpolation
bildet, H dagegen einen von einschüben nahezu fi-eien text
darstellt. Möglicherweise darf auch das fehlen von str. 1 in
F als hilfsbeweis für diese meinung gelten (vgl. unten).
Der durch diese beziehungen eng verbundenen gruppe
M — H— Ri (q) gegenüber nimmt der text von F dadurch eine
Sonderstellung ein, dass er von den 18 visur in M — Ri (bez.
event. 17 in H) nur 7 überliefert (str. 2. 3. 9. 10 [z. 7—8 fehlt].
12. 13. 17). Das ist jedoch keinesfalls das primärere, denn die
modiflcationen des prosatextes an den stellen, wo sonst über-
lieferte Strophen fehlen (welclie offenbar v;illkürlich ausgelassen
sind) deuten jedenfalls auf starke Umarbeitung einer dem text
von M — R, ( — H) nahe verwanten fassung hin. — Mit F stimmt
vollständig überein: e, dagegen d nur bis str. 13; von hier ab
benutzt es noch einen anderen text, dem es die in F fehlenden
Strophen 14. 15. 16. 18 entnommen hat. Nur im fehlen von
Str. 1 erinnern an Fde noch: i (es fehlt noch str. 14) und o;
beide sind sonst lückenlos.
In diesem bilde, das sich erst nach heranziehung der
detailvarianten schärfer umreissen lässt, tritt bei teil II der
saga eine wesentliche Verschiebung ein, indem Fde nicht nur
sämmtliche Strophen von HMRj aufweisen, sondern auch eine
ganze reihe von plusstrophen, so vor allem die Strophen 19—21,
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 421
in denen Fde zusammengehen mit dem ältesten text der Öläfs-
sng-ur liins helga. Um so auffälliger ist es daher, dass E1R2
mit der zur hälfte echten str. 22 auf selten der ()l;ifss(^)gur
steht; daraus ergibt sich zweierlei: 1. F weist in den str. 19
— 22 eine starke beziehung zur lös auf und zwar zu einer
von deren ältesten fassungen, da str. 19 — 21 auch in den alten
fragmenten der lös (1160) enthalten sind (vgl. Otte brudst. s.4 ff.).
2. Es besteht bei str.22 ein enger connex zwischen derrecension
der Fbr. in RiR., und der lös (bez. F), der sonst nur noch ein-
mal hervortritt: bei der vermutlich unechten str. 43, die nur
in H fehlt. — Sonst besteht allenthalben weitgehende Überein-
stimmung zwischen PI und R1R2: in beiden fehlt die späte str. 26,
ebenso wie die echte str. 29, in beiden finden wir dieselbe Zu-
sammensetzung der str. 36 und 39 (vgl. oben s. 341 f. 344 f.), in
beiden fehlt der verweis auf die zwei eingangsstrophen der
Bjarkamäl etc.
Genau ebenso verhält sich nur (\] alle anderen papierhss.
aber (ik[l]mo) geben ausser dem kviölingr der Hävamäl und
den Strophen 19—22 bis str. 36 sämmtliche der in Fde ent-
haltenen visur wider. Auf a1)hängigkeit von der Fbr. lässt
nur schliessen; 1. das obenerwähnte Strophenminus (19 — 22 und
37- -38), 2. die gleiche composition der str. 36 und 39 in HRt
R2qikmol; bezeichnend für die enge Zusammengehörigkeit der
hss. i — 0 ist der umstand, dass die in HlÖsFdeR|R.2(i vorhan-
dene str. 41 'Haraldr etc.' ebenso wie in den historischen Öläfs-
sogur h. helga fehlt. Diese letzteren gehen bez. der strophen-
überlieferung völlig zusammen: es fehlen in ihnen str. 40 und 41,
die Str. 36 und 39 haben die auch den betreffenden visur der
lös (+ F) eigene, d.h. unrichtige Zusammensetzung (s. oben
s. 417). Die lös steht dagegen insofern der Fbr. näher, als
sie nicht nur str. 37 und 38 anführt, sondern auch die in den
historischen ÖläfssQgui' nicht überlieferten str. 40 und 41.
b) Die textvarianten.
Nach porgeirs leben lässt sich auch im Strophenbestand
ein einschnitt machen: bis str. 18 verlaufen die drei Strophen-
reihen von H*M*R lückenlos parallel, bis str. 18 sind zahl-
reiche Strophen in Fe übersprungen, nach str. 18 setzt die
Überlieferung der lös ein. Es wird sich deshalb empfehlen,
422 GAERTNER
zunächst nur für den ersten sagateil, der ausschliesslich aus
quellen der Fbr. geflossen sein muss, die verwantschaftsgrade
zwischen den bereits gruppierten texten näher zu bestimmen.
Unter den membrantexten HM(bc) und *R (R1R2) nimmt
H eine hervorragende Stellung ein, weil sie die älteste und
die relativ beste Überlieferung der Fbr. enthält. Was speciell
unsere Strophen anbetrifft, so sind die visur bis str. 24 von
Haukr Erlendsson selbst, die übrigen von seinem ersten
secretär geschrieben (von s. 387, 14 der ausgäbe an, vgl. einl.
XLVib). Hauks strophentexte zeichnen sich gegenüber denen
seines secretärs durch grössere formale correctheit aus (vgl.
unten), wodurch nur bestätigt wird, was F. Jonsson a. a. 0.
XXXVI a.) ausspricht: 'Haukr Erlendsson udmaerker sig i det
hele som en omhyggelig ok korrekt afskriver'; dass auch er
'har ikke lielt undgaet en del af de saedvanlige afskriverfejl,
laesefejl ok overspringelser' ist nur natürlich; so wenn er str.
10, 5 (ausg. 373, 19) eoiadr Jmr für eygja])ar (vgl. Boer, Zs. fdph.
31, 151), 12, 2 (ausg. 377, 1) er für enn, 12, 3 villdum für cildi
schreibt, wobei sein äuge möglicherweise auf teljum abschweifte.
Ein stark redigierender abschreiber aber (Vigfüsson, Fortale
XVIII, F. III: dagegen schon F. Jonsson, einl. lxxvii) ist er
schw^erlich gewesen, wenigstens geht das aus den visur der H
nicht hervor. Nur an einzelnen stellen, die er für defect hielt,
machte er kleine besserungsversuche. Spuren dieser tätigkeit
sind vermutlich:
12, 8 djarfr Hävarar arfl (ausg. ;577, 8) : corr. *(ljarfra Hävars arfi,
18, 8 (ausg. 384, 5) vissa ek tal (corr. viga tal), 10, 4 rcekir (vgl. rceki Fd)
: corr. "^'raeköi. — Minderwertigen text bietet nur str. 14 (ausg. 380, 14 —
381, 1), z. 3 seybis fiam (corr. sa fceri bR,), z. 5 allt (corr. oll bdRi), tekr
(corr. tük dRi), z. 6 sannlaugs (lei/gs b, corr. '^sannleiks), z. 7 fijöt (fliorz b)
fyrbar mjtan) (corr. '^njöts fyröa flytja).
Die zahlreichen Varianten (d. h. correcturen) aller hss. zu
den Zeilen 3. 6. 7 scheinen darauf hinzuweisen, dass der text
der letzten vorläge bereits stark verderbt war, als die ver-
schiedenen abschriften vorgenommen wurden. — Dasselbe gilt
vielleicht für eine anzahl anderer fälle:
25, 5 hue HRj, huerimn Fd, huorium ikl, corr. *hveim, 28, 7 linds H,
pollz Fde, corr. svells Rj, 34, 5 tiri H, iifimm Fde, tifua R,R2, löfiim ikm,
corr. *tirar.
ZUR f6stbr(EDRasaqa. 423
Klarer noch, weil es sich dabei um Übereinstimmungen in
fehlem handelt, weisen auf gemeinsame quelle hin:
IG, ii<h/rs H (ausg. 383, 3) ß,, corr. *(hjn; 11,2 purfs fagdiga b, fuyr-
gaki El, fehlt H (ausg. 375, 10), corr. *ßarfan Hävars arfa, IG, 1 fjgrr H
(ausg. 3S3, 3) dE,, florv b, corr. *fj{)rum, etc.
Ob die vorläge für H mit dem archetj'pus der Fbr. iden-
tisch ist, lässt sich vorläufig nicht entscheiden (vgl. jedoch
unten). Die entstellungen in den Strophentexten von H sind
sämmtlich nicht schwerwiegender natur; man wird deshalb
vermuten dürfen, dass die vorläge von H die visur noch in
guter Überlieferung gekannt hat, und danach H direct auf
eine älteste fassung der Fbr. zurückgehen lassen dürfen, die
ich mit X bezeichne.
Die mit H verwanten, aber nicht direct von ihr abhängigen
hss. *M und *R besitzen, ebenso wie H, die unechten Strophen
l». 12; beide werden danach auch bereits in x enthalten ge-
wesen sein. Betreffs der str. 1 aber bleibe ich der meinung,
dass weder H noch deren vorläge die Grettisepisode + ein-
gelegtem kvicMingr besass; ich glaube also an engere verwant-
schaft von M — Ri gegenüber H und halte danach in der ent-
wickelungsreihe x > M*R die annähme eines Zwischengliedes
(das ich y nennen will) für notwendig, welches neben einer
Überarbeitung von x noch weitere sagenelemente benutzte.
Diese Zwischenstufe y lässt sich erschliessen aus einer anzahl
von Übereinstimmungen in MRi, die auf Irrtümer etc. in einer
gemeinsamen vorläge zurückgehen und durch die MR, in wider-
sprach tritt ZU H bez. x: vgl. 10, 1 snarr (*MR,) : corr. S7iart H,
12, 3 hiulldr (corr. kialdrs HF), 13, 5 ofyeigin b(M), ofgeigum Ri
(corr. ufeigum H), 15, 1 veria (reim Verstoss) bR, : corr. varäaE. etc.
Das verwantschaftsschema m-«— j'— >*R wird sichergestellt:
durch die Übereinstimmung von M und *R in str. 2, die sich
auch auf die fehler erstreckt: vgl. 2,2 fallt (corr. Jcalla Fd),
4, 4 gjöJ : corr. gjöär, 6, 4 JiolkU : corr. hold, 6,4 Maf of goldit M
: corr. Mdks stjni goldit Grett.; der redactor von *R (ich nenne
ihn im folgenden q) liest l für f und vermutet: mal of goldit
(vgl. s. 316 f.), 6, 8 gjarnan : corr. gjarna Grett.
Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass in 2, 8 hvettr ok
ftmtjdn vetra die ergäuzung des ok von dem redactor des textes
von M (im folgenden ,9 genannt) und von (> unabhängig von
424 GAERTNER
einander vorgenommen wäre. Auch hier wird man auf die
vorläge y zurückgreifen müssen. Denn direct ist weder M
von *K noch *R von M abhängig, sonst würde man z. b. nicht
verstehen, wie ß sich vergeblich hätte bemühen müssen, zu
der in seiner vorläge vorgefundenen entstellung hajijKi digr
(corr. happauöigr) den fehlenden reim zu suchen, da ß diesen
ja einfach aus *R hätte entnehmen können. >) Ausserdem sind
die differenzen zwischen den beiden fassungen so stark, dass
man sich fast versucht fühlen möchte, z Avischen y und M*E,
noch zwei Zwischenbearbeitungen "^M, und *Ej einzuschalten;
zwingend beweisen lässt sich freilich eine solche annähme
nicht. — Geschickt war die arbeit der beiden redactoren ß
und Q jedenfalls nicht; beide copieren entweder getreulich die
fehler von y oder sie verändern ihre vorläge gewaltsam, weil
sie gewisse constructionen ihrer vorläge nicht verstehen.
Rechnet man zu dieser Willkür noch ein gut teil liüchtigkeit,
so ist der verhältnismässig grosse umfang der abweichungen
zwischen H und *R immerhin erklärlich.
Als directe schreibversehen oder unmotivierte änderungen
des redactors ß kann man bezeichnen: 3, 3 es : corr. eru FRj,
8,1 hrund : coiT. hrundar ü^, 8,Q gaflnyum : richtigem *glcq)-
vigum, 4, 6 marglirodanda : richtigem *-rj6äanda, 10, 5 vndegg-
jaör : vard eggjaör HFR, , 15,2 strenghestz (vgl. -Are ms HR j)
etc. Wie mechanisch ß arbeitete, geht daraus hervor, dass er
in 3, 1 und 8, 1 die praesentia Icved ek und her eh in die ent-
sprechenden praeteritalformen verwandelte, vermutlich, weil er
das praeteritum in der erfidräpa durchführen wollte, ohne zu
bemerken, dass das kveö eJc sich nicht auf porgeirr, sondern
den die Strophe recitiereuden pormöör bezieht und dass str. 8
ebenfalls einen derzeit gegenwärtigen zustand betrifft.
Um tiefer greifende conjecturen handelt es sich in:
10, 5 beggja : priggja HFRi (offenbar bezog ß die angäbe heggja auf
den prosasatz 'Laiik svä peiri atsökn at porgeirr vä pä bäöa' (Fbr. [99]
8.54,25). Er vergass aber dabei, dass porgeirr uicbt mir die huskarlar
Snorris, sondern vorher diesen selbst getötet hatte, also doch drei mäuner
^) In *R ist der reim durch conjectur (■< happa digr) hergestellt;
dass dies happauöigr von der lesart von M aus gemacht sein sollte, ist
ganz unwahrscheinlich; die Selbständigkeit von *R wird garantiert durch
richtige lesarten wie 4, 3 gränn : geirr M (vgl. s. 315).
7.VR FUSTBRCEDRASAGA. 425
im ganzen); in 4,3 geirr für grann Rj (wobei der reim verloren gieng); in
12, 7 (wo ß den steifen satz düö drengs varÖ at lengri durch die einfachere
Avenduug dreugr vann dnö at lengri ersetzte); in 16,4 (wo er dyhjjusamr
zu dyrr in beziehung brachte); in 18,4 reggi)^ (corr. regga, um das durch
pretjän \coty. ßn't/'a)i\ fiinfgliedrig gewordene visuorö zu heilen); in 18,5
lijaldr (corr. hjahlrs. indem er den uoc. wahrscheinlich direct von lnl'ir ab-
hängig machte) etc.
Ganz ähnlich mag der redactor q bei *R verfahren sein;
auch bei ihm fehlt es nicht:
1. an versehen'), vgl. 11,6 sl/k (corr. sUkt alle hss.), 15,5 sigr egir
(corr. sig reynir H), 18, 4 XVI (corr. XIII), 15, 2 stungiim (corr. togum)
etc.; — 2. an unmotivierten änderungen oder kurzsichtigen conjecturen:
vgl. 11,7 vargar (ernir alle hss.), 12,5 fc (fjgr alle hss.), 18,2 fuU-traudr
ijhig- alle hss.), 8, 5 poili für stilli (aus dem q augenscheinlich nichts zu
machen wusste: der rest der kenniug, drasils vandai; folgt erst z. 8), 4,6
margjoöanna (corr. marg-rjöMnda), 5, 7 ftnna (corr. fjona M), 7, 8 okkara
(corr, ockars M), 6, 1 kap2)S (q las jedenfalls mal für 3Iüf, zu dem er dann
Ä'rtjj^s gestellt wissen wollte: lioldr Ut of goldit kapps mal, 11,8 jostyranda
(corr. styra)idi alle hss.; q construierte : Dyrr (alleinstehendes adj. als ter-
minus für mann!; hefndi svä sära jostyranda Myra), 12, S Härarßar (corr.
Hürars), da voraussichtlich der vers schon in der vorläge mit djarfr defect
war. — In 18, 7 — 8 scheint Asgeirr Jönsson von der vorläge im stich ge-
lassen worden zu sein, denn die beiden reim Wörter mjük läkask fehlten
ursprünglich und sind, ebenso wie munat dciluz in z. 7 erst von später
band hinzugefügt worden. Dass die defecte bereits in y vorhanden gewesen
seien, ist schAverlich anzunehmen, da M correcten text aufweist ; ich möchte
deshalb die änderung von hniga, z. 8, zu viga (die aber die zeile nicht
vollständig heilt) auf die rechnung des Asgeirr Jönsson setzen; denn dass
diesem Ix in stark corrnmpierter fassung vorlag, scheint aus den übrigen
fehlerhaften lesarten in str. 18 (Ri) hervorzugehen.
Ueber die fassung von F (die nach Guöbr. Vigfüsson. Pro-
leg, z. Sturl. s. Lx. Orig. M. II, 673 unsere saga 'am besten'
widergeben soll), ist folgendes zu bemerken. Die Strophen
enthalten ungewöhnlich viele Schreibfehler und andei-e Irr-
tümer 2), was, wie Vigfüsson wol richtig vermutet, darin seine
erklärung findet, 'at Afskriverne ikke have forstaaet sig paa
de gamle ok kunstige Viser' (vgl. F. III, xix). Am klarsten
zeigt sich das in str. 10, wo der redactor von F, trotz des
^) Wie viele davon auf die rechnung des Schreibers von R, zu setzen
sind, kann freilich nicht angegeben werden, da Ro die zweite von Asgeirr
Jönsson angefertigte abschritt erst später einsetzt (vgl. unten).
") Vgl. 2, 3 hast- (corr. hest-), 2, 8 hvair (corr. hvcttr). 3, 1 sinlle (corr.
-spelU), 10, 6 Imota (corr. a hvoi), 17, 8 eiru (corr. ciriivi) etc.
426 GAERTNER
hyfuöstafr s (sver&rndr), das wort Ht'is als stabtragencl ansieht
und danach für snarf (den echten stabträger) hart einsetzt. —
Es begegnen aber auch einige stärkere ab weichungen, die,
wenn wir sie den redactoren von F zusclireiben müssen, die
annähme Vigfüssons, 'at de for det meste liave ladet sig noie
med at vsere slette ok rette Afskrivere' etwas zweifelhaft er-
scheinen lassen würden. Für einzelne solche änderungen ist
der grund nicht ersichtlich:
Vgl. 2, 7 hlmit (vard alle hss.), 13, 5 enn hne prva spennir (corr. üfeigum
vard eigi H), 13, 8 of stopa (corr. stynfullu H), 13, 7 peim raki (corr. pcitti
es roelcir); andere sind direct unverständlich: 2,2 sik (corr. Ut alle hss.),
12,4 hnngaldrs (corr. hjor-), 17,1 l(eJci (corr. IceJcja H); noch andere end-
lich enthalten directe Verstösse : 13, 2 wird durch snarfeingan (corr. snar-
fengr alle hss.) die zeile siebengliedrig, 12, 1 skiÖ (corr. sJccb alle hss.) ver-
stösst gegen die metrische regel (Craigie, Ark. 16, 346 f.), 17, 5 sverö (corr.
sverds, abhängig von sripnmna acc. pl.); in der zweiten hälfte von str. 17
soll ofi'enbar construiert werden: Mär het maör ok Pur/r es mülsnjallr Ut
falla — frägum, äör pvilokit eirwiu peira Porgeirs; allein die Verwendung
des alleinstehenden starken adj. mülsnjallr als ausdruck für 'mann' ist be-
denklich.
Auch über die näheren beziehuugen der F zu den übrigen
recensionen können die Strophen auskunft geben: mit M teilt
F nur die verderbte form hcedi (corr. hrceöi HRi), die wol von
zwei Schreibern versehentlich, aber unabhängig von einander
für das seltene hroeöi eingesetzt worden sein kann. Für enge
verwan tschaft von F mit *R (E,) zeugen dagegen:
3, 4 häsleipnis (vgl. alfpÖurs *M), 9, 5 freyja (vgl. freyju Hb), 10, 2
sverÖ-rudr (-rjodr H, -moÖr V), 10, 4 Hcekil sonar (corr. Hcekils sonar Hb),
13, 4 hjnrdjarfan (-cljarfr b, -kraff)an H).
Neben diesen Übereinstimmungen zwischen F und *R aber
auch eine reihe von Varianten:
In 2, 4 zeigt F (für falli MRi) den richtigen Infinitiv ftdla, 3, 1 hat
für die in Ri durchgeführte conjectur (ddrspell die nur durch ein schreib-
versehen aus aldrspelU (M) verderbte form -spüle, 3, 5 haben MFd stilli,
Ri die conjectur polli, 12,4 HFde hialdrs: vermutlich unrichtigem hialdr
bRiikmo, 12, 5 fe R,F und alle anderen hss. fjoi% 12, 8 haben H mit Hä-
varar und R, mit Hävarpar verunglückte metrische besserungsversuche,
Fdei — 0 das allein mögliche Hävars, 17,2 Fdebi — o hosÖe, HRj corr. hrcsM.
Dies freilich nicht allzu reiche material lässt immerhin
folgende Schlüsse zu: 1. F hat unleugbare beziehungen zu *R
(bez. umgekehrt), dagegen bestehen solche zwischen y (Ri + M)
ZUR t'OSTBRCEDRASAGA.
427
und F nicht 1); — 2. F enthält zuweilen echteren text als *R
(R,); dies spricht (da man doch den redactoren der F so viele
glückliche conjecturen nicht zutrauen kann) dafür, dass F ent-
weder: a) neben *R noch eine zweite, dem ursprünglichen text
der Strophen noch sehr nahe stehende recension heranzog-, oder
b) eine quelle benutzte, die einen dem text x zwar nahe ver-
wanten, zuweilen aber noch älteren text hatte, und zu dem
*K in einem gewissen abhängigkeitsverhältnis stand.
Die erstere annähme ist unAvahrscheinlich, denn wie die
Untersuchung der str. 19—34 s. 428 ft". ergeben wird, ist *R teil-
weise abhängig von einer auf ein älteres x* zurückgehenden
fassung y*. welche die directe vorläge für F bildete; wir
erhalten also folgendes Schema, das auch die unter b) an-
gedeuteten beziehungen mit enthält:
10s
Grett.
H
M
Ri
Ro
Nach diesem Schema erklären sich am einfachsten: das
fehlen der str. 1 in F, die anklänge von *R an F, trotz enger
verwantschaft mit M und entfernterer mit H etc. — Strophen-
auslassungen in grösserer zahl finden sich, wie ich annehme,
erst in F. Freilich befremdet es, dass die redactoren von F
(die in teil II eine menge unechter visur und offensichtliche
fälschungen, z. b. str. 26, aufgenommen haben) im ersten teil
nicht nur 61 proc. aller Strophen ausliessen, sondern gleich-
zeitig auch die betreffenden prosapartien merklich umarbeiteten.
Indes ist zu bedenken, dass die Fbr. nur als teilerzählung in
die (Jläfssaga h. helga eingestellt ist, und da nur der zweite
*) Wenigstens nicht nach aitsweis der Strophen ; vgl. aber die beziehungen
von y zu *y s. s. 4415.
Beiträge 2ur geschichte der deutschen spräche XXXII. 28
428 GAERTNER
teil der Fbr. nähere bezieliiingen zu dieser enthält, so ist es
doch wider verständlich, wenn der erste teil von Fbr. gekürzt
und dabei der grösste teil der erfidräpa als für die Öläfssaga
bedeutungslos weggelassen w^urde. Wir dürfen deshalb nicht
erstaunt sein, wenn wir im zweiten teile auf andere Verhält-
nisse stossen.
Es wird sich empfehlen, diesen zweiten teil nochmals in
zwei abschnitte zu zerlegen: 1, pormöör im auslande, 2. por-
moös tod, von dem auch in sämmtlichen recensionen der
grossen Öläfssaga h. helga erzählt wird. — Der erstere ab-
schnitt enthält die str. 19 — 34. Nach dem plus und minus an
Strophen (oben s. 420 f.) steht *R zwar, wie M, auf selten von
H, es weist aber mit str. 22 nach F — lös hinüber: der redactor
von *E, Q, hat hier neben y also noch eine zweite quelle be-
nutzt. Da F als solche nicht in betracht kommt, so wird diese
identisch sein mit der vorläge von F, wie sich s. 430. 432 f. 435 f.
ergeben wird, bereits enge beziehungen zu einer frühen fassung
der 10s auf v/ies. q entnahm ihr nur die zur half te echte str. 22
(nicht 19 — 21!), vermutlich, weil diese nichts mehr mit der
voraufgehenden, unhistorischen episode von Knütr und Härekr
zu tun hat und sich deshalb ohne Schwierigkeit in den text
y einordnen liess, der von M (b) getreu widergegeben wird,
und dem auch q im übrigen folgte.
Was die einzelvarianten anlangt, so weist H von str. 25
an eine unzahl von flüchtigkeiten und sinnlosen conjecturen
auf 9, denen in den vorhergehenden Strophen (9—18. 23. 24)
nur eine beschränkte anzahl zur seite steht. Diese auffallende
Verschlechterung des textes von H erklärt sich daraus, dass
der text von str. 25 an nicht mehr von Haukr Erlendsson,
sondern von seinem ersten secretär geschrieben ist (s. oben
s. 422). An schlechten conjecturen, die vermutlich diesem zur
last fallen, verzeichne ich beispielsweise:
25, 4 kunnnm für Jcunna (im unmittelbareu anschluss an das vorher-
gehende prouomeu reV), 28,7 ßoUum {con:poIU&\\e hss.), 27,5 iindarligs (corr.
undarligt FEi), 33, 3 mit reimverletzung sJcurar (für hriöar alle hss.) etc.
0 Vgl. 27,5 herahoda (corr. /ire^^- alle hss.), 30,4se^Mrs, 'd\,Q€ggceÖurs,
während Haukr niemals svarahhakti schreibt, 31,2 ü snnd (corr. simdi),
81, 7 glott (corr. glotti), 32, 3 fengut, widerholt nach z. 1 für vier oh, 34, i
liefir (corr. hefk) etc.
ZUR FüSTBRCEDRASAGA. 429
Im übrigen aber kommt der strophentext von H dem
ecliten text widerum am nächsten. Wir dürfen also auch
hier an dem Schema x > H festhalten, zumal str. 2G (eine
nachdichtung- des 14. jh.'s) in H und K, fehlt.
Ueber die Stellung von *]\[ (bc) zu den übrigen fassungen
kann nur str. 23. die einzige der in b noch aus dem zweiten
teil der saga überlieferten Strophen, auskunft geben. Dass
*M (b) von H unabhängig ist (vgl. dazu s. 423 ff.), scheint auch
daraus hervorzugehen, dass *]\I (b) mit hveriu dem text aller
anderen liss. folgt, während H huernim hat. Sonst aber zeigt
*M (b) in Str. 23 neben weitgehender Übereinstimmung mit H
(z. 1 hvarfa [hvarfJa Fd], z. 6 framdr [frcEndum RiR.^m], vorum
[HbR2ikl], minnumz 23, 7, Jcommg 23, 8) eine noch engere ver-
wantschaft mit RiR,: 23,4 Imghordz bRi : corr. -hord HFd,
23,5 eru ver ne freyja bcRjRji — m : corr. crum ver ne freyju
Fd, 23,8 cljarfan bRjRakl : corr. döarfir HF, djarfr d.
Der oben s. 427 aufgestellte Strophenstammbaum bleibt
also betreffs *M (bc) auch bei str. 23 bestehen. Bemerkenswert
sind die lesarten von 23, 4. 5. 8 insofern, als sie beweisen, dass
F nicht von *R') abhängig sein kann. Das bestätigt sich auch
bei den folgestrophen an vielen stellen:
Vgl. 27, 3 fremd of : frcndum E,R., 27, 7 Xrrdi : riröir R,Rj, 28, 2
elbormr HFi— m, al»i- RiRad, 28, 8 alldr tili HFi— m, alldri tu Rj, 32, 7
rn^tr HFi— m, matt R.R^, 33,2 laut HF : hne R,R„ 34,3 rann ekUF
: nam ek UiRo, 34,8 Jwg-grw.ddr : hogdregr R,, mer logi HF, meck Icegi
RiRj etc.
Dem text von F fehlt es zwar auch diesmal nicht an
Verderbnissen (vgl. 20,1 flest [corr. flestr lös], 21,1 hoettins
[corr. VicBttir'], 25,8 torgs [corr. iorg HR,], 27,1 aurvendis F
[corr. aurvende alle hss.], 30,2 hragd [corr. ^»•«(TR,] etc.), aber
die meisten sind kaum mehr als schreibversehen und brauchen
nicht aus y* übernommen zu sein. Wenn aber die F den
anderen hss. gegenüber allein die richtige lesart bietet (vgl.
z. b. 30, 6 svortiun [in HRiR.q das fälschlicherweise noch von
fyr abhängig gemachte svartan\ 28, 6 ty Fe, toy m [falsch mer.
HdRiR,qj, 31,8 gunnfjuyi : guöfjon Hiklm, guös- R, etc.), —
wenn sie allein neben den str. 19 — 21 und neben der richtigen
reihenfolge der Zeilen in str. 30 die sicher echte str. 29 enthält,
*) Und damit auch nicht von dem mit *R nahe verwanten *M.
28*
430 GAERTNER
kann sie in allen diesen fällen weder auf *R noch auf das
ebenfalls bereits durch fehler entstellte x^) zurückgehen, son-
dern sie muss den text aus einer anderen, älteren, weniger
verfälschten quelle der Fbr. bezogen haben. 2) Wir müssen
also neben dem text x noch eine zweite quelle x* voraus-
setzen, die gegenüber x (H) einige plusstrophen und einzelne
visur in echterer gestalt enthielt. Eine Verbindung zwischen
diesem x* und der grossen Ölafssaga hat jedenfalls ursprüng-
lich nicht bestanden: x* ist vielmehr die älteste fassung der
Fösthradrasaga, oder besser: der saga von pormöör kolbrünar-
skäld und I^orgeirr Havarsson.
Die Strophen 19—22 sind in F mit der Fbr. vereinigt.
Diese combination kann aber nicht erst von den redactoren
von F vorgenommen sein, denn bereits *R ist mit str. 22
(später noch str. 43 und einzelnen Varianten) von der legen-
darischen Ölafssaga beeinflusst, und dieser einfluss kann weder
von F noch von x* herrühren. Man wird daher auch hier
eine Zwischenfassung y* erschliessen dürfen, die die berichte
der lös mit der Fbr. combiniert hatte, und in dieser gestalt
sowol für *R., wie für F als quelle diente. AVelche recension
der legendarischen Ölafssaga dem redactor von y* als quelle
diente, ist nicht sicher zu bestimmen, keinesfalls aber die sog.
kurze lös. des kodex Delagard. no. 8, da F und dieser text an
vielen stellen von einander, abweichen. Am wahrscheinlichsten
sind die in frage kommenden Strophen aus einer älteren legen-
darischen Ölafssaga genommen, die vermutlich mit dem text
identisch war, den die Otte brudst. (s. 4 ff.) fragmentarisch
überliefern. Die Selbständigkeit der F gegenüber dem kodex
Delag. und ihre nähere verwantschaft mit dem text der Otte
brudst. scheint durch einige wenige Varianten angedeutet:
20, 3 hreiöom Otte brudst. (lös 1160) F : hrendom lös (49), 20, 5
at fehlt Otte brudst. (lös 1160) F.
Was die Stellung von *R (für das von str. 22 an die
doppelüberlieferung R1R2 einsetzt) zu F angeht, so besagen die
textvarianten, dass *R zurückgehen muss: 1. auf y, 2. auf y*.
^) Repräsentirt durch *R und die ebenfalls hier fehlerhafte H.
^) Die hypothese wird durch das gleichzeitige Vorhandensein von str. 26
in F nicht unmöglich gemacht, da die uachdichtung erst von den compila-
toreu von F aus einer späten quelle in die saga aufgenommen ist.
ZUR FOSTBRCEDRASAGA. 431
Die beziehungen von ^R zu y werden bestätigt durch ein
in wiclitigen punkten bemerkenswertes zusamraengelien mit H:
vgl. neben der auslassung der Strophen 19. 20. 21 (F). 2G. 29
die Übereinstimmung der reihenfolge der visnorc") in str. 30, 5—8,
ferner einzel Varianten wie: 30,3 halldrs : Jäalldr.^ Fdc, 30,6
svartan : svortum Fcd, 32, 1 fJeira, z. 3 mcira (der irrtum
kann in x auf folgende weise entstanden sein: der Schreiber
oder redactor widerholte in z. 3 versehentlich das fengut
von z. 1 für mcr ok [vgl. FJ; das ergab mit dem fleira
am schluss von z. 3 einen falschen f-reim [hofuöstafr mce-
ritujr]; der redactor stellte nun den reim auf seine weise da-
durch wider her, dass er mcira ansetzte, vgl. HK|); — fwrit
Ri für fengut (vermutlich secundäre conjectur) etc. — Ausser-
dem zeigt *R viele falsche lesarten, mit denen es isoliert
dasteht:
Vgl. 25,3 hellr als schlussfuss, 27,3 frenduin E,, fremdum Kj (corr.
fremd of HFd), 28,2 almhaurvar RiR^d (vgl. elbonar alle hss.), 28,8
alldri tu (alldr tili alle hss.), 32, 7 müU {metr alle hss.), 34, 3 nam ck
(cann eJc alle hss.), 34-, 8 hogdregr Ri (corr. hoggreddr HFdeR.^) etc.
Die richtige lesart hat er dagegen (wahrscheinlich von y*
her) offenbar bewahrt in 28, 7 scclls R , {sreU Ro, linch^ H, poU^
[spec. conjectur in Fde]) und 30,2 6m(T (RjRodeikm) : hrand H,
bragÖ F (spec. schreibversehen).
Die beziehung von *R zu y* wird bestätigt (abgesehen
von dem auftreten von str. 22 in *R) durch eine reihe von
Übereinstimmungen zwischen F und *R (RjRo) gegenüber allen
anderen hss.:
Vgl. 25, 4 Munn-riodz {-ioz Hiklm), 28. 5 lamjt (corr. längs H), 31, 1
enn fehlt FdRiR^ikm (vorhanden in H), 32,6 minna FdeRiR.^, mitmi ikm
(corr. cinnu H), 33,1 ro FRjRJ— m (corr. ra ek H), 33,7 folldar FRiR.j
i — m (corr. violldar R), 34,4 brenda (corr. hrendan'R) etc.
Complicierter noch liegen die Verhältnisse bei den Strophen
35—44. — Da nur HR,R.; (i— q) in str. 36 und 39 die richtige
anordnung der visuhelmingar aufweisen, alle anderen aber die
Umstellung der halbstrophen und die nachdichtung 39,5 — 8,
so müssten letztere, d.h. F(de)lÖsHkrhÖsFms eine engere
gruppe mit gemeinsamer vorläge bilden. Diese strenge Schei-
dung gilt aber nicht für alle Strophen, denn die vermutlich
echten str. 40. 41 fehlen nur in HkrhÖsFms, str. 43 nur in H.
432 GAERTNEll
Daraus scheint her vorzugehen: 1. In dem complex der Oläfs-
S9gur bilden HkrhÖsFms die engere einheit; 2. F steht zu
10s in naher beziehung; 3. lös — Fb, Hkr — hÖs — Fms beweisen
mit Str. 36. 39. 43 ihre ursprüngliche verwantschaft; 4. *R zeigt
bis auf Str. 43 (fehlt H) vollständige Übereinstimmung mit H.
— Genauer festgelegt ist bereits punkt 2 mit dem Schema :
lös < ^o^^,i^=iag. no.s und punkt 4, vgl. s. 427, d.h. *R entnahm
die in y nicht enthaltene str. 43 aus y*, stand also aucli zu
dem ast lös — F in beziehung.
Bereits um 1160 wurde eine Oläfssaga h. lielga auf-
gezeichnet (vgl. Storni, Snorris Historieskrivn. s. 37ff.). Wir
kennen sie aber nur aus den bereits citierten acht bruch-
stücken (vgl. G. Storm, Otte brudstykker af d. seldste Saga om
Olav d. Hellige. Christ. 1893), die ihrerseits hss. aus dem 13.
und 14. jh. entstammen. Zufälligerweise überliefern diese frag-
mente die str. 19. 20. 21 (vgl. a.a.O. s. 4— 6).
Ihrem alter nach könnte diese lös (1160) allen erhaltenen
Öläfssogur bereits als quelle gedient haben, aber auch der ihr
zeitlich wol am nächsten stehenden Oläfssaga h. helga des
Styrmir (um 1220), die verloren gegangen ist.
Da nun y* (F) und lös (1849), v\ie Snorris hÖs ebenfalls
auf eine ältere legendarische Oläfssaga h. helga zurückgehen
müssen, so liegt die annähme nahe, dass der redactor der lös
(1849), wie der von y* (F) direct auf der lös (1160) fassen,
während Snorri möglicherweise noch eine weitere recension
der lös benutzte, event. das werk Styrmirs.
Die lös (1160) enthielt bereits, wie erwähnt, die als Inter-
polation erkannte episode von pormoör, Knütr und Härekr,
sammt str. 19—21; offenbar handelt es sich dabei um einen
I»ättr aus pormoös leben, der von dem redactor der lös (1160)
in die erzählung eingestellt wurde, um den Iiormoör, der bei
der Schilderung der letzten tage Öläfs stark in den Vorder-
grund tritt, vorher schon in die saga einzuführen. Man braucht
jedoch den redactor keineswegs als erfinder der fabulösen epi-
sode hinzustellen, es mögen im volke viel dergleichen unver-
bürgte erzählungen über pormöör cursiert haben. Der redactor
griff nur diesen für seine zwecke geeigneten bericht auf, stutzte
ihn zurecht und schaltete vermutlich die visur 19 — 22 ein; ob
er die str. 20. 21, 1—4. 22, 1—4 dichtete, ist nicht mit bestimmt-
ZUR FOSTBRCEDR ASAGA. 433
heit zu entscheiden, doch würde dieser annähme nichts im
wege stehen. — AVeitere spuren einer Überarbeitung- (die eben-
falls auf den redactor der lOs [1160J zurückg-elien kann) zeigen
die prosatexte der recensionen F — lös (1849) bei den Strophen
40 — 44. Wie Maurer, Die ausdrücke s. 88 ff., gezeigt hat, wird
die Schilderung der dem tode borniuc^s unmittelbar vorauf-
gehenden begebenheiten gebildet durch eine combination unter
sich parallel verlaufender belichte, von denen uns H 'die eine
der zu gründe liegenden erzählungen in ihrer reinheit auf-
beAvahrt hat' (vgl. Maurer a. a. o. s. 88). — Dadurch wird die
arbeitsweise des redactors der lös (event. lös 1160) und des
redactors der H (welch letzterer die Fbr. später schrieb als
jener seine lös redigierte) trefflich charakterisiert: auf der
einen seite unbegrenztes vertrauen auf die erzählungen des
Volkes und damit zusammenhängend das bestreben, durch
combination der variierenden Schilderungen der Wahrheit am
nächsten zu kommen; auf der andern seite eine streng histo-
rische dispositionsweise und eine gewisse Zurückhaltung der
volkstümlichen tradition gegenüber. — Ich bin deshalb der
Überzeugung, dass der redactor von H den am wenigsten durch
Zusätze erweiterten text besass und die Strophen in ihrer
reinsten gestalt kannte. Die erfidräpa freilich mag auch ihm
nicht mehr im vollen umfange vorgelegen haben (vgl. die un-
echten Strophen 4. 12); immerhin enthalten H und M alle der
uns überlieferten dräpastrophen. Wenn dagegen die lausa-
visur ein minus von 7 Strophen aufweisen, so wird dem ent-
sprechenden plus der übrigen recensionen mit vorsieht zu be-
gegnen sein. Der verdacht bestätigt sich: die Strophen 19.
20. 21, 1—4. 22, 1—4 konnten, selbst wenn sie auch dem
redactor der H bekannt waren, vor einer historischen kritik
nicht bestehen, str. 26 ist jung und str. 43 nachdichtung. An
echtem gut lässt H nur str. 22, 5— 8. 29 vermissen.
Wenn F (y*) alle diese Strophen enthält, so ist das keines-
Avegs ein beweis füi- besondere gute, wie Vigfüsson anzunehmen
scheint, sondern nur das resultat der arbeitsweise ihrer redac:
toren, die sich weniger auf eine solide tradition stützen wollten,
als interpolieren, was unter lJormö('»s namen an Strophen um-
lief, die fehlendes durch nachdichtungen ergänzten, sobald
durch falsche Zusammensetzung von halbstrophen fragmente
434 GAERTNER
von visur entstanden waren. — Da str. 25, obwol sie in allen
recensionen der Fbr. begegnet, bereits eine solche irrtümliche
composition von visuhelmingar aufweist, muss man annehmen,
so lange man nicht x, x* auf gleiche vorläge, bez. x auf x*
zurückführt, dass str. 25 in dieser gestalt schon in der münd-
lichen tradition vorhanden war.
Was endlich die Stellung der historischen Ölafssogur oder
der Hkr + hOs + Fms zu den übrigen Oläfssagatexten anlangt,
so ist bereits festgestellt (vgl. Mogk a.a.O. s. 814), dass eine der
quellen Snorris die älteste legendarische Ölafssaga gewesen
ist. Um welche der von uns angenommenen fassungen es sich
dabei handelt, ist schwer zu ermitteln. Am wenigsten zu-
sagend scheint mir die annähme Maurers, a.a.O. s. 138, dass es
in erster linie StjTmirs werk gewesen sei, welches Snorri als
vorläge für die biographie des königs benutzte. Snorri war
viel zu gründlich, als dass er eine secundäre quelle ausschliess-
lich verwante, wo eine primärere ihm vermutlich zugäng-
lich war.
Die Strophen 40. 41 fehlen nur in den historischen Ölafs-
sogur, nicht in lös (1849) und F (y*) und danach wol auch
nicht ursprünglich in der ältesten lös (1160). Dafür gibt es
nur zwei erklärungen: a) Snorri folgte hier nicht der ältesten
lös, sondern einer anderen, event. noch älteren fassung, in
W'elcher die beiden visur noch nicht enthalten waren. Für
diese annähme könnte sprechen, dass die historischen Ölafs-
sogur die grosse Interpolation (mit str. 19—22) ebenfalls nicht
enthalten, von der ich mit Zuversicht annehme, dass sie erst
von dem redactor der lös (1160) eingestellt wurde. Wahr-
scheinlicher indes ist b), dass Snorri die Strophen 40. 41 aus-
liess und zwar, weil er die ganze stelle einer umfänglichen
bearbeitung unterzog, indem er die durch die combination ver-
schiedener quellenberichte verwickelten Situationsschilderungen
mit verständiger kritik umgestaltete, vor allem vereinfachte
und unverbürgtes ausmerzte; diesem vorgehen könnte auch die
episode von pormöör und Knütr, sammt ihren Strophen, zum
Opfer gefallen sein.
Die hÖs (1853) und die Ölafssaga h. helga der in den
Fms vereinigten hss. können nur secundäres Interesse be-
anspruchen, da die hÖs lediglich einen ausfluss der Snorrischen
ZUR FOSTBKCEDRASAGA. 435
saga bedeutet (vgl. ^[ogk, a.a.O. s. 107; über Maurers an-
sprechende hypotliese bez. Snorris Hkr und die hOs vgl. Die
ausdrücke s. 186 ff.), und die hss., auf denen die ausgäbe der
saga in den Fms beruht, durchgehends jüngere fassungen der
hös mit mannigfachen erweiterungen darstellen.
Eine vergleichung der lesarten kann zur fixierung der
Stellung der texte manches beitragen, wenngleich ich für die.
die hss. der Fms betreffenden resultate — wegen des der aus-
gäbe der Fms beigegebenen mangelhaften Variantenapparates
— nicht einstehen kann.
Ich übergehe dabei die nur einfach belegten vaiianten,
bei denen es sich fast diirclnveg um entstellungen handelt, die
den redactoren des betreffenden Strophentextes, bez. den Schrei-
bern der hss. zur last zu legen sind:
vgl. iü H 36, 5 vettir, 36, 7 vex, iO, 4 hvUings, 41, 5 redte:, 42, 4 borca
etc. ; in F 35, 4 grains, 42, 7 um flesl, 43, 8 ek cetia, F 36, 6 seggir skulu etc. ;
— in lös 35, 5 hjss, allir', 36, 2 er aulstiMandi, 36, 7 ceigu, vnga etc. ; — in
hös 35, 6 Innßrocndi, 36, 2 attrskilandi, 42, 3 Stiklar- etc. ; — in Fms LD
reist, H vintiz, in *R (Riß.jq) 40, 5 Maut, striöa, 35, 3 heim, 42, 1 hefir
(Jläfr etc. ; — in Hkr 35, 3 vera (K, 18, 75), ero K, 43, 5 klcekkci K etc.
Die qualitative Überlegenheit des textes von H (< x) ist
widerum augenscheinlich: nicht nur in bezug auf echtheit und
anordnung der visur, sondern auch auf den text im einzelnen,
— Die alte verwantschaft (x < " < '^_^^ zwischen H und *fi,
kommt zum ausdruck in:
35,3 skal : skulum F (richtig iegast Hkr hÖs lös Fms), 35,5 taki'BB.i
RoFras — B : liafui alle and., 42,4 A-mrZffe HR,Fms — A : qiiaÖuz 'R.,(\,
kvaddi alle and. etc. ; — die daneben bestehende beziehuwg y* <C ^ '^^^'"'^
gesichert durch 36, 7 eigum EiRoFdi— q : richtigem eigi aller and., 23, 1
hvarfla RjR.FdFms — K : livarfu alle and.; vor allem aber durch str. 44,
■\vo bis auf das bedeutungslose rauör (HRiR.i — q) : rjöör (alle and.) Va-
rianten zwischen RjR^ und F überhaupt nicht auftreten.
Das abhängigkeitsverhältnis der F (bez. y*) von den beiden
hauptquellen: a) der Fbr, (x*), b) der lös (1160) wird durch
einzelne Varianten gut charakterisiert. Zu a) vgl, 35, 2 innin,
innen HF {inne Fms — DKLikmo, Innaney Fms — A, Inney alle
and.), 35, 3 sJcal HKiRoi— Q, shdum F : tegast alle and., 44, 1
rauör HFRiR,i — q : rjöör alle and., 35, 7 niiin HFFms — A,
man E,R-2d : skal alle and., 36, 1 In'Qncj HFd — pranngr R,R,
qKJsJo : richtigem Jmjngr KhÖs. ~ Die in str. 41 vollkommene
436 GAERTNER
übereinstimmiuig- von F mit H und R1E2 gegenüber dem ver-
mutlich weniger echten text in 10s (1849) wird für a) nichts
beweisen, da es möglich ist, dass die Varianten erst in der
lOs (bez. dem Cod. Delag. no. 8) entstanden sind; auch hier
kann also F (y*) auf dem ältesten text der saga fussen, wie
dies voraussichtlich überall da der fall ist, wo F mit lös (und
den historischen Oläfssogur) zusammengeht, — Beweisend
wirken nur die Strophen 36. 39. 43; die übrigen Übereinstim-
mungen zwischen F und den anderen Öläfssogur gegenüber
den texten der Fbr. bestehen fast durchweg in correcten les-
arten, denen H wahrscheinlich erst aus letzter hand verderbte
entgegenstellt: vgl. 36,5 v^ttir, 40,4 hvüings etc.
Eine merkwürdige durchkreuzung der seitherigen ergeb-
nisse bringt str. 44. — F*R(EiE,;) stimmen sowol unter-
einander, als auch in jedem einzelnen falle mit der mehrzahl
der historischen Öläfssogur überein, so dass man damit wider
die bekannten beziehungen erhielte; die lös (49) jedoch zeigt
einen von allen anderen hss. stark abweichenden text, der in
einigen zeilen beziehungen zu dem durch H repräsentierten
text der Fbr. aufweist.
Vgl. Str. 44, 2 Jcona HlÖ.s(49)i— 0 : sJcogul FdEjR.qHkrliÖsFins, z. 5
ßat HlÖs (49) : hitt alle aiid., hin mcera H, en nucra lös (49) : at melldrar
alle and., z. 7 drniipnis dyRa vapna HlÖs(49)Fms — Ai — 0 : djüp oTc
dansJcra vapna alle and. — Zu den historischen Öläfssogur und F stimmt
sie nur in z. 5 mit Imyfar FdEjE^q : richtigem hygyr far lÖs(49)Hkr
hÖsFms und teilweise in z. 3 haulcaksetr^ um hccttin : haiiJcasetrs hin huita
FdEiß.qKFms— A (vgl. s. 348). Ausserdem steht lös (49) mit der lesart
liiot aggiaöra (z. 6) und rjöÖa (z. 1) vollständig allein.
Diese Schwierigkeiten lösen sich, wenn wir annehmen, dass
Str. 44 in dem ältesten sagatext (lös 1160?) stark verderbt
war, worauf die in allen recensionen zahlreichen Varianten
hinzudeuten scheinen. Die vorhandenen reste, vermute ich
ferner, stimmten mit der in H überlieferten fassung überein.
Während dann der redactor der lös (1849) zur füllung der
lücken eigene conjecturen verwante, und eine mit den histo-
rischen Öläfssogur sich berührende oder identische tradition
nur wenig benutzte, hielt sich y* (von ihm aus *EF) genauer
an diese; die möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass, wie
dies in den historischen Öläfssogur vielleicht schon bei str. 40
und 41 geschehen war, und später von den compilatoreu der
ZUR roSTBKCEDRASAGA, 437
F verschiedentlicli getan wurde (vgl. F. IT, 07. 68. III, 237 etc.),
die historischen sogur und y^^ sich hier an Styrmirs Öläfssaga
hielten.
Durch zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den histo-
risclieii Öläfssogur und der lös wii-d bewiesen, dass sämmt-
liclie Ölafssogur h. helga auf eine ältere redaction einer lüs
zurückgehen (event. auf lös (1160): vgl. 35,2 Inney l(')sKJ2
hÖsFms— BC : innm HF etc., 35,3 tegast lÖsKJJiÖsFms : shul
HEiRo, sJculum F, 36, 1 prengr lÖs.T.,, pryngr K70hÖs, Jiraungr
R,R.Fms : prmmg RF, 44,1 r/Jc/r lÖsHkrhÖsFms : rauör HF
RiEoi— q> 44,8 sv0a nur in HlÖsHkrhÖsFms. — Dadurch,
dass svida sowol in den Strophen der Fbr., wde denen der Olafs-
.«aga belegt ist, scheint bewiesen, dass die kleine episode, welche
in FdEiRoi — Q zur motivierung des fehlens von sn'dfa am
strophenschluss steht (vgl. F. 11, 366) secundären Ursprungs ist
und vermutlich von dem redactor von y'-'" erfunden wurde.
