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Full text of "Beiträge zur Geschichte des Niederrheins : Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins"

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C-.^r  '-^f.hZ'^  O) 


Geschichte 


der 


tadt  Düsseldorf 


in  iwölf  Abhandinngen. 


-o-<{SKe>-o — 


Festsclirif t 

ssuni 

600jährigen  Jubiläum. 


Herausgegeben 


vom 


Düsseldorfer    öesohichts-Verein, 


Dflsseidorf  1888. 


Ürttck  und  Vorlag  von  C.  Kraus,  DOssotdoHi 


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HARVARO  UNIVEMStTr 
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dw  1T«liiniHlJlllillillfcit  LiiBSte 


zbntralanhquariat 
deutschen  dbmokratischbn 

UaPZlG  1973 


ttr: 


WIS8BNSCHAFTUCHBS  ANTIQUARIAT  UND  VERLAG 
FERDINAND  KEIP,  FRANKFURT  /  MAIN 


tmkkm  DDR  10/3910 
Ag509/99A97S 


ndem  die  Stadt  Düsseldorf  durch  Beginn  eines 
neuen  Jahrhunderts,  des  siebten  seit  ihrem 
Bestehen  als  Stadt,  Veranlassung  bekommt, 
rückwärts  zu  blicken  und  sich  zu  vergegen- 
wärtigen, wie  sie  zu  dem  geworden,  was  sie  jetzt  ist, 
welche  Schicksale  und  Wandelungen ,  welche  Förde- 
rungen und  Hemmnisse,  welcher  Glanz  und  welche  Leiden, 
welche  Bestrebungen  und  welche  Errungenschaften  ihre 
Geschichte  bilden,  ist  der  Düsseldorfer  Geschichts- Verein 
in  erster  Linie  dazu  berufen,  eine  solche  Rückschau 
zu  eröffnen.  Dies  zu  thun  hat  er  zeitig  genug  für 
eine  ehrende  Pflicht  erkannt  und  hat  Sorge  getragen, 
innerhalb  und  ausserhalb  des  Vereins  Kräfte  zu  flndcn, 
welche  die  erforderliche  Fähigkeit  und  Bereitwilligkeit 
besässen.  Es  wurde  beschlossen,  den  dritten  Band  der 
Jahrbücher  des  Vereins  in  Form  einer  Festschrift  i)  zu 
veröffentlichen,  welche  den  Zweck  haben  sollte,  auf 
Grund  wissenschaftlicher  Forschung  in  allgemein  ver- 
ständlicher Fassung  und,  soweit  es  nicht  unentbehrlich, 
mit  Ausschliessung  alles  gelehrten  Beiwerks  ein  Bild  von 
der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Stadt  bis  auf  die 


1)  Der  Qeschichts -Verein  beabsichtigte  ausserdem  eine  historische 
AiMBtellung  zu  veranstalten;  aUein  der  Plan,  dem  schon  lu  Anfang 
des  Jahres  1887  näher  getreten  werden  sollte,  scheiterte  damals  an 
der  ablehnenden  Haltung  der  Stadtverordneten -Versammlung.  Die 
grössere  Bereitwilligkeit  der  Konsthallen -Verwaltung  ermöglichte 
unlängst  das  Zusammentreten  eines  Comitös  aus  Bürgern  der  Stadt 
und  damit  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das  Zustandekommen  des 
ursprünglichen  Planes. 


heutigen  Tage  sowohl  in  politischer  als  auch  ganz  be- 
sonders in  culturhistorischer  Beziehung  zu  bieten.  Dieser 
Zweck  schien  erreichbar  durch  eine  Reihenfolge  von  zwölf 
Abhandlungen,  in  welchen  die  Vorgeschichte  von  Stadt 
und  Land,  die  politische  Geschichte,  die  Geschichte  der 
städtischen  Verfassung,  der  katholischen,  evangelischen 
und  israelitischen  Gemeinde,  der  Schulen,  der  Kunst  und 
Literatur,  der  Architektur,  des  Theaters  und  der  Musik, 
ferner  die  militärischen  Verhältnisse  und  endlich  Handel 
und  Industrie  zur  Darstellung  kämen.  Die  Ausarbeitung 
dieser  Abhandlungen  übernahmen  bereitwilligst  die 
Herren  Professor  Dr.  J.  Schneider,  Dr.  Hermann  Forst, 
Dr.  H.  Eschbach,  Dr.  L.  Küpper,  Consistorialrath  Ad. 
Natorp,  Rabbiner  Dr.  Abr.  Wedell,  Dr.  Tönnies,  Professor 
Th.  Levin  und  L.  Merländer,  Baurath  0.  Moeller,  Dr.  6. 
Wimmer,  Hauptmann  M.  Kohtz  und  Handelskammer- 
Sekretär  P.  Schmitz.  Nachdem  dann  die  Stadt  gegen 
Ueberlassung  einer  grösseren  Anzahl  von  Exemplaren 
der  Festschrift  einen  Beitrag  zu  den  Herstellungskosten 
bewilligt  hatte,  und  da  auch  der  Verleger  grosses  Ent- 
gegenkommen zeigte,  war  eine  reichere  Ausstattung  mit 
artistischen  Beilagen  möglich,  als  ursprünglich  beabsichtigt 
war.  Alsbald  aber  begannen  ungeahnte  und  schwer  zu 
überwindende  Schwierigkeiten  sich  zu  erheben.  Es  genügt 
hier  zu  bemerken,  dass  es  erst  spät  gelang,  für  die  Ge- 
schichte der  Schulen  an  Stelle  des  verstorbenen  Herrn 
Dt.  Tönnies  den  Gymnasiallehrer  Herrn  Gust.  Kniffler 
und  an  Stelle  des  erkrankten  Herrn  Professor  Th.  Levin 
den  Maler  Herrn  Ed.  Daelen  für  die  kunstgeschichtliche 
Abhandlung  zu  gewinnen.  Dass  nach  diesen  und  zahl- 
reichen anderen  Schwierigkeiten  die  Festschrift  mit  allen 
zwölf  Abhandlungen  entsprechend  dem  anfänglichen  Plane 
rechtzeitig  erscheinen  kann,  gereicht  dem  Verein  und  den 
Mitarbeitern  zu  grosser  Freude;  ganz  besonders  aber 
empfindet  diese  Freude  der  Vorstand,  indem  er  die  Schrift 
den  Vereinsmitgliedern,  den  Bewohnern  Düsseldorfs  und 
Allen,  die  sich  für  Düsseldorfs  Geschichte  interessiren, 
nunmehr  übergeben  kann.  Dabei  hat  er  die  Zuversicht, 
dass  es  den  Herren  Mitarbeitern  gelungen  ist,  in  ihrem 


getrennten  Zusammenwirken  den  Freunden  Düsseldorfs 
und  seiner  Geschichte  eine  umfassende  Rückschau  über 
die  Vergangenheit  der  Stadt  im  Ganzen  wie  in  den  ein- 
zelnen hervorragenderen  Richtungen  zu  ermöglichen,  und 
erfüllt  mit  Freude  die  Pflicht,  den  Dank  für  die  Bereit- 
willigkeit, mit  der  auch  von  Nichtmitgliedern  die  Aus- 
arbeitung der  einzelnen  Abhandlungen  übernommen  und 
zu  Ende  geführt  ist,  öffentlich  auszusprechen. 

Möge  das  Werk  der  Stadt  zur  Ehre  gereichen,  dem 
Vereine  aber  alte  Fj-eunde  erhalten  und  neue  gewinnen! 

Düsseldorf,  im  August  1888. 

Der  Vorstand  des  Düsseldorfer  Geschichts -Vereins: 

Dr.  K.  Boiie,  Kabb.  Dr.  A.  Wedeil, 

Vorsitzender.      stellvertretender  Vorsitzender. 

iU  Bloot»,  Uorjuwelier.         Dr.  med.  Hnekleubroiclu 
X.  Kohtz,  Hauptmann.        0«  Moeller,  Baurath. 

C.  M.  Seyppely  Maler. 


Inhalts  -Verzeiehniss. 


Seite 
Zur  ältesten  Geflchichte  deR  Stadt-  und  LandkreiBen  DÜBaeldorf. 

Von  ProfßBRor  J.  Schneider 1 

PolitiRche  Geschichte  des  bergischen  Landes,  insbesondere  der 

Stadt  Düsseldorf.    Von  Dr.  Hermann  Forst 19 

Znr   Verfassungsgeschichte   der   Stadt   Düsseldorf.     Von   Dr. 

H.  Eschbach 51 

Geschichte    der    katholischen    Gemeinde    Düsseldorfs.      Von 

Dr.  Ludwig  Küpper 65 

Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  Düsseldorfs.  Von 
Adelbert  Natorp,  k.  Consistorialrath  und  Pfarrer  der 
ev.  Gemeinde 105 

Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düsseldorfs.  Von  Rabbiner 

Dr.  Abr.  Wedell 149 

Entwickelung  des  Schulwesens  su  Düsseldorf.  Von  Gymnasial- 
lehrer G.  Kniffler 255 

a)  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf.    Von 

E.  Daelen 295 

b)  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf.  Von  L.Merländer    321 

Die  Baugeschichte  von  Düsseldorf.    Von  Otto  mar  Moeller, 

Königl.  Baurath 351 

Theater  und  Musik.    Von  Dr.  G.  W immer 385 

Geschichte  der  militärischen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf. 

Von  Hauptmann  Kohtz 419 

Die  Abtei  Düsselthal 454 

Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf.  Von  Handels- 
kammer-Sekretär P.  Schmitz         459 


:»! 


i  M 


Zur  filtesten  Geschichte  des  Stadt-  und  Landkreises 
Düsseldorf. 

Von  J.  Solinalder. 

jr  die  älteste  Geschichte  unserer  Gegend  he- 
tzen wir  nur  äusserst  wenige  achriftliehe 
achrichten,  und  wir  müssen  versuchen,  die 
■ossen  und  zahlreichen  Lücken  durch  Hin- 
iziehung  der  Altesten  Denkmäler  wenigstens 
einigennassen  zu  ergänzen. 

Geben  wir  in  die  ft'Uhesten  Zeiten  zurück,  so  finden 
wir  in  unserem  Kreise  noch  die  Spuren  jenes  grossen 
Handelsweges,  der  einst  von  der  Küste  des  Mittelmeeres 
nordwärts  nach  dem  Rheine  bei  Basel,  und  dann  in  zwei 
Armen,  links-  und  rechtsrheinisch,  stromabwärts  in  der 
Richtung  nach  der  Nordsee  gefuhrt  hat.i)  Nachdem  der 
griechische  Geograph  und  Mathematiker  Pytheas  von 
Hassilia  (Marseille)  aus,  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts 
vor  Chr.  Geh.,  zu  SchiiTe  die  westlichen  und  nördlichen 
Küsten  entlang  bis  zur  Elbemündung  gelangt  und  Kunde 
von  den  bis  dahin  fast  ganz  unbekannten  nördlichen 
Gegenden  gebracht,  setzten  sich  die  Mfissüioten,  um  die 
geährliche  KOstenfahrt  zu  vermeiden ,  auch  zu  Lande 
mit  dem  Norden  in  Verbindung,  und  zum  Zwecke  des 
sich  entwickelnden  Handelsverkehres,  bei  welchem  die 
Auffindung  des  Bernsteines  die  Hauptrolle  spielte,  entstand 
zunächst  der  grosse  fiandetoweg,  der  von  Marseille  aus 
in  nördlicher  Richtung  bis  zur  Wesermündung  ging  und 
später  in  einem  beträchtlichen  Theile  von  den  Römern 
zu  Kriegszwecken  ausgebaut  wurde.  >)  Ein  zweiter  Han- 
delsweg lief  von  der  durch  die  Massilioten  gegründeten 
Kolonie  Nicäa  (Nicia,  Nizza),  wovon  der  rechtsrheinische 
Arm,  wie  bereits  oben  erwähnt,  auf  eine  kurze  Strecke 
auch  unsere  Gegend  durchlief;  da  dieser  Weg  später  von 
deu  Hörnern  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  kunstmässig 

')  J.Schneider,  die  alten  Heer- u.Handelswe^e  der  Germanen, 
Bfimer  und  Franken  im  deutschen  Reiche,  4.  Heft.    Leipzig  1886. 
*)  Die  alten  Heer- und  Handelswege  etc.  l.HefL  Düsseldorf  1882. 


2  Aelfe9te  Geschichte  Düsseldorfs. 

ausgebaut  worden,  so  konnte  er  bis  zu  Ende  aus  den 
hinterlassenenUeberresten  mitSicherheit ermittelt  werden.*) 
Derselbe  ist  vom  Mittelmeer  bis  zum  Rheine  bei  Basel, 
und  von  hier  dem  rechten  Rheinufer  entlang  bis  Kastei 
(bei  Mainz)  seit  Iftngerer  Zeit  als  Römerstrasse  bekannt, 
und  von  hier  ab  auf  Grund  der  noch  vorhandenen  Reste 
des  Strassendammes  rheinabwärts  von  dem  Verfasser 
untersucht  worden.  Da  von  Kastei  an  die  mehrfach  dicht 
an  daa  Rheinufer  herantretenden  Thalgehänge  dem  Ver- 
kehre hinderlich  waren,  so  ging  von  da  aus  der  Weg 
über  das  Gebirge,  und  zwar  über  Wiesbaden,  Limburg, 
Altenkirchen  bis  Siegburg,  von  hier  unter  dem  Namen 
^Mauspfad^  (Muspad)  bis  Immigrath,  überschritt  bei  Op- 
laden  die  Wupper,  und  trat  nördlich  von  Richrath  in  den 
Kreis  Düsseldorf.  <)  Der  Weg  durchläuft  den  Kreis  zu- 
nächst ü];)er  Hilden  und  Unterbach,  überschreitet  gegen- 
über Haus  Morp  das  Thal  der  Dussel,  und  zieht  durch 
die  Waldungen  und  über  die  Höhen  östlich  an  Gerres- 
heim  vorbei,  bis  Ratingen  und  Lintorf,  von  wo  er  dann 
zu  Essenberg,  gegenüber  Duisburg,  sein  Ende  erreicht 
Hier  lag  das  uralte  Asciburgium,  wahrscheinlich  eine 
griechische  Schiffsstation,  von  welcher  aus  zuletzt  der 
Wasserweg  bis  zur  Nordsee  eingeschlagen  wurde.  ^)  Da- 
mals lag  Asciburgium,  wie  sich  noch  aus  dem  ältesten 
Rheinbette  erkennen  lässt,  auf  der  rechten  Rheinseite; 
dasselbe  war  später  noch,  als  es  bereits,  wie  jetzt,  auf 
dem  linken  Ufer  lag,  eine  römische  Niederlassung,  und 
4  Kilom.  davon,  auf  dem  Burgfelde  bei  Asberg,  befand 
sich  das  römische  Lager,  das  nach  dem  Römerorte  be- 
nannt wurde.*) 

In  jenen  vorgeschichtlichen  Zeiten  fanden  auch  Völker- 
wanderungen von  Westen  nach  Osten,  von  Gallien  her, 
über  d^n  Rhein  statt,  und  hieraus  erklären  sich  wohl  so 
manch^  in  unserer  Gegend  und  überhaupt  am  Nieder- 
rhein vorkommende  Ortsbenennungen,  die  sich  nur  aus 
den  keltischen  Mundarten   ableiten  lassen.    In  späterer 

1)  Die  alten  Heer-  und  Handelswege  etc.  3.  Hefu  Leipssig,  1884. 

*)  J.  Schneider,  neue  Beiträge  zur  alten  Geschichte  und 
Geographie  der  Rheinlande.    6.  Folge.    Düsseldorf,  1874. 

*)  Die  alten  Heer-  und  Handelsweffe  etc.    4.  Heft. 

^)  Schon  vor  den  Griechen  hatten  die  Phönizier  zu  Wasser  und 
zu  Lande  Handelsbeziehung^i  mit  dem  Norden  geknüpft,  allein 
da  die  meisten  über  das  Abendland  handelnden  Schriften  der  da- 
maligen Zeit  verloren  gegangen,  so  besitzen  wir  nur  sehr  spärliche 
Nachrichten  über  den,  durch  Handelsreisen  erweiterten,,  damaligen 
Völkerverkehr.  Vgl.  auch  Gent  he,  über  den  Antheil  der  Rheinlande 
am  vorröroischen  und  römischen  Bemsteinhandel,  in  Pick' s  Monats- 
schrift für  rheinisch-westfälische  Geschichtsforschung  und  Alterthums- 
kunde  II,  1  ff. 


A4lt$$t€  G€9ekiekU  DOaaeldorfM.  3 

Zeit  kehrte  sich  das  Verhältniss  um,  indem  einzelne  Völker- 
schaften von  der  rechten  Bheinseite  auf  die  linke  hinüber- 
wanderten und  sich  dort  festsetzten.  Aber  erst  durch 
Jul.  Cäsar  erhalten  wir  nähere  Nachricht  über  die  am 
Niederrhein  um  die  Mitte  des  1.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
vorhandenen  Völkerschaften:  es  werden  uns  die  Si gam- 
bern genannt,  die  von  der  Lippegegend  rheinaufwärts 
das  rechte  Ufer  innehatten,  i)  und  wir  können  mit  Sicher- 
heit annehmen,  dass  sie  auch  unsere  Oegend  bewohnten. 
Die  Sigambem  werden  uns  als  wild  und  kriegerisch  ge- 
schildert; <)  sie  wohnten  auf  einzelnen  Höfen,  auch  in 
Dörfern,  und  trieben  Ackerbau ;&)  in  ihren  Wohnsitzen 
werden  Bergwaldungen  und  Sümpfe  erwähnt.^)  Hiermit 
stimmt  die  physische  Beschaffenheit  unseres  Landstrichs 
völlig  überein,  wo  die  Gebirge  ehedem  in  höherem  Masse 
als  jetzt  mit  Waldungen  bedeckt  waren,  die  sich  auch 
streckenweise  durch  die  Rheinebene  hinzogen,  und  die 
letztere  durch  Ueberfluthungen  des  Rheines  und  seiner 
Arme  eine  sumpfige  Beschaffenheit  erhielt.  In  jener  Zeit, 
und  bis  in's  14.  Jahrhundert  hinein,  floss  nämlich  der 
Rhein  von  Grimlinghausen  an  Neuss  vorbei  und  in  einem 
weiten  Bogen  nach  Düsseldorf,  wobei  er  das  Bestreben 
hatte,  nach  Osten  das  Land  zu  überfluthen  und  einzelne 
Arme  auszusenden,  von  denen  der  bedeutendste  in  seinem 
jetzt  ausgetrockneten  Bette  noch  wohl  zu  erkennen  ist. 
Dieser  vorgeschichtliche  Rheinarm  kömmt  aus  der  Gegend 
von  Benrath,  läuft  dem  Fusse  des  Höhenzuges  entlang 
über  Grafenberg,  wo  das  alte  Bette  besonders  deutlich 
ist,  und  endet  am  Rheine  in  der  Gegend  von  Wanheim. 
Von  Grafenberg  ging  an  Flingern  vorbei  ein  kleinerer 
Wasserarm  nach  dem  Rheine  ab,  den  man  nebst  der 
nördlichen  Fortsetzung  des  Hauptarmes  in  neuester  Zeit 
mit  Unrecht  als  den  Hauptstrom  zur  Römerzeit  angesehen 
hat.^)  Die  häufigen  Ueberschwemmungen ,  denen  jene 
Wasserarme  ihre  Entstehung  verdanken,  waren  auch  die 
Ursache,  dass  der  obgenannte  vorgeschichtliche  Handels- 
weg, der  bis  dahin  näher  dem  Rheine  durch  die  Ebene 
lief^  bei  Unterbach  die  Höhen  erstieg,  und  dann  stets  über 
das  Gebirge,  weiter  vom  Rheine  entfernt,  bis  jenseits 
Ratingen  zog. 


1)  Caesar  bell.  gall.  IV,  16,  35. 

^  Die  Belegstellen  finden  sich  bei  Ukert,  Germania  S.  353. 
»)  Caecar  b.  g.  IV,  t9. 
«)  Ukert  a.  a.  0. 

fr)  Pick 's  Monatsschrift  für  die  Geschichte  Westdeutschlands. 
VII.  Jahrgang. 

!♦ 


4  Aelieate  Geschichte  Düsseldorfs. 

Id  der  Rheinebene  konnte  in  jenen  entfernten  Zeiten, 
bei  ihrer  sumpfigen  Beschaffenheit,  ebenso  wie  in  den 
Bergwaldungen,  nur  eine  geringe  Bevölkerung  vorhanden 
sein,  und  wir  besitzen  daher  auch,  ausser  den  Gräbern, 
nur  w^enig  Denkmäler,  die  sich,  wenigstens  theil weise, 
auf  jene  Zeiten  zurückführen  lassen.  Die  in  unserem 
Kreise  aufgefundenen  und  im  historischen  Museum  der 
Stadt  Düsseldorf  aufbewahrten  Gegenstände,  die  zum  Theil 
einer  sehr  frühen,  zum  Theil  aber  auch  einer  späteren 
Periode  angehören  können,  bestehen  aus  fünf  Steinbeilen, 
von  denen  je  eines  in  Wersten,  Lintorf,  im  Tannenwäldchen, 
bei  Heiligenhaus  und  in  Düsseldorf  gefunden  worden,  ferner 
aus  einer  Lanzenspitze  aus  Feuerstein,  gefunden  bei  Ra- 
tingen, und  einem  bearbeiteten  Hirschgeweihrest,  gefunden 
am  Schwarzbach  bei  Ratingen.  Ausserdem  befindet  sich  in 
der  Sammlung  des  Hrn.  Guntrum  zu  Düsseldorf  ein  Stein- 
beil, gefunden  bei  Flingern,  und  eine  Steinwaffe,  gefunden 
zu  Oberbilk,  im  Museum  zu  Bonn.  Germanische  Gräber, 
welche  theilweise  den  ältesten  Zeiten  angehören,  theil- 
weise  aber  auch  bis  zum  frühesten  Mittelalter  hinabreichen 
können,  sind  gefunden  worden  zu  Flingern,  Pempelfort, 
Icklach,  Düsseldorf,  Oberbilk,  bei  Stoffeln,  am  Tctelberg, 
im  Aaper- Wald,  an  der  Fahnenburg,  bei  Waldesheim,  zu 
Lintorf,  Grossenbaum,  Hilden;  das  bedeutendste  Gräber- 
feld aber  zieht  sich  vom  Eaiserhain  über  die  Golzheimer 
Heide  hin  und  hat  in  der  neuesten  Zeit  eine  grosse  Aus- 
beute an  germanischen  Graburnen  und  einigen  anderen 
GefUssen  geliefert. «)  Auch  wurden  in  den  Gräbern  eine 
Münze  von  Augustus,  eine  bronzene  Enopfnadel,  einige 
Bronzeringe  und  Thonperlen  mit  Bronzeplättirung  ge- 
funden.^) Sämmtliche  Thongefässe  zeigen  den  gemein- 
samen Typus,  dass  sie  aus  &eier  Hand  geformt  und  am 
Feuer  gebrannt  sind.  Die  mit  Asche  und  Knochenresten 
gefüllten  Urnen,  fast  immer  ohne  weitere  Beigaben,  sind 
von  verschiedener  Form  und  Grösse,  und  zuweilen  noch 
mit  einer  flachen  Schüssel  gedeckt.    Sie  finden  sich  häufig* 


^)  Rheinische  Provinzialblätter.    Bd.  II.    S.  3  if. 

*)  Die  erste  Nachricht  über  dieses  Gräberfeld  haben  wir  gegeben 
in  d.  neuen  Beiträgen  etc.  VI,  9  u.  in  Pick 's  Monatsschrift  I,  d8. 

3)  Ein  Theil  der  an  den  yerschiedenen  Orten  aufgefundenen  Urnen 
befindet  sich  in  dem  historischen  Museum,  in  den  Sammlungen  des 
Hm  Guntrum,  des  Realgymnasiums  und  auf  der  Fahnenburg. 
Wir  machen  insbesondere  auf  ein  in  dem  bist.  Museum  befindliches 
germ.  Grab  nebst  Leichenbrandstelle  auftnerksam,  welches  durch 
um.  C.  Koenen  so  wieder  hergestellt  ist,  wie  es  bei  einer  auf  der 
Golzheimer  Heide  durch  den  Düsseldorfer  Geschichtsverein  unter 
Leitung  des  Hm.  0.  Rautert  stattgehabten  Ausgrabung  bloss- 
gelegt  wurde. 


Aelteste  Geschichte  Düsseldorfs.  5 

unter  kleinen  aufgeworfenen  Hügeln  oder  auch  in  ebener 
Erde,  und  daneben  triflFt  man  zuweilen  die  Reste  des 
Scheiterhaufens  an.  Auch  kommen  die  Gräber  sowohl 
wie  auch  die  obgenannten  Steinwerkzeuge  fast  nur  an 
den  alten  Wegen  vor.i) 

Als  um  die  Zeit  von  Chr.  Geb.  durch  die  Kriegszüge 
der  Römer  die  am  Ufer  des  Niederrheins  wohnenden 
Völker  allmälig  zurückgedrängt  worden,  entstand,  zumal 
durch  die  Uebersiedelung  eines  grossen  Theils  der  Sigam- 
bern  von  der  rechten  auf  die  linke  Rheinseite  unter  Ti- 
berius,  dem  rechten  Rheinufer  entlang  ein  von  Be- 
wohnern leerer  Landstreifen,  der  sich  nach  und  nach 
von  der  niederländischen  Gränze  bis  über  das  Sieben- 
gebirge hin  ausdehnte.  2) 

Diesen  leeren  Uferstrich,  der  auch  unsern  Kreis  um- 
fasste,  behielten  die  Römer,  auch  nachdem  sie  ihre  Er- 
oberungspläne in  Deutschland  völlig  aufgegeben,  in 
ständigem  Besitz  und  benutzten  ihn  hauptsächlich  zu 
Weideplätzen  für  die  Pferde  der  linksrheinischen  Be- 
satzungen, s)  dann  auch  zur  Anlage  von  Ziegelbäckereien, 
wie  aus  mehreren  Ziegelstempeln  hervorgeht. -*)  Ausser- 
dem besassen  sie  auf  der  rechten  Rheinseite  Steinbrüche 
bei  Dünwald  und  B.- Gladbach,  und  am  Virneberge  bei 
Rheinbreitbach  Kupferbergwerke.  Es  war  aber  dieser 
Uferstrich  noch  von  besonderer  Wichtigkeit  für  den 
Schutz  des  linken  Rheinufers  gegen  die  Einfälle  der 
Germanen,  sowie  für  die  freie  Schiflffahrt  auf  dem  Rheine, 
und  welchen  Werth  die  Römer  hauptsächlich  aus  diesem 
Grunde  auf  den  Besitz  desselben  legten,  geht  aus  der 
Hartnäckigkeit  hervor,  mit  welcher  sie  jede  Bewohnung 
desselben  durch  die  benachbarten  Germanen  verweigerten, 
und  die  wiederholten,  bald  durch  Unterhandlungen,  bald 
durch   Gewalt   bewirkten   Versuche   derselben,   das   un- 

^)  Unter  den  Urnen  der  Golzheimer  Heide  ist  noch  ein  im 
historischen  Museum  befindliches  QefUss  hervorzuheben,  das  die 
Form  eines  geflochtenen  Korbes  zeigt,  und  in  seinem  Innern  ange- 
brannte Knoclien  und  ein  Bronzeringelchen  enthielt. 

S)  Tacit.  annal.  XIII,  54,  55. 

»)  Tacit  a.  a.  O. 

^)  Auf  Ziegeln  z.  B.  zu  Aachen  gefunden  befinden  sich  Stempel, 
nach  denen  diese  Ziegel  „trans  Rhenum**  hergestellt  sind,  während 
andere  die  Bezeichnung  „te^la  transrhenana^  tragen.  Einzelne 
dieser  Ziegel  sind  zugleich  mit  dem  Namen  der  1.  und  der  10.  Legion 
versehen,  von  denen  wir  wissen,  dass  sie  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr. 
am  Niederrhein  telegen  haben.  S.  Lorsch  in  d.  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  VII.  Bd.  3.  u.  4.  Heft  S.  159  if.  Ausser- 
dem wurden  den  ganzen  Niederrhein  hinab  von  Bonn  bis  Xanten 
zahlreiche  Ziegel  bloss  mit  der  Bezeichnung  „transrhenana^  (sc.tegula) 
gefunden.  (Auch  in  der  Guntrum'schen  Sammlung  befindet  sich 
ein  solcher  Stempel.) 


6  AeltesU  Gesehiehte  DUssMoffs, 

bebaute  Land  in  Besitz  zu  nehmen,  gewaltsam  abschlu- 
gen 1).  Auch  werden  die  Römer  diese  Zeit  nicht  unbenutzt 
gelassen  haben,  um  durch  die  Krieger  der  linksrheini- 
schen Besatzungen  einen  Theil  der  Erdwerke  auszufahren, 
deren  Reste  sich  noch  bei  uns  erhalten  haben.  Dahin 
gehört  der  oben  genannte  alte  Handelsweg,  der  nunmehr  als 
Erddamm  mit  Seitenwällen  kunstmässig  erneuert  wurde, 
femer  der  zweite  Arm  der  Rheinstrasse,  der  später  von 
Kastei  ab  ganz  nahe  dem  Rheine,  ebenso  wie  die  Römer- 
strasse des  linken  Ufers,  zuweilen  durch  die  Felsen  gebrochen 
wurde.  2)  Derselbe  überschreitet  bei  Bergheim  die  Sieg, 
hierauf  bei  Reuschenberg  die  Wupper  und  tritt  alsbald  in 
den  Kreis  Düsseldorf.  Hier  führt  er  an  Langenfeld  und 
Benrath,  dann  dicht  östlich  an  Düsseldorf  vorbei  über 
Huckingen  weiter,  und  endet  zuletzt  am  Rheine  bei 
Utrecht.  3)  Dieser  Strassenarm,  der  ebenfalls  aus  einem 
Erddamme  mit  zwei  Seitenwällen  bestand,  war  mit  zahl- 
reichen Warthügeln  zum  Signalisiren  besetzt,  wovon  sich 
ebenfalls  noch  einige  Ueberreste  in  unserm  Kreise  er- 
halten haben.  Ausser  einem  weniger  bedeutenden  Reste 
bei  Benrath  finden  wir  eine  solche  Hügelwarte  noch 
deutlich  am  Biegerhof  und  weiter  abwärts  bis  zur  nieder- 
ländischen Grenze  noch  deren  acht.  Femer  treffen  wir 
die  Ueberbleibsel  eines  römishem  Marschlagers  an  dieser 
Strasse,  nämlich  bei  Or.  Winkelhausen,  wovon  ein  Theil 
des  inneren  Einschlusses  noch  wohl  erhalten  ist.  ^)  Auch 
einzelne  Fortsetzungen  der  von  der  linken  Rheinseite 
über  den  Strom  führenden  Römerstrassen  werden  dieser 
Zeit  zuzuschreiben  sein.  Wenn  man  daher  in  unserer 
Gegend  so  mahche  Ueberreste  von  Erdanlagen  findet, 
welche  die  Forschung  als  römische  Strassen  und  Schanzen 
bezeichnet,  so  ergibt  sich  aus  dem  angeführten  Umstände, 


1)  Tac.  ann.  XIII.,  54,  55.  —  Der  Einfluss,  welchen  die  Römer 
damals  in  den  rechtsrheinischen  Gebieten  ausübten,  wird  auch  durch 
den  Umdtand  bezeugt,  dass  sie  bei  verschiedenen  germanischen 
Völkern  Trappen  aushoben  (Tac.  Agric.  28,  32).  Es  war  überhaupt 
festgestellt,  wie  weit  die  Germanen  vom  Rheinufer  entfernt  wohnen 
durt'ten.  (S.  die  Belegstellen  b.  Ukert,  Germania  S.  271).  Noch  im 
batavischen  Kriege  (71  n.  Chr.)  beklagen  sich  die  Tenktem  bitter 
über  den  gehemmten  Verkehr  mit  dem  jenseitigen  Rheinufer.  Eine 
in  der  Guntnim*schen  Sammlung  befindliche  imd  bei  Flingem  ge- 
fundene Urne  mit  einer  Erzmünze  des  Nero  (54 — 68  n.  Chr.)  mag 
aus  der  Zeit  jenes  Krieges  (69 — 71)  herrühren,  als  die  benachbarten 
Tenktern  in  den  leeren  Uferstrich  eingedrungen  waren. 

S)  Pick 's  Monatsschrift  f.  d.  Geschichte  Westdeutschlands  IV. 
Jahrgang. 

')  Die  alten  Heer-  und  Handelswege  etc.  3.  u.  5.  Heft. 

^)  Neue  Beiträge  zur  alten  Geschiclite  und  Geograpliio  d. 
Rhlde.  6.  Folge 


Äüttate  Geaehiehte  DHaseldoffn,  7 

dass  die  Römer,  auch  nachdem  ihre  frühere  Herrschaft 
in  Deutschland  aufgehört,  doch  das  reehtrheinische  Ufer- 
land in  Besitz  behielten,  zur  Genüge,  dass  dieselben 
während  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  Zeit  und  Gelegen- 
heit genug  hatten,  solche  Werke  in  dem  unmittelbar 
dem  rechten  Rheinufer  angrenzenden  Landstriche  aus- 
zuführen. 

Um  dieselbe  Zeit  verliessen  die  in  dem  südwestlichen 
Winkel  zwischen  Rhein  und  Donau  wolinenden  Germanen, 
durch  die  Nähe  der  Römer  beunruhigt,  ihr  Land  und 
zogen  gegen  Osten.  Das  leere  Gebiet  besiedelten  allmälig 
herübergewanderte  Gallier,  und  um  die  Bevölkerung  vor 
plötzlichen  Ueberfällen  der  Germanen  zu  schützen,  zogen 
die  Römer  den  limes,  d.  L  eine  durchflochtene  Palissaden- 
wand  mit  dahin tergelegenem  Banketwall  und  vorliegen« 
dem  Graben,  dem  sog.  Pfahlgraben,  der  in  kurzen  Ent- 
fernungen mit  steinernen  Wartthürmen  besetzt  war.  i) 
Ganz  entsprechende  Einrichtungen  finden  wir  nun  auch 
am  Niederrhein,  nur  war  hier  die  Construction  der 
limites  verschieden  von  derjenigen  am  ObeiThein:  statt 
der  Pfahlwand  finden  wir  hier  einen  starken  Erdwall, 
der  auf  seiner  Krone  mit  schwer  durchdringlichem  leben* 
digem  Gehölz,  sogenanntem  Gebück,  bewachsen  war, 
davor  einen  durch  zwei  schmälere  Wälle  gebildeten 
Gräben,  und  hinter  dem  Hauptwall  ebenfalls  ein  Banket 
(Weg).  Gleich  den  Wartthürmen  am  Pfahlgraben  waren 
diese  sogenannten  „Landwehren^  in  kurzen  Abständen 
mit  aus  Erde  aufgeworfenen  Warthügeln  besetzt,  die 
wahrscheinlich,  wenigstens  theilweise,  einen  hölzernen 
Thurm  trugen.  Diese  niederrheinischen  Schutzwehren 
laufen  der  Art,  dass  sie  in  Verbindung  mit  dem  Rheine 
und  unter  sich  einzelne  Gebietstheile  einschliessen,  die 
sich  von  Holland  aus  dem  Strome  entlang  aufwärts  bis 
aber  das  Siebengebirge  hinaus  erstrecken,  wo  zuletzt 
ihre  Construction  in  die  des  hier  beginnenden  Pfahl- 
grabens übergeht. s)  Hiernach  fallen  die  von  diesen 
Schutzwehren  eingeschlossenen  Landestheile  ge- 
nau mit  dem  oben  erwähnten  leeren  Uferstrich 
zusammen,  und  es  drängt  sich  unabweislich  die  An- 
nahme auf,  dass  jener  leere  Landstrich  in  einer  gewissen 
spätem  Zeit  allmälig  besiedelt  und  dann  durch  die  Gränz- 
wehren  ebenso  geschützt  wurde,  wie  der  ehemals  leere 


0  Die  Pfahlmauer  diente  gegen  Angreifer  zu  Fuss,  der  Graben 
gegen  Reiterei  und  das  Banket  als  Weg  für  die  Wächter,  um  die 
befestigte  Postenlinie  su  beschreiten. 

*)  Ueber  die  Landwehren  ist  ausführlich  gehandelt  in  den 
neuen  Beiträgen  etc. 


8  Aelteste  Geschichte  Dilsaeldorfs. 

Landstrich  am  Oberrhein  durch  den  Pfahlgraben.  Die 
Einrichtung  der  Landwehren  ist  eine  urgermanische,  wir 
finden  sie  in  ihrer  ältesten  Form  durch  ganz  Deutschland 
bis  in  den  fernsten  Osten  vor.  Diese  Art  von  Wehran- 
lagen wurde  aber  später  von  den  Römern  übernommen, 
und  unter  ihrer  Anordimng  und  Leitung  wurden,  nach 
den  Zeugnissen  der  alten  Schriftsteller, i)  zahlreiche  Land- 
wehren am  Rheine  und  in  Westfalen  errichtet,  die  meistens 
noch  das  römische  Profil  aufweisen,  und  von  dem  Kundigen 
sich  leicht  von  den  weiter  östlich  gelegenen  unterscheiden 
lassen.  Auch  waren  diese  Wehranlagen,  ebensowenig 
wie  der  Pfahlgraben,  eigentlich  militärische  Werke,  son- 
dern zu  denselben  Zwecken  bestimmt,  für  welche  sie  auch 
den  Germanen  gedient,  nämlich  die  Gebietsgränzen  zu 
überwachen  und  vor  feindlichen  UeberfftUen  zu  schützen. 
Sie  erfüllten  auch  diesen  Zweck  zu  einer  Zeit,  wo  die 
Völker  am  Niederrhein  nur  sehr  wenig  mit  metallischen 
Werkzeugen  versehen  waren,  um  das  dichte  Gebück  zu 
durchbrechen,  eben  so  vollkommen,  wie  der  zu  demselben 
Zweck  angelegte  Pfahlgraben  am  Oberrhein.  Unser  Land- 
kreis liegt  nun  ebenfalls  in  dem  Einschluss  einer  solchen 
Landwehr,  und  wir  werden  zu  prüfen  haben,  in  wie  fern 
einstens  auch  eine  Besiedelung  unserer  Gegend  stattge- 
funden, und  in  welchem  politischen  Verhältnisse  diese 
Ansiedelungen  zu  dem  römischen  Gebiete  jenseits  des 
Rheines  gestanden  haben.  Hierbei  kommt  uns  ein  altes 
Schriftstück  zu  Hülfe,  das  in  der  neuesten  Zeit  sehr  ver- 
schiedenartige Auslegungen  gefunden,  aber  noch  nicht  in 
seiner  ganzen  Bedeutung  hinreichend  gewürdigt  ist,  nämlich 
ein  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.  abgefasster 
Anhang  eines  Verzeichnisses  der  Provinzen  des  römischen 
Reiches.  2)  Wir  geben  unsere  Erklärung  dieser  merk- 
würdigen Urkunde,  soweit  sie  unsere  Gegend  betrifft, 
anspruchslos  und  in  aller  Kürze,  aber  gestützt  auf  die 
Erforschung  der  Denkmäler,  die  hier  besonders  in  Betracht 
kommen.  3) 

Zunächst  wird  uns,  als  auf  der  rechten  Rheinseite 
gelegen,  eine  Anzahl  römischer  Gaue  (civitates)  genannt, 


»)  Tacit.  annal.  I,  50;  H,  7.  —  Vellej.  Pat.  II,  120. 

3)  Zuerst  kerausgeg.  i.  J.  1743  v.  Scip.  Mat'fei,  dann  vouTh. 
Mommsen  in  d.  Abhandl.  d.  K.  Akademie  d.  W.  z.  Beiliu  1B62. 

*)  Die  Urkunde  mit  den  Ergänzungen  lautet  folgendermassen: 
^Nomina  civitatum  trans  Rhenum  fluvium  quae  sunt:  Usipiormn, 
Tnbantum,  Tenctrensium,  Chattuariorum  (Amsivariorum?),  Chasu- 
ariorum.  Istae  omnes  civitates  trans  Rhenum  in  formulam  Belgicae 
primae  redactae.  Trans  castellum  Montiacesenaro  LXXX  leugas 
trans  Rhenum  Romani  possederunt.  Istae  civitates  sub  Gallieno 
imperatore  a  barbaris  oceupatae  sunt.^ 


Atteste  Geschichte  Düseeidorfs.  9 

aus  deren  Namen  schon  hervorgeht,  dass  sie  von  dem 
durch  den  Pfahlgraben  eingeschlossenen  Gebiete  gänzlich 
verschieden  waren.    Diese  Gaue,   deren  Völkerschaften 
hauptsächlich  in  den  Gegenden  des  Niederrheins  ansässig 
waren,  konnten  nur  vom  Pfahlgraben  an  rhein abwärts 
dem  Strome  entlang  gelegen  haben,   und  wenn  wir  des 
oben     besprochenen    ehedem    leeren    Ufergebietes    ge- 
denken, das  genau  in  der  genannten  Strecke  sich  aus- 
dehnt,   so    ergibt  sich  sofort  die  Folgerung,   dass  jene 
römischen  Gaue  durch  eine  spätere  Besiedeluug  des  län- 
gere Zeit  leer  gelegenen  Landstriches  entstanden  sind. 
Diese  Ansiedlungen  fanden  aber,  der  Unsicherheit  der 
Gegend  wegen,  nicht  wie  am  Oberrhein  durch  herüber- 
gewanderte romanisirte  Gallier,  sondern  durch  eingewan- 
derte Germanen  statt, i)  denen  unter  gewissen  Bedingungen 
die  schon  früher  von  den  Germanen  in  Anspruch  ge- 
nommenen Ländereien  zur  Bebauung  übergeben  wurden. 
Dadurch    erreichten    die  Römer   den  doppelten  Zweck, 
einerseits  dass  ihre  Oberhoheit  auch  am  Niederrhein  auf 
einen  bewohnten  rechtsrheinischen  Landstrich  ausgedehnt 
wurde,  wie  es  schon  am  Oberrhein  der  Fall  war,  und 
dass  anderseits  auch  ihre  Besitzungen   auf  dem  linken 
Rheinufer  dadurch  einen  erhöhten  Schutz  erhielten.  Hier- 
bei darf  man  nicht  annehmen,  dass  ganze  Völkerschaften 
in  diese  Gaugebiete  aufgenommen  wurden,  sondern  nur 
solche  Theile  derselben,  die  sich  freiwillig  den  römischen 
Bedingungen  zu  unterwerfen  und  die  römische  Herrschaft 
anzuerkennen  geneigt  waren.    Die  besiedelten  Landes- 
theile  wurden  dann,  wie  am  Oberrhein  durch  den  Pfahl- 
graben, so   hier  durch   ebendieselben  Landwehren   ein- 
geschlossen, mit  deren  Anlage  bereits  Drusus  und  Tibe- 
rius  begonnen  hatten.    In  dem  angeführten  Schriftstück 
würd  uns  zuerst  genannt  der  Gau  der  Usipier.    Nun  wissen 
wir  mit  Bestimmtheit,  s)   dass   in  der  augusteischen  Zeit 
Usipier  am  Niederrhein  und  zwar  nördlich  der  Lippe- 
mündung wohnten,  später  finden  wir  Usipier  am  Ober- 
rhein als  die  westlichen  Nachbarn  der  Chatten.    Sei  es  nun, 
dass  die  am  Niederrhein  wohnenden  Usipier,  unter  Zu- 
rücklassung eines  Theiles,  später  an  den  Oberrhein  zu 
den  Chatten  gezogen,  oder,   wie  Andere  wollen,  bei  der 
Auswanderung  zur  Zeit  Cäsar's  ein  Theil  des  Volkes  in 
seinem  ursprünglichen  Sitze  am  Oberrhein  zurückgeblieben 
und  nur  ein  Theil  an  den  Niederrhein  gelangt  war,  jeden- 
falls befand  sich  der  spätere  Uslpiergau  in  dem  früheren 

1)  Dies  bezeugt  der  Umstand,  dass  weder  römisches  Mauer- 
werk, noch  Qräber  in  dem  besagten  Landstrich  gefunden  worden  sind. 
<)  Caesar  bell.  gaU.  IV,  16.  Floms  IV,  12.  Tac.  ann.  XIII  56. 


10  JOteste  Geschickte  DüeeMwfe. 

Oebiete  der  Usipier  am  Niederrhein,  gleichwie  sich  der 
dabintergelegene  Gau  der  Tubanten  in  das  benachbarte 
Holland  (Twente)  hineinerstreckte.  Dann  folgt  den  Rhein 
aufwärts  der  Gau  der  Tenktem,  hinter  diesem  landein- 
wärts nach  der  mittleren  Ruhr  (Hattingen)  der  Gau  der 
Chattuarier  und  zuletzt  dem  Rheine  entlang  bis  zum 
Pfahlgraben  der  Gau  der  Chasuarier.  Wir  haben  nun 
flrüheri)  die  alte  Landwehr,  welche  den  Usipiergau  um- 
grenzte, ihrem  Laufe  nach  in  der  Art  bestimmt,  dass  die- 
selbe vom  alten  Rhein  bei  Hauberg  beginnend  in  einem 
grossen  Bogen  bis  zum  Rheine  bei  Walsum  lief,^)  und 
hier  schloss  sich  der  Gau  der  Tenktern  an,  dessen 
Grenzen  ebenfalls  durch  die  ihn  umschliessende  Land- 
wehr angegeben  werden. &)  Dieser  Gau  schloss  auch 
den  heutigen  Stadt-  und  Landkreis  Düsseldorf  ein, 
der  hiemach  in  römischer  Zeit,  nachdem  er  eine  längere 
Weile  unbebaut  gelegen,  von  den  Tenktern  besiedelt 
worden  war.*) 

Die  nahen  Beziehungen,  in  welchen  damals  das  rechts- 
rheinische Uferland  mit  dem  linksrheinischen  Römerlande 
gestanden,  werden  durch  die  grosse  Menge  römischer 
Alterthüraer,  welche  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  sich 
vorfinden,  vollauf  bestätigt.  Dahin  gehören  zunächst  die 
zahlreichen  römischen  Münzen,  welche  sowohl  in  wie 
ausserhalb  der  Gräber  gefunden  werden  und  auf  einen 
lebhaften  Verkehr  mit  den  Römern  hinweisen.  Dann  die 
vielen  Bruchstücke  römischer  Dachziegel,  welche  bezeu- 
gen, dass  die  germanischen  Bewohner  öfters  statt  der 
hergebrachten  Stroh-  und  Schindelbedachung  sich  in 
römischer  Weise  der  Ziegel  bedienten;  femer  die  vielen 
römischen  Geräthe  und  Schmucksachen,  die  meistens  in 
Gräbern  gefunden  werden.    Hauptsächlich  aber  sind  die 

>)  S.  Neue  Beiträge  etc. 

*)  Wir  finden  in  der  Karte  bei  v.  Ledebur  „Das  Land  and 
Volk  der  Beukterer**,  den  Gau  der  UHipier  am  Niederrhein  fast  ge- 
nau in  derselben  Begrenzung  rezeicbnet,  wie  es  dem  Laufe  der  in 
ihren  Resten  noch  erhaltenen  Landwehr  entspricht. 

S)  Ein  Arm  der  Gränzwehr  schloss  sich  bei  Hittorf  dem  Rheine 
an;  ob  dies  der  Hauptarm,  oder  aber  die  von  der  Dukenburg 
weiter  über  Rennbanm,  Altenberg  und  Bechem  laufende  Landwehr, 
wird  durch  fernere  Untersuchungen  rheinaufwärts  zu  bestimmen  sein. 

^)  Die  Tenktern  hatten  ihre  Wohnsitze  im  Bergischen  und  auf- 
wärts bis  zur  Sieg;  von  ihnen  sagt  Tacitas  (Oerm.  82),  dass  sie 
ausser  dem  gewohnten  Waffenmhm  sich  auch  durch  eine  trefflich 
geübte  Reiterei  auszeichneten,  sodass  selbst  das  chattische  Fuss- 
Volk  nicht  berühmter  sei,  als  die  Reiterei  der  Tenktern.  Die  Be- 
zeichnung „Tenctrenses**  in  dem  Veroneser  Fragment  statt  der  ge- 
wöhnlichen „Tencteri**  kann  auffallen;  ob  damit  vielleicht  ein  mit 
den  Tenktern  v(*rbnndener  kleinerer  Stamm  gemeint  sei,  mögen 
die  Philologen  entscheiden. 


ÄtHttste  Geschichte  Düsseldorfs,  11 

reichverzierten  Schüsseln  aus  terra  sigillata  zu  erwähnen, 
die  aus  römischen  Fabriken  herstammen  und  den  Be- 
wohnern als  Oraburnen  gedient  haben ;  die  Zahl  derselben 
ist  so  gross,  wie  selbst  nicht  in  den  linksrheinischen 
römischen  Besitzungen.  Wir  führen  hier  nur  die  vor- 
züglicheren römischen  Funde  auf,  welche  in  unserm 
Städte  und  Landkreise  bis  jetzt  vorgekommen  und  zu 
unserer  Kunde  gelangt  sind.  Zu  Düsseldorf  in  der  Thal- 
strasse kamen  beim  Hftuserbau  zwei  verzierte  Schüsseln 
aus  terra  sigillata  zum  Vorschein,  i  j  Auf  dem  Alexander- 
platze daselbst  wurden  verschiedene  römische  Antikaglien 
ausgegraben,  darunter  einige  Bronzefiguren.  2)  In  Unter- 
bilk  fand  man  Aschenumen  nebst  Gef&ssstücken  aus 
terra  sigillata,  sowie  einen  goldenen  Ring  mit  geschnit- 
tenem Onyx.  9)  Am  Zusammentreffen  der  Duisburger- 
mit  der  Nordstrasse  wurden  mehrere  kelchförmige  Näpf- 
chen aus  feinem  Thon  in  der  Erde  gefunden,  die 
gemeinlich  für  römisch  gehalten  werden.  ^)  An  der 
Römerstrasse  am  Fusse  des  laberges  (b.  Hilden)  wurde 
ein  goldener  Ring  mit  einem  geschnittenen  Onyx  im 
Boden  gefunden.  &)  Zwischen  Düsseldorf  und  Flehe  kam 
aus  einer  Tiefe  von  1,5  m  ein  gegossenes  römisches 
Bronzestück  zum  Vorschein,  das  die  Inschrift:  „Utere 
felix^  trägt  und  wahrscheinlich  einem  Waffenstück  an- 
gehört hat.  <)  An  der  Eisenbahnstation  Rath  fand  man  in 
einem  Grabe  mehrere  verzierte  Schüsseln  aus  terra  sigil- 
lata, in  einer  derselben  ein  Glasfläschchen,  dann  zwei 
Gefässe  aus  Bronze  und  verschiedene  eiserne  Geräth- 
Schäften  nebst  einer  geschlagenen  Messingplatte.  7)  In 
Oberbilk  wurde  eine  grosse  verzierte  Schüssel  aus  terra 
sigillata  nebst  mehreren  anderen  Gefässen  gefunden,  s) 
Am   Hofe  Leuchtenberg  fanden  sich  in  Gräbern  reich- 


^)  Die  Schüsseln  befinden  sich  als  Geschenk  des  Hrn.  W. 
Herchenbach  im  historischen  Museum. 

«)  Neue  Beiträge  etc.  VI  S.  7. 

•)  Bonner  Jahrbb.  XXXYI,  88. 

^)  Die  Gegenstände  befinden  sich  im  bist.  Museum.  —  Der 
römische  Ursprung  der  in  der  Altstadt  gefundenen  Gefässstücke 
ist  zweifelhaft;  wenigstens  sind  die  in  der  Altstadt  gefundenen 
Gefässscherben,  welche  der  Verf.  in  der  Guntrum'schen  Sammlung 
gesehen,  nicht  römisch  (Bonner  Jahrbb.  XXXIX,  155).  Der  Fundort 
eines  früher  in  Düsseldorf  (jetzt  in  Mannheim)  befindlichen  Legion- 
steines ist  unffewiss. 

^)  Neue  Beiträge  etc.  6.  Folge.  Pieper  in  Pick's  Monatsschrift 
IV  S.  647. 

*)  Das  Bronzestück  befindet  sich  in  der  Guntrum*schen 
Sammlung. 

'')  A.  Fahne.  Beiträge  z.  limes  imp.  rom.  etc.  S.  .5. 

^)  Fahne  a.  a.  0. 


12  AdtetU  O$»ehicht0  DüssddwrfB. 

verzierte  Schüsseln  aus  terra  sigillata.  i)  In  KL  Eller 
sind  so  zahlreiche  mit  Schmuck  versebene  Schüsseln  aus 
terra  sigillata  ausgegraben  worden,  wie  es  bis  jezt  an 
keinem  andern  Orte  der  ganzen  Provinz  vorgekommen 
ist.  2)  Wenn  man  nun  bedenkt,  wie  viele  römische  Funde 
bloss  in  den  letzten  Jahrzehnten  in  einem  so  verhältniss- 
massig  kleinen  Bezirke  gemacht  wurden,  so  kann  man 
sich  vorstellen,  wie  vieles  in  einem  Zeitraum  von  andert- 
halb Jahrtausenden  zu  Tage  getreten,  aber  unbeachtet 
verloren  gegangen,  und  in  welch  lebhaftem  Verkehr  und 
innigem  Zusammenhang  hiernach  der  rechtsrheinische 
Uferstrich  mit  dem  linksrheinischen  Kömerreiche  gestan- 
den haben  muss. 

Ein  ferneres  Zeugniss  liefern  die  zahlreichen  Strassen 
mit  den  Resten  der  darangelegenen  Verschanzungen, 
welche  in  der  Zeit  der  römischen  Oberhoheit  in  unserm 
Lande  angelegt  wurden.  Diese  Strassen  stehen  mit  den 
Römerstrassen  der  linken  Rheinseite  in  innigem  Zusam- 
menhang, und  greifen  ebenso  unter  sich  in  strengster 
Planmässigkeit  ineinander,  so  dass  wir  das  Strassennetz 
der  rechten  Rheinseite  mit  dem  römischen  auf  der  linken 
derartig  in  Uebereinstimmung  finden,  dass  beide  als  ein 
einziges  vom  Rheine  durchschnittenes  Ganze  anzusehen 
sind,  und  sowie  auf  der  linken  Rheinseite  die  Römer- 
strassen von  den  römischen  Alterthümern  begleitet  wer- 
den, so  sind  auch  alle  Funde  römischer  Alterthümer  an 
den  Fortsetzungen  dieser  Strassen  auf  der  rechten  Rhein- 
seite gemacht  worden.  &)  Unter  den  an  den  Römerstrassen 
der  rechten  Rheinseite  gelegenen  Verschanzungen  heben 
wir  ein  römisches  Lager  hervor,  das  an  der  bei  Bürgel 
den  Rhein  überschreitenden,  über  Hilden  und  Mettmann 
nordwärts    führenden  Strasse   im    N^anderthale    unweit 


1)  Nene  Beiträge  etc.  IX.  Eine  der  Schüsseln  erhielt  der 
Verf.  durch  Güte  des  Hrn.  Rittergutsbesitzers  Lanz  in  Lohausen, 
die  übrigen  durch  Ankauf  von  den  Findern. 

')  Ein  Theil  (vier  Stück)  befindet  sich  im  bist.  Museum,  ein 
anderer  ist  nach  Anssen  gelangt.  In  einer  der  ersteren  Schüsseln 
befinden  sich  ausser  Knochenresten  Gefässstücke  aus  Bronze,  Theüe 
eines  Lederriemens  und  geschmolzene  Stücke  selben,  weissen  und 
braunen  Glases.  Ferner  enthält  die  Sammlung  des  Hm.  Ph.  Braun 
eine  ebendaherrührende  Schüssel  aus  terra  sigillata,  worin  sich 
einige  Bruchstücke  einer  zweiten  Schüssel,  Knochen  und  Bronze- 
Btücke  befinden.  Aus  demselben  Funde  enthält  die  Sammlung  eine 
verzierte  schwarze,  mit  einem  künstlichen  Ueberzuge  versehene 
Urne,  ähnlich  den  bei  Darzau  (Hannover)  gefundenen.  Vgl.  H  o  s  t  - 
mann,  der  Urnenfriedhof  von  Darzau.    Braunschweig  1874. 

')  S.  die  alten  Heer-  und  Handels wege  etc.  1.-5.  Heft 
Leipzig  1882—86. 


Aelieüe  Oesehiehte  DOsMMorfa  13 

Düsseldorf y  gelegen  ist^)  Dasselbe  befindet  sich  auf 
einem  Bergvorsprang,  der  an  zwei  Seiten  von  der  Dussel^ 
an  der  dritten  von  dem  Mettmanner  Bache  begrenzt  wird, 
und  führt  den  Namen  „die  alte  Burg^.  Die  obere  Berg- 
fläche ist  an  drei  Seiten  von  schroffen  Abhängen  begrenzt, 
und  am  Rande  in  Form  eines  Rechtecks  von  einem  noch 
wohlerhaltenen  Graben  umgeben;  an  der  Südwestseite 
ist  auch  noch  ein  Theil  des  Lagerwalles  erhalten.  An 
der  Südseite  läuft  die  Höhe  in  eine  Bergzunge  aus,  welche 
einige  Schritte  tiefer  durch  einen  Quergraben  abgeschni- 
ten  ist;  ein  zweiter  spitz  auslaufender  Berggrat  zieht 
sich  von  der  Südwestseite  in's  Thal,  aut  welchem  man 
nur  schwache  Spuren  eines  Grabens  bemerkt,  und  an 
der  Südostseite  der  Bergfläche,  wo  die  Abhänge  weniger 
steil  sind,  trifft  man  unterhalb  des  Hauptgrabens  noch 
einen  zu  verstärktem  Schutze  angelegten  doppelten  Gra- 
ben an.  In  dem  östlichen  Theile  des  Lagerraumes  befand 
sich  früher  eine  weite  Vertiefung,  die  wahrscheinlich  als 
Pferdetränke  gedient,  und  nahe  dabei  liegt  der  schön 
gemauerte,  25,6  m  tiefe  Brunnen,  der  noch  jetzt  im  Ge- 
brauche ist.  Das  Lager  ist,  ebenso  wie  das  schon  oben 
genannte,  als  Marsch-  oder  Etappenlager  aufzufassen,  wie 
sich  deren  in  Westfalen  noch  mehrere  erhalten  haben. 
Wir  flnden  auch  hier  die  Eigenthümlichkeit,  die  der  Ver- 
fasser bei  vielen  andern  Lagern  und  Kastellen  sowohl 
auf  der  linken  wie  rechten  Rheinseite  beobachtet  hat,  dass 
sich  die  Römerstrasse,  zu  welcher  das  Lager  gehört,  be- 
vor sie  dasselbe  erreicht,  in  zwei  Arme  theilt,  von  denen 
der  östliche  Seitenarm  beim  Hause  Schlickum  abgeht, 
dann  nach  der  Dussel  hinabzieht  und  die  Berghöhe  an 
der  Südseite  ersteigt,  hierauf  das  Lager  an  der  Nordost- 
seite verlässt  und  nach  dem  Blixberg  (Blicksberg)  geht; 
hier  lag  wahrscheinlich  eine  Warie,  um  den  Uebergang 
über  das  enge  Thälchen  des  Mettmanner  Baches  zu  über- 
wachen, worauf  dann  die  Strasse,  die  Höhe  hinansteigend, 
sich  beim  Hermhofe  wieder  mit  dem  Hauptarme  ver- 
einigt. 2) 


1)  Die  Oertlicbkeit  liegt  dicht  an  der  Grenze  im  Kreise  Mett- 
mazm,  und  zwar  bei  der  Eisenbahnstation  Neanderthal,  so  dass  sie 
von  Düsseldorf  aus  in  kurzer  Zeit  leicht  erreicht  werden  kann. 

<)  Die  in  dem  Kreise  Düsseldorf  erforschten  Strassen  sind  von 
dem  z.  Vorsitzenden  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins,  Hm. 
W.  Herchenbach,  und  einigen  Vorstandsmitgliedern  theilweise 
begangen,  hierauf  die  Schanzen  und  Strassen  von  dem  Z.Vorstands- 
mit^iede  Hrn.  Falkenbach  in  ihrer  Gesammtheit  an  Ort  und 
SteUe  eingesehen  worden,  und  hat  Hr.  F.  in  zwei  Vereinssitzungen 
über  die  Ergebnisse  ausführlichen  Bericht  erstattet.  S.  Beiträge  z. 
Geschichte  des  Niederrheins  1.  Bd.  1S86. 


14  AMuU  GtßehiehU  DügaMotft. 

Gleichwie  am  Oberrhein  die  vom  Pfahlgraben  begrenz- 
ten Gebiete  zu  der  Provinz  Obergermanien  gehörten,  so 
werden  auch  am  Niederrhein  die  von  den  Landwehren 
eingeschlossenen  Gaue  zu  der  Provinz  Niedergermanien 
zu  rechnen  sein.  Sie  waren^  wie  unsere  Urkunde  besagt, 
^in  formulam  Belgicae  primae  redactae*^,  wozu  vor  Allem 
die  Verpflichtung  zum  Kriegsdienste  gehörte.  Ferner 
wird  ein  Tribut  an  Vieh-  und  Qetreidelieferungen  be- 
standen und  den  Bewohnern  obgelegen  haben,  die  Warten, 
Landwehren  und  Strassen  in  Stand  zu  halten,  neue  Erd- 
werke dieser  Art  anzulegen,  sowie  auf  den  Warten  der 
Strassen  und  Wehren  Wachtdienste  zu  verrichten.  Und 
hiermit  stimmt  der  Befund  der  Denkmäler  in  diesen  Ge- 
bieten vollständig  ttberein:  während  am  Oberrhein  in 
dem  Dekumatenlande  zahlreiche  römische  Niederlassungen 
gegründet  wurden,  finden  wir  am  Niederrhein  keine 
Spur  von  römischen  Gebäuden,  und  während  dort  der 
Gränzwehr  und  den  Strassen  entlang  römische  Standlager 
und  Kastelle  angelegt  waren,  kommen  an  den  Land- 
wehren solche  militärische  Anlagen  nirgends  vor;  statt 
wie  am  Oberrhein  den  römischen  Kriegern,  war  am 
Niederrhein  der  Schutz  der  Gränzen  und  Strassen  den 
eingesessenen  Germanen  anvertraut,  und  diesen  lag 
gleichzeitig  die  Anlegung  der  Strassen  und  Wehren  mit 
ihren  Erdschanzen  ob.  Wenn  man  alle  diese  Verhält- 
nisse in  Betracht  zieht,  so  dürften  auch  die  Unklarheiten 
und  Zweifel  verschwinden,  die  bei  Manchen  über  die 
grosse  Zahl  von  Zweigstrassen  entstanden,  von  denen 
die  Spezialforschung  in  dem  rechtsrhreinischen  Uferlande 
Kunde  gibt.  Denn  gleichwie  in  dem  linksrheinischen 
Römerlande  in  den  langen  Friedensjahren  des  2.  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  das  vielverzweigte  Strassennetz  durch 
die  römischen  Provinzialen  allmälig  vervollständigt  wurde, 
so  wird  in  derselben  Zeit  auch  in  dem  rechtsrheinischen 
Uferlande  sowohl  das  Landwehr-  wie  das  Strassensystem 
unter  Anordnung  und  Leitung  der  Römer  durch  die  an- 
sässigen Germanen  seine  Vollendung  erhalten  haben. 
Wir  werden  daher  alle  jene  Erdanlagen  der  rechten 
Rheinseite,  deren  Reste  so  offenbar  den  römischen  Cha- 
rakter tragen,  und  von  denen  namentlich  die  Strassen 
fast  sämmüich  nichts  anders,  als  die  Fortsetzungen  der 
Römerstrassen  der  linken  Rheinseite  sind,  als  römisch- 
germanische Anlagen  zu  bezeichnen  haben. 

Ueber  den  Zeitpimkt,  von  welchem  aus  die  Besiede- 
lung  des  rechtsreinlschen  Uferlandes  stattgefunden,  be- 
sitzen wir  keine  schriftlichen  Nachrichten,  nur  so  viel 
ist  gewiss,  dass  dieselbe  zu  der  Zeit,  als  Tacitus  seine 


ÄüUaU  GuchiehU  Düs9Üdwf9,  15 

Germania  schrieb,  noch  nicht  stattgefunden  hatte,  da  hier 
noch  der  Rhein  die  gallisch-germanische  Grenze  bildet,  i) 
Aber  es  ist  sehr  wahrscheinlich^  dass  bald  darnach,  und 
zwar  durch  den  Kaiser  Trajan  (98 — 117  n.  Chr.)  bei 
seiner  Anwesenheit  am  Niederrhein  die  Kolonisation  und 
politische  Organisation  des  früher  leeren  üferstriches 
bewirkt  worden  ist.  Dagegen  besitzen  wir  sichere  Nach- 
richt über  das  Aufliören  der  römischen  Oberhoheit  in 
unserem  Landstrich,  indem  die  angeführte  Urkunde  besagt, 
dass  unter  dem  Kaiser  Gallienus  (259 — 268  n.  Chr.) 
die  Barbaren  die  römischen  Gaue  auf  der  rechten  Rhein- 
seite in  Besitz  genommen  haben.  Anderthalb  Jahrhunderte 
stand  demnach  das  rechtsrheinische  Uferland  unter  römi- 
scher Oberhoheit,  im  Norden  geschützt  durch  das  Kastell 
auf  dem  Eltenberge,  im  Süden  durch  das  Kastell  bei 
Niederbiber,  im  Osten  durch  die  Landwehren  und  im 
Westen  begränzt  durch  den  Rhein  mit  seinen  zahlreichen 
Befestigungen,  deren  Besatzungen  stets  bereit  waren,  feind- 
lichen Einfällen  in  kürzester  Frist  auf  den  zahlreichen 
nach  der  rechten  Rheinseite  führenden  Strassen  zu  bc: 
gegnen.  Als  aber  nach  einer  langen  Friedenszeit  der 
römisch-germanische  Uferstrich,  der  bis  dahin  zugleich 
eine  starke  Schutzwehr  für  das  linksrheinische  Römerland 
gebildet,  von  den  Franken  in  Besitz  genommen  war,  wurde 
der  Rhein  wiederum  die  Grenze  des  unteren  Germanien's, 
in  welches  nunmehr  immer  häufigere  EinfWe  stattfanden, 
wodurch  die  römischen  Heere  noch  oftmals  auf  deutschen 
Boden  geführt  wurden.^)  Noch  im  J.  388  n.  Chr.  waren 
die  Franken  plündernd  und  verwüstend  in  Gallien  ein- 
gedrungen, wurden  aber  bei  ihrem  Rückzuge  nach  dem 


1)  Nach  der  „Germania^  schrieb  Tacitus  die  „Geschichtsbücher", 
die  von  dem  Regierangsantritt  Galba*s  bis  zu  Domitian*s  Tode 
reichen«  und  er  sagt  in  der  Einleitung:  „Wofern  ich  das  Leben 
friste,  habe  ich  die  Herrschaft  des  göttlichen  Nerva  und  die  Re- 

gierang  Trojan*s,  ids  reichhaltigem  und  sichreren  Stoff,  für  mein 
reisenalter  aufgespart**.  Aber  wir  besitzen  von  den  Geschichts- 
büchern nur  die  vier  ersten  und  einen  TheU  des  fünften  Buches; 
die'Regierungszeiten  des  Domitian,  Nerva  und  Trajan  fehlen  gänzlich. 
*)  Bemerkenswerth  ist  eine  hierauf  bezügUche  Stelle  in  „In- 
certi  Paneffyr.  Gonstantino  dict."  (Panegyrici  latini  rec.  Baehrens, 
Lipsiae  1874.  p.  164),  worin  es  heisst:  »Quid  loquar  rursus  in- 
timas  Franciae  nationes  jam  non  ab  his  locis  quae  olim 
Romani  invaserant,  sedapropriis  ex  origine  sui  sedibus 
atque  ab  ultimis  barbariae  litoribus  avulsas,  ut  in  desertis  Galliae 
regionibus  coUocatae  et  pacem  Romani  imperii  cultu  juvarent  et 
arma  dilectu?",  worin  wir  einen  neuen  Beleg  für  das  ehemalige 
Vorhandensein  des  rechtsrheinischen  Römerlandes  amNiederrhem 
finden,  indem  unter  demjenigen  Theile  des  ]?>ankenlandes  (Franciae), 
welchen  ehedem  die  Römer  in  Besitz  genommen  hatten,  nur  unser 
rechtsrheinisches  Uferland  am  Niederrhein  verstanden  werden  kann. 


16  Adttsie  Geaehiehte  Düsseldorfs. 

Rheine  geschlagen,  und  der  römische  Feldherr  Quintinus 
setzte  zu  ihrer  Verfolgung  bei  Neuss  über  den  Strom. 
Er  durchzog  auf  einer  der  dortigen  Strassen,  vielleicht 
auf  derjenigen,  die  von  Volmerswerth  her  durch  das 
bergische  Land  führt  und  an  welcher  das  oben  erwähnte 
römische  Waifenstück  mit  Inschrift  gefunden  wurde,  M 
unsere  Gegend,  liess  sich  aber  von  den  Franken  vom 
Wege  ab  in  Wälder  und  Sümpfe  verlocken,  wobei  das 
ganze  römische  Heer,  mit  Ausnahme  Weniger,  aufgerieben 
wurde.*)  Dies  ist  die  letzte  geschichtliche  Nachricht, 
welche  wir  aus  dem  Alterthum  über  unsere  Landschaft 
besitzen. 

Nach  dem  Untergange  der  Römerherrschaft  am  unteren 
Rheine,  gegen  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  n.  Chr.,  ge- 
hörten die  Bewohner  unserer  Gegend  zu  den  ripuarischen 
Franken,  welche  unter  eigenen  Königen  auf  beiden  Ufern 
des  Rheines  wohnten.  Unter  dem  salfränkischen  König 
Chlodowech  (481 — öll)  wurde  das  Land  mit  dem  neuen 
Frankenreiche  vereinigt.  Von  dem  Christenthum  finden 
wir  unter  Chlodowech's  Nachfolgern,  den  Merowingem, 
nur  wenig  sichere  Spuren  in  unserm  Lande :  erst  als  um 
das  Jahr  690  die  christlichen  Missionäre  aus  England 
herüber  kamen,  unter  ihnen  der  h.  Suitbert,  wurde  von 
diesem  (i.  J.  693)  bei  den  benachbarten  Boruktuariem 
eine  christliche  Gemeinde  gegründet,  die  aber  in  Folge 
eines  unglücklichen  Krieges  mit  den  Sachsen  wieder  zer- 
streut wurde.  Der  h.  Suitbert  erhielt  darauf  von  dem 
Majordomus  Pipin  die  damalige  Rheininsel  Kaiserswerth 
zum  Wohnsitz  angewiesen;  hier  gründete  derselbe  ein 
Kloster,  von  wo  aus  das  Christenthum  mit  Erfolg  weiter 
verbreitet  wurde,  und  man  kann  annehmen,  dass  unter 
E^l  d.  Gr.,  zu  Anfang  des  9.  Jahrhunderts,  die  Christi- 
nisirung  des  Landes  vollendet  war. 

Während  der  heidnischen  Zeit,  unter*  der  wirren 
Herrschaft  der  Merowinger,  waren  die  Kulturzustände 
unseres  Landes  nicht  viel  weiter  fortgeschritten,  als  in 
der  flränkischen  Zeit  vor  der  Völkerwanderung,  zumal 
bei  den  vom  Ende  des  6.  bis  zu  Anfang  des  8.  Jahr- 
hunderts sich  stets  wiederholenden  Einfällen  der  Sachsen, 
die  jede  ruhige  Entwickelung  unmöglich  machten.  Es 
werden  daher  die  bereits  im  Alterthum  errichteten  Wehr- 


*)  Diese  Strasse  ist  in  der  Karte  des  5.  Heftes  der  alten  Heer- 
und  HandeJswege  etc.  nur  bis  südlich  von  Unna  gezeichnet ;  dieselbe 
ist  nunmehr  bis  zu  ihrem  Ende  verfolgt  worden,  und  läuft  von  der 
Fr.-Wilh.-H6he  weiter  über  Fröhmem,  südlich  von  Ostbüren  durch 
den  Schelkwald,  und  mündet  kurz  vor  Werl,  bei  Büderich,  in  den 
grossen  Hellweg. 

<)  Sulpitius  Alexander  ap.  Qregor.  Turon.  bist  Franc.  II,  9. 


A€lf$9te  GeBchichte  DSsseMorf«,  17 

anlagen  nicht  bloss  im  Gebrauche  geblieben,  sondern  noch 
weitere  Verschanzungen  für  die  Bewohner  nothwendig 
geworden  sein^  indem  diese  nicht,  wie  in  der  römisch- 
germanischen Periode,  bei  plötzlichen  Ueberfällen  auf 
sofortigen  militärischen  Beistand  zu  rechnen  hatten.  Wir 
finden  daher  ausser  den  ältesten  noch  eine  Anzahl  kleinerer 
Landwehren,  die  nur  aus  einem  beiderseits  von  einem 
Graben  begleiteten  Walle  bestehn,  und  ebenfalls  mit 
Warten  und  Zufluchtsörtern  zur  Aufnahme  der  Bewohner 
mit  ihren  Viehheerden  besetzt  waren.  ^)  Auch  die  Ge- 
fässe  zeigen  noch  meistens  wie  im  Alterthum  nur  eine 
sehr  geringe  Kunstfertigkeit;  bei  den  Gräbern  herrscht 
ebenso  noch  der  Leichenbrand  vor. 

Eine  Erinnerung  an  das  Heidenthum  bewahrt  noch 
der  jetzt  unter  dem  Namen  „Grafenberg^  bekannte  Höhen- 
zug unweit  Düsseldorf,  welcher  in  Urkunden  des  Mittel- 
alters „Gudesberch**,  sowie  der  dortige  Wald  „Gotzbusch*^ 
und  „Gudisbusch^  genannt  wird.  Es  kann  kein  Zweifel 
sein,  dass  die  Namen  „Godesberg"  und  „Godesbusch"  eine 
altgermanische  Kultusstätte  des  Gottes  Wodan  bezeichnen.  2) 
Erst  mit  der  Verbreitung  des  Christenthums  wurden 
die  Bewohner  von  der  früheren  unsteten  Lebensweise  zu 
einer  grösseren  Sesshafügkeit  geführt^  fester  an  das  übrige 
schon  christliche  Reich  angeschlossen  und  wandten  sich^ 
statt  den  Erwerb  wie  früher  in  Raubkriegen  zu  suchen^ 
eifriger  dem  Ackerbau  und  der  Viehzucht  zu.  Es  bildeten 
sich  festere  Niederlassungen,  wodurch  die  Rodungen  ver- 
mehrt wurden,  namentlich  durch  Klostergründungen,  welche 
der  Bodenkultur  immer  mehr  Raum  verachafften.  So  finden 
wir  am  Ende  des  8.  und  zu  Anfang  des  9.  Jahrhunderts 
Dörfer  und  Höfe  urkundlich  aufgeführt;  hervorzuheben 


1)  Hierher  gehören  grossentheils  die  in  den  neuen  Beiträgen 
etc.  als  Landwehren  8.  n.  4.  Ordnung  bezeichneten  WAUe;  die  in 
unserem  Kreise  liegenden  Schanzen  aus  dieser  Zeit  sind  in  den 
neuen  Beiträgen  etc.  6.  F.  und  in  Pick*8  Monatsschrift  I,  IV,  V  u.  VI 
beschrieben  und  durch  Pläne  erläutert.  Da  auch  die  späteren  Ein- 
fälle der  Normannen  und  Ungarn  solche  Wehranstaltien  nothwendig 
machten,  so  kann  man  annehmen,  dass  diese  Landwehren  mit  ihren 
Schanzen  vom  Anfang  des  7.  bis  zum  Ende  des  10.  Jahrhunderts 
hinabreichen.  Da  einige  derselben  deutlich  die  sächsische  Be- 
festigungsmethode aufweisen,  so  ergibt  sich,  dass  damals  ein  Streifen 
sächsischer  Bevölkerung  durch  unsere  Geeend  zog,  oder  hier  eine 
von  Franken  und  Sachsen  gemischte  Bevölkerung  sass. 

<)  S.  Harless  und  Crecelius  in  d.  Zeitschrift  d.  bergischen 
Geschichtsvereins  7.  Bd.  S.  205  und  815.  —  Westlich  nicht  weit  vom 
Fusse  des  Berges  lag,  von  Sumpfland  umgeben,  ein  fränkischer 
Zufluchtsort,  der  grösste  in  unserem  Kreise,  wovon  wir  einen  Plan 
in  d.  neuen  Beiträgen  etc.  6.  F.  gegeben  haben.  Jetzt  sind  fast  alle 
Spuren  der  Befestigung  verschwunden,  jedoch  sind  in  der  General- 
stabskarte V.  1861,  3ect  Düsseldorf,  noch  die  Umrisse  gezeichnet. 


18  Aelteste  Geschichte  DüstteldorfM, 

ist  die  um  das  Jahr  870  zu  (lerresheim  durch  deu  frän- 
kischen Ritter  Gerrich  eifolgte  Gründung  eines  Frauen- 
klostei's,  das  aber  bereits  im  J.  917  durch  die  Ungarn 
zerstört  wurde.  V)  In  diese  Zeit,  wenn  nicht  schon  früher 
in  die  Zeit  der  Normannenzüge,  fällt  die  Errichtung  des 
noch  vor  einigen  Jahren  bei  Hilden  vorhandenen  grossen 
Ringwalles,  welcher  zum  Schutze  der  dortigen  Bewohner 
mit  ihrer  Habe  gedient  hatte. «)  Im  J.  970  waren  Kloster 
und  Kirche  zu  Gerresheim  wieder  hergestellt.  — 

Wir  schliessen  hiermit  diese  kleinen  Beiträge  zur 
ältesten  Geschichte  unseres  Kreises^  die  wir  an  der  Hand 
schriftlicher  Quellen  und  der  Denkmäler  bis  in*s  10.  Jahr- 
hundert tortzuführen  versucht  haben.  Es  geschieht  in 
diesem  Zeiträume  von  Düsseldorf  noch  keiner  urkund- 
lichen Erwähnung:  ei-st  im  Jahre  1159  wird  der  Ort  als 
ein  Dorf  genannt,  das  im  Jahre  1288  Stadtrechte  erhielt 
und  befestigt  wurde.  Die  Stadt  nahm,  nachdem  sie  ein 
KoUegiatstift  und  den  Zoll  erhalten,  bald  auch  die  zeit- 
weilige, später  die  beständige  Residenz  der  Landesherren 
geworden,  im  Laufe  der  Jahrhunderte  an  Bedeutung 
immer  mehr  zu;  aber  erst  unter  dem  Scepter  der 
Hohenzollern  ist  Düsseldorf  zu  Dem  geworden,  was  es 
jetzt  ist,  —  eine  der  blühendsten  Städte  des  Deut- 
schen Reiches. 3)  Möge  unsere  gute  Stadt  dessen  stets 
eingedenk  bleiben! 

')  S  Kessel,  der  selige  Gerrich,  Stifter  d.  Abtei  Gerresheim. 
Düsseldorf  1877. 

')  Die  Oertlichkeit  führt  seit  alters  den  Naineu  ,,da8  Kolter- 
höfchen*'  (der  Name  „Heidenburg**  ist  neueren  Ursprungs).  S.  Pick*s 
Monatsschrift  I  378,  wo  auch  ein  von  dem  K.  Resi^^i^ugs-  und  Bau- 
rath  Hm.  Lieber  aufgenommener  Plan  mitgetheiit  ist.  Die  Vcr- 
schanzun^  zeigt  dieselbe  Konstruction,  wie  die  altsächsiche  „Hünen- 
burg**  bei  Emsbüren.  Hr.  C.  Koenen,  welcher  die  in  dem  Walle 
aufgefundenen  Gefttsse  untersucht  hat,  setzt  dieselben  in  das  O.—IO. 
Jahrhundert.  Der  an  dem  noch  vorhandenen  Wallstück  befindliche 
Baurest  gehört  dem  späteren  Mittelalter  an.  Die  mnze  Verschan- 
zung, welche  in  der  Rheinprovinz  einzig  in  ihrer  Art  ist,  und  von 
welcher  kurz  vor  ihrer  Zerstörung  noch  ein  besonderer  Plan  auf- 
genommen wurde,  voll  bei  einer  späteren  Gelegenheit  ausführlicher 
erörtert  werden. 

^)  Vor  hundert  Jahren  hatte  Düsssldorf  8764  Einwohner;  im 
Jahre  1816,  nachdem  es  1815  an  die  Krone  Preussen  g^ekomnien, 
zählte  es  noch  14100,  jetzt  hat  es  ca.  130,000  Einwohner.  Die  jährliche 
Bevölkerungszunahme  betrug  in  den  letzten  Jahren  durchschittlieh 
über  4000  Personen. 


Politische  Geschichte  des  bergischen  Landes, 
insbesondere  der  Stadt  Düsseldorf. 


Dr.  Hermann  Forst. 

j  iie    politische   Gescliiclite    Düsseldorfs   ist   iin- 

I  trennbar  mit  der  Geschichte  des  bergischen 
I  I  Landes  verknüpft.  Weder  aus  einer  römischen 

I  Niederlassung,    noch   aus    einer  kaiserlichen 
1,.,.  I  Pfalz  oder  einem  Bischofssitze  ist  die  Stadt 

hervorgegangen;  sie  ist  vielmehr  die  Schöpfung  eines 
Landesherrn,  der  »einem  Gebiete  die  unmittelbare  Be- 
theiliguug  an  dem  Rhcinhandel  sichern  wollte.  Ihre 
weitere  Entwickelung  aber  bis  zum  Beginn  unseres  Jahr- 
hunderts beruht  darauf,  dass  Düsseldorf  allmählich  die 
Hauptstadt  des  Landes,  der  Mittelpunkt  der  Verwaltung, 
der  Sitz  der  Forsten  und  der  bestandige  Gegenstand  ihrer 
Fürsorge  geworden  war.  Wohl  nur  dadurch  ist  es  im 
Stande  gewesen,  gleichalterige  und  zeitweise  bedeutendere 
Orte,  wie  z.  B,  Wesel,  zu  überholen.  Daraus  aber  erklart 
es  sich  auch,  dass  Düsseldorf  in  politischer  Hinsicht 
niemals  andere  Bahnen  eingeschlagen  hat,  als  das  Terri- 
torium, dem  es  angehörte. 

'Wenn  nun  in  einer  zur  Feier  des  600jahrigen  Be- 
stehens der  Stadt  herausgegebenen  Festschrift  der  politi- 
schen Geschichte  Düsseldorfs  ein  besonderer  Abschnitt 
gewidmet  wird,  so  kann  der  Bearbeiter  desselben  nicht 
omhio,  die  Gesammtgeschlchte  des  bergischeii  Landes 
und  seiner  Fürsten  dem  Leser  übersichtlich  vorzuführen, 
allerdings  mit  besonderer  Hervorhebung  der  Düsseldorf 
unmittelbar  berührenden  Begebenheiten.  Er  muss  dabei 
auch  die  Geschichte  des  Landes  vor  dem  Jahre  1288  in 
seine  Darstellung  aufhehmen.  Der  Schlusspunkt  der  Er- 
zählung ergiebt  sich  von  selbst  mit  dem  Jahre  1814,  der 
f^verleibung  in  den  preussisehen  Staat.    Denn  der  An- 


20  Pölitisehe  Geschieht«  DüsBeldorfa. 

theily  welchen  Düsseldorf  seitdem  an  der  politischen  Eut- 
Wickelung  dieses  Staates  genommen  hat,  entzieht  sich 
für  jetzt  noch  der  objectiven  historischen  Betrachtung. 

Um  aber  zu  verstehen,  wie  sich  das  bergische  Land 
als  ein  besonderes  Staatswesen  innerhalb  des  deutschen 
Reiches  bilden  konnte,  müssen  wir  bis  auf  den  Ursprung 
dieses  Reiches  zurückgreifen.  Bekanntlich  ist  dasselbe 
im  9.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  aus  dem  fränki- 
schen, von  Karl  dem  Grossen  geschaffenen  Weltreiche 
hervorgegangen.  Von  der  damaligen  Verfassung  und 
Verwaltung  des  Landes  vermögen  wir  mit  Hülfe  der 
erhaltenen  Urkunden  ein  wenigstens  im  Grossen  und 
Ganzen  richtiges  Bild  zu  entwerfen. 

Die  Verwaltung  des  frankischen  Reiches  beruhte  darauf, 
dass  das  ganze  Land  in  Gaue  eingetheilt  war.  Der  Gau 
entsprach  nach  Umfang  und  Bedeutung  ungefähr  dem 
heutigen  Kreise.  An  seiner  Spitze  stand  der  Gaugraf, 
ursprünglich  ein  blosser  Beamter ;  unter  Karl  dem  Grossen 
begann  jedoch  bereits  dieses  Amt  und  die  damit  ver- 
bundene Ausstattung  an  Grundbesitz  in  bestimmten  Fa- 
milien erblich  zu  werden.  Die  Befugnisse  des  Grafen 
bestanden  wesentlich  darin,  dass  er  im  Namen  des  Königs 
Gericht  hielt,  für  die  Vollstreckung  der  Strafen  sorgte, 
überhaupt  Frieden  und  Recht  schirmte,  in  Kriegszeiten 
aber  die  Wehrpflichtigen  des  Gaues  zusammenberief  und 
dem  Heere  zuführte.  Er  vereinigte  also  in  seiner  Person 
alle  Civil-  und  Militärgewalt. 

Das  Grafenamt  nun  wurde,  wie  gesagt,  im  Laufe  der 
Zeit  in  bestimmten  Familien  erblich  und  ging  beim  Tode 
des  zeitigen  Inhabers  gleich  dem  Privateigenthum  auf 
den  Sohn  oder  nächsten  Verwandten  über.  Es  gelang 
femer  einzelnen  durch  Besitz  oder  persönliche  Eigen- 
schaften hervorragenden  Grafen,  die  Hoheit  über  mehrere 
Gaue  zu  erwerben  und  in  gleicher  Weise  auf  ihre  Nach- 
kommen zu  übertragen.  So  bildeten  sich  grössere  unter 
einem  Herrn  vereinigte  Gebiete  —  der  Ursprung  der 
späteren  Fürstonthümer. 

Der  Bezirk,  in  welchem  das  heutige  Düsseldorf  liegt, 
hiess  der  Keldagau.  Ob  derselbe  bei  der  Reichstheilung 
zu  Verdun  im  Jahre  843  an  Lothar  oder  an  Ludwig  den 
Deutschen  fiel,  können  wir  nicht  bestimmt  feststellen. 
Sicher  gehörte  er  seit  870  zum  ostfränkischen  —  deutschen  ~> 
Reiche.  Urkundlich  genannt  wird  er  zum  ersten  Male 
904;  damals  ist  ein  Mitglied  der  mäclitigen  fränkischen 
Familie  der  Konradiner  (aus  welcher  König  Konrad  L 
hervorging)  Graf  dieses  Gaues. 


FiDiitUehe  Geaehiehte  DOaseldorfa  21 

Das  deutsche  Reich  zerfiel  damals  in  fünf  grosse 
HerzogthQmer.  Der  Keldagau  müsste  nun  seiner  Lage 
nach  entweder  zu  Franken  oder  zu  Lothringen  gehört 
haben.  Die  Frage  Iftsst  sich  jedoch  nicht  entscheiden, 
da  die  Konradiner  damals  in  beiden  Ländern  herzogliche 
Gewalt  besassen.  Kaiser  Otto  der  Grosse  sah  sich  in 
Folge  der  Aufstünde  von  938  und  953  veranlasst;  beide 
HerzogthQmer  in  eine  Anzahl  kleinerer  Gebiete  aufzu- 
lösen. Infolgedessen  steht  am  Ende  des  10.  Jahrhunderts 
der  Keldagau  ebenso  wie  der  nördlich  angrenzende  Rulir- 
gau  (mit  Duisburg)  unter  den  zu  Aachen  residirenden 
lothringischen  Pfalzgrafen. 

Der  Gau  umfasste  hauptsächlich  das  zwischen  Rhein, 
Anger  und  Wupper  gelegene  Gebiet;  doch  gehörte  auch 
ein  Stück  des  linken  Rheinufers,  das  Kirchspiel  Lank, 
dazu.  In  östlicher  Richtung  erstreckte  er  sich  wahr- 
scheinlich bis  nach  Elberfeld  und  Solingen.  So  weit 
nämlich  reichte  im  Mittelalter  der  rechtsrheinische  Sprengel 
des  Dekans  von  Neuss,  und  man  nimmt  an,  dass  die 
kirchlichen  Dekanate  ihrem  Umfange  nach  in  der  Regel 
mit  den  Gauen  zusammenfielen.  Der  bedeutendste  Ort 
des  Keldagaues  war  Kaiserswerth  mit  dem  um  das  Jahr 
700  gegründeten  Stifte;  femer  Gerresheim.  Bilk  wird 
schon  im  Jahre  799  als  Pfarrdorf  genannt ;  Himmelgeist 
erscheint  904  unter  dem  Namen  Humilgis.  Einen  be- 
deutenden Theil  des  Gebietes  nahmen  königliche  Domänen 
ein,  die  sich  an  die  beiden  Höfe  Rath  und  Mettmann  an- 
schlössen. Einen  zwischen  Rhein,  Ruhr  und  Dussel  ge- 
legenen Wald  schenkte  Heinrich  IV.  im  Jahre  1065  dem 
Erzbischof  Adalbert  von  Bremen ;  doch  hat  dieser  sich 
nicht  im  Besitze  zu  behaupten  vermocht.  Seinen  Namen 
führte  der  Gau  wohl  von  dem  Ketel-,  jetzt  Kittelbache, 
der  bei  Kaiserswerth  in  den  Rhein  mündet.  Die  Haupt- 
gerichtsstätte war  wohl  schon  in  jener  Zeit,  wie  später, 
auf  dem  Kreuzberge  bei  Kaiserswerth. 

Die  lothringischen  *—  später  rheinischen  —  Pfalzgrafen, 
Unter  deren  Herrschaftder  Keldagau  nebst  den  benachbarten 
Gebieten  stand,  waren  ursprünglich  die  Verwalter  der  zu 
der  Kaiserpfalz  Aachen  gehörigen  Domänen.  Dadurch 
nahmen  sie  im  10.  Jabrhifndert  unter  der  weltlichen  Aristo- 
kratie des  Herzogthums  Lothringen  die  erste  Stelle  ein.  Die 
lothringischen  Herzöge  waren  damals  sehr  geneigt,  dem 
Kaiser  Opposition  zu  machen,  zumal  da  sie  immer  an  Frank- 
reich eine  Stütze  fanden;  es  lag  daher  im  Interesse  der 
Krone,  ihnen  in  ihrem  eigenen  Lande  ein  Gegengewicht  zu 
geben.  Dazu  eigneten  sich  die  Pfalzgrafen  besonders.  Indem 
die  Krone  ihnen  nach  und  nach  die  Verwaltung  ganzer 


22  PbWiäehe  Geschieht0  DüMMotfs. 

Gaue  übertrug  und  sie  zugleich,  wie  es  scheint,  von  den 
Herzögen  völlig  unabhängig  machte,  hob  sich  die  Stellung 
der  lothringischen  Pfalzgrafen  so,  dass  sie  am  Ende  des 
Jahrhunderts  unter  den  ersten  Grossen  des  Reiches  er- 
scheinen. Ffalzgraf  Erenfrid  oder  Ezo  heirathete  990  die 
Schwester  des  Kaisers  Otto  III.  Sein  und  seiner  Nach- 
folger Gebiet  reichte  auf  der  linken  Rheinseite  von 
Aachen  bis  zur  Nahe,  allerdings  vielfach  durchbrochen 
von  den  Besitzungen  der  kölnischen  und  trierischen 
Kirche;  auf  dem  rechten  Ufer  beherrschte  er  den  Ruhr- 
gau, Keldagau,  Deutzer  Gau  und  Auelgau  (an  der  Sieg). 

Die  Mitte  des  1 1 .  Jahrhunderts  bezeichnet  einen  Wende- 
punkt in  der  Geschichte  der  Pfalzgrafen.  Bis  dahin  waren 
sie  durch  gemeinsame  politische  Interessen  mit  den  Erz- 
bischöfen von  Köln  im  Kampfe  gegen  das  übermächtige 
lothringische  Herzogthum  verbunden  gewesen.  Jetzt  war 
dieses  endgQltig  vom  Rhemufer  abgedrängt  und  nicht  mehr 
zu  fürchten.  Anderseits  kreuztea  sich  bei  der  grossen 
Ausdehnung  der  kirchlichen  Besitzungen  die  Ansprüche 
und  Interessen  der  Erzbischöfe  so  vielfach  mit  denen  der 
Pfalzgrafen,  dass  es  nicht  an  Anlass  zum  Streit  fehlte. 
Im  Jahre  1058  ergriff  Pfalzgraf  Heinrich  die  Waffen  gegen 
den  Erzbischof  Anno;  er  unterlag  jedoch  im  Kampfe  und 
starb  zwei  Jahre  später  geisteskrank.  Sein  Sohn,  gewöhn* 
lieh  Heinrich  von  Laach  genannt,  war  damals  noch  un- 
mündig; später  wurde  er  Pfalzgraf  und  zeichnete  sich  in 
den  Bürgerkriegen  der  Folgezeit  als  treuer  Anhänger 
Kaiser  Heinrichs  IV.  aus ;  aber  als  er  1095  starb,  erlosch 
mit  ihm  der  Mannesstamm  seines  Geschlechtes.  In  seine 
reichen  Besitzungen  theilten  sich  die  Erben;  die  schon 
verkleinerte  Pfalzgrafschaft  erhielt  sein  Stiefsohn  Siegfried. 
Sie  verblieb  seitdem  nicht  mehr  erblich  in  einer  Familie, 
sondern  wurde  von  den  Kaisern  jeweils  an  besonders 
getreue  Männer  verliehen.  So  erhielt  sie  1142  Hermann 
von  Stahleck,  der  Schwager  Konrads  IH.  Er  ist  der  letzte 
rheinische  Pfalzgraf  —  diese  Bezeichnung  war  jetzt  ge- 
bräuchlich — ,  der  urkundlich  als  Herr  des  Keldagaues 
genannt  wird.  Da  er  die  Verwaltung  hier  nicht  selber 
führen  konnte,  so  hatte  er  sie,  wie  aus  einer  Urkunde 
vom  Jahre  1148  hervorgeht,  an  Hermann  von  Hardenberg 
übertragen. 

Die  drei  anderen  obengenannten  Gaue  waren  damals 
bereits,  wahrscheinlich  seit  1095,  den  Pfalzgi^afen  entzogen 
und  standen  unter  besonderen  Herren.  Im  Deutzer  Gau 
waltete  schon  die  Familie,  deren  Nachkommen  später 
alle  diese  Gebiete  beherrschen  sollten :  die  Edlen  von  Berg, 
so  genannt  nach  ihrer  Burg  bei  Odenthal.    Ahnherr  des 


PoH fische  Geschichte  Düsseldorfs.  23 

Geschlechtes  ist  wohl  Hermann,  der  seit  dem  Jahre  1003 
Schirmvogt  der  Abtei  Deutz  war  und,  wie  es  scheint, 
dasselbe  Amt  bei  der  Abtei  Werden  bekleidete.  Einer 
seiner  Nachkommen,  Adolf,  führt  als  Vogt  von  Werden 
1068  zum  ersten  Male  den  Familiennamen  „vom  Berge". 
Im  Jahre  1101  erscheint  ein  Adolf  von  Berg,  wohl  der 
Sohn  des  vorigen,  zum  ersten  Male  als  Graf.  In  jener 
Epoche  wurden  vielfach  die  alten  Gauverbände  aufgelöst 
und  die  Verwaltung  der  einzelnen  Theile  verschiedenen 
Familien  übertragen,  welche  nun  alle  den  Grafentitel 
führten.  Die  so  entstandenen  neuen  Grafschaften  erhielten 
ihren  Namen  von  dem  Stammsitze  des  regierenden  Ge- 
schlechts. So  erscheinen  im  Deutzer  Gau  neben  den  Grafen 
von  Berg  damals  auch  Grafen  von  Hückes wagen,  deren 
Gebiet  später  mit  Berg  wieder  vereinigt  worden  ist. 

Graf  Adolf  und  sein  Bruder  Eberhard  gründeten  im 
Jahre  1139  aut  ihrem  Stammsitze  ein  Cistercienserkloster, 
die  spätere  Abtei  Altenberg;  sie  selbst  erbauten  sich  ein 
neues  Schloss,  Burg  an  der  Wupper.  Adolfs  Sohn  Adolf  II. 
sah  sich  um  das  Jahr  1160  veranlasst,  die  bedeutenden 
Besitzungen  seiner  Familie  unter  seine  zwei  Söhne  zu 
theilen.  Der  ältere,  Eberhard,  bekam  die  um  Altena  ge- 
legenen Güter,  aus  denen  später  die  Grafschaft  Mark 
hervorging;  der  jüngere,  Engelbert,  behielt  die  rheinischen 
Gebiete. 

Engelbert  ist  als  der  eigentliche  Begründer  der  Graf- 
schaft Berg  zu  betrachten,  da  es  ihm  gelang,  den  Kelda- 
gau  an  sein  Haus  zu  bringen.  Pfalzgraf  Hermann  von 
Stahleck  hatte,  einem  strengen  Verbot  Kaiser  Friedrichs  I. 
zum  Trotze,  die  Waffen  gegen  Erzbischof  Arnold  von 
Mainz  ergriffen;  er  wurde  dafür  1155  so  hart  bestraft, 
dass  er  seine  Würden  niederlegte  und  in  ein  IQoster  trat, 
auch  bald  darauf  starb.  Da  er  keine  Kinder  hatte,  erhielt 
Konrad,  der  Stiefbruder  des  Kaisers,  die  erledigte  Pfalz- 
grafschaft.  Ob  nun  gleich  bei  dieser  Gelegenheit  der 
ehemalige  Keldagau  davon  abgetrennt  und  dem  Grafen 
Engelbert  unterstellt  wurde,  oder  ob  Konrad,  der  meist 
auf  seinen  Stammgütern  am  Neckar  weilte,  sich  erst 
später  der  entlegenen  und  schwer  zu  verwaltenden  nieder- 
rheinischen Gebiete  entäusserte,  können  wir  nicht  fest- 
stellen; jedenfalls  erscheinen  die  Grafen  von  Berg  um 
das  Jahr  1180  als  Herren  des  ganzen  Gebietes  südlich 
von  der  Ruhr. 

Düsseldoif,  ein  kleiner  Ort,  dessen  Name  zum  ersten 
Male  in  einer  Urkunde  vom  .Jahre  1159  genannt  wird, 
gehörte  in  jener  Zeit  dem  Edelherrn  Arnold  von  Teveren. 
Dieser  scheint  keine  Kinder  gehabt  zu  haben;  denn  um 


24  Politische  Geßchiehte  Düsseldotfs, 

daH  Jahr  1189  kaufte  Graf  Engelbert  ihm  seine  sämmt- 
liehen  rechtsrheinischen  Besitzungen,  darunter  Düsseldorf, 
ab.  Gleichfalls  durch  Kauf  erwarb  Engelbert  die  von 
dem  Erzstift  Köln  lehnsabhängigen  Ortschaften  Hilden 
und  Elberfeld. 

Als  treuer  Kampfgenosse  des  Kaisers  Friedrich  I. 
starb  Engelbert  1189  auf  dem  Kreuzzuge.  Sein  ältester 
Sohn  und  Nachfolger,  Adolf  III.,  fiel  1218,  ebenfalls  auf 
einem  Kreuzzuge,  vor  Damiette  in  Aegypten.  Er  hinter- 
liess  nur  eine  Tochter  Irmgard,  welche  mit  Heinrich, 
einem  jQngeren  Sohne  des  Herzogs  von  Limburg,  vermählt 
war.  Zunächst  übernahm  Adolfs  jüngerer  Bruder  Engel- 
bert, Erzbischof  von  Köln,  die  Verwaltung  der  Grafschaft 
Berg  und  vereinigte  letztere  dadurch  für  einige  Zeit  mit 
dem  Erzstifte.  Engelbert  war  ein  energischer,  hoch- 
strebender Kirchenfürst,  engverbunden  mit  dem  jungen 
Könige  Friedrich  U.  Als  dieser  1220  zur  Kaiserkrönung 
nach  Italien  zog,  ernannte  er  Engelbert  zum  Reichsver- 
weser. Aber  die  Strenge,  mit  welcher  Engelbert  die 
Interessen  seiner  Kirche  vertrat,  machte  ihm  viele  Feinde, 
und  im  Jahre  1225  fiel  er  durch  Mörderhand.  Es  war 
einer  seiner  Neffen  aus  der  altenaischen  Lmie,  Friedrich 
Graf  von  Isenburg,  der  das  Attentat  leitete;  er  musste 
dafür  auf  dem  Rade  sterben;  doch  auch  die  beiden  Bischöfe 
von  Osnabrück  und  Münster,  Friedrichs  Brüder,  erschienen 
der  Theilnahme  verdächtig  und  verloren  ihr  Amt. 

Mit  Engelbert  erlosch  die  rheinische  Linie  des  Hauses 
Berg  und  ihre  Besitzungen  gingen  auf  die  Tochter  Adolfs  III. 
und  deren  Gemahl  Heinrich  von  Limburg  über.  Erst 
unter  diesem  neuen  Geschlechte  wurde  der  rothe  Löwe 
im  silbernen  Felde  das  Wappenschild  der  Grafschaft;  die 
alten  Grafen  hatten  zwei  gezahnte  Querbalken  im  Schilde 
geführt.  Heinrich  von  Limburg  und  seine  männlichen 
Nachkommen  haben  etwas  über  ein  Jahrhundert  lang 
das  bergische  Land  beherrscht.  Heinrichs  Sohn  Adolf  IV. 
schloss  sich  der  Fürstenempörung  gegen  die  Hohenstaufen 
an  und  erhielt  dafür  von  dem  Gegenkönige  Wilhelm  von 
Holland  die  Reichshöfe  Rath  und  Mettmann  zum  Geschenk. 
Sein  Nachfolger  Adolf  V.  ist  für  uns  dadurch  besonders 
interessant,  dass  unter  ihm  Düsseldorf  zur  Stadt  erhoben 
wurde.  Dieses  Ereigniss  stand  im  engsten  Zusammenhange 
mit  den  politischen  Kämpfen,  die  sich  damals  am  Nieder- 
rhein abspielten;  wir  müssen  deswegen  etwas  näher  auf 
dieselben  eingehen. 

Seit  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  waren  die  Erz- 
bischöfe von  Köln  die  mächtigsten  Fürsten  am  Nieder- 
rhein und  im  südlichen  Westfalen.    Da  jedoch  weder  ihre 


FblHigdit  OiBchiehie  Ditsseldorfs.  25 

Besitzungen  noch  ihre  Hoheitsrechtc  genau  bestimmte 
Grenzen  hatten,  so  sahen  die  ErzbischOfe  sich  in  zahl- 
reiche Streitigkeiten  mit  den  benachbarten  Grafen  und 
Herren  verwickelt  Sie  mussten  infolgedessen  darnach 
streben,  jene  Nachbarn  allmählich  in  völlige  Abhängigkeit 
von  dem  Erzstifte  zu  bringen,  sie  womöglich  zu  unter- 
werfen. Mit  einigen  ist  ihnen  das  auch  geglQckt,  nament- 
lich seit  dem  Untergange  der  Hohenstaufen,  als  keine 
Reichsgewalt  mehr  die  Schwachen  schützte.  Kräftigen 
Widerstand  dagegen  fanden  sie  an  den  Grafen  von  Jülich. 
Diese  hatten  die  ehemals  pfalzgraflichen  Gebiete  zwischen 
Rhein  und  Maas  mit  ihrem  Stammlande  vereinigt.  Der 
einst  zwischen  Pfalzgraf  Heinrich  und  Erzbischof  Anno 
geführte  Kampf  wiederholte  sich  jetzt;  aber  der  Ausgang 
war  anders.  Als  Erzbischof  Engelbert  ü.  im  Jahre  1266 
persönlich  an  der  Spitze  seines  Heeres  in  das  JQlicher 
Land  einfiel,  wurde  er  von  dem  Grafen  Walram  im  Ge- 
fecht überwunden  und  als  Kriegsgefangener  auf  das  Schloss 
Nideggeu  gebracht ;  erst  nach  vier  Jahren  erhielt  er  seine 
Freiheit  zurück. 

Gleichzeitig  war  den  Erzbischöfen  im  Mittelpunkte 
ihrer  Macht  ein  anderer  gefährlicher  Feind  erwachsen. 
Zur  Durchführung  ihrer  politischen  Pläne  bedurften  sie 
bedeutender  Geldmittel  und  suchten  dieselben  theils  durch 
Anlage  von  Zollstätten  an  den  Handelsstrassen,  theils 
durch  indirecte  Steuern  zu  beschaffen.  Dies  traf  den 
Handel  und  die  Industrie  der  mächtigen  Stadt  Köln  be- 
sonders empfindlich;  die  Stadt  widersetzte  sich  daher. 
Um  ihren  Widerstand  zu  brechen,  erlaubten  die  Erzbischöfe 
sich  Eingriffe  in  die  Stadtverfassung,  setzten  städtische 
Beamte  willkürlich  ab  und  suchten  die  Verwaltung  ganz 
in  ihre  eigenen  Hände  zu  bringen.  Da  brach  in  Köln 
der  Aufstand  aus;  1261  wurde  die  erzbischöfliche  Be- 
satzung vertrieben,  und  die  Stadt  schloss  Bündnisse  mit 
den  benachbarten  Grafen  von  Jülich  und  Berg,  sowie 
mit  anderen  Dynasten. 

Auch  die  Grafen  von  Berg  fühlten  sich  durch  die 
Bestrebungen  der  Erzbischöfe  vielfach  bedroht  und  in 
ihren  Rechten  verletzt.  Graf  Adolf  V.  erhob  namentlich 
Erbansprüche  auf  die  Schirmvogtei  über  das  Stift  Essen, 
welche  dem  Erzbischof  Engelbert  U.  auf  Lebenszeit  über- 
tragen war.  Engelbert  starb  1274;  sein  Nachfolger  Sieg- 
fried erwarb  nach  langen  Bemühungen  jene  Schirmvogtei 
zwar  nicht  für  sich  selbst,  aber  für  einen  seiner  Anver- 
wandten, und  stand  seitdem  auf  feindlichem  Fusse  mit 
Graf  Adolf. 


2(3  llotttisehf  Geschichte  Düsseldorfs, 

So  gespannt  und  unsicher  waren  die  Verhältnisse, 
als  im  Jahre  1280  der  Herzog  von  Liraburg,  Adolfs  Oheim, 
starb.  Er  hinterliess  nur  eine  Tochter,  Irmgard,  welche 
mit  dem  Grafen  Reinald  von  Geldern  vermählt  war. 
Reinald  folgte  zunächst  dem  Schwiegervater  in  der  Re- 
gierung. Aber  Irmgard  starb  kinderlos  1282,  und  nun 
beanspruchte  Adolf  als  nächster  Agnat  die  Erbfolge  fdr 
sich.  Reinald  wollte  nicht  weichen,  und  Adolf,  der  sich 
zum  Kampfe  zu  schwach  fühlte,  trat  seine  Ansprüche 
gegen  eine  Entschädigung  an  den  Herzog  Johann  von 
Brabant  ab.  Reinald  fand  Hülfe  bei  Erzbischof  Siegfried 
und  dem  Grafen  von  Luxemburg ;  dafür  verbündeten  sich 
die  Grafen  von  Jülich  und  Mark,  sowie  die  Stadt  Köln 
mit  Brabant  und  Berg.  Der  Krieg  zog  sich  von  der  Maas 
an  den  Rhein.  Am  5.  Juni  1288  trafen  die  beiden  Heere, 
in  denen  sich  fast  der  gesammte  niederrheinische  Adel 
befand,  bei  Worringen  auf  einander,  das  eine  von  Herzog 
Johann,  das  andere  von  Erzbischof  Siegfried  und  dem 
Grafen  von  Geldern  persönlich  geführt.  Bei  dem  Herzoge 
stand  Graf  Adolf  mit  dem  bergischen  Aufgebot  und  den 
Kölner  Bürgern  in  Reserve;  sein  rechtzeitiges  Eingreifen, 
als  der  Sieg  sich  schon  auf  die  Seite  des  Erzbischofs  zu 
neigen  drohte,  entschied  den  Kampf.  Am  Abend  war  das 
feindliche  Heer  vernichtet,  der  Erzbischof  selbst  Adolfs 
Gefangener ;  er  wurde  auf  das  Schloss  Burg  geführt  und 
musste  nach  langem  Sträuben  auf  die  von  dem  Grafen 
gestellten  Bedingungen  hin  Frieden  schliessen,  um  seine 
Freiheit  wiederzuerlangen. 

Schon  längst  hatte  Graf  Adolf  gewünscht,  auf  seinem 
Gebiete  eine  Stadt  unmittelbar  am  Rheinufer  zu  gründen 
und  so  das  bergische  Land  direct  am  Rheinhandel  zu 
betheiligen.  Bisher  war  dies  an  dem  Widerstände  der 
t^rzbischöfe  wie  auch  der  einflussreichen  Kaufleute  von 
Köln  gescheitert.  Jetzt  benutzte  Adolf  die  Gunst  der 
Umstände.  Zur  Ausführung  seines  Planes  wählte  er  den 
Ort  Düsseldorf.  Unter  dem  14.  August  des  Jahres  ver- 
lieh er,  in  Gemeinschaft  mit  seiner  Gemahlin  Elisabeth, 
dem  Orte  Stadtrecht.  Zugleich  wurde  bei  der  Kirche 
ein  Collegium  von  Canonichen  gegründet.  Es  wäre  zum 
Aufblühen  der  Stadt  sehr  förderlich  gewesen,  hier  eine 
Zollstätte,  an  welcher  alle  vorbeifahrenden  Schiffe  anlegen 
mussten,  zu  errichten.  Dies  konnte  Adolf  jedoch  mit  Rück- 
sicht auf  die  verbündete  Stadt  Köln  nicht  wagen,  sondern 
musste  es  seinen  Nachkommen  überlassen. 

Acht  Jahre  später,  am  28.  September  1296,  starb 
Adolf.  Die  in  Chroniken  des  15.  Jahrhunderts  sich  findende 
Erzählung,   er  sei  von  Erzbischof  Siegfried  hinterlistiger 


Polüigehe  Ge^ekkkte  DOsseidorfs.  27 

Weise  gefangen  und  in  rafTinirter  Art  zu  Tode  gemartert 
worden,  ist  mit  den  urkundlichen  Zeugnissen  über  seine 
Regententhätigkeit  nicht  in  Einklang  zu  bringen  und  muss 
als  Sage  betrachtet  werden.  Adolfe  Bruder  und  Nach- 
folger Wilhelm  setzte  es  1306  durch ,  dass  die  Stiftung 
des  Canonichen-Collegiums  an  der  Düsseldorfer  Kirche  von 
dem  Erzbischof  Heinrich  von  Köln  bestätigt  wurde,  was 
bis  dahin  nicht  geschehen  war.  Wilhelms  Nachfolger, 
Adolf  VI.,  erhielt  zwar  1324  von  König  Ludwig  dem 
Baiem  die  Erlaubniss,  den  bisher  bei  Duisburg  erhobenen 
Rheinzoll  nach  Düsseldorf  verlegen  zu  dürfen;  doch  wurde 
dies  später  wieder  rückgängig  gemacht 

Mit  dem  Tode  des  kinderlosen  Adolf  VI.  erlosch  1348 
das  limburgische  Haus.  Adolfs  Schwester  Margarethe, 
Gräfin  von  Ravensberg,  hatte  eine  gleichnamige  Tochter, 
die  mit  Gerhard,  dem  älteren  Sohne  des  Markgrafen 
(späteren  Herzogs)  Wilhelm  I.  von  Jülich  vermählt  war. 
Gerhard  erbte  dadurch  zuerst  die  Grafschaft  Ravensberg, 
dann  nach  Adolfs  Tode  auch  Berg.  Es  schien,  als  solle 
Berg  schon  jetzt  mit  Jülich  vereinigt  werden.  Allein 
Gerhard,  der  auch  die  Herrschaft  Hardenberg  erworben 
hatte,  fiel  noch  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  1360  in  einer 
Fehde.  Das  Herzogthum  Jülich  kam  daher  an  seinen 
jüngeren  Bruder  Wilhelm,  während  Gerhards  Sohn,  gleich- 
falls Wilhelm  genannt,  Berg  und  Ravensberg  erbte. 

Dem  jungen  Wilhelm  gelang  es  1362,  sein  Land  durch 
die  Erwerbung  der  Herrschaften  Blankenberg  und  Löwen- 
berg (am  Fusse  des  Siebengebirges)  zu  vergrössern.  Im 
Jahre  1371  unterstützte  er  seinen  Oheim  Wilhelm  von 
Jülich  und  den  Grafen  Reinald  von  Geldern  in  einer 
Fehde  gegen  den  Herzog  von  Brabant;  die  Brabanter 
wurden  bei  Baesweiler  am  22.  August  entscheidend  ge- 
schlagen. Kaiser  Karl  IV.  vermittelte  einen  für  Jülich 
günstigen  Frieden.  Das  Haus  Jülich  schloss  sich  nun 
eng  an  den  Kaiser  an.  Als  1378  das  bekannte  kirchliche 
Schisma  ausbrach  und  Karls  Nachfolger,  König  Wenzel, 
sich  für  den  in  Rom  residirenden  Papst  entschied,  trat 
der  Herzog  von  Jülich  dem  zum  Schutze  dieses  Papstes 
geschlossenen  Bunde  bei.  Wahrscheinlich  hat  Wilhelm 
von  Berg  dasselbe  gethan ;  denn  bald  darauf,  am  24.  Mai 
1380,  erhob  König  Wenzel  ihn  zum  Herzoge  und  die 
Grafschaft  Berg  zum  Herzogthum. 

Wilhelm  scheint  eine  besondere  Vorliebe  für  Düssel- 
dorf gehegt  zu  haben,  denn  er  war  eifrig  bemüht,  das 
Aufblühen  der  Stadt  zu  befördern.  Er  baute  das  Schloss 
am  Rhein,  vergrösserte  die  alte  Kirche  durch  Gründung 
neuer  Canonicate,  zog  die  Ortschaften  Golzheim,  Deren- 


28  MUisehs  QeM^kkU  DÜMeldorft. 

doif;  Bilk  und  Hamm  in  den  Stadtverband  und  erweiterte 
die  Stadtmauer  bis  zum  südlichen  Düsselarme.  Ausserdem 
errichtete  er  in  Düsseldorf  eine  Münzstatte  und  erwarb 
endlich  auf  die  Dauer  das  Recht,  hier  von  allen  vorbei- 
fahrenden Schiffen  einen  Zoll  erheben  zu  dürfen. 

Des  Herzogs  Lebensende  war  wenig  glücklich.  In 
einer  Fehde  gegen  den  Grafen  von  Cleve  wurde  er  am 
7.  Juni  1397  bei  Cleverhamm  geschlagen  und  mit  dem 
grössten  Theile  seines  Heeres  gefangen.  Auf  die  Nach- 
richt davon  bemächtigten  sich  seine  Söhne  des  Schlosses 
zu  Düsseldorf  und  Hessen  sich  als  liandesherren  huldigen. 
Als  Wilhelm,  gegen  schweres  Lösegeld  aus  der  Gefangen- 
schaft entlassen  zurückkehrte,  musste  er  ihnen  einige 
Gebiete  zu  selbständiger  Verwaltung  überlassen.  Ander- 
seits war  er  genöthigt,  zur  Zahlung  seines  Lösegeldes 
grosse  Anleihen  aufzunehmen;  dies  erbitterte  die  Söhne  von 
neuem,  und  der  älteste  von  ihnen,  Adolf,  liess  1403  den 
alten  Vater  zu  Monheim  gefangen  nehmen.  Zwar  erlangte 
der  Herzog  durch  die  Hülfe  eines  Dieners  seine  Freiheit 
wieder  und  fand  bei  seinen  Verwandten  Unterstützung; 
aber  vor  offenem  Kampfe  scheute  er  zurück,  schloss  viel- 
mehr 1405  einen  Vertrag  mit  Adolf,  worin  er  letzterem 
den  grössten  Theil  des  Landes  überliess,  für  sich  nur 
Düsseldorf  und  einige  Aemter  behaltend.  Als  ein  ge- 
brochener Mann  starb  er  hier  am  25.  Juni  1408. 

Die  Regierung  seines  Nachfolgers  Adolf  ist  haupt- 
sächlich durch  zweierlei  bemerkenswerth.  Um  sich  seinem 
Vater  gegenüber  auf  das  Land  stützen  zu  können,  ertheilte 
Adolf  sowohl  der  Ritterschaft  wie  den  Städten  ausgedehnte 
Vorrechte:  so  bewilligte  er  der  Stadt  Düsseldorf  die 
Accise,  das  Braugerechtsam  und  die  Fischerei  in  den 
Stadtgräben.  Femer  aber  erfolgte  unter  ihm  die  politiscbe 
Vereinigung  des  Herzogthums  Jülich  mit  Berg,  die  von 
da  an  bis  1801  bestanden  hat.  Herzog  Reinald  von  Jülich 
starb  1423,  und  Adolf  erbte  sein  Land,  nachdem  er  sich 
mit  einem  anderen  Verwandten,  Johann  von  Heinsberg, 
gütlich  auseinandergesetzt  hatte.  Dagegen  gelang  es 
Adolf  nicht,  auch  das  Herzogthum  Geldern  zu  gewinnen. 
Dieses  war  seit  1373  mit  Jülich  voreinigt;  jetzt  aber,  nach 
dem  Aussterben  des  Jülicher  Mannsstammes,  erkannten 
die  Stände  von  Geldern  einen  anderen  Prätendenten, 
Arnold  von  Egmont,  als  Herzog  an.  Dieser  behauptete 
sich  im  Besitze,  obwohl  Kaiser  Sigismund  die  Ansprüche 
Adolfs  unterstützte.  Der  Streit  war  noch  nicht  entschieden, 
als  Adolf  am  14.  Juli  1437  starb. 

Sein  Neffe  Gerhard,  der  ihm  in  der  Regienmg  folgte, 
hatte   zunächst   vollauf  damit  zu  thun,  die   von  Adolf 


PotUUOte  Geaehiehte  DüsaMotfs.  29 

gemachten  Schulden  abzutragen;  er  musste  sich  daher 
anfangs  jeder  Unternehmung  auf  Geldern  enthalten.  Da- 
bei fand  er  jedoch  Mittel,  im  Jahre  1443  in  Düsseldorf 
ein  Kreuzbrüder -Kloster  zu  stiften.  Trotz  seiner  Fried- 
fertigkeit wurde  er  1444  von  Herzog  Arnold  von  Qeldem 
imvermuthet  angegriffen,  schlug  den  Feind  aber  ent- 
scheidend am  Hubertustage  (3.  November)  bei  Linnich; 
zum  Andenken  dieses  Sieges  stiftete  er  den  noch  heute 
in  Bayern  bestehenden  Hubertusorden.  Die  Thatkraft,  die 
Gerhard  hier  bewiesen  hatte,  zeigte  er  später  nicht  mehr ; 
wenigstens  liess  er  sich,  da  seine  Ehe  mit  Sophie  von 
Sachsen  anfangs  kinderlos  zu  bleiben  schien,  im  Jahre 
14Stl  bewegen,  das  Herzogthum  Berg  testamentarisch  dem 
Erzstift  Köln  zu  schenken.  Der  energische  Erzbischof 
Dietrich  von  Köln  hoffte  dadurch  den  Schaden,  den  er 
in  seinem  unglücklichen  Kriege  gegen  die  Stadt  Soest 
erlitten  hatte,  wieder  zu  ersetzen.  Die  Verschreibung 
wurde  jedoch  hinfällig,  als  Sophie  einige  Jahre  später 
einen  Sohn  und  dann  noch  mehrere  Kinder  gebar. 
Dietrichs  Nachfolger  Ruprecht  verzichtete  1469  endgültig 
auf  die  Ansprüche  an  Berg.  Damals  führte  bereits  Sophie 
allein  die  Regierung  des  Landes,  da  Gerhard  seit  1460 
geisteskrank  war.  Als  Sophie  1473  starb,  übernahm  der 
älteste  Sohn  Wilhelm  die  Regentschaft;  durch  den  Tod 
des  Vaters  wurde  er  1475  wirklicher  Herzog.  Wilhelm 
hatte  bereits  1474  seine  Ansprüche  auf  Geldern  dem 
mächtigen  Herzog  von  Burgund,  Karl  dem  Kühnen,  ab- 
treten müssen.  Um  diese  Zeit  war  Erzbischof  Ruprecht 
von  seinem  Domcapitel  abgesetzt  und  an  seiner  Stelle 
Hermann  von  Hessen  erwählt  worden;  als  nun  Karl  der 
Kühne  für  Ruprecht  Partei  ergriff,  1475  in  das  Erzstift 
eindrang  und  Neuss  belagerte,  zog  der  Kaiser  Friedrich  IH. 
mit  einem  Reichsheere  der  Stadt  zu  Hülfe  und  bewog 
Karl  zum  Abmarsch.  Herzog  Wilhelm  konnte  sich  an 
dem  Kriege  nicht  activ  betheiligen,  da  Jülich  von  den 
Burgundern,  Berg  aber  von  den  Truppen  des  Kaisers 
besetzt  war.  Karl  der  Kühne  fiel  zwei  Jahre  später  bei 
Nancy;  seine  einzige  Tochter  Mana  heirathete  des  Kaisers 
Sohn  Maximilian  und  brachte  diesem  die  Niederlande, 
darunter  auch  Geldern,  als  Mitgift  zu.  Die  Stände  von 
Geldern  empörten  sich  jedoch  gegen  Max  und  wählten 
Karl  von  Egmond,  einen  Nachkommen  Arnolds,  zum 
Herzoge.  Gegen  diesen  verbündeten  sich  die  Herzöge 
von  Jülich-Berg  und  von  Cleve  mit  Max,  der  unterdessen 
den  Kaiserthron  bestiegen  hatte;  es  gelang  zwar  nicht, 
Karl  zu  vertreiben,  wohl  aber  seine  Angriffe  zurück- 
zuweisen. 


30  Politiselu  Oe8ehieht0  DOssMorfs. 

Iii  Cleve  regierten  damals  die  Nachkommen  jenes 
Eberhard  von  Berg,  der  bei  der  Brudertheilung  1160  die 
um  Altena  gelegenen  Besitzungen  der  Familie  erhalten 
hatte.  Es  war  Eberhard  und  seinen  Nachfolgern  gelungen, 
ihr  Erbe  im  Laufe  des  lä.  Jahrhunderts  ansehnlich  zu 
vergrössern  und  daraus  die  Grafschaft  Mark  zu  bilden. 
Ausserdem  traten  sie  in  verwandtschaftliche  Verbindungen 
mit  den  benachbarten  Grafen  von  Cleve,  die  ihren  Stamm- 
baum bekanntlich  auf  den  Schwanenrittcr  Elias  Grail 
zurückführten.  Als  nun  1368  der  letzte  männliche  Sprosse 
dieses  Geschlechtes,  Graf  Johann,  kinderlos  starb,  folgte 
ihm  in  Cleve  sein  Neffe  Adolf  von  der  Mark.  Dessen 
gleichnamiger  Sohn  vereinigte  im  Jahre  1398  beide  Ge- 
biete und  setzte  es  1417  durch,  dass  Kaiser  Sigismund 
Cleve  zum  Herzogthum  erhob.  Herzog  Adolfs  Enkel, 
Johann  IL,  der  seit  1481  regierte,  hatte  mit  Wilhelm  von 
Jülich -Berg  das  obenerwähnte  Bündniss  gegen  Geldern 
geschlossen.  Das  gemeinsame  politische  Interesse  rief 
den  Gedanken  an  eine  Familienverbindung  wach.  Wilhelm 
hatte  ausser  einer  Tochter  Maria  keine  Rinder;  diese 
Tochter  musste  also  Jülich  und  Berg  erben  und  ihrem 
Gemahl  zubringen.  Sie  wurde  daher,  obwohl  erst  fünf 
Jahre  alt,  am  25.  November  1496  mit  Johanns  ältestem  — 
auch  erst  sechsjährigen  —  Sohne  Johann  verlobt  und 
zugleich  bestimmt,  dass  Jülich,  Berg  und  Ravensberg 
nach  dem  Tode  der  beiden  regierenden  Herzöge  mit  Cleve 
und  Mark  unter  einem  Fürsten  vereinigt  werden  sollten. 
Diese  Uebereinkunft  widersprach  allerdings  den  An- 
sprüchen des  Herzogs  Albrecht  von  Sachsen,  der  im  Jahre 
1483  von  Kaiser  Friedrich  III.  die  Anwartschaft  auf  Jülich 
und  Berg  erhalten  hatte;  Wilhelm  und  Johann  setzten 
es  jedoch  durch,  dass  Kaiser  Maximilian  1509  diese  Ver- 
fügung seines  Vaters  zurücknahm  und  jene  Eheberedung 
bestätigte.  Im  folgenden  Jahre  wurde  die  Hochzeit  ge- 
feiert, und  als  Wilhelm  im  September  1511  starb,  folgten 
Johann  und  Maria  ihm  zunächst  in  Jülich -Berg.  Zehn 
Jahre  später,  am  15.  Mai  1521,  starb  auch  der  alte  Herzog 
von  Cleve,  und  als  darauf  Maximilians  Nachfolger,  Kaiser 
Karl  V.,  am  22.  Juni  desselben  Jahres  den  jungen  Johann 
als  Herzog  zu  Jülich,  Cleve  und  Berg,  Grafen  zu  der 
Mark  und  zU  Ravensberg  anerkannt  hatte,  waren  die 
niederrheinischen  Territorien  unter  dem  Scepter  des  alten, 
dem  Deutzer  Gau  entsprossenen  Geschlechtes  vereinigt. 

Johanns  Regententhätigkeit  wiu*de  hauptsächlich  durch 
die  kirchliche  Frage  in  Anspruch  genommen.  Es  ist  be- 
kannt, wie  Luthers  Auftreten  damals  ganz  Deutschland 
erregt  hatte;   der   grössere  Theil  der  Nation  stand  auf 


Politische  Gesehichtt  Düaseldorfe,  31 

seiner  Seite,   während  der  Kaiser  und  die  Mehrzahl  der 
Fürsten  sich  der  Bewegung  abgeneigt  zeigten.    Herzog 
Johann  war  durch  seine  Stellung  zu  den  Niederlanden 
auf   ein    freundschaftliches    Verhältniss    zu    dem   Hause 
Oesterreich  hingewiesen :  anderseits  erkannte  er  die  Noth- 
wendigkeit  kirchlicher  Reformen  an.  Er  und  seine  Räthe: 
der  Kanzler  Gogreve,   der  Propst  Vlatten   und   der  als 
Erzieher    des    Thronfolgen    angestellte   junge    Gelehrte 
Konrad  von  Heresbach  waren  der   Ansicht,   dass   man 
durch  Abstellung  der  schreiendsten  Missbrauche,   sowie 
durch  wissenschaftliche  und  sittliche  Hebung  des  geist 
liehen  Standes  das  Volk  befriedigen,  im  Uebrigen  aber 
die  alten  ELirchenformen  beibehalten  könne.    Man  wollte 
also  aber  den  Parteien  stehen.    Von  dieser  Ansicht  ging 
der  Herzog  auch  nicht  ab,  als  seine  Tochter  Sibylla  1527 
den  protestantischen  Kurprinzen   Johann  Friedrich  von 
Sachsen  heirathete.   Da  aber  die  sehnlichst  gewünschten 
Reformen  weder  vom  Kaiser  noch  vom  Papste  zu  erlangen 
waren,  so  beschloss  der  Herzog,  selbständig  vorzugehen. 
Nach   mehreren  vorbereitenden  Edicten  erliess  er   1533 
für  sein  Land  eine  Kirchenordnung,  welche  die  dogma- 
tischen Streitigkeiten  umging.    Bald  aber   musste   auch 
diese  vermittelnde  Richtung  gegen  Umsturzversuche  ver- 
theidigt  werden,  als  sich  von  den  Niederlanden  her  die 
Sekte  der  Wiedertäufer  über  Westdeutschland  verbreitete, 
mit  ihren  religiösen  Lehren  zugleich  communistische  ver- 
breitete und  endlich  in  Münster  durch  eine  politische  und 
sociale  Revolution  ihre  Zukunftsträume  zu  verwirklichen 
suchte.    Unter  den  ersten  Fürsten,  welche  dem  Bischof 
von  Münster  Hülfe  leisteten,   war  Herzog  Johann;   auch 
in    seinen   eigenen   Landen    ging    er   streng   gegen   die 
wiedertäuferischen  Agitatoren  vor. 

Die  enge  Verbindung,  in  welcher  Johann  mit  dem 
Kaiserhause  stand,  löste  sich  gegen  Ende  seiner  Regierung, 
um  unter  seinem  Nachfolger  in  offene  Feindschaft  um- 
zuschlagen. Den  Anlass  dazu  gab  das  Herzogthum 
Geldern.  Dort  regierte  noch  immer  Herzog  Karl,  der 
Feind  Oesterreicbs ;  aber  er  war  alt  und  kinderlos.  Er 
hatte  1528  in  einem  Vertrage  versprechen  müssen,  dass 
nach  seinem  Tode  Geldern  an  den  Kaiser  fallen  solle. 
Trotzdem  versuchte  er,  das  Herzogthum  dem  Könige 
von  Frankreich  zu  übertragen.  Aber  die  Stände  von 
Geldern  verweigerten  ihre  Zustimmung  und  wählten,  da 
sie  weder  österreichisch  noch  französisch  werden  wollten, 
den  Jungherzog  Wilhelm  von  Jülich-Cleve-Berg,  Johanns 
Sohn ,  zum  Nachfolger  Karls.  Johann  und  Wilhelm 
nahmen  die  Wahl  an  und  ergriffnen  nach  Karls  Tode  1538 


32  MUi§eh$  OeaeMekU  DüsBetdarfM. 

Besitz  von  Geldern ;  doch  gelang  es  ihnen  nicht,  die  Zu 
Stimmung  des  Kaisers  zu  gewinnen;  dieser  hielt  vielmehr 
seine  Ansprüche  aufrecht.  Noch  während  der  Unter- 
handlungen starb  Johann  am  6.  Februar  1539.  Wilhelm, 
der,  kaum  22  Jahre  alt,  die  Regierung  übernahm,  sali 
sich  vor  die  Frage  gestellt,  ob  er  Geldern  dem  Kaiser 
gutwillig  abtreten,  oder  mit  Waffengewalt  behaupten 
wollte.  Er  wAhlto  das  letztere,  in  der  Hofftaung,  dabei 
von  den  deutschen  Protestanten,  sowie  von  England  und 
Frankreich  unterstützt  zu  werden.  Denn  der  Kurfürst 
von  Sachsen,  Johann  Friedrich,  war  sein  Schwager, 
ebenso  König  Heinrich  der  VIU.  von  England;  dieser 
hatte  noch  1539  Wilhelms  zweite  Schwester  Anna  ge- 
heirathet.  Mit  Frankreich  endlich  wurde  im  Juli  1540 
ein  Schutzbündniss  abgeschlossen ;  Wilhelm  verlobte  sich 
mit  der  Nichte  des  Königs,  der  Prinzessin  Johanna  von 
Navarra.  Der  Krieg  brach  im  Jahre  1542  offen  aus. 
In  Cleve  sammelte  der  Marschall  Rossem  mit  französi- 
schem Gelde  ein  Heer  und  fiel  in  die  Niederlande  ein: 
dagegen  streiften  kaiserliche  Truppen  .verheerend  im 
Herzogthum  Jülich.  Es  half  nichts,  dass  sie  im  März  1543 
bei  Sittard  geschlagen  wurden;  denn  nun  rückte  der 
Kaiser  mit  einem  italienisch  -  spanischen  Heere  durch 
Süddeutschland  den  Rhein  hinunter,  alle  Vermittlungs- 
vorschläge der  deutschen  Fürsten  zurückweisend.  Am 
24.  August  erstürmte  er  die  tapfer  vertheidigte  Stadt 
Düren ;  dieselbe  wurde  von  den  Spaniern  geplündert  und 
völlig  niedergebrannt.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Verbin- 
dung mit  Frankreich  unserm  Herzog  mehr  Schaden  ala 
Nutzen  brachte;  denn  der  Kurfürst  von  Sachsen  wollte 
nicht  an  der  Seite  des  Reichsfeindes  gegen  den  Kaiser 
kämpfen;  der  König  von  England  aber  hatte  bereits  mit 
Karl  V.  ein  Bündniss  gegen  Frankreich  geschlossen.  Von 
seinen  Freunden  verlassen,  musste  Wilhelm  sich  dem 
Kaiser  unterwerfen  und  auf  Geldern  verzichten.  Seine 
Verlobung  wurde  aufgelöst  und  im  Jahre  154ti  heirathete 
er  eine  Nichte  Karls,  Maria,  die  Tochter  des  Königs  von 
Böhmen  und  nachmaligen  Kaisers  Ferdinand  I.  Diese 
Ehe  kettete  ihn  wieder  enge  an  das  Haus  Oestereich. 
Trotzdem  gab  er  den  Gedanken,  zwischen  den  beiden 
grossen  Religionsparteien  eine  vermittelnde  Stellung  zu 
behaupten,  nicht  auf.  Während  des  schmalkaldischen 
Krieges  blieb  er  neutral;  als  der  Kaiser  dann  einer 
neuen  Erhebung  der  Protestanten  unterlag,  die  Krone  zu 
Gunsten  Ferdinands  niederlegte  und  dieser  im  Augsburger 
Religionsfrieden  1555  den  lutherischen  Reichstäuden  Gleich- 
berechtigung mit  den  Altgläubigen  zugestand,  hatte  Herzog 


FriUhehe  0$9ekielU9  Dü$$Morf8.  33 

Wilhelm  wieder  freiere  Hand.  Er  duldete  in  seinen  Gebieten 
die  Priesterehe  und  die  Austheilung  des  Abendmahls  unter 
beiderlei  Gtestalt  an  die  Laien;  seine  älteren  Töchter 
wurden  von  evangelisch  gesinnten  Lehrern  erzogen.  In 
Düsseldorf  konnte  Johann  Monheim,  der  bei  den  Alt- 
glaubigen  als  Ketzer  galt,  das  1545  von  Wilhelm  ge- 
gründete Gymnasium  leiten.  Erst  um  das  Jahr  1570 
begann  eine  Aenderung  einzutreten.  Viele  protestantische 
Niederländer  waren  damfüs,  um  dem  Schreckensregiment 
des  Herzogs  Alba  zu  entgehen,  in  die  jüUch-clevischen 
Gebiete  geflüchtet;  Alba  fürchtete  sie  und  begünstigte, 
um  nach  dieser  Seite  gesichert  zu  sein,  die  Bildung  einer 
spanisch  -  katholischen  Partei  unter  den  Rftthen*}  am 
Düsseldorfer  Hofe.  Diese  Partei  gewann  allmAhlich  bei 
dem  seit  1566  an  den  Folgen  eines  Schlaganfalls  leiden- 
den Herzog  überwiegenden  Einfluss,  zumal  da  Wilhelm 
wünschte,  seinen  zweiten  Sohn  Johann  Wilhelm  durch 
den  Papst  zum  Bischof  von  Münster  erheben  zu  lassen. 
Daher  erhielten  sowohl  Johann  Wilhelm  wie  sein  älterer 
Bruder  Karl  Friedrich  streng  katholische  Lehrer.  E^l 
Friedrich,  der  begabtere  von  beiden,  wurde  1571  zu 
seiner  weiteren  Ausbildung  nach  Wien  und  von  da  nach 
Rom  gesandt;  dort  aber  starb  er  plötzlich  1575  an  den 
Blattern.  Es  war  ein  Unglück  für  das  Land;  denn  nun 
ging  die  Thronfolge  auf  den  geistig  und  körperlich 
schwachen  Johann  Wilhelm  über.  Als  dieser  1585  die 
eifrig  katholische,  in  München  erzogene  Prinzessin  Jakobe 
von  Baden  heirathete,  schien  die  spanisch  gesinnte  Hof- 
partei unter  Führung  des  Marschalls  Schenkem,  des 
Hofmeisters  Ossenbroich  und  des  Vicekanzlers  Hardenrath 
die  Herrschaft  in  der  Hand  zu  haben.  Dagegen  jedoch 
erhob  sich  eine  namentlich  unter  den  Landständen  stark 
vertretene  evangelische  Fi*action,  geleitet  von  dem  Grafen 
Wirich  von  Dhaun  und  dem  Kammermeister  Werner 
Paland  von  Breidenbend.  Herzog  Wilhelm,  dessen  Kräfte 
immer  mehr  abnahmen,  schwankte  haltlos  zwischen  den 
Parteien  hin  und  her.  Noch  schlimmer  wurde  es,  als 
1590  bei  dem  Jungherzog  die  Geistesschwache  in  offenen 
Wahnsinn  überging,  sodass  man  ihn  in  Gewahrsam  setzen 
musste.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  er  durch  seine 
Mutter  ein  Urenkel  der  wahnsinnigen  Johanna  von 
Castilien  war,  und  dass  ausser  ihm  noch  zwei  Urenkel 
derselben,  der  Infant  Don  Carlos  von  Spanien  und  der 
deutsche  Kaiser  Rudolf  H.,  geisteskrank  gestorben  sind. 

'^)  Als  nBfttiie*'  bezeichnete  man  damals  die  Gesammtheic  der 
höchsten  Hof-  und  Begienmgsbeamten^  also  nach  modemer  Aus- 
draeksweise  das  Ministerium. 

3 


34  Politische  Geschichte  Düsaefdorfs. 

Unter  den  obwaltenden  Umständen  war  aus  Johann 
Wilhelms  Ehe  mit  Jakobe  keine  Nachkommenschaft  mehr 
zu  erw^arten,  und  die  Frage  erhob  sich,  wer  nach  dem 
Erlöschen  des  Mannesstammes  die  niederrheinischen  Lande 
erben  sollte.  Herzog  Wilhelm  hatte  vier  Töchter;  die 
älteste,  Maria  Eleonore,  M^ar  mit  dem  Herzoge  Albrecht 
Friedrich  von  Preussen  vermählt,  die  zweite,  Anna,  mit 
dem  Pfalzgrafen  von  Neuburg,  die  di-itte,  Magdalene,  mit 
dem  Pfalzgrafen  von  ZweibrQcken ;  alle  drei  waren  prote- 
stantisch, die  vierte  dagegen,  die  noch  unvermäblt  in 
Düsseldorf  lebende  Sibylla,  eine  eifrige  Katholikin.  Nun 
hatte  Kaiser  Karl  V.  bei  der  Vermählung  seiner  Nichte 
mit  Herzog  Wilhelm  ausdrücklich  bestimmt,  dass  die  aus 
dieser  Ehe  hervorgehenden  Töchter  und  deren  Nach- 
kommen beim  Erlöschen  des  Mannesstammes  in  erster 
Linie  erbberechtigt  sein  sollten.  Die  drei  verheiratheten 
Schwestern  thaten  auch  alsbald  Schritte,  um  zur  Sicherung 
ihrer  Ansprüche  die  Bildung  einer  von  ihnen  abhängigen 
Regentschaft  durchzusetzen.  Dem  widerstrebte  aber  die 
katholische  Partei,  gestützt  auf  Spanien  und  den  Kaiser 
Rudolf  n. ;  man  wollte  das  Land  nicht  unter  protestan- 
tische Herrschaft  kommen  lassen.  Jakobe  selbst,  eine 
leidenschaftliche  Natur,  hielt  sich  für  berechtigt,  an  Stelle 
ihres  kranken  Gemahls  zu  herrschen;  da  Schenkern  mit 
seinen  Genossen  dies  aus  Eigennutz  nicht  zulassen  wollte, 
so  näherte  Jakobe  sich  plötzlich  den  Protestanten  und 
setzte  es  durch,  dass  1591  ihr  ein  massgebender  Einfluss 
auf  die  Regierung  eingeräumt  M'urde.  Dabei  blieb  es 
auch  zunächst,  als  Herzog  Wilhelm  endlich  am  5.  Januar 
1592  starb.  Aber  Jakobe  vermochte  ihre  Stellung  nicht 
zu  behaupten.  Ihr  Vetter,  der  Kurfürst  Ernst  von  Köln, 
bewog  sie,  mit  ihm  ein  geheimes  Bündniss  zur  Unter- 
drückung der  Protestanten  zu  schliessen ;  sie  hoffte  damit 
die  Gunst  des  Kaisers  zu  erlangen  und  von  diesem  förm- 
lich als  Regentin  eingesetzt  zu  werden.  Ein  von  ihr 
persönlich  beleidigter  kaiserlicher  Gesandter  verrieth  das 
Geheimniss  den  protestantischen  Landständen,  und  nun 
verloren  diese  das  Vertrauen  zu  Jacobe,  ohne  dass  es 
derselben  gelang,  sich  mit  Schenkern  und  dessen  Genossen 
aufrichtig  zu  verständigen.  Schenkern  fand  eine  Stütze 
an  der  Prinzessin  Sibylla,  die  persönlich  mit  Jakobe  tief 
verfeindet  war.  Diese  Streitigkeiten  lähmten  die  Ver- 
w^altung  der  öffentlichen  Angelegenheiten;  zugleich  war 
die  Regierung  tief  verschuldet  und  musste  beständig  mit 
neuen  Steuerforderungen  vor  den  Landtag  treten;  dabei 
zeigte  sie  sich  unfähig,  Frieden  und  Recht  zu  schützen. 
Obwohl  sie  sich  nicht  an  dem  zwischen  Spanien  und  den 


PbUtische  Geschichte  Dilsseldorfs.  35 

Niederlanden  geführten  Kriege  betheiligte,  vermochte  sie 
nicht  zu  verhindern,  dass  die  Truppen  beider  Theile 
brandschatzend  und  verheerend  die  jülich-cle vischen  Ge- 
biete durchzogen.  Bei  all  dieser  Noth  gab  Jakobe  selbst 
durch  ihre  prunkvolle  Hofhaltung  Anstoss,  und  bald 
erzählte  man,  dass  sie  mit  einem  jungen  bergischen  Edel- 
manne,  Dietrich  von  Hall,  in  einem  unerlaubten  Verhält- 
nisse stehe  und  nur  aus  diesem  Grunde  ihren  Gemahl 
gefangen  halte.  Dies  benutzte  Schenkern  zu  einem 
Staatsstreich.  Am  23.  Januar  1595  traten  die  Stände  von 
Jülich  und  Berg  in  Grevenbroich  zusammen  und  ver- 
langten sofort,  dass  der  Herzog  persönlich  an  den  Ver- 
handlungen theilnehme.  Als  Jakobe  dies  für  unmöglich 
erklärte,  eilte  Schenkern  mit  dem  Grafen  von  Dhaun  und 
achtzig  Soldaten  in  der  Nacht  vom  26.  zum  27.  nach 
Düsseldorf,  besetzte  das  Schloss  und  bemächtigte  sich  der 
Person  des  Herzogs.  Für  Jakobe  erhob  sich  Niemand: 
sie  wurde  verhaftet  und  von  Schenkern  und  Sibylla  beim 
Kaiser  des  Ehebruchs  angeklagt.  Man  wollte  eine  Schei- 
dung der  Ehe  durchsetzen,  um  den  Herzog  anderweitig 
verheirathen  zu  können.  Dabei  stellten  sich  jedoch 
juristische  Schwierigkeiten  heraus;  der  Prozess  zog  sich 
in  die  Länge.  Ueber  drittehalb  Jahre  sass  Jakobe  in 
Haft;  da  fand  man  sie  eines  Morgens,  am  3.  September 
1597,  todt  in  ihrem  Bette.  Einer  der  wenigen  Zeugen, 
welche  die  Leiche  zu  sehen  bekamen,  glaubte  Spuren 
einer  gewaltsamen  Erstickung  zu  bemerken.  Der  Ver- 
dacht wurde  dadurch  bestärkt,  dass  Schenkern,  ohne  den 
Freunden  der  Herzogin  weiteren  Zutritt  zu  gestatten,  die 
Verstorbene  in  aller  Stille  in  der  Kreuzkirche  zu  Düssel- 
dorf beisetzen  liess.  Zeitgenössische  und  spätere  Geschicht- 
schreiber haben  ihn  direct  des  Mordes  beschuldigt. 

Unterdessen  war  es  einem  aus  Holland  berufenen 
Arzte  gelungen,  den  Zustand  des  Herzogs  einigermassen 
zu  bessern,  und  die  Räthe  suchten  nun  sofort  eine  neue 
Gemahlin  für  ihren  Herrn.  Denn  nur  wenn  Johann  Wil- 
helm selbst  Nachkommenschaft  erzielte,  liess  sich  die  ge- 
fürchtete protestantische  Erbfolge  abwenden.  Man  wählte 
endlich  Antonetta,  die  Tochter  des  Herzogs  von  Lothringen. 
Die  Hochzeit  fand  am  20.  Juni  1599  zu  Düsseldorf  statt. 

Die  Lage  des  Staates  blieb  nach  wie  vor  traurig. 
Ohne  die  Neutralität  des  deutschen  Reiches  zu  achten, 
überschritt  im  Herbst  1598  der  spanische  General  Mendoza 
mit  seinem  Heere  bei  Wesel  den  Rhein  und  bezog  in 
Westfalen  Winterquartiere.  Die  verwilderten  Soldaten 
begingen  gegen  die  Landbevölkerung  unerhörte  Grausam- 
keiten.    Eine  Abtheilung  überfiel  das  Schloss  Broich  an 


i* 


36  FoUtiBcht  Geschickte  Dü$9Üd<nf8. 

der  Ruhr^  auf  welchem  Wirich  von  Dhaun  wohnte;  nach 
kurzem  Kampfe  musste  sich  der  Graf  ergeben  und  wurde, 
obwohl  der  spanische  Oberst  ihm  feierlich  das  Leben  zu- 
gesichert hatte,  von  einigen  Soldaten  ermordet.  Erst  im 
April  1599  verliess  Mendoza  mit  der  Hauptarmee  das 
deutsche  Gebiet  wieder. 

Die  Erfolge  y  welche  Prinz  Moritz  von  Oranien  im 
Jahre  1600  in  Flandern  erfocht,  zogen  die  spanischen 
Streitkräfte  grösstentheils  dorthin,  und  so  kam  für  die 
geplagten  Rheinlande  eine  Zeit  der  Ruhe.  Antonetta  von 
Lothringen,  ehrgeizig  wie  Jakobe,  aber  klüger,  setzte  es 
im  Jahre  1600  durch,  dass  sie  vom  Kaiser  und  den  Land- 
ständen als  Regentin  anerkaimt  wurde.  Dann  erschien 
sie  plötzlich  mit  Truppen  vor  der  Festung  Jülich,  deren 
Kommandant  Schenkem  war,  entzog  diesem  den  Befehl 
und  nöthigte  ihn,  das  Land  zu  verlassen  und  nach  Köln 
zu  flüchten.  Zugleich  wurde  gegen  ihn  ein  Prozess  ein- 
geleitet, der  jedoch  nicht  zum  Austrage  kam,  da  Schenkem 
an  das  Reichskammergericht  in  Speyer  appellirte. 

Der  Zustand  des  Herzogs  wurde  indessen  immer  trau* 
rigor.  Ein  Versuch,  die  vermeintlich  in  dem  unglück- 
lichen Manne  hausenden  bösen  Geister  durch  zwei  als 
Teufelsbeschwörer  berühmte  Jesuiten  austreiben  zu  lassen, 
war  erfolglos.  Auch  blieb  die  zweite  Ehe  so  unfruchtbar 
wie  die  erste.  Am  25.  März  wurde  Johann  Wilhelm  durch 
den  Tod  von  seinen  Leiden  erlöst;  mit  ihm  erlosch  das 
alte  Grafengeschlecht,  welches  im  Laufe  von  600  Jahren 
schliesslich  drei  Herzogthüroer  und  zwei  Grafschaften 
unter  seinem  Scepter  vereinigt  hatte. 

Nach  dem  kaiserlichen  Privileg  von  1546  hätte  nun 
zunächst  Herzog  Wilhelms  älteste  Tochter  Maria  Eleonore 
in  der  Regierung  folgen  müssen.  Sie*  war  jedoch  schon 
1608  gestorben.  Aus  ihrer  Ehe  mit  Herzog  Albrecht 
Friedrich  von  Preussen  waren  nur  Töchter  hervorgegangen. 
Die  älteste  derselben,  Anna,  hatte  den  Kurfürsten  Johann 
Sigismund  von  Brandenburg  geheirathet,  und  dieser  bean- 
spruchte nun  die  Nachfolge  in  den  rheinischen  Landen, 
sandte  auch  sofort  Bevollmächtigte  aus,  welche  in  seinem 
Namen  von  den  Städten  und  Schlössern,  u.  A.  Cleve  und 
Düsseldorf,  durch  Anschlagen  des  brandenburgischen 
Wappens  Besitz  ergriffen.  Dagegen  protestirte  jedoch 
der  Gemahl  der  zweiten  Tochter  Wilhelms,  der  Pfalzgraf 
von  Neuburg,  aus  dessen  Ehe  ein  Sohn,  Wolfgang  Wil- 
helm, entsprossen  war.  Der  Pfalzgraf  behauptete,  dasa 
männliche  Nachkommen  den  Voirang  vor  weiblichen 
hätten ;  daher  gebühre  die  Nachfolge  seinem  Sohne.  Hier- 
gegen erhoben  sich  wieder  mehrere  andere  Prätendenten, 


Folüüehe  GeBckickU  DassMorfa.  37 

welche  Theile  der  Erbschaft  beanspruchten ,  namentlich 
Sibylla  und  der  Kurfürst  von  Sachsen.    Sibylla  hatte  sich 
noch  in  vorgerückten  Jahren  mit  dem  Markgrafen  von 
Burgau,  einem  Verwandten  des  Kaisers,  vermählt  und 
wurde  daher  von  Spanien  begünstigt.    Sachsen  endlich 
stützte  seine  Ansprüche  hauptsachlich  auf  die  kaiserlichen 
Verleihungen  aus  dem  15.  Jahrhundert.    Der  Kaiser,  von 
den  Parteien  zum  Schiedsrichter  angerufen,  beschloss,  die 
Herzogthümer  vorläufig  in  Sequester  zu  nehmen.    Sein 
Vetter  Erzherzog  Leopold,  Bischof  von  Passau,   begab 
sich  nach  Jülich,  rief  spanische  Truppen  aus  den  Nieder- 
landen  herbei   und  besetzte   damit    die   Festungen    des 
Herzogthums.    Offen  trat   die   Absicht  zu   Tage,   beide 
protestantische  Fürsten  von  den  niederrheinischen  Landen 
auszuschliessen.     Dieser  Gefahr  gegenüber  einigten  sie 
sich,  um  ihr  Recht  gemeinsam  zu  wahren.    Der  von  dem 
Kurfürsten  als  Statthalter  nach  Cleve  gesandte  Markgraf 
Ernst  schloss  mit  Wolfgang  Wilhelm  zu  Dortmund  am 
20./10.  Juni  1609  einen  Vertrag,  wonach  Brandenburg  und 
Pfalz-Neuburg  zunächst  die  Regierung  gemeinsam  führen 
sollten.    Der  spanisch-österreichischen  Macht  gegenüber 
waren  sie  jedoch  auf  fremde  Hülfe  angewiesen ;  sie  fanden 
dieselbe  bei  den  vereinigten  Niederlanden  und  bei  König 
Heinrich  IV.  von  Frankreich.    Denn  dieser,   einst  das 
Haupt  der  Hugenotten,  war  trotz  seines  Uebertritts  zur 
römischen  Kirche  der  Beschützer  aller  von  Spanien  be- 
drohten   Protestanten    geblieben.     Ein    holländisch -fran- 
zösisches Heer  vertrieb  die  Truppen  des  Erzherzogs  Leo- 
pold aus  Jülich.    Nach  kurzer  Zeit  jedoch  brachen  zwi- 
schen Wolfgang  Wilhelm  und  dem  Kurfürsten  neue  Streitig- 
keiten aus.    Der  Pfalzgraf  heirathete  am  10.  November 
1613   Magdalena,    die   Tochter   des   streng  katholischen 
Herzogs  Maximilian  von  Bayern,  und  trat  im  folgenden 
Jahre  in  Düsseldorf  öffentlich  zum  katholischen  Glauben 
über.   Er  gewann  damit  die  Hülfe  Spaniens;  ein  spanisches 
Heer  unter  Spinola  rückte  heran  und  nöthigte  die  branden- 
burgischen Besatzungen,  das  Herzogthum  Jülich  zu  räumen; 
selbst  Wesel  wurde  genommen.    Unter  holländischer  Ver- 
mittelung  ward  zwar  im  November  1614  zu  Xanten  ein 
Vergleich  geschlossen;  derselbe  zeigte  sich  jedoch  undurch- 
führbar.   Die  Brandenburger  behaupteten  sich  mit  hollän- 
discher Hülfe  in   Cleve   und  Ravensberg;    die  Spanier 
wagten  es  nicht,  weiter  vorzudringen,  um  nicht  den  zwi- 
schen ihnen  und  der  Republik  der  Niederlande  seit  1609 
bestehenden  Waffenstillstand  zu  verletzen.    Erst  mit  dem 
Ablauf  desselben  im  Jahre  1621  begann  der  offene  Krieg 
hier   von  Neuem.    Zu  grossen   Feldschlachten   kam   es 


38  Politische  Geschichte  Düaseldorfs. 

dabei  nicht;  jeder  Tbeil  suchte  nur  dem  anderen  mög- 
lichst viel  Städte  und  feste  Schlösser  abzunehmen.  Das 
Land  aber  litt  schwer  unter  der  Anwesenheit  beider 
Heere.  Um  diesem  Zustande  ein  Ende  zu  machen^  einigten 
der  Kurfürst  und  der  Pfalzgraf  sich  über  einen  Vertrags 
welcher  am  11.  Mai  1624  zu  Düsseldorf  von  den  beider- 
seitigen Bevollmächtigten  abgeschlossen  wurde.  Damach 
sollte  der  Kurfürst  Cleve,  Mark  und  Ravensberg,  der 
Pfalzgraf  aber  Jülich,  Berg  und  Ravenstein  vorläufig  be- 
halten. Dieser  „Provisional-Tractat"  ist  die  Grundlage 
der  späteren  Theilung  geworden. 

Die  ersehnte  Ruhe  brachte  er  zunächst  noch  nicht. 
Bereits  hatte  sich  der  im  Jahre  1618  in  Böhmen  ausge- 
brochene dreissigjährige  Krieg  nach  Nörddeutschland 
gezogen ;  der  bayrische  Feldherr  Tilly  stand  in  Westfalen 
und  kam  den  Spaniern  gegen  die  Holländer  zur  Hülfe. 
Wolfgang  Wilhelm  erklärte  sich  zwar  neutral,  vermochte 
aber  die  Spanier  nicht  zum  Abzüge  zu  bewegen ;  ebenso 
blieben  die  Holländer  in  Cleve.  Als  dann  die  kaiserlichen 
Waffen  siegreich  bis  nach  Holstein  vordrangen,  glaubte 
Kaiser  Ferdinand  H.  auch  die  jülich-clevischen  Lande 
gewinnen  zu  können.  Er  sprach  das  Sequester  aus  und 
liess  sie  durch  Tilly s  Truppen,  soweit  es  ging,  besetzen. 
Dagegen  schloss  Wolfgang  Wilhelm  mit  Brandenburg  1629 
und  16;K)  neue  Theilungs vertrage,  welche  den  von  1624 
näher  ausführten.  Das  Vorrücken  des  Schwedenkönigs 
Gustav  Adolf  nöthigte  Tilly  zum  Abzüge;  auch  die  Spanier 
verliessen  allmählich  das  rechte  Rheinufer. 

An  dem  dreissigjährigen  Kriege  hat  Wolfgang  Wilhelm 
keinen  thätigen  Antheil  genommen.  Er  blieb  neutral  und 
suchte  bei  allen  kriegführenden  Mächten  die  Anerkennung 
seiner  Neutralität  durchzusetzen.  Damit  konnte  er  jedoch 
nicht  verhindern,  dass  seine  Länder  abwechselnd  von 
schwedischen ,  kaiserlichen  und  französischen  Truppen 
durchzogen  wurden  und  dabei  schwer  litten.  Als  er  selbst, 
um  einem  solchen  Einfall  der  Schweden  zu  begegnen,  im 
Jahre  1634  Soldaten  warb,  wollten  seine  Landstände  die 
dazu  nöthigen  Steuern  nicht  bewilligen  und  verklagten  ihn 
beim  Kaiser.  Dieser  nahm  die  Klage  an  und  befahl  dem 
Pfalzgrafen,  die  neu  errichteten  Regimenter  aufzulösen 
oder  in  das  kaiserliche  Heer  einzustellen;  nur  800  Mann 
zu  Fuss  und  100  zu  Pferde  sollte  er  für  sich  behalten. 
Als  Wolfgang  Wilhelm  darauf  nicht  einging,  erliess  der 
Kaiser  1638  ein  Mandat,  welches  den  Ständen  Recht  gab. 
Der  Pfalzgraf  berief  dagegen  1639  Vertreter  der  Land- 
gemeinden (denn  die  Bauern  hatten  auf  dem  Landtage 
keine  eigene  Vertretung)  nach  Düsseldorf  und  setzte  es 


Ptüithehe  Geschichte  Düsseldorfs,  39 

durch,  dass  diese  ihm  die  verlangten  Steuern  bewilligten. 
Aber  Ritterschaft  und  Städte  erklärten  diese  Bewilligung 
für  nichtig  und  klagten  aufs  Neue  beim  Kaiser.  Daraus 
entspann  sich  ein  Prozess,  der  erst  1(549  seine  Entschei- 
dung fand,  nachdem  der  westfälische  Friede  dem  Lande 
die  ersehnte  äussere  Ruhe  gebracht  hatte. 

Einen  Conflict  anderer  Art  verursachte  die  Kirchen- 
politik Wolfgang  Wilhelms.  Seit  1609  waren  in  den 
Herzogthümern  zahlreiche  protestantische  (Jemeinden  her- 
vorgetreten und  hatten  es  durchgesetzt,  dass  man  ihnen 
(las  Recht  freier  Religionsübung  gewährte.  Als  nun  dei- 
Pfalzgraf  1614  zur  katholischen  Kirche  übertrat  und 
damit  die  Hülfe  Spaniens  gewann,  verlangten  seine  neuen 
Bundesgenossen,  dass  er  den  Protestantismus  in  seinen 
Gebieten  unterdrücke.  In  der  That  wurden  da,  wo  die 
Spanier  hinkamen,  den  Protestanten  die  Kirchen  entzogen 
und  ihre  Prediger  vertrieben.  Wolfgang  Wilhelm  stimmte 
dem  zu,  da  nach  damaliger  Anschauung  die  Confession 
des  Landesherrn  für  alle  Unterthanen  bindend  war.  Aber 
Brandenburg .  als  Mitbesitzer  des  Landes  nahm  sich  der 
bedrängten  Evangelischen  an ;  die  holländischen  Truppen 
übten  Repressalien  an  den  Katholiken  der  von  ihnen  be- 
setzten Gebiete.  Mehrfache  Verträge  über  diesen  Punkt 
erwiesen  sich  unausführbar.  Die  Streitigkeiten  dauerten 
auch  nach  dem  Ende  des  Krieges  fort.  Im  Jahre  1651  Hess 
der  grosse  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg, 
gereizt  durch  eine  Verletzung  des  zuletzt  geschlossenen 
Vertrages,  seine  Truppen  in  Berg  einrücken ;  sie  drangen 
bis  Düsseldorf  vor.  Wolfgang  Wilhelm  rief  dagegen  loth- 
ringische Schaaren  herbei,  die  ihrerseits  in  die  Grafschaft 
Mark  einfielen.  Unter  kaiserlicher  und  holländischer  Ver- 
mittelung  kam  dann  ein  neuer  Vertrag  su  Stande,  der 
den  Streit  jedoch  nicht  zu  endigen  vermochte. 

Im  Uebrigen  bethätigte  Wolfgang  Wilhelm  seine  katho- 
lische Gesinnung  durch  genaue  Beobachtung  der  kirch- 
lichen Vorschrifteu  und  durch  Einführung  neuer  Orden, 
darunter  der  Jesuiten,  in  seine  Lande.  Persönlich  war 
er  nicht  unduldsam ;  seine  zweite  Gemahlin,  die  protestan- 
tische Katharina  Charlotte  von  Zweibrücken,  hat  er  gegen 
alle  Bekehrungsversuche  geschützt.  Ein  hervorstechender 
Zug  in  seinem  Wesen  ist  die  Vorliebe  für  italienische 
Bildung;  er  zog  italienische  Musiker  und  Architecten  an 
seinen  Hof  und  bediente  sich  selbst  im  Verkehr  mit  fremden 
Fürsten  und  Diplomaten  gerne  der  italienischen  Sprache. 

Die  Ausführung  des  1651  mit  Brandenburg  geschlos- 
senen Vertrages  scheiterte  namentlich  daran,  dass  Wolf- 
gang Wilhelms  Sohn,  der  Erbprinz  Philipp  Wilhelm,  leb- 


40  Fbiiiiache  Getehiehte  DüssMotfs. 

haft  widerstrebte  und  zu  gewaltsamen  Massregeln  gegen 
Brandenburg  drängte.  Die  Streitigkeiten  wären  noch  nicht 
geschlichtet,  als  der  alte  Pfalzgraf  anoi  20.  Mai  1653  starb 
und  Philipp  Wilhelm  den  Thron  bestieg.  Philipp  Wilhelm 
war  von  Jesuiten  erzogen,  daher  noch  eifriger  katholisch 
als  sein  Vater;  dabei  besass  er  Ehrgeiz  und  gefiel  sich 
in  grossen  politischen  Combinationen.  Als  der  durch 
Cromwells  siegreiche  Waffen  aus  England  vertriebene 
Stuart  Karl  II.  im  Jahre  1654  seinen  Wohnsitz  in  Köln 
nahm,  lud  Philipp  Wilhelm  ihn  zu  einem  Besuche  in 
Düsseldorf  ein  und  empfing  ihn  dort  (im  October)  mit 
königlichen  Ehren.  Der  englische  Minister  Clarendon,  der 
seinen  Herren  auf  der  Flucht  begleitete  und  in  seinen 
Memoiren  diesen  Besuch  in  Düsseldorf  näher  beschreibt, 
nennt  den  Pfalzgrafen  einen  der  gebildetsten  Fürsten 
Deutschlands,  einen  Mann,  der  die  feinen  Umgangsformen 
der  Franzosen  mit  dem  ernsten  Wesen  der  Deutschen 
verbinde.  An  diesen  Besuch  knüpfte  Philipp  Wilhelm 
einen  weitgreifenden  Plan.  Mit  Hülfe  des  Papstes  wollte 
er  einen  grossen  Bund  der  katholischen  Mächte  zu  Stande 
bringen,  der  mit  vereinten  Kräften  die  puritanische  Repu- 
blik in  England  stürzen  und  Karl  H.  auf  den  Thron  zurück- 
führen sollte.  Im  Jahre  1655  sandte  er  den  Jesuiten  Anton 
nach  Rom,  um  diesen  Entwurf  dem  Papste  vorzulegen. 
Das  Projekt  erwies  sich  als  unausführbar,  da  Spanien  und 
Frankreich,  die  noch  im  heftigsten  Kriege  mit  einander 
lagen,  sich  nicht  einigen  lißssen.  Eben  so  wenig  Erfolg 
hatte  Philipp  Wilhelm  mit  dem  Bestreben,  den  Kaiser  zu 
energischem  Vorgehen  gegen  Brandenburg  zu  veranlassen. 
Erbittert  darüber,^  wandte  der  Pfalzgraf  sich  ganz  auf 
die  Seite  Frankreichs  und  trat  1657  der  von  mehreren 
westdeutschen  Fürsten  unter  französischem  Schutze  ein- 
geleiteten Verbindung,  welche  später  den  Namen  „rhei- 
nische Allianz^  erhielt,  bei.  Damals  musste  nach  deip 
Tode  Ferdinands  HI.  ein  neuer  Kaiser  gewählt  werden; 
die  Verbündeten  bemühten  sich,  die  Wahl  auf  Philipp 
Wilhelm  selbst  oder  auf  den  Kurfürsten  von  Bayern  zu 
lenken.  An  dem  Widerspruch  Brandenburgs  und  Sachsens 
scheiterte  dieser  Plan,  und  die  Kaiserkrone  blieb  dem 
Hause  Oesterreich  erhalten.  Ebenso  fruchtlos  blieben 
Phijipp  Wilhelms  Bemühungen,  sich  zum  Könige  von 
Polen  wählen  zu  lassen ;  auch  hier  trat  ihm  der  Branden- 
burger, damals  mit  Polen  gegen  Schweden  verbündet,  in 
den  Weg.  Nur  einen  bleibenden  Gewinn  brachte  dem 
Pfalzgrafen  das  französische  Bündniss:  in  dem  1659  zwi- 
schen Frankreich^  und  Spanien  geschlossenen  pyrenäischen 
Frieden  wurde  bestimmt,  dass  die  spanischen  Truppen 


MUische  GeschiehU  DüssMorfs.  41 

die  noch  von  ihnen  besetzte  Festung  Jülich  räumen  und 
dem  Landesherm  Übergeben  sollten.  Philipp  Wilhelm 
aber  sah  ein,  dass  er  seinem  brandenburgischen  Gegner 
weder  politisch  noch  militärisch  gewachsen  war;  er  suchte 
d^er  eine  Verständigung.  So  kam  am  19.  September 
1666  zwischen  beiden  der  Vertrag  von  Cleve  zu  Stande, 
der  die  Theilungsfrage  endgültig  entschied.  Damach 
behielt  der  Kurfürst  Cleve ,  Mark  und  Ravensberg,  der 
Pfalzgraf  Jülich  und  Berg;  doch  sollten  beide  Fürsten 
Titel  und  Wappen  der  sämmtlichen  L.änder  fuhren ,  die 
Lfänder  überhaupt  ein  Ganzes  bilden.  Die  Entscheidung 
über  Ravenstein  blieb  besonderer  Verständigung  vorbe- 
halten; sie  erfolgte  erst  1670,  indem  der  KurfQrst  dieses 
Gebiet  dem  Pfalzgrafen  überliess  mit  der  Bedingung,  dass 
es  nach  dem  Erlöschen  des  Hauses  Neuburg  an  Branden- 
burg zurückfallen  solle.  Die  kirchlichen  Verhältnisse 
endlich  wurden  durch  einen  1672  geschlossenen  Vertrag 
dahin  geregelt,  dass  die  Katholiken  in  dem  branden- 
burgischen, die  Protestanten  in  dem  neuburgischen  Theile 
freie  Religionsübung  erhielten  und  jeder  Fürst  das  Schutz- 
recht über  seine  im  Gebiete  des  andern  wohnenden  Glau- 
bensgenossen ausübte;  alljährlich  trat  eine  gemischte 
Oommission  zusammen,  um  die  etwa  vorgebrachten  Be- 
schwerden zu  untersuchen. 

Nicht  bloss  Gründe  der  äusseren  Politik  hatten  den 
Pfalzgrafen  nachgiebiger  gegen  Brandenburg  gestimmt; 
auch  nach  innen,  seinem  eigenen  Lande  gegenüber,  war 
seine  Stellung  dadurch  gesicherter  geworden.  Seit  1658 
lag  er  in  heftigem  Streite  mit  den  Ständen  von  Jülich 
und  Berg.  Diese  hatten  sich  geweigert,  die  Kosten  für 
den  Unterhalt  der  von  Philipp  Wilhelm  angeworbenen 
Truppen  weiter  zu  zahlei;,  und  verlangten  Verringerung 
des  Heeres,  während  der  Pfalzgraf  dies  nicht  zugeben 
wollte.  Jahr- für  Jahr  wiederholten  die  Stände  ihre  Be- 
schwerden; als  dies  nichts  half,  erhoben  sie  beim  kaiser- 
lichen Hofe  Klage,  und  es  war  zu  befürchten,  dtiss  sie 
schliesslich  Hülfe  bei  dem  Brandenburger  suchen  würden. 
Durch  den  Vertrag  von  1666  war  diese  Gefahr  für  Philipp 
Wilhelm  beseitigt.  Der  Streit  mit  den  Ständen  selbst 
Avurde  endlich  im  Jahre  1672  durch  einen  Vertrag,  den 
sogenannten  Hauptrecess,  dem  1675  noch  ein  „Erläute- 
rangsrecess^  folgte,  beigelegt. 

Die  Absicht,  eine  grosse  Rolle  in  der  europäischen 
Politik  zu  spielen,  hatte  Philipp  Wilhelm  noch  nicht  auf- 
gegeben. Im  Jahre  1668  bewarb  er  sich  zum  zweiten 
Mfd  um  die  polnische  Königskrone ;  aber  obwohl  Branden- 
burg ihn  diesmal  unterstützte,  hatte  er  auch  jetzt  keinen 


42  MUUche  Gfchichte  D(k$BMorf6. 

Erfolg.  Seitdem  war  er  bemüht  ^  sich  durch  Familien- 
Verbindungen  eine  angesehene  Stellung  zu  verschaffen. 
Seine  zweite  Ehe  mit  der  zum  Katholicismus  übergetretenen 
hessischen  Prinzessin  Elisabeth  Amalie  war,  wie  die  er- 
haltenen Briefe  bezeugen ,  überaus  glücklich.  Aus  ihr 
gingen  17  Kinder  hervor,  von  denen  sechs  Söhne  und 
ebensoviel  Töchter  den  Vater  überlebten.  Der  älteste 
Sohn,  Erbprinz  Johann  Wilhelm,  unternahm  zu  seiner 
Ausbildung  1679  eine  grössere  Rundreise  an  den  euro- 
päischen Fürstenhöfen.  Charakteristisch  für  die  Zeit  ist 
es,  dass  er  dabei  zueilt  Ludwig  XIV.  in  St.  Germain  be- 
suchte, obwohl  das  deutsche  Reich  damals  mit  Frankreich 
im  Kriege  lag  und  französische  Truppen  im  Herzogthum 
Jülich  standen.  Von  Frankreich  ging  er  nach  Italien, 
verweilte  dort  etwa  ein  Jahr  und  kehrte  über  Wien  nach 
Hause  zurück.  Unterdessen  hatte  Kaiser  Leopold  nach 
dem  Tode  seiner  Gemahlin  um  die  älteste  Tochter  Philipp 
Wilhelms,  Eleonore  Magdalene,  geworben;  im  Dezember 
1676,  wenige  Monate  nach  Johann  Wilhelms  Rückkehr, 
fand  die  Hochzeit  statt  Drei  Jahre  später,  im  October 
1679,  heirathete  Johann  Wilhelm  selbst  die  Stiefschwester 
des  Kaisers,  Erzherzogin  Maria  Anna.  So  war  das  Haus 
Neuburg  doppelt  mit  der  kaiserlichen  Familie  verschwägert. 
Es  mag  gleich  hier  bemerkt  werden,  dass  eine  zweite 
Tochter  Philipp  Wilhelms  später  Königin  von  Portugal, 
eine  dritte  Königin  von  Spanien  wurde.*^) 

Bei  den  Unterhandlungen  über  Johann  Wilhelms  Ver- 
mählung hatte  man  österreichischer  Seits  hervorgehoben, 
dass  eine  kaiserliche  Prinzessin  nur  einen  regierenden 
Fürsten  heirathen  könne.  Philipp  Wilhelm  entschloss  sich 
deswegen  seinem  Sohne  Jülich  und  Berg  abzutreten.  Dies 
that  er  durch  Patent  vom  1.  August  1679,  während  er 
fQr  sich  selbst  Neuburg  behielt.  Johann  Wilhelm  über- 
nahm die  Regierung  unter  schwierigen  Verhältnissen. 
Beide  Herzogtümer  waren  durch  den  eben  beendeten 
Krieg  mit  Frankreich  tief  erschöpft  Der  junge  Fürst 
entschloss  sich  auf  Andringen  der  Stände  im  Jahre  1680, 
einen  Theil  der  Truppen  zu  verabschieden;  aber  1682 
machte  die  dem  Reiche  von  den  Türken  wie  von  Frank- 
reich drohende  Gefahr  neue  Rüstungen  nothwendig.  Dies 
führte  wieder  zu  Streitigkeiten  mit  den  Landständen, 
welche  die  von  Johann  Wilhelm  geforderten  Summen 
nicht  bewilligen  wollten;  doch  setzte  Johann  Wilhelm 
seine  Absichten  endlich  durch.  Dann  erlosch  1685  die 
in  Kurpfalz  regierende  Linie,  und  Philipp  Wilhelm  als 


*)  Letztere  ist  die  Heldin  von  Victor  Hu^os  Drama:  „Ray  Blas^. 


nilchster  Erbberechtigter  Avurde  EurfOrst.  Aber  Ludwig  XIV. 
beanspruchte  einen  Theil  der  pfälzischen  Länder  fttr 
seine  Schwägerin,  die  Herzogin  von  Orleans,  Elisabeth 
Charlotte;  gleichzeitig  bemühte  er  sich,  die  Wahl  seines 
Parteigängers  Wilhelm  Egon  von  Fürstenberg  zum  Erz- 
bischof von  Köln  durchzusetzen.  Als  dies  an  dem  Wider- 
stände des  Kaisers  und  des  Papstes  scheiterte,  fielen  1689 
französische  Truppen  in  die  Rheinlande  ein,  und  nun 
begann  jener  Krieg,  in  welchem  namentlich  die  Pfalz  so 
grauenhaft  verwüstet  worden  ist,  dass  man  z.  B.  am 
Heidelberger  Schlosse  noch  jetzt  die  Spuren  jener  Zer- 
störung sieht  Auch  unser  Land  hatte  schwer  zu  leiden; 
die  Franzosen  besetzten  die  damals  noch  zum  Erzstift 
Köln  gehörige  Festung  Kaiserswerth,  drangen  von  Bonn 
aus  nach  Siegburg  vor  und  brandschatzten  die  Umgegend. 
Erst  mit  Hülfe  der  Brandenburger  gelang  es,  den  Feind 
zu  vertreiben.  Im  folgenden  Jahre,  1690,  starb  der  alte 
Philipp  Wilhelm,  und  Johann  Wilhelm  wurde  Kurfürst. 
So  vollzog  sich  die  Vereinigung  von  Jülich-Berg  mit  Kur- 
pfalz, die  über  ein  Jahrhundert  lang  bestehen  sollte. 

Obwohl  die  niederrheinischen  Gebiete  dadurch  ein 
Nebenland  des  Kurstaates  wurden,  so  blieb  doch  auch 
nach  wiederhergestelltem  Frieden  1697  Düsseldorf  die 
Residenz  Johann  Wilhelms  und  der  Sitz  der  Regierung, 
da  die  pfälzischen  Lande  durch  den  Krieg  zu  sehr  erschöpft 
waren,  um  die  Kosten  einer  prunkvollen  Hofhaltung  auf- 
bringen zu  können;  eine  solche  aber  hielt  der  Kurfürst 
für  unerlässlich  zur  Behauptung  seiner  Würde.  Wie  hoch 
seine  politischen  Absichten  sich  verstiegen,  bewies  er 
1697.  Damals  erschien  in  Düsseldorf  ein  armenischer 
Flüchtling,  Israel  Ory,  und  legte  ihm  einen  Plan  zur 
Befreiung  Armeniens  von  der  türkischen  Herrschaft  vor. 
Johann  Wilhelm  gmg  darauf  ein  unter  der  Bedingung, 
dass  die  Armenier  ihn  selbst  zum  Könige  wählten  und 
zugleich  zur  römisch-katholischen  Kirche  überträten. 
Mit  den  nöthigen  Schreiben  versehen,  reiste  Ory  nach 
Armenien,  gewann  mehrere  angesehene  Häuptlinge  für 
den  Plan  und  kehrte  im  September  1699  nach  Düsseldorf 
zurück.  Er  schlug  vor,  dass  ein  aus  pfälzischen  und 
kaiserlichen  Truppen  bestehendes  Corps  durch  Polen  und 
Russland  nach  Armenien  gesandt  werden  sollte,  um  sich 
dort  mit  den  Streitkräften  der  Eingeborenen  zu  ver- 
einigen. Johann  Wilhelm  sandte  ihn  darauf  nach  Rom 
zum  Papste  und  von  da  nach  Russland  an  Peter  den 
Grossen,  um  von  beiden  Unterstützung  zu  erlangen.  Die 
weitere  Verfolgung  des  Entwurfes  wurde  jedoch  durch  den 
Ausbruch   des  spanischen  Erbfolgekrieges  gestört.    Der 


44  PUditisehe  OtBehiekte  DawOdoffs. 

Kurfürst  von  Köln,  Joseph  Clemens,  war  mit  Ludwig  XIV. 
verbandet;  wieder  rückten  französische  Truppen  in  das 
Erzstift  ein,  besetzten  Neuss  und  Kaiserswerth.  Dagegen 
ergriff  Johann  Wilhelm  die  Partei  des  Kaisers.  Am 
26.  Dezember  1701  Hess  er  einen  für  die  Franzosen  be- 
stimmten Transport  von  Lebensmitteln  und  Kriegsbedarf, 
welcher  auf  44  Schiffen  rheinabwärts  geführt  wurde,  bei 
Grimlinghausen  durch  seine  Truppen  abfassen  und  nach 
Düsseldorf  bringen ;  zugleich  rief  er  ein  brandenburgisch- 
holländisches  Heer  zur  Hülfe  herbei.  Kaiserswerth  wurde 
im  April  1702  eingeschlossen  und  nach  harter  Belagerung 
am  15.  Juni  zur  Uebergabe  gezwungen.  Joseph  Clemens 
rächte  sich  durch  einen  verheerenden  Zug,  den  er  persön- 
lich leitete,  von  Beuel  aus  in  das  bergische  Land.  Das 
Vorrücken  der  Verbündeten,  die  jetzt  auch  durch  eng- 
lische Truppen  verstärkt  wurden,  zwang  die  Franzosen 
endlich,  den  Niederrhein  zu  verlassen;  Joseph  Clemens 
selbst  floh  nach  Frankreich.  Es  war  der  letzte  Krieg, 
den  ein  rheinischer  Pfalzgraf  gegen  einen  Erzbischof  von 
Köln  geführt  hat. 

Schon  oben  ist  erwähnt,  das»  Johann  Wilhelm  infolge 
der  seit  1682  unternommenen  neuen  Rüstungen  in  Streit 
mit  seinen  Landständen  gerathen  war.  Seine  Theilnahme 
an  den  beiden  Reichskriegen  gegen  Frankreich,  sowie 
die  Bedürfnisse  seines  Hofes,  die  bei  dem  traurigen  Zu- 
stande der  kurpfälzischen  Lande  hauptsächlich  von  Jülich 
und  Berg  getragen  werden  mussten,  zwangen  ihn  zu 
immer  neuen  Geldforderungen.  Die  Stände  zeigten  sich 
zu  weiteren  Bewilligungen  wenig  geneigt  und  glaubten 
sich  durch  die  Recesse  von  1672  und  1675  gegen  die 
Erhebung  unbewilligter  Auflagen  geschützt.  Aber  Johann 
Wilhelm,  durchdrungen  von  dem  Gefühl  seiner  souveränen 
Würde  und  in  der  absoluten  Regierungsweise  Ludwigs  XIV. 
sein  Vorbild  sehend,  setzte  sich  über  die  Recesse  hinweg, 
schrieb  eigenmächtig  Steuern  aus  und  liess  sie  gewaltsam 
eintreiben.  Als  die  so  gewonnenen  Mittel  nicht  zureich- 
ten, wurden  Domänen  veräussert,  dann  1705  eine  Bank 
gegründet,  welche  Schuldscheine  (das  Papiergeld  jener 
Zeit)  ausgab,  endlich  eine  Anleihe  in  Holland  gemacht. 
Die  Stände  widersetzten  sich  diesen  ohne  ihre  Zustimmung 
vorgenommenen  Finanzoperationen  und  verklagten  den 
Kurfürsten  beim  Kaiser;  doch  zog  sich  der  Prozess,  wie 
gewöhnlich,  in  die  Länge  und  wurde  erst  nach  Johann 
Wilhelms  Tode  beendet. 

Trotz  dieses  Verfassungsconflictes  verstand  Johann 
Wilhelm  sich  bei  seinen  Unterthanen  beliebt  zu  machen. 
Die  Pracht  seines  Hofes  kam  doch  in  vieler  Beziehung 


B>lUi8ehB  GeaehichU  DÜ89adwfs.  45 

wieder  dem  Lande,  namentlich  der  Stadt  DQsseldorf,  zu 
Gute.  Für  letztere  bat  er  überhaupt  viel  gethan.  Er 
erweiterte  sie  durch  Gründung  der  Neustadt ;  dort  wollte 
er  auch  ein  neues,  grosses  Schloss  aufführen;  der  Plan 
dazu  ist  noch  erhalten.  Bekannt  ist  es,  dass  die  Gemälde* 
gallerie  ihm  ihren  Ursprung  verdankt  und  dass  er  eine 
italienische  Oper  hielt.  Dabei  verschmähte  er  auch  nicht, 
persönlich  an  einem  Schützenfeste  theilzunehmen. 

Sein  Familienleben  war  nicht  sehr  glücklich.  Zwei 
Kinder,  welche  seine  Gemahlin  zur  Welt  brachte,  lebten 
nicht  lange.  Maria  Anna  selbst  starb  1689,  und  der  Kur- 
fürst heirathete  darauf  eine  Tochter  des  Grossherzogs  von 
Toscana,  Anna  Maria  Loisia.  Jedoch  blieb  diese  Ehe 
kinderlos.  Dabei  quälte  die  leidenschaftliche  Italienerin 
ihren  Gemahl  mit  Eifersucht;  man  erzählte,  sie  schleiche 
Abends  verkleidet  in  den  Strassen  umher,  um  seine  Liebeä- 
händel  auszuforschen. 

Der  Glanz  Düsseldorfs  fand  ein  jähes  Ende,  als 
Johann  Wilhelm  am  8.  Juni  1716  starb.  Sein  Bruder 
Karl  Philipp,  der  ihm  in  der  Regierung  folgte  —  die 
anderen  Söhne  Philipp  Wilhelms  waren  theils  todt,  theils 
gehörten  sie  dem  geistlichen  Stande  an  —  löste  den  Hof- 
staat auf,  entliess  die  von  Johann  Wilhelm  angestellten 
Künstler  und  verlegte  den  Sitz  der  Regierung  nach  Heidel- 
berg, später  nach  Mannheim.  Die  niederrheinischen  Ge- 
biete hat  er  als  Kurfürst  nie  betreten,  hauptsächlich 
deswegen,  weil  die  hier  bestehende  landständische  Ver- 
fassung seinem  absolutistischen  Sinne  nicht  zusagte;  in 
der  Kurpfalz,  wo  es  keinen  Landtag  gab,  fühlte  er  sich 
inrohler.  So  wurden  Jülich  und  Berg  von  ihm  nur  als 
Nebenlande  behandelt.  Bald  aber  tauchte  die  Frage  auf, 
ob  sie  überhaupt  bei  Kurpfalz  bleiben  würden.  Von 
Karl  Philipps  Kindern  starben  die  meisten  im  zartesten 
Alter;  nur  eine  Tochter,  Elisabeth  Auguste,  blieb  am 
Leben  und  heirathete  1717  einen  Verwandten,  den  Erb- 
prinzen Joseph  Karl  von  Pfalz-Sulzbach.  Dieser  musste 
also  die  pfälzischen  Lande  erben;  Karl  Philipp  aber 
wünschte  ihm  auch  Jülich  und  Berg  zu  übertragen.  Es 
war  fraglich,  ob  der  Vertrag  von  1666  dies  zuliess  oder 
ob  nicht  nach  dem  Aussterben  des  Neuburgischen  Manns- 
stammes diese  Gebiete  an  Brandenburg  —  seit  1701  be- 
kanntlich das  Königreich  Preussen  —  zurückfallen  müssten. 
Die  Frage  wurde  noch  verwickelter,  als  die  Erbprinzessin 
1728  starb  und  keine  Söhne,  sondern  nur  drei  Töchter 
hinterliess.  König  Friedrich  Wilhelm  L  von  Preussen 
war  geneigt,  sich  mit  Berg  zu  begnügen,  Jülich  dagegen 
dem  Erbprinzen  zu  überlassen;  er  schloss  1728  mit  dem 


46  Fbliii9eh€  Qetehiehie  DüsaMorfa. 

Kaiser  Karl  VI.  einen  Vertrag,  worin  letzterer  sich  ver 
pflichtete;  beim  Ableben  Karl  Philipps  sofort  Preussen  in 
den  vorläufigen  Besitz  von  Berg  einzufahren.  Auch  der 
Erbprinz  von  Sulzbach  starb  1729;  seine  Ansprüche  gingen 
auf  seinen  jüngeren  Bruder  und  dessen  Sohn  Karl  Theodor 
über.  Karl  Philipp  suchte  Hülfe  bei  Frankreich;  diese 
Macht  versprach  1729,  Berg  nicht  an  Preussen  fallen  zu 
lassen.  Der  Kaiser  machte  nun  einen  Vermittelungs- 
vorschlag,  wonach  Preussen  den  grOssten  Theil  von  Berg^ 
Sulzbach  aber  die  Stadt  Düsseldorf  und  einen  Landstrich 
am  rechten  Rheinufer  bekommen  sollte;  damit  erklärten 
sich  auch  Frankreich  und  England  einverstanden.  Die 
Unterhandlungen  dauerten  bis  zum  Tode  Friedrich  Wil- 
helms I.,  1740.  Auch  Friedrich  der  Grrosse  bemühte  sich 
während  der  ersten  Monate  nach  seuier  Thronbesteigung, 
Düsseldorf  für  Preussen  zu  retten;  da  gab  ihm  der  Tod 
des  Kaisers  und  der  Ausbruch  des  österreichischen  Erb- 
folgekrieges Gelegenheit,  die  alten  Ansprüche  seines 
Hauses  auf  Schlesien  wieder  zur  Geltung  zu  bringen. 
Um  sich  dieses  Land  zu  sichern ,  trat  er  dem  Bündnisse 
bei,  welches  der  Kurfürst  Karl  Albert  von  Bayern  mit 
Kurpfalz  und  Frankreich  gegen  das  Haus  ELabsburg  ge- 
schlossen hatte,  und  liess  zu,  dass  nach  Karl  Philipps 
Tode  1742  der  junge  Karl  Theodor  Jülich  und  Berg 
ebenso  wie  die  Pfalz  erhielt. 

Infolge  jenes  Bündnisses  war  Düsseldorf  von  fran- 
zösischen Truppen  besetzt  worden;  der  Krieg  nahm  jedoch, 
als  England  den  Oesterreichern  zu  Hülfe  kam,  eine  für 
Bayern  und  Frankreich  unglückliche  Wendung.  Nament- 
lich das  Herzogthum  Jülich  hatte  von  den  englischen 
und  österreichischen  Truppen  viel  zu  leiden.  Dem  Schutze 
Preussens  verdankte  e&i  Karl  Theodor,  dass  er  in  den 
Dresdener  Frieden  1745  mit  eingeschlossen  wurde  und 
alle  seine  Länder  behielt.  Im  folgenden  Jahre  konnte 
er  persönlich  in  Düsseldorf  unter  glänzenden  Festlich- 
keiten die  Huldigung  entgegennehmen.  Der  Ausbruch 
des  siebenjährigen  Krieges  1756  brachte  den  Rheinlanden 
neue  Leiden.  Kurpfalz  und  Frankreich  standen  diesmal 
auf  der  Seite  Oesterreichs,  während  England,  Hannover, 
Hessen  und  Braunschweig  mit  Preussen  verbündet  waren. 
Düsseldorf  wurde  von  den  Franzosen  besetzt,  im  Jahre 
1758  nach  der  Schlacht  bei  Crefeld  von  den  Hanno- 
veranern erobert,  aber  bald  wieder  geräumt,  und  kam 
von  neuem  in  die  Hände  der  Franzosen,  die  nun  bis  1762 
hier  blieben. 

Dem  Kriege  folgte  eine  dreissigjährige  Friedensepoche^ 
in  welcher  das  bergische  Land  unter  der  Verwaltung  des 


Statthalters  Grafen  Goltstein  zu  neuer  Blttthe  gelangte« 
Die  Stadt  Düsseldorf  wurde  durch  Erweiterung  der 
Festungswerke  und  Anlage  der  Earlsstadt  vergrössert. 
Sie  erhielt  ferner  wAhrend  dieser  Zeit  die  Malerakademie, 
die  Landesbibliothek  y  eine  Rechtsschule  und  eine  anato- 
mische Lehranstalt.  An  dem  Gedeihen  der  neugeschaffenen 
deutschen  Nationalliteratur  nahm  der  Kreis,  welcher  sich 
in  Pempelfort  um  die  beiden  Brüder  Jacob!  schaarte, 
regen  Antheil. 

In  Bezug  auf  die  äusseren  politischen  Verhältnisse 
sind  für  uns  aus  diesem  Zeitraum  zwei  Thatsachen  be- 
merkenswerth.  Zunächst  gelang  es  Karl  Theodor,  im 
Jahre  1768  das  bisher  pfandweise  zu  Kurköln  gehörige 
Städtchen  Kaiserswerth  durch  Vertrag  zu  erwerben. 
Ferner  erbte  er  1777  das  KurfQrstenthum  Bayern  und 
verlegte  seine  Residenz  nach  München ;  dadurch  entstand 
die  bis  180ß  dauernde  Verbindung  des  bergischen  Landes 
mit  Bayern. 

Ein  hartes  Schicksal  traf  unsere  Gegend  in  dem 
durch  die  französische  Revolution  hervorgerufenen  Kriege. 
1794  drangen  die  Franzosen  von  den  Niederlanden  aus 
gegen  den  Rhein  vor,  zwangen  die  Oesterreicher  zum 
RQckzuge  auf  das  rechte  Ufer  und  setzten  sich  gegen- 
über Düsseldorf  fest.  Unsere  Stadt  hatte  damals  eine 
aus  kaiserlichen  und  pfälzischen  Truppen  bestehende 
Besatzung;  in  der  Nacht  vom  5.  zum  6.  October  wurde 
sie  von  den  Feinden  bombardirt  und  in  Brand  geschossen. 
Im  folgenden  Jahre,  in  der  Nacht  vom  ö.  zum  6.  Sep- 
tember 1795,  überschritten  die  Franzosen  bei  Uerdingen 
den  Rhein,  drängten  die  Kaiserlichen  südwärts,  besetzten 
Düsseldorf  und  ergossen  sich  plündernd  über  das  bergische 
Land.  Ihre  Erpressungen  und  Ausschweifungen  riefen 
bei  den  gequälten  Bauern  eine  derartige  Erbitterung 
hervor,  dass  Viele  derselben  zu  den  Waffen  griffen  und 
gegen  kleinere  französische  Abtheilungen  einen  Frei- 
schaarenkrieg  eröffneten.  Der  junge  Advokat  Ferdinand 
Stücker  zu  Bensberg  versuchte  im  Verein  mit  dem  Vicar 
Ommerborn  die  Bildung  eines  Landsturmes,  welcher  den 
kaiserlichen  Truppen  zu  Hülfe  kommen  sollte.  Als  das 
Unternehmen  missglückte,  trat  Stücker  selbst  als  Offizier 
in  das  österreichische  Heer  ein.  Die  Kaiserlichen  mussten 
sich  endlich  nach  der  Lahn  zurückziehen,  und  die  Fran- 
zosen blieben  Herren  des  Landes;  erst  im  Mai  1801,  nach 
dem  Frieden  von  Luneville,  verliessen  sie  das  rechte 
Rheinufer;  vorher  wurden  noch  die  Festungswerke  Düssel- 
dorfs geschleift. 


48  MitiBdie  Gesekk^U  DassOdorfs. 

Während  dieser  Zeit  war  Karl  Theodor  am  16.  Februar 
1799  kinderlos  gestorben  und  Max  Joseph  von  Pfalz- 
ZweibrQcken  (der  Stammvater  des  jetzigen  bayerischen 
Königshauses)  Kurfürst  geworden.  Dieser  musste  im 
Frieden  von  1801  alle  seine  linksrheinischen  Besitzungen 
an  Frankreich  abtreten;  auch  die  rechtsrheinische  Pfalz 
verlor  er  durch  den  Reichsdeputationshscuptschluss  1803^ 
sodass  er  nur  Bayern  und  das  Herzogthum  Berg  behielt. 
Die  Verwaltung  des  letzteren  übertrug  er  durch  den 
„Apanagial  -  Recess'^  vom  30.  November  1803  seinem 
Schwager,  dem  Herzog  Wilhelm  von  Bayern,  und  dieser 
hat  nun  etwas  über  zwei  Jahre  in  Düsseldorf  residirt. 
Da  trat  1806  eine  neue  politische  Aenderung  ein,  welche 
Düsseldorf  nochmals  für  kurze  Zeit  zur  Hauptstadt  eines 
selbständigen  Staatswesens  machte. 

Bayern  hatte  sich  1805  eng  an  das  französische 
Kaiserreich  angeschlossen  und  zum  Lohne  dafür  ansehn- 
liehe  österreichische  Gebiete,  sowie  die  Königskrone  er- 
halten. Dagegen  musste  Max  Joseph  das  Herzogthum 
Berg  am  15.  März  1806  an  Napoleon  abtreten;  letzterer 
übertrug  es  sofort  an  demselben  Tage  seinem  Schwager 
Joachim  Murat,  welcher  zunächst  durch  General  Dupont 
Besitz  ergreifen  liess  und  dann  selbst  am  24.  März  seinen 
feierlichen  Einzug  in  Düsseldorf  hielt.  Gleichzeitig  hatte 
Preussen  das  rechtsrheinische  Cleve  abtreten  müssen; 
dieses,  sowie  das  Fürstenthum  Nassau  -  Oranien  wurden 
mit  Joachims  Gebiet  vereinigt.  Der  neugebildete  Staat 
erhielt  den  Namen  „Grossherzogthum  Berg^.  Weiteren 
Zuwachs  brachte  der  im  October  desselben  Jahres  zwi- 
schen Frankreich  und  Preussen  ausgebrochene  S^rieg; 
au&  den  eroberten  preussischen  Provinzen  erhielt  Joachim 
die  Grafschaft  Mark  und  das  Münsterland.  Er  behielt 
sein  Grossherzogthum  jedoch  nicht  lange ;  im  Jahre  1808 
zum  Könige  von  Neapel  erhoben,  trat  er  unter  dem  15. 
Juli  d.  J.  Berg  an  Napoleon  wieder  ab  und  dieser  über- 
trug es  am  3.  März  1809  seinem  kleinen  Neffen,  dem 
Prinzen  Napoleon  Louis,  ältesten  Sohn  des  Königs  von 
Holland  und  Bruder  des  späteren  Kaisers  Napoleon  UI."*) 
Die  Verwaltung  behielt  der  Kaiser  selbst  in  der  Hand; 
als  Statthalter  residirte  in  Düsseldorf  der  Graf  Beugnot 

Schon  unter  Joachim  war  die  Regierung  wesentlich 
nach  französischem  Muster  eingerichtet  worden ;  Beugnot 
führte  dies  vollständig  durch.  Die  französische  Verwal» 
tung  hat  in  mancher  Beziehung  wohlthätig  gewirkt,  in- 
dem sie  das  Lehnswesen  und  die  Leibeigenschaft  aufliob» 


*)  Er  fiel  1831  in  Rom  bei  einem  Aufstande. 


PDlUUehe  GesekicfUe  DüssMorfs,  49 

das  Gerichtswesen  reformirte  und  das  französische  Recht 
einführte.    Auch  wurden  die  in  Düsseldorf  bestehenden 
Fachschulen  zu  einer  Universität  vereinigt;  diese  konnte 
jedoch  nicht  ins  Leben  treten,   da  es  an  Geld  zu  ihrer 
Unterhaltung  fehlte.    Napcdeon  hatte  1806  den  von  ihm 
abhängigen  Gebieten  allen  Handel  mit  England  unter- 
sagt ;  dadurch  verlor  die  bergische  Industrie  eine  wichtige 
Absatzquelle.     Ausser   den   hohen   Steuern   wurde  noch 
die  von  den  Franzosen  eingeführte  Conscription  besonders 
drückend  empfunden;  denn  Napoleon  brauchte  für  seine 
Kriege  viel   deutsches    Blut.     Die   bergischen  Soldaten 
fochten  in  Spanien  und  Russland  für  Zwecke,  die   dem 
Lande  ftemd  waren.    Ueberhaupt  wurde  das  Grossherzog- 
thum  vollständig  als  zu  Frankreich  gehörig  behandelt. 
Schon  Joachim  hatte  bei  allen  wichtigeren  Maassregeln 
die  Anweisungen  Napoleons  befolgen  müssen,  dazu  hielt 
ihn   seine  militärische   Stellung  beständig  im   Auslande 
fest;  er  hat  sich  nach  der  Huldigung  nur  noch  einmal, 
von  Juli   bis  October    1806,   in   Berg   aufgehalten   und 
meist  in  Benrath  residirt.    Sein  Nachfolger,  der  junge 
Prinz,  wuchs  in  Frankreich  auf,  und  der  Kaiser  Napoleon 
selbst  hat  Düsseldorf  nur  einmal,  vom  2.  bis  5.  Novem- 
ber 1811,  besucht.    Der  alte  bergische  Landtag  war  im 
Februar    1807    zum    letzten    Male    zu   Rathe    gezogen 
worden:    als    die   Deputirten    daa    von   der    Regierung 
vorgelegte    Budget   nicht   in    seinem   ganzen    Umfange 
annehmen  wollten,  wurden  sie  heimgeschickt  und  nicht 
wieder  berufen.    Eine  von  Beugnot  ausgearbeitete  con- 
stitutionelle  Verfassung  ist  nicht  mehr  in  Kraft  getreten. 
Der   von  Preussen,   Russland   und   Oesterreich   im 
Jahre  1813  geführte  Befreiungskrieg  machte  der  franzö- 
sischen Herrschaft  ein  Ende.     Die  Schlacht  bei  Leipzig 
zwang  Napoleon  zum  Rückzuge  über  den  Rhein,  und  mit 
ihm  flohen  die  fi*anzösischen  Behörden.    Beugnot  verliess 
Dfisseldorf  am  4.  November;  zehn  Tage  später  wurde 
die  Stadt  von  russischen  Truppen  besetzt.    Aus  den  nicht 
altpreussischen  Theilen   des   Grossherzogthums  bildeten 
die    Verbündeten    vorläufig   ein   „General-Gouvernement 
Berg^,    und    ernannten    zum    General  -  Gouverneur    den 
Staatsrath  Justus  Grüner.    Dieser  wusste  durch   beson- 
nenes Auftreten  die  Einwohner  für  die  deutsche  Sache 
zu  gewinnen,  sodass  sie  die  Lasten  der  Occupation  willig 
ertrugen;  der  sofort  organisirte  Landsturm  machte,  von 
Linientruppen  unterstützt,  Streifzüge  auf  das  linke,  noch 
von    den  Franzosen  besetzte  Rheinufer,  bis  im  Beginn 
des  Jahres  1814  auch  dieses  von  den  Verbündeten  erobert 
wurde.    An  Stelle   Gruners,   der  nach  dem  Mittelrhein 


50  Polttiftche  Geschichte  DUsseldot^s, 

berufen  wui'de,  trat  Anfang  Februar  der  Prinz  Alexander 
von  Solms ;  als  aber  am  15.  Juni  die  verbündeten  Mächte 
die  Verwaltung  von  Berg  an  Preussen  übertrugen,  kehrte 
Grüner  als  General-Gouverneur  nach  Düsseldorf  zurück. 
Auf  dem  Wiener  Congress  wafen  die  Kheinlande  der 
Gegenstand  langer  Verhandlungen;  endlich  wurden  sie 
definitiv  an  Preussen  abgetreten,  während  Bayern  die 
ehemals  preussischen  Fürstenthümer  Ansbach  und  Bayreuth 
behielt.  Am  3.  Mai  1815  Hessen  die  preussischen  Com- 
missäre  in  Düsseldorf  das  aus  Wien  vom  5.  April  datirte 
königliche  Besitzergreifungspatent  anschlagen ;  damit  war 
die  Stadt  dem  preussischen  Staate  einverleibt. 


Zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Düsseldorf. 


Dr.  H.  Baohbaoli 

n  14.  August  1266  wurde  das  seit  1189  bergisch 
gewordene  Kirchspiel  Düsseldorf  durch  den 
Orafen  Adolf  V.  von  Berg  und  seine  Gemahlin 
Elisabeth  zur  Stadt  erhoben.  Die  Erhebungs- 
urkunde, deren  Original  seit  dem  Anfange  des 
Jahrhunderts  leider  noch  immer  verschwunden  ist,  verlieh 
der  jungen  Stadt  als  Pathengeschenk  gleich  eine  Reihe 
öffentlich-rechtlicher  Befugnisse  und  Einrichtungen,  welche 
das  Wesen  einer  Stadt  ausmachen  und  von  andern 
Stfidten  erst  allmählich  und  nicht  ohne  Kämpfe  er- 
rungen werden  mussten.  In  der  Folgezeit,  besonders 
seitdem  Düsseldorf  1346  ständige  Residenz  der  bergischen 
Landesherren  und  damit  der  Gegenstand  ihrer  besonderen 
Vorliebe  geworden  war,  wurden  diese  Privilegien  nicht 
nur  wiederholt  bestätigt,  sondern  auch  bedeutend  er- 
weitert. Auf  Grundlage  dieser  Privilegien  nahm  die 
Ausbildung  der  städtischen  Verfassung  einen  ruhigen 
harmonischen  Fortgang,  bis  die  fi-anzösische  Herrschaft 
denselben  durch  die  Einführung  einer  Communalver- 
fassung  nach  französischem  Muster  gewaltsam  unter- 
brach. 

Bei  der  Lückenhaftigkeit  des  bis  jetzt  zur  Verfügung 
stehenden  urkundlichen  Materials  und  bei  dem  Mangel 
fast  jeglicher  Vorarbeiten  ist  es  indessen  zur  Zeit  noch 
schwierig,  auch  nur  einen  elnigermassen  vollständigen 
Ueberbllck  der  Eiitwickelung  der  Stadtverfassung  Düssel- 
dorfs zu  geben.  Wenn  trotzdem  auf  den  folgenden  Seiten 
der  Versuch  gewagt  wird,  einiges  daraus  mitzutheilen,  so 
darf  derselbe  wohl  um  so  eher  eine  nachsichtige  Be- 
urtheilung  erbitten,  als  er  dem  Wunsche  entsprungen  ist, 


52  Zur  Vet^asaungagesehiehte  der  Stadt  Düsseldorf, 

einen  Hauptzug  in  dem  Jubiläumsbilde  der  Stadtgeschichte 
wenigstens  nicht  ganz  zu  vermissen. 

I.  Stadtgebiet  und  Stadtgemeinde.  Nach  der 
Erhebungsurkunde  von  1288  bestand  das  damalige  Stadt- 
gebiet aus  einem  Innen-  und  einem  Aussenbezirk.  Ersterer, 
auf  dem  rechten  Ufer  des  nördlichen  (unteren)  Düsselarmes 
belegen  und  von  Wall  und  Graben  theilweise  eingeschlossen, 
umfasste  die  Altestadt,  die  Liefergasse  und  die  Kiftmer- 
strasse;  seinen  Mittelpunkt  bildete  die  Pfarrkirche  des  ehe- 
maligen Kirchspiels  mit  dem  sie  umgebenden  Kirchhofe, 
die  spätere  Stiftskirche  mit  dem  Stifsplatze.  Der  Aussen- 
bezirk setzte  sich  aus  5  grösseren  Gehöften  zusammen: 
aus  den  Besitzungen  des  Ritters  Adolf  von  Flingern,  in 
der  Gegend  des  heutigen  Friedrichsplatzes,  dem  Hofe 
Rumpolds  von  Pempellbrt,  welcher  den  heutigen  Hofgarten, 
Jägerhof  und  Malkasten  umfasste,  aus  den  GQtem  eines 
Ritters  von  Loe  und  zwei  nicht  näher  bekannten,  „die 
zwei  Berge"  oder  „zwischen  den  zwei  Bergen**  genannten 
Gehöften.  Hundert  Jahre  später  erfuhr  dieses  ursprüng- 
liche Gebiet  durch  Herzog  Wilhelm  von  Berg  eine  be- 
deutende Erweiterung.  Er  tauschte  1383  gegen  einen 
Hof  zu  MQndelheim  die  Besitzungen  des  Heinrich  Haick 
von  Flingern  ein,  zu  welchen  die  am  heutigen  Friedrichs- 
platz belegene  Stadt -Mühle  gehörte,  und  legte  dieses 
Terrain  zu  dem  Innenbezirk  der  Stadt,  welcher  sich  nun- 
mehr nach  Süden  und  Südwesten  so  erheblich  ausdehnte, 
dass  er  um  1394  bereits  ganz  mit  einem  Graben  und 
theilweise  mit  einer  Stadtmauer  bis  an  den  südlichen 
(oberen)  Düsserarm  eingeschlossen  erscheint.  Noch  grösser 
war  die  Erweiterung  des  Aussenbezirks.  Ihm  wurden 
1384  die  Hundschaften  Gk>lzheim  und  Derendorf,  sowie 
die  alte  und  grosse  Dorfttchaft  Buk  einverleibt;  letztere 
besass  eine  eigene  Kirche  und  ein  eigenes  Schöflfengericht, 
und  bestand  aus  den  drei  Hundschaften  Arien-  oder  Orien- 
bilk,  jetzt  Oberbilk,  Kehr-  oder  Kirchbilk  und  dem  nach 
der  Lage  der  Mühle  so  benannten  Mühlhoven.  Weiterhin 
wurde  1394  das  Kirchspiel  Hamm  in  den  Stadt  verband 
gezogen.  Das  so  erweiterte  Stadtgebiet  blieb  auf  Jahr- 
hunderte hinaus  im  Wesentlichen  unverändert. 

Das  volle  Bürgerrecht,  welches  nicht  nur  den  Anspruch 
auf  den  städtischen  Schutz,  sondern  auch  die  Befugnisa 
zur  Antheilnahme  am  Stadtregiment  in  sich  schloss,  sprach 
die  Erhebungsurkunde  von  1288  allen  Einwohnern  dea 
damaligen  Stadtgebiets  zu.  Zugleich  sprach  dieselbe  dea 
allbekannten  Rechtssatz :  „Stadtluft  macht  firei^  aus,  aber 
mit  einer  Unterscheidung  zwischen  den  Vogteileuten  dea 
Landesherm  und  den  Hörigen  anderer  Herren.    Bei  den 


Zur  VerfaäsungsgeBehiehte  der  Siadt  Düsseldorf,  &d 

ersteren  war  die  Aufnahme  zum  Bürger  abhängig  von 
der  Erlaubniss  des  Landesherm;    die    Hörigen   anderer 
Herren  wurden  freie  Bürger,  wenn  sie  in  der  Stadt  Woh- 
nung genommen  und  Jahr  und  Tag  behalten  hatten,  ohne 
innerhalb  dieser  Zeit  von  ihrem  Herrn  zurückgefordert 
worden  zu  sein ;  während  dieser  Frist  von  Jahr  und  Tag 
konnte  der  Herr  sie  sammt  ihrem  Hab  und  Gut  zurück- 
begehren.   Bei  den  Stadterweiterungen  von  1384  und  1394 
gab  der  Herzog  das  volle  Bürgerrecht  auch  den  Bewohnern 
von  Oolzheim,  Derendorf,  Bilk  und  Hamm,  unter  besonderer 
Strafandrohung  gegen  jede  Beeinträchtigung  desselben. 
Ganz  ausgeschlossen  von  der  Erwerbung  des  Bürgerrechts 
waren  in  den  ersten  Jahrhunderten  die  Juden;  noch  1438 
bewilligte  Herzog  Gerhard  der  Stadt  auf  ihre  Bitte,  dass 
während  der  nächsten  12  Jahre  keine  Juden  dort  wohnen 
oder  verweilen  sollten.    Im  16.  Jahrhundert  machte  man 
eine  Zeit  lang  die  Aufnahme  zum  Bürger  abhängig  von 
der  Angehörigkeit  zur  römisch-katholischen  Confession; 
der  Neuaufzunehmende  musste  darüber  zuvor  eine  Be- 
scheinigung der  herzoglichen  Beamten  oder  des  Stadt- 
dechants  beibringen.    Die  Aufnahme  selbst  vollzog  sich 
in  späterer  Zeit  und  noch  bis  in  die  zweite  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  durch  einen  feierlichen  Akt  vor  Bürger- 
meister und  Rath;  der  Aufzunehmende  musste  vor  ihnen 
den   „gewöhnlichen  Bürgereid"    ablegen    und   eine  Auf- 
nahmegebühr entrichten;  der  Name  des  neuen  Bürgers 
wurde  in  das  Stadtbuch  eingetragen ;  über  die  Aufnahme 
wurde  sodann  ein  Bürgerbrief  ausgefertigt,   für  welchen 
40  kölnische  Weisspfennige  zu  zahlen  waren.  Das  Bürger- 
recht ging  verloren  durch  Auswanderung  und  Stadtver- 
weisung.   Eine  besonders  bevorzugte  Stellung  unter  den 
Bürgern    nahmen   die   hohen   und  niederen  Geistlichen, 
sowie  später  sämmtliche  herzogliche  Beamte  bis  auf  die 
Sekretäre  hinab,  ein.    Den  Bürgern  gegenüber  standen 
die  Gäste,  Fremde,  welche  sich  nur  vorübergehend   in 
der  Stadt  aufhielten:  sie  hatten  an  den  politischen  Rechten 
gar  keinen,  an  dem  städtischen  Schutze  nur  theilweisen 
Antheil. 

Zur  Hebung  des  wirthschaftlichen  Wohlstandes  der 
Stadtgemeinde  war  nun  vor  allem  dienlich,  dass  die 
BQrgrer  von  einer  Reihe  lästiger  Abgaben  und  Dienste 
theilweise  oder  ganz  befreit,  und  dass  ihnen  andererseits 
nicht  unerhebliche  neue  Einnahmequellen  erschlossen 
wurden. 

Die  Gründungsurkunde  von  1288  verlieh  den  Bürgern 
zunlU^hst  gänzliche  Zollfreiheit  in  den  bergischen  Landen ; 
Herzog  Gerhard  dehnte  1449  dieselbe  für   alle  in-  und 


54  Zur  Verfasaungsgesehichte  d€r  SU»dt  Däsaeldor 

auswärtigen  Bürger  auf  seine  gesammten  jetzigen  und 
künftigen  Lande  aus.  Sodann  wurden  1288  den  Bürgern 
alle  öffentlichen  Abgaben  bis  auf  die  an  den  Grafen  zu 
zahlende  Herbstbede  und  den  Futterhafer  erlassen;  erstere 
Abgabe  wurde  durch  die  Stadt,  letztere  durch  den  landes- 
herrlichen Finanzbeamten,  den  Kellner  erhoben.  Seit 
dem  15.  Jahrhundert  hatte  die  Stadt  daneben  zu  Weih- 
nachten das  sogen.  Opfergelt  mit  50  rhein.  Gulden  an 
den  Landesherru  zu  zahlen ;  1449  überwies  Herzog  Gerhard 
diese  Abgabe  dem  Ereuzbrüderkloster  als  Stiftungsgut. 
Der  Erwerb  der  in  der  Stadt  belegenen  vogteilichen 
Güter  des  Landesherrn,  welcher  nach  der  Urkunde  von 
1288  noch  an  die  Erlaubniss  des  Grafen  geknüpft  war, 
wurde  1376,  jedoch  mit  Vorbehalt  der  auf  denselben 
lastenden  Abgaben  und  Dienste,  freigegeben.  Abgaben- 
freiheit von  ^  allen  Srbsummen,  Schätzungen,  Diensten 
und  Ungeld^  wurde  1384  und  1394  den  Bürgern  auch  für 
die  in  Golzheim,  Derendorf,  Bilk  und  Hamm  belegenen 
Güter  bewilligt;  den  Einwohnern  von  Hamm  wurde  zudem 
auf  24  Jahre  Bedefreiheit  gewährt.  Durch  einen  Schieds- 
spruch zwischen  der  Stadt  und  der  Collegiatkirche  zu 
Düsseldorf  von  1341  wurde  der  an  letztere  zu  zahlende 
Zehnt  dahin  festgesetzt,  dass  von  jeder  Wohnstätte  ein 
Rauchhuhn,  von  jedem  Garten  in  der  Feldfiur  von  den 
dort  gezogenen  Gemüsen  ein  Denar,  und  von  den  anderen 
Gartenerzeugnissen  deren  zehnter  Theil  jährlichs  ent- 
richtet werden  musste.  Die  von  der  Collegiatkirche  selbst 
erworbenen  Hofstätten  wurden  1396  von  allen  Abgaben 
und  Diensten  befreit.  Den  Bürgern  scheint  die  Freiheit 
von  Diensten  auch  fast  im  ganzen  Umfang  zugestanden 
worden  zu  sein.  Schon  1432  verapricht  Herzog  Adolf, 
dass  die  Stadt  in  Zukunft  nicht  mehr  zur  Stellung  von 
Dienstfuhren,  womit  sie  gegen  ihre  alten  Privilegien  eine 
Zeit  lang  belästigt  worden  sei,  angehalten  werden  solle. 
Ein  Weisthum  von  1494  über  die  schuldigen  Dienste 
der  freien  Höfe  in  der  Bürgerschaft  setzt  fest,  dass  diese 
freien  Höfe  schuldig  sind,  zu  dem  Gottesdienst  an  den 
hohen  Festen  des  Jahres  und  gegen  das  Unwetter  dem 
Offermann  zu  Bilk  läuten  zu  helfen,  zum  Bedarf  der 
Nachbarn  stets  2  Karren  in  guter  Bereitschaft,  sowie  einen 
Stier  und  einen  Zuchteber  zu  halten;  ferner  müssen  sie 
bei  dem  Criminalgcrichte  Dienste  leisten  und  den  städti- 
schen Wachtdienst  mit  versehen;  auf  Verlangen  des  Landes- 
herr n  oder  der  Stadt  haben  sie  einen  Heerwagen  zu  stellen; 
die  Stellung  des  etwa  noch  weiter  erforderlichen  Heer- 
wagens ist  Sache  der  Bürger.  Die  Bürger  waren  zu 
Kriegsdiensten  ausserhalb  der  Stadt  dem  Landesherrn  nur 


Zhit  Verfassttngsgeschichte  <hr  SttuU  Düasehloi^f*  55 

in  sehr  beschränktem  Maasse  verpflichtet;  zur  Verthei- 
digung  der  Stadt  waren  dagegen  alle  gleich  verbunden. 
Zu  letzterem  Zwecke  war  in  späterer  Zeit  die  ganze 
Bürgerschaft  in  4  Compagnien  imter  der  Führung  je  eines 
Hauptmannes  eingetheilt,  welche  aus  städtischen  Mitteln 
bestimmte  Geldzulagen  empfingen.  In  erster  Linie  über- 
nahmen die  städtischen  Schützen  die  Stadtvertheidigung; 
sie  erhielten  deshalb  jährlich  vom  Landesherrn  15,  von 
der  Stadt  8  Gulden;  letztere  lieferte  ausserdem  zu  den 
Schützenfesten  den  Wein  und  befreite  den  Schützenkönig 
auf  ein  Jahr  von  Steuern  und  Diensten.  Von  dem  allen 
Bürgern  gleichmässig  obliegenden  Wachtdienst  konnte 
sonst  nur  ein  landesherrliches  Privileg  entbinden.  Be- 
freiungen von  der  Haus-  oder  von  der  Gewinnsteuer  be- 
willigte auf  kürzere  oder  längere  Zeit  der  Rath  wegen 
Krankheit,  Misswachs  u.  dergl. 

Unter  den  positiven  Massregeln  zur  Beförderung  des 
Stadtwohls  sind  an   erster  Stelle  die  Marktprivilegien  zu 
erwähnen.    Das  Recht  zur  Markthaltung,  welches  zum 
Wesen  einer  Stadt  gehörte,  musste  durch  besonderes  landes- 
herrliches Privileg  verliehen  werden.  Schon  die  Erhebungs- 
urkunde von  1288  verlieh  nun  der  Stadt  Düsseldorf  zwei 
freie  Jahrmärkte^  von  welchen  der  eine  drei  Tage  vor 
und  drei  Tage  nach  Pfingsten,  der  andere  am  Feste  des 
hl.  Lambertus  abgehalten  werden  sollte,  und  einen  Wochen- 
markt  auf  jeden   Dienstag.    Jedem  Besucher   wird   der 
Marktfrieden,   freier  und  ungehinderter  Zutritt  sowie  Be- 
freiung von   persönlicher  Haft   und  Beschlagnahme  des 
Eigenthums  zugesagt;  nur  die  des  Landes  Verwiesenen 
erfreuen  sich  nicht  dieser  Vergünstigung.    Graf  Wilhelm 
verlieh  1371  weiter  der  Stadt  einen  sogen.  Sonntagsmarkt, 
der  vom  Samstagabend  bis  zum  Montagmorgen  dauerte. 
Herzog  Wilhelm  bewilligte  1482  der  Stadt  einen  dritten 
freien  erblichen  Jahrmarkt,  drei  Tage  vor  und  drei  Tage 
nach  St.  Albanstag,  sowie  einen  freien   erblichen  Korn- 
markt auf  jeden  Mittwoch.    Von   letzterem   sind  neben 
den  Feinden  des  Landes  auch  solche  Leute,  welche  auf 
-einem  der  Märkte  gegen  Credit  gekauft,  den  Zahltag  aber 
demnächst   hatten    verstreichen    lassen,    so    lange    aus- 
geschlossen, als  jene  Schuld  nicht  getilgt  ist.    Dagegen 
waren  sowohl  reiche  als  auch  arme  Krämer,  welche  das 
Marktstandgeld  oder  die  Miethe  für  die  Marktbuden  nicht 
erschwingen  konnten,  zugelassen;  verboten  war  der  ge- 
winnsüchtige Vorkauf  des  Korns.    Im  Zusammenhange  mit 
den    Marktprivilegien  wurde  1371    der  Stadt  das  Recht 
verliehen,   Mass-   und  Waagegeld   zu   erheben.  —  Eine 
weitere  wichtige  Einnahmequelle,  ja  gradezu  eine  Lebens- 


50  Zur  Verfassungsgesehiehte  d&r  Stadt  Dlittläorf, 

frage  der  mittelalterlichen  Stadt  bildete  der  Besitz  einer 
genügenden  Anzahl  von  Mühlen.  Da  „Wasser  und  Wind 
der  Herrschaft  sind^,  so  bedurfte  es  sowohl  zur  Anlage 
neuer  als  auch  zur  Verlegung  bereits  bestehender  Wasser- 
und  Windmühlen  stets  eines  landesherrlichen  Privilegs. 
Herzog  Gerhard  verpachtete  1449  zunächst  der  Stadt 
seine  zwei  Walk-  und  Oelmühlen,  erstere  von  besonderer 
Bedeutung  für  das  Tuchmacher-Gewerbe ;  die  Pachtsumme 
war  an  den  Kellner  in  Düsseldorf  zu  zahlen.  Im  Jahre 
1483  verpachtete  Herzog  Wilhelm  der  Stadt  die  Stadt- 
mühle und  die  Rompelsmühlc  mit  dem  Recht,  die  Mühlen 
auch  an  eine  andere  Stelle  zu  verlegen  und  zum  Mühlen- 
bau das  Düsselwasser  abzulassen.  Als  Pacht  zahlte  die 
Stadt  an  den  Kellner  von  der  Stadtmühle  40  Malter 
Roggen  und  40  Malter  Malz,  von  der  Rompelsmflhle  12 
Malter  Roggen  und  zwar  zu  zwei  Terminen:  26  Malter 
Roggen  und  20  Malter  Malz  auf  St.  Johannstag  zu  Mitt- 
sommer und  ebensoviel  auf  St.  Andreastag.  Besonders 
werthvoU  für  die  Stadt  war  es,  dass  sie  zugleich  für  beide 
Mühlen  das  Mahl-Zwangsrecht  für  den  ganzen  Stadtbezirk 
erhielt,  so  dass  jeder  Bürger  bei  Geldstrafe  verpflichtet 
war,  seine  gesammte  Frucht  in  diesen  Bannmühlen  gegen 
eine  Abgabe  an  die  Stadt  mahlen  zu  lassen ;  ausgenommen 
von  diesem  Bannrecht  war  die  dem  Herzog  gehörige  Schade- 
lachs- (Scheidlings-  ?)  Mühle ;  auch  durfte  die  Stadt  von  dem 
für  die  herzogliche  Hofhaltung  erforderlichen  Getreide 
keine  Abgabe  in  den  Bannmühlen  erheben.  Herzog  Jo- 
hannverlieh 1512,  weil  in  Düsseldorf  zu  bestimmten  Zeiten, 
besonders  bei  hartem  Winter  und  trockenem  Sommer, 
Wassermangel  herrsche,  der  Stadt  dazu  eine  Windmühle, 
von  welcher  keine  Pacht  gezahlt  zu  werden  brauchte. 
Neben  jenen  Wassermühlen,  welchen  bei  einer  Belagerung 
leicht  das  Wasser  abgegraben  werden  konnte,  und  dieser 
Windmühle,  welche  wegen  ihrer  Lage  auf  oder  vor  der 
Stadtmauer  sehr  dem  Feinde  ausgesetzt  war,  besass  die 
Stadt  noch  eine  Rossmühle,  welche  somit  in  den  Tagen 
einer  Belagerung  besonders  wichtig  war.  —  Unter  den 
sonstigen .  Gerechtsamen  der  Stadt  sind  noch  zu  nennen 
das  ihr,  1437  zunächst  nur  für  die  Stadtgräben  bis  Pempel- 
fort,  1449  aber  auch  für  den  Rhein  gegen  eine  jährliche 
Abgabe  von  2  Salmen  an  den  Kellner  verliehene  Fischerei- 
gerechtsam  und  das  1437  für  den  ganzen  Stadtbezirk  be- 
willigte Biergrütgerechtsam.  Nachdem  die  Abgabe  für 
die  Fischerei  1483  auf  4  Salmen  erhöht  worden  war, 
wurde  sie  der  Stadt  auf  ihre  Bitte  1661  ganz  erlassen. 
Die  Einnahmen  aus  diesen  beiden  Gerechtsamen  musste 
die  Stadt  in  erster  Linie  zur  Unterhaltung  der  Stadtmauer 


Zur  Verfasaungsgeschiehte  der  Stadt  Düsseldorf,  57 

und  sonstiger  Bauten   verwenden,   worüber  sie   auf  Er- 
fordern Rechenschaft  zu  geben  hatte.  —  Endlich  ist  noch 
zu  erwähnen,  dass  die  Stadt  das  schon  früher  auf  einige 
Jahre  erhaltene  Recht,  von  jedem  auf  dem  Rhein  vorbei- 
fahrenden Schiffe   zur  Unterhaltung  des  Werftes   2  köl- 
nische Weisspfennige  zu  erheben,  1446  auf  immer  erhielt, 
dass   sie   im  Besitze  des  Schröteramts  am  Rhein  und  in 
der  Stadt  gegen  eine  jährliche,  am  St.  Andreastage  fällige 
Abgabe  von  4  rhein.  Oulden,  welche  ihr  aber  1483  er- 
lassen wurde,  und  im  Besitze  der  Erahnengerechtigkeit 
war,  sowie  dass  ihr  seit  1483  die  städtische  Accise,  welche 
sie  theilweise  schon  früher  besass,  ganz  überlassen  war 
mit  dem  Rechte,  die  Höhe  derselben  beliebig  festzusetzen. 
Neben  diesen  wirthschaftlichen  Befreiungen  und  Be- 
günstigungen der  Stadtgemeinde  zeigte  sich  deren  öffent- 
lich-rechtliche Selbständigkeit  einmal  darin,  dass  in  der 
älteren  Zeit  die  ganze  Stadtgemeinde  selbständig  handelnd 
auftritt  bei  Rechtshändeln,  welche  das  gesammte  städtische 
Interesse  berühren,  und  sodann  besonders  in  der  Gerichts- 
verfassung und  in  der  inneren  Verwaltung. 

n.  Gerichtsverfassung.  Die  Erhebungsurkunde 
von  1288  gab  der  Stadt  ein  eigenes  Gericht.  Die  räum- 
liche Ausdehnung  der  Gerichtsbarkeit  dieses  Stadtgerichts 
deckte  sich  mit  den  Grenzen  des  Stadtgebiets;  zwar  be- 
hielt Bilk,  als  es  1384  dem  Stadt  verbände  einverleibt 
wurde,  anfangs  sein  eigenes  Schöffengericht  bei;  aber 
schon  1394  bei  der  Zutheilung  von  Hamm,  welches  bis 
dahin  in  Bilk  dingpflichtig  war,  an  das  Stadtgebiet  wurde 
dieses  besondere  Gericht  aufgehoben.  Die  sachliche 
Zuständigkeit  des  Stadtgerichts  umfasste  anfangs  die 
gesammte  Civil-  und  Strafgerichtsbarkeit.  Von  letzterer 
waren  jedoch  leichtere  Vergehen  gegen  polizeiliche  An- 
ordnungen, deren  Aburtheilung  dem  Rath  zustand,  und 
diejenigen  Strafthaten  gegen  Religion  und  Sittlichkeit  aus- 
genommen, welche  zur  Zuständigkeit  des  Sendgerichts 
gehörten.  Letzteres  wurde  einmal  im  Jahre  unter  dem 
Vorsitze  des  Pfarrers  abgehalten ;  die  im  Laufe  des  Jahres 
vorgekommenen,  zu  seiner  Cognition  gehörigen  Vergehen 
wurden  in  der  Sitzung  von  den  Nachbarmeistern  zur 
Anzeige  gebracht  und  gleich  abgeurtheilt.  Weiter  waren 
aber  anfangs  von  der  Criminalgerichtsbarkeit  des  Stadt- 
gerichts ausgenommen  die  Fälle  des  Diebstahls,  des  Todt- 
Schlags  und  der  Nothzucht;  für  diese  war  das  Haupt- 
gericht zu  Kreuzberg  vor  Kaiserswerth  zuständig;  zu 
diesem  Gerichte,  welches  durch  den  Zusammentritt  der 
Ritterschaft  und  der  Schöffen  aller  Gerichte  unterhalb 
der  Wupper  gebildet  wurde,  hatte  auch  Düsseldorf  einen 


58  Zur  Verfaasungageschiehte  der  Stadt  Düsseldorf, 

seiner  Schöffen  zu  entsenden.  Graf  Wilhelm  verlieh  in- 
dessen 1371  der  Stadt  „einen  Galgen'^  d.  h.  die  Zuständig- 
keit auch  für  jene  bis  dahin  vor  das  Kreuzberger  Gericht 
gehörigen  Verbrechen,  jedoch  mit  der  Massgabe ,  dass 
bei  deren  Verhandlung  nicht  der  Stadtrichter,  sondern 
der  Amtmann  von  Angermund  den  Vorsitz  führen  sollte. 
Erstreckte  sich  nunmehr  die  Zuständigkeit  des  Stadt^ 
gerichts  auf  den  ganzen  Stadtbezirk  und  auf  fast  alle 
Civil-  und  Strafsachen  seiner  Bewohner,  so  wurde  diese 
Bedeutung  desselben  noch  erhöht  dadurch,  dass  der  Stadt 
gleich  1288  das  Privilegium  verliehen  wurde,  dass  kein 
Bürger  wegen  irgend  einer  Civil-  oder  Strafklage,  mochte 
dieselbe  auch  ausserhalb  der  Stadt  erwachsen  sein,  vor 
ein  auswärtiges  Gericht  gezogen  werden  durfte. 

Im  Zusammenhange  hiermit  ist  auch  der  processrecht- 
lichei)  Vorschriften  zu  gedenken,  welche  die  Gründungs- 
urkunde von  1288  zum  Vortheile  der  Bürger  aufstellte, 
und  welche  auf  eine  Erleichterung  des  Beweises  und 
Einschränkung  des  Zweikampfes  hinauslaufen. 

Der  ausgedehnte,  lebhafte  Verkehr,  welchen  man 
sich  von  der  Stadt  versprach,  konnte  nicht  bestehen  mit 
dem  bis  dahin   geltenden    landrechtliehen  Beweisrecht, 
nach  welchem  der  Beklagte,  wenn  nicht  ein  gerichtlich 
abgeschlossener   Vertrag  oder    ein    durch  leibliche  Be- 
weisung  dargethanes  Vergehen  vorlag,   in  allen  Fällen 
jede  klägerischerseits  behauptete  Schuld    durch    seinen 
einfachen  Eid  ableugnen  konnte,  ohne  dass  dem  Kläger 
vergönnt  war,  seine  Behauptung  unter  Zeugenbeweis  zu 
stellen.    Deshalb  Hess  die  Erhebungsurkunde  von  1288 
für  den  Kläger  in  Civilsachen  den  Beweis  durch  zwei 
Zeugen   zu,   welcher  dem  einfachen  Reinigungseid  des 
Beklagten  vorging;   als  Zeugen  konnten  aber  nur  ein* 
heimische   oder  fremde  Schöffen   auftreten.    Der  unter- 
liegende Theil  hatte   5  Mark   an  den  Landesherrn   und 
5  Schillinge  an  die  Stadt  zu  zahlen.  Desgleichen  konnten 
Eheschliessungen    durch    zwei    Zeugen    („Bruloffsleute^ ; 
bruloff  d.  h.  Hochzeit)  bewiesen  werden.   In  Criminalsachen 
genügte  zur  Ueberführung  das  Zeugniss  zweier  Schöffen 
und    des    vereidigten   Frohnboten;    lag    kein    Zeugniss 
vor,  80  konnte  der  Angeschuldigte  sich  durch  seinen  Eid 
reinigen,   vorbehaltlich    der   Ueberführung   durch   einen 
gerichtlichen  Zweikampf :  auf  einten  solchen  brauchte  sieb 
aber  ein  Bürger  nur  gegenüber  einem  Bürger  und  nur 
in  schweren  Criminalfällen  einzulassen.    Die  Strafgelder 
fielen  ebenfalls  zum  grösseren  Theil  an  den  Landesherm» 
zum  kleineren  Theil  an  die  Stadt. 