II. Zur Stellung der legendarischen und historischen
Ölafssogur.
Hier tritt überall die enge verwantschaft zwischen hös
(1853) : Hkr hervor, bes. zwischen hÖs und J.^; vgl. F 36,6 of,
um alle and., 42, 3 SiiJdar : Stilda alle and., 44, 3 liaulia latrs
cn J.jFms — DH, hauclatrs en hÖs, 44, 4 mordueniande feniu J«
hÖs(FR,R2dqFms— A) etc. — Nicht minder augenfiillig ist
die zwischen F und Fms — A: \g\. 36,5 (nach F) slwJcnir
: slcehni alle and., 42, 2 i hUdl : lUdi alle and., 42, 6 almvcÖrs
FFms — C, jahnvcdiS Fms — A : ialfaös HK etc.
Unklar bleibt wegen des geringen materials die Stellung
der übrigen texte der Fms; deutlich wird nur die nahe ver-
wantschaft mit Hkr und hÖs. Die Varianten einzelner texte
beweisen jedoch, dass deren redactoren noch andere ([uellen
benutzten, so lässt inni 35, 2 in Fms — DKL vielleicht auf den
einfluss von HF schliessen, tahi 35, 5 in Fms— B auf den von
H*R und hvarfla 30, 4 in Fms— K auf den von *F*R.
III. Die Stellung der papierhandschriften.
b, c sind genaue abschritten der membrane M, wie auch
aus aufzeichnungen des Arni Magniisson hervorgeht.
Neben b, c sind am wichtigsten RjR2. — GhMm. II, 259 f.
438 QAERTNER
heisst es von AM 566 A 4to = H {^= Eo), ebenso wie R^ durch
AsgeiiT Jonsson von einem cod. ex bibl. regia abgeschrieben:
'es findet sich, dass sie (R-i), soweit sie reicht, genau mit Ri
übereinstimmt'. Diese genaue Übereinstimmung ist aber nicht
buchstäblich, da die Strophentexte eine grosse anzahl von
Varianten aufweisen: vgl. 23,8 konung RhRiFik : honungr
R2de, 27,3 frendum Rj, fremdum R^, 28,7 premia RiHF,
prenna B.^^, 28,7 svells R,, svell R^ etc. Die verderbten
formen finden sich meist in R2; dadurch wird die Vermutung
gestützt (vgl. GhMm.. II, 260), dass *R (ebenso wie M) zu Äsgeirr
Jönssons lebzeiten defect wurde und zwar so, dass Äsgeirr
noch die vollständige saga für pormöör Torfenson abschrieb
und, nachdem sie in *R verstümmelt war, die für Arui Mag-
nüsson. Zwei lesarten scheinen zu beweisen, dass er dabei F
zu rate zog: 42, 6 ialfoös : almvedrs FdRoqi — 0, 44, 7 djuft
oli FdR2 : djup alle and.
Zu d vgl. GhMm. 11,257 f.; dort heisst es: "D scheint sicher
in vielem bis zur vollständigen genauigkeit mit der grossen
saga von könig Öiäfr übereinzustimmen. Doch hat D ver-
schiedene visur, welche in F fehlen.' Es sind dies str. 14 — 16.
18; in ihnen geht d bis auf wenige kleine ausnahmen mit b
(M) zusammen; vgl. beweisende Übereinstimmungen wie: 15, 2
strenghestz (richtig -hreins), 15, 5 sdrum (richtig sinum), 16, 4
dylgjiisamr (richtig -samt), 16, 5 Jjreggs (richtig ])cegs), 18, 4
rcggis (richtig reggs), hialldr (richtig hialldrs) etc., 'd. h. die
vorläge von d war combiniert aus F und b (M). und zwar so,
dass da, wo F ein minus an text bez. Strophen aufwies, dieses
aus M ergänzt wurde.
Einzelne Übereinstimmungen in fehlem zwischen d und Rj
(*R) einerseits (vgl. 14, 6 sannligs : -leiks b, lags H, 16, 2
lieitir : Jmeitir b, heitir H) und d und R^ andrerseits (vgl. 23, 8
konungr R^de, 28, 7 prenna R.dikl etc.), erklären sich wol so,
dass Äsgeirr an einigen stellen die ebenfalls von ihm geschrie-
benen texte RiRv zur vergleichung heranzog, bez. reminiscenzen
verwertete.
Doch auch in 35,1 mwe?/ RiRodlÖsKJiFms — BChÖsq
: innen HF etc., 35,3 57caZ RiR^dHi — q : shulum F, 35,3 heim
RiR ,qd : liuer F, 35, 4 gram RiR.qdlÖsHkrhÖsFms : grams F,
35,5 taca d, takt HRiR^i -q : liafui F, alle and., 35,7 man
ZUR FüSTBRCRDRASAGA. 439
E,R-2(ld : mim FHFms, sl-al alle aud. etc. scheint *R (R1R2)
auf d gewirkt zu liaLeu. Dauacli hätte sich der redactor von
d* neben ^l zur reconstruction seiner texte noch der recension
*R bedient; und da es sich um identitäten von str. 85 an han-
delt, so ist wahrscheinlich, dass ^\ an diesen stellen damals
bereits fragment war.
Eine noch grössere Übereinstimmung wie d mit F zeigt e
mit F; e wird deshalb die abschrift einer vorläge sein, die
F nahe verwant, event. mit ihr identisch war (vgl. noch (ihMm.
II, 258).
In dem sagaexcerpt n (bl. 1—2) stehen nur die beiden
Strophen 13 und 17; von ihnen zeigt besonders str. 13 starke
textverderbnis (vgl. z. 2 ])reingra [richtig drengia], z. 3 helldur
[richtig haulklr], herÖar (richtig haröar]), str. 17 einzelne
anklänge an R, (vgl. z. 1 IceJciar Rin, Icelcia H, IceJci Fcd,
Jfcmks FdRjU : Haiiss alle and., z. 2 hrcü&i HRiU : hceöe alle
anderen).
Die papierhss. iklmo. — Deren vorlagen (i* = ursprüng-
lich im besitz des Björn Jonsson auf Skardsaa; k* = ein buch,
das Arni Magniisson von einem gewissen Jon Thorlaksson (aus
Isl.) erhalten hatte; 1* = ein buch des Öhlfr Gislason 'ä Hofl
i ^'opnafirdi'; m* = ein folioband des Schulzen Oläfr Einarson;
0* (vgl. s. 303) erweisen sich als eng verwant (vgl. z. b. das
geschlossene auftreten von ikmlo in fehlerhaften Varianten wie
8, 12. 23, 4 -horöa ikl, 27, 7 nyröinn ikl, 29, 2. 6—8, ferner die
richtige zeilenfolge in 30, 5—8; als einzelfälle noch 32, 6 minni
iklm [richtig vinna H, minna alle and.], 33, 3 oädar ikl : odda
alle and., 84, 5 löfum ikm : *//rar, 35, 2 inne iklmoFms— DKL,
35, 4 grams fehlt iklmo, 42, 7 veröa iklmo) und gehen direct
oder indirect, das lässt sich kaum entscheiden, auf eine bez.
einzelne vorlagen zurück, die sowol zu *R wie zu F, wie zu
b (M), d. h. also zu allen bekannten recensionen der Fbr. in
enger beziehung stand bez. standen: a) 39, 7 dr w andra R,imo,
30,5 veitim RiR.qikmo, 25,6 Imgfyrsium R,iklm; vermutlich
auch 35,3 s/taZ HRiR.iklmo, 35, 5 faA-i HRiRaqikmo bestätigen
die verwantschaft von iklmo mit *R; — b) deutlicher noch ist
die mit F, vgl 42, 2 öd fr. kr i hlööi Fdikmo, 42, 5 Wd eh
Fdikmo, 32,3 mer oh Fdeiklm : fengut H, foßrit R,R2, 32,4
imeringr Fdiklmo, porf Fdeiklmo; dass iklmo dabei aber von
440 GAERTNER
F nicht sclavisch abhängig- sind, zeigen, ausser selbständigen
Varianten, die Übereinstimmungen mit H*R und besonders
mit b (M).
Die Übereinstimmungen zwischen b (M) und iklmo sind
durchaus beweisend (vgl, 4, 1 geirr [richtig grdnn R,], 4, 8
liliöda [richtig hloöum Rj]; ferner besonders die str, 6 — 9;
10, 2 mödr bik : rjödr H, ruör alle and., 10, 5 vndeggiadr ])a
bik [richtig vard eggj. par alle], hcggja bik : ptiggja alle and.,
11,4 happa digr : Imppi bikmo etc.).
Eine besonders eng verwante gruppe ist ikl (vgl. 23, 4
hugborda ikl : huglord HFd, horÖ2 bRiR-, liauglordir m, 29, 8
falliö ikl : halldit Fd, falldad ra. 29, 6 mic ei ikl : cei mik
Fdmo); ihre verwantschaft mit b (M) zeigen: 7,7 auäar bikl
: auda m, audz o, 9, 1 pvi er bikl : pvi at alle and., 23, G
vorum HbR2ikl : vom Fde, erumm m, vor R, , 23, 6 ver bcikl
: pa HFde, p6 R1R2; vgl. dazu nochmals 10,5 und 11,4.
Resultat: 1. die Übereinstimmungen (s. oben und weitere
belege: 12, 3 er bikmo : at alle and., 12, 7 drengr bikmo : drengs
a. a, 13,5 ofgeiginn bim, of geinginn k, 16,2 -hneitir bikmo
: heitir H, heitir dRi etc.), sowol in einzelnen Varianten, wie
im auslassen von Strophen (vgl. str. 19—22. 24. 36, 2 nach F,
37 [bis auf 0]. 38. 41) beweisen den zwischen i*k*l*m*o* be-
stehenden Zusammenhang; 2. enger verwant noch zeigen sich
i*k*l*, was sich aus einer gemeinsamen vorläge für i*k*l" er-
klären wird, da auf grund einzelner Varianten eine directe
abhängigkeit der texte untereinander unwahrscheinlich ist;
1 (1*) hat ausserdem andere quellen noch benutzt, da es, ebenso
wie m (m*) im prosatext ganz eigenartige Interpolationen
aufweist, die in allen anderen hss. fehlen; 3. die sonst meist
sinnlosen Varianten in m und 0 (bez. m*, 0*) setzen der vor-
läge von i*k*l* gegenüber stark verderbte quellentexte
voraus, die zwar mit jener ursprünglich verwant, vielleicht
identisch waren, in m*o* (bez. erst in mo) aber sehr über-
arbeitet wurden.
q ist eine auf den buchstaben genaue abschrift von R2
(vgl. s. 421).
ZUR FOSTBRCKDRASAGA. 441
Cap. Y. Schluss.
Nach dem Stammbaum, der sich aus dem strophenmaleiial
der hss. der Fbr. ergibt, ist die von F. Jönsson vorgenommene
Scheidung der texte in zwei hauptklassen mit H auf der einen
und allen übrigen hss. auf der anderen seite, nicht zu halten.
A'iehnehr machen H*M*R eine durch die gemeinsame vorläge
X zusammengehaltene gruppe aus. Von dieser aus führt *R
zu einer zweiten gruppe hinüber mit der quelle x*; diese
gruppe zeigt directe beziehungen zur grossen Ölafssaga li. helga
und wird allein durch F und den von dieser abhängigen hss.
gebildet. Es bestätigt sich also die annähme von Mogk (vgl.
Pauls Grundr. 2, 755): 'Der Hauksbuk steht ohne zweifei die
fassung AM 132 näher als die Flateyjarbük . . . '
Die recensionen x und x* entsprechen den von F. Junsson
(H, einleit. lxxxi) angenommenen 'to forskellige bearbejdelser
af sagaen, hvoraf den ene [x'''] sikkert stammer fra det 12.
aarli., og den anden [x] sagaen i Hauksbök, n?eppe er meget
yngre'; doch ist die letztere keinesfalls ganz unabhängig von
X* entstanden. Dafür spricht:
1. der umstand, dass x wie x* vermutlich die gleichen
uachdichtungen besassen (str. 9. 12),
2. dass in str. 25 in beiden bereits die visuhelmingar falsch
combiniert waren: ein fehler, den man schwerlich bereits der
volkstümliclien tradition zurechnen darf,
'S. die Übereinstimmung in der angäbe iir erfidrdpu, näm-
lich gerade nur bei den Strophen 2. 3 (5. 6). 10,
4. eine zahl gemeinsamer fehler: vgl. 3,4 valldr Mli,Fik
moq (richtig *vald), 12, 8 djarfr (richtig *djarfra), 34, 5 tiri H,
iifmim Fde, tifua Ri'R^j ^'^furn ikm (richtig '■'tirar) etc.
Nach alledem scheint folgendes möglich und wahrschein-
lich: 1. X* ist die ursprünglichste fassung der Fbr.; 2. x* ent-
hielt bereits die str. 2—18. 22 als fragnient (nur 22, 5—8). 23
— 25 (letztere bereits in falscher composition). 27 — 35. 36 als
fragnient (nur 36,1 — 4). 39 (die zusammengehörigen halbstropheu
event. getrennt), 40. 41. 44; 3. ein redactor gestaltete x* zu x
um. Er gieng dabei gegen die in x* sorglos zusammengestellten
berichte streng historisch vor und schaltete fabelhaftes aus.
Vielleicht stützte er sich auf eine noch directere tradition als x*.
442 GAERTNER
Die Strophen hat er jedenfalls nicht nur in weit reinerer ge-
stalt gekannt, als der in den OläfssQg'ur überlieferten, sondern
auch, wenigstens was die Strophen 36. 39 anlangt, in ihrer
echten Zusammensetzung. Möglicherweise Hess er die nur
fragmentarische str. 22 aus, weil er sie nicht durch nachdich-
tung ergänzen wollte; str. 29 ist von ihm jedenfalls versehent-
lich übergangen worden; 4. der redactor der ältesten ülafssaga
h. helga (event. der von 1160) ist nach meiner meinung der-
jenige, von dem a) die in der mündlichen tradition (vgl. x*)
nur fragmentarische str. 22 vervollständigt und als letzte str.
in die von ihm redigierte episode von Knütr und Härekr ein-
gestellt wurde; von dem b) die str. 20. 21, 1—4 verfasst wurden,
indem er den zweiten der in der mündlichen Überlieferung event.
bereits getrennten visuhelmingar von str. 39 (vgl. x*) als str.
21,5 — 8 in die Interpolation einstellte, die beziehungslosen halb-
strophen 39, 1 — 4. 36, 5 — 8 fälschlicherweise combinierte und
die nun ihrerseits defect gewordene str. 36, 1 — 4 duixh nach-
dichtung ergänzte; von dem c) die Verwirrung in der Schilde-
rung von pormöös letzten stunden angerichtet wurde (vgl.
Maurer, Die ausdrücke s. 88 ff.), indem er verschiedene berichte
der mündlichen tradition zu einem widerspruchsvollen ganzen
vereinigte. Eine unmittelbare folge solcher combination mag
Str. 43 sein, die dem erweiterten bericht als poetischer schmuck
beigegeben wurde.
Dass wir berechtigt sind, die visur und visuhelmingar
20. 21, 1—4. 22, 1—4. 36, 5—8 (nach F). 43 für die arbeit
eines mannes zu halten, geht, wegen des geringen umfanges
des materials, zwar nicht aus formellen Charakteristika mit
Sicherheit hervor, wol aber aus der einheitlichkeit des melo-
dischen elements. Str. 19 dagegen gehört einer anderen ton-
höhe an; ich glaube deshalb, dass str. 19 von einem anderen
dichter stammt und von dem redactor der ältesten 10s (event.
1160) in diese partie eingestellt wurde.
5. Während Snorri den bericht der redaction von 1160,
vielleicht unter heranziehung der Styrmirschen vita von Olafr,
mit verständiger kritik umarbeitete, folgt der redactor von y*,
der die weitere Vereinigung von Fbr. mit Olafssaga h. helga
vollzieht, dem text von 1160 in jedem punkte, übernimmt also
von diesem, wie von x*, sämmtliche visur.
ZUR FOSTBlitEDKASAGA. 443
6. Die recensioii y = . auf die auch *R an einigen stellen
zurückgeht, unterwirft ein redactor der F in ihrem ersten
teile einer umfassenden Umarbeitung, bei der auch die str.
4—8. 11. 14— IG. 18 fallen (von einem 'allmählich müde werden'
des Überarbeiters, wie F. Jonsson meint, vgl. H, einl. lxxvii,
kann kaum gesprochen werden). Der redactor stutzte ofl'enbar
nur die für die Öläfssaga wenig wichtigen partien der Fbr.
nach seinem gutdünken zurecht, beschränkte sich aber in der
Umarbeitung merklich, sobald die Fbr. mit der eigentlichen (')lafs-
saga wider fühlung bekam; erst unter ihm geriet str. 20 in die
Fbr. und gieng von hier aus in die texte der papierhss. über.
Dieses im princip nur für die Strophen giltige verwant-
schaftssj'stem wird auf grund der Untersuchung des saga-
textes nur insofern geringfügige änderungen erfahren, als
einzelne redactoren sich betreffs der visur eng au ihre vor-
läge hielten, während sie zur erweiterung der prosa noch
andere quellen heranzogen. So zeigen sich z. b. in den prosa-
texten beziehungen zwischen F und M, die nach ausweis der
Strophen so gut wie nicht vorhanden waren (s. s. 426). Da
*R meist mitgeht, werden wir nicht, wie F. Jonsson, annehmen,
dass M die directe vorläge für F bildete, sondern, da M und
*R beide auf y zurückgehen, im übrigen aber selbständige
recensionen darstellen, umgekehrt vermuten: der redactor von
y hielt sich zwar, was die Strophen anlangt, eng an seine
vorläge x, arbeitete aber in die prosa noch fremde saga-
elemente hinein (vgl. Grettis-episoden) , und zog eine weitere
quelle der Fbr. an, aus der er den text von x bereicherte:
vermutlich eine der späteren fassung der F verwante recension,
y*, die der redactor von *E, für die Strophen nochmals beson-
ders in anspruch nahm (vgl. str. 22. 43), während der redactor
von M sich hier enger an y anschloss.
Zweierlei will F". Jonsson definitiv festgelegt wissen: 1. die
vollkommene Unselbständigkeit der recension der Fbr. in F,
indem er H, einl. lxxviii ausführt: 'Flat's tekst er opstä et
säledes, at dens redactor bade har haft for sig Hauksbogens
og 1320, og undertiden holdt sig til den ferste*; ... 2. die
absolute Überlegenheit der H: 'Hauksbogens tekst er unbe-
tinget den oprindeligste og niest legte' (vgl. H, einl. lxxvi).
Zu 1. a) Der arbeits weise des redactors der Fbr. in F
Beitrag-: rur geschichte der deutscheu spräche. XX XU, 29
444 GAERTNER
nach zu urteilen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass dieser
(dem es nur darauf ankam, stofflich neues aus anderen SQgur
zu gewinnen und der solche Interpolationen nur einer flüch-
tigen Umarbeitung unterwarf) zur controlle seines quellen-
textes und zur genaueren fixierung seines eigenen, ausserdem
einen älteren text benutzte, für dessen plötzliche bevorzugung
an den einzelnen stellen ein grund nicht ersichtlich ist; b) es
bleiben dann die fragen offen: wie kommt es, dass F, die
nach F. Jönsson nur aus secundären quellen fliesst, an vielen
stellen allein den echten text bietet (was F. Jönsson selbst
zugestehen muss; vgl. H, einl. lxxvii); wie kommt es, dass F,
als einziger text, Strophen nicht nur in correcterer gestalt
(vgl. z. b. Str. 30), sondern auch in grösserer anzahl gekannt
hat (vgl. Str. 22, 5— 8, 29)'); wie kommt es, dass die kgl.
membrane [*R], die 'ungefähr auf derselben stufe steht wie
132 [M]', die str. 22 (43) besitzt, die in M fehlt. Auf diese
und andere fragen (besonders betreffs Snorris vorläge) geben
F. Junssons resultate keine befriedigende antwort; deshalb wird
auf grund der gegenbedenken die F. Jönssonsche hypothese
über die entstehung des textes der F fallen zu lassen sein.-)
Ich leite die hss. nach nebenstehendem Stammbaum ab.
Zu 2. F. Jönsson bekämpft in H, einl. lxxvi die hypothese
von Vigfüsson (Stürlunga, Proleg. Iix — Ix), dass wir in dem
text von (132-) Fiat, eine 'edition of a much earlier composition'
hätten, indem er im gegenteil behauptet, 'dass die redaction
von H unbedingt die bessere' sei (vgl. H, einl. lxxv, 24) und
dass 'der text der H unbedingt der ursprünglichste und ech-
teste' genannt werden müsse (vgl. H, einl. lxxvi v. u.). — Dazu
ist zu bemerken, dass die ansieht von Vigfüsson in der tat im
princip richtig scheint, indem F auf die älteste fassung der
Fbr. (x*) zurückgeht. Dieses Verhältnis kommt in der haupt-
sache nur noch in den Strophen zum ausdruck; der sagatext
hingegen ist mehrfach stark überarbeitet worden, so dass H
schliesslich zwar nicht den ursprünglichsten und absolut ech-
*) Die Öläfssogur, welche diesen teil der Fbr. gar nicht kennen,
kommen als quelle nicht in betracht; ebensowenig wol die späte tradition
des li.jh's.
^) Die möglichkeit an und für sich — einer heuutziing- von H und M
durch den redactor der F — gebe ich selbstverständlich zu.
ZUR FÖSTBR(EDRASAGA.
44:
CO
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29*
446 GAERTNER, ZUR f6stBR(EDRASAGA,
testen text widergibt, wie F. Jonsson will, wol aber den relativ
besten, da x, das zwar auf x* zurückgeht, daneben jedoch
noch eine bessere tradition (besonders der visur) als x'^ ge-
kannt zu haben scheint, in der H vermutlich nur leicht über-
arbeitet wurde (vgl. auch Mogk, Pauls Grundr. 2-, 756, 1 f.).
Da die entstehung von x* bereits ca. 1210 anzusetzen
und ein directer einlhiss der Grettissaga auf die Fbr. erst für
y mit Sicherheit anzunehmen ist, wird in Boers h3q30tliese,
betreffs der Grettissaga (vgl. die ausgäbe der Grettissaga
XXXII: 'auch die 2. Umarbeitung der Grs. gehört noch dem
13. jh. an; spätestens entstand sie in den ersten jähren des
14.jh.'s; denn die hss. derFbrs., deren gemeinschaftliche vorläge
von dieser Umarbeitung beeinflusst wurde (ZGrs. 32) reichen
hoch in das 14. jh. hinauf — der beweissatz zu streichen sein.
INHALT. ,,„3
Cap. I. Allgemeines 299
Cap. IL Znr reconstruction des stropbeutextes 308
A. Hergestellter text 308
B. Kritischer commeutar 313
Cap. III. Zur echtheitsfrage 349
A. Allgemeines 349
1. pormüSr Kolbrüuarskäld 349
2. Gruppierung der Strophen 352
3. Das echtheitsproblem in der Fbr.-literatur . 353
4. Die Strophen der quelle der Fbr 355
5. lieber die kritischen hilfsmittel 356
B. Die spräche pormöös 359
C. Die keuuingar, viökenningar, halfkenningar . . . 3G2
D. Die reimtechnik pormöös 364
E. Rimarium 382
F. Echt und unecht 387
I. Die erlidräpa 387
II. Die lausavisur 404
Cap. IV. Das handschriftenverhältnis der Fbr 420
I. Das Verhältnis der membranen HMF*R zu einander 420
a) Stropheuplus und stropheuminus 420
b) Die textvarianten 421
IL Die historischeu und legendarischen Oläfssogur . 437
III. Die Stellung der papierhand Schriften 437
Cap. V. Schluss 441
LEIPZIG. K. H. GAERTNEK.
DIK SOGENANNTEN REDUPLICIEK ENDEN
VERBA BT GERMANISCHEN.
Literatur.
Scherer, Zur g'escbiclite der deutschen spräche'^, s. 267 ff.
— Zs. f. d. üstr. gymu. 24 (1878), s. 295 ff.
Sievers, Beitr. 1, öOift'.
Pokorny, Ueber die redupl. jiraeterita der geriii. sprachen u.s.w.,
Wissenschaft!, abhandlungen, Wien u. Leipzig (187-}-).
Schmidt, Vocalismus II, s. 428 ff.
Hoff ory. Die redupl. praeterita im altnordischen, Kuhns Zs. 27, .593 ff.
Holthausen, Die redupl. verba im germanischen, Kuhns Zs. 27, 618 ff.
Osthoff, Zur reduplicationslebre, Beitr. 8, 540 ff.
Ljung-stedt, Anmiirkningar tili det starka preteritum i germanska
spräk, Upsala 1887.
Ottmann, Die redupl. praeterita in den germ. sjjraclien (Jahresbericht
der realschule zu Alzei, 1890), Leipzig 1890.
Holz, Urgerm. geschlossenes c und vcrwantes, Leipzig 1890.
Lichtenberger, De verbis quae redupl. praet. etc. exhibebant, Nancy
1891 (Berger-Levrault & Cie).
Zarncke, Beitr. 15, 350 ff.
Brugmann, IF. 6, 89 ff'.
Franck, Zs. fda. 40, 24 ff.
Bethge in Dieters Laut- u. formenlehre der altgerm. dialekte, s. 361 ff.
Hoffmann, FEPA^: Abh. z. idg. Sprachgeschichte. Festschrift zu
A. Ficks 70. geburtstag, Göttingen 1903, s. 33ff. (citiert: Hoffmann, F.).
L 0 e w e , Kuhns Zs. 40, 266 ff.
Janko, IF. 20, 229 ff. (hier findet mau eine ganz ausführliche auf-
zählung der einschlägigen literatur).
Einschlägige arbeiten, die sich nicht ausschlie.sslich mit unserm gegen-
ständ bescliäftigen, sind an der in betracht kommenden stelle dieser abhaud-
lung angeführt.
448
FEIST
Uebersicht über die reduplicierenden
Urgerm. \ Gotisch
Altisländisch
Altschwed.
1) aikan zu- \ af-aikan, -aiaik,
sprechen 1 —
2) aikan rasen \
8) alpan \ — . — , us-alj^ans
i
4) *aran, arjan arjan, — , —
5) aukan
— , — , eikenn
— , — , aldenn
6) ausan
7) aul^an
8) bannan
9) bauan
10) bautan
11) began
12) besan
13) blandan
14) blean
15) blesau
16) blöan
17) blötan
18) b-nauan
19) bredan
20) brükan
aukan, -aiauk, — , anka, iok, j;L iukom,
ankenu
I
\ aiisa, iös, pl. iusom,
ausenn
— , audenn
büa, biö,/jZ. biiiggom,
büeun
bauta, — , -bautenn
blandan, — , — blanda, blett, blan-
denn
— , — , uf-blesans
blötan, — , —
b-nauan, — , —
bläsa, bles, bläsenn
blöta, biet, blötenn
— , b-nere(3.s<i(.), —
brapa, — , brapin
DIE REDÜPLTCIERENDEN VERBA.
449
verben des germanischen.
A 1 1 e n g 1 i s c li
A 1 1 s ä c h s i s c li AI t Ium" lid e ti t s c h
in-eichit Cd. 1,621,51,
in-eihan Gl 1, 111, 12
erran, iar, gi-aran
— , — , eacen
— , — , Oean, fn'es. aken
— , — , eaden
hnnnan. hpoii. hnnnrn
— . — , ödan
frifü. hnnna, Iipn p.-linn-
})flnnan l)ian. o-il-iannnn
biiau, - , ^ebün
beatan, beot, beaten
büan, — ,
mndl. basen, bies,
buan, — , w/if/.gebüwen,
pl. birunn
bägan, biag.
blondan, blend (bleond), blandan, blend, — blautan, bliant, giblan-
blonden I tau
hläwan, bleow, altics. aostfr. blö (Zs. [da. 40,
blew, bldweu 38 ff.)
blüwan, bleow, blöwen
blotan, bleot. blöten
bläsan, blias, gibläsan
bluozan, blioz, giblözan,
2)1. plenizzun
nvian (?)
brädan, bred, gibrädan brätan, briat, gibrätan
— , — , gibrukau '
450
FEIST
Urgerm.
Gotisch
Altisländisch
Altschwed.
21) dredan
22) fähan
fahan, faifah, —
fä, fekk, pl. fingom,
fa, fik (faek), pl.
fangeun
fingo, fangin
28) fall au
falla, feil, fallenn
falla, tiol (fael,
fal), fallin
24) falpan
— , faifalf», —
fakla, feit, faldenn
25) fejan (?)
faian, — , —
26) flöan
27) flökan
— , faiflök, —
— , — , flökenn
28) fraisan
fraisan, faifrais,
29) gangan
gaggan, — , us-
ganga,gekk,p?.gin-
ganga, gik (nsc/,w.
gaggans
gom, gingenn
gaek), gaugin
30) g-nauan vgl.
gnüa, gnera, gnüenu
no.l8
31) gretan
gretan, gaigröt,
grata, gret (greit),
grata , graet.
—
gratenu
(gret, pl. grito),
grätiu
32) gröan
groa, grera, gröenn
33) hähan
hahan, -haihah,
hanga, hekk,j)Z. hen-
gom, haugenn
34) haitan
haitan, haihait,
heita, het (heit, hei-
heta, häet, he-
35) haldan
toni), heiteuu tinu (rim. hai-
ta; agutn. hlt,
mschiv. het) *)
haldan, — , hal- halda, helt(?(/'>i. heilt) ; halda,hiolt(haelt,
dans haldenn | halt), haldin
1) Rnnschwed. perf. aä ist wol als hait aufzufassen (Noreen, Altschwed.
gramm. s. 444).
DIE REDÜPf.ICIERENDEN VERDA.
451
Altenglisch
A 1 1 s ii c li s i s c h
011 - drtedan, -dred (Ps.
i(. )iorth. ondreord)
fön, fenj, fonjen
feallan, feoll, feallen
fealdan, feold, fealden
flöwau, fleow, flöweu
flocan (?)i)
ant-dradan. -dri-d.
A 1 1 h 1 1 c h d 0 n t s c h
in-trätan, -triat,
faban, feng (ficn,q:\ fan- ' fähan, fiang {(hmchcn
gan fieg, fcnc), givang'an
fallan, {el(l), -fallan fallan, fial, gifallan
faldan, fiald, gifaldan
-, — , far-Höcaii, fries.
iir-flokiii
— , — , far-ilnahhan
jan^an, seon^ (saug-, g^^Uöa", geug (gieiig), gaugaii, giang (kenc),
Sen^-de), jonjeu gaiigan gigaugan
— , griat (gnot)2), — mM.gväzen(sckw.verb)
jröwau, j;reow, jröwen niruU. groieii. grien, -
"" ' !
hon, hen^, honten i — , — , -haugaa hälian, -henc, hiang. gi-
' haiigan
hdtau, hct (hebt), häteu hetau, het (liiet), gihc- heizau, hiaz i^ca-heiz)^),
I tau; /'r. Int (R) giheizan
iiealdau, heold, haldeu haldan, held (hield), gi- haltaii,hialt(bi-]ieilt?)^)
haldau, fr. pl. bilden gibaltan
') Vgl. Sievers, Beitr. 9, 287.
^) Oder eher zu griotan, grcotan = &e. ^reotan, perf. f,rcat? (Hoffmanu,
/'. s. 56). Anders Eoediger, Zs. fda. 20, 243 und Janko, IF. 20, 283 f.
') Vgl. Singer, Beitr. 11,294 und Janko, IF. 20, 270.
*) Vgl. Singer a.a.u. c/-foniien finden sich z. b. im text B der Fuldaer
beichte, daneben aber auch /e-formeu: jurlciz neben furl'ese.
452
FEIST
Urgerm.
Gotisch i Altisländisch Altschwed.
3(i) hau(w)Avaii
37) hlanpan us-hlaiipan
38) hlöan
39) hnaupan
(hniupan?)
40) hrüpan
41) hwesan
42) hwetan
43) hwöpan
44) knean
hQgg(i\)a, hiö, pl. hi- j hugga, hiog, nin.
oggoni, hogenn
ha(u)k, pl. (h)u-
ku, huggin
(h)]anpa, (h)liop, pl. lapa, ngnfn. laii-
(h)lupoin, anonv. pa, lop, p/. hipu,
lep, (h)laupenn
ngutn. perf.l3L}i\i
= mschiü. lep;
nschiced. liep.
lepin
huäta, — , huätenn
hwöpau, hwai-
hwöp, —
45) krean
!
46) laikaii laikau, lailaik,-
47) laiian (Beitr. ' — , lailoun (3.|)Z.),
11, 56) —
48) letan
letan, lailot, —
49) maitan maitan, maimait,
lei^a, lek, leikenn leka, agutn. lai-
I ka, lä;k, nschw.
i
\ek,perf.2}l.\iko
lata (lata) ; let (leit), lata, laet (let),
auch lit, pl li- löt, iTt, j)i.litu,
tom, lätenn
latin
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA.
453
Altenfflisch
A 1 1 p ä c h 5! i P c h
AltlKirlxInu terh
lieawan, heow, heaweu
lia(u)wan, -heu, gihai;-
wan'), i^crf. mudl.
bieu, pl. hieuwen
houwan, liio (bin), pl.
biowun (binwun), gi-
liouwan
hleapan, hleop, bleapen, v-l'lfTan). -hlieimn, -bli- (h)lo\ifan,leof (liof.liaf),
pl.h\\\\wn(r(7i.?.fy.) opiin, fr. hläpa, lilei». )«7^/. ;//. luffcii, ^ilou-
opt. hliopc fan
blöwan, bleow,
a-bneapan {oder hneo-
pan?), bneop, -hneapen
bropaii, hieop, —
bröpaii, briop (hreop), bruofaii, briof (hriuf),-
fr. roep, by-(h)ropen
hwösan*}, hweos, —
hwöpan, bweop. —
cuäwan, cneow. north.
cnsew, altws. cnew,
cnäwen
cräwan, creow, cräwen myuU. craien, crieu
läcan, lec, )iorth. leolc,
lären
for-bwiUau, -bwet, — farwäi^aii, -\viaz,-\väzan
Iffetan, let, north, leort, lätan, let (lief), gil.ätan läzaii. liaz, -loiz, giläzan
lateu
meizan, miaz, gameizan
') Oder eber hwctsani Sievers a.a.O.
') Fries. hä(u)iven.
454
FEIST
Urgerm.
Gotisch
Altisländisch
Altschwed.
50) mean
51) prangan
— , — , ana-prag-
gans
52) redan
ga-redan, -rairnf),
— (ga-ra)7ans)
räda, red (reid), rä-
denn
räpa, r*J7 (re}?),
räf^in
53) rciau
roa, rera, röeun
54) saltan
saltau, — , un-
saltans
55) sejan
saian, saisö, —
sa, sera, säenn
56) skaipan
skaidan, skai-
skaip, —
57) skaldan
58) skef>an
59) skrautan
.
60) slepan
slepan, saislep,
-saizlep, —
61) snanan
snüa, snera, snüenn
62) söaii
söa, — , soenn
63) spaldau
64) spannan
65) spöan
66) staldan
ga-staldan, stai-
stald, —
67) stautau
stautan, — , —
68) swaipan
sueipa, sneip, suei-
penn
DIE REDÜPLICIEHENDEN VEKBA.
455
Alteugliscli
Altsäclisisch
A 1 1 li u c h d e u t s c h
lila wall, uieow. luäweii
rifedan, nort/i. reord, pl.
ri'don, riiHleu
rädaii, red (rieil), girä-
dan
nitan, riat, girätau
ruwau, reow, -röwen
— , — . sealteu
salzau, sialz, gisalzan
säwan (sf«wau), seow,
north, seavv, säwen,
alhcs. sew
scädan, sced, scäden (sce-
adau, scead. sceaden)
skethan, skedaii, ske-
dan(M), -scetli, gisce-
thau
skeidan, skiad, giskei-
dau (-sceitan)
Skaldan, — , —
skaltan, s^kialt, giskal-
tan
ndd. skädeu (Beitr. 11,
552)
skrOtan, skreot, -skrerot,
giskrOtau
sUepan (sUipau), slep
(sleap), sht'pen
slapau, slep, asläpau
slafaii, sliaf, gisläfaii
spaltau, spialt, gispaltau
sponuan. speoii (spen),
spoiinau
spaunau, — , —
span(n)au, spiau, gispa-
nau
spuwan,speow,3e-sp6wen
stealdau, steold, —
— , stiet, te-stötau
stOzaii, stiaz (steroz),
gistOzau
swäpau, sweop, swapen
{daneben a-swopen)
sweifau, mhd. swief, —
456
FEIST
Urgerra.
Gotisch
Altisländiscli
Altscliwed.
69) swögau
70) taisan
71) tekan
tekan, taitök, —
72) flaihan
ga - plaihan, — ,
73) prean
74) waldan
waldan, — , —
valda, valt (vul-
te), valdit (vul-
lit)
75) walkan
76) wallan
77) waltan
78) wejan
waian, waiwö, —
79) wöpjan
80) wrötan?
Vereinzelte formen des altenglischen: 1) ä-blon^ne (Lind. Matth. 26, 8);
2) ä-breot 'er tötete' (Beow. 2931); 3) heof, heofon zu heofan, as. hiohun.
QhA.hiuban, got.})\. Im fitm; ä-hneop 'pflückte ab' (Leg. of Guöläc); ^e-neop
(Exod. 475) zu got. dishniupan, (Ushnvpnan, aschwed. nijUpa 'kneife'; onreocl
'inbuit' (Corpus Gloss. 1129) zu ae. hreodan 'schmücken', part. hroden =
^i^X.hrodenn 'gefärbt'. — Auch deo^ (Beow. 851)? Vgl. Hoffmann, /'. s. 55
und Sievers, Ags. gramm.=ä § 39G, anni. 5, s. 223. — Vereinzelte form des
altsächsischen: anskiann C 5798 = ae. sciön Beow. 303 (?).
Die red. verba nach ihren praeser\svoealen geordnet:
1) a-Stämme (20):
alpän, arjan, hannan, blandan, fallan, falpan, fa(n)han, gangan,
hcüdan, ha{n)han, prangan, scütan, skaldan, spaldan, spannan, staldan,
waldan, wcdkun, ivallan, tcaltan.
DIE REDÜPLICIERENDEN VEKBA.
457
Altenglisch
Altsächsiscb
AI thocluleutscli
swojau, sweoj, swü^en
swügan ((•<//. Beitr. 11,
280)
zeisan, zias, —
örawan, öreow, Öräwen
thräan, — , —
weaUlan, weold, weal- ; walilan, -weld (-wiekl), waltan, wialt, —
den
wealcau, weolc, wealcen
weallan, weoll, weallen
wallan, wel(l),
Avalkaii, — , giwalchen
wallan, wial, —
vviilzan, wialz ("?), —
wäwau, weow, wawen | ?»nd/. wäien, wiey,woei,
— , mvfries. vve
wepan, weop (wep),
wöpen
wrutan
wOpiau, wiop (weop, wuufan, wiuf (wiuf),
wiep), wepiu I
2) oi-Stäuirae (10):
aikan (2 mal), fraismt, haittw, laiJcan, viaitan, skaipnn, sttaipan
taisan, /jIciükih.
3) öM-Stämme (14):
(mkuyi, ausan, anpmi, hautan, lianwan. hlcmjxm, hnmqian (?),
skrautan, stantan; hmiun, hnuuun, gnauan, lanan, snauaii.
4) e-Stämme (21):
bPgan, besau, hUsan, hredan, drzdan, grrtan, hursan, hivPtun, Man,
ridun, skepan, sUpan, ickan; hleun, kmun, krcun, mi-un, preuii; fijan,'
ssjan, wejan.
5) ö-Stämme (15):
blötati, b}-ökatt, flukan, hrvjjjaii, liwöpan, swöyuii, ivöpjuii, wrDtan {^^);
blüan, flüuH, gröan, hlöan, röan, süun, spöan.
458 FEIST
I. Einleitung. — Das iilg. perfect.
Die frage nach der weiterentwickelung des indogerm. per-
fects im germanisclien war seit der mitte der neunziger jalire
des vorigen Jahrhunderts für längere zeit aus dem Vordergründe
der germanistisclien forschung zurückgetreten; sie hat indes
in den letzten jähren wider eine erhöhte beachtung gefunden.
Kurz hintereinander haben A. Hoff mann, /'. (1903), R. Loewe
in Kuhns Zs. 40, 266 ff. (1906) und endlich J. Janko, IF. 20, 229 ff.
(1906) den sogenannten reduplicierenden verben des germa-
nischen zum teil sehr eingehende Untersuchungen gewidmet.
Im letzten gründe spitzt sich jede Untersuchung, die auf' diesem
äusserst verwickelten gebiete angestellt wird, auf folgenden
punkt zu: haben die verben des sog. c^- bez. eo-typus im perfect
in den nordisch- westgerm. mundarten einstmals ein redupliciertes
perfect wie die entsprechenden Zeitwörter des gotischen besessen,
oder sind diese perfecta aus einer anderen grundform erwachsen?
Während bis auf Brugmanns aufsatz, IF.6,89ff. (1896) allgemein
angenommen wurde, dass alle germ. dialekte einmal reduplicierte
perfecta aufzuweisen hatten, aus denen die ablautenden perfecta
des e-- und eo-typus herzuleiten sind, hat der genannte gelehrte
die behauptung aufgestellt, dass in ihnen alte reduplicationslose
praeterita zu erblicken sind, die teils lautgesetzlich, teils ana-
logisch auf hochstufenformen mit ei und m als stammvocal
zurückgehen. Gleichzeitig mit Brugmann hat ein amerika-
nischer gelehrter, Wood in den Germanic Studies 2, 27 ff.
(Chicago 1896), denselben weg zur erklärung der nordisch-west-
germ. perfectbildungen beschritten. Dagegen wante sich Hoff-
mann in dem genannten aufsatz und wies durch eingehende
etymologische Untersuchungen nach, dass zu keinem der prae-
sentia mit -ai- und -au- als wurzelvocal Stammesformen mit ci
und m sicher nachzuweisen sind. Indes nimmt er für die
verben mit e im praesensstamm {lelan) ein von diesem ver-
schiedenes e im perfect (an. let) an, das er aus geschleifter
idg. betonung entstehen lässt, während ersteres idg. stosston
besessen habe. Im anschluss daran lässt er aus einem urgerm.
aorist He'üie (zu got. laiJcan) und '■^'stmte (zu got. stautan) mit
Verlust der letzten silbe geschleift betonte dehnstufige formen
Heile, *steut entstehen, die den ausgangspunkt für die germ.
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 459
perfecta des t'- und fo-typus darstellen sollten. Auf dasselbe
ziel, aber unter anderen Voraussetzungen steuert Janko zu, der
anstatt geschleift betonter Urformen, deren zulässig-keit er be-
streitet, solche mit e- und (7-ablaut statuiert, also *hcita, Vwita,
gekürzt urgerm. *//«//« und '•hldqia, "'hlöupa, gekürvA Vdmtpa ;
das e"- des perfects in Vet lässt er in minder betonter silbe
^Jt'lct entstanden sein und gestützt durch ein lautgesetzlich
erwachsenes e'- in '''heta aus *Jieita in die haupttonige stelle
übertragen werden. Alle diese forscher sind also einig in dem
punkte, dass die c-- und fo-typen bei den sog. reduplicierenden
verben auf reduplicationslose grundformen (Hoffmann bezeichnet
sie als aoriste, Janko nennt sie praeterita) zurückgehen. In
der erklärung des Ursprungs dieser grundformen gehen sie
indes ganz verschiedene wege.')
Auf dem älteren Standpunkt, die perfecta des e'^- und fo-typus
aus reduplicierten formen zu erklären, behant dagegen Loewe
in dem erwähnten aufsatz. Obwol er in manchen einzelheiten,
wie auch Janko a.a.O. s. 307 anerkennt, das richtige trifft, so
kann ich ihm trotzdem in der hauptsache, in seiner erklärung
des Verlustes der reduplication nicht beistimmen. Er sieht als
dessen ursaclie eine 'haplologische' dissimilation an, d.h. von
zwei gleichlautenden silben wird die eine, in unserm falle die
erste, die reduplicationssilbe, unterdrückt. Beispiele für die
haplologie gibt es, wie Loewe selbst in Kuhns Zs. 35, 609 ff.
ausführt, vereinzelt in allen idg. sprachen: ai. gcvrdhas aus
*geva-rrdhas 'lieb, wert' (Brugmann, Kurze vgl. gramm. der idg.
spr. s. 2441); gr. afi(/OQtvg wol aus 'hi{/(fi-ffOQti''g (vgl. ahd.
suhar, ncihar 'zuber') 'zweihenkliger krug'; got. mvisfr wol
aus *aivi-tvistr (vgl. ahd. tvist 'aufenthalt, wohnung') 'schaf-
stall'; nhd. falter aus mhd. vivulter (daneben bajT. feifalfer,
auch vielfach volksetymologisch umgedeutet), u. ähnl. m. Im
letzteren falle ist die veranlassung des haplologischen Schwundes
der ersten silbe wol der umstand, dass der nebenton auf der
zweiten silbe vivulter zum hauptton wurde, wie in nhd. lebendig,
hoUünder, ivachholder u.a., und zunächst t zu / gekürzt, dann
zu lautschwachem s wurde, das endlich schwand.
Aber die haplologische dissimilation, die sich in grösserem
') Näheres über Iloft'nianiis und Jaukos erklärungsversuclie s. w. u.
Ueilräge lur geschichtc der deutsclien spräche. XXXIl. 30
4G0 FEIST
umfang" im keltisclien Sprachgebiet nacliweisen lässt, ist auf
g-ermanischem boden immer nur eine vereinzelte erscheinung-
g-eblieben. Auch tritt sie in der regel nur bei solchen Wörtern
auf, deren etymologische beziehungen dem sprachbewusstsein
verdunkelt oder entschwunden sind; bei bildungen aber, deren
Zugehörigkeit zu einer umfangreichen und productiven formen-
kategorie klar empfunden werden musste, wie dies bei den
reduplicierten perfectformen der fall war, kann eine so durch-
greifende Unterdrückung eines charakteristischen bestandteils
aus lautmechanischen gründen nicht zugegeben werden. Denn
die Verhältnisse im neugriechischen, wo öaoy.aXog für *didd6-
xaXoc, YQafifitvo^ für agr. ytyQUfifiti'oj: erscheint (G. Meyer,
Gr. gramm.3 § 549, s. G29), dürfen nicht ohne weiteres mit den-
jenigen in den altgermanischen dialekten verglichen werden,
da hier eine weit ältere und von fremden idiomen anscheinend
nicht wesentlich beeinflusste sprachstufe vorliegt. Eher schon
könnte das baltisch - slavische zum vergleich herangezogen
werden, wo bei dem einzig erhaltenen particip des sonst unter-
gegangenen perfects die reduplication fehlt (ich sage nicht: ver-
loren ist): aksl. crhtb {= \it. Idries) zu cihfn 'ich schneide' =
ai. cahrtvds- (Brugmann, Kurze vgl. gramm. s. 547). Aber ver-
einzelte 'restformen' (über den ausdruck vgl. E.Hermann, Kuhns
Zs. 39, 609) einer kategorie sollten gerade infolge ihrer Isolie-
rung ihre ursprüngliche gestalt bewahren.') Statt also bei
den baltisch-slavischen parfc. perf. angleichung an den verbal-
stamm des praesens oder mit Loewe haplologische dissimilation
anzunehmen, vermute ich (mit Lorentz, IF. 8, 73 oder Bethge
in Dieters Laut- und formenlehre der altgerm. dialekte s. 376),
dass im indogerm. die reduplication bei dem sog. part. perf.
überhaupt gefehlt hat, da der anschluss dieser adjectivbildung
an das perfectsystem erst secundär erfolgt ist; vgl. formen wie
^i.dägvas 'dienend', mulJiras 'gütig', 5«/«'ä5 'erobernd' (Whitney,
Sanskrit Grammar- § 790, s. 282); gw ([u^i-axvia 'ringsum
schreiend', hom. ayvia 'Strasse' zu ajco (Brugmann, Gr. gramm.3
1) Vgl. J. Erdmann, Zs. f. d. minularten, 190ü, s. 151 ff. und passini, wo
isolierte Avürtcr in altertümlicher lautg-estaltung aus des verf. mundart
(Bingen a. Eh.) angeführt werden. — Auch für ältere sin'acliperiuden lässt
sich aus diesen tatsächlichen helegen anscheinend uuregelmässiger laut-
gestaltung mancherlei aufklärung erzielen.
DIE UEDUPLICIERENDEN VEUBA. 461
s. 32-t); ähnlich beim part. perf. pass. auf der alten inschrift
von Gortyn: xaraftliitvior toji> TioXiaräv (G. Meyer, Griech.
granim.^ § 549, s. 020); vgl. auch die isolierten formen got.
U-nisjös "die eitern'. ti'eiticoJ)s 'zeuge'; ae. c^si<i)sa = as. ccso
'besitzer' (zu got. aih, aignm aus *aigusja?), u.a.m.