Zuf  VerfasBungsgesekiehU  ätt  Stadt  Düsseldorf.  59 

Das   Personal    des   Stadtgerichts    bestand   aus   dem 
Schultheiss,  acht  Schöffen,  dem  Gerichtsschreiber,  der  zu- 
gleich als  Stadtschreiber  fungirte,  und  aus  einem,  später 
zwei  Gerichtsboten.    Der  Scbultheiss  setzte  die  Termine 
an,  führte  in  dem  Gericht,   mit  Ausnahme  bei  der  Ver- 
handlung über  Diebstahl,  Todtschlag  oder  Nothzucht,  den 
Vorsitz   und   hatte  die  Vollstreckungsgewalt;   er   wurde 
von  dem  Landesherm  ernannt  und  war  diesem  vereidigt; 
von  ihm  empfing  er  auch  ein  festes  Gehalt  neben  dem 
ihm  zustehenden  Antheil  an  den  Gerichtsgebtthren ;  später 
scheint  der  jedesmalige   Bürgermeister  für  das  nächste 
Jahr  das  Amt  des  Schultheissen  bekleidet  zu  haben;   er 
hatte  einen  Stellvertreter  in  der  Person  des  Unterschult- 
heissen.     Das  Urtheil  wurde  lediglich  von  den  Schöffen 
gesprochen.     Sie  wurden  von  der  Bürgerschaft  frei  ge- 
wählt und  mussten  von  dem  Landesherrn  bestätigt  werden; 
wählbar   waren   nur  Bürger;    die  Schöffen   hatten   dem 
Landesherrn    und    der   Stadt   den   genau    feststehenden 
Schöflfeneid  zu  leisten.    Bei  dem  Tode  oder  sonstigen  Ab- 
gange eines  Schöffen  hatten  die  übrigen  im  Verein  mit 
der  Bürgerschaft  für  die  erledigte  Stelle  drei  neue  Can- 
didaten  dem  Landesherrn  zu  präsentiren;   dieser  musste 
einen  von  denselben  zum  Schöffen  ernennen.    Eine  feste 
Besoldung  bezogen  die   Schöffen   von  dem  Landesherrn 
nicht;  ihr  Unterhalt  bestand,  abgesehen  davon,   dass  die 
Stadt  ihnen  jährlichs  einen  Radergulden  zahlte,  in  den 
gewissen  Antheilen  an  den  Gerichtsgebühren.   Der  Stadt- 
schreiber, welcher  dem  Landesherrn  und  der  Stadt  ver- 
eidigt war,   bezog  von   der  Stadt   eine   feste  Besoldung, 
jährlichs  14  Radergulden  und  2  Malter  Roggen;  er  hatte 
alle   gerichtlichen    Akte,  Verträge,  Verhandlungen  und 
Urtheile  in  das  Gerichtsbuch  einzutragen,  welches   auf 
dem  Bürger-  oder  Rathhause  in  'einer  Truhe  aufbewahrt 
wurde,  zu  welcher  nur  die  beiden  ältesten  Schöffen,  und 
zwar  jeder  einen  verschiedenen,  Schlüssel  besassen.   Die 
Boteu,    welche   ebenfalls   von  der  Bürgerschaft  gewählt 
wurden  und  dem  Landesherrn  und  der  Stadt  vereidigt 
waren,    hatten   die   Ladungen   auszuführen,   Pfändungen 
vorzunehmen  und  sonst  bei  der  Zwangsvollstreckung  dem 
Schultheissen  behülflich  zu  sein;  jeder  von  ihnen  bezog 
jährlich   von   der  Stadt  6  Gulden,  die  Kleidung  und  ein 
Paar  Schuhe.     Daneben   hatten  sie  wie  auch  der  Stadt- 
schreiber   gewisse    Antheile    an    dßn    Gerichtsgebühren. 
Während  die  Gerichtssitzungen  Anfangs  nur  nach  Bedarf 
stattfinden    sollten,   wurde    1555    angeordnet,    dass    sie 
wenigstens  alle  14  Tage  an  einem  Werktage  von  7  Uhr 
Morgens  im  Sommer  und  von  8  Uhr  im  Winter  bis  Mittags 


60  Zur  Verfasaungsgesekiehte  der  Stadt  DüssBldorf. 

1  Uhr,  nach  einer  8  Tage  vorüer  in  den  Kirchen  ge- 
schehenen Bekanntmachung,  abgehalten  werden  sollten. 
Bei  Civil-  und  Straf  klagen  musste  das  Gericht  mit  wenig- 
stens sieben  Schöffen  besessen  sein;  bei  den  Akten 
der  freiwilligen  Gerichtsbarkeit  genügte  meistens  die 
Mitwirkung  des  Schultheissen  und  zweier  Schöffen. 
Erhoben  sich  unter  den  Schöffen  in  irgend  einer  Rechts- 
frage Zweifel,  so  mussten  sie  ihre  Consultation  bei  dem 
Schöffengericht  in  Ratingen  nehmen ;  als  Beilage  zu  dieser 
Consultationsfahrt  hatte  jede  Partei  vier  Gulden  zu  zahlen : 
daneben  wurden  dem  consultirten  Schöffenstuhl  manchmal 
besondere  Geschenke  verehrt.  Darauf,  dass  eine  Stadt 
Consultationsstätte  für  eine  andere  ist,  weist  auch  ledig- 
lich die  Bezeichnung  „Hauptstadt''  hin;  Düsseldorf  war 
„Hauptäitadt^,  weil  bei  seinem  Schöffengericht  dasjenige 
von  Monheim  Consultation  nehmen  musste.  In  späterer 
Zeit  wurde  das  Schöffengericht  angewiesen,  in  schwierigen 
Rechtsfragen  das  Gutachten  einer  juristischen  Facultät 
einzuholen.  —  Gegen  alle  Urtheile  des  Schöffengerichts 
stand  jeder  Partei  das  Rechtsmittel  der  Appellation  an 
den  Landesherrn  zu.  Dieses  Rechtsmittel  wurde  1561 
auf  Processe  beschränkt,  deren  Streitobject  über  25,  und 
1578  auf  solche,  deren  Streitobject  über  50  Goldgulden 
betrug.  Dem  damaligen  Zuge  der  Zeit,  die  Urtheile  der 
eigenen  Gerichte  der  Instanz  des  neuen  Reichskammer- 
gerichts möglichst  zu  entziehen,  folgten  auch  die  Herzöge 
von  Berg ;  von  den  Urtheilen  des  herzoglichen  Hofgerichts 
zu  Düsseldorf  konnte  seit  1546  an  das  Reichskammer- 
gericht nur  bei  einem  Streitobjecht  von  mehr  als  400  rhein. 
Gulden,  und  seit  1568  nur  bei  einem  solchen  von  mehr 
als  600  Goldgulden  appellirt  werden. 

Der  anfänglichen,  ziemlich  umfassenden  sachlichen 
Zuständigkeit  des  städtischen  Schöffengerichts  erwuchs 
mit  der  Zeit  eine  erhebliche  Concurrenz  in  der  Gerichts- 
barkeit des  Rathes.  Schon  früh  hatte  der  Rath  die  Cog- 
nition in  kleineren  Polizeidelicten  und  einen  erheblichen 
Theil  der  freiwilligen  Gerichtsbarkeit,  nämlich  die  Vor- 
mundschafts- und  Nachlassenschaftssachen  an  sich  ge- 
bracht; der  Umfang  seiner  Zuständigkeit  dehnte  sich, 
wenn  auch  unter  mannigfachen  Competenzstreitigkeiten, 
immer  mehr  aus,  bis  er  im  Jahre  1672  nicht  nur  die 
Cognition,  sondern  auch  die  Execution  in  allen  Polizei- 
delicten und  in  allen  Civilsachen  umfasste  und  landes- 
herrlich bestätigt  wurde. 

III.  Innere  Verwaltung.  Die  innere  Verwaltung 
der  städtischen  Angelegenheiten  lag  in  den  Händen  des 
Bürgermeisters  und  des  Raths.    Zweifelhaft  ist,  ob  der 


Zur  Verfas8ung9gesehieht4  dgr  Stadt  D^ssMorf»  61 

Rath  schon  gleich  bei  der  Stadterhebung  Düsseldorfs  ins 
Leben  trat,  und  die  Erhebungsurkunde  von  1288  seine 
Einsetzung  nur  deshalb  mit  Stillschweigen  übergeht,  weil 
dieselbe  wohl  selbstverständlich  war,  oder  ob  das  Schöifen- 
coUegium  anfangs  auch  die  Functionen  des  Raths  versah, 
und  dieser  sich  erst  in  der  Folgezeit  aus  jenem  entwickelte. 
Jedenfalls  bestand  der  Rath  als  besonderes  CoUegium 
bereits  1358  laut  einer  Urkunde  aus  diesem  Jahre.  Bürger- 
meister und  Rath  wurden  von  und  aus  der  Bürgerschaft 
gewählt  und  sind  dem  Landesherm  vereidigt.  Wie  zur 
BQrgeraufnahme,  so  wurde  auch  von  dem  Candidaten  für 
die  Rathswahl  im  16.  und  noch  im  17.  Jahrhundert  die 
Ängehörigkeit  zur  römisch-katholischen  Confession  ge- 
fordert. In  späterer  Zeit  wurde  der  Bürgermeister  ab- 
wechselnd  in  dem  einen  Jahre  aus  dem  Schöffencollegium, 
in  dem  andern  aus  den  Rathsmitgliedern  gewählt;  auch  das 
active  Wahlrecht  war  damals  von  der  gesammten  Bürger- 
schaft auf  die  Schöffen  und  Rathsmitglieder  übergegangen. 
Der  Bürgermeister  musste  noch  im  18.  Jahrhundert  für 
die  Dauer  seines  Amtes  eine  ziemlich  hoch  bemessene 
Caution  stellen.  Erst  In  dem  auf  das  abgelaufene  Amts- 
jähr  folgenden  Jahre  legte  er  Rechnung  über  seine  Amts- 
führung ab  vor  einer  Commission,  welche  aus  einem 
Schöffen,  einem  Altrath  und  einem  Jungrath  bestand. 
Die  einzelnen  Zweige  der  umfangreichen  Thätigkeit  des 
Raths  waren  bald  an  einzelne  Mitglieder,  bald  an  Com- 
missionen  vertheilt. 

Entsprechend  der  oben  erwähnten  Bedeutung  der 
Mühlen  fllr  die  Stadt,  war  auch  deren  Verwaltung  ein- 
gehend geregelt.  Das  ganze  Mühlenwesen  unterstand 
dem  aus  den  Rathsmitgliedern  zu  ernennenden  Mühlen- 
commissar,  welcher  ebenso  wie  der  Bürgermeister  eine 
hohe  Caution  stellen  musste.  Das  ihm  untergebene  Personal 
bestand  aus  den  vier,  zeitweilig  sechs  Stadtmüllern,  den 
zwei  Mühlschreibern  und  den  erforderlichen  Mühlknechten ; 
alle  diese  Personen  waren  dem  Rath  vereidigt.  Abgesehen 
von  der  technischen  Leitung  und  der  Ausführung  der 
erforderlichen  Reparaturen,  war  die  Thätigkeit  des  Mühlen- 
commissars  eine  finanzielle  und  ^ewerbspoIizeUiche.  In 
erster  Beziehung  hatte  er  darauf  zu  sehen,  dass  kein 
Getreide  in  den  Mühlen  zum  Mahlen  angenommen  wurde, 
bevor  durch  Vorzeigung  der  auf  dem  Mühlencomptoir  zu 
lösenden  Mahl-  und  Acciszettel  der  Nachweis  erbracht 
war,  dass  die  Abgabe  an  die  Stadt  entrichtet  war;  An- 
zeigen von  Uebertretungen  des  Bannrechta  waren  bei 
ihm  zu  erstatten ;  die  Denuncianten  erhielten  aus  städtischen 
Mitteln  Belohnung.    Sodann  lag  ihm  die  Controlle  des 


62  Zur  Vtrfa98ungsg€ichiehi€  der  Stadt  Düsseldorf. 

Geschäftsverkehrs  der  Müller  mit  dem  Publicum  ob, 
welcher  durch  die  Vorschriften  der  Mühl-Ordnung  geregelt 
war.  Die  Mttller  durften  sich  nur  dem  vom  Rathe  ge- 
zeichneten Maasse  bedienen ;  sie  durften  die  Früchte  der 
verschiedenen  Mahlleute  nicht  vermengen ;  sie  sollten  die 
Leute  der  Reihe  nach,  wie  sie  in  die  Mühle  kommen, 
abfertigen,  „es  wäre  dann  ein  Armer,  so  viel  Kinder  und 
kein  Brod  hätte  ;^  Gänse,  Hühner  und  Enten  durften  sie 
nicht  in  der  Mühle  gehen  lassen,  auch  sollten  sie  nicht 
mehr  Schweine  mästen,  als  sie  für  ihren  Haushalt  bedurften. 
Die  Mühlknechte  hatten  von  den  Bürgern  das  zu  mahlende 
Getreide  abzuholen.  Ausser  ihrem  feststehenden  Gehalte 
erhielten  die  Müller  zu  Fastnacht  von  der  Stadt  eine 
besondere  Geldzulage,  das  sogen.  Fastnachtsbibal.  Um 
dem  Rath,  welcher  die  Preise  des  Getreides  und  Brodes 
festsetzte,  eine  jederzeit  zutreffende  Unterlage  hierfür  zu 
verschaffen,  musste  der  Mühlencommissar  jedesmal,  sobald 
eine  Aenderung  der  Fruchttaxe  in  Aussicht  stand,  hierüber 
dem  Rath  Bericht  erstatten.  Die  Mühlenschrciber  hatten 
am  Ende  eines  jeden  Monats  eine  Bilanz  über  Einnahme 
und  Ausgabe  der  Mühlen  dem  Stadtrentmeister  einzureichen. 
Nach  Ablauf  seiner  Amtsperiode  hatte  der  Mühlencom- 
missar gegen  einen  von  der  Stadt  zu  entrichtenden  Mess- 
lohn eine  genaue  Aufstellung  der  in  den  Stadtmühlen 
lagernden  Getreidevorräthe  dem  Rath  einzureichen.  Der 
Rath  controUirte  diese  Vorräthe  deshalb,  weil  er,  um  bei 
Missernten  oder  dergl.  Unglücksfällen  einer  Hungersnoth 
oder  wenigstens  einer  Vertheuerung  des  Korns  vorzu- 
beugen, verbunden  war,  in  einem  Befestigungsthurme  der 
Stadtmauer,  dem  sogen.  Kornstburm,  stets  einen  gewissen 
eisernen  Bestand  an  Getreide  vorräthig  zu  halten. 

Der  Rath  handhabte  ferner  die  Marktpolizei  durch 
die  aus  seiner  Mitte  ernannten  Markt-  und  Hallenmeister, 
denen  zwei  vereidete  Markt-  und  Hallendiener  zur  Seite 
standen.  Die  auf  dem  Markte  befindlichen  Verkaufs- 
hallen wurden  an  die  Verkäufer  gegen  ein  festes  Stand- 
geld überlassen  und  zwar  entschied  vierte^ährlich  eine 
Verloosung  über  die  einzelnen  Stände.  Gewisse  Waaren, 
wie  Fleisch,  durften  nur  in  diesen  Hallen,  niemals  im 
Wohnhause  feilgeboten  werden.  Die  Lebensmittel  konnten 
nicht  theurer  verkauft  werden,  als  die  vom  Rathe  mit 
Genehmigung  des  Landesherm  aufgestellte  Lebensmittel- 
taxe gestattete.  Es  durften  auf  dem  Markte  nur  die  vom 
Rath  gestempelten  oder  geaichten  Maasse  und  Gewichte 
benutzt  werden;  die  Aichung  selbst  geschah  vor  ver- 
sammeltem Rathe  durch  Einzeichnung  oder  Einbrennung 
^des  gewohnlichen  Stadtzeichens,  des  Ankers^.  Zugleich 


Zur  VerfasaungageeehiehU  der  Stadt  Düsseldorf.  63 

hatten  die  genannten  Beamten  auch  darüber  zu  wachen, 
das8  nur  gute  Waaren  auf  den  Markt  kamen,  dass  die 
Maass-  und  Waagengelder  und  die  sonstigen  Abgaben 
von  den  Waaren  richtig  an  die  Stadt  gezahlt  wurden. 
Nach  einer  Raths Verordnung  von  1665  wurden  hinsichtlich 
der  auf  dem  Wochenmarkte  zu  erhebenden  Accise  die 
Fremden  den  Bürgern  gleichgestellt ;  Obst,  Eier,  Hühner, 
inländische  Butter,  EAse,  Honig  und  fHsche  Fische,  des- 
gleichen kleineres  Eisenwerk,  wie  Nägel,  Harken  und 
Schuppen  waren  abgabefrei ;  wurden  sie  aber  in  grösseren 
Quantitäten,  in  Fässern  oder  in  Karren  zu  Markt  gebracht, 
so  wurde  davon  die  einfache  Accise  erhoben ;  das  fremde 
Bier  unterlag  der  doppelten  Accise,  nämlich  einer  Abgabe 
von  8  Weisspfennigen  von  der  Ohm. 

Weiterhin  nahm  die  Baupolizei  die  Thätigkeit  des 
Raths  erheblich  in  Anspruch,  besonders  seitdem  Düssel- 
dorf Residenz  geworden  war^  und  das  Streben  des  Landes- 
herm  so  sehr  auf  die  Verschönerung  der  Stadt  durch 
neue  und  ansprechende  Bauten  gerichtet  war,  dass  sogar 
hier  und  da  für  die  Errichtung  eines  Neubaues  Steuer- 
und  Dienstefreiheit  auf  einige  Jahre  durch  landesherrliches 
Privileg  bewilligt  wurde. 

Es  durften  die  Dächer  nicht  mehr  mit  Stroh,  sondern 
nur  noch  mit  Dachziegeln  gedeckt  werden.  Zur  Her- 
stellung derselben  war  ein  besonderer  städtischer  Dach- 
ziegelbäcker angestellt,  welcher  nach  seinem  Contrakte 
die  ersten  drei  Jahre  jährlichs  125,000  und  für  jedes  fol- 
gende Jahr  100000  Pfannen  fertigstellen  und  den  Bürgern 
tausend  Stück  Pfannen  zu  51/2  Oulden  ablassen  musste. 
Eine  Baufluchtlinie  wurde  festgesetzt,  über  die  hinaus 
nicht  gebaut  werden  durfte;  die  Giebel  der  "Häuser  an 
dem  Markte  und  den  benachbarten  Strassen  mussten  aus 
Stein  hergestellt  werden;  für  die  Ziegelsteine  war  eine 
bestimmte  Grösse  vorgeschrieben;  Scheunen,  Stallungen, 
Düngergruben  und  ^heimliche  Gemächer^  durften  nicht 
mehr  auf  die  Strassen  oder  öffentlichen  Plätze  hinaus  an- 
gelegt werden.  Hand  in  Hand  mit  diesen  Vorschriften 
ging  die  Strassen-  und  Wegepolizei.  Die  Pflasterung  der 
Strassen  wurde  nach  einem  bestimmten  Plane  in  die  Hand 
genommen;  die  Gossen  sollten  in  der  Mitte  der  Strassen 
angelegt  werden,  wo  dieselben  sich  aber  von  Alters  her 
neben  den  Häusern  befanden,  sollten  sie  überdeckt  werden; 
behufs  Ausbesserung  der  Strassen  sollte  der  Rath  immer 
einen  gewissen  Vorrath  von  Pflastersteinen  und  Kies  in 
Bereitschaft  halten.  Die  Reinigung  der  städtischen  Strassen 
überwachten  die  vier  Stadtdiener;   die  Aufsicht  über  die 


64  Zur  VerfassungsgesehichU  der  Stadt  DOssMorf, 

Wege  in  der  Feldflur  lag  in  den  Händen  von  FeldschQtzen; 
zur  Ausbesserung  der  Wege  wurden  noch  im  18.  Jahr- 
hundert vielfach  die  Hand-  und  Spanndienste  der  Anwohner 
aufgeboten.  Die  gegen  Feuersbrunst  vom  Rath  beschafften 
Löschgeräthe  standen  unter  den  Aufsicht  der  Stadtdiener. 
Diese  Beamten  hatten  zugleich  die  Steuern  beizutreiben, 
die  Bekanntmachungen  des  Raths  durch  .Trommelschlag 
und  Vorlesen  auf  dem  Markte  zu  verkünden,  die  Laternen 
der  Stadt  in  Ordnung  zu  halten  und  ähnliche  unter- 
geordneten Dienste  zu  verrichten. 

Der  Rath  beaufsichtigte  auch  das  Schulwesen;  die 
Nachbarmeister  mussten  am  zu  diesem  Zwecke  von  Zeit 
zu  Zeit  ein  Verzeichniss  derjenigen  Elinder  aus  ihrer 
Nachbarschaft  einreichen,  welche  ,,m  Schul  und  Katechis- 
mus zu  gehen  schuldigt  sind.  Das  Armenwesen  und  die 
Krankenpflege  gehörten  ebenfalls  zu  dem  Geschäftskreis 
des  Raths.  Die  Stadtmüller  mussten  auf  städtische  Kosten 
zu  Ostern,  Pfingsten  und  Weihnachten  eine  gewisse 
Quantität  Getreide  für  die  Armen  verbacken;  die  Stadt- 
kasse bewilligte  den  Armen  zeitweise  Almosen  in  Geld 
und  Lebensmitteln.  Den  Kranken,  für  welche  besonders 
das  durch  den  Wohlthätigkeitssinn  der  Bürger  mit 
Stiftungen  reich  ausgestattete  Gasthaus  oder  Hospital 
sorgte,  wurde  unentgeltlich  ärztliche  Hülfe  und  Medizin 
gewährt.  Für  die  Aufgaben  der  Gesundheitspolizei  hatte 
der  Rath  stets  ein  wachsames  Auge ;  als  die  Pest  in  der 
Nachbarschaft  auftrat,  liess  er  Vorschläge  über  die  Ab- 
sperrung der  Strassen  mittels  Ketten  und  Gatter  aus- 
arbeiten. 

Endlich  mag  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
dem  Rathe,  theilweise  unter  Mitwirkung  des  Landesherm, 
für  alle  diese  Zweige  der  städtischen  Verwaltung  auch 
die  autonome  Gesetzgebungsgewalt  zustand.  An  der 
Spitze  der  gleichfalls  dem  Rath  zustehenden,  und  sich 
hauptsächlich  in  dem  Besteuerungsrecht  der  Bürger 
äussernden  Finanzgewalt  stand  der  Stadtrentmeister, 
welcher  aus  den  Rathsmitgliedem  gewählt  wurde. 


der  katholischen  Gemeinde  Düsseldorfs. 


Von 

Dr.  Ludwig  Küpper. 

ach  der  alten  Gau-Eintbeilung,  welche  in  diesem 
Falle  auch  für  die  Abgrenzung  des  kirchlichen 
Verwaltungsbezirkes  massgebend  war,  gehörte 
die  Gegend,  in  der  später  die  Stadt  Düssel- 
dorf gelegen,  zum  sogenannten  Keldachgau. 
Dieser  erstreckte  sich  von  der  Wupper  bis  zur  Anger 
und  vom  Rheine  nach  Osten  hin  bis  an  den  Hettergau  in 
der  Gegend  von  Elberfeld.    Die  ersten  Christianisirungs- 
versuche  im  Keldachgau  sind  wahrscheinlich  von  Köln 
aus  unternommen  worden.    Einige  alte  Kirchen,  so  in  der 
Nähe  von  Düsseldorf  die  Kirchen  zu  Hilden,  Wittlaer  und 
Mündelheim,  führen  ihren  Ursprung  auf  diese  kölnische 
Missionsthätigkeit  zurück.    Im  Jahre  695  liess  sich  sodann 
der  h.  Suidbertus  auf  der  nach  ihm  Suidbertswerth, 
spärter  seit  Friedrich  Barbarossa  Kaiserswerth  genannten 
lUheininsel  nieder;  von  hier  aus  wurde  nun  theils  durch 
Suidbert  selbst,  theils  durch  seine  Nachfolger  die  Bekeh- 
rung des  Keldachgaues  vollendet,  i)    Von  Suidbert  selbst 
gestiftet  sind  in  der  Nähe  von  Düsseldorf  die  Kirchen 
Katingen  und  Bilk;  letztere,   die  alte  St.  Martinskirche 
in    Bilk^   ist  geschichtlich  die  Mutterkirche,   weil   erste 
Pfarrkirche  des  ganzen  Düsseldorfer  Bezirkes.    Ausser- 
dem befand  sich  aber  innerhalb  jenes  Pfarrbezirkes  an 
der  Stelle,  wo  jetzt  die  Lambertildrche  steht,  noch  eine 
kleine  Kü'che  oder  Kapelle,  hinsichtlich  welcher  es  un- 
gewiss ist,  ob  sie  von  Suidbert  selbst,  oder  von  einem 


>)  Vgl.  zu  diesen  Eingangsdaten  Kessel,  der  sei.  Gerrich  (von 
GorreHheim).    Düsseid.  1877,  S.  15  ff. 


66  Geschichte  der  hathclischen  Gemeinde  Dffseeldwfe, 

seiner  Nachfolger  emchtet  wurde.*)  Um  diese  Eürcbe 
herum  baute  sich  allmählich  ein  Dörfehen  an,  der  Anfang 
des  heutigen  Düsseldorf.  Im  Jahre  1206  wurde  dasselbe 
von  Bilk  abgetrennt  und  zu  einer  eigenen  Pfarre  er- 
hoben, welche  ausser  Düsseldorf  auch  das  Gebiet  der 
späteren  Plärre  Derendorf  umfasste.  Titular  der  Pfarr- 
kirche war  der  h.  Lambertus. 

Einen  weiteren  Aufschwung,  wie  in  der  commanalen, 
so  auch  in  der  kirchlichen  Entwickelung  Düsseldorfs 
brachte  das  Jahr  1288.  Nachdem  Graf  Adolph  VT.  von 
Berg  am  5.  Juni  dieses  Jahres  seinen  Gegner,  den  Kölner 
Erzbischof  Sifrid  von  Westerburg,  in  der  Worringer 
Schlacht  besiegt  und  gefangen  genommen  hatte,  beschloss 
er  in  Ausführung  eines  lange  gehegten  Planes,  einen 
befestigten  Platz  am  Rheine  anzulegen.  Hierau  wurde 
Düsseldorf  ausersehen  und  zum  Range  einer  Stadt  erhoben. 
Hand  in  Hand  damit  ging  die  bauliche  Erweiterung  der 
bisherigen  Pfarrkirche  und  ihre  Umwandlung  in  eine 
Collegiat-  oder  Stiftskirche.  Erstere  vollzog  sich  in 
der  Weise,  dass  durch  Verlängerung  der  Seitenmauem 
des  bisherigen  Baues,  der  als  Chor  stehen  blieb,  eine  ein- 
schiffige Kirche  mit  einem  Thurm  an  der  Westseite  her- 
gestellt wurde,  welche  ungefähr  den  Flächenraum  des 
heutigen,  Innern  Chores  und  Schiffes  der  Lambertikirche 
einnahm.  Zur  Errichtung  eines  CoUegiatstiftes  gab  Papst 
Nikolaus  IV.  durch  Breve  vom  9.  Sept.  1288  seine  Zu- 
stimmung und  beauftragte  damit  den  Abt  von  Siegburg, 
da  der  Erzbischof  von  Köln  sich  in  Gefangenschaft  be- 
fand.^) Als  Stiftskirche  erhielt  die  bisherige  Lambertus- 
kirche  den  Titel  Mariä-Himmelfahrts -Kirche  (B.  M.  V. 
ässumtae).  Das  Stift  zählte  anfangs  nur  vier  Kanoniker, 
den  Dechanten  miteinbegriffen,  welcher  zugleich  Pfarrer 
der  Gemeinde  war.  Unter  dem  folgenden  Grafen  Wilhelm  I. 
stifteten  die  Herren  von  Eller  noch  zwei  Kanonikate, 
denen  Graf  Adolph  VIT.  zwei  weitere  hinzufügte.  Diese 
Stiftungen  wurden,  erstere  durch  Clemens  V.  am  9.  Juli 
1305,  letztere  durch  Erzbischof  Heinrich  von  Virneburgr 
am  24.  März  1310  bestätigt.»)  Sonach  war  die  Stiftskirche, 

M  Bayerle,  die  kath.  Kirchen  Düsseldorfs.  Düsseld.  1844,  S.  1  ff. 
berichtet  nach  „einem  alten  Manuscripto**,  dass  an  genanntem  Orte 
zuerst  eine  Marienkapeile  gestanden  habe,  deren  Fundamente  nach- 
her unter  dem  Innern  Chor  der  Lambertikirche  aufgedeckt  worden 
seien,  und  dass  man  dann  „späterhin*'  an  Stelle  jener  Marienkapelle 
eine  Kirche  zu  Ehren  der  hh.  Lambertus,  Severin  und  Anno  erbaut 
habe,  von  welcher  das  jetzige  Pfeilerwerk  des  Innern  Chores  der 
Lambertikirche  noch  heirühren  soll. 

*)   S.  Brosii  Annales  Juliae  Montiumque  comitum  tom.  II,  2< 
Bayerle  S.  233. 

»)  Bros.  Annal.  II,  27.  28.   Bnverle  23«. 


Geachfehte  der  hatholitehen  Gemeinde  Dileeeldorfe»  07 

da  noch  zwei  Vikarieen  hinzukamen,  am  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  durch  zehn  Geistliche  bedient.  Die  Stadt 
Düsseldorf  selbst  hatte  damals  noch  einen  sehr  kleinen 
Umfang.  Sie  umfasste  ausser  dem  alten  Schloss  und  der 
Stiftskirche  nur  die  Strasse,  genannt  Altestadt,  mit  den 
beiden  Nebenstrassen  Liefergasse  und  Krämergasse.  Im 
Aussenbezirk  lagen  zwar  noch  einige  Güter,  welche  den 
Herren  von  Flingern,  von  Pempelfort,  von  Loe  und  von 
Eller  gehörten.')  Jedenfalls  war  aber  die  Zahl  der  Be- 
völkerung noch  so  gering,  dass  der  Dechant  des  Stiftes 
die  seelsorgliche  Arbeit  allein  bewältigen  konnte. 

An  der  Ostseite  der  Altestadt  führte  das  Liebfrauen- 
thor in's  Freie,  d.  h.  dahin,  wo  jetzt  die  Ratingerstrasse 
anfängt.  Der  Hinaustretende  erblickte  zur  Linken  ein  altes 
Muttergotteskapellchen,  welchem  das  Thor  seinen  Namen 
verdankte.  2)  Dasselbe  enthielt  ein  viel  verehrtes  Bild 
„unser  lieven  vrauwen  vam  Hemelryke."  Hierher  kamen 
von  Alters  her  aus  ganz  Rheinland  und  Westfalen  und 
vom  Oberrhein  bis  zur  Schweiz  hinauf  zahlreiche  Pilger- 
züge, sodass  Düsseldorf  durch  dieses  Bild  ein  berühmter 
Wallfahrtsort  geworden  war.  Die  Herren  von  Eller  als 
Grundherren  des  Bodens,  auf  welchem  die  Kapelle  stand, 
bauten  neben  dieselbe  ein  Hospital  zur  h.  Anna,  welches 
für  die  Aufnahme  von  Pilgern,  Kranken  und  Armen  be- 
stimmt war.  Auch  eine  „Vurstat**  war  allmählich  neben 
der  Liebfrauenkapelle  entstanden.  Bis  zur  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  hatten  die  Pilgerzüge  ihre  höchste  Blüthe 
erreicht.  Um  diese  Zeit  begann  man,  über  der  Lieb- 
frauenkapelle die  jetzt  noch  stehende,  zweischiffige  Kirche 
zu  erbauen,  welche  bis  zum  Jahre  1899  vollendet  war. 
Sie  führte  den  Titel  „Unsrer  lieben  Frauen  vor  der  Porze**, 
wurde  aber  später  gewöhnlich  Kreuzherrenkirche  genannt. 
Zwei  Priester  waren  an  derselben  zur  Besorgung  des 
Gottesdienstes  angestellt,  s) 

Mittlerweile  hatte  auch  die  Stiftskirche  eine  bedeutende 
Vergrösserung  und  Verschönerung  erfahren.  Sie  ver- 
dankte dieselbe  dem  Grafen  Wilhelm  H.,  1360—1408, 
welcher,  1380  durch  den  Kaiser  zur  herzoglichen  Würde 
erhoben,  von  da  an  den  Titel  Wilhelm  L,  Herzog  von 
Berg^  führte.     Anfangs  übernahm  für  ihn  seine  Mutter, 

I)  S.  Lacomblet,  Archiv  für  die  Geschichte  des  Niederrheins. 
Düsseid.  1863,  Bd.  lY  S.  29.  9i)  tt\ 

*)  Nach  der  erzbischöflichen  Stiftungsurkunde  des  Kreuzherren- 
klosters  vom  Jahre  144G  wäre  genannte  Kapelle  spätestens  vor  950 
erbaut  worden;  denn  es  heisst  dort,  in  derselben  werde  das  Bild 
der  seliirsten  Jungfrau  schon  seit  500  Jahren  verehrt. 

*)  S.  Strauven,  die  fürstliehen  Mausoleen  Düsseldorfs.  Düasel- 
dorf  1879,  S.  11  ff. 

5  * 


68  Guehiehte  d&r  katholfsehfn  Gemeinde  Düneldorfe. 

die  Gräfin  Margaretha,  die  vormundschaftliche  Regierung. 
Mit  grosser  Freigebigkeit  sorgte  sie  für  die  Kirchen  des 
Landes  und  fand  darin  einige  Erleichterung  in  ihrer  Be 
trübniss  über  den  vorzeitigen  Tod  ihres  im  Turnier  ge- 
fallenen Gatten.  Die  fromme  Gesinnung  der  Mutter  war 
auch  auf  den  Sohn  übergegangen;  dieser  aber  verband 
mit  der  Bethätigung  derselben  zugleich  den  äussern  Zweck, 
der  nach  Düsseldorf  verlegten,  nunmehr  herzoglichen 
Hofhaltung  durch  reiche  Ausstattung  der  Kirche  und 
einen  zahlreichen  Klerus  ebenso,  wie  durch  die  Vergrösse- 
rung  der  Stadt  und  ihrer  Befestigungen,  einen  höhern 
Glanz  zu  verleihen.  In  den  Jahren  1370  bis  i:)94  baute 
er  die  Stiftskirche  zu  einer  dreischiffigen  Hallenkirche 
um,  wodurch  dieselbe  ihre  gegenwärtige  Gestalt  erhielt. 
Im  Innern  war  sie  mit  Wandmalereien  und  bunten 
Glasfenstern  geschmückt.  Die  Einweihung  geschah  am 
12.  Juli  1394.  Als  Titulare  der  Kirche  werden  neben  der 
allerseligsten  Jungfrau  die  Heiligen  Thomas,  Lambertus, 
Apollinaris,  Severin  und  Anno  aufgeführt.  Bereits  am 
1.  März  1392  hatte  Herzog  Wilhelm  zu  den  vorhandenen 
acht  Kanonikalpf^ünden  einschliesslich  der  Dechantei  vier- 
zehn neue  gestiftet,  nämlich  die  Propstei,  Scholasterie, 
Thesaurarie,  Cantorie  und  zehn  Kanonikalpräbenden.  In 
einer  zweiten  Ausfertigung  der  Urkunden  im  Juli  1392 
wird  die  Zahl  der  neuen  Präbenden  auf  fünfzehn  erhöht, 
und  zu  den  vorhandenen  zwei  Vikarieen  werden  noch 
zwölf  neue  hinzugefügt,  darunter  die  beiden  noch  jetzt 
bestehenden  Vikarieen  vom  h.  Kreuz  und  vom  h.  Petrus.') 
Zwar  sind  diese  Bestimmungen  thatsächlich  niemals  ganz 
zur  Ausführung  gekommen;  aber  dennoch  zählte  man 
1394  schon  vierzig  Geistliche  bei  der  Düsseldorfer  Stifts- 
kirche. Diese  grosse  Zahl  der  Kleriker  machte  die  Er- 
richtung von  zwölf  neuen  Altären  in  der  Kirche  noth- 
wendig;  überhaupt  sorgtQ>der  Herzog  auch  für  die  innere 
Ausstattung  des  Gotteshauses  in  würdiger  Weise;  jetzt 
noch  zeugen  von  seiner  Freigebigkeit  vier  grosse  Messing- 
leuchter  auf  dem  Chore  der  Kirche,  welche  ursprünglich 
für  das  durch  Wilhelm  I.  in  der  Stiftskirche  hergerichtete 
fürstliche  Grabgewölbe  bestimmt  waren.  Letztere  Mass- 
regel, die  Anlegung  eines  Mausoleums  für  die  herzogliche 
Familie  unterhalb  der  Stiftskirche,  liefert  allein  schon 
den  Beweis,  dass  Herzog  Wilhelm  diese  Kirche  als  seine 
und  seines  Hauses  Kirche  betrachtete.  Bis  dahin  waren 
nämlich  die  bergischen  Grafen  regelmässig  in  Altenberg 

1)  S.  die  Bestätigiingsurkunde  Bonifaz'  IX.  in  Brosii  AniMil. 
II,  :J6.  B«yerle  S.  2?R).  Lacomblct,  Archiv  für  die  Geschichte  des 
Niederrheins  IV,  107. 


Geschichte  der  katholischen  Gemeinde  Düeeeidoffe,  G9 

beigesetzt  worden.  Um  nun  dieser  seiner  Kirclie  einen 
noch  grösseren  Glanz  zu  verleihen,  sammelte  der  Herzog 
föi"  dieselbe  auf  Grund  einer  von  Bonifaz  IX.  ertheilteu 
Vollmacht  möglichst  viele  und  kostbare  Reliquien.  So 
wurde  1383  am  28.  September  der  Leib  des  h.  Apollinaris 
von  Remagen  nach  Düsseldorf  in  die  Stiftskirche  gebracht ; 
dieser  Heilige,  wie  Einige  meinen,  ein  Schüler  des  Apostel- 
fttrsten  Petrus,  wird  seitdem  als  Patron  der  Stadt  Düssel- 
dorf verehrt  und  das  Andenken  an  die  Uebertragung 
seiner  Reliquien  durch  das  Fest  Translatio  reliquiarum 
an  dem  genannten  Tage  gefeiert.  Seit  1392  zieht  auch 
schon  die  ApoUinarisprozession  jährlich  denselben  Weg 
durch  die  Strassen  des  alten  Düsseldorf.  In  demselben 
Jahre  1392  kamen  die  Reliquien  des  h.  Willeikus,  eines 
Genossen  des  h.  Suidbertus,  von  Kaiserswerth  nach  Düssel- 
dorf; 1393  wurde  das  Haupt  der  h.  Lucia  von  dem  Con- 
vent  zu  Altenberg  für  die  Stiftskü'che  erworben.  Dazu 
kamen  noch  in  demselben  Jahre  eine  Partikel  vom  h.  Kreuz 
und  Reliquien  des  h.  Laurentius  aus  Gross-St.  Martin  in 
Köln.  1  ^  Bei  diesen  Bemühungen  um  den  Erwerb  kost- 
barer Heiligthümer  wurde  Herzog  Wilhelm  geleitet  durch 
den  Geist  seiner  Zeit,  welcher  die  Verehrung  der  Reliquien 
und  die  Wallfahrten  ohne  Zweifel  als  einen  Nachklang 
der  Kreuzzüge  in  dem  religiösen  Leben  besonders  hervor- 
treten liess.  Demgemäss  war  es  nicht  nur  in  religiöser, 
sondern  selbst  in  materieller  Hinsicht  für  einen  Ort  von 
der  grössten  Bedeutung,  hervorragende  Heiligthümer  zu 
besitzen.  So  tritt  nun  auch  Düsseldorf,  welches  bis  dahin 
schon  wegen  seiner  Liebfrauenkapelle  jährlich  von  Pilger- 
schaaren  aufgesucht  wurde,  seit  dem  Ende  des  vierzehnten 
Jahrhunderts  in  die  Reihe  der  grossen,  rheinischen  Wall- 
fahrtsorte, in  denen  alle  sieben  Jahre  eine  besonders  feier- 
liche Zeigung  der  Reliquien  stattfand,  s)    Hierzu  diente 

h  S.  Bros.  Aiinal.  11,  36.  37  und  die  Urkunde  bezüglich  der 
Uebertraffung  des  h.  Willeikus  bei  Bayerle  S.  241. 

*)  Den  Beweis  hierfür  hat  Krebs,  Zur  Geschichte  der  Heilig- 
thunisfahrten,  Köln  l8öl,  S.  31  flf.  erbracht.  Derselbe  stützt  sich  auf 
a)  die  Limbur^j^er  Chronik  im  Stadtarchiv  zu  Köln  zum  Jahre  13\Hi 
„Indulgentz  zu  Düsseldorif  Bergischen  Landes.  Indulgentz  in  massen 
einer  Komerfart  ginge  ahn  in  obgx.  Jare  zu  DüsseldorfT,  dass  da 
Hget  in  dem  Niderlande  und  ist  des  Hertzogen  von  Berge  und  wass 
dass  aus  gnade  Bonifacii  noni  Bapstes  zu  Rome  und  wart  in  der- 
selbigen  zeyt  da  selbst  gestifft  ein  Canonicat  von  Neuen  und  dass 
wass  von  dem  grossen  zulauife,  der  dahin  wass."  Das  Wort  „Romer- 
fart**  im  Texte  bedeutet  hier  überhaupt  eine  Wallfahrt,  —  b)  Re- 
gistrum sive  Processus  reliquiarum  ecclesiae  coUegiatae  gloriosae 
semper  benedictae  Dei  genitricis  et  virginis  Mariae  in  Duysseldorp 
coiitinens  potiores  historiarum  particulas  in  die  divi  Jacobi  cum 
promulgantur  ad  honorem  sanciorum  pop.ilo  praedicabiles.  Es  ist 
dies  ein  Pergamentcodex  aus  1511  im  Archiv  von  St.  Lnmbertus  in 


70  G^schiefite  der  katholischefi  Gemeinde  DüueMorfe, 

der  Anbau  an  der  Südseite  des  Chores  der  Stiftskirehe, 
von  dessen  Höhe  herab  dem  Volke  die  HeiligthUmer  ge- 
zeigt wurden. 

Eines  der  letzten  Werke  Wilhelms  I.  in  religiöser 
Hinsicht  war  die  1407  erfolgte  Einführung  einer  Mutter- 
;;ottesbruderschaft  in  der  vor  dem  Thor  gelegenen  Lieb- 
frauenkirche, aus  welcher  sich  nachher  die  Rosenkranz- 
bruderschaft entwickelt  hat.  Nach  dem  Vorgange  des 
Herzogs  traten  die  angesehensten  Personen  des  Hofes 
und  der  Stadt  und  Viele  aus  dem  Volke  dieser  Vereinigung 
bei.  Der  Eifer  des  Fürsten  für  eine  solche,  ausschliess- 
lich dem  religiösen  Gebiete  angehörige  Sache  gewahrt 
einen  sichern  Rückschluss  auf  die  Beweggründe,  welche 
ihn  überhaupt  bei  seiner  Thätigkeit  zu  Gunsten  der  Reli- 
gion geleitet  haben.  Wenn  wir  auch  in  dieser  Hinsicht 
nicht  den  heutigen  Massstab  zur  Beurtheilung  des  Herzogs 
Wilhelm  anlegen  dürfen,  so  bleibt  es  doch  gewiss  auch 
für  die  damalige  Zeit  wahr  und  unbestritten,  dass  ein 
Fürst,  der  einer  Rosenkranzbruderschaft  als  Erster  beitritt, 
um  durch  sein  Beispiel  die  Unterthanen  nachzuziehen, 
ohne  Zweifel  persönlich  eine  tiefreligiöse  Gesinnung  be- 
sitzen muss.  Dieser  frommen  imd  religiösen  Gesinnung 
des  Fürsten  haben  wir  dann  aber  auch,  wenigstens  in 
erster  Linie,  alles  das  zuzuschreiben,  was  er  sonst  für  die 
Kirche  und  die  Religion  in  Düsseldorf  gethan  hat,  wenn- 
gleich nicht  geleugnet  werden  soll,  dass  er  dabei  auch 
den  Glanz  seines  Hofes  und  den  materiellen  Vortheil  der 
Stadt  im  Auge  hatte. 

Düsseldorf,  welcher  die  von  Bonifaz  IX.  ausgeHtellteu  sieben  Tr- 
kunden  über  die  Heiligthümer,  AblllBse  u.  s.  w.  und  die  Enieue- 
rungsbullen  seiner  Nachfolger  enthftlt  —  c)  Eine  Chronik  des  Stiftes 
aus  dem  17.  Jhdt.  im  Archiv  von  St.  Lambertus,  in  welcher  über 
die  Zeigung  der  Reliquien  Folgendes  sich  findet:  Ab  anno  1G54 
anticipato  (sc.  modo)  in  dominica  die  festum  s.  Apollinaris  celebra- 
tur  cum  indulgentiis,  cum  processione  solemni  per  civitatem,  «luando 
et  Processi o  ex  Ratingen  deducitur.  Ostens! o  reliquiarum  fit 
in  festo  h.  Jacobi  et  omni  septennio  solemniter;  vide 
„processum  reliquiarum"  —  den  unter  b  angeführten  Codex  — .  iu 
quo  vitae  sanctorum  per  modum  promulgationis  conscriptae  in  per- 
gameno  ....  Propter  insirnes  reliquias  omni  septennio  OMten- 
sio  reliquiarum,  uti  Aquisgrani,  et  inter  Keptem  ecclcsias 
visebatur  a  peregrinis  a  Trcviris  praecedendo  in  Capellen,  iiide 
Coloniam,  inde  in  Grevenradt,  exinde  Dusseldorpium  et  in  Gladbach, 
finaliter  Aquisgranum,  et  Tungris  absolvebant  peregrinationem  suam. 
Es  wurde  also  jährlich  am  Feste  des  k.  Jakobus  eine  Zeigung  der 
Reliquien  vorgenommen  und  alle  sieben  Jahre  in  feierlicher  Weise. 
Letzteres  geschah,  wie  in  Aachen,  und  in  zeitlicher  Verbindung: 
mit  der  Aachener  Heiligthumsfahrt.  Die  sieben,  von  den  Pilger- 
schaaren  au^esuchten  Orte  waren  Trier,  Schillings-Capellen  nm 
Vorgebirge,  Köln,  Graefrath  im  Bergischen,  Düsseldorf,  Manchen- 
Gladbach  und  Aachen. 


Ge^ehiehte  der  kiUholiaehen  Gemeinde  DüeeeUlorfs,  71 

Es  war  gewiss  nur  eine  billige  Anerkennung  von 
Seiten  der  Kirche,  dass  dem  Herzoge  ebenso,  wie  seinen 
Vorfahren,  gemäss  den  kanonischen  Bestimmungen  das 
Patronats-  oder  Vorschlagsrecht  bei  Besetzung  der  von 
ihm  gestifteten  kirchlichen  Stellen  eingeräumt  wurde. 
Im  Uebrigen  geschah  die  kanonische  Besetzung  der  Stellen 
innerhalb  der  Dekanie  des  Keldachgaues  wenigstens  an 
den  von  Kaiserswerth  aus  gegründeten  Kirchen  bis  in 
das  vierzehnte  Jahrhundert  hinein  durch  den  Archipres- 
byter  von  Kaiserswerth  ohne  Mitwirkung  der  Kölner 
Diöcesanbehörde.  Von  da  an  aber  verschwindet  der 
Keldachgau  mit  seiner  Dekanie  aus  der  Geschichte;  letz- 
tere erscheint  fürderhin  mit  der  Neusser  Dekanie  ver- 
bunden und  unterliegt  mit  derselben  der  Archidiakonal- 
gerichtsbarkeit  des  Kölner  Domdechanten.  i) 

Die  unter  der  Regierung  Wilhelms  I.  entfaltete  äussere 
Blüthe  des  kirchlichen  Lebens  war  leider  nach  dem 
Hingang  dieses  Fürsten  nicht  mehr  von  langer  Dauer. 
Sein  Nachfolger,  Herzog  Adolph  I.,  1408—1437,  seit  1425 
auch  Herzog  von  Jülich,  wurde  in  eine  blutige  Fehde  mit 
dem  Erzbischof  Theoderich  von  Köln  verwickelt,  während 
welcher  die  Greuel  des  Krieges  wiederholt  bis  dicht 
unter  die  Mauern  Düsseldorfs  sich  hinwälzten.  Dem  Stifts- 
kapitel wurden  hierdurch  die  Einkünfte  aus  den  Liegen- 
schaften, ausserhalb  der  Stadt  geschmälert.  In  Folge 
dessen  resignirte  der  zweite  Propst,  Albert  Zobben,  1427 
zu  Gunsten  des  Stiftes;  die  Propstei  ging  ein  und  die 
Dechantei  war  von  da  ab  wieder  die  erste  Dignität  des 
Kapitels.  Gleichzeitig  wurden  mehrere  Präbenden  theils 
eingezogen,  theils  mit  der  Dechantei  vereinigt,  sodass  blos 
fünfzehn  Kanonikate  übrig  blieben,  von  denen  aber  auch 
noch  einige  fast  immer  unbesetzt  waren.  Wie  das  Stift, 
so  litt  auch  die  Stadt  unter  den  Folgen  des  Krieges;  ins- 
besondere wurden  die  zahlreich  dorthin  kommenden  Pro- 
zessionen versprengt  und  blieben  in  der  Folge  ganz  aus. 
Herzog  Gerhard  I.,  1437 — 1457,  suchte  diesem  Uebelstand 
theilweise  dadurch  abzuhelfen,  dass  er  gleich  im  Anfang 
seiner  Regierung,  1438,  Kreuzbrüder  oder  Kreuz- 
herren —  firatres  s.  crucis,  crucigeri  —  nach  Düssel- 
dorf berief.  Dieser  in  Belgien  entstandene  Orden  mit 
dem  Hauptkloster  in  Huy  hatte  sich  die  Wahrnehmung 
des  kirchlichen  Predigtamtes  zur  Aufgabe  gesetzt.  Nach 
Deutschland  kamen  die  ersten  E[reuzbrüder  1298  auf 
Veranlassung  des  Grafen  Adolph  VI.  von  Berg  und  grün- 
deten hier  das  Kloster  zu  Beyenburg.  Seitdem  blieben 
ihnen  die  bergischen  Fürsten  gewogen ;  so  erklärt  es  sich^ 

<)  Binterim  u.  Mooren,  Alte  Krzdiöcese  Köln  T,  20H. 


72  Oeschiehte  der  haiholieehen  Otmemde  Dü$$eldaff$, 

dass.  Herzog  Grerhard  gerade  die  EreuzbrUder  als  ersten 
Orden  nach  Düsseldorf  berief.  Die  feste,  kirchliche  Hal- 
tung, welche  die  Klöster  der  EreuzbrQder  in  den  Stürmen 
des  folgenden  Jahrhunderts  eingenommen  haben,  berech- 
tigt zu  dem  Schlüsse,  dass  damals  ein  guter  Geist  in 
diesem  Orden  herrschte.  In  Düsseldorf  begünstigte  sie 
besonders  die  Gemahlin  des  Herzogs  Gerhard,  Herzogin 
Sophia,  eme  geborene  Prinzessin  von  Sachsen-Lauenburg. 
Im  Jahre  1445  übergab  ihnen  der  Herzog  die  vor  der 
Altstadt  gelegene  Liebfrauenkirche  >);  das  daneben  befind- 
liche Hospital  zur  h.  Anna,  dessen  Gebäulichkeiten  als 
Kloster  in  Benutzung  kamen,  wurde  1450  nach  der  Flinger- 
strasse  und  von  da  1507  in  Folge  der  Stiftung  des  Pfarrers 
von  Bosweiler  und  eines  Kanonikus  an  die  Stelle  der 
heutigen  Garnisonskirche  in  der  Kaserne  verlegt.  Am 
3.  November  1444  gewann  Herzog  Gerhard  die  Schacht 
bei  Linnig  gegen  den  Herzog  von  Geldern ;  in  Folge  dessen 
stiftete  er  den  Ritterorden  vom  h.  Hubertus;  jeder  neu 
aufgenommene  Ritter  musste  vier  Mark  Gold  an  das  Anna- 
Hospital  zahlen,  wodurch  dieses  den  Namen  Hubertus- 
spital erhalten  hat. 

Die  Kreuzbrüder  verstanden  es,  eine  gedeihliche,  das 
Volk  ansprechende  Thätigkeit  zu  entfalten;  ihre  Kirche 
wurde  bald  ein  mit  Vorliebe  gewählter  Begräbnissplatz 
fUr  angesehene  Familien  und  blieb  dieses  bis  in  das  acht- 
zehnte Jahrhundert  hinein.  Vielleicht  hat  schon  die  Her- 
zogin Sophie  selbst  hier  ihre  Ruhestätte  gefunden;  später, 
am  10.  September  1597,  wurde  die  unglückliche  Jakobe 
von  Baden  in  der  Kreuzbrüderkirche  beerdigt.*) 

In  der  Stiftskirche  war  schon  unter  Herzog  Adolph 
am  20.  Januar*  1435  die  Sebastianusbruderschaft  mit  einem 
eigenen  Altar  gestiftet  worden;  etwas  später,  unter  dem 
Dechanten  Wilhelm  de  monte,  1447 — 1476,  wurde  an  der 
Nordseite  der  Kirche  der  sogenannte  Kalvarienberg,  eine 
Kreuzigungsgruppe  errichtet;  dieselbe  stand  frei  auf  einem 
etwa  sieben  Fuss  hohen  Untersatz,  mit  der  Fronte  gegen 
die  Kirche  gewandt;  mehrere  Fuss  hinter  ihr  her,  un- 
gefähr in  der  Mitte  der  heutigen  Strasse,  lief  die  Mauer 
des  Kirchhofes.»)  Herzog  Wilhelm  H.,  1475—1511,  liess 
das  Tabemakelhäuschen  und  das  Chorgestühl,  welche 
sich  heute  noch  in  der  Kirche  befinden,  errichten;  von 
ihm  rührt  auch  die  jetzt  noch  bestehende  Frühmess- 
stiftung her. 

^)  S.  die  BestätigungBiirkunde  des  ErssbischoCs  Theoderich  bei 
BrosiuB  II,  58. 

*)  Stranven,  Mausoleen  S.  13  ff. 

<;  Strnuven,  Kalvarienberg,  DüsKeldorf  1883,  S.  1  ff. 


Oetd^dUe  der  htUkoiisehen  Gemeinde  DlUeeldoffe.  73 

Diese  Thatsacheu   liefern   den  Beweis,  dass  sowolil 
der  religiöse  Sinn  im  Allgemeinen  während  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  in  Düsseldorf  sich  noch  immer  wirksam  er- 
wies, als  auch  insbesondere,  dass  die  bergischen  Fürsten 
fortfuhren,  nach  dem  Vorbilde  Wilhelms  I.   den  kirch- 
lichen Angelegenheiten  ihre  Fürsorge  zuzuwenden.     Im 
Verhältniss  zur  damaligen  Ausdehnung  der  Stadt  war  für 
die  religiösen  Bedürfnisse  ihrer  Bewohner  in  reichlichstetn 
Alasse  gesorgt     Wenn  wir  auch  die  Thätigkeit  des  Ka- 
pitels tUr  die   eigentliche   Seelsorge   nicht  zu  hoch  an- 
schlagen  dürfen,   so  bot  dasselbe  doch   den  Gläubigen 
einen  regelmässigen  und  im  Vergleich  mit  andern  Orten 
reichen  und  feierlichen  Gottesdienst.     Jeden  Morgen  um 
tüLuf  Uhr  wurden  die  Metten  gesungen ;  daran  schloss  sich 
lun  sechs  Uhr  die  gesungene  Frühmesse ;  alsdann  folgten 
die  Stillmessen  der  Kanoniker  und  Vikare  und  um  neun 
Uhr  das  Hochamt.    Nachmittags  drei  Uhr  wurde  Vesper 
und  Complet  gehalten.    Gepredigt  wurde  an  allen  Sonn- 
und  Feiertagen   und   an  den  Freitagen   der  Fastenzeit. 
Der  Pfarrdienst  lag  noch  immer  dem  Dechanten  allein 
ob;  doch  wird  es  demselben  nicht  schwer  gefallen  sein, 
namentlich  für  Christenlehre  und  Krankenbesuch,  wenn 
nöthig,  bei  den  Kanonikern  und  Stiftsvikaren  Unterstützung 
zu  finden.     Dazu  kam  dann  die  Thätigkeit  der  Kreuz- 
herren auf  der  Kanzel  und  im  Beichtstuhl.   Als  kirchliche 
Vereinigungen   in  jener  Zeit   sind   die  schon   genannte 
Rosenkranzbruderschaft  und  die  Sebastianusbruderschaft 
zu  verzeichnen.     In  die  Oeffentlichkeit  trat  das  religiöse 
Leben  bei  Gelegenheit  der  feierlichen  Prozessionen,  deren 
vier  erwähnt  werden,  nämlich  erstens  die  Frohnleichnanis- 
prozession,  sodann  die  sogenannte  Reliquienprozes^ion  am 
Feste  des  h.  Jakobus,  welche  einen  integrirenden  Bestand- 
theil  der  Heiligthumsfahrt  bildete,  und  femer  je  eine  Pro- 
zession am  Pfingstmontag  und  am  Feste  Kreuzerflndmig. 
Nach  Allem  dürfen   wir  uns   also   wohl   für   berechtigt 
halten  zu  der  Behauptung,  dass  das  religiöse  Leben  in 
Düsseldorf,  soweit  dieses  aus  äussern  Anzeichen  erschlossen 
werden   kann,   während    des    fünfzehnten   Jahrhunderts 
einer  kräftigen  und  gesunden  Blüthe  sich  erfreute. 

Mit  dem  Tode  Wilhelm's  11.  erlosch  der  Mannesstamm 
der  Jülich-Bergischen  Fürstenlinie;  es  folgte  von  lall 
bis  1539  Johann  I.,  der  Friedfertige,  Erbprinz  von  Cleve, 
später  als  Herzog  von  Cleve  Johann  V.,  welcher  die 
Tochter  Wilhelms  11.,  Maria,  geehelicht  hatte.  Unter  die- 
sem Fürsten,  mehr  aber  noch  unter  seinem  Sohne  Wil- 
helm dem  Reichen  fanden  die  religiösen  Wirreu  des 
sechszehnten  Jahrhunderts  auch  in  Düsseldorf  Ein- 


74  Genchichte  der  katholUehen  Getueitide  DüBseldotfs, 

gang.  Im  Jahre  1527  gab  Johann  I.  seine  Tochter  Sibylle 
dem  sächsischen  Kurprinzen  Johann  Friedrich  zur  Ehe. 
In  Begleitung  des  Letzteren  kam  der  Hofprediger  Fried- 
rich Mykonius,  ein  peraönlicher  Freund  Luthers  ^  nach 
Düsseldorf.  Bei  dieser  Gelegenheit  liess  es  sich  nicht 
umgehen,  dass  derselbe  einige  Male  in  der  Schlosskapelle 
predigte.  Seitdem  soll  es  hi  Düsseldorf  Anhänger  der 
neuen  Lehren  gegeben  haben,  i)  Herzog  Johann  I.  stand 
aber  grundsätzlich  fest  zur  Kirche.  Beweis  dafür  ist  sein 
1Ö2Ö  erlassenes  Dekret  gegen  die  „Irrungen  und  Aufruhr 
stiftenden  Lehren  und  Schriften  Luthers**:  desgleichen 
verbot  er  1530  alle  Religionsneuerungen  und  zwang  die 
bereits  eingedrungenen  Prediger  der  neuen  Lehren,  das 
Land  zu  verlassen.  Im  Jahre  IbM  schloss  er  einen  Ver- 
trag mit  dem  damals  noch  kirchlich  gesinnten  Erzbischof 
Hermann  von  Wied,  um  „aus  ihren  beidei^seitigen  Gebieten 
diejenigen  fernzuhalten,  welche  die  wahre  Gegenwart 
Christi  im  heiligsten  Sakramente  oder  die  Nothwendigkeit 
der  Taufe  leugnen,  welche  die  Heiligen  lästern  oder  ge^en 
die  katholische  Kirche  sprechen^.  Andererseits  theilte 
Johann  I.  init  vielen  seiner  Zeitgenossen  die  Ueberzeugunj?, 
dass  eine  Reformation  auf  dem  kirchlichen  Gebiete,  d.  h. 
die  Abstellung  der  im  Laufe  der  Zeit  eingeschlichenen 
Missbräuche,  ein  unabweisbares  Bedürfniss  sei.  Indem 
er  nun  aber  selbst  dieses  Reformwerk  in  die  Hand  nahm, 
that  er  einen  grundsätzlich  zwar  nich^.  zu  billigenden 
Schritt  der  jedoch  sowohl  durch  das  Beispiel  anderer 
Reichsf ulkten ,  als  auch  durch  die  aussergeAvöhnlicken 
Zeitverhältnisse  erklärt  werden  kann.  In  seinen  sojre- 
nannten  Kirchenordnungen  von  1525  und  1532  ertheilt 
Johann  I.  den  Pfarrern  scharfe  Anweisungen  in  Bezug 
auf  Predigt  und  Katechese  und  verbietet  zugleich  jede 
Einführung  neuer  Riten  und  Ceremonien.  Letztere  Be- 
stimmung mochte  wohl  in  erster  Linie  gegen  die  von 
Aussen  kommenden  Neuerungen  gerichtet  sein ;  sie  konnte 
aber  auch  der  Entfaltung  des  religiösen  Lebens  innerhalb 
der  Kirche  hinderlich  werden,  insofern  sie  nämlich  ge- 
wisse Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Heiligen-  und 

^)  Der  damals  gerade  in  DüB8cldorf  anwesende  Minont  Joh.HoUor, 
genannt  Korbach,  aus  Köln  hielt  am  19.  Febr.  1527  eine  Disputation 
mit  Mykonius.  Sofort  erschien  protestantischer  Seits  ein  Bericht  über 
dieselbe,  nach  welchem  Heller  nicht  blos  sehr  ungeschickt  sich  be- 
nommen, sondern  auch  schliesslich  die  gegnerischen  Argumente  als 
richtig  anerkannt  haben  sollte.  Dagegen  erschien  „Broder  Johann 
Hellers  von  Korbach  obBeruant  vif  eyn  unwarhnfftich  smeychbuechlen 
das  yn  der  letsteu  Frnncfurder  messe  wydder  en  ys  ussganghen, 
Collen  lb27,**  Er  protestirt  dagegen,  dass  er  ssu  Düsseldorf  ,,seineu 
Glauben  ffekrencket  vnd  geleumdt  habe*'  und  zeigt  an  elf  Piuikteu 
die  Unwahrheit  der  gegnerischen  Darstellung. 


G$9ehidite  der  luUMitehen  Gemeinde  DüeeMorfe,  75 

Reliquien  Verehrung,  der  Ablässe,  Prozessionen  u.  dergl. 
mitbetraf,  welche  hin  und  wieder  allerdings  dem  Drange 
einer  in  Äussern  Gestaltungen  vielleicht  allzu  erfinderischen 
Frömmigkeit  ihren  Ursprung  verdankten.^) 

Der  geistige  Urheber  und  zugleich  Verfasser  der 
Kirchenordnungen  Johanns  I.  war  der  Humanist  Konrad 
von  Heresbach,  ein  Sohn  des  bergischen  Landes,  SchQler 
des  Erasmus  und  Freund  Melanchthons.  2)  Als  Erzieher 
des  Erbprinzen  Wilhelm  und  später  als  Berather  dieses 
Fürsten  hat  er  auf  die  kirchlichen  Angelegenheiten  einen 
grossen  Einfluss  ausgeübt.  Wie  Erasmus  selbst,  so  war 
auch  Heresbach  der  kirchlichen  Spaltung  abhold ;  er  starb 
1576  im  Frieden  der  katholischen  Kirche.  Allein  auch 
darin  glich  er  seinem  Lehrer,  dass  er,  wie  dieser,  den 
Cultus,  die  Disciplin  und  selbst  die  Lehre  der  Kirche 
unter  Berücksichtigung  der  angeblich  berechtigten  For- 
derungen der  Neuerer  einem  Läuterungsprozesse  unter- 
werfen wollte,  aus  welchem  ein  alle  Theile  befriedigendes 
Kirchen wesen  hervorgehen  sollte.  Hierzu  fehlte  es  aber 
Beiden  ausser  an  der  Berechtigung  auch  an  der  nöthigen, 
theologischen  Durchbildung.  Das  desfallsige  Bestreben 
des  Konrad  von  Heresbach  hat  sich  unter  dem  folgenden 
Herzoge  in  noch  bedenklicherer  Weise  geltend  gemacht. 

Heraog  Wilhelm  IH.,  der  Reiche,  1539—1592,  besass 
weder  die  Entschiedenheit  des  Willens,  noch  auch  die 
Einsicht  seines  Vaters  und  war  daher  mehr,  als  dieser, 
von  äussern  Einflüssen  abhängig,  besonders  während  der 
letzten  Zeit  seiner  Regierung,  wo  er  von  körperlichen  Leiden 
und  geistiger  Schwäche  heimgesucht  wurde.  Gleich  von 
Anfang  an  gerieth  Wilhelm  HI.  durch  den  Conflikt  mit 

M  Die  am  8.  Juli  1535  erlassene  „Ordnung  und  Besserung** 
seur  Aufrechthaltung  der  Ruhe  in  den  Herzogthümem,  welche  bis 
xum  allgemeinen  Concil  oder  bis  zu  sonstiger  kaiserlicher  und  stän- 
discher neform  Geltung  haben  sollte,  verfolgte  ofTenhar  den  Zweck, 
die  durch  den  Bauernaufstand  erregte  Bevölkerung  zu  beschwich- 
tigen. £8  konnten  aber  lutherisch  Gesinnte  leicht  in  ihr  ein  Zu- 
geatändniss  und  eine  Auf^nunterung  erblicken,  zumal  einzelne  Vor- 
schriften in  die  Immunität  der  Kirche  eingriffen.  An  die  Kirchen- 
ordnung  vom  11.  Januar  1532  schloss  sich  1533  eine  auf  herzogliche 
Anordnung  veranstaltete  Visitation  aller  Kirchen  des  Landes  diuxh 
eine  aus  Geistlichen  und  Laien  zusammengesetzte  Commission,  wo- 
bei es  zugleich  auf  Kenn tn issnahme  der  Emkünfte  zum  Zweck  der 
Besteuerung  abgesehen  war:  alles  Eingriffe  in  die  kirchliche  Iiunui- 
nität,  die  man  sich  indess  unter  den  gegebenen  Umständen  gefallen 
laasen  musste.  Vgl.  H.  J.  Floss,  zum  Clevisch-Märkischen  KirChen- 
streic    Bonn  1883.    S.  4,  5. 

^  Albr.  Wolters,  Konrad  v.  Heresbach  und  der  Clevische  Hof 
zu  seiner  Zeit,  nach  neuen  Quellen  geschildert.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Rcfomiatlonszeitaltors  und  seines  Humanismus.  Ver- 
öffentlicht durch  den  Bergischen  Geschichts verein.    Elberfeld  1867. 


76  Oeaehiehte  ihr  kaüwlisehen  Otmeinde  Düsa'eldorfB. 

Karl  V.  wegen  Geldems  in  eine  für  seine  kirchliche  Haltung 
gefährliche  Lage.    Er  wandte  sich  1540  an  den  Convent 
der  protestantischen  Fürsten  in  Frankfurt  a.  M.^  um  durch 
ihre  Verwendung  beim  Kaiser  sich  im  Besitze  Geldems 
zu  behaupten.    Abgesehen  von  diesem  Schritte  hat  die 
Regierung  Wilhelms  III.  nach  Aussen  hin  stets  den  katho- 
lischen Charakter  bewahrt.    Im  folgenden  Jahre  schon 
finden  wir  den  Namen  des  Herzogs  unter  dem  Antwort- 
schreiben der  katholischen  Fürsten  auf  eine  kaiserliche 
Anfrage  in  Betreff  der  Religionsangelegeuheiten.   Es  heisst 
darin,  die  vielen  Irrlehren,  Spaltungen  und  Missbräuche, 
welche   eingeschlichen  seien,   machten  die  baldige  Be- 
rufung eines  allgemeinen  Concils  nothwendig.    Bis  dahin 
dürfe  aber  Niemand  eigenmächtig  in  der  Religion,  ihren 
Ceremonien  und  Riten  eine  Aenderung  vornehmen.    Der 
Vertrag  zu  Venlo  ir)4;{,  durch  welchen  der  Geldern'sche 
Krieg  beendigt  wurde,  legte  dem  Herzog  in  Art.  1  die 
Verpflichtung  auf,   „seine  Erblande  und  deren  Bewohner 
im  rechten  Glauben  und  in  der  Religion  der  allgemeinen 
Kirche  zu  erhalten,  keine  Neuerungen  vorzunehmen  oder  zu 
gestatten  und  etwa  schon  eingedrungene  zu  beseitigen.^  i; 
Zur  grösseren  Sichei^tellung  dieser  Vertragsbestimmuug 
sollte  die  Ehe  dienen,  welche  1546  zwischen  Wilhelm  III. 
und  Maria  von  Gestenreich,  der  Tochter  Ferduiands  I., 
geschlossen  wurde.    In  der  Sache  des  Hermann  von  Wied, 
in  den  Truchsess'schen  Streitigkeiten,  sowie  in  den  Aachener 
Wirren  hat  die  Regierung  Wilhelms  III.  immer  den  katho- 
lischen Standpunkt  eingenommen.    Dieser  officiellen  Hal- 
tung des  Herzogs  und  seiner  Regierung  entsprach  aber 
keineswegs  die  Entwicklung  der  Dinge  im  Lande  selbst: 
nicht  als  ob  der  Herzog  Willens  gewesen  wäre,  den  Pro- 
testantismus einzuführen  oder  dessen  Einführung  förmlich 
zu  gestatten;  im  Gegentheil,  1548  Hess  er  den  in  Wesel 
eingerichteten,   protestantischen  Cult  unterdrücken  und 
stellte  den  katholischen  Gottesdienst  wieder  her.    Ausser- 
dem bewies  er  auch  noch  durch  andere  Handlungen,  die, 
weil  der  politischen  Bedeutung  entbehrend,  auch  nicht 
durch  politische  Rücksichten  bestimmt  sein  konnten,  dass 
er  persönlich  ein  katholischer  Fürst  sein  wollte.   So  berief 
er  1565  zur  Einsegnung  des  von  ihm  ausserhalb  der  Stadt 
angelegten,    neuen   Kirchhofs    den   Weihbischof  Johann 
Kritius  von  Münster,  welcher  bei  dieser  Gelegenheit  in 
Düsseldorf  flrmte.    Desgleichen  liess  er  1568  den  Leib 
der  sei.  Christina  von  Stommeln  in  feierlicher  Weise  von 
Nideggen   nach   Jülich   transferiren.     Nichtsdestoweniger 
bleibt  es  aber  doch  wahr,  dass  Wilhelm  III.  durch  seine  im 

M  Bro8.  Aunal.  III.  r»0. 


GwehichU  der  katholUehen  Gemeinde  DffeaMoffs»  77 

Sinne  Heresbachs  gehaltenen,  angeblichen  Reformen  das 
Eindringen  des  Protestantismus  in  die  bergischen  Lande 
erleichtert  und  befördert  hat.    Als  die  wichtigsten  Re- 
formen,  von  denen  er  nicht  abstehen  könne,  bezeichnete 
Wilhelm  1561  gegenüber  dem  pApsllichen  Nuntius  .loh. 
Franz  Commendone  den  Laienkelch  und  die  Friesterehe. 
Wenn  man  nun  bedenkt,  dass  gerade  diese  beiden  Stücke 
allenthalben  als  das  äussere  Wahrzeichen  der  Einführung 
des  Protestantismus  galten,  so  kann  man  leicht  ermessen, 
wem    das   Reformwerk   Wilhelms   III.   schliesslich    zum 
Vortheil  gereichen  musste.    Dazu  kamen  von   1500  an 
mehrere  Verordnungen,   welche  die  Wallfahrten  unter- 
sagten, die  Bilderverehrun g  einschränkten  und  sogar  der 
Ausübung  der  kirchlichen  Jurisdiktion   im   herzoglichen 
Gebiete  enge  Schranken  zogen,  also  lauter  Bestimmungen, 
welche  offenbar  von  einer  grossen  Rücksichtnahme  auf 
die  Anschauungen  des  Protestantismus  zeugten  und  die 
daher  dem  Eindringen  desselben  ebenso  förderlich  waren, 
wie  sie  die  Entfaltung  des  katholischen  Cultus  hinderten.!) 
Die  protestantischen  Prediger  durften  nur  nicht  förmlich 
und  öffentlich  als  solche  auftreten;  wenn  sie  sich  aber 
auf  den   Boden   der   Reform  Wilhelms   III.   stellten,   so 
konnten  sie  ungehindert  ihre  Thätigkeit  entfalten.     So 
erklärt  es  sich,  wie  der  Herzog  ir>61  dem  Nuntius  Com- 
mendone, der  von  ihm  die  Entlassung  des  protestantischen 
Hofpredigers  forderte,  antworten  konnte,  der  Mann  sei 
ja   rechtgläubig.     Solcher   „rechtgläubigen**   HofJ)rediger 
hatte  der  Herzog  mehrei'e  nach  einander ;  einem  derselben, 
Wolleck  ab  Os,  vertraute  er  sogar  die  Erziehung  seiner 
Töchter  an.    Selbstredend  blieben  die  Neuerungen  nicht 
auf  den  Hofgottesdienst  beschränkt,  sondern  fanden  eben- 
so auch  Eingang  in  Stadt  und  Land.    Wenn  Herzog  Wil- 
helm in  der  mehrerwähnten  Unterredung  mit  dem  Nuntius 
nicht  übertreibt,  indem  er  sagt,  der  Laienkelch  sei  schon 
seit  fünfundzwanzig  Jahren  im  Gebrauche,  so  würde  die 
Einführung  desselben  spätestens  in  den  Anfang  der  Re- 
gieining  Wilhelms  III.  zu  versetzen  sein. 

Im  Jahre  1545  wurde  in  Düsseldorf  eine  gelehrte 
Schule,  das  sogenannte  Seminarium  reipublicae,  gegründet. 
Es  war  dieses  ein  humanistisches  Gymnasium,  verbunden 
mit  theologischen  und  juristischen  Lehrcursen.  Hier  sollten 
bis  zur  (Gründung  einer  Landesuniversität  die  Geistlichen 

^)  Hiusiclitlich  di*r  Ausübung'  der  kirchlichen  Jurisdiktion  stan- 
den die  Herzöge  aus  dem  clevischen  Hanse  schon  seit  der  Mitte 
des  15.  Jhdts.  zu  den  Ordinarien  von  Köln  und  Münster  in  einem 
«respannten  VerhMltnisse,  welches  in  den  oben  erwähnten  Verord- 
nnng'en  Wilhelms  HI.  schärfer  zum  Ausdruck  kam.  Vgl.  Floss, 
Clevisch-Milrkischer  Kirchinistreit,  S.  1  ff. 


78  Oesehichte  tfer  ktUhoiiaehen  Gemeinde  DUseekfarfa, 

und  Juristen  des  Landes  ausser  der  allgemein  wissen- 
schaftlichen Vorbildung  auch  ihre  specielle  Fachbildung 
erhalten.  Nur  Wenige  besuchten  auswärtige  Universi- 
täten und  wurden  dann  später  gewöhnlich  im  höhereu 
Staats-  und  Kirchendienst  verwendet.  Es  war  also  offen- 
bar ausserordentlich  viel  daran  gelegen,  in  welchem  Geiste 
das  Seminarium  reipublicae  geleitet  wurde.  Als  Rektor 
berief  man  an  die  Anstalt  den  Magister  Johannes  Mon- 
heim  von  Köln,  einen  Verehrer  des  Erasmus,  der  aber 
in  der  Entwicklung  seiner  religiösen  Ideen  über  Erasmus 
hinausgmg  und  schliesslich  auf  dem  protestantischen 
Standpunkte  anlangte.  Während  seine  1551  erschienene 
„Erklärung  des  apostolischen  Glaubensbekenntnisses  und 
der  zehn  Gebote^  sich  damit  begntlgte,  die  katholische 
Kirchenlehre  im  Sinne  des  Erasmus  in  einer  etwas  ver- 
flüchtigenden Weise  darzustellen,  enthielt  der  ir)601atemi6eh 
herausgegebene  „Katechismus^  bereits  vollständig  die 
Lehre  Luthers,  allerdings  in  einer  vorsichtigen,  von  An- 
griffen auf  die  katholische  Lehre  absehenden  Form.  Das 
Seminarium  reipublicae  war  also  unter  Monheims  Leitung 
„zwar  äusseriich  keine  der  evangelischen  üjrche  ange- 
hörige  Anstalt;  es  wurde  aber  doch  nach  reformatorischen 
Grundsätzen  daselbst  gelehrt.^  i) 

Weder  die  Vorstellungen  des  Nuntius  1561,  noch 
auch  die  1559  erfolgten  kaiserlichen  Mahnungen  vermochten 
den  Herzog  von  dem  einmal  betretenen  Wege  abzubringen; 
er  gerieth  immer  mehr  in  Abhängigkeit  von  seinen  pro- 
testantischen oder  doch  reformgesinnten  Käthen,  unter 
denen  neben  Heresbach  besonders  Aegidius  Mommer  zu 
nennen  ist.  In  den  Jahren  1562,  1566  und  1567  wurden 
durch  vom  Herzog  eingesetzte  Conrniissionen  neue  Kirchen- 
ordnungen ausgearbeitet,  welche  nach  des  Herzogs  Willen 
eine  „nützliche,  beilsame,  fromme  und  heilige  Reformation 
enthalten  sollten,  wie  sie  für  die  Kirchen  seiner  Länder 
passend  und  hinreichend  wäre.*'*)  Es  wurden  aber  nur 
die  früheren,  den  katholischen  Cultus  einschränkenden 
Bestimmungen  erneuert,  dagegen  die  ^Predigt  des  Evan- 
geliums im  Sinne  des  Erasmus^  freigegeben.  Letzteres 
war  die  schützende  Flagge  für  das  Eindringen  der  neuen 
Lehren;  der  Widerstand  des  Herzogs  gegen  dieselben 
erlahmte  in  demselben  Masse,  in  welchem  seine  geistige 
und  körperliche  Schwäche  zunahm.  ^"^   So  konnte  1567  der 


>)  Töimies,  Die  FakulUtsstudieii  zu  Düsseldorf,  I.  Thl.   8. 14  f. 

*)  Bros.  Ananl.  III,  74. 

')  Herzog  Wilhelm  erlitt  zuerst  150(>aiif  der  Reise  nach  Augsbarg* 
zam  Reichstag  einen  Schlaganfall,  der  sich  dort  einige  Male  wiederholte. 
Seitdem  blieb  er  in  einem  „angefochtenen,  beschwerlichen  standt  der 


Oewhiehte  der  katholisehen  Gemeinde  Düueldarfe.  79 

Prediger  Leo  von  Düren  es  unternehmen,  während  einer 
Krankheit  des  Dechanten  sogar  in  der  Stiftskirche  den 
bisherigen  Gottesdienst  abzustellen  und  dafür  deutschen 
Psalmengesang  und  die  Communion  unter  beiden  Gestalten 
einzuführen.  Düsseldorf  war  also  auf  dem  besten  Wege, 
tiiatsächlich  protestantisch  zu  werden,  wozu  dann  der  vom 
Herzog  und  von  Heresbach  begünstigte  Erasmianismus 
die  Brücke  gebildet  haben  würde.  Da  trat  mit  dem  Jahre 
1570  ein  Umschwung  ein;  der  Tod  des  Aegidius  Mommer 
und  der  Abgang  Heresbachs  verschafften  den  katholisch 
gesinnten  Käthen  das  Uebergewicht ;  das  herzogliche  Re- 
formwerk gerieth  in's  Stocken,  und  der  bis  dahin  ge- 
hemmte und  gebundene  Widerstand  des  Katholicismus 
konnte  sich  nunmehr  Geltung  verschaffen. 

Die  nächste  Folge  dieses  Umschwunges  zeigte  sich 
darin,  dass  die  bisherige  Unklarheit  aufhörte  und  man 
sich  jetzt  für  oder  gegen  entscheiden  musste.  Die  Zahl 
der  Anhänger  des  Protestantismus,  deren  es,  wie  oben 
bemerkt,  vielleicht  schon  seit  1527  in  Düsseldorf  gab, 
hatte  inzwischen  so  zugenommen,  dass  nach  1570  sofort 
schon  eine  eigene  protestantisch-reformirte  Gemeinde  ent- 
stand. Ausserdem  gab  es  aber  auch  noch  Viele,  die,  ohne 
gerade  zum  Protestantismus  überzugehen,  doch  an  den 
bisher  eingeführten  Neuerungen  im  Gottesdienst,  nament- 
lich am  Laienkelch,  festhalten  wollten  und  daher  der  voll- 
ständigen Wiederherstellung  des  alten  Gottesdienstes 
Schwierigkeiten  bereiteten.  Andererseits  Hess  der  katho- 
lische Klerus,  voran  der  Dechant  Peter  Flüggen,  sich 
diese  Wiederherstellung  sehr  angelegen  sein,  ebenso,  wie 
auch  die  Wiedergewinnung  der  zur  neuen  Lehre  Ueber- 
getretenen  und  ihre  Zurückführung  in  den  Schooss  der 
katholischen  Kirche.  M  Die  Schwierigkeiten,  welche  die 
Zeit  Verhältnisse  für  die  Seelsorge  mit  sich  brachten,  hatten 
schon  1542  das  Bedürfniss  fühlbar  gemacht,  dem  Dechanten 
in  seiner  Eigenschaft  als  Pfarrer  Gehülfen  zur  Seite  zu 
geben,  und  so  wurden  damals  ein  Canonikus  und  1574 
einer  der  Vikare  als  Hülfsseelsorger  bestellt.  Gegen  den 
im    Seminarium    reipublicae    noch    immer    gebrauchten 


^rcsundheit*',  iialb  gelähmt  und  oft  geintig  gestört.  Auf  der  Rück- 
reise hielt  er  sich  in  Stuttgart  auf  und  wurde  hier  von  dem  Hersog 
CiiriBtoph  und  von  dessen  Hofprediger  Johannes  Brenz  eifWg  den 
Ideen  des  Protestantismus  näher  geführt.  Die  Kirchenordnung  von 
läHT  war  von  Brenz  vorher  durchgesehen.  Vgl.  C.  Binz,  Doctor 
Johann  Weyer,  ein  rheinischer  Arzt,  der  erste  Bekämpfer  des 
Hexenwahns  (Leibarzt  Wilhelms  III.).    Bonn,  1885.  S.  156. 

1)  Im  Jahre  1578  erhielt  der  Dechant  Peter  Flüggen  auf  sein 
Ersuchen  von  Rom  die  Fakultttt,  Protestanten  wieder  in  die  Kirche 
aufzunehmen,  s.  Bayerle  S.  245. 


80  G€9ehieki€  der  koihoiUdtm  Qemtmie  Dü»$Moffß. 

Monheim'scheu  Katechismus  wurde  1579  ein  kaiserliches 
Verbot  erwirkt  und  an  seiner  Stelle  der  Katechismus  von 
Canisius  eingeführt. 

Unter  dem  letzten  Herzog  aus  dem  clevischen  Hause, 
Johann  Wilhelm,  1592 — 1609,  der  schon  beim  Regierungs- 
antritt schwachsinnig  war,  trat  in  den  religiösen  Verhält- 
nissen keine  Aenderung  ein.  Mit  seinem  Tode  begann 
der  JQlich'sche  Erbfolgestreit.  Die  beiden  Hauptprftten- 
denten  waren  Johann  Sigismund,  Kurfürst  von  Branden- 
burgy  Schwiegersohn  der  bereits  verstorbenen  ältesten, 
und  Wolfgang  Wilhelm  von  Pfalz-Neuburg  an  der  Donau, 
Sohn  der  noch  lebenden  zweiten  Schwester  des  letzten 
Herzogs  von  Jülich -Cleve- Berg.  Beide  gehörten  dem 
lutherischen  Bekenntnisse  an;  es  eröflfkete  sich  also  für 
die  katholischen  Bewohner  der  drei  Herzogthümer  die  in 
der  damaligen  Zeit  wenig  erfteuliche  Aussicht,  Unter- 
thanen  eines  andersgläubigen  Herrschers  zu  werden.  Die 
beiden  Prätendenten  einigten  sich  dahin,  die  Herzogthümer 
einstweilen  gemeinschaftlich  in  Besitz  zu  nehmen.  Düssel- 
dorf wurde  von  den  Soldaten  des  Pfalz  -  Neuburgers  be- 
setzt, und  es  folgten  nun  von  1609  bis  1614  für  den 
Katholicismus  daselbst  schlimme  Tage.  Die  öffentliche 
Ausübung  der  katholischen  Religion  ausserhalb  der  Kirchen 
war  untersagt  und  ein  Gegenstand  des  Gespöttes;  ja,  es 
kam  so  weit,  dass  es  für  schimpflich  galt,  katholisch  zu 
sein.  1)  Zum  Glück  stand  damals  der  tüchtige  und  hoch- 
verdiente Dechant  Wilhelm  Bont  an  der  Spitze  des  Kapitels 
imd  der  Pfarrgemeinde.  Ihr  Ende  erreichte  diese  Be- 
drückung des  Katholicismus  durch  die  am  25.  Mai  1614 
eilolgte  Rückkehr  Wolfgang  Wilhelms  zur  katholischen 
Kirche.  Zugleich  datirt  von  diesem  Zeitpunkte  an  die 
entschiedene  und  vollständige  WiederhersteUung  der  katho- 
lischen Religion  in  Düsseldorf. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  während  der  nun 
abgelaufenen  Periode  der  religiösen  Wirren,  also  etwa 
von  15^7  bis  1614,  die  protestantischen  Ideen  bei  der 
Bewohnerschaft' Düsseldorfs  auf  einen  nicht  ganz  uuftucht- 

M  lu  dieser  Zeit  war  es.  wo  die  Hammer  and  Bilker  durch 
ihr  F^iugreifeu  den  Anszug  der  Frohnleichnamsprocession  herbei- 
führten.  Dieselben  pflegften  sich  alUähriich  bei  der  Düsseldorfer 
Procession  anzuscliliessen.  Als  sie  nun  merkten,  dass  Dechant  and 
Kapitel  su  ängstlich  seien,  nm  die  Procession  ausziehen  zu  lassen, 
bildeten  sie  gregen  Ende  des  Hochamtes  ohne  Weiteres  ihre  Reihen 
nud  eroflYieten  den  Zug.  Die  hierdurch  ermuthifj^ten  Düsseldorfer. 
Geistlichkeit  und  Volk,  schlössen  sich  an,  während  die  durch  das 
Unerwartete  dieses  Vorgehens  überraschten  Beamten  und  Soldaten 
des  Neubur^ers  nicht  zeitig  genug  darüber  schlüssig  wurden,  was 
Hie  thun  sollten.  So  wurde  die  Procession  ungestört  zu  Ende  ge- 
führt.   Baverle  S.  55. 


049Mebte  der  kaihoHschgn  Oemeimh  DilaseUlorfa,  81 

baren  Boden  gefallen  waren.     Zu  den  allgemeinen  Ui*- 
sachen,  welche  damals  allenthalben  das  Vordringen  der 
neuen  Lehren  begünstigten,  kam  eben  fOr  Düsseldorf  noch 
der  besondere  Umstand  hinzu,  dass  die  protestantisirende 
Reform  von   oben  herab  ins  Werk  gesetzt   wurde.     Der 
Einfluss  des  herzoglichen  Hofes  auf  die  Bewohner  der  Stadt 
Düsseldorf,  die  ja  ihren  Fürsten  Alles  verdankte,  war  über- 
haupt sehr  gross,  und  die  religiöse  Seite  machte  in  dieser 
Hinsicht  erst  recht  keine  Ausnahme.     Als  Erbauer  der 
Gotteshäuser,  als  traditionelle  Beschützer  uncT  Beförderer 
der  Religion,  als  Gründer  und  Patronatsherren  der  meisten 
geistlichen  Stellen  übten  die  bergischen  Herzöge  auch  in 
kirchlichen  Dingen  einen  beherrschenden   Einfluss   aus. 
Sodann  gewährte,  wie  wir  bereits  gesehen  haben,  die  Art 
und  Weise,  in  welcher  staatlicherseits  reformirt  wurde, 
dem  Eindrüigen  der  neuen  Lehren  bedeutenden  Vorschub. 
Ohne  förmlichen  Bruch  mit  der  alten  Kirche,  vor  welchem 
doch  wohl  Mancher  zurückgeschreckt  wäre,  wurden  die 
Geister  allmählich  mit   protestantischen  Ideen   und  An- 
schauungen  erfüllt.     Das  Meiste   in   dieser  Hinsicht  hat 
die  Monheim'sche  Schule  geleistet  während  der  dreissig 
Jahre,  wo  ^nach  reformatorischen  Grundsätzen^  daselbst 
gelehrt  wurde.    Man  wird  wohl  nicht  fehlgehen  mit  der 
Annahme,   dass  in  Folge  dessen   ein   grosser  Theil   der 
Gebildeten  des  bergischen  Landes  protestantisch  dachte 
imd  fühlte. 

Um  in  diesen  Verhältnissen  Wandel  zu  schaffen,  be- 
durfte es  eines  mächtigen,  dabei  festen  und  zielbewussten 
Willens  und  grosser  Umsicht  in  der  Wahl  der  Mittel. 
Beides  fand  sich  vereinigt  in  der  Person  des  Herzogs 
Wolfgang  Wilhelm,  1614  —  1652.  Unnrittelbar  vor 
seinem  Uebertritt  zum  Katholicismus  i)  war  zwischen  ihm 

1)  Dieser  Schritt  Wolfgang  Wilhelm's  ist  vielfach  politischen 
Beweggründen  zugeschrieben  worden.  Woifgang  V^ilhelm  hatte 
1613  die  bayerische  Prinzessin  Magdalena  geheirathet  und  war 
dadurch  den  katholischen  HOfen  von  Mttnchen  und  Wien  näher 
getreten.  Der  brandenburfische  Kurfürst,  welcher  aUe  Schritte 
seinen  Mitbewerbers  scharf  im  Auge  behielt,  unterliess  nicht,  die 
reformirten  hollftndischen  Generalstaaten  hiervon  in  Kenntniss 
zu  Hetzen,  um  diese  dadurch  von  einer  etwa  beabsichtigten 
Unterstützung  des  Neuburgers  abzuhalten.  Als  Letzterer  nun 
katholisch  geworden  war,  suchte  und  fand  er  natürlich  die 
Unterstützung  der  katholischen  Mächte,  insbesondere  der  Spanier 
in  Belgien,  welche  ihm  den  Spinola  mit  einem  Heere  zu  Hülfo 
Nandten,  um  die  noch  nicht  unterworfenen  Orte  der  Herzogthümer 
Jülich  und  Berg  zu  erobern.  Darauf  trat  der  Kurfürst  vom  lutherischen 
zum  reformirten  Bekenntniss  über  und  erhielt  dadurch  um  so  eher 
die  Unterstützung  der  reformirten  Generalstaaten.  So  ist  allerdings 
die  Politik  durch  den  beiderseitigen  Religions Wechsel  beeinfltisst 
worden;  dies  berechtigt  aber  noch  keineswegs  dazu,  den  Uebertritr 


82  Geschichte  der  katholischen  Gemeinde  Düsseldorfs, 

und  dem  Kurfürsten  eine  Theiiung  der  Herzogthümer  zu 
Xanten  verabredet  worden.  Danach  sollte  Pfalz-Neuburg 
Jülich  und  Berg,  Kurbrandenburg  Cleve  und  Mark  er- 
halten, während  Ravensberg  einstweilen  noch  im  gemein- 
samen Besitze  verblieb.  Obwohl  dieser  Vertrag  nicht 
ratificirt  wurde,  konnte  man  doch  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit annehmen,  dass  spftter  nichts  Wesentliches 
mehr  daran  geändert  werden  würde.  Da  also  der  Besitz  von 
Düsseldorf  gesichert  erachien,  gab  sich  Wolfgang  Wilhelm 
bald  an  die  Aufgabe,,  der  religiösen  Zwitterstellung,  worin 
die  Stadt  bis  dahin  mehr  oder  weniger  sich  befunden 
hatte,  ein  Ende  zu  machen  und  die  alte  katholische  Re- 
ligion in  ihrer  Reinheit  wieder  herzustellen.  Er  sah  aber 
wohl  ein,  dass  dieses  Ziel  durch  äussere  Massregeln  nicht 
erreicht  werden  könne,  sondern  dass  es  dazu  einer  Er- 
neuerung des  Geistes  und  also  der  Heranziehung  fHscher, 
geistiger  Kräfte  bedürfe.  Deshalb  berief  er  die  Jesuiten 
und  die  Kapuziner  nach  Düsseldorf.  Diese  beiden  Orden 
waren  beinahe  gleichzeitig  in's  Leben  getreten,  ersterer 
1540,  letzterer  1528  durch  Abzweigung  aus  dem  Franzis- 
kanerorden; beide  standen  also  damals  in  ihrer  Jugend - 
frische;  sie  verfügten  über  die  besten  Kräfte  und  ergänzten 
sich  dabei  gegenseitig  in  ihrer  Wirksamkeit,  insofern 
nämlich  die  Jesuiten  in  erster  Linie  auf  die  vornehmem 
und  gebildeten  Stände  einwirkten,  während  die  Kapuziner 
eine  mehr  volksthümliche  Thätigkeit  entfalteten.  Sonach 
durfte  also  Wolfgang  Wilhelm  von  der  Berufung  gerade 
dieser  beiden  Orden  am  ehesten  eine  Ei*neuerung  des 
kirchlichen  Lebens  in  Düsseldorf  erwarten. 

Die  ersten  Kapuziner  kamen,  gesandt  vom  päpst- 
lichen Nuntius  Anton  Albergato,  am  24.  November  1017 
in  Düsseldorf  an.  Der  Herzog  kaufte  ihnen  in  der  Flinger- 
strasse  einen  Platz  für  die  Kirche ;  am  29.  Juni  1621  fand 
die  Grundsteinlegung  und  am  25.  Februar  1624  die  Ein- 
weihung statt ;  mit  Rücksicht  auf  die  Herzogin  Magdalena, 
die  besondere  Beförderin  des  Werkes,  wurde  die  neue 
Kirche  der  h.  Magdalena  geweiht.  Im  Jahre  1623  war 
ein  Haus  zum  Klosterbau  angekauft  worden:  1639  wurde 
neben  der  Kirche   eine  Todtenkapelle  angelegt  und   in 

Wolt'gang  Wilhelm 's  nun  auch  ohne  Weiteres  auf  politische  Beweg:- 
^ünde  zurückzuführen.  Er  selbst  gibt  als  Grund  seines  Ueber- 
trittes  an  die  'Ueberzeugung  von  der  Wahrheit  der  katholischen 
Religion,  welche  er  aus  dem  Buche  des  Canisius  „Summa  doctrinae 
christianae*'  geschöpft  habe.  Vgl.  A.  Räss,  Convertiten  seit  der  Re- 
formation IV,  223,  wo  auch  ana^eg'eben  ist,  dass  WolfMng  Wilhelm 
bereits  am  14.  Juli  1613  vor  semer  Eheschliessung  zu  München  con- 
vertirt,  seine  Conversion  aber  erst  zu  Düsseldorf  am  25.  Mai  l<ii4 
bekannt  gemacht  habe. 


Vi 


Otschiehfe  der  katholiseJien  Gemeinde  Düsseldorfs*  83 

demselben  Jahre,  sowie  1641  und  1649  das  Klostergebäude 
erweitert,  alles  auf  Kosten  des  Herzogs. 

Fast  gleichzeitig  mit  der  Berufung  der  Kapuziner 
erfolgte  auch  die  der  Jesuiten.  Wolfgang  Wilhelm 
wandte  sich  1618  an  den  Provinzial  der  Jesuiten  in  Köln; 
1619  trafen  die  ersten  Patres,  Bernhard  Buchholz  und 
Gerhard  Lippius,  mit  einem  Laienbruder  in  Düsseldorf 
ein.i)  Gegen  die  Errichtung  eines  Jesuitenklosters  wurden 
von  drei  Seiten  Einwendungen  erhoben,  nämlich  von  Seiter 
der  städtischen  Behörden,  von  Seiten  der  Vorstände  der 
protestantischen  Gemeinden  und  von  Seiten  der  in  Düssel- 
dorf ansässigen  Kreuzbrüder.  Ueberhaupt  war  man 
anfangs  für  die  Jesuiten  nicht  sehr  eingenommen;  es 
kostete  ihnen  sogar  Mühe,  die  Erlaubniss  zu  kirchlichen 
Verrichtungen  zu  erhalten.  Indessen  liess  sich  Wolfgang 
Wilhelm  durch  solche  Schwierigkeiten  nicht  beirren; 
noch  in  demselben  Jahre  trat  er,  wie  einst  Herzog  Wilhelm, 
seinen  Unterthanen  zum  Vorbilde  in  die  von  den  Jesuiten 
gestiftete  Congregation  für  Herren  und  Gelehrte,  das 
sogenannte  Pactum  Marianum,  ein;>)  viele  angesehene 
Personen  geistlichen  und  weltlichen  Standes  folgten  dem 
fürstlichen  Beispiel.  Im  folgenden  Jahre  1620  wurde  die 
Sodalität  der  studirenden  Jugend  unter  dem  Titel  „Maria, 
Königin  der  Engel^  errichtet;  am  1.  November  desselben 
Jahres,  nach  anderer  Angabe  am  14.  August  1621,  über- 
nahmen die  Jesuiten  auch  die  Leitung  des  Seminarium 
reipublicae;  später,  im  Jahre  1629,  errichteten  sie  dazu 
aus  freiwilligen  Beiträgen  ein  Convict  für  die  studirenden 
Jünglinge,  genannt  Salvatorium.  Gegen  Ende  1620  be- 
fanden sich  bereits  dreizehn  Jesuiten  in  Düsseldorf;  die- 
selben pflegten  regelmässig  an  zwei  Stellen  in  der  Stadt 
die  Religionslehre  öffentlich  vorzutragen,  wodurch  sie  die 
im  Glauben  Wankenden  befestigten  und  Manche,  die  sich 
von  der  alten  Kirche  abgewandt  hatten,  wieder  zurück- 
führten. Als  Frucht  dieser  Wirksamkeit  entstand  im 
Jahre  1621  die  BürgersodalitHt  unter  dem  Titel  „Maria 
Himmelfahrt^,  deren  erster  Präfect  der  Bürgermeister 
Wilhelm  Laufs  war.  Sie  umfasste  verheirathete  und  ledige 
Mitglieder;  erst  1636  trennten  sich  letztere  ab  und 
gründeten   die   Junggesellen  -  Sodalität    unter   dem   Titel 


1)  Die  Nachrichten  über  die  erste  Niederlassung  der  Jesuiten 
schwanken  zwischen  1617  und  1620.  Die  meiste  Wahrscheinlichkeit 
besitzt  die  im  Texte  enthaltene  Angabe.   S.  Baverle  127.  Tönnies  18. 

*)  Das  Pactum  Marianum  hat  sich,  allerdings  in  verkümmerter 
Form,  bis  heute  erhalten;  geg'euwärtig-  besteht  es  nur  noch  als 
Vereinisutig  von  Geistlichen  zum  Zwecke  der  Fürbitte  für  die  ab- 
g<^hieaenen  Mitglieder. 

(;* 


84  O€0ehidU$  der  kathoiiiehen  Otmeitkte  DR39eidorf$, 

„Uariä  Reinigung''.  Im  Jahre  1633  hatte  die  Bürger- 
sodalität  zum  ersten  Mal  eine  Charfreitagsprozession  zu 
den  Hauptkirchen  der  Stadt  veranstaltet,  welche  seitdem 
jährlich,  jetzt  von  der  Maxkirche  aus,  gehalten  wird. 

Bereits  im  Jahre  1621  hatte  der  Herzog  den  Jesuiten 
ein  eigenes  Haus  gekauft,  welches  sie  am  29.  November^ 
dem  Tage  des  h.  Andreas,  bezogen.  Dazu  fügte  er  1622 
noch  die  Schenkung  zweier  anderer  Häuser  und  einer 
Summe  Geldes  zum  Bau  der  Kirche.  Am  o.  Juli  wurde 
unter  grossen  Feierlichkeiten  der  Grundstein  der  Kirche 
gelegt  und  durch  den  Kölner  Weihbischof  Otto  Gereon 
benedicirt.  Nach  siebei^jähriger  Bauthätigkeit  konnte 
1629,  wiederum  am  29.  November,  der  erste  Gottesdienst 
in  dieser  nach  dem  Apostel  Andreas  benannten  Kirche 
gehalten  werden.  Dieselbe  erfreute  sich  auch  ferner  der 
besondern  Gunst  des  Hofes  und  trat  nach  und  nach  zu 
den  Pfalz -Neuburgischen  Fürsten  in  ein  ähnliches  Ver- 
hältniss,  wie  dasjenige,  in  welchem  die  Stiftskirche  zu 
den  alten,  bergischen  Herzögen  gestanden  hatte.  In 
Folge  dessen  erhielt  sie  auch  den  Namen  der  Hofkirche. 
Herzogin  Magdalena,  die  treue  Gehülfin  ihres  Gemahl» 
bei  dem  Werke  der  Wiederherstellung  des  Katholicismus^ 
hatte  die  Vollendung  dieser  Kirche  nicht  mehr  erlebt; 
sie  war  schon  1628  zu  Neuburg  a.  d.  Donau  gestorben 
und  in  der  dortigen  Jesuitenkirche  beigesetzt  worden. 
Wolfgang  Wilhelm 's  zweite  Gemahlin,  die  Pfalzgräfin 
Katharina  Charlotte  von  Zweibrücken,  gehörte  dem 
reformirten  Bekenntniss  an.  Um  so  mehr  liess  sich  aber 
die  Gemahlin  des  Erbherzogs,  Anna  Katharina  Constantia, 
die  Ausstattung  der  Jesuitenkirche  angelegen  sein;  ihr 
verdankt  dieselbe  die  meisten  Reliquien,  welche  sie 
besitzt,  besonders  die  des  h.  Andreas  sammt  der  dazu 
gehörenden  silbernen  Büste.  Herzog  Wolfgang  Wilhelm 
erbaute  hinter  dem  Chor  der  Kirche  das  fürstliche  Mau* 
soleum,  in  welchem  die  Erbherzogin  nach  ihrem  1651 
plötzlich  erfolgten  Tode  als  erste  ihre  Ruhestätte  fand. 

Die  Stiftskirche,  obwohl  die  Hauptkirche  der  Stadt, 
wurde  doch  durch  die  der  neuen  Andreaskirche  zu  Theil 
werdende  Bevorzugung  thatsächlich  etwas  in  den  Hinter- 
grund gerückt.  Dazu  kam  noch  ein  äusserer  Unfall,  von 
welchem  sie  im  Jahre  16.S4  betroffen  ward.  Am  10.  August 
dieses  Jahres  flog  das  am  Rhein  auf  der  Ecke  der  jetzigen 
Ritterstrasse  gelegene  Pulvermagazin  mit  300  Centnern 
Pulver  in  die  Luft  und  richtete  ringsumher  grosse  Ver- 
wüstungen an.  Die  bunten  Glasgemälde  der  Stiftskirche, 
sowie  ihre  innern  Wandgemälde  waren  gänzlich  zerstört, 
und  bei  der  Noth  der  Zeiten   mitten   im  dreissig;jälin^eii 


G$schiehte  der  kaihoÜBcken  Gemeinde  Düseehlwrfe»  85 

Kriege  durfte  man,  zutnal  die  fQrstliche  Kasse  durch 
andere  Ausgaben  sehr  in  Anspruch  genommen  war,  an 
eine  Wiederherstellung  gar  nicht  denken.  Man  niusste 
sich  damit  begnügen,  den  Schaden  durch  Uebertünchung 
und  einfache  X^erglasung  nothdUrftig  auszubessern.  Die 
den  Kirchhof  nach  der  Rheinseite  hin  abgrenzende  Mauer 
war  niedergeworfen,  während  der  zwischen  ihr  und  der 
Kirche  gelegene  Calvarienberg  merkwürdiger  Weise  gar 
keinen  Schaden  genommen  hatte,  obwohl  die  stützenden 
Eisenstangen  hinter  den  drei  Kreuzen  von  der  Gewalt 
des  Stosses  verbogen  waren. 

Durch  die  von  den  Jesuiten  in's  Leben  gerufenen 
Congregationen  war  die  Möglichkeit  geschaffen,  auf  den 
mAnnlichen  Theil  der  Bevölkerung  eine  erfolgreiche 
religiöse  Einwirkung  auszuüben.  Für  die  Frauen  und 
Jungfrauen  entstand  eine  ähnliCihe  Vereinigung  in  der 
sogenannten  Ursula-Gesellschaft,  welche  ebenfalls, 
und  zwar  bis  heute,  ihren  Sitz  in  der  Andreaskirche  hat. 
Im  Jahre  1627  traten  aus  Anlass  der  Pest  die  Wittwe 
Marg.  Heistermanns,  geb.  Steinhausen,  und  zehn  andere 
Frauen  und  Jungfrauen  zusammen  und  verpflichteten  sich 
zu  gewissen  Andachtsübungen,  zur  Unterstützung  der 
Armen  und  zur  Pflege  der  Pestkranken.  Diese  Vereini- 
gung, welcher  bald  hochfttratliche  und  andere  angesehene 
Damen  beitraten,  erhielt  1652  die  päpstliche  Bestätigung 
als  kirchliche  Bruderschaft. 

Obschon  die  Zugehörigkeit  der  Herzogthümer  Jülich 
und  Berg  zum  Hause  Pfalz-Neuburg  noch  nicht  entgültig 
gesichert  war,  verhandelte  Wolfgang  Wilhelm  doch  schon 
mit  dem  erzbischöflichen  Stuhle  zu  Köln  behufs  Regu* 
lirung  der  kirchlichen  Verhältnisse  im  Bergischen.  In 
Folge  dessen  wurden  1621  durch  die  sogenannte  Pro- 
visional  -  Transaction  zwischen  Erzbischof  Ferdinand  von 
Köln  und  Wolfgang  Wilhelm  die  rechtsrheinischen  Pfarren 
der  Neusser  Dekanie  von  dieser  abgetrennt  und  zum 
Dekanate  Düsseldorf  vereinigt,  i) 

Zu  den  in  Düsseldorf  bereits  vorhandenen  Ordens- 
niederlassungen der  Kreuzherren,  Kapuziner  und  Jesuiten 
kamen  in  der  Folge  sowohl  unter  Wolfgang  Wilhelm,  als 
auch  unter  seinem  Sohne  Philipp  WUhelm  1652—1690 
noch  mehrere  andere  Klöster  hinzu.  Am  15.  Oktober  1638 
Hessen  sich  die  Coelestinerinnen  von  Köln  in  Dussel 
dorf  nieder  und  kauften  1642,  vom  Herzog  und  von  der 
Stadt  unterstützt,  ein  Haus  in  der  Ratingerstrasse.  Zum 
Rlosterbau  kamen  sie  erst  1688  und  vollendeten  denselben 


M  Binterini  u.  Mooren.  Alte  KradiocoBe  Köln  I,  208. 


8<)  Geschichte  der  katholischen  Oememde  Düsseldorfs* 

1691.    Darauf  legten  sie  1H9G  den  Grundstein  zur  Kirche^ 
welche  1 701  in  Gebrauch  genommen  wurde.  —  Aus  ganz 
kleinen   Anfängen   erwuchs  das  heute  noch  als  Ordens- 
haus dastehende,   wenngleich  von  seinen  ehemaligen  In- 
sassen   nicht   mehr   bewohnte    Carmelitessenkloster. 
Im  Jahre  1639  erhielt  die  Priorin  der  Carmelitessen  zu 
Köln  von  Herzog  Wolfgang  Wilhelm  und  vom  städtischen 
Magistrat  die  Erlaubnisse  eine  Niederlassung  in  Düsseldorf 
zu  gründen.    Zu  diesem  Zwecke  schickte  sie  vorerst  ein 
Fräulein  Anna  Maria  von  Knippenburg,  welche  dem  Orden 
sehr  zugethan  war  und  später  selbst  eintrat,  nach  Düssel- 
dorf, um  die  ersten  Vorbereitungen  zu  treffen.   Erst  1642 
gelang  es  dieser,   ein   kleines  Häuschen   zu  erwerben, 
welches  sich   auf  dem  freien  Platze  befand,  der  durch 
die  Katastrophe  von  1634  zwischen  dem  Rhein  und  der 
Stiftskirche  entstanden  war.    Hier  wurde  1643  der  erste 
Carmelitessenconvent ,   bestehend    aus   vier  Schwestern, 
gegründet.   Dieselben  erwarben  sodann  einen  Platz  neben 
jenem  Häuschen  und  begannen  hier  1644  den  Bau  eines 
bescheidenen  Klösterchens,  welches  1646  vollendet  wurde. 
Hierbei  waren  sie  sowohl  durch  den  Herzog,   als  auch 
durch  den  Bürgermeister  Pipers  thatkräftig  unterstützt 
worden.    Ersterer  schenkte  ihnen  den  Platz,  auf  welchem 
jetzt  die  Kirche  steht.    Sie  verbanden   denselben   einst- 
weilen durch  Mauern  mit  ihrem  Wohngebäude  und  be- 
nutzten ihn  als  Garten.    Das  neue  Klösterchen,   dessen 
Insassen  einen  rein  beschaulichen  und  strengen  Lebens- 
wandel führten,  erregte  Bewunderung  und  Theilnahme 
besonders  in  den  Kreisen  der  vornehmen  Damen  am  Hofe 
und  in  der  Stadt,  von  denen  mehrere  der  Genossenschaft 
beitraten.  Eine  hervorragende  Beschützerin  der  Carmeli- 
tessen war  die  Prinzessin  Eleonore  Magdalena  Theresia, 
Tochter   des  Herzogs  Philipp  Wilhelm   und   später   Ge- 
mahlin des  Kaisers  Leopold.   Bis  zum  Jahre  1670  hatten 
die  Schwestern,  unterstützt  von  ihren  Wohlth&tern,  durch 
den  Ankauf  dreier  Häuser  nach  der  Altestadt  hin  den 
Platz  gewonnen,   auf  welchem   sie   im  folgenden  Jahr- 
hundert den  grössern  Klosterbau  begannen.  —  Im  Jahre 
1649,   als  Düsseldorf  wieder  von  der  Pest  heimgesucht 
war,  kamen  sechs  Oellitinnen,  Krankenschwestern  von 
der   Regel   des  h.  Augustinus,   von   Köln   und   bezogen 
vorderhand  eine  provisorische  und  räumlich  beschränkte 
Wohnung.    Durch  CoUecten,  welche  sie  im  Lande   ab- 
hielten, sammelten  die  sonst  armen  Schwestern  die  Mittel 
zu  einem  bescheidenen  Klosterbau  auf  der  Hunsrücken- 
strasse,  der  aber  erst  im  Jahre  1699  fertig  gestellt  wurde. 
Ihre  Kirche  war  der  h.  Elisabeth  gewidmet. 


Ge$ehickt€  dei'  katholischen  Gemeinde  Diiseeldorfs,  87 

Die  bis  jetzt  erwähnten  weiblichen  Genossenschaften 
hatte  man  in  Düsseldorf  gerne  aufgenommen  und  bereit- 
willigst unterstützt.  Dieselben  bildeten  ja  auch  nur  kleinere 
Niederlassungen,  welche  der  Bevölkerung  nicht  besonders 
beschwerlich  fielen^  im  Gegentheil,  wie  die  der  Cellitinnen, 
Rogar    einen   unmittelbaren,    äussern    Nutzen    brachten. 
Auch  waren  ihre  Wirkungskreise  verschieden,  indem  die 
letztgenannten  dem  praktischen,  die  beiden  andern  dem 
beschaulichen   Leben  sich  widmeten,  sodass  sie  gegen- 
seitig  einander  nicht  beeinträchtigen  konnten.     Anders 
aber  lagen  die  Dinge,  als  16«öO  auch  die  Franziskaner 
in  Köln  sich  anschickten,   ein  Kloster  in  Düsseldorf  zu 
gründen.    War  schon,  wie  oben  bemerkt,  gegen  die  an 
dritter  Stelle  gekommenen  Jesuiten  nicht  blos  von  Seiten 
der   Protestanten,  sondern  sogar  von  den  Kreuzherren 
Einspruch  erhoben  worden,  so  musste  man  jetzt,  wo  der 
vierte  Männerorden  sich  in  Düsseldorf  niederlassen  wollte, 
um  so  eher  auf  den  Gedanken  kommen,  dies  möchte  doch 
wohl   des   Guten    etwas  zu  viel  sein.     Auch   Wolfgang 
Wilhelm  theilte  die  Bedenken,  welche  gegen  die  Errich- 
tung eines  vierten  Männerklosters  erhoben  wurden ;  allein 
bei  seiner  Arommen  Gemüthsart  konnte  er  es  nicht  über 
sich   gewinnen,   dem  Pater   Bolender,   der   ihn   um  die 
Erlaubniss  zum  Klosterbau  anging,  eine  abschlägige  Ant- 
wort zu  geben.     Er  ertheilte,  wenngleich  zögernd,  die 
landesherrliche   Genehmigung   am   9.  Januar    1651    und 
kaufte  sogar  den  Franziskanern  ein  Haus  in  der  Citadelle. 
Erzbischof  Max  Heinrich  gab  am  18.  December  1651  die 
kirchliche  Erlaubnisse),  und  es  Hessen  sich  nun  vier  Patres 
und  zwei  Laienbrüder  in  Düsseldorf  nieder.    Sie  fanden 
aber   in   der   ersten  Zeit   fast  gar  keinen  Anklang  und 
in  Folge  dessen  auch  keine  Unterstützung   bei   der  Be- 
völkerung,   was   für    die    ausschliesslich    auf   Collecten 
angewiesenen  Franziskaner   eine   sehr    missliche   Sache 
war.     Indessen  Hessen  sie  sich  doch  nicht  entmuthigen; 
sobald    die    häuslichen   Einrichtungen    soweit    gediehen 
waren  y   begannen   sie  in  ihrer  Kapelle  Gottesdienst  zu 
halten,   nämlich  täglich  feierliche  Conventualmesse  und 
Nachmittags  Vesper  und  Complet;   an  Sonn-  und  Feier- 
tagen war  Morgens  Predigt  und  Katechese ;  besonders  die 
Predigten  der  Franziskaner  erzielten  einen  gewaltigen 
Zulauf,  sodass  sie  nicht  selten  im  Freien  gehalten  werden 
mussten.   Im  Jahre  1652  vermachte  eine  Frau  Anna  von 
Binafeld  ein  Kapital  zum  Kloster-  und  Kirchenbau;   am 
9.  Mai  1655  wurde  durch  den  Herzog  Philipp  Wilhelm 
der  Grundstein  gelegt;  im  Jahre  1659  konnte  das  Kloster 

1)  Urkunde  bei  Bayerle  8.  255. 


88  Geschichte  ffer  kaHtolisehfn  Gemtmdt  Dll98Mo9f§, 

bezogeil  werden,  und  1003  war  auch  die  Kirche  volleudet. 
Am  4.  August  1G69  wurde  in  der  Franziskanerkirche  die 
Bruderschaft  von  der  unbefleckten  Empf&ngniss  und  am 
28.  December  1683  die  vom  h.  Antonius  von  Padua 
errichtet,  in  welche  sich  der  Herzog,  die  Herzogin  und 
viele  Andere  sofort  einschreiben  Hessen.  Durch  Ausdauer 
und  anhaltende  Thätigkeit  war  es  den  Franziskanern 
gelungen,  unter  schwierigen  Verhältnissen  in  DQsseldorf 
festen  Fuss  zu  fassen  und  eine  fruchtbringende  Wirksam- 
keit zu  eröffnen. 

Im  letzten  Viertel  des  Jahrhunderts  endlich  kamen 
auch  noch  dieUrsulineriunen  nach  Düsseldorf,  w^elche 
sich  der  Erziehung  der  weiblichen  Jugend  widmen.  Schon 
seit  1677  w^ohnten  einige  Schwestern  in  einem  Privathause 
in  der  Nähe  des  Carmelitessenklosters ;  1684  erhielten  sie 
vom  Herzog  einen  Bauplatz  zum  Qeschenke  und  bezogen 
bereits  1686  das  neu  erbaute  Kloster. 

So  hatte  denn  Ein  Jahrhundert  der  Stadt  DQsseldorf, 
welche  bis  dahin  nur  die  Kreuzherren  in  ihren  Mauern 
beherbergte,  sieben  neue  religiöse  Genossenschaften 
gebracht:  die  Jesuiten,  Kapuziner,  Franziskaner,  Coe- 
lestinerinnen,  Carmelitessen,  Cellitinnen  und  Ursulinerinnen. 
Nach  einem  Bericht  des  Dechanten  Arn.  Bern.  Voetz  vom 
Jahre  1658  zählte  Düsseldorf  damals  14  768  Einwohner, 
darunter  13848  Katholiken  und  920  Andersgläubige.  Die 
Anhäufung  der  religiösen  Orden  in  einer  verhältnissniässig 
nicht  so  sehr  grossen  Stadt  findet  ihre  Erklärung  in  den 
Zeitverhältnissen.  In  Folge  der  Ausbreitung  des  Prote- 
stantismus waren  nämlich  die  Klöster  an  sehr  vielen 
Orten  eingegangen;  die  Insassen  derselben  zogen  sich  in 
ihre  betreifenden  Haupt-  oder  Mutterklöster  zurück,  und 
von  dort  aus  suchte  man  dann,  um  der  eingetretenen 
Uebervölkerung  abzuhelfen,  die  katholisch  gebliebenen 
Landestheile  zur  Anlage  neuer  Niederlassungen  auf. 
Daher  kommt  es,  dass  wir  nach  der  Kirchenspaltung  in 
den  katholischen  Gebieten  die  Klöster  in  grösserer  An- 
zahl als  früher  antreffen. 

Für  Düsseldorf  hatte  die  Errichtung  und  Wirksam- 
keit dieser  klösterlichen  Genossenschaften  den  Erfolge, 
dass  der  Katholicismus  seiner  Bewohner,  welcher  während 
des  sechszehnten  Jahrhunderts,  wie  wir  gesehen  haben , 
nicht  nur  in  seinem  äussern  Bestände,  sondern  mehr  noch 
in  seinem  Innern  Wesen  gefährdet  war,  jetzt  wieder  alles 
fremden  Beiwerks  entkleidet  und  mit  neuer  Lebenskraft 
erfüllt  wurde.  Beweis  dessen  ist  schon  der  in  den  oben 
erwähnten  Klosterbauten  sich  kundgebende,  religiöse 
Opfergeist  der  Bevölkerung:  denn  wenn  auch  die  Frei- 


Oes^itkU  d4tr  ktUhoif'tehen  Gemeinde  DäseeMoife.  89 

gebigkeit  der  Landesfürsten  einen  grossen  Theil  der  Kosten 
deckte,  so  unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel,  dass  die 
Borger  noch  Vieles  dazu  beiges^teuert  haben.  So  wurde 
auch  im  Jahre  1667,  da  wiederum  die  Pest  Dasseldorf  heim- 
gesucht hatte,  zur  Danksagung  wegen  des  Aufhörens  der 
Seuche  die  Rochuskapelle  in  Pempelfort  erbaut,,  zu 
welcher  von  da  an  viele  Prozessionen  hinzogen.  Von 
1690^1692  wurde  die  Pfarre  Derendorf  errichtet.  Vor 
den  Thoren  der  Stadt  wohnten  nach  dem  Berichte  des 
Dechanten  Voetz  noch  5&9  zur  Düsseldorfer  Pfarre  ge- 
hörige Katholiken.  Seit  der  Erweiterung  der  Festungs- 
werke unter  Wolfgang  Wilhelm  war  besonders  die  nächt- 
liche Pastorirung  dieser  Pfarrangehörigen  Sehr  schwierig 
geworden.  Die  Düsseldorfer  Kanoniker  Peter  und  Arnold 
Sommers,  zwei  Brüder,  fundirten  die  neue  Pfarre  unter 
Mitwirkung  des  Kanonikus  Berthold  von  Weyer  aus  ihrem 
eigenen  Vermögen.  Sie  erbauten  Kirche,  Pastorat  und 
Vikarie  und  dotirten  die  Stellen.  Das  Material  zum  Kirchen- 
bau wurde  von  einer  abgerissenen  Kapelle  hergenommen, 
die  einst  Kaiser  Friedrich  m.  an  Kirchholtes  hatte  er- 
bauen lassen.  Der  Hochaltar  stammte  aus  der  Stiftskirche, 
wo  er  hinter  dem  dortigen  Hochaltar  gestanden  hatte. 
Er  war  der  allerheiligsten  Dreifaltigkeit  gewidmet  und 
gab  die  Veranlassung,  dass  auch  die  Derendorfer  Kirche 
diesen  Titel  erhielt,  worauf  ihre  drei  Thürme  hinweisen. 
Auch  fQr  die  innere  Ausstattung  der  Gotteshäuser  trug 
man  wieder  Sorge:  wir  brauchen  nicht  auf  die  reich 
gehaltene  Jesuitenkirche  hinzuweisen;  selbst  die  schwer 
geschädigte  Stiftskirche  fand  gegen  Eifde  des  Jahrhunderts 
wieder  die  Mittel,  um  auf  ihren  innem  Schmuck  Bedacht 
zu  nehmen.  Nachdem  sie  1666  von  Herzog  Philipp  Wilhelm 
den  Silber  -  vergoldeten  Schrein  für  die  Reliquien  des  h. 
Apollinaris  zum  Oeschenk  erhalten  hatte,  ging  man  1681 
an  die  Errichtung  des  jetzigen  Hochaltars  und  beschaffte 
von  1690  bis  1704  die  Statuen,  auf  dem  Altar  und  zu 
beiden  Seiten  desselben. 

Alle  diese  Opfer,  welche  die  katholische  Bevölkerung 
Dllsseldorfs  im  Laufe  des  siebenzehnten  Jahrhunderts 
sich  für  Kirchen-  und  Klosterbauten  auferlegte,  wiegen 
um  so  schwerer,  weil  sie  in  einer  äusserlich  sehr  be- 
drängten Zeit  gebracht  wurden.  Es  war  eben  die  Zeit 
des  äreissigjährigen  Krieges  und  seiner  Nachwirkungen, 
von  denen  auch  die  Gegenden  betroffen  wurden,  welche 
die  G^issel  des  Krieges  selbst  nicht  erreichte.  Dazu  kam 
noch,  dass  die  Stadt  zu  wiederholten  Malen  von  Seuchen 
heimgesucht  wurde;  1627,  1649  und  1U6G  herrschte  die 
Pest,   1676  die  rothe  Ruhr  in  Düsseldorf;  an   letzterer 


90  Geschichte  der  kathoiiseken  Gemeinde  DUsaeldoffe^ 

Krankheit  allein  starben  900  Menschen ,  darunter  zehn 
der  Krankenpflege  gewidmete  Franziskaner.  Allerdings 
sind  derartige  Heimsuchungen  andererseits  auch  wieder 
geeignet,  den  religiösen  Sinn  im  Volke  zu  wecken  und 
lebendig  zu  erhalten.  In  Düsseldorf  zeigte  sich  gerade 
diese  Wirkung  der  betrübten  Zeiten  schliesslich  auch  noch 
darin,  dass  ältere,  zum  Theil  in  Verfall  gerathene  kirch- 
liche Uebungen  und  Einrichtungen  wieder  hergestellt  und 
erweitert  wurden.  So  bestand  in  der  Stiftskirche  eine 
alte  Fimdation  von  einem  Kanonikus  Johann  Xantis, 
gemäss  welcher  am  Oktavtag  von  Frohnleichnam  ein 
Umzug  um  die  Kirche  gehalten  und  täglich  nach  der 
Vesper  eine  sakramentalische  Antiphone  gesungen  wurde. 
Am  6.  Januar  IBoo  beschloss  das  Stiftskapitel,  dass  fürder- 
hin  an  jedem  Donnerstag  eine  h.  Messe  vor  dem  aus- 
gesetzten hochwürdigsten  Gute  und  nach  derselben  sakra- 
ment^ischer  Umzug  durch  die  Kirche  gehalten  und  bei 
der  Vesper  der  sakramentalische  Segen  ertheilt  werden 
sollte.  Da  diese  neue  Einrichtung  sehr  vielen  Anklang 
fand,  so  errichtete  der  Dechant  Voetz  eine  sakramen- 
talische Bruderschaft  in  der  Stiftskirche  und  machte  eine 
Fundation  für  die  obigen  Andachten  und  für  eine  Predigt 
an  jedem  zweiten  Sonntag  des  Monates,  i)  Herzog 
Philipp  Wilhelm  übernahm  das  Protectorat  der  neuen 
Bruderschaft.  —  In  der  Kreuzherrenkirche  war  die  alte 
Rosenkranzbruderschaft  allmählich  in  Verfall  gerathen. 
Der  Subprior  Adolph  Eiifens  stellte  dieselbe  1657  wieder 
her  und  erwirkte  eine  neue  {Päpstliche  Bestätigung  im 
Jahre  1659.2)  Auch  dieser  Bruderschaft  schloss  sich  der 
Herzog,  wie  einst  Wilhelm  I.,  an  und  nahm  dieselbe  in 
seinen  besondem  Schutz. 

Der  religiöse  Aufschwung  in  Düsseldorf,  welcher  mit 
dem  Regierungsantritt  Wolfgang  Wilhelm's  1614  begonnen 
hatte,  dauerte  auch  während  der  ersten  Hälfte  des  acht^ 
zehnten  Jahrhunderts  in  feinen  Nachwirkungen  noch  fort. 
Auf  Herzog  Philipp  Wilhelm  folgte  dessen  Sohn  Johann 
Wilhelm,  1690—1716,  zugleich  Kurfürst  von  der  Pfalz.») 
Er  ist  der  letzte  der  Pfalz  -  Neubiirgischen  Fürsten,   die 


1)  Bestätigt  durch  Erzbischof  Maximilian  von  Köln  am  1i).  Januar 
Wviy  durch  Papst  Alexander  VIT.  am  4.  März  16G4;  Urkunden  bei 
Bayerle  S.  247.  249. 

«)  Urkunde  bei  Bayerle  S.  249. 

')  Im  Jahre  1685  starb  die  Linie  Pfalz-Simmem  aus,  an  welcher 
die  Kurwürde  haftete;  dieselbe  gin^  auf  Pfalz-Neuburg  über. 
Herzog  Philipp  Wilhelm,  jetzt  Kurfürst,  verlegte  seine  Residenz 
nach  Heidelberg;  in  Düsseldorf  blieb  der  Kurprinz  Johann  Wilhelm 
zurück,  welcher  auch  als  Knrfürst  diese  Residenz  beibehielt,  da 
Heidelberg  von  den  Franzosen  zerstört  war. 


Ge9ehiehi$  der  ko^MUehen  Gtme'mdB  DüMMwfs,  91 

im  Mausoleum  der  Jesuitenkirche  beigesetzt  sind.  Sein 
Bruder  und  Nachfolger  Karl  Philipp^  1716—1742,  ist  gar 
nicht  nach  Düsseldorf  gekommen.  In  den  ersten  Dezennien 
des  Jahrhunderts  veranstalteten  mehrere  der  in  Düsseldorf 
ansässigen  Orden  Erweiterungen  ihrer  Niederlassungen 
oder  auch  Neubauten,  offenbar  aus  dem  Grunde,  weil 
die  ursprünglichen  Anlagen  sich  als  nicht  ausreichend 
erwiesen.  Die  Ursulinerinnen  erbauten  1702  ihre  jetzige 
Kirche  und  1707  ein  Schulgebftude.  Die  Kapuziner  be- 
gannen 1706  den  Bau  eines  neuen  Klosters  an  Stelle  des 
abgebrochenen  alten.  In  demselben  Jahre  fingen  auch 
die  Carmelitessen  an,  das  jetzige  Kloster  mit  der  Kirche 
zu  erbauen,  welche  1716  vollendet  wurden.  Die  C^llitinnen 
erweiterten  1736  ihre  Kirche,  und  die  Franziskaner  be- 
gannen 1734  den  Bau  der  jetzt  noch  stehenden  Kirche 
und  des  ELlosters.  Am  4.  October  1737  wurde  der  erste 
Gottesdienst  in  der  neuen  Kirche  gehalten.  —  Im  Jahre 
1708  erneuerte  Johann  Wilhelm  den  alten  Ritterorden 
vom  h.  Hubertus.  Das  Hubertus -Hospital,  ursprünglich 
St.  Anna -Hospital,  wurde  1710  in  die  Neustadt  verlegt 
in  ein  Gebäude,  welches  hauptsächlich  durch  die  Be- 
mühungen des  Jesuiten  Orban  errichtet  worden  war. 
Auf  der  Stelle,  wo  es  gestanden,  begann  man  1735  den 
Bau  der  jetzigen  Gamisonskirche,  welche  daher  den  Titel 
8t.  Anna -Kirche  erhielt.  Im  Jahre  1717  beging  der 
Nachbarort  Kaiserswertb  das  Millenarium  des  Todestages 
des  h.  Suidbertus;  zu  diesem  Feste  kam  der  Erzbischof 
Joseph  Clemens  von  Köln  nach  Kaiserswertb;  auf  der 
Rückreise  verweflte  derselbe  am  5.  Mai  in  Düsseldorf, 
wo  er  die  Herzogin -Wittwe,  Gemahlin  des  1716  ver- 
storbenen Kurfürsten  Johann  Wilhelm,  besuchte  und  in 
der  Hof  kapelle  die  h.  Firmung  spendete.  Im  Jahre  1721 
beging  die  Bürgersodalität  unter  grossen  Feieiiichkeiten 
ihre  erste  Säcularfeier,  desgleichen  1736  die  J  unggesellen- 
Sodalität. 

Mit  dem  Tode  des  Kurfürsten  Karl  Philipp  1742  er- 
losch das  Geschlecht  der  Pfalz^Neuburgischen  Regenten, 
denen  das  alte  Düsseldorf  die  Erhaltung  des  Katholicismus 
zu  verdanken  hat.  Ehe  wir  Abschied  von  ihnen  nehmen, 
erQbrigt  noch  die  Frage  nach  dem  Verhältnisse  der  An- 
gehörigen der  verschiedenen  Confessionen  zu  einander, 
wie  es  sich  während  dieser  Periode  von  1614  bis  1742 
gestaltet  hat.  Neben  der  überwiegend  katholischen  Be- 
völkerung Düsseldorfs  bestand  eine  kleine  reformirte  und 
eine  noch  kleinere  lutherische  Gemeinde.  Dechant  Voetz 
gibt  für  1608  folgende  Zahlen  an:  13848  Katholiken, 
707  Reformirte,  213  Lutherische.    Dass  zwischen  diesen 


t>2  G$$ehiekU  d§r  kaihotisehen  Oetneinde  Da$$Moff$, 

Angehörigen  verschiedener  Confessionen  in  damaliger  Zeit 
wiederholt  Reibungen  vorkamen,  darf  uns  nicht  wundern. 
Die  religiöse  Trennung  war  eben  noch  zu  frisch,  als  dass 
die  Aufgabe,  friedlich  neben  einander  zu  leben,  sofort 
schon  von   Allen   richtig  hätte   gelöst  werden  können. 
Den  Katholiken  als  Anhängern  der  alten,  vordem  allein 
berechtigten  Ku*che  kostete  dies  selbstredend  einige  Ueber- 
windung ;  aber  auch  die  Protestanten  erhoben,  wenigstens 
vom  dogmatischen  Standpunkte  aus,  den  Anspruch  auf 
Alleinberechtigung;  ziemlich  schroff  geschah  dieses  von 
Seiten  der  Reformirten,  welche  sich  selbst  ofRciell  Christen, 
die  Katholiken  aber  immer  nur  Papisten  nannten   und 
den  katholischen  Cult  als  Götzendienst,  die  katholischen 
Kirchen  als  Götzentempel  bezeichneten.    Abgesehen  von 
diesem,  auf  den  religiösen  Meinungen  beruhenden  An- 
sprüche mussten  aber  auch  die  Protestanten  im  Hinblick 
auf  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Religionsverhält- 
nisse im  bergischen  Lande  und  speciell  in  Düsseldorf  es 
schmerzlich  empfinden,  dass  sie  da,  wo  sie  bis  1614  gehofft 
hatten,  die  Alleinherrschaft  zu  erlangen,  jetzt  nur  noch 
eine  staatlich  in  bestimmten  Grenzen  geduldete  Religions- 
partei waren.    Hiermit  hatte  es  nämlich  folgende  Be- 
wandtniss.    Kurbrandenburg  und  Pfalz  -  Neuburg  waren 
in  Bezug  auf  die  religiösen  Angelegenheiten  der  Herzog- 
thümer  JQlich-Cleve-Berg    durch    die    Heirathstraktate 
gebunden,  welche  sie  zur  Zeit  mit  Wilhelm  IH.  abge- 
schlossen hatten  und  welche  die  ganze  Grundlage  ihrer 
Erbberechtigung  bildeten.  Danach  mussten  sie  die  römisch- 
katholische  Religion  Qberall  in  dem  Zustande  und  in  den 
Rechten  belassen,  worin  sich  dieselbe  bei  ihrem  Regie- 
rungsantritt befunden  hatte.    In  diesem  Sinne  lautete  auch 
die  Zusicherung,  welche  bei  der  Besitzergreifung   1609 
von  beiden  Fürsten  gegeben  wurde.    Pfalz-Neuburg  hielt 
sich  nun  seit  1614  grundsätzlich  an  diese  Bestimmung 
und  betrachtete  demnach  das  Jahr  1609  als  Normaljahr 
für  die  öffentliche  ReligionsQbung  und  den  kirchlichen 
Besitzstand.!)    Nun  waren  aber,  wie  früher  schon  gesagt 
wurde,    die  Jahre  1609   bis  1614   der  Ausbreitung   des 
Protestantismus  noch  besonders  günstig  gewesen.    Mithin 
bedeutete  das  Festhalten  am  Normaljahr  1609  nicht    nur 


1)  Später,  nach  dem  westfftliscben  Frieden,  trat  das  allgemeine 
NonnaUabr  1634  an  dessen  Stelle,  wa«  aber  keine  tbatslchliche 
Aendemnff  mit  sich  brachte,  da  man  ja  eben  bis  dahin,  nAmlich  bis 
1694,  die  Verhältnisse  nach  dem  Normaljahr  1G09  geregelt  hatte. 
Jedoch  gab  Ffalz-Nenbnrg  1647  den  Brandenbnrgischen  vorstellun- 

Sen  soweit  nach,  dass  es  für  die  Religionsübung,  nicht  aber   fOr 
en  Isirchlichen  Besitzstand,  das  Jahr  1612  als  Nonna\jahr  annahm. 


Oegehichtß  der  kaikoliMdißn  Gemeinde  DSesMorfe  9d 

eine  Verhinderung  aller  weiteren  Fortschritte  des  Pro- 
testantismus, sondern  auch  ein  Zurückdrängen  desselben 
auf  manchen  Punkten,  die  er  schon  in  Besitz  genommen  hatte. 
Mochten  diese  Massnahmen  immerhin  in  der  geschicht- 
lichen Rechtsentwicklung  begründet  sein,  so  wurden  doch 
die  davon  Betroffenen  mit  Erbitterung  gegen  die  Re- 
gierung und  gegen  ihre  katholischen  Mitbürger  erfüllt 
Sie  suchten  und  fanden  Hülfe  bei  einem  auswärtigen 
Fürsten,  nämlich  bei  Eurbrandenburg.  Dieses  nahm  sich 
der  jülich-bergischen  Protestanten  an,  umgekehrt  Pfalz- 
Neuburg  der  cleve-märkischen  Katholiken.  So  entstand 
das  System  der  Repressalien,  indem  jeder  der  beiden 
Fürsten  es  seine  eigenen  andersgläubigen  Unterthanen 
entgelten  liess,  wenn  er  glaubte,  dass  seine  Confessions- 
verwandten  in  dem  Gebiete  des  Andern  bedrüökt  würden. 
Dieses  System,  welches  vielleicht  als  Durchgangsstufe 
zur  vollen  Toleranz  eine  geschichtliche  Nothwendigkeit 
besass,  war  aber  doch  wenig  geeignet,  während  seiner 
Dauer  das  Verhältniss  der  Confessionen  zu  einander 
günstig  zu  gestalten.  1) 

Nach  dem  Erloschen  der  Pfalz-Neuburgischen  Linie 
fielen  die  Herzogthümer  Jülich  und  Berg  an  den  Kur- 
fürsten Karl  Theodor  von  der  Pfalz-Sulzbach'schen  Linie, 
welcher  von  1742 — 1799,  seit  1777  auch  als  Kurflirst  von 


1)  Das  System  der  Repressalien  war  offenbar  in  sich  nn- 
moralisch,  nicht  nur  deshalb,  weil  es  Unschuldige  für  die  wahre 
oder  vermeintiiche  Schuld  Anderer  büssen  liess,  sondern  auch  an» 
dem  Grunde,  weil  es  sich  als  einen  lediglich  auf  die  Gewalt  ge- 
Kttttsten  Eingriff  in  fremde  Angelegenheiten  darsteUte.  Um  letzteres 
zu  verschleiern,  leitete  Brandenbarg  sein  Einmischungsrecht  von 
dem  Umstände  her,  dass  die  Herzogthftmer  Jülich-Cleve-Berg  reichs- 
rechtUch  ein  untheilbares  Ganzes  bildeten,  welches  die  beiden  Fürsten 
gemeinsam  beherrschten.  Hieraus  folgerte  es,  die  vorgenommene 
Theilung  hätte  nicht  die  eigentliche  Herrschaft,  sondern  nur  die 
Verwaltung  und  Nutzniessun^  zum  Gegenstande ;  mithin  stehe  ihm 
auch  in  Jülich  und  Berg  die  landesherrliche  Würde  zu,  und  es 
mflase  daher  jede  Beeinträchtigung  seiner  Confessionsverwandten 
in  diesen  Gebieten  als  eine  inm  widerfahrende  Unbill  ansehen. 
Um  aber  an  den  Heirathstraktaten  vorbeizukommen,  stellte  Branden- 
burg die  Behauptung  auf,  eh  sei  keine  Schmälerung  der  römisch- 
katholischen BeUgion,  wenn  man,  ohne  sie  in  ihrer  Uebung  und 
ihrem  Besitzstande  anzutasten,  auch  den  Protestantismus  sich  frei 
neben  ihr  entwickeln  lasse  (Bros.  AnnaJ.  III,  155  sqq.).  Diese  An- 
schauung war  aber  der  damaligen  Zeit  ganz  ftremd  und  hatte  sicher 
auch  den  Abschliessem  der  Heirathstraktate  durchaus  fem  gelegen. 
Pfalz-Neuburg  musste  daher  annehmen,  dsiss  diese  Ausle^ng  der 
Traktate  ebenso,  wie  die  spitzfindige  Herleitung  des  Einmischungs- 
r^ites,  hauptsächlich  den  Zweck  verfolge,  der  brandenburg^schen 
Politik  in  den  fortwährenden  Theilungsstreitigkeiten  neue  Klage- 
punkte  zu  liefern.  Bei  den  wiederholten,  desfallsigen  Verhand- 
Inn^n,  welche  nach  d(*m  Xantencr  Vertrag  von  1611  In  den  Jahren 


04  GeseMehie  der  hatkoiMfehm  Otmemde  DüsBeMwfe, 

Bayern  regierte  und  das  bergische  Land  durch  seinen 
Statthalter,  den  Grafen  Gtoltstein,  verwalten  liess.  Sein 
Nachfolger,  Max  Joseph,  1799—1806,  von  der  Linie  Pfalz- 
Zweibrücken,  schickte  seinen  Vetter,  Herzog  Wilhelm  in 
Bayern,  als  Statthalter  nach  Düsseldorf.  Als  Max  Joseph 
1806  König  von  Bayern  wurde,  trat  er  das  Herzogthum 
Berg  an  Napoleon  I.  ab,  welcher  dasselbe  an  Joachim 
Mürat  vergab.  Nach  dem  Sturze  Napoleon's  kamen  die 
bergischen  Lande  an  die  Krone  Preussen.  Unter  der 
Verwaltung  des  Grafen  Goltstein  hielt  die  von  Frankreich 
her  kommende  Aufkläi^ung  ihren  Einzug  in  Düsseldorf. 
Die  mit  Kurpfalz  verbündeten  Franzosen  gründeten  1752 
die  erste  Freimaurerloge  in  der  Stadt,  genannt  La  paix 
du  Bas-Rhin.  Von  1756—1762  und  von  1795—1801  hatte 
Düsseldorf  französische  Besatzung,  was  für  Religion  und 
Sittlichkeit  nicht  vortheflhaft  war.  Im  Jahre  1769  wurden 
die  Kirchhöfe  innerhalb  der  Stadt  geschlossen;  den  Pro- 
testanten wurde  ein  SUrchhof  am  Kapellchen  in  Deren- 
dorf  angewiesen,  den  Katholiken  der  1 766  neu  angelegte 
Earchhof  auf  dem  Festungsglacis  zwischen  der  Stein-  und 
Grünstrasse,  welcher  bis  1802  im  Gebrauche  blieb,  da 
1795  der  gemeinsame  städtische  Friedhof  angelegt  worden 

1629  bis  1706  zwischen  den  beiden  possedirenden  Fürsten  geführt 
wurden,  spielte  die  religiöse  Frage  immer  eine  Hauptrolle  und  wurde 
die  Politik  der  Repressalieti  als  zu  Recht  bestehend  betrachtet  und 
behandelt.  Uebrigens  brachte  diese  Politik  den  Jttlich-Bergischen 
Protestanten  keinen  Vortheil;  denn  erstens  gab  Rarbrandenburg 
den  meisten  Anlass  zu  Repressalien  (vergl.  Fioss  a.  a.  O.,  besonders 
S.  16--43).  Noch  im  Jahre  1723  richtete  Pfalz -Neuburg  deshalb 
eine  Beschwerdeschrift  an  den  Kaiser:  vAllemnterthänigste  Beprae- 
sentatio  Gravaminum  Religionis  Der  Römisch  Katholischen  Jm  Hert- 
zogthumb  Cleve  Auch  Graifschafft  Marck  und  tUvensberg.  Cum 
JnstificHtionibus  Erstattet  Von  Jhro  ChurfUrstl.  Durchl.  zu  Pfaltz, 
Jülich-  und  Bergischer  Regierung.  Düsseldorff  Getruckt  bey  Till- 
manno  Liborio  Stahl,  Churfürstl.  privilegiirter  HolT-  und  Kantzley 
Buchtrucker  1723.  Ferner  drohte  Brandenburg  in  den  Erbstreitig- 
keiten wiederholt  mit  bewaffnetem  Einschreiten  und  führte  diese 
Drohung  sogar  zweimal,  1(>47  und  1651,  wirklich  aus,  indem  es  bin 
unter  die  Mauern  Düsseldorfs  vorrückte.  In  solchen  Zeiten  erfreuten 
«ich  die  Jüiich-Bergischen  Protestanten  keiner  glimpflichen  Behand- 
lune,  weil  man  in  ihnen  die  geheimen  Freunde  des  Feindes  er- 
blickte. Abgesehen  hiervon  und  von  den  Fällen,  die  sich  als  Re- 
pressalie erklären  lassen,  haben  die  Pfalz-Neuburgischen  Fürsten 
die  vor  1609  erworbenen  Rechte  der  Protestanten  respektirt  und 
damit  Alles  gethan,  was  sich  in  damaliger  Zeit  von  einem  Fürsten 
gegenüber  andersgläubigen  Unterthanen  erwarten  Hess.  Toleranz 
im  heutigen  Sinne  konnten  sie  nicht  üben,  weil  eine  solche  Toleranz 
damals  überhaupt  noch  unbekannt  war.  lieber  Wolfgang  Wilhelm 
insbesondere  vergl.  Räss  a.  a  0.,  wo  durch  das  Zeugniss  des 
protestantischen  Historikers  Menzel  (Neuere  Geschichte  der  Deut- 
schen IV,  58  ff.)  dargethan  wird,  dass  ihn  der  Yorwurt'  der  Unduld- 
samkeit nicht  trifft. 


Oettdiiehte  der  kaihdiaehen  Gemeinde  Düeeeldarfe*  95 

war.  Zum  Zwecke  der  Strassenerweiterung  verlangte 
die  Regierung  nach  Schliessung  der  innerstädtischen  Kirch- 
höfe 1769  vom  Stiftskapitel  die  Niederleguug  der  Kirch- 
hofismauer  an  der  Nordseite  der  Stiftskirche  und  die  Trans- 
ferirung  des  dort  befindlichen  Kalvarienberges.  Da  das 
Stiftskapitel  auf  diese  Forderung  nicht  sofort  einging, 
wurde  Beides  auf  Befehl  des  Grafen  Goltstein  gewaltsamer 
Weise  ausgeführt.  Darauf  liess  das  Kapitel  den  Kalvarien- 
berg  an  der  Nordseite  der  Kirche  aufstellen,  wo  er  sich 
bis  heute  befindet.^)  —  Ungefähr  um  dieselbe  Zeit,  um's 
Jahr  1770,  verschwand  der  letzte.  Äussere  Rest  der  alten 
Heiligthumsfahrten ;  die  feierliche  Procession  zur  Ver- 
ehrung der  Reliquien,  welche  am  Tage  des  heil.  Jakobus 
gehalten  wurde,  unterblieb  von  da  an ;  an  ihre  Stelle  trat 
eine  innerhalb  der  Kirche  stattfindende  Ausstellung  und 
Verehrung  der  Reliquien  am  ersten  Sonntag  im  August. 
Die  Aufhebung  des  Jesuitenordens  1773  blieb  für  Düssel- 
dorf zunächst  ohne  praktische  Folgen,  da  die  Jesuiten 
unter  dem  Titel  einer  Congregation  von  Weltgeistlichen 
ihr  gemeinsames  Leben  und  ihre  bisherige  ThAtigkeit 
fortsetzten;  sie  nahmen  sogar  neue  Mitglieder  in  diese 
Congregation  auf.  —  Als  im  Jahre  178b  die  aus  dem  alten 
Düsseldorf  nach  der  neu  gegründeten  Karlsstadt  führende 
Mittelstrasse  angelegt  wurde,  musste  das  Kapuzinerkloster 
dieser  Anlage  weichen.  Die  Kapuziner  erhielten  statt 
des  weggebrochenen  Klosters  zwei  Häuser  auf  der  Ecke 
der  Wall-  und  Mittelstrasse.  —  Bei  der  Beschiessung 
Düsseldorfs  durch  die  Franzosen  am  Abend  des  6.  October 
1794  wurden  Kirche  und  Kloster  der  Coelestinerinnen 
auf  der  Ratingerstrasse  ein  Raub  der  Flammen. 

Diese  kurze  Aufzählung  der  hauptsächlichsten,  die 
kirchlichen  Dinge  betreffenden  Ereignisse  in  der  zweiten 
Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  muss  auf  demjenigen, 
welcher  die  Entwicklung  des  katholisch-kirchlichen  Lebens 
in  Düsseldorf  die  Jahrhunderte  hindurch  verfolgt  hat,  einen 
betrübenden  Eindruck  machen.  Das  Eine  oder  Andere 
mag  ja  zufälligen  Ursachen  zuzuschreiben  sein;  aber 
verkennen  lässt  sich  doch  nicht,  dass  ein  neuer  Geist 
thätig  war,  der  Geist  der  sogenaimten  Aufklärung,  die 
zwar  in  materiellen  Dingen  Manches  besserte,  aber  zu- 
gleich auch  ihre  Abneigung  gegen  die  bestehenden  Ver- 
hältnisse auf  dem  religiösen  und  kirchlichen  Gebiete  nicht 
unterdrücken  konnte.  Man  meint  schon  die  Hammer- 
schläge  zu   vernehmen,   welche   gegen    den   alten   Bau 

>)  Im  vorigen  Jahre  (1887)  sind  jedoch  die  im  Laufe  der  Zeit 
sehr  del'ect  gewordenen,  alten  Figuren  des  Ralvnrienbergeit  durch 
neue  ersetzt  worden. 


96  QesehiMg  der  kaikoiiseheH  Gemeinde  DOeeMwffe. 

geführt  werden^  sodass  hier  und  da  bereits  ein  Stein 
herausbrOckelt ;  ja,  man  glaubt  den  Augenblick  nahe, 
wo  der  letzte  wuchtige  Schlag  geschieht,  der  den  ganzen 
Bau  zertrümmern  soll.  Dieser  Augenblick  war  in  der 
That  sehr  nahe.  In  Folge  des  Regensburger  Reichs- 
deputationshauptschlusses  vom  Jahre  1803  vollzog  sich 
auch  in  Düsseldorf  die  Saecularisirung  der  kirchlichen 
Institute.  Es  fielen  derselben  hier  zum  Opfer  das  CoUegiat- 
Stift  und  sAmmtliche  Klöster,  welche  theils  sofort  auf- 
gelöst, theils,  wie  das  der  Carmelitessen,  zum  Aussterben 
verurtheilt  wurden,  indem  sie  keine  neuen  Mitglieder 
mehr  aufnehmen  durften.  Eine  Ausnahme  bildeten  nui* 
die  unmittelbar  praktischen  Zwecken  dienenden  Ursu- 
linerinnen  und  Cellitinnen;  jedoch  wurde  den  letzteren 
ebenso,  wie  den  aufgehobenen,  das  übrigens  unbedeutende 
Klostervermögen  entzogen  und  ihnen  dafür  eine  jAhrliche 
Pension  angewiesen ;  auch  wurde  ihre  Zahl  auf  höchstens 
zehn  festgesetzt.  —  Im  CoUegiatstift  waren  zur  Zeit  der 
Aufhebung,  was  selten  der  Fall  gewesen,  alle  Kanonikal- 
prabenden  besetzt:  es  fanden  sich  daselbst  fünfzehn 
Kanoniker  und  zehn  Vikare.  Nach  Aufhebung  des  Stiftes 
blieb  die  Kirche,  was  sie  vor  1288  gewesen  War,  eine 
einfache  Pfarrkirche,  und  erhielt  auch  wieder  den  frühem 
Titel  des  h.  Lambertus,  den  sie  als  Pfarrkirche  bis  1288 
geführt  hatte.  Der  Dechant  und  Pfarrer  Joseph  LülsdorflT 
behielt  letzteres  Amt  bei  bis  zum  Jahre  1808,  wo  er 
resignirte.  1)  —  In  der  Kreuzherrenkirche  setzte  nach 
Aufhebung  des  Klosters  die  Rosenkranzbruderschaft  den 
Oottesdieust  noch  bis  1.  Mai  1812  fort;  dann  wurde  die 
Kirche  zu  profanen  Zwecken  bestimmt.  Unter  Napoleon  1. 
diente  sie  1812  und  1813  als  Tabaksmagazin,  darauf  als 
Pferdestall  für  die  russischen  Truppen,  seit  1819  al» 
Montirungsdepot.  Die  Rosenkranzbruderschaft  wurde  am 
12.  Mai  1812  aus  der  Kreuzherrenkirche  in  die  Lambertus- 
kirche  transferirt.  <)  Seitdem  wird  hier  taglich  Nach- 
mittags Rosenkranzandacht  und  am  Titularfest  der  Bruder- 
schaft, am  Feste  „Maria  vom  Siege  ^,  den  ersten  Sonntage 
im  Oc tober,  feierliche  Prozession  gehalten.  Auch  das 
uralte  Gnadenbild  kam  aus  der  Kreuzherrenkirche  in  die 
Lambertuskirche  und  befindet  sich  daselbst  auf  dem 
sogenannten  Pfarraltar,  welcher  am  Eingang  des  Chores 


1)  Reihenfolge  der  Pfarrer  seitdem:  Joseph  Lülsdorff,  1799  big 
1806  (t  27.  Dez.  1820);  Adam  Brewer,  1806—1820  (f  26.  Des.  1820); 
Johann  Wilhelm  Heinzen,  1821—1840:  Philipp  Joesten,  1841—1874; 
Vakatnr  1874—1888;  Heinrich  Hubert  Cremer,  seit  1888.  Die  Reihen- 
folji^e  der  früheren  Dechanten  und  Pfarrer  s.  bei  Baverle  S.  82. 

S)  S.  Urknnde  bei  Bayerle  S.  254. 


Gt9ehiekt€  der  kaikolisekM  Gemeinde  DÜB9Morf$.  »7 

auf  der  Evangelienseite  steht  —  Im  ehemaligen  Jesuiten- 
collegium  waren  zur  Zeit  der  Saecularisirung  noch  elf 
Priester  y  von  denen  sieben  auswärtige  ISeelsorgsstellen 
Qbemahmen;  vier  blieben  in  Düsseldorf  zurück,  setzten 
das  gemeinsame  Leben  fort  und  wirkten  noch,  einige 
Jahrzehnte  hindurch  in  höchst  segensreicher  Weise, 
geachtet  und  geliebt  von  der  Bevölkerung  der  Stadt,  i)  — 
Die  Franziskanerkirche  wurde  nach  Aufhebung  des 
Klosters    im   Jahre    1805   zur  zweiten   Pfarrkirche    der 

9 

Stadt  erhoben  und  erhielt  aus  Rücksicht  auf  den  Kur- 
fürsten Max  Joseph  den  Titel  des  h.  Maximilian.  <) 

So  war  nun  mit  Einem  Schlage  vernichtet,  was  Jahr- 
hunderte allmählich  geschaflfen  hatten.  Die  Zeitgenossen 
wurden    von    diesem    Zerstörungswerk    wahrscheinlich 
weniger   tief  berührt,   als   wir  es   uns  heute  vorstellen. 
Es  war  eben  eine  Zeit  grosser  Bedrängnisse,  wo  Jeder 
mit  sich  selbst  genug  zu  thun  hatte;  auch  war  es  eine 
Zeit  der   gewaltsamsten  Umwälzungen,  welche   Throne 
stürzen    und    tausencyährige   Reiche    zusammenbrechen 
Hdh;   was  -Wunder,  wenn  da   auch  das  Nächstliegende 
nicht  mehr  Stand  hielt!  Sodann  blieben  nach  Auflösung 
der  kirchlichen  Institute,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde, 
doch  noch  manche,  jenen  Instituten  bis  dahin  angehörende 
Personen  in  der  Stadt  zurück  und  setzten  ihre  bisherige 
Wirksamkeit   in   der   Seelsorge   fort.    Dies    erleichterte 
nicht  nur  den  Uebergang  in  die  neuen  Verhältnisse;  es 
war  auch  von  der  grössten  Wichtigkeit  für  die  Erhaltung 
der  Religion  in  jener  im  Allgemeinen  glaubensarmen  und 
von  den  Ideen  der  Aufklärung  und  der  Revolution  erfüllten 
Zeit.    Der  schon  erwähnte  P.  Dienhardt  war  seit  dem 
Jahre  1786  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre   IBM  Präses 
der  Marianischen  Bürgersodalität.    Unter  seiner  Leitung 
hatte  diese  Sodalität  noch  im  Jahre  1199  den  Beweis 
geliefert,  dass  der  alte  Oeist  ungeschwächt  in  ihr  fort- 

^)  Es  waren  dieseH'die  Priester  Michael  Dienhardt,  Heinrich 
Wüsten,  Philipp  Schalten  und  Michael  Granderath.  Nur  der  Erste 
wta  Jesuit  und  bis  177b  im  Collegiuni  su  Münstereifel  gewesen. 
Darauf  kam  er  nach  Düsseldorf,  weil  hier  nach  Aufhebung  des 
Ordens  das  gemeinschaftliche  Leben  noch  fortbestehen  blieb.  £j 
starb,  S!)  Jahre  alt,  am  13.  Mai  1834.  Die  drei  Andern  waren  nach 
1773  in  die  Congregation  zum  h.  Andreas  in  Düsseldorf  eingetreten. 
Heinrich  Wüsten  starb  am  8.  Nov.  1835  im  Alter  von  79  Jahren,* 
Philipp  Schulten  am  10.  Febr.  1840  im  Alter  von  74  Jahren  und 
Michael  Granderath  am  12.  April  1842  im  Alter  von  72  Jahren. 
Ein  gemeinsamer  Grabstein  auf  dem  städtischen  Friedhof  deckt 
ihre  Asche.    R.  i.  P. 

*)  Reihenfolge  der  Pfarrer:  Job.  Casp.  Hildeph.  Schmitz,  1805 

—  lt>32;  Philipp  Joesten,   1832—1841:   Herm.  Jos.  RöUmann,  1841 

—  1845;  Job.  Pet.  Schmitz,  1845—1870;  Joh.  Kribben,  seit  1871.  ^ 


98  GesehichU  der  kathoiiaehen  Gemeinde  Düsseldoffs, 

lebte,  indem  sie  aus  freiwilligen  Beiträgen  das  Marianische, 
später  vom  h.  Maximilian  genannte  Krankenhaus  stiftete 
und  einige  Jahre  hindurch  unterhielt,  bis  es,  hinreichend 
fundirt,  in  das  Hospitalgebäude  in  der  Neustadt  verlegt 
und  der  Armenverwaltung   übergeben  wurde.    Im  Jahre 
1821  beging  die  Bürgersodalität  ihr  zweihundertjähriges 
Jubiläum  durch  eine  achttägige  Festfeier,  welche  ihren 
Glanzpunkt  am   15.  August,  dem  Titularfest  der  Bruder- 
schaft, erreichte.    Es  war  dieses  zugleich  eine  Onaden- 
zeit  für  Düsseldorf  und  die  Umgegend:  denn  ungefähr 
vierzigtausend  Christgläubige  gingen  in  diesen  acht  Tagen 
zu  den  h.  Sakramenten,   und  an  zweihundert  neue  Mit- 
glieder meldeten  sich  zur  Aufnahme  in  die  Congregation. 
Zum  Andenken  an  dieses  Jubiläum  wird  seitdem  in  der 
Andreaskirche  die  dreitägige,  feierliche  Andacht  am  Feste 
Maria  Himmelfahrt  gehalten.    Im  Jahre  1836  wurde  das 
zweihundertjährige  Jubelfest  der  Junggesellen-Sodalität  in 
ähnlicher  Weise  begangen.  Dieser  Sodalität  hat  P.  Schulten 
siebenundvierzig   Jahre    lang    als  Präses    vorgestanden, 
während  der  dritte  jener  ehrwürdigen  Männer^  P.  Heinr. 
Wüsten,  die  Ursula-Gesellschaft  bia  zu  seinem  Tode  leitete. 
Durch  das  aufopferungsvolle,  ausschliesslich  der  Ehre  Gottes 
und  dem  Heile  der  Seelen  gewidmete  Wirken  dieser  und 
anderer  Männer  aus  der  alten  Schule  wurde  in  der  eigent- 
lichen Bürgerschaft  Düsseldorfs  ein  Kern  von  Religiosität 
erhalten  und  gepflegt,  der  die  Stürme  der  Zeit  überdauerte. 
Unterdessen  kam  es  durch  die  Verhandlungen  der 
preussischen  Regierung  mit   dem  römischen  Stuhle 
zu  geordneten,  kirchlichen  Verhältnissen  in  der  Kölner 
Erzdiöcese,  und  von  der  Metropole  aus  wurde  dann  auch 
die  Düsseldorfer  Kirche  wieder  mit   neuen,  geistlichen 
Kräften  versehen.    Schon  vor  dem  Jahre  1830  hatte  man 
sich  mit  dem  Gedanken  getragen,  die  Andreaskirche  zur 
dritten  Pfarrkirche  der  Stadt  zu   erheben.     Unter  Erz- 
bischof Ferdinand  August  kam  es   I8)i3  bereits  zur  Ab- 
grenzung des  Pfarrbezirkes;   die  Ausführung  des  Planes 
scheiterte  aber  am  Geldpunkte.    Durch  königl.  Cabinets- 
Ordre  vom  9.  Januar   1836  wurde    die  Pensionssumme 
der  letzten   vier  Geistlichen   aus  der  Congregation  zum 
h.  Andreas  als  bleibende,  jährliche  Rente  zur  Dotirung 
der  Pfarre  bestimmt.    Ferner  wurde  durch  Cabinetsordre 
vom  5.  Dez.  1840  ein  jährlicher  Beitrag   von  600  Thlr. 
aus   der  Staatskasse   angewiesen.     Die   kanonische   Er- 
richtung der  Pfarre  erfolgte  im  Jahre  1842  durch   den 
Coadjutor,  Erzbischof  Johannes  von  Geissei.  i)  —  In  dem 

1)  Pfarrer:  Franz  Grünmeyer,  1842—1871;  Suidb.  Ambr.  Aug. 
Nottebaum,  seit  1871. 


Guehiehte  der  katholischen  Gemeinde  DflsseldorfSi  99 

ehemahligen  Carmelitessenkloster  befanden  sich  um's  Jahr 
1830  nur  noch  zwei  der  frühern  Schwestern;  da  wurde 
durch  Cabinetsordre  vom  1.  Januar  1831  dieses  Kloster 
den  Cellltinnen  überwiesen  rait  der  Verpflichtung,  neben 
ihrer  bisherigen,  ambulanten  Krankenpflege  auch  im 
Hause  selbst  eine  Krankenanstalt  zu  unterhalten,  zu 
welchem  Zwecke  eine  bis  dahin  im  Carmelitesionkloster 
lebende  Dame,  Frl.  Therese  von  Buschmann,  eine  be- 
deutende Summe  vermacht  hatte.  Die  bisherige  Kirche 
der  Cellltinnen  gegenüber  der  Andreaskirche  wurde  1837 
niedergerissen  und  an  ihrer  Stelle  das  Pfarrhaus  von 
St  Andreas  erbaut;  das  Kloster  der  Cellltinnen  wurde 
später  zu  Wohnungen  für  die  KaplAne  hergerichtet.  — 
Die  Aufgabe,  das  von. der  Bevölkerung  immer  mehr  in 
Anspruch  genommene  Krankenhaus  zu  leiten,  überstieg 
bald  die  KrAfte  der  Cellltinnen,  und  da  diese  von  ihrer 
eigenen  Genossenschaft  keine  Hülfe  erhalten  konnten,  so 
kamen  am  13.  Juli  1852  fünf  Kreuzschwestem  (Töchter 
des  h.  Kreuzes)  hierher  zur  Stellvertretung  der  Cellltinnen 
bei  dem  Hospitaldienst  unter  gänzlicher  Beibehaltung  der 
bestehenden  Rechtsverhältnisse.  Schliesslich  wurde  ver- 
mittelst Cabinetsordre  vom  26.  September  1859  „die  An- 
stalt der  barmherzigen  Schwestern  zu  Düsseldorf  bei 
fortdauernder  Wirksamkeit  der  noch  vorhandenen  Celll- 
tinnen den  Schwestern  aus  der  Congregation  vom  h.  Kreuz 
zu  Aspel  bei  Rees  in  der  Art  überwiesen,  dass  diese 
künftig  ganz  an  die  Stelle  der  Cellltinnen  treten.^ 

Das  Oymnasium  oder  ehemalige  Seminarium  reipu- 
blicae  wurde  auch  nach  1773  von  den  Exjesuiten  und 
ihren  Oehülfen  noch  fortgeführt  bis  1805.  Seine  heutige 
Verfassung  erhielt  es  im  Jahre  1814.  Der  Gottesdienst 
der  Anstalt  verblieb  in  der  Andreaskirche.  Mit  der  Ab- 
haltung desselben,  sowie  mit  der  Seelsorge  und  dem 
religiösen  Unterricht  der  Schüler  wurde  der  Religions- 
lehrer der  Anstalt  betraut,  i) 

')  Das  alte  Jesuitengymnasium  hatte  nur  geistliche  Lehrer, 
von  denen  jeder  in  seiner  Klasse  den  Religionsunterricht  ertheilte. 
Dasselbe  war  auch  noch  an  dem  grossherzoglichen  Lyceum  1805 
bis  1813  der  Fall.  An  dem  neuen  Gymnasium  gab  Caplan  Scheins 
▼on  1814 — 1817  den  Religionsunterricht  im  Nebenamte.  Seit  1816 
bis  zu  seinem  am  25.  Dezember  1817  erfolgten  Tode  half  ihm  da- 
bei  der  Prof.  Dr.  Aegid.  Jak.  Schallmeyer,  früher  an  der  kur- 
köinischen  Universität  Bonn  thätig,  dann  Rektor  der  dortigen 
Centralschule  und  von  1805—1813  Rektor  des  Lyceums  in  Düsseldorf. 
Es  folgten  nun  von  Oktober  1817  bis  Mttrz  1819  und  von  Oktober 
1819  bis  Juni  1820  die  beiden  seltsamen  Mystiker  Martin  Boos 
und  Joh-annes  Qossner.  In  der  Zwischenzeit  gab  Caplan 
Gftrtner  den  Rell^onsunterricht.  Von  1820—1835  ertheilte  den- 
selben Prof.  Hagemann,  seit  1814  Lehrer  der  lateinischen  Sprache 

7» 


100  G€9ekiekt0  der  kotkoli$dmt  Gtmeinde  DB9$Morf8. 

Für  die  Gamisonkirche  hatte  der  um  diese  Kirche 
und  um  die  Gamisonpfarre  sehr  verdiente  Garnison- 
pfarrer  Udalrich  Krings  nach  der  Zerstörung  der  Kircdie 
der  Coelestinerinnen  1794  deren  Hochaltar  und  Kanzel 
und  nach  der  Aufhebung  des  Kapuzinerklosters  1804  aus 
der  Kirche  desselben  bie  beiden  NebenaltAre,  zwei  Beicht- 
stühle und  die  Orgel  erworben.  Unter  der  preussischen 
Regierung  ging  die  Kirche  in  den  Besitz  des  Hilitärflscus 
und  in  die  Verwaltung  des  Kriegsministeriums  über.  Seit 
dem  18.  Oktober  1816  wird  auch  protestantischer  Gottes- 
dienst in  derselben  gehalten.  Eine  Cabinetsordre  vom 
;-)0.  September  1824  bezeichnet  die  Kirche  als  evangelische 
Gamisonkirche.  Da  sie  aber  nach  derselben  Cabinets- 
Ordre  ihren  bisherigen  Namen  St.  Anna-Kirche  und  ihre 
katholische  Einrichtung  beibehalten  und  auch  für  den 
katholischen  Militargottesdienst  bestimmt  sein  soll,  so  ist 
sie  thatsächlich  bis  heute  Simultankirche,  i) 

Im  Jahre  1817  zAhlte  Düsseldorf  ungefähr  14000  Ein- 
wohner, ebenso  viele,  wie  hundertfünfzig  Jahre  früher 
zu  den  Zeiten  des  Dechanten  Voetz.  Seitdem  hat  die 
Zahl  der  Bewohner  der  Stadt  stetig  und  zwar  zuletzt 
in  beschleunigter  Weise  zugenommen,  sodass  sie  jetzt 
nahezu  das  Zehnfache  der  Bevölkerung  von  1817  betragt 
Zugleich  hat  die  Stadt  sich  nach  allen  Seiten  hin  rftum- 
lich  ausgedehnt  und  die  beiden  Nachbarorte  Bilk  und 
Derendorf,  die  früher  je  eine  Viertelstunde  von  ihr  ent- 
fernt waren,  vollständig  in  ihren  Bereich  gezogen.   Schon 

am  Gymnafiium.  Danach  folgten  die  Religionglehrer:  J.  L.  von  den 
Driesch,  1836—1840;  Franz  Ludwig  Krabe,  1840—1886,  seit  1881 
vertreten  durch  Religionslehrer  ChnslJan  Fuvs;  Dr.  Ladw.  Küpper^ 
seit  1886.  —  An  der  städtischen  Realschule,  dem  spätem  Beal- 
gymnasinm,  seit  1888  auch  humanistisches  Gymnasium,  haben  seit 
Gründung  der  Anstalt  1838  folgende  Kapiäne  der  Maxpfarre  Reli- 

gionsunterricht  ertheilt:  Herrn.  KÖllmann,  1838—1841 ;  Joh.  Theod.  Jos. 
oclc,  1841-1849;  Karl  Langendorf,  1849-1857;  C^nütian  Puss,  1857 
bis  1873;  dann  folgte  der  Religrionslehrer  Dr.  Christian  Lingen,  seit 
1873.  —  Die  städtische  BOrgerschule,  gegründet  1872,  war  bis  1878 
mit  dem  Realgymnasium  vereinigt.  Seitdem  waren  Religionslehrer 
an  derselben:  Karl  Sonnenschein  1878^1886:  Karl  Sech«,  seit  18^. 
1)  Reihenfolge  der  Gamisonpfarrer:  Udalrich  Krings,  178SI 
bis  1811;  Everhard  Brewer,  1812-1813;  Joseph  Custodis,  18l6'-1820; 
Johann  Komwebel,  1820—1832;  Jakob  Bodenheim,  1882*1840; 
Franz  Alex.  Aug.  Halm,  1841 — 1846:  Joh.  Heinr.  Ant  Lampen- 
fM:herf,  1846—1855;  P'rans  Aloys  Jos.  Hamacher,  1855—1866;  Friedr. 
Kayser,  1866-1883;  Anton  Keck,  seit  1887.  —  Die  katholische 
Gamisonpfarre  besteht  seit  1700;  die  Gamisonpfarrer  während  des 
18.  Jalurhunderts  siehe  bei  Bayerle,  S.  190.  —  Die  Seelsorge  im 
Arresthause  wurde  bis  1841  gewöhnlich  von  Pfarrgeistlichen  im 
Nebenamte  mitversehen.  Seitdem  waren  ständige  Seelsorger  da- 
selbst: Eduard  Gerst,  1841— 18(;5;  Conrad  Gustav  Prell,  1865—1873; 
Karl  Theodor  Hubert  Schieiden,  seit  1874. 


OtBehiehfe  d^r.  kalholiBehen  Gemeinde  Düeseldorfe*  101 

Bayerle  im  Schlussworte  seines  1844  erschienenen  Buches 
bezeichnet  es  als  eine  dringende  Nothwendigkeit,  dass 
f&r  die  Bewohner  der  Gegend  am  Wehrhahn,  deren  Zahl 
er  auf  4000  veranschlagt,  eine  eigene  Pfarre  gegründet 
werde.  Seitdem  sind  vierundvierzig  Jahre  dahingegangen, 
ohne  dass  nach  dieser  Richtung  hin    etwas  G-reifbares 
geschehen  wftre.    Zur  Erklärung  muss  allerdings  beige- 
fllgt  werden,  dass  seit  1874  die  kirchenpoiitischen  Wirren 
eine  Forderung  des  Werkes  sehr  erschwerten.    Vorher 
aber  hatten  sich  auf  dem  in  Frage  stehenden  Gebiete  in 
dem  Zeitraum  von   1^50  bis  1870  mehrere  religiöse  Ge- 
nossenschaften niedergelassen,  deren  Kirchen  oder  Kapellen 
gröestentheils  der  Bevölkerung  zugänglich  waren.    So  die 
Schwestern  vom  armen  Kinde  im  Waisenhaus  zu  Deren- 
dorf  1850,  die  Kreuzschwestem  in  Christi  Hilf  1859,  die 
Ciarissen  in  der  Kaiserstrasse  1859,  die  Franziskaner  in 
der  Klosterstrasse  1853,  die  Dominikaner  in  der  Friedrichs- 
stadt 1860,  ebendort  1867  die  Dienstmägde  Christi  und 
ungefähr   um    dieselbe    Zeit    die   Ejreuzschwestem    zur 
Leitung  einer  Töchterschule,  und  endlich    die  Franzis- 
kanerinnen aus  Aachen  in  dem  durch  Beiträge  von  den 
Katholiken    errichteten    Marien-Hospital.     Durch    diese 
Kloster-Kirchen  und  Kapellen,  besonders  aber  durch  die 
Thfttigkeit  der   genannten  zwei  Männerorden,    Franzis- 
kan^*  und  Dominikaner,  war  tHr  die  religiösen  Bedürf- 
nisse der  Bevölkerung  in  den  neuen  Stadttheilen  immer- 
hin gesorgt.    Jedoch  ist  seit  1886  auch  der  Plan  wieder 
ernstlich  aufgenommen  worden,  geordnete  PfWrrsysteme 
dort  einzurichten.  —  Ausser  den  eben  genannten  klöster- 
lichen Niederlassungen  bestanden  vor  1875  noch  die  der 
Kreuzschwestem  im  ehemaligen  Carmelitessenkloster,  der 
Franziskanerinnen   auf  der  Ritterstrasse    und    im  Max- 
Joseph  -  Hospital  in  der  Neustadt,  und  das  alte  Kloster 
der  Ursulinerinnen.    Hiervon  wurden  diejenigen,  welche 
nicht  der  Krankenpflege  gewidmet  waren,  im  Jahre  1875 
oder  spätestens  1877  aufgelöst,  sind  aber  seit  1887  wieder 
hergestellt  worden  mit  Ausnahme  des  Klosters  der  Kreuz- 
schi^estem   in  der  Friedrichsstadt  und   desjenigen   der 
Schwestern  vom  armen  Kinde  in  Derendorf.    Zur  Zeit 
besitzt    also  DQsseldorf  zwei   Männerklöster   und    acht 
Fraaenklöster.  Von  letztern  ist  nur  eins,  das  der  Ciarissen, 
dem    beschaulichen   Leben  gewidmet;   die   andern  ver- 
folgen praktische  Zwecke. 

Die  katholische  Gemeinde  in  DQsseldorf  kann  ebenso, 
wie  die  Stadt  selbst,  sich  zwar  nicht  mit  den  andern 
grossen  Rheinstädten  hinsichtlich  des  Alterthums  messen; 
aber  es  ist  doch  immerhin  eine  ansehnliche  Vergangen- 


102  Qeschichie  der  kaihoUaehen  Gemeitide  DüsMeldorf«* 

heit  von  etwa  neunhundert  Jahren,  auf  welche  sie  zurück- 
zublicken im  Stande  ist.  Und  zwar  wendet  sich  unser 
Blick,  wenn  er  die  ersten  Anfange  Düsseldorfs  aufsucht, 
nothwendig  zur  Lamberti-Kirche  hin,  die  heute  noch  der 
katholische  Düsseldorfer  gewöhnlich  seine  „grosse  Kirche^ 
nennt.  Sie  birgt  in  ihrem  Innern  nicht  nur  die  Mauer- 
reste des  ältesten  Gotteshauses,  ja,  des  ältesten  Bau- 
werkes der  Stadt;  sie  hat  auch  seit  dem  Anfange  dieses 
Jahrhunderts  jenem  alten  Onadenbilde  eine  Zufluchts- 
stätte geboten,'  welches  schon  im  Beginn  des  gegen- 
wärtigen Jahrtausends  fromme  Pilgerschaaren  von  nah 
und  fern  hierher  zusammenführte.  Dort  sehen  wir  also 
die  handgreiflichen  Beweise  für  das  Alter  der  Stadt  und 
der  katholischen  Gemeinde  Düsseldorf.  Was  bei  einem 
Gebäude  das  Fundament,  das  ist  bei  einer  aus  Menschen 
gebildeten  Gesellschaft  oder  Vereinigung  in  gewissem 
Sinne  ihre  Vergangenheit.  Einen  je  längern  Bestand 
eine  Gesellschaft  aufzuweisen  hat,  desto  grösser  ist  in 
der  Regel  auch  die  Anhänglichkeit,  womit  die  Einzelnen 
ihr  zugethan  sind,  desto  stärker  das  Band,  welches  sie 
umschliesst,  und  desto  längere  Dauer  verspricht  sie  für 
die  Zukunft.  Möge  dieses  auch  an  der  katholischen  Ge- 
meinde Düsseldorfs  sich  bewähren! 

Zwei  Momente  sind  es  sodann,  die  aus  der  Ver- 
gangenheit dieser  Gemeinde  uns  der  Beachtung  noch  be- 
sonders werth  erscheinen.  Die  ersten  Glaubensboten  im 
bergischen  Lande  waren  von  der  Kölnischen  Kirche  ge- 
sandt. Der  h.  Suidbertuä,  der  später  um  700  hier  predigte 
imd  entweder  selbst  oder  durch  seine  Nachfolger  den 
Grund  zur  Kirche  in  Düsseldorf  legte,  kam  als  aposto- 
lischer Sendbote  in  diese  Gegenden.  So  weisen  schon 
die  ersten  Anfänge  des  Katholicismus  in  Dflsseidorf  auf 
Köln,  die  Metropole,  und  auf  Rom,  den  Mittelpunkt  der 
katholischen  Kirche,  zurück.  So  oft  wir  seitdem  in  der 
Geschichte  Düsseldorfs  vernehmen,  dass  irgend  eine  neue 
Schöpfung  oder  Einrichtung  auf  kirchlichem  Gebiete  von 
Köln  oder  von  Rom  aus  bestätigt  wird,  ebenso  viele  Be- 
weise haben  wir  für  die  Thatsache,  dass  der  Katholicismus 
in  Düsseldorf  von  je  her  im  organisdien  Verbände  der 
Gesammtkirche  wurzelte.  Die  hieraus  für  Ghegenwart 
und  Zukunft  sich  ergebende  Mahnung  zum  treuen  Fest- 
halten an  der  kirchlichen  Einheit  wird  von  den  Katho- 
liken Düsseldorfis  wohl  verstanden  und  beherzigt.  Ihrer 
desfallsigen  Gesinnung  hat  die  katholische  Gemeinde  noch 
in  der  jüngsten  Zeit  beredten  Ausdruck  geliehen,  als  sie  im 
Oktober  1886  den  Erzbischof  Philip pus  mit  der  grössten 
Freude  und  Feierlichkeit  in  ihrer  Mitte  bewillkommnete. 


049ehhhte  der  katMiacheH  Gemeinde  Düsseldorfs,  103 

Ferner  zeigt  uns  schon  die  vorliegende,  kurze  lieber- 
sieht  über  die  Geschichte  des  KaÜiolicismus  in  Düssel- 
dorf, dass  derselbe  sich  von  Seiten  der  Landesfürsten 
fast  immer  einer  wohlwollenden  Behandlung  zu  erfreuen 
hatte.  Die  dem  Katholicismus  weniger  günstige  Haltung 
der  beiden  ersten  clevischen  Herzöge  wird  reichlich  auf- 
gewogen durch  die  vielen  Wohlthaten,  welche  sowohl 
die  früheren  bergischen,  als  auch  die  späteren  Pfalz- 
Neuburgischen  Fürsten  der  katholischen  Kirche  erwiesen 
haben.  In  dieser  Hinsicht  blicken  wir  nun  auch  mit 
Dank  und  Vertrauen  auf  zu  denjenigen  Fürsten,  welche 
Düsseldorf  seit  siebenzig  Jahren  seine  Landesherren  nennt. 
Die  Hohenzollern*schen  Könige  sind  nicht  nur  die  Rechts- 
nachfolger, sondern  die  wirklichen  Nachkommen  unsrer 
alten,  bergischen  Herzöge.  Ihnen  sind  wir  besondern 
Dank  schuldig  dafür,  dass  sie  die  Toleranz,  welche  Kur- 
fürst Max  Joseph  1799  für  seine  Staaten,  also  auch  für 
das  bergische  Land,  proclamirte,  seitdem  praktisch  ge- 
übt haben.  Wenn  wir  uns  erinnern,  wie  schwer  es 
unsern  Vorfahren  geworden  ist,  in  den  auf  die  Glaubens- 
spaltung folgenden  Zeiten  das  richtige  Verhältniss  für 
das  Zusammenleben  der  Confessionen  zu  finden,  so  mögen 
wir  daraus  entnehmen,  von  wie  grosser  Bedeutung  es  ist, 
dass  jetzt  von  oben  herab  Parität  geübt  und  gegenseitige 
Duldung  eingeschärft  wird.  Das  herrliche  Wort,  welches 
der  nun  in  Gott  ruhende  König,  Kaiser  Friedrich, 
bei  seinem  Regierungsantritt  gesprochen  hat,  wird  allen 
Katholiken  unvergesslich  bleiben,  das  Wort:  ^Meinem 
Herzen  stehen  alle  Unterthanen  gleich  niäbe!^  Eine  solche 
Gesinnung,  praktisch  und  anhaltend  bethätigt,  hat  einen 
grösseren  Werth,  als  selbst  die  den  Kirchen  und  religiösen 
Instituten  gespendeten  Wohlthaten. 

Unter  dem  Schutze  rechtliebender  und  toleranter 
Fürsten,  im  engen  Auschluss  an  Papst  und  Bischof,  die 
Vertreter  der  kirchlichen  Einheit,  geht  die  katholische 
Gemeinde  Düsseldorfs  im  Vertrauen  auf  Gott  ihrer  Zukunft 
entgegen.  Wir  sehen,  wie  in  der  Geschichte  des  alten 
Düsseldorf  in  religiöser  Hinsicht  Zeiten  der  Blüthe  und 
Perioden  des  Verfalles  mit  einander  abwechseln ;  es  lässt 
sich  nicht  leugnen,  dass  wir  jetzt  seit  mehreren  Jahr- 
zehnten schon  einen  kirchlichen  Aufschwung  zu  ver- 
zeichnen haben;  ob  derselbe  noch  ferner  anhalten  und 
sich  weiter  entwickeln,  oder  ob  er  vielleicht  schon  bald 
in's  Stocken  gerathen  und  dem  Verfalle  weichen  wird, 
das  hängt  wesentlich  davon  ab,  wie  wir  selbst,  Priester 
und  Volk,  unsere  Schuldigkeit  thun.  Die  Geschichte  giebt 
uns    auf   diese  Frage   keine  Antwort;    denn    abgesehen 


104  G€$ekickU  der  hoikoiigchen  Gemeinde  Düeeeldarfe. 

davon,  dass  die  neue  Grossstadt  Düsseldorf  ihrer  Zu- 
sammensetzung nach  ein  ganz  anderes  Gemeinwesen  ist, 
als  das  alte,  kleine  Düsseldorf,  dessen  kirchliche  Ge- 
schichte wir  hier  vor  uns  haben;  abgesehen  hiervon  ist 
es  überhaupt  nicht  Sache  der  Geschichte,  die  Zukunft  zu 
beleuchten;  sie  entrollt  uns  das  Bild  des  Geschehenen, 
den  Sehleier,  der  das  Kommende  verhüllt,  Iftsst  sie  un- 
berührt: denn  die  Zukunft  steht  in  der  Hand  des  Ewigen. 


Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  Düsseldorfs. 


Adalbart  Hatorp, 
K.  CotiHlHtoriiilrath  und  Pfnrrer  der  er.  Oenieindo. 

ie  jetzt  etwa  .12000  Seelen  zählende  und  in 
stetem  raschem  Wachathum  begriffene  evan- 
eeliscbe  Gemeinde  zu  Düsseldorf  mit  ihren 
Schn-estern,  der  evangelischen  GarnUon- 
Qemeinde  und  der  Anstaltsgemeinde  Dtlssel- 
thal,  kann  ihre  UrsprQnge  bis  in  die  ersten  Zeiten  der 
Reformation  verfolgen,  ist  aber  erst  im  Jahre  1635  als 
„evangelische  uqirte  Gemeinde"  aus  der  Vereinigung 
der  vormals  reformirten  und  der  lutherischen  Ge- 
meinde hervorgegangen,  wAhrend  die  Gamisongemeinde 
mit  dem  Jahre  1615  und  die  Parochie  Dasselthal  am 
17.  Juni  1659  als  selbständige  Gemeinden  von  ihr  aufl- 
schieden.  Aber  auch  jene  beiden  über  250  Jahre  von 
einander  getrennten  Gemeinden,  die  reformirte  und  die 
lutherische,  treten  erst  mit  dem  Jahre  1609  als  solche 
in  die  Oeffentlichlieit,  wahrend  sie  bis  dahin  als  sogenannte 
„geheime  Gemeinden"  oder  „Kirchen  unter  dem  Kreuze" 
etwa  vierzig  Jahre  Hindurch  bestanden  hatten,  und  ihre 
Vorgeschichte  verliert  sich  in  den  reformstorischea  Be- 
wegungen, welche  bis  zum  Jahre  1570  unsere  Stadt  wie 
das  ganze  Lflndcrgebiet  der  Herzeige  von  Cleve- Jülich- 
Berg  und  Mark  beherrschten. 

Schon  Johann  in.  (lull— ir)39),  der  „Friedfertige", 
welcher  als  Jungherzog  von  Cleve  die  Tochter  des  Herzogs 
Withelm's  n.  von  Berg,  Jülich  und  Ravensberg,  Maria, 
im  Jahre  1510  geheirathet  hatte,  seit  1511  mit  seiner 
Gemahlin  über  das  Herzogthum  Berg-Jölich- Ravensberg 
regierte  und  nach  dem  Tode  des  Herzogs  Johann  H.  von 
Clev«  im  Jahre  1521   auch  dessen  Erbe  antrat,  so  dass 


lOH  Oe$ehichU  der  evangelisehen  Oemeinde  DüsnMorf*. 

er  nunmehr  als  ^Herzog  von  Cleve-Jülich-Berg,  Graf  von 
der  Mark,  Ravensberg  etc.''  über  ein  Land  von  etwa 
250  Quadratmeilen  herrschte ^  war  der  Reformation 
zugethan,  wie  dies  namentlich  daraus  hervorgeht ,  dass 
der   berühmte  Erasmus  und  andere  Humanisten   das 
grösste  Ansehen  am  fürstlichen  Hofe  zu  Düsseldorf  ge- 
nossen und  der  Herzog  die  Erziehung  seines  Sohnes,  des 
hoffnungsvollen  Erbprinzen  Wilhelm,  einem  der  hervor- 
ragendsten Schüler  des  Erasmus  und  Freunde  Meianch- 
thon's,    dem    hochgelehrten   Konrad   von  Heresbach 
(geb.  am  2.  August  1496  zu  Heresbach  bei  Mettmann, 
gest.  1576  zu  Wesel)  anvertraute.    Ein  im  Archiv  der 
evangelischen  Gemeinde  befindlicher  Aufsatz  des  Dr.  jur. 
Johann  von  Redinckho ven ,  eines  Mitgliedes  des  Consi- 
storiums  der  vormals  reformirten  Gemeinde,  spricht  sich 
hierüber  folgendermassen  aus:  ^Als  sich  im  Jahr  unsers 
Herrn  und  Heylandes  Jesu  Christi  1517  der  Religions- 
Streit  in  Deutschland  erhoben   und   die  Landsfürstliche 
Obrigkeit  dieser  Lande,  die  Hertzogen  Gülich,  Cleve  und 
Berg,  Grafen  zu  der  Mark  und  Ravensbergh,  Herren  zu 
Ravenstein  im  Werk  befunden,  dass  viele  Missbräuche 
im  Papstthumb  fürhanden,  haben  sie  verschiedene  Ord- 
nungen und  Reformationes  zu  Abstellung  und  Verbesserung 
derselben  sonderlich  Hertzog   Johans  christseligen   An- 
denkens im  Jahr  1533  eine  im  Druck  aussgehen  lassen.^ 
Auf  die  in  diesen  Worten  angedeuteten  reformatorischen 
Bestrebungen  des  Herzogs  musste  namentlich  auch  der 
Umstand  fOrdemd  einwirken,  dass  seine  Tochter  Sibylla 
sich  im  Jahre  1526  mit  dem  frommen  und  entschieden 
evangelisch -gesinnten   Kurprinzen    Johann   Friedrich 
von  Sachsen  verlobte  und  im  Jahre  1527  vermahlte; 
und  eben  in  die  Zeit  dieser  Verlobung  fällt  ein  Ereigniss, 
welches  uns  lebhaft  mitten  in  den  Kampf  jener  Zeit  zu 
versetzen  geeignet  ist  und  sowohl  für  die  in  der  Um- 
gebung  des  Herzogs  bereits  herrschende   evangelische 
Strömung  als  für  den  Widerstand,  den  dieselbe  noch  bei 
Vielen  fand,  Zeugniss  ablegt. 

Als  nämlich  der  Kurprinz  Johann  Friedrich  zum 
Besuche  seiner  Braut  sich  im  Jahre  1527  am  DQsseldorfer 
Hofe  aufhielt,  befand  sich  in  seinem  Gefolge  als  Reise- 
Prediger  Friedrich  Mecum,  genannt  Myconius,  später 
Superintendent  zu  Grotha,  ein  Freund  Luthers,  von  dem 
er  wegen  seines  kindlichen,  herzlichen  Glaubens  und  um 
seiner  übrigen  guten  Eigenschaften  willen  hochgesch&tzt 
und  zärtlich  geliebt  wurde.  Die  Zeit,  welche  Myconius 
in  den  hiesigen  Landen  zubrachte,  hat  er  vielfach  zur 
Verkündigung  des  Evangeliums   angewandt    und   unter 


0$sekidU€  der  wangeHseh^H  Oemetnde  DüsaMorfs.  107 

grossem  Zulauf  auch  hier  in  DQsseldorf  (so  wie  in 
Essen,  Soest  u.  s.  w.)  gepredigt.  Da  nun  ein  Franzis- 
kanermönch aus  Köln,  Namens  Corbaeh,  öffentlich  am 
27.  Febr.  1527  auf  der  Kanzel  erklärt  hatte,  dass,  wenn 
ihn  Jemand  eines  Irrthums  zeihen  wolle,  er  bereit  sei, 
aus  heiliger  Schrift  besseren  Unterricht  anzunehmen,  so 
forderte  ihn  einer  der  adligen  Begleiter  des  Kurprinzen, 
ein  Herr  von  Wildenfels,  auf,  mit  Myconius  eine  öffent- 
liche Disputation  über  den  Glauben  zu  halten,  was  zu 
jener  Zeit  oft  geschah. 

Am  19.  Febr.  fand  diese  Disputation  hier  in  Düssel- 
dorf statt,  wobei  ausser  dem  genannten  Fürsten  viele 
hohe  Beamte  und  Edelleute,  Gelehrte  und  andere  Bürger 
der  Stadt  erschienen.  Die  Einzelheiten  dieser  Disputation 
können  wir  nicht  alle  anführen;  der  Erfolg  aber  war 
der,  dass  Corbach  nach  derselben  aufstand  und  sprach: 
„Lieber  Fritz,  ich  habe  dir  fürwahr  gerne  zugehört,  wir 
können  auch  gar  nichts  an  deiner  Hede  strafen,  es  gefällt 
mir  alles  und  ist  recht  und  hat  wahrhaftigen  Grund. 
Predigest  du  also,  dann  predigest  du  den  rechten  christ- 
lichen Glauben.^ 

Wie  grossen  Einfluss  namentlich  auch  Konrad  von 

Heresbach  auf  den  Herzog  ausübte,  geht  aus  dem  ferneren 

Umstände  hervor,  dass  der  Letztere,  der  noch  im  März 

1525  gegen  die  inuner  mehr  sich  ausbreitenden  ^Irrungen 

und  aufruhrstiftenden  Schriften  und  Lehren  Luthers*^  als 

„eitele,   falsche  und  ketzerische*'   ein   scharfes   Mandat 

hatte  ausgehen  lassen,  worin  den  Uebertretern  mit  Ge- 

fän^niss  und  Strafe   an  Leib  und  Gut  gedroht  wurde, 

schon  nach  vier  Monaten  ^seinen  Unterthanen  zu  Gute 

eine  Ejrchen-Ordnung  und  Besserung*'  ergehen  Hess,  worin 

die  Abstellung  weltlicher  Missbräuche  in  der  Kirche  und 

unter  der  Geistlichkeit  befohlen  wurde.    Herzog  Johann 

wurde  freilich  durch  alle  diese  Einflüsse  nicht  vermocht, 

sich  entschieden  auf  die  Seite  der  Reformation  zu  stellen, 

g'laubte  vielmehr    zwischen  Rom  und  Wittenberg  eine 

vermittelnde  Stellung  einnehmen  und  den  offenen  Bruch 

mit  dem  Papstthum  verhüten  zu  müssen  und  liess  sich, 

angesichts  der  vielfach  in  seinen  Landen  hervortretenden 

sektirerischen,  namentlic^i  wiedertäuferischen   Unruhen, 

dazu    bestimiAen,  im  Jahre  1530  die  Abschaflhing  aller 

bereits  vorgenommenen  Beligions-Neuerungen  zu  befehlen. 

Allein  wahrscheinlich  der  Einfluss  des  Erasmus  bewog 

ihn,  im  Jahre  1532  eine  von  Konrad  von  Heresbach  ver- 

fasste  und  von  Erasmus  durchgesehene  Reft>rmations- 

ordnung  zu   erlassen   und   dieselbe  im  Jahre  1533  in 

einem  noch  mehr  evangelischen  Sinne  zu  erläutern. 


108  Ge9eMeht€  der  evangeHsehen  Gemeinde  DÜeeMorfe, 

Einen  Einblick  in  diese  Kirchenordnung  gewährt  uns 
eine  Schilderung,  welche  der  Professor  zu  Herbem ,  Dr. 
Joh.  Melchior,  vormals  Prediger  der  hiesigen  reformirten 
Gemeinde,  in  dem  dritten  Bande  seiner  theologischen 
Werke  (Herborn,  1696)  gibt.    Derselbe  schreibt: 

,,Es  beliebte  dem  Allweisen  Gott  etwa  30  oder  40 
Jahre  vorhin  der  Landesobrigkeit  in's  Hertz  zu  geben, 
nebst  andern  Königen,- Chur-  und  Fürsten  Sorge  zu  tragen 
vor  dero  guten  Unterthanen  ewiges  Wohlergehen.  Dami 
zuvorderst  Herrn  Hertzog  Johann  HL  .  .  .  hat  nicht 
allein  die  in  dem  christlichen  (Gottesdienst  damals  Tast 
überall  eingeschlichenen  vielfältigen  Missbräuche  gesehen 
und  daher  die  Verbesserung  derselben,  welche  durch  eine 
wunderbare  Schickung  Gottes  beynahe  durch  ganz  Europa 
auf  eine  .Zeit  durch  unterschiedliche  Veranlassung  vor- 
genommen war,  nicht  ver unbilligt,  sondern  auch  durch 
eine  im  Jahre  1533  den  5.  April  öfentlich  ausgelassene 
weitläuftige  Verordnung  des  Gottesdienstes  halber  in 
diesen  Landen  angefangen.^ 

„Ich  habe,  sagt  er,  des  Durchl.  Fürsten  Kirchen- 
ordnung gelesen,  welches  gottseligen  Vermahnungen  zu 
wünschen  wäre,  dass  das  Volk  lieber  einfolgen  wollte 
als  etlicher  bösen  Meynung  oder  Wahn.  Es  wird  in  der- 
selben sonderlich  allen  Pastoren,  Predigern  und  Seel- 
sorgern in  allen  diesen  Fürstenthümern  und  Landen 
befohlen:  dass  sie  die  menschlichen  Gedichte  und  Ein- 
setzung fahren  lassen  und  dem  Volk  das  heilige  Wort 
Gk>ttes  schlecht  rein  und  unverfälscht  predigen  und  vor- 
tragen, massen  das  Wort  Gottes  die  einzige  Lehre  zur 
Seligkeit  sey,  dessen  Auslegung  geschehen  muss  nach 
andern  hellen  klaren  örtem  der  Schrift,  mit  Betrachtung 
dessen,  was  vorsteht  und  nachfolgt,  nicht  anerkennen, 
was  zu  ihrem  Gutdünken,  Zuneigung  und  Vornehmen 
ausgelegt  und  gezogen  werden  möchte^  sondern  was  der 
heiligen  Schrift  allenthalben  gemäss.^ 

Wenn  nun  auch  diese  und  andere  Kirchenorduung'en 
vom  Jahre  1532  und  1533  auf  halbem  Wege  stehen 
blieben,  so  dass  Luther  von  Urnen  sagte:  ^bOs  teutsch, 
bös  evangelisch,^  so  wurde  doch  Heresbach  durch  den 
Briefwechsel  mit  Melanchthon  mehr  und  mehr  den  Lehren 
der  Reformation  zugethan,  und  in  der  Vorrede  zu  seiner 
Geschichte  der  Münster*schen  Wiedertäufer,  deren  ent* 
setzliches  Gebahren  er  näher  kennen  gelernt  hatte,  als 
er  1534  den  Herzog  Johann  auf  seinem  Feldzuge  geg^en 
dieselben  begleitete,  sagt  er  u.  A.:  „die  Lehre,  die  ich 
bisher  als  Luthers  Lehre  kennen  gelernt  hatte,  enthalt 
keinen  Glaubenssatz,  welcher  von  der  Kirche  oder  von 


Ouehiehts  der  tvongüUekm  Gemeinde  DüesMorfe.  109 


den  Gesetzen  für  ketzerisch  erklärt  worden  ist."  In 
diesem  Geiste  wirkte  er  namentlich  auch  als  Erzieher 
der  fürstlichen  Elinder,  von  welchen  die  erwähnte  Prin- 
zessin Sibylla  lebenslänglich  ihrem  um  des  evangelischen 
Bekenntnisses  willen  so  hart  verfolgten  und  vom  Kaiser 
zu  langwierigem  Gefängniss  venirtheilten  Gemahl  treu 
verblieb,  während  die  Prinzessin  Anna  dem  vom  Papste 
abgefallenen  Könige  Heinrich  VIII.  von  England  ver- 
mlUilt  wurde  und  die  Prinzessin  Amalie,  um  ganz 
ungestört  ihres  evangelischen  Glaubens  leben  zu  können, 
sich  nach  dem  Schlosse  Burg  an  der  Wupper  zurt&ckzog. 
Sonderlich  aber  —  sagt  Melchior  —  hat  Herzog  Johann 
Sorge  getragen  für  die  gute  Auferziehung  Dero  Erb* 
printzen  und  zu  solchem  Ende  Demselben  zum  Unter- 
weiser und  Hoffmeister  vorgestellt  Conrad  von  Heresbach, 
dessen  Gelahrtheit,  Gottesfurcht  und  Treue  und  andere 
herrliche  Gaben  aus  vielfältigen  Handlungen,  besonders 
aus  dem  bekannten  Buch  Y,von  Auferziehung  fürst- 
licher Kinder^  bei  den  Nachkommen  unvergessen.^ 

Dieser  Erbprinz  gelangte  als  Wihelm  EI.  im  Jahre 
1539  zur  Regierung  und  regierte  bis  1592.  Sein  Vater 
hatte  noch  vor  seinem  Tode  die  Freude,  dass  die  Stände 
des  Herzogthums  Geldern  den  vielversprechenden  Sohn 
zum  Herzog  wählten,  damit  das  Land  bei  Deutschland 
verbleibe  und  nicht  durch  die  burgundische  Erbschaft  an 
Spanien  falle.  Aber  die  Herzogswürde  war  ein  Danaer- 
Geschenk;  denn  schon  bald  brach  der  Krieg  zwischen 
Kaiser  Karl  V.  und  dem  bedrängten  Herzog  wegen  dieser 
Besitznahme  aus,  und  obwohl  Franz  I.  von  Frankreich 
dem  Letzteren  Beistand  leistete  und  die  Kaiserlichen  1543 
bei  Sittard  geschlagen  wurden,  zwang  dennoch  der 
Kaiser,  der  mit  verstärkten  Truppen  heranrückte,  den 
Herzog  zu  dem  für  ihn  höchst  nachtheiligen  Vertrage 
von  Venlo,  in  welchem  er  nicht  allein  versprechen 
musste,  allen  Verbindungen  mit  Frankreich,  auch  seiner 
Verlobung  mit  der  11  jährigen  Prinzessin  Johanna  von 
Navarra,  der  Schwester  des  Königs  Franz,  zu  entsagen, 
sondern  auch  sich  verpflichtete,  „die  katholische  Religion 
in  seinen  Landen  aufrecht  zu  erhalten,  allen  Neuerungen 
aber  zu  entsagen  und  dieselben  abzustellen."  Noch  mehr 
wurde  er  dem  Kaiser  dadurch  verpflichtet,  dass  er  1546 
Maria  von  Oesterreich,  die  Tochter  des  nachmaligen 
Kaisers  Ferdinand  I.,  heirathete. 

Wir  würden  jedoch  irren  in  der  Annahme,  als  hätte 
Herzog  Wilhelm  seine  einer  gemässigten  Reformation  zu- 
gethane  Gesinnung  dieser  schweren  Schicksalsschläge 
we^en  geändert.     Noch  zwei  Jahrzehnte  hindurch  ver- 


110  Oe$chieht€  der  0pang€fi§ehen  OemeiHde  I>üs$eidorf4. 

blieb  Heresbach  in  seiner  Sitellung  als  herzoglicher  Geheim- 
rath  und  Erzieher  der  fürstlichen  Kinder:  und  dass  die 
Erziehung  der  letzteren  im  evangelischen  Geiste  geschah, 
dürfte  schon  daraus  hervorgehen,  dass  die  älteste  Tochter 
Wilhelm-s,  Maria  Eleonore,  1573  mit  Albrecht  Friedrich 
von  Brandenburg,  die  zweite,  Anna,  1574  mit  dem  Pfalz* 
graf en  Philipp  Ludwig  von  Neuburg,  die  dritte,  Magdalena, 
1579  mit  dem  Pfalzgrafen  Johann  von  Zweibrücken —  lauter 
evangelisch-gesinnten  Fürsten  —  vermählt  wurden.   Auch 
wurde  im  Jahre  1545  zum  ersten  Relctor  der  von  Herzog 
Wilhelm  gegründeten  gelehrten  Schule,  des  seminarium 
reipublicae,  an  welcher  auch  theologische,  juristische  und 
politische  Vorlesungen  gehalten  wurden,  ein  Gesinnungs- 
genosse von  Heresbach,  der  berühmte  Magister  Johannes 
Monheim,  der  „Lehrer  von  Niederdeutschland^,  be- 
rufen, —  ein  Mann,  der  zwar  anfangs  mehr  im  G^ist  und 
Sinn  des  Erasmus,  je  länger  je  mehr  aber  in  entschieden 
reformatorischer  Richtung  wirkte,  wie  dies  namentlich 
sein   berühmter  Katechismus   vom  Jahre   1560  beweist, 
und  der  die  Düsseldorfer  Schule  zu  einer  solchen  Blüthe 
brachte,  dass  dieselbe  von  nah  und  fem  besucht  wurde 
und  eine  Zeitlang  gegen  1800  Studirende  zahlte.    Sein 
Einfluss  auf  die  Düsseldorfer  Bürgerschaft  war  ein   so 
tiefgehender,  dass  die  „Rathsverwandten^  noch  in  einer 
Eingabe  an  den  Bürgermeister  und  Rath  vom  Jahre  1581 
ihm  folgendes  Zeugniss  ausstellen :  „Der  hochgelelirte  und 
weit  berühmte  erstbestellte  Rektor  seUgen  Gedächtnisses, 
M.  Johannes  Monhemius,  hat  seine  Meinung  getreulich 
am  Anfang  dahin  gestellt,  damit  er  mit  allem  Ernste  und 
gebührlichen  Mitteln  der  Jugend  vorstehen  möchte,  auch 
denselben  mit  seinem  Leben,  Wandel,  Lehre  und  Dis- 
ciplin    dermassen  vorgestanden,    dass    sein  Name    und 
Gelehrtheit  durch  die  ganze  Christenheit  gerühmt  und 
vieler  Eltern  Gemüther  dadurch  bewegt,  dass  sie  ihre 
Eander  über  50,  60,  70  und  mehr  Meilen  Wegs  mit  grossen 
Kosten  hierher  zum  Studium  geschickt  haben.  *^ 

Auch  Melchior  bezeugt,  dass  Herzog  Wilhelm  trotz 
seiner  misslichen  Lage  und  seiner  Verheirathung  mit 
Maria  von  Oesterreich  „treu  eyfrige  Sorge  zu  Errettung 
der  armen  Unterthanen  aus  dem  alten  Aberglauben  habe 
sehen  lassen.^  Im  Jahre  1556  den  16.  Juli  habe  er  „allen 
Pastoren  befohlen,  Gk>ttes  Wort  lauter  und  rein  zu  predigen^ 
den  CatQchismum  mit  öfterer  Wiederholung  zu  üben,  auch 
die  Bildertracht  und  lästerliche  MissbrAuche  zu  meiden.*' 
„Iiti  Jahre  1559  den  12.  Januar  haben  Ihrö  Fürstliche 
Gnaden  ein  sehr  merkwürdiges  Schreiben  selbst  aufgesetzt 
und  geschrieben   an    Kaiserliche   Majestät    zur   Verant* 


GeschiekU  der  evangelischen  Gemeinde  DUeeeldorfe,  111 

wortung  dessen,  worüber  Dieselbe  beschuldigt  worden, 
als  nämlich  y  dass  sie  Neuerung  im  Gottesdienste  an- 
richteten, einen  verhejTatteten  Hofprediger  hätten  und 
Dero  Kinder  in  der  Evangelischen  Religion  erziehen 
Hessen.  Die  Antwort  ist  recht  christlich  und  recht  fürst- 
lich eingerichtet.^  ....  ^Sonderlich  aber  muss  hierbei 
unvergessen  bleiben  die  Reformationsordnung,  so 
1567  mit  Rath  und  Zuthun  der  vornehmsten  Stände 
und  Räthe  verfasset  und  gestaltet  worden,  die 
dann  desselben  Inhalts,  wie  die  von  Herzog  Johannes 
angenommene.^  . . .  „Gleichwie  nun,^  heisst  es  weiter, 
„I.  F.  Q.  den  Gottesdienst  auf  diese  Weise  bei  Dero 
Hofe  bedienen  lassen  durch  unterschiedliche  Prediger  als 
Arnoldum,  Bungardum,  Nicolaum,  RolliUm,  Gerhardum, 
Yeltium  etc.,  also  haben  sie  auch  an  den  meisten  Orten 
in  diesen  Landen  und  sonderlich  im  Bergischen  die  Kirchen 
mit  evangelischen  Predigern  versehen,  wie  dann  allhier 
in  Düsseldorf  neben  obgedachten  Hofpredigern  von  D.  D. 
Leone  und  Caspare  in  der  Pfarrkirche  das  h.  Evangelium 
nach  obgesetzter  Ordnung  bis  auf  das  Jahr  1570,  da 
Doctor  Mommerus  (des  Herzogs  Geheimer  Rath)  gestorben, 
einschliesslich  ist  gepredigt  worden.^ 

Die  letzten  Worte  Melchior 's  bezeugen,  was  auch 
durch  andere  Nachrichten  aus  jener  Zeit  bestätigt  wird, 
dass  nicht  allein  im  Schlosse,  sondern  auch  in  der  hiesigen 
Pfarrkirche  zum  h.  Lambertus  eine  längere  Reihe  von 
Jahren  hindurch,  jedenfalls  aber  von  lö67 — 1570  das  Wort 
Gottes  nach  den  in  der  gedachten  Kirchenordnung  vor- 
geschriebenen evangelischen  Grundsätzen  verkündigt  und 
das  heilige  Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  gespendet 
worden  ist.  Es  ist  wohl  zu  weit  gegangen,  wenn  man 
hieraus  gefolgert  hat,  dass  damiüs  bereits  hier  eine 
„reformirte  Gemeinde^  bestanden  habe ;  wir  werden  viel- 
mehr nur  annehmen  dürfen,  dass  die  Reform  des  Kirchen- 
wesens in  der  Residenz  des  Herzogs  mit  besonderem 
Eifer  und  unter  Zustimmung  des  grössten  Theils  dei 
Geistlichen  und  der  Bevölkerung  durchgeführt  wurde. 
Immerhin  aber  ist  die  erwähnte  Thatsache  ein  Zeugniss 
für  den  Aufschwung,  welchen  die  evangelische  Bewegung 
damals  am  Niederrhein  bereits  genommen  hatte. 

Dass  diese  Bewegung  gleichwohl  nicht  ihr  Ziel 
erreichte,  hatte  seinen  vorzüglichen  Grund  darin,  dass 
Herzog  Wilhelm,  durch  einen  Schlaganfall  gelähmt  und 
durch  viele  Leiden  damiedergebeugt ,  mehr  und  mehr 
einer  geistigen  Umnachtung  verfiel,  welche  sich  seit  1570 
so  verschlimmerte,  dass  nur  zeitweise  lichte  Augen- 
blicke   eintraten.     Die   inzwischen   mächtig    gewordene 


112  GudkkkU  der  evanffelUdten  OßmHmd^  Dü$9§fd09fg* 

aller  Reform  feindliche  Gegenpartei  riss  die  Zügel  der 
Regierung  an  sich  und  hatte  um  so  leichteres  Spiel,  als 
sich  auch  bei  dem  Jungherzog  Johann  Wilhelm  bald 
Vorzeichen  des  Tiefsinnes  und  einer  geistigen  Störung 
einstellten ,  welche  auch  durch*  seine  im  Jahre  1585  er- 
folgte Heirath  mit  der  durch  Schönheit  und  (Geistesschärfe 
gleich  ausgezeichneten  Markgräfln  Jakobe  von  Baden 
nicht  behoben  wurde.  Wohl  beharrte  ein  grosser  Theil 
der  fürstlichen  RAthe  bei  dem  protestantischen  Bekenn^ 
niss;  aber  der  Einfluss  des  Kaisers ,  der  im  Jahre  1591 
seme  Commissarien  nach  Düsseldorf  sandte,  um  die  am 
dortigen  Hofe  obwaltenden  Verhältnisse  zu  überwachen 
und  eine  „Regimentsordnung^  einzusetzen,  nach  welcher 
die  Regierung  fortan  gefdhrt  werden  sollte,  war  zu 
mächtig,  als  dass  diese  Räthe  die  Ueberhand  hätten 
gewinnen  können.  Und  als  vollends  nach  dem  Tode 
Johann's  III.  und  dem  Regierungsantritt  Johann  Wilhelm's 
im  Jahre  1591  der  Rangstreit  zwischen  der  Schwester  des 
Letzteren,  Sibylla,  und  der  Herzogin  Jakobe  ausbrach, 
als  dessen  Opfer  Jakobe  im  Jahre  1597  ermordet  im 
Bette  aufgefunden  wurde,  bot  die  übermächtige  Oegen- 
parthei  alles  auf,  um  zu  verhindern,  dass  bei  der  Kinder- 
losigkeit des  Herzogs  die  Herrschaft  an  die  älteste 
Schwester  desselben,  eben  jene  Sibylla,  oder  an  eine 
andere  ihrer  drei  Schwestern,  welche  sämmtlich  an  prote- 
stantische Fürsten  verheirathet  waren,  fallen  möchte. 

Unter  diesen  Umständen  blieb  den  evangelisch- 
gesinnten Bürgern  der  Stadt,  welche  seit  dem  Jahre  1570 
am  Hofe  keine  Stütze  und  in  den  kirchlichen  Gottesdiensten 
keine  ihren  Ansichten  entsprechende  Erbauung  mehr 
fanden,  nichts  anders  übrig  als  sich  in  aller  Stille  und 
Zurückgezogenheit,  so  gut  es  anging,  zu  erbauen.  ,yDa 
hat  man  sich  denn,'*  schreibt  Melchior,  „nach  angefangener 
Landesobrigkeitlicher  Reformationsordnung  den  Gottes- 
dienst, so  gut  man  konnte,  unter  vielen  Trübsalen 
bedienen  lassen  und  ist  eben  dadurch  desto  mehr  ver- 
anlasst worden,  auch  die  noch  übrigen  bekannten  Miaa- 
bräuche  zu  verlassen  und  alles  flrey  nach  der  vollkommenen 
Richtschnur  des  göttlichen  Wortes  einzurichten.^^ 

Schon  vom  Jahre  1570  an  bestand  in  Düsseldorf  eine 
sogenannte  „heimliche^'  reformirte  Gemeinde,  wahr- 
scheinlich auch  eine  lutherische,  obwohl  sich  dies  noch 
nicht  vollständig  urkundlich  nachweisen  lässt.  Die  Akten 
des  reformirten  Classical  -  Conventf^s  von  Bedburg  er- 
wähnen unterem  5.  Juli  1573,  dass  in  Düsseldorf  ein 
Prediger  angestellt  werden  müsse,  der  den  bereits  an- 
gefangenen Bau  einer  Kirche  fördern  solle,  und  ordnen 


i»S*^* 


O09chMU  der  $vong$U8ek$H  Oemmndt  DüsBddorfe.  113 

unter'm  7.  Juli  1574  an^  dass  für  Düsseldorf  und  Rfaeydt 
bis  auf  weiteres  ein  gemeinsamer  Prediger,  Conradus  Titz 
aus  Köln,  bestellt  werde. 

Derselbe  blieb  zwar  der  gedrQckten  Verhältnisse 
halber  nicht  lange  in  dieser  Stellung,  und  auch  die  nach 
folgenden  Prediger  wechseln  in  rascher  Folge;  Name, 
Wohnort  und  Wohnung  derselben  müssen  wegen  drohender 
Gefahr  streng  verschwiegen  werden.  Doch  erfahren  wir, 
dass  im  Jahre  1593  die  Gemeinde  von  der  Jolicher  Classe 
ausscheidet  und  in  die  Bergische  eintritt ;  ihre  Deputirten 
wohnten  1594  der  Synode  zu  Elberfeld  bei,  und  ihr  da- 
maliger Prediger  war  Johannes  Gosmannus  (1593  bis 
1596). 

Wie  dQrftig  und  schwankend  Oberhaupt  die  Nach- 
richten aber  die  ersten  Jahrzehnte  der  Gemeinde  erscheinen, 
so  geht  doch  so  viel  aus  ihnen  hervor,  dass  der  von 
selten  der  herrschenden  Partei  auf  sie  geübte  Druck  sie 
nur  zu  grösserer  Opferwilligkeit  und  Beharrlichkeit  in 
ihrem  evangelischen  Glauben  anspornte.    In  den  if^'ohl- 
gegliederten   Organismus   der  reformirten  Synoden  fest 
eingefügt,  haben  wir  sie  uns  nach  dem  Vorbilde  und  den 
Vorschriften  derselben  geordnet  zu  denken,  geleitet  durch 
ein  von  sämmtlichen  Hausvätern  erwähltes,  aus  Predigern, 
Aeltegten  und  Armenpflegern  bestehendes  ^Consistorium^; 
im   Bekenntniss  auf  den  Heidelberger  Katechismus  ge- 
gründet; ihren  Gottesdienst  in  Psalmengesang,  Gebet  und 
Predigt  des  göttlichen  Vaters  bestehend;  in  Wandel  und 
Leben  durch  eine  äusserst  strenge  Kirchenzucht  geregelt, 
welche  sie  sowohl  von  der  Betheiligung  an  den  gewöhn- 
lichen weltlichen  Vergnügungen  als  von  jeder  Anbeque- 
mung an  die  herrschende  Kirche  (z.  B.  durch  Mischehen) 
fernhielt,  die  strengste  Sonntagsheiligung  und   tägliche 
Hausandachten  vorschrieb  und  das  geringste  Aergemiss 
mit  Oeldbusse  und  andere  Kirchenstrafen  belegte.    Nur 
eine  Gemeinde,  die  auf  so  festem  Fundamente  ruhte,  ver- 
mochte auch   trotz  aller  Armuth   und  Vereinzelung  die 
schwere  Zeit  eines  4(]!fährigen  Druckes  zu  bestehen,  auf 
welche  dann  nur  vorübergehend  eine  günstigere  Zeit  folgte, 
um  die  Gemeinde  auf  noch  schwerere  Drangsal  zu  rüsten. 
Die  angedeutete  günstigere  Wendung  bezeichnet  das 
Todesjahr  des  Herzogs  Johann  Wilhelm,   1609.    Da  er 
kinderlos   starb,    so   bewarben   sich   Kurfürst   Johann 
Sigismund  von  Brandenburg  und  Pfalzgraf  Wolf- 
gang  Wilhelm    von    Neuburg   als   nächstberechtigte 
Prätendenten   um   die  Herrschaft  über   die   verwaisten 
Lande,  Hessen  dieselben  gleichzeitig  durch  ihre  Gesandten 
in  Besitz  nehmen  und  würden  wohl  sofort  in  Krieg  mit 

s 


114  Geschichte  der  evangüisdhen  Gemeinde  DUseeldorfe, 

einander  gerathen  sein,  wenn  nicht  Landgraf  Moritz  von 
Hessen  im  Interesse  des  Protestantismus  die  Vermittler- 
rolle ttbemommen  hätte.    Der  Vertrag  zuDortmmid  (31. 
Mai  1609)  ordnete  eine  yorlAufige  gemeinschaftliche  Re- 
gierung an.   Durch  eine  Verheirathung  des  jungen  Pfalz- 
grafen   mit  der  ältesten  Tochter  des  Kurfürsten,  Anna 
Sophia,  sollte  die  Versöhnung  im  Jahre   1613  vollzogen 
werden;  als  aber  der  Pfalzgraf  verlangte,  dass  ihm  Jülich 
und  Cleve   als  Mitgift  zum  alleinigen  Besitz  überlassen 
werde,  und  diese  Forderung  bei  einem  Gastmahl  auf  dem 
Schlosse  zu  Düsseldorf  ertrotzen  wollte,  liess  sich   der 
Kurfürst  von  seinem  Zorne  sc  weit  fortreissen,  dass  er 
nach  einer  weit  verbreiteten,  jedoch  durch  Zeitgenossen 
nicht  verbürgten  Nachricht  dem  Pfalzgrafen  eine  Ohr- 
feige   ertheilte.     Dieser    schwur   Rache,    heirathete    die 
bayrische  Prinzessin  Magdalena,  Schwester  des  Herzogs 
Maximilian  von  Bayern,  und  trat  1614  zum  Katholizismus 
über,  —  der  Krieg  war  unvermeidlich.    Die  Niederlande 
traten  auf  Seite  des  inzwischen  zur  reformirten  Confession 
übergegangenen  Kurfürsten,  der  Kaiser  mit  seinen  spa- 
nischen Heeren  auf  Seite  des  Pfalzgrafen.    Kriegsheere 
wälzten    sich   über  die    unglücklichen    Lande  hin;   der 
dreissigjährige  Krieg,  in  welchen  dieselben  auch  in  etwa 
verwickelt  wurden,  erhöhte  die  Drangsale,  —  die  evan- 
gelischen Gemeinden  waren  der  Schauplatz  der  grössten 
Gewaltthaten.    Je  nachdem  das  Kriegsglück  wechselte, 
wurden  ihnen  Prediger,  Kirchen  und  anderes  Besitzthum 
genommen  oder  zurückgegeben.   Der  Gottesdienst  musste 
vielfach  in  Wäldern  und  Höhlen  gehalten   werden;    die 
Protestanten  wurden  gezwungen,  den  katholischen  Cere- 
monieen  ihre  Huldigungen  darzubringen  und  die  heiligen 
Handlungen    durch   katholische   Priester    vollziehen    zu 
lassen ;  ein  Jahr  lang  war  das  ganze  Jülicher  Land  seiner 
protestantischen  Prediger  beraubt.  Allerdings  verglichen 
sich  die  beiden  Fürsten  1629  durch  einen  zu  Düsseldorf 
geschlossenen  Vertrag  dahin,  dass  der  Kurfürst  das  Herzog- 
thum  Cleve  und  die  Grafschaft  Mark,  der  Pfalzgraf  die 
Herzogtbümer  Jülich  und  Berg  erhalten  und   beide    zu- 
sammen   die    Grafschaft   Ravensberg    besitzen    sollten; 
infolgedessen  wurden  die  Laude  1631  von  den  fremden 
Truppen  geräumt.    Allein  die  Wohlthaten  des. Friedens 
konnten,  so   lange   der  Krieg   im  übrigen  Deutschland 
währte,  den  Ländern  nicht  zurückgegeben  werden,  und 
da  namentlich  der  Pfalzgraf  seine  protestantischen  Unter- 
thanen  zu  bedrängen  fortfuhr,  so  eröfbete  der  Kurfürst 
im  Jahre  1651  nochmals  den  Krieg,  der  wiederum  uns&g- 
liches  Elend  mit  sich  brachte,  bis  es  endlich  durch    die 


0t9ehiekU  der  tvangelisehen  Gemeinde  DOsseldorfe*  115 

von  den  clevischen  und  märkischen  Ständen  flehentlich 
angerufene  Vermittelung  der  Niederländer  gelang,  am 
9.  September  1666  einen  Friedensvertrag  zu  Stande  zu 
bringen,  wodurch  das  kurfOrstliche  Haus  in  den  vollen 
Besitz  von  Cleve,  Mark,  Ravensberg  und  Mors,  der  Pfalz- 
graf in  den  von  Jülich,  Berg  und  Ravenstein  gelangte. 
Die  Religionsangelegenheiten  wurden  durch  besondere 
Recesse  (1665  und  1672)  geregelt.  Nach  denselben  er* 
hielten  im  JQlich'schen  die  Reformirten  an  34,  die  Luthe- 
raner an  7  Orten,  im  Bergischen  jene  an  30,  diese  an 
34  Orten  freie  Religionsübung. 

Dass  das  Ji^   1609  auch  fUr  die  Evangelischen  in 
Düsseldorf  ein  hochbedeutsames  war,  geht  schon  daraus 
hervor,  dass  mit  dem  9.  Januar  dieses  Jahres  das  Consistorial- 
ProtokoU  der  reformirten  Oemeinde,  deren  Geschichte  wir 
zunächst  weiter  verfolgen,  beginnt    Zwar  wird  noch  in 
diesem  Protokoll  den  neuaufgenommenen  Gemeindegliedem 
eingeschärft,  dass  sie  „schweigen^  sollen,  damit  die  Oe- 
meinde nicht  in  Ungelegenheiten  komme,  aber  das  Con- 
sistorium  veranstaltet  doch  am  25.  März  aus  Anlass  des 
Todes  des  Herzogs  Johann  Wilhelm  einen  Buss-  und  Bettag 
und  entsendet  schon  im  Juni  seine  ersten  Vertreter  (Kridtfus 
und  Johann  Lohe)  zum  Convent  der  Düsseldorfer  Classe. 
Ein  festes  gottesdienstliches  Lolcal  besitzt  sie  noch  nicht ; 
der  Prediger  Philipp  Poppinghaus  ausNeviges  predigte 
gastweise  in  dem  Saale  eines  Hauses  am  Markte,  ^zum 
weissen  Ross^  genannt,  dann  in  der  Behausung  des  fürst- 
lichen Baumeisters  Pasqualino,  „Hirzbach's  Haus^  genannt, 
und  in  dem  Saale  eines  Färbers  Heinrich  Heines.   Derselbe 
Prediger  wird  dann  der  Nachfolger  des  bisherigen  hiesigen 
Prediger  Philipp  Polichius  und  verwaltet  das  Predigt- 
amt vom  1.  Januar  1610  bis  zu  seinem  Tode  am  5.  Sep- 
tember   1624.    Ueberhaupt  erscheint  die    reformirte  Oe- 
meinde mit  dem  Jahre  1609  als  eine  „öffentliche*'.   Ihre 
Aeltesten  leiten  die  Oottesdienste  mit  Bibelvorlesungen 
und  Gebet  ein ;  alle  Kinder  werden  im  öffentlichen  Gottes- 
dienst getauft;  die  Oemeinde  erwirbt  einen  Bauplatz  an 
der  Kurzestrasse,  und  schon  im  Dezember  1610  wird  das 
erste  Brautpaar  in  dem  dort  erbauten  Ootteshause  (Predigt- 
haus ohne  Thurm  und  Olocke)  getraut.    Am  10.  Juli  1611 
wurde  sogar  der  Düsseldorfer  Classical-Convent  in  ihres 
Patriarchen,    des    Färbers    (Cornelius)    Hause    gehalten. 
Auch  unterhält  die  Oemeinde  schon  eine  Rektoratschule, 
als  deren  erster  Schulmeister  ein  gewisser  „Petrus^  und 
seit  1612  Johann  Anton  Biber  angestellt  wurde,  welcher 
zugleich  Hülfsprediger  der  Oemeinde  war  und  die  Schule 
zu  solcher  Blüthe  erhob,  dass  schon  im  Jahre  1613   vier 

8» 


116  OesehMU$  der  etangüiseh^n  Gemtmde  DüstMorfs, 

Lehrer  an  ihr  angestellt  sind  und  dieses  Institut  den  Neid 
der  alten,  immer  mehr  sich  auflösenden  (katholischen) 
Fürstenschule  erregte.  Durch  ein  Brandenburgisches 
Subsidium  (300  Thlr.)  wird  dann  noch  die  Anstellung 
eines  fünften  Lehrers  ermöglicht.  Alles  deutet  darauf 
hin,  dass  die  Gemeinde,  welche  anfangs  aus  nur  hundert 
Gliedern  bestand,  infolge  der  gewährten  Religionsfreiheit 
nicht  nur  rasch  an  Seelenzahl  wuchs,  sondern  auch  eine 
grosse  Thatkraft  und  Opferwilligkeit  an  den  Tag  legte, 
worin  sie  von  dem  anfangs  noch  günstig  gestunmten  pfalz- 
ueuburgischen  Hofe  sowie  von  auswärtigen  Gemeinden 
und  fürstlichen  Höfen  bestärkt  wurde.  Seit  1613  wurde 
sogar  die  Anstellung  eines  zweiten  Predigers,  Henricus 
Krauthofen,  notwendig,  weil  Poppinghaus,  der  zugleich 
Inspektor  der  Düsseldorfer  Classe  und  bereits  alters- 
schwach war,  der  Hülfe  bedurfte,  und  war  es  der  Ge- 
meinde gestattet,  das  heilige  Abendmahl  in  der  Schloss- 
kirche, an  welcher  damals  Magister  Abraham  Scultetus 
als  evangelischer  Hof^rediger  fungirte,  zu  feiern. 

Aber  schon  die  im  Jahre  1613  in  der  Stadt  um  sich 
greifende  Pest  brachte  schwere  Prüfungen  für  die  junge 
Gemeinde  mit  sich.  Viele  Einwohner  flohen  aus  der 
Stadt;  die  Gemeinde  durfte  ihre  Freitagsgottesdienste 
nicht  mehr  in  der  Schlosskapelle  abhalten;  ein  besonderer 
Seelsorger  musste  für  die  Pestkranken  angestellt  werden , 
und  als  im  Jahre  1614  die  Eriegsunruhen  begannen,  sahen 
sich  Prediger  Poppinghaus  und  Rektor  Biber  genöthig^, 
nach  Cleve  und  Holland  zu  reisen,  um  für  die  bedrängte 
Gemeinde  zu  collectiren.  Nur  mit  grosser  Mühe  gelang 
es  in  den  folgenden  Jahren  Hülfsprediger  und  Lehrer  für 
kurze  Dauer  zu  gewinnen;  die  Rektoratschüler  mussteu 
sich  vielfach  an  den  Hausthüren  ihren  Unterhalt  erbitten, 
und  die  Geistlichen  wurden  mit  Einquartierung  belästigt. 
Den  empfindlichsten  Schlag  aber  erlitt  die  Gemeinde,  als 
im  Jahre  1624  ihr  verdienter  Prediger  Poppinghaus  starbt) 
und  an  seinem  Begräbnisstage,  als  die  Leichenbegteitung 
kaum  vor  dem  Thore  war,  die  reformirte  Kirche  durch 
die  Räthe  des  Fürsten  geschlossen  und  die  freie  Religions- 
übung verboten  wurde,  —  ein  Zustand,  der  bis  zu 
dem  Jahre  1643  währte.  Auf  die  wiederholten  Bitt- 
gesuche   um  Aufhebung    dieser  Massregeln   wurde    der 


*)  Die  dankbare  Gemeinde  ehrte  ihn  durch  folgendes  von 
Dr.  Redinghofen  verfasste  Chronologiiun  seines  Grabsteines: 

QllJnta  HeJ  septeMbrJs  ConstantJ  peCfore  Constans  VerbJ 
CoeLestJH  PraeCo  PHJLJppVs  obJt.  (Am  5.  September  starb  mit 
standhaftem  Mathe  der  stanahafte  Verkftndiger  des  göttlichen  Wortes 
Philippus.) 


Getehiekie  der  wangeliechmi  Gemeinde  DOeeMarfe,  117 

Gemeinde  u.  A.  geantwortet,  dass  die  letzteren  nur  zum 
Besten  der  Gemeinde  dienen,  damit  dieselbe  desto  mehr 
Anlass  habe,  zu  der  katholischen  Kirche  zurückzukehren. 
Sie  konnte  sich  nur  noch  wie  ehedem  gruppenweise  in 
einzelnen  HAusem  versammeln;  die  auf  Poppinghaus 
folgenden  Prediger  wurden  nur  mit  MQhe  und  für  kurze 
Zeit  gewonnen,  die  Schule  nur  durch  das  Brandenburgische 
Subsidium  von  jährlich  1000  Thlr.  erhalten.  Eine  Zeit- 
lang mussten  sogar  die  Sonntagsgottesdienste  um  allerlei 
Ungelegenheit  willen  fortfallen ;  der  Prediger  Da  v.  Bon  gart 
konnte  sein  Amt  nur  unter  der  Bedingung  annehmen,  dass  er 
Frau  und  ELinder  nicht  mitzubringen  nötig  habe,  und 
(iabriel  Kohlhagen  (1635 — Hl)  musste  die  Gemeinde  ver- 
lassen, weil  ohne  obrigkeitliche  Bewilligung  kein  neuer 
BQrger  aufgenommen  werden  dQrfe.  So  sah  sich  die 
Gemeinde  auf  die  gelegentliche.  Bedienung  durch  aus- 
wärtige Prediger  angewiesen,  ihre  Kirche  wurde  als 
Scheune  fttr  den  Hof  benutzt,  im  Jahre  1638  auch  die 
Schule  geschlossen  und  jede  geistliche  Amtshandlung 
untersagt 

Es  ist  um  so  ehrenvoller,  dass  die  Gemeinde  trotz 
aller  dieser  Bedrängnisse  den  Opfermuth  besass,  noch  im 
Jahre  1625  ein  Armenhaus  und  im  Jahre  1643  eine  für 
die  ganze  bergische  Synode  bestimmte  theologische  Biblio- 
thek zu  gründen,  welche  noch  heute  besteht.  Auch  geht 
aus  einem  noch  erhaltenen  Verzeichniss  hervor,  dass  die 
Gemeinde  im  Jahre  1641  noch  700  Glieder,  darunter  500 
Communicanten,  zählte.  Oben  unter  dem  Dache  des 
Predigerhauses  hielt  sie  ihre  Gottesdienste,  bis  sie  zu 
Anfang  des  Jahres  1643  es  wagte,  sich  wieder  in  ihrer 
Kirche  zu  versammeln.  Dies  wurde  zwar  schon  am 
16.  Februar  wieder  verboten  und  ihren  Mitgliedern  sogar 
das  Bürgerrecht  und  das  Recht  der  Erbtaufe  aberkannt; 
aber  am  Palmsonntag  des  Jahres  1644  durfte  sie  ihre 
Kirche  wieder  beziehen,  und  am  1.  Ostertage  dieses  Jahres 
feierten  dann  450  Communicanten  das  h.  Abendmahl  in 
derselben.  Die  Bedrückungen  hörten  zwar  auch  dann 
noch  nicht  vOllig  auf;  u.  A.  wurde  die  Schule  zu  wieder- 
holten Malen  geschlossen,  und  die  Gemeindeglieder 
wurden  gezwungen,  der  Procession  nach  der  Pempelforter 
Rochuskapelle  beizuwohnen.  Doch  bewirkten  die  Klassen 
der  Gemeinde  bei  der  brandenburgischen  Regierung;  dass 
diese  durch  Repressalien  die  endliche  Beseitigung  dieser 
Drangsale  herbeiführte. 

Unter  den  vielen  einheimischen  und  auswärtigen 
Wohlthätern,  welche  die  Gemeinde  in  dieser  schweren 
Zeit   unterstützten,    ist   namentlich    die   Pfalzgräfln   und 


118  Otsehiehte  der  evangelttchen  Gemeinde  DüaeMarfe. 

Herzogin  Katharina  Charlotte  zu  nennen,  w^che  dem 
pfälzischen  Fürstenhause  angehörii;^,  auch  trotz  dem  lieber- 
tritt  ihres  Gemahls,  des  Herzogs  Wolfgang  Wilhelm  zum 
Katholicismus,  ihrem  reformirten  Bekenntniss  unwandel- 
bar treu  verblieb,  in  der  fürstlichen  Hofkapelle  durch 
ihre  Hofprediger  Johannes  Hundius  und  Andere  evange- 
lischen Gottesdienst  abhalten  liess  und  sich  mit  landes- 
mütterlicher Fürsorge  aller  bedrängten  Glaubensgenossen 
in  der  Nähe  und  Ferne  annahm.  Sie  bewilligte  z.  B., 
dass  die  in  der  Schlosskirche  gesammelten  Gaben  den 
Armen  der  hiesigen  reformirten  Gemeinde  zu  gute  kämen, 
liess  auf  ihre  Kosten  arme  Elinder  derselben,  besonders 
pfälzische,  durch  einen  Lehrer  aus  ZweibrQcken,  Melchior 
F eye  11,  unterrichten,  und  rettete  den  schon  zur  Er- 
schiessung  verurtheilten  Prediger  Johannes  Lünenschloss 
von  Solingen,  als  er  nach  Düsseldorf  transportirt  wurde 
und  die  Herzogin  ihm  zufällig  in  Hilden  begegnete,  da- 
durch vom  Tode,  dass  sie  ihn  in  ihrem  eigenen  Wagen 
mit  nach  Düsseldorf  nahm  und  bei  dem  Herzog  für  ihn 
eintrat.  Sie  starb  am  21.  März  1651,  von  ihren  Glaubens- 
genossen als  eine  ^^hohe  Säule  ihrer  Kirche^  heiss  beweint, 
und  ruht  in  der  Fürstengruft  der  hiesigen  Lambertuskirche. 
Die  von  ihr  der  reformirten  Gemeinde  geschenkten 
Abendmahlsgefässe  befinden  sich  noch  im  Gebrauche  der 
hiesigen  evangelischen  Gemeinde. 

Daas  mit  dem  Ende  des  30jährigen  Krieges  auch  fOr 
die  reformirte  Gemeinde  in  Düsseldorf  ruhigere  Zeiten 
anbrachen,  geht  daraus  hervor,  dass  der  im  Jahre  1644 
berufene  Prediger  Peter  Sondermann  bis  an  sein  Ende 
(1663)  bei  derselben  verblieb.  Ihm  folgte  Jac.  Lehnhoff, 
der  sich  durch  hohe  katechetische  Begabung  auszeichnete 
und  von  dessen  Hand  sich  noch  ein  beachtenswerthes 
Gutachten  über  die  Vereinigung  der  Lutheraner  und  Re- 
formirten im  Gemeinde-Archiv  befindet.  Als  dieser  im 
Jahre  1667  nach  Elberfeld  berufen  wurde,  erwählte  die 
Gemeinde  den  noch  jugendlichen,  aber  sehr  eifrigen 
Prediger  Steinhausen,  der  in  Folge  seiner  labadisti- 
schen  Richtung  in  mancherlei  Kämpfe  verwickelt  wurde, 
aber  schon  1673  starb.  Sein  Nachfolger  wurde  Sylvester 
L Ursen  aus  Danzig,  der  im  Jahre  1677  eine  Streitschrift 
wider  den  hiesigen  Jesuiten  Nacatenus  ausgehen  liess. 
aber  auch  mit  dem  Rector  der  lateinischen  Schule,  dem 
berühmten  Liederdichter  Joachim  Neander  in  ziemlich 
gehässige  Streitigkeiten  gerieth,  weil  dieser  in  Wort  und 
Wandel  ebenfalls  die  mehr  innerliche  und  mystische 
Richtung  des  holländischen  Labadismus  vertrat,  während 
jener  der  strengen  Orthodoxie  seiner  Zeit  angeliörte. 


Ge$ehiehte  der  evangeliäcken  Gemeinde  Düeeeldorfe.  11!> 

Joachim  Neander  ist  einer  der  gefeiertsten  Lieder- 
dichter der  evangelischen  Kirche.  Er  „sang  und  spielte 
dem  HErm^;  d.  h.  er  erfand  zu  den  von  ihm  gedichteten 
Liedern  auch  zum  Theil  die  schönen,  tiefergreifenden 
Weisen.  Und  wenn  er  auch  als  Dichter  einem  Luther, 
Paul  Gerhard  und  Anderen  den  Vortritt  lassen  muss,  so 
steht  er  ihnen  doch  in  seiner  Art  ebenbürtig  zur  Seite. 
Namentlich  aber  ist  es  die  reformirte  Kirche  Deutsch- 
lands, welche  Ursache  hat,  Neander's  Andenken  in  Ehren 
zu  halten.  Er  war  es,  der  dieser  Kirche,  welche  bisher 
nur  die  in  Reime  gebrachten  Psalmen  Davids  in  ihren 
Gottesdiensten  gesungen  hatte,  mit  seinen  „Bundesliedern^ 
die  erste  Gabe  ureigenen,  aus  vollem  Herzen  frei  ent- 
strömenden Liedes  darbot  und  dadurch  die  reiche  Ge- 
sangesgabe, welche  auch  dieser  Kirche  in  Männern  wie 
Gerhard  Tersteegen,  Friedrich  Adolf  Lampe  u.  a.  anver- 
traut werden  sollte,  entfesselte.  Er  ist,  wenn  nicht  der 
Schöpfer  des  reformirten  Kirchenliedes,  so  doch  der  erste 
Herold  eines  neuen  reichen  Liederfrühlings  dieser  Kirche. 

Neander  war  1650  in  Bremen  als  der  Sohn  eines 
Lehrers  am  dortigen  Pädagogium  geboren,  wurde  als 
Student  am  Gymnasium  illustre  seiner  Vaterstadt  durch 
eine  ihn  mächtig  ergreifende  Predigt  des  dortigen  be- 
rühmten Predigers  Theodor  Undereyk  im  lebendigen 
Glauben  erweckt,  besuchte  seit  1671  die  Universität  Heidel- 
berg, wo  er  zugleich  als  Informator  einiger  Studenten 
wirkte,  brachte  den  Winter  1673/74  in  Frankfurt  a/Main 
zu,  wo  er  die  dortigen  reformirten  Fremdengemeinden 
und  den  berühmten  Vertreter  der  im  besten  Sinne  pietisti- 
schen Richtung :  Phil.  Jacob  S  p  e  n  e  r  kennen  lernte,  und 
trat  am  1.  Mai  1674  sein  Amt  als  Rector  in  Düsseldorf 
an.  Seine  Wirksamkeit  als  Lehrer  war  vorzüglich,  seine 
Predigtweise  „ohne  viel  Kunst,  jedoch  nicht  ohne  Be- 
weisung  des  in  ihm  wohnenden  Geistes**.  Weil  er  aber 
nach  Spener's  Vorbild  die  coUegia  pietatis  (die  frommen 
Zusammenkünfte  der  gläubigen  Christen  zu  gemeinsamer 
Betrachtung  der  heil.  Schrift  und  zum  Gebet)  auf  eigne 
Hand  auch  in  der  Düsseldorfer  Gemeinde  einführte,  ob- 
wohl die  General-Synode  angeordnet  hatte,  dass  dieselben 
nur  auf  Anordnung  des  Consistoriums  und  unter  Aufsicht 
der  Prediger  stattfinden  dürften,  so  wurde  er  in  heftige 
Kämpfe  idt  dem  Düsseldorfer  Consistorium  und  nament- 
lich mit  dem  Pre^diger  Lürsen  verwickelt.  Man  warf  ihm, 
wohl  nicht  mit  Unrecht,  auch  noch  andere  eigenmächtige 
Anordnungen  im  Schulwesen  vor,  und  obwohl  er  unterm 
17.  Februar  1677  durch  eigenhändige  Unterschrift  eines 
wider  ihn   gerichteten  Anklage  -  ProtocoUs  seine  Fehler 


120  Oesehiehte  der  emngeliaehen  Oemeind^  DfU9Morf%. 

^aufrichtig  und  ohne  Mentalreservation^  anerkannte,  was 
dem. jugendlich  eifrigen  Mann  ohne  Zweifel  zur  Ehre  ge- 
reicht, so  ist  es  doch  begreiflich,  dass  er  sich  aus  seiner 
Stellung  heraussehnte,  zumal,  nachdem  das  Consistorium 
ihn  weder  zum  Nachfolger  des  im  Jahre  1677  nach  Danzig 
berufenen  Predigers  LQrsen,  noch  zum  Hülfsprediger  seines 
Nachfolgers  Johann  Melchior,  des  nachmals  so  berühmt 
gewordenen  Professors  zu  Herborn,  berief.  Aus  jener 
Zeit  schweren  inneren  und  äusseren  Kampfes  mögen  aber 
wohl  die  innigsten  und  schönsten  seiner  Lieder  stammen, 
namentlich  auch  jene,  in  welchen  sich  die  Schilderungen 
des  nach  ihm  genannten  „Neanderthals^  (des  „Oesteins^ 
bei  Mettmann)  befinden. 

Wir  können  den  Lebensgang  des  frommen,  liebens- 
würdigen Dichters  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  verfolgen  i), 
und  bemerken  nur  noch,  dass  er  im  Jahre  1679  zum  dritten 
Prediger  an  der  St.  Martini  -  Kirche  seiner  Vaterstadt 
Bremen  berufen,  diesem  Rufe  freudig  Folge  leistete,  vom 
Düsseldorfer  Consistorium  mit  einem  höchst  ehrenvollen 
Abgangs-Zeugniss  bedacht  wurde,  im  Jahre  1680  die  erste 
Ausgabe  seiner  Lieder  unter  dem  Titel :  A.  u.  0.  Joachimi 
Neandri  Glaub'-  und  Liebesübung  etc.  erscheinen  Hess, 
aber  schon  am  31.  Mai  1680  von  der  Pest  dahingerafft 
wurde.  Unter  seinen  Liedern  zeichnen  sich  namentlich 
das  „wahrhaft  königliche  Lied^:  „Lobe  den  Herren,  den 
mächtigen  König  der  Ehren^,  femer:  „Wunderbarer  König*^ 
mit  seiner  auch  so  „wunderbaren,  gewaltigen^  Melodie, 
—  „Ich  will  ganz  und  gar  nicht  zweifeln^,  —  „Meine 
Hoffnung  stehet  veste^  u.  a.  aus.  Zu  19  derselben  ver- 
fasste  Neander  selbst  die  vortrefflichen  Melodieen  und 
wurde  deshalb  von  Bunsen  mit  Recht  als  der  „Psalniist 
des  Neuen  Bundes^  bezeichnet.  Die  Düsseldorfer  Ge- 
meinde ehrte  bei  der  im  Jahre  18i)0  stattgefundenen  300- 
jährigen  Gedächtnissfeier  das  Andenken  des  Dichtera 
durch  eine  in  der  ehemals  reformirten  Kirche  angebrachte 
Marmortafel,  welche  das  Bild  desselben  nach  dem  in 
Mettmann  aufgefundenen  vortrefflichen  Oelbilde  wieder- 
giebt  und  mit  den  Wahlsprüchen  Neander 's:  .,  Unbeweg- 
lich in  dem  HErm^,  „Ich  will  mich  lieber  zu  Tode  hoflfen, 
als  durch  Unglauben  verloren  gehen*'  geschmückt  ist. 

Der  erwähnte  berühmte  Prediger  Melchior  wurde 
im  Jahre  1670  von  Kaldenkirchen  an  die  Düsseldorfer 
Gemeinde  berufen,  folgte  jedoch  schon  1682  dem  Rufe 
als  Professor  in  Herbom.    Während  seiner  Amtszeit  tag^e 

')  Unter  den  Biographien  des  Dichters  zeichnet  sich  nament- 
lich die  von  Prediger  Iken  in  Bremen  1880  herausgegebene  durch 
Gründlichkeit  nnd  VollstAndigkeit  aus. 


Gesehiehte  der  erangeli9ch$n  OetMinde  DBaseUlorfs.  121 

zum  ersten  Male  die  bergische  Provinzialsynode  in  Düssel- 
dorf. Durch  die  von  ihm  verfasste  ^Schulordnung^  und 
^Kinderbibel^  machte  er  sich  auch  um  die  Schulen  der 
Gemeinde  hochverdient,  disputirte  hierselbst  öffentlich  mit 
einem  Jesuiten  und  kämpfte  litterarisch  wider  einen 
italienischen  Kapuzinermönch  Marcus  d'Äviano^  der  sich 
als  Wunderthftter  ausgab.  Neben  ihm  wirltte  nach  Nean- 
der's  Abberufung  der  Rector  und  HQlfsprediger  Konrad 
Bl&sing,  welcher  im  Auftrage  der  sehr  bedrängten 
Gemeinde  eine  Collectenreise  nach  London  machte  und 
eine  anziehende  Beschreibung  der  mit  dieser  Reise  ver- 
knüpften Leiden  dem  Archiv  der  Gemeinde  übergab. 

Auf  Melchior  folgte  im  Jahre  1682  Hardingius  ab 
Hamm,  bisheriger  Prediger  zu  Ruhrort.  Da  durch  den 
„Religions- Vergleich"  zwischen  Kurbrandenburg  und  der 
Kurpfalz  die  Religionsfreiheit  nunmehr  völlig  gesichert 
war,  so  entschloss  sich  die  Gemeinde  im  Jahre  1682  zum 
Bau  der  Kirche  an  der  Bolkerstrasse,  und  Hardingius  war 
unausgesetzt  für  die  Förderung  desselben  thätig.  Er 
sandte  die  Mitglieder  des  Consistoriums  mit  seinen  (noch 
erhaltenen)  Empfehlungen  auf  CoUecten-Reisen  nach  Hol- 
land, England,  Hessen,  Anhalt,  Nürnberg,  Bremen  etc. 
Am  13.  März  1683  konnte  der  Grundstein  der  Kirche  ge- 
legt, am  5.  März  1684  das  erste  Brautpaar  in  derselben 
getraut  werden;  1687  wurde  mit  dem  Bau  des  Kirch 
thurms  begonnen.  Die  Gemeinde  selbst  brachte  grosse 
Opfer  für  den  Bau  und  die  innere  Einrichtung  der  El&che ; 
auch  wurde  mit  dem  Jahre  1688  wieder  ein  zweiter 
Prediger,  der  zugleich  als  Rector  der-  lateinischen  Schule 
fungirte,  angestellt  (Andreas  Hoppenrath  aus  Bremen; 
seit  1693  Daniel  Pauli  aus  Danzig;  seit  1695  Petrus 
Melchior  aus  Heeren).  Neue  Schulhäuser  und  eine 
zweite  Predigerwohnung  (an  der  Kurzenstrasse)  wurden 
erbaut. 

Die  Drangsale  der  Gemeinde  hatten  freilich  noch 
nicht  ganz  aufgehört.  U.  A.  wurde  Prediger  ab  Hamm, 
weil  er  die  Taufe  eines  Kindes  aus  gemischter  Ehe  voll- 
zogen hatte,  vom  17.  August  bis  28.  October  1696  „mit 
2wei  Schildwachen  arrestirt^,  und  eine  ganze  Reihe  von 
Beschwerden  wegen  .Religionsbedrückung  Hess  die  Ge- 
meinde noch  1716  an  die  Behörden  gelangen.  Doch 
genoss  sie  seit  der  „Düsseldorfer  Ratification  der  Kirchen- 
oi*diiung^  unter  dem  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  (13.  Juli 
1706)  und  unter  dem  Schutze  des  Preu^^sischen  Resi- 
denten, welcher  mit  diesem  Jahre  seinen  Wohnsitz  in 
DOsseldorf  nahm,  grössere  Freiheit  und  Sicherheit,  welche 
dann    auch  unter  dem  jesuitisch  gesinnten  Fürsten  Karl 


122  Geschichte  der  evangetischen  Gemeinde  DflseeJäorf«. 

Philipp  (1716 — 1742)  nicht  mehr  gefährdet  wurden;  und 
der  kunstsinnige  Karl  Theodor  (1742 — 1799)  setzte  vollends 
dem  mächtigen  preussischen  Schutze  keinen  Widerstand 
mehr  entgegen.  Zufolge  dessen  wuchs  die  Gemeinde  fort- 
während an  Seelenzahl  und  Leistungsfähigkeit^  wie  letzteres 
namentlich  aus  den  zahlreichen  und  nicht  unbedeutenden 
milden  Stiftungen  des  18.  Jahrhunderts  hervorgeht. 

Nach  dem  Tode  des  Predigers  ab  Hamm  (1728)  wurde 
der  Hof^rediger  Joh.  H.  Jäger  zu  Dillenburg  zum  Nach- 
folger, nach  dem  Tode  des  zweiten  Predigers  Petrus 
Melchior  (1732)  Petrus  WQlfing,  Prediger  zu  Wülfrath, 
zu  dessen  Nachfolger  erwählt.  Dieser  Wülflng,  von  dessen 
Predigtgabe  Jung  Stilling  sagt:  ^er  predigte  so  schön,  so 
erbaulich  und  mit  einer  Würde,  dass  Zuhörer,  die  ihn 
nicht  kannten,  in  Thränen  zerflossen  und  ihn  für  einen 
apostolischen  Mann  hielten^,  war  derselbe  Mann,  der 
später  in  Solingen  und  Konsdorf  ein  Haupt  der  berüch- 
tigten Ronsdorfer  Secte  wurde  und  —  obwohl  anfangs 
von  der  Preussischen  Regierung  bestätigt  und  zum  Con- 
sistorialrath  ernannt  —  hernach  wegen  seines  schänd- 
lichen Lebenswandels  abgesetzt,  in  tiefstem  Elende  starb. 
Schon  in  Düsseldorf  zeigte  er  seine  Hinneigung  zu  jener 
Secte  und  wurde  deshalb  von  seinem  Consistorium  ver- 
klagt, so  dass  es  für  die  Gemeinde  eine  Wohlthat  war, 
dass  er  im  Jahre  1734  nach  Solingen  berufen  wurde. 

Die  Nachfolger  Wülflngs  waren:   Johann  Triesch, 
bis  dahin  Prediger  in  Gemünd  (1734 — 1765,  zugleich  Präses 
der  General-Synode),  Wetzelius  Wackerzapf  (1766— 1772), 
bisher  Prediger  in  Erkrath,   Justus  Brummer,   bisher 
Prediger  in  Emmerich  (1773—1792),  ein  Mann  von  grosser 
Rechtschaifenheit,   der   aber  schon  im  Geiste  des  Ratio- 
nalismus wirkte  und  dadurch  nicht  wenigen  Gemeinde- 
gliedern  anstössig  wurde.    Die  erste  Prediger-Stelle  blieb 
wegen  der  Bedrängnisse  des  siebenjährigen  Krieges  zwei 
Jahre  unbesetzt.     Der  im  Jahre  1760  erwählte  Heinrich 
Bertram   Hoff  mann,   bisher  Prediger  zu  DQssel,  starb 
nach  kurzer  gesegneter  Arbeit  schon  im  Jahre  1762.    Sein 
Nachfolger    wurde    Johann   Wilhelm   Janssen,    bisher 
Prediger  zu  Brien^n,   welcher  im  Jahre  1802  sein  Amt 
wegen  Alterschwäche  niederlegte. 

Dass  der  Rationalismus  allmählich  auch  in  der  refor* 
mirten  Gemeinde  seine  schlimmen  Früchte  in  der  zweiten 
Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  zeitigte,  geht  aus  der 
Predigt  hervor,  welche  der  Prediger  P  i  t  h  a  n  bei  Janssen's 
Amtsniederlegung  hielt  und  in  welcher  er  u.  A.  sa^: 
„Janssen  kam   in   dem  Jahre  1763  hierher   zu  unserer 


s 


Oeachiehie  der  evanffeiisehen  Oemeiftde  Düsseldorfs,  123 

Gemeinde;  zu  einer  Zeit;  wo  man  sehr  häufig  die  Stätte 
besuchte,  wo  des  Herrn  Lob  verkündiget  wird.  Dieses  war 
Freude  für  sein  Herz  und  Aufmunterung  für  seinen  regen 
Fleiss.  Desto  inniger  musste  es  ihn  aber  auch  betrüben; 
dass  späterhin  manche  anfingen  die  Versammlung  zu 
verlassen;  dass  der  feurige  Eifer  für  die  Gottseligkeit 
allmählich  anfing  zu  erkalten;  dass  die  Kirehenzucht  um 
einen  Theil  ihres  Ansehens  kam;  dass  die  Sitten  immer 
mehr  verwilderten  und  die  strafbaren  Leidenschaften  sich 
imgezügelter  zeigten  in  ihren  wilden  Ausbrüchen.  Manches 
ist  unsern  Zeitgenossen  gleichgültig  geworden,  was  imsern 
Vorfahren  heilig  war.  Als  euer  alter  Lehrer  sein  Amt 
unter  euch  antrat;  da  war  es  Sitte  in  den  Familien;  dass 
iüle  Hausgenossen  an  jedem  Sonntage  die  Kirche  be- 
suchten und  die  mehrsten  selbst  zwei-,  andere  sogar  drei- 
mal darin  gesehen  wurden  an  jedem  Sonntage.  Wenn 
Jemand  an  isinem  ganzen  Sonntage  nicht  in  der  Kirche 
erschien;  so  gehörte  dieses  zur  Ausnahme  und  man  hielt 
die  Abwesenden  für  krank  oder  für  ausheimisch.  Jetzt 
aber  gehört;  wie  ein  scharfsinniger  Beobachter  unserer 
Zeitgenossen  sagt,  „das  Besuchen  der  Kirche  bei  vielen 
zur  Ausnahme;  und  die  Weichlichkeit  unserer  Tage  findet 
die  Kirchen  selbst  schädlich  für  die  Gesundheit.  Sonst 
sah  man  die  Kirchen  an  als  Oerter  der  Erholung  von 
dem  Arbeiten  der  WochC;  jetzt  kennt  man  andere  Oerter 
der  Zerstreuung;  welche  für  die  Sinnlichkeit  reizender 
und  angenehmer  sind.  Wie  kränkend  mussten  diese  und 
ähnliche  Wahrnehmungen  für  einen  Mann  werden,  der 
in  ganz  anderen  Zeiten  gebildet  und  mit  ganz  anderen 
Vorstellungen  aufgewachsen  war!" 

Von  sonstigen  die  Gemeinde  betreffenden  Ereignissen 
sei  hier  nur  erwähnt;  dass  am  15.  Februar  1733  ein  Zug 
Salzburger  Emigranten;  welche  nach  Holland  fiüchteten, 
von  der  reformirten  und  lutherischen  Gemeinde  bewirthet 
und  beschenkt,  die  reformirte  Kirche  1761  in  ein  Mehl- 
haus der  hier  hausenden  französischen  Armee  verwandelt; 
nach  der  grossen  Rhein-Ueberschwemmung  am  27.  Fe- 
bruar 1784  (wo  die  Kirche  einen  Fuss  hoch  unter  Wasser 
stand);  ein  feierlicher  Dankgottesdienst  für  gnädige  Be- 
wahrung veranstaltet;  und  in  der  Nacht  des  Bombarde- 
ments vom  6.  zum  7.  October  1794  die  Kirche  und  die 
anstossenden  Gemeindehäuser  von  den  Granatkugeln  der 
französischen  Armee  beschädigt  wurden. 

Bevor  wir  jedoch  die  Geschichte  der  reformirten 
Gemeinde  in  dem  gegenwärtigen  Jahrhundert  weiter  ver- 
folgen, müssen  wir  einen  Rückblick  auf  die  Geschichte 
ihrer  Schwester-GemeindC;  ;,der  evangelischen  Kirche 


124  Oesehichte  der  evan^elUehen  Gemeinde  DüsseHdorfe, 

Augsburgiscber  (unveränderter)  Confeasion"  (oder 
kurzweg  „lutherische  Gemeinde^  genannt)  werfen. 

Leider  besitzen  wir  Qber  die  ersten  Anfänge  dieser 
Gemeinde  nur  wenige  zuverlässige  Urkunden,  da  erst  im 
Jahre  1676   ein   Consistorium   derselben   erwählt  wurde 
und  erst  mit  dem  Jahre  1 702  die  Protokolle  des  letzteren 
beginnen.     Dass   aber  die  lutherische  Gemeinde  ebenso 
alt  ist  wie  die  reformirte,  geht  schon  aus  der  merkwQr- 
digen  Eingabe  hervor,   welche  im  Jahre  1577,   als   der 
Stiftsdechant    Petrus   Montanus    hierselbst    die    fernere 
Spendung   des   heil.  Abendmahls  unter  beiderlei  Gestalt 
in  der  Stiftskirche  verweigerte,  die  gesammte  Bürger- 
schaft der  Stadt  Düsseldorf,  auch  Bürgermeister, 
Schöffen  und  Rath  an  den  damals  zu  Grevenbroich  ver- 
sammelten Landtag   der  Herzogthümer  Jülich  und  Berg 
richteten,  und  in  welcher  dieselben,  unter  Berufung  aitf 
„die  Tradition  der  alten  katholisch-apostolischen  Kirche 
und   die  auf  dem  Reichstage   zu  Augsburg  (1530)   ange- 
nommene  und   zugelassene  Confession,  um  Aufrechthal- 
tung des  mit  Consens  des  Fürsten  seit  langer  Zeit 
wohlhergebrachten  Usus**  der  Stiftskirche  bitten. 

Noch  deutlicher  aber  als  die  Eingabe  der  Bürger- 
schaft spricht  sich  eine  Eingabe  der   „  Augsburgischen 
Konfessionsverwandten  zu  Düsseldorf^,  welche  dem  Pfalz* 
grafen  Wolfgang  Wilhelm  am   14/21.  Mkrz   1610  über- 
reicht wurde,  über  das  Vorhandensein  einer  lutherischen 
Gemeinde  vor  diesem  Jahre  aus.     Sie  sagen:  In  folge 
der  in  diesen  Jülich'schen  und  Bergischen  Landen   ein- 
getretenen Administration  sei  das  „helle  und  klare  Licht 
der  reinen   evangelischen   Lehre   in   dieser  Fürstlichen 
Stadt   Düsseldorf   wiederum    von    neuem    aufgegangen, 
erschienen  und  durch  öffentliche  Predigten  fruchtbarlich 
ausgebreitet  worden;    „haben   sich   zu  deroselben  Lher 
(Lehre)  von  tag  zu  tag  und  jhe  langer  jhe  mehr  femer 
Gottförchtige  Christen  nicht   allein  Syncere  (aufrichtig) 
und  öffentlich  bekandt,  sondern  seien  auch  durch  milte 
gnad,  hülff  und  beistandt  Gottes  des  heiligen  Geistes  auf 
rechter  Bann  der  einmall  bekandter  göttlicher  wahrheitt 
einmütiglich  zu  verharren,  zu  glauben  und  die  biss  anhero 
christlich  und  voll  contlnuirte  publica  concionum  sacrarum 
exercitia    ^öffentliche   Ausübung    christlicher   Versamm- 
lungen) und  Gottesdienste  hinfürters  ebenmessiglich    zu 
verrichten  entschlossen   und  gemeint^.     Sie  (die  lutlie- 
rischen  Gemeindeglieder)   bitten  daher  um  EinrAuniun^ 
.  der  St.  Anna-  oder  Gasthauskirche  (Hospitalkapello)  zum 
Mitgebrauche. 


0$9tkiehte  der  evangdiseheH  Gemeinde  DSi$9Üdorf*,  125 

Eine  zweite  Eingabe  der  lutherischen  Gemeinde- 
glieder vom  15.  April  1610  erwähnt,  dass  sie  im  Jahre 
1609  einen  Prediger  Augsburgischer  Konfession  angestellt 
haben,  und  bitten  zur  Salarierung  desselben  um  eine 
landesherrliche  Beisteuer.  Unterzeichnet  ist  diese  Ein- 
gabe von  Wilhelm  Lithodius,  der  Rechte  Doktor;  Adrian 
Kompsthoff,  Prokurator;  Reinhard  Wüsthoflf,  Rathsver- 
wandter;  Bernhard  Steinbrinck,  Krämer;  Matthias  Neiss- 
mann,  Kannegiesser ;  Isaak  Mockenhäupt,  Goldschmidt; 
Hans  Klein,  Koch;  Matthias  Ernst,  Siegelschneider.  — 
Mittelst  Fürstlichen  Reskripts  vom  18/28.  April  1610 
wurden  für  vorgedachten  Zweck  jährlich  50  Rthlr.  aps 
der  Landrentmeisterei  bewilligt.  Auch  trug  Pfalzgraf 
TVolfgang  Wilhelm  den  7.  Juli  1610  seinem  Vater  Philipp 
Ludwig  den  Plan  der  Erbauung  einer  Kirche  als  Simultan- 
kirche  für  Kalvinische  und  Lutherische  vor,  und  Philipp 
Ludwig  stimmt  unter  dem  11.  Juli  1610  diesem  Vor- 
schlage bei;  doch  kam  dieser  Plan  nicht  zur  Ausführung, 
und  wird  die  lutherische  Gemeinde  wohl,  ähnlich  wie  die 
reformirte,  sich  anfangs  mit  gemietheten  Lokalen  bcr 
helfen  haben. 

Ferner  erfahren  wir  aus  den  im  Kirchenarchiv  zu 
Schwelm  vorhandenen  Urkunden,  dass  dort  ein  lutherischer 
Prediger  namens  Grosswin  Könnemann  nach  einjähriger 
Thätigkeit  in  Düsseldorf  als  Pastor  wirkte  und  im  Jahre 
1609  einem  Rufe  an  die  lutherische  Gemeinde  zu  Hagen 
folgte.  Dieser  Könnemann  wird  also  zu  den  Predigern 
zählen,  welche  -^  meist  nur  für  kurze  Zeit  und  mit  oft- 
maligen Unterbrechungen  wie  in  der  reformirten  Ge- 
meinde —  die  hiesige  heimliche  lutherische  Gemeinde 
in  den  letzten  Jahrzehnten  des  16.  und  zu  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  bedienten. 

Mit  dem  Jahre  1609  tritt  die  oben  geschilderte 
günstigere  Wendang  der  Dinge  für  die  evangelischen 
Gremeinden  ein.  Sie  erhalten  das  Recht  des  öffentlichen 
Gottesdienstes,  und  wir  erfahren  nun  zunächst  aus  einer 
im  hiesigen  Landesarchiv  befindlichen  Nachricht,  dass 
die  lutherische  Gemeinde  am  6/16.  März  1611  den  auij 
Frankfurt  am  Main  gebürtigen  Georg  Beyer  als  ihren 
Prediger  berief.  Doch  schon  unterm  9.  Juli  desselben 
Jahres  wird  berichtet,  dass  derselbe,  der  schon  nach 
einer  Nachricht  vom  11.  Juli  1610  mit  dem  ^Kalvinischen 
Pfaffen  Philippe  Poppinghusio  in  guter  Gemeinschaft 
stand^,  zur  reformirten  Kirche  übergetreten  und  da- 
durch Misshelligkeiten  entstanden  seien.  Der  Fürstliche 
Rath  und  Hofprediger  M.  Georg  Heilbrunner  empfiehlt 
deshalb  der  Gemeinde,  an  Beyer's  Stelle  den  Magister 


126  Gesehiektg  der  evangelit^en  Gtmtinde  Düsseldorfs, 

Justus  Weier  aus  Mülheim  zu  berufen.  Am  9.  September 
1611  ist  Weier  bereits  evangelisch -lutherischer  Prediger 
zu  Düsseldorf,  und  Wolfgang  Wilhelm  erlässt  an  ihn  ein 
Reskript  wegen  der  Uebergriffe  von  reformirter  Seite. 

Zu  Ende  des  Jahres  1612  wird  auch  schon  der 
Reparatur  der  lutherischen  Schule  und  des  Schullehrers 
Kantor  Leonhard  Sutorius  (Schuster)  aus  Gunzenhausen, 
der  seit  dem  September  1610  angestellt  ist,  Erwähnung 
gethan. 

Vor  Allem  wichtig  aber  ist  die  Nachricht  aus  den 
Akten  der  ersten  lutherischen  Synode  von  Cleve  •  Mark, 
welche  im  September  1612  durch  den  damals  noch 
lutherischen  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  nach  Dins- 
laken berufen  wurde.  Die  Akten  befinden  sich  in  dem 
selten  gewordenen  Buche  von  Buinink :  „Sammlung  merk- 
würdiger Rechtshändel.  Heilbronn  1758  I.  pag.  193  — 
254"  und  bezeugen,  dass  auf  dieser  Synode  zwei  Hof- 
prediger: der  evangelische  (lutherische)  Pastor  Justus 
Weyer  aus  Düsseldorf  und  Dr.  Johann  Hesselbein  aus 
Wesel  als  landesherrliche  Kommissare  fungirten.  Beide 
eröffneten  die  Synode  mit  lateinischen  Ansprachen,  und 
wurde  die  confessionis  forma  (Form  des  Glaubensbekennt- 
nisses) von  allen  anwesenden  Pfarrern  unterschrieben. 
Weyer's  Unterschrift  lautet:  M.  (agister)  Justus  Weyer, 
eeclesiae  Dusseldorp.,  quae  est  Augustanae  Confessionis, 
pa«tor  (Magister  J.  W.,  Pastor  der  der  Augsburgischen 
Ronfession  zugethanen  Gemeinde  zu  Düsseldorf). 

Mit  dem  Jahre  1613  beginnen  denn  auch  schon  die 
CoUecten  für  den  Bau  einer  lutherischen  Kirche.  Es 
werden  zwei  Prediger:  Magister  Theodoricus  Stricker 
und  Magister  Johann  Frisius  erwähnt,  welche  neben 
Justus  Weyer  als  „Pestilentiarii"  (Seelsorger  der  Pest- 
kranken) wirken.  An  Stelle  des  zum  Eirchenrath  und 
Hofprediger  ernannten  J.  Weyer  (gestorben  1641)  wird 
1613  der  Professor  zu  Giessen,  Magister  Antonius  Hagen- 
busch, zum  Stadtprediger  berufen.  1614  erwirbt  die 
Gemeinde  den  Bauplatz  zur  Kirche.  Am  23.  November 
1641,  also  gleich  nach  Weyer's  Tode,  wurde  jedoch  der 
Gemeinde  das  Recht  des  öfi*entlichen  Gottesdienstes  ent- 
zogen, und  darf  wohl  angenommen  werden,  dass  sie 
dasselbe  erst  im  Jahre  1643,  gleichzeitig  mit  der  refor- 
mirten  Gemeinde,  welche  schon  seit  1624  keine  öffent- 
lichen Gottesdienste  mehr  halten  durfte,  zurück  erhalten 
hat.  In  den  auf  dem  Landgerichte  zu  Düsseldorf  be- 
ruhenden, mit  dem  Jahre  1643  beginnenden  Taufregistern 
der  lutherischen  Gemeinde  wird  ein  Pastor  David  Blenno 
Stettinensis    (von  Stettin)    erwähnt;    eine    Nachricht    im 


Gesfhichte  der  ecangtlisehen  Gemeinde  DüBeeidorfe.  127 

Protokollbuch  des  Consistoriums  erwähnt  jedoch  weder 
Hagenbusch  noch  Blenno,  sondern  bezeichnet  Johann 
B  a  d  e  r  u  s  aus  Erfurt  als  Weyer's  Nachfolger  (?)  im  Jahre 
1642;  als  dritten  Prediger:  Michael  Schipelius  im 
Jahre  1648;  als  vierten  Hoffmann,  165ö;  als  fünften 
David  Seyler,  1684;  als  sechsten  den  bisherigen  HQlts- 
prediger  Joh.  Bern.  Stollmann,  1708. 

Während  wir  von  Justus  Weyer's  weithin  reichender 
Wirksamkeit  auch  aus  anderen  Quellen  erfahren,  sind 
uns  über  die  genannten  Nachfolger  keine  nähere  Nach- 
richten erhalten;  und  nur  über  den  zuletzt  genannten 
David  Seyler  finden  sich  einige  Mittheilungen  in  dem 
vom  Jahre  1763  datirten  ^ Reisetagebuche ^  eines  ge- 
wissen G.  Stolle  (Handschrift  aus  der  Breslauer  Univer- 
sitäts-Bibliothek), welcher  berichtet: 

Den  10.  September  waren  wir  bei  dem  Lutherischen 
Prediger,  David  Seyler,  von  dem  wir  unter  andern  folgen- 
des erfuhren: 

Die  Gemeinde  sei  hier  schwach  und  sei  er  nur  allein 
Prediger  bei  der  Kirche,  welche  keine  fundos  habe, 
sondern  nur  von  den  Auditoribus  unterhalten  würde, 
doch  sammelte  man  nach  und  nach  dazu.  Sachsen  hätte 
vorhin  immer  subsidien-Gelder  gegeben,  aber  unter  des 
itzigen  Churfürsten  Regierung  sei  alles  ausblieben.  Es 
sei  auch  nur  Eine  lutherische  trivial  Schule  hier,  und  ein 
Schulmeister,  der  auch  in  der  Kirche  vorsinge.  Mit  dem 
vorigen  reformirten  Prediger  habe  er  keine  Verdrüsslich- 
keiten  gehabt,  aber  die  itzigen  scalirten  öfters  in  Predigten 
recht  schimpflich  auf  die  lutherischen,  welche  sie  auch 
nennten.  Ohnlängst  hätte  der  eine  nieht  taufen  wollen, 
weil  ein  lutherischer  Offizier  mit  unter  den  Gevattern 
gewesen.  Er  aber  enthalte  sich  in  Predigten  auf  alle 
Weise  des  Elenchi,  wenn  er  gleich  dazu  Gelegenheit 
genug  habC;  und  fundire  seine  Zuhörer  nur  in  Thesi. 

In  der  hiesigen  Kirche  sei  weder  der  Exorcismus 
noch  die  privat^Beichte  introducirt,  er  verlange  auch  keins 
von  beiden  einzuführen.  Doch  wie  sich  die,  so  zum 
Abendmahl  gehen  wollten,  zuvor  bei  ihm  angeben  müssten, 
so  frage  er  die  Fremden  allezeit,  ob  sie  auch  über  dem 
Mangel  der  Beichte  einen  Scrupel  hätten,  und  erböte 
sich  auf  solchen  Fall,  sie  Beichte  zu  hören. 

Dennoch  halte  er  davor,  dass,  wo  die  Beichte  oder 
andere  adiaphora  eingeführt  wären,  man  darüber  halten, 
und  wenn  sie  der  Fürst  abschaffen  wolle,  keinen  Fuss 
breit  nachgeben  müsse.  Denn  dergleichen  AbschaflFüng 
müsse  liberrimo  cum  consensu  omnium  trium  statuum 
(unter  ft*eie8ter  Zustimmung  aller  drei  Stände)  geschehen. 


1^  Oeschichte  der  epangeli9cfi$H  Omnemde  DUM$§ldarf8» 

Der  Brandenburgische  Hof  intendire  offenbar  Syncre- 
tismum  (beabsichtige  die  Union  der  beiden  evangelischen 
Bekenntnisse),  und  sei  die  Hallische  Academie  blos  zu 
dem  Ende  aufgerichtet.  Wenigstens  werde  man  Syncre- 
tismum  im  Herzogthum  Magdeburg  introduciren. 

Von  Hoffnung  besserer  Zeiten  halte  er  nichts,  denn 
es  weise  sich  hier  das  Contrarium  aus. 

Hier  könne  keiner  ein  OfBcium  kriegen,  der  nicht 
katholisch  wäre  oder  würde,  daher  er  viel  Sorge  wegen 
seines  Sohnes,  der  in  Jena  jura  studire,  habe. 

Keine  Bibliothek  dürfe  man  hier  nicht  suchen,  denn 
der  Churfürst  habe  keine,  und  die,  so  bei  dem  Jesuiten- 
CoUegio  sei,  bestehe  nur  ex  Patribus  &  libris  Jesuitarum. 
Es  lebten  auch  keine  literati  hier,  die  von  der  erudition 
profession  machten,  ausser  ein  trefflicher  Chymicus 
Dr.  Schrader. 

Der  Herr  Pastor  ist  ein  langer  hagerer  Mann,  der 
das  alte  deutsche  Decorum  hat,  und  ein  grosser  Ortho- 
doxus  ist.  Er  ist  aus  Sachsen  gebürtig  und  vorher  in 
Jülich  Pastor  gewest,  allwo  die  lutherische  Gemeine  noch 
schwacher  als  hier  sein  soll.  Er  hat  viel  an  sich,  so 
man  bei  den  Gemeinen  Dorf^riestem  zuweilen  findet. 
Keine  sonderbare  erudition  darf  man  bei  ihm  nicht 
suchen,  doch  hat  er  die  Metaphysic  und  historie  zieai- 
lich  inne.  Er  ist  noch  sehr  hurtig  auf  die  Beine,  unge- 
achtet er  nicht  weit  von  60  Jahre  ist.  In  seiner  Auf- 
führung gegen  uns  beging  er  viel  Bassessen  imd  zeigte, 
dass  er  seine  Autorität  schlecht  in  Acht  zu  nehmen  weiss. 
Doch  sollte  em  Fremder,  der  ihn  etliche  mahl  sprechen 
könnte,  viel  vom  hiesigen  Hofe  von  ihm  erfahren  können, 
denn  er  weiss  sehr  viel  Specialia.  Denen  Pietisten  ist 
er  nicht  gut,  meint  auch,  es  sei  sehr  ungereimt,  dass  sie 
den  Apostolischen  statum  introduciren  wollten,  als  welcher 
ja  ganz  unvollkommen  gewest,  dieweil  es  ihm  am  Wehr- 
stande gemangelt. 

Also  zeige  auch  die  communio  bonorum  (Güter- 
gemeinschaft) von  eben  dieser  Unvollkommenheit,  denn 
diese  habe  deswegen  introduciret  werden  müssen,  weil 
die  Personae  Ecclesiasticae  und  armen  Christen  sonst 
damals  nicht  hatten  leben  können.'' 

Die  lutherische  Gemeinde  hatte  wie  ihre  reformirte 
Schwester  hierselbst  eine  lateinische  (Rektorat-)  und  eine 
deutsche  Schule.    Nähere  Nachrichten  fehlen. 

Ausserdem  wissen  wir  nur,  dass  die  Kirche  der 
lutherischen  Gemeinde,  die  jetzt  soj^enannte  ,,kleinere'' 
Kirche,  ein  Kirchenhaus  ohne  Thurm  und  Glocken,  am 
31.  August  1687  eingeweiht  wurde.    Dieselbe  wurde  unter 


€h$ekkikU  der  epangelieehen  Oemeifide  DüBBM&ffs,  129 

dem  Schutze  der  adeligen  H&user  Isselstein  (MadelriuisV) 
und  DQsselstein  (der  an  der  Ecke  der  jetzigen  Mittel- 
und  Wallstrasse  wohnte)  und  zwar  in  dem  Banne  (auf 
dem  Grundbesitz)  dieser  beiden  zur  evangelischen  Kirche 
übergetretenen  Edelleute  erbaut.  Das  (Gotteshaus  durfte, 
wie  auch  das  reformirte,  nicht  an  der  öffentlichen  Strasse 
liegen,  sondern  musste  in  einem  Hofe,  welcher  mit  Thor 
und  umschlies&enden  Gebäuden  und  Mauern  versehen 
war,  gebaut  werden.  Schon  diese  Lage  zeigte,  dass  der 
Protestantismus  nur  geduldet  war. 

Die  Kosten  dieser  Kirche  wurden  mit  dem  bereits 
früher  gesammelten  Baufonds,  durch  Beiträge  der  Ge- 
meinde und  Collecten  in  luUierischen  Gemeinden  bis 
nach  Hamburg  und  Holland  hin  bestritten.  Die  Aeltesten 
übernahmen  die  Reise  und  wurden  dazu  nicht  nur  mit 
dem  erforderlichen  Reisegelde,  sondern  auch  mit  neuen 
Reisekleidem  versehen.  Das  bisherige  „Predigthaus  ^ 
wurde  nach  Einweihung  der  Kirche  dem  Prediger  als 
Dienstwohnung  ttberwiesien.  Im  Jahre  1690  schenkte  ein 
Gemeindeglied,  J.  W.,  einen  Taufstein  aus  schwarzem 
Marmor,  der  jetzt  in  der  Taufkapelle  der  Johanneskirche 
aufgestellt  ist.  Am  18.  September  1706  wendet  sich  die 
Gemeinde  an  den  König  von  Dänemark  um  eine  Bei- 
steuer für  Thurm  und  Glocken,  welche  letztere  jedoch 
die  Kirche  noch  heute  nicht  besitzt. 

In  das  Jahr  1708  fällt  die  Berufung  des  bekannten 
kirchlichen  Liederdichters  Bartholomäus  Crasselius, 
welcher  bis  zum  Jahr  1724  neben  Stohlmann  als  Pfarrer 
der  Gemeinde  wirkte.  Er  war,  wie  sein  Grabstein  in 
der  kleineren  Kirche  (rechts  vom  Altar)  meldet,  den 
21.  Februar  1667  zu  Wernsdorf  bei  Glaucha  in  Sachsen 
g'eboren  und  wurde  von  dem  Dorfe  Nidden  in  der 
Wetterau  im  Jahre  1708  als  Pastor  der  lutherischen 
Gemeinde  hierselbst  berufen,  welches  Amt  er  also 
16  Jahre  und  5  Monate  hier  verwaltet  hat. 

Die  Gabe  der  Dichtkunst  war  ihm  in  hohem  Masse 
verliehen;  seine  uns  übrig  gebliebenen  Lieder,  deren 
Zahl  leider!  gering  ist,  gehören  zu  den  kernigsten  und 
schönsten  unsers  so  reichen  deutschen  Kirchenlieder- 
Schatzes  und  werden  noch  immer  gesungen,  u.  a.  die 
Lieder:  ,^Dir,  Dir,  Jehova,  will  ich  singen",  „Halleluja, 
Lob,  Preis  und  Ehr'",  „Heirger  Jesu,  Heil'gungsquelle" 
(freie  deutsche  Uebertragung  eines  hollAndischen  Liedes), 
„Erwach',  o  Mensch,  erwache",  „Friede,  ach  Friede,  o 
göttlicher  Friede",  und  das  schöne  Morgenlied:  ^Herr 
Jesu,  ewges  Licht". 

9 


130  Genehichte  der  erangelisehen  Gemeinde  DÜBseldot'fs. 

In  welchem  Geiste  Crasselius  sein  Amt  auffasste,  geht 
aus  dem  Gedichte  zum  1.  Januar  1710:  „Geistliche  Neu- 
jahrs-Posaune" hervor,  in  welchem  es  u.  A.  heisst: 

Ihr  rühmet  euch  der  wahren  Lelire, 
Wer  ^cbet  aber  Gott  die  Ehre 
Und  lebt  der  wahren  Lelnre  nach? 
So  wisset  doch,  dass  alles  Lehren 
Bei  eurem  so  glaublosen  Hören 
Durchaus  nicht  sei  genug  zur  Sach\ 

Der  Himmel  möchte  drob  erschüttern, 

Die  Erde  beben  und  erzittern, 

Dass  Alles  so  im  Arji^en  liegt. 

Der  Leute  Thun  in  jedem  Stande 

Ist  meist  nur  Bosheit,  Sund  und  Schande, 

Wenn  man*s  nach  Gottes  Wort  erwiegt. 

Ein  Jeder  lebt  dahin 

Nach  seines  Fleisches  Sinn, 
Frei  und  sicher. 
In  Frechheit  toll  und  Frevels  voll. 
Als  wlir  kein  Gott,  der  strafen  woll. 

Sein  Zorn  entbrannt',  sein  Schwert  ist  trunken 
Im  Himmel,  und  er  will  es  tunken 
In  der  verbosten  Menschen  Blut. 
Der  Reiter  auf  dem  rotben  Pferde 
Nimmt  M'eg  den  Frieden  von  der  Erde 
Tnd  flammet  an  des  Krieges  Glut  etc. 

Crasselius  verfasste  zwar  auch  manche  harmlosere 
scherzhafte  Gelegenheits- Gedichte,   von  welchen  etliche 
im  Kirchen-Archiv  aufbewahrt  sind,  strafte  aber  in  seinen 
Predigten  die  todte  Rechtgläubigkeit  und  das  damit  Hand 
in  Hand  gehende  leichtfertige  Leben  seiner  Gemeinde- 
glieder  nicht  selten  in  so  scharfer  Weise,  dass  er  wegen 
dieser  „Anzüglichkeiten"   von   seinem   Consistoriura    zur 
Rede  gestellt  und  gelegentlich  einer  Kirchen  -  Visitation 
im  Jahre  1715  von  dem  Inspector  des  Bergischen  luthe- 
rischen   Ministerii    verwarnt    wurde.      Offenbar    vertrat 
Crasselius    den   Standpunkt    eines    Spenei    und    Franke* 
gegenüber  der  mehr  und  mehr  erstarrenden  orthodoxen 
Richtung  seiner  Zeit.     Die   Grabschrift   seines  Leichen- 
steines vor  dem  Altar  der  Kirche  bezeichnet  ihn  übrigens 
als  ^wachsamen  und  glaubenseif^igen  Hirten^,  und  sein 
auf  demselben  Steine  angebrachtes  Siegel  zeigt  den  „guten 
Hirten*^  mit  der  Umschrift:    „Der  gute  Hirte,  mein  grött- 
liches  Panier",  sowie  den   bezeichnenden  Text  der  ihm 
gehaltenen  Gedächtnisspredigt  Joh.  16,  33:  „Solches  habe 
Ich  zu  euch  geredet,  dass  ihr  in  mir  Frieden  habt.      In 
der  Welt  habt  ihr  Angst,  aber  seid  getrost,  Ich  habe  die 
Welt  überwunden. ** 

Nach   Crasselius'    am    10.  November    1724   erfolgten 
Tode  versah  der  ^treu-fleissig  gewesene"  Pastor  Stohl- 


3»5i*«-" 


Gesehiehte  der  erangelisehen  Oetnehide  Düsseldorfi.  1.-U 

mann  die  Gemeinde  bis  zu  seinem  1734  erfolgten  Tode 
allein.      Als    Nachfolger    wurde    Pastor  Johann    Georg 
Overkamp  zu  Jülich  erwählt,  welcher  gleich  im  ersten 
Jahre  seiner  hiesigen  Wirksamkeit  zum   Consistorialrath 
ernannt  wurde  und  sein  Amt  hlerselbst  zwanzig  Jahre 
mit  einer  Treue  verwaltete,  welche  ihn  bei  seiner  ganzen 
Gemeinde  in  Liebe  und  Hochachtung  setzte.**  (Vgl.  List: 
Geschichte  der  evang.  Gemeinde  zu  Mannheim,  Mannheim 
1767.)    Er  folgte  im  «Fahre  1754  einem  Rufe  nach  Mann- 
heim, weil  er.  einen  Herrn  H.,  der  die  Schwester  seiner 
ersten  Frau  geheirathet,   nicht  zum  h.  Abendmahle  zu- 
lassen wollte  und  deshalb  in  Ordnungsstrafe  genommen 
worden  war.  —  Ihm  folgte  Leopold  Caspar  Issing,  1754 
bis  1774,  bisher  Prediger  in  Stolberg,  der,  wie  eine  von 
ihm  veifasste  lateinische  Streitschrift  beweist,   ebenfalls 
der  Spener-Franke'schen  pietistischen  Richtung  zugethan 
war.    Auf  einem  Heimritt  von  Solingen   hierher  wurde 
der  bereits  altersschwache  Mann  vom  Schlagfiuss  befallen 
und  starb  auf  der  sogenannten  „Schalcksmühle".    Seine 
Leiche  wurde  vor  dem  Altar  der  Kirche  beigesetzt.   Sein 
Nachfolger,  Stiftsprediger  Fischer  zu  Gevelsberg,  nach 
dem   Zeugniss   des  Inspectors   ein   ebenso  beliebter   als 
begabter  und  rechtschaffener  Prediger,   starb  schon  im 
Jahre   seiner  Berufung    1774,    und   sein  Sarg  wurde  in 
Crasselius'  Grab  versenkt.  Ihm  folgte  1775  Theodor  Hart- 
mann, bisher  Pastor  zu  Holpe,  welcher  über  70  Jahre 
der  Gemeinde  erhalten  werden  sollte. 

Blicken  wir  hier,  am  Schlüsse  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts auf  die  Entwicklung  der  lutherischen  Gemeinde 
zurQck,  so  war  sie  zwar  an  Seelenzahl  nicht  bedeutend 
gewachsen.    Sie  zählte  nach  einer  amtlichen  Zusammen- 
stellung vom  Jahre  1791  nur  986  Seelen  mit  den  Militär- 
personen,  die  sich  zu  ihr  hielten,   ohne  dieselben  759; 
und    dass  ihr  Zuwachs  auch  im  Anfange  des  19.  Jahr- 
hunderts kein  sehr  starker  war,    ergibt  sich   aus   einer 
Zahlung  vom  Jahre  1817,  wonach  sie  innerhalb  der  Stadt 
I0a9  und  ausserhalb  derselben  143,  zusammen  also  1212 
Seelen  zählte,  während  die  reformirte  Gemeinde  in  diesem 
Jahre  1188  und  die  Stadt  Düsseldorf  (ohne  den  Aussen- 
bezirk)    14100  Seelen   zählte.     Aber   zu   der   Gemeinde 
gehörten    manche   hervorragende   Familien,    von   denen 
wir  hier  nur  nennen  die  Kaufherren  Fr.  Chr.  HoflFmann 
und  Huyssen,  Buchhändler  Dänzer,   Instrumentenmacher 
Eberl6 ,»     Kaufmann    Huyssen ,    Kaufmann    Cretzschmar, 
Blechschläger  Lieber,  Geheimrath  Jacobi  in  Pempelfort  etc. 
Dazu  hatte  sie  den  Vorzug,  eine  grosse  Anzahl  treuer 
Verkündiger  des  göttlichen  Wortes,  unter  welchen  Weyer 

9* 


182  0€9chicht€  der  evangtlitdien  Oemeinde  Däueldorfs. 

und  Crasselius  besonders  hervorragen ,  zu  besitzen  und 
auch  in.  Th.  Hartmann  einen  Mann  erhalten,  der  ebenso- 
sehr durch  seine  Predigtgabe  wie  durch  seine  gewissen- 
hafte Treue  und  Verwaitungsgabe  hervorragte  und  bei- 
nahe dreiviertel  Jahrhundert  das  lautere  Evangelium  von 
Christo  in  ihr  verkündigen  durfte ,  für  dessen  hervor- 
ragende Bedeutung  auch  der  Umstand  zeugt ,  dass  er 
zweimal  (1793  und  1806)  zum  Inspector  des  unterbergischen 
Ministeriums  berufen  wurde  und  an  der  Leitung  der 
wichtigsten  Angelegenheiten  des  letzteren,  z.B.  bei  Heraus- 
gabe des  ^Bergiscben  Gesangbuchs",  betheiligt  war. 

An  der  Rectoratschule,  welche  zu  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts wieder  in's  Leben  getreten  war,  wirkte  seit  1704 
Johann  Bernhard  Stohlmann,  der,  wie  seine  Nachfolger, 
zugleich  als  Hülfsprediger  wirkte.  Bis  dahm  bildete  die 
Rectoratschule  nur  die  höhere  Klasse  der  deutschen 
Schule.  Von  1754  an  wurde  dieselbe  jedoch  als  eine 
selbständige  Schule  von  der  letzteren  getrennt  und  an 
dieselbe  ein  hervorragender  Lehrer,  der  „bestbewährte** 
Rector  Johann  Peter  Reitz  berufen,  der  von  1755  bis 
1797  an  derselben  wirkte. 

Dieser  Mann  hat  mehrere  ausgezeichnete  Schüler 
gebildet,  worunter  wir  nur  das  berühmte  Brüderpaar  von 
Pempelfort,  den  Dichter  Johann  Georg  Jacobi  und  den 
Philosophen  Friedrich  Heimich  Jacobi,  sowie  den  nach- 
maligen bayerischen  Geheimrath  Heinrich  von  Schenk 
nennen.  Der  zweite  Sohn  Fr.  Hr.  Jacobi's,  der  in  Düssel- 
dorf im  Jahre  1845  gestorbene  Geheimrath  Jacobi  sagt 
von  ihm,  dass  er  ein  Mann  von  mehr  als  gewöhnlicher 
wissenschaftlicher  Ausbildung  und  strenger  Logik  gewesen 
sei,  ein  Mann  von  dem  achtbarsten  Charakter,  ein  treff- 
licher Schulmann  und  gern  gehörter  Prediger. 

Die  durch  Reitzens  Tod  erledigte  Rectoratstelle  wurde 
nicht  wieder  besetzt,  weil  die  Zahl  der  Schüler  zu  gering 
war,  sondern  dem  Pastor  Hartmann  der  Candidat  Danz- 
mann  adjungirt,  der  zugleich  an  diejenigen  Schüler  der 
Trivialschule,  welche  es  begehrten,  lateinischen  Unter- 
richt ertheilen  sollte,  und  die  Gemeinde  benutzte  die 
leergewordene  Rectoratschule  zur  Erweiterung  dieser 
Trivialschule,  deren  RAume  l&ngst  zu  eng  geworden. 
Am  3.  April  1804  folgte  jedoch  Danzmann  einem  Rufe 
als  Prediger  nach  Maestricht,  und  das  Consistorium  be- 
schliesst,  nunmehr  die  Rectoratschule  ganz  eingehen  zu 
lassen,  dem  Pastor  Hartmann  aber  anheimzugeben ^  für 
das  Rectoratgehalt  sich  einen  Ac^unkten  zu  halten  und 
die  Rectorwohnung  zu  vermiethen. 

Als  bemerkenswerthe  Züge  aus  der  kirchlichen  £i)t- 


Oes^ieht€  der  etangüiteken  Gemeinde  Düseeldorfe,  193 

Wicklung  der  Gemeinde  seien  hier  nur  folgende  hervor- 
gehoben.   Die  Form  des  Gottesdienstes  war  von  der  des 
reformirten  wenig  verschieden.    Die  Taufen   und  Trau- 
ungen fanden  der  Regel  nach  im  öffentlichen  Gottesdienst 
statt.    Im  Jahre  1689  wurde  das  treflSiche  Gesangbuch 
^die   singenden   und   klingenden  Berge^    eingeführt.    In 
der  Kirche  wurden  nicht  nur  die  Pastoren  und  deren 
Angehörige,  sondern  auch  gegen  ziemlich  hohe  Gebühren 
(50Rtb.)  andere  hervorragende  Gemeindeglieder  begraben, 
und  noch  heute  nennen  die  in  der  Kirche  aufgehangenen 
Wappen  die  Namen  der  dem  Adel  angehörigen  hier  be- 
statteten Personen.     Desgleichen  befanden  sich  in  der 
Kirche  ein  „Fürstenstuhl'^  und  viele  Kirchenstühle,  welche 
von  Familien  kftuflich  erworben  oder  auf  längere  Dauer 
gepachtet  oder  als  Ehrensitze   verliehen  wurden.     Die 
lutherischen  Militair- Personen,  unter  welchen  sich  stets 
viele  hohe  Officiere  befanden,  nahmen  an  dem  Gemeinde- 
Gottesdienste  theil  und  wurden  überhaupt  als  Mitglieder 
der  Gemeinde   angesehen,   und    manche   Generale    und 
höhere  Offiziere  in  der  Kirche  begraben.    Hervorragende 
Ereignisse,  wie  die  Genesung  des  Landesfürsten  im  Jahre 
1754,  die  EiTcttung  aus  der  Gefahr  der  Rhein -Ueber- 
schwemmung  im  Jahre  1 784,  wo  das  Wasser  bis  an  dem 
vierten   Treppstieg  in   der  Kirche   stand,   das   hundert- 
jAhrige  Kirchweihfest  1787  und  der  Tod  des  Landesfürsten 
1799,  wurden  mit  Gottesdienst  und  je  nach  Umständen 
mit  Musik- Aufführung  in  der  SLirche  und  Kanonenschüssen 
gefeiert,  vierteljährliche  Buss-  und  Bettage  begangen. 

Fortdauernd  war  die  Gemeinde  darauf  bedacht,  ihre 
Kirch-,  Pfarr-  und  Schulgebäude,  sowie  die  Gehälter  ihrer 
Pfarrer,  Lehrer  und  Kirhendiener  zu  verbessern.  Wie 
gering  die  letzteren  waren,  geht  daraus  hervor,  dass  noch 
im  Jahre  1723  der  Präceptor  (deutsche  Schulmeister)  nur 
48,  der  Organist  40,  der  Küster  18  und  der  Calcant 
"2  Thlr.  jährlich  bezogen.  Die  Pfarrer  erhielten  um  die- 
selbe Zeit  200  Thlr.  Jahrgehalt  Auch  auf  die  Erwerbung 
der  um  die  Kirche  liegenden  Häuser  und  Grundstücke 
ist  die  Gemeinde  fortwährend  bedacht.  Sie  kauft  1529 
das  Haus  und  den  Garten  des  Hülshoff  für  2100  Rthlr., 
damit  der  Gottesdienst  nicht  belästigt  werde  und  die 
Kirche  nöthigenfalls  erweitert  werden  könne.  1748  wird 
ein  neues  Pfarrhaus  anstelle  des  alten  erbaut;  1755  das 
dem  letztern  gegenüberliegende  Haus  dem  Bector  Reitz 
und  seiner  Schule  überwiesen,  1765  eine  neue  Org:el  von 
Teschemachor  in  Elberfeld  zu  850  Rthlr.  gekauft:  1767 
eine  neue  Galerie  in  der  Kirche  für  die  Mannspersonen 
erbaut,  1776  ein  Armenhaus  gekauft. 


134  Genchichte  der  ecungtiischen  Gemeinde  DiUseMot'fe, 

Nach  einer  im  Protokollbuch  von  1790  beflndlicheii 
Zusammenstellung  des  Vermögens  besass  die  Gemeinde 
damals  an  Kirchen -Kapitalien  62öO  Rthlr.,  an  Armen- 
Kapitalien  7200  Rthlr.,  4  Häuser,  welche  275  Rthlr.  Miethe 
abwarfen,  und  das  Armenhaus,  welches  20  Rthlr.  Miethe 
aufbrachte.  Das  sächsische  Subsidium  brachte  jährlich 
p.  p.  100  Rthlr.  ein.  Die  jährlichen  festen  Einkünfte  be- 
liefen sich  auf  62Ö  Rthlr.,  für  die  Armen  ausserdem  auf 
:n0  Rthlr.  Alles  Andere  musste  durch  CoUecten  auf- 
gebracht werden. 

Diese  Collecten  lieferten  immerhin  beträchtliche  Er- 
träge; der  Aelteste  Fahimer  konnte  z.  B.  von  seiner 
Collecte  in  Holland  800  und  Pastor  Stohlmann  ebendaher 
1528  Rthlr.  abliefern.  Auch  empfing  die  Gemeinde  manche 
bedeutendere  Vermächtnisse,  z.  B.  1742:  4500  Rthlr.  von 
einem  Kaufmann  Siegfried  Ackermann  in  Leipzig,  1781: 
500  Rthlr.  von  Commercienrath  Fahimer,  1784:  500  Rthlr. 
von  Georg  Hoffmann  für  die  Armen,  1785:  ein  Haus  von 
dem  Generalmajor  Frh.  von  Hammerstein  zum  Besten  der 
Armen  etc.  Auch  aus  den  Begräbnissen  in  der  Kirche 
und  der  Verwerthung  der  Kirchenstuhle  wurden  die  Mittel 
zum  Unterhalt  des  Gemeindewesens  genommen;  doch 
wurden  die  ersteren  zur  französischen  Zeit  untersagt  und 
bei  der  Restauration  der  Kirche  im  Jahre  1779  kamen 
auf  Beschluss  der  Gemeinde  auch  die  Bankberechtigungen 
In  Wegfall,  wodurch  freilich  jahrelange  und  gehässige 
Processe  mit  den  ehemaligen  EigenthOmern  herbeigeführt 
wurden. 

Vor  dem  Eindringen  des  Rationalismus  wurde  die 
lutherische  Gemeinde  (im  Gegensatze  zu  der  reformirten) 
dadurch  verschont,  dass,  wie  es  scheint,  sämmtliche 
Pastoren  treu  an  der  Kirchenlehre  festhielten.  Aber  mit 
dem  Eindringen  der  französischen  Aufklärung  und  der  fran* 
zösischen  Heere,  Sitten  und  Unsitten  schwanden  auch  in 
der  lutherischen  Gemeinde  die  alte  Gottesfurcht  und 
Kirchlichkeit,  Kirchenzucht  und  Sittenstrenge  mehr  und 
mehr  dahin,  wie  die  Predigten  des  letzten  lutherischen 
Pfarrers,  des  nachmaligen  Oberconsistorialraths  Dr.  th. 
Theodor  Hartmann,  es  oft  genug  beklagen.  Es  ijvar 
Zeit,  dass  die  grossen  politischen  Katastrophen  zu  Bnde 
des  vorigen  und  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  eintraten, 
damit  unter  dem  Zusammensturz  des  Alten  und  lieber- 
lebten  ein  Neues,  Besseres  sich  gestalte. 

Mit  der  Besitzergreifung  des  Bergischen  Landes  von 
Seiten  Preussens  (5.  April  1815)  begann  in  jeder  Beziehung* 
eine  neue  Zeit  auch  für  die  ehemalige  Hauptstadt  des 
bergischen  Landes.   Die  preussischen  Könige  Uessen  sich 


Geschichte  der  evangeUBchen  Gemehule  Düsseldorfs.  135 

die  Pflege  ihrer  neuerworbenen  Lande  in  den  folgenden 
Jahrzehnten  bestens  angelegen  sein.  Unter  ihrem  Scepter 
nahmen  Handel  mid  Industrie  am  Rheinstrom,  namentlich 
auch  im  Bergischen,  einen  ungeahnten  Aufschwung.  Die 
Bevölkerung  des  Rheinlandes  und  auch  unserer  Stadt 
war  in  stetem  mächtigem  Wachsthum  begriffen.  Das 
Grymnasium  unserer  vStadt,  das  eine  Musteranstalt  werden 
sollte  und  dazu  mit  reichen  Mitteln  ausgestattet  wurde, 
die  Königliche  Kunstakademie,  welche  gewissermassen 
einen  Ersatz  für  die  nicht  gewährte  Universität  bilden  sollte, 
und  manche  Königliche  Behörden,  welche  hier  ihren 
Sitz  erhielten,  verliehen  unserer  Stadt  eine  immer  grösser 
werdende  Bedeutung.  Auch  der  mehr  und  mehr  auf- 
blühende Transithandel,  die  niederrheinische  Dampfschiff- 
fahrts-Gesellschaft,  die  Eisenbahn,  w^ eiche  Düsseldorf  und 
Elberfeld  mit  einander  verband,  trugen  wesentlich  zur 
Hebung  der  Stadt  bei.  Fächerartig  breiteten  sich  ihre 
Strassen  nach  allen  Seiten  hin  aus,  und  im  Jahre  1880 
zählte  sie  etwa  eine  sechsmal  so  grosse  Bevölkerung 
wie  bei  der  preussischen  Besitzergreifung,  nämlich  95190 
i^eelen,  darunter  236:W  Evangelische,  70542  Katholiken, 
1008  Juden,  278  Dissidenten. 

Auch   die  kirchlichen  Verhältnisse  des  Rheinlandes 
erfuhren  durch  die  grossen  politischen  Umwälzungen  eine 
völlige  Umgestaltung.  Dieselben  wurden  zur  französischen 
Zeit   den  Präfecten  unterstellt,   und   selbst   der  wohl- 
gesinnte General  -  Gouverneur  Justus  Grüner  arbeitete 
auf  eine  organische  Verbindung  des  Kirchenwesens  mit 
dem  Gouvernement  hin,  zu  welchem  Ende  er  im  Jahre 
1814    ein   Oberconsistorium    zu   Düsseldorf   einsetzte. 
Aber  König  Friedrich   Wilhelm  IIL  war   nicht   geneigt, 
die  geschichtlich  gewordene   und  seit  Jahrhunderten   im 
Segen  bestehende  Presbyterial-  und  Synodal-Verfassung 
aufzuheben.     Jenes   Oberconsistorium    wurde    schon    im 
Jahre  1816  wieder  aufgehoben  und  nach  freilich  lang- 
jährigen Verhandlungen  zwischen  den  Synoden  und  den 
landesherrlichen  Kirchenbehörden   unterm  5.  März  1835 
die  Kirchenordnung  für  die  evangelischen  Gemeinden  der 
Provinz  Westfalen  und  der  Rheinprovinz  erlassen,  welche 
zwar   den  landesherrlichen  Behörden  die  Aufsicht  über 
das  Kirchenwesen  überweist,  zugleich  aber  auch  durch 
die  Anordnung  der  grösseren  Gemeinde  Repräsentationen, 
der  Provinzial-Synoden  u.  s.  w.  der  Kirche  ein  grösseres 
Mass  von  Selbständigkeit  verlieh  und  den  ersten  Schritt 
zur   Einheit  und  Selbständigkeit   der  gesammten  evan- 
gelischen Kirche  in  Preussen  bezeichnete.   Dazu  trat  das 
überaus  segensreiche  Werk  der  „Union^  der  lutherischen 


liUi  G^8chichte  der  erangeHaehen  Gemeinde  DiUsMarfß. 

und  reforuiirten  Kirche,  eine  Frucht  namentlich  deH 
::}(X)Jährigen  Reformations- Jubiläums  im  Jahre  1817  und 
zugleich  eigenstes  Werk  des  preussischen  Königs.  Ein 
frischer  Geisteshauch  durchwehte  die  evangelische  Kirche 
der  Westprovinzen  und  gab  sich  ebensosehr  durch  das 
Wiedererwachen  eines  tieferen  Glaubenslebens  als  durch 
GrQndung  zahlreichster  christlicher  Vereine  und  Stiftungen 
kund. 

Auch    die    beiden    Düsseldorfer    evangelischen    Ge- 
meinden haben  von  der  Schmach  und  Noth  des  ersten 
Jahrzehnts  dieses  Jahrhunderts  ihr  Theil  mitbekommen. 
Die  reformirte  Gemeinde  war  durch  die  Kdegsnoth  so 
sehr  in  Schulden  gerathen,  dass  sie  sich  genöthigt  sah, 
die  Kirchensitze  zu  vermiethen,  und  ihre  lateinische  Schule 
war  so  verfallen,  dass  fast  gar  keine  Schüler  mehr  die- 
selbe besuchten  und  der  Rector  Gadermann  1804  das 
Schul^immer    in   ein  Wohnzimmer  verwandeln    konnte. 
Auch  an  Seelenzahl  sah  sich  die  Gemeinde  im  Jahre  180(S 
auf  970  herabgesunken.    1805  wird  ihr  das  Beerdigen  in 
den  Kirchen  von  der  Regierung  verboten;  die  confessio- 
nellen    Kirchhöfe    werden  geschlossen ,    der  Communal- 
Kirchhof  an  der  Goltzheimer  Insel  eröflfbet  und  so  ver- 
theilt,  dass  den  Katholiken  8/4,   den  Protestanten  1/4  ^^^^ 
Grundfläche  überwiesen  wird.     Zufolge  Einführung  des 
Code  Napoleon  müssen  1808  die  Tauf-,  Copulations-  und 
Sterbe  -  Register  an  die  Mairie  abgeliefert  werden.    ,,Ge- 
horsam    ist    des    Bürgers    Pflicht^,    sagt   lakonisch    das 
betreffende   Consistorial  -  Protokoll.    An    ^ Diener  -  Steuer^ 
(Predigergehalts-Beiträgen)  gehen  nur  660  Rthlr.  ein.   Am 
Sonntag  den  4.  Juni  1809  muss  sogar  ein  Siegesfest  für 
die  Siege  Nappleon'Sy  welche  die  Einnahme  von  Wien  zur 
Folge  hatten/ gefeiert  werden.    1810  müssen  wegen  Ein- 
führung der  Civil-Ehe  Kirchenzuchts-Massregeln  gegen 
solche  Personen,   welche  sich  nicht  kirchlich  copullreii 
lassen,  beschlossen  werden.  Dem  Kaiser  Napoleon  mussten 
bei  seinem  Besuche  die  Prediger,  sowie  Aelteste  und  der 
Schulmeister  mit  den  Kindern  entgegengehen.    1811  wird 
die  Gemeinde  gezwungen,   ihre  Armen -Kapitalien    der 
Mairie  anzugeben,  imd  es  sollen  fortan  nicht  allein  die 
Zinsen  derselben,  sondern  auch  jährlich  ihr  auf  200  Rthlr. 
veranschlagtes,  in  den  Gottesdiensten  gesammeltes  Armen- 
geld  an  das  Central-Bureau  der  Armenverwaltung  abge- 
geben werden.   Letzteres  verweigert  jedoch  die  Gemeinde 
und  beschliesst  1812,  die  Klingelbeutel  Sammlungen  fOr 
ihre  Armen  fortzusetzen,  ausseiHlem  aber  Büchsen,  deren 
Ertrag  jenem  Bureau  behändigt  werden  soll,  an  den  Aus- 
gängen der  Kirche  aufzustellen.    Ihr  gesammtes  Kapital- 


-«Ki"E»»«^— 


OtsehkhU  der  evangtli$eken  Otmeindt  DUssMoffe,  137 

Vermögen  belauft  sich  in  diesem  Jahre  auf  18610  Thlr., 
and  sind  darum  fortwährende  ausserordentliche  Samm- 
lungen nöthigy  um  das  Deficit  der  Kirchenkasse  zu  decken. 
1813  geht  auch  die  Schule  und  das  Schulhaus  in  den 
Besitz  der  Commune  über,  und  die  Zinsen  der  Schul- 
Eapitalien  mOssen  an  dieselbe  bezahlt  werden.  Als  der 
Prediger  Joh.  Peter  Adolf  Schriever,  welcher  im  Jahre 
1802  zum  Nachfolger  des  ejneritirten  Pfarrers  Janssen 
berufen  war,  im  Jahre  1813  einem  Rufe  nach  Duisburg 
folgte  und  der  Emeritus  Janssen ,  beinahe  85  Jahre  alt^ 
starb  y  blieb  die  erledigte  Pfarrstelle  der  Noth  der  Zeit 
wegen  unbesetzt.  Der  im  Jahre  1792  erwählte  Prediger 
Pithan  muss  die  Gemeinde  zwei  Jahre  lang  allein  be- 
dienen, und  erst  im  Jahre  1815  wählt  die  Gemeinde  den 
Professor  am  hiesigen  Königl.  Gymnasium,  Heinrich 
Wilhelm  Budde,  zum  zweiten  Prediger. 

Die  lutherische  Gemeinde,  welche  am  Schlüsse  des 
18.  Jahrhunderts  nicht  ganz  1000  Seelen  zählte,  trat  mit 
ihrem  bewährten  Pastor  Hartmann  in  das  neue  Jahr- 
hundert ein.    Das  Rectorat  war  bereits  eingegangen,  doch 
unterrichtete  seit  1799  der  Hülfsprediger  Candidat  Danz- 
mann  einige  Kinder  der  Elementarschule  im  Lateinischen. 
Dieselben  obrigkeitlichen  Massregcln,  welche  die  refor- 
mirte  Ghsmeinde  so  schwer  getroffen  hatten,  musste  selbt- 
redend   auch   die   lutherische   über  sich  ergehen  lassen. 
Obwohl  letztere  im  Jahre  1807  an  den  König  von  Sachsen 
wegen   erlangter  Königswürde  in  dankbarer  Erinnerung 
an  das  so  lange  gewährte  sächsische  Subsidium  ein  Gratu- 
latiousschreiben  gesandt  hatte,  wurde  ihr  im  Jahre  1810 
die  Fortbewilligung  vom  sächsischen  Landtage  für  immer 
versagt.     Auch  auf  inner-kirchlichem  Gebiete  vollzogen 
sich    in  dieser  Zeit  mancherlei  Wandlungen.     Im  Jahre 
1808  wurden  die  bisher  an  katholischen  Wochen-Feier- 
tagen gehaltenen  Gottesdienste  abgeschafft,  1806  die  Grab- 
reden, 1808  das  unter  Hartmanns  mQhe voller  Mitwirkung 
entstandene  „Verbesserte  Bergische  Gesangbuch^  einge- 
tObrt;  1816  dem  Prediger  Hartmann  verstattet,  alle  vier- 
zehn Tage  Sonntag-Nachmittags  den  Gottesdienst  m  der 
Garnisonkirche  zu  leiten. 

Wenn  die  beiden  Gemeinden  zur  Zeit  der  Fremd- 
herrschaft und  in  Folge  der  grossen  Veränderungen,  welche 
dieselbe  mit  sich  brachte,  sich  einander  wesentlich  ge- 
nähert hatten,  so  dass  z.  B.  die  lutherische  der  refor- 
mirten  wegen  Umbaues  der  Kirche  der  letzteren  wieder- 
holt gestattet  hatte,  ihre  Gottesdienste  in  der  lutherischen 
Kirche  abzuhalten,  so  gewann  diese -Annäherung  noch 
festeren  Bestand   durch   das  Bestreben  der  Preussischen 


138  Gespickte  der  evangelischett  Gemeinde  Düeeeidorfe. 

Regierung y    eine  neue,    für   beide    Confessionen   gültige 
Kirchenverfassung  einzuführen.  Schon  am  10.  und  11.  Sep- 
tember  1817  wurde  in  der  lutherischen  Kirche  nach  König- 
licher Verordnung  die  erste  vereinigte  Kreissynode  ab- 
gehalten  und  beschloss  dieselbe  die  Wahl  eines  gemein- 
schaftlichen Superintendenten  derselben.    Am  31.  October 
und   1.  November   dieses  Jahres  fand  eine  gemeinsame 
Feier  des  Reformations-Jubelfestes  statt     An  den  Nach- 
mittagen predigte  Budde  in  der  lutherischen  und  Hart- 
mann in   der   reformirten  Kirche,   und  namentlich  die 
Hartmann'sche  Festpredigt  ergriff  die  vereinten  Gemeinden 
so  tief)  dass  es  in  dem  Festberichtc  heisst :  „man  vernahm, 
dass  dem  würdigen  Redner  von  oben  gegeben  sei,  was 
er  in  so  viel  Glauben  und  Liebe  gesprochen,  und  schied 
wohl  Keiner  aus  der  Kirche,  der  nicht  geftlhlt  hatte,  wie 
wohl  es  thuc;  in  heiligen  Dingen  Ein  Herz  und  Eine  Seele 
zu  sein.^  Schon  im  November  dieses  Jahres  beriethen  die 
beiderseitigen  Consistorien  über  die  Vereinigung  der  Ge- 
meinden.   Es  gingen  jedoch  wegen  allerlei  äusserer  und 
innerer  Schwierigkeiten  noch  mehrere  Jahre  mit  den  Ver- 
handlungen  hin  und   erst  am  8.  December  1824  wurde 
die  y,Unions- Urkunde^  vollzogen,  um  mit  dem  1.  Januar 
1625  in  Kraft  zu  treten.   Die  Gemeinde  nannte  sich  fortan 
„vereinigte  evangelische  Gemeinde^,  Härtmann  und 
Budde  waren  ihre  Pfarrer.     (Der  inzwischen  zum  Con- 
sistorialrath  ernannte  Pastor  Hartmann  hatte  bereits  am 
17.  October  18:^3  sein  nOjähriges  Dienstjubiläum  überaus 
festlich  begangen,  Consistorialrath  Pithan  im  Jahre  1824 
sein  Amt  niedergelegt,  um   sich  ganz  seinem  Amte  als 
Regierungsrath  zu  widmen.) 

Von    den    mancherlei  Veränderungen,   welche    die 
Union  mit  sich  brachte,  sei  hier  nur  erwähnt,  dass    die 
Hauptgottesdienste   gleichzeitig   in    beiden   Kirchen,    die 
Wochen  und  Nachmittags  •  Gottesdienste  jedoch  abwech- 
selnd in  denselben  stattfanden.    1829  wurde  das  Natorp- 
Rinck'sche  Choralbuch,  1835  die  neue  Agende  eingeführt; 
1836  den  hiesigen  beiden  Militair^Geistlichen  gestattet,  in 
der  vormals  reformirten,  jetzt  „die  grössere*^  genannten 
Kirche  Sonntag-Nachmittags  einen  Gottesdienst  abzuhalten ; 
1841  den  Engländern  erlaubt,  ihre  Gottesdienste  Sonntage 
Morgens  in  der  „kleineren  Kirche^  zu  halten.    1849  wurde 
die  grössere  Kirche  wegen  der  stets  wachsenden  Zahl 
der  Kirchenbesucher   einem  umfassenden  Umbau  unter* 
werfen;  die  Gemeinde  zählte  damals  bereits  5600  Seelen. 
1853  wurde  das  ^^Evangelische  Gesangbuch^  eingeführt. 
Da  Consistorialrath  Dr.  th.  Hartmann,  der  im  Jahre  1658 
das  60jährige  Amtsjubiläum  feierte,  manche  Amtshand- 


Geschickte  der  evangelieehen  Gemeinde  Düesetdorfs,  139 

luDgen  nicht  mehr  wahrnehmen  konnte,  so  wurde  im  Jahre 
1840  Eberhard  Rudolf  Spiess.  bisher  Pfarrer  zu  Langen- 
berg,  als  dritter  Prediger  angestellt.  Im  Jahre  1843 
feierte  dann  Oberconsistorialrath  Dr.  th.  Hartmann  sein 
lOjähriges  Amtsjubiläum.  Das  seltene  Fest  wurde  in 
glänzendster  Weise  begangen  un4  zum  Andenken  an 
dasselbe  das  Waisenhaus  der  Gemeinde  gegründet.  Im 
Jahre  1844  am  2.  Juni  ging  der  Gefeierte,  93  Jahre  alt, 
heim.  Das  von  der  Gemeinde  auf  dem  städtischen  Fried- 
hofe ihm  errichtete  Denkmal  rühmt  mit  Recht  seine  treue, 
mehr  als  70jährige  Amtsführung,  da  er  stets  durch  lautere 
Verkündigung  des  Evangelii  und  würdigen  Wandel  sich 
ausgezeichnet  hatte. 

Bald   nach  Hartmann's  Tode  wurde  Pastor  Spiess^ 
der  mit  grossem  Eifer  und  Segen   in  der  Gemeinde  ge- 
wirkt hatte,  als  Pfarrer,  Consistorial-  und  Schulrath  nach 
Trier  abberufen,   wo   er  im  Jahre  1880  sein  50jähriges 
Amtsjubiläum  feierte  und   als  Oberconsistorialrath   bald 
hernach  starb.   Zu  seinem  Nachfolger  wurde  Karl  Krafft^ 
bisher  Pfarrer   zu   Flamersheim   und   zu  Hückeswagen, 
berufen.     Die    hervorragende    Begabung    desselben    als 
Predigei-,  sein  lebendiger  Eifer  um  das  christliche  Leben 
der   Gemeinde,    seine   besonderen  Verdienste    auch    um 
die  Erforschung  der  Geschichte  derselben  sind  noch  zu 
lebendig  in  der  Erinnerung,  als  dass  wir  sie  zu  schildern 
brauchten.   Es  sei  hier  nur  erwähnt,  dass  die  Einführung 
der  wöchentlichen  Bibelstunden  in  der  Kirche  und  in  den 
Schulen,   der  monatlichen   öffentlichen  Missionsstimden, 
der  öffentlichen  Sonntags-Katechisationen,  die  rasche  Ent- 
wicklung des  Waisenhauses,  die  Gründung  des  Kranken- 
hauses, des  Jünglings-  und  Männervereins,  des  weiblichen 
Missionsvereins,  der  Umbau  der  grösseren  Kirche,  welcher 
4100  Thlr.   erforderte  u.  a.   wesentlich  seinem  Eifer  zu 
verdanken  sind.    Auch  wirkte  er  jahrelang  als  Religions- 
lehrer  an  der  städtischen  Realschule,   als  Präsident  der 
rheinisch-westfälischen  Gefängniss-Gesellschaft,  als  Präses 
des  protestantischen  Bundes  etc.  Im  Jahre  1856  folgte  der- 
selbe einem  Rufe  als  Pfarrer  an  die  reformirte  Gemeinde 
zu   Elberfeld,  legte  vor  einigen  Jahren  sein  Amt  nieder^ 
ist  aber  —  wegen   seiner  schriftstellerischen  Verdienste 
inzwischen  mit  der  Würde  eines  Doctors  der  Theologie 
und     der    Philosophie    geschmückt  —   noch   unablässig, 
namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Kirchengeschichte  Rhein- 
lands, thätig.    Da  die  hiesige  Gemeinde   inzwischen  bis 
auf  die  Seelenzahl  .5600  angewachsen   war,   wurde   eine 
dritte  Pfarrstelle  gegründet  und  im  Jahre  1851  an  dieselbe 
G.  B-  Adelbert  Natorp  (seit  1849  Hülfspfarrer  der  refor- 


140  GMchiehit  der  ttangdieehtn  Gemtiwie  M$$MqrfM. 

mirten  Gemeinde  zu  Cronenberg,  seit  1850  Pfarrer  zu 
Holpe)  berufen,  während  nach  Eraift's  Abberufung  im 
Jahre  1857  Karl  Julius  Roffhack  fseit  1837  Pastor  in 
Kaldenkirchen-Biachty  seit  1845  in  Mors)  und  nach  dem 
Tode  des  Consistorialraths  Pf  airers  Dr.  th.  Budde,  der 
am  4.  Februar  1860  sein  50jähriges  Amtsjubiläum  feierte 
und  bald  darauf ,  am  1.  März  desselben  Jahres  starb, 
Pfarrer  Karl  Blech  (seit  1854  Pfarrer  in  St.  Goar,  seit 
1857  Pfarrer  in  Trier)  berufen  wurden.  Im  Jahre  1868 
wurde  Pfarrer  Natorp  zum  Königlichen  Consistorial-, 
Regierungs-  und  geistlichen  Bathe  bei  der  hiesigen  Königl. 
Regierung  ernannt,  welches  Amt  er  bis  zur  Aufhebung 
der  geistlichen  Rathsstellen  bei  den  Regierungen  im  Jahre 
1878  im  Nebenamt  bekleidete;  im  Jahre  1870  wurden 
Pfarrer  Roffhack,  im  Jahre  1881  Pfarrer  Blech  zu 
Superintendenten  der  Kreissynode  Düsseldorf  erwählt. 
Als  dann  Pfarrer  Roffhack  im  Jahre  1877  starb ,  wurde 
im  Jahre  1878  Pfarrer  Hermann  Petersen  (seit  1870 
Pfarrvikar  zu  Kalk,  seit  1873  Pastor  in  Mettmann)  be- 
rufen. Da  aber  die  Gemeinde  schon  damals  bis  zu 
19000  Seelen  angewachsen  war,  wurde  noch  in  dem- 
selben Jahre  die  Orttndung  einer  vierten  Pfarrstelle 
beschlossen  und  für  dieselbe  Pastor  Frey  aus  Langen- 
dreer  berufen ;  desgleichen  im  Jahre  1886|  wo  die  Seelen- 
zahl ca.  26000  betrug,  eine  fünfte  Pfarrstelle  gegrOndet, 
fOr  welche  Pastor  Duesberg  berufen  wurde. 

Es  würde  zu  weit  führen  und  dem  Zwecke  dieser 
Denkschrift  nicht  entsprechen,  wenn  wie  die  innere  und 
äussere  Entwicklung  der  Gemeinde  in  den  letzten  dreissig 
Jahren  im  Einzelnen  emgehender  schildern  wollten.  Ein 
kurzer  Ueberblick  über  die  wichtigeren  Angelegenheiten 
derselben  dürfte  genügen. 

Unter  Anderem  verdient  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  behufs  Ertheilung  des  evangelischen  Religionsunter- 
richts an  den  hiesigen  höheren  Schulen,  dem  K6nigl. 
Gymnasium  und  der  städtischen  Realschule,  welchen  bis- 
her zwei  Pfarrer  der  Gtemeinde  wahrgenommmen  hatten, 
seit  dem  Jahre  1856  unter  Mitwirkung  des  Presbyteriums 
besondere  Religionslehrer  angestellt  wurden:  Im  Jiüire 
1856  Pastor  Droste  ausDülken,  1859  Dr. Herbst,  1862 
Pastor  Axenfeld,  1864  Oandidat  Deussen,  nach 
dessen  Abgang  im  Jahre  1871  Jedoch  die  Mitwirkung  der 
Gemeinde  aufhörte  und  für  jede  Schule  die  Relig^ons* 
lehrer  von  den  betreffenden  Behörden  allein  berufen 
wurden. 

Am  4.  Februar  1860  wurde  das  50jAhrlge  Amtsjubi- 
Iftum  des  Konsistorialraths,  Pfarrers,  Prof.  Dr.  H.  Budde, 


OuekithU  der  ßpangeHtehen  GemeimU  DÜBseldofft.  14t 

am  14.  Juni  1874  das  2öjahrige  des  Eonsistorialraths  Pfr. 
A.  Natorp  und  am  29.  Juni  1879  das  2öjfthrige  des 
Pfarrers  Blech  festlich  begangen. 

Mit  der  Gründung  der  4.  Pfarrstelle  im  Jahre  1878 
wurde  die  Eintheilung  der  Gemeinde  in  vier,  und  bei  der 
Gründung  der  ö.  Pfarrstelle  im  Jahre  1887  in  fOnf  Pfarr^ 
bezirke  verbunden,  wodurch  die  seelsorgerische  Thfttig- 
keit  der  Pastoren  wesentlich  befördert  wurde. 

Am  11.  August  183Ö  war  die  erste  Repräsentation 
der  Gemeinde,  aus  40  Mitgliedern  bestehend,  gewählt 
worden;  im  Jahre  1839  wurde  die  Zahl  der  Mitglieder 
auf  60  erhöht  Diese  Körperschaft  wählte  fortan  die  16, 
jetzt  18  Mitglieder  des  Presbyteriums,  so  dass  dasselbe^ 
die  Pfarrer  einbegriffen,  aus  23  Mitgliedern  besteht,  näm- 
lich aus  5  Pfarrern,  unter  welchen  d%r  Vorsitz  jährlich 
wechselt,  4  Aeltesten,  4  Kirchmeistern  und  10  Diakonen. 

Für  die  Armenpflege  wurde  im  Jahre  1847  ein  Hülfs- 
diakon  und  1858  eine  Kaisers werther  Diakonissin  auge- 
stellt. Gegenwärtig  sind  jedoch  fünf  Diakonissen,  je  eine 
für  jeden  Pfarrbezirk,  thätig,  und  steht  denselben  seit 
1881  ein  Frauen-Armen-Verein  zur  Seite. 

Das  im  Jahre  1843  aus  Anlass  des  70jährigen  Amts- 
jubiläums des  Konsistorialraths  Dr.  Th.  Hartmann  ge- 
gründete Waisenhaus  hat  sich  inzwischen  zu  einer  der 
gesegnetsten  Anstalten  der  Gemeinde  entwickelt.  Auf 
dem  an  der  Pempelforterstrasse  gelegenen,  7  Morgen 
grossen  Grundstück  y^zur  Löwenburg^  wurde  im  Jahre 
1865  ein  grosses  Gebäude  mit  einem  Kostenaufwand  von 
19585  Thlm.  erbaut,  in  welchem  gegenwärtig  unter 
Leitung  des  Hausvaters  Fischer  etwa  40  Kinder  ver- 
pflegt  werden.  Zahlreiche  Stiftungen  setzen  die  Anstalt 
in  den  Stand,  ihre  Ausgaben  abgesehen  von  den  Pflege- 
geldem,  welche  für  die  Zöglinge  gezahlt  werden,  selbst- 
ständig zu  bestreiten. 

Im  Jahre  1849  wurde  von  einem  Freundeskreise  ein 
^^Evangelisches  Krankenhaus^  gegründet.  Als 
solches  diente  zunächst  das  vormalige  Pfarrhaus  an  der 
kleinem  Kirche  an  der  Bergerstrasse.  Da  dies  aber 
schon  bald  nicht  mehr  genügte,  wurde  im  Jahre  1862 
von  der  Gemeinde,  welche  inzwischen  die  Oberleitung 
des  Krankenhauses  übernommen  hatte,  ein  Bauplatz  am 
Fürstenwall  erworben  und  am  15.  Juli  1864  der  Grund- 
stein zu  dem  grossen,  prächtigen  Gebäude  gelegt,  dessen 
Baukosten  sich  auf  88515  Thlr.  beUefen.  Eine  öffent- 
liehe  Einweihung  konnte  wegen  der  kriegerischen  Ereig- 
nisse des  Jahres  1866  nicht  stattfinden,  doch  wurde  die 
Anstalt  bei  der  Aufnahme  der  ersten  verwundeten  und 


142  Oeschfchtg  der  tvangdiachen  Gemeinde  Dileeeidorfe. 

kranken  Krieger  in  ernster  Andachtsstunde  dem  Schutz 
des  Herrn  befohlen ;  die  Verpflegung  der  grossen  Scbaaren 
von  Kriegern  kam  dem  Hause  wesentlich  zu  gute^  indem 
von  nah  und  fern  die  Liebesgaben  zur  innern  Einrichtung 
des  Hauses  und  zur  Bestreitung  der  Pflegekosten  gesandt 
wurden.  1877  erwarb  die  Anstalt  Corporationsrechte 
und  trat  somit  aus  dem  unmittelbaren  Verbände  mit  der 
Gemeinde  heraus.  Am  31.  October  1876  wurde  die  in 
der  Anstalt  befindliche  Kirche,  welche  während  der 
Kriegszeit  als  Krankensaal  benutzt  war,  zum  öffentlichen 
gottesdienstlichen  Gebrauche  eingeweiht,  und  finden  seit* 
dem  regelmässige  Sonntags  -  Gottesdienste  in  derselben 
statt.  Das  Krankenhaus  ist  eine  Zierde  der  Stadt  und 
ein  Segen  für  die  Gemeinde. 

Aus  der  Entwicklung  des  Schullebens  dürfte  hervor- 
zuheben  sein,   dass   die   Gemeinde  im  Jahre  1835   eine 
Frei  schule  für   die  Kinder   der   untersten  Klasse  in*s 
Leben  rief,  (Hauptlehrer:  Jul.  Braselmann),  welche  jedoch 
später    bei    der    Vereinigung    dieser    Schulen    mit    den 
städtischen  Schulen  wieder  einging.    Im  Jahre   1837  be- 
gründete ein  provisorisches  Curatorium  (Regierungsrath 
Alt  gelt  etc.)  die  Luisenschule  für  die  Töchter   der 
höhern  Stände,  so,  genannt  nach  Ihrer  Königl.  Hoheit  der 
Frau  Prinzessin  Friedrich  von  Preussen,  Luise,  welche 
das  Protektorat  der  Schule  huldvollst  übernahm  und  bis 
an  ihren  Heimgang  bekleidete.    Im  Jahre  1854  ging  diese 
Schule  in  den  Besitz  der  Gemeinde  über  und  wurde  von 
einem  Scholarchat,  welches  dieselbe  wählte,  geleitet;  1861 
wurde  das  Schulgebäude  in  der  Steinstrasse  erbaut;  18()3 
an  Stelle  der  bisherigen  Vorsteherin  Frl.  Julie  Quincke 
der  bisherige  Lehrer  an  der  städtischen  Realschule,  Herr 
Dr.  ü  e  1 1  n  e  r  zum  Director  der  Schule  berufen ;  im  Jahre 
1864  eine  Selekta  zur  Ausbildung  der  Zöglinge  für  das 
höhere  Schulfach   mit   der  Schule  verbunden;   im  Jahre 
1875  wurde  die  Anstalt  zum  Preise  von  100,000  Hark  au 
die  Stadt  Düsseldorf  verkauft,  unter  deren  Leitung  die- 
selbe sich   noch   heute   befindet  und  einen  confessionell- 
paritätischen  Charakter  bekommen  hat. 

Jahrzehnte  hindurch  rang  die  Gemeinde  darnach, 
auch  für  die  männliche  Jugend  der  höheren  Stände  eine 
entsprechende  evangelische  Bildungsanstalt  in's  Leben 
zu  rufen,  womöglich  ein  evangelisches  Gymnasium,  fand 
aber  hierzu  nicht  die  vielfach  nachgesuchte  Genehmigung^ 
und  Beihülfe  der  Behörden  und  konnte  auch  das  nicht 
erreichen,  dass  an  dem  hiesigen  königl.  Oynmasium  die 
Zahl  der  evangelischen  Lehrer  dem  Bedürfniss  und  der 
Zahl    der    evangelischen   Schüler  desselben  entspräche. 


ti'S«« 


Oesehiehte  der  effangelischen  Gemeinde  Dilseeidorfa,  143 

wiewohl  dies  durch  VerfQgung  des  Herrn  Ministers  vom 
Jahre  1873  als  nothwendig  anerkannt  war.  Inzwischen 
ist  jedoch  mit  der  städtischen  Realschule  ein  paritätisches 
Gymnasium  verbunden,  an  welchem  eine  grössere  Zahl 
evangelischer  Lehrer  angestellt  wurde.  ^) 

Die  drei  an  Schüler-  und  Classenzahl  stets  wachsenden 
Elementarschulen,  bis  dahin  Eigenthum  der  Qemeinde 
und  von  ihren  Schulvorständen  geleitet,  gingen  im  Jahre 
1858  in  den  Besitz  der  Stadt  aber;  im  Jahre  1877  wurden 
die  Pfarrer  auch  von  der  Schulaufsicht  entbunden.  Qegen- 
wärtig  bestehen  fünf  evangelische  Volksschulen  in  der 
Stadt,  während  für  die  evangelischen  Kinder  der  ent- 
fernteren Aussenbezirke  in  den  betreffenden  katholischen 
Schulen  evangelischer  Religions-Unterricht  ertheilt  wird. 

Neben  den  öffentlichen  Schulen  bestanden  seit  den 
vierziger  Jahren  mehrere  Privat  schulen  mit  vor- 
wiegend evangelischem  Charakter  und  Lehrpersonal :  die 
Knabenschulen  des  Herrn  Friedrich  und  des  Herrn 
Köster;  die  höhern  Töchterschulen  der  Frl.  v.  Erkellentz 
und  der  Frau  Maler  Schuback  (welche  letztere  Schule 
noch  besteht.  —  Zu  der  ebenfalls  in  den  vierziger  Jahren 
gegründeten  Kleinkinderschule  an  der  Kurzestrasse 
sind  im  Laufe  der  Zeit  fflnf  neue  (in  der  Bilkerstrasse, 
in  Derendorf,  Oberbilk,  am  Fttrstenwall  und  in  der  Kur- 
fürstenstrasse)  und  mehrere  Kindergärten  nach  dem 
FröbeFschen  Systeme  hinzugetreten.  Auch  die  im  Jahre 
1841  gegründete  Nähschule  für  arme  Kinder  besteht 
noch  heute  zu  grossem  Segen  fort,  und  in  Derendorf  hat 
die  Kaisers werther  Diakonissen  -  Anstalt  eine  Mägde- 
bildungs-Anstalt  gegründet. 

In  der  Gemeinde  selbst  und  zum  Theil  weit  über  die 
Grenzen  desselben  hinaus  wirkt  ein  ganzer  Kranz  von 
christlichen  Vereinen.  Es  seien  hier  u.  A.  nur  erwähnt : 
1)  die  im  Jahre  1826  gegründete  rheinisch-westfälische 
Gefängnissgesellschaft,  welche  von  vornherein  Düssel- 
dorf zu  ihrem  Vorort  erwählte  und  deren  Präsidenten 
(Graf  Spee,  Landgerichts  -  Präsident  Hoffinann,  Pastor 
KrafTt  und  seit  1856  Consistorialrath  Natorp)  sowie  Haupt- 
Agenten  (Pastor  Bigehold,   Schnitze,  Scheffer,  Stursberg, 

Gräber)  ebenfalls  hier  wohnen 2)  Der  rheinische 

Hauptverein  der  Gustav-Adolf-Stiftung  1844 

1)  Wie  bedeutend  die  Zahl  der  evaDj^elischen  Schüler  inzwischen 
angewachsen  ist,  geht  aus  der  letzten  Zählung  vom  1.  Februar  188H 
hervor,  nach  welcher  das  Kgl.  Gymnasium  359  kath^  229  evang., 
15  Israel.  Schüler,  das  Realgymnasium  173  kath.,  392  evang.,  24  Israel. 
Schüler,  die  Bürgerschule  2H1  kath.,  19G  evang.,  24  israel.  Schüler, 
diese  Anstalten  zusammen  aber  793  knth.,  817  evang.,  60  israel. 
Schüler  zählten. 


144  OuckkhU  der  9vangHi9eh€n  0$m§ind€  Dü99Moff$. 

ZU  Elberfeld  gegrttndet,  seit  1847  in  Düsseldorf  domicUiFt, 
32  Zweig-,   26  Frauen-  und   einen  studentischen  Verein 
umfassend.  —  3)  Die  niederrheinische  Prediger- 
Conferenz,  gegründet  1857.  —  4)  Der  Zweigverein 
des   evangelischen  Bundes,    gegründet   1887.  —  5)  Der 
Idission-  und  Bibelhülfsverein  seit  1816.  —  6)  Der  Gostav- 
Adolf-Zweigverein.  —  7)  Der  Gustav-Adolf-Frauenverein. 
8)   Der  Gef&ngniss  -  Hülfsverein.  —  9)  Der  GeAngniss- 
Frauenverein.  —  10)  Der  Jünglings-  und  Mftnnervereiu 
seit  1845.  —  11)  Das   Curatorium  des   „Gästhauses  zur 
Heimath^  in  der  Oststrasse,  seit  1852;  mit  Gorporations- 
Rechten  ausgestattet  1872.  —  12)  Christlicher  Volksverein, 
seit  1873,  unter  wechselnden  Bezeichnungen.  —  13)  Die 
Kranken-  und  Sterbelade   „evangelische  Einigkeit^   seit 
1854.  _  14)  Die  Königin  -  Luise  •  Stiftung  seit   1876   für 
Unterstützung  der  Ausbildung  evangelischer  Volksschul- 
lehrer. —  15)  Der  Verein  für  Stadtmission  seit  1878,  für 
Anstellung    von    Stadtmissionaren.   —    16)   Verein    der 
Sonntagsschulen  (seit  1876),  welche  in  fast  allen  Stad^ 
gebieten  vertreten  sind.  —  17)  Der  Frauen-Armen- Verein 
seit  1881,  zur  Leitung  und  Unterstützung  der  Thätigkeit 
der  Gemeinde  -  Diakonissen.  —  18)  Der  weibliche  Httlfs- 
verein  für  das  evang.  Krankenhaus.  —  19)  Desgleichen 
für   das   evang.   Waisenhaus.  —  20)   Verein   für  Pflege 
armer  Wöchnerinnen.  —  21)  Der  kirchliche  Gesangverein 
seit   1851.  —  22)  Der  Dienstmädchen-   und  Jungfrauen- 
Verein. 

Bis  zum  Jahre  1859  bildete  auch  die  im  Jahre  1822 
durch  den  Grafen  Adelbert  von  der  Recke  -  Volmerstein 
gegründete  Rettungsanstalt  Düsselthal,  die  erste 
deutsche  Anstalt  dieser  Art,  einen  Bestandtheil  der  hiesi^n 
evang.  Gemeinde.  Die  „Gesellschaft  der  Menschenfreunde^ 
und   ein   „Jungfrauen- Verein^   unterstützten   die  Anstalt 
mit  ihrer  Thätigkeit.    Mit  44  Kindern   wurde  dieselbe 
eröffhet,   im  Jahre  1854  betrug  die  Zahl  der  Pfleglinge 
bereits  2ö4,  so  dass  in  Zoppenbrück  eine  Neben -Anstalt 
gegründet  werden  musste.    Im  Jahre  1847  übernahm  ein 
Curatorium  die  Oberleitung  der  Anstalt  und   berief  den 
Inspektor  Friedr.  Georgi,  im  Jahre  1863  den  Pfr.  Wilh. 
Imhäusser  zum  Director.   Am  17.  Juni  1859  wurden  der 
Anstalt  die  Rechte  einer  selbstAndigen  Pfarrei  verliehen, 
nachdem   die  Anstaltskirche  bereits   am  3.  August  1854 
eingeweiht  und  in  öffentlichem  Gebrauch  war. 

An  der  hiesigen  ev.  Gef&ngniss-Gemeinde,  welche 
noch  heute  keine  Parochie  für  sich,  sondern  einen 
integrirenden  Bestandtheil  der  evangelischen  Gemeinde 
bildet,  wurden  seit  dem  Jahre  1828,   zunächst  durch  die 


rt*s«T 


0€9chichie  der  wangdUchen  Oemeiude  Dflsseldoffs.  14^ 

rheinisch  -  westfälische    Gefängniss  -  Oesellschaft^    später 
durch  die  Staatsbehörde  evangelische  Geistliche  angestellt. 
Als  solche  wirkten  W.  Schmidt  aus  Lobeda  1828/29  und 
in  rascher  Folge :  H.  G.  Müller^  später  Pfr.  und  Sup.  in 
Monzingen ;  Karl  Küpper  (später  Pfarrer  in  Köln),  Wilms, 
Johannes  Ball  f   1843,    Ktthler  t  1^49,    Bögehold 
1849—57,  Rudolf  Schultze  1857--62,  R.W.  Scheffer 
1862— 73,  H.Stursberg  1873—87  und  Gräber  seit  1887. 
Seit   der  Besitzergreifung    des    Bergischen    Landes 
durch  die  Krone  Preussen  besteht  hierselbst  auch  eine 
evangelische  Garnisongemeinde.    Bisher  hatten  nui* 
die    katholischen    Militärs    die    zur    Caseme    gehörige 
^St.  AnnarKir^e^  in  Gebrauch  und  ihren  eigenen  Seel- 
sorger >  während  die  evangelischen  Mannschaften  in  die 
beiden  evangelischen  Gemeinden  eingepfarrt  waren.    Ein 
evangelischer  Feldprediger  begleitete  schon  das  preussische 
bergische  Corps  auf  seinem  Zuge  nach  Nassau  und  Frank- 
fürt   1815  wurde  dann  die  evangelische  Seelsorge  dem 
Pastor  Hartmann  an    der   lutherischen  Gemeinde  über- 
tragen,  1820  Joh.  Hermann  Altgelt  als  erster  Militär- 
prediger der  14.  Divisen  angestellt,  am  30.  Septbr.  1824 
die  St.  Anna -Kirche  mittelst  Cabinets  -  Ordre  für  eine 
evangelische  Gamisonkirche   erklärt,   jedoch  unter  Mit- 
gebrauch für   die  .  katholische   Gamisongemeinde,    1827 
Prediger  Dr.  Ninnich   zum  2.  Militärprediger  ernannt; 
183^  Ganusonprediger  Thielen  aus  Wesel  zu  Altgelts 
Nachfolger,  (welcher  Letztere  als  Schulrath  bei  der  hiesigen 
Regfierung  eintrat)    1836  H.  G.  Monj  6  zu  Ninnich's  Nach- 
folg^er,  1846  Dr.  Kottmeier  zum  Nachfolger  von  Thielen, 
der  zum  Militär  -  Oberprediger  in  Coblenz   ernannt  war. 
Monjö  starb  1849,  und  wurde  seine  Stelle  nicht  wieder 
besetzt.    Als  Dr.  Kottmeier  1867  als  Pfarrer  nach  Eis- 
leben  berufen  wurde,  folgte  ihm  Wilhelm  Meyer  aus 
MOuster  i.  W.,  welcher  im  Jahre  1870  mit  der  14.  Division 
n Ach  Frankreich  ausrückte,  auf  dem  Feldzuge  am  Gallen- 
fieber  schwer  erkrankte   und  bald  darauf   in   Münster 
starb.    Sein  Nachfolger  wurde  im  Jahre  1871  der  noch 
jet2rt    fungirende  Divisionspfarrer  Herr  Ferd.  Becker, 
seit  1878  Feld-Divisionspfarrer  der  5.  Division. 

Die  anglikanische  Gemiefaide,  welche  mit  mehreren 
Unterbrechungen  schon  seit  vielen  Jahrzehnten  hierselbst 
besteht,  benutzt  die  kleinere  Kirche  auf  der  Bergerstrasse 
zu  iliren  Gk>tte8diensten ,  wofür  sie  sich  verpflichtet  hat, 
die  in  denselben  gesammelten  Gaben  für  die  Armen  der 
Dialconie  unserer  Gemeinde  zu  übergeben.  Als  Geistliche 
ffjngJTtien  an  derselben  seit  den  fünfziger  Jahren  Rev. 
Samuel  Tucker,  Leader-Cowper,  Broadt,  Godfrey 

10 


14(J  Geachichte  der  evuntjeU sehen  Gemeinde  Dfls9eMot*fs. 

und  der  jetzige  Geistliche  Rev.  Drought.  Die  Zahl  der 
Gemeindeglieder  ist  eine  verhalt nissniässig  geringe  und 
wechselnde. 

Nach  der  im  Jahre  1880  gehaltenen  Volkszählung 
befanden  sich  unter  den  95 190.  hierselbst  ortsangehörigen 
Personen  auch  278  Dissidenten  (gegen  291  im  Jahre  1870). 
Dieselben  gehörten  grösstentheUs  der  Gemeinde  der  von 
der  Landeskirche  sich  getrennt  haltenden  Lutheraner  an. 
welche  seit  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts  hierselbst  be- 
steht, anfangs  von  auswärtigen  Pastoren  bedient  wurde, 
jetzt  aber  ihren  eignen  Geistlichen   und  in  der  Kreuz- 
strasse  ein   Kircheuhaus    erbaut   hat.     Die    Irvingianer 
(„apostolische  Gemeinde*^)  besitzen  ebenfalls,  seitdem  der 
bekannte  Agitator  derselben,  Herr  von  Pochhammer,  hier- 
selbst seine  Vorträge  hielt,  ein  Versammlungslokal  in  der 
Klosterstrasse  und  unterhalten  einen  Prediger.    Seit  dem 
Jahre   1880  hat  sich  ferner  eine  sogenannte  „freie  Ge- 
meinde"   nach   dem    Vorbilde   ähnlicher   Gemeinden    im 
Wupperthale  hierselbst   gebildet.     Nachdem   der   Leiter 
derselben  schon  jahrelang  in  seinem  Hause  Versamm- 
lungen gehalten  hatte,  in  welchen  auch  das  heil.  Abend- 
mahl von  ihm  verwaltet  wurde,  erfolgte  im  Jahre  188<) 
der  Austritt  mehrerer  Familien   aus   der  Landeskirche. 
Die  hierselbst  wohnenden  Darbisten,  Baptisten,   Menno- 
niten   etc.    sind    zu   wenig   zahlreich,    um    selbständige 
Gemeinden  bilden  zu  können.   Den  Altkatholiken,  welche 
seit  dem  vatikanischen  Concile  hierselbst  eine  Gemeinde 
begründeten  und  deren  Pfarrer  durch  kirchengeschicht- 
liche und  allgemein- wissenschaftliche  Vorträge  in  weiteren 
Kreisen  eine  anregende  Wirksamkeit  ausüben,   räumte 
unsere  Gemeinde  die  beiden  älteren  Kirchen  zur  unent- 
geltlichen Benutzung  für  ihre  Gottesdienste  ein. 

Der  Rückblick  auf  ihre  Geschichte  kann  die  evan- 
gelische Gemeinde  nur  mit  lebhaftestem  Danke  gegen  den 
Herrn  der  Kirche  erfüllen.     Das  einst  in  sturmbewegtev 
Zeit  gepfianzte  Senfkorn  evangelischen  Glaubens  ist   im 
Laufe  der  Jahrhunderte  zu  einem  kräftigen  Baume   mit 
weithinschattonden  Zweigen  geworden.    Die  beiden    Oe- 
meinden,  welche  fast  250  Jahre  lang  die  Träger  dieses 
Lebens  waren  und  dasselbe,  getrennt  von  einander,  eine 
jede  in  besonderer  Weise  ausgestalteten,  haben  sich   i^ie 
zwei  Flüsse  zu  einem   um   so  mächtigeren  Strome   mit 
einander  verbunden.  Die  vereinigte,  jetzt  etwa  »')2000 Seelen 
zählende  Gemeinde  hat  sich  innerhalb  eines  halben  Jahr> 
hunderts  an  Seelenzahl  verzehnfacht  und  nimmt  durch 
den  äusseren  Wohlstand,  die  Intelligenz  und  christliche 
Gesinnung,  die  sie  vertritt,  neben  der  katholischen  Be- 


OesehiehU  der  etangüisehtn  Chmeinde  DüanM&rfs,  147 

völkeruug;  welche  mit  ca.  100000  Seelen  den  Haupt- 
bestandtbeil  der  Gesammtbevölkerung  unserer  Stadt 
ausmacht,  eine  einflussreiche,  geachtete  Stellung  ein.  Sie 
ist  in  fortwährender  höchsterfreulicher  äusserer  und 
innerer  Fortentwicklung  begriffen,  besitzt  in  ihren  fünf 
Pfarrern,  welche  einmüthig  auf  dem  Grunde  des  lautern 
Evangeliums  stehen,  die  dem  augenblicklichen  Bedürfnisse 
der  Seelenzahl  —  wenn  auch  nicht  völlig  —  genügenden 
seelsorgerischen  Kräfte  und  in  ihrem  aus  23  Mitgliedern 
bestehenden  Presbyterium,  sowie  der  aus  60  Mitgliedern 
bestehenden  Repräsentation  eine  Vertretung,  welche  sich 
allezeit  freudig  zu  Arbeit  und  Opfern  bereit  flnden  lässt, 
wo  es  die  Ehre  des  HErrn  und  das  Wohl  der  Gemeinde 
gilt.  Sie  befindet  sich  in  der  glücklichen  Lage,  das  heran- 
wachsende Geschlecht  in  zahlreichen  höheren  und  niederen 
Schulen,  welchen  die  Behörden  die  wärmste  Fürsorge  an- 
gedeihen  lassen,  bilden  lassen  zu  können.  Eine  grosse  Zahl 
von  Anstalten  und  Vereinen  arbeitet  in  ihr  am  Baue  des 
Reiches  Gottes  und  in  der  Abhülfe  von  allerlei  Noth  und 
£lend.  Sie  selbst  bethätigt  den  in  ihr  waltenden  christ- 
lichen Geist  durch  lebhafte  Theilnahme  am  öffentlichen 
Gottesdienste  und  eine  hervorragende  seltene  Opfer- 
willigkeit. 

Auch  den  gottesdienstlicben  Bedürfnissen  ist  durch 
ihre  vier  Kirchen  ausreichend  Rechnung  getragen;  denn 
zu  den  beiden  ältesten  Kirchen  (auf  der  Bolker-  und  der 
Bergerstrasse)  trat  schon  im  Jahre  1871  die  Krafiken- 
hauskirche,   welche  immerhin  gegen   600  Andächtige 
fasst  und  einem  lebhaft  empfundenen  Bedürfnisse  des  süd- 
lichen Stadttheils  entspricht,  indem  in  derselben  sonntäg- 
lich Hauptgottesdienst  stattfindet.     Im  Jahre    1881    aber 
(am    6.  December   konnte   die  mit  einem  Aufwände  von 
mehr    als   1000000  Mark   erbaute,   grosse  und  architec- 
tonisch  hervorragende  Johanneskirche  auf  dem  Königs- 
platze  geweiht  werden,  welche  seitdem  den  Mittelpunkt 
des   gottesdienstlichen   Lebens    bildet   uud  wegen  ihrer 
schönen  Lage,  ihrer  herrlicher  Formen,  ihrer  ausgezeich- 
neten   Orgel,   ihres  klangvollen  mächtigen  Geläutes  und 
YOT  Allem  wegen  ihrer  zahlreich  besuchten  Gottesdienste 
eine  wahre  Freude  der  Gemeinde  und  das  sprechendste 
Sinnbild  ihres  geistigen  Lebens  ist.    Auch  zu  geistlichen 
Concerten  und  zu  jährlich  vier  liturgischen  Gottesdiensten 
bietet     sie   die   ausreichenden  und   akustisch   günstigen 
Räume  dar,  und  schon  manche  grössere  kirchliche  Feste, 
wie  das  Lutherfest  1883  und  die  Hauptversammlung  des 
Evangrelischen   Vereins  der   Gustav -Adolf -Stiftung   1886 
wurden  in  ihr  begangen. 

10* 


148  Ouckiekte  d^r  ecangetistken  Otm€kid$  Dü$»Marfg, 

Wenn  daher  die  Stadt  DOsseldorf  in  diesem  Jahre 
1888  ihr  600 jähriges  Bestehen  als  eine  freudige  Jubilarin 
feiert,  so  wird  auch  die  evangelische  Gemeinde  gern  an 
ihrer  Freude  und  an  ihrem  Danke  gegen  den  Allerhöchsten 
sich  betheiligen  und  mit  ihr  einstimmen  in  das  Bekenntniss: 

„Nicht  uns,  Herr,  nicht  uns,  sondern  Deinem 
Namen  gieb  Ehre  um  Deine  Gnade  und  Wahrheit! 

(Ps.  115,  1.) 


•] 


-,1 


! 

! 

Cesdiichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düsseldorfs. 

1 

':  Rnbbintr  Dr.  Abr.  WedelL 

I  lie  Synagogen-Gemeinde  Düsseldorf  als  Sitz  des 

j  1  Synagogen  -  Bezirks  gleichen   Namens    erhielt 

j  I  ihre  gegenwärtige  Verfassung  erst  durch  das 

I  9  Statut,  welches  zufolge  des  preussischen  Juden- 

',  a  gesetzes  vom  Jahre  1847   festgestellt   werden 

j  musste.  Vor  der  Einverleibung  der  bergischen  Lande  in 
die  preussische  Monarchie  bildete  sie  einen  Theil  der 
I  „verglaydeten  Judenschaft  von  OUlich  und  Berg",  spater 
derjenigen  des  Grossherzogthums  Berg.  Der  jüdischen 
1  Gemeinde  lag  aber  nicht  nur  die  Sorge  fUr  die  besonderen 
1  religiösen  Interessen  ob.  Da  die  Juden  in  den  angegebenen 
Landestheilen  wie  in  ganz  Deutschland  kein  Bürgerrecht 
besassen,  und  das  Recht  in  denselben  zu  wohnen,  in  be- 
schranktem Masse  Handel  und  Gewerbe  zu  treiben,  zu 
heirathen,  ja  selbst  das  Recht  dort  zu  sterben,  um  hohen 
Preis  erwerben  und  mit  vieler  Mühe  gegen  so  manche 
Anfechtung  und  Verkümmerung  vertheidigen  mussten,  so 
war  die  Verwaltung  der  jüdischen  Gemeinde,  zumal  da 
auch  die  Jurisdiction  in  Streitsachen  zwischen  Juden  und 
Juden  ihr  anheimgegeben  war,  ziemlich  verzweigt,  mühe- 
roU  und  verantwortungsreich.  Das  Gemeindeleben  um- 
tuste  also  nicht  nur  die  Entwicklung  und  Bethätigung 
der  religitiBea  Anschauungen,  Wie  sie  in  Schule,  Synagoge, 
Wohlthatigkeits -Vereinen  und  im  Leben  zum  Ausdruck 
innen ,  soodem  auch  das  Ringen  nach  einer  würdigen 
'Ärgerlichen  Stellung,  das  Ankämpfen  der  Juden  gegen 
täe  aicli  ihnen  entgegenstellenden  Hindemisse  und  gegen 
äe  aber  ihre  Religion  vielfach  verbreiteten  Vonirtheile 
md  falschen  Anschauungen,  eineGteschichte  ihrer  geduldig 
^  ^ttergeben    ertragenen  Leiden   und  aufgenOthigten 


150  Oettehiehte  der  jnditchen  Gemeinde  Düs9eldorf$, 

Oeschlchte  der  Jaden  in  den  Herzogthflmem  Jfllleh-Berg 
and  des  sp&ter  errichteten  Grossherzoicthnnis  Berg. 

Das  Recht  der  Juden,  in  den  bergischen  Landen  zu 
wohnen,  ist  noch  nicht  sehr  alt.  Die  im  Jahre  1608  bei 
Bernhard  Buyss  erschienene  Polizei  -  Ordnung  für  Jülich, 
Cleve,  Berg  enthält  noch  die  Verordnung:  „Es  sollen  in 
vnaern  Furstenthumben  vnd  Landen,  wie  gleichfals  bei 
den  Vnderherligkeiten,  oder  denen  orten,  so  in  gemein- 
schafft  mit  vns  sitzen,  auch  bei  vnsern  Lehen  vnd  Schirmbs 
verwandten,  keine  Juden,  so  nit  nach  Christlicher  Ord- 
nung getaufl't,  gestattet,  auffgehalten  oder  vergleitet 
werden,  bei  Vermeidung  straff  vnd  peen." 

Der  älteste  aufgefundene  Schutzbrief  datirt  vom 
Jahre  1689. 

Die  Erlaubniss,  in  den  bergischen  Landen  wohnen 
zu  dürfen,  wurde  den  Juden  von  den  jedesmaligen  Re- 
genten in  Form  eines  Sehutzbriefes  ertheilt,  der  in  der 
Regel  auf  16  Jahre  ausgestellt  und  dann  immer  wieder 
auf  die  gleiche  Dauer  verlängert  wurde.    Für  die  jedes- 
malige Erneuerung  einer  solchen  Geleitsconcession   war 
die  Summe  von  10000  Gulden  „als  zum  trockenen  wein* 
Kauf,   wie  auch  erkenntlichkeit ,   oder   Kronensteuer  in 
einer  unzertheilten  Summe  in  der  landrhentenmeisterei 
in  Düsseldorf  baar  zu  erlegen,  annebens  zum  Jährlichen 
Tribut   vier  Tausent  quartaliter  mit  eintausent   Guliken 
court.  zur  Hof-Kammer  richtig  einzuliefern,^  Ausser  diesem 
^Tribut"^  hatten  die  Juden  auch  noch  die  sonstigen  all- 
gemeinen und  lokalen  Steuern  zu  entrichten,  vor  allem 
die  Gewinn-  und  Gewerbesteuer,  welche  jedoch  pro  Kopf 
nicht  höher  als  nach  dem  Ertrage  von  3  Morgen  Acker- 
land berechnet  werden  durfte,  für  welche  aber  ebenso 
wie   die   Kronen-   und   Tributsteuer  die  gesammte   ver- 
glaydete  Judenschaft  solidarisch  haftbar  war,  in  der  Weise, 
dass  der  etwaige  durch  Vermögensverfall,  Wegzug  oder 
Ableben  Einzelner  entstandene  Ausfall  auf  die  Uebrigen 
zu  repartiren  war.   Alle  diese  Abgaben  hatten  gegenQber 
andern  Forderungen  seitens  der  Lokalbehörden  oder  von 
Privatleuten  das  Vorzugsrecht.   Ein  diesbezüglicher  „Auss 
Hochstgem.   Ihrer  Kuifürstl.  Durchl.   gnädigsten   befebl 
(gez.  Fhr.  v.  Blankart)  an  Richtern  in  SohUngen^    d.  d. 
Düsseldorf  24  Mertz  1781  lautet :  „C.  T.  C.  Lieber  getreuer, 
Wir  schliessen   euch  eine  abschrift  der  uns  von  selten 
Vorgänger   und   Vorsteheren   der  gemeinen  gülich    und 
bergischen  Judenschaft  Contra  Salomon  Leyser  übergebner 
anzeig  mit  dem  ggsten  befehl  hiebey,  dass  ihr  pto.  des 
triebuts  rückstands,  falls  nichts  erhebliches  dagegen  ein* 


Geaehicide  der  jüdischen  Oemeinde  DHsseMoi*fs.  151 

zuwenden  gegen  den  beKlagten  Salomon  Leyser  execiitive 
Verfahren,  und  vor  dessen  Zahlung  keine  Von  demselben 
ausgestellte  schuldscheme  Zur  gerichtlicher  realisation 
annehmen  sollet.^  Andere  Abgaben  waren  von  den  Ein- 
zelnen selbst  zu  zahlen,  wie  z.  B.  Ehlengelder,  aus- 
wendiger Leibzoll  der  nach  Ermessen  der  Vorsteher  ver- 
pachtet werden  konnte  u.  a.  m.  Für  jedes  neugeborne  Kind 
und  beim  Ableben  einer  männlichen,  später  auch  einer 
weiblichen  Person  war  je  ein  Goldgulden  zu  entrichten. 
In  einzelnen  Orten  waren  noch  besondere  Gefälle  zu 
zahlen;  so  war  in  Eaiserswerth  von  jedem  geschlachteten 
Vieh  die  Zunge  an  die  „Kellnerey^  abzuliefern.  Die  Juden 
glaubten  in  Ansehung  ihrer  sonstigen  Abgaben  und  auf 
Grund  der  ihnen  am  19.  Juni  1704  ausdrücklich  gewährten 
Befreiung  von  dieser  „wider  die  Billigkeit  auferlegten 
Lieferung  der  Zungen"  diese  verweigern  zu  können, 
wurden  jedoch  „weil  auch  die  Christen  dieselben  zu  liefern 
hatten",  mit  ihrem  Gesuch  abgewiesen.  „In  sachen  Vor- 
gänger und  Vorsteher  der  Gulich  und  Bergi  Judenschaft 
wider  Kellnerei  zu  Eayserswehrt  die  von  dortigen  Juden 
wegen  geschlachtet  werdenden  Viehes  abgeforderten 
Zungen  betreifendt  werden  Klagende  Vorgänger  und  Vor- 
steher mit  ihrem  Gesuch  ab,  und  die  schlachtende  Juden 
zu  Kayserswehrt  zu  befolgung  der  Eameral  -  Verordnung 
Vom  29^  TSS  V.  J.  und  demgemäss  Vom  dortigen  Kellner 
erteilten  Decret  angewiesen.  Düsseldorf  den  24  Julius 
1782.  Frhr.  von  Gangreben."  Sportelen  und  Kanzley- 
gebOhr  betragen  sich  mit  der  Insinuation  dieses  sieben 
rthlr.  41/2  stüber,  sind  zahlt."  Diese  wichtige  Frage  war 
im  Jahre  1786  noch  nicht  entschieden.  Denn  11  Julius 
d.  J.  wurde  aus  gstem  Befehl  des  Kurfürsten  Bericht  ein 
gefordert.  „Hochgelehrter,  Lieber,  Getreuer!  Ihr  findet 
Copeilich  beigelegt,  was  Uns  Vorgänger  und  Vorsteher 
gemeiner  Judenschaft  wider  euch  wegen  hartist  einge- 
bundener Kirchmess  zungen  Lieferung  untgst.  remonstrirt 
haben,  worüber  euer  untgst.  Flichtmässiger  Bericht  un- 
verlängst  erwartet  wird,"  Nicht  besser  erging  es  mit  der 
von  „denen  im  Städtgen  Siegburg  Domicilirten  Juden 
prAtendirt  werdende  Freiheit  vom  gemeynsamen  Beytrag, 
worüber  „der  Vom  abten  zu  Siegburg  erstattete  Unthste 
Bericht  denen  Vorgängern  etc.  kommunikabel  erkannt 
wird,  um  das  nötige  inner  14  tagen  zu  verhandeln." 

Wegen  erlittenen  grossen  Wasserschadens  wurde  den 
Juden  der  am  23.  X^  1784  erbetene  Nachlass  von 
den  Krongeldem  in  Höhe  von  1000  Rthlr.,  d.  d.  Mannheim 
14.  Januar  1785  in  „Höchsten  gnaden"  bewilligt,  wofür 
die   Judenschaft  folgendes  Dankschreiben  an  den   Kur- 


152  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Dilsseidarfn. 

fürsten  richtete:  Durchlauchtigster!  Eure  Kurfüi-stUche 
Dufchl.  Avar  so  gnädig  uns  unter  dero  höchstem  schütz 
in  den  herzogthümern  gülich  und  Berg  eingessene  Juden 
in  rücksicht  des  durch  die  vorigjährige  wasserüber- 
schwemmung  erlittenen  trangsal  mit  einem  Tribut  Nach- 
lass  mildest  zu  trösten,  für  welche  wahrhaft  LandesvAter- 
liehe  Wohlthat  wir  hiermit  den  wärmsten  Dank  unthägst 
abstatten.'^ 

pDer  grundgQtige  Gott  den  wir  alle  verEhren,  ver- 
leye  Eurer  Kurstl.  Durchl.  dargegen  noch  eine  lang- 
wierig beglückte  Regierung  und  beloone  höchstdieselbe 
mit  dem  für  uns  und  unsere  Nach  Eommenschaft  ewig 
unvergesslichen  besten  Ruhm  eines  Fürsten,  der  gut- 
thätigste  Vater  aller  auch  sogar  der  geringsten  landes 
Kindern  stets  gewesen  zu  sein.^ 

„Der  nemliche  Gott  wird  gewisslich  unsere  bey  jedem 
öffentlichen  religionsdienst  fUr  höchstdieselbe  zu  ihm  auf- 
steigende reichenste  Segenswünsche  mildest  erhöhren  und 
Euere  Churfürstlicher  Durchlaucht  sind  zu  holdselig  und 
gütig  dieselbe  zu  verschmähen,  Um  welche  einzige 
Gnad  wir  gegenwärtig  unterthäuigst  bitten.^ 

ad  man  US  Clementissimus  Unthgst  fussfällige  Dank- 
sagung etc. 

Wie  bei  diesem  Anlass  so  hatten  die  Herzöge  resp. 
Kurfürsten  innerhalb  der  oben  bezeichneten  Grenzen  den 
Juden  wiederholt  ihren  Schutz  und  ihr  Wohlwollen  be- 
wiesen und  ihre  Bereitwilligkeit  bekundet,  denselben  die 
ihnen  durch  die  Geleitsconcession  eingeräumten  Rechte 
und  die  Respectirung  der  ihnen  auf  Grund  des  Schutz- 
briefes verliehenen  Verfassung  zu  gewährleisten. 

YAifassang  der  Ofllleh  Bergisehen  Jndensehaft. 

Durch  die  Schutzbriefe  wurde  die  Zahl  der  für  GQlich 
und  Berg  zugelassenen  Haushaltungen  auf  215  festgestellt. 
Die  in  den  „Pfand-  und  Unterherrschaften"  wohnenden 
Juden,  deren  Menge  nicht  genau  flxirt  war,  waren  in  der 
Zahl  21  ö  nicht  mitgerechnet,  unterlagen  aber  sonst  den- 
selben Bestimmungen.  Die  gesammte  Verwaltung  ruhte 
in  den  Händen  eines  Vorstandes^  Die  religiösen  An- 
gelegenheiten und  gerichtlichen  Entscheidungen  in  civil* 
rechtlichen  Streitigkeiten  zwischen  Juden  untereinander 
lagen  in  erster  Instanz  dem  Oberrabbiner  ob  —  der  ebenso 
wie  die  Verwaltung  seinen  Sitz  in  Düsseldorf  hatte. 
Gewählt  wurden  diese  Organe  durch  die 

General-Tersammliuig  der  Gemeinde. 

So  oft  es  nöthig  war,  versammelte  sich  die  gesammte 
Judenscbaft  zu  gemeinsamen  Berathungen  über  allgemeine 


OeaeliicfUe  der  Jildisehe»  OememtU  Dilaseldorfa.  ISJS 

Angelegenheiten^  wie  Tribut-  und  Steuerfragen,  deren 
Repartition,  Petitionen  an  die  Behörden,  Wahl  eines 
Oberrabbiners  und  des  Vorstandes,  Feststellung  der  Ge- 
meindestatuten und  wichtigsten  Verordnungen  und  Ab- 
stellung von  Uebelständen.  Die  Einladung  zu  diesen 
Vei^sammlungen,  welche  an  verschiedenen  Orten  statt- 
fanden, erging  durch  die  Ober- Vorgänger,  nachdem  von 
der  Behörde  oder  vielmehr  von  dem  Herracher  die  Br- 
laubniss  hierzu  ertheilt  war.  Sämratliche  Behörden,  auch 
diejenigen  der  Pfand-  und  Unterherrschaften,  wurden  an- 
gewiesen, der  Versammlung  und  den  zu  denselben  sich 
begebenden  Juden  den  nöthigen  Schutz  zu  gewähren. 

„Auf  die  vom  Vorgänger  und  Vorsteher  der  Gülich 
und  bergischen  Judenschaft  übergebene  unthgste  Anzeige 
einer  im  Monat  Aprill  Künftig  notig  findenden  allgemeinen 
Eonvokation  wird  denen  Supplikanten  aufgegeben,  an- 
forderst die  ursach  der  allgemeinen  zusammen  Berufung 
anzuzeigen,  sodann  der  Verordnung  vom  13^?  August 
1779  wegen  Übergebung  eines  genauen  Verzeichnisses 
deren  in  hiesigen 'Herzogtümern  in  Städten,  Amter,  Frei- 
heiten, unter  und  Pfandherrschaften  und  sonstigen  Orthen 
wohnenden  vergleideten  Jüdischen  Familien  in  14  Tagen 
bei  6  Rthlr.  straf  zu  geben. 

Aus  Seiner  Kurfersten  Durchl.  sonderbar  ggstem  Befehl 

Graf  von  Nesselrode.** 

„C.  T.  C.  Unsern  ggsten  Gruss  zuvor  Wohlgeborener, 
liebe  getreuer; 

Da  Wir  zum  Besten  Unserer  Gülich  und  bergischen 
Judenschaft  ggst.  ver williget  haben,  dass  dieselbe  in 
Künftigen  Monat  April  in  dortigen  Flecken  (Aldenhoven) 
sich  versammeln  möge,  so  befehlen  euch  ggst,  derselben 
Glieder  bei  Hin  und  her  reissen  auch  wärendem  aufent- 
halt  nicht  zu  behindern  sondern  dass  denen  selben  in 
jeden  Angelegenheiten  allen  Beistand  leisten  oder  den 
etwaigen  Anstand  sofort  berichten  sollet.  Düsseldorf 
24  X»^r  1783.  Alis  Seiner  KurfÜrstl.  Durchl.  sondern 
ggsten  Befehl  Graf  von  Nesselrode.  An  Beamte  Amts 
Aldenhoven." 

Solche  Versammlungen  haben  stattgefunden  in  Düren 
1698;  Mülheim  1702;  Bergheim  1706  und  1718;  Düren 
1718;  Aldenhoven  1722;  Düren  1726,  1730,  1732,  1737, 
1746,  1749,  1752;  Aldenhoven  1784  etc. 

Den  Vorsitz  in  diesen  Versammlungen,  denen  der 
Oberrabbiner  als  Ehrenmitglied  beiwohnte,  führte  einer 
der  Ober-Vorgänger  unter  Assistenz  der  übrigen  Vor- 
standsmitglieder.  Zur  Tagesordnung  gehörte  regelmässig: 


154  OeschiehU  der  JildUchen  Gemeimh  Dilsneidorfs. 

Wahl  des  Voi*8tande8; 

Bericht  der  Rechnungsrevisoren; 

Wahl  derselben; 

Einschätzung  des  Vermögens  behufs  Fesstellung  der 
zu  entrichtenden  Steuern; 

Prüfung  resp.  Bestätigung  früherer  Beschlüsse; 
nöthigenfalls 

Wahl  des  Oberrabbiners   und  Feststellung   des  Ver- 
trages; 

Bauten  und  andere  Gemeinde-Angelegenheiten. 

Besonders  wurden  die  Bestinunungen  des  jedesmaligen 
meistens  gleichlautend  abgefassten  Schutzbriefes  nach- 
drücklichst eingeschärft  imd  zur  Nachachtung  empfohlen. 
Durch  den  Geleits-Brief  war  den  Juden  die  selbstständige 
Verwaltung  ihrer  inneren  Angelegenheiten  gewährleistet 
worden;  „Alle  und  jede  unqualiflcirte  Subjekten  so  sich 
imi  gehabung  des  freyen  gefeites  oder  um  das  OberVor- 
gängersamt  und  andere  offlcia  bej  unserem  Hoflager  an- 
melden, werden  de  piano  ab-  und  zu  der  Judenschaft 
fort  zeitlichen  Vorgänger  und  Vorsteher  hinVerwiesen." 
Wie  sehr  die  Gemeinde  darauf  bedacht  war,  die  Bestim- 
mungen der  Geleits-Concession  zu  respectiren  und  jede 
Belästigung  des  Kurfürsten  zu  vermeiden,  geht  aus  einem 
schon  1698  gefassten  und  dann  regelmässig  in  den  Ge- 
meinde-Versammlungen wiederholten  Beschlüsse  hervor, 
nach  welchem  Jeder,  der  gegen  obige  Bestimmung  sich 
um  ein  Ober- Vorgänger-Amt  bei  der  Behörde  bewürbe, 
in  eine  sofort  zu  erlegende  Strafe  von  1000  Goldgulden 
für  den  Kurfürsten  verfallen  sein  sollte,  „ohne  in  die 
Jurisdiktion  und  das  Interesse  des  Kurfürsten  im  Geringsten 
einzugreifen.^  Dadurch  wollte  man  zugleich  Spaltungen 
und  Streitigkeiten  in  der  Gemeinde  vorbeugen.  Aus  dem- 
selben Grunde  verpflichtete  sich  die  Gemeinde,  mit  der 
durch  die  Geleits-Concession  gesetzlich  festgestellten  und 
durch  anderweitige  Rescripte  näher  geregelten  Jurisdiction 
des  Oberrabbiners  zu  begnügen  und  keinen  andern  Rechts- 
weg zu  beschreiten.  Auch  auf  das  Privatleben  bezügliche 
Beschlüsse  wurden  gefasst,  und  die  Uebertretung  der- 
selben mit  Strafe  belegt.  Die  Lustbarkeiten  sollten  sich 
in  bescheidenen  Grenzen  halten,  bei  Hochzeiten  sollten 
nicht  mehr  als  20  Personen  geladen  werden.  Der  Rab- 
biner sollte  verpflichtet  sein,  Uebertretungen  dem  Vor- 
stände zu  melden  und  zur  Bestrafung  zu  bringen.  Auf 
die  Erhaltung  des  Friedens  und  die  Vermeidung  von 
Reibungen  zwischen  einzelnen  Familien  desselben  Ortes 
berechnet  war  die  auf  jedem  Gemeindetage  immer  aufs 
Neue  in  Erinnerung  gebrachte  Bestimmung,  dass  kein 


Otsekiehte  der  jBdieehen  Gemeinde  Düseüdorfe*  1&5 

Eniecht  ohne  Einwilligung  seines  Brodherrn  bei  einer 
andern  Familie  desselben  Ortes  eine  Stellung  annehmen 
dQrfB;  es  sei  denn,  dass  er  6  Monate  von  dem  Orte  ab- 
wesend gewesen  wäre.  Die  durch  die  Obervorgänger 
angeordnete  Entfernung  eines  Knechtes  in  Kettwig,  der 
diese  Bestimmung  übertreten  hatte,  wurde  auf  die  seitens 
desselben  bei  der  Behörde  eingelegte  Beschwerde  unter 
Hinweisung  auf  die  seit  erdenklichen  Zeiten  bei  der 
Judenschaft  bestehende  Einrichtung—  ^pure^  gut  geheissen. 
Den  religiösen  Angelegenheiten,  den  Einrichtungen  der 
Synagoge  und  dem  Gottesdienste  wurde  in  solchen  Ver- 
sammlungen die  grösste  Sorgfalt  gewidmet,  denn  —  so 
heisst  es  in  dem  Vorwort  zu  den  betreffenden  Beschlüssen  — 
„der  Anfang  aller  Weisheit  ist  die  Gottesfurcht,"  Vor- 
bereitet und  begutachtet  und  meistens  auch  beantragt 
wurden  diese  Beschlüsse  durch  den 

Vorstand. 

Dieser  wurde  von  der  General-Versammlung  aus  der 
Mitte  von  15  Mannern  gewählt,  welche  vom  Vorstand  vor- 
geschlagen wurden.  Er  wurde  zusammengesetzt  aus  einem 
Ober- Vorgänger,  dessen  Stellvertreter,  3  Vorgängern  und 
3  Vorstehern  oder  Beisitzern,  im  Ganzen  8  Mitgliedern. 
Der  Vorstand  bedurfte  der  Bestätigung  durch  den  Landes- 
herm,  stand  in  erster  Instanz  unter  Aufsicht  des  Rabbiners, 
in  zweiter  Instanz  unter  derjenigen  der  vom  Landesherm 
ernannten  Special  -  Commissarien  resp.  des  Landesherm 
selbst.  Die  Obliegenheiten  und  Vollmachten  des  Vor- 
standes entsprachen  etwa  denjenigen  des  Bürgermeister- 
Amtes.  In  seinen  Händen  ruhte  die  Bewilligung  des 
Niederlassungsrecbts,  die  Ausübung  der  Polizei,  die  Ver- 
theilung  und  die  Einziehung  der  Steuern,  das  Passwesen, 
die  Begutachtung  sämmtlicher  die  Judenschaft  betreffenden 
Prägen,  die  Vertretung  derselben  den  Behörden  gegen- 
über und  die  Ueberwachung  der  den  Juden  gewähr- 
leisteten Rechte.  Das  Amt  erforderte  die  grösste  Wärme 
und  Begeisterung  für  die  religiösen  Angelegenheiten,  eine 
tiefernste  Ueberzeugungstreue,  Umsicht,  Freimuth  und 
Entschiedenheit,  denn  das  Amt  eines  Ober -Vorgängers 
und  mehr  oder  minder  auch  das  eines  der  anderen  Mit- 
glieder des  Vorstandes  war  ein  sehr  mühevolles,  zeit- 
raubendes und  verantwortungsvolles ;  trotzdem  musste  es 
i^anz  unentgeltlich  ausgeübt  werden ;  nicht  einmal  Reise- 
kosten und  Diäten  wurden  den  Vorgängern  gewährt.  Die 
Behörde  hatte  darüber  keine  Vorschriften  gemacht;  aber 
die  Gemeindeversammlungen  erklärten  in  Uebereinstim- 
muHK  mit  dem  Vorstande  alle  diese  Aemter  als  Ehren- 


156  Otu^iehfe  ihr  jfIdUehen  Oemeindt  D!ls$eMorf4, 

ftmter,  für  welche  nichts  zu  entrichten  war.  Damit  nicht 
zuviel  Kosten  den  einzelnen  Vorstehern  erwüchsen,  sollte 
der  Rabbiner  in  allen  Fällen,  in  welchen  nicht  die  An- 
M*esenheit  aller  Vorsteher,  sondern  nur  einzelner  erforder* 
lieh  war,  bei  der  Citirung  derselben  einen  bestimmten 
Turnus  einhalten.  Die  von  den  Vorstehern  ernannten 
Rechnungsführer,  Rendanten  und  Revisoren  sollten,  so 
oft  sie  behufs  Rechnungslegung  in  Düsseldorf  erschienen, 
eine  Entschädigung  erhalten  und  zwar  den  Betrag  von 
1/2  Thaler  pro  Tag. 

Eine  der  wichtigsten  Obliegenheiten  des  Vorstandes 
resp.  der  Obervorgänger  war  die  Ausstellung  der  Schutz- 
oder Geleitspatente  für  die  einzelnen  Faniilien.  Während 
ursprünglich  dieselben  von  dem  jeweiligen  Landesherrn 
in  jedem  einzelnen  Falle  bewilligt  werden  mussten,  wurde 
später  ein  allgemeiner  Verglaydungsbrief  der  gesammten 
Judenschaft  in  den  Herzogthümern  Jülich -Berg  bis  zu 
einer  bestinunten  Familienzahl  gewährt  und  die  Ver- 
theilung  den  Obervorgängem  überlassen.  Die  Zahl  der 
zugelassenen  Familien  wurde  allmählich  grösser.  Im 
Jahre  1689  betrug  dieselbe  190.  Im  Jahre  1763  wurde 
die  Zahl  auf  215  erhöht  und  bei  der  Erneuerung  des 
Oeleitbriefes  1779  in  derselben  Höhe  belassen,  „da  die 
gesammte  Judenschaft  unterthänigst  zu  erkennen  giegeben. 
wie  dass  dieselbe  durch  den  in  Vorigen  bestandszeiten 
Vorgewesenen  sieben  Jahre  hindurch  angehaltenen  theuren 
Krieg,  und  die  denselben  dabei  fast  unerträglich  zuge- 
fallenen lasten,  auch  sonsten  ihr  begegneten  -Vielen 
widrigen  Schicksalen,  in  Verlierung  der  Vermögenden, 
und  anwachss  der  un Vermögenden,  fort  starke  Schwächung 
des  Handels  dermassen  an  lebensmkteln  erschöptit,  und 
geschwächet  worden,  dass  sie  nicht  einmal  im  stände 
seyen,  die  Von  Zeit  zu  Zeit  landkündiger  dingen  auf- 
genohmene  schwere  Kapitalien  zu  refundiren  Vielweniger 
die  Von  ihnen  dermal  gethane  oblata  in  puncto  der 
Kronensteuer  Sive  trockenen  wein- Kauf gelder  so  wohl 
als  der  jährlichen  Tributsschuldigkeit  praestiren  zu  können, 
es  sey  dan,  dass  ihnen  weiterhin  landesherrlich  gnadigst 
gestattet  würde,  ihre  Judenfamilien  bei  der  in  jüngerer 
gnädigsten  Concession  bestimbten  Zal  der  zweihundei-t 
ftinfzehn  hausshaltungen  belassen  zu  dürfen,  und  dann 
Wir  in  ansehung  all^olcher  reflections  würdiger  umst&nde 
diesem  petito  in  gnaden  deferiret  haben.<^  Diejenigen 
Familien,  welche  in  Vermögens- Verfall  gerathen  oder  durch 
ihre  Aufführung  und  durch  ihren  Lebenswandel  Aerger- 
niss  erregt  hatten  oder  sonst  verdächtig  waren,  mussten 
auf  Requisition  des  Vorstandes  sofort  ^aus  dem  Lande  fort- 


Geschichte  der  JOdiechen  Oemewde  Düsseidorfs,  157 

geschafft  werden.^  Für  diese  und  für  die  Ausgestorbenen 
konnten  die  ObervorgOnger  nach  eingeholter  obrigkeit- 
licher Genehmigung  an  die  von  ihnen  bezeichneten 
Familien  neue  Patentbriefe  ausstellen,  die  Steuern  wurden 
dann  nach  dem  Vermögen  der  Einzelnen  repartirt  und 
von  »Steuerempfängem  erhoben,  welche  zu  ernennen  aus- 
schliesslich die  Obervorgänger  das  Recht  hatten,  ein 
Recht,  welches  sich  aus  der  solidarischen  Haftbarkeit 
der  Gesammt-Judenschaft  fQr  den  ganzen  Steuerbetrag 
logischer  Weise  von  selbst  ergab.  Demnach  konnte  auch 
keiner  an  den  durch  die  so  enormen  Abgaben  erworbenen 
Rechten  des  freien  Verkehrs  und  des  Handel-  und  Gewerbe- 
treibens participiren,  der  die  auf  ihn  entfallende  Steuer- 
quote zu  zahlen  sich  weigerte ;  derselbe  wurde  vielmehr 
mit  einer  Strafe  von  100  Dukaten  und  sofortiger  Aus- 
weisung belegt.  Befreyt  und  zu  der  Zahl  von  215  Familien 
nicht  mitgerechnet  waren  nur  ^ohngefehr  zehn  Familien, 
imd  zwar  die  un Vermögenden  ältesten,  zween  schubl- 
diener,  Vorsinger,  schuhlKlöpfer,  Schreiber  und  bothen.^ 
Selbst  die  Vorgänger  und  der  Rabbiner  mussten  an  der 
Kronensteuer  und  am  Tribut  paiücipiren.  Befreit  waren 
die  letzteren  und  der  älteste  Vorsteher  nur  in  dem  Orte, 
wo  sie  wohnten,  von  allen  Einquartirungs-  und  sonstigen 
dergleichen  Lasten,  ausschliesslich  der  Gewinnsteuer  d.  h. 
solcher  Abgaben,  welche  der  Hof-Kammer  zuflössen. 
Den  Vorgängern  wurde  die  strengste  Handhabung  der 
Steuerpflicht  bei  Vermeidung  schwerer  Geldstrafen  ein- 
geschärft. Auch  das  eigene  Interesse  der  Judenschaft 
erforderte  eine  solche  und  bedingte  die  genaueste  Ge- 
rechtigkeit bei  der  Vertheilung  der  Steuer.  Controlirt 
wurde  dieselbe  durch  die  gesammte  Judenschaft  auf  den 
allgemeinen  Versammlungen,  und  nur  sehr  vereinzelt 
sind  die  Fälle,  in  denen  eine  Reclamation  erfolgte  oder 
bei  der  Obrigkeit  versucht  wurde.  Fremde,  gar  nicht 
oder  anderweitig  verglaydete  Juden  durften  je  nach  den 
zeitlichen  Bestimmungen  nur  24  Stunden  oder  höchstens 
3  Tage  beherbergt  werden,  und  auch  nur  dann,  wenn 
sie  mit  genügenden  Geldmitteln  versehen  waren.  Bettler 
mussten  in  einem  abgesonderten  als  Asyl  eingerichteten 
Hause  übernachten  und  bedurften  auch  hierfür  eines  vom 
Obervorgänger  ausgestellten  Passirscheines.  Die  Ober- 
vorgänger hatten  auch  darüber  zu  wachen,  dass  unter 
keinem  Verwände  ein  Versuch  zur  Steuerdefraudation 
gemacht  wurde.  Ein  Missbrauch  des  Geleitsbriefes  durch 
Verleihung  oder  Verschenkung  an  andere  Personen  wurde 
mit  Einziehung  desselben,  mit  Geldstrafen  und  Ausweisung 
bestraft.     Dahin  zielten  auch  verschiedene  Beschlüsse, 


158  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düneidwrfe. 

welche  auf  den  allgemeinen  Gemeindetagen  gefasst  wurden. 
Es  sollte  Niemandem  gestattet  sein,  vom  Fremden  sieh 
Waaren  ^aufsetzen^  zu  lassen,  oder  ^ Packenträger ^  aus- 
zusenden, welche  die  Waaren  auf  halben  Gewinn  ver- 
treiben sollten.   Hausirer  sollten  nicht  in  fremde  Gebiets- 
theile  übertreten  und  fremde  Hausirer  nicht  zugelassen 
werden.     Contraventionen  wurden  mit  Geldstrafen  von 
4—6  Dukaten  zur  Hälfte  fQr  die  Hofkammer,  zur  Hälfte 
für  die  Judenschaft  belegt.   Auch  durfte  Niemand  Fleisch 
kaufen,   welches   von   auswärts,   namentlich   aus   „Kur- 
kollnischem^  Gebiete  eingeführt  wurde.   Ein  neuer  Patent- 
brief sollte  nur  nach  Zustimmung  der  Mehrzahl  der  Vor- 
steher und    nur   an  solche  Familien  verliehen  werden, 
deren  Vater  oder  Mutter  im  Lande  geboren  war,  welche 
sich  eines  guten  Leumundes  ei'ft*euten,  ein  Vermögen  von 
mindestens  400  Rthlr.  nachweisen  konnten  und  auf  die 
Dauer  von  3  Jahren  von  einem  ansässigen  vermögenden 
Manne  einen  Bürgschein  für  die  Steuer  bei  dem  Empfänger 
hinterlegten.   Der  Rabbiner  sollte  eine  Trauung  nur  dann 
vollziehen  oder  gestatten,  wenn  die  beiderseitigen  Braut- 
eltern   eine    Bescheinigung    des    Steuerempfängers    bei- 
brächten, dass  sämmtliche  Steuern  entrichtet  und  keine 
Rückstände  vorhanden  seien ;  that  er  es  dennoch,  so  sollte 
dem  Rabbiner  der  Ausfall  an  Steuern  am  Gehalte  gekürzt 
werden.    Auch  der  Waisenpflege  und  der  Vormundschaft 
wurde  die  grösste  Sorgfalt  und  Wachsamkeit  gewidmet. 
Da  es  bisher,  so  lautet  ein  Beschluss  der  in  Düren  im 
Jahre  1746  gefasst  und   1749  und  1752  bestätigt  wurde, 
da  es  bisher,  wenn  ein  Hausvater  starb  und  minderjährige 
Waisen  hinterliess,   mit  dem  Nachlass  wunderlich  her- 
gegangen, so  wird  bestimmt,  dass  derartige  Sterbefälle 
sofort  beim  Ober- Vorgänger-Amt  angezeigt,  und  dass  der 
Nachlass  je  nach  den  Umständen  unter  Zuziehung  des 
Rabbiners  von  einem  Vorgänger  und  einem  Vorsteher, 
die  von  dem  Obervorgänger   in  Düsseldorf  zu  wählen 
sind,  geprüft  und  festgestellt,  das  Inventar -Verzeichniss 
bei  dem  Obervorgänger  hinterlegt  und  der  Antheil    der 
Minderjährigen  bei  den  Gemeindesteuer-Empfängern  zum 
üblichen   Zinsfuss   verzinsbar   angelegt  werden   sollen."^ 
Der  Rechnungsführung  wurde  überhaupt  grosse  Sorgfalt 
zugewendet,   über  die  vorzunehmende  Revision  in    den 
Versammlungen  Bericht  erstattet.    Die  Kasse  konnte  nur 
bei  Anwesenheit  von  3  Vorstehern  geöffnet  werden,    da 
jeder  einen  der  drei  dazu  nothwendigen  Schlüssel  hatte. 
Ausgaben,  welche  nicht  etatsmässig  waren,  durften  nur 
bis  zur  Höhe  von  50,  später  von   100  Thalern  gemacht 
werden,   und  nur  wenn  die  Mehrzahl  der  Vorsteher  he- 


5S»»- 


Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  JMisseldorfs.  159 

tragt  worden  war  und  ihre  Zustimmung  gegeben  hatte. 
In  dringenden  Fällen  hatte  jeder  Vorsteher  das  Recht, 
eine  Ausgabe  von  10  Thalern  nach  eigenem  Gutdünken 
zu  machen. 

Schwieriger,  unangenehmer  und  vor  allem  gefähr- 
licher als  die  Verwaltungsgeschäfte  w^r  die  Wahrnehmung 
der  gewährleisteten  Rechte  und  die  Vertretung  der  in 
ihren  Rechten  gekränkten  Juden,  die  Abwehr  von  un- 
gerechtfertigten Eingriffen  der  Behörden,  der  Schutz 
gegen  Angriffe  und  Misshandlungen  seitens  anderer  Ein- 
wohner. Die  Erfüllung  dieser  Obliegenheiten  erforderte 
grosse  Geschäftskenntniss ,  Umsicht  und  Gewandtheit, 
Besonnenheit  und  Würde,  eine  das  gewöhnliche  Mass 
überschreitende  Bildung  und  das  nöthige  Ansehen  bei  den 
Behörden  und  unter  der  Bevölkerung,  vor  allem  aber 
ein  strenges  Gerechtigkeitsgefühl,  ein  gesundes  Urtheil, 
ein  warmes,  wohlwollendes  und  theilnehmendes  Herz  für 
Wahrheit,  Recht  und  Frieden  und  für  die  Noth  und  die 
Bedrängniss  Anderer. 

„Wir  wollen  auch",  so  heisdt  es  in  der  Coneessions- 
Urkunde,    „auf  dass  in  ZuKunft  die  vergeleitete  Juden 
riuf  dem  lande,  in  Dörferen  und  Städten  Von  gesindel  und 
Jugend   ferner   nicht  molestieret  und  in  ihrer  Nahrung 
gestöret  werden,  durch  unsere  Nachgesetzte  Gulich  und 
bergische  Regierung  eine  general  Verordnung  zu  jeder- 
manns  Wissenschaft  gnädigst  ergehen  und  dahm  publi- 
ciren  lassen,  dass  wenn  sich  dagegen  Contravention  er- 
eignen würde,  ihnen  alsdann  prompte  Summarische  Justitz 
mit  statuirung  abschröckenden  exempels  angedeihen  solle." 
Dankbar  muss  anerkannt  werden,   dass  die  Landes- 
herren  stets    die    grösste   Bereitwilligkeit   an   den   Tag 
gelegt,  den  den  Juden  zugesicherten  Schutz  mit  allen 
Mitteln   ihnen  angedeihen  zu  lassen,   alle  Angriffe    auf 
die  Sicherheit  der  Juden  energisch  zurückzuweisen,  wohl 
auch   je  nach   den  Umständen   mit  strengen  Strafen  zu 
belegen.     Die   Schnelligkeit,   mit   welcher   etwaige   Be- 
schwerden der  Vorgängerschaft  behufs  Abstellung  von 
Uebelständen  und  thatsächlicher  Gewalt  von  den  Behörden 
erledigt  wurden,  darf  hierbei  nicht  unerwähnt  bleiben, 
um  so  mehr  als  die  Fälle,  welche  zu  einem  Einschreiten 
des    Landesherrn  zu   Gunsten   der   Juden   Veranlassung 
gaben,  gar  nicht  zu  den  seltenen  gehörten.    Es  war  nicht 
nur    jugendlicher    üebermuth    oder    pöbelhafte    Gewalt- 
thatig'keit,  welche  den  Juden  bittere  Stunden  bereitete, 
sie  mit  ernstlichen  Gefahren  bedrohte,  in  ihren  heiligsten 
Gefühlen  kränkte  und  die  Ruhestätten  ihrer  Verstorbenen 
entweihte.    Nicht  selten  waren  es  auch  Behörden,  welche 


WiO  Geschickte  der  jüdiechen  Chmeinde  DHBteidoffs. 

den    Juden    ihre     garantirten    Rechte    verkümmerten; 
Schultheissen,  Amtleute,  ja  selbst  eine  Gerichtsbehörde 
mussten  erst  durch  Androhung  oder  Belegung  mit  Strafen 
von  dem  Landesherrn  daran  erinnert  werden,   dass  sie 
zum  Schutze  der  bestehenden  besetze  eingesetzt  seien, 
eine  Verletzung  derselben  nicht  dulden,  geschweige  denn 
selbst  vornehmen   dürften,   und  es  wärci  vielleicht  kein 
uninteressanter  Beitrag  zur  Rechtsgeschichte  jener  Zeit, 
wollte   man   die  Fälle   eingehend   behandeln,    in    denen 
einzelne  Aemter  trotz  dem  klarsten  Wortlaut  des  Gesetzes 
und  trotz  wiederholter  Verhftngung  von  Geldstrafen  seitens 
des  Landesherren,   es  verstanden,   die   Ausführung   der 
bündigsten  Regierungs  >  Befehle  Jahre  lang  hinzuhalten. 
Die  nächste  Stelle,  bei  welchen  derartige  Beschwerden 
angebracht  werden  mussten,  war  für  die  Judenschaft  ihr 
Vorgangeramt.    Die  Erledigung  aller  dieser  Beschwerden 
zum   Schutze  ihrer  Glaubensgenossen   verursachte    den 
Vorgängern  eine  ungeheure  Arbeitslast  und  es  gehörte 
ebenso  viel  Wohlwollen  und  Liebe  als  Unerschrockenheit 
und  Energie   dazu,   die  Ortsbesörden  für  derartige  Un- 
gebührlichkeiten höheren  Ortes  zu  belangen,  da  sie  sich 
der  Gefahr  aussetzten,  ihrerseits  von  denselben  mit  ihrem 
Unwillen  verfolgt   zu  werden.     Neben  Ausschreitungen 
des  Pöbels  besonders  bei  Beerdigung  von  jüdischen  Leichen 
waren   es   auch  Beeinträchtigungen  ihrer  gewerblichen 
Rechte,  Verletzungen  ihres  Eigenthumsrechtes  an  Fried- 
höfen, Eingriffe  in  die  dem  Rabbiner  zustehende  Juris- 
diction in  Civilsachen,   auch  woht  grausame  Behandlung 
bei  Untersuchungen  und  Inhaftirungen,  welche  den  Vor- 
gängern Veranlassung  gaben,  gegen  die  Uebertreter  des 
Gesetzes  einzuschreiten.     Man  wollte  es  ja  dem  Juden 
nicht    eingestehen,   dass   er   für   seine   Ueberzeugungen 
litte,   dass  dieser   Bereitwilligkeit,   für  seinen   Glauben 
Entsagung,  Entbehrung,  Kummer  und  Elend,  Schmach 
und  Entehrung  hinzunehmen,   eine  ideale  Gesinnung    zu 
Grunde  lag.     Man  erblickte   in  ihm  nicht  den  idealen 
Dulder,  sondern ,  den  verblendeten  Träger  falscher  Ueber- 
zeugungen;  weil  man  diese  nicht  gelten  liess,  leugnete 
man  auclf  den  idealen  Grundzug  seines  Charakters.    Und 
doch  ist  es  nur  durch  diesen  zu  erklären,  dass  es  über- 
haupt möglich  war,  Männer  zu  finden,  welche  sich  den 
schweren  Pflichten  eines  Vorgängers  unterzogen  und  die 
Arbeitslast  nicht  scheuten,  die  nicht  nur  durch  Erledigung: 
der  laufenden  Verwaltungsgeschäfte  und  durch  die  Grosse 
der  mit  einem  solchen  Posten  verbundenen  Verantwort- 
lichkeit, sondern  auch  durch  die  fast  täglich  einlaufenden 
Beschwerden,  durch  die  Untersuchung  und  Feststellunp: 


des  Sachverhalts,  durch  häufige  Reisen  und  durch  die 
Menge  und  Ausdehnung  der  schriftlichen  Arbeiten  ver- 
ursacht wurde  und  nicht  selten  eine  sehr  undankbare 
war.  Uebrigens  walteten  die  Vorgänger  ihres  Amtes 
nicht  nur  dann,  wenn  Excesse  bereits  verübt  waren, 
sondern  bewiesen  stets  die  grösste  Umsicht,  indem  sie 
durch  rechtzeitige  Vorstellungen  bei  der  Behörde  über 
gefahrdrohende  Erscheinungen  zur  Verhinderung  von 
Ausschreitungen  beitrugen.  Dahin  gehört  eine  Eingabe 
vom  13.  Juli  1727. 

„Durchlauchtigster  Churfürst,  Gnädigster  Herr!    In- 
dem Vernahmen,  dass  dahier  und  in  dero  landen  herUmb 
ein  liedt  abgetruckt,  gesungen,  Undt  VerEauffet  werden 
solle,  alsswenn  Von  einigen  Juden  in  Schwobach  ahm 
Charfreitag  1727  mit  einem  Hundt  passion  Vorgestellet 
seyn  sollte,  dieses  aber  wie  sub  N.  1.  beygehendes  ge- 
trucktes  Exemplar  mit  mehreren  enthaltet,  sich  falsch 
befunden,  Undt  dahero  allerdings  Zu  präsumieren  ist,  dass 
selbiges    dennen  Verglaydeten  Juden  Zum    Tort    auss- 
gedichtet  seyn  müsse,  derweilen  aussen  Landt  selbiges 
hin-  undt  wieder  Unns  nicht  allein  Vorgehalten  sondern 
auch  dergestalten  Vorgeworfen  wirt,   dass  man  schier 
nicht  sicher  hin-  und  herreissen  dürfte,  Undt  derentwegen 
billig  ist,  dass  dieses  erdichtetes  liedt  eingeZogen.    Undt 
nachdrücklich   gnädigst  befohlen   werde,   dass   selbiges 
nicht  gesungen  noch  femers  VerAüssert  weniger  Unns 
desfallss  etwas  Vorgeworfen  werden  solle.    HierUmb  So 
gelangt  Zu  Ew.  Churfürstl.  Durchlaucht  Unsere  Unter- 
thAnigste  Bitt,  dieselbe  hiesigem  buchdruckeren,  dass  Er 
die    annoch   habende   lieder    anhero    einschicken    Undt 
femers  Keine  Verkaufen  solle  per   decretum  ggst.  auf- 
geben, so  dan  durchs  landt  generalia  dahin  ggst.  ablassen 
wollen,    dass   Keiner   solches   liedt   hinführe    absingen 
VerkaudBTen  oder  Vorzeigen  undt  widrigens  derselbe  wiU- 
kflhrlich  bestraffet  werden  solle.   Hierüber  Ew.  Churfürstl. 
Durchl.  Unterthänigste  Ober -Vorgänger  Undt  Vorsteher 
j^ambtlich  in  gülich  Undt  bergischen  landen  Verglaydeter 
JudenschafL^ 

Darauf  erging  aus  Onolzbach  12.  Februar  1728 
folgender  Erlast :  „Demnach  in  Erfahrung  bringen  müssen, 
was  massen  einige  auf  denen  Messen  und  Jahr-Märckten 
mit  allerhuid  Liedern  herumziehende  Lieder-Sänger  sich 
unterstandten,  sowohl  in  fremden  als  Brandenburgischen 
Orten  ein  hOchstärgerlich-  und  Gotteslästerlich  erdichtetes 
Liedy  dess  Innhalts:  Als  ob  einige  Juden  in  Schwobach 
am  Cbar- Freytag  verwichenen  Jahres  mit  einem  Hund 
die  Passion  vorgestellet:  öffentlich  abgesungen  und  ver- 

u 


1H2  Oeschfchte  der  jüdischen  Gemeinde  DUsaMotf«, 

kauftet  und  man  nun  von  hiesig-  Hoch-  FOrstL  Gnädig- 
ster Herrschafftswegen  auf  den  desshalben  entstandenen 
Ruft'  sogleich  eine  genaue  Inquisition  angestellet  dabey 
aber  sich  obiges  keineswegs  ergeben  wie  dann  auch  die 
in  dem  Lied  bemeldte  Juden  in  dchwobach  sich  gar  nicht 
befinden;  Als  ergehet  an  alle  Ober-  und  Beamte  auch 
Burgermeister    und    Räthe    in   Städten ,    Märckten    und 
Flecken  hiemit  der  Befehl  mittelst  öffentlicher  Ablesung 
dieser   Verordnung   allen    und  jeden    Unterthanen   und 
Einwohnern  bei  willkührlicher  Straff  anzubefehlen,  dass 
sie  sothanes  Lded;  wann  sie  ein  oder  anderes  Exemplar 
annoch  in  Händen  hätten  und  noch  bekommen  wQrden, 
weder  public  machen   noch  davon  reden,  noch  solches 
absingen   sondern   vielmehr  sofort  zu  denen  Ober-  und 
Ämtern  ohnverlangt  bringen,  und   diejenige  so  «othanes 
Lied   absingen   propaliren   und   verkauffen  werden,    an- 
zeigen sollen,  welche  sodann  zu  examiniren   auch   der 
Erfolg  davon  anzuzeigen  ist,  damit  diese  zu  der  wohl- 
verdienten Straff  gezogen  werden  können :    Nebst  deme 
sollen  auch  alle  und  jede  Unterthanen   und  Einwohner 
dieses  Fürstenthums  derentwegen  denen  Juden  nicht  den 
geringsten  Vorwurff  thun  noch  an  selbige  Gewalt   und 
Hand  anlegen,  widrigenfalls  aber  nachdrücklicher  Straffe 
gewärtig  seyn.    Wornach  sich  jeder  zu  achten  wissen 
wird.    Signatum  unter  hie-  vorgedruckt-  Hoch-  FQrstl.  Hof- 
Raths-Canzley-Insiegel.  ^ 

Die  Bedeutung  und  Gefahr  solcher  Umtriebe  wurde 
von  der  Behörde  voll  und  ganz  anerkannt.     Das  geht 
aus   der  an   obigen  Erlass   anknüpfenden  Bitte   an    die 
Behörden  anderer  Länder  hervor.    „Alss  wird  der  Wahr- 
heit zu  Steuer  auch  gegen  ausswärtige  Orte  ein  solches 
nicht    nur  kräftigst   attestu'et  sondern   auch   eine    jede 
Obrigkeit,  welche  hierunter  imploriret  wird,  gegen    die 
hierwieder  handelnde   den   nöthig    obrigkeitl.   Ernst    zu 
Abstellung  dieser  auch  den  Christen  höchst  schädlichen 
Ärgemuss  vorkehren   zu   lassen,   welches  von  hiesigen 
Orts  wegen  bey  sich  ergebenden  Occasionen  gebührend 
solle    reciprociret    werden.     Dessen    zur  Urkund    Vom 
hiesigen  Stattrichter,  AmtsBurgermeister  und  Raths  Mre^n 
ein  solches  unterschrieben  und  dero  auch  gemeiner  Stadt 
kleiner    Insiegel    anvorgedrucket    werden.     Schwobach 
8  July  Anno   1729.    Sr.  Hochfürstl.  Durchl.  zu  Branden- 
burg Onoldsbach,  der  Zeit  Verordneter  Stattrichter.** 

Eine  gleiche  Auffassung  von  solchen  gegen  die  Juden 
geschleuderten  Anklagen  und  von  deren  Gemein^efähr- 
lichkeit  bekundete  später  die  jüdische  Oemeinde  zu 
Düsseldorf  in  einem  von  ihr  am   ß.  Febr.  1838  au  das 


an* 


Oßschiehte  der  jüdischen  Oetneinde  Düsseldorfs,  163 

Kgl.  Oberpräsidium  zu  Coblenz  gerichteten  Schreiben, 
welches  auch  wegen  seines  sonstigen  Inhalts  und  nament- 
lich der  Erwähnung  der  vermuthlichen  Folgen  der  Ent- 
fernung des  Erzbischofes  Freiherrn  von  Droste  allge- 
meineres Interesse  in  Anspruch  nimmt.  Dieses  Schreiben 
lautet ! 

pAn  ein  hohes  Königliches  Oberprftsidium 

zu  Coblenz. 
Mittheilung  der  israelitischen  Gemeinde 
zu  Düsseldorf,  das  allgemeine  Staats- 
interesse betreffend. 

Unterzeichnete  erachten  es  als  eine  ihrer  Bürger- 
pflichten, ein  hohes  Königliches  Oberpräsidium  auf  ein 
Ereigniss  aufmerksam  zu  machen,  welches  nicht  nur  in 
ihr  eigenes,  sondern  auch  in  das  Staatsinteresse  einzu- 
greifen und  die  allgemeine  Ruhe  und  Wohlfahrt  zu 
gefährden  scheint. 

Die  am  27.  Decbr.  1836  an  dem  vierjährigen  Knaben 
Friedrich  Pütz  von  hier  verübte,  und  in  hiesiger  Zeitung 
schon  unterm  1.  Januar  a.  p.  von  hiesiger  Königlichen 
Regierung  zur  öffentlichen  Kenntniss  gebrachte  Mordthat, 
wird  gegenwärtig  in  den  meisten  öffentlichen  Blättern 
aller  Nachbarstaaten  der  Art  verunstaltet,  dass  man  eine 
allgemeine  Aufregung  der  Oemüther,  deren  gefährliche 
Folgen  nicht  voraus  zu  sehen  sind,  mit  Recht  befürchten 
muss. 

In  der  Hannoverschen  Zeitung  Nr.  16,  Augsburger 
Abendzeitung  Nr.  24,  Hamburger  Zeitung  etc.  etc.  wird 
berichtet,  dass  man  gegenwärtig  hier  zu  Düsseldorf  einen 
Jaden  eingebracht  habe,  welcher  aus  Aberglauben,  dass 
ChrlBten-Marterblut  der  Juden  Glück  und  Seelenheil  be- 
ordere, dies  schändliche  Verbrechen  verübt  haben  soll. 
Von  unsern  dortigen  Glaubensgenossen  ward  daher  hiesiges 
Rabbinat   von   allen   Seiten    mit   Bitten   überhäuft,   den 
Referenten  dieses   verbrecherischen  Attentates    so    viel 
und  so  schnell  als  möglich  Lügen  zu  strafen.    Zweifeln 
wir  auch  nicht,  dass  dies  das  beste  Mittel  zur  Besänfti- 
gung^ der  Gemüther  sein  wird,  so  können  wir  uns  dennoch 
nicht  verhehlen,  dass  dieses  Gerücht  einen  ganz  andern 
Charakter  als  den  augenfälligen  an  sich  trägt. 

Sollten  nur  blos  wir  Juden  die  Zielscheibe  dieses 
ruchloeen  Aufwiegeiers  sein;  warum  verschwieg  derselbe 
diese  Missethat  zur  Zeit  als  sie  verübt,  und  hier  allge- 
meines Stadtgespräch  gewesen,  und  verbreitet  sie  erst 
jetzt,  Tvo  sie  beim  hiesigen  Publikum  schon  beinahe  ver- 
gessen ist? 

11* 


1H4  Geadiiekte  der  jMiteheti  Gemeinde  DOeeMorfe. 

Bei  näherer  Erwägung  aber^  gewahren  wir  durch  die 
Aussage  aller  öffentlichen  Blätter ,  dass  dieses  Qerttcht 
einzig  und  allein  von  Coln  ausgegangen,  von  einer  Stadt, 
in  welcher  seit  einiger  Zeit,  seit  der  Entferiiung  des 
Erzbischofes  Freiherm  von  Droste,  nach  der  Meinung 
Einzelner,  eine  Gährung  der  Gemttther  herrschen  soll, 
und  wo  man  einem  baldigen  Conflicte  vielleicht  nicht 
ungern  entgegen  sehen  möchte.  Sollte  man  auch  wohl, 
zur  Anfachung  einer  solchen  Flamme,  der  Juden  sich 
als  ZQndfluiken  bedienen  wollen?  — 

Wir  erdreisten  uns  nicht.  Einem  hohen  Oberpräsidium 
gegenüber,  unsere  Memung  in  Staatsangelegenheiten 
äussern  zu  wollen ;  dennoch  aber  —  ungeachtet  wir  uns 
Qberzeugt  halten,  dass  Hochdasselbe  unsem  httlfsbedürf- 
tigen  Glaubensgenossen,  auch  ohne  erst  dazu  aufgefordert 
zu  werden,  den  erforderlichen  Schutz  angedeihen  lassen 
wird  —  glauben  wir  nicht  verabsäumen  zu  dQrfen,  Hoch- 
dasselbe darauf  auftnerksam  zu  machen,  dass  durch 
Ermittelung  jenes  boshaften  Referenten  man  vielleicht 
manchem  heillosen  Getriebe  leicht  auf  die  Spur  kommen 
könnte.  Indem  wir  uns  dieser  Pflicht  entledigen,  empfehlen 
wir  uns  dem  Schutze  Hochdesselben  tmd  verharren 

Eines  hohen  Königlichen  Oberpräsidiums 

ganz  ergebene 
Düsseldorf,  den  6.  Febr.  1838.« 

Kurz  vorher  hatte  die  Hannoversche  Zeitung  eine 
aus  Cöln  datirte  Mittheilung  gebracht,  dass  die  israelitische 
Gemeinde  in  Düsseldorf  100  Thlr.  gesteuert  habe,  „um  den 
.Juden  zu  fangen,  der  das  Christenkind  ermordet  habe,  um 
Marterblut  zu  haben.«  Thatsächlich  aber  war  nicht  von  der 
Gemeinde,  sondern  von  einzelnen  Israeliten  in  Düsseldorf 
als  Prämie  zur  Ermittelung  des  Mörders  (nicht  des  Juden)^ 
der  den  Knaben  Pütz  ermordet  hatte,  eine  Summe  von 
100  Thlrn.  ausgesetzt  worden.  Eine  ähnliche  Prämie  w^ar 
auch  von  mehreren  christlichen  Gesellschaften  mittelst 
Subscription  aufgebracht  worden.  Es  ist  eine  erfreuliche 
Wahrnehmung,  zu  sehen,  dass  die  Aufklärung  dieses 
Falles,  wie  es  auch  durch  den  Oberprokurator  geschehen 
ist,  nicht  als  eine  ausschliesslich  die  Juden  angehende 
Angelegenheit,  sondern  als  eine  der  gesammten  Gesell- 
schaft zufidlende  und  im  staatlichen  Interesse  liegende 
Ehrenpflicht  angesehen  wurde.  Aehnlich  verhielt  es  sich 
mit  den  Gerüchten  von  der  im  Kreise  Grevenbroich  im 
Jahre  1834  und  ui  Jülich  im  Jahre  1840  stattgehabten 
Ermordung  eines  christlichen  Mannes  resp.  Kindes  durch 
Juden.  In  beiden  Fällen  veröiTentlichte  nicht  nur  die 
Oberprokuratur  eine  authentische  Darstellung  der  ledige- 


►•■i" 


GtMdiiehU  der  jüdischen  Gemeinde  Dflseeldotfe,  165 

• 

lieh  auf  Erfindung  beruhenden ,  jedes  Thatbestandes  ent- 
behrenden   Anklagen  y    sondern    wetteiferten    auch    die 
Zeitungen  und  die  Geistlichkeit  beider  Confessionen  in 
dem  Nachweise  der  völligen  Grundlosigkeit  dieses  Mähr- 
chens und  in  der  Veröffentlichung  von  Aussprüchen,  in 
denen  auch  Päpste  wie  Innocentius  IV.  und  Gregor  X. 
auf  das  Schändliche  und  Grundlose  solcher  Behauptungen 
nachdrücklich  hinweisen  und  die  Bischöfe  Deutschlands 
zur  Bekämpfung  solchen  Aberglaubens  alles  Ernstes  auf- 
rufen. Dr.  Binterim,  Pfarrer  in  Bilk  und  Pastor  Wildenfeld 
in  Gräfrath  publiciren  Schriften  in  demselben  Sinne  (18:U). 
Ueberhaupt  war  die  Behörde  bemüht,  das  Einvernehmen 
zwischen  den  Bekennern  der  verschiedenen  Religionen 
herzustellen  und  zu  erhalten;  und  erbat  hierzu  auch  die 
Hilfe  der  Geistlichkeit.    ,,An  den  landdechant  der  Christi- 
nität  Ahr  d.  d.  Dusseldorf  23.  Juny  1780.    Unsern  ggsten 
gruss  zu  Vor,  würdig  lieber  andächtiger,  auf  bey  Verwahrte 
Von  Vorgänger  und  Vorsteher  unserer  Jülich  und  bergischen 
Judenschaft    übergebne    unterthgste    anzeig   wegen   des 
auf  ihren  Sabbath  und  feyertägen  dortigen  Juden  unter- 
sagten beystand  Von  Katholischen  befehlen  auch  ggst  den 
pastoren  zu  Sinzig  über  die  angäbe  Zu  Vernehmen,  den- 
selben an  die  erzbischöfliche  Verordnung  Vom  Jahr  1 7nO 
mit  welcher  dergleychen  beyhülfe  denen  Juden  zu  leisten 
erlaubt  ist,  zu  erinnern,  mithin  denselben  anzuweisen  den 
Verbott  zu  wiederrufen  auch  selbst  demgemäss  sich  zu 
betragen  und  wie  geschehen  zu  berichten.''    Am  8.  Juni 
1784  folgte  noch  ein  Erlass  an  „Vögten  Amts  Sintzig'', 
„Lieber  getreuer !    auf  Eopeilich   anliegende  anzeig  der 
Vorgänger  und  Vorsteher  unserer  gemeinen  Judenschaft 
befehlen  euch  ggst  denen  Kristen  zu  Synzig  die  Beihülfe  auf 
den  Sabath  der  Juden  zu  erlauben  und  hiemach  dortigen 
Pastoren  zu  verbescheiden.''  Grosse  Energie  sehen  wir  die 
Regierung  in  solchen  Fällen  entwickeln,  wo  die  Juden,  sei  es 
von  Einzelnen  sei  es  von  Pöbelhaufen,  misshandelt  oder  selbst 
von  den  Lokalbehörden  in  ihren  Eigenthums-  oder  sonstigen 
Rechten  gekränkt  werden.    In  Gangelt  scheint  es  wieder- 
holt  zu   blutigen  Excessen  gekommen  zu  sein,  wie  am 
18.  Juni  1 780  und  im  Jahre  1 782,  wo  im  Februar  selbst  Militair 
requirirty   und  den  Bürgern  bis  Ende  May  in  Quartier 
gelegt  wurde.    Die  Untersuchung  wurde  mit  aller  Strenge 
fortgeführt,  die  Rädelsführer  arretiert  und  die  Akten  nach- 
drücklich eingefordert.  Von  den  vielen  in  dieser  Angelegen- 
heit ergangenen  Erlassen  mag  wenigstens  einer  d.  d.  9.  Febr. 
1782  hier  seine  Stelle  finden:  „Lieber  getreuer,  dahe  die 
samtl.    Acten    in    behuef   deren  gangelter  Junggesellen 
Compg.  an  der  diesiger  Judenschafft  Verübten  misshand- 


166  Geschichte  der  Jüdischen  Oemeinde  DüssMorfs. 

langen  Von  dahiesigen  unseren  gebeimenrath  zu  hiesigem 
unserem  hofFrath  abgegeben  worden,  so  un Verhalten  wir 
Euch  hiermit  gnädigst  dass  an  der  bisherigen  Verfügung 
allerdings  wohl  geschehen,  befehlen  euch  zugleich  andurch, 
gestalten  mit  fernerer  Untersuchung  deren  bereits  näher 
Vorgegangenen  und  Von  dem  Vorgänger  der  sämmtlichen 
Judenschaft  schriftlicher  angezeigter  thätlichKeit  forthzu- 
fahren,  dabey  auch  mit  besonderem  Fletss  die  Thäter  zu 
beauskttndigen,  des  endes  Vorgängig  alle  dergleichen  Miss- 
handlungen bey  100  Thaler  und  nach  befinden  bey  Zucht- 
hauss,  schantzen,  auch  schwehrerer  straf  mittels  einem 
ohn  Verzug  in  £[irchen  zu  VerEündenden  auch  an  gewöhn- 
lichen orten  anzuhaftenden  Decrets  nochmahlen  mit  dem 
Zusatz  zu  untersagen,  dass  in  zukunfft  bey  Jedesmahliger 
auch  der  geringsten  beunRuhigung  eines  Juden,  man  als 
den  der  oder  die  täteren  unentdeckt  bleiben  würden,  die 
Junggesellen  Compagnie  mit  exemplarischer  Bestrafung 
nach    beschaffenheit   des    Verbrechens    angesehen    und 
dafür  soforth  exequiret,  imfall  der  entdeckung  aber>  der 
oder  die  Thäteren  ohne  rücksicht  der  persohn  Corporaliter 
arrestiret   und  soforth  nacher  gülich  zur  gefängnus   in 
beystand  hinlänglicher  schützen  auch  nöthigenfalls  mittels 
eines  Von  daher  zu  befördernden  Militair-Commando  ge- 
fänglich überführt  werden  solle,  mithin  dieses  auch  erför- 
derlichen falls  mittels  gehöriger  Requisition  des  dortigen 
gouvernements,  was  endts  wir  gemäss  der  abschriftlichen 
anlange   an  dahiesige   Generalität   das  behörige   bereits 
ergehen  lassen,  zu  bewerkstelligen,  mithin  ab  dem  ferneren 
erfolg  mit  einsendung  ptlli  zu  seiner  Zeit  anhero  ghrst 
zu  berichten/'     Ausschreitungen,  welche  sich  besonders 
Kinder  im  Jahre  1781  in  Jülich  sich  hatten  zu  schulden 
kommen  lassen,  veranlassten  in  diesem  Jahre  den  Befehl 
^sodan  in  dortiger  Stadt  durch  öffentlichen  trommenschlag 
Verkünden  lassen  soUet,  dass  führohin  die  Eltern  deren- 
jenigen  Kinder,  welche  dasige  Juden  bey  begräbnussen, 
oder  sonst  beunruhigen  dafür   angesehen,    und    andere 
erwachsene    ausgelassene    buben    exemplarisch    werden 
bestraft  werden,  über  den  erfolg  gewärtigen  Wir  inner 
3  Wochen  eueren  untgsten  bericht.     An  Stadt  schulteis 
zu  gülich.    Aus  Ihre  Kurftlrstl.  Durchl.  sonderbahr  ggsten 
befehl.« 

Aber  nicht  nur  gegen  Privatpersonen,  sondern  auch 
gegen  Behörden,  welche  den  Rechtsstandpunkt  verliessen, 
wurde  mit  aller  Strenge  vorgegangen.  Der  Magistrat  zu 
Euskirchen  hatte  den  dortigen  Juden  den  ihnen  eignen- 
thümlich  gehörenden  Friedhof  einfach  entzogen  und  deu- 
selben  anderweitig  verpachtet  und  femer  nicht  gestattet. 


Gesehichte  <ler  jildhehen  Gemehule  DilMeldoifs,  167 

ihre  Leichen  auf  demselben  zu  begraben.    D.  d.  14.  Aug. 
1781  erging  an  Bürgermeister  und  Rath  der  Hauptstadt 
Euskirchen  sowohl  als  auch  an  Kelnerei  daselbst  von  der 
Hofkammer  der  Befehl:   ^Lieber  getreuer  auf  Von  Vor- 
stehern der  gemeinen  G.  und  B.  verglaydeter  Judenschaft 
uns   Qbergebene  nebengehende   Copeiliche  unthgste   be- 
schwehrführung  befehlen  wir  euch  hiermit  ggst^  dass  ihr 
die  dasigen  Juden  bey  dem  befragten  Kirchhof  quo  vis 
modo  handhaben  sollet.^    Aber  dieser  Befehl  hatte  nicht 
die  gewünschten  Folgen,  nach  wie  vor  wurden  die  Juden 
in  Ausübung    ihres  Rechtes  gehindert  und  bei   den  sich 
bis   zum   6.   homung  1782  hinziehenden  Verhandlungen 
geftend  gemacht,  dass   die  Gräber   nicht  tief  genug  an- 
gelegt wurden.    Dies  wurde  als  Grund  für  die  Einziehung 
des  Friedhofes  angegeben.    Aber  diese  Willkür  wurde  in 
gebührender  Weise  beseitigt.     „.  .  .  .  Liebe,  getreue  .... 
indem  nun  Euch  Keineswegs  zugestanden  die  Juden  ihres 
Besitzes  zu  entsetzen,  als  wird   euch  dieses  eigenmäch- 
tige Vorgehen   nicht   nur  verwissen,   sondern  auch  ggst 
befohlen,  die  Verpfachtung  des  Kirchhoffs  angesicht  dieses 
aufzuheben,  den  Kirchhoff  in  Vorigen  standt  zu  stellen, 
die  Juden  am  Begräbnüss  ihrer  leichen  auf  den  bisherigen 
platz   ferner   nicht   zu  behindern,   wegen    Tieferer  Ein- 
senkung  deren  leichen  nach   ermessen   dortigen  medici 
das   nOthige  zu  Verordnen  und  sorge  zu   Tragen,  dass 
die  Juden  bei  ihren  leichen  Vom  pöbel  ferner  nicht  beein- 
trächtigt werden,  wobei  wir  euch  zugleich  in  die  diesert- 
wegen  aufgegangene  Kosten  fällig  erteilen.''    In  Gürze- 
nich  wurde  den  Juden  von  dem  Inhaber  der  Unterherr- 
schaft Tit-Grafen   von  Schellardt  nicht  gestattet,  Grab- 
steine zu  setzen;  in  Waldeniel,  wo  den  Juden  von  der 
Regierung  ein  beliebig  grosser  Waldcomplex  als  Begräb- 
nissstätte  eigenthümlich  angewiesen  war,   nur  mit  dem 
Vorbehalt,  dass  der  Holzbestand  Eigenthum  der  Domäne 
bleiben  sollte,  wurde   von   dem  Amtsvogt   der   Versuch 
gemacht,  dieses  Besitzrecht  dadurch  illusorisch  zu  machen, 
dass  die  Bäume  nicht  nur  abgeschnitten,   sondern,   dass 
auch   die  Wurzeln  ohne  Rücksicht   auf  die  Gräber  aus- 
gerodet und  letztere   auf  diese  Weise   zerstört  wurden. 
Die  Eingabe   der  Vorginger  führte   zu   Verhandlungen, 
die  sich  viele  Jahre  lang  hinzogen.  Die  Vorgänger  traten 
energisch  und  beharrlich  für  die  Rechte  ihrer  Glaubens- 
genossen ein  und  fanden  bereitwillige  und  kräftige  Unter- 
stQtzung  bei  den  Behörden.    Es  liessen  sich  Bände  füllen 
von    den  Eingaben   und   Beschwerden,   welche  die  Vor- 
gAnger   an   die  Behörden  richten  mussten,   mit  den   Be- 
richten,  die  einzuliefern  waren  und  mit  den  Excessen  der 


168  Oewhiehfe  der  jMiaehen  Gemeinde  Dfleeeidatfe* 

Behörden,  durch  die  sie  veruraacht  wareu.  Wir  mOssen  uns 
jedoch  auf  die  angefahrten  einzelnen  Fälle  beschrftnken. 
Nur  aus  dem  Gebiete  der  Criminalrechtspflege  sei  hier 
noch  Einiges  erwähnt,  weil  es  für  die  Beurtheilung  der 
Competenz  der  Gerichte  resp.  Amts-Vögte  wichtig  ist 
„An  amtMan  ambt  Bergheim  12.  Mertz  1782/^  unsem 
ggsten  gruss  zuVor,  wohlgebohrener,  lieber  getreuer,  auf 
bey  Verwahrte  Vom  schutzJuden  Gabriel  Joseph  Von 
Elstorit  wider  Sallomon  Pesmann  Von  Kerpen  ttbergebene 
imploration  befehlen  euch  ggst  den  Supplicanten  ange- 
sicht  dieses  lossZulassen  und  auch  zu  Verantworten,  dass 
denselben  ohne  ggsten  Befehl  in  arrest  geZogen  habt" 
Interessant  ist  auch  folgender  Erlass  d.  d.  11.  April  1782 

,,an  Einhaberen  der  unter  Herrschaft  Tetz getreuer, 

M^essen  sich  bey  hiesigem  unsern  Hof^ath  der  Vorgänger 
der  gulichen  Judenschaft  Med.  Dr.  Hoyser  Levi,  wider 
euch  zur  Sachen  flsci  wider  Juden  Abraham  untbgst  be- 
schweret, geben  wir  Euch  aus  der  abschriftlichen  Anlage 
des  mehreren  mit  dem  ggsten  Befehl  zu  entnehmen,  dass 
ihr  über  die  wahre  beschaff^nheit  des  gefängnOs  inner 
dreyen  tagen  nach  empfangung  dieses  umständlich  anhero 
untbgst  berichten  und  bey  angegebener  Bewandtnus,  den 
beschuldigten  Juden  Abraham  Von  solch  gesätzwiedrig 
eingerichteten  gefängnüs  soforth  abführen,  und  in  ein 
anderes  dem  menschlichen  Körper  Unschädliches  behalt- 
nüs  hinbringen  lassen,  woh  wiedrigens  bei  dessen  ent- 
stehung  auf  Ewere  Kosten  einem  nächst  anschliessendem 
Uuterherrschaftlichen  beambten  die  einnahm  des  Augen- 
scheins ab  diesem  gefängnOs  so  wohl  als  Zur  VorKehr 
der  gemessenen  abhttlfsmittellen  ggst  aufgetragen  werden 
soll."  Besonderes  Interesse  verdient  noch  ein  Erlass  aus 
kurfttrstl.  sonderbahrem  ggsten  befehl  an  den  Stattschult- 
heissen  von  Gulich  insofern,  als  er  die  gerade  jetzt  viel- 
fach behandelte  Entschädigungspflicht  der  Behörde  für 
unschuldig  verhaftete  Personen  anerkennt.  Derselbe  be- 
stimmt nämlich,  zwei  des  Diebstahls  bezichtigte  Juden 
aus  der  Haft  zu  entlassen,  ihnen  ihren  Pass  und  ihr  Geld 
wiederzugeben  und  ausserdem  2  Kronenthaler  „zu  Reise- 
geld^'  und  einiger  Genugthuung.^' 

Auch  zu  diplomatischen  Verhandlungen  zwichen  der 
jQlich-bergischen  und  der  Kgl.  preussischen  Regierung 
gab  eine  Eingabe  der  Vorgängerschaft  bezüglich  des 
Grenzverkehrs  der  jOlieh-bergischen  Judenschaft  Ver- 
anlassung. Durch  Verfügung  vom  12.  xber  1780  hatte 
nämlich  die  KgL  preussiscbe  Regierung  bestinunt,  dass 
Juden  die  Kgl.  Staaten  nur  unter  der  B^ingung  betreten 
und   bereisen  durften,   dass  sie  von  ihrer  betreffenden 


Otst^iekte  ier  jüdischen  Gemeinde  DHaeMotf»,  l<i9 

Landesregierung  mit  Handels-Concession  versehen  oder 
einen  Besitz  von  50  Thlrn.  baar  aufweisen  könnten  und 
gegen  die  entsprechende  Gebühr  einen  Passirschein  lösten. 
Hierdurch    wurden    die    in    den    Grenzorten    SQchteln, 
DQlken  etc.  wohnenden  Schut^uden  in  ihren  Handels- 
geschäften, welche  sie  seit  vielen  Jahren  in  den  Herzog- 
thttmern  betrieben  hatten,  wesentlich  beschränkt,  da  sie 
ihre  geringen  Mittel  im  Geschäfte  mussten  cursiren  lassen 
und  nicht  immer  einen  Baar-Vorrath  von  50  Thlrn.  aufzu- 
weisen hatten.     Dazu   kam  noch,   dass  ihren  Knechten, 
die  sie  zur  Abholung  resp.  Einbringung  ihrer  Waaren  über 
die  Grenze  schicken  mussten,  häufig  eine  solche  Summe 
nicht  anvertraut  werden  konnte.     Auch   fiel   ihnen   bei 
dem   geringen   Gewinn   ihrer  Handelsgeschäfte   die  Er- 
legung der  Gebühr  fOr  einen  Passirschein  sehr  schwer. 
Da  nun  die  Kgl.  preussischen  Unterthanen  ohne  Unter- 
schied in   den   Herzogthümern  vollkommenste  Handels- 
freiheit genossen,   so  verlangte  die  bergiscbe  Regierung 
für   ihre  Unterthanen  das  gleiche  Recht.     Es  empfehle 
sich  allerdings,  fremde,  landesschädliche  Betteljuden  von 
der  Grenze  abzuweisen;  aber  dies  treffe  die  mit  „ordent- 
liche glaidspatenteu^  versehenen  jülich-bergischen  Juden 
nichts  „da  nur  die  im  lande  gebohrenen  oder  in  hiesigen 
familien  Verheiratheten  Juden,  und  zwahren  jene,  welche 
einiges  Vermögen   besitzen,    patentisieret   werden.   Von 
welchen  dero  seitigen  landen   nicht  die  mindeste  gefahr 
noch    ungemach   zu    beförchten   haben,    Vielmehr    der 
nahrungsstand  beiderseitiger  unterthanen  befördert  wird. 
Wir   ersuchen   solchem   nach    unsern   freuüdnachbarlich 
entweder  diesseitig  vergleideten  Schutz  Juden  die  Vor- 
herige  handelungs   freyheit  in   dasigem  Herzogthum  zu 
gestatten,   oder  eine  günstige  erklärung  oben  erwähnter 
Verordnung  allerhöchstenorts  zu  gesinnen  und  über  den 
erfolg  uns  beliebend  zu  benachrichtigen.^    Hierauf  erging 
die  Kgl.  allerhöchste  Resolution,  dass  die  jülich-bergischen 
Schutzjuden  nach  wie  vor  in  den  preussischen  Provinzen 
ein-  und  durchpassiren   könnten,   dass  aber  diejenigen, 
welche  dort  Handel  treiben  wollten,   nach  preussischem 
Verfahren   von  den  preussischen  Behörden  die  erforder- 
liche Concession  nachsuchen  und  bezahlen  mussten.    Zu- 
folge  dieses  Bescheides  befahl  die  „kurfällzische  Regie- 
nmg<*,   „nachdem  unsern  schütz  Juden,  sonderlich  jenen 
in    dasigem  Amt   (Bruggen)   wohnenden,   die   betreibung 
ihres  handeis  im  Herzogthum  Geldern  Kgl.  Preussischen 
anteils  ungeachtet  aller  Vorstellung  erschwehret  wird,  so 
befehlen  auch  ggst  die  Juden  aus  denen  Preussisch-Geldri- 
sehen   auf  Vorzeigung  ihrer  schütz  Patenten  zwar  pas- 


170  GeBchichte  der  jUdiselien  Gemeinde  DüeeeHdarfe* 

siren  zu  lassen ,  den  Handel  aber  in  hiesigen  Landen  zu 
Verbieten,  bis  sie  von  hier  aus  erlaubnissscheine  ausge- 
bracht haben." 

Mit  derselben  Energie  und  Bereitwilligkeit  schützte 
und  unterstützte  die  Regierung  in  Ausübung  seiner  Rechte 

und  Pflichten  den 

Rabbiner. 

Dieser  war  nicht  nur  das   synagogale   Oberhaupt, 
sondern  auch  der  erstinstanzliche  Richter  in  allen  zwischen 
Juden  schwebenden  Angelegenheiten,  insofern  sie  nicht 
criminalrechtlicher  Natur  waren.  Auch  über  Beschwerden 
gegen  die  Ober -Vorgänger  resp.  den  Vorstand  hatte  er 
zu  erkennen:  Das  Amt  eines  Rabbiners  war  bei  der  Viel- 
seitigkeit seiner  Pflichten  ein  sehr  anstrengendes,  erfor- 
derte reiches  Wissen  und  vor  Allem  ein  unbedingtes  Ver- 
trauen  seitens  der  ihm  unterstellten  Gemeinden.     Dass 
dieses  durch  die  richterliche  Wirksamkeit  bezüglich  seiner 
geistlichen  Lehrthätigkeit  nicht  erschüttert  wurde,   dass 
vielmehr  die  doppelseitige  Eigenschaft  des  Rabbiners  nui* 
dazu  beitrug,  die  Ehrfurcht  und  die  Liebe  der  Gemeinden 
zu  steigern,   ehrt  beide  in   gleicher  Weise  und  ist   ein 
Zeugniss  nicht  nur  für  die  weise  Mässigung,  die  Umsicht, 
Gelehrsamkeit  und  Gerechtigkeit  des  Rabbiners,  sondern 
auch  für  den  friedlichen  und  rechtlichen  Sinn  der  Oe- 
meindemitglieder,  welche  es  dem  Rabbiner  nicht  entgelten 
liessen,  wenn  sie  in  einem  Rechtsstreite  unterlegen  waren, 
da  sie  vor  seinem  Richterstuhl  nicht  erschienen,  um  den 
Process  zu  gewinnen,  sondern  in  gleichem  Grade  von  dem 
Wunsche   beseelt   waren,    je   nach   der   gefällten    Ent- 
scheidung, sich  eines  unrechtmässigen  Besitzes  zu  ent- 
äussern oder  den  Beschädigten  zu  entschädigen.      Eline 
Appellation  gegen  Anordnungen   des  Vorstandes  sowohl 
wie  gegen   das  Urtheil  des  Rabbiners  war  sehr  selten. 
Dieselbe   war  durch   Churfürstl.  Befehl  vom  21.  Januar 
1783  genau  geregelt. 

Serenissimus  Elector. 
Nachdem  Se.  Churfürstl.  Gn.  mit  ggstem  Rescript 
vom  31.  Aug.  nächsthin  ggst.  verordnet  haben,  dass  da 
die  Juden  in  allen  unter  sich  vornehmenden  Handlangen 
lediglich  nach  ihren  Mosaischen  Gesetzen  und  Gewohn- 
heiten sich  zu  betragen  schuldig,  folglich  denen  in  der 
Kristenheit  üblichen  Bräuchen,  oder  allgemeinen  bürger- 
lichen Rechten  um  so  weniger  unterworfen  als  ihre  Privat 
Satzungen  und  Gebräuchen  den  kristlichen  Richtern  un- 
bekannt, mithin  lediglich  von  denen  zu  ihren  Obern 
erwählten  Rabiner,  auf  welche  sie  ihrer  Religion  gemtes 
das  einzige  Zutrauen  haben,  zu  entscheiden  sind,    und 


GeBchiehte  der  jMimihen  Otmemd§  DüMMorfa.  171 

denn  Hochstbes.  8r.  Churfürstl.  Gn.  ggst  nicht  gemeint 
sind^  von  diesem  Herkommen  abzugehen  ^  und  in  der- 
gleichen Fällen  die  Berufung  an  die  christlichen  Gerichts- 
stellen zu  ziehen,  gleichwohlen  aber  auch,  um  den  besorg- 
lichen Misbrauch,  dass  wann  Jeder  streitende  Parthie, 
nach  erfolgtem  ungünstigem  Urtheil  an  einen  andern 
R  ab  in  er  unbeschränkt  gestaltet  bleiben  sollte,  dergleichen 
Prozessen  in  der  Unendliche  gezogen  werden  könnten, 
ggst  wollen,  dass  auf  dem  Falle,  wo  gegen  den  Ausspruch 
des  LandRabiners  von  dem  unterliegenden  Theil,  an 
einen  andern  unparthey sehen  provocirt,  von  diesem 
aber  das  erste  Erkenntnis  reformirt  wird,  kein  weiterer 
Absprung  gestattet,  sondern  von  beiden  streiten- 
den Theilen  auf  einen  dritten  unpartheyschen 
Rabiner  compromittirt,  so  hin  dessen  fällende 
Entscheidung  ohne  mindeste  weitere  Beruffung  voll- 
strecket werden  solle,  als  wird  denen  Vorsteher  und  Vor- 
gänger der  G.  und  Bergische  Judenschaft  zu  ihrer  und 
des  LandRabiners  Verbescheidung  ein  und  anderes  ggst 
unverhalten.    Düsseldorf  den  21  Jenner  1783. 

Aus  Ihre  ChurfOrstl.  ggst  Befehl 
C.  G.  von  Nesselrode. 

An  Vorgänger  und  Vorst.  der  G.  u.  B.  Judenschaft. 

Allerdings  waren  die  Gesichtspunkte,  von  denen  man 
bei  Regelung  der  Rechtsverhältnisse  ausging,  ebenso 
eigenthümlich  und  eng  begrenzt,  als  es  bei  der  ganzen 
den  jüdischen  Gemeinden  gegebenen  Verfassung  der  Fall 
war.i)  Aber  unter  solchen  Umständen  mussten  es  die 
Juden  immerhin  als  ein  grosses  Glück  betrachten,  dass 
ihre  Rechtsverhältnisse  genau  bestimmt  waren,  und  bei 
der  meistens  vorherrschenden  falschen  Beurtheilung  ihrer 
Religionsgesetze,  ihrer  Sitten  und  Sittlichkeit,  und  der 
sich  daraus  ergebenden  Gesinnung  gegen  sie,  wurden  sie 
durch  die  ihnen  anheim  gegebene  Jurisdiction  vor  vielen 
Kränkungen  und  Beeinträchtigungen  ihrer  Rechte  bewahrt. 
Denn  trotz  der  bündigsten  Vorschriften  der  Geleits- 
Concession  und  späterer  Erlasse  wurde  von  den  Behörden, 
selbst  von  den  Gerichten  gar  häufig  der  Versuch  gemacht, 
den  Rabbiner  in  Ausübung  der  Jurisdiction  zu  beschrän- 
ken. Allerdings  hatte  §  8  der  Geleits-Concession,  welcher 
von  der  Gerichtsbarkeit  des  Rabbiners  handelt,  eine  Un- 
klarheit gelassen. 

Derselbe  lautet:  „Wann  zwischen  Jude  und  Juden 
Differentien,  ausserhalb  Criminalsachen,  es  sey  heirats, 

0  Vergl.  hierüber  Presset,  Die  Zerstreuung  des  Volkes  Israel. 
Berlin  1888.    H.  Reuter's  Verlag.    Zweites  Heft  S.  87  fg. 


172  G€9ekieki$  der  jnditehen  Gemeinde  DüeseldoffB* 

oder  das  Jüdische  Ceremoniel  betreffende  Vorfallenheiten, 
sich  ereignen  sollen,  solche  von  den  gemeinde- Judenschafts- 
rabineren  decidiret  und  ausgemacht  werden,  doch  auch 
demjenigen  Von  beiden  Theilen,  so  mit  solcher  entschei- 
dung   graviert   zu   seyn   Vermeinen   würde,    zu   einem 
andern  unpartheyischen  Rabiner  zu  provocieren  und  ab- 
zuberufen, auch  daselbst  die  sache  zum  Schlüsse  prose- 
quiren  freistehen.'^    Aus  dem  Wortlaut  dieses  Paragraphen 
ging  deutlich   allerdings   nur  hervor,   dass  die  Compe- 
tenz  des  Rabbiners  sich  auf  rituelle   und   ceremonielle 
Fragen  erstrecke.     Zweifelhaft    blieb    nach    demselben 
dagegen    seine    Competenz    für    civilrechtliche    Fragen. 
Diese    wurden    nun   durch    die    Ober -Vorgänger   durch 
Gesuch    d.   d.    18.   Januar    1780    bei    einem    concreten 
Rechtshandel  zum  Austrag  gebracht.    Ein  gewisser  Ben- 
jamin Michael  zu  Mülheim  a.  d.  Ruhr  hatte  nämlich  in 
einem  zwischen    ihm   und  seinem   Bruder  bestehenden 
Rechtsstreit,  der  schon  beim  Rabbiner  anhängig  gemacht 
worden  war,  die  Entscheidung  bei  dem  Amtsgericht  in 
Broich  nachgesucht,  unter  dem  Verwände,  dass  nur  Cere- 
monialsachen    der    Entscheidung    durch    den    Rabbiner 
unterständen,  dass  aber  Schuldforderungen  vor  die  ordent- 
liche Gerichtsbarkeit  gehören.    Thatsächlich  hatte  auch 
das  Amtsgericht  hi  Broich  d.  d.  30.  X^  1779  folgenden 
Befehl  erlassen:    „Nachdem  Benjamin  Michael  anzeiget 
wass  massen   er  ad   instantiam  seines  Bruders  Samuel 
Michael  vor  dem  Landi'abbiner  citiert  worden,  die  zwischen 
beiden  teilen  obschwebende  Irrung   aber  Kein  Jüdische 
Ceremoniel  sondern  eine  schuldSache  betrifft,  worinnen 
dem  Rabiner  Keine  Jurisdiction  gestattet  werden  Kann, 
als  wird  dem  Benjamin  Michael  verbotten  sich  bey  dem 
Rabiner  zu  sistiren,    sondern   beide   teilen    sollen    dem 
alschon  erteilten  Decreto  zu  folgen  bey  dahiesiger  Kanzley 
in  primo  post  ferios  erscheinen.^    Gegen  diesen  gericht- 
lichen  Befehl    erhoben    die   Vorsteher    der  Judenschaft 
Beschwerde  und  baten,  „dieses  Decretum  inhibitorium  de 
piano  wieder  einzuziehen  und  den  Benjamin  Michael   zu 
unserm  Oberlar.i-Rabiner  als  dem  bisherigen  Richter  zu 
hin  verweisen  paenaliter  zu  verordnen.^   Es  wurde  hierbei 
auf  mehrere  Beispiele  in  Sintzig,  Mülheim  am  Rhein  aus 
früheren  Jahren  hingewiesen  und  die  speciflcirte  Anfüh- 
rung der  ergangenen  ^^churfürstl.  Verordnungen  in   Aus- 
sicht gestellt,  ;,wann  uns  die  Judenschafftliche  Litteralien 
des  Verlebten  Vorgängers  Hörn  extradiert  wären.^     Ins- 
besondere  wurde   aber  auf  einen   solchen   bestrittenen, 
zu  ihren  Gunsten  entschiedenen  Fall  rekurrirt.    ^GemAss 
dem  8^  articul  der  ggsten  Vergleitungs-Concession   ist 


Ge9ehieki$  der  jüdhekmi  Qtmmnde  DOsBeUhrfs.  173 

unserer  GOlicher  Ober  Land  Rabbiner  in  causis  quibus- 
cunque  exceptis  criminalibus  der  Competent-Richter, 
wann  zwischen  Juden  unter  sich  RechtsstreittigEeitten  en^ 
stehen.  Aus  dieser  Zuständigkeit  hat  derselb  inhalts  der 
Nebenlag  den  schutzJuden  Pinis  Heinsberg  in  Heinsberg 
schuldig  erklärt  der  Wä[  Heve  in  Bergheim  85  Rthlr. 
wegen  rQckständig  Kostgeld  zu  entrichten  und  ihn,  weilen 
mehreren  desfals  erlassenen  Decretis  Keine  Folge  ge- 
leistet worden,  in  eine  Bracht  von  5  Rthlr.  fällig  erteilt. 
Gleichwie  nun  aber  der  condemnatus  nach  wie  vor  con- 
tumax  bleibt,  und  in  solchem  Fall  die  Ordnung  verheisset, 
dass  bei  Ew.  Kurfstl.  Durchl.  wir  um  die  Gerichtsbarkeit 
des  Rabiners  zu  handhaben  pro  decemendo  executione 
untthgst  implorieren. 

So  Bitten  unthgst,  dass  hOchstdieselben  an  Beambte 
zu  Heinsberg  gestatte,  dass  vorbenannten  Pinnes  Heins- 
berg zur  entrichtigung  der  85  Rthlr.  Kostgelder  sowol 
als  abtragung  der  Bruch  t  executive  vermögen  sollen,  die 
gemessene  Verordnung  zu  erteilen  ggdst  geruhen  wollen.^ 
Allerdings  sind  die  Fälle  nicht  selten,  in  welchen  die 
Vorgänger  die  Jurisdiction  des  Rabbiners  reklamiren 
mussten,  und  dass  ihrem  Wunsche  willfahrt  wurde.  So 
erging  ein  Erlass  d.  d.  31.  Januar  1783  an  schulteis  der 
unter  Herrschaft  Stollberg:  „Lieber  getreuer,  auf  bey 
Verwahrte  Von  Vorgänger  und  Vorsteher  der  gemeinen 
G.  und  Bergischen  Judenschaft  übergeben  e  imploration, 
befehlen  euch  ggst  in  allen  die  Juden  unter  sich  betref- 
fenden düferentien  ausser  den  Kriminal-  und  flscal-Fällen 
dem  Rabiner  die  Erkantnuss  zu  belassen,  die  ungehor- 
samen Juden  zu  derenselben  nachlebung  anzuweisen, 
auch  die  vom  Rabiner  angesetzet  werdenden  Brachten 
zu  Exequiren.*^  Nachdem  die  Sache  zum  Austrag  gebracht 
ww,  bedurfte  es  fOr  die  Folge  in  der  That  nur  einer 
Erinnerung  bei  der  Hofkammer,  um  den  betreffenden 
Einzelfall  in  diesem  Sinne  zu  erledigen;  es  genügte  sogar 
schon  eine  Vorstellung  bei  dem  betr.  Amte,  wie  z.  B.  an 
amts-Verwalter  zu  Brügen  d.  d.  31.  Aug.  1783  ....  Ew. 

HochEdelgebohren  notiz  zu  geben, wie  um  nichts 

billigeres,  als  dass  sie  zufoUg  Ihrer  Kurtürstl.  Durchl.  ims 
ggst  verliehenen  Concession  diese  Sache  von  sich  und 
zur  entscheidung  mehr  gedachten  ober-Rabiners  verweisen, 
so  habe  hierum  namens  unsre  gem.  Judenschaft  unter- 
dienstlich ersuchen  sollen,  wessen  wir  bey  vorfallende 
occasionen  nicht  anstehen  werden  mit  aller  Dienstgeflissen- 
heit  zu  erwidern.^  Nur  ein  Gericht  scheint  trotz  aller 
Befehle  und  ausdrücklichen  kurfürstl.  Verordnungen  sich 
nicht  haben  entschli^Bsen  zu  können,  die  Jurisdiction  des 


174  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düeaeldmfe* 

Rabbiuers  anzuerkennen,   und   trotz  aller  über  dasselbe 
verhängten  Strafen  und  Vermahnungen  darauf  bedacht 
gewesen  zu  sein,   den  Juden  die  Ausübung  ihrer  Rechte 
zu  verkümmern  imd  selbst  Zwiespalt  in  der  Judenschaft 
hervorzurufen  sich  nicht  gescheut  zu  haben.    Es  ist  dieses 
das  bereits   in   einem  ähnlichen  Falle  erwähnte  Gericht 
zu  Broichy  welches  schon  um  deswillen  hier  näher  be- 
handelt werden  muss,  als  sein  Verhalten  den  kurfürstl. 
Befehlen  gegenüber  ein  eigenthümliches  Licht  auf  die  ganze 
Verwaltung  und  Gerichtsbarkeit  des  Landes   zu  werfen 
geeignet  ist.    Die  mir  vorliegenden  Acten  beweisen,  dass 
dieses  Gericht  einen  sonst  einfachen  Fall  mehr  als  vier 
Jahre  hinzuhalten  verstanden  hat,  ohne  dass  eine  Ent- 
scheidung getroffen  worden  wäre,  einfach  deswegen,  weil 
es  die  Jurisdiction  des  Rabbiners  nicht  anerkannte.    Am 
6.  Juli    1781  war   dem  Gericht  aufgegeben  worden,    den 
Samuel  Hempel  wider  Wittib  Simon  Cars  und  ihren  Sohn 
Merten  Simon  dem  §  8  der  Geleits-Concession  gemäss  an 
den  Rabbiner  zu  verweisen. 

Am  25.  Juli  1781  wird  dem  Gericht  bei  Vermeidung 
der  „fälligen  erKlährung  in  die  Strafe  von  6  Rthlr."  eine 
nochmalige  Frist  von  acht  Tagen  bestimmt  und  zugleich 
befohlen,  bis  auf  nähere  Verordnung  alles  Verfahren  ein- 
zustellen. 

Am  13.  September  desselben  Jahres  wird  der  Befehl 
wiederholt.     Trotzdem  hatte  das  Gericht  sein  Verfahren 
nicht  nur  nicht  eingestellt,  sondern  seinen  Befehl  executorisch 
ausführen  lassen.     Am  25.  September  desselben  Jahres 
ergeht  der  Befehl   „bei  Vermeydung  von  25  Rthlr.    an- 
gesicht  dieses  zu  geleben  und  auch  zu  verantworten  dass 
ohnangesehen   deren  erlassenen  ggsten  Verordnung   ihr 
declarando  et  exequendo  Verfahren  habt,  mithien  die  von 
Merten  Simon  exequirte   10  Goldgulden  ebener  Massen 
angesicht  dieses  rückzuerstatten   und  wieder  denselben 
mit  fernerem  Verfahren  bey  Vermeidung  vorgen.  BrQcht 
anzuhalten.^      Bezeichnend  entweder  für  die  ernstliche 
Absicht,   den  gewährleisteten  Schutz  zu  gewähren   oder 
für  das  Ansehen  der  kurfürstl.  Regierung  ist  der  Erlass 
vom  4.  Decbr.  1781,  wonach  bei  Vermeidung  „der  würk- 
lichen  fällig  Erklärung  in  die  bedrohete  Straf  von  25  Rthlr. 
nochmalilige  Frist  von  8  Tagen  vorbestimmt  wird.^  Anstatt 
dem  Kurfürsten  zu  gehorchen,   hatte  das  Amt  zu  Broieh 
das  Verbot  in  Civilsachen  vor  dem  Rabbiner  zu  erscheinen 
von  dem  concreten  Fall  vielmehr  auffalle  alda  wohnenden^ 
Juden  ausgedehnt  und  wurde  von  demselben  Tage   auf- 
gefordert, das  Verbot  aufzuheben  und  sich  binnen  14  Ta^en 
zu  verantworten.    Am  19.  Hornung  1782  wird  unter  Ver- 


Guchiehte  der  jfidisehen  Gemeinde  Dilsaeldorfs.  175 

Weisung   auf  die   vorangegangeneu   Befehle   unter  dem 
Vorigen  Präjudiz  nochmahlige  Frist  von  8  Tagen  zu  allem 
überfluss  bestimmt,  und  zugleich  die  Aufhebung  des.  all- 
gemeinen Verbotes  bei  Vermeidung  von  6  Thlr.  Strafe 
nochmals  gefordert.     Da  im  Jahre  1784  die  Sache  noch 
immer  nicht  erledigt  war,  wird  am  28.  Octbr.  binnen 
14  Tagen  Bericht  gefordert,   „wie  weith  es  mit  dieser 
Sache  gekommen.^    V^Tenn  diese  Erlasse  auch  gerade  keine 
Beweise  grosser  Energie  und  grossen  Ansehens  der  kur- 
fürstlichen Regierung  bei  den  Unterbeamten  sind,  so  wird 
man  ihr  wenigstens  nicht  das  Zeugniss  grosser  Geduld 
und  Ausdauer  verweigern  können.    Andererseits  beweisen 
sie,    welche  Unerschrockenheit    und  Beharrlichkeit    die 
Vorgänger  bekunden  mussten,   um  nicht  nur  die  ihren 
Glaubensgenossen    gewährleisteten  Rechte   zu  schützen, 
sondern  überhaupt  das  bedrohte  Recht  zu  wahren.   Dem 
Amte  Broich  gegenüber  war  das  um  so   nothwendiger, 
als  dasselbe  sich  auch  noch  andere  Eingriffe  in  die  den 
Juden  zustehende  Gerichtsbarkeit  erlaubte  und  allerhand 
Händel  unterstützte,  welche  das  bis  dahin  gepflegte  fried- 
liche und  einheitliche  Zusammengehen  der  jülisch-bergischen 
Judenscbaft  zu  zerreissen  geeignet  und  berechnet  waren. 
Bezeichnend  nach   dieser  Richtung  ist   das   in  der 
Synagoge  zu  Broich  im  Jahre  1783  durch  Gerichtsboten 
verkündete  Verbot,  Insinuationen  durch  den  Schulmeister 
zu  bewirken.     Am  12.  Septbr.  1783  muss  die  Regierung 
daher  wieder  den  Befehl  wiederholen,  die  Juden  in  denen 
unter  sichhabendenStreitsachen  ausser  Fiscal-  und  Kriminal- 
Fällen  zum  Rabbiner  zu  verweisen  und  sich  nach  dieser 
Seite  hin  femer  nichts  zu  Schulden  kommen  zu  lassen. 
Es  muss  dies  um  so  mehr  auffallen,  als  der  Kurfürst  am 
23.  Juli  1783  ein  Rescript  erlassen  hatte,  dass  „wann  der 
Ober-Rabiner  hiesiger  Landen  Judenschaft  einen  Juden 
zu  erscheinen  nötig  findet,   derselbe  solches  zwar  durch 
den  jüdischen   Schulmeister   fernerhin   bewirken 
lassen  möge,  hingegen  jedesmal  den  vorgesetzten  christ- 
lichen Richter  dessen  benachrichtigen,  widrigenfalls  aber 
der  citirte  Jud  zu  erscheinen  nicht  schuldig  seyn  solle.  ^ 
Am  23.  Novbr.  1784  muss  das  Amt  Broich  aufgefordert 
werden,  die  Vorgänger  bei  Eintreibung  des  schuldigen 
Tributes  zu  unterstützen.     An  Widerwärtigkeiten   fehlte 
es  also  den  Vorgängern  und  dem  Rabbiner  keineswegs. 
Um  so  erfreulicher  war  es,  dass  die  Gemeinden  selbst 
bemüht  waren,  alles  zu  vermeiden,  was  denselben  ihr 
Amt  zu  erschweren  geeignet  war.    Willig  fügte  man  sich 
im  Kreise  der  Judenschaft  selbst   der  Anordnung  ihrer 
nächsten  Vorgesetzten  und  nur  höchst  selten  wurden  die 


17Ü  Oesekichie  der  jüditehtn  Omneüide  DüMeldarfe. 

Judencommissare  gegen  Anordnungen  derselben  angerufen. 
In  solchen  Fällen  hatte  zunächst  der  Rabbiner  zu  ent- 
scheiden. „Auf  bey  verwahrt  Juden  Samuel  Isaac  zu 
Wartenscheid  wider  Vorgänger  der  Gülich  und  bergischen 
Judenschaft  übergeben  Unthggste  anzeig  wird  dem  Ober- 
Rabiner  ggst  befohlen,  Supplicanten  schleunig  und  un- 
partheüsche  Justitz  angedeyhen  zu  lassen:  Düsseldorf  4^ 
Septbr.  1783.  Der  damalige  Land-Rabbiner  Loeb  Aaron 
Scheyer  fordert  daher  die  Herren  Vorateher  auf,  einen 
oder  zwei  aus  ihrer  Mitte  mit  einer  vollkommenen  Voll- 
macht zu  versehen,  damit  diese  binnen  15  Tagen  mit  dem 
Kläger  vor  ihm  erschienen,  um  ihre  Zwistigkeiten  „nach 
dem  Getz  Moyses  auszumachen.  Es  komme  auf  sie  der 
Segen  Gottes.** 

In  der  Regel  entschied  der  Rabbiner  allein,  ohne 
Beisitzer.  Indes  war  es  ihm  anheimgestellt,  aus  der  Mitte 
der  Vorsteher  sich  einen  oder  zwei  Beisitzer  als  Gut- 
achter zu  wählen.  Eine  Verfügung  der  Regierung,  welche 
die  Beisitzer  als  obligatorisch  einführen  wollte,  veran- 
lasste am  10.  Septbr.  1781  eine  Petition  von  15  damals 
in  Düsseldorf  wohnenden  jüdischen  Familienvätern  (dar- 
unter Dr.  med.  G.  von  Gteldem)  dahin  gehend,  „dass  es 
dahier  niemahlen  Gebrauch  gewesen,  dem  Ober-Land- 
rabbiner in  process-Sachen  beysitzern  zu  geben;  auch 
befindet  sich  unter  sämmtliche  hiesige  Judenschaft  niemand 
im  stand,  ein  solches  Amt  zu  vertretten,  weilen  Keiner  so 
weit  studiert  hat,  um  ein  rechtsspruch  urteilen  zu  können.** 

Handelsbücher  oder  Berechnungen  und  dergleichen 
untersuchen  zu  helfen,  werden  dem  Rabbiner  wohl  von 
jeder  Parthey,  so  im  Process  verwickelt,  ein  Handelsmann 
als  Beysitzer  zugegeben,  allein  solche  beysitzeren  darfen 
keineswegs  im  rechtsspruch  sich  bekümmern,  und  weilen 
wir  bis  dahin  nichts  als  gutes  und  lobliches  von  unserem 
Ober-Rabbiner  (Scheuer)  zu  sagen  wissen,  so  gelanget  an 
einer  hochlöblichen  Regierung  unsere  unterthänigste  bitte, 
solches  in  gnädigster  betrachtung  zu  ziehen,  damit  keine 
neuen  hier  noch  ni^.  gewesene  beysitzersämter  eingeführt 
werden." 

Zur  besseren  Wahrnehmung  der  Rechtssprechung 
sollte  der  Rabbiner,  der  seinen  Sitz  in  Düsseldorf  hatte, 
nach  einem  Beschlüsse  der  General -Versammlung  vom 
Jahre  1737,  der  dann  immer  wiederholt  wurde,  im  Interesse 
der  etwas  entfernter  wohnenden  Juden  in  der  Provinz 
Gülich,  aUjährlich  in  Düren  oder  Jülich  —  je  nach  Wahl 
der  Vorgänger  —  eine  Inspection  der  Gemeindeangele^en- 
heiten  vornehmen  und  etwaige  Streitigkeiten  schlichten, 
welche  wegen  der  grossen  Entfernung  vom  Sitze    des 


Oesehickte  der  jüdi^ehen  Gemeinde  Düaaeldorfe,  177 

Rabbinats  oder  wegen  der  grösseren  Kosten  von  den 
Parteien  nicht  zum  Austrag  gebracht  worden  waren  und 
deren  Verzögerung  den  Streit  zu  erweitern  und  den  Frieden 
in  den  Gemeinden  zu  untergraben  drohten.  Das  Gehalt, 
das  früher  50  Gulden  lUieinisch  pro  Jahr  betrug,  wurde 
mit  Rücksicht  auf  diese  dem  Rabbiner  neu  auferlegte 
Verpflichtung  auf  100  Gulden  Rheinisch  erhöht,  zahlbar 
in  halbjährlichen  Raten.  Ausserdem  bezog  der  Rabbiner 
für  jeden  Verlobungsakt  1  Thlr.,  fOr  jede  Trauung  1  Gold- 
gulden, fUr  jede  von  ihm  auszustellende  Urkunde  1 V2  ^^d., 
tUr  die  Prüfung  eines  Schächters  IV2  Thlr.,  für  eine 
Wiederholungsprüfung  IV2  Gld.,  für  jedes  Zeugenverhör 
6  GM.,  für  jede  Vorladung  V2  GW.,  für  ein  Urtheil  1 0/^ 
des  Betrages,  mindestens  aber  1  Rthlr.  Die  Schreib- 
gebühren hatte  der  Rabbiner  zu  tragen. 

Ausser   den    genannten  Funktionen  hatte   aber  der 
Rabbiner,  und  zwar  vorzüglich,  die  gesammten  religiösen 
Interessen  der  Gemeinde  zu  fördern  und  zu  überwachen. 
Er  sollte,  wie  es  in  der  Vocation  heisst,  von  seinem  Lehr- 
und  Richterstuhle  aus   die  Mitglieder  seiner  Gemeinden 
belehren  über  den  Weg,  den  sie  einschlagen,  über  den 
Lebenswandel,  den  sie  führen  sollen,  um  das  ewige  Leben 
zu  gewinnen^  er  sollte  femer  den  Unterricht  überwachen 
und  an  Sabbat,  Neumond  und  Festen  in   schönen,  an- 
ziehenden Predigten  oder  Lehrvorträgen  geläuterte  Wahr- 
heit lehren.    Ausser  diesen   Vorträgen,    welche   in   der 
Synagoge  stattfanden,  wurden  von  ihm  in  seinem  Hause 
oder  in  den  Versammlungen  religiöser  Vereinigungen  täg- 
lich noch  andere  belehrende  Vorträge  über  die  fünf  Bücher 
Mosis,  Propheten  und  Psalmen,  über  die  religionsphilo- 
sophischen Werke  des  Maimonides  (Führer  der  Verirrten), 
des  Jehudah  ha-Levi  (Eusari),  des  Joseph  Albo  (Jkarim), 
Saadiah  (Emunot  we  deot)  u.  a.  m.,  besonders  auch  über 
talmudische  Materien  gehalten.    Für  die  Mitglieder  der 
spater  noch  zu  behandelnden  Bruderschaften  oder  Ver- 
einigungen für  religiöse  und  wohlthätige  Zwecke  war  der 
Besuch  bei  Vermeidung  verhältnissmässiger  hoher  Geld- 
strafen obligatorisch.   Aber  bei  dem  allgemeinen  Drange 
der    Juden   nach  Eenntniss    ihrer  Religionsquellen    und 
nach  allgemeiner  Bildung,  welcher  diese  Vereinigungen 
eben   hervorgerufen   hatte,    bedurfte   es   dieser  Strafen 
nicht.    Vielmehr  fanden  sie  in  diesen  Vorträgen  gleich- 
zeitig Ersatz  für  so  viele  andere  Freuden  des  Lebens,  die 
ihnen  veraagt  waren,  Trost  und  Erhebung  in  den  Leiden, 
Muth  und  Hoffhung  für  die  Zukunft  und  ein  Mittel  zur 
Hebung  ihrer  Geisteskräfte,  deren  Bethätigung  im  Staats- 
leben   ihnen    mit   wenigen    Ausnahmen    verwehrt    war. 

12  .  I 


178  Geschichte  der  jüdiselitn  Gemeinde  DünMoffs, 

Andererseits  erweckten  dieselben  einen  tiet^eligiösen, 
wahrhaft  geläuterten  Sinn  und  ein  ideales  Streben  und 
knüpften  ein  inniges  Band  zwischen  dem  Rabbiner  und 
den  Qemeindemitgliedern^  denen  derselbe  ein  wahrhafter, 
vertrauter  Freund  und  Berather  wurde  in  allen  Lebens- 
lagen, sowohl  im  Privatleben  der  einzelnen  Familien,  als 
auch  in  den  Angelegenheiten  der  Gemeinde,  welche  keinen 
Beschluss  fasste,  ohne  dass  der  Rabbiner  Gelegenheit  ge- 
funden hätte,  seine  Meinung  über  die  schwebenden  Fragen 
zu  äussern  und  zu  verfechten.  Sein  Haus  war  ein  zu  jeder 
Zeit  geöffneter  Zufluchtsort  für  Arme  und  Bedrängte  und 
überhaupt  der  Mittelpunkt  der  Gemeinde  in  allen  ihren 
Lebensäusserungen,  und  die  langjährige  Amtsthätigkeit 
der  einzelnen  Rabbiner  knüpfte  zwischen  der  Gemeinde 
und  ihrem  Lehrer  ein  immer  engeres  Band,  und  noch 
heute  wird  ihnen  ein  dankbares  Andenken  bewahrt. 

Die    in    vorstehender    Schilderung    dargelegte    Ver- 
fassung  der   gülich  -  bergischen   Judenschaft   wurde   mit 
einem  Schlage  beseitigt  durch  Eintritt  der  französischen 
Fremdherrschaft  im  Jahre   1807/8,  durch  Errichtung  des 
Grossherzogthums   Berg   und   die   Einführung   des   Code 
Napoleon    in    diesem    Landestheil    zufolge    Kaiserlichen 
Deere tes  vom  12.  November  1809,   und  durch  die  nach 
Anhörung  des  1806/7  von  Napoleon  in  Paris  zusammen- 
berufenen  jüdischen  Synhedriums  und  des  darauffolgenden 
jüdischen  Parlaments  1)  geschafl'ene  Consistorial  -  Ordnung 
vom  17.  März  1808.  Zufolge  dieser  wurden  3  jüdische  Con- 
sistorialbezirke   Bonn,    Crefeld,    Trier    errichtet.     Indes 
haben  wir  für  die  Geschichte  der  Juden  Düsseldorfs  uns 
zu  beschränken  auf  die 

Terfassung   der  jüdischen    Gemeinde    des    GroAsherzog- 

thums  Berg. 

Diese  konnte  sich  nur  auf  die  synagogalen  und 
rituellen  Verhältnisse  beschränken.  In  bürgerlicher  Be- 
ziehung unterlagen  die  Juden  dieses  LandesÜieiles  fortan 
keinen  besonderen  und  einschränkenden  Bestimmungen 
mehr.  Durch  Decret  der  französischen  National- Versamm- 
lung vom  27.  September  1791  waren  alle  vorher  zum 
Nachtheil  der  Juden  ergangenen  Verordnungen  zunächst 
für  das  linke  Rheinufer  aufgehoben  worden.  Das  Bürger 
recht  wurde  Jedem  beigelegt,  welcher  den  Bürgereid 
leistete,  überhaupt  wurden  die  Rechtsverhältnisse  der 
Juden  denen  der  übrigen  Staatsbürger  völlig  gleichgestellt. 
Diese  Bestimmungen  wurden  durch  die  spätere  Qesetz- 
gebung   (Art.  7    und   8   des   Code  civil)   anerkannt    und 


J)  Vgl   Grätz,  GeHchichte  der  Juden,  Bd.  11,  S.  2<>7  t'gg. 


ilH»"" 


Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düsseldorfs.  179 

bestAtigt.    Die  Juden  waren  demnach  den  übrigen  Staats- 
bürgern gleich  und  nicht  nur  zu  jedem  beliebigen  Ge- 
werbebetrieb und  zur  Acquisition  liegender  Gründe  befugt, 
sondern  auch  zur  Wahrnehmung  öffentlicher  Äemter  für 
geeignet  erklärt.     Selbst  ausländische  Juden  hatten  bei 
Erhebung  des  Bürgerrechts  keine  andere  Verpflichtung 
wie  jeder  Fremde.    Sie  mussten  nämlich   10  Jahre  im 
Lande  wohnen  und  von  dem  Regenten  ein  Naturalisations- 
decret    erwirken.     In  besonderen    Fällen    genügte    der 
Aufenthalt  von   einem  Jahre.     (Art.  3  der  Constitution 
vom  Jahre  8  der  Republik  [1799/1800];  Art.  13  des  Code 
civil;   Gutachten  des  Staatsraths  vom  18./20.  Plairial  im 
Jahre   11;  Beschluss  des  Senats  vom   19.  Februar  1805 
und  Decret  vom  17.  März  1809.)     Für  das  Grossherzog- 
thum  Berg  traten   alle  diese  Bestimmungen  sofort  nach 
der  Errichtung  in  Kraft  und  zwar  ohne  vorhergehende 
gesetzliche  Bestimmung,  factisch  dadurch,  dass  die  Juden 
der  Militärpflicht  und  allen  öffentlichen  Lasten  und  Abgaben 
gleich  allen  andern  Unterthanen  unterworfen  wurden,  wo- 
gegen sie  aber  auch  von  allen  Abgaben,  welche  den  Juden 
besonders  auferlegt  waren,  ausdrücklich  befreit  wurden. 
Ihnen  wurde  gleich  nach  der  Besitzergreif ung  gestattet,  sich 
in  die  Bürgerregister  ihres  bisherigen  Wohnortes  eintragen 
und  sich  Bürgerbriefe  ertheilen  zu  lassen.  Durch  den  Art.  6 
des  Kaiserl.  Decretes  vom  3.  Nov.  1809  wurden  die  Juden 
hinsichtlich  der  Unterstützung  aus  öffentlichen   Armen- 
Anstalten  den  Christen  gleichgesetzt.     Das  Kaiserliche 
Decret  vom   12.   Nov.  1809  führte  im  Grossherzogthum 
Berg   den  Code  Napoleon   ein   und   hob   dadurch   allen 
Unterschied  zwischen  Christen  und  Juden  auf.     Freilich 
hatte  Napoleon  durch  dasselbe  Gesetz  (vom  .30.  Mai  1806), 
durch  welches  er  aus  der  Mitte  der  in  sämmtlichen  seiner 
Gewalt   unterworfenen    Ländern    wohnenden   Juden   ein 
Synhedrion   zur   Beantwortung    der   von    ihm   bezüglich 
ihrer    in    Ansehung    ihres   Verhältnisses    zu    Bekennern 
anderer  Religionen   geltenden    religiösen   Anschauungen 
nach  Paris  zusammenberufen  hatte,   auch  verschiedene 
provisorische  Ausnahmegesetze  für  einen  Theil  der  Juden 
geschaffen  und  diese  Ausnahmen   durch  Gesetz  vom  17. 
MArz  1808  auf  die  Dauer  von  10  Jahren  bestätigt.    Allein 
dieses  Gesetz,  welches  er  selbst  schon  im  April  desselben 
Jahres  zum  Theil  wieder  ausser  Kraft  setzte  i)  und  durch 
bald  darauf  folgende  weitere  Bestimmungen  so  sehr  ein- 
schränkte, dass  es  fast  einer  Aufhebung  des  Gesetzes 
gleichkam,  war  im   Grossherzogthum  Borg  weder 


')  Vgl.  Orätz,  Geschichte  der  Juden,  Bd.  11,  a.  a.  0. 

12* 


180  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düeseldorfe, 

publicirt  Avorden,   noch   zur  Anwendung    gekom- 
men.   Es  muss  dies  um  so  mebr  betont  werden,  als  in 
den  später  preussischerseits  angestellten  Erhebungen  be- 
züglich der  Regelung  der  jüdischen  Gemeinde- Verhältnisse 
mehrfach  darauf  verwiesen  wurde,  obwohl  es  doch  nur 
ein  Beweis  dafür  war,  dass  Napoleon,  welcher  die  Juden 
wiederholt    darüber   beruhigen   liess,   dass  ihre  Gleich- 
stellung keine  Einschränkung  erleiden  werde,  auch  ihnen 
kein  Wort  gehalten.    Er  hatte  alle  Welt  getäuscht  und 
die  Freiheit  überall  unterdrückt,   warum  hätte  er  den 
Juden  Wort  halten  und  ihre  Freiheit  allein  unangetastet 
lassen  sollen?     Durch   dasselbe  Gesetz  war  auch  jene 
schlechte    Consistorial  -  Organisation    geschaffen    worden, 
welche   die   Vertreter  der   Synagoge   zu  Polizeidienem 
herabwürdigte.!)    Die  Juden  des  Grossherzogthums  Berg 
hatten  daher  keine  Veranlassung,  sich  einem  der  3  ge- 
schaffenen Consistorien  Bonn,  Crefeld,  Trier  unterzuordnen. 
Sie  behielten  vielmehr  ihre  bisherige  synagogale  Ordnung 
unter   ihrem    bisherigen    Land  -  Rabbiner    Scheuer    bei. 
Dieser  wurde  auch  von  der  französischen  Regierung  -als 
legitimer  Vertreter  der  Juden  von  Berg  anerkannt.    Der 
amtliche  Verkehr  der  Präfectur  mit  den  Juden  wurde 
durch  L.-R.  Scheuer  vermittelt.     Trotzdem  war  dieser 
der  am  meisten  geschädigte  Theil.    Da  das  Executions- 
recht  für  die  Cultussteuer  durch  die  französische  Besitz- 
ergreifung den  Juden  verloren  gegangen  und  die  Kopfzahl 
des  neuen  Sprengeis  auf  ein  Drittel  des  früheren  Land- 
Rabbinats- Sprengeis  Düsseldorf  herabgegangen  war,    so 
hatte  die  Aufbringung  des  Gehaltes  seine  Schwierigkeit. 
Am  10.  Juli  1809  hatte  sich  Land-Rabbiner  Scheuer  dieser- 
halb  an  das  französische  Ministerium  gewandt.    In  einem 
Schreiben  vom   18.  October  1811  theUte  darauf  der  PrU- 
fect  mit,  dass  „das  hohe  Ministerium  geäussert  habe,  wie 
es  nicht  abzusehen  sei,   dass  die  bergische  Judenschaft 
ihrem  einstweiligen  Rabbiner  ihren  Antheil  am  Gehalt 
vorenthalten  wolle,  und  dass  in  Gemässheit  dieser  Be- 
stimmung   an    den    Juden- Vorstand   nach    vorläufiger 
Untersuchung  über  die  ratirliche  Vertheilung  desGtehalts 
das  Nähere  erlassen  werden  solle".     Diese  Absicht    ist 
jedoch  nicht  ausgeführt  worden.     Denn  seit  Errichtung' 
des  Grossherzogthums  Berg  hat  L.-R.  Scheuer  von   der 
Gemeinde  als  solcher  kein  Gehalt  mehr  bezogen.    Diese 
Härte,  welche  um  so  grösser  war,  als  Scheuer  bei  Er- 
richtung des  Grossherzogthums  Berg  76  Jahre  alt    war 
und  bei  Alt  und  Jung  in  hohem  Ansehen  stand,  lässt  sich 


1)  Grtttz,  Geschichte  der  Juden,  Bd.  11,  S.  902  fgg. 