Auch im indicativ perfecti hat bekanntlich im indogerma-
nischen die reduplication vereinzelt gefehlt, vgl. ai. rcda, gv.
olöu, got. wait, abulg. rede (mit medialer endung) 'ich weiss',
apreuss. icaldimai (plural), lat. tidi (?) oder ai. ^e 'hat im be-
sitz' = got. aili zu gr. Jon. o/xf 'ist gleich' (Brugmann, Grund-
riss 2. 2, 1212), vielleicht auch -ai. dda, \^i. edl, got. fr-et 'ass',
lit. i'd-usi (part. perf.). ')
Aus den einzelsprachen lassen sich die beispiele für das
fehlen der reduplication im perfect noch vermehren; so fehlt
sie im indischen in der älteren wie in der jüngeren spräche
sehr häufig: ai. sdrpa neben sasdrpa (vgl. Brugmann a.a.O.
und Whitney, Sanskrit Grammar^ i^ 790, s. 282); ebenso im
griechischen: oixa = toty.a aus *JtJoixa (bei Herodot), yev-
fif{>a (Theokrit 14, 51), .'Hy/.wfcVo^- (A'^Z 458, 40) und vielfach in
den glossen des Hesych, deren formen vielleicht der Volks-
sprache entlehnt sind, die die reduplication, gleichwie das
mittel- und neugriechische, in weiterem umfang entbehrt haben
mag (G. Meyer, Gr. gramm.3 § 549, s. 628 f.). Ganz erloschen
ist die reduplication im armenischen und baltisch - slavischen
und auch das keltische bewahrt nur im irischen einige reste
(s. w. u. s, 472), ebenso in gall. dede = lat. dedit oder mcymr.
ciglef 'ich hörte'.
Ein beispiel der fehlenden reduplication geht scheinbar
durchs indische, lateinische und germanische, nämlich ai. scdinid
= lat. sedivius =-- got. setiDii 'sasseu'. Vielfach wird ein '■'^cdjnie
schon für das indogerm. vorausgesetzt; mau dachte an eine
schon idg. ersatzdehnung *scsdomc, *sezdomc, *scd9)m'. Dagegen
bemerkt Luewe a.a.O. s. 290 mit recht, dass z vor d nur im
indischen und allenfalls im lateinischen schwinden konnte; ai,
n'idus = lat. n'idus, aber ahd. nest aus *nizdunr. ebenso av.
hazdyät aus ""'sazdijät (opt. perf. zur wzl. sed, vgl. Hübschmann,
') So Hirt, Ug. ablaiit s. 194. Anders Lorentz, IF. 8, 71 »'., der redu-
plication annimiut, jedenfalls im aingular.
30*
462 FEIST
Kuhns Zs. 26, 325); arm. ost = gr. öCo^ = got. asts aus idg.
'^ozJos, U.S.W. x4.ber der versuch Loewes, die form *sed3me
doch für das indogerm. zu retten, indem er folgendes laut-
gesetz aufstellt: 'folgt auf eine aus consonant -f- c bestehende
haupttonige anfangssilbe derselbe consonant + vocal, so
schwindet der consonant an zweiter stelle {^'sesddmd, "^sedämd,
^sedmd, a. a. o. s, 310)' muss als misglückt bezeichnet werden,
da Loewe für dieses ad hoc statuierte 'gesetz' selbst aus-
nahmen zugeben muss: ae. didc, as. deda, alid. tda (aus einem
idg. aorist ""dlicdhöm oder, wie Hirt, Idg. abl. s. 192 will, = ai.
imp. ddud]iäni), aisl. sera (zu sd 'säen') = got. saisö (zu saian),
aisl. rera (zu röa 'rudern') u. älinl. mehr. Auch bemerkt Janko
a.a.O. s. 308 ganz richtig, dass der idg. plural '^sesdome (mit
Schwundstufe) und nicht "^scsodDinc lauten müsste.
Lateinisch sedl lässt sich freilich zur not aus "^sezd'i her-
leiten; vgl. z. b. cedu aus *ce-sdö 'ich gehe einher', ce deiktische
Partikel, *^f/ö zur wzl. sed- in gr. böog, abulg. choditi 'gehen'
(Brugmann, IF. 13, 85). Aber es liegt doch viel näher, sed'i
direct mit got. seium zu verbinden ') und es auf eine linie mit
formen wie vcnimus = got. qenmm, clepimus = got. Jdefuni,
freywms = got. hrekum, edinius = got. fr-etmn zu stellen und
e als dehnstufen vocal der e-wurzel aufzufassen, über dessen
entstehung freilich noch keine klarheit geschaffen ist (vgl.
Hoffmann, F. s. 62 oder Brugmann, Kurze vgl. gramm. s. 542
und s. 544).
Wenn aber auch die gleichung ai. sedimd = got. scium
aus unserer betrachtung ausscheiden muss, so bleibt doch genug
material übrig, um den schluss zu erlauben, dass die redupli-
cation nicht zu den unentbehrlichen kennzeichen des perfects
im indogerm. gehörte (vgl. Brugmann, Grundriss 2, 2, 1208 und
IF. 6, 91)); ja, das gänzliche fehlen derselben in der centralen
gruppe der baltisch-slavisch-armenischen satem-sprachen führt
geradezu zu der annähme, dass der perfecttypus, den wir be-
sonders im indischen und griechischen so consequent durch-
geführt finden, erst einzelsprachlich entstanden ist, und dass
') Es wäre dies überhaupt notwendig , wenn Loreiitz a. a. o. s. 79 mit
der gleichung- lat. salit aus -'scdid = ai. asädU (TA) 3. sing. aor. opt. —
got. seiet recht behielte.
\
DIE REDUPIJCIERENDEN VERBA. 463
in der idg-. grimdsprache sioli nur die ansalze dazu fanden.
Es wird uns dies glaubhafter erscheinen, wenn wir uns des
ursi'rungs der reduplication erinnern, aus der doi»itelsetzung'
der sog", wurzel. wie sie sicli in den ai. iiraesenticn mit int«'iisiv-
bedeutung- findet: hhdnhluuii, später hdnhharil zur ^^'zl. hliur-
•tragen', wobei das bindevocalische ) mit schwankender ([uan-
tität (dessen Ursprung- wol in den auf ci ausstehenden zwei-
silbigen basen zu suchen ist. s. Brugmann, Kuize vgl. gramm.
s. 502) nnd die in älterer zeit noch erhaltene aspiration im
anfang die Selbständigkeit des ersten gliedes beweisen.') Diese
art der reduplication, welche die am frühesten belegte ist,
kommt bei über 20 wurzeln in der älteren spräche vor (Whitney,
a.a.O. § 1002. c). Dass sie schon in idg. zeit vorhanden war,
beweisen gleichungen wie av. fra-yrä-yräye'ti 'er weckt auf
und gr. t-YQf'j-yoQa 'bin wach'; ai. jar-hhurwii 'zapple' = gr.
.TOQ-(fvQcj 'bin in unruhiger bewegung'; arm. mr-mram = gr.
(WQ({V()co = lat. murmiiro 'nuirmele'; abulg. gla-yolja 'ich
spreche' und viele andere. Daneben kommt schon im ältesten
indisch auch eine verkürzte form der reduplication vor: neben
badbadhc findet sich hähadhc 'er drängt'. Weiter verkürzt ist
die reduplicationssilbe in den zahlreichen reduplicierten praesens-
bildungen besonders des indischen und griechischen mit redu-
ciertem vocal o oder / in der ersten silbe: ai. dddanii = gr.
öidofti --= abulg. dadeih oder ai. tisthämi = gr. 'torrna =' lat.
sisio oder ai. hihhcmi ^= ahd. hihcm n. s. w'.
Die am weitesten fortgescln-ittene lautliche entwickelung
der reduplication finden Avir im perfectum, das schon in idg.
zeit den reduplicationsvocal e besass (daneben c, s. Brugmann
a.a.O. s. 543 und weiter unten). Wir dürfen daher erwarten,
dass auch in begrifflicher hinsieht das perfect den endpunkt
einer laugen entwickelung darstellt.
Von haus aus hatte die reduplication wie jede wortwider-
holung steigernde (intensiv-) Wirkung, mit der sich der iterative
sinn verbinden konnte: m. j^rli/dsprii/as 'sehr lieb' (m,an beachte
die betonung!), lat. mente, ahd. sdbsclbo u. s. w. Iterative be-
deutung hat sich besonders bei den verben, die Wirkungen
') Auch doppelaccente wie ai. hdl-haliti oder accentscliwaukungen:
dadhitä : dädhita (a.a.O. s. 481) führen zu demselbeu schhiss.
464 FEIST
auf die sinne ausdrücken, erhalten: ai. «ZuZ/s (subst .), gwoXoXvCro,
lat. ulidare 'wehklagen'. Aber auch bei den prcäsentien mit
i in der reduplicationssilbe lassen sich noch spuren iterativer
bedeutung nachweisen: ?ii. jigdmi = gr. ßißrjfu 'ich schreite',
d, h. ich setze widerholt den f uss auf. Diese art verba, bei
denen die iterative bedeutung in die gegenwärtig zuständliche
übergegangen ist, bilden mit zahlreichen anderen: 'h-oida 'ich
habe gesehen und weiss', "^memona 'ich habe widerholt im
sinn gehabt und entsinne mich nun' eine brücke zur entwicke-
lung der bedeutung des perfects. Erstreckt sich nämlich die
iterative Wirkung nicht mehr bis in die gegenwart, so ist der
gegenAvärtig dauernde zustand in den gegenwärtig vollendeten
übergegangen: ai. daddrga = gr. deöoQxa 'ich habe widerholt
gesehen und diese tätigkeit jetzt abgeschlossen '. Loewe a.a.o.
s. 277 beschränkt sich m. e. auf eilt zu enges gebiet, Avenn er
die entstehung der perfectiven actionsart allein auf die verba
zurückführt, die ein lustgefühl bezeichnen, und annimmt, dass
dies aus der Vergangenheit stammende lustgefühl in die gegen-
wart hineinrage (subjective Intensität). Wir brauchen also
durchaus nicht auf eine erklärung der bedeutungsentwickelung
des perfects zu verzichten, wie Brugmann a. a. o. s. 509 es Avill,
wenn auch dieser Vorgang weit in die idg. vorzeit zurückgeht.
Wann sie indes vor sich gieng, ob vor oder nach dem Inkraft-
treten der lautgesetze, die den idg. ablaut schufen, braucht
uns hier nicht zu kümmern, obwol mit Bartholomae, Wochen-
schrift f. klass. pliil. 17, 1223 anzunehmen ist, dass das zu-
sammenwachsen von reduplications- und Stammsilbe nicht in
so früher zeit stattfand. Dafür spricht auch, dass neben
kurzem e als reduplicationsvocal sich in historischer zeit auch
e noch findet, das Brugmann, Grundriss 2, 2, 1208 auch für die
idg. zeit ansetzt, während Hirt, Idg. abl. s. 195 c als dehnstufe
von c auf die 3. plur. beschränkt. Langen reduplicationsvocal
finden wir in ai. jagära, dädhära -= gathav. dädre von wzl.
dhar- halten (Whitney a.a.o. § 786) und in gr. ötjöt/araL (nicht
dtidi'y^Tta wie in vielen Homerausgaben steht, s. Brugmann,
Kurze vgl. gramm. s. 482). Das auftreten des langen vocals
kann doch nur unter dem einfluss des accents erfolgt sein;
wir haben also wie im ai. praes. hdlhaliti auch für das perfect
ursprünglich einen doppelten accent anzusetzen: einen accent
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 465
auf der rediiplicationssilbe und einen zweiten auf dem stamm
bez. der endung. Den beweis liierfür wollen wii' in folgendem
zu bringen versuclien.
Der Singular des idg. perfects hatte o-vocalisnms: griech.
ötöoQxa, yeyoi'a, XtXoi.-ra, tUjXovOa, got. gaf, staig, hau]) U.S.w.;
der plural besass die Schwundstufe ai. dadrcmd, gr. '/t'/ai.uv (aus
yr/ufiEi'), TtOra/Jtr, rtxXantv (Hirt, Idg. abl. s. 186), ai. vkhnd
= gv.iöfisv = got. ivition; got hunduw, icaurpuni u.s.w. Im
sing, entspricht die gr. betonungsweise, die allerdings secundär
infolge des dreisilbengesetzes entstanden sein wird, eher dem
zustand, den wir für die uridg. zeit voraussetzen dürfen, als
die indische Stammbetonung. Denn allgemein wird jetzt an-
genommen (Hirt, Idg. abl. s. 155 ff. oder Brugniann, Kurze vgl.
gramm. s. 1 15 f.), dass o in der e- reihe kein hochstuf envocal
war, und bei Stammbetonung daddrea eher der vocal c zu er-
warten ist, vgl. ytjtva bei de Saussure, Memoire sur le Systeme
primitif s. 12 f. Formen wie ''bhercsi und ""gmcsos (c trotz des
nachtons), anderseits '^dcdörka und '^bJiöros lässt Hirt, Idg. abl.
s. 155 f. als unerklärt ans dem spiel und hält für *dcdorJca
speciell eine tonfolge de'dorka für unmöglich, da c in der redu-
plicationssilbe schwaches e sei. Dies halte ich für weniger
beweiskräftig als das aisl. scra = got. saisö, dessen r für nr-
germ. z auf stammbetonung hinweist.') Aber wenn auch in
der zeit vor der Sprachtrennung der accent im sing, perf; auf
der Stammsilbe mhte, so muss dies von anfang an durchaus
nicht so gewesen sein. Im gegenteil! die entstehnng dei- redu-
plication aus doppelsetznng des Stammes wie in ai. hdlhaliti
mit doppeltem accent weist gerade auf ursprüngliche betonung
der reduplicationssilbe hin. Hirt, Idg. abl. s. 158 umgeht die
Schwierigkeit durch die annähme, die o-formen stammten von
enklitischer betonung her; also '^dedcrlca, aber "^piodorlia (vgl.
lat. velim, ae. icille neben nulim aus '^nevolim, ae. 7icUe).
Weiterhin (s. 159) kommt Hirt dann zu der hypothese, für den
sing. perf. doppelte vocalisation, einen Wechsel von e und o
anzunehmen; endlich (s. 1()0} glaubt er eine frühzeitige accenf-
verschiebung dafür verantwortlich machen zu sollen. Damit
') Got. saizlep ueben saisUp möchte ich hier aus dem spiele lasseu;
vielleicht entstand z nur unter dem eiiifluss des benachbarten stimmhaften l.
466 FEIST
kommen wir zu der annähme einer ursprünglichen betonung
der reduplicationssilbe, die ja Hirt s. 195 für die 3. plur. perf.
postuliert und die ich mit rücksicht auf formen wie ai. jägära,
liom. d/'/dtxTo für höchst wahrscheinlich halte.
Diese stufe ist für uns natürlich nur hypothetisch zu er-
schliessen; die reconstruction der idg-. betonungsverliältnisse im
perfect ergibt im sing, "dedörka, im plur. dcdrhne. Ja, Hirt
hält a. a. o. s. 194 f. den auf die Stammsilbe fallenden ton für
so stark, dass c in der reduplicationssilbe zu schwachem e
wurde und unmittelbar vor dem ton schwand, so dass die got.
formen gaf u. s. w. lautgesetzlich Avären gegenüber ai. daddrga,
gr. diöoQxa. Er setzt also ein idg. perfectparadigma wde folgt
au: sing, '^soda (= got. sat 'sass"), *sodtha, ""sode, plur. '^'sezdmc,
sczde, *sezdr. Dagegen wendet sich Brugmann, Kurze vgl.
gramm. s. 5431 mit recht, wie mir scheint, und nimmt an,
dass im perfect reduplicierte und nicht reduplicierte formen,
ähnlich wie im praesens, nebeneinander standen, und dass in
den verschiedenen sprachen verschieden ausgeglichen wurde.
Dieser ansieht, die sich mit der oben s. 462 vorgetragenen
deckt, schliesse ich mich an.
Die verhältnismässig spätere ausbildung des perfects zum
eigenartigen und festgefügten tempus ist übrigens von ver-
schiedenen Seiten anerkannt. So widmet ihm Hirt, IF. 17, 6(}) ff.
eine betrachtung, au deren schluss er meint: 'dass sich im
perfectum ein altertümlicherer zustand erhalten hat, als
in den übrigen verbalformen, stinnnt zu dem, w'as wir sonst
beobachten können'. Er citiert ferner Wundt, Völkerpsycho-
logie 1,2, 142: 'Nachdem das praesens und andere an seine
bildung sich anschliessende zeit- und modusformen längst zu
wahren, mit dem persönlichen pronomen oder personalsuffixen
gebildeten verbalformen differenziert sind, bleibt für das per-
fectum vielfach noch ein ausdruck bestehen, der sich in seiner
struktur widerum als ein mit dem Possessivpronomen verbun-
denes nomen aufweist.' Hirts annähme, dass im perfect der
reine stamm ohne endung gebraucht wurde, findet von selten
des germanischen in formen wie saisu, tvanvö u. ähnl. jedenfalls
eine stütze.
Bei der noch wenig gefestigten struktur des perfects im
indogermanischen, wie wir sahen, halte ich es für unnötig,
DIE REDÜPLICIEKENDEN VERBA. 467
neben den germ. perfecten noch mit Hoffinann, r. s. 51 f. nnsere
Zuflucht zu imperfecten bez. dehnstuligen, geschleift betonten
practeriten zu nehmen, oder mit Janko s. 202 urg-erm. ]irae-
teiitalformen ohne reduplicalion, d. li. mit aoristischem stamm
und angefügten perfectischen endungen anzunehmen. Das
fehhMi der reduplication haben wir. wie ich hoffe, genügend
gerechtfertigt — liier spielen die praeteritopraesentia icaif,
man u. a., die schon im urgeini. ohne reduplication waren, als
vorl)ildcr auch eine gewisse rolle — (s. weiter unten) — und in
der erklärung der vocalischen Verhältnisse der verba des t:^-
und t^ö-typus gehe ich andere wege wie die beiden genannten
gelehrten. Doch darüber später.
Auf der im vorhergehenden geschaffenen grundlage weiter-
bauend, wollen wir nunmehr an die betrachtung der german.
reduplicierten perfectbildungen gehen.
II. lrgerinai)ische und gotisclie reduplicierte perfecta.
Schon in der Ursprache ist die Vereinheitlichung der
perfectbildung nur unter der annähme weitreichender analogie-
wirkungeu zu verstehen; die germ. dialekte sind den ana-
logischen einfiüssen auch in der gemeinsamen nrgerm. periode
viia in ihrem sonderleben gerade bei der perfectbildung in
hervorragendem masse zugänglich gewesen.
Ausgehend von den schon im indogerm. vertretenen redu-
plicationslosen perfeetformen hat das nrgermanische die redu-
plication in weitem umfang aufgegeben und sich zur Charak-
terisierung des perfects mit dem ablaut begnügt. Von dem
grossen reichtum der idg. Ursprache an Zeitformen der Ver-
gangenheit (imperfect, aoriste verschiedener bildungsweise,
perfect, plusfiuamperfect) hat das urgermanische nur das per-
fect als einzige zeitform der Vergangenheit bewahrt'), gleich-
wie das altslavische ausser dem aorist und einem neugebildeten
imperfect keine von den vielen Zeitformen der grundsprache
bewahrt und moderne slav. dialekte (z. b. russisch) sogar auf
eine zeitform der Vergangenheit reduciert sind.
Die einschränkung der reduplication auf verhältnismässig
') An die von Hoffmann nnd Janko angenommene erhaltung: von idg.
aoristformeu (s. oben; im germ. glaube ich nicht.
468 FEIST
wenige verba (21 belegte reduplicierte perfecta im gotischen,
wovon manche aber ihre reduplication erst secundär erhalten
haben, s.w.ii.; 2 — 3 im altisländischen; 5 sichere, daneben auch
einige zu erschliessende [s. w. u.], im altenglischen) geschah
sicher unter dem einfluss der in den germ. mundarten zahl-
reich vertretenen sog. praeteritopraesentia, von denen eines
idg. "^voida schon in der Ursprache keine redui)lication hatte,
während z. b. dem germ. man das reduplicierte gr. fttfioi'a,
lat. mcmini entspricht. Solche praeteritopraesentia besitzt das
gotische 13, das altisländische 10, das altenglische 12, das alt-
hochdeutsche 11; ihre zahl ist so ansehnlich, dass sie auf die
gestalt der übrigen perfecta, mit denen sie gleiche ablauts-
stufe aufweisen, beeinflussend wirken konnten, zumal sie zu
den häufigst angewendeten verben gehören.
Die erhaltung der reduplication bei einer anzahl verben
erklärt sich daraus, dass sie entweder keinen ablaut im per-
fect besassen {slcpan : saisUp) oder, wenn sie einen solchen
noch aufwiesen, keiner der bestehenden ablautsgruppen sich
einreihen konnten {Ictan : lailöt, saian : saisö; ein ablaut c bez.
ai : ö besteht nur bei den reduplicierend-ablautenden verben).
Ausserdem ist bei den verben Ulan, -rcdau und grctan mit
riicksicht auf nord.-westgerm. perfecta (ae. as. let, aisl. as, red,
aisl. (jyci) auch ein urgerm. perfect mit t^s-vocal (also ent-
sprechend got. Hauet, 'h'airep, ''^gaüjyct) anzusetzen'), so dass
die erhaltung der reduplication auch aus dem fehlen des ab-
lauts erklärt werden könnte. Die (^-formen im perfect hätten
alsdann die y- formen zur annähme (bez. beibehaltung) der
reduplication veranlasst. Nur für got. telcan — taitölc kann
dieser umstand nicht ins fehl geführt werden, da dieses Zeit-
wort keine nebenformen mit c-vocal im perfect aufweist; viel-
mehr war das ö-perfect auch im nordischen so fest, dass vom
tiefstufigen praesens taka aus dies zeitwort ganz in die ablaut-
klasse a — ö übertrat: aisl. talza — toh. Dieses zeitwort ist
somit einer der unantastbaren belege für den ablaut e — ö — a
im urgermanischen. Denn bei den vocalisch auslautenden
verben got. 5««a;j — saisö und ivahvan — tvahvö weist letzteres
') Vergleiche deu ablaut e : o in gr. ('(tgcoya neben dial. tQQtjyvZa, dor.
o.<p--cV}xa neben 'uiau, s. Brugmann, Kurze vgl. gramm. s. 545.
DIE KEDUrr.ICIERENDEN VKIIBA. 409
wenigstens mit altwfrs. ivc und iiiiidl. u-icij auf ein urgerni.
g'-perfect (Janko a, a. o. s. 285); saian — saisö verlangt mit aisl.
sd — scra aus *,s7>ö, *6^t'.S6i dagegen auch ein urgerm. ö-perfect,
so dass wir hier ein Aveiteres beispiel des a1)kiutes c (bez. c/)
— (7 hätten, das die reduplication bewahrte, weil keine formen-
kategorie oliue dieselbe vorhanden war, an die es sich liätte
anschliessen können. Das auslautende ö im sing, saisö, uaiwo
ist allerdings restituiert aus dem plural sdi.sonm, icdiivottiii,
denn idg. ö im auslaut liätte zu got. a werden müssen.
l>ie got. perfecta lailot, rairop, tcutok u. s. w. bewahren die
vooalstufe des Singulars auch im ]»luial gleichwie die verba
der rt — ö-klasse. Das ist natürlich nicht der ursprüngliche
zustand; Avir sollten im plural die tiefstufe der wurzel erwarten,
den vocal a also (mit rücksicht auf got. lats, garajicms, aisl.
iaka): '^IcJalmc, ''rcraitmc/^ldalnnc u.s.w. In der tat liegt die
lautgesetzliche entwickelung dieser formen mit synkope des
mittelvocals nach kurzer silbe (vgl. Dieter, Laut- und formen-
lehre 1, 91 und Weyhe. Beitr. 30, 84 ff. und 31, 43 ff.) in ae. leort
für "^leoJt, rcord (ondrcord dagegen ist nach rcord gebildet),
ferner in ae. Icolc zu Idccui = got. lailcan (und ae. heht zu
hdtan = got. haifan) vor. Die pluralformen sind auf den
Singular übertragen, co für c durch sog. brechung (Sievers,
Ags. gramm.-' § 79. 80, s. 36 ff.). ') Diese formen beweisen auch,
dass im urgermanischen die reduplication noch nicht verloren
war, l)esonders im plural bei regulärer tiefstufe der wurzel,
und hier wol erst infolge der Übertragung der hochstufe des
Singulars auf den plural geschwunden ist.^)
Die tief stufe im plural ist auch bei den langvocalischen
perfecten der a— ö-klasse einst vorhanden gewesen: aisl. uxom
aus *ituhsuni, vielleicht ein urgerm. redupl. plural '^H{c}uhsme
zu ivuhsaii (Kluge, Grundriss der germ. phil. 12,437); ae. perf.
wcoc, plur. u-cocum aus '''ncukmc (?) neben icoc zu ivcvcnan.
Besonders zahlreich sind im nordisch-westgermanischen tief-
stufige plurale bei langvocalischen reduplicierenden verben:
ae. {Icolc nach) Icolcum aus *h'U/iU)ti zu Idcau und' (liclit nach)
') Anders (durch it-umlaut) von Weyhe, Beitr. 31, 48 erklärt.
*) Janko s. 268 f. lässt die sing, leolc, heht aus '"lelaika, ndail; *kUlc,
"klk und *hehaita, '^hehaif, *hchet, heht sich regelrecht entwickeln. Ich halte
obige deutung (Übertragung aus dem plural) für richtiger.
470 FEIST
hclitum aus '"heJntiiiii. zu hcetaii] aisl. svipom zum sing, sueip
zu sueqKi (Noreen, Altisl. gramm.3 § 492, s, 300), litom zum sing,
leit zu Idtu (ibid. § 166,2, s. 129); hlupom zu /J/Jj; von hlaupa
(ibid. § 493) = wn. Qi)liqm, mscliw. lopu (Noreen, Altschwed.
gramm, § 542, s. 446) = mlid. luffen (vgl. auch das on. part.
lopin mit nlid. dial. (jcloff'cii); agutn. lilio zu laiha (ibid. § 541,
anm. s. 444); msclnved. fullo zu falla aus '^ filme? (ibid. § 543,
s. 447). Natürlich fallen diese vereinzelten reste ablautender
plurale dem gleichmachungstriebe der spräche zum opfer; der
hochstufenvocal des Singulars, der den tempuscharakter deut-
licher zum ausdruck bringt, siegt gleichwie im griechischen,
wo jtEJxXrj'/a : .-rs.Th'/'/aftsv genau dem got. faißöJc : faiflökum
entspricht, während wir im idg. einen sing. ^pejMga neben
dem plur. ^pepla(jme{n) anzusetzen haben (vgl. dor. aor. pass,
LtXayriv).
Von der vocalabstufuug im perfect ist im gotischen keine
spur mehr erhalten; wie diese durch ausgleiclmng untcrgieng,
so ist auch der vocal der reduplicationssilbe, wo sie erhalten
blieb, durch analogie zu gleichfijrmigen ai geworden. Dieses
ai für lautgesetzlich zu erwartendes i aus idg. c war berech-
tigt vor li und r und ist von hier aus auf die anderen verba
mit reduplication übertragen worden. Belegt sind im gotischen
von Verben, die mit li oder r anlauten, folgende perfecta: lud-
liait zu haitan, liaihüh zu liähan, htvaihwöp zu hivüpan\ nicht
belegt sind die perfecta von haldan und lüaupan. Zwar hält
Wilmanns. Deutsche grammatik 3, 23 es für wenig wahrschein-
lich, dass der gotische reduplicationsvocal ai von den verben,
die mit li und r anlauten, herstammt; aber er vermag keine
bessere erklärung zu geben. Wir haben keinen grund, uns
der allgemeinen ansieht nicht anzuschliessen (vgl. z. b. Bethge
in Dieters Laut- und formenlehre der altgerm. dialekte § 22, b,
anm. 4, s, 27 oder Streitberg, Got. elementarbuch 2 §50, s. 63)
und an der analogischen weiterverbreitung des ai von den
genannten verben aus nicht festzuhalten, zumal wenn wir einen
blick auf die tabelle s. 450 ff. warfen. Wir ersehen daraus, dass
die verba mit h und r als anfangsconsonanten nicht nur der
zahl nach stark vertreten sind (14 auf 81 redupl. verba), son-
dern auch z. t. zu den weitverbreitetsten und gebräuchlichsten
gehören {hähan, Imian, haldan, hauwan, lüaupan). Es ist
DIE REDUPLTCIERENDEN VERIU. 471
dalier durcliaus iiiclit umvalirsclieinlich, dass das got. ai der
reduplicationssilbe von diesen Zeitwörtern aus verallgemeinert
worden ist.
Diese Übertragung wird uns nuch glaubhafter dünken,
wenn wir sehen, dass der ausgleichende trieb im gotischen
in einem fall sogar die ganze reduplicationssilbe betroffen
hat. Ich meine bei den mit sf, sie (und sj)) anlautenden
Verben. Belegt sind die perfecta -staistald von -skddan und
shüshdä von sJcaidaii; dem perfect slcaisJcaid entspricht ai.
cichvda, plur. clchidnid; die idg. wurzel ist slilmit-, skluiid- (vgl.
Verfasser, (Trundriss der got. etymologie s. 102; anders Hoffmann,
r. s. 42 ff.), deren tiefstufe akhid- sich im av. als skt reflectiert;
daher av. hisidyät aus '"si-sLhid-let (Hübschmann, Zs. d. d. morg.
ges. 35, 425 f. und Burg, Kuhns Zs. 29, 358 ff.). Im lateinischen
finden wir das perfect scicidi gebildet wie 67t'//, d. h. mit er-
leichterung der Stammsilbe, während das indische und griech.
die reduplicationssilbe erleichtern: ai. tasthaä, plur. tasthimd
= gr. kOTCifai' aus '■sc-stanien. Ueberall also finden wir bei
den mit sJc und 67' anlautenden verben in den reduplicierten
formen dissimilation, sei es im anlaut der reduplicationssilbe,
sei es im anlaut der Stammsilbe, nirgends treffen wir den
gotischen typus an. Brugmann, Kurze ^■gl. gramm. § G25, s. 484
meint nun, 'man habe bei den wurzeln mit s + consonant im
altindischen, italischen und germanischen eine grössere Überein-
stimmung zwischen reduplications- und wurzelanlaut dadurch
bewirkt, dass man den verschlusslaut auch in der reduplication
aufnahm, worauf dann freilich, ausser im gotischen, wider
dissimiliert wurde.' Da nach dem Ursprung der reduplication,
der doppelsetzung der wurzel, von anfang an die Verbindung
s -h verschlusslaut an beiden stellen vorhanden gewesen sein
muss, so nimmt demnach Brugmann für die idg. urzeit zuerst
einen act der dissimilation und später wider einen act der
gleichsetzung an. Die genannten indogerm. sprachen hätten
dann sämmtlich, mit der alleinigen ausnähme einer mundart
des germanischen sprachzweigs, wider dissimiliert. Statt einer
so umständlichen und unwahrscheinlichen erklärung nehmen
wir doch einfacher an, dass die ursprüngliche gleichheit von
reduplications- und Stammanlaut schon in indogerm. zeit durch
dissimilation, sei es des ersten, sei es des zweiten gliedes, be-
472 FEIST
seitigt wurde und den tatsäclilicli vorhandenen formen platz
niaclite. Das gotische hat — ob übereinstimmend mit den
anderen gerni. mundarten lässt sich mangels sicherer beispiele')
nicht entscheiden — den ursprünglichen idg. zustand wider
hergestellt und zwar infolge des ausgleichenden triebes, der
diese mundart auch zur Verallgemeinerung des reduplications- ^
vocals ai veranlasste.'-) Diese annähme wird auch durch den \
umstand begünstigt, dass wir bei dem nächsten nachbar des •
germanischen, dem keltischen, den im griechischen und ira- i
nischen vertretenen reduplicationstypus antreffen: air. sescahid i
(= ai. casJcdnda) 3. sing. perf. zu scendim 'springe' (Fick, Idg. ]■
wb. 2*, 307) oder sescaing zu mir. scingim 'springe heraus' lij
(weitere beispiele s. bei Brugmann, Grundriss 2, 2, 1245). i
Osthoi'f, Zur reduplicationslehre, Beitr. 8, 543 sieht sest-,
sesk- und sesj)- als den idg. typus der reduplication an; daneben
aber findet er vier typen (a. a. o. s. 541): test-, stet-, stes- und i,
stest- in den einzelnen sprachen vertreten, die er, ähnlich wie ii
Brugmann, aus einem ausgeglichenen reduplicationstypus stest- r
wider einzelsprachlich dissimiliert sein lässt (s. 546). Der typus ! ,
stes- sei allerdings nur in einer germ. mundart, im althoch- i!
deutschen, verti-eten: ^stestatita wurde zu ^stesaüta, weiter zu j'
^stesaüta, *sterut = ahd. steroz; s in den germ. mundarten als j;
2 nach Verners gesetz, vgl. an. sera aus *ise^ä, *sesö] dies ii
^ finde sich in den sog. r-formen des ahd. {steroz, pleruzzun Si
u. s. w.) wider. Obwol sich viele spätere forscher dieser ansieht ;
anschlössen (Ottmaun in der im literaturverzeichnis genannten !
Schrift; Loewe a.a.O. s. 344; Janko a.a.O. s. 272), so kann ich
mich doch von der richtigkeit dieser erklärung nicht über- ji
zeugen (ebenso Holz a.a.O. s. 28; Zarncke, Beitr. 15, 350 ff.; i
Wilmanns, Deutsche granim. 3, 38). Darüber s, näheres weiter
unten.
Ich erkenne vielmehr drei idg. typen an: sest-, test-, stet-,
die sich entweder einzelsprachlich aus dem ursprünglichen
typus stest- entwickelten oder vielleicht schon im indogerm.
als rivalen vorhanden waren, da ja das perfect kein schon
^) Docb siehe weiter unten zweifelhaftes north, hlcßa.
^) Ueber ähnliche Vorgänge im griechischen vgl. Brugmann, Kurze vgl.
gramm. § 625, s. 48i.
DIE REDUPLICIERENDKN VERBA. 473
ursprachlicli fest gefiig-tes tempus war. Avie wir ohm (s. 46G)
sahen. Welcher von den ihcn iyiicn im ui'gcnn. iKt hci-schende
geworden war. lässt siedi nicht sagHMi. keiiiesl'alls al)er glaube
ich an eine ununterbrochene Überlieferung eines uridg.tyj»us,s7r.s7-
bis ins gotische. Dies ist übrigens auch Osthoffs ansieht a.a.o.
Freilieh lässt sich ausser den beiden got. perfecteu sidi-
stciJd und sJ>-aishiid in den gerni. mundarten kein beispiel für
ein redupliciertes perfect eines mit s + consonant anlautenden
Zeitworts finden. Für das reduplicierte praesens des idg. typus
sist-: av. hi.^kiiii, gr. 'i6tj,6i, lat. sistit dagegen haben wir viel-
leicht ein beispiel in alid. scstoui, falls Kluges erklärung dieser
form als redupliciertes praesens (r>eitr. 8, 513 ff.) das richtige
trifft. Dieser umstand spricht natürlich auch nicht zu gunsten
der ursprünglichkeit des got. ty-pus stcst-. Loewe a.a.O. s. 261
stellt sich auf Brugmanns Standpunkt und sieht stest- für den
idg. typus an. der im gotischen erhalten geblieben sei.
Indessen ist auch noch ein anderer umstand zu erwähnen,
der gegen eine directe Überlieferung der reduplicierten perfect-
formen vom idg. ins gotische zu sprechen scheint. Hätte
nämlich eine solche stattgefunden und wäre reduplications-
und Stammsilbe überall eng zusaijimengewachsen gewesen, so
müssten wir wie in aisl. sem (aus "^sczö) oder got. saizUp
(neben saislep) doch noch mannigfache nachwirkungen von
Verners gesetz bei den got, redupl. perfecten anzutreffen er-
warten. Aber wie bei dem dem aisl. sera entsprechenden got.
saisü das stammanlautende s unter dem deutlichen bewusst-
sein der Zusammengehörigkeit dieser form mit den nicht redu-
plicierten formen des verbums saian wider hergestellt ist, so
linden wir ebenso wenig bei anderen got. reduplicierten per-
fecten (ausser saizlep neben saislep, ^.^ÄQo) eine spur von Yerners
gesetz im Stammanlaut. Freilich auch nicht im stammauslaut.
Denn ausser bei den zwei praeteritopraesentien parf, plur.
paurhum und alh, plur. aigiim ist der sog. grammatische
Wechsel im gotischen (im stammauslaut) überall zu gunsten
der slammbetonten formen ausgeglichen. Die zu erwartenden
perfecta got. *fehlöh = gr. jitJiXjiya oder '''fchah = lat. 2'>^P>Hi
sind durch ausgeglichene faiflol- und faifah. ersetzt und eben.so
sind die meisten anderen reduplicierten i)eifecta keine directen
nachkommen idg. formen.
474 FEIST
Dass Verners gesetz bei den im gotischen reduplicierenden
veiben im auslaut einmal lebendig gewesen sein muss, ergibt
sich ans den übrigen germ. mnndarten. So steht im ahd.
haltlian neben Jialdan, gifaltan neben yifaldan, viangum,
hiangimi neben vianc, liianc. Msceitcm, zasccitan neben sl-eidan.
Ebenso finden sich spuren des grammatischen wechseis bei den
sog. reduplicierenden Zeitwörtern im altisländischen: fd (aus
^fanhan) 'fangen', plur. perf. fingom, fengom, part. perf. fingenn,
fengenn, ferner das schon öfter genannte sera, pl. serom (aus
*sezö, '^sezdmd) zu sd 'säen'; hell, plur. hcldom (aus """hell), hei-
dorn) zu halda 'halten'; fdl (aus '''felj)), plur. fcldom zu falda
'den köpf bedecken' (vgl. Noreen, Aisl. gramm.3 § 307, 2, a und 3,
s. 200 f. und Altschwed. gramm. § 340, 2, a und 3, s. 268 f.). Im
altenglisclien sind es ebenfalls die beiden verben fon (aus
*fanhan) und hon (aus '^'hanhan) die in den perfecten fens,
Jiens und den participien fönten, houscn grammat. Wechsel
zeigen. Das altsächsische weist die gleiche erscheinung auf
in fähan, perf. plur. fcngum und in hi-hähan, part. hihangan.
Demnach war der sog. grammatische Wechsel auch bei den
reduplicierenden verben einst im germanischen vorhanden.
Ist der im vorhergehenden entAvickelte entstehungsgang
des urgerm. perfectums richtig, so musste eine so grosse mannig-
faltigkeit von formen: singular und plural mit oder ohne redu-
plication; bei letzterem eintreten des sog. grammatischen
wechseis; hochstufe der wurzel im singular, tief stufe im plural;
vielleicht auch die Wirkung des Yernerschen gesetzes im
Stammanlaut — notgedrungen zur analogischen ausgleichung
führen, wie es übrigens auch im griechischen geschah (G. Meyer,
Griech. gramm.3 §543, s. 022 und Brugmann, Griech. gramm. ^
§ 385, s. 324). Das ergebnis dieser ausgleichungen stellt sich
am deutlichsten im gotischen dar: wo das perfect nicht durch
den ablaut gekennzeichnet ist, wird die reduplication erhalten
bez. neu hergestellt; der nur vor h Qiiv) und r berechtigte
reduplicationsvocal ai wird, infolge des häufigen gebrauchs
der betr. verba (s. tabelle s. 450 ff.), verallgemeinert; der hoch-
stufenvocal des Singulars {ß, ö, ai, au, vielleicht auch a) wird
auf den plural übertragen.
Zwei Schwierigkeiten bei der erklärung der gotischen
reduplicierenden verben sind im vorhergehenden besprochen
DIE UEDUPLTCIRRENDEN VRRHA. 475
worden: der auffallende reduplicationssyiJU.s .stc.^t- und die
Verallgemeinerung- des reduplicationsvocals «/. Eine dritte
Schwierigkeit bieten die ablautsverliältnisse der stanimvocale
des praesens und des perfects.
Abgesehen von den schon erwähnten Zeitwörtern des
ablaultA'pus chez.ai — u : Iclan — IcüM, saian — saisö ist bei
sämiutlichen gruppeu der reduplicierten perfecta der vocal
gieicli dem praesensvocal. In betracht kommen folgende vocale:
a z.h. -staldan staistald] c z.h. sIc^uüi — saislej); ü z.h.JmU-
pan—-]iuai]iivüp\ ai z. b. fraisan — fai frais: au z. b. aulcan —
aiauli.
i>etrachten wir zunächst die verba mit dem stammvocal a.
Nur zwei perfecta mit dem vocal ä sind belegt: -staistald und
faifalp; von anderen verben kommen vor: saJtan, haldan, wul-
dan, -alpan, hlandan, -pragyan (?), gaggan; ferner mit ersatz-
dehnung des a für ausg-efallenes n: fähan, perfect faifah und
Jalhan. perfect JiaiJiäh.
Die erklärung- der ablautsverliältnisse wird dadurch er-
schwert, dass nicht alle hierherfallenden verba etymologisch
sicher deut'oar sind. Haldan zu abulg'. Jclada 'lade', saltan zu
\-\i.sallo aus '""saldo, ivaldan zu ?i\)\\\g.vlada, lit.frtW^^i 'walten''),
faJJian zw iü. j^u/a- 'falte', gr. J/jr^(;t?;o^ 'doppelt', alpan zw lat.
aleo, fahan zu lat. pango sind zwar mehr oder minder sicher
etymologisiert ; indes ist das ablautsverhältnis der hier überall
anzusetzenden wurzel mit «-vocal bis jetzt nicht aufgeklärt.
Es ist zweifelhaft, ob wir einen ablaut ä — o annehmen dürfen,
dessen gegentoniges o dem a der germ. perfectformen zu gründe
liegen würde, entsprechend dem ablaut e — o (vgl. Hirt, Idg-.
abl. s. IGl f.; Brug-mann, Kurze vgl. gramm. s. UG). Haben Avir
aber eine starre a-Avurzel anzunehmen, so ist die ei-haltung
oder analogische widerherstellung- der reduplication zur kenn-
zeicliuung des perfects notwendig gewesen.
Dagegen gehen auf eine e — o- wurzel zurück: hlandan
zu alnilg. hli^da 'irre, schweife umher', lett. hlinda 'unstät'
U.S.W. (Hoffmann, r. s. 58)-); ferner gangan zu lit. zcngih,
') T'hleubeck, Beitr. 3(i, \\2'.] f. sieht dio balto-slav. verlja als entlehnt ans
"lern gennauischen an ; dageyen spricht die ableitung ahiily. rlaslh 'macht' n. a.
'■) Ebenso Uhleubeck, Beitr. 30, 2G81'., der auch lliiuh heranzieht.
Beitrage rur gcschichtc der dcuuchen spräche. XXXII. 31
476 FEIST
zenldi 'schreiten', prakvnga ' iibersclireitimg-, simde'; vielleicht
auch das schon oben genannte icaldan, wenn Hoffmann a.a.o,
mit der Zusammenstellung mit lit. weldu, tveldm 'regieren,
besitzen', pa-ivcldu 'ererbe', tvelde-iojis 'erbe' u.s.w. recht hat.
Aber Hoffmann geht noch weiter; er behauptet auf s. 57: 'der
weitaus grösste teil dieser stamme [d.h. mit dem praesens-
vocal a] folgt dem c : o ablaute.' Das dürfte nach der oben
gegebenen liste, wenigstens für das indogermanische, nicht
erwiesen sein. Auch bei den nur im nordisch- westgermanischen
belegten verben: fallan, slmldan, spaldan, sixinnan, walkan,
icallnn, ivaltan ist idg. e — o ablaut nicht nachzuweisen; für
fallan zu lat. fallo, spaldan zu ai. wzl. sphnt-, spliat- aus '*sphalt-
ist sogar eher eine idg. «-wurzel anzunehmen. Innerlialb des
germanischen ist freilich bei vielen dieser verben e-vocalisation
nachweisbar; so bei tvallan neben aisl. vella, sJcaldan neben afr.
scelda, ahd. slcltan 'schelten'; spaldan ist vielleicht mit got.
spilda verwant; ivaltan stellt sich zu aisl. velta u.a.m. Sie ist
aller Wahrscheinlichkeit nach aber secundären, erst einzel-
sprachlichen oder gar mundartlichen Ursprungs, gleichwie sich
z.b. aus einem ae. perfect gan^, das ich als gleichartig mit einem
urgerm. redupl. perfect *gegang zu gaggan auffasse, nachträg-
lich ein praesens sin^an einstellte; denn an eine directe ab-
stammung von ae. gin^an aus der idg. wurzel ghcngh- glaube
ich nicht.
Bei den verben mit a-vocal im praesens geben uns die
etymologischen beziehungen folgendes bild: die grösste anzahl
zeigt in anderen idg. sprachen ebenfalls «-vocalisation im prae-
sens; einige haben auswärtige beziehungen, bei denen e-vocal
im praesens sich findet (das einzig sichere beispiel ist gangan:
lit. rh'ülcti, das aber mit rücksicht auf germ. ^gehni, ""ge-mi =
ahd. gäm, gern noch selbst der erklärung bedarf '), andere solche
innerhalb der übrigen germ. dialekte. Bei diesen letzteren
ist der a-vocal des perfects kaum aus idg. o zu erklären;
wahrscheinlicher bei den verben, denen eine idg. e — o wurzel
entspricht. Dann kann aber das a des praesens schwer er-
klärt werden; an ein tief stufiges a aus idg. d wie in daddja
') Hirt, Idg. abl. s. 158 erklärt (janfjan neben \ii. zenyih, hlandan neben
lit. hlendiiüs 'ich verfinstere mich' aus idg. o-vocalisatiou.
DIE REDUPLTCIEUENDKN VERBA. 477
aus idg. 'hlh^nj (vgl. ai. dhdyämi; l>remer, Beitr. 11. 55) ist nicht
zu deukeii, da dieser reductionsvocal nur bei schweren basen
nachgewiesen ist (vgl. z. b. Brugmann, Kurze vgl. gramm. § 213,
s. 141). Es fiele also das a aus idg. o der praesentien (jüiKjan,
hhmdan u. älml. in die kategorie unerklärter o in basen mil
grundvocal c, zu denen Brugmann a.a.O. s. 1 10 die literatur
angibt, wenn wir nicht etwa die gleichheit dieses idg. o mit
dem des perfects annehmen wollen.
Die 9 germ. verba mit dem wurzelvocal ai hat Hoffmann.
r. s. 38 ff. einer eingehenden etymologischen Untersuchung
unterworfen. Im gotischen sind 7 belegt, dabei 0 perfecta:
Jutitan — luühait, maitan — mainiait, shaidan — slMisliaid, frai-
sun — fai frais, laihan — lailailc, -aiJcan, -aiail: und -Jdailian ohne
belegtes perfect; dazu aus anderen mundarten '■taisan (ahd.
ceisan) und *swaii)an (ae. swdpan, an. sveipa). Ueber allen
zweifei sicher etymologisiert ist nur shiidan : ai. chinddmi,
gr. o/Jyo), lat. scindo, caedo, lit. slceda = lett. slaida 'span'
u.s.-vv. Es liegt absolut kein grund vor, mit Hoffmann a.a.O.
s. 44 f. (s. daselbst auch die einschlägige literatur >') lat. c«C(/o
von got. slaidau, aus einer idg. wurzel (s)khait, {s)k]taid- zu
trennen, um slcaidan in die e?/o/- reihe zu zwängen, zumal
bei hiilan zu lit. Jdigyti auch kein sicherer beweis für dessen
Zugehörigkeit zu ihr vorliegt, denn air. Ueg 'kalb' stellt sich
nur vermutungsweise hierher, ebenso wie ai. rcjate 'hüpft,
bebt' und gr. i/LeXiC^co 'erschüttere'. "Wenn aber *taisan Avirk-
lich mit Fick, Vgl. Wörterbuch 1', 450 zu gr. öalm 'zerteile'
zu stellen ist, so haben wir natürlich auch eine «/-wurzel
*dai{s)- anzusetzen. Nichts beweisend, weil nur problematisch,
sind die etymologien von -aihan, die bei den verschiedenen
forschern ganz widerspruchsvoll lauten (s. die literatur weiter
unten s. 499, anm. 1), von fraisan zu gr. :nti{)ct.cü, lat. ex-perior
nach Hirt, Idg. abl. s. 121, aus fra-isan zu xed. iccJidti 'sucht',
gv. 't'fjifiog 'Sehnsucht', abulg. /.v/iY/// 'suchen', ahd. eishön u. s.w.
nach Hoffmann a.a. o. s. 38, wider anders Brugmann, (.Trundriss
1-, 920; sHai2Mn hat keine auswärtigen beziehungen; mailan
nur sehr unsichere (Hoffmann a.a.O. s. 45).
') Auch Uhlenbeck, Beitr. 30, 380 ist niclit ge^a-ii die Iroimuug von cuedo
uud gut. skaidun, ohue iudes nähere griiude auzugeheu.
31*
478 FEIST
Es ist also keinesweg-s aasgemaclit, wie Hoffmaiin a. a.o.
s. 46 will, dass die reduplicierenden verba mit ai als stamm-
vocal zur cijoi-reiiie geliören. Alles, was wir von ihnen
wissen, ist, dass neben dem stammvocal ai auch t als ablauts-
stufe vorkommt, wie es Osthoff, Morph, unters. 4, 323 ff. schon
nachgewiesen hat. Ob jenes ai auf idg. ai oder äi zurück-
geht, lässt sich nicht erweisen; oi ist bei den sicher etymo-
logisierten beispielen als Ursprung ausgeschlossen.
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den verben mit au
als stammvocal. Das gotische kennt nur drei: auJcan zu lat.
augco, lit. dugu 'wachse', ai. öjas 'kraft', also idg. «?<-wurzel');
die tiefstufe « ist in ai. ugrds 'kräftig' belegt; stautan zu
ai. tuddmi, lat. tundo 'stosse'; endlich /(7aitj)a;i ohne sichere
etymologie. Vermutungsweise wird Hanau als praesens zu dem
perfect 3. pl lailöim angesetzt (Bremer, Beitr. 11, 56); doch
hätte au hier nicht diphthongischen wert, sondern den eines
offenen ö, und deshalb kann dies verb hier ausscheiden.