»•3 


GetehiehU  d^  jüdischen  Gemeinde  Düeaeldarfs.  181 

nur  durch  die  grosse  Verwirrung  erklären,  welcher  die 
jüdische  Gemeinde  von  Berg  nach  der  Einverleibung 
in  die  Königlich  preussische  Monarchie  für  lange  Zeit 
anheimfiel. 

Die  jfldisehe  Gemeinde  des  ehemaligen  Grossherzogthums 
Berg  anter  prenssischer  Herrsehaft. 

Schon  am  30.  Juni  1816  hatte  der  Oberpräsident  der 
Herzogthümer  Jülich,  Cleve  und  Berg  von  den  beiden 
jüdischen  Consistorial- Synagogen  zu  Crefeld  und  Bonn 
und  von  der  Egl.  Regierung  zu  Düsseldorf  für  das  ehe- 
malige Grossherzogthum  Berg  nähere  Aufschlüsse  über 
die  Verfassung  und   die  Familien-  und  Seelenzahl  der 
Juden  in  den  genannten  Bezirken  eingefordert;  um  zweck- 
mässige Vorschläge  für  eine  neue  Feststellung  der  kirch- 
lichen Verhältnisse  der  Juden  im  genannten  Ober-Präsidial- 
bezirk machen  und  danach  bestimmen  zu  können  ^  wie 
bei  der  erfolgten  Vereinigung  beider  Rhein ufer  auch  diese 
Verhältnisse  in  UebereinStimmung  zu  bringen   und   auf 
eine  dem  Wohl  des  Staates  angemessene  Weise  festzu- 
stellen sind.   Auf  Grund  des  durch  das  Kaiserliche  Decret 
vom  17.  März  1808  geschaffenen  Organisationsplanes  der 
jüdischen  Gemeinden ,  nach  welchem  in  jedem  Departe- 
ment;  in  welchem  2000  Juden  und  mehr  wohnten ,  eine 
Synagoge  und  ein  Consistorium  errichtet  werden  sollte^ 
und  mit  Rücksicht  auf  die  bei  der  veränderten  Landes- 
eintheilung  entstandene   Verwickelung    hielt   der   Ober- 
prAsident   eine  Reform  schlechterdings  für  nothwendig. 
Da  die  Anzahl  der  jüdischen  Einwohner  sich  beliefe 

a)  im  Bezirk  der  Egl.  Regierung  zu  Düsseldorf  auf  2905, 

b)  „        „  „       „  ^  n    Cöln  „     1264, 

c)  n  T)  77  TT  „  Ti  Cleve  „  1552 
Seelen  und  somit  beinahe  die  erforderliche  Anzahl  für 
drei  Ober-  oder  Hauptsynagogen  vorhanden  wäre,  so 
grQndete  der  Oberpräsident  hierauf  folgende  Vorschläge : 

1  •  Scheint  es  zweckmässig  zu  sein,  für  jeden  Regierungs- 
bezirk eine  Ober-  oder  Hauptsynagoge  zu  errichten; 

2.  der  Sitz  dieser  Synagoge  konnte  in  die  Hauptstädte 
verlegt  werden,  im  Begierungsbezirk  Düsseldorf  aber 
in  Crefeld  bleiben; 

3.  jeder  Synagoge  wäre  ein  Rabbiner  vorzusetzen,  wovon 

4.  einer  als  Oberrabbiner  die  höheren  Befehle  in.  Voll- 
zug zu  setzen  und  an  die  übrigen  Rabbiner  mitzu- 
theilen  hätte; 

5.  würde  ein  Haupt-Synagogen- Vorstand  für  allgemeine 
Mrichtige  Angelegenheiten  zu  bilden  sein,  wovon  die 


1^2  Geschichte  der  fOdhchen  Oemeinde  DiUieldorfs, 

Rabbiner  Mitglieder  und  der  Oberrabiner  Vorsteher 
wäre. 

Von   diesem   Vorstande    wäre    insbesondere    die 
Prüfung  der  Juden,  welche  sich  dem  Unterricht  der 
Jugend  widmen y  abhängig  zu  machen,  jedoch  hätte 
der  Vorstand  bei  Besetzung  der  Schullehrerstellen 
6.  jedesmal  die  Genehmigung  seines  Vorschlages  von 
der  Provinzialbehörde  einzuholen,  welche  entscheiden 
muss,  ob  unbedingt  oder  erst  nach  vorgängiger  Prü- 
fung die  Anstellung  erfolgen  solle. 
Die  Kgl.  Regierung  zu  Düsseldorf  sollte  sich  über 
diese  Vorschläge  und  gleichzeitig  darüber  äussern,  wie- 
fern es  rathsam  sein  möge,  das  oben  angeführte  Kaiser- 
liche Decrct  beizubehalten,  abzuschaffen  oder  zu  modi- 
ficiren. 

Der  Oberpräsident  ging  bei  diesen  Vorschlägen  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  die  Juden  der  betreifenden 
Landestbeile  in  dem  Besitze  ihrer  jeweiligen  bürgerlichen 
Rechte  verbleiben  sollten.  Seine  Vorschläge  fanden  daher 
kein  Gehör,  da  die  Kgl.  Staatsregierung  ganz  anderer 
Ansicht  war.  Vielmehr  waren  zufolge  der  Verfügung  des 
Ministers  des  Innern  Freiherrn  von  Schuckmann  vom 
7.  Mai  1822  „alle  zu  den  Verrichtungen  bei  den  Geschwonien- 
gerichten  qualificirten  Einwohner  des  Regierungsbezirks 
Düsseldorf,  welche  sich  zum  israelitischen  Glauben  be- 
kennen, aus  den  Generallisten  der  Geschwornen  gestrichen 
worden.  Gegen  diese  Massregel  wurden  nun  die  Vor- 
steher der  israelitischen  Gemeinde  unterm  21.  Juni  1822 
vorstellig. 

„Wie  tief  uns  diese  eben  so  unverdiente  als  über- 
raschende Massregel  gekränkt  hat,  vermögen  wir  Euer 
Excellenz  nicht  durch  Worte  darzustellen ;  wir  sind  durch 
jene  Verfügung  nicht  nur  an  unsren  staatsbürgerlichen 
Rechten  wesentlich  verletzt,  sondern  es  ist  auch  unsre 
bürgerliche  Ehre  der  öffentlichen  Schmach  und  Schande 
Preis  gegeben.  Von  der  Gerechtigkeit  Eurer  Excellenz 
dürfen  wir  es  mit  Recht  erwarten,  dass  in  so  fern  wir 
unsre  eben  aufgestellte  Behauptung  zu  rechtfertigen  ver- 
mögen, auch  von  Hochdenselben  die  vorgedachte  Ver- 
fügung unverzüglich  werde  zurückgenommen  werden; 
wir  beeilen  uns  daher,  zwar  mit  wenigen  Worten,  aber 
mit  klaren  Gesetzen  die  Wahrheit  unsrer  Behauptung  ge- 
horsamst auseinander  zu  setzen  und  zu  belegen. 

Nach  dem  Art.  8  des  bei  uns  geltenden  Civilgesetzes 
soll  jeder  Ein  1  an  der  die  bürgerliche  Rechte  gemessen , 
das  Gesetz  stellt  kein  Unterschied  zwischen  den  Staats- 
bürgern in  Ansehung   der  Religionsverschiedenheit    auf. 


SSP* 


Oeschichte  der  Jüdischen  Gemeinde  DUsseldot'fs.  IKj 

die  Israeliten  sind  eben  so  wenig  als  jeder  andere  Bürger, 
wes  Glaubens  er  sey,  bei  der  Verleihung  der  bürgerlichen 
Rechte  verkürzt  worden. 

Warum  sollten  sie  es  aber  auch  seyn?    Ewig  wahr 
und  unumstösslich  bleiben  die  Worte  des  weisen  Fenelon, 
die  er  an  Jacob  den  3^  von  England,  als  dieser  ihn  in 
Cambray  besuchte,  richtete:    „Nulle  puissance  humaine 
ne  peut  forcer  les  retranchements  inp6n6trables  de  •  la 
libertö  du  Coeur.   La  force  ne  peut  jamais  persuader  les 
hommes ;  eile  ne  fait  que  des  hypocrites.   Quand  les  rois 
ce  mMeut  de  la  religion,  au  lieu  de  la  prot^gcr,   ils  la 
mettent  en  servitude.    Accordez  donc  k  tous  la  liberte 
civile,  non  en  approuvant  tout  comme  indifferent,  mais  en 
souffrant  avec  patience  tout  ce  que  Dieu  souffre,  et  en 
tachant  de  ramener  les  hommes  par  une  douce  persuasion.^ 
Von   dem  Geiste   dieser  weisen   Grundsätze   durch- 
drangen,  hat  der  Gesetzgeber  es  wohlbedächtlich  ver- 
mieden,  eine  Scheidewand  zwischen   den  Bürgern  eines 
und  des  nemlichen  Staates  in  Rücksicht  der  Religions- 
verschiedenheit zu  ziehen,  er  hat  allen  gleiche  bürger- 
liche Rechte  verliehen. 

Der  gegenwärtige  König  von  Frankreich,  der  sich 
der  Allerchristlichste  nennt,  hat  nach  der  Wiederher- 
stellung seines  Reiches  keinen  Grund  gefunden,  unsre 
Glaubensgenossen  in  ihren  früher  erworbenen  staatsbürger- 
lichen Rechte  einzuschränken. 

Zu  den  Staatsbürgerlichen  Rechten  zählt  der 
Art.  42  des  in  den  Rheinprovinzen  geltenden  Strafgesetz- 
buchs, insbesondere  auch  da«  Recht,  zu  den  Verrich- 
tungen der  Geschwornen  berufen  zu  werden,  ein 
sehr  ehrenwerthes  Recht,  welches,  indem  es  die  Mitbürger 
in  da«  Verhältnis  als  Richter  über  den  Mitbürger  stellt, 
auch  zwischen  diesen  selbst  in  Ansehung  der  Religions- 
verschiedenheit, keinen  Unterschied  verstattet. 

Aus  welchen  Klassen  der  Staatsbürger  dieGeschwornen- 
gerichte  zusammengesetzt  werden  sollen,  dieses  ist  im 
Art  382  der  Criminalprozessordnung,  die  bei  uns  einge- 
führt ist,  festgestellt,  aus  welcher  gesetzlichen  Bestimmung 
auch  hervorgehet,  dass  insbesondere  diejenige,  welche  zur 
Bestreitung  der  Staatsausgaben  das  Mehrere  beitragen, 
zu  den  Verrichtungen  der  Geschwornen  zugezogen  werden 
sollen. 

QajQZ  mit  Recht  behauptet  der  Königl..  Preusslsche 
Appellationsgerichtsrath  Lenzen  in  seinem  Handbuch  für 
die  Geschwornen,  dass  die  im  Gesetz  (Art.  312  der  Criminal- 
prozessordnung) vorgeschriebene  Eidesform  den  Vortheil 
habe,  dass  in  den  Rheinprovinzen,  wo  sehr  oft  Katholische, 


184  Geschichte  der  jildischev  Gemeinde  Düsseldorfs. 

Reforniirte,  Lutherische,  Menoniten  und  Israeliten  als 
Geschworne  neben  einander  sitzen,  jeder  ohne  mit  den 
Grundsätzen  seines  Glaubensbekenntnisses  in  Widerspruch 
zu  kommen,  den  Eid  leisten  könne. 

Nach  dem  Art.  8  Nr.  3  des  Strafgesetzbuches  für  die 
Rheinprovinzen  wird  der  Verlust  der  bürgerlichen  Rechte 
zu  den  entehrenden  Strafen  gezählt;  es  kann  aber 
über  niemand  eine  solche  Entehrung  verfügt  werden, 
als  wenn  förmlich  gesprochenes  Urtheil  dieselbe 
sanctiouirt  hat. 

Wenn  auch  gleich  das  Recht,  zu  den  Verrichtungen 
der  Geschwornen  zugezogen  zu  werden,  nur  ein  Theil 
der  Staatsbürgerlichen  Rechte  ausmacht,  welche  das  Gesetz 
den  Staatsbürgern  ohne  allen  Unterschied  der  Religion 
verliehen  hat,  so  muss  auch  selbst  die  Entziehung  eines 
Theiles  dieser  Rechte  als  entehrend  und  schmachvoll 
angesehen  werden 

Noch  mehr,  der  unvernünftige  der  fanatische  Juden- 
hasser wird  in  der  zu  unserer  Schande  und  Nachtheil 
eingeführten  Massregel,  eine  neue  Veranlassung  finden, 
seinem  Verfolgungsgeiste  desto  freyer  den  Zügel  schiessen 
zu  lassen,  weil  er  den  Beweis  vor  Augen  zu  haben  glaubt 
und  auch  wohl  hat,  dass  wir  von  oben  herab  der  Ver- 
achtung Preis  gegeben  sind.^ 

Hierauf  erging  am  1.  Juli  1822  der  Bescheid,  kein 
Staatsbürger  habe  ein  Recht  zu  verlangen,  dass  gerade 
er  in  die  Geschwomenlisten  aufgenommen  werde,  dass 
ferner  die  Juden  in  den  alten  Provinzen  dieses  Recht 
überhaupt  nicht  besitzen  und  für  die  ganze  Monarchie 
nur  ein  inneres  Staatsrecht  Anwendung  finden  könne. 

Principiell  wichtig  war  in  diesem  Erlass  ausserdem 
noch  die  Bemerkung,  dass  die  Vorsteher  der  israelitischen 
Gemeinde,  da  sie  als  solche  nur  für  die  kirchlichen 
Angelegenheiten  bestellt  wurden,  überhaupt  gar  nicht 
legitimirt  seien,  Namens  der  übrigen  Juden  Rechte  zu 
reklamiren,  welche  von  diesen  als  Staatsbürger  in  An- 
spruch genommen  werden.  Mit  einem  Schlage  war  damit 
nicht  nur  die  Gleichberechtigung  der  Juden,  sondern  auch 
die  Eigenschaft  der  Vorsteher  als  der  berechtigten  Ver> 
treter  ihrer  Gemeinden  aufgehoben.  Indessen  konnte  die 
Regierung  der  Nothwendigkeit  einer  Regelung  der  Ver- 
hältnisse gleichviel  in  welchem  Sinne  sich  nicht  ver- 
schliessen.  Es  muss  hier  constatirt  werden,  dass  auch 
der  Oberpräsident  von  Coblenz,  Staatsminister  von  Inders- 
leben,  am  31.  März  1824  ebenso  wie  der  Oberpräsident 
für  die  ehemaligen  Herzogthümer  Jülich-Cleve-Berg  schon 
im  Jahre  1816/17  die  Anordnung  von  Landrabbinem  und 


r*»»-- 


Gnehiiiktg  der  jüäiseken  Gemeinde  DUseeldarfe*  185 

die  Regiüirung  ihrer  Amtswirksamkeit  für  den  betreffenden 
Landesbezirk  beantragt  hatten.    Trotz  der  Uebereinstim- 
mung  dieser  beiden  hohen  Beamten  in  dieser  Frage,  die 
sie  eingehend  studirt  hatten,  erhielt  auch  der  letztere 
von  den  Ministem  des  Innern  und  des  Cultus  am  27.  April 
1824  den  lakonischen  Bescheid,  dass  mau  zur  Zeit  keine 
genOgende  Veranlassung  habe,  auf  die  Ausführung  der 
betreffenden  Vorschläge  Bedacht  zu  nehmen.    Trotzdem 
forderte  das  Oberpräsidium  d.  d.  2.  Aug.  1824  neue  Mit- 
theilungen  über  den   damaligen   Synodal  -  Verband    der 
rheinischen  Juden,  da  die  Gestaltung  dieses  Verbandes 
auf  dem  rechten  Kheinufer  noch  nicht  so  genügend  be- 
kannt sei,  wie  diejenige  der  durch  kaiserliches  Decret 
vom  17.  März  1808  geschaffenen  drei  Consistorialsynagogeu 
von  Crefeld,  Bonn  und  Trier.    Der  Vorsteher  der  Svna- 
gogen-Gemeinde  Düsseldorf  antwortete  hierauf,  dass  er 
zu  andern  Gemeinden  gar  keine  Beziehungen  mehr  habe, 
dass  er  nicht  einmal  für  die  eigene  Gemeinde  von  der 
Behörde  bestätigt  sei  und  daher  keine  Auskunft  geben 
könne.    Früher  sei  der  Sitz  des  Oberrabbinera  der  ehe- 
maligen Jülich -bergischen  Judenschaft  in  Düsseldoif  ge- 
wesen;  Gehalt  hätte  er  von  dieser  bezogen,   bis  nach 
Abtrennung  des  Jülicher  Landes   das  Grossherzogthuni 
Berg  gebildet  worden  sei.    Die  Gemeinde  sei  dann  nicht 
mehr  im  Stande  gewesen,  das  Gehalt  aufzubringen,  und 
Landrabbiner  Scheuer  hätte  seitdem  das  Rabbinat  unent- 
geltlich verwaltet.    Da  dieser  zu  jener  Zeit  nicht  mehr 
am   Leben  und  die  Gemeinde  ohne  Rabbiner  war,   da 
femer  Crefeld  nach  der  neuen   Ländereintheilung  zum 
Regierungsbezirk  Düsseldorf  gehöre  und  nach  der  Con- 
sistorial -Verfassung  der  Rabbiner  immer  an   dem  Orte 
seinen  Sitz  haben  müsse,  wo  die  meisten  Juden  wohnten, 
so  beantragte  der  Vorstand,  dass  der  Rabbiner  von  Cre- 
feld nach  Düsseldorf  versetzt  und  diejenigen  Bezirke,  die 
ihm    zugetheilt  wären,  •  der  Düsseldorfer  Synagoge   ein- 
verleibt würden. 

Indes  wurde  die  Sache  noch  keineswegs  für  spruch- 
reif erachtet.  Vielmehr  wurde  am  30.  October  1826  auf 
Befehl  des  Königs  eine  Darstellung  der  damaligen  Ver- 
haltnisse der  rheinischen  Juden  entworfen  und  den  rhei- 
niscben  Provinziallandständen  vorgelegt  mit  der  Forderung, 
dass  letztere  „zu  erkennen  gäben,  ob  und  was  für  Wünsche 
sie  in  Hinsicht  dieser  Verhältnisse  hätten.^  In  dieser 
Denkschrift,  welche  ein  Zeugniss  fast  fanatischen  Juden- 
hasses ist,  wird  den  Ständen  unter  Verkennung  aller  that- 
sächlichen  und  geschichtlichen  Verhältnisse  das  denkbar 
Schlimmste  über  die  Juden  aufgetischt.   Es  sei  wünschens- 


186  GeMchieht    der  jüdischen  Gemeinde  DHateldorfe. 

werth,  die  Juden  aller  Provinzen  einem  General*Synhedria 
oder  Consistorio  unterzuordnen,  welches  aus  Männern  bc- 
steht,  die  wegen  ihrer  Kenntnisse,  Aufklärung  und  Recht- 
schaffenheit    das    öffentliche  Vertrauen  verdienen,    und 
demselben  nach  Massgabe   des  BedQrftiisses  Provinzial- 
Consistorien  unterzuordnen,  welche  das  Kirchenwesen  der 
Juden  nach  den  vom  General-Synhedrio  vorzuschlagenden 
Principien  und  Lehren  besorgen.     Die  Kinder  mttssten 
sämmthch  in  christliche  Schulen  geschickt  werden,  damit 
sie  nicht  blos  hebräisch  lesen  und  schreiben  lernten,  um 
in  einer  unverständlichen  und  geheimen  Sprache  sich  un- 
entdeckt  ihre  Geheimnisse  und  Betrügereien  mitzutheilen 
und  rechnen  zu  lernen,  was  zur  Berechnung  wucherischer 
Procente  nöthig  ist,  und  damit  sie  nicht  in  ihrem  an- 
gebornen  und  man.  könnte  fast  sagen  in  ihrer  Religion 
begründeten   Wucher-   und    Schachersystem  hartnäckig 
beharrten.  Die  Ausnahmebestimmungen  des  Gesetzes  vom 
17.  März  1808  sollten  daher  verlängert  und  auch  auf  die 
Landestheile  ausgedehnt  werden,  in   welchen  es  bisher 
noch  keine  Geltung  hatte.    Diese  Ausführungen,  welche 
den    täglich    zu    machenden    Wahrnehmungen    offenbar 
Hohn  sprachen,  mussten  in  einer  Zeit,  wo  die  Juden  aller 
Länder  Proben  ihrer  wissenschaftlichen  Befähigung   ge- 
geben, ihren  Mitbürgern  mit   gutem  Erfolge   auf  allen 
Gebieten  gemeinnütziger  und  staatlicher  Bestrebungen  sich 
angeschlossen  hatten,  wo  die  von  Moses  Mendelsohn  und 
Lessing  ausgestreute  Saat  bereits  aufgegangen  war,  in  einer 
Zeit,  wo  die  Wissenschaft  des  Judenthums  eine  achtung- 
gebietende Stellung  einzunehmen  angefangen  hatte  und 
sich  anschickte,  eine  deutsche  Wissenschaft  zu  werden, 
wo  formvollendete  deutsche  Predigten  in  den  jüdischen 
Gotteshäusern  gehört  wurden,  wo  Moses  Monteflore  bereits 
das  lautere  Gold  seines  Herzens  offenbart  und  als  Sherifi' 
von  London  sich  bewährt  hatte,  in  einer  solchen   Zeit 
wirkten  solche  Ausführungen,  wie  diese  Denkschrift   sie 
enthielt,  vielleicht  besser  als  alle  Schutzschriften  für  die 
Juden,   da  sie   allen  Unbefangenen   die  Augen  darüber 
öffneten,  wie  weit  die  Verblendung  und  der  Judenhass 
die  Menschen  von  der  Wahrheit  zu  entfernen  vermögen. 
Kaum  war  es  nöthig,  aber  man  wird  es  begreiflich  finden, 
dass  die  jüdische  Gemeinde  Düsseldorfs,  als  des  Ortes, 
wo  das  Verdiöt  über  das  Judenthum  gefällt  werden  sollte, 
es  für  ihre  Ehrenpflicht  hielt,  ein  Promemoria  gegen  diese 
Denkschrift    den   versammelten    Landständen    zu    über- 
reichen, zumal  da  die  Juden  des  ehemaligen  Grossherzog:- 
thums  Berg,  welche  bis  zur  Einverleibung  in  die  Königl. 
preussischen    Lande    im   Vollbesitze    der    bürgerlichen 


G€8ehfcht$  der  jüdi$ehen  Gemeinde  D&sseidorfe,  187 

Gleichberechtigung  gewesen  waren ,  am  bärtesten  dadurch 
getroffen  werden  sollten.     Zur  Beleuchtung  jenes  mehi*- 
fa<üi  erwähnten  kaiserlichen  Decretes  vom  Jahre   1808 
wird  zunächst  auf  seinen  verfassungswidrigen  Ursprung 
hingewiesen,   da  es  zu  seiner  rechtmässigen  Oültigkeit 
der  Zustimmung  der  Stände  bedurft  hätte ;  Napoleon  hätte 
es  auch  in  seinem  Zorn  erlassen,  >)  weil  er  auf  seinen 
EroberungszQgen  unerwartete  Schwierigkeiten  gefunden, 
die  Fortschritte,  die  er  hätte  machen  wollen,  ihm  nicht 
schnell  genug  gingen.     Napoleon  hätte  den  offenbaren 
Beweis   geliefert,    dass   er   sich    Obereilt,    da    er   schon 
April  1808,  also  kaum  einen  Monat  nach  Verkündigung 
seines  Decretes,  die  Judenschaft  von  Paris,  am  22.  Juli 
desselben  Jahres  das  Departement  der  unteren  Pyrenäen 
und  am  22.  April  1810  fQnfzehn  weitere  Departements 
von  dem  Banne  jenes  Decretes  befreit  hätte  und  zweifellos 
noch  mehr  befreit  haben  würde,  wenn  seine  Eroberungs- 
plAne  ihn  nicht  gehindert  hätten,   sich  um  das   innere 
Glück  seiner  Völker  zu  bekümmern.    Das  Decret  sei  ein 
Gewaltstreich,  beruhe  auf  übereilten  Beschlüssen  und  könne 
denmach  weder  zweckmässig,  noch  gut  und  gerecht  sein. 
Ein  solches  dürfe  aber  der  preussischen  Regierung  nicht  als 
nachahmungswerth  empfohlen  werden.    Die  Einführung 
grade  dieses  Decretes  würde  in  sonderbarem  Widerspruch 
stehen  mit  dem  Bemühen,  die  Reste  der  Fremdherrschaft  zu 
vertilgen.  Durch  das  Decret  solle  bewirkt  werden,  dass  in 
der  Folge  kein  Unterschied  mehr  sei  zwischen  den  Juden 
und  den  übrigen  Staatsbürgern.  Dieser  Zweck  könne  doch 
unmöglich  dadurch  erreicht  werden,  dass  die  Gleichheit  vor 
dem  Gesetze  aufgehoben  und  dass  eine  Scheidewand  er- 
richtet werde,  welche  die  Juden  in  den  Augen  ihrer  Mit- 
bOrger   verächtlich    mache.     Dadurch   könne   man   ihre 
Redlichkeit    und    ihren    Zartsinn    nicht    erwecken    und 
herstellen.    Das  Decret  nehme  ihnen  die  Freiheit,  ein 
ehrliches  Geschäft  zu   treiben,  um  sie  vor   unerlaubten 
Geschäften   und   Qewerben   zu  entwöhnen,    und  bringe 
sie  an  einem  Tage  um  ihr  Vermögen,  um  ihre  christlichen 
Schuldner,  die  nicht  Kaufleute  sind,  zu  bereichem,  in  der 
Absicht,   um  den  Juden  die  Lust  zu  benehmen,  sich  auf 
Kosten  dieser  einen  Vortheil  zu  verschaffen.   Diese  Mass- 
regeln  mttssten   die   entgegengesetzte   Wirkung  hervor- 
bringen.   Das  Decret  sei  ein  Eingriff  in  die  richterliche 
Gewalt,  da  es  einen  bedeutenden  Volkstheil  ohne  Unter- 
suchung, ohne  Urtheil  mit  Strafe  und  Schande  belege; 

^)  Grfttz,  Geschichte  der  Juden,  Bd.  II,  kennzeichnet  übngens 
den  Ursprung  des  Gesetzes  nach  neueren  Forschungen  und  bis 
dahin  unbenutzten  Quellen  noch  schärfer. 


188  OeBchiekU  der  jüduelun  Gemeinde  DOeeMorfe. 

CS  sei  die  schnödeste  Ungerechtigkeit,  die  Bekenner  einer 
Religion  in  Masse  zu  treffen,   den  Schuldigen  mit  dem 
Unschuldigen  zu  8ti*afen  und  zu  schänden,  einen  ganzen 
Volkstheil  zu  entehren,  um  eüie  gewisse  Anzahl  seiner 
Mitglieder   zu   erreichen,   die  er  selbst  verachtet.    Wo 
der  Wucher  bei  den  Juden  sich  gefunden  hätte,  sei  er 
eine  Folge  der  gegen  sie  gerichteten  Gesetzgebung;  sie 
hätten  kein  Handwerk  treiben,  kein  Grundeigenthum  er- 
langen dürfen :  zu  welchem  Zwecke  sollten  die  Juden  ihre 
Söhne  die   Universität  besuchen  lassen,  da  sie  ja  doch 
kein  Amt  erhalten  könnten.    Der  Wucher  sei  auch  den 
Juden  oft  von  der  Behörde  befohlen  worden.  ^)    Wolle 
man  den  Wucher  treffen,  so  mache  man  die  Gesetze, 
wenn  sie  nicht  ausreichten,  noch  strenger.    Allein  das 
Gesetz  umfasse  alle  Unterthanen  ohne  Unterschied  des 
Glaubens ;  es  falle  nicht  ausschliesslich  auf  die  Bekenner 
eines  Glaubens  und  überliefere  sie  nicht  der  Schmach 
und  Verachtung.    Es  würde  nicht  schwer  fallen,  so  heisst 
es  in  jener  an  die  Landstände  gerichteten  Gegenvorstellung 
vom  30.  November  1826,  ^den  Beweis  zu  führen,  dass  in 
einer  gewissen  Stadt  von  mittlerer  Grösse  es  ohnl&ngst 
400  Christen  gab,  die  auf  Pfänder  liehen,  gegen  100  und 
mehr  Procente,  und  welchem  Greschäftsmann  sind  nicht 
Beispiele  genug  bekannt  von  Orten,   wo  ein  nämlicher 
Wucher  getrieben  wird.  Würde  man  darum  die  Einführ ung 
einer  besonderen  Gesetzgebung  in  der  Art  wie  das  Decret 
gegen  diese  oder  jene  Stadt  billigen  können.    Es  ^ibt 
Gegendon,   wo  gewisse   Verbrechen   häufiger  vorfallen, 
es  gibt  darin  Klassen  von  Menschen,  welche  dieselben 
häufiger  begehen,  aber  noch  ist  es,  so  viel  wir  wissen, 
keinem  deutschen  Regenten  eingefallen,  solche  Gegenden 
oder  eine  solche  Klasse  durch  eine  Specialgesetzgebung 
zu  ächten,  die  eben  so  ungerecht  und  gehässig  seui  wQrde, 
als  die,   Gott  sei   Dank,    abgeschafften  Specialgerichte 
waren,  denen  Frankreich  das  fragliche  Decret  verdankt. 
Wolle  man  eine  Annäherung  bewirken,  so  beseitige  man 
die  Sondergesetze,  welche  die  Juden  verächtlich  machen, 
nehme  man  zum  natürlichsten  Mittel,  zur  Erziehung  seine 
Zufiucht.    Dass  die  Juden  in  dieser  Hinsicht  besondlers 
in  diesen  Gegenden,  das  Bedürfniss  selbst  fühlend,  schon 
viel  zur  Verbesserung  der  Erziehung  gethan  haben,  kann 
den  Staatsbeamten  nicht  entgangen  sein,  so  wie  dass  man 
bei  der  Wahl  der  Lehrer  nicht  einmal  auf  die  Confesaion 
sehe,  und  dass  an  der  jüdischen  Schule  zu  Düsseldorf 
neben  zwei  jüdischen  drei  christliche  Lehrer  angestellt 


^h 


>)  Vgl.  Stobbe.  Die  rechtliche  Stellung  der  Jaden  in  Dentschland. 


4:^ 


G€9ekiekt€  der  jüdim^n  Oemeindi  DÜMsMarfe.  189 

seien.  „Wir  leben  der  zuversichtlichen  Hoffiiung",  so 
schliesst  das  Memorandum,  „dass  die  Vorschläge  der  hohen 
Herren  Depuürten  eben  so  rein  und  human  sein  werden, 
wie  nach  ihrer  Ueberzeugung  die  Absicht  des  erhabenen 
Monarchen  ist,  der  Sie  in  einer  so  wichtigen  Angelegenheit 
zu  Seinen  Rathgebern  ersehen  hat.^  Bei  der  Wichtigkeit 
und  Complicirtheit  der  Frage  und  der  Verschiedenheit 
des  in  den  verschiedenen  Theilen  Rheinlands  geltenden 
Rechts  war  eine  schleunige  Lösung  dieser  Frage  kaum 
zu  erwarten. 

So  bald  sollte  die  Rheinische  Judenschaft  von  ihren 
bangen  Sorgen  nicht  befreit  werden.  Die  Verhandlungen 
und  die  staatlich  angeordneten  Erhebungen  ttber  die  Ver- 
haltnisse der  Juden  nahmen  kein  Ende.  Das  Material 
war  bei  der  verschiedenartigen  Behandlung,  die  den  Juden 
nicht  nur  in  den  verschiedenen  Landestheilen ,  sondern 
auch  in  ein  und  derselben  Provinz  zu  verschiedenen  Zeiten 
zu  Theil  geworden  war,  allerdings  ein  reichhaltiges  und 
um  so  schwerer  zu  bewältigen,  als  von  gegnerischer  Seite 
keine  Anstrengungen  gescheut  wurden,  um  die  herrschende 
Verwirrung  zu  vergrössem  und  die  ohnehin  schon  un- 
klaren Vorstellungen  noch  mehr  zu  verdunkeln.  Welche 
Mittel  den  Gegnern  ihr  blinder  Hass  eingab,  dürfte  aus 
folgendem  Theaterzettel  hervorgehen: 

Theater  in  Gladbach. 

5.  Vorstellung  im  2.  Abonnement. 

Mit  hoher  obrigkeitlicher  Genehmigung  wird  heute 

Sonntag  den  27.  May  (1827) 

aufgeführt 

Der  Rehbock  oder  die  schuldlosen  Schuldbewussten. 

Personen  u.  s.  w. 

Vorher 
Israels  Angst  oder  das  Schreckens -Wort  Hepp  Hepp 

vom  Jahro  1819, 
tragikomisches  Drama  in  1  Akt  von  Heinrich  Beinhauer. 

Personen : 
Levi  Bazmann,  Oberrabbiner  ....    Breuer. 
Joel  Herz,  ein  reicher  Jude      ....    Hen'  Röder. 

Sarchen,  seine  Tochter Frl.  Guthmann. 

Rüben  Seckel,  Comptoirdiener  des  Herz    Herr  Meyer. 

Schönchen,  Magd  bei  Herz M.  Georg. 

Schlemen,  ein  Schmidt Herr  Schiele. 

Bartel,  ein  Zimmermann Ph.  Breuer. 

Eine  Ordonnanz,  ein  Polizeicommissair. 
1.  Platz  10  Sgr.    2.  Platz  5  Sgr.    3.  Platz  2V2  Sgr. 

Anfang  8  Uhr. 


190  Gesehiehtt  der  jOdiwhen  Gemeinde  D!k$9Morf$. 

Gewohnt,  fQr  die  InteresBen  und  die  Kühe  ihrer 
Glaubensgenossen  einzutreten,  wie  es  bis  zur  Einver- 
leibung in  die  preussischen  Lande  ihre  Pflicht  und  ihr 
Recht  war,  unterliess  die  jQdische  Ctemeinde  zu  Düssel- 
dorf auch  bei  dieser  Gelegenheit  nicht,  bei  der  richtigen 
Behörde  vorstellig  zu  werden,  und  richtete  am  ö.  Juni 
1827  an  den  Staatsprokurator  Wingem  ein  Schreiben,  in 
welchem  unter  Hinweis  auf  obigen  Theaterzettel  ausge- 
führt wurde,  dass  „die  entstehen  könnenden  Folgen  ernst- 
haft genug  seien,  um  die  geziemende  Bitte  zu  rechtfertigen : 
es  möge  Ew.  Wohlgeboren  gefallen,  ein  wachsames  Augen- 
merk darauf  zu  setzen,  dass  künftig  dergleichen  die 
öffentliche  Ruhe  bedrohenden  Ankündigungen  nicht  ge- 
duldet werden." 

Der  nächste  Erfolg  war  allerdings  nicht  sehr  günstig. 
Vielmehr  kamen  immer  neue  Verordnimgen,  welche  die 
Stellung  der  Juden  immer  mehr  herabdrückten  und,  wie  wir 
später  sehen  werden,  auch  die  innere  Entwickelung 
der  Gemeinden  wesentlich  erschwerten,  ja  ihre 
ganze  Existenz  in  hohem  Grade  gefährdeten.    So 
erschien  am  20.  Decbr.  1826  ein  Ministerial-Erlass :  „Nach 
der  höheren  Bestimmung  soll  in  Zukunft  keinem  Juden 
mehr  die  Niederlassung  in  der  hiesigen  Oberbürgermeisterei 
gestattet  werden,  welcher  nicht  eine  Conccssion  des  hohen 
Ministeriums  des  Innern  und  der  Polizei  beibringt.    Dies 
gilt  von  allen  ohne  Ausnahme,  sowohl  von  denen,  welche 
aus  einem  andern  preussischen  Ort  kommen,  des- 
gleichen von  denen,  welche  sich  mit  einer  hiesigen  Jüdin 
verheirathen  und  endlich  von  denen,  welche  sich  schon 
länger,  jedoch  nur  auf  den  Grund  einer  polizeilichen  £r- 
laubniss  zum  zeitlichen  Aufenthalt  hier  (zum  Beispiel  als 
Handlungsdiener,  Lehrlinge,  Dienstboten  u.  s.  w.)  aufge- 
halten haben.    Im  Jahre  1836  wird  den  Juden  von  der 
Kgl.  Regierung  in  Düsseldorf  der  „Verbrauch  der  christ- 
lichen Taufnamen"  verboten.    Dieser  Erlass  bietet  noch 
das  besondere  Interesse,  dass  der  Vorstand  oder  vielmehr 
jedes  einzelne  Mitglied  desselben  erklärte,  nicht  im  Stande 
zu  sein,  das  in  der  Verfügung  der  Kgl.  Regierung  vom 
4.  Aug.  enthaltene,  durch  kein  Gesetz  unterstützte 
Verbot  den  Glaubensgenossen  zur  Nacbachtung  bekannt 
zu  machen,  erstens  weil  sie  nicht  wüssten,  welche  Namen 
mit  den  christlichen  Taufnamen  gemeint  seien,  besonders 
aber   deswegen,    weil    die   Kgl.   Regierung   nach  ihren 
wiederholten  Verfügungen    die   Düsseldorfer   Juden    als 
eine  Gemeinde  nicht  anerkennen,  und   auch   ihre   reli- 
giösen Anordnungen  in  keiner  Weise  berücksichtigen  wolle. 
Dieses  Verbot  wurde  erst   zufolge  einer  Eröffnung   des 


GeaehiekU  der  jüdtBehen  Gemeinde  DOeeeldoffs.  191 

Kgl.  Oberpräsidiums  der  Rheinprovinz  d.  d.  7.  April  1841 
ai^  Befehl  des  Königs  fOr  die  Gebietstheile  des  französi- 
schen Rechts  aufgehoben.  Es  sollte  fortan  dort  bei  den 
Bestimmungen  des  Gesetzes  vom  11.  Oerminal  X  und 
des  Decretes  vom  20.  Juli  1808  sein  Bewenden  behalten. 
Schlimmer  und  folgenschwerer  war  die  Frage,  welche 
im  Jahre  1842  aufgeworfen  wurde :  „ob  die  Juden  ferner- 
hin Militärdienste  leisten  oder  Rekrutengelder  bezahlen 
sollen,  da  sie  doch  nicht  zum  Avancement  zugelassen 
werden.^  Es  muss  Jedem  einleuchten ,  dass  falls  die 
Frage  so  entschieden  wurde,  dass  die  Juden  vom  Militär- 
dienste ausgeschlossen  wurden,  der  Standpunkt  derselben 
zu  einer  Isolirtheit  zurQckschreiten  musste,  die  ihnen  die 
Früchte  bürgerlicher  Stellung  über  kurz  oder  lang  gänz- 
lich wieder  eutzog.  Sorgenschwer  und  von  den  quälend- 
sten Besorgnissen  erfüllt,  wandte  sich  auch  die  Düssel- 
dorfer Gemeinde  petitionirend  an  des  Königs  Majestät 
selbst  und  wies  darauf  hin,  dass  jedes  Rütteln  an  den 
politischen  Verhältnissen  der  Juden  diese  nicht  nur  in 
den  Augen,  wenn  nicht  der  höher  Gebildeten,  doch  in 
jenen  der  Niedrigeren,  also  der  Mehrzahl  ihrer  Mitbürger 
herabsetzen,  sondern  selbst  der  Gefahr  öffentlicher  Be- 
leidigungen und  Beschimpfungen  neuerdings  aussetzen 
würde.  Beispiele  davon  lägen  in  nicht  gar  weiter  Feme, 
und  was  irrige  Begriffe,  Verkennung  der  besten  Absichten 
für  Wirkungen  auf  die  geringere  Volksklasse  wenigstens 
hervorbringen,  davon  liefere  die  neueste  Zeit  in  der 
Rheinprovinz  einen  traurigen  Beweis.  Die  Petition  lautet: 
Ansichten,  welche,  wie  es  heisst,  bei  uns  eine  be- 
sondere Nationalität  unterstellen,  und  darauf  die  Noth- 
wendigkeit  oder  Zweckmässigkeit  besonderer  politischer 
Einrichtungen  gründen,  scheinen  uns  ihre  Quelle  in  einem 
Irrthume  zu  haben.  Sie  existirt  in  Wirklichkeit  nicht, 
und  kann  schon  darum  nicht  existiren,  weil  wir  in  allen 
Ländern  und  Gemeinden  weit  zerstreut  leben.  Auch 
nehmen  wir  dieselben  nicht  in  Anspruch,  und  wünschten 
nicht,  dass  man  uns  eine  sogenannte  Wohlthat  aufdringen 
möge.  Was  wir  bisher,  obschon  hin  und  wieder  in 
manchem  Betracht  gehemmt  und  gehindert,  in  Künsten, 
Wissenschaften  und  in  Handwerken  zu  leisten  gestrebt 
haben,  mag  zum  Beweise  dienen,  dass,  weit  entfernt,  uns 
von  unsern  christlichen  Mitbürgern  sondern  und  unter- 
scheiden zu  wollen,  wir  es  an  sehr  ernsthaften  Bemüh- 
ungen für  das  Entgegengesetzte  nicht  haben  fehlen  lassen. 
Wenn  wir  hierbei  an  der  Religion  unserer  Väter  festhalten, 
so  ändert  dies  an  dem  oben  bemerkten  Verhältnisse  wohl 
eben   so    wenig,    als    die    sehr   grosse    Verschiedenheit 


192  Geaehiehte  der  jOdigehen  Gemeinde  DüeeMorfe. 

religiöser  Ansichten  bei  unsern  christlichen  Mitbürgern, 
und  so  sehr  wir,  was  die  Religion  betrifft,  eine  Trennung 
fttr  nothwendig  und  unvermeidlich  halten,  so  sehr  vdder- 
strebt  sie  uns  in  politischer  Hinsicht. 

Wir  sind  nun  auch  so  glücklich,  hier  im  Herzogthum 
Berg  seit  mehr  als  dreissig  Jahren  mit  unsern  christ- 
lichen Mitbürgern  gleich,  und  im  Genüsse  aller  politischen 
Rechte,  wie  sie,  zu  stehen.  Wir  sind  Preussen,  fühlen  es 
mit  Stolz,  dass  wir  Preussen  sind,  und  haben,  seit  wir 
es  sind,  unsere  Pflichten  als  Staatsbürger  gewissenhaft, 
gleich  unsern  christlichen  Mitbürgern,  ohne  Unterschied 
erfüllt;  unsere  Brüder,  unsere  Söhne  haben  mit  der 
nämlichen  Hingebung,  wie  jene,  ihr  Blut  in  der  Verthei- 
digung  des  Thrones  und  des  Vaterlandes  verspritzt,  und 
erfüllen  bis  auf  diesen  Augenbiicic  ihre  »Militärpflicht, 
wir  glauben  es  ohne  Anmassung  sagen  zu  dürfen,  mit 
Auszeichnung.  Wir  gestehen,  dass  uns  nicht  die  geringste 
Veranlassung  bekannt  geworden,  welche  eine  Aenderung 
in  diesem  Besitze  unserer  Rechte,  die  uns  durch  das 
Königliche  Wort  vom  5.  April  1815,  und  noch  mehr  durch 
die  bekannte  Humanität  unserer  Landesregierung  garantirt 
zu  sein  scheinen,  eine  Beeinträchtigung,  eine  Herab- 
setzung motiviren  könnte.  Wir  wissen  nicht,  womit  wir 
letztere  verdient  haben.  ^ 

Auf  den  in  dieser  Petition  dargelegten  Standpunkt 
hatte  sich  auch  die  Gemeinde  gestellt,  indem  sie  es  ab- 
lehnte, sich  an  einer  von  der  Gemeinde  zu  Wesel  vor- 
geschlagenen Absendung  einer  Deputation  der  Juden 
Rheinlands  uiffl  Westfalens  zur  Huldigung  am  15.  Oct.  1840 
nach  Berlin  zu  betheiligen.  Der  Moment  sei  auch  nicht 
geeignet,  Se.  Majestät  mit  Beschwerden  zu  behelligen  und 
eine  Deputation  nach  Berlin  würde  nicht  huldigen  und 
petitioniren  zugleich  dürfen. 

Den  ersten,  wenn  auch  schwachen  Lichtstrahl  brachte 
die  Antwort  des  Ministeriums  des  Innern  und  der  Polizei 
vom  5.  Mai  1842  an  die  jüdische  Gemeinde  zu  Düssel- 
dorf.   Daiin  heisst  es: 

,,Des  Königs  Majestät  haben  aus  Ihrer  an  mich 
zur  Bescheidung  abgegebenen  Immediat- Eingabe  vom 
23.  März  c.  ersehen,  zu  welchen  Besorgnissen  die  grossen- 
theils  unrichtige  Auffassung  der  dem  Eönigl.  Staats- 
Ministerio  ziu*  näheren  Erwägung  gestellten,  die  Verhält- 
nisse der  Juden  betreffende  Gesichtspunkte  Veranlassung^ 
gegeben  hat.  Im  Allerhöchsten  Auftrage  eröifhe  ich 
Ihnen  deshalb,  dass  es  ganz  eigentlich  in  der  Allerhöchsten 
Absicht  liegt,  Massregeln  zu  ergreifen,  durch  welche  die 
den  Juden  auferlegten  Beschränkungen  aufgehoben  werden. 


Geschichte  der  jMischen  Gemeinde  Düsseldorfs.  1D3 

insbesondere  ihnen  im  Gemeinde  -  Verbände  mit  Christen 
die  Wahrnehmung  ihrer  Interessen  mehr  gesichert,  in 
der  Besorgung  ihrer  eigenen  Angelegenheiten  durch  Bil- 
dung von  Corporationen  eine  grössere  Selbstständigkeit 
oiid  Autorität  eingeräumt  und  im  Allgemeinen  die  Gelegen- 
heit erweitert  wird,  ihre  Kräfte  und  Fähigkeiten  für  sich 
und  die  Christen,  unter  denen  sie  leben,  benutzen  zu 
können.  Mit  der  Aufhebung  der  Militairpflicht  der  Juden 
würde  denselben  nichts  genommen  werden,  da  ihnen  der 
freiwillige  Eintritt  in  den  Militairdienst  gestattet  bleibe. 
Jedenfalls  möchten  aber  die  Juden  die  Resultate  der  an- 
geordneten Berathungen  ruhig  erwarten  und  könnten  sie 
dabei  veitrauen,  dass  ihnen  jede  mit  höheren  und  allge- 
meinen Interassen  vereinbare  Verbesseining  ihres  Zustandes 
nicht  versagt  werden  wird. 
Berlin,  den  o.  Mai  1842. 

Der  Minister  des  Innern  und  der  Polizei." 
Auch  der  dem  Rheinischen  Provinzial  -  Landtag  im 
Jahre  1826  vorgelegten  Frage  bezüglich  der  Aufhebung 
des  sogenannten  Juden  -  DecretB  und  die  Gleichstellung 
der  Juden,  welche  noch  immer  ihrer  Beantwortung  harrte, 
widmete  die  Gemeinde  ununterbrochen  ihre  gespannteste 
Auftnerksamkeit  und  eifrigste  Thätigkeit.  Endlich  nahte 
der  bedeutungsvolle  Tag,  an  welchem  die  lange  behan- 
delte Frage  wenigstens  in  der  Vorinstanz  entschieden 
werden  sollte.  Das  Wohl  und  Wehe  nicht  bloss  der 
rheinischen  Juden  hing  von  dieser  Berathung  ab.  Denn 
wenn  die  Gleichstellung  der  Juden  Rheinlands  auch  nur 
geschmälert  worden  wäre,  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
dass  sie  vermöge  ihrer  Religion  und  ihrer  Haltung  dazu 
unwürdig  wären,  so  wären  sie  auch  in  den  anderen 
Theilen  der  preussischen  Monarchie  und  auch  in  anderen 
Ländern  auf  lange  Zeit  hinaus  der  Verachtung  und  Be- 
drückung preisgegeben  worden.  Die  46.  Plenarsitzung 
am  13.  Juli  1843  beschäftigte  den  Rheinischen  Provinzial- 
Landtag  mit  der  schwebenden  Frage.  Herzerhebend  für 
einen  jeden  rechtlich  denkenden  Menschen  sind  die  Ver- 
handlungen, die  da  gepflogen  wurden,  reichhaltig,  be- 
lehrend und  überzeugend  das  zusammengetragene  Ma- 
terial und  erdrückend  für  die  Gegner,  wie  es  auch  das 
Resultat  der  Abstimmung  ergab.  Vielseitig  wurde  hervor- 
gehoben, dass  jenes  Decret  in  Frankreich,  seinem  Ur- 
spnmgsort,  bereits  seit  mehr  als  25  Jahren  ausser  Kraft 
sei,  dass  es  nur  noch  in  einem  Theile  Rheinpreussens 
bestehe  zur  Schande  der  Stände,  welche  es  verabsäumt 
hätten,  auf  seine  Beseitigung  zu  dringen.  So  äussert  ein 
Abgeordneter  der  Städte: 

18 


VM  Geschichte  der  jüdischen  Getueitule  DiisaMorfi*. 

„Nach  den  Vorträgen,  die  wir  vom  verehrten  Refe- 
renten und  von  einem  Abgeordneten  der  Städte  gehört, 
bleibt  mir  nichts  mehr  zu  sagen  übrig,  als  dass  Mir  ent- 
weder diese  herrliehen  Producta  der  geistreichsten  Huma- 
nität verbrennen  oder  durch  den  Druck  der  Unsterblich- 
keit überliefern  raüssten.    Vermodern  oder  verschimmeln 
dürfen  sie   in  unseren  Archiven  nicht.     Es   handelt  sich 
zunächst  um  die  Aufhebung  eines  vei'schollenen  Gesetzes, 
desjenigen  vom  17.  März  1808.     Dieses  Gesetz  war   ein 
Strafedict  für  die  Dauer  von  10  Jahren;  es  galt  für  das 
Elsass  und  kam  nur  par  bricole  nach  dem  jetzigen  Rhein- 
baiern,   Rheinhessen   und  Rheinpreussen,  und  zwar  nur 
ins  halbe  Rheinpreussen.    Seit  20  Jahren  3  Monaten  und 
13  Tagen  ist  die  Strafzeit  vorüber,   und  es  ist  veraäumt 
w^orden,   und   zwar  von  den  Ständen  vei^äumt   worden, 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  im  Elsass,  in  Rhein* 
baiern  und  Rheinhessen  die  Wirkung  des  Strafedicts  auf- 
gehört  hat,   dass   sie   nirgendwo  mehr  bestehet,   als   im 
halben  Rheinpreussen.     Hier  aber  besteht  sie  ohne  Fug, 
Grund  und  Recht,  denn  es  hat  sich  in  dem  Vierteljahr- 
hundert nichts  zugetragen,  was  die  Fortdauer  der  Strafe 
auch  nur  dem  Scheine  nach  rechtfertigen  könnte.    Wir 
bitten  unsere  Brüder   vom  rechten  Ufer,   uns  zu  helfen. 
Diese  Bitte   ist   so   billig   und  gerecht,   dass  sie  uns  gai* 
nicht   abgeschlagen  werden   kann.     Was  würden   wohl 
unsere  Nachbarsieute  von  unserer  Einigkeit  und  Einheit 
sagen,  wenn  unsere  Bitte,  die  wir  an  die  rechte  Rhein- 
seite richten,  und  zwar  in  einer  Sache,  die  wir  eine  Ehren- 
sache nennen,  eine  vergebliche  Bitte  wäre?    Es  ist  der* 
gestalt  eine  Ehrensache,  dass  ganz  Deutschland,  Belgien, 
Holland  und  Frankreich   auf  uns   sehen  und  dass  dabei 
der  Ruhm  des  7.  rheinischen  Landtags   auf  dem  Spiel 
steht.    Meinen  verehrten  Mitständen  lege  ich  diesen  Ruhm 
warm  ans  Herz!" 

Ferner  ein  Abgeordneter  der  Landgemeinden: 
„Dass  es  uns  nach  den  Principien  des  UrChristen- 
thums  nicht  geziemt,  die  Juden  von  unserm  Staatsbürger- 
thume  auszuschliessen,  kann  wohl  nicht  in  Zweifel  ge- 
zogen werden;  und  der  Umstand,  dass  die  Juden  nach 
ihrer  jüdischen  und  nicht  nach  unserer  so  genannten 
christlichen  Weise  verschroben  sind,  kann  uns  eben  so 
wenig  und  um  so  weniger  dazu  berechtigen,  da  deren 
seitherige  Ausgeschlossenheit  und  eben  daher  entstandene 
anscheinende  Niedrigkeit  unser  eigenes  Werk,  das  Werk 
unserer  unchristlichen  Selbstüberschätzung  und  unserer 
Selbstsucht  ist.  Es  erscheint  mir  deshalb  als  eine  heilig 
Pflicht,   diese   unsere    seitherige   Versündigung    an    den 


Gesehtehte  der  jüdiwhen  Gemeinde  Düeeeldoffs,  195 

Juden^  und  an  uns  selbst^  wieder  gut  zu  machen  und  auf 
deren  Emancipation  anzutragen,  mit  dem  Wunsche,  dass 
dieses  allmählich  auch  eine  allgemeine  menschliche 
Emancipation  in  Bezug  auf  gesunde,  vernünftige  Moral 
und  auf  Humanität  fordern  möge.'' 

Ein  Abgeordneter  der  Städte: 

;,Die  politische  und  religiöse  Seite  der  Frage  über  die 
Emancipation  der  Juden  glaube  ich  nach  dem  Trefflichen, 
das  hierüber  in  unserer  Versammlung  gesagt  worden  ist, 
nicht  ferner  beleuchten  zu  müssen.  Ich  will  nur  erklären, 
dass  ich  für  die  Emancipation  stimme,  und  um  so  mehr 
dafür  stimme,  als  ich  die  Gefahr  nicht  einsehen  kann, 
welche  diese  Massregel  für  den  Staat  haben  sollte.  Die 
Bevölkerung  der  Rheinprovinz  beträgt  ungefähr  2,600,000 
Seelen,  hierunter  sind  noch  nicht  27,000  Juden;  dieselben 
machen  also  ungefähr  1  Proc.  der  ganzen  .Population. 
Wenn  diese  geringe  Anzahl  unserer  Mitbürger  uns  in 
Rechten  gleich  gestellt  wird,  wie  sie  es  bereits  in  den 
Lasten  ist,  so  wäre  dies  nur  ein  Act  der  Gerechtigkeit, 
dessen  Nachtheile  meiner  Ansicht  nach  sehr  übertrieben 
werden.  Es  ist  wahr,  die  Juden  haben  sich  bis  jetzt  un- 
vermischt  erhalten.  Gewiss  ist  aber,  dass  diese  Isolirung 
beiden  Theilen  zur  Last  fällt,  nämlich  dem  unterdrückten 
jüdischen  Volke  sowohl,  als  auch  dem  herrschenden.^ 

Ein  Abgeordneter  der  Ritterschaft: 

„Wenn  angeführt  worden,  dass  der  Talmud  schlechte 
Grundsätze  enthalte,  so  bestreite  ich  nicht,  dass  eine  Ueber- 
Setzung  desselben  manches  Verwerfliche  enthalte;  allein  es 
ist  auch  allgemein  bekannt,  dass  der  Verfasster  dieser 
Auflage,  Namens  Eisenmenger,  dieses  Buch  bloss  aus 
Rache  gegen  die  reichen  Juden  in  Frankfurt  geschrieben, 
die  ihm  eine  grosse  Summe  Geldes  verweigert  hatten, 
welche  er  von  ihnen  begehrt  hatt/e.  Hier  liegt  also  eine 
böse  Absicht  dieser  Schrift  zu  Grunde.  Dieses  Buch  wird 
auch  von  allen  jüdischen  und  christlichen  Gelehrten  ver- 
worfen. Dagegen  giebt  es  aber  viele  andere  Auflagen, 
oder  besser  gesagt,  Uebersetzungen  des  Talmud,  welche 
nur  die  Lehre  der  reinsten  Moral  enthalten.  Sollte  dies 
irgend  von  einer  Seite  bezweifelt  werden,  oder  sollte 
Jemand  die  Meinung  haben,  dass  es  sich  anders  mit  den 
jüdischen  Religionsbüchern  verhalte,  so  bin  ich  erbötig 
und  im  Stande,  dieserhalb  jeden  Beweis  anzutreten.  Mit 
einer  grossen  Menge  israelitischer  Religionsbücher  ver- 
seben, kann  ich  auf  unumstössliche  Weise  die  Wahrheit 
meiner  Behauptung  darthun.^ 

Es  würde  zu  weit  führen,  alle  diese  herrlichen  Worte 
in  extenso  an  dieser  Stelle  wiederzugeben,  vielmehr  müssen 

13* 


196  Gtsekichte  der  jüdisehen  Gemeinde  DÜeeeldorfe. 

wir  auf  die  Verhandlungen  selbst  verweisen  (abgedruckt 
in  der  Düsseldorfer  Zeitung  vom  2.  Aug.  1843  Nr.  212). 
Der  Berichterstatter  hatte  namens  des  Ausschusses  be- 
antragt :  Bitten  wir  unsem  gerechten  König,  dass  es  Ihm 
gefallen  möge 

^die  Anwendbarkeit  des  napoleonischen  Decretes  vom 
17.  März  1808  in  dem  linksrheinischen  Theile  der  Provinz 
Allergnädigst  aufzuheben^;  und  femer  zweitens: 

^  Alle  noch  bestehenden  Hindemisse  zur  völligen  Gleich- 
stellung der  Juden  mit  Seinen  christlichen  Unterthauen 
Allergnädigst  beseitigen  zu  wollen.^ 

Der  erste  Theil  des  Antrages  wurde  mit  68  gegen  5 
Stimmen  angenommen.  Der  zweite  Theil  wurde  im  Sinne 
des  Landtagsmarschalls,  der  die  Oleichstellung  der  bOrger- 
liehen  und  politischen  Rechte  ausdrücklich  angefohrt 
wissen  wollte,  und  eines  Abgeordneten  der  Städte,  der 
;,die  Beseitigung  der  Hindemisse  vorzubereiten^  eingefügt 
wissen  wollte,  mit  64  gegen  19  Stimmen  in  folgender 
Fassung  angenommen: 

^Die  Wegräumung  aller  noch  bestehenden  Hinder- 
nisse zur  völligen  Gleichstellung  der  Juden  in  bürg^er- 
lieber  und  politischer  Hinsicht  mit  Seinen  christlichen 
Unterthanen  vorzubereiten  und  deren  Beseitigung  herbei- 
führen zu  wollen.** 

In  ihrer  Freude  über  dieses  Resultat,  welches    die 
bangen  fast  20  Jahre  gehegten  Befürchtungen  beseitigte 
und  Juden  und  Judenthum  in  einer  so  gerechten,  aner- 
kennenden und  warmen  Weise  beleuchtete,  von  Dank  gegen 
die  Vorsehung  und  gegen  die  eifrigen  und  erleuchteten 
Vorkämpfer  für  Recht  und  Humanität  erfüllt,  übersandte 
die  Gemeinde  dem  Oberbürgermeister  Herrn  v.  FuchsiuB 
100  Thaler  zur  Vertheilung  von  Brod  an  die  hiesigen 
Armen  und  der  Vorsteherin  der  barmherzigen  Schwestern 
ein  Geschenk  von  40  Thalem  zum  Besten  der  Anstalt. 
Vor  Allem  gab  sie  den  lebhaften  Gefühlen  des  Dankes 
gegen  die  Hohen  Stände  in  folgender  Adresse  Ausdruck. 
y,Hohe  Stände  Versammlung! 

Durch  das  heute  abgegebene  Votum,  bei  Sr.  M^jestftt 
dem  Könige  die  Emancipation  der  Juden  zu  beantragten, 
hat  eine  hohe  Stände -Versammlung  die  Herzen  vieler 
Tausende  mit  der  grössten  Freude  und  Begeisterung  er- 
füllt. Dieses  Votum  bildet  einen  unschätzbaren  Annex 
zu  denjenigen,  die  von  einer  hohen  Ständeversammlung^ 
im  Laufe  ihrer  diesjährigen  Diskussionen  bereits  ausge- 
gangen  sind;  dieses  Votum  wird  wiederhallen  in  ganz 
Deutschland,  wir  dürfen  zuversichtlich  behaupten  in  ganz 
Europa,  —  es  wird  Epoche  machen  in  den  Annalen  deutscher 


Oesehiehte  der  jMUchtn  Otmeinde  DüssMarfs.  197 

StändeversamixilungeQ.  —  Es  war  dem  7.  Rhein.  Provinzial- 
Landtag  vorbehalten,  in  wenigen  Stunden  die  Schuld  von 
Jahrhunderten  abzutragen,  es  war  ihm  vorbehalten,  in 
wenigen  Stunden  ein  Werk  zu  vollenden,  mit  dessen 
Aufbau  England,  da«  seiner  Freisinnigkeit  wegen  so  sehr 
gepriesene  Land,  schon  Jahrzehnte  beschäftigt  ist:  ein 
Werk,  dessen  sich,  was  Humanität  und  Gerechtigkeit 
betrifft,  keine  Ständeversammlung  rühmen  darf. 

Ein  Alp,  der  viele,  viele  Jahre  die  Brust  der  preussi- 
schen  Juden  beklemmte,  ist  gewichen  und  hat  einem 
Gefühle  Platz  gemacht,  das  nur  der  begreifen  dürfte, 
der  Jahre  lang  Ketten  getragen  und  plötzlich  derselben 
entledigt  wird. 

Der  7.  Rhein.  Pro vinzial  -  Landtag  hat  durch  sein 
heutiges  Votum  sich  geehrt,  hat  die  Provinz  geehrt,  deren 
Vertreter  er  ist. 

Der  7.  Rhein.  Provinzial-Landtag  darf  mit  Stolz  sagen, 
da.8s  er  die  Initiative  stets  da  ergriffnen,  wo  es  galt,  die 
Interessen  der  Billigkeit  und  Gerechtigkeit  zu  vertreten. 
Er  hat  den  von  uns  stets  festgehaltenen  und  in 
trttben  Tagen  uns  aufHchtenden  Gedanken  bewährt,  dass 
ein  brüderliches  Band  war,  ist,  und  seyn  wird,  das  unsere 
Herzen  mit  denen  unserer  Mitbürger  verbindet:  ein 
moralisches  Band,  ein  Band  des  Wahren  und  Guten. 

Es  hatte  ausserdem  der  Regierungsantritt  unseres 
hochherzigen  Königs  Majestät ;  es  hatte  das  unsere  Brust 
erhebende  Gefühl,  dem  Landesvater  mit  Blut  und  Leben 
ergeben  zu  seyn,  den  Hoffhungsstrahl  entzündet,  dass  an 
den  Stufen  Seines  Thrones  auch  unsere  Lage  eine  gnädige 
Berücksichtigung  finden  werde. 

Die  Stimme  des  Volkes  ist  Gottes  Stimme.  —  Die 
Rheinprovinz  hat  es  in  zahlreichen  Petitionen  bewiesen, 
wie  sehr  ihr  die  Gleichstellung  der  Juden  mit  den  übrigen 
Mitbürgern  am  Herzen  liege;  der  7.  Rhein.  Provinzial- 
Landtag  hat,  als  Organ  der  Provinz,  diesen  Wünschen 
die  Weihe  gegeben. 

Und  so  bringen  denn  die  gehorsamst  unterzeichneten 
israelitischen  Einwohner  der  Stadt  Düsseldorf  Einer  hohen 
Standeversammlung  im  Namen  der  Gerechtigkeit  und 
Humanität  ihren  innigst  gefühlten  Dank  dar. 

Nur  der  allmächtige  Vater  ist  Zeuge  unsers  tief 
empfundenen  Dankes;  zu  Ihm  wollen  wir  betend  uns 
wenden,  dass  er  seinen  Segen  den  Vertretern  der  Israeliten 
auf  dem  7.  Rhein.  Provinzial-Landtage  verleihe;  zu  Ilun 
wollen  wir  vom  tiefsten  Dankgefühl  durchdrungen,  die  in- 
brünstige Bitte  richten,  dass  er  uns  die  Kräfte  geben  möge, 
uns  in  Wort  und  That  dieses  beglückenden  Ausspruches  Einer 


IDH  Geaehiehte  dgr  jildigehen  Oemeinde  DügsMorf». 

hohen    ätändeversammlung    stets    würdig    beweisen    zu 
können. 

Mit  Ehrerbietung  und  dankbarster  Hochachtung  ver- 
harren Einer  hohen  Ständeversammlung  gehorsamste 

Düsseldorf,  13.  Juli  1843.** 

(Folgen  die  Unterschriften  sämmtlicher  Mitglieder 
der  israelitischen  Gemeinde  zu  Düsseldorf.) 

Auch  die  Düsseldorfer  Zeitung  widmet  dem  Beschlüsse 
des  Landtages  einen  warmen  Dank.  In  der  bereits  er- 
wähnten Nummer  schreibt  sie: 

^Düsseldorf,  vom  15.  Juli.  Es  ist  bereits  bekannt 
geworden,  dass  der  Landtag  für  die  Emancipation  der 
.luden  sich  ausgesprochen.  —  In  der  That,  ein  schöneres, 
ehrenderes  Denkmal  konnte  der  siebente  rheinische  Land- 
tag sich  selbst  und  seinem  Wirken  nicht  setzen !  —  Ganz 
Deutschland  wird  sich  freuen  über  den  Geist  der  Freiheit, 
der  in  diesem  Votum  einer  deutschen  Ständeversammlung 
sich  ankündigt.  —  Für  die  Juden !  was  heisst  dies  anders, 
als  für  Recht  und  Freiheit  ?  Wohl  uns,  dass  wir  zu  dieser 
Erkenntniss  gekommen!  Wohl  uns,  wenn  wir  auf  dieser 
Bahn  fortwandeln  und  ringen  und  kämpfen  für  Recht 
und  Freiheit,  bis  wir  endlich  auch  das  Höchste  aller 
individuellen  Freiheit  erreicht  haben  werden:  Freiheit 
des  Geistes  und  Gedankens,  Freiheit  des  Wortes!^ 

Besonders  verdient  gemacht  hatte  sich  um  die  Er- 
reichung dieses  Resultates  uAter  den  Vertretern  der  Geist- 
lichkeit Canonicus  Lensing  aus  Emmerich.  Aus  deim 
Kreise  der  Düsseldorfer  Bürgerschaft  war  es  besonders 
Commerzienrath  Baum ,  damaliger  Landtagsdeputirter. 
Zahlreich  und  voll  des  Dankes  waren  die  Anerkennungs- 
schreiben, welche  auch  der  Gemeinde  zu  Düsseldorf  für  ihr 
mannhaftes  und  umsichtiges  Auftreten  von  den  Glaubens- 
genossen gezollt  wurden.  Auch  der  verdiente  Dr.  Z.Frankel, 
Oben^abbiner  von  Dresden  und  Leipzig,  später  Director 
des  jüdisch-theol.  Seminars  zu  Breslau,  zeichnete  die  Oe- 
meinde durch  ein  solches  Schreiben  aus  und  fügte  gleich- 
zeitig eine  Dankadresse  an  den  Landtag  bei,  welche  es 
wohl  verdient,  hier  wiedergegeben  zu  werden. 
„Hohe  Stände  Versammlung ! 

Die  Kunde  des  Triumphes,  den  die  Sache  der  Mensch- 
heit durch  den  h.  rheinischen  Landtag  gefeiert,  hat  das 
Herz  jedes  echten  Patrioten  mit  Stolz  erfüllt  und  in  dem 
Gemüthe  der  Juden  Deutschlands  Gefühle  der  Verehrung^ 
und  der  dankbarsten  Anerkennung  angeregt. 

Der  h.  rheinische  Landtag  hat  das  Wort  „Emanci- 
pation der  Juden^  in  seinem  ganzen  Umfange  ausge- 
sprochen und  hierdurch  kundgethan,  welche  Motive 


>V>1 


Oe$chiehie  der  Jfidisehen  Oeineüule  Dilsseldorfs,  199 

Vertreter  eines  edlen  und  freien  Volkes  belebten.  Durch- 
drungen von  dem  Werthe  des  Menschen^  von  den  Rechten, 
die  weder  durch  Verschiedenheit  der  (,^onfession,  noch 
dur'th  Nebenrücksichten  je  beeinträchtigt  werden  dürfen, 
hat  der  h.  Landtag  im  Juden  den  Sohn  des  Vaterlandes, 
den  einbeimischen  Bürger  des  deutschen  Bodens  an- 
erkannt, dem  gewährt  werden  soll,  wozu  seine  gerechten 
Ansprüche  ihn  berechtigen. 

Es  hat  die  Wahrheit  ihre   mächtige,   unbesiegbare 
Kraft,  sie  trägt  ein  göttliches  Zeichen  an  ihrer  Stirn, 
das  nicht  durch   die  falbe  Schminke  einer  erheuchelten 
Autlclärung,   nicht  dm*eh  den  falschen  missverstandenen 
Eifer  für  Gott,  nicht  durch  ängstliche,   eine  kleinliche 
Engherzigkeit  nur  schlecht  verhüllende  Vorsicht  erlangt 
werden  kann.    Dort,  wo  man,  was  dem  Juden  gewährt 
wird,  als  Gnade  ansieht,  wandelt  sich  die  Gabe  in  ein 
kränkendes,  herznagendes  Almosen  um;   es  wird  abge- 
zirkelt  und   abgewogen   und   berechnet   und    bemessen, 
bin   das  Gewährte  in  ein  Nichts  zusammensinkt,  bis  der 
Empfänger  inne  wird,  wie  wenig  Einst  es  dem  Spender 
war,  wie  ihn  nicht  ein  höherer,   von  der  Achtung  vor 
der  Würde  des  Menschen  beseelter  Wille  trieb,  sondern 
nur  der  Schein  gemieden  werden  sollte,   als  gebe  man 
der  Stimme  der  Menschheit  nicht  Gehör.    Wo  nicht  aus 
einem  lebendigen  Ergüsse  des  Rechts  sich  die  Stimme 
für  den  gedrückten  jüdischen  Mitbürger  erhebt,  wird  der 
bettelhaften  Gabe  die  Unwürdigkeit  hinzugefügt,  dass  man, 
die    eigene  Schuld  auf  den  Juden  hinüberwälzend,   ein 
grauenerregendes  Bild  von  seiner  Verworfenheit  aufstellt, 
ihm  jede  menschliche  Schwäche  zum  Laster  anrechnet 
und  neue  andichtet,  mit  ihm  erst  philanthropische  (!)  Ver- 
suche anstellen,  ihn  durch  Beschränkungen  und  Verclausu- 
lirung  von  vornherein  unschädlich  machen  will;  und  man 
fO^  zum  Unrecht  den  Spott  hinzu,  ihm  die  drückendsten 
Beschränkungen  als  liebende  Fürsorge  anzurechnen.  — 
Welches  Gefühl  kann  ein  in  solcher  Absicht  gewährtes 
Zu^eständniss  im  Juden  erwecken,  welche  Zugeständnisse 
werden  überhaupt  diejenigen,  welche  ein  solcher  Geist 
belebt,  machen,  wie  muss  nicht  in  ihrem  Schosse  Humanität 
und    Grossherzigkeit  zu  einer  schwachen  verkrüppelten 
Pflanze  zusammenschrumpfen. 

Doch  welchen  Geist  haben  Sie,  hochherzige,  edle 
Manner  des  freien  Rheins,  bekundet!  Nicht  Gnade 
wollten  Sie  spenden,  sondern  im  reinsten  Hochgefühle 
Recht  ertheUen :  Sie  wurden  von  dem  Genius  der  Wahr- 
heit geleitet,  der  über  Vorurtheil  und  Selbstsucht  erhebt, 
darum  sprachen  Sie  ^ungetheilte  bürgerliche  Gleich- 


200  Geschichte  der  jiUlf sehen  OemtimU  Dileeetdarfs. 

Stellung^  aus,  ertönte  aus  Ihrem  Munde  das  Wort,  auf 
das  Jahrelang  geharrt  wurde. 

Hohe  Ständevei^animlung!   Es  ist  das  von  innigein 
Danke  tiefbewegte  Geniüth  eines  Juden,  das  diese  Zeilen 
dictirt:   und   er  darf  mit  Gewissheit  aussprechen ,   dass 
viele  Tausende  seiner  (rlaubensgenossen,  die,  wenn  auch 
gleich  ihm   vom   Rheine  fern  lebend  und   zu  Preussens 
Unterthanen  sich  nicht  rechnend,   in  dieses  GefQhl  mit 
einstimmen.   Es  ist  aber  auch  nicht  minder  die  Aeusserung 
eines  Mannes,  den  jeder  gegen  die  Bekenner  einer  andern 
Confession  geübte  Druck  aufs  tiefste  verwundet ;  den  die 
Leiden  der  Protestanten  in  den  Piemontesischen  Gebirgen 
mit  nicht  geringerm  Schmerze  erfBllen,  als  die  der  Juden 
in  den  meisten   christlichen  und  die  der  Katholiken   in 
manchen  protestantischen  LAndern.   Das  Wort  „Mensch" 
soll  zu  seiner  wahren  Bedeutung  und  Geltung  kommen ; 
und  wie  traurig,  wenn  die  Religion,  die  Botin  des  Friedens 
und  der  Liebe,  die  Veranlasserin  des  bittersten  Unrechts 
wird!  —  Es  ist  endlich  die  Stimme  eines  Deutschen,  der 
auf  deutschem  Boden  geboren,  in  deutschen  Sitten  gross- 
gezogen,  auf  den  Namen  eines  Deutschen  stolz  sein  Auge 
bewundernd  zu  der  Höhe  erhebt,  die  deutsche  Wissen- 
schaft und  Bildung  erreicht;  und  doch  sieht  er  sich  in 
dem  Volke,  dem  er  der  Confession  nach  angehört,  zurQck- 
gedrängt,  muss,  was  dem  Menschen  am  theuersten,  die 
Freiheit,  bei  auswärtigen •  Nationen  für  seine  Glaubens- 
genossen suchen!     Nach  Frankreich,   Belgien,  Holland 
schweifte  der  Blick  hinüber,  in  Germaniens  Gauen  konnte 
er  mit  Ausnahme   Churhessens   nicht  den   erwQnschten 
Ruhepunkt  finden:  der  Deutsche,  dem  Recht  heilig,  der 
Freiheit  zum  Paniere  erhebt,  will  er  allein  die  Freiheit 
des  Menschen  im  Juden  verkennen,  er,  der  Hochgebildete, 
hinter  seinem  westlichen  Nachbar  so  weit  zurQckatehen  ? 

Sie,  erhabene  Männer!  haben  die  Ehrenrettung  Deutsch- 
lands Qbemommen ;  und  Ihr  Wirken  ist  um  so  bedeutens- 
reicher,  als  es  in  einen  Zeitraum  fällt,  in  welchem  der 
Brust  Vieler  mancher  Seufzer  über  Rückschritte  entfährt, 
die  auf  dem  Gebiete  der  Humanität  drohen.  Da  erhebt 
das  edle  Rheinvolk  laut  und  vernehmbar  seine  Stimme: 
fk*eisinnige  Städte  des  Rheinlandes  treten  in  die  Schranken 
fOr  die  Emancipation  der  Juden,  seine  h.  Stände  fassen 
einen  Beschlusar,  wie  er  die  Vertreter  eines  fttr  Recht 
und  Freiheit  glühenden  Volkes  ehrt,  legen  ihre  Wünsche 
an  den  Stufen  eines  Thrones  nieder,  den  ein  weiser  und 
gerechter  König  einnimmt,  der  diesen  Wünschen  Erhörun^ 
schenken  wird.  Durch  den  rheinischen  Landtag  bricht 
eine  neue  Zeit  an:  denn  schon  in  dem  ausgesprochenen 


^«•dkMte  d$r  jQdi9(k9n  Oermindt  Dü9BMorf$.  201 

Beschlüsse  liegt  für  den  Juden  die  befriedigende  Mani- 
festation,  dass  er  einem  grossen  Theile  der  Bewohner 
Deutschlands  nicht  mehr  ein  Fremdling  sei.  Diese  Ueber- 
zeugung  wird  sich  weiter  Raum  schaffen ;  der  Funke  des 
Beligionshasses  und  der  Unduldsamkeit;  der  hier  und  dort 
noch  auflodert;  wird  vor  der  grossherzigen ,  vom  Rhein- 
Iftnder  geoifenbarten  Gesinnung  erlöschen^  kern  Vorwand 
wird  mehr  gesucht,  nicht  wird  die  Nationalität  des  Judet) 
als  Vehikel  des  Menschenhasses  herbeigeholt :  der  deutsche 
Jude  ist  ein  Deutscher,  gehört  dem  Vaterlande  mit  seinem 
Leben  und  seinem  Gute  an,  fühlt  sich  nicht  durch  seine 
Confession  behindert,  sich  zur  deutschen  Nation  zu  rechnen. 
yyRecht  und  Freiheit  jedem  Menschen,  Duldung  und  Liebe 
jedem  Glaubensbekenntnisse^,  dieses  wird  in  Zukunft  der 
Wahlspruch  Deutschlands  sein;  unter  dieser  Fahne  sam- 
meln sich  alle  seine  Söhne,  unter  diesem  Bollwerke  wird 
jedem  Feinde  widerstanden,  dieses  das  Rheinlied,  das  alle 
Zeiten  überdauert:  die  edelsten  Männer  haben  es  auge- 
stimmt und  bald  wird  es  allgemein  widerhallen. 

Mit  der  tiefsten  Hochachtung  und  Verehrung  zeichnet 
sich  einer  h.  Stände  Versammlung 

ergebenster 

Dr.  Z.  Frankel, 
Oberrabbiner  der  Israel.  Gemeinden 
zu  Dresden  und  Leipzig. 
Badeort  SwinemQnde  a.  d.  Ostsee,  den  27.  Juli  1843.^ 

Auf  den  weiteren  Verlauf  der  Gesetzgebung  können 
wir  hier  nicht  weiter  eingehen,  da  er.  nicht  speciell  zur 
Geschichte  Düsseldorfs  gehört.  Es  ist  bekannt,  dass  die 
Verhältnisse  der  Juden  durch  das  Gesetz  vom  23.  Juli 
1847  und  durch  die  Verfassungsurkunde  vom  31.  Januar 
1850,  speciell  durch  die  Bestimmung:  „Alle  Preussen  sind 
vor  dem  Gesetze  gleich,  der  Genuss  der  bürgerlichen  und 
staatsbQrgerlichen  Rechte  ist  unabhängig  von  dem  reli- 
giösen Bekenntnisse*^  endgiltig  geregelt  wurde.  Der  Ver^ 
such  des  Abgeordneten  Wagener  und  Genossen ,  auf  die 
Aufhebung  der  Art.  4  und  12  der  Verfassung  gerichtet, 
vieranlasste  die  Düsseldorfer  Gemeinde  später  abermals 
zu  einer  am  10.  Febr.  1856  eingereichten  Petition  an  das 
Abgeordnetenhaus. 

Der  Synagogen- Bezirk  Dflsseidorf. 

Die  umsichtige  Thätigkeit,  welche  die  israelitische 
Oemeinde  in  den  die  Glaubensgenossen  im  Allgemeinen 
und  die  rheinischen  Juden  insbesondere  betreffenden 
Fragen  entfaltete,  muss  um  so  mehr  anerkannt  werden, 
als  die  Oemeinde  in  ihren  inneren  Angelegenheiten  viele 


202  Oesehichte  der  jüdieehtn  Oeauinde  DQsBMwrf^ 

Schwierigkeiten  zu  bekämpfen  hatte,  die  durch  die  aller 
gesetzlichen  Bestimmungen  entbehrenden  und  durch  die 
Auflösung  der  frOher  jolich-bergischen,  später  bergischen 
Judengenossenschaft   geschaffen    worden   waren.     Diese 
zerfiel  in  einzehie  Gemeinden,  welche  unter  sich  keinen 
gesetzlichen  Zusammenhang  mehr  hatten,  und  da  auch 
diese  keine  rechtliche  Organisation  besassen,  so  hing  es 
von  dem  Willen  der  Einzelnen  ab,  sich  zu  einer  Gemeinde 
zusammenzuschliessen  oder  nicht.    Die  Verfassung  dieser 
Genossenschaften  war  zwar  beseitigt,  aber  durch  keine 
neue,   den   neuen   Verhältnissen    entsprechende   ersetzt 
worden.   So  eigenthttmlich  die  alte  Verfassung  auch  war, 
so  hatte  sie  doch  wenigstens  einen  Bechtsboden  geschaffen, 
der  Willkür  des  Einzelnen  einen  Riegel  vorgeschoben  und 
die  Möglichkeit  geboten,  die  allgemebien  Gultusangelegen- 
heiten  nach  feststehenden  Normen  zu  ordnen  und  zu  ver- 
walten.  Dazu  kam  noch,  dass  die  Juden  für  die  Erhaltung 
und  Beschaffung  ihrer  religiösen  Institutionen,  wie  Syna- 
gogen, Schulen,  Friedhöfe,  f(lr  die  Besoldung  der  Rabbiner, 
der  Lehrer,  der  Cantoren  und  der  andern  nothwendigen 
Beamten  grosse  Geldopfer  zu  bringen  hatten,  die  neben 
den  andern  ihnen  auferlegten  Lasten,  als  Tribut,  Eron- 
geldem  und  sonstigen  Steuern  und  der  französischen  Con- 
tribution  einen  sel^  drückenden  Charakter  hatten.    Zur 
Bestreitung    dieser    Verpflichtungen    hatten    die    Juden 
schwere  Capitalien  aufhehmen  müssen.  Die  Amortisation 
und  die  Verzinsung  derselben  wurde  durch  Unolagen  ge- 
deckt, welche  nach  den  Bestimmungen  der  Schutzbriefe 
und  des  späteren  corporativen  Charakters  der  bergischen 
Judenschaft  executivisch  erhoben  werden  konnten.     Der 
Vorstand  war  eine  von  der  jeweiligen  Regierung  aner- 
kannte und  der  jüdischen  Gemeinde  gegenüber  mit  den 
nöthigen  Rechten  ausgestattete  Behörde.   Nachdem  dieser 
Charakter  der  speciell  jüdischen  Abgaben  beseitigt  und 
die  Befugnisse  des  Vorstandes  aufgehoben  worden  waren, 
musste  bei  dem  gänzlichen  Mangel  einer  Gemeindeordnung 
die  grösste  Verwirrung  in  den  Gememdeangelegenheiten 
hervorgerufen  und  durch  die  nothwendige  Auseinander- 
setzung  der   einzelnen  Gemeinden   mit  ihrem   früheren 
Verbände  der  Herzogthümer  Jülich  und  Berg  und  später 
des  Grossherzogthums  Berg  bezüglich  der  gemeinsamen 
Schulden  noch  verwickelter  werden.    Die  Autorität  des 
nach  alter  Gewohnheit  gewählten  Vorstandes  wurde  nicht 
mehr  anerkannt,  und  seine  Anordnungen  wurden   nicht 
befolgt.  Der  Versuch,  sich  dem  Gemeindezwange  zu  ent- 
ziehen, wurde  um  so  häufiger  gemacht,  als  die  Zugehörig- 
keit zur  Gemeinde  grosse  Opfer  erheischte.  Denn  die  ein- 


Geschichte  der  jüdUchen  Gemeinde  Düeeeldorfe.  208 

gegangenen  Verbindlichkeiten  hatten  einen  solidarischen 
Charakter;   Capitalien  waren  den  Juden  nur  unter  der 
Bedingung  hcrgeliehen  worden,   dass  sie  alle  für  einen 
mit   ihrem   Vermögen   für   dieselben   hafteten.     Freilich 
standen   diesen   Pflichten   auch   Rechte   gegenüber,   wie 
z.  B.  das  Recht,  den  Vorstand  und  die  Beamten  zu  wählen, 
das  Eigenthumsrecht  an  dem  Vermögen  der  Gemeinde, 
an  den  Friedhöfen,  Synagogen,  die  Benutzung  reservirter 
Plätze  in  denselben  u.  a.  m.    Da  aber  die  Synagoge  aus 
religiösen  Gründen   auch  denjenigen  nicht  verschlossen 
werden    durfte,    welche    an   den   Gemeindelasten    nicht 
participirten,  so  konnten  alle,  welchen  es  an  dem  nöthi- 
gen  Gemeinsinn  fehlte,  oder  welchen  die  überkommenen 
Cultus-Einrichtungen  und  Gewohnheiten  nicht  behagten, 
den  Gemeindelasten  sich  leicht  entziehen,   ohne  in  reli- 
giöser Beziehung  gerade  in  eine  Zwangslage  zu  kommen. 
Diesen   konnte  natürlich  ein  massgebender  Einfluss  auf 
die  Gestaltung  der  religiösen  Einrichtungen,  auf  den  Cultus 
und  auf  die  Schulverhältnisse  nicht  eingeräumt  werden, 
um  so  weniger,   als  es  denselben   auch   an   der  Pietät 
gebrach,  welche  den  älteren  und  religiösgesinnten  Ge- 
meindemitgliedern eigen  war.    Der  Unterschied  zwischen 
wirklichen    und    nicht   wirklichen    Gemeindemitgliedem 
wurde  daher  allmählich  immer  schärfer  betont.    Theils 
aus  religiösem  Interesse  und  um  destructive  Elemente 
von  dem  Gemeindeverbande  fernzuhalten,  theils  aber  auch, 
um   den   bedeutenden    finanziellen  Verpflichtungen   ent- 
sprechen zu  können,  wurde  die  Aufnahme  in  den  Gemeinde- 
verband von  der  Entrichtung  eines  ziemlich  hohen  Eintritts- 
geldes, bis  zu  200  Thaler  und  mehr,  abhängig  gemacht. 
Allmählich  bildeten  sich  zwei  ziemlich  schroff  sich  gegen- 
überstehende Parteien  heraus,  die  der  Neuerungssüchtigen 
und  die  Partei  derjenigen,  welche  zwar  nicht  weniger 
geneigt  waren,  dem  Streben  nach  Bildung  nachzugeben 
und  den  Zeitverhältnissen  Rechnung  zu  tragen,  aber  doch 
das  religiöse  Leben  in  der  Gemeinde  zu  erhalten  und  zu 
pflegen  suchten.    Der  Gegensatz  wurde   um  so  grösser, 
als    der  Mangel    aller   gesetzlichen   Bestimmungen    der 
Willkür  Thür  und  Thor  öfltaete.    So  kam  es  allmählich 
auch  dahin,  dass  die  Vorsteher,  welche  nach  alter  Ge- 
wohnheit gewählt  worden  waren  und  ihres  Amtes  mit 
Treue    und  Hingebung,   mit   frommem    Ernst    und    der 
nöthigen  religiösen  Wärme  gewaltet  hatten,  nicht  von 
Allen  anerkannt  wurden,  und  dass  von  der  andern  Seite 
der  Versuch  gemacht  und  thatsächlich  ausgefllhrt  wurde, 
einen  Gegenvorstand  zu  wählen  und  den  Vorstand   und 
dessen  Befugnisse  zu  reformiren. 


204  GetchiehU  dtr  jüdUehen  O^meinde  DttssMarft, 

Während  der  Fremdherrschaft  hatten  sich  zahh*eiche 
Juden  in  dem  Orossherzogthum  Berg  niedergelassen,  ohne 
sich  dem  G^meindeverbande  anzuschliessen  und  die  ge- 
meinsamen Lasten  tragen  zu  helfen.  Schon  Landrabbiner 
Scheuer  machte  gelegentlich  der  fUr  das  Jahr  1812  anbe- 
fohlenen Wiederaufnahme  der  Bevölkerung  darauf  aufmerk- 
sam, dass  „die  seit  einiger  Zeit  aus  fremden  Orten  hierher 
verzogenen  Individuen^  in  seiner  Aufhahme  nicht  ein- 
geschlossen seien,  zu  seiner  Gemeinde  nicht  gehören  und 
es  aus  diesem  Grunde  dem  Maire  leichter  sei  als  ihm, 
hierüber  ein  genaues  Verzeichniss  aufnehmen  zu  lassen. 
Aus  diesen  Zugezogenen  oder  aus  den  bis  dahin  nicht 
mitgezählten  jungen,  meistens  unselbststftndigen  Leuten 
rekrutirten  sich  zumeist  die  Neuerer,  welchen  die  durch 
gemeinsame  Kämpfe  und  Sorgen  und  die  langjährige, 
durch  viele  Geschlechter  von  den  Vorfahren  über- 
kommene und  geweihte  Zusammengehörigkeit,  sowie  die 
ererbten  lokalen  Traditionen  fehlten.  Da  sie  aber  in  der 
Mehrheit  waren,  gelang  es  ihnen  allmählich,  die  älteren, 
bewährten  und  opferfthigen  Gemeinde -Mitglieder  eine 
Zeit  lang  zu  majorisiren. 

Bezeichnend  ist  eine  Eingabe  von  Simon  Prag,  eines 
wohlthätigen ,  glaubenseifrigen,  gebildeten  Mannes,   der 
lange  Jahre    die  Gemeinde  verwaltet  hatte,    das   Ver- 
trauen nicht  nur  der  jüdischen,  sondern  auch  der  christ- 
lichen  Mitbürger   in  hohem  Grade  genoss,    und  einen 
Beweis  dafür  durch  die  Uebertragung  vieler  Ehrenämter, 
besonders  durch  die  Wahl  als  Stadtverordneter  bekommen 
hatte.    Dieser  lehnte   eine  im  Jahre  1824   auf  ihn  ge- 
fallene Wahl  als  Deputirter  der  Gemeinde  ab,  weil  er 
in  seinem  „bereits  über  60  Jahre  vorgerückten  Alter^ 
seine  eigenen,  wie  viel  weniger  fremde  Geschäfte   mit 
der    nöthigen   Umsicht    nicht    zu    versehen   vermöchte. 
„Seit  mehr  denn  20  Jahren  habe  ich  mit  regem  Eifer  der 
Gememde    vorgestanden    und   deren   WoU    überall    zu 
fördern  gestrebt;   nun  aber  kann  und  werde  ich  mich 
nicht  femer  dazu  verstehen,  um  so  weniger,  als  jetzt  dei* 
Geist  des  Widerspruchs  immer  mehr  und  mehr  um  sich 
greift,  die  (Geschäfte  erschwert  und  mir  meines  Lebens 
letzte  Tage  verbittern  würde.  ^    Solcher  Schwierigkeiten 
bei  den  Wahlen  und  den  sonstigen  Gemeindeangeleg'en- 
heiten   ergaben  sich   inmier  mehr,  je  allgemeiner    das 
Streben  nach  einer  entsprechenden  Gemeinde- Verfassung: 
wurde.    Wenn  auch  nicht  geleugnet  werden  kann,  dass 
dasselbe  durchaus  berechtigt  war,  so  war  doch  zu   be- 
dauern, dass  die  schuldige  Rücksicht  auf  ältere  und  um 
die  Gemeinde  hochverdiente  Männer,  welche  ihre  Opfer- 


Geschulte  der  jüdischen  Gemeinde  DüeeMwfe.  205 

f&bigkeit  bei  allen  Gelegenheiten  bekundet  hatten^  nicht 
immer  in   gebührender  Weise  genommen   wurde.     Ein 
solches  Verhalten  machte  die  Erreichung  des  eigentlich 
nicht  bekämpften  Zieles  schwieriger^  als  es  sonst  gewesen 
wilre.     Dazu  kam  noch,  dass  man  bei  dem  religiösen 
Verhalten    der    leitenden  Persönlichkeiten    in    ihre  Be- 
strebungen nicht  das  nöthige  Vertrauen  setzte.    In  An- 
sehung   dieser  Verhältnisse   sah    sich  daher   der    Ober- 
bürgermeister   Elüber    in    sehr   dankenswerther   Weise 
veranlasst,  am  19.  Sept.  1827  eine  allgemeine  Versamm- 
lung der  in  der  hiesigen  „Sammelgemeinde^  wohnenden 
männlichen  grossjährigen   und  selbsständigen  Israeliten 
zu  veranstalten,   um  theils  von  denselben  über  ihr  Ge- 
meindewesen Auskunft  zu  erlangen,  theils  zu  einer  wahr- 
scheinlich  nothwendigen   besseren   Ordnung    dieses   Ge- 
meindewesens   für    die    Zukunft   Einleitung   zu    treffen. 
Eingeladen  waren   70;   von  diesen  erschienen  33;    als 
verreist  angemeldet  wurden  10  und  27  leisteten  der  Ein- 
ladung   keine   Folge.     Auf  Befragen    vereinigten    sich 
sAmmtliche  Anwesende  in  der  Erklärung,  dass  eigentliche 
von  den  sämmtlichen  in  Düsseldorf  wohnenden  Israeliten 
anerkannte  und  von  irgend  einer  obrigkeitlichen  Behörde 
bestätigte  oder  genehmigte  Statuten  in  Betreff  der  Auf- 
nahme neuer  Mitglieder    der  Geldumlagen  in  der  Ge- 
meinde,   des  Ritus  u.  s.  w.  nicht  existirten.     Das  war 
allerdings,  soweit  die  Zeit  unter  preussischer  Herrschaft 
in  Betracht  kam,  richtig.    Andererseits  wiesen  aber  die 
älteren,   in  der  Versammlung   nicht  erschienenen  liQt- 
glieder  in  einem  schriftlich  eingereichten  Protest  mit  Recht 
darauf  hin,  dass  die  Statuten  durch  die  von  den  Jülich- 
bergischen  Herrschern  den  Juden  verliehene  Gemeinde- 
Verfassung  gegeben  waren,  und  dass  die  Observanzen 
bezüglich  des  Ritus  und  der  inneren  Gemeinde-Vewaltung 
von  den  General -Versanunlungen  schon  von  Alters  her 
schriftlich  niedergelegt  seien,  und  von  den  höchstens  38 
bis   40  kontribuirenden  und  als  solche  in  den  engeren 
Cyklus     der    Gemeinde     aufgenommenen     wahlfähigen 
Gemeinde  -  Mitgliedern    nach    einer    langjährigen    und 
geheiligten   Observanz   anerkannt  seien.      Die  Statuten 
den  fremden  Elementen  der  Gemeinde,  die  für  ihre  be- 
anspruchten Rechte   weiter  nichts   als   ihren   Wohnsitz 
geltend  machen  könnten,  zur  Bestätigung  vorzulegen,  sei 
weder  durch  Gesetz,  noch  nach  den  Grundsätzen  der 
Billigkeit  geboten,  so  lange  dieselben  sich  den  Lasten 
entzögen.    Es  war  also  durch  den  starken  Zuzug  einfach 
eine  sehr  fühlbare  Lücke  in  der  Verfassung  entstanden, 
welcher  die  Behörde  bis  dahin  keine  Beachtung  geschenkt 


206  Oeachichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düeaeldoffs. 

hatte  uBd  zu  deren  Beseitigung  die  Kgl.  Regierung  die 
Sache  noch  lange  Zeit  nicht  für  spruchreif  hielt,  ein  so 
dringendes  Bedürfniss  nach  einer  gesetzgeberischen  Ein- 
wirkung auch  vorlag.    Von  den  in  jener  Versammlung 
Erschienenen  wurde  ein  solches  Bedürfniss  ausdrücklich 
zu   erkennen  gegeben   in    dem   einstimmigen   Wunsche, 
dass  ihrer  Gemeinde   die  zur  Zeit  noch  fehlende  Ver- 
fassung  gegeben   würde,   und   dass   in   derselben   unter 
anderem   die  Bestimmung   aufzunehmen  sei,  dass  unter 
der  Voraussetzung   der  Uebernahme    gleicher  Pflichten, 
jeder  in  Düsseldorf  wohnende,  grossjährige  und  selbst- 
ständige  Israelit  gleiche  Rechte  auszuüben   habe,   eine 
Verfassung,  welche  selbstredend  der  höheren  Staatsbehörde 
zur   Genehmigung  vorzulegen    sei.     Als  Grundlage   für 
eine  solche  Verfassung  wurde  der  Decrets-Entwurf  vom 
Jahre  1814  über  die  Organisation  der  christlichen  Kirchen- 
räthe  zusammen  mit  Art  8 — 11  des  Decretes  in  Betreflf 
der  Wohlthätigkeits-Anstalten  vom  3.  Nov.  1809  mit  Aus- 
nahme der  auf  die   israelitische  Gemeinde  nach  deren 
Eigenthümlichkeiten    nicht   anwendbaren   Bestimmungen 
allseitig     als    genügend     anerkannt,     unter    der    still- 
schweigenden,  selbstverständlichen  Voraussetzung,   dass 
gleichen  Pflichten  auch  gleiche  Rechte  gegenüberstehen 
müssten.     Hiermit   waren    auch    die   älteren  Mitglieder 
einverstanden;  nur  der  Begriff  gleiche  Pflichten  war  ein 
bestrittener.    Die  älteren  Mitglieder  machten  mit  Recht 
geltend,  dass  zu  denselben  nicht  nur  die  laufenden  Ab- 
gaben,  sondern   auch   die  Betheiligung   an   den   bereits 
früher   zur  Erwerbung   der  Synagogen,   Friedhöfe,    Ge- 
meindehäuser  aufgebrachten    nicht   unerheblichen  Capi- 
talien  nach  Massgabe  des  Vermögens  gefordert  werden 
und  voä   den   die  Aufnahme  in  den  Gemeinde  Verband 
Nachsuchenden  durch  Einzahlung  einer  entsprechenden 
Summe  geleistet  werden  müssen.    Nach  einem  früheren 
Beschlüsse  belief  sich  der  zu  zahlende  Beitrag  bis  auf 
200  Thlr. ;  später,  als  die  Aufnahmen  zahlreicher  wurden, 
variirte  er  zwischen  60  und  10  Thlr.    Die  Entscheidung 
dieser  Frage  wurde  um  so  dringender,  als  7  Gemeinde- 
mitglieder ihren  bereits    früher    gezahlten  Beitrag    von 
je  153  Thaler  25  Groschen  5  Pfennig  von  dem  Vorstand 
zurückverlangten.    Dieser  wies  jedoch  diese  Zumuthung^ 
zurück  und   zwar  mit  Recht,  da  die  Petenten  bei    der 
Aufnahme  den  von  allen  gleichmässig  geforderten  Revers 
unterschrieben  hatten,  ein  für  alle  Mal  auf  jedes  fernere 
Anrecht  auf  ihren  gezahlten  Beitrag  zu  verzichten,    und 
durch  den  Eintritt  in  den  Synagogen-Verband  nur  kirch- 
liche Rechte  an  der  Synagoge  und  den  sonstigen  religiösen 


«a»-- 


Oesehiehte  der  jüäieehen  Gemeinde  Dileeeldorfa»  207 

Institutionen,  aber  kein  Eigentliumsrecht  an  dem  übrigen 
Vermögen  erlangt  hatten,  dieses  vielmehr  ausschliesslich 
den  älteren  Mitgliedern  gehörte.  Ausserdem  herrschten 
Heinungsverschiedenheiten  über  den  Wahlmodus,  Zu- 
sammensetzung und  die  Betugnisse  des  Vorstandes. 

Der  Kernpunkt  der  Frage  war  aber :  ist  der  Vorstand 
bloss   ein   Kirchen -Vorstand,  vertritt   er   die   Gemeinde 
auch  in   rechtlicher  Beziehung,   oder  hat  in  finanziellen 
Fragen    die    ganze    Gemeinde    zu    entscheiden?      Nach 
langen  Verhandlungen  und  vielen  gescheiterten  Versuchen 
kam  endlich  vermittelst   namentlicher  Abstimmung  die 
Wahl  eines  Vorstandes  von  3  Mitgliedern  zu  Stande,  dem 
für  Budget-  und  Steuerfragen  4  Beigeordnete  zur  Seite 
gestellt  sein    sollten.     Die  Wahl   dieser    Beigeordneten 
konnte  erst  später  und  nur  in  der  Weise  vorgenommen 
werden,   dass  die  Stimmzettel    der  Gemeindemitglieder 
abgeholt  und  in  einer  verschlossenen  Urne  dem  Vorstande 
übergeben  wurden.    Trotzdem  hatte  der  neue  Vorstand 
zunächst  sein  Amt  ohne  die  Beigeordneten  zu  verwalten 
begonnen  und  von  dem  alten  Vorstande  die  Herausgabe 
des  Gemeinde-Eigenthums  gefordert  und  auch  die  beiden 
an  die  Synagoge  stossenden  Wohnhäuser  als  dazu  gehörig 
reklamirt.     Da    aber   der   Vorstand   ohne   Beigeordnete 
nicht  legal  war,   da  femer   der  später  beliebte  Wahl- 
modus derselben    nicht  gebilligt   und   den  proklamirten 
Beigeordneten    die    Anerkennung    versagt    wurde,     der 
Vorstand  ferner  gegen  den  früher  erwähnten  Beschluss 
für  seine  Vollmacht  nicht  nur  den  kirchlichen,  sondern 
auch  civilrechtlichen  Charakter  beanspruchte,  so  hielten 
sich  die  abgehenden  Vorsteher  nicht  für  berechtigt,  ihre 
Nachfolger  als  legal  anzuerkennen  und  ihnen  das  6e- 
meiudevermögen    auszuliefern.     Ebenso    weigerten    sich 
verschiedene  Gemeindemitglieder,  die  rückständigen  Bei- 
träge an  den  neuen  Vorstand  zu  entrichten.    Eine  andere 
Schwierigkeit  war  daraus  entstanden,  dass  der  Vorstand 
einseitig  den  Kreis  der  zu  den  Umlagen  heranzuziehenden 
jüdischen  Einwohner  Düsseldorfs   erweitert  und  diesen^ 
wenn    auch    nur    eine   sehr   beschränkte  Mitgliedschaft, 
aber    doch    das    Stimmrecht    eingeräumt    hatte.      Beide 
Parteien  wandten  sich  an  die  Regierung  mit  der  Bitte, 
den  Streit  zu  entscheiden.    Der  neue  Vorstand  ersuchte 
die  Regierung  um  Klärung  der  ihm  in  synagogalen  An- 
gelegenheiten zustehenden  Rechte  und  Pflichten,  und  bat 
ferner,  die  Widerstrebenden  zur  Herausgabe  des  Gemeinde- 
Eigenthums  und  zur  Zahlung  der  rückständigen  Gemeinde- 
beitrage   zwangsweise   anzuhalten.     Die    andere   Partei 
protcstirte  gegen  die  ganz  observanzwidrige  Zusammen- 


208  O09ehicht€  der  jüdischen  Gemeinde  DOseeldorfe. 

berufung  der  WaMversammlung  und  die  angewandte 
Form  der  Stimmenabgabe^  obwohl  sie  gegen  die  gew&bl 
ten  Personen  als  Kirchen  vor  Steher  (denn  nur  eines 
Kirchenvorstandes  bedurfte  man)  nichts  einzuwenden 
hätten;  sie  seien  weder  mit  den  von  einem  Theile  der 
Gemeinde  den  Kirchenvorstehern  eingeräumten  Rechten, 
noch  mit  der  Wahl  von  4  Deputirten  als  Gemeinde- 
vertretem  einverstanden  und  mOssten  alles  in  dieser  Sache 
verhandelte  als  nicht  verbindlich  betrachten,  zumal  da 
die  denselben  zu  ertheilenden  Befugnisse  allzu  ausgedehnt 
seien  und  sich  mit  den  Begriffen  von  Recht  und  Billigkeit 
nicht  vereinbaren  liesen.  Die  Regierung  selbst  war 
rathlos  und  erklärte,  dass  sie  das  einschlägige  Material 
zu  sammeln  und '  die  Erstattung  eines  umfassenden 
Berichtes  zur  Veranlassung  der  höheren  Entscheidung 
über  dieselbe  beabsichtige.  Die  Regierung  hoffe  dadurch 
eine  Verfassung  zu  veranlassen,  wodurch  alle  ferneren 
Beschwerden  beseitigt  und  der  Gemeinde  die  innere  Ruhe 
verschafft  würde.  Bis  dahin  müsse  alles  vermieden  werden, 
was  den  Zustand  der  Gemeinde  alteriren  oder  verschlimmem 
könnte.  Auf  wiederholte  Vorstellungen  seitens  der  Kgl. 
Regierung  und  des  Kgl.  Oberpräsidü  entschied  das  Mini- 
sterium des  Innern  folgendermassen :  Bis  dahin,  dass 
vielleicht  durch  ein  Gesetz  ein  anderes  bestimmt  würde, 
ist  allerdings  die  Judenschaft  eines  Ortes  in  Hinsicht 
ihres  Kirchen-  und  Schulwesens  als  eine  Privat- 
gesellschaft zu  betrachten.  Eine  directe  Einwirkung 
der  Administration  auf  diese  Gesellschaftsverhältnisse, 
namentlich  eine  Bestimmung  der  Beftignisse  des  Vor- 
standes, wird  bis  jetzt  durch  die  Gesetzgebung  nicht 
gerechtfertigt  und  kein  einzelner  würde  genöthigt  werden 
können,  in  Folge  einer  solchen  durch  das  Gk»etz  nicht 
gerechtfertigten  Bestimmung  eine  vom  Vorstande  aus- 
geschriebene allgemeine  Umlage  zu  bezahlen.  Was  die 
Ordnung  im  Bethause  anbetreffe,  so  ist  eine  polizeiliche 
Einschreitung  nur  dann  zulässig,  wenn  deren  Störung 
eine  Störung  der  öffentlichen  Ordnung  zur  Folge  hätte. 
Etwaige  Ansprüche  auf  Gebühren,  welche  für  Benutzung^ 
gewisser  Plätze  zu  entrichten  sind,  müssen  gerichtliidi 
geltend  gemacht  werden.  In  demselben  Masse  muss, 
wenn  die  Vorsteher  sich  weigern,  das  Privateigenthum 
der  GeseUschaffc  herauszugeben,  denen,  die  darauf  An- 
spruch machen,  überlassen  bleiben,  diesen  Anspruch  vor 
Gericht  auszuführen.  Im  Uebrigen  haben  des  Königs 
Majestät  ausdrücklich  jede  Veränderung  im  israelitischen 
Gottesdienste  untersagt,  weil  eine  solche,  wie  die  Erfah- 
rung zeigt,  nur  Spaltungen  in  der  Judenschaft  hervor- 


Geiehichte  der  JUdisehtn  Gemeinde  Düseeldorfe.  209 

bringen.  Es  kann  daher  auch  in  dieser  Beziehung  nichts 
verfügt  werden.  Die  Regierung  liess  also  die  Gemeinde 
in  dieser  schwierigen  Lage  einfach  im  Stich  und  schien 
sich  der  Verantwortlichkeit  fUr  die  herrschende  Ver- 
wirrung gar  nicht  bewusst  zu  sein.  Wenn  die  alte  Ver- 
fassung den  Wünschen  der  Regierung  nicht  entsprach, 
was  allerdings  leicht  begreiflich ,  so  hätte  sie  trotzdem 
doch  wohl  mindestens  so  lange  in  Kraft  bleiben  müssen, 
bis  eine  bessere  geschaffen  war;  durch  die  einfache  Be- 
seitigung wurde  aber  den  Oemeinden  der  Rechtsboden 
vollständig  entzogen,  denn  auch  der  Rechtsweg,  auf 
welchen  die  Regierung  verwies,  war  thatsächlich  ausge- 
schlossen. Zur  Beschreitung  desselben  war  nämlich  eine 
von  sämmtlichen  Gemeindemitgliedern  ausgestellte  Voll- 
macht nöthig.  Durch  die  Verweigerung  derselben  seitens 
auch  nur  eines  Mitgliedes  wurde  der  Rechtsweg  einfach 
abgeschnitten.  Dazu  kam  noch,  dass  der  Begriff  „Gemeinde- 
mitglied*' gai'  nicht  definirt  und  gesetzlich  festgestellt  war. 
Diese  Schwierigkeit  und  diese  Zwangslage,  in  welche  die 
Gemeinde  durch  Aufhebung  der  alten  Bestimmungen  ohne 
vorherige  Einführung  einer  neuen  Verfassung  gebracht 
worden  war,  ist  bisher  noch  gar  nicht  genug  gewürdigt 
worden.  Dass  die  Gemeinde  dennoch  durch  alle  diese 
Fährlichkeiten  hindurch  ihre  synagogalen  Einrichtungen 
rettete  und  aus  eigener  Kraft  zu  geordbieten  Verhältnissen 
zu  gelangen  wusste,  ist  in  der  That  ein  glänzendes  Zeug- 
niss  für  den  guten  Kern  der  Gemeinde  und  für  ihre  treue 
Anhänglichkeit  und  warme  Begeisterung  für  die  heilige 
Sache.  Auch  in  Düsseldorf  waren  beide  Parteien  von 
dem  besten  Willen  beseelt,  die  gestörte  Ordnung  herzu- 
stellen und  den  Bestand  der  Gemeinde  zu  sichern;  die 
herrschenden  Differenzen  beruhten  nur  auf  dem  gänz- 
lichen Mangel  einer  jeden  gesetzlichen  Bestinunung  und 
auf  Meinungsverschiedenheiten  über  die  einzuschlagenden 
Wege.  Der  Beweis  hierfür  liegt  in  einem  am  15.  Febr. 
1830  bei  Notar  Coninx  errichteten  notarieUen  Akt  vor, 
durch  welchen  die  wirklichen  Mitglieder  für  die  ihnen 
gehörigen,  durch  schwere  Geldopfer  erworbenen  Eigen- 
Üiumsobjecte,  welche  bis  dahin  unter  Verwaltung  des 
Oemeindevorstandes  gestanden,  den  opponirenden  Mit- 
gliedern das  Miteigenthum  gegen  Uebemahme  des  ratir- 
Uehen  Betrages  zu  den  Gemeindeschulden  und  gegen  jede 
Verzichtleistung  auf  irgendwelche  früher  erhobene  Ent- 
schädigungsansprüche übertrugen.  Femer  wurde  bestimmt, 
dass  der  Ertrag  der  in  Frage  konunenden  Gnmdstücke 
für  die  Bedürfnisse  der  Kirche  und  Ausübung  des  Cultus 
pflichtmässig  verwendet  werde.  Für  die  nächsten  10  Jahre 

u 


210  Geschichte  der  jüdisdien  Gemeinde  Düsseidorfg. 

wurde  jede  andere  Verfügung  über  die  Grundstücke  aus- 
geschlossen und  für  die  spätere  Zeit  von  «/jo  Stimmen- 
mehrheit abhängig  gemacht.  In  einem  der  Häuser  sollte 
eine  Schule  gehalten  werden.  Neue  vollberechtigte  Mit- 
glieder sollten  auch  ferner  vom  Vorstand  nach  der  bis- 
herigen Observanz  aufgenommen  werden  dürfen.  Für 
den  Aufnahme -Akt  sollte  der  Vorstand  ebenso  wie  für 
vermögensrechtliche  Verwaltungs-Angelegenheiten  durch 
einen  durch's  Loos  zu  bestimmenden  Ausschuss  von  6  Mit- 
gliedern verstärkt  werden.  Die  Aufnahme  als  vollbe- 
rechtigtes Mitglied  wurde  von  der  Unterzeichnung  dieses 
Vertrages  abhängig  gemacht.  Nachdem  durch  diesen 
notariellen  Akt  die  Gemeinde  eine  gesetzliche  Grundlage 
erhalten,  traten  die  Unterzeichner  dieses  Vertrages  ge- 
wissermassen  als  neue  Gemeinde  zusammen  und  einigten 
sich  gar  bald  bezüglich  der  inneren  Verwaltungs  -  Ange- 
legenheiten, der  Umlagen,  des  Vorstandes  und  des  Cultus. 
Bezüglich  des  letzteren  wurde  die  Einführung  etwaiger 
Aenderungen  für  die  Dauer  der  Rabbinats  -  Vacanz  von 
der  Zustimmung  dreier  auswärtiger  Rabbiner,  und  zwar 
Earlburg  in  Crefeld,  Auerbach  in  Bonn  und  Schnatich 
in  Bingen  abhängig  gemacht.  Düsseldorf  selbst  entbehrte 
damals  noch  seit  dem  Ableben  des  R.  Scheuer  in  Folge 
der  herrschenden  Verwirrung  eines  Rabbiners.  Sobald 
nur  die  Gemeinde  wieder  einigen  Bestand  gefunden  hatte, 
wurde,  wie  noch  später  zu  berichten  sein  wird,  die 
Wiederbesetzung  des  Rabbinats  mit  allem  Eifer  betrieben 
und  so  eine  Frage  erledigt,  mit  welcher  die  Schulfrage 
aufs  innigste  zusammenhing. 

Diese  Selbsthülfe  und  gewissermassen  neue  Begrün- 
dung einer  Gemeinde  und  Feststellung  ihrer  Statuten  in 
Form  eines  notariellen  Vertrages  war  ein  sehr  weiser 
Ausweg  und  andererseits  um  so  dringender  geboten,  als 
die  Regierung  sich  beharrlich  weigerte,  Statuten  und 
Vorstand  einer  Gemeinde  ihre  Bestätigung  zu  ertbeilen 
und  die  schwebenden  Fragen  geflissentlich  ignorirte ;  man 
wollte  dem  zu  erwartenden  Gesetze  nicht  vorgreifen, 
obwohl  man  einsah,  dass  die  jüdischen  Gemeinden  auf 
die  Anerkennung  seitens  des  Staates  und  Verleihung  der 
corporativen  Rechte  doch  einen  wohl  begründeten  recht- 
lichen Anspruch  hätten.  Erst  nach  langen  Kämpfen,  die 
auch  von  der  sehr  rührigen  Gemeinde  in  Wesel  eifrig 
unterstützt  wurden,  entschied  das  Kultusministerium  im 
Einverständniss  mit  dem  Minister  des  Innern  und  der 
Polizei  am  9.  Juni  1840  diese  Frage  folgendermassen : 
Die  Beschwerde  der  Judenschaft  wegen  verweigerter  An- 
erkennung als  Corporation  und  versagter  Bestätigung  ihrer 


GesehiehU  der  jüdischen  Gemeinde  Düsseldorfe,  211 

Statuten  sind  nicht  unbegründet;  selbst  die  Einfülirung 
der  allgemeinen  Landrechts  hat  in  den  durch  die  franzö- 
sische Gesetzgebung  begründeten  inneren  und  staatsrecht- 
lichen Verhältnissen  der  Juden  Nichts  geändert ,  die 
Synagogengesellschaften  derjenigen  Provinzen,  in  welchen 
das  französische  Gesetz  rechtlich  eingeführt,  sind  als  vom 
Staate  genehmigt,  ja  anbefohlen  zu  betrachten  und 
müssen  demzufolge  als  Corporationen  anerkannt  werden. 
Demgemäss  sind  auch  die  betreifenden  Vorsteher  als 
förmliche  Corporations-Beamte  anzuerkennen. 

Trotzdem  dauerten  die  Verhandlungen  mit  den  Be- 
hörden wegen  der  Ausführung  dieser  Bestimmungen  noch 
recht  lange.  Erst  am  24.  Febr.  1845  wurde  von  dem 
Landrath  Freiherm  von  Frentz  zum  ersten  Mal  wieder 
die  Bestätigung  des  (im  Jan.  1845  gewählten)  Vorstandes 
ausgesprochen,  und  erst  im  Jahre  1847  die  Frage  allge- 
mein durch  Gesetz  geregelt. 

Auf  Grund  dieses  Gesetzes  wurde  eifrig  an  den 
neuen  Statuten  gearbeitet.  Nach  verschiedenen  Entwürfen 
wurde  derjenige  vom  29.  Januar  1858  vom  Kgl.  Ober- 
präsidium bestätigt.  Der  neue  Synagogen- Verband  erhielt 
den  Namen  „Synagogen-Bezirk  Düsseldorf^  und  umfasste 
den  landrathlichen  Kreis  gleichen  Namens.  Alle  in  dem- 
selben wohnenden  Juden  sind  Mitglieder  der  Gemeinde, 
welche  in  Bezug  auf  ihre  Vermögensverhältnisse  die  Rechte 
einer  juristischen  Person  hat.  Vertreten  sind  dieselben 
durch  einen  Vorstand  von  3  Mitgliedern;  diese  werden 
von  den  9  Repräsentanten  gewählt,  und  letztere  sind  von 
der  ganzen  Gemeinde  zu  wählen.  Im  Uebrigen  muss  hier 
auf  die  gedruckt  vorliegenden  Statuten  verwiesen  werden, 
die  im  Jahre  1883  eine  kleine  Modiflcation  erfuhren. 

Der  in  dem  oben  erwähnten  Ministerial-Erlass  vom 
Jahre  1840  ferner  ausgesprochene  Grundsatz,  dass  „die 
Auseinandersetzung  des  Rechtsverhältnisses  der  Juden 
bloss  ihre  religiösen  Verhältnisse  betreffe,  indem  sie  in 
allen  übrigen  Verhältnissen  den  andern  Einwohnern  gleich- 
stehen und  ohne  irgend  einen  Unterschied  zur  bürger- 
lichen Gemeinde  gehören^,  hinderte  doch  nicht,  dass,  wie 
bereits  früher  ausgeführt,  im  Jahre  1842  noch  die  Frage 
erörtert  wurde,  ob  die  Juden  zum  Militärdienst  zuzulassen 
seien,  und  dass  auch  die  Frage  der  Gleichberechtigung  erst 
durch  die  Verfassung  im  Jahre  1850  ausgesprochen  wurde. 

Noch  widerspruchsvoller  war  die  Stellung,  welche 
die  Behörden  einnahmen  gegenüber  dem 

Schulwesen. 

Während  die  Behörde  die  gesetzliche  Berechtigung 
der  Vorstände  sonst  einfach  leugnete,  stellte  sie  in  der 

14* 


212  O01lehickt^  der  jüdischen  Gemeinde  Düueldarfs. 

Schulfrage  Forderungen  an  dieselben,  welche  nur  unter 
der  Voraussetzung  gewisser  corporativer  Autorität  und 
Machtbefugnisse  geleistet  werden  konnten.  Nur  den  ver- 
worrenen Verhältnissen  ist  es  zuzuschreiben,  dass  dem 
Schulwesen  erst  verhältnissmässig  spät  die  gebührende 
Pflege  zugewandt  werden  konnte. 

An  Interesse,  Eifer  und  Verständniss  fttr  diese  wich- 
tige Frage  fehlte  es  der  Gemeinde  durchaus  nicht ;  allein 
bei  der  eigenthümlichen  Gemeinde  •  Verfassung  und  der 
später  herrschenden  Verwirrung  der  Gemeinde -Verhält- 
nisse konnte  die  Schule  nur  einen  privaten  Charakter 
haben.  Zur  Errichtung  einer  öffentlichen  Schule  konnte 
die  Gemeinde  nicht  schreiten,  weil  sie  zu  sehr  verschuldet 
war,  die  gemeinsamen  Beiträge,  wie  bereits  auseinander- 
gesetzt, nicht  gesichert,  oft  sogar  sehr  fraglich  waren 
und  daher  keine  Fundirung  vorhanden  war,  um  den 
Bestand  einer  öffentlichen  Schule  gewährleisten  und  die 
zu  übernehmenden  Verpflichtungen  mit  Sicherheit  erfüllen 
zu  können.  Wie  in  allen  andern  Beziehungen,  so  wurde 
die  Gemeinde  auch  im  Schulwesen  durch  die  Gesetz- 
gebung gehindert.  Während  der  jülich-bergischen  Gebiets- 
Verfassung  wurde  der  Schulmeister,  der  zugleich  Gerichts- 
vollzieher und  häufig  auch  Rabbinats-Secretair  war,  von 
der  Gemeinde  besoldet.  Die  Schulinspection  lag  dem 
Land-Rabbiner  ob,  der  wiederum  durch  die  Regierung 
controUirt  wurde.  Da,  wo  die  Gemeinden  den  Schul* 
Unterricht  vernachlässigten,  wurden  sie  von  der  Regierung 
zur  Abstellung  der  Uebelstände  und  zur  gewissenhaften 
Erfüllung  ihrer  Pflichten  mit  allem  Nachdruck  angehalten. 
Bezeichnend  hierfür  ist  folgender  Erlass  vom  6.  Homing 
1 787  an  den  Magistrat  zu  Mülheim  am  Rhein :  „Nachdem 
Se.  Churfürstl.  Durchl.  das  unterthgste  Gesuch  der  Juden- 
schafts-Vorgänger  und  Vorsteher  zu  Mülheim  am  rhein, 
um  ggste  erlaubnis  zur  Errichtung  einer  Synagoge  ab- 
geschlagen haben.  So  wird  solches  dem  Magistrat  Zu 
gemeldetem  Mülheim  mit  dem  auftrage  un Verhalten,  die 
Supplicanten  demgemäss  zu  Verbescheiden  und  denen 
selben  auf  Zu  geben,  dass  sie  ihre  Jugend  zum  teutsch 
lesen  und  schreiben  anführen  lassen  sollen,  um  die  Handels- 
bücher nach  der  ggsten  Normal- Verordnung  in  Teutscher 
Sprache  einrichten  zu  können,  so  dann  die  Sportellen  und 
kanzeley  gebühr  mit  7  Rthh*.  45  stüber  Von  Supplicanten 
beizunehmen  und  geheimraths  Expeditor  Bruns  in  14  tagen 
einzuschicken.^  1)    Daraus   geht  zunächst  hervor,   dass 

1)  Die  gerügten  Mängel  scheinen  doch  nicht  so  schwerwiegend 

gewesen  zu  sein,  da  schon  am  22.  Juni  1787   der  Magistrat   von 
[ülheim  angewiesen  wurde,   den  Juden  auf  der  Communications- 


Gt9ehiehU  der  jüdischen  Gemeinde  Düeaeldarfe.  21S 

Normal-Verordnungen  vorhanden  waren.  Andererseits  ist 
der  Umstand^  dass  in  andern  Fallen  die  Concession  zur 
Erbauung  einer  Synagoge  nach  gutachtlicher  Aeusserung 
des  Landrabbiners  anstandslos  ertheilt  wurde,  ein  Beweis 
dafbr,  dass  im  Allgemeinen  der  Schulunterricht  nicht 
bemängelt  zu  werden  brauchte. 

Nach  Errichtung  des  Grossherzogthums  Berg  hörte 
dieses  Verhältniss  auf,  da  die  Auseinandersetzung  mit  den 
durch  die  veränderte  Landeseintheilung  abgetrennten  Ge- 
meinden eine  sehr  schwierige  war  imd  so  lange  Zeit  in 
Anspruch  nahm,  dass  sie  nach  Beseitigung  der  Fremd- 
herrschaft noch  lange  nicht  geregelt  war.    Wir  hatten 
gesehen,  dass  in  Folge  dessen  sogar  das  Gehalt  des  den 
früher  vereinigten  Herzogthttmern  Jülich  und  Berg  gemein- 
samen Landrabbiners  in  Wegfall  kam,  weil  es  nicht  ein- 
getrieben werden  konnte.  Wie  hätte  die  Gemeinde  daran 
denken  können,  andere  Verpflichtungen  einzugehen,  da 
Capitalien  nicht  vorhanden  waren.   Die  Behörde  überliess 
die  Gemeinde  ihrem  Schicksal,  zahlte  keinen  Beitrag  und 
übte  ebensowenig  eine  ControUe  über  den  Schulbesuch 
resp.  den  Unterricht  der  Kinder  aus:    Die  einzelnen  Fa- 
milien, welche  wie  in  anderer  Beziehung  so  auch  hier 
auf  Selbsthülfe    angewiesen  waren,    hielten  sich   theils 
einzeln,  theils  mehrere  zusammen  einen  Hauslehrer  oder 
schickten  ihre  Kinder  in  christliche  Schulen.  Dass  manche 
Familien  Bedenken  trugen,  letzteren  Weg  für  den  Unter- 
richt ihrer  Kinder   zu  wählen,   kann  nicht  befremden, 
wenn  man  bedenkt,  dass  das  den  Rheinischen  Ständen 
eingereichte  Expos6  u.  v.  a.  die  Beschuldigung  enthielt, 
die  Juden  Hessen  ihre  Kinder  blos  hebräisch  lesen  und 
schreiben  lernen,  um  in  einer  unverständlichen  und  ge- 
heimen Sprache  sich  unentdeckt  ihre  Geheimnisse  und 
Betrügereien  mitzutheilen  u.  s.  w.i)    Man  fürchtete,  und 
nicht  mit  Unrecht,  dass  diese  Anschauung  der  Behörden 
nicht  ohne  Einfluss  auf  den  in  jenen  Schulen  herrschenden 
Oeist  geblieben  und  sowohl  Lehrer  als  Schüler  geneigt 
sein  möchten,  die  jüdischen  Kinder  nach  diesem  Mass- 
stabe zu  messen,  zu  «beurtheilen   und   zu  befhandeln  und 
dadurch  die  wahre  Bildung  des  Herzens  und  des  Gemüthes 
zu  verkümmern.    Ausserdem  kam  noch  die  Frage   des 
Religionsunterrichtes  hinzu,  der  damals  an  den  öfTentlichen 
Schulen  noch  nicht  eingeführt  war  und  neben  den  andern 
Unterrichiskosten  wieder  andere  nicht  unerhebliche  Opfer 

oder  Wallstrasse  einen  bequemen,  räumlichen  Platz  gegen  billigen 
Pfandschilling  zu  überlassen,  um  darauf  ein  neues  Haus  und  in 
diesem  ein  Zimmer  zur  Synagoge  einzurichten. 
1)  Vergl.  8.  186. 


214  Geschichte  der  jüdieehen  Gemeinde  Düeseiäorfs. 

erheischt  hätte,  trotzdem  aber  nicht  diejenige  umsichtige 
Pflege  gefunden  hfttte,  welche  man  für  ihn  in  Anspruch 
nehmen  musste.  In  seinem  das  jüdische  Schulwesen 
betreffenden  Schreiben  vom  23.  August  1827  hebt  der 
Oberbürgermeister  Klüber  diese  Schwierigkeiten  besonders 
hervor.  Diese  seien  nicht  leicht  zu  überwinden  und 
beständen  vorzüglich  darin ,  dass  bei  der  geringen  An- 
zahl der  israelitischen  Kinder  die  Eltern  derselben, 
wenn  sie  eine  eigene  Schule  haben  wollen,  bedeutendere 
Beiträge  an  Schul-  und  Heizungsgeld  sich  gefallen  lassen 
müssen,  als  solche  bei  den  viel  zahlreicheren  christlichen 
Schulen  nöthig  sind,  während  zugleich  „aus  dem  nehm- 
liehen  Grunde  die  bürgerliche  Gemeinde  die  Beihülfe 
nicht  leisten  kann,  welche  sie  den  christlichen  Schulen 
gewährt."  Trotzdem  verlangte  die  Behörde  in  vielen 
Fällen  für  die  armen  Kinder  freien  Unterricht  von  der 
Gemeinde,  mindestens  die  „Einrichtung,  dass  auch  die 
ärmeren  Kinder  an  dem  Religionsunterrichte  Theil  nehmen, 
wenn  sie  auch  von  dem  übrigen  Unterrichte  ausgeschlossen 
seien,  und  diesen  in  der  allgemeinen  Freischule  besuchen 
sollen.** 

Wenn  aber  auch  erschwert,  so  wurde  die  Erziehung 
der  Kinder  keineswegs  vernachlässigt.  Der  Drang  nach 
Bildung  machte  sich  zu  allen  Zeiten  unter  den  Juden 
geltend.  Auch  die  jülich-bergische  Judenschaft  hatte  eine 
recht  stattliche  Reihe  Männer  und  Frauen  aufzuweisen, 
welche  sich  einer  wissenschaftlichen  oder  tüchtigen  all- 
gemeinen Bildung  erfreuten,  wie  z.  B.  die  Familien  von 
Geldern  in  Düsseldorf,  welche  in  mehreren  Geschlechtern 
sehr  gesuchte  und  selbst  vom  Landesherm  durch  sein 
Vertrauen  ausgezeichnete  Aerzte  stellte,  i)  Dr.  Moses  Levi 
aus  Bergh8im  u.  v.  A. 

Die  Schulfrage  bildete  in  dem  oben  geschilderten 
Verfassungsstreit  2)  der  Gemeinde,  welche  nach  der  Ein- 
verleibung des  Grossherzogthums  Berg  in  die  Preussische 
Monarchie  die  Gemüther  erhitzte,  eine  der  wichtigsten 
Streitobjecte,  wenn  nicht  den  Ausgangspunkt  des  ganzen 
Zwistes.  Schon  im  Jahre  1820  wurde  an  die  General- 
Schul-Direction  eine  Eingabe  folgenden  Inhalts  gerichtet : 

„Der  erste  Unterricht  in  Schulen  ist  die  Grundlage 
des  bürgerlichen  Wohls  in  allgemeiner  und  besonderer 
Beziehung,  hievon  hängt  es  ab,  in  der  noch  unverdorbenen 
Natur  der  Jugend  das  Werk  der  Menschen- Veredlung  zu 
beginnen,   den   Lernenden   eine  wahre,  nicht  blos  cere- 


1)  Vergl.  Wedell,  Heinrich  Heine's  Stammbaum  mütterlicherseits. 
«)  Vergl.  S.  202  fgg. 


lai"-- 


Geachichte  der  Jüdischen  Gemeinde  DU$9eldorfs.  215 

monielle  Achtung  gegen  Gott  und  seine  Werke  beizu- 
bringen, in  ihnen  deutliche  Begriffe  von  Tugend  und  Laster 
zu  pflanzen  und  so  den  wahren  iSinn  für  Religion,  Moral 
und  bürgerliches  Wohl  in  dem  Maas  zu  wecken,  dass 
in  reiferen  Jahren  die  Beschäftigung  des  Geistes  und 
moralische  Vervollkommnung  der  Menschen  noch  immer 
ein  fruchtbares  Streben  bleibe. 

Schon  seit  30  Jahren  wurde  unter  verschiedenen 
Regierungen  an  Verbesserung  des  Schulwesens  gearbeitet, 
imd  das  Grossherzogthum  Berg  hat  seit  einigen  Jahren 
das  Glück,  unter  der  Leitung  einer  ausgezeichneten  Schul- 
Direction  eine  allgemeine,  nach  richtigen  Principien  be- 
rechnete Schulverbesserung  erhalten  zu  haben,  wenigstens 
geben  die  Hauptorte  und  Städte  darüber  einen  redenden 
Beweiss,  und  mehrere  in  hiesiger  Stadt  unter  Vorsitz  der 
hohen  Behörden  gehaltenen  öffentlichen  Prüfungen  sagen 
jedem  Kenner,  was  jetzt  die  Schulen  sind,  was  sie  sonst 
waren. 

Nur  der  Unterricht  in  den  israelitischen  Schulen  ist 
derjenige,  welcher,  wie  immer,  auch  jetzt  noch  am 
weitesten  zurückstehet.  Diese  Religions-Genossen,  welche 
so  lange  unter  dem  Drucke  der  Verfolgung  seufzten, 
haben  zwar  endlich  die  glückliche  Epoche  erlebt,  wo 
mehr  liberale  Grundsätze  in  ihnen  die  Menschenrechte 
nicht  verkennen,  und  wo  ein  Decret  des  grossen  Kaisers 
sie  unter  die  Zahl  seiner  Bürger  aufgenommen  hat. 

Der  gutgesinnte  Theil  der  Israeliten  ist  aber  davon 
überzeugt,  dass  zu  jener  bürgerlichen  Gleichheit  auch 
vorzüglich  die  Verbesserung  des  israelitischen  Schul- 
unterrichts ein  wesentliches  Erforderniss  sey,  wofern  man 
in  der  Volksaufklärung  und  Bildung  des  Geistes  mit  dem 
Christen  gleichen  Schritt  halten  soll. 

Alle  diese  Inconvenienzen  würden  gehoben ,  wenn 
anstatt  der  jetzt  vorhandenen  4  verschiedenen  Hausslehrer 
ein  greprüfter  Gemeinheitslehrer  angestellt  würde,  der 
unter  der  Aufsicht  der  Schulinspection  die  Jugend  nebst 
dem  eigenthümlichen  Religions- Unterricht  auch  in  jenen 
\yisseii8chaften  gehörig  bildete,  welche  dem  Menschen 
und  Bürger  nöthig  sind. 

Die  Einrichtung  zu  einem  Gemeinheitslehrer  kann 
keinen  Beschwernissen  unterworfen  seyn,  wenn  hier  ein 
höheres  Geboth  den  Widerspruch  des  Eigensinns  beseitiget. 
Unter  den  jetz  bestehenden  4  Hausslehrern  befinden  sich 
2,  -wovon  jeder  nebst  freye  Kost  und  Brand  jährlichs 
250  Rtli.  bezieht;  die  Rechnung  ist  also  leicht  gemacht, 
dass  CS  bei  einer  vernünftigen  Eintheilung,  wenn  nemlich 
die   bei    Christenschulen   fast   allgemein   angenommenen 


216  Gewhichte  der  jildid^ieu  Gemtindt  Dlk99Morf9* 

Grundsätze  einer  Schulsteuer  befolgt  werden,  nicht  schwer 
fallen  kann,  einen  eigenen  Oemeinheitslehrer  ohne  schwere 
Belastung  der  Individuen  zu  besolden,  ihn  durch  ein  festes 
Gehalt  von  etwa  300 — 400  Rth.  gegen  alle  Nalirungssorge 
zu  schützen,  und  so  den  Unfug  ungeprüfter  wandernder 
Hausslehrer  zu  beseitigen. 

Man  bedenke  nur,  dass  in  hiesiger  Stadt  immer 
25— :K)  Schulfähige  Israeliten-Kinder  sind,  und  dass  auch 
die  ärmste  Familie  monathlich  gern  1  Rth.  beitragen 
wird,  wenn  sie  sich  eines  festen  guten  Unterrichts  ihrer 
Jugend  freuen  kann. 

Die  hohe  Schuldirection  wird  diese  Vorschläge  einiger 
gutgesinnter  Haussväter  nicht  enthören,  sondern  zu  ihrer 
baldigen  Ausführung  die  nöthige  Verfügung  erlassen,  wo- 
hin wir  unsre  vertrauensvolle  Bitte  richten." 

£in  Schulzwang  bestand  damals  überhaupt  noch  nicht, 
vielmehr  scheint  derselbe  erst  durch  Obcr-Präsidial-Ver- 
Ordnung  vom   13.  September    1824    eingeführt,   seitdem 
aber  auch  strenger  gehabt  worden  zu  sein ;  erst  im  Jahre 
1826/27  wandte  die  Behörde  auch  dem  jüdischen  Schul- 
wesen ihre  Aufmerksamkeit  zu.    So  forderte  sie  den  Ge- 
meinde-Vorstand durch  Schreiben  vom  14.  Novbr.  1826 
auf,  für  den  Unterricht  von  6  armen  Kindern  Sorge  zu 
tragen.    Die  Gemeinde  übernahm  dies  bereitwillig,  ver- 
wahrte sich   aber  gegen   einen  etwaigen  gesetzlich 
obligatorischen  Charakter   dieser  Pflicht   und  wies 
darauf  hin,  dass  ihre  Kräfte  aufs  Aeusserste  angespannt 
seien,  dass  bei  dem  Mangel  jedes  rechtlichen  Bodens  ihre 
ganze  Existenz  bedroht  sei,  und  dass  viele  Mitglieder  sich 
überhaupt  weigerten,  ihre  Beiträge  zu  bezahlen,  ohne  dass 
sie  irgend  welches  Mittel  hätte,  die  Säumigen  zur  Zahlung 
ihrer  Beiträge  zwangsweise  anzuhalten.    Mit  dem  con- 
cessionirten  Lehrer  J.  L.  Neuburger  traf  die  Gemeinde 
das  Abkommen,  dass  er  aus  der  Gemeindekasse  einen 
jährlichen  Beitrag  erhalten  sollte,  wogegen  er  die  Pflicht 
hätte,  „einigen  armen  Kindern,  die  ihm  vom  zeitlichen 
Vorstande  zugewiesen  wurden,  in  Privatstunden  Unterricht 
zu  ertheilen'^   Indessen  sah  sich  der  Vorstand  genöthigt, 
der  Behörde   mitzutheilen     dass   „ein    gewisser   Meyer 
Frankfurter  sich  weigere,  seine  Kinder  von  dieser  Ein- 
richtung Gebrauch  machen  zu  lassen'^    In  dem  bereits 
erwähnten  Schreiben  vom  14.  Novbr.  1826  hatte  die  Be- 
hörde die  jährlich  zweimalige  Einreichung  einer  Liste  der 
schulpflichtigen  Kinder  und  eines  Nachweises  über    den 
Schulbesuch  angeordnet.   Allgemeine  Bestinimungen  Qber 
das  jüdische  Schulwesen  gab  es  noch  nicht.     Erst    im 
Jahre  1827  erliess   die  Kgl.  Regierung   auf  Grund    der 


Geschiehte  der  jtldiachen  Gemeinde  Düsseldorfs,  217 

bestehenden  Verordnungen  (vom  Jahre  1824)  und  mit 
Genehmigung  des  Kgl.  Ministeriums  der  geistlichen, 
Unterrichts  -  und  Medicinal  -  Angelegenheiten  über  das 
jüdische  Schulwesen  im  Allgemeinen,  und  insbesondere 
in  der  Anwendung  auf  die  Düsseldorfer  israe- 
litische Schule  allgemeine  Bestimmungen J)  Auf 
Grund  dieser  Bestimmungen  wurde  nun  die  Gemeinde 
aufgefordert,  binnen  14  Tagen  hinsichtlich  des  Lehrers 
Neuburger,  der  damals  mit  dem  Unterlehrer  Traven  eine 
Elementarschule  in  Düsseldorf  hielt,  die  unter  Nr.  2 
litt,  b,  c,  d,  e  und  f  genannten  Stücke  einzureichen. 
Gegen  diesen  am  23.  Aug.  1827  ergangenen  Erlass  legten 
die  Vorsteher  in  Gemeinschaft  mit  den  alteren,  wahl- 
fähigen Mitgliedern  der  Gemeinde  in  unbegreiflicher 
Kurzsichtigkeit,  welche  höchstens  in  dem  die  Gemeinde 
damals  erregenden  Gemeinde  -Verfassungs  -  Streite  ihre 
Erklärung  finden  kann,2)  unter  18.  Septbr.  1827  bei  dem 
Oberbürgermeister  und  unter  24.  Octbr.  desselben  Jahres 
bei  der  Kgl.  Regierung  eine  sehr  bedauerliche  Verwah- 
rung ein. 

„Wenn  wir  den  Sinn  und  den  Zweck  des  genannten 
gefälligen  Schreibens  i'ichtig  aufgefasst  haben,  so  dürfte 
daraus  hervorgehen,  dass  Ew.  Hochwohlgeb.  der  Ansicht 
sind,  dass  wir  den  hier  wohnenden  Lehrer  H.  Neuburger 
als  einen  öffentlichen  Gemeinde -Lehrer  betrachteten. 

Die  Gemeinde  aber  hat  denselben  niemals  als  solchen 
anerkannt,  und  auch  dessen  von  einer  hochlöbl.  Königl. 
Regierung  ertheilte  Concession  ward  ihn  gewiss  nur  zum 
Privatlehrer  berufen  haben. 

Gerade  aus  seiner  persönlichen  Stellung  zu  seiner 
Behörde  und  zu  der  städtischen  Gemeinde  geht  aber 
deutlich  hervor,  dass  es  ausser  den  Grenzen  unserer  Be- 
fugrniss  liegt,  ihn  zur  Beibringung  der  geforderten  Nach- 
weise, Zeugnisse  und  sonstige  Requisite  zur  Beibehaltung 
seiner  Stelle  anzuhalten,  und  müssen  wir  daher  dieses 
Ew'.  Hochwohlgeb.  ganz  ergebenst  für  den  Fall  anheim- 
geben, wenn  Sie  d^  rechtlichen  Meinung  sind,  dass 
Neuburger,  obschon  früher  als  Privatlehrer  geprüft  und 
aDgrestellt,  durch  ein  späteres  Gesetz  verpflichtet  werden 
könne,  in  Beziehung  auf  seine  Qualiflcation,  und  zum 
Zweck  der  Beibehaltung  derselben  Qualität  sich  auch 
den   neuern  Gesetzen  zu  fügen. 

Wie  gesagt,  uns  gegenüber  hat  Neuburger  keine 
Verpflichtung  zu  antworten,  wenn  er  nicht  etwa  beab- 
sichtigen sollte,  bei  dem  projectirten  Plane  der  Errichtung 


«)  Vergl.  Amtsblatt.  —  «)  Vergl.  S.  202  fgg. 


218  Oeaehiehte  der  JMiwhen  Gemeinde  DOeeeldoffe. 

einer  öffentlichen  Jüdischen  Gemeinde-Schule  durch  ein 
bestimmtes  Gehalt  und  andere  Vortheile  seine  Existenz 
mehr  sicher  zu  stellen. 

Einem  solchen  Plane  aber  würden  sich  die  unter- 
zeichneten mit  vollem  Rechte  widersetzen  müssen,  und 
um  Ew.  Hochwohlgeb.  schon  jetzt  zu  zeigen,  dass  einer 
solchen  Widersetzung  die  trieftigsten  Gründe  zur  Seite 
stehen,  beehren  wir  uns  folgendes  anzuführen. 

Eine  öfiTentliche  anzulegende  Schule  müsste,  wie 
Ew.  Hochwohlgeb.  selbst  zugeben,  nur  aus  den  Mitteln 
der  jüdischen  Gemeinde  unterhalten  werden. 

Die  Gemeinde  aber  befindet  sich  nicht  in  der  Lage, 
um  eine  so  grosse  Bürde  ohne  die  gröste  Aufopferungen 
auf  sich  zu  nehmen.  Ihre  Ausgaben  sind  für  den  Gottes- 
dienst, die  Erhaltung  der  Gebäude,  des  Dienstperso- 
nals u.  d.  g.  zu  bedeutend.  Dagegen  die  Anzahl  der  zu 
diesen  Lasten  beitragenden  zu  geringfügig,  als  dass  die 
Unterzeichneten  nicht  verpflichtet  wären,  den  Machinatio- 
nen entgegen  zu  arbeiten,  die  ohne  ihr  Wissen  und  Zuthun 
die  Ausführung  des  projectirten  Planes  wenigstens  vor- 
bereiten helfen  sollen. 

Mag  es  wahr  sein,  dass  diejenigen  Israeliten,  welche 
ihre  Kinder  zu  Neuburger  in  die  Schule  schicken,  jetzt 
mehr  zahlen  müssen,  als  wenn  zu  einer  öffentlichen  Oe- 
meindeschule  jeder  ohne  Rücksicht  auf  Theilnahme  am 
Unterricht  und  unterrichtsffthige  Kinder  zu  kontribuiren  ver- 
pflichtet ist,  mag  es  wahr  sein,  dass  auch  Hr.  Neuburger 
dabei  seinen  Vortheil  zu  erstreben  und  zu  erlangen  weiss, 
mag  es  endlich  wahr  sein,  dass  man  sogar  gegen  alles 
Recht  die  hier  und  in  den  benachbarten  Ortschaften  woh- 
nenden armen  und  nicht  wahlfähigen  Israeliten  dahin  zu 
stimmen  gewusst  hat,  dass  diese  für  die  Errichtung  einer 
öffentlichen  Israelitischen  Schule  ihr  Votum  abgeben 
wollen,  und  werden,  so  ist  es  auf  der  andern  Seite  auch 
nicht  zu  verkennen,  dass  weder  Gewinnsucht  der  Be- 
mitteltem noch  der  Vortheil  des  Einzelnen  dann  nur  Ein 
Qran  in  die  Wagschale  legen  darf,  wenn  es  sich  von  der 
Errichtung  oder  Zurückweisung  einer  angeblich  gemein- 
nützigen Anstalt  handelt ;  es  ist  dann  nicht  zu  verkennen, 
dass  nach  unsren  Statuten  und  einer  langj&hrigen  und 
daher  geheiligten  Observanz  nur  Diejenigen  ein  Sitz-  und 
Stinunrecht  in  der  Gemeinde  haben,  die  zu  den  Lasten 
kontribuiren,  und  als  kontribuirende  in  den  engern  Cyklus 
der  Gemeinde  aufgenonunen  sind. 

Solcher  wahlfähigen  Glieder  der  Gemeinde  aber  gibt 
es  hier  höchstens  38 — 40  und  zu  diesen  gehören  die  Unter- 
schriebenen sämmtlich. 


0€9ehicht$  der  jOdisehen  Gemeinde  Düeseldorfs.  219 

Wenn  es  sich  aber  nun  finden  sollte,  dass  die  bis- 
herigen Ausgaben  für  den  Religions-Unterricht  der  armen 
Juden  nicht  hinreichten,  so  sind  wir  mit  Freuden  erbOtig 
die  Beiträge  zu  erhöhen,  und  wir  zeigen  dadurch,  dass 
wir  gerne  da  helfen,  wo  es  Noth  thut. 

Allein  die  Einrichtung  einer  öffentlichen  Schule  ist 
um  so  weniger  dringend  nothwendig,  als  viele  jüdischen 
Kinder  au  dem  Unterrichte  in  christlichen  Schulen  Theil 
nehmen  und  die  andern  mit  dem  Unterricht  des  Neubürger 
ganz  zufrieden  sein  können. 

Dem  Allen  tritt  nun  noch  hinzu,  dass  die  hohe  Ver- 
ordnung Sr.  Excellenz  des  Staatsministers  und  Oberprä- 
sidenten Herrn  von  Ingensieben  vom  13.  September  1824 
(Amtsblatt  Nr.  76)  in  den  §.  2.  §.  4.  §.  10.  11  uns  zur 
Seite  steht,  indem  nach  derselben  wir  die  Kinder  entweder 
in  eine  christliche  Schule  schicken,  oder  sie  durch  einen 
jüdischen  Privatlehrer  unterrichten  lassen  können. 

Der  Zwang  zur  Anlegung  einer  öffentlichen  Jüdischen 
Schule  scheint  nach  dem  §.12  derselben  hohen  Verord- 
nung gänzlich  ausgeschlossen,  es  vielmehr  der  Jüdischen 
Corporation  allein  anheimgestellt  zu  sein,  nach  ihrem 
Willen  und  mit  Rücksicht  auf  ihre  Verhältnisse  für  die 
Errichtung  der  öffentlichen  Schule  mit  Vorbehalt  der 
Genehmigung  der  Regierung  Sorge  zu  tragen. 

Wir  müssen  demnach  es  wiederholen,  dass  wir  in 
der  Errichtung  einer  öffentlichen  Jüdischen  Schule  nicht 
willigen." 

Die  Verhandlungen  über  diese  Frage  zogen  sich  sehr 
in  die  Länge  und  wurden  erst  im  Jahre  1838  durch  die 
Berufung  des  Lehrers  N.  Frank  zu  einem  befriedigenden 
Abschluss  gebracht.  Inzwischen  wurden,  wie  bereits 
fraher  gezeigt  worden,  die  Rechts-Verhältnisse  der  Ge- 
meinde auf  privatem  Wege  durch  notariellen  Act  geordnet 
und  durch  Berufung  des  Dr.  Jacob  Rosenberg  als  Rabbiner 
in  Düsseldorf,  über  welchen  später  noch  zu  berichten 
sein  wird,  eine  den  Wünschen  der  Gemeinde  entsprechende 
Schul  -  Inspection  besonders  des  religionsunteiiichtlichen 
Tbeiles  eingerichtet.  Nachdem  diese  wichtigen,  Grund 
lehrenden  Fragen  gelöst  waren,  schritt  die  Gemeinde  ohne 
Zögern  zur  Lösung  der  Schulfrage  und  bewies  dadurch, 
dass  die  Vjerzögerung  •  der  Angelegenheit  nicht  ihrem 
Mangel  an  Interesse,  sondern  dem  rechtlosen  Zustande 
der  Gemeindeverhältnisse  zur  Last  fiel.  Im  Juni  1837 
war  der  Rabbiner  Dr.  Jacob  Rosenberg  in  sein  Amt  ein- 
geführt worden.  Im  Septbr.  1838  wurde  die  Ertheilung 
der  Concession  für  den  Lehrer  N.  Frank  erbeten  und 
nach  mehrfachen  Verhandlungen  gegen  Anfang  des  Jahres 


220  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  DüssMovfe, 

1839  ertheilt,  auf  Grund  der  gesetzlichen  vorgeschriebenen 
Nachweise  und  des  folgenden  Berufsscheines: 

„Wir  bescheinigen  hiermit,  dass  unser  Herr  Rabbiner 
(Dr.  Jacob  Rosenberg),  beauftragt  und  bevollmächtigt 
von  den  mehrsten  Eltern  hiesiger  schulpflichtigen  Eander 
unserer  Glaubensgenossen,  den  mitunterzeichneten  Herrn 
N.  Frank  aus  Lechenich,  ehemaligen  Lehrer  zu  Brühl, 
vorläufig  auf  ein  Jahr  angenommen  hat,  um  in  folgenden 
Gegenständen,  als  Religionslehre  (Biblische  Geschichte, 
Exegese,  Dogmatik)  —  hebräischer  und  deutscher  Sprache 
—  hebräischer,  deutscher  und  französischer  Calligraphie  — 
Rechnen  —  Geographie  und  Geschichte,  täglich  6  Stunden, 
nämlich  des  Morgens  von  8 — 12  Uhr  und  des  Nachmittags 
von  2 — 4  Uhr,  den  Unterricht  zu  ertheilen,  wofür  dem- 
selben im  Namen  der  Eltern  ausser  Kost  und  Wohnung 
am  Ende  des  Jahres  ein  Ueberschuss  von  den  monat- 
lichen Schulgeldern  von  100  bis  120  Thlrn.  zugesichert 
ist.    Düsseldorf,  27.  November  1838.    Die  Vorsteher.« 

Eine  andere  Form  der  Berufung  gab  es  nicht,  da  die 
Gemeinde  sowohl  als  auch  dei-  Vorstand  der  gesetzlichen 
Anerkennung  entbehrten;  was  zugleich  die  lange  Ver 
zögerung  der  Angelegenheit  erklärlich  machte.  Noch  im 
November  1835  musste  der  Vorstand  bei  Einreichung  des 
Berichtes  tlber  den  Schulbesuch  auf  die  Anfrage  der 
Behörde  bezüglich  des  Schulvorstandes  constatiren,  dass 
„wir  keinen  Schulvorstand  haben,  es  uns  auch  nicht  bei- 
kommen konnte,  einen  solchen  zu  bilden,  indem  schon 
mehrere  Male  von  einer  hohen  Egl.  Regierung  sogar  die 
Anerkennung  eines  israelitischen  Kirchen -Vorstandes  ab- 
gelehnt worden.  Dasselbe  Verhältniss  wird  noch  in  einem 
Schreiben  vom  21.  Juli  1841  an  Oberbürgermeister  von 
Fuchsins  constatirt.  Natürlich  hatte  die  Schule  des  Lehrers 
N.  Frank  zunächst  nur  den  Charakter  einer  Privat* 
Familienschule.   Neben  derselben  existirten  bis  zum  Jahre 

1840  noch  die  als  öffentlich  bezeichneten  Schulen  von 
Neuburg  und  von  Oxe.  Ausserdem  ertheilte  Privatunter- 
richt der  Lehrer  Jacob  Leffimann.  Der  Schulbericht  pro 
1840  vom  26.  Januar  1841  constatirt  45  schulpflichtige 
Kinder,  von  denen  17  die  Schule  des  Lehrers  Frank, 
20  Kinder  christliche  Schulen  besuchen  und  8  Privat- 
unterricht geniessen.  Von  öffentlichen  Schulen  werden 
aufgeführt  die  Realschule,  die  Schulen  von  Neuburg,  von 
Oxe  und  von  Frl.  von  Erkelenz ;  von  Privatschulen  ausser 
derjenigen  des  Lehrers  N.  Frank  die  Schule  der  Frau 
Schön,  der  Frau  Lautier,  des  Frl.  Mündersdorf  und  des 
Frl.  Meyer.  Bezeichnend  für  die  Controle  des  Schul- 
besuchs und  für  die  der  Gemeinde  in  dieser  Beziehung 


GeschichU  der  jfldischen  Gemeinde  DQaseldorfa,  221 

angewiesene  Stellung  ist  folgende  Bemerkung  zu  dem 
erwähnten  Schulbericht:  Sechs  Kinder  unbemittelter  Eltern 
werden  unterrichtet  von  dem  unter  der  Leitung  des  Herrn 
Frank  stehenden  Lehrer  Jacob  Lelfmann,  den  wir  ver- 
mittelst wohlthätiger  Beiträge  einiger  Mitglieder  unserer 
Gemeinde  salariren.  Uebrigens  können  wir  für  unsere 
Angaben  weder  in  Betreff  der  Anzahl  der  schulpflichtigen 
Kinder  noch  derjenigen,  welche  christliche  Schulen  be- 
suchen und  den  Religionsunterricht  zu   Hause  erhalten 

sollen,  verbürgen da  wir  weder  die  Kraft  noch 

die  Befugniss  besitzen,  die  Eltern  hierüber  zur 
Rechenschaft  zu  ziehen.  Im  Jahre  1844  besuchten 
von  66  schulpflichtigen  Kindern  nur  23  die  Frank'sche 
Schule.  In  einer  an  die  Stadt  gerichteten  Eingabe  vom 
1.  Febr.  1844  wird  als  Ursache  dieses  schwachen  Besuches 
die  Höhe  des  Schulgeldes  (1 — 2  Thlr.  monatlich)  angegeben 
und  um  einen  Beitrag  aus  städtischen  Mitteln  gebeten. 
Der  darauf  bewilligte  Zuschuss  von  50  Thlrn.  jährlich 
wird  zur  Ermässigung  des  Schulgeldes  für  Kinder  minder- 
bemittelter Eltern  verwendet.  Zur  Hebung  der  Schule 
wurden  in  der  Folge  grosse  Anstrengungen  gemacht: 
das  Schulgeld  auf  :^0,  25  und  30  Sgr.  pro  Monat  ermässigt, 
die  Knaben  und  Mädchen  getrennt  unterrichtet,  das  Lehr- 
personal durch  Uebertragung  des  Religionsunterrichtes  an 
Prediger  Dr.  Joel  und  durch  Hinzuziehung  einer  Lehrerin 
und  dreier  christlicher  Lehrer  erweitert.  Aber  die  der 
Schule  von  der  Gemeinde  gemachten  Zuwendungen  reich- 
ten nicht  aus.  Endlich  im  Jahre  1854  wurde  die  Schule 
auf  Kosten  der  Stadtkasse  übernommen  und  als  eine 
öffentliche  erklärt.  Der  Gemeinde  resp.  einem  aus  dem 
Rabbiner  als  Vorsitzendem  und  vier  Gemeindemitgliedern 
bestehenden  Schulvorstande  wurde  das  Aufsichtsrecht  be- 
lassen. Mit  dieser  Elementarschule  wurde  eine  für  die 
andere  Schulen  besuchenden  Kinder  bestimmte  Religions- 
schule verbunden,  deren  Kosten  aber  der  Synagogen- 
Gemeinde  zur  Last  fielen.  Einen  weiteren  Fortschritt 
machte  die  Unterrichtsfrage  in  den  Jahren  1877  — 1880 
durch  Einführung  des  jüdischen  Religionsunterrichtes  an  der 
Louisenschule,  Real-  und  Höhern  Bürgerschule,  am  Kgl. 
Gymnasium  und  nach  Aufhebung  der  jüdischen  Elementar- 
schule in  Folge  der  Pensionirung  des  Hauptlehrers  N.  Frank 
auch  an  den  Volksschulen,  an  letzteren  in  der  Weise, 
dass  die  Schüler  der  verschiedenen  Scbulbezirke  sich  zu 
geroeinsamem  Unterricht  in  vier  wöchentlichen  Stunden 
wahrend  der  gewöhnlichen  Schulstunden  versammeln. 
Die  Auflösung  der  Elementarschule  erfolgte^m  Jahre  1877, 
da  der  Hauptlehrer  und  damals  einzige  an  der  Schule 


222  Geschichte  der  jüdischen  Gemeitide  DüBseldwfs» 

wirkende  Lehrer  Frank  die  Pensionirung  nachgesucht 
hatte  und  die  Schule  zur  Zeit  im  Ganzen  nur  von  22 
unter  ca.  120  schulpflichtigen  Kindern  besucht  wurde. 
In  Folge  der  wesentlichen  Erleichterung  ihrer  Schul- 
lasten konnte  die  Gemeinde  sich  mehr  dem  Ausbau  ihrer 
eigenen  Religionsschule  widmen.  Dieselbe  hat  jetzt  6 
aufsteigende  Knaben-  und  5  aufsteigende  Mädchenklassen, 
welche  nach  Erreichung  des  geplanten  Zieles  um  je  eine 
vermehrt  werden  sollen.  Gegenwärtig  ertheilen  an  der- 
selben ausser  dem  Rabbiner  noch  3  Lehrer  Unterricht 
und  zwar  Herr  Hauptlehrer  N,  Frank,  welcher  unter 
allseitiger  Theilnahme  und  dankbarer  Anerkennung  der 
Gemeinde  im  November  1886  bereits  sein  50 jahriges 
Dienstjubiläum  gefeiert  hat ;  ferner  Herr  Lehrer  Loeben- 
stein  und  Herr  Cantor  GrQnstein. 

Wie  aber  die  Synagogen  -  Gemeinde  zu  allen  Zeiten 
sich  in  den  Dienst  der  allgemeinen  Interessen  gestellt 
und  mit  Eifer  dieselben  gefördert  hat,  wie  sie  namentlich 
als  muthige  und  umsichtige  Vorkämpferin  fQr  die  bürger- 
liche Gleichberechtigung  ihrer  Glaubensgenossen  sich  be- 
währt hat,  so  wusste  sie  auch  jetzt,  nachdem  ihre  innere 
Verwaltung  kaum  eine  festere  Gestalt  gewonnen  hatte, 
ihren  Ruf  zu  rechtfertigen,  indem  sie  zwei  für  die  Er- 
ziehung wichtige  Institute  in  ihren  Schutz  nahm,  die  bald 
zu  grosser  Bedeutung  gelangten.  Das  erste  derselben 
ist  die 

Bildangs -Anstalt  für  israelitische  Lehrer^ 

durch  deren  Gründung  Herr  Rabbiner  Dr.  Feilchenfeld 
(jetzt  Rabbiner  der  Synagogen -Gemeinde  zu  Posen)  sich 
ein  hohes  Verdienst  erwarb.  Seiner  unermüdlichen  Thätig- 
keit  gelang,  es  einen  Verein  zu  bilden,  dessen  Zweck  es 
war,  ein  Seminar  zur  Ausbildung  allseitig  berufstüchtiger, 
gesetzlich  qualificirter  und  dem  Religionsgesetze  treu 
anhangender  jüdischer  Lehrer  zu  gründen  und  zu  erhalten. 
Die  Statuten  dieses  Vereins  wurden  in  der  ersten  General- 
Versammlung  am  25.  März  1867  angenommen.  Nach  diesen 
steht  dem  aus  5  Mitgliedern  zusammengesetzten  Vorstand 
eine  Fachcommission  zur  Seite,  welche  vom  Vorstand  auf 
6  Jahre  gewählt  wird,  aus  2  im  Amte  stehenden  Rabbinern, 
2  fachkundigen  Männern  und  dem  Seminar-Director  be- 
steht, und  die  Leistungen  des  Seminars  ordnet  und  über- 
wacht. Nach  einer  andern  sehr  wichtigen  Bestimmung 
des  Statuts  müssen  diejenigen  Schüler,  welche  das  Seminar 
als  Lehramts -Candidaten  verlassen  wollen,  ehe  sie  sich 
vor  der  Seitens  der  Regierung  bestellten  Commission  einer 
Prüfung  in  den  andern  Wissenszweigen  unterziehen  dürfen, 


G48ehieht4  der  jadisehen  Gemeinde  Dnteeldorfe.  228 

durch  ein  von  der  Fach-Commission  ausgestelltes  Zeugniss 
Ober  ihre  Befähigung  in  den  Religionsfftchem  sich  ausweisen 
können.  Das  Seminar  wird  aus  rein  privaten  Mitteln, 
ohne  jede  staatliche  Unterstützung  erhalten  und  ist  mit 
einem  Internat  verbunden.  Auf  Grund  einer  von  der 
Kgl.  Regierung  d.  d.  22.  Febr.  1867  ertheilten  Concession 
wurde  die  Anstalt  am  11.  Juli  1867  mit  fUnf  bei  der  Auf- 
nahmeprüfung reif  befundenen  Schülern  eröffnet.  Als 
Lehrer  gehörten  der  Anstalt  bei  der  Eröffnung  an: 

Dr.  H.  Plato,  als  angestellter  Hauptlehrer  in  einzelnen 
Disciplinen  der  Religionswissenschaft,  femer  im  Deut^ 
sehen,  Französischen,  in  Geschichte,  Geographie,  Rechnen 
und  Naturgescl^ichte; 

Rabbiner  Dr.  Feilchenfeld  als  Urheber  und  Seele  des 
ganzen  Unternehmens,  welcher  bis  zu  seiner  im  Herbst 
1872  erfolgten  Uebersiedelung  nach  Posen  das  Seminar 
als  Leiter  und  Vorsteher  der  Regierung  gegenüber 
vertrat  und  unentgeltlich  den  Unterricht  in  den  andcra 
Disciplinen  der  Religionswissenschaft  und  seit  Herbst 
1868  in  Geometrie  leitete; 

RealschuUehrer  Erk  in  Gesang  und  im  Schreiben; 

Cantor  Eichberg  in  der  hebräischen  Schrift; 

Maler  Kost  im  Zeichnen; 

Musiklehrer  Alexander  und  seit  Herbst  1868  auch 
der  städtische  Capellmeister  Kochner  im  Violinspiel; 

Unterofl9cier  Schmitz  und  seit  August  1868  an  dessen 
Stelle  der  städtische  Turnlehrer  Eichelsheim  im  Turnen. 

Der  unermüdlichen  Thfttigkeit  des  Rabbiner  Dr. 
Feilchenield  (der  übrigens  im  vorigen  Jahre  auch  in  Posen 
ein  jüdisches  Lehrerseminar  gegründet  hat)  war  es  zu 
danken,  dass  kaum  drei  Monate  nach  dem  ersten  Aufrufe 
der  ersten  General -Versammlung  2000  Thaler  für  min- 
destens fünf  Jahre  zugesicherte  Jahres  -  Einnahmen  und 
die  daraufhin  von  der  Kgl.  Regierung  ertheilte  Concession 
vorgelegt  werden  konnten.  Die  Gründung  eines  solchen 
Seminars  war  ein  um  so  glücklicherer  Gedanke,  als  für 
die  zahlreichen  besonders  im  Rheinland  existirenden 
jüdischen  Elementar-  und  Religions  -  Schulen  der  Mangel 
an  solchen  Lehrern  sich  besonders  fühlbar  machte,  welche 
neben  ihrer  gesetzlichen  Qualification  mit  ihrer  religiösen 
Treue  und  Wärme  auch  zugleich  eine  über  das  noth- 
wendige  Maass  einigermassen  hinausgehende  Kenntniss 
der  Religionsquellen  verbanden.  Die  Kgl.  Regierung  zu 
Düsseldorf  nahm  schon  im  Jahre  1868  eine  sehr  ein- 
gehende Revision  vor,  und  sprach  durch  Rescript  mit 
Bezugnahme  auf  eine  siebenstündige  vom  Regierungs- 
Schulrath  abgehaltene  Prüfung,  deren  Ergebniss  als  „sehr 


224  Otschiclite  der  jMisehen  Gemeinde  Düsseldorfs. 

günstig"  bezeichnet  wird,  „füi*  zweckmässige  Einrichtung 
des  Instituts  und  für  gute  Resultate  des  Unterrichts"  dem 
Seminar  ihre  Anerkennung  aus.  Diese  Wahrnehmung, 
das  Ansehen  der  beiden  leitenden  Rabbiner  (Dr.  W.  Feil- 
chenfeld, damals  in  Düsseldorf,  und  Dr.  Schwarz,  Rabbiner 
in  Cöln)  s.  A.,  sowie  der  fühlbare  Mangel  an  gesetzes- 
treuen Lehrern  wandten  dem  Seminar  das  Vertrauen  der 
Gemeinden  in  stets  wachsendem  Grade  zu,  so  dass  ver- 
möge der  wachsenden  Mittel  die  Zahl  der  Schüler  schon 
Anfang  1871  auf  15  erhöht  werden  konnte.  In  demselben 
Jahre  haben  die  ersten  ö  Schüler  des  Seminars  die  Lehrer- 
prüfung in  Kempen  „gut"  bestanden.  Der  erste  Bericht 
schliesst  ab   in  Einnahme  mit  6675  Thlr.    8  Sgr.  6  Pfg. 

„    Ausgabe      „     5670     „       16     „      1    „ 
Der  zweite  Bericht  schliesst  ab 

in  Einnahme  mit  8963  „  17  „  7  ^ 
„  Ausgabe  „  7546  „  ^  18  „  9  „ 
Ungefähr  die  Hälfte  der  ersten  Jahreseinnahme  rührte 
von  Zeichnungen  der  Düsseldorfer  Mitgleder  her,  darunter 
eine  Zeichnung  von  S.  H.  Prag  über  2000  Thlr.  Zwei 
andere  Zeichnungen  von  je  500  Thlr.  rührten  von  Hermann 
Isaak  und  Joseph  Isaak  in  Ruhrort  her.  Den  wachsenden 
Ausgaben  des  Seminars  entsprachen  in  der  Regel  auch 
wachsende  Einnahmen,  welche  durch  Legate  und  andere 
Schenkungen  immer  mehr  gesichert  wurden.  Im  Jahre 
1874  wurden  dem  Seminar  zwei  in  Ehrenfeld  gelegene 
Häuser  als  Geschenk  zugewiesen,  und  ersteres  selbst  der 
an  das  Geschenk  geknüpften  Bedingung  gemäss  nach 
dort  verlegt,  bis  ihm  einige  Jahre  später  mit  Einwilligung 
des  Geschenkgebers  ein  eigenes  mit  einer  Synagoge  ver- 
bundenes Haus  in  Cöln  errichtet  wurde. 

Ein  gleiches  Verständniss  und  Interesse  für  die  ge- 
meinsamen Interessen  bewies  die  Gemeinde,  indem  sie 
ihre  warme  Theilnahme  entgegenbrachte  dem 

Yerein  zar  Terbreltnng  der  Handwerke  nnter  den  Juden« 

Der  Aufruf  zur  Gründung  dieses  Vereins  wurde  von 
dem  referirenden  Rabbiner  Dr.  Wedell  in  Gemeinschaft 
mit  den  Herren  Banquier  D.  Fleck  und  Stadtverordneten 
G.  Herzfeld  im  März  1880  erlassen  und  der  Verein  selbst 
am  18.  April  gegründet  und  am  5.  Mai  desselben  Jahres 
durch  Feststellung  der  Vereinssatzungen  und  Wahl  des 
Vorstandes  coustituirt.  In  denselben  wurden  ausser  den 
drei  Unterzeichnern  des  Aufrufes  noch  die  Herren  Joseph 
Levison  und  Julius  Manes  von  hier  gewählt.  Die  Grün- 
dung des  Vereins  wurde  für  nöthig  erachtet,  nicht  weil 
man   an    der   Neigung   und    Befähigung    der   Glaubens- 


Oesehichie  der  jüdischen  Gemeinde  Düseeldorfs.  225 

genossen  für  das  Handwerk  zweifelte,  sondern  weil  man 
die  Schwierigkeiten  erkannte,  mit  welchen  namentlich 
die  auf  dem  Lande  oder  in  kleinen  Städten  wohnenden 
Israeliten  zu  kämpfen  hatten,  wenn  sie  ihre  Söhne  dem 
Handwerke  zuführen  wollten.  Denn  in  den  meisten 
Fällen  war  das  Handwerk  an  ihrem  Wohnorte  entweder 
gar  nicht  oder  nicht  gut  genug  vertreten.  B.ei  einem  aus- 
wärtigen Meister  den  Knaben  unterzubringen  gelang 
ihnen  häufig  nicht,  weil  sie  einen  solchen  zufolge  ihrer 
Isolirtheit  nicht  zu  finden  oder,  wenn  sie  einen  gefunden 
hatten,  die  nöthigen  Kosten  nicht  aufzubringen  ver- 
mochten. Ausserdem  wollten  sie  ihre  Söhne  doch  nicht 
ohne  Aufsicht  lassen  und  mit  der  Wahl  des  Handwerks 
nicht  die  sittlichen  und  religiösen  Grundsätze  aufgeben 
sehen,  in  welchen  sie  die  Kinder  erzogen  hatten.  Zudem 
bot  sich  in  grösseren  Städten  für  die  Fortbildung  und  für 
die  Vervollkommnung  im  Handwerk  besser  Gelegenheit. 
Endlich  kam  es  auch  darauf  an,  in  den  Knaben  ein  ge- 
wisses Standesbewusstsein  und  durch  die  Concurrenz  mit 
anderen  Lehrlingen  einen  berechtigten  Ehrgeiz  und  da- 
durch die  Freude  an  der  Arbeit  zu  wecken.  Von  diesen 
Gesichtspunkten  ausgehend,  wusste  der  Vorstand  etwaige 
Zweifel  an  dem  Gelingen  des  Unternehmens  zu  beseitigen, 
die  Zweifler  aufzuklären  und  als  Freunde  des  Vereins 
zu  gewinnen.  Ursprünglich  für  den  Synagogenbezirk 
Düsseldorf  betimmt,  wurde  der  Verein  gar  bald  auch 
von  ausserhalb  dieses  Bezirkes  wohnenden  Eltern  um 
Unterstützung  und  Vermittelung  angegangen;  ausserdem 
meldeten  sich  auch  viele,  welche  die  Mittel  für  ihre 
Ausbildung  bereitwillig  selbst  bestritten  und  nur  die 
moralische  Unterstützung,  die  nöthige  Aufsicht  und  die 
Förderung  bezüglich  der  tüchtigen  Ausbildung  vom  Ver- 
eine erbaten  und  so  den  Beweis  lieferten,  dass  es  nur 
äussere  Gründe,  aber  nicht  Abneigung  gewesen  war,  welche 
sie  von  der  Wahl  eines  Handwerks  zurückgehalten  hatten. 
Weit  entfernt,  solche  Knaben  aus  engherzigem  Lokal- 
sinn abzuweisen,  begrüsste  der  Vorstand  die  kräftig  in 
Fluss  gekommene  Bewegung  und  erbat  von  den  Mit- 
gliedern die  Ermächtigung,  auch  auf  diese  die  Fürsorge 
des  Vereins  auszudehnen.  Im  Gegensatz  zu  dem  Ver- 
fahren anderer  Vereine  von  gleicher  Tendenz,  welche 
Knaben,  die  nicht  an  dem  Orte  geboren,  oder  wenn  sie 
auch  dort  Heimathsrechte  hatten,  nicht  auch  zugleich 
dort  in  Lehre  gegeben  waren,  von  jeder  Unterstützung 
ausschlössen,  erkannten  die  Mitglieder  der  Düsseldorfer 
Gemeinde,  die  diesem  Vereine  angehörten  und  gewohnt 
waren,  das  Wohl  der  Gesammtheit  im  Auge  zu  behalten 

15 


226  Gesehichte  der  jüdmhen  Gemeinde  DOsiMorfa. 

und  nach  Kräften  zu  fördern,  die  Nothwendigkeit  an, 
dem  Vereine  einen  erweiterten  Wirkungskreis  anzuweisen. 
Damit  war  eine  empfindliche  Lücke  auf  diesem  Gebiete 
der  Wohlthätigkeit  beseitigt.    Denn'  gerade  die  kleinen 
Gemeinden,   welche  einem  grösseren  Verbände  nicht  an- 
gehörten, und  bisher  der  Förderung  auf  diesem  Gebiete 
entbehrten,  bedurften  der  Unterstützung  auf  demselben 
am    meisten.     Diese    Lücke    beseitigt    zu    haben ,    oder 
wenigstens  eine  kräftige  Anregung  zu  ihrer  Beseitigung 
gegeben    zu   haben,    ist   nicht   das   kleinste   Verdienst, 
welches  sich  die  Düsseldorfer  Gemeinde  erworben  hat. 
Ein    wesentlicher    Antheil    an    demselben    gebührt    der 
Cölner  Gemeinde,  welche  auf  das  eifrige  Betreiben  ihres 
ersten   Vorstehers,   Herrn  Jacob   de  Jonge,    des  Herrn 
Dr.  med.  B.  Auerbach,  dingirenden  Arztes  des  dortigen 
Asyls  Elsbach'scher  Stiftung,  des  damaligen  Bürgermeisters 
Dr.  Rosenthal,    des    Herrn    Louis    Rothschild,    der    von 
Düsseldorf  ausgegangenen  Bewegung  im  Jahre  1886  in 
thatkräftigster  Weise  sich  anschloss.     Nicht  zum  wenig- 
sten ist  auch  Herr  Dr.  med.  Levison  in  Siegburg  daran 
betheiiigt.    Denn  die  Aufnahmegesuche  gingen  in  erfreu- 
licher Weise   so   zahlreich   ein,   dass   die  in  Düsseldorf 
aufgebrachten  Mittel  nicht  mehr  ausreichten  und  durch 
andei^^eitige  Zuwendungen   vermehrt   werden   mussten. 
Im  Einverständniss  mit  den  genannten  Herren  erliess  der 
Vorstand    an    andere   Gemeinden   im   April   1886   einen 
Aufruf  in   dem  es  u.  A.  heisst:    Wir  dürfen   überzeugt 
sein,  dass  Sie  die  Tragweite  unserer  Bestrebungen  nicht 
unterschätzen.    Gerade  jetzt,  wo  wir  über  die  schweren 
Erfahrungen  der  letzten  Jahre  wieder  ruhiger  zu  denken 
angefangen  haben,  die  Trauer  über  dieselben  aber  noch 
in  uns  nachzittert,  müssen  wir  unser  ganzes  Können  ein- 
setzen, um  derartigen  Bewegungen  den  Boden  künftig  zu 
entziehen.     Schon    die   Theilnahme   so   hervorragender 
Glaubensgenossen,  wie  sie  unsere  heutige  Mitgliederliste 
nachweist,   dürfte   hinreichen,   um    zur  Mitarbeit  anzu- 
spornen ;  es  wäre  gewiss  zu  beklagen,  wenn  das  Interesse, 
welches  solche  Männer  für  das  Wohl  ihrer  bedrängten 
Glaubensgenossen  bekunden,  nicht  mit  Dankbarkeit  will- 
kommen  geheissen   und  lebendig   erhalten  würde,    und 
dies  um  so  mehr,  als  der  begonnene  rege  Zusammen- 
schluss  unserer  Glaubensgenossen  die  Aussicht  eröffnet, 
dass  derselbe  nicht  blos  nach  der  zunächst  beabsichtigten 
Richtung  hin,  sondern  in  einer  späteren  Zeit  auch  für  die 
Hebung  der  sozialen  Stellung  der  Israeliten  überhaupt  und 
für  ihre  endliche  Gleichberechtigung  mit  den  übrigen  Staats- 
bürgern unter  segensreichem  Erfolge  wirksam  werden  kauu. 


Onekichte  der  jüdieekm  Qemeinde  lHi$$Morf».  227 

Nach  dem  Vorgehen  der  Cölner  Gemeinde  konnte  es 
nicht  ausbleiben,  dass  auch  andere  grössere  Gemeinden 
dem  Unternehmen  ihre  Gunst  zuwandten.  So  z.  B.  Aachen, 
wo  die  Herren  Rabbiner   Dr.  Jaulus,  Jacob  Lippmann 
und  Jos.  Biefefeld;   Elberfeld,   wo   Frau  Helene   Weyl, 
Herr  Rabbiner  Dr.  Auerbach  und  R.  Eisenstein  die  Sache 
eifrig    in    die    Hand    nahmen.     Durch    diese   vielseitige 
UnterstQtzung  stieg  die  Zahl  der  Mitglieder  im  letzten 
Jahre  auf  1082  und  die  Zahl  der  betheiligten  auf  ganz 
Deutschland  vertheilten  Städte  auf  144,   denen  sich  seit 
1.  April  d.  J.  weitere  23  Städte  mit  116  Mitgliedern  zu- 
gesellt haben.    Durch  die  in  der  General- Versanmilung 
vom  31.  Mai  1887  veränderten  Statuten  wurde  jede  geo- 
graphische Schranke  beseitigt  und  der  Vorstand  selbst- 
redend erweitert.    Demselben  gehören  jetzt  an :  Rabbiner  , 
Dr.  Wedeil,  Vorsitzender,  D.  Fleck,  Kassirer,  Amtsrichter 
Dr.  Fritz  Frank,  G.  Herzfeld,  Schriftführer,  Jos.  Levison, 
Stellvertreter,  Düsseldorf,  zugleich  als  geschäftsführender 
Ausschuss;  Rabbiner  Dr.  Jaulus,  Aachen;  Jacob  Lippmann, 
Aachen;   Geh.  Sanitätsrath  Dr.  Eristeller,  Berlin;  Moritz 
Katzenstein,  Bielefeld ;  Isidor  Goldschmidt,  Dortmund ;  Rab- 
biner Dr.  Auerbach,  Elberfeld;  I.  S.  Hirschland,  Essen;  Dr. 
med.  B.  Auerbach,  Köln;  I.  de  Jonge  und  I.  Levy  jun., 
Köln ;  Dr.  med.  Levison,  Siegburg;  Eugen  Rothschild,  Trier. 
Seit  Gründung  des  Vereins  sind  in  die  Fürsorge  des 
Vereins  bereits  115  Lehrlinge  aufgenommen  worden  und 
noch   zahlreiche   andere  bereits   angemeldete  Lehrlinge 
harren    der   Aufnahme,    welche   hoffentlich    durch    ent- 
sprechende Vermehrung  der  Vereinsmittel  recht  bald  er- 
möglicht werden  wird.    Bei  Gelegenheit  der  am  10.  Mai 
d.  J.  im  Hotel  Heck  hierselbst  veranstalteten  Ausstellung 
von    Lehrlingsarbeiten    konnten    14    Lehrlinge    prämiirt 
werden.    Ein  Lehrling  wurde  ausserdem  noch  durch  eine 
mit    den  Bildnissen  Sr.  Majestät  des  in  Gott  rjuhenden 
Kaisers   Wilhelm    I.    und    Ihrer    Majestät   der   Kaiserin 
Aug^usta  geschmückten  silbernen  Medaille  ausgezeichnet. 
Im  übrigen  muss  auf  die  gedruckt  vorliegenden  Jahres- 
berichte  verwiesen  werden,     üeber   die   andern  Wohl- 
thätigkeitsvereine ,    welche    ihre    Thätigkeit    mehr    oder 
weniger  auf  den  engeren  Kreis  der  Gemeinde  beschränken, 
wird  später  zu  berichten  sein.    Auf  die  Gestaltung  und 
Entw^ickelung  derselben  haben  neben  den  Gemeinde-  und 
Vereinsvorständen  einen  wesentlichen  Einfluss  geübt 

Die  Rabbiner  der  Gemeinde J) 

Wahrscheinlich  der  erste  Rabbiner  der  Jülich -bergi- 
schen  JudenschafI:  war 

iTVgl."  S.  170-178. 

15* 


228  Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  Düsseldorfs, 

1.  Rabbi  Samson  Levi  Fröhlich,  1706—1750. 

Im  Memorial-Buch  der  Gemeinde  finden  sich  über  ihn 
folgende  Angaben:  Das  Amt  eines  Rabbiners  in  Jülich- 
Berg  bekleidete  er  44  Jahre  bis  zu  seinem  Tode,  ohne 
die  geringste  Ermüdung  und  ohne  die  Lasten  des  Amtes 
zu  empfinden.  Das  Richteramt  versah  er  in  strengster 
Unparteilichkeit  und  Unbestechlichkeit ;  mit  Rücksicht  auf 
dasselbe  nahm  er  nie  auch  nur  die  geringste  Dienst- 
leistung an.  In  Liebe  und  Milde  leitete  er  seine  Gemeinde, 
hielt  sie  zum  Studium  der  Lehre  an,  gründete  in  derselben 
einen  heiligen  Zwecken,  wie  der  Krankenpflege 
und  dem  Beerdigungswesen  gewidmeten  Verein, 
deren  Mitglieder  er  alltäglich  in  seinem  Hause  zu  be- 
lehrenden Vorträgen  vereinigte.  Ausserdem  richtete  er 
in  Ermangelung  eines  andern  Gotteshauses  in  seinem 
Hause  ein  Betlokal  für  den  täglichen  Gottesdienst 
für  Männer  und  Frauen  ein.  Er  starb  um  die  Mitta^- 
stunde,  wie  die  Sonne,  wenn  sie  zum  Untergange  sich 
neigt,  am  2.  Neumondstage  dem  L  Jjar  1750  im  Alter 
von  70  Jahren  und  wurde  mit  grossen  Ehren  auf  dem 
Friedhofe  zu  Düsseldorf  bestattet. 

Bei  dem  ersten  Besuche,  welchen  Garl  Theodor  mit 
seiner  hohen  Gemahlin  seiner  Residenz  im  Jahre  174G 
abstattete,  betheiligte  sich  auch  Rabbiner  Samson  Levi 
an  den  zum  Empfange  des  Herrscherpaares  veranstalteten 
Festlichkeiten,  deren  Beschreibung  1747  bei  Tilmann 
Libor.  Stahl,  Churfürstl.  Hof-Buchdrucker,  auf  Anordnung 
des  Magistrats  erschienen  ist.  Derselben  entnehmen  wir 
Folgendes : 

„Der  Rabiner  Samson  Levi  auf  dem  Hunds-RQck 
zeigete  bey  der  höchst -verlangten  Ankunft  Ihrer  Chur- 
fürstlichen  Durchlauchten,  dass  er  nicht  de  Tribu  Levi, 
oder  von  der  leichten  Waare  seyn  wolte,  und  hatte  in 
Hebraeischer  Sprache  ein  so  kräftiges  Gebett  unter  zu- 
länglichen Lichtern  ausgestellt,  dergleichen  kaum  Samson 
hervorgebracht,  als  er  nach  der  Philistiern  Niederlage  in 
seinem  höchsten  Durst  aus  einem  Esels-Kinbacken  Wasser 
herausgelocket.  (a)  Selbiges  wäre  nach  seiner  Übersetzung 
folgender  Massen  verfasset: 

Der  Allmächtige  Gott,  dem  sein  Königreich  ist  ein 
Königreich  von  der  gantzen  Welt,  der  da  giebt  Hülf  denen 
Königen,  der  da  hat  ausgezogen  seinen  Knecht  David 
von  dem  bösen  Schwerdt,  der  da  giebt  ins  Meer  einen 
Weeg,  und  in  starcke  Wässer  einen  Steeg,  der  soll  segnen, 
fruchtbahren,  bewahren,  beschirmen,  helifen  den  Hohen, 

(a)  Judic  In. 


51«-    - 


Geschichte  der  jüdischen  Gemeinde  DUsseldot^fs.  329 

Achtbahren  und  Erhabenen  Unsern  Durchlauchtigsten, 
Allerfj:nädigsten  Churfüreten  und  Herrn,  Herrn  Carl 
Theodor,  Pfaltz-Graf  bey  Rhein,  und  dessen  Gemahlin 
Ihro  Churfttrstliche  Durchlaucht  Maria  Elisabeth  Augusta, 
Ihr  Glantz  soll  erhoben  werden:  König  über  alle  Königen! 
Durch  Deine  Barmhertzigkeit  lasse  Sie  lang  leben,  be- 
wahren und  von  allem  Leyd,  Traurigkeit  und  Schatten 
beschirmen,  und  sollen  ihren  Feind  werften  vor  ihrem 
Angesicht  und  unter  ihre  Füssen,  und  sollen  beglücken, 
wo  Sie  sich  hinkehren  m-erden,  der  König  über  alle 
Königen,  durch  seine  Barmhertzigkeit  soll  er  ihnen  in 
ihren  Hertzen  geben,  und  in  Hertzen  aller  ihren  Raths- 
U oberen  eine  Barmhertzigkeit  umb  zu  thuen  mit  uns 
Kinder  Israel,  und  mit  allen  Menschen  Gnaden  und  Guts, 
dass  sollen  sicherlich  wohnen.  Dieses  solle  Gottes  Willen 
seyn.    Amen.** 

2.  Rabbiner  Moodechai  Halberstadt,   1751—1769. 
Nach  den  Aufzeichnungen  des  Memorialbuches  trug  er 

viel  zur  Verbreitung  der  Lehre  in  Israel  bei  und  hatte 
viele  Schüler.  P>  selbst  widmete  sich  dem  Studium  Tag 
und  Nacht,  führte  einen  sehr  frommen  Lebenswandel  und 
verwendete  den  fünften  Theil  seines  Vermögens  für  die 
Armen.  Er  verschied  in  der  Nacht  zu  Dinstag  dem 
16.  Jjar  =  23.  Mai  1769  und  ruht  ebenfalls  auf  dem 
hiesigen  Friedhof. 

3.  Rabbi  Jacob  Brandes,  1769—1774. 

In  seiner  Vaterstadt  Fürth  mit  bedeutenden  talmudi- 
schen Kenntnissen  ausgestattet,  bereitete   er  sich  lange 
Zeit  für  das  Rabbinerfach  vor  und  war  vor  Uebernahme 
des  Landrabbinates  von  Jülich  und  Berg  20  Jahre  lang 
Rabbiner  in  Darmstadt.    Auch   um   ihn   sammelten  sich 
viele    Schüler.      Er    starb    zu   Düsseldorf    am    Dinstag 
14.  Siwan  =  24.  Mai  1774.   Seine  Frau  Rebecka,  >)  deren 
ITeberreste   und   Grabstein   bei    dem  Kanalbau  auf  der 
Kasernenstrasse  im  Jahre   1884   aufgefunden   und  nach 
dem   Friedhofe  auf  der  Bongardstrasse  überführt  wurde, 
errichtete  bei  ihrem  Tode  für  die  jülich-bergische  Juden- 
schaft ein  Legat;  welches  von  der  jülich-bergischen  Juden- 
Schuldentilgungs-Commission  (damaliger  Präsident  Land- 
rath     von   Lasberg)    nach    längeren    Verhandlungen    am 
18.  Juli  1832  der  Düsseldorfer  Gemeinde  überwiesen  wurde 
gegen   die  ausdrückliche  Verpflichtung,  das  Kapital  nebst 
■iy^    Zinsen  an   einen    etwa   später  auftretenden  recht- 
mässig'en  Prätendenten  zurückzuzahlen.    Bis  dahin,   also 

17  Jahre  lang,  hatte  die  Gemeinde  in  frommer  Pietät 

^ 

1)   Vgl,  über  dieselbe  Wedell,  Heinc's  Stainiubaum. 


230  Oesehieht$  der  jOdiachen  Gemeinde  DÜMaMoffa. 

die  an  das  Legat  geknüpften  Bedingungen  erflUlt^  auch 
ohne  das  Kapital  oder  die  Zinsen  desselben  erhalten  zu 
haben. 

4.  Rabbi  Jehuda  Lob  Scheuer,  1779—1821. 

„Er  war",  so  rühmt  von  ihm  das  Memoriale,  „ein 
grosser  Gelehrter  (ein  Korb  voll  Bücher),  bescheiden  und 
demüthig,  bekleidete  das  Amt  eines  Landrabbiners  von 
Jülich -Berg,  später  des  Grossherzogthums  Berg  allein 
42  Jahre  lang  zum  Heil  und  Segen  der  Gemeinde,  deren 
friedliche  Entwickelung  er  in  schwierigen  Zeiten  zu  fördern 
wusste,  hielt  Viele  von  der  Sünde  zurück,  bildete  eine 
grosse  Zahl  von  Schülern  aus,  von  denen  viele  wieder 
selbst  ein  Rabbinat  bekleideten.  Er  lebt  im  Andenken 
der  Gemeinde  fort  durch  die  vielen  schönen  Lehren  und 
Forschungsresultate,  welche  an  seinen  Namen  geknüpft 
sind,  und  durch  den  frommen  Lebenswandel,  den  er  stets 
geführt  hat." 

Seine  seltene  Uneigennützigkeit  bewies  er,  indem  er 
nach  Errichtung  des  Grossherzogthunis  Berg  bis  zu  seinem 
Tode,  also  13  Jahre,  in  hingebender  Liebe  für  seine 
Religion  seinem  heiligen  Amte  und  den  ihm  anvertrauten 
heiligen  Pflichten  unentgeltlich  oblag,  i)  Im  herzlichen 
Einvernehmen  pflegte  er  einen  sehr  regen  wissenschaft- 
lichen Verkehr  mit  seinem  benachbarten  Amtsbruder, 
Consistorial-Oberrabbiner  Rabbi  Lob  Karlburg  zu  Crefeld 
30  Jahre  lang.  Er  war  der  Grossvater  des  jetzigen 
Gemeinde-Vorstehers  Herrn  Banquier  Leonhard  Scheuer 
und  verschied  im  Alter  von  87  Jahren  am  Montag 
27.  Schebath  =  24.  Januar  1821.  Bei  seiner  Beerdigung 
waren  viele  Geschäftslokale,  diejenigen  der  Juden  sänimt- 
lieh  geschlossen.  Die  Leichenrede  in  der  Synagoge  hielt 
sein  Freund,  der  bereits  erwähnte  Rabbi  L.  Karlburg. 
Er  rühmte  von  ihm,  dass  er  ^wie  der  Hohe  Priester  Aron 
bis  zu  seinem  Lebenshauch  die  Würde  seines  Amtes  be- 
hauptet und  im  Zelte  der  Lehre  in  Lauterkeit  und  Rein- 
heit geweilt^,  dass  er  mit  seiner  Person  und  mit  seinem 
Vermögen  weit  über  seine  Kräfte  Liebeswerke  geübt  und 
durch  sein  Beispiel  auch  andere  dazu  angeregt  habe, 
dass  er  in  liebevoller  Sorgfalt  seine  Gemeinde  erzogen, 
wie  ein  Vater  seinen  Sohn  erzieht.  Einen  besonderen 
Werth  gewinnt  diese  Rede  noch  dadurch,  dass  er  in  seine 
von  warmer  Liebe  und  inniger  Trauer  durchhauchten 
Worte  so  manche  von  Rabbi  Scheuer  aufgestellte  Lehre 
und  aufgedeckte  schwierige  Exegese  verwebt.  Eine  zi^reite 
Rede  hielt  derselbe  bei  dem  Trauergottesdienst  in    der 


»)  Vgl.  Seite'^lÖO  fg. 


OetMehtt  der  jüdigeken  Gemeinde  Dässeldorfe,  231 

Synagoge  zu  Düsseldorf  am  Montag  den  3.  Adar  I  = 
5.  Februar.  Acht  Tage  später  hielt  er  zum  Andenken 
des  verblichenen  Freundes  auch  eine  Trauerfeier  in  der 
Synagoge  zu  Crefeld  ab.  Sämmtliche  drei  Reden,  die  an 
und  für  sich  einen  hohen  Werth  haben,  wurden  nach 
einem  in  der  Bibliothek  des  Freiherrn  von  Rosenthal  in 
Amsterdam  aufgefundenen  Manuscript  ixn  Jahre  1886  dem 
Druck  übergeben  (Oscar  Lehmann,  Mainz).  Die  irdische 
Hülle  R.  Scheuer's  ruht  auf  dem  Friedhofe  auf  der 
Bongardstrasse. 

5.  Dr.  Jacob  Rosenberg,  1837—1843. 
Nach  dem  Tode  des  Landrabbiners  Scheuer  trat  eine 
längere  Vacanz    ein.     Der   hauptsächlichste   Grund   für 
dieselbe  ist  wohl  in  den  damals  so  sehr  zerrütteten  Ge- 
meindeverhältnissen >)   zu  suchen.     Ausserdem  hatte  die 
Gemeinde  den  Wunsch,  dass  der  damalige  Consistorial- 
Oberrabbiner  Karlburg  in   Crefeld  seinen  Sprengel   mit 
demjenigen    von   Düsseldorf  vereinigte   und  seinen   Sitz 
nach  Düsseldorf  verlegte.    Die  Verhandlungen  zogen  sich 
lange  hin,  scheiterten  aber  an  der  beharrlichen  Weigerung 
Karlburg's,  Crefeld  zu  verlassen,  so  bereitwillig  er  auch 
war,    auf  rituelle  Fragen   die   nöthige  Auskunft   zu   er- 
theilen.     Die  Verwaistheit   des   Rabbinats   machte   sich 
aber,  wie  es  in  der  Eingabe  an  die  Kgl.  Regierung  vom 
4.  December  1834  heisst,  immer  fühlbarer,   da  die  Ge- 
meinde auch  der  Predigt,  der  Schulinspection  und  eines 
entsprechenden  Religionsunterrichtes  entbehrte.    Dennoch 
hätte  sie  nicht  früher  zur  Wahl  eines  Rabbiners  schreiten 
können,  weil-  sie  keinen  für  das  Amt  genügend  qualiflcir- 
ten    Mann  gefunden,  der  sich  den   früheren  Rabbinern 
würdig  angereiht  hätte.    Den  Mann,  welchen  wir  suchten, 
so  heisst  es  in  der  erwähnten  Eingabe,  finden  wir  in  dem 
Herrn  Joseph  Rosenberg,  dem  Sohne  des  hiesigen  Herrn 
Gabriel  Rosenberg.     „Mit  Erlaubnis«  eines  hohen  Mini- 
steriums zu  Berlin  hat  er  auf  der  Universität  zu  Würz- 
burg studiert,  von   wo  er   nunmehr,   nachdem   er  seine 
Studien  rühmlichst  vollendet  hat,  als  philosophiae  doctor 
rite  promotus  zurückgekehrt  ist.    Mit  einer  gründlichen 
wissenschaftlichen  Ausbildung  im  Allgemeinen  verbindet 
er  insbesondere  eine  ausgezeichnet  tiefe  Einsicht  in  die 
israeUtische  Theologie  und  eine  geläuterte,  im  wahren 
Sinne  des  Wortes  aufgeklärte  Moral.    Da  aber  die  hiesige 
Gemeinde  allein  viel  zu  schwach  ist,  einen  Rabbiner  an- 
standig   zu   unterhalten,    auch    der   Ober  -  Landrabbiner 
Scheuer  vor  der  französischen  Herrschaft  von  den  damals 


ly  Vgl  S.  181  fgg. 


232  Geschichte  der  jild fachen  Gemeinde  Düeseldorftt. 

vereinigten  Herzogthümern  Jülich  und  Berg  aufgenommen 
und  besoldet  wurde,  so  dürfte  es  als  recht  und  billig  er- 
scheinen, wenn  alle  israelitischen  Gemeinden  des  hiesigen 
Regierungsbezirkes;  die  nicht  zum  Rabbinate  Crefeld  ge- 
hören, zur  Besoldung  des  Rabbiners  herangezogen  würden. 
An   die  Bitte,   die   Ernennung  des  Dr.  Rosenberg  zum 
Landrabbiner  gut   zu   heissen,   wurde  noch  der  Antrag 
geknüpft,  die  erwähnten  Gemeinden  zum  Beitrage  für  das 
Rabbinats-Gehalt  zu  verpflichten  und  denselben  jeder  Zeit 
für  executorisch   zu  erklären.     Da  die  Gemeinde  auf 
diesen   Antrag    „keine  genügende  Antwort"   erhielt,   so 
sprach  sich   die  Mehrheit   der  Mitglieder  dafür  aus,   bei 
dem  Kgl.  Ministerium  in  Berlin  vorstellig  zu  werden,  und 
die  staatliche  Anstellung  und  Besoldung  zu  bean- 
tragen.   Bei  der  Stellung  der  Kgl.  Regierung  den  Ge- 
meindefrageu    gegenüber   war    nichts   anderes   als    eine 
Ablehnung  zu  erwarten,  und  nicht  einmal  die  Anstellung 
eines   Rabbiners   für   die   Düsseldorfer   Lokal -Gemeinde 
möglich,  da  sie  in  den  Augen  der  Regierung  als  solche 
gar  nicht  existirte,   sondern  nur  Privatgesellschaft  war. 
Wiederum   musste    man   zur   Selbsthülfe   schreiten.      Es 
verbanden  sich  daher  ein  grosser  Theil  der  Mitglieder 
und  etwa  40  auswärtige  Gemeinden  und  verpflichteten 
sich  zunächst  auf  die  Reihe  von  6  Jahren  zu  festen  Bei- 
trägen, aus  denen  das  Rabbinatsgehalt  für  Dr.  Rosenberg 
bestritten  werden  sollte.    Drei  Jahre  waren  wieder   mit 
diesen  Verhandlungen  vergangen.    Endlich,  am  2.  April 
1837,  konnte  das  Berufungsschreiben  an  Dr.  Rosenberg 
abgehen.     Unser    eifrigstes   Bestreben,   so  heisst  es    in 
demselben,  um  zu  diesem  Ziele  zu  gelangen,  wird  Ihnen 
die  zureichende  Ueberzeugung  geliefert  haben,  dass  unser 
Leitstern  2iur  Besetzung  dieser  Stelle,   die  wir  jetzt  von 
Ihnen  ausgefüllt  zu  sehen  wünschen,  nur  Anhänglichkeit 
und  Vorliebe   für  Ihre  Person  gewesen,   und  mit  Recht 
glauben  wir  darauf  bauen  zu  dürfen,  dass  auch  Sie  im 
Geiste  der  Anhänglichkeit  und  Liebe  uns  stets  begegnen 
werden,  dass   nicht  Eigennutz,  sondern  nur  das  warme 
Gefühl   zur   Aufrechterhaltung   und  Beföderung  unserer 
Religion  in  ihrer  Reinheit  und  Heiligkeit  in  allen  Ihren 
Handlungen  stets  hervorleuchten  werde.    Zur  Beurthei- 
lung  des  damals  in  Düsseldorf  herrschenden  Geistes  ver- 
dient unter  den  in  jenem  Berufungsschreiben  aufgeführten 
allgemeinen  und  besonderen  Pflichten  hervorgehoben   zu 
werden,    dass    der    Rabbiner    „von    den    Bemittelten 
reiche  Gaben  zu  erlangen  trachten  sollte,  um  sie 
der  blöden  Armuth  zuzuwenden.  Der  Rabbiner  soUte 
der  Gemeinde  stets  mehr  und  mehr  in  seiner  Person  die 


0$8€hicht€  d0r  jüdi$ch$n  G€m$md$  DüsMddwfs.  233 

Verwirklichung  der  Verheissungeii  des  Propheten  Maleachi 
veranschaulichen,  welcher  im  Namen  Gtottes  spreche: 
^Die  Lehre  der  Wahrheit  trug  er  in  seinem  Munde, 
Unrecht  ward  auf  seinen  Lippen  nicht  gefunden,  in 
Frieden  und  Rechtsehaifenheit  wandelte  er  vor  mir  und 
brachte  Viele  von  der  Sttnde  zurQck.^ 

Ausser  seiner  wissenschaftlichen  Bildung  standen  dem 
Dr.  Rosenberg  bedeutende  talmudische  Kenntnisse  zur 
Seite,  welche  er  unter  Anleitung  des  in  weiten  Kreisen 
bekannten  Oberrabbiners  Jacob  Ettlinger  von  Altena  sich 
erworben  hatte,  und  welche  den  Angehörigen  seiner  Familie 
von  Alters  her  in  hohem  Grade  eigen  waren.  Aus  dieser 
waren  bedeutende  Rabbiner  hervorgegangen,  welche  in 
Prag  und  Mainz  amtirt  hatten.  Die  Düsseldorfer  Rabbiner 
Brandes  und  M.  Halberatadt  waren  der  erstere  väter- 
licher-, der  andere  mütterlicherseits  mit  seinen  Eltern 
nahe  verwandt,  so  dass  er  in  seiner  Antrittsrede  i)  auf 
sich  anwenden  konnte  den  Vers  Ps.  45,  17:  „An  deiner 
Ahnen  Stelle  werden  dereinst  deine  Kinder  treten,  du 
selbst  wirst  sie  zu  Vorgesetzten  machen^ ;  Dr.  Rosenberg 
konnte  dies  um  so  mehr,  als  auch  sein  Vater,^)  der  im 
Jahre  1804  aus  Prag  in  Düsseldorf  eingewandert  und  am 
ö.  Januar  1806  in  den  Gemeindeverband  aufgenommen 
worden  war,  so  bedeutendes  talmudisches  Wissen  besass, 
dass  er  vom  Oberrabbiner  Karlburg  ermächtigt  worden 
war,  rituelle  Fragen  zu  entscheiden. 

In  sein  Amt  am  15.  Juni  1837  eingeführt,  bekleidete 
er  dasselbe  6  Jahre  und  erwarb  sich  die  allgemeine 
Hochachtung  und  Liebe  seiner  Gemeinde.  Nachdem  er 
dann  10  Jahre  Provinzialrabbiner  in  Fulda  und  10  Jahre 
Landrabbiner  von  Groningen  gewesen  war^  zog  er  sich 
vom  Amte  zurück,  um  ganz  seinen  Studien  obzuliegen, 
und  wählte  seinen  Wohnsitz  in  Frankfurt  am  Main,  wo- 
selbst er  am  letzten  Tage  des  Passahfestes  =  14.  April  1868 
starb.  Seine  Wittwe  lebt  noch  in  Oberwesel  am  Rhein. 
Nach  seinem  Abgange  blieb  das  Amt  des  Rabbiners  lange 
Zeit  unbesetzt;  die  Gemeindeverhältnisse  waren  ja  noch 
immer  nicht  gesetzlich  geregelt.  Nach  mehreren  Jahren 
erst  wurde  als  Prediger  und  Religionslehrer  berufen 

6.  Dr.  H.  Joel,  1850—1855. 

In  der  Zwischenzeit  war  die  Gemeinde  mit  der  Fest- 
stellung ihrer  Statuten  beschäftigt,  welche  bei  der  Schwie- 
rig^keit  der  Materie  und  Wichtigkeit  der  Sache  das  Interesse 
der    Gemeinde   in   hervorragendem   Grade  in   Anspruch 


1)  Erschienen  bei  J.  H.  C.  Schreiner,  DüSBeldorf  1837. 
*)  Gestorben  über  90  Jahre  alt  im  Jahre  1S49. 


284  Owehiehte  der  jMitehen  Gemeinde  DOeeekUnfe. 

nahm.  Inzwischen  hatte  man  aber  die  Besetzung  des 
vakanten  Rabbinats  nicht  aus  dem  Auge  verloren;  von 
einem  grossen  Theile  der  Gemeinde  wurde  das  für  das 
Jahr  1850  aufgestellte  Budget,  welches  noch  keine  Position 
für  den  Rabbinatsgehalt  ausgeworfen  hatte,  nur  unter  der 
Bedingung  bestätigt,  dass  in  kürzester  Zeit  die  nöthigen 
Schritte  zur  Berufung  eines  Predigers  eingeleitet  würden. 
Ein  Mitglied,  Herr  Michael  Simons, i)  verweigerte  sogar 
die  Bewilligung  des  geforderten  Budgets,  weil  die  Position 
für  den  Rabbiner  in  demselben  nicht  aufgenommen  war. 
Diesem  vielseitigen  Wunsche  wurde  auch  so  schleunig 
entsprochen,  dass  die  Wahl  eines  Predigers  am  9.  Mai  18öO 
beschlossen  und  am  24.  Mai  durch  Berufung  des  Dr.  J. 
vollzogen  werden  konnte.  In  demselben  Jahre  in  sein 
Amt  eingeführt,  wandte  er  seine  besondere  Fürsorge  der 
Ausbildung  des  Synagogenchores  zu.  Durch  seine  Predigten 
erwarb  er  sich  den  Ruf  grosser  Beredtsamkeit  und  ver- 
anlasste viele  Gemeinden  zu  dem  Gesuche,  bezüglich  des 
Predigtamtes  der  Düsseldorfer  Gemeinde  sich  anschliessen 
zu  dürfen.  Nachdem  er  dieselbe  verlassen,  um  das  Rabbinat 
in  Hirschberg  in  Schlesien  zu  übernehmen,  folgte  ihm 

7.  Dr.  W.  Feilchenfeld  1855—1872. 

Geboren  am  10.  Juni  1827  zu  Gr.-Glogau,  bezog  er 
nach  7i/2JAhrigem  Besuche  des  dortigen  katholischen 
Gymnasii*  im  Jahre  1844  die  Berliner  Universität  bis 
zum  Jahre  1848,  lag  an  derselben  philosophischen  und 
orientalischen  Studien  ob,  promovirte  1849  auf  Grund 
seiner  In augural- Dissertation  über  „die  Ethik  der  Stoiker" 
und  lag  bis  zur  Uebernahme  des  Düsseldorfer  Rabbinatcs 
in  Danzig  und  Hamburg  talmudischen  Studien  ob.  Er- 
schienen ist  von  ihm  ausser  verschiedenen  exegetischen 
Arbeiten  in  „Frankeis  Monatsschrift^  und  „Berliner 
Magazin"  ein  „Systematisches  Lehrbuch  der  Israelitischen 
Religion",  welches  wie  in  vielen  anderen  Städten  so  auch 
hier  in  den  höheren  Lehranstalten  eingeführt  ist.  Die 
rationelle  Anordnung  und  Behandlung  des  in  reichhaltigstem 
Maasse  gebotenen  Stoffes  machen  das  Buch  zu  einem  sehr 
werthvollen  Hilfsmittel  beim  Unterricht.  In  zweiter  Auf- 
lage ist  es  im  Jahre  1878  bei  Merzbach,  Posen,  er- 
schienen. 

Den  Eifer,  mit  dem  er  die  Gründung  eines  Lehrer- 
seminars hierselbst  betrieben,^)  bekundete  er  im  gleichen 

^)  Herr  Mich.  Simons  war  lange  Jahre  Vorsitzender  der  Re- 

{»räsentanten,  später  Vorsteher  der  Gemeinde ;  seine  verewig^te  Frau 
ansjährige  Vorsteherin  des  Frauen  -Vereins,  den  sie  durch  ihr  Wohl- 
wollen und  ihren  Bath  sehr  gefördert  hat 
«)  Vgl.  S.  222  fgg. 


OesehiMe  der  jndisehgn  Otmeind»  DlUsMarfs.  235 

Grade  in  Beziehung  auf  die  Gestaltung  und  den  Aus- 
bau der  Religionsschule  und  Hebung  der  Elementar- 
schule. Die  Tiefe  seines  Wissens,  die  Wärme ,  mit 
der  er  seinen  Beruf  erfasste,  die  zielbewusste  Würde, 
mit  der  er  sein  Amt  vertrat,  seine  Ueberzeugungstreue 
und  die  Lauterkeit  seines  Charakters  machen  die  Liebe 
und  Anhänglichkeit  erklärlich,  welche  die  Gemeinde  ihm 
entgegenbrachte  und  auch  heute  noch  ungeschmälert 
bewahrt.  Mit  innigem  Bedauern  sah  ihn  die  Gemeinde 
scheiden,  um  dem  Rufe  nach  Posen  einer  der  bedeutendsten 
Gemeinden  Deutschlands  zu  folgen,  wo  er  noch  heute 
eine  segensreiche  Thätigkeit  entfaltet.  Nach  seinem 
Scheiden  wurde  mit  Wahrnehmung  der  Rabbinatsgeschäfte 
betraut 

8.  Dr.  Plato.     1872—1874. 

Trotz  seiner  grossen  Arbeitslast,  welche  die  Direction 
des  Lehrerseminars  mit  sich  brachte,  Hess  sich  Dr.  F. 
bereit  finden,  seine  Gelehrsamkeit  auch  in  den  Dienst  der 
religiösen  Interessen  der  Gemeinde  zu  stellen,  als  deren 
treuer  Berather  namentlich  in  allen  den  Umbau  der 
Synagoge  und  sonstigen  die  rituellen  baulichen  Einrich- 
tungen betreffenden  Fragen  er  sich  bewährt  hat.  Eine 
besondere  Anziehungskraft  wird  namentlich  den  gehalt- 
vollen exegetischen  Vorträgen  nachgerühmt,  welche  er 
in  den  Versammlungen  der  Mitglieder  der  religiösen  Ver- 
einigungen gehalten.  Wie  bereits  früher  berichtet,  wurde 
aber  das  Seminar  nach  Ehrenfeld  verlegt  i)  und  auf  diese 
Weise  seiner  rabbinischen  Thätigkeit  in  der  hiesigen 
Gemeinde  ein  Ziel  gesetzt.  Ihm  folgte  der  rcferirende 
Rabbiner 

9.  Dr.  Abraham  Wedell,  seit  1875. 

Geboren  zu  Posen  am  4.  Juni  1844,  besuchte  er  bis 
Ostern  1863  das  dortige  Kgl.  Friedrich- Wilhelms-Gymnasium 
und  wurde  gleichzeitig  von  dem  Rabbiner  Loewenstamm 
in  die  rabbinische  Litteratur  eingeführt.  Dann  bezog  er 
das  Rabbinerseminar  und  die  Kgl.  Universität  zu  Breslau. 
An  letzterer  philosophischen  und  philologischen  Studien 
obliegend,  promovirte  er  auf  Grund  seiner  Inaugural- 
Dissertation  ^^De  emendationibus  in  libris  sacris  Veteris 
Testamenti  propositis^.  Von  dem  damals  unter  dem 
Direktorate  des  Oberrabbiner  Dr.  Z.  Frankel  stehenden 
Rabbinerseminar  mit  dem  Rabbiner-Diplom  entlassen, 
stand  er  seit  Ostern  1867  abwechselnd  im  Dienst  der 
Breslauer  Gemeinde  und  seiner  Vaterstadt  Posen  bis  er 
von  Breslau  aus  im  Jahre  1874  in  sein  hiesiges  Amt  berufen 


1)  Vgl.  S.  224. 


286  Oeaekiehte  der  iUdUeken  GemeMU  DüB$M&rf$. 

und  1875  in  dasselbe  eingeführt  wurde,  in  welchem  ihm 
die  Wirksamkeit  seiner  Amtsvorganger  reiche  Anregung 
bot,  imd  den  lebhaften  Wunsch  eingab,  in  ihre  Fussstapfen 
zu  treten  und  ein  ihrer  würdiger  Nachfolger  zu  werden. 
Undankbar  würde  es  sein,  an  dieser  Stelle  die  eifrige, 
selbstlose  und  umsichtige  Thätigkeit  der 

Gemelnde-Yertretnngen, 

ihr  Wohlwollen  und  die  persönliche  Theilnahme  gegen  die 
Beamten  der  Gemeinde  unerwähnt  zu  lassen,  welche  durch 
dasselbe  nicht  nur  in  ihren  amtlichen  Obliegenheiten  stets 
bereitwillig  unterstützt,  sondern  auch  zur  freudigen  Hin- 
gebung an  ihren  Beruf  angeregt  und  über  so  manche 
Schwierigkeit  hinweggehoben  wurden.  Die  vorangehende 
Darstellung  zeigte  zur  Genüge  die  reichen  Verdienste, 
welche  zu  allen  Zeiten  die  Gemeindeverwaltung  um  die 
vielen  wichtigen  im  Gemeindeleben  pulsirenden  Interessen 
sich  erworben  hat.  Schwierig  und  zu  weitläufig  würde 
es  sein,  all  die  vielen  hochverdienten  .Männer  besonders 
namhaft  zu  machen  und  aus  dem  Kreise  der  Gemeinde- 
mitglieder  die  würdigen  Männer  und  Frauen  zu  schildern, 
deren  Beispiel  noch  in  die  heutige  Zeit  hineinleuchtet. 
Deshalb  beschränken  wir  uns  darauf,  an  dieser  Stelle  die 
gegenwärtigen  Mitglieder  der  Gemeindeverwaltung  nam- 
haft zu  machen.  Zum  Vorstand  gehören  der  Anciennetttt 
nach  die  Herren  Leonhard  Scheuer,  Abr.  Reifenberg,  Jos. 
Levison,  die  in  Verbindung  mit  dem  Repräsentantcn- 
Collegium  unter  dem  langjährigen  Vorsitz  der  Herren 
Louis  Bacharach  und  D.  Fleck  die  Gemeinde-Angelegen- 
heiten leiten.  Dankbar  sei  hier  auch  noch  der  beiden 
Cantoren  Eichberg  undLevy  gedacht,  von  denen  ersterer 
mehr  als  50  Jahre  und  letzterer  ca.  25  Jahre  bis  zu  ihrem 
Tode  mit  unermüdlichem  Eifer  und  gewissenhafter  Treue 
ihres  Amtes  gewaltet. 

Synagogen. 

Die  Synagogen,  welche  die  Düsseldoifer  Gemeinde 
theils   eigenthümlich ,    theils  miethweise   besessen,  sind 
gewesen : 
I.Auf  der  Neusserstrasse  (jetziges  Hubertusstift) 
1712—1772; 

2.  Hundsrücken,  wo  jetzt  die  Gommunikationsstrasse 
ist,  1772-^1776; 

3.  Neustrasse,  in  dem  ursprünglich  Villers'schen  Hause, 
1776—1792; 

4.  Casernenstrasse,  wo  sie  noch  heute  ist 

In  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens  hat  die  Gemeinde 
in  Düsseldorf  als  solche  eine  eigene  Synagoge  nicht  gehabt. 


O09^ickie  der  jüäiteken  Chmeinde  DÜ$9Marf0.  287 

Vielmehr  hatten  einzelne  Gemeindemitglieder,  wie  z.  B. 
Rabbiner  Simson  Levi^)  und  andere  in  ihrem  Hause  die 
nOthigen  Zimmer  für  ein  Betlocal  der  Gemeinde  eingeräumt 
und  hergerichtet.  Als  aber  die  Gemeinde  zahlreicher 
wurde,  reichten  die  Räume  nicht  mehr  aus,  und  stellte 
sich  das  Bedürfniss  nach  einem  Bethause  immer  fühlbarer 
heraus.  Es  war  daher  ein  sehr  verdienstliches  Unter- 
nehmen, als  der  churfUrstliche  Hofkammer- Agent  J.  J.  von 
Geldern  zugleich  mit  seinem  auf  der  Neusserstrasse 
im  Jahre  1712  errichteten  Hause  eine  Synagoge 
erbaute.  Dasselbe  ging  im  Jahre  1772  in  den  Besitz 
des  St  Hubertusstiftes  über.  Spuren  der  Synagoge,  nament- 
lich die  jetzt  zugebauten  Bogen  fUr  die  Wandöfftiungen 
zwischen  der  Männer-  und  Frauenabtheilung,  sind  jetzt 
noch  sichtbar.  Die  Urkunde,  welche  Johann  Wilhelm 
Ober  die  Erlaubniss  zur  Erwerbung  des  Platzes  zur  Er- 
bauung des  Hauses,  und  zur  Errichtung  der  Synagoge 
fQr  Joseph  Jacob  von  Gelderen  d.  d.  14.  Juni  1712  aus- 
stellen liess,  lautete  folgendermassen : 

^Thun  Kund  und  fuegen  Hirmit  männiglichen  zu  wissen 
nachdem  uns  hiessiger  unser  HofTkammer  Agent  Joseph 
Jacobs  Von  Gelderen  Vnthgst  zu  Vernehmen  ge- 
geben, wass  gestalt  er  Vorhabens  seye  in  Hiessiger 
unserer  statt  Extension  Vor  Der  bergerpforthen  ein  Hau ss 
und  Juden-Schull  zu  erbawen,  mit  gehorsambster  Bitt 
wir  Ihme  zu  solchem  undt  eine  zwischen  Dem  Borchard 
Vndt  Fjeed  Dermahlen  ledig  liegenden  Drey-Hundert 
sechsszehn  fuess  in  Die  länge,  undt  Hundert  Dreyssig 
sechss  fuess  in  Die  Breite  anhaltende  Haussplatz  sambt 
einiger  freyheit  undt  Dem  privilegio  Dass  Dergleichen 
schull  zu  erbawen  Niemanden  Ihme  undt  seine  erben 
femer  Verstattet  werden  möge  zu  Verleihen  ggst  geruhen 
weiten,  Dass  wir  solchem  Vnthgste  gesuch  undt  Bitt  in 
einem  so  anderen  ggst  statt  gegeben  inmassen  wir  Hirmit 
undt  Erafft  Diesses  Thun  also  und  Dergestalt,  Das  er 
Joseph  Jacobs  Von  geldern  seine  erben  undt  nachkommen 
solchen  Ihm  ggst  ahngewiessenen  platz  alss  Ihr  äigenthumb 
einhalten  ewig  Vndt  erblich  besitzen,  mithin  Derselb  undt 
dass  auff  sothanen  platz  setzendes  gebäu  Dreyssig  Nach- 
einander folgende  Jahren  a  dato  dass  selbiges  Völlig 
auffgeführet  undt  gebauet  sein  wirdt.  Von  allen  Real  undt 
personalen  sowohl  ordinarie  als  Extraordinarie  auch  gewinn- 
Vndt  gewerbsteuren,  wachten  Vndt  einquartirungen  ft*ey 
sein  undt  bleiben,  er  Joseph  Jacob  Von  gelderen  Vndt 
seine  erben  auch  sothanen  Baws  undt  Darin  treibender 


1)  Vgl  Seite  228. 


288  Guekidiie  d^r  Jüäisehen  Otmeinä*  DiUieläarfi. 

Nahrung  halber  mit  Keinen  absonderlichen  Juden  Tribut 
oder  Kauifung  Desglaicbs  Inner  solcher  Zeit  belegt  oder 
beschweret  werden,  Hingegen  er  Joseph  Jacob  Von  gelderen 
Diessen  Vorhabenden  baw  nach  ahnlass  des  Von  Vnserem 
Hoff  Architecto   De  Boys  desfalss   Verfertigten   abrisses 
längstens   innerhalb   Drey   Jahren   a  dato    Diesses   bey 
Verlust  des  platzes  zu  Vollführen  oder  wenigstens  Vnter 
Tach  Vndt  fach  zu  bringen  schuldig  sein,  Nach  Verlauff 
Vorgtr.  30  Jahren  aber  Diesse   erhaltene   freyheit  Von 
obspecificierten  lasten  Vndt  Respee  Juden  Tribut  cessiren, 
mithin  das  erbawendes  hauss  Vnd  Judenschull  in  einer 
proportionirlichen  steweren  anschlag  gebracht,  Vnd  hiessi- 
ger  statt  mattrical  mit  ein  Verleibt,  Derselben  Contingent 
aber  in  der  bergischer  landtsmattrical  Darumb  nicht  Ver- 
grössert  worden  sondern  bey  den  itzigem  anschlag  bleiben 
solle.  Damit  also  Das  Commercium  zu  mehreren  Nutzen 
undt  auffhehmen  Hiessiger  unserer  Residentz  Stattbürger 
Vnd  einwohner  Destomehr  empör  gebracht,  Vndt  befördert 
werden  Möge,  wir  Befehlen  solchem  nach  unseren  gulich 
undt  bergischen  Cantzleren  Präsidenten  gehaim  Hoffis  Undt 
Cammerräthen    auch  Oubernatoren  und  Commendanten 
so  dan  brambten  Burgermeister,  Scheffen  undt  Räth,  foit 
gemeinen  eingesenen  Burger   undt  ein  wohneren  Dahier 
fort   Dergesambter   Hiessiger   Judenschaift    sambt    Vnd 
sonders  Hirmit  ggst  Vndt  ernstlich,  obg.  Joseph  Jacob 
Von   gelderen  Dessen   erben  undt  nachkommen  wieder 
gegenwertige  unsere  gnädigste  Concession  Vndt  privilegin 
Keineswegs  zu  beschwere  Noch  Das  es  Von  anderen  ge- 
schehen zu  gestatten,  sondern  dabey  mit  abschaffung  aller 
widriger  eintrachten  Kraiftiglich  «su  schützen,   undt    zu 
Handthaben,  zu  Vrkundt  Dessen  haben  wir  unss  äigen- 
händig  Vnterschrieben,  Vndt  Vnser  Churfurstl.  geheimes 
Insigel  Hier  ahnhangen  lassen,  so  geschehen  in   unserer 
Residentzstatt  Dusseldorff  den  14.  Juny  1712. 
Johann  Wilhelm  Churfürst." 

Wie  bereits  bemerkt,  ging  dies  Haus  nebst  der  Sy- 
nagoge im  Jahre  1772  in  den  Besitz  des  Hubertusstiftes 
über.  Eine  in  dem  Gemeinde-Archiv  aufbewahrte  Be- 
trachtung rühmt  den  durch  den  Besitzwechscl  jenes  Hauses 
in  Ansehung  der  Zwecke,  welchen  es  vor  und  nach  dem 
Verkaufe  diente,  besonders  merkwürdigen  Geist  der 
Duldung.  Diese  Betrachtung,  welche  gar  wohl  in  weiteren 
Kreisen  bekannt  zu  werden  verdient,  lautet: 

„Unter  den  merkwürdigen  Erscheinungen  unserer 
Zeit,  ein  ausgezeichneter  Charakter-Zug  unserer  Zeit- 
genossen, bleibt  gewiss  das  löbliche  und  emsige  Streben, 
die  verborgenen  AltcrthOmer  wieder   an   Tageslicht    zu 


»*~' 


G$8di4^U€  d$r  iÜdUek^  Chmeind$  Dü$8ddorf$.  289 

bringen,  es  ist  so  zu  sagen  eine  tugendhafte  Handlung, 
dass  man  nämlich  dadurch  unsre  Vorfahren  ehren,  ihre 
Werke  der  Vergessenheit  entziehen,  nicht  zu  gedenken 
den  grossen  mächtigen  Nutzen,  fQr  alle  Zweige  der 
menschlichen  Erkenntnisse.  Wie  sehr  werden  nicht  durch  die 
neue  Entdeckungen  das  Gebiet  der  Geschichte  und  so  vieler 
andern  Künsten  und  Wissenschaften  erhellt  und  vermehrt. 

Will  man  damit  Vergleichungen  anstellen,  so  werden 
solche  freilich  nicht  die  erfreulichsten  Resultate  gewähren ; 
denn  wer  hätte  denken  sollen,  dass  jezt,  ein  ganz  Jahr- 
hundert später,  das  sich  das  erleuchtete  und  liberale 
nennt,  und  worin  die  Staats-  und  Rechtswissenschaft  in 
Deutschland  wirklich  auf  einer  höheren  Stufe  fortgerükt 
sind,  doch  noch  consultirt,  discutirt,  deliberirt,  censirt  und 
recensirt  wird,  ob  Deutsehe  in  Deutschland  auch  Deutsche 
Bürgerrechte  geniessen  dürfen? — 

Auch  bewog  mich  noch  zur  Mittheüung  dieser  Urkunde 
der  Gedanke :  Vielleicht  meinen  Mitbürgern  dadurch  einen 
Gefallen  zu  erzeigen,  indem  wohl  vielleicht  noch  viele 
nicht  wissen  mögen,  wann  und  von  wem  das  Maximilian 
Josephs  Krankenhaus  in  der  Neustadt  zu  Düsseldorf 
erbauet  worden  ist,  denn  die  Schule,^)  eigentlich  die  Kirche, 
respct.  die  Synagoge  wovon  die  Urkunde  spricht,  ist  das 
Gebäude  worin  sich  jezt  das  Krankenhaus  befindet  Die 
Urkunde  lautet  wie  folgt: 

Die  Gott  gefällige  Verheissung  zu  welcher  dieses  Ge- 
bäude gleich  ursprünglich  bestimmt  war,  hat  sich  nun 
auch  feiner  durch  die  frommen,  biederen  und  wohltbätigen 
Gesinnungen  der  Bewohner  Düsseldorfs  erhalten;  es  ist 
nämlich  ein  Zufluchtsort  der  Bruderliebe,  der  Humanität 
geworden,  indem  darin  Arme  und  Kranke  von  allen 
Confessionen  ohne  Unterschied  eine  gleiche  Aufnahme, 
eine  gleiche  Pflege  finden.  —  Und  so  werden  noch  fort, 
der  ursprünglichen  Bestimmung  dieses  Hauses  gemäss, 
fromme  Gebethe  nämlich  von  den  Armen,  Kranken  und 
HQlfsbedürftigen,  gehalten,  welche  zum  reichen  Seegen 
für  die  Bewohner  Düsseldorfs  erfüllt  werden  mögen." 


')  Die.  Gewohnheit  der  Israeliten  in  ehemaligen  Zeiten,  und  die 
auch  noch  jezt  nnter  dem  grossen  Haufen  dieser  Religion sgenossen 
besteht:  für  ihre  Bethäuser  Schule  anstatt  Kirche,  Tempel  zu 
BA^en,  entstand  in  den  traurigen  Zeiten  der  Reiigionsverfolgiingeii. 
Eh  war  nftmlich  in  diesen  Zeiten  den  Israeliten  nicht  erlaubt,  öf^nt- 
Jiche  Betiiäuser  zu  haben ;  um  nun  doch  ihre  Gebete  gemeinschaft- 
lieh  verrichten  zu  können,  versanimleten  sie  sich  in  ihren  Gymnasien, 
Schulen.  Wer  daher  sagen  wollte:  ich  gehe  in  die  Kirche,  der 
»ag-te  dann:  ich  gehe  in  die  Schule.  Und  so  blieb  diese  Redensart 
bis  heute  heran  gebräuchlich. 


240  a$$ekiehU  der  JMiäi^tm  ChmeMU  /Mlmldoi/f. 

Von  derNeusserstrasse  wurde  die  Synagoge  nach  der 

HundsrOckenstrasse 

verlegt,  wo  sie  bis  zum  Jahre  1776  verblieb.  Wegen  des 
durch  die  Anlage  der  Communikationsstrasse  nothwendig 
gewordenen  Abbruches  des  betreffenden  Hauses  wurde 
die  Synagoge  wieder  verlegt  und  zwar  nach  der 

Neustrasse  1776—1792. 

Durch  Kauf- Akt  vom  31.  Decbr.  1776,  abgeschlossen 
mit  dem  Geheimrath  von  Boolen,  ging  das  auf  der  Neu- 
Strasse  belegene  Haus  desselben  mit  dem  Hinterhause  auf 
den  Wall  Cjetzige  Alleestrasse)  ausgehende,  und  von  dem 
Grafen  Seisserschen  Grundstück  begrenzte  Haus  des 
Geheimrath  von  Boolen  in  den  Besitz  der  Gemeinde  über. 
Dasselbe  hatte  ehemal»  dem  Herrn  von  Villers  gehört 
und  war  von  den  Zehnpfenning'schen  Eheleuten  an  den 
Geheimrath  von  Boolen  verkauft  worden.  Das  Besitzrecht 
wurde  jedoch  in  Folge  eines  von  ^tit.  Herrn  Comet  Frinken^, 
einem  Anverwandten  des  ersten  Verkäufers,  durch  das  „  Ver- 
näherungsrecht^  angestrengten  Erbschafbsstreites  nach 
langem  Processiren  Herrn  von  Boolen  am  16.  October  1787 
gerichtlich  abgesprochen  und  auf  diese  Weise  auch  der 
Verkauf  für  ungiltig  erklärt.  In  Folge  dessen  musste  die 
Gemeinde  das  Haus  von  dem  neuen  Besitzer  pachtweise 
übernehmen  und  zwar  auf  6  Jahre,  jedoch  mit  dem  Vor- 
behalt, es  schon  nach  3  Jahren  kündigen  zu  können.  8o 
hart  aucli  die  Bedingungen  des  am  27.  Octbr.  d.  J.  ab- 
geschlossenen Pachtcontraktes  waren,  musste  die  Gemeinde 
sie  dennoch  acceptiren,  da  sie  ein  anderes  geeignetes 
Grundstück  nicht  zur  Verfügung  hatte  und  zunächst  auch 
Herrn  von  Boolen  für  die  ihr  daraus  entstandenen  Kosten 
belangen  wollte.  Denn  der  neue  Besitzer  Comet  Frinken 
forderte  nicht  nur  die  Räumung  des  Hauses,  sondern  auch 
die  Entfernung  der  für  die  Synagoge  getroffenen  bau- 
lichen und  sonstigen  Einrichtungen  imd  die  Herstellung 
des  früheren  baulichen  Zustandes.  Die  Gemeinde  nahm 
diese  Bedingungen  an  mit  der  Massgabe,  dass  der  Ver- 
miether sich  zuerst  an  Geheimrath  von  Boolen  zu  halten, 
dass  aber  die  Gemeinde  für  jeden  Ausfall  aufzukommen  habe. 

Der  Kaufpreis  hatte  betragen  5100  Thlr.  gleich  Con- 
venthlr.  3060.  Sonstige  Vergütungen  für  kleinere  Kepara- 
turen,  an  Schreiner,  Maurer,  „Blästerer",  „Leyendecker", 
Schlosserarbeiten  40  Conventhlr.  40  Stüb.  Aus  der  Speci- 
flcation  ist  ersichtlich,  dass  damals  die  Tagesarbeit  eines 
Leyendeckergesellen  mit  30Stüber  (lOOStüber  =  1  Rthlr.), 
die  eines  Handlangers  mit  15  Stüber,  ein  „&mer  Kalg<^ 
mit  4  Stüber,  ein  „Pund  IG  zinn^  mit  10  Stüber  berechnet 


ChsekicktB  d4r  jiidi$ehen  G$m$inde  DOssMorfs.  241 

wurde.  Ein  ^scbloss  im  letzten  stock  nach  der  stros  hin 
abgebrochen  und  zurecbt  gemacht  und  2  neuen  fordern 
tor  eingemacht  und  ein  neues  vor^  kostete   19  Stüber. 
Die  auf  die  baulichen  Veränderungen  verwandten  Kosten 
der  Gemeinde  betrugen  circa  400  Thlr.,  und  für  die  Herrich- 
tung des  Hauses  im  früheren  Zustande  wurden  von  dem 
Cornet  Frinken  laut  Taxe  500  Thlr.  liquidirt,  obwohl  die 
Taxatoren  Huschberger  und   der  Lehrer   der  Baukunst 
Joseph  Erb  zu  der  von  ihnen  am  3.  Juni  1788  entworfenen 
Taxe  folgenden  Vermerk  gemacht  hatten;  7,Wie  nun  aber 
stadtkundig  das  Haus  beym  Ankauf  des  Geheimrathen 
von  Boolen  in  sehr  schlechtem  stände  war;  so  ist  hieraus 
ersichtlich,  dass  in  diesem  Hause  mehr  gebessert  als  ver- 
schlimmert worden^.    Hierzu  kamen  noch  die  190  Thlr. 
betragenden  Kosten  für  den  von  der  andern  Partei  bis 
ans   Oberlandesgericht  gebrachten  Rechtsstreit,  der  ein 
ziemlich   verwickelter  war ,   da  die  Gemeinde   sich   an 
von  Boolen  hielt  und  Frinken  wieder  gegen  die  Gemeinde 
vorging,  Boolen  die  Reparaturen  selbst  besorgen  wollte, 
von  Frinken  aber  gehindert  wurde  u.s.w.    Diese  beiden 
Processe,  in  welche  die  Gemeinde  ohne  ihr  Verschulden 
verwickelt  worden  war,  die  ihr  obenein  noch  viel  Verdruss 
und  grosse  Schulden  verursachten,  reiften  in  der  Gemeinde 
den  Entschluss,  sich  gegen  ähnliche  Erfahrungen  durch 
Errichtung  einer  neuen  Synagoge  zu  schützen.    Hierzu 
bot  ihr  die  nach  dem  Plane  von  Johimn  Wilhelm  ent- 
worfene „Extension*^   in   der  Carlstadt  der  Stadt  gute 
Gelegenheit.     Das   in  Aussicht  genonmiene  Grundstück 
befand  sich  im  IV.  Quadrat  auf  der 

Casernenstrasse, 

wo  auch  der  Friedhof  der  Gemeinde  war,  und  als  um 
diese  Zeit  in  Folge  der  Bebauung  dieses  Theiles  der 
Extension  geräumt  werden  musste.  Die  Gemeinde  wandte 
sich  daher  in  einer  Eingabe  vom  18.  October  1789  an 
den  Kurfürsten  und  erbat  die  Erlaubniss  zu  dem  ge- 
planten Bau.  Die  Wohnungen  in  Düsseldorf  seien  ohne- 
hin rar  und  so  beschwerlich  zu  haben,  daas  sich  selten 
die  Gelegenheit  ergebe,  eine  erwerben  zu  können;  die 
wenigstens  seien  ausserdem  zu  einer  Wohnung  geeignet; 
Miethhäuser  Uessen  sich  bei  den  enormen  daraus  er- 
wachsenden Kosten  gar  nicht  dazu  einrichten.  Deshalb 
sei  es  unumgänglich  nöthig,  eine  neue  Synagoge  zu  bauen. 
In  dem  Quadrat  IV  an  der  Ostseite  *)  hätte  sie  zu  dem 
normalmässigen  Preise  gegen  baare  Zahlung  einen  Bau* 


<)  Vgl    die  zu  dem  Capitel  „Friedhöfe"  beigegebene  Zeich- 
mmg  Seite  246. 

16 


242  Geschichte  der  jadischen  Getneinds  DU$9Mcrfs. 

platz  von  60  Rhein.  Fiiss  Länge  und   120  Fuss  Tiefe  er- 
worben, um  vorn  eine  Wohnung  für  den  Rabbiner  und 
dahinter  die  Synagoge  zu   errichten.    Den  Schutzjuden- 
Gemeinden  würde  allenthalben  in  den  Haupt-  und  wenn 
sie  „anzählig  genug  wären^  auch  in  den  übrigen  Städten 
eine  eigenthümliche  Synagoge  zugestanden,  deshalb  hoffte 
sie,  dass  ihr  das  nämliche  zum  mindesten  in  der  kurfürst- 
lichen Residenzstadt  „mildest^  gewährt  werde.    Die  Ge- 
währung dieser  Bitte  stand  um  so  mehr  in  Aussicht,  als 
denjenigen,  welche  in  der  neuen  Carlstadt  bauten,   für 
20  Jahre  Steuerfreiheit  zugesichert  wurde.    Die  Juden- 
schaft ging  aber  noch  einen  Schritt  weiter  und  bat,   der 
zu  errichtenden  Synagoge  „nach  dem  Beyspiel  der  christ- 
lichen Kirchen  und  Bethäuser,  welche  bekanntermassen 
davon   gänzlich  befreyt   sind,   um   so  mehr  eine  ewige 
Freyheit  ggst  zu  verleihen,  als  sich  ohnehin  der  Bauplatz 
bis  hieran  in  Keinem  Steur  -  Anschlag  befunden  hat  und 
in  dem  zu  errichtenden  Gebäu  nie  ein  bürgerliches  dem 
Steur  -  Beytrag   unterwürlBges    Gewerb    geführt    werden 
wird."    y^^iT  gedenken  dargegen  die  bemeldete  Synagoge 
mit  dem  heiligsten  Gelübde  einzuweihen,  dass  die  Dassel- 
dorfer  Schutz-Judensohaft  den  höchsten  Gott  um  Erhöhung 
und    Verherrlichung    des    durchlauchtigsten    Churhauses 
alltäglich  eifrigst  anflehen  werde."    Das  Gesuch  musste 
jedoch  erst  sehr  viele  Instanzen  durchlaufen.    D.  d.  16. 
Juni  1790  wird  zunächst  der  G.-B.  Geheimrath  „vorder- 
samst  zum  gutachtlichen  Bericht  aufgefordert^,    dieses 
fordert  das  ^hohe  Dicasterium^  zum  Bericht  auf.    Dieses 
hat  ebenso  wenig  wie  die  Bau-Commission  etwas  einzu- 
wenden.    Die   Resolutio  Seri^  vom   21.  Aug.    1790    aus 
Frankfurt  lautet:     „Mag  auf  sich  beruhen.^     Dieser 
Bescheid  macht  nun  wieder  den  ganzen  Instanzen^weg 
durch.     „Der  Ghrath  von  Ddorff*'  commentirt  diesen  Be- 
scheid   folgendermassen :     Da    die    Erbauung    einer 
Synagoge  in  der  Carlstadt  nicht  verbotten  vrird, 
so   scheinet  solche  erlaubet   zu  seyn,    dessen    die 
wegen  der  Carlstadt  Verordnete  Commission  zu  benach- 
richtigen wäre.^  gez.  Knapp.  Die  endgültige  Entscheidung 
des    Grafen    von  Nesselrode   vom    17.    September     1790 
lautet:     „Da  wegen  der  Erbauung  der  Synagoge  in  hie- 
siger Carlstatt  mit  ggsten  Apostill  vom  21.  Aug.  n&chst- 
hin  verordnet  worden,  dass  der  Vorwurf  auf  sich  be- 
ruhen   möge,    damithin    anhero    meint,    dass     die 
Erbauung  nachgegeben  worden."    Rüstig  schritt  die 
Gemeinde  an's  Werk.    Nach  dem  von  Hof-Maurermeister 
Köhler  zu  Düsseldorf  entworfenen  Plan,  bestand  der  Bau : 
In  einem  grossen  WohnhaussC;  so  im  Quadrat  N:  IV: 


Oesehiehie  der  jOdisehen  Gemeinde  DUeeeldarfe.  243 

nach  der  Ostseiten  in  hiesiger  Carlstadt  gelegen,  wird  63  Fuss 
zur  Fronte  der  Strassen  breit,  38  Fuss  Tief,  Dttsseldorffer 
Maass.  bekommet  auf  beydenseiten  Keller,  numicht  unter 
der  Einfarth.  wii*d  zwey  stock  hoch,  mit  einem  Blatten 
Soliden  Dachstuhl,  und  überhaupt  nach  der  Plan  in  seiner 
bequemlichkeit  proportion,  und  stärcke  eingerichtet. 

Ferner  bestehet  der  Bau  in  einer  Netten  Synagoge, 
oder  Kirchen  Gebäude,  wie  solches  der  Grund  Plan  eben- 
falls in  länge.  Breite,  und  Höhe  nachweiset,  bekommt  eine 
Altane,  oder  Gallerie  auf  dreyen  Seiten,  wird  mit  einer 
Kuppel,  oder  Laterne  im  Dachstuhl  eingerichtet,  ttbrigens 
alles  bestandmässig,  dauerhaft,  und  gut  verfertiget, 

Noch  ferner  seynd  die  sämtliche  Scheide-Mauern  des 
ganzen  Platzes  zu  herstellen. 

Der  Kostenanschlag  betrug  7300  Thaler.    Schon  im 
Jahre  1791  war  der  Bau  fertig  gestellt    um  in  der  Folge 
vor  allen  Beunruhigungen  desto  sicherer  zu  sein,  bat  die 
Gemehide  um  die  Ausstellung  einer  Canzlei-  oder  Sicher- 
heits -Urkunde   über    die    d.   d.   21.   Aug.   1790   mittelst 
höchsthändigen    Rescripts    erteilte    Erlaubniss.     Wieder 
musste  der  ganze  Instanzenweg  durchlaufen  werden,  „da 
in   dem  Reacript  nicht  zugleich  entschieden  sei,  ob  so- 
thane  Urkunt  auszufertigen  sei.^    Es  war  daher  erst  „von 
der   Hochlöbl.  Hofkammer   die  Auskunft   zu  gesinnen^, 
ob  Bestimmungen  Ober  die  Erbauung  einer  Juden- 
Synagoge  und  über  das  Recht,  liegende  Grttnde 
zu    erwerben,  vorhanden  seien.     Die  Hofkammer  be- 
richtete, es  seien  weder  wegen  der  Synagoge  noch 
darüber  Akten  vorhanden,  dass  „den  Juden  jema- 
len  untersagt  sey  liegende  Gründe  zu  erwerben.^ 
^Was    also    dieses    objecti    halber   zu    verodnen    seyn, 
müsse  man  hochbelobter  Stelle  als  eine  in  die  Landes- 
hoheit  einschlagende    Sache    platterdings    über- 
lassen.    Das   alles   am   12.  Juni   1792,  nach   dem    der 
Bauconsens   bereits    am   21.   August    1790   an    höchster 
Stelle   ertheilt  worden  war.    Am  19.  Juni  1792  ist  nun 
die    Sicherheits-Urkunde    allerdings    bereits    ausgestellt; 
allein   „vor  Aushändigung  derselben  will  man  darüber 
Verlassiget    seyn,    ob    die    Baukasse    wegen    der    gem. 
Judenschaft   überlaas.    Bauplatz    Befriedigt    sey^.       Als 
die  Gemeinde  „sicherem  Vernehmen  nach^  diese  Bean- 
standung  erfahren,   schickte  sie,   um  nicht  länger  auf- 
gehalten zu  werden,  die  betreft'ende  Quittung  ein  und 
bittet  um  endliche  Aushändigung  der  bereits  ausgestellten 
Sicherheits-Urkunde.    Nachdem  dieses  geschehen,  wurde 
die  Synagoge  am  Neumondstage  Nissau  =  24.  März  1 792 
eing'eweiht.     Zur  Erinnerung   an  diesen   hohen  Festtag 

16* 


244  Oesehidiie  der  jMiaeh^n  Oemeinde  DütaMwf: 

der  Gemeinde  und  im  tief  empfundenen  Danke  gegen 
Gott  wurde  an  demselben  Tage  ein  neuer  allgemeiner 
Wohl thatigkeits  -  Verein  gegründet  und  mit  dem  bereits 
bestehenden   von   Rabbiner  Samson  Levi    fast   hundert 
Jahre    früher    gegrtUideten    Erankenverpflegungs  -    und 
Beerdigungs -Verein  verbunden. i)    Die  Synagoge  erwies 
sich  jedoch  gar  bald  als  zu  klein;  schon  in  der  Sitzung 
vom  27.   Juli    1851    wurden    der   Gemeinde -Vertretung 
einige  Pläne  zur  Vergrösserung  der  Synagoge  vorgelegt. 
Die  Verhandlungen  zogen  sich  jedoch  sehr  in  die  Länge. 
Der  am  23.  Februar  1868  gefasste  Beschluss,  endlich  zum 
Bau  zu  schreiten  und  das  auf  15,000  Thlr.  veranschlagte 
Capital  durch  Actien  zu  beschaffen,  wurde  am  1.  Novbr. 
1870  dahin  erweitert,  dass  sowohl  die  Sjmagoge,  als  auch 
die  davor  stehenden  Häuser,  welche  im  baufälligem  Zu- 
stande sich   befanden,   ebenfalls    neu    gebaut   und    das 
Capital  auf  25,000  Thlr.  erhöht,  ein  passender  Bauplatz 
gesucht   und    die   nöthigen  Schritte    ungesäumt  gethan 
werden  sollten.    Am  3.  December  1871  wurde  der  Bau- 
commission  für   die  Wahl    eines    anderen   Platzes    der 
Termin  bis  zum  31.  December  1871  verlängert.    Wenn 
dann  kein  Platz  da  wäre,  sollte  die  Synagoge  auf  ihrem 
firüheren  Platze  errichtet  imd  sofort  zum  Baue  geschritten 
werden.    Die  „sofortige^  Ausführung  dieses  Beschlusses 
wurde  denn  auch  am  5.  October  1873  durch  Abschlags 
eines  Vertrages  mit  den  Herren  Deckers  &•  Kühne 
bewirkt,  nach  welchem  der  Bau  der  Synagoge  ohne 
aUes  Transportable  und  ohne  Gas-  und  Wasserleitung  für 
die  Summe  von  15,000  Thlr.  ausgeführt  werden  sollte. 
Die  Mittel  für  den  Bau  der  Synagoge  und  der  H&user 
wurde  mit  Genehmigung  der  Kgl.  Regierung  durch  eine 
Anleihe  aufgebracht,  welche  in  Höhe  von  90,000  Mark 
bei  der  Rhein.  Provinzial-Hülfskasse  zu  41/2%  und  unter 
der  Bedingung  der  ratenweisen  Rückzahlung  in  15  Jahren 
im  Jahre  1874  erhoben  wurde.    Später  wurde  diese  Summe 
noch  vergrOssert,  der  Zinsfuss  aber  aus  eigener  Initative 
der  Hülfskasse  auf  4V4%  herabgesetzt  und  die  Amorti- 
sationsbedingungen wesentlich    erleichtert.     Endlich   im 
Herbst  1875  konnte  die  Synagoge  unter  der  Theilnahme 
der  hohen  Behörden  von   dem  referirenden   und  noch 
jetzt  hier  im  Amte  befindlichen  Rabbiner  am  10.  Sept. 
1875  eingeweiht  werden.    So  viele  Mühe,  so  viele  Sorg^ 
und  Kosten  auch  der  Neubau  der  Synagoge  erfordert  hat^ 
so  ist  trotz  der  kurzen  Zeit  ihres  Bestehens  die  Frage 
der  Erweiterung  schon  vielfach  an  die  Gemeinde-Vertretung 
von  neuem    herangetreten   und   wiederholt  Gegenstand 

1)  Vgl.  Seite  228  und  Seite  250. 


GtMehiekf*  dtr  jOditditn  Otmtindt  DO—MorfM.  246 

eingehender  Erörterung  gewesen,  ohne  dass  bis  jetzt  eine 
geeignete  Lösung  gefunden  worden  wäre. 
Frledhfife. 
Der  älteste  Friedhof  der  Düsseldorfer  Gemeinde  war 
ihr  von  dem  Landesherrn  auf  der  jetzigen  Käsern  en- 
strasae  gleich  nach  ihrer  Ansiedelung  angewiesen  worden. 
Die    beigedruckte    Zeichnung    stellt    den    Situationsplan 


'i 


desselben  dar.  Nach  dem  Geleitspatent  zahlte  die  Gemeinde 
beim  Ableben  einer  mfionlichen  Person  einen  Qoldgulden 


246  GtwshichU  der  jüditek^n  Omtuind^  DÜBBOdorfs. 

für  die  Erlaubnisse  dieselbe  begraben  zu  dürfen,  und  zwar 
nach  dem  Wortlaut  des  Patents  ^so  oflFt  einer  verstirbt^. 
Aber  Höchstgemelter  Ihrer  Churfürstl.  Durchl.  sonder- 
bahrer  ggstr.  Befelch  vom  17.  Aug.  1742  gab  dieser  Be- 
stimmung eine  andere  Deutung.    Dieser  Erlass  lautet: 

„Lieber  Getreuer;  Uns  ist  höchst  missfälligst  zu  ver- 
nehmen vorkommen,  wie  dass  einige  deren  in  hieran tigen 
Unseren  Landen  vergleidten  Juden  den  bey  Absterben 
einer  Jüdinn  verschuldeten  Goldgl.  ferner  abzutragen  sich 
neuerlicher  Dingen  weigeren,  mithin  diese  ihre  fuglose 
Intention  durch  die  im  Olaydts-Patent  befindliche  Wörter : 
So  offt  einer  verstirbt  (als  welche  ihrer  irriger  Meinung 
nach  nur  vom  Männlichen  Geschlecht  zu  verstehen  wAren) 
behaupten  wollen;  Gleichwie  aber  gedachter  Articulus 
Einer  sich  auff  den  negst vorherigen  Sensum  referirt, 
einfolgsam  auch  von  denen  darin  vermeldten  Persohnen 
so  wohl  Mann-  als  Weiblichen  Geschlechts  zu  verstehen 
ist ;  Also  habt  ihr  bey  Abstorben  eines  Juden  oder  Jüdinn 
ohne  Unterscheid  des  Geschlechts  euch  Jedesmahlen  einen 
Goldgl.  unter  Straff,  dass  euch  selbiger  widrigen  Falls  zu 
Last  gestellet  werden  solle,  entrichten  zu  lassen,  und  be- 
hörend zu  verrechnen.  Dflsseldorflf  den  17.  Aug.  1742. 
Aus  Höchstgemelter  Ihrer  Churfürstl.  Durchl. 
sonderbahrem  gnädigstem  Befelch." 

Die  Auffassung  der  Gemeinde  scheint  aber  die  rich- 
tige gewesen  zu  sein ;  denn  in  den  späteren  Geleitspatenten 
heisst  es  ausdrücklich :  „nicht  zwar  von  dem  weiblichen, 
sondern  lediglich  von  dem  Männlichen  geschlechte 
zu  an  Weisung  der  begräbnis  bezahlt  werden,  mithin  das 
weibliche  hievon  durchaus  frey  seyn  solle."  AU- 
mälig  dehnte  sich  die  Stadt  nach  dieser  Extension  hin 
aus  und  im  Jahr  1 780  erging  an  die  Gemeinde  die  Weisung, 
sich  einen  andern  Friedhof  zu  suchen,  da  der  bisherige 
applaniert  werden  müsse.  Darauf  hin  petitionirte  die 
Gemeinde  d.  d.  13.  Aug.  1781  „um  die  erste  Gnade^, 
dass  das  Revier  des  Friedhofes  „bis  zum  letzten  VoUzuf? 
der  Enklavisirung  geschont  bliebe.^  Käme  die  Ordnung 
auch  hieran,  so  bestände  „die  zweite  Gnad  darin'',  dass 
der  Kirchhofsdistrikt  eine  solche  Bestimmung  erhielte, 
wobey  die  Gräber  nicht  verletzt  noch  die  Gebeyne  ver- 
rückt zu  werden  bedurften.  Denn  diese  Sorge  sind  wir 
den  Eingangs  erwähnten  Gesetzen  und  Beyspielen  zufolg 
unsern  Todten  am  Vorzüglichsten  schuldig.  Femer  wurde 
um  die  Erlaubniss  gebeten,  falls  die  Gräber  nicht  sollten 
verschont  bleiben  können,  die  irdischen  üeberreste  der 
Verstorbenen  nach  der  neuen,  von  der  Regierung  ihr 
anzuweisenden  Begräbnissstätte,    überführen  zu   dürfen. 


0$sehieht€  der  JHdi$ehen  Oemeitide  D39BMo}*f$,  247 

Der  Begräbnissplatz  sei  der  Gemeinde  nach  Massgabe 
des  9.  Artikels  der  Geleitsconcession  unentgeltlich  zuzu- 
weisen,  weil  eben  dafür  „die  Erkenntniss  von  einem  Gold- 
gulden bey  der  Geburt  oder  Begräbniss  eines  Juden 
männlichen  Geschlechtes  abgetragen  wird.^  Am  besten 
wäre  derselbe  vor  dem  Ratinger  oder  Flinger  Thor  an- 
zulegen, „weilen  das  B.erger  Thor  zu  Winterszeit  bey 
hohem  Wasser  nicht  zu  passieren  ist.^  Die  Hof  kammer 
gab  bereits  am  2.  Juli  1 782  der  Ober-Kellnerei  auf,  diesem 
„billigen^  Wunsche  der  Judenschaft  zu  entsprechen,  einen 
ohnschädlichen  Ort  sofort  auszuersehcn  und  an  höherer 
Stelle  zu  benennen.  Nach  längeren  Verhandlungen  wurde 
der  Gemeinde  im  Jahre  1788  der 

Gräuliche  Bongard 

als  Begräbnissstelle  unentgeltlich  angewiesen.  Be- 
zQglich  des  Friedhofes  auf  der  Casernenstrasse  wurde  der 
Gemeinde  das  Hecht  ertheilt,  nach  Verhältnis»  der  auf 
der  „Extension"  fortschreitenden  Bauthätigkeit  die  davon 
berührten  Gräber  nach  dem  neuen  Friedhof  überzuführen. 
Bei  sehr  vielen  ist  dies  geschehen;  den  exhumirten  Ge- 
beinen wurden  zum  grössten  Theil  nebst  den  Grabsteinen 
rechts  vom  Eingang  des.  neuen  Friedhofes  neue  Grab- 
stätten bereitet.  Unbegreiflicher  Weise  ist  dies  jedoch 
nicht  bei  allen  geschehen;  dielnschrift  der  beigegebenen 
Skizze  des  Friedhofes  enthält  die  Angabe:  Diese  Gestalt 
hatte  der  fi-ühere  Friedhof  der  Düsseldorfer  Gemeinde. 
Jetzt  aber  ist  derselbe  zum  Theil  mit  Häusern  bebaut; 
man  räumte  die  Gräber,  hob  die  Gebeine  aus,  bestattete 
sie  auf  dem  neuen  Friedhofe,  welcher  der  Gemeinde  um 
diese  Zeit  angewiesen  wurde.  Ein  Theil  der  Gräber 
befindet  sich  jedoch  noch  jetzt  unter  der  Strasse, 
ohne  dass  die  Gebeine,  welche  darin  ruhten,  ausgegraben 
worden  wären.  Merkwürdiger  Weise  waren  das  grade 
die  jüngsten  Gräber,  welche  bekannten  Persönlichkeiten 
angehörten,  deren  Familienangehörige  noch  in  Düsseldorf 
und  Umgegend  lebten,  wie  z.  B.  das  Grab  der  Frau  Dr. 
von  Geldern  geb.  Bock,  Grossmutter  von  Heinrich  Heine  ^) 
und  der  Frau  Rabbiner  Brandes.  2)  Diese  Gräber  und 
verschiedene  andere  wurden  im  Jahre  1884  auf  der 
Casernenstrasse  mit  den  vorzüglich  erhaltenen  Grabsteinen 
bei  den  Canalisationsarbeiten  ausgegraben  und  nach  dem 
Friedhof  an  der  Bongardstrasse  überführt.  Dass  dies 
nicht  gleich  damals  bei  der  Anlage  des  neuen  Friedhofes 
geschehen,   lässt   sich,   wie  zu  vermuthen,   nur  dadurch 


1)  Vgl.  Wedell,  Heinrich  Heine*»  StammbAum  mütterlicherseits. 
«)  Vgl.  S.  229. 


248  Geaehichte  der  jüdischen  Gemeinde  DünMorfe, 

erklären,  dass  die  Bebauung  des$  betreffenden  Theiles  der 
Extension  so  schnelle  Fortschritte  machte,  dass  die  RAu- 
mung  des  Friedhofes  damit  nicht  gleichen  Schritt  halten 
konnte.  Sofort  schritt  die  Gemeinde  zur  Einrichtung  des 
neuen  Friedhofes.  Bereits  am  12.  Februar  1788  wurde 
durch  den  damaligen  Gemeindevorsteher  Dr.  med.  von 
Gelderen  mit  Bendict  Giesen  upd  Bartholem  Meyra  ein 
Vertrag  abgeschlossen,  wonach  die  letzteren  es  über- 
nahmen, um  den  gräulichen  Bongard,  „wohe  der  Neue 
JudenKirchhoff  angelegt  ist^  eine  Hecke  zu  machen 
und  sechs  Jahre  zu  unterhalten.  Dafür  erhielten  sie 
12  Thlr.  30  Stüber  sofort  und  ebenso  viel  nach  Herstellung 
der  Hecke;  fQr  die  Bewachung  des  Friedhofes  erhielten 
sie  das  Abnutzungsrecht  des  Graswuchses.  UeberflOssig 
war  eine  solche  Bewachung  nicht,  da  sogar  in  der  Stadt 
die  Leichenzüge  gegen  Beschimpfungen  nicht  geschützt 
waren.  Denn  ^um  von  den  Leichenbegängnissen  der 
Juden  jeden  Unfug  und  sonstige  Excessen,  die  bei 
Gelegenheit  derselben  nicht  selten  Statt  gehabt 
haben,  zu  entfernen  u.  s.  w.  wird  vom  Ereiskommissär 
und  Oberbürgermeister  Schramm  d.  d.  20.  August  1818 
u.  a.  verfügt: 

^Die  Beerdigung  der  Israelitischen  Leichen  darf  nur 
des  Morgens  und  Abends  und  zwar  vom  20.  März 
bis  20.  September  des  Morgens  vor  8  Uhr  und  des 
Abends  nicht  früher  als  nach  7  Uhr;  und  vom 
21.  September  bis  den  19.  März  des  Morgens  vor 
9  Uhr  und  des  Abends  nicht  früher  als  nach  3  Uhr 
geschehen." 

Auf  Grund  eines  Gutachtens  des  damaligen  Land- 
rabbiners Scheuer  wurden  die  Leichen  damals  nicht 
gefahren,  sondern  getragen. 

Nicht  unerwähnt  darf  hier  bleiben,  dass  dieser  Fried- 
hof lange  Zeit  nicht  Eigenthum  der  Gemeinde  war, 
sondern  erst  am  4.  August  1837  von  der  Egl.  Regierung 
für  die  Gemeinde  durch  den  damah'gen  Vorsteher  Sal. 
Mayer  angekauft  wurde.  Von  der  angekauften  Parcelle 
wurden  ö  Morgen  133  Ruthen  70  Fuss  Herrn  Jos.  Custodis 
für  den  entfallenden  Theil  des  Ankaufspreises  incl.  Kosten 
und  Stempel  für  2138  Thlr.  2  st.  3  Pf.  überlassen.  Den 
Rest  von  1  Morgen  52  Ruthen  70  Fuss  mit  dem  Antbeil 
an  dem  halben  Düsselbach  übernahm  die  Gemeinde  selbst. 
Die  Unterhandlungen  wegen  des  Ankaufes  waren  schon 
1827  von  dem  damaligen  Gemeindevorsteher  G.  F.  van 
Perlstein  1)  mit  der  Egl.  Regierung  angeknüpft  worden; 

1)  Auch  die  Gattin  desselben,  Frau  Eleonore  geb.  Cohen,  war 
eine  sehr  thätige  Vorsteherin  des  Frauen-Vereins  gewesen. 


G$9^iehU  der  jMisehen  Gemeinde  JOüeeeldarfe.  249 

• 

dieselben  zogen  sich  jedoch  in  die  Länge,  weil  das  Grund- 
stück damals  noch  zum  grossen  Theil  verpachtet  war, 
und   die   Oemeinde   dieses  Pachtverhältniss  nicht   über- 
nehmen  wollte.     Nach  einem   1842   mit   der   Gemeinde 
getroffenen  Abkommen  abemabmen  die  A^jacenten  Sar- 
torius  &  Keller  gegen  gewisse  Rechte  die  Verpflichtung, 
einen  grossen  Theil  des  Friedhofes  mit  einer  6  Fuss  hohen 
Mauer  zu  umgeben.  Der  übrige  Theil  derselben  wurde  in 
demselben  Jahre  durch  freiwillige  Beiträge  der  Gemeinde- 
mitglieder aufgebracht.   In  Folge  ihrer  allmäligen  Aus- 
dehnung war   die  Stadt  dem  Friedhofe   allmälig   näher 
gerückt,  so  dass  die  Behörde  im  Jahre  1874  die  Schliessung 
desselben  anordnete.  Nach  längeren  Verhandlungen  wurde 
der  Gemeinde  von  der  städtischen  Behörde  ein  Grund- 
stück am  Stoffeler  Damm  unentgeltlich  angewiesen.   Die 
Gemeinde  hielt  dieses  Grundstück  wegen  seiner  grossen 
Entfernung  von  der  Stadt  nicht  für  geeignet  und  bean- 
tragte, yyihr  die  Mitbenutzung  des  Communalfriedhofes  zu 
gestatten.^    Nach  Annahme  dieses  Antrages  wurde  der 
Gemeinde  ein  bis  dahin  als  Gartenland  verpachtet  ge- 
wesener,   an    die   Eaiserswerther   Chaussee    grenzender 
Theil  des  Friedhofes  zur  alleinigen  Benutzung  mit 
besonderer  Einfahrt  direct  von  der  Chaussee  aus  unter 
den  allgemein  festgestellten  Normen  eingeräumt.    Nach 
diesen  musste  ein  jedes  Grab,  welches  unantastbar  bleiben 
sollte,  für  eine  gewisse  Summe  angekauft  werden.    Da 
nach  jüdischem  Ritus  die  Unantastbarkeit  eines  Grabes 
das  erste  Erforderniss  für  ein  solches  ist,  so  wurde  von 
der    Gemeinde -Vertretung    der   Beschluss    gefasst,    für 
sämmtliche    Gräber    die   betreffende   Gebühr    zu 
zahlen.    Die  Gemeinde  hatte,  ohne  die  Tragweite  ihres 
Beschlusses  zu  kennen,  während  der  Rabbinats-Vacanz 
die  Mitbenutzung  erbeten  und  glaubte  nach  Ge- 
währung ihres  Antrages  denselben  nicht  wieder 
ablehnen  zu  können,  obwohl  verschiedene  Schwierig- 
keiten sich  ergaben  und  die  Kosten  sehr  grosse  waren. 
Ausserdem  war  der  endgültige  Termin  für  die  Schliessung 
des  Friedhofes  herangekommen,  ohne  dass  die  Gemeinde 
für   einen   andern  Friedhof  gesorgt  hatte.    Bei  diesem 
Stadium,    in  welchem   sich    die    Angelegenheit    befand, 
musste  der  Rabbiner,  als  die  Sache  an  ihn  heran  trat, 
sich  darauf  beschränken,  wenigstens  dafür  Sorge  zu  tragen, 
dass  keine  rituelle  Bestimmung  verletzt  wurde.  Im  Rahmen 
der  früher  gefassten  Beschlüsse  war  die  Gemeinde  auch 
bemüht,  diesen   Forderungen   gerecht  zu  werden,    ins- 
besondere wurde  darauf  gesehen,   dass  die  erworbenen 
Grä.ber  sämmtlich  „erb  und  eigen thümlich  für  alle  Zeiten 


2dO  Oetehichte  der  Jildi$ehen  Gemeinde  Düsseldorfs. 

waren."  Als  aber  das  betreffende,  die  Besitzfrage  ord- 
nende Regulativ  fttr  die  Folge  von  der  Stadt  geändert 
und  noch  viel  schwerere  Bedingungen  stellte,  da  ferner 
ein  grosser  Theil  der  Gemeinde  hauptsächlich  von  der 
irrthUmlichen  Meinung  ausgehend,  dass  auf  andere 
Weise  die  Unantastbarkeit  der  Gräber  nicht  gesichert 
werden  konnte,  einen  der  Gemeinde  gehörigen  Platz  für 
den  Friedhof  wünschte  und  ein  solcher  der  Gemeinde 
von  einigen  Mitgliedern  als  Geschenk  angeboten  wurde, 
wozu  der  Rabbiner  einen  erheblichen  Theil  der  Beiträge 
gesammelt  hatte,  so  übernahm  es  der  Vorstand  in  Ueber- 
einstlmmung  mit  den  Repräsentanten  auf  Antrag  des 
Gemeinderabbiners,  von  der  Kgl.  Regierung  die  Erlaubniss 
zu  erbitten,  den 

Friedhof  auf  der  Ulmenstrasse 

als  Geschenk  annehmen  und  einrichten  zu  dürfen.  Seit 
Schliessung  des  andern  Friedhofes  ist  dies  der  einzige, 
der  jetzt  von  der  Gemeinde  benutzt  wird.  Das  erste 
Grab  auf  demselben  wurde  Simon  Quack  bereitet,  der 
einen  grossen  Beitrag  zur  Erwerbung  des  Friedhofes 
geleistet  hatte. 

Wohlthätigkeits  -  Yereiue. 

Um  die  von  den  verschiedenen  Vereinen  verfolgten 
Wohlthätigkeits  -  und  religiösen  Zwecke  besser  zu  er- 
reichen und  die  Thätigkeit  der  einzelnen  Vereine  segens- 
reicher zu  gestalten,  wurde  auf  Anregung  des  zeitigen 
Rabbiners  eine  möglichst  enge  Verbindung  dieser  Vereine 
angestrebt  durch  Bildung  einer  Central-Commission. 
Der  Präsident  derselben  ist  der  zeitige  Rabbiner.  Zu- 
sammengesetzt wird  dieselbe  durch  Deputirte  der  Vor- 
stände von  den  Vereinen,  welche  den  Bestimmungen  Ober 
die  Central-Commission  sich  unterwerfen. 

Der  wichtigste  Verein  für  die  religiösen  Interessen 
und  für  die  Armenzwecke  der  Lokal  gemeinde  ist 

1.  der  Krankenpflege-  und  Beerdigungs-Verein 
(Chewrat  G'milut  Chassadim  Waawirat  T'hillim). 

Derselbe  wurde  von  dem  ersten  Rabbiner  der  Ge- 
meinde 1)  im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  gegründet 
und  am  Tage  der  Einweihung  der  Synagoge  auf  der 
Casernenstrasse  1.  Nissan  =  24.  März  1792  mit  der  an 
diesem  Tage  gegründeten  Abtheihing  für  sonstige  Unter- 
stützungen vereinigt.  Entsprechend  den  Bedürfnissen, 
welche  sich  aus  der  Vergrösserung  der  Gemeinde  und  der 


M  Vgl.  Seite  228. 


GeBchiehtt  der  jüditehen  Otmeiftde  Düsatldorfs.  251 

Erweiterung  der  Stadt  ergaben,  wurden  nach  sehr  ein« 
gehenden  Berathungen  mit  dem  Rabbiner  im  Jahre  1880 
die  Statuten  den  neuen  Verhältnissen  angepasst  und  die 
Zwecke  des  Vereins  u.  a.  folgendermassen  noimirt: 

Allen  erkrankten  Mitgliedern  des  hiesigen  städti- 
schen Synagogenbezirkes  und  deren  Angehörigen  durch 
die  ordentlichen  Mitglieder  den  nöthigen  Beistand  durch 
Besuch,  Wartung  und  Pflege,  nöthigenfalls  durch  Auf- 
nahme in  ein  Krankenhaus  unentgeltlich  angedeihen  zu 
lassen. 

Zur  Unterstützung  der  ordentlichen  Mitglieder  in  Aus- 
übung ihrer  Pflichten  für  geübte  Krankenwärter  und 
Krankenwärterinnen  Sorge  zu  tragen  und  soweit  die  hier 
vorhandenen  Kräfte  nicht  ausreichen,  zu  diesem  Behufe 
eine  Anzahl  junger,  kräftiger  Männer  und  Frauen  aus- 
bilden zu  lassen. 

Beranken  bis  zu  ihrer  Genesung  oder  Todesstunde 
mit  Trost  und  Andachtsübungen  durch  die  ordentlichen 
Mitglieder  zur  Seite  zu  stehen,  ebenso  beim  Hinscheiden 
die  rituellen  Gebete  von  Letzteren  verrichten  zu  lassen. 

Die  Leichen  durch  bestellte  Männer  oder  Frauen 
bewachen,  durch  ordentliche  Mitglieder  resp.  durch 
die  Ehrendamen  unter  Zuziehung  der  Vereinsdienerinnen 
nach  dem  vorgeschriebenen  Ritus  waschen,  reinigen  und 
ankleiden  zu  lassen. 

Ferner  die  Leichen  dm'ch  ordentliche  Mitglieder 
zum  Friedhofe  begleiten  und  bestatten  zu  lassen. 

Hiesigen  Armen  je  nach  den  Mitteln  des  Vereins 
Unterstützung  angedeihen  zu  lassen. 

Zur  Weiterbildung  der  Mitglieder  leichtere  religions- 
wissenschaftliche Vorträge  halten  zu  lassen. 

Jedes  ordentliche  Mitglied  ist  verpflichtet,  nach  er- 
folgrt;er  schriftlicher  Aufforderung  des  Pflegers  die  Wache 
am  Krankenbette  persönlich  zu  übernehmen,  im  Ver- 
hinderungsfalle hat  es  für  einen  Stellvertreter  zu  sorgen. 
Die  Wächter  dürfen  den  Kranken  nicht  verlassen,  bevor 
die  folgenden  zur  Ablösung  da  sind.  Länger  als  eine 
halbe  Stunde  sind  sie  jedoch  nicht  zu  warten  verpflichtet, 
haben  aber  in  diesem  Falle  dem  Pfleger  sofort  Anzeige 
zu  machen,  der  dann  das  Weitere  zu  veranlassen  hat. 

Die  Aufgabe  der  ordentlichen  Mitglieder  bei  der 
Krankenpflege  ist  folgende :  den  Anordnungen  der  Aerzte 
pünktlich  nachzukommen,  den  Kranken  liebevoll  zu 
pflegen,  Alles  zu  vermeiden,  was  seine  Behaglichkeit  und 
Ruhe  stört,  für  die  Sauberkeit  des  Krankenlagers  und 
Kraukenzimmers  und  bei  etwa  eintretenden  Vorzeichen 


252  Oesehiehte  der  jüdischen  Gemeinde  Düaeeldorfe. 

des  herannahenden  Todes,  nach  Möglichkeit  fUr  die  An- 
wesenheit mehrerer  Vereinsmitglieder  zu  sorgen^  um 
gemeinschaftlich  die  Gebete  bei  dem  Sterbenden  zu  ver- 
richten. Ferner  ist  es  Pflicht  der  Wächter,  den  Familien- 
mitgliedern des  Kranken,  so  weit  die  Rücksicht  auf  den- 
selben es  gestattet,  in  ihren  geschäftlichen  und  häus- 
lichen Angelegenheiten  treu  zur  Seite  zu  stehen,  auch 
dann,  wenn  die  Krankenpflege  nicht  in  Anspruch  ge- 
nommen wird. 

Der  Verein  macht  in  der  Ausübung  seiner  wesent- 
lichsten Pflichten  keinen  Unterschied  zwischen  Mitgliedern 
und  Nichtmitgliedern ,  denn  in  seinem  wahren  Mitgefühl 
für  seine  Schutzbefohlenen  verbindet  er  mit  der  körper- 
lichen Pflege  auch  geistige  Bemühungen.  Er  sorgt  dafür, 
dass  die  gesetzlich  vorgeschriebenen  Gebräuche  ausgeübt 
werden,  er  sorgt  für  die  letzten  Augenblicke,  da  die  Seele 
sich  vorbereitet,  um  vor  ihrem  Gotte  zu  erscheinen.  Man 
lässt  den  Sterbenden  ein  Bekenntniss  ablegen,  man  betet 
mit  ihm  zusammen,  man  betet  für  ihn  nach  seinem  Tode.i) 
Der  Verein  hat  in  den  letzten  Jahren  ein  starkes  Wachs- 
thum,  vor  allem  kein  Deflcit  zu  verzeichnen  und  schloss 
im  letztverflossenen  Jahre  ab  in  Einnahme  mit  1304,35  M., 
in  Ausgabe  mit  1177,96  M.,  Vermögensbestand  9592,11  M. 

Das  Vermögen  ist  trotz  des  hohen  Alters  des  Vereins 
ein  verhältnissmässig  geringes,  weil  derselbe  die  Ver- 
wendung seiner  Mittel  für  die  von  ihm  verfolgten  Zwecke 
für  die  beste  Anlage  derselben  hält.  Gegenwärtig  wird 
der  Verein  geleitet  von  den  Herren :  L.  Scheuer  (Vorsitz.), 
M.  May  (Stell vertr.),  Alex  Levi,  L.  Leib,  H.  Hirsch, 
A.  Raphael,  Jacob  Wolf.  Die  drei  letztgenannten  Herren 
sind  die  „Pfleger"  des  Vereins. 

Derselben  Verwaltung  ist  unterstellt  der  Verein 

2.  Malbisch  Arumim. 
Zweck:  Bekleidung  armer  Schulkinder. 

3.  Israelitischer  Frauen-Verein. 

Zweck  im  Wesentlichen  derselbe  als  derjenige  des 
Krankenpflege-  und  Beerdiguugs -Vereins.  Die  Vorstanda- 
damen haben  die  Pflicht,  durch  Besuch  in  den  Häusern 
der  bedürftigen  Familien  von  deren  Lage  und  Be- 
dürfnissen genaue  Kenntniss  zu  erlangen  und  er- 
füllen dieselbe  mit  rührender  Gewissenhaftigkeit. 
Ein  seit  Jahrhunderten  geheiligter  Brauch  des  Frauen- 
Vereins  ist,  für  Verstorbene  die  Sterbekleider  anzu- 


^)  Vgl.  Fürstin  Gortschakoff,  Christen  und  Juden.    Antorisirte 
Uebersetzung  von  Blamenthal.    Mainz  1888. 


0€9^i€lU€  der  jüdischen  Gemeinde  DOeeeidorfe.  2&8 

fertigen.  Dieselben  bestehen  fttr  alle  in  gleicher  Weise 
aus  weissem  Linnen. 

Die  Gründung  des  Vereins  erfolgte  vor  ca.  50  Jahren. 
Der  Vorstand  besteht  jetzt  aus  den  Damen  Frau  J.  M.  Ney- 
mann,  Frau  Rabbiner  Dr.  Wedeil  und  Frau  Jos.  Wolf. 

Was  wir  von  dem  ersten  Verein  bezüglich  der  Kranken- 
pflege und  des  den  Kranken  gewidmeten  religiösen  Bei- 
standes gesagt  haben,  muss  auch  von  dem  Frauen -Verein 
in  hohem  Grade  gerfihmt  werden. 

Seine  Einnahmen  betrugen  im  letzten  Jahre  incl. 
eines  Saldos  aus  1886  von  380,69  Mark  1854,44  Mark, 
seine  Ausgaben  1456,88  Mark.  Sein  Vermögen  betrug 
Ende  Decbr.  4200  Mark  und  ist  durch  eine  eingegangene 
Forderung  aus  einem  Nachlass  auf  4900  Mark  gewachsen. 

4.  Der  „Neue  Verein**^: 
Chewrah   Chadaschah. 

Zweck:  Beschaffung  von  Unterrichtsmitteln  für  un- 
bemittelte Kinder,  Lieferung  von  Brand  und  Nahrungs- 
mitteln. Nach  dem  Hinscheiden  der  andern  Vorsteher 
ruht  die  Verwaltung  seit  mehreren  Jahren  ausschliesslich 
in  den  Händen  des  Herrn  Michael  Simons,  der  dem  Wunsche 
der  Mitglieder  gemäss  den  Verein  demnächst  zu  reorgani- 
siren  gedenkt. 

Derselben  Verwaltung  imtersteht 

5.  Hachnosat  Kailoh. 
Zweck:  Ausstattung  armer  Bräute. 

6.  Privat -Verein 
(Verein  gegen  Hausbettelei). 

Vorstand:  Louis  Bacharach. 

7.  „Zedakah^. 

Allgemeine  Wohlthätigkeits-Kasse.  Verwaltung:  Ge- 
meinde -Vorstand. 

Was  die  Gemeinde  sonst  durch  ihre  einzelnen  Mit- 
glieder oder  in  Vereinen  für  die  Wohlthätigkeit  oder 
sonstige  gemeinnützige  Zwecke  leistet,  kann  und  darf 
hier  nicht  weiter  erörtert  werden.  Im  Allgemeinen  ist 
auf  diesem  Gebiete  eine  freudige  stets  wachsende  Reg- 
samkeit wahrzunehmen,  die  um  so  mehr  Anerkennung 
verdient,  als  sie  sich  bemüht,  im  Zusammenhang  mit  den 
Altvordern  zu  bleiben. 

Gern  und  eifrig  haben  die  Mitglieder  der  Gemeinde 
sich  an  allen  bürgerlichen  und  staatlichen  Bestrebungen 
betheiligt  und  dankbar  jede  Gelegenheit  ergriiTen,  in  allen 
Bürgertugenden  mit  ihren  Mitbürgern  wetteifern  zu  dürfen. 


254  Oe9ehichte  der  jMi$eken  Qemitnde  Dll9$Marf$. 

Was  in  dieser  Beziehung  von  Mitgliedern  des  Synagogen- 
Verbandes  geleistet  worden,  ihre  Bedeutung  für  das  Ge- 
sammt-CuIturleben  der  Stadt,  des  Staates  und  der  Mensch- 
heit überhaupt  gehört  nicht  sowohl  der  Geschichte  der 
jüdischen  Gemeinde,  als  vielmehr  der  allgemeinen  Cultur- 
geschichte  an  und  musste  daher  hier  unberücksichtigt 
bleiben.  Denn  das  Besondere,  was  die  Gemeinde  für 
sich  in  Anspruch  nimmt,  ist  nur  auf  dem  Gebiete  ihrer 
religiösen  Einrichtungen  zu  suchen;  sonst  aber  treten 
ihre  Mitglieder  in  die  Reihen  ihrer  Mitbürger,  mit  welchen 
sie  einig  sind  in  der  Liebe  und  Treue  gegen  das  Vater- 
land, in  der  Liebe  und  Treue  gegen  das  erlauchte  Herrscher- 
haus und  in  der  Beherzigung  der  prophetischen  Mahnung : 

„Fördert  das  Wohl  der  Stadt,  dahin  ich  eucli 
geführt  und  betet  um  sie  zum  Ewigen.^ 


EntWickelung  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf/) 


GyiiiiiKsiallebi'<«r  O.  Knlfller. 

T  die  Bedeutung  des  Schulwesens  för  die  Cultur 
und    das   ganze    Leben    eines  Volkes    keimt, 
würde  in  dieser  der  Vergangenheit  Düsseldorfs 
gewidmeten   Festschrift  einen   Rückblick  auf 
die   früheren  Schul  Verhältnisse  unserer  Stadt 
ungern  vermissen.    Die  Rücksicht  auf  den  zur  Verfügung 
gestellten  Raum  nOtbigt  zwar  den  Verfasser,  sich   kurz 
zu    fassen  und    nur   das  Hauptsächliche  hervorzuheben, 
indessen  dürfte  die  Hoffnung  nicht  unberechtigt  sein,  dass 
auch  so  jeder  Leser  ein  klares  und  übersichtliches  Bild 
von  der  Entwickelung  der  Düsseldorfer  Schulen  erhalten 
wird.   Dabei  wird  selbstverständlich  der  älteren  Geschichte 
umsomehr  eine  eingehendere  Darstellung  zu  Theil  werden 
mQssen,  als  ja  nur  früher  bei  dem  Mangel  an  gesetzlichen 
Bestimmungen  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit   und  Eigen- 
art   in    der   Gründung   und   Erhaltung   von    Unterrichts- 
anstalten  sich  zeigen  konnte,  während  heut  zu  Tage  beim 
Vorhandensein  einer  festen,   gesetzlichen  Norm,   die  den 
gleichen  Zwecken  dienenden  Schulen  überall  sich  auch 
in  gleicher  Weise  entwickeln.     Femer  werden  gerade  in 

*)  Quellen:  1.  Netteshelm,  Geschichte  der  Schnlen  im  alten 
Herzogthnm  Geldern.  Dü§seldorf,  Ba^l.  1881.  2.  Kortüm,  Nach- 
richt über  das  Gymnaslnm  zu  Düsseldorf  im  16.  Jahrhundert.  Pro- 
gramm 1819.  3.  Krafft,  Die  gelehrte  Schule  zu  Düsseldorf.  Pro- 
srainin  des  Real  Gymnasium  a  1853.  4.  Tönnies,  Die  Docenten  der 
juristischen  Fakultät  zu  Düsseldorf,  in  Nr.  i  der  Zeitschrift  des 
Düsseldorfer  GeschichtsTereinB  1883.  5.  Tönnies,  Die  FakultKts- 
Studien  zn  Düsseldorf.    Programm  der  Bürgerschale  1881.    ß.  Pro- 

Eamme  und  Pestschriften  der  besprochenen  Schulen.  7.  Kortüm, 
n  Lebensbild.  Berlin,  Reimer  18A0.  8.  Urkunden  aus  dem  16. 
Jahrhundert.  9.  Freundlichst  zur  Verfügung  gestellte  Privatmlt- 
theilungen. 


256  Entwiekelung  dea  Schulwestt^B  zu  Düsaüdarf. 

diesem  Jahre  sich  die  Bewohner  Düsseldorfs  mit  Vorliebe  in 
vergangene  Zeiten  zurückversetzen  und  erfahren  wollen,  in 
welcher  Weise  damals  für  die  Unterweisung  der  Jugend, 
die  man  jetzt  als  eine  der  Hauptaufgaben  des  Staates  an- 
sieht, gesorgt  war.  Wie  alles  im  Leben,  so  hat  sich  auch  das 
Schulwesen  aus  kleinen  und  kaum  wahrnehmbaren  An- 
fängen entwickelt.  Es  hat  ohne  Zweifel  bei  jedem  Volke, 
also  auch  in  unserer  Gegend,  Zeiten  gegeben,  in  welchen 
der  Einzelne  sich  mit  den-  Unterweisungen  begnügen 
musste,  welche  ihm  zufällig  von  seiner  Umgebung  zu- 
ertheilt  wurden.  Es  bedeutet  schon  einen  gewissen  Grad 
der  Kultur,  wenn  das  Bedürfniss  nach  einer  ausreichen- 
deren und  zusammenhangenden  Belehrung  zur  Gründung 
einer  diesem  Zwecke  dienenden  Anstalt  trieb.  In  Deutsch- 
land sind  solche  nach  Einführung  des  Christenthums  im 
Anschluss  an  die  Klöster  und  Kirchen  entstanden  und 
haben  sich  durch  alle  Jahrhunderte  des  Mittelalters  mehr 
oder  weniger  blühend  erhalten.  Da  jedoch  selten  eine 
Urkunde  über  die  Gründung  einer  Schule  aufgenommen 
wurde,  so  sind  wir  über  die  Zeit  der  Errichtung  gewöhnlich 
im  Ungewissen,  und  daher  kann  es  uns  nicht  wundem, 
dass  wir  auch  nicht  wissen,  ob  zur  Zeit,  als  Düsseldorf 
die  Stadtrechte  erhielt,  eine  Schule  vorhanden  war  oder 
nicht.  Wie  aber  dort,  wo  ein  geordnetes  Pfarrsystem 
sich  bildete,  im  Laufe  des  11.  und  12.  Jahrhunderts 
mindestens  eine  vom  Pfarrer  oder  Küster  geleitete  Schreib- 
und Leseschule  bestanden  hat,  so  dürfen  wir  dies  auch 
von  Düsseldorf  voraussetzen.  Diese  Schule  mag  eine 
kleine  Ausdehnung  erfahren  haben,  als  1288  bei  Ver- 
leihung der  Stadtrechte  die  vorhandene  Pfarrkirche  zu 
einer  Collegiatkirche  mit  8  Geistlichen  erhoben  wurde. 
Das  m*kundlich  festgestellte  Jahr  der  Errichtung  oder 
der  Existenz  einer  Schule  zu  Düsseldorf  ist  der  1.  März 
1392,  an  welchem  Tage  mit  päpstlicher  Genehmigung  das 
CoUegium  um  15  Geistliche  vermehrt  wurde.  Einer  von 
den  neu  eingetretenen  wird  ausdrücklich  als  Scholasticus 
aufgeführt;  er  hatte  das  ganze  Unterrichtswesen  der 
neuen  Stadt  zu  beaufeichtigen  und  zu  leiten,  den  Lehr- 
plan zu  entwerfen,  Lehrer  anzustellen  und  untaugliche 
zu  entlassen.  Ausser  dieser  geistlichen  Aufsicht  wurde 
der  enge  Anschluss  der  Schule  an  die  S^irche  noch  durch 
die  Verpflichtung  der  Schüler  zu  der  Theilnahme  an  dem 
täglichen  Gottesdienst  und  durch  das  Versprechen  des 
kirchlichen  Gehorsams  von  Seiten  der  Lehrer  gestärkt. 
Nach  den  Statuten  des  Düsseldorfer  Kapitels  sollte  daa 
Amt  des  Scholasticus  einem  wohlgebildeten,  urtheilsfähigen 
Manne  übertragen  werden,  der  die  Schulen  wohl  besorgen 


Enifeickelung  d4s  Sehtdweaena  zu  DSaaeldoff.  257 

und  mit  Rath  und  Zustimmung  des  Decbanten  und  Kapitels 
Schulmeister  anstellen  solle,  die  sich  durch  Bildung,  gläu- 
bige Gesinnung  empfehlen  und  in  den  Wissenschaften 
wohl  unterrichten  könnten.  Vom  Scholasticus  also  wurden 
die  Lehrer  (Rectoren,  Conrectoren,  Schulmeister,  oder 
auch  Ludimagistri  genannt)  ausgewählt  und  in  ihr  Amt 
eingeführt;  dieselben  hatten  in  der  Regel  neben  ihrem 
Amte  den  Kantor-  und  Organistendienst  zu  übernehmen. 
Diese  Leute  besassen  schon  durch  die  Kenntniss  der  litur- 
gischen Formeln  und  des  Kirchengesanges  mit  seinen  Noten 
und  seinem  Texte  eine  höhere  Bildung  als  das  gewöhnliche 
Volk,  dazu  wurden  sie  noch  in  besonders  eingerichteten 
Kttsterschulen  vorgebildet.  Im  Anfange,  wo  nur  wenige 
Schulen  in  Düsseldorf  waren,  wird  der  Scholasticus  den 
Religionsunterricht  und  den  Unterricht  besonders  der 
Chorknaben  selbst  in  der  Hand  gehabt  haben.  Ferner 
hatte  er  wohl  die  Unterweisung  der  Kleriker  zu  leiten, 
ivelche  sich  dem  Unterrichte  der  lateinischen  oder  der 
Trivial-  oder  Stiftsschulen  widmen  wollten.  In  den  Ur- 
kunden werden  Kapläne  und  Küster  hauptsächlich  als 
solche  genannt,  welche  in  der  Stiftsschule  unterrichteten. 
Oft  flgurirte  ein  Lehrer  dieser  zugleich  als  Schreibmeister 
in  der  kleinen  Schule,  wodurch  eine  enge  Verbindung 
zwischen  beiden  erzielt  Wurde. 

Der  Einfluss  der  Kirche  wurde  wohl  zuerst  in  Bezug 
auf  die  Wahl  der  Lehrer  beschränkt.  Während  Anfangs 
der  Wille  des  Scholasticus  oder  des  Kapitels  den  Aus- 
schlag gab,  bemerken  wir  später  bei  den  Stadtbehörden 
das  Streben,  das  Schulwesen  und  besonders  die  Anstellung 
der  Lehrer  in  ihre  alleinige  Gewalt  zu  bekommen. 
So  entbrannte  zuweilen  zwischen  dem  Scholasticus  und 
dem  Magistrate  ein  Streit,  welcher  in  der  Regel  zu 
Gunsten  der  Stadt,  zuweilen  des  Kapitels  beigelegt 
wurde.  Z.  B.  schreibt  1699  der  Magistrat  an-  das  Kapitel, 
dass  er  seit  undenklichen  Jahren  die  Schulmeister  der 
unteren  Klasse  angestellt  habe,  wie  er  aus  verschiedenen 
Bestallungen  nachweist.  Dechant  und  Kapitel  remon- 
strirten,  dass  ihnen  vermöge  ihrer  Fundation  allein  zustehe, 
einen  Schulmeister  anzuordnen.  Bürgermeister  und  Rath 
habe  trotzdem  nach  Absteiben  des  Sdiulmeisters  Nosthoif 
den  Agricola  angestellt.  Als  Agricola  starb,  sandte  das 
Kapitel  einen  Notar  an  die  Stadt  mit  der  Bitte,  einen 
Ort  zu  nennen,  wo  man  gemeinschaftlich  einen  Ludi- 
magister  wählen  könne.  Der  Rath  wies  dies  von  der 
Hand  und  erklärte,  bei  seinem  Standpunkte  zu  verbleiben. 
Der  Notar  präsentirte  zwei  passende  Personen,  von  denen 
eine  später  als  Lehrer  allseitig  anerkannt  wurde.    Hier 

17 


258  Entwickehwg  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf, 

trug    also    das    Kapitel   den    Sieg    davon.     Schwer   in's 
Gewicht  fiel  in  diesen  Streitigkeiten  die  Stimme  des  herzog- 
lichen   Landesherrn,   weil    er    die    Schule    unterstützte. 
Dieser  Einfiuss  der  weltlichen  Behörden   wurde  insofern 
vermehrt,   als   das   Verhalten   und   die   Unterrichtsweise 
eines  Lehrers  von  der  Bürgerschaft  und  dem  Magistrate 
einer  Kritik  unterzogen  und  die  Entfernung  nicht  geeig- 
neter Lehrkräfte  beantragt  wurde.     Ein  Beispiel  hierfüi* 
finden  wir  in  der  von  der  Düsseldorfer  Bürgerschaft  am 
26.  Dezember  1535  an  den  Rath  gerichteten  Bittschrift, 
worin  es  heisst :  Die  Bürgerschaft  wünscht  die  Entlassung 
des    bisherigen  Schulmeisters  ^angesehen   er  in  Wesen 
und  Lehre   lange  Jahr  ungeschickt  befunden  worden'^. 
Mit  der  allmäligen  Ausdehnung  dieser  Rechte  hielt  natür- 
lich die  Vermehrung  der  Verpflichtung  zur  Unterhaltung 
der  Schule  gleichen  Schritt.    Die  Stadt  unterstützte  zuerst 
durch  Naturallieferungen  die  von  der  Kirche  angestellten 
Lehrer,  dann  wies  sie  ihnen  eine  geeignete  Wohnung  oder 
eine  Entschädigung  in  Geld  an   und  sorgte  für  passende 
Schullokale  und  schliesslich  für  alle  Bedürfnisse.  Trotzdem 
wurde  das  Aufsichtsrecht  der  Kirche  immer  anerkannt 
und   sogar  gewünscht,   wie   wir   dies  für  das   18.  Jahr- 
hundert aus  einer  Klage  des  Magistrats  entnehmen  können. 

Welcher  Art  waren  denn  die  dem  Scholasticus  unter- 
stellten Schulen  ?  Unter  dier  Aufsicht  desselben  standen  im 
15.  Jahrhundert  zwei  in  ihren  Zielen  auseinandergehende 
Anstalten,  einerseits  die  vom  Herzog  Wilhelm  gegründete 
Trivial-  und  NuUanenschule  und  andererseits  die  „kleine 
Schule"   oder  „Kinderschule**.    Die  letztere  ersetzte   die 
Stelle  unserer  Elementarschule,  die  andere  bereitete  zu 
den    höheren  Studien   vor;  sie  umfaßte,   wie   auch    der 
Name   andeutet,    das  sogenannte  Trivium :    Grammatik^ 
Rhetorik,  Dialectik,  mit  Ausschluss  des  Griechischen.    Die 
lateinische  Literatur  fand  zwar  keine  Berücksichtigung,  die 
lateinische  Sprache  selbst  wurde  aber  aus  Uebersetzungen 
und  Kommentaren  des  Aristoteles,   also  nicht  aus    den 
Autoren  selbst,  gelehrt.   Die  Schüler,  welche  den  höheren 
Unterricht    genossen,   waren   wie    die   anderer  Schulen 
Deutchlands  theils   in  der  Stadt  ansässig,  theils  kamen 
sie  von   auswärts  und  fanden   bei   den  Bewohnern  Klost 
und  Unterkommen ;  die  ärmeren  lebten  von  den  Almosen 
bemittelter  Bürger,  von  dem  Ertrage  des  Gesanges  beim 
Gottesdienste,  oder  von  den  Einnahmen  des  Chors,    der, 
fromme  Lieder   absingend,   vor   den  einzelnen   Häusern 
Unterstützungen  einsammelte. 

Das  Lokal  der  Stiftsschule  lag  in  unmittelbarer  Nn^lie 
der  Stiftskirche ;  denn  im  Jahre  1635  erlitt  dasselbe   beim 


BtihticMung  des  SehHlwesens  zu  Düsseldorf»  259 

Auffliegen  des  der  Kirche  gegenüberliegenden  Pulver- 
thurms  eine  solche  Zerstörung,  dass  die  Schüler  dem 
Regen  und  Sturme  ausgesetzt  waren.  Auf  die  Klage  des 
Schulmeisters  Anton  Härtung  wurde  das  Lokal  vom 
Magistrat  wieder  in  Stand  gesetzt. 

Die  Frequenz  dieser  ältesten  Schulen  ist  schwer  fest- 
zustellen, so  lange  das  Verhältniss  derselben  zu  einander 
und  zu  den  später  errichteten  höheren  Lehranstalten  nicht 
feststeht.   In  einem  Bericht  des  Magistrats  an  den  Herzog 
vom   Jahre    1670    wird    die   Frequenz    der   lateinischen 
Schule  auf  130,  die  der  deutschen  Schule  auf  50  angegeben 
und  zugleich  mitgetheilt,   dass  das  Schullokal  eine  Ver- 
grösserung   erfahren  habe,   wodurch   es   Raum   für   150 
Kinder  und  mehr  erhielt.    Es  ist  selbstverständlich,  dass 
im  Laufe  der  Zeit  das  Bedürfniss  besonders  nach  Elementar- 
schulen  immer   dringender   wurde.    Man   machte   sogar 
schwache  Versuche,  die  Mädchen  von   den  Knaben  zu 
trennen,  auch  fanden  die  ärmeren  Schüler  allerdings  erst 
dann    mehr    Berücksichtigung,     als    unangenehme    Vor- 
kommnisse, wie  Zügellosigkeit  und  Müssiggang  die  Behörde 
daran  erinnerte,  dass  auch  etwa^s  für  das  gewöhnliche 
Volk  geschehen  müsse.    Ferner  werden  wir  bei  Prüfung 
der    einzelnen    historischen    Angaben    finden,    dass    das 
Privatschulwesen  eine  gewisse  Ausdehnung  nicht  immer 
zum  Vortheil  des  Unterrichts  annahm.     Die  Thatsache 
endlich,   dass  nach  der  Reformation  die  Kinder  katholi- 
scher Eltern  trotz  Abmahnung  der  Behörde  die  Schulen 
lutherischer   Lehrer  besuchten,   zeigt  deutlich,  dass  die 
Reformirten  und  Protestanten  zeitweise  mit  genügenden 
Lehrkräften  versehen  waren.    Nach  diesen  allgemeinen 
Erörterungen  mag  es  gestattet  sein,   einzelne  Daten  zur 
Beleuchtung  des  Gesagten  vorzuführen.     Für  das  Jahr 
1587  ist  das  Vorhandensein  eines  Lehrers,    „welcher  für 
die    Mädchen    sorgt",    urkundlich    festgestellt.     Ebenso 
werden  1670  sechs  Devotessen  erwähnt,  welche  nicht  allein 
Mädchen,  sondern  auch  einige  Jungen  unter  ihrer  Disciplin 
hatten.    Schon  14  Jahre  später  schenkte  Herzog  Johann 
Wilhelm  den  aus  Cöln  1681  angekommenen  Ursulinerinnen 
einen    Platz  zum  Bau  einer  Kirche  und  eines  Klosters, 
in    v^elchem  lange  Jahre  eine  blühende  Mädchenschule 
bestand.    Eine  Knabenschule  unterhielten   ferner  schon 
seit    dem  Anfang  des   16.  Jahrhunderts  die  Kreuzherren 
in    ihrem  Kloster   an  der  Ratingerstrasse.     1803  wurde 
zwar  der  Orden  der  Kreuzherren  aufgehoben,   aber  die 
Schule   blieb   unter  zwei  Lehrern  im  Kloster  bestehen. 
Als    1812  hierin    ein   Montirungsdepot    angelegt   wurde, 
verleg'te   man   die   Schule   auf  die   Mühlenstrasse.    Aus 

17  ♦ 


260  EMwiekdutig  des  SekülwMtnt  zu  DBasMorf. 

derselben   entstand  später   die   Andreaspfarrschule ,    die 
noch  jetzt  den  Namen  Ereuzbrüderschule  führt 

In  Derendorf  bestand  um  das  Jahr  1676  eine  von 
emer  Lehrerin  geleitete  Schule,  die  vom  Stiftsdechanten 
beaufsichtigt  wurde.  6  Jahre  später  ertheilte  der  Herzog 
einem  Lehrer  die  Concession,  eben  dort  eine  Privat- 
schule zu  halten.  Dies  sind  wohl  die  Anfänge  der  späteren 
Derendorfer  Pfarrschule. 

Da  in  diesen  Zeiten  von  einem  Schulzwang  nicht  die 
Rede  sein  konnte,  so  ist  es  nicht  auffällig;  dass  eine 
grosse  Zahl  armer  Kinder  ohne  jeden  Unterricht  in 
MQssiggang  auf  den  Gassen  aufwuchs  und  eine  Last  für 
die  Stadt  und  den  Staat  wurde.  Gegen  diesen  Unfug 
wandte  sich  ein  Schreiben  des  Herzogs  vom  4.  Mai  1666; 
in  diesem  spricht  er  seine  Absicht  aus,  „eine  freie  deutsche 
Schule"  zu  errichten  und  mit  zwei  Lehrerinnen  zu  ver- 
sehen. Die  Stadt  bot  ihm  als  Lokal  die  auf  dem  Kirchhof 
gelegenen  Schulhäuser  an,  die  schon  früher  für  den  Unter- 
richt der  armen  Kinder  gebraucht  waren.  Wir  werden 
nicht  fehlgehen,  wenn  wir  hierin  den  Ursprung  zu  der 
am  Anfange  dieses  Jahrhunderts  bestehenden  Armen- 
schule finden. 

Ein  weiterer  Uebelstand  war  das  Ueberhandnehmen 
der  Privatschulen,  deren  Inhaber  meist  nicht  einmal  die 
nöthigen  Kenntnisse  oder  amtliche  Erlaubniss  besasaen. 
So  wird  1567  eine  deutsche  Schule  in  der  Bergerstrasse, 
1570  die  Schule  des  Anton  Hambach,  „welcher  Bürgers- 
töchter  unterrichtete'',  erwähnt.  Mandie  von  diesen  Privat* 
lehrern  genossen  insofern  eine  öffentliche  Anerkennung,, 
als  sie  von  Einquartierungen  und  überhaupt  von  bürger- 
lichen Lasten  befreit  waren.  Sie  machten  eben  durch 
ihre  Thätigkeit  den  Mangel  an  Schulen  weniger  fühlbar,, 
schadeten  aber  oft  durch*  ihre  UngeschickUchkeit  der 
anvertrauten  Jugend  sehr. 

Im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  liess  der  Kurfarat 
eine  Untersuchung  des  Privatschulwesens  für  Düsseldorf 
durch  den  Stiftsdechanten  vornehmen.  Es  stellte  sich 
heraus,  dass  19  Privatschulen  vorhanden  waren.  Die 
Leiter  derselben  waren  ein  Kutscher,  ein  Kerzenmacher^ 
eine  Wittwe  u.  s.  w.  Die  Frequenz  belief  sich  zwischen 
6  und  50.  Der  Mangel  an  religiöser  Ausbildung  und  die 
Ausartung  der  Düsseldorfer  Jugend  bestimmte  zuletzt  den 
Kurfürsten  Carl  Theodor,  am  7.  Mai  1760  eine  Verord- 
nung zu  erla;ssen,  wonach  die .  Kinder  gehalten  waren^ 
jeden  Sonntag  dem  in  der  Jesuiten-  und  Franziskaner- 
kirche   stattfindenden    Religionsunterricht    beizuwohnen. 


ßtticiekelung  des  SehtUwesens  zu  Düsseldorf,  261 

Erst  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  wurden  ernste  Mass- 
regeln ergriffen,  um  eine  Aufbesserung  des  Lehrerstandes 
zu  erzielen  und  das  Schulwesen  zu  organisiren,  man  kam 
eben   allmählich   zu  der  Ansicht,   dass   nur  selten   ein 
tauglicher  Lehrer  ohne  Anleitung  sich  selbst  bilden  könne, 
sondern  dass  es  zur  Heranbildung  desselben  einer  plan- 
mässigen  Vorbereitung  bedürfe,    lieber  die  damalige  Lage 
des  Schulwesens  gibt  1803  Joseph  Schräm,  welcher  als 
Professor  der  juristischen  Akademie  zu  Düsseldorf  thfttig 
war,  in  seinem  Buche:    ^Die  Verbesserung  der  Schulen^ 
ein    trauriges   Bild,    welches    er  jedenfalls    aus    seiner 
nächsten  Nähe  hergeholt  hat,  und  betont  die  Nothwen- 
digkeit  einer  durchgreifenden  Umgestaltung  des  Öffent- 
lichen Unterrichts.     Seine  Vorschläge  zur  Hebung  sind 
theils  noch  heute  beachtenswerth,  theils  haben  sie  ihre 
Verwirklichung  gefunden.     Zeiten,  in  welchen  die  Aus- 
bildung der  gewöhnlich  im  Nebenamt  fungirenden  Lehrer 
dem  Zufalle  überlassen  blieb,  in  welchen  das  Einkommen 
sich  meist  auf  das  geringe  Schulgeld  und  einige  Natural- 
lieferungen  beschränkte,  konnten  eben  keine  Verhältnisse 
schaffen,  die  zur  festen  Gestaltung  des  Schulwesens  unum- 
gänglich nöthig  sind.  Aehnlich  ging  es  bei  den  Protestanten. 
Zu  Düsseldorf  bestanden  schon  1570  eine  lutherische 
und  eine  reformirte  Gemeinde.    Wir  dürfen  voraussetzen, 
dass  diese  sofort  bei  ihrer  Constituirung  für  den  Unterricht 
der  Jugend  besorgt  gewesen  sind.   Als  sie  mehr  sesshaft 
geworden  waren,  gründeten  sie  1610  jede  für  sich  eine 
Rectoratschule.    In  der  reformirten  Lateinschule,  welche 
wohl  die  bedeutendere  war,  wird  zuerst  ein  Schulmeister 
Petrus  genannt.     Seit   1612   wirkte  an   ihr   als   Rector 
Johann  Anton  Biber,   der  schon   vier  Lehrer  anstellte, 
woraus  ersichtlich  ist,  dass  die  Schule  3-*4  Klassen  ent- 
hielt.    Um   auch   einen   fünften   Lehrer  unterhalten   zu 
können,  wandte  man  sich  an  den  Kurfürsten  von  Branden- 
burg*;   dieser  willfahrte  dem   Gesuche,    indem   er  eine 
Unterstützung  von  300  Thlr.  jährlich  spendete  und  dieselbe 
spttter^  als  die  Gemeinde  selbst  die  Mittel  nicht  aufwenden 
konnte,  auf  1000  Thlr.  erhöhte.     Der  bekannte  Lieder- 
dichter Joachim  Neander  war  hier  von  1674 — 79  Rector. 
TSAafkgev  Lehrerwechsel,   Ungeschicklichkeit  im   Unter- 
richte,   die   verheerende    Pest    führte    eine    zeitweilige 
Schliessung    der   Schule    herbei.     In    der    lutherischen 
Rectoratschule  wirkte  1704  Joh.  Beruh.  Stohlmann,   der 
zugleich  eine  Hülfspredigerstelle  inne  hatte.    Als  völlig 
von  der  deutschen  Schule  getrennte  Anstalt  trat  sie  erst 
unter    dem  Rectorate  des  Joh.  Pet.  Reitz  (1755 — 1797), 
des  verdienstvollen  Lehrers  der  beiden  Jacobi,  auf.    Nach 


262  Ent Wickelung  des  SehtUwesens  tu  Düsseldorf, 

dessen  Tode  verfiel  die  Schule  schnell;  denn  es  wurde 
kein  Rector  angestellt ,  sondern  ein  Prediger  gab  den 
Schülern  Gelegenheit,  privatim  das  Lateinische  zu  lernen. 
Dieses  Schicksal  des  Zerfalles  theilte  die  gleichalterige 
Genossin,  die  retbrmirte  Schule,  mit  ihr.  1804  gingen 
beide  ein  und  ihre  Lokale  wurden  anderweitig  ver- 
werthet.  Die  beiden  evangelischen  Elementarschulen^ 
die  lutherische  und  reformirte,  aber  hielten  sich.  1835 
wurde  eine  Freischule  besonders  eingerichtet.  Diese  drei 
Gemeindeschulen  gingen  1858  in  den  Besitz  der  Stadt 
über;  dazu  sind  1875  und  1884  noch  zwei  neue  gekommen, 
so  dass  jetzt  5  evangelische  Volksschulen  bestehen.  An 
diese  schliesst  sich  die  1822  gegründete  Rettungsanstalt 
Düsselthal,  wozu  1854  als  Filiale  die  demselben  Zweck 
dienende  Anstalt  Zoppenbrück  trat. 

Während  man  sich  mit  der  geschilderten  Lage   des 
niederen  Schulwesens  bis  in  die  Neuzeit  begnügte,   er- 
wiesen  sich  die  Strömungen,  welche   eine  Hebung  der 
höheren  Studien  veranlassten,  ungleich  mächtiger.   Hatte 
doch  die  Wiedergeburt  der  klassischen  Alterthumswissen- 
schaft  auch  in  Deutschland  den  Eifer  für  dieselbe  geweckt, 
war  ja  in  Holland  1371  das  Institut  der  Brüder  vom  gemein- 
samen Leben,   welches  so  Grosses  für  die  Schulen   des 
westlichen  und  nördlichen  Deutschland  leistete,  gegründet 
worderf.  Diese  Anregungen  mögen  auch  die  Düsseldorfer 
Bürgerschaft  geleitet  haben,  als  sie  1535  die  oben  er- 
wähnte Bittschrift  DetreflFs  Verbesserung  der  Trivialschule 
bei  dem  Magistrate  einreichte.  Die  Adresse  dieses  Gesuches^ 
welche  eigentlich  an  den  Scholasticus  und  das  Kapitel 
hätte  gerichtet  werden  müssen,  zeigte  schon,  dass  man 
die  Schule  dem  geistlichen  Einflüsse  möglichst  entziehen 
wollte.   Es  regierte  damals  im  Herzogthum  Berg  Herzog- 
Johann ;  diesem  gelang  es,  für  seinen  Sohn  Wilhelm  einen 
dem  Kreise   der   Humanisten,   besonders   dem   Erasmus 
nahestehenden  Gelehrten,  Conrad  von  Heresbach,  als  Er- 
zieher zu  gewinnen.    Als  Wilhehn  im  Jahre  1539  nach 
dem  Tode  seines  Vaters  die  Regierung  übernommen  hatte^ 
behielt  er  Heresbach  als  fürstlichen  Rath  in  seiner  Um- 
gebung.  Dieser  und  der  Jülichsche  Kanzler  von  Gogreve 
wussten    den  Herzog   zur    Errichtung   einer  den  neuen 
Ideen  entsprechenden  Schule  zu  bestimmen.   Ob  und  wie 
man  bei  diesem  Vorhaben  sich  mit  dem  Scholasticus  in 
Verbindung  setzte,  ist  bei  dem  Mangel  an  urkundlichem 
Material  nicht  mehr  zu  bestimmen.    Genug,  als  es  sich 
um  die  leitende  Persönlichkeit  handelte,  fiel  die  Wahl  auf 
Johann  Monheim.   Dieser,  auf  der  humanistischen  Schule 
zu  Münster  gebildet,  zu  Cöln  als  Lehrer  an  der  UniversitÄt 


Eift Wickelung  des  Schul totsena  lu  Düsseldorf.  263 

tliätig,  hatte  sich  genöthigt  gesehen,  wegen  seiner  dem 
Protestantismus  zuneigenden  Anschauungen  Cöhi  zu  ver- 
lassen und  ein  anderweitiges  Feld  seiner  Thätigkeit  auf- 
zusuchen.    In  Düsseldorf  hatte   er  sich  die  Gunst   des 
Herzogs  Johann  in  so  hohem  Grade  erworben,  dass  dieser, 
als  der  Papst  seine  Entfernung  verlangte,  seinetwegen 
dem  Plane,  eine  Akademie  zu  Düsseldorf  zu  gründen, 
entsagte.    Herzog  Wilhelm  stellte  ihn  also  im  Jahre  1545 
an  die  Spitze  einer  humanistischen  Anstalt.   Es  ist  zweifel- 
haft und  bedarf  noch  genauer  Untersuchung,  ob  die  durch 
Monheim   eingerichtete  Schule   eine   völlige   Neubildung 
oder  nur  eine  Erweiterung  der  alten  stiftischen  Trivial- 
schule  war.     Nettesheim  spricht  sich   anfangs   für   die 
letztere  Möglichkeit  aus,  später  hält  er  ersteres  für  wahr- 
scheinlich.   Eortüm  sagt  p.  20:    „Mit   dem  Stifte  stand 
das  Gymnasium  in  gar  keiner  Verbindung,  vielmehr  hatte 
der  Magistrat  die  specielle  Aufsicht.^     Als  Beweis  führt 
er  einen  von  Monheim  an  den  Scholasticus  Arnold  Bongard 
gerichteten   Brief  an;   hierin   weist  Monheim   den  Scho- 
lasticus, der  langer  Gewohnheit  gemäss  ein  Aufsichtsrecht 
über  die  neue  Schule  beansprucht  hatte,  sehr  entschieden 
zurück.   Und  doch  war  ein  Zusammenhang  zwischen  der 
neu  gegründeten  und  der  alten  Anstalt  dadurch  vorhanden, 
dass  der   Lehrer   der   NuUanen    (Schüler   der   untersten 
Klasse)  Dienste  bei  der  Kirche  zu  verrichten  hatte  und 
also  in   dieser  Beziehung  dem   Scholasticus   untergeben 
war.    Der  grösste  Theil  des  Gymnasiums  oder  der  fürst- 
lichen Particularschule,  wie  sie  in  den  Urkunden  genannt 
wird,   wurde   in   einem   eigens   für  die  Schule  gebauten 
Hause  in  der  Nähe  der  Lambertuskirche  untergebracht. 
vielleicht   fanden,    besonders    als    die   Schule   anwuchs, 
einzelne  Klassen,  etwa  die  untersten,  in  der  alten  Trivial- 
schule ihr  Unterkommen ;  denn  es  Ulsst  sich  nicht  leicht 
annehmen,  dass  beide  Schulen  nebeneinander  bestanden 
haben.   Das  Gehall;,  welches  Monheim  zugesichert  wurde, 
war  sehr  geling  bemessen:   50  Rthlr.   gingen  ihm  vom 
Herzog,  25  von  der  Stadt  zu.    Dazu   kamen  noch  die 
Schulgelder,  welche   unter  die  Lehrer  vertheilt  wurden. 
Dem  Quartanorum,  d.  h.  Lehrer  der  IV.  Klasse,  verfällt 
sein  Gehalt  auf  Michaelis   mit  (K)  Thlrn.  cölnisch,   dem 
Quintanorum  mit  iX)  Thlr.  auf  Michaelis,  dem  Sextanorum 
mit  25  Thlr.  zur  selben  Zeit,  dem  Nullanorum  mit  20  Thlr. 
auf  Remigius,  also  auf  den  1.  October.  Zu  den  Einkünften 
der  ersten  Rectoren  gehörte  auch  ein  Hof  zu  Keyenberg, 
den  Monheim  und  sein  Nachfolger  Fabricius  mit  Erlaubuiss 
des  Herzogs  verpachteten.    Die  Schule  als  solche  hatte 
noch    folgende   Renten:    Aus    der    Kellnerei    zu    Caster 


264  Entwickelnttff  des  Schulwesens  zu  MssMwf. 

23  Gulden  8  Albus,  aus  der  dortigen  Vikarie  20  Malter 
Roggen,  8  Malter  Gerste,  aus  der  Vikarie  zu  Born 
14V?  Malter  Roggen  und  läVs  Malter  Hafer,  ebenso  be- 
stimmte Abgaben  in  Geld  und  Getreide  von  der  Vikarie 
Blankenberg,  St.  Thomas  zu  Düsseldorf,  aus  Sehellenberg, 
Ravensberg,  alles  Gefalle,  welche  der  Herzog  der  Schule 
geschenkt  hatte. 

Das  erhaltene  Lectionsverzeichniss  vom  21.  Juli  1&Ö6 
lässt  unis  einen  tiefen  Blick  in  die  Verfassung  derselben 
thun.  Es  waren  vorhanden  7  Klassen  (Secunda,  Tertia, 
Quarta,  Quinta,  Sexta,  Septima  und  Inflma),  an  deren 
Spitze  je  ein  Lehrer  mit  dem  Titel  Conrector,  Lector  oder 
Präceptor  stand ;  praefecti  waren  Jünglinge,  welche  unter 
Aufsicht  des  Lehrers  die  Lectionen  wiederholten.  Als 
Gegenstände  des  Unterrichts  werden  genannt:  für  Se- 
cunda: Aristoteles,  Caesar,  Justinians  Institutionen;  in  com- 
binirten  Lectionen :  die  Reden  des  Demosthenes  und  Cicero. 
Auch  in  den  anderen  Klassen  findet  sich  die  Leetüre  des 
Cicero,  Vergil  und  Terenz,  in  Sexta  und  Septima  Aesops 
Fabeln,  das  I.  Buch  von  Ciceros  Briefen  mit  Auswahl. 
Die  Hauptfächer  waren  überhaupt  Griechisch,  Latein  und 
Religionslehre,  während  die  neueren  Sprachen,  darunter 
die  deutsche,  nicht  gelehrt  wurden.  Die  Schüler  unter- 
standen nach  der  Lage  ihrer  Wohnungen  der  Aufsicht 
eines  bestimmten  Lehrers;  z.  B.  hatte  der  Conrector  die 
Aufsicht  über  die  Schüler,  welche  in  der  Ratingerstrasse 
wohnten,  Steinhauer  über  die  Wohnungen  in  der  Nähe 
des  alten  Schlosses  und  der  Dussel,  Bergwald  über  die 
Mühlenstrasse ,  den  Markt  bis  zum  alten  Schloss,  Kaiser 
über  Berger-,  Rhein  und  Zollstrasse,  der  Lehrer  der  Sexta 
über  die  Kurzestrasse  und  den  Hunsrück,  der  der  Septima 
über  die  Bolker-  und  Neustrasse,  der  Präceptor  der  untersten 
Klasse  über  die  Flingerstrasse.  Dies  Verzeichniss  ist  auch 
besonders  deswegen  von  Interesse,  weil  aus  diesem  der 
Umfang  hervorgeht,  den  Düsseldorf  vor  300  Jahren  hatte. 

Tüchtige  Lehrer  unter  Leitung  des  geistvollen  Rectors 
erzielten  bald  solche  Erfolge,  dass  das  Düsseldorfer  Gym- 
nasium zeitweise  1700—2000  Schüler  zählte.  Störend  für 
die  Dauer  dieses  blühenden  Zustandes  war  die  zweifel- 
hafte Stellung,  welche  Monheim,  der  allerdings  dem 
religiösen  Hader  abgeneigt  war,  im  Kirchenstreit  ein- 
nahm. Sein  Katechismus  verwickelte  ihn  in  Streit  mit 
der  theologischen  Facultät  zu  Cöln.  Der  Herzog  sah  sich 
daher  genöthigt,  das  Buch  für  den  Schulgebrauch  zu  ver- 
bieten und  den  Katechismus  von  Canisius  an  die  Stelle 
zu  setzen.  Trotzdem  nahm  die  Frequenz  der  Schule 
wegen  des  Rufes  der  Heterodoxie  immer  mehr  ab,  während 


£kitirf€k§lunff  des  SehultcenenB  zu  DütUldorf.  265 

das  JesuitencoUegium  zu  Cöln  sich  hob.     Als  Monheim 
im  Jahre  1564  starb,  bat  die  Stadt  den  Herzog,  den  bis- 
herigen Conrector  Franz  Fabricius  zu  dessen  Nachfolger 
zu  ernennen  und  ihm  den  Johann  Brachelius  als  Conrector 
beizugeben.     Dieser   führte  das  Rectorat  in   demselben 
Geiste  wie  Monheim,  legte  aber  nicht  den  Nachdruck  auf 
die  theologischen  Studien , .  sondern  auf  die  LectQre  der 
klassischen  Schriftsteller.    GestQtzt  auf  eine  umfassende 
Gelehrsamkeit,  die  ihn  Männern,  wie  Tumebus,  Lambinus 
nahe  brachte,  ausserordentlich  geschickt  im  Lehren  und 
geliebt  wegen  seiner  edlen  Persönlichkeit,  wusste  er  bis 
zu  seinem  Tode  1573  die  BlQthe  der  Anstalt  zu  erhalten. 
(Seine  zahlreichen  Ausgaben  der  Klassiker  führt  Kortüm 
p.  35  fgg.  an.)    In  wie  einfachen  Verhältnissen  er  lebte, 
zeigt  auch  der  Umstand,  dass  seine  Tochter  Mechtildis 
sich  nach  seinem  Tode  an  den  Magistrat  mit  der  Bitte 
wandte,  ihr  in  Anbetracht  der  Dienste  ihres  Vaters  eine 
Unterstützung  „für  Brod  und  Bier*^  zukommen  zu  lassen. 
10  Thaler  wurden  ihr  bewilligt.     157.3   nahm   Dietrich 
von  der  Horst,  Amtmann  zu  Düsseldorf,  mit  dem  Magi- 
strate den  Magister  Heinrich  Betuleius  als  Conrector  an. 
Derselbe   versprach   in   seiner  Anstellungsurkunde  „mit 
Visitirung  der  Herbergen  auf  den  Spieltagen  und,  wann 
es  sonst  die  Nothdurft  und  Gelegenheit  am   meisten  er- 
heischt, keinen  Ernst  zu  sparen.   Er  soll  auch  die  Jugend 
nicht  allein  in  liberalibus  artibus  und  graeca  und  latina 
lingua  unterrichten,  sondern  besonders  zu  Gottes  Furcht 
und  allen  ehrlichen  Tugenden  und  guten  Sitten  treiben, 
zudem  sie  nichts  lehren,  das  der  allgemeinen  katholischen 
Religion  zuwider  ist." 

Schnell,  wie  das  Wachsthum  der  Schule  gewesen  war, 
trat  auch  der  Verfall  ein.  Da  die  erledigte  Rectorstelle 
nicht  sofort  besetzt  wurde,  so  zogen  sich  die  Schüler  ander- 
wärts hin;  die  truchsessischen  Unruhen,  der  nieder- 
l&ndisch-spanische  Krieg,  später  die  Thronstreitigkeiten 
lenkten  den  Blick  von  der  Monheimschen  Schule  ab. 
Auch  der  sonst  für  das  Blühen  der  Schule  so  besorgte 
Herzog  Wilhelm  liess  den  Verhältnissen  ihren  Lauf,  denn 
schon  vor  dem  Tode  des  Fabricius  wurde  er  1566  vom 
Schlage  gerührt  und  war  unfähig,  energisch  für  die  Be- 
rufung eines  tüchtigen  Rectors  zu  sorgen.  Nur  die  Bürger- 
schaft und  die  Schüler  vergassen  nicht  den  einstigen 
Glanz  des  gymnasium  illustre.  In  zahlreichen  Eingaben 
wurde  der  Magistrat  aufgefordert,  beim  Herzog  um  Wieder- 
herstellung der  Anstalt  vorstellig  zu  werden;  er  wurde 
daran  erinnert,  wie  einst  die  Stadt  und  Umgegend  viele 
Vortheile  von  den  zahlreichen  Schülern  genossen  habe. 


266  Enttoickelung  des  Schulteesens  zu  Düsseldorf. 

Man  erreichte  es  endlich,  dass  Hermann  Vielhaber  1589 
berufen   wurde.    Aber  weder  er   noch  sein  Nachfolger 
Aldringer  konnte  den  Zerfall  der  Schule  aufhalten.  Wie 
sehr  die  Zucht  schon  vorher  gesunken  war,  zeigt  eine 
Verfügung  des  Herzogs  vom  18.  Febr.  1581.   Hierin  lässt 
derselbe  dem  Magistrat  befehlen,  anlftsslich  des  Tumultes 
der  Studenten  gegen  den  Schultheiss,  wobei  sich  auch 
Bürger  und  Handwerksgesellen  betheiligt  haben,  die  Namen 
der  studentischen  Anhänger  und  Rädelsführer  anzugeben, 
welche  die  Schule  erbrochen,   die  Schulglocke  gezogen 
und  geläutet,  mit  Steinen  geworfen,  den  Tumult  besonders 
befördert,  die  Gefangenen  zu  befreien  versucht,  das  Wort 
für  die  Studenten  geführt  haben  u.  s.  w.    Durch  solche 
Vorfälle  wurde  die  Bürgerschaft  immer  wieder  an  das 
Vorhandensein   einer  in  Verfall   gerathenen   Schule   er- 
erinHert.  Mit  Wehmuth  nennt  sie  in  den  Eingaben  immer 
wieder  die  glänzenden  Namen  eines  Monheim  und  Fabricius 
und  ist  bedacht,  durch  Erhöhung  des  Lehroreinkommens 
bessere  Lehrkräfte  zu  erhalten,   wie  dies  die  Bittschrift 
des  Magistrats  an  den  BLerzog  vom  4.  Febr.  1594  hervor- 
hebt.   Im  November  desselben  Jahres  wiederholt  er  die 
Bitte  bezüglich   Anstellung   eines  Tertianorum  (Lehrers 
der  m.  Klasse)  und  Sextanorum  (Lehrers  der  VL  Klasse), 
damit  die  Schule  wieder  zu  dem  früher  weitberühmten 
Flor  gelange,  und  schlägt  zum  Sextanorum  den  Ludgerus 
Mehrenscheidt  als  geeigneten  Mann  vor.    Er  theilt  auch 
mit,  dass  der  jetzige  Nullanorum  Weinzapi  treibe,    was 
doch  keinem  Schulmeister  zu  thun  gebühre.    Dieser  sei 
ermahnt  es  aufzugeben,  thue  es  aber  nicht. 

Eins  der  ältesten  Documente  für  die  humanistische 
Schule  Düsseldorfs  im  16.  Jahrhundert  ist  eine  Disciplinar- 
Verordnung  für  die  Studenten,  die  auch  Clerici  genannt 
werden.  Das  Alter  derselben  geht  aus  der  Sprache  und 
Schrift  deutlich  hervor.  Sie  enthält  eingehende  Bestim- 
mungen über  das  Verhalten  der  Zöglinge  ausserhalb  der 
Schule  bei  Tag  und  Nacht,  über  ihr  Verhältniss  zum  Wirth, 
genaue  Anweisungen  über  Miethpreis  der  Herberge;  am 
Schluss  wird  die  Nothwendigkeit  der  Errichtung  eines 
Krankenhauses  für  die  Cleriker  und  die  Gründung  einer 
Bibliothek,  die  etwa  über  der  Sakristei  Platz  finden  könnte^ 
hervorgehoben.  Diese  Disciplinar- Gesetze  haben  schon 
Kortüm  und  Krafft  abgedruckt  und  verwerthet;  beide 
gaben  ausserdem  das  an  den  Bürgermeister  und  Rath 
am  21.  Juli  1556  eingereichte  Lectionsverzeichniss  der 
Schule  als  Beilage  heraus.  Aus  demselben  geht  hervor, 
dass  auch  in  den  Oster-  und  Michaelisferien  die  Schule 
eigentlich  nicht  geschlossen  wurde,  denn  es  wurde    in 


EnUwitk^ung  des  Schulte$$€n9  zu  DüisMarf.  267 

der  2.  und  3.  Klasse  gelesen:  die  Dialoge  des  Lucian, 
Briefe  CiceroS;  Oden  des  Horaz,  an  den  Feiertagen  der 
Psalter^  in  der  4.  und  5.  Klasse  die  Bucolica  des  Verguß 
die  Briefe  des  Horaz,  in  der  6.  und  7.  Klasse  die  Fabeln 
des  Aesop^  das  erste  Buch  von  Cicero's  Briefen ;  hierbei 
wurde  täglich  das  wiederholt,  was  im  vorhergehenden 
Semester  in  denselben  Klassen  vorgenommen  war.  Da 
in  den  Ferien  die  Prfifecten  in  die  Heimath  reisten,  so 
fand  in  der  Schule  Morgens  um  9  Uhr  und  Abends  um 

5  Uhr  eine  Repetition  durch  die  Lehrer  statt;  für  diese 
besondere  Mühewaltung  erhielten  dieselben  pro  Stunde 

6  Stttber.  Unter  dem  4.  Februar  1594  wandte  sich  der 
Magistrat  zu  Düsseldorf  an  den  fürstlichen  Rath,  um  eine 
Hebung  der  Monheim'schen  Schule  zu  veranlassen.  Es 
sei  bekannt,  mit  welch'  grosser  Mühe  und  mit  welchem 
Fleiss  durch  Job.  Monheim  und  Fabricius  als  Rectoren 
der  fürstlichen  Trivialschule  der  Jugend  sowohl  in  regi- 
mine  als  disciplina  vorgestanden  worden,  weshalb  diese 
aus  verschiedenen  fremden  Ländern  herbeieilte,  so  dass 
daraus  viele  gelehrte  Männer,  von  denen  sich  noch  Viele 
an  fremden  Höfen  befänden ,  entsprossen  seien.  Es  sei 
sehr  zu  beklagen,  dass  die  Rectoren  zu  früh  gestorben, 
wodurch  ebenso  wie  durch  den  Kölnischen  Krieg  die 
Schule  in  merklichen  Abgang  gerathen  sei.  Dies  sei  ein 
grosser  materieller  Schaden  für  die  Bürgerschaft  und 
die  umliegenden  Dörfer.  Er  bittet  ^die  Mittel  zu  be- 
denken^ womit  vielgemeldete  Schule  zu  besserm  Stand 
mit  Erhöhung  den  Schulmeistern  ihrer  Competenz  zu 
bringen.*^  Die  Stadt  selbst  sähe  sich  ohne  Mittel.  Die 
Einkünfte  wären  durch  das  stete  Hoflager  und  die  be- 
schwerlichen Bauten  überladen.  Die  Wirthe  hätten  auch 
noch  keine  Bezahlung  des  Vorgestreckten  von  der  herzog- 
lichen Hochzeit  erhalten.  Magistrat  bittet  darauf  zu  sehen, 
dass  ein  berühmter  und  gelehrter  Rector  und  ein  geschick- 
ter Tertianorum  und  Sextanorum  berufen  werde,  ,|damit 
die  Schull,  wan  dieselbige  mit  nottürftiger  Anzahl  der 
Präceptoren  widder  besetzt,  zu  vorigen  Stand  und  Flor 
gerhaten,  und  die  benachbarten  Leute  ihre  Kinder  hier- 
hin tamquam  ad  reflorescentia  studia  zu  senden,  desto 
mehr  angereizt  werden.^  Folgends  möge  man  betrachten, 
ob  etwa  mortiflcirte  Güt^r  oder  doch  sonst  etwas  vor- 
handen sein  möchte,  welches  zu  genannter  Schule  Unter- 
halt zu  gebrauchen  sein  möchte.  Der  Dechant  habe  zur 
Erhaltung  seiner  Mutter  und  Schwester,  die  doch  schon 
gestorben  seien,  20  Malter  Korn  jährlich  erhalten.  Diese 
sollte  man  der  Schule  zuwenden,  auch  sorgen,  dass  die 
Wirthsleute   „nun   einmal   nach  so   lange  Zeit  gehabter 


268  EnfwickeluMg  des  Schuf toesena  zu  DüBseldorf, 

Gedult  befriedigt  würden".  Schon  im  November  desselben 
Jahres  (1594)  bittet  der  Magistrat  um  Entscheidung  be- 
züglich der  Anstellung  eines  Tortianorum  und  Sextanorum 
an  der  fürstlichen  Trivialschule,  damit  die  Schule  wieder 
zu  dem  weit  berühmten  Flor  gelange,  und  schlagt  zum 
Sextanorum  den  gewesenen  Sextanorum  Ludgerus  Mehren- 
scheidt  als  geeigneten  Mann  vor.  Schon  1581  wenden 
sich  die  Schüler  der  1.  Klasse  an  den  Magistrat,  um  Ab- 
hilfe der  bestehenden  Beschwerden,  y,da  wir  ungern  von 
hier  weggehen,  sondern  viel  lieber  sehen,  dass  viele  guter 
Leute  Kinder  mit  Frohlocken  dieser  Bürgerschaft  wieder 
zu  uns  kommen  möchten."  Den  zeitigen  Rector  Mylander 
halten  sie  für  unfähig,  indem  sie  sagen:  Nam  ut  de 
doctrina  huius  hominis  hie  nihil  dicamus,  ipsa  tarnen 
experientia  nimirum  constat  ipsum  ad  administrandam 
scholam  esse  ineptissimum. 

Interessant  ist  eine  bis  jetzt  ungedruckte  Urkunde 
vom  27.  October  1600,  in  welcher  der  Rath  die  Gebrechen, 
welche  sich  an  der  Schule  eingeschlichen  haben,  aufdeckt 
und  ein  Mittel  zur  Abhülfe  angiebt. 

1.  Anfänglich  halten  es  Bürgermeister  und  Rath  für 
unziemlich,  dass  den  auditores  tertiae  classis  per  inter- 
capedinem  lectionum  aus  der  Schule  zu  bleiben  erlaubet 
werde,  deshalb  solches  abzuschaffen,  und  ihnen,  wie 
vormals  etliche  gute  auditores  zum  Vorzulesen  zu  geben. 

2.  Dass  auch  die  Stunden,  so  lectionibus  scholasticis 
bestimmt,  fleissiger  observiert  werden,  daneben  der  Rector 
so  wenig  als  seine  CoUegen  (ausserhalb  Leibs  Schwach- 
heit und  anderen  unumgänglichen  Ursachen)  des  Aus- 
bleibens sich  nicht  ermächtigen. 

3.  Dass  scholasticae  leges  cum  notis  nicht  allein  in 
classibus,  sondern  auch  in  octuriis  singulis  gehalten  werden, 
die  Kinder  zu  ermahnen  und  Aufsicht  zu  haben. 

4.  Und  gleichfalls,  dass  sich  dieselben  mit  täglichem 
Conjugiren,  Compariren  und  Decliniren,  wie  von  alters 
gebräuchlich,  ante  horam  et  adventum  praeceptorum  üben 
und  nicht  übersehen. 

5.  Auf  diejenigen,  so  post  sonitum  horae  zu  der  Schule 
kommen,  ernstlicher  Acht  zu  haben  und  zu  bestrafen. 

6.  Hinfttrder  die  candidatos  et  altiorem  classem  pe- 
tentes  nicht  allein  durch  die  praeceptores,  sondern  auch 
den  Rector  selbst  in  omnibus  praeceptis  cuiusque  classis 
zu  examiniren. 

7.  Die  strafwürdigen  nicht  aus  Ounst  zu  übersehen, 
und  die  unschuldigen  aus  Missgunst  oder  Hass  nicht  über- 
fallen, sondern  pro  qualitate  delicti  et  delinquentiura 
malitia  discretion  zu  halten. 


BntwicMung  d$9  SdiulweaeM  zu  DÜweldotf,  2($9 

8.  So  sehet  man  auch  wohl  vor  gut  an  (jedoch  auf 
Verbesserung  des  Rectors  und  Schulmeisters),  dass  in  den 
3  winterlichen  und  kältesten  Monaten,  nAmlich  Decembri, 
Januario  und  Februario,  die  Studenten  den  Morgen  zu 
sieben  und  des  Abends  zu  dreien  Uhren  bis  zur  vierten 
Stunde  in  die  Schule  zu  kommen  gehalten  werden,  weil 
auch  zu  Cöln  in  den  gymnasiis  früher  und  später  die 
lectiones  nicht  gehalten  werden. 

9.  Dass  der  Rector  sich  zu  den  Bürgern,  so  ihre 
Kinder  auswendig  ad  triviales  scholas  zu  schicken  vor- 
nehmen, verfüge,  und  dasselbe  ihnen  mit  Zusage  besserer 
Anordnung  und  Fleisses  gütlich  widerrathe. 

l5.  Gleichfalls  auch  auf  den  Strassen  oder  in  der  Nähe, 
da  die  Schulkinder  wohnen,  bet(Ordern,  dass  geschickte 
GeseUen  denselben  zu  praefectis  angeordnet  werden, 
alles  doch  nach  Gelegenheit,  und  so  viel  möglich. 

11.  Es  wird  auch  für  rathsam  gehalten,  dass  in 
Tertia  und  Quarta  classibus  die  Dialectica,  so  zu  Cöln 
in  Gymnasiis  bräuchlich,  vorgelesen  werde,  damit  die 
Kinder,  so  von  hinnen  auf  Cöln  zur  Ausführung  ihrer 
Studirung  geschickt,  mit  neuen  praeceptis  desto  weniger 
alsdann  beschweret  werden. 

12.  Zudem,  dass  der  Rector  sammt  seinen  Collegis 
unter  sich  die  Anordnung  thun,  dass  dem  alten  Brauch 
und  Schuldigkeit  nach  extraordinarie  andere  liberales 
artes  publice  gelesen  und  dociert  werden,  als  namentlich 
in  allen  und  jeden  Wochen  Musica  drei  Tage,  jedesmal 
eine  Stunde,  Arithmetica  in  zweien  andern  Tagen  und 
zum  dritten  Sphaera  Procli  oder  dergleichen  auf  einen 
andern  Tag  oder  Stunde. 

13.  Die  Vorsehung  zu  thun,  dass  inter  Tertlae  classis 
auditores  jeder  zu  allen  halben  Jahren  ein  oder  mehrere 
Male  publice  declamire,  darzu  dann  Urnen  gute  Anleitung 
zu  geben,  dass  auch  dieselben  wöchentlich  einmal  post 
ordinariam  lectionem  publice  disputieren,  darzu  ihnen 
materie  ex  dialectica,  oder  sonst  theses  ex  moralibus  zu 
geben. 

14.  Genannte  Tertlanos  samt  den  quartanis  und 
quintanis  mit  Ernst  dahin  zu  halten,  dass  sie  zu  allen 
und  jeden  Wochen  carmina  machen,  und  des  Dinstags 
übergeben,  und,  da  man  variationes  sententiarum  oder 
andere  dergleichen  exercitia  auflegen  wollte,  dass  solches 
neben  den  carminibus  und  ohne  Versäumung  derselben 
geschehe. 

lö.  Dass  den  Sextanis  und  Septanis  wöchentlich 
deutsche  Argumenta  pro  captu  puerorum  ins  Lateinüber- 
setzen dictirt,  mit  nichten  aber  etwas  aus  den  Evangeliis 


270  SkhcicMung  des  SehuheesenB  zu  Ddiseldorf. 

und  andern BQchern  zu  schreiben  und  loco  exercitii  (welches 
inflmae  classis  discipulis  besser  anstehet)  zu  Obergeben 
zugelassen  werde. 

16.  Und  möchte  denselben  des  Dinstags  die  Con- 
structiones,  wie  bis  anhero  üblich,  zu  exhibiren  auferlegt 
werden. 

17.  Die  täglichen  repetitiones  lectionum  mit  den 
Kindern  nicht  zu  unterlassen,  sonst  auch  alle  und  jede 
exercitia,  so  zu  dero  besseren  Information  dienlich  und 
von  Alters  her  auch  sonst  in  aliis  bene  consitutis  Oymnasiis 
bräuchlich,  proposito  honoris  praemio  et  poena  vorzustellen, 
damit  die  Kinder  desto  bälder  in  bonis  artibus  et  moribus 
zunehmen  möge.^ 

Die  Gebrechen,  welche  der  Magistrat  im  Jahre  1600 
in  der  Schule  erkannte,  erstreckten  sich  also  auf  Un- 
Pünktlichkeit  der  Lehrer  und  Schüler,  Nichtbeachtung 
der  Schulgesetze  und  Parteilichkeit  im  Strafen.  Andere 
Bestinunungen  betreflfen  den  Unterricht  selbst,  der 
sich  möglichst  an  den  des  Cölner  Gymnasiums  anzu- 
schliessen  hat. 

Unter  diesen  Verhältnissen  war  im  Jahre  1614  das 
Haus  Pf  alz  -  Zweibrücken  auf  den  Thron  gelangt.  Wolf> 
gang  Wilhelm  brach  mit  der  Tradition  des  »Schwankens 
in  kirchlicher  Beziehung,  welches  seine  Vorgänger  seit 
der  Reformation  gezeigt  hatten.  Er  wandte  sich  energisch 
dem  Katholicismus  zu  und  schenkte  ^eine  Gunst  dem 
damals  in  Blüthe  stehenden  Jesuitenorden.  Auf  seine 
Einladung  kamen  im  März  1619  zwei  Ordensbrüder  nach 
Düsseldorf,  ihre  Zahl  stieg  Ende  1620  auf  dreizehn.  Als 
Lokal  diente  ihnen  das  alte  Schulgebäude,  welches  sie 
jedoch  1625  mit  dem  vom  Herzog  angekauften  Ossen- 
broich'schen  Haus  am  Mühlenplatze  und  1655  mit  dem 
eigentlichen  JesuitencoUegium,  dem  jetzigen  Regierungs- 
gebäude, vertauschten.  Der  nach  Westen  gelegene  Theil 
der  Monheim'schen  Schule  an  der  Lambertuskirche  fiel 
durch  Kauf  an  das  Stift  und  wurde  zu  Wohnungen  der 
Kapitulare  verwendet,  der  andere  Theil  wurde  der  Stadt 
überwiesen  mit  der  Verpflichtung,  eine  Kinderschule  darin 
zu  unterhalten.  Diese  überlässt  ihren  Antheil  1651  dem 
Kapitel  gänzlich. 

Bei  Berufung  der  Jesuiten  nach  Düsseldorf  hat  der 
Fürst  und  der  Magistrat  seine  Rechte  in  Betreff  der  WaU 
der  Lehrer  aufgeben  müssen.  Fortan  finden  wir  nur  noch 
die  Anstellung  des  Lese-  und  Schreiblehrers  und  des 
NuUanorum  in  den  städtischen  Urkunden  erwähnt.  Dieser 
letztere  Umstand  macht  es  wahrscheinlich,  dass  "wenig* 
stens  die  unterste  Klasse  der  alten  Trivialschule  neben 


Entfrickelung  des  Sehuitre$ena  zu  DüsaMorf.  271 

den  neuen  Anstalten  immer  unter  städtischem  Patronat 
fortbestanden  hat.  Nach  1676  berichtet  der  Rath  an  den 
Herzog,  dass  die  Stadt  mit  einem  lateinischen  und  deutschen 
Schulmeister  gar  wohl  versehen  sei. 

Mit  dem  Gymnasium  der  Jesuiten  war  auch  eine 
Anstalt  für  arme  Theologen  verbunden,  welche  ein  Ca- 
nonicus  der  Stiftskirche,  Peter  Lair,  unter  dem  Titel  des 
Erlösers  (Salvatoris)  gegründet  hatte.  Die  Jesuiten  rieh 
teten  die  ihnen  übertragene  Schule  nach  der:  ratio  et 
institutio  studiorum  societatis  Jesu  vom  Jahre  1599  ein; 
Lateinschreiben  und  -sprechen,  Gewandtheit  in  der  Logik 
und  Rhetorik  waren  die  Hauptziele.  Die  studia  inferiora, 
etwa  dem  heutigen  Gymnasium  entsprechend,  umfassten 
b  Klassen:  1.  Infima,  2.  Grammatica,  3.  Syntaxis,  4.  Poe- 
tica  oder  Humanitas,  5.  Rhetorica.  1 — 3  incl.  hiessen 
auch  Grammatica,  die  beiden  oberen  Humanitas.  Jede 
Klasse  war  auf  ein  Jahr,  die  Rhetorica  auf  zwei  Jahre 
berechnet.  Auf  diese  Klassen  folgten  die  studia  superiora 
oder  Lycealklassen ,  die  in  einem  zweijährigen  philo- 
sophischen Lehrgang  (Logica)  und  ein  vierjähriges  Fach- 
studium zerfielen.  Mittel  auf  die  Schüler  einzuwirken 
waren:  die  Ämulation,  das  Concertiren,  die  Wahl  der 
Hagistrate  durch  die  Schüler  und  zahlreiche  Preisver- 
theilungen.  Es  liegen  dem  Verf.  die  aus  der  Gymnasial- 
bibliothek bereitwillig  zur  Verfügung  gestellten  Programme 
der  Jahre  1755,  1761,  1789  und  1798  vor.  Das  erste  ent- 
hält ein  Trauerspiel  „Jephte^,  welches,  dem  alten  Testa- 
ment (Buch  der  Richter,  Cap.  XI)  entnommen,  am  24. 
und  2d.  September  offenbar  in  Gegenwart  des  Landes- 
herrn  von  der  „auserlesenen^  Jugend  der  5.  Klasse  auf- 
geführt wurde.  Am  Schlüsse  fand  unter  einer  dem  Ge- 
schmack der  Zeit  entsprechenden  Huldigung  des  Herzogs 
die  Preis vertheilung,  welche  meist  in  Büchern  bestand,  statt. 
Reichhaltiger  ist  das  zweite  Programm,  welches  folgendes 
enthält:  die  durch  Prämien  ausgezeichneten  Schüler 
der  Rhetorik,  Humanitas,  der  Grammatica  in  ihren  drei 
Abtheilungen,  dann  folgen  Thesen  aus  dem  Gebiete  der 
Philosophie,  Arithmetik,  Theologie  und  Geschichte  für  die 
Zöglinge,  welche  die  studia  superiora  vertraten.  Im 
Sommer  wurden  förmliche  Disputationen  in  der  Aula  vor  dem 
Publicum,  auch  wohl  in  Gegenwart  des  Fürsten  abgehalten. 
Der,  welcher  die  Thesen  aufstellte,  hatte  dieselbe  gegen 
alle  Anwesende  zu  vertheidigen  und  als  richtig  zu  be- 
i^eisen.  Beigefügt  ist  endlich  eine  genaue  Inhaltsangabe 
des  aufgeführten  Trauerspiels:  ^Themistocles,  ein  Opfer 
der  Liebe  zum  Vaterlande."  Mit  dem  Hauptstück  war  ein 
Vorspiel  verbunden,  welches,  der  römischen  Geschichte 


272  Entu>iekelung  des  Sehulw^senM  zu  Däntdd^rf. 

oder  Mythologie  entnommen^  sich  zu  einer  Huldigung  des 
anwesenden  Fürsten  zuspitzte  und  der  Pr&mienvertheilung 
vorausging.  Mit  diesen  Vorspielen  waren  jedenfalls  rhyth- 
mische Bewegungen  verbunden,  denn  sie  werden  auch 
Tänze  genannt.  Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  mit 
diesen  theatralischen  Aufführungen  gegen  Ende  September 
das  Schuljahr  geschlossen  w^urde,  dass  aber  schon  während 
des  ganzen  Sommers  Disputationen,  welche  sich  auf  alle 
Gebiete  des  Wissens  erstreckten,  unter  Aufsicht  eines 
Professors  von  den  Zöglingen  der  studia  superiora  ab- 
gehalten wurden.  Die  Schülerverzeichnisse  zeigen  mir 
wenige  Namen  von  auswärtigen  Schülern.  Mayen,  Rhein- 
berg, Aachen,  Venlo,  Gladbach,  Blankenstein  sind  zeit- 
weise vertreten.  In  dem  Programm  von  1789  finden  wir 
nur  4  Klassen:  1.  Orammatica  inf.  mit  32  Schülern,  2. 
Gramm,  sup.  mit  23,  3.  Rhetorica  inf.  mit  18,  4.  Rhetorica 
sup.  mit  23  Schülern,  im  Ganzen  96  Schüler.  Im  Pro- 
gramm 1798  sind  nur  noch  52  namentlich  aufgeführt. 
Wir  können  daraus  den  Schluss  ziehen,  dass  die  Anstalt, 
als  1773  der  Jesuitenorden  aufgelöst  wurde,  allmälig  dem 
Zerfalle  entgegenging.  Zwar  übernahmen  die  Congrega- 
tionisten  (Exjesuiten)  mit  einzelnen  Franziskanerpatres 
den  Unterricht,  aber  ohne  nennenswerthen  Erfolg,  bis 
durch  den  Reichsdeputationshauptschluss  im  Jahre  1803 
die  Anstalt  gänzlich  aufgelöst  wurde. 

In  dem  Lectionsplan  der  Schule  Monheims  und  der 
Jesuiten  lagen  gewisse  Keime  für  eine  Anstalt,  die  über 
das  Ziel  der  höheren  Schulen  als  Mittelschulen  zwischen 
Elementarschule  und  Universität  hinausgingen.  Man  kann 
nämlich  deutlich  erkennen,  dass  in  den  oberen  Klassen 
auch  eine  Vorbereitung  für  diejenigen  vorgesehen  war, 
welche  auf  Grund  einer  besonderen  Vorbildung  Anspruch 
auf  ein  öffentliches  Amt  machten.  Schon  Herzog  Johann 
versuchte  es,  wie  wir  oben  sahen,  in  Düsseldorf  eine 
förmliche  Akademie  zu  gründen ;  er  gab  diesen  Gedanken 
erst  dann  auf,  als  ihm  die  Entfernung  des  in  kirchlichen 
Dingen  zweideutigen  Monheim  als  Vorbedingung  auferlegt 
wurde.  —  Aber  nur  die  Theologen  und  Juristen  erhielten 
einige  Anleitung  durch  Erklärung  der  Institutionen  und 
des  alten  und  neuen  Testamentes  in  der  fürstlichen  Par- 
ticularschule ;  für  die  Mediciner  geschah  nichts.  Bei  den 
Jesuiten  war  schon  in  den  obenerwähnten  studia  superiora 
eine  Art  Facultät  für  Theologie  und  Philosophie  gegeben ; 
an  dem  zwe^ährigen  philosophischen  Cursus  nahmen  auch 
Juristen  und  Mediciner  Theil,  während  der  vierjährige 
theologische  speciell  für  den  Ordensnachwuchs  und  die 
Weltgeistlichen  bestimmt  war.    Drei  für  die  Philosophie 


Eittwickelung  d€8  Schuf wen^m  za  DSsseldorf,  273 

bestimmte  Professoren  trugen  Moral,  eigentliche  Philosophie 
und  Mathematik  vor.  Die  vier  für  die  Theologie  bestimmten 
Docenten  behandelten  die  hl.  Schrift,  das  kanonische 
Recht,  Hebräisch,  scholastische  Theologie  und  Casuistik. 
Auch  die  Franziskaner  eröffneten  167-J,  weil  es  das  Tri- 
dentiner  Concil  so  vorschrieb,  einen  theologischen  Lehr- 
kursus,  welcher  noch  erweitert  wurde,  als  nach  1773  durch 
Aufhebung  des  Jesuitenordens  die  Congregationisten,  d.  h. 
die  Exjesuiten,  allm^lig  ausstarben.  £>er  Staat  betheiligte 
sich  durch  Zuschüsse  zu  den  Besoldungen  für  die  einzelnen 
Docenten  an  diesen  Studien  umsomehr,  da  ihm  durch 
Einziehung  der  Jesuiten coUegien  reiche  Mittel  zuflössen. 
Indessen  die  kriegerischen  Zeiten  am  Anfange  des  19.  Jahr- 
hunderts bewirkten,  dass  man  dieser  Anstalt  wenig  Be- 
achtung schenkte,  sie  ging  1803  ein.  Nach  V/^jAhnger 
Unterbrechung  wurden  zwar  die  theologischen  Vorlesungen 
durch  einen  Professor  fortgesetzt,  aber  die  Leipziger 
Schlacht  räumte  auch  damit  auf. 

Was  die  juristischen  Vorlesungen  anbetrifft,  so  waren 
schon  lange  besondere  Professoren  für  die  sogenannte 
Rechtsschule  in  Thätigkeit,  aber  sie  lassen  sich  erst  für 
das  Jahr  1728  nachweisen.  1769  wurden  dieselben  staat- 
lich anerkannt.  Vier  Docenten  lasen  damals,  nur  der 
besoldete  ununterbrochen.  Nach  langen  Verhandlungen 
wurde  durch  den  Churfürsten  1804  eine  Verordnung  ver- 
öffentlicht, wonach  der  Besuch  der  Düsseldorfer  Akademie 
als  ausreichend  für  Diejenigen  erachtet  wurde,  welche 
sich  um  ein  geistliches  oder  weltliches  Amt  bewarben. 
Tönnies  nennt  in  euier  besonderen  Schrift  folgende  Do- 
centen der  juristischen  Facultät  zu  Düsseldorf.  Heinrich 
Brewer  las  etwa  bis  1812,  die  beiden  Dewies,  Karl  Anton 
Hamacher,  Franz  Anton  Hedderich,  der  auch  ausserhalb 
JQlichs  und  Bergs  einen  geachteten  Namen  hatte;  Karl 
Joseph  Henoumonty  gebürtig  aus  dem  Luxemburgischen, 
las  seit  1774.  Johann  Wilhelm  Neuss,  geb.  1781,  hatte 
mit  15  Jahren  das  hiesige  Gymnasium  absolvirt,  hörte 
dann  die  Vorlesungen  bei  Henoumont,  dessen  befähigtster 
Schüler  er  war;  Joseph  Schräm  ging  später  als  Biblio- 
thekar an  die  neugegründete  Universität  Bonn.  Johann 
Wilhelm  Windscheid,  las  um  1775,  starb  1801  als  wirk- 
licher Geheimrath.  Die  meisten  waren  Professoren  ün 
Nebenamt,  sie  hatten  meist  eine  einträgliche  Advocatur, 
der  sie  ihre  Hauptkräfte  widmeten.  Karl  Hamacher  ver- 
öffentlichte 1803  einen  Entwurf  eines  Lehr-  und  Studien- 
planes für  juristische  Academien.  Er  beklagt  darin  die 
planlose  Lehrart  der  Rechtswissenschaft  und  schlägt  vor, 
fünf  Professorea  ohne  Nebenamt  anzustellen,  welche  nach 

18 


274  Enttcickelung  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf, 

bestimmtem  Plane  lesen  sollten.  Er  entwickelt  ein  gerade 
nicht  ansprechendes  Bild  der  hiesigen  juristischen  Facultät. 
wenn  er  sagt:  ^Ohne  alle  pädagogische,  encyclopädische 
und  geschichtliche  Vorkenntnisse  wird  der  angehende 
Rechtsbeflissene  gewöhnlich  in  das  weitschichtige  Gebiet 
der  Rechtswissenschaft  eingeführt,  während  weder  die 
Dauer  eines  Cursus  noch  die  Studienzeit  überhaupt  fest 
bestimmt  ist." 

Es  lässt  sich  auch  eine  anatomische  Lehranstalt  nach- 
weisen, deren  Anfänge  bis  1740  zurückgehen.    Zuerst  war 
sie  eine  Privatunternehmung,  durch  die  Medicinalordnung 
vom  Jahr  1773  erhielt  sie  aber  staatliche  Anerkennung. 
Es   wurde    darin    von    den    approbirten   Chirurgen  der 
Nachweis  gefordert,  dass  sie  auf  dem  Düsseldorfer  tbeatrum 
anatomicum  oder  anderswo  die  Anatomie  gehört  hätten. 
Aber  nur  die  Chirurgen  bildeten  sich  in  Düsseldorf,  vom  Arzte 
wurde  der  Besuch  einer  Universität  verlangt.    Auch  für 
andere  Gebiete  des  Wissens  fanden  öffentliche  Vorlesun- 
gen statt,  z.  B.  für  Geometrie,  Baukunst  und  Cameralistik 
fLand-,  Berg-  und  Forstiwrthschaft,  Polizei,  Finanzen  und 
Staatsöconomie),  wie  das  aus  den  vorliegenden  jülichschen 
und  bergischen  Nachrichten  für  das  Jahr  1799  hervor- 
geht.    Das  allen  diesen  Bestrebungen  Gemeinsame    ist 
folgendes :  Zuerst  bieten  sich  die  Lehrer  für  gewisse  Fächer 
freiwillig  zum  Unterrichten  an.    Der  Staat  giebt  seine 
Zustimmung,  leistet  aber  erst  Zuschüsse,  wenn  er  sieht. 
dass  ihm  dadurch  ein  guter  Beamtenstand  gesichert  wird. 
Der  Besuch   einer  Universität   wurde   nur  von   solchen 
verlangt,   welche  sich  um  die  höchsten  Stellungen   be- 
warben.   Für  den  gewöhnlichen  Beamten  waren  die    in 
Düsseldorf  gehaltenen  Vorlesungen  ausreichend. 

Der  Gedanke,  aus  diesen  verschiedenartigen  Trümmern 
einer  Hochschule  eine  umfassende  Akademie  erstehen  zu 
lassen,  lag  nahe.  Murat,  der  Grossherzog  von  Berg,  fasste 
ihn,  Napoleon  brachte  ihn  der  Ausführung  nahe  durch 
das  Decret  vom  17.  December  1811.  Hierdurch  wurde 
der  neu  zu  gründenden  Anstalt  eine  Dotation  von  114,000 
Francs  zugewiesen,  vier  Facultäten  sollten  das  ganze 
Wissensgebiet  umfassen.  Die  Verhandlungen  über  die  Ver- 
mehrung der  Lehrkräfte  zogen  sich  bis  in  das  Jahr  1814 
hinein,  in  welchem  nach  der  Besiegung  Napoleons  jeder 
Gedanke  an  eine  Universität  in  Düsseldorf  aufgegeben 
wurde. 

Wenn  auch  die  Erhebung  Düsseldorfs  zu  einer  Uni- 
versität damals  und  auch  später  nicht  erfolgte,  so  erhielt 
CS  jedoch  im  18.  Jahrhundert  durch  einen  hochherzigen 
Fürsten  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  eine  Anstalt,  welche 


Entwiektlung  des  Schulwesens  xn  Düsseldorf,  275 

ihren  glanzvollen  Ruf  weit  über  die  Grenzen  Europas 
verbreitet  hat  und  noch  verbreitet.  Jeder  weiss,  dass 
hier  die  Kunstakademie  gemeint  ist.  Sie  soll  hier  nicht 
eingehend  besprochen  werden,  aber,  da  auch  sie  der 
Unterweisung  und  dem  Unterricht  ihr  Dasein  verdankt, 
eine  kurze  Erwähnung  finden.  Schon  seit  dem  Jahre 
1767  bestand  zu  Düsseldorf  eine  „Zeichnungs-Akademie", 
welche  im  Jahre  1777  zu  einer  Akademie  der  schönen 
Künste  von  dem  Churfürsten  Carl  Theodor  erweitert 
wurde.  Um  das  Jahr  1780  war  folgendes  Lehrpersonal 
vorhanden:  L.  Krähe,  Director  1767 — 1790,  Erb,  Professor 
der  Baukunst;  Bäumchen,  Professor  der  Bildhauerkunst: 
Bruillot,  Professor  der  Malerkunst,  H.  Schmitz  in  der 
Kupferstecherkunst;  Aloys  und  Lambert  Cornelius,  In- 
spectoren  der  Akademie,  der  erstere  der  Vater,  der  letz- 
tere der  Bruder  des  grossen  Cornelius.  Nachdem  die 
Gallerie  im  Jahre  1805  nach  Baiern  gebracht,  das  Herzog- 
thum  Berg  an  Frankreich  gefallen,  und  Bouillot  und 
Johann  Peter  Langer  (der  letzte  Director  der  Akademie 
1790 — 1806)  nach  München  gegangen  war,  fristete  die 
Akademie  nur  kläglich  ihr  Dasein.  Schaeffer,  Thelott 
und  Lambert  Cornelius  führten  ihr  Lehramt  fort.  Der 
letztere  war  ausserdem  Zeichenlehrer  an  dem  inzwischen 
neu  eingerichteten  Gymnasium.  1816  belief  sich  die  Zahl 
der  Schüler  auf  89.  Das  grosse  Akademiegebäude  auf 
der  Akademiestrasse  wurde  1810  von  dem  Minister  des 
Innern  in  Besitz  genommen,  die  Schule  aber  in  das 
Franziskanerkloster  verwiesen,  wo  auch  das  Lyceum  oder 
Gymnasium  seine  Zimmer  hatte.  Dieses  räumliche  Zu- 
sammenwohnen liess  sogar  den  Gedanken  in  Erwägung 
ziehen,  ob  es  nicht  angängig  wäre,  zwischen  der  Akademie 
der  bildenden  Künste  und  dem  Gymnasium  eine  Ver- 
bindung herzustellen.  Kortüm  erklärte  sich  mit  ent- 
schiedenen Worten  gegen  eine  solche  Vereinigung.  „Das 
Streben  eines  Gymnasiums  ist  ganz  auf  das  Allgemeine 
gerichtet,  welches  zwar  das  Besondere  einschliesst,  aber 
nicht  als  solches  unmittelbar  berücksichtigt.  Eine  Kunst- 
schule ist  ganz  auf  das  Besondere  gerichtet,  mithin  ist 
eine  Verbindung  einer  solchen  Anstalt  mit  dem  Gymnasium 
nicht  möglich,  wenn  die  Idee  des  letztern  nicht  aufgehoben 
oder  wenigstens  getrübt  werden  soU.^  Mit  diesen  Gründen 
war  der  Plan,  die  Kunstschule  mit  dem  Gymnasium  zu 
verbinden,  abgethan,  aber  es  dauerte  doch  noch  einige 
Jahre,  bis  man  energische  Schritte  zur  Hebung  der  Kunt- 
schule  that.  An  dieser  Stelle  verdient  auch  die  gleichfalls 
von  Karl  Theodor  gegründete  Landesbibliothek  Erwähnung. 
Sie  wurde  anfangs  ansehnlich  bereichert  auf  Grund  einer 


276  Enttciekelun^  dis  Seliiäfr$$€ns  zu  DU$$M9rf. 

Verordnung,  wonach  jeder  angestellte  Beamte  ein  Werk 
von  grösserem  Umfange  im  Werthe  von  mindestens  zehn 
Thalern  an  sie  abgeben  musste.  Daneben  bestand  noch 
eine  Sammlung  als  Handbibliothek,  die  im  Local  der 
Landesbibliothek  zur  Benutzung  des  Publicums  aufgestellt 
war.  Heute  dient  diese  Bibliothek,  die  allmfllig  durch 
regelmässige  Zuschüsse  des  Staates  auf  50,000  Bjindo 
angewachsen  ist,  den  Interessen  der  Wissenschaft  für 
Stadt  und  Umgegend. 

Die  politischen  Verhältnisse  am  Ende  des  18.  und  am 
Anfang  des  19.  Jahrhunderts  hatten  alle  höheren  Studien 
in  Düsseldorf  dem  Untergang  nahegebracht,  aber  in  den 
Zeiten  der  politischen  Umwälzungen  kam  wieder  neues 
Leben  in  alle  der  Wissenschaft  gewidmeten  Veranstal- 
tungen, denn  ein  frischer  Hauch  wehte  nicht  nur  auf 
dem  Gebiet  des  nationalen  Bewusstseins ,  sondern  auch 
auf  allen  Gebieten  des  Wissens  und  Könnens  raftte  sich 
mächtigder  zu  frohem  Schaffen  angeregte  menschliche  Geist 
auf.  Dassbei  diesem  neuerwachten  Streben  das  Schulwesen 
eine  Umgestaltung  erfuhr,  ist  selbstverständlich.  Aber  schon 
ehe  die  Entscheidung  in  den  Befreiungskriegen  gefallen  war, 
wandte  man  seine  Aufmerksamkeit  auf  die  Schule.  Auch  in 
Düsseldorf  war  man  darauf  bedacht,  das  alte  Gymnasium 
den  neuen  Anschauungen  entsprechend  umzugestalten. 
So  wurde  die  Verordnung  vom  20.  Nov.  1805  erlassen. 
Dieselbe  führt  die  Gegenstände  des  Unterrichtes  und  die 
Aufnahmebedingungen  an.  Es  werden  gelehrt:  die 
griechische  und  lateinische  Sprache  mit  der  entsprechenden 
Leetüre,  dazu  die  Alterthümer,  die  Archäologie,  Mytho- 
logie, alte  Geographie,  reine  Mathematik,  Physik 
und  Astronomie,  Rhetorik,  Logik  und  Erfahrungsseelen- 
lehre, deutsche  und  iVanzösische  Spräche,  Stilübung  und 
Declamation,  ältere  und  neuere  Geschichte,  Geographie, 
Naturgeschichte,  gewöhnliches  Rechnen,  Schönschreiben, 
Zeichnen,  Botanik  und  Vocalmusik.  Den  Religionsunter- 
richt für  die  katholischen  Schüler  giebt  der  Rector  des 
Lyceums.  Zur  Aufnahme  wird  nur  fertiges  Lesen  und 
Schreiben  der  deutschen  Sprache  erfordert.  Das  Schul- 
geld, 20  Rthlr.  betragend,  wird  an  den  Rector  bezahlt, 
der  eine  Karte  als  Quittung  verabfolgt.  Am  Schlüsse  der 
Verfügung  wird  die  Privat-Pensionsanstalt  des  Professor 
Kuithan  für  auswärtige  Schüler  empfohlen.  Der  Unterricht 
wurde  in  dem  ehemals  von  den  Franziskanern  bewohnten 
Kloster  an  der  Citadelle,  und  zwar  in  5  Sälen  gegeben. 
Mit  dem  Beginn  des  Winters  1807  wurde  eine  Vorbereitungs- 
klasse eingerichtet  und  dafür  ein  besonderer  Lehrer  an- 
gestellt.   Im  Jahre  1810  musste  das  Kloster  auch  einen 


Entfwiekelang  des  Schulwesens  zu  Düsseldotf,  277 

Theil  der  Kunstakademie ,  die  Zeicheuscliule  und  Archi- 
tektur mit  einigen  Sammlungen  aufnehmen. 

Die  Lehrer  waren  grösstentheils  schon  bejahrte  Geist- 
liche,  denen  besonders  die  griechische  Sprache  fast  gänz- 
lich fremd  war.    Man  berief  daher  einige  Weltliche,  wie 
den  Astronomen  Benzenberg,    der  sich  durch  die  Auf- 
findung des  Fallgesetzes  berühmt  gemacht  hatte,  ferner 
den   Professor  Schräm,  welcher  jedoch  wenig  Anlagen 
zum  Lehrer  hatte.     Im  Jahre  1812    führte   der  Rector 
Schallmayer  die  philos.  Klasse,  Prof.  Brewer  unter- 
richtete dort  in  der  Mathematik,  in  der  1.  Klasse  gab 
Prof.  Crem  er  Rhetorik  und  Poetik,  femer  Griechisch  und 
Latein.      Prof.    Schräm    unterrichtete    im    Deutschen, 
Daulnoy  im  Französischen.    Der  2.  Klasse  stand  Prof. 
Eisermann  vor,  der  3.  Prof.  Hohenadel,  der  4.  Prof. 
Dahmen,  der  Vorbereitungsklasse  Prof.  Asthöver.    An 
der  Spitze  des  Lyceums  stand  Jacob  Schallmayer,  der  in 
Bonn  Professor  der  Theologie  gewesen  war.    Unter  ihm 
sank,  wie  aus  den  Akten  hervorgeht,  die  Zucht  bedenk- 
lich,  daher  erhielt  Karl  Wilhelm  KortOm,  welcher  seit 
1810  als  Hauslehrer  in  Düsseldorf  weilte,  1812  vom  Mi- 
nister Napoleons,  dem  Grafen  Nesselrode,   den  Auftrag, 
Vorschläge  zur  Umgestaltung  des  Düsseldorfer  Lyceums 
auszuarbeiten.    Schon  Napoleon  hatte  in  seinem  Decret 
betreffs  Errichtung  einer  Universität  auch  das  Lyceum 
ins  Auge  gefasst.    Z.B.  bestimmt  Art.  14:  II  sera  Stabil 
un  Lyc^e  ä  Dusseldorf,  les  professeurs  seront  au  nombre 
de  8.    Art.  15:  II  sera  stabil  un  pensionnat  dans  le  Lyc^e. 
Art.  16:  Le  gouvernement  entretiendra  dans  le  Lycee 
de  D.  60  ei^ves  qui  seront  designös  pannis  les  Als  de 
militaires  et  fonctionnaires.   Us  seront  nomm^s  par  nous. 
Napoleon   hatte   also    nicht    nur    eine   Erweiterung  des 
Lyceums  in  Aussicht  genommen,  sondern  auch  ein  grosses 
staatliches  Alumnat  errichten  wollen,  ein  Gedanke,  der 
später  1819  für  kurze  Zeit  verwirklicht  wurde. 

Als  Rector  Schallmayer  bedenklich  erkrankte,  wurde 
Kortüm  am  6.  Mai  1813  zum  Director  des  Lyceums  er- 
nannt; er  ist  als  der  eigentliche  Reorganisator  des  Gym- 
nasiums zu  betrachten.  Die  erste  Frucht  seiner  Arbeiten 
war  ein  ausführlicher  Lehrplan  für  6  Klassen,  die  erste 
und  zweite  Klasse  mit  zweijährigem  Cursus.  Die  Frequenz 
betrug  140  Schüler.  Im  Programm  1814  gibt  Kortüm, 
welcher  auch  ordentliches  Mitglied  der  Schulcommission 
geworden  war,  Bericht  über  die  Ziele  des  neu  ein- 
gerichteten Gymnasiums;  es  soll  von  allem  dem,  was 
für  den  nächsten  Zweck,  für  den  sogenannten  Nutzen 
gelehrt  wird,  absehen.  Einen  ähnlichen  Gedanken  äusserte 


278  Eni  Wickelung  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf. 

er,  wie  oben  erwähnt,  als  es  sieh  um  die  Verbindung 
der  Kunst-Akademie  mit  dem  Gymnasium  handelte.  Um 
sein  ideales  Ziel  zu  erreichen,  musste  K.  sich  nach  guten 
Lehrkräften  umsehen.  So  berief  er  Theodor  BrQggemann 
und  Friedrich  Kohlrausch ,  Männer,  welche  hier  und 
später  in  hohen  Staatsämtern  segensreich  gewirkt  haben. 
Im  September  1822  wurde  Kortüm  zum  Consistorlal-  und 
Schulrath  bei  der  Regierung  zu  Düsseldorf  ernannt,  er 
blieb  jedoch  erster  Director  des  Gymnasiums,  während 
Brttggemann  als  zweiter  Director  die  eigentliche  Leitung 
erhielt.  1827  Qberliess  Kortüm  seinem  Nachfolger  alle 
Geschäfte,   der  nun  den  vollen  Titel  „Director**   führte. 

Die  Blüthe  der  Anstalt  nahm  fortwährend  zu;   1822 
wurde   die  Prima   in  zwei  Abtheilungen    getrennt,    die 
Schülerzahl  stieg  auf  290  und  1823  auf  309,   1824  auf 
393;  1825  finden  wir  Quinta  und  Quarta  in  2  Cöten  ge- 
theilt,  1826  die  Obersecunda  von  Untersecunda  getrennt 
Von  da  ab  sinkt  die  Frequenz,  weil  die  Schüler  in  den 
dunklen  Räumen  des  Franziskanerklosters  keinen  Platz 
fanden.   Kortüms  energischem  Einschreiten  ist  es  zu  ver- 
danken,  dasa  endlich   der  Bau  des   neuen   Gymnasial- 
gebäudes  in  der  Alleesti'asse  begonnen  wurde.    Herbst 
1831  wurde  die  Schule  dahin  verlegt,  Brüggemann,  der 
diesen  Augenblick    so  sehr  ersehnt  hatte,  folgte  nicht 
dahin,   ebensowenig  führte  er  sein  Vorhaben  aus,    die 
Geschichte  des  Gymnasiums  von  1805 — 1831  bei  Gelegen- 
heit der  Uebersiedelung  zu  schreiben.    Er  ging  nämlich 
als   Provinzial  -  Schulrath    nach   Coblenz    und   1839    als 
Geheimer  Regierungsrath    nach   Berlin    in    das    Cultus* 
ministerium.     Am   17.   October   1832   wurde   Dr.   Franz 
WüUner  feierlich  durch  seinen  Vorgänger  eingeführt;  bei 
dieser  Gelegenheit  wurde  die  Aula  zum  ersten  Male  be- 
nutzt.   Am  31.  October  1833  hatte  die  Anstalt  die  hohe 
Ehre,  von  dem  damaligen  Elronprinzen  Friedrich  Wilhelm 
besichtigt  zu  werden ;  das  LehrercoUegium  begrüsste  ihn 
in  einer  alcäischen  Ode. 

WüUner  starb  leider  schon  am  22.  Juni  1842.  Im 
April  1844  übernahm  Dr.  Karl  Kiesel  aus  Coblenz  die 
Direction  der  aufblühenden  Schule.  Es  würde  uns  zu 
weit  führen,  wenn  wir  hier  auseinandersetzen  wollten, 
in  welcher  Weise  das  Düsseldorfer  Gymnasium  unter 
Kiesels  Leitung  seinen  unter  vorzüglichen  Dirigenten  er- 
worbenen guten  Ruf  noch  erhöhte,  wie  die  stets  wachsende 
Schülerzahl  dazu  nöthigte,  fast  alle  Klassen  in  zwei  Cöten 
zu  trennen,  so  dass  sozusagen  ein  Doppelgymnasium  mit 
gegen  600  Schülern  entstand.  Was  Kiesel  hierbei  leistete, 
hat  das  LehrercoUegium  bei  Gelegenheit  seines  25jährigfen 


Entwicktläng  dts  Schul wtsens  zu  Dössefdorf,  279 

Amtsjubiläums  zum  Ausdruck  gebracht,  iudem  es  ihn 
in  der  Begrüssungsschrift :  „Düsseldorpiensis  Gymnfisii 
sospitator"  d.  h.  Erhalter  nennt.  Ostern  1884  nach  40jäh- 
i'iger  Leitung  der  grossen  und  hochgeachteten  Anstalt 
t!*at  Kiesel  in  den  wohlverdienten  Ruhestand  und  übergab 
dieselbe  dem  Gymnasial-Director  Dr.  August  Uppenkamp, 
welcher  schon  seit  langen  Jahren  als  Director  ver- 
schiedener Gymnasien  thätig  war.  So  ist  die  Hoffnung 
bei-echtigt,  dass  die  Anstalt  unter  der  jetzigen  Leitung  mit 
den  alten  Traditionen  zugleich  den  alten  Geist,  der  sie 
zur  Blüthe  brachte,  für  die  Zukunft  bewahren  wird. 

Hiermit   ist    die  Geschichte   des  alten  Gymnasiums 
durchlaufen;   wir  haben  gesehen,  wie  verschieden  ihre 
Geschicke   sich  gestalteten.    Zuei-st  tritt   rasche   Blüthe 
unter    Monheim     und     Fabricius    uns    entgegen ,    dann 
ntscher  Verfall,   eine  Erneuerung  der  Schule  durch  die 
Jesuiten    mit   Abstreifung    des    zweifelhaften    religiösen 
Charakters,   welcher   an  ihr  im  16.  Jahrhundert  haftete. 
Die  ci-ste  Blüthe  wird  nicht  mehr  erreicht,  hierauf  zweiter 
Verfall,  der  sich  bis  180:J  hinzieht,   endlich   eine   zweite 
Erneuerung  im  Jahre  I8O0  mit  Veränderungen  vom  Jahre 
1814   und   endlich    gleichmässige  Entwickelung   zu   dem 
heutigen  Stande.     Dass  die  Darstellung  etwas  ausführ- 
licher wurde,  wird  man  als  berechtigt  anerkennen,  wenn 
man  bedenkt,  dass  das  Gymnasium  mit  den  mehr  oder 
weniger   mit  ihm  zusammenhangenden  Facultätsstudien 
zeitweise  der  alleinige  Träger  aller  höheren  Studien  noch 
bis  in  dieses  Jahrhundert  hinein  war.    Erst  am  28.  Mai  1838 
erhielt  dasselbe  in  der  Realschule,  welche  auf  Grund  der 
von  Kortüm  ausgearbeiteten  Instruction  für  Realschulen 
vom  Jahre  1832  eingerichtet  wurde,  eine  Schwesteranstalt. 
Sie   wurde  unter  Heinens  Leitung  mit  drei  Klassen  in 
den    alten    vom   Gymnasium   verlassenen    Räumen    des 
F'ranziskandfklosters  eröffnet.    Die  Anstalt  hatte  anfangs 
das    Latein    nur    als    facultativen    Lehrgegenstand    auf- 
genommen;  da  aber  die  Zahl  der  Lateinschüler  immer 
zunahm,  so  sah  sich  die  Schule  genöthigt,  eine  Schwenkung 
nach  dem  Gymnasiallehrplan  zu  macheu  und  hat  dieselbe 
heute  soweit  vollzogen,   dass,   wie  Prof.  Dr.  Rothert  in 
seiner  Festschrift  1888  sagt,   die  eine  Hälfte  ein  huma- 
nistisches Gymnasium  geworden,    und  die    andere   kein 
Realgymnasium  mehr  ist. 

Wie  seiner  Zeit  dem  Gymnasium,  so  wurde  bald  der 
Realschule  das  alte  Schullocal  an  der  Citadellstrasse  zu 
eng.  Nach  mannigfachen  Schwierigkeiten,  die  sich  durch 
die  Kosten  emes  Neubaues  einzustellen  pflegen,  bezog 
man  am  11.  Oct.  18IK)  das  neue  Gebäude  in  der  Kloster- 


280  EntuficMimg  dti  Schulwesens  zn  Dßssel^lsrf, 

Strasse.   Von  nun  an  nahm  die  Entwickelung  der  Anstalt 
ihren  stetigen  Fortgang.    Herbst  1864  wurden  zwei  Vor- 
schulklassen,  später  Parallelklassen  eingefülirt,  seit  Ostern 
1883  Gyninasialklassen ;  in  diesem  Schuljahre  ist  die  Gyni- 
nasial-Oberprinia  angeschlossen  und  damit  das  städtische 
Gymnasium  vollendet   worden.     Keinen   starb  plötzlich 
im    Jahre    1870;    Professor    Dr.   Honigsheim    leitete   in- 
terimistisch die  Anstalt,  bis  Director  Ostendorf  1872  die- 
selbe übernahm.    Als  auch  dieser  1877  starb,  folgte  ihm 
Böttcher  bis  1882,  dann  Kirchner  bis  1885.  Von  dieser  Zeit 
an  führt  Dr.  Matthias  die  Dircction  der  Schule.    Diese 
erfreute  sich  besondei^s  unter  den  beiden  letzten  Dirigenten 
einer  stets  wachsenden  Blüthe.    Vorher  nümlich  war  ein 
stetiges  Steigen  der  Frequenz  bis  1872  erkennbar,  dann 
sank  dieselbe  durch  Errichtung  der  Bürgerschule,  durch 
den  wirthschaftlichen  Rückgang  und  durch  eine  stets  zu- 
nehmende Abneigung  gegen  die  Realbildung.    Letzterer 
Umstand  nöthigte,  wie  oben  erwähnt,  dazu,  den  Lehrplan 
nach   der  Gymnasial -Richtung    zu    ändern.     Diese   den 
Wünschen  der  Bevölkerung  entsprechende  Verschiebung 
hat  auf  den  Besuch  so  vortheilhaft  eingewirkt,   dass  in 
diesem  Jahre  die  Frequenz  auf  490  gestiegen  ist.    So  kann 
die  Schule,    welche   noch   kürzlich   das  Jubiläum  ihres 
50jährigen  Bestehens  gefeiert  hat,  im  Besitze  eines  wohl- 
eingerichteten Unterrichtsapparates  mit  Zufriedenheit  auf 
den  zurückgelegten  Weg  blicken  und  mit  Zuversicht  der 
Zukunft  entgegensehen.    Allerdings  ist  ihr  weiterer  £nt- 
wickelungsgang  von  Bedürfnissen  und  Wünschen  abhängig, 
die  man  für  längere  Zeit  nicht  voraussehen  kann.    Wie 
Matthias  am  Schluss  seiner  Geschichte  der  Gymnasial- 
abtheilung bemerkt,  ist  zwar  schon  jetzt  das  Gymnasium 
als  Hauptanstalt  anzusehen,  während  die  Realklassen,  die 
der  Schule  den  Namen  gaben,  sich  an  dasselbe  anlehnen. 
Aber  vielleicht  verlegt  die  Zukunft  wieder  den  Schwer- 
punkt auf  die  reale  Richtung,  der  die  Schule  ihre  Ent- 
stehung verdankt.   Wer  weiss  es? 

Wenden  wir  uns  nach  diesem  kurzen  Ueberblick  über 
die  Geschichte  des  hiesigen  Realgymnasiums  zur  höheren 
Bürgerschule.  Durch  die  Unterrichts-  und  Prüfungs- 
ordnung vom  6.  October  1859  war  der  Begriff  von  höheren 
Bürgerschulen  dahin  bestimmt  worden,  dass  sie  dem  Plan 
der  Realschule  erster  Ordnung  bis  zur  Prima  ausschliess- 
lich folgten.  Sie  standen  also  in  demselben  Verhältniss 
zum  Realgymnasium,  wie  die  Progymnasien  zu  den  Gym- 
nasien. Die  höhere  Bürgerschule,  wie  sie  heute  in  den 
meisten  grösseren  Städten  besteht,  eingerichtet  nach  dem 
Lehrplan  vom  31.  März  1882,  ist  eine  höhere  Lehranstalt 


Enfwiekelung  den  8ehulufe9en$  zu  DOsneldorf.  281 

mit  französischer  und  englischer  Sprache ,  aber  ohne 
Latein,  weiche  nach  6 jährigem  Lehrgang  mit  der  Er- 
langung der  wissenschaftlichen  Befähigung  zum  einjährig- 
freiVf-UUgen  Dienst  schliesst.  Die  deutsche  Sprache  erfährt 
eine  eingehende  Behandlung,  das  Französische  beginnt 
mit  8  Stunden  in  Sexta,  das  Englische  mit  5  in  Tertia; 
auch  Rechnen  und  Naturkünde  werden  mehr  als  auf  den 
anderen  höheren  Anstalten  berücksichtigt.  Der  Vorzug 
dieser  Veränderung  liegt  darin,  dass  die  höhere  Bürger- 
schule selbst  eine  Vollanstalt  geworden  ist,  die  nicht 
mehr  auf  die  Prima  eines  Realgymnasiums  hinweist, 
sondern,  in  sich  selbst  abgeschlossen,  die  Bürgersöhne 
für  ihren  Beruf  in  Handel  und  Industrie  wohl  vorbereitet 
entlässt.  Dass  hiermit  den  Bedürfnissen  der  Bevölkerung 
gedient  war,  zeigt  das  schnelle  Wachsen  und  Blühen  der 
Anstalt. 

Diese  wurde  im  Herbst  1872  mit  Sexta  eröffnet  und 
stand  bis  1878  unter  der  Leitung  Ostendorfs;  in  diesem  Jahre 
erhielt  sie,  von  der  Realschule  abgezweigt,   eine  selbst- 
ständige    Leitung  in   der  Person   des   bisherigen    Ober- 
lehrers Hugo  Viehoff.   Im  Anfange  musste  sich  die  Schule 
mit  dem  nothdürftigen  Unterkommen  im  alten  Realschul- 
gebäude an  der  Maxkirche  begnügen,   Ostern  1875  kam 
sie  in  den  Anbau  bei  der  neuen  Realschule  in  der  Kloster- 
strasse.   Auch  dort  war  ihr  Aufenthalt  von  verhältniss- 
massig kurzer  Dauer,  denn  am  26.  September  1887  zog 
sie  in  das  eigens  für  sie  erbaute,  prachtvolle  Gebäude 
an  der  Florastrasse.    Hier  hat  die  Schule  ihr  bleibendes 
Heim  gefunden,  und  wird  es  voraussichtlich  nicht  viele 
Jahre    dauern,    bis    die   für  grosse  Verhältnisse   einge- 
richteten Räumlichkeiten  sich  als  zu  klein  erweisen,  um 
die  stets  wachsende  Schülerzahl  aufzunehmen.  Schon  jetzt 
wird  bis  Tertia  incl.  in  2  Cöten,  in  Sexta  sogar  in  3  Cöten 
unterrichtet,  dazu  kommen   noch  drei  Vorschulklassen, 
so  dass  sich  die  Oesammtfrequenz  auf  480  Schüler  beläuft. 
Wahrend  wir  die  höheren  Lehranstalten  eine  segensreiche 
Wirksamkeit  in  Mitte   einer  rasch  anwachsenden  Stadt 
entfalten   sehen,   stehen  die  Schulen,   welche   sich    der 
Kunst  und  dem  Kunstgewerbe  widmen,  nicht  hinter  den- 
selben zurück. 

Es  ist  bekannt,  dass  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts 
nur  noch  kläglich  die  Kunstakademie  ihr  Dasein  fristete. 
Als  aber  das  Herzogthum  Berg  an  Preussen  gefallen  war, 
forderte  das  Ministerium  auf  Anregung  des  Prof.  Thelott 
einen  Bericht  über  den  Zustand  der  Kunstakademie  und 
deren  Sammlungen.  Prof.  Schaeffer  reichte  Februar  1817 
den  Plan  zur  Vervollkommnung  der  hiesigen  Akademie 


282  Enficickilung  des  Sekufwesens  zu  Düsstldorf 

und  zur  Errichtung  einer  polytechnischen  Schule  beim 
Ministeilum   ein.     Indem   er   hierbei   den   Nützlichkeits- 
principien  seiner  Zeit  Rechnung  trägt,  will  er  geschickte 
Handwerker,  Künstler  und  Militairs  bilden.  Das  Wichtigste 
war  wohl,  einen  geeigneten  Mann  an  die  Spitze  der  Akademie 
zu  setzen.    Die  Wahl  fiel  nach  sorgsamen  Erwägungen 
auf  Peter  Cornelius,   den    Sohn    des   schon    erwähnten 
Malers    und    Inspectors    Aloys    Cornelius    und   jüngeren 
Bruder  des  Inspectors  Lambert  Cornelius.    Am  9.  März 
1819  wurde  durch  Königl.  Cabinetsordre  die  Akademie 
in's  Leben  gerufen   und   Cornelius  am    1.  October   1819 
zum  Director   derselben   ernannt.     1821    sah    man,    als 
Cornelius  energisch  dagegen  auftrat,  von  einer  Verbin- 
dung der  Akademie  mit  einem  Polytechnikum  ganz  ab. 
Cornelius  legte  1824  das  Directorium  nieder,   um  an  die 
Spitze    des  Münchener  Instituts  zu  treten.     Sein  Nach- 
folger Wilhelm  Schadow  trat  1826  ein   und  behielt   die 
Leitung  bis  1859,  Eduard  Bendemann  (1859—67)  wirkte 
in  Schadows  Sinn  weiter,  trat  aber  im   Jahre  1867  aus, 
worauf  ein  Interimistikum  (1867 — 70  Altgelt)  bestand,  bis 
Wislicenus   mit    (liese    zum   Directorat    berufen    wurde. 
Im  Jahre  1864  wurde  Wittig  als  Lehrer  der  Bildhauer- 
klasse  angestellt,  und  somit  die  Bildhauerkunst  als  Lehr- 
gegenstand eingeführt.  Im  Juni  1869  feierte  die  Akademie 
unter  grosser  Theilnahme  der  Stadt  und  des  Staates   ihr 
50 jähriges  Jubiläum,  womit  zugleich  die  Einweihung  des 
Schadowdenkmals  verbunden  war.    Bis  zu  dem  grossen 
Brande  des  Akademiegebäudes  am  20.  März  1872  verging 
eine  Zeit  ruhigen  Schaffens.   Da«  Lehrercollegium  wurde 
vervollständigt  und  vermehrt,  obgleich  das  Lokal,  worin 
die  Akademie  vorläufig  untergebracht,  für  seinen  Zweck 
wenig  geeignet  war.   Die  eine  Hälfte  der  Lehrer  arbeitete 
in  den  Räumen  des  ehemaligen  Galeriebaues,  die  andere 
Hälfte   im  sogenannten    „Wunderbau^.    welcher  in    der 
Pempelforterstrasse  lag.     Das   Directorium   der  Anstalt 
hatten  während  der  ganzen  Zeit  zwischen  dem  Brande 
und  der  Vollendung  des  neuen  Gebäudes  die  Professoren 
H.  Wislicenus  und  Baumeister  Lotz  inne.  Im  Jahre  1877 
wurden  wegen  der  grossen  Frequenz  zwei  Parallelklassen 
für  die  Elementarklasse  und  eine  für  das  Zeichnen  nach  dem 
lebenden  Modelle  geschaffen.    Der  Bau   des  neuen  Qe- 
bäudes  am  Sicherheitsbafen  begann  1875  und  wurde  1879 
so  weit  vollendet,  dass   am  20«  October  die  feierliche 
Einweihung  stattfinden  konnte.    Zugleich  wurde  die  Be- 
setzung   des    Directoriums ,    welches    bisher    durch    die 
Regierung  bestimmt  war,  der  Wahl  des  Lehrercollegiums 
überlassen.   Jetzt,  wo  die  Akademie  seit  beinahe  9  Jahren 


Bhdwiekelang  des  S^tulwuena  zu  DOsseläorf. 


283 


ihrer  Bestimmung  übergeben  ist,  ist  eine  Zeit  stillen 
Arbeitens  in  den  verschiedenen  Abtbeilungen  eingetreten, 
und  so  ist  die  Hoffnung  berechtigt,  dass  die  dritte  Kunst- 
epoche fQr  die  Akademie  selbst  und  für  die  sie  um- 
schliessende  Stadt  den  alten  Glanz  erhöhen  wird.  Es 
dürfte  nicht  ohne  Interesse  sein,  hier  eine  Uebersicht  der 
Frequenz  für  das  Schu^ahr  1886/87  anzuführen. 

Im  Schuljahr  1.  October  1886/87  war  der  Klassen- 
besuch in  der  Akademie  wie  folgt: 

1.  Elementar-Klasse  (Prof.  Lauenstein)    . 

2.  Vor-Klasse  (Prof.  Crola) 

:3.  Antiken-  und  Natur-Klasse  (Prof.  Janssen) 
4.  Mal -Klassen   für    Figurenmalerei    (Prof 

V.  Gebhardt  und  Prof.  Roeting)  .    .    . 
ö.  Mal-Klasse  für  Landschaft      .... 

6.  Fach-Mal-Klassen  a)  Prof.  von  Gebhardt 

b)  Prof.  Janssen.    . 

c)  Prof.  Sohn      .    . 

7.  Ei^te  Klasse  für  Figurenmalerei 

a)  Prof.  Sohn,  Genre-  u.  Historienmalerei 

b)  Prof.  V.  Gebhardt,  religiöse  Malerei 

c)  Prof.  Janssen,  Monumental-  u.  Historien 
maierei 

8.  Erste  Klasse,  Landschaften  (Prof.  E.Dücker) 

9.  Kupferstecher-Klasse  (Prof.  Forberg)  . 

10.  Radir-Klasse  (derselbe) 

11.  Bildhauer-Klasse  (Prof.  A.  Wittig)  .    . 

12.  Den  Unterricht  in  der  Ornamentik  und 
Decoration  (Prof.  A.  Schill)  besuchten 

13.  Fachschule  ad  12  (Prof.  Schill)  .    .    . 


öl  Schüler 

30  „ 

44  „ 

24  „ 

7  . 
4  . 

12  n 

4  . 

8  « 
2 


5 
6 
1 
15 
3 


n 


64 
2 


n 


Summa  282  Schüler 
Davon  gehörten  mehreren  Klassen  zugleich  an  131        „ 

Schülerbestand  1886/87    148. 
Lehrer :    13. 

Schon  im  Anfange  des  Jahrhunderts  waren,  wie  erwähnt, 
PlAne  aufgetaucht,  mit  der  Akademie  auch  eine  polytech- 
nische Schule  zu  verbinden ;  Cornelius  erhob  entschieden 
dagegen  Einspruch  und  meinte,  man  könne  eine  Künstler- 
schule nicht  mit  einer  Lehranstalt  der  höheren  Mathematik 
vereinigen,  weil  man  Leonardo  zu  ihrer  Leitung  nicht 
von  den  Todten  auferwecken  könne.  In  Folge  dieser 
Ablehnung  kam  die  Schule  nach  Aachen  und  wurde 
1870  eröffnet.  Das  Aufblühen  des  Kunstgewerbes  in  der 
rasch  anwachsenden  Stadt  stellte  aber  allmälig  das 
Bedürfniss  einer  den  Interessen  der  Gewerbetreibenden 
dienenden  Anstalt  als   unabweisbar   und   dringend  hin. 


284  3ittriekelttng  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf, 

Man  zögerte  nicht  lange.  Nachdem  Anfangs  1883  der 
prachtvolle  Bau  am  Rheinufer  mit  Unterstatzung  des 
Staates  fertig  gestellt  worden  war,  konnte  dieselbe  durch 
den  als  Director  berufenen  Professor  Stiller  Ostern  er- 
öffnet werden.  Die  Kunstgewerbeschule  bietet  die  Gelegen- 
heit, auf  Grund  guter  Volksschulbildung  sich  Kenntnisse 
zu  verschaffen,  welche  befähigen,  irgend  einen  gewerb- 
lichen Beruf  auch  künstlerisch  auszuüben.  Dies  Ziel 
sucht  man  in  drei  Abtheilungen  zu  erreichen  und  zwar 

1.  in  einer  Vorbereitungsklasse,  welche  früher  Vorschule 
genannt  wurde,  mit  Unterricht  im  Freihandzeichnen, 
geometrischem  Zeichnen  und  Modelliren  (Kursus  1  Jahr) ; 

2.  in  der  Fachabtheilung  (den  sogenannten  Fachklasseu) 
der  Architektur,  der  Mal-  und  Modellir-Klasse ;  3.  in  der 
Abendschule,  welche  den  Zweck  hat,  Lehrlingen  und 
Gehülfen  in  ihren  freien  Stunden  neben  der  praktischen 
Tagesthätigkeit  Gelegenheit  zu  künstlerischer  Ausbildung 
zu  geben,  in  4  Abtheilungen ;  daneben  Hospitanten,  d.  h. 
solche,  welche  nur  zeitweise  oder  unvollständig  den 
Unterricht  gemessen  wollen,  werden  nur  für  die  Fach- 
klassen aufgenommen. 

Die  Frequenz  im  Somnuner- Halbjahr  1883  betrug 
120  Schüler  (30  Vorschüler,  2  Fachschüler,  88  Abend- 
schüler); im  Wintersemester  162  (44  Vorschüler,  12  Fach- 
schüler, 106  Abendschüler);  im  Sommersemester  1884 
166  Schüler  (39,  20,  107),  im  Wintersemester  1884/85  182 
Schüler  (48,  35,  99);  im  Sommersemester  1885  147  Schüler 
(30,  28,  89);  im  Wintersmnester  1885/86  211  Schüler  (50, 
56,  105);  Sommersemester  1886  159  Schüler  (24,  35, 
100);  Wintersemester  1886/87  238  Schüler  (45,  70, 
123);  Sommersemester  1887  153  Schüler  (25,  35,  93); 
Wintersemester  1887/88  249  Schüler  (47, 65, 137);  Sommer- 
semester 1888  155  Schüler  (38,  39,  78).  Ausstellungen  von 
Schülerarbeiten  z.  B.  im  Jahre  1884  legten  erfreulichen  Be- 
weis von  der  Tüchtigkeit  des  Unterrichts  und  seinem  Erfolge 
ab.  Am  1.  October  1886  trat  eine  Fachschule  für  Treiben, 
Graviren  und  Ciseliren  hinzu.  Zuvor  wurde  der  erate 
sechswöchentliche  Cursus  zur  Ausbildung  von  Zeichen- 
lehrern an  der  gewerblichen  Fortbildungsschule  abgehalten; 
an  diesem  na&nen  26  Lehrer  theil.  Mit  dem  1.  October 
1883  wurde  die  gewerbliche  Fortbildungsschule  dem  Director 
der  Eunstgewerbeschule  unterstellt  und  erhielt  folgenden 
Lehrplan :  1 .  Freihandzeichnen,  2.  Zirkelzeichnen,  3.  Pro- 
jectionszeichnen,  4.  Fachzeichnen  für  Bauhandwerker  und 
Maschinenbauer,  5.  Geometrie,  6.  Deutsch,  7.  Rechnen 
und  Buchführung.  Die  Frequenz  betrug  im  Schuljahr 
1884/85  zwischen  S9ö--«12  Schüler,  im  Sehu^ahr  1885/86 


Enfwiekelung  des  SehHlwesens  zu  DUaseldotf.  285 

zwischen  412—430,  1886/87  zwischen  384—510.  Der 
Unterricht  wird  jetzt  in  25  Klassen  nait  Iß  Lehrern  ge- 
geben. 

Wenn  wir  einen  kurzen  Rückblick  über  die  den  ver- 
schiedenartigsten Interessen  des  Lebens  dienenden  höheren 
Anstalten  werfen,  so  müssen  wir  gestehen,  dass  sich  ein 
reiches  und  buntes  Bild  der  Entwickelung  des  höheren 
Schulwesens  vor  unsem  Augen  entrollt.  Dasselbe  enthält 
seine  passende  Ergänzung  durch  die  Betrachtung  der 
Bahnen,  w^elche  das  höhere  Mädchenschulwesen  gewandelt 
ist.  Seit  dem  16.  Jahrhundert  hatten  in  den  katholischen 
Gemeinden  die  weiblichen  Orden  Unterricht  und  Er- 
ziehung der  Mädchen  meist  in  den  Händen.  Wir  haben 
gesehen,  wie  in  Düsseldorf  die  Ursulinerinnen  den  Mädchen- 
unterricht bis  in  dies  Jahrhundert  hinein  leiteten.  Da- 
neben traten  besonders  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts 
Privatpersonen  als  Inhaber  solcher  Schulen  auf,  z.  B. 
leitete  Vikar  Daulnoy  eine  simultane  Töchterschule,  welche 
600  Tblr.  aus  dem  bergischen  Schulfonds  bezog,  2.  Frl. 
von  Erkelens  hatte  eine  Schule,  aus  welcher  später  die 
Louisenschule  hervorging.  Im  Jahre  1799  erbietet  sich 
Frau  Bennoit,  junge  Mädchen  in  der  französischen 
Sprache,  sowie  in  der  Stickerei  in  Gold  und  Seide  zu 
unterrichten.  Ferner  werden  noch  genannt  die  Schulen 
von  Frl.  Diepold,  Frau  Dr.  Philippi,  Frl.  Sack,  Quincke 
und  Perpeet,  welche  meist  die  Concurrenz  mit  den  in- 
zwischen geschaffenen  öffentlichen  Anstalten  nicht  aus- 
halten konnten  und  eingingen.  Erst  seit  1872,  als  namhafte 
Vertreter  des  höheren  Mädchenschulwesens  eine  Denk- 
schrift der  Regierung  vorlegten  und  einen  einheitlichen 
Lehrplan  verlangten,  traten  die  Anstalten  als  öffentliche 
im    gesetzlichen  Sinne   auf. 

Die  Louisenschule,  welche  wir  zuerst  zu  be- 
sprechen haben,  entwickelte  sich  aus  kleinen  Anfängen. 
Es  bildete  sich  1837  eine  Societät  von  Männern,  deren 
Töchter  eine  höhere  Bildung  erlangen  sollten.  Regierungs- 
rath  Altgelt  trat  an  die  Spitze  des  Unternehmens.  Am 
30.  October  trat  die  Schule  mit  3  Klassen  ins  Leben  und 
wurde  kurz  darauf  als  evangelische  Gemeindescbule  an- 
erkannt, aber  erst  1854  ging  sie  definitiv  in  den  Besitz 
der  Gemeinde  über.  Ihre  Kgl.  Hoheit  Prinzessin  Friedrich 
von  Preussen  ttbernahm  das  Protectorat  Ober  die  Anstalt, 
die  daher  den  Namen  Louisenschule  erhielt.  Sie  blieb 
im  Besitz  der  ev.  Gemeinde  von  1854  bis  1876.  Ihr  Lokal 
wechselte  viermal.  Zuerst  befand  sie  sich  in  der  Woh- 
nung der  Frl.  von  Erkelenz,  dann  seit  1839  in  der  Canal- 
strasse  1,  später  in  der  Breitestrasse,  der  jetzigen  Bier- 


286  Entwiehtiung  des  SchulweBtn»  zu  DilssMorf, 

hoifscdien  Conditorei.  Altgelt,  der  unermüdliche  Leiter 
und  Curator,  verhalf  der  Gemeinde  zu  einem  eigenen 
Gebäude  in  der  Steinstrasse,  welches  1863  bezogen  wurde. 
Nachdem  kurz  vorher  die  Schule  einen  selbststflndigen 
Director  in  der  Person  des  Herrn  Uellner,  des  bisherigen 
Oberlehrers  am  Realgymnasium,  erhalten  hatte,  wurde 
sie  1864  neu  organisirt  und  ihr  zugleich  eine  Selecta 
oder  Seminarklasse  beigefügt;  1867  wurde  das  MAdchen- 
turnen  als  facultativer  Lehrgegenstand  eingeführt.  Seit 
dem  1.  Mai  1876  ging  die  Schule  an  die  Stadt  über  und 
wurde  als  eine  städtische,  paritätische,  höhere  Töchter- 
schule mit  einer  Seminarklasse  und  10  Klassen  fort- 
geführt; als  Filiale  erhielt  sie  1877  in  der  Thalstrasse, 
als  die  von  den  Schwestern  vom  hl.  Kreuze  geleitete 
katholische  höhere  Mädchenschule  einging,  die  Friedrichs- 
schule zunächst  mit  6  aufsteigenden  Klassen.  Die  ge- 
sammte  Anstalt  hat  jetzt  378  Schülerinnen,  darunter  80  aus 
der  Friedrichsschule. 

Als  die  schon  seit  zwei  Jahrhunderten  bestehende 
höhere  Mädchenschule  der  Ursulinerinnen  in  der  Ritter- 
strasse in  den  siebenziger  Jahren  einging,  wurde  Ostern 
1880  an  deren  Stelle  die  Marienschule  mit  vorwiegend 
katholischem  Charakter  eingerichtet  und  begann  im  Hause 
Marienstrasse    12   mit    192    Kindern   in    8   Klassen;    zu 
Ostern  1881   kam   die  9.  und  Ostern   1882  zugleich   mit 
der  Uebersiedelung  nach  Alexanderstrasse  1  die  10.  Klasse 
hinzu.    Sie  arbeitete  nach  dem  Lehrplan  für  öffentliche, 
höhere  Mädchenschulen ;  ihre  Frequenz  hielt  sich  zwischen 
192 — 299.    Erst  in  diesem  Schuljahre  hat  die  Zahl  sich 
auf  239  gemindert,  weil  Ostern  1888  die  Ursulinerinnen 
die  alte  Schule  wieder  eröffneten.    Die  letztere  wird  von 
157  Kindern  in  10  Klassen  besucht.    Ausserdem  ist  noch 
die  Schuback'sche  Schule  mit  simultanem  Charakter    in 
der  Bismarckstrasse  zu  erwähnen.    Diese  ist  auch  aus 
kleinen   Anfängen   entstanden.     Im  Jahre   1859  begann 
Frau  Emma  Schuback  einen  kleinen  Cursus  mit  8  Schale- 
rinnen,  im  Jahre   1864  wurde  daraus  eine  Schule  mit  5 
Klassen  (jede  mit  zweijährigem  Cursus)  und  bald  steigerte 
sich  die  Frequenz  so,  dass  der  Ausbau  einer  vollständig- 
organisirten  Schule  nach  den  jetzigen  Anforderungen  mit 
10  Klassen  und  einer  Selekta  vollzogen  werden  konnte. 
1887  ging  die  Schule  an  Frl.  A.  Schmidt  mit  162  SchQle- 
rinnen   über.     Die   etwa   noch    bestehenden   Pensionate 
fQr  weibliche  Erziehung  treten  in  ihrer  Thätigkeit  von 
der   Oeffentlichkeit    zurück,    da    sie    grösstentheils    aus- 
wärtige Schülerinnen  haben.     Sie   kommen  daher  hier 
nicht  in  Betracht.    Mit  Freuden  können   wir  bei  dieser 


Erttwhkelung  de»  Schulve9en9  zu  DUBseldoi'f,  387 

kurzen  Ueberschau  eonstatiren,  dass  das  höhere  Mädchen 
Schulwesen  in  Düsseldorf  in  hoffnungsreicher  Bittthe  be- 
griffen ist. 

Eine  Mittelstellung  zwischen  höheren  Töchterschulen 
und  Volksschulen  nimmt  die  städtische  Bürgermädchen- 
schule  ein;  sie  ist  besonders  für  die  Töchter  des  Mittel- 
standes, der  Gewerbetreibenden,  Kaufleute,  Beamten  u.s.w. 
bestimmt  und  gewährt  eine  über  das  Maass  der  Volks- 
schule hinausgehende  Bildung,  die  in  der  Regel  mit  dem 
15.  Lebensjahre  erreicht  ist.  Ihre  Hauptaufgabe  ist  die 
praktische  Vorbereitung  ihrer  Schtllerinnen  ftlrs  Leben, 
wesshalb  die  einzelnen  Fächer  vom  Gesichtspunkte  der 
unmittelbaren  Verwerthung  betrieben  werden.  Dabei  ist 
die  Schule  keine  Fachschule  für  irgend  ein  gewerbliches 
Geschäft,  vielmehr  legt  sie  Werth  auf  eine  w^ahrhaft 
religiöse  und  nationale  Erziehung.  Sie  begnügt  sich  ferner 
mit  einer  fremden  Sprache,  der  französischen,  und  gewinnt 
dadurch  Zeit,  die  anderen  Fächer  mehr  zu  berücksichtigen. 
Dass  eine  solche  Anstalt  einem  wirklichen  Bedürfniss 
abgeholfen  hat,  zeigt  ihr  rasches  Emporblühen.  Am 
1.  October  1878  mit  71  Schülerinnen  in  4  aufsteigenden 
Klassen  unter  ÜUners  Leitung  eröffnet,  wurde  sie  Ostern 
1879  schon  von  212  Schülerinnen  besucht.  Am  24.  Oct.  1880 
trat  der  seitherige  w  issenschaftliche  Lehrer  an  der  Louisen- 
schule, Herr  Kessler,  als  Rector  ein.  Unter  der  Leitung 
desselben  wurden  die  vorgesehenen  8  Klassen  I,  II,  III 
unterste  Stufe,  IV,  V,  VI  Mittelstufe,  VII  und  VIII  Ober- 
stufe  aufgebaut;  die  III.  und  IV.  Klasse  musste  bald  ge- 
theilt  werden. 

Mit  Beginn  des  Wintersemesters  1886  trat  Rector 
Kessler,  als  er  zum  Stadtschulinspector  ernannt  war,  aus 
und  überliess  die  Leitung  dem  wissenschaftlichen  Lehrei* 
an  der  höh.  Mädchenschule  in  Wesel,  R.  Hagenbuch. 
Die  Frequenz  steigerte  sich  im  Schuljahr  1887/88  auf 
412  Schülerinnen,  die  von  12  ordentlichen  Lehrkräften 
und   1  Hülfslehrerin  unterrichtet  wurden. 

Wir  haben  nun  die  Anstalten,  welche  auf  Grund  der 
allgemeinen  Volksbildung  die  Erhöhung  des  Wissens  und 
Könnens  nach  den  verschiedensten  Richtungen  mit  ab- 
weichenden Zielen  sich  zur  Aufgabe  stellen,  durchlaufen : 
überall  sehen  wir  die  erfreulichste  Blüthe,  freudiges 
Weiterstreben  zur  menschenmöglichen  Vollkommenheit. 
Nicht  minder  angenehm  wird  uns  die  Schau  über  die 
Anstalten  sein,  welche  die  für  alle  Bürger  des  Staates 
ohne  Ausnahme  nöthige  Bildung  erzielen  wollen.  Die 
Elementarschulen  verdanken,  wie  alle  Schulen,  ihre  eigent- 
liche Entwickelung  dem  19.  Jahrhundert.   Was  wir  früher 


288  Entwickelung  dta  Sehulwegens  zu  DÜMtldorf. 

finden^  sind  nur  Anfänge ,  die  mehr  oder  weniger  den 
Keim  des  Fortschritts  in  sich  bergen.  Nach  Ausweis  der 
Ordnung  der  Frohnleichnamsprocession  vom  Jahre  1807 
waren  in  Düsseldorf  folgende  katholische  Schulen  vor- 
handen: 1)  die  Armenschule,  2)  die  Privatschulen  von 
Kneip  u.  s.  w.,  3)  die  öffentliche  Max-  aind  Lambertus* 
Pfarrschule.  Die  letztere  ist  von  allen  Schulen  ohne 
Zweifel  die  älteste:  an  sie  schloss  sich  in  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  die  durch  die  Ursulinerinnen 
geleitete  Mädchenschule,  welche  sich  lange  erhalten  hat. 
Die  Armenächule,  welche  in  der  Processionsordnung  ge- 
nannt ist,  mag  aus  der  freien  deutschen  Schule,  welche 
lßU()  der  Herzog  gründen  wollte,  hervorgegangen  sein. 

Alsl808die  von  den  Franziskanern  bediente  Maxkirche 
säcularisirt  und  1805  zu  einer  Pfarrkirche  eingerichtet 
wurde,  entstand  aus  der  Winkelschule,  die  dieser  Orden 
schon  im  18.  Jahrhundert  hielt,  eine  Pfarrschule,  während 
die  Andreaspfarrschule  erst  bei  Errichtung  der  Pfarre  im 
Jahre  1842  begründet  wurde.  Wie  oben  erwähnt,  ging 
letztere  aus  der  von  den  Kreuzherren  errichteten  Schule 
hei*vor,  die  zuerst  im  Kloster,  seit  1812  in  der  Mülilcn* 
Strasse  sich  befand.  Um  diese  Zeit  wird  man  auch  zu 
jeder  Pfarrei  die  eingesessenen  Armenschüler  in  einer 
sogenannten  Freischule  vereinigt  haben.  Die  letztere 
Avar  auch  bei  den  Protestanten  von  der  I.  und  II.  BezirkB- 
schule  getrennt.  Die  übrigen  in  den  sechsziger  Jahren 
bestehenden  Schulen  schlössen  sich  oft  an  die  Pfarreien 
an ;  z.  B.  an  die  Bilker,  Hammer,  Oberbilker,  Derendorfer. 
Ausserdem  bestanden  noch  die  Neustädter,  Volmers- 
werther ,  Pempelfort -  Flinger',  Mörsenbroicher ,  Grafen- 
berger  und  die  jüdische  Schule. 

Später  wurden  folgende  Schulen  gegründet:  1)  die 
Kreuzschule  (katb.)  im  Jahre  1870,  2)  die  Oberbilker  (ev.) 
Schule  1871,  3)  Friedrichsstädter  (kath.)  1875,  4)  Friedrich» 
Städter  (ev.)  1875,  5)  Bongardschule  (kath.)  1875,  6)  Karls- 
schule (kath.)  1881,  7)  Golzheimer  Schule  (kath.)  1882, 
8)  Hüttenschule  (kath.)  1884,  9)  Pempelforter  Schule  (ev.) 
1884.  Im  Jahre  1883  wurden  die  bis  dahin  besteheAden 
drei  katholischen  sowie  die  eine  evangelische  Freischule 
aufgehoben  und  die  drei  ersteren  mit  den  Pfarrschulen 
zu  je  einer  Knaben-  bezw.  Mädchenschule  vereinigt,  wfth* 
rend  die  letztere  nun  als  UI.  Bezirksschule  flgurirte. 
1879  wurden  die  selbständigen  Mädchenschulsysteme  be* 
seitigt  und  mit  den  Knabenschulen  vereinigt,  jedoch  so, 
dass  damit  die  Trennung  der  Kinder  nach  Geschlechteim 
nicht  aufgehoben  worden  ist.  Die  jüdische  Schule  ist, 
nachdem  der  Lehrer  pensionirt  worden  war,   1877  ein- 


»*: 


EMwidßdunff  det  8ekyho$$en8  zu  Dünüäorf. 


289 


gegangen,  die  Kinder  derselben  besuchen  seit  dieser  Zeit 
die  abrigen  Volksschulen.  Nach  diesen  Vorbemerkungen 
stellt  sich  das  Volksschulwesen,  wie  es  heute  besteht,  am 
besten  in  folgender  Tabelle  dar: 

l.Lambertus- Schule  mit  16  Klassen  und  1115  Kindern, 

Lambertusstrasse. 
2.  Andreas -Seh.  m.  12K1.  und    811 K.,  Andreas-u.Neubrück- 
3.Max-Sch. 
4.Kreuz-Sch. 

5.  Bongard^ch.  „    9  „ 

6.  Karls -Seh. 


»  12  „ 


»  13  „ 

7.  Hotten -Seh.    „    8  , 

8.  Friedrichs- 
städt.kath.Sch.  „  14  „ 

9.  Friedrichs- 
städter ev.  Seh.  „  14  „ 


n 


955  ^  Citadellstrasse.    [str. 
744  „  Kreuzstrasse. 
528  „  Bongardstrasse. 


10.  Evangelische 
L  Bez.-Sch. 

11.  Evangelische 


»    6, 


n.Bez.-Sch.  „  9  „ 
12.  Evangelische 

m.  Bez.-Sch.  „  6  „ 

13.Neustadt.Sch.  „  14  „ 

14.  Bilker  Schule  „  13  „ 

15.  Hammer  Seh.  „  5  „ 


16.  Volmers- 
werther Seh. 

1 7.  Oberbilker 
I.  Bez. -Seh. 

18.  Oberbilker 
n.  Bez. -Seh. 

19.  Oberbilker 
evang.  Seh. 

20.  Pempelforter 
ev.  Schule 

21.Flinger-Seh.  „  16  ,j 
22.  JDerendorfer 

Schule 
2B.  Golzheim.Seh. 

24.  Mörsen- 
broieherSeh.  ^    ^  n 

25.  Qrafenb.  Seh.  ,,    3  „ 
28.  Hilfsschule  für 

schwach- 
begabte  Kind,  n    1  n 


n     ^  r> 


,  14  „ 


,  23„ 


»  10, 


»        ^    T) 


»  12, 

n     *    n 


n 
n 
ff 


ff 
ff 

ff 
ff 

ff 
ff 


881  „  Karlstrasse. 
576  „  Hüttenstrasse. 

1004  „  Thalstrasse. 

1021  „  Kirchfeldstrasse. 

423  „  Bilkerstrasse. 


589  ^  Bismarckstrasse. 


453  „  Ratingerstrasse. 
988  „  Fürstenwallstrasse. 
904  „  Martinstrasse. 
324  „  Hamm. 


201  „  Volmerswerth. 


1008  „  Hildener  u.Stoffelerst. 


1630  „  Eller-  u.  Höhenstr. 


673  „  Kölnerstr. 


358  jf  Qrafenberger- 
1162  y,  Lindenstr.  [Chaussee. 


846  „  MOnsterstr. 

482  „  Kaiserswertherstr. 


245  „  MOrsenbroieh. 
233  „  Grafenberg. 

31  .  Kreuzstr. 


Summa  in  262Kl.sindl8215Kinder. 


19 


290  En f Wickel nug  dea  Schulwesens  zu  Dlisseldwrf, 

Zu  diesen  26  Volksschulen  kommen  noch  die  Schulen 
der  Anstalten  Düsselthal  und  Zoppenbrück,  die  erstere 
mit  2  Klassen  und  119  Kindern,  die  letztere  mit  1  Klasse 
und   32  Kindern.     Bei   der  israelitischen   Gemeüide   ist 
ausserdem  eine  sogenannte  Religionsschule  eingerichtet: 
an  dieser  wirken  3  Lehrer.   Die  unter  Nr.  26  bezeichnete 
Hilfsschule  für  Schwachbegabte  Kinder  entspricht  emem 
dringenden  Bedürfniss,  denn  sie  gewährt  die  Möglichkeit, 
dass  diejenigen,  welche  in  einer  Volksschule  nicht  recht 
vorankommen   und  nur  ein  Hemmschuh,  oft  ein  Gegen- 
stand des  Spottes  für  die  anderen  sind,  bei  langsamem 
Fortschreiten  doch  noch  die  nothwendigsten  Kenntnisse 
sich  verschaffen  und  so  nicht  völlig  für  die  menschliche 
Gesellschaft  verloren   gehen.     Dem  Wächsthum   dieser 
Schule  steht  allerdings  die  falsche  Scheu  der  Eltern  ent- 
gegen, ihr  Kind  einer  solchen  Schule  anzuvertrauen  und 
damit  zuzugeben,  dass  dasselbe  zu  den  Schwachbegabten 
gehöre.    Indessen  wird  sich  hier  auch  die  Einsicht  Bahn 
brechen,    dass  mit  dem  Besuch  einer  eigens  für  solche 
Kinder  eingerichteten  Anstalt  den  Interessen   derselben 
mehr  gedient  ist,  als  sie  jahrelang  nutzlos  die  Elementar- 
schule besuchen  zu  lassen.  Die  Einrichtung  der  sonst  an- 
geführten Volksschulen  ist  so  conform  allen  andern,  dass 
wir  es  uns  hier  ersparen  können,  näher  auf  den  Lehrplan 
einzugehen.    Sämmtliche  Schulen  sind  derselben  Leitung, 
nämlich  der  Stadtschulinspection,  welche  zuerst  Dr.  Heyer, 
nach  dessen  Tode  dem  früheren  ordentlichen  Lehrer  der 
Louisenschule,    Kessler,    übertragen    wurde,    unterstellt. 
Auch  auf  dem  Gebiete  des  Volksschulwesens  sehen   wir 
eine  mit  dem  Anwachsen  der  Bevölkerung  fortschreitende 
EntM'ickelung :  fast  in  jedem  Jahre  finden  Neugründungen 
oder  Erweiterungen  der  grossen  Schulen  statt;  dies  zeiget, 
dass  die  Stadt  über  der  Sorge  für  das  höhere  Schulwesen 
den  Werth  der  Volksbildung   nicht  verkennt.    Das  Bild, 
welches  uns  dieser  Zweig  des  Unterrichtes  in  Düsseldorf 
entrollt,  ist  zwar  einfacher,  aber  nicht  minder  grossartig^ 
als  die  Vielseitigkeit  des  höheren.     Es  wird   hier   eine 
passende   Stelle   für   eine   Uebersicht   sein,    welche    die 
Lehrer-,  Klassen-  und  Schüler-Zahl  sftmmtlicher  Anstalten 
Düsseldorfs  enthält. 

1.  Kunst-Akademie  mit  L-)Lehrpers.l3Kl.      148Schmeru 

2.  Kunstgewerbesch.  „10        ^  8  ^       249      „ 
;}.  Fortbildungssch.     .,25        „         16  „       492       ,, 

4.  Gymnasium  „     32        „         19  „        595      „ 

5.  Realgynmasium      „32        „         19  „        586      „ 

112Lehrpers.75Kl.  2070Schttlern 


Ehtfcichelung  des  Sehtüweaens  zu  DOsaeldorf.  291 

Uebertrag:     112  Lehrp.     75K1.  2  070  Schülern 


6.  Höh.  Bürgersch.    mit  20 

77 

13« 

474 

77 

7.  Luisenschule           ^    20 

77 

13  „ 

323 

71 

8.  Friedrichsschule     „      7 

77 

^v 

80 

77 

9.  Marienschule          „     17 

77 

10  „ 

239 

71 

10.  Ursulinerinnensch.  „     10 

77 

10« 

157 

77 

11.  Schubackschule      „     14 

77 

10  „ 

172 

77 

12.  Städtische  Bürger- 

Mädchenschule       ^     13 

77 

10  „ 

419 

77 

13.  Volksschulen          „  265 

77 

265  „ 

18366 

77 

Zahl  in  sämmtl.  Anstalten  468  Lehrp.  411E1.22303Schülern. 

Diese  Angaben,  welche  dem  zuletzt  beendigten  Schul- 
jahr entnommen  sind,  können  natürlich  nicht  auf  dauernde 
Gültigkeit  Anspruch   machen,   aber  sie  geben  uns   ein 
beletu*endes  Bild  von  der  Entwickelung  des  Schulwesens 
in  unserer  Stadt.    Dies   wirkt  eindringlicher,   wenn   wir 
uns  in  kurzen  Zügen  den  Entwickelungsgang  von  Anfang 
bi^  zum   heutigen  Standpunkte  vergegenwärtigen.    Vor 
600  Jahren  existirte  nur  die  bei  der  Stiftskirche  befind- 
liche  Pfarrschule,   bis   1392   eine  Trivialschule,   welche 
wohl  meist  zur  Ausbildung  der  Kleriker  und  der  Beamten 
bestimmt  war,   dazu   trat.     Wie   beide   Anstalten   einer 
Aufsicht,  nämUch  der  des  Scholasticus,  unterstanden,  so 
werden  sie  aueh  räumlich  in  demselben  Gebäude  unter- 
gebracht worden  sein.    Die  Trivialschule  erhielt  1545  eine 
humanistische  Richtung  durch  Gründung  der  Monheim- 
schen  Anstalt,  aus  deren  Trümmern  1620  eine  Jesuiten- 
schule   hervorging.      Kurz    vorher    errichtete    die    pro- 
testantische Gemeinde   eine  Lateinschule   mit   protestan- 
tischem Character.    Im  17.  Jahrhundert  übernahmen  ein- 
zelne  Orden  den  Unterricht,  besonders  des  weiblichen 
Geschlechts,  andere,  z.  B.  die  Franziskaner,  legten  eine 
Winkelschule  an  und  führen  nach  Aufhebung  des  Jesuiten- 
ordens die  theologischen  Vorlesungen  weiter.    Aus   dem 
Kreise  der  Laien  traten  Personen  hervor,  welche  juristische, 
medicinische  oder  sonstige,  das  Studium  der  Universität 
ersetzende  Vorträge  halten.  Für  die  Armenkinder  werden 
Schulen  eingerichtet,  um  sie  an  bessere  Zucht  zu  gewöhnen : 
sie  werden  verpflichtet,  den  religiösen  Uebungen   in  der 
Max-  und  Andreaskirche  beizuwohnen.     1767   wird  die 
Kunst- Akademie  gegründet  und  so  ein  ganz  neues  Gebiet 
des  Unterrichts  eröffnet  Die  Säkularisirung  der  Ordensgüter 
durch  den  Reichsdeputationshauptsehluss  vernichtet  mit 
wenigen   Ausnahmen  die  Einrichtungen  des  Mittelalters. 
Es  ist  natürlich,   dass  in  den  Zeiten  der  politischen  Um- 
wäLsungen  die  Unterrichtsanstalten  am  meisten  leiden  und 


292  E^tcickelung  des  Schulwesens  zu  Düsseidoff. 

oft  ihre  Thätigkeit  ganz  einstellen  müssen.  Die  Lambertus- 
Pfarrschule  ist  wohl  ohne  Unterbrechung  fortgeführt  worden^ 
an  diese  schloss  sich  1805  bei  Gründung  der  Maxpfarre 
die  Elementarschule  für  diesen  Bezirk;  im  selben  Jahre 
wurde  die  alte  Jesuitenschule  unter  dem  Namen  eines 
Lyceums  eröifhet,  daraus  hat  sich  das  heutige  Königliche 
Gymnasium  entwickelt.  Die  juristischen  Vorlesungen 
setzen  sich  noch  einige  Jahre  fort  und  hören  allmäUg 
ganz  auf.  Die  Kunst-Akademie  ist  durch  den  Verlust  der 
Gallerie  sehr  geschadigt  und  fristet  nach  Weggang  der 
Lehrer  ein  kümmerliches  Dasein,  bis  unter  Preussens 
Herrschaft  auch  für  sie  die  Stunde  der  Wiedergeburt 
schlägt.  1837  legte  man  den  ersten  Grund  zur  heutigen 
Luisenschule  mit  protestantischem  Character^  während 
die  Erziehung  katholischer  Mädchen  hauptsächlich  in  der 
Hand  der  Ursulinerinnen  und  einiger  Privatanstalten  lag. 
1838  wurde  das  Realgymnasium,  1842  die  Andreaspfarr- 
schule, 1872  die  höhere  Bürgerschule,  1877  die  Friedrichs- 
schule als  Filiale  der  Luisenschule,  1878  die  städtische 
Bürgermädchenschule,  1880  die  Marienschule,  1883  die 
Kunstgewerbeschule  gegründet.  Zugleich  wurden  zu  den 
bestehenden  Volksschulen  seit  1870  zahlreiche  Schul- 
systeme hinzugefügt.  Wir  bemerken  hieraus  leicht,  dass  das 
Leben  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtes  um  so  stärker 
pulsirt,  je  näher  wir  der  Gegenwart  kommen. 

Rasblos  wie  die  Zeit  ist  auch  das  unaufhörliche  Fort- 
schreiten im  Unterrichtswesen,  und  fast  täglich  entstehen 
Bedürfhisse  zu  Aenderungen  in  bestehenden  Einrichtungen 
oder  zu  Neubildungen,  die,  wenn  sie  auch  nicht  das  Leben 
der  Schule  berühren,  dennoch  in  gewisser  Weise  in  den 
Gang  des  Unterrichtes  eingreifen.    Aus  kleinen  Schulen 
ist  ein  Aufbau  von  Klassen  entstanden,   die  kaum   von 
den   einzelnen   Dirigenten    übersehen   werden    können. 
Ebenso  ist  der  Lehrstoff,  den  Bedürfhissen  der  Gegenwart 
entsprechend,   ausgedehnter  und  vielseitiger  geworden. 
Dies  sind  Schattenseiten,  welche  sich  einerseits  aus  dem 
wachsenden  Bedürfniss  nach  Bildung,  das  sich  immer 
grösserer  Gesellschaftskreise  bemächtigt,  andererseits  aus 
den  Ansprüchen,  welche  die  Cultur  an  die  jetzt  lebenden 
Menschen  stellt,  leicht  erklären  lassen.    Wie  derjenie;^e, 
welcher  sich  gegen  die  Fortschritte  der  Wissenschaft  und 
Kunst  ablehnend  verhielte,  hinter  seiner  Zeit  zurückbliebe, 
so  würde  auch  die  Stadt,  welche  dem  Drange  ihrer  He- 
wohner  nach  Unterweisung  auf  den  Gebieten  des  Wissens 
und  Könnens  nicht  Rechnimg  trüge  und  entgegenk&me, 
sich  zur  weiteren  Entwickelung  unfähig  machen.    Diese 
Einsicht  ist  heute  so  allgemein  verbreitet,  dass  man  ger&de 


EtUwiekeiung  des  Sehulteesens  zu  Düsseldorf.  293 

in  den  aufstrebenden  Städten  auch  eine  erfreuliche  Blüthe 
der  Schulanstalten  wahrnimmt.    In  Düsseldorf  ist  schon 
vieles  geschehen,  aber  die  Zukunft  wird  noch  manches 
als  der  Vervollständigung  oder  Umänderung    benöthigt 
hinstellen,  was  jetzt  uns  als  fertig  erscheint    Bei  den 
Volksschiüen  ist  eine  Erweiterung  der  Schulsysteme  ein- 
fach.   Bei  den  höheren  Lehranstalten  aber  zeigt  sich  das 
Bedttrftaiss  nicht  so  schnell  und  klar.    Es  vergehen  meist 
Jahre,  ehe  sich  ein  Verlangen  der  Bewohner  nach  einer  be- 
stimmten Lehranstalt  so  deutlich  darstellt,  dass  die  Behörde 
durch  Errichtung  derselben  dem  allgemeinen  Wunsche 
nachkommen  muss.     Dann  ist  es  natürlich,  dass  solche 
Anstalten  sich  sofort  nach  ihrer  Gründung  einer  grossen 
Blüthe  erfreuen.  Daher  dehnt  sich  die  höhere  Bürgerschule 
so  schnell  aus,   dass  man  schon  bald  an  die  Eröffnung 
einer  ähnlichen  Anstalt  im  nördlichen  Stadttheile  wird 
denken  müssen;  so  ist  das  aus  dem  Realgymnasium  her- 
vorgegangene städtische  Gymnasium  schon  jetzt  die  Haupt- 
anstalt, während  die  reale  Bildung  weniger  gesucht  wird. 
Wenn  es  gestattet  ist,  am  Schlüsse  dieser  Zeilen  einen 
Blick  in  die  Zukunft  zu  thun  und  die  Frage  zu  beant- 
worten, welche  Anstalten  in  Düsseldorf  das  700jährige 
Jubiläum  der  Stadt  feiern  werden,   so  glaube  ich,  dass 
die  Zahl  der  Gynmasien  und  höheren  Bürgerschulen  sich 
nach  dem  Anwachsen  der  Bevölkerung  vermehren  wird, 
während  das  Realgymnasium  wegen  der  Concurrenz  beider 
geringe  Gewähr  für  dauernde  Blüthe  bietet.  Freilich  wird 
das  Gynmasium  sich  noch  manche  Veränderungen  gefallen 
lassen  müssen,  ehe  es  seine  Laufbahn  mit  Ruhe  ver- 
folgen kann. 

Die  Bürgerschaft  zu  Düsseldorf  hat  ihr  Interesse  für 
die  Unterweisung  ihrer  Jugend,  wie  aus  den  Urkunden 
des  16.  Jahrhunderts  hervorgeht,  schon  zu  Zeiten  kund 
geg^eben,  wo  man  anderswo  eine  Erkenntniss  von  dem 
Werth  des  Unterrichtes  vergeblich  sucht.  Allerdings 
spielte  damals  neben  dem  Beweggrund  des  idealen 
Zweckes  auch  der  materielle  Vortheil,  nämlich  durch 
eine  gute  Schule  auswärtige  Schüler  anzuziehen  und 
dadurch  für  den  Stadtbewohner  Gelegenheit  zu  Verdienst 
zu  geben,  eine  nicht  unwichtige  Rolle.  Heute  fällt  dieser 
auf  den  Nutzen  gerichtete  Beweggrund  fort;  denn  für 
eine  grosse  Stadt  können  die  Schüler,  die  etwa  von 
aussen  kommen,  keinen  Einfluss  auf  EntSchliessungen 
haben,  welche  sich  auf  Gründung  oder  Einrichtung  von 
Schulanstalten  beziehen.  Jetzt  herrscht  nur  das  eine 
Streben  vor,  die  Einwohnerschaft  durch  Unterweisung 
und  Erziehung  auf  der  Höhe  der  modernen  Kultur  zu 


294  Entwickelung  des  Schulwesens  zu  Düsseldorf'. 

erhalten  und  sie  zur  verständnissvollen  und  thätigen 
Theilnahme  an  allen  Ereignissen  der  Gegenwart  und  an 
den  Ergebnissen  der  Wissenschaft  und  Kunst  zu  befugen. 
Wie  endlich  nur  der  Staat,  welcher  die  Fortschritte 
auf  dem  Gebiete  des  Schulwesens  mit  wachsamem  Auge 
verfolgt  und  die  als  besser  anerkannten  Einrichtungen 
energisch  einführt,  seine  Machtstellung  behaupten  kann, 
so  wird  auch  die  Stadt  am  meisten  bltlhen  und  weiter 
gedeihen,  welche  dem  Schulwesen  eine  sorgsame  Pflege 
zu  Theil  werden  lässt.  Düsseldorf  braucht  heute  den 
Vergleich  mit  andern  Städten  in  Bezug  hierauf  nicht  zu 
fürchten;  wir  wünschen,  dass  seine  Bewohner  auch  bei 
der  700jährigen  Jubiläumsfeier  auf  ihre  Schulen  mit  der- 
selben Freude  und  Befriedigung  blicken  können,  mit 
welcher  den  nachsichtigen  Leser  diese  kurze  Umschau 
erfüllt  haben  dürfte. 


a)  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf. 

Von 
B.  Daelen. 

it  dem  Jahre  1888  hat  Düsseldorf  ein  weiteres, 
das  sechste  Jahrhundert  seit  seiner  Erhebung 
zur   Stadt  zurückgelegt.     Ein  Rückblick  auf 
dieses  letzte  Säculum  zeigt,  dass  dasselbe  eine 
bei    weitem    tiefgehendere    Umwandlung    im 
ganzen  Wesen  der  Stadt  mit  sich  gebracht  hat,  wie  irgend 
eines  der  fünf  vorangegangenen.     Das  Hauptmotiv    zu 
dieser  Thatsache  liegt  in  dem  Umstände,  dass  Düsseldorf 
in  dieser  Zeit  eine  Kunststadt  von  hoher  Bedeutung  ge- 
worden ist.    Das  hat  dem  letzten  Jahrhundert  im  Leben 
der  Stadt  seine  Signatur,  seinen    eigentlichen   Charakter 
aufgeprägt,   ihm  dadurch  eine  unberechenbare  Wichtig- 
keit verleihend.    Heute,  da  die  Düsseldorfer  Kunst  wie 
ein  mächtiger  Baum  in  üppigster  Bluthe  prangt,  ist  es 
wohl  von  Interesse,  in  der  Erinnerung  noch  einmal  ihrer 
Entwickelung  von  den  ersten  Keimen  an  nachzugehen. 

Der  Anfang  der  Entstehung  verliert  sich  wie  bei  allen 
Dingen  in's  Dunkle,  Unerforschliche.  In  den  ersten  Jahr- 
hunderten des  Bestehens  der  Stadt  scheint  die  Kunst- 
Qbung  in  ihren  Mauern  keine  hervorragende  gewesen  za 
sein.  Wenigstens  fehlen  darüber  so  gut  wie  alle  Nach- 
i-ichten,  und  der  Forscher  könnte  hier  auch  mit  dem 
Famulus  Wagner  seuföen:  „Wie  schwer  sind  doch  die 
Mittel  zu  erwerben,  durch  die  man  zu  den  Quellen  steigt." 
Was  in  jener  Zelt  von  Kunstwerken  in  Düsseldorf 
zur  Aufstellung  kam,  in  den  Kirchen  oder  im  Schlosse, 
war  hauptsächlich  von  auswärtigen  Künstlern  verfertigt: 
so  die  unter  dem  Namen  das  Kreuz  beka>nnte,  vor  der 
Lambertikirche  an  der  Xordseite  errichtete  steinerne 
Gruppe  des  gekreuzigten  Heilandes,  zu  beiden  Seiten  die 


296  Zur  Geschichte  der  hildenden  KwnH  in  DÜ9$M4nf. 

mitgekreuzigten  Schacher,  unterhalb  Maria,  Johannes  und 
der  römische  Hauptmann,  ein  werthvolles  Denkmal  der 
damaligen  Zeit  mit  ihrer  Auffassung  voll  naiver  Innig- 
keit, welches  im  vergangenen  Jahre  leider  einer  modernen 
Arbeit  hat  weichen  müssen,  ungefähr  derselben  Zeit, 
dem  fünfzehnten  oder  dem  Anfang  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts, entstammt  auch  das  Bildwerk  des  h.  Christo- 
phorus,  das  Christuskind  durch  den  Fluss  tragend,  im 
Innern  der  Lambertikirche ;  dem  Ende  des  sedizehnten 
Jahrhunderts  das  ebendaselbst  vorhandene  prunkvolle 
Denkmal,  welches  dem  Herzog  Wilhelm  V.  von  seinem 
Sohne  Johann  Wilhelm  I.  errichtet  und  von  einem 
italienischen  Künstler  verfertigt  wurde. 

Als  ein  Begebniss  von  Bedeutung  aus  der  frühesten 
Zeit  der  Düsseldorfer  Kunst  ist  es  erwähnenswertfa,  dass 
der  berühmte  Meister  Hans  Holbein  1539  einige  Zeit  in 
Düsseldorf  weilte  und  im  Auftrage  des  Königs  Heinrich  Vill. 
von  England  das  Bildniss  der  Prinzessin  Anna,  der  Tochter 
des  Herzogs  Johann  HI.  (1511 — 1539)  malte.  Der  Meister 
war  von  dem  englischen  Minister  mit  Weisung  versehen 
und  zauberte  von  der  Prinzessin  ein  Bild  auf  die  Leine- 
wand, das  den  König  in  Entzücken  versetzte  und  ihn 
sofort  zum  Abschluss  der  Verlobung  bewog.    Beim  An- 
blick   des  Originals  in  persona  war  er  nachher  dann 
allerdings  so  enttäuscht,  dass  er  sofort  Unausstürzte  und 
eine  Fluth  von  Schimpfnamen  (wie  „grande  cavale    de 
Flandre^  etc.)  in  sehr  unkbniglicher  Weise  über  die  arme 
Braut  losliess.    Eine  prachtvolle  Pergamenturkunde,    die 
Ehepackten  enthaltend,  ein  Meisterwerk  der  Kalligraphie 
mit  Miniaturen  und  Initialen,  welche  dem  kunstreichen 
Pinsel  Holbetns  zugeschrieben  werden,  befindet  sich  auf 
dem  Düsseldorfer  Provinzial-Archiv. 

Schon  um  die  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts, 
also  im  dritten  Geburtsjahrhundert  der  Stadt,  soll  dieselbe 
nach  älteren  Chronisten  eine  berühmte  Kunststadt,    die 
seit  1545  eine  Malerschule  besass,  gewesen  sein.    Doch 
wird  bei  dieser  Behauptung  wohl  etwas  lokalpatriotische 
Färbung  mitwirken,  denn  ganz  abgesehen  von  den  wirk- 
lich bedeutenden  Kunststädten  aus  jener  Zeit  wird  damals 
Düsseldorf  auch  einen  Vergleich  mit  seinen  niederrhei 
nischen  und  westfälischen  Nachbarinnen,  am  wenigsten 
beispielsweise  mit  Köln  und  seiner  Malerschule  oder  selbst 
mit  dem  kleinen  Calcar  und  seinem  bedeutenden  Meister 
schwerlich   haben  aufhehmen   können.     Scheinen  seine 
Künstler  sich  zunächst  doch  nur  im  Porträtfach,  weniger 
dagegen  in  freigeschaffenen  Compositionen  hervorgetbasi 
zu  haben.    Namentlich  auf  jenem  Gebiete  taucht  denn 


I*"-- »-— > 


Zur  Getehiehte  der  bildenden  Kunst  in  Düseeidorf,  297 

auch  zuerst  ein  EOnsÜername  mit  einem  gewissen  Klang 
aus  dem  Dunkel  der  Lokalgeschichte  auf. 

Als  Rathsverwandter  der  Stadt  Düsseldorf  und  aus 
guter  alter  Ddsseldorfer  Familie  abstammend,  stand  der 
Maler  Spielberg  in  Diensten  des  Herzogs  Johann  Wilhelm 
von  Jülich-Cleve-Berg  und  genoss  bei  diesem  hohe  Ehren. 
Er  malte  in  Oel   und   auf  Olas.     Sein   Bruder  Gabriel 
Spielberg  war  Hofmaler  des  Königs  von  Spanien.    Mehr 
Bedeutung   erlangte   sein  Sohn  Johann   Spielberg, 
zu  Düsseldorf  geboren  (1619—1690).     Er  erhielt   seine 
Ausbildung  zimilchst  in  der  Düsseldorfer  Schule,  die  zum 
grössten  Theil  wohl  eine  wissenschaftliche  Anstalt  war, 
und  durch    den  ergänzenden  Unterricht   seines  Vaters. 
Auf  sein  sich  früh  entwickelndes  Talent  aufinerksam  ge- 
worden, sandte  ihn  der  Herzog  Wolfgang  Wilhelm  mit 
einem  Empfehlungsschreiben  an   den   ihm  befreundeten 
Peter  Paul  Rubens,  dem  der  Herzog  einst  in  Madrid,  wo 
der  berühmte  Maler  als  Gesandter  der  Niederlande  weilte 
und  eines  Tages  durch  einen  Volksauflauf  ernstlich  be- 
droht wurde,  bei  dieser  Gelegenheit  durch  schnelle  Ent- 
führung das  Leben  gerettet  hatte.    Während  Spielberg 
auf  der  Reise  nach  Antwerpen  begriffen  war,  starb  Rubens 
und   nun  ging  der  junge  Künstler   zu   dem  berühmten 
Govert  Flink,  bei  dem  er  seine  vollständige  Ausbildung 
erhielt.   Von  seinem  Gönner  und  Mäcen,  Herzog  Wolfgang 
Wilhelm,  zum  Hofmaler  ernannt   und   nach  Düsseldorf 
zurückberufen,  malte  er  hier  zahlreiche  Porträts,  sowie 
mehrere  Historienbilder,  u.  A.  ein  grosses  Altarbild  für 
die  Kirche  zu  Roermonde,  für  das  Schloss  zu  Düsseldorf 
die  Thaten  des  Herkules  etc. 

Unter  seinen  Eandern  zeichnete  sich  seine  Tochter 
Adriana  Spielberg  (1650  geb.)  sowohl  durch  Oelbilder 
wie  namentlich  auch  durch  Zeichnungen  in  Kreide  und 
PasteU  aus.  Sie  verehelichte  sich  mit  einem  tüchtigen 
Künstler,  Wilhelm  Breckvelt,  einem  geborenen  Düssel- 
dorfer, und  nach  seinem  bald  erfolgten  Tode  zum  zweiten 
Male  mit  dem  berühmten  Landschaftsmaler  Eglon 
van  der  Neer  (1643 — 1703),  der  auch  bereits  zweimal 
verheirathet  gewesen  und  in  seiner  eigenen  Familie  eine 
kleine  Kunstschule  mit  nach  Düsseldorf  brachte.  Ausser 
dem  Porträtfach  wurde  durch  letzteren  nun  auch  bereits 
die  Landschaftsmalerei  heimisch  in  Düsseldorf. 

Obwohl  Düsseldorf  schon  seit  langer  Zeit  eine  Resi- 
denzstadt regierender  Fürsten  war,  so  wählte  sie  nach 
der  Gepflogenheit  der  damaligen  kleinstaatlichen  Regenten 
zunächst  doch  keiner  der  Herrscher  zum  beständigen 
Aufenthalt.    Noch  Herzog  Philipp  Wilhelm  residirte  ab- 


298  Zuf  öeachichfe  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf, 

wechselnd  hier,  zu  Neuburg  und  Heidelberg.    Erst  sein 
Sohn  Kurfürst  Herzog  Johann  Wilhelm,  zu  Düsseldorf  am 
19.  April  1658  geboren,   zeigte  eine  grosse  Vorliebe  für 
seine  Geburtsstadt  und  wählte  sie  zur  bleibenden  Residenz. 
Unter  seiner  glanzvollen  Regierung  entwickelte  sich  die 
bis  dahin  kleine  Stadt  zu  einer  mächtig  blühenden  Pracht- 
entfaltung und  jetzt  beginnt  sie  auch  in  der  Kunst  eine 
grössere  Bedeutung  zu  gewinnen.    Schon  in  seiner  Jugend, 
namentlich    während   eines   Aufenthaltes  in  Italien   am 
medicäisehen  Hofe,  hatte  Johann  Wilhelm  das  Studium 
der  Kunstgeschichte   und   der  schönen  Künste  mit  Be- 
geisterung gepflegt.    Als  er  1691  nach  dem  Tode  seiner 
ersten  Oattin  eine  zweite  Ehe  mit  der  kunstsinnigen  und 
heiteren  Erbprinzessin  von  Toscana,  Anna  Maria  Loisia, 
einer  Tochter  des  Grossherzogs  Cosmos  III.,  einging  und 
dadurch  auch  seine  Kunstliebe  immer  reichere  Anregung 
erhielt,  reifte  in  ihm  der  Plan,  in  einer  umfangreichen 
Gallerie  Werke  der  bedeutendsten  Meister  zu  sanamein. 
Ausser  durch  seine  Gemahlin  und  schon  vor  seiner  Ver- 
ehelichung wurde  er  zu  jenem  Unternehmen  am  meisten 
durch  den  Maler  Douven  angeregt  und  durch  ihn  in  seinen 
Bestrebungen  aufs  eifrigste  unterstützt.    Johann  Franz 
Douven,  geb.  zu  Roermonde  (1656 — 1727),  später  Chevalier 
van  Douven,  wurde  von  Johann  Wilhelm,  der  seine  Werke 
sehr  schätzen  gelernt  hatte,  1682  zum  Hofmaler  ernannt 
und  bürgerte  sich  seit  dieser  Zeit  in  Düsseldorf  vollständig' 
ein.    Er  erwarb  sich  als  fürstlicher  Porträtmaler  einen 
hohen  Ruf  und  malte  eine  grosse  Anzahl  gekrönter  Häupter, 
so  den  Kaiser  und  die  Kaiserin  von  Oestreich,  den  Köni^ 
und  die  Königin  von  Dänemark,  den  König  von  Spanien 
(während  seines  Aufenthaltes  in  Düsseldorf  vom  16.  bis 
zum  27.  Oct.  1703)  u.  A.,  im  Ganzen  drei  Kaiser,   drei 
Kaiserinnen,  fünf  Könige,  sieben  Königinnen  und  eine 
lange  Reihe  Fürsten  und  Prinzen;  sowie  hervorragende 
Zeltgenossen.     Als  vertrauter  Rathgeber   und  Liebling 
seines   hohen   Gönners   Johann   Wilhelm    suchte   er    in 
uneigennützigster  Weise  dessen  Sammlerfleiss  zu  nähren 
und  auf  eine  Vereinigung  von  Kunstwerken  nach  Schulen 
und  Richtungen  zu  einem  geordneten  Ganzen  zu  leiten. 
Nach  dem  Tode  seines  Vaters  (1690)  gelangte  Johann 
Wilhelm  in  den  Besitz  der  herrlichen  Kunstsammlung'en 
seiner  Ahnen,,  namentlich  seines  kunstsinnigen  Grossvaters 
Wolfgang  Wilhelm.  Von  ihm,  dem  Freunde  und  Lebensretter 
des  Malerfürsten  Rubens,  hatte  er  wohl  auch  die  begeisterte 
Verehrung  und  Sympathie  für  den  grossen  Meister  geerbt 
und  es  heisst  desshalb  wohl  nicht  mit  Unrecht,  dass  Johann 
Wilhelm  vor  den  gewaltigen  Kunstwerken  desselben  den 


Zur  Oesehiehie  der  büdeiiden  Kun$t  in  DÜBaeldarf.  299 

ersten  Impuls  empfing  zu  dem  grossartigen  Plan,  dessen 
Ausführung  eine  Hauptthat  seines  wirkungsreichen  Lebens 
bildet,  die  Errichtung  der  weltberühmten,  herrlichen 
Düsseldorfer  Gemftlde-Gallerie.  In  den  genialen  Rubens- 
schen  Schöpfungen  liegt  ein  so  von  edler  Leidenschaft 
durchglühter  und  zu  hoher  Begeisterung  fortreissender 
erhabener  Schwung,  dass  es  leicht  erklärlich  ist,  wie 
unter  ihrer  Einwirkung  ein  jugendlich  schwärmerisches 
und  empfängliches  Gemüth  zu  der  enthusiastischen  Kunst- 
liebe  entflammt  wird,  welche  zu  der  Lösung  einer  so 
grandiosen  Aufgabe  entschieden  erforderlich  ist. 

Wenn  man  bedenkt,  welch  eine  Wichtigkeit  und  Be- 
deutung die  Ausführung  jener  Idee  Johann  Wilhelms  für 
die  ganze  fernere  Entwickelung  Düsseldorfs  gewonnen 
hat,  so  kann  man  ahnend  ungefähr  abwägen,  wieviel 
diese  Kunststadt  dem  gewaltigen  Genius  des  grossen  Nieder- 
länders zu  verdanken  hat. 

Seiner  Neigung  entsprechend  richtete  Johann  Wilhelm 
zunächst  sein  Augenmerk  darauf,  in  den  Besitz  Rubens- 
scher  Werke  zu  gelangen  und  mit  ihnen  das  Fundament 
zu  der  Sammlung  zu  legen.     Gleich  nach   seinem  Re- 
gierungsantritt liess  der  Fürst  aus  seinen  Schlössern  der 
verschiedenen  Residenzen,  so  aus  Neuburg  und  auch  aus 
der    dortigen    Kirche    allmälig    die   geeigneten  Meister- 
werke nach  Düsseldorf  überführen.     Bezeichnet  werden 
speciell  von  Rubens  Werken  „Niederlage  der  Amazonen 
am  Thermodon",  „Die  Märtyrer**,  „Das  Weltgericht"  und 
„Die  Himmelfahrt  Maria**,    welch  letzteres  Bild  wegen 
seiner  grossen  Dimensionen  hier  nur  in  der  Stiftskirche 
placirt  werden  konnte   und   in   der  That  zu  dem  Plan 
eines  neuen  geräumigen  Gallerieauf baues  in   der  Folge 
den  Anstoss  gegeben  haben  soll.    Auch  im  weiteren  Ver- 
lauf bat  dieses  letztere  Bild  eine  speciell  für  Düsseldorf 
interessante,    ereignissreiche    Geschichte.     Ist   es    doch 
das  einzige  Werk  von  Bedeutung,  welches  aus  dem  über- 
reichen Schatz  der  alten  Gallerie  der  Stadt  bis  auf  den 
heutigen  Tag  erhalten  worden    ist  in  einer  manchmal 
an  das  Wunderbare  grenzenden  Weise,  so  bei  den  mehr- 
fachen Entführungen  der  Gallerie  und  bei  dem  letzten 
g^rossen  Brande   des  alten  Schlosses.     Schon   diese  Ver- 
gangenheit verleiht  dem  Bilde  einen  besonderen  Reiz; 
vornehmlich  aber  auch  wogen  seines  hohen  Eunstwerthes 
wäre  es  wohl  zu  wünschen,  dass  ihm  ein  Platz  ange- 
wiesen würde,  wo  seine  hehre,  lichtvolle  Schönheit  nicht 
nur    einzelnen  Bevorzugten,   sondern  Allen  mit  Leichtig- 
keit zugänglich  gemacht  wäre  und  vor  allem  nach  Ge- 
bilhr  gewürdigt  werden  könnte. 


300  Zur  Oeschiehte  der  bildenden  Kunst  in  DOueldarf. 

Hatte  Johann  Wilhelm  eine  besondere  Vorliebe  fUr 
die  Kunst  der  Niederländer,  so  wusste  er  doch  auch  die 
grossen  Italiener  nach  ihrem  vollen  Werth  zu  schätzen 
und  war  jedenfalls  hocherflreut,  als  seine  zweite  Gemahlin 
Anna  Maria  Loisia  von  Medici  nebst  einer  Mitgift  von 
Millionen  Gold  auch  bedeutende  Eunstschätze  aus  ihrem 
damit  so  gesegneten  Heimathlande  nach  Düsseldorf  brachte 
und  fortan  ihren  Gemahl  in  seinem  grossartigen  Unter- 
nehmen,  eine  hochbedeutende  Eunstanstalt  zu  errichten,  aut 
das  Eifrigste  unterstützte.  Ausser  im  Sammeln  von  Kunst- 
werken, zu  deren  Ankauf  vertraute  und  bewährte  Kunst- 
kenner ausgesandt  wurden,  wetteiferte  das  Fürstenpaar 
jetzt  auch  in  der  Berufung  berühmter  Meister,  welche  zum 
Theil,  wie  Douven,  nun  ihren  ständigen  Wohnsitz  wählten, 
zum  Theil  wenigstens  längere  Zeit  in  Düsseldorf  wirkten. 

Der  grössten  Gunst  des  prunkliebenden  Hofes  erfreute 
sich  besonders  Adrian  van  der  Werff,  geboren  im 
Kralinger  Amt  bei  Rotterdam  (1659—1722).  Als  Johann 
Wilhelm  1696  nach  dem  Haag  kam,  besuchte  er  auch 
van  der  Werff  zu  Rotterdam,  kaufte  verschiedene  seiner 
Bilder  und  bestellte  ihm  noch  einige  andere  mit  der 
Weisung,  nach  Vollendung  dieselben  in  Person  nach  Düssel- 
dorf zu  bringen.  Als  der  beglückte  Künstler  im  folgenden 
Jahre  sich  dieses  ehrenvollen  Auftrages  entledigte,  erwarb 
er  sich  damit  so  sehr  die  Zufriedenheit  des  C^urftlrsten, 
dass  dieser  ihn  auf  sechs  Monate  des  Jahres  gegen  ein 
Gehalt  von  4000  Gulden  holländisch  in  Dienst  nahm. 
Seit  dieser  Zeit  blieb  van  der  Werff  dauernd  in  naher 
Beziehung  imd  Verbindung  zum  Düsseldorfer  Hofe  sowie 
auch  zur  Stadt.  Viele  seiner  besten  Werke  fanden  Auf- 
nahme in  der  neugegründeten  Gallerie  und  wenn  dieselben 
auch  heutzutage  wegen  der  ihnen  anhaftenden  SüssUchkeit 
und  Gelecktheit  nicht  mehr  die  übertriebene  Würdigung 
finden,  welche  ihnen  zur  Zeit  ihrer  Entstehung  zu  Theil 
wurde,  so  dürfen  sie  immerhin  doch  als  eine  Zierde  der 
glänzenden  Sammlung  betrachtet  werden  i). 

Die  feierliche  ErOffhung  der  Gallerie,  deren  kunst- 
gerechte  Anordnung   hauptsächlich    durch   die   Meister 

1)  DasH  übrigens  auch  zu,  jener  Zeit  nicht  Alle  so  beffeisterte 
Verehrer  der  van  der  Werff' sehen  Mose  waren  wie  der  Cbnrfürst, 
zeigt  sich  schon  in  folgender  Beurtheilung  eines  Zeitgenossen,  welcher 
schreibt:  „ein  Maler,  der  zwar  durch  seine  Werke  einen  grossen 
Ruhm  erworben,  aber  dennoch  sie  mit  einer  so' peinlich  gezwungenen 
SorgfHitigkeit  ausgeführt  hat,  wie  die  Michel  Aneelo,  die  Raphael, 
die  Titian  von  ganzem  Herzen  verabscheuten.  Ueberlasset,  sagten 
diese  grossen  Genies,  diese  kindischen  Spielereien  den  Flämingem, 
welclie  nichts  als  Sclavenarbeit  thun,  weil  ihre  Raltsinnigkeit  uner- 
schöpflich ist.**  — 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf.  901 

Douven  und  van  der  Wertf  bewerkstelligt  worden  war, 
erfolgte  1710  und  Tausende  von  Bewunderem  strömten 
nun  durch  die  fQnf  prachtvollen  Säle  in  der  Beletage 
hochcntzQckt  von  dem  Anblick  des  wundervollen  Farben- 
zaubers. Einer  der  Säle  war  vollständig  mit  Rubens'schen 
Meisterwerken  angefüllt,  ein  anderer  enthielt  fast  nur 
solche  van  der  Werifs;  auch  Rembrandt  und  Gerhard 
Dow  fanden  sich  sehr  reich  vertreten.  Im  ersten  Saal 
(der  Niederländer)  hing  oben  an  das  prächtige  Bild  von 
bouven  „Churfttrst  Johann  Wilhelm  hoch  zu  Ross  in 
voller  Rüstung,  mit  freundlichem  Antlitze  seinem  Volke 
Frieden  und  den  Künsten  Schutz  verkündend.^  —  In  zwei 
Sälen  des  Erdgeschosses  waren  die  Modelle  der  erhaben- 
sten Statuen  und  Antiken  Italiens  .enthalten.  Jene  so 
zaJilreiche  und  herrliche  Gemäldesammlung  bildete  nur 
einen  Theil  der  unschätzbaren  Exmstkammer,  zu  welcher 
der  Sammleiüeiss  und  die  Kunstliebe  des  Churfürsten  mit 
ausserordentlichem  Kostenaufwande  das  Düsseldorfer 
Schloss  umzugestalten  wusste.  Auch  beschäftigte  Johann 
Wilhelm  ausser  den  beiden  genannten,  vorzugsweise  unter 
den  Strahlen  seiner  Gunst  lebenden  Künstlern  noch  eine 
grosse  Anzahl  von  Künstlern  und  Künstlerinnen  in  seinem 
Dienste.  Von  niederländischen  Künstlern  werden  hervor- 
gehoben Jan  Weening (1644 — 1 7 1 9), ein Bildniss-, Thier- 
und  Blumen-Maler  von  Amsterdam,  Anton  Schoonians 
aus  Antwerpen  (1653— 1726),  durch  genaue  l^enntniss  und 
glückliche  Anwendung  des  Halbdunkels  berühmt,  wohnte 
bis  zum  Tode  Johann  Wilhelms  in  Düsseldorf  und  malte 
für  die  Gallerie  sieben  Bilder;  Gottfried  Schalken 
aus  Dortrecht  (1643 — 1706),  besonders  durch  seine  Nacht- 
stücke mit  grellem  Lichteffect  berühmt,  wohnte  in  Düssel- 
dorf auf  der  Flingerstrasse  und  malte  vier  Bilder  für  die 
Gallerie;  Johann  van  Kessel  aus  Antwerpen  (1644 — 1708) 
malte  während  mehrerer  Jahre  verschiedene  Decorationen 
im  Schlosse;  Hermann  van  der  Meyn  aus  Amster- 
dam, der  drei  Blumenstücke  und  Jan  van  Nickelen, 
der  zwei  Architekturbilder  für  die  Gallerie  verfertigte; 
femer  des  letzteren  Schwiegersohn  Wilhelm  Trost> 
ein  tüchtiger  Porträtmaler,  sowie  seine  Tochter  Jacobe 
Maria  van  Nickeln,  eine  talentvolle  Blumen-  und 
Früchtemalerin  und  ihr  ebenbürtig  zur  Seite  die  Amster- 
damer Malerin  Rachel  Ruysch,  die  auch  verschiedene 
Aufträge  des  Churfürsten  in  Düsseldorf  ausführte. 

Von  italienischen  Malern,  die  längere  oder  kürzere 
Zeit  in  Düsseldorf  lebten,  werden  genannt  Antonio 
Bellucci  aus  Venedig  (1654 — 1716),  von  dem  sich  drei 
Bilder  in   der  Gallerie  befanden;   Antonio  Pellegrini 


309  Zur  Gesehiehte  der  hildtnden  Kunst  in  DüssMorf. 

aus  Padua  (1675 — 1741)  malte  Bilder  und  Deckengemälde 
in  Düsseldorf,  so  namentlich  einen  englischen  Gruss  in  der 
Gamisonkirche  für  den  Hauptaltar  und  die  Decken  (bis 
1840  daselbst  befindlich);  Domenico  Zanetti,  Historien- 
maler; sodann  der  Freskomaler  Antonio  Bernardi  aus 
Bologna,  Antonio  Milanese,  Architektur-  und  Perspectiv- 
maler;  femer  zwei  Emaillemaler,  vier  andere  Miniatur- 
maler und  noch  zwei  Elfenbeinschnitzer. 

Eine  sehr  hervorragende  Persönlichkeit  des  damaligen 
Eunstlebens   in  Düsseldorf  war  der  Bildhauer,   spätere 
Chevalier  Grupello   aus  Mailand   (1643—1730).     Sein 
Hauptwerk  war  die  Bronzestatue  des  ChurfDr^ten.    Wie 
der  Letztere  in  efflgie  auf  dem  Douven'schen  Gemälde 
stolz  und  hoch  zu  Ross  dem  in  die  Gallerie  Eintretenden 
gewaltig   imponirend  entgegenritt,    so   sollte   nun    auch 
auf  dem  Hauptplatz  der  Stadt,  auf  dem  öffentlichen  Markt, 
sein  in  Erz  gegossenes  Bildniss  jedem  Beschauer,  jedem 
Besucher  Düsseldorfs  als  hervorragendstes  Wahrzeichen 
seiner  Sehenswürdigkeiten  zu  unvergesslichem  Eindruck 
in  die  Augen  fallen.   Bei  dem  kolossalen  Ehrgeize  Johann 
Wilhelms  war  es  wohl  selbstverständlich,  dass  er  in  hohem 
Masse   die    menschliche  Schwäche    besass,    sich    gerne 
beweihräuchern  zu  lassen.   Keine  grössere  Freude  konnte 
ilmi  also  jedenfalls  gemacht  werden,  als  indem  ihm  von 
seinen  Unterthanen  in  Stadt  und  Land  als  Zeichen  der 
Dankbarkeit  für  die  Wohlthaten  seiner  Regierung,  nament- 
lich der  Stiftung  der  Gallerie,  jenes  imposante  Monument, 
seine  Reiterstatue,  errichtet  wurde.   Und  leicht  erklärlich 
ist  es  danach  auch,  dass  er  dem  vortrefflichen  Künstler, 
welcher  dasselbe  so  sehr  zu  seiner  Zufriedenheit  auszu- 
führen verstanden  hatte,  Zeit  seines  Lebens  eine  ganz 
besondere   Muniflcenz   angedeihen  liess.     Davon  bringt 
die    Geschichte    mehrfache    augenscheinliche    Beweise, 
wogegen  sie  im  Uebrigen  über  das  Leben  und  Wirken 
eines  Künstlers  von  der  Bedeutung  eines  Grupello  auf- 
fallend wenig  authentisches  Material  liefert.    Um  so  leb- 
hafter  hat  sich  der  Volksmund   mit  seiner  Person    be- 
schäftigt und  weiss  noch  heutzutage  eine  Menge  ganz 
märchenhaft  klingender  Geschichten  von  ihm  zu  erzählen, 
so  dass  er  danach  fast  zu  einer  mythischen  Figur   ge- 
worden ist. 

Das  Piedestal  der  Reiterstatue  Johann  Wilhelms  ist 
nicht  nach  dem  ursprünglichen  Project,  welches  noch 
wesentlich  grossartiger  war,  vollendet  worden.  NaoYi 
diesem  Entwurf  waren  bereits  im  Modell  hergestellt  Arier 
grosse  Löwen,  zu  deren  Guss  der  ChurfQrst  schon  den 
Befehl  ertheilt  hatte,  sammt  der  Lapidarinschrift,  welebe 


Zur  OescJiichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf,  303 

das  Piedestal  zieren  sollte ;  in  symbolischer  Darstellung 
wurden  von  diesen  vier  Löwen  die  vier  Cardinallaster 
Hoffart,  Geiz,  Neid  und  Völlerei  unterdrückt.  Ausser 
jenem  Standbild  wurden  von  Qrupello  eine  hohe  Pyramide 
in  Bronce  sowie  ein  anmuthiger  Springbrunnen  mit  Aktäon 
und  Diana  nebst  ihrer  Umgebung,  den  lieblichen  Nymphen, 
welche  auf  dem  Galleriehofe  in  Düsseldorf  ihre  Aufstellung 
fanden,  hergestellt.  Ferner  verfertigte  er  im  Auftrage 
Johann  Wilhelms  eine  grosse  Anzahl  kleinerer  Arbeiten, 
wie  Bronze- und  Marmorstatuen,  Porträts,  Basreliefs,  Modelle 
2u  biblischen  Gegenständen,  Heiligenbildern,  Thier-  und 
Jagdstücken,  Möbelverzierungen  u.  dergl.  mehr. 

Der  auf  dasGrossartige  gerichtete  Sinn  Johann  Wilhelms, 
der  sich  in  allen  seinen  Bestrebungen  bethätigt  hat,  zeigt 
sich  vor  allem  auch  in  dem  Project  eines  neuen  kolossalen 
Palastes,  welcher  im  Anschluss  der  Lorettokapelle,  also 
auf  der   heutigen  Wegelinie   bis  zur  Neustadt  errichtet 
werden   sollte.    Der  Entwurf,   im   hiesigen  Archiv   auf- 
bewahrt, legt  noch  heute  Zeugniss  davon  ab,   wie  be- 
deutend Düsseldorf  damals  schon  hätte  erstehen  können. 
Ein  Tourist  aus  jener  Zeit  schreibt:  „Ich  habe  den  Plan 
eines   neuen  Palastes  gesehen,   dessen  Bau  beabsichtigt 
war;  derselbe  würde,  ausgeführt,  sicher  eines  der  gross- 
artigsten   Gebäude    Europas    geworden    sein.^      Johann 
Wilhelm  liebte  sein  Düsseldorf  ungemein  und  sein  ge- 
waltiger Ehrgeiz  träumte  kühn  von  der  ihm  vorschwebenden 
Errungenschaft,  es  in  die  Reihe  der  ersten,  berühmtesten 
Kunst-  und  Weltstädte  erhoben  zu  sehen,  nicht  bedenkend, 
dass    zu   einem   solchen   grandiosen  Unternehmen  nicht 
die  Lebenskraft   eines  Einzelnen,   und   sei   sie   noch   so 
thatenreich,  ebenso  wenig  wie  die  materiellen  Mittel  aus- 
reichen.   Noch  in  voller  Beschäftigung  mit  der  Ausführung 
seiner    enormen   Projecte   begriffen,   wurde   er  plötzlich 
durch  den  Tod  dahingerafft. 

Wie  in  der  Regel  ein  Extrem  das  andere  hervorruft, 
wie  der  übertriebenen  Aktion  schleunigst  die  Reaktion 
folgtj  so  geschah  es  auch  hier.  Der  verschwenderischen 
Prachtliebe  Johann  Wilhelms  gegenüber  stellte  sich  das 
engherzige  Sparsamkeitsprinzip  seines  Nachfolgers,  seines 
Bruders  Carl  Philipp,  im  denkbar  schärfsten  Contrast. 
Nicht  gpenug,  dass  die  gewaltigen  Pläne  de»  Verstorbenen 
unausgreführt  blieben,  6s  sollte  auch  möglichst  das  von 
ihm  Ausgeführte  wieder  vernichtet,  respective  zu  baarem 
Oelde  umgewandelt  werden;  wenigstens  sollte  es  nicht 
in  Düsseldorf  verbleiben.  Johann  Wilhelms  ganzer  Nach- 
lass  wurde  mit  Beschlag  belegt,  alle  Kostbarkeiten,  Ge- 
Q^desammlung,  Möbel  etc.  nach   den  Residenzen   Neu- 


304  Zur  GMchiehte  der  bildenden  Kunei  in  DSseeidoff* 

bürg  und  Mannheim-Schwetzingen  des  neuen  ChurfUrsten 
fortgeführt.  Sogar  die  Reiterstatue  auf  dem  Marktplatz 
sollte  zu  dem  Zweck  zerschnitten  werden,  welch  letzterer 
Befehl  jedoch  zurückgenommen  wurde ;  man  beschränkte 
sich  auf  die  Wegnahme  der  fertigen  Theile  des  bestimmungs- 
mässigen  Postaments  in  Grupellos  Laboratorium,  der  vier 
Löwen,  sowie  des  Springbrunnens  und  der  Pyramide. 
Nur  die  Bildergallerie  blieb  unangetastet. 

War  in  dem  Sonnenglanz  der  Gunst  des  vorigen 
Churtürsten  die  Stadt  schnell  zu  üppigster  Prachtent- 
faltung erblüht,  so  sank  sie  unter  der  kalten  Abwendung 
seines  kargen  Nachfolgers,  der  ihr  wahrend  seiner  sechs- 
undzwanzigjährigen  Regierungszeit  keinen  einzigen  Be- 
such abstattete,  noch  schneller  zu  siechem  Hinwelken 
dahin.  Namentlich  das  künstlerische  Leben  war  auf  ein 
Minimum  reduzirt  und  wies  nicht  einen  Vertreter  von 
Bedeutung  auf.  Als  Direktor  der  Gallerie  fungirte  Hof- 
maler Gerhard  Joseph  Earsch.  Auswärtige  Künstler, 
durch  die  Schätze  der  Gallerie  angezogen,  hielten  sich 
Studiums  halber  nur  vorübergehend  in  Düsseldorf  auf. 
Es  war  etwas  wie  eine  nebelgraue  Aschermittwochs- 
stimmung über  die  heitere  buntfarbige  Residenz  gekommen; 
auf  den  herrlichen  sonnigen  Feiertag  schien  eine  endlose 
trübe  Nacht  folgen  zu  sollen.  Die  Saat  aber,  welche 
Johann  Wilhelm,  der  illustre  Beschützer  seiner  Residenz, 
in  so  überreichem  Masse  ausgestreut  hatte,  konnte 
doch  nicht  von  dem  plötzlich  hereinbrechenden  Rauh- 
frost gänzlich  vernichtet  werden.  Sie  schlummerte  nur 
dem  kommenden  Frühlingserwachen  traumbefangen  ent- 
gegen. Der  erlauchte  Säemann  hatte  den  Acker  vor- 
züglich bestellt  und  mit  trefflichen  Mitteln  die  Frucht- 
barkeit des  Bodens  geweckt.  Nur  hatte  sein  glühender 
Eifer,  um  die  schönste  Frucht  zu  erndten,  ihn  hingerissen, 
zu  früh  und  zu  sehr  mit  übervollen  Händen  die  keim- 
fähigen Saatkörner  auszustreuen.  Noch  viele  raube, 
kalte  und  stürmische  Tage  hielten  das  lustige  Empor- 
keimen der  im  Boden  Schlummernden  mit  barscher 
Strenge  zurück. 