Ebenso können wir hauan übergehen, da es zwar in den
übrigen mundarten nach art der sog. reduplicierenden verba
perfect und particip (aisl. hio, hiienn) bildet, aber im gotischen
schwach flectiert wird; auch ist der lautwert des au nicht
sicher (s. verf., Grundriss der got. etyniologie s. 17), Aus den
anderen germ. mundarten sind folgende verba mit dem stamm-
vocal au belegt: aisl. au$a zu gr. '^avco in tsavaai und xaravöai
(Hes3"cli), t^-ava-Ti'iQ Aeschyl., lat. h-aurio, also idg. wurzel-
vocal au\ hautvan (as. hauwan, alid. liouwan, ae. lieaivan, aisl.
ligggua) wird zu abulg. liova, inf. Jwvati, lit. Jcduju 'schmiede'
gestellt; also ist auch hier wahrscheinlich idg. au als wurzel-
vocal anzusetzen. Die verba germ. *auj)ati, %autan, Vmaiquin,
*nauan, *shrautan (s. liste s. 448 ff.) sind entweder gar nicht
oder nur sehr unsicher etymologisiert (s. Hoff mann a.a.O. s.48ff.).
können also zur entscheidung der frage, ob idg. au oder ou zu
gründe liegt, nichts beitragen.
Das resultat ist also bei den verben mit au als stamm-
vocal das gleiche wii bei denen mit ai, nämlich, dass nichts
dafür spricht, dass sie einst zur idg. e/o -reihe gehörten, und
dass die sicheren beispiele vielmehr für idg. aii als wurzel-
^) "Weitere beziehung-eu zur basis a^ege- s. bei Hirt, Idg. abl. s. 133.
DI1<] KEDUPLTCIERENDEN VERBA. 479
vocal sprechen. Wir gelangen also bei ruhiger priifiing des
et3iiiologiscli durchsichtigeu niaterials zu dem entgegengesetzten
resuUat wie Hoffmann, der s. 5-1: sagt: 'erstens ist nur für 2
oder :? praesentia der sichere nach weis erbracht, dass sie ur-
sprüngliches ai und an enthalten, und das sind gerade die
seltensten'. Warum z.b. auJcan oder aisl. (iiis(( zu den S(dteusten
Verben gezahlt werden, Aveiss ich nicht. Dann fahrt Hoffmann
fort: "ihnen stehen in gleicher anzalil solche gegenüber, deren
-ai-, -an- mit Sicherheit als idg. -oi-, -ou- in die ablautsreihe
ei : oi, eu : on fällt'. Nach meiner ansieht ist von allen verben
mit -(//- oder -an- kein einziges mit Sicherheit zur e/o- reihe
zu rechnen und von denen mit -a- auch nur wenige wie hlan-
dan, (jaijgan und waldan (s. oben s. 475 f.). Zwar schliesst sich
Janko a. a. o. s. 262 rückhaltslos an Hoffmanns darlegung an
und erkennt seine 'im ganzen unverrückbaren resultate' an.
Aber er tut es im hinblick auf seine eigene erklärung des
gerra. c- bez. cö-tj'pus, die er mittels dehnstufiger formen des
e,o-ablauts ""hvita hez. '■'hüita (s. 264) und '^hJcn2nihez.'''hlön2')a
zu geben unternimmt. Jankos hypothese steht oder fällt mit
der annähme oder ablehnung der Zugehörigkeit der verben
mit «/ und au als stammvocal zur e/o -reihe. Für mich ist
sie demnach verfehlt, ebenso wie Hoffmanns theorie der ge-
schleift betonten dehnstufigen 'Heik und stcnt bez. sie 2), die
nirgends Zustimmung gefunden hat, so viel ich sehe.
Demnach sind die verba mit a-, ai- und au- als stamm-
vocal, die im gotischen ein redupliciertes perfect bilden, auch
vom Standpunkt des indogermanischen aus, teils als starre,
nicht ablautende wurzeln (w-stammvocal) wie die verba mit c
und ö als stammvocal, teils als solche mit nur einer reductions-
stufe ai : i, au : u aufzufassen. Letztere sind im gotischen
ebenfalls zu starren wurzeln geworden, nicht aber in den
anderen germanischen mund arten, wovon s. 469 f. die rede war.
Um das perfect als solches mit einem unterscheidenden
merknml zu kennzeichnen gegenüber dem praesens, bot sich
die reduplication. Als altererbt kann sie aber nicht bei allen
reduplicierten perfecten gelten. Bei den vocalisch anlautenden
aianJc, aiaih, *aiaus (aisl. ios) ist dies von vornherein aus-
geschlossen, da idg. "eduga u. s. w. zu ^'duga contrahiert worden
wäre, vgl. *ä(jom (aus *eagoni, imp. zu *a(/ö) = ai. äja)n, gr.
480 FEIST
dor. äyor (Brugmann, Kurze vgl. g-ramm. s, 485). Diese formen
sind also als analogiebildungen nach consonantiscli anlautenden
wurzeln zu betrachten (Brugmann, IF. 6, 99). Da sie auch im
altnordischen vertreten sind (aisl. ws, iöh\ so reichen sie in
die urgerm. zeit oder wenigstens in die got.-nord, Sprach-
gemeinschaft zurück; da aber die participien perfecti von
aid'an, nämlich ae. vacan, as, öcan, fries. äken, auch in west-
germ. mundarten vorliegen, so liegt m. e. kein grund vor, das
perfect *eaul; ''cöh nicht auch als westgermanisch einst vor-
handen anzunehmen.
Weiterhin haben wir oben s. 471 ff. zu zeigen versucht, dass
auch die reduplication der perfecta -staistald und slcaishdp
nicht als altererbt gelten kann.') Ferner ist meist analogisch
umgebildet die redupiicationssilbe, die eigentlich den vocal i
=- idg. e aufweisen sollte, nach dem muster der sehr gebräuch-
lichen mit //. und r anlautenden verba (vgl. tabelle s. 450 ff.).
Alle diese umstände drängen uns, im verein mit den schon
oben s. 473 f. angeführten tatsachen, zu dem Schlüsse, dass die
reduplicierten gotischen perfecta durchaus nicht alle auf so
hohe altertümlichkeit anspruch haben, wie öfters angenommen
wird. Ein gewisser stamm wird als urgermanisch und daher
wol als altererbt gelten können; doch beweist die Überein-
stimmung mehrerer mundarten noch durchaus nicht die Über-
lieferung einer form aus idg. zeit, da gemeinsame neubildung
vorliegen kann, wie wir oben an den beispielen got. aiaulc ==
aisl. iok u.s.w. zeigten.
Als im urgermanischen vorhandene reduplicierte perfecta
dürfen wir vom Standpunkt des germanischen aus folgende
ansetzen: haitan, liaihait wegen ae. licht; -redan, -rairö]} wegen
ae. reord\ letan, laüöt wegen ae. leort; lail-an, lailaik wegen
ae. lcolc\ saian, saisü wegen an. sera'^)\ hivailiicöp wegen ae.
hiveop aus ^htvehivöp. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass
nicht noch viele andere reduplicierte perfecta schon im ur-
germ. vorhanden waren, oder dass von den oben genannten
') Auch faifrais ist, falls fruisan als fra-isan aufzufassen ist (Hofi'mauu
a.a.O. s. 38. Brugmann, Gnmdriss l'', 920) natürlich als spätere analogie-
hildung anzusehen.
'■*) Germ, sesoa kann sogar wegen gr. dor. cnf-ko-^a schon als idg. an-
gesetzt werden (s. weiter unten).
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 481
alle aus iäg. zeit ererbt Avaren; unser niaterial iriclit nicht
weiter und wir müssen dalier alle weiter oehenden Schlüsse
unterlassen.
Yom g-esichtspunkt des indogermanischen aus können wir
als altererbt ansetzen: saiso ^ gr. dor. üq-to-xa; fa}fh,k - :
gr. jrt.7rArt7«; faifali = lat. pepayi, pci)i<ji\ .skaiskaid = ai. ci-
chcda, lat. scichU (abgesehen von der art der redui»lication, s.
oben s. 471). Weitere sichere vergleiche fehlen; aber das mag
Zufall sein, ebenso wie anderseits nicht mit- Sicherheit zu sagen
ist, ob die 4 verglichenen perfectgruppen überall aus der urzeit
stammen oder einzelsprachliche bildung sind.
Dass neben den im gotischen abgeläuteten und redupli-
cierten perfecta laUöt, gaiyröl und rahöp auch urgermanische
formen mit t^—yocal anzusetzen sind, ist schon oben s. 468
erwähnt. Die Übereinstimmung aller germanischen mundarten
weist darauf hin; so entspricht dem got. lailöt aisl. ae. Ut,
ahd. liaz, liez, dem got. gaigröt aisl. gret, dem gotischen rairö])
aisl. )■(']), ahd. riat. Daher sind entweder urgerm. doppel-
formeu im perfect anzusetzen: ""le-t : Hot, ''""gye-t : ''''gröt, *re'^J)
: *röp (vgl. Janko a.a.O. s. 203 f. u. 277 f.), die in dem gleichen
Verhältnis zu einander stehen wie gr. dial. l(>()?jyviu zu '^()(iojyu
— und diese annähme ist wegen aschwed. löt ') die wahrschein-
lichere, zum mindesten für das got.-nordische (Janko s. 278)
— oder wir müssten die (7-formen als einzeldialektische neue-
rung des gotischen bez. altostnordischen ansehen. Das zeitwort
got. tckan, perf. iailök, aisl. taka, perf. tok ist bekanntlich in
den anderen germ. mundarten nicht vertreten (ae. takan ist
lehnwort aus dem dänischen); es ist ein beleg für das Vorhanden-
sein der tiefstufe idg. o des ablauts e — ö auch im praesens
(aisl. takü), während sie sich bei den übrigen Zeitwörtern
dieser ablautsgruppe nur im particip perfect oder in adjecti-
vischen bildungen nachweisen lässt (ga-nij>ans zu redan, lats
=^ lat. lassus zu letan, aisl. taka zu iekan, ndd. slap = abulg.
slahh zu slepan). Zu sivpau ist bekanntlich nur das perfect
saisicj) (saidcj)), also ohne merklichen ablaut belegt; ob indes'
die beiden got. e ursprünglich identisch waren, ist nicht sicher.
ürugmann, Kurze vgl. granim. § 101, anm.. s. 14 erkennt zwei
*) Noreou, Altscbwe<l. granim. § 544, s. 448.
482 FEIST
got. e an, von denen c' (in letnn z. b.) oft als ei auftritt, c^
dagegen (in her z. b.) niemals. Das e in saislep {saislep) fasst
man yielfacli mit rücksiclit auf alid. sliaf als c""- auf, und doch
findet sich anasaisleip Luc. 8, 23 (mit allerdings nachträglich
wegradiertem /, aber das geschah auch in manaseidai Luc. 9, 13)
mit ei für e- wie bei e'. Es ist also fraglich, ob das gotische,
zur zeit der niederschrift der Codices natürlich, also im 5. bis
6. jh. n. Chr., noch eine Unterscheidung zwischen den beiden
ursprünglich ungleichen e machte; darüber näheres weiter
unten. Hat es aber auch früher schon keinen unterschied mehr
gekannt, so würde dieser umstand die bevorzugung der ö-formen
im perfect erklärlich machen.
Bei den verben sakin und icakm ist das ö des perfects
wegen gr. dtf-tojy.a als idg. anzusehen. Freilich kann das
auslautende ö in saisö und wanvö nicht lautgesetzlich sein, da
auslautendes u im gotischen zu a wird; vgl. haira aus idg.
■"bJierö = gr. q)t()co. Das u des Singulars ist aus dem pliiral
saisömn wider hergestellt, wo es aber wahrscheinlich auch nicht
ursprünglich ist, sondern schon in urgerm. oder gar vorgerm.
zeit aus dem Singular eindrang, da der plural des reduplicierten
perfects tiefstufe der wurzel im idg. aufwies.
111. Die nordisch -wcstgormanisclieu perfecltypeii.
Während im gotischen der perfecttypus der reduplicierenden
Zeitwörter ein einheitlicher ist, wenn auch viele verba ein redu-
pliciertes perfect erst durch analogie, nicht durch Vererbung
aus idg. zeit erlangt haben, wie wir im vorstehenden bewiesen
ZU haben glauben, so liegen in den anderen germ. mundarten
bei den verben, die im gotischen ein redui)liciertes perfect
bilden, und solchen, die mit ihnen auf eine stufe zu stellen
sind, folgende vier perfecttypen vor:
1: ein redupliciertes perfect (aisl. sera),
2 : ein perfect mit hochstufe des Stammes im Singular und
und tiefstufe im plural (aisl. Icit [lit\ pl. litom),
3: ein perfect mit dem vocal e- (aisl. ae. c, ahd. ia, ie),
4: ein perfect mit dem vocal eo.
Diese 4 kategorien werden wir nacheinander ins äuge fassen
und dabei die nord.- westgermanischen mundarten einheitlich
DTK IJEDUri.ICIEKENDKN VKKHA. 483
betrachten, da sie alle dieselben tA'pen aufweisen und dalier
Avol gemeinschaftlich an der entwickelung- derselben teil-
genoninien haben. Altererbt Avaren nur die typen 1 und 2,
für die wir entprechungen in den anderen idg. siirachen finden;
gemeinsame neubildung der nord.-westgcrni. mundarten sind
die t^'pen 3 und 4. Diese beiden letzteren werden häufig auch
als 'contractionstj'pus' bezeichnet, da man annahm und noch
vielfach annimmt, dass der vocal c- und der diphthong co
durch contraction des e der reduplicationssilbe mit dem a, c
(aus t- oder ai) bez. u (aus ö oder au) der Stammsilbe ent-
standen seien.
An diesem entwicklungsgang nehmen auch die angel-
sächsischen mundarten teil; es bestand also eine ununter-
brochene räumliche continuität zwischen den nordischen und
festländischen Germanen. Da nun in der ersten liälfte des
fünften Jahrhunderts durch die auswanderung der angel-
sächsischen Stämme nach Brittannien eine liicke entstand, die
sich später und noch heute durch die schroffe dialektspaltung
an der deutsch-dänischen grenze im gegensatz zu dem sonst
zu beobachtenden allmählichen Übergang von einer mundart
zur andern zu erkennen gibt, so müssen wir die ausbildung
des nordisch-westgermanischen contractionstj'pus um 400 n.Chr.
etwa als abgeschlossen ansehen.')
Damit hätten wir einen terminus ad ({uem. feinen terminus
a quo gewinnen wir durch den umstand, dass das gotische an
dieser entwickelung nicht mehr teilnimmt; sie niuss also nach
der zeit der trennung des gotischen von den übrigen germ.
mundarten angesetzt werden. Um 200 n.Chr. ungefähr haben
die Goten ihre neuen Wohnsitze am Schwarzen meer erreicht.-)
Demnach muss die entstehung des sog. contractionstypus in
die zeit zwischen 200 und 400 n. Chr. fallen.
Wie ist nun dieser typus zu stände gekommen? — Der
name 'contractionstypus' spiegelt die ältere ansieht über seine
entstehung wider. Man gieng von der Voraussetzung- aus, die
oben schon erwähnt wurde, der perfectvocal c- und -diphthong
') Bethge iu Dieters Laut- und formenlehre s. 3G3 meint, dass er wäh-
rend und nach der Völkerwanderung entstand und vom nordischen ausgieng.
'") Vgl. Sievers, (iot. spräche in Pauls Grundr. 1 (t. aull.), -107 ff.; Streit-
berg, Got. elemeutarbuch- s, 7.
484 FEIST
CO seien 'contractionsproducte'. Das wäre freilich eine ganz
plausible erklärung, wenn nicht der zwischen reduplication
und Stammsilbe stehende stammanlautende consonant bez. die
consonantengruppe einige Schwierigkeiten machte. Ihr ausfall
muss lautgesetzlich erklärt werden. Früher half man sich
mit Scherer (Zs. f. d. östr. gymn. 24 (1873), 296) durch die an-
nähme: 'diese perfecta reduplicata sind ein ganz exceptionelles
gebiet, worin dinge geschehen, die anderwärts in der spräche
nicht möglich wären'. Heute kann man sich mit einer solchen
erklärung nicht mehr zufrieden geben. Trotzdem sind auch
noch anhänger des consonantenausfalls yorhanden, so LoeAve
in seinem genannten aufsatz, der den ausfall des stammanlau-
tenden consonanten durch haplologische dissimilation zu recht-
fertigen sucht. Wir haben diese annähme ob. s.459 f. abgelehnt.
Eine zweite möglichkeit, zu einer erklärung des e-- und
co-typus zu gelangen, erörterten Brugmann, IF. 6, 89 ff. und
gleichzeitig Wood, Germ. Studies 2, 27 ff. Zunächst ausgehend
von den verben mit stamm A^ocal ai und au (haitan, stautan),
sahen sie in den reduplicationslosen perfecten des nordisch-
westgermanischen hochstufige Stammformen dieser verba (;'"heit,
''"staut), die sich zu jenen verhielten wie got. teJcan zu an. taJca.
Zu erklären bleibt dann noch das perfect-e der verba mit a
als praesensvocal (tcaldan) und das perfect-eo derjenigen mit
ö im praesens (''hröjmn). Sie werden als analogiebildungen
nach dem muster der verben mit ai (und au) als praesensvocal
erklärt, unter anlehnung an ein dehnstufiges c = nord-wgerm. a
der verba des e/o-ablauts {gangan, waldan). Dem gegenüber
hat van Helfen (Beitr. 21, 445) eingewendet, dass die numerisch
schwächere a^-klasse kaum im stände gewesen sei, die an zahl
weit beträchtlichere a-klasse zu beeinflussen. Ob dieser ein-
wand stichhaltig ist, werden wir später zu erwägen haben.
Ebenso haben wir die auf der von Brugmann geschaffenen
basis fussenden erklärungsversuche von Hoff mann, F. s. 33 ff.
(grundformen leihe, *stcutc, woraus 'Heile, -"sfeiä mit schleifton)
sowie von Janko, IF. 20, 252 ff. (grundformen 'Hieita, '^höita und
^hleupa, 'Hilöupa) später noch einer eingehenderen betrachtung
zu unterwerfen, wenn wir an die erklärung des nord.-west-
germ. t-^- bez. eo-typus herantreten werden.
Hier will ich zunächst nur meine principiellen bedenken
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 485
gegen diese neuerdings beliebt gewordenen methoden äussern.
Es scheint mir der weg verlkängnisvoll zu sein, l)ei der äusserst
verwickelten und durch analogische bccindussungen in weit-
gehendem masse veränderten pei-fectbildung der sog. redupli-
cierenden Zeitwörter zu viele formen auf die lautgesetzliche
entwickeluug hypothetischer grnndformeu zurückzufiiliren. Die
ansetzuug einer grundform ■■Idcupa oder 'Idoupa entbehrt doch
jeder realen unterläge; sie ist ein rein constructives gebilde
noch dazu auf ungewisser grundlagc (c'o-ablaut). Wenn wir
im gotischen schon beobachtet haben, wie wenige perfect-
formen als altererbt gelten können, wie das ganze System von
mannigfachen analogiebildnngen durchkreuzt wurde, so dürfen
wir bei den erst aus einer weit späteren zeit (4(J0 Jahre später
und noch mehr) überlieferten formen des nordisch-westgerma-
nischen der analogiewirkung eine noch weit grössere rolle zu-
erteilen. Alle vorhandenen perfectformen erklären zu wollen,
ist überhaupt eine vergebliche mühe, da uns ja nur ein be-
schränktes material zu geböte steht und viele bedingungen
der gegenseitigen beeinflussung von perfectformen naturgemäss
'uns entgehen müssen. Unsere aufgäbe kann in der liauptsache
nur diejenige sein, die haupttypen lautgesetzlich oder auf ana-
logischem wege zu erklären und ihre ausbreitung zu verfolgen.
"Wir beginnen mit den altererbten typen.
A. ßeduplicierte perfecta im nordisch-
westgermanischen.
I. Das altisländische besitzt folgende reduplicierte
perfecta: 1) scm zu sei 'säen' = go\. saiso zw Sdian. Das alt-
isl. ist in doppelter beziehung ursprünglicher wie das gotische:
a) es zeigt mit r für urnord. ;^^ die regelrechte entwickelung
eines urgerm. ses6{a), während das gotische für lautgesetzliches
z das wurzelanlautende s eingesetzt hat; b) auslautendes a in
scra ist die reguläre entwickelung eines urgerm. ö, nachdem
der accent auf die reduplicationssilbe getreten war; das gotische
auslautende ü ist aus dem plural widerhergestellt. — 2) rcrd
zu roa 'rudere'. — Ferner finden wir das perfect 3) snera zu
snmi 'wenden'. Xoreen, Altisl. gramm.'* § 40G, s. 30'2 erklärt
snera aus '''snezu, ohne weiteres über die entstehung dieser
form zu sagen; er schliesst sich also an Zarncke, Beitr. 15, 353
486 FEIST
an, der sncra analogiebilduiig nach scra sein lässt. Ostlioff,
Beitr, 8, 554 nimmt folgenden entwickelungsgang an: *sesndwa,
*snesndica, ^'snesdica, "^snezdu, *snezö. Aber mit recht hebt
Loewe a.a.O. s. 340f. hervor, dass gegen Osthof fs entwicke-
liingsgang das ganz gleichartige got. saülep spricht, das eben-
falls ''"slaizep hätte ergeben müssen, wenn Osthoffs a.a.O. for-
mulierte gesetz: 'folgten sich in zwei unmittelbar benachbarten
Silben eines wortes identische und mit s beginnende consonanten-
gruppen, so fielen aus der zweiten alle hinter dem Zischlaut
stehenden consonanten aus', haltbar wäre. Loewe setzt folgende
Proportion an: "^seö (got. saia) : ^sezöa = "^snuö : {^seznai'ia,
später) seznöa. In "^sezüa wurde 5 als wurzelhaft, ''^ezöa als
endung empfunden, daher fügte man ebenso '''esöa, später -era
an das als wurzel aufgefasste sn- von snüa an. Wider anders
erklärt Janko a.a.O. s. 289 das perfect snera aus ursprüng-
lichem "''sc-3nü{n) zum ehemaligen Infinitiv "^snoa (= ae. snöican),
mit analogischer Schwundstufe snüa (vgl. wn. hüa neben sel-
tenem anorw. höa; Noreen, Altisl. gramm.^ § 125, anm. 2 und 3).
— Auch 4) grem zu gröa 'grünen' erklärt Janko a.a.O. aus
*gre-ru(n), sagt aber dabei nicht, ob er diese form als laut-
gesetzlich ansieht oder als analogiebildung (röa : rcra = gröa
: grem), wozu ich neige, und die Janko bei 5) gnera zu gni'ia
'schaben' und 6) hnox (3. sing.) zu ^«u« 'reiben' (Xoreen, Alt-
isl. gramm.^ § 49G und anm. 2) anerkennt. — Aber liegt es nicht
näher, bei sncra auch von vornherein analogiebildung nach
scra und reru anzunehmen, statt sich auf complicierte und
nicht beweisbare constructionen einzulassen? Das element
-era wurde im altisländischen fast als suffix aufgefasst; es
ergibt sich dies daraus, dass die ablautenden verba Idosa
(perf. 7taH5) 'wählen' und friosa {\}&\± fraus) 'frieren' auch in
dessen bannkreis gezogen werden. Nach dem plural Icorom
und frorom (mit tief stufe und gramm. Wechsel) stellt sich ein
sing. Iwra und frm-a ein (schwach flectiert, s. Noreen a.a.O.
§ 478, anm. 1, s. 291), neben dem sich die formen hcra und
frera unter offenkundiger anlehnung an obige entsprechende
perfecta einfinden.
Sicher redupliciert, wenn auch erst infolge urgerm. neu-
bildung, sind 7) aisl. ioh = got. aiauh zu auM 'vermehren'
und 8) aisl. ios zu ausa 'schöpfen' aus urgerm. *eausa (urgerm.
DIE REDUrrJCIERENDEN VERBA. 487
au in unbetonter silbe wird im westgenn. und nurd. zu ö).
Wie scra und rera nianclie neubildungen nach sich zogen, so
liaben auch iölc und ios analogiscli beein (hissend gewirkt, wo-
rüber weiter unten; — 1») aisl. hiö zu hg(jg{H)a 'hauen' kann
nach der gleichung ""'auJmn : *cm(Jca = *Jiauu'an : *licauira
neu gebildet sein, kann aber auch auf ein urnord. redupliciertes
Hiehauu-a, Viehuir, ^IicUw, "^Juv, hiu zurückgelien (Xoreen, Alt-
isl. grannn.3 § 97. 224. 227, d).
IL Das altenglische, speciell das anglische und die
poesie, weist eine beträchtliche anzahl reduplicierter perfecta
auf: 1) heht zu hdtan •heissen'; — 2) rcord zu rcedau 'raten';
— 3) kort zu Iceian 'lassen'; — 4) IcoJc zu Idcan 'springen'. Da
das schwinden des langen stammvocals im Singular nicht zu
erklären ist '), so sieht man meist (vgl. z. b. Kluge, Pauls Grund-
riss 1'-, 437) die singularformen als übeilragen aus dem pluial
an. ein Vorgang, den wir bei got. saisu und ivaiuo ebenfalls
annehmen nmssten (s. 482). Als pluralformen sind anzusetzen
urgerm. '^hehitiün zu liaitan, Helihmi zu lailian (vgl. agutn. lilco
bei Noreen, Altschwed. gramm. § 541. s. 444); Hdidum zu Iceian,
vgl. got. lats oder ''Helitiün, vgl. aisl. lito, agutn. litu\ ■remditm
zu rcedan, vgl. got. garapans. Die Synkope von mittelvocalen
darf mit AVeyhe, Beitr. 30, 84 ff. auch nach kurzem stammvocal
für erwiesen gelten. So kommen wir zu ae. Urformen '■Jtchtum,
*ldlinm, Heltum, ^rerdum. Während die erste form unverändert
in heht-) fortlebt, liegen die drei letzteren als Icolc, leort und
reord vor. Man nimmt meist an, dass e zu eo wurde infolge
von 'brechung' vor Ic und r + consonant (Sievers, Angelsächs.
gramm.-* § 79 ff.); leort für Helt zeigt dissimilation des zweiten l.
^\'eyhe, Beitr, 31, 48 dagegen lä.sst eo durch «-umlaut aus dem
plural "hlailcum, Heläkim, 'Helucun entstehen. Zwei bedenken
stellen sich dieser annähme entgegen: erstens ist eine tief-
stufe Helihin anzusetzen (s. oben); zweitens wäre dann bei
heht auch umlaut zu Hieoht zu erwarten. Auch Janko s. 209
bleibt lieber bei der 'brechung' des c zu eo. Freilidi ist noch
') Doch s. Jauko (a.a.O. s. 2G8), der die eutwicklungsrcihe *lcJaik,
IckJc, *hli'lc, *ldk ansetzt und ae. sicdc = got. stcaleüi-a und hivilc — g-ot.
ItH-ileiks vergleicht (nacli Kluge in Pauls Grundriss 1-, lUCK).
*) Warum hier die brechung zu eo uuterhlieb, ist strittig; s. darüber
Janko a.a.O. 8.209 und weiter unten.
488 FEIST
zu erklären, weslialb licht nicht der brecliung unterlag. Ten
Brink, Anglia 1, 514 und 524 postulierte zwar mit rücksiclit
auf me. hihtc, higlite ein ae. *hcoJd; doch scheint mir Bülbrings
deutung-, Altengl. elementarbuch s. 58 zutreffender, dass wegen
des helleren timbre von h in *heJiitum (nicht '■hehet wie Bül-
bring- will) die brechung unterblieben sei; — 5) ae. ondreord
(Ps. und North.) von on-drcEdan, ist analogiebildung- nach dem
muster rcedan. : rcord = ond-raedan : ond-reord^); — 6) ae.
heoiv zu hcaivan könnte auf urgerm. "'hehmnca, *heIwwa/^heDw
zurückgehen (Sievers, Ags. gramm.'^ § 218, s. 111); — bei 7) hcold
zu ]icaldan\ — 8) iveoUl zu iücaldan\ — 9) loeolc zu tveaican;
— 10) tceoU zu iveallwi] — 11) trcotv zu ivdivan und 12) iceop
zu n-qnin ist die möglichkeit vorhanden, auf reduplicierte bil-
dungen *hc{h)alda, ''''irew{(i)lka, '■Hveir{a)lla, -'iceivö''-), u-ew{9)pa
zurückzugreifen; bei wcolc könnte man auch an brechung aus
'■irclk denken; das wahrscheinlichste ist, dass analogische be-
einliussung eine ebenso grosse rolle si»ielt wie ursprüngliche
reduplication, ohne dass wir bei dem mangel an belegten
Zwischenstufen die grenzen beider bestimmen können.
Eine umstrittene form ist 13) north, hlcfla (Lindisfarne
Gospels, Joh. 20, 22), das Füchsel, Anglia 24, 75 als redupliciertes
l)erfect von ae. hJdwan anspricht. Es übersetzt an der betr.
stelle lat. rnsitflavit; daneben aber findet sich eine zweite, aus
der ersten corrigierte Übersetzung sehleou (d. h. .sMcoiv), die
Sievers, Beitr. 20, 557 für die richtige ansieht und hiefla als
Schreibfehler verwirft. Immerhin aber besteht die möglich-
keit, dass ein jüngerer Schreiber die alte, nicht mehr ver-
standene form übersetzt hat, wie Loewe a.a.O. s. 321 ff. will.
Freilich würden wir eher eine form ""befla (vgl. got. saislcp)
erwarten. Wir kommen höchstens zu einem non liquet.^)
III. Das althochdeutsche besitzt ein perfect, das als
redupliciert angesehen werden muss: üir, iaritm zu einem
j-praesens erien, erren = got. arjan 'pflügen', part. perf. gi-
1) [Vgl. Pog-atsclier, Auglia Beiblatt 14, 182ff., der ondrddun als wahres
compositum von rddan erklärt. — W. B.]
^) *t(;ewü wird *iceo, vgl. afries. tvc, miidl. icoei, wici/; vom praesens
aus tritt stamm auslautendes u- an *iceo au.
2) S. deu naclitrag am schluss.
DIE REDUPLTCIERENDEN VKUBA. 489
aran. Alul. iar aus *car^) wie aisl. iok = g-üt. aiaul- aus ur-
gerni. cauJc; daneben findet sich das perfect vor, das nach
Kögel. Beitr. 16. 502 nacli der gleicliung swcricn : swuor ^^
er im : i(or o;ebihlet sein soll; indes hindert nichts, vor : ^aran
aufzufassen wie aisl. iök : tala, also entstanden durch über-
tritt in die a/ö-klasse.
Was sich sonst noch von reduplicierten formen im ahd.
linden soll, muss als zweifelhafte vermutuno- hing-estellt werden.
Es sind in erster linie die sog. r-perfecta, die hier zu erwähnen
sind: 1) ana-stcroz Gl. 1,282, glosse zu impingchant (statt im-
2)in(jebat) im Eeichenauer codex; in der i\Iurbacher abschrift
desselben ist deshalb anasterozun verbessert; — 2) Jci-slrcrot
Gl. 1, 281, glosse zu incidit- — 3) pleruzzun Gl. 1, 409, glosse
zu adoUrent, aus dem lieichenauer codex und 4) ca-plcruzzi
Gl. 1,312, glosse zu immolarci (hs. St. Paul in Lavandthal,
Kärnten). — Auf bairischem Sprachgebiet finden sich (nach
Kögel, Beitr. 20, 500 f.) in den Prudentiusglossen (Gl. 2, 542, 7)
stiriz = prosiihigit, auch verkürzt als stirz (Gl. 2, 444, 22), das
der Schreiber selbst durch ahd. simrnta übersetzt. Durch das
i'egelmässige stks ist es ersetzt Gl. 2, 508, 1 und 530, 34; Gl.
2, 542, 19 findet sich siiriz = puinuicrat. Ferner die form
steraz (in den Vergilglossen 2, 609, 50) = arictat, die der
Schreiber nachträglich in stias verbesserte; in derselben hand-
schrift (Gl. 2, 670, 10) lesen wir farstcrc = proterrei. Zweifel-
haft ist ein r-perfect in einer 'i'rierer handschrift (Gl. 2, 33, 1)
anagc-Jierzon = indidscre; das ie legt nahe, r nur als Schreib-
fehler für z anzusehen. — Auf fränkischem boden findet sich
bei Otfrid von hiian : biruun 4,4,59 und hiruuius 2,7,18.
Auch bei verben, die nicht zu den reduplicierenden zählen,
findet sich der r-typus: ^hd. scrirun (daneben eine «t'-form
crscrimm in den Mainzer glossen), ferner part. perf. (jiscriran
(das Zarncke, Beitr. 15, 351 f. nicht nachweisen kauu'^)); an-
schliessend an letzteres in späterer zeit (11./12. jh.) pe-spiren
Denkm. 90, 23.
Wie die älteren germanisten Grimm, Laclimann und Müllen-
') Vgl. Loewe a.a.o. s. oOS; dazu Jauko a.a.O. s. 313 und ]5riig;iiiann,
Kurze vgl. gramui. s. 544; eiue giundfurm *r-r wie *et 'ass' ist iiiclit denkbar,
da sie *('(/■ ergeben liätte.
'•) Doch findet sich z. b. Gl. "2, 775, 6 erscrirena = condamaiu.
490 FEIST
hoff sieht Zarncke, Beitr. 15, 350 ff. in dem r dieser formen
einen hiatusdeckenden hiut, und noch neuerdings schliesst sich
Yv'ilmanns, Deutsche gramm. 3,38 dieser ansiclit an, da er es
für sehr zweifelhaft liält, ob man einige dieser formen durch
reduplication (s. weiter unten) erklären dürfe; allgemein ahd.
sei r nur in scrirun, giscriran. In diesen formen sehen jüngere
forscher (Streitberg, Urgerm. gramm. s. 281 oder Brugmann,
Kurze vgl. gramm. s. 541) reste eines idg. s-aorists. Gegen
diese erkhärung wendet sich Loewe a.a.O. s. 266, und Brug-
mann selbst vermutet a. a. o. an anderer stelle (§ 798 anm,,
s. 598) Zusammenhang mit den r-endungen des arischen und
italokeltischen (ai. 3. pl. vidur, lat. videre = vidcnmt).
Einen ganz anderen weg zur aufhellung dieser viel-
gedeuteten ahd. r-formen hatte Osthoff, Beitr. 8, 540 ff. be-
schritten. Er sah in ahd. sfero^ eine reduplicierte perfect-
form, deren entwickelungsgang er folgendermassen ansetzt:
''■'staidan, perfect *stcstaäta (vgl. got. -staistald), '^stesaüta, *ste-
zaüta (nach Verners gesetz), '^steröt > ahd. stcros. Dement-
sprechend construiert Loewe a. a. o. s. 344 f. die entwickelung
von ahd. hi-sln-erot zu ''shraiidan aus -^shesh-aüda, *sJ:csraüda,
^sh-esailda, "'sh-ezaüda, ''"sTcreröd > ahd. sJcrcrof] scrirun aus
''^sliesh-imc, '*sl-ezrimc, ^slcrizime u.s. w., oder gar mhd. siriren
aus '■'S2)cspume, '^spesume, ""spezume u.s. w.i) Aber jeder un-
befangene muss zugeben, dass Osthoffs erklärung von steroz
zw^ir recht annehmbar aussieht, aber den fehler aufweist, dass
sie sich auf ein ad hoc angenommenes 'dissimilationsgesetz'
stützt, das sonst nicht nachweisbar ist; Loewes entwickelungs-
reihen aber nehmen sich auf dem papier vielleicht ganz gut
aus; in Wirklichkeit wird niemand überzeugt sein, dass sie im
leben der spräche vorhanden gewesen sind. Wir haben ferner
schon oben s. 471f. nachzuweisen versucht, dass der gotische
reduplicationstypus -staisiald u.s. w. secundär ist und nicht
ohne weiteres auf die übrigen germ. dialekte ausgedehnt
werden darf.
Das r endlich, das sich in ahd. biruiin, hirmiuis findet,
wird wider auf eine andere art erklärt. Kluge, Pauls Grund-
riss r^, 436 vergleicht ai. habhUüa und lässt ein urgerm. *behüwa
^) Auch Jauko a. a. o. s. 274: steht auf ähulichem Standpunkt.
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 491
ZU %ezHiva dissimiliert werden; aus letzterein entstellt durch
weiterent Wickelung alid. hintun {= iivf^evm.'hc-Hirmc).^)
Lautgesetzlich erklärt werden bei allen diesen versuchen
nur nicht die formen 2ilcn(z::un und ca-pJcru.~si zu alid. Uho-üu.
Hier niuss auf jeden fall entweder nach der älteren annähme
ein hiatusdeckendes r eintreten oder wir mü.'^sen an analogische
neuschüpfung nach einem der obigen inuster denken. Da fragt
es sich jedenfalls, ob es nicht richtiger ist, wie bei dem alt-
isländischen (s. oben s. 485 f.). bei allen r-formen des althoch-
deutschen an analogische entstehung zu denken, anstatt sich
auf complicierte und unbeweisbare cunstructive erklärungen
einzulassen. Zarncke meinte am a.a.O., dass alle r-formen
in Keichenau im 8. jli. von ein und demselben Schreiber ge-
braucht worden seien, doch wies Kögel, Beitr. IG, 500 nach,
dass sie sich auch auf bairischem gebiet finden, und inzwischen
sind sie auch aus rheinfränkischen glossenwerken nachgewiesen
Avorden. ^^'ir müssen sie also für allgemein ahd. ansehen.
Yielleicht gehen wir bei der erklärung der r-formen durch
analogische Schöpfung gerade von dem sonst nicht deutbaren
lütriuzun aus. Das ahd. mag wie das altisläudische (und
gemeinsam mit den anderen germ. dialekten) einst ein redu-
pliciertes perfect von *se(j)an 'säen' und *räan 'rudern' be-
sessen haben: *5erö und *rerö (got, saisö = aisl. sera und aisl.
rera).-) Nach der proportion *röan : *rerö = hlozun : hleruz
wurde ausser diesem geschaffen stözan : steröz {6 erst ahd.
aus germ. au vor t ^= ahd. s), ebenso slcrotan : sJcreröt. Bair.
stcraz mag die lautgesetzliche entwickelung eines gekürzten
siero^ sein, stiris mit i in der Stammsilbe aus tief stufigem
'""stiruzun (u-umlaut, vgl. Kögel a.a.O. s. 501) entstanden sein;
stirz endlich aus '"^stiruz wie hirz aus hiruz. Erkennen wir
die möglichkeit an, dass einst im westgermanischen ein '^scru
und '"^rerU vtji'handen war, so bietet die analogische weiter-
verbreitung eines perfectischen -ero- keine anderen Schwierig-
keiten als die gleiche erscheinung in aisl. sncra zu snna,
') So auch noch neuestcns Janko a. a. o. s. 27G.
*) Vgl. Holz, Urgenii. geschl. r- s. 45; Loewe a.a.O. s. 3-18. Auch Janko,
1 F. 20, 285 vermutet ein 'verschollenes Avestgcrin. perf. *.sesö('0-' Franck,
Z8.fJa.4Ü,25 vertrat ebenfalls die ansieht, dass die redupl. perfecta genieingut
aller germ. muudarten gewesen seien.
Beiträge zur gcschichte der deutschen spräche. XXXIl, 32
492 iPEisT
gnera zu gm'ia, grera zu griia und hncre zu Imna (s. aucli
oben s. 485 f.).
Aus einer anzalil derartiger formen mit innerem r konnte
sich allerdings die Vorstellung eines hiatusfüllenden r im ver-
gleich mit fo-perfecten von demselben stamme {steroz : steos,
^hleroz : Ueos u. s.w.) entwickeln und zur weiterverbreitung
dieses r auf formen wie scrinm neben scriun, giscn'ran neben
giscrian, pe-spirai neben sjrien führen. Otfrids hirnun und
hiruwis fügen sich ebenso leicht hier ein, da wir ein perfect
*6eo, hiu (vgl. aisl. hio), pl. ^bimviim (aisl. hiuggom) zu erwarten
haben'); ein *bnium fordert aber geradezu, wenn ich so sagen
darf, ein hiatusdeckendes r heraus.
Sind die vorstehenden ausführungen richtig, so wären wir,
teilweise wenigstens, zu den anschauungen der älteren ger-
manisten zurückgekehrt, unter ablehnung der complicierten und
unwahrscheinlichen erklärungsversuche jüngerer forscher, und
damit scheiden die r-perfecta aus der reihe ursprünglich redu-
plicierter perfecta aus.
B. Der hochstuf entypus im nordischen und
althochdeutschen.
Während die gotischen reduplicierten perfecta keine ab-
stuf ung zwischen Singular und plural aufweisen, sind im nor-
disch-westgermanischen noch vereinzelte fälle von tiefstufigen
pluralen bei langvocalischen wurzeln erhalten. Wir haben
dieselben schon oben s. 469 f. betrachtet; hier erübrigt uns noch,
die zu diesen tiefstufigen pluralen vorliegenden hochstufigen,
reduplicationslosen singulare aufzuzählen. Hoffmann, F. s. 57
erkennt 'delmstufige, geschleift betonte praeterita' an, wie
auch Janko, IF. 20, 262 'dehnstufige formen' ansetzt. Letzterer
vergleicht die dehnstufigen s-aoristformen des altindischen und
griechischen, die nach Brugmann, Kurze vgl. gramm. § 703,
s. 538 bei den leichten basen im ind. sing. act. dehnstufe, im
plural Schwundstufe aufwiesen: ai. sing. aor. act. dräut- s- am
zur wzl. rudh- 'hemmen', dväM-am = lat, vexi, aksl. ves^ zur
wzl. jiegh- 'fahren'; gr. eösi^a = lat. dtxl zur wzl. delk- 'Aveisen'.
') Vgl. hauioan, perf. hiu (oberdeutsch) und hio (fränkisch) s. Braune,
Ahd. gramm.'^ § 354, anm. 2, s. 250.
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 493
Die scliwnndstufe liegi noch vor in gr. löav neben analogisclieni
(lelinstuligcn //ö«j' aus "^'/jiöav zur wz!. vcidh- 'wissen'.
1 )ie in den germanisclien mundarten vorliegenden beispiele
verlangen nun nicht unbedingt dehnstufe der wurzel; bei fast
allen kommen wir mit der normalhochstufe aus. Ks liegt des-
halb kein grund vor. mit Janko a.a.O. s. 263 neben dem vom
l)raesens nur durch die reduplication unterschiedenen pcrfect
ein durch (T-färbung (sicl) ausgezeichnetes dehn- und ein
schwundstufiges praeteritum anzusetzen. Das fehlen der
reduplication im perfect haben wir oben s. 461 fl". schon für das
indogerm. erwiesen, und zur ansetzung von grundformen wie
*(//c)/<o//a oder ""höita zu einer wzl. hait- sind wir durch nichts
berechtigt. Prüfen wir nunmehr die einzelnen beispiele.
Aisl. heit "hiess' zu heita stellt sich neben ahd. ca-lieis
(Gh. 3; s. Singer. Beitr. 11,294); dem aisl. leit, plur. litom ver-
gleicht sich aschwed. let, plur. litii und ahd. fur-leis (Fuldaer
beichte z. 11 in MSD^, 73, 241 f. im text A aus Göttingen; die
texte B in Fulda und C in Rom haben h) und ftr-leizssi (Isidor
25, a, 23).^). Es geht wol nicht an, in ahd. ei mit Braune,
Ahd. gramm.2 § 36, anm. 3 nur eine ältere Schreibung von ie
zu sehen, obwol sich in derselben Fuldaer beichte, aus der
die e/-form stammt und in demselben text A z. 16 auch gilüezi
ebenso wie in den beiden anderen texten findet, weil das aisl.
lieit eine stütze für ahd. -heiz abgibt. Germ, "^haita nun mit
'imperfectischer' wurzelstufe hat sich ursprünglich vom praes.
*haitö genügend unterschieden, um als charakteristische form
der Vergangenheit empfunden zu w^erden; in historischer zeit
aber, als die endung a geschwunden war, fiel es mit dem im-
perativ des praesens, einer vielgebrauchten form, zusammen.
So erklärt es sich, dass ein ersatz für das perfect '^hait ge-
schaffen werden musste. Doch darüber später.
Schwieriger zu erklären ist das germ. perfect Haita, neben
dem sich ""Ic-ta (aisl. Ut, ae. let, as. IH, ahd. liaz), Vita (aisl.
tit, aschwed. lit) und Höta (got. lailöt, aschwed. lot) . finden.
Die tiefstufe Helitnw des plurals liegt in aisl. litom, aschwed.
litu mit abfall der reduplication und in ae. leort, leortom (s.
oben s. 487) vor. Das perfect Vaita (aisl. leit, aschwed. ht,
') Vgl. Persson, Bezz. Beitr. 19, 280.
32*
494 FEIST
alid. -Icis) als naclibilduiig eines ""Itaita aufzufassen, wie Janko
s. 283 und passim es tut, halte ich für unannehmbar. Die ety-
mologie von germ. letan ist nicht ganz feststehend; einerseits
vergleicht man lit. Uidiu, h'idmi 'lasse', lanUnti 'laufen lassen',
ludaidas 'lose', was uns zur annähme einer schweren ein-
silbigen Wurzel Ickl- berechtigt (Hirt, Idg. abl. s.3G); ander-
seits zieht man lat, lassus aus Had-tos heran, was neben got.
lats, air. lese, gr. Xrjöitvxojtiäv, x£7(i/7]xtvai (Hesycli) i), alb.
ro&- 'ich mache müde', alb. geg. I'q,, tosk. l's (aus 'Hddnö) 'lasse'
eine wzl. led- und den e—ö — a-ablaut voraussetzt. Alle
Schwierigkeiten, auch die verschiedenen perfecta des ger-
manischen, erklären sich am besten durch die annähme zweier
basen leid (ablaut ei, e-, ai = idg. di, t) und led- (ablaut e—
ö — e — 9), die sich im germanischen kreuzten. Das gotische
kennt nur die basis led- {letan : lailöt : lats); das nordisch-
westgermanische hat daneben die basis lehl- bewahrt, aber
sie auf das perfect beschränkt: germ. *lait{a) ist idg. *le]i-da
(oder *ldida)\ *le-t(a) ist aus iäg.*le{i)d-tJia entsprungen; *lU{a)
und Hitum entsprechen der reductions- bez. Schwundstufe idg.
leid, lul-,l)d-. Natürlich wäre es vergebliche mühe, heute
noch ermitteln zu wollen, unter welchen bedingungen jede
einzelne form entstanden ist; es muss uns genügen, die ver-
schiedenen typen lautgesetzlich zu rechtfertigen (vgl. die ta-
belle bei Hirt, Idg. abl. s. 33).
Auch für haitan ist eine ähnliche erklärung möglich wie
für letan. Es gibt nur eine etymologie von haitan, die einige
Wahrscheinlichkeit hat, nämlich von Brugmann, IF. G, 89 f. Er
verbindet es mit lat. ac-cio, ac-ct-re, ct-tare und weiterhin mit
gr. 'Air im, xlrvfiai 'bewege, bewege mich'. HolTmann, r.
s. 40 f. erkennt nur den vergleich mit lat. accio u.s.w. an.
Ich halte auch diesen für zu weit hergeholt. Nehmen wir
haitan als tiefstufe ^koid- einer wzl. iTiid- an, so könnte das
perfect '''haita die fortsetzung der reductionsstufe *kanl- sein
(s. Hirt a. a. 0.). Eine etymologische anknüpf ung lässt sich an
gr, x/jöco 'betrübe', xtjdog (dor. xädog) 'sorge', xtxadch' 'be-
trübt' gewinnen; die idg. basis laid-, Jcäd- hätte die bedeutung
'schelten' gehabt, aus der sich einerseits die bedeutung 'be-
trüben', andererseits 'rufen, heissen' entwickelte.
1) Sütterlin, IF. 6, 9Ü f.
DIE REDUPLTCIERENDEN VERBA. '195
Ich will diese erklärimg aber nur als eine mügliclikeit
liiustellen, wie ich überhaupt auf die mügliclikeit hinweisen
will, dass in den praesentien der sog. reduplicierenden Zeit-
wörter oft tiefstufige praesentia (vgl. Brugmann. Kurze vgl.
gramm. § 655 ff., s. 509 ff.) langvocalischer wurzeln vorliegen
]uögen. an die zuweilen 'formantien' antraten, wie sie z. b.
Hruginann bei der oben angeführten etymologie von haltan
annimmt. Dann wäre auch das perfect ursprünglich nicht
ablautlos gewesen, wie es jetzt den anschein hat. Nehmen
wir als beispiel fcihan aus ^fanJian, dem nach Hirt, Idg. abl.
s. 31 eine idg. basis j)«Ä- zu gründe liegt. Wie lat. pango
ist auch germ. ""fanlia ein tiefstufiges praesens mit nasalinfix
(Brugmann a.a.O. §671, s. 515) idg. *pd)ifcö, mit secundärer
wurzelbetunung (im gotischen in allen zelten, in den anderen
germ. dialekten noch mit sog. grammatischem Wechsel im
perfect und part. perf.). Die scliwundstufe liegt auch vor in
got. fagrs aus idg. jjaArd^ (Brugmann a.a.O. s. 141). Das per-
fect aber hat im sing, die reductionsstufe d nicht besessen; das
idg. paradigma des verbums hat also gelautet: praesens "^p.mhü,
perfect pepahlm. Da reductions- und Schwundstufe im ger-
manischen a zusammenfallen, so war der unterschied im
tempusvocal verwischt, wie das gotische zeigt.
Ausser -Tieiz und -leiz finden sich vereinzelt im ahd. noch
einige e?-perfecta, die Singer, Beitr. 11, 294 aufzählt. Es sind
us-sceit Sb zu sJceidan, hi-heiU und int-plicing im text B der
Fuldaer beichte (MSD^ s. 241 f.), pi-lieialt K zu haltan bez.
fähan; endlich untar-feiUe Eb zu fallan und reüim (0 4,28, 9 P)
zu rätan. Von allen diesen fasse ich nur -sceit als organische
form auf, dem Janko s. 270 ein erschlossenes ws. *scdd (?),
palatalisiert scead vergleicht.') Aber auch die übrigen bei-
spiele nur als graphische Varianten der regulären /e- perfecta
aufzufassen, geht nicht an, da sich auch im nordischen c/-formen
finden. Im aisl. findet sich heilt (neben hclf) für helt (Noreen,
Altisl. gramm.3 § 494, anm. 1, s. 301); reij) für rrp, greit neben
grä (ibid. § 495, anm. 1, s. 302). Entsprechende formen sind
aschwed. Icl-, rcp und gret (Noreen, Altschwed. gramm. § 511,
s. 448). Ja, es findet sich sogar aisl. gcingu zu gangn (Noreen,
') Sievers, Ags. gramm.^ § 76, 2, s. 35.