Nach  dem  Tode  Carl  Philipps  succedirte  Carl  Theodor, 
welcher  Düsseldorf  und  seiner  Gallerie  wieder  mehr 
Aufmerksamkeit  wie  sein  Vorgänger  zuwandte  und  sie 
auch  zeitweise  mit  seinem  Besuche  beehrte.  Seine  hohe 
Gunst  für  die  Stadt  zeigte  sich  vor  allem  in  der  für  sie 
so  hochbedeutsamen  Weise,  dass  er  im  Jahre  1767  hier 
mit  unmittelbarem  Anschluss  an  die  Gemäldegallerie  eine 
Kunstakademie  errichtete.  Zum  Director  der  neuen  An- 
stalt wurde  Johann  Lambert  Krähe  (1720—1790),  Hof- 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf*  305 

maier  und  Professor  der  Akademien  zu  Rom  und  Florenz, 
ein  geborener  Düsseldorfer,  ernannt.  Seinem  Rufe  und 
seinen  eifrigen  Bemühungen  gelang  es  bald,  junge  Talente 
heranzuziehen  und  so  war  1774  die  Anstalt  vollständig 
organisirt  und  ausser  von  Deutschen  selbst  von  Eng- 
ländern, Franzosen  und  Holländern  besucht.  War  nun 
aber  auch  ohne  Zweifel  Krähe  ein  in  seiner  Art  streb- 
samer, kenntnissreicher  und  tüchtiger  Charakter,  so 
mangelte  ihm  doch  die  selbstständige  schöpferische  Kraft, 
welche  den  bedeutenden  Künstler  macht.  An  diesem 
Mangel  krankte,  wie  überhaupt  die  damalige  Zeit,  so 
auch  die  seinem  Directorium  unterstehende  Akademie; 
sie  war  wie  alle  übrigen  eine  Zopfakademie.  Unter  dem 
directen  Einfluss  der  prächtigen  Gemäldegallerie  bezeichnet 
die  damalige  Kunstrichtung  eine  schwankende  Mittelstufe 
zwischen  decorativer  Zopfkunst,  dem  neu  sich  regenden 
Classicismus  und  niederländischen  Anklängen.  Immerhin 
aber  war  ein  bedeutungsvoller  Anfang,  der  erste  Schritt 
zu  einem  frischen  Aufstreben  gemacht.  So  konnte  also 
die  Stadt  aus  dem  fünften  Jahrhundert  ihres  Bestehens, 
das  in  seinem  Anfang  ebenso  glorreich  wie  in  seinem 
weiteren  Verlaufe  betrübend  gewesen  war,  nun  mit  einer 
hofifhungsfrohen  Aussicht  auf  die  Zukunft  in  das  sechste 
Jahrhundert  übertreten.  Das  letztere  sollte  ungefähr  den 
umgekehrten  Verlauf  wie  das  vorangegangene  nehmen; 
es  brachte  zu  Anfang  die  niederschmetterndsten  Schick- 
salsschläge für  die  Stadt  und  ihre  Kunst,  führte  dagegen 
im  weiteren  Verlaufe  bis  zum  Schluss  eine  stetig  wacli^ende 
Entfaltimg  ihres  Aufblühens  mit  sich.  Und  in  dieser 
stetigen,  gesunden  Entwickelung  liegt  einerseits  die  Be- 
gründung für  die  tiefgehende  Bedeutung  gerade  dieses 
Zeitraumes  im  (Gegensatz  zu  den  vorangegangenen  Jahr- 
hunderten, andemtheils  aber  auch  die  Gewähr  für  die 
Dauerhaftigkeit  der  daraus  hervorgegangenen  Errungen- 
schaften. Diesen  Unterschied  zwischen  der  Entwickelung 
der  Düsseldorfer  Kunst  im  letzten  Jahrhundert  und  der 
der  froheren  Zeit  in  das  rechte  Licht  zu  rücken,  das  ist 
die  eigentlich  grundlegende  Absicht  dieser  Schrift.  Sie 
tritt  somit  jetzt  in  einen  neuen  Abschnitt,  in  den  zweiten 
und  Haupttheil  ihrer  Aufgabe  ein,  in  einem  Ueberblick, 
wenn  auch  nur  gedrängt  und  skizzenhaft,  wie  es  bei  der 
Beschränktiieit  des  Raumes  nicht  anders  möglich  ist, 
die  vollständige  Verschiedenartigkeit  zu  zeichneu,  welche 
sich  in  dem  Wesen  dieses  Jahrhunderts  gegen  die  früheren 
und  namentlich  das  vorletzte  äussert.  Dieser  Unterschied 
kennzeichnet  sich  am  klarsten  in  dem  schon  vorhin 
erwähnten  Vergleich  mit  dem  Ausstreuen  der  Frucht  auf 

20 


306  Zur  Geschichte  der  bildendefi  Kmiet  in  Düsseldorf, 

den  urbar  gemachten  Acker  und  dem  Emporwachsen  der 
demselben  entkeimten  Pflanze.  So  von  aussen  hineui, 
von  oben  herab  ist  nach  langem,  dunklem  Winter  von 
emsiger  Hand  das  Saatkorn  in  den  fruchtbaren  Boden 
gebracht  worden  und  nachdem  es  eine  Zeit  lang  darin 
geruht,  ist  erst  in  diesem  Jahrhundert  die  reiche  Saat  zu 
herrlichem  Erblühen  aus  demselben  emporgesprossen,  nun 
erst  hat  sie  in  diesem  ihrem  Boden,  ihrer  Mutter  Erde 
Wurzel  gefasst,  nun  erst  kann  sie  wirklich  mit  Stolz  ihren 
Namen  „Düsseldorfer  Kunst^  tragen.  Diese  Berechtigung 
hat  sich  denn  auch  im  Laufe  des  letzten  Jahrhunderts  in 
der  ganzen  Welt  die  vollste  Geltmig,  den  besten  Klang 
verschafft.  — 

Nach  dem  Tode  Krahes  (1790)  wurde  Johann  Peter 
Langer,  geboren  zu  Calcum  bei  Düsseldorf,  zum  Director 
der  Akademie  und  Gallerio  ernannt.  War  seine  Bedeutung 
als  Künstler  zwar  auch  nicht  viel  höher  anzuschlagen  als 
die  seines  Vorgängers,  so  gewann  sein  Directorium  doch 
eine  grössere  Wichtigkeit  zunächst  schon  dadurch,  dass 
sein  weit  berühmterer  Sohn  Robert,  der  1806  Professor 
der  Münchener  Akademie  wurde,  im  vorigen  Jahrhundert 
Schüler  der  Düsseldorfer  Akademie  war,  sowie  vor  Allem 
aber  dadurch,  dass  Robert  Langers  Altersgenosse  und 
Mitschüler  kein  geringerer  als  Peter  Cornelius  (geboren 
zu  Düsseldorf  1787)  war,  also  Derjenige,  welcher  für  die 
Glanzperiode  der  Düsseldorfer  Kunst  als  der  eigentliche 
Grundpfeiler  zu  betrachten  ist. 

Bevor  aber  mit  diesem  Namen  die  Lenzessonne  der 
neuen  Kunst  der  vielgeprüften  Stadt  aufging,  sollte  erst 
noch  einmal  eine  recht  finstere  Sturmnacht  mit  allen  ihren 
Schrecken  niederschmetternd  und  zerstörend  über  sie 
dahinbrausen,  um  sie  vor  ihrer  Erhebung  bis  zur  tiefsten 
Verwüstung  herabzuwürdigen.  Von  einer  stolzen  Residenz- 
stadt, die  sich  vermass,  den  grössten  Städten  der  Welt 
den  Rang  ablaufen  zu  können,  war  Düsseldorf  schon  seit 
langer  Zeit,  namentlich  nach  der  Vereinigung  der  kur- 
pfälzischen Lande  mit  Bayern,  immer  mehr  zu  einer  be- 
scheidenen stillen  Provinzialstadt  herabgesunken.  Sein 
einziger  Stolz  war  nur  noch  seine  weltberühmte  Gemälde- 
gallerie.  Schon  hatte  sie  einmal  beim  Bombardement  der 
Stadt  (1758)  nach  Mannheim  geflüchtet  werden  müssen, 
war  aber  bei  hergestellter  Ruhe  (1764)  unversehrt  zurück- 
geführt worden.  Sie  zog  ausser  den  Malern  auch  die 
Koryphäen  anderer  Künste  zeitweise  nach  Düsseldorf,  so 
Lessing,  Wieland,  Claudius,  Heyse,  Humboldt,  Herder, 
Bürger,  Hölderlin  und  vor  allem  den  Grössten,  Goethe, 
zum  Besuche  seines  Freundes  Joh.   Heinr.  Jakobi.    Da 


Zur  GuehiehU  d§r  bOdendtn  Kunst  in  Düsseldorf.  307 

zog  das  schwere  Ungewitter  der  französischen  Revolution 
über  die  erschreckten  Lande  dahin;  mit  infernalischer 
Gewalt  prasselte  es  auch  auf  das  unbeschutze  Düsseldorf 
nieder.     Bei  dem  Bombardement   am  6.  October  1794, 
welches  viele  Gebäude  zerstörte  und  beschädigte,  war 
glücklicherweise    die  schon  vorbereitete  Flüchtung   des 
Gallerieschatzes  kurz  vorher  bewerkstelligt.    Die  Samm- 
lung wurde  über  Bremen  nach  Glückstadt  gebracht  und 
kam  erst  nach  dem  Lüneviller  Frieden  nach  Düsseldorf 
zurück  (1801).   Aber  die  ob  der  Wiederkunft  laut  jubelnde 
Bürger-  und  Eünstlerschaft  sollte  sich  ihres  theuersten 
Schatzes  nicht  lange  in  Ruhe  erfreuen.    Kaum  begannen 
die  friedlichen  Gaue  wieder  aufzuathmen,  da  fuhr  aufs 
Neue  und  mit  vermehrter  Vehemenz  wie  die  wilde  Jagd 
ein  Heer  von  Furien   Alles  mit  Schrecken,  Entsetzen  und 
G-raus  erfüllend,  von  Frankreich  her  über  das  zitternde 
Europa  dahin.   Und  zum  dritten  Male  musste  die  Düssel- 
dorfer Gallerie  geflüchtet  werden  (1805).   Diesmal  —  wie 
es  in  dem  allerhöchsten,  vom  Präsidenten  von  Hompesch 
bestätigten  Befehle  aus  München  heisst  —  weil  ^von  den 
andringenden  feindlichen  Preussen  ein  Ueberfall  zu  be- 
fürchten stehe.  ^   Und  diesmal  war  es  auf  Nimmerwieder- 
sehen.   Der  Schatz  gelangte  unter  grossen  Gefahren  bis 
nach  München  und  hier  verliebte  man  sich  derart  in  ihn, 
dass  man  sich  nicht  mehr  von  ihm  trennen  konnte.   Wie 
sehr   der  Schmerz   Düsseldorfs    um    den    unersetzlichen 
Verlust  ein  tiefer,  ein  ungeheurer  war,  das  beschreiben 
zu  wollen  würde  stets  ein  vergeblicher  Versuch  bleiben. 
Dem  von  Johann  Wilhelm  gepflanzten,  prächtigen  Baume, 
der  seinem  Acker  zu  Nutz  und  Schutz  gedeihen  sollte, 
dem  aber  schon  so  mancher  schöne  Zweig  entrissen  wurde, 
war  jetzt  die  Krone  geraubt  und  sein  Lebensmark  bis 
ins  Innerste  zerstört  worden.    Die  Grösse  dieses  Leids 
vvar  so  tödtlich  verwundend,  dass  sie  sich   kaum  noch 
steigern  liess,  als  nun  auch  die  mit  der  Gallerie  verbundene 
Kunstakademie  ihrem  Schatze  folgen  und  ebenfalls  nach 
MCinchen  verpflanzt  werden  sollte.    Der  Director  Langer 
und  sein  Sohn  Robert  sowie  der  Inspector  Bouillot  zogen 
bereits  1806  nach  dorthin  ab. 

So  schien  die  junge  Düsseldorfer  Akademie  glücklich 
entschlafen;  in  dem  Staatskalender  von  1805  geschah 
des  Institus  schon  keiner  Erwähnung  mehr,  und  blieb  es 
auch  faktisch  noch  bestehen,  so  gab  es  doch  kaum  ein 
Lebenszeichen  mehr  von  sich.  Nur  ein  paar  unterge- 
ordnete Lehrer,  die  mit  der  Namen- Akademie  ein  kümmer- 
liclies  Dasein  fristeten,  waren  übrig  geblieben.  In  diesem 
desolaten  scheintodähnlichen  Zustande  gelangte  das  arme 

20* 


308  Zur  Oeachielitn  der  bildenden  Kunst  in  DUseeldorf» 

Düsseldorf  in  den  Besitz  der  gefürchteten  „feindlichen 
Preussen^.  Damit  sollte  nun  wohl  endgültig  sein  Todes- 
urtheil  gesprochen  sein. 

Die  barbarischen  Preussen  schienen  aber  doch  selt- 
samerweise ein  menschliches  Rühren  zu  fühlen.  Sie  er- 
kundigten sich  bald  ganz  theilnehmend  nach  dem  Befinden 
des  im  Scheintod  schlummernden  Pfleglings.  Unter'm 
5.  December  1816  forderte  das  Ministerium  des  Innern 
einen  Bericht  ein  „über  den  Zustand  der  Kunstakademie 
und  deren  Sammlungen^  und  in  dieser  Forderung  ergab 
sich  die  Handhabe  zur  weiteren  Verfolgung  des  Gedankens 
einer  Neubegründung  der  Düsseldorfer  Kunstakademie. 
Allerdings  war  jenes  Mitgefühl  anfangs  nur  eine  schwache 
Regung^  die  noch  lange  mit  allerhand  praktischen  Be- 
denken und  Erwägungen  zu  kämpfen  hatte,  ehe  sie  sich 
so  weit  erwärmen  konnte,  dass  sie  zu  einem  klaren 
definitiven  Entschluss  kam.  Und  bei  diesem  Zögern  und 
Ueberlegen  wäre  beinahe  die  Gunst  des  Augenblicks  un- 
genutzt vorübergegangen. 

In  Erwägung  der  wenig  günstigen  Finanzlage  und 
der  daraus  resultirenden  Sparsamkeitsrücksicht  hatte 
nämlich  die  königliche  Regierung  zu  Düsseldorf  einen 
praktischen  Vorschlag  gemacht.  Sie  fand  ganz  richtig 
in  der  Berufung  tüchtiger  Künstler  an  die  neu  zu  gründende 
Anstalt  die  beste  Gewähr  für  deren  Aufblühen  und  da 
„auf  eine  nicht  sehr  reichliche  Ausstattung  zu  rechnen^ 
war,  welche  ausgezeichnete  Männer  ihr  zuzuwenden  ge- 
eignet gewesen  wäre,  so  machte  man  Rechnung  auf  den 
Umstand,  dass  zwei  damals  sich  hervorüiuende  Künstler 
aus  hiesiger  Gegend  gebürtig  waren  und  sich  von  ihnen 
annehmen  lassen  durfte,  dass  vielleicht  die  Liebe  zur 
Heimath  sie  geneigt  machen  möchte,  eine  Anstellung  hier 
anderen  vortheilhaften  Anträgen  vorzuziehen.  Die  beiden 
in's  Auge  gefassten  Personen  waren  der  Bildhauer  Flathea 
in  Paris,  gebürtig  aus  Crefeld,  und  der  Maler  Peter  Cor- 
nelius in  Rom  aus  Düsseldorf. 

Diese  Annahme  zeigte  sich  denn  auch  als  durchaus 
gerechtfertigt.  Auf  eine  Anfrage  erklärte  Cornelius  in 
einem  Briefe  vom  2.  Mai  1818  sich  sehr  bereit,  die  Leitung 
der  neueinzurichtenden  Kunstschule  zu  übernehmen,  in- 
dem er  als  Hauptgrund  seine  Liebe  zur  Heimath  und 
seine  Anhänglichkeit  an  den  preussischen  Staat,  an 
welchen  er  „mit  allen  seinen  Angehörigen  durch  wahr- 
haft innige  Bande  geknüpft  sei",  betonte.  Aber  trotz  der 
diesen  Brief  begleitenden  warmen  Empfehlung  Niebubrs, 
der  kein  Bedenken  trug,  Cornelius  „den  ersten  Maler  zu 
nennen,    der  seit  dem   16.  Jahrhundert    erstanden    und 


Zur  Oesehiehte  der  bildenden  Kunst  in  DRsaeldorf.  309 

dessen  Werth  man  bis  dahin  in  Deutschland  noch  lange 
nicht  hinreichend  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  gehabt 
habe"  und  „der  unter  den  Malern  sei,  was  Goethe  unter 
den  Dichtern",  und  trotz  der  eifrigen  Befürwortung  der 
königlichen  Regierung  zu  Düsseldorf  konnten  die  gegen- 
stehenden Bedenklichkeiten  nur  langsam  zertheilt  werden. 
Erst  auf  ein  nochmaliges  dringenderes  Schreiben  Niebuhrs 
vom  ö.  Juni  1819  hatte  die  preussische  Regierung  sich 
entschliessen  können,   Cornelius   für  die   Directorsstelle 
an  der  Akademie  zu  Düsseldorf  in  Aussicht  zu  nehmen 
und  mit  dieser  ihm  zugleich  das  Anerbieten  zu  machen, 
sich  an  der  Ausmalung  des  neuerbauten  Schinkelschen 
Schauspielhauses  zu  betheiligen.     Ungefähr  kam  dieser 
Entschluss  aber  jetzt  zu  spät.    Cornelius  war  inzwischen 
von  Rom  nach  München  übergesiedelt  und  es  war  schon 
lange  kein  Geheimniss  mehr,  dass  er  durch  die  Huld  des 
kunstliebenden  Kronprinzen  Ludwig,  die  ihn  durch  gross- 
artige Aufträge  dahin  gezogen,  nun  dort  auch  vollständig 
gefesselt  werden  sollte.    Ergriffen  von  dem  Anblick  der 
für  die  Glyptothek  angefertigten  Cartons  hatte  der  Kron- 
prinz dem  Künstler  die  Erfüllung-  aller  seiner  Wünsche 
auf  die  huldvollste  und  aufmunterndste  Weise  bewilligt. 
Cornelius  ging  erneute  Verpflichtungen  ein  und  glaubte 
dieselben  nicht  lösen  zu  können,  ohne  Ehre  und  Gewissen 
zu  verletzen.    So  war  also  die  äusserste  Gefahr  in  Ver- 
zug,  dass  München,  welches  dem  wetteifernden  Düssel- 
dorf schon  seine  Gallerie  und  seine  erste  Akademie  ent- 
führt hatte,  ihm  nun  auch  noch  seine  schönste  Hoffnung 
für  die  Erstehung  der  neu  zu  gründenden  Akademie  vor- 
weg  nehmen   würde.     Cornelius   aber,   der   treue   Sohn 
Düsseldorfs,  gerieth  andrerseits  in  schmerzlichen  Conflikt, 
dem  ehrenvollen  Ruf  in  das  geliebte  Vaterland,  in  seine 
theure   Heimathstadt  nicht  folgen  zu    sollen.     Lag  ihm 
doch  das  hier  zu  beginnende  reformatorische  Werk  nicht 
minder  am  Herzen  wie  die  eigene  Kunstthätigkeit.    Da 
entschloss  sich  der  preussische  Minister  zu  einem  Akt 
freisinniger  Protection  der  Kunst  und  liberaler  Behand- 
lung des  Künstlef*s     Cornelius  war  nämlich  der  Meinung, 
dass  in  Düsseldorf  Bau  und  Einrichtung  so  weit  zurück 
seien,  dass  wohl' noch  zwei  Jahre  hingehen  könnten,  bis 
alles  vorbereitet  sei;  inzwischen  könne  er  in  München 
seine    Arbeit   fördern,  in   Berlin   sich  berathen   und  in 
Düsseldorf  leiten  und  ordnen.    Er  verkannte  den  Nach- 
theil  dieser  Abwesenheit  nicht,   glaubte   ihn   aber   auf- 
gewogen durch  den  Vortheil,  den  eine  grosse  Arbeit  auf 
Lehrer  und  Schüler  habe :  die  Fähigeren  sollten  unmittel- 
bar Antheil  an  derselben  nehmen  und  in  der  lebendigen 


310  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf. 

Ausübung  der  Kunst,  mit  Wort  und  Lehre  verbunden, 
die  wirksamste  Art  gefunden  werden,  an  einem  Orte,  wo 
die  Kunst  keine  Geschichte  und  weder  heimische  noch 
fremde  Werke  mehr  aufzuweisen  habe,  ein  neues  Kunst- 
leben  zu  erwecken  und  ihm  Richtung  und  Dauer  zu  geben. 

„Und  wenn  dann  —  äusserte  er  —  meine  jetzige 
Arbeit  vollendet  sein  wird  und  ich  mir  die  Schule  an- 
gezogen habe,  so  kann  das  nähere  Vaterland  femer  Ober 
uns  gebieten;  es  wird  noch  Zeit,  Kunst  und  Lebenskraft 
übrig  sein,  zu  leisten  und  zu  lehren.^  —  Hardenberg  ging 
auf  alle  Vorschläge  ein ;  Cornelius  wurde  zum  Director 
der  Kunstakademie  in  Düsseldorf  vom  1.  October  1819 
ab  ernannt  und  erhielt  die  von  ihm  zur  Bedingung  ge- 
machte Erlaubniss,  während  zweier  Jahre  die  Sommer- 
monate hindurch  in  München  zur  Vollendung  der  dort 
bedungenen  Arbeiten  zubringen  zu  dürfen. 

So  war  denn  für  Düsseldorf  die  junge  geniale  Kraft, 
welche  sich  seinem  Erblühen  so  gerne  mit  voller  Sohnes- 
liebe gewidmet  hätte,  wenigstens  nicht  ganz  verloren 
gegangen;  nachdem  es  so  vieles  vollständig  hatte  ab- 
geben müssen,  durfte  es  seinen  Cornelius  wenigstens 
theilen  mit  dem  glücklicheren  München.  So  war  nun  der 
Regenerator  zugleich  für  beide  Kunststädte  gewonnen, 
welche  denn  auch  hinfort  die  beiden  Stätten  wurden,  an 
denen  sich  die  Glanzperiode  der  deutschen  Kunst  ent- 
falten sollte.  Ende  Januar  1820  folgte  er  einer  Einladung 
nach  Berlin  zum  Zweck  der  Vereinbarung  der  Reorgani- 
sation der  Düsseldorfer  Schule.  Der  ausführliche  Plan 
zu  einer  solchen,  den  er  mit  dem  Kupferstecher  Mosler 
zusammen  ausgearbeitet  hatte,  fand  im  Ganzen  Billigung. 
Cornelius  war  der  Ansicht,  dass  der  Mangel  an  Kunst- 
werken in  Düsseldorf  nur  durch  eine  liberale,  den  alten 
Kunstschulen  ähnliche  Lehrart  einigermassen  ersetzt 
werden  könnte  und  dass  von  dem  Meister  in  den  Ver- 
zweigungen der  Schule  eine  Thätigkeit  unterhalten  und 
angeregt  werden  müsste,  die  soviel  als  möglich  die  Elr- 
zeugung  zu  einem  angegebenen  Zwecke  bestimmter  Werke 
zum  Ziele  habe. 

Die  Gediegenheit  und  Grossartigkeit  seiner  Arbeiten 
im  Göttersaal  der  Münchener  Glyptothek,  welche  mit 
Beihülfe  talentvoller  Schüler  zum  grossen  Theile  bereits 
vollendet  waren,  verschafften  dem  Meister  einen  rasch 
sich  verbreitenden  Ruf,  und  dies  äusserte  bei  seinem 
Amtsantritt  in  Düsseldorf  sofort  seine  Wirkung.  Zu  den 
einheimischen  Eleven,  darunter  C.  Schorn  und  der  viel- 
versprechende A.  Eberle,  die  namhaftesten,  .gesellten 
sich    mehrere    tüchtige    auswärtige    Schüler^    worunter 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf,  311 

C.  Stürmer  und  H.  A.  Stilke^  sowie  des  Meisters  Lieb- 
lingsschQler  J.  Götzenberger,  im  folgenden  Jahre  auch 
W.  Kaulbach,  C.  Hermann^  H.Anschütz,  Chr.  Rüben 
und  mehrere  Andere.    Freilich   war  nun   diese  Anstalt 
weniger  Akademie  als    Corneliusschule   und  ihr   Haupt 
weniger  Director  als  Meister,  um  welchen  sich  die  Schaar 
der  Jünger  mit  begeisterter  und  doch  wieder  familiärer 
Hingebung  drängte.    Alles  Reglement  fiel  und  mit  den 
Theorien    war    es    vorüber;     Lehren     und     Rath  •  des 
Hauptes  dagegen,  unsystematisch  und  mehr  gelegentlich 
hingeworfen,  eingestreut  in  gemeinsame  Arbeit  wie  in 
unterhaltende   Gespräche,  wirkten    wahrhaft    orakelhaft 
auf  dem  empfJlnglichen  Boden.     Auch  die  von  Cornelius 
nach  Düsseldorf  gezogenen  Lehrer,  Mosler  und  Winter- 
gerst,   standen   ganz  unter   seinem  Einfluss  und  waren 
die  treuen  Dolmetscher  seiner  Intentionen.    Kein  Wunder, 
dass  in  Kurzem  die  ganze  Schule  wie  aus  einem  Gusse 
dastand.    Von  jedem   Besuch,   den   die   Schüler  in   des 
Meisters  Atelier  machten,  wo  ein  Carton  nach  dem  andern 
für  die  Glyptothekfresken  entstand,  kehrten  sie  angeregt, 
geläutert  zurück,  angefeuert  durch  das  ernstfreundliche 
Wort,  das  Cornelius  an  jeden  zu  richten  wusste  und  be- 
festigt in  dem  Wunsche,  nach  demselben  Ziele  zu  streben. 
Es  gab  aber  für  den  Meister  nur  ein  Ziel :  die  monumentale 
Kunst.    Diese  fasste  er  jedoch  keineswegs  in  einen  eng- 
begrenzten Rahmen,  sondern  betrachtete  Antike,   Sage, 
das  religiöse  Gebiet  und  die  Geschichte  als  ebenbürtig. 
Auch   von   einem   Anlehnen   an   eine   bestimmte   Kunst- 
richtung war  keine  Rede  mehr.    Tüchtige  Naturstudien 
sollten  das  Mittel  sein,  die  Ideen  zum  Ausdruck  zu  bringen; 
sonst  empfahl  er  besonders  die  Antike  und  die  grossen  Cin- 
quecentisten  als  Correktiv.  Hinsichtlich  der  Stoff  wähl  rieth 
er  im  allgemeinen  von  Dichter-Illustrationen  ab:  „Es  taugt 
nicht,  den  Dichtern  nachzudichten.    Unsere  Kunst  ist  frei 
und  muss  sich  frei  gestalten.    Erw^ärmen   sollen  wir  uns 
an  der  Begeisterung  der  Dichter,  das  ganze  Leben  muss 
von  ihnen  durchdrungen  sein;  aber  wo  wir  dichten,  sollen 
wir  selbst  dichten  und  nicht  für  uns  dichten  lassen.  .  .  . 
Scenenmalerei  ist  Nachdruck;  die  iVeie  Kunst  muss  sich 
dessen   schämen.^  —  Das  waren  goldene   Worte,   denn 
Selbstständigkeit  um  jeden  Preis,   stolzes  Selbstbewusst- 
sein,   das  war  es,  was  der  Kunst  vor  allem  Noth  that 
und  namentlich  der  überall  nur  nachäffenden  Malerei. 

So  war  denn  in  Düsseldorf  als  Pflanzstätte  endlich 
eine  erfreuliche  Saat  aufgegangen,  die  anfing  kräftig 
Wurzeln  zu  schlagen.  Es  hatte  nun  eine  Schule  mit 
tüchtigen  selbstschaffenden  Künstlern,  die  zwar  noch  zum 


312  Zur  Geschichte  der  hiWenden  Kirnst  in  Dilssefdorf. 

grössten  Theil  Zugvögel  waren,  die  die  Sommenuoaate 
in  München  arbeiteten,  aber  doch  auch  einen  guten  Theil 
ihrer  Kraft  der  Düsseldorfer  Kunstthätigkeit   widmeten. 
Die  erste  monumentale  Bethätigung  der  Schule  war  die 
Ausmalung  der  Aula  der  Bonner  Universität  durch  Götzen- 
berger,   Hermann   und  Förster.     Unvollendet  blieb   das 
jüngste  Gericht  für  die  Decke  des  Assisensaales  zu  Coblenz, 
welches  Stilke,  Stürmer  und  Anschütz  übertragen  war: 
ebenso  ging's  mit  einigen  Privatbestellungen  für  Schlösser 
in   der   Umgegend  Düsseldorfs;    denn    mit   der  ganzen 
Herrlichkeit  der  jungen  aufblühenden  Schule  war's  plötz- 
lich wieder  zu  Ende.    Als  der  alte  Langer,  der  Director 
der  Münchener  Akademie,  1824  starb  und  nun  Cornelius 
zur   Annahme    dieser  Stellung    durch    seinen   Protector 
König   Ludwig    auf  das    energischste    gedrängt   wurde, 
waren    die   Gründe,    welche   dafür   sprachen,    so    über- 
wiegender Natur,  dass  sie  doch   ausschlaggebend  wirken 
mussten  und  über  die  treue  HeimathsUebe  siegten.    Bevor 
der  Meister  jedoch  —  schweren  Herzens  —  seine  junge 
Schöpfung  verlies»,  gab  er  sich  alle  Mühe,   ihren  Be- 
stand in  der  von  ihm  begründeten  Richtung  zu  sichern. 
Er  ermahnte  seine  Schüler,  auch  nach  seinem  Abgange 
von   der  Anstalt  rüstig  in  seinem  Sinne   fortzuarbeiten, 
aber  die  überwiegende  Mehrzahl  und  gerade  die  her\'or- 
ragender en   derselben   erklärten   mit  E.   Förster:    „Die 
Anstalt,  zu  der  wir  gekommen,  sind  Sie ;  wohin  Sie  gehen, 
folgen  wir  Ihnen!" 

So  stand  denn  die  Düsseldorfer  Kunstakademie  aber- 
mals verwaist,  verödet  da,  doch  sollte  dieses  neue 
Missgeschick  nur  die  Einleitung  sein  zu  einem  grösseren 
glänzenderen  Glücke.  Nach  einem  kurzen  Interregnum, 
während  welcher  Zeit  Mosler  die  Leitung  der  Anstalt 
übernommen  hatte  und  es  damit  allerdings  recht  kläglich 
bestellt  war,  wurde  1826  Wilhelm  Schadow  zum 
Director  der  Akademie  berufen  und  in  ihm  war  eine 
Lehrkraft  und  ein  organisatorisches  Talent  von  so  hervor- 
ragender Bedeutung  für  die  neue  Kunstanstalt  gewonnen, 
wie  sie  eines  solchen  zu  frischem  Emporblühen  dringend 
bedurfte.  So  hebt  denn  auch  mit  Schadow  eine  stetifce 
und  gedeihliche  Entwickelung  der  Düsseldorfer  Kunst  au. 

Cornelius  und  Schadow  —  das  sind  für  die  Düssel- 
dorfer Malerschule  die  beiden  hell  leuchtenden  Kory- 
phäen, wenn  auch  in  ganz  verschiedener  Richtung 
geworden.  Es  wäre  ein  vergebliches  Unterfangen, 
Schadow  zur  künstlerischen  Höhe  eines  Cornelius  empor- 
schrauben zu  wollen.  Es  sind  eben  zwei  verschiedene 
Dinge,  ein  grosser  Künstler  und  ein  tüchtiger  Lehrer  zu 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düssefdorf,  313 

sein,  ebenso  wie  es  zwei  ganz  verschiedene  Dinge  sind, 
was  der  Künstler  lernen   kann  und   was   er   von  Hause 
aus  mitbringen  muss.    Die  Akademie  kann  niemals  einen 
Künstler  erziehen,   wenn   nicht  bereits   die  Hauptsache, 
die    künstlerische    Beanlagung,    vorhanden    ist.      Den 
grossen  Künstler   macht  die  ihm  innewohnende  Gewalt 
der  Idee,   die   schöpferische   Phantasie.     Sie   muss   von 
Anfang  an  in   ihm  leben ,   sie  muss   ihn   zum  Ausdruck 
treiben;   um   aber   den  Ausdruck  dieser  inneren  Idee  in 
einer  möglichst   vollendeten   äusseren  Form   zu   ermög- 
lichen,   dafür  lernt   er   die  Form   d,  i.  das  Technische. 
Dies  ist  es  demnach  vor  allem,  worin  eine  künstlerische 
Lehranstalt  ihre  Eleven  zu   fördern  hat,   wenngleich  si^ 
damit    auch  keineswegs  die  Entwickelung  der  ideellen 
Beanlagung  ausser  Acht  lassen  darf.    Es  liegt  somit  in 
der  Natur  der  Sache,  dass  der  grosse  Künstler,  getrieben 
von    dem    verzehrenden     Feuer     der     zum    Ausdruck 
drängenden  Idee,  weniger  befähigt   ist   für   eine   direkte 
Lehrthätigkeit ,   so   sehr  er  sich  auch  stets  einer  Menge 
g'eistiger  Zöglinge  erfreuen  wird,  deren  innere  Gluth  von 
dem   vorleuchtenden  Flammenzeichen   zum  Nachstreben 
solcher    unbewussten    Führer    hingerissen      wird.    Der 
geringere   Künstler    wird    in  der   Regel    aber    ein    viel 
nüchternerer  Denker,   ein  praktischerer  Mann  sein   und 
darum   mehr   befähigt,    auf  das    rein   Technische,    das 
Handwerksmässige  sein  Augenmerk  zu  richten  und   mit 
aller  Ruhe  darin  auch  lernbegierige  Zöglinge  zu   unter- 
weisen.    So    überwog    denn    in    der    That    auch    nach 
Schadows  Uebernahme  des  Directoriums  die  Cultivirung 
und    Weiterbildung    in    der    Technik    des    Malens    das 
eigentlich  artistische   Interesse   der  Schüler   und   es  ist 
nicht   zu  leugnen,   dass   viele  Haupteiiolge  der  Düssel- 
dorfer  diesem   Umstände   zu   danken  sind.    Es   waltete 
eben    ein    günstiges    Geschick    über   die   neuerstandene 
Düsseldorfer  Akademie,   dass   ihr   zur  Leitung  gleich  zu 
Anfang   der    grösste  Künstler  und    der   grösste    Lehrer 
folgerichtig  nacheinander   beschieden   wurden ,   wodurch 
die  Namen   Cornelius   und  Schadow  überhaupt   die  Leit- 
sterne der  Düsseldorfer  Kunst  geworden  sind. 

Die  von  Schadow  gebrachte  Neuerung,  mehr  Werth 
auf  das  Technische  zu  legen,  führte  zugleich  den  nicht 
zu  unterschätzenden  Vortheil  mit  sich,  dass  man  dadurch 
zu  gesteigertem  Bestreben  angeregt  ward,  auch  in  jeder 
anderen  formalen  Hinsicht  dem  errungenen  Vortheile 
gleichzukommen  und  dass  der  Düsseldorfer  Boden  dadurch 
wesentlich  vorbereitet  ward,  in  der  folgenden  Periode 
der  Realistik  und  Coloristik  doppelte  Früchte  zu  tragen. 


314  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf, 

Schadow  konnte  sie  noch  sehen  und  trotzdem,  dass  er 
sich  frühzeitig  in  Folge  zunehmender  nazarenischer  und 
propagandistischer  Gesinnung  mit  den  weiteren  Fort- 
schritten in  einseitige  Opposition  stellte,  1862  den  Ruhm 
mit  sich  in's  Grab  nehnaen,  doch  durch  die  von  ihm 
begründete  Schulrichtung  den  Weg  zur  neuesten  Kunst 
mit  gebahnt  zu  haben. 

Schadow  fand  bei  seinem  Eintritt  ein  Feld  vor,  auf 
dem  alles  wild  und  kraus  durcheinander  wuchs  und  das 
desshalb  des  Umackerns  und  der  Neusaat  bedurfte,  um  ge- 
sunde Früchte  zu  tragen.  Je  mehr  dieses  der  Fall  war, 
um  so  mehr  muss  man  die  Weisheit  und  Zweckmässig- 
keit seiner  Anordnungen  anerkennen,  welche  in  nicht  zu 
langer  Zeit  die  glücklichste  Umgestaltung  der  Verhältnisse 
zu  Stande  brachte.  Um  die  formelle  Künstlererziehung 
hat  er  sich  so  verdient  gemacht,  dass  seine  Methode  als 
wahres  Muster  überall  empfohlen  worden  ist. 

Die    Einflüsse     aus    dem    Lustrum    des    Cornelius- 
Directorats,    mit    Avelchem    Schadow    etwa    zu    rechnen 
gehabt  hatte,   waren  kaum  nennenswerth.    Wenn  in  der 
ersteren  Zeit  etwas  im  Geiste  des  Cornelius  geschah,  so 
war  es  namentlich  die   durch  Mosler  durchgesetzte  Be- 
stimmung des  1829  gegründeten  Kunst  Vereins  für  die  Rhein- 
lande und  Westfalen,  dass  ein  Fünftel  der  Jahresbeiträge 
in  den  sog.  öffentlichen  Fonds  fiiessen  sollte,  welcher  zur 
Herstellung  monufnentaler  Arbeiten    bestimmt  war  und 
seinen  Zweck  vielfach  glänzend  erreichte,  wie  z.  B.  die 
Gemälde    Rethels    im    Aachener    Rathhause,    die    Over- 
beck'sche    Himmelfahrt  Maria    im    Dom    zu    Köln,    der 
Bendemann'sche  Fries  in  der  Realschule  zu  Düsseldorf 
u.  s.  w.    beweisen.     Es    zeigte    sich    darin,    wie    Recht 
Cornelius  hatte,  als  er  in  dem  1819  entworfenen  Plan  zur 
Organisation  der  Kunstakademie   die  Einrichtung   eines 
solchen  kunstfördernden  Vereins  als  ein  dringendes  Be* 
dürfniss  hinstellte  und    zum  Schlüsse  sagte:    „Wir   ge- 
trauen   uns    für    unsere  Heimath    und    die   Rheinischen 
Provinzen    überhaupt    den    guten   Erfolg   eines   auf  die 
Unterstützung    öffentlicher    Kunstthätigkeit    gerichteten 
Vereins  voraus  zu  bürgen.     Die  in  dieser  Hinsicht    zu 
machenden  Vorschläge    müssen   wir   uns   indessen  noch 
vorbehalten  bis  auf  bessere  Müsse  und  Selbstanwesenheit 
am  Rhein  zur  Rücksprache  mit  den  dortigen  noch  eifrigen 
Kunstfreunden,    deren    Trieb    durch    den   Mangel   einer 
allgemeinen    Thätigkeit    und    eines    gemeinschaftlichen 
Unterstützungsplans  sich  in  der  Liebhaberei  zu  Privat- 
sammlungen   einzeln    zersplittert,   ohne   im   Ganzen    zu 
fruchten.    Die  Organisation  der  einzelnen  zersplitterten 


1", 

> 


Zur  Gresehichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf,  315 

und  auf  das  Kleinliche  gerichteten  Thätigkeit  des  Kunst- 
triebes zu  einer  öffentlichen,  allgemeinen  und  grossartigen 
durch  einen  freiwilligen  Verein,  der  sich  an  unsere  An- 
stalt anlehnte  und  sich  unsei^m  Einfluss  zu  entziehen  nie- 
mals Ursache  haben  soll ;  dies  hängt  nothwendig  mit  dem 
Organisationsplan  der  Kunstunterrichtsanstalt  zusammen. 
Wir  müssten  uns  ein  Gewissen  daraus  machen,  mehr 
Künstler  zu  erziehen,  als  wir  hoffen,  dass  beschäftigt 
werden."  —  Hier  ist  es  ersichtlich,  wie  sehr  Cornelius  auch 
die  practische  Seite  wohl  zu  würdigen  wusste,  nur  verlor 
er  sie  bei  seiner  Hauptbestrebung  leicht  wieder  aus  dem 
Auge;  anders  bei  seinem  Nachfolger.  Je  weniger  in 
Düsseldorf  von  einer  Cornelianischen  Tradition  die  Rede 
sein  konnte,  um  so  durchgreifender  entfalteten  die  Mit- 
glieder der  von  Schadow  eingerichteten  Meisterklasse 
ihre  schulbildende  Thätigkeit,  sofort  achtunggebietend 
durch  ihre  Geschlossenheit,  neidlose  Gegenseitigkeit  und 
gemeinsame  Bestrebung  wie  durch  glückliche  Verbindung 
verschiedenartiger  Talente. 

Schadow  wählte  als  Künstler  vorwiegend  das  biblische 
Stoffgebiet;  darin  am  nächsten,  obzvar  Protestant,  stand 
ihm  R.  J.  B.  Hüb n er,  welcher  sein  gleichstrebender 
Genosse,  wie  eine  gleichfalls  verwandte  Erscheinung^ 
Chr.  Köhler  sein  Lieblingsschüler  war.  Wie  letzterer 
an  Schadow,  so  schloss  sich  Ed.  Bendemann  an  Hübner 
an,  auf  welchen  letzteren  übrigens  des  Schülers  unstreitig 
grösseres  Talent  reichlich  zurückwirkte.  Als  in  ähnlicher 
Richtung  wirkend,  sind  hier  noch  Rob.  Reinik,  0. 
Mengelberg  und  J.  Niessen  anzuführen.  Ausserdem 
Hessen  sich  hier  noch  eine  lange  Reihe  von  Künstlern 
namhaft  machen,  die  vielleicht  zu  ihrer  Zeit  als  Vertreter 
der  biblisch  -  historischen  Richtung  sich  für  fulminante 
Lichter  hielten,  aber  wo  ist  ihr  Glanz  geblieben?  —  An 
Namen  hat  es  in  der  That  nicht  gefehlt,  noch  viel  weniger 
an  Werken,  aber  wie  wenig  eigentliche  Ausbeute!  Das 
meiste  liegt  hier  freilich  an  dem  Eklekticismus  der 
ganzen  Richtung.  Nur  eine  geringe  Anzahl  von  Mit- 
gliedern der  Schule  bildete  zu  dieser  oberflächlichen 
Aeusserlichkeit  einen  wohlthuenden  Gegensatz  durch  ihre 
ernste,  wahre  Strenggläubigkeit.  Als  Haupt  dieser  from- 
men Schaar,  deren  Richtung  als  die  nazarenische  be- 
zeichnet wird,  ist  Ernst  Deger  zu  nennen,  eine  edle, 
keusche,  reine  Natur,  wie  man  sie  selten  findet. 

Die  genialste  Künstlerkraft  erstand  der  Schule  auf 
dem  Felde  der  profanen  Geschichtsmalerei  in  dem  un- 
glücklichen Alfred  Rethel.  Er  ist  wohl  die  glän- 
zendste   Erscheinung    der    Düsseldorfer    Schule;    seine 


316  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kirnst  in  Düsseldorf, 

Schöpfungen  gehören  zu  dem  Grossartigsten,  was  die 
Kunst  je  hervorgebracht  hat.  War  der  Schule  in  Rethel 
der  grösste  Qenius  aufgegangen,  allerdings  leider  nicht 
zur  vollen  Entwickelung  ausgereift,  so  erblühte  ihr  in  Karl 
Friedrich  Lessing  das  grösste  und  zugleich  viel- 
seitigste Talent  und  zwar  in  voller  ausgiebigster  Kraft- 
entfaltung ;  er  leistete  gleich  Bedeutendes  auf  dem  Felde 
der  Historien-,  Genre-  und  Landschaftsmalerei.  Seine  Werke 
waren  als  der  vollendetste  und  prägnanteste  Ausdruck 
der  damaligen  Düsseldorfer  Schule  ihr  höchster  Stolz. 
Speciell  auf  dem  Felde  der  Schlachtenmalerei  that  sieh 
namentlich  Wilhelm  Camphausen  aus  Düsseldorf 
hervor. 

Eine  andere  Richtung,  die  gewissermassen  den  Ueber- 
gang  von  der  Historie  zum  Genre  bildet  und  die  ideali- 
sirte  Natur  als  das  Ziel  ihres  Strebens  erkannte,  fand  in 
Carl  Sohn  und  Theodor  Hildebrandt  ihre  Hauptver- 
treter, die  als  überzeugte  Naturalisten  auch  die  berufensten 
Porträtmaler  waren.  In  ihnen  und  Lessing  besass  die 
junge  Schule  unzweifelhaft  ihre  anregendsten  Kräfte. 

Schon  in  der  Zeit  ihrer  Blüthe  rief  die  übertriebene 
romantische  Richtung  eine  leichterklärliche  Reaction  her- 
vor, die  sich  namentlich  im  Genre  in  humoristisch-satiri- 
scher Weise  äusserte.  Der  Hauptvertreter  dieser  Gegen- 
strömung war  Ad.  Schrödter,  der  geistreiche  Verherr- 
licher des  Don  Qu^ote,  FalstafT,  Eulenspiegel,  Münchhausen 
und  ähnlicher  köstlicher  Gestalten.  Ihm  würdig  zur  Seite 
stand  P.  Hasenklever.  Unter  den  Malern  des  Volks 
zeichnete  sich  Rudolf  Jordan,  der  Helgoland  sieb  als 
Domäne  erwählte,  besonders  aus.  Eine  andere  Gruppe 
der  Düsseldorfer  Genremaler  suchte  seine  Stoffe  mehr  in 
der  Nähe  im  häuslichen  Kleinleben  der  bürgerlichen  wie 
der  bäuerlichen  Sphäre.  Als  das  hervorragendste  Talent 
muss  hier  jedenfalls  Ludwig  Knaus,  welcher  noch  heute 
als  Altmeister  der  Genremalerei  den  ersten  Ehrenplatz 
einnimmt,  genannt  werden. 

Mit  besonderem  Stolz  durfte  die  rheinische  Kunst- 
schule auf  ihre  Landschaften  blicken,  denn  gerade  fOr 
diesen  Zweig  hatte  sie  vortreffliche  Talente  gefunden  und 
gebildet.  Als  eigentlicher  Begründer  der  historisch- 
stylistischen  Richtung  darf  Joh.  Wilh.  Schirmer  be- 
trachtet werden.  Die  zu  ihm  stehende  Gruppe,  welche 
gewissermassen  die  Poesie  der  Reflexion  zum  Ziele  hatte, 
wurde  bei  weitem  überflügelt  von  den  naturalistischen 
Landschaftsmalern,  welche  die  Poesie  der  Wahrheit,  der 
Kraft,  der  Fülle  auf  ihre  Fahne  geschrieben  hatten. 
*^ie    glänzendsten   Vertreter    dieses   Kreises    waren    die 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf.  317 

BrüderAndreas  und  Oswald  Achenbach,  das  leuchtende 
Doppelgestirn  der  Landschaft;  dem  eine  lange  Reihe 
tüchtiger  Talente  folgte  auf  der  verlockenden  Bahn. 

Einen  bedeutenden  Aufschwung  nahm  auch  die  Kupfer- 
stecherschule, seitdem  Joseph  Keller  an  ihre  Spitze 
trat;  er  bildete  eine  zahlreiche  Schülerschaar. 

In  der  ersten  Zeit  des  Schadow'schen  Directoriums,  in 
den  dreissiger  Jahren,  schien  der  jungenSchule  eine  ähnliche 
Einseitigkeit  und  Abgeschlossenheit  wie  der  Comelianischen 
gefährlich  w^erden  zu    sollen.     Es  war   von  vornherein 
Sitte,  dass  alle  Künstler  im  Akademie-Gebäude  arbeiteten, 
keiner  dachte  daran,  selbst  dann,  wenn  er  in  technischer 
Beziehung  nichts  mehr  zu  lernen  hatte,  sein  eigener  Herr 
und  Meister  2u  werden.    Diese  Künstler wirthschaft  hatte 
etwas  äusserst  Gemüthliches.    Einer  hockte  neben  dem 
andern  im  Atelier,  selbst   die  Erholung  bei  der  Arbeit 
war  höchstens  dem  Besuch  in   einer  andern  Werkstätte 
gewidmet.    Unter  diesen  Umständen  kann   es  nicht  auf- 
fallen, wenn  die  Ideen  gewissermassen  ansteckend  wirkten, 
wenn   eine   seltsam   kindliche,    naiv    anmuthige   Ueber- 
einstimmung  nicht  allein  im  Stoffe,  sondern  auch  in  der 
Farbengebung  zur  Erscheinung  kam.    Aber  diese  biedere 
Urgemüthlichkeit  blieb  nicht  lange  ungestört  und  heute 
darf   man    sagen,    zum   guten    Glück    der    Düsseldorfer 
Kunst,   die  denn  doch  höhere  Ziele  zu   erreichen  hatte. 
Was   alles   für   Zündstoffe   mitwirkend  waren,    um   das 
schöne  idyllische  Zusammenleben  auf  der  Akademie  aus- 
einander  zu  sprengen,    lässt  sich    nicht    mit    ein    paar 
Worten  erzählen.   Alte  und  neue  Beschuldigungen  wurden 
hervorgesucht  und  dienten  zum  Vorwande,  die  geliebten 
RAume,  in  denen  die  Jugendarbeiten  gewachsen  waren, 
zu   verlassen.    Eine  grosse  Anzahl  der  besten  Künstler 
bezog    die   Werkstätten    ausserhalb   der   Akademie   und 
damit  trat  eine  neue  höchst  bedeutungsvolle  und  heilsame 
Wendung  in  der  Geschichte  der  Düsseldorfer  Kunst  ein. 
Die  etwas  sehr  das  Treibhaus  verrathende  Pflanze  fasste  von 
jetzt  ab  in  dem  gesunden  Mutterboden  immer  mehr  und 
fester  Boden.    Und  das  merkte  man  ihren  Blüthen  an, 
die    eine    immer    kräftigere    Naturfarbe    zeigten,    einen 
immer  würzigeren   Duft   spendeten.     Sie   athmeten   die 
frische   freie  Rheinluft   und   so   gewann  jetzt  bald  ihre 
Bezeichnung   als   Erzeugniss    der   ^Düsseldorfer  Kunst^ 
einen  immer  eigenartigeren,  bedeutenderen  Klang. 

Die  vierziger  und  fünfziger  Jahre  waren  eine  Vor- 
bereitung auf  die  kommende  erhebende  ZQit,  die  überall 
ersehnt  und  voraus  geahnt  wurde,  ebenso  auf  dem  Ge- 
biete  der   Politik   wie   auf  dem   der   Kunst.     Wie   viel 


318  Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf, 

Ahnendes  durchklingt  nicht  die  Worte,  mit  denen  1853 
W.  Müller  von  Königswinter  sein  vortreffliches  Buch  über 
die  Schade w'sche  Schule  abschliesst :  „Haben  die  Düssel- 
dorfer nun  freilich  auf  den  Gebieten  der  Genremalerei 
und  der  Landschaft  die  grösste  Vielseitigkeit  entwickelt, 
so  soll  damit  nicht  gesagt  sein^  dass  sie  nicht  auch  eine 
künftige  Berechtigung  zur  geschichtlichen  Kunst  haben. 
Hoffentlich  werden  wir  wieder  einmal  ein  geschichtliches 
Volk,  wie  wir  es  vor  Zeiten  waren.  Dann  wird  uns  auch 
die  Geschichte  in  Bild,  Drama,  Epos  nicht  fehlen.  Da- 
mit diese  frommen  Wünsche  aber  in  Erfüllung  gehen,  ist 
es  durchaus  an  der  Zeit,  dass  die  Regierung  mehr  für  die 
hiesige  Schule  thue,  wie  besonders  in  der  letzten  Zeit 
geschehen  ist.  Vor  allem  bedarf  die  alternde  Akademie 
eine  Erfrischung  im  Lehrpersonal  und  in  ihren  Einrich- 
tungen. —  Es  ist  auch  nöthig,  dass  an  einem  solchen  In- 
stitut in  der  Geschichte,  Kunstgeschichte  und  Literatur 
von  tüchtigen  Leuten  unterrichtet  werde,  damit  ein 
höherer  Schwung  in  die  Ideen,  die  zu  genrehaft  sind, 
kommt.  Ueberdies  könnte  es  nicht  schaden,  wenn  gleich- 
falls Lehrer  für  die  Genremalerei  und  Skulptur  angestellt 
würden.  Und  könnte  nicht  die  Historienmalerei  dann  und 
wann  durch  Bestellungen,  die  der  Staat  gibt,  gefördert 
werden?"  — 

Alle  diese  frommen  Wünsche  sind  nun  in  Erfüllung 
gegangen ;  die  heissersehnte  Zeit  ist  gekommen,  der  Traum 
der  vierziger  und  fünfziger  Jahre  zur  Wirklichkeit  ge- 
worden. Die  grosse  Wandlung,  die  sich  auf  politischem 
Gebiete  vollzog,  die  glänzende  Erstehung  des  neuen 
deutschen  Reiches,  hatte  auch  die  Erhebung  auf  den 
meisten  anderen  Gebieten,  so  auch  auf  dem  der  Kunst 
zur  Folge.  In  Düsseldorf  vollzogen  sich  gewaltige  fort- 
schrittliche Veränderungen,  die  langsam  vorbereitet  mit 
immer  lebhafterer  Bewegung  vor  sich  gingen.  Der  Haupt- 
anstoss  dazu  war,  wie  erwähnt,  schon  in  der  Loslösung 
der  Künstlerschaft  von  der  Akademie  gegeben  worden. 
Nach  und  nach  Hessen  sich  ganze  Schaaren  von  Künstlern, 
die  durch  kein  Schulverhältniss  und  keine  Traditionen 
mit  der  Düsseldorfer  Akademie  verknüpft  waren,  viel- 
mehr Privatschüler,  die  ihr  bedeutender  Ruf  angezogen, 
in  ihren  eigenen  Ateliers  bildeten,  sodass  die  Begriffe 
Düsseldorfer  Schule  und  Düsseldorfer  Kunstakademie  sich 
langst  nicht  mehr  deckten,  da  das  Kunstleben  Düssel- 
dorfs der  Akademie  über  den  Kopf  gewachsen  war.  Die 
nächstliegende  Folge  war,  dass  die  freie  Künstlerschaft 
sich  auch  einen  Sammelpunkt  zu  errichten  suchte  und 
dies  durch  die  Gründung  des  Künstler  Vereins  „Malkasten" 


Zur  Geschichte  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf,  319 

(1848)  dokumentirte,  der  durch  seine  liberale  Tendenz  des 
gemeinsamen  collegialischen  Wirkens  eine  segensreiche 
Thätigkeit  entfaltete  und  allein  schon  durch  seine 
glänzenden  und  geistreichen  Feste  einen  wesentlichen 
Factor  im  Culturleben  der  Kunststadt  ausmachte.  Eine 
nicht  minder  erspriessliche  Wirksamkeit  wurde  durch 
andere  vereinigende  Institute,  die  Kunstgenossenschaft 
sowie  den  Verein  der  Düsseldorfer  Künstler  zu  gegen- 
seitiger Unterstützung  und  Hülfe  erzielt.  Eine  hei- 
tere Seite  einträchtlichen  Zusammenwirkens  fand  ni 
den  „Düsseldorfer  Monatsheften^,  die  eine  Zeit  lang 
ganz  Deutschland  mit  lustigen  Künstlerschwänken  ver- 
sorgten, zum  Ausdruck.  Um  für  die  unwiederbringliche 
alte  Gemäldegallerie  einigen  Ersatz  zu  schaffen,  wurde 
eine  Städtische  Gemäldegallerie  ins  Leben  gerufen  und 
zwar  aus  vorzüglichen  Werken  der  eigenen  Schule.  Hatte 
sie  durch  ihr  Emporblühen  doch  eklatant  gezeigt,  dass 
sie  das  direkte  Vorbild  der  Alten  entbehren  konnte.  Ja 
es  war  hier  das  auffallende  Faktum  zu  konstatiren,  dass 
eben  das  Eraporblühen  sich  eigentlich  gerade  von  der 
Entführung  der  alten  Gallerie  her  datiren  liess,  während 
zur  Zeit  der  Anwesenheit  derselben  kein  rechtes  Kunst- 
leben gedeihen  wollte,  ebensowenig  wie  noch  heute  in 
Städten,  z.  B.  Dresden  und  Kassel,  die  die  schönsten 
Gallerien  der  Welt  besitzen.  Auch  Münchens  Kunst  hat 
von  dem  geraubten  Schatz  nur  sehr  zweifelhafte  Vortheile 
gehabt.  Sehr  wohl  verdient  war  es  demnach,  dass  die 
preussische  Regierung  der  Stadt  und  Künstlerschaft  zur 
Entschädigung  für  das  vollständige  Aufgeben  der  An- 
sprüche auf  die  alte  Gallerie  eine  Summe  zur  Erbauung 
einer  neuen  Kunsthalle  überwies  und  dass  in  ihr  der 
stadtischen  Gallerie  eine  würdige  Aufnahme  bereitet  wurde. 
Diese  sich  nach  und  nach  vollziehenden  günstigen 
Veränderungen  blieben  natürlich  nicht  ohne  Rückwirkung 
auf  die  Akademie,  deren  sich  nun  auch  der  Staat  mehr 
annahm,  namentlich  seitdem  die  Leitung  des  preussischen 
Kultusministeriums  aus  den  Händen  von  Mühlers  in  die 
überall  energisch  eingreifen  den  Hände  Falks  übergegangen 
war.  Vor  allem  wurde  die  so  nöthige  Vervollständigung  des 
akademischen  Lehrkörpers  vorgenommen,  theils  durch 
die  anerkanntesten  der  selbstständig  in  Düsseldorf  lebenden 
Künstler,  theils  durch  die  hervorragendsten  Schüler  der 
Akademie  selbst,  theils  durch  von  auswärts  berufene 
Lehrer,  welche  bis  dahin  nicht  vertretene  Fächer  lehrten. 
Im  Jahre  1862  wurde  endlich  die  bis  dahin  nur  auf  dem 
Papier  stehende  Bildhauerklasse  zu  wirkungsreichem 
Leben  erweckt   und   die  junge  Pflanze   hat  sich   heute 


320  Zur  Geschichte  der  biltlenden  Kunst  in  Düsseldorf, 

bereits  zu  einem  recht  kräftigen  und  fruchtbringenden 
Stamm  entwickelt.    Bald  wurde  auch   ein  Lehrstuhl  für 
Anatomie,   sowie  für  Kunstgeschichte  und  Literatur  er- 
richtet.   Nachdem  endlich  auch  mit  der  Ernennung  eines 
Professors  der  Genremalerei  ein  vielversprechender  An- 
fang gemacht  worden,  folgte  dieser  Berufung  bald  die 
Heranziehung  einer  Reihe  der  tüchtigsten  jüngeren  Künstler 
als  Lehrkräfte  nach,  namentlich  auch  für  das  historische 
Fach;   waren   die   Deutschen   doch  jetzt   ein   geschicht- 
liches Volk   geworden.     Der    glänzendste   Erfolg   dieser 
wichtigen  Neuerungen,  ein  überall  sichtbarer  begeisterungs- 
voller  und   thatkräftiger  Aufschwung  liess  nicht   lange 
auf  sich  warten.    Und  so  kann  Düsseldorf,  das  mittler- 
weile  sich   aus  dem  kleinen,   Lindenblüthenduft   durch- 
zogenen Landstädtchen  zu  einer  weit  ausgedehnten,  handel- 
und  industriereichen  prächtigen  Hauptstadt  des  Rheinlandes 
mit  weit   über    100000  Einwohnern   emporgeschwungen 
hat,  mit  vollberechtigter  Genugthuung  das  Prädicat  einer 
Kunstmetropole   in  Anspruch   nehmen.     Die   treue   gute 
Mutter,  die  sie  der  Kunst  allzeit  war,  darf  mit  Stolz  auf 
die  vorzüglichen  Meisterwerke  ihrer  Söhne  blicken,  deren 
Ruhm  die  ganze  Welt  durchklingt,  sie  darf  mit  hofftaungs- 
freudigem  Wohlwollen  für  ihre  Benjamine,  ftlr  den  viel- 
versprechenden   Nachwuchs,    das    Jüngste   Düsseldorf**, 
zuversichtlich  heiter  in  die  Zukunft  schauen    und,    die 
herzlichen     Glückwünsche     ihrer     Getreuen     entgegen- 
nehmend,   mit    zufriedenem    Lächeln    in    ihr   siebentes 
Jahrhundert  eintreten. 

Nicht  besser  lässt  sich  demnach  diese  Betrachtung 
schliessen  als  mit  den  schönen,  bei  der  Enthüllung 
des  Cornelius -Denkmals  gesprochenen  Worten  Wilhelm 
Camphausens : 

„Wir  dürfen  alle  mit  Stolz  heute  empfinden,  dass  wir 
auf  Düsseldorfer  Boden  stehen,  der  9ich  denn  doch  als 
Pflanzstätte  der  bildenden  Kunst  so  fruchtbar  erwiesen 
hat.  Ihre  grossen  Pfleger  und  Hüter,  Cornelius  -wie 
Schadow,  haben  beide,  jeder  in  seiner  Weise,  zu  ihrem 
Wachsthum  und  Weltruhm  mächtig  gewirkt  und  unser 
Düsseldorf  sendet  nach  wie  vor  die  allwärts  begehrten 
Apostel  ihres  Lehramtes  weit  und  breit  hinaus  ins  ganze 
Reich.  Ueberall  treibt,  grünt  und  blüht  ein  ftrischer 
thatenlustiger  Nachwuchs  und  die  verklärten  Geister 
derer,  welche  das  Hohepriesteramt  deutscher  Kunst  hier 
geübt  haben,  dürfen  sich  der  Frucht  ihrer  Aussaat  wahr* 
lieh  in  alle  Ewigkeiten  freuen!" 


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b)  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf.'') 

(Verzeichniss  der  in  Düsseldorf  erschienenen  Druckwerke  bis  zum 

Jahre  1750.) 

Von 

Ij.  Merländer. 

tiehr  als  hundert  Jahre  waren  seit  dem  Auf- 
treten Guttenbergs  veiHossen,  ehe  die  Kunst 
des  Bücherdrucks  in  Düsseldorf  heimisch 
wurde.  Die  Stadt  war  zu  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts noch  zu  unbedeutend  y  das  geistige 
Leben  in  ihr  noch  nicht  genügend  entfaltet ,  als  dass 
eine  Buchdruckerei,  ttlr  deren  Erzeugnisse  bei  den  im- 
g^enügenden  Verkehrsmitteln  und  dem  noch  in  der  ersten 
Entwicklung  sich  befindenden  Buchhandel  hauptsächlich 
auf  Absatz  in  der  Stadt  selbst  und  in  den  nächstliegenden 
Ortschaften  gerechnet  werden  musste,  Aussicht  auf  ein 
lohnendes  Fortbestehen  hätte  haben  können;  auch  mag 
die  Nähe  der  Stadt  Köln,  der  Hauptpflegestätte  rheini- 
schen Bücherdrucks,  in  welcher  bereits  seit  dem  Jahre 
146i?  diese  Kunst  erfolgreich  betrieben  wurde,  und  die 
eine  grosse  Anzahl  wohleingerichteter  und  bedeutender 
Druckereien  besass,  das  Bedürfniss  nach  einer  Druckerei 
in  Düsseldorf  nicht  haben  aufkommen  lassen.  So  sind 
denn  auch  die  ältesten  noch  vorhandenen  gedruckten 
Düsseldorfer  Regierungs -Verordnungen  vom  Jahre  1475 
und  spätere  behördliche  Druckschriften  bis  in  die  zweite 
HÄlfte  des  16.  Jahrhunderts  in  Köln  hergestellt  worden. 


*)  Eine  Fortsetzung  der  Geschichte  des  Buchdrucks  und  Buch- 
handels in  Düsseldorf,  enthaltend  die  Druckwerke,  welche  nach 
dem  Jahre  1750  in  Düsseldorf  erschienen  sind,  wird  von  demselben 
Verfasser  in  Jahrbuch  IV  und  event.  V  des  Düsseldorfer  Geschichts- 
Vereins  gebracht  werden.  Den  Schluss  des  Ganzen  wird  .ein  Ver- 
zeichniss  derjenigen  Düsneldorler  Drucke  bilden,  welche  eine 
Ang^abe  des  Druckers  nicht  enthalten. 

21 


322  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf. 

Wann  die  erste  Druckerei  in  Düsseldorf  entstand, 
ist  urkundlich  nicht  festzustellen ;  der  älteste  Düsseldorfer 
Drucker,  Jacob  Baethen,  scheint  mit  seinem  Unternehmen 
kein  Glück  gehabt  zu  haben,  da  er  bald  nach  Erscheinen 
des  einzigen  von  ihm  bekannten  Druckes  vom  Jahre  1556 
(s.  u.)  einer  zweiten  Druckerei  den  Platz  räumen  musste, 
deren  Fortbestehen  für  einen  Zeitraum  von  mehr  als 
60  Jahren  nachweisbar  ist. 

Das  Aufblühen  der  gelehrten  Schule  unter  Monheims 
Leitung  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  begünstigte 
wesentlich  die  Entwicklung  des  Bücherdrucks  in  Düssel- 
dorf und  ermöglichte  die  Existenz  einer  neuen  OfHcin, 
die  in  unmittelbarer  Beziehung  zu  dieser  Gelehrtenwelt 
stand  und  ihr  auch  ihr  Entstehen  verdankt. 

In  Nachstehendem  soll  nun  zum  ersten  Male  versucht 
werden,  über  die  in  Düsseldorf  bis  zum  Schlüsse  des 
18.  Jahrhunderts  gedruckten  und  erschienenen  Werke 
eine  Aufstellung  zu  geben,  die  allerdings  bei  dem  fast 
vollständig  fehlenden  bibliographischen  Material  über 
gerade  diesen  Theil  des  Bücherwesens,  sowie  bei  der 
Seltenheit  der  meisten  Düsseldorfer  Drucke,  die  mit  ge- 
ringen Ausnahmen  nur  in  einer  verhältnissmässig  kleinen 
Auflage  hergestellt  sind,  den  Anspruch  auf  Vollständig- 
keit nicht  machen  kann.  *) 

Das  älteste  Düsseldorfer  Druckerzeugniss,  aus  der 
Officin  von 

Jacob  Baethen 
stammend, 

1.  S3an  ®ottcö  Onabcn  /  önfcr  2BiU)cImö  ^crtjogen  ju  ®\\l\&i  i 
fficuc  t)nb  Serge  /  ®rauen  ju  ber  3Karcf  önb  SRauenfeberg  /  ^crm 
JU  JRaucnftcin  etc. 

Orbnung  bed  ©eriAtüc^en  ^roceg/mte  ed  bamit  ^in^ 
furter  inn  bnfer  ©rafffc^afft  äiauengberg  gesotten  werben  foU  ; 
im  iar  taufenb  ftinf^onbert  onnb  fe^dDnbfünff^ig  ouggangen. 

©ebrucft  ju  Duffclborff  bet)  3|acob  ©aet^en.   2R.  D.  8bi. 

ein  Druck  in  Folioformat,  wird  in  Buininck,  Tentamen 
p.  93  erwähnt,  doch  gelang  es  nicht,  ein  Exemplar  aus- 
findig zu  machen. 

Wohl  auf  Veranlassung  seines  Schwagers  Johannes 
Oridryus,  der  ein  Lehrer  an  der  Monheim'schen  Schule 
war,  errichtete  gegen  das  Ende  des  Jahres  1557 


1)  Besitzer  hier  nicht  aufgeführter  Düsseldorfer  Drucke  werden 
freundlichst  gebeten,  Angaben  Über  dieselben  an  den  Verfasser 
dieser  Abhandlung  oder  an  den  Vorstand  des  Düsseldorfer  Qe- 
schichts -Vereins  gelangen  zu  lassen. 


Buchdruck  und  Buchhandel  in  Dllsseldor/,  323 

Albert  Buys 

die  bereits  erwähnte  neue  Druckoreiwerkstätte,  als  deren 
Erstlingserzeugniss  nachstehendes  in  der  Königlichen 
Landesbibliothek  zu  Düsseldorf  auf  bewahr tesWerkehen  gilt. 

2.  Tabulae  Joannis  Mormellii  ruremundensis  in  artis 
componendorum  versuum  rudimenta  ad  primam  auc- 
toris editionem  diligenter  recognitae  et  ex  eadem 
auctae. 

Adiecimus  in  puerorum  gratiam  et  usum  ualde 
necessarium,  de  ratione  distinguendi,  ex  Joanne  Riuio 
uiro  doctissimo  breuem  praeceptionem. 

Dusseldorpii  £xcudebat  Albertus  Buys,  Anno 
MD.LVIIL 

Format  klein  8,  Type  römisch  Cursiv,  61  nicht  bezeichnete 
Seiten,  mit  Custoden  und  Si^aturen. 

Der  ihm  von  der  herzoglichen  Regierung  anvertraute 
Druck 

3.  Orbttung  /  med  unfer  SBil^elmd  ^er^oaen  ju  ©ttltdg  /  Sleue 
önb  Serge  /  ®rauen  i^u  ber  ÜRarrf  unb  SRauenßbero  /  Ferren  511 
Stauenften  etc.  9(tn6t(eut  bnb  Seuel^aber  in  beotenung  irer 
Slmbter  fid^  gu  baUen. 

©etructt  ju  !£)uff elburff  butd^  «Ibertum  8ut)g.  Anno  MDL VIII. 

fol.  H.  p.  122.  >} 
scheint  indessen  nicht  zur  Befriedigung  des  Bestellers  aus- 
gefallen zu  sein,  da  spätere  amtliche  Schriftstücke  wieder 
in  Köln  gedruckt  wurden ;  es  ist  aber  auch  möglich,  dass 
ein  Contract  mit  der  Officin  Erben  Birckmans  und  Jacob 
Soter  in  Köln^  die  bis  1563  die  herzoglichen  Verordnungen 
druckte,  eine  Ueberweisung  dieser  Arbeiten  an  den  städti- 
schen Drucker  nicht  zuliess. 

Gar   bald   empfand   Buys   das  Bedürfniss,   für  sein 
[Jnternehmen  eine  wissenschaftlich  gebildete  Persönlich- 

1)  Abkürzungen: 

A  s=  Juliae  Montiumque  Comitum,  Marchionum  et  Ducum  Anna- 
lium.    Colonia  1731. 

B  =  G.   J.   Bnininck,    Tentamen   historicum   de   Ordinationibus 
provinc.    Juliacensibus  Montensibus.    Dusseldorpii  1794. 

G  =:  Th.  Oeorgi,  Allgem.  Europäisches  Bücher-Lexicon.    Leipzig 
1742f58. 

H  3=  W.  Heinsius,  AUfi^em.  Bücher-Lexicon.    Leipzig  1793/94. 

£  =  J.  S.  Esch,  Handbuch  der  deutschen  Literatur,  Amsterdam 
und  Leipzig  1812/14. 

Lf  =  M.  Lipenii  Bibliotheca  realis.    Francofurti  1682. 

V  s=s  D.  Melch.  Voets,  Historia  Juris  civilis  Juliacensium  et  Mon- 
tensium.  Dusseldorpii  1714. 
WN  sss  Gülich  und  Bergische  Wöchentliche  Nachrichten,  lieber 
die  biographischen  Notizen  verffl.  ^Zeitschrift  des  Düssel- 
dorfer Geschichts-Yereins*'  1883  Nr.  3 :  „Buchdruck  und  Buch- 
handel** von  Dr.  Tönnies. 

21* 


324  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf, 

keit  ZU  gewinnen,  welche  als  Corrector  an  der  Leitung 
desselben  theilnahm.  Zu  diesem  Zwecke  nahm  er  1558 
seinen  Schwager  als  Theilhaber  in  sein  Geschäft  auf, 
welches  von  Beiden  unter  der  Firma 

Johannes  Oridryus  &  Albertus  Buys 

weitergeführt  wurde. 

Die  Officin  w9t  verhältnissmässig  gut  eingerichtet. 
Sie  besass  ein  ausreichendes  Schriftmaterial ,  bestehend 
aus  Schriften  in  3  Graden  Antiqua ,  2  Graden  römisch 
Cursiv,  4  Graden  Fractur,  1  Grad  Griechisch  und  je 
2  Alphabeten  grosser  Initialen  in  Antiqua  und  Fractur. 
Ausserdem  brachte  sie  6  verschiedene  kleinere  und  grössere 
Kopfleisten,  die  zum  Theil  recht  schön  geschnitten  waren, 
sowie  8  Schlussvignetten  zur  Verwendung.  Die  Drucke 
sind  durchgehends  sauber  und  schön  hergestellt  und  be- 
kunden die  Sorgfalt  eines  geübten  Fachmannes. 

Aus  der  gemeinsamen  Thätigkeit  der  beiden  SchwÄger 
gingen  hervor: 

4.  D.  ERASMI   ROTERODAMI  DE  CONSTRVCTIONE 
LIBELLUS,  Henrici  Primae  scolijs  illustratus. 
Gerardi  Listrii  octo  flgurae  constrvctiones  cum  Anno- 
tatiunculis  Petri  Vvinellij   Harderuicensis.    Cum  ac- 
cessione  quadam  non  infrugifera  ex  Despauterio. 

DUSSELDORPII  Excudebant  Johannes  Oridryus 
et  Albertus  Buys  Affines.    Anno  155€. 

kl.  80.   Cursiv  Römisch,   Antiqua  und   Griechisch,    lOH  nicht 
bezeichn.  Seiten,  mit  Cust.  und  Sign. 

5.  FRANCISCI  FABRICII  MARCODVRANI  ANNO- 
TATIONES  in  sex  Terentii  comoedias. 

In  qvibvs  et  veralectio  ratione  subiecta  constitvitvr, 
et  mvlta  interpretatione  explicantvr. 

DVSSELDORPII  Excudebaux  Johannes  Oridryus 
et  Albertus  Buys,  Affines.    An.  M.  D.  LVIII. 

kl.  80.   Rdm.  Cursiv,  Antiqua  und  Griechisch.   218  nicht  bez. 
Seiten  mit  Cust.  und  Sign. 

6.  Epitome  christianae  et  evangelicae  veritatis  plurimam 
partem  ex  Erasmi  Roterodami  scriptis  theolog^icis 
excerpta.    Dusseldcrpii  1558. 

kl.  8<>.    Römische  Cursiv  und  Antiqua. 

7.  PVBLIVS  TERENTIVS  A.  M.  Antonio  Mvreto  locis 
prope  innvmerabilibvs  emendatvs. 

Cvm  eivsdem  Mvreti  argvmentis  ad  singulas  co- 
moedias et  Franc.  Fabricii  Marcodurani  annotationibus. 

Praemis.  epist.  nvncvpatoriam  ad  Jo.  Vlattenvm 
Dvsseldorpii  1558. 

kl.  80.    Rom.  Cursiv. 


Buchdruck  und  Buchhafidel  in  Düsseldorf.  325 

8.  CATECHISMVS,  in  qvo  christianae  religioiiis  elementa 
sincere  simpliciterque  explicantvi',  avctore  Jo.  Mon- 
hemio.  Dvsseldorpii  excvdebant  Jo.  Oridryvs  et  Al- 
bertvs  Buysivs,  Affines.  1560. 

kl.  80.     117  BlMtter. 

9.  C.  Lycosthenis  parabolae  sive  similitud.  ab  Erasmo 
Rot.  coli.    DQsseldorpii  1561. 

kl.  80. 

10.  P.  Lagneri  sententiarum  (et  apophthegni.)  insign. 
thesaurus  ex  Cicerone  etc. 

Dusseldorpii  Oryelrius  et  A.  Buyssius  1562. 

kl.  80.    500  Seiten. 

11.  PVBLTVS  TERENTIVS  A.  M.  Antonio  Mvreto  locis 
prope  innvmerabilibys  emendatvs. 

Cym  eivsdem  Mvreti  argvmentis  ad  singulas  co- 
moedi AS  et  Franc.  Fabricii  Marcodurani  annotationibus. 

DVSSELDORPII  Excudebant  Johannes  Oridryus 
et  Albertus  Buvsius  Affines.     Anno  M.  D.  LXIII. 

kl.  80.     Rom.  Cusiv.     14  unbez.,  391  bezeich,  und  13  unbez 
Seiten  mit  Cust.  u.  Sign.     Auf  dem  Titel  das  Druckersignet  (s.  u.) 

12.  Franc.  Fabricii  Ciceronis  epistolarura  select.  libri  2. 
Dusseldorpii  Excudebant  Johannes  Oridryus  et  Albertus 
Buysius  Affines.     1565. 

kl.  80.     Antiqua  und  Rom.  Cursiv. 

13.  jDei^  DuvdjtcuÄtigcii  |)orf)gcbovcncn  gnrften  ünb  ^crvn/^cvvit 
SBil^clm  ©cr^of^cn  ju  ©iiltd»  ;  ffiletjc  önnb  93crg  /  ®vouen  ^w 
ber  SWarrf  unb  Sflaucnfeberq  /  ^errn  ju  JRauciiftcin  etc.  9Ied)t!3' 
orbnunq  \>r\  Sieformation  /  fantpt  onbern  Sonftttutionen  /  (Sbictcu 
onb  ertlerungen  etlicher  fcKc  /  njie  eö  jn  beiben  jvev  g.  0). 
f^urftent^umben  ®uU(^  onb  Sero  geilten  /  geurr^cUt  \>nt>  evfanbt 
merben  fo(t  /  ouffd  nen?  reuibirt  onb  gebeffert. 

9)2it  einem  neutoen  Stegifter  /  nuc^  etUd)en  f^onnulen  fu 
uor^tn  mit  babei  getocfen. 

9Rit  Seljfert.  SRoit  f^rei^eit  onb  *^rioi(egio  jn  }e()cn  jaren 
nttt  nQC^jubru(fen. 

©ebrucft  in  jrcr  gf.  ®.  Stat  Duffelborff  burdj  Qoanncm 
Oribrt)um  tmb  «Ibertum  »u^fe.    «nno  ÜR.  D.  eiS. 

fol.  Deutsche  Type,  Fractur.  Titel  roth  und  schwarz  gedruckt, 
auf  dem  Titel  das  herzogliche  Wappen  in  Holzschnitt.  2  Seiten 
Privilegium,  12  unbez.  Seiten  Register,  1  Seite  weiss,  211  bez.  Seiten. 
Mit  ein^m  blattgrossen  Holzschnitt  mit  Monogramm  Si^  Justitia, 
Pax,  Misericordia,  Veritas  sowie  das  herzogl.  Wappen  darstellend. 
Auf  S.  99  ein  blattgrosser  Holzschnitt,  Baum  der  Sippschaft.  14 
Kopfleisten,  13  Schlussyignetten  in  Holzschnitt. 

14.  Franc.  Fabricii  Disciplina  Scholae  Dusseldorpieiisis 
Dusseldorpii  Joannes  Oridryus  &  Albertus  Buyssius 
1566. 

8«.    L.  bibl.  Philosoph.     1.  p.  408. 


326  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Dlisseidorf, 

15.  Ciceronis  Orationes  pro  lege  Manilia  de  haruspicum 
responsis,  de  provinciis  eonsularibus,  in  L.  Calp. 
Pisonem,  pro  A.  Milone,  pro  Ligario  adnotat.  illustr. 
Dusseldorpii  1569. 

kl.  8®.    Höiii.  Ciirsiv  und  Antiqua. 

16.  Crbnung  /  roclt^cv  (jcftalt  c*?  mit  bcv  jn  bcn  ^"^ftcnt^uwbcn 
einlief)  dnb  $crg  ^ieuor  geleifter  /  ünb  i|}o  aufd  ntto  betoiUigteY 
ac^tiorigev  '3lccl)g  Dnb  aufläge  jufialten  /  ünb  n)te  biefelbc  oon 
einer  jeben  rvf)ax  auf ju^eben.    'JK.  !C  ?.  3£i. 

tbi.  B.  p.  98  ohne  Bezeichnung  des  Druckers. 

Das  Signet  (Buchdruckerzeichen)  der  Officin  zeigt 
einen  auf  einem  Berge  stehenden  vielästigen  Baum,  an 
welchem  zwei  sich  kreuzende  Anker  hängen;  eine  An- 
spielung auf  den  Namen  Oridryus  {=•.  Bergwald). 

Im  Jahre  1572  verzog  Oridryus  nach  Wesel,  wo  er 
bis   1584   Rector  der  neuen  reformirten  Schule  an  der 
jetzt  evangelischen  Willibrordikirche  war,  und  Buys  setzte 
das    Unternehmen     für    seine    alleinige    Rechnung    fort. 
Eifrig  bedacht,  den  gesteigerten  Ansprüchen,  die  ap  das- 
selbe gestellt  wurden,  zu  entsprechen,  legte  er  sich  noch 
eine  neue  Fracturschrift  zu,  die  in  Nr.  31  (s.  u.)  zur  An- 
wendung kam.  Auch  erfreute  er  sich  nunmehr,  nachdem 
ihm  bereits  1564  für  den  Druck  der  Rechtsordnung   ein 
Privilegium   auf  10  Jahre   ertheilt  worden  w^ar,  der  Zu- 
weisungen des  herzoglichen  Hofes,  welcher  sämmtliche 
amtlichen  Drucksachen   in   seiner  Werkstätte  anfertigen 
liess.     Das   im   Auftrage   des   Herzogs  Wilhelm   heraus- 
gegebene   Prachtwerk   dos   Graminäus,    die   sogenannte 
„Jülich'sche  Hochzeit^  ist  indessen  nicht  von  ihm,  sondern 
in  Köln  hergestellt  worden,  da  Buys  die  für  den  Kupfer- 
druck nothwendigen  Einrichtungen  nicht  besass. 

Wieder  unter  der  früheren  Firma 

Albert  Buys 
erschienen  • 

1 7.  De«  I)urd|Icud)ttflcn  ^od^aeborncn  gutften  önb  ^exm  /  ^errn 
SBil^elmö  |)cr^09cn  ju  ®uli(^  /  Stltut  bnb  93crg  /  brauen 
^u  ber  aWarcf  onb  9taucn8bcrg  /  ^crrn  ju  9lQUcnftdn  /  ic. 
^jtecbtdorbnung  t)nb  tRefortnatton  / 

9Rit  oDer^anbt  nä^Iic^en  bnb  nötigen  batAU  gehörigen 
Dnb  Mebeuor  publicirten  /  ober  bod^  ntemald  baoei  getructten 
Sbicten  t)nb   gemeinen   beue(^en   t^^    ^^ff^  "^^  auggangen. 

ÜMit  Jletjferl.  SKaü.  grei^eit  unb  ^riuilegio  in  ge^cn  jaren 
nit  na(^5utruc{en. 

®etvuctt  jn  jver  g.  ®.  ©tatt  Duffetborff  burc^  «Ibcrtum 
SBuljß  /  Anno  M.  D.  LXXUU. 

fol.    Titel  roth  und  schwarz  gedruckt,  mit  dem  herzog].  Wappen 
in  Holzschnitt.    Fractur. 


BucMruck  und  Butihhandel  in  Düsseldorf,  327 

18  imbez.  S.  (Register),  1  blattgrosser  Holzschnitt  (wie  in 
Nr  13),  1  Seite  leer,  18«  bez.  S.,  wovon  die  letzte  leer. 

Auf  S.  84  ein  blattgr.  Holzschnitt  „Baum  der  Sippschaft".  Mit 
schönen  Holzschnitt -Initialen,  Kopfleisten  und  Vignetten,  wie  Nr.  13. 

18.  Statuta  quarundam  lUustrissimi  Principis  ac  Domini 
D.  Guilielmi  Juliacensium  Clivorum,  ac  Montensium 
Ducis,  Comitis  Marehiae  et  Rauensburgi,  Domini  in 
Rauenstcin  etc.  Collegiatarum  Ecciesiarum,  authori- 
tate  Apostolica  correcta  et  confirmata. 

Anno  M,  D.  LXXV  Dusseldorpii  excudebat  Albertus 
Busius.    Anno  M.  D.  LXXV. 
B.  p.  98. 

19.  Veterum  aliquot  Rituum  seu  Coiisuetudinum  Ecclesiae 
CoUegiatae  Dusseldorpensis  ad  normam  aequitatis 
reformatarum  Declaratio. 

Dusseldorpii.    Excudebat  Albertus  Busius.     Anno 
M.  D.  LXXV. 

B.  p.  100. 

20.  Veterum  aliquot  Rituum  seu  Consuetudiuum  Ecclesiae 
CoUegiatae  Monasteriensis  Eiffliae  ad  normam  aequi- 
tatis reformatarum  Declaratio. 

Dusseldorpii.     Excudebat  Albertus  Busius.     Anno 
M.  D.  LXXV. 

B.  p.  101. 

21.  Veterum  aliquot  Rituum  seu  Consuetudiuum  Ecclesiae 
CoUegiatae  Juliacensis  ad  normam  aequitatis 
reformatarum  Declaratio. 

Dusseldorpii.    Excudebat  Albertus  Busius.     Anno 
M.  D.  LXXV. 

B.  p.  102. 

j     22.    Veterum  aliquot  Rituum  seu  Consuetudinum  Ecclesiae 
j  CoUegiatae  Heinsbergensis  ad  normam  aequitatis 

reformatarum  Declaratio. 
(  Dusseldorpii.    Excudebat  Albertus  Busius.    Anno 

M.  D.  LXXV. 

B.  p.  102. 

23.  Veterum  aliquot  Rituum  seu  Consuetudinum  Ecclesiae 
CoUegiatae  Sittardensis  ad  normam  aequitatis  refor- 
matarum Declaratio. 

Dusseldorpii.    Excudebat  Albertus  Busius.    Anno 
M.  D.  LXXV. 

B.  p.  102. 

24.  Veterum  aliquot  Rituum  seu  Consuetudinum  Ecclesiae 
CoUegiatae  Wassenbergensis  ad  normam  aequitatis 
reformatarum  Declaratio. 


328  Btiehdruek  und  Buchhandel  in  DOseefdoff, 

Dusseldorpii :   Excudebat  Albertus  Busius.     Anno 
M.  D.  LXXV. 

B.  p.  102. 

25.  ^oliäci)  fambt  anbcrn  Ovbnuuflcn  önb  ©bieten  t>e<s  riird) 
Icuc^tigen  ^od^gcborncn  fjurftcu  önb  ^errn  /  $cmi  aöiü)clm^ 
|)cr^oflcn  iu  ®ulid^  /  Öleuc  önb  Serge  /  ©roucn  ju  bcr  9Kar(! 
t)nb  JftauenSbcrg  /  ^evrn  au  JUauenftein  /  2C.  ^^^o  ober  mit 
nublidien  jufe^en  jum  anoernmad  auggongen.  ©etrucft  jn 
jreir  g.  &.  ©tat  Duffelborff  burc^  albcvtum  »mife,  ^m  jo^r 
grunffje^en^unbert  (Sintinbod^t^ig. 

fol.    Fractur  83  Seiten. 

Erste  Düsseldorfer  Ausgabe  der  Polizeiordimug.  (1558  Köln, 
Soter,  15<53  Köln,  Soter.)  Vergl.  B.  p.  78.  Historisches  Politisches 
Handbuch  Theil  III  Pfalz  §  84. 

26.  ^^oIt(^e^  fombt  anbeten  Orbiiungen  onb  (Sbictcn  bei9  X)nrc^tcad)^ 
tigen  ^oci^geborenen  f^urftcn  t)nb  |)errn  SBU^etmd  ^er^^ogcn  .^u 
@uUcl^  /  Qtcue  unb  Serg  /  brauen  ju  ber  SRarcf  t^nb  dtaucndberg  / 
JOerren  ju  Staiicnftein.  3tud^  Orbitung  /  we$  SWjrer  3für|tt.  (Knaben 
ämptleute  onbSefet^aber  in  bebienung  xfyczx^mpttx  [lij  ju  t)alten. 

3^0  aber  mit  nu^Iid^en  jufe^en  jum  anberma^I  auggangcn. 
®etru(ft  in  3^rer  gürftt.  ©naben  (Statt  3)ufTetborff  Durd) 
aibertum  »utjfe  /  im  ^a^r  1581. 

fol.  Fractur.    99  S.    V.  p.  122. 

Zweite  Ausgrabe  der  Poiizeiordnung  aus  demselben  Jahre. 

27.  X)ed  ^urd^l.  ^»oc^geb.  durften  k)nb  6errn  /  ^errn  föit^elmd 
ßer^ogen  ju  ©ultd^  /  dtem  tinb  99erg  /  Srauen  ju  ber  SRarcC  Dnb 
^auen  gberg  /  ^er  m  ju  9iauenftetn  2C.  Sled^td^OrbnungDnb 
Sieformation;  mit  atler^anb  nfi^U^en  t)nb  nötigen  barju 
gehörigen  t)nb  bor  dato  herunter  gefegt  publtcirten  /  aber  bicfer 
^ed^tdorbnung  bid  an^ero  niemal^td  betigeffigten  ©bieten  Dnb 
gemeinen  beuel^en^  je^jo  auffd  nekve  auggangen. 

SWit  Stat)\.  gWaj.  ^ret^^eit  önb  priuil.  in  10  joren  nit  na*^ 
jubrudCen,  gebrucft  jn  jrer  g.  ®.  (Statt  ©uffelborff  burcft  9ttb. 
»ut)B  1582. 

fol.  191  S.    B  p.  86. 

Dritte  Ausgabe  der  Kechtsordniing. 

28.  EXHORTATIO  DE  ESSEQVENDA  CALENDARII 
CORRECTIONE  QVAM  S.  D.  N,  GREGORIVS  XIIL 
PONT.  MAX.  EDI  PROMVLGARI  ET  PER  ITALIAM 
caeterasque  orbis  Christiani  partes  Anno  MD  I  x  x  x  i  j. 
obseruari  mandauit.  AD  SACRAM  CAESAREAM  MA- 
JESTATEM IMPERII  ELECTORES  AC  PRINcipes  cae- 
terosq.  Status :  Praecipud  verö  ad  serenissimum  Reue- 
rendissimunq^  principem  Ernestum,  recens  electum 
Archiepiscopum  Coloniensefn,  Principem  Electorem  ect. 
Nee  non  ad  Illustrissimum  et  Reuerendissimum  D. 
Joannem  Wilhelmum ,  Postulatum  Administratorem 
Monasteriensem,  luliae,  Cliuiae  et  Montium  et  Ducem 


Buekdruek  und  Buehha^täü  in  Dfl9$Morf.  329 

haereditaiium^  Dominos  suob  dementissimos,  directa 
et  scripta. 

Per  Tlieodorum  Oraminaeum,  Pbilosopliiae  Doc- 
torem  J.  Licentiatum,  Illustrissimi  ac  Reuerendissimi 
Principis  ac  Domini  D.  Joannis  Willieimi  Administra- 
toris  Monasteriensis  etc.  consiliarium.  DVSSELDORPII 
Excudebat  Albertus  Busius  Anno  1583. 

40  gMi%  in  Cursiv  £^drnckt.    44  unbez.  S. 
Auf  der  Rflckfleite  des  Titeln  da«  Wappen  der  Rechtsordming^ 
von  1565. 

29.  Bernardi  Molleri  historicum  Tapetum  pro  Joannis 
Wilhelm!  Juiiae,  Cliviae,  Montuimque  Ducis  et  Jacobae 
Marchionissae  Badensis  nuptiis.    Dusseldorpii  1585. 

4<>.    Nach  J.  Th.  Brosii,  Annalea  Coloniae  1731. 

30.  8inj.  X^omartud^  a>er  ®eelcu  @peiB/  !DüffeIbort  Sltbcrtud 
9u96  1585. 

31.  X^l^e  ^folmen  S)auibd  /  Sie  bie  ^iebeuor  in  aflevtej  art 
Stemmen  Dnb  ÜRelobeien  /  bur*  bcn  ^crrn  CA8PARVM  VLEN- 
BER0EN8IVM  in  Zvud  Derfertigt  /  ncmlic^  ab^efem  /  l^nb 
alltn  onfangenben  ©d^filem  ber  SRuttc  ^u  X)tenft  emfcittg  mit 
biet  Stimmen  juaericfttet:  !Durd&  CVNRADVM  HAGIVM 
RINTELEVM.  3)iefer3eit  bed  !Z)ur(l^leu(^tigen  f  $od)gebiirct( 
^urften  t^nb  ^erm  /  |>emt  ^o^nd  ffitt^elmm  /  ßer^ogcn  ^n 
®flltc^  /  SIeue  DYib  99erg  /  (Stauen  ,^ur  SDlorcf  Dnb  SVauenBberg 
/©erm  ju  JRauenftein  /  jc.  MV8ICVM. 

Werbet  \>oti  bed  6eiUaen  ©eijted  /  Dnb  rebet  Dtitercinanbev 

t)on  Vfotmen  /  ono  8od  /  Dnb  @(eift(i(4en  ®ef engen  f  Singet 

bnb  Sobftnget  bem  &errn  in  emrem  £ier$en.       Sp^ef.  u. 

©ebrucft  ju  2)fiffelborff  burc^  3l!6ert  ^u^g  '  int  jo^v  nacb 

(£^vifti  ®e(urt  /  ffln^je^en^unbert  neun  t)nb  Qc^^ig. 

foss  40.  Fractur  mit  51inigem  Notensatz, 
unbez.  S.  (Vorrede)  311  unbez  S.  Text.    Mit  Sign. 
Auf  der  letzten  Seite  ein  Holzschnitt.  König  David  ndt  der 
Harfe  zwischen  zwei  Spielleuten  darstellena. 

Mit  diesem  Drucke  schliesst  die  mehr  als  dreissig- 
jährige  Thätigkeit  des  Albert  Buys.  Bei  seinem  bald 
darauf  erfolgten  Tode  vererbte  sich  das  Geschäft  auf 
seinen  Sohn 

Bernhard  Buys, 

der  indessen  nicht  den  Unternehmungsgeist  des  Vaters 
besass  und  die  Druckerei  ziemlich  vernachlässigte,  so  dass 
solche  bald  in  Verfall  gerieth.  Seine  Drucke  sind  weniger 
sorg^ltig  behandelt  und  lassen  eine  nachlässigere  Aus- 
führung unschwer  erkennen. 

32.  JDrbnung  tonfer  3o^<^nd  äStlMmd  )9on  &ottt^  gnaben  ^evt^ogen 
}u  ®uli$  /  S(euc  tmb  Scrg  /  (brauen  ,^1  brr  äKarcf  mmb  iRauenf » 


330  Buehdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf» 

bcrg  /  |)errn  ju  Stoucnftein  it.  Sanbfc^reiber  /  bariuncn  aud| 
etlid^e  puncten/fo  t)nf  erc  ®ulic6ifd^e  /  3)ergif  d^e  bnb  Sloueudbergifd^e 
9(in6tleut^  /  $ogt '  ®d^oU^eiffen  /  9Ii^tere  /  ü^tngere  uiib  anbere 
35icnerc  betreffen,  wie  bicfelbe  bei  ben  Sruc^ten  üerftoeren  tonnb 
fonftcn  fic^  juuctl)altcnn. 

®cbruit  jn  jrer  g.  ®.  ©tat  Duffetbovff  Durd)  ©crnorbum 
93ut)g  3tn  JQ^T  funffje^en  ^uubert  (Sieben  ünb  neunt5ig. 

fol.    B  p.  00.    V.  N.  376. 

33.  M.  TÜLLII  CICERONIS  EPISTOLARVM  SELEC- 
TARVM  LIBRI  DVO. 

DVSSELDORPII  Excudebat  Beriiardus  Busius  Anno 
M.  D.  XCVIIII. 

kl.  8".    Antiqua  ii.  Cui*8iv.    4  u.  82  uubez.  S.  mit  Gast.  u.  Sig^. 
Auf  dem  Titel  das  Buchdruckerzeichen  von  No.  11. 

34.  lOANNIS  PITSn  ANGELI  SACRAE  THEOLOgiae 
Doctoris  de  Peregrinatione  libri  septem,  lam  primum 
in  lucem  editi. 

Psalmo  67.    Mirabilis  Deus  in  sanctis  suis. 
Cum  Gratia  et  Privilegio  S.  Caes.  Maiestatis. 
DVSSELDORPII  Apud  Bernardum  Busium  Anno 
CIO  10  CIV. 

129.    Antiqua  u.  Cursiv.    16  unbez.  S.  (Von-ede),  12  unbez.  S. 
(Index)  1  Bl.  weiRH,  628  bez.  S.,  2  unbez.  S.  (Errata),  3  Vignetten. 
Auf  dem  Titel  eine  kleine  Vignette  (Löwenkopf). 

35.  Orbnung  )7nb  Steformatton  bt^  iDurc^leuc^tigen  /  |)Q(lbgebomen 
»durften  t)nb  Ferren  /  |)errn  Sil^elmd  ^er|}ogen  ju^ulic^  / 
dleue  t)nb  SSerg  /  ®rauen  )u  ber  SRardE  bnb  Slauengberg  /  ^erm 
ju  9iaucnftein  etc.  97eben  anbevn  Sonftituttonen  /  (Sbicten  unb 
crflerungen  e|licl^er  feile  /  ttnt  ed  berent^alben  in  betben  jret 
f^.  &.  gurftent^umben  ®ultcl^  bnb  Serg  gehalten  /  geurt^etlt  Dnb 
crfanbt  merbcn  foU. 

3|o  aug  gnebigem  beuelc^  bed  dud^  !Dur(^Ieud^tigen  ^oc^- 
[ebornen  (durften  Dnb  ^errn  /  ^errn  ^o^and  9Bi(f)e(m 
ler^ogen  }u  ®ulidb  SIeue  bnnb  iBerg  /  ©tauen  gu  ber  3Ravd  i 
tauenlberg  bnb  9)toerg  /  ^erm  ju  9iauenftein  /  etc. 

Qu^d  ntto  reDibtrt  /  t)nb  ntit  e^Iic^en  ^ugefe^ten  (Sbicten  in 
trucf  brad^t.    9Rit  einem  t)erme^rten  9{egi[ter. 

ÜRit  Sle^f.  9RQq.  greü^eit  Dnb  ^riuilegto  in  je^en  jaren  nit 
noc^AUtruden. 

®etru(ft  in  irer  ^.  &.  @tatt  !£)uffeIborff  burc^  Sem^arbt 
Su^g.    3m  )Q^r  t^aufent  feti^d^onbert  Dnb  fed^d. 

fol.    Vierte  Ausgabe  der  Rechtsordnung.  B  p.  111. 

36.  ^olije^  Orbnung  bed  S)urd^(eud^tigen  /  ^od^geborenen  gUrften 
Dnb  ^erm  /  ^erm  3BiI^e(md  ^er^ogen  ju  ®üKd^  /  (Steüe  ünb 
93erg  /  ©raben  ju  ber  ^laxi  ünb  SlabeuiSberQ  /  fetten  au  Sflabtn« 
[tein  ect.  fambt  onberen  Orbnungen  t)nb  (Sbtcten  /  xoit  Jxif  ^rer 

rürftl.  Knaben  Hmptleut^e  bnb  9efei)I6aber  in  bebienung  i^er 
[mpter  ju  ^Iten. 


Buehthrttck  und  Bwshhandtl  in  DOaMMorf.  931 

l^etJQ  auffd  nett)  au§  anäbigen  Sefelc^  bed  audj  jDutc^« 
Icuc^tiaen  /  |)0(l^ge6orenen  Suiten  Dnb  Ferren  /  |)errn  !0[o^ahd 
Stl^elmen  $et^ogen  ju  ©fitic^  /  Siebe  dnb  Serfl/®raüen  5U 
bcr  ^atcE  /  ^abendberg  bnb  SRoerg  /  Ferren  j^u  SRot^enftein  etc. 
mit  ^ufa^  etlicher  ^iebeboren  aulgongener  (Sbtcten  t)nb  3)efeld^» 
fc^Jf ten  Derme^t  Dnb  fambt  ange^eff ter  SBruc^ten  Orbnung  in 
trudc  verfertigt. 

3Rit  einem  nemen  Stegiftcv. 

©etrudft  in  3^er  garftl.  ©naben  ®tatt  S)uffeIborff  burc^ 
Sem^rbt  Su^g  im  3a^r  1608. 

tbl.  V.  p.  128.    Dritte  Ausgabe  der  Polizeiordnimg. 

37.  Copia  @(^eibend  ßrn.  (Srnft  /  üRarggrafcn  ju  Sranbenburg  unb 
.6m.  SBoIfgang  ^ill^elmd '  ^fahgrafen  am  Sl^ein  de  dato 
f)fiffeIborff  10.  Slug.  an  bie  Stöm.  Sla^f.  aRajeft  in  puncto 
PoMeBsioniB.    !Cfi{feIborf  IGOiK 

4«.    L.  Bibl.  philos.  1/768. 

38.  APPELLATIO  PRIMA.  «fmeUation  k)nb  $rot)ocation  be^ber 
Snierten  getoalbtmäc^tigten  ^lirften  in  ben  ©ülidif  d^en  /  SIet)if  d^en  / 
Dnb  zugehörigen  Sonben. 

Sßie  biefelb  oon  ^^ren  ^.  0;.  ®.  ®.  bem  j^erren  Sburffirften 
wn  9Re^n|  dnb  onberen  sugef^icft  morben.  S^it  i^ren  Senlagen. 

(Srftli^  gebrutft  in  3.  g.  g.  ®.  ®.  Statt  Düffelborff  / 
burc^  Sem^arben  Su^g  /  3m  3ol)r  M.-DG.  X. 

40.    116  bez.  S.  auf  dem  Titel  eine  kleine  Vignette,  auf  8.  88 
der  Titel  der  Appellatio  secunda. 

39.  SopeQ  ^erm  (Srnften  9Rarggraf[end  gu  Sranbenburg  /  bnb 
6errn  iffiolffgang  !ffiil^e(md  ^failgrafen  /  etc.  (Schreibend  /  an 
$öm.  Stot).  uRq^.  \oMfi  bet^gelegtem  ^nftrument  provocationia 
et  oblationis. 

A^.    Fractur  4  unbez.  S.,   1  Kopfleiste,  1  Initiale,   ohne  Ort- 
und  Jahresangabe  (1610  von  Buys  gedruckt). 

40.  Appellation  ßr.  (Smften  SRarggrafen  }u  Sranbenburg  /  unb  Sr. 
Sßolff gana  Sil^elm  ^fol^groffen  t)on  megen  ber  in  bem  Su« 
li(^if(9en  ^firftent^um  gemorbenen  ftriegdleuten  in  causa  reti- 
nendae  Possessionis.    $)fiffe(borff  1610. 

40.    Lip.  Bibl.  philos.  I  No.  768. 

41.  Phil.  Ludovici  Com.  Palatini  Refütatio  eorum  quae 
contra  Jus  suum  afferuntur.    Dusseldorpii  1611. 

40.    L.  Bibl.  jurfdica  I  No.  404. 

42.  Resolutio  lohannis  Casimiri  in  Causa  Tutelac  Electo- 
ralis  Palatinae  data,  quorundam  Germaniae  Principum, 
quia  Ludovico  Electore,  Tutores  nominabantur  in 
Testamento  Legatis  anno  1584.    Dusseldorpii  1611. 

4«.    L.  Bibl.  jurid.  I  No.  175. 

43.  ?^erncr  unb  bodtommener  Seri&t  /  bon  bed  $n.  ^^iltpp  Subknigen ' 
$fQ(|graffen  be^  9{^ein/etc.  dted^tenffu  3-  a-  ^'  wegen  ber 
angefaflenen  Tutel  gebfi^rt  etc.    3)fiffelborff  Kill. 

4«.    L.  Bibl.  philos.  II.  No.  1084. 


S32  Bndfdruck  und  Buehhantfe!  in  DflM^eidoff. 

44.  Ulterior  et  plenior  Informatio  in  causa  administrationis 
ElectoratusPalatini,  cum  refutatione  praetensaeTutelae 
Testamentariae  pro  Dn.  Philip po  Ludovico, 
Comite  Palatino  Rheni.    Dusseldorp. 

40.  ohne  Druckjahr  (1611)  L.  bibl.  jur.  I  No.  175. 

45.  DE  LA  CHARGE  ET  DIGNITE  DE  L' AMBASSADEVR: 
PAR  JAN  HOTMAN  Sieur  de  Villiei-s.  Troisidnie 
edition  augment^e  et  meilleure. 

AVEC  VNE  LISTE  DES  Auteurs  qui  ont  escrit 
en  ce  mesme  sujet.  et  VN  EXTRAIT  DE  L'ANTI- 
COLAZON.  A  DVSSELDORP  Par  Bernard  Busius 
MDCXm. 

129.  Antiqua.    10  unbez.  S.  (Vorrede)  274  bess.  S. 

46.  Legatus  Galliens  loannis  Hotmanni  Villerii  Franc. 
F.  Utrag.  ediHo  Gallica  anni  MDCIII  et  anni  MDCIV 
nunc  verö  long^  melior  ec  auctior  eadem  lingiia. 
Dusseldorpii  apud  Bernhardum  Busium.  M.  D.  CXIIL 

b<>.    Erwähnt  in:  Jan  Hotman,  de  la  Char;^e  de  i*Aniba8sndeur 
Dasseldorf  1613. 

Mit  dem  Tode  Beruh.  Buys,  der  vor  lß!JO  erfolgt  sein 
miissy  hört  das  Geschäft  auf:  Werkzeuge  und  Schrift- 
material wurden  verkauft,  und  finden  sich  aus  letzterem 
einige  Schriftsorten  in  den  Drucken  von 

Heinrich  Ulenberg 

wieder.  Ulenberg  ist  der  erste  DQsseldorfer  Drucker,  der 
den  Titel  „Herzoglicher  Buchdrucker^  führt,  der  ihm  in- 
dessen erst  nach  mehrjähriger  Thätigkeit  verliehen  worden 
sein  muss,  da  seine  älteren  Drucke  diese  Bezeichnung: 
nicht  enthalten. 

47.  EXTRACTVS  DIVERSARVM  EXTINCTIONVM  PRO- 
XBMLS  XXX.  ANNIS  circa  Monasterium  B.  Mariae  Vir- 
ginis  Ordinis  Regularium  Nouesicnsium  attentataruni. 

DVSSELDORPn  Imprimebat  Henricus  Vlenbergius. 
ANNO  M.  DC.  XXIV. 

4^    Antiqua,    Cnrsiv   und   Fractur,  9S  bez.  S.,   1  Kopfleiste. 
Auf  dem  Titel  eine  Vignette. 

48.  SCHEDION  APOLOGETICVM  AC  REFVTATIO  IN- 
FAMIS  LIBELLI;  Titulo:  Piae  ac  justaeDefensionis  etc. 
Sub  Pei-sona  et  flctitio  Noraine  PHILADELPHI  VERK- 
MENTANI  HAGIOPOLITANI  euulgati: 

Ad  responsum  Juris,  in  Causa  CANONICORVM. 
REGVLARIVM  NOVESIANORVM,  contra  noniiullo^ 
Offioiatos  Archifraternitatis  Sanctae  Crucis  Coloniens^ia. 
PER  WERNHERVM  THVMMERMVTH  ADVOCAT  etc 


Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düweläorf.  3.')3 

Esaiac  9.  vers.  19.  Vir  fratri  suo  non  parcet. 
Et  diclinabit  ad  dextram,  et  esuriet  et  comedet  ad 
sinistrani,  et  non  saturabitur:  vnusquisque  carnem 
brachii  sui  vorabit;  Manasses  Ephraim  et  Ephraim 
Manassen,  etc. 

DVSSELDORPII,  Typis  excudit  Henricus  Vlen- 
bergius,  ANNO  M.  DC.  XXIIII. 

40.    Antiqua  u.  Cursiv,  b6  bez.  S.,  2  Kopfleisten,  3  Vignetten. 

49.  COPIA  l>cd  «ertrag«  /  fo  jwifc^cn  3^rer  C^urfl.  ÜJurd^t. 
511  Svoiibcnburg  f  t)iib  ^fol^  9cen)6urg  /  ben  neunbten  9Rartti 
Anno  1629  ab$ie()anbelt.    Q^ebrucft  ^m  "^oisiX  M.  DG.  XXIX. 

4^    13  nnbez.  S^  Fractnr.    Titel  mit  kleiner  Vignette. 

50.  Svccessio  Principvm  Ivliae,  Cliviae  ac  Montivm  ex 
quo  Comitibus  in  Duces  evecti  sunt.  Item  Dominorvm 
Heinbergensivm,  qvi  annis  qvingentis  et  supra  eidem 
dominio  cum  imperio  pra  fuere  tanguam  majoris 
operis  delineatio. 

Accedvnt  Tetrasticha  in  comites  ac  dvces  clivenses 
cum  notis  Avthore  R.  D.  Petro  k  Streithagen  canonico 
Heinsbergen&i. 

Omnis  pro  patria  Labor  et  pro  principe  sumptus. 
Dusseldorpiiy  Typis  Henrici  Vlenbergij  Ducalis  Tjf^th 
gi'aphi.    Anno  1629. 

40.  Antiqua.  2  S.  u.  25  bez.  S.  2  Kopfleisten,  1  Schluss- 
vigiiettc.  Titel  nach  dem  handschriftlich  ergflnztcn  Exemplar  der 
Kgl.  Lnndesbibliothek  zu  Düsseldorf. 

51.  Tetrasticha  in  Comites  ac  Duces  Clivensis,  cum 
notis.  Authore  R.  D.  Petro  k  Streithagen  canonicus 
Heinsbergensi. 

Dusseldorpii ,  Typis  Henrici  Vlenbergy,  Ducalis 
Typographi.    Anno  1629. 

Ebensowenig  wie  über  Ulenberg  besitzen  wir  Nach- 
richten über  seinen  Nachfolger 

Christoph  Ort, 

dessen  Wirksamkeit  nur  den  Zeitraum  weniger  Jahre 
umfasst.  Wahrend  sein  Name  auf  den  Drucken  vom 
Jahre  1632  ohne  jede  weitere  Bezeichnung  vorkommt, 
tritt  O.  uns  in  der  Rechtsordnung  von  1635  als  „Fürstlich 
Pfaltz  Newb.  Buchtrucker"  entgegen.  Nur  wenige  seiner 
Drucke  sind  uns  erhalten  worden. 

52.  Specvlvm  vitae,  vel  statvs  conivgalis,  sive  meraora- 
bilia  exempla  plurium  Sanctorum,  vel  pissimorum 
Coniugum  praeclare  ab  eis  in  eo  statu  gestorum 
selecta  ex  editis  S.  S.  rebus  gestis  et  S.  Scriptura 
studio  boni  communis  in  lucem  data  industria. 


334  Buchtiruek  und  Bttefthafidel  in  Düs$Morf, 

Casparis  Zephyrini,  Art.  Lib.  Magistri,  et  Eccle- 
siastae.  Dvsseldorpii,  Excudebat  Christophorus  Ort. 
M.  DG.  XXXII. 

8^  Antiqua.  29  unbez.  S-  (Dedication,  Inhalt  und  Vorrede), 
338  bez.  S.    1  Blatt  weiss,  8  unbez.  S.  Reg^iBter,  1  Schlussvignette. 

53.  R.  D.  Casparis  Zephyrini  Artium  liberalium  Hagistri. 
Elegiarvm  liberi  III 

(Vignette) 
Dvsseldorpii,  Excudebat  Christophorus  Ort. 

M.  DC.  xxxn. 

80.    Antiqua.    206  bez  S.,  wovon  S.  128  leer. 
Einige  kleine  Randleisten  und  Vignetten. 

54.  Sphaerae  Terrestris  quadripartitac  Siue  Historie 
metricae  IV.  Partium  Orbis  Europae,  Asiae,  Aphricae, 
Americae  libri  IV. 

Ad  IV.    Sacri  Romani  Imperü  Principes  Eccle- 

siasticos.   Authore  Caspare  Zephyrini,  Art.  Lib.  Mag. 

Dvsseldorpii,  Apud  Christophorum  Ort  /  Anno  1632. 

80.  Römisch  Cursiv.  14  unbez.  S.  (Dedication  und  Vorrede), 
222  bez.  S.  8  Kopfleisten,  2  Vignetten.  Auf  dem  Titel  eine  kleine 
Vignette. 

55.  Sled^tfi«  Se^en«  ©eri^tfdireiber«  S3nb  Reformation  Orbnung  2)ed 
^Durd^Ieui^ttgen  durften  Dnb  Ferren  ^errn  993it^e(md,  ^er^ogeu 
m  miiq  I  aUut  t>vh  Serg  /  ©raffen  ju  ber  SRarct  ünb 
iRauengberg  /  ^errn  ju  ätauenftcin  /  2C. 

92eben  anbern  Constitutionen  (Sbicten  dnb  mrtlärunaen 
eMtd^er  fl^äße  /  n)ie  ed  berent^alben  in  be^ben  ^ürftent^utnoen 
^ü(ic6  bnb  SBera  gehalten  /  geuert^eitt  bnb  ertonbt  merben  f  oU. 

lOte^unb  aug  gnabtgften  SBefelc^  2)ed  quc^  üDurditeudittgen 
gürflcn  önb  iQtvxn  /  ^ctrn  WOLFGANO  WILHELMS  ^fol|« 
graffen  be^  9t^et^n  /  in  )8a^etn  /  ju  ©fllic^  /  (SIeue  bnb  Serg 
^et^ngen  /  ©raffen  ju  $etben|/®pon^eimb/ber  äRarcf /9Iauen§' 
berg  bnb  9RoerB  /  ^errn  in  SRauenfteln  2C.  Suffd  nem  bber« 
fef)en  /  mit  fleig  corrigirt  /  bnnb  iebevmennigltc^en  jum  bcften 
mieberumb  in  Zxud  brad)t. 

9Rit  jme^en  nu^tid^en  9iegifter. 

Cum  Gratia  et  Priuilegio  Ducali. 

©uffclborff  /  ®etru(!t  bnb  betlegt  burt^  tt^riftoff  Ort  /  gfirftt. 
$fal^  VlettA.  ^uc^trudCer  /  ^m  ^affx  na4  ber  gnabeuteidben 
geburt  3cfu  C^fri  1635. 

Fünfte  Ausgabe  der  Rechtsordnung, 
fol.    V.  N.  23.    B.  p.  121. 

Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  die  Wirren  und 
Nachwirkungen  des  dreissigjährigen  Krieges,  der  Deutsch- 
land in  wirthschaftlicher  wie  auch  geistiger  Beziehung 
tiefe  Wunden  geschlagen  hatte,  sich  gerade  auf  dem  Ge- 
biete des  Bacherwesens  besonders  bemerkbar  machten 
und  einen  Rückgang  des  Buchhandels  zur  Folge  hatten, 


Buchdruck  und  Buchhandel  in  DüMtldorf,  335 

der  die  kleineren  Druckwerkstätten  am  empfindlichsten 
traf;  jedenfalls  dürfte  hierin  der  Grund  zu  finden  sein  für 
das  fast  vollständige  Aufhören  buchhändlerischer  Unter- 
nehmungen in  Düsseldorf  während  eines  Zeitraumes  von 
mehr  als  30  Jahren.  Zwar  erschienen  vereinzelt  in  jener 
Epoche  einige  Drucke  (s.  u.)  meist  politischen  Inhaltes, 
doch  ist  auf  denselben  ein  Drucker  nicht  namhaft  ge- 
macht, und  dürfte  es  zweifelhaft  sein,  ob  sie  sämmtlich 
in  Düsseldorf  gedruckt  worden  sind. 

Gegen  Ende  der  sechsziger  Jahre  tritt  uns  in  einem 
nicht  datirten  Drucke,  dessen  Vorrede  vom  Jahre  1667 
stammt,  zuerst  der  Name  des  Druckers 

Arnold  Schieuter 

entgegen,  mit  welchem  die  nunmehr  ununterbrochene 
Reihe  der  Düsseldorfer  Drucker  wieder  eröffnet  wird. 
Kurfürst  Johann  Wilhelm  unterstützte  ihn,  mehr  aber 
noch  seinen  Sohn  und  Nachfolger  Johann  Christian 
Schieuter,  indem  er  die  Rechts-  und  Polizei  -  Ordnungen 
Herzog  Wilhelms  mit  Zusätzen  versehen  aufs  Neue  heraus- 
geben lässt  und  einen  mehrmaligen  Druck  derselben  ver- 
anlasst. 

Von  Arnold  Schieuter  suid  uns  nur  zwei  Drucke 
bekannt : 

56.  HISTORIA  JURIS  CIVILIS  JVLIACENSIUM  ET  MON- 
TENSIUM,  Nunc  secundum  edita  et  APPENDICE  aucta 
ac  locupletata.  Opus  omnibus,  qui  in  Judiciis  Du- 
catuum  Juliae  et  Montium  Causas  agunt  et  Jus  dicunt, 
apprim^  utile  et  necessarium  AVTHORE  Serenissimi 
Principis  et  Domini  DOMINI  JOHANNIS  WILHELMI 
Comitis  Palatini,  Rheni,  Bavariae,  Juliae,  Cliviae  ac 
Montium  Ducis  etc. 

Consiliario  intiroo,  causarum  feudalium  Directore, 
Aulici  judicii  Commissario  et  Ducalis  Archivi  Custode 
D.  MELCHIORE  VOETS  ICto. 

Prostant  DVSSELDORPII  Apud  ARNOLDUM 
®d)Ieuter. 

fol.  ohne  Angabe  des  Druckjahres  (Vorrede  datirt  von  1667). 
Fractur  und  Antiqua.  8  unbez.  S.  (Vorrede;  124  bez.  S.,  8  unbez.  S. 
(Index),  2  Kopfleisten,  8  Vignetten.    Auf  S.  9  das  herzogl.  Wappen. 

57.  Orbnung  !DSd  ^od^^^f^ilrftlic^en  miiii-  unb  Sergifdien  $off^ 
©cric^tö  AU  55ucffclborf  / 

®QniDt  bcnen  an  gemeltent  ^off«®eri(l^t  nac^  unb  uac^ 
publieirten  gemeinen  Sejc^eiben  / 

?lud  gnaebigftem  SBefcId)  t^t^  iJurd&Icu^tigften  guerften 
unb  J)(S9i«W  JOHAN  WILHELMEN  /  ^^falfegtaffen  bet)  9»f|ein  / 
in  33aeQern  f  5u  ®uUrf)   S(eDe  unb  Serg  /  ^er^ogen  /  ®raffeu 


336  Bttehdruek  und  Bttehhandel  in  DBs«€ldorf, 


ui  $elben^  /  <Spon^cimb  /  Der  3Kar(f  /  9tat)€nB(erg  iiiib  9MoerB  / 
^cvren  m  SRaocnftciit  etc. 

3n  Irurf  öcrfcrtigt. 
©ctrurft  ju  Ducffctborff  /  »ci  Arnold  ScWeuter  1684. 

fol.    Erste  Ausgabe  der  Hofgerichtsordnung. 

Im  Jahre  1693  übernahm 

Johann  Christian  Schieuter 

das  Geschäft  seines  Vaters,  welches  er  unter  seiner  eigenen 
Firma  fortsetzte.  Die  vorhandenen  alten  LagerbestAnde 
liess  er  nachträglich  noch  mit  der  neuen  Firma  versehen, 
wie  dies  ein  im  Historischen  Museum  zu  Düsseldorf  be- 
findlicher Druck  von  Nr.  56  zeigt,  dessen  Titel  die  Be- 
zeichnung 

DVSSELDORPII,  Prostant  apud  Johannem  Christianum 
@(A(cuter.    Anno  1698. 

trägt,  nachdem  die  ursprQngliche  Druckangabe  überklebt 
worden  war.  Seinen  Verlag  erölRiet  er  mit  nachstehendem 
Werke  von  D.  Melchior  Voets,  dessen  erste  Auflage  in 
Köln  gedruckt  worden  war. 

58.  TRACTATUS  DE  JURE  REVOLÜTIONIS  AD  LUCEM 
ORDINATIONIS  JUDICURIAE,  Cap.  »efcftluB  Doii 
Succession  88. 

^a%  nad^  altem  f^crtommrn  unb  ®tbvauif  ber  ^firften» 
ttpntben  ®fi(id^  unb  93erg  /  bie  ®fiter  faden  unb  erben  f oQen 
^tnber  ftc^  an  bie  näc^fte  (Sxben,  ba^er  fte  (onrnten. 

In  quo  Praecipua  REVOLÜTIONIS  Capita  tan- 
guntur,  Exemplis,  Praejudiciis  et  rebus  judicatis  iUu- 
strantur,  nee  non  Materia  Successionis  ab  instetato 
accurat^  et  nervosa  enucleantur  AUTHORE  D.  MEL- 
CHIORE  VOETS  IC,  Ducali  Juliae  et  Montium  Oon- 
siliario  Intimo  et  Vice-Cancellano,  Nee  non  Aulici 
Judici  Dusseldorpiensis  Commissario  et  Ducalis  Ar- 
chivi  Praefecto. 

Accedit  ejusdem  Authoris  Tractatus  ad  Observa- 
tiones  Feudalis.    Editio  Secunda  Correctior. 

DVSSELDORPII  Typis  et  impensis  JOHANNIS 
CHRLSTIANI  SCHLEUTER  Anno  M.  DC.  XCIV. 

fol.  Titel  roth  und  schwarz  gedruckt,  mit  kleiner  Vignette 
Fractur  und  Antiqua.     4  unbez.  S.   (Vorrede),  63  bez.  S.   (Text). 
7  unbez.  S.   (Index),  44  bez.  und  4  unbez.   8.   (Observatioiies),  4 
Kopfleisten,  8  Vignetten.    Grosse  Holzschnitt-Initialen. 

59.  &nü(i^"  unb  Seraifc^e  ^e(6td>  Sekret»  ®eri(6tdf(^rei6ev<  Srflc^ten« 
i^oücet)«  unb  REFORMATION-09tD92U92®  •  7)e^  3)ur(4(eui^ 
tigftcn  f^firften  unb  ^erm  /  ^errn  SBiU^etind  /  ^er^oaen  lu 
mixdi  I  Steoe  unb  $erg  /  ^raffen  ^w  bcv  9K(iV(f  unb  9)!al>enB^ 
bcTQ  /  $(£9i9T9!  ju  dtanenftcin  etc. 


Buchdruck  und  Budthandel  in  MssMot'f.  337 

92e6en  anbeten  Goustitntioneny  Edicten  unb  (Sr((övun()en 
etltd^e  f^Uc  n^ie  ed  berent^alben  in  be^ben  ($firftent^um'6cn 
®iUi(4  unb  93er9  gehalten  /  geurt^eiU  unb  erfonnt  merbcu  fo((. 

^e^unb  aug  gnäbigftem  Sefeld^  bcd  au(^  Surd^feud^tif^ften 
(ävo§mad)tiqften  S^ur « gfirftcn  unb  joerm  /  ^m.  JOUAN 
WILHELBiS,  ^fal^raffen  beQ  »Mn  /  33cd  ^eil.  9»5m.  Steid^o 
(Sr^«®(^at}metfterd  unb  S^uvffivften  /  in  Sägern  / -^u  (äflltd) / 
(S(et)e  unb  Setg  ßer^ogen  /  @rafen  ,ut  Selben^  /  (Spon^cimb  / 
ber  SRard  /  SRaüenlberg  unb  9Roer|  /  ^ervn  ,^u  SRabenftein  /  etc. 

Suffd  ntto  fiberfe^en  /  mit  ^(eiß  cojrrigirt  unb  jebermännig» 
ticken  jum  beften  roicberumb  tn  Xxnd  gebrad^t.  Wlxt  «^toe^en 
nüfeltdben  Meftlftetn.  3)U@®(ä«D09i5  /  ®ettucft  unb  Jöcrlegt 
bnx^  JOHANN  CHRISTIAN  SCHLEÜTER  ^m  3q^i  MDCXCVI. 

foL    Sechste  Ausgabe  der  Rechtsordnung. 

Mit  dem  churfärstl.  Wappen  auf  dem  Titel.  6  unbez.  S.  (Re- 
gister), 185  bez.  S.,  16  unbez.  S.  (Biattweiser),  8  Kopfleisten,  5 
Vi^etten.  Auf  Fol.  75  ein  Rupfer-Baum  der  Sippschaft  Grosse 
Initiale  0  im  Worte  Ordnung.  Jede  Seite  mit  Ueberschriffc :  „Rechts- 
etc.  Ordnung." 

J.  C.  Schlenter's  erste  Ausgabe. 

60.  ®ülic^  unb  »ergifc^e  *OC33(S?)^09lI)9?U9I®  /  35cd  Durdj^ 
leuc^tigften  ^ürften  unb  $errn  J  ^erm  SBil^elmd  /  ^er^^ogeu 
}u  ®mii  I  (£let)e  unb  8erg  /  (äroffen  ju  ber  9Rov({  unb  StooenB« 
berg  /  $(5911919}  gu  9{at)enftein  /  etc. 

@ampt  anbeten  Orbnungen  unb  Edicten^  h)ie  ftd^  S^rer 
^ürft(.-  ©nob.  Kmbtleut^e  unb  Sefeld^^abere  in  Sebienung 
i^ter  %embter  .^u  ber^alten. 

Suje^o  Quffd  nein  aug  gnäbigftem  Sefeld^  bed  aud^  2)ur(^< 
leud^tigften  ®ro6mä(^tiaften  (£^ur«?$flrften  unb  |^erm  /  &xn. 
JOHAN  WILHELMS,  ^fal^graffen  bet)  iR^ein  /  bed  ^ei(.  9töm. 
Steic^d  (5r$«@d)a^meifterd  unb  Q^urffirften  /  in  Sägern  /  ^n 
@UIi(^  /  Siebe  unb  Serg  ^er^jogen  I  ®vaffen  ju  Se(ben)}  /  ©pon« 
^eimb  /  ber  SRarcE  /  9labengberg  unb  üRoerg  /  $errn  }u  Stoben« 
ftein  /  etc. 

9Kit  ^ufa|  etlicher  ^iebeborn  auggangnet  Edicten  unb  Se« 
fel(^«@d^rifften  betme^rt  /  unb  fambt  angesengten  Sriid^ten 
Orbnungen  in  %md  gebrad^t.  3Rit  jkoe^en  9tegiftem  berer 
ber  erfte  bie  Xitulen  /  ber  anbem  bie  ÜKaterien  begreifft. 

DU®®(SSX)£)9t^  /  ©ebrucEt  unb  «erlegt  bur$  JOHANN 
GHRI8TUN  8CHLEUTER  3m  ^a^r  MDCXCVI. 

fol.  Vierte  Ausgabe  der  Polizeiordnung  (erste  Ausgabe  von 
Schieuter). 

6  unbez.  S.  (Register),  101  bez.  S.,  16  unbez.  S.  (Register). 
6  Kopfleisten,  4  Vignetten. 

Grosse  Initiale  0  im  Worte  Ordnung.  Jede  Seite  mit  Ueber- 
schrift  „Polizey-Ordnung". 

61.  Orbnung  DS®  ^oc^'f^Urftti^en  ®ue(i(^  unb  Sergif d^en 
®eridbtd  ju  übueffelborf  /  @ambt  benen  an  ^emeltem 
®eriAt  nad^  unb  nad^  publicirten  gemeinen  9e)d^eiben  / 

nud  gnaebigftem  99efe(d^  S)ed  2)ur4Ieud^tiaflen  f^uerften 
unb  ^erm  i&moRSt  JOHAN  WILHELMEN;  Sfa(^graffen  be^ 
9l^n  /  in  Sae^ern  /  ju  ©uelic^  /  Siebe  unb  Serg  $>er$ogen  / 

22 


338  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düneidorf. 

3raffen  jit  Selben^  /  ©pon^eimb  /  bcv  ÜRorcf  /  Siot^engberg  unb 
5)tocr6  /  ^crrn  ju  JRaöcnftcin  etc. 

Qn  Irurf  öevfctttgt 
^J{act)  bcm  6^em^(ar  1684 
@cbruc{t  5U  DU^S(SS3)08l$  9et|  Jobann  Chiistian  Scbleuter. 

Zweite  Ausgabe  der  Hofgericbtsordnung. 

fol.  2  iinbez.  S.  (Index),  48  bez.  Seiten.  Mit  dem  churfüret- 
liehen  Wappen  auf  dem  Titel.  Auf  S.l  eine  5  cm  hohe,  14  cm  breite 
Kopfleiste,  die  Justitia  darstellend,  auf  S.  26  eine  schöne  Schluss- 
vignette (Adam  und  Eva). 

Der  Druck  dieser'  „Ordnung**  stammt  aus  dem  Jahre  1696 
und  wurde  gleichzeitig  mit  Nr.  59  vorgenommen. 

Diese  ersten  Ausgaben  von  Schieuter  scheinen  nur 
in  einer  geringen  Anzahl  von  Exemplaren  hergestellt 
worden  zu  sein,  sodass  man  bald  zum  Drucke  einer 
zweiten  Auf  läge  schreiten  musste.  Die  zweiten  Ausgaben 
tragen  zwar  die  Jahreszahl  1696,  sind  aber  höchst  wahr- 
scheinlich ein  oder  zwei  Jahre  später  veranstaltet  worden. 
Der  Satz  derselben  ist  von  denen  der  ersten  Ausgabe 
abweichend. 

62.  ©ulid)«  unb  S3erfltfc^c  Slcc^td*  8cljen=  ©crit^tfd&rc ibcr*  Srüd^tcn» 
^olige^«  unb  Reformation  £)9ft!D9m92®  /  !Z)ed  S)ur(^(eu(^tiaften 
gürftcn  unb  ^ctrn  /  ^crrn  SBlIbefmö  /  ^ctjogcn  iu  ®üli4  / 
SIene  unb  SBerg  f  ©raffen  ju  ber  Ward  unb  Scoüengoerg  /  ^erm 
5U  Slaocnftctn  -etc. 

92e6en  anbeten  Constitutionen,  Edicten  unb  (Srftärunaen 
etlicher  ^^Oe  f  mie  ed  berent^Iben  in  be^ben  grurftent^umben 
Ottlic^  unb  Serg  geilten  /  geurt^eKt  unb  etfant  merben  foU. 
^e^unb  au§  gnSbigftem  Sefeld^  bed  auc^  iPurc^teuc^tigften 
®vo6mäc^tiaften  Qt^ur^gÜrften  unb  $evrn  /  ßn.  JOHAN  WIL- 
HELMS, ^falt^graff en  beb  {R^ein  /  bed  ^eiL  Köm.  Steierl»  (Sr^ 
@d)afemeifterd  unb  S^urfürften  /  in  Sägern  /  ju  ®ült^  /  Sleüe 
unb  93erg  ^er^ogen  /  ©raffen  ju  Selbenfe  /  ®))on^eimb  /  ber 
SKarcf  /  8?aöen6bera  unb  ÜRörfe  ^erm  ju  utanenftein  etc. 

Suffd  nett)  überfe^en/ mit f^Ieigcorrigirt  unb  jebermänmgti^en 
jum  be[ten  mieberum  in  XrucC  gebrad^t. 

9Rtt  Awe^en  nüj^^Ud^en  9tegiftem.  99eb  biefem  Xrucf  mit 
einem  3^1^^  berfc^eibener  Crbnungen  /  fedicten,  93efe((4en  unb 
Hecessen,  berme^ret. 

3)üffe(borff  /  ©ebrudt  unb  Verlegt  burc^  Johann-Christiaii 
Schieuter,    ^m  3a^r  1696. 

Siebente  Ausgabe  der  Rechtsordnung;  zweiter  Druck  derselben 
von  Schieuter. 

fol.  Fractur  und  Antiqua.  Mit  dem  churfiirstl.  Wappen  auf 
dem  Titel. 

6  unbes.  S.  (Register),  185  bez.  S.,  16  unbez.  S.  (Blattwei»er), 
8  Kopfleisten,  5  Schlussvignetten,  abweichend  von  der  ersten  Ana- 
gäbe.  Auf  S.  75  ein  blattsTosser  Kupferstich  „Arbor  Consangui- 
nitatis.^    Die  Seiten  ohne  Ueberschriften. 

63.  @fili(^  unb  »ergifc^e  $083d(Sg)'09lS)97U9{®  !Z)e$  3>ur(^« 
leuc^tigften  gfirften  unb  |)erTn/^errn  9Bit^elmd  /  ^er^ogen  ^u 


Buehdruek  uttd  Biukhandel  in  DaaMeldarf.  339 

&üt\(b  Siede  unb  SBera^  /  ©raffen  ju  ber  2Rarcf  itnb  9taDcng« 
berg  /  ^erm  ju  SRadenftein  etc. 

@ampt  anbeten  Otbnungen  unb  Edicten  /  mie  fic^  ^^ver 
j|ttrftl.  ®nab.  9m6tleut^e  unb  Sefeld^^abere  in  Sebienung  i^rer 
nentbter  }u  Detriten. 

9[nte|o  auffd  neko  aug  anäbigftem  93efel(i^  beg  au(6  !Durc^^ 
leuc^ttgften  @ro|nt8d^tiaften  S^urffirften  unb  ^emt/  &n.  JOHAN 
WILHELMS,  ^fategrajfen  6e^  9{6ein  /  beg  $eU.  mm.  Sieid^i» 
Sr^fdäa^meifter  unb  S^urffivften  /  m  SS^evn/^u  ©ülid^  /  Siede 
unb  Serg  ^er^og/ ©raffen  ju  93e(ben^  /  ©ponqieint  /  ber  Tlaxdl 
9fladengberg  unb9)l(örg/|)errn  juStadenftein  /etc.  9Rtt3ufa^  etlid^er 
^iebedom  außgangner  Edicten  unb  9efel(i^«@d^rtfften  derme^rt  / 
unb  fambt  angesengten  93rfi(j^ten  Orbnun^en  in  SCrucf  gebrad^t. 

9Wit  jtoe^en  fRegiftem  bem  ber  erfte  bie  litulcn  /  bcr  anbete 
bie  üRaterien  begretfft. 

!CüffeIborff  /  ®ebru(ft  unb  derlegt  burd^  Johann  Christian 
Schieuter,    ^m  ^a^r  1696. 

Fünfte  Ausgabe  der  Polizeiordniing,  zweiter  Druck  derselben 
von  Schieuter. 

fol.  Fractur.  6  unbez.  S.  (Register),  101  bez.  S.  (Text),  16 
unbez.  S.  (Register),  7  Kopfleisten,  8  Schlussvignetten.  Auf  dem 
Titel  fehlt  das' Wappen,  die  Seiten  ohne  Ueberschrift. 

64.  ORDNUNG  HQt^  $od^«?(firftIt(J^en  ©Ulic^«  unb  »ergifd^en  ^of  •• 
geric^td  ju  S)fiff elborff ,  ^mbt  benen  an  gemettem  l^off^eriqt 
nad^  unb  nad^  pnblicirten  gemeinen  Sefdbeiben  /  9u§  g^äbtgftem 
Sefeldi  DeiS  Durc^Ieud^tigTten  prften  unb  ^errn  /  ^9191169?  / 
JOHAN  WILHELMEN,  5ßfaltoraffen  be^  3lt)eln  /  in  »ät^em  /  ju 
®  ulic^  /  (Siede  unb  93erg  |)er$ogen  /  ©raffen  ju  Selben^  f  ®  pon^etmb  / 
ber  9Rar(E  /  SRaden^erg  unb  9)tör§  /  Ferren  ju  Stadenftein  /  etc- 

3u  jtrudC  derfertlgt. 
yiaäf  bem  Exemplar  1684. 

©etrudt  m  2)ü{f elborff  /  Se^  Johann  Christian  Schieuter. 
Dritte  Ausgabe  der  Hofgerichtsordnung,  zweiter  Druck  von 
J.  C.  Schieuter. 

fol.  2  unbez.  S.  (Index),  28  und  24  bez.  S.  (Text),  2  unbez. 
S.  (Index).  Mit  dem  Churfürstl.  Wappen  auf  dem  Titel.  Auf  S  1 
eine  2i/t  cm  hohe  WU  cm  breite  Kopfleiste,  auf  S.  28  eine  Schluss- 
vignette (Adam  und  Eva). 

65.  3pf^$  (Siniaer  Orbnungen  /  Sefelc^ern  /  Edicten  unb  Recessen^ 
ffield^e  auff  gnäbigften  Sefel^  bed  S)urdbleud)tigften  ®rog* 
mäd^tigften  (Sburfttrtten  unb  ^errn  ßn.  JOHAN  WILHELMS 
^fal^oraff en  be^  iRhein  f  bed  ^.  Sftbm.  mt\A&.  Sr^^Sd^a^meifterd 
unb  S^urfürften  /  m  S&^em/Au  (SiUIicQ  /  Siede  unb  Ser^^ 
6er|ogen / ©raffen ju S5elbenb/ ^pon^txmb / ber 9Rarcf  /  9tadenB« 
berg  unb  ÜRörl  /  ^erm  ju  iRadenftetn  ;  etc. 

3)er  ®filid^*  unb  ©eraifd^en  9led&tiJ*^oIicet)*  unb  Reformations- 
Orbnung  be^^ufelfen  anabtgft  derorbnet. 

9teben  einem  Sftegifter  ber  Orbnungen  /  S5ef  eichen  /  Edicten,  etc. 
©ebructt  ju  Dflffelborff  ^ctf  Johan-Christian  Schieuter,  ^m 
3a^r  1697. 

fol.    Fractur  und  Antiaua. 

Mit  dem  churfürstl.  Wappen  auf  dem  Titel.  2  unbez.  S. 
(Register),  50  (davon  29—32  doppelt),  16  und  15  bez.  S.,  4  Kopfleisten. 

22* 


340  Buchdruck  und  Budihandel  in  Düsseldorf, 

66.  Inquisitions-Recess  in  Criminalibus,  1695  11.  Junii. 

fol.  Fractur.    8  bez.  S.  ohne  Dnickangabe;  1697  gedruckt. 

67.  ^6ter  S^urffirftl.  !3)ur(^I.  ju  $fQ(j^  iRac^ma^Iige  femer  gnä< 
bigfte  Srläuteruno  über  93orige  aiißgangene  Taxa-  uiib  Licent- 
Oronimg  jii  Düjfelborff. 

!33e^  Johaii  Christian  Schleuter  1701. 

4<^.    Fractur.    5  unbez.  S.    Auf  dem  Titel  eine  kleine  Vignette. 

68.  ANA  DEM  A  Floribus  et  Gemmis  inteitextum,  quo 
SERENISSIMUM  et  POTENTISSIMUM  PRINCIPEM 
ac  DOMINUM  D:  JOANNEM  GÜILIELMUM,  COMITEM 
PALATINUM  RHENI  Sacri  Romani  Jmperii  Archl- 
thesaurariuni,  et  ELECTOREM,  Bavariae,  Juliae, 
Cliviae,  et  Montium  Ducem,  Comitem  Veldentiae, 
Sponhemiiy  Marchiae,  Ravenspurgi,  et  Moersiae,  Do- 
minum Ravenstenii  etc.  etc. 

IN  NATALI  EJÜSDEM  SOLENNITATE  coronabat 
JOANNES  BUCHELS  Electoralis  Celsitudinis  Biblio^ 
thecarius. 

Dusseldorpii  imprimebat  Job.  Christianus  Schleuter. 

4<>.  Antiqua  und  Cursiv.   84  unbez.  S.,  1702  gedruckt. 

69.  ROSAE  NEOBURGICAE  MARIAE  SOPHIAE  ELISA- 
BETHAE  serenissimae  ac  Potentissimae  Lusitanae 
Reginae  piis  manibus  parentatur  Dusseldorpii  k  SERE- 
NISSIMO  &  POTENTISSIMO  JOANNE  GÜILIELMO 
COMITE  PALATINO  RHENI,  Sacri  Romani  Imperii 
Archithesaurario  &  Electore,  Bavariae;  Juliae,  Cliviae 
&  Montium  Duce,  Comite  Veldentiae,  Sponheimii, 
Marchiae,  Ravenspergae  &  Moersiae^  Domino  in  Raven- 
stein  etö. 

Oiferebat   devotissimus   Cliens  Joannes  Bucheis, 
Julio-Linnichius. 

Dusseldorpii  imprimebat  Joh.  Christianus  Schleuter. 

4<>.  Antiqua  und  Cursiv.   22  unbez.  S.,  gedruckt  1702. 

Da  Buchdruckereien  häufig  erbliches  Besitzthum  eiu 
und  derselben  Familie  bildeten  und  vom  Vater  auf  den 
Sohn  übergingen,  —  die  Geschichte  des  Buchhandels  liefen 
hierfür  zahlreiche  Belege  —  so  darf  man  wohl  die  Ver- 
muthung  aussprechen,  dass  die 

Wittwe  Beyer 

oder  Bayer,  welche  Schreibart  auch  vorkommt,  eine  Tochter 
Schleuter's  gewesen  sei,  da  in  ihren  Drucken  sich  die 
Tjrpen  der  Schleuter 'sehen  Officin  wieder  finden.  Ob  ihr 
Mann,  Friederich  Caspar  Beyer,  selbst  der  OflBcin  vor- 
gestanden hat,  was  nur  ganz  kurze  Zeit,  in  den  Jahren 
1702  oder  1703  gewesen  sein  könnte,  oder  noch  zu  Leb- 


Buchdruck  und  Buchhandel  in  DUsseldotf»  341 

Zeiten  Schieuters  an  dessen  Geschäfte  betheiligt  gewesen 
ist,  muss  dahingestellt  bleiben.  Anfänglich  führte  die 
Wittwe  Beyer  den  Titel  „Chur- Fürstliche  Hoff- Buch- 
druckerinn",  der  im  Jahre  1708  sich  in  „Churfürstl.  Hoff- 
und Stadt-Buchdruckerin  n^  geändert  hat. 

70.  »ovaefc^Iagenc  C0NDITI0NE8  gttr  bic  Sbctöebimg  bcr  SJcftung 
Sat)fcv6tt)crt^  /  Statt  /  ©cbloffeö  /  unb  anflc^öriflc«  ©c^än^^cn  ; 
fomol)[  Ht^^  at^  jenfeit^  bcd  St^etnd. 

(Um  ©d^lug:)  ©ebvucft  unb  ju  finben  ju  !DfiffeIborff  /  6et) 
bet  JBttttoe  93cQerd  /  S^ur  f$ürftli(^er  ^off  SucJ^brucfevinn. 

4^.    Fractor.    7  iiiibez.  S.    1   SchluBBvignette.    Ohne  Angabe 
des  Drackjahres  (1703). 

71 .  JÜSTITIA  Possessiones  PALATINAE  Super  CAESARLS 
JNSULA  Vulgö  ffQt)fcr«n)crt^  ET  APPERTINENTIIS 
Impressa  DUSSELDORPII  Typis  Viduae  Friderici 
Caspari  Beyer  Typographi  Electoralis.  Cum  Speciali 
Privilegio  de  non  reimprimendo  in  terris  Electoralibus 
sub  poena  conflscationis  exemplarium  et  oO  Florenorum 
aureorum.     1703. 

fol.    Fractur  und  Antiqnn. 

72.  3!)eut(t(^e  unb  arfiublidle  (SrHäruna  bcr  "Sbeltc^en  unb  9ltttev^ 
liefen  freien  ^ed^t^lSunft  /  Lechouen  ouff  ben  ©tog  /  unb 
beten  ®e6Taud^$  eigentli^er  Ütad^vtc^t.  Stuff  bte  rechte  ^toltäntfc^e 
fixt  unb  Manier,  in  biefed  Xractätlein  t)erfafft  /  unb  mit  not^^ 
menbigen  ftu))ff er  <  ® tficten  nad)  9RögHd)f eit  aejteret  /  unb  )dox 
auoen  oeftelt  /  (Srftlid^  ^rtJorgebvdc^t  burdj  JEANN  DANIEL 
L' ANGE  e^urfürftl.  *f  älfeif^en  ©off*  unb  JDcro  Söbl.  Universität 
bcftcltcn  gecfttmeiftcrn. 

9(nje^o  }unt  Awe^ten  mal)!  im  Xrucf  I)erau6Qege6en  burd^ 
CHARL  L'ANGE,  Ö^rer  (J^urfürftl.  S)utc^f.  ju  ^falt?  Maiorn 
unb  Exercitien«ü»etftcm. 

Düffelborff  /  flctrutft  bct^  bcr  aBittib  »at^evö  tt^urfürftf.  4>off* 
unb  @tatt»»uc^tru(ferin.    3m  ga^r  1708. 

Erstes  Düsseldorfer  Rnpfervrerk. 

Quer  FoHo.  Fractur.  1  Portrait  L*Ange*s  (E.  v.  Lennep  etc.) 
4  unbez.  S.  (Vorrede),  126  iinbez.  S.  mit  61  grossen  Kupfern  von 
C.  Metzger,  2  unbez.  S.  (Inhalt) 

73.  CATECHISMÜS  Ober  fturfter  Unterricht  aUgcmciner  Cfjrift» 
lieber  Se^  borinnen  bet  Reformirten  £>eibelberger  Q^tec^idmud 
nod^  fetner  eigentlichen  Setg  in  ertiar^  unb  beftätttgung  ber 
^g  unb  9ntn)orten  alfo  get^rfifet  roirb  f  bag  olled  f  toa§>  ber 
QÜaemeiner  S^rtftlid^en  8e^r  gemä§  /  bellten  /  jened  aber  /  toa& 
biefer  fie^r  jutoieber  /  oertDorffen  /  unb  an  beff en  ftott  bie  n^a^re 
Se^r  Q^fti  aefe^t  /  unb  mit  3^ugnu§en  ber  gdttli^en  ^eiligen 
@(^rift  bemiefen  »irb. 

Durt^  P  GEORGIVM  BAUSSVMER  be§  ©.  Orben« 
ber  9rmen  FranciscanerRecollecten  SöOnifc^er  ^roDtn^^rteftem. 


342  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Düsseldorf. 

SRit  (i^ur*prftlt4er  ^fatft^gre^^cit  etc. 

3)flffcIborff  getrutft  bcft   bcr  aSBittib  »c^cr«  S^urfl.  ^off 
unb  Statt  »ut^br.  1709. 

80,  Fractur  und  Schwabacher.  Mit  dem  churf.  Wappen  auf 
dem  Titel. 

4  unb.  S.  Antiqua  (Approbation),  10  unb.  S  (Vorrede),  4S2 
und  32  bez.  S.,  2  kleine  Vignetten  und  mehrere  Schlussstücke  aus 
Veraatzrosetten. 

74.  e^ur^^faltifcftc  RELIGIONS-DECLARATION8om2LWo' 
öcmbrid  1705. 

fol.  Fractur.  34  bez.  S.,  1  Kopfleiste,  1  grosse  Initiale  ohne 
Druckbezeichnung,  aber  aus  der  Beyer'schen  Omcin  stammend. 

Bereits   1714   heisst    der    Besitzer   der    Beyer'schen 
Druckerei 

Johann  Leonhard  Weyer. 

75.  HISTORIA  JURIS  CIVILIS  JÜLIACENSIUM  ET 
MONTENSIUM  Nunc  secundum  edita  ET  APPENDICE 
AÜCTA  AC  LOCOPLETATA.  Opus  omnibus,  qui  in 
Jüdiciis  Ducatuum  Juliae  et  Montium  Causas  agunt 
&  Jus  dicunt,  apprim6  utile  et  necessarium. 

Avcthore  Serenissimi  Prineipis  &  Domini  Domini 
JOHANNIS  WILHELMI  COMITIS  PALATINI  RHENI, 
BAVARIiE,  JÜLIiE,  CLIVI^  AC  MONTIUM  DUCIS 
etc.  Consiliario  intimo,  causarum  feudalum  Directore, 
Aulici  judicii  Commissario  &  Ducalis  Archivi  Custode 
D.  MELCHIORE  VOETS  JCto. 

DUSSELDORPn,  Typis  &  Expensis  JOHANNIS 
LEONARDI  WEYER,  Anno  MDCCXIV, 

fol.  4  unbez.  S.  (Vorrede),  124  bez.  S.,  8  unbez.  S.  (Index), 
3  Kopfleisten,  3  Vignetten.  Fractur,  Antiqua  und  Cursiv.  Auf  8.  ^ 
das  herzogliche  Wappen  der  Rechtsordnung  von  1565  in  Holzschnitt. 

76.  TR ACTATUS  DE  JURE  REVOLUTIONIS,  AD  LUCEM 
ORDINATIONIS  JUDICIARIAE,  CAP.  »cft^Iufe  öon 
Succession  88. 

!Dag  nad^  aUent  ^ertommen  unb  ®e6rau4  ber  gfßtften« 
t^utnben  ®ü\\d^  unb  Serg  /  bie  ®ftter  faOen  unb  er6en  foOen 
^inber  {td^  an  bie  nSd^fte  (Srben  f  ba^er  [xt  fonttnen. 

In  quo  Praecipua  REVOLUTIONIS  Capita  tan- 
guntur  Exemplis,  Praqudiciis  &  rebus  judicatis 
iilustrantur,  nee  non  Materia  Successionis  ab  intestato 
accuratö  &  nervös*  enucleantur.  AUTHORE  D- 
MELCHIORE  VOETS.  J.  C.  Ducali  Juliae  &  Montium 
Consiliario  Intimo  &  Vice-Cancellario,  Nee  non  Aulici 
Judieii  Dusseldorpiensis  Commissario  &  Duealis 
Archivi  Praefatio.  Aceedit  ejusdem  Authoris  Traetatus 


Buchdruck  uttd  Buchhandel  in  DPsseldorf,  343 

ad  Observationes  Feudales.  EDITIA  TERTIA 
Correctior. 

DUSSELDORPII,  Typis  &  Impensls  JOHANNIS 
LEONARDI  WEYER,  Anno  M.  DCC.  XX. 

foi.    4  imbez.  S.  (Vorrede),  62  bez.  S.,  6  unbez.  S.  (Iudex). 
44  bez.  und  4  unbez.  S.  (Observationes)  ß  Kopfleisten,  2  Vignetten. 

77.  Äirc^cmAGENDA  DS)(S9l  gormultrc  »c^  bcucn  eüangclifdj^ 

REFORMIRTEN  üblirf|.     !DU®@(5eS50SRf5    »et)   3pl)ann 

Seonliarb  aB(5?)(g9t   1726. 

4«    Fraktur.  Titel  mit  einer  Vignette  (König  David).   121  bez. 
S.    1  Bl.  Register.    6  Kopfleisten,  2  Vignetten. 

78.  HISTORIA  JURIS  CIVILIS  JULIACENSIUM  ET 
MONTENSIUM  Nunc  secundum  edita  ET  APPENDICE 
AUCTA  AC  LOCUPLETATA.  Opus  omnibus,  qui  in 
Judicii  Ducatuum  Juliae,  et  Montium  Causas  agunt 
&  Jus  dicunt,  apprim6  utile  et  necessarium. 

Avthore  Serenissimi  Principis  &  Domini  Domini 

JOHANNIS  WILHELMI  COMITIS  PALATINI  RHENI, 
BAVARIAE,  JULIAE,  CLIVIA  AC  MONTIUM 
DUCIS  etc. 

Consiliario  intimo,  causarum  feudalium  Directore, 
Aulici  judicii  Commissario  &  Ducalis  Archivi  Custode 
D.  MELCHIORE  VOETS  JCto. 

DUSSELDOPII,  Typis  &  Expensis  JOHANNIS 
LEONARDI  WEYER,  Anno  MDCCXXIX. 

fol.    4  unbez.  S.  (Vorrede),  123  bez.  S.,  9  unbez.  S.  (Index). 
2  Vignetten. 

79.  3)ed  3)ur(^(eudbtigen  ^oc^acbo^renen  f^iirften  unb  ^errn  /  ^ervti 
SBil^elm^  ^erl^ogen  ju  Q)iilt(^  /  (£Ieoe  unb  Serg  /  ©raffen  ju 
bcr  SRarc!  unb  SRabenrtcr^  /  ^crrn  ju  SRaücnftein  etc.  Sted^tiS- 
Orbnung  unb  SReformatton  /  @ampt  anbeten  Constitutionen; 
Edicten  unb  övflärungcn  etlidber  gälte  /  wie  eö  in  6et)ben 
3^rer  g.  ®.  gflrftent^umben  müxdi  unb  Setg  gebalten  /  gc^ 
urt^cWt  unb  enant  toerben  foU. 

atuffö  neutt)  revidirt  /  unb  gebcffert.  2)Ht  einem  neumen 
{Reoifter  aud^  etlicben  f^ormulen  /  fo  bor^tn  ntt  babel)  gewefen. 
©ebtucft  im  ^a^r  M.D.CC.XXIX. 

Achte  Ausgabe  der  Rechtsordnung,    fol.    auf  dem  Titel  da» 
churfiirsti.  Wappen.    Voets,  historia  juris,  civilis,  1729,  p.  7. 

«0.  3ufafe  (SInigcv  Orbnungen  Sefelcftern  /  EDICTKN  unb 
RECES8EN;  SSeld^e  auff  gnäbigften  Sefeld^  bed  !DuTd)teuc^tigften 
C^urfürften  unb  ^trm  ^n.  JOHAN  WILHELMS  ^falfegraffen 
bet|  9l^ein  /  bed  ^.  9f{öm.  9{eic^d  (5r6^®(^a^nteifterd  unb  S^ur« 
ffirften  /  in  Sät)ern  /  ^u  &ülm  I  Cieoe  unb  93erg  ^er^ogen  / 
®roffen  ju  SJelbenfe/  ©ponljeimb  /  ber  SKarcf  /  SRaüenäberfj  unb 
^oerg  /  ^erm  )u  iRabenftein  etc.  (Cer  @ältcl^»  unb  äSergtfd^en 
9te(^td«$oHce^«  unb  Reformations-Orbnung  be^jufet^en  gnöbigft 


344  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Dü$$Morf. 

Dcrorbnet.     97c6cn  einem  Steflifter  ber  Orbnungett  /  Sefeld^n  / 
Edicten  etc. 

®ebru(tt  ju  2)fiffe(borff  Se^  JOHANN  LEONHARD 
WEYER,  Anno  1731. 

fol.  Fractur.  Auf  dem  Titel  das  chnrfttrstl.  Wappen.  2  unbes. 
S.  (Register),  54  bez.  S.  (davon  45*-48  doppelt),  16,  15  und  8  bei.  S. 
(Text),  4  Kopfleisten. 

Eine  gefährliche  Concurrenz  erwuchs  der  Beyerschen 
Officin  mit  der  Errichtung  einer  zweiten  Druckerei  im 
Jahre  171o  durch 

Tilman  LiboriuB  Stahl, 

dessen  Nachkommen  bis  auf  den  heutigen  Tag  im  Besitze 
derselben  geblieben  sind. 

Durch  seine  Ernennung  zum  „Churfttrstlichen  Hof- 
und  Cantzley  Buchdrucker"  mit  Privilegium  vom  IT.  No- 
vember 1 723  und  Uebertragung  des  Druckes  der  offlciellen 
Schriftstücke  an  ihn  wird  am  besten  bekundet,  wie  sehr 
Stahl  es  verstanden  hat,  in  verhaltnissmässig  kurzer  Zeit 
seinem  Geschäfte  die  Ausdehnung  und  Bedeutung  zu 
geben,  die  emen  Wettkampf  mit  dem  Alteren  Geschäfte 
ermöglichten,  welcher  zur  Verdrängung  des  letzteren 
führte.  Tilman  Liborius  Stahl  ist  es  auch,  dem  DOssel- 
dorf  seine  erste  Zeitung,  die  Stadt -Düsseldorfer  Post- 
Zeitung verdankt  (s.  u.). 

81.  DICAEOLOGIA  DE  DUOBUS  CONTRACTIBUS 
REALIBUS  MÜTUO,  COMMODATO  SÜBNEXIS  RE- 
MLSSIVIS  SCHOLIIS  Implorato  JEHOVAE  Sulfragio 
lyusque  Entheä  gratiä  PRAESIDENTE  D.  LUDOLPHO 
HENRICO  HAKE  J.  U.  D.  de  Authoritate  et  Giemen- 
tissimo  Serenitatis  suae  Electoralis  Palatinae  &etc 
Consensu  Lycei  Private  —  Juridcii,  Nomophylace,  In 
mediam  juridico  —  Exercitatoriae  dialexis  palaestram 
äuccinctissimö  Prolata  k  PRAE-ET  NOBILIBUS  ac 
PERQUAM  ERUDITIS  JURIUM  CANDIDATIS  D. 
Arnolde  Friderico  PICKARTZ  Gerresheimiensi,  D. 
Christiane  Petro  KOCH  Confluentino,  D.  Joanne 
Adolphe  WÖLTING  Essendiensi,  D.  Joanne  Baptista 
Stephane  RASIGA  Düsselano. 

DUSSELDORPn  Die  (23)  Mensi  Septemb.  Anno 
1715  ab  horä  9.  matutina  usq;  ad  undecimo  et  se- 
cunda  pomerid.  usq;  ad  quartam. 

Impressum  k  TILLMANNO  LIBORIO  STAHL. 

4<>.  Antiqua  und  Cursiv.    13  nnbez.  S.,  1  Kopfleiste. 

82.  VITA  PRODIGIA  ET  MORS  SANCTI  SVVIBERTI 
EPISCOPI  ♦  WERDENSLS  MONASTERIENSLS 


Buchdruck  und  Buchhandel  in  DüMsMotf.  315 

APOSTOLI  SIGNIS  PER  CELEBRIS  *  ORATORIE 
QVONDAM  A  Coaevo  svo  et  socio  ♦  Divo  Marcellino 
Presbytero  exarata  ♦  Modo  vero  versibvs  conscripta  ♦ 
ab  aliquvo  eivsdem  Beati  antistitis  diente  * 

ANNO  qvo  soles  divvis  Svvibertvs   Mille  beatvs 
pervixit    svperis  post  sva  fata  thronis. 

DUSSELDORPII  Typis  TILMANNI  LIBORH  STAHL. 

S^,  Antiqua  und  Cursiy.  18  nnbez.  S.  (Widmunjc  und  Vor- 
rede), 120  bez.  S.,  3  Kopf  leisten ;  ohne  Dmckjahr.  Titel  in  7  fächern 
Chronogramm  (1717). 

83.  VITA  S.  SWIBERTI  EPISCOPI  WERDENSIS  Fri« 
siorum,  Saxonum,  Westphalorum,  et  in  primis  URBIS 
MONASTERIENSIS  APOSTOLI,  primum  scripta  A 
Beato  Marcellino  Presbytero  Coaevo  et  Socio  ejus, 
expost  aucta  ä  S.  Ludgero  I^o-  Monasteriensi  episcopo 
Fidä  relatione  de  miraculls  et  Canonizatione  ejusdem 
SANCTI,  denuo  recusa  ANNO  ÄHLLenarlo  ft  Die 
obltVS  sanCtI  SVIbertl. 

DUaSELDORPII,  Typis  TILMANNI  LIBORII  STAHL. 

8^.  Antiqua  und  Cursiv.  12  unbez.  S.  (Index  und  Vorrede). 
152  bez.  S.,  ohne  Druckjahr  (1717). 

84.  «ctctimafetgc  FACTI  SPECIES  Juxta  annorum  seriem 
Cum  DEDUCATIONE  JÜRIÜM  IN  ACTIS  ALLEGA- 
TORUM.  3[n  ©Q^cn:  ©einer  ö^urfürftl.  ©urc^Iauc^t  ju 
$fQ(^  Slld  ^er^ogen  ju  @fl(ic^  unb  Serg  /  etc.  Conti*a  3^ve 
(S^urffirftl.  X)uv(^lQU(l^t  Unb  (Sin  ^o^^koarbigeö  2:^um6^(£apltu( 
;>u  SBQen  Citationes  kaijfcrdmert^  betreffenbt. 

!CfiffeIborff  /  gebvudt  bet)  Tilmano  Liborio  @ta^(  S^urffirft(. 
Priveligirtcr  Jpoff«  unb  ffianftlet)  Suc^brucfer  1722. 

fol.   4  unbez.  S.,  262  bez.  S.,  1  Tabelle,  1  Kopfleiste. 
Wahrscheinlich   erst  im  Jahre   1728  gedruckt,  da  auf  dem 
Titel  schon  die  Bezeichnung  Privileg.  Hofbuchdrucker  vorkommt. 

85.  «acruntertWniflftc  REPRAESENTATIO  GRAVAMINÜM 
RELI6I0NIS  £er  Stömifd) » (Sat^oltfc^en  ^m  f)er^ogtl)umb 
ßteöe  «uc^  Orafffc^aft  SRarrf  unb  »aöendberg  Cum  JUSTI- 
FICATIONIBUS  örftattet  t>on  3^ro  (S^urfürftl.  Durd^I.  ju 
$fa(^  ®fißd)«  unb  Sergifd^er  Stegterung. 

!Z)fi{feIborff    ©etrucft  btt)  Tilmanno  Liborio  @taE|(  /  S^ur« 
fflrftL  privilegiirter  ^off«  unb  (San|(e9«Su(l^trucfev  1723. 

fol.  Fractur  und  Antiqua.  176  (mit  S.  5  anfangend),  168  und 
180  bez.  8. 

86.  aaeruntert^äntgftc « (Suntmarifd^e  9Biebet^oIung  GRAVAML 
NÜM  RELIGIONIS  3)cren  SR8mlf4»(Sot^oIifdjen  3m  gürftcm 
tt)umb  G(ebe  Unb  ©rafffc^aften  ÜRardC  unb  9{at)eni»6erg  / 
JÜNCTIS  ADDITIONALIBÜS  NOVIS. 

fol.  Fractur  und  Antiqua.  6  unbez.  S.,  52,  90,  16  und  68 
bez.  S.,  4  Kopfleisten,  2  Vignetten,  ohne  Druck  jähr  (1727). 


346  Buchdruck  und  Buchhandel  in  Diisseldorf, 

87.  ßat^oüfcöc«  ®cfan8*SBud>/3[n  öiclcn  «ttcn  unb  »Zcuen 
Sicbcrrt  bcftc^cnb  /  5Wid^t  nur  jum  SJicnft  S)ercn  anbäc^tigcn 
^Itaern  /  SBcldjc  Öä^tl«^  «n  ücrfd^icbcnc  ©nabcnrcicftc  Ocrtci 
tDaUfo^vten  /  ®onbern  aud^  SUcn  anbäd^tigen  C^riften  /  in  bcncit 
Stireren  unb  ju  |^aug  /  jii  nü^Iic^en  itnb  täglich  bequemen  @c 
braud^  /  jufammen  getragen. 

Cum  special!  Pfivil.  Seren.  Electoris  Palatini. 
Düffelborff  /  »e^  SCttman  Öibor  ©to^I  /  ö^urfiirftl.  ^off 
leud^trutfer  1728. 

12^.   Fractur  und  Antiqua.  334  bez.  S.,  6  unbez.  S.  (Register) 

88.  üRariontfc^e  Slnbad^t  Unb  Derofelben  Orbnung  @o  tu 
ber  9Jor  Düffelborff  be^  »ilti*  Oeteaenen  Cauretonifcfcon  9Wuttcr 
©Otted  SapeOen  /  Se^  3)ero  &.  ©nabemSitbnug  Unter  beni 
StttuI :  ^ttlff  ber  S^riften  /  genauen  totrb  /  unb  eingerichtet  ift 

3Jon  einem  ^rieftcr  ber  ©efettfd^afft  gSfu  Permissu 
Superiorum. 

©üffelborff  ®etru4t  bei)  lilmon  ßibor.  ©ta^l  (ffi^urfur[tl. 
^off-SBud^trurfcr  1730.  . 

8«.  Fractur.  Auf  dem  Titel  eine  Vignette  mit  IHS  i« 
Kupferstich. 

16  unbez  S.  (Vorrede),  104  bez.  S.  und  50  unbez.  S.  (Gesäuge). 
2  Kupfer,  das  Gnadenbild  mit  der  Kapelle  und  die  Maria  Lauretana 
darstellend.    4  Vignetten. 

89.  35er  Siebe  »auffmonfd&afft  Ober  ®(flcHicö  getroffener  Öicbc^' 
3Banbe(  bei  bem  ^oc^jettHc^en  (S^ren^gefte  bed  aSßo^t*(£b[en, 
«orad^tbaren  $erm  /  4>(£9l9l?R  THEODOR  De  KRYTTER 
So^Ibeno^mten  .ftauffman  in  S^Uffelborff  /  äEBe^Ianb  @r.  $)od)' 
ffibl.  Des  |)errn  /  ^n.  ARNOLD  DE  KRYTTER  gern  bc 
ruffenen  ftauffmannd  in  Sefel  nac^gelaffener  (S^Kc^er  ®ol)u, 
%Id  berfetbe  Anno  1730  ben  17.  aRortii  3Rit  ber  auc^  ffio^I» 
(Sblen  /  ^ithW^x*  unb  2:ugenbfamen  grauen  l^WHWfiSH  Snnen 
SRargaretben  SBerg,  SBetjIanb  @r.  SBoM*(lbI  .^errn / ^crren 
Arnolden  SEBUS  äBo^tbena^mten  ßauff«  unb  |>Qnbe{dmQnn 
in  Düffelborff  /  SRatftgelaffenen  SSSittibcn  /  ®id6  bur*  ^rieftcr^ 
lidöe  CÖPULATION  ffi^Ud^  öerbinben  liefe;  ®ab  ber  ffio^- 
meinenbe  (Cid^ter  mit  biefen  fleringfägigen  ®{tt(fn)ünfd^ung^< 
ßcilen  ju  erfennen  feine  Freuno*WiuigKeit. 

fol.  4  Seiten  ohne  Druckbezeichnung  (gedruckt  von  Stahl  17.30). 

90.  TRACTATIO  DE  USÜFRUCTÜ  CONSUETUDINARIO 
JÜLIAE  -  MONTENSI  IN  GRATIAM  EORÜM. 

Qui  in  foro  Ducatuum  Juliae  &  Montium  causas 
agunty  Conscripta  k  Joanne  Christiano  Schütz  J.  U.  L. 
&  Advocato  Legali  in  Patria  Montensi  adjecto  Judici 
rerum  &  verborum  locupletissimo. 

Dusseldorpii,  Apud  Tilmannum  Liborium  Stahl, 
Aulae  Typographum.    MDCCXXXI. 

fol.    26  bez.  S.,  2  unbez.  S.,  Antiqua.    1  Kopfleiste. 

91.  Sßo^r^affte  »eftättigung  Deren  S^rer  9fl8mifd^«»Q^f.  on* 
»önigl.  ffiatbol.  ÜRaj.    3n  bcnen  ^a^ren  1723  unb  1727.    ©on 


Buehdruek  und  Buchhandel  in  D^seldorf,  347 

3^er  (S^urffirftlid^en  IDur^Iaud^t  )u  ^fal^  ®filt^«  unb  Ser^ 

Sifd^er  Sanbed«9legterung  SDeruntert^ämgft  repraesentirter  aud) 
anctis  Additionalibns   novis    gummariter    tmeber^oltet   (£Ie)>« 
9Rar(tif4'  unb  9{a)[)endbergtf(l^et  Relisions  -  Orayaminam  nebft 

tanbgreifflid^er  98ieber(egung/  9Rebrift  per  AnonymnB  Son 
Icöifd^cr  »cgleruna  3n  bencn  gaötcn  1721.  1723.  1724  unb 
1733  auffgelegter  Sinmaglid^et  Kbte^nungen  snb  Rubricis: 
Segrünbete  Sntmort  /  ®rfinbHd^e  Seannoortung  /  SH^ttge  Snietg. 
Unb  SReid^d  Conatitationg-  aud^  Provindal-Religiona-Recesa- 
ntS§ige  (Srinnerung  unb  i93ortrag  /  f^ort  Special  unb  General 
Stnkoeifung  bet  o^ne  (Srunb  in  benen  j>a^ren  1719  1729  unb 
meiter  k)orgebiIbeter  ©iilic^-  unb  Sfetgifd^er  (SDangelifd^er 
Religions  Sefd^koetben.  3)urd)  eine  unoerfätfqtc  ©egen^altung 
t)orgefteIt  /  unb  ntit  unbernetnlic^en  Schlagen  gere(^tfertigt  Son 
SSieber^o^Iter  (S^ur^^fäl^ifd^er  ^Regierung,  ^m  Febmario 
3a^r8  1735. 

2)fiffeIborff  gebrucft  6e^  Xilmann  Siboriud  ®ia%  S^ur* 
ffirftL  Privil.  ^off  Su^brurfcr. 

fol.  Fractur  und  Antiqua.  157  zweispaltig  bedruckte  bez.  S. 
1  Blatt  weiss,  84  bez.  S.,  1  Blatt  weiss;  und  54  bez.  S.  2  Kopf- 
leisten, 1  Schlussvignette. 

92.  Relinons-SSergleid^  993el(^er  jmifcften  !Dem  ^urd^Ieud^tigften 
^firjten  ufib  ^erm  f  fetten  ^riebrid^  SBtt^elmen  /  SRarggraffen 
}u  IBranbenbutg  /  bed  $.  SRöm.  {Reid^d  (Sr| « Sämmerern  /  unb 
S^urfftrften  f  in^reuffen  /  ju  SRagbeburg  /  ©ülid^  /  SIeoe  93eTge  / 
©tettin  /  ^ommeten  bet  (Saffuben  unb  S^enben  /  aud^  in  ©Rieften  / 
}u  (Jroffcn  unb  Sägcrnborff  ^er^ogen  /  Surggraffen  ju  Kfim* 
Derg  /  dürften  ju  ^alberjtatt  /  ÜRin'ben  unb  Q^nrin  /  ©raffen  $u 
bet  9Rard!  unb  SRaDeniSDerg  /  fetten  ju  SRaDenftein  /  unb  ber 
Sanbe  San^enburg  unb  SBuiau  /  etc. 

Unb  bem  3)uT(^Ieu^tigften  f^Iirften  unb  Ferren  /  fetten 
$^iap))  äBiIbeImen/$|oI|«®ra^en  bei;  9{^ein/in  Sägern; 
m  ®üli(4  /  Siebe  unb  Serg  f)er^ogen  /  (Stoffen  ju  Selben^  / 
^pon^eim  |  bet  ÜRatdE  /  iRabendbetg  unb  SRoetg  /  fetten  ju 
9lat)enftein  /  etc. 

Uebet  X)Qd  Religions-  unb  ftit^en^SBefen  ^n  benen  ^et^og« 
t^umben  (Sillic^  /  (Sleüe  unb  3)etg  /  ouc^  ©taffjd^afften  9RatcE 
unb  Stoüendbetg  respective  am  26.  Aprilis  1672  lu  SöQen  an 
bet  Spree,  unb  am  30.  Julii  1673  5U  ©üffelbotf  auffgeric^tet 
motben. 

tDfi^elbotff  /  ©ettudt  be^  SEitm.  Sibot.  @ta^I.   (S^utfütftl. 
PriYiL  $off«  unb  (San^Ie^  Suc^bt.  1735. 
4<>.    Fractur  und  Antiqua.    62  bez.  S.  (mit  S.  5  anfangend). 

93.  ProTisional-Serglei^ung  3^U^^n  ^^^n  ^oc^n^fitbigften  f 
!Dut4Ieud^ttgften  Gi)utfäi*ften  unb  ^ertn/^errn^etbinanben, 
(Stl^Sifd^offen  ju  SöKen  /  unb  (£f)utfatften  /  Sifd^offen  }u 
^abetbam  /  Sttttig  unb  9Rflnftet  /  Administratom  !Dero  (^tiftet 
ßUbed^etmb  unb  Setd^tedgaben  \  gfltften  gu  ©tabul,  $falt^< 
®taffen  be^  {Rhein/  in  Ober*  unb  Wlcbet  Sa^etn,  SBeftp^alen, 
(Jngetn  unb  Sutlion  ^er^ogen,  SWarg « ©raffen  ju  gtanc^i* 
monbt,  etc. 


348  BtteMruek  and  Buckhandel  in  Dnsseidorf. 

Unb  bem  ^urc^Ieuc^tigfteu  O^ttvftcn  unb  ^crm  /  ^emt 
Solffgang  Stl^elmen,  $fal| « ©roff en  be^  9t^ein  /  in 
SBat^ern  /  i^u  3fi(i4  /  (Sleoe  unb  ^erg  (»ev^ogeti  /  ©raffen  ju 
SelbenV^  /  ©pim^eim  /  bcr  9)tar({  /  ätoDen^bev^  unb  ÜRörg  /  Ferren 
ju  äidoenftein  /  etc.  äBie  ed  mit  ber  ®€tftlid)en  Jurisdiction 
in  ben  (äillic^fci^en  f^üvftent^umen  unb  l'anben  big  gur  ^anpt^ 
fäc^Iic^en  unb  enbUd|cn  ^Ib^anblung  ju  galten. 

iRa(6  bem  Exemplar  Anno  1621. 

Düffetborff  /  ©ebrucet  bei  Stilm.  l>i6or.  ®ta^l.  S^nrfl. 
Privil.  .^off'  unb  San^Iek)  Sud^br.  1735. 

4<^.    Frnctiir  und  Antiqua.    15  bez.  S. 

94.  92ebcn « Kecess  3"^Mci)^'^  ^^^  !3)uv(4(euc^tigften  f^firften  unb 
.^erren  /  Ferren  ^riebertc^  SSil^cImen  /  SRorggraffeu  ju  SBranben« 
gurg  /  bed  &.  SRöm.  mtx^^  @r^«Sämmerern  /  unb  Qi^ur» 
tüvjten  /  in  $veuffen  /  f^u  9)tagbeburg  /  (äfilic^  /  S(et)e  /  Serge  / 
Stettin  /  Sommern  ber  Sa^uben  unb  9Senben  /  audi  in 
®(^(efien  /  ju  (troffen  unb  :^ägemborff  |)er^ogen  /  Suragrajfen 
ju  9}Um6erg  /  f^ürften  ju  ^olberftatt  >  SRtnben  unb  ^amtn  / 
(^raffen  ^u  ber  ä)tar(t  unb  ätaDenSberg  /  |)erren  5u  9laoen^ 
ftcin  f  uno  ber  Canbc  ^amenburg  unb  SButou 

Unb  'Dem  X)urc^leu(^tigften  gffirften  unb  f^erren  /  Ferren 
^^ilipp  SBil^elmen  /  ^falt^maffen  bet)  9l^ein  /  in  Sägern  /  ju 
6tt(i^  f  Siebe  unb  Serge  ^er^^ogen  /  ©raffen  ju  Selben^  /  @))on« 
l)eim  /  ber  äRard  /  StaDendberg  unb  9R5rg  /  Ferren  5u  9Iauenftein. 

Ueber  ben  Punctum  Keligionis  unb  anbere  ®eift(.  @ad^en  / 
in  bencn  @fllid)*(£(et)if(^eit  unb  angei)örigen  Sanben. 

9tadi  bem  Exemplar  t)i)m  ^a^r  (S^rifti  1666. 

J)ttffelborff,  getrucft  belj  SEilm.  Sib.  ©ta^I  S^urfl.  IMvil. 
."Öoff«»ud)br.    1735. 
4<^.    Fraetur  und  Antiqna.    44  bez.  S. 

95.  ©rünbtic^er  »eric^t  Über  bad  ftircften*  Unb  RELIGIONS- 
ffiefen  ^n  ben  gfürftent^umben  ©filid^  /  Siebe  unb  Serg  /  %udf) 
3ugebörigen  ©rafffc^afften  äRarcf  unb  SRabendberg  /  etc. 

35üjfeIborff  /  ©ebrucft  unb  au  finben  be^  Xilman  Sibortud 
(S>Xa\){,  G^urfürftl.  Privil.  ^off-  unb  San^leQ « Suc^brucCer. 
Anno  1735. 

4<>.   Fraetur,  Schwabacher  und  Antiqua.    32  unbez.  S.   1  Schlnss- 
Vignette. 

96.  9(6erma^lige  Sieber^o^lung  Siaer  !2>er)enigen  EDICTEN  Unb 
GENERAL  Serorbnungen  Seld^e  SBegen  ber  in  be^ben 
ßer^ogt^umbcn  ©filid^-  unb  Serg  Ublid^er  ®teuer  Gollecüonen 
unb  barin  einf(^(aaenber  Materien  bor  unb  nad)  audaangen  [e^nb. 

!&ü{fetborff  /  ©etructt  bet)  Tilmann  Liborio  ®taf)l  /  S^urfürftL 
^off*  unb  (Sandlet)  Suc^trucfer  1738. 

fol.   9  unbez.  S.   212  bez.  S.    18  unbez.  S.  (Register).   2  Kopf- 
leisten.   3  Vignetten.    Mit  Tabellen. 

97.  ausführliche  unb  ©rünblid&e  SPECIFICATION  Derer  bor» 
trefflichen  unb  unfc^ä^baren  ®emä()Ibcn  /  Sßelc^c  ^n  ber 
GALERIE  ber  C^urfürftL  Uesidentz  ju  Diiffelborff  in  großer 
9Renge  anzutreffen  fei)nb. 


Buchdruek  und  Bu^handei  in  Dßasetdorf,  349 

®ebrurft  »ctj  TILMANN  LIBOR  @tal)I  /  6l)iirff.  Privi- 
legirter  9ud}bvu(iEer. 

8*  Fractiir.  5  niibez.  S.  (Vorrede  und  Widmung).  48  unbez. 
S.,  ohne  Druckjahr. 

Erster  Katalo^^  über  die  Düsseldorfer  Gernttlde-Gallerie,  verfasst 
von  Gerhard  Joseph  Karsch.    Vor  1742  gednickt. 

Ausser  dem  im  Besitze  des  Herrn  Carl  Guntnun  in  Düsseldorf 
sich  befindenden  Exemplare  soll  noch  ein  zweites  in  München 
existiren. 

98.  TRACTATUS  DE  JURE  REVOLTITIONIS  AD  LUCEM 
ORDINATIONIS  JUDICIARIiE.  Cap.  SBefc^luS  Don 
Succession  88. 

X)Qg  nad)  altem  ^erCommen  imb  &cbrou(^  bcr  (^ürftcu^ 
t^ümer  &ül\di  unb  Serg  bie  Ofitev  faKen  unb  erben  foHen 
^tnber  ftc^  an  bie  näc^fte  Stben,  ba^er  fte  fomntcn. 

In  quo  PRAECIPUA  REVOLÜTIONIS  CAPITA 
tanguntur,  EXEMPLLS,  PRAEJÜDICIO  ET  REBUS 
judicatis  illustrantur,  nee  non  Materia  Successionis 
ab  instetato  accuratö  et  nervosa  enucleantur  AUTHORE 
D.  MELCHIORE  VOETS  JC.  Ducali  Juliae  et  Montiuni 
Consiliario  Intimo  et  Vicecaucellario,  nee  non  Aulici 
Judici  DiisAeldorpiensis  Commissario  et  Ducalis  Archivi 
Praefecto. 

Accedunt  Ejusdem  Authoris  OBSERVATIONES 
FEUDALEiS 

EDITIO  NOVISSIMA.  Prioribus  omnibus  multd 
emendatior  et  castigatior. 

DUSSELDORPn ,     Typis     et    Expensis    Tilmanni 
Liborii  Stahl,  Aulae  Typographi  Anno  1743. 

fol.  Fractur  und  Antiaiia.  4  unbez.  S.  (Vorrede),  62  bez.  S. 
(Text),  6  nnbez.  S.  (Index),  40  bez.  und  4  unbez.  S.  (Observntiones). 
2  Kopfleisten,  2  Vignetten. 

99.  3)ie  in  einet  auffcrorbentlid^en  Seleuc^timg  brennenbc  Siebe 
unb  (S^rfutd^t 

9Ud  unfre  @onn/  bie  ft(b  fo  lana  fd^ien  ;^u  t)erbergen; 

X)urd^  i^re  @egenmart  beftral^lt  oad  ßaupt  ber  bergen, 
J)aö  ift:  ätö  5)et  Durdileud^tiaftet  ^ttrft  unb  iQtxv  f)evr 
CARL  THEODOR,  $fah«®raf  be^  9I^etn,  bed  ^.  9iöm.  SReid^i^ 
(Sr^^d^a^meifter  unb  &qurfUrft/  in  ^BaticrU/  au  ®ü(i(i§/  (SIeoe 
unb  93erg  J^eriOf),  ?Hlrft  au  äKörg/  Marquis  ju  bergen  Op-Zoom, 
®raf  ju  wthtn^f  Spon^eim,  ber  9)lav({  unb  Stadenfpevg,  ^err 
^  SRaüenftein  etc. 

9Rit  ^et  !Dur4(eu(^tiaften  gfirftin  unb  flauen  ©emoblinne; 
^r.  MARIA  ELISABETH  AUOUSTA  @ambt  bem  t)uv^< 
leucfttiaften  Mrften  unb  Serm,  ßu.  FRIDERICH  ^faligrafen 
bett  StbeiU;  ^etAogen  in  ^^ern,  trafen  ju  Selben^,  ®pon^eim 
unb  Stap^oUftetUy  ^errn  ju  ^oljenea  etc.  etc.  ®r.  Cburffirftl. 
X)ur(^(.  }u  ^fa(^  Dct)ber/  nemblu^en  ber  Qeib«®ärbe  ju  $ferb,  unb 
@(^mei^cr  i^eib^Gardc/  fo  bau  fämbtUc^en  fibvigeu  Trouppes  ju 


350  Buchdruck  und  Buchhandel  in  DOaBeidarf. 

9fto§  unb  ju  $ug/ '  Gommandirenbem  Oeneralissimo;  9Kttem 
bed  Orbend  S.  Haberti^  auc^  Cbriften  fiber  ein  Regiment  ju 
gufe  etc.  etc- 

Unb  bcr  ICurc^Ieud^tigften  ^ürftinne  unb  grauen  ©emol^linue 
gr.  FRANCI8CA  DOROTHEA  etc.  etc. 

S)un6  $öd^ft^X)erofeIben  ben  15  Dctobrid  1746  begtüAe 
Snfunft  ^te  |^aupt>  unb  9}ertben^@tabt  Düffelborff  (Srfreueten; 
^urc^  fetbiger  ^au))t«  unb  9leftben^'®tabt  untertQänlgftet 
Magistrat,  n^ie  aud^  fSmbtlid^e  getreutfte  Sfirgerfd^ft  t)orge< 
ftellet/  2(uf  Snorbnung  gemeUen  Magistrats  nad^  t^or^ei- 
gegangener  Sammlung  ber  babe^  an  ben  bon  dlaiff^  unb  <Stabt« 
tt)egen  aufgeffi^rten  vS^ren^^forteu/  knie  anii  fonft  an  ben 
Käufern  ber  ®tabt  angebrad^ten  ®inn«8i(bem  unb  ^e^fd^ften 
jum  XrudC  gebracht. 

©etructt  be^  3:ilmann  Sibor  ©tal^I;  S^uvffirftL  ^of^Sudi)^ 
trutfer,  1747. 

fol.  Titel  doppelseitig.  Fractur.  175  bez.  S.  1  Kopfleiste, 
1  Vignette.    Am  Schiuss  das  grosse  Monogramm  StahVs  TJ1.S. 

lOO.fturtje  unb  nfi^Itd^e  atnmertungen  9e^  ben  Sitt«  ober  aßaU« 
fahrten  /  Unb  an  aQen  ^üU  unb  9RiracuIofen  Orten.  3n 
Dbdiger  äJerfambtung  /  Ober  fflr  ftd^  aQetn  /  mit  93etten  ober 
@ingen  jugeoraud^en/^emad^tunbetngerid^tet  burc^ANTONIUM 
S)  0  n  i n  a  e  r  Processions^SSrubermetftem. 

iDüffelborff  /  93e^  Tilmano  Uborio  @ta^(  C^urffirftl.  ^off« 
Sud^trutfem. 

120.    Fractur.    60  bez   S.,  ohne  Druclgahr  (1728). 

101.  ®tabt*a)üffeIborffer  ¥oft-3eitung. 

4®.  Praetor,  4  S.  mit  Vignette  (Stadtansicht)  am  Kopfe.  £Ir- 
schien  vom  1.  Januar  1745  ab  wöchentlich  2  mal,  des  Dienstags  und 
Freitapfs.  Näheres  über  diese  Zeitung  s.  „Beiträge  ziur  Geschichte 
des  Niederrheins*',  II.  Band. 


Die  Baugeschichte  von  Düsseldorf/) 


Ottomar  Moeller,  Königl.  BnuraOi. 

n  der  baulichen  Entwickelung  DQsaeldorfs  bUdet 
die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  in  mehrfacher 
Hinsicht  eine   Scheidelinie.     Der  Massivbau, 
bisher  im  Wesentlichen    auf  die   öffentlichen 
Qebäude,  d.  h.  das  Schloss,  die  Kirchen  und 
das  Rathhaus  beschränkt,  gewinnt  Verbreitung  und  wird 
insbesondere  bei  den  bürgerlichen  Wohnhausbauten   mit 
Vorliebe  angewandt.     Zugleich  werden  in  Nachahmung 
des  von  anderen  niederdeutschen  Städten  gegebenen  Bei- 
spieles   die    ersten  Versuche  gemacht,    die  Formen   der 
Renaissance  einzuführen,  wennschon  dieselben,  soweit  die 
Schauseiten  der  Häuser  in  Betracht  kommen,  mit  grosser 
Einfachheit   auftreten,    wie  wir  an  mehreren  aus   iener 
Zeit   stammenden,    in    ihrer   ursprQnglichen   Form    noch 
jetzt  erhaltenen  Häusern  sehen.    Ferner  gewinnt  von  der 
Mitte  des  16.  Jahrhunderts  ab  das  Bestreben  allgemeinere 
Verbreitung,  durch  Anlegung  geschlossener  Strassen  den 
bisherigen   überwiegend   ländlichen  Charakter  der  Stadt 
mehr  und  mehr  zu  beseitigen. 

Aus  allen  diesen  Gründen  ist  es  angezeigt,  den  ge- 
nannten Zeitpunkt  als  Grenze  der  ersten  Periode  in  der 
baulichen  Fntwiekelung  DOsseldorfö  anzunehmen. 

*)  Du  historische  Material  ist  folgenden  Werken  entnommen: 
Lacomblet,  Urkundenbnch  —  v.  Schanmbnrg,  Historische  Wandemag' 
durch  DftaaeldoTf  —  Wilhelml,  Panorama  von  Düsseldorf  —  Strnuven, 
Oeschi^te  dea  Schlosses  za  Düsseldorf  —  Ferber,  Das  Landsteuer- 
bach Dttseeldorfb  von  1632  —  Bayerle,  Die  katholischen  Kirchen 
DttBseldorTs.  —  Die  StadtplSne  (Fig.  1,  3,  8  und  9)  sind  Copien  der 
im  historischen  Museam  aufbewahrten  Originalzeichnungen  von 
F.  Cnstodfs.  Da  in  letzteren  die  Strassenbe Zeichnungen  fehlen,  ist 
ein  Stadtplan  aus  der  Gegenwart  mit  eing-etragenen  Strassennamen 
beigefügt  (Fig.  12,  Schluss  des  Werkes). 


3d2  Die  Bautieschichtt  von  D3ft8eidorf, 

Für  die  Grenzbestimraung  der  folgenden  Periode  er- 
scheint die  Zeit  am  geeignetsten,  in  welclier  als  Folge 
der  Festsetzungen  des  im  Jahre  1801  abgeschlossenen 
Friedens  zu  Luneville  die  Stadt  nach  jahrhundertelanger 
Einschnürung  durch  Festungswerke  von  diesen  bereit 
und  in  die  Lage  gesetzt  wurde,  sich  auszudehnen,  und 
sich  durch  Anlegung  von  freien  Plätzen,  breiten  Strassen 
mit  schattigen  Baumreihen  und  von  mustergültigen  Park- 
anlagen zu  verschönern. 

Die  dritte  Periode,  in  welcher  sich  Düsseldorf  zur 
Grossstadt  ausbildet,  reicht  vom  Anfange  des  Jahrhunderts 
bis  zur  Gegenwart  und  wird  zugleich  durch  die  Um- 
gestaltung der  Bahnhofsanlagen  abgeschlossen,  welche 
der  räumlichen  Entwickelung  der  Stadt  für  lange  Zeit 
die  Linie  vorschreibt,  innerhalb  welcher  sie  sich  zu  be- 
wegen haben  wird. 

I.  Die  baoliehe  Entwickelung  Dfisseldoif» 
bis  zum  Jahre  1550. 

Ueber  den  Ursprung  Düsseldorfs  sind  verbürgte  Nach- 
richten nicht  auf  uns  gekommen.  Es  ist  zwar  von  einigen 
Geschichtsschreibern  behauptet  worden,  dass  von  Grim- 
linghausen  und  Niederkassel  aus,  wo  sich  Castelle  der 
Römer  befanden,  eine  römische  Niederlassung  auf  der 
Stelle  der  jetzigen  Stadt  Düsseldorf  gegründet  worden 
sei,  indess  ist  kein  einziger  stichhaltiger  Beweis  für  die 
Richtigkeit  dieser  Behauptung  beigebracht  worden.  Da* 
gegen  steht  es  zweifellos  fest,  dass  römische  Legionen 
auf  ihren  Zügen  in  das  innere  Germanien  unsere  Gegend 
wiederholt  betreten  haben;  ein  Beleg  für  ihre  Anwesen- 
heit ist  uns  ausser  durch  verschiedene  in  Oberbilk  und 
Klein-Eller  gefundene  Gtef&sse  und  Münzen  durch  einen 
im  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  hier  ausgegn'abenen 
Denkstein  gegeben,  der  1739  in  das  Museum  nach  Mann- 
heim überführt  ist  und  folgende  Inschrift  hat: 

D.  M. 

P.  GRATINI 

PRIMI.   VETR. 

LEG.  XXXvvi) 

H.  F.  G. 

Weit  früher  als  vom  eigentlichen  Düsseldorf  erhalten 
wir  zuverlässige  Nachrichten  von  dem  jetzt  vollständig 
mit  der  Stadt  veremigten  Vororte  Bilk.  Wenn  wir  von 
der  nicht  gerade   unwahi*scheinlichen,   aber  doch  auch 


>)  Die  30.  Legion  gehörte  zu  dem  von  Hemianu  im  Teuto- 
burger  Walde  geschlagenen  Heere  des  Varus,  welches  seinen  Rück- 
zug nach  dem  Niederrhein  nahm. 


Die  Bang€8chieht€  «*on  Düsseldorf,  353 

nicht  glaubhaft  verbürgten  Angabe  absehen,  dass  der 
Mönch  Suitbertusi),  der  das  Kloster  Kaiserswerth  gestiftet 
hat,  auch  die  Pfarrkirche  in  Bilk  eingeweiht  habe,  so 
finden  wir  die  erste  urkundliche  Erwähnung  Bilks  in 
einem  Schenkungsbriefe  des  Erzbischofs  Heribert  von 
Köln,  der  im  Jahre  1018  der  Abtei  zu  Deutz  bei  ihrer 
Stiftung  einen  Hof  zu  Bilk  als  Eigenthum  zuwies.  Die 
Annahme  dürfte  zulässig  sein,  dass  der  Name  des  jetzt 
noch  in  der  Nähe  der  Bilker  Kirche  vorhandenen  „Deutzer 
Hofes^  auf  jene  Schenkung  zurückzuführen  ist. 

Die  erste  sichere  Kunde«)  von  dem  Dasein  desjenigen 
Theiles  unserer  Stadt,  welcher  den  Kern  derselben  bildet, 
nämlich  des  an  der  rechten  Seite  der  Mündung  des  nörd- 
lichen Düsselarmes  s)  in  den  Rhein  belegenen  Ortes,  giebt 
uns  eine  vom  Papste  Urban  IV.  ausgestellte  Urkunde  vom 
4.^)  Mai  1159,  in  welchem  derselbe  dem  Stifte  der  heiligen 
Ursula  in  Köln  das  Einkommen  von  5  Schillingen  Duis- 
burger Münze  aus  „Düsseldorpe^  bestätigt. 

Der  Grund  und  Boden  dieser  Ansiedelung  gehörte 
dem  Ritter  Arnold  von  Tyvern  oder  Tevern,  der  seine 
Besitzung  Düsseldorp^)  nebst  den  Gütern  Holthusen,  Buske, 
Kruthofen,  Eickenbüren,  Wald,  Monheim,  Hongen  und 
Himmelgeist  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gegen  100 
Mark  Silber  dem  Grafen  Engelbert  von  Berg  abtrat.  Die 
Erwerbungsurkunde  ist  ohne  Datum  und  u.  a.  von  Otto 
von  Heldorp  und  Daniel  von  Erkerode  mit  unterzeichnet. 

Düsseldorf  wurde  nebst  den  übrigen  vorgenannten 
Gütern  mit  der  Grafschaft  Berg  vereinigt  und  begann 
von  dieser  Zeit  an  sich  allmälig,  wenn  auch  zunächst 
nur  in  sehr  bescheidenen  Grenzen,  zur  Stadt  zu  ent- 
wickeln. Gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  wurde  der 
damals  noch  unbedeutende  und  in  Urkunden  äusserst 
selten  erwähnte  Ort  durch  den  Grafen  Adolf  V.  von  Berg 


1)  Die  Kirche  ist  nach  demselben  benaimt,  ebenso  die  von 
<ler  Kirche  nach  Thal  Bilk  führende  Strasse. 

>)  Nach  0.  V.  Mülhnanns  Statistik  soll  der  Ort  Düsseldorf 
urkundlich  bereits  uni  d50  n.  Chr.  bestanden  haben;  die  bezü^^liche 
Urkunde  ist  indess  nicht  angeführt. 

')  Dieser  Arm  der  Dussel  bildet  die  südliche  Grenze  des 
Ketil-Waldes  und  des  Keldach-Gaues. 

^)  V.  Schaumburg  a.  a.  0.  datirt  die  Urkimde  vom  23.  Mai. 

^)  Strauven  a.  a.  O.  vermuthet,  dass  die  Burg  zu  Düsseldorf 
an  derselben  Stelle  errichtet  sei,  wo  der  alte  Sahlhof  lag,  aus 
welchem  das  Dorf  und  später  die.  Stadt  hervorgegangen  ist,  lässt 
es  aber  unentschieden,  ob  die  Erwerbung  des  Grafen  von  Berg  von 
dem  Herrn  von  Tevern  etwa  als  eine  Erweiterung  des  ziun  Sahl- 
hofe  bereits  gehörenden  Gkbietes  oder  als  Erwerbung  des  Sahl- 
hofes  selbst  anzusehen  ist 

23 


3Ö4  Die  Baugttehiehte  von  X>a*§tldorf. 

mit  Uräbeii  und  Wällen  und,  zui'  Zeit  oder  kurz  nach  seiner 
Erhebung  zur  Stadt  mit  Mauern  und  ThUrmen  befestigt. 
Als  die  Erhebung  bald  nach  dem  von  Adolt  über  den 
Bischof  von  Köln  en-ungenen  Siege  bei  Worringen  mit- 
telst Freibriefes  vom  14.  August  1:J88  erfolgte, 
hatte  Düsseldorf  einen  noch  sehr  geringen  Umfang:  es 


Tig.  1,    DÜB.s^ldorf  Kcg:en  Ende  dp»  XIII,  Jahrhiiiid^rri. 

beschränkte  sich  auf  die  noch  jetzt  die  „Alte  Stadt" 
genannte  Strasse,  die  Lewengasse'),  die  von  dem  Ober- 
keUnerei-Gebäude,  dem  sogenannten  Lewenhause*)  nach 
der  Lambertus-Kirche  führende  „Gasse"  und  die  nur  auf 
der  Ostseite  bebaute,  gegen  den  Rhein  durch  eine  Mauer 
abgeschlossene  Krämerstrasse.  Die  letztere  sowie  die 
Lewengasse  und  die  später  ausgebaute  untere  Ritterstrasse 
waren  ursprünglich  Bürgergftnge  hinter  den  Gräben,  später 
den  Mauern  der  Stadt. 

In  der  Nähe  der  Krämerstrasse  stand  eine  Kapelle, 
welche  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  zur  Pfarrkirche 
erhoben  sein  soll,  zu  deren  Patron  der  heilige  Lambertus 
erwählt  wurde.  An  der  Stelle  dieser  Kapelle  ist  die 
jetzige  Lambertus-Pfarrkirche  erbaut. 

')  Spiiter  Lielcr^asee  genannt. 

*)  Das  Lewen-  oder  Lieferh^us  liat  nach  Strnuven  >.  n.  0.  schon 
lange  Zeit  vor  Erh^bunsr  DÜHspIdorfs  zur  Stadt  und  ror  Erbauung 
der  Ringninuem  bestanden. 


Die  BaugMchichte  ron  Düsseldorf.  355 

Die  Burg  der  bergiscben  Grafen  lag  ausserhalb  der 
Gräben  bezw.  späteren  Ringmauern  an  derselben  Stelle, 
an  der  noch  jetzt  die  dunkeln  Ruinen  des  Schlosses  in 
die  Lüfte  ragen;  sie  stand  mit  dem  am  südlichen  Ende 
der  Erämerstrasse^  befindlichen  Thore  durch  einen  Weg 
in  Verbindung;  der  mittelst  einer  Brücke  über  die  das 
Schloss  umfliessende  Dussel  führte.  Ein  anderer  vom 
Schlosse  ausgehender  Weg  lief  entlang  des  linken  Düssel- 
ufers  nach  der  vor  der  Stadt  i)  gelegenen  Mühle. 

An  der  dem  Schlosse  entgegengesetzten  Seite  der 
Stadt,  da,  wo  die  „Alte  Stadt^  und  die  Liefergasse  zu- 
sammenstossen,  also  am  Anfange  der  jetzigen  Ratinger- 
Strasse,  stand  ein  anderes  Hauptthor,  das  Liebfrauenthor, 
und  vor  demselben  eine  Kapelle,  deren  Ursprung  jeden- 
falls in  eine  sehr  frühe  Zeit  zurückreichte.  Sie  hiess  die 
Liebfrauenkapelle  2)  und  barg  in  ihrem  Innern  ein  wunder- 
thätiges  Marienbild,  das  eine  grosse  Menge  von  Gläubigen 
aus  allen  benachbarten  Gauen  anzog,  weshalb  unmittel- 
bar daneben  zur  Aufnahme  und  Pflege  der  Pilger  ein 
Gasthaus  errichtet  war,  das  zugleich  zum  Hospital  diente. 
Das  Liebfrauenthor  trennte  die  Stadt  von  der  „Vuratadf^, 
unter  welch'  letzterer  wir  uns  indess  noch  keinen  ge- 
schlossenen Stadttheil,  sondern  nur  zerstreute  Gehöfte  zu 
denken  haben.  Ein  drittes  Thor  „an  der  Lindentrappe" 
befand  sich  auf  der  Nordwestseite  der  Stadt  und  ver- 
mittelte den  Zugang  von  der  „Alten  Stadt"  zum  Rheine. 
Ob  dieses  Thor  indess  schon,  wie  die  beiden  vorher- 
genannten, zur  Zeit  der  Erhebung  Düsseldorfs  zur  Stadt 
bestanden  hat,  ist  mindestens  zweifelhaft. 

Noch  unter  der  Regierung  des  Grafen  Adolf  wurde 
der  Stadt  ein  Aussenbezirk  zugelegt,  der  die  Besitzungen 
des  Ritters  Adolf  von  Vlingeren  und  Rumpolds  von 
Pempelfort  umfasste,  von  denen  erstere  aus  der  am  jetzigen 
Friedrichsplatze  belegenen  Mühle  au  der  DQssel  nebst 
Garten  und  Wiesen,  letztere  aus  dem  Pempelforter  Hofe, 
dem  späteren  Jägerhofe  bestanden. 

Im  Jahre  1377  verlegte  Graf  Wilhelm  den  bisher  vor 
dem  Duisburger  Walde  erhobenen  Rheinzoll  nach  Düssel- 
dorf. Zugleich  wurde  die  Regulirung  des  Rheinufers  in 
Verbindung  mit  der  Errichtung  eines  Werftes  vorgenommen 
und  an  der  nordwestlichen  Ecke  der  Stadt  an  der  Stelle, 
an  welcher  später  die  Schlachthalle  stand,   ein  Wacht- 


M  Am  jetzigen  Friedrichsplatze. 

2^  Die Lieb&auenkapelle,  welche  v.  Schauinburg  (a.  a.  0.  S.  17)  und 
Bayerle  (a.  a.  0.  S.  23)  „fcreuzkapelle"  nennen,  wurde  laut  Urkunde 
Herzog  Gerhards  von  Jülich -Berg  vom  14.  August  1443  dem  von 
ihm  gestifteten  Kreuzbrüder-Kloster  überwiesen. 

23* 


956  Die  Bauffeschidtte  von  Düsseldorf, 

thurm  zur  Erhebung  des  Zolles  und  daneben  zwischen 
der  heutigen  Sjrche  der  barmherzigen  Schwestern  und 
der  Ritterstrasse  ein  Eder  oder  Lagerhaus  erbaut.  Der 
später  zur  Aufbewahrung  von  Pulver  benutzte  Wacht- 
thurm  flog  in  der  Nacht  vom  31.  Juli  1634,  vom  Blitz 
entzündet,  in  die  Luft,  wodurch  an  der  Stifts-,  jetzigen' 
Lambertuskirche  und  an  vielen  Häuserii,  besonders  des  nörd- 
liehen  Stadttheiles,  erhebliche  Beschädigungen  verursacht 
wurden!).  In  der  unmittelbaren  Nähe  des  Lagerhauses 
stand  auch  das  ei-ste  Bürgerhaus,  in  welchem  die  Schöffen 
ihre  Versammlungen  hielten  und  zu  Gericht  sasseii  ^). 

Im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  war  die  Stadt  allmälig 
nach  Süden  vergrössert  worden;  die  Mühlenstrasse,  die 
Kurze  Strasse^),  die  untere  Bolkerstrasse  und  ein  Theil 
des  Burglatzes  wurden  angebaut  und  bildeten  einen  Stadt- 
theil,  der  im  Gegensatze  zu  der  innerhalb  der  Ringmauern 
liegenden  alten  Stadt  die  Bezeichnung  „neue  Stadt*^  er- 
hielt und  dieselbe  auch  bis  zum  Anfange  des  17.  Jahr- 
hunderts  führte. 

Den  obenerwähnten  Aussenbezirken  wurden  im  Jahre 
1384  durch  den  ersten  Herzog  von  Berg,  Wilhelm  I.*), 
welcher  Düsseldorf  zur  dauernden  Residenz  wählte,  die 
Dorfschaften  Golzheim,  Derendorf  und  Bilk  und  zehn 
Jahre  später  das  Dorf  flamm  hinzugefügt. 

Der  weitere  Ausbau  der  Stadt  wurde  durch  Wilhelm  L 
dadurch  angeregt,  dass  er  nach  einer  Urkunde  vom  Jahre 
1394  den  Platz  zwischen  der  Oberdüssel,  dem  Rheine  und 
der  neuen  Stadt  den  Bürgern  zur  Bebauung  anwies,  in 
Folge  welcher  Aufforderung  allmälig  die  Flinger-,  Berger- 
und Rheinstrasse  entstanden.  Eine  wesentliche  Unter- 
stützung der  auf  Vergrösserung  der  Stadt  gerichteten 
Bestrebungen  des  Herzogs  wurde  dadurch  erzielt,  dass 
derselbe  den  zwischen  der  Stadt  und  der  Oberdüssel  sich 
Anbauenden  1395  die  Ermächtigung  verlieh,  behufs 
Deckung  der  Pflaster-  und  Brückenbaukosten  von  allem 
durchgehenden  Fuhrwerk  eine  Abgabe  zu  erheben.  —  Zu 
dieser  Zeit  war  auch  die  „neue  Stadt"  bereits  mit  Mauern 
und  Gräben  umgeben,  welche  beim  Hinzutritt  der  zuletzt- 
genannten drei  Strassen  abermals  erweitert  wurden. 

Gleichwie  in  den  meisten  deutschen  Residenzstädten 
der  Character  ihrer  baulichen  Entwickelung  durch  ihre 
Fürsten  bestimmt  worden  ist,  so  verdankt  auch  die  Stadt 

>)  Es  sollen  über  50  Häuser  zerstört  und  eine  noch  grossere 
Anzahl  beschädigt  worden  sein. 

<)  Die  Glocke  aus  diesem  Bürgerhause  vom  Jahre  1545  härgt 
im  jetzigen  Rathhausthurme. 

^)  In  älteren  Urkunden  „Kottenstrasse'^  genannt. 

♦)  Kaiser  Wenzel  hatte  ihn  1380  zum  Herzoge  von  Berg  erhoben- 


Dir  Bauffeiehielile  tmn  DüMtldorf.  357 

Düsseldorf  ihr  Aufblunen  ihren  Heirscbeni,  den  tapfRi-eii 
und  liochgebildeten  bcr^isclien  G-rafeii  und  Herzögen, 
welclie  ihre  ganze  Energie  daran  gesetzt  hatten,  ihre 
Herrscliaft  bis  zu  den  Ufern  des  scliönen  Stromes  aus- 
zudehnen, dessen  Silberglsnz  ihnen  bis  zu  den  heimisclien 
Bergeshöhen  hinauf  lockend  entgegengeblinkt  hatte.  Nncli- 
dem  die  Stadt,  wie  oben  gezeigt  ist,  durch  Herzog  Wil- 
helm I.  »ach  Süden  erheblich  erweitert  worden  vthv,  erfuhr 
sie  inner  der  Herrschaft  Gerhards  IT.  eine  umfangreiche 


Fi^,  2.    Kreuxbrüderkiruhe  mit  Kn|ielle. 

Vergrösserung  nach  Osten.  Der  Herzog  hatte  1443  die 
Kreuzbrüder  nach  Düsseldoif  berufen  •)  und  ihnen  an 
der  Stelle  einen  Platz  zur  Erbauung  eines  Klosters  an- 
gewiesen, an  welcher  die  schon  erwähnte  Liebfrauenkapelle 
und  das  Hospital  standen.   Neben  dieser  Kapelle?)  wurden 

')  V.  Scliaumburg:  a.  ii.  0.  S.  16. 

-)  Der  Abbruch  dersflben  hai  1811  siaitget'undei' 


3o8  Die  Baugescliiehte  oon  MssMoff, 

die  Kreuzbrdderkirche  (Fig.  2)  (das  jetzige  Montirungs- 
depot)  und  das  Kloster  erbaut,  das  Hospital  wurde  nach 
der  Ecke  der  Flinger-  und  Mittelstrasse,  spftter  (1709) 
nach  der  Kasernenstrasse  und  zuletzt  (1772)  nach  der 
Neustadt  verlegt,  wo  es  noch  jetzt  besteht. 

Zur  Zeit  der  Erbauung  des  Kreuzherrenklosters  waren 
im  der  jetzigen  Ratingerstrasse,  also  ausserhalb  des  da- 
mals am  Ende  der  Altestadt  belegenen  Liebfraucnthores, 
bereits  einige  Gehöfte  mit  in  den  Urkunden  besonders 
erwähnten  Gärten  und  mehrere  Häuser  vorhanden ;  nach 
Angabe  eines  Heberegisters  aus  dem  Jahre  1424  sollen 
in  der  „Vurstadt**  vor  dem  Liebfrauenthore  bereits  25 
(in  der  Altestadt  48  und  in  der  Neuen  Stadt  76)  zins- 
pflichtige Häuser  gestanden  haben.  Der  Bau  des  Klosters 
veranlasste  die  weitere  Besiedelung  des  nach  Ratingen  i) 
führenden  Weges,  an  dessen  Ostlichem  Ende  schon  zu 
Anfang  des  Jahrhunderts  ein  zweites  Thor,  die  Ratinger 
Pforte,  errichtet  worden  war.«)  Femer  wurde  behufs 
Herstellung  einer  directen  Verbindung  mit  der  neuen 
Stadt  der  Bau  einer  neuen  BrQcke  über  die  Dussel  nöthig, 
welcher  wiederum  Veranlassung  zur  Anlegung  einer  neuen 
Strasse,  der  Neubrückstrasse,  gab.  Das  Hühlengässchen, 
welches  die  Verbindung  mit  dem  auf  der  Nordseite  der 
Stadt  vorhandenen,  aber  noch  nicht  bebauten  Wege,  der 
jetzigen  Ritterstrasse,  vermittelte,  mag  zu  derselben  Zeit 
entstanden  sein. 

Wir  haben  oben  gezeigt,  welchen  Umfang  die  Stadt 
im  Jahre  1288  hatte;  im  Laufe  weiterer  2  Jahrhunderte 
hatte  sie  sich  um  ungefähr  das  Fünffache  ihres  damaligen 
Umfanges  vergrössert.  Die  nördliche  Grenze  bildete,  von 
dem  an  der  nordwestlichen  Ecke  der  Stadt  stehenden 
Zollthurme  ausgehend,  der  noch  unbebaute  Weg,  welcher 
an  die  Gärten  hinter  den  Häusern  der  Altestadt  grenzte 
und  bis  zu  dem  am  Eiskeller  stehenden,  die  nordöstliche 
Ecke  der  Stadt  bildenden  Thurme»)  reichte.  Die  Ost- 
grenze erstreckte  sich  vom  Thurme  am  Eiskellerberge 
bis  zu  dem  Thurme  am  Stadtbrückchen  und  setzt«  sich 
aus  dem  Mühlengässchen  und  einem  von  da^)  über  den 
Friedrichsplatz  und  hinter  den  Gärten  der  Hunsrücken- 


1)  Geg'en  800  Hrotinga,  848  Hratuga,  Hretinga,  11G5  Razzinga. 
1198  Rattengen,  1209  Rancengen,  1276  Ratingen  (v.  Mülmann  a.  a.D. 
S.  443). 

2)  Die  Ratinger-Portze  kommt  nach  v.  Schaumburg  (a.  a.  0.  S.  17) 
zuerst  1425  vor. 

8)  Die  Fundamente  dieses  Thurmes  liegen  im  jetzigen  Eis- 
kellerberge. 

*)  Ratinger  Mauer. 


Die  Baugescnichtt  oon  Döstefdorf.  859 

sti-asse*)  entlang  bis  zur  Ecke  der  Neu-  und  Wallstrasse 
führenden  Wege  zusammen.  Ebenso  wie  am  Ende  der 
Ratingerstrasse  stand  auch  am  Ausgange  der  Flinger- 
strasse  ein  fester  Thorthurm,  ferner  befand  sich  zwischen 
beiden  in  der  Gegend  des  heutigen  Friedrichsplatzes  ein 
vorspringender  fester  Thorthurm,  jedoch  ohne  Thoröffnung. 
Die  Südgrenze  bildete  keine  gerade  Linie,  sondern  lief 
vom  Thore  am  Stadtbrückchen  in  südwestlicher  Richtung 
bis  zum  Zusammenstoss  der  jetzigen  Hafen-  und  Akademie- 
Strasse,  wo  ursprünglich  das  nach  dem  Bergischen  Lande 
führende  Bergerthor  stand,  und  wandte  sich  von  da  nord- 
westlich durch  die  Akademie-  und  Rheinstrasse  zu  dem 
am  Ausgange  der  letzteren  stehenden  Rheinthore.  Die 
Südgrenze  war  durch  2  Thttrme  befestigt.  Die  West- 
grenze wurde  durch  den  Rhein,  bezw.  durch  den  bis  an 
letzteren  sich  erstreckenden,  damals  auf  der  westlichen 
Seite  noch  unbebauten  Marktplatz,  durch  das  Schloss  und 
die  Krämerstrasse  gebildet.  Nahe  der  südlichen  Ecke 
stand  das  Zollthor .2) 

Die  innerhalb  der  vorbeschriebenen  Grenzen  liegenden, 
oben  bereits  in  der  Reihenfolge  ihrer  Entstehung  nament- 
lich aufgeführten  Strassen  waren  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts, ja  auch  noch  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts nichts  weniger  als  geschlossene  Strassen.  Die 
Häuserreihen  zeigten  stellenweise  noch  sehr  erhebliche 
Lücken,  welche  durch  mehr  oder  minder  umfangreiche 
Gärten,  Felder  und  Wiesen  ausgefüllt  wurden.  Dies  war 
aus  dem  früher  bereits  erwähnten  Umstände  zu  erklären, 
dass  Herzog  Wilhelm  I.  viele  Bewohner  der  Dorfschaften 
Golzheim,  Derendorf,  Bilk  und  Hamm  veranlasst  hatte, 
sieh  Häuser  innerhalb  der  Ringmauern  ^ix  erbauen  und 
von  da  aus  ihr  früheres  Gewerbe,  das  hauptsächlich  in 
Garten-  und  Feldbau  bestand,  fortzusetzen.  Viele  dieser 
eingewanderten  Bauern  hatten  es  indess  für  zweckmässig 
befunden,  ausser  auf  ihren  in  den  Vororten  belegenen 
Grundstücken  auch  auf  dem  bei  ihren  städtischen  Häusern 
befindlichen  Grund  und  Boden  der  früheren  Beschäftigung 
nachzugehen,  Getreide  und  Gemüse  zu  bauen  und  Vieh 
zu  ziehen,  und  so  kam  es,  dass  innerhalb  der  Ringmauern 
bis   ungefähr  zur  Mitte   des   16.  Jahrhunderts  der  land 

>)  Nenstrasse. 

')  Das  Liebfrauen-  und  das  Liiideutreppcnthor  waren  ausser 
den  vorgenannten  d  Thoren  ebenfalls  noch  vorhanden.  Da  ein 
Plan  der  Stadt  aus  dem  Anfange  des  U).  Jahrhundorts  nicht  bei- 
j^egeben  werden  kann,  so  mag  auf  den  nachfolgenden  Plan  vom 
Jahre  1620  (Fig.  3)  hingewiesen  werden,  aus  welchem  sowohl  der 
vorbeschriebene  Umfang  der  Stadt  als  auch  die  Lage  der  oben- 
crwtthnten  5  Thore  (I— Vj  ersichtlich  ist.    Siehe  auch  Fig.  4,  f),  (>  und  7. 


360  Die  Haugesehichtt  ran  Dilsaeldorf, 

vvirthschaftliche  Betrieb  in  hoher  Blttthe  stand.  Einen 
wirklich  stüdtisehen  Charakter  erhielt  DQsseldorf  erst  in 
der  folgenden  Periode. 

Von  den  ött'entlichen  Bauwerken  dieser  annähernd 
(h*ei  Jahrhunderte  umfassenden  Periode  der  Baugeschichte 
Düsseldorfs  sind  ausser  dem  Thurme  der  Bilker  Kirche, 
der  Lambertus-;  der  Kreuzherrenkirche  und  dem  Schloss- 
thurme  nur  geringfügige  Reste  auf  uns  gekommen.  Da 
auch  die  urkundlichen  Nachrichten  über  die  Architektur 
.jener  frühesten  Zeiten  äusserst  spärlicn  bemessen  sind,  so 
mangelt  es  an  Anhaltspunkten,  welche  objectiv  zu  sicheren 
Schlüssen  über  Stil  und  Bauart  der  Bauwerke  dieser 
Periode  berechtigen.  Mit  Gewissheit  lässt  sich  nur  be- 
haupten, dass  die  Kapellen  und  Kirchen  vollständig 
massiv  erbaut  waren.  Ob  auch  in  jener  Zeit  Profan- 
bauten bestanden  haben,  zu  deren  Herstellung  aus- 
schliesslich Steinmaterial  verwendet  worden  war,  ist 
zweiielhaft ;  am  zutreffendsten  dürfte  die  Annahme  sein, 
dass  die  hervorragenderen  Bauwerke,  wie  das  Schloss, 
das  Bürgerhaus,  das  Lagerhaus  u.  a.  m.  im  unteren  Ge- 
schosse massiv  erbaut  waren,  i)  dass  aber  die  auf  da.s 
Erdgeschoss  aufgesetzten  Bautheile  aus  Fachwerk  be-* 
standen.  Die  Wohnhäuser  mit  ihren  Nebenbauten  mögen 
in  jener  frühesten  Zeit  wohl  ausschliesslich  aus  Fachwerk 
errichtet  gewesen  sein.  2) 

Was  die  bei  den  öffentlichen  Bauten  angewendeten 
Stilformen  betrifft,  so  gehörten  dieselben  bis  zur  Mitte 
des  l.'j.  Jahrhunderts  dem  romanischen,  von  da  ab  dem 
gothischen  Stile  an;  die  Renaissanceformen  treten  erst 
in  der  folgenden  Periode  auf,  doch  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  bereits  bei  der  im  Jahre  IbliS  vorgenommenen  be- 
deutenden Erweiterung  und  Reparatur  des  Schlosses  die 
ersten  Versuche  gemacht  worden  sind,  die  Renaissance 
in  Düsseldorf  einzuführen. 

Als  älteste  Bauwerke  Düsseldorfs  müssen  die  eben 
bereits  erwähnten  Kirchen  und  Kapellen,  nämlich  die 
Bilkerkirche,  die  Muttergottes-  S)  und  die  Liebflrauenkapeile 
angesehen  werden. 

Wann  die  Bilker  Kirche  erbaut  ist,  lässt  sich  nicht 
mehr  genau  feststellen,  es  kann  nur  als  in  hohem  Grade 
wahrscheinlich  bezeichnet  werden,  dass  sie  bereits  im 
10.  Jahrhundert  vorhanden  gewesen  ist  und  von  Anfang 
an  in  ihrem  jetzigen  Umfange  bestanden  hat.   Die  Kirche 

0  Die  Thüniie  am  SchloHse  sind  allem  Anscheine  nach  toII- 
stAiidig  massiv  erbaut  ivorden. 
«)  Wilhelmi  a.  a.  O.  S.  25. 
^)  Alis  welcher  die  Lambertus-Pfarrkirche  hervorging. 


Die  Baugesehiehie  von  DilssehJorf.  861 

ist  ursprünglich  als  romanische  Basilika  errichtet,  deren 
Schiffe  und  Chor  indess  im  Laufe  der  Zeiten  wiederholt 
durch  Brand  zerstört  und  vor  ungefähr  20  Jahren  im 
gothischen  Stile  restaurirt  worden  sind.  Der  romanische 
Thurm  ist,  wenn  auch  mit  neuer  Tuffsteinverblendung,  in 
seinen  ursprünglichen  Architekturformen  bis  auf  die 
Gegenwart  erhalten  geblieben.  Die  Schiffe  haben  jetzt 
gewölbte  Decken,  es  ist  indess  anzunehmen,  dass  sie  an- 
fangs flach  gedeckt  gewesen  sind,  da  gewölbte  romanische 
Basiliken  am  Niederrhein  erst  um  1100  auftreten.  Obgleich 
die  Kirche  nur  eine  geringe  Grösse  hat,  so  macht  sie 
doch,  namentlich  im  Innern,  durch  die  schönabgemessenen 
Raumverhältnisse  auf  den  Beschauer  einen  überaus 
günstigen  Eindruck. 

Die  Muttergottes-Eapelle  wird  etwas  später  als 
die  Bilker  Kirche  errichtet  sein,  ihre  Fundamente  haben 
sich  im  Chor  der  Lambertuskirche  vorgefunden,  als 
ein  Todtenkeller  zur  Beerdigung  verstorbener  Kanonichen 
hergestellt  werden  sollte.  Beinahe  an  derselben  Stelle, 
an  welcher  diese  Kapelle  gestanden  hat,  wurde  später 
eine  Kapelle  zu  Ehren  der  Heiligen  Lambertus,  Severinus 
und  Anno  erbaut,  welche,  als  im  Jahre  1206  das  Dorf 
an  der  Dussel  zur  Pfarre  erhoben  wurde,  die  Pfarrkirche 
dieses  Dorfes  wurde  und  von  der  Zeit  an  Lambertus- 
kirche hiess.  Die  im  gothischen  Stile  erbaute  Kirche 
hatte  sehr  bescheidene  Grössen  Verhältnisse  und  wurde, 
als  Graf  Adolf  VII.  bei  Errichtung  des  Collegiatstiften 
eine  Vergrösserung  derselben  vornahm,  als*^  Chor  der 
neuen  Kirche  beibehalten,  während  der  jetzt  noch  be- 
stehende Thurm  neu  gebaut  wurde.  Die  Sacristei  der 
früheren  Lambertuskirche  war  gegenüber  der  jetzigen 
Sacristei  zur  Seite  des  dritten  Pfeilers  gelegen;  ihre  Ein 
gangsthür  ist  an  den  hinter  den  Chorstühlen  noch  vor- 
handenen Thürgewänden  von  Haustein  erkennbar. 

Im  Jahre  1392  wurde  durch  Herzog  Wilhelm  eine 
Vergrösserung  des  Stiftes  und  zugleich  eine  Erweiterung 
der  Kirche  vorgenommen ;  die  durch  Graf  Adolf  erbauten 
Seitenwände  der  Ejrche  wurden  in  ihrem  unteren  Theile 
weggebrochen  und  durch  Pfeiler  ersetzt.  Zu  beiden  Seiten 
der  ursprünglichen  Kirche  wurden  unter  Beibehaltung 
des  Thurmes  und  des  Chores  die  jetzt  noch  vorhandenen 
Nebenschiffe,  und  zwar  durchweg  aus  Ziegelsteinen  er- 
baut, während  die  wiederbenutzten  Theile  der  alten 
Kirche,  nämlich  der  Thurm,  die  auf  den  Mittelpfeilern 
ruhenden  Ueberreste  der  ehemaligen  Umfassungsmauern 
und  der  Chor  theils  aus  Tuffstein,  theils  aus  Ziegeln  her- 
gestellt sind. 


362  Die  Bauge«chichte  con  DfUaeldorf, 

Die  erweiterte  Kirche  wurde  als  Hallenkirche;  d.  h. 
mit  annähernd  gleich  hohen  Schiffen  in  zwar  einfachen, 
aber  der  herrlichen  Entwicklung,  welche  die  gothische 
Baukunst  im  14.  Jahrhundert  erreicht  hatte,  entsprechend 
schönen  Formen  ausgeführt.  Das  Innere  der  Kirche  war 
mit  zahlreichen,  jetzt  nicht  mehr  vorhandenen  Altären 
ausgestattet,  die  Wände  waren  mit  reichen  Malereien 
geschmückt,  welche  iudess  ebensowenig  wie  die  kunst- 
vollen Glasmalereien  der  Fenster  der  Gegenwart  er- 
halten sind. 

Ueber  die  Zeit  der  Erbauung  des  Schlosses  fehlen 
zuverlässige  Nachrichten.  Die  Annahme  ist  nicht  un- 
gerechtfertigt, i)  dass  die  ungünstigen  Veränderungen, 
welche  der  Lauf  des  Rheines  bei  Düsseldorf  erlitten  hat, 
durch  die  im  Jahre  1260  stattgefundene  Ueberschwem- 
mung  herbeigeführt  worden  sind,  und  dass  das  Schloss 
oder  die  Bur^  bereits  vor  dieser  Zeit  an  dem  damals 
noch  günstiger  gestalteten  Ufer  erbaut  worden  ist. 
Auch  haben  sich  an  den  Hausteinen  des  Unterbaues 
Steinmetzzeichen  vorgefunden,  wie  sie  um  1150  am  Rheine 
üblich  gewesen  sind.  Der  älteste  Theil  des  Schlosses  hat 
sich  auf  der  Westseite  des  Platzes  befunden,  auf  dem 
später  das  Ständehaus  stand ;  seine  im  ganzen  schwachen 
Mauern  waren  aussen  mit  Sandsteinquadern  bekleidet 
und  erhielten  später-)  innere  Verstärkungen  von  Ziegel- 
stein-Mauerwerk. Oestlich  von  diesem  ältesten  unregel- 
mässigen Baue  wurde  bei  der  ersten  Vergrösserung  des 
Schlosses  im  13.  Jahrhundert  ein  Flügel  angefügt,  der 
ein  längliches  Viereck  mit  an  der  Nordostecke  an  der 
Krämerstrasse  vorgelegtem,  schweren  Thurme  bildete; 
südwestlich  von  diesem  Flügel  stand  ein  zweiter  Thui-m 
von  rechteckigem  Grundriss.  Dem  noch,  bestehenden 
runden  Eckthurme  ist  1499  ein  weiteres  Stockwerk  auf- 
gesetzt worden,  das  wahrscheinlich  ein  einfaches  Helm- 
dach trug. 

Die  zweite,  gegen  Ende  de^  14.  Jahrhunderts  vor- 
genommene Vergrösserung  des  Schlosses  bestand  in  der 
Erbauung  des  südlich  von  dem  älteren  Theile,  parallel 
dem  Rheine  gelegenen  Langhauses  und  des  südlichen 
Schlossflügels  mit  einem,  die  Mühlen-  und  Kurzestrasse, 
den  Burg-  und  Marktplatz  beherrschenden  viereckigen 
Thurme.  Der  untere  Theil  dieser  bei  der  zweiten  Ver- 
grösserung zugefügten  Bauwerke  bestand  ebenso  wie  der 
des  bereits  früher  erbauten  Flügels  aus  Basaltblöcken, 


>)  Stranven  n.  a.  0.  S.  5  u.  f. 

-)  Ungefähr  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts. 


Die  BatMftschiehte  oon  DütmMorf,  3(>3 

deren  Zwischenräume  indess  nicht  mehr  wie  bei  dem 
erstgenannten  Vergrösserungsbau  mit  Tuffsteinen  und 
Ziegelbrocken,  sondern  nur  mit  Ziegelsteinen  ausgeftkllt 
waren.  Die  oberen  Stockwerke  sämmtlicher  zum  Schlosse 
gehörenden  Bauten  sind  mit  Ausnahme  der  durchweg 
massiven  Thürme,  wie  bereits  oben  erwähnt  ist,  höchst 
wahrscheinlich  von  Fachwerk  hergestellt  gewesen.  Die 
südlich  an  das  Schloss  bis  zum  Zollthor  sich  anschliessenden 
Häuser  gehörten  ebenfalls  zu  ersterem  und  waren  haupt- 
sächlich als  Wohnungen  des  Dienstpersonals  benutzt,  i) 

Im  Jahi^e  151 1  w^urden  der  zwischen  dem  runden  Thurme 
an  der  Erämerstrasse  und  dem  Rheine  liegende  Schloss- 
fiUgel  und  die  angrenzenden  Bautheile  grösstentheils  durch 
Feuer  zerstört;  der  Wiederaufbau  der  niedergebrannten 
Theile  nahm  mehr  als  ein  volles  Jahrzehnt  in  Anspruch. 
Eine  fernere  bedeutende  Reparatur  bezw.  Erweiterung 
des  Schlosses  fand  im  Jahre  1538  statt. 

lieber  die  Architektur  der  Fa^aden  des  Schlosses  in 
dieser  ersten  Periode  lässt  sich  hinsichtlich  des  ältesten 
Theiles  gar  nichts  Zuverlässiges  ermitteln.  Die  späteren 
Um-  und  Anbauten  sind,  wie  aus  der  ältesten  bekannten 
Ansicht  des  Schlosses  in  Graminäus  „Beschreibung  der 
Hochzeit  des  Herzogs  Johann  Wilhelm  mit  Jacobe  von 
Baden**  (1585)  hervorgeht,  im  Stile  des  Ueberganges  aus 
der  Gothik  zur  Renaissance  erbaut. 

Das  letzte  bedeutende  öffentliche  Bauwerk  dieser 
Periode,  die  im  Auschluss  an  die  bereits  mehrere  Jahr- 
hunderte alte  Liebfrauenkapelle  erbaute  Kreuzbrüderkirche 
nebst  dem  Kloster  stammt  aus  dem  Jahre  1443  (Fig.  2). 
Sie  besteht  aus  zwei  Schiffen  von  je  sechs  Gewölbefeldern, 
welche  ersteren  auf  der  Ostseite  mit  je  einem  aus  dem 
halben  Zehneck  gebildeten  Chor  abgeschlossen  sind. 
Zwischen  beiden  Schiffen  stehen  zur  Unterstützung  der 
Deckengewölbe  fünf  achteckige  Pfeiler  mit  je  zwei  vor- 
gelegten Diensten,  welche  ebenso  wie  die  entsprechenden 
dreiviertelkreisförmigen  Dienste  der  Wandpfeiler  Blatt- 
kapitAle  tragen.  Die  Kirche  ist  durchweg  aus  Ziegel- 
steinen erbaut,  nur  zu  den  Gesimsen  ist  rother  Sandstein 
verwandt.  Auf  der  Ostseite  zwischen  beiden  Chören  steht 
der  viereckige  Thurm,  der  wie  die  Schiffe  bis  zur  Höhe 
der  Hauptgesimse  der  letzteren  in  einfacher  gothischer 
Architektur  ausgeführt  ist.  Auf  den  gothischen  Unterbau 
des  Thurmes  sind  noch  zwei  Stockwerke  in  späten  Re- 
iiaissanceformen   aufgesetzt,   w*elche   von   einer  Laterne 

*)  Im  Jfthre  1545  wurde  hier  die  sogenannte  Katsbahn  er- 
richtet, in  welcher  die  fürstlichen  Herrscha^n  sich  mit  dem  Kats- 
spiel (iihnlich  dem  Kricket)  vergntigten. 


364  Die  Bayffesehiehte  von  DOssetdorf, 

gekrönt  werden.  Auf  der  hier  beigefügten  Abbildung  der 
Kirche,  welche  jetzt  zum  Montirungsdepot  benutzt  wird, 
sind  ausser  den  (jetzt  zugemauerten)  hohen  gotbischen 
Fenstern  auch  der  früher  an  der  Südwestecke  vorhanden 
gewesene  Treppenthurm  und  die  1811  abgebrochene  Lieb 
frauenkapelle  dargestellt. 

Hier  ist  auch  noch  das. in  der  Ratinger  Strasse  ge- 
legene Haus  „zum  schwarzen  Horn'^  zu  nennen,  welches 
bis  zum  16.  Jahrhundert  als  Bürgerhaus  (Rathhaus)  benutzt 
wurde.  Die  Fagaden- Architektur  des  mehrfach  umgebauten 
Hauses  stammt  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 
Im  Oiobel  befindet  sich  ein  aus  Stein  gefertigtes  Hom 
und  das  herzogliche  Wappen  mit  dem  Wahlspruche:  in 
deo  spes  mea  Ao.  71. 

Von  den  nicht  mehr  vorhandenen  öffentlichen  Ge- 
bäuden dieser  Periode,  nämlich  dem  Lieferhause,  dem 
Eder-  und  dem  Bürgerhause  am  Lindentrappenthore,  sind 
weder  Abbildungen  noch  sonstige  nähere  Nachrichten  auf 
uns  gekommen,  so  dass  über  deren  Bauaii;  und  Stilformen 
keine  Auskunft  gegeben  werden  kann. 

II.  Die  Yergrösseraug  der  Stadt  and  die  Bauten  in  der 

Zeit  von  1550—1801. 

Von  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  an,  unter  der 
Regierung  Herzog  Wilhelms  IIL,  bedingten  das  Wachsen 
der  Einwohnerzahl  und  die  dauernde  Niederlassung  zahl- 
reicher Beamten  und  wohlhabender  Privatpersonen  eine 
vermehrte  Herstellung  von  Wohngebäuden,  wodurch  der 
Stadt  der  ländliche  Charakter  allmälig  genommen  w^urde, 
so  dass  in  den  letzten  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  die 
Strassen  fast  gänzlich  geschlossene  Häuserreihen  aufwiesen. 

Eine  ganz  ansehnliche  Zahl  von  Häusern  aus  jener 
Zeit  am  Burgplatze,  in  der  Kurzen-  und  Bolkerstrasse  mit 
den  Jahreszahlen  1584,  1589,  1595  u.  a.  m.  sind  bis  zur 
Gegenwart  erhalten  worden,  auch  das  Haus  an  der  ELrAmer- 
Strasse  mit  dem  erkerartig  übergebauten  oberen  Geschosse 
stammt  aus  dieser,  wenn  nicht  vielleicht  schon  aus  noch 
früherer  Zeit,  ebenso  das  alte  Büi^gerhaus  in  der  Ra- 
tingerstrasse und  vor  allem  das  heutige  Rathhaus  auf  dem 
Marktplatze. 

So  gross  auch  in  der  Zeit  von  15öO — 1600  die  Ver- 
änderungen gewesen  waren,  welche  die  St^dt  im  Innern 
erfahren  hatte,  so  waren  doch  die  Grenzen  und  der  äussere 
Umfang  gänzlich  unverändert  geblieben.  Erst  mit  dem 
Beginn  des  17.  Jahrhunderts  trat  in  dieser  Hinsicht  eine 
Aenderung   ein,   welche   durch  die  im  Jahre  1614   vom     v 


Di*  Baiigttekielil«  eon  DOattldoi'f, 


Fig.  3.    Düsseldorf  im  Jahre  1690. 


3G6  Die  Baugeschtchte  von  DUsteldoff. 

Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  begonnene,  im  Jahre  1620 
fortgesetzte  Erweiterung  der  Fortification  veranlasst  war 
(Fig.  3).  Durch  dieselbe  wurden  die  bisher  als  Wallgänge 
bestandene  Neu-  und  Wallstrasse,  sowie  der  Parade-  jetzige 
FriedrichsplatZ;  geschaffen.  Ausser  den  vier  Bastionen 
am  Eiskeller,  am  Müh].enplätzchen,  am  alten  Flingerthore 
und  am  Bergerthore  (Fig.  3  No.  1 — 4)  wurde  auch  die  bereits 
1552  begonnene  Citadelle  auf  der  Südwestseite  der  Stadt 
mit  zwei  Bastionen  nach  der  Neustadt  hin  und  mit  einer 
Bastion  am  damaligen  Hafen  (Fig.  3  No.  5 — 7)  gegenüber 
dem  Rheinörtchen,  ausgebaut.  Auch  hatte  dieser  Umbau 
der  Festungswerke  die  Verlegung  des  Flingerthores  an 
das  Ende  der  neuangelegten  Communicationsstrasse  und 
des  Bergerthores  in  die  Courtine  der  Citadelle,  wo  es  noch 
jetzt  steht,  zur  Folge.  Zum  Zwecke  der  Verbindung  der 
Stadt  mit  der  Citadelle  wurde  an  der  dort  gelegenen 
Mühle  1)  eine  Brücke  hergestellt.  Die  Besiedelung  der 
Citadelle  wurde  1641  begonnen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  wurden 
die  Hafenstrasse,  die  Citadellstrasse  mit  ihren  Neben- 
gassen,«) die  Dammstrasse  und  im  Jahre  1709  die  Neu- 
stadt angelegt.  In  letzterer  beabsichtigte  Kurfürst  Johann 
Wilhelm  mit  Rücksicht  auf  den  beginnenden  Verfall  des 
alten  Schlosses  ein  neues  Schloss  von  gewaltigem  Um- 
fange nach  einem  in  reicher  italienischer  Renaissance 
gehaltenen  Entw^urfe  zu  bauen,  der  noch  jetzt  im  histo- 
rischen Museum  aufbewahrt  wird.  Er  gab  aber  diese  Ab- 
sicht wieder  auf,  was  die  Gegenwart  Grund  hat,  tief  zu 
bedauern.  Die  Erbauung  eines  Schlosses  auf  der  Süd- 
seite der  Stadt  in  unmittelbarer  Nähe  des  Rheines  würde 
eine  gesunde  und  kräftige  E^ntwickelung  der  an  den 
Strom  stossenden  Stadttheile  zur  Folge  gehabt  haben, 
wie  solche  in  sämihtlichen  Rheinstädten  von  einiger  Be- 
deutung stattgefunden  hat  und  aulfallender  Weise  nur  in 
Düsseldorf  unterblieben  ist.3)  Die  verkümmerte,  zum  Theil 
hässliche  Gestaltung  der  meisten  am  Rheine  gelegenen 
Strassen  des  südlichen  Theiles  der  Stadt  würde  unmög- 
lich gewesen  sein  und  Düsseldorf  vom  Rheine  her  einen 
erfreulicheren  Anblick  als  jetzt  bieten,  wenn  der  Bau  des 
neuen  Schlosses  nach  dem  dafür  bestimmten  Entwürfe 
zur  Ausführung  gekommen  wäre. 