496 FEIST
Altisl. gramm.'' § 98, s. 81), das auch im altsäclisisclieii -gcing
(Ess. giüss.) auftritt.
Alle diese fälle sprechen für die annähme, dass im nordisch-
westg-ermanischen einmal ein nicht zur entfaltung gelangter
ei-typus sich auszubilden begann, der dem siegreichen c^-typus
allerdings frühzeitig unterlag- und nur einzelne spuren seines
daseins hinterliess. Der ursi)rung dieses eZ-tj^pus ist natürlich
in lautgesetzlichen perfectformen wie '''hau, Hait, '"'''sJcaid u. älml.
zu suchen.
Als Vertreter dieses ^i-tj'pus sehe ich auch das aisl. per-
fect siieip, plur. suipom zu sueiixi 'fegen, "wickeln' an, das aber
hauptsächlich schwach flectiert wird. Also auch hier ist die
ci-iorm in den hintergrund gedrängt worden.
Hochstuf envocalismus zeigen auch folgende perfecta: run-
schwed. ha{u)h = aschwed. liogg zu runschwed. ha{u)liua =
aschwed. hogg(u)a 'hauen'; aschwed. valt zu valda, fal zu falla
(vgl. Noreeu, Aschw. gramm. § 542, s. 445 und § 543,2, s. 447
und anm. 7, s. 448). Ferner ae. gans zu sangan und die reihe
c'ö-perfecta, die sich in der liste s. 456 findet, i)
Nicht unerwähnt bleibe eine ansieht, die das e^'-perfect
(aisl. leit, lieit, siicip u.s.w.) aus analogieschöpfung- nach den
tief stufigen pluralen litom, Viitoni,, suiponi unter anlehnung- an
die Z-klasse {gripa u.s.w.) entstehen lässt; also griponi : greip
= litom : leit (vgl. Loewe, Kuhns Zs. 40, 325 f.). Diese auf-
fassung lehnen wir nach obigen ausführungen natürlich ab;
wol aber bewirkte der tiefstufige plural die entstehung seltener
singularformen mit pluralvocal, wie aschwed. lup, auch lop,
lopp, mschwed. ful, aschwed. fkil, iiUe (zu valda), aschwed. hiog,
mschwed. hug u. a., die bei Noreen, Altschwed. gramm. § 541 ff.,
s. 444 ff. und Altisl. gramm.^ § 493 ff., s. 300 ff. aufgezählt sind.
C. Der e2-typus des perfects.
Im vorhergehenden haben wir gesehen, dass der aus idg.
zeit übernommene, im gotischen noch productive reduplicatious-
typus in den nordisch -westgermanischen mundarten erstarrt
ist und ausstirbt; wir haben ferner gesehen, dass der wurzel-
') Vgl. dazu Hoffmauii, F. s. 55 f., wo auch as. griot zu as. (jriolan =
ae. ^inotan gestellt und hierher gezogen wird.
DIE REDUPLICIEUENDEN VERBA. 497
yocaltypus im perfect sich wef>:eii der <;-Ieichlieil des .stuiinu-
vocals im praesens und perfect und der dadurcli bewirkten
<>-erino-en Unterscheidung dieser heiden Zeiten — allein durch
die endungen, und auch da nur zum teil, da in nianclien mund-
arten die endungen einzelner personen des praesens und per-
fecls zusammenfielen, wie im nord. heider l.plur. — ebenfalls
nicht zu erhalten vermag; endlich fanden wir im nordischen
und althochdeutschen ausätze zur entwickelung eines e/-typus,
herrührend von idg. ei- und ^TZ-basen, der aber nicht zur aus-
bildung gelaugte.
Productiv ist in allen deutschen mundarten dagegen der
ß2-typus geworden; er ist auch — mit alleiniger ausnähme
des altenglischen — der ausgebreitetste in historischer zeit.
Die älteren und auch neuere versuchCj ihn zu erklären, gehen
aus von einem intervocalischen consonantenschwund. Das ur-
germ. perfect ''lichait z. b. sollte nach diesei- ansieht über ■^hchct,
""hevt (mit au^fall des intervocalischen h) zu hct contrahiert
werden. Diese erklärung stimmt für das altnordische, avo in-
lautendes h (ausser zwischen kurzem vocal und s und vocal
und /) schwindet: aisl. sid = got. saihvan, auch für das alt-
englische: seou = got. saihvan. Dagegen bleibt im althoch-
und -niederdeutschen inlautendes h erhalten: sehan, w'enn es
auch zum schwachen hauclilaut geworden ist. Da Avir schon
oben ausgeführt haben, dass eine erscheinung, die gleich-
massig in den westgerm.-nordischen mundarten auftritt, auch
eine einheitliche erklärung verlangt, so können wir mit dem
Schwund des intervocalischen h in den nordisch-angelsächsischen
mundarten nichts anfangen. Zudem setzten wir s. 483 die ent-
stehung des nordisch-v/estgermanischen v-- bez. eo-tj'pus zwischen
200 — 400 an, und zu dieser zeit ist das intervocalische h auch
im altenglischen noch erhalten, wie die Epinaler glossen aus
dem anfang des 8. jh.'s beweisen, die es noch besitzen: thohac
= WS. ctö, ivUlmm = v^s. tvld{ii)m u.s.av. (Sievers, Ags. gramm.^'
§ 218, 2, anm. 3). Ebenso zeigen nord. runeninschriften aus der
älteren zeit noch das intervocalische h, so der stein von Einang '
aus dem 4. jh., dessen inschrift lautet: Bajan pan runo faihuto
= aisl. Dagr Jjcer rünar (für lautgesetzliches ■^•nhia) fäj)a
(lautgesetzlich ^ce/*« zu fd 'malen' = urgerm. 'fai/ijan zu
got. faihs 'bunt'). Wenn wir also an einer einheitlichen er-
498 FEIST
klänuig des nordisch -westgermanisclien (---typus festhalten,
können wir an. ae. het auch nicht mittels Schwund des inter-
vocalischen h aus Vielict ableiten.
Ebensowenig' können wir das von Loewe a.a.O. s. 319 ge-
gebene gesetz annehmen: 'folgt auf eine aus consonant + c
bestehende haupttonige anfangssilbe derselbe consonant +
vocal, so schwindet der consonant an zweiter stelle', also
z. b. Man, perfect Hclet, Heet, let. Wir haben bereits s. 4G2
gezeigt, dass dieses angebliche gesetz für das germanische
nicht haltbar ist, v>'as auch Loewe indirect durch die Zu-
lassung zahlreicher ausnahmen zugeben muss (aisl. scra aus
*sesö, rera, ae. dide u.s.w.); es ist natürlich für das germanische
gänzlich irrelevant, dass ein solches dissimilationsgesetz für das
keltische aufgestellt worden ist.
Ottmann, Die redupl. praeterita in den germ. sprachen,
1890, steht auf dem gleichen ablehnenden Standpunkt gegen-
über der ausstossung innerer consonanten; aber um die ent-
stehuug des c^.typus zu erklären, greift er zu einem in der
germ. lautlehre ganz vereinzelt dastehenden fall, dem neben-
einander von got. mizdo, ae. mcord und ae. med, as. rncda,
miedet, ahd. miata, mieten 'miete, lohn'. Germ, mizdö geht auf
idg. ""'mizdliä zurück: ai. mldJid, abulg. mkda, gr. fiioD-üg; wie
das germ. '^nicdö zu erklären ist, untersucht Ottmann weiter
nicht. Er nimmt einfach in allen perfecten, die r vor stamm-
auslautendem consonant aufweisen, ausfall des r und ersatz-
dehnung an: ae. *rerd > 'hrd, "^leri > Het] auch iu Osthoffs
reduplicationstypen slces-, spes-, stes-, also: '''sJcerld (zu sJcaldan)
> '^slxeld, -"sperlt (zu speiltein) > *speU u.s.w. Es liegt auf
der band, dass diese erklärung noch unhaltbarer ist wie die
oben abgelehnte durch den ausfall innerer consonanz, da sie
sich nur auf ein vereinzeltes beispiel stützt, das zudem in keiner
beziehung zu den in frage kommenden verben steht.
Einen weiteren erklärungsversuch macht Zarncke, Beitr.
15,352. Er leitet den c^.typus ab von einem lautgesetzlich
entstandenen '^ek zu aiJcan (^^eaiJc, -"ceJc, '"eh), '^clp zu ^cdjxiii
(*ealj) < ■^clj)) und *]iet zu haüan. Das letzte beispiel haben
wir oben abgelehnt; got. tis-al^ems hat kein belegtes perfect
(es hätte aber vermutlich *«/«//> gelautet) und im aisl. kommt
auch nur das part. perf. eddcnn vor. *ÄlJjan war demnach im
DIE REDUrLTCIEKENDEN VEUHA. 109
germanisclien avoI ein imvollständig-es zeilwort, das wir iiiclit
in einem erschlossenen perfect ''elji als mnster für neubildiingen
gebrauchen dürfen. Es bleibt also nur got. -aiail- als sicheres
beispiel, von dem aber nur feststellt, dass es auch im alt-
liochd. vorkam (ahd. cihJiau); das aisl. eihcnn 'rasend' gehiat
der bedeutung wegen kaum dazu.') T^ebrigens luätte Zariicke
noch germ. *mr zu arjan (ahd. iar) hinzufügen können.
Holz, Urgerm. geschl. c s. 3G will den c^-t^^pus aus diesem
westgerm. *<r und *c//) ableiten, indem er die gleichungen
aufstellt: *ärö (hochstufiges praesens zur wzl. ar-) : ^cra =
Hätü : Heta und ■'allw : "^clpa ^= "^haldö : */((7t?rt (diese grund-
form ist nicht über allen zweifei, vielleicht ist schon urgerm.
*/;(7(?(.- anzusetzen, s. weiter unten). Seine aufstelluugen haben
anklang gefunden bei Bethge in Dieters Laut- und formenlehre
s. 361; s. dagegen Loewe a.a.o. s. 317.
In ein neues Stadium tritt die erklärung des t^^.fyp^ii;; ^lit
Brugmanns aufsatz IF. 6, 89 ff. Dieser forscher und gleich-
zeitig mit ihm AVood, Germanic Studies 2, 27 ff. trennen die
nord.-westgerm. c- -perfecta (und co-perfecta) ihrem Ursprünge
nach ganz von den reduplicierten formen got. haiJtait und aiaiih
und sehen darin urgerm. reduplicationslose perfecta "^hcifa und
*sfcNta (nord.-westgerm. '''hct und ^steot), die sich zum praesens
hüta und sfauia verhalten sollen wie got. teJcan zu aisl. tal-a.
Natürlich kann alsdann das c^-perfect der ci- stamme nur
durch Übertragung von den «/-wurzeln herrühren (a.a.O.
s. 94 f.). 2)
Gegen die theorie Brugmanns und Woods wante sich
Hoff mann, /'. s. 33 ff. Zunächst zeigt er, dass der lang-
diphthong ca nur unsichere und spärliche belege aufzuweisen
hat (ahd. (jiumo aus "^yheumö neben ahd. goumo und guomo =
aisl. gömr oder ahd. stiuri aus ■■sfenn-?). Dagegen ist i'i gut
beglaubigt (vgl. Jellineck, Beitr. 15, 297 ff. und Sievers, ibid.
18, 409 ff.). Aber die entwickelung dieses cj in den einzel-
') Vgl. zur etyinologie von aikan: Osthoff, Beitr. 13, 395 f. und 14, 319 f.;
Kugel, ibid. 16,512; Uhleiibeck, ibid. 30, 253; Hoffuiaun T. s. 39.
2) Die doppelte eut\Yickhuig des ci zu kUaii im praesens und Ic-t im
perfect erklärt Brugmaiiu aus einer verschiedeuheit der 8ill)eiigreiize: idg.
*leido wird ""Isdo {ci steht in ulfener silbe); ^Irhltha (2. sing, perf.) behiilt
das ei in geschlossener silbe (Thundrlss 1'-. 203).
500 FEIST
sprachen ist nicht die von Brugmann angenommene; das gegen-
teil ist der fall: in geschlossener silbe fällt der zweite com-
ponent aus (ai. ras, räm = lat. res, "^rem > rem, stamm ra,
vgl. ai. plur. räy-as), dagegen gr. (ptQrji mit auslautendem lang-
diphthong. Wenn wir das nebeneinander von germ. leH- und
leH- erklären wollten, so könne das nur durch eine verschie-
dene idg-. betonungsweise geschehen; leH- sei gestossen, leH-
geschleift betont gewesen. Um nun die ei- (bez. m-) diphthonge
auch bei den ai- (und au-) stammen nachweisen zu können,
versucht Hoffmanu alle ai- (und au-) verben in die e/o- reihe
zu bringen, wogegen wir uns schon oben s. 478 f. erklärt haben.
Die perfectformen Heiice (zu lailcan) und *steute (zu stautan)
sollten mit verlust des auslautenden vocals zu geschleift be-
tonten üik und Stent w^erden, aus denen westgerm.-nord. ''"leVc
und *steut erwuchsen. Die verba mit dem praesensvocal a
werden ebenfalls für die c/o-reihe reclamiert (s. oben s. 475 f.),
und das e— perfect hier durch dehnstufiges, unter dem schleif ton
als e erhalten gebliebenes idg. e (praesens gangan, perfect
*'geiig) erklärt.
Auf einem ganz entgegengesetzten Standpunkt steht Loewe,
Kuhns Zs. 40, 266 ff. Er kehrt zu der alten contractionstheorie
zurück, sucht aber den ausfall des stammanlautenden conso-
nanten durch sog. 'haplologie' zu erkläran. AVir haben den
versuch bereits s. 459 ff. als verfehlt bezeichnet.
Als letzter in der reihe ist Janko zu erwähnen, der in den
IF. 20, 229 ff. das wort ergreift. Nachdem er zuerst über das
germ. e'^ gehandelt hat (s. darüber w^eiter unten), wendet er
sich s. 252 ff. zu den sog. reduplicierenden Zeitwörtern des
germanischen. Er setzt neben den reduplicierten perfecten
{goi. hailiald, aisl. 5em, Sie. hellt u.s.w.) reduplicatiouslose hoch-
stufige aoristformen an: '^heita, *limta und ViU'iqxi, Hüöupa,
aus denen sich der e- j^ez. eo-typus entwickelt habe. Bei
den verben mit dem stamm vocal c' (got. letan) lässt er das c-
des perfects in nebentoniger stelle {;H6lct) erhalten geblieben
und von da in die tonstelle eingerückt sein. Bei den verben
der a-klasse (lialdan) wird widerum ein dehnstufiges perfect
*helda angesetzt, das zu '^'licld verkürzt wurde; vor nasal +
consonant gieng dies e in i über (*/?»6 zu fausan); daneben
wird ein "^liolda angesetzt, das sich zu Vialda verkürzte. Das
DIE REDUrLICIERENDEN VERBA. 501
perfect-cc) der verben mit o als stammvocal will -lanko eben-
falls lautg-esetzlich erklären (s. 290); es ist ihm dies nur auf
sehr g-ezwung-ene weise möglich (urgerm. *hivchivop, *hive/iicÖp,
*hw(j{h)n-tq), "^hwcup mit schwinden des intervocalisclicn ic wie
in "^neivim = got. niun).
Jankos theorie beruht auf den von ihm bedingungslos
anerkannten (s. 262) darlegnngen Hoffmanns, wonach die verba
mit a, ai, au im praesens für die e/o-reihe reclamiert werden.
Da wir oben die haltlosigkeit dieser behanptung bewiesen
haben, so fallen auch Jankos erklärungs versuche des c-- und
(?ü-typus in sich zusammen.
Die frag-e nach der entstehung des c'-typus hängt eng
zusammen mit der frage nach der herknnft des germ. c- über-
haupt, wie schon Holthausen in Kuhns Zs. 27, 618 f. richtig
erkannt hat. Die meisten forscher sind jetzt einig darin,
dass c- aus dem idg. langdiphthongen 0 abzuleiten ist und
geschlossen ausgesprochen wurde (Jellineck, Beitr. 15, 208 ff.;
Sievers, ibid. 16, 238 ff. und 18, 403; Brugmann, IV. 6, 89 f.;
Franck, Zs. fda. 40, 51 ff. u.a.m.). Zuletzt hat über e- aus-
führlich gehandelt Janko, IF. 20, 229 ff., wo auch die ein-
schlägige literatur in grosser Vollständigkeit verzeichnet ist.
Germ, c- liegt vor in got. aisl. ae. ahd. her iiier'; got.
alid. fera 'seite'; got. mcs, ahd. niias 'tisch"; got. KrcJcs 'Grieche',
ahd. Chrcchi] ahd. nicfa, as. 7)icda, ae. med 'miete'; ahd. ^eri
'schön'; ahd. Jceii, ae. cen 'kien'; ahd. sMri 'schnell'; ahd. Wclaiif,
ae. Wcland '\Vieland' u.a., auch in vielen meist aus dem la-
teinischen stammenden fremdwörtern (s. Streitberg, Ui'germ.
gramm. § 79; Braune, Got.gramm.s § 8, s.6; Braune, Ahd. gramm.-
§ 36, s. 24; Sievers, Ags. gramm.s § 58, s. 28).
Dass germ. e- in engem Zusammenhang mit einem ci - di-
phihong steht, ergibt sich schon aus den germ. mundarten.
So hat ahd. mcta eine nebenform meida, afr. mcde steht neben
niide, meide-, ahd. stiaga wechselt mit sü(ja\ got. iveis, ahd.
wir entspricht aisl. vcr\ ahd. seari gehört zu aisl. Ürr, ae. as.
tir 'rühm'; neben ahd. tviara 'goldschmuck' steht aisl. virr,
ae. vir dass.; mlid. iciegc gehört zu ivcigoi 'schwanken'; got.
her steht im ablautsverhältnis zu hi-mma, hi-na, hi-fa, hi-dro
und neben ahd. her steht hir (bei TatianOl. 2, vgl. Sievers,
Beitr. 16, 246) und hir; ahd, skeri 'scharfsinnig, helle' gehört
502 FEIST
zu got. sJceirs, an. sJcirr, ae. as. slir 'klar, hell'; ae. cc'n, ahd.
Jcin stellt sicli zu ae. einem 'sich spalten' u.a.m.
Aber auch die etymologien der germ. Wörter mit c - weisen
auf idg. f/-diplithong. Nehmen wir die sicheren Beispiele zu-
erst: ahd. sJicii, got. sl-cirs, an. sMrr, ae. as. sJdr neben got.
slceinan, aisl. sMna, ae. as. slclnan gehören zu einer idg. wzl.
{s)kha-, die in ai. cliäi/ä 'glänz', gr. oxid 'schatten' vorliegt.
Ahd. zeri, siuri neben an. tirr, ae, as. tir ist eine r-erweiterung
einer idg. basis da-, die sich in av. dui&ra 'äuge', daema 'ge-
siebt', ai. siiditis 'schönen glänz habend' widerfindet; der
demonstrativstamm germ. hi- (her, Im-, hi-üi) steckt in lat. eis,
ei-tra, gr. ov-xi, alb. si-viet 'heuer', lit. szis, abulg. Sh 'dieser';
die idg. basis ist also l-cl-. ') Andere etymologien sind unsicher.
So Avenn Uhlenbeck, Beitr. 30, 275 got. fera, ahd. fiara aus idg.
{s)phei-rä zur basis (s)phci- 'sich ausdehnen' stellt: lat. sjjes,
abulg. S2)eti 'erfolg haben', lit. s^ieju, speti 'müsse haben', ai.
sphirds 'reichlich, gross' (vgl. auch Hirt, Idg. abl. s. 30).
Schwierigkeiten macht die erklärung von germ. ^incdo
(ahd. meta, as. meda, ae. med\ *nieidö (ahd. meida, afr. meide)
und *;;«>t?ö (got. mizdo, ae. meord). Nur der stamm *mizdo-
findet sich in anderen idg. sprachen: abulg. mhzda, gr. fuo&6g,
ai. midlidm (aus *niizdhdm, Brugmann, Kurze vgl. gramm. § 278,
s. 196), av. mizda. Eine Vermittlung ist nur denkbar, wenn
wir neben der idg. basis *mizdlio- eine zweite basis "^meidho-
ansetzen; diese beiden basen fasse ich als erweiterungen mit
dem gleichen Avurzeldeterminativ dli von zwei idg. wurzeln, die
'messen' bedeuten, auf: mizdho- zur wzl. med- (gr. ^töoj, lat.
meditari, air. midim, got. miian)-) und meklJio- zur wzl. mei-
(in ai. rndfrCi, lat. metior, abulg. mcra, ahd. mdz, s. Hirt, Idg.
abl. s. 30). Diese beiden wurzeln med- und mei- haben sich schon
im idg. gekreuzt, und so wurde die tiefstufe ini- (ai. mitds) der
letzteren auf jene und umgekehrt die wurzelstufe med- der
ersteren auf diese übertragen (gr. i/bTQoi'). Aus idg. "^niezdho-
entstand durch diese beeinflussung "^mizdho-, das wie %ie{i)dJw-
die bedeutung 'die zumessung' gehabt hat. Die seltenere form
') Ahd. stiecja neben stitja gehört zu germ. stajan, idg. wzl. steifjh,
gr. oTfi'/u) etc., bei der die ?i-stufe nicht belegt ist.
'■') Ueber den idg. lautwaudel *mcd-(lho- über *medHlho- zu *mezd/io-
Tgl. Brugmann, Kurze vgl. gramm. § 261, 4, s. 179.
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 503
alid. afries. meida, meide g-eht auf idg-. '■nnidlo zurück oder
ist wahrsclieinlicher ursprünglich ein endbetonter casus des
hochstufigen nic{f)dhö.
:\Iit dem im vorstellenden untersuchten germ. e- (ahd. c(i,
ia, ie) aus idg. ei, & ist das c"^ des sog. c-typus der redupli-
cierenden zeit^Yürter identisch und macht die gleidie weitere
ent Wickelung mit jenem durch. Ehe w'w aber zu dessen be-
trachtung übergehen können, müssen wir nocli einen blick
werfen auf das auch im gotischen im perfect auftretende <•,
wofür allerdings nur ein ])eleg vorhanden ist: slcpan : saislrp
{saizUp), da die übrigen verba mit c im praesens den ablaut-
"S'ocal ö im perfect haben (letan : laiJöt, (jrclan : gaiyröl, -rcdun
: -rairöj), iclcan : taitüli). Nach dem Verhältnis von ae. sJd^pan
: sli'p, ahd. slufan : sliaf wurde nun auch für das gotische
ein unterschied zwischen den beiden e des praesens und des
perfects statuiert, indem mau got. saislcp und ae. sUp, ahd.
sliaf einfach gleichsetzte. Dem gegenüber ist zunächst zu
betonen, dass sich aus den gotischen handschriften kein unter-
schied zwischen den beiden e herausfinden lässt, da sie beide
gleiclimässig mit ei wechseln, wie das got. e überhaupt, was
auf eine geschlossene ausspräche bei beiden hinweist (perfect
anasaisleip Luc. 8, 23, allerdings mit nachträglich wegradiertem
i, was aber auch z. b. in manuseidai Luc. 9, 13 geschah), h^ine
gleichsetzung des got. perfects suislep und des westgerni, shp
ist aber weder nötig noch überhaupt wahrscheinlich. Der
nordisch-westgerm. (;2.t,ypus hat weder mit der reduplication,
noch mit dem praesentischen e' irgend welchen Zusammen-
hang. Er ist erwachsen auf dem boden der idg. eV-basen,
die sicher mehr germanischen verben zu gründe liegen, als
wir jetzt noch nachweisen können. Wir haben schon oben
eine idg. wzl. lud- behandelt und daneben eine idg. wzl. Uid-
wahrscheinlich zu machen gesucht (s. s. 494). Die hochslufe im
Singular des perfects musste germ. UH ergeben, die tiefstufe
im plural luit- oder llt- (aus idg. hid- bez. leid-) lauten (vgl.
Hirt, Idg. abl. s. 33). Schon in idg. zeit standen heben den
Q-wurzeln vielfach c^- wurzeln, die entweder selbständigen Ur-
sprungs gewesen oder aus jenen durch auslall des / unter
gewissen noch näher zu erforschenden bedingungen (vgl. Hrug-
mann, Grundr. 1-, 20G; Streitberg, Urgerm. gramm., nachtrage
504 FEIST
s. 371 f.; Hoffmann, F. s. 35; Bezzenberger, ibid. s. 163 und s. 169,
anni. 2) sich secimdär entwickelten und in den einzelspraclien
zu selbständigem dasein gelangten. So hängt got. redan, ai-
rudhyatc, abulg. raditi wol mit ai. ras, lat. res (basis ra- im
äi. plural rdyas) zusammen; bei dieser etjmiologie würde auch
das ahd. reitim bei Otfrid eine gute erklärung finden. Die
A'erba got. saian und tvaian gehen mit ziemlicher Sicherheit
auf ^/-wurzeln zurück (s. Hirt, Idg. abl., no. 52, anm., s. 30 und
no. 383, s. 101 f.), wenn wir formen wie abulg. svja, lit. seju
und 2kh\\\g.vcja,\\i.vejas, ai. väyüs 'wind' heranziehen'); daher
ist auch hier ein e^.perfect et,ymologisch berechtigt, das die
ndd. perfecta as. odar-se-u (Hei. 2545 C), mnl. sie-u und tvie-ii
in der tat aufweisen. 2) Bei ihnen wurde aus dem praesens (van
Helfen, Beitr. 20, 524) die endung der ersten person -u (as. säjii)
angefügt; oder vielleiclit ist ein einmal vorhandener verbal-
stamm mit dem wurzeldeterminativ iv (ae. sdivan, ivdivanY)
anzunehmen. Nicht unmijglich ist auch, dass -u aus dem per-
fect as. gi-Jieu, mndl. hieu herstammt, w^o es wairzelhaft ist (ahd.
as. hauivan, ae. lieawan, vgl. abulg. Icovci., lit. Muju 'schmiede,
schlage'). Ueberhaupt war im niederdeutschen die perfect-
endung -{i)eu productiv, vgl. grieu zu groeien und crieu zu
craien (Kögel, Beitr. 16, 501 f. und Franck, Mndl. gramm. s. 154).
Es ist nicht zu beanstanden, dass wir bei den verben
redan, saian, waian u. a. mit sog. wurzeldeterminativen ope-
rieren. Ein solches liegt z. b. sicher vor in got. Ucsan, aisl.
Udsa, ahd. hJäsan neben ahd. hJäen^)\ ae. hldivan hat an stelle
des 5 ein iv als Wurzelerweiterung. Als idg. wurzel ist daher
'■'^bhlc- anzusetzen, die mit ^hhlä- in lat. fläre in einem noch
unaufgeklärten Zusammenhang stehen muss. Vielleicht ist
eine gemeinsame w^zl. hhel- anzunehmen, die dem ahd. as. ae.
helgan 'aufschwellen' ebenfalls zu gründe liegt. Wir können
bis jetzt noch wenig sicheres über die Wurzelerweiterungen
sagen ; man vgl. z. b. Brugmanns ansieht in Kurze vgl. gramm.
§367, s. 296f. Es ist nicht ausgeschlossen, dass an die wzl.
^) Vgl. auch ahd. as. säjan, ahd. tvujan, afries. tmja.
2) Kein erhalten im afries. perf. opt. xve zu *wia, s. Siebs, Pauls Gruud-
riss 12,1321.
^) Vgl. lat. perf. se-v-i.
") Aostfries. *hlia — perfect hie, Siebs in Pauls Grundriss 1^, 1321.
DIE REDUPLICIERENDEN VERHA. 505
Ihel- neben e nnd ä auch ein determinativ n antrat, so dass
wir auch hle(s)an zu den (j/-basen rechnen könnten.
Denn das nebeneinanderbestehen von c- und (■/-basen
ist ausser bei den sog-, redupliciercnden Zeitwörtern auch nocli
sonst im germanischen nachweisbar. So finden Avir nelx'U
g-ewr.hnlicheni ahd. fcili 'feil' ancli fäli (im Voc. St. (-ialli) und
in aisl. fair haben wir die tiefstufe der anzusetzen(hin idg-.
wzl. 2nil-, pcl-, zu der gr. jicoUofjai "verkaufen' im abh\uts-
verhältnis steht (vgl. Hirt, Idgl. abl. s. 36).
Die Verbreitung der ei- und r7/-basen war im indogerma-
nischen wol noch grösser, als wir jetzt nachweisen können;
vgl. die liste bei Hirt. Idg. abl. s. 34 ff., die sich noch im laufe
der zeit wird vervollständigen lassen. Eben deshalb wird es
auch nicht möglich sein, die ausdehnung dieser basen unter
den sog. reduplicierenden verben des germanischen ganz zu
überschauen; es muss daher der nachweis genügen, dass wir
l)ei einer anzahl verben wäe letan, redan, saian, waian die
Zugehörigkeit zu alten c«- basen annehmen müssen und bei
anderen sie Avenigstens vermuten dürfen.
Neben dem e--typus war in allen mundarten auch ein
?-typus vertreten:
Aisl. hleit zu hlanda, feil zu falla, feit zu falda, hell
(selten hell) zu halda. Vor nasal + consonant wurde dieses
r schon urgermanisch zu i, daher aisl. feJcJc (aus */?wÄ-, vgl.
Xoreen, Aisl. gramm.^ § 257, 8, s. 109), plural fmgom zu fd,
gell; plur. ginyom zu ganga und kelcl, pl. Jiengom (c nach dem
sing.) zu hanga. Im altenglischen finden wir Uend zu hlandan,
fcns zu fön, henj zu hon^); im altfriesischen treffen wir aofi\
heng, fnig, geng, ferner hen(ii), plur. hennon, ^fell im opt. fori-
felle- i\\\h\ g{h)eng{h)-, -feng,. aber daneben gili)mg{h), (oiit)-
fingh (vgl. Siebs, Pauls Grundriss V^, s. 1218 f.).
Das altsächsische besitzt fel{l), feng, geng, held, spenn,
gkveld, tvelQ), aber keine «-formen^); das althochdeutsche weist
kenc, Tcengun {gengun), — fenc, fengun — henc in der l'ragmenta
*) Ae. feoU, .seong, heold, steohl (auch weok, weolä, weoU?) setzen
ebenfalls kurzformen mit c voraus, das aber zu co gebrochen ist, vgl. Jauko
a. a. 0. s. 300 f.
2) Die ('-formen überwiegen bedeutend die /e- formen (180 gegen 24,
wovon 20 im anfaug).
506 FEIST
Theodisca und dem Isidor auf; andere beispiele wie j^i-fcl Ra.
oder helt Gl. R. lassen niclit ersehen, ob c oder e vorliegt.
Das mittelniederländisclie zeigt vcl, plur. vellen, helt, plur.
Iielden; indes nur i- formen bei vinc, vinghen, hinc, hmglien,
gliinc, ghinghcn (Franck. Mittelniederl, gramm. § 153).
Seit Sievers, Beitr. 1,504 ff. die ansieht äusserte, dass die
(^-formen bei den wurzeln auf doppelten consonant die ursprüng-
licheren sind, hat sich die forschung stets auf diesen boden
gestellt, aber die g-formen aus ^-perfecten entstehen lassen; so
Franck, Zs. fda. 40, 30 f. und Mittelniederl. gramm. a.a.O.; Loewe,
Kuhns Zs. 40, 327. Janko a. a. o. s. 298 sieht die t -kurzformen
als ältere selbständige bildungen an, worin wir ihm aber nicht
folgen können, da wir seine und Hoffmanns annähme, den
Stämmen mit a + doppelconsonanz lägen durchgehends e- wurzeln
zu gründe, als unbewiesen abgelehnt haben.
Wir nehmen vielmehr folgenden entwickelungsgang an:
Als infolge des Schwindens bez. nichtVorhandenseins der redu-
plication im perfect sich im nordisch-westgermanischen ungefähr
um 300 n. Chr. geburt (s. oben s. 483) das bedürfnis nach einer
schärferen Charakterisierung der zeit der Vergangenheit be-
merkbar machte, da wählte man das in mehreren beispielen
vorliegende e^, das schon frühzeitig von den t/- wurzeln auf
die «/-wurzeln übergegriffen hatte: *leH, *rcd, ^wc"^, *sc-, '*heH
und vielleicht noch andere. Vor doppelconsonanz wurde e-
entweder verkürzt: *]ic-ld wurde also zu held und vergleicht
sich der kürzung von germ. *umida aus idg. *vcntö vgl. ai.
vätas — oder germ. *fersno aus idg. *persnä, vgl. ai. pärsim
(ßrugmann, Vgl. kurze gramm. s. 218) u. a. m.; oder eine andere
möglichkeit ist, dass in -''held von vornherein kurzer vocal vor-
handen ist, der nach der gleichung '''ladü : *le''-da = *haldö
: Viclda eingetreten war. Später tritt in den meisten mund-
arten wider langer vocal ein, so im altfriesischen: aofries,
held, iveld; im altsächsischen: hield (für *held), gieng u.s. w.;
im althochdeutschen: fiang, gianc, Mang, und zwar nach dem
muster der langsilbigen verba. Das mittelniederländische hat
nur selten ie angenommen, meist nur in den grenzdialekten
(Franck, Mndl. gramm. § 153); das altnordische überhaupt
nicht, und das altenglische hat, wie schon gesagt, von vorn-
DIE REDUPLICIERENDEN VERRA. 507
herein hier meist co -perfecta'), wovon nocli später die rede
sein wird.
Ueberblicken wir nunnielir die ausbreit ung- des c-tj^pus
in den einzebien mundarten. Im altnordischen liat er nicht
wesentlich über seine anfänglichen grenzen hinausgegriffen:
aisl. het zu he'da, Ict zu lata, rcp zu rdlia, lies zu hldsa, gret
zu grata und h'Jc zu IciJca; aschwed. hm zu heta, gra-t zu grata,
liBt zu lata, ra'J) zu räjta und hvJc zu tcJia.'-)
Die dem nicht zur entfaltung gelangten tv-typus (s. üben
s. 496) angehörigen aisl. heit = mschwed. hat, aisl. leit =
mschwed. Ict, aisl. reil) = aschwed. rc]), aisl. grcit ^= aschwed.
gret, aisl. heilt und mschwed. IcJc sind bereits besprochen;
ebenso haben wir die nebenformen aisl. agutn. iit, plur. Uto
bezw. Uta, agutn. hlf u. s.w. bereits (oben s. 470) als lautgesetz-
liche tief- bez. schwundstufenformen der ei- und ä/-wurzeln zu
erweisen gesucht.
Das altenglische hat den e'^-typus ebenfalls nicht sehr
ausgedehnt. Von den in allen mundarten vertretenen und
daher wol altertümlichsten formen sind hier belegt: hct zu
Jtdtan, let zu Icefan, red zu rcedan, lec zu Idcan, siej) zu sldepan,
ferner -dred zu ondrcBdan und sced zu scddan.
Das altfriesische weist als zum e^-tj^pus gehörig auf:
afries. het, let, awfries. red, nordfries. slep. Hier bemerken
wir nun zum ersten mal ein weitergreifen des c^-typus, wenn
wir perfecten wie aofries. held und wcld begegnen; ja sogar
in das gebiet des sonstigen co-typus ist e^ eingedrungen im
fries. hlep zu hlöpa 'laufen' (s. auch weiter unten s. 512). Da-
neben finden wir die tiefstuflgen 2-i)erfecta, besonders im
Rüstringer dialekt, zahlreich . vertreten: hit, Iit, Mld, icild
(diese beiden auch awfries.), ferner wg. Up zu löpa und rip
(ein afries. *hrep voraussetzend) zu röpa 'rufen'. Freilich
kann % hier speciell friesische Verengung von e sein (vgl. zu
•) Abgesehen von einigen e- perfecten wie ^en^ Gen. G2C und 834, das
Sievers, Ags. gramm.^ § 396, anm. 1 zwar nicht als echt ags. gelten lassen
will; das schwache perfect ^en^de entstand aher doch wol durch anfügung
von -de an jenes.
-) Aisl. blöta — perf. biet beweist die ausdehnung der r--typus auch
auf die verba mit ö-vocal wie im friesischen Idcp zu tdäpa.
Beiträge jur geschichte der deutschen spräche. XXXU. 33
508 FEIST
allen hier genannten formen Siebs in Pauls Grundriss 1^,
1218 f.). 1)
Das altsäclisisclie hat Mi, Jet, red, sUp, daneben an-ürkJ,
for-hwef, -scetli. Der r-tyi)LLs ist vertreten mit hlenä, (eng, feil,
(jcng, hcld, tvcld, tvell] doch finden sich auch die langformen
fieng, gieng, Meld, ivield. Ueber heu zu ha{ii)wan handelt
Kugel, Beitr. 16, 501; es stellt sich neben ohar-seu Hei. 2545 C,
das wir schon oben s. 504 besprochen haben. Ein *heii, wie
wir wol ansetzen müssen, ist natürlich einem "^sc-u nach-
gebildet, dessen n d. h. w entweder wurzelerweiternd (vgl lat.
scv'i) oder */<(ut entlehnt ist.
Die weiteste ausdehnung hat der e'^-typus im althoch-
deutschen gefunden, vielleicht unterstützt durch das lautliche
zusammenfallen des aus c""- entwickelten ia mit dem aus *ea
entstandenen ia in iar zu erien aus "^arjan, neben dem viel-
leicht in vorliterarischer zeit noch perfecta wie ein dem got.
aiaiJ^ entsprechendes '^ecJ: zu "^'eihan u. a. vorhanden gewesen
sind"^) (vgl. Zarncke, Beitr. 15, 352); beweisen lässt sich diese
annähme freilich nicht, aber auch nicht ganz von der band
weisen. Auch die verba mit a + doppelconsonanz (Jialdan
U.S.W.) haben sich früh im ahd. dem e"^- bez. m-typus an-
geschlossen; formen wie fhig, geng, lieng sind nur in ältester
zeit und selten auf fränkischem boden, also dem niederdeutschen
benachbart, zu belegen (s. oben s. 505 f.).
D. Der eo-typus des perfects.
Alle erklärungsversuche, die für den e^-tj^p^g aufgestellt
worden sind, die contractionstheorie, Brugmanns deutung aus
idg. lang-diphthong, Hoffmanns geschleift betonter und Jankos
der e-reihe angehöriger t^-diphthong, kehren bei dem eö-tj^pus
wider. Wir haben oben s. 497 ff. gesehen, dass keiner dieser
versuche voll befriedigt. Wir werden zunächst eine andere
theorie prüfen und dann den tatsächlich vorliegenden bestand
*) Zu erwähnen ist noch allerdings unsicheres awfr. (jheencjh, d. h. geng
zu ganga (Siebs a. a. o. s. 1219).
*) Falsch ist natürlich die ansetzung urgerni. formen Avie *er, *?lp, *?k.
die Avie got. -et = ahd. %, ae. let, an. ät, im ahd. *ar, *älä und *ah er-
geben hätten. Sehr gekünstelt ist die deutung von Loewe a. a.o. s. 308;
vgl. auch Janko a. a. o. s. 313.
DIE REDUPLICIKRKNDEN VKURA. 509
an fö-perfecten in den einzelnen mundarten nacheinander be-
t rächten.
Hoffoiy, Knhns Zs. 27, 597 nnd Holthausen, Knlins Zs.
27, G20f. haben zuerst m. w. den versuch o-eniacht. die ro-\m--
fecta im nordischen wie aucli im westg-ermanisclien als analogie-
bildung-en nach den perfecten vocalisch anlautender stamme
urgerm. "^cauh zu (atkdn, '\-(ti(s zu ausan und "^cauj) zu ""aujxui
zu erklären. Holthausen meint a.a.O.: 'Nach analogie dieser
drei vcrba liildeten sodann alle reduplicierenden verba von
der form stantan ihr praeteritum mit eo, an. iö, ae. eo, ahd.
as. eo, 10. Dass später jene formen, die durch regelrechte
entwickelung zu dieser neuen reihe den anlass gegeben hatten,
im westgermanischen ganz oder zum teil sclnvanden, konnte
natürlich die einmal durchgeführte bildung nicht Avider be-
seitigen.' Gegen diese erklärung hat Behaghel, Lit.-blatt 1890,
s. 284 eingewendet, dass die perfecta germ. ■^'caul:, '■'eaiis und
"^(■anj) im westgermanischen nicht belegt seien. Obwol ich
diesen einwand nicht für ausschlaggebend halte, so bin ich
doch auch der ansieht, dass eine so weitgehende analogie-
bildung nach nur drei dazu in den westgermanischen mund-
arten früh ausgestorbenen formen noch einer stütze bei den
conson antisch anlautenden verben bedürfe. Eine solche lässt
sich in der tat finden nnd wir werden sehen, dass die co-per-
fecta in der mnndart die grösste ausbreitung gefunden haben,
wo sie die meisten lautgesetzlich entstandenen formen auf-
zuweisen haben, nämlich im altenglischen. Ueberhaupt ist
von vornherein bei den <?o-perfecten, ebenso wie bei den
e—perfecten nicht anzunehmen, dass ihre Verbreitung nur von
einem punkte aus stattgefunden hat, sondern wir müssen an-
nehmen, dass verschiedene momente zusammentrafen, um diese
ausbreitung zu l)egünstigen. Ausser bei den vocalisch an-
lautenden Stämmen lassen sich in allen mundarten auch sonst
nwh lautgesetzlich entwickelte eo -perfecta nachweisen, die
meisten, wie schon gesagt, im altenglischen.
Im altnordischen liegt, ausser den schon genannten laut-
gesetzlichen perfecten aisl. iök = got. aiauJc zu auka und ios
zu ausa, noch ein perfect vor, das regulär aus einem urgerm.
redupl. perfect entwickelt sein kann: aisl. hio zu ho(j(j{u)a.
Es sind folgende stufen anzunehmen: wvgtrm.^hcliaüiva, urnord.
33*
510 FElSt
*hehöw(a), *}ieötü (Noreen, Altisl. granim.'^ § 224, s. 147 f.), aisl.
Mo (ebenda, § 97, s. 80 und § 227, d, s. 150). Der plural aisl.
huggom, rscliwed. nhu = msclnved. hnggo, lioggo erklärt sich
aus tiefstufig'em urgerm. ■■\he)huwme. Zwischen singular und
plural fanden dann mannigfache heeinflussungen statt, die sich
in den aisl. formen plur. Moggom, rschwed. {h)iuhu, aschwed.
sing'. Mog, hieg^), mschwed. hug, plural hioggo zeigen; mschwed.
finden sich spät auch die sing, liag, hyg, die beeinflussung durch
den Infinitiv liogga, hugga verraten oder auch direct aus dem
plural liuggo, hoggo und dem singular hiflg contaminiert sind.
Nur als analogiebildungen nach obigen mustern können
wir aisl. hlaupa — liliöp und hüa — hio auffassen.
Das altenglische ist reich an eo-perfecten, die indes dop-
pelten Ursprungs sind und teils mit länge als co, teils als eo
anzusetzen sind. Dass es in urgermanischer zeit auch die
perfecta '^eaulc, *eaup besass, ist deshalb anzunehmen, weil es
noch in historischer zeit die participien eacan 'gross' (= as.
ökmi 'schwanger', fries. äken, aisl. aul:enn 'vermehrt') und
eaden 'geboren' (= as. ödati 'bescheert', aisl. aupenn) aufzu-
weisen hat; ausserdem ist wie in as. ökian, ahd. ouhhön ein
schwach flectiertes verb iec{e)an vertreten (auch aisl. auJca
fiectiert schwach; vgl. Noreen, Altisl. gramm. § 493, anm. 2,
s. 300).
Der langdiphthong eo kann lautgesetzlich entstanden sein
in heotv zu h'aivan ("^Jiehaiuva, *hcJwiv{a), *heötv), iveold zu
tvealdim {*tveu'ald, 'Hveidd)^ iveolc zu ivealcan {^Hvhvalk, *ivetilJc),
hiveop zu hwö^Kin {ViweJuvdp, ^hiveUp oder nach dem plural
'^htvehivopum, wie Zarncke, Beitr. 15, 352 will) 2); endlich wroiv
zu ivdwan aus einem plur. 'hvetimw, Hveum, contaminiert mit
dem singular "^tve und dem angehängten iv.
Der kurzdiphthong eo ergab sich infolge der sog. brechung
oder des «-umlauts (s. darüber Weylie, Beitr. 31, 48 und Janko
a. a. 0. s. 267 ff.) in den formen reord, ondreord, leort, leolc.
Weiter ergab sich der kurzdiphthong eo aus dem perfect e
der Verben mit a + doppelconsonanz im praesens entweder
') ie statt io erst spät (seit 1350).
2) Janko a.a.O. s. 300f. iiiramt eine etwas verschiedene entwickehmg
an mit demselben endresultat.
DIE REDUiPLICIERENDEN VERBA. 511
durch brechung- oder durcli n-nmlaut aus dem plural. Erstere
findet statt von ;• + cons., Ic und Jh (Sievers, Ags. granim.-''
§ 79 f.); es käme daher nur iveoJc in betraclit, das aber aucli
als tceolc aufgefasst und als ursprünglich redupliciert angesehen
werden kann. ?7-unilaut kann in betraclit kommen vor II, nn,
ml (Sievers, Ags. gramm.'' § 104) in feoll zu fcallan, s}}eon zu
s])annan, beon zu hannan.
Wir haben also etwa ein dutzend formen mit co und co
m\ perfect, wo dieser diphthong lautgesetzlich zu erkhären ist.
Dazu die hypothetisch für das urenglische vorausgesetzten
höh zu "^auJcan und ""cöp zu ■'Uiujnni. Diesen zahlreichen
( (;-perfecten gegenüber konnten wir für das urenglische nur
fünf lautgesetzlich entstandene e^. perfecta aufstellen (s. oben
s. 506). Dies Verhältnis erklärt m. e. am deutlichsten das
überwiegen des co-typus im altenglischen. Sehen wir nun im
einzelnen zu, wie die analogische weiterverbreitung der eo-per-
fecta erfolgt sein mag.
Urengl. '^cök zu '■ealcan und '""cö]) zu *eaj)an ergaben die
muster für ae. hcot zu hcatan, Mnq^ zu liUapcm und d-hneop
zu ä-hncapan. Ferner diente luvopan : Imeop als muster für
die verben mit 6 im praesens: hlowan : Ih'oiv, hJotan : hUot,
jlöivcüi : fh'ow, grölvan : ^rcoiv, Idöivan : hlcow, Jiropan : lircop,
löiciui : rcoiv, spoivan : spx'ow, swö^an : swcog. Ebenso ivdivan
: ivcow als muster für die verba mit « im praesensstamm,
unter denen svoiv zu sdwan vielleicht durch doppeltes antreten
des wurzeldeterminativs iv sich erklärt (vgl. as. -seu, seu + tv
= *seiiw): es sind dies: bldivan: hlcow, cndivan : cneotv, crdwan
: creotv, mdivan : meoiv (auf diese lässt sich obige erklärung
von seoto ebenfalls anwenden, auch sind perfecta wie afries.
hic, mndl. crieu ebenfalls belegt, *cneu und *meu dagegen nicht),
ferner sivdpan : sivtop ') und Ördivan : öreoiv. Bei den verben
mit germ. a + doppelconsonanz im praesens boten sich als
muster iveolc, fcoll, speon, beon, daher fcaldan : feold, healdcm
: hcold, sealtan : scolt, stcaldan : stcold, sansan : scous. End-
lich zog iccpan : weop noch *hicesan : kivcos nach sich; ictpan
aus urgerm. '^ivüpjan (got. as. wöpjan, ahd. louoffen, mhd. ivüefcn)
setzt ein älteres 'hcupan voraus, wie dem got. liröpjan ein ae.
') Scherer, Zs. f. d. östr. gymu. 24, 299.
512 FEIST
as. hröpan, ahd. hruofan gegenüberstellt; "^ivöiKin aber konnte
nur ein perfect '^ivcöp aus ^ivewop ergeben.
Wenn auch im altenglischen das eo- perfect infolge ana-
logischer einflüsse bei weitem das übergewicht über das
e-- perfect erlangt hat, so sind trotzdem noch manche reste
alter J-perfecta erhalten. Blcnd zu hlondan zeigt sogar noch
die alte, urwestgerm.-nord. kürze des e vor doppelconsonanz,
ebenso fens zu fön und hens zu liön (s. oben s. 505). i) Deutlich
erkennen wir im opt. seice (altws. Cura past. und merc. R'),
sowie in der 2. sing, north, scewe, von dem urgerm. perfectum
*5c'- mittels des determinativs iv abgeleitete formen. Das
merc. heu entspricht dem as. -heu, mndl. Neu (s. oben s. 504);
north. hUuu, plur. hleivnn findet sein gegenstück in aostfr. hie
(Franck, Zs. fda, 40, 38 ff.); altwests. merc. north, on-cneiv, so-
wie north, plur. hrewun sind ebenfalls solche alte, versprengte
e 2- perfecta (s. Sievers, Ags, gramm. § 396, 2, anm. 8, s. 224).
Vereinzelte eo-perfecta wie d-hrcot 'er tötete' (Beow. 2931),
heof zw heofan, «-/iwc'op ' er pflückte ab ' (Leg. of GmMäc), ^encop
(Exodus 475) zu got. dis-hniupan, aschwed. njupa 'kneifen', on-
rcod 'imbuit' (Corp. gioss. 1129) zu ae. hrcodan 'schmücken' u.a.,
die Hoffmann, F. s. 55 bespricht, erklären sich am leichtesten
als analogiebildungen nach dem im altenglischen verbreiteten
eo-t3q)us des perfects.'^)
[Ueber north, speoft, heoft s. nachtrag.]
Die nichtwestsächsischen mundarten (kentisch, mercisch,
northumbrisch), bei denen co und ea niclit streng geschieden
werden (Sievers, Ags. gramm. § 150,3, s. 69 f.) haben auch den
diphthong ca im perfect; so in den Lindisfarne Gospels: ok-
dreard 19, 8, ondreardon 6, 19, fecdl 11, 32, bcheald 1, 36, schcald
17,12 u.a.m.
Das altfriesische ist arm an eo-perfecten; vielleicht ist
awfr. hliope (opt. zum ind. hlep von hläpa 'laufen') und röp
{roep) zu hröpa 'rufen' hierherzurechnen. Neben röp ist übri-
gens ein */wej; wegen wg. rip (Sylt rrep?) vorauszusetzen (vgl.
Siebs, Pauls Grundriss 1^, 1219).
^) Auch ,je»,j Gen. G2ß und 834 sowie spenn Geu. 445 sind hier zu
nennen, die Sievers, Ags. gramm. ^ §396, anm. 1 nicht als ae. gelten lässt.
-) fc'o auch das perf. hcuf zu hcofun und spätws. hrcow zu hrcowan.
DIE REDUPLICIERENDEN VERBA. 513
Das altsäclisisclie besitzt von verben mit gerni. au = as. ö
im stamm: a-hliopim (M 4857) von a-hlüpcm, wo der Cott. a-hlic-
2)(Ui hat; ebenso in den Oxf. glossen stict zu siotan. Von verben
mit germ. ö als stammvocal sind belegt: hiop zu Urupan 'rufen',
iciop zu icnpiun (ja-praesens, vgl, got. hropjan) 'weinen' im
Mou.; daneben hat der Mon. wie der Cott. auch co in hreop;
einmal findet sich ia in hriapun (Ess. gloss.). Ein opt. perf.
ist wiopin (Cott. Mon. 5522), neben dem sich im Cott. ifcphi,
also mit übertritt zu den (J--perfecten findet.')
Im altsächsischen ist durch den zusammenfall von germ.
au und u die Übertragung des eo-perfects von den urgerm.
Vorbildern '"^auhan : *cök, *ausan : cos, auetau : '^cöct, *hauican
: hcö auf die ö-stämme ermöglicht worden.
Im althochdeutschen ist derselbe process anzunehmen; hier
bildeten verba wie sfözan (= got. st au tan), scrotan (aus ur-
germ. ""sJcrautan) die brücke. Belegt sind die perfecta von
loufan, homvan, stozan, scrotan (urgerm. au im stamm) und
hluozan, {h)ruofan, ivuofan (urgerm. u im stamm). Neben den
beiden letzteren haben sich aus den germ. j-praesentien "^hrup-
Jan, *ivöpjan schwache verba {h)ruofen, wuofen entwickelt.
Versprengte reste sind (far-)fiuohhan part, perf. zu germ.
*flöJian\ mhd. geluiven dass. zu ahd. hiuin, das sonst schwach
tlectiert.
Der perfectvocal co wird später (9. Jh.) zu io (ia bei Ot-
frid) und endlich zu ic, wodurch er mit dem aus e^ entstan-
denen ic zusammenfällt. Oberdeutsch wird io vor labial zu iu:
Huf, riuf, wiuf\ so auch Idu, plural hiuiven bei Xotker.
IV. Schlussbetrachtung.
Wir haben im vorhergehenden die perfectbildung der sog.
reduplicierenden Zeitwörter einer eingehenden betrachtung
unterworfen, die früheren erklärungs versuche kritisch be-
leuchtet und sie teils zu widerlegen versucht, soweit sie
») Eigentümlich ist das eo-perfect griot C, (jriat 31 4072 zu as. ^'yrätcui
(got. gretan : gaigrot). Hoftmann F. s. 56 stellt es zu as. greotan = ae.
srcotan; Rüdiger, A uz. f da. 20, 243 f. sieht iu letzterem eiue contamiuation
vou *grätan und *reuian, ae. reotan, ahd. n'ozau und setzt griot = got.
gaigrot.
614 FEIST
unhaltbar erscliieiien, teils angenommen, wenn sie eine an-
sprechende deutung der sehr verwickelten Verhältnisse auf
diesem gebiete zu enthalten schienen. Es erübrigt nunmehr,
in kurzen worten die ergebnisse der vorstehenden Untersuchung
zusammenzufassen.
1. Das indogerm. perfect konnte mit und ohne rediiplication
gebraucht werden.
2. Die reduplication, die z. t. schon in indogermanischer
zeit bei den sog. praeteritopraesentien fehlte, wurde im ger-
manischen in grössei'em umfang aufgegeben, wenn der ablaut
das perfect genügend kennzeichnete.
3. In urgermanischer zeit w^aren in allen germ. mundarten
reduplicierte perfecta vorhanden; doch nur im gotischen ist
diese kategorie noch einigermassen productiv.
4. Erhalten blieb die reduplication im gotischen bei feh-
lendem ablaut oder bei dem nur vereinzelt vertretenen ablaut
e(ai):ö, der sich keiner grösseren ablautsgruppe angliederte.
5. In der zeit zwischen 200—400 n. Chr. geburt vollzogen
die nordisch -westgermanischen mundarten den Übergang zum
c2- bez. eo-perfecttypus.
6. Zunächst lagen noch andere perfecttypen im kami)f mit
dem e-- bez. eo-typus: der hochstufentypus (runschwed. A<:(((0^^
zu hauivan, aisl. sucip zu suei]}a, ae. sang zu Mangan u. s.w.)
und der e?-typus (aisl. Icit, ahd. -leisz u.s.v\'.).
7. Gesiegt hat bei den hellvocalischen wurzeln (germ.«,
ai, e im stamm) der e'—typus, dessen erklärung von indogerm.
ä"- wurzeln auszugehen hat. Dies ist Brugmanns theorie (IF.
G, 89 ff.), die deshalb anzunehmen ist, weil sie auch schon aus
dem germanischen selbst sich ergibt; alle Wörter mit e- haben
verwante formen mit stammhaftem * neben sich. Die aus-
breitung dieses c^-typus gieng auf analogischem wege vor sich
von einer beschränkten anzahl beispiele aus: urgerm. VüM, '*rckl,
*se-, "^'we-, '^heH und vielleicht von noch anderen verben, deren
etymologie bisher nicht ermittelt ist.
8. Der eo-typus gieng ebenfalls nur von wenigen typen
aus (urgerm. '^ccmJc, '^eaus, ^cmip, urnord. urengl. */?to(«r) aus
Viehainva) und erlangte, mit ausnähme des alt englischen, in
allen germ. mundarten nur geringe ausdehnung.
DIE REDU^LICIERENDEN VERBA. 515
9. Das alteng-lisclie entwickelte neben dem allgemein-germ.
fo-typus infolge seiner besonderen lautverliältnisse ein co-per-
fect, das sicli ebenfalls anf analog-isidicm wege ansbreitete.
Hier nnr blieb der co-typus deshall) auch lebenskräftig;
10. in allen übrigen mundarten ist er in dem verbreiteteren
r--typus zuletzt aufgegangen, allerdings auch infolge regel-
rechter lautlicher entwickelung (im alid.).
Bei der prüfung der ausführungen in dem vorliegenden
aufsatz wird man leicht die grundsätze herausfinden, die mich
bei der erklärung der perfectformen der sog. reduplicierenden
Zeitwörter geleitet haben. Ich will sie in einigen wortcn noch
kurz zusammenfassen.
Ich halte es vorerst für einen merhodischcn fehler, von
construierten indogermanischen ui-formen aus an die erklärung
der C-- und eo-perfecta in den germanischen mumhirten heran-
zutreten. Diese erklärung muss zunächst von dem tatsächlich
belegten material ausgehen; die ansetzung einer vorgerm. form
ist m. e. nur dann berechtigt, wenn sie durch germ. laut-
verhältnisse gestützt und gefordert v/ird. Aus diesem gründe
stimme ich Brugnianns deutung des c--perfects aus idg. c^-di-
phthong zu, weil im germanischen selbst enge beziehungen
zwischen c- und dem f -laut bestehen, wie oben s. 501 f. gezeigt
worden ist. Dieses germ. c'- ist auch im gotischen vertreten
und wechselt auch hier mit l ab {]ier, hidrc); ob es in dem
einzig belegten reduplicierten perfect mit c als stammvocal
(.saislej)) vorliegt, ist nicht zu entscheiden, aber nicht wahr-
scheinlich (s. oben s. 503). Wo im westgerm.-nord. der ablaut
c' : c2 vorliegt {"^leHö : *Ic-t), hat das gotische den ablaut c' : ö
{leta : lailöt).
Dagegen verwerfe ich die annähme eines (~?(-diphthongen
als Vorstufe für das co- perfect. Zunächst ist die existenz
dieses langdiphthongen weder vom germanischen noch vom.
indogermanischen aus sicher erweisbar; sodann ist es durchaus
nicht ntitig anzunehmen, dass das C'- und t'o-perfect den
gleichen Ursprung haben. Das letztere kann auf einem andern
boden erwachsen sein als jenes, was ich auch annehme.
516 FEIST, DIE REDUPLICIERENDEN VERBA.
Für metliodiscli verfehlt (nicht nur wegen der nicht be-
wiesenen Zugehörigkeit zur c o-reihe bei den in frage kommenden
Zeitwörtern) halte ich 0. Hoffmanns ansetzung von aoristfornien
Hälic und "^stellte. Es gibt bis jetzt keinen beweis dafür, dass
im germanischen der idg. aorist weitergelebt habe (abgesehen
von einigen zweifelhaften fällen wie ahd. scrirun u. ähnl);
eine nicht sicher als vorhanden nachgewiesene formenkategorie
aber zur aufhellung unerklärter verbalformen zu verwenden,
ist ein circulus vitiosus, ein beweis aus irrigen Voraussetzungen,
der abzulehnen ist.
Nicht anders steht es um Jankos dehnstufenformen '^heita,
*huita, Vileupa, *Jilöupa. Sie sind construiert, um die germ.
e2- bez. CO -perfecta zu erklären; der beweis für ihr einstiges
Vorhandensein steht auf schwachen füssen. Altiudische dehn-
stufige 5-aoriste wie aräil-sam, dhhäul'sam u.s.w. gehören doch
einer ganz anderen formenkategorie (dem 5-aorist) an und sind
zudem so selten, dass sie nicht schlankweg auf das germanische
übertragen werden dürfen, wo sie sonst nicht nachweisbar sind.
Ebensowenig vermag ich mich mit Osthoffs deutung der
ahd. r-perfecta zu befreunden, so wenig Widerspruch sich auch
gegen das aus idg. '■^sfcstaada dissimilierte germ. ''^stcsaüta =
ahd. stcroz erhoben hat. Eine dissimilation von ^^stest- zu '^stcs-
ist im germanischen anderwärts nicht zu belegen, der urgerm.
reduplicationstypus *stest- zum mindesten sehr zweifelhaft (s.
oben s. 471 f.).
Alle oben genannten erklärungsversuche haben den fehler
gemein, construierte idg. laute und lautgesetze, deren Vor-
handensein bez. berechtigung unerwiesen ist und die ad hoc
statuiert sind, zur aufhellung innergermanischer Verhältnisse
zu verwenden. Ich hoffe, in meinen ausführungen über die
germ. reduplicierenden Zeitwörter diesen fehler vermieden
zu haben.
BERLIN N 54, 18. märz 1907. S. FEIST.
NACHTK.VGE ZUR VOCALBALAXCE
UND -HAKMONIE TM ALTFRIKSLSCHKN.
1. !ii Beitr. 20. 178 ff. hat Kock betreffs der riistriiigischen
behaiiillung- von / und u in den endungssilben folgendes hervor-
gehoben:
(f. die vocale bleiben in minder seh wach toniger silbe
stehend in der reg-el erhalten nach unmittelbar vorangehender,
minderstarktoniger (kurzer) silbe') (vocalbalance)-); vgl.
nifji"''), lüiti, ivetir, godi, efrcmid, fidiransunu, itsilc, ivetiron etc.,
sJalun, muynn, ivaluheron, liavnn, synufh, -e, sikur, sigun, siinu,
gadur, himule, iritlmme etc.;
ß. der zweite compositionsteil, dessen endsilbe, indem die
kurze vorsilbe nicht minderstarktonig, sondern stark-
nebentonig" gesprochen wurde, der vocalbalance -regel nicht
unterworfen war, also seh wach ton igen accent hatte, be-
') Zur bezeichnuiig- der accentvarietiiten verwende ich die termiui:
starktoiiig für lange toiisilbe; minderstarktonig für kurze tonsilbe;
starknebentonig: für die haiiptsilbe von exspiratoiisch reduciertem zweiten
teil eines nominalcompositnms bez. von en- oder proklitisch gesprochenem
Simplex; schwachnebentonig 1. für die sogen, schwere, durch vocallänge
oder Position lange endungssilbe, 2. für dnrch tonreducierung geschwächte,
ursprünglich starknelientonige hauptsilbe des zweiten teils eines nominal-
compositnms; minder seh wach tonig 1. für durch minderstarktonige vorsilbe
bedingte endungssilbe, 2. für durch einfache tonreducierung geschwächte,
xirsprünglich schwere endungssilbe; seh wach tonig 1. für durch stark-
tonige bez. neben- oder schwachtonige vorsilbe bedingte endungsilbe, 2. für
durch zweifache tonreducierung geschwächte, urspr. schwere endungssilbe..
^) Die balance entspricht also der basis von westgerm. bekanntlich
nach kurzer tonsilbe nicht syn- oder apokopierten -i-, -u-, -i, -u.
^) Die belegsteilen erwähne ich hier und im folgenden nicht, wenn
die belege richtig in v. R.'s Wb. verzeichnet sind. Sonst eitlere ich nach
v. K.'s ausgäbe.
518 VAN HELTEN
haiiptet, trotz dieser betonung. durch anlehniing an das simplex
ebenfalls sein i oder u; vgl. northhiri, orlovi, dllistailml, tliing-
stapnlc etc.;
7. nach e und 0 der tonsilbe wird regel « durchbrochen,
indem trotz des minderschwachen accents das i nach ton-
silbigem e manchmal, das u nach c bez. 0 der tonsilbe
regelmässig zu c bez. 0 Avird (vocalharmonie); vgl. leere,
ehreJccn, tele (nrspr. wi-stamm), sthereJca etc., mcnotc, tcyotha,
felo, dcgon, hodon, oJogad etc.;
(S. in unmittelbar nach starktoniger (langer) wurzel-
(1. hauptton-) silbe stehender scliwachtoniger endungssilbe
und in silben, die von der wurzel- (1. hauptton-) silbe durch
eine Zwischensilbe getrennt sind, d. h. nach schwach- bez.
minderschwachtoniger silbe stehen, wird schwachtoniges
i bez. « zu e bez. 0; vgl. liode, ivralde, thornena, Wepüinge,
tliiüvetlie, honnere, holdere, itsile etc., höJcon, cläthon, Ifiton,
sundroge, icrocli, pilugrimon, höderon, palmeron, hemetJwga,
mcleJion etc.');
£. in formell zusammengesetzten w'örteni mit (von Kock
als semifortis bezeichnetem) nebenton auf der betreffenden
silbe bleiben / und u meist erhalten; ausnahmsweise begegnen
hier e und 0 (bedingungen für solche ausnahmen werden von
Iv. nicht formuliert); \g\. panning, irthhivinge, tivintich, heligon,
frtswli, mannisJca, fiärdunga etc., woneben Uvintcga, lielega, frl-
sesJi, ^'mannesldik, sellonge etc.;
C. sporadisch findet sich einige male i (statt e) unmittelbar
vor s in lang- und mehrsilbigen Wörtern, und zwar besonders,
wenn die vorhergehende silbe einen i-laut hat; vgl. lindis,
s'üii's, monnis, hindis etc. neben normalen Idndes, slnes, monnes,
ethes, thinges, eniges etc.
') Vgl. die unter fast gleichen bedingungen erfolgte, auf schwache
betonung- hinweisende westgerm. syn- und apokojie von -/(-) und -u{-) ; nur
in drei- und mehrsilbigen formen blieb bekanntlich -u nach schwachtoniger
paenultima regelrecht erhalten, was für diesen fall auf minderschwachen
ton der ultima schliessen lässt (vgl. Beitr. 17, 288 ff.).
lauter den belegen für -e(-) beachte noch bei Kock nicht erwähnte:
thcnne, eile (aus '^thenn/, *elli, s. IF. 19, 183), die comi)arativbilduugen
aldera, -on (wegen aldmnon s. unten VI/), sibhera, crmnhcra, crgera,
längere, sendebodon (Gramm. § SOj/) und rltheres bovis.
ZUR VOCALIU LANCE IM Af.TFRIESISCHEN, 519
Zu diesen recht dankeuswertcn und anregenden, in der
liauptsaclie das richtig-e treffenden beiuerkuiigen niüclitc ich
einiges berichtigende oder ergänzende naclit ragen.
II. Von den von Kock als belegen für seine regeln ciiicrten
formen sind einige als nicht hierher gehörige zu streichen:
thcne acc. sg. m., dede fecit, hcdc 'hatte' und thohidc als
ind., müre, stifne vocem, hllle 'höUe' und irthhiv'mne als casus
des sg. eines ja- Stammes, sme dat. pl., (dh nom. dat. pl. liez.
adverb, vne acc. sg. fem., age oculus, lisc noster, jlftine schwacher
nom. pl. ntr., öthcrne acc. sg. m., hkcre dat. sg. fem., die geni-
live Sinnes, dönies-, ütheres (180. 181) •), deren -e(-) nicht auf
-/(-) zurückgeht (wegen der genitive s. unten VII);
letore compar., hcligona (184. 185) mit -o- aus -ü- und ferosie,
erosta, erost, hagosta, deren -o- nicht unbedingt, z. t. gar nicht
auf -n- zurückzuführen (vgl. unten VIII d).
In slela's, cthelcs (180), die als belege für -e- nach c-haltiger
tonsilbe aufgeführt sind, liegen bildungen vor mit e (vgl. Gramm.
§170 und Z. awfries. lexicologie 15 ff.).
Meni, su'ilith, fill (179) sind falsche lesarten bez. fehler für
mcnic (Gramm, s. 155, fussn. 2), '■stvlUh (s. Zoll. 2) zu *siveUa),
*asUi (Zofl. zu *asili).
III. a. Neben den auf westgerm. / oder « zurückgehenden
endungsvocalen sind als durch neubildung entstandene hervor-
zuheben:
aus -e- (umlant von -n- oder -a-) vor r + i bez. f/ (aus j)
entstandenes -i- in fidiria {= ahd. faktreo; vorfries. umlauts-c
für a durch anlehnung an fedcr), fidiransunu, mudiransnnu
(nichtsynkope von nach starktoniger tonsilbe stehendem vocal
und in der folge regelwidrige qualitative erhaltung von -i-,
beides durch anlehnung an die für 'vatersbruder' verwante
form), clagire, wotiire; (ob auch in honnerc, fiuchterc, halderc,
skippere, sintere, scnvere, ködere etc. -ere auf -iri zurückgeht
oder die assimilierung sich beschränkte auf mit mindersclnvach-
') Die eiageklaramerten zahlen bezeichnen hier und im folgenden die
Seiten von Kocks abhandlung'.
*) Diese sigle bezeichnet mein demnächst erscheinendes Supplement zu
V. R.'s. \Vb.: 'Zur lexicologie des altostfriesiacheu'.
520 VAN KELTEN
toniger paenultima gesprochenes -eri lässt sich nicht ent-
scheiden) ;
-■i, das sich aus -e (= as. -a, ags. -e) nacli i oder t der ton-
silbe oder der (bei nicht orthotonierter ansspraclie reducierten)
nebentonsilLe + folgendem 1, r oder n entwickelte in den
prononiinalformen hiui^), hiri und in Jtinli 'während' (für '^htvile
dat. oder acc. sg\), sine 'sehne' (nom.); (hierneben m'me, thine
mit durch systemzwang erhaltenem -e);
aus -e- (für -a-) als compositionsfuge vor -Wc hervor-
gegangenes -'/- in (jodilil-{c) (183), simiUllie, woneben natheVtk
aus *9ZäthiWi (dem tuittelike 541, 30 zu gründe liegendes *ivitti-
like hat altes -f).
ß. Ausserdem ist zu beachten, dasä, wie aus dem beleg-
material hervorgeht, der opt. praes. und der dat. sg. masc. und
ntr. von nach der a-declination llectierten substantiva altes -i
hatten, indem die endung des opt. prt. in das praet. ein-
gedrungen war bez. auf altes -7 zurückgehendes suffix des
instrumental-locals, der auch dativ-function übernommen hatte
(vgl. Gramm. § 152, anm.). die alte endung -e (aus -ai) gänzlich
verdrängt hatte:
{bi)fari, Urfari, misfari, (hejnhni, ofnimi, himi, lemi, (hc)-
ivtri, w^oneben formen mit -c nach kurzer tonsilbe nur, wenn
der unten IV / erwähnte factor mitwirkte, hre]ie,hcscl-e, sivere;
(joäi, holt, hovi, släpi, woneben nur kurzsilbige formen mit
-e nach IV /, Iclce tergo, cMe (dat. oder loc. zu *f/eZ 'tal'), steve.-)
¥i\Y die endung von bifindite, hidde, gunge, ünvinne, stiöre,
dele, liehhc etc. und riucJde, thingathe, göde, hüsnie, slcätc, iceine,
, ethe etc. ist demzufolge ein -i als Vorstufe geltend zu machen.
') Weg-en des widerbolt begeguenden hine aus hi -\- {e)ne und wegen
des zweimal in R- belegten, durcb anlebnung an die neubildnug thine ent-
standenen hine s. Zoü. zn hi.
'^) Auf altes -i für *-I des instrnmental-loeals zurückgebende endung
des dat. sg. masc. und ntr. starker adjectivischer flexion kommt bier nicbt
in betracbt: der zusammenfall von regelrecbt entwickeltem -e des dat. sg.
mit -e (aus -ai) des dat. pl. dieser flexion (vgl. Beitr. 14, 28Ü) biitte Ver-
wendung von -e aucb für den dat. sg. kurzsiibiger formen zur folge baben
können. Uebrigens bieten die rüstr. quellen keinen dat. sg. masc. ueutr,
oder loc. eines kurzsilbigen adjectivs.
ZUR VOCALBALANCE IM ALTFRIESISCHEN. 521
IV. Die von Kock erschlossene, nacli Wirkung der vocal-
balance sich g-eltend machende und die ([ualität von niinder-
schwaclitoniger kürze beeiiitlussende vocalharmonio (180. 184;
s. auch oben 1 7) ist. was die behandlung- des / IxMrifl't, anders
zu fassen. Es wirkte hier aut rein lautlichem wcg-e ein c der
folgesilbe (auch durch die balance aus i entstandenes) ein;
e der Vorsilbe war nur als hilfsfactor tätig-, insofern es bei
der wähl zwischen doppelformen mit regelrechtem / und mit
analogisch oder durch ausgleich für / eing-etretenem e bevur-
zugung von bildungen letzterer kategorie förderte,
rt. Assimilierende einwirkung von e der endsilbe auf
minderscliwachtoniges i der paenultima ergibt sich aus neben
irin{-) begegnendem iven{-), dessen e nur aus ivcnes, '*ivene
(für *ivhies, -e) herrühren kann.i) Desgleichen in sthcrelce
(ags. cirice)'-), in aus henefJia (pl.) 'klage auf wergeld', elhc-
linga, -on, hemethoga 'geistlicher' (eig. 'chorhemd tragender',
s. Zfdwf. 7, 284) zu erschliessenden henetlie, ethele, hcmctlie
(dagegen lemifhe und daran angelehnte composita in-, hirth-,
reg-, "^'liärcdlemifhe mit -i- aus dem häufig verwanten plur,
{-)lemiiha). Dass diese belege in der regel auch e in der
tonsilbe aufweisen, ist begreiflich: i der paenultima (wenn
nicht durch jüngere genesis entstanden, vgl. oben III«) bedingte
eben umlaut von vorangehendem a, u. Doch ergibt sich aus
{c)fcyin, toferin, csldpin, dass der tonsilbige vocal nicht als
der erzeuger von e der folgesilbe zu gelten hat. "V'ielmehr ist
mit rücksicht auf die eine und die andere der oben betouten
tatsachen für in der regel mit -cn{-) erscheinende participia,
1) Kock möchte dies i imd e als auoigauische laute ausser dem bereicli
seiner regelu halten (180), woraus zu folgern, dass er die epenthesis in eine
der Wirkung der vocalbalance nachf^jlgende periode verlegen wolle. Man
beachte indessen, dass ein beweis für solche Chronologie kaum zu erbringen
wäre und es andrerseits nicht zu übersehen, dass die qualität der irrationalen
vocale von älliom 'schwager' und withume 'zur kirche gehörender räum'
(dos ecclesiae) genau zur regel der balance stimmt. Sodann ist zu betonen,
dass die entstehung eines diminutivs tcPpin (s. unten VI a) auf, zuvor ent-
wickelte *w?}nn und -en hinweist und so zur folgerung nötigt, dass die
vocalentfaltnng in langsilbigen formen, mitbin a fortiori in kurzsilbigen
bereits vor der reducierung von -i zu -e stattgefunden.
•-) Die entstehung von e der tonsilbe beruht auf einem process, wo-
rüber gehandelt wird in Zofl. s. v.
522 VAN HELTEN
e-, Erheden, {e)hreJcen, hile]cen{a), {e)siveren, hisiveren{a), Urstvcren,
esliepcn, herena, {thnic]i)(e)sleien, nrstelen, {(^leeren, nteieven,
dieser eutwickelungsgaiig' zu statuieren: durch -e, -es, -erc,
■era hervorgerufenes e des ableitung'ssuffixes drang' aucli in
die unflectierte form ein und wurde hier vorlierschend durch
die nntwirkung- von vorsilbigeni e. Dagegen {e)hitln, ofesni-
tliin, esJcrivm^), nimm, ekimin, ovir-, ürgripin, higripin, wo
dieser hilfsfactor nicht mitwirkte.
Neben den schwaclien participien {tjlemtd, efrenüd, ivirid
mit regelrechtem -i- wol durcli zufall kein angelehntes lemed
oder ähnl.
Sonst beachte noch shtelon clavibus, Jwnep 'knebelbart'
mit aus *sleieUs, -e, ^kenepes, -e stammendem -c-.
ß. Kurzsilbigem ja-, i- und m- stamm kam als simplex
minderschvvachtoniges -i zu, als zweitem compositionsteil aber
-e, indem hier die paenultima nicht minderstarktonig, sondern
starknebentonig gesprochen wurde. Also hin, biti, stidi nom.
acc. sg. (auch hiri dat. sg. mit nach lllß zu beurteilender
endung, ili 'schwiele', sjnri dat. sg. mit altem -i der /-stamme),
clagi gen. dat. acc. sg. (aus '"dagin für '^clagen^)\ doch in-,
ntrcne (vgl. ags. ryne), tlinichkeme, *onl-eme (zu folgern aus
onhemes), hushrel'e, Mrüistcde, nedivere, mantele ' magzahl '.
[Beachte auch zu alid. Jachin zu haltendes alterletsen, woneben
übrigens möglicherweise nach a aus den flectierten formen
auf -es, -e entstandenes letsen.] Daneben durch häufige ein-
"wirkung der simplexform auf die des compositionsteils 7iorth-
hiri, onliimi, instepi, hirtlistidi, nedwiri (vgl. die dative sthereJc-
liovi, hovislxotl, orlovi). Nur selten aber umgekehrt, durch die
form des compositionsteils beeinflusste simplicia auf -e, und
zwar nur dann, wenn ein e der paenultima mitwirkte:
hreke, stede.
7. Durch regelrechte entwickelung bez. durch anlehnung
entstanden in bestimmten flexionskategorien neben kurzsilbigen
formen mit -i lang- und mehrsilbige bez. auch kurzsilbige
mit -e. Die bildungen mit -e bildeten die majorität und diese
*) In eshrevin R^ 542, 21 liegt Schreibfehler vor der üherliefernden,
nicht allzix selten unrichtige lesart aufweisenden Oelrich'schen abschrift.
"-) S. Zofl. s. Y.
ZUR VOCALBALÄNCE IM AI/rFRIESISCIlEN. 523
konnte so gelegentlicli substituierung- iliier endung für das -/
der minorität veranlassen. Solche angle ioliung aber beschränkte
sich, offenbar wider durch den oben hervorgehobenen hilfs-
factor, auf bildungen mit c in der tonsilbe. Man beachte die
oben III .ö' aufgeführten praesentia opt. und dative, hrelie etc.,
leke etc., und halte
die neben niyi, gripi, iviti, icili, mmji begegnenden prae-
terita opt. kere, ürtege zu cöine, slüije, füre, Ersiöde, hildc, tUdc,
ieve, ivere, gulde, iirde, forifellc, Jifdc, hirdradc, siJcurade,
sachte etc.;
die neben clagi (s. oben ß) begegnenden tele 'spräche vor
gericht'i), u-ere 'besitz' zu here, feie, siönc, helde 'liuld', Iwli-
hrede 'hirnblatt' (mit hell- = ahd.Äe?7, vgl. Gramm. § 2(3, anm. 1);
die /-Stämme hrene 'geruch', here (masc.) 'küre' 2) zu in-,
rdrtne, thruchkeme etc. (s. oben ,:().
6. Ein gegenstück zu dieser e-harmonie bietet gewisser-
massen eine schwachtoniges / der endsilbe conservierende har-
monie. die zu beobachten in hinli (s. Illa), in nicht orthoto-
nierten pronominalformen hmi, hiri (s. III«) und partikeln
-»ilthi, u'ithir (in orthotonierten Mni, hiri, mithi, ivithir{-) hatte
-/(-) mindersclnvachen ton), hershiiri, rcdskipi (das i der paen-
ultima nicht aus umlauts-c, sondern aus im ablaut zu a von
*-sl-02)i stehendem e'^)), szerekspili^): tonsilbiger bez. starkneben-
toniger ?-laut verhinderte die entstehung von -e aus schwach-
betontem -i. Ausnahmen durch systemzwang: szerekspile'-'), strldc,
Icinde dat., strlde, hU{g)e opt. praes., thritnine^), elive 'leblos', sibhe
(beachte die regelrechtes -e aufweisenden ia- und ja -stamme
') Beeinflus?aug des wortes durch mantele 'magzahl' ist aus gemaii-
tischem gründe nicht anzunehmen.
'^) Nach für andere luuudarten belegtem ürkere anzusetzendes ürkere
kommt hier als beeinfli;ssendes compositum niclit in betracht, weil für letz-
teres nicht überwiegende Verwendung anzunehmen.
*) Zu dieser fassung nötigt berücksichtigung des Constanten (nicht,
wie in as. -scipi, -sceiyi, mit e wechselnden) i in afries. -scip{i), ags. -sciiye.
") Mit in nebentoniger silbe aus U gekürztem /; vgl. thrimine 'ein
drittel betragend' bez. (bei substantivischer Verwendung) 'drittel' aus //(;•/
-f jh/)(U (subst.) + ?■(«)- = 'ein dreimal geringeres quantum betragend'.
'-) Annahme einer beeinflussung durch den dat. des simplex ist aus-
geschlossen, weil für ein simplex spill als regelrechter dat. sinUi anzu-
setzen ; ausserdem war das simplex vermutlich bereits früh ausser kurs ge-
Baiträg-- zur geschichte der deutschen spräche. XXXII. 34
524 VAN HELTEN
geve, ganse, clene, mene, ovirhere, en-, Hvihete, üvifrcthe, gers-
falle, unlendc, {un)siede, stalle, unäfte etc. und neue).
V. Die bildimgen, "worin, indem die beding-ung- für assi-
milierung fehlte (s. IV«) bez. vorsilbiges e sich nicht als
hilfsfactor betätigte (s. IV), nach e der ton- oder (bei nominal-
composita) der starknebentonigen silbe endungssilbiges i sich
behauptete, erscheinen zum teil mit erhaltenem c der vorsilbe
zum teil mit dafür durch einwirkung- von i der folgesilbe ein-
getretenem i. Diese verschiedene behandlung ist folgender-
massen zu formulieren.
Vor -n(-) wird c zu i, auch wenn ein sonst die i-entwicke-
lung verhindernder consonant das e anlautet: hiri (mit hiri-
ferd, -füll;, -fona etc.), northhiri, spiri, nediviri (woneben ned-
were), (be)tvin, tvirid (vgl. 1\ a. ß. HIß). Ausnahme to-, {e)ferin
(s. IV a) durch systemzwang (vgl. das praet. för, -on und
die alten participialbildungen '""-grevm, *-stepin neben "^gruf,
*stöp, -on).
Vor dental, guttural bez. l -f ?(-) wird e zu /, wenn kein
m, lü, luv oder h das e anlautet: itsile calcari, stlütle 'kessel'
dat. (fehler für stJiitile?), ililende 'elend', fidiria, fidiransunu
(s. III a), stidi (woneben stede) mit Jiirthstidi (vgl. lY ß), *asili
'lieferung' (s. Zofl. s. v.); dagegen menie 'quantität' (Gramm.
s. 155, fussn. 2, aus '''menigt mit -igt für '^-egl), megitha puellas
{-i- für -e- in -id^i des dativs), ivetir, -e, -on, mit inivetir, (Jijwelik,
-era, iähivelik, -es, -ere (wegen des zum suflix herabgesunkenen
compositionsteiles s. VI d), helihrede (s. IV /). Die ausnähme
edila (pro)avus (aus ^aäilö mit ad:- = ot- in aksl. oiici pater,
s. Zfdwf. 7, 279) begreift sich als die folge von anlehnung au
ethele als epitheton ornans.
Vor labial -f- i(-) bleibt e, wenn es kein h oder sli an-
lautet: Icmithe, lemith 3. sg*. ind., lenii opt., {e)lemkl 126,6. 10.
16. 33, efremid, instepi, hemilinga, alsem'm, to semine, Wepilinge]
doch elümin, onkimi (woneben "^onkeme, thruclikenic, s. IV ß),
eskipin (woneben eskepen, s. IV«)-
stellt, wenigstens wurde sein Zusammenhang mit beregtem compositum
nicht mehr empfunden.
Der dat. szertlcspele steht als regelrechte bildung zu *szerekspel (vgl.
tsierspel im 2. Ems. text).
ZUR VOCALBALANCE TM A f/rFRIESTSCHEN. 525
yi. c. In den bildung-en mit -ing, -ingc, -ig, -isl: etc.
erblickt Kock (181) formell zusammeng'esetzte wiU'ter mit
semifortis auf der betreffenden silbe. Die bezeiclinung dürfte
eher zutreffen für formen mit -lilc, -släpi (s. IVd), denen mit
rücksiclit auf das constante i (godilil; -e, sitmililce, näthcUk,
jcstlila, ivittdilce 541,30, liäflihe, räflile, iccliiicJdiJie, *ma7ines]:-
///.•i), nmvcrthUle, wrahUlJca, her-, redsl-ipi, */lodsJci2^i^); wegen
der anders zu beurteilenden Jnvelik, -es s. YI<3) für starken
nebenton eingetretener sclnvaclinebentoniger accent beizu-
messen. In panning, -ig, plicJitich. rfDiiiska etc. sowie in den
formen mit alten -m, -in (stamm -mi), -itti (= alid. -izzi, mlid.
-t^e), -innia, -nissia {= ags. -nisse, -nesse). wozu unflect. -nis,
■nes, liegen echte derivata vor mit sogen, schwerer (langer),
urspr. schwachnebentoniger endungssilbe, die
zunächst durch accentschwächung-, wenn möglich, als
raiuderschwachtonige ultima oder paenultima gekürzt wurde,
d.h. quantitative reduction des langen vocals oder kürzung
langer consonanz erlitt,
dann aber als gekürzte endsilbe (insofern diese nicht nach
kurzer tonsilbe stand) durcli nochmalige accentschwächung (zu
schwachtoniger silbe) ihr / zu e reducierte, wenn nicht den
voeal auslautender consonant solche qualitätsänderung ver-
hinderte,
als gekürzte paenultima oder als paenultima, die, indem die
zweifache consonanz {sk) in der folgesilbe gesprochen wurde,
ihre positionslänge einbüsste, wie im oben IV« erwähnten
fall, trotz ihres minderschwachen tons durch e der endsilbe
zu e umgelautet wurde.
So begreifen sich als fast immer mit -ew(-), -et- begegnend
die adjectiva mit -?n-suffix, die verbalia auf -m (deren flexion
sich normal hierdurch kennzeichnet, dass aus -t des gen. und
dat. sg. hervorgegangenes -e auch im nom. und acc. dem suffix
angehängt wird-)), ein collectiv auf -itti, die feminina auf -innia
und -nissia:
') Im ms. mansesJclik, ioldshipun (vgl. unten VIII y).
*) Wegen -c und -i aus -t für -m (in tele, here etc. und dacji, *((sili)
s. oben IV ^5. y und V.
34*
526 VAN HELTElf
benena, hetJiena, l'ersten, -a, -c, etsena, cspene, geldcne, ej^ena,
thornena, stenetia;
sin-, simi-, spreJi-, imverdene, -a, hU{g)ene, hingen-, hre-,
net{ta)skrcdene, ofleäene, nlfstrevene, tvainddepeyie etc.;
lenete 'gebeine';
lungene (vgl. Beitr. 30, 250), ivöstene]
heftnese, sJci^mese, ürdemnese (alle fem, gen.).
In den zweisilbigen suffixen rief -e des sg. (beim collectiv
auch -es) ein e der paenultima hervor; nur der paennltima von
seltner verwanten plnralia kam regelrechtes i vor (/, o der
folgesilbe zu. Für alte -in und -in- musste -en{-) lautgesetz-
lich eintreten in der ultima (zur beachtung: die überlieferten
formen haben alle lange tonsilbe) und in der (ante)paenultima
vor c der folgesilbe; der hier entwickelte voc. verdrängte den
endungen -ina, -inon zukommendes /; nur einmal findet sich
eine indirecte spur desselben in hethhi.
Als fortsetzungen von bildungen mit diminutivsuffix -in
begegnen auf andern 'fenster' (aus *o*ndidünn eig. 'atem-
türchen', vgl. Beitr. 14, 232; IF. 19, 178) und zu ags. nosdyrl zu
haltendes nostern hinweisende pluralia anderna, nosterna\ hier
also sogar ausfall von e der endsilbe (wodurch auch Schwund
von durch r und n erdrücktem l). Doch gibt es daneben
einen indirecten beweis für -in- besagter derivata, näml. icepin
'waffe': in durch vocalentfaltung entstandenen *'tcepen{-) und
*wepin{-) (anorganisches / aus dem dat. 'hvepini für 'hvepm)
fielen die endungen formell zusammen mit auf -m{-) zurück-
gehenden diminutivsuf fixen; daher gelegentlich fassung des
nomens als diminutivbildung (vgl. mnl. ivapijn, -in, bei. in
meiner Mnl. gr. § 30(3 und 6), was Verwendung von *u-epen
mit "^wepenes, -e und 'Hvepina, -on veranlasste, woraus die über-
lieferte form.
Für die adjectiva mit altem -lg wäre a priori vorhersehen-
des endungssilbiges e zu gewärtigen. Doch gewährt die Über-
lieferung ein anderes bild; man vgl. die von Kock (181) auf-
geführten belege plicliticlt, cnich, cniga, -ene etc. und enigcs -e,
-{e)ra, imsJceldich, unweldicli, heJctvardiga, tveldiga, iechtich, -iya
116, 19, monich, -igere, woneben seltnere %msl-eldech, weldeya
etc. (181) und helege, sl'eldega. Es spielte hier offenbar das
g eine rolle, indem es in der schwachtonigen ultima i vor
ZUR VOCALBALANCE IM ALTFRIESISCHEN. 527
qualitativer afficiernng scliützte. so dass e nur in -c\ges, -c, -ene,
■crc, -era entstehen konnte.
Auf zusammenfall von auf -(igi-) zurückgehender endung
mit einem reflex von -7^(-) (durch Schwächung von a zu e
iielen als fortsetzungen der suffixe beiderlei -e\g- zusammen)
•weisen hin monidi, -igere, hcliga, -mm, -on, helega, -e, -ana, -on
(vgl. ahd. as. manag, lie'dag, hcJag).
Beachte auch (in Zofl. s. v. erläutertes) auf *äsaga (^= as.
tosago, ?iM. csago) zurückgehendes, durch fassung des nomens
als substantivierten /«/-adjectivs zu äsiga bez. äsega (letztere
form nur 27, U. 124, 17) entwickeltes nomen.
Den derivata auf -isic kam e der eiidungssilbe zu in flec-
tierten -e\sJce, -es etc.; sonst -i\.^Jc- und -isJc als minderschwach-
tonige silbe. Dies Verhältnis wird numerisch reflectiert durch
die überlieferten formen; s. rUmishc, frlsisJc, cohiisk (Gramm,
s. 54), niannisM, danisJca, denishi, israhelisJce, agripinisJca
(Gramm, s. 61) und frlscsJc (Gramm, s. 54), rRmesJca, -e, friscslia,
-c (Gramm, s. 61). numsesJdiJi (1. manncsJdik) mit -e- durch an-
lehnung an eine adjectivform "^mannesh.
In -rag, tiect. -inga, -inges etc. und in -inge (aus -higa)
behauptet sich i ausnahmslos; es wirkten hier zweifache con-
sonanz und die gutturale qualität derselben zusammen. Belege
die bei Kock (181) citierten sowie Kawing{es) 5, 7. 8, frtlinga,
-on, ethclingon, ivinknUingar, liiöstringa, hüsing, -es, -e, tvits-
ingon, und nedsJcininge, WepiUnge, homolinge (181) sowie
llcndinge, munddinge, insJcathmge, stcmplinga, irthhivinge, hc-
milinga, liäveddusinga, hävetdusinghe. Nach -ing richtete sich
-ig der doppelformen hinig^ hüsig, thredkn'iUg, pannig (181).
ß. Nach in a erörtertem ist für die paenultima von durch
metathesis entstandenem -ilsa minderschwacher accent und
die unm()glichkeit von durch assimilierung hervorgerufenem e
geltend zu machen. Hiernach begreift sich hlödilsa; woneben
indessen auch hlödcisa, dreppelsa 'schwelle', ivlitiaiemelsa durch
anlehnung an formen mit -el {^dreppel = dreppd anderer quellen
und gristd, sprangel, blgerdele, aus spedelspring zu er^chliessen-
des ""spedd).
■/. Ebenso ist minderschwache, das i erhaltende betonung
der endsilbe von erstem compositionsteil beizumessen in: al-
dinnon 'amtszeuge' (eig. 'älterer') mit d'ih-, huraldirmon 'deich-
528 VAN HELTEN
geschworener''), ivepinröft 'waffengerüfte', hclichdraclda ^um
die kirclie lierumliegeuder räum, innerhalb dessen die heiligen-
bilder herumgetragen wurden' (s. Zofl. s.v.). iechüchlihe, Icinig-
rike, hdlimhredc (s. Gr. § 26, anm. 1). Daneben erscheinende
etlieldöm 'fähigkeit zum besitze von erbeigen tum' (s. Zofl. zu
elhel 'erbeigen besitzend'), spcdelsiiriny 'speichelfluss' begreifen
sich als die folgen von anleimung an das simplex.
ö. Zur endung (zunächst zu schwachnebentoniger, dann
zu minderschwacher bez. schwacher) herabgesunkenen com-
positionsteil haben, wie aus der behandlung der schlussilben
hervorgeht (vgl. oben a und /): {]i)ivdik, -era, iäliivcWi, -es, -ere
und hwelel; htvelece 542, 30 (vgl. auch durch vocal- und con-
sonantensynkope entstandene eh quisque, alseh talis), tivilij
mit hvüifia'^), ä{u)wet (aus *äiviht), näivet, -es, -is, Uvinticli,
thrUich, fiilwertich, sextich, siugiinticli, acJitantich, sextiga, siu-
guntiga, ttvintigosta und tivintega, hvmiegosta.
111. Das i in der von Kock (181 f.) hervorgehobenen,
sporadisch nach langer tousilbe oder starknebentoniger bez.
schwachtoniger silbe stehenden genitivendung -is {läningis
27,273), thredJcnilingis bb, 12. 57,9.17, däddolgis, slnis, cnis
25, 1. 121, 4. 6, ieldis, monnis 25, 1. 55, 5, Mndis 23, 23. 43, 25.
53,21.22. 55,4. 67,3, Iliddiseh-c, herdis,hlödis, nCucetis, hisTxopis,
scloveris, faxfangis, ivlchtgoldis 116, 26. 119, 12. 14. 19. 20 etc. '),
apostolis, hundis, tvordi{s)) kann eben seiner Stellung und regel-
losigkeit wegen nicht mit den anderen i der endungssilben in
eine linie gestellt werden. Es begreift sich indessen bei fol-
gender annähme. Zur zeit, w'orin noch altes -e (aus -«?) und
urspr. instrumental-locales -/ als dativsuffixe fungierten, konnten
diese doppelformen entstehung von gelegentlich im gen. neben
1) Kocks Vermutung (182), es läge hier von einer anderen muudart
oder spräche übernommene beuennung vor, ist demnach eutbelirlicb.
^) Das l der tonsilbe entstand nicht, ■\vie IF. 18, 109 angenommen wurde,
auf hiutgesetzlichem wege (vgl. oben VI); es ist hier, wie wahrscheinlich
auch für as. twilif, mhd. zwdif, an Substitution von compositionselement
iici- für twe- zu denken.
^) Nicht 25,22, wo die hs. -es bietet.
") Die grosse mehrzahl der auf s. 119—121 bei v. E. stehenden loicht-
goldis beruhen aber auf auf lösung von in der hs. begegnenden siglen wicht
(j. oder 10. g.
ZUR VOCALBALANCE IM ALTFRIESISCHEN. 529
■es verwanten -is veranlassen (wegen eines ähnllclien Vorgangs
im as. vgl. Beitr. 21, 488, fussn.). Indem nun endungs-i vor
tautosyllabischem s nicht der vocalbalance unterworfen war,
sondern auch bei schwacher betonung seine qualität behauptete
(man beachte aucli die Gramm. § 153 erwähnten, nicht seltenen
-is des genit. in anderen ofries. mundarten, die für durch die
rüstr. vocalbalance erhaltenen i ein e oder .9 aufweisen)'),
blieb diese sporadische endung ungeändert, so dass in der
überlieferten spräche mit altem, weit häufigerem -es neugebil-
detes -is wechselte. Dass aber im gegensatz zu diesem aus-
nahmsweise verwanten -is die kurzsilbigen nomina constantes
-is gewähren, ist leicht verständlich: (jodis (auch in (jodisJiäs),
sJ:ipis, hovis (in hovislioti), ilis (in ilislcrcdene, wenn hier näm-
lich nicht iJi- als stamm vorliegt) neben dat. godi, shipi, Jiovi,
ili (s. III p' und I V p')j iit^iis neben anzusetzendem dat. lithi;
dagegen onJcemcs neben (nach IV. >) anzusetzendem dat. onl:emc.
VIII. Bezüglich Kocks ausführungeu über die behandlung
von endungs-u (183 ff.) ist wenig zu bemerken:
a. Zu den belegen für nach kurzer tonsilbe erhaltenes u
füge hinzu: staind, tvikun, lithun dat. pl., hnigun inclinaverunt,
iiuHivt'rdcnc, sliadmvepne (s. Gramm. § 89a), ividuben, staruhlind
(wegen icithume vgl. noch oben s. 521, fussn. 1).
Zu denen für durch e oder 0 der tonsilbe hervorgerufenes
u (wovon letore, feroste nach II zu streichen) gehören noch:
sJccro, -0)1 'Pflugscharen', bodo 'geböte', fretholäs, ürtcgon, Iceron
(praet. zu Uriiä{n), Jciäsa), melokoii, seloveris, leyore, lesoJca
'runzeln', rekon 'in Ordnung gehalten', letJwgade.
*) Hiernach wäre auch, für das suftix der 2. sg. praes. ind. der starken
verba und der schwachen 1. klasse -ist zu erwarten. Ein directer beleg
dafür findet sich nun zwar nicht (nicht synkopierte endung ist überhaupt
nur einmal belegt durch brengest F 34, denn bennest, {tö)süliest, die Gramm.
§ 276. 289, anni. 1 als praesentia aufgeführt wurden, sind praeterita); doch
weisen die (seltenen) formen mit -it(h) nichtrüstringischer quellen, beritQi)
BE (Gramm. 286 ;9), icerithW, uimithB'EK knmiihB\ .s/</f Frgm. 2b, 11,
farä{h) F (Gr. §273«), offalUt F (Gr. §276 A kivit F (Gr. §288«), auf die
existenz hin von -ist: regelrecht entwickelt musste die endung für die
3.sg. in den nichtrüstr. mundarten -et{h) bez. -ot{h) lauten; statt dessen
auftretendes -ä(h) kann nur auf anlehnung an -ist beruhen, wie brengest
auf IrengetQi) F 98. 104.
530 VAN HELTEN
Die ausnalime, in Eq. 124, 15. 542, 18 neben einmaligem
Uthm 539, 10 belegtes litJioti, begreift sicli so: wie zu slccro,
hodo als dat. pl. sJceron, hodon standen, hatte anzusetzender
dat. släpun einen nom. acc. pl. sldpii neben sich; zu regel-
rechtem lithun aber stand als nom. acc. pl. litld (s. IX); hier-
durch entbelirte die dativform eine stütze und konnte dem
einfiuss der überaus häufigen foi-men auf -on erliegen.
ß. Unter den zahlreichen belegen für durch die balance
entstandenes o (wegen zu streichender erosta etc. s. 11) hebe
ich nur die bildungen mit -ocli, -og-, wie lierocli, sundroge etc.
(s. Gramm. § 68. 75), und andlova 'elf (s. IF. 18, 107) hervor.
Das praeterito-praesens thuron steht für tlmrvon (184).
Als ausnahmen sind zu erwähnen: walduivaxe, -a 'rücken-
muskulatur' (s. Zofl. i. v.) mit vor tv erhaltenem «; siügun,
ningun durch einwirkung von sigun, nigun.