»)  Hofmühle. 

<)  Die  letztgenannten  auf  dem  Terrain  des  alt«n  Schloss- 
g'rtrtens,  wovon  die  Oran«»:erie9trasse  ihren  Nnnien  erhalten  hat. 

3)  Die  Ausnahme  hiervon,  welche  der  Marktplatz  mit  seiner 
nttchst^n  Umgebung  macht,  ist  auf  die  Nähe  des  alten  Schlosses 
zurückzuführen. 


/>t>  Baug99ehieht€  von  DüBBtldorf,  367 

Auch  die  sonstigen,  auf  Erweiterung  der  Stadt  nach 
Süden  gerichteten  Pläne  des  Kurfürsten  konnten  nicht 
zur  Ausführung  gebracht  werden,  weil  die  Stände  die 
Bewilligung  der  Kosten  verweigerten.  Die  Ausdehnung 
der  Festungswerke,  die  sogenannte  Extension,  wurde 
deshalb  auf  eine  Linie  beschränkt,  welche  ungefähr  an 
der  Ecke  der  heutigen  Königsallee,  und  Königsstrasse 
bei  den  alten  Festungswerken  begann,  bis  zur  Gegend 
der  Bahnhöfe  lief  und  von  da  die  Richtung  nach  dem 
Schwanenmarkt  nahm  und  sich  an  die  Citadelle  wieder 
anschloss. 

Zur  Verbindung  der  Stadt  mit  der  Extension  wurde 
das  Stadtbrückchen  angelegt;  eine  zweite  nach  der 
Citadelle  führende  Brücke  war  am  Franziskanerkloster, 
der  jetzigen  Max-Pfarrkirche,  vorhanden. 

Wenn  somit  auf  den  im  grossen  Stile  gehaltenen 
Plänen  und  Absichten  Johann  Wilhelms,  seine  Residenz 
zu  vergrössern,  offenbares  Missgeschick  ruhte,  so  waren 
seine  Bemühungen  um  die  Verschönerung  der  damals 
bestehenden  Stadt,  in  der  er  Künste  und  Gewerbe  zu 
einem  vorher  nicht  gekannten  Aufschwünge  gebracht 
hatte,  um  so  mehr  mit  Erfolg  belohnt.  Viele  aus  älterer 
Zeit  stammende  Häuser  wurden  im  Aeussern  verschönert, 
Lücken  in  den  Häuserreihen  ausgefüllt  und  überhaupt 
eine  regelmässige  Bauart  sowie  die  Innehaltung  gerade]* 
Fluchtlinien  in  den  Strassen  vorgeschrieben,  desgleichen 
wurde  das  erste  Reglement  für  Reinigung  und  Beleuchtung 
der  Strassen  erlassen.  Nach  dem  im  Jahre  1716  erfolgten 
Tode  Johann  Wilhelms  trat  in  der  baulichen  Entwickelung 
Düsseldorfs  eine  Jahrzehnte  lange  Ruhepause  ein:  es 
wurden  zwar  in  und  ausser  der  »Stadt  eine  grössere  An- 
zahl öffentlicher  Gebäude,  wie  z.  B.  die  Galleriegebäude, 
der  Marstall,  das  Gouvernementshaus,  der  Jägerhof  u.  A., 
zum  grössten  Theile  unter  Leitung  des  Grafen  Goltstein 
aufgeführt,  aber  neue  Strassen  und  Plätze  sind  bis  1787 
nicht  angelegt  worden.  In  diesem  Jahre  ward  eine  in 
ihren  Folgen  noch  in  der  Gegenwart  sehr  wichtige  und 
bedeutungsvolle  Aenderung  angebahnt. 

Da  durch  den  oben  erwähnten  weiteren  Ausbau  der 
Festungswerke  nach  Südosten  die  bisherige  Südfront  vom 
Flinger-  bis  zum  Bergerbastion  entbehrlich  geworden  war, 
so  begab  man  sich  daran,  diese  Front  zu  schleifen,  da3 
Terrain  einzuebnen  und  auf  der  gewonnenen  grossen 
Fläche  ein  neues  Stadtviertel,  die  Karlsstadt,  anzulegen. 
(Vergl.  Fig.  8  und  9.)  Die  Pläne  zur  Bebauung  waren 
auf  Veranlassung  der  Regierung  durch  mehrere  Artillerie- 
und  Genieoffiziere  entworfen  worden.    Anfänglich  wurde 


DU  Baagt$eliieMe  von  Dittüdorf. 


Y\$.  4.    Das  Zollthor  vor  dnin  Umb«tt. 


Fig.  ü.    Das  ehetn&lige  lUtinger  Thor  nebst  der  Windmflhlr 
auf  dem  Xltcren  Thore. 


Fig.  6,    Das  ehemalige  Rheiiithor. 


Fig.  7.    Das  «hemaligo  Flingerthor. 


i>i>  Baugtachiehlt  ron  DButldorf. 


Dt*  Bauguehichtt  ron  DOmMorf.  371 


372  Die  BaugesehichU  von  Düsneldotf, 

die  Baulust  der  Privatleute  durch  den  für  die  Quadrat- 
ruthe  Grund  und  Boden  geforderten  Preis  von  1  Thlr. 
zurQckgehalten,  nachdem  man  diese  Forderung  aber  hatte 
fallen  lassen  und  den  Bauenden  20jAhrige  Steuerfreiheit 
zugesichert  worden  war,  die  Regierung  überdies  die  Auf- 
füllung und  Planirung  der  Strassen  ausführen  liess,  machte 
die  Bebauung  des  neuen  Viertels  so  rasche  Fortschritte, 
dass  im  Jahre  1791  die  Earlsstadt  bereits  86  Häuser  hatte. 
Es  entstanden  der  Earlsplatz  und  im  Anschlüsse  daran 
die  Kasernen-,  die  Anfänge  der  Hohen-,  Bilker-  und  Post- 
strasse, sowie  die  Benrather-  und  Bastionsstrasse  nebst 
einem  Theile  der  Südstrasse  als  Grenze.  Ferner  wurden 
auf  dem  zugefüllten  Festungsgraben  die  heutige  Mittel- 
und  Grabenstrasse  angelegt.    (Fig.  9  u.  12.) 

Werfen  wir  einen  kurzen  Rückblick  auf  Bauart  imd 
Stil  der  Häuser,  welche  diese  Periode  charakterisiren,  so 
müssen  wir  nochmals  hervorheben,  dass  von  Anfang  der 
Periode  an  das  Streben  hervortrat,  bei  Errichtung  der 
bürgerlichen  Wohnhäuser  und  deren  Nebengebäude  mehr 
und  mehr  die  Feuersicherheit  zu  erhöhen  und  zu  diesem 
Zwecke  solidere  Constructionen  und  Materialien  zu  wählen, 
als  bis  dahin  gebräuchlich  waren.  Der  Holz-  und  der 
Fachwerksbau  wurden  durch  den  Massivbau  allmälig 
merklich  zurückgedrängt,  auch  war  man  seit  dem  Ein- 
tritte in  das  17.  Jahrhundert  besonders  darauf  bedacht, 
die  gefährlichen  Strohdächer  zu  beseitigen  und  die  Dächer 
mit  Pfannen  einzudecken.')  Als  Steinmaterial  verwendete 
man  den  vom  Oberrhein  bezogenen  Basalt,  die  Basaltlava, 
verschiedene  Sandsteinsorten  imd  namentlich  meistens 
sehr  gut  geformte  und  gebrannte  Ziegelsteine,  welche  in 
der  früheren  Zeit  annähernd  das  Format  unserer  jetzigen 
Ziegel  hatten,    in    späterer  Zeit    aber    grösser   geformt 

1)  In  einer  ^^^chtsordnung  und  Reformation  des  Durch- 
leuchtigen Hoch2>ebornen  Fürsten  und  Herrn,  Herrn  Wilhelms 
Hertzogen  zu  Giuich,  Cleve  und  Berg  etc/*  vom  Jahre  1606  ist  vor- 
geschrieben: „Die  Oebelen  oder  Vorhaupter  der  heuser,  so  an  die 
Strassen  kommen  sollen/  wa  nit  gantz,  jedoch  zum  wenigsten  zehen 
oder  zwelfT  füess  ungefehrlich  hoch,  auss  dem  grundt  mit  steinen 
auffrichtig  und  ohne  einiche  übersetzt  gemacht  werden.  Doch  soll 
man  sich  souil  möglich  befleissigen,  das  die  Oebelen  vorhaupt,  mit 
steinen  gar  ausgemacht,  und  in  die  höchde  mit  den  andern  heusem 
gezogen  vnd  gebracht  werden  mögen. 

So  soll  man  auch  nach  gelegenheit  der  heuser  vnd  platz  vber 
das  dritt  und  vierdte  hauss  vngefehrlich,  souil  möfi'lich,  notturfftige 
Brandtmauem,  itiit  rhat  der  Werckmeister  legen  und  erbawen  lassen. 

Gleich fals  sollen  zu  mehrer  Verhütung  des  Fewrs  vnd  Brandt- 
schadens, alle  Tächer  hlnfurter  mit  Leyen  oder  Pfannen,  vnd  uir 
mehr  mit  Stroh  gedeckt  werden. 

Die  Schewren  und  Stall  soll  man  nit  zuhart  an  die  heuser, 
sondern  so  weit  als  immer  möglich,  davon  bawen. 


Die  BaugesehichU  von  Düsseldorf.  373 

wurden.  Mit  der  Einführung  der  Renaissanceformen  in 
die  Architektur  zu  Anfang  dieser  Periode  hatte  man, 
wenigstens  hinsichtlich  der  Fagadengestaltung,  kein  be- 
sonderes Glück;  es  ist  aus  dieser  ganzen  Periode  kein 
einziges  öffentliches  oder  Privat-Gebäude  mit  hervorragend 
künstlerisch  ausgeführter  Fagade  vorhanden.  Die  An- 
wendung der  neuen  Stilformen,  die  übrigens  bei  öffent- 
lichen Gebäuden  meistens  der  römischen,  bei  den  Priva^ 
gebäuden  fast  ausschliesslich  der  deutschen  Renaissance 
entnommen  wurden,  beschränkte  sich  hauptsächlich  auf 
die  Ausschmückung  der  Giebel  und  Portale  und  zwar 
bei  ersteren  meistens  auf  die  Herstellung  einer  mittelst 
starkgeschwungener  Voluten  gebildeten  Giebel-Silhouette. 
Ausserdem  wurden  wohl  auch  am  Giebel  oder  an  dem 
häufig  vorkommenden  Mittelrisalite  dorische  oder  tos- 
kanische  Anten,  unter  den  Fenstersohlbänken  Consolen 
mit  oder  ohne  Festons  angebracht,  aus  welchen  Eunst- 
formen  in  vielen  Fällen  die  gesammte  künstlerische  Aus- 
schmückung der  Häuserfronten  bestand. 

In  Herstellung  ästhetisch  wirksamer  Innen -Archi- 
tekturen war  man  erfolgreicher.  Ausser  in  einigen  Kirchen 
und  profanen  öffentlichen  Gebäuden  wurden  auch  in 
Privathäusem  in  auffallend  grosser  Zahl  künstlerisch  aus- 
gestattete Räume  geschaffen,  insbesondere  zeigte  sich  in 
der  Anfertigung  von  Stuckdecken,  Hausteintreppen  und 
schmiedeeisernen  Geländern  eine  nicht  gering  zu  schätzende 
Geschicklichkeit. 

Die  gothischen  Formen  wurden,  je  weiter  man  in 
dieser  Periode  vorschritt,  mehr  und  mehr  verlassen  und 
kamen  in  der  zweiten  Hälfte  derselben  nur  noch  ver- 
einzelt als  Ornamente  in  Renaissance-Fagaden  vor. 

Bevor  wir  uns  zu  den  hervorragenderen,  in  dieser 
Periode  entstandenen  öffentlichen  Gebäuden  wenden, 
müssen  wir  nochmals  das  bedeutendste  aller  überhaupt 
vorhandenen  Bauwerke,  das  herzogliche,  später  kurfürst- 
liche Schloss  erwähnen,  welches  von  der  Mitte  des  IG. 
bis  zum  Ende  des  1 8.  Jahrhunderts  mehrfache,  zum  Theil 
sehr  eingreifende  Veränderungen  erlitt. 

Obwohl  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  das  Schloss 
sich  in  recht  schlechtem  baulichen  Zustande  befunden 
haben  muss,i)  so  wurden  doch  nur  die  dringend  noth- 
wendigen  Instandsetzungen  ausgeführt  und  erst  nach  dem 
Jahre   1634,  als  durch   das  schon  erwähnte  Auffliegen 

1)  Die  Stände  scheinen  dem  Herzog  Johann  Wilhelm  die  Mittel 
zur  Instandhaltung  des  Schlosses  verweigert  zu  haben,  denn  er  war 
1595  genöthigt,  zur  Bestreitung  von  Reparatiirkosten  8  Hflusor  zu 
verkaufen.    (Stranven  a.  a.  0.  S.  90.) 


874  Die  Bmigeschiehie  ton  Dünseldorf, 

eines  Pulveithurmes  auch  an  den  Gebäuden  des  Schlosses 
Schaden  angerichtet  worden  war,  erfolgte  eine  gründliche 
Reparatur.  Wesentliche  Umbauten  Hess  der  EurfOrst 
Johann  Wilhelm  vornehmen,  der  1693  seine  Residenz  von 
Heidelberg  nach  Düsseldorf  verlegte ;  unter  anderem  liess 
er  den  Thurm  im  Hofe  nebst  den  anstossenden,  am  Haupt- 
flügel befindlichen  schmalen  Gängen  abbrechen  und  an 
Stelle  der  entfernten  Bautheile  die  Colonnaden  errichten^ 
welche  sich  bis  zu  dem  grossen  Brande  am  19.  März  1872 
erhalten  haben.  Eine  Umänderung  der  nach  dem  Rheine 
gelegenen  Ansichtsseite  des  Schlosses  fand  indess  nicht 
statt,  was  aus  einer  Zeichnung  des  letzteren  vom  Jahre 
1713  hervorgeht,  welche  noch  die  alte  Fa^ade,  aber  ohne 
den  Thurm  im  Hofe,  zeigt.  Dagegen  wurde  das  Gallerie- 
gebäude  zur  Aufnahme  der  weltberühmten  Gemälde- 
sammlung des  Kurfürsten  errichtet  und  erhielten  die  von 
letzterem  und  seiner  Gemahlin  bewohnten  Räume  des 
Schlosses  eine  so  prachtvolle  und  kostbare  Ausstattung, 
dass  Fremde  aus  weiten  Entfernungen  nach  Düsseldorf 
reisten,  um  das  Innere  des  Schlosses  und  die  daselbst 
aufgehäuften  Kunstschätze  und  Kostbai*keiten  zu  be- 
sichtigen. 

Ueber  die  äussere  Erscheinung  des  Schlosses  sagt 
Strauven  (a.  a.  0.  S.  40),  dass  es  zwar  mit  zahlreichen 
und  regelmässigen  Fensteröffnungen  versehen  gewesen 
sei,  aber  durchaus  keinen  kasernenartigen  Eindruck  ge- 
macht habe.  Das  Erdgeschoss  hatte  Fenster  von  der 
doppelten  Breite  zur  Höhe,  im  ersten  Geschosse  waren 
die  Fenster  im  gleichen  Verhältniss,  aber  grösser-  als 
diejenigen  des  Erdgeschosses  angelegt  und  im  zweiten 
Geschosse  waren  sie  ungefähr  eben  so  hoch  wie  die  des 
Erdgeschosses,  aber  nur  halb  so  breit.  Die  Fenster  dea 
Erd-  und  ersten  Geschosses  hatten  vollständige  Kreuze^ 
diejenigen  des  zweiten  Geschosses  nur  Querriegel  zwischen 
Fenster  und  Oberlicht.  Um  das  ganze  Gebäude,  sowohl 
aussen  als  im  Hofe,  liefen  über  dem  Hauptgesimse  mit 
Zinnen  versehene  Brustwehren,  an  deren  verschiedenen 
Ecken  erkerartige  Vorsprünge  angebracht  waren.  Das 
steile  Dach  wurde  hin  und  wieder  durch  Staffelgiebel  und 
Schornsteine  unterbrochen.  Sämmtliche  Fronten  waren 
in  Ziegelrohbau  aufgeführt,  von  dem  sich  die  aus  Hau- 
stein gefertigten  Fenstereinfassungen,  Gesimse  und  Erker 
malerisch  abhoben. 

Eine  wesentliche  bauliche  Umgestaltung,  namentlich 
auch  der  äusseren  Ansichten,  erhielt  das  Schloss  unter 
Kurfürst  Carl  Theodor,  welcher  1755  durch  Baumeister 
Nosthofen   die  gothischen  Architekturformen   durch   Re- 


Die  Baugeschiehtc  von  Düsseldorf.  375 

naissanceformen  ersetzen  licss.  Die  bis  dahin  auf  vor- 
springenden gothischen  Bogenstellungen  ruhenden  Brust- 
wehren des  Daches  wurden  nebst  letzterem,  aber  unter 
Beibehaltung  der  gothischen  Bögen,  entfernt,  ein  zu  Wohn- 
räumen für  die  Dienerschaft  eingerichtetes  viertes  Ge- 
schoss  und  darüber  ein  neues,  schweres,  französiches 
Dach  von  3  Speichergeschossen  aufgeführt.  (Fig.  10  u.  11.) 
Beim  Bombardement  von  1794  brannte  das  Schloss  im 
Innern  fast  gänzlich  aus  und  der  nördliche  Flügel  zwischen 
dem  Thurme  an  der  Krämerstrasse  und  dem  Rheine 
wurde  bis  auf  den  Grund  zeretört.  Der  Wiederauf-  resp. 
Ausbau  des  Schlosses  erfolgte  erst  in  unserem  Jahrhundert 
behufs  Einrichtung  der  für  die  Versammlungen  der  Stände 
und  für  die  Kunst -Akademie  erforderlichen  Räume,  welche 
den  gedachten  Zwecken  bis  zu  der  1872  stattgehabten, 
fast  vollständigen  Zerstörung  des  Schlosses  durch  Feuer 
dienten. 

Als  die  bedeutendsten  der  in  dieser  Periode  errichteten 
Gebäude  sind  zu  nennen: 

Das  Rathhaus.  Es  wurde  1567  unter  Leitung  des 
aus  Duisburg  berufenen  Baumeisters  Heinrich  Tuschmann 
im  Bau  begonnen  und  zeigt  die  Formen  des  Ueberganges 
vom  gothischen  zum  Renaissance-Stil.  Es  ist  als  einfacher 
Putzbau  mit  Hausteingliederungen  ausgeführt,  hat  einen 
Uhrthurm  und  zwei  Front-  und  einen  Seitengiebel.  Im 
Innern  ist  ausser  dem  schönen  schmiedeeisernen  Treppen- 
geländer aus  dem  17.  Jahrhundert  nichts  architektonisch 
Bemerkenswerthes  vorhanden. 

Die  Andreaskirche.  Ein  Ziegelputzbau  mit  kräftig 
wirkender,  nicht  unschöner  Haustein -Architektur  in  später 
römischer  Renaissance.  Die  beiden  den  Chor  flankirenden 
massiven  Thürme  mit  Kuppeldächern  gewähren  mit  der 
dahinter  liegenden  kuppelgewölbten  Begräbnisskapelle 
eine  malerische  Ansicht  des  Bauwerks.  Die  Grundstein- 
legung fand  1622  statt,  die  Vollendung  fällt  in  das 
Jahr  1629.1) 

Das  Innere  ist  dreischiffig,  auf  starken  Pfeilern  über- 
wölbt mit  gleichfalls  überwölbten  Emporen  und  mit 
schöner,  etwas  überladener,   doch  streng  im  Charakter 


*)  B^-erle  a.  a.  0.  S.  132;  dagreo^en  geht  aus  einem  Briefe  des 
Herzog«  Wolfgang  Wilhelm  an  den  Amtmann  von  Angermund  vom 
t>.  Juni  1635  hervor,  dass  zu  dieser  Zeit  die  Kirche  noch  nicht  voll- 
Htändig  fertig  war,  indem  er  am  Anfang  des  Briefes  sagt :  .demnach 
man  zu  dem  Kirchenbaw  den  wir  hierselbst  vor  die  PPes  oocietatis 
Jhesu  zu  der  ehren  Gottes  auf  unsere  Kosten  verfertigen  lassen, 
etlicher  auf  sichere  weiss  gewachsener  bawholtzer  vohnoeten  hat,^ 
(Archiv  Heitorf.) 


Dit  Baugtiebiehte  ton  DflM^dorf. 


Die  BaugeaehiehU  von  DdatMorf. 


378  Die  Baugesehiehte  von  DüssMoff» 

des  Stils  durchgeführter  farbiger  Stuckdecoration  in  reicher 
Vergoldung. 

Das  Regierungsgebäude ^  ehemaliges  Jesuiten- 
kloster, dessen  Grundstein  1625  gelegt  wurde,  ist  ein 
schmuckloser,  dreigeschossiger  Ziegelputzbau,  der  mit  der 
Andreaskirche  einen  grossen  viereckigen  Hof  umschliesst. 
An  der  Ecke  der  Mühlenstrasse,  am  Friedrichsplatze,  hat 
das  Gebäude  einen  thurmartigen  Aufbau,  der  ehemals  als 
Sternwarte  und  als  Station  für  den  optischen  Telegraphen 
benutzt  worden  ist. 

Die  evangelische  (reformirte)  Kirche  an  der 
Bolkerstrasse.  Ein  einfacher,  1683  begonnener  Ziegel- 
rohbau in  spätrömischer  Renaissance  mit  flachgewölbter 
Spalierdecke  und  Emporen  auf  eisernen  Säulen.  Der 
massive  Kuppelthurm  zeichnet  sich  durch  hübsche 
Silhouette  aus. 

Die  evangelische  (lutherische)  Kirche  an  der 
Bergerstrasse.  Sie  ist,  wie  auch  die  vorgenannte,  rings 
von  Gebäuden  umschlossen.  Die  Kirche,  deren  Grund- 
stein 1687  gelegt  wurde,  ist  ein  in  deutscher,  mit  fremden 
Elementen  gemischter  Renaissance  aufgeführter  Ziegel- 
rohbau ohne  Thurm.  Das  Innere  ist  mit  Spalier-Stich- 
bogengewölbe  überdeckt  imd  hat  zwei  Reihen  Emporen 
auf  Holzpfosten. 

Die  Rochus -Kapelle.  Ein  kleines  Bauwerk  in 
Barockstil  aus  dem  Jahre  1667.  Die  Kapelle  hat  einen 
kreuzförmigen  Grundriss  und  eine  gewölbte  Decke  ohne 
Pfeiler. 

Die  Loretto- Kapelle,  jetzige  Bilker  Pfarrkirche. 
Diese  Kirche  wurde  im  Jahre  1686  als  Putzbau  mit 
Haustein  -  Architektur  in  später  römischer  Renaissance 
erbaut.  Der  ursprünglich  gerade  Giebel  und  das  Portal 
wurden  1740  im  Barockstile  umgebaut.  Der  massive 
Vierungsthurm  trägt  eine  Zwiebelhaube.  Das  Innere, 
durch  schwere  Pfeiler  in  drei  gleich  breite,  überwölbte 
Schiffe  getheilt,  ist  in  toskanischer  Renaissanc  der  Kirche 
della  Santa  casa  in  Loretto,  aber  in  einfacherer  Aus- 
stattung, nachgebildet. 

Die  Derendorfer  Kirche.  Sie  ist  1692  erbaut  und 
wird  durch  eine  Verbindung  verschiedener  Stilformen 
charakterisirt.  Die  Kirche  hat  drei  Schiffe,  von  denen 
die  beiden  seitlichen  niedriger  sind  als  das  Hauptschiff; 
von  den  3  Thürmen  stehen  zwei  am  Portal,  der  dritte 
befindet  sich  am  Chor. 

Der  Hontheimer  Hofi)  in   der  Akademiestrasse, 


1)  Ehemals  dem  Fi*eiherm  von  Hontheim  zugehörig. 


Die  Baugesehiehte  von  DOMßldarf*  379 

ein  nüchterner,  dreistöckiger  Putzbau,  der  aus  annfthemd 
derselben  Zeit  wie  die  vorgenannten  Kirchen  stammt  und 
im  Laufe  der  Zeit,  nach  Aufgabe  des  Besitzes  durch  die 
Hontheim'scheFamilie,  verschiedenen  öffenüichen  Zwecken 
gedient  hat.  Ausser  dem  Land-  und  dem  Friedensgerichte 
hat  auch  die  Kunstakademie  zeitweise  i)  ihren  Sitz  in 
einem  Theile  dieses  Gebäudes  gehabt,  dessen  anderer, 
nördlicher  Theil  schon  im  Jahre  1752  zum  Gefangenhaus 
eingerichtet  wurde. 

Das  Ursulinenkloster,  dessen  Grundsteinlegung 
1685  stattfand,  ist  ein  einfacher  Putzbau,  welcher  eine 
kleine,  1702  erbaute,  mit  flacher  Putzdecke  versehene 
Kirche  umschliesst. 

Das  Carmelitessenkloster.  Im  Jahre  1G42  er- 
hielten die  Carmelitessen  an  der  Stelle,  an  welcher  der 
in  die  Luft  geflogene  Pulverthurm  gestanden  hatte,  einen 
Platz  zur  Gründung  einer  Niederlassung  angewiesen.  Der 
Bau  des  jetzigen  Klosters  wurde  1 706,  der  Bau  der  Kirche 
1712')  begonnen.  Die  letztere  wturde,  wie  die  meisten 
Kirchen  jener  Zeit,  in  spatrömischer  Renaissance  aufgeführt 
und  hat  keinen  Thurm;  der  Grundriss  ist  kreuzförmig. 

Die  Infanterie-Kaserne 8)  ist  im  Jahre  1735  als 
Putzbau  unter  Vermeidung  ornamentaler  Ausschmückung 
erbaut  und  1771  durch  Aufbau  emes  Stockwerks  ver- 
grössert.^)  Die  an  der  Strasse  in  der  Fluchtlinie  der 
Kaserne  stehende  Garnisonkirche  ist  gleichfalls  1735  im 
Zopfstil  erbaut  und  hat  kreuzförmigen  Grundriss  mit  ab- 
gerundeten Kreuzarmen. 

Die  Maximilianskirche.  An  Stelle  der  1655  bis 
1659  erbauten  Franziskanerkirche  nebst  Kloster  wurden 
die  jetzt  noch  bestehende  Kirche  und  das  Kloster  in  den 
Jahren  1734—1737  errichtet.  Die  Kirche  ist  ein  Ziegel- 
rohbau in  römischer  Renaissance  mit  schönem  und  zier- 
lichem Zwiebel  thurm.  Die  Klostergebäude  wurden  in 
späterer  Zeit  als  Gymnasium  und  zu  Wohnungen  der 
Pfarrer  und  der  Hülfsgeistlichen  benutzt. 

Das  Präsidialgebäude.  Es  ist  zwischen  1760  und 
1766  anstelle  mehrer.er  niedergerissenen  Häuser  zugleich 
mit  dem  Marstalle  erbaut,  welch  letzterer  1794  in  Folge 
des  Bombardements  niederbrannte.  Das  vom  Feuer 
gänzlich  unberührt  gebliebene  stattliche  Gebäude,  firüher 
die  Residenz  genannt,  ist  jetzt  Sitz  des  Präsidiums  der 

>)  Bis  1806. 

*)  Schaumburg^  a.  a.  0.  S.  44. 

*)  Ehemals  auch  Artillerie-Kaserne. 

*)  1816  wurden  mehrere  Flügelbauten  hinzugefügt. 


380  Die  Baugetehiehtt  von  Düsseldorf, 

Königlichen  Regierung;  es  ist  in  spätem  Barockstil  als 
Putzbau  mit  besonders  hervorgehobenem  Portal  in  Hau- 
steinarchitelctur  aufgeführt. 

Das  JägerhofschlosSy  ebenfalls  zwischen  1760  und 
1766  erbaut,  war  IcurfQrstliches  Jagdschloss  und  zu  Zeiten 
Wohnung  des  Jülich-  und  Bergischen  Oberjflgermeisters. 
Das  Gebäude  hat  einen  grossen  im  Zopfstil  errichteten 
Mittelbau  mit  zwei  später  hinzugefügten  Seitenflügeln. 
Trotz  seiner  einfachen  Stilformen  macht  das  Schloss  einen 
recht  gefälligen  Eindruck,  der  durch  seine  freundliche 
Lage  zwischen  dem  wohlgepflegten  Schlossparke  und 
dem  Hofgarten  noch  erhöht  wird.  Der  anstossende  Marstall 
zeichnet  sich  durch  drei  mit  reichen  Holzschnitzereien 
geschmückte  Frontispice  aus. 

Von  den  in  dieser  Periode  erbauten,  jetzt  nicht  mehr 
vorhandenen  öffentlichen  Gebäuden  sind  nachfolgende 
die  bemerkenswerthesten : 

Das  Kapuzinerkloster  in  der  Flingerstrasse.  Der 
Bau  der  Kirche  dauerte  von  1621—1624.  Im  Jahre  1803 
wurde  das  Kloster  aufgehoben.  ^) 

Das  Seminar  wurde  1623  auf  dem  Friedrichsplatze 
an  der  Stelle  erbaut,  wo  jetzt  die  Kunsthalle  steht. 

Das  Tummelhaus.  Es  war  1636  erbaut  und  lag 
auf  dem  Grund  und  Boden  des  jetzigen  Präsidialgebäudes, 
der  Eingang  zu  demselben  befand  sich  in  der  Ratinger- 
strasse und  führte  durch  das  Thor  der  jetzigen  evan- 
gelischen Schule. 

Das  Celliten-Nonnenkloster  auf  dem  Hunsrücken. 
Die  Kirche  wurde  1699  eingeweiht  und  1786  erweitert. 

Das  Theater  am  Rathhause. 

Das  Opernhaus  in  der  Mühlenstrasse  neben  dem 
alten  Marstalle  in  der  Nähe  des  Tummelhauses. 

III.  Die  Stadterweiterung  und  die  Bauten  des 

19.  Jahrhunderts. 

Durch  die  im  Friedensschlüsse  zu  LuneviUe  1801  fest- 
gesetzte Schleifung  der  Festungswerke  in  Düsseldorf  wurde 
der  Vergrösserung  und  Verschönerung  der  Stadt  ein 
günstiges  Feld  eröffnet.  Der  Cburfürst  Maximilian  Joseph 
erkannte  die  hohe  Bedeutung  der  Stadterweiterung  für 
die  zukünftige  Entwickeluug  seiner  Residenz  und  ernannte 
durch  Erlass  vom  28.  Januar  1802  eine  besondere  Com- 


1)  1807  kaufte  Posthalter  Georg  Lejeune  die  Kirche  und  baute 
an  ihrer  Steile  ein  neues  Haus. 


Die  Baugeschiehte  von  Däsneldorf,  881 

mission  für  die  Leitung  der  Bebauungs- Angelegenheiten  i), 
an  deren  Spitze  der  Hofrath  Jacobi^)  stand. 

In  dieser  Zeit;  und  zwar  bis  zum  Jahre  1809,  ent- 
standen die  Breite-  und  die  Elberfelderstrasse^).  Die  Ver- 
längerung der  Hohenstrasse  wurde  durch  Austrocknung 
eines  Theiles  des  sogen.  Earlsstädter  Sumpfes  ermöglicht 
(etwa  1805—1806).  Gleichzeitig,  ungefähr  mit  der  Nieder- 
legung des  alten  Flingerthores  *)  (1808—1810)  erfolgten 
auch  die  ersten  Anbauten  auf  dem  Terrain  der  heutigen 
Alleestrasse,  die  Anlage  des  boulevard  Napoleon;  der 
weitere  Ausbau  desselben  fand  aber  erst  in  Gemässheit 
des  Kaiserlichen  Decrets  vom  17.  December  1811  statt, 
durch  welches  die  alten,  nach  1801  schon  theilweise  de- 
molirten  Festungswerke  nebst  den  Glacis  behufs  Um- 
schaffung  in  Baumanlagen  und  öffentliche  Promenaden 
der  Stadt  geschenkt  wurden  und  zugleich  auch  die  Er- 
weiterung des  Rheinwerftes  bis  zum  neuen  Hafen  ^)  an- 
geordnet ward.  In  diese  Zeit  der  beginnenden  Ver- 
schönerung Dasseldorfs  fällt  auch  die  erste  Anlage  der 
Eaiserstrasse  (nie  de  Tempereur).  Einer  späteren  Periode 
dagegen  (etwa  seit  1816)  gehört  die  Bebauung  des  Kälber- 
marktes, letzigen  Schadowplatzes  und  des  Steinwegs,  der 
jetzigen  Schadowstrasse  an,  von  welch'  letzterer  indess 
bis  1848  erst  der  bei  weitem  kleinere  Theil  vorhanden 
war.  Ferner  sind  in  den  Jahren  nach  1830  die  Jägerhof- 
und  die  Hofgartenstrasse  und  nach  1850  die  Victoria-, 
Bleich-,  Goltstein-  und  Jacobistrasse  entetanden.  Etwas 
später  (um  1860  herum)  ist  die  Bebauung  der  Duisburger- 
und  der  Feldstrasse,  sowie  der  Mehrzahl  der  übrigen 
Strassen  des  nördlichen  StadttheUs  begonnen  worden. 
Im  Süden  entstanden  seit  1830  etwa  die  Haroldstrasse, 
der  Schwanenmarkt  und  ein  Theil  der  Südstrasse,  des- 
gleichen, wenn  auch  etwas  später,  die  zum  westlichen 
Theile  der  Stadt  zu  rechnenden  Strassen  am  Karlsthor 
und  die  Bergerallee,  jüngeren  Ursprungs  sind  in  diesem 
Stadttheile  (Ue  Wasser-  und  die  Kavalleriestrasse  mit  den 
sie  durchkreuzenden  Nebenstrassen. 

Wie  aber  die  Königs-Allee,  den  Namen  vom  König 


1)  Besonderes  Verdienst  mn  die  Stadterweiterung  haben  sich 
die  Herren  Hofhaumeister  Haschherger,  Garteninspector  Weyhe, 
der  spätere  Oherhaurath  Bauer  luid  Hauptmann  vonDouwe  erworben. 

')  Nachher  Regiemugsrath,  Sohn  des  Philosophen. 

•)  Der  Plan  der  Stadt  Düsseldorf  vom  Jahre  1809,  welchen  der 
Ingenieur-Kapitain  Gnfhroi  anfertigte  und  W.  Breitenstein  in  Kupfer 
stach,  weist  im  ganzen  51  Strassen  auf. 

*)  Nur  das  Wachthäuschen  blieb  stehen. 

^)  Der  Sicherheitshafen  war  von  der  Hafenstrasse  an  die  nörd- 
liche Grenze  der  Stadt  verlegt  worden. 


382  Die  Baugeschidite  von  DÜ99Mwrf. 

Friedrich  Wilhelm  IV.  fahrend,  erst  von  1840  ab  bebaut 
wurde,  so  auch  die  Hauptstrasse  der  nach  demselben 
König  benannten  Friedrichstadt,  die  Friedrichstrasse.  Die 
übrigen  Strassen  dieses  Stadttheiles,  die  Louisen-,  Herzog-, 
Elisabeth-,  Kraut-  ^etzt  Reichs-)  Strasse  gehören  derselben, 
der  Fdrstenwall  und  dessen  Nebenstrassen  der  neuesten 
Zeit  an. 

In  der  jetzigen  Oststrasse  standen  1848 — ^50  erst  einige 
wenige,  damals  einstöckige  Häuser  mit  Vorgärten  in  der 
Nähe  der  Einmündung  der  Bismarckstrasse.  Die  Bahn- 
strasse wurde  zu  der  vorgenannten  Zeit  angelegt.  Der 
Königsplatz  und  die  angrenzenden  Theile  der  Bismarck- 
und  Marienstrasse  sowie  die  Klosterstrasse^  früher  die 
Pfannenschoppenstrasse  genannt,  sind  erst  nach  1850  und 
zwar  auf  dem  Terrain  des  ehemaligen  Schnable'schen 
Qutes  angelegt ;  die  übrigen  Strassen  des  östlichen  Stadt- 
theiles  sind  erst  in  den  letzten  zwei  Jahrzehnten  erbaut 
worden. 

Was  die  in  dieser  letzten  Periode  vorherrschende 
Bauart  betrifft,  so  tritt  ebenso  wie  in  den  vorhergehenden 
beiden  Jahrhunderten  das  Streben  hervor,  den  zerstörenden 
Wirkungen  von  Feuersbrünsten  durch  Verbesserung  der 
Bau-Constructionen  und  Materialien  möglichst  vorzubeugen, 
es  werden  aber  ausserdem  auch  durch  die  allgemeine 
Einführung  des  Eisens  und  des  Cementes  in  die  Reihe 
der  Baumaterialien  ganz  neue  Bahnen  betreten,  die  so^ 
wohl  auf  die  innere  wie  auf  die  äussere  Gestaltung  der 
Bauwerke  einen  ganz  erheblichen  Einfluss  ausüben.  Ob- 
wohl die  Verwendung  des  Cementes  bei  Herstellung  der 
Schauseiten  der  Häuser  in  den  letzten  Jahrzehnten  hier 
am  Orte  ganz  allgemein  üblich  geworden  ist,  so  muss 
doch  anerkennend  hervorgehoben  werden,  dass  auch  die 
sogenannten  echten  Materialien  i)  vielfach  zur  Anwendung 
gelangen,  wodurch  sowohl  die  Festigkeit  und  Feuer- 
sicherheit der  Gebäude,  als  auch  die  ästhetische  Wirkung 
der  zur  Ausschmückung  gewählten  Kunstformen  bedeutend 
erhöht  wird. 

Auch  darf  die  Pflege,  welche  die  Glasmalerei  in  neuerer 
Zeit  in  Düsseldorf  gefunden  hat  und  deren  Wiederaufnahme 
unter  die  Zahl  architektonischer  Schmuckmittel  nicht 
unerwähnt  bleiben,  sie  findet  nicht  nur  bei  kirchlichen 
Bauwerken,  sondern  auch  in  profanen  öffentlichen  Gebäuden 
imd  in  Wohnhäusern,  insbesondere  bei  den  Fjenstern  von 
Treppenfiuren  und  im  altdeutschen  Stile  eingerichteten 
Zimmern  vielfache  Anwendung. 


>)  Hausteine  und  Verblendziegeln. 


Die  Baugeaehichte  von  DüasMorf.  383 

Was  aber  in  baulicher  Hinsicht  unserem  Jahrhundert 
den  grössten  Vorzug  vor  seinen  Vorgängern  giebt,  das 
sind  die  feuer-,  gesundheits-  und  baupolizeilichen  Anord- 
nungen, die  zur  Förderung  des  öffentlichen  Wohles  für 
die  Anlage  von  Häusern  und  Strassen  getroffen  sind. 
Im  Oegensatz  zu  der  Menge  dumpfer  und  lichtarmer 
Strassen  innerhalb  des  ehemaligen  Festungsringes  sind 
nach  der  Schleifung  der  Festungswerke  eine  grosse  Zahl 
heller,  breiter,  zum  Theil  sogar  mit  Baumreihen  besetzter 
Strassen  geschaffen,  und  wenn  auch  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten in  einzelnen  Fällen  hierbei  noch  Fehler  gemacht 
worden  sind,  i)  so  ist  man  doch  nie  wieder  zu  so  geringer 
Breite  zurQckgegangen,  wie  solche  noch  viele  Strassen 
der  alten  Stadt  aufweisen.  Es  wQrde  zu  weit  führen,  die 
grosse  Zahl  der  sonstigen  hierher  gehörenden,  zum  Zwecke 
der  Beförderung  des  Gesammtwohles  ergriffenen  Mass- 
regeln aufzuzählen,  nur  die  wichtigste  aller  hi  der  Neu- 
zeit getroffenen  baulichen  Verbesserungen,  die  Abführung 
der  Tage-  und  Schmutzwässer  mittelst  unterirdischer 
Canäle  aus  der  Stadt,  verdient  besondere  Erwähnung. 
Die  Einführung  der  CanaUsation  bringt  Düsseldorf  jetzt 
schon  grossen  Nutzen,  sie  wird  der  Stadt  aber  in  Folge 
des  günstigen  Einflusses  auf  die  Verbesserung  der  sanitären 
Verhältnisse  zum  ganz  besonderen  Segen  dann  gereichen, 
wenn  Düsseldorf  das  Doppelte  und  Dreifache  seines 
jetzigen  Umfanges  erreicht  haben  wird. 

In  Hinsicht  der  Entwickelung  der  Architektur  nach 
der  ästhetischen  Seite  in  unserer  Stadt  kann  von  der 
ersten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts  nicht  viel  Rühmens- 
werthes  mitgetheilt  werden.  Die  Nachwirkungen  der 
schweren  Verluste,  welche  Deutschland  während  der 
Eriegsjahre  im  Beginn  dieser  Periode  erlitten  hat,  machten 
sich  auch  in  Düsseldorf  ganz  besonders  auf  dem  Gebiete 
des  öfl'entlichen  und  privaten  Bauwesens  geltend.  Nüch- 
ternste Einfachheit,  begünstigt  durch  die  in  den  ersten 
Jahrzehnten  herrschende  classische  Richtung  in  der  Archi- 
tektur, war  der  Hauptgrundzug  in  allem,  was  gebaut 
wurde.  Erst  von  der  Mitte  des  Jahrhunderts  ab  ging 
man,  wenn  zunächst  auch  noch  mit  grosser  Vorsicht,  in 
der  Ausschmückung  der  Bauwerke  etwas  weiter  und  erst, 
als  sich  im  Laufe  der  sechsziger  Jahre  die  Renaissance 
allgemein  wieder  Bahn  gebrochen  hatte,  schloss  man  sich 
auch  in  Düsseldorf  der  neuen  Richtung  anfangs  mit  Wohlr 
wollen,  später  mit  heller  Begeisterung  an. 

Bei  den  öffentlichen  Bauwerken  überwiegt  die  ita- 
lienische, bei  den  Privatbauten  die  deutsche  Renaissance ; 

1)  z.  B^  Kloster-  und  Immermannstrasse. 


394  Die  Baugeaekichte  von  Düsaeldoff. 

die  Gothik  ist  nur  in  vereinzelten  Fällen  zur  Anwendung 
gekommen.  Wenn  sich  auch  noch  an  einigen  Fagaden 
wichtigthuende  Geschmacklosigkeit ,  an  anderen  wflde 
Zügellosigkeit  breit  machen,  so  ist  doch  auch  schon  viel 
Schönes  zu  sehen;  erfreulicherweise  muss  zugestanden 
werden,  dass  es  in  diesem  Punkte  mit  jedem  Jahre  besser 
wird,  dass  der  Cultus  der  edlen  Schönheit  eine  stetig 
wachsende  Zahl  von  Anhängern  gewinnt  und  auf  Grund 
dieser  Wahrnehmungen  kann  die  ft*eudige  Hoffnung  aus- 
gesprochen werden,  dass,  wenn  die  architektonische  Ent- 
wickelung  auf  den  in  neuester  Zeit  betretenen  Pfaden  weiter 
fortschreitet,  Düsseldorf  in  Kurzem  zu  den  schönsten 
Städten  Deutschlands  gehören  wird. 

Die  im  gegenwärtigen  Jahrhundert  entstandenen  be- 
deutenderen öffentlichen  Bauwerke,  auf  deren  Besprechung 
ihrer  grossen  Zahl  wegen  hier  verzichtet  werden  muss, 
sind  folgende:  die  beiden  Thorgebäude  zwischen  der 
Ratingerstrasse  und  dem  Hofgarten,  die  Husarenkaseme, 
das  Gymnasium,  das  Realgymnasium,  das  Haupt-Postamt; 
die  Tonhalle  mit  dem  Rittersaale,  die  Franziskaner- 
Klosterkirche,  das  Justizgebäude,  das  Staatsarchiv,  das 
Bergisch-Märkische  Bahnhofsgebäude,  die  Ulanenkaseme, 
das  Kunstakademie-Gebäude,  das  städtische  Theater,  die 
Kunsthalle,  die  Johanniskirche,  das  Marienhospital,  die 
Synagoge,  das  Ständehaus,  die  Dominikanerkirche,  das 
evangelische  Krankenhaus,  die  Lambertus- Schule,  die 
höhere  Bürgerschule,  die  Kunstgewerbeschule  und  der 
Erweiterungsbau  des  Rathhauses. 


Theater  und  Musik. 


Dr.  a.  Wimmer. 

die  Musen  schon  frühzeitig  in  Düsseldorf 
ren  Einzug  gehalten  und  festen  Wohnsitz 
gründet  haben,  darauf  weist  schon  die  geo- 
aphische  Lage  dieser  Stadt  hin.  Die  deutsche 
„asik  und  Poesie  steht  bis  zur  Zeit  der  Re- 
naissance entschieden  unter  dem  herrschenden  Einflüsse 
Frankreichs;  dies  zeigt  besonders  unsere  höfische  Kunst- 
poeaie,  die  sich  eng  an  die  westlichen  Vorbilder  anschliesst. 
Von  Frankreich  aus  fanden  die  bald  feurigen,  bald  geist- 
reich prickelnden  Weisen  der  Troubadours,  sowie  die 
reich  verschlungenen  epischen  Stoffe  der  Trouv^res  der 
nördlichen  Provinzen  Eingang  und  bald  auch  Nachahmung 
und  FortentwickeluHg  bei  uns.  lii  Frankreich  sehen  wir 
auch  die  ersten  Musikdramen  —  ich  brauche  hier  nur 
an  das  bekannte  Schäferspiel  des  Pikarden  Adam  de  la 
Haie  „Si  jeus  de  Robin  et  Marion"  zu  erinnern  —  ihre 
Entstehung  und  erste  Entwickelung  nehmen.  Der  Nieder- 
rhein bildet  während  einer  langen  Zeit  das  vermittelnde 
Band  zwischen  dem  Westen  und  Osten,  macht  dem  Osten 
die  Bluthe  der  in  Frankreich  schnell  aufspriessenden 
feineren  Cultur  und  Gesittung  zuganglich. 

Die  Musik  selbst  fand  im  vierzehnten,  fünfzehnten 
imd  sechszehnten  Jahrhundert  am  Niederrhein  ihre  erste 
kunstmässige  Ausbildung ;  hier  ist  die  Heimath  eines  Ocken- 
helm,  Josquin  de  Präs,  Kadrian  Willaert  und  Orlandus  d^ 
Laasus,  welche  die  edle  Kunst  bald  nach  dem  Innern 
Deutschtands  und  nach  Italien  verpflanzten. 

Dusseldorf  durfte  schon  wegen  seiner  günstigen  geo- 
graphischen Lage  von  allen  diesen  Bestrebungen  auf  dem 
Gebiete  der  Kunst  und  Poesie  nicht  unberührt  geblieben 


386  Theater  und  Musik, 

sein,  und  in  der  That  deuten  verschiedene  uns  überlieferte 
Nachrichten  darauf  hin,  dass  besonders  die  Musik  hier 
schon  frühzeitig  eine  Pflegstätte  gefunden  hat.  Doch  sind 
diese  Nachrichten  theils  nur  spärlich  und  lückenhaft  über- 
liefert, theils  von  sagenhaften  Zuthaten  so  eng  durch- 
flochten, dass  es  kaum  möglich  sein  dürfte,  feste  geschicht- 
liche Thatsachen  aus  der  Ueberlieferung  auszuschälen. 

Die  ersten  ausführlichen  Nachrichten  über  die  hiesigen 
Musikverhältnisse  sind  uns  aus  der  Regierungszeit  des 
Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  überliefert,  ein  mit  feinem 
Kunstverständniss  begabter  Regent,  welcher  in  Dtlsseldorf 
seine  feste  Residenz  hatte.  Die  nachfolgenden  Notizen 
über  diese  Periode  sind  aus  alten  Urkunden  und  Acten 
zusammengestellt  worden,  welche  das  Königliche  Archiv 
aufbewahrt  hat. 

Wolfgang  Wilhelm  unterhielt  trotz  der  bedrängten 
Zeiten  des  dreissigjährigen  Krieges  eine  tüchtige  geschulte 
Kapelle  von  reich  besoldeten  italienischen  Sängern  und 
deutschen  Musikern,  mit  denen  er  die  grossen  geistlichen 
Compositionen  der  italienischen  Schule  zur  Aufführung 
brachte.  In  verschiedenen  uns  erhaltenen  Listen  der 
Hof  beamten  sind  uns  ihre  Namen  überliefert.  Der  Kapell- 
meister Negri  und  die  Solosänger  erhielten  ausser  einem 
für  jene  Zeiten  ganz  bedeutenden  Gehalte  von  durch- 
schnittlich etwa  200  Reichsthalern  wöchentlich  noch  zwei 
Goldgulden  für  Kostgeld,  sowie  täglich  zwei  Maass  Wein, 
zwei  Maass  Bier  und  zwei  Weizenbrote  aus  der  chur- 
fttrstlichen  Oberkellnerei  geliefert;  die  übrigen  Musiker 
mussten  sich  mit  etwa  dem  vierten  Theile  dieses  Gehaltes 
begnügen.  Im  Ganzen  zählte  die  Kapelle  8  italienische 
Sänger  und  20  Musiker,  die  Trompeter  mit  eingerechnet 
Die  scheussliche  Sitte,  die  Sopranpartien  von  Castraten 
singen  zu  lassen,  war  noch  nicht  aufgekommen,  und  da 
es  anderseits  noch  nicht  statthaft  war,  diese  Partien 
Frauen  zu  übertragen,  was  doch  das  Natürlichste  gewesen 
wäre,  so  erfahren  wir  aus  dem  gleich  noch  näher  zu 
besprechenden  italienischen  Briefwechsel  zwischen  Egidio 
Hennio,  Canonicus  und  Cantor  an  der  St.  Johanniskirche 
zu  Lüttich,  und  Wolfgang  Wilhelm,  dass  für  die  Sopran- 
und  Altpartien  Knaben  sorgfältig  ausgebildet  wurden. 
Am  23.  September  1637  schreibt  nämlich  der  Pfalzgraf 
dem  Hennio  folgenden  Brief,  der  in  deutscher  Uebersetzung 
so  lautet:  ^Da  ich  vernommen  habe,  dass  Ihr  in  Eurem 
Hause  zwei  Knaben  habt,  denen  Ihr  die  Musik  lehrt,  so 
haben  Wir  Euch  hiermit  bedeuten  wollen,  dass,  sobald 
sie  zum  Dienst  für  unsere  Kapelle  fähig  sein  werden, 
Wir  jedem  derselben  hundert  Pattaconi  (etwa  600  Mark) 


Theater  und  Musik.  387 

zahlen  werden."  Hennio  sendet  ihm  den  emen  der  Knaben 
schon  mit  dem  nächsten  Briefe. 

Egidio  Hennio  spielt  um  diese  Zeit  eine  ganz  her- 
vorragende Rolle  in  dem  Musikleben  Düsseldorfs,  da  er 
nach  einer  Urkunde  vom  12.  April  1638  zum  Superintendenten 
über  die  Hofkapelle  ernannt  wurde.  Diese  lateinische 
Urkunde  lautet  in  der  Uebersetzung  folgendermassen  : 
^Wir  von  Gottes  Gnaden  Wolfgang  Wilhelm,  Pfalzgraf* 
des  Rheins,  Herzog  von  Baiern,  Jülich,  Cleve  und  Berg 
u.  s.  w.  thun  Allen  kund  und  zu  wissen,  dass  wir  in 
Anerkennung  seiner  ausgezeichneten  Pflichttreue  und 
Anhänglichkeit  an  Uns,  sowie  seiner  hervorragenden 
Geistesgaben  und  Kenntnisse  sowohl  in  geistlichen  An- 
gelegenheiten, als  auch  besonders  in  der  Musik,  den  Egidio 
Hennio,  Canonicus  und  Cantor  an  der  St.  Johanniskirche 
zu  Lüttich,  in  Unsern  Dienst  genommen  und  ihm  die 
Oberaufsicht  über  unsere  Musik  übertragen  haben,  so  dass 
er  auf  besondere  Aufforderung  hier  zu  erscheinen  hat, 
oder  auch  ohne  eine  solche  Aufforderung,  falls  Zeit  und 
Müsse  es  ihm  gestattet,  hier  sich  ganz  niederlassen  darf. 
Als  Besoldung  für  seine  zu  leistenden  Dienste  haben  Wir 
verfügt,  dass  dem  benannten  Hennio  jährlich  100  Gold- 
gulden ausbezahlt  werden. '^ 

Der  nun  folgende  Briefwechsel  zwischen  Beiden,  welcher 
sich  bis  zum  Jahre  1650  ununterbrochen  fortzieht,  ist 
hochinteressant,  nicht  nur  wegen  der  Aufschlüsse  über 
Düsseldorfer  Kunstverhältnisse,  sondern  auch  besonders 
wegen  der  culturhistorischen  Bilder,  welche  derselbe  vor 
unsern  Augen  enthüllt,  und  es  ist  zu  bedauern,  dass  hier 
nicht  der  Ort  ist,  denselben  ganz  mitzutheilen.  In  einem 
Briefe  vom  7.  Mai  1644  entschuldigt  sich  der  Pfalzgraf, 
dass  er  nicht  im  Stande  gewesen  sei,  dem  Hennio  den 
fälligen  Gehalt  auszuzahlen,  da  durch  die  Stürme  des 
noch  immer  tobenden  Krieges  seine  Einkünfte  so  zu- 
sammengeschrumpft seien,  dass,  wenn  Gott  nicht  bald  helfe, 
er  gezwungen  sein  werde,  seine  Ausgaben  auf  das  Aller- 
nothwendigste  zu  beschränken.  Hennio  erwidert  in  einem 
ausführlichen  Briefe,  er  habe  nicht  nur  überhaupt  noch 
kein  Gehalt  ausbezahlt  erhalten,  sondern  auch  nicht  ein- 
mal die  Unkosten  für  Reisen,  Abschreiben  von  Noten, 
Unterricht  und  Kost  zweier  Knaben  für  die  Hofkapelle 
u.  s.  w.  seien  ihm  ersetzt  worden.  Wolfgang  Wilhelm 
weist  nun  seinen  Zollpächter  Haen  zu  Urmond  an  der 
Maass  an,  dem  Hennio  aus  den  Zöllen  den  rückständigen 
Betrag  auszuzahlen.  Erst  nach  vielen  Aufforderungen  und 
Drohbriefen  kann  derselbe  bewogen  werden,  für  den 
verlangten  Zweck  Geld  herzugeben. 

25* 


388  Theater  und  Mtisik. 

Egidio  Hennio  stammt  aus  der  Schule  des  grossen 
Palestrina;  seine  Werke,  von  denen  mehrere  auch  im 
Druck  erschienen,  gehören  fast  ausschliesslich  dem  Ge- 
biete der  Kirchenmusik  an.  Regelmässig  pflegte  er  zu 
den  hohen  Festen  passende  Compositionen  dem  Pfalz- 
grafen zu  senden,  der  dieselben  dann  durch  seine  Sänger 
und  Musiker  zu  Gehör  bringen  Hess.  Leider  sind  dem 
Verfasser  von  allen  seinen  Werken  keine  zu  Gesicht  ge- 
kommen, doch  dürften  sich  in  Lüttich  noch  viele  seiner 
Werke  handschriftlich  erhalten  haben.  Theils  um  eine 
Idee  von  der  Fruchtbarkeit  dieses  Meisters  zu  geben, 
theils  um  zu  zeigen,  welcher  Art  die  Musik  war,  welche 
um  diese  Zeit  hier  in  Düsseldorf  cultivirt  wurde,  mag 
hier  eine  Liste  von  Compositionen  folgen,  welche  Egidio 
Hennio  in  den  Jahren  von  1638  bis  1646  dem  Pfalzgrafen 
zur  Aufführung  gesandt  hat:  1.  Missae  quatuor  solennes 
octo  vocum  stylo  hilari  ac  pleno;  Antverpiae  impressae. 
2.  Missa  k  8,  sei  voci  6  doi  Violini.  3.  Missa  ä  5  cum 
Trombonis.  4.  Missa  ä  8  da  Cacciatori.  5.  Missa  k  b  i 
doi  Violini ;  tertii  toni.  6.  Missa  ä  6  voci  6  sei  instrumenti. 
7.  Missa  ä  6  voci  pro  defunctis.  8.  Jubilate  deo  ä  12  voci. 
9.  Ut  primum  tribularis  k  8  voci  con  doi  Violini.  10.  Laudate 
dominum  in  sanctis  k  8  voci.  11.  Gaudeamus  k  8  voci. 
12.  Cantabo  Altissimo  k  12  voci.  13.  Venite  exultemus 
domino  k  8  voci.  14.  Inviolata  intacta  k  7  voci.  15.  Angelus 
domini  k  10  voci.  16)  0  quam  tu  pulchra  es  Hierusalem 
k  7  con  2  Violini.  17.  Laudemus  dominum  ä  6, 3  voci  B.  T.  A., 
2  Violini  fe  un  Fagotte.  18.  0  caelestis  amor  k  5  voci. 
19.  Ferte  ä  7  in  Nativitate  domini.  20.  Dulcis  Jesu  et 
amande  domini  k  5  voci.  21.  0  me  miserum  dolentem 
a  10.  22.  In  deo  inbilemus  omnes  k  10  voci,  2  Violini. 
23.  Anima  mea  caelum  dum  admiraris  k  sei.  24.  Quam 
dilecta  tabernacula  tua  &  6;  4  voci  -6  2  Violini.  25.  Cuius 
Deus  pater  est  k  5.  26.  Qui  Mariam  adamatis  ä  4;  2  Violini, 
2  Canti.  27.  0  sponse  mi,  ö  lilium  k  3.  28.  0  bone  Jesu 
ö  dulcedo  k  3.  29.  Parvum  quando  cerno  deum  a  3. 
30.  Virgo  decora  sole  convertita  k  3.  31.  Tota  pulchra 
es  ä  2.  32.  Fulcite  me  floribus  k  2  tenori.  33.  Jesu  mi 
tu  amor  es  k  2.  34.  Quaesivi  te  mi  Jesu  k  2.  35.  Silens 
taces  verbum  parens  k  2.  36.  Tenelle  mi,  ocella  mi  ä  2. 
37.  In  lectulo  meo  k  2.   38.  Ignis  aeterne  qui  semper  k  2. 

Aus  der  nächstfolgenden  Zeit  fliessen  die  Nachrichten 
wieder  spärlicher,  doch  geht  aus  einer  Notiz  bei  Clarendon, 
Histoire  de  la  rebellion  d'Angleterre,  vol.  VI,  p.  316  der 
französischen  Ausgabe  {k  la  Haye  1709)  deutlich  hervor, 
dass  auch  der  Nachfolger  Wolfgang  Wilhelms  die  Kunst 
schützte  und  förderte.   Im  October  1654  nämlich  stattete 


Theater  und  Musik.  889 

der  vertriebene  König  Karl  II.  von  England,  der  damals 
in  Köln  lebte,  dem  Pfalzgrafen  Philipp  Wilhelm  einen 
Besuch  in  Düsseldorf  ab  und  wurde  von  diesem  auf  das 
freigebigste  aufgenommen  und  bewirthet.  Bei  der  Schil- 
derung dieses  Besuchs  bemerkt  Clarendon  (der  Kanzler 
des  Königs,  der  seinen  Herrn  in  die  Verbannung  begleitet 
hatte):  „Les  repas  furent  tr6s-longs  selon  Tusage  de  TAUe- 
magne,  avec  des  musiques  diflförentes  de  voix  et  d'instrumens : 
et  si  elles  n'6toient  pas  excellentes,  du  moins  elles  ^toient 
nouvelles,  le  roi  n'ayant  pas  accoutum6  d'en  entendre  de 
semblables." 

In  das  17.  Jahrhundert  fällt  auch  die  erste  Ausbildung 
und  Vollendung  der  italienischen  Oper,  welche  sich  durch 
die  Gunst  der  Höfe  bald  Eingang  in  Deutschland  ver- 
schaffte: in  Dasseldorf  wurde  dieselbe  verhältnissmässig 
schon  sehr  früh,  nämlich  1687  von  Karl  Philipp  eingeführt. 
Dieser   Fürst   setzte    sich  im  Sommer  dieses  Jahres   in 
brieflichen  Verkejir   mit   dem   am   Hofe   zu   Heidelberg 
lebenden  Componisten  Sebastiane  Moratelli,  ein  um  diese 
Zeit  an  den  deutschen  Höfen  sehr  beliebter  Musiker,  um 
mit  ihm  die  Aufführung  von  neuen   Opern,  welche  der- 
selbe  componirt  hatte,    in's   Werk    zu    setzen.     Ausser 
mehreren  Briefen   aus  den  Sommermonaten  des  Jahres 
1687   ist  uns  noch  der  Plan  einer  Oper  handschriftlich 
erhalten,  welche  ihren  Stoff  aus  der  Odyssee  entlehnt  hat. 
Im   folgenden  Jahre  wurde  ein  zur  Feier  der  Hochzeit 
Karl  Philipps  mit  der  Fürstin  Ludovica  Charlotte  Radzivill 
von   Moratelli   componirtes   Musikdrama,    die   Dido,   vor 
einer   glänzenden  Versammlung   in   Scene   gesetzt;   das 
italienische  Textbuch  erschien  im  October  1688  bei  Giorgio 
Maria  Rapparini  in  Düsseldorf.     Ob  sich  die  italienische 
Oper  am  Hofe  zu  Düsseldorf  längere  Zeit  erhalten   hat, 
darüber  schweigen   die  Nachrichten,   doch   scheint   dies 
unzweifelhaft   der  Fall   gewesen   zu  sein.    So   berichtet 
uns  Brosius  „Geschichte  der  Herzöge  von  Jülich,  Cleve 
und   Berg"    Folgendes:    Am    25.   Mai    1660    wurde   dem 
Herzoge  Philipp  Wilhelm  ein  Prinz  Ludwig  Anton   zu 
Düsseldorf    geboren.     Bei    seiner   Taufe    fanden   grosse 
Lustbarkeiten,  Musik  von  Blas-  und  anderen  Instrumenten, 
Bä.Ue  und  Feuerwerk  statt.    Zehn  Pferde,   welche  zwei 
Jahre  dazu  unterrichtet  worden  waren,  führten  nach  dem 
Schalle    der   Trompeten    Tänze    aus;    dieses   Schauspiel 
hatte  eine  Menge  Kölner  nach  Düsseldorf  gezogen  (vgl. 
Brosius  p.  168).  —  Als  am  19.  Juni  1697  Johann  Gaston, 
Grossherzog  von  Etrurien,  der  die  Wittwe  des  Pfolzgrafen 
Philipp  Wilhelm  zur  Ehe  genommen  hatte,  nach  Düssel- 
dorf kam,  ging  der  Jülich-  und  Bergische  Adel  und  die 


390  Theater  und  MuM. 

vornehmsten   aus   der  Ritterschaft  demselben   entgegen, 
und  unter  Kanonendonner  und  Glockengeläute  zog  der- 
selbe  in   die   Stadt   ein.     Am   2.  Juli  fand  eine  grosse 
Hochzeit  statt,  wobei  allerlei    öffentliche  Lustbarkeiten 
gehalten  und  Theaterstücke  (ludi  theatrales)  aufgefohrt 
wurden,   welche  das  Publicum  so  entzückten,  dass  die 
Musik  von  Orpheus  und  der  Amphione  selbst  eingerichtet 
zu  sein  schien.   Der  erste  Adel  führte  auf  der  Rennbahn 
Reiterspiele  auf,  kurz,  sagt  Brosius,  es  fehlte  nichts,  was 
die  Augen,  die  Ohren  und  den  Gaumen  weidete  (p.  208). 
—  Von  ähnlichen  Festlichkeiten   berichtet  der  Chronist 
p.  214,  als  am  16.  Sept.  1703  der  König  Karl  von  Spanien 
nach  Düsseldorf  kam.   So  erzählt  uns  auch  Johanna  Balz: 
„Düsseldorf er  Musikantengeschichten,  Festgabe  zum  Nieder- 
rheinischen Musikfeste  1887^  nach  beglaubigten  Quellen, 
wie   im   Jahre   1710   LuUy's   Hauptwerk    „Les   f^tes  de 
Tamour  et  de  Bachus",  Text  von  Quinault,  mit  welchem 
der  bertlhmte  Componist  die  grosse  Oper  in  Paris  eröflhet 
hatte,   am  Hofe  aufgeführt  wurde.    Ferner  ist  noch  be- 
kannt, wie  Händel  im  Jahre  1719  auf  einer  Reise  nach 
dem  Continente,  um  hier  bedeutende  Sänger  für  seine 
italienische  Oper  in  London   zu  engagiren,   auch   nach 
Düsseldorf  kam  und  hier  den  zu  jener  Zeit  hoch  berühmten 
Baldassari  gewann.    Doch  fehlen  genauere  Nachrichten 
über   den  Verlauf  und   das  schliessliche   Schicksal   der 
italienischen  Oper  zu  Düsseldorf. 

Im  Gegensatze  zu  der  vom  Hofe  gepflegten  Oper 
begann  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  eine  mehr 
für  die  Interessen  der  grösseren  Massen  des  Bürgerstandes 
berechnete  öffentliche  Schaubühne  in  Düsseldorf  festen 
Boden  zu  gewinnen.  Die  Werkstätte,  welche  1706  dem 
Ritter  von  Grupello  erbaut  war,  um  darin  die  jetzt  auf 
dem  Markte  stehende  Reiterstatue  des  Churfürsten  Johann 
Wilhelm  zu  giessen,  war  im  Jahre  1747  bei  der  Anwesen- 
heit des  Churfürsten  Karl  Theodor  für  einige  Wochen 
zu  einem  Theater  umgestaltet  worden.  Seit  dem  Jahre 
1751  wurden  hier  regelmässig  jeden  Winter  von  einer 
fahrenden  Schauspielertruppe  öffentliche  Vorstellungen 
gegeben  und  bis  zur  Erbauung  des  neuen  Theatergebäudes 
im  Jahre  1874  hat  das  alte  Oebäude  ununterbrochen 
diesem  Zwecke  dienen  müssen.  Die  früheste  Erwähnung 
des  alten  Schauspielhauses  geschieht  am  27.  Oktober  1751, 
wo  der  Prinzipal  einer  fahrenden  sächsischen  Komödianten- 
Gesellschaft,  N.  Schuch,  die  Erlaubniss  erhält,  während 
des  folgenden  Winters  seine  Trauer-  und  Schauspiele  auf- 
führen zu  dürfen.  1753  bis  1755  führt  eine  italienische 
Gesellschaft  unter  Geovazio  Sillani  Lustspiele  auf.    Am 


Theater  und  Musik.  391 

7.  Januar  1758  petitionirt  der  Direktor  Karl  Theophilus 
Doebbelin  um  die  Ueberlassung  des  alten  Ballhauses  zur 
Aufführung  von  Komödien.  Dies  wird  ihm  auch  gestattet; 
da  sich  dieser  Saal  aber  in  einem  sehr  herunterge- 
kommenen Zustande  befindet,  auch  keinerlei  Heizvor- 
richtung  enthält,  so  wird  kurz  darauf  um  Einräumung 
des  Komödienhauses  gebeten,  in  dem  allerdings  augen- 
blicklich die  durchmarschirenden  Franzosen  (wir  befinden 
uns  in  der  Zeit  des  siebenjährigen  Krieges)  ihre  Kriegs- 
vorräthe  aufgespeichert  haben.  Doebbelin  erbietet  sich, 
dieselben  auf  eigene  Kosten  nach  dem  Ballhause  trans- 
portiren  zu  lassen.  Auch  dies  wird  ilim  erlaubt,  aber 
unter  der  Bedingung,  dass  er  kein  höheres  Entree  nehme, 
als  die  letzt  hier  gewesene  Wallrodische  Gesellschaft. 
Am  7.  September  1758  „Supplie  trfes  humblement  Pierre 
Jacques  Ribou,  directeur  d'une  troupe  de  com6diens 
frangais  qu'il  plaise  k  Votre  Excellence  (Churfürst  Karl 
Theodor)  de  vouloir  bien  lui  accorder  la  permission  de 
representer  ses  spectacles  dans  la  ville  de  Dasseldorf, 
ainsi  que  la  salle  des  dit«  spectacles  aux  charges  et 
conditions  qu'il  plaira  k  Votre  Excellence  de  lui  imposer;" 
sein  Gesuch  wird  ihm  unter  der  Bedingung  gewährt,  dass 
er  das  Komödienhaus  nächsten  Ostern  so  verlässt,  wie 
er  es  vorgefunden  hat. 

In  den  nun  folgenden  Jahren  bis  1781  scheint  das 
Theater  mehr  und  mehr  gesunken  zu  sein,  indem  Gesell- 
schaften der  niedrigsten  Art  mit  Seiltänzern,  Equilibristen, 
Pantomimen  u.  s.  w.  abwechseln.  Auch  französische 
Truppen  treten  in  diesem  Zeiträume  wiederholt  auf.  Bis- 
her war  den  Schauspielern  das  Theater,  wie  es  scheint, 
ohne  irgend  eine  feste  Abgabe  überlassen  worden;  nur 
wurde  ihnen  wiederholt  aufgegeben,  das  Gebäude  in  dem- 
selben Zustande  zu  verlassen,  wie  es  ihnen  jedesmal  über- 
geben worden  war.  Das  mochte  sich  wohl  auf  die  Dauer 
als  unpraktisch  erweisen,  und  so  wurde  denn  dem  Schau- 
spieldirektor Arn.  Heinr.  Porsch,  welcher  zum  ersten  Male 
1767  Düsseldorf  mit  seiner  Truppe  besuchte,  das  Schau- 
spielhaus nur  unter  der  Bedingung  überlassen,  dass  er 
von  jeder  Vorstellung  einen  Dukaten  an  die  Brüchten- 
Kasse  bezahlen  sollte;  diese  Abgabe  wurde  für  die  Zu- 
kunft zur  feststehenden  Bedingung  gemacht.  Trotzdem 
kam  das  Theatergebäude,  da  es  noch  an  jeder  besonderen 
kompetenten  Aufsichtsbehörde  fehlte,  allmählich  immer 
mehr  in  Verfall,  Diese  beiden  Umstände,  die  verhältniss- 
mässig  hohe  Abgabe  und  der  elende  Zustand  des  Ge- 
bäudes mochten  erdrückend  für  die  Schauspieluntemehmer 
wirken,  so  dass  sich  schliesslich  keine  einigermassen  an- 


392  Theatei'  und  Musik. 

Ständige  Gesellschaft  mehr  nach  Düsseldorf  wagte.  Wie 
schlimm  es  um  diese  Zeit  mit  dem  Theaterwesen  gestanden 
liaben  muss,  geht  am  Deutlichsten  aus  der  folgenden 
Cabinets -Verfügung  Karl  Theodors  vom  28.  März  1775 
hervor:  „Nachdeme  Wir  die  dem  Directorn  Teutscher 
Schauspieler  Josephi  gütigst  ertheilte  Concession  weg 
verschiedenen  unanständig  aufgeführten  Piecen  einzuziehen 
gütigst  bewogen  worden  (und)  anbey  gütigst  wollen,  dass 
demselben  weitere  aufführung  deren  Comoedien  dahier 
und  in  samtlichen  hiesigen  Landen  für  beständig  ver- 
botten  seyn  solle :  Als  befehlen  euch  gütigst,  gen.  Josephi 
die  fernere  aufführung  der  Comoedien  angesicht  dieses 
zu  untersagen,  und  dass  dieses  geschehen,  mit  Bemerkung 
obiger  Ursach  an  hiesigen  Comoedien  Hauss  so  fort 
aflflgiren  lassen  sollet." 

Trotz  dieses  Verbotes  finden  wir  in  den  nächsten 
Jahren  die  Josephische  Truppe  wieder  in  Düsseldorf: 
ausser  ihr  traten  noch  andere  Gesellschaften  auf,  welche 
aber  kaum  besser  gewesen  zu  sein  scheinen,  so  dass  das 
Theater  von  dem  besseren  Theile  der  Bürgerschaft  mehr 
und  mehr  vernachlässigt  wurde.  Hülfe  war  dringend 
nothwendig,  wenn  nicht  das  Theater  ein  Schandfleck  für 
Düsseldorf  bleiben  sollte.  Einsichtsvolle  Bürger  wandten 
sich  deshalb  mit  einem  Gesuche,  in  dem  die  traurigen 
Theater  Verhältnisse,  welche  besonders  durch  den  Zustand 
des  Thalientempels  verschuldet  zu  sein  schienen,  geschildert 
wurden,  an  den  residirenden  Pfaizgrafen  Karl  Theodor  mit 
der  Bitte  um  Abhülfe.  Dieser  kunstliebende  Fürst  erliess 
nun  in  Folge  dessen  am  9.  Oktober  1781  die  wichtige 
Verfügung,  dass  das  Theaterwesen  in  Zukunft  dem  Polizei- 
Commissar  von  Neorberg  unterstellt  werden  sollte;  das 
Gebäude  selbst  wurde  einer  gründlichen  Reparatur  unter- 
zogen, neue  Decorationen  wurden  aus  der  Privatschatulle 
des  Pfalzgrafen  angeschafft  und  den  Direktoren  einige 
Erleichterung  gewährt.  Die  Abgaben  aber  wurden  auf 
neun  Gulden  für  jede  Vorstellung  erhöht,  von  denen  sechs 
für  die  Unterhaltung  des  Theaters  und  drei  für  die  Armen- 
kasse verwendet  werden  sollten.  Da  jedoch  die  Directoren 
häufig  nicht  im  Stande  waren,  diese  hohe  Abgabe  zu  er- 
schwingen, so  musste  ihnen  dieselbe  oft  theilweise  oder 
ganz  erlassen  werden.  Trotz  dieser  Nachsicht  gelang 
es  nicht,  bessere  Gesellschaften  auf  eine  längere  Zeit  an 
Düsseldorf  zu  fesseln.  Um  die  Art  der  Vorstellungen  zu 
illustriren,  welche  um  diese  Zeit  in  Düsseldorf  ziu*  Auf- 
führung gelangten,  mögen  folgende  Theaterzettel  aus  den 
achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunders,  welche  uns 
zufällig   erhalten   sind,    hier   einen  Platz   finden:   „Am 


Theater  und  Musik.  393 

Mittwoch  den  19.  dieses  Monats  Februar  (1783)  wird  die 
allhiesige  Schauspieler-Gesellschaft  zum  Besten  und  Wohl 
hiesiger  betrangten  Stadt-Armen  das  Trauerspiel  Hamlet 
aufführen :  Abonnement  suspendu.    Nur  ein  Hamlet  kann 
den  Zuschauer  erstarrend  machen,  sein  Herz  in  die  Presse 
nehmen  und  alle  seine  Sinne  mit  der  Ewigkeit  bekannt 
machen.    Dieses  Trauerspiel  ist  eine  wahre  schreckliche 
Geschichte    Dännemarks,    und    enthalt   schaudernd    das 
Widervergeltungsrecht :  der  Geist  eines  ermordeten  Königs 
kommt  aus  seinem   unterirdischen  Behältniss,   erscheint 
um  Mitternacht,  ob  dem  verabscheuungswürdigen  Buben- 
stück seines  Oheims,   entdeckt  ihm   die   frefelhafte  Er- 
mordung.   Hamlet,  von  Wuth,  Rache  und  Wehe  durch- 
drungen, stürzt  wüthend  auf  seinen  meuchelmörderischen 
Oheim,   durchbohrt  ihm,  rächet  den  Tod  seines  Vatters 
und  besteigt  seinen  rechtmässigen  Thron  (sie !).   Wo  hatte 
es  noch  einen  Menschen  gegeben,  der  nicht  gern  Hamlet 
gesehen,  bewundert,  ihm  seinen  Besuch  und  Beyfall  ge- 
schenket hatte.''    Es  handelt  sich  hier  um  eine  sogenannte 
Armen  Vorstellung,    da   den    Direktoren    häufig   gestattet 
wurde,   anstatt  drei  Gulden   für  jede  Vorstellung  an  die 
Armenkasse  zu  entrichten,  im  Verlaufe  der  Saison  zwei 
Vorstellungen  zu  geben,  deren  Ertrag  ganz  den  Armen 
zu  Gute  kommen  sollte ;  die  naive,  etwas  marktschreierische 
Reclame   kommt   also   in   diesem   Falle   den  Armen   zu 
Gute.    Bezeichnend  genug  ist  auch  folgender  Zettel  aus 
dem  Jahre  1784:  „Mit  gnädigster  Erlaubniss  werden  die 
hier     anwesende     bekannte    Italiänische    Virtuosen,    in 
hiesigem  Churfürstlichem  Comedienhauss  heute  Sonntag 
den    19.  December   1784   aufzuführen   die   Ehre   haben: 
eine  hier  noch  nie  gesehene  Opera  BuflTa  in  zwei  Auf- 
zügen, betittelt:  der  Hypochondrist,  verzweifelt  über  die 
Doctoren,  wird  hernach  aus  Räch  ein  französischer  Pferde- 
arzt.   Die  Musik  ist  von  Herrn  Sarti,  Kapellmeister  von 
der  Kaiserin  von  Russland.  Das  Leggeld :  auf  der  Gallerie, 
der  gewesenen  Charfürstlichen  Loge,   und  dem  Parquett 
zahlt   die  Persohn   30  Stüber,   auf  der  zweiten  Gallerie 
20  Stüber,  auf  dem  Parterre  10  Stüber,  auf  dem  letzten 
Platz  5  Stüber  (1  Stüber  ist  etwa  5  Pfennig).« 

In  der  darauf  folgenden  Periode  der  französischen 
Revolution  wurde  das  Theatergebäude  von  durchziehenden 
Truppen,  welche  wiederholt  in  dasselbe  einquartirt  wurden, 
arg  beschädigt.  Die  Wittwe  Böhm,  welche  schon  früher 
Vorstellungen  in  Düsseldorf  gegeben  hatte,  erhält  am 
8.  August  1798  die  Erlaubniss  zur  freien  Benutzung 
des  Theaters  für  den  folgenden  Winter  unter  der  Be- 
dingung^  dass   sie   das   von    den   Franzosen  verwüstete 


394  Theater  und  Musik. 

Schauspielhaus  auf  ihre  eigenen  Kosten  Avieder  in  den 
Stand  setzt. 

Düsseldorf  war  im  letzten  Jahrzehnt  des  vorigen 
Jahrhunderts  der  Sammelplatz  von  französischen  Flücht- 
lingen, unter  denen  sich  auch  viele  hervorragende  Männer 
befanden,  so  dass  sich  hier  bald  ein  reges  geistiges  und 
gesellschaftliches  Leben  entwickelte.  Bemerkenswerth  ist 
noch  aus  dieser  Zeit,  dass  am  Karoli-Tag  1794  von  der 
Gesellschaft  des  Schauspieldirectors  Hunnius  hier  zum 
ersten  Male  Mozarts  Zauberflöte  zur  Aufführung  gebracht 
wurde. 

Am  25.  Februar  1806  nahm  Napoleon  für  seinen 
Schwager  Mürat  Besitz  vom  Herzogthum  Berg;  dass  die 
Fremdherrschaft  äusserst  deprimirend  auf  ein  deutsches 
Theater  wirken  musste,  ist  selbstverständlich ;  wie  völlig 
bar  man  aber  damals  noch  jedes  Nationalbewusstseins 
war,  zeigt  sich  in  einem  besonders  grellen  Lichte  aut 
dem  Theater  zu  Düsseldorf.  Man  benutzte  hier  die  Bühne 
dazu,  den  gefährlichsten  Feind  deutscher  Sitte  und  Cultur, 
den  Kaiser  Napoleon  den  Ersten,  zu  vergöttern.  Wie 
schamlos  man  dabei  zu  Werke  ging,  möge  uns  folgende 
kurze  Inhaltsangabe  eines  Prologs  zur  Feier  des  St.  Na- 
poleon-Tages, aufgeführt  auf  dem  bergischen  National- 
Theater  zu  Düsseldorf  den  15.  August  1806,  vorführen: 
Die  Scene  ist  eine  ländliche  Gegend.  Landleute,  festlich 
geschmückt,  bringen  einen  Lorbeerbaum,  verziert  mit 
Bändern  und  Kränzen,  und  setzen  ihn  in  die  Mitte  der 
Bühne.  Ein  Greis  hält  eine  schwungvolle  Lobrede  auf 
Napoleon;  eine  feierliche  Musik  ertönt  —  Minerva  lilsst 
aus  den  Wolken  sich  herab  —  die  Landleute  drängen 
sich  ehrfurchtsvoll  zu  beiden  Seiten  der  Scene  und  fallen 
auf  die  Kniee.  Minerva  preist  Napoleon  als  den  grössten 
Sohn  der  Zeiten,  der  Götter  Liebling,  der  Menschheit 
Schirm  und  Stolz  u.  s.  w.  Darauf  erhebt  sich  die  Göttin 
in  die  Wolken.  Unter  einer  sanften  Harmonie  verwandelt 
sich  die  Scene  in  den  strahlenden  Tempel  des  Nachruhms. 
Napoleons  Brustbild,  colossal,  über  demselben  ein  Stern 
in  einem  Oval,  von  Lorbeerzweigen  umgeben,  ruht  auf 
den  Schultern  der  Europa,  die  ihren  Arm  über  die  alte 
Hemisphäre  ausstreckt.  Es  folgt  ein  Quartett  der  Priester, 
dann  wieder  eine  Lobrede  des  Greises ;  unter  den  Klängen 
einer  jubelnden  Musik  erscheint  schliesslich  der  Genius 
des  Friedens.  Das  Ganze  endet  mit  einem  Recitativ  und 
Schlusschor.  —  Nun,  für  diese  Kriecherei  machten  sich 
die  hier  anwesenden  Franzosen  auch  weidlich  lustig  über 
die  Düsseldorfer  Bühne,   die  ihnen  zur  Zielscheibe  ihres 


Theater  und  Musik.  395 

Witzes  diente;  iii  einer  Flugschrift  „S6ance  au  Parnasse 
sur  le  Th6atre  de  Dusseldorf"  wird  dieselbe  auf  das 
schärfste  gegeisselt.  — 

Mit  der  Besitzergreifung  Preussens  beginnt  eine  neue 
Periode    für   das   Düsseldorfer   Theater,    da   laut   einer 
Schenkungs- Urkunde   vom  11.  April  1818  das  Theater- 
gebäude  in  den  Besitz  der  Stadt  überging.    Seit  der  Er- 
hebung Deutschlands  gegen  die  fremde  Gewaltherrschaft 
begann  überall  ein  neues,  frisches  Leben  emporzublühen. 
Dieser  frische  Hauch  machte  sich  besonders  in  Düsseldorf 
fühlbar,  welches  bald  der  Sammelplatz  von  bedeutenden 
Männern  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  und  Literatur  wurde. 
Aus  den  Kreisen  der  wohlhabenden  Kaufleute  hatte  sich 
schnell  ein  Theater-Actionär- Verein  gebildet,  der  es  sich 
zur  Aufgabe  machte,  das  Theatergebäude  im  baulichen 
Zustande  zu  erhalten,  sowie  für  die  Garderobe  und  die 
sonstigen  Requisiten  die  Mittel  zu  beschaffen.  Bald  tauchte 
auch  der  Plan  auf,  ein  neues  Theatergebäude  zu  errichten. 
Schon  im  Jahre  1812  hatte  der  Baurath  v.  Vagedes  einen 
Plan  im  grossen  Stile  entworfen,  welcher  für  eine  Ein 
wohnerzahl  von  40000  Seelen  berechnet  war  (Düsseldorf 
zählte  fünf  Jahre  später,  im  Jahre  1817,  nur  etwas  über 
15500  Bewohner).     Für   dieses  Theater  war  ein  freier 
und  geräumiger  Platz   an   der  Ostseite  der  Alleestrasse 
gewählt  worden ;  die  Ungunst  der  Zeiten  verhinderte  die 
Ausführung.  Auf  Wunsch  des  Präsidenten,  Herrn  v.  Pestel, 
verfertigte  v.  Vagedes  darauf  im  Mai  1817  einen  neuen 
Plan,  der  auf  der  Stelle  des  alten  Theaters  am  Markt 
zur  Ausführung  kommen  sollte.    Man  begann  schon,  auf 
das  alte  Theater  und  das  daranstossende  Gebäude  des 
Appellationshofes  (die  alte  Kanzlei)  als  Hypothek  gestützt, 
den  Baufonds  vermittelst  Actien  zu  sammeln.  Auf  Wunsch 
der  Actionäre  wurde  aber  der  bedeutende  Architect  Wein- 
brenner aus  Karlsruhe,  welcher  sich  eines  grossen  Rufes 
im  Theaterbauwesen  erfreute,  nach  Düsseldorf  berufen, 
um  hier  an  Ort  und  Stelle  einen  neuen  Plan  zu  entwerfen. 
Beide  Pläne  wurden  sodann  der  Königl.  Regierung  zur 
Begutachtung  vorgelegt,  von  dieser  jedoch  als  unpractisch 
verworfen.    Man   wandte   sich   nun  an   den   berühmten 
Oberbaurath  Schinkel  in  Berlin,  welcher  einen  dritten 
Plan  entwarf;  die  Ausführung   dieses  Planes  erforderte 
aber  bedeutend  mehr  Mittel,  als  man  vorgesehen  hatte. 
Trotzdem  sollte  der  Bau  schon  im  Jahre  1822  beginnen, 
als  plötzlich  das  ganze  Unternehmen  wieder  in 's  Stocken 
gerieth.  Nach  jahrelangem  unerquicklichem  Kampfe  wurde 
das,  was  die  Einsichtsvolleren  wollten,  der  Neubau,  ver- 
worfen und  aus  missverstandener  Sparsamkeit  die  Bei- 


396  Theater  und  Musik. 

behaltung  des  alten  Rumpfes  nur  mit  neuer  Ausschmtlckung 
beschlossen. 

Sehr  launig  schildert  uns  Immermann  in  seinen 
Maskengesprächen  (Deutsche  Pandora  III,  Stuttg.  1840 
p.  61)  den  Zustand  des  alten  Theaters  bei  seiner  Ankunft 
in  Düsseldorf  im  Frühling  des  Jahres  1827 :  „Nachmittags 
hörte  ich  in  meinem  Gasthofe,  es  sei  hier  auch  Theater. 
Der  Name  der  Gesellschaft  wurde  mir  genannt,  die,  im 
Herbst  zusammengestoppelt,  den  Winter  durch  sich  für 
das  Wohl  der  Menschheit  bemühe,  und  im  Frühling,  wenn 
die  Schwalben  kommen,  wieder  auseinander  fliege.  Der 
zweite  Gang  war  also  Abends  in's  Schauspielhaus.  Es 
war  nicht  leicht,  in  das  Allerheiligste  dieses  Tempels 
vorzudringen,  denn  Dunkel,  wie  es  sich  für  die  Avenüen 
zu  Mysterien  ziemt,  waren  die  Korridors,  denen  hin  und 
wieder  die  Bedielung  fehlte,  so  dass  man  in  dieses  und 
jenes  Loch  trat,  und  gegen  manchen  rohen  Pfosten  stiess 
man  in  der  Dunkelheit.^ 

„Ein  nichtswürdiges  Lokal  war's  in  der  That,  das 
alte  Gieshaus,  worin  sie  damals  spielten^,  fiel  der  Papagei- 
grüne ein.  „Man  wusste  gar  nicht,  was  man  im  Parterre 
unter  den  Füssen  hatte,  ob  es  noch  Bruchstücke  von 
ehemaligen  Bohlen  waren,  oder  der  reine  Müll.  Einmal 
bricht  ein  dicker  Mann  mit  seinem  Beine  durch  den 
Fussboden  seiner  Loge  durch;  eine  Dame,  die  in  dem 
Räume  darunter  sitzt,  fällt  in  Ohnmacht  vor  Schreck 
über  den  dunkeln  Körper,  der  da  so  plötzlich  vor  ihrem 
Gesichte  h&ngt,  der  arme  Mann  renkt  sich  aber  das 
Bein  aus.  Indessen  sass  sich's  doch  recht  hübsch  darin, 
und  man  war  einmal  daran  gewöhnt.  An  den  Bogen- 
brüstungen  umher  standen  auch  die  Namen  der  Theater- 
schriftsteller und  der  Komponisten  angeschrieben:  die 
Theaterschriftsteller  schwarz,  und  die  Komponisten  roth. 
Das  sah  recht  gut  aus.*' 

„Wenn  man  sie  nur  hätte  deutlicher  lesen  können  l*' 
rief  der  schwarze  Domino  (knmermann).  „Aber,  Lieber, 
der  Kronleuchter  verbreitete  doch  ein  gar  zu  zartes 
Dämmerlicht.  —  Sie  gaben  an  jenem  Abende  ein  Stück, 
ich  weiss  nicht  mehr  welches.  Darauf  folgte  eine  Merk- 
würdigkeit. Ein  Gastwirth  aus  der  Nähe,  der  sich  be- 
wusst  war,  dass  die  Ader  des  Schönen  in  ihm  rinne, 
deklamirte  den  Ausbruch  der  Verzweiflung  von  Kotzebue.** 

Endlich  wurde  im  Jahre  1832  diesem  traurigen  Zu- 
stande des  Theatergebäudes  ein  Ende  gemacht,  indem 
am  1.  Juni  dieses  Jahres  20000  Thaler  für  die  Wieder- 
hei*stellung  von  der  Stadtverordneten-Versanunlung  be- 
willigt wurden.    Man  überzog  die  Sitzlehnen  mit  rothem 


Theater  und  Musik.  897 

Tuch,  versah  Gallerie  und  Decke  mit  zierlichem  Anstrich, 
verbesserte  die  Beleuchtung  und  pflanzte,  um  durch 
äusseres  Ansehen  den  Thalientempel  zu  rechtfertigen, 
einen  Porticus  (6  Fuss  weit)  aus  vier  jonischen  Säulen 
mit  Frontispiz  vor  den  Giebel. 

Ehe  wir  uns  der  Glanzperiode  des  Dtlsseldorfer 
Theaters  unter  Immermanns  Leitung  zuwenden,  haben 
wir  uns  noch  kurz  mit  dem  Manne  zu  beschäftigen,  der 
es  zum  ersten  Male  verstand,  durch  eine  lange  Reihe 
von  Jahren  hindurch  eine  feste  Schauspielersruppe  zu- 
sammenzuhalten und  das  Düsseldorfer  Theateruntemehmen 
auf  eine  sichere  pekuniäre  Grundlage  zu  stellen.  Es  ist 
dies  der  Direktor  Derossi,  welcher  mit  Ausnahme  der 
Jahre  1834 — :J7,  wo  Immer  mann  die  Leitung  des  Theaters 
übernommen  hatte,  vom  Jahre  1817 — 1840  Pächter  und 
Direktor  des  hiesigen  Theaters  war  und  mit  geschäfts- 
kundiger Hand  die  vielen  Schwierigkeiten,  an  denen  seine 
Vorgänger  meist  gescheitert  waren,  zu  überwinden  ver- 
stand. Schon  seit  dem  Jahre  1814  war  er  an  der  Düssel- 
dorfer Bühne  als  Schauspieler  und  Regisseur  unter  seiner 
Vorgängerin,  der  Madame  Caroline  Müller  thätg  gewesen, 
welche  um  diese  Zeit  regelmässig  mit  ihrer  Truppe 
während  der  Wintermonate  Düsseldorf  besuchte  und  das 
Publikum  gewöhnlich  wöchentlich  drei  Mal  mit  theatra- 
lischen Vorstellungen  unterhielt;  er  kannte  also  bei  der 
Uebernahme  der  Direktion  die  Schwierigkeiten,  welche 
gerade  Düsseldorf  einem  solchen  Unternehmen  bot.  Denn 
während  auf  der  einen  Seite  möglichst  hohe  künstlerische 
Anforderungen  an  ihn  gestellt  wurden,  hatte  er  anderer- 
seits auf  keine  pekuniäre  Unterstützung  von  Seiten  der 
Stadt  zu  hoffen.  Die  Abgaben,  welche  die  Direktoren 
als  Miethe  an  den  Theater-Baufonds,  sowie  an  die  Armen- 
verwaltung zu  entrichten  hatten,  waren  von  jeher  äusserst 
diilckend  für  dieselben  gewesen.  Die  Armenabgabe 
wurde  auf  verschiedene  Weise  erhoben,  indem  bald  von 
jeder  Vorstellung  ein  bestimmter  Betrag,  um  diese  Zeit 
meist  zwischen  2  und  3  Thalern  schwankend,  entrichtet 
werden  musste,  bald  die  Bestimmung  getroffen  wurde, 
dass  während  jeder  Saison  zwei  Armenvorstellungen  ge 
geben  werden  sollten ;  zu  anderen  Zeiten  wurden  5%  von 
der  Brutto-Einnahme  jeder  Vorstellung  für  diesen  Zweck 
erhoben;  dazu  kam  die  Theatermiethe,  welche  nach  der 
Restauration  des  Gebäudes  im  Jahre  1832  von  2V2  Thaler 
auf  das  Doppelte  erhöht  wurde.  Da  dem  Direktor  ausser- 
dem, wie  schon  oben  erwähnt,  keine  pekuniären  Er- 
leichterungen von  Seiten  der  Stadt  zu  Theil  wurden,  so 
ist    es    wenigstens    theilweise    zu    entschuldigen,    wenn 


398  Theater  und  MumOc 

Derossi  bei  seinem  Unternehmen  sich  ganz  nach  dem 
Geschmacke  des  gewöhnlichen  Theaterbesuchers  richtete, 
da  irgend  welche  höhere,  ideale  Bestrebungen  sicher  seinen 
pekuniären  Ruin  herbeigeführt  haben  würden.  Um  seine 
Truppe  während  des  ganzen  Jahres  zusammen  halten  zu 
können,  war  er  genöthigt,  besonder  während  der  Sommer- 
monate abwechselnd  in  Elberfeld  und  Crefeld  Vor- 
stellungen zu  geben,  welche  auch  dazu  dienten,  ein  etwa 
vorkommendes  Defizit  des  Düsseldorfer  Unternehmens 
wieder  auszugleichen. 

Dem  Geschmacke  des  gebildeten  Publikums,  welches 
wie  tiberall,  so  auch  in  Düsseldorf  die  verschwindende 
Minderheit  bildete,  konnten  seine  Leistungen  keineswegs 
genügen;  der  Mangel  eines  tüchtigen  Theaters  machte 
sich  gegen  das  Ende  der  zwanziger  Jahre  immer  mehr 
fühlbar.  Als  Wilhelm  Schade w  im  Jahre  1826  an  Cornelius 
Stelle  die  Leitung  der  Kunstakademie  übernahm,  wurde 
sein  Haus  bald  der  Sammelpunkt  eines  regen  geistigen 
Verkehrs,  dessen  Seele  Immermann  wurde.  Um  den 
Mangel  an  höheren  theatralischen  Kunstgenüssen  zu 
ersetzen,  hielt  dieser  während  der  folgenden  Jahre 
dramatische  Vorlesungen  im  Kreise  der  Künstler  und 
Literaten,  welche  sich  damals  in  so  bedeutender  Anzahl 
um  Schadow  zu  versammeln  begannen;  dann  räumten 
ihm  die  Maler  ein  Atelier  im  alten  Akadamiegebäude 
ein,  in  dem  er  nun  öffentlich  Vorlesungen  hielt;  dieses 
Atelier  musste  sich  vor  jeder  Vorstellung  kurzweg  in  den 
kerzenhellen  Salon  verwandeln,  dessen  graue  Wände 
freilich  mit  allerhand  Zeichnungen,  Farbenskizzen,  Kartons 
besteckt  blieben.  Immermann  selbst  sagt  in  den  oben 
erwähnten  Maskengesprächen  Folgendes  über  diese  Vor- 
lesungen :  „Die  dilettantischen  Versuche,  die  bei  Schadow^ 
angestellt,  oder  durch  ihn  herbeigeführt  wurden,  halfen 
in  dem  exclusiven  Kreise  den  Sinn  für  das  Dramatische 
erregen,  der  sich  nun  nur  um  so  ekler  von  den  Komödianten 
abwendete,  da  die  Liebhaber  dem  Bedürfniss,  wenn  auch 
keine  künstlerisch  zubereitete  Speise,  doch  etwas  natür- 
lich Geistreiches  boten.  Meine  Vorlesungen  kamen  dazu. 
Diese  neue  Art,  ein  dramatisches  Gedicht  zu  rezitiren, 
ist  von  Tiek  erfunden  und  zu  einer  Kunst  gemacht, 
Holtei  und  Andere  sind  ihm  gefolgt;  ich  schloss  mich 
gleichfalls  solcher  Richtung  an,  und  hin  und  wieder  ist 
mir  der  charakteristische  Vortrag  eines  Werkes  gelungen. 
Es  bleibt  freilich  immer  eine  Zwitterkunst,  und  der  Ge- 
schmack daran  kann  sich  nur  in  Zeiten  finden,  denen 
die  Partitur  entkommen  ist.  Die  Darstellung  nämlich  ist 
die  volle   Instrumentalmusik,    ein   gutes  Spiel   auf  dem 


Theater  und  Musik.  399 

Flügel  aber  eine  derartige  Vorlesung  —  im  glücklichsten 
Falle,  der  auch  nur  eintrifft,  wenn  Organ  und  Individualität 
des  Vorlesers  gerade  besonders  zum  Gredichte  passen. 
Eine  Klippe  des  Gelingens  sind  fast  immer  die  weiblichen 
Rollen,  bei  deren  Vortrag  eine  gewisse  Affeetation  kaum 
zu  vermeiden  ist.  Leicht  wird  auch  die  zarte  Grenz- 
linie, welche  dieses  Genre  von  der  Action  scheidet,  über- 
sprungen. —  Iphigenie,  Blaubart,  Wallenstein,  König 
Johann,  Romeo,  Leben  ein  Traum,  standhafter  Prinz, 
Däumchen,  Hamlet,  Prinz  von  Homburg,  gestiefelter  Kater, 
König  Oedipus  und  Oedipus  in  Kolonos  wurden  während 
zweier  Winter  vorgelesen." 

Bevor  wir  uns  nun  zu  dem  künstlerisch  bedeutendsten 
Abschnitte  der  Geschichte  des  Düsseldorfer  Theaters 
wenden,  mag  es  uns  gestattet  sein,  mit  kurzen  Zügen 
den  Mann  vorzuführen,  durch  dessen  unerschöpfliche 
Thatkraft  und  liebevolle  Hingabe  an  einen  idealen  Zweck 
die  Düsseldorfer  Bühne,  wenn  auch  nur  für  eine  kurze 
Zeit,  zu  einer  Musteranstalt  von  der  höchsten  Bedeutung, 
zu  einer  Pfiegestätte  alles  wahrhaft  Schönen  und  Grossen 
geworden  ist. 

Karl  Lebrecht  Immermann  stammt  aus  einer  jener 
kernigen  preussischen  Beamtenfamilien,  in  denen  ein  fest 
ausgeprägtes  Pflichtbewusstsein  sich  mit  Gottesfurcht  und 
Anhänglichkeit  an  das  Königshaus  harmonisch  verbinden 
und  zu  einem  scharf  ausgeprägten  Ganzen  vereinigen. 
Am  24.  April  1796  zu  Magdeburg  geboren,  wo  sein  Vater 
die  Stelle  eines  Kriegs-  und  Domänenraths  inne  hatte, 
bezog  er  nach  einer  im  elterlichen  Hause  streng  über- 
wachten Jugend  die  Universität  zu  Halle,  um  dort  Jura 
zu  Studiren.  Obgleich  er  sich  schbn  seit  der  frühesten 
Jugend  zum  Dramatischen  hingezogen  fühlte,  so  war  es 
ihm  doch  erst  hier  und  in  dem  nahe  gelegenen  Bade 
Lauchstätt  vergönnt,  in  den  Darstellungen  der  Weimari- 
schen  Gesellschaft  korrekte,  kunstgemässe  Wiedergabe 
bedeutender  Werke  auf  sich  wirken  zu  lassen.  Von  dem 
Eindrucke,  den  diese  Aufführungen  auf  ihn  machten, 
zeugen  am  besten  seine  eigenen  Worte :  ^Von  Vergnügen 
war  da  nicht  die  Rede,  sondern  entzückt  war  ich  und 
verzückt.  Die  alte  Kirche,  worin  man  die  Bühne  ein- 
gerichtet hatte,  war  mir  eine  geweihte  Halle,  und  form- 
gebend für  meine  ganze  spätere  Zeit  sind  diese  Eindrücke 
gewesen." 

Die  gewaltige  Zeit  der  Befreiungskriege  war  gerade 
nicht  geeignet,  die  nöthige  Müsse  für  innere  Concentration 
und  Reflexion  zu  gewähren,  welche  nöthig  sind,  ein  noch 
im  Werden   begriffenes  Talent  der  Reife   entgegen   zu 


400  Theater  und  Musik. 

führen.  Etwa  im  Beginne  des  August  1813  ordnete  Na- 
poleon bei  einem  nächtlichen  Durchzuge  durch  Halle  die 
Schliessung  der  Universität  an.  Am  andern  Morgen 
zerstreute  sich  die  akademische  Jugend  in  alle  Winde. 
Das  Feuer  der  Begeisterung  riss  auch  Immermanu  mit 
fort  und  er  trat  als  Freiwilliger  in  das  preussische  Heer 
ein.  Ein  heftiges  Nervenfleber,  welches  ihn  noch  vor 
dem  eigenlichen  Aufbruch  seines  Regiments  ergriff,  hin- 
derte diesmal  seine  Theilnahme  an  dem  grossen  Werke 
der  nationalen  Befreiung.  Niedergeschlagen  kehrte  er 
nach  Beendigung  des  Feldzuges  zu  seinen  Studien  zurück, 
als  plötzlich  die  Nachricht  von  der  Entweichung  Napoleons 
von  Elba  und  bald  darauf  der  Aufruf  des  Königs  an  die 
Freiwilligen  eintraf.  Immermann  stellte  sich  mit  einer 
kleinen  Anzahl  von  Freunden  sofort  in  seiner  Vaterstadt. 
Die  Erinnerungen  aus  diesem  Feldzuge,  das  bunte  wechsel- 
volle Soldatenleben,  welches  nun  folgte,  sind  in  seinem 
Tagebuche,  welches  er  während  der  ersten  Wochen  des 
Feldlebens  führte,  in  den  lebhaftesten  Farben  plastisch 
dargestellt.  Er  kämpfte  bei  Belle  Alliance  mit  und  nahm 
auch  später  an  dem  Einzüge  der  Truppen  in  Paris  Theil. 
Als  Offizier  entlassen,  kehrte  Immermann  nach  Be- 
endigung des  Krieges  zu  seinen  Studien  zurück,  um  die 
selben  jetzt  mit.  Müsse  beendigen  zu  können.  Nachdem 
er  das  erste  juristische  Examen  im  Beginn  des  Jahres  1818 
bei  dem  Oberlandesgericht  in  Halberstadt  abgelegt  hatte, 
trat  er  in  den  Staatsdienst  ein.  Nach  vorübergehendem 
Aufenthalte  in  Oschersleben  und  Magdeburg  wurde  er  als 
Auditeur  für  die  Garnison  nach  Münster  versetzt,  wo  er 
im  November  des  Jahres  1819  eintraf.  Hier  lernte  er 
nach  einiger  Zeit  dte  hochgebildete  und  für  die  Poesie 
zart  empfängliche  Frau  des  aus  den  Freiheitskriegen  als 
Führer  einer  Freischaar  so  bekannt  gewordenen  Lützow 
kennen,  welcher  seit  Juli  1817  als  Brigadegeneral  der 
Garnison  in  Münster  vorstand.  Lützow  war  ein  tüchtiger 
Soldat,  aber  nichts  weniger  als  feinfühlend  oder  für 
höhere  geistige  Genüsse  empfänglich.  Das  mochte  wohl 
der  innere  Grund  sein,  weshalb  das  eheliche  Verhältniss 
immer  kälter  wurde,  da  Lützow  im  geselligen  Kreise  von 
Freunden  und  Kriegskameraden  am  Stanmitische  Zer- 
streuung suchte.  Von  dem  rohen  Wesen  ihres  Gemahls 
abgestossen,  fühlte  sie  sich  immer  mehr  zu  Immermann 
hingezogen,  dessen  Dichtungen  sie  ein  feines  Verständniss 
entgegenbrachte.  Ohne  dass  er  es  sich  zu  gestehen 
wagte,  erwachte  in  Immermann  eine  tiefe  Leidenschaft 
für  diese  Frau;  so  liess  er  sich  unbewusst  in  immer  un- 
haltbarere Zustände  treiben,  welche  seine  Versetzung  und 


Theater  und  Musik.  401 

die  bald  darauf  folgende  Ehescheidung  in  unmittelbarem 
Gefolge  hatten. 

Die  folgenden  Jahre  verlebte  Immermann  in  seiner 
Vaterstadt  Magdeburg,  wohin  ihm  auch  seine  Freundin 
unter  ihrem  elterlichen  Namen  als  Gräfin  Elisa  von 
Ahlefeld  nach  einiger  Zeit  gefolgt  war.  Jetzt  und  auch 
später  drang  er  wiederholt  in  sie,  ihm  öffentlich  am 
Altare  die  Hand  zu  reichen,  um  das  Verhältnisse  welches 
leicht  zu  öffentlichem  Aergerniss  Veranlassung  gab,  vor 
der  öffentlichen  Meinung  zu  schützen,  aber  sie  war  jetzt 
und  auch  später  nicht  dazu  zu  bewegen,  sei  es,  dass  sie 
ihre  Freiheit  nicht  durch  ein  neues  EhebQndniss  sich  ver- 
kürzen wollte,  oder  dass  in  Folge  einer  sorglosen  Er- 
ziehung die  öffentliche  Meinung  sie  gleichgültig  liess. 
Als  Immermann  nun  im  Frühling  1827  als  Landgerichts- 
rath  nach  Düsseldorf  kam,  folgte  sie  ihm  bald  nach  und 
liess  sich  auf  einem  reizenden  Landgute  in  Derendorf 
nieder,  welches  nach  seinem  früheren  Besitzer  gewöhn- 
lich EoUenbachs  Gut  genannt  wurde.  Inunermann  gab 
bald  darauf  seine  Wohnung  hinter  dem  sogenannten 
Napoleonsberge  auf  und  folgte  seiner  Freundin  nach 
Derendorf.  Hier,  an  der  nördlichen  Seite  des  Hofgartens, 
in  dem  freundlichen  im  Garten  versteckten  Hause,  haben 
die  meisten  und  besten  von  Inmiermanns  Dichtungen  das 
Licht  der  Welt  erblickt,  hier  bildete  sich  auch  bald  eine 
Versanmüungsstätte  der  hervorragendsten  Männer  Düssel- 
dorfs, welche  sich  als  Schriftsteller  oder  Künstler  in 
weiteren  Kreisen  einen  Namen  erworben  haben. 

Immermanns  bedeutendste  Leistungen  liegen  nicht 
auf  dem  dramatischen  Gebiet  der  Poesie ;  doch  hatte,  wie 
wir  gesehen  haben,  die  Bühne  schon  frühzeitig  eine  grosse 
Anziehungskraft  auf  ihn  ausgeübt,  und  seine  ersten  selbst- 
ständigen dramatischen  Versuche  fallen  schon  vor  seine 
Uebersiedelung  nach  Düsseldorf.  Hier  erhielten  seine 
Bestrebungen  im  Kreise  von  Künstlern  und  hervorragenden 
Literaten,  wie  Uechtriz  und  Schnaase,  die  kräftigste 
Förderung;  ein  neues  Leben  ging  ihm  auf:  „Aus  dumpfer 
Arbeitsstube  trat  ich  in  einen  heitern  Kreis,  dessen  Arbeit 
auf  die  Schönheit  ging,  und  hatte  selbst  Müsse ;  aus  form- 
losen Umgebungen  unter  solche,  denen  unter  den  Händen 
Alles  zur  Form  wurde,  nicht  allein  ihr  geistiges  Leben 
und  Weben,  sondern  auch  des  Alltags  Ernst,  Scherz,  der 
geringste  Einfall.  —  Ein  zweites  Studentenleben  führten 
wir  damals,  aber  kein  rüdes,  sondern  ein  phantasie volles.^ 
Nachdem  das  allgemeine  Interesse  für  die  Bühne  durch 
Vorlesungen  im  engem  und  weitern  Kreise  geweckt  und 
durch  die  Restauration  des  alten  Theaters  ein  würdiger 

26 


402  Theater  und  Musik. 

Musentempel  geschaffen  worden  war,  bildete  sich  auf 
Immermanns  Anregung  im  Herbst  1832  ein  neuer  Theater- 
verein unter  dem  Protectopate  des  Prinzen  Friedrich  von 
HohenzoUem,  dem  fUnfeehn  Männer  von  hervorragender 
Bildung,  die  zum  Theil  den  vornehmsten  Kreisen  Düssel- 
dorfs angehörten,  beitraten.  Die  Aufgabe  war  keine 
leichte,  zumal  da  der  Director  Derossi  sich  auf  seine 
wohlerworbenen  Rechte  stützend  anfangs  allen  Neue- 
rungen und  Eingriffen  in  seine  Wirkungssphäre  Widerstand 
leistete;  nur  der  siegreichen  Energie  Immermanns  war 
es  möglich,  die  vielen  Schwierigkeiten  zu  überwinden, 
und  so  wurden  noch  im  Laufe  dieses  Winters  vier  Sub- 
scriptions-  oder  Mustervorstellungen,  wie  sie  im  Publikum 
hiessen,  in  das  Repertoir  eingeschoben. 

Interessant  i^t  die  Art,  wie  Immermann  die  Stücke 
mit  den  Schauspielern  einstudirte.  Von  der  Ueberzeugung 
ausgehend,  dass,  wie  des  Dichters  Werk  aus  einem  Haupte 
entspringe,  auch  die  Reproduction  desselben  vernünftiger 
Weise  nur  aus  einem  Haupte  hervorgehen  könne,  machte 
er  das  vollendete  Ensemble  zum  Grundprincip  seines 
Wirkens.  Der  Satz  von  der  künstlerischen  Freiheit  der 
darstellenden  Individuen  ist  zwar  nicht  ganz  zu  verneinen, 
darf  aber  nur  eine  sehr  beschränkte  Anwendung  finden. 
Von  dem  Ueberwuchern  jenes  falschen  Princips  leitete 
Immermann  die  Verwilderung  der  Bühne  her.  Er  hat 
auf  das  glänzendste  den  Beweis  geliefert,  dass  mit  mittel- 
massigen  Subjecten,  die  einem  Haupte  folgen,  sich  correcte 
Darstellungen  liefern  lassen,  die  den  wahren  Kunstfreund 
zu  erfreuen  im  Stande  sind,  während  wir  anderer  Orten 
das  Gedicht  durch  grosse  Talente  zerfleischen  sehen. 
Zuerst  las  Immermann  das  Stück,  welches  gegeben  werden 
sollte,  den  Schauspielern  vor.  Dann  hielt  er  mit  jedem 
Einzelnen  Special -Leseproben,  aus  denen  sich  die  allge- 
meine Leseprobe  aufbaute.  Ertönten  in  dieser  noch 
Disparitäten  des  Ausdrucks,  so  wurden  die  schadhaften 
Stellen  so  lange  nachgebessert,  und  wo  nichts  Anderes 
half,  vorgesprochen,  bis  das  Ganze  in  der  Recitation  als 
fertig  gelten  konnte.  Die  Action  stellte  er  darauf  zuerst 
in  Zimmerproben  fest,  die  oft  nur  einzelne  Acte,  zuweilen 
nicht  mehr  als  ein  paar  Scenen  umfassten,  damit  der 
Darstellende  in  den  nackten,  nüchternen  Wänden  seine 
Phantasie  um  so  mehr  anspannen  lernte,  und  die  falschen 
Geister,  die  nur  zu  leicht  sich  auf  der  Bühne  breit  machen, 
die  JDämonen  des  Gespreizten,  Rhetorischen,  oder  der 
hohlen  Handwerksmäsdigkeit,  nicht  verwirrend  auf  ihn 
einwirkten.  Stand  das  Gedicht  so  ohne  alle  illusorische 
Nothkrücke  fertig  da,  dann  ging  er  erst  mit  den  Leuten 


Theater  und  Musik.  408 

auf  das  Theater.  Gegeben  wurde  das  Stück  nicht  eher, 
als  bis  Jeder;  bis  zum  anmeldenden  Bedienten  herab, 
seine  Sache  wenigstens  so  gut  machte,  wie  Naturell  und 
Fleiss  es  ihm  nur  irgend  verstatteten.  Sinn  und  Begeiste- 
rung fQr  das  Ganze  eines  Werkes,  und  der  feste  Muth, 
diesen  Sinn  durchzusetzen,  bewirkten  eine  gemeinsame 
Raschheit  des  Spieles,  eine  Rundung  des  Ensembles,  ein 
Ineinandergreifen  aller  einzelnen  Theile,  die  man  damals 
auf  den  ersten  Theatern  unseres  Vaterlandes  vergeblich 
suchte.  „Man  fQhlte,^  sagt  Uechtritz,  „dass  ein  poetischer 
und  bedeutender  Geist,  nicht  der  prosaische  Handwerker- 
sinn eines  gewöhnlichen  Regisseurs  oder  gar  der  blinde 
Zufall  das  Ganze  der  Darstellung  leite.  Als  Ein  grosses, 
harmonisch  concentrirtes  Bild,  nicht  als  ein  Gemengsei 
vortrefflich  und  erbärmlich,  in  den  verschiedensten  Ma- 
nieren, den  verschiedensten  Tempos  gespielter  Rollen 
trat  sie  dem  Beschauer  entgegen.  Was  auch  im  Einzelnen 
zu  vermissen  und  selbst  als  verfehlt  zu  rügen  blieb,  die 
durchschmettemde  Wirkung  des  Ganzen  söhnte  damit 
aus,  während  es  sich  auf  manchen  andern  Bühnen  gerade 
umgekehrt  verhält,  wo  die  bervorschreiende  Trefflichkeit 
eines  einzelnen  Spielers  uns  das  ünzusammenhängende 
oder  Laue  der  ganzen  Darstellung  nur  um  so  fühlbarer 
macht.  ^ 

Emilia  Galotti,  die  erste  Mustervorstellung,  war  ein 
Ereigniss  für  die  Stadt.  Alles  war  wochenlang  gespannt 
darauf,  man  wusste  nicht,  was  dabei  denn  so  grossartiges 
herauskommen  sollte.  Die  „gelehrte  Bühne^,  dieses  Spott- 
wort wurde  von  den  elenden  Widersachern  zuerst  aus- 
gesprochen. Als  der  Vorhang  endlich  fiel,  war  man  er- 
staunt, dass  die  Schauspieler  da  droben  auf  der  Bühne 
nicht  so  schrieen,  predigten,  durcheinander  strudelten  und 
stolperten,  wie  sonst,  sondern  wie  Menschen  sprachen  und 
sich  betrugen,  imd  zwar  wie  Menschen,  welche  die  Hand- 
lung, die  sie  darstellten,  etwas  anginge.  Anfangs  blieb 
das  Publikum  still.  Von  dem  Disput  zwischen  Oppiani 
und  Marinelli  aber  an  entzündeten  sich  die  Zuschauer 
und  wurden  frei  von  dem  Zwange,  der  sie  eingeschnürt 
hatte.  Nun  fiel  Scene  für  Scene,  ja  Rede  für  Rede  der 
Applaus,  der  endlich  bis  zum  Jubel  stieg,  in  dem  Alle 
hervorgerufen  wurden. 

Im  folgenden  Sommer  leitete  Felix  Mendelssohn  das 
fünfzehnte  Rheinische  Musikfest  in  Düsseldorf.  Es  gelang, 
den  Künstler,  welcher  sich  schon  eines  bedeutenden 
Rufes  erfreute,  durch  die  Uebertragung  der  Stelle  eines 
städtischen  Musikdirectors  für  längere  Zeit  an  Düsseldorf 
zu  fesseln.    In  Immermann  tauchte  sofort  der  Plan  auf. 


404  Theater  und  Musik. 

denselben  auch  zugleich  für  das  Theater  zu  gewinnen. 
Er  fühlte,  dass  die  weitere  Entwickelung  der  Düsseldorfer 
Bühne  nur  in  dem  Falle  möglich  war,  wenn  es  gelang, 
das  Orchester  und  die  Oper  in  derselben  Weise  wie  das 
Schauspiel  zu  heben.  Mendelssohn  war  natürlich  die 
geeignetste  Persönlichkeit,  mit  mittelmässigen  Kräften  — 
denn  für  grosse  Virtuosen  waren  keine  Mittel  vorhanden  — 
das  für  die  Oper  zu  leisten,  was  Immermann  für  die 
Schaubühne  zu  leisten  unternommen  hatte.  Mendelssohn, 
der  schon  im  October  sein  neues  Amt  übernahm,  trat 
sofort  in  den  Theaterverein  ein,  und  es  wurde  mit  Rück- 
sicht auf  die  schon  vorgeschrittene  Jahreszeit  beschlossen, 
vorläufig  die  Mustervorstellungen  des  vorigen  Jahres  in 
erweiterter  Form  fortzuführen,  indem  sich  Mendelssohn 
zur  aiijstischen  Leitung  der  Oper  bereit  erklärte. 

Beim  Beginne  der  Saison  machte  sich  ganz  im- 
erwarteter  Weise  zum  ersten  Male  eine  Opposition  gegen 
Immermanns  Bestrebungen  geltend.  Die  Reihe  der  Muster- 
vorstellungen sollte  nämlich  diesmal  mit  der  Aufführung 
des  Don  Juan  unter  Mendelssohns  Leitung  am  19.  December 
eröffnet  werden ;  drei  Tage  vorher  war  kein  Billet  weder 
zu  den  Logen  noch  zu  den  gesperrten  Sitzen  zu  erhalten. 
In  freudigster  Erregung  sah  man  dem  Abende  entgegen, 
an  dem  Mendelssohn  zum  ersten  Male  am  Dirigentenpulte 
erscheinen  würde;  Niemand  ahnte  den  unangenehmen 
Zwischenfall,  der  das  ganze  Unternehmen  von  vornherein 
in  Frage  stellte.  Der  Abend  nahte,  und  schon  gegen 
halb  fünf  Uhr  hatte  sich  die  zuströmende  Menge  durch 
die  Eingangsthüren  gedrängt,  so  dass  um  halb  sechs  Uhr 
alle  Räume  gefüllt  waren.  Hoch  und  höher  wurde  die 
Erwartung  gesteigert ;  die  Mitglieder  des  Orchesters  suchten 
sich  zu  fassen,  da  erschien  Mendelssohn  und  ein  tumul- 
tuarisches  Geräusch,  welches  sich  gleich  anfangs  erhoben 
hatte,  legte  sich  plötzlich.  Während  der  Ouvertüre,  die 
auf  das  Glänzendste  gelang,  blieb  Alles  ruhig,  als  aber 
der  Vorhang  sich  hob,  da  brach  der  Widerwille  des  rohen 
ungebildeten  Pöbels  gegen  das  höhere  Streben  sich  freie 
Bahn.  Es  wurde  geheult,  gepfiffen,  getrommelt,  der  Di- 
rector  vorgefordert;  die  Bestie  war  los.  Nur  mit  der 
äussersten  Anstrengung,  unter  häufigen  Unterbrechungen 
aus  dem  Parterre  und  der  Gallerie  gelang  es,  die  Oper 
zu  Ende  zu  führen.  Die  äussere  Veranlassung  zu  dem 
Tumulte  war  die  Erhöhung  der  Eintrittspreise  gewesen, 
welche  den  Zweck  hatte,  den  Schauspielern  für  die  viele 
Mühe  und  Anstrengung,  welche  ihnen  aus  diesen  Vor- 
stellungen im  Besonderen  erwuchsen,  in  Form  von  Prämien 
für  besonders  gute  Leistungen  eine  Belohnung  zu  bieten 


Theater  und  Musik.  405 

und  sie  zu  weiteren  Studien  anzuspornen.  Immermann 
war  auf  das  Aeusserte  empört:  „Nach  unserer  Ansiclit", 
schrieb  er  dem  Comite,  „kann  das  Schöne  ohne  eine  ent- 
schiedene Gesinnung  Anderer  für  dasselbe  sich  nie  ver- 
wirklichen ;  ohne  eine  solche  muss  namentlich  das  höhere 
Dramatische  der  gemeinen  Gesinnung  gegenüber,  die  im 
Theater  keine  Erhebung  des  Geistes,  sondern  nur  leeren 
Zeitvertreib  oder  einen  Tummelplatz  für  ihre  niedrigen 
Leidenschaften  sucht,  noch  schutzloser  dastehen,  als  es 
ohnehin  leider  schon  der  Fall  ist."  Mendelssohn  erklärte, 
die  nächste  Oper,  zu  der  schon  alle  Billets  verkauft  waren, 
nicht  leiten  zu  können,  wenn  ihm  nicht  vorher  diö  Garantie 
geleistet  werde,  dass  ähnliche  Störungen  nicht  wieder 
vorkommen  würden;  die  Orchestermitglieder  ihrerseits 
erklärten,  nicht  ohne  Mendelssohn  spielen  zu  wollen.  Es 
herrschte  die  äusserste  Verwirrung,  und  die  zweite  Auf- 
führung der  Oper  musste  vorläufig  unterbleiben.  Die 
Zeitungen  boten  Alles  auf,  den  Schaden  wieder  gut  zu 
machen,  und  der  Verein  zur  Beförderung  der  Tonkunst 
erliess  ein  Manifest,  in  dem  um  die  Wiederholung  der 
Oper  dringend  gebeten  wurde.  Das  Theater-Comite  zeigte 
an,  dass  es  sich  sofort  auflösen  werde,  sobald  bei  der 
nächsten  Aufführung  die  geringste  Störung  eintreten  werde, 
und  so  kam  denn  schliesslich  die  Wiederholung  zu  Stande, 
die  diesmal  auf  das  glänzendste  verlief.  Mendelssohn 
wurde  bei  seinem  Erscheinen  applaudirt  und  auf  Ver- 
langen des  Publicums  mit  einem  dreimal  wiederholten 
Tusch  empfangen. 

Ausser  dem  Don  Juan  kamen  in  diesem  Winter  noch 
Egmont,  Nathan,  Wasserträger,  Braut  von  Messina  und 
Andreas  Hofer  von  Immermann  zur  Aufführung. 

Als  das  Ende  der  Saison  heranrückte,  arbeitete  Immer- 
mann auf  das  Lebhafteste  an  der  Bildung  eines  grösseren 
Theater- Vereins ;  am  3.  April  1834  war  das  Programm 
schon  völlig  ausgearbeitet:  das  Theater  in  Düsseldorf 
sollte  aufhören,  eine  Privatunternehmung  zu  sein.  Die 
Stadt  als  Eigenthümerin  des  Schauspielhauses  sollte  das- 
selbe als  städtische  Anstalt  neu  gründen  und  weiter  führen. 
Mendelssohn  und  Immermann  erklärten  sich  zur  Ueber- 
nahme  der  artistischen  Leitung  bereit.  Es  wurden  von 
Personen  aus  den  höchsten  Kreisen  sofort  10,000  Thaler 
in  Actien  zu  je  250  Thaler  unterzeichnet,  mit  denen  das 
Unternehmen  ins  Werk  gesetzt  werden  sollte.  Der  bis- 
herige Director  Derossi  trat  seine  Rechte  gegen  Ent- 
schädigung an  die  Gesellschaft  ab,  und  mit  froher  Er- 
wartung sah  man  der  Eröffnung  der  neuen  Saison  entgegen. 
Immermann  selbst  hatte  sich  einen  einjährigen  Urlaub 


406  Theater  und  Musik, 

von  den  Staatsgeschäften  genommen,  um  sich  ganz  der 
neuen  Aufgabe  widmen  zu  können.  Auf  einer  grosseren 
Reise,  die  er  eigens  zu  dem  Zwecke  unternommen  hatte^ 
suchte  er  sich  die  Schauspieler  für  die  neue  Bühne  aus, 
welche  auf  seinen  besonderen  Wunsch  dauernd  engagirt 
werden  sollten.  Mitte  October  war  die  Gesellschaft  bei- 
sammen :  es  fanden  sich  mehrere  hübsche,  frische  Talente 
darunter  kein  einziges  grosses  Genie,  zu  dessen  Engage- 
ment die  Mittel  fehlten,  aber  auch  kein  einziger  Unfähiger. 

Kaum  war  die  Bühne  eröflfhet,  als  sie  auch  schon 
von  einem  harten  Schlage  getroffen  wurde,  indem  Mendels- 
sohn vierzehn  Tage  später  erklärte,  dass  er  sich  von 
den  Geschäften  der  Intendanz  befreit  zu  sehen  wünsche^ 
weil  seine  Gesundheit  und  seine  übrigen  Arbeiten  darunter 
litten.  Er  hatte  nie  ein  grosses  Interesse  für  die  Oper 
empfunden  und  war  nur  durch  Immermanns  Einfluss  zu 
der  Uebemahme  der  ihm  so  lästigen  und  zeitraubenden 
Arbeit  bewogen  worden.  An  seine  Stelle  trat  der  jugend- 
liche Musikdirector  Julius  Kietz,  welcher  zum  Glück  mit 
grossem  Talent  und  regem  Eifer  für  die  eigentlich  mu- 
sikalischen Leistungen  eintrat.  Den  innem  Grund  des 
raschen  Bruches  bezeichnet  Emil  Devrient  in  seiner 
Geschichte  des  Theaters  in  kurzen,  treffenden  Worten: 
Zimmermanns  herbe  imd  eisenstimige  Natur  und  Mendels- 
sohns verwöhnte  Reizbarkeit  stiessen  zusammen.  Immer- 
mann  war  gewohnt,  allen  Widerstand  zu  besiegen,  Mendels- 
sohn keinen  zu  ertragen.^  — 

Schon  am  Ende  dieser  ersten  Saison  zeigte  es  sich, 
dass  sich  das  neue  Unternehmen  ohne  schwere  Opfer 
nicht  würde  weiter  führen  lassen,  da  die  Bilanz  am  Ende 
derselben  ein  starkes  Deficit  aufzeigte.  Bei  der  grossen 
Menge,  die  schliesslich  doch  nur  Zerstreuung  sucht,  hatte 
sich  das  Interesse  für  das  Unternehmen  bald  bedeutend 
vermindert,  so  dass  nicht  nur  ein  Ueberschuss  von  tausend 
Thalern,  welcher  bis  Ende  Januars  gemacht  worden  war, 
am  Schlüsse  des  Theaters  am  4.  Juli  1835  wieder  auf- 
gebraucht war,  sondern  es  musste  sogar  ein  neuer  Griff 
in  den  Actienfonds  gemacht  werden,  der  durch  das  In- 
ventar und  die  übrigen  Vorausgaben  schon  wesentlich 
geschmälert  war. 

War  so  das  pekuniäre  Resultat  ein  ziemlich  drückendes 
gewesen,  so  hatte  es  doch  von  den  verschiedensten  Seiten 
nicht  an  Anerkennung  und  Aufmunterung  gefehlt.  Grabbe, 
welcher  auf  Immermanns  Einladung  Anfangs  December 
1834  von  Frankfurt  nach  Düsseldorf  übergesiedelt  war, 
gehörte  zu  den  Ersten,  welche  die  Bedeutung  und  die 
Eigen thümlichkeiten  der  werdenden  Bühne  begriffen.  Seine 


Theater  utuL  Mnaik.  407 

Kritiken,  welche  ursprünglich  in  einem  Lokalblatte  er- 
schienen,  hat  er  später  zu  einem  eigenen  Aufsatze  über 
die  Düsseldorfer  Bühne  ausgearbeitet  und  erweitert. 
Fremde  Gäste  spendeten  derselben  auch  mehr  Aner- 
kennung als  die  Einheimischen,  namentlich  spricht  der 
Dichter  Zedlitz  seine  höchste  Bewunderung  über  eine 
Aufführung  des  Egmont  aus,  die  ihm  eine  ganz  uner- 
wartete Vollendung  gezeigt  hatte. 

Um  die  Truppe  während  der  Sommermonate  beschäf- 
tigen und  das  entstandene  Deficit  ausgleichen  zu  können, 
hatte  Immermann  gleich  am  Anfange  des  Jahres  183ö 
\\m  die  Erlaubniss  nachgesucht,  in  Bonn  Vorstellungen 
geben  zu  dürfen;  dort  hoffte  er  von  dem  gebildeten  und 
leicht  erregbaren  Publikum  auf  ein  reges  Interesse  und 
zahlreichen  Besuch.  Diese  Erlaubniss  wurde  aber  nicht 
gegeben,  und  so  wurde  denn  beschlossen,  bis  zur  Wieder- 
eröflhung  der  Bühne  die  Truppe  in  Crefeld  und  Elberfeld 
zu  beschäftigen.  Aber  namentlich  an  dem  letzteren  Orte, 
wo  in  Ermangelung  eines  besseren  Raumes  die  Vor- 
stellungen in  einer  Reitbahn,  welche  die  Kunst  des  Düssel- 
dorfer Maschinisten  und  die  mitgebrachten  Decorationen 
nothdürftig  in  einen  anständigen  Saal  verwandeln  mussten, 
wurden  die  Kosten  nicht  gedeckt,  trotz  unsäglicher  An- 
strengung von  Seiten  Immermanns,  der  drei  Monate  lang 
ein  wahres  Campagneleben  zwischen  Düsseldorf  und  Elber- 
feld führte. 

Im  nächsten  Winter  hatte  Immermann  zu  den  schweren 
aufreibenden  Geschäften  der  Intendanz  auch  noch  sein 
Amt  als  Landgerichtsrath  zu  verwalten,  da  ihm  sein  Ge- 
such um  Verlängerung  seines  Urlaubes  abgeschlagen 
worden  war.  Diese  zweite  Saison  zeigte  noch  deutlicher, 
wie  schwierig  es  sein  würde,  das  Unternehmen  finanziell 
auf  eigene  Füsse  zu  stellen.  In  einer  Versammlung  der 
Actionäre  vom  13.  Februar  1836  verzichten  diese  unbe- 
dingt auf  die  Zinsen  und  willigen  darein,  dass  das  letzte 
Drittel  des  Actiencapitals  zur  Fortführung  des  Unter- 
nehmens verwendet  werde.  Aber  auch  dieses  Opfer 
genügte  nicht;  am  11.  März  wurde  ein  Circular  aii  die 
Freunde  und  Gönner  des  Theaters  gesandt,  um  frei- 
willige Beiträge  einzusammeln;  diese  steuerten  denn  auch 
2479  Thaler  bei ;  ausserdem  wurde  von  einigen  Freunden 
gegen  Uebertragung  des  Inventars  die  Summe  von 
1500  Thalern  vorgeschossen:  nur  so  war  es  möglich, 
diese  Saison  zu  Ende  zu  führen. 

Immermann  war  nur  durch  die  Bitten  und  Ermunte- 
rungen seiner  Freunde  zu  bewegen,  die  Intendanz  noch 
ein  Jahr  weiter  zu  führen,  obschon  die  Unhaltbarkeit 


408  Theater  und  Musik. 

des  Unternehmens  erwiesen  war,  da  ein  wirkliches  Kunst- 
institut nicht  von  den  Almosen  einiger  reichen  GMnner 
bestehen  kann,  wodurch  seine  Existenz  beständig  dem 
Zufalle  preisgegeben  sein  würde.  Den  Sommer  Ober 
wurden  wieder  Vorstellungen  in  Crefeld  und  Elberfeld 
gegeben;  doch  reichten  auch  diesmal  die  Einnahmen 
nicht  hin,  die  Kosten  des  Instituts  zu  decken;  die  neue 
Saison  musste  daher  mit  einem  Deficit  beginnen.  Am 
16.  Januar  1837  waren  alle  Mittel  erschöpft,  und  es 
musste  daher  eine  neue  Appellation  an  das  Wohlwollen 
der  Theaterfreunde  gemacht  werden,  um  wenigstens  die 
eingegangenen  contractlichen  Verpflichtungen  und  andere 
unvermeidliche  Ausgaben  decken  zu  können;  ein  neuer 
Zuschuss  von  1400  Thalern  war  schon  aufgebraucht. 
Aber  die  Geduld  der  Gönner,  an  welche  fortwährend  so 
grosse  Anforderungen  gestellt  wurden,  zeigte  sich  er- 
schöpft; so  wurde  denn  der  Schluss  der  Btthne  auf  den 
31.  März  1837  festgesetzt.  Die  Hergänge  dieses  Winters 
hat  Immermann  in  Form  eines  Tagebuches  niederge- 
schrieben, so  dass  wir  gerade  über  diese  letzte  Zeit  am 
besten  unterrichtet  sind.  Immermann  sorgte  dafür,  dass 
die  Bühne  im  höchsten  Glänze  unterging;  die  Schauspieler 
selbst  unterzogen  sich  den  grössten  Anstrengungen,  weil 
sie  es  für  ihre  Pflicht  hielten,  die  Ehre  des  Instituts  zu 
retten.  Neben  der  übrigen  Tages waare,  welche  als  eine 
Concession  an  das  grosse  Publikum  stets  mit  den  grösseren 
klassischen  Werken  abwechselte,  wurde  noch  im  letzten 
Monate  Julius  Cäsar,  Iphigenie  und  Griseldis  von  Halm 
ganz  neu  einstudirt. 

Der  Grund,  weshalb  die  Düsseldorfer  Bühne  unter- 
ging, ist  also  kein  innerer,  sondern  der  allermateriellste : 
„Nicht  an  einem  Innern  Leiden,"  sagt  Inmiermann  in  den 
schon  mehrfach  erwähnten  Maskengesprächen,  „sondern 
einzig  und  allein  daran  ist  sie  gestorben,  dass  ihr  eui 
jährliches  Subsidium  von  4000  Thalern  fehlte,  dessen  sie 
etwa  zu  ihrem  Fortbestande  bedurfte." 

Devrient  hat  Immermann  und  seiner  Schule  den  Vor- 
wurf gemacht,  dass  er  die  Schauspielkunst  nicht  als 
Lebendigmachung  des  poetischen  Gedankens  anerkenne, 
dass  er  nicht  wahrhaft  schöpferisch  die  Gedanken  seiner 
Rolle  in  einer  Weise  ausbilde,  wie  sie  dem  Dichter  nur 
dunkel  vorgeschwebt  habe.  Dieser  Tadel  trifft  aber,  wie 
Putlitz  in  seiner  Biographie  tmmermanns  sehr  richtig 
bemerkt,  nur  theilweise  zu,  wenn  es  sich  nämlich  um  die 
Wiedergabe  von  Werken,  wie  namentlich  der  Dramen 
Shakespeares  handelt,  in  denen  die  Worte  häufig  nur 
höchst  unvollständig  die  Innern  Gewalten  zum  Ausdruck 


Theater  und  Musik-.  409 

bringen,  während  das  Tiefste  und  Feinste  zwischen  den 
Zeilen  gelesen  werden  muss;  hier  muss  allerdings  dem 
darstellenden  Genie  ein  freierer  Spielraum  zugestanden 
werden.  Völlig  berechtigt  ist  aber  Immermanns  Methode 
bei  der  grossen  Mehrzahl  der  deutschen  Klassiker,  nament- 
lich Schillers,  welche  in  breiter  Ruhe  die  Gedanken  in 
der  Rede  ausspinnen;  er  unterdrückte  bei  der  Wieder- 
gabe dieser  Werke  jede  individuelle  Selbstständigkeit  der 
Schauspieler,  indem  er  dieselbe  den  höheren  Zwecken 
des  einheitlichen  Ensembles  opferte.  —  Aeusserlich  be- 
herrschte er  die  Schauspieler  vollständig;  irgend  welche 
Nachlässigkeit,  Unordnung  oder  Unfolgsamkeit  wurde  auf 
das  Emp&dlichste  mit  grösseren  oder  geringeren  Geld- 
strafen geahndet.  Doch  übte  seine  eigene,  unermüdliche 
Energie  allein  schon  einen  belebenden  Einfluss  auf  die 
Ausdauer  derselben  aus.  Er  hatte  eine  solche  Gewalt 
über  sie,  dass  die  vornehmsten  Schauspieler,  wenn  er  es 
vorschrieb,  in  den  unbedeutendsten  Nebenrollen  auftraten, 
und  Alle  zeigten  sich  zu  Anstrengungen  willig,  welche 
die  Kräfte  des  Menschen  zu  übersteigen  schienen.  Vier- 
mal wurde  in  der  Woche  gespielt,  und  jedes  Stück  konnte 
nur  ein-  oder  höchstens  zweimal  wiederholt  werden.  Un- 
geachtet der  Nothwendigkeit,  unaufhörlich  neues  zu  bringen, 
durfte  doch  kein  dramatisches  Werk  ohne  mehrere,  höchst 
gründliche  Proben  die  Bühne  betreten.  Während  sich  so 
die  Darsteller  ihrem  Intendanten  völlig  unterordneten, 
vertrat  dieser  mit  grosser  Energie  ihre  Interessen.  Be- 
zeichnend für  das  Verhältniss  zwischen  Immermann  und 
den  Darstellern  sind  die  Worte,  welche  er  ihnen  am 
13.  Januar  1837  in  das  Circularheft  schrieb:  „Es  macht 
mir  übrigens  Freude,  bei  dieser  Gelegenheit  (der  Kün- 
digung des  gesammten  Personals)  auszusprechen,  dass 
derjenigen,  mit  welchen  unzufrieden  zu  sein  ich  gerechte 
Ursache  habe,  nur  Einzelne  sind,  und  dass  die  Mehrzahl 
der  Mitglieder,  und  namentlich  diejenigen,  welche  Haupt- 
fächer bekleiden,  sich  beeifert,  der  Anstalt  zu  nützen, 
mir  in  meinem  Wirken  entgegen  zu  kommen,  und  selbst 
ungewöhnliche  Anstrengungen  nicht  zu  scheuen.  Diesen 
ehrliebenden  und  wohlgesinnten  Künstlern  danke  ich  hier- 
mit; in  ihrem  Zutrauen  und  in  ihrer  Neigung  finde  ich 
den  Lohn  für  dreüährige,  mühselige  Arbeit,  von  ihnen 
werde  ich,  wenn  unser  Verhältniss  hier  sich  auflöst,  als 
Freund  von  Freunden  scheiden,  meine  besten  Wünsche 
werden  sie  begleiten,  und  wo  ich  kann,  werde  ich  ihnen 
in  der  Nähe  und  Feme  nützlich  sein. 

Immermanns  Bemühungen  hatten  für  Düsseldorf  die 
nachhaltige  Wirkung,  dass  dem  Theater  in  Zukunft  von 


410  Theater  und  Musik. 

Seiten  der  Behörden  eine  grössere  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt wurde,  welche  sich  äusserlich  darin  zeigte,  dass 
eine  Commission,  theils  aus  den  Bürgern  der  Stadt,  theils 
aus  den  Mitgliedern  des  Stadtrathes,  erw&hlt  wurde,  welche 
aus  12  Mitgliedern  bestand  und  Theatercomitee  genannt 
wurde.  Dies  Theatercomitee,  welches  sich  bis  auf  den 
heutigen  Tag  bewährt  hat,  sollte  nach  einer  Verfügung 
des  Oberpräsidenten  der  Rheinprovinz  die  Bestimmung 
haben,  darüber  zu  wachen,  dass  bei  der  Wahl  der  auf- 
zuführenden Stücke  die  Pflichten  gegen  den  Staat  und 
gegen  Moral  und  Sitte  nicht  verletzt  würden  und  dass 
überhaupt  ein  öffentliches  Aergemiss  von  der  Bühne  ent- 
fernt bleibe.  Dazu  kamen  bald  noch  besondere  Befug- 
nisse, welche  vom  Stadtrath  hinzugefügt  wurden ;  es  fäUt 
dem  Comitee  bei  der  jedesmaligen  Erledigung  der  Direction 
die  Wahl  eines  neuen  Directors  zu,  welche  gewöhnlich 
nach  dem  Ausschreiben  einer  freien  Bewerbung  voll- 
zogen wird ;  es  setzt  die  Bedingungen  des  Vertrages  fest, 
welche  jedem  neuen  Director  von  der  Stadt  vorgeschrieben 
werden.  Femer  wacht  es  über  das  Repertoire  und  die 
Wahl  der  Stücke;  es  hat  dafür  zu  sorgen,  dass  unfähige 
Darsteller  durch  bessere  ersetzt  werden ;  es  hat  das  Recht, 
ernste  Verwarnungen  zu  ertheilen  und  selbst  mit  der 
Entziehung  der  Concession  zu  drohen,  wenn  sich  der 
Director  grober  Vergehen  schuldig  macht;  doch  hat  nur 
der  Stadtrath  das  Recht,  die  Drohung  zur  Ausführung  zu 
bringen. 

Die  letzte  Periode  des  Düsseldorfer  Theaters  nach 
dem  Untergange  des  städtischen  Unternehmens  unter 
Immermanns  Leitung  bietet  wenig  Erfreuliches  zu  be- 
richten dar.  Vorläufig  trat  der  schon  früher  erwähnte 
Director  Derossi  in  seine  Stellung  wieder  ein.  Sein  Nach- 
folger im  Jahre  1841,  der  bisherige  Regisseur  W.  Henkel, 
war  beim  Publicum  wenig  beliebt;  im  Jahre  1845  konnte 
er  seinen  Verpflichtungen  nicht  mehr  nachkommen.  Auch 
seine  Nachfolger  Grabe wsky  (1840 — 46),  Gustav  Brauer 
(1846—47),  W,  Böttner  (1847—49),  W.  Löwe  (1849—50) 
konnten  das  Theater  auf  keine  sichere  Grundlage  bringen 
und  traten  nach  grossen  pecuniären  Verlusten  zurück. 
Nicht  viel  besser  erging  es  dem  Director  Ludw.  Kramer 
(1850 — 54),  welcher  wegen  Mangels  an  Betheiligung, 
woran  zum  Theil  wohl  die  schlechten  Leistungen  Schuld 
sein  mochten,  freiwillig  die  Direction  niederlegte,  da  ihm 
die  Stadt  keine  Erleichterungen  gewähren  wollte. 

Ihm  folgte  E.  Th.  L'Arronge  (1854—55),  bisher 
Director  des  Stadttheaters  in  Aachen.  Nach  Immerroann 
ist  er  der  bedeutendste  Leiter  der  Düsseldorfer  Bühne 


Theater  und  Musik.  411 

gewesen^  aber  auch  ihm  gelang  es  trotz  der  weitgehendsten 
Unterstützung  von  Seiten  der  Stadt  nicht,  die  Ausgaben 
durch  die  Einnahmen  zu  decken.  Die  Miethe  von  6  Thalern 
für  jede  Vorstellung  wurde  ihm  ganz  erlassen ;  als  einzige 
Bedingung  blieb  nur  die  Verpflichtung,  während  jeder 
Saison  zwei  Beneflzvorstellungen  für  die  Armenkasse  und 
eine  für  den  Pensionsfonds  des  städtischen  Orchesters  zu 
geben.  Er  zog  es  schon  nach  einer  Saison  vor,  die  ihm 
mehr  Aussicht  auf  pecuniären  Erfolg  bietende  Stelle  als 
Director  des  Danziger  Theaters  zu  übernehmen.  Georg 
Jacob  Meisinger  (1855 — 59)  trat  an  seine  Stelle;  dieser 
stand  bei  dem  Publicum  als  Darsteller  unter  Derossi  und 
später  unter  Immermann  noch  im  besten  Andenken  und 
man  setzte  die  grössten  Hoffnungen  auf  ihn,  besonders 
da  ihm  zu  gleicher  Zeit  von  der  Regierung  die  Concession 
für  Elberfeld  ertheilt  worden  war.  Da  er  sich  als  einen 
sehr  tüchtigen  Dirigenten  zeigte,  so  wurde  ihm  nicht  nur 
das  Orchesterbeneflz  erlassen,  sondern  auch  ein  jährlicher 
Zuschuss  von  300  Thalern  zu  den  Beleuchtungskosten 
bewilligt.  Trotzdem  hatte  er  gleich  im  ersten  Monate 
der  Saison  ein  Deficit  von  1500  Thalem,  so  dass  sich  das 
Theatercomitö  veranlasst  sah,  am  25.  October  1855  unter 
Hinweis  auf  die  ausserordentlichen  Bestrebungen  Mei- 
singers  zur  Hebung  der  Bühne  das  Publicum  zu  zahl- 
reicherem Besuche  der  Vorstellungen  aufzufordern;  er 
konnte  sich  trotz  der  grössten  Anstrengungen  nur  bis  zum 
Jahre  1859  behaupten. 

Nach  seinem  Rücktritte  folgte  der  Director  Greiner 
(1859—61);  dann  Bensberg  (1861—64).  Der  Letztere 
endigte  mit  völligem  Ruin;  um  das  Haus  zu  füllen,  wendete 
er  schliesslich  das  verfängliche  Mittel  an,  Billete  zu  den 
Logen  und  Sperrsitzen  unter  dem  Preise  zu  verschleudern; 
dazu  gab  er  gerechte  Klage  über  mangelhaftes  Personal 
und  noch  mangelhaftere  Leistungen.  Die  Folge  war,  dass 
er  am  25.  März  1864  heimlich  entwich,  eine  grosse 
Schuldenlast  und  völlige  Verwirrung  zurücklassend.  Um 
die  unglücklichen  Schauspieler,  welche  den  grössten  Theil 
ihrer  Gage  eingebüsst  hatten,  vor  gänzlichem  Elend  zu 
schützen,  wurden  denselben  von  der  Stadt  500  Thaler 
als  Unterstützung  bewilligt  und  der  Regisseur  Denkhausen 
mit  der  Fortführung  der  Direction  bis  zum  Ende  der 
Saison  beauftragt. 

In  dieser  peinlichen  Lage  nahm  man  das  Anerbieten 
des  L'Arronge  dankbar  an ;  dieser  hatte  nach  seiner 
Rückkehr  von  Danzig  vom  Jahre  1 858 — 63  das  Stadt-  und 
Thatiatheater  in  Köln  geleitet  und  dort  ausserdem  das 
Victoriatheater  aus  eigenen  Mitteln  erbaut  und  in   dem- 


412  Theater  und  Musik. 

selben  von   1861 — 63  während  der  Sommermonate  Vor- 
Stellungen  gegeben.  Seine  Rückkehr  wurde  mit  Freuden 
begrüssty  da  man  unter  seiner  Dii*ection   einen   neuen 
Aufschwung  des  Theaters  nach  der  letzten  Misswirthschaft 
erwartete.   Damit  das  DOsseldorfer  Theater  nicht  zu  einer 
Filiale  von  Köln  herabgedrückt  werden  könnte,  musste 
er   sich   verpflichten,   fOr  Düsseldorf  ein  selbststandiges 
Personal  zu  halten  und  seinen  Wohnsitz  hierher  zu  ver- 
legen.   L'Arronge  bot  in  der  nächsten  Saison  Alles  auf, 
dem  Publicum  gediegene  Eunstleistungen  zu  bieten:  be- 
deutende Oäste  wie  Döring  traten  wiederholt  auf;  zugleich 
gab  er  im  Laufe  des  Winters  die  Direction  in  Köln  ganz 
auf,  um  seine  Kraft  dem  hiesigen  Theater  allein  widmen 
zu  können  in  der  Hoffnung,  sich  hier  eine  dauernde  Heimath 
zu  gründen.    Das  Theater,  an  dem  Immermann  gewirkt 
hatte,  hörte  nicht  auf,  seine  Anziehungskraft  auszuüben. 
Trotz  eines  Zuschusses  von  400  Thalem  von  der  Stadt 
hatte  er  schon  am  Ende  der  ersten  Saison  einen  Verlust 
von  3000  Thalern.  Aber  dennoch  liess  er  sich  nicht  ent- 
muthigen;   er  hoffte,  durch  eine  Verbindung  mit  einigen 
benachbarten  Städten  in  der  nächsten  Saison  das   ent- 
standene Deficit  wieder  decken  zu  können.    Im  nächsten 
Winter  (1865—66)  gab  er  daher  zu  gleicher  Zeit  in  Essen 
und  Duisburg  Vorstellungen.    Da  er  hier  einen  gewissen 
Ueberschuss  erzielte  und  da  ihm  ausserdem  von  December 
an  ein  monatlicher  Zuschuss  von  400  Thalern  bewilligt 
wurde,  von  dem  die  Orchestergage  bezahlt  werden  sollte, 
so  kam  er  durch  diese  Saison  glatt  hindurch.   Im  nächsten 
Sommer  gab  er  selbst  mit  seiner  Frau  an  fremden  Bühnen 
Oastrollen  und  setzte  die  Aufführungen  in  Duisburg  und 
Essen  fort,  so  dass  er  mit  frischem  Muthe  die  neue  Saison 
in  Düsseldorf  antrat.    Aber  es  war  dies  die  letzte;    am 
Ende  derselben  legte  er  die  Direction  nieder,  um  nach 
Amerika  auszuwandern,  wo  er  ein  ergiebigeres  Feld  für 
sein  Talent  zu  finden  hoffte. 

Es  folgen  nun  der  Direktor  Sasse  aus  Stettin  (1867 — 71), 
Franz  KuUak  (1871—73),  Scherbarth  (1873—76),  welche 
ohne  Ausnahme  zu  Grunde  gingen.  Unter  Scherbarths 
Direktion  wurde  endlich  das  lange  ersehnte  neue  Theater- 
gebäude vollendet.  Wie  wir  gesehen  haben,  reichen  die 
ersten  Projekte  eines  Neubaues  bis  zum  Jahre  1820  zu- 
rück. Nachdem  sich  nun  immer  mehr  herausgestellt  hatte, 
dass  es  nicht  möglich  sei,  im  alten  Theatergebäude  eine 
den  gerechten  Ansprüchen  Düsseldorfs  entsprechende 
Gesellschaft  zu  halten,  tauchten  schon  im  Jahre  1864  die 
ersten  Gedanken  an  den  Bau  eines  neuen  Theatergebäudes 
wieder  auf.   In  einer  Flugschrift,  welche  in  diesem  Jahre 


Theater  und  Muath,  ^  413 

erschien,  wies  A.  Fahne  auf  die  Schäden  hin,  weiche  das 
viel  zu  kleine  alte  Gebäude  im  Gefolge  hatte;  nach 
Immermann  hatten  die  Dircctoren  nur  ausnahmsweise 
Gutes,  meist  sehr  Mittelmässiges,  oft  ganz  Unwürdiges 
geliefert.  Fremde  Kräfte  auftreten  zu  lassen,  war  für 
die  Directoren  nicht  ohne  die  grössten  Opfer  möglich 
gewesen,  da  die  mögliche  Totaleinnahme  wegen  des  be- 
schränkten Raumes  die  durch  ein  Gastspiel  hervorgerufenen 
Mehrkosten  nicht  decken  konnte.  Der  bessere  Theil  der 
OeseUschaft  hielt  sich  überhaupt  von  dem  Theater  fem. 
Noch  im  Dezember  desselben  Jahres  folgte  eine  Petition 
an  den  Ober-Bürgermeister,  welche  die  Namen  der  an- 
gesehensten Bürger  zur  Unterschrift  hatte.  Die  Folge 
war,  dass  am  21.  Februar  1865  die  Stadtverordneten- 
Versammlung  120000  Thaler  für  einen  Neubau  bewilligte, 
welche  durch  eine  Anleihe  gedeckt  werden  sollten.  Der 
Entwurf  des  Prof.  Giese  erhielt  schliesslich  nach  einigen 
Aenderungen  den  Vorzug.  Aber  die  Verhandlungen  kamen, 
nachdem  noch  am  26.  November  1867  die  Mehrkosten  von 
1 8  000  Thalern  für  die  Ausführung  des  Giese'schen  Planes 
bewilligt  worden  waren,  wieder  ins  Stocken.  Erst  am 
15.  Juli  1873  wurde  die  Ausführung  dieses  wieder  und 
wieder  umgeänderten  Planes,  welche  jetzt  auf  270000 
Thaler  berechnet  wurde,  endgültig  beschlossen  und  schon 
im  September  in  Angriff'  genommen.  Am  1.  November 
1875  war  der  Bau  so  weit  vollendet,  dass  die  Vorstellungen 
darin  begonnen  werden  konnten.  Wir  lassen  hier  einen 
interessanten  Bericht  folgen,  welcher  zur  Eröffiiungsfeier 
in  einer  Lokalzeitung  erschien:  „Die  Gründungsarbeiten 
begannen  im  September  1873  und  zwar  unter  sehr  erheb- 
lichen Schwierigkeiten,  da  sowohl  der  Baugrund  selbst, 
als  auch  das  reichlich  vorhandene  Wasser  der  Bewältigung 
arge  Hindernisse  entgegenstellten;  besonders  in  ersterer 
Beziehung  ergab  sich  der  Uebelstand,  dass  der  auszu- 
hebende Grund  ausschliesslich  aus  ausgefülltem  Boden 
und  ausgeschütteten  Festungsgräben  bestand  und  deshalb 
sogar  Sprengarbeiten  vorgenommen  werden  mussten,  um 
einen   bauwürdigen   Grund  für  die    144  Grundpfeiler  zu 

fewinnen,  auf  denen  das  ganze  Gebäude  fundirt  ist.  Die 
ohle  der  meisten  dieser  Pfeiler  befindet  sich  bis  zu  acht 
Meter  unter  der  Krone  der  Alleestrasse,  weil  man  erst  in 
solcher  Tiefe  auf  gewachsenen  Boden  stiess,  ja  einzelne 
Gebäudetheile  sind  sogar  direkt  auf  altes  Festungsmauer- 
werk gesetzt,  in  welchem  man  Wölbungen  und  Wendel- 
treppen .^von  einem  früheren  Treppenthurm  herrührend) 
vorfand.  Die  Grundpfeiler  sind  durch  starke  Wölbungen 
mit  einander  verbunden.    Trotz  aller  dieser  Schwierig- 


414  Theater  und  Musik, 

keiten  Jconnte  doch  im  April  1874  mit  dem  Oberbau  be- 
gonnen werden  und  schon  gegen  Mitte  September  1875 
war  die   Aufstellung   sämmtlicher   Dächer   beendet.^  — 
^Der  .Zuschauerraum   ist  für  1500  Personen  berechnet. 
Das  Orchester  fasst  bequem  50  Musiker.    Es  hat  eine 
vorzügliche  Resonanz,  wie  denn  überhaupt  die  Akustik 
im  ganzen  Hause  eine  vortreffliche  genannt  werden  kann. 
Zu  beiden  Seiten  des  Orchesters  sind  die  sog.  Stimmzimmer 
angebracht,  welche  den  wohlthfttigen  Zweck  haben,  dem 
Publikum    den    sehr    zweifelhaften    Ohrenschmaus    des 
Instrumentenstimmens  zu  ersparen.^  —  „Die  Bühne  selbst 
ist   15,70  Meter  tief  und  22,50  Meter  breit.    Die  Breite 
der  Bühnenöffnung  beträgt   10,50  Meter.     Die   Bühnen- 
einrichtung hat  Herr  Maschinenmeister  Brandt  von  Darm- 
stadt geleitet.    Es   ist   dies  derselbe   berühmte  Meister, 
welcher  auch  von  Richard  .Wagner  nach  Bayreuth   be- 
rufen wurde,  um  dessen  Meisterbühne  für  die  Darstellung 
der  Nibelungen-Trilogie  einzurichten;   es  verdient  daher 
die  grösste  Anerkennung,  dass  die  Lösung  dieser  für  ein 
Theater  wichtigsten  Aufgabe  solch  einer  eminent  befähigten 
Kraft  anvertraut  wurde.  —  Die  Bühneneinrichtung  des 
hiesigen  neuen  Theaters  ist  aber  auch  geradezu  vollendet 
zu  nennen  und  genügt  allen  Anforderungen,  welche  heut- 
zutage in  potenzirter  Form  an  die  Bühnentechnik  gestellt 
werden,   in   der   erschöpfendsten  Weise.     Die   Gardinen 
und  Prospekte  können  ungeroUt  in  voller  Höhe  aufgezogen 
werden.   Die  zusammengehörigen  Dekorationen  sind  durch 
Maschinerien   derartig  miteinander  verbunden,   dass  sie 
durch  eine  einfache  Eurbeldrehung  zu  gleicher  Zeit,  d.  h. 
also  mit  einem  Ruck  zusammengestellt   auf  der  Scene 
erscheinen.  —  Hinter  der  eigentlichen  Bühne  ist  noch  ein 
grosser  Raum,  welcher  nöthigenfalls  noch  als  Fortsetzung 
der  Bühne  benutzt  werden  kann.    In  dem  Bühnenpodium 
sind  fünf  Versenkungen  und  mehrere  sogenannte  Kassetten- 
klappen angebracht,  welch'  letztere  zum  Versenken  von 
Versatz-  und  Dekorationsstücken  dienen.    Unter  diesem 
Podium  befindet  sich  die  ganze  Untermaschinerie  in  zwei 
Etagen,  auch  sind  in  diesem  Räume  Ausgänge  nach  dem 
Orchester  und  der  Eingang  zum  Souffleurkasten  angebracht. 
Ueber  der  Hinterbühne  befindet  sich  der  geräumige  Maler- 
saal, in  welchem  die  Prospekte  und  Oardinen  in  voller 
Grösse    ausgebreitet    gemalt    werden.*'    —    „Fügen    wir 
schliesslich  noch  hinzu,  dass  das  ganze  Haus  durch  sieben 
Kaloriferen   nach   neuestem,   rauchunmöglichem  System, 
mit  Wasserverdampfung  (von  Reinhardt  in  Würzburg)  ge- 
heizt wird,   so  haben  wir  ein  ungefähres  Bild  von  der 
Grösse,  Schönheit  und  Zweckmässigkeit  des   neuen  Ge- 


Theater  und  Musik,  415 

bäudes.    Im  Ganzen  sind  auf  den  Bau  selbst  über  eine 
Million  Mark  verwendet  worden." 

Die  Hoffnung,  das  Theaterwesen  durch  diese  grossen 
Opfer  endlich  auf  eine  sichere  Grundlage  gebracht  zu 
haben,  sollte  sich  jedoch  vorläufig  noch  nicht  verwirk- 
lichen. Der  Director  Scherbarth  wurde,  trotzdem  er  zu 
gleicher  Zeit  im  alten  Theater  Vorstellungen  gab,  noch 
im  Laufe  der  ersten  Saison  bankerott,  da  er  seinen  Ver- 
pflichtungen nicht  nachkommen  konnte:  sein  sehr  reich- 
haltiges Inventar,  bestehend  in  der  Theaterbibliothek, 
Garderobe  und  anderen  Requisiten,  ging  fQr  die  Summe 
von  20,000  Mark  in  den  Besitz  der  Stadt  über.  Der 
Director  Ubrich  in  Aachen  lehnte  die  ihm  angebotene 
Direction  ab,  da  er  ohne  grosse  Verluste  nicht  durchzu- 
kommen fürchtete.  In  dieser  Noth  nahm  man  die  Be- 
werbung Karl  Erdmanns  an,  welcher  sich  als  erster 
Tenor  unter  Eullack  einer  grossen  Beliebtheit  bei  dem 
Publikum  erfreut  hatte;  die  Befürchtung,  dass  er  sich 
nicht  lange  behaupten  werde,  verwirklichte  sich  schon 
am  Ende  der  ersten  Saison,  trotzdem  ihm  am  5.  Dezember 
1876  die  Theatermiethe  auf  unbestimmte  Zeit  erlassen 
worden  war. 

Ihm  folgte  Albert  Schirmer  (1877  —  1880),  welcher 
zwar  den  gesteigerten  Ansprüchen  des  Publikums  gerecht 
wurde  und  das  gänzlich  geschwundene  Vertrauen  des 
besseren  Publikums  wiederzugewinnen  verstand,  aber  doch 
so  grosse  pecuniäre  Verluste  erlitt,  dass  er  am  10.  Nov. 
1880  um  Aufhebung  des  Contractes  bat.  Das  Theater- 
Comitä  sprach  sich  in  seiner  Sitzung  vom  12.  Nov.  d.  J. 
dahin  aus,  dass  eine  Aufhebung  des  Vertrages  mit 
Schirmer  nicht  wünschenswerth  sei,  da  nicht  gehofft . 
werden  könne,  dass  für  die  Theaterverhältnisse  dadurch 
irgend  eine  Besserung  eintreten  werde,  da  für  jeden 
kommenden  Theaterdirector  die  nämlichen  Schwierigkeiten 
sich  darbieten  würden,  wie  für  Herrn  Schirmer.  Eine 
wesentliche  Unterstützung  von  Seiten  der  Stadt,  welche 
vom  Comit6  vorgeschlagen  wurde,  ging  jedoch  in  der 
Stadtverordneten  -  Versammlung  nicht  durch;  das  Ent- 
lassungsgesuch wurde  angenommen. 

Am  18.  Jan.  1881  bewarb  sich  nun  Karl  Simons,  ein 
geborener  Kölner,  um  die  Direction.  Er  war  lange  Zeit 
als  Sänger  und  Regisseur  an  den  ersten  Theatern  Deutsch- 
lands, wie  z.  B.  München,  Köln,  Breslau  und  Hamburg 
thätig  gewesen  und  hatte  schon  die  Leitung  des  Flora- 
Theaters  in  Köln  und  zuletzt  das  Grand  Thöatre  in  Gent 
mit  Erfolg  in  den  Händen  gehabt.  Sein  Anerbieten  wurde 
Angenommen,  und  damit  endlich  das  Unternehmen  auf 


416  Theater  und  MueQe. 

eine  sichere,  geschäftsmässige  Grundlage  gestellt  Die 
wichtigsten  Bestimmungen  des  mit  ihm  abgeschlossenen 
Vertrages  sind  folgende:  die  Pacht  betrftgt  jährlich 
8000  Mark;  jedoch  wird  dem  Director  das  Gas  (löOOO 
Kubikmeter)  und  das  Wasser  von  der  Stadt  Ifrei  geliefert. 
Finden  im  Theater  von  der  Stadt  veranstaltete  öffentliche 
Feste  statt,  so  erhält  der  Director  für  jeden  Abend 
2000  Mark  Vergütung.  BQffet  und  Restauration  gehören 
dem  Pächter.  Für  das  städtische  Orchester  hat  derselbe 
monatlich  3000  Mark  zu  zahlen;  den  Dirigenten  hat  er 
selbst  zu  stellen.  Zur  Ergänzung  des  Inventars  werden 
ihm  Forderungen  bis  zur  Höhe  der  Pacht  jährlich  ver- 
gütet, aber  30%  unter  dem  Selbstkostenpreis.  Zur 
Sicherheit  hat  der  Director  eine  Caution  von  12000  M. 
zu  hinterlegen. 

Der  geschäftskundigen  Hand  und  dem  eifrigen  Streben 
des  Karl  Simons,  welcher  keine  Mühe  und  Opfer  scheut, 
wenn  es  gilt,  dem  Publikum  durch  das  Auftreten  der 
ersten  Capazitäten  oder  durch  Inscenirung  der  besten 
Novitäten  einen  erhöhten  Eunstgenuss  zu  verschaffen, 
verdankt  das  Düsseldorfer  Theater  seine  endlich  nach 
langen  Kämpfen  und  Wirren  gegründete  Lebensfähigkeit 

Es  bleibt  uns  jetzt  noch  übrig,  auf  die  musikalischen 
Verhältnisse  Düsseldorfs  im  Laufe  dieses  Jahrhunderts 
einen  Blick  zu  werfen ;  dass  gerade  in  Düsseldorf  sowohl 
von  Seiten  der  Stadt  als  auch  durch  Privatvereine  für 
die  Musik  mehr  als  in  irgend  einer  anderen  Stadt  von 
gleicher  Ausdehung  geschehen  ist,  steht  als  Thatsache 
fest.  Die  Einrichtung  der  gediegenen  wöchentlichen 
Concerte  der  städtischen  Capelle  in  der  Tonhalle  für 
einen  Preis,  der  sie  jedem  Bürger  zugänglich  macht,  hat 
nicht  wenig  zum  Ruhme  Düsseldorfs  als  eine  Stadt  der 
Kunst  und  der  Musen  beigetragen. 

Das  Grösste,  was  am  Rhein  zur  Verbreitung  und 
Popularisirung  der  Musik  geschehen  ist,  sind  bekanntlich 
die  Niederrheinischen  Musilcfeste,  welche  zwar  von  dem 
Musikdirector  Schornstein  aus  Elberfeld  im  November 
des  Jahres  1817  zuerst  angeregt  wurden,  aber  doch  an 
Düsseldorf  den  nachhaltigsten  Rückhalt  gehabt  haben^ 
da  bekanntlich  Elberfeld  seit  dem  Jahre  1827  aus  der 
Reihe  der  Städte  ausgeschieden  ist,  welche  jährlich  zur 
Zeit  des  schönen  Pfingstfestes  abwechselnd  das  Musikfest 
in  ihren  Mauern  feiern,  sodass  nur  Düsseldorf,  Köln  und 
Aachen,  welches  1825  dem  Bunde  beitrat,  übrig  ge> 
blieben  sind. 

Die  geschichtliche  Entwickelung  dieser  Feste  ist 
schon  mehrfach  behandelt  worden ;  wir  möchten  den  Kunst- 


Theater  und  Musik,  417 

freund,  welcher  Genaueres  über  den  Verlauf  derselben 
zu  erfahren  wünscht,  auf  folgende  beiden  Schriften  ver- 
weisen: 1)  Dr.  jur.  Becher:  Aesthetische  und  historische 
Abhandlung  über  die  Niederrheinischen  Musikfeste,  1836. 
2)  Blätter  der  Erinnerung  an  die  fünfzigjährige  Dauer 
der  Niederrheinischen  Musikfeste,  Köln  1868  (von  Hauche- 
corne,  einem  der  Gründer  dieser  Feste  verfasst);  in  der 
letzteren  Schrift  gibt  der  Autor  eine  vollzählige  Liste  der 
bis  dahin  aufgeführten  Programme,  sowie  die  Namen  der 
mitwirkenden  Solisten  und  Dirigenten.  Die  hervorragend- 
sten Kräfte  haben  gerade  den  Düsseldorfer  Aufführungen 
durch  ihre  persönliche  Leitung  einen  besonderen  Glanz 
verliehen.  Es  sind  dies  der  Reihe  nach  Burgmüller,  Spohr 
und  Ries,  Mendelssohn,  Rietz,  Schumann,  Hiller  und  Tausch. 
Einige  biographische  Bemerkungen  über  diese  Männer, 
soweit  sie  Düsseldorf  im  Besonderen  interessiren,  mögen 
den  Schluss  dieser  Skizze  bilden. 

Aug.  Friedr.  Burgmüller  (geb.  1760  zu  Magdeburg, 
t  21.  Aug.  1824  zu  Düsseldorf)  siedelte  schon  im  Jahre 
1806  als  städtischer  Musikdirector  über;  zu  gleicher  Zeit 
war    er   als   Gesanglehrer   am   Königlichen   Gymnasium 
angestellt.    Er  war  ein  äusserst  thatkräftiger  Mann  und 
vortrefflicher   Dirigent ,    wegen    seines    ausgezeichneten 
Humors  ausserordentlich  beliebt.  Einige  recht  interessante 
Anekdoten  hat  uns  Wolfgang  Müller  von  Eönigswinter 
im  1.  Bande  seiner  „Erzählungen  eines  Rheinischen  Chro- 
nisten'' nach  mündlichen  Traditionen  überliefert.    Er  war 
einer  der  thätigsten  Gründer  der  Niederrheinischen  Musik- 
feste gewesen.    Ein  hochbegabter  Musiker  war  sein  leider 
so  früh  verstorbener  Sohn  Norbert,  dem  in  dem  eben 
erwähnten  Buche  ein  schönes  Denkmal  von  Freundeshand 
gesetzt  worden  ist.    Norbert  hinterliess  eine  grosse  Anzahl 
tief  empfundener  Compositionen ;  namentlich  sind  seine 
Lieder  wegen  ihrer  zarten  Innigkeit  einer  grösseren  Ver- 
breitung werth.     Er  selbst  hatte  in   seiner  kindlichen 
Bescheidenheit  nicht  daran  gedacht,  die  ihm  im  lieber- 
mass  zuströmenden  musikalischen  Gedanken  der  Oeffent- 
Uchkeit  zu  übergeben;    erst    der   Verlagshandlung  von 
Fr.  Eistner  gebührt  das  Verdienst,  seit  1872  umfangreichere 
Veröffentlichungen    aus    seinem   reichen   Nachlasse   ver- 
anstaltet zu  haben. 

Nach  einigen  Unterbrechungen  wurde  im  Jahre  1833, 
wie  schon  früher  erwähnt,  Felix  Mendelssohn-Bartholdi 
als  städtischer  Musikdirector  für  einige  Jahre  (1833 — 1835) 
an  Düsseldorf  gefesselt.  Die  Düsseldorfer  Musikfeste  hat 
er  nach  seinem  Fortgange  noch  bis  zum  Jahre  1842  ganz 
oder  theilweise  geleitet.    Ihm  folgte  Julius  Rietz,  welcher 

27 


418  Theater  tiw(7  Mitaik. 

schon  einige  Jahre  die  Direction  der  Oper  an  dem  Theater 
Immermanns  in  den  Händen  gehabt  hatte.  Er  übernahm 
1836  in  dem  jugendlichen  Alter  von  25  Jahren  die  städ- 
tische Musikdirectorstelle.  Immermann  schätzte  den  jungen 
Künstler  sehr  hoch,  der  sieh  durch  Armuth  und  schwere 
Hindernisse  siegreich  durchkämpfend  schnell  eine  geach- 
tete Stellung  erworben  hatte.  Viele  seiner  besten  Com- 
positionen  sind  hier  im  geistig  belebenden  Verkehr  ent- 
standen. Die  Leitung  der  städtischen  Concerte,  sowie 
der  Niederrheinischen  Musikfeste  war  gerade  geeignet, 
sein  eminentes  Directionstalent  völlig  zu  entwickeln. 
Leider  gelang  es  nicht,  den  tüchtigen  Mann  dauernd  an 
Düsseldorf  zu  fesseln,  da  er  schon  im  Jahre  1847  einem 
ehrenvollen  Rufe  als  Kapellmeister  am  Stadttheater  zu 
Leipzig  und  zugleich  als  Leiter  der  dortigen  Singakademie 
Folge  leistete. 

Ihm  folgte  im  Jahre  1850  Robert  Schumann  (1810 — 1856; 
als  städtischer  Musikdirector.  Anfangs  fühlte  sich  dieser 
grosse  Meister  in  seiner  neuen  Stellung  recht  behaglich: 
aber  nur  zu  bald  kam  es  zu  Misshelligkeiten,  in  Folge 
dessen  der  Verwaltungsrath  des  Düsseldorfer  Musikvereins 
ihn  plötzlich  seiner  Function  als  städtischen  Musikdirector 
enthob.  Sein  unglückliches  Ende,  welches  von  unheilbarer 
Krankheit  herbeigeführt  wurde,  ist  allbekannt;  nach  seinem 
Tode  liess  sich  seine  Wittwe  Clara  Schumann  für  einige 
Zeit  in  Düsseldorf  nieder.  An  seine  Stelle  trat  Julius 
Tausch,  welcher  im  Jahre  1827  in  Dessau  geboren,  schon 
seit  1846  in  Düsseldorf  als  Pianist  und  Leiter  der  Künstler- 
Liedertafel  einen  geachteten  Namen  sich  erworben  hatte. 
In  den  Jahren  1853 — 1855  übernahm  er  die  Vertretung 
R.  Schumanns,  zu  dessen  Nachfolger  er  1855  endgültig 
ernannt  wurde.  Seine  zahlreichen  Compositionen ,  be- 
stehend aus  Kirchenmusiken,  Ouvertüren  und  anderen 
Orchestercompositionen,  sowie  aus  gemischten  Chören, 
Männerchören,  Liedern  und  Ciavierstücken  sind  bei 
weitem  noch  nicht  alle  im  Druck  erschienen.  Gar 
manchen  schönen  und  gediegenen  Kunstgenuss  verdankt 
ihm  das  Düsseldorfer  Publikum,  sowohl  als  Leiter  (seit 
1853)  der  Abonnementsconcerte,  als  auch  Mitdirigent  der 
in  Düsseldorf  gefeierten  Niederrheinischen  Musikfeste. 


Geschichte  der  militärischen  Verhältnisse 
der  Stadt  Düsseldorf. 

Voll 
Hauptmann  Kobtz. 

tf  VII.,  Graf  von  Berg,  beabsichtigte  nach 
3r  für  ihn  ao  ruhmreichen  Schlacht  von  Wor- 
ngen  am  Bhein  einen  neuen  festen  Platz  zu 
runden,  als  Ersatz  für  die  zerstörten  Vesten 
—onheini  und  Mülheim.  Aus  diesem  Qrundc 
ertheilte  er  am  18.  August  1288  dem  Flecken  Düsseldorf 
den  Freibrief  und  machte  ihn  zur  Stadt.  Die  Ausdehnung 
der  damaligen  Stadt  war  sehr  gering,  auf  dem  rechten 
Ufer  der  nördlichen  DUssel  zog  sich  die  Ringmauer  am 
Rhein  beginnend  bis  zur  Liefergasse,  dann  im  rechten 
Winkel  bis  zur  Ritterstrasae,  von  wo  sie  sich  bis  zur 
Krftmerstrasse  erstreckte  und  parallel  dem  Rhein  ihren 
Abschluss  fand.  Durch  die  Vorliebe  der  Herzöge  von 
Berg  für  Düsseldorf  vergrösserte  sich  die  Stadt,  die,  wie 
eine  alte  Chronik  nagt,  „eine  schöne  und  lustige  fürst- 
liche Burg"  war.  Es  ist  anzunehmen,  dass  das  Schloss 
schon  zur  Zeit  der  Ertheilung  des  Freibriefes,  wenn  auch 
in  geringerem  Umfange,  bestand.  Die  älteste  bekannte 
Urkunde,  in  welcher  des  Schlosses  Erwähnung  gethan 
wird,  ist  aus  dem  Jahre  1386  und  werden  in  derselben 
für  die  Entwickelung  Düsseldorfs  wichtige  Bestimmungen 
getroffen.  In  dieser  Urkunde  sind  die  Verhandlungen  über 
RheinzoU  enthalten,  welcher  früher  bei  Monheim  und  dann 
bei  Angerort  erhoben  wurde,  und  der  nun  auf  Düsseldorf 
überging.  Herzog  Wilhelm  bestimmte  das  Schloss  Düssel- 
dorf als  denjenigen  Ort,  wo  ihm  alle  auf  diesen  Zoll 
bezüglichen  Zustellungen  gemacht  werden  sollten.  Die 
Einkünfte    dieses   Zolles,   die    verschiedenen    kirchlichen 


420     Geachichte  der  militärfachen  Verhältniase  der  Steult  DHaaeldorf, 

Gründungen   zu   dieser  Zeit,   die   Erhebung  des  Grafen 
Wilhelm  zum  Herzog,  bewirkten  die  Vergrösserung  der 
Stadt,   die  jedoch  zu  der  Zeit  die  nördliche  Dussel  nicht 
überschritt.   Um  eine  Erweiterung  der  Stadt  nach  Süden 
herbeizuführen,  erliessen  Herzog  Wilhelm  und  seine  Ge- 
mahlin Anna  von  Baiern  im  Jahre   1394  eine  Urkunde, 
welche   allen  denen  Vortheile   und  Erleichterungen  ge- 
währte, welche  sich  zwischen  den  beiden  Düsselarmen 
anbauen  möchten.   Sie  erhielten  ebenfalls  städtische  Frei- 
heiten und  alle  Privilegien  der  ersten  Bürger  Düsseldorfs, 
indem  sie  vom  Schöppenstuhl  zu  Bilk  an  den  Schultheiss 
und  Bürgermeister  von  Düsseldorf  überwiesen  wurden  und 
auf  24  Jahre  von  allen  Abgaben  befreit  wurden.    Diese 
neue  Stadt  wurde  auch  mit  Graben  und  Mauern  versehen, 
doch  scheint  ihre  Ausdehnung  noch  gering  gewesen  zu 
sein.    Die  Herzöge  von  Berg  nahmen   mit  der  Zeit  im 
Schloss  zu  Düsseldorf  ihren  dauernden  Wohnsitz,  auch 
blieb  nach  deren  Aussterben  1511  unter  Clevischer  Herr- 
schaft Düsseldorf  Hauptstadt.    Wilhelm  HL,  Herzog  von 
Cleve,  sah  sich   in  den  dreissiger  Jahren   des   16.  Jahr- 
hunderts veranlasst,  die  Befestigung  von  Düsseldorf  um- 
zugestalten, da  freistehende  Stadtmauern,  mit  Thürmchen 
besetzt,  gegen  die  eingeführten  und  verbesserten  schweren 
Feuergeschütze   keinen   Schutz   mehr    boten.     Die    Ein- 
führung von    Erdwerken   mit    Bastionen    war    geboten, 
und  nahmen  solche  Werke  mehr  Raum  in  Anspruch,  wie 
die  steinernen  Mauern.   Die  Stadt  erhielt  5  Thore,  deren 
Lage  ein  Bild  von  der  Ausdehnung  der  Befestigung  geben. 
Das  Ratinger  Thor  stand  einige  hundert  Schritte  rück- 
wärts seiner  jetzigen  Lage,  das  Flingerthor  am  östlichen 
Ausgang  der  Flingerstrasse,  das  Bergerthor  da,   wo   die 
Akademiestrasse  die   Hafenstrasse   trifft,  das  Rheinthor 
zwischen  Arresthaus  und  Freihafen,  das  Zollthor  an  seiner 
jetzigen  Stelle.    Noch  besser  wird  eine  Wanderung  inner- 
halb der  Mauern  die  Ausdehnung  der  Stadt  veranschau- 
lichen.  Das  alte  Schloss  lag  an  der  nordwestlichen  Seite 
des  jetzigen  Burgplatzes  auf  dem  rechten  Ufer  der  Dussel ; 
die  Krämerstrasse  war  nur  auf  der  östlichen  Seite  be- 
baut und  stand  am  alten  Schlachthause  der  ZoUthurm. 
Von  hier  aus  gelangte  man  gegen  Osten  hin  durch   die 
Strasse  „achter  der  Mauer  am  Pulverthurm",  die  jetzige 
Ratingerstrasse  und  die  Strasse   „achter  der  Mauer   bei 
den  Mönchen"  zur  nordöstlichen  Ecke  der  Stadt,  wo  sich 
in  der  Nähe  des  heutigen  Eiskellers  abermals  ein  Thurm 
befand.    Von  hier  aus  nach  Süden  zu  bildet  das  heutige 
Mühlengässchen ,  die  Ratinger- Mauer  und  etwa  die  Neu- 
strasse bis  zum  Stadtbrückchen  die  Grenze,  das  Ratinger- 


Gtschichfe  der  milit^Hsehen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf.     421 

und  Flingerthor  war  durch  grosse,  feste  Thorthürme 
geschützt,  desgleichen  befand  sich  zwischen  beiden  Thoren, 
etwa  zwischen  Kunsthalle  und  Theater,  ein  vorspringender 
Thurm.  Den  östlichen  Abschluss  machte  am  Stadtbrück- 
chen  wieder  ein  Thurm.  Von  hier  aus  zum  Bergerthor 
gelangte  man  durch  die  jetzige  Wallstrasse  und  findet 
sich  auf  diesem  Wege,  etwa  in  Höhe  der  kleinen  evan- 
gelischen Kirche,  wieder  ein  vorspringender  Thurm.  Vom 
Bergerthor,  welches  durch  den  „Portmanns  -  Thurm"  ge- 
deckt war,  gelangte  man  durch  die  Strasse  „  achter  der 
Mauer  am  Bergerthor"  (jetzt  Akademiestrasse),  wo  auch 
ein  Thurm  lag,  zum  Rheinthor,  gleichfalls  durch  Thor- 
thurm  befestigt.  Von  hier  führte  die  Strasse  „achter  der 
Mauer  am  Reinkes  Oertchen"  zum  Rhein,  wo  ein  fester 
Thurm  wiederum  die  Ecke  bildete,  am  Rhein  entlang 
kam  man  am  Zollthor  mit  festem  Thurm  vorüber.  Der 
jetzige  Markt  und  Burgplatz  waren  nach  der  Rheinseite 
zu  noch  unbebaut  und  gelangte  man  so  wieder  zum 
Schloss,  nachdem  man  die  zur  Krämerstrasse  führende 
Brücke  über  die  Dussel  überschritten  hatte. 

Die    Citadelle  wurde    nach    Vollendung    der   Stadt 
befestigung  im  alten  Schlossgarten  angelegt,  sie  scheint 
ein  Erdwerk  mit  trockenem  Graben  gewesen  zu  sein  und 
entstand  hierdurch  der  Hafen  an  der  Stelle,  wo  heute  der 
sogenannte  Freihafen  und  das  Arresthaus  sich  befinden. 
Dass  die  Citadelle  bereits  1583  angelegt  war,  ist  aus  dem 
Werke  des  Landschreibers  Graminäus  zu  ersehen,  welcher 
„die  Jülich'sche  Hochzeit"  bildlich  verewigt  hat.  Auf  einem 
Kupfer  des  Werkes  sieht  man,  wie  von  der  Citadelle  her 
ein  Tross  von  einziehenden  Reisigen  mit  Freudenschüssen 
empfangen  wird.   Unter  der  Regierung  der  letzten  Herzöge 
von  Cleve,  besonders  unter  Johann  Wilhelm,  scheint  die 
Verwaltung  des  Militärhaushalts  und  des  Festungswesens 
sehr  schlecht  gewesen  zu  sein,  wie  aus  noch  vorhandenen 
Verfügungen,  Berichten  und  Beschwerden  hervorgeht.   In 
einem  Schreiben  vom  26.  August  1583  wendet  sich  der 
Fürstlich  Jülich'sche  Artilleriemeister  Schultheiss  Hartych 
Breckewolt  an  die  ehrenhaften  und  grossgünstigen  Herren 
Räthe  mit  dem  Vorschlage,  man  möge  in  Düsseldorf  doch 
ein  Fähnlein  von  200 — 300  Knechten  errichten,  damit 
desto  besser  Regiment  zu  halten,  denn  wo  die  Knechte 
nicht  bei  einem  aufgerichteten  Fähnlein  gelebt  und  ge- 
schworen, möchte  nicht  leichtlich  gute  Tüchtigkeit  ge- 
funden werden.     Und  200 — 300  Knechte  wären  nöthig, 
denn   mit    100  Soldaten   möchte   diese   Stadt  Düsseldorf 
sammt  dem  fürstlichen  Schloss  nicht,  wie  es  sich  gezieme, 
besetzt  werden ;  sintemal  sich  ein  Theil  der  Bürger  allbier 


422      Geschichte  der  mllitö rittchen  Verhältnisse  der  Stadt  DUssMorf, 

ZU  verlauten  gelüsten  lassen,  dass  wenn   sein  gnAdiger 
Herr  Knechte  hineinlegen  werde,  so  wollten  sie  dieselben 
wieder  herausjagen.  Wie  denn  ihm  noch  gestern  Hochstein 
allhier  im  schwarzen  Hörn  angesagt  im  Beisein  des  Amt- 
manns  Blankenberg,   dass    er,   Hochstein,   von   Andern 
gehört  hätte,  wie  sich  etliche  Bürger  allhier  sollten  haben 
verlauten  lassen,  sofern  Knechte  hierherkämen,  so  wollten 
sie  die  Knechte  mit  sammt  dem  Schultheiss  todtschlagen. 
Unterm  24.  August  1584  schreibt  Breckewolt  wieder  an 
die  fürstlichen  Räthe  und  schläft  ihnen  vor,  die  12  Sol- 
daten, wovon  täglich  6  die  Wache  an  den  Thoren  hatten, 
auch  zu  den  Nachtwachen  heranzuziehen,  namentlich  aut 
dem  Schloss  und  zur  Aufsicht  eines  oder  zweier  Bürger, 
damit  sie  daselbst  keine  langen  Finger,  machten.    Dann 
sollten  sie  auch  Nachts  mit  den  Bürgern  an  den  schwächsten 
Stellen  des  Walles  Wache  thua,  es  wäre  rathsam,  wenn 
auch  2  oder  3  Soldaten  des  Herzogs,  von  denen  welche 
zu  W^illich  lägen,  dem  Schultheiss  untergeordnet  würden, 
um  unbekannte  oder  verdächtige  Personen,   die  sich  in 
der  Stadt  betreffen  Hessen,  nöthigenfalLs  einzuziehen,  indem 
dies  nicht  Sache  der  Bürger  sei,  die  ihrer  Nahrung  nach- 
gehen müssten.    Li  einem  dritten  Schreiben  ohne  Datum 
beklagt  sich  der  Artilleriemeister,  dass  er  seit  1583  mehrere 
Jahre  hindurch  vergeblich  um  Verbesserung  der  zur  Forti- 
fication    der   Stadt   Düsseldorf  nöthigen   Utensilien   und 
Geräthe  gebeten  habe,  er  ergreife  daher  die  Gelegenheit, 
die  Herren  Räthe  nochmals  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
da  nämlich  die  Winterzeit  dazu  geeignet  sei,  Verbesse- 
rungen vorzunehmen.     Dem  Augenschein  nach  würden 
die  Wände  des  Artilleriehauses  binnen  14  Tagen  einfallen 
und  das  Dach  desselben  sei  so  baufällig,  dass  die  noch 
vorräthigen  Geschütze,  Haken,  Rohre  und  andern  Dinge 
vergänglich  und  zerstört  würden,   auch  könne  er  nicht 
dafür   einstehen,   falls    etwas   vorkäme    oder    gestohlen 
würde.    Er  müsse  die  desfallsige  Schuld  allein  auf  den 
Burggrafen  zurückweisen,  der  keiner  seiner  Vorstellungen 
bisher  Gehör  gegeben  habe.   Der  Giebel  des  Werkhauses 
drohe  dem  Einsturz;  es  sei  auch  nicht  ein  Pfund  Lunte 
vorhanden  und  müssten  wenigstens  200 — 300  Pfund  be- 
stellt werden.  Der  Büchsenmeister  bedürfe  zweier  lederner 
Pulversäcke.   Bei  Ankäufen  von  Salpeter  durch  den  Burg- 
grafen solle  der  Pulvermeister  zugezogen  werden,  um  die 
Qualität    zu    untersuchen.      Der    Artilleriemeister    oder 
Artillerie  -  Schmied   solle   sich   vor   der   Anfertigung   des 
Pulvers  mit  dem  Pulvermacher  über  die  anzufertigenden 
Sorten  benehmen  und  das  fertige  Pulver  vor  der  Abliefe- 
rung probiren.    Schliesslich  bemerkt  er  noch:  auf  dem 


Geschichte  der  militärischen  Verhältnisse  der  Studt  Düsseldorf.     423 

Walle  Wäre  grosse  Unordnung,  Ferkel,  Schafe,  Ziegen 
spazieren  darauf  herum,  wie  es  doch  keiner  Orten  ge- 
bräuchlich sei,  auch  Bänder,  wie  Jung  und  Alt  träten  die 
Brustwehren  nieder ;  die  Wallthtire  stände  jederzeit  offen, 
auch  habe  Jedermänniglich,  geistlichen  und  weltlichen 
Standes,  Schlüssel  davon  und  gebrauche  sie,  deswegen 
wäre  es  sehr  nöthig,  dass  sein  gnädiger  Fürst  und  Herr 
die  fürstlichen  Räthe  in  allen  diesen  Dingen  bessere  Ord- 
nung bestellten. 

In  einem  vierten  Schreiben  beklagt  Breckewolt  sich 
nochmals  dringend  über  den  schlechten  Zustand  des 
Artilleriewesens,  da  ein  Theil  des  Geschützes,  besonders 
des  auf  dem  Rheinörtchen,  so  beschaffen  sei,  dass  man 
es  noch  ^zur  Freuden,  zu  Schimpf  oder  Ernst"  aber  nicht 
mehr  gebrauchen  könne.  Von  5  Feldschlangen  und 
6  Serpentinen,  die  auf  den  Wällen  ständen,  seien  die 
Achsen  und  Boden  so  verfault,  dass  die  darauf  liegenden 
Stücke  durchfielen.  —  Das  Schreiben  schliesst  wie  alle 
mit  dringlicher  Bitte  um  Reparatur. 

Bei  Antritt  der  Regierung  des  letzten  Herzogs  Johann 
Wilhelm  von  Cleve  reicht  Breckewolt  nochmals  ein  Ver- 
zeichniss  aller  Uebelstände  ein,  zugleich  verwahrt  er  sich 
gegen  die  Folgen  der  Nachlässigkeit  und  bittet  mit  allem 
Fleiss  zu  erwägen,  dass  den  Schäden  abgeholfen  und 
Material  angeschafft  w^erde;  auch  möge  Gott  verhüten, 
schreibt  er  weiter,  dass  man  Geschütze  und  Werk  zum 
Ernst  gebrauchen  müsse.  —  Endlich  entschliesst  sich  die 
Verwaltung  im  Jahre  1596  zu  einer  Besichtigung.  „Am 
25.  Juli  1596  ist  der  Herr  Canzler  Broill  sammt  dem 
Vice-Canzler  L.  Pütz  neben  dem  Hauptmann  Caterbach, 
Schultheiss  Breckewolt  und  Bürgermeister  zu  Düsseldorf, 
auch  dem  Baumeister  Pasqualin  über  den  Stadtwall  all- 
hier,  gleichfalls  die  Citadelle  gegangen,  um  die  Gelegen- 
heit und  Mängel  zu  besichtigen."  Ueber  die  Besichtigung 
erfolgte  ein  ausführlicher  Bericht,  aus  welchem  zur  Zeit 
der  geringe  Werth  der  Festung  ersichtlich  ist.  Es  wird 
hervorgehoben,  dass  an  vielen  Stellen,  aus  Mangel  an 
Leuten,  die  Schildwachen  fehlen ;  ein  Wachthaus  ist  durch 
„die  Beesten"  verunreinigt,  kein  Tisch  noch  Brettchen 
sei  darin,  daher  müssten  die  Wachmannschaften  auf  der 
Erde  in  Koth  und  Unfiath  aufeinander  liegen,  da  sonst, 
wenn  Tisch  und  Bretter  darin  wären,  sie  etwas  anwenden 
könnten,  damit  sie  wach  blieben.  Der  Bürgermeister  will 
für  Abstellung  sorgen.  Ferner  wäre  es  gut,  wenn  keine 
Kühe  auf  die  Wälle  kämen,  so  dieselben  beschädigten. 
Die  Gräben  auf  den  Wällen  sollen  besser  im  Stande  ge- 
halten werden,  damit  nicht  in  Regenzeiten,  wie  es  ge- 


424     Geschichte  der  militärischen  Verhaltnisse  der  Stadt  DUaseld&rf. 

schehen,  das  Wasser  stehen  bleibe  und  nicht,  wer  solche 
Brustwehren  vertheidigen  solle,  im  tiefen  Schmutz  zu 
stehen  habe,  und  auch  wenn  es  friere  und  dann  das 
Wetter  abgehe,  die  Brustwehr  nicht  einfalle.  Am  Mühlen- 
bastion sei  der  Wall  so  niedrig  und  draussen  so  hoch, 
dass  man  vom  Felde  auf  die  innere  Stadtmauer  und  den 
Mühlenplatz  sehen  könne;  da  solle  der  Graben  vertieft 
und  die  Erde  auf  den  Wall  geworfen;  ferner  an  unter- 
schiedlichen Orten  Mauern  mit  Hameye  (Stakete)  an- 
gebracht werden,  damit  nicht  Jeder  auf  den  Wall  laufe. 

Trotz  dieses  Berichtes  entschloss  sich  die  Verwaltung 
doch  nicht  zu  durchgreifenden  Verbesserungen,  nur  wurde 
am  7.  October  desselben  Jahres  ein  Edikt  erlassen,  wo- 
nach Sträflinge  zum  Festungsbau  verwandt  werden  sollten. 

Werfen  wir  bei  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  einen 
Blick  auf  Düsseldorf,  so  finden  wir,  dass  der  äussere 
Umfang  etwa  derselbe  geblieben  ist,  nur  haben  die 
Festungswerke,  wie  schon  gesagt,  eine  andere  Gestalt  er- 
halten. Im  Jahre  1527  erschien  das  erste  deutsche  Buch 
über  Befestigungskunst,  verfasst  von  Albrecht  Dürer.  In 
diesem  „Unterricht  zur  Befestigung  der  Schloss,  Stadt 
und  Flecken"  wurde  gelehrt,  statt  der  Mauern  Wälle  und 
statt  der  Thürme  Rondells  anzulegen.  Johann  in.  hatte 
bei  der  Belagerung  von  Münster  1535  die  Vortheile  dieser 
neuen  Befestigungsart  kennen  gelernt  und  ist  anzunehmen, 
dass  der  Anfang  zur  Neubefestigung  von  Düsseldorf  in  der 
angegebenen  Art  auf  Johann  ni.  zurückzuführen  ist.  Sein 
Nachfolger  Wilhelm  lll.  wurde  durch  seine  kriegerischen 
Unternehmungen  genöthigt,  seine  Hauptstadt  bestens  zu 
befestigen.  Auf  den  Landtagen  von  1540  an  wird  viel- 
fach mit  den  Ständen  über  die  Mittel  zum  Festungsbau 
verhandelt,  1560  wird  sogar  die  für  damalige  Zeiten  sehr 
hohe  Summe  von  30000  Thalern  bewilligt.  Die  Thürme 
wurden  in  Rondells  verwandelt,  auch  wurden  Bastione 
mit  casemattirten  Flanken  angelegt.  Wir  finden  solche 
Bastionen  am  Mühlenplatz,  am  heutigen  AUeeplätzchen, 
am  Bergerthor,  mit  der  Spitze  bis  auf  den  heutigen 
Carlsplatz  auslaufend,  und  am  Rhein  das  Rhein-Oertchen. 

Am  Rhein  wurde  das  Werft  vom  Rhein -Oertchen 
bis  zum  Schlosse  ausgebaut.  Die  nördliche  Front  blieb 
unverändert  und  diente  der  feste  Thurm  am  Rheine  als 
linke,  das  Rondell  auf  dem  Eiskeller  als  rechte  Flanken- 
deckung. Wir  haben  gehört,  in  welcher  mangelhaften 
Verfassung  die .  Werke  sich  bei  Beginn  des  17.  Jahr- 
hunderts befanden,  jedoch  scheinen  in  den  Jahren  1599 
bis  1602  Verbesserungen  ausgeführt  worden  zu  sein,   da 


Gesefiichte  der  milüärisehen  Verhäftnisse  der  Stielt  Düsseldorf.     425 

sich  die  Stände  mit  der  Regierung  über  die  Kosten  im 
Zwiespalt  befinden. 

Zum  Schutz  der  Festung  waren  die  Bürger  in  4  Com- 
pagnien^  strassenweise  formirt,  an  deren  Spitze  je  ein 
Rathsmitglied  als  Hauptmann,  mit  Lieutenant  und 
Fähnrich  stand.  Sie  sollten  den  Wachdienst  ausüben 
und  hatten  auf  den  Wällen  ihren  bestimmten  Platz. 
Graminäus  zeigt  sie  uns,  zum  Theil  mit  Feuerröhren, 
zum  Theil  mit  Spiessen  bewaffnet.  Johann  Wilhelm,  der 
letzte  Clevische  Herzog,  starb  kinderlos  am  25.  März  1609. 
Der  Hof  Junker  Adolf  von  Eynatten  wurde  sofort  zum  Kaiser 
nach  Prag  geschickt,  um  Botschaft  von  diesem  wichtigen 
Ereignisse  zu  bringen,  er  kehrte  nach  14  Tagen  mit 
näheren  Befefden  des  Kaisers  zurück.  Inzwischen  hatte 
der  Kurfürst  von  Brandenburg  durch  seinen  Bevollmäch- 
tigten Stephan  von  Hartefeld  in  Begleitung  des  Notars 
Gerhard  Beckmann  aus  Köln  und  der  mitgebrachten 
Zeugen  von  Düsseldorf  Besitz  ergreifen  lassen  und  wurde 
das  Brandenburgische  Wappen  an  die  ^Bergerporz^  an- 
geschlagen. Am  nächsten  Tage  wird  auch  das  Wappen 
von  Pfalz -Neuburg  an  die  „Bergerporz^  angeschlagen, 
ausserdem  wollte  der  Kaiser  die  Clevischen  Lande  als 
erledigtes  Reichslehen  einstweilen  für  sich  in  Beschlag 
nehmen.  Im  Vergleich  zu  Dortmund  wird  eine  Einigung 
dahin  erzielt,  dass  vorläufig  gemeinschaftliche  Verwal- 
tung durch  Brandenburg  und  Pfalz  -  Neuburg  eintritt. 
Markgraf  Ernst  von  Brandenburg  imd  Pfalzgraf  Wolfgang 
Wilhelm  von  Neuburg  hielten  am  16.  Juni  1609  als  Be- 
vollmächtigte ihrer  Füi^sten  ihren  feierlichen  Einzug  in 
Düsseldorf  und  wohnten  zusammen  im  Schlosse.  Dieses 
Condominat  hatte  aber  keinen  langen  Bestand,  namentlich 
nachdem  Markgraf  Ernst  gestorben  und  Kurprinz  Georg 
Wilhelm  ihm  folgte.  Im  Jahre  1613  kam  der  Kurfürst 
Johann  Sigismund  selbst  nach  Düsseldorf,  um  die  ent- 
standenen Zwistigkeiten  auszugleichen  und  um  Wolfgang 
Wilhelm  mit  Anna  Sophia,  seiner  Tochter,  zu  verloben. 
Hier  soll  nun  beim  Mittagsmahle  der  Kurfürst  dem  Wolf- 
gting  Wilhelm  eine  Ohrfeige  gegeben  haben. 

Von  nun  ab  war  ein  Zusammenwohnen  nicht  mehr 
möglich ;  die  Brandenburger  verlegten  ihre  Residenz  nach 
Cleve,  wogegen  Wolfgang  Wilhelm  in  Düsseldorf  ver- 
blieb. In  aller  Eile  liess  er  an  der  weiteren  Befestigung 
der  Stadt  arbeiten,  es  wurden  viele  Gärten  eingezogen, 
welche  in  Erdwerke  („halbe  Monde**)  verwandelt  wurden; 
wir  finden  solche  vor  dem  Ratinger  Thor,  dem  Mühlen- 
rondell und  am  Rhein.  1620  wurde  die  ganze  Befestigung 
einer    gründlichen    Revision    unterworfen.     Der  damals 


426     Gesehiehte  der  müMrisehtn  VerhäUnisse  der  Stadt  Dnsseidorf. 

entworfene  Plan  zeigt  uns  4  Bastionen  am  Eiskeller,  am 
MQblenplatz,  am  alten  Flingerthor  und  am  alten  Berger- 
thor, ausserdem  die  1552  begonnene  Citadelle  in  vervoU- 
ständigter  Form  mit  2  Bastionen  nach  der  heutigen  Neu- 
stadt hin  und  einer  Bastion  am  damaligen  Hafen,  gegen- 
über dem  Rhein  -  Oertchen.  Bei  diesem  Umbau  wurden 
auch  Flinger-  und  Berger-Thor  an  ihre  jetzigen  Stellen 
verlegt.  Stadt  und  Citadelle  wurden  durch  eine  Brücke 
an  der  dort  gelegenen  Mühle  verbunden.  Zwischen  dem 
Zollthor  und  dem  Schlosse  ünden  wir  noch  2  Thürme 
und  da,  wo  das  ehemalige  Schlachthaus  stand,  einen 
ECkthurm,  welcher  als  Pulverthurm  diente.  Wolfgang 
Wilhelm  versuchte  nun  auch,  sich  in  den  Besitz  von 
Jülich  zu  setzen,  was  aber  misslang.  Der  Kurprinz  Georg 
Wilhelm  erhielt  hiervon  Kenntniss  und  stieg  in  ihm  der 
Gedanke  auf,  sich  dafür  durch  eine  Ueberrumpelung  von 
Düsseldorf  zu  rächen.  In  einer  Mftrznacht  des  Jahres  1614 
erschienen  400  Mann  der  Besatzung  von  Meurs  mit 
Sturmleitern  vor  Düsseldorf,  geführt  durch  den  Branden- 
burgischen Oberst  von  Schwiegel.  Die  Wachsamkeit  der 
Posten  verhinderte  den  Handstreich  und  als  die  Bürger- 
Compagnien  bewaffnet  auf  den  Wällen  erschienen,  zog 
das  Ueberrumpelungs- Corps  ab.  Die  Stärke  der  Be- 
satzung hat  sich  in  diesen  Jahren  oft  geändert.  Im  Jahre 
1617  bestand  die  Garnison  aus  6  Compagnien  zu  Fuss 
und  1  Compagnie  Reiter,  in  Smnma  mit  Weibern  und 
Kindern  etwa  1800  Köpfe.  Die  Garnisonliste  von  1625 
ergiebt  hingegen  nur  440  Söldner  mit  212  Weibern  und 
257  Kindern.  1628  wurde  die  Garnison  um  400  Mann 
zu  Fuss  und  2  Compagnien  zu  Pferde  verstärkt.  Durch 
den  dreissigjährigen  Krieg,  ausgenommen  die  letzten 
Jahre,  hat  Düsseldorf  nicht  zu  leiden  gehabt,  die  Stadt 
wurde  sogar  1630  durch  die  holländischen  Generalstaaten 
als  „Residentz- Statt,  Cantzeln,  Archival  und  Rechen- 
Kammer^  für  neutral  erklärt  und  entging  auf  diese 
Weise  den  vielfachen  Geldcontributionen  und  Lasten  der 
Einquartirung.  Am  30.  August  1634  entlud  sich  über 
Düsseldorf  ein  schreckliches  Gewitter  imd  schlug  der 
Blitz  in  den  schon  erwähnten  Pulverthurm.  Ueber  50 
Häuser  wurden  zerstört,  das  Schloss  und  die  Lambertus- 
kirche  stark  beschädigt,  viele  Menschen  verloren  das 
Leben  und  soll  sogar  eine  Kanone  über  den  Rhein  g^e- 
schleudert  worden  sein. 

In  den  Jahren  1639  bis  1642  hatte  Düsseldorf  durch 
Einquartirung  Kaiserlicher  Kriegsvölker  unter  dem  Ober»t 
Meutter  und  dem  Stabsoberstlieutenant  von  Koppstein, 
sowie  unter  den  Kaiserlichen  Feldherren  Lamboy,  Hatz- 


Gesehichte  der  militärischen  VerhUltniMe  der^  Stadt  Düsseldorf.     427 

feld,  Pappenheim  und  Piccolomini  viel  zu  leiden.    Noch 
schlechter  erging  es  aber  der  Stadt  Neuss,  welche  1642 
von  den  Hessen  eingenommen  war,  die  in  Gemeinschaft 
mit  den  Weimaranern  und  Franzosen  die  ganze  Umgegend 
beunruhigten.   Eine  Unternehmung  der  Neusser  Besatzung 
1643   in   dunkler  Nacht    zu   Schiff   gegen   Eaiserswerth 
wurde   durch  die  Wachsamkeit  des   Düsseldorfer  „Aus- 
legers", eines  kleinen  Kanonenbootes,  welches  im  Frieden 
zur  Handhabung  des  Zolles,  im  Kriege  zur  Vertheidigung 
des  Platzes  diente,  verhindert.    Hierfür  rächte  sich  die 
Neusser  Besatzung  im  Juli  1647,  indem  50  Reiter  eine 
Kaiserliche  Compagnie  „Feuerröhrer"   in  der  Nähe  von 
Düsseldorf  überfielen,    14  Mann   niederhieben   und   den 
Fähndrich  mit  58  Gefangenen  nach  Neuss  transportirten. 
Einquartirung  von  Freund  und  Feind  muss  zu  jener 
Zeit  wegen  der  mangelhaften  Disciplin  der  Truppen  in 
gleicher  Weise  lästig  gewesen  sein.    So  hatte  Düsseldorf 
1649    das    auf   dem   Durchmarsch   befindliche   Branden- 
burgische Dragoner-Regiment  von  Qoldstein  mit  Stab  und 
Bagage  einzuquartiren  und  erfahren  wir,  dass  sich  das 
Regiment  grobe  Ausschreitungen  „mit  Schlagen  und  Ver- 
wunden^ zu  Schulden  kommen  liess.    Ebenso  sollen  sich 
in  der  Aussenbürgerschaft  die  Pfalz-Neuburgischen  Reiter 
betragen  haben.    Als  im  Jahre  1651  sich  Wolfgang  Wil- 
helm und  der  grosse  Churfürst  in  Folge  Religionsstreitig- 
keiten entzweit  hatten,   schickte  letzterer  den  General 
von  Sparre  mit  einer  Heeresabtheilung,  um  einen  Ueber- 
fall    auf    Düsseldorf    zu    versuchen.     Zunächst    wurde 
Ratingen  genommen  und  drangen  Brandenburgische  Ab- 
theilungen  schon   bis   Pempelfort   vor.     Weitere   Unter- 
nehmungen wurden  aufgegeben,  nachdem  beide  Fürsten 
in  einer  persönlichen  Zusammenkunft  in  Angermund  einen 
Waffenstillstand  schlössen,   dem   weitere  Vergleichsver- 
handlungen  folgten.    Wolfgang  Wilhelm   starb   1653  im 
Alter  von  75  Jahren  und  folgte  ihm  sein  Sohn  Philipp 
Wilhelm,   unter  dessen  Regierung  am  9.  September  1666 
zu  Cleve  ein  Erbvergleich  zu  Stande  kam.   Pfalz-Neuburg 
erhielt  Jülich  und  Berg,  Brandenburg  das  Uebrige ;  beide 
Fürsten  sollten  jedoch  den  ganzen  Titel  führen  und  die 
beiderseitigen  Unterthanen  mit  den  Worten   „Liebe  Ge- 
treue" bezeichnen  dürfen,  auch  sollte  der  Schaden,  welcher 
einem  dieser  Lande  zugefügt  würde,  von  beiden  Theilen 
gemeinschaftlich    getragen    werden.      Philipp    Wilhelm 
machte  sich  sehr  verdient  um  das   Emporkommen   der 
Stadt,   er  liess  das  Rheinthor  erweitern   und   unterhalb 
des  Schlosses  eine  Bastion,  „das  neue  Werk",  errichten ; 
die   alte  Stadtmauer  wurde   dort  abgebrochen   und   auf 


428     Geschürte  der  miimrisehen  VerhlUinisse  der  Stadt  Düssüdorf. 

diesem  gewonnenen  Terrain  baute  er  die  Reuterkaserne 
und  das  Zeughaus.  Als  im  Jahre  1685  Philipp  Wilhelm 
Churfürst  von  der  Pfalz  wurde,  verlegte  er  seine  Residenz 
nach  Heidelberg,  liess  jedoch  den  Churprinzen  Johann 
Wilhelm  in  Düsseldorf,  welcher  nach  dem  Tode  seines 
Vaters  1690  dort  einen  glänzenden  Hof  hielt  und  so  die 
Stadt  zu  grossem  Ansehen  brachte.  Zunächst  richtete 
er  sein  Augenmerk  auf  die  stärkere  Befestigung  der 
Stadt.  Die  Werke  wurden  nach  dem  System  Vauban 
verändert  und  erweitert,  er  Uess  den  Plan  zur  Extension 
entwerfen.  Dieselbe  sollte  sich  an  das  Flinger-Bastion, 
die  Gegend  des  heutigen  Stadtbrückchens,  anschliessen, 
in  der  Richtung  auf  die  Bahnhöfe  hin  sich  erstrecken, 
dort  einen  Winkel  bilden,  im  Bogen  etwa  über  den 
heutigen  Friedensplatz,  die  Neustadt  umschliessen  und  am 
Rhein  endigen.  Auf  dieser  Linie  sollten  5  Bastionen  er- 
baut werden.  Da  die  Geldmittel  nicht  reichten  und  die 
Stände  die  Kosten  nicht  aufbringen  wollten,  so  bestimmte 
eine  neue  Verordnung  nur  die  Ausdehnung  bis  zu  den 
jetzigen  Bahnhöfen.  Es  entstanden  4  neue  Bastione, 
Christianus,  eigentlich  nur  Contre-Garde  des  Flinger- 
Bastions,  dann  Anna  (auch  Josephus,  weil  die  heutige 
Garnisonkirche  sowohl  der  heiligen  Anna,  wie  dem 
heiligen  Joseph  geweiht  ist)  auf  dem  heutigen  Exerzier- 
platz, hieran  anschliessend  als  südöstliche  Ecke  das 
Bastion  Petrus  (auch  St.  Karl)  und  endlich  am  Ausgang 
der  Kasemenstrasse  das  Bastion  St.  Paulus.  Hier  schloss 
sich  die  weitere  Befestigung,  von  der  südlichen  Dussel 
umflossen,  mit  verschiedenen  kleineren  Werken  an  die 
Gontre-Gardedes  südlichen  Bastions  der  Citadeile  ^Diment- 
stein^  (benannt  nach  dem  Grafen  gleichen  Namens)  an. 
Am  Rheine  lag  das  Thomas-  oder  Gouvernements-Bastion 
der  Citadeile  mit  dem  Gouvernementshaus.  Am  südlichen 
Ende  des  heutigen  Freihafens  lag  die  Andreas-Batterie, 
das  Bastion  Spee  schloss  die  Citadeile  hier  gegen  die 
Stadt.  Das  Stadtbrückchen  wurde  zur  Verbmdung  mit 
der  Extension  erbaut,  zur  Citadeile  führte  die  schon 
früher  erwähnte  Brücke  an  der  jetzigen  Franziskaner- 
Kirche.  Auf  der  Nordfronte  finden  wir  am  Rhein  das 
Bastion  Schaesberg  (benannt  nach  dem  Grafen  gleichen 
Namens)  oder  Karl  Theodor  und  den  Eiskeller  oder 
Elisabeth-Augusta,  an  der  Ostfronte  das  Mühlen-Bastion 
oder  Friedericus  (erhalten  in  Mühlenstrasse  und  Friedrichs- 
platz) und  das  Flinger- Bastion  oder  Rosenthal,  auch 
Maria  Franziska  (erhalten  in  Flingerstrasse),  zwischen 
beiden  ein  Ravelin,  auf  welchem  die  jetzige  Elberfelder- 
strasse  liegt.   Auf  der  Südftonte  lag  gegen  die  Extension 


Geschiekte  der  müMrisehtn  Verhältnii$$  der  Stadt  DüsaMorf.     429 

hin  am  heutigen  Carlsplatz  das  Berger-Bastion,  auch  St. 
Elisabeth  und  Carl  August  benannt  (die  Namen  sind  in 
Carlsplatz  und  Bergerstrasse  erhalten),  der  Rhein  und  der 
Eingang  zum  Hafen  wurden  durch  die  Mathias-Batterie 
am  Rhein-Oertchen  bestrichen.  Zum  grösseren  Schutze 
der  Festimg  und  zur  sicheren  Aufnahme  der  vom  Chur- 
fürsten  etablirten  fliegenden  Brücke  baute  derselbe  auf 
dem  linken  Rheinufer  im  Gebiete  des  Erzstiftes  Cöln, 
ohne  Rücksicht  auf  das  flremde  Gebiet,  eine  Art  von 
Festungswerk,  das  Fort  Düsselburg.  Dasselbe  war  mangel- 
haft gebaut,  die  Wälle  waren  statt  mit  Mauerwerk  nur 
mit  Faschinen  bekleidet,  innerhalb  befanden  sieh  zwei 
kleine  Kasernen  und  ein  Wachthaus,  deren  mit  der  Zeit 
überdeckten  Fundamente  im  Jahre  1854  bei  Anlage  des 
linksrheinischen  Bahnhofes  zu  Tage  traten.  Der  Haupt- 
übelstand des  Baues  war  der,  dass  das  Hochwasser  oft 
in  das  Fort  trat,  ja  es  soll  sogar  bis  drei  Fuss  im  Erd- 
geschoss  der  Kaserne  gestanden  haben.  Als  am  S.Februar 
1716  der  zugefrorene  Rhein  aufbrach;  wurde  das  Fort  so 
stark  beschädigt,  dass  es  demnächst  abgetragen  wurde. 
Johann  Wilhelm  soll  1 702  den  Bau  der  jetzigen  Infanterie- 
Kaserne  begonnen  haben,  dieselbe  wurde  erst  unter  seinem 
Nachfolger  Carl  Philipp  vollendet.  Leider  sind  die  Ver- 
handlungen der  Militär- Verwaltung  und  der  Gendarmerie 
von  1700  bis  1820,  welche  auf  die  Organisation  und  die 
persönlichen  Verhältnisse  des  Grossherzoglich  Bergischen 
Militärs  Bezug  hatten,  sowie  die  General-Registerbücher 
des  respectiven  Kriegsministeriums  unterm  26.  September 
1854  vom  hiesigen  Königlichen  Staatsarchiv  an  das  Kriegs- 
ministerium zu  Berlin  eingereicht  worden.  Allem  An- 
scheine nach  ist  die  Kaserne  erst  1738  vollendet  worden, 
da  sie  in  diesem  Jahre  dem  Inspector  Wuesthoff  mit 
einem  Gehalt  von  129  Thaler  übergeben  wird.  Sie  hatte 
dieselbe  Ausdehnung  wie  jetzt,  jedoch  fehlten  die  beiden 
ZwischenfiOgel,  welche  den  Innern  Raum  in  drei  Theile 
theilen.  Die  Kaserne  hatte  nur  Erdgeschoss  und  1  Stockwerk, 
an  den  vier  Ecken  befanden  sich  zweistöckige  Gebäude, 
ebenfalls  war  das  Gebäude  über  dem  jetzigen  Mittelportal 
zweistöckig.  Diesem  gegenüber  befand  sich  eine  Kapelle, 
deren  Altar  nach  dem  Exercierplatz  aus  der  Front  der  Ca- 
serne  heraustrat,  wie  deutlich  auf  alten  Plänen  der  Festung 
Düsseldorf  zu  ersehen  ist.  Als  Johann  Wilhelm  1716  starb, 
folgte  ihm  sein  Bruder  Karl  Philipp,  welcher  seine  Residenz 
nach  Neuburg,  dann  nach  Heidelberg,  Schwetzingen  und 
zuletzt  nach  Mannheim  verlegte.  Er  Hess  sich  in  Düssel- 
dorf durch  den  Marquis  dlttre  vertreten.  Beim  Leichen- 
begängniss  Johann  Wilhelm's  werden  folgende  Regimenter 


430     Geschichte  der  mütUlrischen  VerhäHnisse  der  Stadt  D&seeldarf. 

erwähnt:  Am  3.  August  ge^en  Abend  wurde  die  Leiche 
in  der  Jesuitenkirche  beigesetzt.  Der  Leichenzug  ging 
um  9  Uhr  Abends  vom  Schlosse  aus,  in  den  Strassen 
bildeten  die  beiden  Regimenter  der  Leibgarde  und  das 
Regiment  Norprath  mit  ihren  in  Trauerflor  gehollten 
Fahnen  Spalier.  Den  Zug  eröftnete  ein  Detachement  der 
Leib-Quarde  zu  Fuss  mit  verkehrtem  Gewehr.  Es  folgten 
dann  Hausarme,  Studenten,  Magistrat,  Clerus,  Hofchargen, 
die  Churfürstlichen  Musikanten,  Pauker  und  Trompeter  etc. 
Vor  der  Leiche  gingen  Trabanten  mit  verkehrten  Helle- 
barden und  die  Leib-Guardes  in  zwei  Reihen.  Alsdann 
folgten  der  Ordens-Herold,  die  Ordensritter  St.  Huberti 
und  Hofchargen.  Den  Schluss  bildete  ein  Detachement 
von  der  Leib-Guarde.  Johann  Wilhelm  war  der  letzte 
der  landesherrlichen  Fürsten,  welche  zu  Düsseldorf  ihre 
Ruhestätte  fanden.  Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  Johann 
Wilhelm  den  im  Jahre  1444  von  Herzog  Gerhard  von 
Jülich  und  Berg  gestifteten  und  hierauf  allmälig  in  Ver- 
gessenheit gerathenen  Hubertusorden  ins  Leben  zurückrief. 
Der  Orden,  dem  er  Statuten  gab  und  zu  dessen  Gross- 
meister er  sich  selbst  erklärte,  bestand  aus  fürstlichen 
Personen  von  unbeschränkter  Anzahl  und  aus  12  Rittern 
gräflichen  und  freiherrlichen  Standes,  sodann  aus  einem 
Kanzler,  Vicekanzler,  Sekretär,  Schatzmeister,  Herold  und 
Garderober.  Den  Rittern  lag  die  Pflicht  ob,  dem  Chur- 
fürsten  treu  und  hold  und  gegen  die  Armen  bi^rmherzig 
zu  sein.  Mit  dem  Churfürsten  Hessen  sich  seine  Ver- 
wandten und  die  vornehmsten  Adeligen  in  den  Orden 
aufnehmen  und  erlegten  das  statutenmässige  Geschenk 
von  100  Dukaten  an  die  Armen.  Die  Obersten  der  drei 
Hubertus-Regimenter  waren  gehalten,  den  zehnten  Pfennig 
von  ihren  Einkünften  zum  Vortheil  des  Hubertushospitals 
anzugeben.  Aus  der  Militär-Kriegskasse  wurden  zur  Unter- 
haltung von  28  Personen  zu  3  Stüber  täglich  die  sogenannten 
Hospital-Fettmännchen  ausgezahlt,  auch  die  Militärstraf- 
gelder flössen  dem  Hubertushospital  zu.  Das  Hospital 
oder  das  sogenannte  Gasthaus  mit  Kirche  wurde  1709 
erbaut.  Die  Gebäude  stehen  jetzt  noch  als  Theile  der 
Artillerie-Kaserne  und  als  Garnisonkirche,  die  in  ihrer 
jetzigen  Gestalt  erst  1735  vollendet  wurde,  und  welche 
bis  auf  unsere  Tage  im  Munde  alter  Leute  noch  als  Gast- 
hauskirche fortlebt. 

Die  von  Johann  Wilhelm  projectu'te  und  mit  Eifer 
betriebene  Erweiterung  der  Festungswerke  schritt,  wenn 
auch  in  geringerer  Ausdehnung,  unter  seinem  Nachfolger 
langsam  fort,  da  die  Stände  mit  grosser  Zähigkeit  Geld 
verweigerten.    Aus  jener  Zeit  flnden  wir  zwei  Notizen, 


0$$ehiehi€  der  maUäriwhen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf.     481 


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432     GMehiehte  der  maUäriaehsn  VerhUUni—  der  Stadt  DOeeeidorf. 

welche  die  Festung  Düsseldorf  betreffeiu    Die  erste  ist 
vom  14.  October  1744  datirt  und  nennt  uns  alle  in  der 
Festung  befindlichen  Eiiegsrequisiten  und  VorräÜie.    Sie 
ergiebt  207  Kanonen  vom  24pfünder  bis  zur  SlOthigen 
Feldschlange,  22  Mörser,  100  Handmortiers;  die  Zeughaus^ 
vorrftthe  sind   notirt  mit:    2613   reparirten,   guten   und 
brauchbaren  Musketen,  1  Justizschwert,  5  alten  Turnier- 
Harnischen,  88  Stück  alten  Grenadirkappen.  (mit  Büren- 
häuten)   vom   General  Hillersheim'schen   Regiment    und 
2  ausgestopften  wilden  Pferden.    Die  zweite  Notiz  besagt, 
dass  auf  Befehl  in  den  Jahren  1748  und  1749  die  Wälle 
mit  Bäumen  bepflanzt  wurden,  um  damit  die  schlechten 
Giebel   der  Häuser  zu   verdecken.    Aus   diesen  Jahren 
stammt    auch    noch    eine  Abhandlung  über   eine   sach- 
verständige Besichtigung  der  Befestigungen  von  Düssel- 
dorf durch  den  französischen  Ingenieur  le  Roige.    Dieser 
giebt  zunächst  eine  Characteristik  der  Stadt,  beschreibt 
dann  eingehend  die  dnzelnen  Werke,  zählt  alle  Fehler 
und  Schwächen  des  Platzes  auf,  theilt  dann  seine  Meinung 
über  Angriff  und  Vertheidigung  mit  und  macht  schliess- 
lich Vorschläge  zur  Verbessenmg  der  Festung,  was  in 
einem  Kostenanschläge  mit  434,100  Gulden  zu  bewirken 
sei.  —  Stellt   man   eine    kritische   Betrachtung  der   Be- 
festigungen von  Düsseldorf  an,  so  findet  man  sogleich, 
dass  weder  die  topographische  noch  die  politische  Lage  die 
Stadt  zur  Festung  geeignet  erscheinen  lässt.    Die  Häuser 
gehen  bis  dicht  an  das  Ufer  des  Rheines,  die  Flussseite  ist 
die  schwächste  der  Festung,  das  andere  Rheinufer  ist  nicht 
im   Besitz   des  Churfürsten,   der  nothwendige   Brücken- 
kopf fehlt;   aus  diesem  Grunde  können,  wie  wir  sehen 
werden,    auf    dem    linken    Rheinufer    mit   Leichtigkeit 
Batterien  erbaut  werden,  welche  ausserdem  durch  den 
Rheindamm  bei  Obercassel  gegen  das  Feuer  der  Festung 
gedeckt    sind.     Düsseldorf  war   daher  nicht   für   einen 
energischen  Widerstand  geeignet.    Das  ganze  Festungs- 
system war  nicht  nach  einem  einheitlichen  Plane  angeleg^t, 
nach  und  nach  war  der  Bau  ausgeführt  und  so  entstand 
eine  ganz   unregelmässige   Befestigung,    die    ausserdem 
zahlreiche  Fehler  im  Grundriss  aufwies  und  deren  Profile 
sehr  massig  waren.    Zudem  waren  die  Höhenverhältnisse 
theilweise    sehr    schlecht   berechnet;   wir  haben   schon 
gehört,  dass  das  Müblenbastion  vom  Felde  aus  eingesehen 
werden  konnte,  auch  überragten  an  vielen  Stellen  die 
vorliegenden  Werke  den  Hauptwall,  so  dass  von  hier  aus 
nicht  einmal  das  Glacis   bestrichen  werden  konnte,   in 
welchem  sich  auch  noch  Löcher  und  Gruben  befanden, 
welche  dem  Angreifer  gute  Deckung  darboten.   Bomben- 


OesehiekU  der  müüärisehen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf.     433 

sichere  Räume  waren  nur  in  geringer  Zahl  vorhanden, 
auch  genagten  dieselben  nicht  zur  Aufnahme  der  Be- 
satzung, zudem  war  die  Citadelle  nicht  dazu  angethan, 
die  Stadt  zu  beherrschen,  auch  bot  sie  der  Garnison 
keinen  letzten  sichern  Zufluchtsort.  Da  die  Wassergräben 
durch  die  Dussel  ihren  Zufluss  erhielten,  so  konnten  sie 
durch  Ableitung  dieses  Baches  leicht  trocken  gelegt 
werden  und  dem  Angreifer  die  förmliche  Belagerung 
erleichtern.  Aus  den  angegebenen  Gründen  ist  zu  ersehen, 
dass  die  Befestigung  Düsseldorfs  ein  Missgriif  war;  der 
Festungsbau  und  Unterhalt  erforderte  jährlich  etwa 
30000  Thaler,  die  anderweitig  besser  hätten  verwerthet 
werden  können.  Düsseldorf  hat  nur  dann  Bedeutung 
gehabt,  wenn  es  in  der  Hand  des  Besitzers  des  linken 
Rheinufers  war,  weil  es  für  diesen  ein  starker  Brücken- 
kopf war,  um  sein  Vordringen  auf  dem  rechten  Ufer 
wirksam  zu  unterstützen.  Unter  Karl  Theodor,  dem 
Nachfolger  Karl  Philipps,  wurde  in  Folge  des  Oester- 
reichischen  Erbfolgekrieges  beschleunigt  an  den  Festungs- 
bauten gearbeitet,  auch  wurde  zu  jener  Zeit  das  Berger- 
thor in  seiner  jetzigen  Gestalt  renovirt,  wie  die  daran 
befindliche  Inschrift  besagt.  Der  siebei^jährige  Krieg 
sollte  auch  nicht  spurlos  an  Düsseldorf  vorübergehen. 
Die  Franzosen,  welche  während  des  österreichischen  Erb- 
folgekrieges mit  Kurpfalz  verbündet  waren,  kamen  nach 
Düsseldorf  und  sind  auch  noch  nach  dem  zu  Aachen  ge- 
schlossenen Frieden  hier  geblieben,  erst  einige  Jahre 
später  zogen  sie  ab,  um  jedoch  mit  Ausbruch  des  sieben- 
jährigen Ejrieges  als  Verbündete  der  Kaiserin  Maria 
Theresia  wieder  hier  einzurücken.  Düsseldorf  wurde 
Hauptwaffenplatz  und  schalteten  und  walteten  sie  hier 
nach  eigenem  Ermessen  ohne  Rücksicht  auf  die  Landes- 
regierung. Der  General  Clermont  liess  die  Werke  von 
Düsseldorf  mit  aller  Sorgfalt  armiren.  Ein  Aufruf  an  die 
Ritterschaft,  sich  zur  Landesvertheidigung  zu  rüsten,  war 
erfolglos,  da  nur  der  Freiherr  von  Dalwig  zu  Unterbach 
am  festgesetzten  Tage  mit  zwei  bewaffneten  Dienern  am 
Sammelplatz  an  der  Rochuskapelle  zu  Pempelfort  erschien. 
Nach  der  Schlacht  von  Crefeld  am  23.  Juni  1758  suchte 
der  Herzog  Ferdinand  von  Braunschweig  aus  diesem  Siege 
möglichsten  Nutzen  zu  ziehen;  zur  Belagerung  von  Wesel 
fühlte  sich  der  Herzog  nicht  stark  genug,  da  ihm  das 
nöthige  Kriegsmaterial  fehlte,  es  blieb  ihm  daher  nichts 
anderes  übrig,  als  eine  Unternehmung  gegen  Düsseldorf 
zu  wagen.  Sie  empfahl  sich  zugleich  als  eine  Vor- 
bereitung zum  Angriff  auf  Wesel,  weil  durch  den  Besitz 
von  Düsseldorf  das  feindliche  Heer  durchschnitten  wurde, 

28 


434      Gesehiehte  der  militöriaehen  VerhSUnisse  der  Stadt  DäasMarf. 

und  weil  der  Herzog  hoffte,  hier  noch  genügendes  Be- 
lagerungsmaterial zu  finden.    Von  einem  Bombardement 
von  Düsseldorf  konnte  er  sich  viel  versprechen,  da  die 
Garnison  schwach  war,  zwar  nicht  der  Zahl  nach,  denn  , 
sie  bestand  aus  12  Bataillonen,  allein  der  grOsste  Theil 
derselben  und  der  Gouverneur  selbst  waren  Pfälzer.    Es 
erschien  nicht  glaubwürdig,  dass  weder  diese  noch  ihr 
Hof  mit  Gleichgültigkeit  zusehen  würden,  dass  die  schöne 
Stadt  und  die  Archive,  sowie  die  kostbare  Gallerie  in 
Rauch  aufgingen  und  dies  nur  gegen  die  Aussicht  eines 
sehr  zweideutigen  Vortheils,  nämlich,   um  die  Franzosen 
zu  verbinden,   die   so   schon   dem  ganzen   Lande   sehr 
lästig  fielen  und  die  man  nach  ihrer  eiligen  Flucht  von 
Crefeld  schon  aufgehört  hatte  zu  fürchten.     Der  Herzog 
beeilte  sich  daher,  dem  schon  in  Neuss  stehenden  General 
von   Wangenheim   den   Befehl    zu  schicken,    die   Stadt 
Düsseldorf  am  27.  Juni  unter  Bedrohung,  unverzüglich 
in  Brand  gesteckt  zu  werden,  zur  Uebergabe  aufzufordern. 
Da  die  Uebergabe  verweigert  wurde,  legte  Wangenheim 
seine  Batterien  und  seine  Kessel  in  der  Nacht  vom  27. 
zum   28.  Juni  vor   dem  Dorfe  Heerdt   an   und  eröffnete 
am  Morgen  des  28.  Juni  ein  lebhaftes  Feuer  mit  Bomben 
und  glühenden  Kugeln.    Die  Besatzung  antwortete  zwar 
durch  ein  ausserordentlich  starkes  Feuer  von  der  Rhein- 
seite her,  ohne  jedoch  Schaden  anzurichten.    Die  Kugeln 
der  Belagerer  fielen  aber  in  die  Stadt,  zündeten  vielfach 
und  thaten  grossen  Schaden.    Der  Gouverneur  fand  sich 
nun  bereit,   die  unterbrochenen  Unterhandlungen  wieder 
aufzunehmen  und  so  kam  es  denn  zu  einer  vorläufig^en 
Capitulation.    Der  Gouverneur  stellte  Geiseln  und  erhielt 
die  Erlaubniss,  an  seinem  Hofe  in  Mannheim  Verhaltungs- 
befehle einzuholen.    Nach  Rückkunft  des  Couriers  wurde 
am  7.  Juli  alles  Uebrige  bald  berichtigt  und  die  Capitu- 
lation förmlich  vollzogen,  obgleich  sich  der  französische 
Commandant  Graf  von  Bergeik  heftig  hiergegen  sträubte. 

Die  Capitulations-Bedingungen  lauten  wie  folgt: 

Capitulation. 

Nachdem  zwischen  endes  unterzeichneter  GeneralitAt 
und  zwaren  von  selten  Ihrer  Churfurstlichen  Durchlaucht 
zu  Pfaltz,  Carl  Theodor,  Pfaltzgrafen  bey  Rhein,  des 
heiligen  Römischen  Reiches  Ertzschatzmeister  an  Chur 
Fürsten  in  Bayern,  zu  Gülich,  Cleve  und  Berg  Hertzog^n, 
Fürsten  zu  Moers,  Marquisen  zu  Bergen  ob  Zoom,  Grafen 
zu  Veldentz,  Sponnheim,  der  Mark  und  Ravensberg,  Herrn 
zu  Ravenstein  etc.  etc.,  General  Lieutenant  und  comman- 
direnden    Obristen    über    ein   Regiment    zu   Fuss,    auch 


Oetehit^te  der  müUärieekm  VerhaUnisse  der  Stadt  DütsMwrf.     435 

Gouverneur  daher,  Freyberr  von  Isselbach  an  einer, 
sodann  von  Seiner  Königlichen  Majestät  Gross  brittanien 
deutscher  Armee  General  Major  Freyherr  von  Wangen- 
heim an  anderer  selten,  wegen  hiesiger  Stadt  und  Vestung 
folgende  Capitulationen  geschlossen  worden: 

Art.  1.  Soll  den  Chur  Pßlltzigen  sowohl  als  Fran- 
zösischen Truppen  der  freye  Abzug  mit  allen  militärischen 
ehrenbezeugungen,  bagage,  Kassen,  und  allen  denen 
Offlciers  und  Soldaten  gehörigen  Baarschaften  und  eifecten 
sammt  ihrem  Ober-  und  Untergewehr,  Regiments  -  Feld- 
stücken, Munition  und  dabei  gehörigen  Artilleristen,  nicht 
weniger,  dass  diejenigen,  welche  krank  zurückbleiben, 
nicht  als  Kriegsgefangene  anzusehen,  sondern  nach  ihrer 
Genesung  mit  passen  zu  ihren  respectiven  Corps  ohn- 
gehalten  gehen  können.  (Randbemerkung.)  Accordirt 
in  allen  Puncten. 

Art.  2.  Dass  Ihre  Churfürstlichen  Durchlaucht  alle 
tableaux  der  Gallerie,  wie  auch  den  Meublen  flrey  und 
obngehalten  transportiren  lassen  dürfen.  (Randbemerkung.) 
Accordirt,  wobei  heilig  versichert  wird,  dass,  wenn  auch 
alles  in  Status  quo  bleibe,  nicht  ein  stück  angerühret 
oder  veräussert  werden  wird. 

Art.  3.  Da^s  in  Regierungs-Form  nichts  geändert, 
mithin  Gülich-  und  Bergischer  geheimer  Rath,  fort  übrige 
Dicasteria  in  Churfürsüichem  höchsten  Namen,  auch  der 
Magistrat  und  die  Bürgerschaft  bey  ihren  von  alters  her- 
gebrachten Privilegien  und  Freyheiten  beybehalten  und 
geschützet  werden  sollen.  (Randbemerkung.)  Alles  in 
diesem  Articul  benannte  soll  in  den  jetzigen  Umständen 
bleiben,  auch  niemand  an  denen  Privilegien  gekränket, 
vielmehr  geschützet  werden. 