/. Eine parallele zu in-, utrcnc etc. (s. TV ß) bietet ondevon
'fussknöcheln' (vgl. Zofl. zu onclef?); ioldsldpun ist verschreibung
für in ilodsliipi (s. Zofl. zu 'Hlodslcipl und nachtr. dazu). Auf
anlehnung beruhen fidiran-, müdiran-, fcthan-, emcssunu, thlng-
stapulc, dlJcstatlml.
d. Betreffs der behandlung von u in urspr. schwerer, zu
minderschwachtoniger silbe reducierter, geschlossener paen-
ultima (vgl. VI «) folgendes. Die qualität des vocals bleibt
erhalten in tvundimgon, hutvnge, fiärdimga, mimiusta, -e, fiaiver-
tindusta (wegen dieses u yg\. IF. 16, 68), siugunda, -c, nifi-
gimda, -e, acMunda\ nur bei e oder o bez. ö entlialtender,
vorangehender tonsilbe lässt sich der nämliche Vorgang beob-
achten, der sich bei minderschwachtonigem u nach kurzer
tonsilbe flndet {sl-ero, hodo etc.): sellonge, icedenvon{d)longa,
liüronga, ongosta (dat. zu ^(- stamm '^ongost). In ändlofta, -e
beruht o auf anlehnung an andlova (s. oben ß).
In eftrost, erost, -a, ferost, für deren -o\st- und -ost minder-
schwache betonung geltend zu machen (vgl. zu VI« ausgeführtes),
kann der endungsvocal auf -u- (vgl. minnusta, -c) zurückgelien
oder altes -o- aus -ö- repräsentieren.
8. In liärsum 'gehorsam' (vgl. ahd. Icehör o) liegt parallel-
') Koeks (leutuiig von lilhon (ISi) köunte nur in der formel hi lihbanda
livon nnä hi onfesta lithon 12-i, 15, begeg-uende form erklären.
ZUR VOCALBATjANCE IM ALTFRIESISCHEN. 531
bilduug vor zu den -Wc enthaltenden composita (vgl. VI «);
also sclnvaclmebentoniges -sum, dessen u erhalten blieb (im
gegensatz zu äthom, worüber oben s. 521, fussn. 1).
TX. Zusammengefasst sind also als die ergebnisse der
materialmusterung folgende principien zu fixieren:
schwachtonige i und « werden zu c (Id. VI«) und o
(I.(j. VIII ,9. /); conservierend wirkt hier aber ein, auf i ein t
der tonsilbe oder starknebentoniger silbe (IV 6) bez. nach i
stehender tautosAilabischer guttural (VI«. (3), auf u folgendes
lü (VIII,:?);
minderschwachtoniges i bleibt erhalten, wenn nicht
assiniilicrung durch folgendes schwachtoniges e bez. aus-
gleichung oder analogiebildung eintritt (I«. IV a. ß. /. VI«, j-/.
■/. d); tonsilbiges c Avirkt conservierend ein auf durch aus-
gleichung oder analogiebildung für / eingetretenes c (IV«. ß /);
minderschwachtoniges u bleibt erhalten, wenn nicht
tonsilbiges c oder u qualitative Schwächung des vocals ver-
anlasst (I«. VIII«. ß. ö).
Zum schluss einige formen, die in der einen oder der
anderen hinsieht eine specielle bemerkung erfordern:
nosi und der nom. acc. pl. IHld mit angelehntem skhiifhi
(s. Zoll, zu iiosi und Itth);
üiir{-) und over(-), ersteres als orthotonierte form mit
minderschwaclitoniger ultima, das andere als nicht orthotonierte
form mit schwachtoniger ultima;
fori{-), woneben kein fore{-), indem erstere form die andere
verdrängt hatte;
ü)ii, das sowol was die entstehung der endsilbe (vgl. ahd.
änu, -0, -a, as. äno) als was die erhaltung des i angeht durch
berufung von beeinflussendem initJii (worüber IV 6) begreiflich
wird (die Gramm, s. 51 vorgeschlagene fassung, -ni für -im
durch anlehnung an ni 'nicht' ist unstatthaft, weil die rüstr.
mundart 7ie und wi als negative partikel verwante; Kocks
ansetzung von öni (182) hat wol nur als notbehelf zu gelten);
ags. ivjle (aus *neivili) entsprechendes neli, woneben ndc
mit -c durch anlehnung an den opt. nelle unter mitwirkung
von e der vorsilbe (vgl. IV-/; neben ncli,-e regelrechtes iviJi)]
532 VAN IIELTEN, VOCALBALANCE IM ALTFR. — BOER, NACHTRAG.
unibibürar 'umwoliner' mit -U- als sclireibfeliler (s. Zofl.
zu imibe)\
pilugrimon mit durch einwirkung von gleichbedeutendem
tvdliibera, -hora (eig. 'stabträger') für -i- (vgl. ahd. piligrlm)
substituiertem -u- und mit nach VI« den flectierten formen
zukommendem -i- der paenultima.
[Nachtrag. Beachte noch sibbistä mit regelrechtem -i- (vgl. rümislca
etc., S.527).]
GRONINGEN. W. VAN HELTEN.
ZU BEITRÄGE 32, 255.
Braune hat a. a. o. in einer fnssuote darauf aufmerksam gemacht, dass
die form Eggesas in der Eneide nicht tatsächlich überliefert, sondern von
Behaghel construiert worden ist. Ich bemerke dazu, dass meine erklärung
des namens dadurch nicht betroffen wird, da die form mit g durch die
uamensformeu Einsahs und Ainsiax sichergestellt wird, eine form mit gg
aber zwischen der mit g und der mit JiJc das notwendige bindeglied ist.
Wenn aber eine form mit gg existiert hat, so kann sie auch die ursprüng-
liche gewesen sein, auch wenn sie nicht erhalten ist.
AMSTERDAM. ■ R. C. BOER.
zu HEINRICH VON FRp:iBERG.
Diese Überschrift Avill mir andeuten, dass die folgenden
boiueikungen zu Heinrichs Tristan, zu der Legende vom hl.
kreuz, der ]\itterfahrt Jolianns von Michelsberg und dem
schwank vom Schrätel durch die neue Freibergausgabe von
Alois Bernt angeregt sind. Der ansieht des herausgebers,
dass alle diese gedichte, selbst der anonyme Schrätelsclnvank,
dem Verfasser des Tristan zugehören, kann ich durchaus nicht
beipflichten (vgl. meine anzeige in der Zeitschrift f. d, österr.
gj-mn., juli 1907).
Tristan.
88 die töten mit den toten dort, die lebenden mit den lehcnden
hie! Dieser ausruf, mit dem Heinrich das lob meister Gotfrids
abschliesst, ist eine anspielung auf den bekannten Spruch des
Marners (XIV, 18), der die sänger der verflossenen zeit beklagt:
sanycs meister lebent noch: si sint in des födes vart. Tote mit
den töten, lebende mit den lebenden sin!
58 der trimcen stic, der züchte pfat hat er mit an gcborncn
triten gebeut nach herlichen siten. Beckstein versteht gebent
und weder Singer (Zs. fdph. 29, 73) noch Bernt haben dagegen
etwas einzuwenden. Die phrase einen ivec ebenen ist im mhd.
sehr selten zu belegen {er ebenoht uns den gotes tvech Diemer
322,25); um so häufiger begegnet eine strafe, einen ivec {stic,
pfat) bern, besonders in übertragener bedeutung: stvcr dine
tvegc mit icärheit bert Ernst 36 a; er hat die tviten sträse leider
ze lange gebcrte Tund. 2172; den hellepfat bern Willeh. 38, 15;
vgl. noch Greg. 3065; Freid. 'o<), 11; Lieders, 2, 514; Hadamars
Jagd Str. 9. Dass der herausgeber an gebent nicht anstoss
nahm, erkläre ich mir aus seinen Suchenwirt-citaten (einl.
534 WALLNER
s. 205f.), von denen er folgende zu unserm verse stellt: der
eren sträz gepatven hat er mit vleiz und ivol gepent 1, 146; si
hat der cm strafe gehent mit gansen freicden 2,52; er hat ge-
pent der cm pan 10, 80. Er hätte noch 1, 204 hinzufügen
können: Er hat gehent strdss unde steig die zuo den ern laittcn.
Die Schreibung mit tenuis (gepent) und die versetzte betonung
selbst im reim 1, 146 zeigen, dass hier nicht denen vorliegen
kann; der reim in 1,147 des pesten er sich gerne ivent ver-
bietet aber auch an hern zu denken (vgl. 24, 94 Mein fnozz
der sargen sträzzen pert : beschert). Es kann hier nur eine
nebenform von hancn vorliegen, nämlich heuen. Das DWb.
belegt diese form erst aus Opitz, die mhd. -ubb. übergehen sie
sammt den Suchenwirtsteilen, Nur Lexer verzeichnet in den
nachtragen: 'der zühte pfat henen Trist. H. 60'; aber dagegen
spricht die nähere bestimmung mit an gehornen triten : vgl.
Parz. 790, 5 so daz mit triten icart gehert; Gotfrid 17123 den
(esterich) hdn ich so mit triten zcrhert. Setzt man herii ein,
so erklärt sich auch das auffallende beiwort mit an gehornen
triten, an dem Singer und Bernt sich stossen, leicht als spiel
mit dem gleichklang, wie es Heinrich nach Gotfrids Vorbild
liebt (vgl. einl. s. 52).
1000 'vriimt lieher und hcrre Tristant! F hat vrvnt lichcr
herre vn tr., 0 frut It're. vnd liehe her tr. Die lesart von 0
gehört in den text: vriunt hcrre und liehe, her Tristant; denn
vriimtherrc ist formelhaft (vgl. z. b. Gotfr. 1555) und liehe ist
hier nicht adj., sondern das besonders in der anrede häufige sw.
subst. liehe 'geliebter'. Demnach ist die stelle unter den gemein-
samen fehlem einl. s. 18 zu streichen und die anm. zu tilgen.
2230 (16 uü der künic ein lützel gaz
uud in der mäze überuam,
daz in zu redene gezam,
do vrägete er . . .
Bernt interpretiert in den anmerkungen: 'Als der könig ein
wenig gegessen hatte und es in der rechten art (oder >>nach
massgabe der umstände«?) auf sich nahm, was ihm (bei Tische)
zu reden oblag, da fragte er.' Fast jedes wort reizt da zum
widersi)ruch. Für mich steht es ausser zweifei, dass hier nicht
das fem. mäze vorliegt, sondern der gen. plur. von maz 'speise';
ühernemen 'bewältigen' (ivere es aber sach, dasz sie der ivein
zu IIEINUlCn VON FREIBERG. 535
iibcrneme Grimm, Weist. 1, 759; üer ungewohnte ivcin halte mich
so nhcrnommcn Arnim. Sanders 2. 418) passt liier nicht recht.
Unpersönlich cunstruiert kann ich das verb im mhd. nicht
nachweisen {Es hat mich gerade heute ühernommen Heer, König
d. Bernina s. 131). Ich halte die vorliegende construction für
angeglichen an die von hedriezen, erdriezen = und in der nutze
erdröz, wobei man an üherdröz stf. als associationsbrücke denken
könnte.
3G12 Tristan snochte ez — das kind Tantrisel — und vant
in. Das ist eine verqnickung zweier lesarten. 0 fasst Tristan
als snbj. und schreibt also suchtes =^ suchte sie, nämlich Isöt
und 'J'antrisel; F nimmt 'J'ristan als obj. und schreibt daher
Tristande. Dieser acc. ist in den text zu setzen. Vgl. Tristane
660. 5597. 6177; Tristande 3890. 5587. 5808; Tristanen 5405;
sonst Tristanden. Der nom. ist nur in der lesart von 0 mög-
lich, da Tristan keinen grund hat, den knaben zu suchen.
5100 ohem, du bist gestalt
glich einem rechten toren,
an houl)te, an glänze, au oren.
glatzc ist zu schreiben; vgl. 5062 sin reidez här er ahe schar.
An der gleichen stelle bei Eilhart .spricht das kind nur von
Tristans kahlheit: oheme ... da histn andirs getan den htr he-
vorn: dir ist daz här ahe geschorn. Eilh. 8695—8700. A^'ie
ich sehe, denkt an glatze schon Bechstein, hält aber für mög-
lich, dass glänz wortspielend für glatz stehe. Das halte ich
hier für ausgeschlossen. Dass übrigens glantze schon in der
vorläge stand, verrät die hs. 0, deren bedachtsamer Schreiber
das unverständliche wort fortlässt.
5399 ich rase niht ein hiinne. Die hss. haben nindert ein
Ivnnc F; nit ein künne 0. Bernt gibt (s. 121 — 123) eine aus-
tührliche begründung seiner conjectur, die ihm 'einen eminent
dialektischen reim' liefert, und verwertet sie sogar für Hein-
richs spräche und Stil (s. 50. 118. 126). Gewiss befremdet die
stelle auf den ersten blick, doch nötigt sie weder zu Bernls
änderuug, noch zu dem ausweg, den Bechstein, einer Vermutung
Bechs folgend, einschlagen möchte: ein Icunne als anrede an
Brangäne zu fassen. Bichtig ist m. e. die stelle im DWb. be-
urteilt, das von kunne 'art' {Eurus, ivintchunni Graff 4, 441,
'eine wiudart'j ausgeht. Von mhd. belegen sei angeführt:
536 WALLNER
würze manige Itunne Lampr. Alex. 5024, alles spÜes cliunne
Genes., Fundgr. 36, 5, mit frenden maneger h'lnne Lanz. 2359,
hidtern maneger lünne Parz. 760,13, von mancher lumie varicen
cldr Karlm. 161, 58. Diesen verallg-emeinernden sinn hat das
woit dann auch in der negation: ze lang, se Hl; ze tünne noch
lieine Icrunihe hünne liaüen die här der oiigcnhrä AValth. von
Rheinau 25, 59. Die nähere bestimmimg, hier vielleicht schon
adjectivisch, erscheint in recht loser Verbindung bei Herrn.
V. Fritzlar 255, 8 Do stürben si -in dem füre und nielcein här
icart an in vorsenget noch nielcein hunne an iren kleidern
(= irer hleider). Die hier beg-eguende ko})pelung von nieJiehi
limine mit der bildlichen negation niekein hur zeigt uns den
weg, der zu unserer stelle (Trist. 3599) führt: aus der Wendung
kein hiune 'durchaus nichts' (vgl. keinen wis, deJieine tvis)
wird nach analogie von niht ein här u. dergi. schliesslich niht
ein kunne. Nicht nur das zeugnis der beiden Tristanhss.
opfert Bernt seiner conjectur; er versucht auch, sie in dem
eben angezogenen mystikercitat — wider gegen zwei hss. —
unterzubringen, um diese stütze der Überlieferung zu beseitigen.
Aber wäre denn der grob dialektische reim hunne : wunne
Heinrich überhaupt zuzutrauen?
5499 der was iu beiden gar gebaz
und liete in ouch bewiset daz.
ber was eins bopsen berzen guuoc.
Ebenso unglaublich ist 0 er, hatte ein hose herze gnuoc. Die
herstellung des ursprünglichen Wortlauts halte ich für möglich.
Heinrich gebraucht meist das demonstr.-pron. das im vers-
schluss zugleich als conjunction. Unserer stelle ähnlich sind
die satzgebilde 1027 ir mochtet mir hescheinen daz \ ir mir
weret nicht gehaz und 3456 si ivinkete im und erscheinete i|
mit ir spilnden äugen daz \ sie iveste niiaves eteivaz. Vgl.
ferner Trist. 375. 1623. 2656. 5413. 5863. Leg. 750. Sicher
ist, dass in der vorläge der beiden hss. in v. 5501 das prädicat
fehlte, weil F es mit was, 0 mit hatte ergänzt. V\\y erhalten
^^^^'- und bete in oucb bewiset, daz
er ein boesez berze gnuoc.
Dadurch wird klar, dass gnuoc verlesen ist aus getruoc. Ur-
sprünglich dürfte die stelle gelautet haben:
zu HEINRICH VON FKEIBERG. 5>Y
und hete ie ouch bewiset daz
er in ein ba^soz lierze trnoc.
(Vgl. einem ein lioldez herze tragen) Daraus maclite die vorläge
der was in beiden gar gehaz
nnd bete in ouch bewiset daz —
er ein boesez lierze getrnoc.
Die abscbreiber mussten nun den letzten vers als hauptsatz
verstehen, wobei ein unleserliches yetmoc mitwirkte. Sie er-
gänzten also, jeder auf seine weise, das prädicat. W\i dem
verspaar er in ein hivsez herze trnoc und was üf valsche rete
Iduoc lässt sich vergleichen 5897 und in irm herzen also
l:luoc, daz si mit listen daz an trnoc.
5669 die jagenden jageten im dö nacli,
in allen was zn im so gacli
sam dem valken zu dem luoder.
wä wart ie bezzer ruoder,
dan sin kolbe da was?
5671 sam ralkcn F. v. 5672 lautet in F wart ie Icein hezzer
ruoder. AVarum hier die schlechten Varianten von 0 vor-
gezogen wurden, verstehe ich nicht. In 5671 ist der plur.
sam valken in hinblick auf die verfolgende schar doch gewiss
bezeichnender und, auch metrisch besser. Und den nächsten
vers ändert augenscheinlich 0 wegen des positiv gebrauchten
lein, wie z. b. auch in 3208 {oh Tristan der junge . . , mit keiner
— (1. i. irgendeiner — list entrimne) hs. 0 das kein ausmerzt
und mit eyncher list schreibt.
5777 so kleine ein vogel noch ein müs,
der müge kumeu in daz hüs.
Es muss daz heissen (F da^ m. 0 daz da) und dieser beleg für
gemeinsame falsche Überlieferung ist einl. s. 18 zu streichen.
6402 der segel ist wiz, den ich da hän
\\i dem mer aldort gesehen.
Ein nettes verspaar! Das echte hat 0 der segel der ist ivis
gedan, den ich hau uff dem se geseen. Vgl, 6388 ivte ist der
segel getan? (Ulrich 3384 tvie der segel si getan). Eilh. 9305
wie din segil si getan; 9377 (H) ivie daz segel getan ivär. Die
ganze partie 6316—6752 ist im ausdruck von Eilhart abhängig.
Das wort segel als versfuss darf doch bei einem dichter nicht
538 WAT.LNER
befremden, für den sicli 'das Verhältnis der altern und jungen
beliandlung- der kurzen silben als tonträg-er' im Tristan wie
359 : 784 stellt, für stamme in g wie 99 : 153 (einl. s. 129).
C620 er jach: 'sich, werlt, diz ist din löu,
den du zu jungest gäbest iu,
die dir zu dienest ireu sin,
lip und herze neigen:
den kanstu kurze erzeigen
die valschen in der letzten stunt.
Frö Werlt ist einem mhd. dichter doch zu geläufig, als dass
man in v. 0620 nicht personiflcation annehmen sollte. — Kurse
in 6624 ist eine von Bernt übernommene conjectur Bechsteins
für Icvrlce F, äüclxc 0. luirc ' auserwälilt, klar, deutlich' wäre
nicht unpassend, doch müsste man das adv. kurcUche erwarten.
Bedenklich ist auch das subst. die valschen = die velsche.
Das ducke in 0 erinnert an die gleiche lesart dieser hs.
in 3820, wo F schreibt: ist da iht valscher kvtte hie. Kvtte
ist ebenso anstössig wie Icvrke und es liegt nahe, beides für
Verderbnisse desselben Wortes zu halten, dem der Schreiber
von 0 auswiche. Dann würde sich auch an beiden stellen
das gleiche attribut {valsch) ergeben. Bernt hat nach einem
Vorschlag von J. Peters in 3820 kuste eingesetzt. Dessen vage
bedeutung würde ja auch in 6624 nichts verderben, aber es
lässt die starken graphischen ab weichungen hier und dort
unerklärt. Des rätseis lösung bietet sich vielmehr in der
lesart von 0: ducke ist echt. Der Schreiber von F zeigt einen
hang zur metathese, den man schon krankhaft nennen muss.
Er schreibt furnt {vrunt), vrusten {vursicn), torst, verdorz,
tüiltherte, kanppe, pfalc {iiflac), hrege, durcte, vrit {ivirt), ivrat,
wlat, zwivlat, strab, hruc (hure), druck einl. s. 6; ich notierte
mir noch man (nani) 76, bran {harn) 2249, j)?/iac 4342, kart
(kraft) 1426, ziiser {suzer) 4899. Offenbar gehört kvite in die
gleiche kategorie und ist metathese für tvcke, und ebenso steht
es um kvrke. In der anm. zu 6624 heisst es nämlich: ^kvrke F,
das r nicht ganz sicher, legt vielleicht nahe, an kvcke = qtiec
zu denken'. Es steht zweifellos kvcke in der hs., denn dies
unwort ist das product einer kreuzung zwischen kvtte und
tvcke, ähnlich wie in 2718 chhe (aus ehre und erhe). Uebrigens
ist auch der Schreiber von 0 an der stelle entgleist. Er schreibt
zu HEINRICH VON FREIBERG. 589
6625 die faUschcit st. die valschen^), was nur auf augenblick-
liclier verweclislung- des eben gesclirie])enen düclic mit dicke
beruhen dürfte. Dies wort ist ihm freilich weitaus geläufiger,
da er jedes oße durch dicke ersetzt. — Eine der metathesen
von F ist auch 5820 in den text geraten: ir suU mine ycsfe
stn htnt und vür biz morgen. F hat hin vü vur, 0 noch hint
rnd fni. Xatilrlich ist 0 zu folgen, da F hier wie 2037. 2059
und 6027 (sogar auf rasuri) das mt zu rur entstellt.
6635 diu zucker ie des smeckens pflac,
daz enzunte siu nächsmac.
Nach den vorliergehenden antithesen honic — galle, rösenhluome
— dorn, wei:^c — distelcn erwartet man zu zucker ein ähnliches
gegenstück, etwa das essichte (oder senefte) sin nächsmac (vgl.
Engelh. 2117 f/ir der süezen wimne mete der sorgen ezzich
frinhen; Fraueiilob MSH 3, 142 (3) Vil maniger zucker rifet, der
doch mit sencre slifet). Aber das beiden hss. gemeinsame enz-
(lis. 0 hat vfs cnizcan) weist wol auf eine verbalform enzeante,
die der Schreiber von F nicht verstand und der von 0 nicht
zu widei'liolen wagte.
Legende.
482 Im apparat fehlt das hsl. panleichn, das durch Scherers
abschrift (Anz. 8, 306), Pfeiffers Uebungsbuch und Berufs eigene
collation (einl. s. 20) gesichert ist. Die Wahrscheinlichkeit, däss
j)anleichn für 2^ci'nleichn (vgl. jmiUche Trist. 2807. 6805) ver-
schrieben ist, darf nicht verwischt werden.
778 tvan man dar innc — in dem (in den) weilier —
u-uosch und truoc iegUches Juden töten lij). Die Umstellung
tcuosch und truoc, in Verbindung mit der sprachlichen härte
dar innc, ist zu auffallend; statt truoc ist twuoc zu schreiben;
Vgl. si chom in die armuot, den Unten ivuosch si unde tivuoc
Kaiserchron. (Schmeller 2, 1175).
Ritterfahrt.
19 her Erec unde Gamurct. Erec ist conjectur vdHagens
für hsl. ecke. In diesem fall ist aber her zu streichen. Denn
*) Zur iiacUstellung des adj. \g\.mtmt den f inen hü^; zur phrase vgl.
Suchenwirt 21, 119 0 ivelt, daz sint dein tücJce.
Beiträge zur geschichte ilcr deutschen spräche. XXXll, 35
540 WAT.LNER
liat -wirklich erst der Schreiber hier ecJ;e eingesetzt, dann
fasste er eben enxl- als {h)er eck anf.
23 den armen rifter Tristant. Die hs. hat cdhrant. Sclion
vdHagen fand es auffallend, dass der Tristandichter in dieser
aufzählung- seinen beiden übergehe. Auch Ernst Kraus (Jan
z Michalovic) vermisste ihn und so schlug denn Knieschek
(Literaturbl. 1890, 137) vor, den Albrant durch Tristant zu
ersetzen, obwol er es 'mindestens seltsam' findet, dass ein
dichter von dem beiden seines haupt Werkes sagen sollte: u-an
mir das ist von im helcant, daz er ein giioter rifter was. (Und
sollte man von diesem dichter nicht Tristan erwarten, statt
der nebenform Tristant?) Aber, meint Knieschek, 'wie könnte
Albrant der arme rittcr genannt werden, da es Wolfdietrich
10, 100 einfach heisst: do was tot gelegen Albrant ein degen?''
Es ist ihm unersichtlich, wie der dichter überhaui)t zu dieser
untergeordneten gestalt der Wolfdietrichsage käme. — Meines
erachtens ist es willkür, die namen Eclce und Albrant hier
auszumerzen, zumal der Verfasser der Eitterfahrt auch im
Wortschatz verrät, dass er der volkstümlichen dichtung nahe-
steht. Und wenn er neben Artusrittern auch beiden der
Chansons de geste (Wilhelm) und Vertreter antiker romane
nennt (Athis und Prophilias, Alexander), so gehciren füglich
in diese bunte reihe auch gestalten aus der deutscheu heklen-
sage liinein.
Ueber Albrant waltet ein eigener unstern: wo der name
auftaucht, wird er getilgt! In der Kolmarer liederhandschrift
ist der Marnerspruch Singe ich den Hüten miniu liet in zwei
fassungen erhalten. Während die eine schreibt der sibcnde
tvil etesivaz Heimen ald heren Witchen sturm, Sigfrides ald
heren Eggen tot, steht in der andern (Fol. 568a): der sibende
ivil etewaz von tvitticli und von heimen strit von des jungen
alhrandes tot. Holtzmann bemerkt dazu (Germ. 5, 445): 'statt
albrandes ist wol alphartes herzustellen, und so hätten wir
ein Zeugnis für das gedieht Alpharts tod.'
Alebrand heisst nun bekanntlich in der Thidrikssaga und
im Volkslied Hildebrands söhn. Vielleicht darf als stütze der
lesart ein Frauenlobspruch angezogen werden, der das Villon-
tliema Mais oii sont les neiges d'antan in einer ähnlichen
aufzählung aus der heldensage variiert (Ettmüller s. 161):
zu HEINRICH VON FREIBERG. 541
Ach got, nu wist ich gerne,
Wit komeu hin die starken mau
Wolfhart, Witig- nnt Heime,
Ililbrant und oncli der herre Ilsan.
(Cod. Pal.: Wolfhart, Wiüich und Helm Und auch der here
Uikhran). Hier wird also, auch unmittelbar nach AVittich
und Heime, Albrands vater Hildebrand genannt.
.Tedesfalls sollte man geg-enüber der naheliegenden ände-
i'ung Holtznianns die mügiichkeit betonen, dass uns in dieser
lesart neben dem nordischen Zeugnisse in der Asmundarsaga
Kappabana ') ein deutsches vorliege für den tragischen aus-
gang des Plildebrandsliedes. Und diese mügiichkeit wird durch
die stelle in Heinrichs Ritterfahrt noch verstärkt.
Selbst angenommen, die Schreiber hätten den namen AJ-
hrant eingesetzt, eigenmächtig oder infolge eines lesefehlers,
Avie unwahrscheinlich das auch wäre: so zeigt doch ihre Über-
einstimmung, dass sie einen Albrant als hervorragende gestalt
der heldensage kennen. Heinrichs Ritterfahrt nennt ihn mit
einem beklagenden beiwort und der Marnerspruch bringt dafür
die aufklärung durch die erwähnung seines frühen todes, der
in einem eigenen liede erzählt wurde. Wer soll das sein,
wenn nicht Hildebrands söhn? Das er ein guoter ritter was,
meldet von diesem auch die Thidrikssaga, die doch ein deutsches
gedieht widergibt: Emji maör i Onilunyalandi er hans rnah',
sua er kann goör riddari, sagt Konrad zu meister Hilde-
brand, nachdem er ihn gemahnt hat: Mail viö hann Jcurtelslega
ok seg at J)v crt hans faöir (vgl. du soll im freunÜicJi zusprechen
icol durch den luillen mein Uhland uo. 132, str. 4) Thidrikssaga,
cap. 406.
142 des Schildes veli bezogen ivas mit nimven röten mar-
derJceln . . . dar in icls hermeUn ein gender leive ivas gesniten.
In seiner paraphrase einl. s. 26 gibt Bernt die stelle wider:
'auf rotem feile (1. felde) aus marderfellen ist ein gehender
löwe eingeschnitten.' Das ist kaum richtig, denn marderkehlen
und hermelin sind heraldische termini für die rote' und die
weisse tinctur. Die ganze ausdrucksweise wird der heraldischen
kuustsprache angehören. Auch gender ist ein solcher terminus;
') Und bei Saxo 358; vgl. Jiriczek, Deutsche heldeusageu 1,285.
35*
642 WALLNER
'gehend' wird ein Wappentier genannt, wenn es einen vordem
und einen hintern f iiss aufhebt. E. Kraus (und vdHagen) setzten
daher mit unrecht g inender {ginder; hs.) in ihre texte. Unser
beleg ist auch bei Lexer 1, 1017 zu streichen.
170 von einem haldiktne ivart im ein himel ertraJit, tif
vier schefte gemacht gar schone zu den zitcn. Lexer (1, 1283)
citiert die stelle nach der hs.: gar schone zu den silen und
merkt an, dass vdHagen ßUen st. sUen geschrieben habe.
206 (loch nicht lauge wart gespart,
daz der künic ritterlich
hiez in ir wäfen zieren sich
zwene ritter nz erweit.
Das gegen die hs. ergänzte wart ist nicht notwendig, denn
man kann lesen doch nicht lange gespart daz der Id'mic ritter-
lich hiez ... Es liegt wider die schon beim Tristan zweimal
berührte Verwendung des daz — dort im versschluss — als
dem.-pron. und zugleich als conjunctiou vor.
Schrätel und wasserbär.
36 ivan in der ähent des tages ttvanc. Das metrisch und
sprachlich überschüssige tages ist zu streichen: wan in der
ahent des hefzvanc, daz er Ute vasfe. Die form hetwanc st.
twcinc wird durch die construction gefordert. Aus demselben
gründe muss 177 f. umgestellt werden:
lind der släf in des betwanc,
daz er sich leite üf eine haue.
56 swie ofte im harte uud süre
wart sin lipnar mit uot.
Das ist eine conjectur AVackernagels für hsl. ivie ofte im wart
vnde soiver sin lijniar mit not. — vnde soiver halte ich für ver-
lesen oder 'verbessert' aus vnsüre. Vgl. die drohung im Priester-
leb. 225 Entriiven, daz wirt in vil unsonr. Das wort ist eine
kreuzung aus süre und unsuoze. Es ist also herzustellen:
swie ofte im wart unsüre
sine lipnar mit not.
Vgl. sine gestalt 102, sine koste 172 (sin nur vor vocal. anlaut
und vor h: 98. 119. 244. 309). Zu dem versschluss misüre vgl
250. 268. 341.
zu HEINRICH VON FRETBERG. 543
118 uu habe oucli ich die vreise sin
uiide sin untät gevlogen
und habe micli gar von im gezog-en,
des ich mich au iueh seihen ziehe ( : vihe).
Die lis. hat den reim zieh : vidi; Wackeriiagel schrieb sie : vie.
Die alte crux wird aus der weit geschafft, wenn man liest:
des ich an iuch selbe jihe 'was ich selbst euch gesteh'. Der
Schreiber hat jihe in zihe verlesen und deshalb mich eingeflickt.
\g\. Graf Kud. H 20 des tvil ich an iuch alle jehen.
159 (er gab . . .) sinem bereu eiuen wider,
der im doch süre guuoc wart sider.
\\'as die hs. bietet, gibt keinen sinn, ob man das im nun auf
den bauer oder auf den baren bezieht. Wackernagel hat seinen
Vorschlag der im doch sider gnuoc wart ivider später selbst
zurückgezogen. Vielleicht ist zu lesen: des im doch suone
gnuoc wart sider 'was ihm doch späterhin reichlich vergolten
Avurde'. Die construction wäre nach mir wirt huoz gebildet;
vgl. huoze linde suone der hin ich tu bereit Nib. 1928, 3.
191 daz ir die wärheit wizzet:
ez hete ein vleischel gespiezet
an einen spiez iseuin.
• Den nid. Charakter der spräche Heinrichs auffällig bezeugend
und dem gesetze Zwierzinas entsprechend scheint die binduug
i : ie, allerdings nicht in geschlossener silbe: icizzet : gespieset
Schret. 191, vielleicht auch ziehe : vihe Schret. 121'; einl. s. 97.
— Die formen der hs, gespizzet und spiz müssen unbedingt
bleiben, denn hier ist eben nicht von spiez, spiezcn die rede,
sondern von sjnz 'bratspiess', spizzen 'an den bratspiess stecken'
Lexer 3,11041). Daher ist auch 212 spizze und 223 spiz zu
belassen.
GRAZ, im märz 1907, ANTON WALLNER.
DIE ENTWICKLUNG VON Nx\SAL VOR STIMM-
LOSER SPIRANS IM NIEDERDEUTSCHEN.
Es soll in den folgenden zeilen der versiicli gemacht werden,
die entwickliing- von nasal vor stimmloser spirans in den neii-
niederdentsclien dialekten zu klären. Ich habe es nicht als
meine aufgäbe betrachtet, das ganze problem in seinen viel-
fachen Verzweigungen zu verfolgen: dazu fehlt mir die nötige
umfassende Sachkenntnis; es ist nur meine absieht, einen neuen
gesichtspunkt zu entwickeln.
Während die as. denkmäler den ausfall eines nasals vor
den stimmlosen Spiranten s, f, J)^) consequent durchführen'^),
scheint dieser lautliche Vorgang in bezug auf p, das sich unter-
dessen zu d (und daraus späterhin zu nn^)) entwickelt hat, im
mnd. und neund. aufgehoben zu sein^); auch vor 5 und /' tritt
gelegentlich ein m oder n auf, in mnd. denkmälern jedoch un-
gleich häufiger als in den modernen dialekten. Van Helfen
hat eine erklärung für diese eigentümliche erscheinung zu geben
versucht^), der auch andere, wenn auch zurückhaltend, zu-
gestimmt haben.'') Nach dieser ansieht hätten im as. doppel-
formen bestanden: formen, in denen der spirant zu derselben
silbe gehörte wie der nasal, hätten diesen verloren (z, b. munp
> mud), die übrigen ihn aber bewahrt (z. b. muti-J)- > mimd-).
In dem dialekt des Helianddichters seien die nasallosen formen
') Von dem vollständig parallelen Vorgang des ausfallens von // vor /
sehe ich hier als einer gemeingerm. erscheinnng ab.
^) Holthauseu, As. elementarbuch § 191. 192.
3) Wrede, Zs. fda. 43, 341.
") ders. ib.
^) IF. 5, 190 ff.
•5) Behaghel, Pauls Grdr. l'-* 720, § 98; Morsbach, Beibl. z. Anglia 7, 327;
Bülbring, Ae. elementarbuch 1, § 122, anm. 1.
NASAL VOR STIMMLOSER SPIRAXS IM ND. 515
zur ausschliessliclien herscliaft gelangt, indem sie die übrigen
nach den gesetzen der analogie verdrängten. Später aber soll
(lieser dialekt entweder untergegangen sein, oder unter dem
einflusse einer früher latenten, vielleicht volkstümlichen unter-
strömung sich verändert haben.
Diese theorie hat aber manches bedenkliche. Haben doppel-
formen bestanden, so müssten diese doch im as. viel häutiger
belegt sein; die wenigen fälle mit and statt ö/V) erklärt man
wol mit recht als auf dem Vernerschen gesetze beruhend.-)
Und wie sollte im übrigen die verschwindend kleine zahl der
einsilbigen formen des st, verbums den sieg über die mehrsilbigen
davontragen können? Es kommt ausserdem noch der umstand
dazu, dass die mnd. quellen den nasal vor s und f viel häufiger
aufweisen als die heutigen dialekte: jene doppelformigkeit müsste
also Jahrhunderte lang in der spräche bestanden haben, um
sich von zeit zu zeit bemerkbar zu machen. Für einen dialekt,
der, wie das niederdeutsche, so starke hinneigung zu analogie-
bildungen zeigt, ist etwas derartiges kaum anzunehmen.
Ich gehe demgegenüber von der ansieht aus, dass im as.
ebenso wie im anglo-fries.^) der Verlust der nasale vor s, f, Jj
stricte durchgeführt worden ist, und zwar unter dehnung
und nasalierung^) der vorangehenden vocale. Bei 5 und f
hat sich dieser zustand bis in die heutigen dialekte erhalten;
nur ist denasalierung und gelegentlich kürzung des vocals
eingetreten. Alle formen mit nasal vor 5 und f sind durchaus
als fremde eindringlinge zu betrachten, mit ausnähme der-
jenigen fälle, in denen eine andere erklärung möglich ist: wenn
nämlich die analogie in einem paradigma von einfluss gewesen
ist, oder wenn der nasal erst dann, nachdem das gesetz aufgehört
hatte zu wirken, durch synkope mit dem Spiranten zusammen-
gestossen ist.^) Für eine derartige annähme spricht schon
der allgemeine Charakter der in mnd. zeit zu schriftlichen
aufzeichnungen benutzten spräche, die mit künstlichen, nicht
') ä stellt im folgenden für alle, vor nasal + consonaut möglichen vocale.
'■') Holthausen a. a. 0. § 192, anm.
3) Biilbring, Ae. elementarlnich § 122; Siebs, P. Grdr. P, 1176, § 10.
*) Sievers, Ags. gramm.^ §186, anm. 2; Sweet, History of Engl. Sounds
1888, § 531.
5) Holthausen a.a.O. § 192.
546 MUTSCHMANN
bodenständigen, hoclideutschen elementen stark durchsetzt ist.')
Aber auch der umstand, dass jene undialektischen formen in
den mnd. quellen zahlreicher sind als in den lebenden Volks-
sprachen, ist ein beweis für ihre herkunft.
Bei 2) liegt die sache allerdings anders: wäre as, ap nicht
regelmässig durch späteres and (bez. ant) vertreten, d. h. gienge
seine entwicklung mit der von as und äf parallel, so würde
der soeben entwickelten theorie nichts im wege stehen. Aber
auch diese bedenken, die für die drei Spiranten eine gleich-
artige entwicklung verlangen, könnten beseitigt werden, und
das Problem eine befriedigende lösung finden, wenn es gelingen
sollte, die auf den ersten blick paradox scheinende behauptung
zu beweisen: «/> habe sich natur gemäss unter ihm eigen-
tümlichen Verhältnissen, im gegensatze zu äs und af, zu and
entwickelt.
Gehen wir näher auf die lautlichen Vorgänge beim
schwinden des nasals ein, so werden v>'ir, wie sich aus den
späteren betrachtungen ergeben wird, zu der notwendigen
annähme gedrängt, dass der nasal dem folgenden Spiranten
vollständig homorgan war; beide laute wurden mit denselben
Organen, an der gleichen stelle erzeugt. Dieses liefert uns
einen anhaltspunkt für die Chronologie: es setzt nämlich eine
zeit voraus, in der das f noch bilabial gesprochen wurde. 2)
Denn der labio-dentale nasal kann, wenn er überhaupt ent-
steht, nur für sehr kurze zeit sich erhalten; die meisten Sprecher
sind nämlich gezwungen, bei seiner ausspräche die zunge
gegen die oberen Schneidezähne zu legen, um einen vollstän-
digen verschluss zu erzielen; sie sprechen also den dentalen
nasal, so dass die articulation der Unterlippe ohne einfluss ist
und gänzlich unterlassen wird. Als beispiel möge die aus-
spräche der hochd. Wörter wie sanft, Jianf, rauft dienen, in
denen wir entweder das bilabiale m, oder häufiger noch das
dentale n hören, das ja auch in der schrift ausgedrückt wird.
In der folgenden tabelle sind nun die lautcomplexe ans,
amf, and dargestellt, und zwar derartig, dass die gleichzeitigen
') Jostes, Schriftsprache u. volksdialekte, Jahrb. d. Vereins f. ud. sprachf.
9, 85 ff.; H. Jellinghaus, Westfäl. gramm., Bremen 1877, § 4.
») Kluge, Vorgesch. P. Grdr. 1^ 365; Bnigmaun, Grdr. l^, §568.
NASAL VOR STIMMLOSER SPIRANS IM ND.
)17
Stellungen der hauptsächlich in betraclit kommenden organe —
Stimmbänder, veliim, zung-e und lippen — registriert worden sind.
Stimmbänder! Nasenrauin Zunge u. lippen
I. stimmton
n. stimmtou
III. aufhören des
stimmtous
verschluss des die dem vocal eig-en-
nasoi!l\aiinl>: tümliche Stellung'
senken des I verschluss des
gaumensesrels nasals
verschliessen des
naseukanals
n. Dl
bildung- einer enge $^ f^ p
durch öffnen des
verschlusses unter II
Der erste schritt der entwicklung war nun die nasalierung
des Yocals, d. h. das frühzeitige senken des gaumensegels
während der articulation von I. Ob dieses ausschliesslich
vor nasal + stimmloser spirans (mit einschluss von /, s. oben
s. 544, anm. 1) stattfand, oder nur ein teil einer vielleicht alle
germanischen sprachen durchziehenden tendenz zur nasalierung
ist'), kann noch nicht entschieden werden.
]\nt diesem schritt war aber der nasalconsonant seines
hauptcharakteristicums beraubt: die nasalität diente nicht
mehr dazu, ihn von seiner Umgebung nachdrücklich abzu-
heben. Der laut ?^ oder m Avurde in dieser Verbindung nur
noch charakterisiert durch den dentalen bez. labialen ver-
schluss, dessen Wirkung sehr gering war. Setzen wir nun
den fall grösster Wahrscheinlichkeit, dass nämlich die nasale
den folgenden Spiranten vollständig homorgan waren'-), worauf
') Man vergleiche die ausnahmestellung der vocale vor nasal + con-
sonant im germ. ; den ausfall des ?; vor /, die entwicklung von -wgerm. ä
im fries. und ae., auch die uasalierungserscheiuungen der uordischpu sprachen.
Noreen, P. Grdr. !'■*, 554, § 24; 581, §111; s. auch Wyld, Historical Study of
the Mother Tongue etc., London 1906, s. 76.
*) Die n vor s und /j waren also verschieden; nach der Sweetschen
terminologie würde mau das erste als blade, das zweite als point-teeth
nasal bezeichnen.
548 MUTSCHMANN
ich sclion oben liiiig-ewiesen habe, so folgt daraus, dass zwischen
beiden ein hörbarer gleitlant (off-glide) nicht vorhanden war. ')
Somit war das bilden des verschlusses fast ohne akustische
Wirkung, und wurde um so eher unterlassen, als mit diesem
schritt eine organische Vereinfachung der articulation ver-
bunden war. Anstatt den verschluss zu bilden und ihn dann
an derselben stelle für die enge des Spiranten zu öffnen, unter-
liess man das erstere vollständig; nur wurde die Zeitdauer
des nasals durch die Verlängerung der articulation des vocals
ausgefüllt. Das endergebnis war also ein langer, nasa-
lierter vocal vor stimmloser spirans: äs, af, äp. Aller-
dings findet die nasalität in den as. (und ae.) quellen keine
bezeichnung. Aber hieran dürfen wir keinen anstoss nehmen :
ist doch auch die als sicher nachgewiesene nasale ausspräche
der vor germ. ijx entstandenen langen vocale unbezeichnet ge-
blieben.-) In noch viel grösserem umfange zeigen die altnord.
quellen diese graphische nachlässigkeit. s)
Die nasalvocale müssen sich unter dem tone bis in die
mnd. zeit hinein als solche erhalten haben; in unbetonten
Silben gieng mit der kürzung wol auch die nasale ausspräche
verloren.^) Jedenfalls war sie aber noch in den Stammsilben
vorhanden — und damit komme ich zu dem kernpunkt meiner
ausführ ungen — als der Lautwandel J) > d die nd. dialekte
von Süden her vorschreitend ergriff. &) Welches auch immer
die gründe dieses in der Sprachgeschichte häufigen Vorganges
sein mögen, das ergebnis war jedenfalls ein laut, der dem d
sehr ähnlich war und bald mit ihm zusammenfiel. Mit diesem
lautwandel stellte sich aber in der Verbindung «/> der
nasalconsonant w^ider ein. Das charakteristicum des d ist
') Icli verweise hier ausdrücklich auf die ausführungen Sweets: 'lu
Speech the general priuciple is to take the shortest way betweeu two
Sounds. This often results in conibinations which are effected without
auy glide at alL This is regularly the case in sequences of couso-
nauts having the same place and differing only in form.'
a. a. 0. § 82.
-) Kluge, Vorgesch. P. Grdr. 1-, 412, § 127; Sievers, Ags. gramm." § 67;
Bülbring a.a.O. § 121.
^) Kahle, Altisl. elementarb. § 36 ; Noreen a. a. o.
'') Holthauseu a.a.o. § 135. 405, anm. 1; Sweet a.a.O. § 154.
») Braune, Beitr. 1, 53 ff.
NASAL VOR STIMMLOSER SPIRANS IM ND.
549
die explosioii: der verschluss, der hierzu notweudigerweise ge-
hiklet werden muss, ist derselbe wie beim n. Der ^-leitlaut
(on-glide), der sich zAvischen dem d, d. h. dem öffnen des ver-
schlusses, und dem nasalierten vocal entwickelt, ist also ein
nasalierter dental ein n. aj) gieug- also in diid über; ob die
kiirzung" des vocals gleichzeitig erfolgte — wie ich anzunehmen
geneigt bin — oder später, entzieht sich der beobachtung.
Die folgende tafel, die nach demselben jirincip wie die auf
s. 547 augelegt ist, zeigt die Verhältnisse deutlicher als eine
erklärung; dieses zu tun vermag.
Stimmbänder Xasenraum Zung-e u. lippen
stimmtou senken des die dem vocal eigen-
gaumensegcls j lümliche Stellung
11.
stimmten
senken des
gaiimensegels
dentaler verschluss,
die explosion (III)
des d vorbereitend
m.
stimmton
verschhiss des
nasenkanals
öffnen des dentalen
verschlusses
^^'ill man sich von der möglichkeit, ja notwendigkeit eines
Überganges von äj) zu and überzeugen, so versuche man bloss
dp, uiul dann äd zu sprechen. Ich selbst habe die akustische
Wirkung dieser lautverbindungen häufig festgestellt bei kindern
in den ersten Schuljahren, die, sofern ihnen eine nasalierende
ausspräche — also besonders das französische — unbekannt
ist, für diese zwecke die geeignetsten Versuchspersonen sein
dürften. Da der laut ]> im deutschen nicht vorhanden ist,
sah ich mich veranlasst, einen ähnlichen Spiranten, am besten s,
zu substituieren. Liess ich die franz. Wörter lance (las) und
lande (lad) nach dem gehör niederschreiben, so erhielt ich
stets ergebnisse wie etwa die folgenden: lahs, lars — lahndc,
lande u. dergl; im ersteren falle wurde also ein langer vocal,
im zweiten ein n deutlich gehört.
Kehren wir nun zu den nd. Verhältnissen zurück: es muss
550 MUTSCHMANN, NASAL VOR STIMMLOSER SPIRANS IM ND.
also eine zeit gegeben haben, in der die as. Verbindungen äs,
af und äp durch ns, äf und and vertreten waren. Später
wurde die nasalierung der vocale aufgegeben; die consonanten
aber wurden hiervon nicht betroffen. Dabei fand die neue
lautverbindung nd (< aj)) eine besondere stütze in den zahl-
reichen Wörtern mit ursprünglichem nd, wie z. b. as. liand,
bindan. Beide teilten nun dasselbe Schicksal: sie blieben
erhalten wie sie sich ja in den heutigen dialekten vorfiriden.
Sollte man der soeben vorgetragenen theorie seine Zu-
stimmung geben, so wäre damit die annähme von doppel-
formen überflüssig gemacht worden; Kögels ansieht, nd sei
unsächsisch, fände hierin — v>'enigstens für das as. ') — eine
bestätigung. Auch dürfte man das fehlen des n in der Ver-
bindung Avg. nj) nicht mehr zu einem kennzeichen des dialekts
des Heliand machen, und hierauf fussend, diesen unter den
heutigen mundarten zu ermitteln suchen.-)
^) Natürlich mit ansnabrae der auf s. 5i5 (u. aum. 5) angeführten fälle.
-) Jostes, Zs. fda. 40, 172.
GÖTTINGEN, im februar;
BONN, im april 1907.
HEINEICH MUTSCHMANN.
I<:TWAS von STRECKFORMEN UND
ÄHNLICHEM.
Dr. Heinrich Schröder hat in seinen 'Streckformen' (Heidel-
berg- 1906) den sprach- nnd dialektforschern ein werkzeng- g-e-
liefert, mit Avelchem sie wie mit dietrichen und hanptschlüsseln
viele sprachliche wertheimschlösser anfsperren können; und es
is't nur zu verwundern, dass unter allen deutschen etymologen,
von Adelung bis auf Kluge, sich niemand fand, der diesen ein-
fachen und doch so fruchtbaren gedanken erfasst hat.')
Wie sind aber auch diese Streckformen, durch die so
manches wort derart entstellt wurde, dass man es als fremd-
wort betrachten kann, entstanden? Sie entstanden und ent-
stehen noch heutzutage, so wie Volkslieder. Sie leben im
Volke, ohne dass jemand — wenigstens in den meisten fällen
— den autor kennt. Sie entstehen im volke nach unbekannten
gesetzen, wie die pflanze auf der ilur.
Dass Streckformen auch heute noch entstehen, habe ich
im monat november vorigen jalires erfahren. Ich war damals
in einer Weinstube, wo der wirt Paul Klein, ein gewesener
Schneider, also kein wissenschaftlich gebildeter mann, obwol
er drei sprachen spriclit, seine Stammgäste mit wüi'sten trac-
tierte. Auf die frage: warum er bei so warmer Witterung
Schweine schlachte? antwortete er — wahrscheinlich weil er
sich vor den gasten genierte und keinen obsc<)nen ausdruck
gebrauchen wollte — : 'ich musste die sau sciilacliten, denn
sie wollte nicht fressen, sondern nur hahiJcein.^ Er bildete
sich also aus einem slavischen wort eine deutsche Streckform.