Art.  4.  Mithin  Landes-  Regierungs-  Justiz-  Religions- 
Policeysachen,  und  das  Postwesen  in  jetzwesentlichem 
Lauf  belassen,  auch  alle,  und  jeden  Landes  Einwohner, 
so  wohl  Land-Stände,  als  Noblessen  und  unterthanen  von 
ihren  Privilegien,  baarschaft,  liegend  nnd  fahrend,  und 
häuslicher  respective  nalirung  nicht  Unordnungen,  sondern 
dabey  gehandhabet,  auch  kein  unterthan  wider  seinen 
willen  zu  Kriegsdiensten  gezwungen  werden.  (Rand- 
bemerkung.) Accordirt  in  allen  benannten  umständen,  ab- 
sonderlich dass  zu  Kriegsdiensten  gezwungen  werden  solle. 
Art.  5.  Dass  das  dahier  zu  Düsseldorf  befindliche 
Zeughaus,  sammt  allen  Zubehörungen  ohngestört  gehalten 
und  daraus  nichts  entzogen  werden  solle.  (Randbemer- 
kung.) Die  Artillerie  Zeug-  und  rüsthaus  uns  getreulich 
überliefert  werden,  welches  alles  beysammen  gehalten 
werden  soll. 

28* 


436     Geschichte  der  militärteehen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf, 

Art.  6.  Dass  die  etwaigen  Contributiones  nach  ertrag- 
lichkeit  des  sehr  erschöpften  Vennögens^tandes  der  Unter- 
thanen  auf  ein  gewisses  regulirt  werden  mögen.  (Rand- 
bemerkung.) Da  man  hierinn  nur  wegen  der  Stadt  Düssel- 
dorf tractiret,  so  gehören  diese  zwei  Artikulen  nicht  in 
die  Capitulation,  massen  wegen  einer  Stadt  und  nicht 
wegen  Landen  tractirt  wird;  inzwischen  werden  die 
etwa  zu  fordernden  Contributiones  nach  Billigkeit  an- 
gesetzet  werden,  der  letztere  Articul  aber  bey  existirenden 
Gas  gar  keine  Schwierigkeiten  finden. 

Art.  7.  Dass  nach  geendigten  Troublen  Stadt  und 
Länder  Seiner  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  zu  Pfalz  in 
demjenigen  Stande,  wie  es  dermalen  sich  befindet,  ohne 
einigen  an-  und  Zuspruch  loss,  über  und  frey  aus  und 
eingeräumet  werden  sollen. 

Art.  8.  Sollte  wegen  mangel  der  fuhren  oder  sonst 
einfallender  Hindemüss  die  Bagage  fort,  sonsten,  sodann 
die  Kranken  nicht  transportiret  werden  können,  solle  die 
bagage  getreulich  verwahret,  die  Kranken  auch  in  denen 
Lazaretten  wohl  und  fieissig  bis  zu  ihrer  genesung  ver- 
pfleget, und  demnächst  nach  gelegenheit  abgeführet 
werden.  Zu  ein-  so  anderer  obsorge  sollen  zwey  subalternen 
Officiers  mit  nöthigen  Feldscherem  zurückbleiben.  (Rand- 
bemerkung.) Der  bagage  und  allem,  was  zurückbleibt, 
soll  all  Schutz  und  Schirm  geleistet  werden,  nicht  weniger 
können  die  Kranken  bis  zu  ihrer  Genesung  verbleiben, 
jedoch  dass  solche  auf  Kosten  Seiner  Chur-Fürstlichen 
Durchlaucht  unterhalten  werden. 

Art.  9.  Von  Chur-Pf&ltzischer  Seite  wird  versichert, 
dass  die  für  unterhabende  Truppen  noch  vorrftthig  fourage 
und  munition  getreulich  angegeben  und  nichts  davon 
ruinirt  werden  solle:  wobey  aber  die  Vorbehaltung  ge- 
schieht, dass  von  diesem  Vorrath  nichts  veräussert,  noch 
weniger,  dass  die  zum  Chur-Fürstlichen  Marchestall  nöthige 
fourage  nicht  angegriffen  werden,  sondern  diese  mit  den 
Chur-Fürstlichen  Intraden  zum  behuf  höchstgemeldeter 
Seiner  Churfürstl.  Durchlaucht  aufbehalten  und  ver- 
bleiben solle.  (Randbemerkung.)  Alle  munition  und 
fourage  muss  fidelement  angezeigt  werden ;  von  letzteren 
können  die  Chur-Pfältzischen  Truppen  sich  auf  die  Marsch- 
täge  besorgen,  das  übrige  bleibt  zum  Stützen  der  allirten 
Armee. 

Art.  10.  Die  sämmtliche  Besatzung  wird  übermorgen, 
den  9ten  dieses  morgens  ohngefehr  acht  uhren  ausziehen, 
alsdann  die  Schlüsseln  dem  General  Freyherm  von  Wangen- 
heim sollen  überliefert  werden,  oder  welchen  Seine  Durch- 
laucht der  Herzog  darzu  beordern  wird.  (Randbemerkung.) 


Oesehiehte  der  müitdnschen  Verhditniue  der  SUidi  Düsseldorf.    437 

Die  sämmtliche  Besatzung  miiss  höchstens  morgen  den 
8ten  abziehen :  ein  jedes  Regiment  aber  kan  Ofßciers  und 
Überhaupts  einen  Stabsofficier  nachlassen,  um  dasjenige 
zu  besorgen,  was  nicht  hat  in  Ordnung  gebracht  werden 
können.    Und  weil 

Art.  11.  Die  vorläufige  einrückung  und  abwechselung 
der  alliirten  Truppen  in  hiesiger  Vestung  zu  allerhand 
ohnordnung  und  Verbitterung  anlassgeben  wird,  so  hat 
man  die  Zuversicht,  dass  höchstgemelte  Seine  Fürstliche 
Durchlaucht  mit  allsolcher  einrückung  und  abwechselung 
so  lang  einhalten  werden,  bis  dahin  die  Besatzung  abge- 
zogen. (Randbemerkung.)  Es  wäre  ohnerhört  und  gereichte 
zum  nachtheile  der  alliirten  Armee,  wenn  gegen  den 
Kriegsbrauch  nach  Vollziehung  der  Capitulation  nicht 
sofort  possesson  genommen  werden  sollte.  Es  soll  also 
noch  heute  durch  ein  Detachement  Grenadiers  ein 
solches  vollzogen  werden :  wobey  ich  repondire,  dass  ab- 
seiten  der  unter  meinem  commando  stehenden  Truppen 
keine  ohnordnung  angefangen  werden  soll. 

Art.  12.  Dass  alle  zur  Garnison  gehörige  Officirs 
und  sonstige  bediente,  welche  den  ausmarche  aus  hiesiger 
Vestung  nicht  mitmachen  können,  keineswegs  als  Kriegs- 
gefangene angesehen,  sondern  dahier  ruhig  belassen,  oder 
nach  verlangen  der  ausmarche  frey  und  ohngehindert 
gestattet  werden  soll.  (Randbemerkung.)  Alle  zur  Gar- 
nison gehörigen  und  zurückbleibenden  müssen  sich  mit 
keiner  Correspondenz  oder  dergleichen  meliren,  alsdann 
sie  ohngehindert  bleiben  können. 

Art.  13.  Die  Churfürstlichen  sowohl  in  als  um  die 
Stadt,  und  auf  dem  Land  gelegenen  Lust -Schlösser  oder 
Jagdhäuser,  auch  Jagd-Zeug-hauss  zu  protegiren  und  im 
mindesten  nicht  zu  ruiniren,  dem  Chur  Fürstlichen  Jäger- 
Corps  zu  erlauben,  ihre  forst  vor  wie  nach,  auch  conser- 
vation  deren  Waldungen  zu  besorgen  und  ihnen  büchsen 
und  flinten  zu  erlauben,  auch  falls  die  Wilddiebe  über- 
hand nehmen  soUteri,  ihnen  die  assistenz  zu  leisten,  und 
die  Chur  Fürstliche  Wildbann  und  leibgeheeg  zu  ver- 
schonen. Je  dennach  all  Wildbrett,  so  von  einer  hohen 
Generalität  verlangt  wird,  solle  ohne  anstand  geliefert 
werden.  (Randbemerkung.)  Allen  Chur-Fürstlichen  Schlös- 
sern und  Gebäude,  auch  Chur-Fürstlichen  Bedienten  solle 
nicht  das  geringste  Leid  zugefügt  werden,  ebenfalls  können 
die  jagtbedienten  bey  ihren  Functionen  bleiben. 

Art.  14.  Dass  Bürger  und  unterthanen  nicht  dis- 
armiret  werden  oder  wann  disarmiret  werden  sollten, 
bey  restitution  deren  Landen  das  gewehr  zurück  zu 
geben.    (Randbemerkung.)    Solange  die  unterthanen  sich 


438    Geschichte  der  militSnachen  VerluVtnisae  der  StwH  DBgaeldotf. 

ruhig  verhalten  y  wird  man  zu  solchen  mittein  nicht 
schreiten:  sollte  es  aber  geschehen  müssen,  so  wird  das 
gewehr  auf  die  Aemter  geliefert,  und  daselbst  bis  zu 
anderweiter  Veränderung  der  sachen  aufbehalten  werden. 

Art.  15.  Dass  die  Seiner  Königlichen  Majestät  in 
Frankreich  zugehörige  Artillerte  und  alle  Eriegsmunition 
und  gereithschaft  den  Rhein  hinauf  bis  Colin  ohne  Binder- 
niss  oder  widerstand  gebracht  werden  können,  alles 
jedoch  auf  Kosten  seiner  Königlichen  Majestät.  (Rand- 
bemerkung.) Ausser  denen  Regimentsstücken  muss  die 
übrige  artillerie,  munition  und  übrige  gereitschafk  in 
Düsseldorf  verbleiben. 

Art.  16.  Dass  die  in  denen  Spitälern  oder  Lazaretten 
befindenden  Kranken  sowohl  Offlciers,  als  Soldaten  (wo- 
runter die  aufsichter,  Directeurs,  ControUeurs,  Medici, 
Feldscherer  und  Kranken-warter,  und  was  sonsten  dazu 
gehörig,  mitbegriefen,  so  bald  sie  im  stand  seyn  werden, 
hinwiederum  nach  der  französischen  Armee  abgeschickt 
werden  sollen,  keineswegs  aber  für  Kriegsgefangene  an- 
gesehen werden,  ihnen  auch  bey  der  abreise  hinlängliche 
Päss  für  ihre  Person  sowohl  als  für  ihre  effecten  mit- 
getheilet,  die  fuhren  sollen  jedoch  von  dem  König  bezahlt 
werden.  (Randbemerkung.)  Accordirt,  und  ist  schon  im 
ei*sten  Articul  mit  eingeführet 

Art.  17.  Sollte  dem  Kriegs-Commissarius  Seiner  König- 
lichen Majestät  erlaubt  seyn,  so  bald  nur  möglich,  alle 
Seiner  Majestät  dem  König  zugehörigen  eifecten,  wie  auch 
alle  fruchten,  mehl  und  haaber,  zu  welchem  ende  ihm 
ein  hinlänglicher  pass  ertheilet  und  die  nöthigen  Schiffe 
gegen  baare  Zahlung  angeschafiFt  werden  sollen,  auf  den 
Rhein  nachher  Collen  zu  überbringen.  (Randbemerkung.) 
Wird  mit  den  Königlich  Französischen  truppen  sowie 
denen  Chur  pfältzsischen  gehalten,  nemlich  dass  sie  sich 
auf  dem  marche  versorgen  und  das  übrige  zurücklassen. 

Art.  18.  Weilen  der  ausmarche  terminus  für  das 
Garnison  allzu  anberauhmet,  das  General-Isselbachische 
Regiment  aber  mit  feld  equipage-Waagen  und  Zelten  nicht 
versehen,  die  fuhren  aber  in  der  geschwinde  zu  Führung 
der  bagage  dahier  nicht  beyzubringen ;  so  wird  gebetten 
den  nechstgelegenen  Aemtern  zu  eintreibung  benöthigter 
fuhren  auszuschicken :  den  Detachement  päss  zu  ertheilen, 
und  auch  zu  erlauben,  wenn  dahier  Schiffe  zu  bekonmien 
wären,  dass  die  bagage  dieses  Regiments  zu  wasser  von 
hier  bis  Mannheim  transportirt  werden  könnte.  (Rand- 
bemerkung.) Dem  Regiment  des  General  von  Isselbach 
soll  allmöglicher  Vorschup  geschehen,  und  die  fühlten 
herbeigeschaffet  werden. 


Gesehiehle  der  mtlHörhehen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf,     439 

Art.  19.  Man  reservirt  sich  fernere  separirte  articulen 
fals  wegen  etwaiger  Uebereilung  und  Kürze  der  Zeit  ein 
oder  anderes  vergessen  worden.  Und  dann  diese  hiec 
iude  überleget,  fort  die  schlüssigen  obigen  Capitulationes 
darauf  erfolget,  so  ist  gegenwärtiges  in  duplo  aus- 
gefertiget,  und  beiderseits  eigenhändig  nebst  beygedruckt- 
angebohrnem  pettschaft  unterschrieben  worden  den  sieben- 
ten Juli  1758.** 

Die  Bedingungen  der  Capitulation  scheinen  nicht 
überall  gehalten  worden  zu  sein,  es  sollen  Geschütze 
vernagelt  und  zerschlagen  und  viele  tausend  Centner 
Pulver  ins  Wasser  geworfen  worden  sein.  Nach  andern 
Aufzeichnungen  wurde  an  der  Neustadt  aus  mehreren 
Schiffen  der  Hafer  in  den  Rhein  geschüttet.  Im  Marstall 
in  der  Neustadt  lag  der  Hafer  kniehoch,  Hammer  Bauern 
kauften  für  wenig  Geld  grosse  Mengen.  Desgleichen 
wurde  in  der  Stadt  Hafer,  Mehl  und  Reis  verschleudert 
und  verdorben.  Schuhe,  von  denen  etliche  tausend  vor- 
handen waren,  wurden  für  1  bis  2  Stüber  verkauft.  Am 
8.  Juli  Morgens  begann  der  Ausmarsch  der  Besatzung, 
150  hannoverische  Grenadiere  besetzten  sofort  das  Rhein- 
thor und  konnte  Generalmajor  von  Wangenheim  dem 
Commandanten  seine  Aufwartung  machen.  Er  wurde 
jedoch  durch  den  Generallieutenant  von  Hardenberg  ab- 
gelöst, um  an  der  Erft  weitere  Unternehmungen  zu  leiten. 
Hardenberg  liess  nach  einigen  Tagen  mit  Trommelschlag 
auch  in  Hamm  ankündigen,  dass  alle  von  den  Franzosen 
gekauften  Gegenstände  zurückgegeben  werden  müssten. 
Der  Stadt  wurde  eine  Contribution  von  1.00,000  Thalern 
auferlegt  und  wurden  am  18.  Juli  sechs  vornehme  Herren 
als  Geissei  hierfür  nach  Hannover  geschickt,  wo  einige 
von  ihnen  über  ein  Jahr  in  Gefangenschaft  verblieben. 
In  dieser  Zeit  waren  die  Franzosen  wieder  in  den  Besitz 
von  Neuss  gelangt.  Am  1.  August  Nachts  12  Uhr  liessen 
dieselben  drei  brennende  Flösse,  welche  bei  Urdenbach 
gefertigtM'aren,  gegen  dieBrücke  bei  Düsseldorf  schwimmen, 
wodurch  diese  vollkommen  zerstört  wurde.  Hierfür  be- 
legte Hardenberg  die  Bewohner  von  Hamm  mit  einer 
Contribution  von  2000  Thalern,  da  sie  die  brennenden 
Flösse  rechtzeitig  in  Düsseldorf  hätten  melden  können, 
woduich  das  Zerstören  der  Brücke  verhindert  worden 
wäre.  Da  Herzog  Ferdinand  mit  seiner  Armee  in  der 
Nacht  vom  9.  zum  10.  August  den  Rhein  bei  Hoch-Elten 
überschritt,  beschlossen  die  Hannoveraner  einen  heimlichen 
Abzug.  In  der  genannten  Nacht  zogen  sie  durch  das 
Ratingerthor  ab,  nachdem  sie  vorher  noch  auf  dem  Mühlen- 
platz einen  neuen  Galgen  errichtet  hatten.    In  der  Stadt 


440     Geschichte  der  milUärischen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf. 

Hessen  sie  das  Gerücht  ausbreiten,  es  sollten  in  selbiger 
Nacht  noch  fünf  aufgehängt  werden;  hierdurch  woUte 
man  die  Bürger  in  Schrecken  versetzen,  und  ihre  Auf- 
merksamkeit vom  Abzüge  ablenken.  Am  Nachmittag 
des  10.  August  zogen  dann  wieder  Pfälzer  und  Franzosen 
ungehindert  in  Düsseldorf  ein ;  General  von  Hardenberg 
zog  sich  auf  Lippstadt  zurück  und  vereinigte  sich  dem- 
nächst wieder  mit  der  Armee  des  Herzogs  Ferdinand. 
Das  Verlangen  des  Versailler  Cabinets  ging  nun  dahin, 
dass  Düsseldorf  von  französischen  Truppen  allein  besetzt 
würde  und  nur  100  bis  150  Pfälzer  zum  Wachtdienst  am 
Schloss  aufgenommen  werden  sollten.  Durch  dieses  Ver- 
fahren gedachte  man,  in  Erinnerung  des  von  General  von 
Isselbach  beobachteten  Verfahrens,  der  Treue  des  Chur- 
fürsten  versichert  zu  sein.  Die  Ansichten  desselben  und 
seiner  Regierung  entsprachen  jedoch  nicht  den  Wünschen 
Frankreichs  und  steigerten  sich  im  Laufe  der  desshalb 
auch  mit  Oesterreich  angeknüpften  Besprechungen  bis  zu 
der  Drohung,  die  Klage  vor  Kaiser  und  Reich  zu  bringen, 
wenn  Frankreich  auf  seinen  Forderungen  bestehe.  Im 
weiteren  Verlauf  dieser  Angelegenheit  wurde  endlich  der 
Vertrag  bezüglich  derZahlung  der  Hülfsgelder  französischer- 
seits  aufgekündigt  und  demgemäss  löste  sich  auch  das 
Verhältniss  der  pfälzischen  Truppen  zur  französischen 
Armee  auf,  sie  betrachteten  sich  aber  noch  bis  1762  als 
Herren  von  Düsseldorf. 

Wie  sehr  auch  Düsseldorf  durch  das  Bombardement 
gelitten  haben  mag,  so  scheinen  doch  die  Lasten  und 
die  Sorgen,  welche  die  französische  Besatzung  in  den 
nächsten  4  Jahren  der  Stadt  und  der  Bürgerschaft  bereitet 
hat,  grösser  gewesen  zu  sein.  Es  mögen  hier  einige 
Notizen  aus  den  Raths-ProtokoUen  dieser  Jahre  folgen, 
aus  denen  ersichtlich  ist,  dass  die  Garnison  sich  allerlei 
Ausschreitungen  auf  Kosten  der  Bürger  und  der  Stadt  zu 
Schulden  kommen  Hess.  Raths-Protokoll  vom  11.  Jan.  1760: 
Dem  Gastgeber  im  schwarzen  Pferd  sind  verbotene  Geld- 
species  von  den  Franzosen  aufgedrungen  worden,  des- 
gleichen dem  Bäckermeister  im  weissen  Bären.  Die 
Leute  bitten  um  Verhaltungsmassregeln  für  künftighin. 
Der  Magistrat  entscheidet,  es  liesse  sich  hiergegen  nichts 
machen,  so  lange  den  Franzosen  die  Ausgabe  derselben 
nicht  verboten  sei. 

Erst  am  22.  März  wird  eine  Verfügung  herbeigeführt, 
wonach  den  Franzosen  die  Annahme  und  Ausgabe  der 
verrufenen  Münzsorten  verboten  wird.  Am  18.  Januar 
werden  die  Müller  angewiesen,  Tag  und  Nacht  auf  Wind- 
und   Wassermühlen    für    die    französischen   Truppen   zu 


OMchichU  der  müitäriaehen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf.     441 

mahlen.  Unterm  22.  Januar  wird  bestimmt,  dass  alle 
Spieler  und  Comödianten  einen  proportionirten  Theil  als 
Abgabe  an  das  Hospital  abliefern  müssen ,  ausgenommen 
die  französischen.  —  Beschwerden  über  Einquartirung 
kommen  vielfach  vor. 

Unterm  15.  März  beschwert  sich  der  Eameralpächter 
zu  Derendorf,  desgleichen  unterm  25.  April  Abt  und  Con- 
ventualen  zu  Düsselthal,  sie  übergeben  nähere  Vorstellung 
über  Hauptmann  Roberz  und  Lieutenant  Heydkamp  in 
Pempelfort,  welche  die  Einquartierung  zu  regeln  hatten. 
(Düsselthal  war  von  allen  Lasten  befreit,  wie  aus  der  als 
Anhang  beigegebenen  Schenkungsurkunde  von  Johann 
Wilhelm  L  zu  ersehen  ist.)  Die  genannten  Offiziere 
erscheinen  vor  dem  Magistrat  und  wollen  über  die  von 
der  Abtei  Düsselthal  Einquartierungs  halber  geführte  Be- 
schwerde ihre  Verantwortung  ablegen.  Roberz  sagt  aus, 
er  habe  der  Abtei  mit  Billet  keine  Einquartierung  zur 
Last  gelegt.  Vor  etwa  Monatsfrist  seien  in  Pempelfort 
allein  1000  Mann  Schweizer  eingerückt,  Lieutenant 
Heydkamp  müsse  wissen,  ob  dabei  die  Abtei  beschwert 
worden  sei.  Adjutant  Heydkamp  erwidert,  diese  1000  Mann 
seien  ohne  Ordre  des  Bürgermeisters,  sondern  auf  Befehl 
ihres  Generals  eingerückt  und  hätten  eilends  Quartier 
verlangt.  Es  sei  nicht  möglich  gewesen,  sie  mit  Billets 
ordnungsmässig  in  Pempelfort  allein  unterzubringen.  Das 
geringste  Haus  habe  30  Mann  erhalten.  Wie  nicht  alle 
untergebracht  werden  konnten,  habe  sich  ein  Offizier  mit 
einer  Compagnie  eigenmächtig  in  Düsselthal  einbillettirt« 
Die  Abtei  sei  wegen  Liegenschaften  in  hiesiger  Bürger- 
schaft mit  109  Thalern  in  Anschlag  gebracht  und  müsse 
daher  ihre  Last  gleich  andern  tragen,  wenn  nicht,  so  sei 
hierzu  specieller  Beschluss  des  Magistrats  nöthig.  Das 
Raths-ProtokoU  vom  4.  Februar  erwähnt  eines  Reglements 
des  Duc  de  Broglio,  Commandantenchef  über  Bequartie- 
rung  der  französischen  Truppen  und  über  Austheilung 
von  Fourage,  welches  am  27.  Januar  1760  publicirt 
worden  ist. 

Raths-ProtokoU  vom  27.  Januar  1760:  Hiesige  Bürger 
beschweren  sich,  sie  seien  übermässig  mit  Einquartierung 
belastet  und  nicht  im  Stande,  ihren  Handel  und  Nahrung 
zu  treiben.  Ihre  Wirthsstuben  und  Zimmer  seien  voll 
Soldaten,  die  nicht  leiden,  dass  Bürger  Vs  Maass  trinken 
und  sich  setzen.  In  den  Casernen  sei  noch  Platz,  dorthin 
könne  ja  das  Regiment  von  Rochefort  gelegt  werden,  da 
die  Bürger  bereits  durch  Artilleristen,  Sappeurs,  Mineurs, 
Pontonniers,  Domestiques,  Chirurgieurs  etc.  belastet  seien. 


442     Geschichte  der  militarUclien  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf, 

Anton  Pauls  zeigt  an:  Durch  den  Corporalen  zu 
Pempelfort  Henric  Clausen  seien  ihm  24  Mann  einbillettirt, 
annebst  eine  Wacht  von  1  Lieutenant  und  22  Mann  ins 
Haus  gelegt.  Er  muss  hierfUr  Feuer  und  Licht  stellen 
und  bittet  hierfür  um  VergQtung.  Hauptmann  Roberz 
erhält  durch  den  Magistrat  den  Befehl:  1.  Die  in  Pempel- 
fort liegenden  Dragoner  selbst  zu  billettiren.  2.  Keine 
Corporales  zur  Billettirung  zu  gebrauchen.  3.  Billettii*ungs- 
liste  bei  einer  Strafe  von  10  Thalem  in  nächster  Raths- 
Sitzung  einzuschicken. 

Im  Raths-ProtokoU  vom  16.  Januar  1761  finden  wir, 
dass  der  Commerzienrath  Jakobi  eine  Rechnung  übergiebt 
über  525  Paar  LeinentQcher  und  Laken,  welche  er  in  die 
Casemen  zum  Behuf  der  französischen  Völker  geliefert  hat. 
Peter  Thissen  und  Wittib  Adolf  Schmitz  zu  Volmerswerth 
erhalten  Entschädigung  wegen  ihrer  im  Dienst  verdorbenen 
Pferde.  Bäckermeister  Heinrich  Weingartz  in  der  Neu- 
stadt präsentirt  Rechnung  über  Holz  ad  16  Thaler  15  Stüber, 
geliefert  für  die  Regimenter  Vastan  und  Veaubecourt. 
Henric  Burgel  übergab  Rechnung  für  Fourage  an  fran- 
zösische Artilleriepferde  ad  13  Thaler  12  Albus.  Die 
Bataillone  Chalons  und  Paris  haben  Fuhren  requirirt,  ohne 
dafür  regus  auszustellen.  DieSchreinerzunft  fordert  Zahlung 
fQr  die  dem  Regiment  Caruman  in  der  Neustadt  gelieferten 
Arbeiten.  Der  Magistrat  sendet  Bericht  nebst  Rechnung 
und  Anzeige,  dass  die  Arbeit  in  Gefolg  Mandati  de 
9.  December  1758  angefertigt,  an  die  französische  Militär- 
behörde. Der  Magistrat  werde  von  dieser,  bei  Kriegs- 
zeiten mit  Anschaffungen  hart  belästigten  Zunft,  täglich 
behelligt  und  müsse  umsomehr  auf  Zahlung  anstehen,  als 
]i[agistrat  mit  keinen  baaren  Mitteln  versehen  sei,  woraus 
dergleichen  besondere  Zahlungen  veriügt  werden  könnten. 
Geliefert  hatte  die  Schreinerzunft  Tische,  Bänke  und 
Mantelstöcke.  —  In  der  Sitzung  vom  12.  März  1761  prä- 
sentirt der  Bürgermeister  eine  gestrenge  Verordnung  vom 
11.  März,  wonach  aus  hiesigen  Landen  zur  französischen 
Armee  600,000  Rationen  Heu  zu  beschaffeö  seien.  Ohne 
Unterschied  auf  Klöster  und  Rittersitze  sei  eine  General- 
Visitation  vorzunehmen  und  eine  gewissenhafte  speci- 
flcation  des  vorräthigen  Heus,  die  Portionen  zu  18  pariser 
Pfund  columnen  weise  einzureichen,  so  dass  in  1.  Col. 
Vorrath,  2.  Col.  eigen  Nbthwendigkeit,  3.  Col.  Ueberschuss 
enthalten  ist.  In  jedem  Kirchspiel  wird  mittelst  eines 
Glockenschlages  verboten,  ohne  schriftliche  Erlaubniss  des 
Bürgermeisters  den  Vorrath  an  Heu  bei  einer  Strafe  von 
10  Thalern  zu  verbringen.  Am  2.  April  1761  theilt  der 
Bürgermeister  mit,  es  sei  befohlen  worden,  sofort  einen 


Oesehiehte  Jer  militärischen  Verhältnisse  der  Stadt  Dßsseldoff.     443 

Stall  für  30  Pferde  für  den  General  de  Chevert  an  der 
Franziskaner -Mauer  zu  errichten.  Den  Franzosen  wird 
zur  Antwort  unter  wiederholter  Vorstellung  der  Bedräng- 
niss  der  Stadt  und  Bürgerschaft,  dass  der  Magistrat  den 
Stall  unverzüglich  in  Arbeit  stelle,  seiner  Kurfürstlichen 
Durchlaucht  aber  anheimstellen  werde,  aus  welchem 
Fundo  die  Arbeitsleute  und  Kosten  zu  zahlen  und  herzu- 
nehmen wären. 

Wie  vielseitig  die  Oesuche  an  den  Magistrat  waren, 
geht  femer  aus  dem  Protokoll  vom  13.  und  17.  April  1761 
hervor. 

Der  Schreinergeselle  Maul  zeigt  an,  dass  ihm  bei 
Anwesenheit  des  Schweizer  Regiments  Comte  ein  darunter 
gestandener,  dann  desertirter  Soldat  Crojan  ein  kleines 
Kind  von  3  Jahren  hinterlassen.  Weil  er  aber  unmöglich 
im  Stande  sei,  das  Elind  zu  erziehen,  so  begehre  er,  dass 
ihm  die  Alimentations-Kosten  ex  publice  fundo  hergereicht 
würden.  Es  wird  beschlossen,  ihm  aus  Stadtmitteln  ad 
Interim  2  Thaler  zu  verreichen. 

Es  würde  zu  weit  führen,  noch  mehr  aus  den  vor- 
handenen Raths-ProtokoUen  zu  erwähnen.  Der  Landesr 
fürst  Karl  Theodor  ist  nur  2  mal  in  Düsseldorf  gewesen, 
nämlich  im  Jahre  1746  und  1785.  Seine  Anwesenheit 
wurde  mit  grossen  Festlichkeiten  gefeiert,  namentlich 
wurde  ihm  im  letzteren  Jahre  ein  grosses  militairisches 
Schauspiel  bereitet.  Die  Besatzung  von  Jülich  und 
Düsseldorf,  4  Regimenter  Fussvolk  und  ein  Regiment 
Reiter  bezogen  auf  der  Haide  zwischen  Golzheim  und 
Kalkum  ein  Lustlager  und  führten  im  Beisein  des  Chur- 
fürsten  Kriegsübungen  aus.  Ihre  Stärke  betrug  5000 
Mann  Fussvolk  und  600  Reiter. 

An  der  Festung  war  weitergebaut  worden,  wodurch 
die  bisherige  Südfront  vom  Flinger-  bis  zum  Berger- 
Bastion  entbehrlich  wurde.  Sie  wurde  1787  geschleift 
und  auf  diesem  Terrain  zwischen  Cidatelle  und  Kaserne 
ein  neues  Stadtviertel  angelegt,  denjenigen,  welche  sich 
hier  anbauen  wollten,  wurde  20jährige  Steuerfreiheit  in 
Aussicht  gestellt.  Die  Garnison  bestand  Anfang  der 
90er  Jahre  aus  dem  4.,  7.  und  13.  Füsilier-Regiment  zu 
ungefähr  500  Mann  mit  den  Namen  de  la  Motte,  Graf 
von  der  Wahl,  Fürst  Isenburg,  hinzu  kam  ein  Grenadier- 
Bataillon,  das  Kürassier-Regiment  Graf  Seyssel  d'  Aix 
und  eine  Kompagnie  Fussartillerie.  Die  Uniformen  sollen 
geschmackvoll  gewesen  sein.  Die  Infanterie  und  Cavallerie 
hatten  weisse  Röcke,  das  4.  Regiment  hatte  dunkelblaue, 
das  7.  grüne,  das  13.  schwarze,  das  Grenadier-Bataillon 
hellblaue,  die  Cavallerie  rothe  Aufschläge,  die  Artillerie 


444     Oeschiehte  der  miliidHMchen  VerkdUnisae  der  Stadt  DüeeOdwrf. 

hatte  hellblaue  Waffenröcke  mit  schwarzen  Abzeichen. 
Alle  Truppen  trugen  Caskets  mit  wallendem  Rossschweif, 
der  bei  den  Füsilieren  und  Artillerie  schwarz,  bei  den 
Grenadieren  und  Kürassieren  weiss  war.  Der  General 
von  Dalwigk  war  Commandant  von  Düsseldorf,  Major  de 
la  Treille  Platzmajor.  Die  Mannschaften  waren  sämmt- 
lieh  in  Kasernen  untergebracht,  die  Grenadiere  und 
Füsiliere  in  der  heutigen  Infanterie-Kaserne,  die  nunmehr 
das  zweite  Stockwerk  erhalten  hatte.  Das  alte  Gasthaus 
zu  beiden  Seiten  der  Garnisonkirche  diente  als  Lazareth 
und  wurden  in  einem  Schuppen  hinter  der  Kirche  die 
kupfernen  Geschütze  aufbewahrt.  Die  Cavallerie  hatte 
eine  Kaserne  in  der  Neustadt,  der  jetzigen,  welche  erst 
1822  vollendet  wurde,  gegenüber.  Die  Artillerie  lag  in 
der  Reuterkaserne,  welche  sich  am  Rhein  unterhalb  der 
Lambertuskirche  befand.  Drei  Pulverthürme  befanden 
sich  in  unmittelbarer  Nähe  der  Infanterie-Kaserne.  Die 
Hauptwache  war  auf  dem  Burgplatz  in  einem  besonderen 
Gebäude  vor  dem  Schloss,  ausserdem  gab  es  wie  in  allen 
Festungen  Thor-  und  Kasernenwachen. 

Düsseldorf  hatte  sich  einer  etwa  30jährigen  Ruhe 
zu  erfreuen  gehabt,  in  welcher  Zeit  die  Stadt  sich  rasch 
entwickelte,  umsomehr,  da  die  Festungswerke  wie  schon 
gesagt  sehr  ausgedehnt  worden  waren.  Die  Unruhen  in 
Frankreich  sollten  aber  für  Düsseldorf  auch  bedeutsam 
werden.  Nachdem  die  Oesterreicher  im  October  1794 
an  verschiedenen  Stellen,  so  auch  bei  Düsseldorf,  den 
Rhein  überschritten  und  hier  sehr  von  dem  General 
Bernadotte  bedrängt  worden  waren,  erschienen  am 
6.  October  Morgens  gegen  9  Uhr  mehrere  französische 
Ingenieur-Offiziere  begleitet  von  einem  Infanterie-Piquet 
am  linken  Rheinufer  am  Kölnischen  Zollhaus,  welches 
etwa  da  lag,  wo  jetzt  die  Wirthschaft  von  Schwarz  sich 
befindet.  Sie  pflanzten  dort  nach  republikanischer  Sitte 
einen  Freiheitsbaum  mit  Jakobinermütze  und  der  Revo- 
lutionsfahne auf.  Dies  wurde  von  der  Festung  aus 
beobachtet  und  feuerten  auf  Befehl  des  Pfalzbaierischen 
Commandanten  General  Lamotte  die  Oesterreicher  am 
Zollthor  ihre  Geschütze  gegen  diesen  Baum  hin  ab.  Hier- 
durch wurde  ein  Capitain  getödtet  und  mehrere  Soldaten 
verwundet,  was  die  Franzosen  in  die  grösste  Aufreg^ung 
versetzte.  Sofort  wurde  Meldung  in's  Hauptquartier  zu 
Neuss  entsendet  und  soll  der  unter  General  Bernadotte 
befehligende  Divisions-Commandeur  gerufen  haben:  „Die 
Oesterreicher  und  Pfälzer  haben  mir  guten  Morgen  ge- 
wünscht, ich  werde'  ihnen  guten  Abend  bieten.**  Sofort 
wurden  Anstalten  getroffen,  um  diese  Herausforderung  zu 


Ge9chieht€  der  milüärieehen  Vei^uaUiiue  der  Stadt  Da$9Marf.     445 

Züchtigen.  Am  Nachmittag  kamen  mehrere  hohe  OfSciere 
nach  Obercaesely  um  das  Ufer  zu  recognosciren ,  4 
schwere  Geschütze  wurden  bei  Anbruch  der  Dunkelheit 
in  einem  Graben  des  abgetragenen  Forts  Düsselburg 
gebracht  und  begann  um  10  Uhr  aus  dieser  nahen  Ent- 
fernung ein  heftiges  Bombardement.  Um  Mitternacht 
brannten  schon  Schloss,  Marstall,  Kirche  und  Kloster  der 
Cölestinerinnen  y  sowie  viele  Privathäuser.  Es  entstand 
eine  schreckliche  Angst  in  der  Stadt,  an  löschen  dachte 
Niemand,  die  Bewohner  flüchteten  nach  Aussen  oder 
suchten  in  den  Kellern  Schutz  gegen  die  niederfallenden 
Geschosse.  Die  Churpfälzer  hatten  sofort  die  Stadt  ver- 
lassen und  machten  erst  in  Elberfeld  und  Barmen  Halt. 
Die  Churfürstliche  Regierung,  an  der  Spitze  der  Minister 
von  Hompesch,  verliess  gleichfalls  Düsseldorf.  Das 
Bombardement  hörte  gegen  Morgen  auf,  hatte  aber  der 
Stadt  in  dieser  kurzen  Zeit  einen  Schaden  von  mehr  als 
einer  Million  Thalern  zugefügt.  Aber  nicht  nur  das 
Feuer,  sondern  auch  Diebe  und  dergleichen  Gesindel 
hatten  in  der  Stadt  arg  gehaust ;  Churpfälzer  waren  zurück- 
geblieben, die  gemeinsam  mit  Oesterreichem  in  der 
allgemeinen  Verwirrung  zu  plündern  begannen. 

Die  Landrentmeisterei  und  die  Kellerei  wurden  er- 
brochen, es  wurden  an  baarem  Gelde  2729  Reichsthaler 
40  Stüber  gestohlen,  63  Ohm  Wein  wurden  vernichtet 
oder  gestohlen,  im  Keller  soll  man  bis  an  die  Knöchel 
im  Wein  gewatet  haben.  Die  Regierung  erlitt  einen  Ver- 
lust von  612993  Reichsthalem  30  Stüber,  der  Verlust  der 
Privaten  ist  nicht  abgeschätzt  worden.  Die  Franzosen 
schienen  mit  der  genommenen  Vergeltung  zufrieden  zu 
sein,  denn  sie  überschritten  den  Rhein  nicht,  sondern  er- 
richteten auf  dem  linken  Ufer  nur  ein  Denkmal  ihrer 
That  mit  der  Inschrift :  „Landrecy  y  veng6  par  les  soldats 
de  la  röpublique'^,  welches  darauf  Bezug  hatte,  dass  diese 
Festung  an  der  Sambre  am  30.  April  desselben  Jahres 
von  den  Oesterreichem  unter  dem  Prinzen  von  Coburg  ge- 
nommen worden  war.  Die  Pfälzer  rückten  im  April  1875 
unter  General  von  Zettwitz  wieder  zur  Besetzung  von 
Düsseldorf  ein.  Die  Oesterreicher  hatten  sich  in  der 
Gegend  von  Düsseldorf  nur  durch  Batterien  gesichert 
und  bezogen  mit  den  Pfälzern  gemeinsam  die  Kasernen, 
w^elche  sehr  überfüllt  waren,  da  bis  zu  vier  Mann  in 
einem  Bett  schlafen  mussten,  auch  die  Treppenabsätze 
und  Speicherräume  belegt  worden  waren.  Der  FestUngs- 
dienst  wurde  streng  gehandhabt  und  zwar  mit  solcher 
Stille,  dass  nicht  mal  getrommelt  werden  durfte.  Im 
Juli  1795  beschlossen  endlich  die  Franzosen  unter  dem 


446     Oesehiehte  der  müitärischen  Verhiatniaat  der  Stadt  DOeeeid&rf. 

gänäral  en  chef  Jourdan  die  Offensive  zu  ergreifen.  Sie 
bauten  zum  Schutze  eines  Rbeinüberganges  grossartige 
Angriffsbatterien  bis  nach  Uerdingen.  Der  Festung 
Düsseldorf  gegenüber  warfen  sie  drei  grosse  Batterien 
auf,  mit  Scharten  versehen  und  durch  Laufgräben  ver- 
bunden: Sie  enthielten  27  Geschütze,  die  oberste  Batterie, 
genannt  batterie  de  la  citadelle,  von  8  Geschützen,  be- 
strich mit  einer  Scharte  das  Glagis,  mit  den  5  folgenden 
die  Werke  der  Citadelle,  mit  der  7.  die  Hafenmündung, 
mit  der  8.  das  Schloss;  die  zweite,  batterie  du  chateau, 
hatte  9  Geschütze,  von  denen  7  auf  das  Schloss  und  2 
auf  das  Bastion  „Karl  Theodor^  gerichtet  waren;  die 
dritte,  batterie  de  la  forteresse,  hatte  10  Geschütze,  welche 
die  nördliche  Front  bestrichen.  Ausserdem  waren  bei 
Heerdt  2  und  am  Ausfluss  der  unteren  Erft  auf  den 
Neusser  Weiden  3  kleine  Batterien  mit  zusammen  15  Ge- 
schützen. Im  September  1795  erschien  bei  Heerdt  eine 
französische  Division  und  fuhr  Batterien  auf  zur  Be- 
schiessung  der  Stadt.  In  der  Nacht  zum  5.  September 
imternahmen  die  Franzosen  den  Rheinübergang  bei 
Uerdingen,  die  Division  Leföbre  landete  um  12  Uhr  auf 
dem  rechten  Rheinufer  auf  neutralem  Gebiet,  ihr  folgte 
die  Reserve-Division  Tilly  und  gegen  6  Uhr  Morgens  die 
Division  Grenier.  Der  österreichische  General  Graf 
Erbach,  dem  die  Vertheidigung  des  Rheinufers  übertragen 
worden  war,  liess  sich  durch  die  gleichzeitig  bei  Düssel- 
dorf erfolgende  Kanonade  täuschen,  er  vermuthete,  dass 
die  Franzosen  hier  übersetzen  würden,  er  setzte  sich 
daher  mit  4  Compagnien  und  2  Schwadronen  Ulanen  von 
Calcum  aus  in  Marsch  nach  Düsseldorf,  erhielt  aber  schon 
unterwegs  vom  Oberstlieutenant  Graf  Salaro  die  Meldung, 
dass  der  Feind  bei  Hamm  viele  Truppen  übergesetzt 
hatte  und  bereits  nach  Düsseldorf  zöge.  Graf  Erbach 
kam  Morgens  gegen  4  Uhr  nach  Düsseldorf  und  vertrieb 
die  Franzosen  aus  den  Gassen  der  Neustadt  in  die  Häuser, 
von  wo  aus  sie  ein  mörderisches  Feuer  unterhielten. 
Inzwischen  unterhandelten ,  eingeschüchtert  durch  die 
Drohung,  Düsseldorf  durch  ihre  27  Feuerschlünde  in  einen 
Schutthaufen  zu  verwandeln,  der  Minister  von  Hompesch, 
der  General  von  Zettwitz  als  Militär-Gouverneur  der  Provinz 
und  der  General  von  Dalwigh  als  Commandant  der  Festung 
mit  dem  Citoyen  Louis  Denizot,  Beigeordneter  der  General- 
adjutanten für  die  französische  Republik,  über  die  Bedin- 
gungen der  Capitulation,  so  sehr  auch  Graf  Erbach  wider- 
sprach. Die  Beschiessung  der  Stadt  geschah  nur  aus  zwei 
Stücken  der  batterie  de  la  citadelle,  Schaden  wurde  nicht 
angerichtet.  Die  Capitulations-Bedingungen  waren  folgende: 


Geaehichte  der  milüärißehm  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf,     447 

„Wir  Unterschriebenen,  mit  Vollmacht  Versehenen  etc. 
haben  also  festgesetzt: 

Art.  1.  Die  Garnison  wird  jedoch  bewaffnet  und  mit 
allen  Eriegsehren,  desgleichen  Beibehaltung  der  Bagage 
und  zwar  sogleich  ausmarschiren ,  derselben  steht  frei, 
dahin  zu  ziehen,  wo  sie  es  für  gut  befindet,  jedoch  mit 
der  Bedingung,  vor  einem  Jahr  und  Tag  weder  wider 
die  Armee  der  französischen  Republik,  noch  ihrer  Bundes- 
genossen Waffen  zu  führen. 

Art.  2.  Es  sind  der  Garnison  16  Cavalleriepferde, 
von  denen,  die  in  der  Festung  sind,  zugestanden,  die 
übrigen  werden  den  Franzosen  überliefert,  die  Offizier- 
pferde und  die  des  Marstalles  ausgenommen,  der  letzteren 
Zahl  darf  aber  15  nicht  übersteigen. 

Art.  3.  AllB  Kanonen  und  was  zur  Artillerie  gehört, 
mag  es  Namen  haben  wie  es  will,  so  wie  auch  die  Nachen 
und  Schiffbrücken,  welche  im  Hafen  liegen,  werden  den 
Franzosen  übergeben. 

Art.  4.  Der  Gouverneur  soll  einem  Offizier  den  Auf- 
trag geben,  dem  Agenten  der  französischen  Republik  den 
genauen  Stand  von  allen  Magazinen,  Munition,  Feuer 
Schlünden  und  alle  Karten  und  Pläne,  besonders  welche 
auf  Mienen  Bezug  haben,  zu  überweisen. 

Art.  5.  Der  Gouverneur  soll  von  jedem  Corps  einen 
Beauftragten  zurücklassen,  welcher  Equipage  nachschicken 
wird,  sobald  die  Oesterreichische  Armee  sich  hinter  die  Sieg 
retiriret  haben  wird ;  zugleich  sind  den  Generalen,  welche 
Truppen  führen,  zwei  unbedeckte  Wagen  zugestanden. 

Art.  6.  Alle  Oestreichischen  Militair  -  Individuen, 
welche  sich  in  der  Stadt  befinden,  sind  in  gegenwärtige 
Oapitulation  nicht  mit  einbegriffen  und  werden  von  diesem 
Augenblicke  an  als  Kriegsgefangene  angesehen. 

Art.  7.  Der  Gouverneur  von  Düsseldorf  soll  alle 
französischen  Emigi*anten,  welche  in  der  Stadt  sein  könn- 
ten, angeben  und  der  Macht  der  Franzosen  überliefern. 

Art.  8.  Die  Sicherheit  des  Eigenthums  und  der 
Personen  der  Einwohner  der  Stadt  Düsseldorf  wird  unter 
den  Schutz  der  französischen  Republik  gegeben. 

Art.  9.  Dem  vorbenannten  dirigirenden  Minister 
wird  die  Freiheit  zugestanden,  entweder  mit  seiner  Familie 
in  Düsseldorf  zu  verbleiben,  oder  sich  dahin  zu  verfügen, 
wo  er  es  für  gut  befinden  möge. 

So  geschehen  zu  Düsseldorf  den  20.  Fructidor  nach 
der  Zeitrechnung  der  französischen  Republik  oder  nach 
der  allgemeinen  den  6.  September  1795  und  haben  unter- 
zeichnet : 

Denizot.    Hompesch.     Zettwitz.    Dalwigh. 


448     GesehicJUe  der  tnüUärUehw  VerhäUnisae  der  Stadt  DUseMwrf. 

Somit  war  Düsseldorf  in  den  Händen  der  Franzosen 
und  blieb  darin  bis  zum  Frieden  von  Lttneville  1801. 

Am  Nachmittage  des  6.  September  trafen  die  Oenerale 
Lef6bre  und  Kleber  in  Düsseldorf  ein;  am  7.  wurden 
zwei  Schiffbrücken  geschlagen,  über  welche  fortwährend 
französische  Truppen  durch  Düsseldorf  rückten.  Hier 
blieb  nur  eine  schwache  Besetzung  unter  dem  Obersten 
Winter  zurück.  In  den  folgenden  Monaten  wird  an  den 
Festungswerken  mit  grossem  Eifer  gearbeitet,  die  benach- 
barten Gemeinden  wurden  zur  Schtmzarbeit  berufen, 
Bürger  und  Landleute  mussten  die  schwersten  Arbeiten 
verrichten,  die  Waldungen  wurden  verwüstet,  sogar  Obst- 
bäume  brauchte  man  zu  Faschinen  und  Pallisaden.  Welche 
Lasten  die  Stadt  zu  dieser  Zeit  zu  tragen  hatte,  geht 
daraus  hervor,  dass  vom  6.  September  1795  bis  zum 
31.  Mai  1801  die  Zahl  von  3  257  694  Einquartierungstagen 
für  Mannschaften  und  420121  Einquartierungstagen  für 
Pferde  berechnet  worden  sind.  Die  Franzosen  wollten 
Düsseldorf  zum  grossen  Waffenplatz  für  eine  Besatzung 
von  36000  Mann  erweitem  und  umgaben  die  Festung 
daher  mit  einem  weiten  Halbkreise  von  Verschanzungen, 
welcher  sich  vom  Rheinufer  bei  Flehe  um  Bilk  herum 
zum  Wehrhahn  bei  Pempelfort  und  Derendorf  vorbei  bis 
Golzheim  erstreckte  und  am  Rhein  endigte.  Im  Ganzen 
sollten  62  Batterien  und  Schanzen  entstehen,  welche  mit 
268  Geschützen  zu  besetzen  waren  und  an  welchen  bis 
zum  Jahre  1799  gearbeitet  wurde.  Ferner  wurde  noch 
an  der  Stelle  des  ehemaligen  Forts  Düsselburg  ein  starker 
Brückenkopf  angelegt.  Die  Festungsbauten  wurden  durch 
General  Kleber  und  am  10.  März  1796  durch  den  gön^ral 
en  Chef  Jourdan,  welcher  in  Bonn  sein  Hauptquartier 
hatte,  besichtigt.  Einem  feierlichen  Einzüge  folgte  grosse 
Heerschau,  Feste,  Gelage  und  Feuerwerke,  alles  auf 
Kosten  der  Bürger,  welche  noch  gute  Miene  zum  bösen 
Spiel  machen  mussten.  Dass  die  Bürger  schliesslich  nicht 
mehr  im  Stande  waren,  die  Einquartierung  zu  verpflegen 
und  dass  die  Soldaten  dies  selbst  einsahen,  geht  aus  der 
Erzählung  eines  in  den  50.  Jahren  noch  lebenden  Augen- 
zeugen hervor.    Derselbe  berichtet: 

^Ich  begleitete  eines  Tages  ein  Bataillon  der  Division 
Lef6bre  zu  einer  Uebung  hinaus,  welche  auf  den  Sand- 
hügeln von  Iklak  vor  sich  gehen  sollte,  die  zu  gleichen 
Zwecken  auch  heute  noch  von  den  Truppen  häufig 
besucht  werden.  Die  Kompagnien  waren  aufgestellt  und 
das  Exercitium  sollte  beginnen ,  als  wie  auf  Commando 
die  Soldaten  die  Gewehre  niederlegten.  Der  Bataillons- 
Chef  ruft  die  Kompagnie-Chefs  zusammen  und  fragt  sie 


Qesehichte  der  mHU^ritchen  VerMUnine  der  Stadt  Düsaeldarf.     449 

nach  der  Ursache  dieses  massenhaften  Excesses  —  sie 
wissen  sie  nicht.  —  Darauf  Iftsst  der  Chef  das  Bataillon 
ein  Viereck  formiren,  ruft  die  ünterofflciere  vor  und  ver- 
langt von  ihnen  Amkunft.  Diese  erklaren  denn  im 
Namen  und  aus  Auftrag  der  Kompagnie,  dass  sie  der 
Republik  dienten,  diese  aber  auch  verpflichtet  sei,  sie  zu 
unterhalten;  solches  sei  aber  seit  nunmehr  einem  halben 
Jahre  nicht  mehr  geschehen,  vielmehr  lägen  sie  ihren 
Quartiergebern  auf  eine  unerträgliche  Weise  zur  Last 
und  nach  ihrer  Ueberzeugung  könnten  dieselben  sie 
nicht  mehr  mitunterhalten.  —  Inzwischen  hat  eine 
Meldung  nach  Düsseldorf  den  befehligenden  General 
herbeigerufen,  welcher  selbst  die  Klage  der  Leute  ver- 
nimmt und  ihnen  eröffnet,  dass  sie  in  Zeit  von  24  Stunden 
und  fortan  regelmässig  ihre  täglichen  Portionen  erhalten 
würden.  Die  Soldaten  sind  zufrieden  gestellt  und  die 
Uebung  geht  ohne  weitere  Indisciplin  in  bester  Ordnung 
vor  sich.  Im  Herbst  des  Jahres  1797  wurde  der  Karls- 
platz ausgefüllt  und  planirt  und  diente  der  Garnison  als 
Exercier-  und  Paradeplatz.  Im  Jahre  1799  wurde  mit 
dem  grössten  Eifer  an  den  Befestigungen  gearbeitet, 
jeder  Amtsbezirk  musste  150  Arbeiter  und  10  Fuhren 
stellen.  Im  Herbst  wurde  die  Arbeiterzahl  erst  auf  2400 
und  dann  auf  1400  herabgesetzt.  Ferner  mussten  50000 
Pallisaden,  15000  Faschinen  und  2000  Eichenstämme 
durch  das  Land  geliefert  werden.  Endlich  machte  der 
Frieden  zu  Lüneville  am  9.  Februar  1801  der  Herrschaft 
der  Franzosen  auf  dem  rechten  Rheinufer  ein  Ende,  auch 
enthielt  er  die  für  Düsseldorf  segensreiche  Bestimmung, 
dass  die  Festungswerke  geschleift  werden  sollten.  Nach 
den  getroffenen  Festsetzungen  sollten  die  Franzosen  am 
31.  März  1801  das  rechte  Rheinufer  räumen ,  jedoch 
sollten  vorher  die  Festungswerke  geschleift  und  der  Rest 
der  Kriegssteuem  bezahlt  werden.  Die  Landstände 
weigerten  sich  zunächst,  an  den  Kosten  und  der  Arbeit 
theUzunehmen,  da  es  sich  ja  nur  um  Verschönerung  von 
Düsseldorf  handle.  Hiermit  drangen  sie  aber  nicht  durchs 
da  nach  Ansicht  der  Franzosen  die  Ausführung  der 
Friedensbedingungen  Aufgabe  des  ganzen  Landes  sei. 
Die  Franzosen  selbst  zerstörten  nun  die  Hauptwerke,  in- 
dem sie  Kasematten  und  Mauerwerk  mit  Pulver  sprengten. 
Die  für  Ausbau  und  Instandhaltung  der  Festung  jährlich 
vom  Bergischen  Lande  ausgeworfenen  30000  Thaler 
w^urden  in  diesem  Jahre  zum  letzten  Male  erhoben,  um 
nun  aber  die  Kosten  der  Zerstörung  zu  decken.  Es 
g'elang,  durch  freiwillige  Arbeit  bis  zum  Mai  die  Sache 
soweit  zu  fördern,  dass  die  Franzosen  sich  befriedigt  er- 

29 


450     Gedehichte  dtr  militSriseken  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf • 

klärten  und  am  letzten  Mai  abzogen.    Hiermit  verliert 
Dflsseidorf'  seine    militärische    Bedeutung.      Fast    wäre 
Düsseldorf  nochmals  dem  Schicksal  verfallen ,   Festung 
zu  werden.  Als  im  Spät  herbste  des  Jahres  1811  Napoleon 
nach  Düsseldorf  kam  y  unterwarf  er  die  Stadt  und  Um- 
gegend  einer  persönlichen  Rekognoscirung,  um  zu  unter- 
suchen,  ob  sich   dieselbe  zur  nochmaligen  Befestigung 
eigne.  Er  stand  jedoch  vollständig  wegen  der  ungünstigen 
Lage  der  Stadt  von  diesem  Unternehmen  ab  und  gab  das 
wichtige  Dekret,   in  welchem  die  geschleiften  Festungs- 
werke nebst   dem  Glacis  der  Stadt  zu  Verschönerungs- 
zwecken geschenkt  wurden.  Im  Jahre  1806  wurde  bekannt- 
lich der  Churfürst  Maximilian  Joseph,  welcher  von  1799  ab 
in  hiesigen  Landen   herrschte,  vom   Kaiser  Napoleon  I. 
zum  König  von  Bayern  erhoben.    Zugleich   erging  das 
Dekret,   wonach   Joachim  Mürat  zum   Grossherzog   von 
Berg  ernannt  wurde.    Dieser  kam  bald  nach  seiner  Er- 
nennung nach    Düsseldorf  und  residirte    gewöhlich    im 
Schloss  von  Benrath.    Unter  ihm  wurden  die  Planirungs- 
arbeiten  mit  Eifer  fortgesetzt  und  hatten  hierzu  die  Land- 
stände  jährlich  40000  Franken  bewilligt.   Auf  dem  Haupt- 
wall entstand  die  Alleestrasse,  damals  „Boulevard  Napoleon  ^ 
genannt.    Zu  gleicher  Zeit  entstand  die  heutige  Königs- 
allee,   der   Ananasberg    wurde    durch    Galeeredsclaveii 
angefahren,  der  Napoleonsberg  verdankt  dem  neuen  Hafen 
seine  Entstehung.    Der  Exercierplatz  an  der  Infanterie- 
Kaserne   scheint  als  solcher   im  Jahre  1809  hergestellt 
worden  zu  sein,  da  in  diesem  Jahre  7781  Francs  2  Cen- 
times zur  Planirung  desselben  an  verschiedene  Fuhrleute 
gezahlt  worden  sind,  desgleichen  erhielt  die  Infanterie- 
Brigade   für   geleistete  Arbeit   74   Francs   17   Centimes. 
Joachim  Mürat  blieb  nur  2  Jahre  hier,  da  er  am  15.  Juni 
1808  vom  Kaiser  zum  König  von  Neapel  ernannt  wurde. 
Nunmehr  blieb  das  Grossherzogthum  Berg  unter  franzö- 
sischer Herrschaft,  da  der  neue  Grossherzog  Louis  Napoleon 
erst  5  Jahre   alt  war.    Am    1.  Juni   1809   erschien  eine 
Instruction  zur  Ausführung  der  Gesetze-  und  Reglements 
über    die    Conscription ,    welche    in    der    Druckerei    des 
Gouvernements  gedruckt  worden  war.   Dem  französischen 
Text  ist  die  deutsche  Uebersetzung  beigegeben.    Es  ist 
bekannt,  mit  welcher  Strenge  dieses  Gesetz  gehandhabt 
und  durchgeführt  wurde.   Alle  jungen  Leute  von  20  Jahren 
gehörten  zur  Conscription  des  betreffenden  Jahres.   Artikel 
2  sagt:  Kein  Stand,  kein  Verhältniss,   es   möge  Namen 
haben  wie  es  wolle,  begründet  eine  Ausnahme.  —  Nur  die- 
jenigen sind  völlig  eximirt,  welche  bei  den  Protestanten 
zum  Predigeramte,  bei  den  Katholiken  zum  Subdiakonate 


Geschichte  der  müiiä  riechen  Verhält  niese  der  Stadt  Düsseldorf.      451 

gelangt  sind.  Artikel  5  lautet:  Die  Dienstzeit  ist  in 
S'riedenszeit  auf  5  Jahre  festgesetzt.  In  Kriegszeiten 
kommt  es  darauf  an,  ob  die  Umstände  es  gestatten, 
dass  nach  Ablauf  der  5  jährigen  Dienstzeit  der  Abschied 
ertheilt  werde.  Die  Instruction  wird  mit  den  Worten 
eingeführt :  Seine  Majestät  der  Kaiser  haben  durch  aller- 
höchstes Dekret^  datirt  von  St.  Cloud,  den  21.  October  1808 
zu  verordnen  geruht,  dass  die  französischen  Conscriptions- 
Gesetze  und  Reglements,  ihrem  ganzen  Umfang  nach,  in 
dem  Grossherzogthum  zur  Anwendung  gebracht  werden 
sollen.  Unterzeichnet  ist  die  Instruction  durch  den 
Minister  des  Innern,  Graf  von  Nesselrode. 

Wie  schon  erwähnt,  befand  sich  das  Militär-Lazareth 
in  den  Gebäulichkeiten  zu  beiden  Seiten  der  Garnison- 
kirche. Diese  Kirche  wurde  1772  der  Garnison  über- 
geben, sie  fahrte  den  Namen  St.  Anna -Kirche.  Die 
Pfarrer  hatten  ein  eigenes  Pfarrsiegel  und  hatten  amtliche 
Anerkennung  bei  allen  geistlichen  und  weltlichen  Be- 
hörden. Sie  bezogen  ihr  Gehalt  von  400  Thalern,  sowie 
die  Cultuskosten  aus  der  Militärkasse,  zudem  hatten  die- 
selben, wie  auch  der  Küster,  freie  Wohnung  in  der  Caserne. 
In  der  Kirche  befindet  sich  ein  Hochaltar  von  Marmor 
mit  Stuck,  er  stammt  aus  der  Klosterkirche  der  Cölesti- 
nerinnen  her,  die  179ö  bei  dem  Bombardement  zerstört 
wurde.  Das  Altarbid,  die  Taufe  Jesu  darstellend,  ist  im 
Jahre  1847  durch  den  Maler  Ittenbach  zum  Preise  von 
800  Thalem  gemalt  worden.  Die  Kosten  hat  zu  zwei 
Drittel  der  Kunstverein  für  Rheinland  und  Westphalen 
getragen,  das  letzte  Drittel  ist  durch  Sammlung  unter 
beiden  Confessionen  beschafft  worden. 

Die  beiden  Nebenaltäre  stammen  aus  der  Kapuziner- 
kirche; einer  ist  der  heiligen  Anna,  der  andere  dem 
heiligen  Johannes  von  Nepomuck  geweiht.  Auf  diesem 
Altar  befindet  sich  auch  noch  die  Statue  des  heiligen 
Johannes,  des  Schutzpatrons  der  Krieger,  insbesondere 
des  der  Infanterie.  Durch  Allerhöchste  Cabinetsordre 
vom  30.  September  1824  wurde  bestimmt,  dass  die  Kirche 
als  evangelische  Garnisonkirche  zu  betrachten  sei,  wobei 
sie  jedoch  auch  fernerhin  den  Namen  heilige  Anna-Kirche 
beibehalten  sollte.  Die  Kirche  ist  dem  Kriegsministerium 
überwiesen,  welches  für  die  Unterhaltung  sorgen  und  die 
Ausübung  des  katholischen  Gottesdienstes  in  derselben 
gestatten  soll.  Die  Gamisonkirche  wurde  1815  zur  Unter- 
bringxmg  französischer  Gefangener  benutzt,  demnächst 
bis  1816  als  Magazin.  Im  Jahre  1818  wurde  die  Infanterie- 
Caserne  durch  Zwischenfiügel  erweitert;  hierzu  wurden 
die  2500000  Ziegelsteine,  welche  eigentlich  zum  Bau  des 


452      Geschichte  der  mUitarischen  Verhöltnis9e  der  Stadt  Das$eidorf. 

Nordcanals  bei  Neuss  bestimmt  waren,  verwendet.  Im 
nächsten  Jahre  wurde  die  Artilleriecaseme,  von  welcher 
bis  dahin  bekanntlich  nur  der  westliche  Theil  mit  kurzen 
nach  Norden  imd  Süden  angesetzten  Flügeln  bestand,  im 
Viereck  bis  zum  Exercierplatz  ausgebaut,  auch  wurde 
eine  Lieferung  von  11 200000  Steinen  zum  Bau  der  Caseme 
in  der  Neustadt  ausgeschrieben.  Dieser  Bau  wurde  im 
Jahre  1822  vollendet.  Der  Stall  auf  der  westlichen  Seite 
der  Casemenstrasse  wurde  1834  gebaut.  Zwischen  der 
lufanterie-Caseme  und  der  jetzigen  Post  standen  im  An- 
fang dieses  Jahrhunderts  hölzerne  Stallungen.  1813  waren 
dieselben  mit  polnischen  Lanciers  belegt.  Diese  erhielten 
nach  der  Schlacht  bei  Leipzig  Befehl,  nach  Frankreich 
zu  marschiren.  Um  dem  zu  entgehen,  zündeten  sie  die 
Stallungen  an,  wobei  etwa  82 — 86  Pferde  verbrannten. 
Die  ganze  Equipage  des  Führers  ging  hierbei  zu  Grunde. 
Beim  Bau  des  Hintergebäudes  der  Post  stiess  man  im 
Anfang  der  fQnfziger  Jahre  auf  eine  Menge  Knochen ;  es 
stellte  sich  heraus,  dass  nach  dem  damaligen  Brande  die 
Pferde  dort  vergraben  worden  waren. 

Aus  dem  Jahre  1810  wird  uns  von  einem  grossen 
Feuer  berichtet,  welches  am  16.December  auf  dem  Exercier- 
platz angezündet  wurde,  um  die  englischen  Waaren  zu 
verbrennen,  deren  Verkauf  in  Folge  der  Continentalsperre 
untersagt  war.  Die  Waaren  wurden  an  diesem  Tage  aus 
dem  alten  Schloss,  in  welches  sie  geschafft  worden  waren, 
unter  Begleitung  eines  Piquets  der  Gendarmerie  und  unter. 
Trommelschlag  durch  die  Stadt  zum  Marsfelde,  so  hiess 
damals  der  Exercierplatz,  gefahren.  Die  Verbrennung 
geschah  Mittags  zwischen  12  und  2  Uhr  in  Gegenwart 
einer  Menge  Volkes  unter  Aufsicht  des  Bataillons-Chefs 
Hemskirch.  Zugegen  waren :  Der  Präfect  Graf  von  Borcke, 
Stadt- Commandant  Bonnet,  die  Präfectur-Räthe  und  De- 
partements-Chefs, der  Maire  Freiherr  von  Pfeill,  der 
General -Zolladministrator  und  viele  Zollbeamten.  In 
Mindels  Wegweiser  durch  Düsseldorf  vom  Jahre  1817 
finden  wir,  dass  sich  das  Militär-Bekleidungs-Depot  (sp&ter 
Montirungs-Depot,  jetzt  Bekleidungs-Amt  genannt)  schon 
in  der  Ereuzbrüderkirche  und  in  dem  zugehörigen  Kloster^ 
welches  zur  Zeit  abgebrochen  wird,  um  einem  Neubau 
zu  weichen,  befindet,  ein  Theil  des  Militär -Bekleidungs* 
Depots  befand  sich  noch  im  Akademiegebäude  des  alten 
Schlosses.  Für  den  Gebrauch  der  Garnison  waren  femer 
bestimmt:  Die  neue  Caserne  (im  Gegensatz  zur  Reuter- 
caseme),  das  Militär-Lazareth,  das  Commiss-Backhaus  in 
der  Citadellstrasse  und  die  Hauptwache.  Diese  befand 
sich  bis  zum  Anfang  der  fünfziger  Jahre  auf  dem  Burg*- 


Geschichte  der  milifdrischen  Verhältnisse  der  Stadt  Düsseldorf,      463 

platz  in  einem  freistehenden  Gebäude,  welches  zum  alten 
Schlosse  gehörte.  Wegen  Baufälligkeit  und  da  man  die 
Reparaturkosten  von  1500  Thalern  nicht  aufwenden  wollte, 
musste  das  Gebäude  geräumt  werden.  Es  schwebten 
Unterhandlungen  wegen  Verlegung  der  Hauptwache  in 
das  alte  Schloss  oder  in  das  Marstall  -  Gebäude,  welches 
neben  dem  Regierungsgebäude  in  der  Mühlenstrasse  lag. 
Schliesslich  erhielt  die  Wache  ihren  jetzigen  Platz.  Mindel 
zählt  auch  den  Düsseldorfer  Militär -Etat  des  Jahres 
1817  auf;  derselbe  setzte  sich  zusammen  aus  1.  Landwehr- 
Inspection  vom  Regierungsbezirk  Düsseldorf,  Commandeur 
General -Major  von  Rödlich.  2.  Stamm  des  Rheinischen 
Grenadier  -  Landwehr  -  Bataillons ,  Commandeur  Major 
von  Bork.  3.  Dritte  Abtheilung  der  7.  Artillerie-Brigade 
mit  einer  reitenden  und  vier  Fuss  -  Compagnien ,  Com- 
mandeur Major  von  Gieseler.  4.  Rheinische  Provinzial- 
Invaliden  -  Compagnie ,  Commandeur  Oberst  -  Lieutenant 
von  Roishausen,  ö.  Stamm-Mannschaft  des  2.  Bataillons 
vom  1.  Düsseldorfer  Landwehr -Regiment,  Commandeur 
Major  von  Romberg.  6.  Garnison-Geistlichkeit.  Hierunter 
sind  folgende  Personen  aufgeführt:  Hartmann,  Consistorial- 
rath  und  lutherischer  Garnison -Prediger,  Frau  Gemmer, 
Eüsterin,  Custodis,  katholischer  Garnison -Prediger,  Neu- 
bauer, Küster  und  Unteroffizier  in  der  Invaliden-Compagnie. 
Unter  Nr.  7  sind  Casernen-  und  Lazareth -Verwaltung 
aufgeführt.  Die  Gensdarmerie  bestand  aus  dem  Haupt- 
mann und  Brigade-Chef  von  Forell,  einem  Obersergeanten, 
einem  Unteroffizier  und  einem  Gefreiten,  ausserdem  aus 
5  Cavalleristen  und  3  Infanteristen.  —  Die  Truppen  der 
Garnison  hatten  in  früheren  Jahren  ihre  Schiessstände 
im  Hofgarten  hinter  dem  Napoleonsberg.  Als  im  Jahre 
1847  die  7.  Jäger -Abtheilung  von  Wetzlar  nach  Düsseldorf 
verlegt  wurde,  leistete  die  Stadt  Zuschüsse  zur  Errichtung 
von  Schiessbahnen  im  Bilkerbusch^  welcher  sich  zwischen 
Oberbilk  und  Klein -Eller  befand.  Diese  Schiessstände 
wurden  bis  zum  Jahre  1876  benutzt,  mussten  jedoch  ein- 
gehen,  da  die  Cultur  sich  nach  jener  Gegend  hin  immer 
mehr  erstreckt  hatte  und  da  sie  die  Eisenbahn,  welche 
in  nicht  zu  weiter  Entfernung  hinter  denselben  vorbei- 
führte, gefährdeten.  Die  jetzigen  Schiessstände,  12  an 
der  Zahl,  liegen  bekanntlich  im  Aaperwalde  und  werden 
seit  dem  Jahre  1876  von  den  Truppentheilen  der  Garnison 
benutzt. 


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Die  Abtei  Düsseithal. 

Johann  Wilhelm,  Churfürst  zu  Pfalz,  gründete  im 
Jahre  1707  zu  Düsseithal  bei  Düsseldorf  eine  aus  der 
Abtei  Orval  im  Herzogthum  Luxemburg  ausgegangene 
Niederlassung  Cisterzienser-Mönche  von  der  strengen  Ob- 
servanz und  stiftet  und  begiftet  sie  reichlieh;  dieselbe  ist 
sodann  im  Jahre  1714  zur  Abtei  erhoben  worden. 


Wir  Johann  Wilhelm,  von  Gottes  Gnaden  Pfalzgraf 
bei  Rhein,  des  heiligen  Römischen  Reiches  Erzschatz- 
meister und  Churfürst,  Herzog  in  Baiem,  zu  Jülich,  Cleve 
und  Berg,  Füi-st  von  Mors,  Graf  zu  Veldenz,  Sponheim, 
der  Mark  und  Ravsnsberg,  Herr  zu  Ravenstein  u.  s.  w. 

Allen,  die  Gegenwärtiges  lesen,  unsern  ChurfUrstlich 
gnädigen  Gruss.  W«nn  wir  bei  der  Regierung  unsrer 
getreuen  Unterthanen  vorzüglich  darauf  sehen,  dass  die 
heilige  Genossenschaft  der  Mönche  in  ungestörter  Sicher- 
heit Gott  um  so  treuer  und  würdiger  dienen  könne,  so 
thun  wir  dies  im  kindlichen  Vertrauen  auf  den  Herrn, 
dass  sie  in  stiller  Einsamkeit  durch  ihr  inständiges  Gebet 
und  ihren  eifrigen  Dienst  die  göttliche  Barmherzigkeit 
uns  um  so  eher  zuwenden  werden,  in  Betracht  wir  selbst 
durch  weltliche  Sorgen  und  des  Krieges  Unruhen  immer- 
fort behindert  sind,  den  geistlichen  Uebungen  sowie  wir 
wünschten  obzuliegen.  Nachdem  wir  daher  erwogen  die 
Widerwärtigkeiten,  Sorgen  und  Beschwerden,  denen  die 
geistlichen  Väter  des  Cisterzienser-Ordens  von  der  strengen 
Observanz,  welche  neulich  von  dem  Canonikus  an  der 
Metropolitankirche  zu  Köln,  dem  ehrwürdigen  Herrn  Damen 
nach  der  unterhalb  unsrer  Churfürstlichen  Residenz  ge- 
legenen Insel  Lürich  berufen  worden,  durch  eine  unvorher- 
gesehene Ueberschwemmung  daselbst  leicht  ausgesetzt 
sein  könnten:  so  haben  wir  bei  uns  beschlossen,  für  die 
Sicherheit  dieser  Väter,  soviel  wir  mit  der  Gnade  Gottes 
vermögen,  Sorge  zu  tragen  und  jeglicher  Furcht  und 
etwaigem  Unheil  bei  Zeiten  vorzubeugen;  demgemäss 
haben  wir  auf  den  Wunsch  und  mit  Zustimmung  des  ge- 


Die  Abtei  DOsaeWiai.  455 

nannten  Herrn  Däraen,  dessen  frommer  Absicht  wir  durch 
gegenwärtige  Schenkung  nicht  nur  nicht  entgegen  zu 
treten,  sondern  in  Gründung  eines  Klosters  kräftigst  Vor- 
schub zu  leisten  gesonnen  sind,  hinsichtlich  eines  andern 
mehr  gelegenen  Ortes  huldreichst  Voraorge  getroffen  und 
erachteten  w^ir  den  unterhalb  dem  Grafenberg  gelegenen 
Wald,  welcher  gemeiniglich  der  Unterflingerbusch  und 
Broich  genannt  wird,  hierzu  für  geeignet. 

Wir  Hessen  zu  dem  Ende  diesen  Wald  nebst  den 
dazu  gehörenden  Wiesen  und  Weideplätzen  der  Länge 
nach  von  der  Zoppenbrück  über  den  Communalw^eg  bis 
zum  Fuss  des  genannten  Berges,  und  der  Breite  nach 
von  der  erwähnten  Brücke  über  die  Dussel  bis  zu  den 
Wiesen  von  Derendorf  und  diesseits  des  Flusses  bis  vor 
die  sogenannten  Speckerhöfe  und  von  da  wiederum  bis 
zu  dem  Fusse  des  angeführten  Berges,  sowie  es  das  darüber 
aufgenommene  Protokoll  und  die  Grenzsteine  besagen, 
durch  unsere  Commissare  abgrenzen. 

Sodann  übermachen  und  schenken  wir  den  oben- 
genannten Vätern  im  Hinblick  auf  die  ewige  Vergeltung 
hierdurch  huldreichst  die  beiden  bereits  erwähnten  Specker- 
höfe und  deren  Ländereien,  nachdem  sie  nebst  dem  oben 
beschriebenen  Walde  zu  einem  angemessenen  Preise  unser 
Eigenthum  geworden;  ferner  noch  das  anderseitige  Ufer 
des  genannten  Flüsschens,  vordem  Lebel  und  Andern  an- 
gehörend, zum  Theil  urbargemachtes  Land,  von  der 
Zoppenbrück  bis  zu  eben  diesen  Höfen,  zugleich  mit  dem 
Wege,  über  welchen  sonst  die  Viehheerden  aus  unserer 
Stadt  Düsseldorf  in  den  genannten  Wald  geführt  worden, 
anfangend  gleich  bei  Pempelfort  bis  hinter  die  sogenannte 
Schiffruthe;  mit  allen  dazu  gehörigen  Liegenschaften, 
Rechten,  Privilegien,  Einkünften,  Renten  und  Gefällen. 
Wir  haben  hierbei  die  Absicht  im  Auge,  jene  Väter  zu 
ermächtigen,  daselbst  eine  Abtei  nach  der  ursprünglichen 
Anordnung  zu  errichten,  ihr  Kloster  nebst  Kirche  und 
sonstigen  durch  die  Statuten  oder  Regel  vorgeschriebenen 
Gebäulichkeiten,  auch  eine  Mühle,  jedoch  nur  zum  eignen 
Gebrauch  zu  bauen.  Demnach  sollen  die  an  Zahl  wie 
an  Frömmigkeit  wachsenden  Brüder  gehalten  sein,  un- 
gestört Gott  allein,  dessen  Dienste  sie  sich  zu  ihrem  Heile 
gewidmet  haben,  in  stiller  Abgeschiedenheit  und  im  Geiste 
der  Busse  ihrem  Gelübde  gemäss  zu  dienen,  auch  das 
heilige  Opfer  für  unsere  und  unsrer  geliebtesten  Gemahlinn 
der  Frau  Grossherzoginn  von  Etrurien  Anna  Ludovica 
und  unsres  churfürstlichen  Hauses  Wohlfahrt,  sowie  für 
das  Heil  unsrer  Vorfahren  und  I^achfolger  ununterbrochen 
darzubringen. 


456  Die  AUei  Dtlsseitkai. 

Wir  erkifiren  und  geüehmigen  hiermit ,  dass  jenes 
neue  Kloster,  sein  Oberer  und  die  Grenossenschaft  aller 
jener  Befreiung,  Exemtionen,  Freiheiten,  Rechte,  Privi- 
legien und  Befugnisse,  deren  auch  die  übrigen  Vorsteher 
und  Klöster  desselben  Ordens  sich  zu  erfreuen  haben, 
theilhaftig  werden  können  und  sollen.  Wir  entbinden  und 
befreien  daher  den  Ort,  die  Personen,  nicht  weniger  das 
den  genannten  Vätern  angehörende  Vieh,  für  alle  Zeiten 
von  jeder  weltlichen  Gerichtsbarkeit,  Verpflichtung  oder 
sonst  irgend  einer  Belastung,  Beschwerde  oder  Abgabe, 
mag  dieselbe  aufgelegt  sein  oder  noch  aufgelegt  werden. 

Ebenso  befreien  wir  deren  zu  ihrem  eignen  Lebens- 
unterhalte dienenden  GQter,  sowie  die  zum  Aufbau  des 
Klosters,  der  Kirche  und  übrigen  Gebäulichkeiten  erforder- 
lichen, zu  Wasser  oder  Land  herbeizuschaffenden  Mate- 
rialien innerhalb  der  Grenze  unseres  Gebietes  von 
jeglicher  Entrichtung  eines  2k)lles  oder  sonstigen  Auflage : 
mit  dem  Vorbehalte  jedoch,  dass  sie  gehalten  seien,  nach 
20  Jahren  diese  Steuerbefreiung  wieder  nachzusuchen  und 
zu  erneuem. 

Und  weil  es  uns  gefallen  hat,  dieselben  Väter  von 
nun  an  unter  unsem  besondem  churfürstlichen  durch- 
lauchtigsten Schutz  zu  stellen,  so  wollen  wir  sie  auch 
mit  besondem  Gnaden  und  Begünstigungen  huldvollst 
beschenken,  indem  wir  gestatten,  dass  jegliches  Besitz- 
thum,  Ländereien,  Wiesen,  Wälder,  Weinberge  oder  sonst 
irgend  ein  Gut,  welches  ihnen  entweder  zu  Greschenk 
übergeben  oder  auf  eine  andere  rechtliche  Weise  zu  Theil 
geworden,  von  jeder  Belastung,  der  dasselbe  vielleicht 
früher  unterworfen  war  (mit  Ausnahme  der  Zehnten), 
frei  und  entbunden  sei,  von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  es 
ihr  Eigenthum  geworden,  bis  dahin,  dass  fünfzig  Mönche 
aus  den  Einkünften  der  erworbenen  Güter  anständig  sich 
erhalten  können,  auf  die  Person  jährlich  fünf  Reichsthaler 
gerechnet,  was  die  Väter  bei  Strafe  des  Verlustes  dieses 
ertheilten  Privilegiums  uns  und  unsern  Nachfolgern 
baldigst  anzuzeigen  gehalten  sind.  Endlich  wollen  wir 
denselben  gnädigst  gestatten,  dass  sie  oberhalb  des  ge- 
schenkten Territoriums  von  dem  Düsselbach  Gebrauch 
machen  dürfen,  sowie  zur  Aufführung  einer  Mühle,  als 
zum  Bau  einer  Brücke  und  zu  anderweitigen  Bedürfhissen, 
und  dass  sie  eine  Schafsheerde  in  die  bei  der  Stadt  ge- 
legenen Weideplätze,  sowie  auch  in  den  sogenannten 
Staperwald  zum  Weiden  schicken  und  dort  belassen 
können,  gleichwie  auch  Andere  dasselbe  Recht  und  Privi- 
legium geniessen,  ohne  dass  dadurch  irgend  Jemand  be- 
einträchtigt werde. 


Die  Abtei  Düsse?thaJ.  457 

Es  ist  unser  ernster  Willo,  dass  durchaus  Niemanden 
das  Recht  zustehe,  die  erwähnten  Väter  oder  deren  Nach- 
folger im  Besitze  dieser  freiwilligen  Sekenkung  resp.  Be- 
freiung zu  behelligen,  weder  ihre  Güter  und  Besitzthümer 
zu  belasten,  einzuziehen  oder  die  eingezogenen  unrecht- 
mässiger Weise  zurückzuhalten,  noch  sie  selbst  irgendwie 
zu  quälen  und  zu  prellen,  sondern  Alles  dasjenige,  was 
ihren  Bedürfnissen  angemessen  erscheinen  dürfte,  soll 
ihnen  und  ihren  Nachfolgern  unversehrt  und  unbekümmert 
erhalten  bleiben. 

Sollte  jedoch  irgend  Jemand  sich  erdreisten,  dieser 
unsrer  Schenkung  oder  Anordnung  frech  entgegenzu- 
handeln, den  treffe  unser  und  unser  Nachfolger  (deren 
Gewissen  wir  die  genaueste  Befolgung  dieses  hiermit  auf- 
bürden und  die  sich  vor  dem  höchsten  Bichter  hierüber 
zu  verantworten  haben  werden)  nachdrücklicher  Zorn 
und  für  so  unerhörte  Verwegenheit  die  härteste  und  un- 
erlässliche  Strafe. 

Damit  aber  ziu*  Ehre  Gottes,  zur  Erbauung  seiner 
Kirche  und  zum  Heile  der  Brüder  die  daselbst  best- 
angeordnete Zucht  für  ewige  Zeiten  aufrecht  erhalten 
bleibe,  bestimmen  wir  hiermit  und  behalten  uns  und  unseni 
Nachfolgern  ausdrücklich  vor,  dass  in  dem  neu  zu  er- 
richtenden Kloster  die  Einfachheit,  die  Armuth  und  die 
Regel  des  heiligen  Benedikt  unverbrüchlich  beobachtet 
werde,  gemäss  jenem  Ordensmuster,  welches  die  ursprüng- 
lichen Cisterzienserväter  in  der  ersten  Zeit  ihres  Ordens 
rühmlichst  aufgestellt  und  noch  rühmlicher  durch  ihr 
Leben  bewährt  haben  und  welches  auch  jetzt  noch  die 
Richtschnur  der  obengenannten  Brüder  auf  jener  Insel 
ist.  Wir  erwarten,  dass  hierüber  uns  und  unserer  Re- 
gierung, sowie  dem  Gasthaus  hier  in  Düsseldorf  jedem 
ein  geschriebenes  Exemplar  zugestellt  werde,  zur  Auf- 
bewahrung in  unsrer  geheimen  und  in  unsrer  Regierungs- 
Kanzlei,  wie  auch  im  Gasthaus  zu  Düsseldorf. 

Sollte  der  Fall  sich  ereignen,  dass  die  also  geschil- 
derten Brüder  aus  menschlicher  Schwachheit  oder  durch 
teuflische  Verführung  (was  fern  sei)  in  der  buchstäblichen 
oder  strengen  Befolgung  ihrer  Regel  erschlaffen  und  ihr 
Gelübde  ausser  Acht  lassen  und  nachdem  sie  auf  voraus- 
gegangene canonische  Ermahnungen,  von  Rechtswegen 
und  von  ihrem  Orden  zu  Rede  gestellt,  nicht  in  sich 
gehen,  ihre  Sitten  nicht  bessern  und  zum  frühem  Lebens- 
wandel gemäss  der  uns,  unsrer  Regierung,  sowie  unserm 
Gasthaus  zu  Düsseldorf  abschriftlich  übergebenen  Urkunde 
nicht  sofort  zurückkehren:  so  sollen  der  Obere  sowohl 
als  die  übrigen  Mönche  des  gedachten  Klosters  unter  die 


458  Die  Abtei  Dasselihal 

verschiedenen  Klöster  der  reinem  oder  erwähnten  frQhern 
Observanz  zerstreut  werden,  und  sollen  in  das  besagte 
Kloster  y  wenn  anderwo  Mönche  desselben  Ordens  zu 
finden  sind,  gesucht  und  berufen  werden,  welche  sich  zu 
der  ursprOngUchen  Einrichtung  bereitwillig  bekennen. 

Wenn  aber  ungeachtet  angewandter  Mühe  solche 
nicht  mehr  zu  finden  sind,  so  sollen  alsdann  aUe  sowohl 
bewegliche  als  unbewegliche  Güter  des  besagten  Klosters 
dem  hiesigen  Gasthaus  zu  Düsseldorf  ohne  Widerrede 
zufallen,  mit  Vorbehalt  eines  jährlichen  Gehaltes  fQr  die 
zerstreuten  Mönche  jenes  Klosters  auf  Lebzeit 

Damit  nun  deren  Nachfolger  nicht  Unkenntniss  dieser 
unserer  Verfügung  leichtsinnig  vorschützen  können,  so 
beschliessen  und  verordnen  wir  hiermit,  dass  dieses  Decret 
und  jene  Satzung,  nach  welcher  die  oft  erwähnten  Brüder, 
zwölf  an  der  Zahl  (wie  diess  statutgemäss  feststeht),  zu 
leben  verpfiichtet  sind,  der  im  Kapitel  gesetzlich  be- 
stehenden Regel  angehängt  und  eine  Abschrift  davon 
uns,  unsrer  Regierung,  sowie  auch  den  Provisoren  des 
hiesigen  Gasthauses  zu  Düsseldorf  in  der  Frist  eines 
Jahres  übergeben  werde,  um  dieselbe  beständig  vor 
Augen  zu  haben. 

Zur  Beglaubigung  Alles  und  jedes  Einzelnen  haben 
wir  Gegenwärtiges  eigenhändig  imterschrieben  und  mit 
unserm  ChurfOrstlichen  Siegel  bestätigen  lassen. 

Gegeben  zu  Düsseldorf,  den  1.  August  1707. 

Johann  Wilhelm,  ChurfOrst. 


>j^i  <  / 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf. 

Von 
Hand  ei  Bknmmer- Sekretär  P.  Solimitz. 


I.  Periode.    Ton  der  Terlelhnng  der  Stadtrechte 
bis  znm  Jahre  1798. 

Die  ersten  Spuren  über  die  Entwickelung  des  Handels 
und  der  gewerblichen  Verhältnisse  unseres  Platzes  greifen 
zurück  bis  zum  Jahre  1288. 

In  der  Urkunde,  in  welcher  Graf  Adolf  von  Berg 
dem  an  der  Dussel  gelegenen  Flecken  die  Stadtrechte 
feierlichst  verbriefte,  ertheilte  er  nAmlich  seinen  Bewohnern 
nebst  anderen  Freiheiten  auch  die  Erlaubniss,  jährlich 
zwei  Jahrmarkte  abzuhalten,  zu  Pfliigsten  und  am  Lam- 
bertustage,  und  ausserdem  an  zwei  Tagen  jeder  Woche 
einen  f^ien  Kom-  und  Wochenmarkt.  Zur  Belebung  des 
inneren  städtischen  Verkehrs  und  Ausnutzung  der  durch 
die  Märkte  der  Stadt  verliehenen  Privilegien  fehlte  es 
derselben  aber  an  einer  for  die  damalige  Zeit  noch 
wesentlichen  Vorbedingung,  nämlich  einer  gefeierten 
Kirche.  Eine  solche  war  um  so  nothwendiger,  als  Düssel- 
dorf nicht  aus  eigenem  Drange  und  innerer  Nothwendig- 
keit  sich  entwickelte,  vielmehr  als  eine  künstliche 
Schöpfung  seiner  Landesherren  erscheint. 

Die  unmittelbaren  Nachfolger  des  Gründers  der  .Stadt 
erachteten  es  daher  als  ihre  vornehmste  Aufgabe,  für  eine 
nach  Aussen  glänzend  erscheinende  Kirche  ihren  ganzen 
Einäuss  einzusetzen.  GegenEnde  des  14.  Jahrhunderts  waren 
ihre  Bemühungen  auch  mit  Erfolg  gekrönt.  Sie  erhielten 
nämlich  von  den  benachbarten  Kirchen,  namentlich  von 
Köln,  so  viele  Reliquien,  dass,  wie  die  Limburger  Chronik 
zum  Jahre  1394  meldet,  von  diesem  Jahre  an  „der  Ablass 
und  die  Römerfahrt  zu  Düsseldorf  anging".  Der  Zweck 
der  Landesherren,  auf  diese  Weise  Handel  und  Verkehr 
nach  Möglichkeit  zu  beleben,  war  erreicht,  denn  schaaren- 
"weise  pilgerte  man  von  Nah  und  Fern  zur  jungen  Stadt. 


460  Handel  utid  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf» 

In  gleicher  Intention  war  derselben  schon  1371  das 
Recht  zur  Erhebung  des  Maass-  und  Waagegeldes  ver- 
liehen; sechs  Jahre  später  wurde  der  Rheinzoll^  der  bis 
dahin  vor  dem  Duisburger  Walde  erhoben  worden  war, 
nach  Düsseldorf  verlegt. 

Aus  diesem  Anlass  wurde  unterhalb  des  Schlosses 
das  Rheinufer  regulirt,  mit  dem  Werftbau  begonnen  und 
in  der  Nähe  des  ehemaligen  Pulverthurmes  —  jetzigen 
Karmelitessenklosters  —  ein  Zoll-  und  Lagerhaus  —  Eder- 
haus  genannt  —  erbaut. i) 

Die  erste  Einrichtung  geschah  zweifellos  auf  Kosten 
des  Landesherrn,  für  dessen  Rechnung  auch  der  Zoll  erhoben 
wurde.  Sehr  bald  aber,  und  schon  vor  dem  Jahre  1426, 
^begnadigte"  Herzog  Adolf  die  Stadt  mit  dem  Rechte, 
von  jedem  der  rheinauf-  und  abwärtsfahrenden  Schiffe 
2  Weisspfennige  zu  erheben,  gegen  üebernahme  der  Ver- 
pflichtung, das  Werft  dafür  zu  unterhalten.  „Darumb 
burgermeister  ind  rath  den  warf  auch  erfflich  bow  haftig 
halden  sullen",  wie  es  in  dem  Bestätigungsbriefe  des 
Herzog  Gerhard  II.  vom  13.  Mai  1446  heisst.«) 

Nach  einem  Heberegister  aus  der  Zeit  von  1566 — 1617 
soll  das  Werftgeld  im  16.  Jahrhundert  durchschnittlich 
150  Mark,  nach  unserer  Währung,  das  Eder-  oder  Lager- 
geld aber  viel  weniger  betragen  haben. 

Im  Jahre  1437  wurden  der  Stadt  die  Accise  und  die 
Einkünfte  der  Grüt,  oder  das  Bierbrauergerechtsam  über- 
lassen, auf  die  „Bede^-Zahlung  von  400  Mark,  welche 
bei  der  Aufnahme  von  Bilk  in  die  städtischen  Freiheiten 
bedungen  war,  verzichtet,  und  die  Fischerei  in  den  Stadt- 
gräben bis  Eempelfort  freigegeben,  im  Jahre  1489  am 
St.  Margarethentage  auch  die  Rheinfischerei  und  die 
Städtische  nebst  der  Rumpels-Mühle  in  Bilk  der  Stadt  in 
Erbpacht  überlassen.  (5.  Band  der  von  Redinghoven'schen 
Handschriftensammlung  in  der  Königlichen  Staatsbibliothek 
in  München.) 

Dem  Umstände,  dass  die  Stadt  erst  in  verhältniss- 
massig  später  Zeit  durch  künstliche  Förderung  der  Landes- 
herren sich  entwickelte,  ist  es  auch  zuzuschreiben,  dass 
wir  Kämpfen  zwischen  den  Zünften  und  dem  Adel,  Streitig- 
keiten zwischen  einem  aus  sich  selbst  hervorgegangenen 
kräftigen  Bürgerthume  und  der  Landesherrschaft  hier 
nicht  begegnen,  daher  wir  aber  auch  Handelsverbindungen, 
wie  sie  andere  rhemische  und  westphälische  Städte  durch 

*)  Der  Pulverthunn  explodirte  1634  und  zerstörte  gleichzeitig* 
das  Ederhaus. 

*)  Die  betreffende  Urkunde  ist  nicht  auf  uns  gekommen. 


Handtl  und  InäutUie  der  Stadt  DlUsddorf.  461 

den  Bund  der  Hansa  damals  aufzuweisen  hatten,  hier 
am  Platze  nicht  kennen. 

Doch  bald  gewann  die  Stadt  an  räumlicher  Aus* 
dehnung  und  Einwohnerzahl.  Demgemäss  nahmen  auch 
der  Handelsverkehr  und  die  Gewerke  einen  entsprechenden 
Aufschwung.  In  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  stand  das 
Handwerk  hier  schon  in  einiger  BlQthe.  DieChronik  berichtet 
uns  von  den  Privilegien  der  Schneider,  Schuster,  Schmiede 
und  WüUengewandschneider,  der  Zunft  der  Eaufleute, 
den  Vorrechten  der  Zimmermannsgilde,  Schreiner,  Maurer, 
Pliesterer,  Dachdecker  und  Steinhauer,  der  Fassbinder  und 
Schrödter,  der  Bäcker,  Gold-  und  Silberschmiede  und  der 
Verfertiger  chirurgischer  Instrumente. 

Leider  fehlen  uns  ebensowohl  specielle  Mittheilungen 
über  den  Inhalt  der  diesen  Zunftgenossenschaften  ertheilten 
Privilegien,  als  über  ihre  Leistungsfähigkeit,  insbesondere 
auch  über  die  vorzugsweise  von  ihnen  verfertigten 
Specialitäten. 

Gegen  Ende  dieses  Jahrhunderts,  etwa  um  1498,  suchte 
Herzog  Wilhelm  II.  den  Handel  der  Stadt  dadurch  zu 
heben,  dass  er  ihr  den  Krahnen  zur  freien  Benutzung 
und  mit  der  alleinigen  Auflage  überliess,  denselben  ihm 
zur  Verfügung  zu  stellen,  so  oft  ein  Floss  mit  Wein  für 
ihn  ankomme.  Dieser  Krahnen  i)  befand  sich  in  der  Nähe 
des  vorhin  erwähnten  ehemaligen  Pulverthurmes. 

1556  wurde  ein  zweiter  Erahnen  vor  dem  Zollthore^ 
wohin  um  diese  Zeit  auch  das  Zollhaus  verlegt  wurde, 
errichtet,  und  gleichzeitig  hierselbst  auch  ein  neues  Werft 
erbaut,  so  dass  wir  von  diesem  Jahre  ab  das  sogenannte 
alte  und  neue  Werft  haben,  welche  beide  durch  das 
Schloss  getrennt  wurden. 

Die  ältesten  bekannten  Verhandlungen  über  unsere 
Werftbauten  datiren  aus  dem  Jahre  1595.  In  demselben 
fand  hierselbst  eine  grossartige  Ueberschwemmung  statt, 
die  zur  Folge  hatte,  dass  Stadtmauer  und  Werft  so  sehr 
beschädigt  wurden,  dass  eine  sorgfältige  Ausbesserung 
unbedingt  nöthig  erschien.  Von  der  herzoglichen  Regierung 
zu  deren  Vornahme  ersucht,  weigerte  die  Stadt  sich  be- 
harrlich, indem  sie  ausführte,  dass  die  herzogliche  Hof- 
kammer durch  Bepfianzung  der  Lauswarth  den  Strom 
des  Rheines  direct  auf  die  Stadt  geleitet  habe  und  den 
dadurch  entstandenen  Schaden  auch  selbst  ausbessern 
müsse.  Ihre  Weigerung  hatte  indessen  wenig  Erfolg. 
Ohne  Rücksicht  auf  die  von  ihr  geschilderte  traurige 
Finanzlage  wurde  sie  wiederholt  und  so  eindringlich  zur 

')  Nach  einer  privaten  Mittheilung  war  dersolhc  auf  Schiffen 
errichtet. 


462  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf. 

Inangriffnahme  der  Reparaturen  angebalten,  dass  sie  sich 
schliesslich  zur  Ausführung  derselben  vom  neuen  SIrahnen 
—  also  vom  Zollthore  —  bis  zum  Schlosse  anschickte.  Sie 
beklagte  zwar  bei  der  ersten  Gelegenheit,  als  sie  den 
neuen  Landesherren  von  Brandenburg  und  Pfalz-Neuburg 
ihre  Huldigung  darbrachte,  die  ihr  aufgebürdeten  Lasten, 
und  bat  dieselben,  Werft-  und  Eidergelder  selbst  einzu- 
ziehen, gegen  Uebernahme  der  Verpflichtung,  Werft  und 
Eider  dafür  zu  unterhalten,  damit,  wie  es  in  der  betreifenden 
Urkunde  heisst :  „wir  also  absulchen  hoch  beschwierlichen 
lasten  ferner  geübrigt  sein  und  pleiben."  Ihre  diesbezüg- 
lichen Vorstellungen  und  Bitten  scheinen  indessen  nur  den 
Erfolg  gehabt  zu  haben,  dass  der  Fürst  zu  den  Werftbauten 
2000  Thaler  beisteuerte.  Ein  fürstlicher  Beamter,  Frei- 
herr von  Märken,  soll  sogar  hierzu  um  das  Jahr  1611 
bemerkt  haben,  „wenn  in  Folge  der  erwähnten  starken 
Strömung  das  Schloss  und  die  fürstlichen  Gebäude  nicht 
in  Gefahr  gekommen  wären,  würde  man  die  Stadt  haben 
allein  zappeln  lassen." 

Weitere  ältere  Verhandlungen  über  die  hiesigen  Werft- 
bauten konnten  vom  Verfasser  nicht  aufgefunden  werden. 
Einer  privaten  Mittheilung  zufolge  findet  sich  jedoch  in 
einem  Protokolle  über  die  Eröffnung  der  Werftbüchse  vom 
Jahre  1731  folgende  bemerkenswerthe  Stelle: 

„welches  Werftgeld  von  einem  hochlöblichen  Magistrate 
altem   Herkommen   gemäss  des  Endes   beständig   em- 
pfangen worden,  dass  hingegen  davor  um  den  Krahnen 
bis  an  den  Bogen  vor  dem  Schloss  am  Rhein  das  Werft 
in  gutem  Zustand  halten  und  conserviren  müssen." 
Hiernach  lässt  sich  mit  einiger  Sicherheit  annehmen, 
dass  bereits  vor  dem  Jahre  1731  die  Werftbaufrage  dahin 
ihre  Erledigung  gefunden,   dass  die  Stadt  gegen  Bezug 
des  Werftgeldes  das  eigentliche  Handelswerft  (vom  Schloss- 
bogen  aufwärts  bis  zum  Krahnen)  zu  unterhalten  hatte, 
dass  hingegen   die  Unterhaltung   des   alten,   inzwischen 
verlassenen   Handelswerftes   vom  Knabenhause  —  jetzt 
Pfandhaus  —  bis  zur  alten  Fleischhalle,  so  wie  es  vom 
Landesherrn  allein  aus  den  Zollgefällen  errichtet  worden, 
auch  aus  Landesmitteln  bestritten  wurde,  während  endlich 
die   Instandhaltung   des   dazwischen   liegenden   kleinern 
Theils  vor  dem  Schlosse  dem  Domänenfonds  oblag.    Eine 
Bestätigung  dieser  Annahme  dürfte  darin  zu  finden  sein, 
dass  die  Kosten  einer  im  Jahre  1788  durch  Baumeister 
Köhler  vorgenommenen  grösseren  Worftreparatur  thatsäch- 
lich  nach  diesem  Massstabe  vertheilt  wurden.  Soweit  unsere 
Kenntniss  über  die  Errichtung  und  Unterhaltung  unserer 
Werftanlagen  aus  der  Zeit  der  vergangenen  Jahrhunderte! — 


Handel  und  Induitrie  dir  Stadt  DüsBeldorf.  463 

Aus  Herzog  Johann  in.  Regierung  haben  wir  die 
seltsame  Kunde,  dass  der  Wind  als  ein  Ausfluss  der 
landesherrlichen  Rechte  galt.  Nach  einer  Urkunde  vom 
29.  September  1512  erhielt  die  Stadt  nämlich  die  Befugniss, 
eine  Windmühle  anlegen  zu  dürfen,  und  will  der  Herzog 
ihr  diesen  Bau  „gnädigst  verwilligen,  gönnen  und  ihr 
dazu  den  Wind  geben  und  vorlehnen".  (Schauenburg, 
Wanderung  durch  Düsseldorf  1856.) 

Um  dieselbe  Zeit  führte  Herzog  Johann  Wilhelm  zu 
Gunsten  der  WüUen-Gewandschneider-  und  Erämerzunft 
eine  Wollenweber-Ordnung  ein  und  veranlasste  die  Er- 
richtung einer  Tuchballe  auf  dem  Rathhause.  i)  Hiemach 
war  ausserhalb  der  Zeit  der  gewöhnlichen  Jahrmärkte 
jegliches  Hausiren  in  der  Stadt  mit  den  in  den  hiesigen 
Kram-  und  Kaufläden  befindlichen  Waaren  bei  Strafe  der 
Confiskation  derselben  verboten.  Auch  waren  die 
fremden  Kauf-  und  Handelsleute  gehalten,  alle  zum  Ver- 
kaufe hierhin  gebrachten  wüllenen,  seidenen  und  sonstigen 
Krämerwaaren  bei  deren  Einbringung  sofort  einem  vom 
Magistrat  für  die  Tuchhalle  bestellten  Aufseher  —  Hallen- 
streicher genannt  —  anzugeben;  ihre  Waaren  in  der 
Tuchhalle  niederzulegen,  und  davon  die  vorgeschriebene 
Gebühr  zu  entrichten. 

Den  Kölner  Kauf  leuten  war  das  Hausiren  in  hiesiger 
Stadt  stets  verboten,  wahrscheinlich,  weil  Köln,  die  damals 
so  mächtige  Handels-Metropole  und  Beherrscherin  des 
ganzen  Niederrheins,  nichts  unversucht  liess,  der  Aus- 
dehnung des  Düsseldorfer  Handels  möglichst  grosse 
Schwierigkeiten  zu  bereiten.  Es  sei  hier  gleich  bemerkt, 
dass  in  späterer  Zeit  das  Recht  des  Hausirens  von  der 
Erwerbung  des  Bürgerrechts  in  einer  der  Handelsstädte 
des  Herzogthums  und  von  der  Etablirung  eines  Waaren- 
ladens  daselbst  abhängig  gemacht  wurde. 

Um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  scheint  der  Handel 
und  Verkehr  Düsseldorfs  schon  einige  Lebhaftigkeit  an- 
genommen zu  haben,  denn  eine  im  hiesigen  Stiftsarchiv 
befindliche  Urkunde  aus  dem  Jahre  1658  berichtet  uns, 
dass  Düsseldorf  damals  ohne  die  Aussenbezirke  648  Häuser 
hatte,  und  seine  Einwohnerzahl  nach  mehreren  Tausenden 
2Sählte. 

Gleichzeitig  meldet  der  Chronist,  dass  in  diesem 
Jahre  eine  Commission,  aus  den  Herren :  Grafen  von  Spee, 
von  Nesselrode,  Freiherrn  von  Hocbkirchen,  Robertz  und 
I>.  Contzen  bestehend,  zum  Besten  des  Handels  in  Er- 
i^ägung  gezogen  habe: 

1)  Nach  einer  andern  Mittheilung  befand  sich  diese  Halle  auf 
dem  Marktplatze  unmittelbar  vor  dem  Rathhause. 


464  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düaeeldorf. 

^dass,  da  viele  Kauf-  und  Handelsleute  neuerlich 
in  die  Stadt  gezogen  und  das  Commercium  extendirt 
worden,  nöthig  sei,  den  Bürgern  zur  mehreren  Sicher- 
heit des  Gewerbes  die  Einquartierung  zu  nehmen;  auch 
müsse   der  Hafen   vergrössert,   das   Gebaut)   auf  der 
Citadelle  befördert  und  diese  und  andere  Einrichtung 
den   Agenten  in  Köln,  Brüssel,  Haag  und  Maestricht 
bekannt  gegeben  werden." 
Ueber  die  Frequenz  auf  den  damals  von  hier  aus- 
gehenden Verkehrsstrassen,  sowie  über  die  Bedeutung  der 
damaligen   Verkehrsmittel    haben   wir    ausser  dürftigen 
Nachrichten  über  die  ersten  Postwagencourse  und  ver- 
einzelten Mittheilungen  über  die  Rheinschifffahrt,    keine 
weiteren  Aufzeichnungen. 

Hiernach  soll  der  erste  Postwagen«)  im  Jahre  1668 
von  hier  nach  Nymwegen  abgefahren  und  dem  Fuhrmann 
Maurenbrecher  die  Erlaubniss  zur  Unterhaltung  dieser 
Verbindung  ertheilt  worden  sein. 

Schon  bald  folgen  nun  weitere  regelmässige  Post- 
verbindungen mit  Jülich,  Aachen,  Köln,  Wesel,  Bremen, 
Hannover,  Berlin  und  Hamburg.  Der  Personen-Fahrpreis 
betrug  bis  Jülich  5  Schilling,  bis  Köln  1/2,  Aachen  1, 
Wesel  2,  Hannover  ö^/^,  Bremen  68/4,  Hamburg  7V2  und 
Berlin  10  Reichsthaler.  Für  Beförderung  der  Waaren 
wurde  IV2  Reichsthaler  per  Centner  entrichtet. 

Das  Briefporto  war  für  Köln  wie  für  Aachen  auf 
4  Albus  festgesetzt. 

In  welch'  gemüthlicher  Weise  damals  auf  den 
Postwagencaurs  aufmerksam  gemacht  wurde,  geht  aus 
folgender  Bekanntmachung  hervor: 

„Einem  hiesigen  geehrten  Publikum  und  sämmt- 
liehen  Reisenden  dient  hiermit  zur  Nachricht,  dass  ich 
dermalen  meine  neue  Behausung  in  der  Carlstadt  be- 
zogen habe,  und  das  bisher  auf  der  Zollstrasse  bestandene 


>)  Eine  Giesserei. 

2)  In  ältester  Zeit  gab  man  Reisenden,  wandernden  Krämern 
und  Handwerkern,  die  gerade  des  Weges  gingen,  wohin  man  Briefe 
befördern  wollte,  solche  mit ;  insbesondere  übernahmen  die  Metzger 
dergleichen  Aufträge,  weil  dieselben,  um  Vieh  zu  kaufen,  vielfach 
in  die  entlegendsten  Gegenden  reisten.  Der  entsprechende  Lohn 
wurde  vom  Absender  bedungen  und  bezahlt.  Als  das  Besorgen 
der  Briefe  durch  die  sogenannten  „Metzger-Posten**  bekannt 
wurde ,  kündeten  dieselben  ihre  Ankunft  auf  kleinen  Jagd-  oder 
Waldhörnern  an,  worauf  die  Einwohner  in  dem  Ablager  (Herberge) 
des  Angekommenen  sich  einfanden,  um  die  mitgebrachten  Briefe 
%u  empfangen  und  die  zu  versendenden  zu  übergeben.  Wegen 
(li>s  bequemen  Gebrauches  und  ihres  weit  schallenden  Tones  wurden 
diese  Waldhörner  im  Jahre  1615  zuerst  bei  den  Thum  und  Taxisschen 
Posten,  später  in  ganz  Deutschland  eingeführt. 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  DOsaeldorf, 


465 


Postcomptoir  des  Aachener  und  Weselschen  Wagens 
von  dem  heutigen  Dienstag  an  gerechnet,  in  der  auf 
die  Franziskaner  Kirche  stossenden  Strasse  anzutreten 
sein  wird,  woselbst  der  Secretär  bei  offener  Thür  jederzeit 
zur  Hand  ist ;  diejenigen  also,  welche  sich  der  bei  mir  ab- 
gehenden Wagen  bedienen  wollen,  belieben  sich  hier- 
selbst  oder  bei  verschlossenem  Comptoir  vorn  in  der 
Hauptstrasse  an  meiner  Behausung  zu  melden.  Uebrigens 
ersuche  ich  nochmalen,  diePäcke  frühzeitig  und  längstens 
vor  8  Uhr  Abends  einzugeben,  damit  aller  durch  Ueber- 
schnellung  und  Unzeit  entstehender  Unordnungen  vor- 
gebogen bleibe.  Wittib  Maurenbrecher." 

Im  Anschluss  an  vorhin  erwähnte  Post-Fahrpreise 
dürfte  es  nicht  uninteressant  sein,  ans  folgender  Tabelle 
den  Courswerth  der  damals  im  Herzogthum  geltenden 
Münzen  zu  ersehen: 

Jülich- Clevisch-B ergische  Münzen. 


ReichB- 
thaler 

Reiehs- 
ort 

Schil- 
ling 

Blaffert 

StOber 

Albas 

Fett- 

mtnn- 

chen 

FQchse 

Heller 

1 

4 

8 

20 

GO 

80 

120 

240 

960 

1 

2 

5            15 

20 

30 

60 

240 

1 

2«/2 

7V« 

10 

15 

30 

120 

1 

3 

4 

6 

12 

48 

1 

IVs 

2 

4 

16 

1  Berg.  =  S80  Rehspf. 

1 

1'» 

8 

12 

1  Reichspfennig  ungeffthr  4Vt  Heller. 

1 

2 

8 

1 

4 

Oeldüberfluss  war  damals  hier  am  Platze  nicht  zu 
finden,  was  daraus  hervorgeht,  dass  der  Zinsfuss  12  Procent 
betrug. 

Zur  bessern  Verbindung  der  beiderseitigen  Rheinufer 
wurde  jetzt  —  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  — 


466  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf, 

eine  fliegende  Bracke  hierselbst  errichtet,  deren  Baukosten, 
einer  Verordnung  vom  Jahre  1689  zufolge,  durch  ErhBbung 
einer  besondern  Steuer  vom  ganzen  Herzogthum  Berg  zu 
tragen  waren.    (Scotti,  Düsseldorf  182L) 

Auch  wurde  zur  Heranziehung  und  Ansiedelung  neuer 
Einwohner  allen,  welche  im  Weichbilde  der  Stadt  sich 
anbauen  wollten,  26jährige  Steuerfreiheit  und  Exemtion 
von  Wache  und  Einquartierung  zugesichert. 

Einen  etwas  komischen  Eindruck  für  eine  Stadt  mit 
mehreren  tausend  Einwohnern  macht  eine  für  Gasthäuser 
und  Herbergen  in  dieser  Zeit  erlassene  Polizeiverordnung, 
welche  lautet:  „Den  Wirden  sali  nit  zugelassen  syn,  so 
duyr  zu  tzappen,  als  sie  willen ;  —  des  Sommers  zu  neun 
uhren,  und  des  winters  zu  sieven  des  abents,  sollen  alle 
Gelägen  nit  allein  gerechent,  sondern  auch  uff  un  us  sin, 
uff  ein  peen  einem  jederen  einen  goltgulden  un  dem  Wirde 
zween".  Nach  einer  weitern  etwas  später  ergangenen  Ver- 
ordnung durften  Gastwirthe  für  die  Mittagsmahlzeit  nach 
Maassgabe  ihrer  Güte  nicht  mehr  als  30,  20,  15,  10  und  l^f^ 
Stüber  nehmen;  den  Weinwirthen  war  bei  Strafe  von  25 
Goldgulden  verboten,  ein  Fass  Wein  zum  Verkauf  anzuzapfen, 
bevor  ein  zu  diesem  Zweck  bestellter  Eüfermeister  den 
Inhalt  des  Fasses  geprüft  und  dessen  Preis  bestimmt  hatte. 

Ganz  vorzüglich  liest  sich  dagegen  eine  zum  Schutze 
einer  geordneten  Gewcrbethätigkeit  erlassene  Verfügung. 
Nach  derselben  war  der  sogenannte  „Blaue  Montag"  streng 
verpönt  und  waren  die  Geseellen  gehalten,  am  ersten  eben- 
so wie  an  jedem  andern  Tage  der  Woche  zu  arbeiten,  bei 
einer  Strafe  von  15  Stüber  im  ersten,  30  Stüber  im  zweiten 
und  Stägiger  Arreststrafe  im  dritten  Uebertretungsfalle. 
Die  mit  ihnen  feiernden  Meister  wurden  in  jedem  Falle 
mit  der  doppelten  Strafe  belegt  und  im  Wiederholungs- 
falle sogar  des  Rechtes  zur  ferneren  Ausübung  ihres  Hand- 
werkes verlustig  erklärt. 

Vom  Jahre  1769  an  geben  die  „Jülich  Bergischen  Wochen- 
blätter" —  herausgegeben  auf  der  Neustrasse  am  Parade- 
platz von  dem  Steuer -Canzlei -Verwandten  Zehnpfennig* 
—  höchst  schätzenswerthe  Mittheilungen  über  manche  der 
damaligen  gewerblichen  Verhältnisse  unseres  Platzes.*) 

*)  Die  erste  Zeitung  wurde  hierselbst  von  dem  Hof  kammerrath 
T.  L.  Stahl  im  Jahre  1745  herausgegeben.  Dieselbe  war  betitelt: 
„Stadt  -  Düsseldorfer  -  Post  -  Zeitung"  und  erechien  wöchentlich  zwei- 
mal, bis  zum  Jahre  1756.  Den  oberen  Theil  der  ersten  Seite  jeder 
Nummer  nahm  eine  in  Holzschnitt  ausgeführte  Ansicht  der  Stadt 
Düsseldorf  ein.  Dieselbe  wurde  später  durch  das  Jülich-  und 
Bergische  Doppelwappen  ersetzt.  Ein  voUständ^er  Abdruck  der 
ersten  Nummer  dieser  Zeitung  befindet  sich  im  Besitze  des  Herrn 
Guntrum  hier. 


Juni 

123 

Juli 

139 

Aug. 
Sept. 
Octbr. 

92 
125 
153 

Novbr. 

91 

Decbr. 

93 

Jan.    r 

770   99 

Febr. 

112 

März 

9(5 

April 

85 

V 


n 


Handel  und  luduttrie  der  Stadt  Düsseldorf.  467 

Zunächst  wird  über  den  Fremdenverkehr  nach  den  Auf- 
zeichnungen erwähnten  Jahres  berichtet,  dass  in   19  in 
der  Fremdenliste  damals  regelmässig  genannten  Hotels 
und  zwar  vom  Mai  1769  bis  zum  Mai  1770  logirten: 
im  Monat  Mai  1769  101  Personen,  worunter  5ö  Kaufleute; 

r,        66 

77  32  ^ 

»        62 

r,         35 

77  ^f  77 

77  ^^3  „ 

77  59  77 

"  ?  " 

77  5"^  71 

Die  in  erster  Linie  interessirenden  Kaufleute  kamen 
zum  grössten  Theil  aus  dem  Wupperthal  und  von  Köln, 
vereinzelt  aus  Holland  und  aus  Westfalen.  Erwähnte 
Hotels,  oder  richtiger  bezeichnet,  Gasthäuser  lagen  be- 
greiflicher Weise  sämmtlich  im  alten  Düsseldorf.  So 
finden  wir  auf  der  Bolkerstrasse  die  Gasthöfe:  Zum  Pfau, 
zum  seh  Warzen  Pferd,  den  Zweibrücker  Hof,  zum  Anker,  zum 
Klotz  und  goldenen  Berg;  auf  der  Rheinstrasse  haben  wir 
das  Gasthaus  zum  Antonio,  auf  der  Bergerstrasse  zum 
Heidelberger  Fass,  auf  der  Flingerstrasse  zum  Schellfisch, 
Kurzestrasse  zum  Raben ;  auf  der  Ratingerstrasse  in  dem 
vormaligen  Rathhaus  von  Düsseldorf  das  Gasthaus  zum 
schwarzen  Hörn ;  auf  der  Citadellstrasse  befindet  sich  der 
Französische  Hof,  auf  der  Kurzestrasse  das  alte  Kaifee- 
haus, auf  dem  Burgplatz  der  Gasthof  von  CüstoU ;  ausser 
diesen  werden  noch  als  Gasthöfe  genannt  der  Bönn'sche 
Hof  auf  der  Hafenstrasse;  ferner  die  Gasthöfe  zur  Stadt 
Siegburg,  zum  Posthaus,  der  „Prinz  von  Oranien"  und 
der  Trier'sche  Hof. 

Ueber  die  höfliche  Form,  in  welcher  die  Gasthof- 
besitzer sich  damals  dem  reisenden  Publicum  zu  empfehlen 
pfiegten,  melden  die  „Bergischen  Wochenblätter"  beispiels- 
weise Folgendes:  „Auf  der  Citadelle  dahier,  im  Fran- 
zösischen Hofe,  bei  Gastgebern  Boulanger,  logirt  man  zu 
Fuss  und  Pferd,  seind  auch  genugsam  Remisen  für 
Equipagen,  man  findet  bei  ihm  allezeit  alles  dasjenige, 
was  man  zu  essen  begehren  wird,  er  macht  auch  alle 
Sorten  von  Gebackenem  nach  dem  Geschmack  des  Publi- 
kum, wenn  er  nur  wenig  zuvor  avertirt  worden,  diejenige, 
welche  bei  ihm  Tafel  halten  wollen,  brauchen  ihm  nur 
zuvor  zu  avertiren  und  werden  alsdann  wohl  aufgewartet 

30* 


468  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf, 

werden:  er  bat  auch  alle  Sorten  in-  und  ausländischer 
Weine,  schöne  Zimmer  für  die  Noblesse  und  welche 
Tractemente  geben  wollen,  und  wird  alle,  welche  ihn 
mit  ihrem  Besuch  beehren,  in  billigem  Preiss  zu  accom- 
modiren  und  zu  vergnügen  suchen.  Jacob  Uhlenberg 
„ä  la  bonne  Esperanee"  empfiehlt  seinen  Gästen  ausser 
der  Güte  seines  Gasthauses  zur  weitern  Bequemlichkeit 
einen  fidelen  Reitklepper.  ** 

Als  gewerbliche  Etablissements  werden  uns  um  diese 
Zeit  in  erster  Linie  drei  Spinnereien  genannt,  unter  welchen 
diejenige  des  im  Jahre  1784  zum  besoldeten  Commerzien- 
rath  ernannten  Herrn  G.  Brügelmann  deshalb  besonders 
erwähnt  zu  werden  verdient,  weil  ihr  Besitzer  das  seltene 
Glück  hatte,  für  eine  von  ihm  erfundene  Kratz-,  Spinn- 
und  Hand-Maschine  einen  Patentschutz  zu  erwirken,  wie 
er  heute  wohl  nicht  mehr  ertheilt  wird.  In  einer  kur- 
fürstlichen Verordnung  vom  24.  August  1784  heisst  es 
nämlich : 

„Nachdem  Se.  Churfürstl.  Durchlaucht  dem  Fabri- 
kanten Johann  Gottfried  Brügelmann  auf  dessen  neu  an- 
gelegte Kratz-,  Spinn-  und  Handmaschinen  ein  gnädigstes 
Privilegium  exclusivum  auf  zwölf  Jahre  in  der  Maasse 
gnädigst  ertheilet  haben,  dass  dieselbe  weder  nachgemacht, 
noch  die  dazu  gehörende  Arbeitsleute  dessen  Fabrike  auf 
keinerlei  Weise  entzogen,  verführet  oder  verleitet  werden 
sollen,  dass  sodann  derjenige,  welcher  dem  zuwider  sich 
beigehen  lassen  wird,  die  zu  solcher  Fabrik-Maschine  ge- 
hörende Leute,  unter  welchem  Verwände  es  auch  immer 
sey,  zu  verführen,  mit  tausend  Ducaten  Straf  unnachlässig- 
beleget  und  im  Miszahlungsfalle  zum  Kaiserswerther 
Zuchthaus  lebenslänglich  abgegeben  werden  solle :  So 
wird  solches  zu  jedermanns  Wissenschaft  und  Warnung 
bekannt  gemacht  und  gemeldtem  Brügelmann  erlaubet 
den  Inhalt  dieses,  wo  und  wie  derselbe  dienlich  erachtet, 
verkünden  zu  lassen. 

Aus  Seiner  Churfürstlichen  Durchleucht  sonderbarem 
gnädigsten  Befehl  ^^^^  ^^^^^  ^^^  Nesselrod. 

V.  Reinertz." 

Herr  Brügelmann  nahm  an  der  allmäligenEntwickelung- 
des  Handels  und  der  Industrie  gegen  Ende  des  vorigen 
und  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  einen  hervorragenden 
Antheil.  Auch  war  er  es,  der  durch  Errichtung  seiner 
mechanischen  Baumwollspinnerei  in  Cromford  —  der 
ersten  in  Deutschland  —  die  Emancipation  vom  englischen 
Gammarkte  herbeizuführen  versuchte. 


Handel  uttd  InduHHe  der  Stadt  Düsseldorf.  469 

Von  den  beiden  andern  Spinnereien  wurde  die  eine 
als  Kattimspinnerei  1774  auf  der  Flingerstrasse  im  Fran- 
ciscus  angelegt,  und  konnten  in  derselben  gemäss  Bekannt- 
machung vom  Mai  d.  J.  Kinder  von  6—8  Jahren  bei 
einem  Wochen  verdienst  von  30  Stüber  Beschäftigung  finden: 
die  dritte,  ^Spinnstube"  genannt,  war  fttr  die  im  hiesigen 
Gefängniss  Detinirten  schon  seit  1755  eingerichtet.  Eine 
vierte  Spinnerei  wurde  gegen  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts zur  Beschäftigung  der  Stadtarmen  im  Armen - 
hause  —  heutigen  Leihhause  —  hierselbst  errichtet  i). 
Neben  diesen  Spinnereien  existirten  damals  hier  —  höchst 
wahrscheinlich  in  sehr  beschränktem  Umfange  —  eine 
Seil-,  Strumpf-  und  Gazefabrik,  eine  Seifensiederei,  mehrere 
Weinessig-  und  eine  Senffabrik,  eine  Färberei,  eine  Tabak- 
fabrik, eine  Kupfer-  und  mehrere  Buchdruckereien. 

Dass  neben  den  Gasthofbesitzern  auch  die  Vertreter 
der  Gewerbe  ihre  Fertigkeiten  den  Kauflustigen  anzu- 
preisen verstanden,  zeigt  folgende,  den  vorhin  gegebenen 
Stilblüthen  sich  ebenbürtig  anschliessende  Offerte  eines 


')  Ueber  die  Armenunterstützung  geg-en  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  liegt  ein  Aufruf  des  Mediciualrathes  A.  J.  Vamhagen 
vom  3.  April  1787  vor,  in  welchem  derselbe  zur  Unterstützung  eines 
Armen-Kranken-Institutes,  wie  folgt,  ersucht: 

„Die  Casse  der  werkthätigen  Menschenliebe  zur  Verpflegung 

armer  Kranker  beläuft  sich  dermalen  auf  153  Rthaler  47  Stbr. 

Es  ist  nun  nicht  mehr  zu  zweifeln,  dass  ich  bald  einen  kleinen 
Anfang  mit  einer  einstweilen  zur  Miethe  zu  beziehenden  und  gänz- 
lich einzurichtenden  Rrankenwohnung  um  so  gewisser  machen  könne, 
als  dieses  Institut  anjetzo  durch  die  aus  allen  Ständen  und  Glaubens- 
Bekannten  ganz  neu  entstandene  Philantropische*  Societät,  deren 
würdige  Mitglieder  sich  zum  Besten  derselben  verwenden  und  als 
Aufseher  una  unparteiische  Zeugen  der  quartaliter  verfügt  werdenden 
Berechnung  gfütigst  anerboten  haben,  sein  voUkommnes  Gewicht 
und  Ansehen  erhalten  hat.    Die  würdigen  Mitglieder  sind: 

Wie  sehr  wäi*e  es  nunmehr  zu  wünschen,  dass  der  zum  Besten 
des  Instituts  sich  so  rühmlichst  verwendende  Verfasser  des  hiesigen 
wöchentlichen  Anzeiger  diese  Einrichtung  zur  Aufmunterung  des 
auswärtigen  Publici  in  seinen  Anzeigen  einzurücken,  wieder  be- 
rjechtigt  würde." 

1793  genehmigte  der  Bergische  Geheimrath  die  Satzungen  einer 
von  den  Bewohnern  der  Carlstadt  für  ihre  Armen  errichteten  Unti-r 
Stützungskasse.  Die  Mitglieder  dieses  Wohlthätigkeitsvereins  durften 
monatlich  nur  5  Stüber  in  die  Casse  zahlen ;  wer  mehr  geben  wollte, 
musste  den  betreffenden  Betrag  heimlich  an  den  Cassirer  abliefeni ; 
auch  wurde  bei  der  Eintragung  eines  solchen  Betrages  der  Name 
des  Gebers  nicht  angegeben.  Anspruch  auf  Unterstützung  hatte 
jeder  Arme,  welcher  sechs  Wochen  lang  in  der  Carlstadt  gewohnt 
hatte.  In  der  Casse  sollten  am  Jahresschlüsse  nicht  mehr  als  100 
Thaler  sein;  ftir  den  Mehrbetrag  wurden  Kleidungsstücke  gekauft 
und  an  arme  Kinder  der  Carlstadt  verschenkt.  —  Seit  dem  Jahre  1820 
ist  die  Armenpflege,  wie  gegenwärtig,  nach  Bezirken  eingctheilt. 


470  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf, 

hiesigen  Seifensieders.     Dieser  Künstler  macht  nämlich 
im  Januar  1799  bekannt: 

^Ein  sehr  erfahrener  und  auf  die  Chemie  gegründeter 
Seifensieder,  welcher  nicht  nur  aus  gutem  Unschlitt, 
sondern  auch  aus  existirenden  Oehlen,  sogar  aus  der  ver- 
dorbensten  Schmierseife  die  allerbeste  harte  oder  spanische 
Seife  verfertigen  lernt,  wie  auch  mit  allen  Farben  die 
Seife  zu  marmoriren  und  allerhand  Blumen  und  Figuren 
in  dieselbe  auf  eine  ganz  leichte  Weise  zu  bringen  weiss 
und  alle  verdorbene  Seife  wieder  zurecht  machen  kann, 
entbietet  denjenigen,  welche  diese  Kunst  zu  erlernen 
wünschen,  seine  Dienste  an;  Liebhaber  belieben  sich  an 
die  Expedition  dieser  Nachrichten  franco  zu  adressiren.** 

Von  den  grösseren  Waarengeschäften  wird  nach  den 
Angaben  der  vorhin  citirten  Wochenblätter  bis  zum  Jahre 
1800  nur  eine  Tapetenhandlung  genannt,  was  um  so  mehr 
zu  verwundern  ist,  als  die  Spedition  damals  hier  schon 
florirte,  und  der  hiesige  Getreidehandel  nach  einer  Mit- 
theilung vom  Jahre  1776  in  jener  Zeit  hier  in  hoher  Blüthe 
stand.    Der  Buchhandlungen  waren  1770  schon  vier  hier. 

Erwähnenswerth  ist  auch  noch  die  hier  bestehende 
Kurfürstliche  Handlungs- Akademie,  von  welcher  die 
Wochenblätter  unter  dem  21.  Mai  1778  mittheilen,  dass 
das  jährliche  Kostgeld  für  die  Zöglinge  von  300  auf 
200  Gulden  herabgesetzt  sei  und  Unterricht  ertheilt 
werde  im  Schreiben,  Rechnen,  der  doppelten  Buchführung, 
in  allen  bei  der  Handlung  erforderlichen  Arbeiten,  in  der 
deutschen,  französischen,  englischen,  italienischen  und 
holländischen  Sprache  und  in  der  Geographie. 

Ueber  den  damaligen  Rheinverkehr,  soweit  Düsseldorf 
an  demselben  betheiligt  war,  melden  die  Wochenblätter, 
dass  in  den  letzten  30  Jahren  des  verflossenen  Jahrhunderts 
monatlich  durchschnittlich  70  Schüfe  den  hiesigen  Hafen 
anliefen,  von  denen  30  directe  Ladung  für  Düsseldorf 
hatten.  Dieselbe  bestand  vorzugsweise  aus  Kaufmanns- 
gütern aller  Art,  aus  Weinen,  rohem  Zucker,  Tabak  und 
Früchten,  welch'  letztere  wöchentlich  regelmässig  durch 
die  sogenannten  Neusser-  und  Grimmlinghauser- Wochen- 
fähren hierhin  gebracht  wurden;  ferner  wurden  Eisen, 
Blei,  Holz,  schwarzer  Brand  und  Steine  hier  mit  Erfolg 
abgesetzt.  Die  von  hier  per  Schiff  abgehenden  Sendungen 
waren  nach  erwähnten  Mittheilungen  äusserst  selten  und 
beschränkten  sich  fast  ausschliesslich  auf  Wein  und  den 
oben  genannten  schwarzen  Brand. 

Folgende  Verkehrsstrassen  — vorzugsweise  für  Fracht- 
fuhrwerk —  wurden  nach  einer  Mittheilung  des  ehemaligen 
Kreis  -  Polizei  -  Inspectors  C.  H.  Mindel  vom  Jahre    1817 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  DQueeldorf,  471 

gegen  Ende  des  Jahres  1760  durch  den  Kur-Pfalz- 
Baierischen  Statthalter,  Grafen  Goldstein,  von  hier  aus  an- 
gelegt : 

1.  Eine  Strasse  über  Elberfeld  und  die  Grafschaft 
Mark  in's  nördliche  Deutschland,  vom  Wehrhahnen  aus- 
gehend ; 

2.  über  Benrath,  Mülheim  a.  Rhein  und  Frankfurt 
a.  Main  in*s  obere  Deutschland; 

3.  über  Derendorf  in  zwei  Richtungen,  östlich  über 
Ratingen,  Kettwig,  Mülheim  a.  d.  Ruhr  und  Münster,  west- 
lich über  Kaiserswerth,  Duisburg  und  Wesel  nach  Holland; 

4.  von  der  Neustadt  ausgehend  bis  Volmers werth  i) 
an  den  Rhein  nach  Grimlinghausen  auf  die  Chaussee, 
welche  von  Neuss  über  Dormagen  nach  Köln  führt; 

5.  etwas  später  endlich  wurde  eine  Landstrasse  über 
Kloster  Meer,  Crefeld  und  Cleve  nach  Holland   geführt. 


II.  Perlode.    Toni  Jahre  1798  bis  znr  RheinschilTfahrts- 

Convention  im  Jahre  1831. 

Mit  dem  Jahre  1798  tritt  der  Handel  Düsseldorfs  in 
eine  neue  Phase  seiner  Entwickelung.  (iegen  Ende  dieses 
Jahres  erwählte  nämlich  eine  aus  den  Notabein  der  da^ 
maligen  Kaufmannschaft  bestehende  Gesellschaft,  welche 
die  Förderung  des  Handels  sich  zur  Aufgabe  gestellt 
hatte,  die  Herren  Hofkammerrath  Lentzen,  Commercien- 
rath  C.  Brügelmann,  F.  H.  Clostermann,  F.  W.  Camp- 
hausen, C.  A.  Ditgcs,  F.  W.  Carstanien,  C.  G.  Jaeger 
und  W.  Zeller  zu  ihren  Vertretern  und  ertheilte  ihnen 
die  Vollmacht,  die  hiesige  Kaufmannschaft  von  jetzt  ab 
in  allen  den  Handel  und  die  Schifffahrt  betreffenden  An- 
gelegenheiten rechtsverbindlich  zu  vertreten.  Diese,  aus 
freiem  Entschluss  der  hiesigen  Interessenten  hervor- 
gegangene neue  Handelsrepräsentation,  bestand  im  An- 
fange aus  8  Mitgliedern.  Nachdem  sie  als  solche  im  Jahre 
1805  gemäss  Erlass  des  damaligen  bergischen  Ministers 
und  Landes  -  Commissars,  Freiherrn  von  Hompesch,  die 
landesherrliche  Anerkennung  erhalten,  wurde  die  Zahl 
ihrer  Mitglieder  auf  6  festgesetzt,  von  denen  2  alljährlich 
ausschieden.  Auch  wurden  ihr  seitens  der  Regierung 
wie  der  Stadtverwaltung  Commissare  beigeordnet,  welche 
über  alle  in  den  Sitzungen  verhandelten  Handelsange- 
legenheiten ihren  Behörden  unverzüglich  Bericht  zu  er- 


*)   Wie  in  Hamm  war  auch   in   Volmers worth   eine  fliegende 
Brücke. 


472  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf, 

statten  hatten,  i)  Vom  Jahre  1818  ab  führte  der  Ober- 
bürgermeister in  den  Sitzungen  des  Handlungsvorstandes 
den  Vorsitz. 

Die  Hauptthätigkeit  dieser  neu  gebildeten  Handels- 
vertretung, welche  ihre  Sitzungen  in  dem  am  früheren 
Paradeplatz  gelegenen  Börsensaale  abhielt,  erstreckte 
sich  zunächst  auf  die  Herbeiführung  einer  regelmässigen 
Schifffahrt  zwischen  Düsseldorf,  Amsterdam,  Rotterdam 
und  später  auch  Dortrecht  einerseits  und  Frankfurt  und 
Mannheim  anderseits. 

Zu  diesem  Zwecke  wurde  zunächst  mit  der  Kauf- 
mannschaft der  genannten  niederrheinischen  Handels- 
plätze die  sogenannte  Rang-  oder  Beurt-SchifFfahrt  ver- 
einbart, beziehungsweise  contractlich  geregelt.  Nach 
diesen  Abmachungen  ging  regelmässig  alle  14  Tage  von 
hier  ein  Schiff  nach  Holland  und  umgekehrt  von  dort 
eins  nach  hier  ab. 

Die  Hauptverpflichtung  der  Beurt-Schiffer  bestand 
darin,  nur  für  Düsseldorf  oder  für  hiesige  Spediteure  be- 
stimmte Güter  hierhin  zu  befördern,  wie  sie  anderseits 
Güter  anderer,  als  hiesiger  Kaufleute  nur  dann  hier  ein- 
laden durften,  wenn  sie  durch  einen  hiesigen  Spediteur 
zu  besorgen  waren.  Als  Gegenleistung  übernahm  der 
hiesige  Handelsstand,  bei  Zahlung  einer  Conventional- 
strafe  von  25  Reichsthalern  im  Uebertretimgsfalle — welcher 
Betrag  in  die  Handelskasse  floss  —  die  Verpflichtung, 
seine  Waarensendungen  durch  die  Beurt-Schiffer  aus- 
schliesslich besorgen  zu  lassen. 

Nach  Regelung  der  Beurtfahrt,  soweit  die  damaligen 
Verhältnisse  eine  solche  zuliessen,  veranlasste  der  Hand- 
lungsvorstand die  Aufstellung  eines  Reglements  für  alle 
Rheinarbeiter,  für  die  Zunft  der  Rheinfuhrleute,  Päckel- 
chenträger  und  Karrenbinder.  Erstere  hatten  die  per 
Schiff  angekommenen  Güter  dem  Empfänger  an's  Haus 
und  die  von  dort  abzusendenden  an  den  Rhein  zu  be- 
sorgen; die  Päckelchenträger  waren  auf  dem  Werfte, 
die  Karrenbinder  im  Lagerhause  beschäftigt. 

Durch  seine  eigenen  Leute  konnte  der  Kaufmann 
nämlich  die  per  Schiff  angekommenen  Güter  nur  dann 
vom  Rheine  abholen  lassen,  wenn  dieselben  bei  ihm 
ausser  Lohn  auch  Kost  erhielten,  und  wenn  er  ein  eigenes 
Gefähr  zur  Verfügung  hatte. 

Neben  der  Erledigung  mannigfacher  anderer  Arbeiten, 
beispielsweise  der  Ertheilung  von  Rechtsgutachten,  Ver- 

1)  Die  Regierung  committirte  zu  diesem  Zwecke  im  Jahre  1805 
den  Geheimrath  Windscheid,  die  Stadtverwaltung  den  SchölFen 
Rheinbach. 


Handel  und  InditstHe  der  Stt^t  Dtlaaeldorf.  473 

mittlung  von  Stundungen  für  schwache  Zahler,  Fest- 
setzung der  bei  Havarien  entstandenen  Schäden  etc.,  war 
der  Handlungsvorstand  gleich  nach  seiner  Constituirung 
bestrebt,  ein  den  Verhältnissen  in  etwa  entsprechendes 
Lagerhaus  hierselbst  zu  errichten.  Nach  baldiger  Ver- 
ständigung mit  der  Regierung  wurde  zu  diesem  Zwecke 
das  ehemalige  Hofbräuhaus,  das  auf  dem  jetzigen  Pack- 
hofe des  Hauptsteuer-Amtes  sich  befand,  von  dem  Hand- 
lungsvorstande zu  dem  Preise  von  9000  Reichsthaler 
käuflich  erworben.  Derselbe  führte  die  Verwaltung,  be- 
richtete aus  den  Intraden,  da  der  Ankauf  ein  Actien- 
untemehmen  der  Handlungsgeselischaft  war,  die  Zins- 
zahlung an  die  Actionäre  und  bestritt  die  Kosten  für  die 
Unterhaltung  des  Gebäudes.  Zeitweise  hatte  das  Lager- 
haus eine  ständige,  aus  3  Pfälzer  Invaliden  bestehende, 
und  von  einem  Corporal  befehligte  Wache. 

Einen  hervorragenden  TheU  seiner  Thätigkeit  ver- 
wendete der  Handlungsvorstand  auf  die  Befreiung  der 
Düsseldorfer  Schifffahrt  vom  Kölner  Stapel.  Das  soge- 
nannte Kölner  Stapelrecht  bestand  in  der  angeblichen 
Befugniss  Kölns,  von  jedem  den  Rhein  herauf  und  herunter 
fahrenden  Schiffer  zu  verlangen,  dass  er  beim  Passiren 
der  Stadt  den  Kölner  Hafen  anlaufe,  seine  Ladung  dort 
verzolle,  in  andere  ober-  oder  unterrheinische  Schiffe 
umlade,  und  seine  Waare  zu  Gunsten  der  stapelstädtischen 
Consumenten  während  dreier  Tage  feilbiete.  Letzere 
Forderung  war  bereits  im  Laufe  der  Jahre  in  Wegfall 
gekommen. 

Gegen  dieses  eigenartige  Recht  oder  Unrecht,  wie 
Windscheid  „Commentatio  de  Stapula  Düsseldorpii  1775" 
dasselbe  bezeichnet,  erhoben  die  Herzoge  von  Berg  in 
Gemeinschaft  mit  den  gleichfalls  interessirten  Regierungen 
der  Niederlande  und  der  Helvetischen  Republik  unaus- 
gesetzt, aber  vergeblich,  Einspruch. 

Wenn  wir  die  historische  Entwickelung  des  Stapel- 
rechts uns  vergegenwärtigen,  müssen  wir  uns  zurückver- 
setzen in  die  Zeiten  des  Faustrechts,  in  jene  Zeiten,  in 
welchen  jedweder  kleine  Potentat  sich  erlaubte,  wie  den 
Handel  auf  dem  Festlande  so  auch  den  Verkehr  auf  dem 
Rheine  durch  vollständig  willkürliche  Entnahme  von  Zöllen 
zu  stören  und  zu  erschweren.  Damals  flüchtete  sich  der 
Handel  in  die  Städte  unter  den  unmittelbaren  Schutz  der 
Kaiser.  Die  Kauf  leute  staffelten  daselbst  ihre  Waaren  auf, 
ohne  dass  dafür  eine  besondere  Abgabe  erhoben  worden 
wäre.  Allmählich  erst  gingen  Köln,  Mainz  und  Strassburg,  ge- 
stützt auf  ihr  Ansehen  und  ihre  damalige  Macht,  dazu  über, 
das  Stapelrecht  in  dem  oben  angeführten  Umfange  aus- 


474  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf, 

zubilden.  Köln  insbesondere  verlangte  in  Ausübung  des- 
selben, wie  in  einer  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  er- 
schienenen Brochüre  mitgetheilt  wird,  sogar,  dass  jedes 
von  Holland  kommende  Schiff,  welches  für  Düsseldorf 
Waaren  mit  sich  führte,  zunächst  in  seinem  Hafen  allen 
mit  dem  Stapel  verbundenen  Belästigungen  sich  unter- 
ziehe und  dann  erst  mit  seiner  Ladung  zum  hiesigen 
Platze  zurückfahren  solle. 

Schon  im  Februar  1687  hatte  der  Kurprinz  Johann 
Wilhelm  —  als  Vertreter  seines  Vaters  —  gegen  diese 
Anmassungen  protestirt  und  diesen  Protest  in  den  Jahren 
1679  und  1694  mit  Nachdruck  wiederholt,  jedoch,  wie 
schon  vorher  angedeutet,  ohne  Erfolg.  Anfangs  1701  er- 
ging an  den  Stadtschultheissen  von  Düsseldorf  der  Befehl, 
alle,  den  Bürgern  der  Stadt  Köln  zugehörenden,  den  Rhein 
auf-  und  abfahrenden  Schifte  so  lange  mit  Arrest  zu  be- 
legen, bis  den  diesseitigen  privilegirten ,  Markt-Schiflfern 
von  der  Stadt  Köln  (wegen  der  dortigen  Ausübung  des 
Stapelrechtes')  geziemende  Genugthuung  geleistet  werde. 
Tm  Jahre  1703  wurde  dieser  Befehl  durch  die  weitere 
Bestimmung  verschärft,  dass  alle  hier  gelegenen  Güter 
und  Gefälle  von  Magistrat-  und  Privatpersonen  der  Stadt 
Köln  sequestrirt  und  verkauft  werden  sollten.  Der  Ver- 
kauf fand  aber  nicht  statt,  auch  wurde  der  Sequester 
bald  aufgehoben,  die  geschilderten  Chikane  und  Be- 
lästigungen blieben  aber  zum  grossen  Schaden  unseres 
Platzes  bestehen. 

Durch  den  Lüneviller  Frieden,  nach  welchem  das 
linke  Rheinufer  an  Frankreich  tiberging  und  die  Schiff- 
fahrt auf  dem  Rheine  freigegeben,  alle  bestehenden  Zölle 
und  insbesondere  das  Stapelrecht  abgeschafft  wurden,  er- 
wartete man  die  endliche  Beseitigung  der  geschilderten 
Uebelstände.  Allein  auch  nach  diesem  Friedenstractate 
und  der  hinsichtlich  der  Freiheit  der  Rheinschifffahrt  ge- 
troffenen klaren  Vereinbarung  bestand  Köln  noch  auf  der 
Ausübung  seines  Stapelrechtes.  Der  hiesige  Handlungs- 
vorstand wandte  sich  daher,  da  die  Handelsvertretung 
der  Stadt  Köln  auf  Unterhandlungen  sich  überhaupt  nicht 
einliess,  mit  seiner  Klage  an  das  Französische  Ministerium. 
Unterstützt  wurden  seine  Vorstellungen  durch  den  in 
Paris  beglaubigten  kurj>fälzisch  -  baierischen  Gesandten 
Cetto,  durch  gleichzeitige  Intervention  der  niederländischen 
und  der  schweizerischen  Republik,  schliesslich  noch  durch 
Verwendung  des  ebenfalls  hierum  ersuchten  preussischen 
Ministers  von  Struensee.  Billiger  Weise  hätte  man  nun 
erwarten  sollen,  dass  die  Kölner  Rheinkommissarien, 
welchen  die  eventuelle  Execution  bei  Nichtbeachtung  der 


Handel  und  Industne  ihr  Stadt  Dd^seldorf.  475 

Stapelvorschriften  oblagt  während  der  Zeit  dieser  Ver- 
handlungen mit  möglichster  Milde  und  Schonung  gegen 
die  Düsseldorfer  Schiffer  vorgegangen  wären.  Anstatt 
dessen  überschritten  dieselben  aber  die  von  ihnen  selbst 
bisher  noch  beobachtete  Grenze,  indem  sie  ein  in  Mülheim 
vor  Anker  liegendes  Schiff,  welches  regelmässige  Fahrten 
zwischen  diesem  Platze  und  Düsseldorf  unternahm,  eines 
Tages  nach  Köln  abzuführen  suchten,  um  dort  die  Stapel- 
gebühren zu  erzwingen.  Solche  Früchte  hatte  der  Kölner 
Stapel  bis  jetzt  noch  nicht  gezeitigt;  nach  diesem 
Präcedenzfall  durften  alle  erdenklichen  Ausschreitungen 
erwartet  werden.  Daher  begab  sich  der  baierische  Hof 
kammerrath  Bertoldi  nunmehr  persönlich  zu  dem  auf  dem 
linken  Rheinufer  commandirenden  General  Ph.  Jacobe 
und  bat  ihn,  den  Kölnern  zu  weiteren  Executionen,  wie 
sie  solche  in  Mülheim  vorgenommen,  wenigstens  kein 
Militär  zur  Verfügung  zu  stellen.  Allein  auch  diese  Vor 
Stellung  hatte  wenig  Erfolg,  dagegen  schreckten  die  Stapel- 
belästigungen die  hiesigen  Schiffer  so  sehr  ab,  dass 
schliesslich  Niemand  mehr  den  Muth  hatte,  an  der  Stadt 
Köln  vorbeizufahren  und  ein  oberrheinischer  Schiffer  ge- 
dungen werden  musste,  um  unter  dem  Schutze  von 
bergischen  Dragonern  die  Vorbeifahrt  an  der  Stadt  Köln 
zu  wagen.  Die  Fahrt  gelang  auch  bis  Deutz,  dort  aber 
angekommen,  wurden  die  Bedeckungsmannschaften  ver- 
jagt und  das  betreffende  Schiff  auf  das  französische  Ufer 
herübergeholt. 

Diese,  für  den  Schifter  wie  Kaufmann  des  rechten 
Rheinufers  so  trostlosen  Verhältnisse  schildert  der  damalige 
herzogliche  Geheimrath  Jacobi  mit  den  Worten:  „Für 
den  diesseitigen  Uferbewohner  ist  kein  Handel  mehr  auf 
dem  Rhein  und  nichts  ist  dem  Deutschen  von  seinem 
vaterländischen  Strome  übrig,  als  die  Ueberschwem- 
mungen." 

Nach  der  ersten  Occupation  des  Herzogthums  Berg 
durch  die  Franzosen  im  Jahre  1795  wird  Düsseldorf  zu- 
erst als  wichtiger  Speditionsplatz  in  den  Annalen  der 
Schifffahrtsgeschichte  aufgeführt.  Es  hatte  die  verhält- 
nissmässig  sehr  schnelle  und  glückliche  Entwicklung  dieses 
Industriezweiges  ihren  Grund  in  dem  eigenmächtigen 
Auftreten  der  französischen  Douaniers,  die  zwar  unter  der 
Devise  der  Freiheit  und  Gleichheit  die  diesseitigen  Ufer 
besetzten,  hinsichtlich  der  Zollerhebung  sich  jedoch  eine 
WUIkür  gestatteten,  welche  die  grösste  Erbitterung  in 
den  Kreisen  der  Kaufleute  wie  Schifffahrttreibenden  her- 
vorrief. Von  Köln  aus  beherrschten  die  Douaniers  den 
ganzen  Niederrhein,  daher  der  Kölner  Hafen  nun  dieser- 


476  Uanifef  und  Imhtsfrie  der  Stadt  Düsseldorf. 

halb  sowohl,  als  wegen  der  vielen  mit  dem  dortigen 
Stapel  verbundenen  und  mit  Recht  gefürchteten  Chikane 
geflissentlich  gemieden  wurde.  Kein  Wunder,  dass  in 
Folge  dessen  die  Landstrasse  des  rechten  Rheinufers  zum 
Vortheile  Düsseldorf  8  fast  belebter  wurde,  als  der  Rhein. 
Ein  grosser  Theil  der  zu  Berg  fahrenden  Güter  wurde 
nämlich  am  hiesigen  Platze  gelöscht  und  mit  Umgehung 
des  Kölner  Stapels  und  der  französischen  Douaniers  von 
hier  per  Achse  nach  ZOndorf —  oberhalb  Köln  —  gebracht, 
um  von  dort  wieder  per  Schiff  an  den  Oberrhein,  meist 
nach  Frankfurt  überführt  zu  werden.  Oder  aber  die 
Güter  wurden  direct  von  hier  per  Achse  bis  Frankfurt  be- 
fördert. Ungeachtet  der  bedeutenden,  in  Folge  dieses 
unnatürlichen  Verkehrs  entstehenden  Spesen,  hatte  der- 
selbe zwischen  Düsseldorf  und  Frankfurt  um  diese  Zeit 
eine  so  grosse  Ausdehnung,  dass  im  Anfange  dieses  Jahr- 
hunderts 104745  Centner  holländischer  Güter  hier  ein- 
gingen, die  alle,  nach  Abzug  dessen,  was  davon  hier  am 
Platze  und  in  der  Umgegend  consumirt  wurde,  auf  dem 
vorhin  bezeichaeten  Wege  über  Zündorf  rheinaufwärts 
gingen.  Gegen  diese  bevorzugte  Stellung  Düsseldorfs 
gingen  aber  bald  die  Duisburger  sowohl  wie  die  Kölner  Kauf- 
leute und  Spediteure  vor,  indem  erstere  bei  dem  damaligen 
preussischen  Minister  von  Struensee  eine  Verfügung  er- 
wirkten, nach  welcher  das  Hauptzoll -Amt  in  Emmerich 
gehalten  war,  von  jedem  auf  Düsseldorf  fahrenden  Schilfe 
einen  ungleich  höheren  Zoll  zu  erheben,  als  von  den  für 
Duisburg  bestimmten,  um  auf  diese  Weise  sowohl  den 
Waarenverkehr  zum  Oberrhein  über  den  Duisburger 
Hafen  zu  führen,  als  auch  die  Spedition  des  damals 
schon  bedeutenden  bergischen  Landes  von  seinem  natur- 
gemässen  Hafen  abzulenken. 

In  gleicher  Weise  suchte  die  Kölner  Handelskammer 
die  hiesigen  Bemühungen,  den  Transit  immer  mehr  auf  das 
rechte  Rheinufer  zu  ziehen,  zu  vereiteln.  Sie  bemühte 
sich  nämlich,  durch  Rundschreiben  ihren  auswärtigen 
Handelsfreunden  begreiflich  zu  machen,  dass  die  gegen- 
wärtig beliebte  Beförderung  der  Güter  per  Achse  über 
Zündorf  mit  nicht  geringeren  Belästigungen  verbunden 
sei,  wie  der  Versandt  per  Schiff  über  Köln  und  Mainz, 
wo  nur  einige  ^oll-Formalitäten  zu  erfüllen  wären. 

Verhältnissmässig  günstiger  als  zu  Wasser,  war  die 
Verbindung  Düsseldorfs  in  damaliger  Zeit  mit  den  be- 
nachbarten, wie  entfernteren  Handelsplätzen,  zu  Lande. 
Nach  den  Mittheilungen  der  Jülich-Bergischen  Wochen- 
blätter haben  wir  nämlich  in  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  folgende  regelmässige  Postverbindungen: 


Handel  und  InduHrie  der  Stadt  Düsseldorf.  477 

Zweimal  in  der  Woche  fuhr  der  sogenannte  Kaiserliche 
Reichs-Postwagen,  vom  Reichsposthause  in  der  Lief er- 
gasse  hier,  nach  Köln  ab,  traf  gegen  1  Uhr  dort  ein,  und 
setzte  nach  kurzer  Rast  seine  Reise  nach  Bonn  fort,  wo 
er  gegen  ö  Uhr  Abends  ankam.  Der  sogenannte  kur- 
pfÄlzisch-privilegirte  Wagen  stellte  die  Verbin- 
dung mit  Aachen  her  und  fuhr  dreimal  in  der  Woche 
von  hier  nach  dort  ab  und  wiederum  hierhin  zurück. 
Vom  Jahre  1787  ab  war  es  möglich,  diese  Tour  in  einem 
Tage  zu  machen.  In  Aachen  hatte  die  Verbindung  An- 
schluss  nach  Lüttich,  Maestricht  und  Brüssel.  Der  Weseler 
Wagen  ging  zweimal  in  der  Woche  von  hier  über  Wesel 
nach  Amheim  und  Amsterdam,  wo  er  am  zweiten  bezw. 
dritten  Tage  ankam. 

Das  Postbureau  für  diese  Touren  wurde  im  Jahre  1 790 
von  der  Zollstrasse  zur  heutigen  Poststrasse  verlegt. 

Im  Jahre  1784  theilt  das  hiesige  Kur-Kölln  hoch- 
fürstlich Münster'sche  Postamt  mit,  dass  zwei- 
mal in  der  Woche  ein  Wagen  von  hier  über  Münster  nach 
Hannover,  Braunschweig,  Hamburg  und  Bremen  abgehe, 
das  Kurfälzische  Münster'sche  macht  aufmerk- 
sam auf  eine  neue  Verbindung  über  Dormagen  nach  Köln. 

Vom  Jahre  1806  ab  ist  das  Postwesen  durchaus  ge- 
regelt. Neben  den  fahrenden  Posten,  welche  von  diesem 
Jahre  ab  von  dem  Posthalter  Le  Jeune  von  der  Flinger- 
strasse  —  Kaiserliche  Reichspost  —  von  dem  Postmeister 
Maurenbrecher  in  der  Carlsstadt  und  von  der  Posthalterin 
Rettig  von  der  Citadell  abgingen,  und  den  Personen-  und 
Güterverkehr  mit  dem  gesammten  bergischen  Lande  so- 
wohl wie  weit  über  dessen  Grenzen  hinaus  vermittelten, 
haben  wir  von  jetzt  ab  auch  reitende  Posten,  welche 
tagtäglich  nach  aller  Herren  Länder  abgehen.  Ausserdem 
erwähnen  die  Jülich-Bergischen  Wochenblätter  von  1789 
an  auch  Postkarren,  namentlich  zur  Unterhaltung  des 
Verkehrs  zwischen  Düsseldorf  und  dem  Jülicher  Lande. 

Endlich  haben  wir  um  jene  Zeit  Postboten,  welche 
den  Packet-  und  Briefverkehr  Düsseldorfs  mit  solchen 
Orten  insbesondere  vermittelten,  welche  von  den  reitenden 
und  fahrenden  Posten  nicht  berührt  wurden. 

Innerhalb  der  Stadt  wurde  das  heutige  Droschken- 
fuhrwesen durch  die  Zunft  der  sogenannten  Porte  Chaisen- 
Traeger  ersetzt ;  dieselben  erhielten  für  das  Tragen  einer 
Pei'son,  von  welcher  sie  für  eine  ganze  Woche  gedungen 
waren,  7  Reichsthaler ;  für  ihre  Dienstleistungen  für  einen 
ganzen  Tag  —  12  Stunden  —  1  Reichsthaler  35  Stüber 
und  für  jeden  einzelnen  Gang  in  der  Stadt  35  Stüber. 


N 


478  Handel  und  hiduttrie  der  Stadt  DOsseidorf, 

Für  den  Handel  waren  inzwischen,  nachdem  das 
Herzogthum  Berg  zum  zweitenmal  von  den  Franzosen 
oecupirt  war,  Verhältnisse  eingetreten,  die  seine  En^ 
Wickelung  keineswegs  gQnstig  beeinflussen  konnten.  Schon 
der  mehrfache  Wechsel  der  Landesherrschaft  innerhalb 
20  Jahren  und  die  mit  demselben  verbundene  immer- 
währende Abänderung  der  für  den  Handel  bestehenden 
Vorschriften  musste  noth  wendiger  Weise  seiner  Ausdehnung 
höchst  hinderlich  sein.  Hierzu  kam  noch  als  weiteres 
ungünstiges  Moment  die  Unzufriedenheit  der  Einwohner 
mit  den  neuen  Verhältnissen,  die  wenig  guten  Beziehungen 
zu  den  benachbarten  Verkehrsstaaten,  endlich  die  von 
Napoleon  verhängte  Continentalsperre.  Durch  Verordnung 
vom  Jahre  1803  war  schon  für  das  Gebiet  der  fran- 
zösischen Republik  die  Einfuhr  von  Colonialwaaren,  welche 
aus  englischen  Colonien  stammten,  oder  unmittelbar  oder 
mittelbar  aus  England  kamen,  verboten  worden.  Diese 
Sperrmassregel  wurde  im  Jahre  1806  noch  dadurch  ver- 
schärft, dass  Frankreich  die  britischen  Inseln  in  Blokade- 
zustand  erklärte,  den  Handel  mit  denselben  gänzlich 
verbot  und  Briefe  und  Packete,  die  in  englischer  Sprache 
geschrieben  waren,  ohne  weiteres  confisciren  liess.  Jeder 
auf  französischem  Gebiet  betroffene  Engländer  galt  als 
Kriegsgefangener,  sein  Eigenthum  war  gute  Prise.  Ln 
October  1810  endlich  erging  die  Verfügung,  dass  alle  im 
Grossherzogthum  Berg  und  Holland,  in  den  Hansestädten, 
in  Italien,  in  den  illyrischen  Provinzen  —  dem  Königreich 
Neapel  und  den  besetzten  spanischen  Provinzen  befind- 
lichen englischen  Waaren  verbrannt  werden  sollten.  Hier 
in  Düsseldorf  fand  die  Verbrennung  dieser  Waaren,  wie 
ein  noch  lebender  Augenzeuge  berichtet,  auf  dem  Exer- 
cierplatz  hinter  der  Infanterie-Caserne  statt.  Wenige 
Tage  vorher  war  eine  Publication  erlassen  worden,  nach 
welcher  von  allen  im  Grossherzogthum  Berg  vorhandenen 
Colonialwaaren  innerhalb  zehn  Tagen  eine  Abgabe  ent- 
richtet werden  musste,  widrigenfalls  sie  conflscirt  und 
nach  Düsseldorf  gebracht  werden  sollten.  Dagegen  sollten 
Handel  und  Verkehr  im  Innern  gefördert  und  von  manchen 
bisher  bestandenen  Beschränkungen  frei  werden.  Es 
wurden  daher  zunächst  alle  vorhandenen  Zollbureaus, 
deren  es  eine  stattliche  Anzahl  damals  gab,  aufgehoben, 
desgleichen  alle  Inlandszölle,  diejenigen  ausgenommen, 
die  für  Unterhaltung  von  Brücken  und  Wegen  etc.  be- 
stimmt waren. 

Femer  wurden  durch  Decret  vom  3.  Dezember  1809 
alle  Privilegien  der  Kauf  leute,  alle  Vorrechte  der  Zünfte 
und  Innungen  abgeschafft.    Das  Zunftwesen  hatte  nun- 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf.  479 

mehr  seine  Bedeutung  verloren,  insofern  es  Jedem  frei- 
stand, nach  Entrichtung  der  betreffenden  Steuer  —  der 
sogenannten  Patentsteuer  —  jegliches  Geschäft  zu  eröffnen, 
jedes  Handwerk  zu  betreiben.  In  dem  darauf  folgenden 
Jahre  wurde  angeblich  zum  Schutze  der  heimischen  Textil- 
industrie eine  Belohnung  von  100000  Franken  für  den- 
jenigen ausgesetzt,  welcher  die  Indigo-Pflanze  hier  so  culti- 
viren  würde,  dass  der  daraus  gewonnene  Indigo  dem  von 
auswärts  bezogenen  an  Qualität  gleich  käme.  Ferner 
sollte  mit  einer  Million  Franken  beschenkt  werden,  wer 
die  tauglichste  Maschine  zur  Flachsspinnerei,  wie  solche 
bei  der  Baumwollverarbeitung  schon  eingeführt  war,  er- 
finden würde,  i)  Dagegen  wurden  im  wirklichen  Interesse 
der  Unterthanen  mannichfache  Verordnungen  zur  Be- 
schaffung guter  Nahrungsmittel  erlassen.  Beispielsweise 
war  nach  einem  Decret  vom  März  1807  der  Verkauf  des 
Bieres  nicht  eher  erlaubt,  bis  ein  vom  Polizei-Amte  dazu 
bestellter  Probemeister  von  dessen  Güte  sich  überzeugt 
und  hiernach  den  Preis  auf  6,  4  und  3  Stüber  festgesetzt 
hatte.  Zur  Beschaffung  guter  Backwaaren  wurden  die 
Müller  gehalten,  nach  einer  von  der  Stadtbehörde  ihnen 
alljähilich  vorgelegten  Probe  zu  mahlen,  und  durften  die 
Bäcker  nur  nach  diesem  Muster  Gemahlenes  verbacken. 
Aehnliche  Bestimmungen  ergingen  für  die  Metzger,  welche 
schon  mit  24  stündigem  strengen  Arrest  bestraft  wurden, 
sofern  nur  ein  schlechtes  Stück  Fleisch  in  ihrem  Hause 
vorgefunden  wurde.  Alle  diese  zum  Schutze  des  inlän- 
dischen Handels  wie  der  einzelnen  Unterthanen  getroffenen 
Maassnahmen  konnten  jedoch  den  Schaden  nicht  aufwiegen, 
den  die  Continentalsperre  verursachte. 

Von  industriellen  Anlagen  werden  um  1810—1812, 
nach  einem  in  der  damaligen  Dänzer'sche  Buchhandlung 
erschienenen  Kalender,  2  Bleiweissfabriken,  2  Essig- 
fabriken, 6  Hut-  und  3  Instrumentenfabriken,  2  Kratzen- 
und  6  Lichterfabriken,  4  Liqueur-,  2  Möbel-,  1  Parapluie-, 
1  Schreibfedern-,  4  Seifen-,  2  Senf-  und  2  Wagenfabriken, 
1  Siamosen-,  3  Tabakfabriken  und  eine  Zuckerfabrik  an- 
geführt. Ausserdem  werden  13  Colonial-  und  5  Material- 
waarenhändler  erwähnt,  19  Spediteure,  4  Wechselgeschäfte, 
14  Weinhandlungen  und  eine  Bierbrauerei,  1(>4  Wirthe 
und  7  Besitzer  von  Kaffeehäusern,  6  Apotheken,  5  Buch- 
händler, 7  Drucker  und  3  Fruchthändler.  Insbesondere 
wird  eine  in  der  ehemaligen  Cisterzienser  Abtei  in  Düssel- 
thal  präparirte  Stahl-Essenz  als  courante  Waare  ange- 
priesen und  scheint  dieselbe  als  Handelsartikel  auch  guten 

1)  Thatsächlich  waren  diese  Massregeln  gegen  Kngland  gerichtet. 


480  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf. 

Absatz  gehabt  zu  haben.  Die  Handelsgesellschaft,  welche  den 
Handlungsvorstand  wählte,  soll  damals  160 Mitglieder  gehabt 
imd  die  Einwohnerzahl  überhaupt  14472  betragen  haben. 

In  diese  Zeit  fällt  auch  der  Ausbau  unseres  am  Hof- 
garten  gelegenen  Sicherheitshafens,  welcher  auf  Verfügung 
Napoleon?  L,  nachdem  der  alte,  an  der  Hafenstrasse  ge- 
legene, zugeworfen  war,  von  französischen  Galeerensclaven 
ausgeschachtet  wurde.  Napoleon  hatte  nämlich  1811  be- 
stimmt, dass  aus  der  Grundsteuer  des  damaligen  Herzog- 
thums  Berg  eine  Sunuiie  von  100000  Franken  alljährlich 
zur  Verschönerung  von  Düsseldorf  und  zu  nützlichen  An- 
lagen, unter  Anderem  zur  Anlage  eines  Sicherheitshafens 
verwendet  werden  sollte.  —  Aus  den  bei  der  Ausschach- 
tung zusammengefahrenen  Erdmassen  entstand  der  Napo* 
leonsberg. 

Eine  der  letzten  Verordnungen  Napoleons  für  den 
Handel  Düsseldorfs  wie  des  gesammten  Grossherzog- 
thums  Berg  betraf  die  Einführung  eines  Tabakmono- 
pols. Nach  demselben  war  der  Anbau,  die  Einfuhr 
und  Verarbeitung  fremden  Tabaks  hierselbst  verboten. 
Sämmtliche  vorhandenen  Vorräthe  und  Maschinen  zur 
Zubereitung  desselben  mussten  der  Regierung  gegen  ent- 
sprechende Entschädigung  eingeliefert  werden  und  fand 
der  ausschliessliche  Verkauf  des  Tabaks  unter  Aufsicht 
der  Pariser  General-Zoll- Administration  statt.  Die  Haupt- 
niederlage für  das  Herzogthum  Berg,  welche  ihren  Be- 
darf von  der  Regie  aus  Paris  bezog,  war  in  Düsseldorf. 
Den  Hauptvertrieb  hatte  am  hiesigen  Platze  der  Kauf- 
mann Jacob  Peltzer;  eine  Filiale  befand  sich  auf  der 
ehemaligen  Napoleonsstrasse,  zwischen  der  Elberfelder- 
strasse  und  dem  alten  Paradeplatz. 

Gegen  Ende  des  Jahres  1813  lösten  sich  endlich  die 
Fesseln,  welche  der  Entwicklung  des  gesammten  rheini- 
schen Handels  so  lange  hinderlich  gewesen  waren.  Am 
15.  November  1813  kündigte  der  russische  General- 
lieutenant Graf  von  Priest  der  Stadt  Düsseldorf  an,  dass 
das  Grossherzogthum  von  den  Alliirtcn  besetzt  und  die 
Fremdherrschaft  beseitigt  sei.  In  demselben  Monate  noch 
erfolgte  die  Aufhebung  des  unnatürlichen,  die  Freiheit 
des  Handels  zerstörenden  Continentalsystems,  die  Einfuhr 
der  englischen  Waaren  wurde  wieder  erlaubt  und  ein  im 
Jahre  1808  von  Napoleon  erlassenes  und  für  den  Handel 
recht  unbequemes  Zollgesetz  abgeschaift. 

Das  Herzogthum  Berg  erfreute  sich  auch  schon  bald 
eines  lebhaften  Aufschwunges,  nur  Düsseldorf,  die  ehe- 
malige Residenz,  sollte  an  diesem  Aufblühen  keinen  be- 
sonderen Antheil  nehmen,  obgleich  der  Handlungsvorstand 


Handa  und  Industrie  der  Stadt  Düsseldorf.  481 

sowohl  als  die  Stadtverwaltung  sich  alle  erdenkliche 
Mühe  gaben^  Handel  und  Verkehr  nach  Möglichkeit  zu 
fördern,  was  um  so  leichter  versucht  werden  konnte,  als 
der  Oberbürgermeister  seit  dem  Jahre  1818  wiederum  den 
Vorsitz  bei  den  Verhandlungen  des  Handlungsvorstandes 
führte,  in  gleicher  Weise,  wie  vor  der  französischen  Zeit 
ein  Mitglied  des  pfalzbayerischen  Geheimraths. 

Insbesondere  vermochte  man  gegen  den  Störenfried 
des  gesammten  Niederrheins  —  man  darf  sagen  wunder- 
samer Weise  —  nichts  auszurichten.  Mit  der  wieder- 
erwachenden Freiheit  des  Handels  erhob  nämlich  das 
Kölner  Stapelrecht,  welches  wahrend  der  französischen 
Zeit  weniger  zur  Geltung  gekommen  war,  wieder  kühn 
sein  Haupt.  Noch  vor  endgültiger  Vereinigung  des  Gross- 
herzogthums  mit  der  Krone  Preussens  ersuchte  zwar  der 
Handlungsvorstand  gemeinschaftlich  mit  der  Stadt  Frank- 
furt den  damaligen  Gouverneur  von  Berg,  Justus  Grüner, 
um  endliche  Befreiung  von  diesen  Belästigungen;  auch 
wurde  gleich  nach  der  Inbesitznahme  der  Rheinprovinz 
ein  von  dem  Fürsten  von  Hardenberg  über  die  Unrecht- 
mässigkeit  des  Kölner  Stapels  ausgearbeitetes  Prome- 
moria  in  Berlin  übergeben  in  der  Erwartung,  endlich 
billiges  Gehör  zu  finden.  Man  gab  sich  um  so  mehr 
dieser  Hoffnung  hin,  als  das  Präsidium  des  Handlungs- 
vorstandes, bestehend  aus  dem  Präsidenten,  Staatsrath 
Arnold  Masset  und  dem  Mitgliede  Wilhelm  Niesstrass  von 
Sr.  Majestät  dem  Könige  Friedrich  Wilhelm  III.,  als  sie 
ihm  in  Aachen  Namens  des  hiesigen  Handelsvorstandes 
den  Eid  der  Treue  leisteten,  aufs  huldvollste  empfangen 
worden  waren. 

Die  endliche  Befreiung  erschien  aber  auch  um  so 
nöthiger,  als  Düsseldorf  nach  der  neuen  Zollordnung  be- 
fürchten durfte,  den  ihm  bis  jetzt  verbliebenen  Land- 
transport über  Zündorf,  und  damit  seine  gesammte  Spe- 
dition der  niederrheinischen  und  oberrheinischen  Güter 
zu  Gunsten  Kölns  zu  verlieren. 

Die  in  dem  Promemoria  geschilderten  misslichen  Ver- 
hältnisse wurden  denn  auch  Bti  höchster  Stelle  anerkannt 
und  der  Deputation  die  Abschaffung  des  Stapels  zu  wieder- 
holten Malen  zugesagt.  Aber  kaum  war  die  frohe  Kunde 
hierüber  bis  an  den  Rhein  gedrungen,  als  auch  schon 
bald  nachher  eine  entgegengesetzte  Mittheilung  derselben 
folgte.  Düsseldorf  konnte  nicht  einmal  vorübergehend  die 
freie  Fahrt  bei  Köln  erhalten,  der  Stapel  blieb  vielmehr  in 
Uebung  bis  zur  Rheinschifffahrts-Convention  im  Jahre  1831. 

Im  August  1816  ereignete  sich  sogar  der  Fall,  dass 
die  Kölner  einem  von  Coblenz  kommenden  Schiffe,  welches 

31 


482  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Diisgeldorf, 

Getreide  aus  dem  dortigen  Königlichen  Magazin  zur  Ver- 
theilung  an  die  hiesigen  Armen  hierhin  brachte,  die  Vor- 
beifahrt an  ihrer  Stadt  so  lange  verweigerten,  bis  der 
Schiflfsführer  158  Francs  Stapelgabahren  erlegt  hatte,  ob- 
gleich derselbe  zum  Schutze  gegen  jegliche  Belästigung 
einen  von  der  Militärbehörde  ihm  ttbergebenen  Pass  vor 
zeigte. 

Nach  einer  Aufstellung  des  schon  erwähnten  C.  H. 
Mindel  vom  Jahre  1817  hatte  Düsseldorf  um  diese  Zeit 
15587  Seelen,  der  Stadtbezirk  —  einschliesslich  der  Aussen- 
orte  —  22  653.  Von  Letzteren  gehörten  19909  der  katho- 
lischen Confession  an,  2440  der  evangelischen  und  303 
der  israelitischen;  hierzu  kam  noch  ein  Menonit.  Von 
Gewerbetreibenden  waren  nach  diesen  Mittheilungen  da- 
mals hier  ansässig: 

Bäcker  54,  Barbire  1 4,  Branntweinbrenner  38,  Büchsen 
macher  3,  Drechsler  6,  Färber  5,  Fechtmeister  1,  Fuhr- 
leute 35,  Fruchtmesser  6,  Gelbgiesser  3,  Goldarbeiter  15, 
Glaser  12,  Holzschneider  3,  Hut  macher  13,  Hufschmiede  8, 
Instrumentenmacher  5,  Karrenbinder  4,  Kürschner  3, 
Kupferschmiede  4,  Makler  5,  Maurer  23,  Musikanten  43, 
Optiker  2,  Perückenmacher  17,  Pliesterer  21,  Posamen- 
tirer  5,  Putzmacherinnen  3,  Sattler  22,  Schanker  70, 
Schuster  163,  Schneider  176,  Schreiner  100,  Schlosser  36, 
Schlächter  52,  Schiffer  19,  Schiffbauer  13,  Silberarbeiter  4^ 
Tapezirer  5,  Tanzmeister  3,  Uhrmacher  10,  Vergolder  6, 
Weber  19,  Winkelirer  44,  Zimmerleute  9,  Zuckerbäcker  10. 
Die  Zahl  der  Gasthöfe,  Weinstuben  und  Kaffeehäuser  hat 
sich  1817  nicht  geändert.  Unter  den  Handlungshäusern 
werden  166  als  bedeutende  genannt. 

Sechs  Zeitungen  wurden  nach  Mindel  im  Jahre  18 IG 
hier  herausgegeben,  nämlich:  Das  Amtsblatt  der  König* 
liehen  Regierung,  die  Düsseldorfer  Zeitung  von  Professor 
Krämer,  bei  Herrn  Bögemann  gedruckt,  das  Düsseldorfer 
Abendblatt,  welches  täglich,  das  Düsseldorfer  Intelligenz- 
blatt, welches  wöchentlich  bei  Hofkammerrath  T.  Stahl 
erschien,  die  Nieder  rheinischen  Blätter  bei  Franz  Friedrich 
Stahl  und  die  Monatsrosei»  vom  Instructionsrichter  von 
Haupt,  gedruckt  bei  Filurer. 

Aus  dem  Jahre  1816  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  die 
Thurn  und  Taxisschen  Posten,  welche  damals,  wie  in  ganz 
Deutschland,  so  auch  bis  1806  im  Grossherzogthum  Berg 
und  von  1814  ab  in  der  preussischen  Rheinprovinz  ein- 
geführt waren,  durch  Königlich  Preussische  Posten  ersetzt 
wurden.  In  diesem  Jahre  trat  nämlich  der  Füret  voa 
Thurn  und  Taxis  gegen  eine  bestimmte  Entschädigung^ 
seine   sämmtlichen  Postanstalten    an  Preussen  ab.     Die 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  DtlMeldorf,  483 

üebemahme  der  Postanstalten  durch  die  beiderseits  Be- 
vollmächtigteny  geschah  hierselbst  am  28.  Juni  1816. 

Zu  den  vorhin  geschilderten,  durch  die  Stapelbelästi- 
gungen herbeigeführten  Calamitäten ,  kam  nun  noch 
hinzu,  dass  die  Aufhebung  des  hiesigen  Freihafens  durch 
die  Königliche  Regierung  beschlossen  wurde. 

Ein  solche  Verfügung,  die  der  Spedition  unseres 
Platzes  unersetzbare  Verluste  bringen  musste,  war  um  so 
unerklärlicher,  als  Düsseldorf  Jahrhunderte  lang  im  Besitze 
eines  Freihafens  gewesen  war. 

Während  Köln  erst  im  Jahre  1798  durch  die  Fran- 
zosen einen  Freihafen  erhielt,  hatte  Düsseldorf  dieses 
Privilegium  schon  seit  1465.  Graf  Adolf  von  Berg 
empfing  nämlich  in  diesem  Jahre  von  der  Stadt  Düssel- 
dorf ein  freies  Geschenk  in  baarem  Gelde.  Hierfür 
sicherte  er  derselben  als  Gegenleistung  auf  ewige  Zeiten 
den  Besitz  eines  Freihafens  zu.  Seitdem  verblieb  unserem 
Platze  dieses  Recht  nicht  nur  Jahrhunderte  lang  voll- 
ständig unangefochten,  es  erhielt  vielmehr  im  Laufe  der 
Jahre  auch  seine  weitere  Sanction  durch  die  Regenten 
der  im  Herzogthum  einander  folgenden  Herrscher- 
stämme. 

Nach  dem  Erlöschen  des  altbergischen  Fürstenhauses 
und  dem  Eintritt  der  Kurbrandenburg-  und  Pfalz -Neuen- 
burger  Linie  in  die  Regentschaft  des  Herzogthums  wurde 
durch  Erb  vergleich  vom  9.  September  1699  zu  Gunsten 
der  Landesbewohner  die  Beibehaltung  aller  hergebrachten 
Privilegien  und  Freiheiten,  damit  auch  implicite  die  des 
bisherigen  Freihafens  vereinbart.  In  der  That  hat  denn 
auch  die  Pfälzische  Regierung,  während  ihrer  nahezu 
2(X)jährigen  Dauer  in  diesen  Landen,  das  Freihafenrecht 
der  Stadt  Düsseldorf  weder  beanstandet,  noch  zu  beein- 
trächtigen versucht,  im  Gegentheil:  dasselbe  wurde  durch 
eine  Kurfürstlich  bayerische  Verordnung  vom  30.  October 
1805  nochmals  feierlichst  bestätigt  und  zu  Gunsten  der 
Stadt  näher  interpretirt. 

Selbst  unter  französischer  Herrschaft  wurde  dieses 
Recht  anerkannt.  In  einer  Verfügung  des  grossherzoglich 
bergischeu  Finanzministeriums  vom  17.  September  1807 
heisst  es  nämlich  in  §  5:  „In  Folge  der  beschlossenen 
Aufhebung  der  Freiheiten  kann  die  Stadt  Düsseldorf  nicht 
mehr  von  den  Zollgefällen  befreit  sein,  welche  nunmehr 
wie  anderwärts  bei  dem  Aus-  und  Einladen  am  Rheine 
erhoben  werden  sollen,  jedoch  ohne  dass  der  Hafen 
seine  Freiheit  verliert."  In  Uebereinstimmung  mit 
diesem  Zugeständnisse  wurde  auch  bei  der  Organisation 

31* 


484  Handel  und  Industrie  der  Stadt  DHaseldorf. 

des  Zollwesens  durch  Napoleon  im  Jahre  1810  dieses  Vor- 
recht unversehrt  erhalten. 

Bei  Einführung  der  neuen  Zollordnung  durch  den 
schon  erwähnten  bergischen  General-Gouverneur  Justus 
Grüner  im  Jahre  1814  endlich  wurde  der  Besitz  fraglicher 
Berechtigung  abermals  anerkannt.  Ungeachtet  dieses 
vielhundertjährigen  Besitzstandes  und  ohne  Rücksicht 
auf  die  bei  höheren  und  höchsten  Behörden  versuchten 
Vorstellungen,  wurde  dem  Handlungsvorstande  am 
14.  April  1826  durch  das  hiesige  Obersteuer -Amt  mit- 
getheilt,  dass  die  bisherige  Befreiung  von  Durchgangs- 
zöllen für  die  in  den  Freihafen  eingeführten,  für  den 
Transit  bestimmten  Waaren,  aufgehoben  sei.  Der  Hand- 
lungsvorstand erhob  zwar  durch  einen  Notar  gegen  die 
erste  erzwungene  Zahlung  für  Verzollung  der  durch- 
gehenden Waaren  feierlichst  Protest,  indess  vergeblich. 
Alles  Demonstriren  wie  auch  eine  allerunterthänigste 
Vorstellung  an  Se.  Majestät  den  König  war  ohne  Erfolg. 
Durch  königliches  Decret  vom  13.  Februar  1827  wurde 
vielmehr  der  bisherige  Freihafen  definitiv  für  aufge- 
hoben erklärt. 

Vor  Abschluss  dieser  Periode  ist  noch  einer  weiteren 
Schädigung  zu  Ungunsten  unseres  Platzes  Erwähnung  zu 
thun.  Nach  einer  Verordnung  vom  28.  December  1828 
war  die  Bestimmung  getroffen,  dass  alle  Schiffe,  welche 
zwischen  Düsseldorf  und  Emmerich  fahren  und  an  den 
Zwischenplätzen  ein-  und  ausladen  würden,  von  dieser 
Binnenfahrt  nichts  zu  bezahlen  haben  sollten.  Diese  Be- 
stimmung wurde  nun  zu  Gunsten  der  Schiffer,  welche 
unterhalb  Düsseldorf  Ladung  nahmen,  dahin  erweitert, 
dass  dieselben  bei  Emmerich  vorbeifahren  durften,  ohne 
den  üblichen  Wasserzoll  daselbst  zu  entrichten,  während 
die  von  hier  abgehenden  Schiffe  ihre  Waaren  dort  ver- 
zollen mussten.  Dies  hatte  zur  Folge,  dass  sich  unter- 
halb Düsseldorf,  bei  Golzheim  ungefähr,  eine  BeurtschifF- 
fahrt  bildete,  welche  alle  bergischen  Güter  anstatt  von 
Düsseldorf,  von  Golzheim  nach  Holland  beförderte.  Die 
Aufhebung  dieser  Missstände  war  eine  der  letzten  Aufgaben, 
der  sich  der  Handlungsvorstand  nach  32jähriger  segens- 
reicher Wirksamkeit  unterzog.  Im  November  1831  nämlich 
schloss  derselbe  seine  Thätigkeit,  nachdem  er  sein  Archiv 
und  was  er  sonst  an  Eigenthum  besass,  an  die  Stadt- 
verwaltung abgegeben  hatte. 


Handel  und  IndustHe  der  Stadt  Düsseldorf,  485 

III.  Periode.    Tom  Jahre  1831  ab.i) 

Der  Rheinschiff fahrts- Convention  vom  Jahre  1831 
verdankt  Düsseldorf,  wie  der  erste  Bericht  der  in 
jenem  Jahre  errichteten  Königlichen  Handelskammer  s) 
ausführt,  das  beginnende  Aufblühen  seines  Handels  und 
seiner  Schifffahrt.  Beseitigt  sind  jetzt  alle  Monopole  und 
Vorrechte,  die  seit  länger  als  einem  Jahrhundert  zum 
grössten  Nachtheile  unseres  Platzes  bestanden  hatten,  die 
so  sehr  ersehnte  Freiheit  der  Schifffahrt  ist  endlich  er- 
rungen, die  rheinischen  Städte  sind  von  jetzt  ab  zu 
gleicher  Theilnahme  an  dem  Wettkampfe  auf  der  ge- 
meinsamen Verkehrsstrasse  berufen. 

Für  Düsseldorf  hatte  diese  Verkehrserleichterung  ins- 
besondere zur  Folge,  dass  es  nunmehr  die  commerziellen 
Vortheile,  welche  seine  bevorzugte  Lage  im  Mittelpunkte 
der  gewerbreichen  Kreise  Elberfeld,  Solingen  und  Lennep 
einerseits  und  Crefeld  und  Gladbach  andererseits  ihm 
darbot,  entsprechend  ausnutzen  konnte.  Die  in  den 
letzten  Jahren  einigermassen  in  Verfall  gerathenen  Rang- 
fahrten zwischen  hier  und  den  niederländischen  Handels- 
plätzen Amsterdam,  Rotterdam  und  Arnheim  wurden 
daher  nach  den  Bestimmungen  des  mit  der  Convention 
erlassenen  neuen  RheinschiflFfahrtsreglements  wieder  her- 
gestellt und  dadurch  eine  prompte  und  möglichst  schnelle 
Güterbeförderung  bei  billig  stipulirten  Frachtsätzen 
zwischen  Holland  und  hier  bewirkt.  Eine  gleiche  Rang- 
fahrt wurde  mit  Coblenz  und  Mainz  vereinbart  und  ver- 
mittelst der  Mosel  mit  Trier  und  Metz  erstrebt.  Die  Folge 
davon  war  eine  solch'  erhebliche  Vermehrung  der  Güter- 
zufuhr, dass  die  vorhandenen  Freihafen  *  Anlagen  bei 
weitem  nicht  mehr  ausreichten.  Die  schleunigste  Errichtung 
eines,  wenn  auch  zunächst  nur  provisorischen  Freihafen- 
gebäudes, war  aber  auch  um  so  nöthiger,  als  Düssel- 
dorf, welches  gleich  Köln  durch  die  Convention  einen 
Freihafen  erhalten  hatte,  in  Folge  noch  mangelnder 
Freihafengebäude  seiner  alten  Concurrentin  Köln  gegen- 


^)  Der  nun  folgende  Theil  der  Abhandlung  gibt  in  aller  Kürze 
eine  gedrängte  Uebe reicht  über  den  Aufschwung  unseres  Handels 
nach  und  in  Folge  der  Rheinsehifffahrts- Convention.  Eine  aus- 
führliche Darstellung  dieser  Entwickelung  wie  eine  Beschreibung 
der  im  Laufe  der  Jahre  hier  entstandenen  Industriezweige  bleibt 
einer  Fortsetzung  dieser  Abhandlung  vorbehalten.  —  Der  dem 
Verfasser  für  die  Bearbeitung  seiner  Aufgabe  zu  knapp  bemessene 
Raum  gestattete  nicht,  eine  auch  nur  annähernd  erschöpfende  Dar- 
stellung des  Handels  und  der  Industrie  während  der  letzten  40  Jahre 
in  diesem  Jahrbuche  erscheinen  zu  lassen. 

*)  Die  Handelskammer  trat  mit  erheblich  erweiterter  Conipetenz 
an  die  Stelle  des  aufgelösten  Hnndlungsvorstandes. 


486 


Hamlel  itml  Indnstn'e  det*  Stadt  Düsseldot^, 


über  sich  sehr  benachtheiligt  sah.  Während  nämlich  die 
für  Köln  bestimmten  Schiffe  bei  den  Qrenzsteuer-Aemtem 
in  Emmerich  und  Coblenz  nur  eine  Abschrift  ihres  Schiffs- 
manifestes zu  hinterlegen  brauchten  und  dann  ihre  Waaren 
unter  Begleitung  nach  Köln  in  den  Hafen  einführen 
konnten,  waren  die  Düsseldorfer  Schiffe  gehalten,  in 
Emmerich  und  Coblenz  eine  specielle  Declaration  einzu- 
reichen und  nach  Gutbefinden  der  Steuerbeamten  ihre 
Waaren  daselbst  einer  Revision  zu  unterwerfen,  welcher 
bei  ihrer  Ankunft  im  hiesigen  Hafen  eine  zweite  folgte. 
In  Folge  dessen  gelangte  Köln  mehrere  Tage  früher  in 
den  Besitz  der  gleichzeitig  mit  den  unsrigen  vom  Ober- 
oder Niederrhein  abgegangenen  Güter.  Diese  Unzuträg- 
lichkeit führte  soweit,  dass  Elberfeldor  Handlungshäuser 
nur,  um  der  mehrmaligen  Revision  zu  entgehen,  bedeutende 
Parthien  englischer  Garne  an  Düsseldorf  vorbei  nach 
Köln  bringen  liessen,  um  sie  von  dort  nach  Elberfeld  zu 
schaffen.  Die  Freihafengebäude,  für  welche  sogleich, 
nachdem  deren  Errichtung  nothwendig  geworden,  ein 
Platz  vor  dem  ZoUthore,  in  der  Nähe  des  ehemaligen 
Ballhauses  bestimmt  war,  wurden,  nachdem  der  Handels- 
stand mit  den  für  den  Bau  in  Frage  kommenden  Behörden 
sich  geeinigt  hatte,  an  dieser  Stelle  aufgeführt.  Gleich- 
zeitig wurde  eine  bedeutende  Erweiterung  des  Auslade- 
platzes für  steuerfreie  Güter  vorgenommen.  Diese  Anlage 
war  dadurch  nöthig  geworden,  dass  der  hiesige  Handel 
schon  im  ersten  Jahre  nach  der  Convention  sich  so  sehr 
gehoben  hatte,  dass  bei  dem  Hauptsteueramte  hierselbst 
gegen  das  Vorjahr  eine  Mehreinnahme  von  50000  Thalern 
erzielt  wurde.  In  diesem  Jahre  —  1832  —  kamen  1455 
Schiffe,  worunter  229  Dampfschiffe,  hier  an.  Die  ge- 
sammte  Gütereinfuhr  betrug  704470  Centner  gegen 
120529  im  Vorjahre,  1831. 

Die  weiteren  grossartigen  Erfolge  für  Handel  und 
Schifffahrt  in  den  nun  folgenden  Jahren  möge  nachstehende 
Aufstellung  in  etwa  veranschaulichen: 


Jahr 

Einfuhr 
Centner 

Ausfuhr 

Contner 

Ins- 

gesammt 

Centner 

dureli 
Schüre 

1831 

120  52?) 

21 597      142 126 

— 

1832 

704  470 

Handelsgüter            244  5<i7 
Getreide                     113  815 
Steinkohlen                346  088 

33937 

738407 

1455 

^ 

704470 

Handel  und  Induftrie  der  Stadt  Düaeeldorf, 


487 


• 

Jahr 

E  i  n  f  u  li  r 
Centner 

Ausfuhr.   ^.esammt 
Centner    i    Centner 

durch 
Schiffe 

1H33 

715  048 

Handelsgüter            208  829 
Getreide                       95  240 
Steinkohlen                310  979 
Consumtibilien            40  000 

52  375 

767  423 

1637 

715  048 

1834 


1 035  460 

Handelsgüter  381 6i>4 

Getreide  93  600 

Tannen-Holz  82  400 

Steinkohlen  398  280 

Stroh  und  Heu  34  000 

Salz  10  7(X) 

Obst  5  650 

Verschiedenes  29 166 


I 


57  019    1092  4791  1901 


1  035  460 


^-^ 

G7  053t   943253'  1799 

Liqueure 

Bpiritus 
Extracte 

Fabrik- 

waaren 


1835 


876  200 

Handelsgüter  388 109 

Getreide  87  280 

Steinkohlen  280  291 

Baumaterialien  60  300 

Heu  und  Stroh  ,*J30U0 

Holz  1 040 

Salz  10 180 

Verschiedenes  16000 


876  200 


1836 


855  542 


T.  Vom  Oben'hein 

Handelsgüter  73  464 

Baumaterialien  105  578 

Getreide  102  414 

Obst  und  Heu  18  680 


300136 

II.  Vom  Niederrhein 

Handelsgüter         245  588 
Getreide  2  492 

Salz  11 738 

Steinkohlen  295  588 


555  40() 
300136 


855  542 


1131441  1107186:  1606 


488 


Handel  tmd  IndtisMe  de%'  Stadt  Düsseldorf. 


Jahr 

Einfuhr 
Centner 

Ausfuhr 
Ooitner 

Ins- 
gesammt 
Centner 

• 

durch 
Schüre 

1837 

1026  465 

I.  Vom  Oberrhein 

Handelsgüter          81 272 
Getreide                   69  070 
Baumaterialien      128 183 
Obst,  Fourage         24271 

154177 

1180642 

1562 

302  796 

II.  Vom  Niederrhein 

Handelsgüter         302  932 
Getreide,  Oelsamen  14  714 
Salz                          11562 
Steinkohlen            394  461 

723  66» 
302  796 

1026465 

1838 

1079043 

I.  Vom  Oberrhein 

Handelsgüter         138 128 
Getreide                   83  500 
Baumaterialien        82  081 
Fourage                   18  690 

189  374 

Fabrik-, 

Manufak- 

tur-Waaren 

Weine 

Liqaeure 

1268417 

1881 

322399 

II.  Vom  Niederrhein 

Handelsgüter         366  693 
Getreide                  28  500 
Holz                           3 110 
Salz                             9  942 
Steinkohlen            378  399 

756  644 
322399 

1079043 

1839 

1 070  738 

I.  Vom  Oberrhein 

Handelsgüter         103  999 
Getreide                 112  444 
Baumaterialien      104  478 
Fourage                   37  080 

192028 

1 

1  262  766 

2419 

358001 

II.  Vom  Niederrhein 

Handelsgüter         316  639 
Getreide                   23  980 
Holz                            7  940 
Salz                          10  076 
Steinkohlen            347  374 
Fourage                     6  728 

• 

712  737 
358001 

1 070  738 

Handel  und  Indttsirie  der  Stadt  DüsaMorf, 


489 


Jahr 

Einfuhr 
Centner 

Ausfuhr 
Centner 

Ins- 
gresamint 
Centiier 

durch 
8chiffe 

1840 

1 160  952 

I.  Vom  Oberrhein 

Handelsgüter         101 849 
Qetreide                 135  500 
Baumaterialien      132  008 
Pourage                   22110 

135825 

1  296  777 

2763 

390467 

II.  Vom  Niederrhein 

Handelsgüter         332213 
Getreide                   16650 
Holz  und  Lohe       17  478 
Salz                          11 829 
Steinkohlen            365 155 
Heu  u.  Kartoffeln     26  160 

770485 
390467 

i 

1160952 

Hiernach  wurden  im  ersten  Jahrzehnt  nach  der  Con- 
vention von  17  023  Schiffen  9  799  476  Centner  Güter  hier 
an-  und  abgefahren. 

Im  Einzebien  wurden  von  den  vorzugsweise  während 
der  Zeit  vom  Jahre  1832  bis  1840  per  Schilf  hier  an- 
gekommenen Gütern  und  Rohstofl'en  folgende  Quantitäten 
gelöscht : 


1832  1833  1834  1835  1836  1^37 


1838  1839  1840 


Twiste 

Rohe  Baumwolle 

Baumwollen- 
game 

Krapp-Galläpfel 

Farbholz 

Sunnach- 
Quercitron 

Thran 

Oel  zu  Fabrik- 
zwecken 

Porzellan 

Wein 

Raps 

Kaffee 

Reis 

Zucker 

SüdfHichte 

Schmiedeeisen 

Rohes  Gusseisen 

Rohes  Eisen 

Maschinen 

Kupfer 

Blei 


Centn. 

61394 
15410 


11349 


9871 

11813 

3970 

4451 


Centn. 

43682 
9528 

103 
24102 
10775 


7966 
9767 


15380 

12562 

4655 

3742 

1225 


Centn.  'Centn. 
63496 


1181 
1661 
2114 


19927 

48824 
47944 
16327 


14614 
14300 

25141 
8347 

16701 
3832 

2168 


14500 


28909 
16101 

10751 
13591 

10771 
10974 
19030 


19041 
6588 
5860 
3883 
2784 
3205 


2490 
4241 


Centn. 

51882 
19240 


32203 
9371 

12463 
9957 

17564 

9945 

17680 


15509 
4326 

10926 
2564 
2684 


566 


275 


Centn. 
76067 


Centn. 
99043 


2047724000 


46172 
14831 

17236 
16150 

24000 
11031 
12366 


64553 
16569 

18753 
13390 

23064 
11790 
14767 


17137 
6178 

2971 
6516 


19063 
5731 
5810 
3879 

40010 


2566 
3105 
1126 
45f;0 


645 
2395 
1266 
9350 


Centn. 

84254 
17923 


13780 
22775 

27987 
14054 

11801 
12457 
11421 


18598 

7162 

585(> 

1696 

603 


Centn. 

81249 
1<;863 


24680 
22389 

17884 
20226 

18385 

8823 

17469 


19294 

11287 

12239 

3810 

7978 


1730 


847  1600 
2170  7190 


490  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Dttesefdatf, 

Neben  dieser  Schiffsverbindung,  bei  welcher  sich  die 
Niederländische,  die  Rhein -Yssel-  und  die  Dampfechiff- 
fahrts-Gesellschaft  illr  den  Nieder-  und  Mittelrhein  vor- 
zugsweise betheiligten,  nahm  auch  das  Frachtfuhrwesen 
an  der  Güterbeförderung  einen  wesentlichen  Antheil. 
Es  wurden  nämlich  per  Achse  alljährlich  durchschnittlich 
100000  Centner  hier  an-  und  300000  Centner  von 
hier  abgefahren.  Letztere  waren  meistens  Speditions- 
güter, insbesondere  Fabrik-  und  Manufacturwaaren,  Wein, 
Liqueure  und  Spiritus.  Im  Jahre  1834  repräsentirten 
dieselben  einen  Werth  von  65  000  Thalem. 

Die  hiesigen  Spediteure  Hessen  es  aber  auch  weder 
an  Billigkeit  der  Spesenberechnung,  noch  an  Umsicht  und 
zweckmässigen  Einrichtungen  und  Erleichterungen  tür  den 
Oütereigner  fehlen,  um  mit  anderen  Rheinhafenstädten  die 
Concurrenz  bestehen  zu  können.  In  Folge  dessen  florirte 
dieser  Industriezweig  vor  allen  andern  in  einer  Weise, 
dass  in  sämmtlichen  Berichten  über  die  damaligen  Handels- 
verhältnisse von  einer  stets  fortschreitenden  Entwickelung 
der  Spedition  die  Rede  ist. 

Ein  gleicher  Aufschwung  wird  von  dem  hiesigen 
Banquiergeschäft  gemeldet,  dessen  Umschlag  für  das  Jahr 
1836  auf  6  Millionen  Thaleir  geschätzt  wird,  wobei  noch 
ein  bedeutender  Theil  in  Staatspapieren  und  Actien  un- 
berücksichtigt bleibt. 

Neben  diesen  ganz  hervon*agend  in  der  Entwickelung 
begriffenen  Geschäftszweigen  sind  in  den  ersten  dreissiger 
Jahren  als  verhältnissmässig  bedeutend  der  Grosshandel 
in  Colonial-,  Färb-  und  Materialwaaren ,  im  Droguen- 
und  Getreidegeschäft  zu  erwähnen.  Denselben  reihen 
sich  als  annähernd  ebenbürtig  folgende  Fabriken,  be- 
ziehungsweise Etablissements  mit  fabrikmässigem  Betriebe, 
an:  verschiedene  Zuckerraffinerieeni  Bleiweiss-,  Tabak- 
und  Wagenfabriken,  Gerbereien,  Tuch-  und  Siamosen- 
Manufacturen  und  einige  Seifensiedereien;  10  Liqueur- 
fabriken,  welche  im  Jahre  1833  12000  Ohm  inländischen 
Branntweins  veredelten  und  daraus  flu*  annähernd  250000 
Thaler  Fertigfabrikate  herstellten,  welche  Summe  im  Jahre 
1834  sogar  auf  400000  Thaler  stieg.  Unter  den  Wagen- 
fabriken, die  circa  180  Arbeiter  beschäftigten,  ist  besonders 
die  im  Jahre  1818  von  einem  damaligen  Oberpostsecretair 
Willmanns  eingerichtete  Königl.  Postwagenfabrik  zu  er- 
wähnen, welche  al^ährlich  210 — 225  Postwagen  fertig- 
stellte. Im  Anfange  hatte  sie  nur  den  Zweck,  die  am 
hiesigen  Platze  erforderlichen  Wagen  zu  unterhalten; 
bald  aber  wurden  ihre  Leistungen  so  sehr  anerkannt, 
dass  der  Bau  wie  die  Reparaturen  sämmtlicher  Postw^agen 


Handel  und  lutlusirk  der  Siadt  DUsseldorf.  491 

Rheinlands  und  Westphalens  ihr  Qbertragen  wurden,  in 
Folge  dessen  sie  im  Jahre  1851  für  die  Unterhaltung  von 
600  auf  den  verschiedenen  Routen  unserer  westlichen 
Provinzen  kursirenden  Wagen  zu  sorgen  hatte.  Die 
meisten  Arbeiter  —  annähernd  200  —  beschäftigte  die 
Kattundruckerei  und  Weberei  von  F.  A.  Deus.  Ueber 
100  Arbeiter  fanden  ihren  Unterhalt  in  der  damals  be- 
rühmten  lithographischen  Anstalt  von  Arnz  &  Cie.,  eine 
fast  gleiche  Anzahl  in  einer  WoU-Eratzenfabrik.  Unter 
letzteren  befanden  sich  viele  Kinder,  welche  in  der 
stadtischen  Freischule,  unter  steter  Aufsicht  in  zwei  Ab- 
theilungen, abwechselnd  tüglich  8 — 9  Stunden  in  der 
Weise  beschäftigt  wurden,  dass  der  eine  Theil  Unterricht 
in  den  Elementargegenst&nden  erhielt,  während  der  andere 
Handarb  3it  verrichtete. 

Die  Gesammtzabl  der  im  Jahre  1834  hier  beschäftigten 
Fabrikarbeiter  soll  1021  betragen  haben.  Die  Anzahl 
der  Kaufleute  mit  kauftnännischen  Rechten  betrug  damals 
14Ö,  während  420  Kaufleute  ohne  kauftnännische  Rechte 
hierselbst  domicilirt  waren. 

Zwei  Jahre  später  —  1836  —  melden  die  Berichte 
der  Handelskammer  zuerst  von  der  Anlage  zweier  Dampf- 
maschinen, in  dem  Etablissement  der  Firma  Deuss  &  Moll 
und  in  einer  Kammfabrik,  wozu  im  Jahre  1837  noch  eine 
dritte  in  einer  Foumirschneiderei  hinzukommt. 

In  diesem  Jahre  fand  auch  die  erste  DQsseldorfer 
Gewerbeausstellung  statt,  welche  in  33  Tagen  von  9555 
Fremden  besucht  wurde.  Dieselbe  wurde  auf  Veranlassung 
eines  schon  im  Jahre  1834  zum  Schutze  des  hiesigen 
Gewerbes  gegrOndeten  Vereins,  welcher  sich  vorzugsweise 
mit  der  Heranbildung  der  Lehrlinge  und  Gehülf^n  des 
Bauhandwerks  befasste,  abgehalten.  Durch  Vermittelung 
dieses  Vereins  erhielten  die  betreffenden  Lehrlinge  unent- 
geltlichen Unterricht  in  der  Mathematik,  Physik  und  Chemie, 
auch  stand  denselben  im  Vereinslokale  ein  Lesecabinet 
mit  entsprechenden  Fachschriften  zur  Benutzung  offen. 

Das  durch  die  erste  Ausstellung  erzielte  günstige 
Resultat  veranlasste  im  Jahre  darauf  einen  hiesigen 
Industriellen,  Schimmelbusch^  eine  Gewerbe-  und  Industrie- 
Ausstellung  des  Regierungsbezirks  Düsseldorf  auf  seine 
eigene  Kosten  zu  arrangiren,  welche  gleichfalls  von  Nah 
und  Fem  gut  besucht  wurde. 

Der  Kleinhandel  hatte  an  dem  geschilderten  mehr 
und  mehr  hervortretenden  Aufblühen  einen  nur  geringen 
Antheil.  Vom  Beginne  des  vorigen  Jahrhunderts  an  be- 
klagt er  ohne  Unterlass  und  mit  Recht  die  seine  Existenz 
gefährdenden   öffentlichen   Waaren  -  Auctionen,   wie   das 


4d3  Handel  und  Industrie  der  Stadt  DüBseldcrf. 

Hausiren  durch  Reisende  von  Haus  zu  Haus.  Letztere 
Klagen  wurden  aber  aucii  bald  bei  den  Grossisten  laut, 
deren  Geschäfte  durch  holländische  Grosshändler  dadurch 
höchst  nachtheilig  beeinfiusst  wurden,  dass  dieselben  durch 
ihre  Agenten  und  Provisionsreisenden  in  hiesiger  Gegend 
in  Colonial-  wie  in  anderen  Waaren  bei  den  Consumenten 
Aufträge  in  den  kleinsten  Quantitäten  entgegennahmen 
und  solche  auch  sofort  effectuirten. 

Die  vorhin  erwähnte  günstige  Verbindung  Düsseldorfs 
mit  den  ober-  wie  niederrheinischen  Plätzen  vermittelst 
der  Segel-  wie  Dampf-Schiilfahrt  sollte  im  Jahre  1837  eine 
erhöhte  Bedeutung  durch  eine  directe  überseeische  Ver- 
bindung mit  London  erfahren.  Zu  diesem  Zwecke  hatte 
sich  am  hiesigen  Platze,  in  Crefeld,  Gladbach  und  in  Köln 
eine  sogenannte  „deutsch  -  englische  Dampfschifffahrts- 
Gesellschaft"  gebildet,  welche  in  kurzer  Zeit  zur  Inan- 
griffnahme ihres  Planes  ein  Capital  von  100000  Thalern 
zusammenbrachte.  Aber  schon  im  folgenden  Jahre  musste 
das  Project  aufgegeben  werden,  weil  innerhalb  des  Comitees 
durch  die  Kölner  Mitglieder  Differenzen  herbeigeführt 
wurden,  welche  das  ganze  Unternehmen  zum  Scheitern 
bringen  mussten. 

Mit  um  so  grösserer  Energie  wurde  das  schon  im 
Jahre  1832  hier  aufgetauchte  Lieblingsproject  einer  Eisen- 
bahnverbindung Düsseldorfs  mit  Elberfeld  durchgesetzt. 
Der  Verkehr  zwischen  diesen  Handelsplätzen  war  damals 
ein  so  sehr  ausgedehnter,  dass  an  der  Rentabilität  des 
neuen  Unternehmens  nicht  gezweifelt  werden  konnte, 
weshalb  es  auch  überall  in  den  interessirten  Kreisen 
Anklang  fand.  Das  im  Jahre  1836  auf  der  Düsseldorf- 
Elberfelder  Landstrasse  beförderte  Güterquantum  er- 
reichte nahezu  eine  Million  Centner.  Die  Personenfrequenz 
war  so  gross,  dass  der  Postverkehr  zwischen  hier  und 
Elberfeld  nächst  demjenigen  von  Berlin  und  Köln  mit 
ihrer  Umgebung  der  bedeutendste  in  der  ganzen  preussi- 
sehen  Monarchie  war;  in  gedachtem  Jahre  wurden  auf 
dieser  Strecke  12500  Personen  befördert,  gleich  34  pro  Tag. 

Sehr  günstig  und  viel  versprechend  war  dem  Projecte 
die  schon  erwähnte,  auf  gemeinsame  Anregung  der  Elber> 
felder  und  hiesigen  Handelskammer  am  22.  Septembei* 
1836  ins  Leben  gerufene  Dampfschifffahrts- Gesellschaft 
für  den  Nieder-  und  Mittelrhein,  der  Bau  unseres  Frei- 
hafens, die  vorgesehene  Errichtung  der  Schiffbrücke  und 
die  von  der  Stadt  Neuss  vollführte  Schüfbarmachung  der 
Erft  bis  zu  ihrer  Mündung  unweit  Düsseldorf.  Letztere 
Anlage  war  von  Bedeutung  wegen  des  nunmehr  sebnelleii 
und  wohlfeilen  Getreidetransportes  von  dem  damals  be- 


Haiuhl  und  Industrie  der  Stadt  Dtlsseldorf.  493 

deutendsten  Fruchtmarkte  unserer  Provinz  zu  dem  ost- 
rheinisehen  Fabrikbezirke. 

Die  erste  Fahrt  auf  der  im  Jahre  1838  bis  Erkrath 
fertiggestellten  Eisenbahn  fand  am  lö.  October,  dem  Ge- 
burtstage des  damaligen  Kronprinzen  statt,  während  der 
eigentliche  Tag  der  Betriebseröffhung  der  1.  Dezember 
dieses  Jahres  war. 

Im  folgenden  Jahre  wurde  während  der  günstigen 
Jahreszeit  zweimal  wöchentlich,  sonst  nur  an  Sonntagen 
gefahren.  Am  10.  April  des  Jahres  1841  war  die  Strecke 
Erkrath -Vohwinkel  ausgebaut,  und  am  S.September  dieses 
Jahres  konnte  die  ganze  Strecke  bis  Elberfeld  dem  Be- 
triebe tibergeben  werden. 

In  gleicher  Weise,  wie  der  Ausbau  dieser,  wurde  kurze 
Zeit  nachher  der  Bau  einer  Bahn  aus  dem  Kohlenrevier 
der  Ruhr  über  Kettwig  nach  hier,  ferner  einer  Bahnver- 
bindung Düsseldorfs  mit  Köln,  sowie  einer  solchen  durch 
den  Canton  Sittard  nach  der  Maass,  zum  Anschluss  an  das 
grosse  belgische  Eisenbahnnetz  und  den  Hafen  von  Ant- 
werpen geplant.    Letzterer  Ausbau  wurde  um  so  mehr 
erstrebt,  als  man  auf  diese  Weise  eine  Schutzwehr  gegen 
das  mächtige  holländische  Schiffs-Monopol  zu  erhalten  hoffte. 
In  diese  Zeit  fällt  auch  die  Anlage  einer  Gasfabrik 
und    Errichtung    eines    Fruchtmarktes    hierselbst.    '  Aus 
letzterem  Anlass  wurde  in  der  Nähe  des  Schwanen marktes 
eine  Fruchthalle  zur  Aufnahme  desjenigen  Getreides  er- 
baut, welches  am  Markttage  nicht  verkauft  werden  konnte, 
und  gleichzeitig  für  Beschaffung  eines  Fonds  gesorgt,  aus 
welchem    entsprechende  Vorschüsse    auf  die    nicht  ver- 
kauften  Quantitäten   gegeben  werden   sollten.    Ein  hie- 
siger Banquier  erbot  sich,  der  Stadtverwaltimg  hierzu  die 
nöthigen  Geldmittel  gegen  Zahlung  von  41/2  Procent  zur 
Verfügung  zu  stellen;  dieselbe  konnte  indessen  bei  der 
Abneigung  der  Regierung  gegen  dieses  Project  von  dem 
Anerbieten  keinen  Gebrauch  machen.    Nach  Schluss  des 
Marktes  hatte  der  Marktmeister  der  Handelskammer  un- 
verzüglich schriftlichen  Bericht  über  die  Anfuhr  des  Ge- 
treides sowohl,  als  den  Verkauf  und  die  erzielten  Preise 
zu    erstatten.    Die   Marktwaare   kam   ausschliesslich   zu 
Wasser  an,  das  per  Fuhre  gebrachte  Getreide  gelangte 
selten  auf  den  Markt;  es  wurde  meist  den  Consumenten 
direct  zugeführt. 

Vorstehende  Daten  sind  die  erwähnenswerthesten  aus 
dem  ersten  Jahrzehnt  nach  der  für  Düsseldorfs  Entwicke- 
lungr  so  bedeutsam  gewordenenRheinschifffahrts-Convention. 
Die  Oberbürgermeisterei  hatte  in  diesem  Jahre  32000, 
die   Stadt  Düsseldorf  24000  Einwohner. 


494  Hantlei  und  Industrie  der  Stadt  DBsBeidorf, 

Ein.  detaillirtes  Bild  Qber  den  Oesammt-Gttterverkehr 
während  dieser  Zeit  bis  zum  Jahre  1851,  ergibt  die  am 
Schlüsse  angeführte  Tabelle.   Dieser  rege  Güteraustausch 
hatte  im  nächsten  Jahrzehnt  zur  Folge,  dass  der  Frei-  und 
der  Sicherheitshafen;  welch'  letzterer  im  Jahre  1839  noch 
vergrössert  worden  war,  den  Anforderungen  des  Verkehrs 
nicht  mehr  genügten.   Die  Stadtverwaltung  kaufte  daher 
die  sogenannte  Golzheimer  Insel,  woselbst  sie,  neben  dem 
bestehenden  einen  zweiten  Sicherheitshafen  anzulegen  be- 
absichtigte. Das  zwischen  beiden  Häfen  liegende  Terrain 
sollte  zu  einer  Anlage  für  Schiffsbauwerfte  eingerichtet 
werden.   —  Leider  ist  das  Project  nicht  zur  Ausführung 
gelangt.    —    Die    geplanten    Erweiterungen    erschienen 
namentlich  wegen  des  ungeahnt  grossartigen  Aufschwungs, 
den  die  Dampfschifffahrt  in  kurzer  Zeit  genommen,  als 
ein  unabweisbares  Bedürfniss.    Bis  zur  Mitte  der  vierziger 
Jahre  florirte  zwar  noch  die  Segelschifffahrt,  besonders 
auf  der  Stromstrecke  von  den  holländischen  Häfen  nach 
Düsseldorf.    Nach  dieser  Zeit  zeigte  es  sich  jedoch  immer 
mehr,  dass  das  schwerfällige,  und  in  seinen  Bewegungen 
zu  langsame  Segelscl*  "  dem  leicht  beweglichen  Dampf- 
schiffe   gegenüber    die    Concurrenz     nicht    mehr    aus- 
zuhalten vermöge.    Der  hiesige  Handelsstand  bemühte 
sich  daher,  da  die  Bedeutung  der  Dampfschifffahrt,  ins- 
besondere der  Dampfschleppschifffahrt,  für  den  ferneren 
Verkehr  auf  dem    Rhein  wie  für  die  Entwickelung  der 
einzelnen     Rheinhafenstädte     entscheidend    zu     werden 
schien,   für  Düsseldorf   eine   eigene  Dampfschleppschiff- 
fahrt zu  erhalten,  was  um  so  nöthiger  war,  als  eine  in 
Köln  schon  bestehende  Gesellschaft  die  Frachtsätze  für 
Düsseldorf  ganz  unverhältnissmässig  hoch  angesetzt  hatte. 
Die  schon  mehrfach  erwähnte,  vorzüglich  eingerichtete 
Dampfschifffahrts-Gesellschaft  für  den  Nieder-  und  Mittel- 
rhein, welche  den  Güterverkehr  rheinaufwärts  bis  Mainz, 
(wo  weiter  directer  Anschluss  mit  Basel  bestand)  und  rhein- 
abwärts  mit  Rotterdam  vermittelte,  (von  wo  directe  Ver- 
bindung  mit   der   englischen  General-Steam  -  Navigation- 
Company  gegeben  war),  konnte  das  vorhandene  Bedürfniss 
nicht  befriedigen.    Es  wurde  daher  die  heutige  Dampf- 
schleppschifffahrts- Gesellschaft  gebildet,  deren  Erfolge  für 
die  Entwickelung  des  Handels  unseres  Platzes  eine  gleiche 
Bedeutung  erhielten,  wie  diejenigen  der  Gesellschaft  für 
den  Nieder-  und  Mittelrhein. 

Die  Zahl  der  in  den  Jahren  1841 — 1850  im  hiesigen 
Hafen  ein-  und  ausgegangenen  Scliiffe  beträgt  38  274  mit 
15006165  Centner  Güter  gegen  17023  Schiffe  mit 
9799476  Center  während  der  Zeit  vom  Jahre  1831—1841. 


HaitM  und  Iitdiutri«  der  Stadt  DitttUorf. 


495 


In  den  einzelnen  Jahren  kamen  an: 

1641 :  3154,  worunter  1841  Dampfechiffe  mit  1 357  859  Ctr. 

„    1385233  „ 

„    1552112  „ 

„    1505083  y, 

r,    1742296  „ 

„    1757432  „ 

r,    1668982  „ 

„    1255976  „ 

r>    1200151  „ 

.1581541  . 


1842: 

3510 

n 

2180 

1843: 

3839 

n 

2512 

1844: 

4257 

n 

2911 

1845: 

4019 

91 

2697 

1846: 

4055 

71 

2803 

1847: 

3951 

n 

2717 

1848: 

3727 

ji 

2742 

1849: 

3734 

n 

2825 

1850: 

4028 

n 

2880 

ri 


38274 


15006165 


Die  Haupteinfuhr-Artikel  bildeten  HandelsgQter,  Ge- 
treide, Steinkohlen  und  Holz.  Vorzugsweise  wurden  in 
den  einzelnen  Jahren  folgende  Waaren  und  Rohstoffe 
hier  eingeführt: 


Im  Jahre 

1841  1  1S42  I 

1948 

1344 

1846 

1846 

1847     1343  1 

1349     1360 

Ctr. 

Ctr. 

Ctr. 

Otr. 

Ctr. 

otr. 

otr. 

Ctr. 

Ctr. 

Ctr. 

Twi0tft 

9M40 

86676 

97262 

68684 

— 

76997 

60170 

61868 

66626 

70877 

Rohe  Baumwolle 

12616 

18966 

16114 

18214 

— 

18696 

12216 

86994 

14660 

16898 

Krapp 
Farbnols 

4U109 

66606 

66372 

29206 

— 

61917 

64497 

24676 

62119 

44692 

23180 

26663 

21301 

13323 

— 

13673 

20383 

17837 

2iin 

88698 

Farbmatetialien  und 

I>roKueu 
QuereltroihCarcuma, 

1901 

2164 

8363 

2666 

— 

3179 

2440 

6664     6194 

9766 

Sumach 

— 

24629 

20929 

13244 

— 

12318 

19682 

20193 

14996 

16177 

Indicro 

— 

243^ 

1764 

2621 

^ 

3296 

2760 

1710 

6260 

4489 

Kreide,  Blei  weis« 

674 

6207 

7434 

6366 

— 

620^ 

7466 

6821 

6400 

9266 

l*ottaaehe,  Soda, 

Alaun,  Vitriol 

882 

10868 

17830 

— 

— 

9640 

10994 

10963 

90061 

26886 

Thrao 

17812 

14866 

16316 

16464 

— 

10967 

16210 

16866 

19060 

14900 

FabrikOl 

11060 

— 

29847 

21812 

— 

20627 

21420 

16776 

29740 

86786 

Fonellan,  Steingut 

11781 

11938 

6986 

8667 

— 

10680 

644 

700 

8390 

11394 

Wein 

1960& 

lb866 

21062 

12793 

— 

82660 

23894 

22249 

18890 

86867 

Kaffee 

22616 

20926 

21691 

22062 

^ 

21160 

20960 

16468 

87040 

18460 

Reto 

896i 

18767 

9927 

9782 

~- 

9760 

90600 

7900 

9646 

7040 

Zucker 

6347 

9423 

193231    8306 

-^ 

10708 

11602 

90928 

7606 

7941 

SadfirOchte 

— 

6678 

7669 

4866 

— 

8606 

'    6668 

4662 

8624 

8690 

Getreide 

167610 

1434'J4 

128976 

171060 

— 

863160 

268801 

69770 

87630 

161968 

Ball 

7840 

18393 

9841 

10990 

_ 

10000 

,  11197 

10000 

8690 

11782 

Holt,  ureüitoates 

6148S 

78686 

88696 

68982 

— 

100088 

91863 

99610 

73666 

147669 

Mcbmiede-  und 

6260 

Roh-Eiaen 

19168 

61606 

28704 

— 

._ 

"^^ 

_ 

87689 

19064 

Hteinkohlen               1890409 

866311 

882069 

448068 

446883 

806818 

8636*23 

221196 

113682 

184241 

Kupfer,  Blei,  Zinn,   1 

1 

1 
1 

( 

Zink 

1      686 

in2i 

!    9493 

8039 

— 

9686 

16667 

16910 

16182 

1  12604 

Die  Ausfuhr,  welche  1841:  124609  Ctr.,  1842:  148578 
Ctr.,  1843:  219647  Ctr.,  1844:  114.S38Ctr.,  1845:  206360 
Ctr.,  1846:  200113  Ctr.,  1847:  201021  Ctr.,  1848:  233504 
Ctr.,  1849:  227023  Ctr.,  1850:  350862  Ctr.  betrug,  umfasste 
2um  grössten  Theil  Handelsgüter,  Kalksteine,  Dach- 
schiefer, Getreide  und  Kartoffeln. 

In  den  hiesigen  Fabriken,  Engros-  und  Detail-Gesch  Aften 
traten  während  der  vierziger  Jahre  folgende  Aenderungen 
ein:  Es  bestanden  hier  am  Platze  im  Jahre  1850  gegen 
1 840  (eingeklammerte  Zahlen)  Bankgeschäfte  6  (5),  Kauf- 


496  Handel  und  Industrie  der  Stadt  DüseM&rf. 

leute  en  gros  40  (17),  Spediteure,  Speditions-  und  Com- 
missionsgeschäfte,  zum  Theil  in  Verbindung  mit  Colonial- 
und  Material waaren  -  Geschäften  59  (16  Spediteure), 
Bijouterie-Handlungen  9  (8),  Destillationen  12  mit  60 — 65 
Arbeitern  (9),  Tuchhandlungen  9  (5),  Buch-  und  Kunst- 
handlungen 17  (9),  Farbereien  2  mit  28— 30  Arbeitern  (2), 
TQrkischrothfftrbereien  seit  1843  1  (3),  Tabakfabriken  5 
mit  250  Arbeitern  (1848  2  mit  78  Arbeitern),  Kattun- 
druckereien  4  mit  320  Arbeitern  und  ca.  1800  Nessel- 
webem  in  Westfalen  (1842—48:  2  mit  200  Arbeitern), 
Fabriken  fUr  baumwollene  und  mit  Wolle  gemischte 
Waaren  6  mit  13  Webem,  700  Spulem  und  600  Webern 
in  Wesfalen  (entstanden  Ende  der  40er  Jahre),  Getreide- 
handlungen 18  (1843:  10),  Weinhandlungen  16  (2),  Holz- 
handlungen  12  (1842:  2),  Schönfärberei  und  chemische 
Waschanstalt  2  (1),  Bleiröhren-,  Zinnröhren-,  Walzblei- 
und  Bleidraht- Fabrik  1  seit  1847,  Bonbon-  und  Zucker- 
waarenfabrik  1  seit  1844,  Holzschneidereien  2,  Ziegeleien  3, 
Kalkbrennereien  1,  Eisengiessereien  1  mit  10  — 13  Ar- 
beitern (bis  1849  2),  Kleinkrämer  307  (278),  Trödler  32  (32), 
Kohlenhändler  17  (17). 

Aus  dieser  Aufstellung  in  Verbindung  mit  vorstehender 
Tabelle  und  den  weiteren  Angaben  über  die  Ein-  und 
Ausfuhr  geht  hervor,  dass  Handel  und  Industrie  unseres 
Platzes  während  des  II.  Jahrzehntes  nach  der  Rheinschiff- 
fahrts-Convention  sich  nicht  weniger  günstig  entwickelten 
als  während  der  vorhergegangenen  Periode.  Dies  trifft 
in  erster  Linie  für  die  Spedition  zu,  welche  mit  der  in 
den  vierziger  Jahren  erfolgten  Eröffnung  der  verschiedenen, 
Düsseldorf  berührenden  Bahnen,  wie  mit  der  immer  mehr 
und  mehr  sich  vollziehenden  Entwickelung  und  Vervoll- 
kommnung unserer  Dampfschifffahrt  naturgemäss  von 
Jahr  zu  Jahr  an  Bedeutung  gewinnen  musste. 

In  gleicher  Weise  hatte  der  Colonialwaarenhandel, 
dessen  Artikel  einem  beständigen  Wechsel  unterworfen 
sind,  weil  sie  zum  grossen  Thcil  als  rohe  Naturproducte 
in  den  Handel  kommen,  und  darum  von  klimatischen  und 
örtlichen  Verhältnissen,  wie  von  dem  Erfolge  der  jedes- 
maligen Ernte  abhängen,  zufriedenstellende  Abschlüsse. 
Ein  Beweis  hierfür  ist  schon  in  der  Vermehrung  der  En- 
gros-Oeschäfte  für  die  Artikel  dieser  Branche  zu  erblicken, 
wie  in  dem  weiteren  Umstände,  dass,  ungeachtet  der  da- 
dui'ch.  hervorgerufeneu  Concurrenz,  über  Mangel  an  Absatz 
nicht  geklagt  wird. 

Auch  der  Handel  mit  Farbmaterialien,  Droguen  und 
Farbholz,  mit  Thran,  Fabriköl  und  Wein  ist  keineswegs 
unbedeutend. 


Handel  und  Industrie  der  Stadt  Dusseldorf,  497 

Recht  gut  war  während  des  jetzt  zu  beschreibenden 
Zeitraumes  die  Textilindustrie  beschäftigt.  Die  Kattun- 
druckereien stellte»  beispielsweise  im  Jahre  1846  über 
100000  Stück  fertiger  Waareil  her;  sie  würden  diese  Zahl 
noch  sehr  überschritten  haben,  wenn  es  nicht  an  dem 
nöthigen  Rohstoff,  an  rohem  Nessel  gefehlt  hätte.  Die 
Türkisch-Roth-Färbereien,  in  der  ersten  Hälfte  der  vier- 
ziger Jahre  ein  blühender  Industriezweig,  gingen  vom  Jahre 
1W6  ab,  in  welchem  ihre  Production  auf  circa  5  Millionen 
Pfund  Garne  geschätzt  wird,  immer  mehr  zurück,  weil 
auf  Twiste  und  Farbstoffe  ein  so  hoher  Eingangszoll  gesetzt 
war,  dass  dadurch  die  Concurrenz  dem  Auslande,  nament- 
lich Belgien  gegenüber,  nicht  behauptet  werden  konnte. 
Bei  gleichen  Einkaufspreisen  mit  dem  Engländer  hatte 
der  hiesige  Fabrikant  nämlich  pro  1000  Pfd.  47  Thaler 
Bezugs-  und  Zollkosten,  gleich  161/2%  des  Werthes  des 
Rohstoffes  zu  tragen.  In  Folge  dessen,  namentlich  auch, 
weil  ein  für  die  Ausfuhr  der  gefärbten  Game  erbetener 
Rückzoll  nicht  gewährt  wurde,  gingen  mehrere  hiesige 
Fabrikanten  dazu  über,  in  Belgien,  wo  erwähnte  Eingangs- 
zölle nicht  gezahlt  wurden,  Filialen  ihrer  Fabriken  zu 
errichten. 

Sehr  belebt  war  in  der  Mitte  der  vierziger  Jahre 
der  Fruchtmarkt.  Im  Jahre  1846  wurden  circa  150000 
Centner  mehr  hier  angefahren  als  im  Jahre  1845.  Hierbei 
machte  sich  der  Mangel  geeigneter  Räume  zum  Auf- 
speichern der  Früchte  so  sehr  bemerkbar,  dass  mehrere 
für  Düsseldorf  bestimmte  Schiffe  zum  Unterbringen  ihrer 
Ladungen  nach  Neuss  dirigirt  werden  mussten.  Die 
Handelskammer  bemühte  sich  daher  für  die  Beschaffung 
entsprechender  Localitäten  in  der  Nähe  der  sogenannten 
Reuterkaseme,  sowie  auf  freien  hierzu  geeigneten  Plätzen 
vor  dem  Bergerthore. 

Von  noch  grösserer  Bedeutung  für  den  hiesigen  Handel, 
namentlich  für  die  Sicherheit  des  Transportes  und  zugleich 
auch  zur  Beseitigung  der  französischen  Concurrenz  wurde 
die  auf  Veranlassung  der  Handelskammer  im  Jahre  1842 
ins  Leben  gerufene  Gesellschaft  für  den  See-,  Fluss-  und 
Landtransport,  welche  im  Jahre  1845  auf  8750  Policen 
einen  Werth  von  circa  11 1/9  Millionen  Thaler  versicherte. 
Vom  Zeitpunkt  der  Eröffnung  ihres  Betriebes  an  entwickelte 
diese  Gesellschaft  fortschreitend  eine  immer  grössere 
Thätigkeit. 

In  das  allgemeine  Aufblühen  fast  aller  Industrie-  und 
Handelszweige  brachte  das  Jahr  1848  durch  die  politischen 
Unruhen  eine  früher  nie  in  diesem  Masse  gekannte  Störung. 
Mit  den  besten  Hoffnungen  war  man  in  dieses  Jahr  ein- 


498  Handel  nml  Industrie  der  Stadt  DOaseldorf. 

getreten.  Der  Erudtesegen  des  abgelaufenen  Jahres 
hatte  der  arbeitenden  Klasse  wohlfeile  Nahrungsmittel 
verschafft,  namhafte  Aufträge  gaben  der  Gewerbethätig- 
keit  neuen  Aufschwung  uild  verhiessen  der  Arbeit  ge- 
bührenden Lohn.  Da  kam  die  Kunde  von  den  Februar- 
Ereignissen  in  Paris.  Der  ersten  Ueberraschung  folgte 
schon  bald  die  Ueberzeugung,  dass  die  Revolution  des 
Nachbarlandes  auch  für  Deutschlands  politische  Gestaltung 
wie  sociale  Lage  von  grossem  Einfluss  sein  würde.  Die 
gehegten  Befürchtungen  für  den  Handel  zeigten  sich  auch 
schon  recht  bald  als  wohlbegründet.  Es  trat  eine  all- 
gemeine Geschäftsstockung  ein.  Das  Silber  verschwand, 
die  Goldsorten  stiegen,  Papiergeld  diente  fast  allein  zur 
Ausgleichung  der  Verbindlichkeiten,  Eisenbahnactien  und 
Staatspapiere  sanken  im  Course  bis  zu  30  und  40  Procent, 
Waaren  und  Immobilien  waren  kaum  zu  verwerthen, 
Wechsel  in  langer  Sicht  fanden  keine  Nehmer. 

Da  griff  die  Staatsregierung  ein,  indem  sie  zum 
Schutze  des  Handels  und  der  Industrie  Unterstützungs- 
und später  Darlehnskassen  einführte.  Düsseldorf  wurden 
aus  diesem  Anlass  8000  Thaler  bewilligt,  welche  als  Vor- 
schüsse meist  an  kleine  Gewerbetreibende  gegeben  wur- 
den. Am  meisten  hatten  am  hiesigen  Platze  unter  diesen 
Calamitäten  der  kleine  Handwerkerstand,  wie  die  im 
Baufache  beschäftigten  Arbeiter,  zu  deren  Unterhaltung 
die  Stadt  grosse  Summen  aufwenden  musste,  zu  leiden. 

Die  durch  die  Eisenbahn  im  zweiten  Jahrzehnt  nach 
dem  Abschluss  der  Rheinschifffahrts-Convention  veranlasste 
Güterbewegung  am  hiesigen  Plätze  wird  in  der  Fort- 
setzung dieser  Abhandlung  in  tabellarischer  Uebersicht 
veranschaulicht  werden.  Schon  jetzt  sei  hierzu  für  die 
Strecke  Düsseldorf-Elberfeld  bemerkt,  dass  auf  derselben 
vom  1.  September  1841  bis  1.  September  1842  von  hier 
aus  136615  Personen  befördert  wurden  und  241091  Ctr. 
Güter,  während  die  Personenft-equenz  in  demselben  Zeit- 
räume von  Elberfeld  nach  hier  125196  betrug  und  das 
Gesammtgewicht  der  beförderten  Güter  nur  14654  Ctr.  aus- 
machte. Als  sehr  förderlich  für  den  hiesigen  Verkehr  erwies 
sich  die  Anlage  von  Geleisen  zur  Verbindung  des  Eiber- 
felder  Bahnhofes  mit  dem  Rheine,  bezw.  unserem  Zollhofe. 
Hierdurch  war  es  ermöglicht,  die  per  Schiff  angekommenen 
Güter  direct  auf  die  Eisenbahnwaggons  und  umgekehrt 
vom  Waggon  in's  Schiff  überladen  zu  können.  Von 
gleichem  Vortheil  für  Düsseldorf  war  die  im  Jahre  1849 
vorgenommene  Vereinigung  der  Düsseldorf  -  Elberfelder 
mit  der  inzwischen  ausgebauten  Bergisch-Märkischen  Bahn. 
Am  20.  December  1845  schon  war  die  Verbindungslinie 


Ha}%d€l  und  InduHrU  der  Stadt  Düsseldorf. 


499 


Deutz-Düsseldorf  der  Köln-Mindener  Eisenbahn-Gesellschaft 
eröffnet  worden;  im  Februar  1846  war  der  Ausbau  der- 
selben über  Düsseldorf  bis  Duisburg  und  im  Mai  1847  bis 
Hamm  vollendet,  worauf  am  15.  October  1847  die  ganze 
Strecke  von  Deutz  bis  Berlin  dem  Betriebe  übergeben 
werden  konnte.  Im  Jahre  1852  endlich  wurde  die  Aachen- 
Düsseldorfer  Bahn  zunächst  bis  Gladbach  und  im  Januar 
des  darauf  folgenden  Jahres  bis  Aachen  fertig  gestellt. 
Mit  der  Vollendung  letzterer  wurde  Düsseldorf,  durch 
seine  geographische  Lage  schon  der  naturgemässe  Hafen 
für  das  bergische  Land,  zu  einem  wichtigen  Stapelplatze 
für  die  Industrie  des  gesammten  Niederrheins. 

SammaiiBche  Ueberslcht 

über  den  RheinschiffTahrts- Verkehr  zu  Düsseldorf  vom  Jahre  1831—1851. 


Einfuhr 

Ausfuhr    ! 

1 

Jahr 

Handels- 

a.  andere 

Ottter 

Centner 

Ge- 
treide 

Centner 

Stein- 
kohlen 

Centner 

Im 
Qanzen 

Centner 

Diver- 
se Gü- 
ter 
Centner 

Stein- 
kohlen 

Oentner 

Im 
Gan- 
zen 

Centner 

Einfuhr 

und 
Ausfuhr 

Centner 

1831 
1832 
1833 
1834 
1835 
1836 
1837 
1838 
1839 
1840 
1841 
1842 
1843 
1844 
1845 
1846 
1847 
1848 
1849 
1850 
1851 

244567 

268829 
543574 
508629 
455048 
548220 
618644 
586940 
643647 
675329 
725910 
826430 
691182 
876428 
788356 
846<^2 
741456 
816716 
9444S5 
990129 

113815 

95240 

93600 

87280 

104906 

83784 

112000 

136424 

152150 

167512 

143434 

123976 

171060 

213160 

363150 

258801 

59770 

87680 

151953 

1745^6 

346088 
310979 
398280 
280291 
295588 
394461 
328399 
347374 
366155 
390409 
366811 
382059 
448068 
446338 
305812 
362523 
221196 
118632 
134241 
116138 

120529 

704470 

715048 

1,035460 

876200 

855542 

1,026465 

1,079043 

1,070738 

1,160952 

1,233250 

1,236155 

1,^2465 

1,311310 

1,535926 

1,557319 

1,467961 

1,022422 

973028 

1,230679 

1,280853  i 

21597 
33937 
52375 
57019 
67053 
113144 
154177 
189374 
192028 
135825 
124(K)9 
148578 
219647 
193773 
20<i370 
200113 
201021 
167041 
153577 
184524 
202078 

664^)3 

73546 

16(;338 

246127 

21597 
33937 
52375 
57019 
67053 
113144 
115177 
189374 
192028 
135825 
124609 
148578 
219647 
193773 
206370 
200113 
201021 
233504 
227123 
350862 
448205 

142126 

738407 
767423 
1,092479 
943253 
1,107186 
l,180f*>42 
1,2<W417 
1,262766 
1,296777 
1,357859 
1,385233 
1,552112 
1,505083 
l,74229<i 
1,757432 
1,668982 
1,255926 
1,200151 
1,581541 
1,729058 

ENDE 


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