Im slavischen heisst httJial so viel wie: nach dem eher ver-
1) [Kluge hat allerdings Litbl. 190ß, s. 393 ff. Schröders erklärmigs-
priucip völlig abgewiesen. Vgl. jetzt zur frage der wortbetonuug A. Geb-
liardt, Zs. f. deutsche mundarteu 2, 155 fl'. — W. B.J
552 Kövi
langen, coTre von den Schweinen gesagt; mit dem infix al und
der deutschen endung ein bildete er die Streckform liahd-ein,
die man natürlich in keinem wissenschaftliclien, auch in keinem
dialektwörterbuch finden wird und die — wenn sie irgendwo
gedruckt erschiene — zu den buntesten erklärungen anlass
geben würde; auch habe ich dieses wort bis jetzt nirgends
bei den deutschen bauern in Zipsen gefunden und gehört.
Auf solche und ähnliche weise können somit noch immer
neue Streckformen entstehen, die den etymologen ohne Schröders
fingei-zeige in seinen SStreckformen' harte nüsse zu knacken
geben.
Schröder sagt selbst (s. 250): 'Die meisten Streckformen
kann man doch nur aus den seit der mitte des 18. jh.'s er-
schienenen Wörterbüchern der volksmundarten kennen lernen.'
Auch die Zips, deren 'Zeitschrift für und aus Ungarn 1804'
schon A. Schmeller in betracht zog, dürfte hierfür beachtung
verdienen, zumal hier zw^ei hauptdialekte in vielleicht zwanzig
verschiedenen abtönungen gesprochen werden.
Von den ca. 300 Streckformen, die Schröder gesammelt
und erklärt hat, sind vielleicht zwanzig auch den Deutschen
in Zipsen geläufig, wenn auch zuweilen in anderer bedeutung ;
dafür aber gibt es Streckformen, die in keinem deutschen wörter-
buche zu finden sind, und da bis jetzt noch kein Wörterbuch
der Zipser mundart erschienen ist, so erlaube ich mir hier an
dieser stelle einige derselben anzuführen:
1) Mit dem infix cj/j: schlapurde {ßlapurdd), scJilurdc <
slör{d)en, schlören, scldüren = schlottern, schleppen, nachlässig-
trägen; daher schlamiye, schlumpe, schlapurde, besonders was
den anzug betrifft; s. Schm. 2, 523; Weig. 2, 588 und Sehr. s. 186.
2) Mit dem infix ar: tscharaclien {tsardxn) < tschachen,
schachen, Sachen^), namentlich allerhand 'alte Sachen', die mau
im '/5c/iarac/<ew-niagazin' (= rnmpelkammer) aufbewahrt, da
man sie doch nicht vernichten will.
3) Mit dem infix atz: taldtzen (tcddlsn) < tule^i, dalen =
lallen, stammeln, schwatzen; subst. taldtzer.
0 Die verseliiebung des s oder ss iu seh ist in der mundart häufig;
z. b. irz. chassieren wird gesprochen: (SaS/rij) 'tanzend oder müssig herum-
gehen'. Betreffs der Verstärkung des § iu ß siehe Bei tr. 19, 318.
ETWAS VON STKECKFORMEN. 5^0
4) ]\rit dem infix no: tmnotschen {tranötsn) < tratschen,
tratschen = scliwatzeii, klatsclien.
5) Mit dem iniix drr. schividritteln (svidritln) < schiciiteln,
schwetteln Sclim. 2, 682 = sclnvadern, schwatzen; mh^i. schwi-
drnlle {svidrnh). In diesem wort ist das infix g-ekürzt und
zugleich gestreckt. Uebrigens ist nU, idl^ eine slavische endung,
wie z. b. in papidle < papni, Wiener ma. für 'mund, maul';
ferner in fnrhdle < furl^eln. S. Sclim. tanmdle = tanzsaal,
tanzboden im freien (z. b. im Leibitzer Schwefelbad). Diese
wtirter haben den hauptton auch auf der zweiten silbe und
sind doch nicht Streckformen.
6) ]\[it dem infix nsch: pisnschchen ipi^us/,'}) < P'i^X'J^ *^i^'^-
zu 2)use = katze.
7) Mit dem infix di: rcdihaeu > re{di)lcacn (reZv?) = rücken,
rütteln, möbel geräuschvoll hin und herschieben. Die infinitiv-
endung- aen ist in der ma. häufig und volksüblich.
8) Mit dem infix ilco: ßfschil'okchi {fdsilcQUn) < fitschehi
und ficlxen durch contamination entstanden und durch das infix
gestreckt. Die Streckform hat dieselbe bedeutung wie fdscheln
und ficl-en, nämlich coire.
9) Mit dem infix ott: hrankotte < ltranli{ott)e = kränkelnde
person. Hier drückt das infix ein iterativum aus.
10) ]\Iit dem infix id: zapidchen {tsapidyd) < zap{nl)chcn,
zapchcn dim. von za^) < slav. caplm = ziege. Die Streckform
wird übrigens auch als kuhname gebraucht.
Es gibt ferner in der Zipser ma. den Streckformen ähn-
liche Wörter, die ebenfalls unregelmässig betont werden, d.h.
nicht die erste, sondern die zweite silbe hat den ton. So z. b.
momök. Dieses, man kann sagen durch reduplication gestreckte
wort hat zum stamm mok (s. Gesammtw'b. von Kaltschmidt) sd.
ein langsamer m., ein langsames tier. Daher gilt in Zipsen
momök als nebenform zur bezeichnung der laus.
Ferner hat die ma. auch lehnwörter aus der slav. und ung.
spräche, die ebenfalls unregelmässig betont werden und daher
wie Streckformen erscheinen, aber keine sind. So z. b.
mazöchc {matsoyd) nbf. von Stiefmutter <slaA^ mutka = mutter.
hiitschorm {butsurii) (allerhand alte möbel) < ung. lidor =
möbeln.
554 KÖVI, ETWAS VON STRECKFORMEN.
2')nl'(r < \mg. 2^aUcr =^ arbeiter, aufseher.
paripp < wwg. paripa = reitpferd.
topdnlien {iopanhi) < iing. topänißa ( — ^) = frauen-
sclmlie, ii.s.w.
Schliesslicli erlaube icli mir nocli eine kurze bemerkuiig
zu den 'Streckformen' von H. Schröder. Der autor spricht in
i} 345 die ansieht aus, dass die Streckformen aus den geheim-
sprachen entstanden sind, die 'türkensprache', 'räuhersprache',
'rotAvelsch' u.s.w. genannt werden. Der ung. dichter . 7. Arany
hisst den teufelsbeschv/örer in dem gediclit 'Joka ördöge' fol-
gendermassen spreclien: 'Turgudorgod mirgit forgogargadtargäl?
argadoi'gosorgom margarargadtärgal' u.s.w. Der dichter nennt
diese Streckung 'vogelsprache'. Streicht man in jeder silbe
rg -|- Yocal, so bleiben zwei verständliche Sätze: 'Tudod mit
fogadtiU? Adosom maiadtdl.'')
Derartige geheim sprachen machen sich gymnasialschüler
untereinander aus jux oder Spielerei; dialektsprache und Streck-
formen sind aber meines wissens daraus nicht entstanden.
Endlich sei erwähnt, dass es in der Zipser ma. einige Wörter
gibt, die gegen das germ. betonungsgesetz Verstössen. Solche
sind: jud^nnd = Jüdin, ferner einige s. g. kalendertage, Avie:
hirdnl) = Karl d. gr. (28. Jan.), margr(itj Margaretha (13. juli),
scüiieil) Samuel {26. aug.), miyjilj Michael (29. sep.), martlud
Martin (11. nov.), sm^ino Simon (28. oct.); of sim^ind jnd, fällt
dr sn^l of dl hud (bauernregel).
^) 'Weisst was du versprochen? Meiu scliulduer bist g-eblieben. '
IGLÖ (Ungarn, Zips). EMERICH KÖVI.
HKOIIUIECIITS HAUBE.
F.Keinz, Helnibredit2s. 78 sagt zu v.29: 'wol mag mancher
leser sicli wiinderii über die menge dessen, was auf der liaube
dargestellt war, und die Vermutung liegt nahe, dass der dichter
die gelegenheit benutzte, um seine kenntnis der sagen dai'zu-
legen. Doch ist das ganze nicht so ungeheuerlich, als es auf
den ersten blick scheint.' Diese auffassung ist zu beanstanden.
Zwar kann man sich nach Keinzens ausführungen a.a.O. und
den correcturen derselben durch Panzer, Beitr. 27, 104 f. allen-
falls vorstellen, wie der dichter die haube gedacht wissen will.
Aber dass die ganze Schilderung der liaube mit ihren darstel-
lungen aus den Sagenkreisen von Troja, Karl, Dietrich von Bern
und aus der höfischen gegenwart nicht nur kein reales urbild
gehabt haben kann, wie Keinz annehmen möchte'), sondern
dass eine solche wunderhaube überhaupt nur als groteske
Phantasie zu verstehen ist, darin werden heute vielleicht die
meisten mit mir übereinstimmen. Und zwar wollte der dichter
nicht etwa bloss mit seiner sagenkenntnis prunken, wie Iveinz
meinte, sondern die ganze haubenschilderung in ihren unglaub-
lichen einzelheiten ist vom dichter offenbar in humoristischer
absieht gegeben. 2) Sein satirisches epos hat überhaupt die
höfische erzählungspoesie zum hintergrunde, auf die zahlreiche
deutliche und versteckte beziehungen sprachlicher und sach-
licher art hinweisen. Ohne stete rücksichtnahme auf diese
') Auch Schultz, Huf.lebenl,2-il (=- s.326) übersetzt allzu vertrauensvoll
Ilelmbrechts haube in die Wirklichkeit. — Skeptischer äussert sich dagegen
A.Hagelstang-e, Südd. l)auernlebeu im ma. s.42; vgl. auch Inowraelawer, Meier
Helrabr. Breslauer progr. 1882, s. 18 und W. Stoewer, Das kulturliistor. im
Meier H. Bochum 1891, s. 12 (HO).
*) Schon die eingangsformel zu der laugen Schilderung viit einer kurzen
rede sieht (v. 2G) trägt den schalk au der stirn.
Ueiliage zur i,'t:schiclite ilcr Juutschen Sprache. XXXII. 3G
556 iBRAUNE
bezielmngen ist ein genaueres Verständnis des gediclites nicht
müglicliJ) So ist denn auch die Schilderung der bildwerke
auf der hauhe erklärlich, wenn man die vielen beschreibungen
von bildlichen darstellungen auf waffen, teppichen und gewän-
dern im äuge hat, welche in den höfischen epen sich finden.
vSolcher pomphafter beschreibungen vereinigte nun unser dichter
in drolliger weise eine ganze anzahl auf dem unmöglichen
räume einer haube.
Ist das höfische epos für die darstellung Wernhers die
Vorbedingung, so liegt in sachlicher hinsieht das fundament
seiner dichtung bei Neidhart. Dass von Neidhart der Helm-
brecht nicht losgelöst werden kann, ist gegenüber Keinz s. 79
von Eudloff (Unters, zu M. Helmbr. Diss. Rostock 1878, s. 15 ff.)
und Panzer (Beitr. 27, 109 ff.) hinlänglich erhärtet. Zwar wird
man Wernher nicht einen blossen nachahmer Neidharts nennen
dürfen, denn dann hätte er lieder gemacht, die sich unter den
pseusoneidhartischen befinden würden: seine leistung ist selb-
ständig dadurch, dass er motive aus Neidharts lyrik auf das
epische gebiet überträgt und mit lebhaft anschauender Phan-
tasie ausgestaltet. 2) Aber doch liegt nicht nur der grundton
von Wernhers gedieht in der um weit Neidharts, sondern aus
ihm stammt die keimzelle der ganzen conception. Panzer, ein-
leitung s. viii spricht seine zweifei aus an der früher allzu
vertrauensselig angenommenen geschichtlichkeit der Helm-
brechterzählung. Ich möchte diese zweifei verstärken bis zu
der positiven behauptung, dass sie als ganzes betrachtet un-
geschichtlich sei. Im einzelnen hat gewiss Wernher auf grund
eigener anschauung gestaltet, er hat seine geschichte in einer
ihm bekannten gegend localisiert, er hat aus dem leben der
bauern auch wol motive der erzählung entnommen: ich will
^) Ich weise z. b. auf das misverstäiulnis von Keinz hin, der zu v. 37
sich abmüht, den Spehthart zu erklären, bei dem er es für unmöglich
hält, an den weit entlegenen Spessart zu denken und vergeblich einen
wald dieses namens in der nähe sucht. Den Spessart aber kannte der
dichter als berühmten wald aus der literatur. Vom Nibelungenliede ab-
gesehen, kommt er ja bei Wolfram mehrfach vor: und dass er dessen ge-
dichte kannte, zeigt ja schon die nachbilduug der stelle über Veldeke Parz.
404, 28 im Helmbr. 217 ff.
^) Zur weiteren Würdigung der dichterischen Selbständigkeit Wernhers
vgl. besonders Panzers einleitung s. xv f.
HELMBRECHTS HAUBE, 557
es sogar für mitglich lialten, dass die bestraf uiig- eines bäuer-
lichen Täubers ihm aus der Wirklichkeit und aus der geschil-
dei'ten geg-end zugeflossen sei. Aber die figur des üppigen
jungen bauern, der es den rittern gleich tun will, hat er aus
einer bestimmt nachweisbaren stelle Neidharts entnommen.
Die vier Strophen N. 85, 37 — 86, 30, welche Keinz"^ s. 78 nur
als parallele gelten lassen will, Panzer, Beitr. 27, 109 f. schon
als quelle für stolT und ausdrucksweise vergleicht, sind geradezu
als grundlage der ganzen Helmbrechterzälilung zu bezeichnen.
Daher hat A\'ernher die anregung zur composition seiner er-
zählung empfangen, ')
Neidharts bauer Hildemar, der mit den hovelhtten rivali-
sieren will, zeichnet sich ganz besonders aus durch eine praclit-
liaube, auf welcher ü^en vogelin mit siden i\f genät sind. Das
motiv wird zwei Strophen hindurch ausgeführt und in der
dritten wird gedroht, dass die ritter ihm die haube abzerren
und seine seidenen vögel ihm wegfliegen werden, Dass dieser
bauer das modell ist, nach welchem ^^'ernher seinen jungen
Helmbrecht erfunden und ausgestaltet hat, ist um so ein-
leuchtender, wenn wir erkennen, dass die erste uns freilich
nicht erhaltene fassung des gedichts dem urbild noch getreuer
gewesen ist. Ich glaube nämlich annehmen zu sollen, dass
die grotesk übertreibende ausmalung der haube, also die partie
von V, 26 — 103 der ersten niederschrift des gedichtes noch nicht
angehört hat.
Eine mit seidenen vögeln reichlich bestickte haube liegt
im bereich des möglichen und in dem eingange des M. H. v. 15
— 19 ist vorerst auch nur von einer solchen die rede: diu ivas
von bilden iccehe: ich tvcen ieman gescpJic so manegen vogel
nf hüben: sitcche undc laben, die ivären al dar üf genät.
Diese siteche \inde tühen hat man sich also unter den bilden
auf der haube zunächst zu denken, genau der haube Hildemars
bei Neidhart entsprechend. Nur diese ausschmückung der
haube wird in den späteren erwähnungen vorausgesetzt. Mit
*) Ich möchte hier aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass
die ältere, sonst manches verfehlte enthaltende arbeit von C. Schröder,
Germ. 10, 455 ff"., doch schon die geschichtlichkeit der Heinibrechthandlung
bestimmt leugnet und ein gewisses Verhältnis derselben zu dem liede Neid-
harts vermutet (s. 459).
558 BRAUNE
keinem worte wird auf die unmögliclien bildwerke angespielt,
die der dicliter einer humoristischen laune folgend hinterher
noch in die liaube hineingearbeitet hat. Man vergleiche:
275 und niiuer wöeheu hüben
nnd den sidinen tubeu
die dar üf näten frouweu.
429 so liüete diner hüben
nnd der sidinen tüben,
daz man die indert rüere.
1879 nü Miete der hüben, Helmbreht!
so breit als ein phenniuc
beleip ir niht bi einander,
sitiche imd galander,
sparwfere und turteltüben,
die genäten üf der hüben,
die wurden gestreut üf den wec.
Besonders die letzte stelle, wo die haube mit ihren vögeln
zerpflückt wird, wie es ähnlich Neidhart seinem Hildemar an-
droht, wäre in dieser fassung doch geradezu undenkbar, wenn
Wernher, als er sie dichtete, schon etwas anderes und viel
grossartigeres auf der haube gewusst hätte, als nur eben
Vögel mancher art. Wo die haube sonst erwähnt wird (303 ff.
510 ff.), erscheint sie nur neben den anderen schönen kleidnngs-
stücken als das vornehmste. So wird also in der ersten fassung
des eingangs die haube mit iliren seidenen vögeln neben der
V. 131 — 223 beschriebenen übrigen herrlichen ausstattung
Helmbrechts wol den ersten, aber nicht einen so überragenden
und alles erdrückenden platz eingenommen haben, wie jetzt.
Wenn man nun nach der genaueren Umgrenzung der Inter-
polation fragt, so meine ich nicht, dass man eine solche sauber
ausscheiden könne: der dichter wird die nähte durch um-
arbeiten verwischt haben. Kann man wol mit Sicherheit die
verse 26 — 103 als neu bezeichnen, so muss doch auch schon
die frage v. 20 tvcU ir nü hoßren ivaz da stät? neu sein. Da-
rauf folgt aber nun nicht gleich die antwort, sondern es werden
unzweckmässig erst die personalien von vater und söhn 21 — 25
eingeschoben. Das sieht sehr nach umordnung einer früheren
fassung aus. i) Aber auch die erzählung von der herkunf t der
1) Auch der nachdenkliche Schreiber der hs. B hat daran anstoss ge-
nommen und V. 21— 26 gestrichen. Vgl. Panzer, Beitr. 27, 99.
HELMBRECHTS HAUBE. — NACHTRÄGE ZU BBAUT. 550
liaiibe (104—130) scheint mir eine ältere darstelhmg ersetzt
zu haben, v. 277 steht der phiral die dar üf näfen fromven
im Widerspruch mit der einen nonne, die nacli v. 109 die haube
g-enäht haben soll. Der plural ist das ursprüngliche. Denn
auch in der quelle N. 80, 9 hat eine mehrzahl an Hildemars
haube genälit: da hat manic hendel sine ringcr zno genieret, e si
si gezierten. Unter den fromven, die für Helmbrecht arbeiteten,
sind natürlich nicht edeldamen, sondern klosterfrauen zu ver-
stehen. Es dürfte also in der ersten fassung Gotelind die nennen
eines klosters mit der haube beschäftigt haben, die sich wacker
tummeln mussten, was da gewiss ebenso nach Neidhart hervor-
gelioben war, wie gleich nachher 137 bei der leinwand icol siben
icchtere von der schwierigen webarbeit davonliefen, ehe sie
fertig Avurde. Bei der Umarbeitung des eingangs aber lockte
es nun den dichter, statt der indifferenten mehrzahl der mmncn
die mit derbem scherz gewürzte geschichte von der entlaufenen
nonne anzubringen: er vergass jedoch v. 277 den auf die erste
fassung bezüglichen plural fromven wegzuschaffen, gleiclnvie
er in den späteren erwähnungen der haube es bei den ursprüng-
lichen Vogelstickereien bewenden und die umdichtung unberück-
sichtigt Hess.
Wir dürfen also mit Wahrscheinlichkeit sagen, dass statt
der verse 20 — 130 in der ersten fassung ein anderer viel kürzerer
passus gestanden haben wird.
W. BRAUNE.
NACHTRÄGE ZU BRAUT.
Meine oben s. 30 ff, gegebenen ausführungen über hraut in
den germanischen sprachen haben sich freundlicher beachtung
zu erfreuen gehabt, wie dies aus den mannigfachen zuschritten
hervorgeht, in denen zustimmend weiteres material zur ergäu-
zung meiner darlegungen beigebracht wird. Nicht alle diese
dankbarst in empfang genommenen beisteuern will ich jetzt
mitteilen, da viele doch nur aus einzelbelegen bestehen, die
das von mir gezeichnete bild wol bereichern, aber nicht wesent-
lich verändern würden. Nur einige mitteilungen und beobach-
560 BRAUNE
tung-en, die mir eine darüber liinausg-eliende förderung* zu
bringen sclieinen, mögen hier eine stelle finden.')
Mein verehrter College A.v.Domaszewski, der das verdienst
hat, zuerst auf hrutis in den lateinischen Soldateninschriften des
3. jh.'s aufmerksam gemacht zu haben, hatte die gute, mir im
anschluss an s. 38ff. zu schreiben:
'Eme erneute prüfnng der drei inschrifteii, Avelche das wort brutis
nenuen, hat mich überzeugt, dass die hedeutmig 'tochter' nach dem Zu-
sammenhang der texte Aveit wahrscheinlicher ist.
An sich ist die nennung der nuriis auf familiengrahschriften sehr
selten und tritt nur auf in Verbindung mit dem söhne, dem sie angetraut
war, oder den enkeln, die sie geboren hatte (CLL. II 1953. 2752. 2923;
III 4211. 4231. 4459. 5143. 5523. 8174; V 4859; VIII 835. 2604. 3412;
1X2450; X2015. 7809; XII 88. 215. 344. 832. 3032).
Dieser in der art des verwantschaftsverhältliisses begründeten regel
entsprechen aber die drei iaschriften nicht. Denn nur in C. I. L. III 12666
wäre die beziehuug auf den in der grabschrift genannten söhn möglich.
In den beiden anderen (CLL. 1114756. 12377) wird die junge frau nach
dem ehepaar allein genannt. Demnach wird man für hrides die bedeutung
filia anzunehmen haben, und zwar zeigen eben Ihre darlegungen, dass
eine verheiratete tochter gemeint ist. Für diesen begriif gibt es im
lateinischen kein wort; das bestreben ihn auszudrücken, hat die ent-
lehuung des Wortes hervorgerufen. A.v.Domaszewski.'
Hiernach kommen also die alten Inschriften als zeugen für
eine bedeutung 'Schwiegertochter' bei gut. hyüj>s fernerhin
nicht mehr in betracht, vielmehr ist dessen alleinige bedeutung*
^pvficfT], junge frau' nun auch von dieser seile her als gesichert
anzusehen.
Für die bedeutungsgeschichte des Wortes auf niederländi-
schem Sprachgebiet (vgl. oben s. 50 f.) verdanke ich wertvolle
beitrage herrn prof. J. H. Gallee in Utrecht. Derselbe hat,
veranlasst durch meinen artikel, jüngst eiue den freunden der
Volkskunde vieles interessante bietende beschreibung der hocli-
zeitsgebräuche auf dem lande in seiner heimat (Vor den in der
grafschaft Zutphen) veröffentlicht. 2) Hiernach und nach brief-
^) 0. Behaghel teilt mir freundlichst mit, dass er as. briul Gen. 332
in der von mir nachträglich (oben s. 29) vermuteten weise gefasst habe, so
dass also in der tat meine ansführungen zur as. bedeutung von hrud (s. 6 if.)
nur als gegen Eoediger, nicht gegen Behaghel gerichtet zu betrachten sind.
'^) 'Bruiloft in de eerste helft der 19<- eeuw in't Oosten van Nederland'
in den 'Driemaandelijksche Bladen, uitgegeveu door de A''ereeniging tot
onderzoek van Taal en Volksleven'. VI. Jaargang, no. 4. — Des Verfassers
NACHTRÄGE ZU BRAUT. 561
liehen mitteilungen stellt sich die jetzt geltende erweiterte ndl.
bedeutung- von hruid als sehr neu heraus. Erst in der Xapo-
leouischen zeit wurde die in der regel vierzehn tage vor der
hochzeit stattfindende öffentliche einschreibung gesetzlich ein-
geführt, erst seit dieser zeit wurde der nanie der hruid auf
diese zwei wochen vor der hochzeit ausgedehnt. Aber auf
dem lande galt noch im anfange des vorigen Jahrhunderts
hruid für die junge frau nur von dem tage ab, an welchem sie
feierlich aus dem hause ihrer eitern in das haus des mannes
abgeholt und die ehe vollzogen wurde (vgl. die altn. hrüdferd).
Die kirchliche einsegnung fand erst am nächsten sonntag, also
meist mehrere tage nach Vollzug der ehe statt. Und noch
in der mitte des 19. jh.'s wurde sie im Sprachgebrauch der
landleute hruid 'wenn sie zum act der trauung fuhr und blieb
es, so lange die festlichkeiten der hochzeit, 3 — 8 tage nach der
trauung, dauerten'. Einen genaueren endpunkt vermag Gallee
nicht anzugeben: 'Wanneer de bruid haar titel verloor kan
ik niet juist aangeven. Ik meen dat zij, als de week van de
bruiloft vorbij was, ook niet raeer dien titel voerde, raaer nauw-
keurig kan ik het niet zeggen.' AVesentlich ist es, dass das
wort hruid erst infolge der einführung der gesetzlichen formen
der civilehe auf eine bestimmte zeit vor der hochzeit aus-
gedehnt worden ist und jetzt also der virgo zukommt, wäh-
rend es nach dem früheren Sprachgebrauch nur der jung ver-
heirateten galt. Noch für seine Jugendzeit äussert sich Gallee:
'Eine hraut sich als virgo zu denken, jeder bauer würde darüber
gelacht haben!'
Die geschichte der nlid. bedeutungsentwicklung des wortes
hraut vermag ich auch heute noch nicht mit grösserer Sicher-
heit festzustellen, als dies oben s. 53 ff. geschehen ist. Doch
hat sich mir die auffassuirg weiter befestigt, dass die nhd.
bedeutung in Ostmitteldeutschland zu hause ist und dass Süd-
und Westdeutschland die alte bedeutung festgehalten hat, so-
weit nicht durch die hochsprache der nhd. gebrauch eingedrungen
ist. Zwei interessante belege aus dem 16. jh. möchte ich dafür
noch anführen.
angaben fussen auf seinen kindheitserinuerunft-en ans den fünfziger jähren
des vorigen Jahrhunderts und auf den bis in die Napoleouische zeit zurück-
gehenden erzählungen seines yaters und grossvaters.
562 BRAUNE, NACHTRÄGE ZU BBAUT.
Der eine ans Hans Sachs, Sämmtliclie fabeln und schwanke,
ed. Götze-Drescher 4, s. 302, wo in no. 438 v. 5. 29 junge braut
für die junge fraii eines alten mannes angewendet wird, wel-
cher selbst der alte hreutigam genannt wird, beide ohne be-
ziehnng auf das liochzeitsfest, sondern für beliebige zeit danach.
Noch interessanter ist der zweite aus des Elsässers Jacob Frey
gartengesellschaft c. 74 (Lit. verein 209, s. 88), auf welchen mich
herr dr. R. Petsch freundlichst aufmerksam gemacht hat. Da-
selbst steht braut noch in der ganz allgemeinen grundbedeutung
von succuba. Eine lustige gärtnerin wird von einem ihr be-
gegnenden reuter neckend gefragt: 'liebe fraw, ir sind gar
frölich, ich mein ir seyend hin acht ein braut gewesen.
Die fraw sagt: ich weifs nit, lieber man, würt eins also frö-
lich, wann eins ein braut ist?' Als der reuter dies bejaht,
weist sie auf ihren trägen und unlustigen esel hin und sagt:
'ey so bitt ich euch freuntlich, machen mir meinen esel da
auch zu einer braut! Das thü der teufel, sagt der reuter,
der esel müfs meiuthalben ein jungfraw ersterben.' Hier
haben wir noch deutlich die mhd. antithese von mdt und brüt.
AVo in Süddeutschland diese ganz allgemeine bedeutung vor-
lierschend war, da begreift es sich, dass für das legitime Ver-
hältnis die ausdrücke braut und bräntigam durch die neu-
geprägten Iwchze'derin und hoclizeiter ersetzt Averden konnten.
Natürlich zunächst wie braut und bräutigam nur auf das hoch-
zeitsfest bezogen. Bemerkenswert ist aber, dass auch bei
ihnen die Verschiebung auf die zeit vor der hochzeit (= braut
und bräutigam im nhd. sinne) stattgefunden hat.
W. BRAUNE.
ZUR ALTSÄCHSISCHEN GENESIS.
Mit recht und mit erfolg liat A\\ Braune (oben s. 1 ff.) eine
retlungdes Genesisdicliters unternouimen. Im foli^enden möchte
ich auf zwei der von ihm liervorgehobenen punkte zurück-
kommen, in denen zwar, wie ich glaube, l^raunes auffassung-
einer moditication bedarf, die aber gerade dadurch an Sicher-
heit zu gewinnen scheinen.
1. Lief Ina undar haJxa liggian (Gen. 27) erklärt B. neu
und auf den ersten blick bestechend aus widcr hak {bc)schan
'nach rückwärts blicken', denn, sagt er, 'wenn man nach seinem
rücken hinsieht, so muss man stets zugleich in der richtung
nach unten blicken'. Letzteres ist ohne zweifei richtig, aber
wer sagt uns, dass es sich bei diesem ausdruck ursprünglich
um ein hinblicken nach dem eigenen rücken handelte? Die
belege können das nicht stützen, und die allgemeine Wahrschein-
lichkeit wol auch nicht, denn der versuch, einen teil des eigenen
rückens ins äuge zu fassen, ist nicht gerade eine häufige ge-
bärde. '\\'ollte man dennoch diesen ausgangspunkt gelten lassen,
so müsste man annehmen, das hinschauen nach dem eigenen
rücken habe den ausdruck hergegeben zunächst für 'den köpf
weit zur seite drehen', dann auch für 'sich umsehen', 'nach
einem rückwärts gelegenen punkte sehen'. Eine solche ent-
wicklung ist aber ganz unglaubhaft, denn wer sich umsieht,
dreht in der regel den ganzen körper oder wenigstens den
Oberkörper, so dass sein blick dem rücken kaum näher kommt.
Mag man die sache betrachten, von welcher seite man will:
das verbum schan kommt für die erklärung des undar schwer-
lich in betracht.
Unsere erste aufgäbe muss sein, einen gebrauch der prä-
position undar zu finden, an den sich undcr bal-e, under hak
anknüi)fen lassen. Es ist klar, das gewidmliche 'unter' Avie in
as. undar themo lakana, undar erön kommt hier nicht in
frage. Es gab aber im an., ae. und wul auch as. noch einen
anderen gebrauch von unier, der unsern redensarten näher
564 NECKEL
liegt: an. sc pn, hvar sitia und solar gafli, H3111. 12,2; hami
hiö lU d McdalfcllsstrQud undir FelU, Nj. c. 9 (reiche belege bei
Fritzner 3, 784 f.); ae. hCd itndcr heorge, Beow.211; iindcr mist-
hleodum, ebd. 710; codon undcr Earna nws, ebd. 3031; nnder
ivealliun, Gen. 2418 (Boswortli- Toller 1096). Die präposition
bezeiclmet liier eine stelle am fusse eines berges oder einer
wand. Von einem entfernteren punkte, ebenso von der spitze
des hohen gegenständes erscheint jene stelle unter dem letz-
teren, nämlich unterhalb des teiles, den der auf ihr befindliche
körper nicht verdeckt, bez. unterhalb der spitze. Dieselbe
anschauung- niuss auch einen ring oder einen andern gegen-
ständ, den A hinter sich geworfen hat, unter A"s rücken er-
blicken. Wie der berg über das boot aufragt, so der stehende
mensch über den boden und was darauf liegt. "Wir begreifen
somit, wie man dazu kam, eine stelle auf dem boden hinter
dem rücken jemandes als under holte zu bezeichnen, eine dort-
hin gerichtete bewegung durch nndcr hole zu beschreiben.
Bleiben wir zunächst bei der richtungsvorstellung, so A'er-
stehen wir sogleich einen ausdruck wie ae. hie eodon undcrbccc:
ihre füsse traten auf die stellen, die eben noch hinter ihrem
rücken lagen, also entweder 'sie traten zurück', um dann wider
stehen zu bleiben, oder 'sie traten den rückweg an', daher
auch "'sie kehrten zurück' (auch dieser nhd. ausdruck ist ur-
sprünglich Ingressiv). Erst von hier aus erklärt sich nun
under hah sehan: es setzt ebenfalls die Vorstellung der ober-
halb des boden s nach rückwärts verlaufenden linie voraus.
Etwas anders ist das Verhältnis bei ae. feallan imderho^c
'hinten über fallen'. Die tmder hole gerichtete bewegung kommt
hier ihrer natur nach sehr bald zum abschluss, und die aus
ihr hervorgehende läge deckt nun der ausdruck undcr haJce.
Daher liet ina undar huJca liggion. Der Wortlaut dieses
Satzes und der Zusammenhang suggerieren gleichmässig das
fallen: *fallcm under halx, *hmgan under hole. AVollte man
eine wendung wie diese analysieren, statt sie abzuleiten,
so käme v.'underliches zeug heraus. Sie ist einfach durch
analogiewirkungen entstanden. Ausser faUan haben vielleicht
auch solche fälle schwach eingewirkt, avo von dem liegen
eines gegenständes hinter dem rücken eines stehenden menschen
die rede war.
ZUR ALTSÄCHSISCHEN GENESIS. 565
Da wir derg-estalt die umstrittene redensart zwanglos in
ein altg-rrniauisclies spracligefühl einordnen können, dürfen wir
sie unbedenklich mit Braune u. a. für gutes altsäcUsiscli halten.
Ich möclite sie nicht bloss zum richtigen, sondern zum aller-
nrwüclisigsten, echtesten altsächsisch rechnen. Wir haben hier
eine jener wilden blnmen, die die bunte beide der altgerma-
nischen dialekte dem Sprachforscher wertvoller machen als
jeden literarischen garten. Die Hies'sche Übersetzung 'auf
dem rücken' kommt dem sinne relativ am nächsten, ist aber
eben nur eine Übersetzung.
2. Gestsdi (Gen. 247) hat man als \gastsaal, herberge'
aufgefasst und daraus einen Vorwurf für den Genesisdichter
gewonnen. Dem widerspricht Braune mit durchschlagenden
gründen. Er zeigt, dass as. (jastscli, gestsdi nur schlechtweg
der stattliche, zur aufnähme von gasten taugliche wohnbau
eiues vornehmen mannes ist. Er verweist auf die parallele
entwicklung des frz. holcl Das ist gewiss ein lehrreicher
vergleich, doch hat er, wie mir scheint, B. verleitet, die acten
zu früh zu schliessen. Das verblasste as. gastscli ist nicht
direct aus der bedetitung 'hospitale' entwickelt.
Am altnorwegischen königshofe gab es die Institution der
gcstir. Das wai'en nachrichtenträger, geheimpolizisten, exectitiv-
beamte, kurz solche königliche diener, die nicht dauernd in
der königshalle lebten, sondern nur von zeit zu zeit dorthin
zurückkehrten. Sie gehörten aber zur Mrd. Die einrichtung
ist höchstens so alt wie Harald Schönhaar (A. Bugge, Yester-
landenes Indi^ydelse s. 70 ff.), der name gcstr für einen königs-
niann aber offenbar weit älter. Das zeigen die westgerm.
sprachen. Im mhd. bedeutet gast auch 'krieger' (Müller im
Mhd. wb. 1, 485). Besonders lehrreich ist die Verbindung mit
dem Possessivpronomen, so in einem DWb.4, 1, 1458 mitgeteilten
belege aus Lamprechts Alexander:
des habe wir, kuniuc, laster,
(laz unser zweier geste
so lauge samet vehteu.
In der ae. poesie scheint scest an einigen stellen ebenfalls die
bedeutung 'krieger' zu haben. Am beweiskräftigsten ist die
Zusammensetzung fede-s(vst, die Beow. 1970 und El. 844 belegt
ist. Man übersetzt sie mit 'zu fasse kommender gast' oder
566 NECKEL
cälml, aber das ist doch höchst gesucht. Wir haben vielmehr
eine parallelbildmig zu fede-cempa (BeoAV. 1544. 2853) anzu-
erkennen. Gwst ist ein sjiionjmuni von cempa. Schon Jacob
Grimm liat zu Elene 844 angemerkt: ^gestas hier bloss viri,
homines, die gleich darauf auch (Bödinsas und corlas heissen'.
Hierher gehört endlich auch die schon von andern mit den
gestir des norwegischen königs zusammengestellte Inschrift von
Stentofta, die Noreen, An. gr. 1, 343 ende des 7. jh.'s datiert.
Sie stellt die 'gaste' eines gewissen Hadwolf auf eine linie mit
seinen söhnen.')
Wir schliessen somit, dass "^gastiz schon früh als eine der
bezeichnungen für den gefolgsmann gegolten hat. Eine sach-
liche erklärung für diesen terminus bietet sicli leicht dar. Die
gef olgschaft ist wol aus der freiwilligen heeresfolge bei weiteren
Zügen hervorgegangen (Caesar, B.G. 0, 23, 7—8). Aus der beute-
verteiluiig und dem siegesschmaus nach der rückkehr konnte
sich leicht ein vorübergehendes gastverhältnis entwickeln.
Diese stufe schuf den ausdruck ''"gastis für den getreuen, der
später der ständige hausgenosse des edlen wurde (ae. hcocl^cncuf,
lieorÖgeneaf).
Der anorw. gebrauch des Wortes beruht auf einer secun-
dären umdeutung: gcstr ist der nur vorübergehend in der
königshalle anwesende. '':) Eine ähnliche Verengung hat sich
das 83'nonymum hüshirl gefallen lassen müssen. Während es
ursprünglich jedem gefolgsmann zugekommen war, bezeichnete
es fortan einen aus der dritten oder untersten klasse des ge-
folges (vgl. Finnur Jonsson, Nord. Tidskr. f. fil. 14, 153).
Auf grund des gesagten darf behauptet werden: in as.
gastseli, ae. gestsele (Beow. 994) steckt ein altes wort ""gasti-
'gefolgsmann', das mit diesem ausdruck bezeichnete gebäude
ist die halle, in der der fürst mit seinem gefolge V\-olmt.
Weil das gefolge das hauptmerkmal des grossen herrn war,
erschien gastseli als ein besonders geeignetes wort, das herren-
haus als solches zu charakterisieren. Was zunächst dabei
^) Man vergleiche auch den HleicmjasÜR des goldenen horus (v. Grien-
berger, Zs. fdph. 39, 66) und an. heimpegl (Cleasby-Vigf. 252).
*) Eine andere dentuug, die A. Bugge a.a.O. mit recht ablehnt, geben
der Königsspiegel und die Hiröskrä (a.a.O. s. 70 und Fritzner 1, 590). —
Bugges herleitung der institution aus Frankreich hat wenig für sich.
ZUR AS. GENESIS. — IIOLTHAUSEN, ZVÜ AS. GENESIS. 5G7
vorschwebte, war natürlich die grosse, der>hang-g-estreckte an-
blick des herschattliclien gnsfsdi. *
Älir scheint, dass diese deutung eine liicke in JJi-aunes
erörterungen ausfüllt, die notwendig der ausfüllung bedurfte,
Gasfseh' als 'haus für gaste', daher 'herrenhaus' ist doch an
sich viel weniger einleuchtend als 'domus comitum'. Die ge-
legentlichen gastereien sind für den altgerm. fürstenhof weit
weniger bezeichnend als das alltägliche schmausen und trinken
der streitbaren hausgenossenscliaft. Der kleine bauer dagegen
sass einsam mit seiner familie ya\ hause. Als illustration fällt
einem sogleich Heorot ein, Hrolfr kraki, J^rmunrekr in den
Ham(>ismal, FroiM's tod in der Hrolfssaga, um weiterer nor-
discher beispiele zu geschweigen.
BKESLAU, 3. märz 1907. G. NECKEL.
ZUR ALTSACHSISCIIEN GENESIS.
V. 287 f. ist überliefert: füitfngal sang
fora (laga huoam.
Die zahlreichen besserungsvorschläge sind in Beliaghels aus-
gäbe s. 238 verzeichnet. In der Überzeugung, dass keiner
völlig befriedigt, wage ich im engsten anschluss an die hs.
einen neuen: man lese hruomag 'fröhlich' statt des sinnlosen
hioaml^) Das wort steht im Heliand v.944f. than cu lango sccd \
tmesan euiia Jiugi hrömag und v. 4926 ihm Jieri iinard tlies so
Jirömeg (in Beliaghels ausgäbe); es ist ferner im ahd. als hruo-
mac, -ig und im ae. als hremig überliefert. Das fröhliche
krähen des hahnes gerade vor dem schrecklichen untergange
der Stadt ist ein für den dichter der Genesis charakteristischer
zug! — Dass in v. 287 eine Umstellung vorzunehmen sei, davon
bin ich nach wie vor überzeugt.
V. 321 ff. lauten in der hs.:
al uuarö farsiiihlit
Sodomariki: that is enig theg iii ginas,
ac so bidoö it an dOÖseu, so it noli te daga stendit,
üuodas gifuUit.
*) Auch Martin, QF. 100, 48 schlägt jetzt hruomag vor (l'orr.-uote).
568 HOtTHAüSEN
Mit Cosijn seg für ßwg einsetzend möchte ich jetzt nur noch
hiäoü in hiilrös 'fiei,* sank' bessern, um einen tadellosen vers
und sinn zu erhalten. Dann werden alle von Behaghel a. a. o.
s. 239 f. angeführten änderung-en überflüssig! Bidrös steht wie
hivallan Gen. 233 und das häufige hifallan im Heliand und ahd.,
hefeallan im ae. = fullan, desgl. hisank Gen. 320 und hisunJd
Hei. 5692 für einfaches sinJcan; es entspricht genau dem ae.
hcdreosan, das allerdings nur im part. prt. hedroren 'gefallen,
beraubt' erscheint, dod für dros ist offenbar durch das folgende
doö veranlasst! Denkbar wäre auch hidöf, -död == ae. hedeaf
Hauchte'.
STAIMBOET CHLUDÜN.
Wenn ich diese alte crux des ahd. Hildebrandsliedes (v. G5b
nach Braunes Ahd, leseb.^ s. 79) hier von neuem behandle, so
geschieht dies in der hoffnung, eine noch nicht vorgebrachte
besserung des ersten wertes rechtfertigen zu können. Man
hat staim bald als stein 'edelstein' oder 'färbe' (so Meissner
in der Zs. f da. 47, 400 ff.), bald als stcim 'gewühl, gedränge'
(vgl. Wadstein, Göteborgs högskolas ärskrift 1903) gefasst:
beiden erklärungen widerspricht schon die sonstige bezeich-
nung des alten diphthongen cd, der teils als ei, teils als e, §, ce
oder ac, aber niemals als ai erscheint! Da der text des ge-
dichtes auch sonst durch Schreibfehler entstellt ist, möchte ich
hier ebenfalls einen solchen annehmen und das in der hs.
nicht ganz deutliche staim als Verlesung oder verschreibung
für Sturm 'kämpf ansehen. Sturmhort 'kampfschild' würde
vorzüglich passen (vgl. Wadstein a. a. o. s. 38 f.) und sich den
zahlreichen mhd. compositis mit stürm- anschliessen; cJüudim
ist gewiss von Wackernagel richtig in chlubun 'kloben, spal-
teten' (trans.) gebessert und wenn wir noch mit Klaeber, Mod.
Lang. Notes 21, no. 4, s. 110 in v. 63 b ascM für asdim lesen,
lautet die ganze stelle (v. 63 ff.) mit berichtigter Zeichen-
setzung: ^^ lettuu se gerist ascki scritan
scarpen scfirim: dat in dem sciltini stuiit!
65 dö stöpim tosamaue, stnrmbort chlubun,
heuwun harmlicco huitte scilti.
KIEL, februar— märz 1907. F. HOLTHAUSEN.
NACHTRAG. — FEIST, NACHTRAG. 569
NACHTRAG ZU IS. 293.
Zu (Ion auf s. 293 unter l)b g-onannten tieren g-eliört nocli
iriJiceJfc 'käfer' neben einfachem widhel, ne. irccvil; hn mnd.
erscheint das suffix -te schon in cmelte 'kornwurni, bäum-, blatt-
laus' = cmel, nl. emclt, ofries. ämel, ae. cemü, cmcl, ymcl, got.
"^amil-s, ^^'ori■lber van Zandt Cortelyou in Hoops' Anglist, forsch.
19, 51 f. luuulelt. Dann hätte nocli auf das ae. suffix -ctc bei
tiernamen in Kluges Nom. stammbild.'- § 60, anm. 1 verwiesen
werden sollen, obwol dieses in den behandelten westfälischen
Wörtern kaum anzunehmen ist oder höchstens in solchen wie
ammctc, ligrntc als ein ausgangspunkt der neubildung in be-
tracht kommt.
KIEL, im februar 1907. F. HOLTHAUSEN.
NACHTRAG ZU S. 452. 478. 488 u. 494.
Wiilirenil des dnickes meiner abhaudlung- erschien im ersten lieft des
38. bandes der Englischen Studien s. 28 ff. ein artikel von R. Jordan, in dem
die north, perfecta spcoft und heoft als reduplicierte bildungen' der Zeit-
wörter siJcoican und beatan erklärt werden. Speoft aus *speft (mit ??-um-
laut) für *spe-p(x)t- zu einem verb '*spüian (oder *speaian), das sich in
spaiencle 'expuens' (Lindisf. Gosp. Matth. 27, 30) widerfinde. Jordan lässt
urg-erm. jji auch einzeldialektisch noch zu ft Averden und führt als beweis
uefte neben nepie aus lat. nepeta an. Dieser beweis scheint mir auf
schwachen füssen zu stehen ; ausserdem weist das part. perf. ^espeofiad (in
der hs. E-^ gcspiUeä) hid 'conspuetur' doch auf ein schwaches verb spcoftan
hin, das Bosworth-Toller, Anglo-Saxon dict. s. 901 zweifelnd ansetzt. Beoft
aus *he-h{x)t- zu beatan ist ebenso unsicher, da sich neben mid hondnm
beoftum 'lamentabautur' (eig. sich zum zeichen des Schmerzes mit den
bänden auf die brüst schlagen) auch schwach flectiertes hond-boiftadon
(Luc. 23, 27) und in modernen nordenglischen mundarten neben einem perfect
beft 'schlug' auch ein praesentisches bcft findet, ^^'enn Jordans hypothese
auch sehr geistvoll ist, so darf sie bis auf weiteres doch nur als sehr un-
sicher gelten. — Ferner möchte ich als praesens zu lailötm nun doch lieber
*laia ansetzen aus idg. *l9iö zu einer wzl. *?rtj-, vgl. ai. rayati, abulg.
lajq, lit. loju 'belle'. — Das ati in bauan fasse ich jetzt als echten di-
phthong (aus idg. *öu entstanden). — Zu der vermutungsweise auf s. 494
aufgestellten etymologie von huitan vgl. man got. bihait 'streit' und dessen
germ. verwante. ^ pj^jg-p
)70 LITERATUR. — BERICHTIGUNGEN.
LITERATUR.
(Verzeichnis bei der redaction eing-egangener Schriften, vgl. s. 154.)
Hering-, Max, Untersuchungen über Judith, ein nid. gedieht des 13. jh.'s.
(Diss.) Halle 1907. — 71s.
John, Eduard, Nihelungennot und Nibelungenlied. Ein neuer beitrag
zur kritik und erklärung der Nibelungen. I. u. IL abteilung. (Progr.) "Wert-
heim 1905. 1907. — 25 + 26 s. 4°.
Kauffmann, Priedr., Deutsche metrik in ihrer geschichtlichen ent-
wicklung. 2. auf 1. Marburg 1907. — viii, 254 s.
Korlen, Artur, Statwechs gereimte weltchrouik MS. no.777 Hannover.
Akad. abhandlung. Uppsala 1906. — iv, 287 s. [Darin auch abdruck des 3962
verse umfassenden mnd. gedichts.]
Müller, Artur, Das niederrheiuische Marienloh. (Diss.) Berlin 1907.
— 122 s.
Priese, Oskar, Wortschatz des Otfrid. Ein deutsch-althochdeutsches
Wörterbuch. (Progr. der oberrealschule.) Halle 1907. — 50 s.
Rauff, Willy, Untersuchungen zu Biterolf und Dietleip. (Bonner diss.)
Berlin 1907. — 68 s.
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lichen handschriften herausgegeben von Carl von Kraus (Germauische
bibliothek. III. abt. Hg. von C. von Kraus u. R. Zwierzina. 1. bd.) Heidelberg
1907. — Lxxxiv, 308 s.
Sohönbach, Anton B., Studien zur geschiclite d. altdeutschen predigt.
S.Stück: Ueber leben, bildung und persönlichkeit Bertholds von Regensburg
II. Wien (Sitzungsberichte der k. akademie, phil.-hist. kl. 105.) 1907. — 106 s.
Sprachen und mundarten. Sonderabdruck ans dem 'Geographischen
lexikon der Schweiz'. Neuenburg 1907. — 38 s. — [Darin s. 1—20: Die
deutsche spräche der Schweiz von Albert Bachmann.]
Stahl, Wilh., Ulrich von Singenberg, der truchsess von Sankt Gallen.
(Diss.) Rostock 1907. — 127 s.
"\^'right, Joseph, Historical German Grammar. \'ol. I. Phonology,
Wordformation and accidence. Oxford (1907). — xv, 314 s.
Bericlitiguugeii.
S. 32 z. 1 v.u. lies hriäigomo
S. 38 z. 1 V. u. „ s. 58 (statt s. 31)
S. 73 z. 10 V. u. „ Thorkelin (statt Thorkeim)
S. 308 Str. 6, 7 „ gunni
S. 312 Str. 39, 2 „ allvaldr.
Druck von Khrhardt Karras, Halle a. S.
0
PF
Beiträge zur Geschichte der
3003
deutschen Sprache und
B5
Literatur
Bd. 32
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